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WALTHER ZIMMERLI

DER MENSCH
UND S E I N E H O F F N U N G
IM ALTEN TESTAMENT

W A N D E N H O E C K & RUPRECHT IN GÖTTINGEN


Walther Zimmerli
geboren 1907 in Schiers (Graubünden, Schweif), studierte
1925—1929 in Zürich, Berlin und Göltingen Theologie,
war 1929—1930 Wärter an der schweizerischen Anstalt
für Epileptische in Zürich, 1930—1933 Assistent für
Altes Testament in Göttingen, promovierte hier 1932 zum
lic. theol, 1932—1933 Inspektor am theologischen Spra-
chenkonvikt, war 1933—1935 Pfarrer in Aarburg (Aar-
gau, Schweiz,), wurde 1935 auf den Lehrstuhl für „Altes
Testament, Religionsgeschichte und orientalische Sprachen"
in Zürich als Extraordinarius berufen, 1938 Ordinarius,
seit 1940 zugleich Hausvater im Reformierten Theologen-
haus, Feldprediger in der schweizerischen Armee, im Som-
mersemester 1947 (und monateweise auch 1948—1950)
Gastprofessor an der Kirchlichen Hochschule und der Hum-
boldt-Universität Berlin, seit 1951 Ordinarius für Altes
Testament in Göttingen, Frühling 1963 Gastprofessor an
der Yale University Divinity School in New Havenj
Conn. — Veröffentlichungin: I.Mose 1—// (Prophezei)
1943, 19673 (Zürcher Kommentare), Erkenntnis Gottes
nach dem Buche Ezechiel 1954 ; Das Alte Testament als
Anrede 1956 ; Ezechiel (Biblischer Kommentar) seit 1955 ;
Das Buch des Predigers Salomo (Altes Testament Deutsch)
19672;GottesOffenbarung,GesammelleAufsätze 1963; Das
Gesetz,unddie Propheten (Kleine Vandenboeck-Reihe), 1963;
The Law and the Prophets (fames Sprunt Lectures 1963)
1965.

Mün

Kitine Vmdcnbo-.tk-Reibe 272 S

Umschlag: Hans Dieter Ullrich. — © Vandcnhoeck Sc Ruprecht,


Göttingen 1968. — Printcd in Germany. — Ohne ausdrückliche
Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Werk oder
Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu verviel-
fältigen. — Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
8857
Meinen Brüdern
NATIIANAEL und ERNST
im Nachgang zum 80. und Vorgriff
auf den 60. Geburtstag
Vorwort

Die elf hier vorgelegten Vorlesungen stellen, mit Ausnahme


der letzten, die nicht mehr gehalten werden konnte, eine im
Sommersemester 1967 „für Hörer aller Fakultäten" gehaltene
Vorlesungsreihe dar. Den Anstoß dazu hat die Beschäfdgung
mit Ernst Blochs Verwendung des Alten Testamentes ge-
geben. Daß in der letzten Vorlesung das Gespräch mit Ernst
Bloch (wenn auch in dem ganz begrenzten Rahmen, den die
Themastellung des Ganzen erforderte) aufgenommen wird,
will darum nicht als eine modische Aufschmückung, sondern
als — bei aller Divergenz der Sicht — dankbarer Hinweis auf
den Mann verstanden sein, der durch sein glutvolles Reden vom
„Prinzip Hoffnung" auch den Leser des Alten Testamentes
zwingt, sich neu darüber Rechenschaft zu geben, wo denn recht
eigentlich die HofFnungsaussagen der biblischen Rede gründen.
Da die Vorlesungen sich an den weiteren Kreis der Hörer
aller Fakultäten richten, ist auf die fachwissenschaftliche Aus-
einandersetzung im engeren Sinne weithin verzichtet worden.
Die Anmerkungen wollen dem Leser, der über die bespro-
chenen alttestamentlichen Texte mehr erfahren möchte, erste
Hinweise geben, wo er sich näher orientieren kann. Die
Wiedergabe des alttestamentlichen Textes, zu deren Begrün-
dung auf die Fachliteratur und den Apparat der 3. Auflage
der Biblia Hebraica von Rud. Kittel verwiesen sei, lehnt sich,
wie der aufmerksame Leser feststellen wird, oft an die Über-
setzung der Zürcherbibel an, die zu einem großen Teil der
stillen Arbeit meines Lehrers und Vorgängers auf dem Zürcher
alttestamentlichen Lehrstuhl, Jakob Hausheer, zu danken ist.
Doch ist überall, wo sich im Grundtext der alttestamentliche
Gottesname Jahwe findet, dieser beibehalten worden. Auch
die Transkription der Eigennamen folgt der Zürcherbibel.
Für die Mitarbeit an den Korrekturen habe ich meinem Assi-
stenten Dr. Christian Jeremias zu danken.
W. Z.

5
I. D i e F r a g e . D a s V o k a b u l a r

Die Menschheit hat in unseren Tagen im Blick auf die Be-


wältigung ihrer Umwelt einen gewaltigen Sprung nach vorne
getan. Es stehen Perspektiven der technischen Meisterung der
Materie, der Lebensvorgänge und des Raumes vor uns, vor
denen uns der Kopf schwindelt.
Wir werden nicht ebenso sagen, daß der Mensch so wie seine
Umwelt auch sich selber und sein Geheimnis bewältigt hätte.
Mitten in all seinen technischen Fähigkeiten ist dieser Mensch
mehr denn je auf der Suche nach sich selber.
Ruhte er in den großen Entwürfen idealistischer Philosophie
des vergangenen Jahrhunderts noch eingebettet in einem
großen Weltzusammenhang, so ist er in unseren Tagen aus
dieser Geborgenheit herausgescheucht worden. Das er-
schreckte Erwachen der Nachkriegszeiten hat dem existen-
tialistischen Menschenverständnis mit seinen Erfahrungen der
Angst und der Ungeborgenheit weitherum Gehör verschafft.
Was ist es um des Menschen Wesen? Ist es nicht recht eigent-
lich durch das Sein zum Tode, durch seine Zeitlichkeit, in
welcher der Mensch als Mensch nur durch seine eigene Ent-
scheidung im Augenblicke recht leben kann, gekennzeichnet?
Gibt es über den Augenblick der Entscheidung hinaus eine
wirkliche Kontinuität geschichtlichen Lebens?
Die Frage nach der Möglichkeit einer Zukunft des Menschen
mußte sich von diesem Grunde her neu und elementar stellen.
Hat dieser tief in seiner Existenz bedrohte Mensch, der sich
gerade durch all die Möglichkeiten, die ihm Wissenschaft und
Technik in die Hand geben, neuen, nie zuvor so gekannten,
umfassenden Bedrohungen ausgesetzt sieht, noch ernsthaft
eine Möglichkeit von Zukunft und Hoffnung? In dieser Lage
traf Ernst Blochs großes philosophisches Hauptwerk „Das
Prinzip Hoffnung" 1 , das nicht nur den Menschen, sondern
seine ganze ihn umgebende Welt bis hin zu der ihn um-
gebenden Natur in ihrer Geschichte von der Anlage auf

7
Zukunft und Hoffnung hin zu verstehen sucht, auf einen be-
reiteten Boden. Es hat sich rasch eine lebhafte Diskussion
über dieses aus der ganzen Geistesgeschichte der Menschheit
und nicht zuletzt auch mit nachdrücklichen Verweisen auf
das Alte Testament reich illustrierte Buch entsponnen, auch
gerade im Bereich der Theologie2.
Das Stichwort „Hoffnung" selber stellt nun freilich keine Er-
findung der in ihrer Existenzbedrohung nach Hilfe ausschau-
enden Moderne dar. Es bietet sich dem christlichen Glauben
sehr voll vom Neuen Testamente her an. Dort spielen die
Worte elpis „Hoffnung", elpi^ein „hoffen" eine nicht un-
beträchtliche Rolle. In seiner Untersuchung dieser Worte hat
Bultmann3 zunächst den Gebrauch des Wortes in der griechi-
schen Literatur klargestellt. Das Wort, dessen Grundstamm
welp- mit dem lateinischen velle „Wollen", voluptas „das (er-
wünschte) Vergnügen" zusammenhängt, hat im Griechischen
die sehr weite Bedeutung von „Erwartung" von der Zukunft
bekommen, wobei dann die besondere Näherbestimmung
durch ein Adjektiv deutlich machen muß, welcher Art die
Erwartung ist, ob eine „gute Erwartung" (elpis agathi, glykeia,
hilard, chresti) oder eine „schlechte Erwartung" (elpis kaki) *.
Der Mensch kann ermahnt werden, sich nicht den verführeri-
schen Erwartungsbildern zu ergeben. „Nur ein Gott geht in
seinen Erwartungen nicht fehl, der Menschen elpides sind un-
sicher", stellt Bultmann für die griechische Welt fest8. Auf
diesem Hintergrunde will auch die mythische Erzählung von
der Büchse der Pandora, mit der Hesiod seine „Werke und
Tage" einleitet, nach ihrer ursprünglichen Bedeutung ver-
standen sein, elpis bleibt die beim Menschen immer wieder
ungewisse Erwartung. „Hoffnung und Gefahr sind sich beim
Menschen ähnlich. Alle beide sind sie schlimme Gottheiten
(chalepoi daimones)", sagt Theognis 637f.8 Als Ansporn für
menschliche Tüchtigkeit (techne) hat Hoffnung allerdings
ihren großen Wert. Aber sie ist blind — so ist es im gefesselten
Prometheus des Aeschylos ganz unverhohlen gesagt. Auf
die Feststellung des Prometheus: „Frei macht' ich Menschen
vom Voraussehn des Geschicks" und die darauf folgende
Frage des Chores: „Und welches Heilkraut findest du

S
für diese N o t ? " (näml. die N o t des Nichtwissens der Zu-
kunft) ergeht die Antwort des Prometheus: „Hoffnung,
die Bünde, lud ich unter ihre Schar" (typhläs en autois elpidas
katökisa) '.
Demgegenüber zeigt die neutestamentliche Verwendung der
Worte elpis und elpi\ein eine andere Akzentuierung. Zunächst
zeigt sich, daß Hoffnung hier immer ohne jedes nähere Prä-
dikat die positive Erwartung des Menschen bezeichnet — das,
was der Mensch, wie es im Grunde die Wurzel des Wortes
aussagt, wirklich will und sich wünscht.
Des näheren findet sich hier einerseits ein unreflektiert pro-
faner Gebrauch des Wortes. Wenn etwa l . K o r . 9,10 in der
Auslegung des alttestamentlichen Gebotes vom pflügenden
Ochsen, dem man das Maul nicht verbinden soll 8 , über den
Arbeiter, der seines Lohnes wert ist, sagt, daß, wer da pflügt,
auf Hoffnung hin pflügt, und wer da drischt, auf Hoffnung
hin drischt, daß er Anteil (am Ertrag) erhalte, dann bezeichnet
hier Hoffnung die schlichte Erwartung des Arbeiters, daß er
den Lohn seiner Arbeit erhalten werde.
Daneben aber hebt sich im Neuen Testament ein sehr charak-
teristischer theologischer Gebrauch der Rede von der Hoff-
nung heraus. Er fehlt vokabelmäßig in den Evangelien und der
Johannesapokalypse und findet sich besonders im paulinischen
und dem von den Paulinen beeinflußten Schrifttum. Hoffnung
ist hier in einem qualifizierten Sinne gebraucht und mit dem
Glauben an Gott verbunden. In der Erinnerung an den vor-
christlichen Stand der Epheser kann Eph. 2,12 sagen, daß sie
einst „ohne Hoffnung und ohne G o t t " (ätheoi) gewesen seien,
vgl. auch l.Thess. 4,13. So begegnet denn hier das Reden von
der Hoffnung immer in stark inhaltlicher Bestimmtheit und
in der Bindung an das von Gott in Christus gewirkte Heilsgut.
Hoffnung ist hier in scharfem Unterschied zu der von Prome-
theus formulierten Aussage das Gewisse, Zuverlässige — das,
was nicht zuschanden werden läßt, wie es als Endglied der
Kertenaussage von Rom. 5,3—5 formuliert ist: „Wir wissen,
daß Trübsal Geduld wirkt, Geduld aber Bewährung, Bewäh-
rung aber Hoffnung. Die Hoffnung aber läßt nicht zuschanden
werden, weil die Liebe Gottes ausgegossen ist in unsere Herzen

9
durch den heiligen Geist." Hier hat Hoffnung nichts mit jener
vagen Menschenerwartung, die als fragwürdiges Gut aus der
Büchse der Pandora stammt, zu tun, sondern ist die gewisse
Kraft des Glaubens, der von der Liebe Gottes lebt, die durch
den Geist aus Gott in des Menschen Herz ausgegossen ist.
Von da her wird es auch verständlich, daß die Hoffnung bei
Paulus l.Kor. 13,13 in jener großen Trias „Glaube, Hoffnung,
Liebe" unter den drei Dingen auftaucht, die bleiben, auch
wenn alles Stückwerk der vergänglichen Welt vergangen sein
wird. Rückt danach hier die Hoffnung ganz an den Glauben,
gewissermaßen als ein Aspekt desselben an diesen heran, so
wie es dann im Grunde auch in den großen Aussagen über
die Hoffnung in Rom. 8 der Fall ist, so kann in Hebr. 11 um-
gekehrt der Glaube ganz von der Hoffnung her beschrieben
werden: „Es ist aber der Glaube eine Zuversicht auf das, was
man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht
sieht." Und wenn das bekannte Wort l.Petr. 3,15 mahnt:
„Den Herrn Christus haltet heilig in euren Herzen, allzeit be-
reit zur Verantwortung gegen jeden, der von euch Rechen-
schaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist", dann könnte
auch hier das Wort Hoffnung ohne weiteres mit dem Wort
Glauben vertauscht werden.
So ist im Neuen Testament die Rede von der Hoffnung an
zentraler Stelle zu hören.
Aber nun soll im weiteren nicht von diesen neutestamentlichen
Aussagen die Rede sein, sondern der Blick auf den ersten Teil
der Bibel, das Alte Testament, gelenkt werden9. Es soll ge-
fragt werden, was dieser vordere Teil der Bibel, der den
Namen Jesus Christus, in dem im Neuen Testament alle Hoff-
nung gründet, noch nicht kennt, über den Menschen und
seine Hoffnung zu sagen weiß.
Wir tun gut, uns dabei vorweg noch in einer kurzen Vorüber-
legung den doppelten Gebrauch des Wortes Hoffnung, der
schon in den knappen einleitenden Ausführungen spürbar
werden konnte, bewußt klarzumachen. Das Verb „hoffen"
und das davon abgeleitete Substantiv „Hoffnung" bezeichnen
zunächst einen menschlichen Akt gleich dem Lieben und
Glauben. Es ist die Haltung des Erwartens, bei welcher etwa

10
das außerbiblische Verständnis von elpi\ein zeigen konnte, daß
er auch ganz formal gefaßt werden kann und in manchen
Stellen erst durch eine zugefügte weitere Bestimmung nach
dem guten oder schlechten Gehalt hin, auf den er sich richtet,
bestimmt wird. Dann aber kann das Substantiv Hoffnung in
der Folge eine stark inhaltliche Füllung in der Richtung emp-
fangen, daß der Blick vom Verhalten des Menschen, der
hofft, ganz hinübergeht zu dem, worauf sich die Hoffnung
wirft. Wenn ein Schiffbrüchiger, der im Meere treibt, ein
Rettungsboot nahen sieht und weiß: Dieses Boot ist meine
Hoffnung, so ist von der subjektiven Verfassung des im
Wasser Treibenden ganz weggelenkt. Das Hoffen des im
Wasser Treibenden hat hier so ausschließlich allein jenes kom-
mende Werkzeug der Rettung vor Augen, daß dahinter alles
andere zurücktritt und er dieses außerhalb von ihm Befind-
liche als seine Hoffnung, d. h. den eigentlichen Gegenstand
und Halt seines Hoffens bezeichnet. Das Reden von Hoffen
und Hoffnung bewegt sich sprachlich zwischen diesen beiden
Verständnismöglichkeiten und kann sich im Einzelfall ganz auf
das eine oder das andere konzentrieren: Hoffnung als das im
Menschen liegende Verhalten und Hoffnung als das auf den Men-
schen Zukommende, dem sich das im Menschen liegende Ver-
halten entgegenwirft, indem es den Gedanken an den eigenen
geistigen Aufwand ganz vergißt. So redet unsere Sprache von
Hoffnung.
Blicken wir nach dieser Vorerwägung auf die Aussagen des
Alten Testamentes, so stoßen wir gleich zu Beginn auf einen
Tatbestand, der eine unerwartete Verlegenheit bedeutet. Im
griechischen Sprachbereich bot sich uns diskussionslos das
Substantiv elpis und das Verb elpizein als Gegenstand der
Untersuchung an. In diesen Worten war ausgesagt, was wir
mit Hoffnung und Hoffen meinen.
Treten wir mit der Erwartung, im Hebräischen des Alten
Testamentes einen ebenso klaren Tatbestand zu treffen, an
dieses heran, so finden wir hier eine ungleich vieldeutigere
Lage. Das läßt sich ganz unmittelbar durch einen Blick in die
beiden zur Zeit meistbenutzten hebräisch-deutschen Wörter-
bücher feststellen.

11
Greifen wir zunächst nach dem 1953 erschienenen Lexikon
von Ludwig Köhler (aram. Teil von Walter Baumgartner)10,
so findet sich hier in der Schlußzusammenstellung für das
deutsche Verb „hoffen" ein einziges hebräisches Äquivalent
genannt11, das Verb sbrlz im Intensivstamm. Dieses Verb ist
im Grundstamm zweimal in der Bedeutung „Prüfen" belegt.
Nach Neh. 2,13. 15 überprüft der vom persischen Hof nach
Jerusalem gesandte Nehemia in einem heimlichen nächtlichen
Ritt den Zustand der in Trümmern liegenden Stadtmauern von
Jerusalem. Im Intensivstamm bekommt das Verb den Akzent
des wartenden, hoffenden Zusehens. Dafür finden sich ganze
6 Belege, von denen derjenige in Ruth 1,13 einfach mit
„warten" zu übersetzen ist. Da sagt Naemi zu den beiden
Schwiegertöchtern, die ihr nach dem Tode ihrer beiden Söhne
folgen wollen und denen sie zur Umkehr in ihre eigene Ver-
wandtschaft rät: „Auch wenn ich noch heute Nacht einem
Manne eigen würde und Söhne gebären würde — wolltet ihr
dann warten, bis sie groß geworden sind?" Deutlicher ist an
den dann noch verbleibenden 5 Stellen der Akzent des hof-
fenden Wartens zu vernehmen, etwa in der Aussage, die zwei-
mal, in Ps. 104,27 und 145,15 (mit leichtem Unterschied im
Wortlaut), zu vernehmen ist. „Aller Augen warten auf dich,
daß du ihnen ihre Speise gebest zu seiner Zeit." 13 Hier meint
das Warten, Harren zweifellos das hoffende Ausschauen. Vgl.
noch Ps. 119,166; Jes. 38,18; Est. 9,1.
Etwas voller ist nach Köhler die Ausbeute für das Substantiv
„Hoffnung". Neben dem nur an zwei Stellen belegten Sub-
stantiv iibir zu dem eben genannten Verb sbr (Ps. 119,116;
146,5) und dem dreimal belegten Substantiv mabbäf, das wört-
lich übersetzt „das (wartende, hoffende) Ausschauen" oder
„die Stelle, nach der man (wartend, hoffend) ausschaut" be-
deutet, nennt er noch drei Substantive: Zwei von ihnen
(mihvib und tihväh) sind von einem Verb hvh, das dritte
tohilit von einem Verb jbl abgeleitet, die von Köhler beide
mit „warten" übertragen werden. Während das Substantiv
mihvib in der Bedeutung „Hoffnung" 5mal und tohilit 6mal
belegt ist, kommt tihväb häufiger vor. Ein biblisch-aramäi-
sches Äquivalent fehlt beim Substantiv Hoffnung.

12
Die Erwägung der von Köhlers Lexikon angebotenen Äqui-
valente hinterläßt zwei Fragen: Zunächst die etwas verwun-
derte Frage: Sollte das Alte Testament wirklich nur so spär-
lich mit verbalen Formulierungen von der Hoffnung des Men-
schen reden, wie es danach scheint? Näheres Zusehen ergibt
zudem noch, daß das hier von Köhler allein genannte Verb
sbr offensichtlich erst der jüngeren Sprache angehört und später
im Aramäischen und Neuhebräischen eine bedeutsame Rolle
spielt. Sollte die ältere Zeit von „Hoffen" noch gar nichts ge-
wußt haben? Und damit verbunden die zweite Frage: Sollten
die beiden Verben, die hinter den Substantiven mihvib und
tihväh einerseits und tohilit andererseits stehen, ganz ohne Be-
ziehung zum Vorgang des Hoffens sein?
Das führt hinüber zu den Angaben des zweiten hebräisch-
deutschen Lexikons, das zu Beginn des vergangenen Jahr-
hunderts von Wilhelm Gesenius in Halle erstmals vorgelegt
worden ist, dessen jüngste, von Buhl bearbeitete 17. Auflage
1915 erschien und 1954 unverändert nachgedruckt worden
ist14. Hier finden sich im deutsch-hebräischen Index zu Ende
des Bandes vier Äquivalente für das deutsche Verb „hoffen".
Neben dem auch von Köhler erwähnten sbr sind es nun eben
die beiden von der zweiten Frage an das Lexikon von Köhler
her zu erwartenden Verben hvh, dessen Grundstamm Gese-
nius-Buhl als „harren, hoffen" verstehen, während sie für den
Intensivstamm nur die Bedeutung „warten, harren" notieren,
was in der häufigen Anwendung auf Jahwe aber unverkennbar
auch den Akzent des Hoffens in sich trägt — u n d ^ / . Auch
für dessen Wiedergabe wird die Bedeutung „harren, warten" im
Intensiv- und Kausativstamm vorgeschlagen. Nur in Ps. 119,49
soll der Intensivstamm einmal mit „hoffen lassen" wiederge-
geben werden. Man wird aber dazu die gleiche Bemerkung
machen können wie zu hvh. Als viertes Verb wird noch das Verb
sph15 erwähnt, das zunächst „spähen, aufmerksam betrachten,
ausschauen" bedeutet, dessenlntensivstamm aber in Mi. 7,7 nach
Weisung der Lexikographen am besten mit „hoffen" wieder-
gegeben wird. Wenn es dort heißt: „Ich aber will Ausschau
halten (sph) auf Jahwe, harren (jbl) auf den Gott meines Heils",
so ist darin deutlich das hoffende Ausschauen ausgedrückt.

13
Ziehen Gesenius-Buhl damit den Umkreis der Verben, die ein
Hoffen zum Ausdruck bringen, weiter als Köhler, so ist das
ganz ebenso beim Substantiv „Hoffnung" der Fall. Zu
den 5 von Köhler vorgeschlagenen Äquivalenten treten hier
gleich noch 5 weitere, die gewiß nicht alle gleich spezifisch
sind. So haben wir es, wenn etwa vorgeschlagen wird, das
Wort sahar „Morgenröte" in Jes. 8,20 mit Hoffnung zu über-
setzen, deutlich mit einem bildlich-abgeleiteten Gebrauch des
Wortes zu tun. Das Wort moräs in Hi. 17,11 bedeutet nach
seiner etymologischen Ableitung wörtlich übertragen den
„Wunsch". Der Kontext fordert aber hier doch wohl die
Übersetzung „Hoffnung". Im Hoffen ist nicht nur ein Warten,
sondern auch ein Wünschen beschlossen. Ebenso hat das von
Gesenius-Buhl weiterhin aufgeführte 'alPrit zunächst seine
ganz eigene, von der Bedeutung „Hoffnung" ganz unabhän-
gige Bedeutung. Es bedeutet von Hause aus „die hinterste
Seite", dann den „Ausgang, das Ende einer Zeitspanne, den
Ausgang, das Endergebnis, die Zukunft". In der Beziehung
auf den glücklichen Ausgang einer Sache, auf den der Mensch
zustrebt, kann es dann aber an drei Stellen (Jer. 29,11; Spr.
23,18; 24,14) ganz unzweideutig den Sinn „Hoffnung" ge-
winnen und ganz offen mit tihväh verbunden oder in Parallele
gesetzt werden. Hoffnung ist das Sich-Ausstrecken auf eine
Zukunft hin, die als gutes Ende erwartet wird. In eine ganz
andere Richtung führen die beiden sonst noch vorgeschla-
genen Äquivalente für die Hoffnung, bifßhon heißt nach seiner
ganz durchsichtigen Ableitung „das Vertrauen" und ganz
ähnlich hsläb „die Zuversicht". In Hi. 4,6, wo der älteste der
Freunde Hiobs diesem vorhält: „Ist nicht deine (Gottes-)
Furcht deine Zuversicht (hsläb) und dein unsträflicher
Wandel deine Hoffnung (tihväh y , wird das Wort von der
Parallelaussage her deutlich unter den Akzent der Hoffnung
gerückt. Es geht hier um das zuversichtliche Warten auf das,
was die Gottesfurcht einbringt, die Hoffnung, die in der
Gottesfurcht liegt. Die Stelle Pred. 9,4 aber, an der bittähon
„Vertrauen" nur mit dem Wort „Hoffnung" voll sinngemäß
wiedergegeben werden kann, muß uns in späterem Zusammen-
hang noch näher beschäftigen. In diese Richtung gehört es

14
schließlich auch, wenn Gesenius-Buhl vorschlagen, das Verb
slh, das zunächst „ruhig, sicher sein" bedeutet, in seiner kausa-
tiven Verwendung in 2.Kön. 4,28 mit „jemandem etwas vor-
spiegeln, Hoffnungen erwecken" zu übersetzen. Hoffnungen
können den Menschen sicher, vertrauensvoll und wohl auch
in falscher Weise vertrauensselig machen.
Überblicken wir das Ergebnis der Nachforschung bei den
beiden Lexikographen als Ganzes, so springen aus dieser sehr
pauschalen ersten Übersicht doch zwei Erkenntnisse recht
deutlich heraus.
Es ist zunächst schon bei dieser oberflächlichen lexikographi-
schen Annäherung an unser Thema ganz deutlich zu erkennen,
daß das Alte Testament unzweifelhaft etwas von Hoffnung
weiß und in seinen verschiedensten Teilen von der Hoffnung
redet.
Es ist aber ebenso deutlich zu erkennen, daß das Alte Testa-
ment anders als das Neue es nicht zu einer eindeutig fixierten
Terminologie für „Hoffen" und „Hoffnung" gebracht hat, in
welcher analog dem neutestamentlichen elpis und elpt\ein ein
Wortstamm die entscheidenden Gehalte auf sich gezogen hätte.
Es gibt im Alten Testament keinen eindeutig und ausschließ-
lich fixierten Begriff für „Hoffen" und „Hoffnung". Am ehe-
sten könnte man noch von einer Annäherung daran bei den
beiden Substantiven tihväh und tohilit reden. Aber auch sie
erreichen nicht den Rang theologisch fest fixierter Begriffe,
sondern behalten ihre spezifische Akzentuierung von den
hinter ihnen stehenden Verbalstämmen her. So stehen im
Alten Testament die verschiedenen Aspekte des Gehaltes
„Hoffnung", je durch verschiedene Worte zum Ausdruck ge-
bracht, nebeneinander. Ganz im Vordergrund steht der Aspekt
des Wartens und Harrens (Ableitungen der Stämme hvb,jhl,
sbr, zu denen im Grunde auch noch der Stamm hkh „warten"
zu nehmen ist). Als menschliche Haltung betrachtet, ist Hoff-
nung ein wartendes Aus-Sein auf Dinge, die erst kommen.
In dem hvh liegt dabei vielleicht noch im besonderen der
Akzent des Sich-Spannens. Vom gleichen Stamme wird auch
ein Substantiv tihväh „Schnur, Strick" gebildet, neben dem
in gleicher Bedeutung das kürzere kaw steht16. Das gespannt

15
erwartende Ausschauen ist auch in sph zu erkennen. Der
Späher, der auf den Mauern steht und scharf auf jede nahende
Gefahr achten soll, heißt sopib17.Jbl „warten" scheint dem-
gegenüber nichts von dieser besonderen Spannung abzumalen,
sondern lediglich den Zustand des Noch-Nicht vorauszu-
setzen, in dem der Mensch Kommendes abwartet und darauf
angewiesen ist, daß dieses Kommende sich ereignet. So wartet
etwa Noah bei der Aussendung der Vögel nach der Flut je-
weils weitere 7 Tage (was mit jhl ausgedrückt wird) und testet
dann mit einem neuen Versuch die sich wandelnde Lage.
Auch hkh scheint diesen Akzent zu enthalten. Demgegenüber
bringt 'alPrit „Ende" das Zukunftsmoment voll zum Aus-
druck : Das, worauf Hoffnung sich spannt, liegt am Ende einer
durch die Spannung des Wartens bezeichneten Zeitstrecke
und hat etwas von Ergebnis und Ziel an sich. Daß es sich
dabei um ein erwünschtes Ziel handelt, kommt in moräl
„Wunsch" zum Ausdruck. Einen anderen Akzent heben dem-
gegenüber bittähon „Vertrauen" und kisläh „Zuversicht" her-
aus. Hier ist angedeutet, daß der Mensch sich, wo er hofft,
auf Kommendes verläßt, auf es sein Vertrauen setzt und im
Aus-Sein auf dieses Kommende Gewißheit, ja Sicherheit ge-
winnt, wie in der Verwendung des IIb in dieser Richtung er-
kennbar werden konnte.
Nun empfiehlt es sich, die Frage der Terminologie noch von
einer anderen Seite her anzugehen. Wir waren von dem neu-
testamentlichen Reden von Hoffnung, das in der Vokabel
elpis-elpi^ein seine klare Terminologie hat, zur Frage nach dem
alttestamentlichen Bestände gekommen. Das griechische Neue
Testament aber steht in seiner Terminologie nahe bei der
Septuaginta, der griechischen Version des hebräischen (und
aramäischen) Alten Testamentes. So empfiehlt es sich zum
Abschluß dieser sprachlichen Vorklärungen, auf jeden Fall
auch noch in das griechische Alte Testament hineinzuschauen,
in dem die elpis-elpizei/t-'Tetrmnologie zu finden ist. In allen
kanonischen Büchern (nicht dagegen in den nur griechisch
überlieferten Apokryphen) haben wir hier die Möglichkeit,
den hebräischen Grundtext mit der griechischen Übertragung
zu vergleichen und die Frage zu stellen: Welche hebräischen

16
Äquivalente glaubt der griechische Übersetzer mit elpis-
elpi^tin wiedergeben zu müssen? Wir dürfen neben den moder-
nen Lexikographen diesen frühesten Versuch, sinngemäße
Äquivalenzen zu bestimmen, nicht übergehen.
Da ergibt sich nun nochmals eine Überraschung. Die Septua-
ginta führt nämlich keineswegs einfach auf die gleichen Wege,
auf welche die modernen Lexikographen geführt hatten. Die
verschiedene Akzentuierung wird vor allem da sichtbar, wo
es um die verbale Rede vom „Hoffen" geht. V o n den 100
Stellen, an denen sich das hebräische Äquivalent für griechi-
sches elpi\ein ausmachen läßt, entfallen nicht weniger als 47,
also fast die Hälfte, auf die Wiedergabe eines hebräischen bfh
(oder einmal adv. bitah), für das die modernen Lexikographen
an keiner einzigen Stelle die Übertragung „hoffen" angeboten
hatten. Lediglich an der einen Stelle, an der substantivisches
biftähon mit „Hoffnung" übertragen wurde, ergab sich eine
Berührung zwischen dem Stamm bth, den wir mit „vertrauen"
zu übersetzen gewohnt sind, und „hoffen". Weitere 20mal
tritt elpiyein als Wiedergabe eines hsb im hebräischen Text
auf—eine Gleichsetzung, die ebenfalls bei den neueren Lexiko-
graphen nicht begegnete, hsb wird von diesen übertragen mit
„sich bergen, seine Zuflucht suchen". V o n den 4 Verben, die
Gesenius-Buhl als mögliche Äquivalente für „hoffen" in
Erwägung ziehen, ist sbr an 2, hvh ebenfalls nur an 2, sph
nie und nur jhl etwas häutiger, nämlich an 13 Stellen, mit
elpizein wiedergegeben, dazu 6mal mit epelpizein.
Bei der Wiedergabe des Substantivs „Hoffnung" liegen die
Dinge etwas näher beisammen. So ist für tihväh in den Büchern
Hiob und Sprüche durchgehend elpis als Übertragung ge-
braucht, außerhalb dieser Bücher treten andere griechische
Worte auf. An 27 Stellen ist elpis dann auch hier zur Überset-
zung einer Ableitung vom Stamme bfh „vertrauen" ge-
braucht.
Ich kann hier auf die Wiedergabe weiterer Einzelheiten ver-
zichten. Das Gesamtbild ist in seinem entscheidenden Zug
auf jeden Fall ganz klar: Die Übersetzer der Septuaginta
haben die Hoffnungsaussage vorwiegend dort gefunden, wo
v o m Vertrauen und Sichbergen bei Gott geredet wird. Sie

17
fügen damit zur Beschreibung der Aspekte der Hoffnung als
für sie entscheidend wichtigen Aspekt das Moment des per-
sönlichen Sich-Hingebens. „Hoffnung" ist nicht in erster Linie
ein Zustand der Gespanntheit nach vorn, ein Wünschen oder
die Bezeichnung des Zieles, das man sich in solchem Ge-
spanntsein erwartet — sie ist, so unterstreicht die Septuaginta
sehr energisch, vor allem ein Zustand der Hingabe und des
Vertrauens, was natürlich nie ins Leere hinaus geleistet wer-
den kann, sondern ein Gegenüber erfordert, das zum Ver-
trauen ruft.
Doch genug dieser sprachlichen Vorbemerkungen. Es gilt im
folgenden nun in die inhaltlichen Aussagen des Alten Testa-
mentes hineinzuhören und aus ihnen nicht nur die Beschrei-
bung, sondern auch die Begründung alttestamentlichen
Redens von der Hoffnung zu vernehmen. Alttestamentlicher
Glaube rechnet mit Zukunft. Es ist mehr als nur Zufall, daß
gerade das Volk des Alten Testamentes, das wohl mehr als
andere Völker immer wieder Sterben und Bedrohung erfahren
hat, vom Glauben an Zukunft und Hoffnung nicht gelassen
hat. Der Staat, der in unseren Tagen unter dem Namen Israel
unter uns entstanden ist, hat seine Nationalhymne unter das
Stichwort tihväh „Hoffnung" gestellt. Wie reden die einzelnen
alttestamentlichen Schriften von Hoffnung? Das ist die Frage,
die in den nächsten Stunden zu beantworten sein wird.

18
II. Die Hoffnungsaussagen der Weisheit
und des Buches Hiob

Die Durchsicht des Vokabulars des Alten Testamentes hat


ergeben, daß dieses im Unterschied zum Neuen Testament
keinen exklusiven, in fester Lehrsprache fixierten Terminus
für Hoffnung und Hoffen kennt. Zwar stehen im substantivi-
schen Gebrauch einige Vokabeln, die von Verben des Harrens
und Wartens abgeleitet sind, im Mittelpunkt. Darum herum
aber lagern sich andere Formulierungen, die auch ganz andere
Aspekte des Hoffens sichtbar machen.
Es empfiehlt sich, den ersten Einstieg in die Einzelaussagen
des Alten Testamentes über die Hoffnung unter der Anlei-
tung des gefundenen Vokabulars zu nehmen, um sich dann
später davon zu lösen und ganz von den Inhalten her zu
fragen, was das Alte Testament über die hoffende Erwartung,
mit der sein Glaube sich Zukunft eröffnet sieht, aussagt. Nun
zeigt schon ein flüchtiger Blick in die Konkordanz, daß die
beiden wichtigsten Substantive tihväh und tohilit besonders
häufig im Buch der Sprüche Salomos und im Hiobbuche vor-
kommen: Nicht weniger als 21 von den insgesamt 31 Belegen
für tihväh in der Bedeutung „Hoffnung" und 4 von den
6 Belegen für tohilit finden sich in diesem Bereich.
Das ist wohl mehr als ein reiner Zufall der Statistik. In den
Sprüchen und im weiteren Sinne auch im Buche Hiob han-
delt es sich um Dokumente der sog. Weisheitsliteratur1.
„Weisheit" hat es mit dem offenen Blick in die Welt und vor
allem ins menschliche Leben und seine Einzelregungen hin-
ein zu tun. Sie macht hier ihre Wahrnehmungen, sucht hier
die Regeln des Welt- und Lebensverlaufes zu erkennen, um
dann auf Grund dieser Wahrnehmungen die Lebensweisungen
zu formulieren. Wir wissen heute ungleich voller als noch
vor wenigen Jahrzehnten, wie stark diese alttestamentliche
Weisheit, die nicht einfach den natürlichen Mutterwitz des
Menschen wiedergibt, sondern eine bewußte Kunstpflege er-

19
fahren hat und Bildungsgut enthält, in internationalen Be-
zügen drinsteht und sowohl in Ägypten wie in Babylonien
und schon im alten Sumer ihre Entsprechungen hat.
Solche Ausfahrt des Menschen zur Erkundung der Welt und
der in ihr beschlossenen Möglichkeiten menschlicher Lebens-
bewältigung wird das Phänomen Hoffnung nicht übersehen
können. Hoffnung, Wissen um die Erschlossenheit von Zu-
kunft, gehört ja unabdingbar zu einer vollen Lebensmöglich-
keit des Menschen hinzu. Es spielt auch in einzelnen Teil-
bereichen des Lebens keine unbeträchtliche Rolle.
So können wir es nun in der Tat in den Sprüchen 2 sehen, wie
der Weise bei seinem Mustern und Erwägen der Welt auf das
Phänomen menschlichen Hoffens stößt. Er kann darüber ganz
von außen her seine psychologischen Betrachtungen anstellen.
Spr. 13,12 stellt fest: „Ein Hoffen (tohilit, Warten), das sich
in die Länge zieht, macht das Herz krank; ein Lebensbaum
aber (d. h. etwas, was das Leben erneut frisch macht) ist ein
Begehren (taatväh), das eintrifft." Langes, vergebliches Hoffen
und Harren drückt auf des Menschen Gemütsverfassung und
Gesundheit. So wird hier sehr nüchtern festgestellt.
An anderer Stelle wird in einem bestimmten Lebensbereich
von der Möglichkeit der Hoffnung geredet. So Spr. 19,18 im
Bereich der Erziehung: „Weise deinen Sohn zurecht (oder
m u ß man noch schärfer übersetzen: Züchtige deinen Sohn?),
denn da besteht Hoffnung (tihväh), und laß dir nicht bei-
kommen, ihn dem Tode zu überliefern." Hinter dieser Aus-
sage steht die Überzeugung, daß ein mißratener Sohn an sei-
nem Leben gefährdet ist, weil er auf Wegen geht, über denen
der Tod droht, wenn er sich nicht von ihnen abwendet. Zu-
gleich aber ist mit einem vollen Erziehungsoptimismus fest-
gestellt, daß in diesem Bereich Hoffnung besteht, solange der
junge Mensch noch bildbar ist und durch straffe Zucht, wie
sie auch etwa die ägyptischen Erziehungsmethoden 3 kenn-
zeichnet, auf den rechten Weg gebracht wird. Aus dieser
Hoffnung heraus soll der Vater am Sohne handeln und nicht
an seinem Verderben schuldig werden.
Stärker drängen sich im Bereich der Weisheit aber nun andere,
das Ganze des Lebens und seine Hoffnung umfassende Regeln

20
auf. In Spr. 10,28 ist zu hören: „Das Harren (tohilit) der
Gerechten endet in Freude, aber die Hoffnung (tihväh) der
Gottlosen geht zugrunde." Hier ist von der wahren und der
falschen Lebenshoffnung geredet und festgestellt, daß nur der
Gerechte echte Hoffnung hat, die sich zu seiner Freude er-
füllen wird, während der Gottlose mit seiner Lebenserwar-
tung scheitert und keine Zukunft hat. Auch hinter diesem
Satze steht die optimistische Gewißheit, daß Hoffen im Men-
schenleben sein Recht und seine echte Aussicht hat. Ob
menschliche Lebenshoffnung aber diese Aussicht wirklich hat,
hängt an der Lebensentscheidung des Menschen selber — ob
er sich nach der Ordnung der Gerechtigkeit hält oder eigen-
mächtig Unrecht tut und (das steht dahinter) von Gott nichts
wissen will. Man wird sich fragen, ob dieser Gedanke nicht
auch in Spr. 11,23 ausgesprochen sein will: „Der Gerechten
Begehren (ta<hväh) führt zu lauter Glück, der Gottlosen Hoff-
nung (tihväh) aber zum Strafgericht." Auch hiernach ent-
scheidet menschliche Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit über
die echte Hoffnungsqualität eines Lebens. Diese Einsicht kann
an anderer Stelle in direkte Mahnung umgemünzt werden:
„Dein Herz ereifere sich nicht über die Sünder (gedacht ist
dabei an das den Sündern ihr Glück neidende Eifern), wohl
aber (ereifere es sich) allezeit über die Gottesfurcht. Denn wenn
du (sie beachtest), so hast du eine Zukunft ('aharit), und deine
Hoffnung (tihväh) geht nicht zugrunde" (Spr. 23,17 f.). Spr. 24,
19 f. variiert den Begründungssatz der gleichen Mahnung zu
„denn der Böse hat keine Zukunft (= Hoffnung, 'aiflrit),
die Leuchte der Gottlosen erlischt". Die ganz analoge Mah-
nung des Weisheitspsalms 37 vergleicht in V. lf. den Unter-
gang des Gottlosen mit dem Verwelken des Grases. — Der
Begründungssatz Spr. 23,18 ist fast wörtlich auch in der Aus-
mündung des ganz anders anlaufenden Spruchgefüges Spr. 24,
13f. zu hören, in dem in einer dem Sprüchebuch geläufigen
Vertauschung an die Stelle der Gottesfurcht die Weisheit ge-
treten ist. Diese wird mit einem Bildwort eingeführt: „Iß
Honig, mein Sohn, denn er ist gut, und süß ist Honigseim
für deinen Gaumen. So ist auch Erkenntnis von Weisheit für
deine Seele ( = für dich). Findest du sie, so hast du Zukunft

21
faiPrit), und deine Hoffnung (tihväh) geht nicht zu-
grunde."
Hinter all diesen Äußerungen steht der Glaube an eine feste
Ordnung der Welt, in der Gerechtigkeit und Weisheit dem
Menschen, der immer ganz realistisch im Zusammenhang
seines irdischen Lebens gesehen wird, Zukunft und Hoff-
nung geben. Wenn es daneben in Spr. 26,12 auch etwa heißen
kann: „Siehst du einen Mann, der in seinen eigenen Augen
weise ist — ein Tor hat mehr Hoffnung (tihväh) als er",
und ähnlich in Spr. 29,20: „Siehst du einen Mann, der sich
in seinem Worte übereilt — ein Tor hat mehr Hoffnung
(tihväh) als er", so will darin keine Aufwertung der
Hoffnungsmöglichkeit des Toren vollzogen werden, dem
nun doch Zukunft versprochen würde. Vielmehr bleibt
auch dieses durchaus im Rahmen der Gesamtsicht, daß
ein Tor keine Hoffnung hat. Das ist die Ordnung, die in der
Welt herrscht.
Man ist hier im Rahmen der neueren Diskussion der Weis-
heit* auf das Denken der ägyptischen Weisheitswelt aufmerk-
sam geworden, in welcher an dieser Stelle der Begriff der
Maat, d. h. der Wahrheit oder der Ordnung, die in einer
Gottheit repräsentiert ist, auftaucht. Diese Maatwelt der Ord-
nung wird offensichtlich auch von der biblischen Spruchweis-
heit vorausgesetzt. Dabei ist die Gottheit, die diese Ordnungs-
welt garantiert, im alttestamentlichen Zusammenhang natür-
lich keine andere als Jahwe selber. So ist es denn in Spr. 20,22
zu hören: „Sage nicht: Ich will das Böse vergelten. Hoffe
(hvh) auf Jahwe, er wird dir helfen." Die Garantie der Ord-
nung, welche den Menschen dazu frei macht, nicht selber seine
Vergeltung zu suchen, liegt bei Jahwe allein. Auf ihn soll der
Fromme harren. Solches Harren ist aber nicht möglich ohne
Vertrauen. Damit aber sind wir auch schon ganz bei der Auf-
fassung der Hoffnung, die sich in der Übertragung der Septua-
ginta so stark in den Vordergrund geschoben hat. So über-
setzt Septuaginta in Spr. 14,26: „In der Furcht Jahwes liegt
ein starker Verlaß (d. h. Gottesfurcht gibt ein starkes Ver-
trauen), noch den Kindern ist er eine Zuflucht" das hebräische
mibfah „Vertrauen" mit elpis: „In der Furcht des Herrn liegt

22
eine starke Hoffnung." Das Wort der personifizierten Weis-
heit Spr. 1,33: „Wer auf mich hört, lebt sicher (wörtlich: im
Vertrauen)" lautet im griechischen Text: „Wer auf mich hört,
wird in Hoffnung (ep' elpidi) wohnen." Und ganz so ist in
Spr. 22,19 von der Hoffnung auf den Herrn die Rede, wo der
hebräische Text vom Vertrauen auf Jahwe redet.
Gehen wir nun von den Sprüchen hinüber zum Buche Hiob 6 ,
so stoßen wir hier auf eine überraschend kritische Ausein-
andersetzung mit dem Phänomen Hoffnung und der Mög-
lichkeit, von Hoffnung des Menschen zu reden. Ein kurzes
Wort zur Situation des Buches Hiob vorweg: In dieser, wohl
in nachexilischer Zeit entstandenen Schrift wird zunächst in
einer Rahmengeschichte, die in Kap. If. anläuft und in 42 zu
Ende geführt wird, ein Frommer geschildert, der gottesfürch-
tig gelebt hat. Diese Rahmengeschichte berichtet von Ge-
sprächen, die im Himmel zwischen Gott und dem hier ganz
unter die Dienerschar Gottes gezählten Satan, der es vor allem
mit der Aufdeckung verborgener Schuld zu tun hat, geführt
werden. Um zutage zu bringen, wie es in Wirklichkeit mit der
Frömmigkeit Hiobs steht, wird der fromme Hiob auf An-
stiften des Satans ins Unglück gestoßen. Er verliert all das
Seine, schließlich auch seine Gesundheit, so daß er als vom
Unheil Geschlagener in einem Aschenhaufen sitzt und sich
mit einer Scherbe seine Schwären kratzt. Hier erhält er, nach-
dem er die versucherischen Worte seiner Frau zurückgewiesen
hat, den Besuch von drei Freunden, die zunächst 7 Tage
schweigend bei ihm sitzen und an seinem Leid teilnehmen.
Dann öffnet Hiob seinen Mund, verflucht den Tag seiner
Geburt und schreit sein Leid heraus. Das öffnet auch den
Mund der Freunde. Es kommt zu langen, der ursprünglichen
Hiobgeschichte wohl erst nachträglich eingefügten Reden zwi-
schen Hiob und den Freunden, die natürlich alle vom Geheim-
nis der himmlischen Wette zwischen Gott und dem Satan
nichts wissen. Die Worte eines vierten Freundes Elihu in
32—37 sind dem Werke dann wohl ihrerseits erst in einem
noch späteren Zeitpunkt zugefügt worden. In diesen Reden
kommt nun auch die Möglichkeit von Hoffnung für Hiob
und für den Menschen ganz allgemein zur Sprache.

23
Wir tun gut, zunächst anzuhören, was die Freunde dazu zu
sagen wissen. Es ist gleich beim ersten, dem Eliphas von
Theman, dem offensichtlich ruhigsten und besonnensten der
drei Freunde, deutlich, daß es seine Absicht ist, dem geschla-
genen H i o b mit seinem Tröste zu helfen. E r erinnert diesen
daran, wie er selber früher Bedrängte zu trösten gewußt hat:
„ N u n es an dich kommt, bist du verzagt, weil es dich trifft,
bist du bestürzt. Ist nicht deine Gottesfurcht dein Vertrauen
und dein unsträflicher Wandel deine Hoffnung (tihväh)} Be-
sinne dich doch: Wer verdarb je unschuldig, wo wurden
Gerechte vernichtet? Soviel ich gesehen: Die Unrecht pflügen
und Unheil säen, die ernten es auch. Durch Gottes Odem ver-
derben sie, v o m Hauch seines Zornes schwinden sie h i n "
(Hi. 4,5—9). Und etwas später folgt der Rat: „Ich aber würde
an Gott mich wenden und meine Sache vor Gott bringen, der
große Dinge tut, unergründlich, wunderbar und ohne Zahl,
der Regen spendet auf die E r d e und Wasser auf die Fluren
sendet, daß er die Niedrigen hoch hinstelle, daß die Trauernden
emporsteigen zum Glück; der zunichte macht der Listigen
Pläne, daß ihre Hände nichts Bleibendes schaffen, der die
Klugen in ihrer Arglist fängt . . . Aber er rettet vor dem
Schwert den Geringen und aus der Hand des Starken den
A r m e n ; so kann der Schwache Hoffnung (tihväh) haben, die
Bosheit aber verschließt ihr Maul" (Hi. 5,8—16). Es ist deut-
lich, daß Eliphas mit diesen Worten Hiob trösten will, so
wie dieser selber früher auch andere getröstet hat. Er emp-
fiehlt ihm in seinem tröstenden Wort, seine Sache Gott an-
zubefehlen — dem Gott, der den Frommen und Schwachen
sicher nicht im Stiche lassen wird. Darauf darf der Fromme
sich verlassen. Wir erkennen hinter dieser Tröstung unschwer
die Haltung der Weisheit, die auch in den Proverbien zu finden
war. Sie ist bei Eliphas in einer ausgesprochen vornehmen und
menschlichen Weise formuliert. „Traue doch deiner Gottes-
furcht etwas zu. Sie ist doch der sichere Bürge der göttlichen
Hilfe", sagt er zu Hiob. „Das m u ß jetzt deine Hoffnung sein."
Nach ihm ergreift, wie Hiob diesen Trost zurückweist und
erneut sein Leid ausschreit, der zweite Freund, Bildad von
Suah, das Wort. E r verfolgt die Gedanken des Eliphas weiter,

24
wenn auch nun alles in der Formulierung etwas härter wird
und gewisse Konsequenzen dieser Haltung sich abzuzeichnen
beginnen. Auch bei ihm steht die Gewißheit am Anfang:
„Wird wohl Gott das Recht verdrehen und der Allmächtige
die Gerechtigkeit? Wenn deine Kinder wider ihn sich ver-
sündigt, gab er sie dahin in die Gewalt ihres Frevels. D u aber
sollst nun Gott suchen und zu dem Allmächtigen flehen.
Wenn du rein bist und fromm, ja, dann erwacht er über dir"
(Hi. 8,3—6). Und dann taucht auch hier das Stichwort Hoff-
nung auf. Es wächst aus einem Bilde heraus: „Wächst hoch
das Schilfrohr, wo kein Sumpf ist? Wird das Nilgras g r o ß
ohne Wasser? Noch grünt es, ist nicht reif zum Schnitt —
da verdorrt es schon vor allem Grase. So ist auch das Ende
aller, die Gottes vergessen, so wird auch die Hoffnung
(tihväh) des Gottlosen zunichte" (Hi. 8,11—13). Ungleich
deutlicher als in der Rede des Eliphas ist es nun schon zu
hören: Hoffnung ist da, wo einer gerecht ist. W o keine Ge-
rechtigkeit ist, da ist allerdings G r u n d zur Verzweiflung.
Wohin dieser Gedanke, die Normalauffassung des in seiner
Maatwelt der Ordnung lebenden frommen Weisen, dann führt,
wird schließlich ganz deutlich in den Worten des Dritten der
Freunde, Zophars von Naama. E r fordert Hiob nun ganz offen
auf, gerecht zu werden: „Ist Frevel an deiner Hand, so schaffe
ihn weg, und laß kein Unrecht wohnen in deinen Zelten —
dann darfst du dein AntEtz erheben ohne Makel, wirst fest-
gegründet sein und dich nicht fürchten. Ja, dann wirst du der
Mühsal vergessen . . . und du bist voll Zuversicht, weil
Hoffnung (tihväh) ist, und hast du umgeschaut, so legst du
dich sicher schlafen . . . Aber die Augen der Gottlosen
schmachten dahin, jede Zuflucht ist ihnen verloren, und ihre
Hoffnung (tihväh) ist Verhauchen der Seele" (Hi. 11,14—20).
Es ist gar nicht zu überhören, wie hier zu dem geschlagenen
Hiob gesagt wird: „Hoffnung ist dir ja verfügbar. Werde ge-
recht, dann hast du allen Grund zur Hoffnung."
Ganz anders, dem ersten Anschein nach viel unfrommer, ja
geradezu lästerlich tönt es in den Worten Hiobs. Es ist zu-
nächst die Klage dessen, der einfach nicht mehr kann. „Was
ist meine Kraft, daß ich (hoffend) ausharre (jhl), und was ist

25
mein Ende, daß ich mich gedulde? Ist denn meine Kraft die
Kraft von Steinen? Oder ist mein Fleisch von Erz?" (Hi. 6,
11 f.). Weil ihm die echte Hoffnung genommen ist, kann er
nur mehr auf den T o d hoffen. Diese Todeshoffnung ist aber
doch wohl der Bankerott wirklicher menschlicher Hoffnung:
„ O daß doch einträfe, was ich begehre, und G o t t mir gäbe,
was ich gehofft (tihväh) ! D a ß es Gott doch gefiele, mich zu
zermalmen, daß er seine Hand ausreckte und schnitte mich
a b ! " (Hi. 6,8f.). V o n seinem Leben weiß H i o b : „Meine Tage
fliegen schneller als ein Weberschifflein, sie schwinden dahin
ohne Hoffnung (tihväh)" (Hi. 7,6). Mit trauriger Bitterkeit
vergleicht Hiob den Menschen mit dem Baum. Während es
v o m Menschen gilt: „Der Mensch, vom Weibe geboren, ist
kurzen Lebens und voller Unruhe. Wie eine Blume geht er
auf und welkt, schwindet dahin wie ein Schatten und hat nicht
Bestand", ist vom Baum zu sagen: „Für den Baum gibt es
doch eine Hoffnung (tihväh): wird er gleich umgehauen, er
kann wieder treiben, und seine Schosse hören nicht auf. Wenn
seine Wurzel auch alt wird in der Erde und sein Stumpf im
Staube erstirbt, v o m Duft des Wassers schlägt er wieder aus
u n d treibt Zweige wie ein frisches Reis" (Hi. 14,1 ff.). Das
Unheimliche besteht nun aber darin, daß diese Feststellungen
nicht Feststellungen über ein fatalistisch zu erfahrendes Ge-
schehen sind, sondern daß gerade in diesen Dingen, gerade in
diesem Zerbrechen aller Hoffnungen Gott selber der Täter
ist. „Steine werden v o m Wasser zerrieben, es schwemmt der
Wolkenbruch das Erdreich w e g : so machst du die Hoffnung
(tihväh) des Menschen zunichte. D u überwältigst ihn für
immer, und er fährt dahin" (Hi. 14,19f.). Das Unheimliche ist
dieses D u in der Rede an Gott. Oder später in der Rede in
3. Person: „ E r brach mich nieder um und um, und ich fahre
dahin, er riß meine Hoffnung (tihväh) aus wie einen Baum"
(Hi. 19,10). In der großen, zusammenfassenden Schlußrede
Hiobs, die in die Herausforderung Gottes ausmündet, ist es
nochmals voll gesagt: „Ich schreie zu dir, und du erhörst
mich nicht; ich stehe (vor dir), und du achtest nicht mein . . .
Denn Gutes erhoffte (hvh) ich, und Böses kam, ich harrte
(jhl) auf Licht, und es kam Finsternis" (Hi. 30,20. 26).

