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Kerstin Protz, Jan Hinnerk Timm

28 Wundmanagement

Kerstin Protz, Jan Hinnerk Timm

28.2 Grundlagen

Kleinere akute Verletzungswunden heilen häufig von selbst ab. Die Anzahl der schlecht
heilenden Wunden hingegen nimmt immer mehr zu.

28.1 Kompetent pflegen

Eine Wunde entsteht durch eine Schädigung der Haut und ggf. des darunterliegenden
Gewebes. Ursachen hierfür sind häufig Abschürfungen, Schnitt- und Stichverletzungen oder
Verbrennungen. Aber auch Durchblutungsstörungen (z. B. pAVK, CVI),
Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus), ein langanhaltender Druck auf eine
bestimmte Körperregion (Dekubitus) oder ein schlechter Ernährungszustand können
Wunden verursachen und deren Abheilung erschweren.

28.2 Grundlagen

Kleinere akute Verletzungswunden heilen häufig von selbst ab. Die Anzahl der schlecht
heilenden Wunden hingegen nimmt immer mehr zu.
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Damit diese Wunden optimal versorgt werden können, ist ein individuelles
Wundmanagement besonders wichtig. Neben Reinigungsmaßnahmen, Hautschutz und -
pflege kann eine individuell angepasste Wundversorgung die physiologischen Prozesse der
Wundheilung fördern und unterstützen. Vorausgesetzt, die Wundursache wird adäquat
diagnostiziert und es erfolgt eine Kausaltherapie der auslösenden Erkrankung.

Pflegefachkräfte sollten daher die Wundklassifikationen und Heilungsphasen kennen und


zuordnen können. Dadurch ist es ihnen möglich, z. B. beim Verbandwechsel Veränderungen
festzustellen und den Arzt darüber zu informieren.

28.2.1 Wundarten und Wundbeurteilung

Definition
Wunde

Als Wunde wird der Barriereverlust zwischen dem Körper und der Umgebung durch
Zerstörung von Gewebe an äußeren oder inneren Körperoberflächen bezeichnet (Initiative
Chronische Wunden [ICW] e.V.).

Akute und chronische Wunden

Wunden werden grundsätzlich in akute und chronische Wunden differenziert.


Akute Wunden
Sie entstehen durch eine äußere Gewalteinwirkung, ein sog. Trauma. Schnitt-, Stich-, Biss-,
Schuss- oder Schürfwunden sind oft die Folge von Unfällen (Abb. 28.1). Aber auch
Verbrennungen oder Wunden durch chemische Einwirkungen (z. B. Verätzungen) und
physikalische Einwirkungen wie Strahlung oder Elektrizität zählen zu den akuten Wunden.
Allgemein heilen viele akute Wunden, wie bewusst gesetzte OP-Wunden, ohne
Wundheilungsstörungen (z. B. Infektionen) unkompliziert ab.

Abb. 28.1 Akute


Wunden.
a Schürfwunde.
(Abb. aus: Krause
H, Wagemann W.
Prinzipien
kinderchirurgischer
Wundbehandlung.
In: Lippert H, Hrsg.
Wundatlas. 3. Aufl.
Stuttgart: Thieme;
2012)
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b Quetschwunde. (Abb. aus: Piatek S. Quetschwunden. In: Lippert H, Hrsg. Wundatlas. 3.


Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012)
c Platzwunde. (Abb. aus: Piatek S. Platzwunden. In: Lippert H, Hrsg. Wundatlas. 3. Aufl.
Stuttgart: Thieme; 2012)
Chronische Wunden
Eine Wunde, die trotz sach- und fachgerechter Versorgung, nach 8 Wochen nicht abgeheilt
ist, wird als chronisch bezeichnet. Unabhängig von dieser zeitlich orientierten Definition gibt
es Wunden, die von Beginn an als chronisch anzusehen sind und deren Behandlung eine
Therapie der Ursache erfordert. Hierzu gehören das diabetische Fußulkus, Wunden bei
pAVK, Ulcus cruris venosum oder Dekubitus (Initiative Chronische Wunden [ICW] e.V.) (Abb.
28.2). Mögliche Ursachen für chronische Wunden sind die Wundart, Begleiterkrankungen
und -umstände. Hierzu zählen z. B. eine chronisch venöse Insuffizienz (CVI), eine
Polyneuropathie, Druck auf das Gewebe, Malnutrition (Mangelernährung) oder eine arterielle
Durchblutungsstörung (pAVK). Das Gewebe wird dadurch u.a. nicht ausreichend mit
Nährstoffen und Sauerstoff versorgt, es kommt zu einer Wundheilungsstörung. Zu den
häufigsten chronischen Wunden zählen:
 Ulcus cruris unterschiedlicher Genese, z. B. venös, arteriell, mixtum, dermatologisch
 Dekubitus
 diabetisches Fußulkus
 ulzerierende Tumoren
Der Behandlung einer chronischen Wunde müssen immer eine umfassende Diagnostik
sowie Abklärung und Therapie der Grunderkrankung vorausgehen (Kausaltherapie).
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Abb. 28.2 Chronische Wunden.


a Ulcus cruris venosum.
b Dekubitus Kategorie IV nach EPUAP. (Abb. aus: Piatek S, Tautenhahn J. Klinische
Stadieneinteilung. In: Lippert H, Hrsg. Wundatlas. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012)
c Diabetisches Fußulkus. (Abb. aus: Piatek S, Tautenhahn J. Platelet-derived Growth Factor.
In: Lippert H, Hrsg. Wundatlas. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012)

Entstehungsursache
Die Art und Weise, wie eine Wunde entstanden ist, ist für Wundbehandlung und
Heilungsverlauf von entscheidender Bedeutung. Darum werden Wunden zunächst nach ihrer
Entstehungsart eingeteilt, und zwar in:
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 mechanische Wunden: Hierzu zählt man Schürf-, Schnitt-, Stich-, Schuss-, Platz-


und Quetschwunden sowie Kratz-, Riss- und Bissverletzungen, auch
Ablederungswunden (Décollement) und Pfählungsverletzungen.
 thermische Wunden: Sie entstehen durch Hitze, Strom oder Kälte. Temperatur,
Dauer und Intensität der Einwirkung bestimmen das Ausmaß der Verletzung.
 chemische Wunden: Hierzu zählen durch Säuren, Laugen oder Gase entstandene
Verletzungen (z. B. Verätzung).
 strahlenbedingte (aktinische) Wunden: Sie entstehen z. B. durch Röntgenstrahlen,
radioaktive Strahlen oder zu starke UV-Strahlen. Häufig ähneln sie Brandwunden.
Ihre Heilung ist jedoch viel problematischer.
 iatrogene Wunden: Sie entstehen durch operative Eingriffe, zu diagnostischen oder
therapeutischen Zwecken, z. B. Punktionen, Gewebeentnahmen.
 Ulkuswunden (lat. ulcus „Geschwür“): Sie entstehen nicht durch äußere Einflüsse. In
der Medizin ist damit ein (tief liegender) Gewebedefekt gemeint, der auf trophisch
(die Ernährung des Gewebes betreffend) bedingte Störungen der Haut wie
Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen, aber auch systemische Erkrankungen
wie Magen-/Darmgeschwüre, Tumoren oder Hautinfekte zurückzuführen ist.
Offene und geschlossene Wunden
Ist die Haut- oder Schleimhautoberfläche zerstört, ist die Wunde offen und von außen
sichtbar, z. B. Schnittverletzung. Bei einer geschlossenen Verletzung hingegen ist die Haut
nicht durchtrennt. Allerdings sind die Gewebe unterhalb der Hautoberfläche, z. B. Knochen,
Sehnen, Muskeln, Bänder, verletzt bzw. geschädigt. Hämatome oder Schwellungen deuten
häufig auf das tiefer liegende Geschehen hin, z. B. Muskelfaserriss oder Luxation.
Verletzungstiefe
Vor einer ersten Wundbehandlung muss die Tiefe einer Wunde näher definiert werden.
Während oberflächliche, epitheliale Wunden auf die Epidermis beschränkt sind und meist
komplikationslos abheilen, sind bei den perforierten Wunden alle Hautschichten
durchtrennt. Hierzu zählen z. B. Riss-, Quetsch-, Schnitt- oder Bisswunden.
Wunden, die so tief reichen, dass auch Muskel- oder Knochengewebe, Nerven oder Organe
beteiligt sind, gelten als kompliziert. Hier besteht die Gefahr, dass Infektionen,
Durchblutungsstörungen oder andere Schädigungen den Heilungsverlauf negativ
beeinflussen. Hierzu zählen Amputationsverletzungen, offene Frakturen oder tief gehende
Weichteilverletzungen.
Grad der Keimbesiedlung
Zudem lassen sich Wunden nach dem Grad der Keimbesiedlung, z. B. durch Bakterien oder
Pilze, unterteilen. Je nach Kontaminationsgrad unterscheidet man:
 aseptische Wunden: Sie entstehen meist durch Operationen, sind fast keimfrei und
zeigen keine Entzündungszeichen. Aber auch frische Verletzungen, die nicht älter als
4–6 Stunden sind, können dazugehören, wenn die Wundränder glatt durchtrennt sind
und dicht beieinanderliegen. Aseptische Wunden können durch Klammern, Nähte,
Kleber oder Pflasterstreifen (Steristrips) verschlossen werden und heilen meist
unkompliziert ab (primäre Wundheilung).
 kontaminierte Wunden: Sobald die Haut zerstört wurde, ist jede Wunde der
Besiedelung durch Keime ausgesetzt. Kontaminierte Wunden sind z. B. von
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Bakterien besiedelt, die sich jedoch nicht vermehren, solange die körpereigene
Immunabwehr intakt ist. Es liegen keine Entzündungszeichen vor. Solche Wunden
heilen sekundär, d. h., sie werden offen behandelt und nicht durch Naht oder
Klammerung verschlossen (sekundäre Wundheilung). Sie heilen also nur langsam,
ggf. treten Wundheilungsstörungen auf, und es bilden sich z. T. große, unebene
Narben. Beispiele sind Verbrennungen, Drainageausgänge oder bewusst offen
gehaltene Wunden wie ein Tracheostoma.
 kolonisierte Wunden: Nahezu jede oberflächliche Wunde ist von Mikroorganismen
besiedelt, d. h. kontaminiert. In kolonisierten Wunden finden sich bereits
vermehrungsfähige Bakterien, die allerdings keinen nachhaltigen Einfluss auf die
Wundheilung haben. Es sind noch keine Entzündungszeichen sichtbar. Per
Augenschein kann nicht zwischen Kontamination und Kolonisation unterschieden
werden. Chronische Wunden sind aufgrund ihrer verzögerten oder stagnierenden
Heilung eher kolonisiert als kontaminiert.
 kritisch kolonisierte Wunden: Diese Wunden sind bereits infektgefährdet, da die
Gefahr besteht, dass die Keimbesiedlung auf den Körper (Wirt) übergeht. Die ersten
Zeichen sind z. B. eine zunehmende Exsudation und beginnende Rötung.
 infizierte Wunden: Bei der infizierten Wunde liegt ein bakterielles Wachstum vor. Die
Keimbesiedlung ist auf den Körper übergegangen und führt zu einer
immunologischen Reaktion. Infizierte Wunden sind hoch keimbelastet und zeigen die
typischen Entzündungszeichen Rötung (rubor), Schwellung (tumor), Wärme (calor),
Schmerzen (dolor) und Funktionseinschränkung (functio laesa) der betroffenen
Gliedmaßen (Abb. 28.3). Darüber hinaus sondern sie trübes, eitriges Exsudat ab und
riechen unangenehm. Das Granulationsgewebe ist bröckelig und blutet leicht.
Gelangen die Keime in die Blutbahn, entwickelt sich schlimmstenfalls eine Sepsis.
Eine lokale Wundinfektion mit den typischen Entzündungszeichen ist klar von einer
systemischen Infektion (septische Wunden), die meist mit Fieber und Zellulitis
(Entzündung des Unterhautgewebes) einhergeht, abzugrenzen. Ein Blutbild (erhöhte
Leukozytenzahl) sowie eine erhöhte CRP geben hierüber Aufschluss.
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Abb. 28.3 Infizierte Wunde.


Infizierter Amputationsstumpf mit Nekrosen und typischen Entzündungszeichen.

28.2.2 Prinzipien der Wundheilung

Beim Heilungsprozess wird zwischen primärer und sekundärer Wundheilung unterschieden.


