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4.

Umfassende Konzepte der Fremdsprachenvermittlung

4. Umfassende Konzepte der


Fremdsprachenvermittlung
4.1 Die Grammatik-Übersetzungs-Methode
4.2 Die direkte Methode
4.3 Die audiolinguale Methode
4.4 Die audiovisuelle Methode
4.5 Unabhängigkeit von der Entwicklung
in den Bezugswissenschaften
4.6 Der kommunikative Ansatz
4.7 Der interkulturelle Ansatz
4.8 Aufgabenorientierung als Kernkonzept
des Fremdsprachenunterrichts
4.9 Alternative Methoden
4.10 Performatives Fremdsprachenlernen
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Eine Momentaufnahme des Deutschunterrichts weltweit würde sehr un-


terschiedliche Aktivitäten im Klassenzimmer dokumentieren: An einem
Ort steht möglicherweise ein Lehrender vor den vor ihm aufgereiht sitzen-
den Lernenden, erklärt ihnen ein Grammatikphänomen und lässt sie die-
ses dann in Lückentexte einsetzen. An einem anderen Ort sitzen eventuell
die Lernenden an Gruppentischen und erarbeiten eine Präsentation zum
Thema des Tages. An einem wieder anderen Ort stehen vielleicht Tische
und Stühle am Rand und die Gruppe befi ndet sich gerade bei der Arbeit
an einer Inszenierung. Und an einem noch anderen Ort ist die Klasse viel-
leicht gerade ausgeschwärmt und recherchiert außerhalb des Klassenzim-
mers oder vielleicht sogar außerhalb des Schulgebäudes Informationen zu
einem bestimmten Thema.
Ein Fremdsprachendidaktiker, der diese Momentaufnahmen deutet,
könnte die erste Aufnahme für ein typisches Beispiel der Grammatik-
Übersetzungs-Methode halten, bei der zweiten auf kommunikativ ori-
entierten Unterricht tippen, bei der dritten auf ein dramapädagogisches
Vorgehen und bei der vierten auf Projektunterricht. Obwohl diese Mo-
mentaufnahmen zum gleichen Zeitpunkt gemacht wären, könnte im
Kopf des Fremdsprachendidaktikers eine Zeitschiene entstehen, die mit
Wertungen verbunden wäre: Die Grammatik-Übersetzungs-Methode
sei alt und überholt, die anderen Vorgehensweisen seien moderner. Das
Problem bei derartigen Einschätzungen ist allerdings, dass derartige
verallgemeinernde Sätze über ›das‹ Fremdsprachenlernen eigentlich
nicht gemacht werden können. Seit Ende der 1960er Jahre steht für die
Forschung zum Fremdsprachenlernen fest, dass es wenig sinnvoll ist,
globale Methoden allgemein zu vergleichen (s. Kap. 4.5). Im Alltag exis-
tieren diese verschiedenen Methoden nebeneinander, und sie werden an

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Umfassende Konzepte der Fremdsprachenvermittlung

verschiedenen Orten von verschiedenen Personen unterschiedlich be-


wertet.
Der Satz, ein Vorgehen sei ›veraltet‹ oder ›zu modern‹ ist eigentlich kei-
ne angemessene Einschätzung unterrichtlicher Aktivitäten. Wenn man
bestimmte Vorgehensweisen einschätzen möchte, muss man diese in Be-
ziehung zu den handelnden Personen, den Lernzielen und den instituti-
onellen Bedingungen setzen. Im Alltag überwiegen allerdings oft noch
Aussagen über die ›richtige‹, ›aktuellste‹, ›modernste‹ Methode usw.
Dieses Kapitel versucht deshalb, zwei Ziele gleichzeitig zu erreichen.
Zum einen soll die Entwicklung der globalen Methodendiskussion his-
torisch nachgezeichnet werden. Zum anderen sollen für jeden dieser An-
sätze die wichtigsten Merkmale beschrieben werden, damit sie in ihrer
Bedeutung für die aktuelle Unterrichtspraxis verstanden werden können.
Der Begriff ›Methode‹ ist dabei problematisch.