26
Was ist hier bei Hiob geschehen? Er ist darin ganz einer Mei-
nung mit seinen Freunden, daß Hoffnung nur von G o t t her
kommen kann. Er widerspricht diesen aber aufs leidenschaft-
lichste da, wo sie aus ihrer Ordnungslehre heraus behaupten,
daß der Mensch mit seinem Verhalten an der Zuteilung von
Hoffnung mitbeteiligt sei. Aus seiner Situation der Geschlagen-
heit heraus hält er daran fest, daß Gott ihm, der er doch, nach
menschlichem Maßstab gemessen, fromm gewesen war, alle
Hoffnung aus den Händen geschlagen habe, ohne daß seine,
Hiobs, Frömmigkeit hier noch imstande wäre, sich die Hoff-
nung wieder zurückzuholen.
Es will dem frommen Gemüt scheinen, Hiobs Reden sei hier
wirklich lästerlich, böse und unfromm. So verstehen es auf
jeden Fall seine Freunde, deren Entsetzen sich durch die
Reden hin immer mehr steigert. Da kann es nur als eine ganz
große Überraschung wirken, daß am Schluß des Hiobbuches
aus dem Munde Gottes selber, der dort in der Erscheinung
im Wetter das Wort ergreift, zu hören ist, daß Hiob, obwohl
er vor dem Hinweis auf die Allmacht des Schöpfers erschreckt
verstummen und die Hand auf seinen Mund legen m u ß , rich-
tiger geredet habe als seine Freunde (Hi. 42,7). Wie ist das zu
verstehen? Es will darin offenbar gesagt werden, daß Hiob
mit seinem gewiß hadernden u n d rechtenden Reden von der
Freiheit Gottes, der sich nicht in eine durch des Menschen
Verhalten zu steuernde Ordnung einbindet, die Wahrheit des
lebendigen Gottes tiefer erkannt hat als die Freunde. In seinem
Reden hat er, so rebellisch und unfromm dieses auch zunächst
klingen mochte, Gott ganz anders die Ehre gegeben als die
klugen und frommen Freunde es in ihrem Reden, mit denen
sie gar noch meinten Gott zu verteidigen, getan hatten.
Es muß an dieser Stelle auch ein Blick auf den Prediger
Salomo 8 geworfen werden. N u r an einer Stelle, an der die
Septuaginta das biftähon („Vertrauen") des hebräischen Textes
durchaus sinngemäß mit elpis („Hoffnung") wiedergibt, kommt
er ausdrücklich auf das Problem der Hoffnung zu sprechen.
Pred. 9,1 ff. redet davon, wie alles Menschliche auf Erden
einerlei Geschick hat. Der T o d ist der gewaltige Gleich-
macher. In diesem Zusammenhang kann der Prediger sagen:

27
„Wer noch zur Schar der Lebenden gehört, der hat noch etwas
zu hoffen (biffähon), denn ein lebender Hund ist besser als
ein toter L ö w e " (V. 4). Fragen wir dann weiter, was denn der
Hoffnungsvorzug des Lebenden, sein Plus an Hoffnung vor
dem Toten ist, so wird zunächst die sarkastische Antwort ge-
geben: „Die Lebenden wissen, daß sie sterben müssen, die
Toten wissen aber überhaupt gar nichts mehr" (V. 5). Wenn dann
aber nachher von V. 7 ab zum Genuß des im Heute Gegebenen
aufgefordert wird: „ G e h , iß in Freuden dein Brot, und trinke
guten Mutes deinen Wein, denn längst schon hat Gott dein
T u n gebilligt . . . Sieh das Leben mit dem Weibe, das du
liebhast durch alle Tage deines nichtigen Lebens hin, das er
dir unter der Sonne gegeben hat", dann ist hier und an anderen
Stellen ganz deutlich erkennbar, daß der Prediger auch da,
w o er im Heute nach dem Gegebenen greift, letzten Endes
G o t t die E h r e gibt und G o t t als den Geber des im Tage Vor-
handenen ehrt, oder, wie er selber sagt, „Gott fürchtet".
Diese Haltung wird auch aus Pred. 3,10 ff., wo das Wort
„Hoffnung" nicht ausdrücklich vorkommt, aber wo es deut-
lich u m das Problem der Zukunft und der Möglichkeit für
den Menschen, Zukunft zu ergreifen, geht, deutlich. Da ist
zunächst davon die Rede, daß G o t t dem Menschen „Ewig-
keit" ins Herz gegeben habe. Über dieses Wort ist viel gerät-
selt worden. Ich meine, daß darin ausgesagt sein will, daß der
Mensch in sich den D r a n g findet, über das einfache Heute
hinauszudrängen und hinauszudenken. In diesem Hinaus-
drängen, in dem der Prediger die Besonderheit des Menschen,
die ihm von G o t t gegeben ist, erkennt — man denkt dabei
unwillkürlich an die Gottebenbildlichkeit von Gen. 1, von
der später voller zu reden sein wird —, und in dem Wunsch,
sich Pfänder der Vergewisserung auf das Morgen zu be-
schaffen, erkennt man aber mühelos des Menschen Verlangen
nach Hoffnung. Die Fähigkeit zur Prognose gibt die Möglich-
keit fester Erwartungen, begründeter Hoffnungen. Der Pre-
diger fährt n u n aber in dieser Erörterung mit der Feststellung
fort, daß der Mensch das Werk, das Gott tut, von Anfang bis
zu Ende nicht finden, d. h. nicht fassen kann. Darin ist deut-
lich ausgesagt, daß die Zukunft allein Gottes ist. E s gibt keine

28
wirklich sichere Prognose, die sich des Morgen bemächtigen
könnte. So wendet sich denn auch hier der Gedankengang
wieder auf die Gegenwart und zur Mahnung, nach den in der
Gegenwart gegebenen Gütern zu greifen: „Es gibt nichts
Besseres, als sich zu freuen und es sich gut gehen zu lassen
im Leben. Denn auch, daß ein Mensch essen und trinken kann
und sich gütlich tun bei all seiner Mühsal, auch das ist eine
Gabe Gottes" (V. 12 f.). Die Gestaltung des Gesamtgeschehens
aber, und d. h. auch die Gestaltung des heute dem Menschen
noch unerkennbaren Morgen, ist Gottes eigener ewiger Rat-
schluß. „Man kann nichts dazutun und nichts davontun; und
Gott hat es so gemacht, daß man sich vor ihm fürchte"
(V. 14).
Der Prediger ist Hiob darin verwandt, daß auch er Gottes
freie Herrschaft über dem Geschehen in der Welt voll an-
erkennt. Während er sich aber in einer auffallend selbstkriti-
schen Resignation mit der Freude an dem im Heute Gegebenen
bescheidet, ist bei Hiob darüber hinaus das leidenschaftliche
Verlangen zu erkennen, doch etwas von Zukunft und Hoff-
nung zu finden. Hinter diesem Verlangen steht bei Hiob das
Wissen, daß Gott, der Schöpfer, es doch mit seinem Geschöpf
zu tun haben will — ein ohne Zweifel genuin alttestament-
liches Wissen, das beim Prediger, der sich damit als eine Rand-
gestalt im Alten Testamente ausweist, nirgends zum Ausdruck
gelangt. Wenn Gott es aber wirklich mit dem Menschen zu
tun haben will, wie Hiob weiß, muß es dann nicht auch für
f einen Hiob, diesen Menschen in der Nacht der Anfechtung,
noch Hoffnung geben?
Ich meine, daß von hier aus vier Aussagen Hiobs, die noch
[ zur Sprache kommen müssen, zu verstehen sind. Es sind Aus-
sagen, die seltsam nahe an den Rand des Utopischen, eigentlich
gar nicht mehr zu Denkenden, heranführen. So die verzwei-
| feite Aussage Hi. 13,13—16: „So schweiget nun und lasset
j mich reden, es komme über mich, was da mag! Ich will mein
Fleisch in meine Zähne nehmen und meine Seele auf meine
Hände legen. Siehe, er tötet mich. Ich halte ihm stand (wört-
lich: Ich warte — hoffe? — auf ihn, jhl)''; nur will ich ihm
meine Wege ins Angesicht hinein dartun. Auch das schon

29
gereicht mir zum Heil, daß ein Ruchloser nicht vor ihn tritt."
Im verzweifelten Durchbruch nach vorn wagt sich Hiob in
die todbedrohte Situation der Herausforderung Gottes. Sollte
dieser sich dieses gefallen lassen, so läge für Hiob in seinem
Ausharren — Hoffen? — schon ein Schimmer von Heil.
Seltsam unwirklich klingt auch der Wunsch von Hi. 14,13—
15: „Ach, daß du mich im Totenreich bärgest, mich ver-
stecktest, bis dein Zorn sich gewendet, ein Ziel mir setztest
und dann mein gedächtest! . . . All meine Dienstzeit wollte
ich ausharren (hoffend warten, jhl), bis daß meine Ablösung
käme. Dann würdest du rufen und ich dir antworten, nach
dem Werk deiner Hände sehntest du dich." Hiob sitzt in
seiner Not mitten in der Hölle, in der Unterwelt. In seinem
Wort bejaht er diese Not. Er schreit nicht, daß er aus dieser
Not herausgerissen werden möge. Aber er formuliert den un-
möglichen Wunsch, daß Gott ihn doch gerade da unten an
diesem ganz gottfernen Ort verbergen möchte, bis die Zorn-
zeit vorbei ist — und formuliert den verwegenen Gedanken,
daß Gott dann auch nach dieser Zeit des Zornes sich wieder
nach seinem Geschöpf sehnen und es zu sich rufen könnte. Das
aber wäre neue Zukunft, volle Hoffnung.
In den beiden Stellen 16,18ff. und 19,25 aber sind es zwei
Termini aus dem Rechtsbereich, mit denen Hiob seine mög-
liche Hoffnung zu formulieren wagt. Aus dem auch in der
Kaingeschichte ausgesprochenen Glauben heraus, daß das un-
bedeckte, nicht im Grab zur Ruhe gebrachte Blut eines Getö-
teten schreit und das einfache „causa finita" verhindert, ruft
er: „O Erde, decke mein Blut nicht zu, mein Schreien finde
keine Ruhestatt! Schon jetzt, siehe, lebt im Himmel mir ein
Zeuge, mir ein Mitwisser in der Höhe. Es spotten meiner
meine Freunde; zu Gott blickt tränend auf mein Auge, daß
er Recht schaffe dem Manne gegen Gott, dem Menschen
gegen seinen Freund!" (Hi. 16,18ff.). Von Hoffnung ist hier
nicht ausdrücklich geredet, aber auch hinter diesem Worte
steht das Wissen Hiobs, daß Gott einmal zu seinem Lebens-
recht Ja gesagt hat und daß die Argumentation der Freunde,
die ihm mit ihrer kalten Ordnungslehre sein Lebensrecht vor
Gott wegargumentieren, Lüge ist. Dafür hat er einen Zeugen

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im Himmel, Gott selber. An diesen G o t t appelliert er gegen den
Gott der Hoffnungslosigkeit, die Fratze Gottes, die ihm die
Freunde vorhalten. Er bittet darum, daß sein Blut nicht be-
deckt werde, nicht aufhöre zu schreien, weil der Rechtsfall
ja abgetan wäre, wenn nicht mehr geschrieen, das „Zeter-
geschrei" erhoben, zum Recht gerufen würde. Sein Rechtsfall
soll nochmals zur Sprache kommen. Dann aber wird der
Gott, u m dessen Ja er weiß, eben jener Gott, der sich wieder
nach seiner Kreatur sehnen wird, dazwischentreten und sein
Lebensrecht an den Tag bringen.
Hat Hi. 16 mit Gott als dem Zeugen argumentiert, so wird
in Hi. 19 die Rechtsgestalt des „Lösers" beschworen. Der
go'el, der Löser oder Bluträcher, hat dann, wenn in einer
Sippe Blut vergossen worden ist, ein Mensch zu Tode gekom-
men ist, als der nahe Verwandte die Blutrechnung einzufor-
dern und damit nach dem Tode eines Menschen auf der sippen-
rechtlichen Basis dem Recht wieder zum Ausgleich zu helfen.
Leben um Leben. Wenn Hiob nun nach 19,25 sagt: „Ich
weiß, daß mein go'el (d. h. mein Löser) lebt und ein Bürge
(wörtlich: „Anderer", was hier auch ein Rechtsbegriff sein
m u ß : ein Ersatzmann, der da eintritt, w o ein Erster nicht mehr
handeln kann) mir über dem Staube ersteht", so ist auch
darin zunächst anerkannt, daß sein Blut vergossen, sein T o d
geschehen ist. Aber über diesen T o d hinaus weiß er davon,
daß einer da ist, der für sein Recht auch über den T o d hinaus
eintritt und dafür sorgen wird, daß dieses noch einmal seine
Anerkennung findet. Auch hier geht es in der Sache um das
Lebensrecht Hiobs vor Gott, das nirgends anders als bei G o t t
selber gesichert bleibt, nachdem die Freunde so gar nichts
davon wissen und Gottes zürnendes Handeln, das Hiob in
den Tod jagt, davon auch so gar nichts erkennen läßt. Die
Aussagen sind weltbildlich nicht zu abgerundeten Vorstel-
lungen durchgeklärt. Es wäre falsch, hier von einer Lehre
von der Auferstehung und v o m ewigen Leben zu reden. Für
unseren Zusammenhang ist nur das eine von Bedeutung, daß
Hiob mitten in all seinen verzweifelten Klagen u m sein ver-
lorenes Leben und die verlorene Hoffnung sich dazu be-
kennt, daß in Gott selber noch Möglichkeiten lägen — u m

31
Gottes selber willen. U m dessetwillen, daß Gott sich zu seiner
Kreatur bekannt hat, als Schöpfer des Menschen sich zu sei-
nem Rechtsverwandten gemacht hat. Das ist nicht als Recht
verstanden, das der Mensch sich durch sein T u n einfordern
könnte, und nicht als eine Hoffnung, auf die er kraft eigener
Leistung Anspruch hätte, wie es im Ordnungsdenken, das
die Freunde Hiobs so hart dogmatisierten, klang, sondern eine
Hoffnung, die allein in Gott, weil er Gott ist und als solcher
in seiner Zusage nicht lügen kann, liegt.
Auf diesem Wege, der von den Sprüchen über den Prediger
und Hiob durch die Krise des Hoffnungsglaubens hindurch
in die letzte Tiefe des Hoffnungsdenkens hineingeführt hat,
kann das eigentlich entscheidende alttestamentliche Hoffen in
Sicht kommen: Hoffnung ist nach alttestamentlichem Glauben
nur da legitim, w o Gott in seinem T u n und Schenken und
Verheißen der alleinige Herr bleibt und der Mensch Zukunft
von keiner anderen Stelle her mehr erwartet als aus der freien
Gabe Gottes. W o sich menschliche Hoffnung in irgendeiner
Weise neutral weltbildlich oder in einem Ordnungsdenken ab-
stützt, wo sie sich am Ende gar auf ein eigenes menschliches
Verhalten, und sei es auch ein ganz frommes Verhalten, ver-
läßt, da ist sie auf brüchigem Grunde erbaut und wird eines
Tages in der Krise zusammenbrechen wie das auf Sand ge-
baute Haus.

32
III. Die Hoffnungsaussagen der Psalmen

Im alttestamentlichen Weisheitsschrifttum hatte sich der Be-


reich der Reflexion über Welt und Menschen erschlossen.
Nicht der spekulativen Ergründung der letzten Ursachen und
Kräfte der Weltwirklichkeit, welchen die jonischen Vorsokra-
tiker nachsannen, galt jene Reflexion, sondern der Frage der
praktischen Bewältigung der Lebenswirklichkeit, die in einem
durchaus vorgegebenen Weltganzen gesehen wurde. Hier
stieß sie auch auf das Phänomen der Hoffnung, hier brach
die Frage nach der Möglichkeit von Hoffnung beim Prediger
und im Hiobbuch, die sich in ihrem Zusammenstoß mit den
Rätseln der Weltwirklichkeit nicht mit vorgegebenen Sche-
mata abfinden konnten, in seiner ganzen Härte auf.
Heute nun soll der Blick auf die Psalmen gerichtet werden,
das gottesdienstliche Gebetbuch der alttestamentlichen Ge-
meinde. Da es hier um die Worte geht, in denen der alttesta-
mentliche Mensch und die Gemeinde, in die er gehört, ihren
Gott angehen, ist von vornherein zu erwarten, daß das Phäno-
men Hoffnung auch hier zur Sprache kommen muß. Das
Fragen des Menschen nach seiner Zukunft und seiner Lebens-
möglichkeit in gefährdeter Gegenwart wird sich da zweifellos
niederschlagen müssen, wo der Mensch seinen Mund im An-
ruf zu seinem Gott hin auftut.
Es müssen zunächst einige Worte über den Psalter voraus-
geschickt werden. Die 150 hier gesammelten Lieder stellen
keineswegs ein durchgehend gleichförmiges Gut von einerlei
Gattungszugehörigkeit dar. Die Psalmenforschung, in der die
Namen Gunkel, Mowinckel, Westermann 1 verschiedene Sta-
dien neuerer formgeschichtlicher Arbeit bezeichnen, hat deut-
lich gemacht, wie verschiedenartiges Gut hier in einer Samm-
lung zusammengebracht worden ist. Der hebräische Name des
Liederbuches PhilHm, „Loblieder", der mit dem im Lobruf
Halleluja, „Preiset Jahwe" verwendeten Verb zusammen-
hängt, akzentuiert in der Überschrift die in den Psalmen in

33
der Tat reich vertretene Seite des Lobpreises Gottes. Der
Terminus „Loblied" ist mit Westermann dem von Gunkel
gebrauchten Terminus Hymnus vorzuziehen. Das Loblied ist,
wie der sich häufig, auch gerade im Ruf Halleluja findende
Aufruf an die Mehrzahl der Lobenden zeigt, eine in der Ge-
meinde beheimatete Liedgattung. Diese kann erst in abgelei-
teter und übertragener Weise in der Umprägung zur Selbst-
anrufung „Lobe Jahwe, meine Seele" auch zum Lied des
Einzelnen werden. Auf den Aufruf folgt in der Regel ein
Hauptstück, das den Aufruf zum Lob mit dem Hinweis auf
die großen Taten Gottes in Schöpfung und Geschichte be-
gründet. Daß dann in abgeleiteter Weise auch die Gottesstadt
Zion Gegenstand des Rühmens werden kann, braucht hier nur
nebenbei erwähnt zu werden.
Den Hauptteil der Lieder im Psalter stellt aber trotz der
hebräischen Überschrift „Lobliedsarnmlung" nicht das Lob
Gottes, sondern die Gruppe der Lieder dar, die aus der ande-
ren Grundbewegung der Gebetshaltung des Menschen stammt,
der Bitte. Das Bittlied, in der Gunkelschen Terminologie
„Klagelied" genannt, gehört mit den weiteren Formen des
Dankliedes, das sich seinerseits wieder dem Loblied nähert,
und des Vertrauensliedes formgeschichtlich zusammen. Im
Klagelied schreit der Mensch aus seiner Anfechtung heraus
zu seinem Gott. Im Danklied, das Westermann unter der
Näherbezeichnung „berichtender Lobpsalm" mit den Lob-
liedern zusammenstellt, wird auf die vorhergegangene N o t
zurückgeblickt — oft so, daß geradezu das damals gespro-
chene Klagelied nochmals im Wortlaut zitiert wird. Hier wird
Gott für die gewährte Hilfe gedankt. Im Vertrauenslied kann
sich ein Element des Klageliedes, nämlich der darin immer
wieder durchbrechende Ausdruck des Vertrauens zu Gott, in
einer selbständigen Liedform unabhängig machen.
Als dritte Gruppe seien noch die Weisheitspsalmen heraus-
gehoben, die das Element der Betrachtung stärker hervor-
treten lassen und, wie sich bald am Beispiel zeigen wird, in
ihrer Haltung der Weisheit nahestehen.
Wollte man vollständig sein, so gälte es noch weitere kleinere
Psalmengruppen herauszuheben — etwa die Königslieder,

34
deren Bereich heute von manchen sehr weit gefaßt wird, die
Wallfahrtslieder u. a. Da unser Interesse nun aber im beson-
deren dem Ausdruck der Hoffnung und der Zukunftserwar-
tung im Psalter gilt, soll die Aufzählung nicht weiter aus-
gedehnt werden.
Mit der Frage nach Hoffnung und Zukunft in den Psalmen
empfiehlt es sich in Anknüpfung an das in der vorhergehenden
Stunde Erörterte den Einstieg bei den Weisheitspsalmen zu
nehmen. Ein kurzer Blick auf den Eingangspsalm des ganzen
Psalters sei dabei an den Anfang gestellt. Psalm 1 ist dem
ganzen Psalter als Prolog vorangestellt worden und will eine
bestimmte Richtung des Verständnisses desselben von vorn-
herein deutlich machen. Daß einige Textzeugen in Apg. 13,33
ein Zitat aus Ps. 2 des uns vorliegenden Psalters als Zitat aus
dem 1. Psalm bezeichnen, deutet darauf, daß der Eingangs-
psalm gelegentlich gar nicht als eigener Psalm in die Zählung
der 150 Psalmen einbezogen worden ist. Dieser Eingangs-
psalm 1 nun stellt zwei Menschentypen vor: denjenigen, „der
nicht wandelt im Rate der Gottlosen, noch tritt auf den Weg
der Sünder, noch sitzt, wo die Spötter sitzen, sondern sein
Wohlgefallen hat am Gesetz (der Weisung) Jahwes und über
sein Gesetz (seine Weisung) sinnt Tag und Nacht" auf der
einen Seite, und die „Gottlosen" auf der anderen Seite. Mit
Bildern, die sich z. T. schon in der ägyptischen Weisheits-
schrift des Amenemope 2 mit ihrer Antithese des „Heißen im
Tempel" (d. h. des Hitzigen, Unbesonnenen, Toren) und des
„wahren Schweigenden" ,d. h. des Weisen, finden und die modifi-
ziert in den Weisheitssprüchen Jer. 17,5—8 wiederkehren, wird
der Fromme mit dem Baum verglichen, der „an Wasserbächen
gepflanzt ist, seine Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen
Blätter nicht welken", der Gottlose aber mit „der Spreu, die
der Wind verweht". Das Wort Hoffen oder Hoffnung kommt
hier nicht vor, aber es ist unverkennbar, daß mit den ver-
wendeten Bildern gesagt werden will: Der Gerechte, der das
Böse meidet und über dem Gesetz Jahwes sinnt Tag und
Nacht, hat Zukunft. Diese ist nicht als bloß kalendarisches
Phänomen einer leeren Zukunftszeit beschrieben, sondern in-
haltlich erfüllt. Es ist die echte Zukunft des Fruchtbringens.

35
Und ganz so ist auch der Gottlose mit dem Bild von der ver-
wehenden Spreu nicht auf das bloße Fehlen von kommenden
Lebensjahren hin angesprochen, sondern die innere Nichtig-
keit und Fruchtlosigkeit seines Lebens, das keine erfüllte Zu-
kunft hat, wird im Bilde gemalt. Insofern geht es auch hier
unter anderen Worten und Bildern um die Möglichkeit von
Hoffnung in einem Menschenleben und um das Fehlen solcher
Hoffnung.
Zu dieser Zeichnung der beiden Menschentypen und der für
sie offenstehenden Möglichkeit von Hoffnung bzw. Unmög-
lichkeit einer Hoffnung wird man sich auf jeden Fall an die
zum Gespräch Hiobs mit seinen Freunden gemachten Fest-
stellungen erinnern müssen. Nur wenn aus Ps. 1 gehört wird,
daß Zukunft und Gedeihen und Fruchtbringen auf jeden Fall
aus den Händen Gottes kommt und nicht einfach als dem
Menschen verfügbare Möglichkeit am Wege liegt, ist der
Psalm recht gehört. Und nur wenn auf der anderen Seite ge-
hört wird, daß, weil Hoffnung nur aus Gott kommen kann,
der Gott-Lose auf jeden Fall auf den Weg tritt, über dem keine
Verheißung und Zukunft steht — nur wenn der Psalm so
gehört wird, daß alle Freiheit des Spendens und Versagens
bei Gott bleibt und daß es seine freie Güte ist, die den, der
sich an ihn und sein Wort der Weisung hält, nicht läßt — nur
dann entgeht der Psalm dem Verdikt, der im Hiobbuch über
Hiobs Freunde gesprochen ist.
Diese gleiche Bemerkung ist auch zu den Sätzen von Ps. 37
zu machen, in denen ausdrücklich von Hoffnung geredet
wird. Der Weisheitspsalm 37, der auf Strecken hin den Ein-
druck einer Aneinanderreihung von proverbienartigen Sen-
tenzen macht, die man ganz so im Sprüchebuch finden könnte,
ist in der — für unser Empfinden nicht besonders poeti-
schen — Kunstform des akrostichischen Gedichtes gehalten.
Die insgesamt 22 Zweizeiler beginnen je mit einem folgenden
Buchstaben des Alphabetes. Hier ist in den zwei inhaltlich
nahe beieinanderliegenden Versen 8 f. und 34 vom hoffenden
Harren auf Jahwe geredet. 8 f. begründen die Mahnung, nicht
eifersüchtig nach dem Glück des Gottlosen zu schielen mit
der Feststellung: „Denn die Übeltäter werden ausgerottet,

36
aber die auf Jahwe harren (hvh), sie werden das Land in
Besitz nehmen", während 34 mahnt: „Harre (hvh) auf Jahwe
und halte seinen (d. h. den von ihm gebotenen) Weg ein, so
wird er dich erhöhen, so daß du das Land in Besitz nehmen
wirst. Du wirst sehen, wie die Übeltäter ausgerottet werden."
Die gefährliche Nähe zur Theologie der Freunde Hiobs ist
gar nicht zu übersehen. Nur wenn die Rede vom Harren auf
Jahwe auch hier wirklich ganz offenbleibt für Gott und darum
weiß, daß die freie Treue Gottes den Seinen das Land geben
wird (darin hallt die Erinnerung an die Israel einst zuteil ge-
wordene Verleihung des gelobten Landes nach), nur dann
wird der Satz auch vor den in den Reden Hiobs gewonnenen
Erkenntnissen bestehen können.
Ein ganz ungefüger akrostichischer Psalm (Luther hat ihn das
„güldene ABC" genannt), in dem jeweils nicht weniger als
8 Einzelsprüche mit dem gleichen Buchstaben des Alphabets
beginnen, so daß der Psalm mit seinen 8 mal 22, d. h. 176
Versen Länge alle anderen Psalmen weit übertrifft, ist als
Ps. 119 in der Psalmsammlung zu finden. Die Eigenart dieses
Weisheitspsalms, dem A. Deissler eine Monographie von über
300 Seiten Umfang gewidmet hat 3 , besteht darin, daß hier der
Begriff des Wortes Gottes, der vorzüglich die Offenbarung
von Gebot, Weisung und Satzung umfaßt, ganz in die Mitte
gerückt ist. Nicht ein geschichtsjenseitiger, aus seinen Werken
in der Natur zu erahnender Gott steht hier vor Augen, sondern
der Gott, der sich seiner Gemeinde gnadenhaft erschlossen
hat. Auf diese Erschlossenheit hin richtet sich denn auch das
Hoffen, das in diesem Psalm nicht weniger als 8mal erwähnt
ist (6maljhl, 2mal sbr. In 119,95 wird hvh profan vom Lauern
der Feinde gebraucht). Wird der Psalm oft etwas leichthin als
ein Gesetzespsalm abgetan und einem gesetzlich erstarrten
Spätglauben zugeschrieben, so zeigt die sorgfältigere Beob-
achtung gerade an dieser Stelle, wie sehr das „Wort Gottes"
nach dem Verständnis dieses Psalmes den Menschen auf erst
Kommendes hin öffnet und ihn zum wartenden Menschen
macht. „Gedenke des Wortes an deinen Knecht, denn du
hast mich (hoffend) warten (jhl) gemacht" (V. 49). Der Psal-
mist weiß, daß das Versprechen des göttlichen Wortes Hilfe

37
ist: „Meine Seele schmachtet nach deiner Hilfe, ich warte
(jhl) auf dein Wort" (V. 81, vgl. V. 166, wo ihr gebraucht
ist). Und darum weiß er in diesem Warten auch ganz zuver-
sichtlich: „Meine Bergung und mein Schild bist du — ich
warte (jhl) auf dein Wort" (V. 114). So wandelt sich denn
dieses Warten auch immer wieder zur Form des Rufens:
„Stütze mich nach deinem Wort, daß ich lebe, und laß mich
nicht mit meiner Hoffnung (iebir) zuschanden werden"
(V. 116). „Früh am Morgen schon stehe ich auf und schreie,
ich harre (jhl) auf dein Wort" (V. 147). Es könnte hiernach
fast scheinen, als wäre das Wort selber etwas erst von der
Zukunft zu Erwartendes. Die Tatsache aber, daß einmal
geradezu das (doch offenbar schon voll geoffenbarte) Gebot
an die Stelle des Wortes tritt: „Reiße nicht aus meinem
Munde das Wort der Wahrheit, denn ich harre (jhl) auf dein
Gebot" (V. 43), zeigt aber demgegenüber, daß kein anderes
als das den Menschen schon heute anredende und weisende
Wort zugleich das auf Zukunft hin öffnende, Erwartung wek-
kende, Hilfe versprechende Wort ist. — In überraschender
Weise kann einmal auch festgestellt werden, daß die Gegen-
wart eines auf Gottes Wort wartenden Menschen Freude für
die Gemeinde bedeutet: „Die dich fürchten, sehen mich und
freuen sich, denn ich harre (jhl) auf dein Wort" (V. 74). Der
Ring der Verschlossenheit des Wartenden in dem Bereich
seiner Privatfrömmigkeit ist hier gesprengt. Weil das Wort,
von dessen Kommen alttestamentlicher Glaube weiß, kein
Privatwort für einen Einzelnen ist, so bleibt auch das Wagnis
der Hoffnung auf Gott kein Privaterlebnis, sondern dient der
Erbauung der Gemeinde.
Es ist wohl deutlich geworden, daß Ps. 119 die Sphäre der
beobachtenden und betrachtenden Weisheit trotz all dem, was
in ihm an Weisheitselementen zu erkennen ist, zu verlassen
begonnen hat. So ist es nun auch an der Zeit, die Psalmen
voll heranzuziehen, in denen das hoffende Warten recht
eigentlich seinen Ausdruck findet. Das ist der Kreis der
Klagelieder (=Bittlieder) und der im weiteren mit ihnen
verbundenen Psalmgattungen des Dank- und Vertrauens-
liedes.

38
Wo der Mensch in ruhigen, befriedeten Verhältnissen lebt
und in seinem Leben hat, wessen er äußerlich bedarf, da wird
in der Regel weniger von seiner Hoffnung die Rede sein als
da, wo er in äußere Not und äußere und innere Anfechtung
geworfen ist und ihm alles bedrängend ungewiß wird. Da
wird sich die Frage unausweichlich stellen, ob denn nun mit
dieser Gefährdung der Mensch verloren ist oder ob er Zu-
kunft — und in dieser Zukunft noch etwas zu erwarten hat.
Da wird diese Frage auch im Wort und Fragen des Menschen
aufbrechen. Diese Situation der Anfechtung und Bedrängnis
aber ist der Ort, an dem das Psalmklagelied seinen Sitz im
Leben hat. Was im Hiobbuch von der Weisheit her angegangen
wurde und dort im Gespräch mit den Freunden in einer Art
Streitgespräch der Lebenserfahrungen zum Austrag kam, kann
ganz ebenso im Gottesdienst Israels, da, wo der Angefochtene
am Heiligtum seine Bitte vor Gott bringt, zur Aussprache
gelangen. So ist es in Ps. 69 zu hören, wie der Beter, der aus
seiner Verzweiflung heraus zu schreien anhebt: „Rette mich,
Gott, denn die Wasser gehen mir ans Leben", im weiteren
(V. 4) die Qual des Harrens schildert: „Ich bin in meinem
Rufen müde geworden, verdorrt ist meine Kehle, meine
Augen sind trübe geworden in meinem Harren (jhl) auf mei-
nen Gott." Hier erkennt man auch das Bewußtsein des Beters,
sein Leiden nicht nur als Einzelner, sondern als Glied einer
Gemeinde derer, die mit ihm von Hoffnung wissen, zu er-
fahren, wenn er bittet: „Nicht mögen in mir zuschanden wer-
den die, welche auf dich harren (hvh), Herr, Jahwe der Heer-
scharen. Nicht mögen in mir beschämt werden, die dich
suchen, Gott Israels" (V. 7). Das Harren auf Gott ist im Paral-
lelsatz umschrieben als ein Gott-Suchen. Zugleich aber wird
hier, wenn der Beter später sagt: „Ich wartete auf einen, der
Mitleid hätte, aber da war keiner — auf Tröster, aber fand
keine" (V. 21), noch etwas weiteres sichtbar. Neben das Harren
auf Gott tritt das Warten auf menschliche Tröster. Dieses
letztere wäre sicher falsch interpretiert, wenn man sagte, hier
sei dem Warten auf Gott die Absage erteilt und Hoffnung
und Vertrauen auf Menschen als die eigentlichen Garanten
von Hoffnung ausgesprochen. Auch diese Tröster wollen im

39
Rahmen der Gemeinde gesehen werden. Das wäre Teil der
Tröstung, daß neben den Angefochtenen Menschen träten,
die in der Solidarität der gleichen Hoffnung zu Gott echte
Tröster würden. Das war ja die Not Hiobs, daß die Freunde,
die scheinbar als solche Tröster kamen, sich, wie es in 16,2
aus dem Munde Hiobs zu hören ist, als „leidige Tröster" er-
wiesen, die ihm statt wahrer Hoffnung auf den lebendigen
Gott die Fratze Gottes vor Augen hielten.
Durchgeht man im einzelnen die Stellen der Klagelieder, in
denen ausdrücklich von Hoffen (Harren) geredet ist, so wird
auffallen, daß diese ihren Ort meist im sog. Bekenntnis des
Vertrauens haben, zu dem sich der Beter hinfindet und mit
dem er auch sein eigenes Rufen begründet. So ist es in dem
akrostichischen Psalmklagelied 25 zu hören, daß der Beter
nach den einleitenden Bitten um Hilfe an Gott sagt: „Keiner,
der auf dich hofft (hvh), wird zuschanden werden" (V. 3)
oder etwas später eine weitere Bitte mit der Aussage begründet:
„Denn du bist der Gott, der mir hilft, täglich harre (hvh) ich
auf dich" (V. 5), vgl. noch V. 21. In dem Geschrei und der
Klage des Beters von Ps. 38, der den Zorn Gottes über sich
fühlt, von Krankheit geschlagen ist und dem Hören und Reden
vergangen ist, tritt es ganz unvermittelt heraus: „Denn auf
dich, Jahwe, warte ich (jhl), du wirst erhören, Herr, mein
Gott" (V. 16). Noch überraschender ist es, in Ps. 71, dem
Gebet eines Menschen, der durch die Not des Alters bedrängt
ist, neben dem Bekenntnis: „Denn du bist meine Hoffnung
(tihväh), Herr Jahwe, mein Vertrauen von meiner Jugend
auf" (V. 5) zu hören, in welcher Weise das Harren inhaltlich
geschieht: „Ich aber warte (hoffe, jhl) beständig und mehre all
deinen Ruhm" (V. 14). Hoffnung gibt, so ist hier enthüllt,
Gott die Ehre. Indem sie ihm alles anbefiehlt und von ihm
alles erwartet, rühmt sie ihn als den wahren Herrn des Lebens.
Das Bekenntnis der Zuversicht im Klagelied kann sich aber
auch in imperativische Gestalt kleiden. So wird man den Ab-
schluß von Ps. 27 „Harre (hvh) auf Jahwe, sei stark und dein
Herz sei unverzagt und harre (hvh) auf Jahwe" nicht als
Heilszuspruch eines Dritten 4 , sondern als abschließenden
Selbstzuspruch des Beters, mit dem er sein Flehen endet, zu

40
verstehen haben. Die Form solchen Zuspruches, der sich auch
an die ganze Gemeinde richten kann, ist in dem Bußpsalm 130,
der uns von Luthers Umdichtung „Aus tiefer Not schrei ich
zu dir" her vertraut ist, zu finden. Nachdem der Beter, der
aus der Not der Anfechtung durch seine Sünde zu Gott ruft,
sein Warten und Hoffen beschrieben hat: „Ich harre (hvh),
Jahwe, meine Seele harrt (hvh), und auf sein Wort warte ich
(jhl) — meine Seele (harrt) auf den Herrn mehr als die Wächter
(warten) auf den Morgen" (Ps. 130,5 f.), ruft er die Gemeinde
auf: „Israel, harre (jhl) auf Jahwe, denn bei Jahwe ist Gnade
(Bundeshuld), und viel Erlösung ist bei ihm" (V. 7).
Besonders eindrücklich ist die Selbstermahnung des Beters
zum Warten in dem dreifachen Kehrvers des fälschlich in
zwei Teile zerrissenen Strophengedichtes Ps. 42 und 43 zu
hören. Der Psalm ist aus der besonderen Not heraus entstan-
den, daß der Beter fern vom Heiligtum in Jerusalem in einem
fremden Lande, in dem er Anfeindungen erfährt, leben muß
und sich nach den Gottesdiensten in Jerusalem und dem Mit-
feiern in der Gemeinde sehnt. Dreimal mündet es in den Kehr-
vers aus: „Was bist du gebeugt, meine Seele, und so unruhig
in mir? Warte (hoffe, jhl) auf Gott, denn noch werde ich ihn
preisen, die Hilfe meines Angesichtes und meinen Gott." Auf
eine einleitende, an das eigene Innere gerichtete, verwunderte
Frage folgt hier die Selbstermunterung zum Hoffen, die mit
dem gewissen Hinweis darauf begründet wird, daß der Tag
kommt, an dem der Lobgesang auf Gott wieder voll ange-
stimmt werden kann. Auf die Frage nach dem Inhalt der
Hoffnung dieses Psalmisten bekommen wir eine eindrückliche
Antwort: Nicht die Beseitigung momentaner Bedrängnisse
steht im Zentrum, nicht der Wunsch nach einem ruhigen
Leben, sondern die Hoffnung, an den Ort zu gelangen, an
dem Gott in der Gemeinde gelobt wird. Fragen wir ihn
weiter, woher seine Gewißheit kommt, daß diese Hoffnung
Erfüllung finden wird, so ist keine ebenso klare Antwort zu
hören. Es scheint aber, daß die Erinnerung an die Gottes-
dienste, an denen er früher am Heiligtum teilgenommen, für
ihn das eigentliche Motiv seiner ausschauenden Gewißheit ist.
In dem, was ihm damals von Gott her begegnet war, liegt die

41
heimliche Gewähr, daß Gott ihn nicht im Stiche lassen werde.
Gott läßt kein Werk angefangen liegen. Diese Behauptung
begegnet mit anderen Worten auch bei Paulus im Eingang
des Philipperbriefes (1,6).
Von der starken Verankerung der Hoffnungsaussage in der
Vertrauensaussage des Klageliedes her ist es auch mühelos
verständlich, daß diese Aussage sich weiter in den verselbstän-
digten Vertrauensliedern findet. Der Satz des Kehrreimes von
Ps. 62,2 „ N u r zu Gott ist stille meine Seele, von ihm kommt
meine Hilfe" wird bei der Wiederholung in V. 6 variiert:
„Nur zu Gott ist stille meine Seele, denn von ihm kommt
meine Hoffnung (tihväh)." In Ps. 131 geht es von dem schö-
nen Bild, in welchem der Psalmist sein Vertrauen zu Gott
mit dem Hinweis auf den sich ruhig an seine Mutter schmie-
genden Entwöhnten verdeutlicht, in den Anruf über: „Harre
(jhl), Israel, auf Jahwe von nun an bis in Ewigkeit." Dem
Hoffen Israels ist keine Frist gesetzt.
Ebenso ist es im Danklied, das auf durchstandene N o t zurück-
schaut, zu hören, wie das Hoffen auf Gott sich als sinnvoll
erwiesen hat. In seiner Dankliederzählung berichtet der Er-
hörte, der am Heiligtum sein Dankopfer darbringt: „Ich
harrte unerschütterlich (hvh) auf Jahwe, und er neigte sich
zu mir und hörte mein Schreien. Er zog mich aus der Grube
des Verderbens, aus tiefem Schlamm und stellte mein Füße
auf Felsgrund" (Ps. 40,2 f.). Hier wird dann auch gewagt,
einen über den Augenblick hinaus gültigen festen Glaubens-
satz zu formulieren: „Denn der Arme wird nicht für alle Zeit
vergessen sein, noch wird die Hoffnung (tihväh) der Elenden
für Ewigkeit zugrunde gehen" (Ps. 9,19). Im Abschluß von
Ps. 31 ist dann auch hier die klare Einbeziehung der zum
Dankopfer mit eingeladenen Gruppe der Freunde und Ver-
wandten in die Mahnung zum Harren erkennbar. Was im
Klagelied Ps. 27 abschließende Selbstermunterung des Beters
zu neuem Hoffen war, umgreift hier die ganze Opfertafel-
runde der für die Befreiung aus der N o t Dankenden: „Seid
stark und euer Herz sei unverzagt, ihr alle, die ihr harret
(jhl) auf J a h w e " (V. 25). Sollte der überlieferte Text des
Dankfestliedes Ps. 52 in Ordnung sein, so würde hier noch

42
eine weitere Variante der Formulierung erkennbar: „Ich will
dich allezeit preisen, denn du hast gehandelt, und ich will
harren (hvh) auf deinen Namen vor deinen Frommen, denn
er ist g u t " (V. 11). An die Stelle des Hoffens auf Jahwe ist hier
das Hoffen auf den Namen Jahwes getreten.Im Namen.der ge-
wissermaßen die offenbare, anrufbare Seite Gottes darstellt,
kann im Alten Testament je und dann die ganze, dem Menschen
zugewendete Wirklichkeit Gottes gesehen werden. So ist es
wohl möglich, daß auch von der Hoffnung auf den Namen
geredet werden kann. Da der Text der Stelle aber nicht un-
bedingt gesichert erscheint, wird man darauf nicht zu viel
Gewicht legen.
Neben den im Klagelied und seinem formgeschichtlichen Um-
kreis zu findenden Aussagen über menschliches Hoffen treten
die spärlichen Angaben, die sich im Bereich des von Wester-
mann als „beschreibendes Loblied" bezeichneten Hymnus der
Gunkelschen Terminologie finden, auch nach ihrem inhaltlichen
Gewicht zurück. Da kann in Ps. 146,5 der Mann, der gepriesen
wird, weil er seine Hilfe vom Gott Jakobs erwartet, in der
Parallelaussage als Mann beschrieben sein, dessen Hoffnung
(sebir) auf Jahwe, seinem Gott, steht. Im Ps. 33 wiederum,
der die Bundeshuld Jahwes rühmt, können die Gottesfürch-
tigen in V. 18 in der Parallelaussage als diejenigen, „die auf
seine Bundeshuld warten (jhl)", bezeichnet werden. V. 20
bekennt „Unsere Seele wartet (hkh) auf Jahwe, er ist unsere
Hilfe u n d unser Schild". Und der Schlußvers 22, in dem das
Lied sich, den Stil des Hymnus im Grunde verlassend, zu
einer Bitte wendet, lautet: „Deine Bundeshuld, Jahwe, sei
über uns, wie wir auf dich hoffen (jhl)." So kann dann auch
Ps. 147,11 in seinem Rühmen Gottes feststellen: „Jahwe hat
Wohlgefallen an denen, die ihn fürchten, an denen, die auf
seine Bundeshuld warten (jhl)."
Eine Aussage ganz eigener Artist demgegenüber die in Ps. 104,27
und 145,15 formulierte Aussage, daß die Kreatur, auch gerade
die Tierwelt, daraufwartet (sbr),ch& Jahwe „ihr Speise gebe
zu seiner Zeit". Der Gedanke des Angewiesenseins alles Ge-
schaffenen auf den Schöpfer wird auch in dem mit Ps. 104
auffallend verwandten Echnatonpsalm und vor ihm schon in

43
ägyptischen Amunhymnen ausgesprochen5. Spezifisch alttesta-
mentlich scheint es zu sein, daß auch in diesem Zusammenhang
die Rede vom hoffenden Warten eingeführt wird. Die Rede
vom Hoffen erfährt damit an einer ganz bestimmten Stelle
eine auffallende Entschränkung in die Weite alles Geschaf-
fenen hinaus — was ganz von ferne an Hiob erinnern möchte.
Überblicken wir nun die Psalmaussagen über menschliches
Hoffen und Glauben an Zukunft, so drängen sich zwei Fest-
stellungen besonders lebhaft auf. Das erste ist die Wahrneh-
mung, daß alles ernsthafte, für das Leben hilfreiche Hoffen
auf Gott, den einzigen Gott Israels, den dieses unter dem
Namen Jahwe anruft, konzentriert ist. Es gibt neben ihm im
Unterschied zur polytheistischen Umwelt Israels keinen zwei-
ten, auf den man auch noch Ausschau halten könnte. Es gibt
aber auch keine zweiten sonstigen Wege, auf denen der Mensch
sich Hoffnung verschaffen könnte. Wenn einmal davon die
Rede war, daß der Angefochtene auf Menschen wartete
(hoffte), die ihn trösten kämen, so war auch dort deutlich
nicht an einen Ersatz für das Harren auf Gott gedacht, sondern
vielmehr an die rechte Hilfe, die der Mitmensch gerade in
diesem Harren auf Gott mit seinem Trösten gewähren könnte.
Dazu aber eine zweite Feststellung: Es fällt auf, mit welch
entschlossener Zuversicht von der Hilfe, die für den Glauben
in Jahwe liegt, gesprochen wurde. Denken wir nochmals an
die Aussagen im Hiobbuche zurück, so möchte es fast wie ein
Gegensatz vorkommen. War dort die radikal hoffnungskri-
tische Stimme zu hören gewesen, so sind die Psalmen durch-
zogen von einer beeindruckenden Hoffnungsgewißheit. Die
Frage möchte sich regen, auf welchem Grunde denn diese
Hoffnungsgewißheit steht. Der Verdacht könnte entstehen,
daß hier der Mensch nun doch wieder sein Hoffen auf irgend-
eine fixierte Weltsicht abstützte, die in bestimmten, dem Men-
schen greifbaren Gegebenheiten begründet wäre.
Es ist angesichts dieser Frage hilfreich, den Psalm 39 etwas
näher zu bedenken. Es ist ein Psalm, der aus tiefer Bedrängnis
heraus gesprochen ist und der zunächst mit seinen dunklen
Tönen an die Hoffnungskritik Hiobs erinnert. Der Psalmist
gesteht darin zu Anfang, daß er sich vorgenommen hatte, die

44
Bedrängnis seines Innersten zurückzuhalten und sie nicht im
Worte auszusprechen. Aber dann kann er das in seinem Inneren
brennende Feuer nicht mehr aushalten. So muß er nun reden.
Er breitet vor Gott die bedrängende Qual seiner Nichtigkeit
und Vergänglichkeit aus. „Laß mich, Jahwe, mein Ende er-
kennen und was das Maß meiner Tage ist, — daß ich er-
kenne, wie hinfällig ich bin" (V. 5). Es scheint ein Weltbild
ohne Hoffnung und Zukunft zu sein, das er entfalten muß.
„Ein Fremdling bin ich bei dir, ein Beisasse, wie alle meine
Väter. Blicke von mir weg, daß ich heiter werde, bevor ich
dahingehe und nicht mehr bin", so schließt der Psalm in
V. 13 f. In dieser Sicht des Menschenlebens ist kein Existen-
tial Hoffnung zu finden. Um so überraschender klingt es nun
aber, wenn mitten in diesen gequälten Ausführungen, in denen
der Psalmist Gott selber bittet, ihm die rechte Nüchternheit
dieser Sicht zu geben, unversehens zu hören ist: „Und nun,
worauf harre ich (hvh), Herr? Meine Hoffnung (tohilit)
steht zu dir. Rette mich von all meinen Vergehungen, mach
mich nicht zum Spott der Toren" (V. 8f.). Wo sollte in diesem
Gebet eine weltbildliche Abstützung der Hoffnung zu er-
kennen sein? Weltbildlich steht der Psalmist da, wo auch
Hiob stand. Aber aus der Ausweglosigkeit des Daseins heraus
greift er nach Gott — auch er mit einer Festigkeit, die ihn
von Hiob unterscheidet, und wirft ihm all seine akute Not
vor die Füße: die Bedrängtheit durch seine Schuld, die An-
fechtung durch das Reden derer, die ihn in seiner Not ver-
höhnen. „Nimm deine Plage von mir . . . Mit Strafen züch-
tigst du den Menschen um der Schuld willen, daß seine Anmut
vergeht wie die Motte — nur ein Hauch ist jeder Mensch"
(V. 11 f.). Woher das Wagnis des hoffenden Greifens nach
Gott, wo doch keine weltbildliche Gesetzmäßigkeit dafür an-
gerufen werden kann, daß das Schicksal sich wendet — ganz
anders als es in den Reden der Freunde Hiobs klang?
In diesem Zusammenhang muß Kap. 3 aus den sog. Klage-
liedern Jeremias6 herangezogen werden. Die 5 Lieder, die
sich im Büchlein der Klagelieder finden, sind nicht von Jere-
mia selber herzuleiten. Es sind Lieder, vier von ihnen in akro-
stichischer Form geschrieben, im Stil der PsalmklageEeder,

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die aber ihre Besonderheit dadurch erhalten, daß hier die Not
der Zerstörung Jerusalems der eigentliche Anlaß der Klage
ist. In Kap. 3 nun geht es auch hier von V. 18—29 deutlich
um die Frage der Möglichkeit einer Hoffnung. Die Klage
setzt in V. 18 ganz unten in der Tiefe bei dem Bekenntnis an:
„So sprach ich: Dahin ist mein Glanz und meine Hoffnung
(tohilit) von sehen Jahwes." Dann aber wendet es sich in
V. 21 zu einem überraschenden Entschluß: „Dieses will ich
mir zu Herzen nehmen, darum will ich warten (hoffen, jhl):
Die Gnaden (Hulderweise) Jahwes sind noch nicht zu Ende,
noch ist seine Barmherzigkeit nicht aus, jeden Morgen ist sie
neu, deine Treue ist g r o ß . Jahwe ist mein Teil, sagt meine
Seele, darum warte (ho8e,jbl) ich auf ihn. Gut ist Jahwe für
die, die auf ihn harren (hvh), der Seele, die ihn sucht. G u t
ist es, schweigend zu harren (jhl) auf die Hilfe Jahwes. Gut
ist es für den Mann, daß er sein Joch in seiner Jugend trage.
Er sitze einsam und schweige, denn er hat es ihm auferlegt.
Er beuge seinen Mund in den Staub — vielleicht besteht eine
Hoffnung (tihväh)." Und dann wird die Hoffnung ausgespro-
chen, daß Jahwe nicht ewig zürnen, sondern nach dem Reich-
tum seiner Huld Erbarmen zeigen möchte. Die Nähe zu jenem
utopischen Wunsche Hiobs, G o t t möchte ihn in der Unterwelt
solange bewahren, bis die Zornzeit vorbei sei, ist schwerlich
zu übersehen. N u r daß hier die Note der Hoffnung mit un-
gleich viel mehr Gewißheit angeschlagen wird. Zugleich aber
wird auch hier sichtbar, daß es keinerlei systemkräftige Abstüt-
zung dieser Hoffnung gibt. Das „Vielleicht" der letzten Hoff-
nungsaussage redet da deutlich genug mit seinem Hinweis
auf die volle Freiheit Jahwes, in dessen Entscheidung allein
die Verwirklichung der Hoffnung liegt. Im Zusammenhang
mit diesem Rekurs auf Jahwe selber und seine Freiheit taucht
dann aber auch hier die Erwähnung der Bundeshuld auf, die
immer wieder neu zu werden vermag. Auf dieser Basis wird
der kühne Satz gewagt: „Jahwe ist mein Teil."
Hinter der Rede v o m „ T e i l " steht der Vorgang der Land-
verlosung, bei der die Beteiligten ihren Losanteil bekommen.
Aus der Stämmegeschichte wissen wir, daß ein Stamm der
späteren Stämmeaufzählung ohne Landanteil blieb. In der

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Begründung dieses auffallenden Tatbestandes aber kann es
gehört werden, daß Jahwe selber sich als Losanteil dieses
Stammes Levi, der dann in der Folge der besondere Priester-
stamm wird, erklärt. So mag hinter der Formulierung, die
hier und anderswo in der frommen Sprache ganz abgesehen
von der Landverteilung der Stämme gebraucht wird, eine
ursprünglich levitische Redeweise stehen. Die Frage aber, die
über unserer Stelle stehenbleibt, lautet: Woher kommt es,
daß ein Mann in der Stunde seiner tiefsten Zerschlagenheit,
in der er zunächst bekennt, daß seine Hoffnung auf Jahwe
zugrunde gegangen sei, und wo er auch hinterher nicht mehr
als ein „vielleicht" auszusprechen wagt, nach solch gewisser
Aussage: Jahwe ist mein Teil, zu greifen vermag? Und hinter
dieser Frage steht die tiefere Frage: Woraufhin wird hier wirk-
lich Hoffnung gewagt?
Es muß zum Abschluß dieser Erörterung über die Psalmen
noch ein Psalm des Psalters herangezogen werden, der zwar
die Vokabel Hoffnung nicht enthält, sich aber in seinem
Hoffen so weit vorwagt wie kein zweiter Psalm. Ps. 73 ist
seiner Gattung nach zu den Weisheitspsalmen zu rechnen, in
denen ein Lebensproblem erwogen wird. Hier ist es das
gerade in den Weisheitsworten immer wieder begegnende
Problem des Glückes der Gottlosen. In einem sehr persön-
lich gehaltenen Bericht erzählt der Psalmist von seiner Not
mit dieser Frage und dem Anstoß, den ihm das Wohlergehen
der Gottlosen bereitet habe, so daß er nahe daran war, auch
selber von Gott zu lassen. Dann aber kam die Wende. In
einem leider in seinem präzisen Gehalt nicht mehr voll auf-
zuhellenden Ausdruck bekennt der Psalmist, daß seine An-
fechtung gedauert habe, „bis daß ich hineinging in die Heilig-
tümer Gottes — acht hatte auf ihr (der Gottlosen) Ende"
(V. 17). Ist hier konkret an eine Erfahrung im Heiligtum unter
dem Eindruck der dort verkündeten Wahrheit zu denken?
Oder ist bildlich von den Heiligtümern als von den heiligen
Geheimnissen Gottes, in die der Psalmist eindringt, geredet?
Wie immer der Umbruch zustande gekommen sein mag, deut-
lich ist auf jeden Fall, daß der zuvor Angefochtene nun mit
einer geradezu erschreckenden Gewißheit sich zu Gott be-

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kennt: „Ich aber bleibe beständig bei dir, du hast meine rechte
Hand erfaßt. Mit deinem Rate leitest du mich, und nachher
wirst du mich in Herrlichkeit entraffen. Wen hätte ich im
Himmel außer dir, und neben dir habe ich an nichts Gefallen
auf Erden. Mag mein Fleisch und mein Herz verschmachten —
der Fels meines Herzens und mein Teil ist Gott, für alle Zeit"
(V. 23—26). Erneut stoßen wir auf das entschlossene Greifen
nach der Gewißheit: „Gott ist mein Teil!" Und weil dem so
ist, darum kann auch nichts mehr die Gewißheit erschüttern,
daß der Psalmist bei diesem Gott Zukunft hat, von ihm ge-
führt, ja schließlich von ihm in Herrlichkeit entrückt werden
wird.
Diese letzte Aussage zeigt ein Hineinstoßen in Bereiche, die
weltbildlich noch in keiner Weise erschlossen, geschweige
denn gar bewältigt wären. Alle Gewißheit dieses Vorstoßens
ruht in der Überzeugung: Jahwe ist mein Teil. Darin ist alle
Hoffnung und alle Zuversicht auf gewisse Zukunft beschlos-
sen. Was Hiob mit seinem Bekenntnis zum Löser, ebenfalls
in einem Vorstoß in ganz unerschlossene Bereiche, zu be-
haupten gewagt hatte, ist hier vom Wissen um das „Gott ist
mein Losanteil" her geschehen. Wo sich Gott so zu des Men-
schen Losanteil gemacht hat, da wird auch kein Tod sich mehr
der Hoffnung des so von Gott Gehaltenen in den Weg stellen
können.
Die Psalmen lassen uns Sätze solcher kühnen Gewißheit hören,
die nicht weiter begründet, sondern als Behauptung des Glau-
bens gewagt sind. Es wird im weiteren die Aufgabe sein müs-
sen, in die sonstigen Aussagen des Alten Testamentes hinaus
Ausschau zu halten, um zu erfahren, ob auch dort solche Zu-
versicht begegnet und ob sich am Ende dort etwas von den
Gründen erkennen läßt, aus denen solch zuversichtliches Sich-
Klammern an Gott erwächst. Die enge Bindung an den
Vokabelgebrauch, der uns durch Weisheit und Psalmwelt
leitete, soll dabei aufgegeben und voll nur nach der Sache von
Hoffnung und Zukunft selber gefragt werden.

