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Gert Hautsch: Quartalsbericht 3/21 zur Medienwirtschaft; Teil 2 Konzernübersichten

Springer geht von Ost nach


West
Quartalsbericht zur deutschen Medienwirtschaft Juli bis September 2021
Teil 2: Konzernübersichten
Von Gert Hautsch
25. Oktober 2021

Bertelsmann SE & Co. KGaA


Deutliche Steige-
In Gütersloh schwelgt man in Superlativen: Die Geschäfte sind im ersten Halbjahr rungen bei Um-
2021 bestens gelaufen, zudem werde mit der Eingemeindung von Gruner+Jahr in die satz und Profit
RTL-Group ein globaler Medienchampion geschaffen, der im Wettbewerb mit den
globalen Digitalkonzernen bestehen kann.
Der Konzernumsatz ist im Vergleich zum Vorjahr um 10,7 Prozent gewachsen, orga-
nisch – um Sondereffekte bereinigt – sogar um 16,6 Prozent. Gegenüber dem Vor-
Corona-Halbjahr 2019 betrug der Zuwachs allerdings nur 0,9 Prozent, organisch 7,1
Prozent.
Wichtiger noch als der Umsatz ist den Eigentümern der Profit. Der bereinigte Gewinn
vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) hat im ersten Halbjahr 2021 um
42,6 Prozent über dem Vorjahreswert gelegen, gegenüber 2019 um 6,1 Prozent. Der
Nettoprofit hat sich sogar mehr als verdoppelt, wobei allerdings auch Veräußerungs- RTL, PRH und
gewinne mitgeholfen haben. Arvato sind die
erfolgreichsten
Als ergiebigste Melkkühe haben sich erneut die RTL-Group (Video, Audio, Unterhal-
Sparten.
tung), Penguin Random House (Literatur) und Arvato (Technik, Dienstleistungen) er-
wiesen. Der Pressekonzern Gruner+Jahr hingegen hat nur einen bescheidenen Bei-
trag zum Konzernergebnis geleistet, obwohl im Berichtszeitraum noch das (inzwi-
schen verkaufte) profitable Frankreichgeschäft enthalten war.

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Wirtschaftszahlen des Bertelsmann-Konzerns im ersten Halbjahr (in Millionen Euro)


2019 2020 2021 21/20 (%)
Außenumsatz 8.612 7.848 8.691 + 10,7
- RTL-Group (Fernsehen) 3.173 2.652 3.014 + 13,7
- Arvato (Technik, Dienstleistungen) 2.049 2.095 2.436 + 16,3
- Penguin Random House (Bücher) 1.650 1.627 1.804 + 10,9
- Gruner+Jahr (Presse) 677 524 548 + 4,6
- Printing Group (Druck) 766 650 624 - 4,0
- BMG (Musik) 269 282 296 + 5,0
- Education Group (Bildung) 168 158 136 - 13,9
- Investments 6 5 3 - 40,0
- Corporate Center / Konsolidierung - 146 - 145 - 170 -
EBITDA (operational) 1.336 994 1.417 + 42,6
- RTL-Group (Fernsehen) 665 367 583 + 58,9
- Arvato (Technik, Dienstleistungen) 263 305 400 + 31,1
- Penguin Random House (Bücher) 227 209 324 + 55,0
- Gruner+Jahr (Presse) 62 28 57 > 100
- Printing Group (Druck) 30 19 26 + 36,8
- BMG (Musik) 49 49 50 + 2,0
- Education Group (Bildung) 41 40 44 10,0
- Investments -9 -3 -6 -
- Corporate Center / Konsolidierung - 44 - 20 - 61 -
EBIT (um Sondereinflüsse bereinigt) 824 805 1.929 > 100
Konzerngewinn 502 488 1.368 > 100
Investitionen 612 456 573 + 25,7
Beschäftigte 125.931 126.398 138.567 + 9,6
Quelle: Pressemitteilung der Bertelsmann SE & Co. KG a. A., 1. 9. 2020 und 31. 8. 2021;
Halbjahresfinanzbericht 2021, S. 13 f.

Bei der RTL-Group kam das Wachstum vorrangig aus dem Fernsehgeschäft, zudem
RTL wächst vor-
aus dem Entertainmentkonzern Fremantle und neuerdings den Streamingplattformen
rangig durch
„TV Now“ (Deutschland) und „Videoland“ (Niederlande). Letztere steigerten den Um- Fernsehen und
satz im ersten Halbjahr 2021 um ein Drittel auf 107 Millionen Euro und erreichten 3,1 Unterhaltung
Millionen zahlende Kunden – 72 Prozent mehr als 2020. Zwei Millionen davon kamen
aus Deutschland. Der RTL-Konzern hat den Umsatz gegenüber 2020 um 13,7 Pro-
zent gesteigert, organisch sogar um 21,5 Prozent. Gegenüber 2019 ist er allerdings
gesunken und organisch nur um 2,1 Prozent gewachsen.
Von 2022 an wird die RTL-Group noch um einiges größer dastehen, denn dann wird
Gruner+Jahr kein eigenständiger Geschäftsbereich mehr sein, sondern eine Tochter G+J wird ein
Bestandteil von
des Fernsehkonzerns. Als Kaufpreis werden 230 Millionen Euro kolportiert. Der
RTL Deutsch-
Schritt hatte sich schon im Frühjahr angekündigt (QB 1/21-2, S. 3 f.) und wurde An-
land.
fang August offiziell verkündet. Über die Einzelheiten besteht zum Teil noch Unklar-
heit.
 Die rund 1.700 Beschäftigten bei G+J, darunter 800 in den Redaktionen, können
in Hamburg bleiben. Der Firmensitz wird nicht, wie teils befürchtet, zur RTL-
Zentrale nach Köln verlegt. Allerdings wird der Verlag nicht nur die Mitgliedschaft
im Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) beenden, sondern wahrschein-

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lich auch die Tarifbindung abschütteln. In etlichen Bereichen, etwa den Digital-
redaktionen, werden die Tarifverträge schon jetzt nicht beachtet.
 Zudem ist mit Stellenabbau zu rechnen. Über dessen Umfang laufen Gespräche Stellenabbau
wird bei G+J
mit den Betriebsräten. Aktuell hat G+J etwa 1.800 Beschäftigte, die zu RTL
nicht ausge-
Deutschland wechseln. Mehr als 700 von ihnen müssen einem Betriebsübergang schlossen.
zustimmen, wenn sie weiterbeschäftigt werden wollen. Aber auch bei einer Zu-
stimmung behält sich das RTL-Management spätere betriebsbedingte Kündigun-
gen vor.
 Die 25,5-Prozent-Beteiligung von G+J am Spiegel-Verlag wird nicht auf RTL
übergehen, sondern an den Mutterkonzern Bertelsmann direkt.
 Gruner+Jahr hält eine 60-Prozent-Mehrheit an der DDV Mediengruppe in Dres-
den (der Rest liegt bei der SPD-Holding DDVG). Sie gibt u. a. die „Sächsische
Zeitung“ und die „Morgenpost Sachsen“ heraus. Es ist schwer vorstellbar, dass
RTL den Zeitungsverlag behalten will.
 Ähnliche Fragen stellen sich bei anderen Tochterfirmen von Gruner+Jahr (Agen-
tur Territory, Spieleplattform Applike) sowie Gemeinschaftsfirmen (Pressevertrieb
DPV mit Bauer, Verlag DMM mit dem Landwirtschaftsverlag).
Den Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe hat angesichts der Fusion von RTL Thomas Rabe in
und G+J nach eigenem Bekunden eine „leichte Euphorie“ ergriffen. Fernsehen, Ra- „leichter Eupho-
dio, Streaming, Onlineplattformen und Presse in einer Hand, damit könne der Kon- rie“
zern sein Wachstumspotential besser ausschöpfen und im Wettbewerb mit den glo-
balen Digitalkonzernen wie Amazon, Google oder Netflix bestehen, meint er. Ob den
schönen Worten Fakten folgen, ob die Redaktionen von „Stern“, „Geo“, Brigitte“ und
anderen mit denen von „RTL direkt“, „N-TV“ oder „Vox“ fruchtbar zusammenarbeiten
werden, muss sich erst noch zeigen.
Derweil hat Bertelsmann im dritten Quartal 2021 auf dem Weg zu „nationalen Cham-
pions“ seinen Firmenbestand weiter verändert:
 Penguin Random House hat von der Fachverlagsgruppe Weka den Frechverlag Käufe und Ver-
käufe von Firmen
in Stuttgart gekauft. Er gibt vorwiegend Ratgeber heraus.
im dritten Quar-
 Gruner+Jahr hat von der Otto Group die Einrichtungsplattform „Wohnklamot- tal 2021
te.de“ übernommen.
 Gruner+Jahr hat sich am Branchendienst „Finanz-Szene“ beteiligt.
 Der RTL-Tochterkonzern Fremantle hat von der Nordic Entertainment Group
zwölf Produktionsfirmen in Skandinavien gekauft.
 Im Oktober 2021 hat Bertelsmann den Verlag Rote Liste Service gekauft, der In-
formationen über Medikamente anbietet.
Auch Verkäufe von Beteiligungen hat es gegeben:
 Gruner+Jahr hat Anteile in nicht genannter Höhe der Einkaufs-App Bring ver-
kauft. Neuer Eigentümer ist die Schweizerische Post.
 Die RTL-Tochter Fremantle hat die Ludia Inc., einen kanadischen Anbieter für
Videospiele, verkauft. Den Erlös von 165 Millionen US-Dollar (139 Mio. Euro) will
man investieren, um das von Thomas Rabe im August 2021 verkündete Ziel zu
erreichen, wonach der Umsatz von Fremantle von derzeit knapp zwei bis 2025
auf drei Milliarden Euro gesteigert werden soll.

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Gescheitert ist ein Investment in Ostasien: Die chinesische Lebensmittel-Liefer-


plattform Tongcheng Life, an der der Fonds Bertelsmann Asia Investments beteiligt
ist, hat im Juli 2021 nach drei Jahren Geschäftsbetrieb Bankrott angemeldet.

ProSiebenSat.1 Media SE
Der zweitgrößte deutsche Medienkonzern hat im ersten Halbjahr 2021 die Verluste P7S1 ist im ers-
des Pandemiejahrs ausgeglichen und seinen Umsatz um 21,5 Prozent steigern kön- ten Halbjahr
nen. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 gab es einen Zuwachsum 6,8 Prozent. 2021 um 6,8
Auch bei den Profiten wurden deutliche Steigerungen gemeldet. Prozent gewach-
sen.
Der Konzern ist wieder einmal umstrukturiert worden. Deshalb liegen für die einzel-
nen Geschäftsbereiche nur Vergleichszahlen gegenüber 2020 vor. Der Bereich „En-
tertainment“ – hauptsächlich die Fernsehsender – hat um mehr als die Hälfte zuge-
legt, weil die Werbegelder wieder gesprudelt sind. Die Partnervermittlung („Dating“),
in der die Portale „Parship“, „Elite Partner“ und „Meet Group“ vereinigt sind und die
unter der Pandemie besonders stark gelitten hatte, konnte die Erlöse mehr als ver-
doppeln. Nur bei „Commerce & Ventures“ (Rubrikenportale, Investments) ist der
Halbjahresumsatz leicht geschrumpft; im zweiten Quartal ist er allerdings auch hier
gewachsen. Beim Konzernergebnis ist aus dem Halbjahresverlust des Vorjahrs ein
Gewinn von 180 Millionen Euro geworden.

Wirtschaftszahlen der ProSiebenSat.1 Media SE im ersten Halbjahr (in Millionen Euro)


2019 2020 2021 21/20 (%)
Außenumsatz 1.860 1.634 1.986 + 21,5
- Entertainment . 476 736 + 54,6
- Dating . 58 139 > 100
- Commerce & Ventures . 176 172 - 2,3
Betriebsergebnis (EBITDA) 384 166 289 + 74,1
Bereinigtes EBITDA 403 180 308 + 71,1
- Entertainment . 3 142 > 100
- Dating . 16 28 + 75,0
- Commerce & Ventures . 9 2 - 77,8
- Holding/Sonstiges . -3 -7 -
Konzernergebnis 215 - 30 180 -
Nettofinanzschulden (30. 6.) 2.514 2.353 2.156 - 8,4
Quelle: Pressemitteilungen der ProSiebenSat.1 Media SE vom 31. 7. 2020 und 5. 8. 2021

Für das Gesamtjahr 2021 strebt das Management einen Konzernumsatz zwischen Die Prognosen
4,4 und 4,5 Milliarden Euro an, was einen Zuwachs um neun bis elf Prozent gegenü- sind angehoben
worden.
ber 2020 bedeuten würde. Das EBITDA soll um 16 Prozent auf 800 bis 840 Millionen
Euro zunehmen.
Ende September 2021 wurde bekannt, dass Amorelie, eine Vertriebsplattform für
Erotikartikel, an die niederländische EQOM Group verkauft wurde. Sie gehörte bis-
lang zur Nucom-Group, an der der Finanzinvestor General Atlantic mit 28,4 Prozent
beteiligt ist. Diese wiederum ist ein Bestandteil des Geschäftsbereichs „Commerce &
Ventures“ bei P7S1.

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ProSiebenSat.1 hat Anfang August 2021 einen „First-Look-Deal“ mit dem niederlän-
Ein Produktions-
dischen Produktionskonzern Talpa Media von John de Mol abgeschlossen. Er enthält deal mit Talpa
ein exklusives Recht auf den ersten Zugriff bei allen Neuproduktionen von Talpa
Concepts. Dieser Vorgang ist insofern interessant, als im Juni 2021 Bertelsmann be-
kanntgegeben hat, dass die RTL-Group ihre holländischen Unternehmungen (RTL
Nederland) mit Talpa Network zusammenschließen wird. Dabei ist auch vereinbart
worden, dass man gemeinsam neue Fernseh- und Streamingformate entwickeln will.
Talpa Media tanzt in Deutschland offenbar auf zwei Hochzeiten gleichzeitig.
Die P7S1-Investmenttochter Seven Ventures hat sich im August 2021 an Tiger
Media beteiligt. Das Unternehmen stellt Audiosysteme für Kinder her, darunter die
„Tigerbox“.

Axel Springer SE
Der Springer-Konzern veröffentlicht zwar keine Geschäftszahlen mehr, dafür hat er
im dritten Quartal 2021 mit mehreren strategischen Entscheidungen Aufmerksamkeit
erregt.
 Das leiseste Echo hat die Ausdünnung der „Welt“ hervorgerufen. Seit Anfang Die „Welt“ wur-
September 2021 erscheint die Tageszeitung statt mit 24 nur noch mit 16 Seiten de ausgedünnt.
Umfang, die Samstagsausgabe wurde gestrichen. Statt ihrer erscheint eine
Frühausgabe der „Welt am Sonntag“, versehen mit dem Etikett „Zeitung von
morgen“.
 Spektakulärer war da schon der Start eines neuen werbefinanzierten Fernseh- „Bild“ jetzt auch
als Fernsehsender
senders namens „Bild“. Mit ihm wird seit dem 22. August 2021 das Krawallblatt
vom Kiosk zu den Bildschirmen verlängert, begleitet von einer aufwändigen Wer-
bekampagne. Rechtzeitig zur Bundestagswahl am 26. September 2021. Springer
betreibt nunmehr drei frei empfangbare Fernsehsender: „Bild“, „Welt“ und „N24
Doku“.
 Desweiteren hat der Konzern Ende Juli 2021 sein Osteuropageschäft „neu Springer hat sich
geordnet“. Springer war eines der letzten deutschen Medienhäuser, das in den aus Osteuropa
ehemals sozialistischen Staaten Pressemedien verkaufte und Onlineportale be- weitgehend zu-
trieb. Die Aktivitäten in Polen, Ungarn, Serbien, der Slowakei, Estland, Lettland rückgezogen.
und Litauen gehörten zur Ringier Axel Springer Media AG, einer 2010 geschaffe-
nen Gemeinschaftsunternehmung mit dem Züricher Ringier Verlag. Das Portfolio
umfasste mehr als 200 Digital- und Printmedien, die von 3.100 Beschäftigten er-
stellt wurden. Sie sind nun fast alle von Ringier komplett übernommen worden.
Die Ausnahme bildet Polen, wo das Joint Venture weiterbesteht. In der entspre-
chenden Medienmitteilung heißt es dazu: „Im Rahmen der Wachstumsstrategie
fokussiert sich Axel Springer auf das Digitalgeschäft in großen strategischen
Märkten. Der Investitionsschwerpunkt im Segment News Media liegt in Deutsch-
land, den USA und Polen.“

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 Schließlich hat Springer Mitte Oktober 2021 das US-Nachrichtenunternehmen