Definition Eine £ Methode ist der Weg, der eingeschlagen werden muss, um
ein bestimmtes Lernziel zu erreichen.

Lehrende müssen sich z. B. Gedanken darüber machen, mit welcher Ak-


tivität sie die Lernenden dazu bringen können, beim Lesen nicht jedes
unbekannte Wort im Wörterbuch nachzuschlagen. Darüber nachzuden-
ken, wie ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll und sich damit mög-
licher Methoden bewusst zu werden, ist eine alltägliche Aufgabe eines
Lehrenden, und die Fremdsprachendidaktik muss dafür sorgen, dass in
der Lehrerausbildung die zukünftigen Lehrenden entsprechend vorberei-
tet werden.
Darüber hinaus gibt es in der fremdsprachendidaktischen Diskussi-
on aber auch noch eine andere Belegung des Begriffs ›Methode‹, wie sie
zu Beginn dieses Kapitels verwendet wurde, die sich z. B. in Ausdrücken
wie ›die direkte Methode‹ oder ›die audiolinguale Methode‹ zeigt. Bei ei-
ner derartigen Verwendung wird nicht mehr im engeren Sinne darüber
nachgedacht, welche Schritte zur Erreichung eines bestimmten Ziels un-
ternommen werden, sondern es wird über das Fremdsprachenlernen gere-
det. Zur Abgrenzung zur obigen Definition von Methode verwendet man
oft den Begriff ›globale Methode‹.

Definition Der Begriff £ globale Methode ist mit einem weitgehenden


Anspruch verknüpft: Es gilt die Annahme, dass bestimmte Vorstel-
lungen vom Fremdsprachenlernen unterschiedslos auf alle Lerner
bezogen werden können. Manchmal ist nicht die Rede von globaler
Methode, sondern von ›Orientierung‹ oder ›Ansatz‹. In dieser verän-
derten Begrifflichkeit schwingt mit, dass der Alleinvertretungsan-
spruch einer Methode bereits kritisch gesehen wird.

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Umfassende Konzepte der Fremdsprachenvermittlung

Globale Methoden im 20. Jahrhundert: Die Grammatik-Übersetzungs-


Methode (man findet auch die Schreibweise ›Grammatik-Übersetzungs-
methode‹), die direkte Methode, die audiolinguale und die audiovisuelle
Methode sind Beispiele dafür, dass eine das gesamte Fremdsprachenler-
nen umfassende Konzeption mit dem Begriff ›Methode‹ belegt wurde. Da-
nach, etwa ab Mitte der 1970er Jahre, änderte sich die Terminologie ein
wenig: Statt von einer kommunikativen und von einer interkulturellen
Methode sprach man vom kommunikativen bzw. interkulturellen Ansatz
oder von einer kommunikativen oder interkulturellen Orientierung. Die
Wortwahl ist also vorsichtiger geworden, und das hat einen guten Grund.
Spätestens ab den 1970er Jahren war klar, dass sich die Fremdsprachen-
didaktik mit der Suche nach der ›besten‹ Methode in eine Sackgasse ma-
növriert hatte.
In diesen Jahren wurde in Forschungsprojekten (s. Kap. 4.5), die ei- Das Ende des
gentlich zeigen sollten, welche der damals vorherrschenden Methoden Alleinvertretungs-
denn die bessere sei, deutlich, dass derart generelle Aussagen über das anspruchs globaler
Fremdsprachenlernen nicht besonders sinnvoll sind, sondern dass Aus- Methoden
sagen über das Fremdsprachenlernen möglichst präzise im Hinblick auf
die beteiligten Lernenden, die Institutionen, die Lernziele usw. getroffen
werden müssen. Man hätte deshalb erwarten können, dass seit den 1970er
Jahren gar keine globale Methodendiskussion mehr stattfindet. Das ist
nicht so: Vor allem mit dem kommunikativen Ansatz und zu einem ge-
ringeren Maße auch mit dem interkulturellen Ansatz ist die globale Dis-
kussion fortgeführt worden. Und selbst im 21. Jahrhundert verweist (vgl.
z. B. das in den USA recht einflussreiche Buch von Kumaravadivelu 2006)
der Begriff ›Post-Method‹, der andeuten soll, man sei jetzt endlich über die
Methodenfi xierung hinausgekommen, noch indirekt auf die Dominanz
der Methodendiskussion.
Die folgenden Unterkapitel 4.1 bis 4.7 sollen diese verschiedenen Me-
thoden/Ansätze/Orientierungen kurz charakterisieren. Danach wird in
4.8 die Konzeption der Aufgabenorientierung, die sich aus der kommu-
nikativen Orientierung entwickelt hat, genauer beleuchtet werden. Übun-
gen und Aufgaben als Herzstück der Fremdsprachendidaktik, die im
Laufe des Buches bezogen auf die verschiedenen Fertigkeiten (s. Kap. 6)
und Lerngegenstände (s. Kap. 8) ebenfalls behandelt werden, sollen sys-
tematisch diskutiert werden: Welche Funktion haben Übungen und Auf-
gaben? Wodurch unterscheiden sich Übungen und Aufgaben? Wie kann
man sie klassifi zieren? Den Abschluss dieses Kapitels bilden in 4.9 eine
kurze Charakteristik der sog. ›alternativen Methoden‹, die sich im Lauf
des 20. Jahrhunderts als Reaktion auf die Vernachlässigung bestimmter
Aspekte des Fremdsprachenlernens in den etablierten Methoden entwi-
ckelt haben, und in Kapitel 4.10 ein Einblick in die Dramapädagogik, die
auf die Tatsache reagiert, dass performative Komponenten im klassischen
Fremdsprachenunterricht eine viel zu geringe Rolle spielen und die nun
umgekehrt versucht, das Fremdsprachenlernen aus der Perspektive des
Inszenierens zu begründen.

