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Europa Abgelegte Tracht einer Hallstatt-Magnatin

Der Hort von Bánov in Mähren ein Bronzering; eine Bronzerohrspirale; ei‐
ne Eisenaxt mit quadratischem Schaftloch
sowie ein kreisförmiges Eisenobjekt. Zwei
massive Eisenringe von 14,3 und 12 cm
2017 gefunden, zählt der Schatzfund von Bánov zu den wenigen jüngeren Durchmesser lagen unter dem Gefäß. Bei‐
Entdeckungen, die unser Wissen über die Hallstattkultur nennenswert de bildeten eine Gürtelschnalle. Vervoll‐
ständigt wurde deren Schließe durch die
erweitert haben. Mit bis zu 2000 Bernsteinperlen ist es der größte geschlossene Bronzenadel. Ein Teil der Bernsteinper‐
vormittelalterliche Bernsteinfund in der Tschechischen Republik. len gehörte zum Dekor eines Gürtels, auf
dem ein Gefäß mit weiterem Schmuck
stand. Darin war Schmuck für Kopf, Hals,
Von Martin Golec, Jaroslav Bartík und Tomáš Chrástek; übersetzt von Jörg Fündling Brust und Arme verstaut. Vermutlich han‐
delt es sich dabei um Schmuckstücke eines

I
m 6. Jh. v. Chr. begannen die Hallstatt‐ füllung mit Lehm wurde der Hort mit 52 weiblichen Elitemitglieds, einer Magnatin.
kulturen in Mitteleuropa damit, sich kleinen Steinen abgedeckt, die einen Qua‐ Allein der Bernstein ist schon außer‐
spürbar dem fortschrittlichen Mittel‐ der von 25 × 25 × 12 cm bildeten. Darin gewöhnlich. In der Analyse zeigte sich die
meerraum anzupassen. So finden wir befanden sich die folgenden Objekte: Eine Herkunft von der Ostsee; die nächsten
nördlich der Alpen zahlreiche Belege für 18 cm hohe und an ihrer dicksten Stelle denkbaren Quellen liegen in der Gegend
die Übernahme von Gegenständen oder 20 cm Breite Keramikamphore; eine gro‐ um Gdańsk in Polen, wie eine Studie von
Trachtelementen aus dem Süden. Dieser ße blaue, zwei mittelgroße gelbe sowie 32 2017 zeigt. Bernstein in der Tschechischen
Prozess ist besonders bei den Eliten zu blassblaue und hellgrüne Glasperlen; etwa Republik stammt mit Ausnahme eines Ein‐
beobachten. Bezeugt sind einige Werk‐ 1500 bis 2000 teils zerbrochene Bern‐ zelstücks von der Westküste Dänemarks
stätten, die unbekannte Herstellungsver‐ steinperlen aus dem Ostseeraum; zwei ge‐ durchweg aus dem Ostseeraum. Einmalig
fahren imitierten. Güter, mit denen sie in rippte Bronzeringe, sechs Schlangenfibeln ist der Satz aus sechs slowenischen Schlan‐
alle Himmelsrichtungen handelten, spiel‐ und eine Harfenfibel aus Bronze; eine genfibeln. Durch diese im Norden der öst‐
ten im System der Fernbeziehungen eine Bronzenadel mit Köpfchen in Form einer lichen Hallstattkultur sonst unbekannten
Schlüsselrolle. Die Frage lautet nur: Wel‐ Mohnkapsel; zwei große Eisenringe; vier Fibeln, lässt sich der Hort aus Bánov um
che Güter hatte der Norden dem Süden zu bronzene Ohrringe; fünf Bronzeringe aus 625 bis 550 v. Chr. datieren. Dieser Fibel‐
bieten? Spiraldraht; ein profilierter Bronzering; typ ist überregional bedeutend und ge‐
Vermutet wird, dass Bernstein eine
wichtige Rolle spielte. Wie genau mit einer Die Bernsteinstraße –
begehrten Ware umgegangen wurde, hing eine Vielzahl von Wegen
durch Ostmitteleuropa,
von der Schaffung eines Netzes ab, das in
über die das begehrte
den Händen der Eliten lag. Die Beteiligten Material in den Süden
am Fernhandel waren wichtige Landbe‐ gelangte, so auch zur
sitzer in den Territorien, durch die Fern‐ Magnatin von Bánov.
verbindungen liefen. Das Häuptlingssys‐
tem der Hallstattkultur und die Bernstein‐
straße waren zwei Seiten derselben Me‐
daille.

