Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Absolutismus
(3,581 words)
1. Begri f
Article Table of Contents
Der Begri f A. steht zum einen für die Regierungsart des
1. Begri f
zunehmend zentralisierten frühnzl. Fürstenstaates, zum
anderen für die von diesem Fürstenstaat geprägte Epoche 2. Konzepte
zwischen frühem 17. und spätem 18. Jh. (Zeitalter des A.); 3. Ausprägungen
sie war konstitutive Grundlage des nzl. Europa. Ähnlich 4. Forschung
dem Ancien Régime entstammt der Terminus den
publizistischen Diskussionen der Französischen
Revolution und bezeichnet, wie jenes mit abgrenzend-
abwertender Tendenz, die überwundene, als Willkürherrschaft interpretierte
»unumschränkte« Monarchie. Als liberaler Kamp egri f zur Denunzierung der Reaktion
gewann das Schlagwort v. a. während der 1820er und 1830er Jahre in den Auseinandersetzungen
um das prononciert antikonstitutionell, »absolutistisch« (= abs.) akzentuierte Regime der
restaurierten span. Bourbonen weite Verbreitung (Restauration). War der Terminus in seiner
Entstehungszeit also deutlich negativ konnotiert, so wurde er in der Folge doch weitgehend
umgedeutet: Geleitet von der auf den modernen Macht- und Anstaltsstaat xierten
teleologischen Geschichtsphilosophie Hegels, wendete die Historiographie v. a. in Deutschland
den Begri f in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s ins Positive. Der A. galt nun als die historisch
»notwendige« Überwindung des politisch wie konfessionell zerklüfteten dualistischen
Ständestaates und damit wiederum als Vorstufe des »modernen« nationalen Machtstaates als
»Ziel« der Geschichte [9] (Staat).
Mag »A.« also ein mehrfach funktionalisierter Neologismus sein, ist er doch angelehnt an den
Quellenbegri f der »absoluten Monarchie«: jener Staatsform, in der mit »absoluter Gewalt«
(lat. potestas absoluta) ein von Gesetzesbindungen gelöster Fürst (lat. princeps legibus solutus)
über einen zunehmend vereinheitlichten Untertanenverband herrschte. »Gelöst« war der
absolute Fürst jedoch nur vom positiven Recht bzw. von der ständischen Mitbestimmung bei
dessen Generierung. Der Fürst war (alleinige) »Quelle« des Rechts, er setzte, interpretierte es,
veränderte es ggf. und verfügte dergestalt über eine »volle« Gewalt, an der die Stände
ausdrücklich keinen Anteil mehr haben sollten. Göttliches Recht oder Naturrecht blieben
/
dabei indes auch für den absoluten Monarchen bindend, ebenso wie die landesspezi schen,
zumeist im Krönungseid festgehaltenen Fundamentalgesetze (Leges fundamentales) bzw. das
rechtlich nicht xierte, infolgedessen durch Rechtsakt auch nicht zu ändernde Herkommen.
Selbst die Regulierbarkeit des bestehenden positiven Rechts gab dem »absoluten« Monarchen
im Übrigen nur einen begrenzten Handlungsspielraum, denn die vornehmste Herrscherp icht
bestand in der Aufrechterhaltung der überkommenen Ordnung, der bestehenden Rechte und
Privilegien, keineswegs in deren Veränderung. Ein Herrscher, der sich nicht dem Vorwurf der
»Tyrannei« aussetzen wollte (Tyrannislehre; Widerstandsrecht), blieb daher, wenn nicht auf
formellen Rat, so doch auf informellen Konsens der Beherrschten angewiesen [25]. Die
»absolute Monarchie« der Frühen Nz. war demgemäß alles andere als »unumschränkt«, die
»absolute Gewalt« eines Fürsten eher relativ; der Terminus bezeichnet insofern weniger eine
historische Realität als vielmehr einen programmatischen Anspruch bzw. »Diskurs« [20]; [12].
