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Vorwort S. 9
Everton Altmayer
Brasilianisch-österreichische Doppelstaatsbürgerschaft
in Dreizehnlinden: Eine positive Realität. S. 13
Norbert Rasch
Doppelte Staatsbürgerschaft der Deutschen in Schlesien (Polen). S. 19
Roza Hovhannesyan
Doppelte Staatsbürgerschaft für die armenische Diaspora. S. 25
Koloman Brenner
Minderheitenrechte der deutschen Minderheit
in Ungarn – ohne doppelte Staatsbürgerschaft. S. 33
Maurizio Tremul
Die Wiedererlangung der italienischen Staatsbürgerschaft
für die Angehörigen der italienischen Minderheit
in Kroatien und Slowenien. S. 39
Julijan Čavdek
Die doppelte Staatsbürgerschaft
als Mittel zur nationalen staatsgrenzenübergreifenden
slowenischen Einheit. S. 47
Ernő Fancsali
Doppelte Staatsbürgerschaft
am Beispiel der ungarischen Gemeinschaft in Siebenbürgen. S. 55
Daniel Turp
Die doppelte Staatsbürgerschaft als Mittel zum Schutz von
Minderheiten nach europäischen und internationalen Standards. S. 59
Jan Diedrichsen
Neue Zeiten im Norden:
Dänemark ermöglicht doppelte Staatsbürgerschaft. S. 65
Andrea Carteny
Zugänge zu doppelten Staatsbürgerschaften in den Donauregionen:
Die Fälle Slowakei, Rumänien und Moldawien. S. 71
Franz Watschinger
Die Umsetzung der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler
im österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz. S. 87
ISBN: 978-88-97053-47-7
Vorwort
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Vorwort
Aus den meisten Beiträgen geht hervor, dass die doppelte Staats-
bürgerschaft EU-weit und darüber hinaus weltweit mitunter ein
gängiges Modell ist, das mittlerweile vielfach als Selbstverständ-
lichkeit wahrgenommen wird. Die Gründe, warum eine zweite
Staatsbürgerschaft in diesen Ländern möglich ist, sind natürlich
vielfältig und nicht immer dieselben, ebenso die mit der jeweili-
gen zweiten Staatsbürgerschaft verbundenen Rechte, Pflichten
und Symbolik. Neben den mehrheitlich positiven Beispielen, wie
einzelne Staaten mit der doppelten Staatsbürgerschaft umge-
hen, kommen in dieser Publikation auch Negativbeispiele zur
Sprache, also Fälle, in denen die doppelte Staatsbürgerschaft
für eine autochthone Minderheit nicht oder nur äußerst bedingt
möglich ist. Selbstverständlich erheben weder die positiven noch
die negativen Fälle Anspruch auf zahlenmäßige Vollständigkeit.
Vielmehr dienen sie der Veranschaulichung und dem Vergleich,
woraufhin es gelten kann, auch im Hinblick auf eine mögliche
doppelte Staatsbürgerschaft für die Südtiroler Schlüsse zu ziehen.
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Vorwort
Auszüge aus Peter Hilpolds Beitrag, der sich vollinhaltlich mit dem
von ihm gehaltenen gleichnamigen Vortrag auf der Tagung deckt,
nehmen einige interessante Punkte und diesbezügliche Zugänge
bereits vorweg. Die Inhalte sind nicht immer nur deskriptiv, sondern
auch argumentativ, wenn sie im Lichte der jeweiligen Rahmen-
bedingungen, der historischen, doch besonders der gesetzlichen,
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betrachtet werden. Möge es daher insgesamt gelingen, dass die
wissenschaftliche Komponente des Themas doppelte Staatsbür-
gerschaft mehr in den Vordergrund gerückt wird, was für einen
objektiven Diskurs und letztlich für eine politische Entscheidung
im Fall Südtirol nur förderlich sein kann.
Brasilianisch-österreichische
Doppelstaatsbürgerschaft in Dreizehnlinden:
eine positive Realität.
