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Herstellung von Wasserstoff durch

Elektrolyse und andere Verfahren 9


Sebastian Metz ● Tom Smolinka
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Christian I. Bernäcker ● Stefan Loos ● Thomas Rauscher ●
Lars Röntzsch
Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte
Materialforschung IFAM, Institutsteil Dresden
Michael Arnold ● Arno L. Görne ● Matthias Jahn ●
Mihails Kusnezoff
Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme
IKTS
Gunther Kolb
Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM
Ulf-Peter Apfel ● Christian Doetsch
Fraunhofer-Institut für Umwelt, Sicherheit und Energie
Technik UMSICHT

Abstrakt

Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Realisierung von
elektrischen Energiespeichern wird Wasserstoff den dritten Baustein der
Energiewende bilden. Wasserstoff und wasserstoffbasierte synthetische
Kraftstoffe eignen sich besonders für den Einsatz in industriellen Prozessen,
etwa in der Stahlindustrie und der chemischen Industrie, sowie in der
Langstreckenmobilität, im Schwerlastverkehr und in der Luftfahrt, wo
Batteriespeicher an ihre technologischen Grenzen stoßen. Auch bei der
Rückverstromung werden Wasserstoffanwendungen zunehmend an Bedeutung
gewinnen,

© Springer Nature Schweiz AG 2022 203


R. Neugebauer (Hrsg.),
Wasserstofftechnologien,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-22100-2_9
2049 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere Verfahren

sowie bis zu einem gewissen Grad auch im Wärmesektor. Die Kopplung von
Wasserstoff mit regenerativen Energiequellen (Windkraft, Photovoltaik) und
die sektorübergreifende Integration des Energiesystems wird nur möglich sein,
wenn Wasserstoff durch Elektrolyse erzeugt wird.
Im Folgenden werden die verschiedenen Technologien zur
Wasserstofferzeugung, die entweder bereits auf dem Markt verfügbar sind
oder derzeit auf den Markt gebracht werden, vorgestellt und hinsichtlich ihrer
Vor- und Nachteile beschrieben. Während die alkalische Elektrolyse bereits
seit Jahrzehnten auf dem Markt etabliert ist, befindet sich die PEM-Elektrolyse
noch in der Phase der Aufskalierung, um die Kosten zu senken. Weitere
vielversprechende Technologien, die sich noch in der Entwicklung oder in der
Demonstrationsphase befinden, sind die Hochtemperaturelektrolyse und die
alkalische Mem- brane-Elektrolyse. Diese "grünen" Verfahren zur
Wasserstofferzeugung werden sowohl mit bestehenden Verfahren (grauer
Wasserstoff: Methandampfreformierung) als auch mit neuen Verfahren auf der
Basis fossiler Brennstoffe (blauer/türkiser Wasserstoff) verglichen. Im
Ausblick werden photokatalytische und biologische Verfahren vorgestellt.

9.1 Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff

Heute wird der größte Teil des Wasserstoffs durch die Dampfreformierung von
Erdgas hergestellt, ein Prozess, bei dem große Mengen Kohlendioxid (CO2 )
freigesetzt werden. Bei der Herstellung von einer Tonne Wasserstoff entstehen
etwa zehn Tonnen CO2 . Auch die endotherme Reformierung erfordert Energie,
so dass zusätzliches Erdgas verbrannt werden muss, um die Reaktion in Gang zu
halten. Ein großer Teil des "grauen Wasserstoffs" wird für die Verarbeitung von
Rohöl in Raffinerien und damit für die Massenproduktion von Kraft- und
Schmierstoffen benötigt. Er wird auch für die Synthese von Ammoniak (das
letztlich zur Herstellung von Düngemitteln verwendet wird) und für die
Herstellung von chemischen Rohstoffen wie Methanol, höheren Alkoholen und
Aminen benötigt (Abb. 9.1). Darüber hinaus wird sie im Rahmen der Fischer-
Tropsch-Synthese zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe verwendet. Neben
Erdgas wird auch Kohle als fossiler Brennstoff verwendet. Wasserstoff, auch
schwarzer Wasserstoff genannt, wird in einem hydrothermalen
Vergasungsprozess unter Verwendung von Wasserdampf hergestellt. Von blauem
Wasserstoff spricht man, wenn das bei der Dampfreformierung freigesetzte CO2
abgetrennt und im Erdreich gespeichert wird. Dies wird als Carbon Capture and
Storage (CCS) bezeichnet. Auf diese Weise wird das CO2 nicht wieder in die
Atmosphäre freigesetzt. Die Herausforderung besteht jedoch darin, es langfristig
sicher zu speichern. Türkisfarbener Wasserstoff wird ebenfalls aus Erdgas
hergestellt, wobei das Methan durch Zufuhr von thermischer oder elektrischer
Energie in seine Bestandteile zerlegt wird, so dass fester Kohlenstoff und
gasförmiger Wasserstoff entstehen. Daher führt der Prozess selbst nicht zur
Freisetzung von CO2 , sofern der endotherme Prozess mit
206 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren

Abb. 9.1 Wasserstoffproduktion und -anwendungen weltweit. (eigene Darstellung nach IEA)

CO2 -freie Energie. Wie bei allen auf Erdgas basierenden Produktionsprozessen
müssen jedoch die langfristige Bindung des Kohlenstoffs sowie die Emissionen
berücksichtigt werden, die in der Lieferkette vorgelagert sind und nicht
vollständig vermieden werden können.
Sowohl bei der Dampfreformierung als auch bei der Methanpyrolyse ist es
möglich, Biogas anstelle von Erdgas zu verwenden. Unter dem Gesichtspunkt der
Nachhaltigkeit ist die Nutzung biogener Reststoffe besonders vorteilhaft.
Allerdings müssen die gesamte Prozesskette und die damit verbundenen
Emissionen vor dem Hintergrund der eingesetzten Materialien, zum Beispiel
Abfall- oder Reststoffe, betrachtet werden. Ein bereits etabliertes Verfahren zur
Erzeugung von Wasserstoff mit elektrischer Energie ist die Chloralkali-
Elektrolyse, bei der Wasserstoff als Nebenprodukt anfällt. Der Anteil an der
gesamten Wasserstoffproduktion ist jedoch gering.
Langfristig werden grüner Wasserstoff und seine Syntheseprodukte die
wichtigste Rolle beim Aufbau einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft spielen
müssen. Der größte Teil des grünen Wasserstoffs wird durch Wasserelektrolyse
hergestellt, ein Verfahren, das nur Strom aus erneuerbaren Energien und
gereinigtes Wasser benötigt (Abb. 9.2). Damit ist die Herstellung von Wasserstoff
ein weitgehend emissionsfreier Prozess. Allerdings gibt es derzeit eine Vielzahl
von Definitionen für grünen Wasserstoff. Für das Bundesministerium für
Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) gilt Wasserstoff als "grün", wenn er durch Elektrolyse
aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Auf der anderen Seite haben
Prüforganisationen wie die
9.1 Verfahren zur Herstellung von 205
Wasserstoff

Reformierung von Erdgas mit


Gray Dampf
- Verbunden mit hohen CO2
Emissionen

Reformierung von Erdgas mit Dampf, gekoppelt


mit CCS
Blau
- Erfordert die dauerhafte Speicherung von CO2

Reduzierung der
Treibhausgase
Thermische Spaltung von Methan (Pyrolyse) mit
erneuerbare Energien
Turquoi - Erfordert nur die Speicherung von festem
Kohlenstoff

Wasserelektrolyse mit Strom aus


erneuerbaren Energien
Grün - Die Strompreise beeinflussen stark

Abb. 9.2 Vergleich verschiedener Methoden der Wasserstofferzeugung in Bezug auf


Stromdefizite und Produktionskosten. (eigene Darstellung)

der TÜV oder das CertifHy European Guarantee of Origin haben weiter gefasste
Definitionen, wenn es um mögliche Produktionsprozesse und den Einsatz von
erneuerbaren Energien geht. Es ist zu erwarten, dass diese unterschiedlichen
Definitionen in naher Zukunft zumindest auf europäischer Ebene koordiniert
werden.
Gegenwärtig ist grüner Wasserstoff im Durchschnitt doppelt so teuer wie
blauer Wasserstoff und etwa dreimal so teuer wie grauer Wasserstoff. Aufgrund
des Anstiegs der CO2 Gebühren und der potenziellen Grenzen kostengünstiger
CO2 Speicheranlagen wird es schwierig sein, die Kosten für grauen und blauen
Wasserstoff in Zukunft weiter zu senken. Dennoch können die Kosten für die
Bereitstellung von grünem Wasserstoff in Zukunft sinken, wenn erstens die
Effizienz und Langzeitstabilität der eingesetzten Elektrolyseverfahren verbessert
wird, zweitens geeignete regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden
und drittens eine bedarfsgerechte Wasserstoffinfrastruktur aufgebaut wird.
Zur Herstellung von grünem Wasserstoff können verschiedene
Elektrolyseverfahren eingesetzt werden. Diese unterscheiden sich vor allem durch
die Betriebstemperatur und den jeweiligen Entwicklungsstand. Um die geeignete
Technologie auszuwählen, müssen sowohl die Umweltbedingungen als auch die
Betriebsbedingungen berücksichtigt werden. Dies wird in Abschnitt 9.2 näher
erläutert. Weitere Möglichkeiten zur Erzeugung von grünem Wasserstoff können
sein
9.2 Wasserstofferzeugung durch 207
Elektrolyse
in biotechnologischen Prozessen und Strategien zur Gewinnung von
Solarwasserstoff durch Photokatalyse. Derzeit wird das Verfahren der
Wasserspaltung durch Photokatalyse im Labormaßstab erprobt. Es verspricht
aufgrund seiner geringen Systemkomplexität und der erprobten Nutzung von
Großtechnologien aus der Photovoltaikindustrie zukünftige Kostenvorteile. Diese
Elektrolyseverfahren, aber auch andere innovative Verfahren, werden in den
folgenden Abschnitten näher erläutert.

9.2 Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse

9.2.1 Grundlagen der Wasserelektrolyse

Einführung
Im Allgemeinen wird die elektrochemische Aufspaltung von Wasser in seine
Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff mittels elektrischer Energie als
Wasserelektrolyse bezeichnet. Der Prozess der Aufspaltung von Wasser ist
endotherm. Die folgende Gleichung beschreibt die grundlegende Reaktion:
1
HOH+ O ∆H = 286 kJ/mol (9.1)
2 2 2 R
2

Dies ist der umgekehrte Weg zu einer Reaktion in einer Brennstoffzelle, bei der
Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser reagieren und dabei elektrische Energie
erzeugt wird. Das Wasser kann dem Prozess entweder in flüssiger Form oder als
Dampf zugeführt werden; Sauerstoff und Wasserstoff werden als Gase erzeugt.
Die technisch relevanten Verfahren sind derzeit die alkalische Elektrolyse mit
einem flüssigen basischen Elektrolyten (AEL), die saure Elektrolyse mit einem
festen Polymerelektrolyten (PEMEL) und die Hochtemperaturelektrolyse mit
einer Festoxid-Elektrolysezelle (SOEL). Es gibt jedoch noch andere
elektrochemische Verfahren, die für die Wasserspaltung eingesetzt werden
können und sich derzeit in der Entwicklung befinden (Abb. 9.3). Dazu gehört die
alkalische Membranelektrolyse, bei der eine alkalische Elektrolytmembran
verwendet wird, die
ist leitfähig für OH— Ionen (AEMEL); protonenleitende keramische Elektrolyse
(PC- CEL); und Co-Elektrolyse, die ebenfalls auf Festoxidzellen basiert
(CoSOEL) und Synthesegas (CO + H2 ) durch direkte Reduktion von CO2 und
Wasserspaltung in einer Zelle erzeugt. Die umgekehrte
Wassergasverschiebungsreaktion (rWGS), bei der CO erzeugt wird, läuft parallel
dazu. Die Wasserstoffentwicklungsreaktion (HER) an der Kathode und die
Sauerstoffentwicklungsreaktion (OER) an der Anode variieren je nach
verwendetem Elektrolyt und sind in Tabelle 9.1 zusammengefasst.
208 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren

Abb. 9.3 Schematische Darstellung verschiedener Wasserelektrolyseverfahren. Links:


Niedertemperatur-Elektrolyse. Rechts: Hochtemperaturelektrolyse. (Fraunhofer ISE)

Tabelle 9.1 Halbzellenreaktionen, typische Temperaturbereiche und Ladungsträger der drei


Haupttypen der Wasserelektrolyse
Verfahren Tempera- Kathodische Reaktion Ladun Anodenreaktion
tur gsträge
r
AEL 70-90 °C 2H2 O + 2e— → H2 + OH— 2OH— →1 O2 + H2 O +
2e—
2OH— 2

AEMEL 50-70 °C 2H2 O + 2e → H2 +


— OH — 2OH— →1 O2 + H2 O +
2e—
2OH— 2

PEMEL 50-80 °C 2H + 2e → H2
+ — H+ H2 O →1 O2 + 2H+ + 2e—
2

PCCEL 450-600 °C 2H+ + 2e— → H2 H+ H2 O →1 O2 + 2H+ + 2e—


2

SOEL 650-850 °C H2 O + 2e— → H2 + O2— O2- O2— →1 O2 + 2e—


2

CoSOEL 700-900 °C H2 O + 2e— → H2 + O2- O2— →1 O2 + 2e—


2
O2— CO2 + 2e— → CO +
O2— CO2 + H2 CO +
H O2

Ein wichtiger Faktor, der die verschiedenen Methoden unterscheidet, ist die
Wahl des Elektrolyten. Dieser bestimmt die Art des Ladungsträgers (H+ , OH—
oder O2— ) und hat damit direkten Einfluss auf die Betriebstemperatur der Zelle.
Denn damit die Ionenleitfähigkeit der Elektrolyte hoch genug ist, muss eine
Mindesttemperatur festgelegt werden. Die Festlegung von Temperatur und pH-
Wert bestimmt auch, welches Katalysatormaterial verwendet werden sollte, da die
Elektroden eine ausreichende
Die Zellen müssen in diesem Betriebsfenster eine hohe elektrochemische
Aktivität aufweisen, um Wasser und Sauerstoff zu entwickeln, und sie müssen
auch über einen langen Zeitraum stabil bleiben. Die Arten von Materialien und
Zellkonstruktionen sowie andere Aspekte des Systems, die für die einzelnen
Technologien verwendet werden, werden in den folgenden Abschnitten erörtert.
Unter Standardbedingungen (298,15 K und 101,325 kPa) beträgt die zur
R
9.2 Wasserstofferzeugung durch 209
Elektrolysedes Wassers nach Gl. 9.1 erforderliche Energie ∆H0 = 285,8 kJ/mol, was
Spaltung
folglich entspricht
210 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
der Heizwert von Wasserstoff. Nach der Gibbs-Helmholtz-Gleichung besteht die
Reaktionsenthalpie aus zwei Komponenten:

∆HR = ∆GR + T∆SR (9.2)

Die freie Reaktionsenthalpie (Gibbssche freie Energie) ∆GR beschreibt die


minimal erforderliche Energiemenge, die bei der Reaktion in Form von
elektrischer Energie zugeführt werden muss. Sie entspricht dem Heizwert von
Wasserstoff unter Standardbedingungen
R und hat einen Wert von G0 = 237,2
kJ/mol. Das Produkt aus Temperatur T und Reaktionsenthalpie ∆SR aus Gl. 9.2 ist
der Anteil der Reaktionsenthalpie, der der Reaktion auch als Wärmeenergie
zugeführt werden kann. Im Gegensatz zu Hochtemperaturverfahren (Abb. 9.3)
kann die Niedertemperaturelektrolyse (alkalische Elektrolyse und PEM-
Elektrolyse) jedoch keine oder kaum Wärme aus der Umgebung aufnehmen.
Stattdessen muss die fehlende Wärmeenergie dem Prozess ebenfalls in Form von
elektrischer Energie zugeführt werden.
Die oben genannten Werte gelten für Standardbedingungen bei 298,15 K,
variieren jedoch je nach Prozesstemperatur. Abb. 9.4 ist ein Diagramm, das die
Temperaturabhängigkeit der thermodynamischen Größen zeigt. Die
Diskontinuität bei 100 °C (373,15 K) ist auf den Phasenübergang des Wassers
von Flüssigkeit zu Dampf zurückzuführen. Während der Enthalpieumsatz ∆HR
bei T > 373,15 K (100 °C) weitgehend temperaturunabhängig ist, zeigen die freie
Gibbs-Energie ∆GR und der Anteil der Entropie T∆SR erhebliche
temperaturabhängige Schwankungen, die aus der Temperaturabhängigkeit der
Wärmekapazitäten der beteiligten Stoffe resultieren. Mit steigender Temperatur
nimmt die freie Gibbs-Energie ∆GR ab; gleichzeitig steigt das Produkt aus
Temperatur und Entropie T∆SR . Mit steigender Betriebstemperatur sinkt der
Mindestanteil der Reaktionsenthalpie, der in Form von elektrischer Energie für
die Zersetzungsreaktion zugeführt werden muss. Dies ist der Hauptvorteil der
Hochtemperaturelektrolyse, vorausgesetzt, dass bei dem Prozess intensive Wärme
genutzt werden kann.
Da es sich bei der Elektrolyse um einen elektrochemischen Prozess handelt,
kann die Gibbs'sche freie Energie zur Berechnung der für den Betrieb der
Elektrolysezellen erforderlichen Spannungen verwendet werden. Die reversible R
Zellspannung
rev berechnet sich aus der freien Reaktionsenthalpie ∆G0 zu V0 = 1,23
V und entspricht der Zellspannung einer unter idealen Bedingungen betriebenen
Brennstoffzelle. RBei der Niedertemperatur-Elektrolyse kann jedoch keine Wärme
zugeführt werden, so dass der minimale Energiebedarf für R
die Wasserspaltung
unter Standardbedingungen gleich der Reaktionsenthalpie ∆H0 ist,th aus der sich
die minimale (thermoneutrale) Zersetzungsspannung V0 = 1,48 V berechnen lässt.
9.2 Wasserstofferzeugung durch 211
Elektrolyse

Abb. 9.4 Zusammenhang zwischen den thermodynamischen Zustandsgrößen ∆HR und


∆GR und der Temperatur für die Zersetzung von flüssigem und gasförmigem Wasser bei
101,325 kPa. (Fraun- hofer ISE)

25 Prozent, wobei die theoretische Zersetzungsspannung Vrev auf Werte von etwa
1,0 V abfällt.
Im realen Betrieb einer Elektrolysezelle können diese idealen Zellspannungen
jedoch nicht erreicht werden - hier muss berücksichtigt werden, dass die
Spannung von der Konzentration abhängt, wie sie durch die Nernst-Gleichung
beschrieben wird:
ΔGR (p; T; H2 - Ox/ RT xH2 O

VNernst;H2 = - - ln 1/2 (9.3)


2F 2F xH2
xO2

Darüber hinaus treten zusätzliche Verlustmechanismen auf, wenn ein Stromfluss


angelegt wird, der im realen Betrieb zu einer Erhöhung der Betriebsspannung und
damit zu einer Verringerung des Wirkungsgrades führt:

● Ohmsche Verluste: Der Elektronenfluss und der Ionenfluss verlaufen in einer


Elektrolysezelle in entgegengesetzter Richtung. Sie werden hauptsächlich
durch den Ionenwiderstand des Elektrolyten, den elektrischen Innenwiderstand
der Elektroden und durch den Kontaktwiderstand verursacht.
212 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
● Kinetische Verluste: Diese entstehen an der Anode bzw. Kathode durch den
geschwindigkeitsbegrenzten Übergang der Elektronen an der Grenzfläche
zwischen Elektrode und Elektrolyt. Diese Verluste erzeugen Überspannungen
an der Elektrode, die in die entgegengesetzte Richtung der Reaktion wirken.
Die Überspannungen an der
Wasserstoffseite (Kathode) sind deutlich niedriger als die Überspannungen auf
der Sauerstoffseite (Anode).
● Verluste aufgrund von Beschränkungen des Massentransports: Diese
Verluste werden durch Hindernisse beim Transport von Gasen und
Flüssigkeiten zur und von der Elektrode verursacht. Weniger Umwandlung
an der Elektrode stattfindet, da die elektrochemische Reaktion den Reaktanten
nicht ausreichend zur Verfügung steht. Um den Umwandlungsprozess
aufrechtzuerhalten, ist es notwendig, die Überspannung als treibende Kraft an
der Elektrode zu erhöhen. Ein bekanntes Beispiel für diesen Mechanismus ist
die durch Gasblasen verursachte Überspannung in gasproduzierenden
Elektroden in flüssigen Elektrolyten, die auch bei der alkalischen
Wasserelektrolyse ausgenutzt wird.

Die Auswirkungen der unvermeidlichen Verluste, die beim Anlegen eines


Stromflusses an die Zelle auftreten, können zwar stark variieren, führen aber bei
allen Elektrolysetechnologien zu einer Erhöhung der tatsächlichen Zellspannung
im Vergleich zur idealen Zellspannung. Dies hat zur Folge, dass mit zunehmender
Stromdichte mehr Energie zugeführt werden muss und der Wirkungsgrad der
Elektrolysezelle sinkt. Da die Geschwindigkeit der Wasserstoffproduktion
proportional zum zugeführten Strom ist (Faradaysches Gesetz), zielen die
Entwicklungen im Bereich neuer Materialien und Komponenten darauf ab,
möglichst hohe Stromdichten zu erreichen und gleichzeitig die Zellspannungen
niedrig zu halten. Es gilt also, einen Kompromiss zwischen hohem Wirkungsgrad
(geringe Betriebskosten) und hoher Stromdichte (geringe Anschaffungskosten) zu
finden.
Die oben skizzierten Verluste treten bei den verschiedenen Elektrolyse-
Technologien in unterschiedlichem Maße auf. Abb. 9.5 zeigt typische Spannungs-
Stromdichte-Kennlinien für die drei wichtigsten Technologien: AEL, PEMEL
und SOEL. In der Abbildung wird auch die zukünftige Entwicklung bis etwa
2030 abgeschätzt.
Bei der alkalischen Elektrolyse werden Elektroden auf Nickelbasis verwendet.
Sie wird bei Temperaturen um 80 °C und Stromdichten zwischen 0,2 und 0,6
A/cm2 durchgeführt, während die Zellspannungen unter 1,9 V liegen. Neuere
Entwicklungen mit komplexeren Elektroden sind auch für Stromdichten bis zu
1,0 A/cm2 bei denselben Zellspannungen geeignet. Zukünftig sollten auch
Stromstärken von mehr als 1,0 A/cm2 bei Zellspannungen von etwa 1,8 V
möglich sein.
Die PEM-Elektrolyse kann aufgrund ihrer edelmetallhaltigen Elektroden und
ihrer sehr kompakten Bauweise hohe Stromdichten von ca. 2,0 A/cm2 bei ca. 60
9.2 Wasserstofferzeugung durch 213
Elektrolyse
°C erreichen. Die Zellspannungen liegen zwischen 1,8 und 1,9 V und sind damit
vergleichbar mit denen der alkalischen Elektrolyse. Die Stromdichte wird erhöht
auf
214 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren

Abb. 9.5 Vergleich der unterschiedlichen Spannungs-Strom-Kennlinien für die drei


wesentlichen Verfahren AEL, PEMEL und SOEL und eine Abschätzung typischer
Betriebspunkte für heute und 2030. (Fraunhofer ISE)

Die Stromdichte wird bis 2030 deutlich über 3,0 A/cm2 steigen und die
Zellspannung auf ca. 1,7 V sinken. Auch die Hochtemperaturelektrolyse, eine
vergleichsweise neue Technologie, bietet ein großes Entwicklungspotenzial.
Aufgrund der hohen Betriebstemperaturen beträgt die Zellspannung
typischerweise nur 1,3 V. Dies wird sich in den nächsten Jahren nicht wesentlich
ändern, aber die Stromdichte wird deutlich erhöht werden.
Mit zunehmender technologischer Reife der Zellen wird auch eine deutliche
Verbesserung der Lebensdauer des Zellstapels erwartet. Basierend auf einer
Literaturstudie zu den Lebensdauervorhersagen in Herz et al. [1] zeigt Abb. 9.6
eine angepasste Darstellung für die drei Technologien AEL, PEMEL und SOEL.
Obwohl es noch deutliche Unterschiede in der Lebensdauer gibt, wird erwartet,
dass in den nächsten Jahrzehnten bei keinem der drei Verfahren einzelne Zellen
oder ganze Stacks erst nach über 80.000 Betriebsstunden ausgetauscht werden
müssen. Bei der Erarbeitung einer Einsatzstrategie ist jedoch zu berücksichtigen,
dass die Betriebsweise des Elektrolysesystems einen erheblichen Einfluss auf die
Lebensdauer der Zellen haben kann.

Eine kurze Geschichte


Das Prinzip der elektrochemischen Zersetzung von Wasser in einer
Elektrolysezelle ist bereits seit mehr als 230 Jahren bekannt. Die erste
elektrochemische Erzeugung von Wasserstoff mit Hilfe von Elektrizität wurde
bereits 1789 von van Troostwijk und Deiman durchgeführt, wobei ein
elektrostatischer Generator als Gleichstromquelle verwendet wurde [2].
9.2 Wasserstofferzeugung durch 215
Elektrolyse

Abb. 9.6 Lebensdauerprognosen für die verschiedenen Elektrolyse-Technologien,


angepasst nach Herz et al. (Fraunhofer IKTS nach [1])

Kurz nachdem Volta im Jahr 1800 den galvanischen Pfahl entwickelt hatte,
benutzten Carlisle und Nicholson ein solches Gerät, um Wasser in Wasserstoff
und Sauerstoff zu zerlegen [3]. Im selben Jahr führte Ritter in Jena ähnliche
Experimente durch. Jahrhunderts verwendete Cruickshank eine photovoltaische
Batterie für die elektrochemische Zersetzung von NaCl-Lösungen in Wasserstoff
und Chlor. Dennoch dauerte es Jahrzehnte, bis diese Verfahren in technischen
Anwendungen eingesetzt wurden. Um 1890 konstruierte Charles Renard eine
Wasserelektrolyseanlage zur Erzeugung von Wasserstoff für französische
Militärluftschiffe. Der weltweit erste Elektrolyseur in Zellstapel-Bauweise
(Filterpresse) wurde 1899 von Oscar Schmidt von der Firma Oerlikon patentiert
(R.P. 111131) und im August 1900 auf der Generalversammlung der Deutschen
Gesellschaft für Elektrochemie in Zürich vorgestellt [4]. Man schätzt, dass um
das Jahr 1900 weltweit mehr als 400 industrielle Alkaliwasser-Elektrolyseure in
Betrieb waren [5]. Darüber hinaus begann die großtechnische Anwendung des
Chloralkaliprozesses, die von der Firma Griesheim-Elektron in Bitterfeld, der
damals größten Anlage ihrer Art, vorangetrieben wurde. Später, in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts, wurden verschiedene Typen kommerzieller
alkalischer Wasserelektrolyseure entwickelt, um den für die Herstellung von
Ammoniakdünger benötigten Wasserstoff mit Hilfe kostengünstiger Wasserkraft
zu erzeugen. In Trail in Kanada, Rjukan und Glomfjord in Norwegen, am
Assuan-Staudamm in Ägypten und anderswo wurden Großanlagen mit
atmosphärischen Elektrolyseuren und Anschlussleistungen von
216 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
über 100 MW gebaut wurden [6]. Die Produktion von schwerem Wasser trug in
dieser Zeit auch zur Kommerzialisierung der Wasserelektrolyse bei. In der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdrängte die kostengünstigere Methode der
Wasserstofferzeugung durch Methandampfreformierung zunehmend die
Wasserelektrolyse, und gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde das Verfahren
nur noch in Nischenanwendungen eingesetzt.
Die Arbeit an der PEM-Elektrolyse begann in den 1960er Jahren mit dem
Projekt Gemini der NASA. Der entscheidende Durchbruch gelang General
Electric dann Anfang der 1970er Jahre [7] durch den Einsatz der Nafion-
Membran® von DuPont, die Walter G. Groth einige Jahre zuvor entwickelt hatte
[8]. In den ersten zwanzig Jahren konzentrierte sich die Entwicklungsarbeit
aufgrund der hohen Materialkosten fast ausschließlich auf Labor-, Militär- und
Weltraumanwendungen, obwohl General Electric auch Konzepte für den
großtechnischen Einsatz entwickelte [9]. BBC unternahm dann in den 1980er
Jahren mit dem 100 kW MEMBREL PEM-System erste Schritte zur
Erschließung neuer Märkte [10]. Ebenfalls in den späten 1960er Jahren begannen
General Electric und das Brookhaven National Laboratory mit der Entwicklung
eines Hochtemperatur-Elektrolysesystems mit Festoxidzellen [11]. In
Deutschland verfolgte Dornier zwischen 1975 und 1987 im Rahmen des vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts
HOT ELLY (High Operating Temperature ELectroLYsis) die Entwicklung von
HTEL-Röhrenzellen [12]. Trotz all dieser technischen Fortschritte konnten sich
diese Verfahren jedoch nicht auf breiter Basis kommerziell durchsetzen, da sie
nicht mit den Vorteilen der Dampfreformierung konkurrieren konnten. Die
Wasserelektrolyse hat seit Mitte der 1980er Jahre wieder an Aufmerksamkeit
gewonnen, als Wasserstoff als grüner Energieträger in Verbindung mit
erneuerbaren Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie eingesetzt wurde. Die
Kopplung der Wasserelektrolyse mit erneuerbaren Energien wurde in Projekten
wie HySolar des DLR oder Solar Wasserstoff Bayern in Neunburg vorm Wald
[13] erfolgreich demonstriert. Doch erst in den letzten zehn Jahren hat das
weltweite Interesse an der Wasserelektrolyse mit der Verabschiedung
ambitionierter nationaler Klimaschutzprogramme deutlich zugenommen. Sie gilt
heute als Schlüsseltechnologie für die Sektorkopplung.