Springr hat Poli-
Politico gekauft; der Preis wurde von Analysten auf mindestens eine Milliarde US-
tico gekauft.
Dollar (850 Millionen Euro) geschätzt. Es gibt die Print- und Onlinezeitung „Politi-
co“ sowie den Infobrief „Protocol“ heraus und hat sich durch hochwertige Bericht-
erstattung in Politikbetrieb der US-Hauptstadt etabliert. Springer betreibt schon
seit 2015 die Gemeinschaftsfirma Politico Europe. Sie wird im Rahmen des Deals
vollständig übernommen. Die Verlage erwirtschaften „solide Gewinne“, ließ man
wissen.
An Politico ist nicht zuletzt der Umstand interessant, dass es sich durch hochpreisige
Abonnements finanzieren kann und somit vom unsicheren Werbemarkt weitgehend
unabhängig ist. Den enormen Kaufpreis (das Fünffache des Jahresumsatzes) hätte
sich Springer vermutlich nicht leisten können, wenn nicht im Hintergrund der Finanz-
investor KKR stünde. Er ist mit 48,6 Prozent Anteil der Hauptaktionär und die be-
stimmende Kraft im Konzern. In den vergangenen Jahren war Springer zweimal bei
dem Versuch gescheitert, eine Großübernahme zustande zu bringen. Sowohl bei der
Scout24-Gruppe (2013) als auch beim Ebay-Marktplatz (2020) war er von Finanzin-
vestoren überboten worden. Skandal um den
Ex-Chefredakteur
Der „Politico“-Deal dürfte eine wesentliche Rolle beim Skandal um den bisherigen Julian Reichelt
Chefredakteur der „Bild“ gespielt haben. Julian Reichelt ist am 18. 10. 2021 fristlos
entlassen worden – „als Folge von Presserecherchen“, die
Im Zuge des Skandals um Julian Reichelt ist eine
„neue Erkenntnisse“ über sein Fehlverhalten als Licht ge- Mail von Mathias Döpfner vom 1. März 2021 be-
bracht hätten, wie es in der entsprechenden Mitteilung des kannt geworden, die ihn in seiner Funktion als
Konzerns heißt. Schon im Frühjahr 2021 war Reichelt Ziel BDZV-Präsident in Bedrängnis brachte: Es ging
interner Ermittlungen gewesen, wurde dann aber rehabilitiert. darin um die damaligen Vorwürfe an Reichelt.
Ein Rechercheteam der Ippen-Verlagsgruppe hatte danach „Um mal etwas Stimmung in unseren Austausch zu
bringen: Lies mal JR (Julian Reichelt) Kommentar
weitergesucht und neue Fakten gefunden. heute. Das ist nur ein aktuelles Beispiel, warum wir
Bei dem „Fehlverhalten“ geht es um Vorwürfe wie Mobbing, besonders genau vorgehen müssen. Er ist halt wirk-
lich der letzte und einzige Journalist in Deutschland,
Machtmissbrauch und Übergriffe. Die Veröffentlichung der der noch mutig gegen den neuen DDR Obrigkeits-
Recherche in den Medien des Ippen-Konzerns wurde zwar Staat aufbegehrt. Fast alle anderen sind zu Propa-
auf Befehl des Eigentümers Dirk Ippen verhindert, wesentli- ganda-Assistenten geworden. Da macht sich einer
che Fakten fanden aber den Weg zum Portal „Übermedien“ jeden Tag viele mächtige Feinde. Und wir müssen
und zur „New York Times“, die am 17. Oktober darüber be- sehr genau unterscheiden, woher die Gegnerschaft
kommt.“
richtete. Dadurch war die Reputation des Springer-Konzerns
Die Verlagshäuser Funke und Madsack haben die-
in den USA gefährdet. Springer ist dort mit den Nachrichten- se Äußerungen kritisiert, in der Öffentlichkeit wurde
medien „Insider“ und „Morning Brew“ sowie ab Oktober mit Döpfners Rücktritt gefordert. Er selbst hat sie als
„Politico“ und „Protocol“ auf dem Markt und will groß durch- Ironie eingestuft und sich gegen ihre Veröffentli-
starten. Negativmeldungen über eine toxische Unterneh- chung verwahrt.
menskultur sind das letzte, was man dabei brauchen kann.
Spätestens deshalb dürfte Herrn Reichelts Schicksal besiegelt gewesen sein.
Im Skandalwirbel ist eine positive Nachricht aus dem Hause Springer, die kurz vorher Springer will die
verbreitet worden war, fast untergegangen: Der Konzern will seine Redaktionen um Redaktionen auf-
mehrere hundert Personen verstärken. Derzeit arbeiten von den rund 16.000 Sprin- stocken.
ger-Beschäftigten etwa 9.000 im Bereich News Media, davon sind 2.400 Redakteu-
rinnen bzw. Redakteure. Bis 2026 sollen es 3.000 werden.

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Funke Gruppe GmbH & Co. KG


Bei Funke hat es im Juni einen Machtwechsel gegeben: Die Familie Grotkamp hat Der Machtwech-
die bisherigen Miteigentümer für 280 Millionen Euro ausgekauft (QB 2/21-2, S. 10). sel bei Funke ist
Der Deal wird zwar erst zum Jahresbeginn 2024 juristisch wirksam, die unternehme- vollzogen.
rische Führung hat aber sofort gewechselt. Im Gefolge hat es einen Personalaus-
tausch im Spitzenmanagement gegeben. Konzerngeschäftsführer Andreas Schoo
nahm seinen Hut, der neue starke Mann heißt Christoph Rüth.
Funke ist nach wie vor ein klassischer Pressekonzern; Zeitungen, Zeitschriften und
Anzeigenblätter erwirtschaften 84 Prozent des Umsatzes. Entsprechend wirkt sich Der Konzern be-
die Krise der gedruckten Medien aus: Die Erlöse gehen zurück (QB 1/21-2, S. 9 f.). kommt eine neue
Struktur.
Das soll nun alles anders werden. Kurz nach der Bekanntgabe des Eigentümer-
wechsels wurde der Aufbau einer „Spartenstruktur mit schlanker Holding“ verkündet.
Die neuen Sparten sollen Regionalmedien, Zeitschriften und Digitales heißen, hinzu
kommt ein „Center of Excellence“ für die zentralen Bereiche.
Wie nicht anders zu erwarten, gehen die hochtrabenden Pläne mit Personalabbau Personalabbau
einher. Schon im vergangenen Jahr war die Abwicklung der Druckerei in Erfurt zum durch die Schlie-
Jahresende 2021 beschlossen worden. Dadurch verlieren 270 Beschäftigte ihren Ar- ßung einer Dru-
beitplatz; erst kürzlich wurden Sozialpläne vereinbart. Anfang August 2021 gab das ckerei, bei Ver-
neue Management bekannt, dass die lokalen Verkaufsbüros in NRW aufgelöst wer- kaufsbüros und
bei Anzeigen
den. Als Grund durfte die Pandemie herhalten: Mittels „Learning aus Corona“ – so
ein Funke-Konzernsprecher laut „Meedia“ – habe man festgestellt, dass „Mobile Offi-
ce“ und „Desksharing-Arbeitsplätze“ Kosten und Personal sparen helfen. Mit einem
Abfindungsprogramm konnten bislang etwa 20 Beschäftigte gegangen werden.
Darüber hinaus wird die Anzeigenabwicklung bundesweit „harmonisiert“ und „ge-
strafft“. Die Standorte Hamburg und Braunschweig werden geschlossen, in NRW
wird das technische Auftragsmanagement abgeschafft. Die Zeitschrift „Horizont“
schätzt, dass dadurch 50 Arbeitsplätze eingespart werden.
In Thüringen hat die Funke-Gruppe einen Dämpfer erhalten. Das Bundeskartellamt Funke darf die
(BKA) hat ihr die Komplettübernahme (bislang 60 Prozent) der „Ostthüringer Zeitung“ „Ostthüringer
in Gera verboten. Begründung: Deren Verbreitungsgebiet überschneide sich teilwei- Zeitung nicht
se mit dem der „Thüringischen Landeszeitung“ in Weimar, die Funke gehört. Das Ar- komplett über-
gument, dass die Verlage von OZ und TL schon jetzt sehr eng zusammenarbeiten (u. nehmen.
a. gibt es gemeinsame Lokal- und Mantelredaktionen), hat die Behörde nicht akzep-
tiert. Die Funke-Gruppe (damals noch WAZ-Gruppe) hatte schon 2000 die OZ komp-
lett übernommen, meldete den Deal beim BKA aber nicht an und musste ihn rück-
gängig machen.

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Andere Medienunternehmen
ARD und ZDF
Am 5. August 2021 hat das Bundesverfassungsgericht (BVG) dafür gesorgt, dass der BVG: Der Rund-
Rundfunkbeitrag – die Finanzierungsbasis der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal- funkbeitrag muss
ten – um 86 Cent pro Monat erhöht wird. Eigentlich hätte das schon im Dezember erhöht werden.
2020 geschehen sollen, wurde aber von der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-
Anhalt verhindert (QB 4/20-2, S. 8). Die Erhöhung war von der zuständigen Kommis-
sion KEF empfohlen worden. Die Länderparlamente mussten dem zustimmen, hätten
aber nur in begründeten Ausnahmefällen davon abweichen können. Ein Bundesland
allein habe dieses Recht nicht, so das BVG.
Die Entscheidung fand in vielen Medien ein kritisches Echo, was nicht weiter ver- Hetzkampagne
in Medien von
wundert, denn ARD und ZDF sind für sie wirtschaftliche Konkurrenten. In den Publi-
Springer
kationen des Springer-Konzern allerdings rief sie eine maßlose und hasstriefende
Kampagne hervor, die an die übelsten Traditionen dieses Verlags und speziell seiner
„Bild“ erinnerte („gefährdet die Grundfesten der Demokratie“, „… haben ein gefährli-
ches Vakuum geschaffen: den außer staatliche Kontrolle geratenen Staatsfunk.“).
Das BVG-Urteil sorgt dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine verlässliche
Finanzierungsbasis behält. Gleichzeitig schafft es Vorkehrungen gegen mögliche
künftige Versuche, von einzelnen Bundesländern aus dessen Finanzierung durch
Obstruktion und Verweigerung zu untergraben. Die AfD hat klar erklärt, dass sie ARD
und ZDF abschaffen will.

Deutsche Presse-Agentur GmbH


Die Unternehmensgruppe Deutsche Presseagentur, die sich im Besitz von knapp
180 Medienunternehmen befindet, hat im vergangenen Jahr den Umsatz von 142,5 Die DPA hat
sich trotz
auf 143,9 Millionen Euro steigern können. Die Kerngesellschaft dpa Deutsche Pres-
schrumpfender
se-Agentur GmbH ist von 93,0 auf 93,9 Millionen Euro gewachsen, der Gewinn von Print-Auflagen
1,3 Millionen auf 1,6 Millionen Euro. Vor dem Hintergrund sinkender Presseauflagen gut gehalten.
und einer schrumpfenden Zahl von Verlagen ist dieses Ergebnis beachtlich. Die Be-
schäftigtenzahl in Deutschland ist um vier auf 669 gesunken, im Gesamtkonzern um
acht auf 1.240. Davon sind rund 1.000 Redakteurinnen und Redakteure.
Wachsende Bedeutung haben die zehn Tochterunternehmen gewonnen, etwa die
dpa infocom GmbH für Digitalprodukte, die news aktuell GmbH für PR und Kommu-
nikation oder die dpa picture alliance GmbH für visuelle Inhalte.
Die DPA ist die mit Abstand größte Nachrichtenagentur Deutschlands mit Sitz in
Hamburg und der Zentralredaktion in Berlin. Sie ist in 87 Ländern mit Büros vertreten
und unterhält in Deutschland 12 Landesdienste. Im Inland steht sie so gut wie kon-
kurrenzlos da, es existieren nur Spezialdienste wie EPD, KNA und SID. Die einzige
echte Konkurrenz sind die deutschen Ableger der ausländischen Nachrichtenagentu-
ren Agence France-Presse und Thomson Reuters.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH


Dreimal wurde das Adjektiv „erfreulich“ verwendet, als die FAZ im eigenen Blatt ihre Die FAZ ist mit
Geschäftsentwicklung des vergangenen Jahres schilderte (31. 7. 2021). Handfeste sich zufrieden.
Zahlen finden sich zwar kaum in dem Text, er zeugt aber von einer – trotz Pandemie
– guten Lage. Zumindest nach Meinung des Managements. Der Umsatz habe 2020
mit 225,7 Millionen Euro die Erwartungen übertroffen, wozu selbstverständlich „auch
eine konsequente und weiterhin notwendige Kontrolle der Kosten beigetragen“ habe.
Gewachsen ist vor allem das Digitalgeschäft. Insgesamt zählte die FAZ Mitte 2021
Das Digitalge-
mehr als 180.000 digitale Abonnements, davon 71.700 für das kostenpflichtige An- schäft wächst.
gebot „F+“. Mit Digitalem hat die FAZ GmbH im vergangenen Jahr 21 Prozent ihrer
Umsätze und 35 Prozent ihrer Profite („Betriebsergebnis“) erzielt, im ersten Halbjahr
2021 waren es 25 Prozent des Umsatzes. Wie hoch das Betriebsergebnis ist, wird al-
lerdings nicht verraten. Nur so viel: Zum dritten Mal in Folge sei es zweistellig ge-
wachsen, die Umsatzrendite habe das Niveau der Neunzigerjahre erreicht. Die Ei-
genkapitalquote ist 2020 von 41 auf 46 Prozent gestiegen, Kredite brauche man
nicht.
Sogar die gedruckte Auflage hat zugenommen: Im zweiten Quartal 2021 konnte die
Tageszeitung 201.400 Exemplare verkaufen (plus 10,1 Prozent), die Sonntagszei-
tung 206.800 (plus 8,5 Prozent). Das dürfte allerdings dem Wegfall vieler Pandemie-
beschränkungen geschuldet gewesen sein.

Thalia Bücher GmbH


Der größte Buchhändler in Deutschland (abgesehen von Amazon) hat sich in der Thalia ist durch
jüngsten Vergangenheit durch die Übernahme zweier regionaler Ladenketten Zukäufe gewach-
(Mayersche und Decius), zehn Weltbild-Filialen sowie etlicher Einzelgeschäfte stark sen.
vergrößert. Im vergangenen Jahr sind mit rund 6.000 Beschäftigten 1,2 Milliarden
Verluste in den
Euro umgesetzt worden. Die Pandemie hat Spuren hinterlassen, von 65 Millionen Buchläden
Euro Schaden spricht Geschäftsführer Michael Busch (FAZ, 20. 10. 21). Der Umsatz wurden durch
in den rund 320 Filialen sei in den vergangenen zwölf Monaten (Oktober bis Sep- Online-Zuwäch-
tember 2021) um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, ein Drittel weniger se ausgeglichen.
Menschen hätten die Läden besucht. Dafür sei aber das Onlinegeschäft um 65 Pro-
zent gewachsen und mache inzwischen 40 Prozent der Gesamterlöse aus.
Alles in allem habe Thalia in den vergangenen zwölf Monaten den Umsatz um sieben
Prozent steigern können, niemand sei entlassen und kein Laden geschlossen wor-
den. Man gehe „gestärkt aus dieser Krise hervor“, so Busch.

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Zu schlechter Letzt
Der Skandal um Julian Reichelt und Mathias Döpfner (siehe oben, S.6) wurde auch Dirk Ippen hat
zu einem Skandal um Dirk Ippen. Er hatte seine Rolle als Verleger zum direkten eine brisante Re-
Durchgriff auf die Redaktionsarbeit genutzt und die Veröffentlichug der fertigen Re- cherche unter-
cherche verhindert. Als Argument führte er an, dass er nicht den Anschein erwecken drücken wollen
wolle, er würde einen Konkurrenten schädigen wollen. Das führte beim Recherche- und ihre Veröf-
fentlichung in
team „Ippen Investigtiv“, bei Redaktionen des Konzerns (darunter der „Frankfurter
seinen Medien
Rundschau“) und in der Öffentlichkeit zu Protesten. Die Bundesvorsitzende der verboten.
Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di, Tina Groll, sagte: „Ein
solches Vorgehen ist unerhört und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Pres-
sefreiheit dar.“ Sie warnte davor, dass durch Entscheidungen wie diese der struktu-
relle Sexismus im Journalismus aufrechterhalten bliebe. „Auf diese Weise entsteht
ein Kartell des Schweigens, das jegliche Veränderung für mehr Toleranz, Gleichbe-
rechtigung und Vielfalt in den Redaktionen verhindert.“
Juristisch ist Ippens Verhalten nicht angreifbar, auch wenn er es nachträglich wieder
relativiert hat. Der Fall zeigt exemplarisch, was es bedeuten kann, wenn Massenme-
dien das Privateigentum einzelner Personen sind.

Kontakt: V. i. S. d. P:
Matthias von Fintel Dr. Gert Hautsch Christoph Schmitz
Bereichsleiter Medien Fachredakteur Leiter Fachbereich Medien,
und Publizistik beim ver.di- 60318 Frankfurt am Main Kunst und Industrie
Bundesvorstand Paula-Thiede-Ufer 10
10112 Berlin 10179 Berlin
matthias.vonfintel@verdi.de

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

27.07.2009

Staatsgeld für die Presse


Quartalsbericht zur deutschen Medienwirtschaft April bis Juni 2020
Teil 1: Branchenübersichten
Von Gert Hautsch
22. Juli 2020

Vorbemerkung:
Die Quartalsberichte stützen sich auf die Auswertung von Internetseiten, Zeitungen,
Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen.
Verweise im Text auf vorangegangene Quartalsberichte erfolgen als Abkürzung.

