AKTUELL ❚ POLITIK

Outing weiter tabu?

Amerell-Skandal behindert den Kampf gegen Homophobie im Fußball
Intime Emails gleich reihenweise
bei "Kerner" verlesen, eine Klage
gefolgt von Gegenklagen, die Kar-
rieren eines hohen Funktionärs
und mindestens eines jungen
Schiedsrichters, vielleicht noch
drei weiterer Kollegen dazu ver-
nichtet und ein mit dem Krisen-
management hoffnungslos über-
fordert scheinender Verband,
dessen Präsident gar den Ver-
gleich zu den Missbrauchsfällen
in der katholischen Kirche nicht
scheute. Den Skandal um den
ehemaligen Schiedsrichter-Funk-
tionär Manfred Amerell und den
Referee Thomas Kempter zu ver-
folgen, bedurfte es schon hoher
Konzentrationsfähigkeit.
Egal ob der heute 63-jährige
mit dem 27-jährigen eine einver-
nehmliche Beziehung unterhielt
oder nicht - den Bemühungen
von DFB-Präsident Theo Zwan-
ziger, ein offenes Klima für
Homosexualität im Fußball zu
schaffen, leisteten die turbu-
lenten Ereignisse und deren
verdruckster Umgang seitens
des DFBs einen Bärendienst.
Zu heiß schien das Eisen, dass
sich auch der Zusammenschluss
der schwul-lesbischen Fanclubs
daran lieber nicht die Finger ver-
brennen mochte: man bedauere
Delnef vom Sprecherrat der
Queer Football Fanclubs (QFF).
"Zu diesem Thema werden wir
keine Stellungnahme abgeben,
da keiner weiß, was denn nun
wirklich vorgefallen ist."
"Angst, ich würde die
vernaschen"
Immerhin wurde der Fokus ver-
breitert, den nicht nur Kicker
fürchten: das Outing. Offen
schwul zu sein, trauen sich ledig-
lich Schiedsrichter aus Amateur-
Ligen, etwa Hans-Jürgen Gur-
towski, der in der Bremer
Verbandsliga und der Nieder-
sachsenliga pfeift. Mit 40 outete
sich der Referee nach 19 Jahren
Dienst. Später habe er "erfahren,
dass man mir keine jungen Assis-
tenten mehr an die Seite stellen
wollte, weil man Angst hatte, ich
würde die vernaschen. Aber
davon ist man schnell wieder
abgerückt", erzählte er der "taz".
"Auf dem Platz habe ich keine
negativen Reaktionen erlebt, die
meisten wissen das ja auch gar
nicht." Doch ein Outing unter
Profis sei noch undenkbar, glaubt
Gurtows-ki: "In Stadien mit zig-
tausend Zuschauern wäre der
Druck zu stark." Hier werde
Spiel- und Schiedsrichteraus-
schüssen homosexuelle Mitglie-
der, die das aber nicht bekannt
machen."
Im allgemeinen Tohuwabohu
sah sich Alt-Größe Rudi Assauer
bemüßigt, im Interview mit dem
Kölner "Express" Grundsätzli-
ches beizusteuern. Die Amerell-
Affäre "schadet dem deutschen
Fußball, diese Sache wird in die
Annalen eingehen. Und es wird
bei diesem Rosenkrieg keinen
Gewinner, sondern nur Verlierer
geben", so der Ex-Manager von
Schalke 04. Einem schwulen
Masseur habe er in seiner Zeit
bei Werder Bremen geraten, sich
einen anderen Job zu suchen, so
würde er - bei allem Respekt für
ihren Mut - auch bei jedem Profi-
Kicker vorgehen. "Weil die, die
sich outen, plattgemacht werden.
Von ihren Mitspielern und von
den Leuten im Stadion. Diese
Hetz-Jagd sollte man ihnen er-
sparen."
"Einer von 11 ist schwul"
"Homosexualität und Fußball
sind kein Widerspruch", betonte
dagegen Markus Delnef vom
QFF, auch aus eigener Erfahrung.
"Es kann keine Rede davon sein,
weiter tabuisiert wird. Nur ein
unverkrampfter Umgang ohne
Versteckspiel wird dazu führen,
dass alle Menschen Spaß am
Fußball haben - egal welche sexu-
elle Orientierung sie haben."
Dazu müssten Theo Zwanziger
und die oberen Funktionäre den
schönen Worten konkrete Taten
folgen lassen, findet der Schieds-
richter Hans-Jürgen Gurtowski:
"Der DFB muss von den Verbän-
den verlangen, dass sie nachwei-
sen, was sie gegen Homophobie
unternehmen."
Der Fußball-Verband Mittel-
rhein ging schon mit gutem
Beispiel voran. Am 18. März
veranstaltete er einen ersten The-
menabend gegen Homophobie
vor allem im Amateurbereich
unter dem durchaus provokant
gemeinten Titel "Einer von 11 ist
schwul". Weitere Aktionen sollen
folgen. Zunächst solle damit ein
tolerantes Klima für alle Ama-
teure geschaffen werden, so
Präsidiumsmitglied Jan F. Orth
im "Kölner Stadt-Anzeiger" vorab.
"Wenn es uns damit gelingt, auch
für Profis, die ganz unterschied-
liche Probleme zu bewältigen
hätten, eine Signalwirkung zu
schaffen, wäre das ein weiterer
wichtiger Schritt." Zu diesem