Primäre Wundheilung
Eine Wunde kann nur dann primär heilen, wenn das Wundgebiet sauber, keimfrei und gut
durchblutet ist. Möglich ist diese primäre Wundheilung z. B. bei aseptischen OP-Wunden
oder frischen infektionsfreien Verletzungen, die nicht älter als 4–6 Stunden sind. Die
Wundränder müssen glatt durchtrennt sein und eng aneinanderliegen, sodass die Wunde
genäht/geklammert werden und zügig sowie komplikationsarm abheilen kann (z. B.
Schnittwunde). Nach ca. 10–12 Tagen ist die primäre Wundheilung üblicherweise
abgeschlossen, und es bleibt meist nur eine feine Narbe zurück. Dagegen sind
Pigmentveränderungen manchmal sehr lange sichtbar, gerade bei dunkleren Hauttypen.
Sekundäre Wundheilung
Ist eine Wunde zerklüftet, sehr tief, stark verschmutzt oder älter als 6 Stunden, ist eine
primäre Wundheilung nicht mehr möglich. So eine Wunde darf nicht verschlossen werden (z.
B. durch Naht, Klammerung), sondern muss offen, d. h. sekundär heilen. Hierbei granuliert
die Wunde allmählich von unten nach oben zu und bildet abschließend vom Rand her
einwachsendes Epithelgewebe aus, das die Wunde verschließt. Zurück bleibt eine Narbe,
die häufig nicht sehr belastungsstabil ist und schnell wieder aufbricht.
Merke
Sekundär heilende Wunden

Sekundär heilen vor allem großflächige, tiefe oder infizierte Wunden (z. B. Verbrennungen)
sowie alle chronischen Wunden, z. B. Dekubitus, diabetisches Fußulkus und Ulcus cruris.
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28.2.3 Phasen der Wundheilung

Der Heilungsverlauf einer Wunde hängt also wesentlich von der Entstehungsursache, der Art
und Tiefe der Wunde sowie ihrem Infektionsrisiko ab. Damit sich zerstörtes Körpergewebe
überhaupt regenerieren kann, beginnt schon wenige Minuten nach der Verletzung ein
komplexer Wundheilungsprozess, der von der ersten Blutgerinnung bis zur Narbenbildung in
3 verschiedenen, sich überschneidenden Phasen abläuft (Abb. 28.4):
1. Exsudationsphase oder Reinigungs-, Inflammations- oder Entzündungsphase
2. Proliferationsphase oder Granulationsphase
3. Regenerationsphase oder Epithelisierungsphase

Abb. 28.4 Wundheilungsprozess.


Die einzelnen Phasen können sich überlappen und teilweise parallel ablaufen. (Foto: K.
Oborny, Thieme)

Exsudationsphase = Reinigungsphase

Durch die Verletzung wurden Blutgefäße zerstört, die Wunde blutet und Exsudat tritt aus.
Hierdurch werden auch Fremdkörper und Bakterien ausgeschwemmt. Zur Vermeidung
weiterer Blutverluste bewirken zelleigene Substanzen eine Engstellung der geschädigten
Gefäße (Vasokonstriktion), bis die Mechanismen der Blutgerinnung greifen und die Wunde
durch das gebildete Fibrin verkleben. Makrophagen (Fresszellen) dringen in die Wunde ein
und bauen Fremdkörper, Bakterien und Zelltrümmer durch Phagozytose ab.

Proliferationsphase = Granulationsphase

Die Substanzverluste werden durch die Bildung (Proliferation) neuen Gewebes wieder
aufgefüllt. Bindegewebszellen (Fibroblasten) nutzen das bei der Blutgerinnung entstandene
Fibringerüst zur Neuansiedlung von Zellen. Sie produzieren zusätzlich Kollagen, wodurch
das neue Gewebe gefestigt wird. Kapillargefäße sprießen ein und Endothelzellen lagern sich
an. So entsteht allmählich neues, gefäßreiches Granulationsgewebe, das sich durch seine
tiefrote Farbe und eine feuchtglänzende, körnige (lat.: granulum = Körnchen) Oberfläche
auszeichnet.
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Regenerationsphase = Epithelisierungsphase

In dieser Phase stellen die Fibroblasten allmählich ihre Arbeit ein und wandeln sich in
Fibrozyten und Myofibroblasten um, die ein Zusammenziehen der Oberfläche bewirken. Das
Granulationsgewebe verliert Wasser und die Anzahl der Gefäße nimmt ab. Vom Wundrand
her wandern Epithelzellen zur Wundmitte und überziehen das Granulationsgewebe mit
einem feinen Epithel. Hierfür ist jedoch eine möglichst glatte und feuchte Wundoberfläche
notwendig. Durch Mitose (Zellkernteilung) verdickt sich die Zellschicht und die Wunde
schließt sich allmählich.

Voraussetzungen optimaler Wundheilung

Für den optimalen Ablauf dieser Heilungsphasen gibt es 2 Voraussetzungen:


1. richtige Temperatur
2. richtiges Milieu
Da die Zellteilung erst bei 28°C beginnt, kann eine Wunde nur bei dieser Temperatur optimal
granulieren bzw. epithelisieren. Eine feuchte Umgebung fördert zudem die Wanderung und
Neuanordnung der neu entstehenden Zellen und sorgt dafür, dass sich möglichst wenig
wundheilungsstörender Schorf bildet. Somit bietet nur ein feuchtwarmes Wundmilieu die
optimalen Bedingungen für eine physiologische Wundheilung.
Merke
Hydroaktive Wundauflagen

Moderne, hydroaktive Wundauflagen ermöglichen es, dieses feuchtwarme „Klima“ in der


Wunde herzustellen und zu erhalten sowie die physiologischen Prozesse der einzelnen
Heilungsphasen optimal zu fördern. Man spricht von phasengerechter Wundtherapie.

Zuordnung einer Wunde in die Heilungsphasen

Innerhalb der Wundphasen können verschiedene Wundstadien wie Infektionen, Taschen


und Unterwanderungen, Gerüche, Granulation, Epithelisierung, Beläge oder Nekrosen
auftreten; Letztere machen es nicht immer leicht, die Wunde der richtigen Heilungsphase
zuzuordnen. Daher ist es wichtig, dass die Wunde zuerst gereinigt wird. Erst wenn Beläge,
Zelltrümmer, Verband- oder Gewebereste entfernt sind und das Wundgebiet sauber ist, kann
die Wunde beurteilt und über eine zur Heilungsphase passende Wundtherapie entschieden
werden.
WISSEN TO GO
Wundheilung

Die Wundheilung verläuft in 3 unterschiedlichen, zum Teil parallel ablaufenden Phasen:


1. Exsudations- oder Reinigungsphase
2. Proliferations- oder Granulationsphase
3. Regenerations- oder Epithelisierungsphase
Optimal verläuft der Heilungsprozess, wenn die Wunde feucht und warm ist. Die
Wundheilung kann primär verlaufen, d. h., die Wunde ist z. B. durch Naht oder Klammerung
verschlossen.
Man spricht von sekundärer Wundheilung, wenn die Wunde offen heilt. Dies gilt für
Wunden, die verschmutzt (z. B. Bissverletzung), zerklüftet, chronisch und/oder älter als 6
Stunden sind.

28.2.4 Störfaktoren der Wundheilung


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Die Wundheilung ist ein komplexer Prozess, der durch viele Faktoren beeinflusst und gestört
werden kann (Abb. 28.5). Hier spielen sowohl lokale Faktoren, also solche, die direkt von
außen auf die Wunde einwirken, als auch systemische Faktoren, die den gesamten Körper
betreffen, eine Rolle. Für Pflegefachkräfte ist es wichtig, diese Einflussfaktoren zu kennen,
damit sie den Pflegeempfänger gezielt daraufhin beobachten und die Wunde entsprechend
beurteilen können.

Abb. 28.5 Einflussfaktoren der Wundheilung.


Die Wundheilung ist ein sensibler Prozess, der durch vielfältige lokale und systemische
Faktoren beeinflusst werden kann. (Foto: K. Oborny, Thieme)

Lokale Störfaktoren

Von außen einwirkende, zum Teil sichtbare Störfaktoren können die Wundverhältnisse
verschlechtern und die Heilung hemmen. Hierzu gehören:
 Keimbesiedelung, ggf. Infektionen, Beläge oder Nekrosen
 Fremdkörper in der Wunde
 Ödeme, Hämatome
 trockener, die Wundheilung störender Schorf
 Druck auf die betroffene Region oder unzureichende Ruhigstellung
 Austrocknung oder Auskühlung der Wunde, z. B. durch Wundspülung mit kalten
Lösungen oder durch zu langes Freiliegenlassen einer unverbundenen Wunde
 Hypergranulation (überschießende Bildung von Granulationsgewebe über
Hautniveau), hypertrophes Narbengewebe
 Wunddehiszenz, d. h., die Wundränder klaffen bei zu großer Spannung auseinander
 Nahtdehiszenz, wenn bereits primär verschlossene Wunden wieder aufplatzen
 vorgeschädigtes Gewebe, z. B. nach Bestrahlung bei Tumoren
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 ungünstige Lokalisation der Wunde, z. B. im Anusbereich (diese Wunden sind durch


Kontaminationsgefahr mit Ausscheidungen stark infektionsgefährdet) oder in
Gelenknähe (diese Wunden sind mechanisch stark belastet)
 Spannung der Wundränder

Systemische Störfaktoren

Auch systemische Grunderkrankungen des Pflegeempfängers oder allgemeine Faktoren, die


den gesamten Organismus betreffen, beeinträchtigen die Wundheilung, sodass diese nur
verzögert abläuft oder ein Wundverschluss verhindert wird. Hier ist u. a. auf folgende
Einflussfaktoren zu achten:
 Alter des Pflegeempfängers: Mit zunehmendem Alter nehmen die Durchblutung
und die Regenerationsfähigkeit der Haut ab; die Haut wird dünner, trockener und
regeneriert sich langsamer.
 Allgemeinzustand: Stress, Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel, geschwächter
Immunstatus oder Schmerzen sind nur einige Faktoren, die den Heilungsprozess
stören können.
 Grunderkrankungen: Wird ein Gewebe schlecht durchblutet, werden die Zellen nur
noch unzureichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Auch Abfall- und
Schlackenstoffe können nicht mehr ausreichend abtransportiert werden und sammeln
sich im Gewebe an. Die Regenerationsprozesse sind gestört und die Wundheilung
wird beeinträchtigt. Darum verursachen Durchblutungsstörungen wie die periphere
arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder die chronisch venöse Insuffizienz (CVI),
aber auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus schlecht heilende,
chronische Wunden.
 Ernährung: Zu wenig Flüssigkeit sowie eine falsche bzw. mangelhafte Ernährung
können den Heilungsprozess verzögern. Besonders Eiweiß, Arginin, Omega-3-
Fettsäuren, Vitamin A und C sowie Zink und Eisen sind elementare Nährstoffe
während des Heilungsprozesses.
 Medikamente: z.B. Antibiotika, Antikoagulanzien, Diuretika, Zytostatika,
Chemotherapeutika, Glukokortikoide oder Barbiturate können durch ihre Wirkungen
und Nebenwirkungen den Wundheilungsprozess negativ beeinflussen.
 psychische Verfassung: Hat der Pflegeempfänger chronische Schmerzen oder
Angst vor schmerzhaften Verbandwechseln oder ist seine Lebensqualität durch die
Erkrankung dauerhaft eingeschränkt, kann sich das negativ auf die Psyche
auswirken. Auch psychische Erkrankungen, Depressionen, Alkohol- und
Drogenabusus oder Demenz können die Mitarbeit und Kooperationsbereitschaft des
Pflegeempfängers einschränken und den Heilungsprozess hemmen.
 systemische Infektionen: Ist nicht nur die Wunde lokal mit Bakterien infiziert,
sondern gelangen diese in die Blutbahn, kann sich die Infektion auf den gesamten
Organismus ausbreiten. Daraus entwickeln sich möglicherweise systemische
Infektionen wie eine Sepsis oder ein septischer Schock. Diese Erkrankungen können
die Wundheilung stoppen und sind sogar lebensbedrohlich.

Grunderkrankung und Wunde behandeln

Für eine erfolgreiche Wundbehandlung ist es daher Voraussetzung, zunächst auf die lokalen
und systemischen Störfaktoren zu reagieren sowie die Grunderkrankungen zu behandeln
(Kausaltherapie).
So ist für die Abheilung eines Ulcus cruris venosum eine
sachgerechte Kompressionstherapie erforderlich – bei einem diabetischen Fußulkus neben
einer guten Stoffwechseleinstellung eine Druckentlastung des betroffenen Fußes. Bei einem
Dekubitus sind zuerst Druck-, Reibe- und Scherkräfte zu beseitigen. Liegt eine arterielle
Durchblutungsstörung (pAVK) vor, ist diese zunächst zu beheben, z. B. durch eine Bypass-
OP, Stenteinlage oder Dilatation.
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28.3 Moderne Wundtherapie