Der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) hat für das abgelaufene 2019 hat der
Jahr eine leicht positive Werbekonjunktur festgestellt. Die Ausgaben insgesamt sind Netto-Werbe-
netto, d. h. nach Abzug von Rabatten, Provisionen, Gegengeschäften usw., um 1,9 umsatz um 1,9
Prozent auf 48,3 Milliarden Euro gestiegen und trugen damit 1,4 Prozent zum Bruttoin- Prozent zuge-
landsprodukt bei. Davon rechnet der ZAW den Medienunternehmen 25,0 Milliarden nommen.
Euro zu, was dort einem Wachstum um 0,2 Prozent entspricht. Darunter werden aller- Die Einnahmen
bei Medien im
dings auch Verzeichnismedien, Postalische Direktwerbung und Außenwerbung er- engeren Sinn
fasst, die eigentlich nicht zu den Massenmedien zu zählen sind. Ohne diese drei Pos- sind um 0,6 Pro-
ten haben die Netto-Werbeerlöse der Medienunternehmen im engeren Sinn 20,5 Mil- zent gestiegen.
liarden Euro betragen und sind um 0,6 Prozent gewachsen.
Der ZAW hat seine Statistik komplett neu strukturiert. Das betrifft in erster Linie den
Onlinesektor, wo bislang nur die Bildschirmwerbung erfasst worden war. Nunmehr
zählen auch die Suchwortvermarktung (ein Quasi-Monopol von Google), Kleinanzei-
gen und Streamingreklame dazu. Für 2018 hat der ZAW Vergleichszahlen geliefert,
mit der Statistik der Jahre davor ist kein Vergleich möglich.
Erstmals wird auch ein Wert für die Gesamtheit der gedruckten Medien genannt. Mit Printmedien sind
8,4 Milliarden Euro sind sie nur noch der zweitstärkste Werbeträger. Den Spitzenplatz nur noch der
nehmen Online und Mobil mit 9,0 Milliarden ein. An dritter Stelle kommt mit 4,4 Milliar- zweitgrößte Wer-
beträger.
den das lineare Fernsehen (mit festem Programm, d. h. ohne Videostreaming).

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Netto-Werbeeinnahmen deutscher Medienunternehmen


Sparte 2018 2019
Mio. Euro Prozent Mio. Euro Prozent
Online und Mobil insgesamt 8.255,2 . 8.989,3 + 8,9
- Suchwortvermarktung 3.792,5 4.117,0 + 8,6
- Bildschirmwerbung 3.276,0 . 3.613,0 + 10,3
- Kleinanzeigen („Classifieds“) 1.141,7 . 1.199,9 + 5,1
- In-Stream Video 600,0 . 780,0 + 30,0
- In-Stream Audio 45,0 . 60,0 + 33,3
Print insgesamt 8.860,7 . 8.381,2 - 5,4
- Tageszeitungen 2.229,2 - 7,0 2.083,4 - 6,5
- Wochen-/Sonntagszeitungen 134,3 - 2,5 114,9 - 14,5
- Verzeichnismedien 501,9 . 443,8 - 11,6
- Anzeigenblätter 1.723,0 - 7,2 1.561,0 - 9,4
- Publikumszeitschriften 915,0 - 5,2 840,0 - 8,2
- Fachzeitschriften 1.685,0 - 3,1 1.609,0 - 4,5
- Print Digital1 1.672,3 . 1.729,1 + 3,4
Fernsehen, linear 4.537,1 - 1,2 4.400,1 - 3,0
Hörfunk, linear 789,2 + 0,6 784,0 -0,7
Filmtheater 78,5 - 15,4 90,3 + 15,0
Medien im engeren Sinn2 20.346,6 . 20.472,5 + 0,6
Postalische Direktwerbung 2.965,1 . 2.875,5 - 3,0
Außenwerbung 1.164,1 . 1.226,1 + 5,3
Werbeeinnahmen insgesamt 24.977,7 . 25.018,0 + 0,2
nachrichtlich:
Audio insgesamt (Hörfunk + Stream) 834,2 . 844,0 + 1,2
Video insgesamt (TV + Stream) 5.137,2 . 5.180,1 + 0,8
1 inkl.
Kleinanzeigen, Bildschirmwerbung, redaktionell maskierte Werbung („Native Advertising“),
ohne Anzeigenblätter und Publikumszeitschriften
2 ohne Verzeichnismedien

Quelle: Mitteilung des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Juni 2020; eigene Zusammenstellung

Die Werbewirtschaft stöhnt unter den Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie.


Einzelne Werbeträger (Kino, Sponsoring) erlebten einen Komplettausfall, andere litten Die Corona-
und leiden unterschiedlich stark. Im April 2020 hat es laut ZAW einen Rückgang über Pandemie lässt
die Werbewirt-
alle Mediensparten hinweg von mindestens 40 Prozent gegeben. Auch der Stellenmarkt
schaft leiden.
in der Werbewirtschaft sei im April um rund die Hälfte eingebrochen.
Für das Gesamtjahr 2020 sind keine seriösen Prognosen möglich. Der Werbevermittler
Magna Global hat trotzdem Mitte Juni 2020 eine Voraussage gewagt. Insgesamt näh-
men die Netto-Werbeerlöse der Medienunternehmen um 10,5 Prozent ab, besonders
hart betroffen würden Printmedien (minus 19 Prozent), Fernsehen (minus 15 Prozent)
und Radio (minus 12 Prozent). Für 2021 rechnet Magna Global mit einem Wachstum
von sieben Prozent, was die vorherigen Verluste nicht ausgleichen könne.
Der Rückgang bei den Werbeerlösen widerspiegelt sich auch in den Bruttozahlen für
das zweite Quartal 2020, die die Agentur Nielsen Media Research monatlich veröffent-
licht. Darin sind Rabatte, Provisionen usw. nicht herausgerechnet. Die Werte liegen
deshalb deutlich über denen des ZAW und folgen teils auch abweichenden Trends.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Brutto-Werbeeinnahmen deutscher Medienunternehmen


Sparte April 2020 Mai 2020 Juni 2020 Jan. bis Juni 2020 Jan. bis Juni 2019
Mio. Euro Mio. Euro Mio. Euro Mio. Euro v. H. Mio. Euro v. H.
Fernsehen 1.024,5 1.078,5 925,6 6.678,2 - 8,4 7.287,4 - 1,3
Zeitungen 342,1 356,8 345,3 2.125,3 - 10,2 2.365,2 - 1,7
Online 251,1 265,2 305,2 1.738,8 - 1,0 1.755,7 .
Publikumszeitschriften 231,1 231,7 187,5 1.362,2 - 10,7 1.525,6 - 3,5
Hörfunk 93,1 127,2 144,0 813,7 - 13,3 938,8 + 0,9
Kino 21,0 0,5 0,7 26,5 - 52,0 55,2 - 3,6
Klassische Medien insges. 1.942,0 2.059,9 2.104,4 14.104,7 - 8,9 15.486,6 - 0,6
Außenwerbung 160,6 151,0 158,9 1.000.0 - 10,3 1.114,6 + 8,8
Quelle: Nielsen Media Research, Monatszahlen; zuletzt am 17. 7. 2020

Wie stark die Brutto- von den Netto-Werbeerlösen z. B. beim Fernsehen abweichen, hat
am 19. 6. 2020 der Mediendienst DWDL gezeigt. ProSiebenSat.1 hat laut Nielsen im
ersten Quartal 2020 brutto 1,33 Milliarden Euro eingenommen. Laut Qartalsbericht des
Brutto- und
Konzerns waren es aber nur 563 Millionen Euro – und darin waren noch Abonne- Netto-Werbe-
mentgebühren enthalten. Die RTL-Gruppe erzielte laut Nielsen 1,26 Milliarden Euro, erlöse weichen oft
meldete selbst aber für ganz Europa (sieben Länder) 1,04 Milliarden. Der Sender krass voneinan-
„Sport 1“ schließlich konnte bei Bruttoerlösen von 92 Millionen Euro netto nur 25 Mil- der ab.
lionen verbuchen.

Zeitungen und Anzeigenblätter


Am 2. Juli 2020 wurde im Deutschen Bundestag das Füllhorn ausgeschüttet. Das Mot-
to lautete wohl: „Bei 24 Milliarden kommt es auf 220 Millionen hin oder her auch nicht
mehr an.“ In dieser Höhe nämlich standen Fördergelder für die Presse im Zweiten
Die Bundesregie-
Nachtragshaushalt, und zwar ohne Vorankündigung und zur Überraschung fast aller rung will die
Beteiligter. Das Geld ist zur „Förderung der digitalen Transformation des Verlagswe- Zeitungsverlage
sens, zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementszeitungen, direkt finanziell
-zeitschriften und Anzeigenblättern“ vorgesehen. Immerhin 20 Millionen sollen noch in fördern.
diesem Jahr ausgeschüttet werden. Anders als bei der Zustellungsförderung von 40
Millionen Euro, die die Bundesregierung schon 2019 beschlossen hatte und die nun in
der neuen Regelung aufgeht, sollen auch die Verlage selbst subventioniert werden.
Wie der Antrag zustande kam, blieb unklar. Selbst Minister Peter Altmaier, in dessen
Etat die Summe auftaucht, wusste offenbar von nichts. Deshalb blieb auch die Frage
danach, wofür das Geld eigentlich genau gedacht ist, unbeantwortet. „Der Bundeswirt-
schaftsminister war leider nicht in der Lage, die Förderung zu skizzieren, da er erst
heute davon Kenntnis erhalten habe“, berichtete die Grünen-Abgeordnete Ekin Deli-
göz am 2. Juli 2020.
Der Vorgang ist noch aus einem anderen Grund bemerkenswert: Bislang hat sich der
Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV; vormals Bundesver-
band Deutscher Zeitungsverleger) vehement gegen jede Art von Förderung des Pres- Der BDZV weiß
sewesens durch den Staat gewehrt. Besonders galt das für seinen Präsidenten, den noch nicht, wie er
Springer-Chef Mathias Döpfner, der für diesen Fall gerne Horrorszenarien vom Ende sich zur staatli-
chen Förderung
der Pressefreiheit malte (wobei mit Pressefreiheit immer die Freiheit der Verleger ge-
verhalten soll.
meint ist.) Selbst die 40 Millionen Euro Zustellförderung von 2019 wurden nur widerwil-
lig hingenommen. Auch zu der jetzt beschlossenen Regelung äußerte sich der BDZV-

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff zurückhaltend: Man erkenne „das Bemühen der


Regierung an, systemrelevante privatwirtschaftlich agierende Medien wie die Zeitun-
gen zu unterstützen, um eine möglichst große Pressevielfalt zu gewährleisten. (…)
Wichtig bleibt, dass der weitere Ausbau der Infrastruktur der Verlage gestärkt wird,
ohne dass die Unabhängigkeit der Redaktionen berührt ist.“
Somit bleibt nicht nur die Frage offen, wer den Geldsegen für die Zeitungsverlage ver-
anlasst hat. Unbekannt sind einstweilen auch die Förderrichtlinien, an denen sich Ver-
lage orientieren könnten, wenn sie einen Antrag stellen wollen. Dabei wäre es schon
wichtig, sicherzustellen, dass Fördermittel nicht in die Redaktionen oder redaktionsna-
he Strukturen fließen, denn das würde den Vorwurf der Staatspresse geradezu he-
rausfordern.
Eine andere Art von Presseförderung scheint sich im Internet abzuzeichnen. Ende
Juni 2020 hat der Digitalkonzern Google wissen lassen, dass er erstmals in seiner
Geschichte mit Presseverlagen Lizenzverträge abschließen und Geld für die Präsenta-
tion von journalistischen Inhalten ausgeben will. Diese sollen auf den Portalen „Google Google will
erstmals Geld für
News“ und „Google Discover“ zugänglich werden. Bisher hat sich der Konzern hartnä- redaktionelle
ckig geweigert, derartigen Verträgen zuzustimmen. Gesetzliche Regelungen konnte er Leistungen zah-
mit Hilfe seiner Übermacht bei der Reichweite unterlaufen. len.
Zu den ersten „Partnern“ gehören die FAZ und der „Spiegel“, das Programm sei aber
„breit und langfristig angelegt“ und soll auf weitere Verlage – auch Lokalzeitungen –
sowie Radio- und Fernsehsender ausgeweitet werden, heißt es. Wenn Unternehmen
für die Nutzung ihrer Medien Geld verlangen („Paid Content“), dann will Google dies
bezahlen und seinen Nutzern die Inhalte kostenlos anbieten. Von wieviel Geld die Re-
de ist, bleibt einstweilen aber ein Geheimnis. Auch was genau geplant wird, ist noch
unklar. Von einem ganz neuen Nachrichtenformat ist die Rede, den Verlagen solle
geholfen werden, „die Sichtbarkeit ihrer Inhalte durch ein verbessertes Storytelling-
Erlebnis zu vergrößern“. Die Leser sollen „tiefer in anspruchsvolle Geschichten eintau-
chen, auf dem Laufenden bleiben sowie neue Themen und Interessen entdecken“.
Was Googles Sinneswandel bewirkt hat, kann nur vermutet werden. Womöglich war
die neue EU-Richtlinie dabei behilflich, die bis zum 7. Juni 2021 in nationales Recht
umgesetzt werden muss. Anders als in Frankreich, wo die Richtlinie schon seit Okto-
ber 2019 gilt, steht ein entsprechendes Gesetz in Deutschland noch aus.
Die Werbeerlöse der Zeitungsverlage schrumpfen schon seit fast zwanzig Jahren.
Gegenüber dem Höhepunkt des Jahres 2000 sind sie bis 2019 auf weniger als ein
Drittel gesunken. Die Corona-Pandemie hat die Einnahmeverluste noch beschleunigt.

Netto-Werbeerlöse von Tageszeitungen


Jahr Mio. Euro +/- % z. Vj. Jahr Mio. Euro +/- % z. Vj.
2000 6.560 . 2016 2.530 - 4,6
2002 4.937 - 12,5 2017 2.386 - 5,7
2006 4.533 + 1,3 2018 2.219 - 7,0
2012 3.233 - 9,1 2019 2.083 - 6,5
2014 2.840 - 2,8 2000-2019 - 4.477 - 68,3
Quelle: ZAW-Mitteilungen

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Vor diesem Hintergrund hat es im zweiten Quartal 2020 wieder einige Kapitalver-
schiebungen und redaktionelle Veränderungen auf dem Zeitungsmarkt gegeben:
 Die „Münsterländische Tageszeitung“ (Verlag Hermann Imsiecke) in Cloppenburg
und die „Oldenburgische Volkszeitung“ in Vechta haben sich rückwirkend zum 1. 1. Übernahmen und
2020 zur OM Mediengruppe zusammengeschlossen. Diese wird in ein neu gebau- Einstellungen bei
Zeitungen
tes Bürohaus in Emstek ziehen. Die OV hatte zuletzt knapp 21.000 Exemplare
verkauft, die MT 16.400.
 Beim „Düsseldorf Express“ ist der 50-Prozent-Teilhaber Westdeutsche Zeitung
GmbH ausgestiegen. Das Blatt gehört jetzt allein der Kölner Mediengruppe Du-
Mont. Diese hatte in der jüngsten Vergangenheit ihre überregionalen Zeitungen
(„Berliner Zeitung“, „Berliner Kurier“, „Hamburger Morgenpost“, „Mitteldeutsche
Zeitung“) verkauft und will sich auf den Raum Köln/Bonn/Düsseldorf konzentrieren.
 Bei der „Hamburger Morgenpost“ (bis Februar 2020 DuMont, jetzt Arist von Harpe)
wird ab August die Sonntagsausgabe eingestellt. Stattdessen soll die Samstags-
ausgabe gestärkt werden. Arbeitsplätze gehen nicht verloren.
 Die FAZ-Gruppe hat Ende Juni ihr wöchentliches Politikmagazin „FAZ Woche“
eingestellt. Es war im April 2016 gestartet worden und erreichte zwischen 30.000
und 40.000 über Abo und Kiosk verkaufte Exemplare. Das ohnehin mittelmäßige
Anzeigengeschäft des Blatts sei durch die Coronakrise entscheidend geschwächt
worden, hieß es zur Begründung. Auch sei es nicht gelungen, einen ausreichend
großen Abonnentenstamm aufzubauen. Arbeitsplätze würden nicht gestrichen,
weil der Ableger quasi nebenbei mitproduziert worden sei.
 Anfang April hat die Mediengruppe Madsack in Hannover ihre 24,5-Beteiligung an
der „Torgauer Zeitung“ zur Mehrheit aufgestockt.
 Anfang Juli hat Madsack 20 Prozent des Verlags J. Hoffmann in Nienburg, der die
Lokalzeitung „Die Harke“ (Auflage 16.000) herausgibt, gekauft. Das Blatt bezieht
bereits seine überregionalen Inhalte von Madsacks „RedaktionsNetzwerk Deutsch-
land“.
Die Coronakrise hat zwar zeitweise das Interesse an qualifizierten Nachrichten gestei-
gert, auf die Verkaufzahlen der Tageszeitungen hat sich das aber nicht ausgewirkt.
Auch im zweiten Quartal 2020 haben sie sich nach unten entwickelt. Die verkaufte
Gesamtauflage verringerte sich um 1,16 Millionen bzw. 7,6 Prozent auf 14 Millionen
Exemplare. Zählt man nur die Abonnements und den Kioskverkauf zusammen, betrug
der Rückgang 930.000 Exemplare bzw. 6,6 Prozent auf 12,9 Millionen. Die darin
enthaltene E-Paper-Auflage ist um 20 Prozent gestiegen, konnte die Printverluste aber
nicht ausgleichen.

