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Rassismus Report 2007


Einzelfall-Bericht über rassistische
Übergriffe und Strukturen in Österreich

Zur kostenlosen Weitergabe. Darf nicht verkauft werden.


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ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit


bietet Workshops und Trainings für Kinder, Jugendliche und Erwach-
sene. Die Trainings für Gruppen werden nach Absprache speziell für
die Bedürfnisse der TeilnehmerInnen konzipiert. Für Einzelpersonen
empfiehlt sich der jährlich stattfindende Lehrgang „Kompetenz-
vermehrung Anti-Rassismus und Zivilcourage”.
Alle Informationen unter: www.zara.or.at/trainings
EZA – NATÜRLICH FAIR

Seit 1975 setzt die EZA – Österreichs größte Fair Trade Importorganisation –
den Fairen Handel in die Praxis um. Aus anonymen ProduzentInnen werden
Menschen mit Gesicht und Stimme. In ihrem Angebot spiegeln sich Können
und Kreativität von über 100 Partnerorganisationen in Afrika, Asien und
Lateinamerika. Genuss und Ästhetik verbinden sich mit Verantwortung
gegenüber Mensch und Natur zu einem sinnvollen Ganzen.

EZA Fairer Handel


2 GmbH · Wenger Straße 5 · 5203 Köstendorf, T 06216/20200-0 · ofce@eza.cc · www.eza.cc
Mit Unterstützung des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen (Bundesjugendförderung)

3
Die Stadt gehört Dir.
www.wienerlinien.at

4
Beratung - Vernetzung - Unterstützung

work@migration ist eine gewerkschaftliche Interessengemeinschaft von MigrantInnen für


MigrantInnen. Ziel ist durch Erfahrungsaustausch und Vernetzung die vielfältigen Diskriminierungen von
MigrantInnen - insbesondere in der Arbeitswelt - wirksam zu bekämpfen. work@migration ermöglicht erstmals auch
direkte Mitbestimmung von MigrantInnen in der Gewerkschaft.

Wir bieten:
� Rechtsberatung und Rechtsvertretung zu allen Fragen des Arbeitsverhältnisses
� Betriebsratsgründung- und beratung
� Information zu Fremdengesetzgebung und Ausländerbeschäftigungsgesetz
� Rassismus- und Antidiskriminierungsberatung
� Lobbying in Fragen des Aufenthalts- und Beschäftigungsrechts

Mehr Info zur GPA-DJP und der work@migration unter:


nicholas.hauser@gpa-djp.at - 05 0301-21246

GPA-DJP-Mitglieder haben es besser.


Überzeugen Sie sich selbst, tragen Sie sich ein:

www.gpa-djp.at/interesse

Voll im Bild:
www.oeh.ac.at
5
Alle Menschen sind frei und gleich an
Würde und Rechten geboren.

Ins_allg_Wie ichs schaff ...+Wien:180x130 SW ZARA 07.02.2008 10:04 Uhr Seite 1

„Wie ich’s schaff? Mit dem waff.“


So viel Hilfe für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
gibt’s nur in Wien. Für Menschen, die im Beruf
weiterkommen wollen. Der waff macht’s möglich.

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· Damit Opfer & ZeugInnen von Rassismus mit dem
Unrecht und der Demütigung nicht alleine gelassen werden.
· Damit rassistische Benachteiligungen & Strukturen
nicht unwidersprochene Normalität bleiben.
· Damit Rassismus nicht das Problem der Opfer ist, sondern die
Aufmerksamkeit der gesamten Gesellschaft bekommt.
· Damit in einem Land, in dem sich der Staat
unzureichend für die Bekämpfung von Rassismus einsetzt,
die Zivilgesellschaft aktiv werden kann.
· Damit Opfer & ZeugInnen von Rassismus weiterhin eine
Informations- und Beratungsstelle haben.
· Damit es auch im nächsten Jahr einen
Rassismus Report gibt.

Bitte werden Sie förderndes


Mitglied von ZARA
oder spenden Sie, damit sich auch
das nächste Opfer von Rassismus
an ZARA wenden kann.

Info: (01) 929 13 99


www.zara.or.at
BA-CA, Kto. 05211362800

ZARA-Sprecher Alexander Pschill


Inhaltsverzeichnis

10 Impressum

11 Leitartikel: Wie viel Rassismus darf es denn sein?

13 Statistik

14 Öffentlicher Raum
15 Straßen, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m.

24 Internet

26 Politik und Medien

30 Rassistische Beschmierungen

33 Polizei

44 Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen

47 Arbeit

52 Güter und Dienstleistungen


52 Wohnen

55 Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

60 Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit

62 Was wurde aus …?

62 Einzelfalldarstellungen aus 2006 – 2004

66 Anzeigenkampagne gegen Nur-InländerInnen-Inserate hat strukturelle Missstände aufgedeckt

68 Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit


„Religion als Feindbild – der Islam im Zentrum aktueller Debatten“ (DAI)

70 8UNG FÜR ALLE

70 „Teilhabe“ und „Achtsamkeit“ statt „Integration“ und „Toleranz“

72 8UNG FÜR ALLE – Eine Woche für Respekt und Toleranz im Bezirk Feldbach im steirischen Vulkanland

73 Rassismus Report als Bildungsmaterial


„Wie kann ich den Rassismus Report im Unterricht verwenden?“

75 Glossar
Achtung Anti-RassistInnen treten als ReporterInnen auf!
Skandal: Rassismus Report lässt nichts aus. www.zara.or.at/materialien
Banner zum downloaden unter: http://www.zara.or.at

Danksagungen
Danke an Irene Lohwasser für das kostenlose Lektorat.

Danke an die vielen ehrenamtlichen MitarbeiterInnen


von ZARA! Stellvertretend seien jene genannt, die
zum Rassismus Report beigetragen haben: Marta
Hodasz, Johanna Katzinger, Caroline Manhal, Monika
Muhr, Romina Rabl, Alexander Steffek, Martin Werner.

Danke an das Team der ZARA-Beratungsstelle für Op-


fer und ZeugInnen von Rassismus für seine konse-
quente und fundierte Anti-Rassismus-Arbeit.

Impressum
Medieninhaber und Herausgeber: Verein ZARA Blattlinie: Der Rassismus Report erscheint jährlich und
– Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, wird kostenlos abgegeben. Im Report abgedruckt ist eine
­Luftbadgasse 14-16, 1060 Wien, www.zara.or.at Auswahl an rassistischen Übergriffen, die im Kalenderjahr
ZARA ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Wien. 2007 an ZARA gemeldet wurden. Der Rassismus Report
legt damit Arbeit der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und
Chefredaktion: Karin Bischof ZeugInnen nachvollziehbar und offen dar. Der Rassismus
Operative Projektleitung: Barbara Liegl Report informiert über rassistische Strukturen in Österreich.
Redaktion: ­Marta Hodasz, Xiane Kangela, Hikmet K
­ ayahan, Ergänzt wird der Rassismus Report durch relevante Hin-
Barbara Liegl, Stefan Radinger, Dieter Schindlauer, tergrundinformationen und ExpertInnenkommentare.
­Alexander Steffek, Cornelia Schweiner, Martin Werner,
Katrin Wladasch, Patrick Zesar, Wolfgang Zimmer
Lektorat: Irene Lohwasser Das Team der ZARA-Beratungsstelle für Z
­ eugInnen und Op-
Englische Übersetzung: Katharina Köhler fer von Rassismus ist für Terminvereinbarungen erreichbar:
Anzeigenleitung: Jamal Hachem Mo – Mi 10 – 18 Uhr, Do 11 – 19 Uhr
Grafik und Layout: schultz+schultz / Alva Unger T: (01) 929 13 99, F: (01) 929 13 99-99
Graphik für ZARA-Inserat: Fridolin Reinagl office@zara.or.at
Druck: Manz Crossmedia, 1050 Wien www.zara.or.at

Gefördert durch: Mit freundlicher Unterstützung von:

10
Leitartikel

Wie viel Rassismus darf es denn sein?

Im Jahr 2007 hat die ZARA-Beratungsstelle 831 rassi- Kampagnen unterstützten 1


ZARA-­Leitbild:
http://www.zara.or.at/
stische Übergriffe bearbeitet und dokumentiert. Verg- Sensibilisierung materialien/leitbild/
lichen mit den Zahlen aus den Vorjahren sind das we-
niger bei ZARA gemeldete Vorfälle. Dieser Rückgang Greift man nun doch zum quantitativen Vergleich und 2
Kampagne
­ egen rassistische
g
legt den voreiligen Schluss nahe, dass 2007 insgesamt stellt die Daten des heurigen Rassismus Reports denen ­Beschmierungen:
weniger rassistische Übergriffe und Vorfälle in Öster- des letzten Jahres gegenüber, ergibt sich folgendes http://www.rassismus­
streichen.at/
reich stattgefunden haben. Das klingt zu schön, um Bild: Im Jahr 2007 sind vor allem jene Meldungen
wahr zu sein. Ist es auch nicht. Oder vielmehr: auch massiv zurückgegangen, die Rassismus im öffent- 3
Initiative zur Entfer-
heuer kann ZARA dazu keine Aussage treffen. lichen Raum – konkret rassistische Beschmierungen – nung rassistischer Be-
schmierungen: http://
ZARA veröffentlicht 2008 zum achten Mal den Ras- betreffen. Dieser Rückgang an Meldungen bei ZARA www.derbaumann.at/
sismus Report. Der Rassismus Report macht „sichtbar“, lässt zwar nicht auf einen tatsächlichen Rückgang der index.php?id=70 und
http://www.zara.or.at/_
in wie vielen Lebensbereichen und in welcher Form rassistischen Beschmierungen schließen, zeigt jedoch doc/Informationsblatt_
Menschen von rassistischer Diskriminierung in ihrem die enorme Bedeutung von Sensibilisierungskampa- Beschmierungsambu-
lanz.pdf
Alltagsleben betroffen sind. Als rassistische Diskriminie- gnen gegen Rassismus.
rung gilt jedwede Form der Benachteiligung, die jemand 2007 gab es keine so öffentlichkeitswirksamen Ak- 4
Agentur der Europä-
aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Sprache, seines Ausse- tionen wie „Rassismus streichen2“ oder eine Bewer- ischen Union für Grund-
rechte (2007) Report on
hens, seiner Religionszugehörigkeit, Staatsbürgerschaft bung der „Beschmierungsambulanz3“ wie es 2006 der Racism and Xenophobia
oder Herkunft erfährt1. Der Report stellt die Arbeit der Fall war. Im Zusammenhang mit diesen Kampagnen in the Member States
of the EU, http://fra.
ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von wurden viele Menschen auf die Problematik rassi- europa.eu/fra/material/
Rassismus transparent und nachvollziehbar dar: Es stischer Beschmierungen aufmerksam und das wirkte pub/racism/report_
racism_0807_en.pdf
wird offen gelegt, worin die rassistische Diskriminie- sich enorm auf die ZARA-Dokumentation aus. Diese
rung im jeweiligen Fall besteht und welche Maßnah- Sensibilisierung scheint ein wenig verebbt zu sein.
men gemeinsam mit dem Klienten oder der Klientin Andererseits scheint es mehr Aufmerksamkeit für Ras-
gesetzt wurden, um das Geschehene verarbeiten zu sismus im Internet zu geben, ein Bereich in dem die
können und den KlientInnen zu ihrem Recht zu ver- Meldungen im Vergleich zu den vergangenen Jahren
helfen. gestiegen sind. In den übrigen Bereichen wie Arbeit,
Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, Behörden
Qualität statt Quantität? und öffentliche Institutionen ist das Ausmaß der Mel-
dungen an ZARA nahezu gleich geblieben.
Der Rassismus Report lässt keine Aussagen über das
Ausmaß an rassistischen Vorfällen in Österreich insge- Wie rassistisch ist Österreich?
samt zu. ZARA betreibt selbst keine aktive Beobach-
tung, sondern arbeitet mit den in der Beratungsstel- Das tatsächliche Ausmaß an Rassismus in Österreich
le gemeldeten rassistischen Vorfällen. Alle bei ZARA ist nur sehr schwer quantifizierbar. Diese Problematik
gemeldeten Ereignisse sind die sichtbar gemachte spiegelt sich in der auf europäischer Ebene geführten
Spitze des Eisbergs. Es braucht sehr viel Mut und Zi- Debatte über die Vergleichbarkeit von Statistiken zu
vilcourage, um selbst erlebten oder beobachteten rassistischen Gewaltakten und Verbrechen wider.
Rassismus zu melden. Es gibt eine Vielzahl an Ein- Frankreich und England sind von der Anzahl der Ein-
flussfaktoren, die das Melden von rassistischen Dis- wohnerInnen annähernd miteinander vergleichbar
kriminierungen begünstigen oder blockieren. Ist das – in Frankreich wurden im Jahr 2005 979 Vorfälle ge-
überhaupt Diskriminierung, was ich da erlebt oder meldet, in England waren es 57.902 – während in Ös-
beobachtet habe? Habe ich Sanktionen zu befürch- terreich 406 Vorfälle angezeigt wurden4. Diese Zahlen
ten, wenn ich den Vorfall melde? Gibt es genug Per- können nicht auf einer quantitativen Ebene miteinan-
sonen in meinem Umfeld, die mich unterstützen? Wie der verglichen werden. Der Schluss, England sei im
ist die allgemeine gesellschaftliche Haltung gegenü- europäischen Schnitt das rassistischste Land, wäre
ber Rassismus? Welche Chancen rechne ich mir aus, zu absolut unrichtig. Vielmehr zeigt sich, dass die ein-
meinem Recht zu kommen? Was erwarte ich mir von zelnen Länder über verschiedene rechtliche Bestim-
einer Meldung bei ZARA? mungen und unterschiedlich gut funktionierende

11
Leitartikel

5
Helping Hands Graz (2007) Beobachtungsverfahren im Kampf gegen Rassismus Diskriminierung und Alltagsrassismus? Welche eth-
Jahresbericht 2006, http://
helpinghands.htu.tugraz.
verfügen. Ob rassistische Vorfälle überhaupt offiziell nischen bzw. religiösen Minderheiten sind besonders
at/2006.pdf wahrgenommen werden und wie viele Vorfälle letzt- von rassistischer Diskriminierung betroffen? Welche
lich durch die Statistik erfasst werden, hängt von einer von ZARA gesetzten Maßnahmen zeigen in welchen
6
Forum gegen Antise-
mitismus, Newsletter,
Reihe von Faktoren ab: Wer führt die Statistik? Welche Bereichen Wirkung? Welche Formen von Diskriminie-
http://www.fga-wien.at/ Ausbildung haben die, die Daten erheben müssen? rung können mit den zur Verfügung stehenden Geset-
index.php?option=com_
docman&task=cat_
Welche Definitionen werden verwendet? Wie hoch ist zen und Mitteln nicht ausreichend bekämpft werden?
view&gid=15&Itemid=34 das gesellschaftliche Bewusstsein für Rassismus? Wie Antworten auf diese Fragen geben Aufschluss über
zugänglich sind Meldestellen u.s.w.? In England etwa Gesetzeslücken im Anti-Diskriminierungsbereich,
7
ENAR (2007) Shadow
Report 2006: Racism in
sind PolizeibeamtInnen sehr gut geschult und dafür die Notwendigkeit der Bekämpfung von diskriminie-
­Austria, http://www.enar-eu. sensibilisiert, rassistische Motive einer Straftat zu er- renden Gesetzen und Strukturen sowie die Notwen-
org/en/national/austria/
Austria_2006.pdf
kennen und zu erfassen. digkeit von wirksamen Präventionsmaßnahmen.
NGOs wie Helping Hands Graz5, das Forum gegen
8
Bundesministerium für
Was bringt Rassismusmonitoring? Antisemitismus6 oder das Netzwerk ENARA7 erstel-
Inneres, Bundesamt für
Verfassungsschutz und Ter-
len ebenfalls Schattenberichte zu Rassismus in Öster­
rorismusbekämpfung (2007) Wesentlich ist der zahlenmäßige Vergleich zwischen reich. Sie geben – ebenso wie der ZARA Rassismus
Verfassungsschutzbericht
2007, http://www.bmi.gv.at/
verschiedenen Ländern insofern, als er Unterschiede Report – wesentlich mehr Aufschluss über die Quali-
downloadarea/staatsschutz/ im Zugang zu und in der Effizienz von Systemen der tät der Übergriffe als beispielsweise der Verfassungs-
BVT%20VSB%202007%20
20070724%20Onlineversi-
Rassismus-Datensammlung sichtbar macht. Die Jah- schutzbericht des Bundesamtes für Verfassungs-
on.pdf resberichte der mittlerweile in die Agentur der Eu- schutz und Terrorismusbekämpfung, der für 2006
ropäischen Union für Grundrechte umgewandelten 28 fremdenfeindliche und 8 antisemitische Tathand-
9
RAXEN Focal Point für
Öster­reich: http://www.uni-
Europäischen Beobachtungsstelle von Rassismus lungen meldet8. Diese Tathandlungen umfassen Ver-
vie.ac.at/bim/focalpoint/ und Fremdenfeindlichkeit haben genau diese Unter- baldelikte, Schmieraktionen, Sachbeschädigungen
schiede gezeigt. Trotz Bemühungen der Europäischen und per ­E-Mail, SMS oder postalisch versandte Agita-
10
ÖNORM Diversi-
ty ­Management: http://
Union, die im Jahr 2000 zwei Richtlinien verabschie- tionen. Es werden keine näheren Angaben zu den von
www.on-norm.at/publish/­ det hat, um die Bekämpfung von Diskriminierungen den Tathandlungen Betroffenen gemacht. Darüber
diversity_management.html
in den einzelnen Mitgliedsländern auf ein einheit- hin­aus werden fremdenfeindliche und antisemitische
11
Netzwerk Soziale Ver-
liches Niveau anzuheben, bleiben Unterschiede und Tathandlungen unter der Überschrift Rechtsextremis-
antwortung: http://www. somit die Schwierigkeiten des Datenvergleichs beste- mus abgehandelt, wodurch der Anschein erweckt
soziale­verantwortung.at/
hen. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre das Überwinden je- wird, dass solche Vorfälle ausschließlich von Mitglie-
ner Unterschiede im Bereich der Monitoringsysteme dern dieser Szene verursacht werden.
möglich. Dazu bräuchte es aber einen Austausch der Der ZARA Rassismus Report macht deutlich, dass
Mitgliedsländer über ihre Erfahrungen mit unter- Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Phänomen
schiedlichen gesetzlichen Traditionen und Datener- ist. Er beinhaltet sowohl straf-, verwaltungs- und zi-
fassungssystemen. Ein solcher Austausch findet zwar vilrechtlich verfolgbare rassistische Vorfälle, als auch
aktuell statt, konzentriert sich derzeit jedoch auf die derzeit gesetzlich nicht verfolgbare Handlungen, die
so genannten neuen Mitgliedsländer. aus ZARA-Sicht dennoch als rassistisch einzustufen
Wichtig ist hier nicht der zahlenmäßige Vergleich sind. Er ist somit eine wichtige Ressource für all jene,
zu anderen Ländern – ob also die FranzösInnen weni- die als Entscheidungsgrundlage für notwendiges (po-
ger rassistisch sind als die EngländerInnen und dafür litisches) Handeln mehr über das qualitative Ausmaß
aber rassistischer als die ÖsterreicherInnen, sondern an Rassismus in Österreich wissen wollen, um ras-
das Erkennen und Ernstnehmen von Rassismus als ge- sistische Diskriminierung effizienter bekämpfen zu
samtgesellschaftliches und strukturelles Phänomen. können und Gleichstellung aller in Österreich leben-
Wesentlich sind das kritische Hinterfragen und der den Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer
reflektierte Umgang mit Vorurteilen und Rassismen. ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religionszuge-
Wenngleich anzunehmen ist, dass das Potenzial von hörigkeit zu fördern.
Rassismus wahrscheinlich in allen Ländern der Euro-
päischen Union relativ gleich verteilt ist, so bestehen Barbara Liegl
relevante Unterschiede in den Ausprägungsformen, ZARA-Geschäftsführerin, Direktorin des am Ludwig
in der politischen Instrumentalisierung, in der Betrof- Boltzmann Institut für Menschenrechte angesiedel-
fenheit und in den zur Verfügung stehenden Mitteln ten RAXEN Focal Point für Österreich9, Expertin am Ös-
zum Aufzeigen und zur Bekämpfung von rassistischer terreichischen Normungsinstitut für die Entwicklung
Diskriminierung. der ÖNORM Diversity Management10, Stellvertretende
Eine qualitative Analyse rassistischer Diskriminie- Vorstandsvorsitzende des Netzwerks Soziale Verant-
rung – so wie sie durch den Rassismus Report von wortung11, Politologin mit den Schwerpunkten (Anti-)­
ZARA ermöglicht wird – macht daher durchaus Sinn: Rassismus/Diskriminierung, Monitoring und Migration
In welchen Lebensbereichen treten welche Formen
von Rassismus auf? Welche Zusammenhänge gibt
es zwischen strukturellen Formen von rassistischer

12
Statistik

Statistik 2007
2007 dokumentierte das ZARA-Team insgesamt 831 • Polizei umfasst alle Berichte, die in irgendeiner Form
rassistische Vorfälle. mit der Sicherheitsverwaltung und Organen der öf-
fentlichen Sicherheit zu tun haben.
Gegen Anti-Rassismus-Arbeit 8%

• Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen


Arbeit 11% Öffentlicher Raum 58%
bezeichnet alle Vorfälle, die zwischen privaten Ein-
zelpersonen und öffentlichen Institutionen und Be-
Güter und hörden (mit Ausnahme der Polizei) bzw. deren Ver-
Dienstleistungen 12%
treterInnen stattgefunden haben, wie etwa Ämtern,
Justizanstalten, Schulen etc.

Sonstige • Güter und Dienstleistungen (in den Vorjahren unter


­Behörden 5%
dem Bereich Wohnen subsumiert) bezeichnet einer-
Polizei 6% seits Vorfälle im Wohnbereich – von der Wohnungs-
suche bis zu Nachbarschaftskonflikten. Andererseits
* Von den verzeichneten 476 Fällen in diesem Bereich waren
251 rassistische Beschmierungen. sind in diesem Bereich alle Vorkommnisse in und beim
Zugang zu Lokalen, Geschäften und Dienstleistungs-
Der Anteil der ZeugInnen unter den meldenden Per- unternehmen (die nicht in den Bereich Arbeit) fallen,
sonen lag 2007 bei 68%. 32% der ZARA-KlientInnen eingegliedert.
waren direkt betroffen.
• Arbeit beinhaltet Berichte über Vorkommnisse, die
Betroffene 32% ZeugInnen 68% im weitesten Sinne mit „Arbeit“ zu tun haben, also Ar-
beitsmarkt, -suche, -kollegInnen, Arbeitsbedingungen,
Stellenausschreibungen usw.

• Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-­Arbeit


bezeichnet jene Briefe, E-Mails, Anrufe und Drohungen,
die sich gegen ZARA, gegen die Arbeit von ZARA oder
gegen einzelne MitarbeiterInnen ­richten.

* Exklusive der MelderInnen von rassistischen Beschmierungen.


Anmerkungen
56% der ZARA-KlientInnen waren Frauen, 40% Män-
ner, 2% der Fälle wurden anonym gemeldet, 2% wa- Es ist Aufgabe der ZARA-BeraterInnen, einerseits den
ren Meldungen von Organisationen. Wahrheitsgehalt einer Sachverhaltsbeschreibung zu
überprüfen und andererseits sich auch um die Sicht
Organisationen 2% der „Gegenpartei“ oder einer dritten Seite zu küm-
Anonym 2% mern. Dennoch können BeraterInnen nicht garantie-
Frauen 56% ren, dass alle Informationen, die ihnen – von verschie-
Männer 40% denen Seiten – zugetragen werden, der „Wahrheit“
entsprechen. Die Interessen jener Person, die sich an
die Beratungsstelle wendet, stehen an erster Stelle;
deswegen wird deren Darstellungen Vertrauen und
Verständnis entgegengebracht. Ihre Aussagen müs-
sen ernst angehört, dürfen deshalb aber nicht unkri-
tisch übernommen werden.
Information zu den einzelnen Bereichen Weiters ist sich ZARA bewusst, dass durch die Dar-
stellung von rassistischen Übergriffen, Rassismen,
und ihren Bezeichnungen
rassistische Schimpfwörter sowie Vorurteile wieder-
• Mit Öffentlicher Raum sind alle Vorfälle bezeichnet, gegeben und Diskriminierungsmerkmale übermäßig
die sich an Orten, die einem nicht näher bestimmten betont werden. Würde ZARA dies nicht tun, um die
Personenkreis offen stehen, wie beispielsweise Straßen, ­Reproduktion von Rassismen zu verhindern, wären
öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte, Lokale, in Medien dem Leugnen von Rassismus weiterhin Tür und Tor
und in der Politik etc. zugetragen haben. Rassistische geöffnet. Mehr zu anti-rassistischem Sprachgebrauch
Beschmierungen werden ebenfalls diesem Bereich zu- siehe: http://www.zara.or.at/materialien/rassismus-
geordnet. report/rassismus-report-2006.pdf

13
Öffentlicher Raum

Öffentlicher Raum
12
Appiah, Kwame Anthony „Das Ausländische an den Ausländern und das Fremde bloß ihre menschenverachtende Überheblichkeit neh-
(2007) Der Kosmopolit. Philo-
sophie des Weltbürgertums,
an den Fremden sind real genug. Nur sind wir – nicht zu- men, woher ihr Zorn kommt und warum sie offenbar
München: Verlag C.H. Beck letzt von wohlmeinenden Intellektuellen – dazu ermun- glauben, damit ungestraft davonzukommen.
tert worden, deren Bedeutung um eine ganze Größen- ZARA kann diese Fragen nicht abschließend beant-
13
Sen, Amartya (2007) Die
Identitätsfalle. Warum es kei-
ordnung zu überschätzen.“ 12 worten. Die gemeldeten Vorfälle scheinen aber darauf
nen Krieg der Kulturen gibt, hinzudeuten, dass die jahrelange Rhetorik vom „dro-
München: Verlag C.H.Beck
„Unser gemeinsames Menschsein wird brutal infrage ge- henden Untergang des Abendlandes“ oder der „ös-
stellt, wenn unsere Unterschiede reduziert werden auf terreichischen Kultur“ oder des „echten Österreichers“
ein einziges, willkürlich erdachtes Einteilungsschema, nun zu einem „Verteidigungsreflex“ geführt hat, der
dem alles andere untergeordnet wird.“ 13 den Menschen eine Rechtfertigung für ihr unmensch-
liches Handeln liefert. Wer sich selbst in Notwehr ver-
Der öffentliche Raum ist ein Ort der Begegnung. In Ös- teidigt, der muss keine Rücksicht nehmen, braucht
terreich sind die Begegnungen auf der Straße oder in nicht fair zu spielen und darf wild um sich schlagen,
öffentlichen Verkehrsmitteln, ja selbst bei öffentlichen kratzen und beißen.
Veranstaltungen, meist anonym und teilnahmslos. Offenbar hat das konsequente rhetorische Aufbau-
Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum scheint en von Feindbildern dazu geführt, dass sich manche
von zwei beruhigenden Voraussetzungen abzuhän- Menschen nun real von FeindInnen umgeben und be-
gen: Zum einen das „In Ruhe gelassen“-Werden, also droht fühlen. Sie finden sie dann eben auf der Stra-
die ereignislose und unkommunikative, ja selbstver- ße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Veran-
ständliche Bewegung im öffentlichen Raum, und zum staltungen. Solcherart verhetzte Menschen bedrohen
anderen das Gefühl, in Situationen, in denen ein Ein- nun die Sicherheit und die Würde anderer Menschen.
wirken oder Eingreifen anderer notwendig ist, auf die Dunkle Haut, ein Kopftuch oder ein Akzent reichen
Unterstützung durch andere Anwesende bauen zu völlig aus, um sie ausrasten zu lassen. Und: Sie schä-
können. men sich nicht einmal dafür. Jedes Unrechtsbewusst-
Diese Form von Sicherheit scheint für Menschen mit sein wird durch Verteidigungsrhetorik und Opfermy-
Migrationshintergrund – insbesondere wenn dieser in thos erstickt.
der Wahrnehmung anderer „offenkundig“ ist – häufig ZARA versucht seit Jahren klar zu machen, dass
nicht zu funktionieren. Sie werden nicht in Ruhe gelas- Worte Taten sind und eine verhetzende Sprache zu
sen und können sich nur selten auf Unterstützung ver- verletzten Menschen führt. Es ist ZARA auch heuer
lassen. Die unten angeführten Vorfälle belegen, mit wichtig, nicht nur diejenigen Vorfälle herauszustellen,
welcher Wucht und Brutalität, ja nackter Gewalt, hier in denen körperliche Übergriffe erfolgt sind, sondern
Menschen begegnet wird. Menschen, mit denen zu- auch solche Fälle, in denen es „bloß“ zu verbalen Atta-
vor keinerlei persönlicher Kontakt bestanden hat. cken gekommen ist. Die Zusammenschau der gemel-
Beim Durchlesen der rassistischen Übergriffe stel- deten Vorfälle zeigt klar, wie nahe diese beiden For-
len sich unweigerlich die Fragen, woher die TäterInnen men rassistischer Diskriminierung einander sind.

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WWWWIRGEGENVORURTEILEAT
'ENERATIONENUND+ONSUMENTENSCHUTZ"UNDESJUGENDFyRDERUNG

RAP?INSXINDD 5HR
Öffentlicher Raum

Straßen, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

1 Frau R. meldet folgenden Vorfall zur Dokumen-


tation an ZARA: An einem Freitagnachmittag im
Juni steigt sie auf der Wiener Mariahilfer Straße in ei-
Frau K. ist enttäuscht, dass sie nichts Wirksames gegen
die Beschimpfungen unternehmen und diese ledig-
lich zur Dokumentation an ZARA melden kann.
nen Autobus ein. Auf einem der Plätze sitzt ein Mann,
der zwei große Hunde an der Leine hält, die nicht nur
keine Beißkörbe tragen, sondern die er auch auf belä-
stigende Art und Weise hin- und herzerrt und die bei-
3 Frau A., eine junge Austauschstudentin aus Grie-
chenland, meldet folgenden Fall zur Dokumen-
tation an ZARA: Nach ihrem Zahnarztbesuch im Juni
den Tiere dabei beschimpft. Als vor ihm zwei Männer in Maria Enzersdorf geht sie auf dem Gehsteig zur
afrikanischer Herkunft Platz nehmen, beginnt er, sei- Schnellbahnstation Brunn am Gebirge. Ein Lenker will
ne Beschimpfungen auf diese beiden Herren zu rich- rückwärts mit seinem Fahrzeug die Einfahrt eines Kin-
ten und sie mit rassistischen Äußerungen zu belästi- dergartens verlassen, als sich Frau A. gerade vor der
gen. Einer der beiden Männer dreht sich schließlich Einfahrt befindet. Sie macht einen Schritt zur Seite,
verwundert um, und fragt auf Englisch, was das Pro- damit sie der Wagen nicht streift. Der Lenker verlässt
blem sei, woraufhin der Mann noch lauter schimpft. die Einfahrt, fährt neben ihr entlang und öffnet das
Nachdem Frau R. die Situation beobachtet hat, schal- Fenster. Auf die Frage, weshalb sie ihn so anschaue
tet sie sich ein und ersucht den Mann, sich zu mäßi- und ob „etwas sei“, meint Frau A., dass der Lenker et-
gen. Der Mann stellt seine Beschimpfungen nicht ein, was besser aufpassen solle. Dieser beginnt daraufhin
seine Hunde beginnen sogar, die beiden Afrikaner wüst zu schimpfen und nennt Frau A. eine „Nutte“. Er
anzugreifen. Einer der Angegriffenen springt auf, wo- bezeichnet sie als Ausländerin und auf die Frage, wa-
raufhin der Unruhestifter ihn schlägt. Frau R. mischt rum er dies mache, meint er nur, dass er die Polizei ru-
sich vehement verbal ein und insistiert, dass der Mann fen werde. Nachdem der Fahrzeuglenker angehalten
mit seinem Verhalten aufhören und den Bus verlassen hat und ausgestiegen ist, gibt er Frau A. einen leich-
solle. Daraufhin richtet er seinen Ärger gegen Frau ten Schlag auf den Hinterkopf und fährt mit seinen
R., beschimpft sie sexistisch und bedroht sie. Bei der Beschimpfungen fort. Hierauf tritt Frau A. mit ihrem
nächsten Haltestelle spuckt er ihr ins Gesicht und ver- Fuß gegen den rechten Vorderreifen des Wagens, das
lässt schließlich den Bus. Frau R. ist enttäuscht, dass Fahrzeug trägt allerdings keine Schäden davon. Da
sich weder der Fahrer noch die anderen Fahrgäste für sich in diesem Moment eine weitere Frau nähert, war-
sie oder die beiden rassistisch attackierten Männer tet der Mann, bis diese aus dem Blickfeld verschwun-
einsetzen. Als sie den Fahrer auf den Vorfall anspricht, den ist, um dann Frau A. erneut zu attackieren, sie
meint dieser, dass der Angreifer ja nun ohnehin aus- mit einer Hand am Hals zu packen und gegen einen
gestiegen sei. Selbst wenn er diesen hinausgeworfen Baum zu drücken. Frau A. ruft eine andere Passantin
hätte, wäre doch bald der Nächste gekommen. um Hilfe an und kann sich schließlich aus dem Griff
ZARA bietet Frau R. an, eine Beschwerde an das des Mannes befreien. Sie benachrichtigt telefonisch
Verkehrsunternehmen zu richten, dieses Angebot die Polizei und begibt sich nach der Aufnahme ihrer
nimmt sie jedoch nicht wahr. Sie will den Fall nur do- Daten durch die BeamtInnen zu einem Arzt, der eine
kumentiert wissen. Rötung des Halses feststellt. Frau A. leidet bis dato an
Schluckbeschwerden. ZARA dokumentiert den Vorfall

2 Frau K., die im Iran geboren wurde, will mit ihrer


Tochter an einem Novemberabend in ein Wiener
Kino gehen. Vor dem Kino wird sie von der Verkäuferin
und Frau A. verspricht, ZARA in dieser Angelegenheit
am Laufenden zu halten, meldet sich jedoch nicht
mehr.
eines Weihnachtsmarktstands des Diebstahls bezich-
tigt. Die Vorwürfe stellen sich aber als haltlos heraus
und sie ist sehr erbost darüber, dass sie ohne Grund
einer Straftat beschuldigt wird. Neben ihr kommt ein
4 Herr K. kommt aus Nigeria und lebt mit seiner ös-
terreichischen Ehefrau in Wien. An einem Nach-
mittag im Mai ist Herr K. gerade auf dem Nachhause-
älterer Mann zum Stehen und sagt, dass sie als „dre- weg in einer Wiener Straßenbahn. Er ist sehr müde
ckige Ausländerin“ doch einfach „gusch“ sein solle. und froh, einen Sitzplatz zu bekommen. Als bei der
Empört über diese Beschimpfung ruft Frau K. die Poli- nächsten Station viele Personen zusteigen, ist der
zei, welche die Daten des Mannes aufnimmt. Straßenbahnwaggon sehr voll. Ein Mann im Alter von
Frau K. überlegt, gegen den Mann Strafanzeige etwa 60 Jahren beginnt plötzlich zu brüllen: „Es reicht!
wegen Beleidigung zu erstatten und ZARA bietet ihr Der Ausländer nimmt uns den letzten freien Sitzplatz
an, sie dabei zu unterstützen. Aufgrund des Wortlauts in der Straßenbahn weg! Schleich dich raus aus der
der Beleidigung ist diese jedoch keine „rassistische“ Straßenbahn! Und aus Österreich kannst dich auch
Beleidigung im Sinne des Strafgesetzbuchs und daher gleich schleichen! Solche wie dich wollen wir nicht!“
müsste Frau K. eine Privatklage gegen den Mann ein- Die übrigen Passagiere reagieren nicht auf diesen ras-
bringen, die mit einem Kostenrisiko verbunden wäre. sistischen Ausbruch. Herr K. verlässt bei der nächsten

15
Straßen, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

Station den Waggon und legt den Rest seines Heim-


wegs zu Fuß zurück. Seine Frau meldet den Vorfall an
ZARA und möchte ihn dokumentiert wissen.
6 Frau F. ist österreichische Staatsbürgerin und be-
richtet ZARA, dass sie an einem Aprilsonntag mit
ihrem Hund, den sie immer an der Leine führt, auf der
Wiener Lerchenfelder Straße spazieren geht. Ein etwa

5 Herr O. ist UNO-Mitarbeiter in Wien und kommt


aus Zimbabwe. Im April fährt er am frühen
Abend mit seinem Auto den Wiener Burgring ent-
45 Jahre alter Mann mit einer frei laufenden Bulldog-
ge kommt ihr entgegen, sein Hund verhält sich Frau
F.s Hund gegenüber aggressiv. Frau F. ersucht den
lang, als vor ihm ein Auffahrunfall (zwischen einem Mann, seinen Hund an die Leine zu nehmen, worauf-
Taxi und einem Auto der Marke Kia) passiert. Herr O. hin dieser erwidert: „So wie du ausschaust, gehörst
kann nicht mehr rechtzeitig reagieren und fährt trotz in die Gaskammer!“ Frau F. ist entsetzt, verweist den
Bremsung auf den hinteren Unfallwagen der Marke Mann an die Psychiatrie und geht weiter. Sie berichtet
Kia auf. Als die drei Fahrer aus den Fahrzeugen aus- ZARA, dass sie aufgrund ihres Aussehens schon des
steigen, ruft der Fahrer des ersten Wagens, ein Taxi- Öfteren Ziel rassistischer Attacken wurde, und bittet,
lenker, die Polizei, obwohl keiner der Beteiligten Ver- den Vorfall zu dokumentieren.
letzungen aufweist. Dann beschimpft er Herrn O.:
„Du blöder Afrikaner! Geh zurück nach Hause!“ und
ähnliche rassistische Aussagen fallen. Da O. solche
Bemerkungen nach mehreren Jahren Aufenthalt in
7 Herr G. wird Zeuge folgenden Vorfalls: An einem
Mittag im April befindet er sich in einem U-Bahn-
Wagen unter anderem mit einem Mann afrikanischer
Österreich gewohnt ist, geht er nicht darauf ein und Herkunft und einem Österreicher im Alter von etwa
ignoriert sie, verständigt jedoch sicherheitshalber 65 Jahren. Dieser Mann meint plötzlich grundlos zum
eine gute Freundin, die verspricht, zu kommen, um Mann afrikanischer Herkunft „I hate N...s!“ Der Mann
Herrn O. bei Konflikten mit den anderen Beteiligten afrikanischer Herkunft ist verdutzt und fragt: „Why?“
zu unterstützen. Die Polizei trifft ein, fährt jedoch kur- – „Because all N...s are drugdealers! And I know you!”
ze Zeit später wieder unverrichteter Dinge weiter, da Er lässt sich die Anfeindungen nicht gefallen und be-
keine Verletzungen zu protokollieren sind. Die Betei- ginnt, den Mann sinngemäß als „alten Trottel, der so-
ligten beginnen, die Unfallberichte auszufüllen. Zwi- wieso nur mehr zwei Jahre zu leben hat“ zu beleidi-
schen Herrn O. und dem Fahrer des Kia kommt es zu gen. Daraufhin zieht der Mann ein Messer und fordert
einer Diskussion, da Herr O. ihm lediglich den Durch- den Mann afrikanischer Herkunft auf, doch einfach
schlag und nicht das Original des Unfallberichtes aus- herzukommen, er werde es ihm schon zeigen. Eini-
händigen will. Die mittlerweile zur Unterstützung ge Mitfahrende drohen, die Polizei zu rufen. Herr G.
von Herrn O. eingetroffene Freundin kann beobach- zeigt sich entsetzt, mischt sich mit einem Kommen-
ten, wie Herr O. sich umdreht, um zu seinem Wagen tar gegen den Angreifer ein, muss aber an der näch-
zurückzugehen, als der Fahrer des Kia ihm plötzlich sten Station aussteigen. Er glaubt, dass der Aggressor
mit der flachen Hand von hinten auf die rechte Ge- ebenfalls den Zug verlässt, verliert ihn jedoch aus den
sichtshälfte schlägt. O. wendet sich dem Mann zu Augen.
und wird von ihm gestoßen. O. wehrt sich und stößt Herr G. möchte den Vorfall bei ZARA dokumentiert
den Mann ebenfalls, wodurch dieser zu Boden fällt wissen und hinterlässt seine Telefonnummer, falls sich
und sich durch eine scharfe Kante seiner Brille eine der Betroffene bei ZARA meldet, was jedoch nicht ge-
Wunde an der Nase zufügt. Der Taxifahrer ruft erneut schieht.
die Polizei. Als die BeamtInnen eintreffen, sagen bei-
de Unfallbeteiligten aus, dass lediglich Herr O. zuge-
schlagen habe. Herr O. und seine Zeugin geben den
tatsächlichen Ablauf zu Protokoll. Da auch er durch
8 Frau L. steigt im Januar in der Wiener Station
Hietzing in einen Straßenbahnzug. Im letzten
Moment vor der Abfahrt versuchen drei afro-österrei-
die Schläge leicht verletzt wurde, begibt Herr O. sich chische Jugendliche, noch schnell einzusteigen und
am folgenden Tag zu seinem Hausarzt, der leichte blockieren dabei kurzfristig die Tür, wodurch der Fah-
Verletzungen im Gesicht diagnostiziert. rer am Wegfahren gehindert wird. Er spricht die Ju-
Nachdem Herr O. den Fall an ZARA meldet, er- gendlichen zunächst unfreundlich an und fordert sie
hält er rechtliche Beratung und die Empfehlung, sich auf, das zu unterlassen. Während der Fahrt beschimpft
anwaltlich vertreten zu lassen, sollte es zu einem er sie dann unter anderem als „Scheißausländergesin-
Strafverfahren oder einer zivilrechtlichen Klage ge- del“ und meint in Anspielung auf ihre Hautfarbe: „N...
gen ihn kommen. Herr O. möchte mit der Beauftra- brauchen wir da nicht!“ Als Frau L. den Fahrer auf sei-
gung eines Rechtsbeistandes noch warten und lässt ne rassistischen Aussagen anspricht, wird sie eben-
sich von einem Mitarbeiter von ZARA zu seiner Ein- falls beschimpft. Auf Anfrage weigert sich der Fahrer,
vernahme bei der Polizei begleiten, da ihm vorge- seinen Namen oder seine Dienstnummer zu nennen.
worfen wird, seinen Unfallgegner verletzt zu haben. Da sie mit diesem Fahrer nicht weiterfahren möchte,
Gegenüber der Beamtin, die ihn befragt, gibt Herr O., steigt Frau L. unter Protest einige Stationen vor ihrem
nun auch seine Verletzungen zu Protokoll. Ein Straf- Ziel aus.
verfahren ist zu Redaktionsschluss noch nicht einge- Sie versucht noch am selben Tag, den Vorfall beim
leitet worden Kundendienst des Nahverkehrsunternehmens zu

16
Straßen, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

melden, jedoch meint man dort, dass die zuständigen Halle beschädigt hätte und daher das Geld einbehal-
Personen nicht mehr zugegen sind. ten werde.
Nachdem Frau L. den Fall an ZARA gemeldet hat, Herr B. fährt mit seinem Verwandten in ein Kran-
wendet sich ein ZARA-Berater mit einer Beschwer- kenhaus. Dort werden ein Kiefer- und ein Jochbein-
de an den Kundendienst. Vier Wochen später trifft bruch diagnostiziert. Man überweist ihn aufgrund
eine Antwort per E-Mail ein. Es wird mitgeteilt, dass der komplizierten Knochenbrüche zur weiteren Be-
der Fahrer zu einer Stellungnahme aufgefordert und handlung in ein anderes Spital, wo ihm am Tag darauf
von ihm die Tätigung dieser Aussagen bestätigt wur- Metallplatten zur Behandlung der Brüche eingesetzt
de. Dies hätte dienstrechtliche Konsequenzen für ihn. werden. Er verbringt die folgenden Tage im Kranken-
Man entschuldigt sich bei Frau L. für das Verhalten des haus und gibt eingeschüchtert durch die Drohungen
Mitarbeiters. des Polizisten in Zivil an, dass er sich diese Verletzung
Frau L. ist mit der Bearbeitung der Beschwerde zu- während des Spiels und ohne Fremdverschulden zu-
frieden und bedankt sich bei ZARA für die Interven- gefügt habe.
tion. Als Herr B. ZARA von dem Vorfall berichtet, bittet er
darum, den tatsächlichen Hergang bei den Behörden

9 Herr B. ist türkischer Herkunft und nimmt mit


Freunden im Januar an einem privaten Hallen-
fussballturnier in Niederösterreich teil. Im Halbfinale
anzuzeigen. Ein Berater verfasst eine Sachverhaltsdar-
stellung an die Staatsanwaltschaft Korneuburg und
leitet den Vorfall auch an das zuständige Landesamt
führt Herrn B.s Mannschaft nach einiger Zeit überle- für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
gen. Die Stimmung in der Halle richtet sich plötzlich (siehe „Glossar“) weiter, da ein neonazistischer Hin-
gegen Herrn B. und seine Mitspieler. Unter Alkoholein- tergrund nicht auszuschließen ist. Bis zum September
fluss beginnen die Zuschauer sowie die gegnerischen finden Ermittlungen und Befragungen statt, offenbar
Ersatzspieler, die deutsche Bundeshymne und rechts- durch die örtlichen PolizeibeamtInnen. Die Ergeb-
radikale Lieder zu singen. Das Spielverhalten der Geg- nisse sind jedoch äußerst dürftig. Die konkreten Tä-
ner wird immer brutaler. Ein Teamkollege von Herrn B. ter sind nicht ausfindig zu machen. Mehrere Spieler
wird schließlich gefoult und will den Spieler der geg- beider Mannschaften werden wegen Teilnahme an
nerischen Mannschaft zur Rede stellen. In der Aufre- einem „Raufhandel“ angeklagt.
gung stürmen drei Spieler der anderen Mannschaft Im September findet eine Verhandlung am Bezirks-
auf den Gefoulten zu. Herr B. mischt sich ein und fragt: gericht Schwechat statt, zu der Herr B. weder als Zeu-
„Wollt ihr jetzt eine Rauferei? Was soll das?“ Ein gegne- ge noch als Privatbeteiligter geladen ist. ZARA beglei-
rischer Spieler rempelt ihn an, woraufhin B. ihn eben- tet Herrn B. dennoch zur Verhandlung. Dort wird ihm
falls wegstößt. Die Situation eskaliert und Personen mitgeteilt, dass das Verfahren nun doch vor dem Lan-
aus dem ZuschauerInnenraum kommen aufs Spiel- desgericht Korneuburg stattfinden müsse, da sich ei-
feld. Dem Schwager von Herrn B., der Zuschauer ist, nen Tag zuvor der Täter schriftlich gestellt hätte. ZARA
wird von einem Mann mit einer Plastikflasche auf den vermittelt Herrn B. eine Prozessbegleitung durch den
Kopf geschlagen. Herr B. will ihm zu Hilfe eilen, rutscht Weißen Ring (siehe „Glossar“) und wird ihn ebenfalls
jedoch auf der ausgeschütteten Flüssigkeit aus. Als er durch den Strafprozess begleiten.
sich wieder aufrichten will, tritt ihm ein anderer Zu-
schauer ins Gesicht. Herr B. beginnt, stark aus der Nase
zu bluten, auch sein Schwager ist verletzt. Schließlich
hören die Attacken auf.
10 Frau I. ist in Wien aufgewachsen, ihre Eltern
kommen aus Asien. An einem Nachmittag
im April fährt sie mit einer Straßenbahn im 10. Wiener
Ein Sanitäter kommt auf das Spielfeld und sieht Gemeindebezirk. Vier männliche Jugendliche, etwa
sich die Verletzungen von Herrn B. an. Er stellt fest, 15 Jahre alt, beginnen, sie rassistisch zu beleidigen
dass er „nur Nasenbluten“ habe. Das Spiel wird abge- und ziehen sie an den Haaren. Frau I. versucht sich zu
brochen. Einer der Veranstalter sagt zu Herrn B., dass verteidigen, aber die Jugendlichen werden immer ag-
er und seine Mitspieler sich umziehen gehen und ru- gressiver und drohen ihr einen „Hausbesuch von Skin-
hig sein sollen. Herr B. will die Polizei verständigen. Ein heads“ an. Die anderen Fahrgäste greifen nicht ein.
Zuschauer erklärt ihm, dass er Polizist sei und im Fall Frau I. beschließt, sich an den Fahrer der Straßenbahn
einer Anzeige die ganze Halle gegen Herrn B. und sei- zu wenden, die Jugendlichen folgen ihr und bedrän-
ne Mannschaft aussagen werde. Derart eingeschüch- gen sie. Einer aus der Gruppe verlangt, dass der Fahrer
tert beschließt Herr B., die Polizei nicht zu verstän- die Polizei rufen solle, da Frau I. ihn bedroht habe. Da-
digen. Der Veranstalter informiert Herrn B., dass die raufhin wendet sich auch Frau I. an den Fahrer und er-
Hintertüre für ihn und seine Kollegen geöffnet sei, da sucht um Verständigung der Polizei. Der Fahrer meint
sie die Zuschauer vor der Halle erwarten würden. genervt, dass er nicht wisse, für wen er denn jetzt die
Später erfährt Herr B., dass seine Mannschaft dis- Polizei rufen solle, und bleibt untätig. Herr B., ebenfalls
qualifiziert worden ist. Herr B. will daraufhin von asiatischer Herkunft, kommt hinzu und stellt sich zwi-
einem der Veranstalter das Startgeld von 150 Euro schen Frau I. und die Aggressoren. Ein anderer Mann
aufgrund der unfairen Entscheidung zurückfordern. afrikanischer Herkunft spricht sie an: „Ich glaube, es ist
Dieser meint jedoch, dass Herrn B.s Mannschaft die besser, wenn Du jetzt aussteigst.“