28.3.1 Wundreinigung
Zu Beginn jeder Wundbehandlung steht immer die Wundreinigung. Verschmutzungen,
Beläge, Nekrosen, Biofilm, Zelltrümmer, Verbandreste oder überschüssiges Wundexsudat
sind zunächst zu entfernen, um die Wunde beurteilen zu können und der Entwicklung und
Ausbreitung von Infektionen vorzubeugen.
Merke
Wundreinigung
Das Ausmaß der Keimbesiedlung einer Wunde ist wesentlich für die anschließende
Wundversorgung und -behandlung. Das Ziel ist die Reduktion von Erregern in der Wunde.
Die Wundreinigung erfolgt daher bei allen Wunden (egal ob primär oder sekundär
heilend) von innen nach außen, weil sonst die Gefahr besteht, dass zusätzlich Keime von
der Haut in die Wunde geschoben werden. Diese Wischrichtung wird ebenfalls für infizierte
Wunden empfohlen, da auch hier keine weiteren Keime in die Wunde gelangen sollen, die
dann zu einem weiteren Aufrechterhalten der Infektion führen.
Die Wunde wird grundsätzlich per Wischen und nicht per Tupfen gereinigt. Pro
Wischvorgang ist jeweils eine neue sterile Kompresse bzw. ein neuer steriler Tupfer zu
verwenden.
Primär heilende, aseptische Wunden
Bei ihnen ist meist eine mechanische Reinigung mit einer sterilen Kompresse oder einem
sterilen Tupfer ausreichend. Dieser Tupfer wird mit einer Wundspüllösung, z. B. NaCl 0,9 %,
Ringerlösung angefeuchtet (Hausstandards beachten). Bei Verdacht auf eine Infektion bzw.
bei bestehender Infektion wird nach ärztlicher Anordnung ein Antiseptikum, z. B. Serasept
(oder durch Apotheken zubereitete Polihexanidlösung 0,02 oder 0,04 %) oder Octenisept,
verwendet.
Sekundär heilende Wunden
Bei ihnen sind umfassendere Reinigungsmaßnahmen notwendig: Hierzu gehören die
Wundreinigung durch Débridement (z. B. mechanisch, chirurgisch) und die Wundspülung.
Kritisch kolonisierte und infizierte Wunden sind immer lokalantiseptisch (z. B. mit Octenidin
oder Polihexanid) zu reinigen.
Wundreinigung/Débridement
Muss eine chronische Wunde von Verschmutzungen, Biofilm, Fibrinbelägen und
abgestorbenem Gewebe (Nekrosen) gereinigt werden, wird eine Wundreinigung, das sog.
Débridement, durchgeführt (auch Wundtoilette genannt).
Definition
Débridement
Unter Débridement versteht man die Abtragung von avitalem Gewebe, Nekrosen, und/oder
Entfernung von Fremdkörpern bis an intakte anatomische Strukturen heran unter Erhalt von
Granulationsgewebe (Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.V.
2012).
Mechanisches Débridement
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Zum Auswischen oder Ausspülen von o. g. Belägen und Verschmutzungen wird die Wunde
mit geeigneten Lösungen, d. h. einer physiologischen Wundspüllösung (bei nicht infizierten
Wunden) oder mit Antiseptika (bei kritisch kolonisierten und infizierten Wunden), unter
Verwendung von sterilen Kompressen/Tupfern ausgewischt oder gespült. Diese Methode ist
geeignet, um nicht festhaftende Zellbestandteile und oberflächliche Fibrinbeläge zu
entfernen. Biofilm kann nur in Kombination mit chirurgischem Débridement, Larventherapie
oder speziellen mechanischen Verfahren optimal beseitigt werden. Folgende Produkte
können das mechanische Débridement unterstützen:
 Reinigungspad, z. B. Debrisoft (Lohmann & Rauscher) als Kompresse oder
Stäbchen oder Prontosan Debridement Pad (B. Braun): besteht je nach Produkt aus
Monofilament-Polyester-Fasern und einer Beschichtung aus Polyacrylat oder aus
einer reinigenden Mikrofaserseite sowie einer darüberliegenden absorbierenden
Schicht. Nach dem Anfeuchten mit steriler Wundspüllösung wird das jeweilige
Produkt sanft über die Wundoberfläche geführt, sodass die Fasern in Vertiefungen
eindringen und Abfallstoffe, Verkrustungen sowie Exsudat von der Wunde lösen
können. Der weiche und dichte Faserverbund soll für eine schonende Behandlung
sorgen. Achtung: Diese Produkte dienen lediglich der mechanischen Wundreinigung
und sind keine Verbandmittel!
 Reinigungstuch, z. B. UCS Debridement (medi): ist ein Tuch, das aus 100 %
Viskose besteht. Dies ist bereits mit einer Reinigungslösung getränkt. Diese enthält u.
a. Aloe Vera, Allantoin sowie ein Poloxamer (Tensid = Seifenzusatz), das die
Reinigungswirkung verstärkt. Das Produkt wird sanft über die Wundoberfläche sowie
den Wundrand geführt. Achtung: Dieses Produkt dient lediglich der mechanischen
Wundreinigung und ist kein Verbandmittel!
 Reinigungsschwamm, z. B. LIGASANO Wundputzer (LIGAMED) oder Schülke
wound pad (Schülke & Mayr): ist ein elastisches, geschäumtes, luft- und
wasserdurchlässiges Polyurethan. Die grobe Struktur und die raue Oberfläche üben
einen mechanischen Reiz aus, der lokal durchblutungsfördernd wirkt und somit die
Granulation unterstützt. Je nach Wundzustand und Schmerzwahrnehmung stehen 3
Schäume in unterschiedlichen Porengrößen – grob-, mittel- und feinporig – zur
Verfügung. Die Reinigungswirkung wird durch Reibung, die Wahl des Produktes und
den Anpressdruck bestimmt. Achtung: Dieses Produkt dient lediglich der
mechanischen Wundreinigung und ist kein Verbandmittel!
 hydroreinigende Polyacrylatwundauflage, z.B. URGOCLEAN (URGO) mit/ohne
Ag (Silber): ist ab der Reinigungsphase für fibrinöse, exsudierende Wunden geeignet.
Sie ist als Kompresse mit mikroadhäsiver Lipidokolloid-Matrix oder als Tamponade
mit und ohne Silber erhältlich. Bei Kontakt mit Wundexsudat bilden die
Polyacrylatfasern ein Gel, das Fibrinbeläge binden und absorbieren soll. Je nach
Lokalisation und Exsudation erfolgt die Abdeckung mit einem Sekundärverband. Die
Verweildauer beträgt 1–2 Tage.
Chirurgisches Débridement
Schneller und effizienter ist es, wenn die Wunde chirurgisch z. B. mit Skalpell und Pinzette,
Ringkürette, Wasserskalpell oder Shaver gereinigt wird (Abb. 28.6). Das avitale Gewebe (z.
B. Nekrosen und Fibrinbeläge) wird bis in intakte anatomische Strukturen abgetragen. Dies
kann sehr schmerzhaft sein. Darum ist je nach Ausmaß der Wunde eine ausreichende und
rechtzeitige lokale Analgesie angezeigt (z. B. mit EMLA-Creme oder ANESDERM,
Einwirkzeit von 30–60 Minuten beachten; Achtung: Zulassung nur für Ulcus cruris!)
ACHTUNG
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Das chirurgische Débridement ist schnell und effektiv, jedoch invasiv und nicht
gewebeschonend. Alle anderen Débridementmethoden greifen im Gegensatz hierzu lediglich
oberflächlich ein. Diese Methode darf nicht bei Gerinnungsstörungen oder Einnahme von
Gerinnungshemmern stattfinden!

bb. 28.6 Chirurgisches Débridement.


Chirurgisches Débridement mit Ringkürette. (Foto: K. Oborny, Thieme)
Darüber hinaus gibt es weitere, v. a. bei chronischen Wunden eingesetzte Verfahren zur
Wundreinigung:
 biochirurgisches Débridement (Larventherapie): Hierbei werden steril gezüchtete
Larven (lose oder im Beutel) in die Wunde eingesetzt (Larve der Fliege Lucilia
sericata, auch „gefräßige Lucy“ genannt) (Abb. 28.7).
 autolytisches Débridement: Durch die Zuführung von Feuchtigkeit werden die
körpereigenen Selbstreinigungsprozesse unterstützt und beschleunigt. Dadurch
werden Nekrosen und Beläge aufgeweicht, bis sie sich ablösen und aus der Wunde
gespült werden können. Dies ist ein schonender, aber auch langsamer Prozess.
Verschiedene Wundauflagen (z. B. Hydrogele, Alginate, Hydrofaser, hydroaktive
Wundauflage zur Nasstherapie) unterstützen diese Methode.
 enzymatisches Débridement: Hier werden biosynthetisch hergestellte
proteolytische Enzyme zum Abbau von avitalem Gewebe genutzt. Die
Enzymverbände sind mindestens 1-mal täglich zu wechseln. Sie wirken nicht bei
trockenen Nekrosen.
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Abb. 28.7 Larventherapie.


Sie verflüssigen durch ihre Speichelenzyme Nekrosen und Beläge und hinterlassen eine
keimfreie Kriechspur. (Foto: K. Oborny, Thieme)

Abb. 28.7 Larventherapie.


Sie verflüssigen durch ihre Speichelenzyme Nekrosen und Beläge und hinterlassen eine
keimfreie Kriechspur. (Foto: K. Oborny, Thieme)

ACHTUNG
Vor einem Débridement ist grundsätzlich die Durchblutungssituation zu klären. Bei
einer pAVK dürfen trockene Nekrosen erst nach erfolgreicher Revaskularisation behandelt
werden. Bis dahin erfolgen keine feuchte Wundbehandlung und kein Débridement!

Wundspülung

Wundspüllösungen sollten grundsätzlich steril, physiologisch, nicht resorbierbar, farblos,


reizlos, nicht ätzend, erwärmbar und atraumatisch sein.

Unkonservierte Wundspüllösungen

Ringerlösung und physiologische Kochsalzlösung (NaCl 0,9 %) erfüllen diese


Voraussetzungen optimal und werden bei nicht infizierten Wunden eingesetzt. Sie
unterscheiden sich darin, dass Ringerlösung neben Natrium (Na+) und Chlorid (Cl–)
zusätzlich die Elektrolyte Kalium (K+) und Kalzium (Ca2+) enthält. Relevante Unterschiede
zwischen beiden Lösungen bezüglich ihrer Eignung zur Wundspülung sind schwer zu
erkennen und nicht wissenschaftlich nachgewiesen.
16

Da NaCl-0,9 %-Lösung kostengünstiger ist als Ringerlösung, sprechen die rein


ökonomischen Gesichtspunkte für die Verwendung von physiologischer Kochsalzlösung.
Allerdings können längere Spülanwendungen bis hin zur Dauerbenetzung bei Einsatz von
NaCl-0,9 %-Lösung zu Elektrolytverschiebungen führen. In solchen Fällen sollte bevorzugt
Ringerlösung zum Einsatz kommen, da diese die wesentlichen Ionen des Extrazellulärraums
enthält und daher vom Gewebe gut vertragen wird.
Merke
Nach Gebrauch verwerfen

Diese unkonservierten Lösungen sind direkt nach Anbruch zu verwerfen, denn eine mögliche
Verkeimung ist trotz aller hygienischen Maßnahmen nicht auszuschließen. Dies wird durch
die „durchgestrichene, eingekreiste 2“ auf der Verpackung verdeutlicht (Abb. 28.22).

Konservierte Wundspüllösungen

Aufgrund der kurzen Gebrauchsfristen der unkonservierten Wundspüllösungen kommen


vermehrt konservierte Spüllösungen zum Einsatz. Durch Zusatz eines
Konservierungsstoffes, z. B. Polihexanid, Octenidin, hypochlorige Säure oder Parabene,
verlängert sich deren Verwendbarkeit bei hygienisch einwandfreier Entnahme auf mehrere
Wochen. Die genauen Zeiträume sind der Packungsbeilage der jeweiligen Lösung zu
entnehmen. Die Aufbrauchfristen variieren zwischen Wochen und Monaten.
Beispiele für konservierte Wundspüllösungen:
 Ringerlösung mit Polihexanid: z. B. Prontosan, Lavasorb, Lavanid
 Ringerlösung mit Octenidin: z. B. Octenilin Wundspüllösung
 Ringerlösung und Parabene: z. B. Flamirins
 Lösung mit Poloxamer und Polymeric colloidal solution: z.B. UCS Debridement
(Fa. medi)
 Chlorspalter, Lösungen mit aktivem/naszierendem Sauerstoff, die hypochlorige
Säure und Natriumhypochlorit enthalten: z. B. ActiMaris, KerraSol, Microdacyn,
Granudacyn, Lavabox, Veriforte Med Wundspüllösung
Merke
Nicht für infizierte Wunden

Sind Polihexanid, Octenidin oder hypochlorige Säure nur als konservierender Stoff deklariert,
also als Zusatz der Wundspüllösungen, handelt es sich bei diesen Lösungen um
Medizinprodukte. Diese sind trotz der antiseptischen Zusätze keine Antiseptika und dürfen
nicht bei infizierten Wunden eingesetzt werden. Hier sind zeitgemäße Wundantiseptika zu
nutzen.