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Everton Altmayer
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Österreicher in Dreizehnlinden
Spätestens jetzt drängt sich die Frage auf: Wird die österrei-
chische Staatsbürgerschaft nur an österreichischstämmige
Einwanderer in Brasilien vergeben und auf welcher Grundla-
ge geschieht dies? Nach meiner Auffassung ist die Situation
in anderen Einwandererländern gleich. Aufschluss darüber gibt
die Internetseite der österreichischen Botschaft in Buenos Aires,
also in Argentinien, wo es unter „Feststellung der österreichischen
Staatsbürgerschaft“ heißt: „Altösterreichische Staatsbürger/Innen
(StaatsbürgerInnen des Kaiserreichs Österreich) wurden nach dem
Untergang der Monarchie (1918) nur österreichische Staatsbürge-
rInnen (StaatsbürgerInnen der Republik Österreich), wenn sie beim
Inkrafttreten des Staatsvertrages von St. Germain (16. Juli 1920)
das Heimatrecht in einer bei der Republik Österreich verbliebenen
Gemeinde besaßen. Heimatberechtigte einer Gemeinde, die an
einen sogenannten Nachfolgestaat (Italien, Jugoslawien, Polen,
Rumänien, Tschechoslowakei) fiel, erwarben unter Ausschluss der
österreichischen Staatsbürgerschaft die Staatsangehörigkeit des
Nachfolgestaates. Ausgenommen sind jene Personen, die in der
Folge für die österreichische Staatsbürgerschaft optierten. Diese
Option hatte in der Regel die Übersiedlung ins Gebiet der Republik
Österreich zur Bedingung.“ – Eine wichtige Voraussetzung, um in
den Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft zu kommen, ist
also der Nachweis, dass ein Vorfahr des Antragstellers im Gebiet
des heutigen Österreichs das Heimatrecht besaß.
Eine weitere Frage, die sich nun stellt, ist: Erhalten die neuen öster-
reichischen Staatsbürger auch besondere Rechte? Diesbezügliche
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Everton Altmayer
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Österreicher in Dreizehnlinden
Abschließend noch die Frage: Was macht, auf den Punkt ge-
bracht, die Identität der Dreizehnlindener aus? Die Dreizehnlin-
dener – oder die „Trezetilienses“, wie sie auf Portugiesisch heißen
– sind Brasilianer mit Tiroler Wurzeln, Brasilianer und Österreicher. Die
doppelte brasilianisch-österreichische Staatsbürgerschaft ist für sie
ein positives Beispiel, das ihre doppelte Identität unterstreicht.
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NORBERT RASCH
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Norbert Rasch
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Deutsche in Schlesien
Werfen wir nun einen Blick auf die Geschichte der Deutschen in
Polen nach 1945. In den Jahren 1945 bis 1989 wurden die Deut-
schen in Polen einer intensiven Assimilierungspolitik unterzogen,
besonders in Schlesien. Jene, die nicht als polnische Staatsbür-
ger anerkannt wurden, wurden ausgesiedelt. Das
Erlernen und die Verwendung
der deutschen Sprache, so-
wohl in der Öffentlichkeit
als auch zu Hause, wur-
den strengstens verboten.
Deutsche Vor- und Nach-
POLEN namen wurden von Amts
wegen zwangsweise ge-
ändert. Die Zerstörung der
deutschen Inschriften auf
Schildern, Grabsteinen Seit Anfang
und Gebrauchsgegen- 2014 dürfen die
ständen wurde angeord- deutschstäm-
TSCHECHIEN net, ebenso die Zerstörung migen Schlesier
zusätzlich zum
der deutschen Denkmäler und
deutschen Pass
Vernichtung sämtlichen deut- den deutschen
schen Schriftguts. Dieser Prozess Personalaus-
der Ausrottung der materiellen Spuren deutscher Vergangenheit weis ausgestellt
dauerte bis in die Siebzigerjahre und sogar darüber hinaus. Die bekommen.
Darüber hinaus
deutsche Gesellschaft im polnischen Staat, die durch den Eiser-
besaßen sie bei
nen Vorhang vom demokratischen Europa getrennt worden war, der letzten Bun-
lebte in völliger Isolation von ihrer eigenen kulturellen Kontinuität. destagswahl
Das eigene Zuhause war der einzige mögliche Ort, wo man die (2013) sowie bei
sprachliche und kulturelle Identität bewahren und pflegen konnte, der letzten Euro-
pawahl (2014)
allerdings im ständigen Bewusstsein, dass Repressalien drohten.
zum ersten Mal
Das Ergebnis der Assimilierungspolitik war der völlige Schwund das Wahlrecht.
der deutschen Sprache im öffentlichen Raum, wo sie seit Jahr-
hunderten verwendet worden war. Selbstverständlich durfte
unter diesen Umständen von einer nationalen Minderheit nicht
die Rede sein, somit auch nicht von einer Minderheitensprache.
In den Schulen wurde die deutsche Sprache nicht einmal als
Fremdsprache angeboten.
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Norbert Rasch
zielles Kulturgut der Region anerkannt. Bis heute hat die deutsche
Minderheit in Polen keinen einfachen Stand. Zu gut erinnert sich
Polen an die nationalsozialistische Besatzung von 1939 bis 1945.