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Straßen, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

Frau I. steigt an der Station Quellenplatz in Beglei- beurteilen könne und dass manche große Tages­
tung von Herrn B. aus und ruft die Polizei. Der Beam- zeitungen in ihrer Berichterstattung nicht sehr objek-
te meint, er könne eine Streife vorbeischicken, wenn tiv seien. Der Mann steht auf und setzt sich in einiger
sie warten möchte, oder sie könne zur Polizeistation Entfernung auf einen anderen Platz.
am Keplerplatz fahren. Da die Jugendlichen sie in ge- Frau S. will den Vorfall lediglich von ZARA doku-
ringem Abstand verfolgen, will Frau I. nicht warten mentiert wissen.
und betritt den U-Bahn-Bereich. Im Zug machen die
Jugendlichen von Frau I. Fotos mit ihren Handys und
kündigen an, sie „noch zu kriegen“. Sie machen eben-
falls Handbewegungen, die ein Durchschneiden der
13 Frau K. besucht im Februar gemeinsam mit
einem Freund erstmalig eine Sauna in einem
Wiener Bad. In der gemischten Sauna können die bei-
Kehle andeuten sollen. Schließlich steigt Frau I. bei den ein Telefonat eines Mannes mitanhören, der im
der Station Stephansplatz aus. Die Burschen verlassen Gespräch mehrmals das Wort „N...“ verwendet und
ebenfalls den Zug und beobachten, wohin sie geht, schließlich meint: „Ein Schwarzer is nix wert, die sind
folgen ihr jedoch nicht weiter. Herr B. begleitet sie ja eh wie Viecher!“ Das Gespräch beendet er mit dem
noch ein Stück und übergibt ihr seine Handynummer Satz: „Wir treffen uns dann mit unseren arischen Brü-
falls sie auf ihn als Zeuge zurückgreifen möchte. dern. Sieg Heil!“ Frau K. spricht den Mann an und er-
Nachdem Frau I. den Fall gemeldet hat, bietet ZARA klärt ihm, dass es sich bei seinen Aussagen um straf-
ihr an, diesen an die Staatsanwaltschaft und an das bare Handlungen und um Wiederbetätigung handle.
Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus- Der Mann antwortet lediglich, dass er sich hier in
bekämpfung (siehe „Glossar“) weiterzuleiten. Frau I. einem „freien Land“ befände. Sie fragt ihn erfolglos
meldet sich jedoch nicht mehr bei ZARA. nach seinem Namen.
Frau K. informiert die Bademeister von dem Vorfall,

11 Herr A., ein 16 Jahre alter Asylwerber afrika-


nischer Herkunft, verlässt einen U-Bahn-Zug
in der Wiener Station Philadelphiabrücke. Er wird von
die aber weder intervenieren noch Auskunft darüber
geben können, ob der Mann ein Stammgast ist. Die
anderen Saunagäste versuchen sie zu beruhigen, als
fünf Jugendlichen gefragt, ob er eine Zigarette habe sie sich auch ihnen gegenüber über die Äußerungen
und verneint dies. Die Jugendlichen sehen jedoch, des Mannes beschwert.
dass er eine Zigarettenschachtel in seiner Hosenta- Frau K. informiert ZARA sofort nach dem Saunabe-
sche hat und sprechen ihn darauf an. Er meint, dass such telefonisch von den Vorkommnissen. ZARA lei-
er nur mehr eine einzige Zigarette habe, die er ihnen tet die Telefonnummer von Frau K. wunschgemäß
nicht geben wolle. Die Gruppe lässt ihn jedoch nicht an das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terro­
in Ruhe. Er fragt auf Englisch: „What‘s your problem?“ rismusbekämpfung (siehe „Glossar“) weiter, welches
Einer der Jugendlichen antwortet: „Du wirst gleich Ermittlungen gegen den Täter aufnimmt und Anzei-
sehen, wo das Problem ist! Und lern einmal richtig ge an die Staatsanwaltschaft erstattet. Ob tatsächlich
Deutsch!“ Sie beginnen, ihn zu stoßen, es kommt zu ein Strafverfahren eingeleitet wurde, erfährt ZARA
einer Rangelei. Herr A. wird geschlagen, beginnt an nicht.
der Lippe zu bluten und trägt einen Bluterguss am
Auge davon. Er versucht, sich zu wehren, schließlich
laufen die Angreifer weg. Es gelingt ihm, einen Ag-
gressor festzuhalten und er ruft nach der Polizei, die
14 Frau R., Journalistin und als Afro-Österreiche-
rin auch in Österreichs Black Community ak-
tiv, fährt Anfang April mit einer Wiener Straßenbahn. Im
von einem unbeteiligten Passanten verständigt wird, hinteren Teil des voll besetzten Wagens steigt ein jun-
jedoch nicht eintrifft. Der festgehaltene Jugendliche ger Mann ein und beginnt, Frau R. offensichtlich wegen
kann sich schließlich befreien. ihres Aussehens zu beschimpfen. Frau R. wird von dem
Herr A. wendet sich nach dem Vorfall an seine Be- Mann auch bespuckt und sogar körperlich attackiert.
treuerin, die mit ihm daraufhin ins Spital fährt. Die Be- Bei der Station Südbahnhof versetzt der Täter Frau R.
treuerin meldet den Vorfall auch an ZARA und wird Faustschläge ins Gesicht und aufs Schlüsselbein, was
rechtlich beraten. Sie meldet sich jedoch nicht mehr. zu schweren Prellungen und einer posttraumatischen
Belastungsreaktion führt. Weder einer der anderen

12 Frau S. meldet folgenden Vorfall an ZARA:


Sie fährt im Mai in Linz mit der Straßenbahn
und steht in der Nähe einer Frau mit dunkler Hautfar-
Fahrgäste noch der Fahrer des Zuges reagieren, ob-
wohl Frau R. mehrmals laut und deutlich um Aufmerk-
samkeit und Hilfe bittet. Frau R. muss dem flüchtenden
be. Plötzlich fängt ein Pensionist zu schimpfen an und Täter unter Schmerzen nachlaufen und ruft selbst die
sagt: „Des Gsindl, des Gfrast...“ Frau S. glaubt zuerst, Polizei, bei deren Eintreffen der Täter jedoch schon im
dass der Mann eine Gruppe etwa 15-jähriger Mäd- Gedränge verschwunden ist. Trotz genauer Zeit- und
chen meint. Auf die Frage, ob der Mann die Mädchen Ortsangaben konnte die Beschwerdestelle des Nahver-
oder die Frau meint, sagt dieser, dass er den „N...“ mei- kehrsunternehmens den betreffenden Fahrer nicht aus-
ne und dass „die N... eh nur stehlen, man kann es ja eh forschen. Frau R. erhält lediglich die Auskunft, dass die-
ständig in der Zeitung lesen“. Frau S. versucht ihm zu ser Fahrer nichts von dem Übergriff gegen sie bemerkt
erklären, dass man nicht alle AfrikanerInnen pauschal habe. Diese Auskunft ist für Frau R. unverständlich und

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Straßen, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

verärgert sie zusätzlich. Mit Hinweis auf ähnliche Fälle,


die von Personen der Black Community berichtet wur-
den, ersucht sie abermals um Stellungnahme und for-
18 Herr O., gebürtiger Österreicher, meldet
ZARA folgenden Vorfall: Im Mai befindet sich
Herr O. in der U-Bahn-Station Philadelphiabrücke,
dert Maßnahmen ein, mit dem Ziel, die Bedienstete des wobei ihm zwei offensichtlich alkoholisierte Männer
Unternehmens zum Eingreifen in solche Situationen zu auffallen, die sich lautstark unterhalten. Diese bei-
schulen und KundInnen vor Angriffen zu schützen. den Männer steigen gemeinsam mit Herrn O. in den
Der Kundendienst des Nahverkehrsanbieters infor- Stationsaufzug ein. Sie schimpfen rassistisch vor sich
miert Frau R. davon, dass mit allen infrage kommen- hin. Es fallen Aussagen wie „am Freitag ist ausländer-
den FahrerInnen Gespräche geführt wurden, mangels frei“. Herr O. will – nicht zuletzt da die Äußerungen in
der Angabe der Zugnummer könne man jedoch den Gegenwart von verschiedenen dunkelhäutigen Per-
tatsächlichen Fahrer nicht eruieren. Man habe alle sonen gemacht wurden – diesen Fall von Alltagsras-
MitarbeiterInnen nochmals instruiert, bei Übergriffen sismus bei ZARA dokumentiert wissen.
sofort die Polizei zu verständigen. Man bedauere den

19
verabscheuungswürdigen rassistischen Übergriff ge- Frau A.s Ehemann ist Nigerianer, gemeinsam
gen Frau R. und die mangelnde Zivilcourage der ande- haben sie zwei Kinder. Als Frau A. an einem Ju-
ren Fahrgäste, könne aber die MitarbeiterInnen nicht liabend mit ihren Kindern mit der Wiener U-Bahn nach
verpflichten, durch ein persönliches Eingreifen in sol- Hause fährt, steigt bei der Station Hietzing ein etwa
chen Situationen sich selbst, den Fahrbetrieb und die 60-jähriger Mann zu. Er nimmt am Sitz neben Frau A.
anderen Passagiere zu gefährden. Frau R. möchte den Platz und murmelt etwas, von dem Frau A. nur das
Fall durch ZARA dokumentiert wissen. Wort „G‘sindel“ versteht. Als sie versucht, herauszufin-
den, was der Mann meint, folgt eine ­wilde Beschimp-

15 Herr H. ist mit einer Gruppe von FreundInnen


ausgegangen, darunter eine Frau angola-
nischer und ein Mann philippinischer Herkunft. Am
fungssalve mit Elementen wie: „Schleichen Sie sich
dorthin, wo sie hingehören!“, „Sie ­Sozialschmarotzer!“
und „Sie werden schon noch ­sehen, was Sie davon ha-
Nachhauseweg begegnen ihnen drei betrunkene
ben!“ Frau A. und ihre Kinder steigen bei der nächsten
Männer, die T-Shirts mit Aufschriften wie „Waffen-SS“
Station aus und verabschieden sich von dem Mann
tragen und rassistische Kommentare von sich geben.
mit der Bemerkung: „Halten Sie den Mund, sie Scheiß-
Der Versuch, ihnen aus dem Weg zu gehen, scheitert.
Nazi!“ Die anderen Fahrgäste reagieren nicht auf den
Sie werden verfolgt und angegriffen. Einer der Täter
Vorfall.
spuckt der Angolanerin ins Gesicht und schlägt sie.
Frau A. ersucht ZARA um Dokumentation.
Als sie sich verbal verteidigt, werden sie und der Rest
der Gruppe weiter rassistisch beschimpft und geschla-
gen. Als die drei Betrunkenen von ihnen ablassen und
flüchten, verständigt die Gruppe die Polizei, welche
20 Frau U., eine Kopftuch tragende Türkin, hat
im August mit ihrer Tochter einen Termin bei
einem Gesundheitszentrum auf der Wiener Mariahil-
nach den Tätern fahndet.
fer Straße. Nach dem Behandlungstermin steht sie im
Herr H. meldet den Vorfall an ZARA und möchte
Eingangsbereich, um eine Zigarette zu rauchen, als
ihn dokumentiert wissen.
sie plötzlich von einer Frau angerempelt wird. Ohne

16 Frau I. besucht im Juni mit ihrem aus Nigeria sich zu entschuldigen, geht die Frau weiter, kehrt je-
kommenden Freund das Wiener Donauinsel- doch kurze Zeit später wieder zurück, packt Frau U.
fest. Im dichten Festtreiben kommt es mit einigen Ju- an den Händen und versucht, ihr das Kopftuch he-
gendlichen österreichischer Herkunft zu einer kurzen runterzureißen. Dabei beschimpft sie Frau U. rassi-
und harmlosen Diskussion, da Frau I. und ihr Freund stisch und islamfeindlich. Frau U. versteht aufgrund
versuchen, sich einen Weg durch die Zuschauermas- ihrer mangelnden Deutschkenntnisse nicht jedes
sen zu bahnen. Einer der jungen Männer beschimpft Wort. Ihre Tochter beginnt zu weinen, da sie während
den Freund von Frau I. im Zuge des kurzen Wortwech- der Attacke im Handgemenge an die Wand gedrückt
sels als „Scheiß N...“. und dabei leicht verletzt wird. Der anwesende Sicher-
Frau I. möchte diesen alltagsrassistischen Übergriff heitsmann interveniert und verlangt den Ausweis der
von ZARA dokumentiert wissen. Angreiferin. Er notiert den Namen der Frau und teilt
diesen der Polizei mit, die er zuvor verständigt hatte.

17 Frau C., eine junge Muslimin, fährt im Juni zu Frau U. kann bei der Polizei eine Niederschrift über
Mittag mit der Wiener U-Bahn und steigt bei den Vorfall anfertigen lassen und schließt sich einem
der Station Ottakring aus. Plötzlich ergreift sie jemand möglichen Strafverfahren als Privatbeteiligte (siehe
an ihrem Kopftuch und versucht, es ihr herunterzu­ „Glossar“) an.
ziehen. Als sie sich umdreht, sieht sie einen etwa ZARA vermittelt Frau U. und ihrem Kind eine juri-
30-jährigen Mann davonlaufen. stische und psychosoziale Prozessbegleitung durch
Um einer weiteren Konfrontation aus dem Weg zu den Weißen Ring (siehe „Glossar“). Zu Redaktions-
gehen, läuft sie ihm nicht nach, meldet den Übergriff schluss des Rassismus Reports befasst sich die Staats-
aber zur Dokumentation an ZARA. anwaltschaft mit dem Vorfall.

19
Republikanischer Club – Neues Österreich
Rockhgasse 1
1010 Wien
www.repclub.at
Der Republikanische Club – Neues Österreich existiert Der Republikanische Club – Neues Österreich organi-
seit 20 Jahren. Das drängende Bewusstsein, mit der siert regelmäßig Diskussionsveranstaltungen in den
Vergangenheit aufrichtig und gewissenhaft umzugehen, eigenen Räumlichkeiten in der Rockhgasse 1, 1010,
machte die Gründung des RC notwendig. Im Zuge der Eingang Cafe Hebenstreit. Das Programm steht auf
Auseinandersetzung um Waldheims Vergangenheit ent- der Homepage: www.repclub.at . Falls Sie/Du regel-
standen, beschäftigt sich der RC seither mit den gesell- mäßige Programmzusendungen erhalten wollen, bitte
schaftlichen Phänomenen: Antisemitismus, Rassismus ein Email an repclub@repclub.at senden.
und Fremdenfeindlichkeit aber auch mit der kritischen
Auseinandersetzung mit sozialen Verhältnissen.

WUK_ZARA_180x65 11.02.2008 13:04 Uhr Seite 1

WUK
Der Demokratisierungsprozess ist nicht durch Wahlen und Abstimmungen
allein gewährleistet, sondern bedarf einer produktiven Ergänzung durch
offene Formen von Diskussion und Meinungsbildung: Betroffene ermächtigen
sich selbst, für sie wichtige Fragen zum Thema der öffentlichen Diskussion
zu machen und mitzuentscheiden. aus dem WUK Leitbild, 1994

Werkstätten- und Kulturhaus, Währinger Straße 59, 1090 Wien, Tel. 401 21-0, www.wuk.at
Straßen, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

21 Herr C. berichtet ZARA per E-Mail von einem


Vorfall im September: In Bad Vöslau in Nie-
derösterreich werden drei Burschen österreichischer
24 Herr F. berichtet: Seine ehemalige Lebens-
gefährtin und Mutter seines Sohnes, Frau U.,
kam vor etwa 20 Jahren aus der Republik Kongo nach
Herkunft von einer Gruppe bosnischer Jugendlicher Österreich. Eines Nachmittags im September fährt sie
als „Scheiß österreichische Schnösel“ beschimpft. Als mit ihrem Wagen zu der Linzer Schule, in der ihr Sohn
sich die drei österreichischen Jugendlichen entschlie- unterrichtet wird, um ihn abzuholen. Sie muss einen
ßen, wegzugehen, um eine Auseinandersetzung zu Radfahrer überholen, der in der Mitte der Fahrbahn
vermeiden, werden sie von den Aggressoren verprü- unterwegs ist. Als sie nach dem Überholmanöver in
gelt. Einer der drei Jugendlichen muss danach auf- den Rückspiegel schaut, zeigt ihr der Radfahrer aufge-
grund eines Nasenbeinbruchs operiert werden, die bracht seinen Mittelfinger. Sie versteht nicht, warum
anderen beiden kommen mit Schrammen, Häma- er dies tut, da sie ihn mit dem nötigen Sicherheitsab-
tomen und Gehirnerschütterungen davon. stand überholt hatte. Als sie in die nächste Querstraße
Herr C. meint abschließend: „Gemäß ihres Leit- einbiegt und den Wagen abstellt, folgt ihr der Radfah-
bildes, welches auf http://www.zara.or.at/materialien/ rer, reißt plötzlich die Fahrertür des Wagens auf und
leitbild/ zu lesen ist, gehe ich davon aus, dass auch ein beschimpft sie: „N..., Scheißausländer! Schau, dass Du
rassistischer Übergriff auf Österreicher dokumentiert heimkommst, du Hure!“ Frau U. versucht, etwas zu er-
wird.“ ZARA bestätigt Herrn C., dass dies zutrifft und widern, der Mann lässt sie jedoch nicht zu Wort kom-
empfiehlt ihm, falls er die Opfer kennt, diese an die men. Schließlich wird er handgreiflich und versucht,
Verbrechensopferhilfe des Vereins Weißer Ring (siehe Frau U. ins Gesicht zu schlagen, was sie jedoch abweh-
„Glossar“) für Beratung und Unterstützung weiterzu- ren kann. Als sie aussteigt, boxt er ihr in den Bauch.
leiten. Sollte es zu einem Strafprozess kommen, wird Frau U. wehrt sich und stößt den Mann weg. Er geht
dieser von ZARA dokumentiert werden. Herr C. mel- jedoch erneut auf sie los und tritt ihr gegen den rech-
det sich nicht mehr bei ZARA. ten Oberschenkel. Ein anderer Radfahrer kommt vor-
bei und mischt sich ein: „Frauen schlägt man nicht, ge-

22 Frau S. aus Wien will an einem Morgen im


Mai ihren afro-österreichischen Sohn zum
Kindergarten bringen. Als sie beim Rathaus vorbei-
hen sie schnell zur Polizei!“ Der Mann prügelt jedoch
weiter auf sie ein. Frau U. flieht zur nächsten Polizeista-
tion, der Angreifer folgt ihr. Beide erstatten Anzeige,
gehen, kommen ihnen drei etwa 25-jährige Personen sie wegen Körperverletzung, er aufgrund ihres angeb-
entgegen. Einer von ihnen murmelt in Richtung des lichen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung.
Sohnes das rassistische Schimpfwort „Bimbo“. Frau S. Frau U. begibt sich anschließend in ein Spital, wo
entgegnet dem jungen Mann sofort, dass sie so eine leichte Verletzungen aufgrund der Schläge diagnos-
Bezeichnung für ihren Sohn nicht akzeptiere. Darauf- tiziert werden.
hin herrscht dieser sie an: „Gusch, du Hur!“ ZARA berät Herrn F. und Frau U. rechtlich und
Frau S. wendet sich an ZARA mit der Bitte, den Vor- empfiehlt ihnen, sich auch an den Weißen Ring (sie-
fall zu dokumentieren he „Glossar“) in Linz zu wenden. Einen etwaigen Straf-
prozess gegen den Angreifer, der bis dato noch nicht

23 An einem Sonntag im September geht Frau


A., eine gebürtige Österreicherin, gemeinsam
mit ihrem Ehemann afrikanischer Herkunft im Wiener
stattgefunden hat, wird ZARA mitverfolgen und do-
kumentieren.

Augarten spazieren. Sie peilen händchenhaltend eine


Parkbank an, als sie an einer Familie, einem Ehepaar
mit Großmutter und fünf Kindern im Alter von etwa
25 Herr K. aus dem Irak wird an einem Tag im
Oktober am Wiener Matzleinsdorfer Platz
von zwei Männern rassistisch beschimpft. Als er sich
6 bis 16 Jahren, vorbeigehen. Eines der Kinder zeigt entfernen will, wird er von ihnen geschlagen und fällt
auf Frau A. und ihren Mann und sagt: „Schwarz und zu Boden. In der Folge wird er mehrere Minuten lang
Weiß, so ein Scheiß!“ Die Familie lacht über den Aus- mit Fußtritten malträtiert. Dann trifft die Polizei ein,
spruch ihres Kindes, woraufhin dieses den Satz laut- die offenbar von einem Passanten gerufen worden ist.
stark wiederholt. Frau A. beschließt, die Bemerkung Diese stellt die Identität der beiden Männer fest und
zu ­ignorieren, ihr Mann dreht sich aber um und sagt ruft für Herrn K. einen Rettungswagen. Herr K. erstat-
zur Mutter des Kindes: „Warum sagen Sie so etwas? tet Anzeige wegen Körperverletzung.
Das ist nicht lustig, wir haben Ihnen nichts getan!“ ZARA berät Herrn K. und empfiehlt ihm, sich an
Die Mutter ignoriert ihn auch nach erneutem Nach- den Weißen Ring (siehe „Glossar“) zu wenden, darüber
fragen. Herr und Frau A. beschließen, weiterzugehen. hinaus wird ZARA den Strafprozess begleitend doku-
Der ­Familienvater ruft ihnen plötzlich nach: „Schleich mentieren.
Di hin, wos’d herkummst, Depperter!“ Frau A. und
ihr Mann stellen resignierend fest, dass ein Streitge-
spräch keinen Sinn hätte und setzen ihren Sonntags-
spaziergang fort.
26 Frau O., eine Österreicherin, lebt mit ihrer
Familie in Wien. Mit ihrem Mann, der afri-
kanischer Herkunft ist, hat sie zwei Kinder. Im Au-
Frau A. ersucht ZARA, den Vorfall zu dokumentie- gust geht sie mit ihren beiden Söhnen im Wiener
ren. Donaupark spazieren. Auf einem Spielplatz spielen

21
Straßen, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

ihre ­Kinder auf Wippen in Form von Tieren. Der eine Zeig Zivilcourage!
Sohn sitzt auf einem Gorilla, der andere auf einem
Tiger, beide wippen unter der Aufsicht ihrer Mutter, Unter dem Titel 3mal45 Sekunden Zivilcourage hat der
die daneben steht. Ein altes Ehepaar mit seiner er- erfolgreiche Filmemacher Jochen Graf drei kurze Werbe-
wachsenen Tochter spaziert vorbei. Letztere deutet spots für ZARA gedreht. Mehrfach dafür ausgezeichnet,
auf die Zwillinge und meint belustigt zu ihrer Mutter: ermutigen die Werbefilme dazu, in unangenehmen Si-
„Schau, der klane N... Da passt er hin, da sitzt er rich- tuationen aktiv gegen Alltagsrassismus einzuschreiten
tig!“ In der Annahme, die Frau wäre nicht ausreichend – ganz ohne Ziegefingermoral!
sensibilisiert und habe sich einfach in der Wortwahl Anzusehen unter: http://filmproduktion.org/zaraspots/
vergriffen, erwidert Frau O.: „Dieses Wort sagt man
schon lange nicht mehr.“ Der alte Mann mischt sich
ein und meint zu Frau O.: „Na is halt ausseg‘rutscht:
N...!“ Frau O. darauf: „Na dann passt man halt auf, was
29 Frau L. befindet sich im Oktober mit ihren
Söhnen, deren Vater afrikanischer Herkunft
ist, auf dem Weg zum Arzt im 7. Wiener Gemeindebe-
einem so aus dem Mund rutscht...“ Daraufhin müssen zirk. Ein an ihnen vorbeigehender Mann sieht sie zu-
die beiden Frauen den Mann davon abhalten, Frau nächst an und wendet sich anschließend laut an die
O. gegenüber handgreiflich zu werden. Die Frauen übrigen PassantInnen in der Umgebung: „No, die hot
ziehen den Mann weg. Völlig in Rage schreit er noch a kan Weißen mehr obkriagt!“
mehrmals in Frau O.s Richtung: „Schaut‘s des is a N...- Frau L. möchte diese alltagsrassistische Demüti-
Fotz‘n! Schaut‘s...!“ gung durch ZARA dokumentiert wissen.
Frau O. möchte den alltagsrassistischen Übergriff

30
durch ZARA dokumentiert wissen. Herr Z., der in Nigeria geboren wurde, wird
im Mai in einer Wiener Straßenbahn von

27 Herr A., ein ZARA-Mitarbeiter, fährt im De-


zember mit der Wiener U-Bahn Richtung
Simmering und bemerkt, wie ein sichtlich angetrun-
­einer jungen Frau, die einen kleinen Hund trägt, auf-
gefordert, ihr seinen Sitzplatz zu überlassen. Als Herr
Z. dies verweigert, beschimpft sie ihn mit „Scheiß N...“.
kener Mann eine türkische Familie anpöbelt. Es fallen Herr Z. möchte den Vorfall von ZARA dokumentiert
unter ­anderem die Worte, dass „jo olle Türkn daschos- wissen.
sen ghören“. Nach etwa einer Minute kann Herr A. be-
obachten, wie ein anderer Fahrgast den Betrunkenen Die eigenen Rechte kennen
von seinen Hasstiraden ablenkt und ihn in ein anderes
Gespräch verwickelt. Der Betrunkene wird plötzlich Frau R., eine österreichische Staatsbürgerin tür-
wieder ganz ruhig und redet angeregt mit dem Mann kischer Herkunft, wird auf offener Straße von zwei
über die Vorzüge verschiedener alkoholhaltiger Ge- Männern als „Türken-Sau“ beschimpft, sie solle
tränke und hört so auf, andere Fahrgäste wegen ihrer sich „ham schleichen“, ansonsten würden die Män-
Herkunft zu beschimpfen. ZARA dokumentiert den ner „ihr eine auflegen“, wie sie ihr unter lautem Ge-
Vorfall. lächter nachrufen. Mehrere andere PassantInnen
bemerken diese Verbalattacke, reagieren jedoch

28 Herr J. schildert ZARA folgenden Vorfall: Im


Oktober kann er am Grazer Südtiroler Platz
mehrere, seiner Meinung nach entweder arabische
nicht. Frau R. ist schockiert und geht zur näch-
sten Polizeiinspektion, um den Vorfall anzuzeigen.
Dort teilt ihr ein Beamter mit, dass die Polizei für
oder türkische Jugendliche dabei beobachten, wie Beleidigungen unter Privatpersonen nicht zustän-
sie einen „jüdisch gekleideten“ Mann als „Drecksju- dig sei und sie sich an das nächste Bezirksgericht
de“ und „Judenschwein“ beschimpfen. Weitere Aus- wenden solle.
rufe sind zu hören, jedoch in einer Sprache, die Herr
J. nicht versteht. Für Beleidigungen im öffentlichen Raum sieht § 115
Herr J. fragt ZARA: „Ist sowas auch etwas, das unter Strafgesetzbuch (StGB) vor, dass jemand, der öffentlich
ihr Verständnis von Rassismus fällt? Oder kann Rassis- (d.h. vor mindestens drei Personen, Opfer und TäterInnen
mus nur von Weißen ausgehen?“ ZARA bestätigt ihm, nicht mitgerechnet) einen anderen „beschimpft, verspot-
dass auch dies ein Fall von Rassismus sei und doku- tet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen
mentiert das Geschehen. Misshandlung bedroht“ mit einer Freiheitsstrafe bis zu

22
Straßen, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

drei Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 180 Tages- Staatsanwaltschaft dient somit nur statistischen Zwe-
sätzen bestraft werden kann. cken.
Grundsätzlich gilt eine Beleidigung im Sinne des § 115
StGB als „Privatanklagedelikt“. Das bedeutet, dass der/ Einige Tage später begegnet Frau R. zufällig er-
die TäterIn nur auf Verlangen des Opfers verfolgt wird. neut den beiden Männern, die sie beschimpft ha-
Die Privatanklage muss binnen sechs Wochen beim zu- ben. Es ist mitten in der Nacht, die Männer sind of-
ständigen Bezirksgericht eingebracht werden. Der Nach- fensichtlich betrunken. Einer der Männer erkennt
teil einer solchen Privatanklage ist, dass der/die Privatan- Frau R. wieder und meint: „Hamma Dir nicht ge-
klägerIn für den Fall, dass der/die TäterIn freigesprochen sagt, Du sollst verschwinden?“ Die beiden gehen
wird, die Kosten des Strafverfahrens übernehmen muss. auf Frau R. los und fügen ihr durch Schläge und
Hat eine Beleidigung jedoch rassistische Motive, nimmt Tritte mehrere Prellungen am Oberkörper und im
sie etwa Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit oder die Gesicht zu. Ein Passant verständigt die Polizei und
Religion der beleidigten Person, dann wird das Privatan- die Rettung. Die Beamten treffen kurze Zeit später
klagedelikt zu einem Ermächtigungsdelikt (§ 117 Abs 3 ein und können die beiden Täter festnehmen. Frau
StGB). Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft die R. muss sich im Spital behandeln lassen.
rassistische Beleidigung von Amts wegen zu verfolgen
und ein Strafverfahren gegen den/die BeleidigerIn ein- Die Prellungen, die Frau R. von den beiden Männern zu-
zuleiten hat, wenn der/die Beleidigte damit einverstan- gefügt wurden, erfüllen den Straftatbestand der Körper-
den ist und die Staatsanwaltschaft dazu „ermächtigt“. In verletzung gemäß § 83 StGB. Dabei handelt es sich um
einem solchen Verfahren trägt das Opfer kein Prozessko- ein so genanntes „Offizialdelikt“, d.h., die Polizei muss den
stenrisiko. Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, die
Im Fall von Frau R. hätte die Polizei den Vorfall ei- ihrerseits ein Strafverfahren einleiten muss oder die Täter
gentlich aufnehmen und an die Staatsanwaltschaft wei- durch diversionelle Maßnahmen (Diversion, siehe „Glos-
terleiten müssen, die dann auch die Ermächtigung zur sar“) zur Wiedergutmachung der Tat bewegen kann. Für
Verfolgung der rassistischen Beleidiger von Frau R. hät- den Fall eines Strafverfahrens hat Frau R. keinerlei Ein-
te einholen müssen. Die Androhung des Mannes, Frau fluss darauf, ob und zu welcher Strafe die beiden Männer
R. „eine aufzulegen“, könnte auch als „gefährliche Dro- verurteilt werden. Sie kann sich dem Strafverfahren aber
hung“ gemäß § 107 StGB gesehen werden, welche die als Privatbeteiligte (siehe „Glossar“) anschließen. Als Op-
Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr fer einer Gewalttat hat Frau R. auch die Möglichkeit, sich
nach sich ziehen kann. Dafür hätte Frau R. ernsthaft in an den Weißen Ring (siehe „Glossar“) zu wenden. Der
Furcht und Unruhe um ihre körperliche Unversehrtheit Weiße Ring kann Frau R. einen Rechtsanwalt zur Seite
versetzt werden müssen. Da die Beleidiger bei dieser Aus- stellen, der sie bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche
sage gelacht haben, hat es sich hierbei vermutlich eher als Privatbeteiligte vertritt.
um eine so genannte „milieubedingte Unmutsäuße- § 33 Z 5 StGB sieht für den Fall einer Verurteilung
rung“ gehandelt, die von der Beleidigung gemäß § 115 der TäterInnen vor, dass das Gericht bei der Bemessung
StGB mit umfasst ist. der Strafe (im gesetzlich vorgesehenen Rahmen – bei
Körperverletzung ist dies eine Freiheitsstrafe von bis zu
Was kann Frau R. tun? einem Jahr oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessät-
Frau R. kann, wenn sich die Polizei weigert, die Anzeige zen) eine höhere Strafe verhängen kann, da die beiden
entgegenzunehmen, eine Sachverhaltsdarstellung an Täter aus „rassistischen und fremdenfeindlichen“ Mo-
die Staatsanwaltschaft schicken. Wenn sich Frau R. an tiven gehandelt haben und dies einen so genannten Er-
ZARA wendet, übernimmt ZARA diesen Schritt und be- schwerungsgrund darstellt.
gleitet sie durch das Strafverfahren. Problematisch bei
solchen Übergriffen im öffentlichen Raum ist jedoch mei-
stens der Umstand, dass die TäterInnen anonym bleiben.
Bei Vorfällen, in denen es um Beleidigung geht, wird die
Polizei zumeist nicht verständigt (oder die BeamtInnen
erklären sich wie im obigen Fall für unzuständig) und die
Daten der beteiligten Personen werden nicht aufgenom-
men. Eine Anzeige gegen anonyme TäterInnen an die

23
Öffentlicher Raum

Internet

31 Frau S. beteiligt sich gerne an Diskussionen


auf verschiedenen Internetplattformen. Im
Forum einer großen österreichischen Internetplatt-
Innen gemeldet. Diese werden über die Haltlosigkeit
der darin enthaltenen Behauptungen aufgeklärt und
ersucht, die VersenderInnen und EmpfängerInnen
form beobachtet sie im Juni besonders widerliche dieser Kettenmails ebenfalls darüber in Kenntnis zu
Untergriffe gegen Minderheiten, wie „Schluß mit der setzen. ZARA nimmt solche E-Mails als Problem wahr,
Vern...ung und Moslemisierung Europas! Raus mit den da sie leicht verbreitet werden können und gegen die
Sozialschmarotzern! Raus mit den Gebärtouristinnen!“ Verbreitung der Falschmeldung wenig unternommen
Besonders oft werden Menschen schwarzer Hautfar- werden kann.
be und MuslimInnen angegriffen und auf niedrigstem
Niveau beschimpft. Aber auch Antisemitismus und
Neonazismus finden Erwähnung: „Sperrt Mauthausen
wieder auf!“
34 Das DAI (siehe „Glossar“) leitet ein E-Mail an
ZARA weiter. Im Anhang der Zusendung be-
findet sich unter dem Titel „Klingelton des Monats“
Frau S. meldet diese Inhalte an ZARA. Ein ZARA- eine Tonaufnahme, in der ein Muslim beim Gebet zu
Mitarbeiter beobachtet das Forum einige Zeit und hören ist, das jedoch abrupt von Schüssen unterbro-
entdeckt selbst weitere rassistische Beiträge. Darauf- chen wird. Obwohl hier offensichtlich die Tötung von
hin benachrichtigt ZARA die Betreiber der Website. MuslimInnen propagiert wird, gibt es mangels Aus-
Kurze Zeit später wird das Forum für Wartungsar- forschbarkeit des Autors oder der Autorin dieser Da-
beiten vorübergehend offline gestellt und verbleibt tei keine rechtliche Möglichkeit dagegen vorzugehen.
bis Redaktionsschluss in diesem Zustand.. Auch die Verbreitung dieses vermeintlichen E-Mail-
„Scherzes“ ist weder rechtlich noch technisch zu ver-

32 Mehrere MelderInnen berichten ZARA im


August über ein Kettenmail, in welchem be-
hindern, ZARA bleibt nur die Dokumentation.

hauptet wird, dass in Innsbruck „kopftuchtragende“


Frauen am Parkplatz eines Supermarktes versuchen
würden, anderen EinkäuferInnen deren Waren mit
35 Herr T. weist ZARA auf folgenden Eintrag im
Internet hin: „Der Jud‘ an sich ist prinzipiell
niemals zufrieden mit anderen... sondern immer nur
einem betrügerischen Trick abzunehmen. mit sich. Selbstherrlich sitzt der Jud‘ also hoch auf sei-
ZARA nimmt Kontakt zur Innsbrucker Polizei auf nem Rosse und spuckt Forderungen wie Marschbe-
und fragt nach dem Wahrheitsgehalt dieser Geschich- fehle in die unteren Schichten, die ihm die restliche
te. Die Polizei antwortet prompt und teilt ZARA mit, Welt darstellt.“
dass keinerlei Fälle dieser Art vorliegen oder gemel- ZARA leitet den Interneteintrag per E-Mail an das
det wurden. Diese Information leitet ZARA auch den Dokumentationsarchiv des österreichischen Wider-
MelderInnen weiter. standes (DÖW, siehe „Glossar“) und an das Forum ge-
gen Antisemitismus (siehe „Glossar“) zu Dokumentati-

33 Herr P. empfängt ein Kettenmail, in welchem


behauptet wird, dass an Linzer Schulen den
SchülerInnen gelehrt würde, dass die traditionelle
onszwecken weiter. Der gemeldete Eintrag im Forum
ist nicht mehr auffindbar.

Grußform „Grüß Gott“ diskriminierend gegenüber


muslimischen MitbürgerInnen wäre. Um diese nicht
zu beleidigen, sollte man diesen Gruß unterlassen. In
36 Am Tag nach dem Sieg Österreichs im Fuß-
ballländerspiel gegen die Elfenbeinküste
wird ZARA auf folgenden Eintrag in einem Internet-
der Mail wird weiters dazu aufgefordert, keine „falsche forum hingewiesen: „ihr seid\‘s alle huankinder und
Toleranz“ walten zu lassen. Auch andere MelderInnen habt\‘s unser team nicht verdient! ö hat gerecht ge-
berichten ZARA über dieses E-Mail und dadurch ver- gen die bimbos gewonnen und die spieler werden
unsicherte Menschen. auch wieder zuschlagen. ö wird europameister!!!“
ZARA nimmt Kontakt zum Linzer Bezirksschulrat ZARA hat die Betreiber des Forums ersucht, den
auf und findet heraus, dass diese Behauptungen falsch rassistischen Eintrag zu entfernen. Bis dato gibt es
sind. ZARA wird dieses E-Mail von weiteren Zeug­ noch keine Reaktion auf diese Bitte.

24
Internet

Die eigenen Rechte kennen rem Wissen im Forum weiterhin abrufbar, können auch
die BetreiberInnen des Forums strafrechtlich belangt
Herr P. beteiligt sich regelmäßig an Diskussionen
­werden.
zu unterschiedlichen Themen auf einer österrei-
Zum Verbotsgesetz und zum Tatbestand der Verhet-
chischen, öffentlich zugänglichen Website. In
zung gemäß § 283 StGB siehe ausführlicher im Abschnitt
einem Forumsbereich geben registrierte User ihre
„Die eigenen Rechte kennen“ im Kapitel „Öffentlicher
Meinung über das österreichische Fremdenrecht
Raum/ Rassistische Beschmierungen“.
ab, darunter auch ein gewisser „Adolf 88“, der sei-
ne Postings mit den Worten „Heil Hitler“ abschließt
Was kann Herr P. tun?
und der Meinung ist, dass „türkischer und balka-
Herr P. kann sich an die Meldestelle für NS-Wiederbetäti-
nesischer Abschaum aus unserem schönen Öster-
gung des Bundesministeriums für Inneres wenden. ­Diese
reich verjagt gehört“. Herr P. wendet sich sofort an
ist beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terro-
die Forumsbetreiber und ersucht um Löschung der
rismusbekämpfung (siehe auch „Glossar“) angesiedelt
Postings und Sperrung des Users „Adolf 88“. Er er-
und nimmt unter ns-wiederbetaetigung@mail.bmi.gv.at
hält die Antwort, dass im Sinne der Meinungsfrei-
Meldungen über Websites und Forenbeiträge mit neo-
heit weder Löschungen noch Sperrungen durch-
nazistischen, rassistischen und antisemitischen Inhalten
geführt werden..
entgegen. ZARA kann für Herrn P. die Meldung überneh-
men und leitet den Sachverhalt auch an das Forum ge-
Da es sich um eine Website auf einem österreichischen
gen Antisemitismus und das Dokumentationsarchiv des
Server handelt und der User „Adolf 88“ die Einträge von
österreichischen Widerstands weiter (zu beiden Instituti-
einem in Österreich befindlichen Computer tätigt, rich-
onen siehe „Glossar“).
tet sich die rechtliche Bewertung des Sachverhaltes nach
österreichischem Recht. Bei Websites auf ausländischen
INACH
Servern und UserInnen, die ihre Einträge nicht von in Ös-
terreich befindlichen Computern erstellen, ist die Sach-
lage komplizierter und eine Strafbarkeit nach österrei- ZARA ist seit 2007 offizieller Partner im International
chischem Recht grundsätzlich nicht möglich. Network Against Cyber Hate (INACH) für Österreich.
Entgegen der Ansicht der BetreiberInnen der Web- ­INACH ist eine Netzwerkorganisation mit 15 Mitglieds­
site unterliegen die Äußerungen des Users „Adolf 88“ organisationen aus 15 Staaten und ist noch immer am
dem österreichischen Strafrecht, das Ausnahmen vom wachsen. Das Internet als relativ freier Raum bietet vie-
Grundsatz der Meinungsfreiheit vorsieht, wo es nicht um len extremen Gruppen und Kräften eine Plattform, um
Meinung, sondern Verhetzung (§ 283 des Strafgesetz- ihre Botschaften und Hasspredigten zu verbreiten und
buches – StGB) oder um Verstöße gegen das Verbotsge- zu propagieren. INACH erkennt die durch neue Medien
setz geht. verbreiteten Hassbotschaften als entscheidenden Faktor
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat mehrmals ent- für rassistische und diskriminierende Handlungen und
schieden, dass sowohl Ausrufe wie „Heil Hitler“ oder Verbrechen im realen Leben. Nationale Grenzen spielen
„Sieg Heil“ als auch das Zeichen für den so genannten für die Erreichbarkeit im „Cyberspace“ keine Rolle. Um
Hitlergruß charakteristische Symbole des Nationalsozia- Schritte gegen ein globales Phänomen von „Cyber Hate“
lismus sind. Somit ist der demonstrative Gebrauch dieser setzen zu können, muss man international zusammen-
Parolen und Gesten in der Öffentlichkeit mit dem Vorsatz arbeiten.
auf nationalsozialistische Betätigung verbunden und Durch die internationale Kooperation im INACH-
fällt unter das Verbotsgesetz. Es handelt sich also durch- Netzwerk können jetzt nahezu alle Fälle, die uns über
aus um eine strafbare Handlung. (Siehe die Entschei- Rassismus im Internet gemeldet werden, rasch und
dungen vom 13.9.2000 des OGH unter http://www.ris2. ­effektiv bearbeitet werden. So wurde uns zum Beispiel
bka.gv.at, mit den Geschäftszahlen 13 OS 45/00 oder 13 eine Website mit äußerst diskriminierenden Inhalten ge-
OS 47/00.) meldet, welche in Deutschland gehostet wurde. Nach
Die BetreiberInnen sind nach Hinweis auf einen straf- Kontaktaufnahme mit der deutschen Partnerorganisati-
rechtlich relevanten Forumsbeitrag zu dessen Löschung on Jugendschutz.net wurde in Kooperation eingegriffen
verpflichtet. Bleiben die verhetzenden und den Tatbe- und die Seite daraufhin offline gestellt. Weitere Infos un-
stand der Wiederbetätigung erfüllenden Texte mit ih- ter: http://www.inach.net/

25
Öffentlicher Raum

Politik und Medien

14
Sen, Amartya (2007) Die „Die Kunst, Haß zu erzeugen, nimmt die Form an, die nischen Gruppe zugeschrieben werden oder einer Re-
Identitätsfalle. Warum es kei-
nen Krieg der Kulturen gibt,
Zauberkraft einer vermeintlich überlegenen Identität zu ligionsgemeinschaft angehören, in grober Weise ver-
München: Verlag C.H. Beck beschwören, die andere Zugehörigkeiten überdeckt, und letzt wird oder ihre Teilhabe an der Gesellschaft durch
in einer entsprechend kriegerischen Form kann sie auch rassistische Agitation behindert oder eingeschränkt
jedes menschliche Mitgefühl, jede natürliche Freundlich- wird. Wer sich also auf die Meinungsfreiheit beruft,
keit, die wir normalerweise besitzen mögen, übertrump- muss immer mit bedenken, dass diese nur im Rahmen
fen.“ 14 eines weiteren demokratischen und menschenrecht-
lichen Grundkonsenses Bestand haben kann. Und die
Der Diskurs über Rassismus in Medien und Politik Ablehnung von Rassismus muss in unserer Gesell-
scheint seit langem festgefahren. Zum einen stilisieren schaft unabtrennbarer Bestandteil dieser Basis sein.
sich die ProtagonistInnen der rassistischen Hetze stets
als wehrhafte VerfechterInnen der Meinungsfreiheit
und arme Verfolgte eines (stets als links gesehenen)
„Tugendterrors“. Sie verteidigen auch niederträch-
37 Im Magazin des Rings Freiheitlicher Jugend-
licher (RFJ) namens „Tangente“ wird in der
Ausgabe 01/2007 von Michael Winter, dem Obmann
tigste Verhetzung mit Aussagen wie „das wird man des RFJ-Steiermark, in einem Kommentar unter dem
doch noch sagen dürfen!“ oder vermeinen gar, über Titel „Lieber Sodomie als Vergewaltigung“ gefor-
Wahrheiten zu verfügen, die die Gegenseite „einfach dert, durch „Einrichten“ einer Schafherde im Grazer
nicht ertrage“. Zum anderen verhindern in der ideolo- Stadtpark eine „Sofortmaßnahme gegen muslimisch-
gischen Gemeinschaft der „political correctness“ auf- ­türkische Vergewaltigungen“ zu schaffen. Auf diese
gebaute und gehegte Tabus oft ebenfalls eine inhalt- Idee brachte ihn die eingehende Analyse zweier Ar-
liche Auseinandersetzung mit Fragen des Rassismus. tikel der Kronen Zeitung, die am 8.4.2007 von einem
Es scheint, als habe man sich zu lange damit begnügt, Fall eines Deutsch-Türken, der sich angeblich mehr-
einfach auf rassistische Äußerungen zu warten und in fach an einer Schafherde vergangen haben soll, und
der stets prompten und empörten ablehnenden Re- dem Fall der Vergewaltigung einer 17-jährigen Gra-
aktion darauf schon sein anti-rassistisches Potenzial zerin, die den Täter als Mann türkischer Herkunft be-
zu erschöpfen. schreibt, berichtet hatte.
Der Artikel wird von ZARA lediglich dokumentiert,
ZARA hat immer klar gemacht, dass das Menschen- da in der Vergangenheit auf Beschwerdebriefe in ähn-
recht auf freie Meinungsäußerung eine der zentralen lichen Fällen nicht reagiert wurde.
Säulen eines demokratischen Rechtsstaates ist und Dr. Susanne Winter, FPÖ-Spitzenkandidatin für
betont, dass dieses Recht nicht einfach eine Einla- die Grazer Gemeinderatswahl und Mutter des Autors
dung für den Missbrauch von Sprache als Mittel der dieses Artikels, sagt gegenüber der Zeitschrift Falter
Agitation und Verhetzung ist, sondern ein Recht, das in der Ausgabe 47/2007, als sie auf den Artikel ihres
mit Verantwortung verknüpft ist. Diese Verantwor- Sohnes angesprochen wird: „Es gibt in muslimischen
tung ist umso größer, je größer der Kreis der Empfän- Ländern Tierbordelle, und wir bringen den Beweis.
gerInnen der Botschaft ist. Daher sind PolitikerInnen Die Aussendung war als Anregung gedacht, und es
und JournalistInnen in dieser Hinsicht besonders ge- haben sehr viele darüber gelacht und das als witzig
fordert. Es ist klar, dass auch dumme und falsche, eng- empfunden. Die Aussage meines Sohnes kommen-
stirnige und groteske, erschütternde und aufwiegeln- tiere ich sonst nicht weiter.“ Auf Nachfrage, wo es die-
de Aussagen im Rahmen der Meinungsfreiheit vor se „Tierbordelle“ gäbe, meint sie: „Ich kann ad hoc kei-
Beschränkungen geschützt sein müssen. Umgekehrt ne Beispiele nennen.“
aber gilt auch, dass es einen Grundstock an demokra- Aufgrund dieses Artikels und anderer „fragwür-
tischen und menschenrechtlichen Werten gibt, deren diger, teilweise menschenverachtender und ras-
Teil die Meinungsfreiheit selbst ist, welcher gegen An- sistischer Äußerungen in Aussendungen und auf
griffe angemessen und wirksam verteidigt werden Flugzetteln“ wird auf Initiative der steirischen SPÖ-
muss. Ein den Menschenrechten verpflichteter, de- Landesrätin Bettina Vollath, die sich dabei auch auf
mokratischer Staat kann also nicht zulassen – auch die Empfehlung einer ExpertInnenkommission stützt,
nicht unter Berufung auf die Meinungsfreiheit –, dass dem RFJ-Steiermark die Jugendförderung gestrichen.
die Menschenwürde von Personen, weil sie einer eth- Der RFJ solle erst dann wieder eine Förderung erhal-

26
Politik und Medien

ten, wenn er sich ernsthaft und glaubwürdig von sol- maßen: „Die ÖVP hat […] im Sinne der Anrainer die-
chen Aussagen distanziere. sen Beschluss umdrehen können. […] Noch immer
müssen sich Christen in islamischen Ländern bedeckt
halten und dürfen ihren Glauben nicht offen nach
außen tragen. Daher kann man einem Bau einer Mo-
schee in Kärnten auch nicht die uneingeschränkte
Zustimmung erteilen.“ Am 18.9.2007 verkündet der
Bürgermeister von Spittal an der Drau, Gerhard Köfer
(SPÖ), in einem Artikel in der Kleinen Zeitung (http://
www.kleinezeitung.at/regionen/kaernten/oberka-
ernten/569620/index.do) gemeinsam mit dem Imam
Hasudin Atanovic, dem Sprecher der Muslime der Re-
gion Oberkärnten, dass es nie beantragt oder geplant
war, in Spittal eine Moschee mit Minarett und Kuppel
zu errichten. Es habe lediglich einen Bau-Antrag für
den Umbau eines muslimischen Gebetshauses gege-

38 Frau R., eine Bewohnerin des Orts Ottens-


heim in Oberösterreich, berichtet ZARA im
Juni von Bestrebungen eines ortsansässigen FPÖ-
ben, der in eine zu dieser Zeit österreichweit geführte
Diskussion um Moscheen, Minarette und Kuppeln ge-
zerrt worden sei. Der Imam bekräftigt im Interview,
­Gemeinderats, Personen mit Migrationshintergrund dass man sich der Kultur in Kärnten angepasst habe
das Grillen im örtlichen Stadtpark zu verbieten. Es sei und daher die eigene Religion in Gebetsräumen aus­
ihm ein Anliegen, dass nur mehr „Ottensheimer“ und übe. Am 27.1.2008 berichtet die Kleine Zeitung (http://
insbesondere keine türkischen Familien mehr den www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/724048/
Park zur Freizeitgestaltung nutzen können. Anfang index.do), dass das Kärntner BZÖ einen Antrag zur
Juli will der FPÖ-Gemeinderat einen entsprechenden Änderung der Bauordnung und des Ortsbildpflege-
Antrag in einer Gemeinderatssitzung einbringen. Frau gesetzes zur Diskussion in der Landesregierung ein-
R. ist besorgt und hält Rücksprache mit der Ottenshei- gebracht hat, um „Vorhaben, die wegen ihrer außer-
mer Bürgermeisterin, die sie jedoch beruhigt und ihr gewöhnlichen Architektur oder Größe (Höhe) von der
mitteilt, dass ein solcher Antrag kaum Chancen auf örtlichen Bautradition wesentlich abweichen“, verbie-
Zustimmung im Gemeinderat haben würde. Frau R. ten lassen zu können. ZARA wird die Entwicklung wei-
will ZARA über den weiteren Verlauf der Dinge berich- terhin verfolgen.
ten, meldet sich jedoch nicht mehr.