48
I V . D e r Mensch u n d seine H o f f n u n g
nach d e m J a h w i s t e n

Auf dem bisherigen Gang durch die Aussagen des Alten Testa-
mentes hatten wir uns von dem Vokabular für das Phänomen
„Hoffnung" leiten lassen. Dieses hat im Bereich der alttesta-
mentlichen Psalmdichtung auf ein sehr zuversichtliches Reden
von Hoffnung geführt. Allerdings war auch im Rahmen der
Psalmen sichtbar geworden, was von den hoffnungskritischen
Aussagen Hiobs her so scharf herausgetreten war, daß von
Hoffnung ernstlich nicht als von einer dem Menschen ein-
gegebenen Möglichkeit geredet werden kann. Da aber, wo
dem Menschen sein Schöpfer und Herr begegnet, kann für
ihn Hoffnung liegen. Im Unterschied zum Prediger und auch
zu Hiob wagten die Psalmen voll von der Hoffnung zu reden,
die sich in G o t t dem Menschen tatsächlich erschlossen hat.
Es wird sich angesichts dieses Tatbestandes die Frage ein-
stellen, woraufhin die Psalmisten (über Hiob hinaus) so ge-
wiß von der in Gott sich dem Menschen erschließenden Hoff-
nung reden können. Wie kann, wer u m die Unverfügbarkeit
Gottes so entschieden weiß, wie es nicht nur Hiob, sondern
auch etwa der Beter von Ps. 39 weiß, unversehens so bestimmt
und aus einer tiefen Gewißheit heraus von Gott als dem Herrn
reden, der für den Menschen da ist? So gilt es jetzt unter stär-
kerer Lösung vom einfachen Wortgebrauch nach den Grund-
lagen alttestamentlichen Glaubens an Jahwe zu fragen. Worauf
gründet dieser Glaube die Gewißheit, daß sein Hoffen nicht
zuschanden werden wird?
Das Kernstück des Alten Testamentes, das auch in der synago-
galen Lesung die größte Dignität behalten hat, ist die Thora,
der Komplex der fünf Mosebücher. Die Kanongeschichte
zeigt, daß sich von diesem Kern her in der Folge das volle
Testament gebildet hat. Neben die Thora sind zunächst die
„Propheten", die im hebräischen K a n o n sowohl die Ge-
schichtsbücher von Josua bis 2. Könige als auch die Prophe-

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tenbücher im engeren Sinne (mit Ausschluß von Daniel) um-
fassen, getreten. Als weitere Wachstumsstufe hat sich daran
das übrige, unter dem losen Stichwort „Schriften" zusammen-
gefaßte Schrifttum des Alten Testamentes ankristallisiert. So
dürfte es der richtige Weg sein, daß wir zunächst einmal den
innersten Kern der Thora daraufhin befragen, was er über
Gott und die Möglichkeit einer sich dem Menschen in Gott
eröffnenden Hoffnung sagt.
Eine erste Wahrnehmung wird sich dem, der mit dieser Frage
an die Thora herantritt, sofort aufdrängen: Wir erhalten hier
keine lehrhafte Unterweisung allgemeiner Art über das Ver-
hältnis von Gott und Mensch. Vielmehr geht es gleich von
den ersten Sätzen an in eine Erzählung hinein, die berichtet,
wie Gott von den Anfängen an mit Welt und Mensch gehan-
delt und welchen Verlauf in der Folge diese Geschichte ge-
nommen hat. In dieser Erzählung gibt es wenig abstrakte Be-
grifflichkeit. Vielmehr ist da ein Weg durch die Zeiten hin
beschrieben, auf dem sich in der Begegnung von Gott und
Mensch Dinge ereignen. Wie es steht zwischen Gott und
Mensch, ist diesen Ereignissen zu entnehmen.
Dazu tritt eine zweite Wahrnehmung. Folgen wir mit kritisch
wachem Ohr der vom 1. Mosebuch, der Genesis, her erzählten
Geschichte, so gewahren wir, daß hier nicht nur eine einzige
Stimme zu vernehmen ist, sondern daß sich eine Mehrheit von
Erzählungen ineinanderweben. Im Anfang, da, wo die Ur-
geschichte der Menschheit berichtet wird, sind vor allem zwei
sehr charakteristisch verschiedene Erzählungen herauszuer-
kennen, zu denen dann in der Folge weiteres Gut tritt. So soll
es im folgenden darum gehen, die Aussagen dieser beiden
besonders gewichtigen, vom Anfang her zu vernehmenden
Erzählungen abzuhören.
Es wird sich empfehlen, dabei den Anfang mit der älteren der
beiden Erzählungen zu machen. Wir haben uns angewöhnt,
ihren Verfasser als den Jahwisten zu bezeichnen. Dieser Name
leitet sich von der besonderen Sicht dieses Erzählungsstranges
her. In ihm wird unbefangen von Anfang an von Gott unter
dem Namen Jahwe geredet. Es wird sich zeigen, daß der jün-
gere Erzähler, der Verfasser der sog. Priesterschrift, an dieser

50
Stelle eine charakteristisch davon verschiedene Anschauung
vertritt. Noch muß eine Bemerkung zu der Bezeichnung des
Jahwisten als des „Verfassers" der nach ihm benannten Er-
zählung gemacht werden. Die Forschung hat deutlich werden
lassen, daß wir es beim Jahwisten nicht mit einem Autor im
modernen Sinne, dem „Verfasser" eines literarischen Werkes
zu tun haben, der frei gestaltend sein Werk niederschrieb.
Vielmehr ist der Jahwist an vorgefundenes und gelegentlich
auch schon fest geprägtes Überlieferungsgut gebunden, das er
nicht einfach neu gestaltet. Es trifft aber sicher den Sachver-
halt auch nicht richtig, wenn man vom Jahwisten nur als von
einem „Sammler" von Traditionen redet. Dazu wird der ge-
staltende Wille, der sich nicht nur in der Auswahl des Gebo-
tenen, sondern auch in der Setzung sehr entschiedener Akzente
und der gelegentlichen Einfügung ganz selbständig formulier-
ter Zwischenstücke verrät, doch zu deutlich erkennbar. Im
Gesamtaufriß des Jahwisten herrscht ein sehr bestimmter Aus-
sagewille. Das rechtfertigt es, den jahwistischen Bericht, für
dessen Ausscheidung ich mich im großen ganzen an die Ana-
lyse von M. Noth 1 halte, trotz der Komplexität der Fragen,
die er im einzelnen stellt, unter der Frage nach seinen Aus-
sagen über die Begründung der Hoffnung im alttestament-
lichen Glauben als Ganzes zu durchmustern 2 .
Der Jahwist beginnt sein Erzählen mit einer gesamtmensch-
heitlichen Urgeschichte. Man kann hier noch deutlich spüren,
wie er Berichte aufnimmt, die ihm überkommen sind, und
wie ihm die Einschmelzung in einen geschlossenen Erzäh-
lungsgang keineswegs schon voll gelingt. Man kann aber auf
der anderen Seite ebenso deutlich sehen, wie diese ungefügen
Überlieferungen von einem entschlossenen Willen zu einer
Gesamtaussage zusammengehalten und mit je ihrem eigenen
Material dieser Gesamtaussage dienstbar gemacht sind.
Die Erzählung des Jahwisten, der heute der priesterschrift-
liche Schöpfungsbericht, der vom Siebentagewerk redet, vor-
angeht, beginnt in Gen. 2,4 b mit einem überschriftartigen
Einsatz, der an den Einsatz von 1,1 erinnert: „Am Tage, als
Jahwe Gott' Erde und Himmel machte . . ." Über eine knappe
Schilderung des uranfänglichen Wüstenzustandes, in dem noch

51
nichts war und in dem dann ein Wasserstrom aufbrach, geht
es unmittelbar zur ersten ausdrücklich berichteten Schöpfungs-
handlung Gottes, der Erschaffung des Menschen, weiter: „Da
formte Jahwe Gott' den Menschen aus Erde und hauchte
Lebenshauch in seine Nase — so wurde der Mensch zum Lebe-
wesen." Die Perspektive, unter welcher der Jahwist die Welt-
anfangsgeschichte berichtet, ist darin schon voll zu erkennen:
Es geht ihm nicht um Kosmos und Weltordnung, sondern von
allem Anfang an um den Menschen, die eigentliche Kreatur
Gottes.
So wird denn weiter berichtet, wie Gott diesen Menschen
ausstattet. Er pflanzt einen herrlichen Garten. Dahinter kann
unschwer alte mythische Tradition vom Gottesgarten erkannt
werden. In diesen Garten setzt er den Menschen, gibt ihm
hier eine Aufgabe und händigt ihm den Reichtum der Frucht
dieses Gartens — ein Wunschtraum des Wüstenbewohners —
aus. Er überlegt sich, was weiter noch für den Menschen getan
werden könnte. In der Selbstüberlegung Gottes: „Es ist dem
Menschen nicht gut, daß er allein sei — ich will ihm eine Hilfe
machen, die zu ihm paßt" (Gen. 2,18) verrät sich für das
hörende Ohr der Wille Gottes, dem Menschen sein Bestes zu
bereiten. So schafft Gott die Tierwelt in der Hoffnung, daß
sie die Hilfe für den Menschen sei. Und wie sich in den Tier-
namen, zu deren Festlegung der Mensch selber ermächtigt
wird, zeigt, daß sie die von Gott gemeinte Hilfe für den Men-
schen nicht sind, da schafft dieser die Frau als Wesen von des
Menschen eigenem Bein und Fleisch diesem zur Seite — ein
Geschöpf, das der Mensch dann ganz unmittelbar voller
Freude als zu ihm gehörig erkennt und an das er seinen Namen
verschenkt: „Diese ist nun wirklich Bein von meinem Gebein
und Fleisch von meinem Fleisch — die soll Männin ('iffäh)
heißen, denn vom Manne ('if) ist sie genommen" (Gen. 2,23).
So ist hier am Anfange geschildert, wie Gott dem Menschen
Gutes schafft.
Es ist in alledem nicht ausdrücklich von Hoffnung und Zu-
kunft des Menschen die Rede. Wie in einem dunklen Gegenbild
aber wird in dem Gebot Gen. 2,17 sichtbar, wie voll das, was
Gott in seiner Güte am Menschen getan hat — wenn nur der

52
Mensch ganz bei seinem Geber bleibt —, für diesen Hoffnung
und Zukunft sein kann. Von allen Bäumen im Garten darf der
Mensch nach freiem Wunsche essen. „Von dem Baum der
Erkenntnis von Gut und Böse (vielleicht hat der Text hier
ursprünglich nur von dem ,Baum mitten im Garten' geredet)
darfst du nicht essen, denn am Tage, da du davon issest, mußt
du unweigerlich sterben" (Gen. 2,17). In der Scheu vor dem
einen Baum in der Mitte des Gartens soll im Menschen die
Scheu vor dem Geber, aus dessen Hand er lebt und alles
empfangen hat, lebendig gehalten werden. Sollte der Mensch
es sich einfallen lassen, den Geber über der Gabe zu vergessen
und auch nach der Frucht zu greifen, die als vorbehaltene
Frucht an den Geber erinnert, dann würde Hoffnung und Zu-
kunft erlöschen. Denn Tod ist Erlöschen der Zukunft und
damit auch der menschlichen Hoffnung. Bleibt der Mensch
aber gehorsam bei seinem Gott (so ist darin rückschließend zu
erkennen), so bleibt sein Leben voller Zukunft und Hoffnung.
Hier aber fährt Gen. 3 mit seinem Bericht über den Menschen
fort. Zunächst so, daß noch eine weitere Stimme zwischen
dem Menschen und Gott zu reden beginnt, die Stimme des
Versuchers, die in der Schlange laut wird. Die Schlange ist
nicht metaphysisch zu verdichten, so daß nun neben Gott
dem Menschen ein zweites Prinzip des Weltganzen entgegen-
träte und der Mensch zwischen den zwei Grundmächten der
Welt als das arme, ihnen preisgegebene Geschöpf zu sehen
wäre. Vielmehr bricht die Stimme des Versuchers mitten aus
der ge schöpfliehen Welt heraus auf: „Die Schlange aber war
klüger als alle Tiere des Feldes, die Jahwe Gott' gemacht
hatte", sagt V. 1 und hält darin fest, daß auch die Schlange
ganz in den Bezirk des Geschaffenen hineingehört. Es ist in
ihr, was immer die traditionsgeschichtlichen Vorstufen der
Erzählung sein mögen, ohne jede metaphysische Herleitung
das Rätsel festgestellt, daß es in der geschaffenen Welt Ver-
suchung gibt, die den Menschen angeht und ihm ihr vom
Willen des Schöpfers her nicht zu begreifendes Wort ins Ohr
flüstert: „Mitnichten werdet ihr sterben, sondern Gott weiß,
daß eure Augen an dem Tage, da ihr von ihr (der Frucht des
Baumes) eßt, aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott,

53
erkennend gut und böse" (Gen. 3,4f.). Das wäre dann wohl
auch die vollendete Mächtigkeit des Menschen seiner Zukunft
gegenüber: Sein wie Gott, alles wissen. Gut und Böse wollen
hier nicht auf das moralische Wissen eingeengt werden. Sie
meinen als Doppelausdruck, der die zwei Gegensätze um-
greift, das Ganze. Alles wissen. Das hieße, jede Prognose
richtig stellen und darin des Lebens mächtig werden, wie der
Schöpfer selber des ganzen Lebens mächtig ist. Wenn nach-
her gesagt ist, daß die Frau voller Begehren den Baum
anschaute, dessen Frucht ihr nicht nur äußerlich schön in die
Augen leuchtete, sondern darum begehrenswert erschien,
weil sie „klug machte", so ist in dem hier verwendeten hebrä-
ischen hafhl das Wort gebraucht, mit dem der Weise sein
Einsichtigwerden und seine Fähigkeit der Lebensbewältigung
auszusagen pflegte. Die Geschichte fragt über alle Zeiten hinweg
den Menschen, der sie hört, ob er in seiner Menschenart nicht
auch diese andere Stimme des Willens zur Selbstmächtig-
keit über Leben und Zukunft, das Seinwollen wie Gott,
kennt.
Sie berichtet dann weiter, wie der Mensch sich dieser Stimme
ergibt und gerade darüber seine wirkliche Zukunft verliert.
In den Fluchworten, die Gott über den Menschen, der dieser
Stimme erliegt, ausspricht, ist dieser Verlust von Zukunft und
Hoffnung voll ausgesagt. Über die Frau wird Schmerz bei
der Geburt und Hörigkeit gegenüber dem, zu dem sie sich
doch hingezogen fühlt, verhängt, über den Mann die Knech-
tung unter die Mühsal der Arbeit und Tod: „Im Schweiße
deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis du wieder
zur Erde zurückkehrst, denn von ihr bist du genommen —
Staub bist du, und zum Staub sollst du wieder zurück-
kehren" (Gen. 3,19). Da steht nun der Mensch vor uns, der
in den hoffnungskritischen Aussagen eines Hiob und eines
Predigers so scharf gezeichnet war: „Der Mensch, vom Weibe
geboren, ist kurzen Lebens und voller Unruhe. Wie eine
Blume geht er auf und welkt, schwindet dahin und hat keinen
Bestand" war in Hi. 14,1 f. zu hören gewesen. Und im Pre-
diger Salomo lautet es, wie uns aus dem ersten der vier ern-
sten Gesänge von Brahms wohl in den Ohren liegen mag:

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„Es gehet dem Menschen wie dem Vieh. Wie dies stirbt, so
stirbt er auch, und haben alle einerlei Odem . . . Es geht alles
an einen Ort; es ist alles von Staub gemacht und wird wieder
zu Staub" (Pred. 3,19f.). Nur daß Gen. 3 über Hiob und den
Prediger hinaus den Stachel in diese Erfahrung des Menschen
hineinlegt, daß er selber mit seinem verwegenen Greifen nach
eigenmächtig zu handhabender Hoffnung und Zukunft die
ihm vom Schöpfer eigentlich ermöglichte Zukunft verscherzt
hat.
Wer dann allerdings scharf in die Erzählung des Jahwisten
von Fall und Fluch im Gottesgarten und der notwendig daraus
folgenden Vertreibung von dem Orte, an dem nach einer
stärker mythologisch redenden Variante auch noch der Baum
des Lebens steht, hineinhört, wird leise noch ein anderes aus-
gesprochen hören. „Am Tage, an dem du davon issest, mußt
du unweigerlich sterben" hatte es im verbietenden Worte
Gottes vor dem Baum geheißen. „Mit Schmerzen wirst du
Kinder gebären" lautet es dann im Fluchwort über die Frau
(Gen. 3,16). Kinder gebären? Das wäre also dann doch Zu-
kunft, Weiterleben in einer kommenden Generation. Wenn
die Erzählung gegen Ende hin darüber hinaus noch berichtet,
daß der Mann seiner Frau den Namen harvrväh (Eva) gegeben
habe, „denn sie ist die Mutter alles Lebenden" (Gen. 3,20),
so macht sie sichtbar, wie der Mensch unter der Bedrängnis
des Fluches, der ihn vom Leben weg vertreibt, nach dieser
verborgenen Verheißung greift, in der Gott in scheinbar in-
konsequenter Weise doch noch Zukunft und Leben in Aus-
sicht stellt, den Menschen mitten in seinem Vergehen hält
und seinen Blick auf Kommendes lenkt.
Daß wir mit solchem Verständnis von Gen. 3 nicht fehlgreifen,
zeigt die vom Jahwisten unmittelbar danach berichtete Erzäh-
lung Gen. 4 von Kains Brudermord. Auf den frechen Griff
des Menschen nach dem, was Gott sich selber vorbehalten
hat, folgt die Geschichte des ersten Brüderpaares, in der der
Bruder den Bruder mordet und der Mensch erneut sein
Lebensrecht verscherzt. Denn, so ist es im Gesetz des Alten
Testamentes in Ex. 21,12 in einer Formulierung, deren Wort-
laut ganz an das Gebot Gottes in seinem Garten anklingt,

55
verordnet: „Wer einen Menschen schlägt, so daß er stirbt,
der muß unweigerlich zu Tode gebracht werden." Kains
Leben, und das heißt: auch seine Zukunft und Hoffnung, ist
danach dem Tode verfallen. Aber dann ist es auffällig, wie im
Ausgang dieser Erzählung, die den unter der Verfluchung
Gottes von der Angst gepackten Kain zeigt: „Jeder, der mich
antrifft, wird mich erschlagen" (Gen. 4,14), erneut etwas von
der geheimnisvollen Inkonsequenz eines göttlichen Erbar-
mens, das tötet und doch nicht tötet, sichtbar wird. Gott
nimmt den Kain, der von ihm aus seiner Nähe verjagt wird
und „unstet und flüchtig" kein Heim mehr haben soll, unter
seinen eigenen Schutz, zeichnet ihn an der Stirne mit seinem
eigenen Zeichen (nicht dem Kainszeichen, von dem wir ge-
wöhnlich als von einem Fluchzeichen reden, sondern dem
Zeichen des ihm Schutzbefohlenen), „daß ihn nicht erschlage,
wer ihn gerade antreffe" (Gen. 4,15).
Und das setzt sich in der weiteren Erzählung des Jahwisten
fort. In einer ungefügen Überlieferung, die ihres mythischen
Stoffes nicht voll Herr geworden zu sein scheint, wird in
Gen. 6,1—4 berichtet, wie sich Göttersöhne — das ist im alt-
testamentlichen Sprachgebrauch die Bezeichnung für die Gott
dienenden Engelwesen —• mit den Menschentöchtern ein-
lassen und aus diesen Ehen Riesen — die griechische Welt
redet hier von den Heroen — geboren werden. Angesichts
solcher Vermischung aller echten Ordnung der Welt begrenzt
Gott das zunächst höhere Lebensalter des Menschen auf 120
Jahre. Vor allem aber schließt der Jahwist hier den Bericht
über die große Flut, die das sündige Menschenwesen ver-
tilgen soll, an. „Jahwe sah, daß die Bosheit des Menschen auf
Erden groß geworden und alles Dichten und Trachten seines
Herzens nur böse war, jeden Tag. Da reute es Jahwe, daß er
den Menschen auf Erden gemacht hatte, und er betrübte sich
in seinem Herzen" (Gen. 6,5f.). So kommt es zur großen
Flut. Aus dieser Flut aber rettet Gott, den es eben noch gereut
hatte, den Menschen gemacht zu haben, behutsam eine ganze
Familie von Menschen, die nach der Flut fähig sein wird, das
Menschengeschlecht weiter fortzupflanzen — erneut Zukunft
da, wo unter dem bedrohlichen Aspekt der Reue Gottes über

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die Erschaffung des Menschen alle Zukunft erloschen schien.
Zu Ende des Flutgeschehens wird es vom Jahwisten in aus-
drücklicher Wiederholung des negativen Urteils über den
Menschen berichtet, wie Gott Welt und Mensch Zukunft zu-
spricht. „Ich will die Erde nicht wieder um des Menschen
willen verfluchen, ist doch das Dichten und Trachten des
Menschen nur böse von seiner Jugend auf — nicht will ich
mehr alles Lebende schlagen, wie ich es getan habe. Noch
soll durch alle Tage der Erde hin nicht aufhören Saat und
Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht"
(Gen. 8,21 f.).
So schildert der Jahwist die Urgeschichte des Menschenge-
schlechtes: Aus eigener Schuld vor Gott dem Tode verfallen,
von der Hoffnungslosigkeit gezeichnet und dann doch mitten
in dieser Verfallenheit von Gott gehalten. Man wird nicht
sagen, daß Gott da, wo er der Frau Kinder verheißt, Kain vor
den Mördern behütet, das Menschengeschlecht über die große
Flut hinweg am Leben erhält, Zeichen großer Zusage kom-
menden Lebens über die Welt setzt. Wohl aber ist diese
Welt eigenartig bewahrt — muß man sagen: auf Kommendes
hin?
Daß das die Meinung des Jahwisten ist, wird deutlich in der
Weiterführung seiner Erzählung. Diese lenkt mit Gen. 12 von
der weltweiten Menschengeschichte entschlossen hinüber in
die engere Geschichte der Väter Israels. An dieser Überlei-
tungsstelle nun ist die gestaltende Hand des Jahwisten ganz
besonders deutlich zu erkennen.
Unmittelbar vor dem Umbruch zur Vätergeschichte, unver-
kennbar innerlich mit diesem Umbruch verbunden, erzählt der
Jahwist die Geschichte vom Turmbau zu Babel. Nochmals
steht hier die Menschheit als Ganzes vor Augen. In der Tief-
ebene des Zweistromlandes hat sie sich niedergelassen. Hier
baut sie sich mit der neuerfundenen Technik des Lehmziegel-
baues eine Stadt und in der Stadt einen hohen Turm, dessen
Spitze zum Himmel ragen soll. Sie motiviert ihr Unterfangen
mit der doppelten Aussage: „Laßt uns einen Namen machen —
daß wir nur nicht zerstreut werden über die ganze Erde hin"
(Gen. 11,4). In doppelter Weise ist darin der Schrei nach Zu-

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kunft und Hoffnung zu vernehmen. Zerstreuung über die Welt
hin wäre Gefährdung. Die Zusammenballung läßt auf Erhal-
tung, Zukunftsmöglichkeit hoffen. Im Namen aber, den sie
sich mit dem hohen Turm machen will, greift die Menschheit
nach dem Weiterleben im Nachruhm, in dem die Mächtigen
der Welt allezeit in ihren Denkmälern sich Ewigkeit zu sichern
gesucht haben.
Auf dem Hintergrund dieses Geschehens nun, das von Gott
mit der Zerstreuung der Menschen beantwortet wird, erzählt
der Jahwist in Gen. 12,1—3, einem unverkennbar von ihm
selber verfaßten Zwischenstück, den Anfang der Geschichte
Abrahams. Ohne jede erläuternde Vorbereitung wird davon
geredet, daß diesen die lebendige Anrede und das Geheiß
Jahwes getroffen habe: „Geh aus deinem Lande und aus deiner
Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in ein Land, das
ich dir zeigen werde, so will ich dich zu einem großen Volke
machen und dich segnen und deinen Namen groß machen,
und du sollst ein Segen sein. Und segnen will ich, die dich
segnen, verfluchen aber will ich den, der dir flucht, und in
dir sollen Segen empfangen alle Geschlechter der Erde."
Hatte jene Stadt- und Turmbauergeneration geglaubt, in der
entschlossenen Machtballung und im Zusammenhalten der
Menge sich Zukunft zu sichern, so wird hier ein Einzelner
wehrlos aus der ihn bergenden Umgebung von Land, Ver-
wandtschaft und Vaterhaus herausgeholt und auf einen Weg
gesetzt, über dem allein Gottes Führung steht. Und hatte
jenes Volk von Babel gemeint, sich mit dem den Himmel be-
rührenden Turm selber einen Namen zu machen und darin
Ewigkeit zu gewinnen, so wird hier dem wehrlos auf den
Weg Geführten von Gott her der Name versprochen, der
bleiben und die Verheißung von Zukunft empfangen soll.
Aber damit ist noch zu wenig gesagt. Es wird in den dem
Abraham zugesprochenen Worten deutlich, daß hier nicht nur
die Privatgeschichte eines Einzelnen anheben soll, sondern
daß auf dem Weg über diesen Einzelnen, in dessen Leben die
göttliche Verheißung die Führung ergreift, zugleich das Ge-
schehen anhebt, das die „Geschlechter der Erde" betrifft und
Segen in eine bisher immer unheimlicher dem Fluch verfal-

58
lene Welt hineinbringt. Der Jahwist will in der Art seiner
Erzählung deutlich machen, daß hier eine Wende geschieht.
Die Hartnäckigkeit, mit der in den beiden zitierten Versen
das Stichwort Segen — Segnen nicht weniger als fünfmal auf-
klingt, will unüberhörbar zu Gehör bringen, daß sich hier die
Wende vom Fluch der Welt zum Segen der Welt ereignet.
Hatte der Fluch es mit Tod, und das heißt verlorener Zukunft
und Hoffnungslosigkeit, zu tun gehabt — die Aussagen Hiobs
erlauben uns diese terminologische Interpretation —, so soll
es nun offenbar der Segen mit Leben, Zukunft und Hoffnung
zu tun haben.
So ist es in der Tat nun auch in der weiteren Erzählung des
Jahwisten von Abraham, Isaak und Jakob zu erkennen. Wie
ein roter Faden zieht sich die Verheißung, gewiß mit Varia-
tion der Einzelformulierungen, durch die ganze folgende Ge-
schichte der Väter hin und hält diese Geschichte in Bewegung,
einer Bewegung, die sich voller Erwartung und Hoffnung
kommenden Erfüllungen entgegenstreckt. Abraham wandert
aus seiner Heimat weg, erreicht den Ort Sichern im nördlichen
Palästina. Da erscheint ihm nach Gen. 12,7 Jahwe und sagt
ihm: „Deiner Nachkommenschaft will ich dieses Land geben."
Zum Zeichen dessen, daß er gehört hat, errichtet Abraham
dort einen Altar. Nach seiner Trennung von seinem Neffen
Lot, der sich auf Abrahams großmütiges Angebot freier Wahl
den guten Teil des Landes gewählt hat, erscheint Jahwe dem
Abraham nach Gen. 13,14ff.zum andern Mal in Bethel und
sagt ihm den Besitz des Landes zu: „All das Land, das du
siehst, gebe ich dir und deiner Nachkommenschaft für alle
Zeiten." Abraham wandert weiter. Nach dem Bericht von
einer erneuten Begegnung mit Gott in Kap. 15 wird ihm, dem
bisher Kinderlosen, persönliche Nachkommenschaft verheißen
und nochmals die Landverheißung bekräftigt. Dem im Süden
des Landes bei Hebron Zeltenden wird nach 18, lff. durch
die drei Männer, unter denen Abraham, ohne es zunächst zu
wissen, Jahwe selber bewirtet hatte, die Geburt des Sohnes
für das nächstfolgende Jahr verheißen. Dieses hoffende Warten
erfüllt aber auch die in Gen. 24 sehr voll ausgeführte Erzählung
von der Aussendung des Knechtes Abrahams zur Werbung

59
der Braut für den Sohn Abrahams. Wenn Abraham hier seinen
Knecht mit den Worten aussendet: „Jahwe, der Gott des
Himmels, der mich weggeholt hat aus meinem Vaterhaus und
dem Land meiner Verwandtschaft und mir gesagt, ja mir zu-
geschworen hat: Deiner Nachkommenschaft will ich dieses
Land geben, er wird seinen Engel (Boten) vor dir hersenden,
so daß du meinem Sohne eine Frau von dort holen kannst"
(Gen. 24,7), dann ist darin etwas sichtbar gemacht von der
eigentümlich festen Gewißheit, in der Abraham sein Leben
auf die verheißene Zukunft hin geöffnet sieht und aus der er
auch wagt, Gott in den konkreten Verlegenheiten, die vor
ihm liegen, die Lösung zuzutrauen. Von Warten und Hoffen
ist nicht ausdrücklich geredet, wohl aber wird das Wort der
göttlichen Zusage, auf die hin Abraham seinen Weg in die
Zukunft geht und auf die hin er im Lande fern seiner Heimat
ausharrt, zitiert.
Dieses Wort göttlicher Zusage erneuert sich dann nach Abra-
hams Tode über seinem Sohne Isaak, dem nach Gen. 26,3
ganz so gesagt wird: „Weile in diesem Lande, und ich will mit
dir sein und dich segnen" (vgl. auch V. 24). Es ist über Jakob
da, wie er infolge seiner Erschleichung des Segens von Hause
fliehen muß. Jahwe begegnet ihm in Bethel und sagt dem
Flüchtling, der sichtlich alle Zukunft schuldhaft verspielt hat:
„Ich bin Jahwe, der Gott Abrahams, deines Vaters, und
Isaaks — das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deiner
Nachkommenschaft geben. Und deine Nachkommenschaft soll
(zahlreich) sein wie der Staub der E r d e " (Gen. 28,13f.). Auf
dieses Wort beruft sich Jakob dann, wie er aus der Ferne nach
Hause zurückkehrt und nun die gefahrenbelastete Begegnung
mit seinem einst von ihm betrogenen Bruder hart v o r sich
sieht: „ D u Gott meines Vaters Abraham und Gott meines
Vaters Isaak, der du zu mir gesagt hast: Kehre in dein Land
und zu deinen Verwandten (d. h. nach Kanaan) zurück, und
ich will es dir gut gehen lassen . . . Rette mich doch aus der
Hand meines Bruders Esau. Denn ich fürchte, daß er kommt
und mich erschlägt, die Mutter zusammen mit den Kindern.
D u hast doch gesagt: Ich will es dir ganz gewiß gut gehen
lassen und will deine Nachkommenschaft machen wie den

60
Sand am Meer, der vor Menge nicht gezählt werden kann"
(Gen. 32,10. 12f.).
An all diesen Stellen, die von Hoffnung nicht ausdrücklich
reden, ist es deutlich zu sehen, wie die göttliche Verheißung
die Kraft ist, aus der heraus die Väter es wagen, ihr Leben der
Hoffnung zu leben. So gewinnt Abraham bei der Aussendung
des Knechtes Zuversicht, daß Gott diesem den Weg weisen
und seinen Auftrag gelingen lassen wird. So schreit Jakob in
dunkler Bedrängnis zu Gott auf dessen Wort der Verheißung
hin, daß er den Weg dem verheißenen Ziel entgegen ebne.
Mit dem Beginn des Buches Exodus ereignet sich ein auffal-
lender Wechsel der Szenerie. Die Väter sind verschwunden, ihre
Nachkommenschaft ist zum großen Volke geworden, wie es
den Vätern verheißen worden war. Es zeigt sich aber sehr
rasch, daß das Moment der Ausrichtung auf verheißene Zu-
kunft, der gespannten Hoffnung auf kommendes Heil keines-
wegs unwichtig geworden ist. Zu den Nachkommen der Väter,
die in Ägypten in einer unwürdigen Hörigkeit Frondienst zu
leisten gezwungen sind, wird Mose geschickt, um sie heraus-
zuführen. In einem vielleicht erst nachträglich als Erweite-
rung dem Jahwisten zugefügten Passus spricht Jahwe im
Rahmen dieser Sendung zu Mose: „Ich habe das Elend meines
Volkes in Ägypten gesehen und ihr Schreien gehört . . . Ich
bin herabgekommen, es aus der Hand Ägyptens zu erretten
und u m es aus jenem Lande hinaufzuführen in ein gutes und
weites Land, in ein Land, das von Milch und Honig fließt"
(Ex. 3,7f., vgl. auch V. 17). Damit ist das Thema angeschlagen,
das nun die ganze folgende Erzählung der verbleibenden Mose-
bücher beherrscht. Erneut ist von Menschen berichtet, die
auf der Wanderschaft sind, einem Ziel entgegen. An die Stelle
der nach der Erfüllung der Verheißung von Nachkommen-
schaft und Landbesitz ausschauenden Väterfamilie ist nun das
wandernde Gottesvolk getreten, das unter der Verheißung des
Landes, das von Milch und Honig fließt, sich zum Auszug
(ursprünglich war wohl geradezu von einer Flucht geredet
worden) anschickt. In den Beschwernissen der Wüstenwande-
rung ist es immer wieder in der Gefahr zurückzuschauen, sich
zu den Fleischtöpfen Ägyptens zurückzusehnen. Immer neu

61
aber wird es von Mose aufgerufen, der göttlichen Verheißung
einer neuen Zukunft im Lande zu glauben.
In seiner Untersuchung über „Die prophetischen Heilserwar-
tungen im Alten Testament" hat S. Herrmann 3 in einem ein-
leitenden Teil, der die Voraussetzungen der prophetischen
Erwartungen untersucht, mit Recht den Finger darauf gelegt,
daß es sich bei dieser Erwartung des Landes, das von Milch
und Honig fließt, traditionsgeschichtlich um einen durchaus
eigenständigen Uberlieferungskomplex handelt. Dieser hat
seinen ursprünglichen Sitz im Leben nicht an der gleichen
Stelle wie die E r w a r t u n g der Vätergeschichten und zeigt
darum auch sprachlich eine durchaus eigenständige Gestalt.
Um so eindrücklicher ist es, daß im Gang der Gesamterzäh-
lung, wie sie uns heute im Jahwisten vorliegt, gleich zweimal
solche Zeiten des Wartens und hoffenden Ausschauens hinter-
einander gelegt sind. Es kann sich darin verraten, daß Hoffen
und Warten und Hineingehen in eröffnete Zukunft zu den
Grundelementen alttestamentlichen Glaubens gehören. Mit
Nachdruck muß aber auch im Blick auf diese zweite Phase
des Wanderns in eine noch nicht erreichte Zukunft hinein
festgehalten werden, daß die göttliche Verheißung als das
eigentliche Movens über allem steht. Nicht die Veranlagung
des Volkes Israel, das seiner inneren Verfassung nach auf
neue Dinge aus wäre, läßt dieses nach vorne hin ausschauen.
Im jahwistischen Text der Kundschaftergeschichte ist, nach-
dem die Kundschafter auf ihre Erkundung des Landes hin dem
auf seiner Wanderschaft durch die Wüste befindlichen Volk
etwas von den Gefahren des Landes zurückgemeldet haben,
aus dessen Munde zu hören: „Wir wollen uns ein Haupt
setzen und nach Ägypten zurückkehren" (Nu. 14,4). Das ist
die eigene Verfassung des Volkes. Es ist aber auch nicht die
kühne Initiative des unternehmungslustigen Mose, die ge-
zeichnet wird. Die Berichte von den Wüstengeschehnissen
schildern vielmehr sehr realistisch auch die Müdigkeit dieses
großen Mannes, der einmal G o t t die ganze Aufgabe vor die
Füße werfen möchte, wenn er nach Nu. 11,11 f. 14 sagt:
„Warum handelst du übel an deinem Knecht, und warum habe
ich nicht Gnade in deinen Augen gefunden, daß du die Last

62
dieses ganzen Volkes da mir aufbürdest? Bin ich denn schwan-
ger gegangen mit diesem ganzen Volke da, oder habe ich es
geboren, daß du zu mir sagst: Trage es an deinem Busen, wie
die Wärterin den Säugling trägt? . . Ich kann dieses Volk da
nicht mehr allein tragen, denn es ist mir zu schwer." Die
Texte sind bestrebt, es zum Ausdruck zu bringen, daß das,
was immer wieder zur Hoffnung ruft und das Gottesvolk
wanderndes Gottesvolk sein läßt — seiner Zukunft entgegen
—, allein die Verheißung Jahwes ist. Sie ruft nach vorn, sie
allein ermöglicht Hoffnung.
Man möchte erwarten, daß mit dem Erreichen und der In-
besitznahme des Landes die Spannung gelöst und das Ziel der
Geschichte des wandernden Volkes erreicht wäre. Nun be-
steht leider über den Abschluß des jahwistischen Erzählungs-
werkes, das uns ja nur in der Zusammenarbeitung mit anderen
Quellen erhalten ist, wenig Sicherheit. Es ist möglich, daß die
letzten, uns erkennbaren Teile im 4. Mosebuche liegen, wo
noch von der Wüstenzeit berichtet wird. Aber es muß hier
noch eine Wahrnehmung angefügt werden, die gerade hier, im
Ausklang der mit einiger Sicherheit dem Jahwisten zuzuwei-
senden Stücke, zu machen ist. In Nu. 22—24 ist von einer
eigenartigen Gefährdung des Volkes Israel, das sich anschickt,
ins Land Kanaan einzudringen, berichtet. Der König Balak
von Moab läßt aus der Ferne den berühmten Seher Bileam
heranholen, damit er Israel verfluche. Dahinter steht der feste
Glaube, daß eines solchen Gottesmannes Segens- wie Fluch-
wort kommende Geschichte zu bestimmen vermag. Da aber
geschieht es, daß Jahwe, in dessen Hand nach Israels Glauben
alle Macht liegt, des Sehers Wort wendet. Statt zu verfluchen,
segnet er das vor seinen Augen im Tale lagernde Israel. Im
jahwistischen Anteil an dieser Geschichte nun ist es im zweiten
der Segenssprüche zu hören: „Spruch Bileams, des Sohnes
Beors, Spruch des Mannes, dessen Auge erschlossen ist, Spruch
dessen, der Worte Gottes hört und Erkenntnis des Höchsten
weiß. Schau des Allmächtigen sieht er, hingefallen und ge-
öffneten Auges: Ich sehe ihn, doch nicht schon jetzt, ich er-
blicke ihn, doch nicht schon nah: es tritt heraus ein Stern aus
Jakob und erhebt sich ein Szepter aus Israel; er zerschlägt

63
die Schläfen Moabs und den Scheitel aller Söhne Seths . . . "
(Nu. 24,15—17). Hier werden die Blicke weit über den Zeit-
punkt hinausgelenkt, in dem die aus Ägypten Kommenden
das Land, wo Milch und Honig fließt, das Land Kanaan, be-
setzten. Der Blick geht weiter bis zu dem großen kommenden
König, der die Moabiter und, wie in der nicht mehr zitierten
Fortsetzung zu sehen ist, auch die Edomiter unterwerfen wird.
Der Blick ist darin unverkennbar auf David gerichtet. Eine
weitere, dritte Zeit hoffender Erwartung tut sich in diesem
Wort auf, das ganz gegen den Schluß der noch mit einiger
Sicherheit herauszuerkennenden Texte des Jahwisten zu hören
ist.
Mancherlei Erwägungen haben darauf geführt, daß in der Zeit
bald nach David auch die Entstehungszeit des Jahwisten zu
suchen ist. Die Frage möchte sich stellen: Wird das dann die
Zeit sein, in der alle Erwartung und alles Hoffen an sein Ziel
gelangt ist, in welcher der Glaube ganz in der Gegenwart
leben kann und nicht mehr zu warten braucht? Es bliebe, auch
wenn man dieses annehmen wollte, dann immer noch er-
staunlich, mit welcher Entschlossenheit der jahwistische Er-
zähler offenbar die ganze Vorgeschichte des Israel der Zeit
Davids von jener großen Wende aus der anfänglichen Fluch-
zeit heraus zur anhebenden Zeit des Segens (Gen. 12,1—3)
unter die Spannung von Erwartungen gerückt hat. Wenn wir
aber nochmals zu jenem großen Einsatz der Zeit des Segens
zurückdenken, so war dort neben der Ankündigung von großer
Nachkommenschaft, dem großen Namen und dem Land, in
das Gott zu führen versprach, ja auch die Aussage zu hören,
daß durch Abraham und die an ihm geschehende Segnung hin
Segen auf alle Völker hinausgehen sollte. Nach H. W. Wolff
ist das sogar die recht eigentlich beabsichtigte Verheißungs-
aussage von Gen. 12,2f. Sollte die Zeit Davids wirklich ver-
standen sein als eine Zeit, in der auch all dieses Versprechen
eingelöst ist? Sollte es nicht denkbar sein, daß auch von
hier sich weiteres Warten und Hoffen in noch erfülltere Zu-
kunft hinaus spannte? Der Jahwist bleibt uns in dem für
uns noch erkennbaren Bestände die Antwort auf diese Frage
schuldig.

64
Wohl aber drängt sich hier die andere Frage mit Macht auf:
Wie kommt es, daß der Jahwist die von ihm im Bereich der
Mosebücher erzählte Geschichte der Väter und des Israel der
Anfänge so entschlossen als Ganze unter das Stichwort der
Verheißung setzt und diese Geschichte als einen in der Hoff-
nung auf erfahrene Zusage hin gegangenen Weg versteht?
Dieser Frage muß in der nächsten Stunde weiter nachgegangen
werden.

65
V . Die G r u n d l a g e n der Hoffnungsstruktur
der alten Geschichtsberichte Israels.
D e r Bericht der Priesterschrift

Der wohl nicht allzulange nach der Davidszeit entstandene


jahwistische Geschichtsbericht hatte uns mit der Frage ent-
lassen: Wie ist es zu verstehen, daß die Erzählung von der
Vorgeschichte Israels so unverkennbar unter einem Gefälle
auf Zukunft hin steht? Mit einer Verheißung Jahwes hatte der
jahwistische Bericht von den Vätern begonnen. Sie hatte
Abraham zu einem wandernden, einer versprochenen Zu-
kunft entgegenhoffenden Menschen gemacht. Und ganz ent-
sprechend hatte auch die Zeit Moses mit dem Versprechen
Jahwes begonnen und ein keineswegs besonders williges Volk
zum Aufbruch dem verheißenen Lande entgegen auf den
Weg gebracht. Und dann war auf dem Weg durch die Wüste
die nochmals weiter hinausschauende Verheißung eines kom-
menden Herrschers laut geworden. Obwohl der Abschluß des
jahwistischen Werkes nicht mehr mit Sicherheit erkennbar ist,
ließ die Eingangsverheißung Gen. 12,2f. vermuten, daß der
Erzähler noch von über die Zeit Davids überschießender Ver-
heißung wußte, die den Glauben Israels auch mit der Zeit
Davids noch nicht aus dem Stand der Hoffnung entließ. Wo-
her dieses eigentümliche Gefälle der Bewegung auf kommende
Erfüllung hin?
In einem Vortrag über das Königtum Jahwes am Oxforder
Internationalen Alttestamentlerkongreß 1959 hat V. M a a g 1
den Unterwegs-Charakter des alttestamentlichen Glaubens an
Gott, den König, aus der soziologischen Vergangenheit Israels
als einer einst nomadischen Bevölkerungsgruppe zu verstehen
gesucht. Ich kann es mir nicht versagen, einen Passus seiner
Ausführungen, der dieses besonders schön formuliert, hier
zu zitieren: „Der Nomade lebt ja nicht im Zyklus von Saat
und Ernte, sondern in der Welt der Migration. Das ist die
Welt des Heute-hier, Morgen-dort, wo man weiß, daß die

66
Kinder an einem anderen Orte sterben als wo die Eltern be-
graben sind. Im Bereiche der Transmigration wird das Ge-
schehen als ein Fortschreiten, als ein Hinter-sich-Lassen emp-
funden. Dieser Gott führt zu einer Zukunft, die nicht bloße
Wiederholung und Bestätigung der Gegenwart ist, sondern
Ziel der jetzt im Gang befindlichen Ereignisse. Das Ziel ist
Sinngebung für die Wanderung und ihre N ö t e ; und die heu-
tige Entscheidung zum Vertrauen auf den berufenden Gott
ist zukunftsträchtig."
Hier sind ohne Zweifel ungemein zutreffend Züge beschrieben,
die Jahwe, den Gott der Führung in Zukunft, und die zukunfts-
gewendete Haltung seines Volkes beschreiben. Doch genügt
wirklich der alleinige Hinweis auf die Verfassung des nomadi-
schen Israel schon zur Erklärung des Glaubens des im Lande
seßhaft gewordenen Volkes und der Eigenart seines Gottes?
Auch die griechischen Stämme kommen her von einer Phase der
Völkerwanderung, und doch trägt der Glaube der im Lande
seßhaft gewordenen Griechen ganz andere Züge. Man wird für
Israel noch auf einen weiteren Tatbestand hinweisen müssen.
G. von Rad hat uns erkennen gelehrt, daß im Kern der Penta-
teucherzählung als ihre eigentliche Kristallisationsmitte das
Bekenntnis zu dem Gott steckt, der Israel aus Ägypten her-
ausgeführt hat 2 . Das ist mehr als nur eine Erinnerung an
nomadische Vergangenheit und einen Gott, der dort einst ge-
führt hat. Vielmehr ist darin eine ganz bestimmte Erinnerung
entschlossen zum Element der Verkündigung von dem in die-
sem Geschehen wirkenden Gott gemacht worden. Neben jenes
Ereignis muß eine Gestalt getreten sein, welche der historischen
Erinnerung die Dignität einer Verkündigung, und d. h. des
Lobpreises des bestimmten, in diesem Geschehen rettenden
und führenden Herrn gegeben hat. Die Behauptung, daß Mose,
der Mann mit dem ägyptischen Namen, diese Gestalt gewesen
ist, scheint mir historisch unverfänglich zu sein 3 . Damit wird
aber nicht nur das Wissen um eine bestimmte Struktur gött-
lichen Handelns weitergegeben, sondern zugleich der An-
spruch auf Ehrung und Anbetung des in jenem bezeugten
Geschehnis handelnden Gottes. Diesem Anspruch beugt sich
in der Folge auch alle weitere Erinnerung Israels. Was Israel

67
sonst noch aus seiner Vätergeschichte an Offenbarung Gottes
kennt, wird jenem Bekenntniselement zugeordnet. Die Er-
scheinungen Gottes vor den Vätern werden verstanden als
Ereignisse, welche Israels Führung nach Kanaan, die durch
jenes Rettungsereignis beim Auszug aus Ägypten eingeleitet
wird, vorbereiten. Es sind nicht Ereignisse, die nebenher
laufen, sondern alle Erinnerung Israels tritt ins Ganze des
großen Weges ein, auf dem Gott sein Volk geführt hat —
und, so wird über die Gegenwart hinaus gehofft, noch weiter
führen wird. In all diesem Geschehen ist es nicht ein Ge-
schichtsgesetz, das wirksam gesehen wird, sondern das große
Tun des Gottes, der führt und der nun in diesem seinem Tun
geehrt sein will.
Was hier unterstrichen wird, kann weiter verdeutlicht werden,
wenn wir auch noch den zweiten großen Erzählungsstrang
des Pentateuch auf seine Art des Redens von Zukunft und
Hoffnung hin befragen.
Der jahwistische Bericht hatte die Vorgeschichte Israels von
der Schöpfung der Welt her bis an die Schwelle der Landnahme
des aus Ägypten herausgeführten Volkes berichtet.
Die gleiche Spanne des Geschehens vom Anfang der Welt bis
zur Schwelle der Landnahme in Kanaan wird auch vom priester-
lichen Berichterstatter, der Jahrhunderte nach dem Jahwisten
schreibt und in dessen Werk der jahwistische Bericht in der
Folge eingewoben worden ist, erzählt.
Die priesterschriftliche Erzählung ist deutlich eine jüngere
Nacherzählung. Zwar ist nicht zu übersehen, daß allerlei neues,
keineswegs unbedeutendes Erzählgut eingebaut worden ist —
im Eingangsbericht von der Erschaffung der Welt und noch
an anderen Stellen. Aber in den Hauptlinien folgt sie dem zu-
vor schon von dem älteren Erzählwerk Berichteten. Dabei ist
eine bewußte Straffung durch Weglassung von allerlei Erzähl-
gut, das für den eigentlichen Gang der Geschichte nicht so
wesentlich zu sein scheint, zu erkennen. Oft sind die ein-
gelegten Erzählelemente so karg, daß schon die Frage gestellt
werden konnte, ob die Priesterschrift überhaupt als Erzähl-
werk gefaßt werden dürfe und ob nicht die eingelegten Gesetze
das dieser Schrift eigentlich allein Wichtige seien.

68
Mit dieser Straffung geht eine starke Heraushebung von Zäsu-
ren, oder richtiger gesagt Verdichtungsstellen, des Geschehens
zwischen Gott und Welt, die eine Art Periodisierung der Ge-
schichte bewirkt, Hand in Hand. Mit dem großen Auftakt des
Schöpfungsgeschehens setzt es ein. Über zehn Generationen —
darin ist ein Stück vorgefundener altorientalischer Ur-
geschichts-Sicht zu erkennen — geht es bis zur Sintflutzeit,
die durch den gewichtigen Bundschluß zwischen Gott und
Noah beschlossen wird (Gen. 9). Über eine Kette von
neun Generationsvertretern geht es weiter hinunter bis zu
Abraham. Dürfte man diesen einrechnen, so käme man auch
hier mit leicht veränderter Zählweise auf die Zehnzahl. Auch
hier bestimmt in Gen. 17 eine gewichtige Bundschließung den
Neuanfang. Und dann tritt als weitere Gestalt Mose heraus.
Neben der breiten Ausführung seiner Berufung in Ex. 6 ist
es hier dann vor allem die Schilderung der Geschehnisse am
Gottesberg, die Gewicht bekommt. Zwar wird vermieden,
hier ausdrücklich von einem Bund zu reden. Es handelt sich
hier nach P ganz einfach um die Einlösung des schon Abra-
ham Verheißenen4. Mit ihrer Ordnung des Gottesdienstes im
Zelt der Begegnung und der Einsetzung des Opferkultes er-
hält diese aber ganz offensichtlich höchstes Gewicht und
bestimmt eine neue Epoche. Die Frage ist schon aufgewor-
fen worden, ob hinter dieser Heraushebung der vier großen
Weltakte nicht in der Ferne das Geschichtsschema der vier
Weltzeiten, das dann in Dan. 2 und 7 voll zu fassen ist, zu
erkennen ist.
Ebenso deutlich ist eine andere Linie der Gesamtstilisierung.
In den Berichten über die beiden ersten Weltphasen gebraucht
die Priesterschrift zur Gottesbezeichnung durchgehend das
einfache, beschreibende 'llohim, Gott. In der Begegnung mit
Abraham offenbart sich dieser Gott unter dem neuen Namen
'el faddäj, dessen Übersetzung „der Allmächtige" keineswegs
gesichert ist. Seinem Typus nach ist dieser Name den vor-
israelitischen kanaanäischen Gottesbezeichnungen, die in der
Folge z. T. als Prädikationen des Gottes Israels übernommen
worden sind, zuzuordnen. Am häufigsten ist diese Gottes-
bezeichnung im Alten Testament noch im Gespräch Hiobs

69
mit den Freunden zu finden — einem Gespräch, das ja nach
den eigenen Aussagen des Hiobbuches außerhalb des Bereiches
Israels stattfindet. Der eigentliche Gottesname, unter dem
Israel seinen Gott kennt und der vom Jahwisten, wie er-
wähnt, unbesehen auch schon im Anfang der Menschenge-
schichte gebraucht worden war, der Name Jahwe, wird nach
der Priesterschrift erst dem Mose geoffenbart. In Ex. 6,2f.
stellt sich Jahwe dem Mose vor: „Ich bin J a h w e " und fügt
dazu die Erläuterung: „Ich bin Abraham, Isaak und Jakob
als 'el faddäj erschienen, aber in meinem Namen Jahwe habe
ich mich ihnen nicht bekannt gemacht." Diese Sicht, wonach
der Jahwename erst mit den Geschehnissen unter Mose zur
eigentlichen Gottesanrufung in Israel geworden ist, wird, wie
Ex. 3 zeigt, auch von der nur mehr in Fragmenten erhaltenen
Quellenschrift des sog. Elohisten geteilt. Es ist in ihr un-
verkennbar gute Überlieferung enthalten. Diese Erinnerung
ist in der Priesterschrift aber in eine sehr reflektierte Sicht der
Offenbarungsgeschichte eingebaut. Aus dem unbestimmten
Gottesdienst der Frühzeit tritt die Offenbarung des Gottes
der Väter unter dem Namen 'el faddäj heraus. Erst dem Mose
macht Gott seinen (nach dem Glauben Israels allein wahren)
Namen Jahwe offenbar. So enthüllt sich Gott in aufeinander-
folgenden Offenbarungsstufen allmählich in seinem eigent-
lichen Wesen. Denn Name erschließt Wesen. Läßt sich — so
werden wir nun von unserem Gesamtthema her fragen — in
dieser deutlich fortschreitenden Offenbarungsgeschichte auch
etwas von Erschließung von Zukunft für den Menschen, von
Ruf zu hoffendem Ausschreiten in Kommendes hinein er-
kennen?
Da steht am Anfang in Gen. 1,1—-2,4a der große, v o m Zeit-
rahmen der Siebentagewoche umschlossene Bericht v o n der
Erschaffung der Welt. Was beim Jahwisten nur mit ein paar
holzschnittartigen Strichen angedeutet war, ist hier breit ent-
faltet. Der Aufbau des Kosmos, der nach dem Weltbild von
Gen. 2 aus dem wesenlosen Anfang einer dürren Urwüste
heraus geschah, hier jedoch im Weltbild der großen Alluvial-
ebenen mit ihrer jährlichen Überschwemmung als Entstehung
aus dem wässerigen Chaos heraus gedacht ist, wird hier im

70
einzelnen geschildert. Der Mensch erscheint nicht am An-
fang, sondern erst am Ende der Schilderung der in die Welt
hinein erschaffenen Kreatur. Das weite kosmologische Inter-
esse unterscheidet die Priesterschrift vom Jahwisten mit seinem
unmittelbaren Zuge hin auf den Menschen.
Das heißt nun aber nicht, daß der Mensch in der Darstellung
von Gen. 1 unwichtig würde. Zusammen mit den Landtieren
wird er im Rahmen des 6. Tagewerkes erschaffen. Weit über
die Tiere hinaus aber hebt ihn die Aufgabe, daß er, nur er,
„nach dem Bilde Gottes" geschaffen worden sei. Eine Aus-
sage, die ursprünglich wohl nur auf den König angewendet
worden war, aber schon im alten Ägypten in demokratisie-
render Anwendung auf den Menschen gefunden werden kann,
ist hier zur eigentlichen, auszeichnenden Charakterisierung
des Menschen verwendet. Sie wird im weiteren dahin ent-
faltet, daß der Mensch den Auftrag bekommt, „zu herrschen
über die Fische im Meer, die Vögel des Himmels, das Vieh
und alles Wildtier des Feldes und alles Kriechende, was sich
auf Erden regt" (Gen. 1,26). Diese Aussagen finden ihr Echo
in den Worten des 8. Psalms, der im Lobpreis Jahwes auch
vom Menschen redet und von diesem voller Staunen über die
E r h ö h u n g der im Vergleich zum gewaltigen Himmel so ge-
ringen Menschenkreatur sagt: „ D u hast ihn wenig geringer
gemacht denn Elohim (was hier die Wesen der Gottwelt, die
Engel, bezeichnet), mit Ehre und Pracht hast du ihn gekrönt.
D u hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner
Hände, alles hast du ihm unter die Füße getan (d. h. ihm bot-
mäßig gemacht): Kleinvieh und Rinder, sie alle, dazu das
Getier des Feldes, die Vögel des Himmels und die Fische im
Meer, was da durchzieht die Pfade des Meeres" (Ps. 8,6—9).
Wir werden hier innehalten und fragen: Stoßen wir nicht hier
auf die Stelle, an der sich dem Menschen recht eigentlich seine
Zukunft erschließt und an der er zur wahren Menschlichkeit
gelangt? Der Mensch, vom Schöpfer selber ermächtigt, ja be-
auftragt, sich die Welt Untertan zu machen. Wir Modernen
würden hier dann ja nicht nur von der Herrschaft über die
Tierwelt, sondern auch von der Herrschaft über die anorga-
nische Welt und der Möglichkeit des Menschen, sich deren

71
Gesetzlichkeiten nutzbar zu machen, reden. Ist das nicht die
Stelle, an der sich dem Menschen seine Zukunft auftut, von
der aus er nun hoffend, voller Erwartung in immer neue Hori-
zonte ausschreitend, das Gegebene überholen und Neues er-
obern kann? Wir wären damit ohne Zweifel nicht ferne von
dem Entwurf Ernst Blochs, der, ohne von Gott als dem
Schöpfer zu reden, den Menschen in seiner gesamten Welt
als das so auf Zukunft hin geöffnete Wesen sieht, das seiner
echten Bestimmung entgegengeht. Nach Ernst Bloch liegt die
wahre Genesis nicht am Anfang, sondern am Ende der so
besdmmten, vom Menschen zu gestaltenden Menschen-
geschichte6.
Wir würden uns darüber hinaus ohne Zweifel auch im Ein-
klang mit einem weiten Bereich modernen Menschenverständ-
nisses finden: Des Menschen Hoffnung liegt darin, daß er
sich selber seine Welt erschafft.
Nun wird man gewiß nicht bestreiten, daß der Mensch in der
Tat von Gen. 1 her ermächtigt wird, sich der Zukunft unter
dieser Aufforderung zum eigenen Erkennen und Dienstbar-
machen der Welt zuzuwenden. Doch wäre es unzweifelhaft
ein tiefes Mißverständnis von Gen. 1, wenn man den Kreis
hier schließen und feststellen möchte, die Schöpfungsgeschichte
des priesterlichen Erzählers führe in ihrer Hoffnungsschau auf
das Bild des Menschen, der in kräftiger Mehrung seiner Zahl
(voraus ging auch das „Seid fruchtbar und mehret euch")
sich schließlich die von ihm geschaffene Welt zu Füßen legt
und so seine eigentliche Bestimmung in der Zukunft erreicht.
Es wäre darin gerade der wesentlichste Zug der Schöpfungs-
schilderung der Priesterschrift übersehen.
Die Schöpfungswoche, von welcher der Priester berichtet,
endet nicht beim letzten Arbeitstag, sondern hat ihr Ziel im
7. Tag, an dem Gott ruht und der durch dieses Ruhen Gottes
zu einem eigentümlich erfüllten, aus allem übrigen heraus-
gehobenen Tage wird. „Gott segnete ihn und heiligte ihn."
Gesegnet und zur Fruchtbarkeit ermächtigt hat Gott auch
Tier und Mensch. Geheiligt hat er nach dem ganzen Anfangs-
bericht nur diesen besonderen Tag, an dem offensichtlich alles
geschäftige Treiben zurücktritt vor der erhabenen Ruhe des

72
Schöpfers, der allein mehr vor Augen steht. Soll vom Ziel
und der verborgenen Zuordnung der Welt und damit auch
des Menschen, der in die Werke der sechs Arbeitstage hinein-
gehört, geredet werden, so darf diese Zuordnung nicht über-
sehen werden. Der Mensch, das höchste der Werktagswerke
Gottes, ist nach Gen. 1,1—2,4a mit seinem hohen Auftrag
einer Welt zugeordnet, in der Gott sein Heiliges begründet
hat.
Allerdings fällt nun zunächst auf, daß von einer Erschließung
dieses Heiligen für den Menschen kein Wort gesagt ist. Das
Heilige ist da. Der 7. Tag existiert als dieser von Gott gehei-
ligte, und d. h. als sein besonderes Eigentum herausgehobene
Abschnitt im Zeitverlauf und gibt jeder Arbeitswoche ihr
heimliches Ziel. Er existiert aber zunächst als das Geheimnis
Gottes. Der weitere Bericht der Priesterschrift wird sichtbar
machen, daß damit eine verborgene Erwartung in die ge-
schaffene Welt hineingelegt ist — ein Geheimnis, das einmal
vor Menschen offenbart werden wird.
Zunächst aber erzählt der Priester von der Epoche zwischen
Schöpfung und Sintflut. Die gute Schöpfung zerbricht auch
hier in einer erschreckenden Weise. Was der Jahwist mit
seinem ausgesprochen anthropologischen Interesse in der aus-
führlichen Schilderung des Ungehorsams im Paradiesesgarten
und des Brudermordes beim ersten Brüderpaar entfaltet hatte,
ist hier in einer knappen Bemerkung in seinem Ergebnis kon-
statiert: „Die Erde ward verderbt vor Gott, und voll ward
die Erde von Gewalttat", sagt Gen. 6,11. In unverkennbarem
Gegenwort zu der Aussage von Gen. 1,31: „Und Gott sah
alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut" formu-
liert der Priester in 6,12: „Und Gott sah die Erde, und siehe,
sie war verderbt." Die große Flut, in der die im Schöpfungs-
vorgang über das Firmament hinauf und unter den Erdkreis
hinunter gebannten Wasser sich wieder auf die Erde ergießen
und den Kosmos neu ins Chaos — jenen Vorschöpfungszu-
stand, in dem die Erde wüst und leer war — zurückzustürzen
drohen, ist Gottes Antwort auf diese Verderbtheit der Erde.
Aber dann rettet Gott selber die bedrohte Welt doch wieder
vor diesem Tod, weil er Noahs gedenkt, der vor ihm recht ist.

73
E r richtet den Bund mit ihr auf, den er durch seinen in die
Wolken weggehängten Kriegsbogen bekräftigt, und schenkt
auch dieser Welt, die als eine Welt der Gewalttat dunklere
Züge bekommen hat, das Leben. Das Wort Hoffnung fällt
in dem 9. Kapitel der Genesis, das davon redet, nicht. Aber
es ist die Aussage dieses Kapitels, daß der Mensch, wenn er
im aufziehenden Gewitter den Bogen Gottes am Himmel
glänzen sieht, über diesem Zeichen ein Versprechen hören und
auf Zukunft und Frieden für seine bedrohte Welt hoffen darf.
Ganz deutlich ist hier schon zu hören, daß die Hoffnung der
nachsintflutlichen Welt nicht auf der die Welt erobernden
Tüchtigkeit des Menschen steht, sondern allein auf der von
Gott gegebenen Zusage. An sie darf sich des Menschen Glaube
klammern.
Dann erzählt auch der Priester im Eingang zur nächsten Welt-
epoche von dem Einzelnen, Abraham. Das anschauliche Er-
zählen vom Aufgebot Abrahams in der Ferne des Zweistrom-
landes, von seiner Wanderung und ihren Stationen, dem je
und je neu ergehenden Anruf Gottes und der je und je sich
erneuernden Verheißung ist hier verschwunden. — Alles zwi-
schen Gott und Abraham Bedeutsame ist in das Kapitel vom
Bundschluß Gottes mit Abraham in Gen. 17 hineingedrängt.
Hier offenbart Gott Abraham seinen neuen Namen 'el faddäj,
hier gibt er auch Abraham, der bisher unter dem Namen
Abram eingeführt worden war (das ist dann sekundär auch
in die vor Gen. 17 liegenden Stücke des Jahwisten eingetragen
worden), seinen Namen Abraham, der auf die ihm gegebene
Verheißung hin durchsichtig gemacht wird: Abraham be-
deutet nach dieser Erklärung „Vater eines Haufens (von Nach-
kommen)". Hier werden nun auch die Verheißungen aus-
gesprochen, die schon im jahwistischen Bericht begegneten:
Der bisher Kinderlose soll reiche Nachkommenschaft erhalten.
Das gleiche wird auch über seine Frau säraj, die nun den
Namen säräh „Fürstin" bekommt, ausgesprochen. Der als land-
besitzloser Fremdling durchs Land Ziehende soll in seinen
Nachkommen dieses Land, das hier in einer reflektierten be-
grifflichen Neuprägung als „Land der Fremdlingschaft" be-
zeichnet wird, zum Besitz bekommen. Zu diesen zwei vom

74
Jahwisten her tradierten Verheißungen tritt nun aber noch als
drittes, für die priesterliche Erzählung, wie sich vom Folgen-
den her erweisen wird, besonders bezeichnendes Element die
Verheißung, daß Gott auf Grund dieses Bundes der Gott der
Nachkommen Abrahams werden wolle: „Ich richte meinen
Bund zwischen mir und dir und deiner Nachkommenschaft
nach dir nach ihren Generationen als immerdauernden Bund
auf, des Inhalts, daß ich dein und deiner Nachkommenschaft
Gott sein will" (Gen. 17,7). So ruft auch hier Gottes Verhei-
ßung Abraham auf, hoffend in die Zukunft hineinzugehen.
Der dreifachen Verheißung darf dreifache Hoffnung ent-
sprechen.
Im weiteren ist aus der Abrahamgeschichte nur eine einzige
Szene breiter erzählt — eine Szene, die beim Jahwisten ohne
Entsprechung ist, die aber eine eigenartig gegenständliche
Demonstration des hoffenden Glaubens Abrahams enthält.
Daß der sonst so erzählungskarge Priester sie in solcher Breite
erzählerisch entfaltet, ist ein gewichtiger Hinweis darauf, daß
die scheinbar ganz profan erzählte Geschichte für ihn das
Gewicht einer bedeutsamen Aussage hat.
Gen. 23 berichtet vom Tode der Sara. Abraham möchte seine
Frau begraben. Als landloser „Fremdling und Beisasse", wie
es V. 4 ausdrücklich formuliert, hat er keinen Ort, an dem er
sie als an einem eigenen Ort begraben könnte. So wird denn
von den wortreichen Verhandlungen berichtet, die er mit den
Landesbewohnern bei Hebron führt, um eine Höhle als Grab-
eigentum zu erwerben. Es tritt dabei sehr deutlich heraus, daß
der korrekte Erwerb dieser Höhle, der vor Zeugen geschieht,
unbedingt sichergestellt sein will. Abraham lehnt es ab, die
Tote einfach im Grabe eines der Landeseinwohner zu be-
graben, wie es ihm bereitwilligst zunächst angeboten wird.
Ebenso aber lehnt er es ab, die von ihm gewünschte Höhle
sich einfach schenken zu lassen. Vor den Augen der Hethiter,
die dort wohnen, so wird es mit Nachdruck unterstrichen,
bezahlt er den nicht unerheblichen Geldbetrag für die Höhle.
Was soll dieser ausführliche Bericht über ein scheinbar ganz
profanes Landkaufgeschäft? Man versteht das Ganze nur recht,
wenn man die göttliche Verheißung in den Ohren hat, nach

75
welcher dieses derzeitige „Land der Fremdlingschaft" das
Abraham verheißene Land ist. Noch besitzt er es nicht. Er darf
auch nicht daran denken, sich darin seßhaft zu machen. Später
wird ja auch der Priester berichten, wie die Nachkommen
Abrahams nach Ägypten ziehen. Aber die Toten, so will diese
Stelle mit Nachdruck deutlich machen, sollen nicht in den
Gräbern der Einwohner Kanaans zur Ruhe gebettet werden.
Sie bekommen als erstes Angeld für ihren Grabort schon ein
Stück des Landes zu eigen. So wird denn im weiteren vom
Priester mit fast pedantisch erscheinender Sorgfalt berichtet,
daß auch Abraham (Gen. 25,9), auch Isaak und Rebekka, auch
Lea (Gen. 49,31) und Jakob (Gen. 50,12f.) dort begraben
werden. — Der in Ägypten sterbende Jakob bittet seine Söhne
mit aller Dringlichkeit darum, daß auch er dort begraben
werde. So wird dieses Grab beim Priester ein unüberhörbarer
Hinweis auf die Hoffnung der Väter. Nur ein Grab besitzen
sie im verheißenen Lande. Indem sie aber zäh daran festhalten,
daß ihr Leib in diesem Grabe im gelobten Lande zur Ruhe
gelegt wird und nicht irgendwo — nicht drüben in Ägypten,
wie es bei Jakob sonst hätte sein können —, bezeugen sie die
durch Gottes Zusage über ihnen gültig gemachte Verheißung,
auf deren Einlösung sie hoffend warten. Das Grab bezeugt
die Hoffnung der Väter. In dieser seltsam objektiven Form
redet die Priesterschrift von der Lebendigkeit ihrer Hoffnung.
Im weiteren weiß auch sie, daß Gott seine Verheißung nach
dem Tode Abrahams über seinen Nachkommen erneuert. So
berichtet Gen. 35,11 f. von der Gotteserscheinung und Ver-
heißung an Jakob in Bethel. In Gen. 48,4 erinnert Jakob, wie
er die Söhne Josephs zu seinen Söhnen erhebt, an diese Ver-
heißung, die auch in Gen. 28,3 f. da aufklingt, wo Isaak seinen
Sohn segnet.
Die Erinnerung an diese Verheißung ist aber auch da wieder
gegenwärtig, wo zu Beginn der nächsten Epoche der von der
Priesterschrift erzählten Geschichte Jahwe dem Mose ent-
gegentritt, der aufgeboten wird, die inzwischen zum Volk ge-
wordene Nachkommenschaft Jakobs aus Ägypten zu führen
und in das den Vätern zugeschworene Land zu bringen (Ex. 6,
2—8). Von der Verheißung der Vermehrung der Nachkom-

76
menschaft braucht hier nicht mehr die Rede zu sein. Neben
der Landverheißung, die wie beim Jahwisten auch hier die
ganze folgende Geschichte vom Zug durch die Wüste einem
Ziel entgegen in Bewegung hält, kehrt hier aber nun ganz voll
jene dritte Verheißung wieder, die in der Priesterschrift gegen-
über dem Jahwisten neu dazugekommen ist: „Ich erlöse euch
mit ausgerecktem Arm und großen Gerichten und nehme
euch mir zum Volk, ich will euer Gott sein, und ihr werdet
erkennen, daß ich, Jahwe, euer Gott, bin, der euch unter der
Fronlast Ägyptens herausgeführt hat" (V. 6f.). Hier ist neu
Hoffnung geweckt: Hoffnung auf Befreiung aus der gegen-
wärtigen Not und darüber hinaus Erwartung jenes Größten,
daß Jahwe seines Volkes Gott sein werde und Israel sein
Volk.
Damit ist das vorbereitet, was dann den Schwerpunkt im Be-
reich der priesterschriftlichen Mosegeschichte darstellt: Die
Begegnung Gottes mit seinem Volk am Gottesberg in der
Wüste draußen und die Begründung des Gottesdienstes im
hier erbauten Zelt der Begegnung. In diesem Zelt darf auf das
Geheiß Jahwes hin der Ort errichtet werden, an dem Jahwe
selber inmitten seines Volkes gegenwärtig und so ganz seines
Volkes Gott ist, wie er es nach Gen. 17 schon Abraham ver-
heißen hatte. Im Abschluß der Ordnungen für das regelmäßige
Opfer ist es Ex. 29,43ff. als Zusage zu hören: „Ich will mich
dort den Israeliten zur Begegnung stellen, und es soll durch
meine Herrlichkeit geheiligt werden, und ich will das Zelt der
Begegnung und den Altar heiligen, und Aaron und seine
Söhne will ich heiligen, daß sie mir Priesterdienst tun können,
und will inmitten der Israeliten wohnen und ihr Gott sein.
Und sie sollen erkennen, daß ich Jahwe, ihr Gott, bin, der
sie aus dem Lande Ägypten herausgeführt hat, damit ich in
ihrer Mitte wohne — ich bin Jahwe, ihr Gott." So schildern
denn auch die folgenden Kapitel, wie Jahwe, nachdem das
Zelt der Begegnung errichtet und das Opfer recht bereitet ist,
zur Begegnung mit seinem Volke herabkommt.
In diesem Zusammenhange geschieht auch das Weitere: Das
nach der Priesterschrift seit dem 7. Tage der Schöpfungswoche
in Gott verborgene Geheimnis des Heiligen im Ablauf der

77
Zeit öffnet sich jetzt für das Volk, dessen Gott Jahwe ge-
worden ist. Die Überlieferung bietet im einzelnen hier ge-
wisse Probleme. Auf der einen Seite erzählt die Manna-
geschichte in Ex. 16, wie die Israeliten daran, daß am 7. Tage
kein Manna vom Himmel fällt, entdecken, daß der Sabbat
der heilige Tag Gottes ist. Daneben steht am Ende der An-
ordnungen für den heiligen Ort des Zeltes der Begegnung
in Ex. 31,12ff. ein ausdrückliches Sabbatgebot: „Meine Sab-
bate sollt ihr beachten, denn ein Zeichen ist das zwischen mir
u n d euch für all eure Generationen, damit man erkenne, daß
ich, Jahwe, euch heilige." Auf jeden Fall will nun innerhalb
der Priesterschrift ganz deutlich gesagt werden, daß Gott Men-
schen Teil gibt an dem gesegneten und heiligen Gut seiner
Ruhe. Daran soll erkannt werden, daß Gott sein Volk gehei-
ligt, d. h. es zu seinem ganz persönlichen Besitz gemacht hat.
Was von der Schöpfung her in der Welt angelegt ist, das
kommt nun im Volke Gottes offen zu seiner Proklamation
u n d erfährt in diesem Volke seine Ehre. Stärker kann wohl
kaum zum Ausdruck gebracht werden, wie gewichtig das ist,
was in den Tagen Moses zur Verwirklichung gelangt. Um-
gekehrt aber wird von hier aus auch erkennbar, wie die ganze
geschaffene Welt auf ein bisher so nicht Erfülltes hin offen ist,
das nun dem Volke Gottes erschlossen wird.
Vor dieser gewaltigen Einlösung göttlicher Verheißung, nach
welcher nun Gott in einer sichtbaren Gottesdienstordnung
seines Volkes Gott wird, tritt die vom Jahwisten her in der
Tradition lebendige Erwartung der Landnahme spürbar zu-
rück. O b der Priester von dieser Landnahme noch erzählt hat,
ist umstritten.
Man möchte, wenn man an den Jahwisten zurückdenkt, fragen,
ob denn die dort in den Bileamsprüchen ausgesprochene Ver-
heißung des kommenden Königs hier gar keine Rolle mehr
spielte. Man kann in Beantwortung dieser Frage nochmals auf
Gen. 17 weisen, wo im Rahmen der Verheißung an Sara von
dieser gesagt wird, daß Völkerkönige von ihr herkommen
werden. Aber auch diese im Rahmen des Bundes mit Abraham
erweckte Erwartung tritt vor dem gewaltigen Ereignis, daß
G o t t seines Volkes Gott wird, zurück.