9.2.2 Alkalische Wasserelektrolyse

Ein alkalischer Elektrolyseur besteht neben den peripheren Anlagen


(Gastrocknung, Kompressoren, Pumpen, Gleichrichter usw.) im Wesentlichen aus
einem Stapel von mehreren Elektrolysezellen, in denen an den beiden Elektroden
Wasser in H2 (Kathode) und O2 (Anode) getrennt wird. Der prinzipielle Aufbau
einer einzelnen alkalischen Elektrolysezelle ist in Abb. 9.7 dargestellt. Der
Kathoden- und der Anodenraum (so genannte Halbzellen) sind durch eine
gasundurchlässige Membran oder ein Diaphragma getrennt. Dies entspricht dem
9.2 Wasserstofferzeugung durch 217
Elektrolyse Stand der Technik,
allgemeinen
218 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren

Abb. 9.7 Grundaufbau einer alkalischen Elektrolysezelle. (Fraunhofer ISE)

Eine wässrige Lösung, in der Regel 30 % KOH, wird als Elektrolyt bei typischen
Prozesstemperaturen zwischen 70 und 90 °C verwendet.
Die Beschaffenheit der Elektroden hängt von zwei Hauptfaktoren ab: erstens
von einer geringen Überspannung und zweitens von einer langen Lebensdauer
des Elektrokatalysatormaterials und der Elektrodenstruktur. Die Überspannung ˜
an einer Elektrode ist definiert als die Differenz zwischen dem reversiblen
Potenzial (thermodynamisches Ideal) für die entsprechende Halbzellenreaktion
(Tabelle 9.1) und dem Potenzial, das tatsächlich für die Produktion von H2 oder
O2 angelegt werden muss. Die branchenüblichen Zellspannungswerte in
alkalischen Elektrolyseuren liegen zwischen 1,65 und 2,0 V, was einem
spezifischen Energieverbrauch von
4,0 bis 4,8 kWh pro produziertem Normkubikmeter H2 (Elektrolyse-
Wirkungsgrad von 73 bis 88 Prozent bezogen auf den Heizwert (HHV) von H2 ).
Im Allgemeinen steigt die Überspannung der Elektrode mit zunehmender
Stromdichte, so dass Stromdichten von 0,2 bis 0,6 A/cm2 typischerweise im
kommerziellen Maßstab verwendet werden.
Platin führt zu einer sehr geringen Überspannung und ist daher das am besten
geeignete Katalysatormaterial für die Kathode, an der H2 erzeugt wird (hydrogen
evolution re-action, HER). Wie andere Edelmetalle ist es jedoch aufgrund der
hohen Materialpreise wirtschaftlich nicht rentabel. Daher wurden mehrere
billigere Materialien entwickelt, die ebenfalls eine hohe HER-Aktivität (geringe
Überspannung) aufweisen. Raney-Ni- und Ni-Mo-Verbindungen haben in dieser
Hinsicht die besten Eigenschaften gezeigt [14-23]. Die Elektrode
9.2 Wasserstofferzeugung durch 219
Elektrolyse
Die heute am weitesten verbreiteten Katalysatormaterialien sind Schichten aus
Raney-Ni, die auf metallische Trägerplatten aufgebracht werden. Im Vergleich zu
glatten Oberflächen haben Raney-Schichten eine deutlich höhere effektive
Oberfläche für die Reaktion und eine höhere strukturelle Defektdichte, wodurch
eine niedrige HER-Überspannung bei gleicher effektiver Stromdichte erreicht
werden kann. Auf der Anodenseite, wo die O2 Bildungsreaktion (OER)
stattfindet, haben sich die Entwicklungen hauptsächlich auf Nickelverbindungen
konzentriert [24, 25]. Raney-Ni- und Ni-X-Verbindungen (X = Co, Fe) spielen
bei diesem Prozess eine führende Rolle, und ihre Aktivität kann durch die
gezielte Zugabe anderer Übergangsmetalle weiter gesteigert werden [18, 26-28].
Neben den elektrochemischen und mechanischen Eigenschaften des
Elektrodenmaterials ist auch die Art und Weise, wie die Elektrode in die einzelne
Zelle integriert ist, entscheidend. Die Reaktionskammern für HER und OER sind
durch ein gasdichtes Diaphragma (oder eine Membran) getrennt, um eine
Kreuzkontamination der Gase zu vermeiden. Es gibt zahlreiche gängige
Zellarchitekturen, die unterschiedliche Anordnungen und Abstände zwischen den
einzelnen Komponenten aufweisen. Zum Beispiel die Nullspaltanordnung
[24] verwendet, bei denen die Elektroden direkt auf das Diaphragma gepresst
werden, um die Spannungsabfälle innerhalb der Elektrolysezelle durch die
Verringerung des ohmschen Widerstands der Elektrolytlösung zu reduzieren. Bei
der klassischen Bauweise wird jedoch ein Abstand von einigen Millimetern
zwischen den Elektroden und dem Diaphragma (oder der Membran) gelassen
[25]. Die Vorteile dieser Architektur liegen in der einfachen und robusten
Bauweise. Die Entfernung der Gasblasen war jedoch bei allen bisherigen
Konstruktionen immer problematisch, da die entstehenden Blasen die
Zellspannung deutlich erhöhen. Dies liegt daran, dass sie sowohl die aktive
Elektrodenoberfläche vorübergehend blockieren als auch den ohmschen
Widerstand der Elektrolytlösung erhöhen. Deshalb bestehen die Elektroden in
konventionellen AEL-Zellen meist aus Lochblechen mit möglichst rauer
Oberfläche, die als "Vorelektroden" in der Nähe des Diaphragmas angeordnet
sind. Durch die Perforation der Vorelektroden können die Gasblasen, die sich auf
der dem Diaphragma zugewandten Seite bilden, in den Raum zwischen der
Vorelektrode und der Endplatte abgeleitet werden. Ein erheblicher Nachteil ist
jedoch die Tatsache, dass durch die Perforation ein erheblicher Teil der
Oberfläche nicht genutzt werden kann (bis zu 30 Prozent der
Vorelektrodenfläche). Dies wiederum schränkt die Raum-Zeit-Ausbeute der
gesamten Elektrolysezelle ein. Neuere Elektrodenentwicklungen basieren auf
porösen metallischen Trägerstrukturen (Porosität von 60 bis 90 Prozent) mit auf
der Oberfläche abgeschiedenen elektrokatalytisch aktiven Schichten. Die
Herstellung solcher porösen, stromführenden 3D-Substratmaterialien mit einem
elektrokatalytisch aktiven Legierungssystem und die damit verbundene
Untersuchung der Struktur-Eigenschafts-Beziehung ist seit mehreren Jahren eine
Kernkompetenz des Fraunhofer IFAM und geht einher mit der Entwicklung von
Technologien zur Herstellung im industriellen Maßstab [29, 30]. Als
220 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
Trägermaterialien werden metallische Schäume, Faserstrukturen, Bänder und
Gewebe eingesetzt. Diese werden im Allgemeinen aus
9.2 Wasserstofferzeugung durch 221
Elektrolyse
a b

d
c

Abb. 9.8 Beispiele für makroporöse metallische Substratmaterialien für stromführende Präelektroden:
(a) metallische Schäume, (b) metallische Faserstrukturen, (c) poröse Metallfolien, (d)
additiv gefertigte Metallstrukturen und (e) metallische Netze und Geflechte, die auch
dreidimensional als Schichtstapel (optional sogar mit Porositätsgradienten) eingesetzt
werden können. (Fraunhofer IFAM)

aus Nickel und sind auch in Größen von einem oder mehreren m2 weit verbreitet.
Außerdem haben sie eine gute Korrosionsbeständigkeit in KOH-Lösung bei
höheren Temperaturen (Abb. 9.8).
Im Allgemeinen sinkt der Wirkungsgrad der Elektrolyse mit zunehmender
Stromdichte. Neben der Reaktionskinetik (Butler-Volmer-Verhalten) ist der
zunehmende ohmsche Widerstand der Zellen als Hauptfaktor für den Anstieg der
Zellspannung anzusehen. Der Widerstand wird durch Gasblasen im Elektrolyten
zwischen der Elektrode und dem Separator verursacht. Da die entstehenden Gase
zu e i n e r deutlichen Erhöhung des Elektrolytwiderstandes führen, kann der
Umgang mit diesen Gasblasen durch den Einsatz dreidimensionaler zellularer
Metallstrukturen deutlich verbessert werden. Durch die poröse dreidimensionale
Struktur der Elektrode strömen die Gasblasen von der gesamten Oberfläche, d.h.
entlang des Elektrolytraums zwischen den Elektroden und dem Separator (Abb.
9.9). Dadurch sinkt der Gesamtwiderstand der Zelle und die Effizienz des
Prozesses steigt. Diese porösen Elektroden eignen sich besonders gut für die
Null-Lücke-Anordnung, die daher z.B. mit niedrigeren Zellspannungen oder
höheren Stromdichten arbeiten kann.
222 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren

Abb. 9.9 Vergleich von klassischer und Nullspalt-Zellenarchitektur in der alkalischen Elektrolyse.
(Fraunhofer IFAM)

Die Beschichtung von 3D-Substratstrukturen mit elektrokatalytisch aktiven


Schichten kann über Galvanik-, Sinter- oder Plasmaprozesse erfolgen. Als
besonders vorteilhaft hat sich das pulvermetallurgische Verfahren als
kontinuierlicher Produktionsprozess erwiesen. Abb. 9.10 zeigt ein Beispiel für
eine Raney-Ni-Schicht, die mittels eines pulvermetallurgischen Verfahrens auf
ein Nickelsubstrat aufgebracht wurde. Für die Herstellung sind folgende
Prozessschritte erforderlich: Zunächst werden die Ni-Schäume in einer
pulvermetallurgischen Prozessroute mit Aluminium beschichtet. Anschließend
wird eine Wärmebehandlung durchgeführt, um oberflächennahe Ni-Al-Phasen zu
erzeugen, aus denen das Aluminium selektiv herausgelöst wird, so dass
skelettartiges Nickel, das so genannte Raney-Nickel, entsteht.

Abb. 9.10 Schematische Darstellung der Herstellungsschritte der Raney-Ni-Beschichtung


von Elektrodensubstratmaterialien. (Fraunhofer IFAM)
9.2 Wasserstofferzeugung durch 223
Elektrolyse
a Nach Wärmebehandlung b Nach dem Auslaugen

Abb. 9.11 Querschnitte des Ni-Schaums (450 µm) (a) nach der Wärmebehandlung und (b)
nach dem Auslaugen (I: ausgelaugte Ni2 Al3 Phase, II: ausgelaugte NiAl3 Phase).
Eingefügte Bilder: Ansicht von oben. (Fraunhofer IFAM)

Abb. 9.11 zeigt Querschnittsansichten der Ni-Schäume nach


Wärmebehandlung und Auslaugung. Nach der Wärmebehandlung ist eine
homogene Schicht auf den Ni-Schaumverbindungen zu erkennen. Nach dem
Auslaugen der Al-reichen Phasen ist eine poröse Schicht (Ni-Skelett) mit
senkrecht zu den Schaumfugen angeordneten Kanälen zu erkennen, was zu einer
deutlichen Vergrößerung der Oberfläche im Vergleich zum unbeschichteten
Schaum führt (Vergrößerung um den Faktor 1000 bis 10.000). Es ist auch
ersichtlich, dass die kanalartigen Schichten aus mehreren Ni-Al-Phasen bestehen.
Wie im Ni-Al-Phasendiagramm dargestellt, handelt es sich um Ni2 Al3 oder NiAl3
.
Die Auswirkung der resultierenden Raney-Ni-Schicht auf die Aktivität der
Wasserstoffentwicklungsreaktion (HER) lässt sich anhand von elektrostatischen
Messungen und stationären Stromdichte-Potentialkurven explizit nachweisen
(Abb. 9.12).
Unabhängig von der Porengröße weisen unbeschichtete Ni-Schäume eine
Überspannung von ca. 390 mV bei einer Stromdichte von -0,3 A/cm2 auf. Durch
die Raney-Ni-Beschichtung wird die Überspannung auf ca. 70 mV reduziert. Dies
entspricht einer Verbesserung von ca. 320 mV (ca. 85 Prozent). Die mit Raney-Ni
beschichteten Ni-Schaumstrukturen stellen somit hochaktive Elektroden für die
Entwicklung von Wasserstoff in hochkonzentrierten Laugen dar. Die
Entwicklung der Über-
Spannung über die Zeit nahezu konstant ist. Die stationären Stromdichte-
Potential-Kurven bestätigen die hohe Aktivität der Raney-Ni-beschichteten Ni-
Schäume. Gleichzeitig ist auch bei hohen Strömen keine Transportgrenze zu
erkennen, so dass von einem ungehinderten Gastransport durch die poröse 3D-
Raney-Ni-Schaumstruktur ausgegangen werden kann.
Von allen Elektrolysetechnologien hat die alkalische Elektrolyse (AEL) bisher
die längste Lebensdauer von 90.000 h bewiesen, was u.a. auf folgende Faktoren
zurückzuführen ist
224 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren

Abb. 9.12 Elektrochemische Bewertung von mit Raney-Ni beschichteten Ni-Schäumen mit
unterschiedlichen Porengrößen (450 µm, 580 µm) im Vergleich zu unbeschichteten
Schäumen. Links: Galvanostatische Messungen
bei einer geometrischen Stromdichte von -0,3 A/cm2 für 5 h; rechts: Steady-State-
Stromdichte-Potentialkurven (Tafel-Plots) nach 5 h bei -0,3 A/cm2 für verschiedene
Elektrodenmaterialien bei 29,9 Masse-% KOH bei 60 °C. (Fraunhofer IFAM)

die Robustheit der verwendeten Materialien und Komponenten. Hinsichtlich der


Stromdichte hinkt die alkalische Elektrolyse jedoch den anderen Verfahren
hinterher. Derzeit werden Studien zum Betrieb von AEL-Zellen bis zu 1 A/cm2
und teilweise darüber hinaus durchgeführt, was die Raum-Zeit-Ausbeute
alkalischer Elektrolyseure in absehbarer Zeit deutlich erhöhen würde.
Gleichzeitig unternehmen die Komponenten- und Anlagenhersteller derzeit
umfangreiche Anstrengungen, die Produktion zu automatisieren, um bis Ende der
2020er Jahre jährliche Produktionskapazitäten im Gigawattbereich zu erreichen.

9.2.3 PEM-Elektrolyse

Der allgemeine Aufbau einer PEM-Elektrolysezelle ist in Abb. 9.13 dargestellt.


Die beiden Halbzellen sind durch eine protonenleitende Membran getrennt, die
als Festelektrolyt in der Zelle dient. Auf beiden Seiten der Membran ist eine
dünne Katalysatorschicht (CL) als Elektrode aufgebracht. An der Anode wird
Sauerstoff und an der Kathode Wasserstoff erzeugt; siehe die
Reaktionsgleichungen in Tabelle 9.1. Diese Struktur wird als
Membranelektrodenanordnung (MEA) bezeichnet. Poröse Transportschichten
(PTLs) werden gegen die Elektroden gepresst, die den elektrischen Strom zu oder
von den Elektroden ziehen.
9.2 Wasserstofferzeugung durch 225
Elektrolyse

Abb. 9.13 Schematische Darstellung einer PEM-Elektrolysezelle; PTL: poröse


Transportschicht. (Fraunhofer ISE)

Durch die poröse Struktur kann die Anode mit Eduktwasser versorgt werden und
die entstehenden Gase können an beiden Elektroden abgeleitet werden. Der PTL
ist mit einer Strömungsfeldplatte verbunden, die dafür sorgt, dass das
Eduktwasser über die gesamte Oberfläche der Zelle verteilt wird und die
entstehenden Gase von der Rückseite des PTL abgeleitet werden. In einem
Zellstapel ist das Strömungsfeld häufig Teil der Bipolarplatte. Alternativ können
auch mehrschichtige Streckmetalle als Strömungsfelder verwendet werden, da sie
als elektrisch leitende Abstandshalter wirken.
Bei der protonenleitenden Membran handelt es sich in der Regel um eine
perfluorierte Sulfonsäuremembran (PFSA) wie das Nafion von Chermour® oder
das Fumapem von FuMA-Tech® mit einer Dicke von 50 bis 180 µm. Diese
Membran zeichnet sich durch eine sehr hohe Protonenleitfähigkeit, eine geringe
Gasdurchlässigkeit und eine ausgezeichnete mechanische und chemische
Stabilität aus. Während des Betriebs ist es jedoch nicht möglich, die Permeation
von Sauerstoff und Wasserstoff durch die Membran vollständig zu unterdrücken.
Typische Reinheitsgrade von H2 am Ausgang der Zelle liegen zwischen 2,8 und
4,0 (bezogen auf trockenen Wasserstoff). Der Reinheitsgrad kann durch den
Einsatz einer internen, katalytisch aktiven Rekombinationsschicht deutlich erhöht
werden. Bei der Aufnahme von Wasser quillt die PFSA-Membran auf.
Insbesondere bei großen Oberflächenabmessungen können unerwünschte Falten
entstehen, die die Membran in der gepressten Zelle mechanisch beschädigen
können. Um dies zu verhindern, sorgen Netzstrukturen im Inneren der Membran
für eine Verstärkung. Diese wirken der Quellung entgegen, verringern aber auch
die Leitfähigkeit. Aus diesen Gründen werden alternative
226 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
ionomere werden auch für die PEM-Elektrolyse entwickelt, zum Beispiel
Kohlenwasserstoffmembranen. Aus technischen Gründen haben sich diese
Materialien in der Praxis jedoch noch nicht durchgesetzt.
Protonenleitende Membranen haben stark saure Eigenschaften. In Verbindung
mit dem hohen Potenzial in einer Elektrolysezelle ist es notwendig, Edelmetalle
als Elektrodenmaterial zu verwenden. Die Katalysatorschichten sind sowohl auf
der An- als auch auf der Kathode nur wenige Mikrometer dick. Eine effiziente
Wasserstoffproduktion erfordert Platin als HER-Katalysator. In den meisten
Fällen wird Platin auf einen Kohlenstoffträger aufgebracht, um das Material
effizienter zu nutzen. Die Edelmetalle Iridium (die bevorzugte Option),
Ruthenium und ihre Oxide werden für die Sauerstoffproduktion verwendet.
Moderne MEAs haben eine Katalysatorbeladung von ca. 1,5 bis 2,5 mg/cm2 auf
der Anodenseite und ca. 0,8 bis 1 mg/cm2 auf der Kathodenseite [50, 51].
Typische Leistungskennlinien sind in Abb. 9.5 als Spannungs-Stromdichte-
Kennlinien dargestellt. Es gibt erhebliche Anstrengungen, diese Belastungen in
neueren MEA-Generationen um ca. 40 bis 60 Prozent zu reduzieren. Zu diesem
Zweck werden für die Anodenseite auch Trägermaterialien auf der Basis von
Titandioxid oder Titandioxid entwickelt. Der Hauptgrund für die Reduzierung der
Edelmetallfracht ist nicht die Notwendigkeit, die Materialkosten zu senken,
sondern die Tatsache, dass Iridium ein kritisches Material ist [31]. Die jährliche
Produktionsmenge von Iridium beträgt weltweit nur etwa 6 bis 8 Tonnen. Für die
Herstellung von PEM-Elektrolyseuren werden bei den heutigen Leistungsdichten
und Lasten jedoch ca. 650 bis 700 kg Iridium pro 1 GW Leistung benötigt. Um in
Zukunft PEM-Elektrolyseure mit einer Leistung von Gigawatt in großem
Maßstab herstellen zu können, sollte der spezifische Iridiumverbrauch daher auf
ca. 50 kg/GWel gesenkt werden. Alternativ dazu gibt es derzeit Bestrebungen,
Edelmetalle wieder in die PEM-Elektrolyse einzubringen. Insbesondere
Übergangsmetalloxide und -sulfide werden neben Legierungen als mögliche
Materialien für Anoden und Kathoden in der wissenschaftlichen Literatur intensiv
diskutiert. In den letzten Jahren wurden erhebliche Fortschritte in Bezug auf
Stabilität und Leistungsmerkmale erzielt. Die meisten dieser Materialien sind
jedoch noch weit von einer industriellen Anwendung entfernt, da es an Studien
zum Upscaling dieser Materialien mangelt und sie nicht ausreichend in die
erforderlichen Membran-Elektroden-Anordnungen integriert sind [52].
Die porösen Transportschichten (PTL) in der PEM-Elektrolyse sind nur
wenige H u n d e r t Mikrometer dick. Sie sorgen für eine gleichmäßige
Verteilung des elektrischen Stroms zwischen der Bipolarplatte und den
Elektroden und ermöglichen eine hohe Gas- und Wasserdurchlässigkeit. Auf der
Wasserstoffseite liegt das Elektrodenpotential nahe 0,0 VRHE , so dass wie bei
PEM-Brennstoffzellen die Verwendung von Kohlepapier oder kohlebasiertem
Vliesmaterial möglich ist. Auf der Sauerstoffseite wird wegen der hohen
Korrosionsbeständigkeit aufgrund des hohen Potentials fast ausschließlich Titan
als Werkstoff verwendet. Allerdings bildet Titan bei Kontakt mit Sauerstoff an
der Oberfläche eine passivierende und elektrisch isolierende Schicht aus
9.2 Wasserstofferzeugung durch 227
Elektrolyse Aus diesem Grund werden Schutz
Titanoxid.
228 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren

Abb. 9.14 Typische PTL- und Spacer-Materialien für PEM-Elektrolysezellen: (a)


gesintertes Ti-Pulver, (b) gesinterter Vliesstoff auf Ti-Basis, (c) Ti-Streckmetall und (d)
Kohlepapier. (Fraunhofer ISE)

Schichten werden manchmal auch aufgebracht, um einen besseren elektrischen


Kontakt zu gewährleisten. Abb. 9.14 zeigt poröse Transportschichten aus Titan
und Kohlenstoff für die PEM-Elektrolyse. Gesinterte Vliese auf Ti-Basis haben
sich als bestes Material für eine PTL etabliert, aber auch hier kommt es stark auf
das jeweilige Zelldesign und den Grad der Porosität an [53]. Gesinterte Ti-
Partikel haben ebenfalls gute Ergebnisse erzielt, sind aber deutlich teurer als
Streckmetalle und Vliesstoffe.
Die Strömungsfeld- oder Bipolarplatten in einem Stapel müssen ebenfalls aus
korrosionsbeständigen Materialien wie Titan oder beschichtetem Stahl bestehen.
Der letztgenannte Ansatz wird jedoch heute in kommerziellen Produkten nicht
verwendet. Auf der Wasserstoffseite könnten auch billigere Kohlenstoff-
Verbundwerkstoffe verwendet werden, aber die Verwendung einer einlagigen
Bipolarplatte aus Titan ist kostengünstiger. Die Platte wird aus dünnen Blechen
(von einigen Hun- nen) hergestellt.
9.2 Wasserstofferzeugung durch 229
Elektrolyse
dred Mikrometer bis ca. 1 mm) durch Fräs-, Stanz-, Tiefzieh- oder
Hydroformingverfahren und können zur Minimierung des Kontaktwiderstandes
auch durch Passivierung beschichtet werden.
Die gebräuchlichste Bauform für die PEM-Elektrolyse ist die
Filterpressenbauweise mit ca. 50 bis derzeit maximal 220 Zellen pro Stapel, die
elektrisch in Reihe geschaltet sind und von den Flüssigkeiten parallel durchströmt
werden. Das bedeutet, dass zwei benachbarte Zellen durch eine Bipolarplatte
(BPP) getrennt sind, die gleichzeitig als Anode der einen und als Kathode der
anderen Zelle fungiert. Typische Zellgrößen haben heute geometrische
Abmessungen von 300 bis 1500 cm2 (aktive Oberfläche). Es werden auch erste
Prototypen mit einer Zellfläche von bis zu 5000 cm2 getestet. Die Zelldicke reicht
von 2 bis 5 mm. Damit sind PEM-Elektrolyse-Stacks deutlich kompakter als
alkalische Elektrolyse-Stacks, was die Anzahl der Zellen, aber vor allem auch die
Zellfläche und das Volumen betrifft. Darüber hinaus haben sie eine höhere
Leistungsdichte. Die elektrische Anschlussleistung eines einzelnen Stacks reicht
von einigen hundert Kilowatt bis zur aktuellen Obergrenze von ca. 1,5 MW [54].
Bei der PEM-Elektrolyse hat sich inzwischen die rechteckige Bauform
durchgesetzt, obwohl sie Drücke bis zu fast 50 bar aushalten muss. Aufgrund des
Zellaufbaus kann ein PEMEL-Stack auch bei Differenzdruck mit mehreren MPa
Differenzdruck zwischen Anode und Kathode betrieben werden. Während die
Kathode unter Druck Wasserstoff produziert, arbeitet die Sauerstoffseite bei
annähernd atmosphärischen Bedingungen. Dies hat den Vorteil, dass der
Wasserstoff bereits elektrochemisch komprimiert ist, so dass der wesentlich
weniger effiziente Prozess der mechanischen Kompression in einem späteren
Stadium entfällt. Außerdem können für die Peripherie auf der Sauerstoffseite
kostengünstige Komponenten verwendet werden, da diese nicht druckfest sein
müssen, und schließlich stellt der unkomprimierte Sauerstoff ein deutlich
geringeres Sicherheitsrisiko dar. Ein solcher Stack, der mit Differenzdruck
betrieben wird, ist in Abb. 9.15 zu sehen. Um das Langzeitverhalten zu
untersuchen, werden alle Zellspannungen in diesem Stack einzeln abgegriffen.
Der einzelne Spannungsabgriff ist auf der rechten Seite zu sehen
des Bildes.
Der Elektrolysestapel ist die Schlüsselkomponente eines jeden
Elektrolysesystems. Um höhere Produktionskapazitäten zu erreichen, werden in
der Regel mehrere Stacks in einem einzigen System zusammengeschaltet. Für die
Wasserspaltung sind eine Reihe zusätzlicher Komponenten erforderlich, um die
Stacks wie gewünscht und in einem stabilen Zustand betreiben zu können. Der
Grundaufbau eines PEMEL-Systems ist vergleichbar mit dem eines alkalischen
Systems. Der für die Wasserspaltung benötigte Gleichstrom wird über einen
Gleichrichter vorgegeben. Nach der Aufbereitung des Wassers auf DI-
Wasserqualität wird das Wasser auf der Anodenseite umgewälzt, um der PEMEL-
Zelle kontinuierlich Eduktwasser zuzuführen und die Zelle über einen
Wärmetauscher zu kühlen. Auf der Kathodenseite ist ein solcher Kreislauf nicht
erforderlich. Auf beiden Seiten sind Gas-Wasser-Separatoren und Demister hinter
230 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
den Stackausgängen in
9.2 Wasserstofferzeugung durch 231
Elektrolyse

Abb. 9.15 Messung eines NEL Hydrogen 250 kW PEMEL-Stacks mit


Einzelzellspannungsabgriff zur Überwachung der Zellen im Dauerbetrieb. (Fraunhofer
ISE)

um das flüssige Wasser zurückzuhalten. Dieses sammelt sich durch den elektro-
osmotischen Wassertransport über die Membran auch auf der Kathodenseite an
und muss in die Zelle zurückgeführt werden. Der noch feuchte Wasserstoff wird
anschließend getrocknet; Restsauerstoff wird in einer Deoxo-Stufe katalytisch
entfernt. Druckhalteventile regeln den Druck an der Anode und der Kathode.