Antiseptika

Wundantiseptika wirken bakterizid oder bakteriostatisch, fungizid oder fungistatisch sowie


viruzid. Ihr Einsatz ergänzt den rein mechanischen Effekt der Wundspülung durch ihre
antiseptische Wirkung. Erreger werden nicht nur ausgespült, sondern auch abgetötet –
allerdings ist hierfür die jeweilige Einwirkzeit zu beachten. Wundantiseptika kommen bei
infizierten oder kritisch kolonisierten Wunden so lange zum Einsatz, bis eine Infektsanierung
abgeschlossen ist. Dies sollte spätestens nach 14 Tagen der Fall sein. Antiseptika sind also
keine Spüllösungen für einen dauerhaften Gebrauch.
Octenidin und Polihexanid
Bei der zeitgemäßen Wundtherapie kommen farblose Antiseptika zum Einsatz, die auf den
Wirkstoffen Octenidin (z. B. Octenisept) oder Polihexanid (z. B. Serasept) basieren. Während
Octenisept schon nach 1–2 Minuten seine desinfizierende Wirkung entfaltet, brauchen
Antiseptika auf Polihexanidbasis 10–20 Minuten, bis sie wirken.
17

Kontraindikationen Octenisept
 keine Anwendung in der Bauchhöhle (z. B. intraoperativ), der Harnblase, in der Nase,
auf Knorpelgewebe und am Trommelfell
 nicht mit anderen Präparaten mischen
 Präparat nicht in größeren Mengen verschlucken oder injizieren
 um Gewebeschädigungen zu vermeiden, darf das Präparat nicht mittels Spritze in die
Tiefe des Gewebes eingebracht werden
 das Präparat ist nur zur oberflächlichen Anwendung bestimmt, d. h., es wird mittels
Tupfer oder Aufsprühen appliziert
 ein Abfluss des Präparates muss jederzeit gewährleistet sein
 keine Anwendung bei Überempfindlichkeit gegenüber einem der Inhaltsstoffe
Kontraindikationen Polihexanid
Keine Anwendung …
 im Mittel- und Innenohr sowie im Innenauge,
 auf Knorpelgewebe, bei aseptischen Gelenkoperationen (Gefahr der
Knorpelschädigung),
 im gesamten Bereich des zentralen Nervensystems und der Meningen,
 intraperitoneal,
 bei Überempfindlichkeit gegenüber einem der Inhaltsstoffe.
PVP-Jod
Darüber hinaus werden auch noch Produkte auf PVP-Jod-Basis (z. B. Betaisodona)
eingesetzt. Diese haben Nachteile: Sie verfärben die Wunde, erschweren dadurch die
Wundbeurteilung und können Schmerzen und allergische Reaktionen auslösen. Der sog.
„Eiweißfehler“ des Jods bewirkt darüber hinaus, dass es bei Kontakt mit körpereigenem
Eiweiß wie Blut oder Wundexsudat inaktiv wird. Dies ist äußerlich sichtbar an der Entfärbung
des Jods von Braun zu Gelb. Zudem wird PVP-Jod vom Körper resorbiert, weshalb es bei
Pflegeempfängern mit Schilddrüsenerkrankungen sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit
kontraindiziert ist. Weiterhin ist zu beachten, dass bei gleichzeitiger oder kombinierter
Verwendung mit Octenisept sich durch Jodfreisetzung eine lila Verfärbung ergibt. Die dabei
entstehenden Dämpfe sind toxisch. Allerdings kann PVP-Jod im Gegensatz zu Octenidin und
Polihexanid auf Knorpelgewebe angewendet werden.
Merke
Wundspüllösungen anwärmen

Der Einsatz kalter Spüllösung verursacht unnötige Schmerzen und der Kältereiz kann
zusätzlich die Wundheilung behindern. Darum sind Spüllösungen stets auf Körpertemperatur
anzuwärmen. Hierzu eignen sich Wärmeschränke oder ein temperiertes Wasserbad.
Kleinere Behältnisse können auch einfach unter fließendem Warmwasser erwärmt werden.
Spülen der Wunde
Die Spritze mit der angewärmten Wundspüllösung wird in die Hand genommen und je nach
Wundsituation das Wundgebiet so lange gespült, bis die aus der Wunde zurücklaufende
Spüllösung klar und frei von Rückständen ist (Abb. 28.8). Sind evtl. Wundtaschen oder -
gänge zu spülen, geschieht dies mit einer Einmalknopfkanüle oder einem Einmalkatheter.
Dabei ist zu beachten, dass die Spüllösung komplett wieder aus der Wunde herauskommt!
Die Spülflüssigkeit kann entweder mit Kompressen oder einer Nierenschale aufgefangen
werden.
18

Abb. 28.8 Wundspülung.


a Wundspülung mit Einmalspritze in einer Wundtasche.
b Wundspülung mit Einmalknopfkanüle.
Leitungswasser – ja oder nein?
Laut Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI) „Infektionsprävention in Heimen“ (2005)
dürfen zum Spülen von Wunden nur sterile Lösungen verwendet werden. Zudem steht in den
„Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten
Pflegeempfängern“ des RKI (2011): „Für die (Wasser-)Spülung von Wunden darf nur sterile
NaCl-/Ringerlösung oder 0,2-μm-gefiltertes Wasser verwendet werden.“ Verkeimte
Duschköpfe und Ablagerungen in den Leitungsrohren können das Wasser und somit auch
19

die mit Wasser gespülte Wunde weiter kontaminieren. Dem wirken spezielle Filtersysteme, z.
B. ein 0,2-μm-Bakterienfilter (sog. endständiger Wassersterilfilter), entgegen.
ACHTUNG
Wundbäder sind grundsätzlich nicht durchzuführen, da Keime, Eiter und Wundexsudat nicht
abfließen können und immer wieder an die Wunde schwappen (Keimverschleppung).
Dadurch besteht eine zusätzliche Infektionsgefahr.
WISSEN TO GO
Wundreinigung

Die Wundreinigung ist Voraussetzung dafür, die Wunde zu beurteilen und Infektionen
vorzubeugen. Sie wird bei der Erstversorgung und bei jedem Verbandwechsel in der
Reinigungsphase durchgeführt. Ziel der Wundreinigung ist es, die Keimzahl in der Wunde zu
reduzieren. Deshalb werden alle Wunden, unabhängig davon, ob primär oder sekundär
heilend, immer von innen nach außen gereinigt.
Zur Wundreinigung stehen verschiedene Débridement-Verfahren und die Wundspülung zur
Verfügung.
Dabei sollte beachtet werden:
 nicht infizierte Wunden mit Wundspüllösungen, z. B. Ringer- oder NaCl-0,9 %-
Lösung, reinigen
 infizierte Wunden mit Antiseptika reinigen
Es sollte darauf geachtet werden, dass der Pflegeempfänger zuvor ausreichend analgesiert
ist und die Spüllösungen auf Körpertemperatur angewärmt sind. Bei Analgetika und
Antiseptika sind zudem die Einwirkzeiten zu beachten.

28.3.2 Phasengerechte Wundversorgung

Während man früher in der traditionellen Wundversorgung versuchte, die Wunden mit Mull-,
Vlies- und Saugkompressen möglichst trocken zu versorgen, halten die Wundauflagen heute
die Wunden feucht und warm und schaffen ein optimales Wundmilieu für eine
phasengerechte Wundversorgung. Moderne, hydroaktive Wundauflagen gewährleisten ein
optimales feuchtwarmes „Wundklima“. Außerdem nehmen sie überschüssiges Wundexsudat
und Abfallprodukte auf, gewährleisten die Wundruhe in der Granulations- und
Epithelisierungsphase, schützen die Wunde vor dem Eindringen von Keimen und Bakterien,
gewährleisten den Gasaustausch, ermöglichen einen schmerzarmen Verbandwechsel und
schützen das empfindliche neue Gewebe in der Epithelisierungsphase.
Manche Produkte greifen auch aktiv in den Heilungsprozess ein, indem sie den
Regenerationsprozess beschleunigen und die Abheilungsmechanismen unterstützen. Sie
enthalten u. a. Substanzen wie Kollagen, Silber, Hämoglobin, Hyaluronsäure und
Wachstumsfaktoren.

28.3.3 Auswahl der richtigen Wundauflage

Wurde die Wunde sorgfältig gereinigt, beurteilt und klassifiziert und ist die Behandlung der
Grunderkrankung und der Ursachen (Kausaltherapie) eingeleitet, ist über die individuelle
Wundtherapie zu entscheiden. Hier ist die Wahl der richtigen Wundauflage von Bedeutung.
Denn wird diese phasengerecht gewählt, fachgerecht angewendet und lässt sie sich relativ
schmerzarm/-frei entfernen, kann sie die Heilung positiv beeinflussen und so die
Lebensqualität des Betroffenen erhöhen.
Entscheidungskriterien
Die Auswahl der geeigneten Wundauflage erfolgt u. a. nach folgenden Kriterien:
20

 Welches Wundstadium bzw. welche Heilungsphase liegt vor?


 Gibt es Anzeichen für eine Infektion oder liegt bereits eine Infektion vor?
 Wie ist der Hautzustand? Sind Wundumgebung und Wundrand zu schützen bzw. zu
pflegen?
 Wie hoch ist die Exsudatmenge und wie ist die Beschaffenheit des Exsudats (z. B.
zäh oder flüssig)?
 Wie ist die Schmerzsituation des Pflegeempfängers?
 Besteht die Notwendigkeit, Gerüche zu binden?
 Wie ist die Kontinenzsituation, besteht Unterstützungsbedarf?
 Welche Bedürfnisse hat der Pflegeempfänger? Welche Wundauflagen akzeptiert er?
 Ist die ausgewählte Auflage einfach zu handhaben? Kann sie schmerzarm und
atraumatisch entfernt werden, und ist die Versorgung wirtschaftlich?
Wechselintervall
Das Wechselintervall ist abhängig vom Abheilungszustand der Wunde bzw. vom richtigen
Verhältnis zwischen Exsudation der Wunde und Aufnahmefähigkeit der Wundauflage und
orientiert sich zudem an den Herstellerangaben. Der Wechsel sollte so häufig wie nötig und
so selten wie möglich erfolgen.
Auswahl
Die Auswahl an modernen, hydroaktiven Wundauflagen ist heute unerschöpflich groß. Um
Ihnen einen kleinen Überblick zu geben, werden in Tab. 28.1 verschiedene Produktgruppen
zusammengefasst und den einzelnen Wundstadien zugeordnet. Beim Übergang in eine
andere Heilungsphase bzw. in ein anderes Wundstadium ist evtl. auf eine andere
Wundauflage umzustellen. Eine Beschreibung der genannten Wundauflagen und ihre
Anwendung finden Sie im Anschluss an die Tabelle.

Tab. 28.1 Übersicht: Welche Wundauflage bei welchem Wundstadium?

Wundstadium Beschreibung Wundauflage


Nekrose Nekrosen und  Trockene Beläge:
Fibrinbeläge sind o Hydrogele in Gelform
avitales o Hydrogelkompressen
(abgestorbenes) o hydroaktive Wundauflage
Gewebe, sie zur Nasstherapie
behindern die  Feuchte Beläge:
Zellproliferation und o hydroaktive Wundauflage
bieten Bakterien zur Nasstherapie
einen Nährboden zur o Alginate (nur bei
Ansiedlung und ausreichend Feuchtigkeit!)
Vermehrung. Sie o Hydrofaser
werden bei der o hydroreinigende
Wundreinigung Polyacrylatwundauflage
abgetragen
(Débridement).
Die Beschaffenheit
von Nekrosen variiert
von trocken bis
feucht und ihre
Färbung von
Schwarz, Braun,
Grünlich bis Gelb.
Achtung: Im Falle
21

Tab. 28.1 Übersicht: Welche Wundauflage bei welchem Wundstadium?

Wundstadium Beschreibung Wundauflage


einer pAVK dürfen
trockene Nekrosen
erst nach
erfolgreicher
Revaskularisation
behandelt werden.
Keine feuchte
Wundbehandlung,
kein Débridement!
Fibrinbeläge Fibrinbeläge können
den
Ableitungsprozess
ebenfalls behindern.
Bei chronischen
Wunden kommt es
durch permanenten
Reiz, z.  B. durch
begleitende
Entzündungsreaktion
en, zu einer
verstärkten
Fibrinbildung. Die
Konsistenz ist von
fester bis weicherer
Struktur. Die Farbe
variiert von Gelb bis
Bräunlich, meist ohne
Geruch.
infi Es liegt ein  silberhaltige Wundauflagen
bakterielles  hydrophobe Wundauflagen
Wachstum vor. Die  Antiseptika, z. B. Octenisept,
Keimbesiedlung ist Polihexanid 0,02%/0,04% (z. B.
auf den Körper Serasept)
übergegangen und  Wundauflagen mit PHMB
führt zu einer (Polihexanid)
zierte Wunde immunologischen
Reaktion. Die
Kardinalsymptome
Rötung,
Überwärmung,
Schwellung,
Funktionseinschränk
ung und Schmerz
kennzeichnen die
infizierte Wunde.
Wundgeruch Bei einigen Wunden Aktivkohlekompressen mit/ohne Silber
(z.  B.
exulzerierenden
22

Tab. 28.1 Übersicht: Welche Wundauflage bei welchem Wundstadium?

Wundstadium Beschreibung Wundauflage


Tumorwunden oder
infizierten Wunden)
tritt zusätzlich eine
unangenehme
Geruchsbelästigung
auf. Dies bedeutet
gleichermaßen eine
psychische
Belastung, die eine
Einschränkung der
Lebensqualität des
Pflegeempfängers
nach sich zieht.
stark exsudierende Exsudat ist ein  Vlieskompressen mit
Wunde physiologischer Superabsorber
Faktor bei der  feinporige Schaumverbände mit
Abheilung der „plus“-Funktion (d.h. mit
Wunde. Es hält die Superabsorber)
Wunde feucht, spült
Zelltrümmer, Abfall-
sowie Fremdstoffe
aus und ermöglicht
die Verteilung von
Wundheilungsfaktore
n. Übermäßige
Wundexsudatmenge
n (z.  B. durch eine
Infektion oder
chronisch venöse
Insuffizienz) sind
stets ursächlich zu
behandeln.
Unterstützend
werden die Wunden
adäquat versorgt.
unterminierte Wunde Tiefe Taschen,  Alginate
Wundhöhlen und  Cavity-Polyurethanschäume
Fisteln erschweren  Hydrofaser
die Wundversorgung, Achtung: Produkte sind beim
da eine Wundauflage Verbandwechsel rückstandsfrei zu
immer Kontakt zum entfernen!
Wundgrund benötigt.
Im Vordergrund der
Versorgung steht das
Auffüllen dieser
Höhlen, um zu
vermeiden, dass sich
die Wunde an der
Oberfläche schließt
23

Tab. 28.1 Übersicht: Welche Wundauflage bei welchem Wundstadium?