Verkaufte Auflagen von Zeitungen nach Quartalen (Mio. Stück)


Tageszeitungen
2/17 2/18 2/19 3/19 4/19 1/20 2/20
Abonnement 11,73 11,32 10,92 10,76 10,75 10,57 10,49
Einzelverkauf 3,44 3,18 2,86 2,81 2,62 2,52 2,36
Bordexemplare 0,35 0,40 0,40 0,39 0,41 0,39 0,05
Sonstiger Verkauf 0,98 1,02 1,07 1,03 1,12 1,09 1,18
Insgesamt 16,61 15,72 15,25 14,99 14,89 14,57 14,09
ePapers 1,12 1,28 1,50 1,57 1,62 1,65 1,80 

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 Zeitungen insgesamt
2/17 2/18 2/19 3/19 4/19 1/20 2/20
Abonnement 13,19 12,79 12,33 12,19 12,19 12,00 11,95
Einzelverkauf 3,64 43,25 2,93 2,89 2,69 2,59 2,45
Bordexemplare 0,40 0,44 0,43 0,42 0,45 0,42 0,06
Sonstiger Verkauf 1,09 1,13 1,17 1,12 1,13 1,19 1,19
Insgesamt 18,31 17,61 16,86 16,62 16,53 16,20 15,74
Quelle: IVW-Quartalsauflagen

Bei den Anzeigenblättern …


… hat sich 2019 der Abwärtsstrudel beschleunigt. Der Gesamtumsatz ist um 9,4 Prozent
auf 1,56 Millionen Euro gesunken. In den vergangenen drei Jahren sind die Erlöse um
18,6 Prozent geschrumpft. Im laufenden Jahr dürfte sich die Lage wegen der Corona-
Pandemie und dem zeitweisen „Shutdown“ noch einmal deutlich verschlechtern.

Netto-Werbeeinnahmen der Anzeigenblätter und der Tageszeitungen


2008 2010 2012 2014 2016 2017 2018 2019
Anzeigenblätter
in Mio. Euro 2.008 2.011 2.001 1.847 1.917 1.857 1.723 1.561
1985 = 100 321 322 321 296 307 298 276 250
Tageszeitungen
in Mio. Euro 4.373 3.638 3.233 2.835 2.532 2.386 2.219 2.083
1985 = 100 129 107 95 84 74 70 65 62
Anz.blätter in % der T’ztg. 45,9 55,3 61,9 65,2 75,7 77,8 77,6 74,9
Quelle: BVDA, Anzeigenblätter in Deutschland, Mai 2020, sowie frühere Ausgaben dieser Publikation;
ZAW-Mitteilungen; eigene Berechnungen

Nicht nur die Werbeeinnahmen der kostenlosen Wochenzeitungen haben sich verringert,
auch die Zahl der Titel und der Verlage ist kleiner geworden. Die Gesamtauflage ist um
4,2 Prozent auf knapp 80 Millionen gesunken. Bei dieser Zahl sind die hohen Streuver-
luste zu berücksichtigen.

Der Markt für Anzeigenblätter in Deutschland


2010 2012 2014 2016 2017 2018 2019
Verlage 479 492 458 436 418 400 382
Titel 1.384 1.411 1.406 1.298 1.268 1.267 1.208
Gesamtauflage (Mio.) 91,2 92,9 91,4 86,9 84,3 83,3 79,8
Quelle: BVDA, a. a. O., S. 2 ff.

Die stärksten Auflagenverluste hat es in den oberen Größenklassen gegeben. Von den
Anzeigenblättern in den Kategorien „100.000 bis 200.000“ und „200.000 und mehr“ sind
4,9 bzw. 4,8 Prozent weniger verteilt worden als 2018.

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Anzeigenblätter nach Auflagengröße (Zahlen jeweils Jahresanfang)


Auflage (tsd.) Titel Wochenauflage (Mio.)
2018 2019 2020 2018 2019 2020
bis 10 42 41 41 0,3 0,3 0,3
10 - 25 247 255 239 4,6 4,6 4,4
25 - 50 437 435 410 15,9 15,9 15,2
50 - 100 341 342 333 23,5 23,5 22,8
100 - 200 143 135 129 19,2 18,2 17,3
über 200 58 59 56 20,8 20,8 19,8
Quelle: BVDA, a. a. O., S. 3

Die Einnahmeverluste während der Corona-Krise werden wohl nicht wieder ausgegli-
Die Anzeigen-
chen werden. Hinzu kommen längerfristige Probleme der Verlage. Viele Anzeigenblät-
blätter haben
ter verfügen – anders als Tageszeitungen – nicht über nennenswerte Online-Auftritte. besonders stark
Zudem schrumpft die Stammkundschaft – lokales Kleingewerbe – seit Jahren, die unter dem
Großkunden des Handels fusionieren und die Verbraucher gehen im Internet einkau- „Shutdown“
fen. Auch Online-Prospektportale wie „kaufda“ und „marktjagd“ wildern im Revier der gelitten.
Werbeblätter.
In den meisten Fällen werden die Anzeigenblätter von Tageszeitungsverlagen heraus-
gegeben. Lange Jahre waren sie eine stabile Bank, mit der teilweise Verluste im Zei-
tungsgeschäft ausgeglichen werden konnten. Deshalb bedeutet der Niedergang dieser
Sparte eine zusätzliche Erschwernis für die Tagespresse.
Im zweiten Quartal 2020 sind – soweit bekannt – drei werbefinanzierte Titel eingestellt
worden:
 Ein Beispiel für besonders schamloses Unternehmergebaren wurde im Mai gemel-
det. Der „Siegerlandkurier“, ein Anzeigenblatt mit eigener Redaktion, war von der Ippen hat ein
Mediengruppe Westfälischer Anzeiger in Hamm (die wiederum zum Ippen-Impe- Anzeigenblatt
rium gehört) an den Verlag Vorländer & Rothmaler in Siegen verkauft worden. Das verkauft, damit es
liquidiert wird.
wurde der Belegschaft per Telefonkonferenz mitgeteilt. Der Käufer stellte das Blatt
mit sofortiger Wirkung ein, die zwölf Beschäftigten mussten noch am selben Tag
ihre Büros räumen. Boris Rosenkranz vom Portal „Übermedien“ vermutet hinter
dem Deal eine kalkulierte Marktbereinigung: Vorländer & Rothmaler gibt mit dem
„Siegerländer Wochen-Anzeiger“ selbst ein Anzeigenblatt heraus und hat dem
„Westfälischen Anzeiger“ im Gegenzug zwei Regionalausgaben abgetreten.
 Der Verlag Nürnberger Presse („Nürnberger Nachrichten“, „Nürnberger Zeitung“)
hat das Anzeigenblatt „Der Blitz“ nach über 20 Jahren beerdigt. Es hatte zuletzt ei- Einstellungen in
ne gedruckte Auflage von 376.000. Das Anzeigenvolumen sei schon seit längerem Nürnberg und
Berlin
gesunken und während des „Shutdowns“ nochmal deutlich eingebrochen.
 In Berlin hat im Juni das Wochenblatt „Zitty“ nach 43 Jahren sein Leben ausge-
haucht. Es wurde von GCM Go City Media herausgegeben. Als Begründung die-
nen auch hier die coronabedingten Einnahmeverluste. Kündigungen sollte es keine
geben, die Beschäftigten würden beim Schwestermagazin „tip“ unterkommen.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Zeitschriften
Auf seiner Jahrespressekonferenz am 22. April 2020 hat der Bundesverband Mit Publikums-
Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) das Jahr 2019 bilanziert. Die Branche (Publi- und Fachzeit-
kums- und Fachzeitschriften) steht für 60.000 Beschäftigte und 20,2 Milliarden Euro schriften wurden
Umsatz im Jahr 2019. Gegenüber dem Vorjahr ist die Beschäftigtenzahl gleich geblie- 20,2 Milliarden
ben, die Umsatzzahl ist um 1,9 Prozent geschrumpft. Die Zahl der Publikumstitel ist Euro umgesetzt.
erstmals seit 2013 gesunken: um 56 auf 1.569. Hinzu kamen 100 konfessionelle Titel
und 5.537 Fachzeitschriften, sodass die Zeitschriftensparte insgesamt 7.206 Titel um-
fasst. Kunden- und Mitgliedermagazine sind dabei nicht berücksichtigt. Publikumszeit-
schriften kosteten im Durchschnitt 4,47 Euro pro Heft.
Für 2020 hatten die Mitgliedsverlage bei den Anzeigenerlösen ein Rückgang um 2,4
Prozent erwartet, die Umsätze mit Veranstaltungen sollten um 2,1 Prozent steigen. Im
April lautete die erste Corona-Trendumfrage: minus 25 Prozent bei Anzeigen, minus
50 Prozent bei Veranstaltungen. Bei den Fachzeitschriften wurden sogar Werbeverlus-
te von 80 Prozent für möglich gehalten.
Die Auflagen der Publikumszeitschriften haben sich auch im zweiten Quartal 2020
nach unten entwickelt. Die verkaufte Gesamtauflage verringerte sich um 22,8 Millionen
bzw. 28,0 Prozent auf 58,7 Millionen Exemplare. Zählt man nur die Abonnements und
den Kioskverkauf zusammen, betrug der Rückgang 19,4 Millionen bzw. 28,0 Prozent
und erreichte 49,8 Millionen Exemplare. Die um 21,3 Prozent gestiegene E-Paper-
Auflage konnte das nicht ausgleichen.
Der starke Rückgang ist nicht nur auf die Pandemie, sondern vor allem auf die Aus-
gliederung der ADAC-„Motorwelt“ im ersten Quartal 2020 (zuletzt 13,6 Mio. Exempla-
re) zurückzuführen.

Quartalsauflagen von Publikumszeitschriften (Mio. Stück)


2/17 2/18 2/19 3/19 4/19 1/20 2/20
Abonnement 43,42 42,38 40,87 40,66 40,37 25,94 24,83
Einzelverkauf 33,54 30,66 28,28 28,74 26,83 27,01 24,97
Lesezirkel 4,02 3,74 3,43 3,41 3,38 3,24 2,63
Bordexemplare 1,92 1,70 1,37 1,38 1,35 1,19 0,28
Sonstiger Verkauf 7,99 7,49 7,55 7,10 7,01 6,82 5,99
Verk. Gesamtauflage 90,89 85,96 81,49 81,29 78,93 64,19 58,71
E-Paper 0,95 1,09 1,26 1,32 1,36 1,12 1,53
Quelle: IVW-Quartalsauflagen

Im zweiten Quartal 2020 haben mehrere große Verlagshäuser Umstrukturierungen


Die Großverlage
und Auslagerungen bei ihren Publikumszeitschriften bekanntgegeben: lagern redaktio-
 Die Essener Funke-Gruppe will in ihrer Zentralredaktion für TV-Programmzeit- nelle Leistungen
aus und streichen
schriften in Hamburg drei Viertel der Belegschaft entlassen und die Produktion an
Arbeitplätze.
externe Dienstleister auslagern. Der zweite Teil der Redaktion in Ismaning bei
München ist angeblich nicht betroffen. An beiden Standorten zusammen arbeiten
38 Leute. Sie füllen nicht nur die acht Programmmagazine von Funke (darunter
„Hörzu und „Gong“), sondern auch die „TV Spielfilm“ von Burda. Dort war 2019 die
gesamte Redaktion entlassen worden.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

 Bei Bauer Media wird der komplette Zeitschriften- und Druckstandort Rastatt mit
über 240 Beschäftigten geschlossen. In Hamburg wird die „Laura Wohnen Kreativ“
eingestellt und die „Wohnidee“ nach außen vergeben (siehe Teil 2 dieses Berichts,
S. 9).
 Auch bei Burda wird ausgelagert: Bei den „Chip“-Fotomagazinen in München wer-
den Redaktion und Vermarktung an eine Firma in Königswinter vergeben. Burda
bleibt Herausgeber und Inhaber der Marke.

Bei den Fachmedien …


… fehlt bislang die Branchenstatistik des Verbands Deutsche Fachpresse für 2019.
Diese wurde üblicherweise im zweiten Quartal des Folgejahrs veröffentlicht, kommt Die Fachpresse-
statistik verspätet
diesmal aber erst im dritten Quartal. Als Begründung nennt der Verband Probleme
sich.
aufgrund der Corona-Pandemie.
Die Fachzeitung „Horizont“ hat für 2019 wieder die Brutto-Werbeerlöse der 150 größ-
ten deutschen Fachzeitschriften ermittelt. Die Gruppe steht für Gesamterlöse von 574 Der DFV ist der
werbestärkste
Millionen Euro, was einen Rückgang um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeu- Fachverlag.
tet. Werbestärkster Einzelverlag war der Deutsche Fachverlag (dfv Mediengruppe) mit
15 Titeln und rund 115 Millionen Euro Bruttoumsatz (Vorjahr 122 Millionen).
Die Reihenfolge an der Spitze ist gleich geblieben: Das „Deutsche Ärzteblatt“ aus dem
Deutschen Ärzteverlag führt mit Werbeerlösen von knapp 38 Millionen Euro vor der
„Lebensmittel Zeitung“ (LZ), die 36,1 Millionen Euro meldet und dadurch den Rück-
stand auf die Nummer eins etwas reduzieren konnte. Der Abstand zwischen dem Füh-
rungsduo und den nächsten Verfolgern ist deutlich: Die Ränge drei und vier nehmen
„TextilWirtschaft“ und „Horizont“ ein, die ebenso wie die LZ zum Deutschen Fachver-
lag gehören.

Die zehn werbestärksten Fachzeitschriften (Bruttoumsätze)


Titel Verlag Mio. Euro +/- %
2018 2019 2018 2019
Deutsches Ärzteblatt Deutscher Ärzteverlag 41,40 37,96 - 2,1 - 8,3
Lebensmittel-Zeitung Deutscher Fachverlag (DFV) 38,90 36,10 - 2,9 - 7,2
TextilWirtschaft DFV 15,90 15,70 - 8,4 - 1,3
Horizont DFV 15,90 14,90 - 0,1 - 6,3
MM Maschinenmarkt Vogel Communications 12,00 12,50 - 4,8 + 4,2
Ärzte-Zeitung Springer Nature 13,12 12,48 - 6,3 - 4,9
Markt & Technik WEKA-Fachmedien 12,05 11,47 + 7,5 - 4,8
Computerwoche IDG Business Media 12,00 10,20 - 4,8 - 15,0
AHGZ (Hotel/Gastro) DFV 9,20 9,30 - 8,5 + 1,1
Lebensmittel-Praxis Landwirtschaftsverlag Münster 7,67 9,20 k.V.m. k.V.m.
Quelle: horizont, 16. 5. 2019 und 7. 5. 2020

Unter den zehn stärksten Titeln konnte nur einer bei den Werbeerlösen zulegen, unter
den ersten 50 waren es elf. Treiber des Geschäfts sind vielfach die digitalen Ableger.
Bei manchen Titeln haben sich die Einnahmen der Onlineausgaben binnen Jahresfrist
mehr als verdoppelt, hinzu kamen Lernprogramme und crossmediale Angebote für
Firmen. Bei dieser Statistik ist zu beachten, dass sie auf den Bruttowerbeerlösen be-
ruht. Ob die Rangfolge bei den Nettoerlösen genauso aussieht, ist unbekannt.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Bei den Fachmedien hat es im Mai 2020 eine bedeutsame Firmenübernahme gege-
ben. Die Weka-Gruppe mit Stammsitz in Kissing bei Augsburg, einer der führenden Der Fachmedien-
konzern WEKA
Verlagskonzerne auf diesem Gebiet, ist verkauft worden. Erwerber ist ein Finanzinves-
ist an einen Fi-
tor, die in München ansässigen Paragon Partners. Die 1973 gegründete Weka-Gruppe nanzinvestor
ist mit 23 Tochterfirmen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich aktiv, verkauft worden.
erreichte 2019 rund 240 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt etwa 1.500 Menschen.
Sie befand sich bislang im Familienbesitz. Im Jahr 2001 sollte sie an den Süddeut-
schen Verlag (der damals noch nicht zur Südwestdeutschen Medienholding gehörte)
verkauft werden, was aber scheiterte.

Für die Kundenmedien …


… hat der Verband Content Marketing Forum (CMF) eine neue „Basisstudie“ erstellt.
Mit „Content
Der Markt für „Content Marketing“ wird darin mit einem Umsatzvolumen für 2019 von Marketing“ sind
9,4 Milliarden Euro angegeben – allerdings für den gesamten deutschsprachigen 9,4 Milliarden
Raum (Deutschland, Österreich und die Schweiz). Gegenüber 2018 bedeutet das ei- Euro umgesetzt
nen Zuwachs um 17 Prozent, seit 2012 hat sich der Umsatz verdoppelt. Bei den drei worden.
Sparten Kunden- und Mitgliedermedien (B2I = „business to individuals“), Firmenme-
dien („B2B = „business to business“) und interne Medien (B2E = „business to emp-
loyees“) spielen gedruckte Ausgaben immer noch eine bedeutende Rolle; ihr Anteil
sinkt aber und hat im vergangenen Jahr insgesamt bei 38 Prozent gelegen. Kunden-
und Mitgliedermedien wurden zu 43 Prozent in gedruckter Form verbreitet.
Für das laufende Jahr erwartet das CMF starke Einbußen beim Geschäft mit „Content-
Marketing“, weil viele Firmen bei diesen Ausgaben Sparpotentiale sehen, die sie an-
gesichts der Corona-Pandemie nutzen.