9.2.4 AEM-Elektrolyse

Bei der klassischen Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse von flüssigem
Wasser werden derzeit zwei Technologien eingesetzt: Die alkalische Elektrolyse
(AEL), bei der unedle Metalle wie Nickellegierungen und
Nichteisenverbindungen als elektrische Katalysatoren eingesetzt werden,
Bipolarplatten (BPP) aus kostengünstigem vernickeltem Stahl bestehen und als
alkalischer Flüssigelektrolyt KOH verwendet wird. Die Nachteile des Verfahrens
sind die Verwendung von Kaliumhydroxid als zirkulierender Elektrolyt und die
(noch) geringen Stromdichten. Bei der neueren PEMEL-Technologie wird ein
saures Membranelektrolyt verwendet.
232 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
trolyt, DI-Wasser, Edelmetalle (Iridium, Platin) als Katalysatoren und Titan (Ti)
als Material für die bipolaren Platten und die porösen Transportschichten (PTL).
Aufgrund der kompakten Bauweise der Membran-Elektroden-Einheit (MEA) und
der Verwendung von Edelmetallkatalysatoren zeichnen sich PEMEL-Zellen
durch Zellspannungen unter
2,0 V und Stromdichten von mehr als 2 A/cm2 . Diese Methode hat auch
Nachteile, insbesondere die hohen Materialkosten für die katalysatorbeschichtete
Membran (CCM) und die Bipolarplatten auf Titanbasis sowie die poröse
Transportschicht (PTL). Vor allem die Verfügbarkeit von Iridium als Anoden-
Elektrokatalysator ist kritisch [31]. Um die Nachteile der beiden oben genannten
Methoden zu minimieren und dennoch ihre jeweiligen Vorteile zu nutzen, gibt es
weitreichende Bestrebungen, beide Technologien in der AEM-Elektrolyse zu
kombinieren, indem eine alkalische Anionenaustauschermembran (AEM) als
Festelektrolyt verwendet wird (Abb. 9.2). Das Systemdesign eines AEM-
Elektrolyseurs ähnelt dem eines PEM-Elektrolyseurs, verwendet aber
kostengünstige Materialien, die sich in der AEL bewährt haben. Für den Aufbau
einer effizienten AEMEL-Anlage müssen stabile, leitfähige und vor allem
kostengünstige Anionenaustauschermembranen entwickelt werden, während
stabile, elektrolytische
trochemisch aktive Katalysatoren gefunden werden müssen.
Eine in einem Elektrolyseur installierte Anionenaustauschermembran muss
eine Leitfähigkeit von über 0,1 S cm—1 und eine Dicke zwischen 50 und 80 µm
aufweisen. Außerdem sollte die Membran langzeitstabil sein. Der grundsätzliche
Ansatz für die Konstruktion einer anionenleitenden Membran ist die Herstellung
einer selbstleitenden ho- mogenen Membran. In diesem Fall sind die Kationen an
ein stabiles, nicht leitendes
Polymergerüst, zum Beispiel an Polyarylether oder fluorierte Polymere. Als
Kationen werden qua- ternäre Ammoniumsalze oder analoge Phosphonium- und
Sulfoniumsalze verwendet [32-34]. Da die Ionenbeweglichkeit des Hydroxidions
deutlich geringer ist als die der Protonen, weist die Anionenaustauschermembran
in der Regel eine geringere Leitfähigkeit auf als die Protonenaustauschermembran
(PEM), z.B. Nafion. Es werden verschiedene Strategien verfolgt, um die
Leitfähigkeit der alkalischen Membran zu verbessern. Zum einen versuchen die
Forscher, die Ionenaustauschkapazität (IEC) innerhalb der Membran zu erhöhen.
Dies führt jedoch zu einer starken Quellung der Membran durch
Wasseraufnahme, was wiederum negative Folgen für die Stabilität der Membran
und die Integrität des Membranelektrodenaufbaus hat. Auf der anderen Seite wird
die Entwicklung von "phasensegregierten" AEMs begünstigt. Durch die
Verwendung hydrophober und hydrophiler Phasen sollen spezifische
"Ionenautobahnen" geschaffen werden, die einen schnellen Ionentransport
ermöglichen. Pan et al. konnten eine Anionenaustauschermembran mit der
Leitfähigkeit von Nafion unter Verwendung eines funktionalisierten Polysulfons
herstellen [35]. Der Hauptnachteil von homogenen Membranen ist die geringere
Stabilität. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die quartären Salze, die eine gute
9.2 Wasserstofferzeugung durch 233
Elektrolyse
Abgangsgruppe für die Hofmann-Eliminierung oder eine nukleophile
Substitutionsreaktion darstellen, in den Membranen nicht mehr vorhanden sind.
234 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
im alkalischen Medium schnell abgetrennt werden [36]. Es wurden verschiedene
Konzepte zur Vermeidung dieses Abbaupfads diskutiert, darunter die
Verwendung sterisch anspruchsvoller quaternärer Amine, die Umgehung von
Wasserstoffatomen in β-Position zum quaternären Amin und die Verwendung
carbonathaltiger Elektrolyte [32, 37-39].
Neben den homogenen Membranen sind auch heterogene Membranen in der
Diskussion. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass ein meist inor- ganisches
Ionenaustauschermaterial in eine inerte Polymermatrix eingebettet ist. Zum
Beispiel werden Polyethylenoxide (PEO oder PEG) oder Polyvinylalkohole
(PVA) verwendet, in denen ein anorganisches Salz, wie KOH, gelöst sein kann.
Die Leitfähigkeit des Mem- branes wird erst durch das Salz ermöglicht. Diese
werden als Ionen-Lösungsmittel-Membranen bezeichnet.
Hier können Leitfähigkeiten von bis zu 10—3 S cm—1 erreicht werden. Eine
besonders bemerkenswerte Variante ist die Verwendung von Polybenzimidazol
(PBI), das sich durch gute chemische Stabilität auszeichnet und eine Leitfähigkeit
von bis zu 10—1 S cm—1 aufweist [40-42].
Eine weitere aktuelle Aufgabe im Bereich der AEMEL-F&E ist die Entwicklung von
geeigneten
elektrische Katalysatoren. Hierfür werden stabile, PGM-freie und
elektrochemisch aktive Katalysatoren benötigt [43]. Für die OER-Reaktion
scheinen nicht nur Edelmetalle, sondern auch nicht-stöchiometrische
Übergangsmetalloxide die wichtigsten potenziellen Kandidaten zu sein [44].
Perowskite (ABO3-• ) und geschichtete Doppelhydroxide (LDH) haben sich hier
als besonders katalytisch aktiv erwiesen. Die meisten Studien lassen sich jedoch
nicht gut auf eine reale Anwendungsumgebung übertragen. Aus technischer Sicht
haben sich auf der OER-Seite vor allem Ni-Fe- und Ni-Co-Verbindungen
durchgesetzt. So wurden beispielsweise bei 80 °C und 1 M NaOH
Überspannungen von 265 mV bei einer Stromdichte von 0,5 A/cm2 erreicht [45].
Eine Studie aus dem Jahr 2015 stellt eine Reihe von
Übergangsmetall(oxy)hydroxiden als trifunktionale Katalysatoren (OER, HER,
ORR) vor. Obwohl in der Studie nur niedrige Stromdichten betrachtet wurden,
sind diese für reversible AEMEL-Zellen sehr interessant [46].
Im Hinblick auf HER wurde in mehreren Studien versucht, die katalytischen
Eigenschaften von Kathodenmaterialien zu verbessern [47, 48]. Neben den
edelmetallhaltigen Katalysatoren (Pt, Pd) haben sich vor allem Ni-basierte
Verbindungen, insbesondere Ni-Mo, durchgesetzt. Grundsätzlich wäre die
bevorzugte Lösung die Verwendung von DI-Wasser, wie bei der PEM-
Elektrolyse. Unter diesen Bedingungen weisen die meisten AEM-Elektrolyseure
jedoch hohe Zellspannungen auf. Die Verwendung eines alkalischen Elektrolyten
scheint dagegen technisch machbarer zu sein, da die HER/OER-Katalysatoren
hier aufgrund der alkalischen Umgebung stabiler und aktiver sind und die
Korrosionsgefahr geringer ist. Zellspannungen von weniger als 1,9 V könnten mit
Stromdichten von bis zu 1 A/cm2 erreicht werden. Liu et al. zeigten
beispielsweise, dass ein AEM-Elektrolyseur mit einem optimierten AEM und
9.2 Wasserstofferzeugung durch 235
Elektrolyse
NiFeCo-Katalysator (HER) und NiFe O24 eine stabile (2000 h) Stromdichte von 1
A/cm2 bei ca. 1,9 V auf der Anodenseite in 1 M KOH liefert [49].
236 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
Trotz der materiellen und technischen Herausforderungen hat die AEM-
Elektrolyse das Potenzial, eine wichtige Technologie auf dem Gebiet der
Wasserelektrolyse zu werden. Geht man von einer ähnlichen technologischen
Revolution wie bei der membranbasierten PEM-Elektrolyse aus, so ist zu
erwarten, dass AEMEL-Systeme bis Ende der 2020er Jahre im Megawattbereich
etabliert sein werden.

9.2.5 Hochtemperatur-Dampf-Elektrolyse

Unter Hochtemperaturelektrolyse (HTEL) versteht man im Allgemeinen eine


Elektrolyse auf der Basis von Festoxidelektrolyten, die sogenannte
Festoxidelektrolyse (SOEL). Bei der Hochtemperaturelektrolyse wird
Wasserdampf in Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt, wodurch der Bedarf
an elektrischer Energie für den Umwandlungsprozess im Vergleich zur
Wasserelektrolyse deutlich reduziert wird. Der Grund dafür ist die geringere freie
Enthalpie (Gibbs'sche Energie) des Dampfes im Vergleich zum flüssigen Wasser,
die durch die Verdampfungswärme reduziert wird. Dieser Zusammenhang ist in
Abb. 9.4 dargestellt. Darüber hinaus ist mit steigender Temperatur eine
abnehmende Tendenz der freien Gibbs-Energie zu beobachten. Dies führt zu einer
geringeren Zersetzungsspannung und bedeutet, dass weniger elektrische Leistung
für die Elektrolyse benötigt wird. Thermodynamisch gesehen ist die Elektrolyse
ein endothermer Prozess, der nur unter ständiger Zufuhr von Wärme ablaufen
kann. Der Innenwiderstand der Zelle dient dabei als Wärmequelle. Bei der
Hochtemperaturelektrolyse (HTEL) kompensiert die joulesche Wärmeerzeugung
aus dem Innenwiderstand der Zelle ab einer bestimmten Betriebsspannung die
sonstigen Verluste der Dampfspaltung. Wenn die für die Elektrolyse benötigte
Wärmeenergie und die durch Spannungsverluste bereitgestellte Wärme gleich
groß sind, wird die Betriebsspannung als thermoneutrale Spannung bezeichnet.
Aufgrund des selbsterhaltenden Charakters der Reaktion ist die
Hochtemperaturelektrolyse nur dann lebensfähig, wenn sie in der Nähe der
thermoneutralen Spannung betrieben wird. Der absolute Wert der
Thermoneutralspannung hängt von der Betriebstemperatur der Zelle und der
Gaszusammensetzung ab. Bei Temperaturen zwischen 700 und 850 °C liegt sie
im Bereich von 1,28 bis 1,30 V. Da eine höhere lokale Stromdichte eine größere
lokale Dampfumwandlung und damit eine höhere lokale Kühlkapazität erzeugt,
ist die Stromdichte- und Temperaturverteilung über die Zelloberfläche bei SOEL
wesentlich gleichmäßiger als beim Brennstoffzellenbetrieb. Dort führt eine
höhere lokale Stromdichte aufgrund der exothermen Reaktion zu Hotspots.
Trotz der thermodynamischen Vorteile stellt die hohe Betriebstemperatur
große Herausforderungen an die Materialien und Dichtungen eines HTEL-
Stapels. Die ersten Hochtemperatur-Elektrolyseure wurden mit rohrförmigen
Zellen gebaut und hatten relativ hohe Innenwiderstände. Die Fortschritte bei der
Entwicklung der planaren Festoxidzellen
9.2 Wasserstofferzeugung durch 237
Elektrolyse
Abb. 9.16 Schematische
Darstellung einer
Festoxidzelle nach [56].
(Fraunhofer IKTS)

Zelle für Brennstoffzellenanwendungen sowie die erhebliche Steigerung der


Leistungsdichte bei gleichzeitiger Senkung der Herstellungskosten ermöglichten
die Entwicklung einer neuen Generation von leistungsstarken, planaren HTEL-
Zellen.
Aktuelle Zellstrukturen von Hochtemperatur-Elektrolyseuren (Abb. 9.16)
basieren auf Y O23 (YSZ) oder Sc O23 (ScSZ) stabilisiertem ZrO2 als Elektrolyt,
einer Cermet-Kathode (Ni/G8VDC oder Ni/8YSZ) und einer Perowskit- (La0,6
Sr0,4 Co0,8 Fe O0,23 ) oder Verbundanode (Perowskit/Elektrolyt). Der Dampf wird
auf der Kathodenseite der Zelle zugeführt. Da Nickel ein Bestandteil der
Dampfelektrode ist und in reinem Dampf zu NiO oxidiert, wird dem Dampf eine
kleine Menge Wasserstoff zugesetzt. Bei der Elektrolyse wird der Sauerstoff
elektrochemisch aus dem Dampf entfernt und dann über einen sauerstoffleitenden
Elektrolyten zur Anodenseite geleitet. Die Wasserstoffkonzentration auf der
Kathodenseite steigt vom Gaseintritt bis zum Gasaustritt kontinuierlich an. Vor
allem in Konzentrationsbereichen von mehr als 90 Prozent Wasserstoff im Dampf
steigt die Nernst-Spannung erheblich an [55], d.h. die Betriebsspannung und die
zugeführte elektrische Energie bei der Elektrolyse nehmen deutlich zu. Dies ist
für einen wirtschaftlichen Betrieb nicht sinnvoll. In einem Konzentrationsbereich
von 20 bis 85 Prozent Wasserstoff ändert sich die Nernst-Spannung mit
steigendem Wasserstoffgehalt nur langsam, so dass bei einer
Wasserstoffkonzentration von 10 bis 20 Prozent im Dampf eine
Dampfausnutzung von 80 Prozent nicht nur zu erwarten, sondern durchaus
möglich ist.
238 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren

Abb. 9.17 Komponenten und Aufbau eines SOC-Stacks. (Fraunhofer IKTS)

In den letzten zehn Jahren hat sich die planare Stack-Bauweise etabliert, wobei
zwei unterschiedliche Zellkonzepte von verschiedenen Unternehmen weltweit für
den Stack-Bau eingesetzt werden:

● Elektrolytgestützte Zellen (ESCs) auf der Grundlage eines dünnen


Elektrolytsubstrats (60 bis 150 m) als Trägerelement
● Kathodengestützte Zellen (CSCs), bestehend aus einem Ni-YSZ-Cermet-
Substrat mit einer gesinterten Elektrolytschicht (5 bis 10 m)

Obwohl die SOEL-Zelle selbst das Herzstück eines HTEL-Elektrolyseurs ist, ist
sie nur ein Teil des Stacks, der auch Gasverteiler, Dichtungen und Stromsammler
enthält. Der Aufbau und die wesentlichen Komponenten eines planaren SOC-
Stacks sind in Abb. 9.17 dargestellt. Der Stack besteht aus dem beschichteten
metallischen Interkonnektor (Bipolarplatte), der Keramikzelle selbst,
Glasdichtungen und Kontaktelementen auf der Dampf- (Ni-Mesh) und Luftseite
(Oxidkontaktschichten).
Die SOEL-Zellen werden mittels Bandgießen und Siebdrucktechnik
hergestellt. Der grundsätzliche Ablauf der Zellproduktion ist in Abb. 9.18
dargestellt. Es handelt sich um einen "sheet-to-sheet"-Produktionsprozess, der mit
hohen Taktzeiten realisiert werden kann. In der Massenproduktion kann ein
Tunnelofen zum Einbrennen der Elektroden verwendet werden.
9.2 Wasserstofferzeugung durch 239
Elektrolyse

Abb. 9.18 Produktionsschritte für eine elektrolytgestützte Zelle. (Fraunhofer IKTS)

Abb. 9.19 Produktionsschritte für einen SOEL-Stapel. (Fraunhofer IKTS)

Die Herstellung eines HTEL-Stapels ist in Abb. 9.19 schematisch dargestellt.


Der Prozess ähnelt dem Herstellungsprozess von NT-Elektrolyse-Stacks, mit
Ausnahme des Fügeprozesses. Der Fügeprozess umfasst nicht nur die serielle
Kontaktierung der Zellen, sondern auch eine Überprüfung der Funktionalität und
Dichtheit des Stapels. Die Prognosen für die Produktionskosten von SOC-Stacks
liegen damit sehr nahe an den Zielen für die PEMEL- und AEL-Stack-
Produktion. Aufgrund der hohen Betriebstemperatur und der
thermomechanischen Spannungen in keramischen Bauteilen, die beim Abkühlen
des Stapels entstehen, sind die lateralen Abmessungen der SOC-Zellen, die
Die derzeit realisierbaren Zellgrößen sind auf ca. 25 × 25 cm begrenzt2 [57]. Für
eine hohe Anlagenleistung werden daher kleinere Stacks (mit Zellgrößen von 10
× 10 cm2 bis 15 × 15 cm2 ) in größere Module integriert [58-60]. Die einzelnen
Stack-Module werden dann
in größeren Anlagen installiert.
Da die Festoxidzelle in Elektrolyse, Brennstoffzelle und bidirektionalem
Betrieb (bekannt als reversible Festoxidzelle, rSOC) arbeitet, erscheint es
sinnvoll, dieselben Module für verschiedene Anwendungen zu verwenden. Für
einen langfristig stabilen SOFC- und SOEL-Betrieb gibt es zudem erhebliche
Unterschiede in der Elektrodenstruktur sowie im Wärmemanagement im Stack,
was zu anwendungsspezifischen Zellen und Stackdesigns führt [61]. Während der
stabile Elektrolysebetrieb von ESC bei 800 °C durch die Entwicklung von
robusten Elektroden am Fraunhofer IKTS bereits nachgewiesen wurde, bleibt der
Langzeitbetrieb von CSC bei niedrigeren Betriebstemperaturen (650 bis 750 °C)
eine Herausforderung. Obwohl die Daten von CSC-Stapeln eine geringe
Degradationsrate nach einer Initialisierungsphase zeigen, wird dies bei der
Berechnung der Gesamtdegradation oft nicht berücksichtigt [62].
240 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
Die Anlagen für die Hochtemperaturelektrolyse haben noch nicht den
technologischen Reifegrad für die Serienproduktion erreicht, wie er bei der
alkalischen und der PEM-Elektrolyse gegeben ist. Dennoch gibt es einige
beeindruckende Demonstrationen für rSOC- und SOEL-Pilotanlagen, wie das
Beispiel des Dresdner Unternehmens SunFire GmbH (ehemals Staxera GmbH)
zeigt, das auf der Basis von Stack-Technologieentwicklung und
Technologietransfer des Fraunhofer IKTS gegründet wurde. Seit 2014 liegt der
Fokus des Unternehmens auf der Entwicklung von Synfuels mittels
Hochtemperaturelektrolyse. SunFire hat die ersten industriellen Anlagen für den
SOEL-Betrieb (GreenHy, Salzgitter, 750 kW) [63] und für den reversiblen
Elektrolyse/Brennstoffzellenbetrieb (rSOC) (mit Boeing, 150 kW/30 kW) [64]
demonstriert.
Während sich beispielsweise der PEM-Stack sehr gut für die reine
Wasserstofferzeugung und -nutzung eignet, hat die rSOC-Technologie für
stationäre Anwendungen vor allem durch die kompakte Integration und die
effiziente Wärmenutzung Effizienzvorteile. Hier wurde kürzlich vom
Forschungszentrum Jülich für eine rSOC-Anlage mit einer elektrischen Leistung
von 5 kW ein Round-Trip-Wirkungsgrad von 62,7 Prozent nachgewiesen [65].

9.2.6 Co-Elektrolyse von Wasser und Kohlendioxid

Aufgrund der hohen Temperaturen kann die CO2 Elektrolyse in einer SOC-
Hochtemperaturzelle ähnlich wie die Dampfelektrolyse ablaufen. Allerdings ist
die freie Enthalpie der Kohlendioxidreduktion größer als die der Wasserspaltung
(Abb. 9.20). Aus diesem Grund werden für die direkte Elektrolyse von CO2
höhere elektrische Spannungen benötigt. Die Herstellung von Kohlenmonoxid
(CO) aus CO2 in HTEL-Zellen wurde von der Firma Haldor Topsoe bereits
kommerziell umgesetzt [66]. Dabei wird ein CSC-Stack mit einer modifizierten
Cermet-Elektrode verwendet. Die Besonderheit der reinen CO2 -Zersetzung ist
die Vermeidung der Kohlenstoffbildung durch die Boudouard-Reaktion.
Thermodynamische Berechnungen zeigen, dass sich die Schwelle der
Kohlenstoffbildung im CO2 /CO-Gasgemisch mit steigender Betriebstemperatur
zu höheren CO-Konzentrationen hin verschiebt. Oberhalb von 750 °C ist
Kohlenmonoxid thermodynamisch stabil. Unterhalb dieser Temperatur ist eine
Kohlenstoffbildung möglich. In diesem Fall wirkt das Nickel in der Cermet-
Elektrode als Katalysator für die Kohlenstoffbildung. Aufgrund des
Temperaturgefälles im Stapel gibt es immer bestimmte Temperaturbereiche, die
zur Kohlenstoffbildung neigen. Die elektrochemischen Prozesse in der Zelle
ähneln denen der Dampfelektrolyse, wobei die Überspannung für die CO2
Reduktion an der Kathode deutlich höher ist als die Überspannung der
Dampfzersetzung (Abb. 9.20). Die Zugabe von Wasserdampf zu CO2 verändert
die Reaktion grundlegend
9.2 Wasserstofferzeugung durch 241
Elektrolyse

Abb. 9.20 Thermodynamischer Vergleich von Dampfelektrolyse und CO2 Elektrolyse.


(Fraun- hofer IKTS)

Mechanismus. Unter den Betriebsbedingungen des SOEC stellt die rWGS-


Reaktion einen thermodynamischen Gleichgewichtszustand auf der Seite der
Produkte her. So kann durch die Nutzung der kleineren Überspannungen für die
Dampfzersetzung neben Wasserdampf auch Kohlenmonoxid erzeugt werden. Da
die Überspannung der Wasserstoffreduktion deutlich geringer ist als die der CO2
Reduktion, finden in der Hochtemperaturzelle die elektrochemische
Dampfreduktion (mit Wasserstofferzeugung an der Dreiphasengrenze) und die
umgekehrte Wassergasverschiebungsreaktion (rWGS) mit CO-Erzeugung an der
Oberfläche des Katalysators (Ni) gleichzeitig statt (siehe die
Reaktionsgleichungen in Tabelle 9.1). Dennoch wird die Erzeugung von H2 und
CO aus dem Gemisch H O/CO22 allgemein als Co-Elektrolyse bezeichnet.
Diese Tatsache spiegelt sich auch in geringen Unterschieden im elektrischen
Energieverbrauch bei der H2 O und H O/CO22 Elektrolyse wider. Diese wurden
vom Fraunhofer IKTS erstmals bei Messungen an Zellen und Stacks bei 800 °C
nachgewiesen. Der höhere elektrische Energieverbrauch bei der Co-Elektrolyse
lässt sich thermodynamisch durch die etwas höhere Leerlaufspannung bei der
Zugabe von CO2 zu Wasserdampf erklären. Die Leerlaufspannung ergibt sich aus
der höheren freien Enthalpie (∆GR ) von CO2 bei Temperaturen unter 823 °C
(Abb. 9.20). Dadurch ändert sich auch die Thermoneutralspannung, was das
Wärmemanagement und die Energiebilanz beeinflusst. Auch wenn ein
Gasgemisch aus Wasserdampf und Kohlendioxid verwendet wird, muss H2 am
Gaseintritt zugeführt werden, um eine Ni-Oxidation an der Kathode zu
vermeiden. Darüber hinaus ist die Verwendung von Dampf und
242 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
CO2 wird nicht nur durch den konzentrationsbedingten Anstieg der Nernst-
Spannung begrenzt, sondern auch durch die Grenze der Kohlenstoffbildung.
Die Co-Elektrolyse bietet neue Möglichkeiten für die einstufige Herstellung
von Synthesegas und dessen Kopplung mit chemischen Syntheseverfahren.
Insbesondere die Nutzung der Wärme aus exothermen Reaktionen, wie sie bei der
Fischer-Tropsch-Synthese (E-Kerosinherstellung), dem Haber-Bosch-Verfahren
(E-Ammoniakherstellung) und der Sabatier-Reaktion (E-Methanherstellung)
anfallen. Die Nutzung der Reaktionswärme zur Erzeugung von Dampf als Edukt
für die Elektrolyse reduziert die benötigte elektrische Energie und erhöht damit
den elektrischen Gesamtwirkungsgrad des Syntheseprozesses. Erste
Machbarkeits- und Demonstrationsprojekte am Fraunhofer IKTS zeigen, dass
durch die Kombination der Co-Elektrolyse mit der Fischer-Tropsch-Synthese
hocheffiziente Verfahren zur Herstellung von Wachs und Diesel möglich sind
[67].