Martin Wrede
2. Konzepte
Anspruch und Diskurs entstammten der Krise der ständischen Monarchie am Ende des 16. Jh.s,
wie sie sich namentlich in den franz. Religionskriegen manifestierte. Aus einer Situation
heraus, die geprägt war vom Zusammenbruch der ö fentlichen Ordnung und von der
Delegitimation ihrer Träger, suchte die zeitgenössische Staatstheorie (Politische Theorie) nach
neuen Antworten auf die Frage nach der bestmöglichen Organisation gesellschaftlichen
Zusammenlebens und staatlicher Gewalt. Naheliegenderweise lief diese Antwort auf die
weitestmögliche Stärkung der Zentralgewalt bzw. Zurückdrängung der diskreditierten
Partikulargewalten hinaus: der Stände im Allgemeinen, des hohen Adels im Besonderen und
nicht minder im Übrigen der Kirchen.
Konsequent formuliert wurde diese Sicht zuerst im Hauptwerk Jean Bodins, den Six livres de la
République (1576) [1], die mit der einen und unteilbaren Souveränität ein staatliches
Gewaltmonopol postulierten, das in die Hand des legitimen Erbmonarchen gegeben werden
sollte. Nur dieser konnte, insofern er von niemandem außer Gott abhing, wahrhaft »souverän«
und somit in der Lage sein, Frieden im Innern wie nach außen zu verbürgen, also das nunmehr
als »Staatswohl« verstandene »gemeine Beste«, von dem fortan religiöse oder moralische
Wahrheitsansprüche zu abstrahieren waren. Die A nität zu Machiavellis Forderung nach
Durchsetzung der »Staatsraison« (Machiavellismus) ist unverkennbar. Nach Bodin und nach
den Religionskriegen erschien also nicht mehr die Mischverfassung der monarchia mixta oder
monarchia limitata mit ausgeprägten Partizipationsrechten der Stände als politisches Ideal,
sondern die auf den Fürsten ausgerichtete Ordnung der »absoluten Monarchie«.
Weiterentwickelt wurde deren Konzept in Frankreich dann namentlich in den Schriften der
Kronjuristen Charles Loyseau [6] (1610) und Cardin Le Bret [5] (1632). Loyseau umriss einen
strikt hierarchisierten Au au der Stände- und Adelsgesellschaft unter ihrem monarchischen
»Souverän«; Le Bret konkretisierte dessen Prärogative bes. im Hinblick auf die exklusive
Kompetenz der Gesetzgebung und -interpretation sowie die Aufsicht über die Geistlichkeit.
Während Le Bret einerseits ständische Korporationen weiterhin berücksichtigte und
/
hochschätzte – als Verstärkung der Autorität des Monarchen – sprach er für die Untertanen
andererseits ein Widerstandsverbot (Widerstandsrecht) aus, selbst im Falle des
Machtmissbrauchs.
Nicht mehr vor dem Hintergrund der franz. Religionskriege, sondern dem des engl.
Bürgerkriegs formulierte Thomas Hobbes mit seinem Leviathan (1651) den stringentesten, von
den Zeitgenossen zumindest in Westeuropa breit rezipierten, allerdings auch vielfach
kritisierten Beitrag zur Theoretisierung der absoluten Monarchie. Hobbes ging von einem
vorzeitlichen Herrschaftsvertrag aus (Vertragstheorie), durch den sich die Untertanen zur
Herstellung gemeinsamer Sicherheit in irreversibler, bedingungsloser Weise an einen absoluten
Fürsten gebunden hatten. Nicht nur Rechtsetzung und Rechtsprechung (Justiz) oder die
Entscheidung über Frieden und Krieg lagen in seiner Hand, sondern, als rechtliches Konstrukt,
in letzter Konsequenz selbst das individuelle Privateigentum. Auch Staat und Kirche elen in
diesem mit radikaler Rationalität konstruierten System in eins (vgl. Abb. 1). Ein
Widerstandsrecht sah Hobbes nur für den Fall des Versagens der herrscherlichen
Schutzfunktion vor, denn die Rationalität seines Konzepts führte trotz eines tief
pessimistischen Menschenbildes zu einem optimistischen Verständnis der den Menschen
zähmenden Herrschaft: Vernünftigerweise würde der absolute Monarch die von ihm
aufgestellte bürgerliche Ordnung und mit ihr persönliche Freiräume, Rechte und Besitz
schützen.