39 ZARA-Medienmonitoring: Am 27.8.2007 ver-


kündet das BZÖ Kärnten unter Landeshaupt-
40 Am 3.9.2007 erfährt ZARA aus den Medien,
dass der Kärntner Landeshauptmann Jörg
Haider (BZÖ) ein „Kopftuch-Verbot“ nach niederlän-
mann Dr. Jörg Haider per Presseaussendung, dass dischem Vorbild plane. Dieses Verbot gelte aber nur
„Verschärfungen“ im Kärntner Ortsbildpflegegesetz dann, sofern diese Kopftücher als religiöses Symbol
sowie im Gemeindeplanungsgesetz geplant seien, um getragen werden. In einem Standard-Interview äu-
in Hinkunft Moscheen und Minarette als Störung des ßert sich Haider folgendermaßen: „Ich möchte keine
Ortsbilds zu deklarieren und deren Bau verhindern verschleierten Frauen auf unseren Straßen sehen. […]
zu können. In einem ORF-Interview (http://kaern­ten. Das ist ein Rückschritt ins Mittelalter.“ Auf Nachfra-
orf.at/stories/217207/) bekräftigt Haider: „Wir wollen ge, was denn dann mit „,Kopftüchl’ tragenden Groß-
keinen Krieg der Kulturen und keine radikalislami- müttern, die zuweilen noch im Kärntner Unterland
stischen Tendenzen, sondern die Leitkultur in Kärnten anzutreffen sind oder der Gailtaler Frauentracht, die
schützen und erhalten.“ ebenfalls mit Kopftuch getragen wird“ aussieht, meint
Die Islamische Glaubensgemeinschaft reagiert em- Haider: „Dagegen habe ich nichts!“ Das Kopftuch-Ver-
pört und bezeichnet die Vorhaben und Aussagen Hai- bot solle nur gelten, wenn es nicht „folkloristisch“ ge-
ders als Skandal. SPÖ und Grüne verweigern sich den tragen wird. In einem Interview auf http://kaernten.
Plänen Haiders. Laut weiterer Presseaussendungen des orf.at/stories/219167/ bekräftigt der Landeshaupt-
BZÖ Kärnten vom 25.10.2007 (u.A.:http://www.ots.at/ mann, dass er auf „kulturelle Assimilation statt Inte-
presseaussendung.php?schluessel=OTS_20071025_ gration“ setze. ZARA dokumentiert.
OTS02&ch=politik) sei das Bauverbot durch den Land-
tag mit Unterstützung der ÖVP bereits beschlossen
worden. Ebenfalls am 27.8.2007 gibt es eine Pres-
seaussendung der ÖVP Kärnten, die durch Willi Koch,
41 Herr Dr. G., ein Österreicher, der mit einer Afri-
kanerin verheiratet ist, meldet ZARA im Fe-
bruar, dass in der Sendung „Narrisch Guat“ auf ORF 2,
Stadtrat in Spittal an der Drau, angeblich den Bau ei- in der die „lustigsten“ Faschingssketche der verschie-
ner Moschee im Ort in zweiter Instanz durch negative denen Faschingsgilden gezeigt werden, folgender
Abänderung des Baubescheides verhindern konnte. „Witz“ gesendet wurde: „Jeder stellte sich schon mal
Landesrat Josef Martinz äußert sich dazu folgender- die Frag’, warum gibt‘s weiße Schokolad‘, ganz kloa,

27
Politik und Medien

damit die N…fratzen, sich auch anpatzen.“ Herr Dr. G. kante Antwort: Da ist etwas in Ihren Genen, das Sie
findet diesen Witz geschmacklos und rassistisch, ZARA noch nicht verarbeiten konnten. Sie können nichts
schließt sich seiner Meinung an. ZARA schickt einen dafür, weil erst jahrtausendelange Tradition bewirkt,
Beschwerdebrief an den ORF und den Faschingsrat dass man die eigene Tradition verarbeiten kann. Ich
einer Kärntner Gemeinde, der für den Sketch verant- glaube, das kann nicht der Vorwurf sein, dass man Sie
wortlich ist. Der Publikumsrat des ORF übermittelt aus einem Lokal geworfen hat. […] Sie wissen, dass
eine Stellungnahme des Programmdirektors, der be- Tradition, dass alles, was sich mit einer gewissen Men-
dauert, dass die beanstandete Passage nicht eliminiert schenschicht in der Geschichte abgespielt hat, als
wurde, da diese weder der Unternehmenshaltung Transformation in den Genen weitergegeben wird. Sie
noch den verbindlichen Leitbildern des ORF entspre- haben dadurch automatisch zu wenig Selbstbewusst-
chen würde. Um solchen Fehleinschätzungen in Zu- sein und zu viel Hoheitsdenken der anderen Hautfar-
kunft besser vorbeugen zu können, werde die Causa be gegenüber in sich, deshalb sehen Sie das so. Es hat
auch beispielhaft in Redaktionssitzungen zur Sprache niemand etwas gegen eine andere Hautfarbe. Ich bin
gebracht werden. Der Faschingsrat entschuldigt sich Juristin und kann zu dem Fall, dass Sie aus dem Lokal
in einem Antwortbrief, den Begriff „N…“ verwendet geworfen worden sind, leider nichts sagen, wenn ich
zu haben. Man wollte dadurch niemanden beleidigen die andere Seite nicht gehört habe.“
oder rassistisch diskriminieren. In Reaktionen auf dieses Interview wird richtiger-
weise darauf hingewiesen, dass die von Dr. Winter

42 ZARA beobachtet gegen Ende des Jahres


2007 den Gemeinderatswahlkampf in Graz:
Dr. Susanne Winter, FPÖ-Spitzenkandidatin für die
getätigten Aussagen nicht nur einer längst überkom-
menen „Rassenlehre“ entsprechen, sondern auch „tief
verwurzeltes, braunes Gedankengut“ sind (Zitat: Hi-
Gemeinderatswahl, hat kein Problem mit dem Wort storiker Helmut Konrad in einem ORF Interview).
„N...“. In einer Presseaussendung mit dem Titel „‚N...’ ist Auch die Kampagne des BZÖ Graz unter Spitzen-
kein Schimpfwort“ teilt sie Folgendes mit [Anm. d. Re- kandidat Gerald Grosz ist von rassistischen Unter-
daktion: in der Presseaussendung der FPÖ ist das Wort tönen geprägt. Unter dem Titel „Wir säubern Graz“
„N...“ ausgeschrieben]: (http://:www.sauberesgraz.at) geht es auf Plakaten
„‚Für mich ist der Begriff ‚N...’ kein Schimpfwort. Ich mit Besen gegen „Asylmissbrauch“, „Bettlerunwesen“
werde mich niemals unter das Joch der ‚politischen und „Ausländerkriminalität“ vor. Eindeutig rassistisch
Korrektheit’ werfen, nur weil ich von den Pseudo-Tu- ist die dazugehörige Postkartenserie. Unter anderem
gendwächtern der Grazer Wahlkampfbeobachtungs- stehen folgende Motive, teil-anonymisierter „auslän-
kommission des Fairness-Abkommens á la Wolfgang discher ÜbeltäterInnen“, gegen die sich die Säube-
Benedek, eine ‚rote Ampel’ verpasst bekomme. Ich rungskampagne richten soll, zur Auswahl: Die „Post-
werde auch weiterhin in aller Öffentlichkeit das Wort karte Drogendealer“ zeigt einen jungen schwarzen
‚N...’ verwenden’, erklärt die freiheitliche Frontfrau Dr. Mann, der eine Zigarette raucht. Dazu der Text: „‚Bitte
Susanne Winter. wählen Sie NICHT das BZÖ, damit ich weiterhin mei-
‚Der Begriff ‚N...’ ist bereits seit dem 18. Jahrhundert nen Geschäften nachgehen kann.’ Amir Z., Asylwerber
in weiten Teilen Europas eingebürgert. Er erlangte und Drogendealer.“ Die „Postkarte Autoknacker“ zeigt
mit dem Aufkommen des europäischen Imperialis- einen mit Schimütze unkenntlich gemachten Auto-
mus weite Verbreitung, sowohl in der Gelehrten- als dieb bei der Ausführung seiner Tat. Dazu der idente
auch in der Alltags-Sprache. Damit kann das Wort ‚N...’ Text: „‚Bitte wählen Sie NICHT das BZÖ, damit ich wei-
als historisch gewachsenes Wort unseres Deutschen terhin meinen Geschäften nachgehen kann.’ Wojciech
Sprachschatzes und damit gleichzeitig als, wenn auch K., Serienautoknacker.“ Kriminalität scheint somit laut
kleiner, Teil unserer Deutschen und Europäischen Kul- BZÖ ein allein durch „Ausländer“ verursachtes Übel zu
tur bezeichnet werden’, erklärt die Grazer FPÖ-Chefin sein. Menschen nicht-österreichischer Herkunft wer-
Winter. ‚Ebenfalls werde ich meinen zukünftigen En- den mit Dreck gleich gesetzt, von dem Graz gesäubert
kelkindern die Geschichte von den ‚Zehn kleinen N... werden müsse.
lein’ vorlesen, gleich wie ich diese Geschichte von Gegen die Aussagen der FPÖ-Spitzenkandidatin
meinen Eltern vorgelesen bekommen habe’, weist FP- Dr. Winter und die rassistische, menschenverachtende
Susanne Winter zum Schluss daraufhin.“ Kampagne des BZÖ Graz richtete sich auch ein Aufruf
In einem Bericht der Steiermarkausgabe der Wo- von ZARA im Rahmen der „Clean-Politics-Kampagne“
chenzeitschrift Falter (http://www.falter.at/web/print/ (http://www.zara.or.at/cleanpolitics/). Darin wurden
detail.php?id=595) wird ein Gespräch zwischen Dr. alle Grazer Parteien aufgefordert, sich von den rassi-
Winter und dem in Nigeria geborenen und in Graz le- stischen Auswüchsen des Wahlkampfs zu distanzieren
benden Lehrer Fred Ohenhen vom Integrationsverein und für einen fairen und nicht-diskriminierenden Ver-
ISOP, den sie ebenso als „N…“ anspricht, abgedruckt. lauf der Wahl zu sorgen. Positiv aufgenommen und
Als Herr Ohenhen einen Vorfall schildert, bei dem er beantwortet wurde dieses Ersuchen lediglich von
aus einem Lokal geworfen und als „N…“ beschimpft den Grünen, die anderen Parteien äußerten sich dazu
worden ist, meint sie: „Ich geben Ihnen eine provo- nicht.

28
Politik und Medien

Die eigenen Rechte kennen kers / einer Politikerin aufgrund einer rassistischen Wahl-
kampfrede oder eines islamfeindlichen Slogans unwahr-
Frau L. ist Abonnentin einer großen österrei- scheinlich. Der oben zitierte Slogan richtet sich zwar
chischen Tageszeitung. Sie schätzt zwar die Infor-
gegen eine Einrichtung einer geschützten „Religionsge-
mationen in kompakter Form, ist aber oftmals da-
sellschaft“, jedoch nicht in einer Art und Weise, dass hier
rüber aufgebracht, dass im Zusammenhang mit
eindeutig von einem „Aufruf zu einer feindseligen Hand-
Drogendelikten fast ausschließlich von „schwarz-
lung“ gegen den Islam oder einem „Hetzen“ im Sinne
afrikanischen Verbrecherbanden“ und „nigeria-
dieses Straftatbestandes gesprochen werden kann.
nischen Scheinasylanten“ die Rede ist. Eines Ta-
§ 188 StGB besagt, dass derjenige, der „öffentlich eine
ges liest sie mit Entsetzen im schmalen Politikteil
Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Ver-
der Zeitung über eine gegen ein muslimisches Ge-
ehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religi-
betshaus gerichtete Kampagne einer dem rechten
onsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen
Lager zuzuordnenden Partei mit dem Titel „Mit
gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zuläs-
Schweinskarree gegen die Moschee“.
sige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsge-
sellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspot-
Einseitiger, rassistischer Berichterstattung in Medien ist
tet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes
rechtlich kaum Einhalt zu gebieten. Zeitungen dürfen
Ärgernis zu erregen […] mit Freiheitsstrafe bis zu sechs
selbst entscheiden, welche Meldungen und (erlaubten)
Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu
Meinungen sie publizieren. Solange durch diese Bericht-
bestrafen [ist].“ Die Formulierung des Kampagnenslo-
erstattung nicht in die Rechte von Einzelpersonen einge-
gans gegen das muslimische Gebetshaus, dem man das
griffen (etwa durch üble Nachrede oder die Verletzung
als unrein geltende Schweinefleisch entgegensetzen will,
der Unschuldsvermutung) oder durch die Wiedergabe
ist zwar eindeutig islamfeindlich, fällt jedoch nicht unter
von Meinungen gegen das Verbotsgesetz oder den Ver-
den Wortlaut dieses Straftatbestandes.
hetzungsparagraphen des Strafgesetzbuches (§ 283
StGB) verstoßen wird, bleibt für Privatpersonen lediglich
die Möglichkeit, beim Medieninhaber gegen die rassi- Was kann Frau L. tun?
stische Berichterstattung zu protestieren und das Medi- Da die Berichterstattung der Tageszeitung im Rahmen
um zu boykottieren. Es wäre wünschenswert, wenn sich des rechtlich Erlaubten bleibt, kann ZARA für Frau L. le-
österreichische Medien wieder in einer Institution wie diglich einen Beschwerdebrief an die Zeitung selbst ver-
dem 2001 aufgelösten Österreichischen Presserat orga- fassen. Auch im Fall des islamfeindlichen, wohl aber nicht
nisieren würden, um mittels eines „Presse-Ehrenkodex“ strafbaren Parteislogans bleibt Frau L. nur der Protest.
zumindest für ein Mindestmaß an Selbstkontrolle und
die Abmahnung von Medien, die sich rassistischer Be- ZARA Forderung
richterstattung bedienen, zu sorgen.
Rassistische Parolen im Wahlkampf, die die Grenzen Ausweitung des Schutzes vor Verhetzung in § 283
des „guten Geschmacks“ überschreiten, sind in Öster- StGB
reich mittlerweile an der Tagesordnung, von der Grazer Öffentliches Hetzen und das Schüren von Hass gegen
Gemeinderatswahl bis hin zur Nationalratswahl. Viele bestimmte Bevölkerungsgruppen ist eine der wider-
Menschen wenden sich darob bestürzt an ZARA und er- lichsten Formen von Rassismus. ZARA fordert daher
suchen um Maßnahmen gegen diese „Hetzkampagnen“, eine Aufwertung des Schutzes vor Verhetzung dahin-
möglichst mittels Anzeige an die Staatsanwaltschaft. gehend, dass nicht allein die „öffentliche Ordnung“ als
Die für die Parteien tätigen WahlkampfstrategInnen wis- schützenswert gilt, sondern primär die Wahrung der
sen jedoch sehr genau, wo das österreichische Strafrecht Menschenwürde unter dem Schutz des Strafrechts
eine Grenze zieht, die bei der Erstellung von Wahlpro- stehen soll. Der Tatbestand muss vereinfacht werden
grammen, Bierzeltreden und Wahlkampfslogans einzu- und weitere Formen pauschalen Verächtlichmachens
halten ist. Die beiden hierbei relevanten Bestimmungen von Menschen unter Strafe gestellt werden, um den
sind einerseits § 283 StGB (Verhetzung) und andrerseits Gerichten die Verfolgung von Hassreden und hetze-
– bei islamfeindlicher Hetze – der Tatbestand der Herab- rischen Beschmierungen zu ermöglichen. Insbeson-
würdigung religiöser Lehren gemäß § 188 StGB. dere muss der Paragraph an die Realität des Diskurses
Aufgrund der restriktiven Auslegung des Verhetzungstat- in Österreich angepasst werden, in der oft gegen „Mi-
bestandes durch die österreichischen Strafgerichte (­siehe grantInnen“, „Fremde“ oder „AsylwerberInnen“ als
dazu ausführlich den Abschnitt „Die eigenen Rechte Gruppe gehetzt wird. (Siehe auch „Die eigenen Rech-
kennen“ im Kapitel „Öffentlicher Raum / Rassistische te kennen“ im Kapitel „Öffentlicher Raum/ Rassistische
Beschmierungen“) ist eine Verurteilung eines Politi- Beschmierungen“)

29
Öffentlicher Raum

Rassistische Beschmierungen

ZARA dokumentiert seit sieben Jahren rassistische Statistik


Beschmierungen im öffentlichen Raum und bemüht
sich um deren Entfernungen. Im Vergleich zum Vor- 2007 wurden insgesamt 251 rassistischen Be-
jahr (2006: 739 bei ZARA gemeldete rassistische schmierungen an ZARA gemeldet. 59 rassistische Be-
Beschmierungen) zeigt sich ein Rückgang an Mel- schmierungen wurden in öffentlichen Verkehrsmit-
dungen. Trotzdem ist der öffentliche Raum nicht frei teln gesichtet. Nur 8 Beschmierungen wurden von
von rassistischen und verhetzenden Parolen. Warum? außerhalb Wiens gemeldet.
Die beiden Zahlen im Vergleich belegen die erfolg-
ISL 3%
reiche Wirkung von medial unterstützten und breit TÜR 6%
angelegten Sensibilisierungskampagnen. Sowohl die
ZARA-Kooperationen mit der von SOS-Mitmensch
RAS 12%
initiierten Kampagne „Rassismus streichen“ (http:// AFR 55%
www.rassismusstreichen.at) als auch die Initiative
des Baumeisters Ing. Alexander Baumann (http://
www.beschmierungsambulanz.at) haben 2006 zu ei-
ner erhöhten Wachsamkeit gegenüber rassistischen
Beschmierungen geführt. Die Meldungen an ZARA
HAS 24%
sind daraufhin gestiegen. Anstelle von Gleichgültig-
keit trat bei vielen Menschen das Bewusstsein, dass
Beschmierungen nicht mit den unterschiedlichen
Ausdrucksformen von Graffiti-SprayerInnen gleich-
zusetzen sind, sondern von rassistischen Parolen an AFR „Anti-Afrikanisches“
Wänden oder in öffentlichen Verkehrsmitteln eine tat- HAS „Hakenkreuze und Antisemitisches“
sächliche Bedrohung für Menschen und das sichere RAS „Rassistisches“
Zusammenleben ausgeht. Die negative Symbolkraft TÜR „Anti-Türkisches“
rassistischer Schmierereien lässt niemanden unbe- ISL „Anti-Muslimisches“
rührt. Vorurteile werden bestätigt und Feindbilder ge-
schaffen. Die Nicht-Entfernung legitimiert Rassismus.
Es braucht weiterhin viele kritische Menschen,
die rassistische Beschmierungen bei ZARA mel- Die eigenen Rechte kennen
den oder im Fall, dass ihre Hauswand rassistisch Frau Z. ärgert sich über die rassistischen Be-
beschmiert ist, sofort auf die Notmaßnahme der schmierungen in Wiens Straßen. Sie geht täglich
Beschmierungsambulanz zurückgreifen: Näheres an dutzenden „N… raus“, „Kill n…s“, „Scheiß-Tür-
unter: http://www.beschmierungsambulanz.at ken!“ und ähnlichen Graffiti vorbei.

Wie ist eine solche Beschmierung rechtlich


zu bewerten?
Laut § 125 Strafgesetzbuch (StGB) begeht eine Sach-
beschädigung (SB), wer eine fremde Sache zerstört, be-
schädigt, verunstaltet oder unbrauchbar macht. Bei
Beschmierungen wird es sich zumeist um eine Verunstal-
tung, d.h. eine nicht unerhebliche Veränderung im äuße-
ren Erscheinungsbild einer Sache handeln, wobei diese
so intensiv sein muss, dass sie nur mit einem gewissen
Aufwand entfernt werden kann. Wenn die „Geringfügig-
keitsgrenze“ nicht überschritten wird, wie z.B. bei klein-
flächigem Bemalen einer Glaswand mit einem wasser-
löslichen Stift, liegt keine Sachbeschädigung vor.
Bei einfacher Sachbeschädigung liegt der Strafrah-
men bei einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten bzw. ei-

30
Rassistische Beschmierungen

ner Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen. Wenn der einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat
Schaden den Betrag von 3.000 Euro überschreitet oder bestimmte Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit
durch die Beschmierung z.B. eine Kirche, ein Grab oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
ein denkmalgeschütztes Objekt verunstaltet wird, be-
trägt der Strafrahmen der Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich gegen eine
Eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen kann alternativ der im Abs. 1 bezeichneten Gruppen hetzt oder sie
verhängt werden. Übersteigt der Schaden 50.000 Euro, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise be-
droht eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 5 Jahren. schimpft oder verächtlich zu machen sucht.
Eine rassistische Beschmierung kann aber zusätzlich
zur Sachbeschädigung auch gegen das Verbotsgesetz Dem Wortlaut dieser Bestimmung nach sollte es ei-
(VerbotsG), Art IX Abs 1 Z 4 EGVG („Einführungsgesetz gentlich einen breiten Anwendungsbereich dieses
zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen“) oder als so ge- Gesetzes gegen rassistische Beschmierungen geben.
nannte „Verhetzung“ gegen § 283 StGB verstoßen. Eine Beschmierung wie „Kill n...s“ oder „N... raus“ sollte
Tötungsaufforderungen wie „Kill n...s“ können auch unzweifelhaft unter den Absatz 1 fallen, da durch die-
unter § 282 StGB („Aufforderung zu mit Strafe bedroh- sen Slogan eindeutig zu einer „feindseligen Hand-
ten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter lung“ gegen eine der in diesem Absatz aufgezählten
Handlungen“) fallen. Gruppen aufgerufen wird. Die erforderliche „Öffent-
lichkeit“ ist bei einer weithin sichtbaren Beschmierung
· VerbotsG grundsätzlich gegeben. Jedoch werden durch Abs 1
nicht die betroffenen Gruppen geschützt, sondern
§ 3g. Wer sich (...) im nationalsozialistischen Sinn be- primär die öffentliche Ordnung, die durch solche Ge-
tätigt, wird, sofern die Tat nicht nach einer anderen waltaufrufe gefährdet werden muss. Für eine einzel-
Bestimmung strenger strafbar ist, mit Freiheitsstra- ne Beschmierung ist dies nicht immer nachweisbar.
fe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Ge- Auch fallen allgemeine Hetzparolen wie „Ausländer
fährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu 20 raus“ nicht unter § 283, da der verallgemeinernde
Jahren bestraft. Begriff „Ausländer“ keine der geschützten Gruppen
darstellt. Die Gerichte legen die Bestimmung sehr
§ 3h. Nach § 3g wird auch bestraft, wer in einem eng aus, daher sind Verurteilungen aufgrund des er-
Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen sten Absatzes sehr selten. Der Anwendungsbereich
Medium oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, des Absatz 2 sollte zur Ahndung schriftlicher rassi-
dass es vielen Menschen zugänglich wird, den nati- stischer Beschimpfungen wie „Scheiß-Türken“ oder
onalsozialistischen Völkermord oder andere natio- „Fuck n…s“ ausreichen. Jedoch sind davon auch nur
nalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlich- jene Beschmierungen betroffen, durch die den durch
keit leugnet, gröblich verharmlost, gutheißt oder zu § 283 StGB geschützten Gruppen „ein Lebensrecht
rechtfertigen sucht. schlechthin“ abgesprochen wird oder diese als „min-
derwertige Wesen“ dargestellt werden. Auch hier ist
· Art IX Abs 1 Z 4 EGVG die Judikatur in ihrer Beurteilung sehr restriktiv.

Das Anbringen von Hakenkreuzen, SS-Runen, natio- · Anstiftung (§ 282 StGB)


nalsozialistischen Parolen oder Ähnlichem kann un-
ter diese Strafbestimmung fallen, sollte der/die Be- Wer eine breite Öffentlichkeit zu einer mit Strafe be-
schmiererIn auch den Vorsatz haben, sich damit im drohten Handlung auffordert oder eine solche Hand-
nationalsozialistischen Sinne zu betätigen oder etwa lung gutheißt, macht sich nach § 282 StGB strafbar.
NS-Verbrechen gutzuheißen. Sollte dieser erweiterte Alle Tötungsaufrufe gegen eine bestimmte Gruppe
Vorsatz fehlen, kann der/die TäterIn immer noch nach oder einzelne Personen fallen unter diese Strafbe-
Art IX Abs 1 Z 4 EGVG bestraft werden, der eine Ver- stimmung. Allerdings muss man im Einzelnen unter-
waltungsstrafe bis zu 2.180 Euro für die Person vor- suchen, ob diese „breite Öffentlichkeit“ durch die Be-
sieht, die „nationalsozialistisches Gedankengut im schmierung wirklich erreicht wird.
Sinne des Verbotsgesetzes (...) verbreitet.“
Was kann Frau Z. gegen die Beschmierungen
· Verhetzung (§ 283 StGB) unternehmen?
Bei Beschmierungen (egal ob diese zusätzlich gegen
§ 283. (1) Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet das VerbotsG oder § 282, § 283 StGB verstoßen) han-
ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, zu einer delt es sich um Offizialdelikte, d.h., PolizistInnen müs-
feindseligen Handlung gegen eine im Inland beste- sen sie, wenn sie diese selbst wahrnehmen, zur Anzeige
hende Kirche oder Religionsgesellschaft oder gegen bringen. Da dies selten geschieht, kann man diese Be-
eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer solchen Kir- schmierungen auch mittels Sachverhaltsdarstellung an
che oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu die Staatsanwaltschaft übermitteln. Da die TäterInnen

31
Rassistische Beschmierungen

jedoch meistens unbekannt sind, dient eine solche Anzei- de die Worte „Kill N...s“ durch. Dabei wird sie von einem
ge oft lediglich statistischen Zwecken. Frau Z. kann eine Polizisten beobachtet. Dieser spricht sie an, nimmt ihre
Beschmierung bei ZARA melden. Sie muss Inhalt und Daten auf und meint, dass sie eine Anzeige wegen Sach-
Ort möglichst genau angeben (Adresse, Straßenbahn- beschädigung erhalten werde.
wagennummer und Linie etc.). Bei ZARA bemühen sich Wenn eine bestehende Beschmierung übermalt wird
die beiden ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen ­Johanna und dadurch ein zusätzlicher Schaden entsteht, wenn
Katzinger und Monika Muhr um die Entfernung der Be- z.B. die Entfernbarkeit der ursprünglichen Beschmierung
schmierung. Sie dokumentieren Inhalt, Ort und Art der aus Kreide durch nicht wasserlöslichen Lack erschwert
Beschmierung und setzen weitere Schritte zu deren Ent- wird, begeht auch der/die ÜbermalerIn der rassistischen
fernung. Je nachdem, wo die Beschmierung angebracht Beschmierung eine Sachbeschädigung. Bei der Über-
wurde, treten sie in Kontakt mit den Hausverwaltungen, malung z.B. einer den Tatbestand der Verhetzung erfül-
der Wiener Gebietsbetreuung oder z.B. den Wiener Linien lenden Beschmierung kann dahingehend argumentiert
mit der Bitte eine Entfernung zu veranlassen. werden, dass der/die ÜbermalerIn den rechtmäßigen
Eines Tages beschließt Frau Z., eine Beschmierung auf Zustand durch das Unkenntlichmachen der verbote-
einem fremden Haus zu übermalen. Sie streicht mit Krei- nen Parole/des verbotenen Zeichens wiederhergestellt
hat und diesfalls ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Ob
sich das Gericht dieser Ansicht anschließt, ist jedoch un-
gewiss. Der/die EigentümerIn des Objektes kann in die
Verunstaltung, soweit es sich um eine bloße Sachbe-
schädigung handelt – allerdings nicht bei den bereits er-
wähnten Strafbeständen wie Verhetzung etc., sondern
bei Übermalung einer rassistischen Parole – einwilligen
und somit den/die SachbeschädigerIn vor einem Verfah-
ren bewahren. Jedermann kann die Beschädigung einer
in seinem Eigentum befindlichen Sache durch andere
von vornherein gestatten oder auch nachträglich ge-
nehmigen, was wiederum einen Rechtfertigungsgrund
darstellt und die Bestrafung des/der Täters/Täterin aus-
schließt.

ZARA Forderung
Ausweitung des Schutzes vor Verhetzung in § 283
StGB
Öffentliches Hetzen und das Schüren von Hass gegen
bestimmte Bevölkerungsgruppen ist eine der wider-
lichsten Formen von Rassismus. ZARA fordert daher
eine Aufwertung des Schutzes vor Verhetzung dahin-
gehend, dass nicht allein die „öffentliche Ordnung“ als
schützenswert gilt, sondern primär die Wahrung der
Menschenwürde unter dem Schutz des Strafrechts
stehen soll. Der Tatbestand muss vereinfacht werden
und weitere Formen pauschaler unerträglicher Ver-
ächtlichmachung von Menschen unter Strafe gestellt
werden, um den Gerichten die Verfolgung von Hass-
reden und hetzerischen Beschmierungen zu ermög-
lichen. Insbesondere muss der Paragraph an die Re-
alität des Diskurses in Österreich angepasst werden,
in der oft gegen „MigrantInnen“, „Fremde“ oder „Asyl-
werberInnen“ als Gruppe gehetzt wird.

32
Polizei

Polizei

PolizistInnen kennen Vorurteile aus eigener Erfahrung. und wünscht sich eine konsequente Weiterentwick-
Oft genug hören sie, wie sie und alle ihre KollegInnen lung des damit begonnenen Dialogs und der Verän-
pauschal etwa als dumm, brutal und rassistisch be- derung. Insgesamt muss der Sicherheitsexekutive
zeichnet werden. Die vielen professionell und gut bescheinigt werden, dass sie wohl die größte Organi-
durchgeführten Einsätze, die erfolgreiche Vermittler- sation in Österreich ist, die sich ernsthaft auch mit den
tätigkeit und ihre Präventionsarbeit werden dann ger- Problemen von Rassismus und Diskriminierung aus-
ne übersehen. Sie machen eine sehr anspruchsvolle einandersetzt. Diese begonnene Ernsthaftigkeit kann
und herausfordernde Arbeit und dies unter oft sehr und muss jedoch konsequent gesteigert werden.
unangenehmen und eigentlich unzumutbaren Bedin-
gungen. Gedankt wird es ihnen selten.
Vielleicht sind diese Rahmenbedingen der Haupt-
grund dafür, dass sich in der Polizeikultur ein „Korps-
43 Herr R., gebürtiger Ungar, fährt an einem
Abend im Januar mit seinem Wagen zu
seiner Wohnung im 3. Wiener Gemeindebezirk. Als
geist“ entwickelt hat, der sehr negative Effekte auf er abbiegen will, verursacht eine etwa dreißigjäh-
das Lernpotenzial der Organisation „Polizei“ hat. Denn rige Frau durch ihre Fahrweise beinahe einen Unfall.
neben all den positiven Leistungen der BeamtInnen Beide kommen vor einer roten Ampel hintereinan-
kommt es dennoch immer wieder zu Fehlern, die sich der zum Stehen. Herr R. macht die Autofahrerin mit
für die davon Betroffenen oft schwer wiegend negativ der Lichthupe seines Autos auf ihr rücksichtsloses
auswirken. ­Fahrverhalten aufmerksam. Sie öffnet ihre Türe und
Weiterhin erhält ZARA oft Berichte über Vorfälle beschimpft Herrn R. Er versucht, ihr zu deuten, dass
im Zuge des Einschreitens von Sicherheitswachebe- sie ihn beim Abbiegen geschnitten habe. Als sie ihn
amtInnen, die erschreckend sind. Immer noch fällt es daraufhin als „Scheißausländer“ bezeichnet, steigt
dem Polizeiapparat schwer, solche Fehler zu beheben er aus, stellt sich neben ihre Fahrertüre und öffnet
und damit professioneller und erfolgreicher zu wer- dies­e, um sie wegen ihrer rassistischen Beleidigung
den. Insbesondere der Vorwurf, es sei rassistische Dis- zur Rede zu stellen. Plötzlich beginnt sie, um Hilfe zu
kriminierung im Spiel gewesen, wird allzu oft brüsk schreien. Daraufhin kehrt er sofort in sein Auto zu-
zurückgewiesen. Leider scheint es noch immer Stra- rück. Er fährt weiter, die Frau folgt ihm. Kurze Zeit spä-
tegie des Polizeiapparates zu sein, das Fehlverhalten ter wird sein Auto von mehreren Einsatzfahrzeugen
von BeamtInnen zu leugnen – wohl mit dem Ziel, das der Polizei auf die ­Seite gedrängt und angehalten.
Image der Institution nicht zu beschädigen. ZARA Die PolizeibeamtInnen kommen mit gezogener Waf-
glaubt, dass diese Strategie falsch ist und längerfristig fe auf sein Auto zu. Herr R. wird aus dem Wagen ge-
das Image „der Polizei“ nur dadurch gestärkt werden zerrt, ohne dass ihm ein Grund dafür mitgeteilt wird.
kann, dass die Organisation auch lernt, mit Fehlverhal- Die BeamtInnen legen ihm Handschellen an. Als er
ten konsequent umzugehen und nach innen wie nach sagt, dass er Schmerzen durch die Fixierung hat, fügt
außen klar zu kommunizieren, dass rassistisches Ver- ihm eine junge Polizistin durch Verdrehen eines Arms
halten absolut keinen Platz bei der österreichischen noch mehr Schmerzen zu. Er fragt die PolizistInnen,
Polizei hat. Ganz im Gegenteil: Es muss das Bewusst- warum sie dies täten, er habe doch nichts getan. Die
sein gestärkt werden, dass die Prävention, die Abwehr PolizistInnen rechtfertigen das brutale Vorgehen da-
und die Aufklärung rassistischer Übergriffe wichtige mit, dass er zuvor eine Autolenkerin mit einer Waffe
Aufgaben der Polizei sind. bedroht hätte und angekündigt habe, sie umzubrin-
Glücklicherweise zeigen sich Ansätze einer Verän- gen. Herr R. widerspricht. Er wird gefragt, ob er be-
derung des Organisationsverständnisses der Exekuti- trunken sei, was er ebenso verneint. Ein ­Polizist meint,
ve. ZARA begrüßt die Bestellung eines geeigneten Ko- Herr R. wäre doch sicher „bumzua“. Eine Beamtin fragt
ordinators für Menschenrechte bei der Wiener ­Polizei ihn: „Bist Du Muslim?“

33
Polizei

Er wird schließlich ins Bezirkspolizeikommissariat sen wollte, wird Herr R. vom Vorwurf der gefährlichen
Wien 1 gebracht, wo er durchsucht und vernommen Drohung freigesprochen.
wird. Um 23 Uhr kann er das Kommissariat wieder Herr R. ist zwar enttäuscht, dass seine Beschwerde
­verlassen. gegen die BeamtInnen nicht erfolgreich war, aber er-
Herr R. ersucht ZARA um rechtliche Unterstützung. leichtert, dass die Strafgerichte in letzter Instanz fest-
ZARA verfasst eine Anzeige gegen die Autofahrerin gestellt haben, dass die Vorwürfe gegen ihn nicht den
wegen Verleumdung, da sie wahrheitswidrig vor der Tatsachen entsprechen. Er bedankt sich bei ZARA für
Polizei angegeben hat, dass sie von Herrn R. sogar mit die Unterstützung und die Begleitung im Verfahren.
Tötung bedroht wurde. Die Staatsanwaltschaft stellt
das Verfahren gegen die Frau ein, ohne Herrn R. dazu
befragen zu lassen.
Weiters reicht ZARA beim Unabhängigen Ver-
44 Frau L. beobachtet im Februar, wie bei der
Wiener Straßenbahnhaltestelle Westbahn-
hof ein Mann afrikanischer Herkunft von zwei Beam-
waltungssenat (siehe „Glossar“) eine Richtlinienbe- ten angesprochen wird. Die Polizisten stellen sich ne-
schwerde ein wegen der fragwürdigen Bemerkungen ben den Mann, reden von beiden Seiten auf ihn ein
der BeamtInnen bei der Festnahme, wegen deren Vor- und fragen, was er denn hier noch mache. Ein Passant
eingenommenheit, da sie Herrn R. keine Möglichkeit geht vorbei und meint: „Na was macht er, Gift verkau-
zur Rechtfertigung ließen und von Anfang an als Tä- fen natürlich!“ Die Polizisten amüsieren sich darüber.
ter behandelten, und aufgrund der Verwendung des Frau L. sieht, dass der Mann beginnt, sich über die Be-
„Du-Wortes“. Im Zuge des Verfahrens nimmt der für handlung durch die Polizisten zu beschweren. Sie ver-
Beschwerden zuständige Beamte der Polizei Wien sucht, ihn zu beschwichtigen und rät ihm, in eine Stra-
1 Kontakt mit ZARA und Herrn R. auf. Es kommt zu ßenbahn einzusteigen. Der Mann beschwert sich bei
einem Gespräch, in dem der Beamte die Reaktionen ihr, dass die Beamten ihn eine Stunde vorher schon
seiner KollegInnen auf die Beschwerde mitteilt. Diese einmal kontrolliert hätten. Frau L. rät ihm, sich bei
bestreiten die Vorwürfe durchwegs und meinen, dass ZARA zu melden, damit der genaue Ablauf der Kon-
Herr R. sich ihnen gegenüber äußerst aggressiv ver- trollen protokolliert werden kann. Der Mann meldet
halten hätte. Es kommt zu keinem Klaglosstellungsge- sich jedoch nicht bei ZARA.
spräch (siehe „Die eigenen Rechte kennen“). Aufgrund ZARA dokumentiert den Vorfall.
des Kostenrisikos bei Klärung des Sachverhalts vor
dem UVS und der geringen Erfolgsaussichten man-
gels unabhängiger ZeugInnen verfolgt Herr R. diese
Beschwerde nicht weiter.
45 Herr A., ein Familienvater afrikanischer Her-
kunft, der mit einer Österreicherin verhei-
ratet ist, schildert uns folgenden Vorfall, der sich an
Herr R. erhält einige Monate später eine Vorladung einem Aprilnachmittag am Wiener Reumannplatz zu-
zu einer Gerichtsverhandlung. Er wird beschuldigt, getragen hat. Herr A. wartet auf eine Straßenbahn als
die Autofahrerin durch seine Aussagen und Hand- sich ihm zwei Polizeibeamte nähern. Einer fasst ihn so-
lungen in Angst versetzt zu haben und dadurch das fort am Hals. Herr A. fragt auf Deutsch, was die beiden
Delikt der „gefährlichen Drohung“ verwirklicht zu ha- wollen. Einer der Beamten antwortet: „You swallowed
ben. Bei der Verhandlung stellt sich heraus, dass die drugs!“ Es wird ihm damit sogleich vorgeworfen, er
Autofahrerin selbst Polizistin ist, damals aber nicht im habe Drogen, welche er verkaufen wollte, verschluckt,
Dienst war. Dadurch erklärt sich auch das schnelle und als er die Beamten wahrnahm. Herr A. weist den Vor-
ener­gische Einschreiten ihrer KollegInnen. Sie möchte wurf von sich. Er sagt den Beamten, dass er kürzlich
Schmerzengeld erstreiten, da Herr R. sie fest gepackt mehrere Operationen im Magen-Darm-Bereich hat-
hätte und zusätzlich Schadenersatz, weil Herr R. beim te und daher schon aus diesem Grund keine Drogen
Öffnen der Türe ihr Auto zerkratzt hätte. In ihrer Aus- schlucken könne. Er zeigt den Beamten seine Opera-
sage meint sie, dass Herr R. versucht habe, sie aus dem tionswunden, von denen eine immer noch offen und
Auto zu zerren, obwohl sie noch angeschnallt war. Sie daher mit einem Verband geschützt ist. Einer der Be-
sei keine Rassistin, da sie „doch auch im Asylbereich amten wiederholt jedoch: „Yes, you swallowed drugs!“
gearbeitet habe und nun in einer Abteilung, die ge- Ohne ihn nach seinem Ausweis zu fragen, nehmen die
gen Schlepper ermittelt, arbeite“, also „für“ Ausländer Polizisten Herrn A. schließlich zu ihrem Fahrzeug mit.
tätig wäre. Ihr sei so etwas noch nie im Polizeidienst Er wird aufgefordert, sich in der Öffentlichkeit auszu-
passiert. Die Richterin folgt den Angaben der Frau ziehen. Herr A. verweigert dies und fordert die Beam-
und verurteilt Herrn R. zu drei Monaten bedingter Haft ten auf, einen Arzt zu rufen, damit dieser feststellen
und zur Zahlung von 50 Euro Schmerzengeld. Herr R. möge, dass er keine Drogen geschluckt habe. Wenn
geht in Berufung. Das Berufungsverfahren findet im die Beamten auf einer weiteren Kontrolle bestünden,
Dezember 2007 am Oberlandesgericht Wien statt. Der müssten sie ihn auf die nächste Wachstube mitneh-
Richtersenat folgt der Berufung und schenkt den Aus- men. Herr A. möchte seine Frau anrufen, dies wird
sagen von Herrn R. mehr Glauben. Da es nicht Herrn ihm jedoch nicht gestattet. Eine Passantin, die sich als
R.s Absicht war, die Frau zu bedrohen, sondern er sie Rechtsanwältin zu erkennen gibt, mischt sich ein und
lediglich auf ihr riskantes Fahrmanöver hinweisen und weist darauf hin, dass er das Recht habe, seine Ehe-
sie wegen ihrer rassistischen Beleidigung zurechtwei- frau anzurufen. Die Polizisten erlauben ihm aufgrund

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Polizei

dieser Intervention, seine Frau zu verständigen, die Die Beamten wollten die weitere Kontrolle auf offener
jedoch den Anruf nicht entgegennimmt. Schließlich Straße durchführen, Herr A. habe sich jedoch nicht ko-
fahren die Beamten mit ihm ins Kommissariat Van- operativ verhalten und schrie laut herum, um auf die
der-Nüll-Gasse, wo Herr A. sich nackt ausziehen muss, Amtshandlung aufmerksam zu machen. Aus diesem
seine Kleidung und sein Körper werden durchsucht. Grund musste die Amtshandlung in die Polizeiinspek-
Er hat aufgrund mehrerer Bauchoperationen Wunden tion verlegt werden. Ab dem Zeitpunkt, als A. mit den
in Nabelnähe. Die Polizisten fordern ihn auf, den Ver- Beamten allein war, sei die Stimmung „kooperativ“ ge-
band abzunehmen. Nachdem Herr A. abermals ver- wesen. Es stimmt jedoch laut dem Beschwerdebeam-
geblich um Beiziehung eines Arztes ersucht hat, und ten nicht, dass die Beamten ihn zum Herunterreißen
die Beamten wiederholen: „Remove everything on des Wundverbandes aufgefordert hätten. Vielmehr
your body!“ kommt er schließlich diesem Befehl nach hätten sich die Aggressionen des festgenommenen
und entfernt den Verband, wobei seine Operations- Herrn A. zu diesem Zeitpunkt gegen ihn selbst gerich-
wunde wieder leicht zu bluten beginnt. Einer der Be- tet. Der Beschwerdebeamte meint abschließend, dass
amten sieht erst jetzt auf die Papiere von Herrn A. und solche Situationen schon des Öfteren in einer Ankla-
prüft im Computer nach, ob etwas gegen ihn vorliegt. ge wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt geen-
Sie stellen fest, dass er unbescholten ist und möch- det hätten und zeigt sich zufrieden damit, dass die-
ten ihn entlassen. Herr A. verlangt nun ein drittes Mal ser Vorfall schlussendlich doch „geordnet“ abgelaufen
nach einem Arzt, der sich die blutende Wunde anse- sei. ZARA leitet diese Informationen an Herrn A. wei-
hen soll. Es werden ihm jedoch lediglich zwei Pflaster ter. Herr A. teilt die Sichtweise des Beschwerdebeam-
gereicht. Die Beamten bieten ihm an, ihn wieder zu- ten nicht und ist verärgert. Da Aussage gegen Aussa-
rück zur Straßenbahnhaltestelle zu bringen. Dieses ge steht, beschließt er, nichts weiter zu unternehmen.
Angebot nimmt Herr A. an, da ihm der Vorfall wegen Aufgrund der Vorfallsschilderung durch den Beam-
der vielen Leute, die ihn beobachtet haben mussten, ten erübrigt sich ein klärendes Gespräch für Herrn A.
sehr peinlich ist und er will, dass die PassantInnen nun ZARA sieht keine Möglichkeit, den Vorfall in einer für
sehen, dass er wieder zurückgebracht wird und nichts Herrn A. befriedigenden Weise zu einem Abschluss zu
gegen ihn vorliegt. bringen.
ZARA klärt Herrn A. über die rechtlichen Möglich-
keiten einer Richtlinienbeschwerde (siehe „Eigenen
Rechte kennen“) auf. Herr A. ersucht ZARA, den zu-
ständigen Beschwerdeoffizier des Kommissariats Fa-
46 Im Mai beobachten zwei Frauen, wie der Fah-
rer eines Polizeiwagens einen afrikanischen
Taxilenker gegen 21 Uhr am Wiener Schwarzenberg-
voriten direkt zu kontaktieren und um eine Stellung- platz als „Scheiß N...“ bezeichnet. Den Grund dafür
nahme und ein klärendes Gespräch zu bitten. ZARA können die beiden nicht erkennen, da sie gerade aus
nimmt Kontakt mit dem zuständigen Beschwerdebe- einem Kaffeehaus ins Freie getreten sind. Sie bekom-
amten auf. Es stellt sich heraus, dass er einer der Be- men noch mit, wie der Taxifahrer antwortet: „So dür-
amten ist, die den Einsatz durchgeführt haben. Da fen Sie nicht mit mir reden.“ Dann ordnen sich beide
es ein Einsatzprotokoll gibt und ihm viel an transpa- Fahrzeuge in den Fließverkehr ein.
rentem Polizeihandeln liegt, teilt er ZARA seine Sicht Mit dem Einverständnis der beiden Zeuginnen lei-
des Vorfalls mit. Er stimmt der Schilderung des Vor- tet ZARA den Fall an den Menschenrechtskoordina-
falls durch Herrn O. im Großen und Ganzen zu. Eini- tor der Wiener Polizei, Oberstleutnant Friedrich Kovar,
ge Details sieht er jedoch anders: Der Einsatz galt der weiter. Von ihm erfährt ZARA, dass der betroffene Ta-
Drogenszene rund um den Reumannplatz. Es gab xifahrer sich bereits selbst in einer Polizeiinspektion
Informationen, dass in den Straßenbahnen, die von über den Vorfall beschwert hat. Leider ist er in wei-
dort wegfahren, mit Drogen gedealt würde. Herr A. terer Folge unter den von ihm zu Protokoll gegebenen
sei von ihm dabei beobachtet worden, als er bei der Adressdaten nicht erreichbar. Der Fall wird dem zu-
Haltestelle stand und mehrere Straßenbahnen weg- ständigen Kommissariat zur Beschwerdebearbeitung
fahren ließ, ohne einzusteigen, daher sei er den Be- übergeben. Die Polizisten, die zum Vorfallszeitpunkt
amten verdächtig vorgekommen. Herr A. sei im Üb- ihren Dienst mit dem Streifenwagen am Schwarzen-
rigen an diesem Tag der einzige Afrikaner gewesen, bergplatz versahen, geben zu Protokoll, dass der als
der kontrolliert wurde. Sonst seien nur „Österreicher“ Beleidigung verwendete Begriff nicht in ihren Sprach-
und Personen „türkischer/ex-jugoslawischer“ Her- gebrauch fallen würde. Die Zeuginnen werden vom
kunft kontrolliert worden. Der Beschwerdebeamte Vorgesetzten der beiden Polizisten ebenfalls befragt
näherte sich Herrn A. von der Seite, sein Kollege von und ihre Aussagen zum Beschwerdeakt genommen.
vorne. Herr A. wurde nach seinem Reisepass gefragt. Das Ergebnis der Beschwerde ist zu Redaktionsschluss
Bei Wahrnehmung der Beamten habe A. begonnen, des Rassismus Report noch ausständig.
Schluckbewegungen zu machen. Daher fasste ihm ei-
ner der Beamten an den Hals und bemerkte angeblich
auch tatsächlich einen runden Gegenstand, den Herr
A. schlucken wollte. A. habe später behauptet, dass
47 Herr A., ein irakischer Flüchtling, möchte im
April mit einem Freund gegen 3 Uhr früh ein
Lokal im Wiener Ausgehviertel „Bermuda-Dreieck“ be-
es sich dabei um einen Kaugummi gehandelt habe. treten. Ein Türsteher hindert ihn am Besuch des Lo-

