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Texte aus königlichen Archiven stammen oder im Kontext göttliche Hilfe; Beziehung zu der Göttin; Ermutigung vor
des Hofes und des Staatstempels überliefert sind. 2) In den Feinden und ihre Darstellung (S. 61–74). Um seine
Bezug auf die kultische und ethische Verantwortung des These zu stützen, setzt sich Atkinson im nächsten Schritt
Königs bietet Mari mehr Belege als Ninive. Laut Gordon mit alternativen Auslegungen auseinander: die Nabû-
kommt der Kult im Alten Testament vor allem in der Reden als Traumbericht (Parpola / Livingstone), fiktiver
nachexilischen Prophetie vor. Die ethischen Aspekte der Dialog (Pongratz-Leisten) und literarische Nachahmung
alttestamentlichen Prophetie können dennoch am besten der Prophetie / Komposition (de Jong) (S. 74–87). Als eine
mit entsprechenden Themen in anderen mesopotami- Parallele nennt er schließlich die prophetischen Bücher
schen Textgattungen verglichen werden. des Alten Testamentes (S. 89).
3) Protomessianische Gedanken sind laut Gordon in Hans M. Barstad setzt mit „Hosea and the Assyri-
den prophetischen Texten aus Mari nicht sehr eindeutig ans“ (S. 91–110) seine Untersuchungen zu den histo-
zu finden. Als ein Beispiel erwähnt er die Zusagen von rischen Hintergründen der prophetischen Texte des
„long life and everlasting days and of a lasting dynasty“, Alten Testamentes fort (S. 91–93 mit Lit.). Nach einem
die sowohl in Mari als auch in Ninive vorkommen (S. 51–53, Überblick über seine Methode und die Ereignisse in
Zitat S. 51). Dieses Beispiel überzeugt meines Erachtens Ägypten des 9.–8. Jh. v. Chr. (93f.) bespricht Barstad die
nicht, da die Übersetzung des Wortes dārûm (ARM 26, 13 Belege von ‚Ägypten‘ im Buch Hosea und sieht sie
194, 43; SAA 9, 9, R. 3 u. pass.) o. ä. recht beliebig zu sein im Kontext der Ereignisse in Assyrien und Ägypten zwi-
scheint: Ein Durchgang durch die Wörterbuchbelege schen den Regierungszeiten von Salmanassar III. und
zeigt schnell, dass die Wahl zwischen „ewig“ und „(an) Tiglatpileser III. (S. 95–101). Den König Jareb (Hos 5,13;
dauernd“ bzw. „everlasting“ und „enduring“ eher will- 10,6) identifiziert Barstad mit Jerobeam II. von Israel
kürlich bleibt.5 Auch die anderen von ihm aufgeführten (S. 101–110). Die Beobachtungen sind sehr interessant,
Motive — Sicherheit und Stabilität der Regierung sowie aber es ist bedauerlich, dass die Textstellen nicht dia
die besondere Beziehung des Königs zu den Göttern — chron besprochen werden.
sind meines Erachtens übliche Elemente (bzw. Hyperbel) Bob Becking teilt in seinem Artikel „Micah in Neo-
der allgemeinen altorientalischen Königsideologie und Assyrian Light“ (S. 111–128) das Buch Micha in drei Teile,
müssen nicht unbedingt etwas mit einem Messianismus die er bespricht und mit neuassyrischen Texten vergleicht.
irgendeiner Art zu tun haben. Als ein Ergebnis seiner 1) Mi 1 bewertet Becking als eine originale, aber verzerrte
Vergleiche weist Gordon auf ein altorientalisches pro- Prophetie (S. 112–114). 2) Mi 2–5 enhält seines Erachtens
phetisches Kontinuum hin, bemerkt aber, dass die Ähn- eine prophetische Futurologie. Der Wechsel zwischen
lichkeiten zwischen der Prophetie in Mari und im Alten der Heils- und Unheilsprophetie muss laut Becking nicht
Testament nicht unbeachtet bleiben können. literar- und redaktionskritisch, sondern mit der ‚Proto-
Jason Atkinson hat in seinem interessanten Aufsatz Apokalyptik‘ erklärt werden, als die er das Muster der
„Prophecy in K1285? Re-evaluating the Divine Speech Epi- Abwechslung der guten und schlechten Zeiten beschreibt.