Buchmarkt
Das Dilemma der Buchbranche unter den Pandemiebedingungen kommt gut im Die Perspektiven
Schicksal der Frankfurter Buchmesse zum Ausdruck. Nachdem die Leipziger Messe der Frankfurter
im März 2020 ebenso abgesagt werden musste wie nachfolgende in London, Bologna Buchmesse sind
und New York, wollen die Frankfurter Veranstalter ihr Event unter allen Umständen unklar.
durchziehen. Und zwar nicht nur digital, wie das derzeit vielfach geschieht, sondern
hybrid, d. h. virtuell und gleichzeitig real auf dem Messegelände. Vom 14. bis zum 18.
Oktober 2020. Nur: Die Verlage machen nicht mit.
Schon kurz nach Bekanntgabe des Termins haben die drei führenden deutschen
Buchkonzerne Random House (Bertelsmann), Holtzbrinck und Bonnier abgesagt,
zahlreiche weitere sind gefolgt, zuletzt Hanser. Ihr Standpunkt sei den Machern beim
Börsenverein frühzeitig angekündigt worden, hieß es seitens der Verlage. Weshalb
man dort trotzdem daran festhält, ist nicht klar. Das Finanzielle habe bei der Entschei-
dung nicht im Vordergrund gestanden, versicherte Juergen Boos, der Chef der Buch-
messe. Aber zweifellos wird eine Rumpf-Buchmesse ebenso wie eine möglichweise
doch noch abgesagte Präsenzmesse gewaltige Verluste verursachen. Die Frankfurter
Veranstaltung hat in den vergangenen Jahren jeweils mehr als 30 Millionen Euro um-
gesetzt. Jetzt kalkuliert man mit Verlusten zwischen sechs und zehn Millionen Euro.
Auch für die Frankfurter Messegesellschaft ist die Situation so oder so ein Desaster,
besonders nach dem Verlust der Internationalen Automobil-Ausstellung an die Stadt
München.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Die vier „Schließwochen“ vom 23. März bis 19. April 2020 haben für die gesamte
Buchbranche die Umsatzzahlen nach unten gezogen. Bei den Verlagen schlugen sich Die Corona-
Pandemie hat die
zusätzlich zu den Ladenschließungen abgesagte Messen und Lesungen nieder. Der
Buchbranche
Börsenverein hat per Umfrage festgestellt, dass während der Schließzeit 30,9 Prozent schwer getroffen.
weniger umgesetzt worden ist, von Januar bis Ende Mai 14,9 Prozent. Wegen fehlen-
der Vermarktungsmöglichkeiten haben zudem mehr als die Hälfte der Verlage Neuer-
scheinungen ins kommende Jahr verschoben, manche Titel werden wohl gar nicht
veröffentlicht. Das betrifft vor allem unbekannte oder unentdeckte Autoren/innen und
Nischentitel.
Beim Buchhandel hat sich der „Lockdown“ in einem Minus von 46 Prozent ausgewirkt,
bei den stationären Buchläden sogar von 65,7 Prozent. Zur Halbzeitbilanz Ende Juni
2020 haben sich die Verluste immerhin schon auf 8,3 bzw. 13,9 Prozent verringert.
Kinder- und Jugendbücher verzeichneten zwischen Januar und Juni 2020 sogar 3,6
Prozent mehr Umsatz als im Vorjahr.

Verkaufsveränderung im Buchhandel nach Editionsformen in Prozent zum Vorjahr


April 2020 Mai 2020 Juni 2020 Jan. bis Juni 2020
Absatz - 33,9 - 4,4 + 9,1 - 9,6
Umsatz Insgesamt - 33,0 - 2,2 + 12,3 - 8,3
darunter:
- Hard-/Softcover - 33,9 - 1,9 + 16,5 - 8,2
- Taschenbuch - 28,3 - 0,6 + 3,6 - 6,3
- Hörbuch - 37,0 - 17,3 - 4,9 - 20,6
- Kalender - 52,7 - 32,0 - 14,0 - 17,3
- Karten/Globen - 67,3 - 13,5 + 14,8 - 20,3
Barumsatz Sortiment - 46,9 - 6,0 + 6,8 - 13,9
Quelle: Börsenverein (Hrsg.), Branchenmonitor BUCH (nach MediaControl); zuletzt am 9. 7. 2020

Für das vergangene Jahr hat der Börenverein eine zwiespältige Bilanz vorgelegt. Ei-
nerseits hat der Buchhandelsumsatz 2019 um 1,7 Prozent auf 9,3 Milliarden Euro zu- 2019: gestiegener
Umsatz, aber
gelegt. Selbst der stationäre Handel konnte noch ein Plus von 0,4 Prozent verbuchen. gesunkene Leser-
Der Internet-Buchhandel, bei dem auch das Onlinegeschäft der stationären Händler zahl
erfasst wird, ist um 4,2 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro gestiegen. Andererseits ist die
Zahl der Buchkäufer nach einem Anstieg 2018 wieder deutlich gesunken. Die 28,8
Millionen Personen, die 2019 mindestens ein Buch gekauft haben (2018: 29,9 Millio-
nen), legten sich im Durchschnitt 12,3 Exemplare zu (2018: 12,0). Die detaillierten
Zahlen zum Buchmarkt wird der Börsenverein im dritten Quartal 2020 veröffentlichen.

Die hundert größten deutschsprachigen Buchverlage ...


... wurden im Branchenmagazin „Buchreport“ für das vergangene Jahr analysiert. Das
Die hundert
Ergebnis zeigt, dass sich die Spitzengruppe gut entwickelt hat. Die hundert größten größten Buchver-
Unternehmen konnten ihren Gesamtumsatz um 1,8 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro lage haben 6,2
steigern, die 25 größten sogar um 3,4 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro. Die Zahlen be- Milliarden Euro
ziehen sich auf die Buchumsätze im deutschsprachigen Raum (Deutschland/Öster- umgesetzt.
reich/Schweiz). Deshalb ist ein Vergleich mit den Zahlen des Börsenvereins für den
deutschen Markt nur bedingt aussagekräftig.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Die 25 größten deutschsprachigen Buchverlage bzw. Buchverlagsgruppen


Konzern Schwerpunkte Umsatz (Mio. Euro)1 Veränderung
2018 2019 in Prozent
Springer Nature Fachbücher 576 590 + 2,4
Haufe Gruppe Fachbücher 324 355 + 9,6
Klett Gruppe2 Schulbücher 318 330 + 3,7
Random House (B’mann) Publikumsbücher 293 309 + 5,6
Westermann VG2 Schul- und Fachbücher 300 300 0,0
Wolters Kluwer2 Fachbücher 268 277 + 3,4
Cornelsen Gruppe Schulbücher 254 250 - 1,6
C. H. Beck Fachbücher 205 209 + 2,1
Weka Holding2 Fachbücher 201 199 - 1,2
Thieme Fachbücher 162 161 - 0,9
Wiley VCH Fachbücher 139 139 - 0,4
Deutscher Fachverlag Fachbücher 140 135 - 3,4
Rentrop/VNR Fachbücher 136 126 - 7,4
MairDumont Reiseführer, Karten 105 100 - 5,0
Vogel Communications Fachbücher 89 100 n. v.
Bastei Lübbe Publikumsbücher 84 79 - 6,5
Beuth Fachbücher 74 78 + 5,4
Carlsen (Bonnier) Publikumsbücher 71 76 + 7,5
Rowohlt (Holtzbrinck) Publikumsbücher 67 70 + 5,1
Dt. Apotheker-Verlag Fachbücher 69 69 + 0,9
S. Fischer (Holtzbrinck) Publikumsbücher 67 68 + 1,3
DeGruyter Fachbücher 66 66 0,0
dtv Publikumsbücher 60 64 + 5,6
Ravensburger2 Publ.-, Schulbücher 61 61 0,0
SWMH2 Bildung, Fachbücher 59 60 + 2,6
Summe der 25 Größten3 - 4.130 4.271 + 3,4
nachrichtlich: Summe der 100 Größten 6.130 6.240 + 1,8
1 reine Netto-Buchumsätze im deutschsprachigen Raum, keine Verlagsumsätze
2 Schätzung 3 gemeint sind die 25 größten Verlage im jeweiligen Jahr

Quelle: Die 100 größten Buchverlage 2020, Dortmund 2020, S.7.; eigene Berechnungen

Die Publikumsverlage (Belletristik, Sachbücher) unter den 100 größten umfassen rund
31 Prozent des Gruppenumsatzes. Ihre Erlöse sind um zwei Prozent gestiegen. Das
bedeutet, dass sich dieses Segment deutlich erholt hat, denn 2017 hatten sie noch ein
Minus von 1,3 Prozent hinnehmen müssen, 2018 war das Plus von 0,8 Prozent unter-
durchschnittlich gewesen.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Die zehn größten Publikums-Buchverlage (Umsätze1 in Millionen Euro)


Verlag Konzern 2017 2018 2019 19/18 (%)
Random House Bertelsmann 292,3 293,0 309,3 + 5,6
Bastei Lübbe - 94,8 84,0 78,5 - 6,5
Carlsen Bonnier 67,1 70,7 76,0 + 7,5
Rowohlt Holtzbrinck 65,4 67,0 70,4 + 5,1
S. Fischer Holtzbrinck 72,1 67,2 68,1 + 1,3
dtv Ganske u. a. 58,6 60,2 63,6 + 5,6
Ravensburger - 57,0 61,0 61,0 0,0
Droemer Knaur Holtzbrinck 56,7 57,9 58,5 + 1,0
Ullstein Bonnier 41,7 46,1 44,1 - 4,3
Franckh - 32,5 36,0 42,0 + 16,7
1 reine Netto-Buchumsätze im deutschsprachigen Raum, keine Verlagsumsätze
Quelle Die 100 …, a. a. O. S. 9

Auf Fachbücher sind 53 Prozent des Umsatzes der 100 größten Verlage entfallen. Ihre
Erlöse sind 2019 um 1,2 Prozent gewachsen.

Die zehn größten Fachbuchverlage (Umsätze1 in Millionen Euro)


Verlag Eigentümer 2017 2018 2019 19/18 (%)
Springer Nature Holtzbrinck/BC Partners 567,4 576,4 590,1 + 2,4
Haufe - 298,2 324,1 355,0 + 9,6
Wolters Kluwer Dt. Wolters Kluwer Internat. 260,0 268,0 277,0 + 3,4
WEKA - 194,0 201,0 198,6 - 1,2
C.H. Beck2 - 176,0 184,0 189,0 + 2,7
Thieme - 162,0 162,4 161,0 + 0,9
Wiley VCH Wiley 137,7 139,3 138,8 - 0,4
Deutscher Fachverlag - 140,1 139,6 134,8 - 3,4
Rentrop - 132,0 136,0 126,0 - 7,4
Vogel Communications - 87,5 88,5 100,0 n. v.
1 reine Netto-Buchumsätze im deutschsprachigen Raum, keine Verlagsumsätze
2 Schätzung; ohne Literatur/Sachbuch
Quelle Die 100 …, a. a. O. S. 8

Als dritte Buchverlagssparte definiert der „Buchreport“ das Segment Bildung/Spra-


chen. Es umfasst 16 Prozent des Umsatzes der 100 größten Verlage. Hier dominieren
drei Konzerne: Klett, Westermann und Cornelsen.
Auch ansonsten spielen Großverlage eine wachsende Rolle. Bei den Publikumsverla- Der größte
gen steht Bertelsmanns Random House mit 45 Tochterverlagen und Imprints an der deutsche Buch-
Spitze, gefolgt von Bonnier (Carlsen, Ullstein, Piper, Münchner, arsEdition, Thiene- konzern heißt
mann-Esslinger und Hörbuch Hamburg). Der dänische Konzern hat im vergangenen nicht Random
Jahr 252,8 Millionen Euro mit Büchern umgesetzt (+ 2,8 Prozent). Die VG von Holtz- House, sondern
brinck ist im Publikumssegment mit Rowohlt, S. Fischer, Droemer Knaur, Kiepenheuer Holtzbrinck.
& Witsch, Argon und Groh vertreten und erreichte 246,5 Millionen Euro (+ 0,6 Pro-
zent). Zusätzlich hält sie 53 Prozent an Springer Nature, sodass sie mit 837 Millionen
Euro Gesamtumsatz den einsamen Spitzenplatz unter den deutschen Buchverlags-
gruppen besetzt.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Die Struktur der Buchhandelsbetriebe ...


... hat sich im vergangenen Jahr verändert. In einer Übersicht des „Buchreport“ wer-
den stationäre und Versandhändler gemeinsam erfasst. Deshalb steht der US- Starke Zentra-
Konzern Amazon, der nur online tätig ist, an der Spitze der Rangliste. Er stagniert lisation des
Kapitals im
beim Umsatz seit zwei Jahren. Stark gewachsen ist hingegen die größte Filialkette
Sortimentsbuch-
Thalia, weil sie die bisherige Nummer fünf, Mayersche, übernommen hat – außerdem handel
noch mehrere kleinere Buchhandlungen. In NRW ist dadurch ein Quasi-Monopol ent-
standen, und auch im restlichen Deutschland kann der neue Gigant Verlage und
Händler noch stärker unter wirtschaftlichen Druck setzen. Zumal er weiter wächst (im
Februar 2020 wurde Decius gekauft). Nach Thalia folgen mit großem Abstand Hugen-
dubel und die nach der Insolvenz 2014 stabilisierte Weltbild-Gruppe.

Die umsatzstärksten Buchhändler in Deutschland (stationär und Versand)


Unternehmen Umsatz (Mio. €) Beschäftigte
2018 2019 2018 2019
Generalisten
Amazon (nur Bücher) 1 1.300 1.350 . .
Thalia2 970 1.200 5.000 6.000
Hugendubel 335 345 1.700 1.700
Weltbild1 295 295 1.200 1.200
- nachrichtlich: Mayersche 155 - . -
Osiander 96 105 450 550
Rupprecht 38 40 302 311
Pustet 31 31 . .
Heymann1 29 29 260 260
Decius1 24 23 160 160
Schöningh 6 7 . 55
Fachbuchhandlungen
Schweitzer Fachinfo 198 196 480 475
Lehmanns 59 58 315 310
BFD 54 55 147 150
Sack 34 33 143 135
IMS 30 30 50 50
1 Schätzung 2 Deutschland und Österreich

Quelle: Buchreport.magazin, April 2019, S. 36 ff. und März 2020, S. 43 ff.

Das Wachstum bei den Buchhandelsketten ist – wenn nicht fusioniert worden ist – auf
das Onlinegeschäft zurückzuführen. Dessen Anteil am Gesamtumsatz ist mit 14 Pro-
zent allerdings immer noch klein (von Amazon abgesehen). Online bestellte und im
Laden abgeholte Ware macht davon 30 bis 50 Prozent aus.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Rundfunk und Streaming


Viedeostreaming, d. h. der Bewegtbild-Konsum direkt aus dem Internet, erlebt einen Der Markt für
enormen Aufschwung. Er ist durch den zeitweiligen Corona-„Shutdown“ noch verstärkt Videostreaming
worden, zeigte sich aber auch schon im vergangenen Jahr (QB 1/20-1, S. 12 f.). Das wächst stark und
geht aus den Nutzerzahlen hervor, die die Medienanstalten in ihrem Digitalisierungs- hat durch die
bericht 2019 veröffentlicht haben. In allen Kategorien hat es in den vergangenen bei- Pandemie noch
mehr Schub er-
den Jahren deutliche Zuwächse gegeben.
halten.

Videonutzung im Internet, ab 14 Jahre, mindestens einmal monatlich,


in Prozent der Gesamtbevölkerung
Angebot 2017 2018 2019
Video im Internet gesamt 30,2 34,5 39,8
- darunter YouTube (Google) 29,5 34,2 39,5
Mediatheken der TV-Sender 28,4 31,2 38,5
- darunter ARD/ZDF 25,7 28,5 35,6
- darunter Private 15,4 16,5 23,6
Streamingdienste gesamt 23,0 29,3 37,5
- darunter Netflix 11,0 19,2 26,8
- darunter Amazon Prime Video 14,6 19,5 25,4
- darunter iTunes (Apple) 3,7 4,3 7,5
- darunter DAZN . . 6,7
- darunter Maxdome (P7S1) 3,3 3,5 5,8
Videos über soziale Netzwerke 11,9 16,2 21,1
TV-Plattformen (z. B. Sky, Unitymedia) 5,6 8,4 14,7
Gamer-Videoplattformen (z. B. Twitch) 5,1 7,3 10,4
Quelle: Die Medienanstalten, Digitalisierungsbericht Video 2019, S. 47, 2018, S. 49
und 2017, S. 41 (nach Kantar TNS); eigene Zusammenstellung

Es verwundert nicht, dass es die höchsten Steigerungsraten bei den jüngeren Bevöl-
kerungsgruppen gibt, aber auch bei den Nutzern ab 50 Jahren ist das Wachstum be-
achtlich. Die einzige Kategorie mit rückläufiger Resonanz ist das klassische Fernse-
hen mit festem Programm.

Lineare und nicht-lineare Videonutzung nach Altersgruppen in Prozent


14-29 Jahre 30-49 Jahre ab 50 Jahre ab 14 Jahre
Klassisches lineares Fernsehen
- 2016 46,6 67,2 84,3 71,2
- 2018 28,7 57,8 84,5 64,9
- 2019 24,8 52,9 80,4 60,5
Livestream
- 2016 7,7 5,1 2,3 4,3
- 2018 9,1 5,6 2,2 4,6
- 2019 10,1 8,1 3,5 6,2 

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 14-29 Jahre 30-49 Jahre ab 50 Jahre ab 14 Jahre


Selbst aufgezeichnete Sendungen
- 2016 6,7 8,6 5,8 6,8
- 2018 4,7 7,9 5,4 6,0
- 2019 4,4 7,4 5,3 5,8
Heimkino (Video on Demand)
- 2016 36,2 17,5 6,0 15,8
- 2018 55,8 27,1 6,9 23,1
- 2019 59,4 29,7 9,9 26,2
Quelle: Die Medienanstalten a. a. O. S. 44; eigene Zusammenstellung

Der Markt für „Video on Demand“ (VoD) wird von den großen US-Plattformen be-
herrscht. Das hat die AGF Videoforschung Mitte Juni aufgezeigt. Mehr als jede/r dritte
Deutsche ab 14 Jahren (36,3 Prozent) nutzte im Frühjahr 2020 ein kostenpflichtiges
Angebot. Zwei Jahre zuvor waren es erst 18,6 Prozent. Am beliebtesten sind Netflix
und Amazon Prime Video. Disney+, das erst im April 2020 gestartet ist, hat sich schon
auf Platz fünf geschoben.