Perlen über Perlen samt


kostbarem Schmuck
Dicht an der Grenze zwischen der Tsche‐
chischen Republik (Mähren) und der Slo‐
wakei liegt das Dörfchen Bánov. Im April
2017 wurde rund 2 km östlich der Orts‐
mitte eine Zufallsentdeckung gemacht. Die
Archäologen Jaroslav Bartík und Tomáš
Chrástek aus dem nahegelegenen Museum
in Uherské Hradiště dokumentierten den
hallstattzeitlichen Schatzfund mit seinem
außergewöhnlichen Inhalt. In einer fla‐
chen kreisförmigen Grube von 45 cm
Durchmesser und 36 cm Tiefe war eine
Amphore mit Schmuck deponiert, der teils
unter, teils in dem Gefäß lag. Vor der Ver‐

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Hort von Bánov, gefunden 2017 in
Mähren. Teile von der Tracht einer
Frau lagen sowohl in als auch unter
dem Gefäß. Das eiserne Tüllenbeil
rechts ist in Verbindung mit Opfer-
handlungen nicht nur für Männer,
sondern auch für Frauen bezeugt.

stattet daher die Korrelation von Funden uns eine Korrelation der Chronologie mit Die Magnatin von Bánov stellt er eine Projektion gleich mehrerer
in Slowenien, Norditalien, Baden‐Würt‐ Slowenien im Süden der östlichen Hall‐ trug Schmuck an Kopf, Werte dar:
Hals, Brust, Armen und
temberg und jetzt auch in Mähren. stattkultur, wo wir die höchste Konzen‐
Taille. Axt und Gefäß ste- – Materialwert
An der Bernsteinstraße liegt der Hort tration an Schlangenfibeln dieses Typs fin‐ hen in Verbindung mit – künstlerischer Wert
von Bánov auf halber Strecke zwischen den. Mit Blick auf die Bernsteinstraße ist den Umständen der De-
– sozialer, religiöser und persönlicher Wert
Ostsee und Adria; er ist ein einzigartiges der Hort ein großartiges Beispiel für den ponierung des Horts.
Beispiel dafür, wie sich Gegenstände von Warentransport. Der Schmuckstein All diese Dimensionen sind miteinander
beiden Endpunkten trafen. Auf weitere war eine Schlüsselressource des Nor‐ verknüpft. Außerdem müssen wir bei
Kontakte verweisen die beiden kleineren dens und wurde erwiesenermaßen Hortfunden Inhalt, Verpackung und land‐
gepressten drahtartigen Ohrringe – sie nach Süden transportiert. Für die Ge‐ schaftlichen Kontext berücksichtigen. Im
deuten Bezüge zur sogenannten Vekerzug‐ genrichtung nehmen wir die Bewe‐ Hort von Bánov können wir all diese As‐
Kultur in der Südwestslowakei und im Os‐ gung von etwa Bronzegefäßen, pekte beobachten. Aus der Collage ver‐
ten Ungarns an. Andere Schmuckstücke Schmuck oder Glasperlen an. schiedener Teile der Tracht einer Magna‐
weisen Parallelen in Mähren auf und wir Die Strecke vom slowenischen tin ergibt sich für uns die Möglichkeit, dass
vermuten, dass sie heimischen Ursprungs Ljubljana zum tschechischen diese Accessoires am Rand einer besie‐
sind. Durch die zwei gerippten Armringe Bánov ist gut 600 km lang, delten Gegend im Vorgebirge der Weißen
können wir das Ensemble mit anderen die weitere Verbindung Karpaten als Votivgabe an eine Gottheit,
Fundkontexten in Mähren verbinden. Ähn‐ entlang der Linie Olo‐ wahrscheinlich eine Göttin, deponiert wur‐
licher Schmuck findet sich hauptsächlich mouc nach Opole und den. Als Opfergerät finden wir eine Axt, die
in den Horten der Platěnice‐Gruppe und Gdańsk weitere 800 km. auf Situlen in den Händen von Frauen be‐
im zentralen Höhlenheiligtum von Ha‐ Bánov liegt bei rund zwei zeugt ist. 
brůvka ‒ »Býčí skála«. Über diese Funde Fünfteln der Route der Bern‐
können wir die Datierung des Horts von steinstraße in Ostmittel‐
Dank
Bánov auf 575 bis 550 v. Chr. einengen. europa.
Schließlich stellt Die Autoren bedanken sich bei dem Fonds
zur Unterstützung wissenschaftlicher Akti-
Bernsteinstraße, Handel und Hortung sich die Frage nach
vitäten an der Palacký Universität in Olo-
Der Hort von Bánov eröffnet neue Per‐ dem Motiv, wieso
mouc [Projektnr. FPVČ_UPOL 452101601 / 30]
spektiven für die Erforschung der Hall‐ der Hort entstand. für die finanzielle Unterstützung.
stattzeit in Mähren. Sein Inventar erlaubt Für sich genommen

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