9.2.7 Protonenleitende Hochtemperatur-Elektrolyse auf


Keramikbasis

Eine vielversprechende Option zur Wasserstofferzeugung ist die


Dampfelektrolyse mit protonenleitenden keramischen Elektrolyten (PCCEL). Die
Motivation für die Entwicklung einer protonenleitenden keramischen Zelle für
höhere Betriebstemperaturen kommt aus der Brennstoffzellenentwicklung und
beruht auf den grundsätzlichen Vorteilen der Protonenleitung gegenüber der
Oxidionenleitung bei niedrigeren Betriebstemperaturen (500 bis 600 °C). Dies
führt zu einer längeren Lebensdauer und geringeren Kosten für passive Stack-
und BoP-Komponenten sowie zu einer einfacheren Systemintegration.
Gleichzeitig kommen weitere Vorteile der SOEL, wie eine schnelle
elektrochemische Kinetik und Elektroden ohne Edelmetalle, zum Tragen. Ein
weiterer Vorteil gegenüber der SOEL-Technologie ist der geringere
Wasserdampfanteil auf der Kathodenseite, da der Wasserdampf einen weitaus
geringeren Einfluss auf die Nernstspannung hat. Allerdings hat der Dampfanteil
im Gas auch einen entscheidenden Einfluss auf die Protonenleitung im
Elektrolyten, so dass nach wie vor auf beiden Seiten ausreichend Dampf in die
Zelle eingespeist werden muss. Ähnlich wie bei der PEM-Elektrolyse wird der
Dampf in der protonenleitenden Zelle durch Befeuchtung der Sauerstoffseite
zugeführt. Im anodischen Reaktionsschritt auf der Luftseite werden die Protonen
vom Dampfmolekül getrennt und über Protonenleiter zur Kathodenseite
transportiert, wo sie zu molekularem Wasserstoff reduziert werden (Tabelle 9.1).
Thermodynamisch gesehen hat dieser Prozess die gleichen energetischen Vorteile
gegenüber der Flüssigwasserelektrolyse wie der SOEL-Prozess. Aufgrund der
Verdampfungsenthalpie durch Wärmezufuhr ist die Nernstspannung, bei der die
Dampfelektrolyse einsetzt, deutlich niedriger als bei der Elektrolyse von
flüssigem Wasser.
9.2 Wasserstofferzeugung durch 243
Elektrolyse
Für die Elektrolytzusammensetzung gibt es einige verschiedene Optionen aus
den letzten zehn Jahren, wobei die meisten Zellen einen Protonenleiter auf der
Basis von BZY (Ba(Zr,Y,Yb)O(Zr,Y,Yb)O3 ) haben. Es wird angenommen, dass
die Protonenleitung in diesem Material aufgrund des Einbaus von
Protonendefekten als Hydroxidionen (OH— ) in Gegenwart von Wasserdampf
nach folgendem Mechanismus abläuft [68]:

●●
H2O(g) + V O,(BZY)
×
+ O,(BZY) → 2OH ●O,(BZY) (9.4)
O
Ein großer Nachteil des PCCEL-Verfahrens ist die Tatsache, dass der BZY-
Elektrolyt sowohl für Sauerstoffionen als auch für Protonen durchlässig ist [69],
was bedeutet, dass der Faraday-Wirkungsgrad der protonenleitenden Zelle stark
reduziert ist. Bei BZY-basierten Protonenleitern verbessern sich die
Protonenleitung und die Oxidionenleitung mit steigender Temperatur. Bei
Temperaturen deutlich über 600 °C ist die Oxidionenleitung mit der
Protonenleitung vergleichbar und trägt entscheidend zum Ionentransport und zu
elektrochemischen Prozessen bei. Aus diesem Grund ist die Betriebstemperatur
dieser Zellen auf ca. 500 bis 600 °C begrenzt.
Als Kathodenmaterial für die Zellherstellung wird ein Cermet aus Ni und BZY
verwendet, für die Anode ein Perowskit aus La0.6 Sr0.4 Co0.8 Fe O0.23 oder Ba0.5
Sr0.5 Co0.8 Fe O0.23 [70]. Da auf der Kathodenseite Nickel als Katalysator
verwendet wird, müssen dem Katalysator während des Betriebs kontinuierlich
geringe Mengen Wasserstoff zugeführt werden, ähnlich wie beim SOEL-Prozess.
Aufgrund der geringen Protonenleitfähigkeit und des hohen
Korngrenzenwiderstandes in den BZY-Elektrolyten werden die Zellen mit dem
Ni/BZY-Substrat als Trägermechanismus und einer dünnen BZY-Schicht als
Elektrolyt ausgelegt, was dem kathodengestützten Zellkonzept (CSC) einer
SOEL-Zelle entspricht.
Der technologische Reifegrad von PCCEL ist weniger weit fortgeschritten als
bei der Festoxidelektrolyse. In Europa werden die Materialien für Protonenleiter
und röhrenförmige Protonenleiterzellen seit Jahrzehnten von SINTEF entwickelt
[71]. Wie im Falle von SOEL bietet die planare Zelltechnologie jedoch auch eine
höhere Leistungsdichte. Die Entwicklungen in diesem Bereich werden derzeit
von außereuropäischen Akteuren vorangetrieben. Inzwischen werden in Japan
(Panasonic, Nippon Shokubai [72, 73]) und den USA (Fuel Cell Energy [74])
gute Leistungsdichten in industriellen CSC-Prototypzellen auf der Basis von
BZY-Elektrolyten nachgewiesen. Ein planarer PCCEL-Stapel ist in der gleichen
Weise aufgebaut wie ein SOEL-Stapel. Aktivitäten zur Stackentwicklung auf der
Basis von PCC-Zellen finden sich z.B. in [74]. Aufgrund der kurzen Lebensdauer
und des schlechten Faraday-Wirkungsgrades ist diese Technologie jedoch noch
einige Entwicklungsschritte von der Demonstrationsphase entfernt.
244 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
9.3 Andere innovative Verfahren zur Wasserstofferzeugung

9.3.1 Dampfreformierung mit Kohlenstoffabscheidung und -nutzung

Wasserstoff kann aus einer Vielzahl von wasserstoffhaltigen Energieträgern


durch Dampfreformierung gewonnen werden. Die allgemeine Formel für die
Wasserstofferzeugung aus Alkoholen und Kohlenwasserstoffen durch
Dampfreformierung lautet:
y
C H O + (x - z)H O → xCO + x - z + H (9.5)
xyz 2 2
2
Die Reaktion wird in der Regel bei Temperaturen über 700 °C unter Verwendung
eines heterogenen Katalysators und im industriellen Maßstab in mit dem
Katalysator gefüllten Rohrbündelreaktoren durchgeführt. Durch die homogene
Verbrennung eines Teils des Wasserstoffträgers oder Brennstoffs wird dem
endothermen Dampfreformierungsprozess Energie aus einer externen Quelle
zugeführt. Auf diese Weise kann im großen Maßstab der größte Teil der
weltweiten Wasserstoffproduktion zu niedrigen Produktionskosten von ca. C 2/kg
konkurrenzlos aus Erdgas (48 Prozent) erfolgen, während weitere ca. 30 Prozent
des Wasserstoffs aus Erdöl hergestellt werden, während nur ca. 4 Prozent durch
Elektrolyseverfahren und der restliche Anteil durch Kohlevergasung erzeugt wird
(Abb. 9.1). Das Hauptprodukt der Dampfreformierung ist neben Wasserstoff das
Kohlenmonoxid. Das Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid wird als
Synthesegas bezeichnet und kann für viele chemische Synthesen verwendet
werden. Soll der Wasserstoff in reiner Form gewonnen werden, wird das
Kohlenmonoxid, das bereits bei der Reformierung in der oben erwähnten
Wassergas-Shift-Reaktion teilweise zu Kohlendioxid umgesetzt wird, in einem
separaten Reaktor, der bei niedrigeren Temperaturen betrieben wird, in einer
Wassergas-Shift-Reaktion umgesetzt. Neben der Gaswäsche werden zur
Wasserstoffreinigung vor allem Druckwechseladsorptionsanlagen eingesetzt.
Diese Anlagen ermöglichen die Abtrennung aller anderen Gase durch Adsorption
bei hohem Betriebsdruck. Die abgetrennten Gase werden bei einem niedrigeren
Betriebsdruck wieder freigesetzt (Desorption). Die abgetrennten Gase enthalten
anteilig Kohlenmonoxid und etwas Wasserstoff und können als Energielieferant
für die Dampfreformierung genutzt werden.
Das chemische Gleichgewicht der Methandampfreformierung (Gl. 9.5 mit x =
1, y = 4 und z = 0) wird durch den erhöhten Betriebsdruck der
Druckwechseladsorptionsanlagen (siehe Tabelle 9.2) zur Erdgasseite hin
verschoben. Diese
bedeutet, dass im abgetrennten Gasgemisch stets nicht umgewandeltes Methan
vorhanden ist. Der erhöhte Betriebsdruck ist in der Tat ein Nachteil, der jedoch in
Kauf genommen wird, wenn der Wasserstoff gereinigt werden soll.
Eine Alternative zur Druckwechseladsorption ist die Abtrennung des
Wasserstoffs durch Membranen. Die am weitesten verbreiteten Membranen
9.2 Wasserstofferzeugung durch 245
Elektrolyse
werden aus Palladium hergestellt, in dem
9.3 Andere innovative Verfahren zur Wasserstofferzeugung 237

Tabelle 9.2 Gleichgewichtsumwandlung der Methanreformierung bei einem Dampf-


Kohlenstoff-Verhältnis (d. h. dem molekularen Verhältnis von Dampf zu Methan im
Einsatzmaterial) von 2,5 bei verschiedenen Drücken und Temperaturen
p [bar]
T [°C] 1 5 10
600 71.5 41.9 32.3
700 95.4 70.1 55.9
800 99.6 92.6 82.1

löst sich der Wasserstoff atomar auf und wandert durch den erhöhten Druck auf
die andere Seite der Membran, wo er sich wieder zu Molekülen verbindet. Diese
Membranen sind jedoch sehr teuer und haben sich im industriellen Maßstab noch
nicht durchgesetzt. Nach der Verbrennung enthält das abgetrennte Gasgemisch
nur noch Kohlendioxid und Wasser. Letzteres kann leicht abgetrennt werden, und
das Kohlendioxid wird als Prozessgas oder für die chemische Synthese
wiederverwendet. Darüber hinaus wurde das Verpressen von Kavernen erörtert
und getestet, doch sind die möglichen langfristigen negativen Auswirkungen noch
nicht ausreichend bekannt.
Wird das Kohlendioxid durch CCS-Verfahren abgetrennt und dauerhaft
gespeichert, wird der erzeugte Wasserstoff als blauer Wasserstoff bezeichnet.
Abb. 9.21 zeigt ein Blockschaltbild eines entsprechenden Systems, das zusätzlich
einen Überschuss an elektrischer Energie erzeugt. Wird Kohlendioxid aus der
Luft oder aus industriellen Prozessen wie der Zementherstellung gewonnen, so
kann es mittels elektrolytisch erzeugter

Abb. 9.21 Blockschaltbild eines Systems zur Methandampfreformierung mit integrierter


CO2 abtrennung. (Fraunhofer IMM nach [75])
238 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
Wasserstoff durch die umgekehrte Reaktion der Dampfreformierung
(Methanisierung) gewonnen und wie fossiles Erdgas als Wasserstoffträger
verwendet werden. Dies ist ohne Umbau des Erdgasnetzes und in einem Konzept
möglich, das mit fossilem Erdgas voll kompatibel ist und eine schrittweise
Umstellung auf erneuerbares synthetisches Methan ermöglicht.

9.3.2 Methan-Pyrolyse

Im Gegensatz zur oben beschriebenen Dampfreformierung wird bei der


Methanpyrolyse das Methan (aus Erdgas oder Biogas) ohne Zugabe von Wasser
umgesetzt. Bei der en- dothermen Reaktion entsteht der sogenannte türkisfarbene
Wasserstoff (Abb. 9.2). Das Methan wird in festen Kohlenstoff und Wasserstoff
zersetzt, wobei kein Kohlendioxid entsteht. Bei Atmosphärendruck ist Methan
oberhalb von 1000 °C thermodynamisch nicht mehr stabil. Bei erhöhtem Druck
steigt diese Temperaturgrenze deutlich an (auf ca. 2000 °C bei 10 bar). Die
thermische Zersetzung kann auch weit oberhalb dieser Temperatur ohne
Katalysator erreicht werden, z. B. bei Temperaturen von ca. 2000 °C im Plasma.
Die Herstellung von Ruß durch thermische Zersetzung z. B. für die
Reifenindustrie ist ein Verfahren, das seit etwa 100 Jahren im industriellen
Maßstab etabliert ist, allerdings mit einem geringen Wirkungsgrad. Es wurde
bereits für die Wasserstoffproduktion mit Erdgas aus der Erdölförderung
eingesetzt. Wie beschrieben, findet die Zersetzungsreaktion nur bei hohen bis
sehr hohen Temperaturen statt. Daraus ergibt sich ein technisches Problem,
nämlich dass der feste Kohlenstoff in einem Wanderbett aus einem sehr heißen
Reaktor transportiert werden muss, der dennoch gasdicht sein muss.
Wird die Methanpyrolyse mit Hilfe eines Katalysators durchgeführt, spricht
man von thermokatalytischer Zersetzung. Diese Reaktion findet bereits unterhalb
von 1000 °C statt. Die niedrigsten Reaktionstemperaturen können mit
nickelhaltigen Katalysatoren erreicht werden. Allerdings wird der Katalysator in
der Regel schnell durch den entstehenden Kohlenstoff deaktiviert. Eine Lösung
für dieses Problem ist die Verwendung von Wirbelschichtreaktoren, in denen der
Katalysator relativ einfach zwischen verschiedenen Reaktoren bewegt werden
kann. Soll der Katalysator regeneriert werden, muss der Kohlenstoff oxidiert
werden, wodurch unerwünschte Kohlenstoffoxide entstehen (Abb. 9.22).
Was die technische Reife der Systeme betrifft, so sind die Plasmaprozesse
derzeit am weitesten fortgeschritten. Sie sind jedoch hauptsächlich auf die
Herstellung von Kohlenstoff ausgerichtet. Die Wasserstofferzeugung ist derzeit
nicht wirtschaftlich, vor allem wegen des hohen Marktpreises für grauen
Wasserstoff. Er wird lediglich als Energiequelle für den Prozess genutzt. Wird
regenerativer Strom zur Erzeugung des Plasmas genutzt, haben die
Plasmaprozesse ein hohes Potenzial, um in Zukunft türkisfarbenen Wasserstoff in
großen Mengen zu erzeugen. Der entstehende Kohlenstoff kann dann in einer
Vielzahl von technologischen Prozessen eingesetzt werden, was die höheren
9.3 Andere innovative Verfahren zur Wasserstofferzeugung 239
Herstellungskosten kompensieren könnte.
240 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren

Abb. 9.22 Blockschaltbild eines Systems zur thermokatalytischen Zersetzung von Erdgas
mit integrierter Katalysatorregeneration. (Fraunhofer IMM nach [76])

Kosten des Wasserstoffs. Stammt die Energieversorgung des


Zersetzungsprozesses aus erneuerbaren Quellen, wird der ökologische
Fußabdruck erheblich reduziert (Abb. 9.2). Die prognostizierten
Produktionskosten von Wasserstoff durch die thermische oder thermokatalytische
Umwandlung von Erdgas liegen derzeit nur geringfügig über den Kosten von ca.
C 2/kg, die bei der Dampfreformierung mit ca. C 3/kg anfallen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Umgang mit dem festen Produkt bei
der thermischen Zersetzung von Methan und die große Menge an Kohlenstoff, die
sich bei der thermokatalytischen Zersetzung auf dem Katalysator bildet, die
Kosten für die Wasserstoffproduktion erhöhen.
bleiben die wichtigsten technischen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.

9.3.3 Photokatalytische Systeme

In einem anderen Verfahren wird das Sonnenlicht direkt zur Erzeugung von
grünem Wasserstoff genutzt, indem Halbleiter das Licht absorbieren und dann an
ihrer Oberfläche katalytisch Wasser spalten. Man spricht hier von einem
photoelektrochemischen (PEC) oder photokatalytischen Prozess, da die
Ladungsträger direkt im Halbleiter erzeugt werden, die dann für die Reduktion zu
Wasserstoff oder die Oxidation zu Sauerstoff sorgen [77]. Es gibt nur wenige
Materialien, die für beide gekoppelten Prozesse geeignet sind, weshalb zwei
unterschiedliche
9.3 Andere innovative Verfahren zur Wasserstofferzeugung 241

Für die Sauerstoff- und Wasserstoffproduktion werden in der Regel verschiedene


Halbleiter kombiniert. Dies bedeutet, dass jeder Halbleiter besser an die
unterschiedlichen Anforderungen angepasst und darüber hinaus mit spezifischen
Co-Katalysatoren verbessert werden kann, um eine höhere Aktivität zu erzielen.
Die direkte PEC-Spaltung von Wasser mit Licht verspricht für die Zukunft
einfache Strukturen mit geringer Systemkomplexität. In der Praxis befindet sich
die Technologie jedoch noch in einem frühen Stadium: Neben der Suche nach
neuen Materialien für die einzelnen Aktionen gibt es nur vereinzelte Studien zum
Upscaling der Zellen, und konkrete Aufbauten zur Bestimmung des
Gesamtwirkungsgrads der Prozesskette von solarer Strahlungsenergie zu
Wasserstoff leiden oft unter einer geringen Energieeffizienz [78, 79]. Die
Fraunhofer-Gesellschaft engagiert sich im Rahmen ihrer internen
Vorlaufforschung mit dem Ziel, Brücken zwischen wissenschaftlicher Theorie
und Anwendung für eine mögliche Zukunftstechnologie zu schlagen. Es werden
mehrere Konzepte verfolgt: Unter aktiver Mitwirkung des Fraunhofer ISE wurde
eine mehrschichtige Zellstruktur mit hochaktiven III-V-Halbleitermaterialien u.a.
auf Basis von Gallium, Indium und Rhodium entwickelt. Mit dieser Zelle konnte
ein Solar-Wasserstoff-Wirkungsgrad von 19 Prozent erreicht werden - der
höchste bisher erreichte Wert [80]. Ein aktuelles Projekt zielt darauf ab
um diese Zellen auf eine Fläche von bis zu 36 × 36 cm zu skalieren2 .
In einem zweiten Ansatz, der von den Fraunhofer-Instituten IKTS, IST und CSP am
Zum anderen werden robuste und kostengünstige Materialien mit einem
durchschnittlichen Wirkungsgrad von 10 Prozent eingesetzt. Sie werden in
integrierten Tandemsystemen mittels in der Photovoltaik etablierter
Beschichtungsprozesse wirtschaftlich aufgebaut. Zudem sind sie inhärent
skalierbar aufgebaut. Hier werden Zellen mit einer aktiven Fläche von bis zu
einem Quadratmeter entstehen. Bei einer Tandemzelle durchläuft das Sonnenlicht
im Allgemeinen eine halbtransparente Anode, die das kurzwellige Licht
absorbiert, und trifft auf eine Kathode, die das langwellige Licht absorbiert.
Werden beide Schichten auf die gegenüberliegenden Seiten eines Glassubstrats
aufgebracht und elektrisch verbunden (Abb. 9.23), wird bei Sonneneinstrahlung
Wasserstoff auf der Kathodenseite und Sauerstoff auf der Anodenseite freigesetzt.
Ein dünner Wasserfilm bedeckt die Oberflächen [81], der bei Bedarf zirkuliert
werden kann. Diese Struktur ermöglicht höhere Wirkungsgrade als getrennte
Halbzellen und führt automatisch zu einer wichtigen physikalischen Trennung,
um die Bildung von explosivem Knallgas und teure Trennungsschritte zu
vermeiden. Für eine solche Tandemzelle mit einem hohen Wirkungsgrad im
Gesamtsystem,
die verwendeten Halbleiter müssen genau aufeinander abgestimmt sein: Die
Leistung pro Flächeneinheit ist durch die weniger aktive Einzelelektrode
begrenzt, und es ist günstiger, wenn für beide Halbzellen die gleichen Elektrolyte
und ein ähnlicher pH-Wert im Wasser verwendet werden. Solche Anpassungen
der Halbleitereigenschaften werden häufig durch chemische Zusammensetzung,
Dotierung oder durch Verwendung einer bestimmten Struktur und Morphologie
242 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
erreicht. Durch die Prozessbedingungen während des Sputterns und mögliche
Nachbehandlungsschritte lassen sich bestimmte Merkmale der Mikrostruktur der
getrennten Schichten beeinflussen.
9.3 Andere innovative Verfahren zur Wasserstofferzeugung 243

Abb. 9.23 Aufbau einer Tandemzelle, dem zentralen Element einer PEC-Einheit. (Fraunhofer IKTS)

Abb. 9.24 (a) Targets für das Sputtern von verschiedenen PEC-Halbleitern und
(b) eine mit ihnen abgeschiedene Schicht; (c, d) Schichten mit unterschiedlichen Strukturen
im Rasterelektronenmikroskop. (Fraunhofer IKTS)

Um sorgfältig aufeinander abgestimmte Materialien einsetzen zu können, werden


am Fraunhofer IKTS Halbleitermaterialien als Targets für die Erzeugung dieser
Schichten entwickelt und hergestellt (Abb. 9.24).
Die Untersuchung großer PEC-Zellen wirft ein Problem auf: Wie können wir
das Sonnenlicht ins Labor bringen? Für eine reproduzierbare Messung ist es sehr
wichtig, die natürlichen Lichtverhältnisse genau nachzubilden. Das Fraunhofer
CSP betreibt daher
244 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
Abb. 9.25 Prüfstand für
PEC-Zellen. (Fraunhofer
CSP)

ein Prüfstand für große PEC-Zellen mit LED-Solarsimulatoren, der ein


homogenes Lichtfeld von 20 cm × 20 cm mit hoher spektraler Qualität erzeugt
und zur Untersuchung der Elektrodenmaterialien und Zellen dient. In einer
zukünftigen Ausbaustufe soll ein 2 m2 Solarsimulator zum Einsatz kommen.
Die PEC-Technologie für die Erzeugung von grünem Wasserstoff befindet
sich in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Zentrale Fragen zu Effizienz,
Skalierbarkeit und Langlebigkeit müssen noch geklärt werden. Die Fraunhofer-
Gesellschaft forscht hierzu in verschiedenen Projekten und bringt auch ihre
Expertise in der Entwicklung modularer Systeme ein, um einer
vielversprechenden Technologie den Weg vom Labormaßstab zu einer möglichen
Anwendung zu ebnen.

9.3.4 Biologische Verfahren

Neben den oben genannten Verfahren zur Wasserstofferzeugung kann


Wasserstoff auch aus biologisch verfügbaren Materialien oder direkt durch
biologische Prozesse hergestellt werden. Die Biomassevergasung ist bereits ein
sehr fortschrittliches Verfahren, das im industriellen Maßstab eingesetzt wird. Bei
einer solchen thermochemischen Umwandlung (Teilverbrennung) von
biologischem Material bei Temperaturen von bis zu 900 °C entstehen durch ein
Oxidationsmittel - wie Wasserdampf, Luft und/oder Sauerstoff - Wasserstoff,
Kohlenmonoxid, aber auch CO2 , Methan und Wasserdampf. Allerdings sind die
Kosten des Verfahrens mit Preisen von ca. 7 C/kg Wasserstoff deutlich höher als
die Kosten der Erzeugung von grauem Wasserstoff [82].
Im Gegensatz zur Biomassevergasung bietet der Einsatz photosynthetischer
oder (photo)fermentativer Mikroorganismen eine rein biologische Methode zur
Wasserstofferzeugung. Einige prokaryotische Vertreter dieser Mikroorganismen
(z.B. Bakterien) und auch einige eukaryotische Einzelzellen (z.B. Grünalgen)
bilden Wasserstoff als Stoffwechselprodukt.
9.3 Andere innovative Verfahren zur Wasserstofferzeugung 245

Tabelle 9.3 Wege der Wasserstofferzeugung durch Mikroorganismen [84]


Energiequelle Elektronenquelle Bekannte Organismen
Dunkle Gärung Organische Moleküle Clostridien,
(z. B. Säuren und Zucker) Enterobacteriaceae
Anoxygene Licht Säuren, H S2 Violette Bakterien
Photosynthese
Sauerstoffhaltige Licht Wasser Cyanobakterien,
Photosynthese einzellige Grünalgen

In Analogie zur Elektrolyse und zu Brennstoffzellen dient Wasserstoff als


natürlicher Speichermechanismus und Elektronenquelle im Organismus [83].
Die grundlegenden Stoffwechselwege für die biologische
Wasserstoffproduktion sind in Tabelle 9.3 zusammengefasst. Das Enzym
Hydrogenase spielt eine Schlüsselrolle bei der biologischen
Wasserstoffproduktion. Je nach Metallgehalt unterscheidet man zwischen [Fe]-,
[FeNi]- und [FeFe]-Hydrogenasen (Abb. 9.26; [85]). Die [FeFe]-Hydrogenasen
sind jedoch mit Abstand die effizientesten Systeme zur Wasserstoffproduktion
[86]. Es gibt zahlreiche Stoffwechselprozesse, bei denen Wasserstoff unter
anoxischen Bedingungen gebildet wird, z. B. durch das Darmbakterium
Escherichia Coli [87] oder Clostridien [88]. Vor allem Hydrogenasen in
prokaryotischen Mikroorganismen könnten in Zukunft für die biologische
Wasserstoffproduktion an Bedeutung gewinnen. Diese sind in der Lage,
Abwässer und Nährstoffe als Energiequelle für die Wasserstoffbildung zu nutzen.
In Zukunft könnten auch Purpurbakterien für die photofermentative
Wasserstoffbildung eingesetzt werden
[89] und Cyanobakterien können für die photobiologische Wasserstoffbildung
genutzt werden [90]. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass die
Hydrogenasen von Algen, wie der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii, die
photosynthetische Wasserstoffbildung ermöglichen.

Abb. 9.26 Aktive Zentren von [FeFe] Hydrogenasen (links) und [FeNi] Hydrogenasen
(rechts). (Farbcode: grau: Kohlenstoff, gelb: Schwefel, rot: Sauerstoff, blau: Stickstoff,
braun: Eisen, türkis: Nickel) [91]
246 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
Obwohl die Energieumwandlungseffizienz dieser
Wasserstoffproduktionssysteme theoretisch bei etwa 10 Prozent liegt, ist die
biologische Wasserstoffproduktion in der Regel mit anderen Stoffwechselwegen
verbunden [92]. Dies verringert die Umwandlungseffizienz, was bedeutet, dass
Wasserstoff in der Regel nicht in großen Mengen frei zugänglich ist. Die bi-
logischen Systeme sind zudem oft sauerstoffempfindlich, was in der Regel zu
einer Hemmung des enzymatischen Systems und damit zur Einstellung der
Wasserstoffbildung führt. Durch gezielte genetische Manipulation der
Organismen kann jedoch die Ausbeute an freiem Wasserstoff erhöht und die
direkte biologische Verwertung gehemmt werden [93]. Auch gibt es Ansätze, die
Sauerstoffempfindlichkeit dieser Systeme zu reduzieren [94].
Neben der Wasserstoffbildung durch Hydrogenasen wird Wasserstoff in erster
Linie als Nebenprodukt bei der natürlichen Stickstofffixierung (Umwandlung von
Luftstickstoff in Ammoniak) durch das Enzym Nitrogenase erzeugt [95].
Diese biologischen Prozesse befinden sich noch auf einem relativ niedrigen
Technology Readiness Level (TRL), so dass sie Gegenstand von
Forschungsprojekten sind, die eher theoretischer Natur sind. Es wird noch viel
Zeit vergehen, bis sie für den industriellen Einsatz bereit sind.