78
Ist es dann aber nicht so, daß die vom Priester erzählte Ge-
schichte mit dem Geschehen am Sinai eigentlich ihre Span-
nung verliert? Muß dann von hier aus nicht weiter gefolgert
| werden, daß der Hoffnungscharakter des Glaubens Israels in
der Priesterschrift stärker zurücktritt als etwa beim Jahwisten
mit seiner immer neu nach der Zukunft hin gespannten Ge-
schichte?
Der Unterschied der beiden Erzählweisen ist ohne Zweifel
nicht zu übersehen.
Die Priesterschrift erzählt im Vergleich zum Jahwisten mit
einer charakteristischen eigenen Akzentuierung. Was sie schon
in ihrer Schöpfungserzählung mit deren Gefälle auf das Heilige
hin ahnen ließ, tritt im weiteren immer deutlicher heraus: Ihr
eigentliches Anliegen ist die Verherrlichung des Herrn, der
als solcher nicht nur über der Schöpfung steht, sondern auch
aus der besonderen Geschichte der Befreiung u n d Führung
seines Volkes immer wieder heraustritt. Als dieser Herr will
er in der Welt anerkannt sein im Geheimnis seines durch
seinen Namen bezeichneten Ich. So war es bei der Berufung
des Mose zu hören gewesen: „Ihr werdet (oder: sollt) er-
kennen, daß ich Jahwe, euer Gott, bin, der euch unter der
Fronlast Ägyptens herausgeführt hat." So ist es dann aber
auch im priesterschriftlichen Bericht über jenes in Israels Credo
grundlegende Ereignis der wunderbaren Herausführung aus
Ägypten in der Rettung am Schilfmeer zu hören — zunächst
da, wo Jahwe die bevorstehende Verfolgung durch die Ägypter
ansagt: „Ich werde das Herz des Pharao verstocken, und er
wird hinter euch dreinjagen, und ich will mich am Pharao und
all seinem Heer verherrlichen, und die Ägypter sollen erkennen,
daß ich Jahwe bin" (Ex. 14,4). Der gleiche Satz wird leicht
erweitert da nochmals wiederholt, wo die Ägypter hart auf
Israels Fersen verblendet daran sind, sich in die gefährliche
Meereszone hineinzuwagen. Ganz ähnlich klingt es aber im
Munde Moses auch da, wo die wunderbare Speisung des
Volkes mit Manna und Wachteln angesagt wird: „ A m Abend
werdet ihr erkennen, daß Jahwe euch aus Ägypten heraus-
geführt hat. Und am Morgen werdet ihr die Herrlichkeit
Jahwes sehen, wenn er euer Murren erhört" (Ex. 16,6 f.) und

79
dann nochmals unmittelbar vor der Gewährung der Gabe im
Munde von Jahwe selber: „Um die Abendzeit werdet ihr
Fleisch zu essen bekommen und am Morgen satt werden an
Brot und werdet (sollt) erkennen, daß ich Jahwe bin, euer
Gott" (Ex. 16,12). Die gleiche Formulierung war da lautge-
worden, wo Jahwe sein Kommen zur Begegnung mit seinem
Volke im heiligen Zelte zugesagt hatte: „Sie sollen erkennen,
daß ich Jahwe, ihr Gott, bin, der sie aus Ägypten heraus-
geführt hat, damit ich in ihrer Mitte wohne — ich bin Jahwe,
ihr Gott" (Ex. 29,46).
Hat aber, so müssen wir hier dann wohl weiter fragen, dieses
Heraustreten Jahwes in seiner Selbstverherrlichung und diese
Aufforderung, seine Verherrlichung zu erkennen, etwas zu
tun mit der Eröffnung von Zukunft und Hoffnung für den
Menschen? Das wäre in der Tat schwerlich der Fall, wenn es
sich nur um die Verherrlichung einer in sich selbst genüg-
samen Majestät Gottes handelte. Nun war aber in jener dritten,
durch den priesterlichen Erzähler der Abrahamverheißung neu
zugefügten Zusage erkennbar, daß der Priester ja gerade von
der Hinneigung dieses Einen, Herrüchen und Heiligen zu
seinem Volke Israel wußte. Dahin mündete ja seine Geschichts-
erzählung aus, daß sie das Kommen Jahwes zu seinem Volke
sichtbar machte. In dieser Aussage lag für ihn das Schwer-
gewicht seiner Erzählung.
Der Priester hat seine Erzählung wahrscheinÜch im Bereich
der babylonischen Verbannten geschrieben. Die Erzählung des
Geschehens, das in das gnadenvolle Nahekommen Gottes zu
seinem Volke unter Mose ausmündet, ist für ihn zweifellos
nicht nur die in der Rückschau geschriebene Erzählung eines
alten „Es war einmal". Wo sich Gott, der Majestätische, der
Schöpfer der Welt und ihrer Grundlagen, zu seinem Volke
neigt und sich diesem Volke verspricht, da geht es nicht um
ein abgeschlossenes perfectum, sondern um ein perfectum
praesens, ja auch um ein perfectum futurum. Da verpfändet
Gott, der Herr aller Zeit, sein Wort. Wo er aber sein Wort
gegeben, da ist Hoffnung und Zukunft.
Es ist eine andere Weise, von Hoffnung und Zukunft des
Gottesvolkes zu reden, die in der Priesterschrift zu erkennen

80
ist. Man möchte versucht sein, als Analogie für das Nebenein-
ander der jahwistischen und priesterschriftüchen Erzählung
das Nebeneinander von Synoptikern und Johannes zu ver-
gleichen. Hier die Erzählung vom Gang durch konkrete Ge-
schichte und von Aufleuchten von Hoffnung auf diesem Weg
des Christus durch die Ereignisse. Dort, bei Johannes, wenig
Weg, wenig Schreiten durch die Ereignisse, dafür aüenthalben
die majestätische Offenbarung der Herrüchkeit des Sohnes,
d. h. des dem Menschen nahegekommenen Offenbarers des
Vaters — auch sie aber, wenn auch nun in ganz anderer Weise,
Hoffnung entbindend, Menschen vom Heute ins Morgen ge-
leitend.
Und hier können wir nun nochmals zu dem zurückkehren,
was zu Anfang der Stunde festgestellt wurde. Mit seinem Hin-
weis auf den nomadischen Hintergrund des Gottesverständ-
nisses Israels hat Maag den charakteristischen Wegcharakter
des Glaubens an Jahwe herausgestellt. Von Rads Hinweis auf
den Verkündigungscharakter der Erinnerung an den Weg des
Auszugs aus Ägypten6 und des Einzugs ins Land hat die Tat-
sache scharf zu Gesicht gebracht, daß in diesem Erzählen sich
Glaube an einen Herrn aussprach, in dessen Zuwendung, die
sich in seiner Führungstat manifestierte, seine gnädige Herren-
macht über seinem Volke erkennbar wurde. Beide Erzähl-
weisen aber: die Schilderung des Weges, auf dem Jahwe mit
seinem Volke gegangen, wie die Rühmung der majestätischen
Setzungen dieses Gottes, bedeuten für den Glauben Israels Er-
möglichung von Zukunft, Erschüeßung von Hoffnung.

81
VI. Deuteronomium und deuteronomistische
Geschichtsschreibung

Der Komplex der Thora, dessen zwei wichtigste Erzählstränge


wir im Jahwisten und der Priesterschrift auf die darin be-
schlossenen Elemente von Zukunfts- und HoffnungsVerkündi-
gung gemustert hatten, ist im 5. Mosebuch durch eine breite
Abschiedsrede Moses abgeschlossen. Diese Rede enthält in
ihrem Mittelteil 12—26 eine Sammlung von Geboten. Nach
den Untersuchungen von Noth 1 ist diese große Rede im
heutigen Kontext zum Kopfstück eines Geschichtsberichtes
geworden, der, anhebend mit dem Rückblick auf die Gescheh-
nisse im wandernden Israel seit seinem Aufbruch vom Gottes-
berg, die Geschichte von Landnahme, Richter- und Königs-
zeit bis hin zur Exiüerung Judas in der neubabylonischen Zeit
erzählt. Dieses Geschichtswerk kommt auch in seinem inneren
Gefälle von der Rechtsgebung am Gottesberge, wie sie im
Deuteronomium entfaltet ist, her. So hat Noth es denn als deute-
ronomistisches Geschichtswerk bezeichnet.
Es wird heute unsere Aufgabe sein müssen, zunächst der
großen deuteronomischen Rede und Gesetzespredigt und
dann dem von ihm herkommenden Geschichtsbericht unsere
Aufmerksamkeit zu schenken und beide Komplexe auf ihr
Reden von Zukunft und Hoffnung hin zu befragen.
Es ist schon seit langem bemerkt worden, daß das Deuterono-
mium, von dem zunächst die Rede sein soll, in einer beson-
deren Beziehung zu dem Geschehnis der josianischen Reform,
die nach 2. Kön. 22 durch den Fund des Gesetzbuches Moses
ausgelöst worden sein soll, steht. Schon Hieronymus kenn-
zeichnet in seinem Kommentar zu Ez. 1,1 Josias Zeit kurzer-
hand als die Zeit, „quando inventus est über Deuteronomii
in templo dei". Seit de Wette's „Dissertatio criticoexegetica,
qua Deuteronomium a prioribus Pentateuchi übris diversum,
aüus cuiusdam recentioris auctoris opus esse demonstratur"
von 1805 hat sich darüber hinaus die Ansicht gefestigt, daß

82
mit einer gesonderten Entstehung dieses Gesetzbuches ge-
rechnet werden müsse. Die Tatsache, daß als erste klar faß-
bare Stelle seiner Wirkungsgeschichte die josianische Reform
zu erkennen war, führte dann in einer gewissen Kurzschlüssig-
keit zu der Annahme, daß dieses Gesetzbuch ungefähr zu
jenem Zeitpunkt in den Kreisen der jerusalemischen Priester
entstanden sei. Diese haben dann nach dieser Sicht ihr Heiüg-
tum durch die bald darauf auf Grund dieses Buches durchge-
führte Reform zum Zentralheiügtum des Landes zu machen
gewußt. Durch eine pia fraus sei es dem ahnungslosen König
Josia durch diese Priesterschaft in die Hände gespielt worden.
Sorgfältige Einzeluntersuchungen haben dieser These in jün-
gerer Zeit immer mehr den Boden entzogen. Sie haben wahr-
scheinüch gemacht, daß das Deuteronomium Kreisen ent-
stammt, die in den ÜberÜeferungen des im engeren Sinne als
Israel bezeichneten Nordreiches beheimatet sind2. Das Nord-
reich ist im Jahre 722 unter den Schlägen der Assyrer zusam-
mengebrochen. Sein geistiges Erbe ist aber damit nicht unter-
gegangen, sondern hat auch nach dem Untergange des Staates
weitergelebt. So wie das Buch des Nordreichpropheten Hosea
in der Folge in Juda weitergegeben und auch von judäischen
Händen leicht ergänzt worden ist, so ist auch das wahrschein-
lich nach 722 entstandene Deuteronomium nach Juda und
dort in der 100 Jahre nach dem Zerbrechen des Nordreiches
erfolgten Reform Josias zu überraschender Wirkung gelangt.
Näherem Zusehen hat sich weiter gezeigt, daß das gesetz-
üche Material des Deuteronomiums zu nicht unerhebüchen
Teilen in dem wesentüch älteren Rechtskorpus des sog. Bun-
desbuches (Ex. 20,22—23,33) Entsprechungen hat3. Dieses
Material hat in der ersten Hälfte des Kernes von Dt. 12—26
eine sehr charakteristische Überarbeitung erfahren, welche die
straffen Rechtssätze in die Form breit angelegter Ermahnungen
umgesetzt hat. Dieser Ermahnungsstil schüeßt die erste Hälfte
des Gesetzesteils auch zusammen mit manchen Teilen der in
Dt. 1—11 den Gesetzen vorangesteüten Einleitungsrede zum
Gesetz, die den gleichen Kreisen entstammt. Es ist hier nicht
der Ort, den verwickelten üterarischen Fragen dieses Einlei-
tungsteils wie auch der noch zum Deuteronomium im engeren

83
Sinn zu rechnenden Abschlußstücke in Kap. 27—30 nachzu-
gehen. Es ist deutÜch zu sehen, daß verschiedene Hände an
dem Gesamtkomplex von D t . 1—30 gearbeitet haben. An ein-
zelnen Steüen kommt auch die Zeit nach 587 zu Gehör. Eben-
falls kann es hier nicht darum gehen, die einzelnen, sehr ver-
schiedenartigen Gesetzesmateriaüen zu entfalten. Vielmehr
wird es sich darum handeln müssen, die spezifisch deuterono-
mische theologische Einbettung, welche Einleitung und
Schluß des Buches und die paränetisch überarbeiteten Ge-
setzesteile zusammenhält, unter der Gesamtfrage nach ihrer
Aussage über Hoffnung und Zukunft zu bedenken.
Das Deuteronomium führt in eine ganz bestimmte geschicht-
liche Situation. Das Volk hat seine 40jährige Wüstenwande-
r u n g beendet und steht jenseits des Jordans zum Übergang in
das ihm versprochene westjordanische Kanaan bereit. Da teilt
Mose dem Volke in seiner großen Rede das Gesetz Goites mit.
Dabei wird vorausgesetzt, daß diese Gebote zwar dem Mose
schon am Gottesberg mitgeteilt, aber von ihm noch nicht dem
Volke weitergegeben worden seien. Dazu ist erst jetzt der
Augenbück gekommen. Wer sich darüber wundern möchte,
wie es denn möglich ist, daß Mose das Gebot so lange bei
sich selber behalten konnte, kann durch die Überschrift des
eigentlichen Gesetzesteils in 12,1 darüber belehrt werden, wie
dieses vom Deuteronomium selber verstanden wird. Da lautet
es in der Rede des Mose an das Volk: „Dieses sind die Sat-
zungen und Rechte, die ihr beobachten sollt, sie zu erfüllen
im Lande, das Jahwe, der G o t t deiner Väter, dir zum Besitz
bestimmt hat — alle Tage, die ihr im Lande lebt." Der Stil-
bruch von der 2. plur. zur 2. sing, verrät, daß der Text nach-
trägÜch durch einen Zusatz verdeutlicht worden ist. Es ist
eine Verdeutlichung, die das schärfer heraushebt, was nun eben
die Grundlage der folgenden Rechtsermahnung ist: Es geht um
das Recht, das im Lande der Verheißung, das man zu betreten
im Begriffe steht, gelten soü. Ganz so ist es auch in 6,1 in
einer der Einleitungsreden in einem nichtglossierten Text for-
muliert: „Das ist das Gebot, sind die Satzungen und Rechte, die
Jahwe, euer G o t t , euch zu lehren geboten hat, daß ihr sie erfüllet
im Lande, in das ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen."

84
Es ist wichtig, daß die Formuüerung richtig verstanden wird.
Nicht darum hat Mose bisher die Gottesgebote noch nicht mit-
geteilt, weil es sich um Gebote handelte, die nach dem Über-
tritt des nomadischen Volkes ins sedentäre Dasein erst in die-
sem neuen Kulturbereich Bedeutung bekommen könnten. Die
N e n n u n g des Landes hat vielmehr heilsgeschichtüchen Sinn.
In der Gabe des Landes löst G o t t sein altes Versprechen an
die Väter, sowohl die Patriarchen wie die aus Ägypten auf-
gebrochenen Väter, ein. In diesem Raum eingelöster Verhei-
ßung soüen von Israel die Gebote gehalten werden, die Mose
nun mitteilt. Die Antwort des Volkes an seinen Gott, die i m
Halten der Gebote geschieht, soll die Antwort sein, welche
dem Volk den vollen Segen dieser neuen Heilsgabe einbringt.
„ W e n n ihr wirküch auf meine Gebote, die ich euch heute ge-
biete, hört, so daß ihr Jahwe, euren Gott, hebt und ihm dient
von eurem ganzem Herzen und mit eurer ganzen Seele, dann
will ich Regen für euer Land geben zu seiner Zeit, Frühregen
und Spätregen, so daß du dein Getreide, deinen Most und
dein ö l einbringen kannst . . . " (Dt. l l , 1 3 f . ) .
Das, was dem Volke bevorsteht, kann dabei mit ganz über-
schwänglichen Worten geschildert werden: „Jahwe, dein
Gott, wird dich in ein gutes Land bringen, ein Land mit
Wasserbächen, Queüen und Fluten, die in Tal u n d Berg ent-
springen, ein Land mit Weizen und Gerste und Weinstöcken
und Feigenbäumen und Granatäpfeln, ein Land mit fetten
Ölbäumen und Honig, ein Land, in dem du nicht in A r m u t
Brot essen mußt, in dem du an nichts Mangel hast, ein Land,
dessen Steine Eisen sind und aus dessen Bergen du Erz hauen
kannst. Und du wirst essen und satt werden und wirst Jahwe,
deinen Gott, preisen ob des guten Landes, das er dir gegeben
hat " (Dt. 8,7—10). Und dann wird im weiteren auch hier dazu
gemahnt, die Gebote zu halten, nicht satt zu werden u n d dar-
über Gottes zu vergessen.
Neben diesen klaren und voUen Worten, die das Erlangen des
voüen Heilsgutes des Landes vorwegnehmen u n d daraufhin
zum Halten der Gebote mahnen, finden sich allerdings auch
weniger klare Formuüerungen, in denen das volle Erreichen
des Landes an den Gehorsam gegen die Gebote geknüpft

85
ist — etwa 8,1: „AU das Gebot, das ich dir heute gebiete,
sollt ihr beachten, es zu tun, damit ihr lebet und euch mehrt
und kommt und das Land in Besitz nehmt, das Jahwe euren
Vätern zugeschworen hat." Aber die große Linie der Aus-
sagen des Deuteronomiums wird auch durch diese veränderte
Zuordnung des Gehorsams nicht verwischt: Das hier von
Mose unmittelbar vor dem Eintritt ins Land verkündete Ge-
setz wird dem Volke da gegeben, wo es nicht nur viel Hilfe
in seiner Vergangenheit erfahren hat, sondern wo es unmittel-
bar vor der gewaltigen Einlösung des Heilsversprechens steht,
das Gott aus Liebe zu dem von ihm berufenen Volke und
aus Treue zu seinem den Vätern geschworenen Eid (7,8)
vollziehen wird. In fast barschen Worten kann in den Ein-
leitungsreden festgestellt werden, daß das Volk selber mit
seinem Verhalten solche Einlösung wahrüch nicht verdient
hat. „Nicht um deiner Gerechtigkeit und der Rechtschaffen-
heit deines Herzens wiüen kommst du hinein, um ihr Land
zu besetzen . . . Wisse, daß Jahwe, dein Gott, dir dieses gute
Land nicht um deiner Gerechtigkeit willen zum Besitz gibt,
denn du bist ein halsstarriges Volk" (Dt. 9,5 f.). Und dann
wird dem Volke in 9,7 ff. sein Ungehorsam in der Wüsten-
zeit vorgehalten. Es ist freie, unverdiente Beschenkung mit
dem Land, auf die nun des Volkes Gehorsam antworten
soll.
Fragen wir nun, wie in dieser Verkündigung Hoffnung und
Zukunft Raum haben, so ist mit dem eben Gesagten darauf
eigentÜch schon geantwortet. Nach dem Deuteronomium steht
das Volk an der Schwelle, an der ihm die größte Segnung
bevorsteht. Es tritt in den vor ihm eröffneten Raum der Seg-
nung hinein, in dem es sich nun mit seinem Gehorsam be-
währen soü.
Das ist das Besondere am Deuteronomium, daß hier eine ganze,
voüe Gesetzgebung hineingesteüt ist in den Raum großer Hoff-
nung und Erwartung. Gottes Forderung an das Volk steht
nicht zeitlos da, sondern ist überleuchtet von der Zusage, daß
Israel neue Zukunft erschlossen werden soll. Ein zu großer
Hoffnung ermächtigtes Volk wird hier zum Gehorsam gegen
die Gebote aufgefordert.

86
Die Zukunft, in die das Volk hineingeht, war in dem eben
zitierten Wort als Zukunft des Beschenktseins mit einem rei-
chen Lande beschrieben worden. Weiteres kann dazukom-
men. In Dt. 12 ist zu Beginn der Anordnungen das sog.
Zentralisationsgesetz zu finden, d. h. die Forderung, daß Israel
nur einen einzigen Ort seines Gottesdienstes kennen soü. In
einer der Begründungen dieses Gebotes nun ist es in Dt. 12,
8—10 zu hören: „Ihr sollt nicht so tun, wie wir es heute hier
(jenseits der Landesgrenzen) halten, wo ein jeder (in seinem
Opferdienst) das tut, was ihm in seinen Augen als recht er-
scheint. Denn ihr seid bis jetzt noch nicht zu der Ruhe und
in den Erbbesitz gelangt, den Jahwe, dein Gott, dir geben
will. Aber ihr werdet den Jordan überschreiten und im Lande
wohnen, das Jahwe, euer Gott, euch zum Erbbesitz geben
wird, und er wird euch Ruhe geben vor aü euren Feinden
ringsherum, und ihr werdet sicher wohnen." Auch in Dt. 25,19
wird die Zukunft, der Israel entgegengeht, mit dem Satz um-
schrieben: „Wenn dir nun Jahwe, dein Gott, Ruhe gibt vor
all deinen Feinden ringsherum, im Lande, das dir Jahwe, dein
Gott, zum Erbe gibt, daß du es besitzest . . ." Zu der dem
Volk verheißenen Zukunft gehört ganz ebenso die ,Ruhe',
der Friede vor Israels Feinden.
Bewertet man das Deuteronomium auf dem Hintergrunde
dessen, was beim Jahwisten zu sehen war, so wird man ur-
teilen müssen, daß die dort gemachten Feststellungen, wonach
Israel durch die Verheißungen seines Gottes zum hoffenden
Hineingehen in Zukunft gerufen ist, hier über dem ganz
andersartigen Bereich der Gebotsmitteilung und der Paränese
überraschend wiederkehren und nun auch diesen Bereich be-
herrschen. Von dem zur Hoffnung berufenen Volk wird hier
der Gehorsam gegen voll entfaltetes Gebot gefordert.
Nun muß hier einer Frage ins Gesicht geschaut werden, die
vor kurzem erhoben worden ist. In seiner Zürcher Probevor-
lesung über „Das Verständnis der Geschichte im Deuterono-
mium" 4 hat H. H. Schmid, nachdem er die Verheißungs-
struktur des Deuteronomiums im Rahmen der Fiktion einer
Moserede der Zeit vor der Landnahme festgesteUt hat, darauf
hingewiesen, daß dieses Buch in Wirküchkeit ja zu dem Volk

87
der Zeit Josias rede, d. h. zu einem Volk, das längst ins Land
eingezogen ist. „Was in der Fiktion futurisch war, ist jetzt
(nämüch vor den Ohren der tatsächüch angeredeten Hörer der
Zeit Josias) Gegenwart. Und was in der Fiktion Funktion des
Futurums war, muß jetzt die Gegenwart leisten: Sie muß dem
Hörer Zukunft eröffnen . . . Darin üegt Israels Zukunft, daß
es sich zu seiner Gegenwart verhalten kann. Die ganze Heils-
geschichte, die die Fiktion des Deuteronomiums entwarf, sum-
miert sich in der Gegenwart." 6 Etwas später wird festgestellt:
„Einen wesentlichen Fortschritt der Geschichte erwarten die
ursprünglichen vorexiüschen Stücke des Deuteronomiums
nicht. Die Landnahme, d. h. die Gegenwart, ist heilsgeschicht-
üche Endstation. So könnte man — unter aUen Vorbehalten —
für das faktische Verständnis des Deuteronomiums von einer
präsentischen Eschatologie sprechen." 6 Dann stellt Schmid
aber mit Recht fest, daß die Verheißung, die im Deuterono-
mium zu hören ist, über die tatsächliche Wirklichkeit auch der
besten Zeit Israels hinausgeht. Dieses Prae der Verheißung ist
aber nach ihm nicht als temporales, sondern als quaütatives
Prae zu verstehen. „Was aussteht, ist nicht eine temporale, son-
dern eine quaütative Erfüllung. Die Gegenwart ist eigentüch
anders gemeint. Israel hat sie noch nicht ganz ergriffen, Israel
ist ,noch nicht zur Ruhe gekommen'." 7 In den Mahnungen,
nicht dem Götzendienst zu verfallen, wird sichtbar, wo das
Deuteronomium das Versagen sieht. N u n verkörpert das
Deuteronomium mit seinem Zurücknehmen Israels vor die
Einwanderung in großartiger Weise ein nochmaliges Angebot
an Israel, seine Geschichte wahrzunehmen. Der Raum, in dem
Israel nochmals Zeit eröffnet wird, ist hier aber nicht der
Raum einer ünear kommenden Zukunft. Zeit wird hier anders-
artig geschaffen. Zeit ist hier keine temporale Größe, sondern
Lebensraum. „Um den Zukunftscharakter dieser Differenz zum
Ausdruck zu bringen, stellt das Deuteronomium theologisch
das Volk noch einmal an den Anfang der Landnahme. An
der so fingierten temporalen Zukunft soll die existentiale Zu-
kunft deutÜch gemacht werden." 8
Schmid weist ohne Zweifel auf einen wichtigen und beden-
kenswerten Tatbestand hin. Was das Deuteronomium für die

88
Mosegeneration als noch zukünftig und als unmittelbar be-
vorstehende Verheißungsgabe hinstellt, ist für die in der
deuteronomischen Paränese angeredete Generation der Königs-
zeit in seinem eigentüchen Sachgehalt, d. h. der Landgabe, er-
füllte Wirküchkeit. Mit Recht ist festgesteUt, daß das Deute-
ronomium darüber hinaus keinen weiteren geschichtlichen
Schritt Jahwes mit seinem Volke mehr erkennen läßt, in die-
sem Sinne also keine weitere futurische Eschatologie mit neu-
artigen Geschichtsgehalten über die Landgabe hinaus ent-
wirft.
Aber berechtigt diese richtige FeststeUung nun wirklich zu
folgern: „Die Gegenwart ist heilsgeschichtüche Endstation"?
Die Dinge liegen im Deuteronomium grundsätzlich gesehen
wohl nicht sehr anders als in der Priesterschrift. Dort üef die
Geschichte auf die Konstituierung Israels als des Gottesvolkes
mit seinem von Gott eingesetzten Gottesdienst, der Ordnung
des Dienstes an dem Zelt der Begegnung in der Wüste, zu.
Wir meinten, daß daneben sogar die Erfüllung der Landnahme-
verheißung etwas zurücktrat. So scheint nach der Priester-
schrift das große heilsgeschichtliche Tun Gottes sogar schon
am Sinai seine große Erfüllung zu erreichen, und man müßte
dann dazu eigentlich mit Schmid ganz ebenso folgern, daß
die heilsgeschichtüche Endstation erreicht sei. Die Feststellung
des quaütativen Prae üeße sich ganz ebenso an dem hier sogar
schon in die Vergangenheit verlegten Heilsgut treffen. Israel
hätte sich danach nicht nur wie im Deuteronomium seiner
Gegenwart, sondern der schon weit dahintenliegenden Ver-
gangenheit gegenüber zu verhalten. Wir werden darum auch
beim Deuteronomium zu wiederholen haben, was zur Priester-
schrift festzustellen war. Hier wie dort hat sich Israel nicht,
wie Schmid formuliert, „seiner Gegenwatt (oder dort Ver-
gangenheit) gegenüber zu verhalten", sondern seinem Gott
gegenüber, welcher der alles heilsgeschichtüche Geschehen
Verheißende und Wirkende und ihm darum als Herr der Ge-
schichte Vorgegebene und Überlegene bleibt — der Erste
und der Letzte, wird Deuterojesaja sagen. Gewiß ist es im
Deuteronomium sehr deutüch zu erkennen, wie die Heilsgabe
des Landes für Israel der Ort ist, an dem es die gütige Zuwen-

89
düng seines Gottes erkennen kann. Jenes schöne Bauerngebet
von Dt. 26,5—11, mit welchem der Bauer, der seine Gabe ge-
erntet hat, vor Gott tritt und mit dieser Gabe unter dem Be-
kenntnis, daß Gott die Väter und dann das Volk gnädig ge-
führt habe, seinen Dank im erfüllten Heute abstattet, vermag
dieses deutüch genug zu illustrieren. Aber nicht dieser Gabe,
nicht seinem Ackerboden gegenüber hat sich dieser Bauer nun
zu verhalten, wie sehr dieser auch ein geradezu sakramentales
Unterpfand der gnädigen Führung Gottes sein mag, sondern
dem ihm von seinem Gott gegebenen Gebot und darin Gott
selber gegenüber. „Du sollst Jahwe, deinen Gott, lieben von
ganzem Herzen und ganzer Seele und mit aller deiner Kraft."
In diesem Satz ist in den Einleitungsworten von 6,5 das ganze
Gebot zusammengerafft.
Unter diesem Ruf aber, der Israel in all seinem Gebot unmit-
telbar Gott selber gegenüberstellt, ist Israel zur Wahl auf-
gerufen, ob es sich für Segen oder Fluch entscheiden will,
hinter dem Leben und Tod und darin Zukunft oder Verlust
der Zukunft lauern. Im Abschluß der Erweiterung Dt. 29f.,
welche die Gesetzmitteilung Moses im Deuteronomium als
einen besonderen Bundschluß im Lande Moab wertet, ist in
30,15ff. zu hören: „Siehe, ich lege dir heute vor Leben und
Glück, Tod und Unglück. Wenn du auf die Gebote Jahwes,
deines Gottes, hörst, die ich dir heute gebiete, Jahwe, deinen
Gott, zu üeben, auf seinen Wegen zu gehen und seine Gebote
und Satzungen und Rechte zu halten, dann wirst du Leben
haben und dich mehren, und Jahwe, dein Gott, wird dich
segnen im Lande, in das du kommst, es einzunehmen. Wenn
aber dein Herz sich abwendet . . ., so kündige ich euch heute
an, daß ihr bestimmt zugrunde gehen werdet, ihr werdet nicht
lange leben im Lande . . . Leben und Tod, Segen und Fluch
lege ich dir heute vor; so erwähle nun das Leben, damit du
Leben habest, du und deine Nachkommenschaft."
Daß in aUedem nicht nur ein Ruf zu einer existentialen Zu-
kunft gemeint ist, läßt sich am besten durch die Heranziehung
von Kap. 28 iüustrieren. Hier wird im Abschluß der deute-
ronomischen Gesetzmitteilung Segen und Fluch für Gehorsam
und Ungehorsam Israels geschildert und wird sichtbar ge-

90
macht, wie sich darin eine neue weitere Geschichte entfalten
kann. Gewiß, es werden hier nicht indikativisch neue Gescheh-
nisse der Geschichte Israels angekündigt, wohl aber Möglich-
keiten nicht nur der Segnung der Natur, sondern auch der
SteUung Israels in der Welt aufgewiesen. „Jahwe wird dich
zum Haupte und nicht zum Schwänze machen und du wirst
nur nach oben aufsteigen und nicht nach unten absinken, wenn
du auf die Gebote Jahwes, deines Gottes, hörst, die ich dir
heute gebiete" (Dt. 28,13). Darin aber üegt die Mögüchkeit
zukünftiger Geschichte. Eine Generation, die vor dem Rätsel
des zusammengebrochenen Nordreichs steht, hat dabei ohne
Zweifel sehr konkrete Erwartungen. Sie lassen sich etwa in
den „aus den Tagen Josias" stammenden Worten Jer. 3,6—13
sehr deutüch erkennen.
Vor allem muß hier nun aber der Bück auf das deuteronomi-
stische Geschichtswerk gerichtet werden. Dieses stellt die Ge-
schichte der Folge jähre nach der Einwanderung Israels ins
Land von einem etwas späteren Standorte nach der Katastrophe
von 587 aus unter der Beleuchtung des Deuteronomiums dar.
Es kann deutüch machen, in welcher Weise das scheinbar an
die heilsgeschichtüche Endstation gelangte deuteronomische
Denken fähig ist, auch über die Mosezeit hinaus bewegteste
Geschichte aufzufangen und als Gottes Geschichte mit seinem
Volke zu bekennen.
| In seinen „ÜberüeferungsgeschichtÜchen Studien" von 19439
hat Noth die Indizien dafür herausgearbeitet, daß man es bei
der auf das Deuteronomium folgenden Erzählung der Bücher
Josua, Richter, Samuel und Könige mit einem zusammen-
hängend gestalteten Werk zu tun hat. Gewiß ist eine Fülle
von geprägt vorüegendem Material aufgenommen und z. T.
ohne eingreifende Veränderung eingebaut worden. Daß aber
die Zusammenfügung dieses Materials zu einer Gesamtge-
schichte unter ganz bestimmten Perspektiven geschehen ist,
läßt sich besonders deutüch an zwei Elementen erkennen, in
denen eine eigentümüche Leistung des Deuteronomisten zu
sehen ist: An wichtigen Punkten läßt er die führend handeln-
den Personen mit einer Rede auftreten, welche rückschauend
erfahrene Geschichte deutet und vorschauend praktische Fol-

91
gerungen für das Handeln Israels zieht. So stoßen wir in Jos. 1
auf eine Rede Josuas zu Beginn, in Jos. 23 auf eine solche zum
Abschluß der Landnahme. In l.Sam. 12 bezeichnet eine Rede
Samuels das Ende der Richter- und den Anfang der Königs-
zeit. Dazu kommt in 1. Kön. 8,14ff. das große Tempelweih-
gebet Salomos, in dem die Bedeutung des Tempels sichtbar
gemacht wird. Das zweite Kompositionselement des Deute-
ronomisten ist in den zusammenfassenden Geschichtsbetrach-
tungen Jos. 12 zu Ende der Landnahme, Ri. 2,11 ff. im Ein-
gang zur Richterzeit und 2. Kön. 17,7 ff. beim Zusammenbruch
des Nordreiches Israel zu erkennen. Es wird sich im folgenden
vor allem darum handeln müssen, die in diesen Stücken er-
kennbare Geschichtssicht darzustellen und zu fragen, was sie
für das Gesamtthema der Hoffnung für den deuteronomisti-
schen Bereich ergeben.
Den Einsatz des deuteronomistischen Geschichtswerkes
möchte Noth in der Moserede Dt. 1—3 finden, welche die
Erlebnisse der Wüstenwanderungszeit nach dem Aufbruch
vom Gottesberg schildert. An sie wird die große Gesetzes-
vermahnung des Deuteronomiums angeschlossen. Auch wer
im Unterschied zu N o t h den Anfang des Werkes erst im
Josuabuche findet, wird in der Eingangsrede Josuas, mit der
er das Volk zum Einzug ins Land aufruft, die deutüche Rück-
beziehung auf das deuteronomische Wort nicht überhören
können, wenn es lautet: „Gedenket dessen, was euch Mose
der Knecht Jahwes, geboten hat, als er euch sagte: Jahwe,
euer Gott, wird euch Ruhe geben und gibt euch dieses L a n d "
(Jos. 1,13). Die gleichen Worte küngen in der Schlußrede
Josuas, dessen Eroberungswerk in Jos. 12 in einer Gesamt-
übersicht zusammengefaßt worden war, an, wenn sie in die
Zeit datiert wird, „als Jahwe Israel Ruhe gegeben hatte von
aU seinen Feinden ringsum" (Jos. 23,1). In dieser Rede stellt
Josua einerseits im Rückblick auf das ganze große Geschehen
der Landnahme fest: „Siehe, ich gehe heute den Weg aller
Welt. Ihr aber sollt von ganzem Herzen und ganzer Seele er-
kennen, daß auch nicht ein einziges Wort von aU den guten
(Verheißungs-)Worten, die Jahwe, euer Gott, zu euch ge-
sprochen hat, hingefaUen ist. AUes ist für euch eingetroffen,

92
auch nicht ein Wort davon ist hingefallen" (V. 14). Muß man
hier nicht von einer heilsgeschichtüchen Endstation reden?
Der weitere Kontext macht demgegenübet deutüch, daß liier
keineswegs vom Ende der Geschichte Gottes mit seinem Volke
geredet sein will. Mit Nachdruck ist in der Fortsetzung darauf
hingewiesen, daß auch nichts von dem unguten Wort der
Drohung wegfallen wird, das Gott über den ausgesprochen
hat, der seiner Bundesordnung nicht gehorsam sein wird
(V. 15 f.). Dieser Ton der Ermahnung beherrscht auch die
vorausgehenden Worte, die ausdrücküch auf das Gesetz Moses
zurückweisen: „So seid nun recht fest, alles zu beobachten
und zu tun, was im Gesetzbuch Moses geschrieben steht, daß
ihr von ihm weder zur Rechten noch zur Linken abweicht"
(V. 6). Sehr deutüch wird dabei auch der dunkle Ton hörbar,
daß die Geschichte Gottes mit seinem Volk auch eine Geschich-
te des Zornes und des Verlustes des Landes werden könnte.
Dieser dunkle Ton beherrscht schon deutÜcher die eigenartige,
den einzelnen Richtergeschichten in Ri. 2,11 ff. vorangeschickte
Geschichtsreflexion der Richterzeit. Immer wieder geschieht es
in dieser Zeit, daß „sie Jahwe, den Gott ihrer Väter, der sie
aus Ägyptenland herausgeführt hatte, verÜeßen und anderen
Göttern von den Göttern der Völker um sie her nachfolgten
und sie verehrten" (V. 12). Dann aber entbrennt Jahwes Zorn
über sie, und er gibt sie in die Hand ihrer Feinde. Wenn sie
dann aber wieder zu Jahwe schreien, so erbarmt dieser sich
über ihre Wehklage und sendet ihnen im Richter den Retter.
Die am Ende der so eigentümlich bewegten Richterzeit stehende
Abschiedsrede Samuels, des letzten Richters, in 1. Sam. 12 aber
führt unter den gleichen negativen Akzenten des Ungehor-
sams Israels, über dem dann doch wieder die haltende Hand
Jahwes sichtbar wird, erneut in eine neue Geschichtszeit. Das
Volk hat sich einen König gewünscht, wie alle Nachbarvölker
einen König haben. Den davon betroffenen Samuel hatte Jahwe
nach l.Sam. 8,7 mit dem betrübten Zuspruch getröstet: „Sie
haben nicht dich, sondern mich verworfen, daß ich nicht König
über sie sein soll" und hatte ihm befohlen, dem Wunsch des
Volkes zu willfahren. In seiner Abschiedsrede nun mahnt
Samuel das hinterher über seine Tat selber erschrockene Volk:

93
„Fürchtet euch nicht 1 Ihr habt zwar aU dieses Böse getan —
nur weicht nicht von der Nachfolge Jahwes ab, und dient
Jahwe von ganzem Herzen" (1. Sam. 12,20). Das ist die Frage,
unter der nach dem Deuteronomisten das Volk in seine
Königszeit hineingeht: Wird es unter der besonderen Gefähr-
dung, die das Königtum bedeutet, Gehorsam halten können?
Im weiteren nimmt der Deuteronomist ein reiches geschicht-
üches ÜberÜeferungsmaterial über die drei ersten Könige Saul,
David und Salomo z. T. ganz unverändert in seine Erzählung
auf. Unter dem aufgenommenen Gut findet sich auch der Be-
richt über die Verheißung, die der Prophet Nathan nach
2. Sam. 7 über David und sein Haus ausgesprochen hat und
die, wie sich zeigen wird, in der Folge auch für des Deute-
ronomisten eigene Schau der Königszeit nicht ohne Bedeu-
tung ist. Erneut bricht in der Geschichte Gottes mit seinem
Volk eine sehr voüc Verheißung auf. Es ist eine Verheißung
ganz neuer Art, wenn Gott nun dem David zusagt, daß er ihm
ein Haus bauen, d. h. Zukunft und Nachkommenschaft geben
werde. Zugleich aber wird in diesem Kapitel in einer deute-
ronomistischen Erweiterung (V. 13a) schon auf den Tempel-
bau Salomos vorausgewiesen.
Dieser bildet, wie die Einschaltung des sehr breit gehaltenen
Tempelweihgebetes Salomos in l.Kön. 8,15—53 und des
Segens 56—61 zeigen kann, ein gewichtiges Neues in der von
ihm erzählten Geschichte Israels. Wieder hören wir den An-
klang an Worte vom Anfang, wenn der Segen mit den Worten
beginnt: „Gepriesen sei Jahwe, der seinem Volk Israel Ruhe
gegeben hat, ganz so, wie er es verheißen hatte. Auch nicht
eines von seinen guten Worten, die er durch seinen Knecht
Mose gesprochen hatte, ist hingefaUen" (V. 56). Die Worte
des Lobpreises angesichts erfüUter Verheißung, die im Josua-
buch zur Landnahme gesprochen wurden, sind hier bei Anlaß
der Tempelweihe erneut gesprochen. Die Geschichte Gottes
hat sich danach offensichtlich nach Meinung des Deuterono-
misten zur ErfuUung neuer Verheißung hin bewegt. In diesem
Tempelweihgebet ist im übrigen auffäUig, wie völÜg jede Er-
wähnung des Opferdienstes fehlt. Der Tempel ist gut deute-
ronomistisch als Wohnort des Namens Jahwes verstanden.

94
In seinem Namen ist Jahwe anrufbar. So wird denn eindring-
üch darum gebetet, daß Jahwe die hier geschehende Anrufung
hören möge. Ja, sogar der Fall wird bedacht, daß das Volk
in ein fernes Land weggeführt sein könnte: Wenn sie dort
Buße tun, so bittet Salomo, und sich mit ihrem Gebet aus der
Ferne auf diesen Ort hin richten würden, dann möge Gott sie
, erhören (V. 46ff.). Hier redet ganz unverkennbar schon die
Zeit nach 587. Dann aber fehlen auch in diesem Gebet die
Töne der Sorge über des Volkes mögÜchen Ungehorsam nicht.
Im abschließenden Segen ist es zu hören: „Es möge Jahwe,
I unser Gott, mit uns sein . . ., unser Herz zu sich zu wenden,
daß wir in all seinen Wegen wandern und seine Gebote und
Satzungen und Rechte, die er unseren Vätern geboten hat,
beachten" (V. 57 f.). Was Salomo hier betet, ist in dem Bericht
über eine zweite Gotteserscheinung vor Salomo in l.Kön. 9,
1 ff, von Jahwe gegen Salomo selber gewendet, zu hören.
Neben die Segnung, die dem Gehorsam versprochen ist, tritt
hier breit ausgeführt die Drohung, daß Ungehorsam die Aus-
tilgung Israels aus seinem Lande und die Verwüstung des
Tempels zur Folge haben werde, so daß die Vorübergehenden
feststeUen werden: „Weil sie ihren Gott Jahwe verlassen haben,
der ihre Väter aus Ägyptenland herausgeführt hat, und sich an
andere Götter gehalten, ihnen Verehrung erwiesen und ihnen
gedient haben, darum hat Jahwe über sie aU dieses Unheil ge-
bracht" (V. 9).
Diese dunkle Möglichkeit der Untreue beginnt nun aber schon
mit Salomo selber Israels Geschichte zu kennzeichnen.
Nach der Reichstrennung unter Salomos Sohn ist es zunächst
vor allem das Nordreich, das sich durch den in Bethel und Dan
eingerichteten Dienst des goldenen Jungstierbildes sein Unheil
bereitet. In der eigentümlichen Form der deuteronomistischen
Berichterstattung von den Königen, die jedem König eine
Zensur erteilt, erhalten aUe Nordreichkönige die Zensur der
Sündigkeit, so daß der Untergang des Nordreiches mit innerer
Notwendigkeit erfolgen muß. 2. Kön. 17,7 ff. bringen in der
letzten Einschaltung einer breiteren deuteronomistischen
Reflexion die Begründung für dieses Gericht: Die Versündi-
gung Israels, sein Dienst an anderen Göttern, der Höhendienst,

95
Malsteine und Ascheren und in alledem die Unwilligkeit, sich
von den Propheten, die Gott unermüdüch als Warner sandte,
warnen zu lassen, haben diesen Untergang verschuldet.
Die Erweiterung in V. 19 f. dehnt dieses Urteil aber ganz so
auf Juda aus: „Auch Juda beachtete die Gebote Jahwes, seines
Gottes, nicht . . . Da verwarf Jahwe die ganze Nachkommen-
schaft Israels und demütigte sie und gab sie in die Hand von
Räubern, bis er sie vor seinem Angesicht verstoßen hatte." So
zeigt die Geschichte der judäischen Könige, die nun vor allem
am Kriterium des Höhendienstes außerhalb Jerusalems ge-
messen werden, daß die wenigen Frommen, ein Hiskia und
ein Josia, das Übermaß der Gottlosigkeit der anderen, vor
allem eines Manasse, nicht aufzuheben vermögen. Auch Juda
endet im Exil. Jerusalem und sein Tempel gehen in Flam-
men auf.
Was will dieses ganze deuteronomistische Gescliichtswerk, das
im Vorhergehenden nur in kurzen Strichen gekennzeichnet
werden konnte, aussagen? Hat es auch eine Aussage von Hoff-
nung und Zukunft zu machen?
Diese Frage wird von Noth mit einem runden Nein beant-
wortet. Der Erzähler, der in diesem Werk zu Worte kommt,
steht an einem Ende. „ E r hat in dem göttlichen Gericht, das
sich in dem von ihm dargestellten äußeren Zusammenbruch
des Volkes Israel vollzog, offenbar etwas Endgültiges und
Abschließendes gesehen und eine Zukunftshoffnung nicht ein-
mal in der bescheidensten und einfachsten Form einer Erwar-
tung der künftigen Sammlung der zerstreuten Deportierten
zum Ausdruck gebracht." 1 0
Wesentüch anders lautet die Antwort, die G. von Rad 1 1 gibt.
E r zeigt einerseits, wie das Wort prophetischer Weissagungen,
dem dann in der Regel der Bericht über ihre Erfüllung folgt,
die ganze Geschichtsdarstellung der Königsbücher durchzieht
und ihr ein charakteristisches Gefälle auf Einlösungen hin
gibt. Im äußeren Geschick triumphiert letztlich das Gericht.
Darin ist die Einlösung des schon in der deuteronomischen
Gesetzespredigt Moses als Mögüchkeit sichtbar gemachten
Fluches zu erkennen. Daneben verweist von Rad aber mit
Nachdruck auf die Schlußepisode des 2. Königsbuches, nach

96
welcher der lange in Babylon gefangene König Jojachin im
37. Jahr seiner Gefangenschaft beim Thronantritt des Königs
Amelmarduk aus dem Gefängnis befreit und an die Tafel des
babylonischen Königs erhöht worden sei. Im Zusammenhang
damit sind die mehrfachen Erwähnungen innerhalb der
Königsgeschichte zu werten, nach welchen Jahwe „um Davids
willen" an einzelnen seiner Nachfolger auf dem Thron beson-
dere Gnade walten ließ. Neben dem Gesetz, das richtend und
vernichtend durch Israels Geschichte geht, sieht er hier die
nach 2. Sam. 7 dem David gegebene Verheißung gleich einem
Evangeüum am Werk, rettend und vergebend. „Die Nathan-
Verheißung ist es, die wie ein Katechon durch die Geschichte
Judas geht und das längst verdiente Gericht ,um Davids
willen' von dem Reiche abhält."12 In diesem Lichte glaubt er
auch jene auffallende Schlußepisode als Ausdruck der Hoff-
nung verstehen zu können, „daß es mit den Davididen doch
noch nicht ein unwiderrufliches Ende genommen hat" 13 .
In seiner Studie über das deuteronomistische Geschichtswerk
meint H. W. Wolff14 auch diese Sicht ablehnen zu müssen.
Nach ihm sieht der deuteronomistische Erzähler keine Zu-
kunft, die er zu verkünden hätte. Seine ganze Erzählung will,
wie das mehrfache Vorkommen der Rede von der Umkehr
beweist, ein Ruf zur Umkehr sein. Nun hat aber H.W.Wolff
an anderer Stelle selber gezeigt15, daß der Ruf zur Umkehr im
Alten Testament nirgends einfach absoluten Forderungscha-
rakter hat, sondern immer auf dem Hintergrund des Wissens
um eine Zuwendung Gottes ergeht.
Wolff ist wohl im Recht, wenn er es zurückweist, dem Deute-
ronomisten eine offene Verheißung abzuhören. Aber muß
nicht auf jedenFall sehr wohl gesagt werden, daß er über seinem
ganzen Erzählen, welches das gerechte Gericht Gottes über
seinem sündigen Volk bekennt, den Lebendigen am Werke
weiß, der nach 2. Sam. 7 über David seine Verheißung von der
Zukunft des Davidssohnes ausgesprochen hat und der nach
1. Kön. 8 da, wo er seinem Namen auf Erden seinen Wohnort
erwählt hat, sein Hören zugesagt hat? All dieses wird vom
Deuteronomisten nicht mit dem Akzent thetischer Versiche-
rung vorgetragen. Wohl aber ist durch sein ganzes Erzählen

97
thek I
München
hin, das so oft von den Tagen der Richter ab von überraschen-
der Zuwendung Jahwes zo seinem aus seiner Not schreienden
Volk zu berichten gewußt hatte, jenes „Vielleicht" zu hören,
das auch in Klageüeder 3,29, ebenfalls in den Tagen nach der
Zerstörung Jerusalems, zu hören gewesen war. „ E r beuge
seinen M u n d in den Staub — vielleicht ist noch Hoffnung."
D o r t abec war zu sehen, daß dieses Vielleicht herkam von der
verborgenen Gewißheit: „Die Huldtaten Jahwes sind noch
nicht aus, sie sind noch nicht zu Ende. Jeden Morgen neu ist
sein Erbarmen, und groß ist seine Treue. Jahwe ist mein Teil,
spricht meine Seele, darum will ich auf ihn hoffen" (3,22—24).