es sehr, "dass es bei dem Thema
Homosexualität und Fußball
momentan fast nur um eine Be-
ziehungssache zwischen zwei
Schiedsrichtern geht", so Markus
FOTO: Randee St Nicholas
Schwulsein noch immer mit
Schwäche gleichgesetzt. Das
zieht sich rauf bis in die höchs-
ten Führungsetagen, weiß er: "Es
gibt auch in den Vorständen oder
dass Homosexuelle von den Leu-
ten im Stadion" ‚plattgemacht'
würden. Herr Assauer trägt mit
seinen Äußerungen dazu bei,
dass Homosexualität im Fußball
Foto: piripi/Photocase
Zeitpunkt müsse er es sich
"schon genau überlegen", ob er
einem Profi zum Coming-out
rate. "In einigen Monaten sieht
das hoffentlich anders aus." (to)

Nothing But Love World Tour 2010

12.5. BERLIN O 2 WORLD
13.5. LEIPZIG ARENA
16.5. HANNOVER TUI ARENA
17.5. HAMBURG COLOR LINE ARENA
21.5. MÜNCHEN OLYMPIAHALLE
22.5. STUTTGART SCHLEYERHALLE
26.5. OBERHAUSEN ARENA
27.5. NÜRNBERG ARENA
29.5. MANNHEIM SAP ARENA
31.5. FRANKFURT FESTHALLE

DAS NR.-1-ALBUM W W W.W HITN E Y H O US TO N .CO M W W W . P R K N E T. D E

ÜBERALL IM HANDEL

A PRESENTATION IN ASSOCIATION WITH AND

"Öffnet die Standesämter!"
In Baden-Württemberg hat man noch ganz andere Sorgen...
An vielen Orten in Baden-
Württemberg bleiben die Standes-
ämter für schwule und lesbische
Paare geschlossen. So auch in
Karlsruhe, wo es am 24. April
eine große Demo gegen die Dis-
kriminierung geben soll. Wir
sprachen mit Organisator Wolf-
gang Schneider, Vorstandsmit-
glied bei Schwung Karlsruhe.
schen Eheschließungen und der gab-Magazin: Eure Demonstra-
Eintragung von Lebenspartner- tion am 24. April geht also alle
schaften im Vollzug erkennbar Schwulen und Lesben im Land
werden zu lassen. Er hat sich etwas an?
alle Stimmen zum Antrag ange- Wolfgang Schneider: Ja. Alle
hört und dann erklärt, er halte Lesben und Schwulen in Karls-
sich an das "Gesetz". Er halte es ruhe, Baden-Württemberg und
nicht für nötig, etwas zu ändern, ganz Deutschland. Und alle, die
und eine Abstimmung käme sich für weniger Diskriminierung
nicht in Frage. einsetzen wollen.

gab-Magazin: Der Karlsruher
CDU-Oberbürgermeister Heinz
Fenrich hat im Januar einen
Antrag zur Öffnung des Standes-
amtes für Lebenspartnerschaften
nicht zur Abstimmung zuge-
lassen, obwohl es im Gemeinde-
rat eine Mehrheit dafür gegeben
hätte. Warum?
Wolfgang Schneider: Herr Fen-
rich argumentiert hier mit einer
Vorgabe des Landes Baden-
Württemberg. Diese weist die
unteren Verwaltungsebenen an,
einen klaren Unterschied zwi-
gab-Magazin: Liegt der Fehler gab-Magazin: Wie groß ist eure
also beim Bürgermeister oder bei Hoffnung, bald doch noch auf
der Landesregierung? dem Karlsruher Standesamt hei-
Wolfgang Schneider: Bei bei- raten zu dürfen?
den. Die Vorgabe des Landtags Wolfgang Schneider: Herr Fen-
erlaubt, ja fordert sogar, hier rich wird noch mindestens bis
eine Diskriminierung von homo- 2013 im Amt sein. Und wir kön-
sexuellen Paaren. Unser OB nutzt nen uns erinnern, wie viele Jahre
dies aus, um an seinem konser- dieses Thema den CSD Stuttgart
vativen Familienbild fest zu begleitet hat. Es wird sich also
halten. Streng genommen ist so- die Meinung von Herrn Fenrich
gar die Bundesregierung schuld, vermutlich nicht gleich nach
die im Lebenspartnerschafts- unserer Demo ändern. Ich denke
gesetz die Länderöffnungsklausel aber, wir werden unser Bestes
untergebracht hat. geben, die Diskussion am Laufen
zu halten und das Bewusstsein
in der Öffentlichkeit zu stärken.
Vielleicht wird es dann ja 2013
par tnerrings
Illustration: Meph666/Schwung Karlsruhe