Wundstadium Beschreibung Wundauflage


und unsichtbar im
Inneren ein
infektgefährdeter
Hohlraum
zurückbleibt.
granulierende Wunde Granulationsgewebe  feinporige
ist gut durchblutet, Polyurethanschaum-/Hydropolym
gekörnt, feucht, erverbände
glänzend, sauber und  Hydrokolloidverbände
rot gefärbt. Dieses  hydrokolloidähnliche
frische neue, zell- Wundauflagen
und gefäßreiche  Hydrogelkompressen
Bindegewebe ist sehr
empfindlich. Um
Irritationen zu
vermeiden, sind
bevorzugt Produkte
einzusetzen, die eine
lange Wundruhe
gewährleisten und
nicht mit dem
Wundgrund
verkleben.
epithelisierende Wunde In der  transparente/dünne
Epithelisierungsphas Hydrokolloidverbände
e wächst die Wunde  hydrokolloidähnliche
vom Rand her Wundauflagen
langsam zu. Es bildet  dünne „lite“ feinporige
sich neues Gewebe. Polyurethanschaum-/
Die Wundexsudation Hydropolymerverbände
nimmt ab. Die  Hydrogelkompressen
Wundversorgung  semipermeable
zielt in dieser Phase Transparentfolienverbände
darauf ab, die Wunde
vor Austrocknung zu
schützen sowie einen
atraumatischen
Verbandwechsel und
gleichzeitig eine
lange Wundruhe zu
gewährleisten. Das
neue, empfindliche
Gewebe darf auf
keinen Fall mit der
Wundauflage
verkleben.
 Tabelle vergrößern
WISSEN TO GO
Wundauflagen
24

Moderne Wundauflagen (Tab. 28.1)


 halten die Wunde warm und feucht,
 schützen vor Sekundärinfektionen,
 verhindern Wärmeverluste,
 absorbieren überschüssiges Wundexsudat,
 ermöglichen den Gasaustausch,
 sollten keinerlei Fasern oder Fremdstoffe abgeben,
 unterstützen einen atraumatischen Verbandwechsel und
 sind wirtschaftlich.
Die Auswahl richtet sich u. a. nach Wundstadium und Heilungsphase, Exsudatmenge und -
beschaffenheit, Hautzustand sowie möglichen Infektionszeichen, Schmerzen und Gerüchen.
Außerdem sollen sie anwenderfreundlich und wirtschaftlich sein sowie vom Pflegeempfänger
akzeptiert werden.

Hydrogele

In Hydrogelen – als Tubengele oder Gelplatten – sind bis zu 95 % Wasser gebunden,


dennoch sind sie nicht in Wasser löslich. Hydrogele wirken autolytisch, d. h., sie unterstützen
durch die Abgabe von Feuchtigkeit den Abbau von Nekrosen und Fibrinbelägen (Abb. 28.9).
Die enthaltene Feuchtigkeit verflüssigt auf schonende Art Nekrosen und Beläge. Gesundes
Gewebe bleibt erhalten. Zudem können sie trockene bzw. austrocknungsgefährdete Wunden
und Strukturen rehydratisieren. Je nach Dicke der Beläge sind sie ca. 0,3–0,5 cm dick
aufzutragen. Bei Tubengelen ist eine Sekundärabdeckung erforderlich.
 Indikationen: Nekrosen, Fibrinbeläge, Verbrennungen bis Grad 2a, zum
Feuchthalten trockener bzw. austrocknungsgefährdeter Wunden sowie auf
austrocknungsgefährdeten, freiliegenden Gewebestrukturen wie Knochen, Sehnen,
Muskulatur
 Kontraindikationen: bei Nekrosen und Belägen bei unbehandelter pAVK, bei stark
blutenden oder exsudierenden Wunden sowie einer Überempfindlichkeit gegenüber
dem Produkt bzw. seinen Bestandteilen
 Abdeckung: Bei eher festeren/trockeneren Belägen zur Förderung der Autolyse sind
Hydrogele in Gelform mit einer sterilen Transparentfolie abzudecken; eher weichere
Beläge mit erhöhter Exsudation sind mit einem feinporigen
Polyurethanschaumverband abzudecken. Die Verweildauer beträgt bis zu 3 Tage.
Bei Letzteren ist allerdings zu bedenken, dass das Gel durch die Wundauflage mit
aufgesaugt und somit dessen Wirkung gemindert wird.
25

Abb. 28.9 Applikation eines Hydrogels in Gelform.

Hydroaktive Wundauflage zur Nasstherapie

Diese Wundauflage enthält ein superabsorbierendes Polyacrylat, das in Cellulose- und


Zellstofffasern eingebettet und mit Ringerlösung aktiviert ist. Die Wundkontaktschicht besteht
aus einem Polypropylengestrick, auf das Silikonstreifen aufgetragen wurden. Dies soll ein
Verkleben mit dem Wundgrund verhindern. Das Produkt darf nicht geschnitten werden.
Die Wundauflage ermöglicht eine kontinuierliche Abgabe von Ringerlösung. Dabei werden
Wundexsudat und Abfallstoffe aufgenommen und gebunden. Diese Wundauflage kann bis
zu 3 Tage auf der Wunde verbleiben. Eine Sekundärabdeckung bzw. Fixierung ist
erforderlich.
 Indikationen: zerklüftete Wunden und Wundhöhlen, infizierte Wunden, während der
exsudativen Reinigungsphase und zur Wundkonditionierung bei Hauttransplantaten
 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt bzw. seinen
Bestandteilen

Alginate

Alginate wirken granulationsfördernd und wundreinigend. Sie sind als Kompressen und
Tamponaden erhältlich (Abb. 28.10). Bei Kontakt mit natriumhaltigen Flüssigkeiten wird ein
Quellvorgang initiiert, indem sich ein strukturbeständiges Gel mit hoher Saugkapazität bildet.
Dieses schließt überschüssiges Wundexsudat, Zelltrümmer und Bakterien mit ein
(reinigende Funktion). Aufgrund dieser aufsaugenden Wirkung kann es zu Geruchsbildung
kommen. Alginate wirken durch das enthaltene Kalzium zusätzlich blutstillend. Sie haben ein
hohes Saugvermögen und sind in der Lage, ca. das 20-Fache ihres Eigengewichts an
Flüssigkeit aufzunehmen. Allerdings wird dies unter Druck fast vollständig wieder abgegeben
(Mazerationsgefahr!). Da Alginate aus allen Richtungen Wundexsudat aufnehmen, sind
diese passend und nicht den Wundrand überlappend zu applizieren → Mazerationsgefahr.
Die Verweildauer beträgt je nach Exsudation bis zu 4 Tage (laut Packungsbeilage bei
einigen Produkten bis zu 7 Tage). Es ist eine Sekundärabdeckung erforderlich.
 Indikationen: mittelere bis starke Wundexsudation, feuchte/schmierige Beläge,
unterminierte, zerklüftete, tiefe oder flächige Wunden, wie Fisteln und Abszesse,
Tumorchirurgie
26

 Kontraindikationen: trockene Wunden/Beläge/Nekrosen; Verbrennungen 3. Grades;


Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt bzw. seinen Bestandteilen

Abb. 28.10 Frisch tamponiertes Alginat.

Silberhaltige Wundauflagen

Diese Produkte sind sehr unterschiedlich aufgebaut und zusammengesetzt. Zudem


unterscheiden sie sich je nach Hersteller und Produkt im Silbergehalt und in der
freigesetzten Menge.
Silberhaltige Wundauflagen nutzen die bakterizide Wirkung des Silbers, das die Keime auf
physikalische Weise abtötet (Abb. 28.11).
27

Abb. 28.11 Silberhaltige Wundauflagen.


a Applikation eines silberhaltigen Wunddistanzgitters.
b Applikation einer Wundauflage aus nanokristallinem Silber.
Viele Produkte geben elementares Silber an die Wunde ab oder setzen bei Kontakt mit dem
Wundexsudat Silberionen frei. Teilweise kann es zu einer vorübergehenden Schwarzfärbung
der Wunde und der Umgebungshaut kommen. Die Verweildauer beträgt je nach Produkt,
Exsudation und Wunde 1–7 Tage. Je nach Produktauswahl ist eine Sekundärabdeckung
erforderlich.
 Indikationen: infizierte und infektionsgefährdete Wunden
 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt bzw. seinen
Bestandteilen oder bei einer Silberallergie
Merke
Nicht einsetzbar
28

Bei elektronischen Messungen darf die Wundauflage keinen Kontakt zu Elektroden oder
leitenden Gelen haben. Einige Produkte sind nicht kompatibel mit
Magnetresonanzbildverfahren und nicht zusammen mit Produkten auf Ölbasis wie Paraffin
einsetzbar. Diese Produkte sollten nur so lange zum Einsatz kommen, wie eine lokale
Wundinfektion besteht. Laut einem Konsens von Wundauflagenherstellern (2014) sind diese
Produkte nicht länger als 14 Tage durchgehend zu nutzen. Spätestens im Anschluss daran
ist die Wundsituation erneut zu bewerten. Ein Infekt sollte bei konsequenter antiseptischer
Behandlung nach 2 Wochen abgeklungen sein.

Aktivkohleauflagen mit Silber

Diese Produkte bestehen aus einer Vliesstoffumhüllung, in die ein mit elementarem Silber
imprägniertes Aktivkohlegewirk eingeschlossen ist (Abb. 28.12). Die Aktivkohleauflage mit
Silber bindet Gerüche und Toxine und hemmt die Funktion der Bakterienenzyme. Die
Verweildauer beträgt je nach Produkt, Exsudation und Wunde 1–3 Tage. Je nach Produkt ist
eine Sekundärabdeckung erforderlich.
 Indikationen: infizierte und infektionsgefährdete oberflächliche und tiefe sowie übel
riechende Wunden, z. B. exulzerierende Tumorwunden
 Kontraindikationen: freiliegende Knochen, Sehnen, Muskulatur; Überempfindlichkeit
gegenüber dem Produkt bzw. seinen Bestandteilen
Merke
Nicht zuschneiden

Wundauflagen mit Aktivkohle dürfen nicht zerschnitten oder gerissen werden, da sonst
Kohlepartikel in die Wunde gelangen können; es kommt dann zur Schwarzfärbung der
Wunde (keine Wundbeobachtung mehr möglich).

Abb. 28.12 Applikation einer Aktivkohleauflage mit Silber.

Hydrophobe Wundauflagen

Diese Wundauflage hat eine grüne Farbe und ist als Tupfer, Kompresse, Gelkompresse,
beschichteter Polyurethanschaumverband, Tamponade, Saugkompresse, Vlieskompresse
mit Superabsorber und hydroaktive Wundauflage mit hochabsorbierender
29

Hydropolymermatrix für die Aufnahme von Wundexsudat erhältlich (Abb. 28.13). Durch die
hydrophobe (wasserabweisende) Eigenschaft dieser wirkstofffreien Wundauflage werden die
ebenfalls hydrophoben Bakterien gebunden. Der Verbandwechsel entfernt die gebundenen
Bakterien aus der Wunde. Die Verweildauer beträgt je nach Produkt, Exsudation und Wunde
2–4 Tage. Je nach Produkt ist eine Sekundärabdeckung erforderlich.
 Indikationen: infektgefährdete, kritisch kolonisierte und infizierte Wunden
unterschiedlicher Genese
 Kontraindikationen: Nicht angewandt werden darf die Gelkompresse des Produkts
bei bekannter Überempfindlichkeit gegen Propylenglykol. Die Produkte sind nicht in
Kombination mit Salben und Cremes zu verwenden, da diese die Bindung von
Mikroorganismen an die Wundauflage beeinträchtigen.
30

Abb. 28.13 Hydrophobe Wundauflage.


a Einführen einer Tamponade nach chirurgischer Dekubitusexzision. Dabei werden sterile
Handschuhe verwendet.
b Erschöpfte hydroaktive Wundauflage mit hochabsorbierender Hydropolymermatrix.

Aktivkohlekompressen

Diese Wundauflage besteht aus einer Aktivkohleschicht. Je nach Produkt ist ein Ethylen-
Methyl-Acrylat-Film, ein Absorptionskissen, ein Wunddistanzgitter aus Acrylfaser, eine
Schaumkompresse, Zellulose oder eine Außenschicht aus Vliesstoff enthalten (Abb. 28.14).
Die Aktivkohlekompresse wirkt geruchsbindend, hat eine große Saugkapazität und bindet
Eiweißmoleküle und Bakterien. Die Verweildauer beträgt je nach Geruchsentwicklung und
Exsudation bis zu 2 Tage. Je nach Produkt ist eine Sekundärabdeckung erforderlich.
 Indikationen: übel riechende Wunden oder infizierte Wunden mit unangenehmer
Geruchsentwicklung
 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt oder seinen
Bestandteilen
31

Abb. 28.14 Applikation von Aktivkohlekompressen.