35
Polizei

kals. Als Herr A. nach dem Grund fragt, tritt ein zweiter stellt. Den Aussagen von Herrn A. und seinem Zeugen
Mann, vermutlich ebenfalls ein Türsteher, aus dem Lo- stehen die Aussagen der vier BeamtInnen gegenüber,
kal heraus und versetzt ihm eine Ohrfeige. Herr A. ist die bezeugen, dass es zu keinem Stoß während der
sehr aufgebracht und beginnt gemeinsam mit seinem Amtshandlung gekommen sei.
Begleiter mit den beiden Türstehern zu diskutieren. In Ein Maßnahmebeschwerdeverfahren vor dem UVS
der Nähe bemerkt Herr A. Polizisten bei einem Einsatz. (siehe „Glossar“) endet mit einer Abweisung der Be-
Er geht auf sie zu und ersucht sie um Hilfe wegen des schwerde, da auch hier die vier BeamtInnen die Vor-
aggressiven Türstehers. Die Beamten lehnen jedoch würfe bestreiten. Die Amtsärztin, die Herrn A. nach
eine Intervention ab, da sie sich gerade mitten in ei- der Festnahme untersucht hat, gibt an, dass ihr Herr A.
ner anderen Amtshandlung befinden. Herr A. wählt mitgeteilt habe, dass die Schmerzen im Knie seit län-
den Polizeinotruf. In der Zwischenzeit treffen zwei Be- gerem bestanden hätten und Herr A. ihr gegenüber
amte und zwei Beamtinnen als Verstärkung für den nichts von einem Stoß durch einen Beamten erwähnt
anderen Einsatz ein, werden allerdings nicht mehr be- hätte. Herr A. muss nun die Verfahrenskosten in Höhe
nötigt. Da die BeamtInnen den Streit zwischen Herrn von etwa 500 Euro und die Kosten für seinen Dolmet-
A. und dem Türsteher, der sich nun in gegenseitigen scher in Höhe von etwa 130 Euro zahlen.
Beschimpfungen manifestiert, bemerken und Herr A. Die Verwaltungsstrafen in Höhe von insgesamt
sich hilfesuchend an sie wendet, beschließen sie, zu 257 Euro werden von ZARA mittels Berufung vor den
intervenieren. Sie versuchen, Herrn A. zu besänfti- UVS gebracht. Das Verfahren ist zu Redaktionsschluss
gen. Da sich der Türsteher jedoch immer wieder in das noch offen.
Gespräch zwischen Herrn A. und einer Polizistin ein­ Der Beschwerdebrief an die Geschäftsführung des
mischt und auch Drohungen ausstößt, lässt sich Herr Lokals, dessen Türsteher Herrn A. den Eintritt verwei-
A. nur schwer beruhigen. Schließlich lässt er sich dazu gert und ihn geschlagen hat, wird beantwortet. Der
hinreißen, den Türsteher über die Schulter der vor ihm Betreiber des Lokals streitet die Vorkommnisse ab. Um
stehenden Polizistin zu beschimpfen. Plötzlich kommt Herrn A. ein zusätzliches Verfahren mit ungewissem
einer der Beamten rasch auf ihn zu und stößt A. ge- und unbefriedigendem Ausgang zu ersparen, wird
gen die Brust, sodass er nach hinten taumelt und zu ihm von einer Anzeige nach dem EGVG (siehe „Die ei-
Sturz kommt. Durch diesen Sturz knickt sein Knie um genen Rechte kennen“ im Bereich „Güter und Dienst-
und Herr A. verspürt sogleich starke Schmerzen. Der leistungen“) abgeraten.
Beamte fragt Herrn A., warum er „seinen Kollegen“ be-
schimpft habe. Herr A. versteht die Frage nicht, da sich
seine Ausfälligkeiten gegen die Aggressionen des Tür-
stehers gerichtet hatten. Nachdem er sich wieder auf-
48 Herr R. ist polnischer Herkunft und besitzt seit
über 20 Jahren die österreichische Staatsbür-
gerschaft. In einer Nacht im Juni besucht er das Wie-
gerichtet hat, wird er von einer Beamtin nach seinem ner Donauinselfest. Gegen 4 Uhr morgens befindet er
Ausweis gefragt und schließlich festgenommen. Auf sich auf dem Weg zur U-Bahn. Auf seinem Weg stößt
der Polizeistation wird Herr A. durchsucht und in einer er auf eine Gruppe von etwa zehn Personen, die sich
Zelle von einer Amtsärztin untersucht. Diese ist nicht großteils auf Polnisch unterhalten. Diese Gruppe ist
sehr freundlich zu Herrn A., nimmt die Verletzung in ein Wortgefecht mit zwei weiteren Personen ver-
nur unvollständig zu Protokoll, da sie sichtlich keine wickelt. Da er selbst Polnisch spricht, versucht er, zwi-
Geduld hat, Herrn A.s Schilderung in gebrochenem schen diesen Gruppen zu vermitteln, um eine weitere
Deutsch zu folgen. Eine angebotene Schmerztablet- Eskalation zu vermeiden. Seine Bemühungen sind
te, die Herr A. nicht sofort entgegennimmt, wirft sie aber nicht sehr erfolgreich und beide Personengrup-
mit der Bemerkung „dann halt nicht“ weg. Herr A. ver- pen beginnen sich zu prügeln. Dabei wird auch Herr R.
bringt die Nacht am Polizeikommissariat Innere Stadt. angegriffen und zu Boden gestoßen. Die Angreifer aus
Am nächsten Tag wird er von einem Polizeijuristen der polnischsprachigen Gruppe wenden sich von ihm
vernommen, da gegen ihn Verwaltungsstrafen we- ab, als sie merken, dass Herr R. selbst Polnisch spricht.
gen aggressiven Verhaltens gegenüber Polizeibeam- Er versucht, die Gruppe zu beruhigen und von ihrem
ten, Lärmerregung und Anstandsverletzung verhängt Vorhaben, die anderen zwei Männer zu verprügeln,
wurden. Herr A. lässt sich schließlich direkt ins Kran- abzuhalten. Die polnischsprachige Gruppe entfernt
kenhaus bringen, wo eine Knieverletzung diagnosti- sich schließlich von den Männern. Kurz darauf trifft
ziert wird. Einige Monate später muss Herr A. aufgrund die Polizei ein und befasst sich mit den verletzten Per-
dieser Verletzung am Knie operiert werden. Bis zum sonen. Da Herr R. bei seinem Sturz sein Taschenmes-
heutigen Tag leidet er unter Schmerzen und muss sich ser verloren hatte, beginnt er danach zu suchen und
unter Zuhilfenahme von Krücken fortbewegen. beleuchtet mit einer Taschenlampe die Umgebung. Er
ZARA bringt für Herrn A. eine Anzeige gegen den wird dabei von einem Beamten beobachtet, der ihm
Polizisten ein, der ihn durch den Stoß verletzt hat. unterstellt, einen der abgelegten Rucksäcke stehlen zu
Nach Untersuchungen durch das Büro für besondere wollen. Als Herr R. auf sein fehlendes Taschenmesser
Ermittlungen (siehe „Glossar“) und nach einem Vor- hinweist, wird ihm dies vom Beamten, der es offenbar
verfahren vor dem Wiener Landesgericht für Strafsa- gefunden hat, präsentiert. Einer der Verletzten bezich-
chen wird das Verfahren gegen den Beamten einge- tigt Herrn R. der Mittäterschaft an seiner Verletzung.

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Polizei

Herr R. entgegnet, dass er nur vermitteln wollte, da er Herr R. wendet sich mittels Maßnahmenbeschwer-
Polnisch spreche. Der Beamte glaubt aber der Aussa- de an den UVS (siehe „Glossar“). Aufgrund der Analy-
ge des Verletzten und fängt an, Herrn R. zu beschimp- se der Anrufprotokolle der Notrufzentrale, welche die
fen: „Du depperter Pollak, pass auf was du sagst!“ Da Vorfallsschilderung durch Herrn R. für die Behörden
Herr R. die rassistische Bemerkung nicht hinnehmen äußerst glaubwürdig erscheinen lassen, wird Herrn
will, ermahnt er den Beamten, dies zu unterlassen. In R.s Beschwerde im Dezember stattgegeben und die
der Zwischenzeit bestätigt ein junger Mann als Zeu- Amtshandlung für rechtswidrig erklärt. Die Verfah-
ge die Angaben von Herrn R. Die folgende Aussage rensergebnisse werden vom UVS-Richter zur neuer-
des Beamten „Depperter Pollak – schleich di zu deinen lichen strafrechtlichen Würdigung an die Staatsan-
Haberern“ beantwortet Herr R. damit, dass er die be- waltschaft Wien weitergeleitet, damit diese das bereits
treffenden Personen nicht kenne und nur gerne sein eingestellte Strafverfahren gegen den Beamten auf-
Messer zurückhaben und dann gehen möchte. Der grund der neuen Beweismittel wieder aufnehme. Das
Beamte verweigert die Herausgabe des Taschenmes- Strafverfahren gegen Herrn R. wird kurz vor Jahresen-
sers grundlos. Da der Beamte weiterhin rassistische de durch die Staatsanwaltschaft Wien eingestellt, da
Äußerungen von sich gibt, ersucht ihn Herr R. um sei- das Telefonprotokoll belegt, dass die strafrechtlichen
ne Dienstnummer. Der Beamte verweigert auch die Vorwürfe gegen Herrn R. vom belangten Beamten in
Herausgabe dieser und verlangt einen Ausweis von verleumderischer Absicht zu Protokoll gegeben wur-
Herrn R. Bei der Aufnahme der Daten meint der Beam- den und nicht den Tatsachen entsprechen.
te, Herr R. wollte sicher den Rucksack stehlen, da er ja
Pole sei. Als Herr R. den Beamten nochmals ermahnt,
seine rassistischen Äußerungen zu beenden, erwidert
dieser „jetzt reicht‘s“, schlägt Herrn R. mit der Faust in
den Bauch und wirft ihn zu Boden, wobei Herrn R.s T-
Shirt zerreißt. Herr R. trägt Schürfwunden an seinem
Hals davon. Als er am Boden liegt, versetzt ihm der
Beamte einen Fußtritt. Herr R. versucht, mit seinem
Mobiltelefon den Polizeinotruf zu erreichen, der An-
ruf reißt jedoch ab. Herr R. steht auf, ruft erneut den
Polizeinotruf an und schildert dem Beamten am Tele-
fon, was gerade passiert ist. Als der beschuldigte Be-
amte dies bemerkt, schlägt er Herrn R. das Telefon aus
der Hand, bringt ihn erneut zu Fall und beginnt, ihm
Handschellen anzulegen, was Herr R. widerstandslos
über sich ergehen lässt, bis der Beamte ihm sein Knie
in den Rücken presst und Herr R. dem schmerzvollen
Zugriff seitlich auszuweichen versucht. Der Beamte
zerrt R. auf die Beine und bringt ihn zu einem Einsatz-
fahrzeug, auf dessen Rücksitz er brutal gestoßen wird.
Dabei wird er vom Beamten auch mehrmals ins Ge-
sicht und auf den Körper geschlagen. Im Hintergrund
hört Herr R. eine Frauenstimme, die den Beamten auf- 49 Frau G., Korrespondentin des deutschen
Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und
deutsche Staatsbürgerin, fährt im Juni mit ihrem
fordert, sich zu beruhigen und von ihm abzulassen,
was dieser dann auch tut. Fahrrad in der Venediger Au in Wien. Nach Überque-
Bei der Einvernahme gibt Herr R. die Misshand- ren einer Kreuzung wird sie von zwei Polizeibeamten
lungen zu Protokoll, ihm werden unter anderem Wi- angehalten, die ihr vorwerfen, dass sie bei Rot über
derstand gegen die Staatsgewalt und schwere Kör- die Ampel gefahren sei und verbotenerweise einen
perverletzung zur Last gelegt. Nach seiner Entlassung Gehsteig befahren habe. Frau G. antwortet, dass sie
begibt er sich in ein Krankenhaus, wo Prellungen und nicht gewusst habe, dass Letzteres verboten sei. Einer
Blut im Urin festgestellt werden. Aufgrund der Verlet- der Beamten antwortet: „Wenn Sie sich bei uns nicht
zungen fällt es Herrn R. schwer, sein selbstständiges auskennen, dann müssen‘s halt zu Haus‘ bleiben.“
Gewerbe, das sich gerade im Aufbau befindet, ohne Es kommt in der Folge zu einem verbalen Schlagab-
Einschränkungen weiterzubetreiben. tausch. Da Frau G. kein Geld zur sofortigen Bezahlung
ZARA verfasst eine Sachverhaltsdarstellung an eines Strafmandates mit sich führt und sich auch nur
die Staatsanwaltschaft Wien und leitet den Vorfall an mittels einer Visitenkarte ausweisen kann, sprechen
Menschenrechtskoordinator Oberstleutnant Friedrich die Beamten die Festnahme aus. Frau G. schildert,
Kovar weiter, der mitteilt, dass der Vorfall untersucht dass die Beamten sie zunächst gegen den Polizeiwa-
werde und der betreffende Beamte bereits identifi- gen werfen und dann zu Boden bringen. Ein Beam-
ziert wurde. Das Strafverfahren gegen den Beamten ter drückt ihr sein Knie in den Rücken und zieht ihr in
wird jedoch im August eingestellt. Schmerz hervorrufender Weise dabei zusätzlich die

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Polizei

Arme nach oben. Frau G. versucht loszukommen und zu einem Streifenwagen und fahren mit ihm zu einem
dreht sich aus dem Griff der Beamten heraus, trifft da- Polizeikommissariat. Auf die Frage nach dem Grund
bei aber offenbar einen der Beamten mit einem ihrer der Festnahme entgegnet ein Beamter: „Halt die Klap-
Arme. pe, du wirst schon sehen!“ Auf dem Weg bremst der
Nach der Entlassung aus der Haft werden im Kran- Fahrer des Streifenwagens mehrmals abrupt, Herr
kenhaus, das Frau G. daraufhin aufsucht, Hämatome Z. prallt gegen den Vordersitz. Er verletzt sich dabei
und Prellungen bei Frau G. diagnostiziert. Interne Un- glücklicherweise nicht und fragt die Beamten: „Wa-
tersuchungen gegen die Beamten werden eingeleitet, rum seid Ihr so leichtsinnig? Was habt Ihr davon, wenn
jedoch ohne Befragung von Frau G. eingestellt. Frau G. mir was passiert?“ Die Beamten antworten „Gusch“
erhält eine Strafverfügung wegen verschiedener Ver- und: „Immer noch so goschert?“. Beim Kommissariat
waltungsübertretungen in der Höhe von 281 Euro. Sie muss Herr Z. aussteigen und wird in Richtung eines
ersucht ZARA um Dokumentation des Vorfalls. Treppenaufgangs geführt. Kurz bevor er die Treppe
erreicht, ruft der Beamte, der Z. bei der Festnahme im

50 An einem Augustnachmittag trinkt Herr Z.,


türkischer Staatsbürger, Familienvater und
Installateur in Wien, mit einem Freund, Herrn B., in
„Schwitzkasten“ hatte: „Los!“, und reißt ruckartig die
noch immer gefesselten Hände von Z. in die Höhe,
sodass dieser zu Boden stürzt. Herr Z. verspürt starke
einem Lokal im 10. Wiener Gemeindebezirk Alko- Schmerzen in beiden Armen und vermutet, dass der
hol. Als er mit seinem bereits stärker alkoholisierten linke Arm sogar gebrochen ist. Durch den Sturz erlei-
Freund das Lokal verlässt, schlägt B. die Tür versehent- det er Abschürfungen auf Knie und Schienbein. Der
lich so stark auf, dass diese wieder zurückprallt. Herr Beamte drückt den Kopf von Z. auf die erste Stufe der
B. durchschlägt mit seiner Hand das Türglas und ver- Treppe und fügt ihm dabei Abschürfungen am rech-
letzt sich dabei. Er läuft stark blutend auf die Straße, ten Ohr zu, außerdem steigt er auf das Fußgelenk von
wo er auf der Fahrbahn zu Sturz kommt und den Ver- Herrn Z. Ein älterer Polizeibeamter öffnet die Türe am
kehr blockiert. PassantInnen verständigen Rettung oberen Ende der Treppe. Er sieht Herrn Z., kommen-
und Polizei. Herr Z. läuft seinem Freund nach und hilft tiert die Situation aber nicht. Die drei Beamten, die
ihm, aufzustehen. Er will ihn in ein Krankenhaus brin- Z. ins Kommissariat gebracht haben, hören nun auf,
gen. Herrn Z.s Freund aber ist geschockt und möch- diesen zu misshandeln. Der Beamte, der ihn zu Bo-
te trotz seiner Verletzungen nach Hause fahren. Kurze den gebracht hat, befiehlt ihm, aufzustehen. Z. ant-
Zeit später treffen ein Rettungswagen und zunächst wortet, dass er vor Schmerzen nicht aufstehen könne
drei Polizisten ein. Z. stützt Herrn B. immer noch und und vermute, dass sein linker Arm gebrochen sei. Der
ist deshalb blutüberströmt. Ein Polizeibeamter nähert Beamte meint nur: „Nix da, der ist nicht gebrochen!“,
sich mit gezücktem Pfefferspray. Herr Z. stellt klar, dass und zerrt abermals an den gefesselten Armen, um Z.
er seinen Freund nicht verletzt hat und ihm nur hel- wieder auf die Beine zu stellen, was diesem nochmals
fen möchte. Der Polizist befiehlt ihm, Herrn B. loszu- heftige Schmerzen bereitet. Die Beamten führen Z.
lassen. Z. antwortet, er müsse seinen Freund zunächst schließlich in das Polizeigebäude, wo ihm die Hand-
beruhigen und würde dann helfen, ihn in den Kran- schellen abgenommen werden. Herr Z. wird in eine
kenwagen zu befördern. Der Beamte nimmt das Hilfs- Zelle gebracht. Auf sein mehrmaliges Verlangen hin
angebot an und lässt Herrn Z. seinen Freund auf die wird der Amtsarzt geholt, der die Verletzungen proto-
mittlerweile von den Sanitätern bereitgestellte Trage kolliert und diese von einem anderen Beamten foto-
legen. Als Z. seinen Freund auf der Trage festschnallen grafieren lässt. Herr Z. verlangt, dass die Beamten ihn
will, wehrt sich dieser. Plötzlich stößt der Polizist, der in ein Krankenhaus fahren lassen, was ihm verweigert
Z.s Hilfsangebot zunächst angenommen hatte, diesen wird. Er muss erst mit einem Polizeijuristen ein Proto-
mit der Schulter zur Seite, wobei Herr Z. beinahe zu koll aufnehmen, Anzeigen wegen Lärmbelästigung,
Sturz kommt. Reflexartig stößt Z. den Beamten seiner- aggressiven Verhaltens und Anstandsverletzung fol-
seits mit der Schulter wieder zurück. Es gelingt ihm gen. Schließlich kann er gehen und begibt sich direkt
schließlich, seinen Freund auf der Trage festzu­gurten. in ein Krankenhaus, wo seine Verletzungen behandelt
Plötzlich und ohne Vorwarnung stürzt der wegge­ werden.
stoßene Beamte auf Herrn Z. zu, packt ihn mit der Herr Z. meldet den Vorfall an ZARA. Aufgrund der
Hand um den Hals („Schwitzkasten“) und bringt ihn zu bei der erstmaligen Einvernahme geäußerten Miss-
Fall. Zwei weitere Beamte fixieren Herrn Z. und legen handlungsvorwürfe wird Herr Z. zu einer weiteren
ihm Handschellen an, während ihm der erste Beamte Einvernahme ins Büro für besondere Ermittlungen
immer noch durch den Griff um den Hals den Atem geladen, wohin ZARA ihn begleitet. Weiters vermit-
raubt, sodass Z. beinahe ohnmächtig wird. Erst als ein telt ZARA Herrn Z. eine Prozessbegleitung durch den
Passant ruft: „Den kenne ich, der ist herzkrank! Lassen ­Weißen Ring (siehe „Glossar“). Eine Beschwerde beim
Sie ihn los!“, wird Herr Z. losgelassen. Nachdem er wie- UVS (siehe „Glossar“) will er aufgrund des hohen Ko-
der zu Atem gekommen ist, bringen ihn die Beamten stenrisikos nicht einbringen. Das Strafverfahren ge-

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Polizei

gen die beteiligten Polizisten wurde zu Redaktions- Die eigenen Rechte kennen
schluss noch nicht eingeleitet.
1. Der nigerianische Staatsbürger Herr G. wird auf

51 Frau G. schildert ZARA im Oktober einen Vor- der Straße, kurz nachdem er sein Wohnhaus ver-
fall in einer Wiener-U-Bahn: Vor ihr steht ein lassen hat, von zwei Polizisten aufgehalten. „Aus-
etwa 40-jähriger Mann schwarzer Hautfarbe. Plötz- weiskontrolle!“ Herr G. erklärt den Beamten, dass
lich kommen vier PolizistInnen auf ihn zu und fragen er seinen Ausweis leider nicht dabei habe, ihn aber
ihn unhöflich und in provokantem Ton nach seinem gleich von zu Hause holen könne. Einer der Be-
Ausweis. Der Mann fragt die BeamtInnen, wieso dies amten erwidert: „Das interessiert mich nicht! Du
notwendig sei. Daraufhin wird der Ton eines Polizisten musst aufs Revier mitkommen!“ Herr G. fragt den
noch unfreundlicher: „Dann zeig mir Deinen Fahr- Beamten, was er denn verbrochen habe und er-
schein!“. Der Mann weist in gutem Deutsch darauf hin, sucht ihn, ihn nicht mit dem „Du-Wort“ anzuspre-
dass nur er nach dem Ausweis gefragt wird und die chen. Der Beamte erwidert: „Aha, frech auch noch,
anderen Fahrgäste nicht. Es erfolgt keine Rechtferti- jetzt nehmen wir dich mit!“ Herr G. wird zunächst
gung durch die PolizistInnen. Bei der Station Schweg- an Ort und Stelle durchsucht, dann muss er den
lerstraße wird er zum Aussteigen gezwungen. Den Beamten zur nächsten Polizeiinspektion folgen.
weiteren Verlauf der Amtshandlung kann Frau G. so- Dort wird Herr G. zunächst fotografiert. Einer der
mit nicht mehr beobachten und ersucht ZARA, nach- Beamten überprüft seine Daten im Computer. Da
zuforschen, was weiter geschehen ist. nach kurzer Zeit feststeht, dass Herr G. unbeschol-
ZARA kontaktiert den Menschenrechtskoordina- ten ist, wird er wieder freigelassen, ohne dass sich
tor der Wiener Polizei, Oberstleutnant Friedrich Kovar, jemand für diese für Herrn G. unbegründete Fest-
der den Vorfall an die zuständige Beschwerdestelle nahme entschuldigt. Er fragt nach der Dienstnum-
der Bundespolizeidirektion weiterleitet. Das Büro für mer der Beamten, woraufhin diese ihm mitteilen,
Informationsdienst, Öffentlichkeits- und Medienar- dass ihn die Dienstnummern „nichts angehen“
beit übermittelt ZARA im Dezember eine Stellung- würden.
nahme: „Bei der Amtshandlung handelte es sich um
eine Schwerpunktaktion zur Hebung der Sicherheit in 2. An einem der nächsten Tage gerät Herr G. wie-
den U-Bahnen. [...] Von den einschreitenden Beamten der in eine Ausweiskontrolle. Herr G. hat diesmal
wurde berichtet, dass der Beschwerdeführer zunächst seinen Ausweis dabei. Da dies aber schon der
nicht überprüft wurde. Erst als dieser in offenbar be- zweite Vorfall dieser Art binnen kurzer Zeit ist, be-
leidigender Absicht den Beamten einen gestreckten schwert er sich bei den Beamten: „Es ist immer das
Mittelfinger entgegenhielt, wurde er überprüft und Gleiche, Sie kontrollieren mich doch nur, weil ich
zu diesem Zweck aufgefordert, sich auszuweisen. Dies Afrikaner bin!“ Die Beamten sehen seine Reaktion
verweigerte er und wurde deshalb aufgefordert, ge- als Angriff und drohen ihm an, ihn festzunehmen,
meinsam mit den Beamten an der nächsten Station wenn er sich nicht beruhige. Herr G. erwidert: „Ich
auszusteigen. Der Aufforderung kam er jedoch nicht habe nichts getan, warum wollen Sie mich fest-
nach und wurde aus diesem Grund an den Oberarmen nehmen?“ Einer der Beamten meint: „Ihr Schwar-
ergriffen, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. zen führt doch immer was im Schilde, wir wer-
Dabei musste keinerlei körperliche Gewalt angewen- den schon was finden!“ Er kommt auf Herrn G. zu,
det werden und er kam in der Folge anstandslos dem verdreht ihm den Arm hinter den Rücken. Er wird
Ersuchen nach. Erst nach längeren Erklärungen am zu Boden geworfen und es werden ihm Handfes-
Bahnsteig war der Überprüfte bereit, seinen Reisepass seln hinter seinem Rücken angelegt. Ein Beamter
herzuzeigen. Damit war die Amtshandlung beendet schlägt ihm auf den Kopf und schreit „Jetzt siehst
und er wurde verabschiedet. Die einschreitenden Be- du, was du davon hast, du depperter N...!“ Herr G.
amten sind sich immer und ganz speziell im Falle so wehrt sich in keiner Weise gegen die Festnahme.
genannter U-Bahn-Streifen bei Amtshandlungen mit Einer der Beamten informiert Kollegen, die kur-
Schwarzafrikanern bewusst, dass sie dabei die beson- ze Zeit später mit einem Einsatzwagen eintref-
dere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nach sich zie- fen. Zwei ZeugInnen beobachten den Vorfall und
hen, weshalb dabei stets auf ein sensibles Einschrei- können Herrn G. in einem ruhigeren Moment eine
ten geachtet wird.“ Visitenkarte zustecken. Auf die Frage, ob eine/r
ZARA leitet die Stellungnahme an Frau G. weiter, der ZeugInnen Herrn G. als Vertrauensperson be-
bis Redaktionsschluss hatte sie noch keine Gelegen- gleiten kann, meint einer der Beamten, dass dies
heit, sich dazu zu äußern. nicht möglich sei. Herr G. wird schließlich auf das

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zuständige Polizeikommissariat gebracht. Dort vor Ort nicht möglich sein, kann auch hier eine Fest-
wird er von einem Polizeijuristen einvernommen. nahme ausgesprochen werden. Die Anhaltung in Poli-
Er muss seine Aussage unterschreiben und wird zeigewahrsam darf nicht länger als 24 Stunden dauern
schließlich mit der Ankündigung, dass er eine An- (§ 36 Abs 1 VStG). In jedem Fall muss dem/der Festge-
zeige bekommen werde, entlassen. Einige Tage nommenen mitgeteilt werden, welcher Vorwurf gegen
später erhält Herr G. eine Strafverfügung wegen ihn/sie erhoben wird. Die Festnahme muss ausdrücklich
„aggressiven Verhaltens gegenüber einem Organ ausgesprochen werden.
der öffentlichen Aufsicht“ gemäß § 82 Sicherheits- § 29 SPG normiert den so genannten Verhältnismä-
polizeigesetz über 72 Euro. Eine Woche später teilt ßigkeitsgrundsatz. Demnach sind unter anderem von
ihm die Staatsanwaltschaft Wien mit, dass gegen mehreren zielführenden Befugnissen jene anzuwenden,
ihn ein Verfahren wegen Widerstands gegen die die voraussichtlich den/die Betroffene/n am wenigsten
Staatsgewalt gemäß § 269 Strafgesetzbuch ein- beeinträchtigen, und es ist auf die Schonung der Rechte
geleitet wurde. und schutzwürdigen Interessen des/der Betroffenen Be-
dacht zu nehmen. Der angestrebte Erfolg muss in einem
Zur allgemeinen Zulässigkeit von Identitätsfeststel- vertretbaren Verhältnis zu den zu erwartenden Schäden
lungen und Festnahmen und Gefährdungen stehen.
§ 35 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und § 118 der mit
1.1.2008 neu in Kraft getretenen Strafprozessordnung Rechte und Pflichten von beamtshandelten Per-
(StPO) setzen die Grenzen für die Zulässigkeit von Iden- sonen und Festgenommenen
titätsfeststellungen. Wenn aufgrund bestimmter Tat- Jede beamtshandelte Person ist auf Verlangen vom
sachen anzunehmen ist, dass eine Person im Zusam- Zweck des Einschreitens zu informieren und kann der
menhang mit einer Straftat steht oder über eine solche Amtshandlung eine Person ihres Vertrauens hinzuzie-
Auskunft erteilen kann, ist sie verpflichtet, an einer Iden- hen (§ 30 SPG). Dies gilt jedoch nicht, wenn dadurch
titätsfeststellung mitzuwirken. Somit können sowohl die Erfüllung der Aufgabe durch die einschreitenden
mutmaßliche TäterInnen als auch ZeugInnen einer straf- BeamtInnen gefährdet wäre.
baren Handlung zur Mitwirkung an der Feststellung ih- Gemäß § 31 SPG wurden vom Bundesminister für In-
rer Identität gezwungen werden, gemäß § 118 Abs 4 neres Richtlinien für das Einschreiten der Organe des
StPO auch mittels Personendurchsuchung. Wobei die öffentlichen Sicherheitsdienstes (Richtlinienverord-
PolizeibeamtInnen Name, Geschlecht, Geburtsdatum, nung – RLV) erlassen. § 5 der RLV besagt unter an-
Geburtsort, Beruf und Wohnanschrift ermitteln müssen. derem, dass PolizeibeamtInnen alles zu unterlassen
Einer Straftat Verdächtige können gemäß § 170 StPO haben, das geeignet ist, den Eindruck von Voreinge-
festgenommen werden, wenn sie z.B. auf „frischer Tat er- nommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung
tappt“ werden. Der/die Verdächtige muss gemäß § 172 aufgrund des Geschlechtes, der nationalen oder eth-
StPO binnen 48 Stunden ab Festnahme in die Justizan- nischen Herkunft, der Religion oder der sexuellen Ori-
stalt des zuständigen Gerichts gebracht werden. Gemäß entierung empfunden werden kann. Weiters haben
§ 174 StPO hat das Gericht wiederum binnen 48 Stunden BeamtInnen alle Menschen, bei denen dies üblich ist
ab Einlieferung zu entscheiden, ob die verdächtige Per- oder die dies verlangen, mit „Sie“ anzusprechen. Ge-
son in Untersuchungshaft genommen oder wieder ent- mäß § 6 der RLV sind dem/der von der Amtshand-
lassen wird. lung Betroffenen seine/ihre Rechte mitzuteilen und
Das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) sieht vor, dass der Zweck des Einschreitens bekannt zu geben, es sei
nicht-österreichische StaatsbürgerInnen ein Reisedoku- denn, dieser wäre offensichtlich oder dies würde die
ment zum Nachweis ihres rechtmäßigen Aufenthaltes Aufgabenerfüllung gefährden. § 7 der RLV sieht vor,
bei sich führen oder an einem Ort verwahren müssen, dass Personen, die das Recht auf Information oder Bei-
von dem sie es ohne unverhältnismäßige Verzöge- ziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechts-
rung (innerhalb einer Stunde) holen können (§ 32 FPG). beistandes haben, über ihre diesbezüglichen Rechte
„Fremde“ im Sinne des FPG müssen sich auch Identitäts- informiert werden müssen. Nach § 9 der RLV haben
feststellungen unterziehen, wenn etwa der Verdacht be- BeamtInnen von einer Amtshandlung betroffenen
steht, dass sie sich rechtswidrig im Bundesgebiet aufhal- Personen auf deren Verlangen ihre Dienstnummer
ten (§ 34 FPG). Sollte ein/e „Fremde/r“ der Verpflichtung bekannt zu geben. Diese sollte, wenn möglich, auf
zum Mit-sich-Führen eines Reisedokumentes nicht nach- einem Kärtchen übergeben werden.
kommen, kann auch eine Festnahme ausgesprochen Festgenommene Personen, sowie Personen, die einer
werde. Die Haft darf diesfalls grundsätzlich maximal 24 Straftat verdächtig sind und bei denen anzunehmen
Stunden dauern (§ 39 FPG). ist, dass sie einen Gegenstand bei sich tragen, von
Aus § 35 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) ergibt sich, dem Gefahr ausgeht, können gemäß § 40 SPG durch-
dass Personen, die „auf frischer Tat“ bei einer Verwal- sucht werden. Das Anfertigen von Fotos gehört zur
tungsübertretung ertappt werden, sich ebenfalls einer erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 64 ff SPG).
Identitätsfeststellung unterziehen müssen. Sollte dies Der/die Betroffene, der/die unter dem Verdacht steht,

40
Polizei

eine gerichtlich strafbare Handlung begangen zu ha- tion Wien. Die einzelnen BeamtInnen sind Auskunfts-
ben, hat Auskunft darüber zu erhalten, warum er/sie personen, die vom Erkenntnis des UVS jedoch nicht
erkennungsdienstlich behandelt wird, und hat unter unmittelbar betroffen sind. In Einzelfällen sind anschlie-
bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch auf Lö- ßend an ein UVS-Verfahren disziplinarrechtliche Konse-
schung dieser Daten. quenzen für die BeamtInnen möglich. Der/die Betroffene
Jede/r Festgenommene hat das Recht, eine Ver- hat auf ein solches polizeiinternes Disziplinarverfahren
trauensperson oder einen Rechtsbeistand zu verstän- jedoch keinen Einfluss. Im Falle, dass der UVS feststellt,
digen. Bei der Einvernahme wegen einer gerichtlich dass das Einschreiten der BeamtInnen nicht rechtswidrig
zu ahndenden Straftat kann jedoch weder die Vertrau- war, muss der/die BeschwerdeführerIn die Kosten für das
ensperson noch der Rechtsbeistand anwesend sein. Verfahren übernehmen (im Regelfall 500–700 Euro).
Nur bei Einvernahmen im Rahmen von Verwaltungs- Wegen der Verstöße gegen die Richtlinien für das
strafverfahren ist die Anwesenheit einer Vertrauens- Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheits-
person und/oder des Rechtsbeistandes möglich. dienstes (Richtlinienverordnung – RLV) kann Herr G. sich
ebenfalls mit Hilfe von ZARA gemäß § 89 SPG binnen
Was kann Herr G. im ersten Fall unternehmen? sechs Wochen an den UVS wenden. Der UVS hat diese
Da Herr G. kein österreichischer Staatsbürger ist, haben so genannte Richtlinienbeschwerde zunächst derjeni-
PolizeibeamtInnen grundsätzlich die Befugnis zu über- gen Behörde zuzustellen, die die Aufsicht über die jewei-
prüfen, ob er zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist. lig eingeschrittenen BeamtInnen hat. Dies wäre im vor-
Herr G. hat seine Unterlagen zwar nicht bei sich, jedoch liegenden Fall die Bundespolizeidirektion Wien (BPD).
hätten ihm die Beamten gestatten müssen, seine Doku- Nachdem die BPD ihrerseits den Sachverhalt durch Be-
mente aus der unmittelbar am Ort der Amtshandlung fragung oder laut Meldung der betroffenen BeamtInnen
gelegenen Wohnung zu holen. Die Aufforderung, mit ermittelt hat, hat sie nun dem/der BeschwerdeführerIn
aufs Revier zu kommen, muss als Festnahme angesehen schriftlich mitzuteilen, ob eine Verletzung der RLV vor-
werden, für die jedoch die notwendigen Rechtsgrundla- liegt. Die BPD hat aber auch die Möglichkeit, eine Aus-
gen fehlen. Auch die Personendurchsuchung und die An- sprache zwischen den betroffenen BeamtInnen und
fertigung der Fotos sind somit rechtswidrig. Durch das dem/der BeschwerdeführerIn zu ermöglichen. Ist die be-
Ansprechen mit dem „Du-Wort“ und die Weigerung, die troffene Person mit dem Verlauf und dem Ergebnis dieses
Dienstnummer bekannt zu geben, haben die Beamten so genannten „Klag­losstellungsgespräches“ zufrieden,
gegen die Richtlinienverordnung verstoßen. dann ist das Richtlinienbeschwerdeverfahren mit der
Wenn sich Herr G. an ZARA wendet, kann ZARA für schriftlichen Erklärung des/der Beschwerdeführers/in,
ihn aufgrund der rechtswidrigen Festnahme, der Per- „nun klaglos gestellt worden zu sein“, beendet und die
sonendurchsuchung und der Anfertigung der Fotos BPD braucht sich nicht mehr zum Vorfall zu äußern. Ist
binnen sechs Wochen eine Maßnahmenbeschwerde die betroffene Person mit dem Gesprächausgang nicht
beim UVS (siehe „Glossar“) einbringen, da er durch die zufrieden, z.B. weil die BeamtInnen ihr Fehlverhalten
„Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Be- nicht einsehen, dann muss die BPD obige schriftliche
fehls- und Zwangsgewalt“ in seinen subjektiven Rech- Erklärung zum Vorliegen einer Richtlinienverletzung
ten verletzt worden ist. ZARA kann in diesem Fall auch verfassen und zustellen. Wenn in dieser Mitteilung das
die Vertretung vor dem UVS übernehmen. Mittels so ei- Vorliegen einer Richtlinienverletzung verneint wird oder
ner Maßnahmenbeschwerde kann nicht nur Beschwer- diese Mitteilung binnen drei Monaten nach Einbringung
de wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des der Beschwerde nicht erstattet wird, dann kann der/die
Sicherheitspolizeigesetzes, sondern auch wegen eines BeschwerdeführerIn binnen 14 Tagen die Entscheidung
Verstoßes gegen verfassungsgesetzlich gewährleiste- des UVS verlangen. Der UVS hat dann in einem Verfah-
te Rechte (z.B. das Verbot der Folter und der unmensch- ren wie bei einer Maßnahmenbeschwerde festzustellen,
lichen oder erniedrigenden Behandlung gemäß Art 3 der ob die Richtlinie verletzt wurde. Hinsichtlich der Konse-
Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], Recht quenzen für die BeamtInnen gelten die oben gemachten
auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art Ausführungen zur Maßnahmenbeschwerde.
8 EMRK, Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der Im Fall von Herrn G. wird aufgrund des Umstandes,
persönlichen Freiheit oder gegen andere einfachgesetz- dass eine Richtlinienbeschwerde für das Ansprechen mit
lich zukommende Rechte, die PolizeibeamtInnen bei dem „Du-Wort“, die rassistische Diskriminierung und das
Amtshandlungen wahren müssen) eingebracht wer- „Nicht-bekannt- Geben“ der Dienstnummer eingebracht
den. Das Verfahren ist einem Gerichtsverfahren ähnlich. und gleichzeitig ein Maßnahmenbeschwerdeverfah-
Unabhängige UVS-RichterInnen entscheiden, ob das ren eingeleitet wurde, ein Klaglosstellungsversuch wohl
Einschreiten der PolizistInnen rechtswidrig war. Ein Zu- nicht unternommen werden. Sollte die BPD den Richtli-
spruch von Schadenersatz für das Opfer von rechtswid- nienverstoß nicht feststellen, werden beide Beschwerden
rigem Polizeihandeln ist nicht vorgesehen. GegnerInnen gemeinsam vor dem UVS behandelt werden. Hinsicht-
in diesen Verfahren sind die den BeamtInnen überge- lich der von den Beamten angefertigten Fotos kann Herr
ordneten Dienststellen wie z.B. die Bundespolizeidirek- G. die Löschung dieser erkennungsdienstlichen Daten

41
Polizei

gemäß § 74 SPG beantragen, sollten diese nicht wie in einfach weggewischt. Da Herr G. aber zwei unabhän-
§ 73 SPG vorgesehen mangels gesetzlicher Vorausset- gige ZeugInnen vorweisen kann, sind auch hinsichtlich
zung von Amts wegen gelöscht worden sein. des Strafverfahrens die Chancen auf einen Freispruch
gut. Bei einer Verurteilung wird Herr G. aufgrund seiner
Was kann Herr G. im zweiten Fall unternehmen? Unbescholtenheit (d.h., dass er keine Vorstrafen aufzu-
Auch in diesem Fall verletzen die BeamtInnen durch die weisen hat) wohl zu einer bedingten Freiheitsstrafe im
unbegründet brutale Festnahme, die Beschimpfungen Ausmaß von drei bis sechs Monaten verurteilt werden.
und das Anlegen der Handfesseln Herrn G. in seinen sub- „Bedingt“ bedeutet, dass Herr G. die Strafe nicht antre-
jektiven Rechten. Die BeamtInnen sind sichtlich vorein- ten muss, wenn er sich in einer Probezeit von zumeist
genommen und diskriminieren Herrn G. aufgrund seiner drei Jahren keine gleich gelagerte Straftat zuschulden
Herkunft, wie sich an ihren Aussagen erkennen lässt, und kommen lässt. Herr G. hat überdies die Möglichkeit, ge-
sprechen ihn wieder mit dem „Du-Wort“ an. Hierbei han- gen die Verurteilung zu berufen. In diesem Fall entschei-
delt es sich um klare Verstöße gegen die Richtlinienver- det das Oberlandesgericht (OLG) als zweite Instanz end-
ordnung. Herr G. kann mit Hilfe von ZARA wieder UVS- gültig darüber, ob Herr G. die Tat tatsächlich begangen
Beschwerden einbringen. ZARA wird in diesem Fall Herrn hat oder ob er schon von der ersten Instanz freizuspre-
G. aber nicht nur vor dem UVS vertreten. Hinsichtlich der chen gewesen wäre. Das OLG kann die Strafe auch nur
Verwaltungsstrafe wegen „aggressiven Verhaltens ge- verringern. Für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft von
genüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht“ ist eine ihrem Berufungsrecht Gebrauch macht, kann die Strafe
Berufung an den UVS möglich, der auch über die Recht- auch erhöht werden. Sollte sich im Verfahren heraus-
mäßigkeit von Verwaltungsstrafen und die Angemes- stellen, dass die Angaben der BeamtInnen, die zu einer
senheit der Strafhöhe entscheidet. Da Herr G. sich nicht Strafverfolgung von Herrn G. geführt haben, nicht der
aggressiv verhalten und so die Amtshandlung in keiner
Wahrheit entsprechen, wird Herr G. nicht nur freigespro-
Weise behindert hat, was darüber hinaus von zwei Zeu-
chen werden, sondern die Staatsanwaltschaft wird mög-
gInnen bestätigt werden kann, sind die Chancen auf eine
licherweise ein Strafverfahren gegen die BeamtInnen
Aufhebung der Strafe und eine Einstellung des Verfah-
einleiten, da sie durch ihre Falschangaben jedenfalls das
rens gut. Überdies sieht § 85 SPG vor, dass Personen, die
Delikt der „falschen Beweisaussage vor Gericht“ gemäß
sich wegen derselben Tat auch vor Gericht verantworten
§ 288 StGB, das Delikt der „Verleumdung“ gemäß § 297
müssen, nicht nach § 83 SPG bestraft werden können.
StGB und möglicherweise das Delikt des „Missbrauchs
Bezüglich der Strafanzeige wegen „Widerstands gegen
der Amtsgewalt“ gemäß § 302 StGB begangen haben.
die Staatsgewalt“ gemäß § 269 StGB wird sich Herr G.
vor einem (Landes-)Gericht verantworten müssen, das
eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verhängen ZARA Forderung
kann. Der Vorwurf lautet, dass sich Herr G. „aktiv“, das
Einführung eines Menschenrechtsverfahrens
bedeutet z.B. mit gezielten Schlägen oder Tritten, gegen
Derzeitige Situation: Opfer von rassistischen Polizei­
die Amtshandlung oder seine Verhaftung gewehrt hat.
übergriffen, die sich beim zuständigen Unabhängigen
Ein bloßes „passives“ Erschweren der Amtshandlung,
Verwaltungssenat (siehe „Glossar“) beschweren wol-
wie z.B. durch ein „Versteifen“, welches das Anlegen der
len, tragen ein beträchtliches Kostenrisiko. Sie können
Handfesseln erschwert, oder durch den Versuch, sich
dem Griff der BeamtInnen zu entwinden, reicht für eine sich von dem Verfahren nicht mehr erwarten, als die
Verurteilung wegen § 269 StGB nicht aus. Wenn sich Herr Feststellung, ob Gesetze oder eine Richtlinie verletzt
G. keinen Rechtsanwalt leisten kann, hilft ZARA ihm bei wurden oder nicht. Ersatz für materielle und immate-
der Beantragung eines/r Verfahrenshilfeverteidigers/in, rielle Schäden sind nur sehr eingeschränkt erzielbar
der/die ihn kostenlos vertritt, der/die ihm aber ohne Aus- und dies nur in einem gesonderten Amtshaftungsver-
wahlmöglichkeit von der Rechtsanwaltskammer zu- fahren unter weiterem Prozesskostenrisiko. Wer den-
gewiesen wird. Sollte Herr G. sich einen Rechtsanwalt noch die Unannehmlichkeiten all dieser Verfahren auf
leisten können, ist er besser beraten, sich von einem ko- sich nimmt, sollte ernst genommen werden und auch
stenpflichtigen Anwalt seines Vertrauens vertreten zu eine faire Möglichkeit bekommen, seine Anliegen
lassen. Einen Teil der Rechtsanwaltskosten kann Herr vorzubringen. In der Realität ist die Beweisführung
G. im Falle seines Freispruches erstattet bekommen. Im selbst bei objektivierten Verletzungen sehr schwierig.
Verfahren selbst werden Herr G., seine beiden ZeugInnen BeschwerdeführerInnen tragen die volle Beweislast
und die eingeschrittenen BeamtInnen vom Gericht be- (Beiweislasterleichterung/-umkehr siehe „Glossar“).
fragt. Oft ist es so, dass den Angaben des Beschuldigten – Dadurch entsteht der Eindruck, das Verfahren würde
wegen der erdrückenden Vielzahl von aufeinander abge- wie ein Strafverfahren gegen die individuellen ein-
stimmten Aussagen seitens der Polizei – nicht geglaubt schreitenden BeamtInnen geführt, für die selbstver-
wird. Unter Verweis auf den Amtseid wird den Aussagen ständlich die Unschuldsvermutung gilt. Die Frage der
von BeamtInnen in solchen Verfahren ein höherer Grad individuellen Verantwortung ist aber gerade nicht Ge-
an Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit beigemessen genstand dieses Verfahrens, sondern die Verantwor-
als jenen des Übergriffsopfers. Selbst Ungereimtheiten tung des Staates für die in seinem Namen erfolgten
in den Aussagen werden allzu oft mit diesem Argument Amtshandlungen.