Noch immer kennzeichnen uns die Folgen der Tragödie der Flucht
und der Vertreibung, der Leugnung der Existenz der deutschen
Volksgruppe und der langjährigen kulturellen Unterdrückung.
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Deutsche in Schlesien
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ROZA HOVHANNESYAN
Doppelte Staatsbürgerschaft
für die armenische Diaspora.
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Roza Hovhannesyan
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Armenische Diaspora
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Roza Hovhannesyan
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Armenische Diaspora
Bei der Einreichung der Unterlagen muss der Antragsteller einen vorge-
fertigten Fragebogen ausfüllen. Der Fragebogen muss in armenischer
Sprache und in einer leserlichen Schrift ausgefüllt sowie frei von Kor-
rekturen und Tilgungen sein. Der Fragebogen wird vom Antragsteller
und vom Beamten, der den Antrag entgegennimmt, unterzeichnet.
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Roza Hovhannesyan
Während des Zeitraums von 2008 bis 2015 wurden 86.412 auslän-
dischen Bürgern die armenische Staatsbürgerschaft gewährt.
Die Mehrheit von ihnen sind Armenier auf Grund ihrer ethnischen
Herkunft. Zwischen 2011 und 2014 hat sich, angesichts der Lage
in der Syrischen Arabischen Republik, die Zahl der Personen, die
die Staatsbürgerschaft der Republik Armenien erlangt haben,
deutlich erhöht. Für das Jahr 2015 sind nur die Zahlen der ersten
Jahreshälfte verfügbar. Die Zahlen des gesamten Jahres ent-
sprechen voraussichtlich den Zahlen des Jahres 2014. In Folge
des Bürgerkriegs in Syrien sind 16.000 syrische Armenier in den
Jahren 2012 bis 2015 nach Armenien ausgewandert und haben
sich dort niedergelassen. Die Regierung der Republik Armenien
hat verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung dieser Lands-
leute umgesetzt und dabei Fragen angesprochen, die für sie
von entscheidender Bedeutung sind. Das Verfahren zum Erwerb
der Staatsbürgerschaft der Republik Armenien wurde für syrische
Armenier vereinfacht. Mit Beschluss der Regierung der Republik
Armenien vom 26. Juli 2012 dürfen sich, um die armenische
Staatsbürgerschaft zu erwerben, die armenischstämmigen Bürger
der Libanesischen Republik, der Republik Irak und der Syrischen
Arabischen Republik, den armenischen Pass in den diplomatischen
Vertretungen oder Konsulaten der Republik Armenien in den
jeweiligen ausländischen Staaten ausstellen lassen, wenn diese
die Staaten ihrer bisherigen Staatsbürgerschaft sind.
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Armenische Diaspora
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KOLOMAN BRENNER
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Koloman Brenner
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Deutsche Minderheit in Ungarn
In der Tat wird seit 1992 von der deutschen Botschaft und den
deutschen Organisationen vieles für die Ungarndeutschen geleis-
tet. Aber die doppelte Staatsbürgerschaft als juristisches Mittel zum
Schutz der deutschen Minderheit in Ungarn ist dabei nie mehr ein
Thema gewesen, wenngleich Ungarndeutsche als Spätaussiedler,
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Koloman Brenner
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Deutsche Minderheit in Ungarn
Die LdU und mit ihr insgesamt über 500 eingetragene Vereine,
Kulturgruppen und Organisationen tragen zum Aufbau der bür-
gerlich-demokratischen Gesellschaft bei. Die Basis für unsere Arbeit
ist das Selbstverwaltungssystem. Das Ziel der deutschen Selbstver-
waltung ist die Durchsetzung der Interessen der ungarndeutschen
Wähler, die Pflege von Sprache und Traditionen, die Förderung von
Partnerschaften sowie der Wirtschaft, Literatur und Kunst. Unsere
Finanzmittel sind zwar bescheiden, aber sie sind wichtig, weil uns
dadurch gewissermaßen das Betteln bei der Mehrheit erspart bleibt.