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4.1
Umfassende Konzepte der Fremdsprachenvermittlung

Die Grammatik-
Übersetzungs-
Methode

4.1 | Die Grammatik-Übersetzungs-Methode


Ausgangspunkt: Bildung durch das Studium der alten Sprachen: Die
Grammatik-Übersetzungs-Methode (im folgenden GÜM abgekürzt) über-
trug die Art und Weise, wie alte Sprachen wie Latein und Altgriechisch
unterrichtet wurden, auf den neusprachlichen Unterricht. Die Betrach-
tung der alten Sprachen trägt zur Bildung der Lernenden bei; an der Aus-
einandersetzung mit den Strukturen und Texten dieser Sprache sollen sie
ihren Verstand, ihre logischen Fähigkeiten, schulen und sich bilden. Das
Sprechen in diesen Sprachen war natürlich kein wesentliches Ziel eines
Unterrichts, der für einen kleinen Teil der Bevölkerung, die Gymnasias-
ten, reserviert war.
Bildung und Explizite Grammatikvermittlung: Die Strukturen der Zielsprache sind
Grammatik in der GÜM also ein wichtiger Gegenstand im Unterricht. Zunächst wur-
de Grammatik präsentiert, danach geübt. Daran schlossen sich Aktivitä-
ten wie das Lesen und eventuell das Übersetzen von Texten an, wobei
die Texte möglichst dem hochkulturellen Kanon entnommen wurden.
Schreibaktivitäten waren zum einen Diktate, zum anderen Zusammen-
fassungen von Texten oder Aufsätze und Übersetzungen. In der heutigen
Terminologie würde man von einem ausgesprochen kognitiven Konzept
der expliziten Grammatikvermittlung sprechen, deren Funktion es war,
zum Bildungsprozess des Individuums durch die Schulung formaler Fä-
higkeiten beizutragen. Es gab eine klare Dominanz von geschriebenen
Texten sowohl im rezeptiven als auch im produktiven Bereich, Sprechen
und Hören waren verglichen damit weniger bedeutsam.
Historisierende Überblicke über die Methodenentwicklung erwähnen
meist, dass dies eine besonders im 19. Jahrhundert dominierende Metho-
de war. Diese zeitliche Einordnung passt gut zu der Aussage, es handele
sich um eine ›veraltete‹ Methode. Dabei sollte allerdings nicht vergessen
werden, dass in vielen Klassenzimmern auch heute noch ein nicht un-
beträchtlicher Teil des Unterrichts als GÜM klassifi ziert werden müsste
und dass ein Teil der Germanistikstudenten, die aus dem Ausland in den
deutschsprachigen Raum kommen und zum Teil über ausgezeichnete
Deutschkenntnisse verfügen, in ihren jeweiligen Ausgangsländern einen
GÜM-ähnlichen Unterricht durchlaufen haben. Neben den Hinweisen auf
die offensichtlichen Defi zite im kommunikativen Bereich lohnt sich also
schon die Frage, welchen Beitrag ein derart auf den expliziten Umgang
mit der Form fi xiertes Vorgehen für das Fremdsprachenlernen welcher
Lernenden mit welchen Lernzielen leisten könnte.
Ein prototypisches Lehrwerk? In Kapitel 3.2.5 wurde darauf verwiesen,
dass die Beschreibung der Entwicklung von Lehrwerken für Deutsch als
Fremdsprache und ihre Einteilung in die sogenannten Lehrwerkgenerati-
onen eng mit den jeweils vorherrschenden Methoden verknüpft ist. Das
Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache, das manchmal als prototypisch
für diesen Ansatz genannt wird, ist Deutsche Sprachlehre für Ausländer
(Schulz/Griesbach 1955). Und tatsächlich findet man in diesem Lehrwerk
Elemente, die darauf hinweisen: Die Vermittlung von Grammatik ist ein