42
Polizei

Verbesserungsvorschläge: der Uniform ist etwa in den USA, aber auch in Polen
• Führung des Verfahrens vor dem UVS (siehe „Glos- oder Slowenien gelebter Standard.
sar“) als Menschenrechtsverfahren, das die Verant-
wortlichkeit des Staates für die Handlungen seiner Diversity im Polizeikorps
Organe, unabhängig von der individuellen Verant- Die Zusammensetzung der Exekutivkräfte spiegelt
wortlichkeit der BeamtInnen, zum Inhalt hat. Das er- derzeit nicht die multiethnische Zusammensetzung
möglicht und erfordert eine Beweislastumkehr (siehe der österreichischen Gesellschaft wider. Dieser Um-
„Glossar“) im Verfahren und regt damit zu besserer stand fördert den Abstand zwischen PolizistInnen und
und transparenterer Dokumentation der Amtshand- der Bevölkerung und hält das mangelnde Verständnis
lungen an. füreinander aufrecht. Um einer offenen Gesellschaft
• Richtlinien- und Maßnahmenbeschwerden die- gerecht werden zu können, fordern wir die verstär-
nen der Durchsetzung elementarer menschenrecht- kte Öffnung des Polizeidienstes für alle. Das Gelingen
licher Ansprüche und sollten daher kostenfrei abge- dieser Öffnung wird daran messbar sein, wie sehr sich
wickelt werden. Vielfalt in der Zusammensetzung der Polizeibedien-
• Eine Verknüpfung der UVS-Feststellung über eine steten wiederfindet. Nicht sinnvoll scheint eine ver-
Verletzung der Richtlinienverordnung, des Sicher- krampfte Ethnisierung der Einstellungspolitik.
heitspolizeigesetzes und/oder der Europäischen Men-
schenrechtskonvention mit schadenersatzrechtlichen Supervision ist Prävention
Konsequenzen. Der Beruf eines/einer PolizistIn ist psychisch bela-
stend. BeamtInnen müssen oft dort vermittelnd ein-
greifen, wo unterschiedliche Positionen aneinander
Immer wieder Anlass zur Eskalation: Die Frage geraten und andere Mechanismen bereits versagt
nach der Dienstnummer haben. Wir fordern verbesserte Schulungen in ange-
Angesichts der oftmaligen Konflikte rund um die Ein- wandter und anwendbarer Streitschlichtung und ver-
holung der Dienstnummern einschreitender Beam- stärkte psychologische Begleitung von BeamtInnen
tInnen bzw. angesichts der Unmöglichkeit dieser Ein- auf der Ebene der Supervision. Diese Maßnahmen sol-
holung fordert ZARA, dass PolizeibeamtInnen ihre len allerdings nicht erst dann ergriffen werden, wenn
Dienstnummer für alle klar sichtbar an der Uniform bereits die Auswirkungen der belastenden Tätigkeit
tragen. Das sichtbare Tragen der Dienstnummer auf sichtbar geworden sind.

ZARA_Rassism_Report07.qxd 10.12.2007 9:46 Uhr Seite 1

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Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen

Sonstige Behörden und


öffentliche Institutionen

„Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formu- meraden weiße Kapuzen mit Augenschlitz aufsetzen.
lare!“ Der für Beschwerden zuständige Bundesheermitar-
Ein Rechtsstaat muss auch verwaltet werden. Eine beiter in der Kaserne vor Ort meint zu ihm, dass diese
Vielzahl von unterschiedlichsten Behörden sorgt dafür, Beschimpfungen nicht so schlimm seien und unter-
dass das geschriebene Recht in der Praxis umgesetzt nimmt nichts dagegen. Auch als einer der Kameraden
wird. Generelle Bürokratiekritik ist sehr populär. ZARA mit dem Hitlergruß auf sich aufmerksam macht, wer-
will hier aber nicht in diesen Kanon mit einstimmen, den keine Gegenmaßnahmen ergriffen. Der besagte
sondern darauf hinweisen, dass gerade die staatliche Wehrdiener versucht außerdem in verleumderischer
Verwaltung mit einer hohen Verantwortung einher- Absicht, den Verdacht einer Straftat auf den Grund-
geht. Diese Verantwortung ergibt sich aus dem „Im- wehrdiener afrikanischer Herkunft zu lenken, indem
perium“, also der rechtlichen Hoheitsgewalt mit der er behauptet, dass es in dessen Zimmer nach Ha-
Behörden den „Rechtsunterworfenen“ gegenübertre- schisch rieche.
ten. Schon diese rechtswissenschaftlichen Termini be- ZARA gibt Frau P. rechtliche Auskünfte und rät ihr
legen, dass es einen gewaltigen Machtunterschied in dringend, ihrem Freund zu empfehlen, die Beschwer-
einer solchen Begegnung gibt. Macht ist aber immer de direkt an das Bundesministerium für Landesvertei-
mit Verantwortung gekoppelt. Nur wer bereit oder digung und wegen der neonazistischen Wiederbetä-
in der Lage ist, die Verantwortung zu tragen, sollte tigung an das Bundesamt für Verfassungsschutz und
auch die Macht bekommen. Eine wesentliche Verant- Terrorismusbekämpfung (siehe „Glossar“) zu richten.
wortung der Verwaltung in einem demokratischen Als Frau P. nochmals bei ZARA anruft, teilt sie jedoch
Rechtsstaat ist die Wahrung der Unparteilichkeit und mit, dass ihr Freund sich nicht weiter beschweren,
die Garantie von Fairness und Rechtssicherheit. Dis- sondern seine Zeit als Grundwehrdiener inklusive al-
kriminierungen dürfen hier keinen Platz haben, ja die ler diskriminierenden Handlungen seiner Kameraden
Verwaltung ist auch aufgefordert, jeden Anschein von über sich ergehen lassen möchte. Er hat Angst, dass
Voreingenommenheit zu vermeiden. sich seine Situation durch eine Beschwerde weiter
Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass die verschlechtern könnte. Durch seine anfänglichen Be-
Erfahrung von ZARA zeigt, dass viele öffentliche In- schwerden an seine Vorgesetzten sei es erst zu den
stitutionen durchaus auf Vorwürfe von diskriminie- oben geschilderten Auswüchsen gekommen. Frau P.
rendem Veralten reagieren und zumindest versuchen, wendet sich schließlich anonym zur weiteren Infor-
für die Zukunft ähnliche Vorfälle zu vermeiden. mation an die Beschwerdekommission des Bundes-
heeres und meldet sich in weiterer Folge nicht mehr

52 Frau P., eine Österreicherin, berichtet ZARA


im Juli telefonisch von folgendem Vorfall: Ihr
bei ZARA.

Freund ist afrikanischer Herkunft. Derzeit übt er sei-


nen Wehrdienst beim österreichischen Bundesheer
aus. Von anderen Wehrdienern wird er dabei des Öf-
53 Herr K. kommt aus dem ehemaligen Jugosla-
wien und lebt mit seiner Familie in Wien, er
meldet folgenden Vorfall zur Dokumentation an ZARA:
teren rassistisch belästigt. Unter anderem wird er von Im März parkt er sein Auto in einer Kurzparkzone am
Kameraden als „N...“ tituliert und es wird auf die Prak- Wiener Enkplatz, um rasch in einem Geschäft Lebens-
tiken des Ku-Klux-Klans angespielt, indem sich die Ka- mittel einzukaufen. Seine Frau und sein Kind verblei-

44
Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen

ben im Auto und er vergisst, einen Parkschein auszu- Die eigenen Rechte kennen
füllen. Während er sich im Geschäft befindet und sich
seine Frau auf der Rückbank um das Kind kümmert, Herr B. wurde in Österreich geboren, sein Va-
stellt eine Beamtin der Parkraumüberwachung einen ter kommt aus Samoa. Er ist österreichischer
Strafzettel aus. Dies sieht Herr K., als er wieder aus dem Staatsbürger und Vater zweier Kinder im Volks-
Geschäft auf die Straße tritt. Er versucht, bei der Be- schulalter. Eines Tages erhält er einen Brief seines
amtin zu intervenieren, damit diese die Strafe wieder Finanzamtes. Er soll für den Weiterbezug der Fa-
zurücknehme. Er fragt höflich, ob sie nicht ausnahms- milienbeihilfe den Nachweis erbringen, dass sei-
weise von einer Strafe absehen könne. Die Beamtin ne beiden Kinder in Österreich leben. Da ihm di-
reagiert darauf schreiend: „Wenn dir was nicht passt, ese Vorgangsweise seltsam erscheint, ruft er am
dann kannst du ja in deine Heimat gehen!“ Herr K. ist darauf folgenden Tag beim Finanzamt an. Der
erschüttert. In der Nähe stehen etwa 15 Personen, die zuständige Beamte teilt Herrn B. mit, dass er den
ebenfalls ZeugInnen dieses Ausbruchs werden. Einige Nachweis deshalb einfordere, weil „sich ja Auslän-
Zeit später beschwert er sich telefonisch beim zustän- der ständig irgendwelche Sozialleistungen für ihre
digen Magistrat, er wird zu einer Dame verbunden, gesamte Sippe erschleichen“. Er führe jetzt stich-
die meint, dass man mit der Beamtin sprechen werde, probenartig Überprüfungen bei Personen durch,
damit sie sich nicht mehr so verhält. Entschuldigung deren Namen ihm „seltsam vorkommen“. Als Herr
erhält er jedoch keine. B. den Beamten darauf hinweist, dass er seit seiner
Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft be-

54 An einem Aprilmorgen wird eine 26-jährige sitzt, meint der Beamte: „Das ist mir wurscht, Du
Niederösterreicherin in St. Pölten Opfer einer bleibst ein Drecksausländer!“
brutalen Vergewaltigung am Parkplatz eines Nacht-
cafes. Sie beschreibt die Täter als „zwei Männer afrika- Teil 3 des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) sieht vor,
nischer Herkunft“. Anfang Mai werden Herr A. (26) und dass Personen, die beim Sozialschutz (dazu gehören
Herr E. (48), beide aus Nigeria, in Untersuchungshaft z.B. Leistungen aus der Sozialversicherung, der Arbeits-
genommen. Die Männer bestreiten die Tat. Die jun- losenversicherung oder Leistungen gemäß dem Fami-
ge Frau erkennt die beiden jedoch bei einer Gegen- lienlastenausgleichsgesetz) aufgrund ihrer ethnischen
überstellung wieder. Die beiden Männer waren eini- Zugehörigkeit diskriminiert werden, sich zur Feststellung
ge Stunden vor der Tat tatsächlich Gäste des besagten dieser Diskriminierung an die Gleichbehandlungskom-
Nachtcafes. Eine DNA-Analyse bestätigt jedoch die mission wenden oder Schadenersatzansprüche vor den
Angaben der beiden Nigerianer, die Spuren am Tat- Zivilgerichten geltend machen können. Auch Belästi-
ort, insbesondere Sekretspuren, gehören nicht zu den gungen (siehe „Glossar“) stellen eine Form der Diskrimi-
Festgenommenen. Trotz fehlender objektiver Bewei- nierung im Sinne des GlBG dar.
se besteht die Staatsanwaltschaft darauf, dass die bei- Durch seine Aussagen macht der Beamte Herrn B. ein-
den Nigerianer an der Tat beteiligt gewesen seien und deutig klar, dass er ihn aufgrund seines Namens und sei-
in Untersuchungshaft verbleiben. Experten des Bun- ner ethnischen Zugehörigkeit schlechter behandelt als
deskriminalamtes äußern sich in einem Radiobericht eine Vergleichsperson österreichischer Herkunft, der er
dahingehend, dass ein Vergewaltiger nicht unbedingt solch einen „Sozialbetrug“ nicht unterstellen würde. Dies
DNA-Spuren am Tatort hinterlassen müsse. DNA-Spu- ist eindeutig eine unmittelbare Diskriminierung (siehe
ren sollten jedoch nicht nur zum Nachweis der Schuld, „Glossar“) aufgrund Herrn B.s ethnischer Zugehörigkeit
sondern auch der Unschuld herangezogen werden. im Sinne des GlBG. Die beleidigenden, rassistischen Aus-
Die DNA-Analyse sei ein objektives Beweismittel, zu- sagen des Beamten sind außerdem als Belästigungen
mindest objektiver als ZeugInnenaussagen. Dass das aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit zu werten, da
Opfer der Gewalttat die beiden Nigerianer als Täter sie Herrn B. in seiner Würde verletzen und ein einschüch-
wieder erkannt hat, kommentiert ein Beamter des terndes, beleidigendes und demütigendes Umfeld schaf-
Bundeskriminalamts folgendermaßen: „Das ist keine fen.
Böswilligkeit der Zeugen, es gibt oft große Ähnlich-
keiten der Täter.“ Anfang Juli wird einer der Verdächti- Was kann Herr B. tun?
gen enthaftet, da die junge Frau sich nicht mehr sicher Herr B. hat Anspruch auf Ersatz des tatsächlich erlittenen
ist, dass Herr A. die Tat ausgeführt hat. Ein zusätzliches Vermögensschadens, z.B. falls ihm durch die Überprü-
Sachverständigengutachten und das Alibi eines Woh- fung die Auszahlung der Familienbeihilfe unrechtmä-
nungskollegen entlasten ihn ebenfalls. Nach 76 Tagen ßig verweigert wurde, und zusätzlich auf Entschädigung
wird auch Herr E. schließlich aus der Untersuchungs- für die erlittene persönliche Beeinträchtigung durch die
haft entlassen. Schlechterbehandlung. Für die belästigenden Aussagen
ZARA dokumentiert die Vorkommnisse um die Ver- des Beamten steht Herrn B. ein Mindestschadenersatz in
haftung der beiden Nigerianer anhand der Community­ Höhe von 400 Euro zu. Herr B. kann den Schadenersatz
-Proteste und diverser Medienberichte. entweder gleich beim zuständigen Zivilgericht einkla-

45
Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen

gen, was mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden ZARA Forderung


ist, oder sich vorab an die Gleichbehandlungskommis-
sion (siehe „Glossar“) wenden, die in einem kostenlosen Ratifizierung des Protokolls No. 12 EMRK
Verfahren das Vorliegen einer Diskriminierung in einer Das 12. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschen-
Einzelfallentscheidung bejahen und rechtlich unver- rechtskonvention (EMRK) wurde von Österreich nur
bindliche Maßnahmen zur Wiedergutmachung und Ver- unterschrieben, jedoch nicht ratifiziert. In Art 1 ent-
hinderung zukünftiger Diskriminierungen vorschlagen hält das Protokoll das Verbot von Diskriminierung in
kann. Bei der Einbringung eines Antrages bei der Gleich- Bezug auf alle gesetzlich anerkannten Rechte. Diskri-
behandlungskommission kann sich Herr B. von NGOs minierung ist insbesondere verboten aufgrund von
wie ZARA oder der Gleichbehandlungsanwaltschaft (sie­ Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, po-
he „Glossar“) beraten und vertreten lassen. litischer oder anderer Überzeugung, nationaler oder
Da die diskriminierende Person ein Beamter eines Fi- ethnischer Herkunft, Zugehörigkeit zu einer Minder-
nanzamtes war, kann Herr B. eine Beschwerde bei der heit, Eigentum, Geburt oder anderem Status. Das Pro-
übergeordneten Dienststelle einbringen und ein Diszipli- tokoll weitet die Zuständigkeit des Europäischen Ge-
narverfahren gegen den Diskriminierer anregen. Einen richtshofs für Menschenrechte aus und konkretisiert
Rechtsanspruch auf Einleitung solch eines Verfahrens die menschenrechtlichen Verpflichtungen zum Diskri-
hat Herr B. nicht. minierungsschutz.
ZARA fordert die Ratifizierung dieses Protokolls.
Informationsbroschüre „Gleiches Recht im Alltag
– Basisinformation zum Diskriminierungsschutz in
Alltagssituationen“

in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Kroa-


tisch, Serbisch und Türkisch zum Downloaden und Be-
stellen unter: http://www.univie.ac.at/bim/gleichbe-
handlung/
Arbeit

Arbeit

Der rassistische Diskurs zur Beziehung von Menschen rung in Bezug auf ohnehin belanglose Kriterien. Nie-
mit Migrationshintergrund und Arbeit wird von zwei mand verliert dabei etwas. Nicht diskriminiert zu wer-
Stereotypen beherrscht. den, ist also keine Bevorzugung, sondern sollte – im
Erstens: „Die (‚Anderen’) arbeiten nichts und nut- Interesse aller Beteiligten – eigentlich selbstverständ-
zen das (‚unser’) Sozialsystem aus.“ lich sein. Dass diese Selbstverständlichkeit vielerorts
Zweitens: „Die (‚Anderen’) nehmen den Österrei- noch fehlt, belegen die hier angeführten Vorfälle.
cherInnen (‚uns’) die Arbeitsplätze weg.“
Aus diesem Dilemma gibt es keinen Ausweg für
die Betroffenen. Selbst gut gemeinte Gegenargu-
mente, wie das, dass „AusländerInnen“ ja in solchen
55 Frau B. ist Österreicherin und berichtet ZARA
im Juli, dass ihr Mann afrikanischer Herkunft
in seiner Firma von einem Arbeitskollegen als „Scheiß-
Bereichen arbeiten, für die sich „ÖsterreicherInnen N...“ beschimpft worden sei. Der Grund dafür sei, dass
ohnehin nicht interessieren“, weil die Arbeit anstren- ihr Mann zu besagtem Zeitpunkt Schichtführer gewe-
gend, schlecht bezahlt, unbeständig oder schmutzig sen sei, seine Kollegen bei ihrer Arbeit genauestens
sei, bestätigen im Grunde nur den Anspruch der ima- kontrolliert und dabei auch nicht mit Kritik gespart
ginierten Mehrheitsgesellschaft auf die „guten Jobs“ habe.
und nimmt Dequalifizierung, ethnische Arbeitsmarkt- Frau B. ersucht ZARA um rechtliche Auskunft, ein
nischen und Abwertung sowie die damit verbundene ZARA-Berater klärt sie über die rechtlichen Möglich-
Ausbeutung als scheinbar natürlich hin. keiten nach dem Gleichbehandlungsgesetz, insbe-
In einem solchen Mainstream-Diskurs bleibt ein sondere hinsichtlich einer offensichtlich erfolgten „Be-
gesetzliches Diskriminierungsverbot, das weitgehend lästigung“ (siehe „Glossar“) aufgrund der ethnischen
unkommentiert, „in Umsetzung europarechtlicher Zugehörigkeit auf (siehe „Die eigenen Rechte ken-
Vorgaben“ erlassen wird, unverständlich und exo- nen“). Frau B. bedankt sich im Namen ihres Mannes
tisch. Viele Menschen, UnternehmerInnen und Perso- für die Auskunft, kontaktiert ZARA jedoch nicht mehr
nalverantwortliche, die von ZARA mit dem Verbot der wegen eines persönlichen Beratungsgespräches.
rassistischen Diskriminierung konfrontiert werden,
reagieren unwirsch und verständnislos. Wie auf das
Stichwort kommt der Stehsatz: „Man wird sich doch
noch aussuchen dürfen, wen man einstellen/beför-
56 Im Juli wird ZARA anonym auf folgendes In-
serat hingewiesen, das am gleichen Tag in ei-
ner großen österreichischen Tageszeitung erscheint:
dern/kündigen will!“ Anstatt sich mit ihrer diskrimi- „Kellner/innen für stark frequentierten Gastgarten ge-
nierenden Haltung auseinander zu setzen, sehen sie sucht. Erstklassiger Verdienst, Muttersprache Deutsch,
sich sofort als Opfer einer Freiheitsbeschränkung, die Praxis erforderlich.“ Da die Anforderung einer Mutter-
sie in skandalöser Weise ihres wirtschaftlichen Gestal- sprache eindeutig auch mit der ethnischen Zugehö-
tungsspielraumes beraubt. Selbst in der Diskussion rigkeit einer Person in Zusammenhang steht, stellt
mit rechtskundigen Personen wird allzu oft reflexartig das Inserat einen Verstoß gegen das Gleichbehand-
eine unzulässige Einschränkung der Privatautonomie lungsgesetz dar.
konstatiert. Freilich hält diese Argumentation schon Im August wird ebenfalls anonym ein weiteres In-
einer oberflächlichen näheren Betrachtung nicht serat in derselben Zeitung an ZARA gemeldet: „Ver-
stand. Das Diskriminierungsverbot in der Arbeitswelt lässliche Kellnerin, Österreicherin zwischen 25 und
führt sogar zu einer Stärkung der Privatautonomie, 35 Jahre alt, gesucht!!! [...]“ Da der entsprechende Ver-
da es das Ziel hat, pauschale Ablehnung aus irratio- waltungsstraftatbestand im Gesetz solch diskriminie-
nalen, weil diskriminierenden Gründen zu unterbin- renden Inserate zwar verbietet, aber durch seinen re-
den. Die angeführten „Argumente“ gegen ein Diskri- striktiven Wortlaut Verwaltungsstrafanzeigen durch
minierungsverbot versuchen ja in Wahrheit, es in ein Nichtregierungsorganisationen wie ZARA nicht ge-
„Diskriminierungsgebot“ umzudeuten, indem so ge- stattet (siehe „Die eigenen Rechte kennen“ und S.66
tan wird, als müsse man nun gerade Angehörige je- im Rassismus Report), kann ZARA nicht dagegen vor-
ner Gruppen bevorzugen, die man eigentlich diskri- gehen und dokumentiert den Sachverhalt lediglich.
minieren wollte. Ein Diskriminierungsverbot aber will Bisherige Interventionsversuche bei dieser Tageszei-
dies gerade nicht. Es versucht Menschen dazu zu brin- tung blieben unbeantwortet.
gen, unsachliche Elemente aus dem Auswahlprozess
herauszunehmen. Es führt damit eben nicht zu einer
Ethnisierung des Prozesses, sondern zur Neutralisie- 57 Frau M. berichtet ZARA folgenden Sachver-
halt: Als Vortragende in der Erwachsenen-

47
Arbeit

bildung unterrichtet Frau M. laut ihrer Aussage aus- sie eine nichtssagende Antwort, jedoch keinerlei Ent-
schließlich „gutbürgerliche, moderne und gebildete“ schuldigung oder Ankündigung, dass sich die Einstel-
Frauen. Trotzdem begegnet sie in ihren Gruppen oft- lung des Geschäfts bezüglich kopftuchtragender Mit-
mals verschiedenen rassistischen Aussagen und Mei- arbeiterInnen ändern werde. Das „Kopftuchverbot“
nungen. Bei einem Vorfall in der Steiermark war laut wird damit gerechtfertigt, dass sich die Angestellten
Medienberichten eine tschetschenische Mutter ge- der Firma an gewisse Bekleidungsvorschriften hal-
meinsam mit ihrem Säugling in der Mur ertrunken. Als ten müssen. Als Frau E. der betroffenen Schülerin den
dieser entsetzliche Vorfall in ihrer Kursgruppe zur Spra- Grund für die Absage des Praktikums mitteilt, bricht
che kommt, meint eine ihrer Kursteilnehmerinnen, die diese in Tränen aus, da sie nicht versteht, warum sie
selbst Mutter von drei Kindern ist: „Was müssen die aufgrund ihres Kopftuchs anders als ihre Klassenkolle-
auch nach Österreich kommen, ein Kind nach dem an- ginnen behandelt wird.
deren machen, um das Kindergeld zu kassieren, und ZARA klärt Frau E. über die Rechtslage nach dem
sich auf unsere Kosten ein schönes Leben machen. Gleichbehandlungsgesetz (siehe „Die eigenen Rechte
Wären sie dort geblieben wo sie herkommen, wäre kennen“) auf, das Ungleichbehandlungen aufgrund
das nicht passiert!“ Als Frau M. versucht, die Hinter- der Religion im Arbeitsleben verbietet. Da es sich je-
gründe aufzuklären und der rassistischen Position der doch nur um ein kurzes Praktikum gehandelt hat und
Frau mit Gegenargumenten zu begegnen, wird sie als auch die Eltern des Mädchens an einem Rechtsstreit
„Ausländerfreundin“ beschimpft. nicht interessiert sind, dokumentiert ZARA den Fall le-
Frau M. ersucht ZARA um Hinweise, wie sie mit sol- diglich.
chen Situationen umgehen soll. Der Vorfall wird do-
kumentiert und Frau M. wird von ZARA beraten und
über entsprechende Weiterbildungsangebote für Er-
wachsenenbildnerInnen, mit rassistischen Aussagen
60 Im Vorbeigehen wird von Frau G. im Juni an
einer Haustür im 7. Wiener Gemeindebezirk
folgende Stellenanzeige gefunden und an ZARA ge-
von KursteilnehmerInnen konstruktiv umzugehen, in- meldet: „Österreichische Bedienerin wird aufgenom-
formiert. men. [...] Ordination Dr. med. Y.“ (Name der Ärztin an-
onymisiert). ZARA schreibt einen Beschwerdebrief an

58 Im September meldet Frau B. folgenden Vor-


fall an ZARA: Herr D., Asylwerber aus Senegal
und seit fünf Jahren in Österreich, verteilt im Auftrag
Frau Dr. Y., in dem auf die geltende Antidiskriminie-
rungsrechtslage hingewiesen wird. Eine Reaktion der
Ärztin erfolgt nicht.
eines großen Verkehrsbetriebs Flyer an Autofah-
rerInnen an einer Wiener Kreuzung. Ein Fahrer bleibt
plötzlich stehen, ruft „Scheiß-N...“ und wirft Herrn D.
einen gezündeten Feuerwerkskörper vor die Füße, der
61 Herr P. ist Angestellter eines großen österrei-
chischen Infrastrukturunternehmens. Als er
wegen einer Operation und anderer gesundheitlicher
unter ihm explodiert. Zum Glück bleibt Herr D. unver- Probleme mehrere Monate im Krankenstand war, be-
letzt, die von seinen Kollegen gerufene Polizei kann ginnen bei seiner Rückkehr zahlreiche Probleme. Er
aber nur eine Anzeige gegen Unbekannt aufnehmen, wird von einigen Arbeitskollegen aufgrund seiner ira-
da der Fahrer sogleich die Flucht ergriffen hat. Herr D. nischen Herkunft oft rassistisch beschimpft. Herr P. er-
kann sich aufgrund des erlittenen Schocks nicht an sucht seine Vorgesetzten, etwas gegen die Beschimp-
das Kennzeichen des Wagens erinnern. fungen zu unternehmen. Da seine Vorgesetzten nicht
ZARA dokumentiert den Vorfall. einschreiten, wendet er sich an ZARA.
ZARA klärt Herrn P. über seine Rechte auf und bie-

59 Frau E. ist Lehrerin an einer Wiener AHS. Im


Rahmen der Berufsorientierung dürfen Schü-
lerInnen der vierten Schulstufe im Februar drei Tage
tet ihm an, bei deren Durchsetzung behilflich zu sein.
Herr P. möchte den Fall aber nur dokumentieren las-
sen.
lang in verschiedenen Firmen „Berufsleben schnup-
pern“. Drei Mädchen aus der von ihr unterrichteten
Klasse werden von Frau E. an ein Bekleidungsgeschäft
auf der Mariahilfer Straße vermittelt, wo sie ein Vor-
62 Herr Z. trägt an einem Morgen im August ge-
gen 2 Uhr mit einem Kollegen Zeitungen aus,
als sie plötzlich von zwei jungen Männern attackiert
stellungsgespräch absolvieren. Einige Tage vor Beginn werden. Sie werden als „Scheiß-Inder“ beschimpft
des Kurzzeit-Praktikums ruft eine Mitarbeiterin der und geschlagen. Die Situation eskaliert, einer der Täter
Firma bei Frau E. an und meint, dass es ein Problem zückt ein Messer und sticht damit mehrmals auf Herrn
damit gäbe, dass eines der Mädchen ein Kopftuch Z. ein. Als die Täter damit aufhören und verschwinden,
trägt. Sie fragt die Lehrerin, ob es in Ordnung wäre, ruft Herr Z. die Notrufnummer der Polizei. Der Polizist
dass dieses eine Mädchen ihr Praktikum im Lager des kann nicht verstehen, wo Herr Z. sich befindet und
Bekleidungsgeschäftes absolvieren würde, während die Täter kommen zurück. Herr Z. steckt sein Handy
die anderen beiden Schülerinnen im Verkauf direkten ein und hält die Verbindung aufrecht. Er wird wieder
Kontakt zu KundInnen hätten. Frau E. ist schockiert mehrfach geschlagen und mit dem Messer attackiert.
und sagt das Praktikum für die drei Mädchen ab. Auf Als die Täter bemerken, dass er schon sehr stark blu-
ihr Beschwerde-E-Mail an die Geschäftsleitung erhält tet, verschwinden sie endgültig. Z. und sein Kollege

48
Arbeit

verfolgen sie. Herr Z. holt sein Handy wieder hervor, ZARA klärt ihn über seine Rechte auf und bietet
die Sprechverbindung ist noch aufrecht. Er kann dem ihm an, ihn bei deren Durchsetzung zu unterstützen.
Beamten am Telefon seinen Standort durchgeben. Die Herr U. meldet sich jedoch nicht mehr bei ZARA.
daraufhin eintreffenden Polizisten sprechen jedoch
nur mit den Tätern, nicht mit den Opfern. Sie werden Die eigenen Rechte kennen
alle zu einer Polizeistation gebracht. Den Tätern wird
dort gleich ein Glas Wasser angeboten, Herrn Z. und Herr P. ein gläubiger Muslim, arbeitet in einer Spe-
seinem Kollegen nicht einmal ein Sitzplatz. Schließlich ditionsfirma. Es gibt eine Kantine, in der sehr gün-
wird ein Krankenwagen gerufen und Herr Z. wird in stige Mittagsmenüs angeboten werden. Auf das
ein Krankenhaus gebracht, wo seine Wunden versorgt Ersuchen von Herrn P., doch auch immer ein Menü
werden. ohne Schweinefleisch anzubieten, sagt ihm sein
Gegen die Täter wird Strafanzeige wegen Körper- Vorgesetzter: „Wo kommen wir denn da hin, wenn
verletzung erstattet und ZARA empfiehlt Herrn Z., sich wir euch alles Recht machen würden?“ Wenn Herr
für eine Prozessbegleitung an den Weißen Ring (sie- P. in den Arbeitspausen seinen Gebetsteppich
he „Glossar“) zu wenden. Näheres ist zu Redaktions- auflegt und betet, muss er sich von den Kollegen
schluss nicht bekannt. Witze und Beleidigungen wie „Kameltreiber“ an-
hören. Schließlich wird Herr P. mit der Begründung

63 Frau S. bewirbt sich im Oktober für einen Stel-


le als Zahnarzthelferin. Der Zahnarzt gibt ihr
zu verstehen, dass er sie nur einstellen werde, wenn
gekündigt, dass er als Ausländer und Muslim ein-
fach zu viele Probleme mache.

sie ihr Kopftuch ablegt. Das Recht, am Arbeitsplatz nicht benachteiligt zu wer-
ZARA gibt Frau S. die Auskunft, dass ein solches den, umfasst nicht nur das Recht auf gleiche Bezahlung,
Verhalten gegen das Gleichbehandlungsgesetz (sie- gleiche Aufstiegschancen etc., sondern auch das Recht,
he „Die eigenen Rechte kennen“) verstößt und bietet alle (auch freiwilligen) betrieblichen Sozialleistungen in
ihr an, sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu un- gleichem Maße in Anspruch nehmen zu können. Wenn
terstützen. Frau S. meldet sich jedoch nicht mehr bei in der Kantine der Speditionsfirma kein Menü ohne
ZARA. Schweinefleisch erhältlich ist, ist Herr P. als gläubiger
Muslim, der aufgrund seiner Religionszugehörigkeit kein

64 Herr P., weist ZARA auf ein Online-Stellenin-


serat eines Internet-Auktionshauses hin, in
dem explizit eine MitarbeiterIn gesucht wird, deren
Schweinefleisch essen darf, von der Inanspruchnahme
dieser Sozialleistung ausgeschlossen und damit mittel-
bar bzw. indirekt diskriminiert (siehe „Glossar“). Bei den
Muttersprache Deutsch ist. ZARA informiert die Fir- Beleidigungen der Arbeitskollegen handelt es sich um
ma darüber, dass dies BewerberInnen aufgrund ih- Belästigungen (siehe „Glossar“), die Diskriminierungen
rer ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert und daher im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes darstellen, weil
nach dem Gleichbehandlungsgesetz (siehe „Die eige- sie sich sowohl auf die ethnische Herkunft als auch auf
nen Rechte kennen“) verboten und mit einer Verwal- die religiöse Zugehörigkeit von Herrn P. beziehen und in
tungsstrafe bedroht ist. Eine Mitarbeiterin der Human ihrer Intensität die Würde seiner Person beeinträchtigen.
Resource-Abteilung des Auktionshauses versichert
in einer prompten Antwort, niemanden aufgrund § 21 (2) GlBG
seiner oder ihrer Herkunft benachteiligen zu wollen. Belästigung liegt vor, wenn eine unerwünschte Ver-
Tatsächlich hätte man klarstellen wollen, dass für die haltensweise, die mit einem der [verbotenen Diskri-
ausgeschriebene Stelle „ausgezeichnete Deutsch- minierungs-]Gründe im Zusammenhang steht, ge-
kenntnisse“ vonnöten seien. Dies sei fälschlicherwei- setzt wird,
se mit dem Terminus „Muttersprache Deutsch“ um- 1. die die Würde der betroffenen Person verletzt,
schrieben worden. Der Anzeigentext wird umgehend 2. die für die betroffene Person unerwünscht, unan-
abgeändert und es wird versichert, dass in Vorlagen gebracht oder anstößig ist und
für künftige Anzeigentexte korrekt „ausgezeichnete 3. die ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdi-
Deutschkenntnisse“ gefordert werden, wenn diese gendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld
tatsächlich für die konkrete Stelle vorausgesetzt wer- für die betroffene Person schafft.
den müssen.
Gemäß den Bestimmungen des Gleichbehandlungsge-

65 Herr U. ist Informatiker und wurde in Tunesien


geboren. Er meldet folgenden Sachverhalt im
August an ZARA: Als er bei seinem bisherigen Arbeit-
setzes hat ein/e Dienstvorgesetzte/r, sobald er/sie Kennt-
nis davon erlangt, dass ein/e MitarbeiterIn belästigt wird,
zu handeln und dafür zu sorgen, dass die Diskriminie-
geber, einem international operierenden Konzern, auf- rungen abgestellt werden, andernfalls macht er/sie sich
grund von Personalabbau gekündigt wird, sieht er sich ebenfalls für die durch seine MitarbeiterInnen getätigten
umgehend nach einer neuen Arbeitsstelle um. Auf- Belästigungen schadenersatzrechtlich haftbar. Die Kün-
grund seiner tunesischen Herkunft wird er jedoch bei digung Herrn P.s als Reaktion auf seine Beschwerde stellt
mehreren Bewerbungen offensichtlich benachteiligt. eine so genannte Viktimisierung (siehe „Glossar“) dar,

49
Arbeit

die eine ganz klare Verletzung der gesetzlichen Vorga- Benachteiligung oder Kündigung einer Person als Reak-
ben bedeutet. tion auf eine Beschwerde oder Klage zur Durchsetzung
des Gleichbehandlungsgebotes.
§ 27 GlBG Benachteiligungsverbot
Als Reaktion auf eine Beschwerde darf ein/e Ar- Beispiel diskriminierendes Stelleninserat
beitnehmer/in innerhalb des betreffenden Unter-
nehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines Folgendes Inserat wird von einem Büro geschaltet:
Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehand- „Reinigungskraft, österr. StaatsbürgerIn mit her-
lungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder an- vorragenden Deutschkenntnissen, gesucht.“ Frau
ders benachteiligt werden. Auch ein/e andere/r R., eine österreichische Staatsbürgerin türkischer
Arbeitnehmer/in, der/die als ZeugIn oder Auskunfts- Herkunft, stellt sich bei dem Büro vor. Die Personal-
person in einem Verfahren auftritt oder eine Be- chefin sagt zu ihr: „Haben Sie unsere Anzeige denn
schwerde eines/einer anderen Arbeitnehmers/Ar- nicht gelesen? Wir stellen keine Ausländerin ein!“
beitnehmerin unterstützt, darf als Reaktion auf eine
solche Beschwerde oder auf die Einleitung eines sol- Auf den ersten Blick scheint hier eine direkte Diskriminie-
chen Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbe- rung vorzuliegen, die aber vom Diskriminierungsverbot
handlungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder des Gleichbehandlungsgesetzes nicht erfasst ist, da der
anders benachteiligt werden. Diskriminierungsgrund der „Staatsbürgerschaft“ vom
Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgesetzes ausge-
Was kann Herr P. tun? nommen ist. Verboten ist eine solches Inserat aber den-
Herr P. ist jedenfalls gut beraten, wenn er seinen Fall an noch, da es zunächst ArbeitnehmerInnen aus anderen
ZARA oder an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (sie­ EU-Mitgliedstaaten diskriminiert und in ihrer EU-recht-
he „Glossar“) heranträgt und den Fall vor die Gleich- lich garantierten ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit ein-
behandlungskommission (siehe „Glossar“) bringt. Bei schränkt. Aber auch Drittstaatsangehörige (siehe „Glos-
Diskriminierungen, die die Gewährung freiwilliger So- sar“) werden durch das Inserat in rechtswidriger Weise
zialleistungen, Maßnahmen der beruflichen Aus- und von der Bewerbung ausgeschlossen. Das alleinige Abstel-
Weiterbildung und Umschulung oder den sonstigen Ar- len auf die Staatsbürgerschaft einer Person, ohne deren
beitsbedingungen betreffen, besteht Anspruch auf Ge- ausländerbeschäftigungsrechtlichen Status zu berück-
währung der entsprechenden Sozialleistungen, Fort- sichtigen, indiziert eine verbotene Diskriminierung. Die
bildungsmaßnahmen, Herstellung gleichberechtigter Staatsbürgerschaftsausnahme gestattet nämlich ledig-
Arbeitsbedingungen etc. oder auf Ersatz des Vermögens- lich dem Gesetzgeber, den Zugang zum österreichischen
schadens und auf etwaigen immateriellen Schadener- Arbeitsmarkt für Drittstaatsangehörige zu beschränken.
satz. Auf Basis einer entsprechenden Einzelfallentschei- Ist dieser Zugang einer/einem Drittstaatsangehörigen
dung der Gleichbehandlungskommission kann Herr P. jedoch einmal gewährt (z.B. bei Ausstellung eines Befrei-
die Einführung eines schweinefleischlosen Menüs erwir- ungsscheins), dann ist ArbeitgeberInnen ein Ausschluss
ken. Im Falle einer Belästigung im Kontext eines Arbeits- dieser ArbeitnehmerInnen aufgrund ihrer Staatsbürger-
verhältnisses und im Sinne des Gesetzes hat die betrof- schaft verboten. Aufgrund der Formulierung des Inse-
fene Person Anspruch auf Schadenersatz. Im Falle einer rates und der Aussage der Personalchefin ist klar, dass
Belästigung werden sowohl Vermögensschaden, wenn man die Bewerbung von Personen nicht-österreichischer
ein materieller Schaden aufgetreten ist, als auch imma- Herkunft verhindern wollte. Solche Diskriminierungen
terieller Schadenersatz, der dem Ausgleich der erlittenen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, die sich hinter
persönlichen Beeinträchtigung dient, gewährt. Die Höhe dem Deckmantel der Staatsbürgerschaft verstecken –
des Schadenersatzes muss angemessen sein, beträgt wie sie durch die im Rassismus Report dokumentierten
aber mindestens 400 Euro. Der Anspruch besteht gegen- „Nur-Inländer“-Inserate offensichtlich werden – sind da-
über dem/der Belästiger/in, sei es der/die Arbeitgeber/in, her vom Gleichbehandlungsgesetz umfasst.
ein/e Dritte/r in Zusammenhang mit dem Arbeitsver- Frau R. hat zwar die geforderte Staatsbürgerschaft,
hältnis oder ein/e Dritte/r außerhalb eines konkreten dennoch ist sie für die Personalchefin „nicht Österreiche-
Arbeitsverhältnisses. Zusätzlich besteht ein Anspruch rin genug“. Sie wird aufgrund ihrer Herkunft nicht einge-
auch gegenüber dem/der Arbeitgeber/in, falls diese/r stellt und daher gemäß § 19 (1) GlBG direkt bzw. unmit-
nicht in ausreichendem Maße Abhilfe gegen etwaige telbar diskriminiert (siehe „Glossar“).
Belästigungen schafft. Ebenfalls schadenersatzpflich-
tig macht eine Anweisung zur Belästigung einer Person. § 19 (1) GlBG
Angefochten werden können schlussendlich auch unge- Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn
rechtfertigte und durch Diskriminierungen motivierte eine Person auf Grund eines in § 17 [GlBG] genann-
Kündigungen oder Entlassungen, und zwar durch Klags- ten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine
einbringung beim zuständigen Arbeits- und Sozialge- weniger günstige Behandlung erfährt, als eine ande-
richt, dies gilt auch im Falle einer Viktimisierung, einer re Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

50
Arbeit

Die Stellenanzeige an sich verletzt das Gebot der dis- vor einem Zivilgericht. Kommt ein Arbeitsverhältnis so-
kriminierungsfreien Stellenausschreibung. Ausgenom- mit aufgrund einer Diskriminierung im Sinne des Gleich-
men wären nur Tätigkeiten, für deren Ausübung ein behandlungsgesetzes nicht zustande (Nichtbegründung
bestimmtes Merkmal unabdingbar ist bzw. eine wesent- eines Arbeitsverhältnisses), hat die betroffene Person
liche Voraussetzung darstellt. Hier ist nicht die Beschrän- Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens sowie auf
kung auf österreichische StaatsbürgerInnen relevant, monetäre Entschädigung für die erlittene persönliche
sondern die Erfordernis „hervorragender Deutschkennt- Beeinträchtigung (materieller und immaterieller Scha-
nisse“. Es handelt sich um eine so genannte indirekte denersatz). Der Schadenersatz beträgt dabei minde-
bzw. mittelbare Diskriminierung (siehe „Glossar“), wenn stens ein Monatsgehalt, wenn der/die StellenbewerberIn
wie hier eine scheinbar neutrale Anforderung einen be- die Stelle bei diskriminierungsfreier Auswahl bekommen
stimmten Bevölkerungskreis aufgrund seiner Herkunft hätte und ist limitiert mit 500 Euro, wenn der/die Arbeit-
benachteiligt und dies nicht durch besondere berufliche geberIn nachweisen kann, dass „nur“ die Berücksichti-
Anforderungen gerechtfertigt, angemessen und erfor- gung der Bewerbung verweigert wurde (d.h. Frau R. auf-
derlich ist. grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit von vornherein
vom weiteren Bewerbungsprozess ausgeschlossen wur-
§ 19 (2) GlBG de, sie den Job aber aufgrund mangelnder Qualifikation
Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn ohnehin nicht bekommen hätte). Der Job an sich kann
dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Krite- nicht eingeklagt werden.
rien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder Bezüglich der diskriminierenden Stellenanzeige kann
ethnischen Gruppe angehören, oder Personen mit von Frau R. gemäß § 24 Abs 2 GlBG auch einen Bestra-
einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, fungsantrag an die zuständige Bezirksverwaltungsbe-
eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten hörde (siehe „Glossar“) richten. Die Bezirksverwaltungs-
­sexuellen Orientierung gegenüber anderen Per- behörde kann den/die ArbeitgeberIn verwarnen und im
sonen in besonderer Weise benachteiligen können, Wiederholungsfall eine Geldstrafe in der Höhe von bis zu
es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien 360 Euro verhängen. Hauptproblem bei Anzeigen an die
oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel Bezirksverwaltungsbehörde ist, dass Frau R. keine Part-
sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Errei- eistellung hat, was bedeutet, dass sie kein Recht hat zu
chung dieses Ziels angemessen und erforderlich. erfahren, ob ihr/e potenzielle/r Arbeitgeber/in bestraft
wurde oder nicht, und im Falle einer Nichtbestrafung ge-
Hervorragende Deutschkenntnisse als Anforderung gen den Bescheid der Behörde auch nicht berufen kann.
für eine Reinigungskraft sind weder sachlich gerecht- Wenn sich Frau R. jedoch an die Gleichbehandlungsan-
fertigt noch zur Erreichung des Ziels angemessen und waltschaft wendet, kann diese nicht nur für Frau R. ei-
erforderlich. Auch mit dieser Anforderung im Stellen- nen Bestrafungsantrag stellen, der Gleichbehandlungs-
inserat wollte das Büro die Bewerbung von Personen anwältin kommt im Verwaltungsstrafverfahren auch
nicht-­österreichischer Herkunft verhindern. Parteistellung inklusive Berufungsrecht zu. Die Gleich-
behandlungsanwältin kann so ein Verfahren auch ohne
Was kann Frau R. tun? eine vom Inserat konkret betroffene Person führen.
Frau R. kann sich mit ihrem Fall an eine Beratungsein-
richtung wie ZARA wenden oder direkt an die Gleichbe- ZARA Forderung
handlungsanwaltschaft (siehe „Glossar“), die den Fall
an die Gleichbehandlungskommission (siehe „Glossar“) ZARA fordert ein umfassendes rechtliches Antidis-
herantragen kann. Der zuständige Senat II der Gleich- kriminierungspaket!
behandlungskommission erstellt nach Einholung einer
Stellungnahme von der beklagten Partei sowie nach Hierzu fehlt noch einiges, etwa:
Anhörung beider Parteien eine Einzelfallentscheidung, • Eine echte Beweislastumkehr (siehe „Glossar“)
in der festgestellt wird, ob eine Diskriminierung gemäß • Abschreckende Sanktionen und Schadenersatzrege-
den Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes lungen
vorliegt oder nicht. Im Rahmen des Verfahrens gilt eine • Eine starke, unabhängige Ombudseinrichtung
Beweislasterleichterung (siehe „Glossar“) zugunsten der • Eine moderierte Möglichkeit der außergerichtlichen
Antragstellerin. Die Gleichbehandlungskommission Streitbeilegung
kann die Antragsgegnerin weiters auffordern, ihr diskri- • Die Möglichkeit der Verbandsklage (siehe „Glossar“)
minierendes Verhalten einzustellen und geeignete Maß- • Kostenlose Beschwerde- und Klagsmöglichkeiten für
nahmen zu treffen, um eine Wiederholung der von der Opfer von Diskriminierung (kein Kostenrisiko für Op-
Kommission festgestellten Diskriminierung zu vermei- fer von Diskriminierung)
den. Im Verfahren vor der Kommission kann kein Scha- • Ein wirksamer Schutz vor Viktimisierung (siehe „Glos-
denersatz zugesprochen werden. Das Gutachten ist aber sar“) durch Konkretisierung der Rechtsfolgen im
eine gute Basis für ein anschließendes Gerichtsverfahren ­Gesetz

51
Güter und Dienstleistungen

Güter und Dienstleistungen


15
Appiah, Kwame Anthony „Vollkommene Ignoranz hinsichtlich der Lebenswei- Form von Diskriminierung verboten ist, scheint nur
(2007) Der Kosmopolit. Philo-
sophie des Weltbürgertums,
se anderer Menschen ist weiterhin ein Privileg der wenige ernsthaft zu tangieren. Gerade in diesen Be-
München: Verlag C.H. Beck Mächtigen.“15
­ reichen zeigt sich daher klar, dass es einer verstärk-
ten Anstrengung bedarf, um endlich erkennbare
Dieses Kapitel ist heuer zweigeteilt: in die Bereiche Fortschritte zu erzielen. Es braucht Aufklärung, also
„Wohnen“ und „Lokale, Geschäfte und Dienst- Bekanntmachung der Verbote, Sensibilisierung, also
leistungsunternehmen“. Im ersten Abschnitt sehen Verständnis für die Diskriminierungsverbot und Ab-
wir, dass rassistische Barrieren weiterhin den Zugang schreckung, also ernsthafte Konsequenzen bei Ver-
zu Wohnraum einschränken und die ungestörte Nut- letzung der Verbote. Gerade letzteres ist durch die
zung von Wohnraum nach wie vor nicht gewährlei- schwache gesetzliche Handhabe gegen diskriminie-
stet ist. Der zweite Teil macht deutlich, mit welcher rende Ausschlussklauseln und Kleinanzeigen noch
Selbstverständlichkeit weiterhin ganz offen oder massiv verbesserungsbedürftig. Die hier beschrie-
halbherzig verdeckt Personengruppen aufgrund benen Diskriminierungen schränken die Freiheiten
der Zuschreibung einer ethnischen Identität der Zu- und Wahlmöglichkeiten der Betroffenen massiv ein
gang zu Geschäften, aber insbesondere Bars, Disko- und sind zudem ständige Angriffe auf ihre Men-
theken und Restaurants verweigert wird. Dass diese schenwürde.