ein anderer Kandidat in Karlsruhe

schaffen, OB zu werden. Hoffent-
lich ein homofreundlicher! (cd)
Demo am 24. April, Start um 14 Uhr am
Ökumeneplatz, Karlsruhe; abends ab 20
Uhr 180°-Party im AKK mit "But Not Grey"
(21 Uhr) und DJ Novonic (23 Uhr),
schwung-karlsruhe.de/demo
TeNo Partnerringe. Mehr als
Schmuckstücke. Ausdruck eines
gemeinsamen Lebensgefühls.
Qualität mit einem Hauch von
Ewigkeit. Made in Germany.

News
Mehr Touris
Frankfurt - Die Tourismus und Congress
GmbH der Stadt Frankfurt wird in Zukunft
mit einem eigenen City Guide die schwul-
lesbische Szene Frankfurts bewerben.
Grünen-Abgeordnete Manuel Stock lobt
die Entscheidung: "Das Werben um
schwule und lesbische Gäste geht einher
mit einer aktiven Politik für die Belange
von Lesben und Schwulen". Seine Partei
hatte bereits 2005 entsprechende Werbe-
maßnahmen beantragt.
Homo-Ansprechpartner
bei Hessens Polizei
Wiesbaden - Ende Januar hat das hessi-
sche Innenministerium per Erlass verfügt,
dass künftig das Landeskriminalamt, alle
hessischen Polizeipräsidien, die Polizei-
akademie und die Verwaltungsfachhoch-
schule der Polizei einen Ansprechpartner-
oder -partnerin für gleichgeschlechtliche
Lebensweisen einzurichten haben. Peter
Jüngling, Vorsitzender des Verbandes les-
bischer und schwuler Polizeibeschäftigter
(VelsPol) in Hessen, begrüßte in einer Entscheidung wird im Laufe des Jahres
Pressemitteilung diesen Schritt ausdrück- erwartet.
lich. Die neuen Ansprechpartner sollen
aber nicht nur Kollegen bei Diskriminierung Neue Wirtschaftsweiber
am Arbeitsplatz helfen, sondern allgemein Berlin - Das Netzwerk lesbischer Fach-
allen Opfern homophober Gewalt zur Seite und Führungskräfte Wirtschaftsweiber e.V.
stehen. Nach Berlin, Hamburg, Nieder- hat bei seiner Mitgliederversammlung einen
sachsen und Nordrhein-Westfalen, ist neuen Bundesvorstand für zwei Jahre
Hessen laut Jüngling das fünfte Bundes- gewählt. Die neuen vier Vorstandsfrauen
land, das entsprechende Polizeirichtlinien sind Petra Paschek, von Beruf Finanzbe-
bisher herausgegeben hat. Vorbildlich: bei raterin, Dr. Ursula Blaum, selbstständige
der Frankfurter Polizei gibt es bereits seit Anästhesistin, Mercedes Rodriguez Garcia-
mehreren Jahren Ansprechpartner für Guiterrez, freiberufliche Vermögensbe-
Lesben und Schwule. raterin und Dr. Beate Tyralla, Fachärztin
für Labormedizin. Der neue Vorstand
Mehr Gleichberechtigung möchte aus seinen verschiedenen berufli-
Wiesbaden - Nachdem Ende 2009 chen Positionen und politischer Erfahrung
nach langen Verhandlungen die Landes- schöpfen und bei dem Lesben-Netzwerk
ärztekammer Hessen beschlossen hat, "Bewährtes fortführen sowie neue Impulse
im Bereich der Hinterbliebenenversor- setzen." Der Verein Wirtschaftsweiber e.V.
gung die Lebenspartnerschaft mit der wurde 1999 in München als bundesweites
Ehe gleich zu stellen, zieht nun auch die Netzwerk lesbischer Frauen gegründet
kassenärztliche Vereinigung Hessen nach und setzt sich in seinen neun Regional-
und diskutiert eine entsprechende Ände- gruppen für mehr lesbisches Selbst- Hasengasse 9 · 60311 Frankfurt (neben
rung ihrer Grundsätze für die Altersver- bewusstsein und Gleichberechtigung im der Kleinmarkthalle) Tel. 069 - 283519
sorgung niedergelassenen Ärzte. Eine Arbeitsalltag ein. (bjö/cos)
Marktplatz 14 · 63619 Bad Orb
Tel. 06052 - 6446 · www.goldpavillon.de

www.TeNo.de