98
V I I . D i e Schriftprophetie des 8. J a h r h u n d e r t s

Nach dem deuteronomistischen Geschichtswerk, von dem zu-


letzt die Rede war, traten im Zusammenhang der Königs-
geschichte Israels immer wieder Propheten auf. In ihrer Ver-
kündigung des Wortes Jahwes hatten sie dort die Aufgabe, ihre
jeweiüge Gegenwart auf Kommendes hin zu öffnen, Tat
Gottes anzukündigen, die dann in der Folge den Charakter
eingelösten Wortes erhielt. Diese deuteronomistischen Nach-
richten vermitteln nur einen schwachen Eindruck dessen, was
im Auftreten der großen Propheten, die uns aus ihren nieder-
geschriebenen Wortsammlungen deutÜcher erkennbar werden
und die wir uns darum als die Schriftpropheten zu bezeichnen
gewöhnt haben, tatsächlich geschehen ist. Der Darstellung
dessen, was im Wort der Schriftpropheten für Zukunftserwar-
tung und Hoffnung Israels sichtbar wird, müssen diese und
die beiden nächsten Stunden gelten.
Die große Schriftprophetie begleitet die Sturmphase der vor-
derorientalischen Geschichte v o m 8.—6. vorchristÜchen Jahr-
hundert 1 . In dieser Zeit räumen zunächst die Assyrer mit der
ganzen Kleinstaaterei im Zwischengebiet zwischen Zwei-
stromland u n d Ägypten auf. Sie werden ihrerseits in der
zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts von Neubabyloniern und
Medern überrannt. Nach der Mitte des 6. Jahrhunderts dann
erhebt sich aus dem medischen Bereich, die medische, lydische
und schüeßlich auch die neubabylonische Vorherrschaft bre-
chend, die Macht der Perser, die dann gegen Ende des Jahr-
hunderts sich auch den ägyptischen Bereich einverleibt, der
vorher nur zeitweilig von den Assyrern versehrt worden war.
Das zu Beginn dieser Zeit in zwei getrennten Teilstaaten
lebende Israel wird in diesem Zeitraum poÜtisch zerschlagen.
Das größere, poütisch gewichtigere Nordreich, das im beson-
deren den Namen Israel trug, ist, wie früher erwähnt, schon
722 den Schlägen der Assyrer erlegen. Das kleinere J u d a mit
Jerusalem, dem Hausmachtbereich der Davididen, hält sich

99
noch knappe anderthalb Jahrhunderte länger. Dann erüegt
auch es 587 den Neubabyloniern unter ihrem König Nebu-
kadnezar II. (605—562). In der anhebenden Perserzeit vermag
sich unter persischer Oberhoheit und als Teil der Provinz
Samaria in und um Jerusalem herum ein kleines kirchen-
staatähnliches Gebilde, das seine Mitte im zweiten Jerusalemer
Tempel hat, neu zu formieren.
Die Botschaft der Schriftpropheten ist ohne diese Gescheh-
nisse nicht zu verstehen. Das gilt nicht nur in dem aUgemeinen
Sinn, daß diese wie jede andere historische Erscheinung ohne
die Kenntnis des geschichtlichen Hintergrundes, auf dem sie
lebt, nicht zu verstehen ist. Es gilt in dem viel tieferen Sinn,
daß dieses Geschehen Teil ihrer Botschaft ist. In diesen Ge-
schehnissen wird ihr Wort Geschichte — ein Wort, das ohne
diesen in Geschichte sich erweisenden Geschehnischarakter
leere Menschenmeinung büebe und eben nicht Propheten-
wort, Gotteswort wäre.
Es entspricht diesem dem poütischen Geschehen in Israel ver-
hafteten Charakter des Prophetenwortes, daß es zunächst in
dem Teil Gesamtisraels laut wird, in dem der politische
Schwerpunkt Gesamtisraels liegt — im Nordreich, dem
„Israel" im engeren Sinne. Neben dem Propheten, der dort
beheimatet ist, Hosea, steht der von Juda her ins Nordreich
gekommene Prophet Amos. Dieser zweitgenannte hat wohl
etwas früher geredet als der Nordreichangehörige Hosea.
Jäh, und für unsere Augen wenig vorbereitet, bricht es in
der Verkündigung des Arnos 2 auf. Aufgezeichnet ist diese
Verkündigung, die erste Sammlung geschriebenen Propheten-
wortes, wohl nur darum, weil dem Manne in der Folge unter
dem billigen Vorwande, daß er ja Ausländer sei, das Reden in
Israel verboten worden ist. Das aufgeschriebene Wort soll als
Zeuge lebendig bleiben und die Menschen in Israel dann, wenn
das Verderben kommt, unentschuldbar machen. Sage dann
keiner, Gott habe sein Wort nicht rechtzeitig laut werden lassen!
Amos ist als Sturmvogel in einer äußerüch ruhigen, ja blühend
sich entfaltenden Geschichtszeit Israels aufgetreten. Unter s i-
nem König Jerobeam II. hat Israel sich seines bösen Erbfeindes
Aram-Damaskus, mit dem es durch die vergangenen 100 Jahre

100
hin immer wieder im Krieg gelegen und unter dem es grausam
geütten hatte, in Hoffnung versprechender Weise erwehren
und Siege an seiner Nordostgrenze erringen können. Wer
konnte damals schon ahnen, daß das Erlahmen der Aramäer
von Damaskus das Kommen eines noch härteren Größeren
von Osten her ankündete, dessen Druck Damaskus schon ver-
spürte? So lassen die Worte des Amos in das Hoffen des Volkes
hineinsehen — kein gottloses, nur äußerüches Hoffen, sondern
das Hoffen auf weitere heUe Zukunft aus der Hand Gottes,
der Israel erwählt und es aus Ägypten herausgeführt hatte.
I m besonderen artikuliert sich dieses Hoffen als Hoffnung auf
den kommenden „Tag Jahwes" —- d. h. wohl eine Zukunft,
in der Jahwe neu und hilfreich seinem Volk nahe sein werde.
Über das nähere Verständnis des Hoffens auf den Tag Jahwes
sind die Meinungen auseinandergegangen. Meinte Greß-
mann 3 , man stoße in dieser Rede auf eine letztlich in einer
mythischen Weltsicht begründete Erwartung einer eschatolo-
gischen Zeitenwende, so hat von Rad 4 diese Hoffnung stärker
v o n Israels geschichtlicher Vergangenheit, in der man das
Eingreifen Jahwes im Heiügen Krieg zugunsten seines Volkes
erlebt hatte, zu verstehen gesucht. Die Frage muß hier nicht
entschieden werden, es genügt, in diesem Warten auf den Tag
Jahwes die Hoffnung Israels zu erkennen, die nicht an Jahwe
vorbei, sondern ganz voll auf diesen zuging und in seinem
Nahekommen die heUe Zukunft begründet sah.
Was hat Amos zu dieser, nach all unseren bisherigen Ausfüh-
rungen doch völüg richtig formulierten Hoffnung Israels zu
sagen? Sein Wort kann wohl erschrecken: „Wehe denen, die
den Tag Jahwes heranwünschen (erhoffen) — was soll euch
der Tag Jahwes? Er ist Finsternis und nicht Licht. Er ist, wie
wenn einer dem Löwen entflieht, und es begegnet ihm ein Bär.
Und er kommt nach Hause und stützt seine Hand an die
Wand — da beißt ihn die Schlange. Ist der Tag Jahwes nicht
Finsternis und kein Licht, Dunkel und kein Glanz in i h m ? "
(Am. 5,18—20). Ja, sagt Amos, ihr habt Zukunft, und diese
Zukunft ist Gott selber. Gerade darum aber habt ihr nichts
zu hoffen. Weiß Amos denn nichts von jener anfängüchen
Zukehr Gottes zu seinem Volk, in der er sich zu diesem ge-

101
wendet hat? Gewiß, er weiß davon. „Höret dieses Wort, das
Jahwe zu euch redet, ihr IsraeÜten, das ganze Geschlecht, das
ich aus Ägyptenland heraufgeführt habe: Euch allein habe ich
erkannt (erwählt) aus allen Geschlechtern der Erde — darum
suche ich an euch heim all eure Verschuldungen" (3,1 f.). Wo
aber Menschen ihm gegenüber darauf pochen, daß doch Gott
sein Volk aus Ägypten geführt habe, da kann er mit unheim-
lich verletzendem Gegenwort sagen: „Seid ihr mir nicht wie
die Kuschiten, ihr Israeliten, spricht Jahwe? Habe ich nicht
Israel aus Ägyptenland heraufgeführt und die Philister aus
Kreta und Aram aus K i r ? " (9,7). W o bleibt da die besondere
Hoffnung Israels?
N u r in einem Wort, das zugleich zeigt, warum Israel in dieser
gnadenlos harten Botschaft angeredet wird, scheint am Rande
so etwas wie MögÜchkeit von Hoffnung und Zukunft sicht-
bar zu werden. Im Stile priesterücher Toraunterweisung sagt
Amos 5,14 f. „Suchet das Gute und nicht das Böse, damit ihr
lebet und so Jahwe, der G o t t der Heerscharen, mit euch sei,
wie ihr sagt. Hasset das Böse und liebet das Gute und stellt
Recht her im T o r (im Gericht) — vielleicht wird sich dann
Jahwe, der Gott der Heerscharen, des Restes Josephs er-
b a r m e n . " 6 Das verblendet sorglose Vorbeileben am Recht
Gottes in Israel macht es Amos zur Gewißheit, daß dieses
Volk keine Hoffnung hat, sondern daß gerade die Begegnung
mit seinem G o t t sein E n d e bedeutet. So mündet denn eine
der Visionen des Amos in die düstere Verkündigung aus:
„Das Ende ist gekommen zu meinem Volke Israel. Ich will
nicht mehr (schonend) an ihm vorbeigehen" (8,2). Nur wenn
es geschähe, daß Gottes Volk Gottes Recht, das sich im be-
sonderen des Armen annimmt, v o n Herzen liebgewänne, dann
könnte vieUeicht noch Hoffnung auf göttüches Erbarmen mit
dem Rest Josephs möglich werden. Vielleicht — darin üegt
der Hinweis auf Gottes Freiheit, die auch nicht durch des
Menschen frömmstes Verhalten gemindert werden kann. So
hatte es Hiob seinen Freunden gegenüber festgehalten. „Dem
Rest Josephs", darin üegt die Gewißheit, daß es einen Weg
vorbei an Gottes Gerichten für das Israel der Tage des Amos
auf keinen Fall mehr gibt. N u r über dem in diesem Gericht

102
bewahrten Rest könnte jenes „Vielleicht" noch Zukunft und
Hoffnung bedeuten.
In den letzten Versen des Amosbuches scheint diese Zukunft
noch etwas bestimmtere Züge zu gewinnen, wenn 9,11 f. v o n
der einst geschehenden Neuaufrichtung der zerfallenen Hütte
Davids reden und 13—15 die ungewöhnÜche Fruchtbarkeit
des Landes für die Zeit schildern, in der Jahwe seines Volkes
Geschick gewendet und dieses seine Städte wieder aufgebaut
haben wird. Aber der Verdacht, daß hier nachträglich ein heil-
voller Schluß an die unheilvoUe Botschaft des Amos angefügt
worden sein könnte, ist vor allem beim zweiten Wort, das
auch eine schon geschehene Deportation und Verwüstung des
Landes vorauszusetzen scheint, sehr groß. So wird man ernst-
lich damit rechnen müssen, daß Amos in seiner Verkündigung
über jenes „Vielleicht" nicht hinausgegangen ist.
Die Euphorie des Israel der Tage des Amos sollte nicht lange
vorhalten. Der etwas später redende Hosea 6 läßt uns schon
sehr voll in die Unrast Israels nach dem Tode Jerobeams hin-
einsehen. Zu den innenpolitischen Wirren und Kämpfen u m
die Königsmacht, die das 2. Königsbuch im einzelnen schil-
dert, kommt der immer deutlicher sich abzeichnende Schatten
der Großmacht im Osten, die unter dem gewaltigen Krieger-
könig Tiglatpileser III. (745—727) die Geschichte mitzube-
stimmen beginnt. Aber auch ein Hosea redet, so anders er
auch menschlich geartet sein mag, wie Amos nicht von der
äußeren Großmacht als der eigentlichen Gefahr Israels, son-
dern von Jahwe als seinem gefährlichsten Feind.
In grausamen, wilden Bildern dringt der Herr, welcher doch
Israels eigentliche Hoffnung sein sollte, im Prophetenwort auf
sein Volk ein: „Ich bin wie ein Löwe für Ephraim und wie
ein Jungleu für das Haus Juda. Ich, ich zerreiße und packe (?),
ich schleppe weg, und keiner entreißt" (Hos. 5,14). Dieses
Wort ist nach der Analyse v o n A. Alt 7 in die Zeit des sog.
syrisch-ephraimitischen Krieges zu datieren, der auch aus den
Worten von Jes. 7f. zu erkennen ist. Juda und Israel stehen
in diesem miteinander im Kampfe. Hinter beiden aber steht
die assyrische Macht als die große, gefährüche und dann doch
gerade um ihres Potentials wiUen auch als Helfer umworbene

103
Größe. Fragen wir, warum Jahwe in den eben zitierten Worten
Hoseas so unheimüch als der Zerstörer aller Hoffnung der
beiden Israelstaaten aufsteht, dann zeigen die unmittelbar vor-
hergehenden Worte sehr deutlich, daß daran nicht zuletzt auch
die Tatsache schuld ist, daß diese beiden Staaten ihr Hoffen
und Erwarten eben dieser irdischen Großmacht zugekehrt
hatten: „Ephraim sah seine Krankheit und Juda sein Ge-
schwür. Da ging Ephraim zu Assur und sandte zum G r o ß -
könig — der aber kann euch nicht heilen, und das Geschwür
wird nicht von euch weichen" (Hos. 5,13).
E s wäre für die Tage Hoseas ungerecht, zu urteilen, daß das
v o n ihm angeredete Volk seinen Gott Jahwe einfach ver-
gessen hätte. In 6,1—3 ist unter den Worten des Propheten
auch ein Klagelied des Volkes zitiert, mit dem es sich offenbar
eben unter seiner gegenwärtigen poütischen N o t und Krank-
heit an Jahwe wendet: „Auf, wir wollen zu Jahwe umkehren,
denn er hat zerrissen, er wird uns heilen. Er schlägt — er wird
uns verbinden. Nach zwei Tagen wird er uns wieder be-
leben, am dritten Tage uns aufrichten, so daß wir vor ihm
leben. Wir wollen's erkennen, wollen nach der Erkenntnis
Jahwes jagen. Wenn wir ihn suchen, werden wir ihn finden,
und er kommt zu uns wie der Regen, wie der Spätregen, der
die Erde erquickt." In diesen Worten spricht sich in eindrück-
üchen Formulierungen die Hoffnung Israels auf seinen Gott
Jahwe, der Leben zu geben vermag, aus. Sie können in ihrem
Wortlaut sogar an jene kühnsten Randformulierungen in
Ps. 73 und Hi. 19 erinnern, in denen der Hoffende durch den
T o d hindurch und über ihn hinaus nach der Mögüchkeit gött-
Ücher Lebensgabe greift.
E s spricht dabei manches dafür, daß die Gebetsworte sich an
Formulierungen anlehnen, die im Bereich der kanaanäischen
Vegetationsgottheiten ihre Heimat hatten. Es mag auch fest-
gehalten werden, daß sich in dem Lied ein bußfertiger Wille
zur Umkehr zu Jahwe hin ausspricht. Und doch weist Jahwe
diese Unkehr und diese Hoffnung auf seine Macht, die Leben
zu geben vermag, zurück: „Was soll ich dir tun, Ephraim,
was soll ich dir tun, Juda? Ist doch eure Liebe gleich der
Morgenwolke, gleich dem Tau, der rasch wieder verschwin-

104
det" (6,4). Dieses offensichtÜch von reicher Opfergabe begleitete
Beten kommt nicht aus dem wirküch treuen Hängen an Gott
heraus, zeigt nicht die dem Bunde treue Liebe, die Gott er-
wartet: „An Liebe (Bundestreue) habe ich Wohlgefallen und
nicht an Mahlopfer, an Gotteserkenntnis mehr als an Brand-
opfern" (Hos. 6,6).
Weil Gott in seinem Volke auch da, wo es sich mit reicher
Opfergabe zu ihm naht, die Entschlossenheit echter Treue und
die klare, mit der lebensmäßigen Anerkenntnis verbundene
Erkenntnis, daß er allein Israels Hoffnung ist, nicht zu sehen
vermag, darum bleibt es bei seiner harten Absage. Diese ist
in den erschreckenden Zeichenhandlungen, mit denen der
Prophet zu Beginn seines Prophetendienstes beauftragt wird,
in denkbar größter Härte formuüert. Ein Dirnenweib muß er hei-
raten, „denn das Land treibt Dirnenwerk — weg aus der
Nachfolge Jahwes" (1,2). Seinem zweiten Kind, einer Tochter,
muß er den Namen lo ruhämä „Erbarmenlos" geben, „denn
ich will mich des Hauses Israel nicht mehr erbarmen" (1,6).
Sein drittes Kind, ein Sohn, bekommt den Namen lo 'ammi
„Nicht mein Volk", „denn ihr seid nicht mein Volk, und ich
will nicht euer8 sein" (1,9).
Aber dann ist es bei Hosea zu sehen, daß daneben, in einer
scheinbar unverständlichen Unlogik, noch etwas anderes auf-
bricht. Nicht so wie bei Amos jenes „Vielleicht", das über
eine bessere Gerechtigkeit des Volkes in einem Rest desselben
zu stehen käme. Hier macht 11,8 f. sichtbar, daß dieses andere
ganz unmittelbar mitten aus dem Herzen Gottes selber auf-
brechen kann. Da bricht eine harte Gerichtsrede gegen das
Volk, das einst der von Jahwe aus Ägypten berufene Sohn
war, dann aber die Liebe Gottes schnöde mißachtet hatte,
überraschend um in die Worte: „Wie könnte ich dich preis-
geben, Ephraim, dich hingeben, Israel . . . Mein Herz kehrt
sich um in mir, all mein Mitleid ist entbrannt. Ich will meinen
glühenden Zorn nicht vollstrecken, will Ephraim nicht wieder
verderben. Denn Gott bin ich und nicht Mensch, heilig in
deiner Mitte." Und so berichtet denn Hos. 3 zum zweitenmal
von einer Zeichenhandlung, nach welcher Hosea eine ehe-
brecherische Frau sich rechtens erwirbt, sie strenger, er-

105
zieherischer Klausur unterwirft: „Eine lange Zeit soUst du
mir bleiben, ohne zu buhlen und ohne einem Manne anzu-
gehören . . . Denn lange Zeit werden die Israeliten ohne
König, ohne Fürsten, ohne Opfer, ohne Malstein, ohne E p h o d
und Teraphim bleiben. Dann werden die Israeliten umkehren
und Jahwe, ihren Gott, suchen" (V. 3—5). Wenn dann hier
auch noch David als ihr K ö n i g genannt wird, so dürfte darin
eine judäische Erweiterung zu sehen sein. Sie lenkt die Erwar-
tung in Bahnen, die bei Jesaja zu finden sein werden.
K a p . 11 hatte erkennen lassen, daß für den nordisraeütischen
Hosea der Auszug aus Ägypten die geschichtüche Anfangstat
der Liebe Jahwes darstellte. Auf diesem Hintergrunde ist es
zu verstehen, wenn 12,10 im Rahmen einer Drohung sagt:
„Ich bin Jahwe, dein Gott, v o m Lande Ägypten her — noch-
mals lasse ich dich in Zelten wohnen, wie (einst) in den Tagen
der Begegnung." Und noch voller ist dieses geheimnisvoUe
Ineinander von Zorn, Gericht und Erbarmen in 2,16 f. zu
erkennen, wo Jahwe sagt: „Darum, siehe, will ich sie be-
schwatzen und in die Wüste führen und ihr zu Herzen reden.
Und will ihr von dort her ihre Weinberge geben und das Tal
Achor zum T o r der Hoffnung machen. Dort wird sie wiU-
fährig werden wie in den Tagen ihrer Jugend und wie am
Tage, da sie heraufzog aus dem Lande Ägypten." Der Reich-
tum des Landes Kanaan mit all seinen Früchten wird Israel
entzogen werden. Ganz arm wird es wieder in Zelten in der
Wüste draußen wohnen, wird eine Zeit der harten Klausur
durchmachen. Gerade in dieser Armut aber wird Gott ihm neu
zu Herzen reden u n d wird das Volk wieder sein Volk werden
können. Und wenn dann Jahwe sein Volk erneut ins Land
hineinführen wird, so wird jenes Tal Achor, in dem nach
Jos. 7,26 ein Steinhaufe an den dort gesteinigten Achan er-
innert, der beim ersten Einzug ins Land Sünde über sein Volk
gebracht hatte, zur Pforte der Hoffnung. Das Stichwort „Hoff-
n u n g " (tihväh) tritt hier ganz ausdrücküch über das Ge-
schehen, dem Israel entgegengeht und das 2,21 f. ganz voll als
die neue Verlobung Jahwes mit seinem Volk beschreibt. Das
ist die Zukunft, der das Volk Israel, dessen Gegenwart im
Bild der Dirne und der Ehebrecherin gekennzeichnet werden

106
mußte, durch Gericht und Armut hindurch als einer großen
[ Hoffnung entgegengehen darf.
Das Nordreich ist bald nach den Tagen, in denen Hosea ge-
[ redet hat, zerschlagen worden. Es ist nicht ausgeschlossen,
daß Hosea selber noch Zeuge dieses Gerichtes geworden ist.
Nur noch das kleinere Restjuda, das aber den salomonischen
Tempel und den König vom Stamme Davids beherbergte, ist
übriggebüeben. Nun können wir erkennen, daß auch hier im
Süden Prophetenwort laut wurde. Auch hier sind es zwei
unter sich sehr verschiedene Gestalten. Neben dem Städter
Jesaja, der in der Nähe des Königshofes der Davididen lebt
und in dessen Wort altjerusalemische Überlieferungen nach-
kÜngen, steht Micha, der Mann von Moreseth Gath, einem Ort
der Landschaft Juda, in der Nähe der Grenze zum Phiüster-
gebiet gelegen. Beide aber sind sie Aufgescheuchte, die den
nahenden Schritt des Gottes Israels in der Geschichte ihrer
Tage vernehmen. Und beiden sind von daher die Augen ge-
öffnet für die Geringachtung des göttüchen Rechtes und den
daraus resultierenden Zerfall der gerechten Sozialordnung, die
auch dem Geringen sein Teil zukommen ließe.
Im einzelnen trägt dann aUerdings ihre Verkündigung sehr
verschiedene Züge. Für Micha9, den Mann von der Land-
schaft, baUt sich die Sünde recht eigentlich in den Haupt-
städten zusammen: „Was ist die Missetat des Hauses Jakobs?
Ist's nicht Samaria? Und was ist die Sünde des Hauses Juda?
Ist's nicht Jerusalem?" (Mi. 1,5). So sieht er denn auch diese
Mitte der Versündigung vom Schlage Gottes in besonderer
Weise bedroht. In einem Wort, das ungewöhnlich stark ein-
geschlagen haben muß — noch 100 Jahre später reden die
Ältesten vom Lande im Zusammenhang mit dem Gerichts-
verfahren gegen Jeremia davon (Jer. 26,18) —, kündet er in
aller Härte nicht nur der Stadt Jerusalem, sondern auch dem
Tempel, dem Ort der heiÜgen Wohnung Gottes, die restlose
Verwüstung an: „Darum wird der Zion um euretwillen zum
Feld umgepflügt, Jerusalem wird zum Trümmerhaufen und
der Tempelberg zur Waldcshöhe" (Mi. 3,12).
Weiß Micha über diese Katastrophe hinaus etwas von Hoff-
nung für sein Land? Unter den mit einiger Sicherheit von ihm

107
selber herzuleitenden Worten scheint das nur in 5,1—5 der
Fall zu sein, einem Wort, das auch seinerseits in jüngerer Zeit
noch eine stärkere Ubermalung erfahren hat. Aus dem Zu-
sammenhang, dessen Anfang uns aus dem Weihnachtsevan-
geüum des Matthäus (2,6) wohl bekannt ist, dürften wohl die
folgenden Sätze dem Micha zugehören: „Und du, Bethlehem
Ephrath (oder ursprüngüch: Beth Ephrath?), du kleinste unter
den Tausendschaften Judas, von dir soU mir hervorgehen,
der Herrscher in Israel werden soll; sein Ursprung ist in der
Vorzeit, in unvordenküchen Tagen. Er tritt auf und weidet
(sie) in der Kraft Jahwes, im herrlichen Namen Jahwes, seines
Gottes. Und das wird das Heil sein . . . Und er wird retten
vor Assur, wenn es in unser Land dringt und wenn es unser
Gebiet betritt."
Es ist eigenartig, wie auch hier das, was Micha mitten in seiner
harten Verkündigung als Zukunft der Hoffnung anzusagen
weiß, das Volk wieder an den Anfang seiner Geschichte zu-
rückholt. So wie einst aus der poütisch ganz unbedeutenden
Tausendschaft Ephrath, von Bethlehem her, der Retter aus
der Philisternot von Gott erweckt worden war, so wird in die
drohend vor Augen stehende Assyrernotzeit, die Jerusalem
das Ende bringt, hinein ein Herrscher aus jener alten Tausend-
schaft berufen werden, der die Assyrernot wendet. Damit darf
vielleicht noch verbunden werden, was A. Alt 1 0 aus Mi. 2,
1—5 herausgehört hat. Jenseits der großen Katastrophe, die
den Großgrundbesitzern in Jerusalem ihren Besitz raubt, wird
es zu einer neuen, gerechten Landvermessung kommen, in der
jenen das ungerecht erworbene Land nicht mehr zufällt:
„Darum wirst du niemanden haben, der die Meßschnur über
ein Ackerlos auswirft in der Gemeinde Jahwes" (V. 5). Hier
ist nicht geistüch, sondern sehr real poütisch geredet: Der neue
Herrscher, ein Befreier aus der Not der Fremdherrschaft, die
neue gerechte Besitzordnung. Das Besondere aber besteht
darin, daß dieser neue Herrscher wie einst David aus der länd-
Üchen Tausendschaft Ephrath kommt. Vielleicht ist sogar an
die gleiche, alte Famiüe gedacht. Er wird nichts mehr zu tun
haben mit dem zur Zeit in Jerusalem sitzenden davidischen
Königtum. Auch über dieser Erwartung steht die Hoffnung

108
zu Jahwe. Mag auch der König als Krieger im Kampfe gegen
Assur erwartet werden, was er tut, tut er in der Kraft und im
Namen Jahwes. Dieser holt erneut seinen Herrscher gerade
vom geringen, unscheinbaren Orte her und zeigt darin neu,
daß, was vor Menschen gering ist, von ihm Kraft und Ehre
bekommen kann. Das ist die Verkündigung Michas, die Zu-
kunft, auf die er sein Volk hoffen heißt.
Wie anders daneben das Wort Jesajas! u Die von ihm selber in
Jes. 6 berichtete Berufungserzählung führt in den Tempel in
Jerusalem. Hier hat ihn die verbrennende Nähe seines Gottes,
den er mit der Terminologie dieses Königsheiügtums als König
und als Jahwe Zebaoth, Jahwe der Heerscharen, benennt, über-
fallen. Hier hat er, nachdem seine Lippen entsühnt und zum
Botendienst, zu dem er sich gemeldet, bereitet waren, den
harten Auftrag empfangen, das Volk in die Verstockung zu
treiben. „Bis daß die Städte öde liegen ohne Bewohner und die
Häuser ohne Menschen und das Fruchtland nur noch Wüste
ist", soll er seinen harten Auftrag ausführen (6,11). Ob jene
knappe Schlußbemerkung, welche von dem bis auf den Stumpf
niedergeholzten Baumrest sagt: „Ein heiüger Same ist sein
Stumpf" und die über den harten Berufungsauftrag ein klei-
nes Licht der Hoffnung setzt, dem Texte ursprüngüch zu-
gehört hat, ist umstritten.
Im weiteren ist dann zu sehen, wie dieser Prophet mit seiner
Verkündigung die wechselnden Geschehnisse der zweiten
Hälfte des 8. Jahrhunderts begleitet. Berufen im Todesjahr
des Königs Ussia zu einer noch relativ ruhigen Zeit ist er
Zeuge des Einbruchs der Assyrer unter Tiglatpileser III. in
den syrischen Bereich und des anhebenden Niederbrechens
Nordisraels. Im sog. syrisch-ephraimitischen Krieg versuchen
Damaskus und Nordisrael eine Abwehrfront in Syrien-Palä-
stina aufzubauen und auch Juda unter seinem König Ahas in
diese Front hineinzuzwingen. Das provoziert den neuen Ein-
griff der Assyrer, die Damaskus niederwerfen und Israel auf
einen Viertel seines Bestandes reduzieren. Er erlebt die wei-
teren Zuckungen des Widerstandes in Palästina, die dem Nord-
reich ein völliges Ende bringen, die PhiÜsterstaaten im Küsten-
land unten in immer stärkere Botmäßigkeit führen und Juda,

109
das sich in der Zeit des syrisch-ephraimitischen Krieges schon
in den Schutz und damit auch in die Hörigkeit Assurs be-
geben hatte, dann aber auch wider den Stachel zu locken
sucht, an den Rand der völligen Vernichtung bringen. Das
vielleicht späteste Wort Jesajas in 1,4—9 läßt erkennen, wie
im Jahre 701 Sanherib die Landschaft Juda verwüstet und
nach der Kapitulation Jerusalems dessen König Hiskia gerade
noch den geringen Rest des Stadtkönigtums seiner Hauptstadt
überlassen hat. „Hätte Jahwe der Heerscharen uns nicht noch
einen Rest gelassen, so wären wir wie Sodom geworden und
gleich wie G o m o r r h a " (V. 9), klagt der Prophet angesichts
seines von allen Seiten zerschlagenen und wunden Volkes.
„Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist siech. Von
der Fußsohle bis zum Haupte ist nichts Heiles an ihm: Beule
und Strieme und frische Wunde, nicht ausgedrückt noch ver-
bunden und nicht mit ö l geündert" (V. 5 f.).
So sieht das Ergebnis nach mehr als vierzigjähriger Verkündi-
gung des Propheten aus. Soll da noch Raum für ein Warten
und Hoffen Israels sein? Gewiß, der Prophet weiß von einem
Warten und Hoffen Jahwes selber, das von seinem Volk immer
wieder enttäuscht worden ist. Im sog. Weinbergüed, in dem
er Gottes Sorge für sein Volk mit der Sorge eines Weinberg-
besitzers um seinen Weinberg vergleicht, ist es von diesem
Besitzer gesagt. „ E r hoffte (hvh), daß er edle Trauben brächte
— er aber brachte herbe F r u c h t " (5,2). Und weiter ist des
Weinbergbesitzers klagende Frage zu hören: „Was war noch
zu tun an meinem Weinberg, und ich tat es nicht? Warum
hoffte (hvh) ich, daß er edle Trauben brächte, und er brachte
herbe F r u c h t ? " (V. 4). Dann aber reißt der Prophet alle Bild-
verhüllungen weg. „ D e n n der Weinberg Jahwes der Heer-
scharen ist das Haus Israel, und die Männer Judas sind seine
Liebüngspflanzung. Er hoffte (hvh) auf Guttat, und siehe da,
Bluttat, auf Rechtsspruch, und siehe da, Rechtsbruch" (V. 7).
Böse gellen die Wortspiele, die die gebotene Übersetzung dem
hebräischen Grundtext nachzuahmen versucht, in den Ohren
der Hörer. Kann es angesichts dieser durch das Volk immer
wieder enttäuschten Hoffnung Gottes selber noch eine Bot-
schaft der Hoffnung für den Menschen geben?

110
Es mag angesichts dieser Sachlage überraschen, daß in des
Propheten eigenem Verhalten gerade im Zeitpunkt seiner
tiefen Enttäuschung noch etwas von solchem Warten zu er-
kennen ist. Gegen Ende der Sammlung von Worten aus dem
syrisch-ephraimitischen Krieg, in dem Jesaja sah, daß Jahwe
seinem Volke neue Lebensmöglichkeiten anbot, die dieses
dann in seinem König Ahas zurückwies, und in dem er durch
die zeichenhaften Namen seiner Kinder seine Botschaft laut-
werden üeß, ist das Wort Jesajas zu hören: „Verwahren wiU
ich die Offenbarung und versiegeln die Weisung in meinen
Jüngern, und harren (hoffen, hkh) will ich auf Jahwe, der
sein Angesicht vor dem Hause Jakob verborgen, und will
(hoffend) auf ihn warten (hvh). Siehe, ich und die Kinder, die
Jahwe mir gegeben, wir sind Zeichen und Vorbedeutung in
Israel von Seiten Jahwes der Heerscharen, der auf dem Berge
Zion w o h n t " (8,16—18). Es ist ein Harren in die Dunkelheit
hinein, in der Jahwe sein Gesicht verborgen hat. Aber es ist
ein Harren und kein Verzweifeln. Jesaja weiß, daß Gottes Ge-
schichte mit seinem Volke nicht zu Ende ist.
Und das ist nun in der Tat auch in der Verkündigung des
Propheten zu erkennen. In all dem Wechsel, den sie durch die
verschiedenen Geschichtsphasen, die Jesaja in schnellem
Wechsel erlebt und die auch seiner Verkündigung eine
Bewegtheit geben, wie sie bei keinem anderen Propheten zu
erkennen ist, meldet sich immer wieder die Ankündigung
einer letzten Wende, in der Jahwe mit seinem Plan den
Sieg behalten wird.
Jesajas Tage sind bestimmt v o m Einbruch der östüchen G r o ß -
macht. In den Assyrern erkennt Jesaja das Strafwerkzeug
Gottes, mit dem dieser Gericht hält über allen Hochmut u n d
all die Rechtsbrechung, die er in seinem Lande erkennt. D a n n
aber sieht der Prophet, wie auch dieses Werkzeug sich maßlos
gebärdet, sich überhebt und Gottes Recht mit Füßen tritt.
Daraufhin wendet sich sein Wort auch gegen dieses Gerichts-
werkzeug: „Wehe Assur, dem Stock meines Zornes und der
Rute meines Grimms. Wider ein ruchloses Volk sende ich ihn,
und wider die Nation meines Zornes entbiete ich ihn, um
Beute zu erbeuten und Raub zu rauben, um es zu zertreten

111
wie K o t auf den Gassen. Aber er denkt nicht so, und sein
Herz meint nicht so, sondern zu vertilgen hat er im Sinn und
auszurotten nicht wenige Völker" (10,5—7). Der Prophet
weiß, daß auch über Assur Jahwes Gericht ergehen m u ß :
„Wenn der Herr all sein Werk am Berge Zion und an Jeru-
salem vollendet, so wird er heimsuchen die Frucht des Hoch-
mutes des Königs von Assyrien samt seinem stolzen Prahlen"
(10,12). 14,24ff. formuliert es in einem Schwurwort Jahwes:
„Fürwahr, wie ich mir's vorgenommen, so geschieht es, und
was ich beschlossen, das kommt zustande. Zerschmettern will
ich den Assyrer in meinem Lande und ihn auf meinen Bergen
zertreten, damit sein Joch von ihnen weiche und seine Last
von ihrer Schulter genommen werde. Das ist der Ratschluß,
der über die ganze Erde beschlossen, und das die Hand, die
über alle Völker ausgereckt ist." 1 2 Daß in alledem aber nicht
einfach die Gerichtsdrohung Jahwes gegen sein eigenes Volk
v o m Tische gewischt sein will, kommt sehr eindrücklich in
29,1 ff., einem Wort gegen Jerusalem, zum Ausdruck. Dieses
wird als Ariel angeredet, was den Altarherd bedeuten dürfte,
auf dem die Opfer verbrannt werden, worauf dann im Worte
selber deutlich angespielt wird: „Wehe dir, Ariel, Ariel, du
Stadt, da David lagerte . . . Ich werde den Ariel bedrängen,
daß Jammer und Wehklage sein wird, ja, er wird mir sein wie
ein Ariel (Opferherd). Ich will dich ringsum belagern und eng
die Posten wider dich zusammenziehen und Bollwerke wider
dich aufrichten. Dann wirst du unten von der Erde her reden,
und tief aus dem Staube tönen deine Worte . . . Dann geschieht
es plötzlich im N u : Von Jahwe der Heerscharen wird sie (die
Stadt) heimgesucht werden mit Donner und Dröhnen und
lautem Krachen, mit Windsbraut und Wetter und Flammen
fressenden Feuers. Und wie ein Traum, ein Gesicht der Nacht
wird sein der Schwärm aller Völker, die wider Ariel streiten,
und alle, die wider ihn und seine Bergfeste streiten und ihn
bedrängen." 1 3
Man hat mit Recht darauf gewiesen, daß hier Motive der Ret-
tung des Zion anklingen, die auch in einigen Zionspsalmen
(46. 48. 76) zu erkennen sind und die möglicherweise auf
ältere Überlieferungen Jerusalems zurückgehen. Es ist nun

112
aber wohl zu beachten, wie Jesaja von dieser Rettung des
Zion, dem geheimnisvoll „fremden" oder „befremdüchen"
Werk Gottes, wie 28,21 sagt, redet. In einem Wort aus dem
Todesjahr des Königs Ahas, in dem Jesaja den in gefährücher
Verblendung über den AbfaU von den Assyrern jubelnden
Phiüsterstädten das unheimüche Nahen derselben ansagt, unter
dem sich der Jubel jäh in Heulen verwandeln wird (14,28—32),
bekommt er den Auftrag, phiüstäischen Boten, die offenbar
Juda zum Mitmachen veranlassen woUen, die geheimnisvolle
Antwort zu geben: „Jahwe hat den Zion gegründet, und dort
finden Zuflucht die Armen seines Volkes." Zuflucht ist der
Zion, so will hier gesagt sein, für die Menschen, die dem
Hochmut und der Selbstmächtigkeit gegenüber Gott abgesagt
haben. Mit einem anderen Wort ist das gleiche auch in 28,16
gesagt: „Siehe, ich lege in Zion einen Stein, einen Bochan-
Stein (das Wort scheint im Ägyptischen seine Entsprechung
zu haben und einen dunklen, harten Stein, der für Denkmäler:
Kapellen, Obeliske, benutzt wird, zu bezeichnen) 1 4 , einen kost-
baren, grundlegenden Eckstein — wer glaubt, der weicht
nicht." Auch hier ist auf den Zion gezeigt, wo das Neue, das
aller Gefahr standhält, gegründet werden soll. Wer glaubt, wer
dadurch, daß er sich an Jahwe hält, seine eigene Armut be-
kennt, der wird sich dort geborgen wissen dürfen. Es wird
daraus deutlich, daß der Prophet nicht einfach zu einer allge-
meinen Hoffnung auf eine Rettung beim Zion aufruft, son-
dern etwas von Scheidung und Entscheidung weiß. Darf man
damit verbinden, daß er in anderem Zusammenhange von
einem Rest redet? Im Zusammenhang der erregenden Ereig-
nisse zu Beginn des syrisch-ephraimitischen Krieges, so be-
richtet Kap. 7, wird er von Jahwe geheißen, dem König Ahas
entgegenzutreten und auf diesen Weg seinen Sohn f^arjafüb
mitzunehmen. „Ein Rest kehrt u m " heißt dieser Sohn, wobei
es in jesajanischer Vielsinnigkeit zunächst offenbleibt, ob man
verstehen soll: „Nur ein Rest kehrt (aus dem Krieg) zurück",
was drohend von nahender Katastrophe zu sprechen scheint,
oder ob es zu übertragen ist: „Ein Rest wird umkehren",
nämüch zu Jahwe hin, und so dann auch Rettung erfahren.
Denn so ist es in 30,15 zu hören: „In Umkehr und Ruhe üegt

113
euer Heil, in Stillehalten und Vertrauen besteht eure Stärke",
wobei der Prophet allerdings gleich weiterfahren m u ß : „ D o c h
ihr habt nicht gewollt. Ihr spracht: Nein! Auf Rossen wollen
wir rasen! — darum sollt ihr davonrasen. Auf Rennern wollen
wir reiten! D a r u m werden rennen eure Verfolger."
Ganz gegenständüch ist Heilshoffnung und gegenwärtiges
Leid u m das Volk Gottes in dem kunstvoll zweiteiÜg auf-
gebauten Klagelied 1,21—26 verbunden: „Ach, wie ist zur
Dirne geworden die treue Stadt, die voll war des Rechts!
Gerechtigkeit wohnte in ihr — jetzt aber Mörder! Dein
Silber ist zu Schlacken geworden, dein Wein verfälscht. Deine
Führer sind Aufrührer und Gesellen der Diebe. Sie alle lieben
Bestechung und jagen Geschenken nach . . . Darum spricht
der Herr, Jahwe der Heerscharen, der Starke Israels: Ha! Ich
will mich letzen an meinen Widersachern und mich rächen an
meinen Feinden! Und ich will meine Hand wider dich wenden
und deine Schlacken läutern und will dir wieder Richter geben
wie vor alters und Ratsherren wie vorzeiten. Alsdann wird
man dich nennen Rechtsburg, treue Stadt." Hier ist es die
Glut des Feuers, in die das unedle Metall geworfen und durch
die alles Unedle ausgeschieden wird. So hofft Jesaja für Zion
und ruft das Volk in seiner Verkündigung zum Hoffen über
das Gericht hinaus.
Noch fehlt im Bild der E r w a r t u n g Jesajas ein wichtiger Zug.
V o n gerechten Richtern und Ratsherren war in 1,26 die Rede
gewesen. A n anderer Stelle ist statt dessen von dem kommen-
den König aus dem Davidhause geredet. In einem Wort, das
nach A. Alt 1 5 in die Zeit nach dem ersten Zusammenbruch
des Nordreiches gehört, wird zunächst dem im bedrängten
Nordgebiet wohnenden „Volk, das im Finstern sitzt", das
K o m m e n des großen Lichtes angesagt. „Denn das Joch, das
auf ihm liegt, den Stab auf seiner Schulter und den Stock des
Treibers zerbrichst du wie am Tage Midians. Denn jeder
Schuh, der mit Gedröhn einherschreitet, und der Mantel, der
im Blut geschleift ist, der wird verbrannt, ein Fraß des Feuers."
Das ist Friedensbotschaft. Dann aber geht es ganz unvermittelt
in die weitere Ankündigung über: „Denn ein Kind ist uns
geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft kommt

114
auf seine Schulter, und er wird genannt: Wunderrat, starker
Gott, Ewigvater, Friedefürst. G r o ß wird seine Herrschaft sein
und des Friedens kein Ende auf dem Throne Davids und über
seinem Königreich, da er es festigt und stützt durch Recht
und Gerechtigkeit, von nun an bis in Ewigkeit" (8,23—9,6).
In diesen Worten tauchen Elemente alten Krönungsrituals, wie
es in Ägypten greifbar ist, auf: Die Bezeichnung des neuen
Königs als Kind, Sohn Gottes, die Verleihung neuer Thron-
namen, die Ausführungen über Macht und Gerechtigkeit des
Königs. Daß solche Erwartung des neuen, gerechten Königs
zum Hoffnungsbild Jesajas gehört, wird auch durch 11,1 ff.
bestätigt, wo von dem Reis geredet ist, das aus dem Stumpf
Isais hervorgehen wird. Auch hier ist zunächst auf ein Ge-
richt, ein Fällen des Baumes gewiesen. Aher aus der Wurzel,
der das Königtum Davids entstammte (Isai ist der Vater
Davids), soll es neu hervorsprossen, ein Herrscher, auf d e m
„ruhen wird der Geist Jahwes, der Geist der Weisheit und der
Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der
Erkenntnis und der Furcht Jahwes . . . E r wird die Armen
richten mit Gerechtigkeit und den Elenden im Lande Recht
sprechen mit BiUigkeit."
E s ist nicht unbestritten, ob die Fortsetzung, die von der Aus-
weitung des Friedens bis in die Tierwelt hinaus redet, hier von
Anfang an dazugehört — „da wird der Wolf zu Gast sein
bei dem Lamme und der Panther bei dem Böcklein lagern.
Kalb und Jungleu weiden beieinander, und ein kleiner Knabe
leitet sie. K u h und Bärin werden sich befreunden, und ihre
Jungen werden zusammen lagern; der Löwe wird Stroh fressen
wie das Rind. Der Säugüng wird spielen an dem Loch der
Otter, und nach der Höhle der Natter streckt das kleine Kind
die Hand aus." Bestritten ist auch, ob das Wort 2,2—5, das
in Mi. 4,1—4 wiederkehrt und das von der Ausweitung des
Friedens in die Völkerwelt hinaus ohne N e n n u n g des Königs,
sondern allein des Zions und des dort im Heiligtum woh-
nenden Herrn redet, aus der Verkündigung Jesajas stammt.
In der Verlängerung seiner Gedanken, wie sie dann vielleicht
von seinen Schülern formuüert worden sind, könnte es wohl
üegen, wenn hier von der großen VölkerwaUfahrt zum Gottes-

115
berg berichtet wird, zu der ein Volk das andere ermuntert:
„Kommt, laßt uns hinaufziehen zum Berge Jahwes, zu dem
Hause des Gottes Jakobs, daß er uns seine Wege lehre und
wir wandeln auf seinen Pfaden: denn von Zion wird die
Weisung ausgehen und das Wort Jahwes von Jerusalem."
Und dann werden die Folgen dieser Belehrung geschildert:
„Sie werden die Schwerter zu Pflugscharen schmieden und
ihre Spieße zu Rebmessern. Kein Volk wird wider das andere
das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr
lernen."
Wie immer es sich mit der Herkunft dieser Ausweitungen der
Friedensverkündigung ins Universale in Natur- und Völker-
geschichte verhalten mag, es ist auf jeden Fall deutlich, daß
in der Verkündigung Jesajas über all sein Ankündigen von Ge-
richt und Tod und Ende hinaus die Erwartung einer kom-
menden göttüchen Rettung und Schaffung von Frieden und
Gerechtigkeit lebt. In seiner Erwartung eines Königs, unter
dem dieser Friede Wirklichkeit werde, berührt er sich mit
Micha, von dem er auf der anderen Seite tief geschieden ist
durch die Erwartung, daß es sich dabei um einen kommenden
Nachkommen Davids und um ein Geschehen in Jerusalem,
auf dem Zion, handle. Beide judäischen Propheten aber sind
miteinander in der Formulierung ihrer Erwartung wiederum
tief geschieden von Hosea, der am Ende die neue Wüstenzeit
und die von dort her folgende Landnahme sah.
Es wird heute in diesem Zusammenhang vor allem heraus-
gehoben, daß Hosea, Micha und Jesaja je in verschiedenen
Traditionsräumen leben 16 : dem Nordisraeliten Hosea, der in
der Welt der altisraeÜtischen amphiktyonischen Traditionen
von Auszug und Wüstenwanderung lebt, steht Jesaja, der
Jerusalemer gegenüber, in dem die möglicherweise schon
kanaanäische Zions- und die der frühen Königszeit entstam-
mende Davidtradition leben. Es sind unter dieser Fragestellung
viele wertvolle und gute Wahrnehmungen, die das besondere
Profil der Propheten stark zu erheUen vermögen, gemacht
worden. Es darf darüber aber das für die Verkündigung Ent-
scheidende nicht verlorengehen, daß so wie Hosea und Micha,
so auch Jesaja nicht einfach alte Traditionen neu aktuaüsieren

116
will, sondern daß der Prophet bei aUer Eigenart seiner Sichten,
die den Muttergrund seines Redens erkennen lassen, der von
Jahwe Aufgescheuchte und mit der Kunde von Jahwes Ge-
richt und Heil über sein Volk Ausgesandte ist. Um die Kon-
frontation des Gottesvolkes mit seinem Gott, dem „Heiügen
Israels", wie Jesaja Jahwe nennt, geht es. Daß Jahwes Plan
gegen alle anderen Mächte zustande kommt, darum geht es.
„Jahwe der Heerscharen hat es beschlossen, wer wiU's zu-
nichte machen; seine Hand ist ausgereckt, wer will sie zu-
rückbiegen?" (Jes. 14,27).
Diesen Gott, der ihm im Tempel in Jerusalem begegnet ist, so
daß er in seiner Gegenwart zu vergehen drohte, und der dann
durch seinen Seraphen seinen Mund entsühnt und ihm neues
Leben gegeben hatte, diesen Gott und sein Kommen hat
Jesaja seinem Volke anzukündigen. Daß dieser Gott, der
Heiüge Israels, durch aUen Brand des Gerichtes hindurch
Israels Gott zu bleiben wiUens ist und in Treue sich zu seinem
erwählten Tempelort Zion und seinem erwählten König David
bekennt, das ist der Grund, warum auch Jesajas Verkündigung
nicht ohne die Verheißung von Zukunft und Hoffnung ist.
Auch hier aber ruht alle Hoffnung und Zukunft aUein in
Gottes treuem Tun, das der Mensch in Umkehr und Glauben
annehmen und vor dem er alle anderen Sicherungen fahren-
lassen soU.

117
V I I I . D i e P r o p h e t i e d e r Spätzeit J u d a s
u n d d e r a n h e b e n d e n Exilszeit

Mit sehr verschiedengestaltigen Erwartungsbildern sind die


Propheten der anhebenden Zeit assyrischer Vormachtstellung
in Syrien-Palästina in diese Zeit hineingegangen. Die Ge-
schichte schien all diese Erwartungen zunächst als leere Illu-
sionen zu erweisen. Mit hartem Tritt schritt die assyrische
Militärherrschaft über all diese Hoffnungen hinweg und dik-
tierte den betroffenen Ländern ihr eigenes Gesetz. Das leben-
dige Wort Gottes schien sich diesem Diktat zu beugen. Durch
ein langes halbes Jahrhundert, die erste Hälfte des 7. Jahr-
hunderts hin und noch tief in die zweite Jahrhunderthälfte
hinein, ist uns keine Kunde von Prophetenwort erhalten.
Es ist dies die Zeit des Königs Manasse, des Sohnes Hiskias,
unter dem Jesaja geredet hatte. Er folgt streng und entschlos-
sen der poütischen Leitünie der Ergebung unter Assur und
hat offenbar auch mit harter Hand während der 55 Jahre seiner
Regierungszeit — der längsten Regierungszeit eines judäischen
Königs — dafür gesorgt, daß in seinem Herrschaftsbereich
keine anderen Stimmen zu Worte kamen. Wenn 2. K ö n . 21,16
sagt: „Manasse vergoß sehr viel unschuldiges Blut, so daß er
Jerusalem (damit) erfüllte von einem Ende bis zum anderen",
so kann die Frage gestellt werden, ob unter diesem unschul-
digen Blute auch Blut von Propheten gewesen ist, die mit
Gewalt mundtot gemacht wurden. Die sehr allgemein gehal-
tene Strafrede von Propheten in 2. Kön. 21,10—15, die Jeru-
salem wegen der Sünden Manasses den Untergang ansagt,
nennt keinen Propheten mit Namen.
Das ändert sich erst, als Assur zu wanken beginnt und schließ-
lich in kurzer Frist von seiner Höhe niederstürzt und in der
Folge ganz von der Bildfläche verschwindet, ohne je auch nur
eine teilweise Wiederherstellung zu erfahren. Dieser jähe Sturz
von höchster Höhe herunter ins Nichts wird v o m Propheten-
wort N a h u m s 1 , das sich im besonderen gegen die Hauptstadt

118
Assurs, Ninive, richtet, als Gerichtstat Jahwes verkündet.
Diese Gerichtskunde aber ist Heilskunde für Juda, das in
2 , 1 . 3 angerufen wird: „Siehe, auf den Bergen die Füße des
Freudenboten, der Heil verkündet. Feiere, Juda, deine Feste,
bezahle deine Gelübde, denn nicht mehr wird der Heillose
durch dich hindurchziehen, er ist gänzüch vernichtet . . .
Denn Jahwe hat die Herrüchkeit (oder ursprüngüch: den
Weinstock?) Judas wie die Herrüchkeit Israels (den Weinstock
Israels?) wiederhergestellt." So sieht N a h u m den lebendigen
Gott am Werke, seinem Volke zugute.
Bald aber treten, nach der unerwartet hellen Zwischenzeit
scheinbar neuer Selbständigkeit Judas unter Josia, die Baby-
lonier an die Stelle der Assyrer. In den Worten Habakuks 2
kündet sich das Kommen an. Die Chaldäer sind hier als die
Gottgesandten gesehen. Jahwe hat sie zum Kampf gegen
den gewalttätigen Frevler, unter dem dann wohl der Vertreter
der Assyrer zu verstehen ist, gesandt. In einem gewichtig aus-
gestalteten Gottesbescheid, nach dem der Prophet ausgespäht
hat, wird ausgesprochen, was in dieser Zeit der Wirren und
Gefahr wirklich Rettung bedeuten kann. Der Gottesbescheid
(2,4) sagt, daß der Gerechte durch seine Treue (gegen Gott)
am Leben bleiben wird. Diesen gleichen hoffenden Ausblick
verrät auch der Psalm, der in K a p . 3 den Prophetenworten,
die möglicherweise als prophetische Liturgie zu kennzeichnen
sind, angefügt ist. Er schildert das gewaltige Einherschreiten
Jahwes zum Kampfe gegen das Volk der Bedränger. „ D u
ziehst aus, deinem Volke zu Hilfe, zur Hilfe deinem Gesalb-
t e n " (V. 13). In solchem Wissen um das heilvolle Eingreifen
Gottes wagt der Beter in all seinem Erschrecken über das Ein-
herfahren Gottes, sich über den „ G o t t seines Heils" (V. 18)
zu freuen.
Ist in Nahum wie bei Habakuk das Bekenntnis zur heilvollen
Tat Jahwes zugunsten seines Volkes zu hören, so erinnert die
prophetische Verkündigung des wahrscheinlich in die Früh-
zeit des Königs Josia zu datierenden Propheten Zephanja 3
an die Gerichtspropheten früherer Jahre. Wie bei Amos und
Jesaja, aber noch viel eindrücklicher ausgebaut, ist hier von
einem großen Tag Jahwes die Rede, der das Gericht Gottes

119
über das Land und vor aUem auch über Jerusalem bringen
wird. Das mittelalterliche „Dies irae, dies illa, solvet saeclum
in faviUa" ist ein Nachhall von Zeph. 1 f. Es möchte an Amos,
aber auch an Jesaja gemahnen, wenn es im Zusammenhang
mit der Schilderung des Zorntages heißen kann: „Suchet
Jahwe, all ihr Demütigen im Lande, die ihr sein Recht be-
folgt. Trachtet nach Gerechtigkeit, trachtet nach Demut —
vielleicht werdet ihr geborgen werden am Tag des Jahwe-
zornes" (Zeph. 2,3). Die Ankündigung der Beseitigung alles
Hohen und Prahlerischen wird wie bei Jesaja durch den Hin-
weis auf den Rest konkretisiert: „Ich werde in seiner Mitte
übriglassen ein demütiges und geringes Volk, und es wird der
Rest Israels beim Namen Jahwes seine Bergung suchen. Nicht
werden sie mehr Unrecht tun, noch Lüge reden, noch wird
in ihrem Munde eine lügnerische Zunge gefunden werden.
Sie werden weiden und sich lagern, ohne daß einer mehr sie
aufschreckt" (Zeph. 3,12f.). Solche Bewahrung eines sich in
Demut an seinen G o t t klammernden Restes kann allein die
Hoffnung Israels sein. Auch hier aber ist das „VieUeicht" des
Amos, das G o t t aUe Freiheit vorbehält, zu hören.
Die große Prophetengestalt aber, welche die letzten Jahr-
zehnte Judas, die schließlich in den Zusammenbruch des
Staates, die Vernichtung Jerusalems und seines Tempels aus-
münden, begleitet und mit erleidet, ist Jeremia 4 , der Prophet
aus dem kleinen Landstädtchen Anathoth, wenig nördlich von
Jerusalem.
Jeremia ist, wenn wir den Angaben des nach ihm benannten
Buches trauen dürfen, im 13. Jahr des Königs Josia, d. h. wohl
im Jahre 627/26, in jungen Jahren zum Propheten berufen
worden, hat dann seit 622 die deuteronomische Reformzeit
erlebt, den mit dem Tode Josias bei Megiddo erfolgenden
Übergang in die Sphäre der ägyptischen Herrschaft, die aber
schon 605/04 durch den Einbruch Nebukadnezars nach Syrien-
Palästina ihr E n d e fand. Es folgen die Jahre schwankender
Haltung des Staates unter den Nachfolgern Josias, die zu Be-
ginn des Jahres 597 zu einer ersten Strafreaktion der Baby-
lonier und der Wegführung der Oberschicht des Landes führt,
587 dann zum völügen Zusammenbruch. Die letzten Nach-

120
richten des Buches zeigen, daß der Prophet im Zusammenhang
weiterer Unruhen, in denen der von den Babyloniern eingesetzte
judäischc Statthalter Gedalja ermordet wurde, von einer flüch-
tigen Gruppe mit nach Ägypten verschleppt worden ist. Dort
verüeren sich seine Spuren.
Die in diesen poütisch erregten Jahren von Jeremia verkündigte
Botschaft ist von großer Stetigkeit. In jenen Anfangsjahren vor
der Reformzeit kündet er den Einbruch eines unheimüchen
Feindes von Norden her an. Die Gleichsetzung dieses mit un-
bestimmten Konturen gezeichneten Feindes mit den Skythen,
[ von deren Einbruch nach Syrien-Palästina Herodot 5 redet, ist
mehr als unsicher. In der Reformzeit scheint Jeremia ge-
schwiegen zu haben. Weder hat er gegen die Reform geredet,
noch sich zum Parteigänger derselben gemacht. Nach dem
Tode Josias aber ist er mit seiner Verkündigung wieder auf
dem Plan. In der Folge sieht er ganz offen in den von Norden
her einbrechenden Babyloniern den von Gott gegen sein Volk
geschickten Feind. So kann er deren König Nebukadnezar
geradezu als „Knecht Jahwes" bezeichnen. Und von dieser
Linie der Verkündigung ist er auch nicht gewichen, als sich
der Widerstand gegen Babylonien im Lande zu formieren be-
gann. Auch im verzweifelten letzten Endkrieg gegen die Baby-
lonier, als er schüeßüch schon selber als Verhafteter im Wacht-
hof des Militärs festgesetzt war, ist er nicht müde geworden,
zur Unterwerfung unter den von Gott selber gesetzten fremden
Herrn zu rufen und sich so dem Strafgericht Gottes zu beugen.
Die Sirenenstimmen derer, die in Ägypten, dem Antipoden
der babylonischen Herrschaft, den möglichen Bundesgenossen
| und Befreier vom babylonischen Joch ankündigten, hat er
immer hart bekämpft.
Ihre charakteristische Note erfährt die Verkündigung Jere-
mias aber von einer anderen Seite her. Es wird in ihr in ganz
| neuartiger Weise sichtbar, daß der Prophet selber mit seiner
Person als Mit-Leidender in die Not seiner Verkündigung hin-
eingerissen ist. Schon in den Frühworten vom Feind aus dem
Norden ist es zu spüren, wie das Entsetzen, das seinem Volk
in den unheimlichen und grausamen Feinden begegnen wird,
ihn selber überfällt und geradezu körperüch erschüttert.