Nicht mit der Realität überein stimmten allerdings ebenso die Entwürfe etwa Le Brets oder
auch Hobbes’. Ein konsistentes »abs.« Verfassungsmodell wurde einzig in Dänemark durch das
kongelov von 1664 errichtet. Dennoch stützte die von Le Bret und Hobbes bezeichnete Tendenz
des politischen Denkens nicht nur den fürstlichen Machtausbau, sondern erhöhte und
überhöhte intellektuell wie rhetorisch den fürstlichen Machtanspruch – in ganz Europa. Der
auf die absolute Monarchie gerichtete »Diskurs« und die von dieser hervorgebrachte
Herrschaftstechnik determinierten die politische Sprache der Zeit und die Handlungsoptionen
der Zeitgenossen.
Martin Wrede
3. Ausprägungen
Das »abs.« Dänemark lag in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s nicht nur geographisch, sondern
auch machtpolitisch an der Peripherie Europas. Als abs. Modellstaaten werden daher im 17. Jh.
zumeist Frankreich, im 18. Jh. Preußen und Russland ausgemacht, als Gegenentwürfe v. a.
England, die Niederlande, Polen sowie das Alte Reich. Frankreich gilt dabei – trotz der von
Teilen der älteren Forschung beobachteten »früh-abs.« Tendenzen im Spanien Philipps II. und
seiner unmittelbaren Nachfolger – als eigentliches Ursprungsland des A., Preußen in mancher
Hinsicht als seine Vollendung.
Frankreich verfügte nicht nur über die längste und dichteste Tradition der abs. Staatstheorie,
die franz. Krone hatte tatsächlich seit jeher eine im Rückblick scheinbar geradlinige Politik
administrativer Durchdringung und Zentralisierung betrieben, ausgehend von den Tagen
Philipps IV. des Schönen (1268–1314), mit einem ersten Höhepunkt im »begrenzten A.« Franz’ I.
[19]. Unterbrochen war diese »Linie« freilich etwa vom Hundertjährigen Krieg (1337–1453) und
seinen Begleiterscheinungen, von den Religionskriegen (1562–1598; Konfessionskriege) und
ihren Nachwehen oder von der Fronde. Unzweifelhaft gipfelte die Zentralisierungspolitik
jedoch im 17. Jh. zunächst im »Ministerabsolutismus« Richelieus und sodann in der
epochemachenden Herrschaft Ludwigs XIV., deren Ausstrahlung das zeitgenössische Europa
ebenso erfasste wie weite Teile der historischen Forschung.
/
Ludwig XIV. regierte sein Land zwar nicht ohne Stände, aber doch ohne Generalstände. Diese
waren 1614 zum letzten Mal zusammengerufen worden – ihre erstmalige Wiedereinberufung
1789 wurde zum Vorspiel der Französischen Revolution. Auch davor waren sie nur sporadisch
in Erscheinung getreten und hatten niemals den Sprung vom Ereignis zur Institution gescha ft.
