Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
1 Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die sich schon lange ein
Kind wünschten, aber sie bekamen keins. Sie hatten hinten im
Haus ein kleines Fenster. Daraus konnte man in einen sehr
schönen Garten sehen, der voll mit schönsten Blumen und
Kräutern war; er war aber von einer hohen Mauer umgeben und
niemand wagte hineinzugehen, denn er gehörte einer Zauberin,
die große Macht hatte. Alle Menschen hatten Angst vor ihr.
2 Eines Tages stand die Frau an diesem Fenster und sah in den
Garten hinab, da sah sie ein Beet, das mit den schönsten
Rapunzeln bepflanzt war. Die sahen so gut aus, dass sie sie essen
wollte. Dieser Wunsch wurde von Tag zu Tag gröβer, aber sie
wusste, dass das nicht möglich war. So wurde sie sehr krank. Der
Mann, der sie sehr liebte, bekam Angst und beschloss, in den
Garten zu gehen.
5 Als das Kind geboren wurde, erschien sofort die Zauberin. Sie
nahm das Kind mit und gab ihm den Namen Rapunzel.
Rapunzel wurde das schönste Kind unter der Sonne. Als es zwölf
Jahre alt war, schloss es die Zauberin in einen Turm, der in einem
Wald lag und weder Treppe noch Tür hatte, nur ganz oben war
ein kleines Fensterchen.
6 Wenn die Zauberin hinein wollte, so stellte sie sich unten hin und
rief: „Rapunzel, Rapunzel, lass mir dein Haar herunter.“
Rapunzel hatte lange prächtige Haare, fein wie gesponnenes Gold.
Wenn sie die Stimme der Zauberin hörte, band sie ihre Zöpfe los,
wickelte sie oben um einen Fensterhaken. Dann fielen die Haare
zwanzig Meter tief herunter und die Zauberin stieg daran hinauf.
7 Ein paar Jahre später ritt der Sohn des Königs durch den Wald
und kam an dem Turm vorbei. Da hörte er einen Gesang, der war
so schön, dass er still wurde und genau hinhörte. Das war
Rapunzel, die in ihrer Einsamkeit oft schöne Lieder sang.
Der Königssohn wollte zu ihr hinaufsteigen und suchte nach einer
Tür, aber er fand nichts. Er ritt heim, doch der Gesang hatte ihm
so sehr gefallen, dass er jeden Tag hinaus in den Wald ging und
Rapunzel zuhörte.
Eines Tages stand er hinter einem Baum und sah, wie die
Zauberin hinaufrief:
„Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter.“
Da ließ Rapunzel ihre Haare herab, und die Zauberin stieg zu ihr
hinauf.
„Ist das die Leiter, mit der man hinaufkommt, so will ich auch
einmal mein Glück versuchen“, dachte sich der Königssohn.