Der Erfolg unserer Arbeit zeigt sich am Vergleich der Daten der
Volkszählungen von 1990, 2001 und 2011. Gefragt wurden dabei
die Ungarn u. a. nach ihrer Muttersprache, Nationalität und ihrem
nationalen Zugehörigkeitsgefühl. 1990 gaben 37.511 Personen
Deutsch als Muttersprache an. 2001 war die Zahl auf 33.774 ge-
sunken, doch 2011 stieg sie wieder auf 38.248 und erreichte somit
den höheren Wert als 1990. Hingegen die deutsche Nationalität
zu besitzen, gaben 1990 30.824 Ungarn an. 2001 hat sich die Zahl
mit 62.105 mehr als verdoppelt, ebenso 2011 mit 131.951. Auch
die Zahlen über die Personen, die sich der deutschen Nationalität
zugehörig fühlen, sprechen für sich: 2001 waren es 120.344, 2011
waren es, deutlich erhöht, 185.696. Diese letzte Zahl ist durchaus
reell, denn sie liegt nicht viel unter der Zahl der zwischen 1946
und 1948 vertriebenen Ungarndeutschen, die sich auf 200.000 bis
250.000 belief und die Hälfte jener Ungarndeutschen ausmachte,
die im Land verblieben waren. Es darf schlussgefolgert werden,
dass diejenigen, die noch ein deutsches Identitätsmuster oder
Teile davon in sich tragen, dies bei der offiziellen Volkszählung
allmählich auch zugeben. Letztlich ist dies ein Zeichen dafür,
dass unser Autonomiemodell für gut befunden und genutzt wird.
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Koloman Brenner
Dass seit 1993 unsere Autonomie im Ausbau begriffen ist, zeigt auch
folgendes Beispiel: Mit der Verabschiedung des Minderheitenge-
setzes von 1993 hat man es verabsäumt, eine parlamentarische
Vertretung der Minderheit einzufordern. 1998 hat man einen
weiteren Versuch unternommen, doch erst 2013 war es soweit.
2014 konnten wir unseren Sprecher wählen. Bedauerlicherweise
haben wir nicht genügend Stimmen erhalten, um einen vollwer-
In Ungarn tigen, mit Stimmrecht ausgestatteten Vertreter der Ungarndeut-
haben wir die
schen ins Parlament zu entsenden. In Ungarn gilt nämlich eine
interessante
Situation, dass 25-Prozent-Regelung, derzufolge die deutsche Liste 25 Prozent
die doppelte vom kleinsten Mandat bekommen muss, um einen vollwertigen
Staatsbür- deutschen Parlamentarier ins ungarische Parlament entsenden
gerschaft zu können. Diese Hürde haben wir knapp verfehlt, aber bei der
bei anderen
nächsten Parlamentswahl im Jahr 2018 wollen wir es schaffen.
Minderheiten,
zum Beispiel der Einstweilen haben wir einen Fürsprecher, der über alle anderen
armenischen Rechte eines Parlamentariers verfügt. Die 13 Fürsprecher aller
Minderheit, der Minderheitenvertreter bilden automatisch den Minderheitenaus-
kroatischen schuss des ungarischen Parlaments und können durchaus Einfluss
oder der slowa-
auf die politischen Geschehnisse in Ungarn ausüben.
kischen, Realität
ist, weil die
jeweiligen Pat- Abschließend möchte ich auf das Thema der doppelten Staats-
ronagestaaten bürgerschaft zurückkommen. In Ungarn haben wir die interessante
die doppelte Situation, dass die doppelte Staatsbürgerschaft bei anderen
Staatsbürger-
Minderheiten, zum Beispiel der armenischen Minderheit, der kro-
schaft bereit-
stellen. Für uns atischen oder der slowakischen, Realität ist, weil die jeweiligen
als deutsche Patronagestaaten die doppelte Staatsbürgerschaft bereitstellen.
Minderheit ist Für uns als deutsche Minderheit ist die doppelte Staatsbürgerschaft
die doppelte keine Realität, und wir sind diesbezüglich auf uns gestellt. Selbst
Staatsbürger-
der ungarische Staat vergibt seit dem Regierungswechsel 2010
schaft keine
Realität, und wir seine Staatsbürgerschaft an die Auslandsungarn. Es besteht also
sind diesbe- ein kleines asymmetrisches Verhältnis, wobei die hier geschilder-
züglich auf uns ten positiven Seiten, deren Grundlage das Minderheitengesetz
gestellt. Selbst von 1993 bildet, nicht kleingeredet werden sollen. Als deutsche
der ungarische
Minderheit in Ungarn sind wir nicht unglücklich, aber für einen
Staat vergibt
seit dem Regie- vollwertigen Minderheitenschutz wäre die doppelte Staatsbür-
rungswechsel gerschaft ein sehr gutes Modell.
2010 seine
Staatsbürger-
schaft an die
Auslandsun-
garn.
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MAURIZIO TREMUL
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Maurizio Tremul
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Italienische Minderheit in Kroatien und Slowenien
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Maurizio Tremul
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Italienische Minderheit in Kroatien und Slowenien
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Maurizio Tremul
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Italienische Minderheit in Kroatien und Slowenien
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Maurizio Tremul
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JULIJAN ČAVDEK
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Julijan Čavdek
Doch wo besteht
der Zusammen-
hang dieser ge-
schichtlichen Er- ÖSTERREIC H
eignisse mit der
doppelten Staats-
bürgerschaft? Es
gilt zu beach-
ten, dass in der
Zeit zwischen
1945 und 1990
in Slowenien
das kommu-
I T A LI EN
nistische Re-
gime an der
Macht war.