Vlieskompressen mit Superabsorber

Diese superabsorbierende Wundauflage mit Vliesstoffumhüllung ist je nach Produkt


unterschiedlich zusammengesetzt. Einige Produkte haben speziell beschichtete
„Wundseiten“, z. B. aus perforiertem Polyethylen, oder eine hydrophobe Vliesaußenseite, um
ein Verkleben mit dem Wundgrund zu verhindern (Abb. 28.15). Die Vlieskompresse mit
Superabsorber hat eine hohe und schnelle Saugleistung und hält trotzdem das feuchte
Mikroklima aufrecht. Je nach Kompressengröße können einige 100 ml Flüssigkeit
aufgenommen werden. Dadurch kommt es zu einer Volumen- und Gewichtszunahme der
Wundauflage (kann mehrere 100 g wiegen!). Die Verweildauer beträgt je nach Exsudation
bis zu 4 Tage. Bei Bedarf ist eine Sekundärabdeckung bzw. Fixierung erforderlich.
 Indikationen: stark exsudierende Wunden, z. B. exsudierende Verbrennungswunden
2. Grades, Fisteln, exulzerierende Tumorwunden und sekundär heilende nässende
Laparotomiewunden
 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt bzw. seinen
Bestandteilen. Grundsätzlich ist ein Kontakt mit den Schleimhäuten und dem
Augenbereich zu vermeiden. Bei trockenen oder schwach exsudierenden Wunden
sowie bei tunnelbildenden Wundtaschen ist eine Anwendung ebenfalls
kontraindiziert, da sich das Produkt unter Aufnahme von Wundexsudat stark
ausdehnen kann.
32

Abb. 28.15 Vlieskompresse mit Superabsorber.


Zu sehen ist eine erschöpfte Vlieskompresse mit Superabsorber bei Lymphfistel. Der
Wundrand ist intakt und trocken.
Merke
Nicht zuschneiden

Die Wundauflage darf nicht zugeschnitten, zerrissen oder geöffnet werden.

Hydrofaser

Diese Wundauflage besteht aus Natrium-Carboxymethylcellulose oder Cellulose-


Ethylsulfonat-Fasern und ist als Kompresse und Tamponade erhältlich (Abb. 28.16). Sie ist
weich und lässt sich gut drapieren. Bei Kontakt mit dem Wundexsudat verwandelt sie sich in
ein transparentes Gel. Das Wundexsudat wird nur in vertikaler Richtung aufgenommen.
Dadurch bleibt die Wundumgebung trocken. Die Verweildauer beträgt je nach Exsudation bis
zu 7 Tage. Es ist eine Sekundärabdeckung erforderlich.
 Indikationen: mäßig bis stark exsudierende Wunden, Verbrennungen 2. Grades
sowie oberflächliche und tiefe/unterminierte Wunden
 Kontraindikationen: trockene Wunden/Nekrosen; Überempfindlichkeit gegenüber
dem Produkt bzw. seinen Bestandteilen
33

Abb. 28.16 Hydrofaserwundauflagen.


Auf dem Foto ist eine erschöpfte Hydrofaserauflage zu sehen, die nur vertikal Exsudat
aufgenommen hat. Dies ist daran zu erkennen, dass sich die Wunde genau auf der
Hydrofaser abzeichnet.

Feinporige Polyurethanschaum-/Hydropolymerverbände

Sie bestehen aus einem feinporigen Polyurethanschaumkissen, z. T. sind Superabsorber für


die Aufnahme besonders hoher Exsudatmengen enthalten (Abb. 28.17). Sie sind mit und
ohne Kleberand erhältlich. Es gibt diese Wundauflagen auch als Cavity-Variante zum
Austamponieren bzw. Auffüllen von tiefen Wunden und Wundhöhlen.
Einige dieser Wundauflagen quellen beim Kontakt mit Wundexsudat auf, ohne Gelbildung
und ohne Verflüssigung oder Rückstände zu hinterlassen, und kleiden so die Wunde aus.
Sie haben ein hohes Absorptionsvermögen, ohne die Wunde auszutrocknen, und setzen
einen Granulationsreiz. Keime, Zelltrümmer und überschüssiges Wundexsudat werden in die
Schaumstruktur eingeschlossen. Die Verweildauer beträgt je nach Exsudation bis zu 7 Tage.
Je nach Produkt ist eine Sekundärabdeckung erforderlich.
 Indikationen: Je nach Schaumeigenschaften werden die Verbände bei stark,
mittelstark bis mäßig exsudierenden Wunden, zum Austamponieren von sauberen,
granulierenden, tiefen, exsudierenden Wunden und Taschen eingesetzt. Dünne
(„lite“) Produkte eignen sich in der Epithelisierungsphase sowie speziell beschichtete
Produkte (z.B. mit Silikon oder Softgel) bei schmerzempfindlichen Patienten und
solchen mit empfindlicher, gereizter Haut (z.B. Pergamenthaut).
 Kontraindikationen: klinisch infizierte Wunden; Verbrennungen 3. und 4. Grades;
trockene Wunden; Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt bzw. seinen
Bestandteilen
34

Abb. 28.17 Feinporige Polyurethanschaum-/Hydropolymerverbände.


a Erschöpfter feinporiger Polyurethanschaumverband mit Kleberand, der gewechselt werden
muss; gut sichtbar an der dunklen Verfärbung.
b Frisch aufgelegter Polyurethanschaumverband ohne Kleberand.

Hydrokolloidverbände
35

Hydrokolloidwundauflagen sind in einer „normalen/dicken“ und einer „dünnen/transparenten“


Variante erhältlich. Sie nehmen nur wenig überschüssiges Wundexsudat auf und bilden
dabei ein gelbes, übel riechendes Gel (als Blase unterhalb der Wundauflage sichtbar), das
nicht mit Eiter zu verwechseln ist, und eine Wundspülung nach Abnahme des Verbands
erforderlich macht (Abb. 28.18). Aufgrund dieser Blasenbildung sind Hydrokolloide 2–3 cm
den Wundrand überlappend zu applizieren. Die Verweildauer beträgt je nach Exsudation bis
zu 7 Tage. Eine Sekundärabdeckung ist nicht erforderlich.
 Indikationen: leicht bis mäßig exsudierende Wunden in der Granulations- oder
Epithelisierungsphase; primär heilende Wunden
 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt bzw. seinen
Bestandteilen; Osteomyelitis, freiliegende Sehnen/Knochen/Muskulatur; klinisch
infizierte Wunden; Verbrennungen 3. und 4. Grades; Tumorwunden; tiefe
Pilzinfektionen; ischämische Ulzera

Abb. 28.18 Hydrokolloidverband.


Erschöpfter Hydrokolloidverband, die Blase ist an den Plattenrand gewandert. Der Verband
muss gewechselt werden.

Hydrokolloidähnliche Wundauflagen

Diese Produkte sind unterschiedlich aufgebaut. Die meisten verfügen über eine
Hydropolymermatrix, in die superabsorbierende Polyacrylatpartikel eingearbeitet sind. Es
gibt auch Produkte mit Carboxymethylcellulose und Hydrogeltechnologie.
Hydrokolloidähnliche Wundauflagen geben aufgenommenes Exsudat auch unter Druck nicht
wieder ab. Als Deckschicht dient eine atmungsaktive, semipermeable Polyurethanfolie (Abb.
28.19). Diese Produkte sind alle relativ dünn, anschmiegsam und hinterlassen, im
Gegensatz zu den Hydrokolloiden, kein gelbes Gel. Sie stellen eine Weiterentwicklung der
Hydrokolloidverbände dar. Einige dieser Produkte sind bei Bedarf zuschneidbar (siehe
Packungsbeilage). Die Verweildauer beträgt je nach Exsudation und Wundzustand bis zu 7
Tage.
 Indikationen: schwach bis mäßig exsudierende Wunden
36

 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt bzw. seinen


Bestandteilen; infizierte Wunden, stark exsudierende Wunden

Abb. 28.19 Beispiel für einen transparenten Hydroaktivverband.


Bei diesem Produkt ist die Wunde durch den transparenten Verband gut zu beobachten.

Hydrogelkompressen

Diese Wundauflagen bestehen aus einer semiokklusiven (halbdurchlässigen) Folie mit


aufgetragenem Hydrogel (Abb. 28.20). Sie enthalten bis zu 95 % gebundenes Wasser und
wirken dadurch rehydratisierend bei trockenen Wunden.
Hydrogelkompressen verkleben nicht mit der Wunde und ermöglichen so einen
atraumatischen (nicht verletzenden) Verbandwechsel. Sie können durch ihren kühlenden
Effekt schmerzlindernd wirken. Das Produkt ist mit und ohne Kleberand bzw.
Klebebeschichtung erhältlich. Die Verweildauer beträgt je nach Exsudation bis zu 7 Tage.
Eine Sekundärabdeckung ist nicht erforderlich.
 Indikationen: schwach bis mäßig exsudierende Wunden, saubere Schürfwunden,
austrocknungsgefährdete Wunden, Unterstützung der Autolyse bei Wunden mit
weicheren Belägen, Wunden in der Granulations- und Epithelisierungsphase,
Spalthautentnahmestellen. Auch Wunden bei Pflegeempfängern mit
Papier-/Kortison-/Altershaut können mit Hydrogelkompressen versorgt werden, hier
darf jedoch das Produkt nur ohne Kleberand bzw. ohne Haftbeschichtung verwendet
werden.
37

 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt bzw. seinen


Bestandteilen; infizierte Wunden; stark exsudierende oder blutende Wunden;
Verbrennungen 3. und 4. Grades; tiefe Pilzinfektionen

Abb. 28.20 Hydrogelkompresse.

Semipermeable Transparentfolienverbände

Diese Wundauflage besteht aus Polyurethanfolie, die durchlässig für Wasserdampf und
Sauerstoff (semipermeabel) ist. Die Folie ist selbstklebend und hat eine gute
Hautverträglichkeit.

Abb. 28.21 Semipermeable Transparentfolienverbände.


a Beispiele für sterile Transparentfolienverbände.
b Beispiele für unsterile Transparentfolienverbände.
38
39

Durch die Transparenz ist eine Wundbeobachtung gewährleistet. Die semipermeable


Transparentfolie ist wasser- und keimdicht und bietet dadurch einen guten Infektionsschutz.
Sie kann kein Wundexsudat aufnehmen. Diese Wundauflage ist als sterile Wundabdeckung
und unsteril zum Randfixieren von anderen Wundauflagen, z. B.
Polyurethanschaumverbänden, erhältlich (Abb. 28.21). Die Verweildauer beträgt je nach
Exsudation bis zu 7 Tage. Eine Sekundärabdeckung ist nicht erforderlich.
 Indikationen: trockene, primär heilende Wunden; epithelisierende Wunden,
Spalthautentnahmestellen; Einsatz als Fixierung für saugende Wundauflagen zum
Schutz gegen Keime; Einsatz als Sekundärabdeckung, z. B. über Hydrogelen in
Gelform, Alginaten, als OP-Abdeckmaterial; Einsatz zur okklusiven Anwendung
topischer Lokalanästhetika (z. B. Emla-Creme oder ANESDERM); Einsatz als
Duschverband, zum Fixieren von Kanülen, i. v.-Kathetern.
 Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Produkt bzw. seinen
Bestandteilen; nekrotische Wunden, unterminierte, tiefe Wunden ohne Wundfüllung,
infizierte Wunden, blutende oder stark nässende Wunden sowie Verbrennungen 3.
und 4. Grades.

28.4 Verbandwechsel
40

28.4.1 Grundregeln

Hygienisch einwandfrei

Merke
Asepsis

Jeder Verbandwechsel (VW) ist aseptisch durchzuführen. Es muss hygienisch einwandfrei


gearbeitet und jede Keimverschleppung vermieden werden. Nur so kann man den
Pflegeempfänger, sich selbst und andere vor Kontaminationen und Infektionen schützen.
Grundsätze
Folgende Grundsätze für ein aseptisches Arbeiten können als Richtlinie dienen:
 Händedesinfektion
o vor und nach jedem Kontakt mit dem Pflegeempfänger,
o vor jeder aseptischen Maßnahme und
o nach jedem Kontakt mit kontaminierten Substanzen.
 wasserabweisende Schutzkleidung/Einmalschürze tragen (keine langärmeligen
Jacken/Kittel); bei Erkältungen des Personals Mund- und Nasenschutz anlegen oder
ebenfalls, wenn beim Verbandwechsel viel gesprochen wird
 lange Haare hochstecken oder Haarschutz tragen
 unsterile Einmalhandschuhe anziehen und sterile Instrumente verwenden, z. B.
sterile Pinzette zum Greifen der benötigten Utensilien → steril nach dem Non-Touch-
Prinzip arbeiten (s. u.)
 alle Materialien im direkten Wundkontakt steril einsetzen
 vor Einsatz der Materialien Verfallsdatum beachten
 unkonservierte bzw. angebrochene Materialien/Wundauflagen beim nächsten
Verbandwechsel nicht verwenden (Abb. 28.22)
 Wundauflagen nur zuschneiden, wenn dies laut Hersteller gestattet ist (Beipackzettel
beachten)
 sterile von unsterilen Materialien trennen; nicht über sterile Materialien hinweg
arbeiten
 aufwendige Verbandwechsel zu zweit durchführen
 Sterilverpackungen nur an den dafür vorgesehenen Laschen öffnen
 jede Arbeitsfläche vor Nutzung wischdesinfizieren
 evtl. kontaminierte Flächen umgehend desinfizieren
 jede Keimverschleppung vermeiden.