9.4 Zusammenfassung und Ausblick

Die CO2 -freie Wasserelektrolyse, vor allem auf Basis erneuerbarer Energien,
wird die Schlüsseltechnologie für die Sektorkopplung und die dritte Phase der
Energiewende in Deutschland werden. Unter Kostengesichtspunkten kann grüner
Wasserstoff noch nicht mit konventionellem grauen Wasserstoff konkurrieren.
Die Gründe dafür liegen jedoch weniger in der Technologie, sondern vor allem in
der ungeeigneten Ausgestaltung des Energiemarktes.
Mit steigenden CO2 -Preisen, Kostensenkungen bei der Elektrolyseproduktion
und einem wachsenden Angebot an kostengünstigem Strom aus Wind- und
Sonnenenergie weltweit wird grüner Wasserstoff immer wettbewerbsfähiger.
Blauer oder türkisfarbener Wasserstoff, d. h. nicht erneuerbarer, aber CO2 -freier
oder CO2 -armer Wasserstoff, wird derzeit als Zwischenlösung diskutiert. Denn
weder können die notwendigen Elektrolysekapazitäten mit der entsprechenden
Geschwindigkeit aufgebaut werden, noch wird der Ausbau der erneuerbaren
Energien in den nächsten Jahren ausreichen. Wie lange diese Übergangszeit
dauern wird, ist noch umstritten. Zu betonen ist auch, dass die Prozessrouten der
blauen und türkisfarbenen Wasserstofferzeugung ebenfalls noch nicht breit
erprobt und verfügbar sind und dass die langfristigen Folgen der CCS-
Technologie und der damit verbundenen CO2 Speicherung noch schwer
abzuschätzen sind.
Es ist noch nicht klar, inwieweit sich die Niedertemperaturtechnologien
(alkalische Elektrolyse oder PEM-Elektrolyse) in großem Maßstab durchsetzen
werden. Während
9.4 Zusammenfassung und Ausblick 245

Während die alkalische Elektrolyse, die am längsten genutzte und am weitesten


fortgeschrittene Technologie, heute der etablierte Standard ist, gibt es Fortschritte
im Bereich der (noch teureren) PEM-Elektrolyse, die eine bessere Flexibilität,
mehr Kompaktheit und höhere Effizienz bei gleicher Leistungsdichte verspricht,
mit dem Ziel, die Kosten durch Massenproduktion zu senken. Kurzfristig wird die
alkalische Elektrolyse weiterhin den größten Anteil an den Elektrolysekapazitäten
ausmachen, aber es ist zu erwarten, dass die PEM-Elektrolyse vor allem bei
kleinen und mittleren Leistungen an Bedeutung gewinnen wird.
Mittel- bis langfristig wird sich auch die Hochtemperaturelektrolyse am Markt
etablieren, sofern die Produktionskosten drastisch gesenkt werden können und die
Lebensdauer weiter steigt. Die reinen Materialkosten sind deutlich geringer als
bei der PEM-Elektrolyse. Insbesondere bei Anwendungen, bei denen vorhandene
Abwärme genutzt werden kann, werden die Effizienzvorteile dieser Technologie
zum Tragen kommen. Die alkalische Membranelektrolyse bleibt eine weitere
relevante Option. Diese kombiniert die Vorteile der klassischen alkalischen
Elektrolyse mit der Kompaktheit und dem verbesserten Wirkungsgrad der PEM-
Elektrolyse. Allerdings sind hier noch einige Entwicklungen und
Kostensenkungen erforderlich, um die Technologie wettbewerbsfähig zu machen.
Blauer und türkisfarbener Wasserstoff fungieren als Brückentechnologien und
werden voraussichtlich im Ausland eine größere Rolle spielen (an Kohle- und
Erdgasstandorten sowie als CO2 oder Kohlenstoffsenken). Sie werden ihre Rolle
als Wasserstoffimporte in Deutschland temporär erfüllen, der Betrieb solcher
Anlagen in Deutschland erscheint jedoch unwahrscheinlich. Photokatalytische
und biologische Verfahren befinden sich noch in einem frühen
Entwicklungsstadium und können noch nicht
vollständig auf ihre potenzielle Marktfähigkeit hin bewertet werden.
Wasserstoff wird in naher Zukunft eine zunehmende Rolle im Energiesystem
in Deutschland spielen, insbesondere bei der Sektorkopplung. Auf der
Verbraucherseite werden die Mobilität (Luft, Schiff, Schwerlastverkehr) und
nachhaltige Prozesswege die größten Treiber in der Industrie sein. In der Industrie
kann durch den Ersatz von grauem Wasserstoff durch grünen Wasserstoff in
Raffinerien und bei der Ammoniakproduktion kurzfristig eine Reduktion der CO2
Emissionen erreicht werden. Die Herausforderungen und Chancen der
industriellen Nutzung von Wasserstoff werden in Kap. 5 ausführlicher
beschrieben.
Der steigende Bedarf an Wasserstoff wird aber zumindest in der Anfangsphase
noch weitgehend durch grauen Wasserstoff gedeckt werden müssen. Mittelfristig
wird er durch heimischen grünen Wasserstoff und Wasserstoffimporte (blau, grün
und eventuell türkis) gedeckt werden. Langfristig bleibt es das Ziel,
ausschließlich CO2 -freien, primär grünen Wasserstoff zu verwenden.
246 9 Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und andere
Verfahren
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Brennstoffzellen-Technologien
10
Ulf Groos
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Carsten Cremers
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT
Laura Nousch ● Christoph Baumgärtner
Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme
IKTS

Abstrakt

Brennstoffzellen sind Energiewandler, die die chemische Energie eines


Brennstoffs in elektrische und thermische Energie umwandeln. Sie
ermöglichen die Kraft-Wärme-Kopplung und haben damit das Potenzial, ein
wichtiger Bestandteil der wasserstoffbasierten Energieversorgung zu werden.
In diesem Kapitel werden die Funktionsweise und die Eigenschaften der
verschiedenen Brennstoffzellentypen analysiert.

10.1 Einführung

Brennstoffzellen sind Energiewandler, die die chemische Energie eines


Brennstoffs in elektrische und thermische Energie umwandeln. Als solche
ermöglichen sie die Kraft-Wärme-Kopplung. Die Stromerzeugung mit
Brennstoffzellen eröffnet Chancen in vielen Bereichen. Der Wirkungsgrad der
Zellen ist im Vergleich zum Verbrennungsmotor hoch und die Energiedichte ihrer
Brennstoffe ist höher als die von Batterien. Darüber hinaus helfen
Brennstoffzellen, lokale Schadstoffemissionen zu vermeiden, und es steht eine
größere Auswahl an Brennstoffen zur Verfügung. Daraus ergeben sich vielfältige
Einsatzmöglichkeiten für Brennstoffzellensysteme. Ob in der stationären
Energieerzeugung oder als mobile Energieversorgung für ein elektrisches
Antriebsaggregat, Brennstoffzellen haben das Potenzial, eine bedeutende Rolle in
globalen Energieversorgungslösungen zu spielen.
© Springer Nature Schweiz AG 2022 253
R. Neugebauer (Hrsg.),
Wasserstofftechnologien,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-22100-2_10
25410 Brennstoffzellen-
Technologien

Brennstoffzellensysteme können hohe Wirkungsgrade von über 50 Prozent


erreichen, und wenn sie mit erneuerbarem Wasserstoff betrieben werden, sind sie
emissionsfrei. Wenn der verwendete Wasserstoff nicht erneuerbar ist, aber an
einem zentralen Ort hergestellt wird, sind sie zumindest auf lokaler Ebene
emissionsfrei. Im Falle von Kraftstoffen wie Methan und Methanol bieten die
Zellen im Vergleich zu Verbrennungsmotoren eine deutliche Reduzierung der
Emissionen. Die Systeme sind leise und wartungsarm.
Brennstoffzellen können in einem breiten Spektrum von Anwendungen
eingesetzt werden, das von einer Leistung von 1 Watt bis zu mehreren Megawatt
reicht:

● 1 W bis 1 kW: Camping, Baustellen, tragbare Generatoren, Drohnen, Spielzeug


● 1 bis 10 kW: Kraft-Wärme-Kopplung für Haushaltsenergie, Gabelstapler,
Notstromaggregate, Telekommunikation, Hilfsaggregate (APU) für
Landfahrzeuge
● 10 bis 100 kW: Reichweitenverlängerer für Fahrzeuge, Bodenabfertigung auf
Flughäfen, stationäre Stromerzeugung und Kraft-Wärme-Kopplung,
Hilfsturbinen (APUs) für Flugzeuge
● 50 kW bis mehrere MW: Brennstoffzellen-Antriebsstränge für Pkw, Lkw,
Busse, Züge, Boote, Schiffe, Flugzeuge; stationäre Kraft-Wärme-Kopplung

Wie bei einem Verbrennungsmotor kann auch bei einem Brennstoffzellensystem


der Stromrichter getrennt vom Energiespeicher dimensioniert werden. Dadurch
können Leistung und Betriebszeit an die jeweilige Anwendung angepasst werden.
Jede einzelne Brennstoffzelle besteht aus einer Bipolarplatte (BPP) mit einer
Anoden- und einer Kathodenseite sowie einer Membran-Elektroden-Einheit
(MEA). Die einzelnen Brennstoffzellentechnologien unterscheiden sich je nach
den verwendeten Elektrolyten, da diese das Niveau der Betriebstemperatur
bestimmen. Die Betriebstemperatur wiederum bestimmt, welche Arten von
Brennstoff verwendet werden können. Werden mehrere Einzelzellen elektrisch in
Reihe geschaltet, übereinander gestapelt und mit Balance-of-Stack-Komponenten
(BOS) wie Endplatten, Stromabnehmern, Verteilerplatten und
Überwachungseinheiten ergänzt, bilden sie einen Brennstoffzellenstapel. In der
Regel werden die einzelnen Zellen eines Stapels parallel mit Flüssigkeit versorgt.
Die Anzahl der Einzelzellen bestimmt die Gesamtspannung, ihre aktive Fläche
den Strom. Die Anzahl der Zellen und ihre Fläche ermöglichen zudem eine
Variation der Leistung. Brennstoffzellensysteme basieren auf
Brennstoffzellenstapeln, die von Balance-of-Plant (BOP)-Elementen wie
Luftkompressoren, Befeuchtern, Wasserstoffversorgung, Spülventilen,
Wärmemanagementmodulen und Leistungselektronik unterstützt werden.
Membranbrennstoffzellen verwenden eine feste, ionenleitende Membran als
Elektrolyt. In einer Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzelle (PEMFC) besteht
die Membranelektrodeneinheit aus einer sehr dünnen katalysatorbeschichteten
Membran (CCM)
10.1 Einleitung 255

Tabelle 10.1 Überblick über die verschiedenen Brennstoffzellentechnologien


Technologie Vorteile Benachteiligungen TRL
LT-PEMFC Hohe Geringe Toleranz gegenüber 9
Leistungsdichte Schadstoffen Komplexes
Lange Wassermanagement
Nutzungsdauer System
Gute Start-Stopp- und
Zyklenstabilität
DMFC Gute Start-Stopp- und Geringer 9
Zyklenstabilität Hohe Wirkungsgrad
Energiedichte (Methanol) Geringe
Leistungsdichte
SOFC Hohe Effizienz Mittlere Leistungsdichte 8
Hohe Toleranz gegenüber Geringe Start-Stopp- und
Verunreinigungen Lange Zyklenstabilität Lange Anlaufzeit
Nutzungsdauer
HT-PEMFC Hohe Toleranz gegenüber Mittlere Start-Stopp- und 8
Verunreinigungen Geringe Zyklenfestigkeit
Anlaufzeit Mittlere Leistungsdichte
MCFC Große Auswahl an CO2 Geringe Leistungsdichte 8
management Geringe Start-Stopp- und
Hoher Wirkungsgrad bei Zyklenstabilität Lange Anlaufzeit
Verwendung mit CO2 -
basierten Brennstoffen
H2 als Nebenprodukt
AEMFC Edelmetallfreie Katalysatoren Geringe 3
Leistungsdichte
Bisherige kurze
Lebensdauer

die aus Polymeren mit einer Gasdiffusionsschicht (GDL) auf jeder Seite bestehen.
Bipolarplatten (BPP) sind die gebräuchlichsten Mittel für die Zufuhr von
Reaktionsgasen und die Kühlung der Stacks. Andere Arten von
Membranbrennstoffzellen sind Anionenaustauschmembranbrennstoffzellen
(AEMFC) und keramische Festoxidbrennstoffzellen (SOFC). Alkalische (AFC),
phosphorsaure (PAFC) und Schmelzkarbonat-Brennstoffzellen (MCFC) gehören
zu einer anderen Kategorie. Diese Arten von Brennstoffzellen verwenden einen
flüssigen Elektrolyten, der an einer keramischen Matrix und den
Elektrodenstrukturen adsorbiert ist. Aktuelle Modelle von Hochtemperatur-
Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen (HT-PEMFC) fallen unter diesen
Zellentyp. Die chemische Wechselwirkung zwischen Phosphorsäure und
Polybenzimidazol innerhalb der Elektrolytmembran ist so stark, dass diese als
eine homogene Membran behandelt werden können. In den Elektroden ist 3die
Phosphorsäure jedoch nur in flüssiger Form adsorbiert. HT-Brennstoffzellen
verwenden feste und flüssige Elektrolyte, die bis zu 600 °C heiß sein müssen, um
eine ausreichende Ionenleitfähigkeit zu erreichen. Sauerstoffionen (O2— ) oder
Karbonationen (CO2— ) werden durch die Elektrolyte geleitet. Dies hat den
zusätzlichen Vorteil, dass Kohlenmonoxid in der Zelle selbst umgewandelt
werden kann. Dies ermöglicht eine große Auswahl an Brennstoffen. Es können
verschiedene kohlenwasserstoffbasierte Brennstoffe (flüssig und gasförmig) aus
dem konventionellen Bergbau und aus erneuerbaren Quellen (z. B. Biogas)
verwendet werden, bis hin zu Ammoniak (NH3 ). Hochtemperatur-
Brennstoffzellen können die Systemkosten senken und die Systemleistung
erhöhen.
Effizienz (Abb. 10.1).
256 10 Brennstoffzellen-
Technologien

Abb. 10.1 Brennstoffumwandlungsstufen in verschiedenen Brennstoffzellentypen und ihr


Einfluss auf die Komplexität der Brennstoffverarbeitung. (siehe [6])

Hohe Betriebstemperaturen ermöglichen die Auskopplung von Nutzwärme aus


den Abgassystemen, so dass Hochtemperatur-Brennstoffzellensysteme bestens
geeignet sind, um bei der stationären Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-
Wärme-Kopplung) eine wichtige Rolle zu spielen. Der hohe Teillastwirkungsgrad
von SOFC-Systemen unterscheidet sie von anderen Konvertern wie z. B.
gasbetriebenen Motoren. Für Sektoren wie die Mobilität gibt es jedoch Nachteile,
da SOFCs aufgrund der energie- und zeitintensiven Aufwärmphase und der
begrenzten Anzahl thermischer Zyklen weniger für Anwendungen mit hoher
Lastflexibilität geeignet sind.

10.2 Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-
Brennstoffzellen

10.2.1 Übersicht

In PEMFCs wird das Wasserstoffmolekül auf der Anodenseite in zwei Protonen


und zwei Elektronen gespalten. Die Elektronen folgen einem externen Stromkreis
zur Kathode und können dabei elektrische Arbeit verrichten. Die Protonen
werden durch den Membranelektrolyten zur Kathode geleitet, wodurch der
Stromkreis geschlossen wird. An der Kathode...
10.2 Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen 257

ode verbinden sie sich mit (Luft-)Sauerstoff und Elektronen zu Wasser, das als
erhöhte Luftfeuchtigkeit aus der Brennstoffzelle abgeführt wird.

Anode: 2H2 → 4H+ + 4e—


Kathode: O2 + 4H+ + 4e— → 2H2
O Gesamt: 2H2 + O2 → 2H
O2

10.2.2 Stapelkomponenten

Mit der derzeit verfügbaren Systemarchitektur erreichen Membran-Elektroden-


Einheiten, die in einer Kfz-Brennstoffzelle eingesetzt werden, Leistungsdichten
von etwa
1,5 W/cm2 und Stromdichten von 2 A/cm2 bei 675 mV. Die Platinbeladung
erreicht typischerweise 0,25 bis 0,4 mg/cm2 für die Kathode und die Anode
zusammen.
Die Reaktionen, die in Brennstoffzellen ablaufen, werden durch
elektrochemische Katalysatoren ermöglicht. Katalysator-Nanopartikel werden mit
Hilfe von nasschemischen Verfahren auf Kohlenstoffpartikel (Katalysatorträger)
mit unterschiedlicher Porosität aufgebracht. Als Katalysatoren werden Platin (Pt)
oder Pt-Legierungen verwendet. Die Forscher erforschen derzeit Kern-Schale-
Architekturen und komplexe Legierungen sowie Katalysatoren, die nicht auf
Edelmetallen basieren. Um die Langzeitstabilität der Katalysatoren an die
jeweiligen Anwendungen anzupassen, werden verschiedene Formen von
Kohlenstoffpartikeln als Katalysatorträger sowie unterschiedliche
Graphitierungsgrade verwendet.
Das Katalysatorpulver wird mit dem Ionomer (für den Protonentransport) und
einem Lösungsmittel zu einer Paste oder Tinte vermischt. Durch ein
Beschichtungsverfahren wird diese Mischung dann zu einer Katalysatorschicht
(Abb. 10.3). Die Zusammensetzung der Katalysatorschicht beeinflusst das
Betriebsverhalten. Wenn ein niedriger Strom angelegt wird, führt ein hoher
Ionomergehalt zu einer verbesserten

Katalysa
■ Dimensionen von der Nanoskala bis zur Makroskala
■ Zeitskala von ns bis Stunden tor
Teilchen
■ Nanoskala: Protonentransport, ■ Protonen- und 2 - 8 nm
Katalysatorpartikel, Poren des
Elektronentransport Katalysa
Katalysatorträgers tor-
■ Fluidik und Diffusion Unterstü
■ Mikroskala: Ionomerverteilung,
Agglomerat, Morphologie der ■ Degradierung
Katalysatorschicht
Katalysatorbelastung 0,02 - 0,4 mg
■ Makroebene: Strömungsfeld μ
/cm²Pt
μ

O2
Gasdiffusionsschicht (GDL) 100 - 200 μm
Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM) 8 - 50 μm
258 10 Brennstoffzellen-
Technologien
30 cm H2

Abb. 10.2 Membranelektrodeneinheiten (MEA) in Brennstoffzellen stellen ein


Multiskalenproblem dar. (Fraunhofer ISE)
10.2 Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen 259

Abb. 10.3 Herstellung einer Membran-Elektroden-Einheit (MEA). (Fraunhofer ISE)

Abb. 10.4 Stromdichte in zwei Betriebspunkten mit unterschiedlicher Pt-Beladung (auf der
Kathode) und unterschiedlichem Ionomergehalt. Die MEA wurde im Rahmen des vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten DEKADE-Projekts im
Siebdruckverfahren hergestellt. (Fraunhofer ISE)

Leistung aufgrund des geringen Protonen-Kontaktwiderstandes an der Grenze


zwischen der Elektrode und der Membran (Abb. 10.4). Umgekehrt ermöglicht ein
geringer Ionomergehalt eine bessere Sauerstoffdiffusion, was die Leistung bei
hohen Strömen erhöht.
260 10 Brennstoffzellen-
Technologien
In der Industrie wird heute vor allem die Schlitzdüsenbeschichtung eingesetzt,
da sie eine gleichmäßige, durchsatzstarke Rolle-zu-Rolle-Beschichtung (R2R)
ermöglicht. In Forschungslabors werden jedoch häufig Sprühbeschichtungen
verwendet, da diese Beschichtungsmethode einfach und kostengünstig ist. Eine
derzeit gut etablierte Methode besteht darin, eine Abziehfolie zu beschichten und
die getrocknete Katalysatorschicht anschließend durch Heißpressen oder
Kalandrieren auf die Polymerelektrolytmembran (PEM) zu übertragen. Die
direkte Beschichtung der PEM wird bereits in einigen Industrieanlagen
durchgeführt. Die Kombination aus der PEM und der Katalysatorschicht auf der
Anoden- und Kathodenseite wird als katalysatorbeschichtete Membran (CCM)
bezeichnet.

DEKADE-Projekt: Deutsch-kanadische Brennstoffzellen-Kooperation:


Diagnose und Entwicklung von Komponenten für automobile
Brennstoffzellen

Abb. 10.5 Herstellung eines CCM mittels Siebdruck. (Fraunhofer ISE)


10.2 Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen 261

Wissenschaftliche Ziele
● Entwicklung neuer, nachhaltiger Katalysatorsysteme für LT-PEMFCs,
basierend auf stabilen Trägerstrukturen mit optimierter Platin-Träger-
Wechselwirkung
● Entwicklung neuer Kompositmembranen mit Nanofaserverstärkung auf
der Grundlage des von den Teilnehmern entwickelten direkten
Membrandruckverfahrens mit dem Ziel, eine optimale
Membranelektrodeneinheit mit reduzierter Membrandicke und
verbesserter Betriebsstabilität herzustellen (Abb. 10.5)
● Modellierung der Membranelektrodeneinheiten zur Optimierung ihrer
Struktur und Komponentenzusammensetzung
● Innovative Elektrodenstrukturierung mit Gradienten durch die Ebene,
um eine optimale Ionomer- und Pt-Verteilung zu erreichen

Projektpartner: Fraunhofer ISE, Universität Freiburg, Greenerity GmbH


Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF)
Umsetzung: 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2019
Kontakt: Ulf Groos, Leiter der Abteilung
Brennstoffzellensysteme, Fraunhofer ISE
Informationen: https://www.ise.fraunhofer.de/en/research-projects/
dekade.html

Die Strukturen des der mikroporösen Katalysatorschicht zugewandten


Strömungsfeldes sind für Gasmoleküle zu grob, so dass zur Ermöglichung einer
guten Gaszufuhr Gasdiffusionsschichten auf das CCM aufgebracht werden. Die
Gasdiffusionsschichten bestehen aus Kohlefaservliesen oder -geweben mit einer
Dicke von 100 bis 300 µm, die mit einer fluorierten Polymerschicht versehen
sind, um sie hydrophob zu machen. Auf der der Elektrode zugewandten Seite
wird dann in der Regel eine mikroporöse Schicht (MPL) mit einer Dicke von 20
bis 50 µm aufgebracht, die aus hydrophoben Kohlenstoffpartikeln besteht. Diese
mikroporösen Schichten helfen beim Wassermanagement innerhalb der PEMFC.
Der aktive Bereich der katalysatorbeschichteten Membran (CCM) wird durch
Stanzen ausgeschnitten. Damit die CCM von Maschinen gehandhabt werden kann
und um die Dichtungen zwischen der CCM und den Gasöffnungen und
Bipolarplatten herzustellen, werden Polymerverstärkungsrahmen auf die
Membran laminiert. Diese Rahmen können aus Materialien wie
Polyethylennaphthalat (PEN) hergestellt werden. Schließlich wird die
Gasdiffusionsschicht auf jeder Seite der Membran befestigt.
262 10 Brennstoffzellen-
Technologien
In Bipolarplatten integrierte Strömungsfelder verteilen die Reaktionsgase über
die aktive Oberfläche der Membranelektrodenanordnung. Die Bipolarplatten
verteilen die Gase, leiten elektrische Ströme zwischen den Zellen, sorgen für eine
gasdichte Trennung zwischen Anoden- und Kathodenraum und dienen als
Dichtung zum Schutz vor Abkühlung. Bipolarplatten können aus graphitbasierten
oder metallischen Materialien hergestellt werden. Zusammengesetzte
Bipolarplatten führen im Vergleich zu metallischen Platten zu größeren
Stapelhöhen. Daher müssen sie leitfähige Füllstoffe auf Graphitbasis enthalten,
um die elektrische Leitfähigkeit der Bipolarplatten zu gewährleisten. Der
Hauptvorteil ist ihre hohe Korrosionsbeständigkeit. Metallische Platten haben
eine gute mechanische Festigkeit und sind leicht zu bearbeiten. Sie weisen jedoch
einige Nachteile auf, z. B. neigen Metalloberflächen zur Bildung von Oxiden und
ihre Korrosionsbeständigkeit ist nicht so gut. Daher muss eine zusätzliche
Oberflächenbeschichtung aufgebracht werden, um langfristig einen geringen
elektrischen Übergangswiderstand zwischen der Platte und den benachbarten
GDL zu gewährleisten und einer möglichen Verunreinigung durch Korrosion
vorzubeugen. Auf die Oberflächen von metallischen Bipolarplatten werden häufig
Graphitbeschichtungen, Edelmetallschichten, Metallnitrid-/Karbidschichten und
leitfähige Polymerschichten aufgebracht.
Die Herstellung einer stapelbaren Bipolarplatteneinheit umfasst das
Einbringen des Strömungsfelds, das Ausschneiden und Beschichten der
Bipolarplatten und schließlich das Zusammenschweißen zweier Platten und das
Anbringen einer Dichtung. Die Herstellung von Bipolarplatten erfordert eine
enorme Präzision bei der Form-, Schneid- und Verbindungstechnik. Gegenwärtig
kann die Umformtechnik Bipolarplatten aus 0,07 bis 0,1 mm dünnen Blechen mit
bis zu 0,8 mm tiefen Kanälen herstellen.

