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Ammoniak
Ein großes Containerschiff verbraucht pro Jahr so viel Sprit wie 100.000 Autos. Viel zu
langsam steigen die Reeder auf neue Treibstoffe um – dabei gibt es die längst.
Von Alexander Jung
09.03.2021, 18.22 Uhr
Ammoniak, chemische Formel: NH3, ist ein übel riechendes Gas, bekannt
aus dem Kuhstall, höher konzentriert sticht es giftig in der Nase.
Üblicherweise wird es für die Düngemittelproduktion verwendet und aus
Erdgas hergestellt. Es lässt sich aber auch aus Wasserstoff gewinnen, der
mittels Wind- oder Sonnenstrom klimaneutral erzeugt werden kann. Diese
Möglichkeit macht Ammoniak für die globale Schifffahrt zum Treibstoff der
Hoffnung. Ansonsten hätte sie ein Problem.
»Das Rennen um den Treibstoff der Zukunft ist noch nicht entschieden«
Alexander Dyck, Institut für Maritime Energiesysteme
Die maritime Industrie muss dringend etwas für ihre Umweltbilanz tun. Ein
großes Containerschiff verbraucht jährlich so viel Sprit wie 100 000 Autos.
Rund 2,5 Prozent aller CO2-Emissionen weltweit gehen auf das Konto des
internationalen Seeverkehrs, das ist mehr, als ganz Deutschland ausstößt.
Geschieht nichts, könnte der Anteil bis 2040 auf 7 Prozent wachsen,
prognostiziert die Internationale Energieagentur.
Die Wahl des Treibstoffs ist von enormer Tragweite. Ein Schiff, das die
Industrie jetzt in Auftrag gibt, dürfte noch Mitte des Jahrhunderts im Einsatz
sein. »Auf die falsche Lösung zu setzen, kann zu einem bedeutsamen
Wettbewerbsnachteil führen«, warnen die Experten des Schiffszertifizierers
DNV. Sie kommen auf 16 Treibstoffarten und 10 Antriebssysteme, jede
Variante hat Vor- und Nachteile. Klar ist nur: Elektroantriebe kommen
schon wegen des Batteriegewichts kaum infrage, jedenfalls nicht auf hoher
See.
Das Unternehmen setzt auf verflüssigtes Erdgas als mittelfristige Lösung. Ein
Containerriese wird gerade auf LNG umgerüstet, sechs weitere LNG-Schiffe
sind bestellt. LNG ist laut Berlepsch »derzeit der am besten geeignete
Brennstoff auf dem Weg zur Emissionsfreiheit«. Verflüssigtes Erdgas kann
den CO2-Ausstoß allerdings nur um 15 bis 25 Prozent senken; das ist auch
dem Manager bewusst. Es stellt somit eher eine Lösung für Jahre dar als für
Jahrzehnte.
Doch ist bis dahin überhaupt ausreichend grüner Treibstoff verfügbar? Noch
gibt es keine nennenswerten Produktionskapazitäten. Standorten in sonnen-
oder windreichen Ländern wie Marokko, Chile oder Australien werden gute
Chancen eingeräumt, dort lässt sich Grünstrom billig herstellen. Aber auch
in Europa bieten sich Möglichkeiten.
Von allein werden die Reeder kaum auf die teureren Antriebe wechseln. Was
fehlt, sind verbindliche, globale Regeln, die sie dazu zwingen. Das könnte die
IMO übernehmen. Doch die Vereinigung bremst die Entwicklung eher.
In dieser unklaren Situation agiert auch die Branche unentschieden und hält
sich technologisch alle Optionen offen. Sie entwickelt Motoren, die in der
Lage sind, verschiedene Treibstoffe beizumischen (»Drop-in Fuels«) oder die
sich mit unterschiedlichen Kraftstoffen betreiben lassen (»Dual Fuel«), mit
LNG etwa und zugleich mit Ammoniak. »Wir gestalten die Motoren so
flexibel wie möglich«, sagt MAN-Energy-Solutions-Forschungschef Stiesch.
Alle neu bestellten Maersk-Schiffe werden laut Konzern für zweifachen
Betrieb ausgelegt.
Auch das Pionierschiff, das die griechische Reederei in China bestellt hat,
soll nicht nur mit Ammoniak laufen. Der Tanker wird »Ammonia-ready«
sein, also darauf vorbereitet, auf klimaschonenden Betrieb zu wechseln. Bis
dies möglich ist, werden aber einige Jahre vergehen. So lange wird das Schiff
noch tonnenweise konventionellen Treibstoff verbrennen.