Die fünf stärksten kostenpflichtige VoD-Angebote in Deutschland,


Frühjahr 2020 in Prozent1
Netflix 27,6
Amazon Prime Video 19,9
DAZN 3,1
Sky Ticket 1,7
Disney+ 1,5
1 Deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren in Fernsehhaushalten
Quelle AGF Videoforschung, 21. 6. 2020 (nach Kantar)

Klassisches Bezahlfernsehen (bevorzugt Sky) wird gleichbleibend von 15 Prozent der


Befragten abonniert. Die kostenlosen Mediatheken der Fernsehsender finden bei 29
Prozent des Publikums Gefallen, Googles Gratisplattform YouTube wird von der Hälfte
aller Zuschauer genutzt.

Das Streamingformat zum Hören …


… heißt – wenn es nicht um Musik geht – Podcast; das Wort leitet sich von Apples
„iPod“ ab. Die entsprechenden Angebote werden zu 95 Prozent über eine App auf Auch bei Pod-
dem Smartphone konsumiert. Auch dieser Markt expandiert stark. Die marktbeherr- casts gibt es
schenden Konzerne sind Apple und das schwedische Spotify. Beide erreichten 2019 große Umsatz-
jeweils mehr als ein Drittel aller Streams (35,9 bzw. 34,4 Prozent), wie eine Untersu- zuwächse.
chung vom Anfang des Jahres zeigte.

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Die beliebtesten Podcast-Genres in Deutschland 20191 in Prozent


News 19,2
Comedy 15,2
Society & Culture 14,2
Business 10,6
Sports 10,1
Health & Fitness 7,7
True Crime 3,5
Arts 3,0
Education 2,9
Leisure 2,8
1 im Mittel über das Jahr verteilt
Quelle: Meedia, 28. 2. 2020 (nach Zebra-audio.net und Podigee)

Nachrichten aller Art waren im vergangenen Jahr das gefragteste Podcast-Genre. Al-
lerdings schwankt die Beliebtheit sehr stark, je nachdem, welche populären Angebote
gerade zur Verfügung stehen. Die größten Steigerungsraten hat es 2019 bei „Society
& Culture“ gegeben.
Beim Podcast-Boom wollen auch die führenden deutschen Fernsehkonzerne dabei
sein. Weshalb sie eigene Angebote auf den Markt gebracht haben. RTL Deutschland RTL und P7S1
wollen bei Pod-
kündigte im April 2020 an, dass das 2019 gestartete Portal „Audio Now“ ausgebaut
casts mitmischen.
werden soll. Unter anderem will man eine „Offensive“ mit fiktionalen Formaten starten.
Derzeit (April 2020) habe man sechs Millionen Nutzer pro Monat. ProSiebenSat.1 hat
zeitgleich FYEO („For your ears only“) gestartet. Dort sollen neben Dokumentationen
und Expertengesprächen auch Hörspiele gebracht werden. Man werde mit Zeitungs-
verlagen („Süddeutsche Zeitung“) und der Deutschen Presseagentur zusammenarbei-
ten, ließ der Konzern wissen.

Filmtheater
Die Filmbranche gehört zu den Medienbereichen, die am stärksten von der Corona- Die Folgen der
Pandemie betroffen sind. Seit der zweiten Märzwoche 2020 waren alle Kinos ge- Pandemie für die
schlossen, im Mai wurden – je nach Bundesland verschieden – Lockerungen geneh- Kinobranche sind
migt. Die meisten Betriebe blieben aber trotzdem zu, weil die Abstandsregeln nur Be- noch nicht abseh-
sucherzahlen von etwa einem Viertel erlauben; ein rentabler Betrieb ist damit kaum bar.
möglich. Auch Mitte Juli sind noch nicht alle geöffnet, einige haben auch wieder dicht-
gemacht.
Der Hauptverband Deutscher Filmtheater sprach Ende April 2020 von 17 Millionen
Euro Einnahmeverlusten pro Woche während des „Shutdowns“ und vermutete, dass
mindestens die Hälfte der Häuser insolvent werden könnte. Bis Juli würden die Kinos
bundesweit 186 Millionen Euro Fixkosten aufbauen, die nicht gefördert würden. Be-
droht seien vor allem kleinere Betriebe mit nur einem oder wenigen Sälen. Anfang Juli
hat Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch einen Verlust von 250 Millionen Euro
für die gesamte Branche vorausgesagt.
Gefahren drohen zusätzlich von der Produzentenseite. Weil die Entwicklung der Pan-
demie in den USA und Großbritannien kaum absehbar ist, verzögern sich geplante
internationale Filmstarts. Auch in Deutschland sind Produktionen verschoben worden.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Ohne ein attraktives Angebot aber werden weniger Besucher in die wieder geöffneten
Kinos zu locken sein. Christian Bräuer, Vorsitzender der AG Kino-Gilde, befürchtete
Ende Mai, dass sich im Ergebnis der Krise die Kapitalzentralisation bei den Kinos ver-
stärkt und die derzeitige Vielfalt verschwindet.
Ein Großdeal passt da ins Bild: die Übernahme der Lübecker Kinokette Cinestar durch
den Branchenführer CinemaxX in Hamburg. Sie ist vom Bundeskartellamt (BKA) im
Die Fusion Cine-
März 2020 unter Auflagen genehmigt worden. Bedingung war, dass sechs Kinos an star/CinemaxX
verschiedenen Standorten verkauft werden. Im Mai wurde bekannt, um welche es sich ist genehmigt
handelt: Augsburg, Bremen, Gütersloh, Magdeburg, Mühlheim und Remscheid. Da- worden.
nach wird CinemaxX mit 78 Filmtheatern in Deutschland vertreten sein.
Hinter dem Vorgang steht ein Deal zwischen internationalen Konzernen bzw. Investo-
ren. Die britische Vue International betreibt rund 230 Kinos in zehn Ländern. Die Toch-
terfirma Vue Nederland ist die Muttergesellschaft der deutschen CinemaxX. Hinter
Cinestar standen die Investoren Edge Investments, 2015 First Holding und Greater
Union International, alle mit Sitz in Lübeck. Über den Kaufpreis wurde nichts bekannt-
gegeben.

Agenturen
Die Digitalagenturen erlebten 2019 einen beachtlichen Aufschwung. Der Umsatz der
hundert größten Unternehmen ist um 17,5 Prozent auf 1,84 Milliarden Euro gewach- Digitalagenturen
sen, wie der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) Ende Mai 2020 mitgeteilt hat. 2019: plus 17,5
Im Jahr zuvor hatte es einen Zuwachs von „nur“ 5,3 Prozent auf 1,56 Milliarden Euro Prozent.
gegeben. Im laufenden Jahr wird sich die positive Entwicklung allerdings nicht fortset-
zen, die Corona-Pandemie verhagelt die Geschäfte. Zum Jahresende 2020 werde es
vermutlich einige Agenturen nicht mehr geben, befürchtet der Verband.

Die zehn größten Digitalagenturen in Deutschland nach dem Honorarumsatz


Agentur Umsatz (Mio. Euro) Festangestellte
2018 2019 +/- % 2018 2019 +/- %
Reply Digital Experience 109,0 138,5 + 27,1 734 958 + 30,5
PIA 77,2 114,1 + 47,8 632 915 + 44,8
Plan.Net Gruppe 98,1 101,5 + 3,5 963 988 + 2,6
Team Neusta . 92,0 - . 1.099 -
Diva-E 73,0 78,3 + 7,3 627 702 + 12,0
Valtech 73,5 72,3 - 1,6 462 478 + 3,5
C3 53,1 63,8 + 20,1 507 488 - 3,8
MGM 55,1 57,2 + 3,9 400 405 + 1,3
Init 41,0 54,3 + 32,5 410 592 + 44,4
Fischer Appelt 37,0 49,7 + 34,2 304 387 + 27,3
Quelle: https://www.bvdw.org/der-bvdw/gremien/internetagentur-ranking/ranking/

Auch bei den PR- und Kommunikationsagenturen herrschte zu Beginn des Jahrs 2020
noch Freude über sprudelnde Umsätze. Das so genannte Pfeffer-Ranking (nach Ger- PR-Agenturen
2019: plus 8,8
hard Pfeffer, Herausgeber der „PR-Journals“) hat bei den teilnehmenden 138 Agentu-
Prozent
ren ein Plus von 8,8 Prozent ergeben, die Beschäftigtenzahl stieg sogar um 9,7 Pro-
zent. Spitzenreiter ist Fischer-Appelt, die sich vor die MC Group geschoben haben.
Das ist hauptsächlich auf die Übernahme der Agentur PUK zurückzuführen.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Die zehn größten PR-Agenturen in Deutschland nach dem Honorarumsatz


Agentur Umsatz (Mio. Euro) Beschäftigte
2018 2019 +/- % 2018 2019 +/- %
Fischer-Appelt 58,5 82,7 + 40,9 504 714 + 41,7
MC-Group 61,8 63,0 + 2,1 341 347 + 1,8
Edelmann Ergo 47,9 40,8 - 15,0 316 314 - 0,6
Ketchum (BBDO) 34,1 34,1 0,0 262 262 0,0
Serviceplan Content 24,1 28,7 + 19,1 174 214 + 23,0
Achtung! 19,1 27,8 + 45,5 149 174 + 16,8
Oliver Schrott 29,1 27,8 - 4,5 250 238 - 4,8
Burson Cohn & Wolfe 20,6 25,0 + 21,0 172 227 + 32,0
Weber-Shandwick 21,3 24,4 + 14,5 145 178 + 22,8
Faktor 3 18,2 20,1 + 10,6 211 221 + 4,7
Quelle: pr-journal.de, 27. 4. 2020; eigene Berechnungen

Bei den internationalen Mediaagenturen war 2019 der Konzern Group M unter den Mediaagenturen
ersten zehn mit drei Tochterfirmen vertreten und stellt mit Mediacom den Marktführer. 2019: plus 3
Das zeigt die Rangliste, die jährlich vom RECMA-Institut veröffentlicht wird. Die 20 Prozent
größten Agenturen haben ihren Umsatz um drei Prozent auf 26,2 Milliarden Euro ge-
steigert. Im Vorjahr hatte es noch eine Steigerung um 5,3 Prozent gegeben.

Die zehn größten internationalen Mediaagenturen in Deutschland nach dem Umsatz


Agentur Konzern Umsatz (Mio. Euro) Beschäftigte
2018 2019 +/- % 2018 2019 +/- %
Mediacom Group M 3.724 3.283 - 11,8 995 950 - 4,5
OMD Omnicom 2.658 2.997 + 12,8 898 890 - 0,9
Mediaplus Serviceplan 2.253 2.494 + 10,7 521 540 + 3,7
Carat Dentsu Aegis 2.447 2.444 - 0,1 886 886 0,0
Havas Media Havas 2.224 2.363 + 6,3 535 542 + 1,3
Wavemaker Group M 1.795 1.744 - 2,8 650 647 - 0,5
Mindshare Group M 1.694 1.629 - 3,8 510 504 - 1,2
Zenith Publicis 1.375 1.415 + 2,9 440 452 + 2,7
PHD Omnicom 1.246 1.358 + 9,0 364 417 + 14,6
Initiative IPG 1.185 1.353 + 14,2 356 366 + 2,8
Quelle: wuv.de, 2. 7. 2020 (nach RECMA); eigene Berechnungen

Die Arbeitsgemeinschaft Rankingliste (Horizont, W&V, GWA) erfasst die Umsatzzah-


len der inhabergeführten Werbeagenturen. Bei ihnen kamen 2019 die größten 50 auf Werbeagenturen
ein Honorarvolumen von rund einer Milliarde Euro, was einem Zuwachs um gut zwei 2019: plus 1,5
Prozent entspricht. Allerdings ist ein Vergleich zum Vorjahr problematisch, weil sich Prozent
die Teilnahmebedingungen geändert haben, mehrere Agenturen nicht mehr teilge-
nommen haben und andere neu dabei sind. Die Wachstumsrate entspricht aber dem
durchschnittlichen Zuwachs von 1,5 Prozent, den der Agenturverband GWA für seine
Mitgliedsfirmen ermittelt hat.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/17 zur Medienwirtschaft; Teil 1 Branchenübersichten

Die zehn größten inhabergeführten Werbeagenturen in Deutschland


nach dem Honorarumsatz
Agentur Umsatz (Mio. Euro)
2018 2019 +/- %
Serviceplan Group 315,2 326,6 + 3,6
Jung von Matt 75,7 85,2 + 12,6
Fischer-Appelt 58,5 82,7 + 41,4
Hirschen Group 71,8 75,9 + 5,7
Vertikom 60,6 63,5 + 4,8
Media Consulta 61,8 63,0 + 1,9
Pilot - 42,4 -
Zum Goldenen Hirschen -37,7 41,7 + 10,6
Achtung Gruppe - 27,8 -
Grabarz & Partner 28,7 25,8 - 10,1
Quelle: horizont, 11. 4. 2019 und 1. 4. 2020 (nach GWA)

Mit „Games“
Videospiele sind 5,5 Prozent
mehr Euros um-
Der „Games-Markt“ ist auch im vergangen Jahr deutlich, um 5,5 Prozent, gewachsen
gesetzt worden.
und hat die Schwelle von sechs Milliarden Euro überschritten. Das zeigen die Zahlen,
die Game – Verband der deutschen Games-Branche Ende April 2020 veröffentlicht
hat. Dabei haben sich die Gewichte verschoben: Mit Hardware sind 1,8 Prozent weni-
ger als im Vorjahr umgesetzt worden, mit Software aller Art 10,5 Prozent mehr. Der
größte Anteil bei Software ist mit so genannten In-Game-Käufen erzielt worden. Damit
sind nicht nur klassische Zusatzartikel sowie Kosmetik gemeint, sondern auch kosten-
pflichtige Erweiterungen (DLC). Dieses Segment ist um 15,7 Prozent gewachsen. Um
fast ein Drittel hat der Umsatz mit Gebühren für Onlinedienste zugenommen. Darunter
werden Abonnements für Ergänzungen zu Konsolen, Spiele-Bibliotheken und „Cloud-
Gaming“ erfasst.

Der Markt für Computer- und Videospiele in Deutschland (Mio. Euro )


2017 2018 2019 2019/18 (%)
In-Game-Käufe1 1.521 1.949 2.254 + 15,7
Kauf 1.198 1.081 1.049 - 3,0
Gebühren für Onlinedienste 179 353 461 + 30,6
Abonnements 166 125 113 - 9,6
Software insgesamt 3.064 3.508 3.877 + 10,5
Hardware2 3 938 2.396 2.354 - 1,8
Gesamtumsatz3 4.002 5.904 6.231 + 5,5
1 Virtuelle Güter, Zusatzinhalte 2 einmaliger Kauf (PC, Konsolen, Handheld, mobile Spiele)
3 Die Zahlen von 2017 sind mit den nachfolgenden zum Teil nicht vergleichbar, weil zusätzliche Spiele-Hardware
berücksichtigt worden ist.
Quelle: Game, Verband der deutschen Games-Branche, 28. 3. 2019 und 23. 4. 2020 (nach GfK und App Annie)

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/20 zur Medienwirtschaft; Teil 2 Konzernübersichten

Querfront in Magdeburg
Quartalsbericht zur deutschen Medienwirtschaft April bis Juni 2020
Teil 2: Konzernübersichten
Von Gert Hautsch
22. Juli 2020

2019 ist die Zahl


Schon vor Beginn der Corona-Pandemie ist in der deutschen Medienwirtschaft der
der Übernahmen
„Markt“ für Unternehmenskäufe und -beteiligungen geschrumpft. Das hat die Bera- und Beteiligun-
tungsfirma EY Parthenon in einer Studie, die bis Februar 2020 reicht, geschrieben. gen bei Medien-
Demnach hat sich die Zahl der Beteiligungs-Aktivitäten (Käufe, Verkäufe und Liquidie- unternehmen
rungen) gegenüber dem Vorjahreszeitraum um sieben Prozent auf 454 verringert. kleiner geworden.