sodes of Nabû“ (S. 59–89) die Redeanteile vom Gott Nabû Dieses Muster findet er auch in akkadischen und ägypti-
im „Zwiegespräch zwischen Assurbanipal und Nabû“ nach schen Texten (S. 114–125). 3) Mi 6–7 haben seines Erach-
den von ihm aufgelisteten Kriterien (S. 60f.) als in einen lite- tens ihren Hintergrund in der Regierungszeit von Josia
rarischen Kontext eingebettete prophetische Texte bewer- und enthalten Elemente, die aus den altorientalischen
tet. Bei dieser Identifikation spielen folgende Themen eine Vertragsflüchen bekannt sind. Zusammenfassend stellt
Rolle: Nabû als ein prophetischer Gott; göttliche Redean- Becking fest, dass das Buch Micha nicht wirklich neuas-
teile als direkte Rede (qabû + mā / umma); Allgegenwart syrische Themen enthält.
von Ištar; thematische Entsprechungen mit Orakeltexten; „Ištar and the Motif of the Cosmological Warrior: Assur-
banipal’s Adaptation of Enuma Elish“ von C. L. Crouch
(S. 129–141) diskutiert mögliche theologische Veränderun-
5 Vgl. AHw, 164, s. v. dārû[m]; CAD D, 115–118, s. v. dārû. Das Kö-
nigsepitheton zērum dārûm (= „ewiger Same“) o. ä. betont meiner gen in den Königsinschriften unter Assurbanipal. Crouch
Meinung nach die „Ewigkeit“ der göttlichen Pläne und die Fortdauer postuliert, dass der neuassyrische König in den politisch
der Herrscherdynastie, weniger das Leben des einzelnen Königs. Vgl. brisanten Zeiten nicht mehr mit dem babylonischen Haupt-
dazu auch die Inschriften Asarhaddons (RINAP 4, 128, 14 u pass.): gott Marduk in Verbindung gebracht werden konnte und
li-ip-li-pi da-ru-ú šá mdEN-ba-ni DUMU ma-da-si LUGAL KUR aš-šurKI
dass die Rolle des kosmischen Helden bzw. des Chaoskämp-
NUNUZ bal-tilKI šu-qu-ru NUMUN LUGAL-ú-tu ki-sít-ti ṣa-a-ti = „ewiger
Nachkomme von Bēl-bāni, Sohn von Adasi, König von Assyrien, kost-
fers deswegen Ištar übertragen wurde. Als Textbeispiele
barer Spross von Baltil (= Assur), königlicher Same von Abstammung werden der Zylinder B, die Inschrift des Ištar-Tempels und
aus der fernen Zeit.“ der Rassam-Zylinder herangezogen. Die Beobachtungen
sind interessant, aber es bleibt teilweise fraglich, ob die ‚living and nonliving organisms‘“ und Ökologie als „‚a
Ištar-
Interpretation von Crouch immer zwingend ist: Es philosophy, a general worldview or a holistic vision‘ for
überrascht z. B. nicht, dass Ištar gerade in einer Inschrift human and non-human communities“ (S. 188). Marlow
aus einem ihr gewidmeten Tempel eine überragende Rolle konzentriert sich auf Hosea 4 und thematisiert kurz auch
spielt: vgl. dazu z. B. die Epitheta von Ninurta in den Wei weitere prophetische Texte aus dem Alten Testament und
hinschriften seines eigenen Tempels aus der Regierungszeit dem Alten Orient.
Assurnasirpals II. (RIMA A.0.101.1, I,1–9). Weiterhin ist gegen In seinem Aufsatz „The Prophet Micah and Political
Crouch (S. 137f.) meines Erachtens mit Fuchs davon auszu- Society“ (S. 203–224) diskutiert David J. Reimer die Bezie-
gehen, dass sich die Epitheta LUGAL AN-e u [K]I-tim mu-šim hung der Prophetie und Politik am Beispiel von Micha 1–3,
ši-ma-ati (ITT 5) auf Enlil beziehen. Sie sind in Bezug auf wobei er an die Arbeit von Oliver O’Donovan anknüpft.9
Enlil sehr häufig belegt und die Inschrift trennt ansonsten Reimer bietet eine detailreiche Darstellung der gesell-
sorgfältig zwischen femininen und maskulinen Formen.6 schaftlichen Themen in Mi 1–3, die er dann zum Schluss
„The Post-722 and Late Pre-exilic Compositions Under- mit den Gedanken O’Donovans verbindet.