Abb. 28.22 Piktogramme für Wundauflagen/Medizinprodukte.


Versorgung von mehreren Wunden
Sind mehrere Wunden nacheinander zu versorgen (z. B. im Rahmen einer Verbandvisite auf
Station), ist strikt der nachfolgende Ablauf einzuhalten:
 zuerst die aseptischen Wunden,
 dann die kontaminierten und kolonisierten Wunden,
 anschließend die infizierten, septischen Wunden und
 am Schluss die Wunden, die mit MRSA oder anderen multiresistenten Erregern
(MRE) besiedelt sind.
Nur so kann vermieden werden, dass Keime verschleppt werden!
Non-Touch-Technik
41

Bei der Non-Touch-Technik (engl. no touch = keine Berührung) werden sterile Materialien
nur unter sterilen Bedingungen und die Wunde nur mit sterilen Instrumenten oder sterilen
Handschuhen berührt. Beim Verbandwechsel kann also ausgewählt werden,
 ob man lieber mit unsterilen Handschuhen und steriler Pinzette oder
 nur mit sterilen Handschuhen arbeiten möchte.
Beide Methoden sind richtig, solange eine lückenlose Asepsis gewährleistet ist.
ACHTUNG
Keine Wunde darf mit bloßen Händen berührt werden!
Schmerzarm und sicher
Ist der VW schmerzhaft für den Pflegeempfänger, sollte dieser zuvor entsprechende
Schmerzmittel nach Anordnung des Arztes erhalten. Die Einwirkzeit der Medikamente ist
entsprechend abzuwarten. Wenn der Pflegeempfänger die Behandlung als schmerzhaft
empfindet, sind manchmal auch kurze Unterbrechungen der Behandlung sinnvoll („Time-
out“).

28.4.2 Verbandwechsel

Vorbereitung

Der Pflegeempfänger wird informiert und es wird darauf geachtet, zeitnah vor dem
Verbandwechsel ggf. ein Schmerzmittel zu geben, z. B. 30 Minuten vorher. Die
Pflegefachkraft bringt die benötigten Materialien per Verbandwagen oder Tablettsystem
(Wischdesinfektion beachten) ins Zimmer des Pflegeempfängers. Bei Bedarf ist ein
Entsorgungsbehälter für spitze Gegenstände mitzunehmen
(Handlungsrichtlinien/Pflegestandards beachten).
Das Robert Koch-Institut (RKI) schreibt in seiner Empfehlung „Prävention postoperativer
Infektionen im Operationsgebiet“ (2018): „Verbandwechsel oder die Entfernung von
Nahtmaterial bzw. von Drainagen sind mit Verbandwagen oder mit Tablettsystem
durchzuführen. Die Benutzung unterschiedlicher Verbandwagen für aseptische und infizierte
Wunden ist nicht erforderlich – entscheidend ist, den Wagen grundsätzlich vor Kontamination
zu schützen. Im Übrigen sind bei diesen Manipulationen die Regeln der Basishygiene
einzuhalten.“
Die Durchführung ist genau zu planen und die Vollständigkeit des Materials sorgfältig zu
überprüfen. Dies erspart unnötige und unhygienische Gänge während des
Verbandwechsels. Für eine evtl. Fotodokumentation ist die Kamera vorab auf ihre
Funktionstüchtigkeit zu überprüfen (z. B. ausreichende Akkuleistung, ausreichend Platz auf
der Speicherkarte).
Material
Folgendes wird benötigt:
 unsterile Einmalhandschuhe
 sterile Kompressen bzw. Tupfer, sterile Pinzetten
 wasserabweisende Schutzkleidung/Einmalschürze anziehen (keine langärmeligen
Jacken/Kittel tragen); bei Erkältungen des Personals Mund-/Nasenschutz anlegen
 Verbandmaterial und Wundspülung/Antiseptika nach ärztlicher Anordnung
 Reinigungs-/Hautdesinfektionsmittel bei primär heilenden Wunden
 Fixiermaterialien, Schere
 Abwurfbehälter
Im Zimmer des Pflegeempfängers wird eine Arbeitsfläche geschaffen (z. B. Tisch des
Pflegeempfängers) und wischdesinfiziert. Das Material wird platziert,
42

 Steriles wird fern vom Pflegeempfänger und


 Unsteriles nah am Pflegeempfänger angeordnet.
ACHTUNG
Material darf keinesfalls auf dem Bett des Pflegeempfängers oder Fußboden abgelegt
werden!
Der Abwurfbehälter und bei Bedarf zusätzlich ein Abwurfbehälter für spitze Gegenstände
werden bereitgestellt und Fenster und Türen geschlossen. Während des Verbandwechsels
sind keine anderen Tätigkeiten im Zimmer des Pflegeempfängers durchzuführen, z. B.
Putzarbeiten, Bettenmachen. Besucher sowie Haustiere (im ambulanten Bereich) werden
aus dem Zimmer gebeten. Eigene Angehörige können auf Wunsch bleiben, um den
Pflegeempfänger psychisch zu unterstützen.
 Das Bett des Pflegeempfängers wird auf Arbeitshöhe gebracht, der Pflegeempfänger
ggf. bei der Positionierung unterstützt und ein Bettschutz untergelegt.
 Auf einen guten Lichteinfall ist zu achten, evtl. zusätzlich z. B. Stirnlampe,
Taschenlampe nutzen.
 Die Pflegefachkraft zieht eine Einmalschürze an, desinfiziert ihre Hände und bereitet
das Material vor, z. B. Wundspüllösungen aufziehen, Kompressen anfeuchten.
 Danach desinfiziert sie sich erneut ihre Hände und zieht sich Einmalhandschuhe an.

Verbandwechsel bei primär heilenden Wunden

 Eine aseptische, primär heilende Wunde ist sauber und hat glatte,
aneinanderliegende Wundränder. Diese sind durch Nähte oder Klammern
verschlossen und heilen meist komplikationslos ab.
 Die Hände werden desinfiziert, der alte Verband mit unsterilen Handschuhen gelöst
und beides im Abwurfbehälter entsorgt.
 Die Wunde wird inspiziert, die Hände erneut desinfiziert und unsterile
Einmalhandschuhe angezogen.
 Bei Bedarf erfolgt eine Sprühdesinfektion mit einem entsprechenden
Hautdesinfektionsmittel.
 Anschließend wird mit Kugeltupfer/Kompresse der Wundrand von innen nach außen
trocken gewischt.
 Die Kugeltupfer/Kompressen werden dabei mit einer sterilen Pinzette gegriffen.
 Pro Wischgang kommen eine neue Kompresse/ein neuer Tupfer zum Einsatz.
 Anschließend wird die Wunde nach ärztlicher Verordnung versorgt, z. B. mit einem
Pflasterverband.
 Gegebenenfalls sind Klammern/Fäden zu ziehen, hierzu werden neue sterile
Instrumente verwendet.
 Abschließend werden die Einmalhandschuhe entsorgt, die Hände desinfiziert und der
VW dokumentiert.

Verbandwechsel bei sekundär heilenden Wunden

 Der alte Verband wird mit Einmalhandschuhen entfernt, ggf. mit steriler Pinzette bei
tiefer liegenden Tamponaden.
 Die alte Wundauflage wird inspiziert und im bereitgestellten Abwurfbehälter entsorgt.
 Im Anschluss erfolgen eine hygienische Händedesinfektion und ein
Handschuhwechsel.
 Danach wird eine sterile Wundreinigung durchgeführt (Abb. 28.23), Wischrichtung
von innen nach außen beachten.
 Pro Wischgang ist jeweils eine neue Kompresse bzw. ein neuer Tupfer zu
verwenden.
 Danach erfolgen die Inspektion der gereinigten Wunde sowie ein Handschuhwechsel
und eine hygienische Händedesinfektion.
 Bei Bedarf werden Fotos zur unterstützenden Dokumentation angefertigt.
43

 Je nach Wunde und Wundzustand erfolgt nun die phasengerechte Wundversorgung


mit entsprechenden Verbandmitteln nach ärztlicher Verordnung.
 Danach wird der Wundverband fixiert, die Einmalhandschuhe entsorgt und eine
hygienische Händedesinfektion durchgeführt.
 Abschließend unterstützt die Pflegefachkraft den Pflegeempfänger, in eine
angenehme Position zu kommen, und stellt benötigte Utensilien wie Fernbedienung,
Rufsignal, Getränke usw. in seine Reichweite.
 Die Arbeitsfläche wird wischdesinfiziert, der Müllbeutel verschlossen und außerhalb
des Zimmers entsorgt.
 Es erfolgen eine hygienische Händedesinfektion und die Dokumentation von
Wundversorgung und Heilungsverlauf.

Abb. 28.23 Sterile Wundreinigung.


Die sterile Wundreinigung erfolgt in Non-Touch-Technik mit einer sterilen Pinzette und
unsterilen Handschuhen. (Foto: K. Oborny, Thieme)
WISSEN TO GO
Verbandwechsel

Jeder Verbandwechsel ist aseptisch und möglichst schmerzarm durchzuführen.


Grundregeln:
 Hände regelmäßig desinfizieren (vor und nach jedem Kontakt mit dem
Pflegeempfänger, vor jeder aseptischen Maßnahme und nach jedem Kontakt mit
kontaminierten Substanzen).
 Schutzkleidung tragen und kurzärmelig arbeiten.
 Keine lackierten Fingernägel, künstliche Nägel oder Gelnägel tragen.
 Sterile und unsterile Materialien trennen.
 Sterilverpackungen nur an den dafür vorgesehenen Laschen öffnen.
44

 Wunde niemals mit bloßen Händen berühren!


 Nach dem Non-Touch-Prinzip bzw. mittels der Non-Touch-Technik arbeiten.
 Zuerst die aseptischen, dann die kontaminierten und kolonisierten, anschließend die
infizierten, septischen Wunden und am Schluss die Wunden mit multiresistenten
Erregern (z. B. MRSA) versorgen.
 Kontaminierte Flächen sofort wischdesinfizieren.
 Jede Keimverschleppung vermeiden.

28.4.3 Wunddokumentation

Die Wunddokumentation ist die Grundlage für eine koordinierte Therapie und macht den
Verlauf einer Wundheilung bzw. -therapie erst nachvollziehbar. Sie ist nicht nur für eine gute
Teamarbeit unverzichtbar, sondern auch rechtlich und ökonomisch wichtig. Denn
Maßnahmen, die nicht dokumentiert sind, gelten als nicht durchgeführt, sie können nicht
abgerechnet und im Falle eines Rechtsstreits auch nicht nachgewiesen werden. Darum sind
alle Daten, die für die Wunde und die Wundheilung relevant sind, festzuhalten. In den
meisten Einrichtungen gibt es dafür spezielle Wunddokumentationsbögen (Abb. 28.24) oder
EDV-gestützte Systeme.
45

Abb. 28.24 Wunddokumentationsbogen.


Auf dem abgebildeten Wunddokumentationsbogen werden neben den Anamnesedaten auch
die wund- und therapiebedingten Einschränkungen erfasst. Es gibt spezielle Bögen für
Dekubitus, diabetisches Fußulkus, Ulcus cruris und sekundär heilende Wunden. Auf der
Rückseite jedes Bogens erfolgen die eigentliche Wundbeurteilung (Größe, Geruch, Exsudat,
Wundrand/-umgebung, Beläge usw.) und Angaben zur Therapie. (Abb. von: Mölnlycke
Health Care GmbH)
46

Abb. 28.24 Abb. 28.24 Wunddokumentationsbogen (Fortsetzung).


(Abb. von: Mölnlycke Health Care GmbH)

Schriftliche Dokumentation

Im Rahmen der Wunddokumentation sind folgende Informationen schriftlich zu fixieren.