Dieses Regi-
me behan-
delte nicht
alle Slowenen
gleich. Die Er-
eignisse während
und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg,
als unter der nazifaschistischen Besatzung auch ein Bürgerkrieg
unter den Slowenen stattfand, sowie unterschiedliche ideolo-
gische Beweggründe und politische Überzeugungen führten
zu einer starken politischen Auswanderung und Zerreißung des
slowenischen Volkes. Wenn sie ihr Leben retten wollten, mussten
viele Slowenen mit katholisch-demokratischer Gesinnung aus
Slowenien fliehen. Auf diese Weise entstand die Diaspora der
Slowenen mit starken Gemeinschaften in Argentinien, Brasilien,
in den Vereinigten Staaten und Australien. Für die Zerreißung des
slowenischen Volkes stehen auch die autochthonen slowenischen
Minderheiten, deren Siedlungsgebiet außerhalb der Grenzen
des damaligen Jugoslawiens geblieben ist. Wir sprechen hier
von der slowenischen Minderheit in Italien und von der slowe-
nischen Minderheit in Österreich. Es gab auch eine Minderheit
in Ungarn, aber in Ungarn, das wie Jugoslawien ebenfalls unter
einem kommunistischen Regime stand, waren andere politische
Gesinnungen nicht gestattet. In der damaligen Sozialistischen
Republik Slowenien gab es Slowenen der Kategorie A und der
Kategorie B. Mit dem Prozess der Demokratisierung und Unabhän-
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Slowenische Minderheit in Italien
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Julijan Čavdek
In Artikel 10, der die doppelte Staatsbürgerschaft auf der Basis von
Einbürgerung regelt, werden zehn Voraussetzungen angeführt:
1. Die Vollendung des 18. Lebensjahres.
2. Der Verlust der Staatsbürgerschaft des anderen Staates oder
der Verzicht auf dieselbe.
3. Der Nachweis, dass die Person seit zehn Jahren in Slowenien lebt.
4. Der Nachweis, dass die Person über ausreichend Lebensun-
terhalt verfügt.
5. Der Nachweis von slowenischen Sprachkenntnissen.
6. Die Nachweis, weder eine Verurteilung noch eine Freiheitsstrafe
erlitten zu haben.
7. Der Nachweis, nicht aus dem slowenischen Territorium ausge-
wiesen worden zu sein.
8. Der Nachweis, keine Gefahr für die Öffentlichkeit darzustellen.
9. Der Nachweis, im Einklang mit der Steuerbehörde zu sein.
10. Der Treueschwur auf die Verfassung.
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Slowenische Minderheit in Italien
Wichtig ist auch Artikel 13, der vorsieht, dass, bei staatlichem Inte-
resse, einer Person die slowenische Staatsbürgerschaft durch Ein-
bürgerung auf Grund der wissenschaftlichen, wirtschaftlichen oder
kulturellen Verdienste gewährt werden kann, wobei diese Person Laut diesem
seit mindestens einem Jahr in Slowenien leben muss. In diesem Fall Gesetz wird der
autochthonen
greift Punkt 2 des Artikels 10, wonach die Staatsbürgerschaft des
slowenischen
anderen Staates aufgegeben werden muss, nicht. Bevölkerung
in Österreich,
Der zweite Absatz des Artikels 13 sieht eine weitere Ausnahmere- Kroatien, Italien
gelung zu der unter Punkt 2 in Artikel 10 angeführten Vorausset- und Ungarn
die doppelte
zung (Verzicht auf die Staatsbürgerschaft des anderen Staates)
Staatsbürger-
vor, und zwar für Antragsteller, die in Artikel 2 des Gesetzes schaft gewährt.
über die Beziehungen der Republik Slowenien mit Slowenen, Mit diesem
die außerhalb der Staatsgrenzen leben, fallen. Laut diesem besonderen
Gesetz wird der autochthonen slowenischen Bevölkerung in Gesetz wurden
die Beziehun-
Österreich, Kroatien, Italien und Ungarn die doppelte Staats-
gen der Repu-
bürgerschaft gewährt. Mit diesem besonderen Gesetz wurden blik Slowenien
die Beziehungen der Republik Slowenien zu den unmittelbar zu den unmittel-
außerhalb der Staatsgrenzen lebenden Bürger slowenischer bar außerhalb
Nationalität geordnet. Dieses Gesetz gilt zudem für die Slowenen, der Staatsgren-
zen lebenden
darunter politische Emigranten oder Wirtschaftsmigranten, die
Bürger sloweni-
in der restlichen Welt und nicht in den Grenzgebieten Sloweni- scher Nationali-
ens leben. Der Antragsteller hinterlegt den Antrag im Konsulat tät geordnet.
oder im zuständigen Amt in einer slowenischen Gemeinde.