121
„Mein Inneres, mein Inneres, ich winde mich, ihr Wände
meines Herzens! In mir stürmt mein Herz, ich kann nicht
schweigen. Den Schall des Hornes höre ich, das Kriegsge-
schrei. Verderben bricht über Verderben herein, verwüstet
ist das ganze Land, jäh sind verwüstet meine Zelte, im N u
meine Zeltvorhänge. Wie lange denn muß ich das (aufgerich-
tete) Kriegspanier sehen, muß ich den Schall des Hornes
h ö r e n ! " (Jer. 4,19—21). Das bleibt auch in der Folge so. Der
wohl eigenartigste Teil des Buches Jeremia sind die sog.
Konfessionen des Propheten. Im Stil des Psalmklageliedes
bringt er in diesen Worten, die zwischen Kap. 11 und 20 in
die Sammlung der Worte Jeremias eingesprengt sind, sein
Klagen vor seinen Gott — ein Klagen, das sich bis zur harten
Anklage Gottes verdichten kann, und in dem nicht nur das
Geschick des Volkes, sondern auch das ganz persönliche Lei-
den des Propheten in der Anfechtung, die seinem Amte von
außen und innen zuteil wird, zur Sprache kommt. Dabei hilft
ihm alles Sträuben, das schon in dem Bericht über die Stunde
seiner Berufung laut wird, nicht dazu, sich von seinem Amte
zu lösen. „Sagte ich: Ich will seiner nicht mehr gedenken und
nicht mehr in seinem Namen reden, so wurde es in meinem
Herzen wie brennend Feuer, verschlossen in meinen Gebeinen.
Ich mühte mich, es zu tragen, aber ich konnte es nicht"
(Jer. 20,9). Bei keinem anderen Propheten ist die Unentrinn-
barkeit des auf ihm liegenden Auftrages so hart erkennbar
wie bei Jeremia. Zugleich ist erkennbar, in welch tiefe Nacht
der Prophet durch diese Unentrinnbarkeit geworfen wird. In
der letzten der Konfessionen geht es bis zur Verfluchung des
eigenen Geburtstages. Die Worte von Hi. 3 sind in ihr vor-
geformt: „Verflucht der Tag, da ich geboren wurde, der Tag,
an dem mich meine Mutter gebar, sei nicht gesegnet. Ver-
flucht der Mann, der meinem Vater die Botschaft brachte:
Dir ist ein Sohn geboren, ein männliches Kind, u n d ihn damit
erfreute. Jener Mann (Tag?) sei wie die Städte, die Jahwe er-
barmungslos zerstörte! E r höre Geschrei am Morgen und
Kampfruf zur Mittagszeit! weil er mich nicht im Mutterleib
umgebracht hat, so daß meine Mutter mein G r a b geworden
wäre oder ihr Leib allezeit schwanger gebüeben wäre. Warum

122
denn ging ich aus dem Mutterleibe hervor, u m Mühsal und
Kummer zu sehen, so daß meine Tage in Schande vergehen?"
(Jer. 20,14—18).
Läßt Jeremia, so gilt es jetzt auch hier weiterzufragen, in seiner
Botschaft über das Gesagte hinaus etwas von Hoffnung und
Zukunft erkennen? Wenn davon die Rede sein soll, so m u ß
eine eigentümüche Schwierigkeit, die das Buch Jeremia bietet,
erwähnt werden. Es ist schon immer aufgefallen, daß dieses
Buch in manchen Teilen eine ausgesprochen deuteronomi-
stisch gefärbte Diktion der Aussagen aufweist. Das betrifft
nicht nur erzählende Stücke, sondern auch eine ganze Reihe
: von Reden Jeremias. S. Herrmann 6 hat zu zeigen versucht,
daß sich in manchen Heilsaussagen im Buche Jeremia eine
Auffassung vom Heil ausspricht, wonach das Heil nicht pro-
phetisch angekündet, sondern als Alternative dem Menschen
und dem Volke angeboten wird: Wenn der Mensch umkehrt
von seinem bösen Wege, auf die Stimme Jahwes hört, Gutes
tut, Jahwe von ganzem Herzen sucht, dann wird ihm Heil
zuteil. Wenn er dieses nicht tut, dann hat er Unheil zu er-
I warten. V o n da aus sei es dann sogar in die Berufungs-
geschichte Jeremias in Jer. 1 als eine Art Programmatik ein-
gedrungen, daß der Prophet, dessen Sträuben gegen sein Amt
auch hier deutlich heraustritt, über Völker und Königreiche
gesetzt sei, „auszureißen und niederzureißen, zu verderben
und zu zerstören, zu pflanzen und aufzubauen" (Jer. 1,10).
In des Propheten unmittelbarer Verkündigung scheint da, w o
man es mit seinen unzweifelhaft ursprünglichen Worten zu
tun hat, diese lehrhafte Programmatik keinen Raum zu haben.
Das besagt nicht, daß hier die Rede von Hoffnung auf heilvolle
Zukunft nicht vorkäme. Aussagen, die ausdrücklich das früher
festgestellte Vokabular für Hoffen und Hoffnung zeigen, sind
allerdings vor allem in Äußerungen des Volkes zu hören,
welche im Prophetenbuch widerhallen. Wie bei Hosea findet
sich auch hier das Phänomen, daß üturgieartige Stücke, in
welchen das Prophetenwort auf psalmartige Gebete und Kla-
gen des Volkes antwortet, aufgezeichnet worden sind. In einer
großen Bußtagsliturgie zur Zeit einer Dürre ist die Klage des
Volkes zu hören: „Wir warten (hvh) auf Heil, aber da ist

123
kein Gutes, auf Zeit der Heilung, aber siehe, da ist Schrecken"
(Jer. 14,19). Der erste Teil des Satzes kehrt in 8,15 wörtlich
wieder. Vom vergebüchen Harren (hvh) auf Licht redet 13,16.
Dieser Heil-Losigkeit gegenüber bekennt das Volk: „Können
denn die Nichtse der Völker Regen geben oder gibt der Him-
mel Regenschauer? Bist nicht du es, Jahwe, unser Gott, wir
warten (hvh) auf dich" (Jer. 14,22). Nur im Buche Jeremia
findet sich innerhalb des prophetischen Schrifttums die sub-
stantivische Benennung Jahwes als mihvib „Gegenstand des
Vertrauens" Israels. Ihr Sitz scheint das Vertrauensbekenntnis
im Gebet des Volkes zu sein, das Gott anruft: „Du Hoffnung
Israels, sein Retter zur Zeit der Bedrängnis" (Jer. 14,8), auch
17,13 „Du Hoffnung Israels, Jahwe, alle, die dich verlassen,
werden zuschanden". In 50,7 bezeichnet ein dem Jeremia wohl
erst nachträglich zugeschriebenes Wort mit dem gleichen
Wort mihvib Jahwe als „ihrer Väter Hoffnung". Auch die
beiden einzigen sonstigen Belege für mihvib Esr. 10,2; l.Chr.
29,15 finden sich in Gebeten.
Dieser Hoffnungserwartung des Volkes tritt der Prophet in
den Liturgien von 14,1—15,4 wie auch in 3,21—4,4 mit
schneidender Ablehnung und der Ansage des Gerichtes ent-
gegen. Doch ist in anderem Zusammenhang zu erkennen, daß
er auch von Heilszukunft zu reden wußte. Die Wortkomposi-
tionen von 3,6 ff. und Kap. 30f., die hier zunächst zu nennen
sind, wollen nach ihren Überschriften beide in die Zeit Josias
gehören. Mag das auch nicht für alles darin gesammelte Pro-
phetenwort gelten, so trifft es doch wohl für einzelne Teile
desselben zu. Die Reform Josias hat nach den uns geschicht-
Uch greifbaren Nachrichten unverkennbar auch in die assy-
rische Provinz im Norden, den Bereich des früheren Nord-
reiches, ausgegriffen. In diesen Zusammenhang gehört offen-
bar das nicht nur bei Jeremia, sondern dann auch bei Ezechiel
nachzuweisende Aufbrechen von neuer Hoffnung für dieses
Gebiet. So ist in Jer. 3,12f. der Ruf der Einladung nach
Norden hin zu hören: „Kehre um, du abgekehrtes Israel,
spricht Jahwe. Ich will nicht finster auf euch sehen, denn ich
bin gnädig (treu), spricht Jahwe. Ich trage nicht ewigüch nach.
Nur erkenne deine Schuld, daß du von Jahwe, deinem Gott,

124
abgefallen bist." Hier tut sich das Erbarmen Gottes, in dem
Jahwe sich in einer ganz einmaügen Weise als häsid, „bundes-
treu", bezeichnet, erneut für das scheinbar verlorene Israel im
N o r d e n auf. Und dazu fügen sich Worte aus Kap. 31, die aus-
drücklich von Hoffnung zu reden wagen: „Horch, in Rama
hört man klagen, bitterüch weinen. Rahel weint u m ihre
Kinder, wiU sich nicht über ihre Kinder trösten lassen, weil
sie nicht mehr sind. So hat Jahwe gesprochen: Wehre deiner
Stimme das Weinen und deinen Augen die Tränen, denn
deine Mühe soll noch belohnt werden, spricht Jahwe, sie
kehren heim aus dem Lande des Feindes. Es gibt noch eine
Hoffnung (tihväh) für deine Zukunft, spricht Jahwe, die
Kinder kehren heim in ihre Marken" (V. 15—17).
Hat Jeremia auch Juda und Jerusalem auf solche Zukunft
hoffen lassen? In einzelnen Mahnreden seiner Frühworte
möchte man solches Angebot hinter der Zurede verborgen
finden, etwa in 4,14: „Wasche dein Herz v o m Bösen, Jeru-
salem, damit du Rettung erfährst — wie lange sollen denn in
deinem Inneren deine frevelhaften Pläne w o h n e n ? " Ähnlich
4,3f.; 6,8. Von da her könnte das von anderer Hand formu-
lierte zweimaüge „Vielleicht" von 36,3 und 7 doch Jeremias
Meinung treffen. Jer. 36 erzählt, wie Baruch mit der Rolle der
von Jeremia diktierten Worte in den Tempel hinaufgeschickt
wird, wo das Volk eben einen Bußtag hält, damit er die Worte
dort verlese: „Vielleicht werfen sie sich dann flehend vor
Jahwe nieder und kehren ein jeder von seinem bösen Wege
u m " , so daß wirklich werden könnte, was vorher über den
Sinn der Niederschrift der Gerichtsworte in der Rolle von
Gott selber gesagt worden war: „Vielleicht hört das Haus
Juda auf all das Unheil, das ich ihnen anzutun plane, so daß
sie, ein jeder von seinem bösen Wege, umkehren und ich ihnen
ihre Schuld und Sünden vergeben kann."
An einer Stelle meint man auf gewissere Zusage von Zukunft
und Hoffnung auch über Juda zu stoßen. In den ersten Tagen
des Jahres 597 ist nach dem ersten Eingriff Nebukadnezars
eine nicht unerhebliche Gruppe von angesehenen Männern des
Landes nach Babylonien deportiert worden. In dem ohne
Zweifel deuteronomistisch formulierten Kapitel 24 wird im

125
Bilde von zwei Feigenkörben mit guten und schlechten Feigen
hörbar gemacht, wie der Prophet die Zurückgebüebenen und
die Weggeführten wertet. E s wird darin erkennbar, daß er,
wie in anderer Weise dann auch Ezechiel, die Zukunft Judas
in den Weggeführten bewahrt sieht. Von da aus läßt sich
ernstlich fragen, ob der in den Brief Jeremias an die Exiüerten
eingeschobene Passus 29,10—14 nicht trotz seiner deuterono-
mistischen Diktion doch dem Inhalte nach Jeremias Verkündi-
gung über die Deportierten enthält, wenn es dort lautet: „Ich
weiß die Gedanken, die ich über euch hege, spricht Jahwe, Ge-
danken zum Heil und nicht zum Unheil, euch Zukunft und
Hoffnung ('alflrit iv*tihväh) zu gewähren." Daß Jeremia diese
Zukunft als eine Zukunft im Lande der Verheißung selber er-
wartet, wird besonders klar in dem, was Jer. 32, gewiß wieder
in deuteronomistischer Diktion, aber in dem berichteten Ge-
schehnis ohne Zweifel zuverlässig, erzählt. Mitten in der Be-
lagerungszeit Jerusalems, als Jeremia schon in Haft im Wacht-
hof festgehalten wird, kündigt ihm Jahwe das Kommen eines
Verwandten Hanameel an, der ihm, weil Jeremia als Nächst-
verwandter das Vorkaufsrecht hat, einen Acker in Anathoth,
dem schon v o m Feinde besetzten Lande, zum Kauf anbietet.
Jeremia kauft auf Geheiß Jahwes am Vorabend der Kata-
strophe, die er selber als ganz unausweichüch ankündet, diesen
Acker und sorgt dafür, daß die Kaufurkunden mit den Zeugen-
unterschriften sorgfältig verwahrt werden. Das in diesem
scheinbar sinnlosen Kauf an ihn gekommene Wort Jahwes
aber lautet: „ N o c h werden Häuser und Felder und Weinberge
in diesem Lande gekauft werden" (Jer. 32,15). Das aber ist
gewisse Ansage von Zukunft und Hoffnung über das in jener
Stunde unausweichüch drohende Gericht hinaus.
An zwei Stellen kann diese Erwartung möglicherweise noch
etwas konkretisiert werden. In einer Teilsammlung von Worten
unter der Überschrift „Über das Haus des Königs von J u d a "
(Jer. 21,11) ist in 23,5f. das in 33,15f. leicht variiert wieder-
kehrende Wort zu hören: „Siehe, es kommen Tage, spricht
Jahwe, da werde ich David einen rechten Sproß erstehen
lassen; der wird als K ö n i g herrschen und einsichtig regieren
und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben. In seinen Tagen

126
wird Juda Rettung erfahren und Israel sicher wohnen, und
das ist der N a m e , mit dem man ihn nennen wird: Jahwe ist
unsere Gerechtigkeit." Es ist wohl denkbar, daß der Prophet
zu einem Zeitpunkt, als durch das Eingreifen der Ägypter die
rechte Thronfolge gestört war, in Aufnahme der alten Ver-
heißung über dem Hause Davids von solcher Zukunft rechten
davidischen Königtums geredet hat. Später kehrt allerdings
der Hinweis auf diese besondere Königszukunft in den uns
überlieferten Worten nicht wieder. E r hat in der Verkündi-
gung Jeremias ohne Zweifel nicht den gleichen Stellenwert
wie in derjenigen Jesajas.
Sehr umstritten ist es, ob das große Wort im Heilsbüchlein
Kap. 30f., das den Bück auf einen neuen Bundschluß Gottes
mit seinem Volke hin öffnet, Teil der Verkündigung Jeremias
ist oder, wie etwa Herrmann es vertritt 7 , jüngere deuterono-
mistische Bundestheologie darstellt. Hier ist von einer kom-
menden neuen Gründung des Gottesvolkes in einem neuen
Bund geredet, der jenen alten, beim Auszug aus Ägypten ge-
schlossenen Bund übertreffen soll. Nach jenem neuen Bund
soll das Gebot Gottes dem Volke ins Herz geschrieben sein,
so daß keiner mehr den anderen zu belehren und ihm zu sagen
braucht: „Erkenne Jahwe", weil dann groß und klein Jahwe
erkennen werden und Jahwe Schuld und Sünde vergeben
haben wird (V. 31—34). Hier ist in eine Zeit ausgebückt, in
welcher die Gefährdung Israels durch seinen Ungehorsam ein
Ende gefunden haben wird, weil dieses Gottes Gebot aus
seinem eigenen Willen heraus kennen und anerkennen wird.
Wie weit hinaus man nun den Kreis der von Jeremia selber
formulierten Hoffnungsaussagen schlagen mag, deutüch ist
auf jeden Fall, daß dieser vom Leid gezeichnete und mit seinem
Gott in der Bedrängnis hadernde Prophet je und je selber den
Zuspruch seines Gottes erfahren hat, der ihm Rettung aus
N o t zusagte. So ist es in der Konfession 15,15—-21 zu hören,
in welcher das Bekenntnis zur Süßigkeit des Gotteswortes
(„Fanden sich deine Worte, so verschlang ich sie, und dein
Wort ward mir zur Wonne. Zur Freude meines Herzens ward
es mir, daß ich nach deinem Namen genannt bin") hart neben
der Klage über die durch ebendieses Wort auferlegte Ein-

127
samkeit und Isoüerung zu hören ist und in der Gott selber
den Propheten angesichts seiner heftigen Angriffe gegen
Gottes böses Handeln zur Umkehr rufen muß. Hier läuft die
Zurechtweisung Gottes in die ganz persönüche Zusage aus:
„Ich bin mit dir, dich zu erretten und dich herauszureißen,
spricht J a h w e " (V. 20). Durch diese Zusage, die auch im
Bericht über die Berufung des Propheten in 1,8 und 19 zu
hören ist, weiß der Prophet, daß Gott in seiner dunkelsten
Anfechtung bei ihm ist u n d ihm Zukunft zuspricht. So ist denn
auch zu sehen, daß Jeremia in ganz bestimmten Situationen
seinerseits anderen Einzelnen Rettung und Zukunft zuzuspre-
chen ermächtigt ist: nach 35,19 der Gruppe der Rechabiten,
deren Treue zum Gebot ihres Ahnen ihn berührt hat, nach
39,17 f. dem Kuschiten Ebedmelech, der sein Leben gerettet,
und nach 45,5 seinem treuen Freunde und Helfer Baruch, der
ganz so wie Jeremia unter der Anfechtung der Verfolgung
und des Gerichtes zu erüegen droht.
Im Unterschied etwa zu Jesaja ist bei Jeremia wenig von
großen Entwürfen der Zukunftserwartung zu sehen. Wohl
aber lebt auch in der Verkündigung dieses von der Gerichts-
predigt selber im tiefsten betroffenen Propheten durch Angst
und N o t hindurch das Wissen, daß Gott selbst da, wo er im
Heute lauter Gericht zu bringen scheint, in Zukunft zu führen
unterwegs ist.
Neben Jeremia ist Ezechiel 8 zu nennen. Dieser ist nach den
Eingangsworten seines Buches im Sommer 593, mehr als
30 Jahre nach Jeremia, zum Propheten berufen worden, nach-
dem er selber mit jener Oberschicht in der Umgebung Joja-
chins zu Anfang des Jahres 597 die Deportation nach Baby-
lonien erfahren hatte. D o r t lebt er mit einer Gruppe dieser
Verbannten an einem Orte nicht fern von der südbabyloni-
schen Stadt Nippur, der anscheinend als Ort einer seit langem
verlassenen Siedlung den Namen tel 'äbib, „Sintfluthügel", be-
kommen hat.
In der Botschaft dieses Propheten, die er z. T. in auffäUigen
Zeichenhandlungen ausrichtet, steht, soweit wir erkennen
können, zunächst die Ankündigung des bevorstehenden end-
gültigen Falles der 597 noch verschonten Stadt Jerusalem im

128
Vordergrund. In aller Härte richtet Kap. 7 die Botschaft unter
dem von Amos her gegebenen Stichwort „Das Ende ist ge-
kommen" aus. Zugleich sehen wir, wie Ezechiel in weit aus-
holenden Gesamtgeschichtsentwürfen seinem Volk jedes Recht
des Rühmens nehmen und ihm seine SündverfaUenheit von
den Wurzeln her sichtbar zu machen sucht. In Aufnahme
des von Hosea und Jeremia her bekannten Ehebildes schildert
Kap. 16 die Stadt Jerusalem, Kap. 23 das Doppelreich der
vorexiüschen Königszeit im Bild einer bzw. zweier von ihrer
Jugend her verdorbener Frauen, die ihrem legitimen Ehe-
herrn Jahwe die Treue brechen. Ez. 20 schildert ohne Bild-
verkleidung, wie Israel schon in jener Zeit, von der die Credo-
aussagen, aber auch noch Hosea und Jeremia, in heUen Farben
als der guten Anfangszeit berichteten, ein böses und immer
wieder widerspenstiges Volk gewesen ist, dem Jahwe schon
in jener Anfangszeit die Strafe des Exils zudenken mußte. In
alledem wird Ezechiel der harte VoUender radikaler Anklage
i und Gerichtsbotschaft über seinem Volke. Es ist nicht ver-
wunderüch, daß aus dem so angeredeten Volke, als das Ver-
derben seinen vollen Lauf genommen hat, Worte voüer Ver-
zweiflung, die jeder Hoffnung absagen, laut werden. Ez. 37,11
wird das Wort hörbar: „Verdorrt sind unsere Gebeine, aus
ist's mit unserer Hoffnung (tihväh), wir sind abgehauen."
Und in dem Wort, das 33,10 zitiert, schlingt sich in die Ver-
zweiflung das Wissen um die eigene Schuld, die es so gewirkt
hat: „Unsere Vergehungen und unsere Sünden üegen auf uns,
und in ihnen siechen wir dahin; wie könnten wir da leben."
Das ist die gemäße Reaktion auf des Propheten Verkündi-
I gung: für dieses so wurzelhaft sündige Israel kann es kein
Leben, keine Hoffnung und keine Zukunft mehr geben.
Dann aber überrascht es, daß gerade Ezechiel zum Verkünder
neuer Zukunft wird und durch seine Verkündigung ohne
Zweifel an ganz hervorragender Stelle dazu mitgewirkt hat,
I daß das im Exil verlorene Volk sich nicht hat fallenlassen,
sondern sich neuer Zukunft entgegen ausgerichtet hat.
Fragt man nach dem Ansatzpunkt der Zukunftsverkündigung
Ezechiels, von der ich anders als S. Herrmann meine annehmen
zu müssen, daß sie nicht erst jüngeren Bucherweiterungen aus

129
der Schule des Propheten zuzuschreiben ist, dann dürfte der
Zusammenhang Ez. 36,16 ff. den klarsten Aufschluß geben.
Hier ist zunächst nochmals zurückgeblendet in Israels Sünd-
geschichte, die mit der Zerstreuung des Volkes in die Länder
endete. Diese ist beschrieben als Geschichte der Entweihung
des göttüchen Namens. Jahwe selber, der sich mit seinem
Namen an dieses Volk gebunden hatte, wurde in dieser Ge-
schichte unter den Völkern gelästert, weil die Völker nun,
wo Israel in die Völker zerstreut ist, sagen: „Das Volk Jahwes
sind diese, und aus seinem Lande haben sie hinausgehen
müssen" (Ez. 36,20). So ist denn die Ehre des göttlichen
Namens der eigentliche Grund des neuen Eingreifens Jahwes,
durch welches seinem Volke Zukunft und Hoffnung gegeben
wird: „Nicht u m euretwillen handle ich, Haus Israel, sondern
um meines heiligen Namens willen, den ihr unter den Völ-
kern, zu denen ihr gekommen seid, entweiht habt, und ich
werde meinen großen, unter den Völkern entweihten Namen,
den ihr in ihrer Mitte entheiligt habt, heiügen. Und die Völker
sollen erkennen, daß ich Jahwe bin, spricht J a h w e " (V. 22f.).
Hier ist es nicht wie bei Hosea die im Herzen Jahwes auf-
flammende Liebe, die einfach nicht länger strafen kann. Es ist
nicht wie bei Jesaja der Hinweis auf die Treue Jahwes zu
seiner Gottesstadt und dem von ihm erwählten Davididen,
sondern die Majestät und Ehre Gottes selber, in der er die
einmal geschehene Verpfändung seines Namens an das Volk
Israel, das sein Volk ist, nicht zurücknimmt, sondern seinem
Namen durch die Neuerweckung Israels seine Ehre wieder zu-
rückgibt. Das soll kein verborgenes Tun bleiben. Die Völker
sollen erkennen, daß Jahwe in alledem handelt und in alledem
sich der Welt in seinem wahren Wesen vorstellt. Immer wieder
kommt im Buche Ezechiel diese Erkenntnisformel in verschie-
denen Abwandlungen vor 9 . Um die Erkenntnis Jahwes geht
es in allem T u n Gottes — in seinem richtenden Tun, das die
Glut seiner Heiligkeit offenbar macht, nicht weniger als in sei-
nem neuschaffenden Tun.
Daß es sich in diesem T u n Jahwes in der Tat um ein Neu-
schaffen des Erstorbenen handelt, wird in der Schau von
Kap. 37,1 ff. ganz deutüch. Da wird der Prophet auf ein Feld

130
hinaus entrückt, das voller Totengebeine üegt, die ganz aus-
gebleicht u n d ausgedörrt sind. Hier hört er den Befehl, über
die Gebeine zu prophezeien, d. h. sie im Auftrag Jahwes zum
Leben zu rufen. Daraufhin geschieht es, daß es unter diesen
Gebeinen zu rascheln beginnt. „Die Gebeine rückten zusam-
men, eins zum anderen. Und wie ich hinsah, siehe, da ent-
standen ihnen Sehnen, und Fleisch wuchs, und Haut zog sich
oben drüber, aber es war noch kein Lebensgeist in ihnen"
(V. 7f.). Da wird der Prophet zum anderen Mal geheißen, zu
prophezeien und den Lebensgeist heranzurufen. „Und als ich
prophezeite, wie er mich geheißen hatte, da kam der Lebens-
geist in sie, und sie bekamen Leben und stellten sich auf ihre
Füße, ein sehr, sehr großes Heer" (V. 10). Dann aber wird dem
Propheten erschlossen, was es mit diesem ungeheuerlichen Ge-
schehen auf sich hat. Es enthält die Verheißung Jahwes an Israel:
„Siehe, ich öffne eure Gräber und führe euch aus euren Gräbern
heraus als mein Volk und bringe euch ins Land Israels . . . Und
ich lege meinen Geist in euch, daß ihr Leben bekommt, und
setze euch in euer Land, und ihr sollt erkennen, daß ich, Jahwe,
geredet habe und es tue, spricht J a h w e " (V. 12. 14).
Es ist deutlich, daß dem Propheten in dieser Schau nicht etwa
eine Belehrung über die individuelle Auferstehung der Toten
gegeben wird. Es geht hier u m das Volk Gottes und seine
Auferweckung aus seinem durch seine Sünde verschuldeten
Tod. Die verzagte Gemeinde Gottes, die sagt: „Unsere Ge-
beine sind verdorrt, unsere Hoffnung ist zunichte", soll
hoffen — nicht weil in ihr noch Lebenskräfte wären, sondern
weil Gott verheißt, über ihr am Werke zu sein und sie so neu
zum Leben zu erwecken, wie er einst zu Beginn nach Gen. 2,7
als der Schöpfer den Leib gebildet und Lebensodem in den
toten Leib gelegt hatte.
In Kap. 36, das eine Parallele in 11,14—21 hat, ist das auch
auf der Menschen inneres Wesen ausgeweitet. Gott wird sein
Volk reinigen und ihm ein neues Herz und einen neuen Geist
in sein Inneres geben und wird das steinerne Herz aus ihnen
wegtun und ihnen ein fleischernes Herz geben. Das erinnert
an die Aussagen von Jer. 31, nach welchen dem Volk das
Gesetz Gottes ins Herz geschrieben werden soU.

131
Neben diesen großen Verheißungen, die mit der Kategorie der
Neuschöpfung von der Zukunft des Gottesvolkes und der Neu-
werdung seines verwüsteten Landes reden, findet sich auch
bei Ezechiel die Rede, die an das Wort älterer Propheten an-
knüpft. Es erinnert an Hosea, wenn er in Kap. 20,32 ff. von
einem neuen Auszug aus den Völkern redet, einem neuen Zug
durch die Wüste, in der G o t t seinem Volk in einem Gericht
der Scheidung von Angesicht zu Angesicht entgegentreten
wird, um dann die im Gericht Bewahrten ins Land hinein-
zuführen. An Jesaja und Micha erinnert es, wenn Kap. 34 nach
scheltenden Worten gegen die bösen Hirten von der guten
Hirtschaft und der Bestellung Davids, des Knechtes Gottes,
als eines guten Hirten über das Volk redet. Der Hinweis auf
den kommenden König Gottes ist vielleicht auch in 17,22—24
zu hören. Stärker aber tritt in den Zukunftsaussagen Ezechiels
der Hinweis auf das neue Heiligtum auf dem „hohen Berge
Israels" heraus. D o r t endet nach Kap. 20 recht eigentlich der
neue Exodus und die neue Hineinführung ins Land. Auch
37,27f. verheißt: „Meine W o h n u n g wird bei ihnen sein, und
ich werde ihr G o t t und sie werden mein Volk sein, und die
Völker werden erkennen, daß ich Jahwe bin, der Israel heiligt,
wenn mein Heiügtum für alle Zeit in ihrer Mitte sein wird."
Vor allem aber ist diese Thematik in der ungefügen Schluß-
vision 40—48, bei deren Ausgestaltung unzweifelhaft auch
andere Hände mitgearbeitet haben, zu erkennen. Da schaut
der Prophet, der nach Jerusalem entrückt wird, auf dem hohen
Berge das neue, in ganz reinem Ebenmaß errichtete Heilig-
tum. Er schaut, wie Gottes Herrlichkeit in dieses Heiligtum
einzieht. Nach Kap. 8—11 hatte er in einer ganz entsprechen-
den Vision gesehen, wie Gott seinen Tempel verlassen und
Feuer in die Stadt hatte schleudern lassen. Von diesem Ort
der Gegenwart Gottes, dem „ O r t meines Thrones und dem
Ort meiner Fußsohlen, da ich für alle Zeiten inmitten der
IsraeÜten wohnen will", wie 43,7 formuüert, strömt nach
47,1—12 ein erst ganz kleines, aber an Größe immer mehr an-
schwellendes Wasser hinaus ins Land und heilt dort selbst das
kranke tote Meer, so daß sich Fische darin zu tummeln be-
ginnen.

132
Das sind bildhafte Schilderungen, aus denen aber die große
Verheißung wohl vernommen werden kann, daß das Ent-
scheidende im neuen Wohnungnehmen Gottes inmitten seines
' Volkes geschehen wird und daß von dort aus auch alle Dinge
i zurechtkommen werden. Es ist nicht zu verkennen, daß diese
Erwartungen nahe bei dem üegen, was auch die Priester-
schrift in historisierender Rückschau, in der doch das Erwar-
tungselement gar nicht zu überhören war, ganz ebenso sagte:
Darin Üegt die vollste Hoffnung, welche das Volk Gottes ge-
trost in seine Zukunft ausschreiten läßt, daß Gott ihm ver-
heißen hat, zu ihm zu kommen und für aUe Zeiten in seiner
Mitte zu bleiben.
Auch bei Ezechiel ist es so, daß in dieser ganzen Zukunfts-
schau das Wort „Hoffnung" selber nicht verwendet wird. Wo
es verwendet wird, wie 37,11; 19,5, da ist es in der Rückschau
im Blick auf Situationen der Hoffnungslosigkeit gebraucht.
Die Sache von Hoffnung und Zukunft ist aber ganz voll da,
wo der Prophet kommendes Handeln seines Gottes ankün-
digt. Auch hier ruht aUes echte Hoffen auf der verheißenden
Zusage Gottes.
i Unter dieser prophetischen Zusage in der Nacht des Exils ist
dann das Wunder geschehen, daß ein verzweifeltes Volk erneut
zum Volk der Erwartung und schüeßüch des zuversichtUchen
Hineingehens in die Zukunft der Erlösung geworden ist. Das
wird ganz voll bei dem anderen Propheten des Exils, bei
Deuterojesaja, zu erkennen sein.

133
I X . Deuterojesaja u n d die Spätlinge der Schriftprophetie

Am Anfang der Exilszeit Judas steht Ezechiel, in dessen Ver-


kündigung sich das harte Nein zur Lebensmöglichkeit des
Alten mit der Ankündigung einer Erweckung des Toten zu
neuem Leben durch Gott selber verbindet. A m Ende der Exils-
zeit steht die Verkündigung Deuterojesajas, dessen Wort in
Jes. 40—55 1 zu finden ist. Durch seine Worte hallt der Jubel
über die nun unmittelbar vor der Türe stehende Stunde der
Erlösung. AUes dringt in ihnen auf die nahe bevorstehende
heilvolle Zukunft hin als eine große Verkündigung gewisser
Hoffnung.
Auf die Frage, worauf denn diese gewaltige Verkündigung von
Zukunft gründet, bleibt der Prophet die Antwort nicht schul-
dig. Sie ist ihm offensichtlich schon in der Stunde seiner Be-
rufung deutüch gemacht worden. Auf diese Stunde führt das
Wort 40,6—8, das in die thematische Eingangsgruppe von
Sprüchen einbezogen worden ist. Danach hat eine Stimme
den Propheten mit der Aufforderung: „Verkündige!" ange-
rufen. Auf seine ratlose Gegenfrage: „Was soll ich verkün-
digen?" wird ihm geantwortet: „Alles Fleisch ist wie Gras
und all seine Anmut wie die Blume des Feldes. Das Gras ver-
dorrt, die Blume verwelkt . . ., aber das Wort unseres Gottes
besteht in Ewigkeit." Hier ist in einer zunächst fast dualistisch
anmutenden These auf das gezeigt, was in der durch das Exi-
stential Vergänglichkeit gekennzeichneten Welt (die Aussage
erinnert an Hiob und den Prediger) allemal Zukunft hat. Das
Wort 55,10f., das in der Redaktion des Gesamtbuches wohl
ebenfalls mit Bedacht in die Schlußkomposition von Sprüchen
einbezogen worden ist, erweist aber diesen Eindruck einer
duaüstisch sich gegenüberstehenden Welt der Vergänglichkeit
und der Welt, in die Gottes Wort gehört, in aller Deutlichkeit
als falsch. Wenn da zu hören ist: „Wie der Regen und der
Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, ehe
er die Erde getränkt und sie hat gebären und sproßen machen

134
und dem Sämann Samen und dem Hungrigen (wörtl. Essen-
den) Brot gibt, so ist mein Wort, das aus meinem Munde geht.
E s kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern tut, was ich wollte,
und läßt geüngen, wozu ich es sandte", dann ist deutlich ge-
sagt, daß sich Gott in diesem Wort zu seiner Welt wendet, so
daß, wer in dieser Welt der Vergänglichkeit wohnt, in der
Begegnung mit dem wirkenden Wort um Zukunft und Hoff-
nung wird wissen können. Was hier in thematischen Worten
zu Anfang und Ende zu hören ist, durchzieht aber auch ganz
so die sonstige Verkündigung des Propheten.
E s ist leicht zu erkennen, daß Deuterojesaja in seiner Ver-
kündigung älteres Prophetenwort aufnimmt und sein Wirk-
samwerden in seiner unmittelbaren Gegenwart aussagt. Schon
bei Hosea war es zu hören, daß Jahwe sein Volk durch eine
neue Wüstenzeit hin neuem Heil entgegenführen werde. In
Ez. 20,32ff. war diese Ankündigung in einem ungleich breiter
ausgeführten Wort entfaltet und von der neuen Herausführung
aus den Völkern, einer neuen Wüstenwanderung mit einem
Scheidungsgericht und einer neuen Hineinführung ins Land
geredet worden 2 . Diese Verkündigung vom neuen Wüsten-
zug nach Zion hin beherrscht nun Deuterojesajas Botschaft.
Sie ist hier im Unterschied zu Ez. 20 nicht in einer zusammen-
hängenden Schilderungentfaltet. Entsprechend der sich nirgends
lehrhaft ausbreitenden Verkündigungsweise Deuterojesajas ist
sie nur blitzlichtartig in einzelnen Worten, die dann meist in
der Redegattung des Erhörungsorakels 3 gehalten sind, an-
geleuchtet. Dabei entfällt, wie es bei der reinen Heilsankündi-
gung Deuterojesajas vom Inhalt her wohl zu verstehen ist,
jeder Hinweis auf ein sichtendes Strafgeschehen in der Wüste.
In das Bild des in aller Herrlichkeit ausgestalteten Wüsten-
zuges, in dem Jahwe selber wie ein guter Hirte sein Volk
sorgsam führt (Jes. 40,10f.), mengen sich Züge der großen
Gottesprozessionen, wie die Verbannten sie in ihrer babyloni-
schen Umwelt anschaulich vor Augen haben mochten. Himm-
lische Mächte werden, so ist es schon im thematischen Ein-
gangskomplex in 40,3—5 zu hören, aufgeboten, um Jahwe
für seinen Zug durch die Wüste den Weg zu bauen: „Eine
Stimme ruft: In der Wüste bahnet den Weg Jahwes, baut

135
einen geraden (ebenen) Weg für unseren Gott in der Steppe.
Jedes Tal soll sich heben und jeder Berg und Hügel sich
senken, das Krumme soll eben und das Höckerige zum Tal-
grund werden, damit die Herrüchkeit Jahwes offenbar werde
und alles Fleisch zumal es sehe."
Dabei sind die typologischen Anspielungen auf die Überliefe-
rung vom ersten Wüstenzug zu Beginn der Volksgeschichte
gar nicht zu überhören, wenn der Weg in die neue Freiheit
in Jes. 48,20f. mit den Worten beschrieben wird: „Losgekauft
hat Jahwe seinen Knecht Jakob. Sie leiden nicht Durst in den
Wüsten, durch die er sie führt. Wasser läßt er ihnen aus dem
Felsen rinnen, er spaltet den Felsen, da rinnen die Wasser." So
war einst von Mose an den Felsen geschlagen worden, daß
Wasser hervorströmten, das verdurstete Volk zu tränken
(Ex. 17,1—7; Nu. 20,1—13). War beim ersten Wüstenzug da-
von die Rede gewesen, daß das Volk in ängstlicher Hast zur
Nachtzeit aus Ägypten entwichen und daß dann Jahwe in
einer Wolkensäule bei Tage und Feuersäule bei Nacht sein
Volk führte (Ex. 13,21 f.) und im Moment der Gefahr ihre
Nachhut deckte (Ex. 14,20), so verkündet Jes. 52,12, nach-
dem der Prophet zum Auszug aus dem fernen Land auf-
gerufen hat: „Nicht in angstvoller Eile werdet ihr ausziehen,
noch fluchtartig davonziehen, denn vor euch her geht Jahwe,
und den Schluß eures Zuges bildet der Gott Israels."
Im ersten dieser Sätze ist zugleich die weitere Wahrnehmung
Zu machen, daß der neue Auszug ganz ausdrücklich als ein
Auszug dargestellt wird, der jenen ersten Auszug überbietet.
Hält das Passahritual nach Ex. 12,11 und Dt. 16,3 ausdrück-
lich fest, daß man in „angstvoUer Eile" aus Ägypten aus-
gezogen sei, so soll der zweite Auszug ungleich herrÜcher
sein und nichts von Angst und furchtsamer Eile zeigen. Ja,
dieser Zug des Überbietens kann in 43,16 ff. geradezu dahin
gesteigert werden, daß dazu aufgefordert wird, des Früheren
nicht mehr zu gedenken, weil das nun neu Geschehende so viel
herrlicher sein wird als jenes. Hier ist im besonderen an die
wunderbare Rettung am Schilfmeer erinnert, wenn es lautet:
„So hat Jahwe gesprochen, der im Meer einen Weg machte,
einen Pfad durch mächtige Wasser, der Wagen und Pferde,

136
Heeresmacht und Starke miteinander herausführte — da
liegen sie, stehen nicht mehr auf, sind ausgelöscht, wie ein
Docht verglommen: Gedenket nicht mehr der früheren Dinge,
und des Vergangenen achtet nicht mehr. Siehe, ich mache
Neues, nun sproßt es, erkennt ihr es nicht? Ja, ich mache in
der Wüste einen Weg, Ströme in ödem Land. Ehren wird mich
das Getier des Feldes, die Schakale und die jungen Strauße,
denn ich schaffe in der Wüste Wasser, Ströme im öden Lande,
mein erwähltes Volk zu tränken. Das Volk, das ich mir ge-
schaffen habe, wird meinen Ruhm singen." Man wird das hier
Verkündete schwerlich richtig als „Antastung" des Urbekennt-
nisses Israels, „die für die Frommen etwas von Lästerung ent-
halten haben mußte", interpretieren4. Nicht der Gesichts-
punkt der Polemik, sondern derjenige der Überhöhung ist
hier allein maßgeblich. Vor dem strahlenden Neuen verblaßt
das mattere Alte, wie die Sterne vor der aufgehenden Sonne
verblassen und man ihrer nicht mehr gedenkt. In dieser Aus-
richtung ist die Kategorie des Neuen, die in diesem Zusam-
menhang mehrfach auftaucht, zu verstehen. „Neues verkün-
dige ich", sagt 42,9, dem dann der hymnische Aufruf antwortet:
„Singet Jahwe ein neues Lied" (42,10). Diese Kategorie ent-
stammt der Sprache des gottesdienstüchen LobÜedes; vgl.
etwa Ps. 33,3; 40,4; 96,1.
Der Weg der Rückführung durch die verwandelte Wüste,
dessen Rand nach einer anderen Stelle die herrüchsten Prunk-
bäume: Zedern, Akazien, Myrthen, Ölbäume säumen (Jes.
41,19, vgl. auch 55,13), findet sein Ziel in Zion, wo Freuden-
boten das Königtum des Gottes Zions erneut ausrufen (52,7).
Die Herrüchkeit der Fundamente, Zinnen und Tore dieser
Stadt, die aus Edelsteinen sein werden, wird geschildert. In
anderen Worten wird gemalt, wie die kinderlos gewordene
Stadt zu ihrem eigenen Erstaunen unversehens wieder Mutter
vieler Kinder wird, so daß Raumnot für die Bewohner ent-
steht und einer dem anderen sagt: „Der Raum ist mir zu eng,
mach mir Platz, daß ich wohnen kann" (49,20). Denn auf das
Zeichen Jahwes hin entsteht Bewegung in der Völkerwelt, und
Könige und Fürsten der Völker bringen sorgsam die Kinder
Zions aus der Ferne wieder zurück (49,22f.).

137
Ist in all dem bisher Geschilderten zu erkennen, wie das pro-
phetische Gotteswort Elemente älterer Überüeferung Israels
in gewaltiger Steigerung neu aktualisiert und Jahwes Treue
in neuartiger Wiederholung seiner Taten vom Anfang Auszug,
Wüstenführung, Sorge für Zion verkündet, so ist im weiteren
zu erkennen, daß die prophetische Verkündigung zugleich mit
einem kühnen Griff in die Zeitgeschichte hinein zu bisher
Unerhörtem vorzustoßen wagt. Die Verkündigung der nahen
Befreiung erfährt ihre konkrete Verdichtung darin, daß der
Prophet unter ausdrücklicher Namennennung auf den Perser-
könig Kyrus als den von Jahwe für sein Volk aufgebotenen
Retter weist. Es ist sicher nicht angebracht, mit Begrich 6 zu
urteilen, der Hinweis auf die bevorstehende Rettung durch
Kyrus sei beim Propheten durch eine gewisse Enttäuschung
hindurch zustandegekommen, indem er erkannte, daß die
wunderbare, die Natur verwandelnde Weltenwende doch nicht
geschehe, und daraufhin realistisch auf den heidnischen Herr-
scher Kyrus als den zur Rettung Gesandten gewiesen habe.
Vielmehr gewinnt des Propheten Botschaft im Hinweis auf
Kyrus ihre geschichtliche Konkretisierung — ganz so wie bei
Jeremia seine unbestimmte Anfangsverkündigung vom Feind
aus dem Norden dann im Einbruch der Neubabylonier ihre
eigentliche Füllung und Bestätigung erfahren hatte.
Dieses kühne Heraustreten aus aller traditionellen Erwartung
und Hinzeigen auf den heidnischen Perserkönig, dessen Siege
über die Meder und dann über den reichen Krösus von Lydien
die damaÜge Welt erregten, hat nach aUem, was wir sehen, in
der Umgebung des Propheten nicht nur Erstaunen, sondern
auch Widerspruch erregt. Er weist ihn mit der in anderem
Zusammenhang schon bei Jesaja vorgebildeten Gleichnisrede
zurück: „Wehe dem, der mit seinem Schöpfer rechtet, die
Scherbe unter irdenen Scherben! Kann etwa der T o n zum
Töpfer sagen: Was machst d u ? " (45,9). So erscheint denn die
Ankündigung des Kyrus immer wieder auf dem Hintergrund
des majestätischen Hinweises auf die Schöpfungstat Jahwes:
„Ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf ihr ge-
schaffen. Meine Hände haben den Himmel ausgespannt, und
all ihrem Heer habe ich Befehl gegeben. Ich habe ihn (d. h.

138
Kyrus) erweckt in Treuen, und all seine Wege ebne ich. Er
wird meine Stadt aufbauen und meine Gefangenen entlassen,
ohne Kaufpreis und ohne Geschenk, spricht Jahwe der Heer-
scharen" (45,12f.). An anderer Stelle wird mit dem Heraus-
treten Jahwes als des Schöpfers der Hinweis auf das allein
kräftige Wort verbunden, das Jahwe durch seine Propheten
sagt und dem das ohnmächtige Wort der in Babylon so reich
und in so alter Kultur bestehenden Zeichendeuter und
Wahrsager gegenübersteht: „Ich, Jahwe, mache alles, der
ich den Himmel ausspanne — ich allein, der ich die Erde
festige — wer wäre bei mir?, der die Zeichen der Wahrsage-
p riester zerbricht, die Orakelgeber zu Toren macht, der macht,
daß die Weisen abziehen müssen und ihr Wissen zur Narrheit
wird, aber das Wort seiner Knechte erfüllt und den Plan, den
seine Boten verkünden, vollführt, der zur Tiefe sagt: Trockne
aus, u n d : deine Ströme trockne ich aus, der zu Kyrus sagt:
Mein Hirte! u n d : all mein Vorhaben soll er vollführen, der
zu Jerusalem sagt: es soll erbaut werden, und all seine Trüm-
mer richte ich auf" (Jes. 44,24—28) 6 .
Im Schöpfungsbericht von Gen. 1 ist erkennbar, wie das
schöpferische T u n Jahwes seinen vollen Ausdruck in der Er-
wähnung des Befehlswortes findet. Jedes Schöpfungswerk
wird hier durch das Wort Jahwes eingeleitet. Eine ähnliche
Aussageweise ist auch bei Deuterojesaja zu erkennen, bei dem
der Ruf Jahwes alles beherrscht und Zeichen der freien Ver-
fügung des Schöpfers über Welt und Geschichte ist. So führt
Jahwe nach 40,26 das ganze Heer der Himmelsgestirne her-
aus, ruft sie alle mit Namen, und keines derselben wagt es, vor
diesem Ruf des Mächtigen auszubleiben. So ruft er aber auch
in die Geschichte hinein. Nachdem 41,1 ff. auf das K o m m e n
des Kyrus hingezeigt haben, erfolgt die zusammenfassende
Frage: „Wer hat es gemacht und getan? Der die Generationen
rief von Anfang an. Ich, Jahwe, bin der Erste, und auch bei
den Letzten bin ich" (V. 4). Dieses majestätische Wort des
Schöpfers hat einst die Gestalten berufen, von denen Israel
in seiner heiügen Geschichte weiß und immer wieder redet:
„Bückt auf Abraham, euren Vater (41,8 bekommt er den
Ehrennamen des Freundes Gottes), und auf Sara, die euch

139
geboren hat. Als einen einzelnen habe ich ihn gerufen und
ihn gesegnet und gemehrt" (51,2). Dieses gleiche freie Schöp-
ferwort aber kann auch ganz neu, ohne jeden Anhalt in alter
Tradition berufen, so wie der Gott Israels nach 45,3 sich vor
Kyrus als denjenigen bezeichnet, „der dich bei deinem Namen
gerufen". Aus dieser Freiheit heraus aber kann es geschehen,
daß alte, traditionelle Erwartungen und Hoffnungen ganz neu
formuüert werden, ohne daß dabei die Gewißheit, daß Gott
in seiner Verheißung von Zukunft bei seiner Sache bleibt, er-
schüttert zu werden brauchte.
Diese Freiheit der Umzeichnung der konkreten Zukunftser-
wartung Israels wird in der Ankündigung des Kyrus beson-
ders deutlich.
In der älteren judäischen Prophetie, von Jesaja über Micha,
Jeremia und Ezechiel war in im einzelnen variierten Formuüe-
rungen die Zusage zu vernehmen gewesen, daß Jahwe seinem
Volke einen aus dem Hause Davids oder noch dem Hause
Isais oder aus Bethlehem (Beth Ephrath) zum Herrscher der
kommenden Erlösungszeit setzen werde. Nun ist in der barock
ausgeweiteten Eingangsformel des großen, an Kyrus direkt
gerichteten Wortes Jes. 45,1—7, in dem Jahwe diesem um
Israels willen die Königreiche und all ihre Schätze zu geben
verspricht, zu hören: „So spricht Jahwe zu seinem Gesalbten
Kyrus, den ich bei seiner Rechten gefaßt, um Völker vor ihm
niederzuwerfen, die Lenden der Könige zu entgürten, Türen
vor ihm aufzutun und Tore nicht verschlossen zu lassen . . ."
In geradezu aufreizender Kühnheit ist hier sogar der Titel des
Gesalbten, der in Jerusalems Überlieferung mehr und mehr
zur eigentüchen Bezeichnung des zu erwartenden Königs aus
dem Hause Davids zu werden im Begriffe ist, an den fremden,
heidnischen Perserkönig Kyrus verschenkt. Daß dieses nicht
nur ein einmaüger Lapsus ünguae oder ein ledigüch rhetorisch
zu erklärender momentaner Überschwang ist, läßt sich von
der anderen Seite her in dem Wort Jes. 55,1—5 erkennen.
Hier lädt Jahwe in der Gestalt eines Gastgebers, der zum Mahle
ruft, dazu ein, seine aus freier Gnade geschenkte Gabe an-
zunehmen: „Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen,
getreu der dem David verheißenen Gnade. Wie ich ihn für

140
Völker zum Zeugen gemacht, zum Fürsten und Gebieter von
Nationen, so wirst du Völker rufen, die du nicht kennst, und
Heiden, die dich nicht kannten, werden zu dir hereilen, um
Jahwes, deines Gottes wiUen, um des Heiügen Israels willen,
! weil er dich verherrücht" (3—5).
Dieses Wort erinnert zunächst ganz offen an jene dem David
gegebene Verheißung und bestätigt die Treue zu dieser Ver-
heißung im Munde Gottes. Erwartet aber Israel nach den
früheren prophetischen Zusagen die Einlösung dieser Ver-
heißung in der Gestalt des davidischen Herrschers, so ist hier
eine höchst überraschende Umzeichnung dieser Erwartung
vollzogen. Das Volk als ganzes wird in den Genuß des David
Zugesagten kommen. Wie dieser durch die Gnaden, die ihm
zuteil geworden waren, zum Zeugen für Gottes Macht ge-
worden war, so soll nun das Volk als ganzes diese Zeugenfunk-
tion bekommen. In weiteren Worten Deuterojesajas ist es sehr
voll ausgeführt, wie Jahwe gerade dieses sein bündes und
Gottes Werk oft gar nicht erkennendes Volk nun zum Zeugen
in der Völkerwelt benutzt, der davon zu sagen weiß, wie
Großes sein Gott an ihm getan hat. Und war David Gebieter
und Herr über Völker, so wird es Israel nun erleben, daß unter
dem, was es zu bezeugen hat, Menschen aus den Völkern, die
: es zuvor nicht gekannt hat, sich zu ihm herzumachen. Jes. 44,5
schildert höchst anschauüch, wie sie sich ihm anschließen wer-
den: „Dieser wird sagen: Ich gehöre Jahwe, und jener wird
sich mit dem Namen Jakobs nennen. Und wieder einer schreibt
auf seine Hand: Jahwe eigen' und empfängt den Ehren-
namen Israel."
Was ist hier geschehen? Unter dem, was die Verbannten Zions
in seinen Tagen ganz unmittelbar erfahren, erkennt Deutero-
jesaja, daß Gott in einer ganz neuen und alle überraschenden
Weise am Werke ist, seine alte Verheißung wahrzumachen.
Durch einen fremden Herrscher und dessen Siege über die
j Völker bereitet er Israel seine neue Freiheit und Zukunft. Die
poütische Funktion des erwarteten Gotteskönigs ist an diesen
Fremden abgegeben. Das zentrale Amt aber, das der von Gott
eingesetzte Israelkönig David hatte und über dem die eigent-
liche Verheißung lag, wird in einer ganz neuen, bisher so

141
nicht bekannten Dimension gesehen: Zeuge Jahwes vor den
Völkern zu werden, das ist die Zukunft, die Gott verborgen
hinter dem, was er David zusagte, seinem Volke zudenkt.
Im Zusammenhang unseres Nachdenkens über Zukunft und
Hoffnung nach den Aussagen des Alten Testamentes wird
hier innerhalb der Prophetie eine wichtige Erscheinung ganz
grundsätzlich deutüch. So wie schon bei der Betrachtung der
Erzählwerke sichtbar wurde, daß die Priesterschrift die Ver-
heißungen über die Väter, von denen der Jahwist berichtet
hatte, in eine neue Dimension ausweitet, so tut hier innerhalb
der Prophetie ein Prophet das Zukunftshandeln seines Gottes
ganz neu auf. Es kann hier besonders deutüch werden, daß
der Prophet nicht an ein bestimmtes Programm seiner Zu-
kunftserwartung gebunden ist und Gott gegenüber auf dem
Schein und Buchstaben beharrt, wie es in Jona 4 ein Gott miß-
verstehender Prophet tut, sondern daß er sich in neue Zu-
sammenhänge hineinführen läßt und es Gott in alledem, ohne
zu schwanken, glaubt, daß er bei seiner Sache bleibt.
Wir sind bisher vor allem den materialen Gehalten gefolgt, die
in Deuterojesajas Verkündigung erkennbar sind. Über diese
konkrete Geschichtsankündigung hinaus ist aber bei ihm, so
wie bei keinem anderen Propheten vor ihm, zu erkennen, daß
er sich ganz grundsätzlich, abgelöst von der Einzelaussage, zum
Verhältnis Jahwes zur Geschichte und damit auch zur Ge-
schichtszukunft äußert. Es geschieht dies nicht im Rahmen
von Erwägungen, die sich in ruhiger Besinnlichkeit abseits
von der Sphäre der Verkündigung vollzögen. Vielmehr sind
auch die Aussagen in dieser Richtung Bestandteil der Ver-
kündigung in einer ganz bestimmten polemischen Richtung.
Deuterojesaja lebt in Babylonien im Bereich der umgebenden
babylonischen Götterwelt. Angesichts dieser Götterwelt, wel-
che den Bereich der politischen Macht Babylons bestimmt,
kommt es zur Auseinandersetzung über die letzte Machtfrage
in der Welt. E s ist nun ganz bezeichnend, daß in den Streit-
reden gegen die Götter nicht das Problem der Macht in Natur
und Schöpfung draußen im Zentrum steht, sondern die Frage
nach der Macht in der Geschichte nach ihrer Vergangenheits-
und Zukunftsdimension 7 .

142
In Jes. 41,4 war es im Gefolge der Ankündigung des Kyrus
zu hören gewesen: „Wer hat es gemacht und getan? Der die
Generationen rief von Anfang an. Ich, Jahwe, bin der Erste
und auch bei den Letzten bin ich." So ist es auch Jes. 44,6 zu
hören: „Ich bin der Erste und der Letzte, und außer mir ist
kein G o t t . " In Jes. 48,13 kann unter dieser umfassenden Aus-
sage dann im Rückblick auf das Erste auch einmal auf die
Schöpfung gewiesen werden: „Meine Hand hat die Erde ge-
gründet und meine Rechte den Himmel ausgespannt. Ich habe
sie gerufen, da standen sie allzumal da." Dann aber geht es auch
hier hinüber zum Hinweis auf den von Jahwe aufgebotenen
Kyrus, der hier als Freund Jahwes bezeichnet wird.
Könnte es in dieser umfassenden Bezeichnung Jahwes als des
Ersten und Letzten noch scheinen, als ob hier spekulativ ge-
schichtslos v o m ewigen Sein Gottes geredet würde, so be-
lehren die scharfen Aufforderungen, mit denen Jahwe v o n
hier aus die Götter der Völker herausfordert, rasch, daß in
alledem der Gott konkreten geschichtlichen Handelns gemeint
ist. Die Macht seines Handelns erweist sich auch hier in seinem
Wort, das Geschichte voraussagt. So fragt er in einem großen
Prozeßwort (Jes. 43,8—13), in dem die Götter vor ein Ge-
richtsforum vorgeladen werden: „Wer unter ihnen verkün-
digt solches? Das Frühere (Erste) mögen sie uns hören lassen.
Sie mögen ihre Zeugen aufbieten, daß sie sie als im Recht
befindlich ausweisen, sie mögen es hören lassen, so daß man
sagen m u ß : Es ist richtig" (V. 9). Dagegen zitiert Jahwe seine
eigenen Zeugen, das Volk Israel, das sein ganzes T u n er-
fahren und es erlebt hat, wie das von ihm durch seine Pro-
pheten zuvor verkündigte Wort über Israel durch die Ge-
schichte bestätigt worden ist: „Ihr aber seid meine Zeugen,
spricht Jahwe, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit
man erkenne und glaube und einsehe, daß ich es bin — vor
mir ist kein G o t t erschaffen worden, und nach mir wird keiner
sein" (V. 10) 8 . In dem Gerichtswort 41,21—29, in dem Jahwe
die Götter zum Prozeß herausfordert, ist zu hören: „Bringt
heran euren Rechtshandel, spricht Jahwe, bringt heran eure
starken Beweisgründe, spricht der K ö n i g J a k o b s . " E s ist in
der Folge eine ganze Sturzflut von Herausforderungen, mit

143
denen Jahwe die Götter der Völker angreift: „Das Anfäng-
liche (Frühere) — verkündet, was es gewesen, damit wir es zu
Herzen nehmen, oder das Kommende — laßt es uns hören,
damit wir auf seinen Ausgang merken9. Die Zukunft (in dem
nach dem strengen Wortlaut zu übertragenden „das nachher
Kommende" ist hier zum erstenmal im Alten Testament ge-
radezu der abstrakte Begriff „Zukunft" gebildet) tut uns kund,
damit wir erkennen, daß ihr (wirküch) Götter seid" — und
dann mündet diese Reihe von Fragen schüeßüch in die fast
verzweifelte Schlußfrage: „Tut doch (um Gotteswillen end-
Üch einmal) irgend etwas Gutes oder irgend etwas Schlechtes,
damit wir in Scheu euch fürchten lernen (d. h. wohl zur
Gottesfurcht, die jene beanspruchen, in echter Einsicht Anlaß
bekommen)." Vor solchem Angriff verstummen die Götter.
In einem zweiten Redegang ergreift dann Jahwe auch hier
das Wort zu seiner eigenen Ankündigung des Kyrus, den er
erweckt und bei seinem Namen gerufen, um auch hier in die
Frage auszumünden: „Wer hat das von Anfang an verkündet,
daß wir es erkennen, und von früheren Zeiten her, so daß wir
sagen müßten: „Es ist richtig!" Keiner hat es verkündigt,
keiner hat es hören lassen, keiner hat eure (d. h. der Götter)
Worte gehört. Als erster habe ich es Zion verkündet und Jeru-
salem einen Freudenboten gegeben." In dieser gleichen Rich-
tung wird auch das „Ich bin der Erste, und ich bin der Letzte"
von Jes. 44,6 in V. 7f. weitergeführt: „Wer ist wie ich, er
trete heran und rufe es aus, tue es kund und lege es mir dar.
Wer ließ von Urzeit an das Kommende hören? Was kommen
wird, mögen sie uns kundtun." Und daran schließt sich auch hier
die tröstend souveräne Hinwendung zum Volke Gottes an: „Er-
schrecket nicht und fürchtet euch nicht! Habe ich es euch
nicht längst schon hören lassen und verkündet, und ihr seid
meine Zeugen, ob es einen Gott außer mir gibt — da ist kein
Fels, ich kenne keinen." Vgl. weiter noch Jes. 45,21; 46,
9—11.
Auf dem Hintergrunde dieser absoluten Geschichtsmächtig-
keit Jahwes nach Vergangenheit und Zukunft ist die schon
früher erwähnte stürmische Gewißheit zu verstehen, daß Gott
imstande ist, dem verzagten Volke wirklich Neues anzukün-

144
digen und dieses Neue in seiner aUes Alte weit übertreffenden
Herrüchkeit zu wirken. Vgl. noch Jes. 4 2 , 9 ; 43,18 f.
Einmal wird in Jes. 48,3 ff. dieser Hinweis auf das Zuvorver-
kündigen des Neuen polemisch gegen Israel selber gewendet
und damit begründet, daß des Volkes Unglaube und seine
Starrsinnigkeit durch dieses Vorhersagen überwunden werden
soll: „Das Frühere habe ich längst verkündet, aus meinem
Munde kam es, und ich ließ es hören. Plötzüch tat ich es. und
es traf ein. Weil ich wußte, daß du halsstarrig bist u n d dein
Nacken eine eiserne Sehne und deine Stirne von Erz, so habe
ich es dir schon längst verkündet, es dich hören lassen, bevor
es kam, damit du nicht sagest: Mein Götze hat es gemacht,
mein Gott von Holz oder Erz es befohlen", und etwas später
(V. 7) wird die Ankündigung von neuem damit motiviert:
„ D a ß du nicht sagest: Siehe, ich habe es wohl gewußt." In
diesem Wort kündet sich noch eine andere Front an, gegen die
der Prophet steht. Im Leiden, das der Gottesknecht, in dessen
Gestalt und Ergehen sich Amt und Ergehen des Propheten
selber niedergeschlagen haben dürften, leiden muß und das
Gott schließlich als Sühnleiden für die Schuld der Vielen
annimmt, erfährt dieses Geschehen seine tiefe Begründung
und wird seinerseits zu einem Geschehen, das Hoffnung für
die Vielen begründet.
Es ist hier nicht mehr der Ort, die Botschaft Deuterojesajas
weiter zu entfalten und zu zeigen, wie sehr er auch einer Be-
wegung in der Völkerwelt entgegenschaut, über der Jahwes
Schwurversprechen steht: „Ich habe bei mir selber geschwo-
ren, aus meinem Munde ist Wahrheit ausgegangen, ein Wort,
das nicht rückgängig wird: Mir wird sich beugen jedes Knie,
mir Treue schwören jede Z u n g e : N u r in Jahwe ist Heil und
Stärke" (Jes. 45,23 f.). In diesen Zusammenhang tritt dann
auch das eigene, in den Liedern v o m Gottesknecht geschilderte
Amt des Propheten, der den Auftrag bekommt, zum Licht der
Völker zu werden (Jes. 49,6; vgl. 42,6).
E s ist in all dem Ausgeführten wohl zur Genüge sichtbar ge-
worden, wie sehr gerade dieses Propheten Botschaft, über
welcher im Eingangswort der Ruf steht: „Tröstet, tröstet
mein Volk", ein einziger großer Aufruf zum Erheben der

145
Häupter und hoffenden Ausschreiten in verheißene Zukunft
ist. So ist denn zunächst im Gedanken an das Gottesvolk
selber die Versicherung im Munde des Propheten zu hören:
„Die auf Jahwe harren (hoffen hvh), bekommen neue Kraft,
daß sie mit Schwingen auffahren wie Adler, daß sie laufen
und nicht ermatten, daß sie wandeln und nicht müde wer-
d e n " (Jes.40,31). In 49,23 ist es in der abschließenden Er-
kenntnisformel eines Verheißungswortes im Munde Jahwes
formuliert: „ D u sollst erkennen, daß ich Jahwe bin, v o r
dem nicht zuschanden werden, die auf mich hoffen (hvh)."
Das Warten, das nicht zuschanden werden soll, reicht aber
weiter hinaus bis zu den fernen Gestaden, die hoffend auf die
Weisung des Gottesknechtes (42,4 jhl) und auf die Heilstat
des starken Armes Gottes warten (51,5 hvh \\ jhl).
In alledem ist aber wohl ganz ebenso deutlich geworden, daß
auch hier Hoffnung nicht als ein der Welt eingegebenes Prinzip
oder ein Existential menschlicher Existenz verstanden ist, son-
dern allein im Hangen an Gottes Tat lebt, die sich in dem
Wort ankündet, das von ihm her durch seinen Boten ausgeht.
Alle Gültigkeit dieser Hoffnung ruht allein in der Zusage
des Gottes, der die Geschichte als der Erste und Letzte um-
faßt. Dessen Majestät und Treue zu rühmen, wird Deutero-
jesaja nicht müde.
Ein kurzes Wort mag noch gesagt werden über die Spät-
geschichte der Prophetie, die nach dem überraschenden Erleb-
nis eines — gewiß neuartigen — Neuanfangs nach dem Exil,
der seinen geschichtüchen Ausgangspunkt im Tempel-Neu-
bauedikt des Kyrus nahm, dann rasch abklang.
In den Prophetenworten von Jes. 56—66, die vereinfachend
unter dem Stichwort „Tritojesaja" 1 0 zusammengefaßt werden,
ist vor allem der starke Nachhall der Verkündigung Deutero-
jesajas zu erkennen. Im Zusammenhang unserer Frage nach
Hoffnung und Zukunft m u ß es genügen, einen einzigen Zug
kräftig herauszuheben. Deuterojesaja hat sein Wort unter den
Exulanten gesprochen und ihnen die große Hoffnung auf
Rückkehr zum Zion eröffnet. Die von Deuterojesaja beein-
flußten Worte „Tritojesajas" sind, wie sich im einzelnen nach-
weisen läßt 11 , unter den wieder im Lande Wohnenden ge-

146
sprochen. Man möchte annehmen, daß damit ganze Teile des
Wortes Deuterojesajas als nun eingelöst entfallen. In Jes. 57,
14f. ist aber folgender, ganz im Stil gewisser Worte Deutero-
jesajas gehaltener Aufruf zu hören: „Bahnet, bahnet, ebnet
eine Straße! Räumt meinem Volke jeden Anstoß aus dem
Wege! Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der ewig
thront und dessen Name ist ,der HeiÜge': In der Höhe und
als Heiüger throne ich und bei den Zerschlagenen und Demüti-
gen, daß ich den Geist der Gebeugten belebe und das Herz
der Zerschlagenen erquicke." Der Aufruf zur Bahnung des
Weges, der in Deuterojesajas Verkündigung eigentüch ver-
standen werden mußte, ist hier offensichtÜch übertragen als
Aufforderung verstanden, alle Hindernisse aus dem Weg zu
räumen, die dem Kommen Gottes zu seinem Volke entgegen-
stehen könnten. Zugleich ist der ganze Zuspruch der Tröstung
des Hohen an die Niedrigen festgehalten, auch wenn es nun
nicht mehr um reale Gebundenheit im Exil geht. Noch deut-
licher ist das in Jes. 61,1 f. zu hören, wo ausdrücküch von der
Befreiung Gebundener geredet wird. Aus den Wendungen
Deuterojesajas wird hier eine geistüch übertragene Sprache.
Der Aufruf zum hoffenden Ausschauen wird aber auch in den
nun veränderten Verhältnissen festgehalten. Das ist am vollsten
in Kap. 60 zu sehen, einem Kapitel, das voller Anklänge an
Deutero- und über ihn hinaus an Protojesaja ist. In einem
stürmischen Eingang wird hier Jerusalem angerufen: „Mache
dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt, und die Herr-
üchkeit Jahwes geht über dir auf. Denn siehe, Finsternis be-
deckt die Erde und Wolkendunkel die Völker, aber über dir
geht auf Jahwe, und seine Herrlichkeit erscheint über dir."
Die Unterschrift des breit ausgeführten Gesamtwortes an
Zion: „Ich bin Jahwe, zu seiner Zeit lasse ich es eilends
kommen" (V. 22) läßt auch hier erkennen, daß dieses Wach-
bleiben hoffender Erwartung seine Begründung allein in Jahwe,
dem über die Zeit hin Lebendigen, hat.
DeutÜcher greifbar sind die beiden Prophetengestalten Haggai
und Sacharja 12 , deren angreifendem Wort die Wiederaufnahme
des zuvor lässig betriebenen Neubaus des Tempels zu danken
ist. Man möchte die Nachwirkung der Verkündigung Eze-

147
chiels und seiner Schule darin erkennen, daß sie das Kommen
einer neuen Blüte des Landes entschlossen an die Vorausset-
zung des Tempelbaues binden. Da und dort meint man bei
Sacharja auch einen Anklang an Verheißungen Deuterojesajas
hören zu können. Dagegen unterscheiden Haggai wie Sacharja
sich in ihrer Botschaft darin entscheidend von Deuterojesaja,
als bei ihnen die alte Erwartung eines königüchen Davididen
wieder voll ausgesprochen da ist. In dem vom persischen König
bestellten Kommissar Serubbabel, der aus davidischem Ge-
schlechte stammt, sehen beide Propheten den von Jahwe ver-
heißenen Herrscher aus Davids Haus, in dem sich die Ver-
heißungen erfüllen sollen. Sacharja nennt ihn mit dem aus der
Verkündigung von Jer. 23,5 bekannten Decknamen „ S p r o ß " .
I n anderer Weise ist es bei dem wohl um die Mitte des S.Jahr-
hunderts in Jerusalem redenden Unbekannten, dem die Worte
des Büchleins Maleachi zu verdanken sind, zu sehen, daß er
das Wiederkommen des Propheten Elia vor dem Einbrechen
des Endtages des Gerichtes erwartet (Mal. 3,23).
Darin aber, wie auch in manchen Aussagen Sacharjas, melden
sich neue Züge. Wohl finden sich hier auch kurze Worte, mit
denen Sacharja ähnüch wie die älteren Propheten in eine be-
stimmte zeitgeschichtÜche Lage hinein eine Gottesbotschaft
meist heilvoUer Art ankündet. Wohl findet sich hier auch eine
ebenfalls im Stile älterer Prophetie gehaltene Zeichenhandlung,
die ursprüngüch wohl die K r ö n u n g Serubbabels zum messia-
nischcn König zum Inhalte hatte (6,9—15) 13 . Daneben aber
findet sich, etwa die Hälfte des Buches der acht von Sacharja
herzuleitenden Kapitel füUend, eine Folge von acht, ursprüng-
lich wohl sieben 1 4 Nachtgesichten. In ihnen tritt die direkte
Aussage zurück. Ein Dolmetschengel übernimmt hier die Ent-
schlüsselung der geheimnisvollen Bilder, die der Prophet
schaut. In alledem kündet sich eine neue Weise der Verkündi-
gung an. An die SteUe des Propheten tritt der Apokalyptiker.
Mit der Befragung der apokalyptischen Stücke des Alten
Testamentes auf ihre Aussage über Hoffnung und Zukunft
des bibüschen Glaubens soll in der nächsten Stunde der Gang
durch das Alte Testament abgeschlossen werden.