Ihre strukturelle Schwäche verdeutlicht, dass auch Frankreich Züge einer composite monarchy
trug, denn mit den Ständen etlicher Provinzen – vorzugsweise jener, die erst spät an die
Krondomäne gefallen waren – musste auch die absolute Monarchie weiterhin rechnen. Zwar
hatte Richelieu eine Reduktion verschiedener pays d’états (Provinzen mit eigenen Ständen)
erreicht, die verbleibenden in ihrer Autonomie deutlich geschwächt und so die Zentralgewalt
unzweifelhaft ausgebaut, doch in den ständelosen pays d’élection (Provinzen, in denen der
König ohne ständische Mitwirkung Steuern erhob) übernahmen die Obergerichte, die
parlements, die Position eines Korrektivs der Zentralgewalt, bes. das Parlement de Paris, das in
seiner Selbst- wie zunehmend auch in der Fremdeinschätzung im Laufe des 18. Jh.s zum
Widerlager der Krone und Vertreter der Nation mutierte. Zwar war ständische Mitsprache in
politischen Entscheidungen weitgehend ausgeschlossen, der Monarch entschied ebenso über
Krieg und Frieden wie über alle anderen Fragen; in den pays d’élection ent el die ständische
Sanktionierung der königlichen Steuerforderungen, in den pays d’états war sie wenig mehr als
Formsache, doch mit der Sanktion ent el auch die Legitimation und mit dieser ein Gutteil
ö fentlicher Akzeptanz – konkret etwa »Steuerfreudigkeit« bzw. Steuerehrlichkeit der
Untertanen [11].
Das Verhältnis von Krone und Ständen war eben kein Nullsummenspiel; die Zurückdrängung
der Ständeversammlungen ließ sich keineswegs uneingeschränkt als Machtgewinn der Krone
interpretieren. In Kastilien akzentuierte etwa das Verschwinden der dortigen
Ständeversammlung ( cortes) nach 1660 eher die Schwäche der Krone als dass es ihr
entgegenwirkte – der Monarch war nun mehr denn je gezwungen, Verantwortung an regionale
und lokale Instanzen abzugeben. Im »nicht-abs.« Alten Reich verstärkte demgegenüber die
Perpetuierung des Reichstags über lange Zeit auch die Position des Kaisers. Ein Theoretiker des
A. wie Cardin Le Bret hatte die Ständeversammlungen durchaus nicht ohne Grund als
Herrschaftspartner bzw. Herrschaftsmittel der Krone zu schätzen gewusst.
Eine e fektive Au ebung der Stände gelang letztlich allein in Preußen und in Russland. In dem
»jungen« composite state Preußen hatte es allerdings »Generalstände« nie gegeben, die
einzelnen Provinziallandtage waren vom Monarchen nach und nach zum Verstummen
gebracht worden, nicht ohne Einsatz von Gewalt; selbst hier aber blieben die Stände zwar
nicht für die Bewilligung, aber doch für die Steuer- und Kreditau ringung wesentlich (die
westl. Provinzen bildeten ohnehin eine Ausnahme). In Russland hatte sich der Zar im 17. Jh.
der »Bojarenduma« entledigt, doch war dieses Gremium weniger Ständeversammlung denn
Rat des Herrschers gewesen; über eigene korporative Rechte hatten weder Adel noch Städte je
verfügt. Auf den »Rat« solcher »Großen« indes verzichteten alle absoluten Monarchen
zusehends; ob es sich dabei um Angehörige hochadliger Magnatendynastien handelte oder gar
um Prinzen von Geblüt – ihre politische Rolle wurde von der Krone misstrauisch überwacht,
begrenzt und durch Förderung anderer Eliten ausbalanciert.
/
Gegenmodelle bildeten nun jedoch nicht nur die Republik der Niederlande oder das England
der späten Stuarts und Hannoveraner, in dem Parlament wie peerage ihren Platz wahrten,
sondern etwa auch das Konglomerat der habsburgischen Erbländer, in dem Adel und Stände
zwar »diszipliniert« wurden – nicht zuletzt durch den weitgehenden Elitenaustausch im
Gefolge des Dreißigjährigen Krieges, die Austreibung der Protestanten namentlich aus Böhmen
–, in dem aber der Hochadel in den Regierungsgremien präsent blieb und in dem die
Ständeversammlungen der einzelnen Kronländer durch alle Verwaltungsreformen und
Zentralisierungsmaßnahmen hindurch fortfuhren, ihre traditionelle Rolle zu spielen – ein
Resümee, das zumindest im letzten Punkt wohl auf die meisten frühmodernen Fürstenstaaten
zutri ft.
