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O-TON

Der katalanische Schriftsteller Josep Pla über eine Begegnung mit dem
NSDAP-Führer in München im November 1923

HITLERS MONOLOG

Hitler empfing Pla (1897 bis 1981) und den Journalisten Vertreibung. Für Spanien war die Judenfrage eine religiöse
Eugeni Xammar wenige Stunden bevor die National- Frage, für uns ist sie eine rassische Frage. Hier in Bayern ist
sozialisten die Münchner Feldherrnhalle stürmten. In man schon dabei, die Juden auszuweisen, die keine bayeri-
der spanischen Heimat der beiden Besucher war kurz schen Staatsbürger sind. Das ist der erste Schritt zu einer
zuvor der Diktator Primo de Rivera an die Macht allgemeinen Ausweisung.“
gekommen. Plas Bericht erschien am 28. November „Für uns“, fährt Hitler fort, „handelt es sich also um
1923 in der Tageszeitung „La Publicitat“. Auszüge: eine Rassenfrage. Deutschland muss von Deutschen und
mit deutschen Methoden regiert werden. Der Marxismus ist
die Verneinung unseres Geistes, der vor allem anderen na-

E
tional und patriotisch ist. Wir sind Sozialisten, wir interes-
s ist schwierig, Hitler zu treffen. Als echter sieren uns für alle Probleme der Arbeiterklasse, weil sie
Revolutionär führt er ein unstetes, bewegtes und deutsche Probleme sind, aber wir glauben nicht, dass es für
wildes Leben. Aber für uns ist es jetzt einfach. diese Probleme eine andere Lösung geben kann als die an-
Die Tatsache, dass wir spanische Staatsbürger timarxistische, das heißt den Nationalismus. Unsere Partei
sind, verleiht uns derzeit in Bay- heißt Nationalsozialistische Par-
ern moralische Kraft und erweist tei, und dieser Name macht deut-
sich als hilfreich. Wir brauchen lich, wo wir stehen. Wir haben
nur zur Redaktion von Hitlers nichts gegen die Kommunisten
Tageszeitung zu gehen und gleich einzuwenden. Wir haben die
am Eingang vor dem Portier ei- besten Beziehungen zu dieser
ne Hymne auf unseren Diktator Partei. Die kommunistischen Ar-
anzustimmen. In jedem anderen beiter sind keine unreinen Deut-
Land würde man uns für ver- schen, weil der Kommunismus in
rückt erklären, in München wird Deutschland nichts Widernatür-
dies und alles andere geduldet, liches ist. Für den Sieg zählen wir
solange es nur reaktionär ist … auf die Kommunisten. Gleichzei-
„Die politische Situation in tig sind wir entschlossene Befür-
Deutschland“, beginnt Hitler, „ist worter einer Allianz mit Russ-
unter dem Gesichtspunkt der land. Russland wird heute von
Würde unserer Partei, unter dem marxistischen Elementen regiert.
Gesichtspunkt der Würde unse- Die Rolle Deutschlands wird
rer Rasse ganz und gar unerträg- sein, die Regierung dieses großen
lich. Wir sind zu allem bereit, Landes im Osten von diesen Ele-
außer dazu, in diesem schänd- menten zu säubern und dafür zu
lichen, erbärmlichen Zustand zu sorgen, dass in Russland die
verharren. Selbst der Krieg ist fremdrassigen Elemente von den
besser, tausendmal besser als die reinen Elementen beherrscht
Fortdauer dieser erbärmlichen werden. Dann wird die Stunde
Sklaverei. Überall auf der Welt gekommen sein, Seite an Seite
haben die Männer der Ordnung zu marschieren, der großartigen
triumphiert, die Männer der ei- Zukunft entgegen, die vor dem
sernen Faust, die Patrioten, die Hitler posiert in bayerischer Trachtenjacke und Lederhose. deutschen und dem russischen
wahren Freunde ihres Vaterlands. Eine Aufnahme aus dieser Serie war 1926 für ein Titelbild Volk liegt.“
Wir jedoch werden noch immer des „Völkischen Beobachters“ vorgesehen. Die Bilder „Die Politik, die heutzutage
von einer Gruppe unheilvoller wurden jedoch von der NS-Publizistik nie veröffentlicht. mit uns getrieben wird“, sagt Hit-
Experimentierer beherrscht, von ler mit einem Nachdruck, der in
Marxisten und Juden, die vom Ausland gekauft sind. All das direktem Verhältnis zu seinem entfesselten Überschwang
muss ausgetrieben werden. Vor allem müssen wir generell, steht, „hat die moralische und körperliche Verarmung des
mit einer Explosion an allen Ecken des Reiches, das Juden- deutschen Volkes zum Ziel. Man will uns vernichten. Am
problem lösen. Wir werden dieses Problem durch eine Mas- Ende dieser Politik kann natürlich nur der Krieg stehen ...
senvertreibung lösen. Unser Vorbild ist das, was in Spanien der das Erwachen unserer Rasse bedeutet.“
mit den Juden geschehen ist, aber wir werden die spanische
HEINRICH HOFFMANN / BPK

Lösung noch verbessern. Wir werden den Juden nicht die Zitiert nach Eugeni Xammar: „Das Schlangenei. Berich-
Wahl lassen zwischen Konversion und Vertreibung, wie te aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922–1924“.
Spanien es getan hat. Nein. Wir sind schlicht und einfach für Berenberg Verlag, Berlin; 180 Seiten; 21,50 Euro.

spiegel special geschichte 1 | 2008 19

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