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Julijan Čavdek
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Slowenische Minderheit in Italien
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ERN FANCSALI
Doppelte Staatsbürgerschaft
am Beispiel der ungarischen Gemeinschaft
in Siebenbürgen
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Ernő Fancsali
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Ungarische Gemeinschaft in Siebenbürgen
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Ernő Fancsali
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DANIEL TURP
59
Daniel Turp
Aber es gibt auch eine Einschränkung, und diese wird seit einiger
Zeit sogar als ein Teil des Völkergewohnheitsrechts angesehen: Ein
Staat kann zwar den Schutz seiner eigenen Staatsangehörigen
ausüben, doch wenn diese die doppelte Staatsbürgerschaft
besitzen, kann der Staat seinen diplomatischen Schutz für diese
Staatsangehörigen nicht im anderen Staat, in dem die zweite
Staatsbürgerschaft gilt, ausüben. Auf den Fall Südtirol angewen-
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Doppelte Staatsbürgerschaft zum Schutz von Minderheiten
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Daniel Turp
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Doppelte Staatsbürgerschaft zum Schutz von Minderheiten
Sowohl im Zusammenhang mit dem EU-Recht als auch mit dem So besagt z. B.
Verfassungsrecht kann ein – noch weiter auszubauendes – du- Artikel 22 der
ales Modell ins Spiel gebracht werden, nach dem die doppelte Charta, dass
die Union kultu-
Staatsbürgerschaft ebenfalls funktionieren könnte: das Modell der
relle, religiöse
supranationalen (über den Nationalstaaten stehenden) und das und sprachliche
Modell der infranationalen (unter den Nationalstaaten stehenden) Vielfalt respek-
Staatsbürgerschaft. Eine supranationale Staatsbürgerschaft wäre tieren muss.
für die Europäische Union interessant. Es sei daran erinnert, dass Gemäß dieser
Verpflichtung
auf Grund des EU-Rechts die Bürger der Europäischen Union bereits
könnten meines
Doppelstaatsbürger sind. Sie haben die Staatsangehörigkeit des Erachtens die
Nationalstaates, aber sie haben auch die Staatsangehörigkeit Angehörigen
der Europäischen Union. Dies scheint für niemanden ein Problem von nationalen
darzustellen und wirkt weder merkwürdig noch inakzeptabel, Minderheiten
innerhalb der
zumal die EU-Staatsangehörigkeit nationalen und ethnischen
EU dank einer
Minderheiten einige Rechte gewährt. Diese Rechte sind im Vertrag supranationa-
über die Europäische Union, im Vertrag über die Arbeitsweise der len Staatsbür-
Europäischen Union sowie in der Charta der Grundrechte der gerschaft bes-
Europäischen Union festgeschrieben. So besagt z. B. Artikel 22 ser geschützt
werden.
der Charta, dass die Union kulturelle, religiöse und sprachliche
Vielfalt respektieren muss. Gemäß dieser Verpflichtung könnten
meines Erachtens die Angehörigen von nationalen Minderheiten
innerhalb der EU dank einer supranationalen Staatsbürgerschaft
besser geschützt werden. Vielfach ist dieser Artikel von der Euro-
päischen Union noch nicht umgesetzt worden, aber er könnte
eine Schlüsselrolle beim Schutz von Minderheiten innerhalb der
Europäischen Union einnehmen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass
sich der Europäische Gerichtshof für eine breite Interpretation
offen zeigen wird.