Besser als an der Zurückdrängung der Stände lässt sich das die absolute Monarchie
generierende Wachstum der Krongewalt bzw. (im Ergebnis) der »Staatsgewalt« (Staat) an den
Machtmitteln ablesen, welche diese sich zu verscha fen wusste, an Bürokratie (Beamte) und
Armee (Stehendes Heer). So wuchs in Frankreich von Franz I. bis Ludwig XIV. der Umfang der
königlichen Verwaltungen um mehr als das Zehnfache. Zwar waren dies allermeist Kaufämter
(Ämterkauf), doch die Einführung weisungsgebundener, abru arer Kommissare (Intendant)
machte aus dem quantitativen Zuwachs auch einen qualitativen; die auf Kosten der altadligen
Provinzgouverneure gehende Etablierung von » Intendanten« ist dafür das bekannteste
Beispiel. Mit Hilfe der zahlenstärkeren und zumindest z. T. in eine eindeutig de nierte
Befehlskette integrierten Bürokratie gelang der Krone daher ein e fektiverer Zugri f auf die
Untertanen als jemals zuvor, und dies gilt durchaus nicht nur für Frankreich.
Neben dem Einzug von Steuern und Abgaben war eine der Aufgaben der intensivierten
Administration die Hebung der Landeswohlfahrt, also der Anschub exportorientierter
wirtschaftlicher Entwicklung (Merkantilismus). Dies betraf ebenso die »Melioration« der
Landwirtschaft wie die Förderung von Handel und Protoindustrialisierung. Mit der Wohlfahrt
des Landes sollten Bevölkerungszahl und Steuerkraft erhöht werden, dadurch wiederum die
militärische Macht und, in letzter Konsequenz, Reputation und gloire des Monarchen. Ergebnis
wie zugleich Mittel dieser Entwicklung war also nicht zuletzt die vom 16. zum 18. Jh. gleichfalls
exponentiell angewachsene Armee. Auf dem Höhepunkt des Spanischen Erbfolgekrieges
(1701–1713/14) hatte Ludwig XIV. 400 000 Mann unter Wa fen, die Friedensstärke des
friderizianischen Heeres sollte bei 200 000 liegen – dies auf der Basis von zwanzig bzw. in
Preußen fünf Mio. Einwohnern. Und anders als in früheren Jahrhunderten stand nun zwischen
dem Monarchen und seiner bewa fneten Macht weder ein Konnetabel (i. e. ein hoher Adliger
als höchster Befehlshaber) noch ein Condottiere oder Militärunternehmer. Die Armee,
Zwangsmittel und Ressourcenverbraucher par excellence, stand am Anfang wie am Ende des
sog. extraction-coercion-cycle, sie war, so der Preußenhistoriker Otto Hintze, »Schwungrad des
modernen Staates« und also der absoluten Monarchie [17].
/
Ein stärkerer Durchgri f gelang der abs. Monarchie auch auf die Kirchen bzw.
Kirchenhierarchien. In den protest. Staaten und Territorien war ohnehin der Landesherr
summus episcopus (i. e. Kirchenoberhaupt), in Frankreich erreichte Ludwig XIV. nicht nur die
weitestgehende administrative Abkoppelung der »gallikanischen« Kirche von Rom, sondern
auch die Etablierung der monarchischen Verfügungsgewalt über ihre Ressourcen. Im Zeichen
des »aufgeklärten A.« (Reformabsolutismus) sollte in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s Joseph II.
in Österreich dann Ähnliches umzusetzen versuchen (Josephinismus). Auch wenn also das
»Bündnis von Thron und Altar« zumeist funktionierte, Konfessionalisierung,
Sozialdisziplinierung und Territorialisierung (Territorium, Territorialstaat) Hand in Hand
gingen, war doch eine Errichtung vollständiger Landes- oder Nationalkirchen auf kath. Seite
ausgeschlossen, während auf protest. Seite das landesherrliche Kirchenregiment entweder
durch das grundherrliche Kirchenpatronat oder aber durch ständische Mitwirkungsrechte eine
wirksame Begrenzung erfuhr – das Letztere war bes. dort der Fall, wo (wie in Kursachsen) der
Fürst sich durch Konversion in Gegensatz zum Land brachte.