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4.2
Umfassende Konzepte der Fremdsprachenvermittlung

Die direkte
Methode

wichtiges Ziel, es gibt einen kognitiven Zugang zur Grammatik, verwen-


det wird lateinische Terminologie.
Diese Zuordnung ist jedoch nicht unumstritten. Funk/König (1991)
ordnen dieses Lehrwerk der GÜM zu, während Neuner/Hunfeld (1993) es
eher als Vertreter einer sogenannten vermittelnden Methode sehen. Brill
(2005) hat die 1:1 Zuordnung von bestimmten Lehrwerken und Metho-
den, die man häufig findet, durchbrochen, sie analysiert ausführlich Lehr-
werke, die als prototypisch für bestimmte Methoden gelten im Hinblick
auf die Eindeutigkeit der Zuordnung. Die Problematik bei dieser direkten
Zuordnung sei darin zu sehen,
»dass in der Fachliteratur eine Traditionslinie zwischen der GÜM, die für eine ganz
bestimmte homogene Zielgruppe (jugendliche Gymnasiasten) mit spezifischen
Lehrzielen im schulischen Kontext des letzten Jahrhunderts etabliert wurde, und dem
Unterricht mit einer heterogenen Zielgruppe (Erwachsene) im außerschulischen Be-
reich ca. 60 Jahre später, der von Anfang an ganz andere (eher pragmatische) Lehrziele
verfolgte, gezogen wurde« (Brill 2005, S. 131).

Eine ausführlichere Beschäftigung mit Lehrwerken im Kontext der GÜM


findet sich in Neuner/Hunfeld (1993, S. 20–29) und Brill (2005, S. 115–135).
Kritik an der GÜM: Solange die Beschäftigung mit sprachlichen For-
men und hochkulturellen Texten als Teil der Allgemeinbildung des jun-
gen Menschen das wichtigste Ziel ist, ist der entsprechende Umgang auch
mit modernen Sprachen sinnvoll. Verändert sich die Zielsetzung hin zu
einer stärkeren Förderung dessen, was man in der heutigen Terminologie
kommunikative Kompetenz nennen würde, dann wird ein Unterricht pro-
blematisch, der besonders viel Wert legt auf einen kognitiven Zugang zu
Strukturen, die in schriftlichen Texten präsentiert werden. Gegen Ende des
19. Jahrhunderts beginnt deshalb eine Gegenbewegung zur GÜM. Norma-
lerweise der Initiative des Marburger Wissenschaftlers Wilhelm Viëtor mit
seinem Text »Der Sprachunterricht muss umkehren« zugeschrieben, entwi-
ckelt sich eine Art Negation der GÜM, die sogenannte direkte Methode.