10.2.3 Systemkomponenten

Damit ein Brennstoffzellenstapel elektrischen Strom liefern kann, sind


zusätzliche Komponenten für die Anlagenbilanz (BOP) erforderlich. Diese lassen
sich in der Regel in drei Bereiche unterteilen:

● Prozessluftversorgung (Kathodenkreislauf)
● Wasserstoffversorgung (Anodenkreislauf)
● Wärmemanagement (Kühlkreislauf)

Jeder Stromkreis besteht aus spezifischen Komponenten, die im Folgenden beschrieben


werden (Abb. 10.6).
Die wichtigsten Komponenten des Kathodenkreislaufs sind in der Regel ein
Kompressor zum Ansaugen und Verdichten von Luft aus der Umgebung, ein
Kühler und ein Befeuchter. Der Kompressor ist die Komponente, die unter
normalen Betriebsbedingungen die meiste Energie verbraucht. Dem Kompressor
10.2 Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen 263
vorgelagert ist üblicherweise ein
264 10 Brennstoffzellen-
Technologien

Abb. 10.6 Balance-of-Plant-Komponenten in einem Brennstoffzellenstapel. (Fraunhofer ISE)

einen Luftfilter, der Staubpartikel und korrosive Gase aus der einströmenden Luft
entfernt.
Der Anodenkreislauf besteht aus einer Umwälzpumpe oder einer ähnlichen
Vorrichtung, einem Mechanismus zur Wasserabscheidung und einem Abblase-
oder Spülventil. Die Rezirkulation gewährleistet eine hohe
Wasserstoffausnutzung sowie einen ausreichenden Gasfluss, um kondensierende
Feuchtigkeit aus der Brennstoffzelle zu entfernen. Da (atmosphärischer)
Stickstoff und andere Inertgase von der Kathode zur Anode diffundieren können,
müssen diese regelmäßig über ein Abblaseventil entfernt werden. Dies geschieht
in der Regel in zeitlichen Abständen, abhängig von der kumulierten
Stromerzeugung der Zelle. Eine Kondensationseinheit sorgt dafür, dass
überschüssiges Wasser aus dem Anodengasstrom entfernt wird. Der durch das
Spülventil ausgestoßene Gasstrom enthält noch etwas Wasserstoff. In Fahrzeugen
wird dieser Strom jedoch aus Platzgründen meist in den Kathodenauslass geleitet.
Ein vom Fraunhofer ICT entwickeltes und vom TÜV Süd AG zertifiziertes
Messverfahren ermöglicht die instationäre Überwachung der H2 Konzentration im
Abgas, um sicherzustellen, dass die Grenzwerte für einen sicheren Betrieb nicht
überschritten werden.
Der Kühlkreislauf besteht aus einer Kühlmittelpumpe, Wärmetauschern und
einer Vorrichtung zur Regelung des Kühlmittelflusses und der Stacktemperatur.
Im Allgemeinen sind die verwendeten Kühlmittel frostbeständig und nicht
elektrisch leitend.
Jedes Brennstoffzellensystem verfügt über eine Starter- und Pufferbatterie.
Damit wird sichergestellt, dass während des Startvorgangs die wichtigen
Peripheriekomponenten des Systems anlaufen können.
10.2 Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen 265

noch bevor die Brennstoffzelle selbst ausreichend Leistung aufbaut. In


Fahrzeugen deckt die Pufferbatterie extreme Lastspitzen ab, was eine
Degradation der Brennstoffzelle durch große Potenzialunterschiede oder
unzureichende Gasversorgung verhindert. Darüber hinaus kann die Batterie
Energie aus der Bremsenergierückgewinnung zurückgewinnen und so die
Gesamteffizienz des Fahrzeugs erhöhen, während gleichzeitig der mechanische
Verschleiß beim Bremsen verringert wird.
Die Leistungselektronik passt die elektrischen Parameter an, um die
Brennstoffzelle mit der Batterie und dem Elektromotor im Antriebsstrang
elektrisch zu koppeln.
Druckgastanks werden zur Speicherung von Wasserstoff in Fahrzeugen
verwendet. Für den Druck in den Tanks gibt es weltweite Normen: 700 bar für
Pkw, 300 bis 350 bar für Busse und Bahnen. Für Lkw werden verschiedene
Lösungen diskutiert, die von Druckgastanks mit 300, 350 oder 700 bar bis hin zu
Flüssig- oder Kryowasserstofftanks reichen. In der Regel werden mehrere
zylindrische Tanks verwendet, die über Ventilschalter und Schläuche miteinander
verbunden sind.

10.2.4 Operatives Management

Die Leistung einer Brennstoffzelle kann anhand ihrer Strom-Spannungs-


Kennlinie abgebildet werden (Abb. 10.7). Diese zeigt, wie der Strom der
einzelnen Zelle oder des Stapels auf eine bestimmte Betriebsspannung reagiert.
Für einen besseren Vergleich wird häufig die Stromdichte, d. h. der Strom geteilt
durch die aktive Fläche, als Indikator verwendet.
Die elektrochemische Reaktion ist stark von den lokalen Betriebsbedingungen
in der Brennstoffzelle abhängig. Die Konzentration der Reaktionsgase ist an der
Eintrittsstelle hoch, nimmt aber entlang des Gaskanals auf dem Weg zum Austritt
ab. Gleichzeitig erzeugt die Reaktion Wärme, so dass die lokale
Betriebstemperatur zwischen Gaseintritt und -austritt in der Regel - abhängig von
der Kühlmittelzufuhr - ansteigt. Außerdem entsteht bei dieser Reaktion Wasser,
was zu einer erhöhten Gasfeuchte führt (Abb. 10.8).
Die Betriebsspannung des Stacks und damit auch seine Leistung und sein
Wirkungsgrad hängen von seinen Materialeigenschaften und seiner Geometrie
sowie von den folgenden Parametern ab:

● Stapelstrom: Wie aus der Strom-Spannungs-Kennlinie hervorgeht, steigt der


Strom, wenn das Zellpotenzial gesenkt wird.
● Stöchiometrie von Anode und Kathode: Eine höhere Stöchiometrie bedeutet
eine höhere Reaktionsgaskonzentration, insbesondere am Gasausgang einer
Zelle, wodurch die Stromdichte auf ein moderates Niveau steigt. Andererseits
ist der Bedarf an Kompressor, Anodenumwälzpumpe und Befeuchter höher.
266 10 Brennstoffzellen-
Technologien

Abb. 10.7 Strom-Spannungs-Kennlinien verschiedener Membran-Elektroden-Einheiten mit


unterschiedlichem Platingehalt (mPt ) und Ionomer/Kohlenstoffträger-Verhältnis (I/C). Es
ist ersichtlich, dass ein höherer Platingehalt die Leistungsabgabe erhöht, während ein
moderates I/C-Verhältnis optimale Ergebnisse liefert. (DEKADE, Fraunhofer ISE)

Abb. 10.8 Typisches Stromdichteprofil einer LT-PEMFC. Diese Grafik zeigt die
Charakterisierung einer vom Fraunhofer ISE im Rahmen des DEKADE-Projekts
hergestellten Along-the-Channel-Testzelle. Die steile Stromrampe am Kathodeneingang ist
auf die geringe Protonenleitfähigkeit einer trockenen Membran und die anschließende
Befeuchtung der Membran durch die starke elektrochemische Brennstoffzellenreaktion mit
hoher Sauerstoffkonzentration zurückzuführen. Die Sauerstoffkonzentration und die
Stromdichte nehmen gleichzeitig über die Länge der Luftstromfeldkanäle ab. (DEKADE,
Fraunhofer ISE)
10.2 Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen 267

● Gasdruck an den Anoden- und Kathodeneinlässen: In der Regel erhöht der


Druck die Leistung der Zelle, führt aber auch zu höheren Kompressorverlusten
im System.
● Gasfeuchtigkeit an Anoden- und Kathodeneinlässen: Die Gasfeuchtigkeit ist
eine wichtige Variable in der Zelle, da der Widerstand der Zellmembran bei
höherer Feuchtigkeit abnimmt. Bei hoher Luftfeuchtigkeit kann Wasser die
Zelle verstopfen, wodurch die Leistung weiter sinkt.
● Stack-Temperatur, die in der Regel über die Einlasstemperatur der
Kühlflüssigkeit und den Kühlflüssigkeitsstrom gesteuert wird: In der Regel
erhöht die Temperatur die Leistung der Zelle, da die Elektrodenaktivität steigt.
Zu hohe Temperaturen führen jedoch zu einer Austrocknung der Membran
und damit zu einer Degradation.
● Anodengaszusammensetzung und -geschwindigkeit: In der Regel wird
Wasserstoffgas um die Anode zirkuliert, damit der Brennstoff so weit wie
möglich verbraucht wird. Dies führt mit der Zeit zu einer Ansammlung von
Inertgasen im Anodenkreislauf. Die Gasströmung beeinflusst die Desorption
von Wassertröpfchen, die Gasmischung und die gleichmäßige Versorgung der
Anode mit Wasserstoff.
● Dynamische Effekte, die über einen langen Zeitraum anhalten können, z. B.
Feuchtigkeit der Membran, Sättigung der Poren mit Wasser, Verunreinigung
des Katalysators und Oxidation des Platins.

Die Herausforderung für die Betriebsführung und die Systemtechnik einer


PEMFC besteht darin, die Reaktanden so zu den einzelnen Zellen zu
transportieren, dass jede Zelle gleichmäßig versorgt wird. Eine
überstöchiometrische Versorgung führt zu einer entsprechenden Erhöhung der
Kompressorleistung und einer entsprechenden Verringerung der Systemeffizienz.
Andererseits führt ein Gasmangel in der einzelnen Zelle zu einer starken
Degradation und beschleunigt den Alterungsprozess. Während der Kühlung muss
ein lokaler Temperaturanstieg auf (Einzel-)Zellebene vermieden werden, da dies
zu Membranschäden führen kann. Die Temperaturen müssen innerhalb der
vorgesehenen Werte gehalten werden. Die PEM benötigt eine hohe
Luftfeuchtigkeit, um eine hohe Protonenleitfähigkeit zu gewährleisten.
Gleichzeitig kann die Kondensation die Poren in der Katalysatorschicht, der
mikroporösen Schicht oder der Gasdiffusionsschicht verstopfen. Dies kann zu
einem lokalen Gasmangel an Reaktanten in der Zelle führen, was einen
erheblichen Anstieg der lokalen Degradation zur Folge hat. Das
Wassermanagement spielt hier also eine entscheidende Rolle.
Da sich die Parameter gegenseitig beeinflussen und in komplexer Weise
kombinieren, die bei jedem Stack unterschiedlich sein kann, geben die Hersteller
die jeweils geeigneten Betriebsbedingungen für einen bestimmten Strompunkt an.
Das bedeutet, dass in der Regel alle Parameter auf den individuellen Stackstrom
zugeschnitten sind. Dabei ist zu beachten, dass einige Betriebspunkte, die eine
höhere Leistung der Zelle erzeugen, zu einer erhöhten Degradationsrate führen
268 10 Brennstoffzellen-
können. Technologien
10.2 Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen 269

10.2.5 Lebensdauer und Verschlechterung

Verschiedene Prozesse tragen zur Degradation von PEM-Brennstoffzellen bei.


Diese treten je nach Betriebsführung in unterschiedlicher Geschwindigkeit auf.
Die folgenden Betriebsarten und Ereignisse reduzieren die Lebensdauer:

● Hochdynamischer Betrieb. Aus diesem Grund wird häufig ein kleiner


Batteriespeicher eingesetzt, um extrem dynamische Schwankungen des
Strombedarfs abzufangen.
● Wiederholte Start-Stopp-Zyklen, insbesondere bei Luft/Luft-Situationen (Luft
an Anode und Kathode), die z. B. nach langen Stillstandszeiten auftreten
● Hohe Spannungen, hohe Temperaturen und Trockenbetrieb
● Unterversorgung mit Wasserstoff oder Luft

Der komplexe Prozess der Quantifizierung dieser Einflüsse ist derzeit Gegenstand
zahlreicher Forschungsprojekte.
In der Realität weisen stationär betriebene Brennstoffzellen im Labor eine
Degradationsrate von unter 10 µV/h auf. Damit sind Betriebsstunden im Bereich
von mehreren zehntausend Stunden realistisch. Für stationäre Systeme wird von
Lebensdauern von 40.000 Stunden berichtet, mit einem Leistungsabfall von unter
10 Prozent. Aber auch Brennstoffzellen, die Busse antreiben, haben bereits
Betriebszeiten von über 20.000 Stunden nachgewiesen.
Verunreinigungen aus einströmender Luft und Wasserstoff können den
Katalysator verstopfen und so eine Zersetzung verursachen. Vor allem
schwefelhaltige Gase verursachen irreversible Schäden. Kohlendioxid und
Kohlenmonoxid können die Leistung verringern, was jedoch reversibel ist.

10.3 Hochtemperatur-Polymerelektrolytmembran-
Brennstoffzellen

10.3.1 Übersicht

Hochtemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen (HT-PEMFC)
arbeiten nach demselben Prinzip wie LT-PEMFCs, nur bei höheren
Betriebstemperaturen, typischerweise 160 bis 180 °C. Ihre Toleranz gegenüber
Verunreinigungen, vor allem im Brennstoff, ist daher wesentlich höher als bei
LT-PEMFCs. Sie können bis zu 3 Vol% CO im Brenngas tolerieren [1]. Aus
diesem Grund sind HT-PEMFCs besonders für Anwendungen geeignet, bei denen
die Brennstoffzellen mit reformierten Kohlenwasserstoffen oder Alkoholen
betrieben werden. Der Einsatz von HT-PEMFCs in Kombination mit Methanol-
Dampfreformern hat sich besonders bewährt
10.3 Hochtemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen 267

1.6
0.75
1.4

0.70 1.2

Schornsteinleistu
1.0
durchschnittliche

0.65
0.8

0.60 0.6

0.4
Ref 1 (55 Vol.-% H2 ; 0,5 Vol.-% CO; 5 ppm H2 S)
0.55
λA = 1,4, T = 165 °C
0.2
λA = 1,7, T = 165 °C

λA = 1,4, T = 175 °C
0.50 0.0
50 100 150 200 250 300 350 400 450 500

Stromdichte / mA cm-2

Abb. 10.9 Prüfung des Einflusses der Betriebsbedingungen Anodenstöchiometrie und


Betriebstemperatur auf die Betriebsleistung eines kommerziellen HT-PEMFC-Stacks vom
Typ Serenergy S165L-35 mit NATO F-34 Reformat als Ersatzstoff; dieser Test wurde im
Rahmen des EDA-Projekts IAPUNIT durchgeführt. Durch Erhöhung der
Anodenstöchiometrie und/oder der Betriebstemperatur lässt sich mit diesem Brenngas eine
Nennleistung von 1,5 kW erreichen.

effektiv, da der vom Reformer erzeugte Gasstrom direkt und ohne weitere
Reinigung eingespeist werden kann. Es gibt viele solcher kombinierten Systeme,
die in der Entwicklung sind oder bereits auf dem Markt angeboten werden. Sie
reichen von tragbaren Energieversorgungsgeräten mit 55 W bis hin zu
Reichweitenverlängerern für batteriebetriebene Autos und Nutzfahrzeuge (Abb.
10.9).

10.3.2 Stapelkomponenten

Wie bereits erwähnt, ähnelt die HT-PEMFC in ihrem Grundaufbau der LT-
PEMFC. In den meisten kommerziellen Stacks werden jedoch Bipolarplatten auf
Graphitbasis verwendet, da diese den hochkorrosiven Bedingungen bei
Temperaturen von bis zu 180 °C und einer möglichen leichten Benetzung mit
Phosphorsäure besser standhalten. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den
HT-PEM-Brennstoffzellen und den LT-PEMFCs ist die Art der verwendeten
Membranelektrodeneinheit. Beim derzeitigen Stand der Technik werden
Polybenzimidazol (PBI)-Membranen verwendet, denen Phosphorsäure als
Elektrolyt zugesetzt wird.
268 10 Brennstoffzellen-
Technologien
Die ionische Wechselwirkung zwischen dem schwach alkalischen PBI und der
Phosphorsäure bewirkt eine Protonenleitfähigkeit, die höher ist als die einer
herkömmlichen PAFC. Außerdem kann die Membran viel dünner als die in der
PAFC verwendete Keramikmatrix hergestellt werden. Bei der Zellaktivierung
wird Phosphorsäure unter anderem auf der Katalysatorschicht abgeschieden. In
HT-PEMFCs wird der Katalysator typischerweise auf die Gasdiffusionsschichten
(GDL) aufgebracht, wo er hauptsächlich mit PTFE gebunden wird. Die
Verwendung von PBI als Bindemittel führt zu einer übermäßigen Ablagerung von
Phosphorsäure und damit zu Massentransportverlusten bei hohen Strömen.

HT-Linked Projekt: Leistungsstarke, alterungsbeständige HT-PEMFC Mem-


brane-Elektrodenbaugruppen basierend auf neuen
Verbindungsmethoden für Katalysatoren, Carrier und Protonenleiter

Wissenschaftliche Ziele
Ziel ist es, die Leistung und Stabilität von Membran-Elektroden-Einheiten
für HT-PEMFCs zu verbessern, indem die Verbindungen zwischen
Katalysator und Träger, Katalysatorsystem und Elektrolyt sowie Elektrode
und Membran modifiziert werden. In diesem Projekt untersuchte das
Fraunhofer ICT Modifikationen des Trägers zur Verbesserung der
Elektrolytanbindung sowie Methoden zur Prüfung und Bewertung von HT-
PEMFC-Membran-Elektroden-Einheiten.

Projektpartner: Freie Universität Berlin, Fraunhofer ICT, Technische


Universität Berlin, Universität Freiburg, Universität
Stuttgart, Freudenberg Sealing Technologies, Fischer
Eco Solutions, Riva Batteries Gefördert durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Umsetzung: Oktober 1, 2015 bis März 31, 2019
Kontakt: Prof. Christina Roth, FU Berlin (derzeit Universität
Bayreuth), Koordinatorin Dr. Carsten Cremers,
Fraunhofer ICT, stellvertretender Koordinator

Die verwendeten Katalysatoren entsprechen denen, die derzeit in der LT-PEMFC


eingesetzt werden. U n t e r s u c h u n g e n im Rahmen des HT-Linked-Projekts
haben gezeigt, dass die Korrosion des Kohlenstoffträgers nicht, wie
angenommen, exponentiell mit der Temperatur ansteigt (Abb. 10.10).
10.3 Hochtemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen 269

Abb. 10.10 Untersuchung der Korrosion an einem 40-prozentigen Pt/C-Katalysator mit


Hilfe der differenziellen elektrochemischen Massenspektrometrie (DEMS) unter LT-
PEMFC-Bedingungen (links) und unter HAT-PEMFC-Bedingungen (rechts) [2]

10.3.3 Systemkomponenten

Ein wichtiges Merkmal von HT-PEMFCs ist ihre hohe Protonenleitfähigkeit, die
dank des Grotthuss-Mechanismus auch ohne Wasser auftreten kann. Die
Einbindung eines Befeuchters in die Systemstruktur ist in der Regel nicht
erforderlich. Heutzutage werden die meisten HT-PEMFCs in Systemen mit
vorgeschaltetem Brennstoffreformer eingesetzt. Systeme mit Inline-Reformierung
unterscheiden sich in ihrem Aufbau immer von Systemen, die mit reinem
Wasserstoff betrieben werden. Dieser Unterschied gilt für Brennstoffzellen immer
dann, wenn das Reformat direkt als Brenngas in den Stack eingespeist wird,
anstatt den reinen Wasserstoff innerhalb des Systems über einen Trennprozess zu
erzeugen. Aufgrund des hohen Anteils an Inertgasen sind hier geschlossene
Brennstoffkreisläufe in der Regel nicht möglich. Da das Anodenabgas immer
Rückstände von nicht verbrauchtem Wasserstoff und anderen brennbaren Gasen
enthält, muss es aus Sicherheitsgründen vor dem Verlassen der Anlage
abgebrannt werden. Bei Anlagen mit allothermen Reformerverfahren sollte dieser
Abbrand idealerweise im Heizsystem des Reformers erfolgen. Hinsichtlich der
Brennstoffzufuhr haben HT-PEMFC-Systeme gegenüber LT-PEMFC-Systemen
den Vorteil, dass keine intensive Reinigung zur Entfernung des Kohlenmonoxids
aus dem Reformat erforderlich ist. Zur Verringerung
270 10 Brennstoffzellen-
Technologien
CO-Gehalt im Brenngas auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, reicht eine
einfache Wasser-Gas-Shift-Reaktion aus. Im Falle eines Methanol-
Dampfreformers, der bei bis zu 300 °C arbeitet, sind keine weiteren Maßnahmen
erforderlich.

IAPUNIT-Projekt: Entwicklung eines innovativen Hilfsaggregats für


militärische Zwecke auf der Grundlage einer Hochtemperatur-PEM-
Brennstoffzelle und einer Reformierungstechnologie für militärische
logistische Kraftstoffe (Phase I)

Wissenschaftliche Ziele
Entwicklung einer Brennstoffzellen-APU für gepanzerte Radfahrzeuge wie
den GTK Boxer. In Phase I des Projekts wurden die zentralen
Komponenten Brennstoffentschwefelungsanlage, Brennstoffprozessor und
Brennstoffzelle entwickelt und validiert. Dabei entwickelte das Fraunhofer
ICT Betriebsstrategien für kommerzielle HT-PEMFC-Stacks in solchen
Systemen und evaluierte mögliche Verpackungsformen. In der geplanten
zweiten Phase soll ein integriertes System mit einer Leistung von 8 kW
aufgebaut und getestet werden.

Abb. 10.11 Flussdiagramm mit einer vereinfachten Version der Grundstruktur des
IAPUNIT-Systems

Projektpartner: Fraunhofer ICT (Deutschland), AVL List GmbH


(Österreich), Catator A.B. (Schweden), Jožef Stefan
Institute (Slowenien), National Institute of Chemistry
(Slowenien), Eindhoven University of Technology
10.4 Direkt-Methanol- 271
Brennstoffzellen

Kunden Europäischen Verteidigungsagentur auf der Grundlage


: einer Vereinbarung be-
zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der
Republik Österreich, dem Königreich der Niederlande,
Umsetzung: Januarder
29,Republik
2019 bisSlowenien
Januar 28, und
2021dem Königreich Schweden
Kontakt: Dr. Carsten Cremers, Fraunhofer ICT

10.4 Direkt-Methanol-Brennstoffzellen

10.4.1 Übersicht

Eine weitere Variante dieses Systemtyps ist die Direkt-Methanol-Brennstoffzelle


(DMFC), die Vorteile wie die hohe Energiedichte von Methanol und die einfache
Nutzung und Betankung des Systems bietet. Methanol wird in Form einer
wässrigen Lösung direkt der Zelle zugeführt und dort elektrochemisch oxidiert.
Die folgenden Zellreaktionen treten in sauren und alkalischen Zellen auf (Tabelle
10.2). Bei normalen Betriebstemperaturen von bis zu 80 °C bleibt die
Leistungsdichte der Zelle weit hinter der von Wasserstoffsystemen zurück, so
dass die DMFC nur für Anwendungen mit geringerem Leistungsbedarf bis zu 1
kW vorteilhaft ist.

10.4.2 Stapelkomponenten

DMFC-Stacks unterscheiden sich von PEMFC-Stacks auf der Ebene der


Feinheiten. Auf der Anodenseite verwenden DMFC-Membran-Elektroden-
Einheiten Katalysatoren aus einer Platin-Ruthenium-Legierung. Diese
beschleunigen die Methanoloxidation über einen bifunktionalen Mechanismus,
d.h. sie bieten ein zusätzliches katalytisches Zentrum für die Wasserspaltung.
Studien von

Tabelle 10.2 DMFC: Zellreaktionen in sauren und alkalischen Zellen


Säure Anode CH3 OH + H2 O → CO2 + 6 H+ + 6 e—
Kathode 1,5 O2 + 6 H+ + 6 e— → 3 H O2
Insgesamt CH3 OH + 1,5 O2 → CO2 + 2 H O2
Alkalisch Anode CH3 OH + 6 OH— → CO2 + 5 H2 O + 6 e—
Kathode 1.5 O2 + 3 H2 O + 6 e— → 6 OH—
Insgesamt CH3 OH + 1,5 O2 → CO2 + 2 H O2
272 10 Brennstoffzellen-
Technologien
Das Fraunhofer ICT hat gezeigt, dass dieser bifunktionale Mechanismus auch in
alkalischen Umgebungen funktionieren kann [3]. Außerdem ist die
Katalysatorbeladung auf jeder Seite deutlich höher, da die
Methanoloxidationsrate langsam ist. Dies behindert die Sauerstoffreduktion, zum
Teil aufgrund von Methanol-Crossover, vor allem aber aufgrund einer
ausgeprägten Anfälligkeit für Flutung durch sehr große Wasserströme. Aus
diesem Grund werden häufig trägerlose Katalysatoren verwendet. Darüber hinaus
werden Membranen mit einer Dicke von bis zu 180 µm verwendet, um die
schädlichen Auswirkungen des Methanol-Crossovers zu begrenzen.
Auch die Bipolarplatten sind grundlegend anders. Da die wässrige
Methanollösung, die ein guter Wärmeträger ist, bereits durch den Stapel gepumpt
wird, ist kein zusätzliches Kühlmittel erforderlich. So können gefräste
Bipolarplatten aus Graphitverbindungen in einem Stück aus Vollmaterial
hergestellt werden, so dass das aufwändige Fügen von Halbplatten entfällt.

10.4.3 Systemkomponenten

Die DMFC-Stacks unterscheiden sich auf Systemebene grundlegend von der LT-
PEMFC. Als Brennstoff dient eine wässrige Methanollösung. Um den Übergang
von Methanol zur Kathode zu begrenzen, liegt die Methanolkonzentration im
Stack in der Regel nicht über 3 Gew.-%. Da diese sehr verdünnten
Methanollösungen eine so geringe Energiedichte haben, wird reines Methanol
oder ein Methanol-Wasser-Gemisch mit etwa 60 Gew.-% Methanol von außen
zugeführt. Dies wird dadurch erreicht, dass die stark verdünnte Methanollösung
innerhalb des Stacks in einen geschlossenen Kreislauf gebracht wird, während das
verbrauchte Methanol von außen zugeführt wird. Dadurch kann der Stack mit
extrem hohen Anodenstöchiometrien betrieben werden. In modernen Systemen
wird die Methanolkonzentration in diesem inneren geschlossenen Kreislauf
dynamisch an die Last angepasst, um die Methanolübergänge weiter zu
begrenzen. Bei geringerer Belastung wird die Konzentration reduziert, indem die
Methanolzugabe ausgesetzt wird, bis der gewünschte Wert erreicht ist.
Die geringe Stromdichte von DMFCs, die normalerweise im Bereich von 200
bis 300 mA/cm2 liegt, bedeutet, dass sie deutlich weniger Luftzufuhr benötigen
als ein Hochleistungs-PEMFC-System. Aus diesem Grund wird vor allem bei
portablen Systemen häufig eine Membranpumpe zur Luftzufuhr verwendet. Auf
der Kathodenseite reichern sich überstöchiometrische Wassermengen an, was zu
einem Verbrauch von Wasser aus dem Anodenkreislauf führt. Um die geforderten
hohen Energiedichten zu erreichen, ist es daher notwendig, Wasser aus der
Kathodenabluft abzutrennen und in den geschlossenen Anodenkreislauf
zurückzuführen. Bei heutigen Anlagen ist dies bei Umgebungstemperaturen von
bis zu 45 °C weitgehend möglich. Bei höheren Umgebungstemperaturen ist es
nicht möglich, eine ausreichende Wasserrückgewinnung zu erreichen. In diesem
Fall muss ein Gemisch aus Methanol und Wasser als Brennstoff verwendet
10.4 Direkt-Methanol- 273
Brennstoffzellen
werden. Dies wird auch als "Wüstenbrennstoff" bezeichnet.
10.5
274 Alkalische Brennstoffzellen 10 Brennstoffzellen- 273
Technologien
10.5 Alkalische Brennstoffzellen

10.5.1 Übersicht

Die Reaktionen in einer Brennstoffzelle werden nicht nur durch die Temperatur,
sondern auch durch den pH-Wert und die für die Elektrokatalysatoren und andere
Strukturelemente gewählten Materialien beeinflusst. Der letztgenannte Faktor ist
darauf zurückzuführen, dass Protonen bei niedrigen pH-Werten unedle Metalle
oxidieren können. Aus diesem Grund können in sauren Zellen nur "ausreichend
edle" Materialien verwendet werden.
n
M + nH+ → Mn + H
2
2
Zur Kategorie der alkalischen Brennstoffzellen gehören die klassischen
alkalischen Brennstoffzellen (AFC) und die Anionenaustauschmembran-
Brennstoffzellen (AEMFC), die sich noch in der Entwicklung befinden.
Bestimmte Gruppen in den USA verwenden auch den Begriff
Hydroxidaustauschmembran-Brennstoffzellen (HEMFC), um zu verdeutlichen,
dass diese Zellen das genaue Gegenteil einer Protonenaustauschmembran-
Brennstoffzelle sind.
Alkalische Brennstoffzellen verwenden eine alkalische Lösung als Elektrolyt -
in der Regel eine KOH-Lösung, obwohl auch NaOH verwendet wird. In den
meisten AFCs ist diese Lösung in einer porösen Keramikmatrix fixiert. In der
Vergangenheit wurden alkalische Brennstoffzellen hergestellt, bei denen der
Elektrolyt um den Stapel herumgepumpt wurde, ähnlich wie bei den heutigen
alkalischen Elektrolyseuren.
Eine große Herausforderung bei alkalischen Brennstoffzellen ist die Aufnahme
von CO2 aus der Umgebungsluft, was zur Bildung von Karbonat- oder
Hydrogenkarbonationen führt.