Eine besondere Intensivierung erfuhr dabei gewiss das Ho eben des A. Wiewohl sich nicht
sagen lässt, der Hof habe v. a. dazu gedient, den zuvor entweder grobianischen oder
rebellischen Adel nunmehr zu zähmen – dafür war die Konvergenz von Interessen und
Geschmack zwischen Herrscher und Adel zu stark –, wurden die Expansion des hö schen
Lebens, die Verstärkung, Verfeinerung und Verbindlichmachung hö scher Normen, für die
absolute Monarchie zweifellos zum erstrangigen Herrschaftsinstrument. Der Hof diente der
Repräsentation ebenso wie der Kommunikation – als deren Teil natürlich dem gemeinsamen
/
divertissement. Die hö sche Gesellschaft wurde nicht »gezähmt«, sondern »zivilisiert«, wobei
diese Zivilisierung nicht zuletzt als Selbstdisziplinierung von innen wirkte. Mit der
zeremoniellen Überhöhung des Monarchen, den elaborierten Formen der Ehrerbietung, sorgte
dies für mehr als eine Verschiebung von Akzenten. »A.« war insofern nicht nur Diskurs,
sondern sehr wesentlich »Inszenierung« (vgl. Abb. 2) [7]; [10].
Martin Wrede
4. Forschung
Indem die Forschung den Gegensatz zwischen abs. und nicht-abs. Staatswesen relativieren
konnte, ist in jüngerer Zeit mit neuem Nachdruck die Frage nach der Sinnhaftigkeit des
Konzepts und Epochenbegri fs gestellt, der A. geradezu zum historiographischen »Mythos«
erklärt worden. Zweifellos unterschied in der Frühen Nz. die franz. Regierungsform nicht sehr
viel mehr von der engl., als beide verband [14]; [8]. Ebenso ist es missverständlich, verstehbar
nur im Kontext und in der Terminologie der Zeit, vor dem Hintergrund der diskutierten oder
realen Alternativen die durch etliche Bedingungen relativierte Macht eines frühnzl.
/
Monarchen »absolut« zu nennen. Insofern der als spezi sch nicht-etatistische Alternative
angebotene Begri f des Barock jedoch selbst überaus schillernd und auf das hier in jeder
Hinsicht zentrale Frankreich der »Klassik« gar nicht anwendbar ist und insofern der Terminus
Ancien Régime zwar alle Nachteile des teils anachronistischen und staats xierten A. besitzt,
aber keinen seiner Vorzüge, wird der Begri f A. als Signum dieser Epoche kaum ersetzbar sein.
Martin Wrede
Bibliography
Quellen
Sekundärliteratur
[9] R. B , »Der Absolutismus war ein Glück, der doch nicht zu den Absolutisten
gehört.« Eduard Gans und die hegelianischen Ursprünge der Absolutismusforschung in
Deutschland, in: HZ 256, 1993, 31–66
[12] D. C , Les guerriers de Dieu. La violence au temps des troubles de religion, 1990
/
[14] N. H , The Myth of Absolutism. Change and Continuity in Early Modern European
Monarchy, 1992
[16] E. H , Fürsten und Mächte. Zum Problem des europ. Absolutismus, 2000
[19] R. J. K , Renaissance Warrior and Patron. The Reign of Francis I, 1994, 545)
[23] O. R , Courtesy, Absolutism, and the Rise of the French State, in: Journal of Modern
History 52, 1980, 426–451
Wrede, Martin, “Absolutismus”, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit
den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jaeger. Copyright © J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag
GmbH 2005–2012. Consulted online on 14 May 2020 <http://dx-doi-org.uaccess.univie.ac.at/10.1163/2352-0248_edn_COM_236841>
First published online: 2019