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2022/4/29 下午6:40 Proteste gegen Corona-Politik: Shanghaier Bürger begehren auf | tagesschau.

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Proteste gegen Corona-Politik

Shanghaier Bürger begehren auf


Stand: 29.04.2022 11:11 Uhr

Seit Wochen protestieren die Menschen in Shanghai gegen die extrem strenge
Corona-Politik. Neu ist, dass sich die Bürger nun zusammenschließen - etwa, um zu
bestimmten Uhrzeiten lautstark zu protestieren.

Die Menschen in Shanghai protestieren wieder an den Fenstern ihrer Wohnhäuser. Mit
Pfannen und Töpfen machen sie Krach. Sie wollen etwas zu essen. Lebensmittelpakete
von der Regierung. Es ist ein organisierter Protest. Die Menschen haben sich in
mehreren Stadtteilen zu einer bestimmten Uhrzeit verabredet. Sie haben
selbstgestaltete, digitale Plakate in den Chatgruppen in Wechat, dem chinesischen
Pendant zu Whatsapp, verbreitet. Das ist außergewöhnlich in China. Dort gibt es keine
Presse- und Meinungsfreiheit.

"In den vergangenen zehn Tagen haben wir fünf neue Fälle in unserem Gebäude
gehabt. Wir dürfen die Wohnungen nicht verlassen und auch keine Online-
Gruppeneinkäufe machen. Seit dem 18. April haben wir nichts mehr online bestellt,
um den Regeln der Regierung nachzukommen", sagt eine Frau in einem Telefonat mit
den zuständigen Behörden ihres Stadtviertels. "Aber wenn wir nicht online bestellen
können und auch keine Lebensmittelpakete kommen: Was sollen wir essen?"

Die Aufzeichnung davon verbreitete sich vor dem Protest schnell in den sozialen
Netzwerken und sorgte für Empörung. In manchen Teilen der Stadt kommen die
Versorgungspakete der Regierung nicht an. Die Verzweiflung nimmt zu.

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Regierung spricht von "ausländischen Agenten"

Die Behörden in Shanghai reagierten mit Lautsprecherdurchsagen und


Textnachrichten an die Bürgerinnen und Bürger auf die Proteste. Darin hieß es, dass
ausländische Agenten diese Aktion organisiert hätten und dass jeder genau überlegen
und zwischen richtig und falsch unterscheiden solle.

Bereits vor Wochen kursierten Videos von Einzelprotesten in den sozialen Netzwerken.
Wie von einem Mann, der sich im Innenhof in direkten Worten an die Regierung
wendet: "Soll die Kommunistische Partei mich doch holen kommen. Wo ist die
Kommunistische Partei? Wo ist der Kommunismus? Was ist mit den einfachen
Leuten?"

Strikte Null-Covid-Politik
Die chinesische Staats- und Parteiführung hält weiterhin an der strikten Null-Covid-
Strategie fest. Der jüngste Ausbruch der Omikron-Variante stellt diese vor neue
Herausforderungen.

Björn Alpermann ist China-Wissenschaftler und Professor an der Universität


Würzburg. Er sieht den wochenlangen Lockdown und den damit einhergehenden
Unmut in Shanghai als einen Rückschlag für die Kommunistische Partei, den sie sich
ausgerechnet in diesem Jahr nicht leisten wollte. Denn der chinesische Staats- und
Parteichef Xi Jinping strebt in diesem Jahr eine weitere Amtszeit an.

"Wenn es der Zentralregierung nicht mehr gelingt, das Versagen in der


Pandemiebekämpfung jeweils auf die lokale Ebene abzulenken, kann es auch für die
Führung Xi Jinpings gefährlich werden", so Alpermann. "Gerade die Kommunistische
Partei hat sich eigentlich dazu hinreißen lassen, ihr vergleichsweise gutes Abschneiden
in diesem Corona-Vergleich als eine systemische Frage zu deuten und damit politisch
aufzuladen. Es wurde gesagt: 'Wir unter der kommunistischen Führung der Partei
haben es in China besser hingekriegt als die demokratischen Staaten des Westens, die
viel zu zögerlich vorgegangen sind'. Und das droht jetzt der chinesischen Regierung auf
die Füße zu fallen", so Alpermann.

Wettlauf zwischen Bürgern und Zensoren


Vor allem in den sozialen Netzwerken versuchen die Menschen in Shanghai ihren
Unmut auszudrücken. Doch vieles Kritische wird von den Internetzensoren schnell
wieder gelöscht.

Ein besonderes Phänomen war das Video mit dem Titel "Die Stimmen des Aprils" - ein
Zusammenschnitt von Telefonaten, Eindrücken und aufgezeichneten Gesprächen aus
den vergangenen Wochen. Es wurde an einem Tag innerhalb weniger Stunden immer
wieder sehr hartnäckig geteilt. Ein Wettlauf gegen die Internetzensoren, die es immer
wieder gelöscht haben. Bis es am Ende nicht mehr zu sehen war.

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wieder gelöscht haben. Bis es am Ende nicht mehr zu sehen war.

Normalerweise sei Zensur etwas, das die chinesischen Bürger nur am Rande
mitbekämen, sagt Alpermann. "Aber jetzt haben wir es mit einer Situation zu tun, in
der sich 25 Millionen Shanghaier Bürger lautstark in den sozialen Medien und in
anderen Foren darüber beschweren, wie schlecht die Versorgungslage ist und erleben
müssen, wie all diese Beschwerden, auch kreative Formen des Protestes, wieder
gelöscht werden." Das sei eine ganz neue Erfahrung für diese Menschen, jetzt selber
Opfer von Zensur zu werden.

Es geht auch um Deutungshoheit


Wenn die meisten Menschen in der mehr als 25-Millionen-Einwohner-Metropole
Shanghai den Lockdown und die schlechte Versorgung als negative Erfahrung
wahrnehmen, dann geht der deutsche Sinologe Björn Alpermann davon aus, dass es
für die chinesische Staats- und Parteiführung schwer wird, selbst mit dem Einsatz
modernster Propaganda diese Niederlage in einen Sieg gegen die Pandemie
umzudeuten.

Dem ARD-Hörfunk sagen viele, dass sie das, was während des Lockdowns passiert ist,
nicht vergessen würden und der Regierung nicht vergeben könnten. Wie dieser Mann,
der anonym bleiben möchte: "Nach diesem Corona-Ausbruch wird es eine große
Veränderung geben, nämlich eine Vertrauenskrise. Das Vertrauen wird wieder
aufgebaut werden müssen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Dinge wieder so werden,
wie sie waren."

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