CO2 + 2 OH— → CO32— + H2 O


CO2 + OH— → HCO3—

In klassischen AFCs bildet sich bei diesem Prozess Kalium- oder


Natriumkarbonat, das sich als Feststoff abscheidet und die Elektroden beschädigt.
AFCs wurden daher bisher hauptsächlich nur in Anwendungen eingesetzt, in
denen reiner Sauerstoff als Oxidationsmittel zur Verfügung steht. Aufgrund des
geringeren Überpotentials der Sauerstoffreduktionsreaktion, das schwächer ist als
bei PEMFCs, können wasserstoff- und sauerstoffbetriebene AFCs höhere
Wirkungsgrade erreichen.
Im Gegensatz zu AFCs verwenden AEMFCs einen Festkörper-Ionenleiter auf
der Basis einer alkalischen Anionenaustauschmembran. Als alkalische Gruppen
enthalten diese Membranen meist3 quaternäre Amine -NR+ OH— . Wie bei den
PEMs bildet sich auch bei den AEMs während des Betriebs Wasser, was zur
Bildung von wässrigen alkalischen Bereichen führt, durch die die Ionen geleitet
werden. Andererseits kann der Kontakt mit CO2 zur Bildung von
274 10 Brennstoffzellen-
Technologien
Tabelle 10.3 Elektrodenreaktionen in AEMFCs und PEMFCs
Wasserstoffoxidation auf der PEMFC H2 → 2 H+ + 2 e—
Anodenseite AEMFC H2 + 2 OH— → 2 H2 O + 2 e—
Kathodenseitige Sauerstoffreduktion PEMFC 0,5 O2 + 2 H+ + 2 e— → H O2
AEMFC 0,5 O2 + H2 O + 2 e— → 2 OH—

von Karbonat- (CO2— ) und Hydrogenkarbonat- (HCO— ) Ionen, die jedoch nicht gebildet
werden
3 3
festen Salzen mit den polymergebundenen quaternären Aminen und bewirken somit keine
Ausscheidungsreaktionen. Allerdings führt die Karbonatisierung zu einer
verminderten Leitfähigkeit [4, 5], was die Leistung der Zellen einschränkt.
Die Leistung von AEMFCs lag lange Zeit weit hinter der von PEMFCs
zurück. In jüngerer Zeit wird jedoch berichtet, dass diese Zellen aufgrund der
Verwendung von Katalysatoren aus einer Platin-Ruthenium-Legierung für die
anodenseitige Wasserstoffoxidation oder alternativ der Verwendung von
Ionomeren in den Elektroden vergleichbare Leistungsdichten wie PEMFCs
erreichen. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung ist zu beachten, dass sich
die Elektrodenreaktionen in AEMFCs grundlegend von denen in PEMFCs
unterscheiden (Tabelle 10.3).
Der Hauptunterschied besteht darin, dass das Wasser an der Kathode
verbraucht und dann an der Anode reformiert wird. Der positive Einfluss von
PtRu auf die Anodenreaktion lässt sich durch den bifunktionalen Mechanismus
erklären, der bei der Wasserbildung auftritt, wie bei DMFCs. Es besteht auch ein
erhebliches Risiko, dass die Kathode austrocknet. Dies wurde als eine der
Hauptursachen für vorzeitige Alterung identifiziert.

10.6 Festoxid-Brennstoffzellen

10.6.1 Übersicht

In Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC) besteht der Festelektrolyt aus


Zirkoniumoxid, das eine ausreichende Sauerstoffionenleitung bei
Betriebstemperaturen von über 600 °C ermöglicht. Die Anwesenheit von
Wasserstoff oder Kohlenmonoxid auf der Anodenseite und von Sauerstoff auf der
Kathodenseite ermöglicht eine Zellreaktion, bei der Elektronen freigesetzt werden
und zur Kathodenseite fließen (Abb. 10.12).
In einem externen Hochtemperaturprozess, der dem Brennstoffzellenstapel
vorgeschaltet ist, wird der Brennstoff in ein Reformat mit möglichst hohem
Wasserstoff- und Kohlenmonoxidgehalt umgewandelt (Reformierung). Die
interne Reformierung von kurzkettigen Kohlenwasserstoffen wie Methan
innerhalb des Stacks ist möglich, wird aber wegen der nachteiligen
Auswirkungen auf die Energiedichte und die Kosten selten durchgeführt.
Wasserstoff hingegen muss nur vorgewärmt werden, bevor er direkt in den Stack
10.6 Festoxid- 275
Brennstoffzellen
eingespeist werden kann.
276 10 Brennstoffzellen-
Technologien
Abb. 10.12 Idealisierte
Darstellung der
Gasversorgung und
Stoffumwandlung in einer
SOFC. (siehe [7])

10.6.2 Stapelkomponenten

Neben röhrenförmigen Zellstrukturen sind auch planare Zellen gebräuchlich, die


nach ihrer Trägerschicht eingeteilt werden (Abb. 10.13). Bei dieser Art von
Zellen besteht der Elektrolyt aus mit Yttrium oder Scandium dotiertem
Zirkoniumdioxid. Jede Seite ist mit porösen, stromleitenden Elektroden
beschichtet (elektrolytgestützte Zelle, ESC). Dies ermöglicht die Diffusion von
Reaktanten in den Elektrolyten sowie die Zu- und Ableitung von Elektronen. Die
Kombination eines Elektrolyten mit Anoden- und Kathodenmaterial wird als
Membranelektrodenanordnung (MEA) bezeichnet (Abb. 10.14). Die Forscher
bemühen sich derzeit um die Entwicklung von Zellmaterialien, Membran-
Elektroden-Einheiten und ganzen Brennstoffzellenstapelsystemen mit dem Ziel,
Stapel zu schaffen, die über lange Zeiträume und mehrere thermische Zyklen
stabil sind und eine hohe Leistung in Bezug auf die Energieabgabe erbringen.
Abb. 10.15 zeigt einen SOFC-Stapel mit elektrolytgestützten Zellen (ESC).
Neben den Hauptbestandteilen sind weitere Elemente wie glaskeramische
Dichtungen, Schutz- und Kontaktschichten
auch ein wichtiger Bestandteil der Stack-Entwicklung [8, 9].

ESC ASC CSC MSC

Elektrolyt Anode Kathode Poröses Metallsubstrat

Abb. 10.13 Diagramme der planaren SOFC-Zelltypen: ESC: Elektrolytgetragene Zelle;


ASC: Anodengetragene Zelle; CSC: Kathodengetragene Zelle; MSC: Metallgetragene
Zelle
10.6 Festoxid- 277
Brennstoffzellen

Abb. 10.14 FESEM-Bild einer Membran-Elektroden-Einheit in einer Festoxid-


Brennstoffzelle (SOFC) (Fraunhofer IKTS)

Glasversiegelun Abdeckplatte
g
Platte für die
Kathodenkon Zusammen
takt schaltung

Zelle (MEA)

Nickelgewebe

Grundplatte

Abb. 10.15 Explosionszeichnung eines SOFC-Stapels mit elektrolytgestützten Zellen

10.6.3 Systemkomponenten

Die Integration von SOFC-Stacks erfordert speziell entwickelte


Systemkomponenten und Systemdesigns. Diese müssen die Prozesse Heizung,
Brennstoffaufbereitung, Nachverbrennung und Wärmemanagement
berücksichtigen (Abb. 10.16). Je nach Spezifikation (z.B. Brennstoff,
Wärmeauskopplung) und Anforderungen (z.B. hoher elektrischer Wirkungsgrad)
des jeweiligen Einsatzgebietes wird ein Systemkonzept entwickelt.
Das Konzept der Brennstoffaufbereitung muss gesondert untersucht werden
und hat erhebliche Auswirkungen sowohl auf die Systemeffizienz als auch auf die
Komplexität der Systemintegration [10]. Je nach Brennstoff werden
unterschiedliche Reformierungsprozesse außerhalb der Anlage durchgeführt.
278 10 Brennstoffzellen-
Technologien

Abb. 10.16 SOFC-Systemkomponenten für ein tragbares System (100 We ) auf der Basis
von Propan/Butan

Abb. 10.17 Beispiele für SOFC-Systemkomponenten. Links: Reformer mit Cordierit-


Waben zur partiellen Oxidation eines Propan-Butan-Gemisches. Mitte: Schaumkeramik-
Nachbrenner. Rechts: Keramischer Schaumzündbrenner. (Fraunhofer IKTS)

SOFC-Stack, der Luft (partielle Oxidation), Dampf (Dampfreformierung) oder


Kohlendioxid (Trockenreformierung) verwendet.
Die katalysatorgestützte partielle Oxidation ist eine einfache Option für die
Reformierung kurzkettiger Kohlenwasserstoffe wie Methan oder Propan/Butan
und lässt sich relativ leicht in Anlagen umsetzen. Die Auslegung von Reformer
und Katalysator sowie die gezielte thermische Integration dieser Komponenten
sind entscheidend, um das gewünschte Temperaturprofil für die geforderten
Betriebspunkte zu erreichen. Abb. 10.17 (links) zeigt ein Beispiel für einen
Reaktor, der für die partielle Oxidation von Propan/Butan verwendet wird.
Auch die Konstruktion des Nachbrenners muss berücksichtigt werden,
einschließlich eines geeigneten Strömungsmanagements, guter
Verbrennungseigenschaften und eines geeigneten Wärmemanagements. Bei der
Nachverbrennung werden Geräte wie poröse Brenner, die aus Keramikschaum
bestehen
10.6 Festoxid- 279
Brennstoffzellen

Abb. 10.18 Links: Kathoden-Luftwärmetauscher des SOFC-Systems mit einer


Mehrschichtstruktur. Rechts: Gasströmung durch ein 3D-Simulationsmodell eines
Kathoden-Luftwärmetauschers mit entsprechenden Gastemperaturen. (Fraunhofer IKTS)

verwendet werden können (Abb. 10.17, Mitte). Zum Aufheizen von SOFC-
Systemen werden elektrische Vorwärmer und - vor allem in portablen Geräten -
Zündbrenner eingesetzt. Auch poröse Stoffe (hier Siliziumkarbidschaum, der
durch druckloses Sintern hergestellt wird, Abb. 10.17, rechts) spielen eine
wichtige Rolle für einen sicheren Betrieb mit guten Verbundeigenschaften.
Für die interne Wärmeübertragung werden Wärmetauscher eingesetzt. Ein Ziel
des Wärmemanagements in SOFC-Systemen ist es, die Abgaswärme innerhalb
des Systems (Regeneration) so zu nutzen, dass das System thermisch autark ist,
d.h. keine weitere Heizung für den Betrieb benötigt wird. Dadurch lassen sich
hohe elektrische Wirkungsgrade erzielen. Ein hoher Grad an Wärmeauskopplung
ist z. B. bei stationären Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wichtig. In der Regel
wird die Abgaswärme genutzt, um die Kathodenluft bedarfsgerecht
vorzuwärmen. Daher muss das Wärmemanagement in SOFC-Systemen über
Wärmetauscher eine effiziente Wärmeübertragung gewährleisten und gleichzeitig
280 10 Brennstoffzellen-
Technologien

Abb. 10.19 Links: Ein kompakter Aufbau der Komponenten des heißen Systems einer
SOFC, einschließlich Zündbrenner, Reformer, Stack, Nachbrenner und Wärmetauscher.
Rechts: Querschnitt durch eine Hotbox (Fraunhofer IKTS).

gut integriert werden, um Wärmeverluste auf ein Minimum zu reduzieren und


einen hohen thermischen Wirkungsgrad zu erreichen. Abb. 10.18 zeigt ein
Beispiel für einen Luftvorwärmer mit einer mehrschichtigen Struktur. Anhand
eines 3D-Simulationsmodells werden die Gasströmung durch das Gerät und ihre
Auswirkungen auf die Gastemperaturen untersucht.
Bei der derzeit fortschrittlichsten Technologie in der Entwicklung von SOFC-
Systemen werden alle heißen Komponenten so integriert, dass die externen
Wärmeverluste so gering wie möglich gehalten werden, z. B. durch die
Verwendung einer gemeinsamen Isolierbox (Hotbox). Um dies zu erreichen, ist
es wichtig, dass die Hotbox eine kompakte Struktur hat und dass die
Komponenten eng miteinander verbunden sind. Mehrere Lagen mikroporöser
Isolierung werden um die Komponenten herum angeordnet, um
Betriebstemperaturen von über 700 °C zu erreichen (Abb. 10.19).

M3 Stiftungsprojekt: Entwicklung eines tragbaren Brennstoffzellengeräts

Ziel der Forschung


Ziel des Projekts M3 war die Entwicklung eines tragbaren
Brennstoffzellengeräts auf der Basis von Campinggas (Propan/Butan) mit
einer elektrischen Leistung von 100 Wel sowie einem hohen Wirkungsgrad
und einer hohen Energiedichte (Abb. 10.20). Dies umfasste die folgenden
Schritte:
10.6 Festoxid- 281
Brennstoffzellen

● Stack-Entwicklung
● Komponentenentwicklung (Reformer, Zündbrenner, Wärmetauscher,
Nachbrenner)
● Entwicklung des Systems
● Optimierung des Komponenten- und Integrationsdesigns mit dem Ziel,
die volumetrische und gravimetrische Energiedichte systemweit zu
erhöhen

Abb. 10.20 Das tragbare


100 Wel eneramic® SOFC
System

Die in diesem Projekt erreichte Bauteiloptimierung und -integration führte


zu einer deutlichen Reduktion von Volumen (ca. 69 Prozent) und Gewicht
(ca. 68 Prozent). Die Projektteilnehmer brachten das erforderliche
Steuerungssystem und das eneramic®-System (TRL 8) erfolgreich zur
Serienreife.

Projektpartner: Fraunhofer IKTS


Umsetzung: 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2015
Kontakt: Daniela Herold, Gruppenleiterin, Fraunhofer IKTS

10.6.4 Operatives Management

SOFC-Stacks können in einem breiten Teillastbereich effizient arbeiten. Abb.


10.21 zeigt den Wirkungsgrad eines mit Erdgas betriebenen 1000 Wel SOFC-
Systems. Im Gegensatz zum Volllastbetriebspunkt von 1000 Wel sinkt der
elektrische (Netto-)Wirkungsgrad von 38,8 % bei 600 Wel nur um 2,4 %. Die
Schornsteinmodellierung wird hier eingesetzt, um die Schornsteinleistung
abzuschätzen, die Dimensionierung zu erleichtern und Systemanalysen
durchzuführen [11, 12]. Dies ermöglicht die Modellierung der Stack-Leistung bei
verschiedenen Temperaturen sowie unterschiedliche
282 10 Brennstoffzellen-
Technologien

Abb. 10.21 Elektrischer Wirkungsgrad (brutto und netto) und Eigenverbrauch der BOP-
Komponenten in einem 1000 Wel SOFC-System auf Erdgasbasis mit partieller Oxidation.
(Fraunhofer IKTS)

unterschiedliche Gaszusammensetzungen und -mengen, z. B. bei Teillast. Ziel ist


es, einen effizienten, sicheren und degradationsarmen Betrieb des SOFC-Stacks
und seiner Systemkomponenten bei unterschiedlichen Lastpunkten zu
gewährleisten.
Die Charakterisierung der Stackleistung unter verschiedenen Bedingungen ist
für stationäre und instationäre Prozessanalysen erforderlich. Diese
Charakterisierung kann in verschiedenen Softwaretools verwendet werden [10,
11]. So kann beispielsweise ein 3D-Thermofluidikmodell verwendet werden, um
die thermischen Eigenschaften des Stacks innerhalb der Hotbox zu analysieren.
Dies gibt Aufschluss über die interne Massenstromverteilung und das zu
erwartende Temperaturprofil innerhalb des Stacks (Abb. 10.22; [13]).
Diese Erkenntnisse ermöglichen die Optimierung des spezifischen Designs des
Stacks und seiner thermischen Integration. Grundsätzlich ist ein möglichst
homogenes Temperaturprofil anzustreben, um eine homogene
Materialumwandlung und einheitliche Bedingungen über den gesamten Stack zu
ermöglichen. Wenn bestimmte Zonen dauerhaft heiß sind, kann dies zu
thermomechanischen Spannungen und Rissen führen, die eine stärkere
Degradation verursachen.

10.6.5 Lebensdauer und Verschlechterung

SOFC-Stacks haben bereits das Niveau an Langzeitstabilität und Zyklenfestigkeit


erreicht, das für den Einsatz dieser SOFC-Systeme in der Strom- und
10.6 Festoxid- 283
Brennstoffzellen
Abb. 10.22 Darstellung
des Temperaturprofils in
einem SOFC-Stapel
unter Verwendung eines
3D
thermofluidisches Stack-
Modell, mit Indikatoren für
den Kathodenluftstrom.
(Fraun- hofer IKTS)

Wärmeversorgung. Um ihre Langzeittauglichkeit zu beweisen, werden SOFC-


Stacks im Dauerbetrieb und über thermische Start-Stopp-Zyklen hinweg getestet.
Im Dauerbetrieb über 20.000 Stunden wurden Degradationsraten von nur 0,4 bis
0,7 Prozent pro 1000 Stunden erreicht [13]. In Start-Stopp-Zyklustests mit mehr
als 100 vollständigen thermischen Zyklen haben die Wissenschaftler
Degradationsraten von 0,5 bis
0,7 Prozent pro 10 Zyklen [14-17].
Ziel zukünftiger Entwicklungsarbeiten ist es, diese Raten zu senken und die
Anzahl der möglichen thermischen Zyklen zu erhöhen. Weitere diskutierte
Strategien und Anwendungsszenarien sind die Umgehung der thermischen
Zyklen, entweder durch eine gezielte Dimensionierung des SOFC-Systems in
Kombination mit Speichern wie Batterien oder thermischen Speichern oder durch
die Einbeziehung des Hot-Standby-Betriebs [18].

10.7 Schmelzkarbonat-Brennstoffzellen

10.7.1 Übersicht

Schmelzkarbonat-Brennstoffzellen (MCFC) verwenden geschmolzene


Alkalikarbonate, die in einer mikroporösen Membran als Elektrolyt suspendiert
sind. Die Betriebstemperaturen für MCFCs liegen zwischen 580 und 650 °C. In
den gängigsten Zelltypen werden kurzkettige Kohlenwasserstoff-
10.7 Schmelzkarbonat- 283
Brennstoffzellen
Abb. 10.23 Schematische Verbraucher Last
Darstellung der e-
Funktionsweise einer
einzelnen MCFC H2 O2
CO CO2
e- e-

CO 32-
CO 32-
H2
H O2 O2
CO2

Anode
Kathode
Elektrolyt

bons wie Methan können (indirekt oder direkt) im Schornstein reformiert werden,
während hochwertige Kohlenwasserstoffe normalerweise extern vorreformiert
werden müssen.
Stationäre MCFC-Systeme werden in den höheren Leistungsbereichen von 0,3
bis 4 MW eingesetzt. Sie können elektrische Wirkungsgrade von bis zu ca. 47
Prozent erreichen. Diese Anlagen haben einen hohen technologischen
Entwicklungsstand (TRL 8) erreicht und bieten viele Einsatzmöglichkeiten. Sie
können einfach als optimierte Stromerzeuger oder zur Prozessdampfauskopplung
bei der Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden. Für die Stahl- und
Zementindustrie sowie für kohle- und gasbefeuerte Kraftwerke sind die
Entwicklungen rund um MCFC-Anwendungen im Bereich der
Kohlenstoffabscheidung von Interesse. Diese Aussicht 3
auf eine aktive
Abtrennung von CO2 aus Gasströmen ergibt sich aus der Funktionsweise von
MCFCs (Abb. 10.23). Carbonat-Ionen (CO2— ) werden durch den flüssigen
Elektrolyten geleitet. Diese Ionen bilden sich an der Kathode, wenn Sauerstoff
mit CO2 reagiert, das dem Kathodengas zugesetzt werden muss. Auf der
Anodenseite reagieren die durch den Elektrolyten geleiteten Karbonat-Ionen mit
Wasserstoff zu CO2 , das aufkonzentriert werden kann, und zu Wasser. Im
Gegensatz zu anderen Methoden der CO2 Abtrennung wird bei diesem Verfahren
keine elektrische Energie verbraucht, sondern erzeugt, da es im normalen MCFC-
Betrieb abläuft. Dies führt zu einer noch stärkeren Reduzierung der CO2
Emissionen.
Das MCFC-System hat zwar seine Vorteile, weist aber auch einige technische
Probleme auf, die noch gelöst werden müssen und die das Potenzial für eine
breitere kommerzielle Nutzung einschränken. Zu den drängendsten Problemen
gehören die Degradations- und Alterungsmechanismen der Zellkomponenten, die
durch die hohe Reaktivität des flüssigen Elektrolyten verursacht werden. Dadurch
ist die Lebensdauer der heutigen Zellstapel auf fünf Jahre begrenzt. Viele
284 10 Brennstoffzellen-
Technologien
laufende Entwicklungsprojekte zielen darauf ab, die Lebensdauer auf sieben bis
zehn Jahre zu erhöhen.
10.7 Schmelzkarbonat- 285
Brennstoffzellen
10.7.2 Stapelkomponenten

Die planare Struktur von MCFC-Zellen ermöglicht es, mehrere Zellen (bestehend
aus Kathode, Elektrolyt und Anode) zusammen mit Stromabnehmern und
Kontaktplatten zu stapeln. Abb. 10.24 zeigt eine typische sich wiederholende
Einheit in einem Brennstoffzellenstapel. Wie SOFCs verfügen MCFCs über einen
elektrischen Serienkreis und einen fluidischen Parallelkreis. Im Vergleich zu
SOFCs benötigt die MCFC-Technologie deutlich mehr Grundfläche: ca. 0,7 m2 .
Die Kathode besteht aus Nickeloxid, das bei der Erstinbetriebnahme mit
Lithium aus dem Elektrolyten dotiert wird. Das Kathodenmaterial muss eine
Porosität von 60 bis 70 Prozent aufweisen, damit sich die dreifache Phasengrenze
(TPB) zwischen Elektrode, Elektrolyt und Gasphase bilden kann. Dies ist
wichtig, denn hier findet die elektrochemische Reaktion zwischen CO2 und O2
statt.
Die Anode besteht aus Nickel, mit einem gewissen Anteil an Aluminium und
Chrom, um die mechanische Stabilität unter den Betriebsbedingungen zu
gewährleisten. Die Anodenporosität von 45 bis 70 Prozent ist ein entscheidender
Faktor und muss genau eingestellt werden, um die Elektrolytverteilung in der
Zelle zu modulieren.
Der Elektrolyt ist eine Mischung aus verschiedenen Alkalicarbonaten,
hauptsächlich Lithium, Natrium und Kalium, die bei der normalen
Betriebstemperatur der Zelle in geschmolzenem Zustand vorliegen. Dieser
geschmolzene Elektrolyt ist zwischen den Elektroden in einer festen, porösen
Keramikstruktur (Matrix) immobilisiert. Die Matrix besteht aus einem
Lithiumaluminat-Nanopulver.
Die starke Materialdegradation in modernen MCFCs betrifft vor allem die
aktiven (Anode und Kathode) und passiven Zellkomponenten (Matrix). Es gibt
verschiedene chemische Mechanismen in den aktiven Komponenten, die zum
Verlust der Stackleistung führen und diese Systeme letztlich unwirtschaftlich
machen.
Im Elektrolyten spielt der Abbau von Matrixmaterialien eine besonders
wichtige Rolle. Mit zunehmender Betriebsdauer vergröbert sich das Matrixpulver
und die Kapillarkräfte werden geschwächt. Die Matrix kann den geschmolzenen
Elektrolyten nicht mehr sicher halten, was zu Elektrolytverlusten führt. Dies
wiederum führt zu einem Leistungsverlust bis hin zum kompletten Ausfall der
Zelle und des gesamten Systems.

Abb. 10.24 Schema einer


einzelnen MCFC-
Wiederholungseinheit. Wenn
diese einzelnen Zellen
übereinander gestapelt
werden
aufeinander, bilden sie
einen vollständigen
286 10 Brennstoffzellen-
Stapel Technologien
10.7 Schmelzkarbonat- 287
Brennstoffzellen
Um der Matrixdegradation entgegenzuwirken, müssen stabile, phasenreine
Pulver entwickelt werden, die als passive Matrixkomponenten dienen. Dies trägt
dazu bei, die Vergröberung zu verringern. Dazu sind verschiedene
Syntheseschritte erforderlich. Mit Hilfe der Röntgen- und
Kernspinresonanzspektroskopie zur Charakterisierung der Zwischenprodukte ist
es möglich, die Prozessschritte so anzupassen, dass ein stabiles Pulver entsteht.