148
X . D i e Hoffnung des G l a u b e n s
n a c h den A u s s a g e n d e r A p o k a l y p t i k

I m Buche Daniel, dem jüngsten Buche des alttestamentüchen


Kanons, findet im Rahmen des Schrifttums des Alten Testa-
mentes auch ein Vertreter der Apokalyptik Raum. Ganz so
ist dann ja auch in den neutestamentüchen Kanon in der
Johannesoffenbarung eine Schrift dieser Art aufgenommen
worden. Zwei Grundtendenzen sind im apokalyptischen
Schrifttum 1 , das außer durch die beiden in den Kanon ge-
langten Bücher noch durch eine nicht unerhebÜche, nicht
kanonisierte Reihe von Schriften vor aUem aus der zwischen-
testamentlichen, der neutestamentüchen und unmittelbar nach-
neutestamentüchen Zeit dokumentiert ist, in spannungsvoUer
Einheit verbunden.
In ihm lebt auf der einen Seite die eschatologische Ungeduld,
die sich dem Ende und der göttlichen Lösung aUer zweideu-
tigen Dinge der Welt durch den abschüeßenden göttlichen
Gerichtsentscheid entgegenstreckt.
Dieses Endgeschehen, vor dem sich in der Regel nochmals die
ganze Gewalt der bösen Mächte zusammenbaUen und anti-
christartige Figuren ihre Bedeutung bekommen können, ist
in all seiner Unheimüchkeit ausgemalt.
Zu dieser eschatologischen Ungeduld tritt aber immer wieder
ein auffallend rationales Element des Wissen- und Erkennen-
woUens von Welt und Geschichte. Dieses kann zur Schilderung
genau programmierter Entwürfe der Abfolge der Ereignisse,
bei denen dann auch das Berechnen der Zeiten eine wichtige
Rolle spielt, führen. AU dieses ist in der Regel nicht einfach
offen in direktem Wort dargestellt. Die Apokalyptik üebt den
Schleier der Verhüllung. So wird die Schilderung des Ge-
schehens in den großen Apokalypsen in der Regel einer Ge-
stalt der Vorzeit, die geheimnisvoU Zukünftiges vorherzu-
sehen ermächtigt ist, in den Mund gelegt. Die eigentüche Mit-
teilung über das endzeitüche Geschehen löst sich dann aus

149
einem breiten Anlauf von Geschichtsschilderung heraus, in
der ohne Mühe für die Anlaufstücke das vaticinium ex eventu,
die nachträgüche Schilderung von schon Eingetretenem, er-
kannt werden kann. Auch wird das Geschehen, das im Traum
oder in einer Schau mitgeteilt wird, gerne in Bilder verhüllt,
die keineswegs ohne weiteres verständüch sind und dann des
angelus interpres, der deutenden himmüschen Dolmetschge-
stalt, bedürfen. So hält auch eine ausgebaute EngeUehre ihren
Einzug in die Apokalypsen. Bei den Deutungen kann einge-
schärft werden, daß sie zunächst geheimzuhalten sind und so-
mit ein zunächst esoterisch weitergesagtes Wissen darstellen.
Das Geschaute wird gerne in andeutender Unscharfe geschildert.
Der Seher sieht „etwas wie . . .". In dem verwendeten Bild-
material ist oft Gut zu erkennen, das älteren, z.T. im alttestament-
üchen Schrifttum noch greifbaren prophetischen Visionen ent-
stammt. Die Apokalyptik ist denn auch mcht darauf aus, diesen
Zusammenhang mit älterer Prophetie zu vertuschen. Sie kann
sich gelegentüch ganz offen als Neuinterpretation älteren
Gotteswortes geben — etwa in Dan. 9, wo dem Apokalyp-
tiker die Bedeutung der siebzigjährigen Notzeit Jerusalems, die
Jeremia angesagt hatte, durch eine neue Offenbarung in neuer
Zahlenrechnung eröffnet wird. So kann Apokalyptik zur
Schriftauslegung und zur Suche nach dem hinter dem offenen
Text verborgenen heimüchen zweiten Schriftsinn werden.
Der hier in Kürze versuchten sehr aUgemeinen Skizzierung
der äußeren Erscheinungsgestalt apokalyptischer Rede muß
aber noch der Hinweis auf gewisse Grundstrukturen derselben
zugefügt werden:

1. Die Universaütät ihres Horizontes. In ihr geht es in der


Regel nicht mehr um Teilbereiche der Welt und ihrer
Geschichte, sondern um das Gesamtgeschick der Welt.
2. Ein gewisser deterministischer Charakter. Hier sind Ent-
scheidungen nicht mehr offen. Der Apokalyptiker enthüllt
den Weltplan Gottes, der festüegt und eigentlich nur mehr
abrollen kann. Im Unterschied zur prophetischen Verkündi-
gung werden hier nicht mehr die für das poütische Ge-
schick Verantwortüchen zu Entscheidungen aufgerufen.

150
3. Die Neigung zu einer duaüstischen Gesamtsicht des Welt-
geschehens. Einer der großen Gerichtskatastrophe entgegen-
gehenden Welt wird das von Gott geschaffene Neue ent-
gegengestellt. In den vergehenden alten Äon hinein wird
der bevorstehende neue Äon ausgerufen, zu dessen Kom-
men Menschenentscheidung nichts mehr dazufügen kann,
weil Gott dem Apokalyptiker seinen festüegenden Ent-
scheid mitgeteilt hat.

Die Frage nach der Herkunft dieser eigentümüchen apokalypti-


schen Aussageform ist neuerdings wieder lebhaft aufgeworfen
worden. Entgegen der meist vertretenen Sicht, daß die Apo-
kalyptik als Spätform der Prophetie anzusprechen sei, hat
G. v. Rad sehr entschieden die These vertreten, daß es
„schlechterdings ausgeschlossen" sei, „die Apokalyptik als ein
Kind der Prophetie zu verstehen" 2 . Vor allem werde das an
dem Fehlen eines wirklichen Bezuges zur Geschichte, die nach
der Sicht der Propheten für Israel in alten heilsgeschichtüchen
Setzungen verankert ist, deutüch. Vielmehr wurzle die Apo-
kalyptik mit ihrem Pathos des Erkennens im Mutterboden der
Weisheit, die eben diesen Willen zum Erkennen der Dinge und
der Gesetzmäßigkeiten ihres Lebensraumes zeige. So richtig
hier ohne Zweifel der Unterschied von Apokalyptik und Pro-
phetie an wichtigen Punkten erkannt ist, so wenig dürfte die
These in dieser Einseitigkeit haltbar sein. Es üeße sich mühe-
los auch die Gegenrechnung aufmachen, die zeigt, wie tief
geschieden die vom nahen Abbruch der Zeit bewegte Apo-
kalyptik von der im Wissen um eine gefügte Maat-Welt der
Ordnung 3 lebenden Weisheit ist.
Bei all dem, was in der Folge die Apokalyptik deutlich von der
Prophetie scheidet, ist es gar nicht zu übersehen, daß ihre
Wurzeln tief in dem Bereich der prophetischen Ankündigungen
des radikalen göttlichen Gerichtes und des über dieses Gericht
hinaus angekündigten Neuanfanges sitzen. Es ist nicht nur viel
Bildgut aus prophetischen Visionen in die Schilderungen der
Apokalyptiker eingegangen. In der Struktur der späten Pro-
phetie selber, die nicht mehr im Räume eines von poütischen
Entscheidungen bewegten Volkskörpers lebt, sieht man un-

151
verkennbar auch schon das Eindringen von Zügen, die man
gerne als apokalyptisch bezeichnen würde. Das gilt etwa von
der Ankündigung des Elia bei Maleachi (3,23)4, in der Eüa
als der Vorläufer des eigentüchen Jahwetages verstanden wird.
Darin zeichnet sich schon ein in Phasen geschehender Ablauf
der Endereignisse ab. Es zeigt sich weiter in der Stellung, die der
deutende Engel im Zusammenhang der Nachtgesichte des
Sacharja6 bekommt. Dieser hat seinerseits einen gewissen Vor-
läufer in dem Mann, der nach der großen Schlußvision des
Ezechielbuches6 die Tempelvermessung vor den Augen des
Visionärs vornimmt. Zwischen Prophetie und Apokalyptik, so
verschieden sie je in ihren klassischen Ausprägungen sein
mögen, ist zeitüch keine reinliche Scheideünie zu ziehen.
So sei denn auch hier, bevor vom Danielbuch geredet wird,
noch ein kurzer BÜck auf drei Komplexe innerhalb des pro-
phetischen Schrifttums geworfen, in denen sich das Herauf-
kommen der Apokalyptik immer voller ankündet.
Zunächst ein Wort zu Ez. 39f.7. Hier kündet der Prophet den
Einbruch eines unheimlichen Großfürsten Gog aus dem Lande
Magog an, der die kämpferischen Scharen der Bergvölker vom
Nordrand der damals bekannten Welt mit sich führen wird.
Sein Stoß richtet sich gegen das auf den Bergen Israels wieder
aus den Völkern gesammelte, dort im Frieden lebende Volk.
Auf diesen Bergen wird Jahwe die „am Ende der Jahre" her-
angeführte Feindmacht zerschlagen und die Vögel des Him-
mels und das Wild des Feldes zu dem großen, von ihm ver-
anstalteten Opfermahl laden — ein gewaltiges Gemälde vom
letzten Siege Gottes über die gegen sein Land anrennende
Feindmacht.
In dieser Verkündigung von Gog lebt unverkennbar neben
der Erinnerung an Jeremias Ansage des „Feindes vom Norden"
auch die jesajanische Verkündigung von der Vernichtung
Assurs auf den Bergen Palästinas. Es lebt darin die Empfin-
dung, daß jene Ankündigung Jeremias mit dem Eindringen
der Babylonier nach Palästina noch nicht abgegolten sei, son-
dern daß hinter der Wiederherstellung des „Hauses Israel",
von der Ezechiel so voU als einer Neuerweckung zu reden
wußte, nochmals eine letzte Gefährdung des Gottesvolkes

152
warte, die Jahwe nach den Voraussagen Jesajas zu Ende brin-
gen werde. In diesem Hinausdenken über die unmittelbar zu
verkündigende Rettung Israels in ein Nachnächstes kündet
sich ein apokalyptischer Zug an. Die Hoffnung auf gewisse
Zukunft des Lebens des Gottesvolkes durch seinen Gott teilt
sich hier in zwei voneinander getrennte Befreiungsakte auf.
Das Programm eines bestimmten Zukunftsablaufes geheimnis-
voll überwirklicher Tat Gottes, zu der der Mensch selber keine
Hand mehr zu rühren hat, kündet sich darin an.
Es ist dann in Ez. 38 f. deutüch zu sehen, daß das ursprüngüch
in einem relativ einfachen, in drei Strophen gehaltenen Text
angekündigte Geschehen durch ergänzende Zusätze erweitert
worden ist. Diese schmücken nicht nur das Ganze erzählerisch
weiter aus, sondern weiten es auch stärker apokalyptisch aus.
So wird das Gericht über Gog in den Rahmen einer kosmi-
schen Welterschütterung eingefügt. Ein Erdbeben wird die
Welt bis hinunter zu den Fischen im Meer erschüttern. Berge
werden einstürzen. Strömender Regen und Hagelsteine werden
faUen. Auch die Ausmalung der Bestattung der Heerscharen
Gogs erfährt eine Ausweitung ins Ungeheuerliche. Es ist nicht
zufälÜg, daß die Gogverkündigung in der Folge einen festen
Platz etwa in der Johannesapokalypse (20,8f.) erhält und dann
auch die rabbinische Uberüeferung noch ausgiebig vom „Krieg
Gogs und Magogs" redet.
In anderer Weise redet das Buch Joel 8 , das hier als zweites
Beispiel für den Übergang der prophetischen in die apokalyp-
tische Hoffnungsaussage angeführt sei. Ausgangspunkt seiner
Verkündigung ist nach den Aussagen von Kap. 1 eine große
Heuschreckennot, die das Land überfallen hat. Schon in den
Amosvisionen tauchte in Kap. 7,1—3 eine Heuschreckenplage
als erster Vorbote des umfassenden Gerichtes Jahwes auf. So
weitet sich auch bei Joel die Schilderung dieser Not zur Schilde-
rung des unheimüchen Tages Jahwes aus. In Joel 2 scheint die
unmittelbare Bedrängnis durch Heuschrecken zurückzutreten
vor der größeren Gefährdung durch ein bedrohüches, unheim-
liches Feindvolk. In ihm tritt die Bedrohung durch den Tag
Jahwes noch viel voller heraus. Man befindet sich mit aUedem
noch durchaus im Bereich der Prophetie, wenn daraufhin zur

153
Umkehr des Volkes aufgerufen und die Gemeinde an einem
Fastentag ins Heiügtum aufgeboten wird. Apokalyptische
Farben bekommt das Ganze aber da, wo, nachdem dem Volke
Jahwes Rettung zugesagt ist, sich alles zu einem weltweiten
Geschehen weitet und ein Tag Jahwes über die ganze Völker-
welt angekündigt wird. E s erinnert dabei an Jesaja, wenn
denen, die auf dem Zion wohnen und die den Namen Jahwes
anrufen, Rettung zugesagt wird. Neuartig ist die Verkündi-
gung, daß der Geist Jahwes über Söhne und Töchter, Knechte
und Mägde des Volkes ausgeschüttet werde. Der Gerichtstag
über die Völker kündet sich durch Zeichen am Himmel und
auf Erden an: Blut und Feuer, die Sonne wird sich verfinstern,
der Mond blutig rot werden. Dann aber wird Jahwe die Völker,
die in Umkehrung der Friedenserwartung von Jes. 2 aufgefor-
dert werden, ihre Pflugscharen zu Schwertern und ihre Reb-
messer zu Spießen umzuschmieden, ins Tal Josaphat geführt
(der Name bedeutet: Jahwe richtet). Dort wird Jahwe über sie
strafendes Gericht halten, ein Gericht, das erneut unter kos-
mischen Veränderungen geschieht: „Sonne und M o n d haben
sich verfinstert, und die Sterne haben ihren Schein verloren,
während Jahwe v o m Zion her brüllt und aus Jerusalem seine
Stimme erhebt, so daß Himmel und Erde erheben. Aber Jahwe
ist eine Zuflucht seinem Volke, eine Burg den Israeliten." 9
Dann wird das Land paradiesische Fruchtbarkeit bekommen.
Der aus Ez. 47 bekannte Tempelstrom wird vom Tempel her
ins Land fließen, und Israels Feinde werden vernichtet sein.
Das prophetische Element des konkret geschichtlichen Um-
kehrrufes ist im Buche Joel noch deutüch zu vernehmen. Zu-
gleich aber mengen sich ins Ganze kosmische Ausblicke. Die
Verheißung transzendiert alle unmittelbaren Teilsituationen
und eröffnet Ausbücke in eine geschichtliche Weltvollendung.
Älteres Prophetenwort ist aufgegriffen und zur Schau eines
einmaügen Letztereignisses zusammengebracht. „Ist je der-
gleichen geschehen in euren Tagen oder in den Tagen eurer
Väter?" fragt 1,2. Und 2,2 sagt von dem unheimüch herein-
brechenden Volk: „Desgleichen ist nie gewesen von der Urzeit
an und wird nach ihm nimmermehr sein bis zu den Jahren der
fernsten Geschlechter."

154
Als Drittes sei die sog. Jesaja-Apokalypse Jes. 24—2710 er-
wähnt, eine anonym überüeferte, spät zu datierende Sammlung
von eschatologischen Weissagungen und das Ganze begleiten-
den Liedern. Die entscheidenden Aussagen der ganzen Samm-
lung, über deren üterarisches Werden das letzte Wort noch
nicht gesprochen sein dürfte, Üegen in Kap. 24f. Da wird ein
ungeheurer Gerichtstag geschildert, der die ganze Erde ver-
wüstet. „Es welkt, zerfällt die Erde, verwelkt, zerfällt die
Welt, es verwelkt die Himmelshöhe samt der Erde, da die
Erde entweiht ist unter ihren Bewohnern; denn sie haben die
Gebote übertreten, die Satzung verletzt, den ewigen Bund
gebrochen" (Jes. 24,4f.). Die Mächte der Welt, „das Heer der
Höhe in der Höhe und die Könige der Erde auf Erden" wer-
den gefesselt und zur Rechenschaft gezogen. Es erinnert an
Joel, wenn es im Zusammenhang damit heißt: „Der Mond
wird erröten, die Sonne beschämt dastehen; denn König ist
Jahwe der Heerscharen auf dem Berge Zion und in Jerusalem,
und vor seinen Ältesten ist Herrüchkeit" (V. 23). Über allem
aber erhebt sich in Jes. 25,6—8 der Ausblick auf eine letzte
Welterlösung, die im großartigen Bild des Gastmahls auf dem
Zion geschildert wird: „Und rüsten wird Jahwe der Heer-
scharen allen Völkern auf diesem Berge ein Mahl von fetten
Speisen, ein Mahl von alten Weinen, von fetten, markigen
Speisen, von alten, geläuterten Weinen. Und vernichten wird
er auf diesem Berg die Hülle, von der alle Völker umhüllt sind,
und die Decke, die über alle Völker gedeckt ist. Vernichten
wird er den Tod auf ewig11. Und abwischen wird der Herr
Jahwe die Tränen von jedem Antlitz und die Schmach seines
Volkes von der ganzen Erde hinwegnehmen, denn Jahwe hat es
geredet." Wohl fehlen hier alle Elemente einer Zeitberechnung,
der geheimnisvollen Bildvergleichung, die der Deutung bedürf-
tig wäre, auch der erkennbaren zeitgeschichtlichen Beziehun-
gen. Aber das Element des großenDurchbruches durch die End-
bedrängnisse eines Gerichtes, das aUe Welt überfallen wird, zu
einem Heil, an dem hier in einer überraschenden Offenheit der
Erwartung auch die Völkerwelt beteiligt erscheint, tritt sehr
rein heraus. Zugleich ist aber die Doppelbeziehung der Aus-
sagen hin zu Prophetie und Apokalyptik schwer zu übersehen.

155
D o c h nun gilt es sich dem Buche Daniel 1 3 zuzuwenden. Dieses
zerfällt, wie schon ein flüchtiger Bück zeigt, in zwei sehr ver-
schiedene Hälften. Seine ersten sechs Kapitel erzählen nach
einer Vorstellung Daniels und seiner drei Freunde, die nach der
Eigenaussage des Buches durch Nebukadnezar nach Babylon
verschleppt worden sind, fünf in sich weitgehend geschlossene
Legenden von der Bewahrung und Bewährung dieser Männer
am heidnischen Hofe. Kap. 2, das von der Deutung des
Traumes Nebukadnezars, und Kap. 5, das die Entschlüsselung
der rätselhaften Inschrift an der Wand beim Gastmahl Belsa-
zars durch Daniel berichtet, schlagen sachüch die Brücke hin-
übet zur zweiten Buchhälfte, die nun ausschließlich apokalyp-
tische Enthüllungen bringt. Die neuere Forschung hat es zur
Gewißheit gemacht, daß das Gesamtbuch in seiner heutigen
Gestalt aus der Zeit der Reügionsverfolgung durch den Seleu-
kidenkönig Antiochos IV. Epiphanes stammt. Genauer noch
ist zu sagen, daß es zwischen 167 und 163 abgefaßt sein muß.
Ebenso deutüch ist auf der anderen Seite geworden, daß im
Legendenbüchleinund evtl. auch in Kap. 7 ältere, wohl schon
aus dem 3. Jahrhundert stammende Vorlagen verwendet wor-
den sind. Doch kann diesen ütetargeschichtUchen Fragen
wie auch der auffallenden Erscheinung, daß das Danielbuch
von 2,4 b—7,28 aramäisch, in den restlichen Stücken hebräisch
abgefaßt ist, hier nicht weiter nachgegangen werden 1 3 .
Die apokalyptischen Teile, die uns im Zusammenhang unserer
Gesamt-Fragestellung nach der Hoffnung im Alten Testament
vor aUem beschäftigen müssen, sind im einzelnen verschieden
gestaltet. D e r Traum Nebukadnezars in Kap. 2 wie auch
Traum und Vision Daniels von Kap. 7 und 8 sind in Bild-
reden verschlüsselt. Nebukadnezar sieht nach Kap. 2 ein
Standbild aus verschiedenen Metallen, das von einem durch
unsichtbare Hand geschleuderten Stein zerschlagen wird.
Daniel weiß dem König, der, mißtrauisch gegen all seine
Wahrsager, den Traum gar nicht inhaltüch preisgibt, nicht
nur den Traum zu sagen, sondern auch seine Deutung zu
geben. Im Traum Daniels von Kap. 7 sind es vier Tiere, die
aus dem Meer aufsteigen, eine Löwe mit Adlerflügeln, ein
Bär, ein Panther und ein schreckenerregendes viertes Tier mit

156
zehn Hörnern. Über dieses letzte wird von einem himmlischen
Gerichtshof Gericht gehalten und alle Macht einem auf den
Wolken des Himmels kommenden Menschen (Menschensohn)
gegeben. Hier ist es eine göttÜche Gestalt, die Daniel das so
rätselhaft Geschaute deutet. Auch in der Vision von Kap. 8
erscheinen Daniel Tiere: ein Widder und ein Ziegenbock mit
einem, dann vier und dann noch einem fünften Hörn, das
gewalttätig am Heiligtum handelt. Hier ist es die himmüsche
Gestalt Gabriels, die Daniel das Bild deutet und die im Bild
gemeinte Notzeit und ihr Ende kündet. Diese Bildverhüllung
fäUt in Kap. 9 dahin, wo Daniel über die von Jeremia (25,11 f.;
29,10) angekündigten 70 Jahre Notzeit nachsinnt und auf sein
verzweifeltes Bußgebet hin durch Gabriel die Deutung der
Jahre als Jahrwochen und die Mitteilung von schwerster Not-
zeit in der letzten Jahrwoche und deren Ende erfährt. In der
großen Schlußoffenbarung vonKap. 10—12 schüeßüch schildert
eine himmlische Gestalt, die umständlich eingeführt wird, sehr
direkt die Kämpfe der Könige des Südens und Nordens, d. h.
der Ptolemäer und Seleukiden, und die alles Maß sprengende
Ruchlosigkeit des letzten Nordkönigs, die dann durch seinen
Tod „zwischen dem Meer und dem Berg der heiügen Pracht"
(11,45) plötzüch ihr Ende erreicht. Durch letzte Nöte hin-
durch wird dann die Rettung des Gottesvolkes und die Auf-
erstehung der Gerechten zum Heil und der Gottlosen zur
Pein geschehen.
Worin besteht die Eigenart der in diesen verschiedenen Formu-
Üerungen apokalyptischer Rede sich aussprechenden Zukunfts-
ankündigungen? Es ist zunächst sehr deutüch, daß in den
Aussagen des Danielbuches nicht zuerst das Element der
Gnosis, sondern die glühende Erwartung des nahen Endes,
die sich aus der Bedrängnis der schweren Notzeit erklärt, vor-
ansteht. Aus der Bedrängnis durch die Entweihung des Heilig-
tums durch die Aufstellung des „Greuels der Verwüstung",
d. h. eines Bildes des Zeus bzw. „Himmelsbaals" im Tempel
in Jerusalem, wird hier auf das nahe Ende gewartet. Es ist dabei
zu erkennen, wie sich mit dem harrenden Hoffen das Berechnen
der noch vom Ende trennenden Zeiten verbindet. Auf 2300
Abend-Morgen, d.h. 1150 Tage, wird in 8,14 die Zeit der

157
Entweihung des Heiügtums berechnet, die nach 9,27 der
zweiten Hälfte der 70. Jahrwoche entspricht. In 12,11 ist das
E n d d a t u m leicht hinausgeschoben: „ V o n der Zeit, da das
tägüche Opfer abgeschafft wird und da man aufstellt den
Greuel der Verwüstung, sind 1290 T a g e . " Das scheint auf
eine Zeitspanne von 3 % Jahren und einen Schaltmonat zu
führen. Der offenbar noch etwas später zugefügte Vers 12,12
aber formuliert: „Heil dem, der wartet (hkh) und 1335 Tage
erreicht." Hier ist auch vokabelmäßig z u m harrenden Hoffen
ermuntert. Der heiße Atem dessen, der die N o t kaum mehr zu
bestehen vermag, weht einem aus diesen Berechnungen an.
Das Warten schaut in 9,27 nach dem Zeitpunkt aus, an dem
„Vernichtung und Strafgericht sich über die Verwüstung
(oder: den Verwüster?) ergießt". So ist mit einer Formuüe-
rung aus Jesaja (10,23; 28,22) gesagt. 11,45 formuliert ganz
direkt: „ E r (d. h. der Verfolger) kommt zu seinem Ende, ohne
daß einer ihm hilft." Und 8,25: „ D o c h ohne (Menschen)hand
wird er zerschmettert." Aber mit diesem einfachen Hinweis
auf das Ende des Verfolgers ist die Dimension der Erwartung
noch keineswegs voll erfaßt. Ist in Kap. 9 zu erkennen, daß
dieses Ende zugleich das Ende der langen 70 Jahrwochen der
N o t bedeutet und damit den Abschluß einer längerfristigen
Epoche, so ist in dem Gesicht von Kap. 8 damit das Ende des
Kampfes der von Widder und Ziegenbock repräsentierten
Mächte erreicht. Da in der antiken Astralgeographie Persien
dem Tierkreiszeichen des Widders und Syrien dem des Stein-
bockes zugeordnet ist, dürfte an den Kampf dieser Mächte,
d. h. Persiens und der für den Bückwinkel Palästinas durch
die syrischen Seleukiden repräsentierten griechischen Welt,
gedacht sein. Auch in Kap. 11 ist in einem langen Anlauf der
Geschichtsdarstellung bis in die Perserzeit zurück ausgeholt.
Diese Geschichte wird bis in die Zeit des Antiochus IV. hin-
ein sehr genau rekapituliert. Da, wo die Schilderung sich mit
der tatsächüchen Geschichte nicht mehr deckt, ist dann ganz
deutlich der Einsatz der eigentüchen apokalyptischen Weis-
sagung zu erkennen.
Aber auch dieses Ausholen in die persische Vorgeschichte zu-
rück macht die Dimension, in welcher das erwartete Ende des

158
Verfolgers steht, noch nicht voll deutüch. Die volle Weite der
Aussage wird erst in den Darstellungen von Kap. 2 und 7
erkennbar. Hier ist zur Schilderung der Vorgeschichte, die im
Sturz des Verfolgers ihr Ende erreicht, je in verschiedener
Weise das Schema der vier Weltzeitalter verwendet. In Kap. 2
wird dieses in einer recht auffallenden Weise durch das sta-
tische Bild einer Monumentalstatue gezeichnet, deren Haupt
aus Gold, deren Brust aus Silber, deren Bauch und Lenden
aus Erz u n d deren Schenkel und Füße aus Eisen sind. (Die
Zufügung von T o n bei den Füßen ist einer nachträglichen
Erweiterung zu verdanken.) In der Deutung wird das auf die
Abfolge des babylonischen, medischen, persischen und griechi-
schen Reiches gedeutet. Das Schema dieser Abfolge der Welt-
reiche, das, in Medien entstanden, ursprünglich aus jener Per-
spektive heraus Assur-Medien-Persien-Griechenland nannte, ist
auch in römischen Quellen zu finden. Mit seiner Vierzahl meint
es nicht nur eine beliebig herausgegriffene Teilzahl, sondern
die Totaütät. In den vier Reichen von Kap. 2 ist die Totaütät
der Großreichgeschichte umfaßt 1 4 .
In der Erwähnung des absteigenden Wertes der Metalle aber
verbindet sich damit eine zweite Gedankenlinie. Diese tritt
auch in Hesiods Weltalterlehre, welche ebenfalls die Metalle
zur Kennzeichnung der dort nicht völkerpoütisch festgelegten
Weltzeitalter aufführt, heraus: der Gedanke des absteigenden
Wertes. Die Welt ist durch die vier Zeitalter hin auf einem
Wege der Depravation und der immer größeren Gerichtsreife.
Im jähen Gericht über den letzten Vertreter des vierten Zeit-
alters vollzieht sich dieser Vorgang.
Diese Hintergründe sind noch viel deutlicher in dem ungleich
bewegteren Bild von Kap. 7 zu erkennen. Vier Tiere von
immer geringerem Adel, aber sich steigernder Grausamkeit
steigen aus dem Meer, dem alten Bereich der Chaosmacht, her-
auf. Am Ende der vier durch Tiere repräsentierten Weltmacht-
zeiten aber steht das himmlische Gericht, in welchem dem von
oben her auf den Wolken des Himmels kommenden Menschen
(söhn) Macht und E h r e und Reich gegeben werden. Hier ist der
Abbruch der alten, von unten, von der Chaosmacht herkom-
menden, durch immer gräßÜcher gestaltete Tiere dargesteUten

159
Welt der Mächte als eines Welt- und Geschichtsganzen unüber-
sehbar zum Ausdruck gebracht.
Das Neue, was an die Stelle des Alten tritt, ist in Kap. 2 durch
den ohne Menschenhand geschleuderten Stein, der zu einem
großen Berg wird und die ganze Erde füllt, wenig anschaulich
dargestellt. In dem Stein soU wohl der Gedanke der Festigkeit
und Zuverlässigkeit zum Ausdruck gebracht werden. In der
Deutung wird das dahin ausgelegt, daß „der Gott des Himmels
ein Königreich aufrichtet, das in Ewigkeit nicht zerstört wird.
Das Königtum geht auf kein anderes Volk über; es zermalmt
und beseitigt alle diese Königreiche" (2,44). Ungleich spre-
chender ist in Kap. 7 schon in der Bildsprache das Neue in
der Gestalt eines Menschen, der von oben her kommt, zum
Ausdruck gebracht. Von diesem wird gesagt: „Ihm wurde
Macht verliehen und Ehre und Reich, daß die Völker aller
Nationen und Zungen ihm dienten. Sein Reich ist ein ewiges
Reich, das niemals vergeht, und nimmer wird sein Reich zer-
stört" (V. 14). In der Deutung aber wird gesagt: „Und das
Reich und die Herrschaft und die Macht über alle Reiche unter
dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiügen des Höchsten
gegeben werden. Ihr Reich ist ein ewiges Reich, und alle Mächte
müssen ihnen dienen und ihnen Untertan sein" (V.27). Hier ist
mit aller Deutlichkeit der vergehenden, unter das Gericht fallen-
den Welt der Mächte die kommende neue Welt des Gottesvolkes
entgegengestellt, einem alten, vergehenden Äon der neue, kom-
mende Äon. Wie sehr dieses Neue kraft der göttlichen Schöpfer-
herrüchkeit in der Tat bisher Unerhörtes bedeutet, wird in den
abschließenden Aussagen der letzten großen Offenbarung voll
erkennbar. Diese redet von der endgültigen Befreiung des
Volkes Gottes: „In jener Zeit wird dein Volk errettet werden,
ein jeder, der sich aufgezeichnet findet im Buche (des Lebens)."
Damit ist aber hier das Geschehen der Auferstehung verbunden,
das die Welt des Todes sprengt. Die Fortsetzung lautet: „Und
viele von denen, die schlafen im Erdenstaube, werden erwachen,
die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu
ewiger Abscheu. Die Weisen aber werden leuchten wie der
Glanz der Himmelsfeste und, die viele zur Gerechtigkeit ge-
führt, wie die Sterne immer und ewig" (12,1—3).

160
Stellen wir die Frage, woraufhin der Glaube der Apokalyptik
so entschlossen auf die Wende der Äonen, die dem Volke
Gottes Freiheit und Erlösung bringt, zu hoffen wagt, so ist
in diesen Kapiteln keinerlei heilsgeschichtliche Begründung
gegeben. Gedanken in dieser Richtung finden sich lediglich
in dem langen Gebet Daniels von Dan. 9, dessen ursprüng-
üche Zugehörigkeit zu seinem Kontext aber fragüch ist. Das
Wissen um die Treue Gottes zu seinem Volk steht aber ganz
undiskutiert als nicht weiter expüzierte Gewißheit hinter allem
Reden. Nur in der Schlußoffenbarung kann man den Vorhang
für einen kurzen Augenblick gelüftet sehen, wenn 10,21 und
12,1 davon reden, daß Michael, der große Fürst, in der Engel-
welt und dem sich dort abschattenden Kampf der Völker-
mächte für das Volk Gottes eintritt. Unter der Vielheit der
jenseitigen Mächte, so wird diese Aussage vielleicht ent-
faltet werden dürfen, hat der Gott des Himmels den Mäch-
tigsten, Michael, den großen Fürsten, zum Helfer Israels be-
stimmt.
In all dem bisher Ausgeführten ist die „Hoffnung" in ihrem
gegenständlichen Charakter — dem Ausschauen nach der von
Gott erwarteten Zukunft, zu Gesicht gekommen.
Die Frage wird sich hier abschüeßend aber melden: Wie sieht
denn unter solcher Erwartung des Menschen persönüches
Hoffen aus? Gibt es in der bedrängten Notzeit und angesichts
der gewaltigen Zusagen bevorstehender göttlicher Zukunft
für den „Hoffenden", der weiß, daß Gott den Ablauf der
Dinge fest bestimmt hat und daß kein Mensch diesem Ablauf
mehr in die Speichen zu fallen vermag, etwas anderes, als mit
im Schoß gefalteten Händen ganz einfach zu warten? Der
Apokalyptiker bleibt auch hier die Antwort nicht schuldig.
Er weiß, daß in der Tat das wartende Ausschauen („Geduld
und Glaube der Heiügen", wird Offenb. Joh. 13,10 es formu-
Üeren) das Kennzeichen menschlicher Haltung unter seiner
Verkündigung ist. Aber dieses Ausschauen ist nicht stumpfes
Zuwarten und leeres Zeit-Zerschlagen. Vielmehr hält dieses
Warten den Bück stracks auf den Gott, der die Zukunft ver-
heißt, gerichtet und sucht zugleich in dem kleinen Spielraum
eigener Lebensentscheidung, auch wenn diese keine Geschichte

161
mehr zu wenden vermag, in Geduld Gott gehorsam zu sein
und Gottes Ehre hochzuhalten.
So sind denn die Legenden von Dan. 1—6 nicht nur zufälüg .
die Grundlage der apokalyptischen Erweiterung des Daniel- j
buches geworden. So sehr noch zu erkennen ist, daß sie nicht
in der Zeit der höchsten feindÜchen Spannung zum fremden
Oberherrn Antiochus IV. entstanden sind, sondern im ganzen
ein viel beruhigteres Verhältnis zur heidnischen Obrigkeit
voraussetzen, so sehr bekommen diese Geschichten v o n der
Glaubenstreue Daniels und seiner drei Freunde doch auch
gerade in ihrem neuen Zusammenhang ihren Sinn. Der har-
rende Glaube kann auch in der makkabäischen Anfechtungs-
zeit nicht anders reden als die drei Männer, die sich angesichts
der Drohung, in den brennenden Feuerofen geworfen zu
werden, weigern, das Standbild, das Nebukadnezar errichtet
hatte, zu verehren. „Wenn das geschieht (nämlich, daß wir
in den Feuetofen geworfen werden), so vermag unser Gott,
dem wir dienen, uns aus dem brennenden Feuerofen zu retten,
ja, er wird uns aus deiner Hand erretten, o König. Tut er es
aber nicht, so magst du, o König, wissen, daß wir deinen
Göttern doch nicht dienen und das goldene Bild, das du er-
richtet hast, doch nicht anbeten werden" (3,17 f.). Hier ist
beides wieder in schier unerträglicher Spannung nebenein-
ander ausgesprochen: Gott kann die ihm Angehörenden auch
aus dem Feuer retten, und er will es auch. Zugleich aber ist
er der Freie, der Macht hat, die Dinge nach seiner geheimnis-
vollen Weisheit zu lenken. Des Menschen Gehorsam bleibt
aber auch angesichts dieser Freiheit gehorsam bei Gott.
Nochmals ist hier auf ganz anderer Ebene die Absage an
jenes Denken der weisen Freunde Hiobs, das Gott in eine
berechenbare Ordnungswelt einfängt, erteilt. Hoffnung hofft
auf Gott — den Gott, dem sie in ihrem Hoffen seine Freiheit
nicht raubt, so sehr sie unverrückt um die Zusage Gottes zu den
Seinen weiß und sich an sie klammert. Auf diesem Grunde
ruht auch das Hoffen des Apokalyptikers.

162
X L Gespräch mit E r n s t Bloch

Die Frage nach der Hoffnung des Menschen, die uns auf dem
Gang durch die verschiedenen Teile des Alten Testamen-
tes hin geleitet hat, ist in unseren Tagen durch das große
Werk v o n Ernst Bloch mit dem Titel „Das Prinzip Hoff-
n u n g " 1 besonders eindrücküch gestellt worden. Einer Zeit,
die von der Furcht bestimmt ist, ruft er zu: „Es kommt dar-
auf an, das Hoffen zu lernen." 2 Es gilt, das falsche vom echten
Hoffen unterscheiden zu lernen, denn: „Corruptio optimi
pessima: die schwindelhafte Hoffnung ist einer der größten
Übeltäter, auch Entnerver des Menschengeschlechts, die kon-
kret echte sein ernstester Wohltäter." 3 Blochs Absicht ist es
dabei nicht, ein ganz Neues, so noch nie von des Menschen
Geist Berührtes hinzustellen. „Das gute Neue ist niemals so
ganz neu. E s wirkt weit über die Tagträume hinaus, von
denen das Leben durchzogen, die gestaltende Kunst erfüUt
ist. Utopisch Gewolltes leitet sämtliche Freiheitsbewegungen,
und auch alle Christen kennen es in ihrer Art, mit schlafendem
Gewissen oder mit Betroffenheit, aus den Exodus- und mes-
sianischen Partien der Bibel." 4
Hier ist der Bibelleser herausgefordert und nach seinem Ver-
ständnis der Bibel gefragt. Um das Gespräch, das in diesen
Worten gefordert wird, soll es in dieser letzten Vorlesung
gehen —• das Gespräch über dem von Ernst Bloch zum Zeugen
für seine DarsteUung des Prinzips Hoffnung angerufenen
Wort der Bibel. Es wird sich dabei auch in diesem letzten
Gang des Nachdenkens in klarer Eingrenzung ledigüch um
das Gespräch im umrissenen Bereich des Alten Testamentes
handeln. In seinem AppeU an die Exodus- und „messiani-
schen" Partien det Bibel hat Bloch ja das Alte Testament,
dem diese beiden Bezeichnungen entstammen, in ganz beson-
derer Weise für das „Prinzip Hoffnung" reklamiert.
Allem Folgenden sei die Zusammenfassung vorangestellt, mit
der Bloch am Schlüsse seines Buches umschreibt, wie er im

163
Gefolge von Karl Marx „die Entwicklung des Reichtums der
menschüchen Natur", in die hinein fundamental das Prinzip
Hoffnung gehört, meint sehen zu müssen. „Dieser menschliche
Reichtum wie der von Natur insgesamt üegt einzig in der
Tendenz-Latenz, worin die Welt sich befindet — vis ä vis
de tout. Mit diesem Bück also gilt: Der Mensch lebt noch
überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor
Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis
ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst an-
zufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, d. h.
sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist
der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und
überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne
Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begrün-
det, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit
scheint und worin noch niemand war: Heimat." 5
Das zentrale Stichwort, unter dem Bloch das Alte Testament
glaubt verstehen zu müssen, lautet, wie in einem der eingangs
gehörten Zitate zu vernehmen war, „Exodus". Neben dem
Geschehen des Exodus steht Mose, der erste Führer in Frei-
heit und Gesetzgeber. „Was erzählt denn die Schrift, sogleich
nachdem sie geschichtÜch wird? Sie erzählt von den Leiden
eines versklavten Volkes, es muß Ziegel schleppen, auf dem
Feld fronen, ,und wurde ihnen ihr Leben sauer'. Moses tritt
auf, erschlägt einen Fronvogt, es ist die erste Handlung des
nachmaligen Stifters, er muß außer Landes. Der Gott, den er
in der Fremde imaginiert, ist bereits von Haus aus kein Herren-
gott, sondern einer freier Beduinen, im Sinaigebiet des keniti-
schen Nomadenstamms, in den Moses eingeheiratet hatte.
Jahwe beginnt als Drohung an den Pharao, der Vulkangott
des Sinai wird bei Moses zum Gott der Befreiung, des Aus-
zugs aus der Knechtschaft. Exodus dieser Art gibt der Bibel
von hier an einen Grundklang, den sie nie verloren hat." 6
Im Zusammenhang mit dieser Herkunftsbestimmung stellt
Bloch einerseits fest, daß „Erinnerung an nomadische, also
halb noch urkommunistische Einrichtungen" in keinem Buch
,so stark erhalten bleibt, wie in der Bibel." 7 Diese Erinne-
tung lebt auch in der Folge je und je wieder auf, nachdem

164
man ins Land Kanaan gekommen ist, in dem Privateigentum
entsteht. I n Hoseas und Jeremias Verkündigung ist die Erinne-
rung an die Wüstenzeit als die gute Brautzeit Israels zu hören.
Auf der anderen Seite aber ist es für Bloch wichtig, daß mit
dem Auszug nicht allein die Kategorie „Front" aufbricht, an
der das Neue der Bewegung sich in „miütantem Optimismus"
gegen die Statik des Beharrenwollens absetzt, sondern eben
darin der Begriff der Neuheit, der gewiß auch anderswo auf-
taucht, gesetzt ist. „Das Neue . . . geht durch die Erwartungen
fast sämtlicher Religionen, soweit primitives, auch altorientaü-
sches Zukunftsbewußtsein überhaupt richtig verstanden wer-
den kann; es durchzieht die ganze Bibel, von Jakobs Segen
bis zum Menschensohn, der alles neu macht, und dem neuen
Himmel, der neuen E r d e . " 8 Enthält das Reügiöse schon ganz
allgemein die Empfindung der Begegnung mit dem Fremden
(„Dieses Entlegene, ja eben dieses Grauen der Schwelle gehört
zu jeder reügiösen Beziehung, oder sie ist keine") 9 , so kommt
in der Tat der Herausführung und der dann folgenden Gesetz-
gebung der revolutionäre Sprung in ganz Neues voll zur Gel-
tung. „Mit Moses geschah ein Sprung im reügiösen Bewußt-
sein, und er ward durch ein Ereignis vorbereitet, das den bis-
herigen Reügionen, den Reügionen der Weltfrömmigkeit oder
des astralmythischen Schicksals, das entgegengesetzteste ist:
durch Rebellion, durch den Auszug aus Ägypten. So und nicht
etwa als Nimrod oder als riesig sich hervorhebender Medizin-
mann wurde Moses der erste heros eponymos, der erste namen-
gebende Urheber einer Religion als sich entgegensetzender. Andere
spätere Reügionen des Gegensatzes, wie die kriegerische Zoro-
asters, die akosmische Buddhas, sind für Europäer überhaupt
nur vom Exodus-Archetyp her verständüch." 1 0
Im „Exodus"-Stichwort ist somit für Bloch ein Doppeltes be-
faßt. V o m christlichen Glauben kann er einmal sagen: So
„ist das Wunderwesen Christi über sein temporäres Weltbild
hinaus mit dem heute noch vorsteUbaren in zwei Haupt-
punkten geeint: Im Formalen der Unterbrechung, im Materialen
des schlechthin guten Inhalts"11. Die Kategorie der Unterbrechung
wird auch vom Wunder wachgehalten: „Sosehr das Wunder-
wesen (im Mittelalter) . . . auf banalen Okkultismus herunter-

165
gekommen ist . . ., so bedeutsam enthält der Wunderbegriff
doch außer seinem transzendenten Aberglauben den ganz und
gar nicht abergläubischen, den vom Sprengglauben herstammenden
Begriff des Sprungs. Genau der Begriff des Sprungs ist vom
Wunder her gelernt worden." 1 2 So ist der durch Mose ge-
führte Exodus auf der einen Seite ein erstes und die ganze
Folge bestimmendes Phänomen des Sprunges. Zugleich ist in
der Tat des Mose aber auch das „Materiale des schlechthin
guten Inhaltes" zu finden. „ E i n versklavtes Volk, das ist hier
die Not, die beten lehrt. Und ein Stifter eben erscheint, der
damit beginnt, daß er einen Fronvogt erschlägt. So stehen
hier Leid und Empörung am Anfang, sie machen von vorn-
herein den Glauben zu einem Weg ins Freie. Der Sinaigott,
von den Kenitern übernommen, blieb durch Moses nicht der
Lokalgott eines Vulkans, er wurde zum Geist des Exodus."13
Dieser Geist des Exodus nun aber wird inhaltlich erkennbar
im Dekalog. „Ebenso wie der Exodusgott mosaisch ist, nicht
kenitisch, ebenso ist im Grundstock des Dekalog eine Schöpfung
Mosis erhalten, nicht ein Sittenkodex der Kanaaniter oder
auch, noch weiter hergeholt, des altbabylonischen Großherren
Hammurabi, dessen Gesetzbuch, um 2100 14 , ungefähr soviel
mit dem Dekalog gemein hat wie das Corpus juris mit der
Kantischen Moral . . . Nicht in Kanaan vorhanden war die
ungebrochene Gemeinschaftsethik, die Moses formuüert.. ." 1 5 .
Das gilt, auch wenn zu sehen ist, daß manches erst in der Folge
schärfer heraustrat. „Ein Satz wie dieser: ,Du sollst deinen
Nächsten heben wie dich selbst' (3. Mos. 19,18), eine solche
Verdichtung der zehn Gebote in eines hat aber auch in der
U r k o m m u n e nur erst ihren noch bewußtlosen Anfang; die
Bewußtmachung und fast greUe Statuierung ist Mosis Werk.
Als dieses wurde es auch von Israel im Gedächtnis behalten." 1 6
Möchte man nun aber das bisher Ausgeführte dahin verstehen,
daß durch die revolutionäre Tat des Mose das in der Frühzeit
der Stämme im Beduinenbereich schon angelegte Element der
Gemeinschaftsethik, die „ U r k o m m u n e " revolutionär neu zur
Geltung gebracht würde und daß es sich also in der Folge nur
darum handelte, diesem alten Erbe immer wieder Gültigkeit
zu verschaffen, dann würde man Bloch entscheidend mißver-

166
stehen. D e r „Sprung" in der Tat Moses führt in wirküch
Neues, das auch seinerseits nicht etwa verabsolutiert und zum
endgültigen Ziel gemacht wird. Vielmehr wird im „ E x o d u s "
das immer erneute Oftensein für Neues ganz besonders voU
manifest. „ D u r c h den Einsatz Moses hat sich der Heilsinhalt
geändert, der den heidnischen Religionen, besonders den
astralmythischen, ihr volles fertig-äußeres Ziel ausgemacht
hatte. Statt des fertigen Ziels erscheint nun ein verheißenes, das erst
erworben werden muß; statt des sichtbaren Naturgotts erscheint ein
unsichtbarer der Gerechtigkeit und des Reichs der Gerechtigkeit "V1
Die Bedeutung des Exodus besteht ja gerade darin, daß hier
Hoffnung auf Zukunft, der man entgegengeht, aufgetan wird.
„Kanaan" ist das Stichwort für diese Zukunft, der Israel, und
in Israel der Mensch, entgegengeht.
Dieses Wesen des Hereinrufens in sich immer neu erschüe-
ßende Zukunft, die dann später am vollsten mit dem Stich-
wort des „Reiches" gekennzeichnet wird, sieht Bloch auch in
der Offenbarung des Gottesnamens, die Mose nach Ex. 3,14
zuteil wird, ausgesagt. Wenn sich hier Jahwe dem Mose auf
die Frage nach seinem Namen als 'ihjlh 'aflr 'ihjlh vorstellt,
was Bloch mit „ich werde sein, der ich sein werde" überträgt,
so gibt er damit seine restlose Unterschiedenheit von all den
anderen Göttern, sowohl dem G o t t des nach Bloch um 450
verfestigten Gesetzes der Rabbinen wie auch dem Herrengott
der landsässigen Israeliten, in dem sie im Grunde Baal an-
beteten, zu erkennen. Hier sagt sich G o t t in seinem eigent-
üchsten Wesen aus. Diese Namensdefinition „entspringt ihrem
Sinn nach keinem Priesterkodex, sondern dem ursprünglichen
Exodusgeist selbst" 18 . Was immer über die Zeit der Entste-
hung dieser Namenserklärung zu sagen sein mag, die Zu-
fügung ist „hier autochthon, nämüch Auslegung einer realen
Intention, der gleichen, die den Lokalgott des Sinai ins Futu-
rum Kanaan, als in seine ferne Heimat, sich bewegen üeß" 1 9 .
'Ihjlh 'aflr 'ihjlh „stellt bereits an die SchweUe der Jahwe-Er-
scheinung einen Gott vom Ende der Tage, mit Futurum als
Seinsbeschaffenheit" 20 . So kann denn Bloch von diesem
Namen her geradezu von dem Deus Spes reden, d. h. dem
Gott, dessen Wesen „Hoffnung" ist.

167
Von hier aus ist auch alles weitere, was Bloch im Alten Testa-
ment heraushebt, zu verstehen. Von hier aus ist es zu ver-
stehen, wenn er von den „halbnomadischen, den Beduinen
noch nahestehenden Opponenten . . . , ungefügen und ab-
gesonderten Gestalten, den sogenannten Nasiräern" redet,
oder den „Rehabiten, einen Stamm im Süden, der der Üppig-
keit und Geldwirtschaft Kanaans ferngebüeben war, dem
alten Wüstengott Treue hielt"21. In diesen Opponenten,
Rebellen gegen den Glauben des im Lande sitzenden Volkes,
spricht sich nach Bloch nicht Rückwendung zum Alten, kon-
servatives Festhalten an einer vergangenen sozialen Kultur-
stufe — und wäre es auch der gute alte Beduinenkommunis-
mus — aus, sondern Aufbruch, Zuwendung zu Neuem, Oppo-
sition gegen Unmenschüchkeit, gegen eine böse Sozialstruktur,
aus der man in neueres, richtigeres Leben aufbrechen will.
Deutüch ist das bei den Propheten. In ihnen flammt der Pro-
test gegen die „Hinwendung von dem gleichsam vorkapitaü-
stischen Jahwe zu Baal, auch zu jenem Herren-Jahwe, welcher
Baal um den Preis besiegt hat, daß er selbst zum Luxusgott
geworden ist" 22 am hellsten auf. „Amos, der von sich selber
sagt, er sei ein armer Kuhhirte, der Maulbeeren abliest, ist
unter den Propheten der älteste . . ., vieUeicht der größte:
und sein Jahwe setzt den roten Hahn. ,Ich will ein Feuer in
Juda schicken, das soll die Paläste in Jerusalem verzehren . . .
Darum daß die Gerechten um Geld und die Armen um ein
paar Schuhe verkauft werden. Sie treten den Kopf der Armen
in Kot und hindern den Weg der Elenden' (Amos 2,5—7)." M
Hier ist es ganz deutüch, daß nicht in der Haltung der Rück-
wendung verkündet wird, sondern im Zusammenhang der
Erwartung. „Der Tag ist gewiß, wo der Geist der Befreiung
wieder lebendig wird, Jahwe als Exodusgott."24 So wird nun
auf jenen Tag gewartet, da das Gesetz von Zion ausgeht und
die Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden. „Der
Inhalt der biblisch intendierten Zukunft ist aUen Sozialutopien
verständüch gebüeben: Israel wurde zur Armut schlechthin,
Zion zu Utopia. Die Not macht messianisch."26 So schüeßt
denn hier auch die messianische Erwartung an, die im Neuen
Testament von der Erscheinung Jesu her voll aufgenommen

168
wird. Hier beginnt die Erwartung des Reiches lebendig zu
werden — eines Reiches, das nicht spirituaüsierend jenseitig
zu mißdeuten, sondern als ein Geschehen „auf dem gleichen,
hier befindlichen Schauplatz?'2* verstanden sein will.
Diese schüeßüch weltweiten Perspektiven der Hoffnung sind
gegenüber den Anfängen des Glaubens Israels nichts Fremdes:
„Bei Moses bereits bleibt . . . Deus Spes angelegt, auch wenn
das Bild eines letzten Führers aus Ägypten, also des Messias,
erst tausend Jahre später auftritt; der Messianismus ist älter
als dieser Messiasglaube."27 In dieser Ausweitung der Hoff-
nung auf die ganze Welt gelangt die Intention der Propheten
zu ihrer richtigen Auswirkung. In offener Polemik gegen
Moses Hess und den neueren Zionismus formuüert Bloch:
„Überall ist Zion nach der Intention der Propheten, und der
Lokalberg in Palästina ist längst ein Symbol geworden . . .
Zionismus mündet im Soziaüsmus, oder er mündet überhaupt
nicht." 28
In diesem Rahmen wollen darum auch die Erwartungen des
wiederzugewinnenden Paradieses auf Erden gesehen sein. Ist
zunächst das Land Kanaan für die vom Exodus Herkommenden
das Ziel paradiesischer Erwartung, so fügt sich später die
messianische Beziehung dazu: „Erst am Ende der Geschichte
erscheint Kanaan ganz, mlt dem ^crS Zion in der Mitte; . . .
am Ende der Tage ist das irdische Paradies wieder offen. Es
erscheint wieder und wird betretbar, indem das himmüsche
Jerusalem auf die Erde fährt (Off. Joh. 21,2), doch aber erst
am Ende der Zeiten."29
Dieser Deus Spes nun, der hoffend in Zukunft ausschreiten
läßt, hat wesensmäßig einen großen Feind: den Schöpfergott,
der am Anfang seine gute Welt geschaffen hat. Nach Bloch
verkörpert sich in Gen. 1, dem Kapitel, das vom Bau der
Welt unter immer wiederholtem Hinweis daraufredet, daß gut
war, was Gott geschaffen, die eigentüche Gegenverkündigung
zum Deus Spes. Der Baumeistergott Ptah in Ägypten und der
babylonische Reichsgott Marduk standen nach Bloch dem
priesterlichen Bericht von Gen. 1 zu Gevatter. „Der baby-
lonische Reichsgott Marduk kam als Ordnungsgründer zu
dem Weltgründer Ptah hinzu, der vortreffliche Kosmosregent

169
zu dem vortreffüchen Kosmosstifter, aUes vom Eingang und
Anfang der Welt an schon fehlerfrei voUendend, mit Scheidung
der Wasser des Himmels und der Erde, mit Ausgestaltung
der Erde. N u n erst war der Eingang der Welt, eben ihre an-
gebliche Vollkommenheit, wie sie keines Hauses auf der ande-
ren Seite, keines Exodus aus dem Vorhandenen zu bedürfen schien,
auch in der Bibel gesetzt. . . Die Vortreffüchkeit wird aber in
der Bibel nur ein einziges Mal erwähnt (l.Mos. 1,31) , . . . das
Weltkunstwerk selber, das durch den höchsten Gott voll-
endete, stammt eben aus dem Gegenland der Bibel: Aus Ägypten-
Babylon. D e n n : bereits Jahwe als Gott des Exodus aus Ägyp-
ten steht zur vorhandenen Welt als Maß fremd, sein Kanaan
ist nicht der Kosmos. Erst recht unfreundüch, um nicht zu
sagen rebellisch zum fertigen Kosmos, vor allem zu dem den
Juden auf Erden gewordenen, verhält sich der Jesajagott, der
einen neuen Himmel und eine neue Erde verheißt, daß man
der vorigen, also der der Genesis, nicht mehr gedenke (Jes.
65,17). Und nur diesem Haus der anderen Seite, dem Kanaan, das
den Exodus vor sich haben sollte, war die nichtheidniscbe Bauhmst,
als Anti-Ägypten katexochen, zugeordnet"3®
N o c h fehlt im Bilde der bibüschen Rede vom Deus Spes, wie
Bloch sie skizziert, ein ganz wesentlicher Zug. E. Bloch über-
schreibt das 53. Kapitel seines „Prinzip Hoffnung" mit dem
Titel „Wachsender Menscheneinsatz ins reügiöse Geheimnis
in Astralmythos, Exodus, Reich; Atheismus und die Utopie
des Reichs" 3 1 . In seinem Hineinhören in die Aussagen der
ReÜgion und im besonderen auch gerade des bibüschen
Wortes glaubt Bloch ein zunehmendes Hineintreten der
menschüchen Stifter selber in die von ihnen verkündete
Botschaft feststeüen zu können. „Die Glaubensstifter setzen
sich selber wachsend in ihr Ganz Anderes ein, schlagen es
wachsend zum Geheimnis eines menschlichen oder mit Men-
schen vermittelten Inhalts. Dazu wirkt die Kraft dieser
freien, der Ruf dieser andächtigen Eindringung, das: ,Ich lasse
Dich nicht, D u segnest mich denn' (l.Mos. 32,27)." 3 2 Die
Formuüerung macht ganz deutüch, daß Bloch hier nicht an
den Prozeß einer aufklärerischen Säkularisation denkt, welche
das Geheimnis des Numinosen schüeßüch in einem aUein dem

170
Intellekt hörigen Atheismus hohnlachend beseitigte. Auch da,
w o er formuliert: „Wie oft hat in dieser Eindringung der
Mensch erkannt, daß er besser ist als seine Götter" 3 3 , will er
darauf hinweisen, daß aus solchem Überrunden der Götter
„das Stiftertum eines neuen Mysteriums" M entsprang. „ N u m e n ,
Numinosum, Mysterium, gar Nein zur vorhandenen Welt
sind nie ein anderes als das geheime Humanum selber. Wohlver-
standen, das geheime, das sich noch verborgene, das durch
den Sprung des Ganz Anderen v o m bekannten und seiner
immanent-gewohnten Umwelt verschiedene." 3 6 Bleibt in sol-
chem Zulaufen auf das Ziel der Hoffnung unterwegs auch der
Gottesglaube auf der Strecke, so bleibt doch „das Reich . . .
der religiöse Kernbegriff" 36 . Die „Hoffnung in Totaütät" hat
offenen Raum für das Hineilen auf das erfüllte Humanum.
„Die religiöse Reichsintention als solche involviert Atheismus,
endlich begriffenen."3"1 Am Ziel des Weges steht nicht das
mysterium des deus absconditus, sondern dasjenige des homo
absconditus. Dieses aber nun nicht in einem erdfeindüchen,
spirituaÜsierten Sinne, sondern in der ganz unmittelbaren,
revolutionären Zuwendung zur neuen O r d n u n g des Men-
schentums in einer klassenlosen, wahrhaft menschüchen Ge-
sellschaft. So daß Bloch von da aus dem Zionismus, der nach
Jerusalem blickt, ganz kraß entgegenhalten kann: „Ubi Lenin,
ibi Jerusalem." 3 8 In dieser Realistik der Ausrichtung auf
menschliches Gestalten der Welt will der Satz verstanden sein:
„Ohne Atheismus hat Messianismus keinen Platz"39
Solchen Einsatz des Menschen ins Religiöse sieht Bloch im
bibüschen Bereich anheben. „Der dionysische Stifter ver-
schäumt vor seinem Naturgott, der astralmythische verschießt
vor ihm, und selbst Buddha, die große Selbsterlösung, ver-
sinkt am Ende im Akosmos Nirwana. Moses dagegen ^»/«g/ den
Gott, mit ihm z» gehen, macht ihn zum Exoduslicht eines Volkes;
Jesus durchdringt das Transzendente als menschlicher Tribun, utopi-
siert es z»m Reich." 40 In Moses rettender Führung seines Volkes
ereignet es sich über dem G o t t v o m Sinai: „ D e r Lokalgott
wird von seinem Boden abgehoben, er wird durch seinen
Theurgen Moses zur Wolke und Feuersäule, die sich mit einem
ihm ursprünglich fremden Volk v o m Sinai ins Unbetretene