Entwicklung nicht markenbezogener Aktivitäten


von Medienunternehmen in Deutschland1
2016 417
2017 426
2018 476
2019 488
2020 454
1 inkl.
Beteiligungen von Inkubatoren und Fonds, die zu mindestens 50 Prozent
vom Medienhaus gehalten werden; jeweils Februar
Quelle: EY Parthenon GmbH, Konzentration bitte! – M&A- und Digitalisierungstrends
in der deutschen Medienindustrie, o. O. Juni 2020, S. 2

Verkäufe und Liquidierungen fanden vorrangig bei werbefinanzierten Geschäftsmodel-


len statt, und zwar im In- und Ausland. In den Bereichen Inhalte, Onlineplattformen
und E-Handel hingegen halten die Unternehmen an ihren Beteiligungen fest. Beson-
ders stark wurden die Investitionen bei so genannten Inkubatoren zurückgefahren.
Damit werden „Brutstätten“ für neue Internetgeschäfte umschrieben, die junge Firmen
auf einen erfolgreichen Weg bringen sollen. „Die Zeit der Experimente scheint vorbei,
Medienhäuser fokussieren sich zunehmend und stärken ihre Kern-Investments“ inter-
pretierte Sebastian Priebe, Associate Director von EY Parthenon, die Ergebnisse.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/20 zur Medienwirtschaft; Teil 2 Konzernübersichten

Ein anderes Bild zeigt sich bei den reinen Finanzinvestitionen abseits des Kernge- „Von Medien-
schäfts. Hier hat es ein Wachstum um 24 Prozent gegeben. Am aktivsten waren dabei häusern zu
Finanzinvesto-
Axel Springer, Burda, ProSiebenSat.1, DuMont und die VG von Holtzbrinck. Die Auto-
ren?“
ren der Studie vermuten dahinter keine Kontrolle des Geschäfts, sondern „spätere
Veräußerungsabsichten“ – sprich: Spekulation. Deshalb trägt ein Kapitel der Studie
den Titel „Von Medienhäusern zu Finanzinvestoren?“

Bertelsmann SE & Co. KGaA


Im ersten Quartal 2020 hat Bertelsmann einen Umsatzrückgang um 2,7 Prozent hin- Bertelsmann hat
nehmen müssen; insgesamt 4,1 Milliarden Euro sind von den verschiedenen Ge- seine Prognose
schäftsbereichen eingenommen worden. Organisch – d. h. bereinigt um Sondereffekte für 2020 gekippt.
– ist der Umsatz um 2,1 Prozent gesunken. Als Ursache wurde die Corona-Krise be-
nannt: Die Werbeerlöse seien schon im März spürbar geschrumpft. Angesichts der
Pandemie werde das laufende Geschäftsjahr eine „Herausforderung“, teilte der Vor-
standsvorsitzende Thomas Rabe mit. Die ursprünglichen Prognosen für 2020 seien
nicht mehr zu halten, eine neue belastbare Einschätzung sei noch nicht möglich.
Einige Unternehmensbereiche haben sich auch positiv entwickelt, etwa die Dienstleis-
tungssparte Arvato, der Musikverlag BMG und die Bildungsgeschäfte (Education
Group). Die RTL-Group, traditionsgemäß die Melkkuh des Konzerns, leidet über- Die RTL-Group
durchschnittlich unter den schrumpfenden Werbeerlösen. Sie hat im ersten Quartal leidet unter der
2020 rund 1,5 Milliarden Euro umgesetzt – 3,4 Prozent weniger als 2019. In ihrer Pandemie.
Rundfunksparte (Radio und Fernsehen) brachen die Erlöse sogar um 4,8 Prozent ein
und lagen knapp über einer Milliarde Euro. Die „Content-Sparte“ (Fremantle Media)
hat 1,3 Prozent verloren, die Digitalgeschäfte hingegen sind um 5,9 Prozent und die
Streamingdienste („tv now“) sogar um 19,4 Prozent gewachsen. Die Dividendenzah-
lung für 2019 ist ausgesetzt worden.
Detailierte Geschäftszahlen zum ersten Quartal 2020 veröffentlichten weder der Ber-
telsmann-Konzern noch die RTL-Group.
Wegen der Pandemiefolgen hat die Ratingagentur Moody’s die langfristige „Emitten- Schlechteres
tenbewertung“ (bei Anleihen) für Bertelsmann abgesenkt. Der Konzern gilt nun nicht Rating für
mehr als „Baa1“-Kandidat, sondern hat „Baa2“, was sich bei Neukrediten auf die Zin- Bertelsmann
sen auswirken kann. Als Grund wurde genannt, dass die Werbe- und Verlagsbranche
wegen „ihrer Sensibilität gegenüber Werbebudgets und Verbraucherstimmungen er-
heblich von dem Corona-Schock betroffen“ sei. Bertelsmann ließ wissen, dass man
„gut und breit aufgestellt“ sei, keine staatliche Unterstützung brauche und keinen An-
lass sehe, von der „seit vielen Jahren verfolgten konservativen Finanzierungspolitik“
abzuweichen.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/20 zur Medienwirtschaft; Teil 2 Konzernübersichten

ProSiebenSat.1 Media SE
Das Management von ProSiebenSat.1 hat schon Mitte April 2020 seine Prognose für
das laufende Jahr zurückgezogen. Man gehe davon aus, dass das Geschäft in allen
Segmenten durch die Pandemie stark beeinträchtigt wird. Beim Fernsehen (Seven-
One) sind die Werbeerlöse eingebrochen, bei der Filmproduktion (Red Arrow) müssen
Projekte verschoben werden, beim Rubrikengeschäft (NuCom) leiden einzelne Porta-
le, während andere von der Krise profitieren.
In den Geschäftszahlen für das erste Quartal 2020 hat sich diese Entwicklung noch Im ersten Quar-
wenig niedergeschlagen. Der Umsatz ist um 1,4 Prozent gestiegen, organisch – d. h. tal liefen die
bereinigt um Portfolio- und Währungseffekte – ist er allerdings um ein Prozent gesun- Geschäfte noch
passabel, im
ken. Die Erlöse beim Fernsehen haben überdurchschnittlich – um 2,8 Prozent – abge- zweiten nicht
nommen, die Werbeerlöse lagen sogar um vier Prozent unter dem Vorjahreswert. Der mehr.
Produktionsbereich ist um 0,7 Prozent – organisch um 3,0 Prozent – gesunken. Nur
die NuCom Group konnte um 14,6 Prozent, organisch um 8,0 Prozent, zulegen. Mehr
als die Hälfte der Erlöse stammten aus den Bereichen jenseits des Fernsehens.

Wirtschaftszahlen der ProSiebenSat.1 Media SE im ersten Quartal (in Millionen Euro)


2018 2019 2020 2020/19 (%)
Außenumsatz 881 913 926 + 1,4
- SevenOne Entertainment 624 579 563 - 2,8
- Red Arrow Studios 97 135 134 - 0,7
- NuCom Group 159 199 228 + 14,6
Bereinigtes EBITDA 200 190 157 - 17,4
- SevenOne Entertainment 183 163 141 - 13,5
- Red Arrow Studios 4 8 8 0,0
- NuCom Group 13 19 15 - 21,1
- Überleitung (Holding usw.) . - 16 -8 -
EBITDA 133 180 145 - 19,4
Konzernüberschuss 27 121 31 - 74,4
- bereinigt 93 94 58 - 38,3
Nettofinanzschulden 1.620 2.206 2.294 + 4,0
Quelle: Quartalsfinanzberichte der ProSiebenSat.1 Media SE, 9. 5. 2019 und 7. 5. 2020

Die unerfreuliche Lage zeigt sich deutlicher bei den Profiten: Der Gewinn vor Zinsen, Die Profite sind
Steuern und Abschreibungen (EBITDA) hat fast 20 Prozent unter dem Vorjahreswert deutlich gesun-
gelegen, der Nettoprofit (Konzernüberschuss) betrug nur noch ein Viertel des Betrags ken.
von 2019, bereinigt ist er um 38 Prozent gesunken.
Für das zweite Quartal 2020 liegen noch keine Geschäftszahlen vor. Auf der Haupt-
versammlung am 10. Juni hieß es aber, dass die Werbeeinnahmen im April und Mai
etwa 40 Prozent unter denen des Vorjahrs gelegen haben. Auch im Juni sehe man
noch keine Verbesserung. Allerdings: Den Großteil der Werbeerlöse erwarte man er-
fahrungsgemäß im vierten Quartal. Bis dahin werden die Werbekunden wieder ver-
stärkt buchen, so die Hoffnung.
Als Reaktion auf die krisenhafte Entwicklung soll in allen Bereichen gespart werden. P7S1 will sparen.
Die Investitionen ins Programm beispielsweise will man um 50 Millionen Euro verrin-
gern, auch beim Aufwand für IT, Reisen und Beratung wird gekürzt. Für das Ge-

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/20 zur Medienwirtschaft; Teil 2 Konzernübersichten

schäftsjahr 2019 wird keine Dividende ausgeschüttet; das bringt 192 Millionen Euro
zusätzlich. Die Liquiditätslage sei gleichwohl weiterhin gut, beteuerte die Konzernfüh-
rung im April 2020. Man verfüge über rund 900 Millionen Euro Barmittel und 750 Mil-
lionen Euro kurzfristig mobilisierbare Reserven.
Die ProSiebenSat.1-Gruppe hat allerdings nicht nur ein Problem mit der Pandemie,
sondern auch eine Führungskrise (QB 1/20-2, S. 5). Ende März 2020 war der Vor-
standsvorsitzende Max Conze fristlos entlassen worden (mit einer „Abfindung“ von 3,9
Millionen Euro, versteht sich). Kurz vorher hatte sein Vize Conrad Albert gekündigt; Millionen für
ihm wurden drei Millionen Euro hinterhergeworfen. Für 2019 hatte Conze ein Gehalt ehemalige und
von 4,5 Millionen Euro einstreichen dürfen – zusätzlich variable Komponenten von aktuelle Manager
mindestens 1,8 Millionen. Im Jahr zuvor hatte er sogar 5,6 Millionen Euro kassiert,
obwohl er erst Mitte des Jahres sein Amt angetreten hatte. Conrad Albert bekam 2019
ein Gehalt von 2,8 Millionen Euro ausgezahlt. Für den Aufsichtsrat waren 1,6 Millionen
Euro Tantiemen fällig gewesen, davon 376.000 für dessen Vorsitzenden Werner
Brandt.
Als neuer Vorstandsprecher fungiert Rainer Beaujean. Er leitete die Hauptversamm-
lung am 10. Juni 2020, die wegen der Coronabeschränkungen online stattfand. Bei
dieser Veranstaltung war auf die Frage eines Aktionärs mitgeteilt worden, dass es En-
de 2019 im Konzern 271 Beschäftigte gegeben hat, deren Bruttogehalt mehr als
120.000 Euro pro Jahr betrug.
Der Wechsel an der Konzernspitze war von den neuen Großaktionären, mit denen
sich das Management arrangieren muss, durchgesetzt worden. Seit Sommer 2019 Inzwischen gibt
es schon vier
bedienen sich verschiedene Investorengruppen an der Börse wie auf einem Jahr-
ausländische
markt. Zuerst haben die Mailänder Mediaset-Holding (die dem Berlusconi-Clan gehört) Großinvestoren
und die tschechischen Intestoren Daniel Křetínský und Patrik Tkac (Czech Media In- bei P7S1.
vest) Pakete von knapp 25 bzw. 10,1 Prozent zusammengekauft. Seit Mai 2020 hat
sich außerdem der Finanzinvestor KKR 6,6 Prozent der Stimmrechte gesichert. Im
Juni wurde bekannt, dass sich auch die norwegische Staatsbank mit rund fünf Prozent
beteiligt hat. Es ist davon auszugehen, dass der Ausverkauf weitergeht, denn die
P7S1-Aktien sind billig zu haben. Mitte März 2020 wurden die Papiere für weniger als
sechs Euro angeboten, Mitte Juli lag der Kurs bei knapp zehn Euro.

Axel Springer SE
Wieder einmal wird im Springer-Konzern umstrukturiert. Damit wird der Dreijahres-
Bei Springer
rhythmus eingehalten: Im März 2014 waren aus fünf klassischen Konzernbereichen
wird wieder ein-
drei neue geschaffen worden. Journalismus fand bei den „Bezahlangeboten“ (inzwi- mal umstruktu-
schen „News Media“) statt, erstmals wurden gedruckte und digitale Medien zusam- riert.
mengefasst. Im Juni 2017 wurden Print- und Digitalgeschäfte wieder – wie vor 2014 –
in getrennte Bereiche aufgeteilt, mit je eigener Vermarktung, Vertrieb und Herstellung.
Anfang Juli 2020 wurde nun erneut alles über den Haufen geworfen. Die journalisti-
schen Bereiche Bild GmbH und Welt N 24 GmbH werden zu zwei von vier „Säulen“ im
Vorstandsbereich „News Media National“. Gedruckte und digitale Medien, Redaktion
und Verlag, finden sich wieder unter einem Dach. Die beiden anderen „Säulen“ sind
Technik („Media & Tech“) und Werbung („All Media“). Neu ist, dass die beiden Chef-
redakteure Julian Reichelt (Bild) und Ulf Poschardt (Welt) „oberste Markenverantwort-

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liche“ werden und in die Führung des Vorstandsbereichs aufsteigen. Die beiden redak-
tionellen „Säulen“ werden selbstverantwortliche Unternehmenseinheiten.
Mag das vorherige Geschehen nach einem hilflosen Hin und Her ausgesehen haben, Hinter den ak-
tuellen Maßnah-
so dürfte die neueste Volte einem klaren strategischen Ziel folgen. Seit Jahresbeginn
men dürfte der
herrschen bei Springer neue Machtverhältnisse: Der US-Finanzinvestor KKR ist neue Großaktio-
Hauptaktionär und wird demnächst 48,6 Prozent des Aktienkapitals besitzen, für wei- när KKR stehen.
tere sechs Prozent hat er ein Vorkaufsrecht (siehe unten). Ohne oder gar gegen ihn
geht gar nichts. Die neue Struktur dürfte sein Werk sein.
KKR hat im vergangenen Jahr etliche große (Tele-München-Gruppe) und kleinere
Filmfirmen übernommen und daraus Leonine, einen der führenden deutschen Produk-
tionskonzerne, geschaffen. Springer betreibt mit „Welt“ (früher „N 24“) einen Fernseh-
sender und hat sich kürzlich für die Streamingplattform „Bild TV“ eine Rundfunklizenz
besorgt. Videostreaming zählt zu den Boomsparten der Medienindustrie mit zweistelli-
gen Wachstumsraten. Dieses Geschäft passt bestens mit Leonine zusammen. Erst
recht, wenn man bei der Konkurrenz P7S1 einen Fuß in der Tür hat: KKR hat sich dort
6,6 Prozent der Aktien gesichert.
Finanzinvestoren kaufen Firmen auf Zeit, um sie auszusaugen und mit Profit weiterzu-
verkaufen. Das geht am besten nach einer Zerschlagung. Für das Werbegeschäft
(„Marketing Media“) hat der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner schon im Frühjahr
2019 einen baldigen Verkauf angekündigt. Über eine Abspaltung des Rubrikenge-
schäfts („Classifieds Media“) wollen die Gerüchte trotz Dementi nicht verstummen. Für
KKR ergäbe das Sinn: Die „News Media“ könnten mit Leonine zu einem neuen Strea-
mingkonzern mit eigener Produktionsbasis verschmolzen und später sehr teuer ver-
Eine Zerschla-
kauft werden. Der Restkonzern ließe sich getrennt zu Geld machen. gung des Kon-
Ob das alles so kommt, ist Spekulation. Aber zum Geschäftsgebaren eines Finanz- zerns könnte für
KKR Sinn erge-
investors würde es gut passen. Die Meinung der Verlegerwitwe Friede Springer, der
ben.
angeblich „die Wahrung des publizistischen Erbes“ ihres verstorbenen Gatten so am
Herzen liegt, wäre kein Hindernis.

Für das laufende Geschäftsjahr …


… hat auch das Springer-Management die Prognose zurückgenommen. Ursprünglich Die Prognose für
hatte man mit Umsatzerlösen auf dem Niveau des Vorjahrs gerechnet, beim bereinig- 2020 ist zurück-
ten EBITDA war man von einem Rückgang im niedrigen bis mittleren zweistelligen genommen wor-
Prozentbereich ausgegangen. Als Gründe waren Abschreibungen und hohe Investitio- den.
nen in Zukunftsbereiche genannt worden. Eine neue Prognose wurde nicht aufgestellt,
die für den 22. April 2020 einberufene ordentliche Hauptversammlung war zunächst
auf den 17. Juni verschoben worden und soll jetzt im vierten Quartal 2020 stattfinden.
Am Dividendenvorschlag von 1,16 Euro je Aktie hält man einstweilen fest.
Mitte April 2020 hat Stephanie Caspar von Springer-Vorstand die Lage so beschrie-
ben: Besonders hart betroffen von den Pandemiefolgen sind die Rubrikenportale für
Kleinanzeigen, Jobs und Immobilien, während sich die Preisvergleichsplattform Idealo
„vor neuen Kunden gar nicht retten“ könne. Auch die Nachfrage nach Inhalten wachse
stark. Werbungstreibende würden nach einigem Zögern auch wieder Anzeigen schal-
ten. Die Auflage der „Bild“ sei um 15 bis 18 Prozent eingebrochen, weil Bordexempla-
re und Auslandsverkäufe komplett wegfielen und der Bahnhofshandel sich halbiert
habe. Höhere Abozahlen und Supermarktverkäufe könnten das nicht ausgleichen.