Wohnen

66 Frau E. ist österreichische Staatsbürgerin und


lebt gemeinsam mit Ihrem Ehemann afri-
kanischer Herkunft und dem gemeinsamen Sohn in
Da Frau E. diese Frau seitdem nicht mehr gesehen
hat, verzichtet sie vorläufig auf eine Anzeige wegen
rassistischer Beleidigung (siehe „Die eigenen Rechte
Wien. Als sich folgender Vorfall zuträgt, ist das Ehe- kennen“ im Kapitel „Öffentlicher Raum“) und der Miss-
paar mit dem erst 12 Wochen alten Sohn gerade mit handlung ihres Kindes und meldet den Fall zur Doku-
Wohnungsarbeiten beschäftigt: In ihrem Wohnhaus mentation an ZARA.
im 20. Wiener Gemeindebezirk sind Herr und Frau E.
dabei, Holzbretter mit dem Aufzug ins Erdgeschoss
zu transportieren. Da Frau E. ihren Sohn im Arm hält,
können sie nur einen Teil des Holzes auf einmal tra-
67 Frau P. betreibt einen „Afroshop“ in Wien. Da
der Pachtvertrag ausläuft, muss sie ein neues
Geschäftslokal finden. Als sie im Oktober ein pas-
gen, das Beladen des Aufzugs dauert daher etwas sendes Lokal in der Thaliastrasse entdeckt und mie-
länger. Als Familie E. im Erdgeschoss aus dem Lift ten will, sehen sich die Hauseigentümer ihren vorhan-
aussteigen will, wird sie von einer Frau aggressiv an- denen Shop an. Kurze Zeit darauf erhält Frau P. eine
geherrscht, die angeblich „schon eine halbe Stunde“ Absage, mit der Begründung, dass man kein Geschäft
auf den Aufzug warten musste. Frau E. und ihr Mann im Haus haben wolle, in dem hauptsächlich Menschen
beeilen sich, die Bretter aus dem Aufzug zu entfer- mit „dunkler“ Hautfarbe einkaufen.
nen, jedoch bleibt wieder ein Teil des Holzes im Lift ZARA bietet Frau P. an, einen Beschwerdebrief an
zurück. Die unfreundliche Frau drängt die beiden bei- die Hauseigentümer zu verfassen, sie meldet sich je-
seite und steigt in den Lift ein. Gleichzeitig beginnt doch nicht mehr bei ZARA.
sie zu schimpfen: „Wir brauchen keine N... im Haus!
Scheiß N...! N... haben hier nichts zu suchen. Ich hab’
hier eine Eigentumswohnung. Schleich’ Dich mit dei-
nem Scheiß N...balg!“ Frau E. bleibt ruhig und teilt der
68 Frau L., die im Iran geboren wurde, berich-
tet ZARA im September von Problemen mit
den NachbarInnen ihrer Wiener Gemeindewohnung,
Frau mit, dass sie nun die Polizei rufen werde und dass in der sie bereits seit zwei Jahren wohnt. Bei einem –
diese Schimpfwörter strafbar seien. Um sich weiter nicht von Frau L. verursachten – Wasserrohrbruch im
mit der Frau unterhalten zu können, blockiert sie die letzten Jahr drang auch Wasser in die darunter liegen-
Lifttüre mit ihrem Fuß. Die Aggressorin versucht, Frau de Wohnung. Seither gibt es mit der Nachbarin un-
E. wegzudrängen und schlägt auf sie ein, trifft dabei ter ihr Probleme, die in zahlreichen rassistischen Be-
aber den Säugling. Daraufhin verliert Herr E. die Fas- schimpfungen sowie in unberechtigten Beschwerden
sung und schreit die Frau an. Diese bekommt es nun bei Wiener Wohnen resultieren. Frau L. wird beispiels-
mit der Angst zu tun, steigt aus dem Aufzug aus und weise vorgeworfen, ständig Zigarettenstummel vom
beginnt, die Treppen hinaufzulaufen. Balkon zu werfen, was nicht der Wahrheit entspricht.

52
Wohnen

Sonst beschwert sich keine andere Partei des Hauses glaubte zunächst, dass die Nachbarin nur Probleme
über das Verhalten von Frau L. mit ihren Kindern und mit dem Lärm hat, aber seit
ZARA verfasst für Frau L. eine Richtigstellung der diesem Vorfall ist sie der Ansicht, dass Fremdenfeind-
Vorwürfe an Wiener Wohnen, seither ist keine weitere lichkeit der Grund sei, warum ihre Nachbarin ihr das
Beschwerde über Frau L. bei Wiener Wohnen einge- Leben so schwer macht.
langt. Beschwerde-E-Mails an die Wohnbaugenossen-
schaft bleiben bis dato unbeantwortet. Frau J. liegt

69 Herr U. zieht mit seiner Familie im April in


eine Wiener Gemeindebauwohnung. Schon
kurz nach dem Einzug fängt der Nachbar Herr I. an,
viel an einem friedvollen Miteinander und einer ru-
higen Wohnatmosphäre, daher möchte sie die Strei-
tigkeiten mit ihrer Nachbarin beenden. Seit dem Vor-
ihn und seine Familie ständig mit ausländerfeind- fall herrscht weitgehend Ruhe und Frau J. ist sehr
lichen Parolen zu belästigen und mit Gewaltakten zu darauf bedacht, dass es keinen Anlass für Ärger mit
drohen, unter anderem schimpft er ständig: „Scheiß der Nachbarin gibt.
Türken!“ Die Vormieterin der Wohnung berichtet, dass ZARA dokumentiert den Vorfall und bietet Frau J.
Herr I. schon zweimal wegen Aggressionsdelikten an an, bei weiteren Schwierigkeiten zu intervenieren.
einem ehemaligen Bewohner afrikanischer Herkunft
verurteilt worden ist, einmal wegen Körperverletzung
und einmal wegen Sachbeschädigung.
ZARA empfiehlt Herrn U., sich an die zuständige
72 Herr U. findet im Juni bei der Wohnungssuche
im Internet ein Inserat, laut welchem das ge-
genständliche Mietobjekt, eine Haushälfte im 22. Wie-
Gebietsbetreuung zu wenden, klärt ihn über seine ner Gemeindebezirk, nur an „innländische Personen
rechtlichen Möglichkeiten auf und legt ihm nahe, bei [sic!]“ vermietet wird und meldet dies an ZARA.
weiteren Vorfällen die Polizei zu verständigen. Außer- Ein ZARA-Berater verfasst einen Beschwerdebrief
dem bietet ihm ZARA Hilfe bei etwaigen rechtlichen an das Immobilienbüro, in welchem auf die einschlä-
Schritten an, Herr U. möchte jedoch zunächst die wei- gigen gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen wird.
tere Entwicklung abwarten. Erfreulicherweise erhält ZARA die Antwort, dass diese
diskriminierende Formulierung im Zuge der Aktuali-

70 Frau A. ist im März auf Wohnungssuche und


besichtigt mit ihrem Freund, der in Afrika ge-
boren ist, eine Wohnung in der Wohlmutstraße im 2.
sierung eines alten Inserats passiert sei und man sich
von jeglicher Benachteiligung ausländischer Woh-
nungssuchender distanziere. Auch der Eigentümer
Wiener Gemeindebezirk. Sie will die Wohnung mie- der Liegenschaft sei bereits durch das Immobilienbü-
ten und ihren Freund eventuell bei sich wohnen las- ro informiert worden. ZARA kann sich auch gleich da-
sen. Der Hausmeister gibt ihr jedoch sofort zu verste- von überzeugen, dass der rassistische Passus im Inse-
hen, dass die Hausverwaltung keinen Schwarzen im rat verschwunden ist.
Haus haben will und sie die Wohnung deshalb nicht
bekommen wird.
ZARA klärt Frau A. über die rechtlichen Möglich-
keiten auf, sie meldet sich in weiterer Folge jedoch
73 Frau M. lässt sich von ZARA im Juli aufgrund
eines Konflikts mit einem anderen Bewoh-
ner ihres Hauses beraten. Sie ist im Iran geboren und
nicht mehr bei ZARA. wohnt in einem Genossenschaftshaus im 19. Wiener
Gemeindebezirk. Als sie im Sommer mit einer Freun-

71 Frau J. bewohnt im 21. Wiener Gemeindebe-


zirk mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern
eine Genossenschaftswohnung. Seit über einem Jahr
din und ihren Kindern den gemeinschaftlichen Pool
am Dach benutzt, wird sie von einem anderen Bewoh-
ner des Hauses angewiesen, den Lärmpegel ihrer Kin-
wohnt unter ihr eine junge Nachbarin mit zwei Kin- der zu senken. Als sie erwidert, dass die Kinder doch in
dern, die sie seit ihrem Einzug nicht grüßt und auch einer ganz normalen Lautstärke spielen, erwidert der
sonst sehr unfreundlich zu ihr ist. Da der Balkon von Herr, dass sie nicht frech sein und sich zum Bosporus
Frau J. direkt über dem Garten der Nachbarin liegt zurück „schleichen“ solle.
und diese sich bei warmem Wetter ständig draußen ZARA verfasst einen Beschwerdebrief an den Haus-
aufhält, kommt es manchmal zu Streitigkeiten, etwa bewohner, der jedoch mittlerweile an eine andere
als Arbeiter auf Frau J.s Balkon unabsichtlich einen Adresse verzogen ist und den Brief nicht mehr erhält.
Aschenbecher in den Garten der Nachbarin fallen las-
sen oder Kinderlärm aus ihrer Wohnung dringt, der
von der Nachbarin sehr leicht als störend empfun-
den wird. Die Nachbarin herrscht sie dann des Öf-
74 Frau O., deren Eltern aus der Türkei kommen,
bezieht im Juli eine neue Wohnung in Wien.
Als sie ihre Möbel in die neue Wohnung transportiert,
teren an, dass Frau J.s Kinder sich benehmen sollten, bemerkt sie, dass sie ihren Schlüssel für die Haustüre
sie solle überhaupt nicht auf ihrem Balkon sitzen und vergessen hat. Um die Möbel trotzdem in ihre Woh-
Ähnliches. Im Mai eskaliert ein Streit wegen der Kin- nung schaffen zu können, läutet sie bei einer Nachba-
der und es fallen Bemerkungen wie „Geht‘s scheißen, rin und bittet diese nach einer kurzen Erklärung höflich,
Kinder!“, „Du Scheißausländer, geh heim!“, „Du bist nur ihr die Türe zu öffnen. Diese öffnet sogleich ein Fenster
nach Österreich gekommen um zu putzen!“ Frau J. und beschimpft Frau O. als „dreckige Ausländerin“.

53
Wohnen

Frau O. möchte den Vorfall lediglich von ZARA do- das bis dato nur aus dem Bereich der Jobinserate be-
kumentiert wissen. kannt war. Außerdem verfasst ZARA ein Schreiben an
die Redaktion der Website, damit derlei diskriminie-

75 Im März schickt Frau Y. ein E-Mail, in dem sie


ZARA folgende Diskriminierung bei der Woh-
nungssuche schildert: Herr O., der in Palästina geboren
rende Inserate in Zukunft nicht geschaltet werden. Zu
Redaktionsschluss liegt noch keine Antwort vor.

wurde, findet in einer Immobilienzeitschrift eine pas-


sende Wohnung für seine Familie und ruft daraufhin
beim zuständigen Maklerbüro an, um einen Besichti-
78 Frau G. ist österreichische Staatsbürgerin
iranischer Herkunft. Als sie beabsichtigt, ein
Atelier zu mieten, wird ihr vom Makler mitgeteilt, dass
gungstermin zu vereinbaren. Herr O. erhält die Aus- sich die Hauseigentümer aufgrund ihres „ausländisch“
kunft, dass es einen Interessenten gäbe, er solle sich klingenden Namens gegen sie als Mieterin entschie-
Ende der Woche noch einmal melden. Auskunft über den haben.
die Wohnung bekommt er keine, auf der Website des ZARA dokumentiert den Vorfall und Frau G. über-
Maklers ist die Wohnung noch als frei vermerkt. Herr legt, mit ihrem Anwalt rechtliche Schritte gegen die
O. findet das seltsam und bittet Frau Y., welche akzent- Hauseigentümer zu unternehmen und verspricht,
freies Deutsch spricht, den Makler anzurufen. Frau Y. sich im Falle der Ergreifung von Rechtsmitteln wieder
erkundigt sich ebenfalls, ob die Wohnung noch frei sei bei ZARA zu melden.
und erhält einen detaillierten Bericht über Lage, Preis
und Zustand der Wohnung sowie die Auskunft, dass
sie noch frei sei. Frau Y. will einen Termin vereinbaren Die eigenen Rechte kennen
und sagt, dass ein Freund die Wohnung mieten möch-
te. Daraufhin fragt die Frau im Maklerbüro, ob es sich Herr Y. stammt aus Brasilien. Er ist auf Wohnungs-
dabei um einen Österreicher handle. Frau Y. antwor- suche und liest folgendes Zeitungsinserat: „50 qm
tet, dass Herr O. Österreicher sei, aber in Palästina ge- Wohnung, 600 € Hauptmiete, Vermietung nur an
boren wurde. Die Maklerin fragt noch, ob Herr O. Kin- vertrauenswürdige Inländer, Besichtigungster-
der habe, was bejaht wird. Sie verspricht, sich bei Frau min am 19.2., 18 Uhr an folgender Adresse: (...)“
Y. zu melden, was allerdings nie geschieht. Herr Y. beschließt, sich die Wohnung anzusehen.
Frau Y. und Herr O. möchten den Vorfall lediglich Als er zum besagten Termin in der Wohnung ein-
von ZARA dokumentiert wissen. trifft und den Makler ansprechen möchte, meint
dieser sofort: „Ja haben Sie das Inserat denn nicht

76 Im November wird ZARA auf eine diskrimi-


nierende Zeitungsanzeige, in der eine Woh-
nung zur Vermietung „nur an Inländer“ angeboten
gelesen? Die Wohnung wird nicht an Ausländer
vermietet, Sie Scheißn...!“ Herr Y. verlässt die Woh-
nung im Schockzustand.
wird, hingewiesen. ZARA verfasst ein Schreiben an die
Zeitung und ersucht die Redaktion, in Zukunft keine Was kann Herr Y. tun?
diskriminierenden Anzeigen mehr zu veröffentlichen. Sowohl das diskriminierende Inserat, das sich nur an „In-
Der für Beschwerden zuständige Mitarbeiter meldet länder“ wendet, als auch das diskriminierende Verhalten
sich bei ZARA und versichert, dass diese Annonce lei- des Maklers ermöglichen Herrn Y. eine Anzeige nach Art
der übersehen wurde und grundsätzlich von der Zei- IX Abs 1 Z 3 EGVG (siehe „Die eigenen Rechte kennen“ im
tung keine diskriminierenden Annoncen veröffentli- Kapitel „Lokale, Geschäfte und Unternehmen“). Zusätz-
cht werden. lich hat Herr Y. Ansprüche nach dem Gleichbehandlungs-
gesetz, dessen 3. Teil Diskriminierungen beim Zugang zu

77 Frau L. schickt im Oktober ein Wohnungs-


inserat an ZARA, das auf der Website einer
großen Tageszeitung geschaltet wurde. Darin wird
und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen,
einschließlich Wohnraum, regelt. Wenn sich Herr Y. an
ZARA oder die Gleichbehandlungsanwaltschaft (siehe
als Voraussetzung für die Miete einer Wohnung von „Glossar“) wendet, werden diese ihn unterstützen, einen
den zukünftigen MieterInnen die „Muttersprache Antrag an die Gleichbehandlungskommission (siehe
Deutsch“ verlangt, was eindeutig eine Diskriminie- „Glossar“) zu stellen, damit diese in einer Einzelfallent-
rung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit nach scheidung darüber urteilt, ob es sich um eine unmittel-
dem Gleichbehandlungsgesetz (siehe „Die eigenen bare Diskriminierung und eine Belästigung („Scheißn...“)
Rechte kennen“) darstellt. aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit handle. Grund-
ZARA leitet den Fall an die Gleichbehandlungsan- sätzlich steht Herrn Y. auch der Weg zu den Zivilgerichten
waltschaft (siehe „Glossar“) zur Information weiter, da offen, über die er Schadenersatz (Ersatz des Vermögens-
es sich hierbei um eine „neue“ Art der Formulierung schadens und eine Entschädigung für die erlittene per-
eines diskriminierenden Wohnungsinserats handelt, sönliche Beeinträchtigung) einklagen kann.

54
Güter und Dienstleistungen

Lokale, Geschäfte und


Dienstleistungsunternehmen

79 Herr A., österreichischer Staatsbürger ira-


nischer Herkunft, möchte an einem Aprila-
bend in eine Wiener Diskothek gehen. Als er um 23
mung. Der Türsteher zerrt ihn von der Straße und lässt
ihn auf den Straßenbahngleisen zurück. Einige Pas-
santInnen sehen Herrn A. nun auf der Straße liegen.
Uhr eingelassen werden möchte, teilt ihm einer der Ein Mädchen und ein Mann kommen hinzu und fra-
Türsteher mit, dass es derzeit zu voll sei, er solle es um gen, was geschehen sei. Herr A. antwortet mühsam,
Mitternacht nochmals probieren, dann würde er ein- dass er von den Türstehern verprügelt wurde. Das
gelassen. Um Mitternacht versucht A., einem anderen Mädchen bestätigt, dies gesehen zu haben. Der Tür-
Türsteher die vorherige Auskunft seines Kollegen zu steher kommt hinzu und meint, dies sei nicht wahr.
erklären. Dieser antwortet jedoch unfreundlich: „Was Das Mädchen besteht darauf, die Attacke gesehen zu
brauchst Du?“ Herrn A. wird erneut der Einlass ver- haben und ruft die Rettung. Herr A. wird in ein Spital
weigert. Auf die Bitte hin, den Kollegen von vorhin gebracht, wo seine Lähmung und seine Schmerzen
sprechen zu dürfen, werden ihm Schläge angedroht. behandelt werden. Eine Ärztin verständigt die Polizei,
A. fragt nach dem Grund dieser Aggression und sagt, welche BeamtInnen schickt und den Fall aufnimmt.
dass er unter einer schweren Erkrankung des Rück- Nachdem er den Fall gemeldet hat, begleitet ZARA
grats leide. Der Türsteher geht auf A. zu und stößt ihn Herrn A. zu den polizeilichen Einvernahmen und ver-
mit beiden Händen auf die Brust, worauf Herr A. zu- mittelt eine Prozessbegleitung durch den Weißen
rücktaumelt, jedoch nicht zu Boden fällt. Herr A. ruft Ring (siehe „Glossar“). Im Zuge der Ermittlungen wird
daraufhin mehrmals den Polizeinotruf an. Der Beam- der Täter ausgeforscht, das Strafverfahren hat zu Re-
te in der Notrufzentrale rät ihm jedoch lediglich, vom daktionsschluss noch nicht begonnen.
Eingang der Diskothek wegzugehen. Herr A. sieht
keine andere Möglichkeit, zu einem Einschreiten der
Polizei zu gelangen, als sich auf die Fahrbahn zu le-
gen. Einige Augenblicke später hält tatsächlich eine
80 Herr E. meldet ZARA einen Vorfall, der seiner
Freundin, Frau H., und deren Familie beim
Ausgehen in Vöcklabruck widerfahren ist. Frau H. und
Polizeistreife an. Die Beamten fragen Herrn A., warum ihre Schwester wurden in Österreich geboren, ihre El-
er sich auf die Straße gelegt habe. Er deutet auf den tern kommen aus der Türkei. Beide Ehemänner, von
Türsteher und teilt den Beamten mit, dass er von ihm Frau H. und deren Schwester, sind türkische Staats-
geschlagen wurde. Die Beamten gehen zum Türste- bürger. Anfang des Jahres wollen die beiden Paare
her und unterhalten sich kurz im Dialekt mit ihm, so- eine Diskothek in Vöcklabruck in Oberösterreich be-
dass A. nichts verstehen kann. Herr A. wird von den suchen. Frau H.s Schwester und ihr Mann unterhalten
Beamten gefragt, ob er Perser sei, was er bejaht. Da- sich auf Türkisch, als sie auf den Eingang der Disko-
raufhin meint einer von ihnen: „Möchten Sie wieder thek zugehen. Der Türsteher hört das und verlangt
eine Revolution machen?“ A. erhält die Auskunft, dass daraufhin von Frau H.s Schwager einen Ausweis. Nach
der Bereich des Eingangs privat sei und der Türsteher der Ausweiskontrolle meint der Türsteher, dass er ihn
deshalb machen könne, was er wolle. Herr A. weist die nicht einlassen könne, Frau H.s Schwester aber schon.
Beamten darauf hin, dass es außerhalb des Eingang- In der Folge entwickelt sich eine Diskussion, in deren
bereichs zum körperlichen Angriff gekommen ist. Die Verlauf der Türsteher ihnen mitteilt, dass er sich an die
Beamten fragen A., ob er verletzt sei, dieser verneint Vorschriften halten müsse. Die beiden Ehepaare sind
und wird weggeschickt. enttäuscht und wütend darüber, dass sie aufgrund ih-
Herr A. geht schließlich weg. Als er zum Eingang rer Herkunft diskriminiert werden. Sie erleben so ei-
der Diskothek zurückblickt, sieht er, wie ihn der Türste- nen Vorfall zum ersten Mal.
her durch Zeigen des Mittelfingers und angedeutete ZARA klärt Frau H. über ihre Rechte aufgrund des
Boxschläge zu provozieren versucht. Herr A. erwidert Gleichbehandlungsgesetzes (siehe „Die eigenen
die Beleidigungen ebenfalls durch Gesten, woraufhin Rechte kennen“) auf und bietet an, ihren Mann bei der
der Türsteher auf ihn losstürmt. Herr A. versucht, über Durchsetzung seiner Rechte zu unterstützen. Frau H.
die Straße zu entkommen, kann aber aufgrund seines meldet sich in weiterer Folge nicht mehr bei ZARA.
Rückenleidens nur langsam gehen. Der Türsteher er-
wischt ihn in der Mitte des Zebrastreifens, packt ihn
und wirft ihn zu Boden. Weitere Kollegen des Türste-
hers kommen hinzu und fixieren Herrn A. am Boden.
81 Herr V. berichtet ZARA im Oktober, dass
in einer Disco in Ilz in der Steiermark keine
Türken eingelassen werden. ZARA verfasst einen Be-
Der erste Türsteher schlägt A. mit der Faust auf den schwerdebrief an die Geschäftsführung, in dem über
Kopf, A. erfährt dadurch eine vorübergehende Läh- die geltende Rechtslage aufgeklärt wird. Die Ge-

55
Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

schäftsführung reagiert prompt und versichert, dass er selbst „dunkel“ sei. Die Vorwürfe entsprechen sei-
sie die bestehenden Gesetze respektiert und meint, ner Meinung nach nicht der Wahrheit. Am Samstag
dass es sich vielleicht um ein Missverständnis gehan- sei es tatsächlich so, dass aufgrund vieler Besucher
delt habe. Herr V. möchte keine rechtlichen Schritte bevorzugt Stammgäste eingelassen werden. Er kann
ergreifen, da er selbst nicht von dem Vorfall betroffen sich aufgrund vieler „dunkelhäutiger“ Besucher nicht
ist und kündigt an, sich bei neuerlichen Vorfällen wie- vorstellen, dass sogar „einer der schwarzen Türsteher“
der an ZARA zu wenden. Herrn S. aus rassistischen Gründen abgewiesen hat. Er
ist gerne zu einem Gespräch mit dem Klienten bereit.

82 Im Januar meldet Frau P., dass sie mit ih-


rem Freund, der in Afrika geboren wurde,
eine Geburtstagsfeier in einem Pub in Wien besu-
An diesem hat Herr S. in der Folge aber kein Interesse
mehr.

chen wollte. Als ihrem Freund der Zutritt verweigert


wird, meint der Geschäftsführer, dass sie das nächste
Mal doch bitte Bescheid geben solle, falls sie einen
84 Herr A. ist türkischer Herkunft und Kunde
eines österreichischen Mobilfunkbetreibers.
Im Januar bestellt er über einen SMS-Info-Dienst ei-
Schwarzen mitnehmen wolle. Daraufhin wechselt die nen Witz. Der ihm daraufhin zugesandte Scherz ist
Gesellschaft in ein Restaurant, das sich in der Nähe be- rassistisch und macht sich in abwertender Weise
findet, doch auch hier meint der Geschäftsführer, dass über türkische Mütter lustig. Herr A. beschwert sich
er keine Schwarzen im Lokal haben will. in einem Vorarlberger Shop des Mobilfunkunterneh-
Gegen beide Lokalbesitzer wurde von ZARA eine mens und erwartet sich eine Entschuldigung und die
Anzeige nach dem EGVG (siehe „Die eigenen Rech- Rückbuchung des für die SMS bezahlten Geldes. Für
te kennen“) eingebracht und es laufen Verfahren vor die Shop-Mitarbeiterin ist seine Aufregung jedoch ir-
der Gleichbehandlungskommission (siehe „Glossar“). relevant und es wird argumentiert, dass auch Witze
Zu Redaktionsschluss war der Ausgang der Verfahren über Blondinen, große und kleine oder dicke und
noch offen. dünne Menschen gemacht und per Zufallsgenerator
versendet werden. Nach einer langen Diskussion wird

83 Herr S., ein Südamerikaner, möchte im Ja-


nuar eine lateinamerikanische Diskothek in
Wien besuchen. Herr S. trifft vor dem Club einige Be-
ihm eine Beschwerde-Adresse ausgehändigt.
Herr A. wendet sich an ZARA. Ein ZARA-Berater ver-
fasst eine Beschwerde an den Mobilfunkbetreiber und
kannte. Als Herr S. die Türsteher passieren will, meint ZARA erhält bereits nach kurzer Zeit eine Antwort. Da
einer von ihnen, dass er das Lokal nicht betreten dür- eine Partnerfirma mit dem Versand der Witze betraut
fe, da er kein Stammkunde sei und auch keine Einla- sei, wäre es nicht möglich, diese täglich zu überprü-
dung in den Club habe. Herr S. erkundigt sich, wo man fen. Man bedaure die Versendung diskriminierender
solche Einladungen erhalten könne. Er bekommt die Inhalte jedoch sehr und habe den Kooperationspart-
Auskunft, dass nur Stammkunden Einladungen erhal- ner angehalten, die Versendung solcher Witze zu un-
ten. Als er diese Praxis kritisiert, wird ihm mitgeteilt, terbinden.
dass es sich hierbei nicht um eine rassistische Diskri- Herr A. ist mit der Behandlung der Beschwerde
minierung handeln könne, da einer der anwesenden seitens des Mobilfunkbetreibers zufrieden und freut
Türsteher „ebenfalls ein Schwarzer“ sei. Herr S. kann sich nicht nur über das Versprechen, solche Vorfälle in
wenig später beobachten, wie mehrere Personen hel- Zukunft zu verhindern, sondern auch über eine Gut-
ler Hautfarbe den Club betreten dürfen, ohne aufge- schrift auf seiner nächsten Telefonrechnung.
halten oder nach einer Einladung gefragt zu werden.
Als sich zwei weitere Männer dunkler Hautfarbe dem
Club nähern, wird einer der beiden eingelassen, der
andere aber mit der gleichen Begründung abgewie-
85 Im Juli meldet eine Zeugin folgenden Vor-
fall aus einem Wiener Bad, von dem eine ihr
bekannte, aus dem Iran stammende Familie betrof-
sen wie zuvor Herr S. Kein „weißer“ Gast wird nach ei- fen ist: Herr Z. ist persischer Herkunft und Gast in be-
ner Einladung gefragt. Inzwischen treffen einige Be- sagtem Bad. Als er mit zwei seiner Kinder ins Wasser
kannte von Herrn S. ein. Herr S. will wieder mit einem gehen will, springt er, ohne jemanden anderen dabei
der Türsteher reden, wird jedoch mit dem Kommentar, zu gefährden, vom Beckenrand zu seinen Kindern ins
dass er „keine Probleme machen“ solle, weggeschickt. Wasser. Sofort wird Herr Z. angepfiffen. Er nimmt dies
Einer seiner Bekannten versucht, mit den Türstehern jedoch nicht wahr. Der Bademeister läuft daraufhin
zu reden, erhält jedoch die Auskunft, dass Herr S. auf- sofort zu Herrn Z. und beschimpft ihn im „Du-Wort“.
grund der Probleme, die er verursacht habe, nicht ein- Daraufhin klettert Herr Z. aus dem Becken und wird
gelassen werde. Außerdem sei der Club ein Privatlokal vom Bademeister weiter beschimpft, worauf Herr Z.
und man dürfe sich die Gäste aussuchen. Und, so fügt den Mann darauf aufmerksam macht, dass sie nicht
ein Türsteher hinzu, gäbe es ja auch genügend andere „per Du“ seien. Daraufhin eskaliert die Lage völlig
Lokale in Wien. und der Bademeister versucht, Herrn Z. zu provozie-
ZARA verfasst einen Beschwerdebrief an den Lo- ren, und stößt ihn mehrfach. Schließlich „befiehlt“ der
kalbetreiber. Dieser ruft einige Wochen darauf in der Bademeister Herrn Z. trotz seiner gültigen Monats-
ZARA-Beratungsstelle an. Er betont zunächst, dass karte, das Bad zu verlassen. Als sich Herr Z. weigert,

56
Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

wird die Polizei gerufen. Schließlich wird Herr Z. auf weigert ihm jedoch den Eintritt, da Herr X. keinen
sein Verlangen hin zum stellvertretenden Leiter des „Clubausweis“ besitze. Auch auf Intervention von
Bades gebracht. Diesem erklärt er zusammen mit ei- Freunden hin wird Herr X. nicht eingelassen.
ner Zeugin den Vorfall, worauf Herr Z. die Antwort Herr X. möchte den Fall von ZARA dokumentiert
erhält, dass er als Vorgesetzter seinem Bademeister wissen und im Rassismus Report veröffentlichen las-
glaube und Herr Z. sofort mit seiner Familie das Bad sen.
verlassen solle.
ZARA leitet den Sachverhalt an das Büro des Unab-
hängigen Bedienstetenschutzbeauftragten der Stadt
Wien (siehe „Glossar“) weiter, das eine Beschwerde
89 Frau L. will am Staatsfeiertag mit einigen
Freunden, deren Eltern MigrantInnen aus
dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien oder der
beim Bademanagement einbringt. Das Bademanage- Türkei sind, eine Diskothek am Salzburger Flugha-
ment antwortet Ende September, kann jedoch kein fen besuchen. Bei der Ausweiskontrolle erfüllen alle
klärendes Gespräch mit dem Bademeister mehr an- die Anforderungen der Altersgrenzen, werden aber
bieten, da sein Dienstverhältnis mit dem Ende der trotzdem nicht eingelassen. Auf Anfrage erklärt ihnen
Sommersaison bereits geendet habe. der Türsteher, dass nur „reinrassige“ Österreicher und
Deutsche eingelassen würden, denn mit „Jugos“ und

86 Frau L. will im März mit ihrem Freund, der


Volksgruppe der Roma zugehörig, eine Dis-
kothek in Oberwart im Burgenland besuchen. Bei der
Türken gäbe es schon zu viele Probleme.
Frau L. möchte, dass der Vorfall von ZARA doku-
mentiert und im Rassismus Report veröffentlicht
Tür wird ihr Freund ohne Begründung vom Betreiber wird.
der Diskothek abgewiesen. Dieser meint, dass er kei-
nen Grund für die Abweisung nennen müsse. In di-
versen Medien wird in den folgenden Tagen über ein
generelles Einlassverbot für Roma in dieser Diskothek
90 Herr Q., in der Türkei geboren, will im August
ein Wiener Tanzlokal besuchen. Am Eingang
wird ihm der Einlass verweigert, heute hätten nur
berichtet. In den Berichten gibt der Lokalbesitzer als Stammkunden Zutritt. Als er jedoch einige Zeit vor
Begründung an, dass er bei der Eröffnung seiner Dis- dem Lokal stehen bleibt, kann er beobachten, dass di-
kothek von Roma bedroht worden sei und dass er sich ese Stammkundenregelung offenbar nur zur Anwen-
sein Geschäft nicht „von den Zigeunern z‘ammhaun“ dung kommt, wenn „dunkelhaarige, südländisch aus-
lasse. Der Oberwarter Verein Roma bringt daraufhin sehende“ Personen das Lokal besuchen wollen.
bei der Bezirkshauptmannschaft Oberwart eine An- ZARA bietet Herrn Q. an, einen Beschwerdebrief an
zeige nach dem EGVG (siehe „Die eigenen Rechte ken- das Lokal zu verfassen, er will den Fall jedoch lediglich
nen“) ein. dokumentiert wissen.
ZARA klärt Frau L. über die Rechte ihres Freundes
auf. Da der Verein Roma mit Unterstützung von ZARA
bereits eine Anzeige gegen den Betreiber der Disko-
thek eingebracht hat, sieht der Freund von Frau L. kei-
91 Herr Z., in Nigeria geboren, lebt nun in Wien
und ist im Januar mit Freunden in einem Lo-
kal am Wiener Gürtel verabredet. Als er ankommt, hal-
ne Notwendigkeit für eine weitere Anzeige. ten seine Freunde sich bereits in dem Lokal auf. Er will
das Lokal betreten, aber ein Türsteher stellt sich ihm

87 Herr J. ist österreichischer Herkunft und ar-


beitet in einem international tätigen Un-
ternehmen. Im März will Herr J. mit etlichen Arbeits-
in den Weg und stößt ihn, sodass er zu Boden fällt. Er
steht wieder auf und fragt nach dem Grund der Atta-
cke. Noch bevor er eine Antwort erhält, kommen zwei
kollegen, darunter ein kanadischer Akademiker mit Gäste aus dem Lokal und beginnen, ohne ein Wort zu
indischer Herkunft, ein Lokal am Salzburger Flugha- sagen auf ihn einzuschlagen. Einer der Männer hat
fen besuchen. Der kanadische Kollege wird an der eine Eisenstange in der Hand. Der Türsteher vertei-
Tür allerdings nicht eingelassen. Als Grund wird sei- digt Herrn Z. nicht. Herr Z. fällt wieder zu Boden, die
ne Hautfarbe angegeben. Daraufhin will die Gruppe Männer schlagen weiter auf ihn ein. Als die Männer
die nächste Bar nebenan betreten. Dies wird aber da- endlich von ihm ablassen, ruft Herr Z. die Polizei. Die-
durch verhindert, dass der Türsteher des ersten Lokals se trifft erst nach geraumer Zeit am Tatort ein, obwohl
den Türsteher des nächsten Lokals instruiert, sie nicht er am Telefon eindringlich um Hilfe ersucht hatte. Die
einzulassen. Polizei nimmt den Fall auf, die Männer sind allerdings
Herr J. meldet den Vorfall an ZARA. Ein ZARA-Bera- schon wieder im Lokal verschwunden. Zwei unbetei-
ter bietet Herrn J. an, für seinen kanadischen Kollegen ligte Zeugen wenden sich mit ihren Personalien an die
einen Beschwerdebrief an diese Lokale zu verfassen, Polizisten, geben ihre Wahrnehmungen zu Protokoll
dieser will den Vorfall jedoch nur dokumentiert wis- und bestätigen damit die Schilderung von Herrn Z. Da
sen. dieser verletzt ist, wird von der Polizei die Rettung ver-
ständigt, die ihn in ein Krankenhaus bringt.

88 Im April möchte Herr X., der im ehemaligen


Jugoslawien geboren wurde, in eine Dis-
kothek in Seefeld in Tirol gehen. Der Türsteher ver-
Herr Z. meldet sich nach der Bekanntgabe des
­Vorfalls nicht mehr bei ZARA, der Vorfall wird doku-
mentiert.

57
Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

92 Herr S. geht an einem Sonntag im Juni mit


einem afrikanischen Freund in ein Lokal im
6. Wiener Gemeindebezirk. Sie beschließen, in ein an-
meldet ist, des Öfteren von einer CD das Lied „Zehn
kleine N...lein“ abgespielt wird. Ihr Sohn hat eine dun-
kle Hautfarbe und kann nicht ganz nachvollziehen,
deres Lokal weiter zu ziehen. Als sie dort eintreten warum in diesem Lied ständig kleine Kinder, die ihm
wollen, kommt die Kellnerin auf die Straße und sagt ähnlich sehen, sterben müssen. ZARA bietet Frau U.
zum Freund von Herrn S.: „Du kommst nicht rein!“ Herr an, einen Beschwerdebrief an den Kindergarten zu
S. will die Sache klären und betritt die Bar, um die Kell- verfassen, die Klientin meldet sich aber nicht mehr
nerin nach dem Grund für die Zutrittsverweigerung bei ZARA.
zu fragen. Sie antwortet, dass ihr Chef ihr die Anwei-
sung gegeben habe, keine „N...“ in das Lokal zu lassen.
Auf unmittelbare Anfrage bejaht der Besitzer der Bar,
dass er tatsächlich keine Afrikaner in sein Lokal lasse.
96 Frau B. aus Eisenstadt im Burgenland ist mit
einem Ägypter verheiratet und konvertierte
vor einigen Jahren aus Überzeugung zum Islam. Sie
Grund sei der Umstand, dass oft „schwarze“ Dealer trägt seither ein Kopftuch. Als sie ihre zweijährige
sein Lokal frequentiert hätten. Herr S. weist ihn darauf Tochter bei einer Tagesmutter zur Betreuung anmel-
hin, dass dies keine ausreichende Begründung für ein det, scheint es zunächst kein Problem zu geben und
Lokalverbot für Afrikaner sei und kündigt eine Anzei- sie erhält eine Zusage. Kurz vor dem vereinbarten Be-
ge an. Der Besitzer meint, dass ihm das „wurscht“ sei. ginn der Betreuung im September besichtigt sie zu-
Da sich mittlerweile ein anderer Gast in aggressiver sammen mit ihrer Tochter die Kindertagesstätte. Am
Weise in das Gespräch einzumischen beginnt, verlas- nächsten Tag erhält sie von der Tagesmutter einen
sen Herr S. und sein Freund schließlich das Lokal. Anruf, dass die Betreuung doch nicht möglich sei, da
Von ZARA wird ein Beschwerdebrief an das Lokal Frau B. bei der Besichtigung von anderen Eltern gese-
abgeschickt, es erfolgt keine Antwort. Da Herr S. und hen wurde und diese ihr Kind nicht gemeinsam mit
sein Freund anonym bleiben wollen, kann ZARA man- einem muslimischen Kind betreuen lassen wollen. Die
gels Beweismöglichkeit keine Anzeige erstatten. Tagesmutter sagt zu Frau B., dass sie dies verstehen
müsse, denn sonst würden die anderen Mütter ihre

93 Herr E. berichtet ZARA im August von „vie-


len Ausländerlokalen“, die durch Schilder,
auf denen „keine Österreicher“ steht, InländerInnen
Kinder aus der Gruppe nehmen. Außerdem könne sie
ihre Tochter in einer anderen Betreuungsgruppe in
Eisenstadt anmelden, es gäbe dort sogar eine ganze
diskriminieren. Er beschwert sich, dass ZARA darüber Gruppe mit ausschließlich muslimischen Kindern. Als
nicht berichte und fragt, ob das für ZARA kein rassi- sich Frau B. beim Trägerverein beschweren will, be-
stischer Akt sei. Herr E. erhält die Antwort, dass dies kommt sie zu hören, dass es kein Problem gegeben
sehr wohl eine verbotene Diskriminierung darstelle hätte, wenn sie sich bei der Besichtigung „normal“,
und wird um Zusendung konkreter Daten bezüglich also ohne Kopftuch gekleidet hätte.
solcher Lokale ersucht. ZARA erhält jedoch keinerlei ZARA hat auf Wunsch von Frau B. bei der Gleichbe-
weitere Hinweise von Herrn E. handlungskommission (siehe „Glossar“) einen Antrag
zur Feststellung einer Diskriminierung beim Zugang

94 Herr C. ist indischer Herkunft und mietet im


August einen Wagen bei einem Autoverleih
am Wiener Flughafen. Er vereinbart, den Wagen drei
zu einer Dienstleistung durch die Tagesmutter einge-
bracht, zu Redaktionsschluss war das Verfahren noch
offen.
Tage später um 18:40 zurückzugeben. Als er sich am
Abgabetag noch telefonisch erkundigt, ob jemand Die eigenen Rechte kennen
zugegen sein wird, um das Auto entgegenzunehmen,
sagt der Angestellte, dass er gegen 18:00 eintreffen Herr D. aus Nigeria ist Asylwerber. Er möchte eines
solle. Herr C. erklärt dem Angestellten, dass ursprüng- Abends gemeinsam mit seiner Freundin eine Dis-
lich 18:40 vereinbart war und erscheint gegen 18:25 kothek besuchen. Der Türsteher weist ihn jedoch
am Flughafen. Dort trifft er auf einen sehr mürrischen mit folgender Bemerkung ab: „Du darfst heute
Angestellten, der das Auto fast 45 Minuten lang auf nicht hinein, aber Deine Freundin lassen wir rein.“
allfällige Schäden untersucht und während dieser Zeit Nach dem Grund gefragt, erwidert der Türsteher:
Herrn C. mit dem „Du-Wort“ anspricht und sich abfäl- „Heute dürfen nur Stammgäste mit Clubausweis
lig nach dessen Herkunft erkundigt. Dann werden 500 herein.“ Herr D. sieht, dass bei anderen Gästen,
Euro in Rechnung gestellt, die für Herrn C. nicht nach- die aussehen als wären sie österreichischer Her-
vollziehbar sind. Dieser Betrag entspricht genau der kunft, solch ein Ausweis nicht verlangt wird, kann
von Herrn C. hinterlegten Kaution. Herr C fühlt sich aber beobachten, dass ein weiterer Mann dunkle-
schikaniert. rer Hautfarbe ebenfalls aufgrund eines fehlenden
Herr C. möchte, dass ZARA den Fall dokumentiert Clubausweises nicht eingelassen wird, und tauscht
und im Rassismus Report veröffentlicht. mit ihm die Telefonnummern aus. Daraufhin ruft
Herr D. die Polizei. Kurze Zeit später kommen zwei

95 Frau U. berichtet ZARA im August, dass in


dem Kindergarten, in dem ihr Sohn ange-
Beamte hinzu, die jedoch meinen, dass sie für eine
solche Einlassverweigerung nicht zuständig seien.