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Daniel Turp
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JAN DIEDRICHSEN
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Jan Diedrichsen
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Deutsche Minderheit in Dänemark
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Jan Diedrichsen
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Deutsche Minderheit in Dänemark
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ANDREA CARTENY
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Andrea Carteny
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Doppelte Staatsbürgerschaft in der Slowakei, Rumänien
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Andrea Carteny
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Doppelte Staatsbürgerschaft in der Slowakei, Rumänien und Moldawien
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Andrea Carteny
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Doppelte Staatsbürgerschaft in der Slowakei, Rumänien und Moldawien
die gesamte rumänische Welt. Dies nicht nur für die Moldawier,
sondern auch für die Rumänen im ukrainischen Czernowitz – die
Die Staatsbür-
Rumänen im Norden; ebenso für die Rumänen der Donauregio-
gerschaft und
nen, beispielsweise der Donaumündung. Vor diesem Hintergrund eine Nationa-
wird klar, dass auch hier das Prinzip des „ius sanguinis“, das Ab- lität kann also
stammungsprinzip, gilt. Die Staatsbürgerschaft und eine Nationa- unter Berufung
lität kann also unter Berufung auf die eigenen Vorfahren, deren auf die eigenen
Vorfahren, de-
rumänische Staatsangehörigkeit oder Nationalität zu erweisen ist,
ren rumänische
geltend gemacht werden. Das Kriterium ist demnach in diesem Staatsange-
Fall ebenfalls die gemeinsame Geschichte. Dies bedeutet in der hörigkeit oder
Praxis, dass, wie übrigens in sämtlichen Zeitungen berichtet wur- Nationalität zu
de, alle Moldawier rumänische Vorfahren nachweisen können. erweisen ist, gel-
tend gemacht
Konkret also: Wenn aus den Registern, Namen und Dokumen-
werden.
ten tatsächlich hervorgeht, dass jemand seit Generationen in
Moldawien lebt, dann können im Grunde all diese Personen die
rumänische Staatsbürgerschaft erwerben. Diese neue Möglichkeit
hat einen kleinen Schwarzmarkt geschaffen, der in den letzten
Jahren regelrecht explodiert ist. Die Frage der rumänischen
Staatsbürgerschaft für die Bürger der Republik Moldawien ist
bis heute sehr im Umlauf. Was bedeutet es für einen Moldawier,
der sich ansonsten eigentlich kaum für die Staatsbürgerschaft
interessiert, die rumänische Staatsbürgerschaft zu erwerben? Er
tritt in die Europäische Union ein, und von der Europäischen Uni-
on in den Schengenraum. Er betreibt Handel und kann sich frei
bewegen. Das heißt, er genießt eine Reihe von Vorteilen, was er
als Moldawier aus der ehemaligen Sowjetunion nicht tut. Diese
Vorzüge haben zu einer hohen, vielleicht zu hohen Anzahl von
Ansuchen um die rumänische Staatsbürgerschaft geführt. Ein
Teil der Ansuchen wurde, wie sich später herausstellte, auf der
Basis von Dokumentationen angenommen, die gekauft waren. Alle, die nach
Es kam zu einem Pass-Skandal. Doch was uns interessieren sollte, dem Abstam-
ist nicht dieser Pass-Skandal als solches, sondern vielmehr der in mungsprinzip
diesem Zusammenhang geführte politische Diskurs. Es geht um nachweisen
können, dass
die Frage, wann die Vergabe der doppelten Staatsbürgerschaft
sie zurück bis zur
effektiv notwendig und wie diese effektiv zu verwalten ist. Alle, dritten Gene-
die nach dem Abstammungsprinzip nachweisen können, dass ration rumäni-
sie zurück bis zur dritten Generation rumänische Vorfahren ha- sche Vorfahren
ben, können die rumänische Staatsbürgerschaft beantragen. haben, können
die rumänische
Gewissermaßen als Garantie dafür müssen sie die Hingabe an
Staatsbürger-
das rumänische Land und an das rumänische Volk schwören. schaft beantra-
Wozu hat dies geführt? Dies hat zu einem Wahlmotiv geführt, gen.
das wir auch von den Auslandsungarn kennen. Auf Grund der
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Andrea Carteny
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Doppelte Staatsbürgerschaft in der Slowakei, Rumänien und Moldawien
Zum Abschluss sei noch einmal auf den in der Politologie beste-
henden Unterschied zwischen Nation und Staat, zwischen Natio-
nalität und Staatsbürgerschaft hingewiesen, doch aus rechtlicher
Sicht gelingt es nicht, diese Unterschiede auch anzuwenden. In
diesem Zusammenhang sei an einen Entwurf für ein baskisches
Statut erinnert, in dem ein Unterschied zwischen der baskischen
Staatsbürgerschaft und der baskischen Nationalität vorgesehen
war, und zwar im folgenden Sinne: Zu den baskischen Bürgern
zählen alle im Baskenland ansässigen spanischen Staatsbürger;
die baskische Nationalität besitzen aber nur jene Bürger, die sich
einer baskischen Familie und der baskischen Sprache rühmen
können. Besagter Statutsentwurf passierte nicht einmal die ers-
te Gerichtsinstanz, eben deshalb, weil er eine Unterscheidung
zwischen Bürgern desselben Staates schuf. Dennoch war der
Entwurf interessant. Mit diesem wurde nämlich erstmals versucht,
im europäischen Rechtsrahmen einen Unterschied zu integrieren,
der in der akademischen Debatte durchaus gemacht wird. Ihn
jedoch auf die Rechtsstrukturen anzuwenden, ist schwierig.