171
fortbewegt."41 So gewaltig „hat sich der Heilsinhalt durch den
Einsatz Mosis geändert" 42 . Auch bei den Propheten ist dieses
zu sehen. Weil sie im Unterschied zur Kassandra, die ein
dumpfes Geschick verkündet, um den Gott „Ich werde sein,
der ich sein werde" wissen, werfen sie sich in den dadurch
geschaffenen Raum der Freiheit: „Das Schicksal kann durch-
aus gewendet werden; vor allem Jesajas lehrt es als von der
menschlichen Moral und ihrem Entschluß abhängig." 43 Mit
dieser „moraüschen Einschaltung in die Schicksalsweise" wird
„ein Gegenzug der Freiheit eröffnet. . . Dergleichen ist aus-
gesprochen gegen das Fatum gerichtet, ja verhüllterweise
gegen seinen Herrn, den immer mehr zur Gerechtigkeit ge-
brachten"44.
Am Gewaltigsten aber glaubt Bloch dieses Geschehen im
Alten Testament in der Rebelfion Hiobs, des hebräischen
Prometheus sehen zu können. Hier wird der Exodus radikal.
„Hat nicht . . . das Buch Hiob . . . dem Mosesglauben ein
völÜg anderes zugefügt, nämlich die Verneinung seiner? Als
Absage an seine Frohbotschaft, als Empörung — und jetzt
nicht nur gegen Pharao oder Baal und Beüal, sondern gegen
den Jahwe der scheinbaren Gerechtigkeit selber? . . . Weder
die lahmen Korrektheiten und traditionellen Harmonien seiner
Freunde noch auch der Gewittersturm, worin Jahwe seine
disparate Erhabenheit kundgibt, retten den Glauben an die
Gerechtigkeit des ehemals so großartig verkündet-verkün-
denden Gottes. Vor einem nicht mehr beschränkt sein wol-
lenden Untertanenverstand schlägt die gewordene inhumane
Theokratie nicht mehr durch." 46 Was aber so zunächst als
Widerspruch gegen die sonstigen Aussagen des Alten Testamen-
tes aussehen möchte, ist „echtes Altes Testament oder Moses im
Contra-Moses"46. Denn hier erreicht die Exoduswirküchkeit
ihre schärfste Form. Zugleich wird sichtbar, so möchte man
es von anderwärts Gesagtem her formuüeren, daß der Deus
Spes eben kein Deus Spei ist, sondern von dem Humanum,
das letzter Inhalt der Spes ist, überwältigt wird. Der Deus
(Gott) verschwindet, wo Spes (Hoffnung) in ihrer letzten Inten-
tion wirklich wird. „Der Exodus wird bei Hiob radikal: nicht
bloß als Messung Jahwes am Ideal seiner Gerechtigkeit und

172
des Reiches der Gerechtigkeit, sondern als Exodus aus Jahwe
selbst in das unbekannte Kanaan, zu dem er das nichtgehaltene
Versprechen war. ,Ich weiß, mein Bluträcher ist am Leben
und wird zuletzt über meinem Staub sich erheben. Der Zeuge
meiner Unschuld wird bei mir sein, und meinen Schuldbefreier
werde ich für mich sehen, mit eigenen Augen sehe ich's und
kein anderer' (Hiob 19,25—27, . . . ) : der Messiasglaube dieses
wohl nicht ohne Grund verderbt überlieferten Texts verläßt
also auch Jahwe — um seiner Utopie willen." 4 7
Vollendet aber wird dieser Weg des Auszugs aus Jahwe, auf
dem unterwegs auch der Prediger zu nennen wäre 4 8 , in der
Stiftung Christi, der sich als der „Menschensohn" in seine
Botschaft einbringt und darin die totale Gleichsetzung der
Stiftung mit dem Stiftungsinhalt vollzieht. „Die Frohbotschaft
wirkte theologisch als Aufhebung der absoluten Gott-Tran-
szendenz durch die Homousie, die Gottgleichheit Christi. Sie
wirkte demokratisch-mystisch als Vollendung des Exodusgotts z»
dem des Reichs, z»r Auflösung Jahwes in diese Herrlichkeit."** In
diesem Zusammenhang kann Bloch dann auch die Lehre der
Naassener oder Ophiten anführen, nach welchen die Paradies-
schlange als subversiv-heilendes Wesen verstanden wurde.
Diese Schlange, die den Menschen zum Wissen von Gut und
Böse führte und welche mit der ehernen, von Mose aufgerich-
teten, heilenden Schlange in der Wüste (Nu. 21,9), die nach
Joh. 3,14 das Bild des erhöhten Christus war, gleichzusetzen
ist, macht nochmals den Gegensatz des Heilandes gegen den
Schöpfungsjahwe sichtbar 50 .
Blochs stürmische Beschlagnahmung des Alten Testaments
fordert zum Gespräch über diesem Buche heraus. Besteht
diese Beschlagnahmung zu recht?
Es ist zunächst wohl kaum zu übersehen, daß Bloch in der
Tat den starken Hoffnungscharakter der alttestamentlichen
Aussagen, die nie nur rückwärtsgewandt sind, sondern immer
wieder eine überraschende Offenheit nach vorne hin verraten,
eindrucksvoll herausgestellt hat. Die eigentliche Frage, die
hier aber unter Zurückstellung aller Detailbemerkungen, die
zu Einzelheiten der exegetischen Erfassung angebracht werden
könnten, gesteUt werden muß, lautet: Wird Ernst Bloch in

173
seiner großangelegten Deutung des Gesamtphänomens Hoff-
nung dem innersten Anüegen, das die alttestamentlichen
Hoffnungsaussagen bewegt, gerecht?
Die in den vorausgehenden Vorlesungen angesteUte Durch-
sicht der alttestamentüchen Aussagen hatte immer wieder mit
einer auffallenden Hartnäckigkeit auf eine Mitte hingeführt,
von der her aUes Reden von Hoffnung gehalten war. Es war
deutüch geworden, wie sehr gerade da, wo der Mensch an die
Grenzen menschlicher Hoffnungslosigkeit geführt wurde, jeder
BÜck sich v o m Menschen und seinen immanenten Möglich-
keiten abwandte. D a war an keiner SteUe ein „Prinzip Hoff-
n u n g " , das in allgemeiner Gültigkeit über oder gar im Men-
schen geglaubt wurde, kein Existential „Hoffnung" im Exi-
stenzverständnis des Menschen noch auch im Verständnis seiner
Welt zu entdecken gewesen. Vielmehr war deutlich geworden,
wie sich der Mensch gerade da, wo die schärfsten hoffnungs-
kritischen Aussagen laut wurden, in einer erschreckenden Rück-
haltlosigkeit aus sich selber heraus, von sich selber weg in den
hinein warf, v o n dessen K o m m e n zu seinem Volk oder im
weitesten Sinn zu der von ihm geschaffenen Kreatur er wußte.
Es ist an dieser Stelle in besonderer Weise das alttestamcnt-
liche Buch zu nennen, das Bloch als Kronzeugen für seinen
„Exodus aus Jahwe selber" anführt, das Buch Hiob. Bei aller
Leidenschaft des Angehens Hiobs gegen die beruhigte Theo-
logie seiner Freunde, die in ihrem Ordnungsdenken auch Gott
seine, gewiß nicht unwichtige Stelle anwiesen, war doch, was
seine Leidenschaft in ihrem Feuer nährte, an keiner Stelle der
Auszug aus Gott, sondern vielmehr das Eifern für Gott, den
Lebendigen, Rätselhaften, den nie einfach in ein noch so ge-
scheites theologisches System einzuspannenden. Diesen Gott,
den Hiob über und jenseits all der Rätsel seines eigenen Er-
leidens als den Gott, der zu seiner Kreatur Ja sagt, wußte und
von dem er sich nicht wegreißen lassen woUte, hatte er als
Zeugen, als Bluträcher und Löser angerufen gegen das kluge
Theologisieren seiner Freunde, das ihm nur als Spott vor-
kommen konnte. Sein Eifern aus der Bedrängnis des eigenen
Lebens, die durch das scheinbar fromme Reden und Beanspru-
chen Gottes durch die Freunde ihre eigentliche Schärfe erfuhr,

174
war nach seiner tiefsten Intention ein Eifern für den lebendigen
Gott. So war denn auch schließlich die Bestätigung aus dem
Munde des Lebendigen selber zu hören, daß Hiob richtiger
geredet habe als seine Freunde.
Neben dieses Wissen Hiobs u m die Wirküchkeit Gottes ent-
gegen aUer menschüch scheinbar noch so klugen Lehre von
Gott möchte man dann gerne im Gespräch mit Bloch jene
Namensoffenbarung Jahwes rücken, die für Bloch so wichtig
ist. Wenn dieser das 'ihjlh 'aflr 'ibjih mit „Ich werde sein, der
ich sein w e r d e " übersetzt und hier den G o t t mit F u t u r u m als
Seinsbeschaffenheit, den Deus Spes meint erkennen zu können,
so könnte man ihm zunächst die grammatischen Einsichten
neuerer Zeit entgegenhalten, die es verwehren, bei dem hebräi-
schen Perfekt und Imperfekt von Tempora im Sinn der deut-
schen Tempuslehre zu reden und die Imperfekt und Perfekt
üeber je als „Aspekte" bezeichnen. Auch so büebe es dann
immerhin noch dabei, daß das sog. hebräische Imperfekt den
Aspekt des Kursiven, Unabgeschlossenen zum Ausdruck bringt,
im Unterschied zum feststellenden Perfekt. Wichtiger aber ist
das andere, daß die Namenserklärung von Ex. 3, 14 die Figur
der ganzen Wortfolge und nicht ein Einzelwort als Etymon,
auch nicht das „ T e m p u s " des dabei gebrauchten Verbs zu
beachten hat. Die Aussage „Ich bin, der ich b i n " will weder
etwas über ein bestimmtes Seins- oder Wirküchkeitsverständnis
aussagen noch das Imperfekt gegen ein perfektisches Ver-
ständnis ausspielen. Die ganze Figur ist vielmehr eine Gesamt-
aussage des Rückweises. Sie verweigert nach ihrem unmittel-
baren Wortlaut eine Antwort in der Weise von Gen. 32,30.
Hier antwortet die nächtÜche Gestalt, mit der Jakob gerungen,
auf die Frage Jakobs nach ihrem Namen mit der Gegenfrage:
„Was fragst du mich nach meinem N a m e n ? " und läßt darin
die Frage Jakobs unbeantwortet. So ist auch Ex. 3,14 als Satz
einer herrischen Zurückweisung durch Jahwe zu hören. Das
Besondere, über Gen. 32,30 Hinausführende der Aussage üegt
dann allerdings darin, daß gerade in diesem Satz der Zurück-
weisung der an ihr 'Ihjlh anküngende Name Jahwe, der durch
diese Stelle eingeführt werden will, geoffenbart wird. Für das
Verständnis des Namens Jahwe wiU somit diese SteUe besagen,

175
daß Jahwe auch da, wo er sich in seinem Namen kundmacht
und nachher durch die befreiende Tat des Exodus in seinem
Heilswillen erweist, nie der von Menschenweisheit und Men-
schentheologie in ein Gesamt-Bezugssystem einzubauende und
in seinem Namen zu fangende Gott ist. Das aber ist der Gott,
mit dessen unfaßücher Freiheit Hiob ringt und den er als den
wahren Herrn gegen seine scheinbar so ungleich wissenderen
Freunde verteidigt. Ob Bloch, wenn er vom Auszug Hiobs
aus Gott redet, weil doch Hiob der Anwalt des wahren Huma-
num ist, das er in sein Gottesverständnis einbringe, damit nicht
gerade im Tiefsten der Anwalt eines Gottes von der Art des
Pseudogottes der Freunde ist, die die Lebendigkeit des wahr-
haft Lebendigen nicht ahnen?
Die gleiche Frage drängt sich einem, wenn ich mit Bloch hier
den Bereich des alttestamentlichen Redens übergreifen und in
das auch von ihm im Gefälle des Alten Testaments gelesene
Neue Testament hinübergehen darf, angesichts seiner Beurtei-
lung Jesu auf. Wenn Bloch die neutestamentüche Verkündi-
gung des Menschensohnes vom Reiche Gottes als den vollen
Einsatz des Humanum ins Religiöse und als den vollendeten
Exodus aus Gott zu bewerten sucht, — ahnt Bloch hier wirk-
üch etwas davon, daß det von ihm zitierte Schrei am Kreuz:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen" ganz
in der Richtung des Hiobschreies gerufen ist — nicht als ein
Ruf des Auszugs aus Gott, sondern als ein Ruf, der sich da,
wo aUes vom Menschen her Begreifbare aufhört, ganz in die
Hände Gottes — des Gottes mit dem verhüllten Gesicht, der
nur Zorn zu sein scheint — wirft? Ist sich Bloch dessen be-
wußt, daß das Preisgeben Gottes um des Humanum willen,
das Preisgeben des geheimnisvoll Größeren um des vom Men-
schen her einsehbaren und zu bilÜgenden Humanum willen
auch strukturell ganz auf der Linie der frommen Freunde
Hiobs üegt, die ihr Zuvor-Wissen gegen die undurchschaubare
Wirküchkeit dessen, der in Wirklichkeit Gott ist, mit so klugen
Argumenten verteidigen? Die voUe bibüsche Botschaft von der
Menschenfreundlichkeit Gottes ist aber nur da zu erfassen, wo
die Soüdarität Gottes mit dem Menschen im Menschensohn
in der voUen Tiefe des Hiobgeschehens erkannt ist.

176
Auf diesem Hintergrunde gewinnt dann aber auch das Reden
v o m Schöpfer ein ganz anderes Gewicht. E s ist zunächst auch
hier zu sagen, daß die Akzente des Schöpfungsberichtes von
Gen. 1 von Bloch nicht wirküch getroffen sind. Von einer
Rechtfertigung der Welt, wie sie heute ist, mit aU ihrem Un-
recht und Übel ist in Gen. 1 nichts zu hören, wenn das
Kapitel wirklich im Zusammenhang des priesterschriftüchen
Geschichtsaufrisses, so wie er in Kap. V dargelegt wurde, ge-
lesen wird. D a ß Gen. 1,31 im Gegenücht v o n Gen. 6,11 ge-
lesen sein will: „Und die Erde ward verderbt vor Gott, und
voll ward die Erde von Gewalttat", wird von Bloch nicht
beachtet, wie denn überhaupt die Kategorie der Sünde bei
ihm bei all seinem leidenschaftüchen Protest gegen das In-
humanum nicht existiert. Diese ist ernstüch nur im Gegenüber
zu dem Verantwortung fordernden Herrn zu erfassen, vor
dem dann auch das Inhumanum erst seine erschreckende Be-
drohüchkeit erhält. Der Deus Spes ist aber kein wirkücher
Gott, vor dem es Verantwortung gäbe. E r ist des Menschen
eigene Hoffnungszukunft, in die dieser in immer neuer Rebel-
üon gegen falsches Stehenbleiben und ungute Statik hinein-
stürmt und zu der hin er sich gerissen weiß. Demgegenüber
gehört zum bibüschen Reden unabdingbar, nicht nur in Gen. 1,
das Wissen um das schlechthinnige Zuvor dessen, der Gewalt
hat, alles vor sich in die Verantwortung zu rufen. Aus dem
Pathos dieses Wissens stammt die prophetische Verkündigung
mit ihrem revolutionären Nein zu der in ihrer Umwelt stabili-
sierten und oft geradezu religiös sanktionierten Inhumanität.
Weil sie etwas vom Ja des Schöpfers zu einer unversehrten
Welt oder, um es in den Kategorien Hiobs auszudrücken, u m
das Ja und Verlangen Gottes nach seiner, in Gottes Intention
unversehrten Kreatur wissen, darum rebelüeren sie auf der
ganzen Linie gegen die Versehrung der göttlichen Kreatur,
gerade auch der Armen und Geringen. Blochs Leidenschaft
für das Humanum trifft ohne Zweifel einen zentralen Nerv
biblischen Redens. Sie verfehlt aber dieses Reden darin, daß
sie nicht erkennt, daß dieses H u m a n u m als H u m a n u m seine
tiefste Gründung in seinem kreatürüchen Gegenüber zu Gott,
dem Schöpfer und Erbarmer, erfahren hat.
Damit wird aber auch der Ort der wahren Gründung mensch-
ücher Hoffnung verfehlt. Ein Deus Spes, bei dem Deus nur eine
Maske ist, die einmal abgeworfen werden muß, bedeutet letztüch
den Verlust der Hoffnung. Hoffnung, das hat Bloch in aUer Schär-
fe gesehen, üegt für den Menschen nur im Ausbrechen in das
Neue, im Überschreiten der Grenze, im Sprung in das andere —
nur daß Bloch hier die letzte Radikaütät der Formulierung nicht
wagt, wonach der Schritt über die Grenze, der Weg ins Neue, der
Sprung in das andere das Transzendieren aUer menschüchen
Mögüchkeit meint. So aber redet die Bibel, wenn sie von der
neuen Kreatur, dem neuen Himmel und der neuen Erde redet.
Blochs Beleuchtung der alttestamentüchen Aussagen enthält
ohne Zweifel eine elektrisierende Gewalt. Sie zwingt ein träge
gewordenes, bei falschen Spirituaüsierungen sich beruhigendes
BibeUesen oder, um Blochs eigene Formuüerung zu gebrau-
chen, „die Christen mit schlafendem Gewissen" zu neuem
Hören (und Tun). Sie zerschlägt jene statische Sicht, welche
Gott meint in ein geschlossen fertiges Weltbild einbauen zu
können und in solcher Statik unweigerlich zur retrospektiv,
einseitig konservierenden Haltung verführt. Sie bleibt aber,
wo sie das letzte Ziel im Auszug aus Gott meint sehen zu
müssen, da sie nur den gedanküch bewältigten Gott des
Gestern, dem das volle Humanum fremd sein soU, zu kennen
scheint, auf halbem Wege stehen. Sie verschüeßt sich der
vollen Rede beider Testamente, nach welcher der Schöpfer
sein Volk im Exodus erbarmend aus der Fron herausgerufen
und sich im Messias zu einer noch viel abgründigeren Soü-
darität mit seiner todverfaüenen Kreatur bekannt und diese in
Zukunft und voUkommene Hoffnung hinein berufen hat. Wo
diese biblische Wahrheit erschaut ist, da wird aus dem ver-
gängüchen Gott mit Futurum als Seinsbeschaffenheit, dem
Deus Spes, der Deus Spei. Dieser Gott, in seiner Seinsbeschaf-
fenheit „der Erste und der Letzte", führt in Zukunft und in das
Novum der neuen Kreatur, des neuen Himmels und der neuen
Erde, in jene Genesis am Ende. Er führt in die Zukunft, die man,
Blochs schöne Schlußworte auch in ihrer ersten Hälfte ganz
wörtlich nehmend, gerne als das beschreiben möchte, „das aUen
in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat".

178

• >ek
Mün
Nachweise
Die Ziffern links am Rande verweisen auf die zugehörigen Seiten

/. Die Frage. Das Vokabular


x
1 Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung. Gesamtausgabe Bd. 5,
Frankfurt am Main 1959 (geschrieben 1938—1947 in den USA,
durchgesehen 1953 und 1959).
8 2 Vgl. etwa J. Moltmann, Theologie der Hoffnung (Beiträge
zur Evangelischen Theologie 38), München 1964, 6. Aufl.
1967, dazu: Diskussion über die „Theologie der Hoffnung"
von Jürgen Moltmann, hrsg. von W. D. Marsch, München
1967. — G. Sauter, Zukunft und Verheißung. Das Problem
der Zukunft in der gegenwärtigen theologischen und philoso-
phischen Diskussion, Zürich-Stuttgart 1965. Hier sind in
Anm. S. 279—281 neben den Arbeiten Blochs zur Frage auch
die wichtigsten Stellungnahmen zu Bloch bis zum Jahre 1963
aufgeführt.
3
Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hrsg.
von G. Kittel, II, Stuttgart 1935, 515ff.
4
I.e. 515f. Anm. 5.
5
1. c. 516.
8
Nach 1. c. 516 Anm. 10.
9 7 Aischylos, Prometheus 248—250. Übersetzung von L. Wolde,
Sammlung Dieterich 17, Leipzig 1938.
8
Dt. 25,4.
10 ' Die Frage ist für das Alte Testament bisher erstaunlich wenig
bearbeitet. Vgl. etwa C. Westermann, Das Hoffen im Alten
Testament. Eine Begriffsuntersuchung, Theologia viatorum
IV, Jahrbuch der Kirchlichen Hochschule Berlin, 1953, 19—
70 ( = Forschung am Alten Testament, Theol. Bücherei 24,
1964, 219—265). — Th. C. Vriezen, Die Hoffnung im Alten
Testament, Theol. Literaturzeitung 78,1953,577—587. — J. van
der Ploeg, L'esp6rance dans l'Ancien Testament, Revue Biblique
61, 1954, 481—507. — Im Register der Theologie des Alten
Testaments von L. Köhler, 4. Aufl. 1966, fehlt das Stichwort
völlig, in der Theologie des Alten Testaments von W. Eich-
rodt I, 5. Aufl. 1957, finden sich für „Hoffnung, messianische"
3 Stellenverweise, in Teil 2/3, 4. Aufl. 1961, fehlt das Stich-
wort ganz. Ebenso in Bd. 1 der Theologie des Alten Testa-
ments, 4. Aufl. 1962, von G. von Rad, während sich im Regi-

179
ster von Bd. 2, 1960, zwei Hinweise (für Jeremia und Deutero-
jesaja) finden. Eine Vorarbeit zu dem hier Vorgelegten bietet
mein Beitrag zu den Studia biblica et Semitica Thcodoro
Christiano Vriezen . . . dedicata, Wageningen 1966,389—403.
Eben ist (während des Druckes der hier vorliegenden Vorle-
sungen) noch neu erschienen: H. D. Preuß, Jahweglaube und
Zukunftserwartung, Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und
Neuen Testament, 5. Folge Heft 7, Stuttgart 1968.
10
12 L. Köhler-W. Baumgartner, Lexicon in Veteris Testamenti
libros, Leiden 1953.
11
Im aramäischen Teil fehlt ein solches ganz.
12
Die Verben, die im Lexikon in der Regel in der 3. pers.
sing, des perf. aufgeführt werden und dort mit zwei a-Lauten
vokalisiert werden, sind hier im folgenden nur mit ihren in
der Schrift verwendeten Konsonanten aufgeführt. Das an der
vorüegenden Stelle genannte sbr ist danach im Lexikon unter
der Form säbar aufgeführt. Auslautendes h hat in den im fol-
genden aufgeführten Beispielen keinen konsonantischen Wert,
sondern ist als Schreibstütze für ein langes vorausgehendes
ä zu verstehen — danach ist kwb als käwäh zu lesen.
13
Wortlaut von Ps. 145,15.
14
13 Wilhelm Gesenius' Hebräisches und Aramäisches Hand-
wörterbuch über das Alte Testament, bearbeitet von F. Buhl,
17. Aufl., Leipzig 1915.
15
p ist nach Vokal als / auszusprechen. Danach ist zu lesen
säfäh (säpbäh).
la
15 Eine andere Zusammenordnung vollzieht allerdings P. de
Boer in seiner „Etüde sur la racine qwh", Oudtestamentische
Srudien 10, 1954, 225—246.
17
16 Nach Anm. 15 zu lesen als sofih (sopbeh).

II. Die Hoffnungsaussagen der Weisheit und des Buches Hiob


l
19 H. Gese, Lehre und Wirklichkeit in der alten Weisheit.
Studien zu den Sprüchen Salomos und zu dem Buche Hiob,
Tübingen 1958. — Les Sagesses du Proche-Orient ancien.
Colloque de Strasbourg 17.—19. mai 1962, Bibliothenue des
Centres d'erudes sup^rieures specialises, Paris 1963.
20 2 H. Ringgren, Sprüche, Das Alte Testament Deutsch 16,
2. Aufl., Göttingen 1967, 1—122. — B. Gemscr, Sprüche Salo-
mos, Handbuch zum Alten Testament 16, 2. Aufl., Tübingen
1963.
3
H. Brunner, Altägyptische Erziehung, Wiesbaden 1957.
22 * Vgl. etwa Gese 1. c. (Anm. 1).
23 5 A. Weiser, Das Buch Hiob. Das Alte Testament Deutsch 13,
5. Aufl., Göttingen 1968. — G. Fohrer, Das Buch Hiob,

180
Kommentar zum Alten Testament, Gütersloh 1963. — Vgl.
auch J. Hempel, Das theologische Problem des Hiob, Zeit-
schrift für systematische Theologie 6, 1929, 621—689 ( = Apo-
xysmata, Beiheft 81 zur Zeitschrift für die alttestamentüche
Wissenschaft, Berlin 1961, 114—173.
27 6 W. Zimmerli, Das Buch des Predigers Salomo, Das Alte
Testament Deutsch 16, 2. Aufl., Göttingen 1967, 123—253. —
K. Galling, Der Prediger, Handbuch zum Alten Testament 18,
Tübingen 1940, 47—90. — H. W. Hertzberg, Der Prediger,
Kommentar zum Alten Testament 17, 4. Aufl., Gütersloh 1963.
29 7 So ist wohl statt des im hebräischen Text lautenden „Ich
warte nicht" zu lesen.

III. Die Hoffnungsaussagen der Psalmen


33 ' H. Gunkel-J. Begrich, Einleitung in die Psalmen. Die Gat-
tungen der religiösen Lyrik Israels, Göttingen 1933. —
H. Gunkcl, Die Psalmen, Göttinger Handkommentar zum
Alten Testament II 2, 4. Aufl., Göttingen 1926. — S. Mo-
winckel, Psalmenstudien 1—6, Videnskapsselskapets Skrifter.
II. Hist.-filos. Klasse, Kristiania 1921—1924. — S. Mowinckel,
The Psalms in Israel's Worship, 2 Bde., Oxford 1962. —
C. Westermann, Das Loben Gottes in den Psalmen, Berlin
1953, dazu einzelne Untersuchungen in C. Westermann, For-
schung am Alten Testament, Theologische Bücherei 24, Mün-
chen 1964. — Vgl. weiter A. Weiser, Die Psalmen, Das Alte
Testament Deutsch 14/15, 5. Aufl., Göttingen 1959. — H. J.
Kraus, Psalmen, Biblischer Kommentar. Altes Testament 15,
2. Aufl., 2 Bde., Neukirchen 1961.
35 2 Text auszugsweise bei H. Greßmann, Altorientalische Texte
zum Alten Testament, 2. Aufl., Berlin 1926, 38—46. Dort
weitere Verweise.
37 3 A. Deissler, Psalm 119 (118) und seine Theologie, München
1955.
40 4 Vgl. etwa Kraus (Anm. 1).
44 5 H. Greßmann 1. c. (Anm. 2) 12—18.
45 6 A. Weiser, Klagelieder. Das Alte Testament Deutsch 16,
2. Aufl., Göttingen 1967, 295—370. — W.Rudolph, Die
Klagelieder, Kommentar zum Alten Testament 17, 3, Güters-
loh 1962. — H. J. Kraus, Klagelieder (Threni), Biblischer
Kommentar. Altes Testament 20, Neukirchen 1956.

IV. Der Mensch und seine Hoffnung nach dem fabwisten


x
51 M. Noth, Uberüeferungsgeschichte des Pentateuch, Stutt-
gart 1948.

181
2
H. W. Wolff, Das Kerygma des Jahwisten, Evang. Theolo-
gie 24, 1964, 75—98 ( = Gesammelte Studien zum Alten Testa-
ment. Theologische Bücherei 22, München 1964, 345—373).
62 s S. Herrmann, Die prophetischen Heilserwartungen im Alten
Testament, Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen
Testament, 5. Folge, Heft 5, Stuttgart 1965.

V. Die Grundlagen der Hoffnungsstruktur der alten Geschichts-


berichte Israels. Der Bericht der Priesterschrift
x
66 V. Maag, Malküt Jhwh, Congress Volume Oxford 1959. Sup-
plements to Vcrus Testamcntum VII, Leiden 1960, 129—153.
2
67 G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexa-
teuch, Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testa-
ment, 4. Folge, Heft 26, Stuttgart 1938 ( = Gesammelte Stu-
dien zum Alten Testament, Theologische Bücherei 8, München
1958, 9—86).
3
Vgl. etwa R. Smend, Jahwekrieg und Stämmebund. Erwä-
gungen zur ältesten Geschichte Israels, Forschungen zur
Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 84,
Göttingen 1963.
4
69 W. Zimmerli, Sinaibund und Abrahambund. Ein Beitrag
zum Verständnis der Priesterschrift, Theologische Zeitschrift
16, 1960, 268—280 ( = Gottes Offenbarung, Theologische
Bücherei 19, München 1963, 205—216).
5
72 Vgl. dazu unten Kap. XI.
81 ' Auch Preuß (Anm. 9 Kap.I) versteht die Zukunftserwartung
des Jahweglaubens entscheidend von der Exodusverkündung
her.

VI. Deuteronomium und deuteronomistische Geschichtsschreibung

82 * M. Noth, Uberlieferungsgcschichtliche Studien I. Die sam-


melnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testa-
ment, Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft,
18. Jahr. Geisteswissenschaftliche Klasse, Heft 2, Halle/Saale
1943.
83 2 A. Alt, Die Heimat des Deuteronomiums, Kleine Schriften
zur Geschichte des Volkes Israel, Bd. 2, München 1953,
250—275.
3
Vgl. etwa die Zusammenstellung bei G. von Rad, Das fünfte
Buch Mose. Das Alte Testament Deutsch 8, Göttingen 1964, 8
87 4 H. H. Schmid, Das Verständnis der Geschichte im Deutero-
nomium, Zeitschrift für Theologie und Kirche 64, 1967, 1—15.

182
88 5 1. c. 9. " 1. c. 10. 7
1. c. 11. » 1. c. 13.
91 » Vgl. Anm. 1.
96 10 Uberlieferungsgeschichtliche Studien (Anm. 1) 108.
11
G. von Rad, Deuteronomiumsrudien, Forschungen zur Reli-
gion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 58,
Göttingen 1947.
97 12 1. c. 63. » 1. c. 64.
11
H. W. Wolff, Das Kerygma des deuteronomistischen Ge-
schichtswerks, Zeitschrift für die alttestamentliche Wissen-
schaft 73, 1961, 171—186 ( = Gesammelte Studien zum Alten
Testament. Theologische Bücherei 22,Münchenl964,308—324).
15
H. W. Wolff, Das Thema „Umkehr" in der alttestament-
lichen Prophetie, Zeitschrift für Theologie und Kirche 48,
1951, 129—148 ( = Gesammelte Studien zum Alten Testament.
Theologische Bücherei 22, München 1964, 130—150).

VII. Die Schriftprophetie des 8. fahrhunderts


:
99 Vgl. dazu etwa M. Noth, Geschichte Israels, 2. Aufl., Göt-
tingen 1954, 229 ff.
100 2 A. Weiser, Das Buch der zwölf Kleinen Propheten I, Das
Alte Testament Deutsch 24, 4. Aufl., Göttingen 1963, 127—
206. — Th. R. Robinson, Die zwölf Kleinen Propheten, Hand-
buch zum Alten Testament 14, 2. Aufl., Tübingen 1954, 70—
108. — H. W. Wolff, Dodekapropheton, Biblischer Kom-
mentar. Altes Testament XIV 2, Neukirchen 1967ff, 105ff.
101 3 H. Greßmann, Der Ursprung der israelitisch-jüdischen
Eschatologie, Forschungen zur Religion und Literatur des
Alten und Neuen Testaments 6, Göttingen 1905, 141 ff.
4
G. von Rad, Theologie des Alten Testaments II, München
1960, 133—137.
5
102 Das Wort ist nicht mit Wolff 1. c. 133 dem Amos abzuspre-
chen und aus der „alten Amosschule" herzuleiten.
103 6 A. Weiser, 1. c. (Anm. 2) 11—104. — Th. R. Robinson, 1. c.
(Anm. 2) 1—54. — H. W. Wolff, Dodekapropheton, Bibli-
scher Kommentar. Altes Testament XIV 1, Neukirchen 1961.
7
A.Alt, Hosea 5,8—6,6. Ein Krieg und seine Folgen in
prophetischer Beleuchtung, Neue kirchliche Zeitschrift 30,
1919, 537—568 ( = Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes
Israel II, München 1953, 163—187).
105 • Der Text ist hier vieUeicht zu verbessern in: „und ich will
nicht euer Gott sein."
107 ' A. Weiser, 1. c. (Anm. 2) 228—290. — Th. H. Robinson, I.e.
(Anm. 2) 127—152.
108 10 A. Alt, Micha 2,1—5. ges anadasmos in Juda, Interpretationes
id Vetus Testamentum pertinentes Sigmundo Mowinckel

183
septuagcnario missae 13—23, Oslo 1955 ( = Kleine Schriften
zur Geschichte des Volkes Israel III, München 1959, 373—381).
u
109 O . Kaiser, D e r Prophet Jesaja Kapitel 1—12, Das Alte
Testament Deutsch 17, 2. Aufl., Göttingen 1963. — G. Fohrer,
Das Buch Jesaja, Zürcher Bibelkommentare, 2 Bde., Zürich
1960, 1962. — H . Wildberger, Jesaja, Biblischer Kommentar.
Altes Testament X , Neukirchen 1965 ff.
12 13
112 Vgl. auch 17,12—14. Ähnlich auch 31,4f.
113 " H e r r m a n n 1. c. (Kap. I V A n m . 3) 143, A n m . 60.
lb
114 A. Alt, Jesaja 8,23—9,6. Befreiungsnacht u n d K r ö n u n g s -
tag, Festschrift A. Bertholct zum 80. Geburtstag gewidmet,
T ü b i n g e n 1950, 29—49 ( = Kleine Schriften zur Geschichte
des Volkes Israel II, M ü n c h e n 1953, 206—225).
116 " E . Rohland, Die Bedeutung der Erwahlungstraditionen
Israels für die Eschatologie der alttestamentlichen Propheten,
Diss. Heidelberg 1956. A u c h G. von Rad, Theologie des
Alten Testaments I I , M ü n c h e n 1960, passim.

VIII. Die Prophetie der Spätzeit fudas und der anhebenden Exilszeit
l
118 K. Elliger, Das Buch der zwölf Kleinen Propheten II, Das
Alte Testament Deutsch 25, 5. Aufl., Göttingen 1964,1—22. —
F. H o r s t , Die Zwölf Kleinen Propheten. H a n d b u c h zum Alten
Testament 14, 2. Aufl., T ü b i n g e n 1954, 153—166.
a
119 Eiliger I.e. (Anm. 1) 23—55. — Horst I.e. (Anm. 1) 167—186.
• Elliger I.e. (Anm. 1) 56—82. — Horst I.e. (Anm. 1) 187—200.
4
120 A. Weiser, Das Buch Jeremia, Das Alte Testament Deutsch
20/21, 5. Aufl., G ö t t i n g e n 1966. — W. Rudolph, Jeremia,
H a n d b u c h zum Alten Testament 12, 3. Aufl., Tübingen 1968.
5
121 H e r o d o t I 103—106.
6
123 H e r r m a n n 1. c. (Kap. I V A n m . 3) 159ff.
7
127 H e r r m a n n 1. c. 179—185.
8
128 W. E i c h r o d t , D e r Prophet Hesekiel, Das Alte Testament
Deutsch 22, G ö t t i n g e n 1959, 1966. — G. Fohrer-K. Galling,
Ezechiel, H a n d b u c h zum Alten Testament 13, Tübingen
1955. — W. Zimmerli, Ezechiel, Biblischer Kommentar. Altes
Testament X I I I , Neukirchen 1955 ff.
130 ' W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes nach dem Buche Ezechiel.
Eine theologische Studie, Abhandlungen zur Theologie des
Alten u n d N e u e n Testaments 27, Zürich 1954 ( = Gottes Offen-
barung. Theologische Bücherei 19, München 1963, 41—119).

IX. Deuterojesaja und die Spätlinge der Schriftprophetie


134 * C. Westermann, Das Buch Jesaja Kap. 40—66, Das Alte
Testament Deutsch 19, Göttingen 1966, 7—235. — G. Fohrer,

184
Das Buch Jesaja, Bd. 3, Z ü r c h e r Bibelkommentare, Zürich-
Stuttgart 1964, 1—183.
135 * W . Zimmerli, Der „neue E x o d u s " in der V e r k ü n d i g u n g der
beiden Exilspropheten, Maqq£l s h ä q i d h . La branche d'aman-
dier. H o m m a g e ä Wilhelm Vischer, MontpeUier 1960, 216—
227 (franz.) ( = Gottes Offenbarung. Theologische Bücherei
19, München 1963, 192—204 [deutsch]).
3
J. Begrich, Studien zu Deuterojesaja, Beiträge zur Wissen-
schaft v o m Alten u n d N e u e n Testament 4. Folge, Heft 25,
Stuttgart 1938, 6—19 ( = Theologische Bücherei 20, M ü n c h e n
1963, 14—26).
137 * G . v o n Rad, Theologie des Alten Testaments I I , M ü n c h e n
1960, 260/261.
ä
138 Begrich, 1. c. (Anm. 3) 112ff.
6
139 Umstellungen u n d K ü r z u n g e n nach Begrich 1. c. (Anm. 3)
45f. A n m . 3 (52 A n m . 180).
7
142 W. Zimmerli, Der Wahrheitserweis Jahwes nach der Bot-
schaft der beiden Exilspropheten, Tradition u n d Situation.
Studien zur alttestamentlichen Prophetie A. Weiser z u m 70.
Geburtstag dargebracht, G ö t t i n g e n 1963, 133—151.
8
143 T e x t z . T . verbessert nach Begrich, I.e. (Anm. 3) 40—42(47f.).
9
144 Die letzten zwei Halbzeilen sind im hebr. G r u n d t e x t ver-
sehentlich umgestellt.
10
146 Westermann 1. c. (Anm. 1) 236—340. — G . F o h r e r 1. c.
(Anm. 1) 184—285.
11
W. Zimmerli, Z u r Sprache Tritojesajas, Festschrift für L u d -
wig Köhler. Schweizerische Theologische Umschau 20, 1950,
110—122 ( = Gottes Offenbarung. Theol. Bücherei 19, M ü n -
chen 1963, 217—233).
12
147 K. Elliger 1. c. (Kap. V I I I A n m . 1) 83—143. — H o r s t 1. c.
(Kap. VIII A n m . 1) 201—245.
13
148 I m vorliegenden hebr. Text ist der Hohepriester Josua an
die Stelle Serubbabels gesetzt worden.
11
3,1—7 ist, wie die abweichende formale Gestaltung dieses
Nachtgesichtes zeigt, wohl erst nachträglich hier eingefügt
worden.

X. Die Hoffnung des Glaubens nach den Aussagen


der Apokalyptik

149 * Vgl. etwa H . H . Rowley, Apokalyptik. Ihre F o r m u n d Bedeu-


tung zur biblischen Zeit. Eine Studie über jüdische u n d christ-
liche Apokalypsen v o m Buch Daniel bis zur geheimen Offen-
barung, 3. Aufl., Einsiedeln-Zürich-Köln 1965. Auch O . Plöger,
Theokratie und Eschatologie, Wissenschaftliche M o n o g r a -
phien zum Alten u n d N e u e n Testament 2, Neukirchen 1959.

185
151 * G. v o n Rad, Theologie des Alten Testaments II, München
1960, 316.
3
S. o. S. 22.
152 4 Zürcherbibel Mal. 4 , 5 . 5
Sach. l,7ff. « Ez. 40,3ff.
7
Dazu vgl. die K a p . VIII A n m . 8 genannten K o m m e n t a r e .
153 • Weiser 1. c. (Kap. V I I A n m . 2) 105—127. — Robinson 1. c.
(Kap. V I I A n m . 2) 55—69. — H . W. Wolff, D o d e k a p r o -
p h e t o n II (Kap. V I I A n m . 2) 1—104. A u c h Plöger (Kap. X
A n m . 1) 117—128.
154 • Joel 4,15f. (Zürcherbibel 3,15f.).
155 10 Vgl. die K a p . V I I A n m . 11 genannten Kommentare, auch
Plöger 1. c. (Anm. 1) 69—97.
11
Die Ursprünglichkeit dieses Satzteils ist nicht unangefochten.
156 12 N . W. Porteous, Das Danielbuch. Das Alte Testament
Deutsch 2 3 , G ö t t i n g e n 1962. — A. Bentzen, Daniel, Hand-
buch zum Alten Testament 19, 2. Aufl., Tübingen 1952. —
O . Plöger, Das Buch Daniel, Kommentar zum Alten Testa-
ment X V I I I , Gütersloh 1965. Auch Plöger I.e. (Anm. 1) 19—36.
13
Vgl. dazu die K o m m e n t a r e (Anm. 12).
159 14 Vgl. dazu o. S. 69 die Bemerkungen zur Priesterschrift.

XI. Gespräch mit Ernst Bloch


4 2 3 4
163 Vgl. K a p . I A n m . 1. 1. c. 1. 1. c. 3. 1. c. 6.
5
164 1. c. 1628. Die H e r v o r h e b u n g e n stammen hier u n d im fol-
genden v o n Ernst Bloch.
6 7
I . e . 575f. I . e . 576.
10
165 < 1. c. 230. » 1. c. 1405. 1. c. 1453. " 1. c. 1544.
l2 13
166 1. c. 1545. 1. c. 1453.
14
N a c h neueren Einsichten ist Hammurabi frühestens ins
18. vorchristliche J a h r h u n d e r t zu datieren.
15
1. c. 1453 f. " 1. c. 1454.
17 M
167 1. c. 1454. " 1. c. 1457. » 1. c. 1457. 1. c. 1457f.
2I
168 I . e . 576. Z u den Nasiraern vgl. etwa A m . 2 , 1 1 , auch die
Simsongeschichten Ri. 13—16. I m Unterschied zur Familie
(nicht Stamm) der Rehabiten, zu der vor allem Jer. 35 zu ver-
gleichen ist, wird m a n sie geschichtlich nicht als „halbnoma-
dische O p p o n e n t e n " bezeichnen können.
22 23 24 25
1. c. 577. 1. c. 577. 1. c. 578. 1. c. 578 f.
169 26 1. c. 580. 27
1. c. 1459. 28
1. c. 713. 29
1. c. 888 f.
170 30 1. c. 855 f. 31
1. c. 1392. 32
1. c. 1410.
171 33 1. c. 1410. M
1. c. 1410. " 1. c. 1410. M
1. c. 1411.
37 38 39
1. c. 1412. 1. c. 711. 1. c. 1413. • 1. c. 1402.
172 4l 1. c. 1453. " 1. c. 1454. 43
1. c. 1514. 44
1. c. 1515.
45 46
1. c. 1455. 1. c. 1455.
173 47 1. c. 1456. 48
1. c. 1461. 4
» 1. c. 1493. 50
l.c.l496ff.

186
INHALT

Vorwort 5

I. Die Frage. Das Vokabular 7


EL Die Hoffnungsaussagen der Weisheit und des Buches
Hiob 19
ETI. Die Hoffnungsaussagen der Psalmen 33
TV. Der Mensch und seine Hoffnung nach dem Jah-
wisten 49
V. Die Grundlagen der Hoffnungsstruktur der alten
Geschichtsberichte Israels. Der Bericht der Priester-
schrift 66
VI. Deuteronomium und deuteronomistische Ge-
schichtsschreibung 82
VII. Die Schriftprophetie des 8. Jahrhunderts 99
V m . Die Prophetie der Spätzeit Judas und der anheben-
den Exüszeit 118
IX. Deuterojesajaund die Spätlinge der Schriftprophetie 134
X. Die Hoffnung des Glaubens nach den Aussagen der
Apokalyptik 149
XI. Gespräch mit Ernst Bloch 163

Nachweise 179
K L E I N E VANDENHOECK-REIHE
Einfaoher Band 2,80 DM; Doj pelbd. 3,80 DM; Dreifacher Bd. 4,80 DM; Sonderbd. 7.80 DM
1/1a C.F'r. 9. Weizsäcker 37/37a Viktor v. Weizsäcker 73 74/74a Deutsche Literstur
Die Geschichte der Natui Am Anfang schuf Gott in unserer Zeit
2 Karl Bar*h Himmel und Erde Hrsg. v. Wolfgang Kayset
Mensch und Mitmensch 38 John O. McCormick 75/77 Johann Nep. David
4 Gusta\ Radbruch Amerikanische Lyrik der Die dreistimmigen Inven-
Kleines Rechtabrevier letzten 50 Jahre tionen von J. Seb. Bach
5 Leopold von Rankt 4\f4\n, Gustav Radbruch 80 81 Gustav Radbruch
Die großen Mächte Karikaturen der Justiz Vorschule der Rechts-
Politisches Gespräch Mit 27 Lithos v. Daumier philosophie
8 Viktor von Weizsäcker 42 C. Fr. v. Weizsäcker 82 Alfred Heuß
Mensohenführung Die Verantwortung der Verlust der Geschichte
9 Herbert Schöffler Wissenschaft im Atom- 83 Alfred C. B. LoveU
Kleine Geographie des zeitalter Der Einzelne und das
deutschen Wit7.es 43 C.Fr. v. Weizsäcker / Universum
10 Bruno SneÜ J. Juilfs 84 ff. ff. Eggebrecht
Neun Tage Latein Physik der Gegenwart Heinrich Schütz
11 Heinrich von Treiischke 44 Erich Thier Musicua poeticus
Das deutsche Ordensland Das Menschenbild des 85 (S) Endo C Mason
Preußen jungen Marx Deutsche und englische
12/13'l3a Fritz Förig 45 Frank E. Adcock Romantik
Die europaische Stadt und Cäsar als Schriftsteller 86 87 Löwe und Einhorn
dieKulturdes Bürgertums 46'47 Friedrich Meinecke Englische Lyrik der
im Mittelalter Das Zeitalter der deut- Gegenwart
14 Arthur Stanley Eddington schen Erhebung 88 83 89a Walther KiÜy
Sterne und Atome 43 Karl Barth Über Georg Trakl
16 16a Snren Kierkegaard Weihnacht 90 91 W. K. C. Guthrie
Christliche Reden 49 Rudolf Stephan Die grieoh. Philosophen
17 Heim-Horst Schrey Neue Musik von Thaies bis Aristoteles
Weltbild und Glaube im 50/50 a Martin Doerne 92 Viktor v. Weizsäcker
20. Jahrhundert Gott und Mensch in Gestalt und Zeit
18 Karl Kerenyi Dontojewskijs Werk 96 97 97a Feier Wapnewski
Umgang mit Göttlichem 51/52/528 G. Radbruch Deutsohe Literatur des
19'19a Brich Preiser Der Mensch im Recht Mittelalters
Die Zukunft unserer Wirt- 53 Maximilian Braun 98 99 Karl Lövith
schaftsordnung Der Kampf um die Wirk- Heidegger, Denker in
20 Gustav Radbruch lichkeit i.d.russ. Literatur dürftiger Zeit
Der Geist d. engl. Rechts 54 Wntfgang Lange 100 Kritik in unserer Zeit
21 Johann Nepomuk David Christi. Skaldendichtung Literatur ' Theater /
Die Jupiter-Symphonie 55 Hertnan Nohl Musik / Bildende Kunst.
22/23 23a Walther Killy Erziehergestalten Von G. Blocker, F. Luft,
Wandlungen des lyrischen 56 Goethe über den Faust H. H. Stuckmschmidt und
Bildes Hrsg. v. Alfred Dieck W. Grohmann
24/25/25a Poul Joachimsen 57/57a<57b Richard Aletcyn 101 Eberhard Schmidt
Vom deutschen Volk zum Über Hugo von Hof- Zuchthäuser und
deutsehen Staat mannsthal Gefängnisse
26 Herbert Schöffler 58 Joachim Leuschnsr 102 Eduard Lohse
Lichtenberg Volk und Raum Israel u. die Christenheit
27/27a Hermann Heimptl Zum Stil der nationalso- 103 4 Hemuin Sohl
Kapitulation vor der Ge- zialistischen Außenpolitik Vom Sinn der Kunst
schichte? 59/61 Reinhard Wütram 105 Ernst Th. Sehrt
28'29'29a Theodor W. Adorno Das Interesse an der Wandlungen der Shake-
Dissonanzen Geschichte spearesrhen Komödie
30 Karl Löwith 62 H.-R. Miillsr-Schuvfc 110 12 Qvtttn Radbruch
Wissen, Glaube u. Skepsis Der Standort der Theolo- Der innere Weg.
31 Eberhard Buchioald gie in unserer Zeit Aufriß meines Lebens
Bildung durch Physik 63 64 Lyrisches Lebensgeleite 116 17 Sophokles
32 Julius Schnieunnd Deutsche Lyrik von Antigone. (Zweisprachig)
Die Freude der Buße. Zur Eiohendorff bis Rilke übersetzt und eingeleitet
Grundfrage der Bibel 65 Arnos S. Wilder von Karl Reinhard*
34/34a 34b Joh. Nep. David Weltfremd. Christentum? 118 19 Eberhard Schmidt
Die sweist. Inventionen 66 Erich Köhler Die Sache der Justiz
v. J. S. Bach Marcel Proust 120 21 Margret Boveri
35 Friedrich Gogarten 67 ( S ) Robert Fricker Indisches Kaleidoskop
Was ist Christentum? Der moderne engl. Roman 122 23 Frank E. Adcock
36 Ulrich Ebbecke 70 (S) Bernhard Rensch Römische Staatskunst
Wirklichkeit und Täu- Homo sapiens 124 Otto Wolff
schung Vom Tier zum Halbgott Radhakrishnan
125/27 Walther KÜly 169 (S) Hans Steffen (Hrsg.) 212 John Bourke
Deutscher Kitsch Formkrafte der deutschen Englischer Humor
Mit zahlr. Illustrationen Dichtung vom Barock bis 213 Hans-Rudolf Müller-
128/29 Wolfgang Kayscr zur Gegenwart Schwefe
Kunst und Spiel 170 (S) Oskar Seidlin Tech mk als Bestimmung
Fünf Goethe-Studien Von Goethe zu Thomas und Versuchung
130/31 H. Gonski / H.Göpfertf Mann. Zwölf Versuche 214/216 Ernst Kapp
H. Hüter f E. Hausuedell/ 171 ( S ) Hans Rnthfels
Der Ursprung der Logik
H. F. Schulz Zeitgeschichtliche Be- bei den Griechen
Der deutsche Buchhandel trachtungen. Vorträge u.
in unserer Zeit Aufsätze 217 (S) Hans Steffen (Hrsg.)
132 Willy Hess 172/74 Robert Fricker Aspekte der Modernität
Beethovens Bühnenwerke Das moderne englische 218 (S) Jürgen
133/35 Wilhelm Hoffmann Drama v. Stackeiberg (Hrsg.)
Hannibal 175/77 W.A.Jöhr f 3 Dichter als Kritiker
136/37 Max Lüthi H. W. Singer (Gide— Proust —Valery)
Es war einmal. Vom We- Die Nationalökonomie im 219.221 Gotttob Frege
sen des Volksmärchens Dienste der Wirtschafts- Logische Untersuchungen
138 Bruno Sneil politik Hrsg. v. G. Patzig
Die alten Griechen und wir 178/80 Französische Lyrik 222 222a üvo Hölscher
139/40 Wolfhart Pannenberg im 20. Jahrhundert Die Chance des Unbeha-
Was ist der Mensch? (Zweisprachig) gen?. Zur Situation der
Die Anthropologie der (H. WeinnchfE. Heyck) klassischen Studien
Gegenwart im Lichte der 181 '83 Hans Hinterhäuser 226 227 Julius Schniewind
Theologie Modorne italienischeLyrik Zur Erneuerung des Chri-
141 Hermann Heimprt 184 Geoffrty Barraclough sten* tandes
Zwei Historiker. F. Chr. Die Einheit Europas als 228/229 Albrecht Schöne
Dahlmann und Jacob Gedanke und Tat Über politische Lyrik im
Burokhardt 185 86 Hermann Diem 20. Jahrhundort
142 Moderne finnische Lyrik. Sören Kierkegaard. Eine
Hrsg. von M. P. Hein Einführung 230 (S) Laura Hofrichter
143 a Eberhard Schmtdhauser 187 F. K. Stanzet Heinrich Heine. Bio-
Vom Sinn der Strafe Typische Formen des graphie seiner Dichtung
144,145 Gottlob Frege Romans 231 Karl Bosl
Funktion, Begriff, Bedeu- 188,90 Sir Bernard (A.C.B.) Die Geseilschaft
tung. Ausgew. Aufsätze, Lovell in der Geschichte
hrsg. von G. Patzig Neue Wege zur Er- des Mutelalters
146/48 Wolfgang Franke forschung des Weltraums 232/234 Günther Patzig I Peter
China und das Abendland 191 (S) Wilhelm Ditthey Hartmann } Dolf Stern-
149/50 Walther Rehm Das Erlebnis u. die Dich- berger I Hans Mayer /
Jean Paul — Dostojew- tung Lessing— Goethe— Hans-Rudolf Müller-
ski. Eine Studie zur dich- Novalis—Hölderlin Schtoefe i Jost Trier
terischen Gestaltung des 192'94 Endo C. Mason Die deutsche Sprache
Unglaubens Rainer Maria Rilke im 20. Jahrhundert
151 Paul Tillich 195/97 Erwin Wolff 235/236 Reinhard Wütram
Symbol und Wirklichkeit Der englische Roman im Zukunft i. d. GeBchiohte.
152/53 Hermann Kantorowia 18. Jahrhundert Zu Grenzfragen der Ge-
Der Begriff des Rechts 198/99 Wolfgang Clemen schichtswissenschaft und
154/56 Walther Rehm Shakespeares Monologe Theologie
Gontsoharow u. Jaoobsen 200/202 Eberhard Hermes 237/238 A. P. Herbert
oder Langeweile und Die drei Ringe. Aus der Rechtsfälle — Linksfälle
Schwermut Frühzeit der Novelle Eine Auswahl juristisch.
15758 Texte deutscher 203/204 Ugo Bianchi Phantasien br*s von
Mystik des Iß. Jahrh. Probleme der Religions- Konrad Zweigert und
HrBg. v. Joachim Seyppel geschichte Peter Dopffel
15961 Kate Hamburger 205 207 H. Bolewtki, f M. 239'241 Geplante ZukunftP
Tolstoi. Gestalt und Pro- Doerne t H. G. Göckerüz f Perspektiven für die
blem IL Dombois I R. v. Thad- Welt von morgen.
162 63 Gustav Radbruch den f R. Wittram Hrsg. von R. Schmid
Aphorismen zur Kechts- Fragen zur Kircbenreform 242 244 W'.lfdietrich Rasch
weisheit. Hrsg. v. A. 208 (S) Der deutsche Expres- Über Robert Musils
Kaufmann sionismus. Formen und Roman ..Der Mann
165 Hann Jonas Gestalten. Hrsg. v. Hans ohne Eieensrhaften"
Zwischen Nichts und Steffen 245 (S) Jochanan Bloch
Ewigkeit. Drei Aufsätze 209 210 Herbert Grundmann Judentum in der Krise
zur Lehre vom Menschen Geschichtsschreibung im Mit einem Nachwort
166 68 Walther 7.immerli Mittelalter von Helmut Gollwitzer
Das Gesetz und die Pro- 211 (S) Atnitai Etzioni 246 P Fr. t. Weizsäcker
pheten. Zum Verständnis Der harte Weg z. Frieden Gednnken über unsere
des Alten Testaments (The Hard Way to Peace) Zukunft. Drei Reden
247'248 Michael Seidlmayer 253 (S) Friedrich Neumann hunderts. Wirklichkeit
Das Mittelalter. Umrisse Das Nibelungenlied in und Kunsteharakter
und Ergebnisse des Zeit- Beiner Zeit 266 (S) Hajo Holborn
alters. Unser Erbe. Neu 254 (S) Herbert Schöffirr Ulrich von Hütten
herausgesehen von Her- Deutscher Geist im 18. 267/269 Ludung Wütgenstein
bert Grundmann Jahrhundert Vorlesungen und Gesprä-
249 (S) WH. Friedrich 255/257 Werner Kirchner che über Ästhetik,
Vorbild und Neugestal- Hölderlin Psychologie und Religion.
tung. S**chs Kapitel zur 258/260 Immanuel Kant Hrsg. v. C. Barrett,
Geschichte der Tragödie Was ist Aufklarung? übersetzt u. eingel. von
250 (S) Die deutsche Ro- 261 (S) S. H. Steinberg E. Bubser
mantik. Herausgegeben Der Dreißigjährige Krieg 270 (S) Karl S. Guthke
von Hans Steffen Die moderne Tragi-
251 (S) W. Whüman Rostow und der Kampf um die
Stadien wirtschaftlichen Vorherrschaft in Europa komödie. Theorie, Gestalt
Wachstums. Eine Alter- 1600-1660 Geschichte
native zur marxistischen 262/263 Heinrich Lutzf 271 (S) Hans Steffen (Hrsg.)
Entwicklungstheorie. Friedr. Herrn Schubert/ Das deutsche Lustspiel
Übers, von E. Müller. Hermann Weber, I. (11 Beiträge)
Mit einem Geleitwort von Frankreich und das Reich 272 (S) Walther Zimmerli
Walther G. Hoffmann im 16. und 17. Jh. Der Mensch und seine
252 (S) Stephan Körner 264 Gerhart Baumann Hoffnung im Alten
Kant. Übersetzt von Eli- Jean Paul Testament
sabeth Serelman-Küchler 265 (S) Walther Killy
und Maria Nocken Romane des 19. Jahr-

EDUARD LOHSE

Israel und die Christenheit


Kleine Vandcnhoeck-Rcihe 102. 1960. 63 Seiten, engl, brosch. 2,80 D M

„Die Frage nach Israel, die heute unüberhörbar laut wird, kann letztlich nur als eine
theologische Frage sachgemäß begriffen werden. Mit diesen Worten beginnt das Büchlein,
das die Geschichte Israels von der Geschichte Abrahams an über das AT, Jesus und
Paulus und die Geschichte der Juden in der christlichen Zeit bis hin zu ihrer Bedrückung
und Ermordung unter Hitler und bis zur Gründung des Staates Israel verfolgt. Lohse
erliegt dabei erfreulicherweise keiner geschichtstheologischen Deutung des Phänomens
Israel, aber seine Darstellung ist eine ständige Aufforderung an die Christenheit, ihren
eigenen Glauben mit und gegenüber dem jüdischen Volk zu bewähren. Denn die Kirche
lebt nicht ohne Israel." W. Scbmitbals ( Reformierte Kircbcn%eitung

MARTIN N O T H

Geschichte Israels
6. Auflage 1966. 435 Seiten und 1 Karte, Leinen 16,80 DM
„Wir haben gegenwärtig kein Buch, das die Geschichte des alttestamentlichen Gottes-
volkes nach dem Stand der historischen und archäologischen Forschungen so klar und
geschlossen darstellt wie das von N o t h . . . "
H.-J. Kraus / Informationsblatt für die Niederdeutsche Landeskirche

V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N UND ZÜRICH


ATD
DAS ALTE T E S T A M E N T DEUTSCH
Herausgegeben von Artur Weiser (bis 1958 zusammen mit Volkmar Herntrich) in
Verbindung mit Walter Bcyerlin / Walther Eichrodt / Karl Elliger / Kurt Galling /
Hans Wilhelm Hertzberg / Otto Kaiser / Martin Noth / Norman W. Porteous / Gerhard
von Rad / Helmer Ringgren / Claus Westermann / Ernst W ürthwein / Walter Zimmerli

16 HELMER RINGGREN, ARTUR WEISER, WALTHER ZIMMERLI

Sprüche, Prediger, Das Hohe Lied, Klagelieder,


Das Buch Esther
2. Aufl. (18. Tsd.) 1967. 409 S., kart. 15,40 DM, Leinen 18,80 DM

,,ATD is now so well known that no remarks on the form and style of the seties are
necessary." Tbt Calbolic University of America\Wasbingtm D.C.
,,In einer gehaltvollen Einleitung stellt Zimmerli das Verhältnis des Predigers zur
Normalform der Weisheit dar; auch geht er hier der Frage nach dem Sinn dieser Schrift
im Kanon nach. Die Auslegung folgt den einzelnen, sorgfältig unterschiedenen Abschnit-
ten des Textes, wobei die starke Berücksichtigung altorientalischer Parallelen — dar-
unter besonders des babylonischen Zwiegesprächs zwischen Herr und Sklave — her-
vorgehoben sei. Auch auf die schöne und den Text unverändert belassene Auslegung
von 3,11 sei hingewiesen." f. f. StammjKircbenblatt für die reformierte Schweiz

WALTHER ZIMMERLI
Das Gesetz und die Propheten
Zum Verständnis des Alten Testaments
Kleine Vandenhoeck-Reihe 166/168. 1963. 154 Seiten, engl, brosch. 4,80 DM
„Unter dem Stichwort ,Das Gesetz und die Propheten', das von der neutestamentüchen
Zitierung des Alten Testaments her angeboten wird, entfaltet Walther Zimmerli die
bewegte Forschungsgeschichte an diesem Buch und macht zugleich energisch und
überzeugend Mut, mit ihm auch heute umzugehen. Man spürt überall den Fachmann,
aber auch den, der persönlich daran engagiert ist, das Weiterweisende des .Zuvor'
von Gesetz und Propheten auf das neutestamentlichc Bekenntnis des ,ein für allemal'
zu betonen." Rundbriefe der Evangelistben Akademie Loctum

WALTHER ZIMMERLI

Was ist der Mensch?

Göttinger Universitltsreden, Heft 44. 1964. 22 Seiten, kart. 1,50 DM

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN UND ZÜRICH

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