4.2 | Die direkte Methode


Anti-GÜM: Die direkte Methode kann man sich als direkte Gegenposition
zur GÜM vorstellen. Das zeigen schon die alternativen Namen, unter der
sie zum Teil geführt wurde: »Anti-Grammatik-Methode, Reform-Methode,
rationale Methode, natürliche Methode, konkrete Methode, intuitive Me-
thode, analytische Methode« (Neuner/Hunfeld 1993, S. 33).

Das Ziel der £ direkten Methode ist die Beherrschung der gespro- Definition
chenen Sprache, genauer die mündliche Beherrschung von Sprache.
Der kindliche Erstspracherwerb dient als Modell. Die Entwicklung
von Regeln erfolgt aus der Auseinandersetzung mit dem sprachli-
chen Material, also durch ein induktives Vorgehen.

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4.2
Umfassende Konzepte der Fremdsprachenvermittlung

Die direkte
Methode

Lernen wie Natürlicher Spracherwerb als Vorbild: Lernende sollen im Rahmen der
ein Kind direkten Methode durch Nachahmung und durch Induktion eine Art Ge-
fühl für die neuen Sprachen erwerben. Zum ersten Mal kommt hier bei der
Diskussion um das gesteuerte Fremdsprachenlernen das Konzept der Na-
türlichkeit als starkes Argument ins Spiel. Zwar war auch den Vertretern
der direkten Methode klar, dass ein Jugendlicher oder ein Erwachsener
die fremde Sprache nicht so lernt wie ein Kind seine Erstsprache. Trotz-
dem war, das deutet der Name direkte Methode bereits an, der natürliche
Erstspracherwerb das große Vorbild.
Anschaulichkeit und entdeckendes Lernen sind als Konzepte in der
direkten Methode, genauer gesagt in der Reformpädagogik, auf die sich
die direkte Methode bezieht, bereits vorhanden, sie sind also keine Neu-
erfindung der 1970er Jahre, auch wenn sie in diesen manchmal als fach-
didaktische Neuerungen propagiert werden. Lehrende sind Sprachvorbil-
der, man ahmt sie nach. Der Fokus auf Alltag und Sprechen führt neben
der Zurückdrängung der expliziten Grammatik zu einem zweiten Verlie-
rer dieses Methodenwechsels: Literatur spielt im Unterricht eine weitaus
geringere Rolle als in der GÜM.
Einsprachigkeit: Die neue Sprache soll dazu dienen, sich im Alltag zu-
rechtzufinden, z. B. im schulischen Umfeld. Es sollen möglichst direkte
Beziehungen zwischen der wahrgenommenen Welt und der neuen Spra-
che mit ihren Wörtern hergestellt werden, der Weg über die Erstsprache,
in der GÜM noch das Vorgehen der Wahl, ist plötzlich nicht nur ein Hin-
dernis, er ist sogar schädlich: Die direkte Methode plädiert für Einspra-
chigkeit, man hofft, die Lernenden könnten die vorhandene Sprache wäh-
rend des Unterrichts quasi vergessen und eine direkte Verbindung von
Welt und neuer Sprache aufbauen.
Dazu bedarf es einer Verbindung von Welt und Sprache, und so wird
die direkte Umgebung im Klassenzimmer ebenso wie der Teil der Welt,
den man über Bilder ins Klassenzimmer bringen kann, so anschaulich
wie möglich vermittelt. Visuelle Hilfsmittel spielten deshalb eine viel grö-
ßere Rolle als in der GÜM.
Grammatische Regeln sind im induktiven Verfahren zwar weiterhin
vorhanden, aber sie sind nicht wie beim deduktiven Verfahren der Beginn,
sondern das Ende: Eine Regel entwickelt sich und wird danach explizit
gemacht. Eine ausführlichere Beschäftigung mit Lehrwerken im Kontext
der direkten Methode findet sich in Neuner/Hunfeld (1993, S. 40–43). Die
direkte Methode hat an vielen privaten Sprachschulen überlebt und auch
überall da, wo Einsprachigkeit dogmatisch durchgesetzt wird, auch ge-
gen die neueren Erkenntnisse zur Bedeutung bereits gelernter Sprachen
(s. Kap. 11).
In der Anfangsphase der direkten Methode waren überwiegend die
Lehrenden das Sprachvorbild, weil Aufzeichnungsgeräte für gesproche-
ne Sprache kaum eine Rolle spielten. Sobald die ersten Schallaufzeich-
nungsgeräte vorhanden waren, konnten diese verwendet werden, um
nachahmenswerte Sprachvorbilder in den Unterricht zu bringen, vor al-
len Dingen dort, wo trotz größter Bemühungen, muttersprachliche Spre-