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ALEXANDRA VON SCHANTZ
Finnland ist ein zweisprachiges Land, in dem ungefähr fünf bis sechs
Prozent der Bevölkerung Schwedisch als Muttersprache sprechen.
Åland, die Inselgruppe zwischen Finnland und Schweden, gehört
zu Finnland und ist als autonome Region bekannt. Im Jahr 1856
nach dem Krimkrieg wurde Åland für entmilitarisiert und 1921 für
neutralisiert erklärt. 1920 wurde den Ålandinseln vom finnischen
Parlament eine weitreichende Autonomie gewährt. Laut Gesetz
ist Åland die einzige einsprachig schwedische Region Finnlands.
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Alexandra von Schantz
Die finnische
Staatsbürger-
schaft kann DÄNE-
darüber hi-
naus dann
MAR K
erworben
werden,
wenn man
lange genug in Finnland gelebt hat. Ausreichende Sprachkennt-
nisse sind hierfür ein Muss; seien es Kenntnisse des Finnischen,
Schwedischen oder sogar der finnischen Zeichensprache.
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Doppelte Staatsbürgerschaft in Finnland
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Alexandra von Schantz
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Doppelte Staatsbürgerschaft in Finnland
85
Alexandra von Schantz
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FRANZ WATSCHINGER
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Franz Watschinger
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Doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler
Inhaltsverzeichnis
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89
Franz Watschinger
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Doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler
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Franz Watschinger
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Doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler
93
Franz Watschinger
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Nachwort zum Nachdruck
Inhaltsverzeichnis
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Nachwort zum Nachdruck
Artikel 1
Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985
1. § 49 Abs.2 lautet:
(2) Evidenzstelle ist
a) für Personen, die vor dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik
geboren sind:
die Geburtsgemeinde (Gemeindeverband);
b) für Personen, die ab dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik
geboren sind:
die Gemeinde (Gemeindeverband), in der die Mutter im Zeit-
punkt der Geburt der zu verzeichnenden Person laut Eintragung
im Geburtenbuch ihren Wohnort hatte, wenn dieser aber im
Ausland liegt, die Geburtsgemeinde (Gemeindeverband) der
zu verzeichnenden Person;
96
Nachwort zum Nachdruck
***
Artikel 2
Änderung des Wählerevidenzgesetzes 1973
***
Artikel 3
Änderung des Europa-Wählerevidenzgesetzes
97
Nachwort zum Nachdruck
1. § 4 Abs.2 lautet:
(2) Kann eine solche Zuordnung nicht vorgenommen werden, so
richtet sich der Ort der Eintragung in die Europa-Wählerevidenz
nach folgenden, im Antrag (Abs. 1) glaubhaft gemachten, zum
Inland bestehenden Lebensbeziehungen, die in der nachstehenden
Reihenfolge heranzuziehen sind:
1. Ort der Geburt
2. Hauptwohnsitz des Ehegatten
3. Hauptwohnsitz nächster Verwandter
4. Sitz des Dienstgebers
5. Eigentums- oder Bestandsrechte an Grundstücken oder
Wohnungen
6. Vermögenswerte
7. sonstige Lebensbeziehungen
8. Südtiroler, die keine Anknüpfungspunkte nach Z 1 bis 7 haben,
werden in die Wählerevidenz der Stadt Innsbruck eingetragen.
98
Nachwort zum Nachdruck
Erläuterungen
Allgemeiner Teil
99
Nachwort zum Nachdruck
100
Nachwort zum Nachdruck
101
Nachwort zum Nachdruck
102
Nachwort zum Nachdruck
103
Nachwort zum Nachdruck
Erläuterungen
Besonderer Teil
Die Anzeige ist nicht persönlich bei der Behörde zu stellen, weil § 19
Abs. 1 StbG nur auf Verfahren auf Verleihung oder Verlängerung
der Verleihung der Staatsbürgerschaft anzuwenden ist.
104
Nachwort zum Nachdruck
105
In Südtirol ist, im Vergleich zu vielen anderen Regionen in Europa
und in der restlichen Welt, die doppelte Staatsbürgerschaft (noch)
keine Realität, wenngleich Bemühungen in diese Richtung bereits
mehrfach unternommen wurden. Das Thema wird politisch so-
wohl in Österreich als auch in Südtirol kontrovers diskutiert, hierbei
mitunter oberflächlich, einseitig und polemisch.