lying the Amos-Text“ von Graham Hamborg (S. 143–159) Joachim Schaper skizziert zu Beginn seines Artikels
ist ein redaktionskritischer Beitrag zum Buch Amos. Nach „Prophecy in Israel and Assyria: Are We Comparing Apples
einem forschungsgeschichtlichen Überblick (S. 143–147) and Pears? The Materiality of Writing and the Avoidance
postuliert er vier Redaktionsstufen des Buches: 1) nach 722 of Parallelomania“ (S. 225–238) neuere Forschungsten-
in Jerusalem; 2) spätvorexilisch (josianisch); 3) exilisch in denzen, die die Unterschiede zwischen der alttestamentli-
Babylonien; 4) nachexilisch (perserzeitlich). Von diesen chen und der assyrischen Prophetie kleiner wirken lassen
beschreibt er die Stufen 1) und 2) genauer. Leider nimmt als früher in der von ihm zitierten Literatur angenommen
Hamborg kein Bezug auf den größeren Kontext des Zwölf- wurde. Dieses Phänomen empfindet er als fraglich und
prophetenbuches.7 thematisiert dann damit verbundene methodische Pro-
John W. Hilber vergleicht in seinem sehr gelunge- bleme und Fragen, die man bei vergleichenden Arbeiten
nen Aufsatz „Royal Cultic Prophecy in Assyria, Judah, besser klären müsse: Definition der Prophetie und der
and Egypt“ (S. 161–186) Texte in Bezug auf ihre Stilele- Propheten sowie die Adressaten, den Sitz im Leben und
mente und Motive. Als Textgrundlage benutzt Hilber die die Materialität der Texte.
Psalmen 2; 89; 110 und 132; die Texte von SAA 9 und 3 „‚I Have Rained Stones and Fiery Glow on Their heads!‘
ausgewählte ägyptische Königshymnen,8 erwähnt aber Celestial and Meteorological Prophecy in the Neo-Assyrian
auch weitere Quellen. Die vielfältigen Literaturhinweise Empire“ von Jonathan Stökl (S. 239–251) beschreibt Wetter-
und die übersichtlichen Tabellen sind ein großer Gewinn und Himmelsphänomene in den neuassyrischen pro-
für diejenigen, die sich vorwiegend mit nur einem der drei phetischen Texten SAA 9 1.6 und SAA 9 3.3 und im Alten
Kulturbereiche beschäftigen. Testament. Im Zusammenhang mit den neuassyrischen
Der Aufsatz „Ecology, Theology, Society: Physical, Texten bespricht Stökl eine Vielzahl von Themen: Chaos-
Religious, and Social Disjuncture in Biblical and Neo- kampf, göttliche Waffen und die Beziehung der verschiede-
Assyrian Prophetic Texts“ (S. 187–202) von Hilary Marlow nen Götter zueinander. Von den biblischen Texten werden
unterscheidet sich von den anderen Beiträgen dieses Ex 9,18–35; Jos 10,1–15; Ri 5,21f genauer dargestellt.
Bandes sehr durch seinen ökologisch-hermeneutischen Lena-Sofia Tiemeyer bespricht in ihrem interessanten
Schwerpunkt. Ihre Methode definiert Marlow in diesem Beitrag „Were the Neo-Assyrian Prophets Intercessors? A
Zusammenhang als „exploring the relationships between Comparative Study of Neo-Assyrian and Hebrew Texts“
(S. 253–272) zunächst die neuassyrischen Prophetien und
stellt dabei fest, dass es in ihnen zwei verschiedene Typen
6 Fuchs, Andreas, „Die Inschrift vom Ištar-Tempel“, in: Borger, der Fürbitte gibt: Einerseits kann diese von einer Gottheit
Rykle, Beiträge zum Inschriftenwerk Assurbanipals. Die Prismen-
in einer Götterversammlung gehalten werden, anderer-
klassen A, B, C = K, D, E, F, G, H, J und T sowie andere Inschriften,
Wiesbaden 1996, hier 258–296, 264.290. seits konnten auch Menschen als Fürbitter agieren, wobei
7 Für seine Fragestellung wären z. B. die beiden Qualifikationsschrif- unterschiedliches Vokabular benutzt wurde. Die Fürbitte
ten von Jakob Wöhrle von Bedeutung gewesen: Die frühen Samm- ist ein übliches Motiv im Alten Testament: Sie wird oft von
lungen des Zwölfprophetenbuches. Entstehung und Komposition einem Propheten / Priester durchgeführt oder kommt in
(BZAW 360), Berlin 2006; Der Abschluss des Zwölfprophetenbuches.
einem kultischen Kontext vor. Tiemeyer konzentriert sich
Buchübergreifende Redaktionsprozesse in den späten Sammlungen
(BZAW 389), Berlin 2008.
8 Die ägyptischen Texte stammen aus Kitchen, Kenneth A., Poetry 9 The Desire of the Nations: Rediscovering the Roots of Political
of Ancient Egypt (Documenta Mundi: Aegyptiaca 1), Jonsered 1999. Theology, Cambridge 1996.