58
Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

Am darauf folgenden Tag möchte Herr D. in einem getauscht hat, gelingen wird. Der Diskothekenbetreiber
Geschäft einen Anzug kaufen. Der Eigentümer des muss nun seinerseits beweisen, dass andere Gründe für
Ladens meint, er verkaufe an „Scheiß-Drogenn...“ die Einlassverweigerung vorgelegen sind. Im Fall des ag-
nichts und verweist ihn des Geschäfts. Als Herr D. gressiven Ladeneigentümers liegt zusätzlich zur Diskri-
meint, das könne doch nicht sein Ernst sein, stößt minierung beim Zugang eine so genannte Belästigung
ihn der Eigentümer aus dem Laden und versetzt vor. Durch die Beschimpfung als „Scheiß-Drogenn...“ und
ihm einen Tritt, der in einer sichtbaren Prellung die körperlichen Attacken wird Herr D. zusätzlich in seiner
am Oberschenkel resultiert, die Herr D. im Kran- Würde verletzt und ein einschüchterndes, beleidigendes
kenhaus auch diagnostizieren lässt. und demütigendes Umfeld für Herrn D. geschaffen. Herr
D. kann daher zusätzlich zu einem ihm – aufgrund der
Was kann Herr D. tun? zugefügten Verletzungen – zustehenden Schmerzen-
In beiden Fällen kann er gemäß Artikel IX Abs 1 Z 3 EGVG geldes für die durch die Belästigung erlittene persönliche
und nach dem 3. Teil des Gleichbehandlungsgesetzes Beeinträchtigung einen vom Gesetz vorgesehenen Min-
gegen den Türsteher, den/die DiskothekbetreiberIn und destschadenersatz in der Höhe von 400 Euro einklagen.
den/die EigentümerIn des Geschäftes vorgehen. Arti-
kel IX Abs 1 Z 3 EGVG ist eine Verwaltungsstrafbestim- Wie ist das Verhalten der Polizei zu werten?
mung im so genannten „Einführungsgesetz zu den Ver- Es handelt sich bei Art IX EGVG um ein so genanntes Of-
waltungsverfahrensgesetzen“, die besagt, dass jemand, fizialdelikt, d.h. dass PolizeibeamtInnen einen Vorfall,
der Personen aufgrund z.B. ihrer Hautfarbe, ihrer den sie selbst wahrnehmen und der unter diese Verwal-
ethnischen Herkunft oder ihres religiösen Bekennt- tungsstrafbestimmung fallen könnte, von sich aus pro-
nisses ungerechtfertigt benachteiligt oder am Be- tokollarisch aufnehmen und an die zuständige Behörde
treten von Orten oder bei der Inanspruchnahme von
(Bezirksverwaltungsbehörde bzw. in Wien an das zustän-
Dienstleistungen hindert, eine Verwaltungsübertre-
dige Magistratische Bezirksamt) weiterleiten müssen
tung begeht und eine Strafe von bis zu 1.090 Euro er-
oder, wenn ihnen ein entsprechender Vorfall berichtet
halten kann.
wird, eine Anzeige aufnehmen und ebenso weiterleiten
Für diese Anzeigen sind die Bezirksverwaltungsbehör-
müssen.
den (in Wien: die Magistratischen Bezirksämter) zustän-
dig. ZARA kann für Herrn D. eine schriftliche Anzeige an
die Behörde richten. Das Verfahren ist für den/die Anzei- ZARA Forderung
gerIn kostenlos, hat aber den Nachteil, dass diese/r keine
ZARA fordert ein wirksames Rechtsinstrument gegen
Parteistellung hat und somit das Verfahren nicht beein-
derartige Diskriminierungen!
flussen kann und auch kein Auskunftsrecht über dessen
Dazu braucht es:
Ausgang hat. Ebenso ist dabei keinerlei Entschädigung
• Eine echte Beweislastumkehr
für den/die Diskriminierte/n vorgesehen. Wer mehrfach
• Abschreckende Sanktionen und Schadenersatzrege-
gegen Art IX Abs 1 Z 3 EGVG verstößt, dem kann die Ge-
lungen, die alle Formen der Diskriminierung und der
werbebehörde die Gewerbeberechtigung entziehen. Fäl-
diskriminierenden öffentlichen Angebote umfassen
le, die zeigen, dass dies schon einmal passiert ist, sind
ZARA nicht bekannt. • Die Möglichkeit der Verbandsklage (siehe „Glossar“)
Teil 3 des Gleichbehandlungsgesetzes sieht vor, dass • Die unmissverständliche gesetzliche Klarstellung der
Personen, die beim Zugang zu Gütern und Dienstlei- Zuständigkeit der Polizei zur Aufnahme und Weiter-
stungen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit dis- leitung solcher Vorfälle
kriminiert werden, sich zur Feststellung dieser Diskrimi-
nierung an die Gleichbehandlungskommission wenden ZARA hat eine Untersuchung der Volksanwaltschaft hin-
oder Schadenersatzansprüche vor den Zivilgerichten sichtlich der Vollziehung der bestehenden Rechtsgrund-
geltend machen können. In beiden Fällen hat Herr D. lagen gegen diskriminierende Dienstleistungsverwei-
Anspruch auf Ersatz des tatsächlich erlittenen Vermö- gerungen (betreffend Nur-InländerInnen-Inserate im
gensschadens und zusätzlich auf Entschädigung für die Bereich Arbeit und Wohnen oder Dienstleistungsverwei-
erlittene persönliche Beeinträchtigung durch die Einlass- gerungen in Lokalen und Geschäften) initiiert. Die resul-
verweigerung bzw. die Weigerung, ihm einen Anzug zu tierende Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft
verkaufen. Im Fall der Diskothek wurde Herrn D. zwar hat eine geradezu erschreckende Praxis der Ignoranz
nicht ausdrücklich gesagt, dass er aufgrund seiner Her- bei den zuständigen Behörden und die fehlende Wirk-
kunft nicht eingelassen wird, doch sieht das Gesetz vor, samkeit des Rechtsschutzes aufgezeigt. Hintergrundin-
dass Herr D. das Vorliegen dieses diskriminierenden Ein- formationen dazu im Kapitel „Was wurde aus…“ bzw.
lassverweigerungsgrundes nur glaubhaft machen muss, ausführliche Informationen sowie die Missstandsfest-
was ihm durch die Aussage des ebenfalls nicht einge- stellung finden sich hier: http://www.volksanw.gv.at/
lassenen Afrikaners, mit dem er Telefonnummern aus- missstaende/W-536-LAD-06.pdf

59
Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit

Rassismus als Reaktion auf


Anti-Rassismus-Arbeit

Bei ZARA sind wir daran gewöhnt, regelmäßig wohl- rassismus? wisst ihr eigentlich wie unangehnem es ist in
wollend ignoriert, belächelt, beschimpft, verspottet den öffis zu fahren und rund herum wird nicht deutsch
oder bedroht zu werden. Insbesondere die Mitarbei- gesprochen? haben die ausländer iegend etwas zu ver-
terInnen der Beratungsstelle haben sich mittlerweile bergen! [...] und da könnte ich euch noch VIELE beispiele
ein „dickes Fell“ zugelegt. Beschimpfungen werden nennen. die realität ist das sich viele einwanderer nicht
dokumentiert, strafrechtlich Relevantes (insb. Dro- integrieren wollen, egal ob sie schon 20,30,40,50jahre in
hungen) werden angezeigt. Auch haben sich unter österreich leben. das ist rassismus von ausländern gegen
den BeschimpferInnen „StammkundInnen“ etabliert, österreicher, bis zum nächsten mal“
die regelmäßig – je nach Berichterstattung im Bou-
levard – die MitarbeiterInnen telefonisch oder per
E-mail beschimpfen oder den Anrufbeantworter mit
Hasstiraden vollschreien.
98 Kurz nach Veröffentlichung des Rassismus
Report 2006 im März erhält ZARA folgendes
E-Mail eines anonymen Absenders: „gut das es hier
Eine Auswahl aus dem diesbezüglichen „Material“ von euch fotos gibt denn so erfährt jedermann end-
für den Rassismus Report zu treffen, ist Jahr für Jahr lich wie solche multi-kulti perversen arschl.ch.r ausse-
ein heikles Unterfangen. Zum einen wollen wir den hen [...] IHR SEID ZUM K.TZEN“
dummen VerhetzerInnen eigentlich keine Öffentlich-
keit bieten. Es ist quälend, diese vor Hass, Neid und
Ignoranz triefenden Ergüsse zu reproduzieren und
zu vervielfältigen. Andererseits ist es nicht Aufgabe
99 Der UNHCR (­Flüchtlingshochkommissariat
der Vereinten Nationen) leitet ZARA ein
E-Mail weiter, das im Juni als Reaktion auf die Vor-
von ZARA, gerade dieses Stück der Realität zu verste- stellung eines Integrationspapiers des UNHCR ein-
cken oder zu verschleiern. Die LeserInnen des Rassis- gegangen ist: „Es gibt hier in Österreich ‚gebürtige
mus Reports sollen die Gelegenheit bekommen, sich Österreicher’, die einen Beruf erlernt haben und gute
selbst ein Bild davon zu machen, wozu tief sitzender ­Arbeitskräfte sind, unverschuldet den Arbeitsplatz verlo-
Rassismus manche Menschen bringt. Diese Ausflüsse ren haben, die leider am Arbeitsmarkt ignoriert werden.
eines verhetzten Teils der Bevölkerung machen deut- Außerdem, egal in welcher Branche, es sind schon genug
lich, dass Rassismus nicht nur die Menschwürde der Ausländer beschäftigt. Es ist ein Irrglaube und Schwach-
Menschen zu untergraben versucht, gegen die er sich sinn, wie man öfters sagt, dass wir Österreicher zu gut für
richtet, sondern sich vor allem die TäterInnen damit manche Jobs sind. Dann wäre ja auch noch interessant,
selbst eines gewaltigen Stückes ihrer Würde, ja ihrer wer die Verfahren der 40.000 Asylwerber bezahlt. Sie ma-
Menschlichkeit berauben. chen sich auch noch Kopfzerbrechen, weil 21 Prozent der
Asylanten für die Arbeit die sie in Österreich verrichten,

97 Im Februar erhält ZARA anonym folgendes E-


Mail: „es ist interessant das immer nur auf die
ausländer rücksicht genommen wird, aber das die so ar-
überqualifiziert sind. Es ist für uns Österreicher diskrimi-
nierend, wenn man meint, es wäre ein Schaden für die
Wirtschaft wenn man keine hochqualifizieren Asylwer-
men einwanderer unsere sprache nicht sprechen WOL- ber anstellt. Das ist ja überhaupt die größte Schweinerei.
LEN od nicht können und sich auch nicht bemühen diese Aber ein Österreicher, mit einer hochqualifizierten Aus-
besser zu lernen das wird nicht erwähnt. einige beispiele bildung will man am Arbeitsmarkt, falls überhaupt, eine
aus dem alltag: man geht auf der strasse und was hört minderwertige Arbeit zumuten. Wo ist den da die Ge-
man? man hört NICHT die landessprache, [...] ich habe rechtigkeit, die wir uns Österreicher verdient haben? Wie
auch noch nie bemerkt wenn die jungen(ab 18j) auslän- viele Ausländer wollen wir hier in Österreich noch auf-
derkinder in ihren autos sitzten und musik hören, das nehmen. Große Teile Wiens sind schon verseucht, da hört
diese ö3 od vielleicht einmal deutsche schlager hören man schon kein Wort deutsch mehr. Man würde meinen,
immer nur ausländische musik, und das ist kein rassis- man ist hier am Bakan. Hier gehört jetzt endlich ein Rie-
mus? wir österreicher müssen immer andere kulturen gel vorgeschoben. Die gehören alle eingesammelt, in ei-
akzeptieren od sogar annehmen aber die einwanderer nen Zug reingestopft und ab die Post, zurück mit ihnen
wollen nur ihre kultur leben(grossteils) und das ist kein in ihre Heimat. Wem interessiert schon, dass die meisten

60
Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit

Ausländer saublöde Völker sind und sich in ihrem Lande terreicher mit diesem Gesocks gemacht haben?“ ZARA
die Schädln einschlagen. Euch allen, von der unhcr und ­dokumentiert.
der caritas ghörts mal einer gehirnwäsche unterzogen,
dass ihr zur Vernunft kommts.“
ZARA dokumentiert den Sachverhalt. 103 Im Dezember kehrt Frau I., eine Mitarbei-
terin von ZARA, am späten Abend noch-
mals in das ZARA-Büro in der Luftbadgasse zurück,

100 Anfang September erhält ZARA ein E-


Mail mit dem Betreff „Rassismusbericht
2006“: „N...r und Türken, Balkanesisches und Ostisches
um ihren Autoschlüssel zu holen. Sie verlässt das Büro
wieder gegen 23 Uhr und geht die Eggerthgasse zur
Wienzeile hinunter. Frau I. hört, dass jemand hinter ihr
scheinen in Österreich generell nicht willkommen zu geht und auf den Boden spuckt. Als sie sich kurz um-
sein. Wen wunderts. Das wird denen von Jahr zu Jahr dreht, bemerkt Frau I. zwei junge Männer, die knapp
immer deutlicher gemacht. Die Illegalen, Schmarotzer hinter ihr gehen und miteinander tuscheln. Sie kann
und Kriminellen sind sofort auszuweisen. Nachdem Sie das Wort „ZARA“ verstehen. Die Männer werden im-
den Schaden, den sie den Steuerzahlern verursacht ha- mer lauter und beschimpfen nun gut hörbar Frau I.
ben (Sozial-, Justiz- und Abschiebekosten), abgearbeitet und die anderen ZARA-MitarbeiterInnen als „Volks-
haben. Immer schön besessen weiter dokumentieren!“ schädlinge“. Frau I. geht langsam weiter und lässt sich
ZARA dokumentiert lediglich. von den beiden Männern überholen. Einer der bei-
den hebt die Hand zum Hitlergruß. Sie drohen, dass

101 Im Mai dieses Jahres erhält die Website


http://afrikanet.info folgendes E-Mail
von „Wolfgang Alles“, das ZARA zur Dokumentation
sie kommen würden, um das Büro anzuzünden, vor-
zugsweise zu einer Uhrzeit, zu der sich möglichst viele
Leute im Büro befänden. Es fällt erneut die Bezeich-
zugesandt wird: „IHR SEID NICHT AM AUFSCHWUNG nung „Volksschädlinge“ und der Hitlergruß wird wie-
VERANTWORTLICH SONDERN NUR REINE AFRIKANISCHE derholt. Außerdem, meinen die beiden, sei ZARA Teil
UND ASIATISCHE S C H M A R O T Z E R DIE NUR DEN FEI- einer „zionistischen Organisation“, aber davon würde
NEN PINKEL SPIELEN WOLLEN UND ALLE VORTEILE HA- Frau I. ohnehin nichts verstehen. Die beiden biegen
BEN WOLLEN UND AM LIEBSTEN NICHTS DAFÜR LEISTEN in die Dürergasse ein, die parallel zur Luftbadgasse
MÖCHTEN. WENN EIN EUROPÄER IN AFRIKA HINGINGE verläuft. Frau I. steigt schließlich in ihr Auto und ver-
UND ALLES VERLANGEN WÜRDE WÜRDEN SIE IN UM- fasst noch in derselben Nacht eine Sachverhaltsdar-
BRINGEN.“ ZARA dokumentiert. stellung, die an die Staatsanwaltschaft sowie an das
Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus-

102 Im September trägt eine Person ano-


nym folgende Nachricht in das Kontakt-
formular auf der ZARA-Homepage ein: „1. Wird ZARA
bekämpfung ergeht. Aufgrund der Täterbeschrei-
bung wird versucht, die beiden Männer ausfindig zu
machen und wegen Wiederbetätigung im Sinne des
etwa noch immer mit öffentlichen (Steuer)geldern un- Verbotsgesetzes sowie wegen gefährlicher Drohung
terstützt? 2. Glaubt irgendwer, dass N...r, Moslems etc. vor Gericht zu bringen, die Ermittlungen laufen. Au-
wirklich wegen ihres Aussehens, ihrer Religion und dgl. ßerdem werden die Sicherheitsmaßnahmen des Bü-
derart unwillkommen sind und verachtet werden? Oder ros überprüft und erweitert, um etwaigen Übergriffen
eher wegen der zahllosen bösen Erfahrungen, die Ös- entgegenzuwirken.
Was wurde aus …?

Was wurde aus …?


Einzelfalldarstellungen aus 2006 – 2004

Wie in den Rubriken „Die eigenen Rechte kennen“ schließlich mit einem Baseballschläger bedroht hat-
ausführlich erläutert, gibt es in Österreich Möglich- te. Bei der Einvernahme auf der Polizeiinspektion wer-
keiten, sich mit Hilfe des Gesetzes zur Wehr zu setzen. den Herr Y. und seine Frau von den diensthabenden
Allerdings mahlen die Mühlen der Justiz langsam. Beamten und deren Kommandanten als „Scheiß
Deshalb werden die KlientInnen von ZARA oft länger Tschuschen“, „Kanaken“ und mit „Schleich dich aus
als ein Jahr begleitet. In diesem Abschnitt berichten Österreich!“ beschimpft. Zu dem unter Alkoholein-
wir über eine Auswahl von Fällen, von deren Ausgang fluss stehenden Verfolger sagen die Beamten: „Warum
wir Kenntnis haben, oder es wird über den aktuellen haben Sie dem da nicht dreimal auf den Schädel ge-
Stand informiert. haut?“
Aufgrund einer Anzeige durch Herrn Y. leitet das
Fall 19 aus dem Rassismus Report 2006 Büro für besondere Ermittlungen (siehe „Glossar“) in-
terne Untersuchungen ein. Rasch stellt sich heraus,
Herr E. ist in Nigeria geboren und lebt in Wien. Im dass die mittlerweile in den Innendienst versetzten
März fährt er mit zwei afrikanischen Freunden in der Beamten die Beschimpfungen gegenüber Herrn Y.
Wiener Schnellbahn. Sie unterhalten sich und lachen, und seiner Frau tatsächlich getätigt haben und der
als plötzlich ein etwa fünfzig Jahre alter Mann die drei Sachverhalt wird an die Staatsanwaltschaft Wien wei-
beschimpft und schließlich Herrn E. mit einem Pfeffer- tergeleitet.
spray ins Gesicht sprüht. Ein Strafverfahren gegen den ZARA bringt für Herrn Y. Beschwerden beim UVS
Angreifer wird durch die Staatsanwaltschaft Wien auf (siehe „Glossar“) ein.
dem diversionellen Weg erledigt, er muss gemeinnüt-
zige Arbeit leisten und wird nicht weiter strafrechtlich Was 2007 geschah:
verfolgt. ZARA unterstützt Herrn E. dabei, beim zu- Im Verfahren vor dem UVS Wien wird Herrn Y. in allen
ständigen Bezirksgericht eine Mahnklage auf Scha- Punkten Recht gegeben und die gesamte Amtshand-
denersatz in Höhe von 700 Euro einzubringen. lung für rechtswidrig erklärt. Aufgrund der Aussagen
von Herrn Y. und seiner Frau im strafgerichtlichen Vor-
Was 2007 geschah: verfahren wird es auch zu einem Strafverfahren ge-
Der Angreifer erhebt zwar Einspruch gegen die Mahn- gen die beteiligten Beamten wegen rassistischer Be-
klage, da er von Herrn E. die durch seine eigene Ag- leidigung kommen. Ein Verhandlungstermin dafür
gression zu Bruch gegangene Brille ersetzt haben steht zu Redaktionsschluss noch nicht fest. ZARA ver-
möchte. Da der Angreifer aber nicht zum ersten Pro- mittelte Herrn Y. für dieses Verfahren eine Prozessbe-
zesstermin erscheint, erlässt die Bezirksrichterin ein gleitung durch den Weißen Ring (siehe „Glossar“).
Versäumungsurteil gegen den Angreifer, welches die-
ser nicht bekämpft. Herr E. einigt sich schließlich mit Fall 54 aus dem Rassismus Report 2006
dem Angreifer auf Zahlung des gerichtlich zugespro-
chenen Schmerzengeldes in zwölf Raten. Frau Ö. ist in der Türkei geboren und lebt in Kärnten.
Nach Abschluss ihres Medizinstudiums bewirbt sie
Fall 36 aus dem Rassismus Report 2006 sich im Juni 2006 für eine Stelle bei einem praktischen
Arzt in Kärnten. Die Ehefrau des Arztes, ebenfalls Ärz-
Herr Y. ist österreichischer Staatsbürger türkischer tin, ist beim Bewerbungsgespräch anwesend. Als sich
Herkunft, Heeressportler und Vertreter Österreichs während des Gespräches herausstellt, dass Frau Ö.
bei zwei olympischen Spielen. Er wendet sich im No- Muslimin ist, erwidert die Ehefrau, sie könne Frau Ö.
vember 2006 an ZARA und berichtet von einer Polizei- als Muslimin nicht akzeptieren. Sie dulde muslimische
amtshandlung im Zuge deren er und seine Frau bei Frauen in Österreich nicht, denn der Islam würde
einer Polizeiinspektion in Wien zunächst um Schutz Frauen unterdrücken. Frau Ö. versucht, dagegen zu
vor einem Mann ersucht hatten, der ihn an einem argumentieren. Am darauf folgenden Tag hinterlässt
Sonntagmorgen bei der Parkplatzsuche verfolgt und der Arzt eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantwor-

62
Was wurde aus …?

ter, er könne ihr die Arbeitsstelle nicht geben. Frau Ö. an die Gleichbehandlungskommission (GBK) (siehe
wendet sich an ZARA. Nach ausführlichen Beratungen „Glossar“) zu stellen, um überprüfen zu lassen, ob in
verfasst ZARA für Frau Ö. einen Antrag an die Gleich- diesem Fall eine Diskriminierung vorliegt.
behandlungskommission (GBK) (siehe „Glossar“), die-
se möge eine Diskriminierung im Sinne des Gleichbe- Was 2007 geschah:
handlungsgesetzes feststellen. Ein Jahr nach Einbringung des Antrags erhalten Herr
O. und ZARA die Ladung zur Befragung vor der GBK.
Was 2007 geschah: Eine Woche vor dem Termin meldet sich der Arbeit-
Mehr als acht Monate nach Antragstellung findet die geber des Antragsgegners, ein Immobilienmakler-
Befragung von Frau Ö. vor der GBK statt. Vier Monate büro und bietet ein Vergleichsgespräch an. Herr O.
später, also insgesamt nach einem Jahr, erhält Frau Ö. nimmt dieses Angebot an. Drei Tage später findet das
das Prüfungsergebnis der GBK. Die GBK stellt keine Gespräch im ZARA-Büro in Anwesenheit von Herrn
Diskriminierung fest und führt in der Entscheidung O., dem Antragsgegner, seinem Arbeitgeber und ei-
folgende Begründung an: Die Ehefrau gehöre nicht ner ZARA-Mitarbeiterin statt. Nachdem Herr O. sei-
zum „Betrieb“ des Arztes und daher sei das Gespräch ne Wahrnehmung des Gesprächs und seine Position
zwischen Frau Ö. und der Ehefrau nicht als Teil des Be- darlegt, entschuldigte sich der Antragsgegner für sein
werbungsgesprächs, sondern als Privatgespräch zu Verhalten. Auch der Arbeitgeber entschuldigt sich für
qualifizieren. Außerdem sei der schlussendlich ein- das Verhalten seines Mitarbeiters. Herr O. ist mit dem
gestellte Mitbewerber „zweifellos“ besser qualifiziert. Gespräch zufrieden und nimmt die Entschuldigung
Die letzte Feststellung trifft die Kommission, obwohl an. In der Folge wird der Antrag vor der GBK zurück-
die Mitglieder des entscheidenden Senats die Bewer- gezogen.
bungsunterlagen von Frau Ö. nie gesehen und auch
nie verlangt haben. Eine Zusammenfassung der Ent- Fall 69 aus dem Rassismus Report 2006
scheidung findet sich auf: http://www.frauen.bka.
gv.at/DocView.axd?CobId=24556. Herr C. ist Österreicher senegalischer Herkunft. Nach-
Dieses Prüfungsergebnis macht die dem GBK-Ver- dem ihm im Juli 2006 der Zutritt zu einem Wiener
fahren inhärenten Probleme offensichtlich: Die sehr Neustädter Lokal vom Türsteher mit der Begründung
lange Verfahrensdauer, die Frage der Beweislast und „Nur Österreicher“ verweigert wird, beschwert sich
der Beweisaufnahme und der Mangel einer überge- Herr C. bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbe-
ordneten Kontrollinstanz bei fehlerhaften Prüfungser- hörde und beim Gewerbeamt. Außerdem stellt er
gebnissen. mit Unterstützung von ZARA einen Antrag auf Fest-
stellung einer Diskriminierung an die Gleichbehand-
Dieses und andere Prüfungsergebnisse werden von lungskommission (GBK) (siehe „Glossar“). Zudem wird
ZARA zum Anlass genommen, gemeinsam mit dem der Vorfall in den Niederösterreichischen Nachrichten
Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskri- veröffentlicht. Der Lokalbesitzer antwortet auf diese
minierungsopfern (siehe „Glossar“) eine Beschwerde bei Handlungen mit einer Klage auf Unterlassung der Ver-
der Volksanwaltschaft einzubringen. Mehr Informati- breitung unwahrer Behauptungen. Die Klage ist mit
onen dazu finden sich auf: http://www.klagsverband.at/ einem Streitwert von 7.000 Euro beziffert. Herr C., der
news.php?nr=8310. sich lediglich gegen die erfahrene Diskriminierung
wehren will, wird dadurch erneut zum Opfer. Da ab
Fall 62 aus dem Rassismus Report 2006 einem Streitwert von 4.000 Euro Anwaltspflicht be-
steht, vermittelt ihm ZARA für die Verhandlung vor
Herr O., in der Türkei geboren, ist österreichischer Gericht einen Anwalt. Weiters bringt Herr C. mit Unter-
Staatsbürger und im Frühjahr 2006 auf der Suche nach stützung von ZARA einen Antrag bei der GBK wegen
einer Wohnung in Wien. Im Internet findet er ein pas- Verletzung des Benachteiligungsverbotes ein.
sendes Inserat und ruft unter der angegebenen Num-
mer an. Der Mann, der sich meldet, erkundigt sich, ob Was 2007 geschah:
Herr O. für eine andere Person anruft, denn: „Manche Das Verfahren vor dem Gericht endet mit einem Ver-
Österreicher rufen für Ausländer an. Ich will die Woh- gleich: Herr C. zieht die Beschwerden vor der Bezirks-
nung nicht an Ausländer und Flüchtlinge vermieten.“ verwaltungsbehörde und dem Gewerbeamt, sowie
Herr O. ist verwirrt, führt das Gespräch aber dennoch die Anträge vor der GBK zurück. Der Lokalbesitzer
weiter. Als Herr O. nachfragt, ob die Höhe der Miete muss im Gegenzug für die Gerichtskosten und für die
brutto oder netto sei, brüllt ihn der Mann an: „Ich hab Kosten des Anwalts von Herrn C. aufkommen, welche
Ihnen doch schon gesagt, dass ich die Miete reduziere. über 3.000 Euro betragen. Darüber hinaus muss der
Hab ich Ihnen nicht schon gesagt, dass ich die Miete Lokalbesitzer eine schriftliche Ehrenerklärung abge-
reduziere?“ und legt auf. Herr O. führt diese Reaktion ben, in welcher er sich für das Verhalten des Türste-
auf seinen deutlich hörbaren Akzent zurück. Herr O. hers entschuldigt, auch gegenüber der GBK, der Be-
beschließt mit Unterstützung von ZARA, einen Antrag zirksverwaltungsbehörde und dem Gewerbeamt.

63
Was wurde aus …?

Fall 74 aus dem Rassismus Report 2006 Was 2007 geschah:


Frau R. erhält im Frühjahr 2007 die Einzelfallentschei-
Herr U. ist Brasilianer. Er lebt und arbeitet für ein Jahr als dung des Senats III der Gleichbehandlungskom-
Gastprofessor in Wien. Im Juni 2006 will er eine ­Wiener mission, in der diese feststellt, dass die Dienstlei-
Diskothek besuchen, der Türsteher verweigert ihm je- stungsverweigerung und die Beschimpfungen eine
doch den Eintritt. Obwohl er mehrmals nachfragt, unmittelbare Diskriminierung und Belästigung der
wird ihm der Grund hierfür nicht bekannt gegeben. Antragstellerin Frau R. aus Gründen ihrer ethnischen
Zwei weitere hinzugekommene Security-Mitarbeiter Zugehörigkeit darstellen. Frau R. ist mit der Entschei-
fragt er ebenfalls nach dem Grund und bekommt von dung zufrieden und möchte, auch aufgrund des Um-
einem zu hören: „Wir wollen keine Drogendealer hier!“ standes, dass sie mittlerweile wieder in Berlin lebt,
Herr U. wendet sich an ZARA und gemeinsam wird im keine weiteren rechtlichen Schritte gegen den Ge-
Juli 2006 ein Antrag an die Gleichbehandlungskom- schäftsinhaber unternehmen.
mission zur Feststellung einer Diskriminierung auf Die GBK-Entscheidung ist im Internet einsehbar:
Grund der ethnischen Zugehörigkeit eingebracht. http://www.frauen.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=
21446
Was 2007 geschah
Im Dezember 2007, eineinhalb Jahre nach Antragstel- Fall 22 aus dem Rassismus Report 2005
lung, wird das Prüfungsergebnis des Senates III der
Gleichbehandlungskommission (GBK) an Herrn U. und Frau E., eine Muslimin, die ein Kopftuch trägt, geht
ZARA zugestellt. Die Kommission kommt zum Schluss, mit ihrem Baby und ihrer Freundin im März 2005 in
dass in der Zutrittsverweigerung in die Diskothek eine ein Wiener Modewarengeschäft. Sie wird vom Ver-
unmittelbare Diskriminierung von Herrn U. auf Grund käufer beschimpft: „Wir verkaufen nicht an Auslän-
seiner ethnischen Zugehörigkeit im Sinne des Gleich- der. Wir wollen kein Geld von Ausländern!“ und mit
behandlungsgesetzes vorliegt. Nach Ansicht des Se- einem Fußtritt aus dem Geschäft geworfen. Frau E.
nates III ist es dem Geschäftsführer der Diskothek nicht und ihre Freundin müssen wegen ihrer Verletzungen
gelungen, sich vom Vorwurf der Diskriminierung frei ins Krankenhaus. Sie erstatten Anzeige und wenden
zu beweisen. Im Prüfungsergebnis richtet der Senat III sich erschüttert von dem Vorfall an ZARA. ZARA lei-
konkrete Empfehlungen an den Geschäftsführer der tet auf ihren Wunsch hin ein Strafverfahren ein. Die
Diskothek: Er solle sich mit der geltenden Rechtsla- Staatsanwaltschaft schlägt einen außergerichtlichen
ge, insbesondere mit dem Gleichbehandlungsgesetz Tatausgleich (siehe „Glossar“) vor, der Täter zeigt je-
vertraut machen. Er solle taugliche innerbetriebliche doch keine Reue. Frau E. geht es nicht gut, das Straf-
Strukturen zur Vermeidung einer diskriminierenden verfahren belastet sie psychisch stark. Ihre Aussagen
Einlasspraxis schaffen, dabei erscheine es vor allem sind deshalb nicht klar genug und der Verkäufer wird
notwendig, den abgewiesenen Personen den Grund schließlich freigesprochen. Frau E. und ZARA haben
der Abweisung zu nennen. Dies sollte durch eine aus- gemeinsam mit dem Klagsverband zur Durchsetzung
reichende Anzahl von Türstehern gewährleistet sein. der Rechte von Diskriminierungsopfern (siehe „Glos-
Ferner solle auf die Website der Diskothek ein gut er- sar“) auch ein zivilrechtliches Verfahren nach dem
kennbarer Hinweis auf die Existenz des Gleichbehand- neuen Gleichbehandlungsgesetz wegen unmittel-
lungsgesetzes gestellt werden und an derselben Stelle barer Diskriminierung und Belästigung eingebracht.
festgehalten werden, dass niemand auf Grund seiner/ Im Verfahren in erster Instanz wird vom Gericht Dis-
ihrer ethnischen Zugehörigkeit des Lokales verwiesen kriminierung und Belästigung festgestellt und Frau E.
werden darf und dass sich Personen zur Beratung an Schadenersatz in der Höhe von 700 Euro zugespro-
die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden können. chen. Der Klags­verband geht für Frau E. in Berufung,
Die Existenz des Gleichbehandlungsgesetzes solle da sie nur einen Teil der eingeklagten Summe (4.000
auch in die für Gäste transparent zu machende Haus- Euro) zugesprochen bekommen hat.
ordnung aufgenommen werden.
Was 2007 geschah:
Fall 85 aus dem Rassismus Report 2006 Die zweite Instanz, das Landesgericht für Zivilrechts-
sachen in Wien, setzt die Schadenersatzhöhe mit 800
Frau R. ist deutsche Staatsbürgerin indischer Herkunft. Euro fest. Bei der Bemessung der Schadenersatzhö-
Im April 2006 möchte sie mit einer Freundin eine Rad- he zieht das Landesgericht die Schadenersatzhöhe
tour am Neusiedlersee im Burgenland machen. Als sie für einen Tag Freiheitsentziehung heran, welche nach
sich in einem Fahrradverleih ein Rad ausborgen will, ständiger österreichischer Rechtsprechung mit 100
wird sie aufgrund ihrer Hautfarbe vom Geschäftsin- Euro bemessen wird. Der Beschluss des Landesge-
haber nicht bedient und rassistisch beschimpft. ZARA richts lässt offen, warum die Schadenersatzhöhe für
bringt für Frau R. einen Antrag bei der Gleichbehand- die Freiheitsentziehung als Maßstab herangezogen
lungskommission (siehe „Glossar“) ein. und warum die erlittene Diskriminierung gerade mit

64
Was wurde aus …?

acht Tagen Freiheitsentziehung gleichgesetzt wird. und arbeitet. Ein Auskunftsersuchen über die öster-
Das Argument des Verkäufers, dass „ein nicht unbe- reichische Botschaft in London ist im Laufen. Eine ab-
trächtlicher Kundenkreis im Geschäftslokal Auslän- schließende Einzelfallentscheidung durch die Gleich-
der“, sowie er selbst slowenischer Herkunft und daher behandlungskommission gibt es somit auch 2007
der Vorwurf von Frau E. nicht glaubwürdig sei, weist nicht, Herr G. wartet immer noch.
das Landesgericht entschieden zurück. Der Beschluss
des Landesgerichts ist rechtskräftig. Nach Abzug der Fall 121 aus dem Rassismus Report 2004
Verfahrenskosten bleiben Frau E. ungefähr 300 Euro
an Schadenersatz übrig. Herr E., jordanischer Staatsbürger, wurde an seinem
Arbeitsplatz in einer Wiener Speditionsfirma jah-
Fall 27 aus dem Rassismus Report 2005 relang rassistisch diskriminiert. Herr E. war arbeits-
rechtlich schlechter gestellt als seine österreichischen
Gemeinsam mit seinem Freund will Herr G. ein kuba- Kollegen, wurde von diesen als „Kameltreiber“ oder
nisches Tanzlokal in der Wiener Innenstadt besuchen. „Araberarsch“ beschimpft, gemobbt und bei einem
Beide sind österreichische Staatsbürger afrikanischer Streit im Jahr 2004 von einem Kollegen schließlich so
Herkunft. Sie wollen das Lokal betreten, werden je- schwer verletzt, dass er in ein Krankenhaus eingewie-
doch von zwei Türstehern aufgehalten. Es wird ihnen sen wurde. Sein Arbeitskollege wird von einem Straf-
kein Grund dafür genannt und sie werden zur Seite gericht wegen Körperverletzung verurteilt und zur
gedrängt. Schließlich wird ihnen erklärt, dass sie we- Zahlung eines Schmerzengeldes an Herrn E. verpflich-
gen ihrer Herkunft nicht hinein dürfen. Das war nicht tet. Die Gleichbehandlungskommission stellt auf-
das erste Mal, dass Herr G. in diesem Lokal rassistisch grund eines von ZARA eingebrachten Antrags im Jahr
diskriminiert wurde. Deshalb wendet er sich an ZARA. 2005 fest, dass Herr E. Opfer massiver Belästigungen
Gemeinsam wird Anzeige gegen die Lokalbetreiber am Arbeitsplatz geworden ist
nach dem EGVG (siehe „Glossar“) erstattet. Zudem (siehe: http://www.frauen.bka.gv.at/DocView.axd?
stellt ZARA im Namen von Herrn G. einen Antrag an CobId=20623). Mit Unterstützung von ZARA, dem
die Gleichbehandlungskommission, die feststellen Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Dis-
wird, ob es sich in diesem Fall um eine Diskriminie- kriminierungsopfern (siehe „Glossar“) und der Wiener
rung aufgrund der ethnischen Herkunft beim Zugang Arbeiterkammer klagt Herr E. im Jahr 2006 zwei sei-
zu einer Dienstleistung handelt. Im Jahr 2006 wird das ner Arbeitskollegen und seinen ehemaligen Arbeitge-
Verwaltungsstrafverfahren gegen den Geschäftsfüh- ber, der nichts gegen die Diskriminierung seines Mit-
rer des Lokals eingestellt, da die Behörde nach Befra- arbeiters unternommen hat, auf Schadenersatz in der
gung aller Beteiligten dem Geschäftführer des Lokals Höhe von 8.000 Euro.
und seinen Türstehern mehr Glauben geschenkt hat
als Herrn G. und seinem Zeugen. Was 2007 geschah:
Auf Seiten der Speditionsfirma kommt es zu einem Ei-
Was 2007 geschah: gentümerwechsel. Da der neue Eigentümer etwaige
Mitte April wird Herr G. erstmals vom Senat III der „Altlasten“ beseitigen und offene Gerichtsverfahren
Gleichbehandlungskommission zu den Vorfällen aus rasch beenden möchte, wird Herrn E. ein Vergleichs-
dem Jahr 2005 befragt. Im Zuge der Einvernahme angebot unterbreitet. Für die erlittene Diskriminie-
kann Herr G. mehrere der diensthabenden Türsteher rung im Zuge der Anstellung soll er 5.000 Euro erhal-
identifizieren. Der Freund von Herrn G., der als zweiter ten. Seine Anwaltskosten in der Höhe von rund 3.000
Antragssteller ebenfalls im April in Wien hätten aussa- Euro werden ebenfalls übernommen. Herr E. nimmt
gen sollen, konnte bis zum Redaktionsschluss dieses dieses Angebot dankend an und ist froh, nun nach
Reports von der Gleichbehandlungskommission nicht fast drei Jahren eine Entschädigung für die erlittene
befragt werden, da er mittlerweile in Schottland lebt Diskriminierung zu erhalten.

65
Was wurde aus …?

Anzeigenkampagne gegen Nur-InländerInnen-


Inserate hat strukturelle Missstände aufgedeckt

Die Volksanwaltschaft wird aktiv


Im August 2006 wandte sich ZARA an Volksanwalt Dr.
Peter Kostelka und ersuchte um Überprüfung der von
den Behörden durchgeführten Verfahren. Nach einge-
hender Prüfung der Behördentätigkeit übermittelte
die Volksanwaltschaft ZARA am 30. August 2007 eine
„Missstandsfeststellung in der Verwaltung“ (abrufbar
unter: http://www.volksanw.gv.at/missstaende/W-
536-LAD-06.pdf ).
ZARA unterstützt nicht nur Opfer und ZeugInnen von
Rassismus unter Ausnutzung aller rechtlichen Mög- Im Detail kam die Volksanwaltschaft zu folgenden er-
lichkeiten, sondern setzt sich vehement dafür ein, nüchternden Verfahrensergebnissen:
dass bestehende Gesetze und Verfahren überprüft Der strikte Wortlaut des § 24 GlBG sieht tatsächlich
und verbessert werden – mit dem Ziel strukturell ver- nur„StellenwerberInnen“ und die Gleichbehandlungs-
ankerte Diskriminierungsmechanismen aufzuzeigen anwaltschaft (siehe „Glossar“) als antragslegitimiert
und zu beseitigen. vor. Interessenvertretungen von Diskriminierungsop-
So genannte “Nur-Inländer-Inserate“ in Zeitungen fern wie ZARA können nach § 24 GlBG in seiner der-
und im Internet schließen mit geringem Aufwand ei- zeitigen Formulierung keine Bestrafung von diskrimi-
nen großen Teil der Bevölkerung vom Arbeits- und nierenden ArbeitgeberInnen, MaklerInnenbüros und
Wohnungsmarkt aus. § 24 Gleichbehandlungsgesetz Medienunternehmen begehren. Die Einstellung der
(GlBG) und Art IX Abs 1 Z 3 EGVG (zu diesen Rechts- Verfahren nach § 24 GlBG durch die Behörden war
vorschriften siehe ausführlich „Die eigenen Rech- daher gesetzmäßig. Trotz Verfahrenseinstellung nach
te kennen“ im Kapitel „Güter und Dienstleistungen“) § 24 GlBG mussten die Behörden die angezeigten Stel-
stellen klar, dass solche diskriminierenden Inserat- leninserate aber auch nach Art IX Abs EGVG überprü-
schaltungen verboten sind. Die Verhängung von fen, da es sich hierbei um ein so genanntes „Offizial­
Geldstrafen ist nach beiden Bestimmungen vorgese- delikt“ handelt.
hen und nach Ansicht von ZARA aus generalpräven-
tiven Gründen unumgänglich, um allgemein deutlich Behörden fehlt es an
zu machen, dass rassistische Diskriminierungen bzw. Unrechtsbewusstsein
die strukturelle Exklusion von potenziellen Mitbewer-
berInnen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche kein Daraufhin entschied sich die Volksanwaltschaft für
Kavaliersdelikt darstellen. eine umfassende amtswegige Überprüfung aller
zwischen Anfang Jänner 2005 und Mitte September
Zahnlose Gesetzesbestimmungen 2006 durch die Wiener Magistratischen Bezirksämter
durchgeführten EGVG-Verfahren. Diese Überprüfung
Im Jahr 2005 sammelte ZARA systematisch über 100 zeigte deutlich, dass die Wiener Strafbehörden erster
„Nur-Inländer-Inserate“, die Anfang 2006 an die zu- Instanz Art IX Abs 1 Z 3 EGVG uneinheitlich auslegten
ständigen Bezirksverwaltungsbehörden weiterge- und EGVG-Verfahren aufgrund diskriminierender Stel-
leitet wurden. ZARA ersuchte die Strafbehörden um lenanzeigen, Einlassverweigerungen und rassistischer
Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 24 Beleidigungen in Geschäften und Lokalen zu unter-
GlBG und Art IX Abs 1 Z 3 EGVG. Die Reaktion auf die schiedlichen Verfahrensergebnissen führten. Der Ver-
Anzeigenkampagne war jedoch relativ ernüchternd: hängung einiger weniger, meist geringer Geldstrafen
Bezüglich § 24 GlBG wurde mitgeteilt, dass ZARA, stehen zahlreiche Verfahrenseinstellungen gegen-
als NGO und Interessenvertretung von Opfern von über, unter anderem wegen Verfolgungsverjährung
Rassismus, nach dem Wortlaut der Strafbestimmung (da die Behörde innerhalb von 6 Monaten ab Tatzeit-
nicht zur Anzeige berechtigt sei. Zu Verfahren nach punkt keine/n konkreten TäterIn ausforschen konnte),
Art IX Abs 1 Z 3 EGVG wurde ZARA mangels Parteistel- wegen zu großen Aufwandes bei der Ausforschung
lung überhaupt jegliche Auskunft verwehrt. von TäterInnen oder wegen vermeintlicher „Geringfü-

66
Was wurde aus …?

gigkeit des Verschuldens und unbedeutender Folgen Stellen- und Wohnungsinserate unter Art IX Abs 1 Z
der Übertretung“. 3 EGVG fallen können und eine Übertretung dieser
Aufgrund des Prüfungsergebnisses stellte die Strafbestimmung keinesfalls ein „Bagatelldelikt“ dar-
Volks­anwaltschaft fest: stellt, das eine frühzeitige Einstellung des Verfahrens
Es gibt zwar wirksame Rechtsvorschriften zur Be- rechtfertigen würde.
kämpfung rassistischer Handlungen, die aber für sich Die Stadt Wien wird EGVG-Verfahren in Zukunft
allein keine Haltungs- und Bewusstseinsänderung nicht durch die 19 Magistratischen Bezirksämter, son-
bewirken können, wenn und solange sogar Verwal- dern in vier Strafkompetenzzentren vollziehen lassen,
tungsbehörden Verstöße gegen das Diskriminie- um eine einheitliche und effiziente Anwendung des
rungsverbot immer noch als „Kavaliersdelikte“ anse- Diskriminierungsverbotes zu gewährleisten. Zusätz-
hen und dementsprechend ineffizient verfolgen und/ lich wurde eine Koordinatorin und Ansprechperson
oder aus für die Volksanwaltschaft nicht nachvollzieh- für die Vereinheitlichung der Strafverfahren bestellt.
baren Gründen als ohnehin entschuldbar betrachten. ZARA ist der Volksanwaltschaft für die umfassende
Prüfung der einschlägigen Verwaltungspraxis und die
Missstandsfeststellung der Volksanwalt- Missstandsfeststellung, deren Ergebnis hoffentlich zu
schaft zeigt Wirkung einer Aufwertung des Diskriminierungsschutzes ge-
mäß Art IX Abs 1 Z 3 EGVG führen wird, zu ­großem
Die Volksanwaltschaft wies daher in ihrer Missstands- Dank verpflichtet. Die Maßnahmen der Bundes­
feststellung eindringlich auf die Bedeutung des Dis- regierung und der Stadt Wien lassen weiters hoffen,
kriminierungsverbotes in Art IX Abs 1 Z 3 EGVG hin dass die Behörden Verstöße gegen das Diskriminie-
und empfahl der für die Vollziehung des EGVG zu- rungsverbot nun tatsächlich häufiger ahnden und
ständigen Bundesregierung, für eine einheitliche Voll- abschreckende Verwaltungsstrafen verhängen wer-
ziehung der Strafbestimmung zu sorgen und einen den. Aufgrund dieses positiven Ergebnisses der Volks-
„Kriterienkatalog“ zur wirksamen Bekämpfung ras- anwaltschaftsbeschwerde ist klar: Zu einem späteren
sistischer Diskriminierung zu erstellen, der allen Ver- Zeitpunkt wird ZARA wieder an die Volksanwaltschaft
waltungsstrafbehörden erster Instanz als Dienstan- herantreten und um neuerliche Prüfung und Evaluie-
weisung zur Kenntnis zu bringen ist. rung der geänderten Verwaltungspraxis ersuchen.
In Beantwortung der Missstandsfeststellung teilte
der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes mit, Wolfgang Zimmer
dass ein Rundschreiben vorbereitet wurde, in dem Leiter der ZARA-Beratungstelle für Opfer und ZeugInnen
die Strafbehörden darauf hingewiesen werden, dass von Rassismus, Jurist

67
Diskriminierung aufgrund religiöser Zugehörigkeit

Religion als Feindbild – der Islam


im Zentrum aktueller Debatten

16
Vgl. Markom, Christa/
Weinhäupl, Heidi (2007)
Die anderen im Schulbuch
– ­Rassismen, Exotismen,
­Sexismen und Antisemi-
Durch den Antisemitismus und seine wahrscheinlich wird zur Projektionsfläche dieser Vorurteile und damit
tismus in österreichischen älteste Form, den christlichen Antijudaismus, hat Dis- zum Ziel von physischen und verbalen Angriffen.
Schulbüchern,
Wien: ­Braumüller
kriminierung aufgrund der religiösen Zugehörigkeit Der Begriff Islamophobie steht nicht nur in reger
in Europa eine lange Geschichte. Anders als bei Ras- Verwendung – sondern gleichermaßen in Kritik20. Der
17
Vgl. Guillaumin, Colette sismus, ist das Identifizierungsmerkmal für Vorurteile schwerwiegendste Kritikpunkt ist, dass der islamo-
(2000) in: Aigner, Margot
(2002) Rassismus und
und Diskriminierung nicht die Hautfarbe, ethnische phob Agierende durch den Begriff der Phobie zum
­Xenophobie – Ursachen und Zugehörigkeit und/oder Nationalität, sondern die Krankheitsfall stigmatisiert wird.
Entstehungszusammen­
hänge, Diplomarbeit Religion. Parallelen zum Rassismus findet man, un- Die islamische Glaubensgemeinschaft in Österrei-
­Salzburg 2002 ter anderem, in negativen Zuschreibungen auf eine ch z.B. plädiert für die Verwendung des Begriffs der Is-
18
gesamte Gruppe von Menschen. Diese wird als star- lam-Feindlichkeit, da dadurch eine bewusst begründe-
Vgl. Fetzer, Joel/So-
per, Christopher (2004) re, unveränderbare Einheit gesehen, wobei das Indi- te Feindschaft zum Ausdruck gebracht wird21. Häufig
Muslims and the state in viduum auf die Gruppenzugehörigkeit reduziert wird. basiert die Ablehnung allerdings auf fehlenden oder
Germany, Britain and France,
­Cambridge University Press Gleichzeitig wird diese Gruppe im Gegensatz zum „Ei- schlichtweg falschen Informationen.
genen“ als „das Andere“ gesehen und zu Minderwer- Ein weiterer Kritikpunkt, der auf beide Begrifflich-
19
Vgl. (http://www.run- tigkeit verurteilt16. Die Konsequenzen solcher starren, keiten zutrifft, ist der Hinweis, dass durch die Beto-
nymedetrust.org/up-
loads/publications/pdfs/­ negativen Bilder äußern sich in psychischen und phy- nung von „Islam“ das Individuum ausgeklammert
islamophobia.pdf ) sischen Angriffen gegen Angehörige solcher Grup- wird. Deshalb wird in vielen Diskussionen der Aus-
20
pen und/oder einer Einschränkung beim Zugang zu druck Anti-Muslimismus verwendet, welcher auf das
Vgl. Halliday, Fred (2002)
West encountering Islam- öffentlichen Institutionen und Dienstleistungen. einzelne Opfer und dessen Diskriminierungserfah-
Islamophobia reconsidered, Dem Phänomen der Diskriminierung aufgrund re- rung Bezug nimmt. Aus einer Weiterführung dieser
in: Ali Muhammadi (Hg.):
Islam Encountering Globali- ligiöser Zugehörigkeit können auch rassistische Res- Kritik entstand der Begriff anti-muslimischer Rassis-
zation, London: Routledge sentiments hinzugefügt werden. So wird z.B. die re- mus, welcher auf die oben genannten Verbindungen
21
ligiöse Zugehörigkeit oftmals einer ethnischen oder mit rassistischer Diskriminierung verweist.
Vgl. IGGÖ: Stellungnah-
me zu islamfeindlichen nationalen Herkunft zugeschrieben. Religiöse Auffas- Da keiner dieser Begriffe allumfassend ist, ist es
­Äußerungen Bischof sungen werden zusammen mit Weltbild, politischen wichtig, in der Anwendung je nach Umstand zu unter-
Krenns, http://www.deris-
lam.at/islam.php?name= Einstellungen und kulturellen Verhaltensweisen gese- scheiden und auf die Kritikpunkte zu verweisen.
Themen&pa=showpage& hen17. Der Holocaust, als tragischer Höhepunkt eines In öffentlichen Diskussionen zu Diskriminierung
pid=189 [26.05.2007] und
Gegen Islamfeindlichkeit historisch gewachsenen Antisemitismus zeigt, wie ge- von MuslimInnen werden oft Parallelen zwischen Is-
im Wahlkampf der FPÖ, fährlich solche Schlüsse sein können. lamophobie und Antisemitismus gezogen. Zwar be-
http://www.derislam.com/
islam.php?name=Themen Verstärkt durch globale Ereignisse, wie den Nah- stehen durchaus Gemeinsamkeiten, da beide Phäno-
&pa=showpage&pid=203 ostkonflikt oder 9/11 und internationale Migration mene sich aus Diskriminierung aufgrund religiöser
[26.05.2007]
in europäischen Staaten, erfuhren auch MuslimInnen Zugehörigkeit heraus entwickelt haben und auf ste-
22
Vgl. Augudtin, vermehrt Diskriminierung aufgrund ihrer religiösen reotypen Vorurteilen basieren. Bei genauerer Betrach-
Christian/ Wienand, Zugehörigkeit18. Aus diesen Umständen heraus ent- tung ist dieser Vergleich jedoch nicht zulässig. Die
­Johannes / ­Winkler,
C­hristiane (Hg.) (2006) wickelten sich Diskussionen um dieses Phänomen. Betroffenen sind mit jeweils anderen Vorurteilen kon-
Religiöser Pluralismus Neue Begriffe entstanden. frontiert, ­welche in ihrer geschichtlichen Entwicklung
und Toleranz in Europa,
­Wiesbaden: VS Verlag für ganz unterschiedliche Ausformungen angenommen
Sozialwissenschaften
Vgl. Bunzl, Matti (2005)
Islamophobie haben22.
Between anti-Semitism
and Islamophobia: Some Islamophobie19 hat sich in den letzten Jahren als Be- Aktuelle Entwicklungen
thougts on the new
zeichnung einer unhaltbaren Angst (Phobie) gegen-
Europe, in: American
­Ethnologists – Volume 32 über AnhängerInnen des Islam entwickelt und sich in MuslimInnen und „der Islam“ standen auch im Jahr
Vgl. Gingrich, Andre (2005)
Anthropological ­Analyses
der öffentlichen Debatte etabliert. Diese Angst basiert 2007 wieder im Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit.
of Islamophobia and anti- auf stereotypen Zuschreibungen wie: fremd, bedroh- Vor allem bedarf es hier einer Erwähnung der Debatte
Semitism in Europe,
in: American Ethnologists –
lich, rückständig, unveränderlich, demokratie- und um den „Moscheenbau“ und der Verhaftung mutmaß-
Volume 32 menschenrechtsablehnend. Der Muslim/die Muslima licher IslamistInnen im Zuge der „Drohvideos“.