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4.3
Umfassende Konzepte der Fremdsprachenvermittlung

Die audiolinguale
Methode

cher der Sprache als Lehrende zu engagieren, diese nicht zur Verfügung
standen.

4.3 | Die audiolinguale Methode


Mit dem Aufkommen der direkten Methode waren Grundprinzipien wie Muster üben
Einsprachigkeit, Induktion, Nachahmung und Primat des Mündlichen im Sprachlabor
feste Bestandteile der Fremdsprachendidaktik geworden, die seither, zu
verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich intensiv, eine wichtige Rolle
gespielt haben. In den 1950er Jahren wurden diese Grundprinzipien der
direkten Methode aufgenommen und mit den damals aktuellen linguis-
tischen und psychologischen Vorstellungen von Lernen verbunden. Es
entwickelte sich die sogenannte audiolinguale Methode. Diese zeichnete
sich vor allen Dingen dadurch aus, dass zum ersten Mal überhaupt im
Sprachunterricht größere technische Investitionen stattfanden. Ebenso
wie bei der direkten Methode ist das Beherrschen von Sprachen, nicht das
Sprachwissen, das entscheidende Ziel, ebenso wie bei der direkten Me-
thode haben die Fertigkeiten des Hörens und Sprechens Vorrang vor dem
Lesen und Schreiben.

Bei der £ audiolingualen Methode stehen ebenso wie bei der Definition
direkten Methode das Hören und das Sprechen im Mittelpunkt.
Hervorstechende Merkmale der Vermittlung sind die Imitation von
Satzmustern ( pattern drill) und die positive Reaktion auf richtige
Antworten der Lernenden beim Üben (reinforcement). Ab den
1960er Jahren findet ein Großteil der Übungen im Sprachlabor statt.
Die Grammatikvermittlung erfolgt induktiv.

Paten aus Linguistik und Psychologie: Das Aufkommen des audiolingua-


len Unterrichts wurde zum einen unterstützt durch eine Entwicklung in
der Linguistik, durch den sogenannten amerikanischen Strukturalismus
(zur Einordnung der Bedeutung der Arbeiten von Charles Carpenter Fries
für den Fremdsprachenunterricht vgl. Helbig 1974, S. 255–260). Die Ler-
nenden sollten versuchen,
»eine direkte Beziehung zwischen den Erfahrungen und den Äußerungen in der
Fremdsprache herzustellen und auf diese Weise die Sprachgewohnheiten der Mutter-
sprachler (›speaking habits‹) nachzuahmen. Der ökonomischste Weg, die Struktur-
modelle einer Sprache zu lernen […] ist nach Fries die fortlaufende Wiederholung der
Patterns« (ebd., S. 256).

Befördert wurde durch diesen Ansatz ein Konzept von Sprachunterricht,


das überwiegend satzbezogen war. Die Vermittlung von Strukturen folgte
einer bestimmten Progression, die durch den Vergleich von Sprachen, die
strukturalistisch analysiert waren, hergestellt werden sollte. Diese Struk-
turen mussten intensiv geübt werden. Hier traf sich der Strukturalismus

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