Wundanamnese
47

Die in der Wundanamnese erfassten Fakten bilden die Grundlage für eine adäquate
Wunddokumentation. Sie beinhaltet u. a. Informationen über das soziale Umfeld, über das
Krankheitsbild, psychosoziale Aspekte und wundauslösende Faktoren sowie die Abheilung
negativ beeinflussende Faktoren. Beispielhafte Inhalte der pflegerischen Anamnese laut
DNQP-Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ (1. Aktualisierung
2015) sind:
 Pflegeempfänger-/Angehörigenwissen zum Verständnis des Krankseins zu/zur:
o Wundursachen
o Bedeutung spezieller Maßnahmen wie Kompressionstherapie, Druckverteilung/-
entlastung, Bewegung
o Symptomen, z. B. Wundfeuchtigkeit, Geruch, Juckreiz
o Wundheilung und Gedanken zur Dauer der Abheilung
 wund- und therapiebedingten Einschränkungen, z. B.:
o Schmerzen: Stärke, z. B. anhand einer visuellen Analogskala oder per
Fremdeinschätzung; Qualität; Lokalisation; Dauer; Häufigkeit;
situationsbedingtes Auftreten und bisherige Erfahrungen mit Maßnahmen zur
Schmerzlinderung
o Mobilitäts-/Aktivitätseinschränkungen, z. B. Treppen steigen, einkaufen gehen
o unangenehme Gerüche, hohes Exsudataufkommen, Juckreiz, Schwellungen der
Beine
o Einschränkungen bei der persönlichen Hygiene
o psychosoziale Aspekte, z. B. Frustration, Trauer, Depression, soziale Isolation,
Ängste, Sorgen
o Einschränkungen bei der Kleider- und Schuhauswahl, Schlafstörungen
 bereits vorhandene wundbezogene Hilfsmittel: An- und Ausziehhilfen, medizinische
Kompressionsstrümpfe, orthetische Schuhversorgung, Positionierungshilfen,
druckverteilende Matratzen
 gesundheitsbezogene Selbstmanagementkompetenzen von
Pflegeempfänger/Angehörigen zur/zum/zu:
o Umgang mit wund- und therapiebedingten Einschränkungen
o Wunde und zum Verbandwechsel, z. B. Schmerzen bei der Wundversorgung,
Umgang mit Exsudat
o Ernährung, Blutzuckereinstellung, Rauchentwöhnung,
o Hautschutz und -pflege
o Mobilität und Alltagsaktivitäten, z. B. Spaziergänge, Hobbys, Freunde besuchen,
Sport
o krankheitsspezifischen Maßnahmen wie Fußpflege und -inspektion, Gefäßsport,
Druckentlastung der Wunde
 Zusätzlich sollten folgende Angaben Berücksichtigung finden:
o Alter des Pflegeempfängers
o Medikamente (siehe Medikamentenblatt), Unverträglichkeiten/Allergie/n:
insbesondere auf Wundauflagen und deren Fixierungen
o soziales Umfeld: Wie und mit wem lebt der Pflegeempfänger (Erdgeschoss,
Treppenhaus ohne Fahrstuhl, Angehörige usw.)? Ist er selbstständig oder
benötigt er Hilfe? Wer versorgte ihn bisher (ärztlich, häuslich, pflegerisch)?
o Immunstatus, Tumor/en
o Begleit- und Stoffwechselerkrankungen, durchgeführte Operationen
o geistiger und seelischer Zustand
o Lebensgewohnheiten: Rauchen, Alkohol, Drogen, Bewegung, Sport
o Information über Krankheitsbild und Einstellung dazu
o Kontinenzsituation
 Achtung: Vermeiden von doppelter Dokumentation. Sind Angaben schon in anderen
Bereichen, z. B. Stammdatenblatt, Medikamentenblatt etc., erfasst, ist auf diese zu
verweisen. Zusätzlich können im Rahmen der pflegerischen Anamnese Instrumente
48

genutzt werden, die zur Selbsteinschätzung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität,


z. B. Lebensqualität bei chronischen Wunden (Wound-QoL) und zur Erfassung der
gesundheitsbezogenen Selbstmanagementkompetenzen der Betroffenen, z. B. Wittener
Aktivitätenkatalog der Selbstpflege bei venös bedingten offenen Beinen (WAS-VOB),
dienen. Diese Instrumente sind über die Homepage des DNQP (www.dnqp.de) als
kostenfreier Download verfügbar.

Wundassessment

Um den Wundstatus aktuell und möglichst sachlich festzuhalten, muss die Wunde genau
vermessen und beurteilt werden. Die Angaben sind schriftlich zu dokumentieren (Abb.
28.24). Eine Wunddokumentation verdeutlicht gleichermaßen den geleisteten Pflegeprozess
wie auch den Heilungsverlauf bzw. aktuellen Zustand der Wunde. Beispielhafte Inhalte für
eine Wundeinschätzung laut Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen
Wunden“ (DNQP, 1. Aktualisierung 2015) sind:
 medizinische Wunddiagnose: Grunderkrankung, Wundart und Schweregradeinteilung
der Wunde bzw. der Grunderkrankung
 Wundklassifikation: z. B. Ulcus cruris venosum/arteriosum/mixtum, diabetisches
Fußulkus, Dekubitus
 Schweregradeinteilung: z. B. Dekubitusklassifikation nach EPUAP, Klassifikation
Diabetisches Fußsyndrom nach Wagner/Armstrong, Klassifikation der chronisch
venösen Insuffizienz (CVI) nach Widmer oder CEAP, Klassifikation der pAVK nach
Fontaine (Tab. 45.4)
 bisherige diagnostische und therapeutische Maßnahmen zur Wundversorgung und
zur Grunderkrankung
 Wundlokalisation: schriftlich ausformuliert und auf einem Schaubild eingezeichnet;
ggf. Fotodokumentation
 Wunddauer: notwendig, um Belastungen, (Selbst-)Pflegezeiten und die Heilungszeit
für den Pflegeempfänger einzuschätzen
 Rezidivanzahl: Erfassung von Anzahl und rezidivfreier Zeit erlaubt Hinweise auf
mögliche Problematiken bei der Prävention
 Wundgröße: Erfassung von Tiefe und der größten Länge und Breite in cm, dabei
stehen Länge und Breite im 90°-Winkel zueinander; Erfassung von
Taschen/Untertunnelungen/Fisteln anhand der Uhrmethode (kopfwärts 12 Uhr, fußwärts
6 Uhr)
 Wundrand/-umgebung: z. B. unterminiert, mazeriert, nekrotisch, ödematös, gerötet
 häufigste Gewebeart: z. B. Nekrose, Fibrinbelag, Granulationsgewebe, Knochen,
Sehnen
 Wundgeruch: ja/nein
 Exsudation: Menge, Beschaffenheit, Farbe
 Infektionszeichen: Rötung, Schwellung, Überwärmung, Funktionseinschränkung,
Schmerzen
 Wundschmerzen: Intensität anhand von Schmerzskalen; Situationen, die mit
Schmerzen einhergehen und die zur Verbesserung führen; Schmerzqualität: pochend,
brennend, stechend usw.
Wundgröße
Es gibt verschiedene Methoden, die Wundgröße zu erfassen:
 größte Länge und Breite (anhand der Körperachsen): Durchmesserberechnung mit
Lineal: Messen des vertikal (= Länge: Fuß – Kopfachse) und horizontal (= Breite)
jeweils größten Abstands der Wundränder zueinander; die Achsen stehen dabei im
rechten Winkel zueinander (Abb. 28.25a). Diese Messmethode bildet allerdings nicht
die Form einer Wunde ab.
49

 Wundtiefe: mit steriler Pinzette/Knopfkanüle, sterilem Einmalspülkatheter oder sterilen


skalierten Messsonden (Abb. 28.25b); keine sterilen Watteträger verwenden, sie
können Rückstände hinterlassen!
 Taschen, Fisteln, Unterminierungen: Lagebestimmung an der Uhrzeit orientiert, z. B.
„12 Uhr“ = kopfwärts, „6 Uhr“ = fußwärts
 Tracing/Planimetrie: computergestützt und manuell; die Wundmaße werden durch
Nachzeichnen auf einer sterilen gerasterten Wundfolie und anschließendes
Kästchenzählen ermittelt (Abb. 28.25c); ein Kästchen entspricht einer Größeneinheit
von 1 cm²; bei Verwendung einer doppelseitigen sterilen Folie kann die obere, nicht
kontaminierte Folie in die Wunddokumentation abgeheftet werden; Achtung: Datum und
Lage der Wunden kennzeichnen.
50
51

Abb. 28.25 Wundgröße.


a Vermessen der Wundgröße mit Papiereinmallineal.
b Tiefenmessung mit skalierter Messsonde.
c Vermessen mit Planimetrie.
Zudem sollten Angaben zur Therapie wie Produktbenennung und Größe (werden u. a. für
Nachbestellungen benötigt), verwendete Spüllösungen, Datum und Handzeichen der
durchführenden Pflegefachkraft enthalten sein.

Bildliche Dokumentation

Die Dokumentation der Wunde mit Fotos visualisiert die schriftliche Dokumentation des
aktuellen Wundzustands und verdeutlicht den Heilungsverlauf.

Voraussetzungen der Fotodokumentation

 Aufklärung und Information des Pflegeempfängers über die Fotoerstellung und deren
Verbleib.
 Einholen der Zustimmung des Pflegeempfängers oder gesetzlichen Betreuers (§ 201a
StGB Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) und
schriftliche Dokumentation in der Akte. Die Zustimmung kann jederzeit widerrufen
werden.
 In Ausnahmefällen (z. B. Beweiserhebung bei Verlegung) werden Fotos vor
Einverständniseinholung erstellt. Das Einverständnis ist dann rückwirkend einzuholen.
Wenn dieses verweigert wird, sind die Bildaufnahmen entsprechend zu verwerfen.
52

 Das Foto muss dem jeweiligen Pflegeempfänger eindeutig zuzuordnen sein: Vorname,
Nachname und Geburtsdatum oder Patientencode, Erstellungsdatum, Angabe der
Körperregion und Seite
 Wundgröße mit einem Einmalmaßband kenntlich machen
 Foto immer erst nach der Wundreinigung erstellen (Abb. 28.26); Ausnahme: spezielle
Auffälligkeiten, z. B. durchnässtes oder zerrissenes Verbandmaterial sowie Rückstände,
sind vorab festzuhalten
 Schattenbildung vermeiden (mögliche Fehlinterpretation als Nekrose oder
Taschenbildung)
 neutralen, ruhigen Hintergrund verwenden, z. B. einfarbige Tücher (nicht weiß;
Probleme mit dem Weißabgleich beim Blitzen) unterlegen
 auf ausreichende Bildschärfe achten, sowohl von der Wunde wie der Wundumgebung;
Nutzung von Makro- oder Automatikfokus
 auf gleiche Lichtverhältnisse, gleichen Abstand und gleichen Winkel (parallel zum
Aufnahmepunkt) sowie die gleiche Position des Pflegeempfängers achten (diese
Angaben nach Ersterstellung in der Akte vermerken)
 bei jedem Pflegeempfänger je nach Lichtverhältnissen individuell entscheiden, ob mit
oder ohne Blitz zu fotografieren ist; diese Entscheidung dann beibehalten
 die Wunde sollte mindestens 1/3 des Fotos einnehmen

Abb. 28.26 Fotodokumentation nach Reinigung.


Auf diesen beiden Fotos sieht man, warum man das Foto erst nach der Reinigung machen
sollte.
a Foto vor der Wundreinigung (keine Beurteilung möglich).
b Foto nach der Wundreinigung (Beurteilung gut möglich).
Technische Voraussetzungen
53

Digitalkamera mit Blitz- und Makrofunktion, Computer mit Archivierungssoftware mit


Suchfunktion, Kameraanschlussmöglichkeit (z. B. über USB). Die Aufbewahrungspflicht für
alle Unterlagen des Pflegeempfängers beträgt laut § 199 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) 30
Jahre. Es empfiehlt sich, dass ein einrichtungsinterner Standard zur Fotodokumentation
erstellt wird.
Merke
Karte löschen

Bitte bedenken Sie, dass in einigen Einrichtungen Digitalkameras von mehreren


Bereichen/Stationen genutzt werden. Deshalb löschen Sie die von Ihnen erstellten Fotos
immer gleich nach dem Überspielen von der Speicherkarte (siehe auch Datenschutzhinweise
des eigenen Unternehmens).
Jeder Verbandwechsel ist in der Dokumentation festzuhalten und Veränderungen zum
Vorzustand werden vermerkt. Eine vollständige Wundbeurteilung inklusive Wundvermessung
erfolgt bei chronischen Wunden spätestens alle 4 Wochen (hauseigenen Standard beachten)
und zusätzlich nach wundbezogenen Interventionen bzw. akuten Veränderungen, z. B.
chirurgischem Débridement, OP und Infektion. Dieser zeitliche Rahmen gilt auch für
Fotoaufnahmen. Im Abstand von spätestens 4 Wochen bei chronischen Wunden und 1-mal
wöchentlich bei akuten Wunden sollte zudem eine Überprüfung der Wirksamkeit der
gesamten Maßnahmen stattfinden und notwendige Änderungen im Maßnahmenplan und in
der Dokumentation vermerkt werden.
WISSEN TO GO
Wunddokumentation

Das Dokumentieren der Ausgangssituation, der Wundtherapie, der Verbandwechsel und des
Heilungsverlaufes ist wesentlicher Teil einer adäquaten Wundversorgung und
Verlaufskontrolle.
 Wundanamnese:
o Wundursachen, wund- und therapiebedingte Einschränkungen, Hilfsmittel
o Selbstmanagementkompetenzen von Pflegeempfängern/Angehörigen
o Alter, Medikamente, Unverträglichkeiten/Allergien, soziales und häusliches
Umfeld
o Immunstatus, Tumoren, Begleit- und Stoffwechselerkrankungen, Operationen,
geistiger und seelischer Zustand, Lebensgewohnheiten: Rauchen, Alkohol,
Bewegung
 Wundassessment:
o medizinische Wunddiagnose
o bisherige Maßnahmen zur Wundversorgung und Grunderkrankung –
Wunddauer; Rezidivanzahl
o Wundgröße und -tiefe
o Lokalisation, Zustand, Aussehen, Wundexsudat, Wundgeruch und
Infektionsanzeichen, Wundränder und wundumgebende Haut
Neben der schriftlichen Dokumentation dienen auch Fotos der kontinuierlichen
Wunddokumentation. Hierfür muss eine Einverständniserklärung vorliegen.

THIEME GRUPPE

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