68
Diskriminierung aufgrund religiöser Zugehörigkeit

Beide Ereignisse stießen nicht nur auf heftige me- zu heben25. Ziel der Veranstaltungen war es, ein Bild
diale Aufmerksamkeit, sondern bestimmten über eines Islam zu vermitteln, der den Dialog sucht, der
Tage hinweg gesellschaftspolitische Diskussionen. nationale Schwierigkeiten reflektiert und jede gewalt-
23
vgl. Volkszählung 2001,
Der Protest gegen den geplanten Moscheebau in bereite Ausformung auf das Schärfste kritisiert. http://www.bmi.gv.at/
Wien Brigittenau gipfelte in einer Massenkundge- downloadarea/asyl_frem-
denwesen/Perspektiven_
bung, in welcher BürgerInnen, VertreterInnen der FPÖ Bettina Fleischanderl, Verena Kozmann, Herausforderungen.pdf
sowie offensichtlich rechtsgerichtete Gruppierungen Anna Neureiter, Alexander Steffek, Silvia Weitlaner
gemeinsam für ein Bauverbot eintraten. Beide Ereig- Die AutorInnen sind ehrenamtlich in der Arbeitsgrup- 24
Vgl. Hafez, Farid (2007)
Avusturya Özgürlük Partisi
nisse zeigen, welches Konfliktpotenzial in der Ausei- pe Wissenschaft des Dokumentationsarchiv Islamo- FPÖ`nün sağcı popüliz-
nandersetzung mit dem Thema „Islam in Österreich“ phobie (DAI) tätig und u. a. Studierende der Kultur- und minin bir aracı olarak
İslamofobi. „2006 Avusturya
steckt. Deutlich wird, welch zentrale Rolle die Medien ­Sozialanthropolgie, Wien Millet Meclisi seçimlerinde
einnehmen und inwieweit politische Parteien solche FPÖ’nün yürüttüğü seçim
kampanyasının analizi“
Kontroversen mitgestalten. Dokumentationsarchiv Islamophobie – DAI (z.D.: Islamophobie als
Gegenwärtig leben rund 340.000 MuslimInnen Das Dokumentationsarchiv Islamophobie (DAI) ist eine Element des Rechtspopu-
lismus der Freiheitlichen
in Österreich. Mit 4.2% der Gesamtbevölkerung stel- auf ehrenamtlicher Arbeit basierende studentische Ini- Partei Österreichs. Eine
len sie die größte religiöse Minderheit in Österreich23 tiative, die im Frühjahr 2006 gegründet wurde. Die De- Analyse der FPÖ-Wahl-
kämpfe zu den Natio-
dar. Von Seiten der Mehrheitsgesellschaft besteht oft- batte rund um MuslimInnen in Österreich und auch in nalratswahlen 2006), In:
mals ein Bild vom Islam, welches auf Klischees, Stere- globalen Beziehungen wird in den letzten Jahren immer Kadir Canatan/Özcan Hıdır
(2007) İslamofobi ve Anti-
otypen und Vorurteilen basiert. Aktionen radikaler is- hitziger und polemischer geführt. Vorurteile, Ausgren- İslamizm. Ankara. Eski Yeni
lamistischer Gruppen, wie die Anschläge in New York, zungen und Diskriminierungen sind oftmals Folgen die- Yayınları.
Madrid und London oder Ausschreitungen im Rah- ser Entwicklungen für MuslimInnen in Österreich. Ent-
25
Beispielhaft sei die
men des „Karikaturenstreits“ werden auf die Gesamt- sprechend der Menschenrechte und der Demokratie tritt vom BMeiA unterstützte
heit der MuslimInnen übertragen und führen zu einer das DAI für die Rechte und Würde aller Menschen in Ös- Konferenz „Muslim Youth
and Women in the West“
­verallgemeinerten, negativen Wahrnehmung eben- terreich, im Speziellen der muslimischen Minderheit, ein. genannt. Nähere Infos
dieser. Religionskritik ist in einer Demokratie natürlich erlaubt dazu: http://islamuswest.
org/pdfs_Islam_and_the_
Dieses Bild wird einem Islam in Österreich je- und auch erwünscht. Sobald jedoch Menschen unter West/miw.pdf
doch nicht gerecht. Das Glaubenssystem umfasst verschiedenen Formen von Ausgrenzung und Diskrimi-
ein breites Spektrum, in welchem MuslimInnen un- nierung leiden, besteht Handlungsbedarf.
terschiedlichste Meinungen vertreten und durchaus Genau aus diesem Grund versucht das DAI einen
gewillt sind, am österreichischen Rechtsstaat zu par- sinnvollen und produktiven Teil zu dieser Debatte bei-
tizipieren. MuslimInnen sind Teil der Gesellschaft und zutragen. Dementsprechend sind die Ziele des DAI die
sollten nicht auf ihre religiöse Zugehörigkeit reduziert Beobachtung und Thematisierung von, eine Aufklärung
und dafür verurteilt werden. über und eine Sensibilisierung der Gesellschaft für Isla-
Gleichzeitig muss das Phänomen „Islamismus“ mophobie. Dadurch soll ein friedliches Zusammenleben
ernst genommen werden, darf jedoch nicht gleich- aller Menschen in Österreich garantiert werden. Auf die-
gesetzt werden mit „dem Islam“. „Islamismus“ ist eine ser Basis kann ein Dialog über Unterschiede und Gemein-
politische, totalitäre Einstellung und wird von der is- samkeiten stattfinden, wodurch Lösungsansätze gefun-
lamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich abge- den werden sollen. Unruhe stiftenden, extremen Kräften
lehnt. auf beiden Seiten wird dadurch der Wind aus den Segeln
Politische Parteien benützen die Auseinander- genommen.
setzungen um das Thema „Islam in Österreich“ um Zu diesem Zweck werden sowohl die individuellen
Wählerschaften zu mobilisieren24. Gestützt durch ein- Diskriminierungserfahrungen von MuslimInnen als auch
seitige Darstellungen in den Medien werden Bedro- gesellschaftspolitische Entwicklungen dokumentiert. In
hungsängste hervorgerufen, die den notwendigen Zusammenarbeit mit ZARA sollen Opfer und ZeugInnen
religiösen wie auch gesellschaftspolitischen Dialog von Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörig-
nachhaltig behindern. keit eine entsprechende Betreuung erhalten. Aus diesen
Um diesen Strömungen entgegenzutreten wurden Beobachtungen und einer wissenschaftlichen Ausei-
2007 Veranstaltungen, Diskussionen und Vorträge or- nandersetzung mit Themen rund um den Islam können
ganisiert. Diese waren ein wichtiger Schritt, um auf Schlüsse gezogen werden, die die Erfüllung der Ziele des
Gemeinsamkeiten hinzuweisen, zu informieren, und DAI unterstützen.
dahingehend den Dialog auf eine konstruktive Ebene Näheres unter: http://www.dai.or.at

69
8ung für Alle

„Teilhabe“ und „Achtsamkeit“


statt „Integration“ und „Toleranz“

26
Herzlichen Dank an Karin
Bischof für wertvolle Litera-
ZARA-Diskussionspapier zum „Integrationsbericht“ „Eine gewisse Verschiedenheit zwischen Zugewan-
turtipps und Fingerzeige. des Innenministers von ZARA-Obmann Dieter Schind- derten und den Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft
lauer26 wird lange Zeit aufrecht bleiben. Es gilt aber, die Grenzen
27
Appiah, Kwame Anthony
(2007) Der Kosmopolit. Philo-
dieser Verschiedenheit nicht zu überdehnen, wenn das
sophie des Weltbürgertums, „Das Ausländische an den Ausländern und das Fremde Zusammenleben gelingen soll.“ (ibid. S. 5)
München: Verlag C.H. Beck
an den Fremden sind real genug. Nur sind wir – nicht zu- Diese beiden Aussagen zusammen gelesen, er-
28
Allerdings nicht durch-
letzt von wohlmeinenden Intellektuellen – dazu ermun- geben also ein Bild der „Integration“ als „lauwarmer
gängig. Insb. der Beitrag tert worden, deren Bedeutung um eine ganze Größen- Schmelztiegel“, in dem sich Unterschiede langsam auf-
Hutter/Perchinig (2008)
Partizipation und Mehrheits-
ordnung zu überschätzen.“ 27 lösen sollen. Im besten Fall kommt es also zu einer Art
gesellschaft – Partizipation „gegenseitiger Assimilation“, die letztlich eine zwar
braucht Voraussetzungen;
http://www.integration.at, Integration als „tolerante Assimilation“? neue, aber wieder homogene Bevölkerung hervorbrin-
expertenbeiträge zur inte- gen soll. Bis dieser langsame Homogenisierungspro-
gration, BMI enthält durch-
aus modernere Zugänge
Der seit vielen Jahren nahezu unveränderte öffent- zess abgeschlossen ist, stehen dieser Definition gemäß,
zum Integrationsbegriff. liche Diskurs zum Thema „Integration“ ist in Österrei- Zugewanderte außerhalb der Mehrheitsgesellschaft.
ch von einer Reihe von gefährlichen Missverständnis- Auch an diesem Beispiel zeigt sich, wie sehr der ös-
29
Matscher/Vogl (2008)
Grundwerte und ­Rechte
sen geprägt, die letztlich entscheidende Fortschritte terreichische Diskurs zu „Integration“ auf Zuwander­
– Integration zwischen verhindern. Der Begriff der „Integration“ ist daher mit erInnen fokussiert, während das Konzept der „aufneh-
­Assimilation und plurali-
stischer Multikultur, http://
falschen Bildern aufgeladen, die im Ergebnis – trotz menden Mehrheitsgesellschaft“ dabei viel zu wenig
www.integration.at, wortreicher Beteuerungen des Gegenteils – auf das Beachtung findet. Diese kann man sich offenbar nur
expertenbeiträge zur ­
integration, BMI
Erfordernis einer „toleranten Assimilation“ hinauslau- als homogene Gruppe vorstellen, wobei alle darin be-
fen. Das Ergebnis einer solchen „Integration“ ist da- findlichen Individuen scheinbar „natürlich“ ihre Zuge-
30
Zur Kritik an der vergrö- bei eine weitgehende Anpassung an eine imaginierte hörigkeit nicht infrage stellen. Es wird dabei ein selbst-
bernden pauschalen Eintei-
lung in Kulturen oder gar
„Mehrheitsgesellschaft“, die Platz lassen soll für klei- verständliches„Wir-Gefühl“ evoziert, das unhinterfragt
„Kulturkreise“ insb. anhand ne „kulturelle Abweichungen“, die „toleriert“ werden, zum Ausgangspunkt weiterer Überlegungen zu „In-
der Weltreligionen vgl. Sen,
Amartya (2007) Die Identi-
oder sogar im Rahmen von publikumswirksamen, oft tegration“ gemacht wird. Die zentrale Frage dieses
tätsfalle. Warum es keinen exotistischen, „Multi-Kulti“-Veranstaltungen als „bunt Diskurses ist dabei: „Was tun ,Wir’ mit den ,Anderen’
Krieg der Kulturen gibt, Mün-
chen: Verlag C.H. Beck
und kulturell bereichernd“ gefeiert werden. Der Fo- und was müssen die ,Anderen’ tun, damit Integration
kus dieses „multikulturellen Mehrwertes“ wird dabei stattfindet?“ „Integration“ ist dabei immer etwas, das
31
Appiah (2007) gerne auf folkloristische und kulinarische Besonder- sich ausschließlich an den „Anderen“ vollzieht. Selbst
heiten gelegt. an sich wert- und sinnvolle Slogans wie „Integration
32
Vgl. dazu die sehr
­spannenden Ausführungen
Dieses Konzept führt zu realen Absurditäten. So le- ist keine Einbahnstraße“ werden dann falsch inter-
bei Sen (2007) ben in Österreich Personen afrikanischer Herkunft, die pretiert; nämlich als: „Wir“ müssen auch etwas tun,
in ihren Herkunftsländern technische Studien abge- damit die  „Anderen“ sich integrieren können.
schlossen haben, in Österreich jedoch Trommelwork- Noch klarer und geradezu ungeheuerlich wird dies
shops abhalten, obwohl sie mit diesem Instrument im folgenden Absatz:
erst in Österreich vertraut wurden. Sie haben gelernt, Die nachfolgenden Ausführungen werden zeigen,
sich in einer Nische zu etablieren, die ihnen aufgrund dass es sich beim Problem der Integration von Fremden
ihrer ethnischen Zugehörigkeit zugewiesen wurde. vornehmlich um Angehörige der islamischen Kultur, in
Auch im aktuellen „Integrationsbericht“ des In- zahlenmäßig [sic!] geringerem Ausmaß auch um solche
nenministers wird ein solches Verständnis weiterhin anderer (etwa afrikanischer oder asiatischer) Kulturen
transportiert28. So enthält das Kapitel „Grundwerte handelt. Selbst die Integration von Angehörigen ande-
und Rechte“29 eine höchst widersprüchliche Haltung rer „europäischer“ Kulturen (etwa Osteuropas) kann Pro-
zum Thema Assimilation: bleme aufwerfen. (Matscher/Vogl (2008), S. 5f)
„Integration bedeutet auf jeden Fall nicht Assimilati- Hier zeigt das„Integrationsverständnis“ sein wahres
on, was die vollständige Anpassung an Bestehendes be- Gesicht: Angehörige bestimmter Kulturen bzw. Religi-
deuten würde und gleichzeitig dem Bestehenden Unver- onen30 haben demnach nicht nur das Problem der In-
änderbarkeit und Permanenz zuschriebe.“ (ibid. S. 2) tegration, sie sind das Problem!

70
8ung für Alle

Teilhabe in Vielfalt setzt Achtsamkeit heißt nicht dulden


Umdenken voraus Dagegen steht das Konzept der Achtsamkeit, das es
Ein solcherart eindimensionales Verständnis kann ermöglicht, die längst Realität gewordene Vielfalt
keineswegs zu einer Verbesserung des Zusammen- der österreichischen Wohnbevölkerung wahrzuneh-
lebens führen. Es ist daher hoch an der Zeit, diesem men und damit umzugehen. Diskriminierung und
überkommenen und falschen Integrationsbegriff eine Abschottung gegen alles „Nichtösterreichische“ oder
vernünftige Alternative entgegenzustellen. nicht  „Normale“ ist unerträglich, schädigt und hemmt
Im Gegensatz zu dem beschriebenen statischen die soziale Evolution in Richtung einer Gesellschaft,
„Wir und die Anderen“-Konzept, geht „Teilhabe“ von die mit den sich im Wandel befindlichen globalen
der Realität aus, dass die „Aufnahmegesellschaft“ be- ­Realitäten mithalten kann.
reits heterogen und dynamisch ist und der Prozess Die Entwicklung von Achtsamkeit für Verschie-
der Aufnahme von neuen Mitgliedern sich vorrangig denheit ist das Gebot der Stunde. Achtsamkeit be-
innerhalb und mit dieser vollzieht. Teilhabe verlangt deutet dabei nicht etwa ein hilfloses „tolerieren“ von
dabei keinesfalls die Homogenisierung dieser Ge- jedwedem Verhalten, sondern verlangt allen Betei-
meinschaft, wohl aber ein geteiltes Verständnis für di- ligten Neugier und Respekt ab. Das Ziel ist also kein
ese Teilhabe. teilnahmsloses Laisser-faire, das sich mit der bloßen
Das Gemeinsame dieser „Teilhabe-Gesellschaft“ Feststellung der Verschiedenheit begnügt oder Ver-
ist nicht eine imaginierte traditionell ethnisch- schiedenheit in jeder Hinsicht als unveränderlich und
religiös-kulturelle Basis, sondern die gemeinsame unantastbar hinnimmt. Im Gegenteil, Achtsamkeit be-
Verantwortung, in bestehenden Ordnungs- und deutet ein auch streitbares Eintreten für Selbstbestim-
Organisationseinheiten (Bund/Länder/Gemeinden/ mung und Chancengleichheit, sowie für Demokratie
Vereine/Unternehmen/Schulen) das Leben so ange- und Menschenrechte, ohne dabei „kulturelle“ oder
nehm, friedlich und erfolgreich wie möglich zu gestal- „traditionelle“ Ausflüchte gelten zu lassen.
ten. Kwame Anthony Appiah fasst diese Chance zu
Im Konzept der Teilhabe geht es vor allem darum, Recht als Glücksfall auf:
„Anders-Sein“ als Realität und Normalität anzuneh- „Zum Glück brauchen wir uns für keine der beiden
men – also gerade aus der realitätsfremden Voraus- Seiten zu entscheiden, weder für die Nationalisten, die
setzung der Homogenität der Gesellschaft auszu- alle Fremden ausschließen, noch für die hartgesottenen
brechen. Dies ist auch der Kern des so genannten Kosmopoliten, die Freunde und Mitbürger mit eisiger
„Diversity-“ oder „Diversitätskonzepts“. Das vorran- Unparteilichkeit betrachten. Die Position, die es wert ist,
gige Ziel hier ist es, die Identitätsanteile, die bisher verteidigt zu werden, könnte man einen partialen (parti-
die Trennlinien von Inklusion und Exklusion gebildet ellen und parteilichen) Kosmopolitismus nennen31.“
haben, in dieser Funktion abzuschwächen und einen Dieser Zugang wird zudem bedeutend erleichtert,
umfassenderen Blick auf die hier lebenden Menschen wenn man sich von der überheblichen Vorstellung
zu ermöglichen. verabschiedet, dass die genannten Werte rein „west-
Damit dieser Blick frei wird, gilt es noch etliche Bar- liche Erfindungen“ seien, deren Verständnis und
rieren wegzuräumen. Solange die Bevölkerung sich Einhaltung man nicht ohne weiteres von „Angehö-
selbst als mehrheitlich weiß, (männlich), deutsch- rigen anderer (nichtwestlicher) Kulturen“ verlangen
sprachig, katholisch, heterosexuell, zwischen 18 und könne32.
60 Jahre alt und nicht behindert imaginiert, werden Achtsamkeit ist daher notwendigerweise keine For-
alle Persönlichkeitselemente die nicht dieser idealty- derung, die bloß an die Angehörigen einer oder meh-
pischen „Normfigur“ entsprechen, überbewertet und rerer Gruppen gestellt wird, sondern muss von jedem
zur Einordnung der gesamten Person herangezogen. Mitglied der Gemeinschaft erwartet werden können.
Diese Elemente werden als „Abweichung“ empfun- Grundlage und Ziel zugleich dafür, dass das gesche-
den und bilden die Grundlage für Diskriminierungen hen kann, ist aber die verwirklichte Teilhabe aller – auf
und Anfeindungen. gleicher Augenhöhe – an dieser Gemeinschaft.

71
8ung für Alle

Eine Woche für Respekt und Toleranz im


Bezirk Feldbach im steirischen Vulkanland
25. Februar - 4. März 2007

Achtsamkeit im Umgang miteinander als Grundvo- Ein weiterer wichtiger Bestandteil von 8UNG FÜR
raussetzung für ein gedeihliches miteinander Leben ALLE war ein breit angelegtes Rahmenprogramm,
– das ist die Grundidee des 8UNG FÜR ALLE-Konzepts, das sich einerseits an die Kindergärten und Schulen
das ich im Rahmen meiner interkulturellen Beratungs- und andererseits an die gesamte Bevölkerung Feld-
ausbildung in Graz konzipiert habe. Einzelne Ge- bachs gerichtet hat. Hier konnten sich alle Menschen
spräche und Erlebnisse in meiner Arbeit mit Migran- aus Feldbach durch Vorträge, Diskussionen, Konzerte,
tInnenfamilien im Bezirk Feldbach haben mich für Feste, Kinovorführungen etc. auf unterschiedlichen
die Themen Vorurteile, Diskriminierung und fehlende Wegen mit den Themen „Fremd-Sein, Anders-Sein“
Chancengleichheit sensibilisiert. Als überzeugte Ver- auseinander setzen.
treterin eines modernen Diversitätsansatzes, der nicht
das „multikulturelle Nebeneinander“ predigt, sondern 8UNG FÜR ALLE hat viele
Unterschiede als positiven Motor für unsere Gesell- Menschen bewegt
schaft wertet, kam mir letztendlich im Rahmen eines
Sensibiliserungstrainings von ZARA die zündende Insgesamt haben über 10.000 FeldbacherInnen ak-
Idee zu 8UNG FÜR ALLE. tiv an 82 Veranstaltungen teilgenommen, d.h., fast
jede/r siebente FeldbacherIn nahm in der einen oder
8UNG FÜR ALLE bindet ALLE ein anderen Form an der 8UNG FÜR ALLE-Woche teil. Die
Projektwoche hat Herausforderungen aufgezeigt, Po-
Das offene Ohr des Bezirkshauptmanns Dr. Wilhelm tenziale sichtbar gemacht und bereits engagierte Ak-
Plauder, die inhaltliche Expertise von ZARA und die teurInnen aus unterschiedlichen Bereichen gestärkt
Kooperationsbereitschaft des Steirischen Vulkan- und vernetzt.
lands haben den Stein ins Rollen gebracht. In vielen Ich bin davon überzeugt, dass durch die hohe Qua-
Gesprächen haben sich immer mehr und mehr Men- lität und den differenzierten Zugang, der in den Trai-
schen und Organisationen für die Idee 8UNG FÜR nings vermittelt wurde, ZARA maßgeblich daran be-
ALLE begeistern lassen und so gelang eine breite teiligt war, dass Bewusstsein geschaffen wurde. Alle
Einbindung von vielen in das Projekt. Die 35 Koope- haben wir eine positive Welle ausgelöst. Basierend
rationsparnterInnen – von der Katholischen Frauen- auf den Erfahrungen und Ergebnissen der Projektwo-
bewegung bis zur Muslimischen Jugend und allen che ist ZARA gemeinsam mit mir als inhaltliches Pro-
parteilichen Jugendorganisationen – haben durch ihr jektteam weiterhin im Rahmen der Implementierung
aktives Mitwirken und Mittragen ausschlaggebend nachhaltiger Maßnahmen in der Region Steirisches
zum Gelingen des Projekts beigetragen. Das Land Vulkanland tätig.
Steiermark hat neben vielen regionalen Sponsorgel-
dern die Woche finanziell ermöglicht. 8UNG FÜR ALLE wurde ausgezeichnet
Zum diesjährigen Tag der Kinderrechte wurde ich
8UNG FÜR ALLE hat Programm für das Projekt 8UNG FÜR ALLE mit dem Steirischen
In 41 Trainings, die von erfahrenen ZARA-TrainerInnen Kinderrechtepreis TrauDI!2007 ausgezeichnet, der in
durchgeführt wurden, konnte eine große Bandbreite diesem Jahr unter dem Motto „Wir sind alle Kinder!“
an Zielgruppen erreicht werden – SchülerInnen und seinen Fokus auf den Schutz vor Diskriminierung ge-
VertreterInnen von Jugendorganisationen aller Al- richtet hat.
tersklassen, PädagogInnen, PfarrgemeinderätInnen Diese Annerkennung gibt Mut, dass 8UNG FÜR
und Priestern, PolizistInnen, BH-BeamtInnen und poli- ALLE nachhaltig das gedeihliche Zusammenleben si-
tischen EntscheidungsträgerInnen. Dabei ging es nicht chern wird können.
darum, bestehende Unterschiede zu verleugnen oder
„wegzureden“, sondern im Gegenteil gerade darum, Cornelia Schweiner
diese Unterschiede ansprechen zu können, bestehen- Initiatorin und inhaltliche Projektleiterin von 8UNG FÜR
de Vorurteile zuzugeben und dann erst gemeinsam zu ALLE, entwicklungspolitische Bildungsreferentin für
versuchen, aus einer „Wir und die Anderen“-Position Welthaus Graz, Pädagogin und Trainerin
zu einer gemeinsamen „Wir“-Vision zu kommen.

72
Der Rassismus Report als Bildungsmaterial

Wie kann ich den Rassismus Report


im Unterricht verwenden?

Über Rassismus zu reden ist eine Sache. Rassistische gentlich ist, den Begriff, die Ideologie, die dahinter
Diskriminierung in ihrer gesamten Dimension zu be- steht, zu klären. Eine universelle, letztgültige Definiti-
greifen eine andere. on gibt es wahrscheinlich nicht. ZARA hat sich einer
Eine bewusste Auseinandersetzung mit der ge- Arbeitsdefinition verpflichtet, die unter: http://www.
samtgesellschaftlichen Dimension von rassistischer zara.or.at/materialien/leitbild/ abrufbar ist und auf die
Diskriminierung und der Bedeutung von Diskriminie- in der pädagogischen Arbeit ebenso zurückgegriffen
rungen für das Alltagsleben einzelner Betroffener ist werden kann wie auf andere Definitionen, die auf wi-
die Basis dafür, Rassismus entgegenzutreten. Daher kipedia, in diversen Lexika oder einschlägigen Wer-
setzt auch hier der pädagogische Ansatz von ZARA ken zu finden sind. Diese stellen taugliche Diskussi-
an. Im Rahmen dieses Ansatzes ist eine Beschäftigung onsgrundlagen dar. Die Einzelfalldarstellungen des
mit der Realität von Rassismus in Österreich ein zen- Rassismus Reports können aber im viel wichtigeren 2.
trales Thema. Schritt einer Auseinandersetzung mit der Begrifflich-
Der Rassismus Report legt jährlich eine Sammlung keit von Rassismus eine Rolle spielen: Im Diskussions-
von rassistischen Einzelfalldarstellungen offen und prozess um das Finden einer eigenen Definition einer
liefert damit eine exemplarische Beschreibung von Gruppe, Schulklasse etc.
alltagsrassistischen Vorfällen in Österreich – nicht in
abstrakter Form, sondern konkret aus dem Alltag be- Moderationsvorschlag
richtet. Darüber hinaus macht der Report nachvoll- „Ausgestattet“ mit bereits bestehenden Definitionen auf
ziehbar, dass Alltagsrassismus, ganz vielen Menschen der einen Seite und der Realität von rassistischer Diskri-
passiert, die in Österreich ebenso ihren Alltag bestrei- minierung auf der anderen Seite in Form von Fällen aus
ten – wie Sie es tun. dem Rassismus Report, sollte eine eigene Definition er-
Ein Einsatz dieser Fallsammlung in der Bildungs- stellt werden, die den Stand des Diskussionsprozesses in-
arbeit hilft dabei, nicht zu sehr in der Theorie des nerhalb einer Gruppe abbildet und die Basis darstellt für
Themas Rassismus zu verharren, sondern einen kon- eine weitere Auseinandersetzung mit dem Phänomen
kreten Bezug zur Lebensrealität herzustellen. In un- Rassismus sowie ev. bei der Entwicklung möglicher Ge-
seren Workshops sind es immer die Einzelfälle, die er- genstrategien.
schrecken, die aufrütteln, die die Notwendigkeit, tätig
zu werden, vor Augen führen, die die verschiedenen Rassismus und Sprache
Dimensionen von Diskriminierung verstehbar ma-
chen und anhand deren mögliche Handlungsalterna- Sprache schafft Realität. Rassistische Beschimpfungen
tiven erarbeitet werden können. kommen in vielen Fällen vor; sie schaffen für die Be-
Die ZARA-TrainerInnen greifen auf diese Fälle mit schimpften eine feindliche und demütigende Atmo-
unterschiedlichen Zielsetzungen und Methoden zu. sphäre. Daher ist es wichtig, Bewusstsein dafür zu
Viele Lehrerinnen und Lehrer bestellen den Report in erzeugen, wie groß die Macht und wie hoch das Dis-
Klassenstärke, um damit zu arbeiten. Der vorliegende kriminierungspotenzial von Sprache ist.
Beitrag möchte eine Auswahl an Einsatzmöglich-
keiten für den Rassismus Report in der Bildungsarbeit Moderationsvorschlag
darstellen und damit motivieren, ihn auch tatsächlich Geben Sie den Auftrag, alle Beschimpfungen und ande-
zu verwenden. Denn je mehr Menschen über rassi- ren sprachlich diskriminierenden Äußerungen, die im
stische Diskriminierung, die von ihr ausgehende all- Rassismus Report (oder in einem Kapitel des RR) vorkom-
tägliche Bedrohung und die mögliche Handhabe ge- men, zu sammeln. Diskutieren Sie die Bedeutung der ver-
gen Rassismus vorzugehen, Bescheid wissen, desto wendeten (Schimpf-)Wörter sowie über deren Diskrimi-
mehr Menschen werden sich auch aktiv dagegen zur nierungsgehalt.
Wehr setzen. Wenn die Stimmung eher dahin tendiert, dass ein
paar Schimpfwörter ja wohl nicht so schlimm und kei-
Rassismus definieren ne „echte“ Diskriminierung wären, lassen Sie die Teil-
nehmerInnen ausprobieren, wie es sich anfühlt damit
Um über Rassismus reden zu können, ist es unter an- „benannt“ zu werden, indem Sie Ihnen auftragen, sich
derem wichtig herauszuarbeiten, was Rassismus ei- paarweise mit den gesammelten Wortmeldungen zu be-

73
Der Rassismus Report als Bildungsmaterial

schimpfen. Achten Sie darauf, dass die TeilnehmerInnen dungen bei ZARA beispielsweise sind eine wichtige Mög-
danach wieder gut „aus ihren Rollen aussteigen“, um kei- lichkeit etwas zu tun – und sie bewirken etwas, sie schaf-
ne bleibenden Beleidigungen zu riskieren. fen eine Öffentlichkeit, eine Aufmerksamkeit, vielleicht
Schließen Sie daran eine Reflexion über die Gefühle, einen Anlass über mögliche Strategien in ähnlichen Fäl-
die bei der Übung entstanden sind, an. len nachzudenken – und sie sind ein Signal an die, die
von Diskriminierungen betroffen sind, dass es nicht allen
Linktipp: Unter http://www.zara.or.at/materialien/ „wurscht“ ist, was ihnen widerfährt.
gleiche-chancen/elearning/hb/index.htm finden Sie
Hintergrundinformationen zu häufig verwendeten Linktipp: Unter http://www.filmproduktion.org/­
Begrifflichkeiten mit Diskriminierungsgehalt und Ant- zaraspots/ finden Sie 3 Werbespots für Zivilcourage,
worten auf die Frage, warum diese nicht verwendet die ungewöhnliche Formen der Intervention zeigen.
werden sollen auch „wenn’s nicht böse gemeint ist“.

Die Rolle von ZeugInnen Rechtliche Rahmenbedingungen


Ein Großteil der Fälle, die sich im Rassismus Report Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Her-
wiederfinden, wurde uns von ZeugInnen gemeldet, kunft, der Hautfarbe und/oder der Religion ist in Ös-
die rassistische Diskriminierungen beobachtet haben, terreich verboten. In welchen Fällen man sich dage-
die empört darüber sind und möchten, dass die Vor- gen tatsächlich rechtlich wehren kann, ist sowohl für
kommnisse öffentlich bekannt gemacht werden. Viele von Diskriminierungen bedrohte Personen als auch
beschränken ihre Intervention auf diese Meldung, für die, die ZeugInnen von Diskriminierungen werden
weil sie nicht eingreifen konnten oder wollten. Viele und einschreiten möchten, wichtig. Der Rassismus Re-
haben sich aber auch in der Situation eingemischt port enthält eine Rubrik „Die eigenen Rechte kennen“,
und versucht, die diskriminierende Handlung zu stop- in der anhand von realen Einzelfällen die Rechtslage
pen oder die Betroffenen dabei zu unterstützen, sich ebenso wie die möglichen Rechtsmittel Schritt für
dagegen zu wehren. Schritt erklärt werden.

Moderationsvorschlag Moderationsvorschlag
Wählen Sie 2-3 Fälle aus dem Rassismus Report aus, in Teilen Sie Ihre Gruppe in Kleingruppen, zu je 4–5 Per-
die ZeugInnen involviert waren. Teilen Sie diese aus oder sonen. Konstruieren Sie Fälle von Diskriminierungen
präsentieren Sie sie und stellen Sie folgende Fragen zur oder wählen Sie passende aus dem Rassismus Report
Diskussion: aus und händigen Sie jeder Gruppe einen Fall aus. Er-
• Hätten Sie ebenso gehandelt? teilen Sie Ihren TeilnehmerInnen/SchülerInnen den Auf-
• Haben Sie schon einmal eine ähnliche Situation als trag zu analysieren, ob es sich in „ihrem“ Fall um eine
ZeugIn erlebt? Diskriminierung handelt, wenn ja um welche, ob diese
• Haben Sie etwas getan, wenn ja, was, wenn nein, wa- rechtlich verboten ist und welche konkreten Schritte un-
rum nicht? ternommen werden müssten/könnten, um dagegen vor-
• Haben Sie schon einmal eine ähnliche Situation als Op- zugehen. Als Arbeitsbehelf kann dazu der Rassismus Re-
fer erlebt? Was hat oder hätte Ihnen geholfen? port herangezogen werden.
• Welche anderen Handlungsmöglichkeiten fallen Ihnen Die Gruppenergebnisse werden im Plenum präsen-
ein? tiert und einer Diskussion unterzogen.

Empfehlenswert ist es, die TeilnehmerInnen/Schüle- Ein Einsatz des Rassismus Reports als Bildungsmateri-
rInnen in einem ersten Schritt allein über die Fragen al erfolgt im Idealfall im Rahmen einer umfassenden
nachdenken zu lassen, sie dann in Kleingruppen zu Beschäftigung mit den Themen Rassismus/Diskrimi-
einem Austausch ihrer Gedanken und Erfahrungen auf- nierung und Zivilcourage. Im Rahmen von pädago-
zufordern und dann im Plenum der Möglichkeit einer gischen Schwerpunktsetzungen oder Unterrichtspro-
Reflexion über typische Verhaltensmuster, Bedürfnisse, jekten bieten wir zur Unterstützung Workshops an,
Handlungsfaktoren etc. Raum zu lassen. Informationen zu unserem Angebot finden Sie unter:
Sammeln Sie anschließend mögliche Handlungs- http://www.zara.or.at/trainings/module/.
strategien, versuchen Sie gemeinsam herauszuarbeiten,
welche Rahmenbedingungen aktives Einschreiten er- Linktipp: Unter http://www.zara.or.at/trainingslitera-
leichtern, welche nicht, was der betroffenen Person wirk- tur/ finden Sie eine Literatur- und Materialienliste zur
lich hilft. Es soll klar gemacht werden, dass es viele un- methodischen und inhaltlichen Unterstützung.
terschiedliche Möglichkeiten der Intervention gibt, dass
diese situations- aber auch typ- und „tagesverfassungs“- Katrin Wladasch
abhängig sind und dass auch nicht so spektakuläre Juristin, Politologin, Trainerin und Vorstandsmitglied
Handlungsalternativen wichtig und sinnvoll sind. Mel- von ZARA

74
Glossar

Glossar

Belästigung Diversion und außergerichtlicher


Belästigung stellt immer dann eine Form der Diskri- Tatausgleich
minierung dar, wenn eine Person aufgrund eines Unter Diversion versteht man die Möglichkeit, auf
oder mehrerer spezieller Merkmale, die diese Person die Durchführung eines förmlichen gerichtlichen
aufweist (etwa ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Strafverfahrens zu verzichten. Nach Erledigung di-
Geschlechts oder aufgrund ihrer sexuellen Orientie- versioneller Maßnahmen, die nur mit Zustimmung
rung…), belästigt wird und die Belästigung als solche der einer bestimmten Straftat verdächtigten Person
diese Person in ihrer Würde verletzt. durchgeführt werden können, wird das Strafverfah-
ren endgültig eingestellt und der/die Betroffene gilt
Bezirksverwaltungsbehörde weiterhin als unbescholten. Zur Diversion gehören
der außergerichtliche Tatausgleich (ATA), das Gewäh-
Die Bezirksverwaltungsbehörden (BVB) sind grund- ren einer Probezeit, die Verrichtung gemeinnütziger
sätzlich die Bezirkshauptmannschaften oder das Ma- Leistungen oder die Bezahlung eines Geldbetrages
gistrat (in Städten mit eigenem Statut – in Wien über- durch die verdächtige Person. Der außergerichtliche
nehmen die einzelnen Magistratischen Bezirksämter Tatausgleich wird vom Verein Neustart durchgeführt,
diese Aufgabe), manche BVB-Agenden werden auch wo SozialarbeiterInnen im Falle eines ATA einen Aus-
von den Bundespolizeidirektionen übernommen, so- gleich zwischen Opfer und TäterIn mittels Mediation
weit der Sachverhalt in deren örtlichen Wirkungsbe- ermöglichen sollen. Dies kann auch eine Schadens-
reich fällt. Die Bezirksverwaltungsbehörden sind ge- wiedergutmachung und eine schriftliche Regelung
nerell zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen in für den zukünftigen Umgang (zwischen Opfer und Tä-
erster Instanz zuständig. terIn) beinhalten. Der/die Geschädigte muss dem ATA
aber ebenfalls ausdrücklich zustimmen.
Beweislasterleichterung/
Beweislastumkehr Drittstaatsangehörige
Wie in jedem Verfahren ist es letztlich eine Frage der Drittstaatsangehörige sind Angehörige von Staaten,
Beweise und der Glaubwürdigkeit, wem ein Gericht die nicht Vertragspartei des Abkommens über den
oder eine Behörde zuspricht, im Recht zu sein. Gera- Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind. Zum EWR
de im Bereich der Arbeitsverhältnisse und umso mehr zählen alle EU-Mitgliedstaaten, Island, Liechtenstein
im Diskriminierungsbereich herrscht aber oft ein un- und Norwegen.
gleiches Kräfteverhältnis. Der/die ArbeitnehmerIn ist
oft in einer schwächeren Position, sowohl im Hinblick Gleichbehandlungsanwaltschaft
auf die wirtschaftliche Kraft als auch die „Nähe zum
Beweis“. Diesem Umstand wird im Bereich des Arbeits- Seit Jänner 2005 gibt es neben der Anwaltschaft für
rechts ebenso Rechnung getragen wie im Rahmen die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in
der Gleichbehandlungsgesetzgebung. Europäischen der Arbeitswelt auch jeweils eigene Gleichbehand-
Vorgaben entsprechend sollte hier eine deutliche lungsanwaltschaften für die Gleichbehandlung der
Verschiebung der Beweislast hin zum/zur Beklagten anderen geschützten Gruppen in der Arbeitswelt
stattfinden, der sie sich bei glaubhaft vorgebrachten sowie für den Bereich rassistischer Diskriminierung
Vorwürfen freibeweisen müsste. In Österreich ist di- in sonstigen Bereichen. Die drei AnwältInnen für
ese Vorgabe nicht in letzter Konsequenz umgesetzt, Gleichbehandlung werden von dem/der Bundesmi-
was eine etwas komplizierte und nicht sehr praktika- nisterIn für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst
ble Konstruktion mit sich bringt. So ist ein Verfahren bestellt. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW)
einzuleiten, wenn der/die BeschwerdeführerIn/ Klä- ist unter anderem zuständig für die Beratung von
gerIn glaubhaft einen Fall von Diskriminierung vor- Diskriminierung Betroffenen und kann Studien zur
bringt; es ist dann zu beenden, wenn der/die Beklagte Diskriminierungssituation in Österreich sowohl in
beweist, „dass es bei Abwägung aller Umstände wahr- Auftrag geben als auch selbst erstellen. An die GAW
scheinlich ist, dass ein anderes vom/von der Beklag- herangetragene Fälle können von dieser der Gleich-
ten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschied- behandlungskommission zur Begutachtung vorge-
liche Behandlung ausschlaggebend war“. legt werden.

75
Glossar

Gleichbehandlungskommission sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Errei-


chung dieses Ziel angemessen und erforderlich.
Die Gleichbehandlungskommission (GBK) setzt sich
aus drei Senaten zusammen, die aus ehrenamtlich
tätigen RepräsentantInnen von Ministerien und So- Unabhängiger Verwaltungssenat
zialpartnerorganisationen bestehen, und die im Bun- Die unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) der Län-
deskanzleramt angesiedelt sind. Die Senate der GBK der sind unter anderem für Berufungen gegen Stra-
haben sich in ihrem Zuständigkeitsbereich mit allen ferkenntnisse bei Verwaltungsübertretungen und
die Diskriminierung betreffenden Fragen zu befas-
für Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer
sen. Sie sind insbesondere zuständig dafür, Gutach-
verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsge-
ten über allgemeine Fragen zur Diskriminierung zu
walt (UVS-Beschwerden gegen PolizeibeamtInnen)
verfassen sowie in Einzelfällen auf Antrag der Gleich-
zuständig. Die UVS sind weisungsfreie Behörden an
behandlungsanwaltschaft oder von Interessenvertre-
denen unabhängige UVS-RichterInnen entscheiden.
tungen Gutachten über etwaige Verletzungen des
Sie erlassen letztinstanzliche Entscheidungen, die auf
Gleichbehandlungsgebotes zu erstellen. In diesen für
dem ordentlichen Rechtsweg nicht mehr bekämpft
die betroffene Person kostenfreien Verfahren haben
werden können. Eine Anrufung der Höchstgerichte
die GleichbehandlungsanwältInnen ebenso Partei-
(Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof ) ist aber
stellung wie die Opfer selbst, die sich dabei aber auch
möglich.
von Personen ihres Vertraues, wie z.B. VertreterInnen
von Nichtregierungsorganisationen wie ZARA, vertre-
ten lassen können. Ergebnis eines solchen Verfahrens Unmittelbare Diskriminierung
vor der Kommission ist ein Gutachten, das im Gegen-
Eine Unmittelbare Diskriminierung liegt dann vor,
satz zu einem gerichtlichen Urteil jedoch keine recht-
wenn eine Person aufgrund eines bestimmten Merk-
liche Bindungswirkung hat.
mals (z.B. aufgrund ihrer Hautfarbe oder ethnischen
Herkunft, einer Behinderung, ihres Geschlechtes etc.)
Klagsverband in einer vergleichbaren Situation eine weniger gün-
stige Behandlung erfährt, als eine andere Person er-
Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von
fährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Diskriminierungsopfern (KlaV – http://www.klags-
verband.at) wurde 2004 als Dachverband von NGOs
gegründet, die bereits in der Bekämpfung von Diskri- Viktimisierung
minierungen und der Beratung von Diskriminierungs-
Unter Viktimisierung wird eine Benachteiligung von
opfern tätig waren. Heute gehören dem KlaV eine
Personen verstanden, die in einen Fall von Diskrimi-
Reihe von NGOs an, die sich mit Diskriminierungen
nierung entweder als Betroffene oder als ZeugInnen
aus den unterschiedlichen Bereichen befassen (z.B.
insofern involviert waren, als sie den Fall aufgedeckt
ZARA, Bizeps, HOSI Wien, u.a.). Der Klagsverband ist
oder angezeigt haben oder für den/die Betroffene/n
hauptsächlich als beratendes Organ gegenüber den
Stellung bezogen haben.
Mitglieder-NGOs und deren MandantInnen sowie in
Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission
tätig (in der Funktion als Fachperson mit beratender Bundesamt für Verfassungsschutz und
Stimme). Durch die ihm in § 62 Gleichbehandlungs- Terrorismusbekämpfung
gesetz (GlBG) eingeräumte Möglichkeit, für Personen
in einem gerichtlichen Verfahren als Nebeninterveni- Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terroris-
ent einzuschreiten, begleitet der KlaV die Opfer einer musbekämpfung (BVT) ist eine im Bundesministeri-
mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung auch um für Inneres angesiedelte Sicherheitsbehörde, der
durch den Prozess. unter anderem die Bekämpfung extremistischer und
terroristischer Phänomene obliegt. Das Bundesamt
und die ihm unterstehenden Landesämter beobach-
Mittelbare Diskriminierung
ten daher auch die rechtsextreme Szene in Österreich
Eine mittelbare Diskriminierung liegt dann vor, wenn und ermitteln bei Verstößen gegen das Verbotsgesetz
dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien durch Wiederbetätigung im nationalsozialistischen
oder Verfahren Personen, die bestimmte Merkmale auf- Sinn.
weisen (z.B. Hautfarbe, Behinderung, ethnische oder
nationale Herkunft, Weltanschauung etc.) gegenüber Privatbeteiligung im Strafverfahren
anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen
können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kri- Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen er-
terien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel folgt grundsätzlich auf dem Zivilrechtsweg mit Ko-

76
Glossar

stenrisiko für diejenige Person, die die Klage ein- Forum gegen Antisemitismus
bringt. Eine durch eine Straftat geschädigte Person
Das Forum gegen Antisemitismus (http://www.fga-
kann den Ersatz eines Schadens (z.B Schmerzengeld
wien.at) ist ein Verein mit Sitz in Wien. Es dokumentiert
bei Körperverletzung) von dem/der TäterIn bereits im
antisemitische Übergriffe, bietet Opfern einschlägiger
Strafverfahren begehren, ohne hierfür das Kostenri-
Vorfälle Beratung und informiert über Antisemitismus
siko tragen zu müssen. Der/die RichterIn kann (aber
in Österreich.
muss nicht) Privatbeteiligten bei Verurteilung des/der
Täters/Täterin den zuvor vom Opfer zu beziffernden
Schadenersatz ganz oder teilweise zusprechen. Das Büro für besondere Ermittlungen Wien
Opfer erspart sich somit im Idealfall einen kosten- und
Das direkt dem Wiener Polizeipräsidenten unterstell-
zeitintensiven Zivilprozess und erhält rasch eine fi-
te Büro für besondere Ermittlungen (BBE) ist für Miss-
nanzielle Entschädigung.
handlungsvorwürfe gegen PolizistInnen zuständig. Es
muss innerhalb von 24 Stunden die Verdachtsfälle un-
Weißer Ring tersuchen und an die Staatsanwaltschaft weiterleiten.

Der Weiße Ring (http://www.weisser-ring.at) ist eine


private, politisch unabhängige und gemeinnützige Unabhängiger Bedienstetenschutzbeauf-
Organisation, die Verbrechensopfern unentgeltliche tragter
Unterstützung anbietet. Diese besteht vor allem in
der rechtlichen Unterstützung in Gerichtsverfahren Der Unabhängige Bedienstetenschutzbeauftragte
(insb. der Privatbeteiligtenvertretung im Strafverfah- leitet seit In-Kraft-Treten des Wiener Antidiskriminie-
ren gegen den/die TäterIn) und der psychosozialen rungsgesetzes die Stelle zur Bekämpfung von Diskri-
minierungen. Sie richtet sich an Bedienstete der Stadt
Betreuung von Verbrechensopfern.
Wien. Jede Person, die der Meinung ist, sie sei durch
eine Bedienstete oder einen Bediensteten der Stadt
Dokumentationsarchiv des österrei- Wien in Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit diskri-
chischen Widerstandes miniert worden, kann sich ebenfalls dorthin wenden.

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Wi-


Verbandsklage
derstandes (DÖW – http://www.doew.at) ist eine Stif-
tung, die von der Republik Österreich, der Stadt Wien Als Verbandsklage wird eine Klage einer Organisati-
und dem Verein Dokumentationsarchiv getragen on/Interessenvertretung verstanden, mit der die Ver-
wird. Es ist eine wissenschaftliche Institution, die sich letzung der Rechte von Einzelpersonen bekämpft
unter anderem mit den Themen Widerstand während wird, ohne dass sich diese in einem kosteninten-
der NS-Zeit, NS-Verbrechen, Holocaust, Restitution siven Verfahren selbst an die Gerichte wenden müs-
und Rechtsextremismus nach 1945 auseinandersetzt. sen. Die gerichtliche Entscheidung wirkt dann für alle
Die MitarbeiterInnen des DÖW sammeln aktuelle Fäl- Personen, in deren Rechte durch den/die Beklagte/n
le rechtsextremer Übergriffe, werten diese aus und in- eingegriffen wurde. Das österreichische Recht kennt
formieren in verschiedenen Medien und eigenen Pu- Verbandsklagen bereits im Bereich des Konsumen-
blikationen über die Entwicklung der rechtsextremen tenschutzrechts, nicht aber im Bereich des Gleichbe-
Szene in Österreich. handlungsrechts.

"LEIBERECHTJETZT
3CHLUSSMITDER!BSCHIEBUNGLANGJËHRIGINTEGRIERTER-ENSCHENUND
&AMILIEN MITDEM!USEINANDERREI”ENVON&AMILIENODERDEM:URàCKSCHIEBEN
VON+INDERNINEINEh(EIMATv DIESIENOCHNIEGESEHENHABEN

7ERSICHIN«STERREICHINTEGRIERTHATUNDSEIT*AHRENHIERLEBT
SOLLAUCHHIERBLEIBENDàRFEN

WWWDAHAMISDAHAMAT 
Eine Initiative der Sozialistischen Jugend
gegen braunen Mief und rechte Rülpser:

DEN RECHTEN DIE

ZÄHNE
ZEIGEN
www.sjoe.at
www.profil.at abo service: 01/95 55 -100

Sie haben sich angepasst und sehen


fast so aus wie wir – nur schöner.
WISE GUYS
„Das fremde Wesen“

79
rechtzeitig Wien hat das Mehr.
Und Tipps für ein gesundes Frühjahr

1.Iss dich g’sund!


Viele Kilos auf der Waage! Ich füh
l’
mich schlapp! Ab morgen auf dem
rn-
Speiseplan: Obst, Gemüse, Vollko
ide!
brot, Fisch!!! Ernährungspyram
ien.at
Rezepte: www.lebensmittel.w

ly:
Ges und hei tss tad trät in Son ja We hse

wirklich an!
Da fang’ ich aber Wien hilft beim
Gesundbleiben
Weg damit!!!
Jetzt wird’s
klappen! Fotos: Christian Pichler, Corbis, Illustration: Tim Maresch

2.Tschik ade!
Weg vom Glimm
stängel! Wie oft
hon vorgehabt!
habe ich das sc
erpflaster? Aku-
Hypnose? Rauch
ag’ ich mal bei
punktur? Jetzt fr
tung nach!
der Raucherbera
013
Telefon 081 08 10
WERBUNG – PID-Wien

3.Kostenlose Infos
Broschürenpake
t mit sieben

Neue Broschüren
Info-Foldern be
stellen:
beim wien.at-Clu
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01/277 55 22
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nitzg
W i e
ke
Lin

Kau
U3>Neubaugasse, U4>Kettenbrückengasse sowie 57A und 13A.

ZARA – Beratungsstelle für Opfer und


ZeugInnen von Rassismus
Das Team der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen
von Rassismus ist für Terminvereinbarungen erreichbar:

Mo - Mi 10-18 Uhr und Do 11-19 Uhr

Luftbadgasse 14–16 T: (01) 929 13 99 office@zara.or.at


A–1060 Wien F: (01) 929 13 99–99 www.zara.or.at

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