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Gert Hautsch: Quartalsbericht 2/20 zur Medienwirtschaft; Teil 2 Konzernübersichten

Anfang Juni 2020 haben Carsten Schwecke und Julia Wehrle, Vorstandsmitglieder
von Springers Marketingtochter Media Impact, in einem Interview Zahlen zu den ak-
tuellen Netto-Werbeeinnahmen genannt: Im April seien sie um 23 Prozent und im Mai
um 26 Prozent gesunken. Das wiegt schwer, denn die Werbeerlöse machen mehr als
zwei Drittel des Konzernumsatzes aus. Dass es nicht noch schlimmer gekommen ist,
sei zu großen Teilen „Bild“ (Print und Online) zu verdanken.
Seit dem 6. April 2020 ist die Axel Springer SE nicht mehr an der Börse gelistet. Hin-
tergrund war die Übernahme von 47,6 Prozent der Aktien durch den Finanzinvestor
KKR (QB1/20-2, S. 7 f.). Dieser will auch noch die restlichen Aktien im Streubesitz Springer ist
(etwa ein Prozent) kaufen und deren Besitzer notfalls zur Abgabe zwingen. Mit dem nicht mehr an der
neuen Hauptaktionär dürfte es auch zusammenhängen, dass die Axel Springer SE für Börse gelistet.
das erste Quartal 2020 erstmals keine Geschäftszahlen veröffentlicht.
Über den Einstieg von KKR bei Springer sind interessante Details bekannt geworden.
Der Finanzinvestor wird, wenn er den restlichen Streubesitz kassiert hat, 48,6 Prozent
der Aktien halten. Der Verlegerin Friede Springer gehören 42,64 Prozent, Mathias
Döpfner 2,81 Prozent. Diese beiden haben einen Stimmenpool gebildet. Die beiden KKR hat ein
Vorkaufsrecht für
Enkel Axel Springers, Axel Sven und Ariane Melanie, besitzen 5,05 bzw. 0,96 Prozent.
sechs Prozent der
Für deren Aktien hat sich KKR ein Vorkaufsrecht einräumen lassen. Sollten sie ver- Aktien; das ergä-
kaufen (was ihnen beim aktuellen Kurs von 63 Euro 343 bzw. 66 Millionen Euro ein- be die Kapital-
brächte), dann hätte der Investor die Stimmenmehrheit. Das würde zwar momentan mehrheit.
keine Rolle spielen, weil KKR, Springer und Döpfner ein Konsortium gebildet und be-
schlossen haben, nur gemeinsam abzustimmen. Das gilt aber nur für fünf Jahre. Da-
nach wäre alles möglich.
Friede Springer und Mathias Döpfner haben das Bündnis mit KKR damit begründet,
dass der Konzern viel Geld brauche, um auf internationalen Digitalmärkten erfolgreich
expandieren zu können. Im Mittelpunkt des Begehrens stand bislang eines der großen
globalen Rubrikenportale, mit dessen Erwerb das Segment „Classifieds Media“ ge-
stärkt würde. Im vergangenen Jahr wollte Springer die Scout24-Gruppe übernehmen,
musste dann aber passen: Das Portal ging für 2,9 Milliarden Euro an den Finanzinves-
tor Hellman & Friedman – eine Summe, die man sich in Berlin nicht leisten konnte
oder wollte.
Ende Mai 2020 ist auch der zweite derartige Versuch gescheitert. Die Eigentümer des
US-Konzerns Ebay Classifieds Group hatten ihr Investment zum Verkauf gestellt,
Springer beteiligte sich am Bieterrennen – neben dem südafrikanischen Konzern Nas-
pers, dem Verlag Schibsted aus Norwegen und einem Konsortium aus Private-Equity- Springer musste
beim Bieterren-
Firmen. Aber die Preisvorstellungen von acht Milliarden US-Dollar (7,15 Mrd. Euro)
nen um Ebay
überstiegen wiederum die Möglichkeiten von Springer. Das mit dem Einstieg von KKR schon frühzeitig
mobilisierte Kapital wäre auf einen Schlag aufgebraucht worden, Spielraum für andere aussteigen.
Akquisitionen hätte es nicht mehr gegeben, hieß es. Alternativ hatte Springer erwo-
gen, eine strategische Partnerschaft einzugehen oder nur einen Teilbereich zu über-
nehmen. Doch auch daraus wurde nichts. Man will sich nun nach einem Übernahme-
kandidaten im Bereich „News Media“ umsehen. Damit ist eines der großen internatio-
nalen Nachrichtenportale gemeint; welches, ist unklar.

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Das Kapitel Digitalkiosk hat Springer abgeschlossen, der konzerneigene „iKiosk“ ist an
die Schweitzer Fachinformationen verkauft worden. Das Portal war im Frühjahr 2010 als Der „iKiosk“ ist
Plattform zum Verkauf der konzerneigenen Zeitungen und Zeitschriften gestartet wor- verkauft worden.
den, wurde aber schnell zu einer Plattform für Titel anderer Verlage erweitert. Derzeit
bieten dort über 200 Verlage mehr als 1.000 Titel zum digitalen Konsum gegen Bezah-
lung an.
Bei Springer gilt, ebenso wie bei ProSiebenSat.1, dass man zwar gerne beim Personal
Springer zahlt
spart, sich bei der Alimentierung der Führungsspitze aber großzügig zeigt. Die Zeit- für 2019 rund
schrift „Kress Pro“ (Heft 3/20) hat vorgerechnet, dass 2019 der fünfköpfige Vorstand 105 Millionen
22,1 Millionen Euro „verdient“ hat, davon 10,4 Millionen als Festvergütung. Der Vorsit- Euro an seine
zende Mathias Döpfner allein dürfte 6,6 Millionen Euro kassiert haben. Hinzu kamen 2,1 Konzernführung
Millionen für Versorgungszusagen. Für den Aufsichtsrat fielen 3,0 Millionen Euro an. Zu aus.
alldem kam noch ein „Long-Term Incentive Plan“ aus dem Jahr 2016, der beim Errei-
chen bestimmter Kennzahlen horrende Boni verspricht. Dafür sind 69,2 Millionen Euro
für den Vorstand und weitere 8,9 Millionen für andere Führungskräfte in den Jahresab-
schluss 2019 eingestellt worden. Alles in allem kommen somit 105 Millionen Euro für
das Jahr 2019 zusammen.
Zum Vergleich: Im Rahmen des laufenden Sparprogramms bei der „Bild“- und „Welt“-
Gruppe will Springer die Ausgaben um 50 Millionen Euro kürzen, was einen Abbau von
über hundert Arbeitsplätzen bedeutet.

ARD und ZDF


Für die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat die Corona-Pandemie einen
Vorteil: Sie bietet den Vorwand, die eigentlich längst abgehakte Erhöhung des Rund-
Neue Versuche,
funkbeitrags ab 2021 erneut infrage zu stellen. Es geht um eine Anhebung um 86 Cent
die Erhöhung des
auf 18,36 Euro monatlich. Angesichts der wirtschaftlichen Belastungen sei dies dem Rundfunkbeitrag
Publikum unmöglich zuzumuten. Dabei handelt es sich de facto ohnehin nicht um eine doch noch zu
Erhöhung, sondern um die Festschreibung der Finanzsumme, mit der ARD und ZDF verhindern.
schon während der laufenden Beitragsperiode auskommen müssen (QB 1/20-2, S. 11).
Dies hatten die Intendanten nach Bekanntwerden der Zahl vorgerechnet. Angesichts
der zu erwartenden Preissteigerungen läuft die neue Regelung real auf eine Senkung
des Finanzierungsniveaus hinaus.
Die Erhöhung des Beitrags war von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs
der Rundfunkanstalten (KEF) im Februar 2020 empfohlen worden. Beschlossen werden
muss sie von den Bundesländern. Deren Ministerpräsidenten haben das auch Mitte Juni
2020 nach einigem Gezerre getan. Die AfD ist strikt dagegen und will erreichen, dass
zumindest ein ostdeutscher Landtag die Zustimmung verweigert. Das würde reichen,
um das Vorhaben zu blockieren. Unterstützt wird sie dabei von der FDP. Deren Fraktion
im Bundestag hat den Antrag gestellt, die Bundesregierung möge sich bei den Ländern
für eine Aussetzung der Erhöhung einsetzen. Aus CDU und CSU hat sich eine Gruppe
von Bundestagsabgeordneten mit der gleichen Bitte an die Ministerpräsidenten ge-
wandt. Ins Horn tutete – wen wundert’s – auch Axel Springers „Bild“-Zeitung. Dort war
Anfang Mai 2020 von einem „Aufstand“ gegen die geplante Beitragssteigerung zu lesen.

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Im Landtag von Sachsen-Anhalt hat sich in dieser Sache Das Rundfunkkonzept der AfD
eine verstörende Querfront zusammengefunden. Nicht nur Die Partei hat Ende Juni 2020 ihre Vorstellungen zur
die AfD- und die CDU-Fraktion wollen dagegen stimmen, „Reform“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor-
gestellt. Danach sollen sich die Sender auf Nach-
auch die Fraktion der Linkspartei macht nicht mit. Deren
richten, Kultur, Bildung sowie regionale und lokale
Parlamentarischer Geschäftsführer Stefan Gebhardt ließ Informationen beschränken. Programme, die private
wissen, er sei zwar ein Befürworter eines bürgernahen Sender anbieten (z. B. Sport, Unterhaltung) blieben
Rundfunks, aber: „Wir vermissen eine Begrenzung der ihnen verwehrt. Die Ausgaben sollen von derzeit
Direktoren- und Intendantengehälter. Will nur daran erin- 8 Mrd. auf 800 Mio. Euro gekürzt werden. Sie wären
von den großen Medienkonzernen per Umlage
nern, dass der Intendant des Westdeutschen Rundfunks aufzubringen. Der Rundfunkbeitrag würde entfallen,
doppelt so viel verdient wie der Bundespräsident.“ Anfang Werbung wäre verboten. Die regionalen Rundfunk-
Juli 2020 gab Ministerpräsident Reiner Haseloff bekannt, anstalten dürften höchstens ein Radio- und Fern-
dass es im Landtag derzeit keine Mehrheit für eine Anhe- sehprogramm anbieten. (vgl. FAZ, 1. 7. 2020)
bung gibt.
Der Streit um den Rundfunkbeitrag hat einen Nebenkonflikt erzeugt. Im kommenden
Jahr will die ARD ein „Digitales Kulturangebot“ auf den Weg bringen, in dem Konzerte, Beim neuen „Di-
Ausstellungen und weitere „Kulturerlebnisse“ aus den einzelnen Sendegebieten ge- gitalen Kultur-
bündelt werden und neue Produktionen erfolgen sollen. Mit den Kulturangeboten von angebot“ der
ARD macht der
ZDF und Deutschlandradio soll es verlinkt werden. Der Etat wird fünf Millionen Euro
BR nicht mit.
umfassen, finanzieren sollen ihn die einzelnen ARD-Anstalten.
Der Bayerische Rundfunk wird allerdings nicht dabei sein, wie Intendant Ulrich Wilhelm
Mitte Mai 2020 wissen ließ. Denn die Federführung für die neue Kulturplattform soll
beim Mitteldeutschen Rundfunk liegen, die Redaktion in Halle sitzen. Das war vonsei-
ten der Landesregierung Sachsen-Anhalts mehr oder weniger offen zur Bedingung da-
für gemacht worden, dass man der Beitragserhöhung zustimmt. Eine solche Verknüp-
fung sei verfassungsrechtlich bedenklich, erklärte Wilhelm, weil staatliche Einflussnah-
me auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unzulässig sei.
Diese Argumentation ist nicht von der Hand zu weisen, auch wenn Wilhelms Motive
durchsichtig sind: Er wollte das Kulturportal unbedingt in München angesiedelt haben.
Andererseits wird von den ostdeutschen Ländern schon seit Jahren moniert, dass von
50 Gemeinschaftseinrichtungen der ARD nur zwei bedeutsamere nicht in der alten
BRD angesiedelt sind: das Hauptstadtstudio in Berlin (was sich von selbst versteht) und
der Kinderkanal in Erfurt.
Das „Digitale Kulturangebot“ der ARD hat eine Vorgeschichte. Im Februar 2019 wurde
„ZDFkultur“ als digitaler Kulturraum gestartet. Der ARD war angeboten worden, diese
Plattform mitzunutzen. Das scheiterte, weil sie ihre Kulturangebote nicht bündeln konn-
te oder wollte, sondern stattdessen ein eigenes Portal aufbaut, das dann mit dem des
ZDF verbunden werden soll.
Inzwischen wurde bekannt, dass 2019 die Gesamteinnahmen des Beitragsservice 8,07 Die Beitrags-
Milliarden Euro erbracht haben – eine Steigerung um 0,7 Prozent. Davon gehen 152 einnahmen sind
2019 schwach
Millionen an die Landesmedienanstalten. Für das laufende Jahr wird mit rückläufigen
gestiegen.
Einnahmen gerechnet, weil wegen der Corona-Pandemie die Zahl der beitragsfreien
Haushalte steigen wird. Zudem können sich Firmen, deren Betriebsstätte auf behördli-
che Anweisung hin geschlossen worden ist, nachträglich von der Beitragszahlung be-
freien lassen.

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Der Norddeutsche Rundfunk will in den kommenden vier Jahren 300 Millionen Euro
Der NDR will
einsparen, wie Intendant Joachim Knuth Anfang Mai 2020 mitteilte. Bis 2028 sollen auch beim Pro-
zehn Prozent des Personalaufwands gekürzt, 200 Planstellen nicht neu besetzt werden. gramm kürzen.
Die stärksten Einschnitte sind beim Programm geplant: weniger Shows, weniger Fern-
sehspiele, weniger „Tatorte“. Auch bei Großveranstaltungen, Konzerten und den Musik-
ensembles wird gespart.
Beim Südwest-Rundfunk hat Intendant Kai Gniffke Mitte Juni 2020 ein Umbauprogramm
verkündet. Demnach sollen die Hörfunk-Nachrichtenredaktionen in Mainz und Stuttgart
aufgelöst und deren Aufgaben in Baden-Baden konzentriert werden. Davon sind 36 Re-
dakteurinnen und Redakteure betroffen. Allerdings solle deswegen niemand umziehen
müssen, es würden auch keine Stellen gestrichen.

Bauer Media Group KG


Der Hamburger Konzern hat in jüngster Zeit mit etlichen Negativmeldungen von sich
reden gemacht. Ein wichtiger Teil davon betraf – wie üblich – den Umgang mit den Be-
schäftigten:
 Im Februar 2020 war mitgeteilt worden, dass der Zeitschriftenstandort Rastatt in Der Redaktions-
Baden im Lauf des Jahres geschlossen und die Redaktionen nach Hamburg verlegt standort Rastatt
wird geschlossen.
werden. Wer von den 80 Betroffenen nicht mit in den Norden ziehen kann oder will,
hat Pech gehabt.
 Ebenenfalls in Rastatt erfuhren Ende Juni die 163 Beschäftigten der Offsetdruckerei, Auch die Dru-
dass sie sich ab Ende Oktober 2020 eine neue Arbeit suchen dürfen. VPM Druck ckerei in Rastatt
wird zugemacht.
wird dann geschlossen. Bauer will künftig nur noch Tiefdruck anbieten, wofür man
zwei Betriebe in Polen unterhalte. Diese würden „führende Wettbewerbspositionen
in Europa einnehmen“.
 Anfang Juni erfuhr das Team von „Laura Wohnen Kreativ“ in Hamburg, dass ihr Ma- Auslagerung in
gazin mit sofortiger Wirkung eingestellt wird. Die „Wohnidee“ bleibt zwar bei Bauer, Hamburg
wird künftig aber extern produziert. Von den rund 30 Betroffenen darf die Hälfte an
Bord bleiben, der Rest muss sehen, wo er oder sie bleibt.
Parallel zu diesen Meldungen hat der Bauer-Konzern eine Kehrtwende bei seiner Au-
ßenpolitik verkündet. In den vergangenen Jahren hatte die Verlegerin Yvonne Bauer viel
Geld in den Aufbau neuer Auslandsmärkte gesteckt. Bevorzugtes Ziel waren Groß-
britannien sowie Australien und Neuseeland. Offensichtlich haben sich diese und ande-
re Investitionen nicht so rentiert wie erwartet.
 Mitte Mai 2020 sind in Rumänien die Zeitschriften „TV Mania“ und TV „Satelit“ an Bauer gibt einen
den Schweizer Ringier-Verlag abgestoßen worden. Großteil des
Auslandsge-
 Mitte Juni hat Bauer sämtliche Aktivitäten in Russland an das dortige Management schäfts wieder
verkauft. Dabei ging es um fünf Verlage und rund 90 Zeitschriftentitel. auf.
 Der Knaller kam zwei Tage nach dem Russland-Deal. Bauer veräußerte sein komp-
lettes Geschäft in Australien und Neuseeland an einen Finanzinvestor von den Ber-
mudas. Anfang April hatte der Hamburger Konzern schon seine Zeitschriften in
Neuseeland von heute auf morgen eingestellt. Bauer war 2012 mit dem Erwerb des

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Medienhauses ACP für 525 Millionen Australo-Dollar (ca. 320 Millionen Euro) in
den Markt „down under“ eingestiegen und hatte in der Folgezeit stark expandiert.
Dem Vernehmen nach erhält er nur einen zweistelligen Millionenbetrag zurück.
 In Polen hat Bauer Anfang Mai den führenden Internetanbieter Grupa Interia für 92
Millionen Euro an die Grupa Polsat verkauft. Fast Gleichzeitig hat sie die Grupa
Tense, einen Online-Marketingspezialisten, gekauft.
 Auch in Großbritannien läuft es nicht so wie gewünscht. Bauer unterhält dort die
größte private Radiokette sowie zwei Zeitschriftenverlage. Für letztere waren
schon im Herbst 2019 Verluste gemeldet worden. Im Mai 2020 hieß es nun, dass
man zehn Titel verkaufen oder schließen werde.
Für das Geschäftsjahr 2020 rechnet Bauer Media mit einem um 30 Prozent niedrige- Für 2020 wird
weniger Umsatz
ren Gewinn und zehn Prozent weniger Umsatz als 2019, sagte der Verlagsmanager
und Gewinn
Veit Dengler Mitte Juni 2020 in einem Interview. Aber: „Wir haben nach wie vor einen vorausgesagt.
sehr positiven Cashflow.“ Wie hoch Umsatz und Gewinn 2019 waren, hat er nicht mit-
geteilt.

Kontakt: V. i. S. d. P:

Cornelia Berger Dr. Gert Hautsch Christoph Schmitz,


Bereichsleiterin Medien Fachredakteur Leiter Fachbereich Medien,
und Publizistik beim ver.di- 60318 Frankfurt am Main Kunst und Industrie
Bundesvorstand Paula-Thiede-Ufer 10
10112 Berlin 10179 Berlin
cornelia.berger@verdi.de

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