Fraunhofer Attract Projekt-INNOVELLE: Innovative keramische


Schichtsysteme für Schmelzkarbonat-Brennstoffzellen mit erhöhter
Langzeitstabilität und Lebensdauer

Ziel der Forschung


Ziel des INNOVELLE-Projekts war es, die Grundlagen für eine
Verlängerung der MCFC-Lebensdauer zu schaffen, und so wurden im
Rahmen des Projekts verschiedene MCFC-Komponenten untersucht. Dazu
gehörten die Herstellung und Optimierung von Matrixmaterialien und die
Charakterisierung aktiver Materialien, wie im Folgenden beschrieben:

● Grundlegende Analyse der MCFC-Abbauprozesse


● Verringerung der Vergröberung des Matrixmaterials
● Entwicklung fortschrittlicher Verfahren zur Bewertung der
elektrochemischen Impedanzspektren von aktiven MCFC-Komponenten
● Forschung zu neuen Hochtemperatur-Korrosionsschutzschichten für
Anwendungen mit geschmolzenen Salzen
● Forschung zu Antihaftbeschichtungen für Anwendungen mit geschmolzenen Salzen

Projektpartner: Fraunhofer IKTS


Umsetzung: 1. März 2013 bis 28. Februar 2019
Kontakt: Mykola Vinnichenko, Fraunhofer IKTS

Die aktiven Komponenten können während des Betriebs in einer


Halbzellenkonfiguration untersucht werden (Abb. 10.25a). Zur Untersuchung der
elektrochemischen Prozesse und des Einflusses verschiedener Prozessparameter
auf diese sowie der Auswirkung von Degradationsmechanismen auf die Leistung
der aktiven Komponenten werden die Zellen mittels elektrochemischer
Impedanzspektroskopie charakterisiert (Abb. 10.25b). Ausgehend von den
Impedanzspektren können mit Hilfe der klassischen Ersatzschaltbildmodellierung
die charakteristischen Parameter bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen
bestimmt werden, um deren Einfluss auf die limitierenden Prozesse aufzuzeigen
(Abb. 10.25c). Neue Methoden zur Auswertung der Spektren auf Basis der
288 10 Brennstoffzellen-
Technologien
a b

d
c

Abb. 10.25 (a) Strukturdiagramm einer Halbzelle; (b) Impedanzspektrum für eine
Kathodenhalbzelle unter Standardbetriebsbedingungen; (c) Prozesse in den identifizierten
Frequenzbereichen;
(d) Bewertung der Relaxationszeiten bei verbesserter Trennung der Reaktionsschritte

Verteilung der Relaxationszeiten (Abb. 10.25d) werden eingesetzt, um eine


bessere Trennung der Reaktionsschritte im Spektrum zu erreichen. Diese
Methode ermöglicht eine bessere Identifizierung von limitierenden Prozessen,
was wiederum eine gezielte Optimierung der aktiven Komponenten erlaubt.
Diese Entwicklung kann von Halbzellen auf Vollzellen hochskaliert werden.
Insbesondere bei der Herstellung neuer Materialien (z.B. Matrixpulver) ist der
Übergang vom Labormaßstab (10 bis 20 g) zum Technikumsmaßstab (ca. 25 kg)
ein wichtiger Faktor für die Verifizierung der verlängerten Lebensdauer der Zelle.
Ein solches Upscaling erfordert die Schaffung geeigneter Zell- und
Stapelstrukturen, so dass in diesen Zellen und Stapeln ähnliche Bedingungen
herrschen wie in großen kommerziellen Anlagen (Abb. 10.26). Mit dieser
Methodik ist es möglich, im Labormaßstab Untersuchungen zur möglichen
Lebensdauerverlängerung anderer neuer MCFC-Materialien, z. B. verschiedener
Anoden-, Kathoden- und Matrixmaterialien, durchzuführen. So können
Rückschlüsse auf die Eignung von Materialien gezogen werden, ohne dass ein
ganzer Stack kosten- und ressourcenintensiv gebaut werden muss.
Referenzen 287

Abb. 10.26 Ein zehnzelliger MCFC-Teststapel zur Untersuchung neuer MCFC-Materialien:


Foto (links) und Simulation (rechts) zur Darstellung des Temperaturprofils. (Fraunhofer
IKTS)

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Technologien
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Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie 11
Ulrike Beyer ● Sebastian Porstmann
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik
Technologie IWU
Christoph Baum ● Clemens Müller
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT

Abstrakt
Brennstoffzellen können in Zukunft für eine deutliche Reduktion der CO2
Emissionen im Verkehrssektor sorgen. Während einzelne Produkte technisch
bereits verfügbar sind oder kurz vor der Marktreife stehen, muss die
Kostenparität mit fossil betriebenen Antriebssystemen unverzüglich erreicht
werden. Teure Materialien und die manuelle Fertigung verhindern eine
kosteneffiziente Produktion. Für die Großserienproduktion von mehreren
hunderttausend Einheiten pro Jahr steht derzeit keine Technologie zur
Verfügung, die eine Skalierung der Produktion auf ein industrielles
Massenniveau ermöglichen würde. Die für ein Upscaling erforderlichen
Produktionsprozesse werden in diesem Abschnitt vorgestellt und mit einer
Einführungsstrategie verknüpft.

11.1 Brennstoffzellen

Protonen-Austauschmembran-Brennstoffzellen (PEMFC) können in Zukunft


einen wichtigen Beitrag zur Senkung der CO2 Emissionen im Verkehrssektor
leisten. Einzelne Produkte sind zwar bereits verfügbar oder stehen technisch kurz
vor der Marktreife, die Kosten stellen jedoch eine erhebliche
Markteintrittsbarriere dar. Das Erreichen der Kostenparität mit fossil betriebenen
Antriebssystemen ist daher zwingend erforderlich.

© Springer Nature Schweiz AG 2022 289


R. Neugebauer (Hrsg.),
Wasserstofftechnologien,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-22100-2_11
290 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
Teure Materialien und manuelle Fertigung verhindern eine kosteneffiziente
PEMFC-Produktion. Die wenigen Hersteller, die in diesem Bereich tätig sind,
bedienen noch Nischenmärkte. Zukunftsszenarien sehen die Massenproduktion
von mehreren hunderttausend Einheiten pro Jahr vor [1]. Derzeit gibt es keine
Technologie, die die für eine industrielle Massenproduktion erforderliche
Produktionskapazität aufweist. Mit der Entwicklung dieser Technologie hätte
Deutschland die einmalige Chance, Wasserstoff nicht nur unter klimapolitischen
Gesichtspunkten zu betrachten, sondern ihn auch im Kontext einer nachhaltigen
Wertschöpfung zu etablieren. Gerade die Schlüsselkomponente der Wasserstoff-
Systemtechnik - die Brennstoffzelle und ihr Einsatz in Mobilitätslösungen für
unterschiedliche Leistungsklassen - birgt ein enormes Wertschöpfungs- und
Arbeitsplatzpotenzial. Von dem breiten Spektrum an Anwendungsszenarien
können auch potenzielle Produktionsstandorte in Deutschland, insbesondere
Standorte der Automobilindustrie, profitieren [2].

11.1.1 Elemente der Produktion

Einzelzellen in einer Brennstoffzelle bestehen aus einer Bipolarplatte mit einer


Anoden- und einer Kathodenseite sowie einer Membranelektrodeneinheit.
Werden mehrere Einzelzellen in einer Reihe aktiviert, gestapelt, komprimiert,
verspannt und sind Balance-of-Stack-Komponenten enthalten (wie Endplatten,
Stromabnehmer, Verteilerplatte und Überwachungseinheit), entsteht ein
Brennstoffzellenstapel. Durch die Anzahl der Einzelzellen und deren aktive
Fläche lassen sich die Leistungsstufen variieren. Unterstützt durch die Balance-
of-Plant-Komponenten wie Luftkompressor, Befeuchtung,
Wasserstoffversorgung, Spülventile, Thermomanagementmodul und
Leistungselektronik bildet der Brennstoffzellenstapel das Brennstoffzellensystem
[3]. Abb. 11.1 veranschaulicht die wesentlichen Prozessschritte der PEMFC-
Herstellung.
Die hohen Kosten von Brennstoffzellensystemen (z.B. 38 Prozent für 10 kW
PEMFC) und das Fehlen von Produktionskapazitäten mit hohem Durchsatz
führen zu arbeits- und kostenintensiven Prozessen über alle Komponententypen
hinweg, insbesondere bei der Herstellung von Einzelzellenkomponenten [4]. Aus
diesem Grund konzentriert sich die folgende Analyse auf die Herstellung
einzelner Brennstoffzellenkomponenten. Im Folgenden wird das
Kostensenkungspotenzial durch Technologieoptimierung und marktbasierte
Skaleneffekte näher analysiert.

11.1.2 Optimierung der Technologie

Die Herstellung von Einzelzellenkomponenten umfasst verschiedene


Produktionsschritte. Die wichtigsten Kostentreiber sind die Herstellung von
11.1 291
Brennstoffzelle
Membran-Elektroden-Einheiten und bipolaren
292 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie

Abb. 11.1 Wesentliche Produktionselemente für PEMFC [3]

Platten. Während der hohe Preis von Katalysatoren in katalysatorbeschichteten


Membranen (CCM) auf die Rohstoffkosten und die Verarbeitung zu
Platinkatalysatoren zurückzuführen ist, resultieren die hohen Kosten von
Gasdiffusionsschichten (GDL) und Bipolarplatten (BPP) aus einer technologisch
unausgereiften Verfahrenstechnik, die nicht in der Lage ist, hohe Durchsatzraten
zu erzielen [5].
Kostensenkungspotenziale, die sich aus der Optimierung der industriellen
Produktion ergeben, sind bei der Brennstoffzellenproduktion bisher nur in
geringem Umfang ausgeschöpft worden. Es ist davon auszugehen, dass sich die
Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Zukunft deutlich reduzieren
werden.
Ein Bereich mit besonderem Kostensenkungspotenzial ist das Batch-
Verfahren. Dabei handelt es sich um einen diskontinuierlichen Prozess, der zum
Teil Ausschussraten verursacht, die die Kosten erhöhen. Dies muss in robuste
Prozessschritte umgewandelt werden, die einen hohen Durchsatz und eine
Automatisierung ermöglichen [6]. Im Zusammenhang mit der Stapelung ist die
Verkürzung der Zykluszeiten ein weiterer Schwerpunkt. Produktionstechnische
Voraussetzungen für eine deutliche Kostensenkung bieten die gezielte
Optimierung von Fertigungsprozessen, die Automatisierung und die Umstellung
auf kontinuierliche Prozesse. Konzepte hierzu werden in den Abschnitten.
11.1.3,11.1.4 und 11.1.5 beschrieben.
11.1 293
Brennstoffzelle
11.1.3 Herstellungsverfahren

Zur Veranschaulichung von Kostensenkungspotenzialen bei der Herstellung von


Membran-Elektroden-Baugruppen und Bipolarplatten werden diese
Produktionsmodule hier in einen Kontext gestellt und prozessual beschrieben.
Zudem werden Forschungsherausforderungen für die Weiterentwicklung dieser
Tätigkeitsfelder abgeleitet.

Membran-Elektroden-Einheit (MEA)
Ein einzelner Brennstoffzellenstapel kostet derzeit 800 EUR/kW. Mit 510
EUR/kW sind die MEA-Kosten der Hauptkostentreiber, wobei 210 EUR/kW auf
die Katalysatormaterialien entfallen. Durch eine Optimierung des Prozesses
könnten diese Kosten um fast 50 Prozent gesenkt werden, wenn die Qualität und
Leistung der Membran-Elektroden-Einheit verbessert wird, ohne den
Edelmetallgehalt zu verändern. Durch die Kombination von Konstruktion und
Fertigung könnte die Fläche der Membranelektrodenbaugruppen, die beim
Stackbau verwendet werden, potenziell verkleinert werden. Ebenso sind viele der
heute für den Bau von Membranelektroden verwendeten Materialien
überdimensioniert, was ebenfalls unnötige Kosten verursacht [4].
Zur Herstellung einer Membran-Elektroden-Einheit (Abb. 11.2) muss die
Katalysatortinte, die in der Regel aus einer Platinlegierung, pulverförmigem
Kohlenstoff, Nafion, destilliertem Wasser und Methanol besteht, zunächst durch
ein Kugelmahlverfahren hergestellt werden. Für die anschließende Anwendung
haben sich CCS- und CCM-Verfahren etabliert.
Bei CCS wird der Katalysator direkt auf die Gasdiffusionsschicht aufgebracht,
um Gasdiffusionselektroden zu bilden. Das Sputtern ist eine von mehreren
geeigneten Beschichtungsmethoden. Die Anode oder Kathode befinden sich auf
der Gasdiffusionsschicht. Die Membran wird zwischen Anoden- und
Kathodenschicht eingefügt und durch Heißpressen mit den
Gasdiffusionsschichten verbunden. Nach dem Heißpressen erhält die
Membranelektrodenanordnung durch einen kalibrierten Schneidprozess ihre
endgültige Form.
Die Verwendung von CCM erfolgt entweder direkt oder indirekt. Bei der
direkten Methode wird die Beschichtung direkt auf die Membran aufgetragen.
Anschließend wird die Schicht getrocknet, und die Gasdiffusionsschichten
werden positioniert und durch Heißpressen mit der Membran verbunden. Bei der
indirekten CCM-Methode befinden sich Anode und Kathode auf einer
Zwischenschicht.
294 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
Abb. 11.2 Technologische Insider-Ansicht der MEA-Montage. (Fraunhofer IPT Aachen)
11.1 295
Brennstoffzelle
Substrat, das als Abziehbild-Transferfolie bekannt ist. Die Elektroden werden auf
die Membran aufgebracht und dann mit der Gasdiffusionsschicht
zusammengepresst. Ähnlich wie bei CCS besteht der letzte Schritt des Verfahrens
darin, die MEA in ihre endgültige Form zu schneiden.
Die Herausforderungen des MEA-Herstellungsverfahrens sind die
Katalysatorschicht und das Heißpressen. Aus der Notwendigkeit, den Platingehalt
zu optimieren und eine Vielzahl von vielseitigen Prozessparametern zu
berücksichtigen, ergeben sich verschiedene Bereiche, in denen der
Herstellungsprozess weiterentwickelt werden kann. Die Optimierung des
Prozesses zum Aufbringen der Katalysatorschicht ist notwendig, um eine
kontinuierliche Produktion von Elektroden zu ermöglichen. Die Entwicklung
eines Inline-Prozessüberwachungssystems ist ebenfalls notwendig, da Defekte
wie Löcher und Risse in der Katalysatorschicht auftreten können, die die
Leistungsfähigkeit der Zelle einschränken. Beim Heißpressen ist eine
Optimierung der Prozess- und Materialparameter unerlässlich. Dies ist auf den
negativen Einfluss der angewandten Druck- und Temperaturbedingungen auf die
Integrität der mechanischen und elektrischen Verbindung sowie auf die
Materialeigenschaften von Membran und Elektrode zurückzuführen [7].

Metallische Bipolarplatten
Einen weiteren potenziellen Ansatzpunkt zur Kostensenkung bieten Verfahren,
die noch nicht die technologische Reife für die industrielle Produktion erreicht
haben. Die Herstellung von Bipolarplatten aus undurchlässigem Graphit ist mit 25
Prozent der zweitgrößte Kostenfaktor. Hohe Ausschussraten aufgrund von
Formfehlern führen zu diesen hohen Kosten. Der Einsatz von metallischen
Bipolarplatten führt zu einer enormen Kostenreduzierung. Dies erfordert jedoch
eine zusätzliche Optimierung des kostengünstigen metallischen Systems
einschließlich einer Beschichtung, die in Zellen langzeitstabil ist [4]. Die
Umsetzung dieses robusten Produktionsprozesses könnte einen
Technologiesprung ermöglichen, der die Grundlage für weitere Fortschritte in der
Automatisierung oder in kontinuierlichen Prozessen bietet.
Der BBP-Produktionsprozess (Abb. 11.3) beginnt mit der Herstellung des
Metall-Halbzeugs. Das geschmolzene Metall wird zwischen achsparallelen
Walzen gegossen und zu Blechen geformt. Im zweiten Schritt werden Fließkanäle
durch ein präzises Mikroumformverfahren wie Hohlprägen oder Hydroforming
auf die Bleche aufgebracht. So entstehen bipolare Halbplatten. Die eingebrachten
Kanalstrukturen
296 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
Abb. 11.3 Technologische Insider-Ansicht der BPP-Montage. (Fraunhofer IPT Aachen)
11.1 297
Brennstoffzelle
einen Einfluss auf die Funktionalität der Zelle haben. Anschließend werden die
bipolaren Halbplatten entweder durch physikalische Gasphasenabscheidung
(PVD; auch bekannt als Sputterdeposition) oder durch chemische
Gasphasenabscheidung (CVD) beschichtet. Dieser Beschichtungsprozess macht
sie korrosionsbeständig und elektrisch leitfähig. So wird verhindert, dass Ionen
aus den metallischen Bipolarplatten zurückgelangen, was zu einer
Verunreinigung der Membran führen und die Leistung der Brennstoffzelle
beeinträchtigen würde. Nach der Formgebung und Beschichtung werden die
Anoden- und Kathodenhalbplatten (BP-HP) durch Laserschweißen mit den
Bipolarplatten verbunden. In diesem Schritt können die Bipolarplatten durch
Laserbeschriftung mit temperaturstabilen und korrosionsbeständigen
Markierungen versehen werden [7].
Die Herausforderungen bei der Herstellung von Bipolarplatten (BPP) liegen in
der Formgebung, der Beschichtung und dem Zusammenfügen der empfindlichen
Bleche, da dies ein außergewöhnlich hohes Maß an Präzision erfordert. Bei der
Formgebung ist eine hohe Genauigkeit erforderlich, um die Strömungsfeldkanäle
qualitätsgerecht in die dünnen Metallfolien (50 bis 100 µm Dicke) einzubringen.
Es ist daher notwendig, das bisher auf maximale Effizienz ausgelegte Fließfeld
für die industrielle Massenproduktion weiterzuentwickeln und im Hinblick auf
die Produktionsanforderungen zu optimieren [2].
Eine Abweichung von der Nennform, z. B. bei der Kanalgeometrie oder der
Parallelität einer ebenen Fläche, hat negative Auswirkungen auf den späteren
Betrieb. Geometrieabweichungen müssen erkannt werden, um zu verhindern, dass
beschädigte Zellen im Stapelaufbau verwendet werden. Dazu ist ein
leistungsfähiges Qualitätsüberwachungssystem erforderlich. Darüber hinaus
werden derzeit teure Materialien wie Gold oder vergoldetes Titan als
Beschichtungsmaterial für Bipolarplatten verwendet. Die Entwicklung
kostengünstiger Alternativen ist daher notwendig, um eine hohe
Korrosionsbeständigkeit und elektrische Leitfähigkeit auch bei geringeren Kosten
zu erreichen. Für den Fügeprozess wird das Laserschweißen verwendet, aber die
geringe Geschwindigkeit, mit der es komplexe Strukturen erzeugt, begrenzt die
Anwendungsrate des BPP-Produktionsprozesses. Daher ist auch hier die
Entwicklung von Technologien mit hohem Produktionsdurchsatz erforderlich [7].

11.1.4 Automatisierung

Die Automatisierung bezieht sich in erster Linie auf Aspekte des Transfers, der
Handhabung und der Montage und zielt auf eine Intensivierung der Prozesse ab.
Die Automatisierung des MEA-Montageprozesses hat bereits zu einer
Kostensenkung von bis zu 70 EUR/kW geführt [4]. Ein Prozess, der sich für die
Umstellung von manuellen auf automatisierte Produktionsschritte eignet, ist das
Stapeln einzelner Komponenten und Zellen zum Zusammenbau von
Brennstoffzellenstapeln. Dies könnte die Wiederholbarkeit und Präzision für
298 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
empfindliche, flexible und teilweise säurehaltige Komponenten mit geringer
Materialstärke deutlich erhöhen.
11.1 299
Brennstoffzelle
Die Abdichtung der einzelnen Zellen bzw. des Stapels ist notwendig, um
innere und äußere Leckagen zu verhindern und Toleranzen, die durch
vorgelagerte Fertigungsprozesse der Komponenten entstehen, zu beseitigen. Als
verbindendes Bauteil zwischen MEA und BPP hat das Dichtungsmaterial einen
wesentlichen Einfluss auf die Lebensdauer der Brennstoffzelle. Die Abdichtung
kann in flüssigem oder festem Zustand erfolgen. Dies erfordert das Aufbringen
von vorgefertigten Dichtungsschichten, das Dispensen oder eine geeignete Form
des Spritzgießens. Die Temperatur der Dichtungseinheiten wird in einem
Durchlaufofen gehalten.
Die Qualität der Versiegelung hängt von den Materialeigenschaften und der
Verpressung nach dem Stapelvorgang ab. Während dieser Schritte ist ein
synchronisierter Transfer und eine sehr sorgfältige Handhabung der
Komponenten sowie das Zusammenfügen von BPP und MEA erforderlich, um
Leckagen zu vermeiden.
Weitere Automatisierungspotenziale liegen im Handling von Halbzeugen und
Bauteilen zwischen den einzelnen Bearbeitungsschritten und in der
Positionierung des Werkstücks im Werkzeug. Es müssen spezielle Stapelroboter
mit flexiblen Werkstückträgern konzipiert werden, die Brennstoffzellen aus
metallischen und graphitischen Biplatten unterschiedlicher Abmessungen
handhaben können. Erste Ergebnisse zeigen in diesem Handlungsfeld ein
Reduktionspotenzial von rund 90 Prozent in Bezug auf Zeit und Kosten [8].
Das Stapeln von BPP und MEA in abwechselnder Reihenfolge wird zum Teil
noch manuell durchgeführt. Hier kommen zunehmend Roboter und
Greifertechnologien zum Einsatz. Dabei ist eine hochpräzise Automatisierung der
entscheidende Faktor, um einen kosteneffizienten Stapelprozess zu realisieren
oder einen Brennstoffzellenstapel qualitätsgerecht zu produzieren.
Die gestapelten Einzelzellen werden dann ausgiebig auf Dichtheit geprüft,
indem sie im Wasserbad, unter Druck oder mit Wasserstoff getestet werden.
Visuelle Inspektion und selektive Sensoren können ebenfalls eingesetzt werden.
Ein automatisierter Prüfstand wird zur Prüfung von Differenzdruck und
Standardkanalstrukturen (Strömungsfelder) eingesetzt.
Nach erfolgreicher Prüfung werden die einzelnen Brennstoffzellen in Reihe
geschaltet. Zwei Endplatten verschließen den Stapel, der aus mehreren hundert
Einzelzellen besteht, und stellen Anschlüsse für Strom sowie Gas und Kühlwasser
bereit. Kosteneffizienz und Reproduzierbarkeit sind die wichtigsten
Designfaktoren für diese Schritte. Die Prozessschritte sind in Abb. 11.4
dargestellt.
300 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
Abb. 11.4 Technologische Insider-Ansicht der Stapelmontage. (Fraunhofer IPT Aachen, [7])
11.1 301
Brennstoffzelle

Fit-4-AMandA Projekt-Fit für die automatische Fertigung und Montage [8]

Ziel des Projekts


Das Projekt konzentrierte sich auf die Industrialisierung der Produktion und
Montage von PEMFC-Stack-Komponenten. Es wurde eine neuartige
Automatisierungslösung entwickelt, die die Kosten für die PEMFC-Stack-
Montage bei 10.000 Stück pro Jahr auf ca. 7 Prozent und bei 100.000 Stück
pro Jahr auf ca. 1 Prozent im Vergleich zu einer manuellen Fertigung
reduziert. Eine Demonstrationsmaschine wurde spezifiziert, konstruiert und
hergestellt, um die grundlegende Technologie zu testen und zu verifizieren
(Abb. 11.5).

Abb. 11.5 3D-CAD-Layout einer Maschine für die automatisierte Fertigung und
Montage von PEMFC-Stacks [9]

Projektpartner: Uniresearch B.V.; UPS Europe SA; Proton Motor Fuel


Cell GmbH; Aumann Limbach-Oberfrohna GmbH;
Fraunhofer IWU; Technische Universität
Chemnitz/ALF; IRD Fuel Cell A/S
Projektdauer: März 2017 bis Februar 2020
Finanzierung: Das Gemeinsame Unternehmen "Brennstoffzellen und
Wasserstoff 2" wird vom EU-Förderprogramm für
Forschung und Innovation "Horizont 2020" sowie von
Hy- drogen Europe und N.ERGHY unterstützt.
302 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
11.1.5 Kontinuierliches Prozessmanagement

Es besteht ein besonderer Bedarf an der Entwicklung kontinuierlicher


Produktionsstrategien zur Vorbereitung der Massenproduktion. Dabei geht es vor
allem darum, die technologischen Barrieren für die Umstellung von Batch-
Prozessen auf die Rolle-zu-Rolle-Verarbeitung (R2R) zu senken. Auch eine
Synchronisierung der Geschwindigkeit oder eine Parallelisierung der
begleitenden Prozesse ist notwendig. Der Einsatz von metallischen Bipolarplatten
in Kombination mit einem Walzverfahren bietet neue Möglichkeiten zur
kontinuierlichen Herstellung von Standardströmungsfeldern. Um diese positiven
Effekte ganzheitlich zur Erhöhung der Prozessgeschwindigkeit nutzen zu können,
ist es notwendig, die nachfolgenden Beschichtungs- und Fügeprozesse zu
integrieren bzw. zu synchronisieren, um sie an hohe Ausstoßleistungen
anzupassen. Die Qualitätsprüfung muss in-situ erfolgen und die Ergebnisse in
Echtzeit geliefert werden. Das bisher eingesetzte Verfahren muss daher deutlich
weiterentwickelt werden.

Projekt HOKOME - Entwicklung hochproduktiver und kosteneffizienter


R2R-Fertigungsverfahren für die Komponenten von
Brennstoffzellenstapeln

Abb. 11.6 Numerische Simulation des Walzenprägens - Grundlage für die


Entwicklung eines R2R-Fertigungskonzeptes zur kontinuierlichen BPP-Produktion.
(Fraunhofer IWU Chemnitz)
11.1 303
Brennstoffzelle

Ziel des Projekts


Ziel ist die Optimierung der Produktion für die beiden Hauptkomponenten
von Brennstoffzellen - BPP und MEA. Für beide Komponenten werden im
Rahmen des Projekts effiziente Produktionsprozesse und -methoden
entwickelt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Kopplung der Walztechnik
(Abb. 11.6) mit vor- und nachgelagerten Prozessschritten. Ein
Projektschwerpunkt ist die Entwicklung umfassender R2R-
Fertigungskonzepte mit aufeinander abgestimmten Teilprozessen, die die
Integration und Kombination von Teilsystemen auch in unterschiedlichen
Ausführungsvarianten ermöglichen. Dadurch können Ausbringungsmengen
realisiert werden, die der industriellen Fertigung entsprechen und eine
erhebliche Kostenreduktion für Brennstoffzellen erreichen. Diese
Fertigungstechnologie ermöglicht Kosteneinsparungen von bis zu 50
Prozent, was den Preis eines typischen 100 kW-Brennstoffzellensystems
für ein Auto in Zukunft auf 5.000 Euro senken kann, den vergleichbaren
Preis eines mit fossilen Brennstoffen betriebenen Antriebssystems.

Projektpartner: Fraunhofer IWU, IPT, IWS, IKTS und ISE


Projektdauer: 2020 bis 2022
Die Finanzierung: 3,5 Millionen Euro Fördermittel aus dem internen

11.1.6 Größenvorteile
"Mit etwa 200.000 Einheiten pro Jahr könnten Größenvorteile erzielt werden, die es
ermöglichen würden, die erforderlichen Materialien zu einem Preis zu erwerben,
der dazu führen könnte, dass ein Wasserstoffauto genauso viel kostet wie ein
batterieelektrisches Fahrzeug heute. Bei der derzeitigen Nachfrage wird dies
innerhalb von fünf Jahren der Fall sein.
Sae Hoon Kim, Leiter des Bereichs Brennstoffzellen bei Hyundai 2020 [1]

Das erwartete zukünftige Marktwachstum wird mit einer deutlichen Senkung der
laufenden Kosten einhergehen, wobei die Brennstoffzellentechnologie
zunehmend wirtschaftlich wettbewerbsfähig wird. Deutsche Unternehmen sollten
sich daher Marktanteile sichern, um Skaleneffekte zu realisieren und damit die
Kosten weiter zu senken sowie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu
erhöhen. In den nächsten zwei bis fünf Jahren wird es darauf ankommen, das
Know-how durch Investitionen weiter auf- und auszubauen [1].
Angesichts des prognostizierten signifikanten Marktwachstums, insbesondere
im Hinblick auf den Einsatz von Brennstoffzellen im Verkehrswesen, bieten
PEMFC das größte Potenzial für Kostensenkungen unter dem Gesichtspunkt der
Größenvorteile. Langfristig wird es möglich sein, folgende Ziele zu erreichen
304 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
BPP CCM GDL
Produktionsrate
1 000 100 % 100 % 100 %
Einheiten/Jahr
Produktionsrate
10 000 37 % 36 % 24 %
Einheiten/Jahr
Produktionsrate
100 000 Einheiten/Jahr 26 % 27 % 8%
Produktionsrate
500 000 Einheiten/Jahr 25 % 25 % 5%

100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
BPP CCM GDL

Abb. 11.7 Brennstoffzellenproduktion und Skalenerträge. (Fraunhofer IWU Chemnitz)

30 EUR/kW - Produktionskosten, die mit denen eines Antriebs mit


Verbrennungsmotor vergleichbar sind [10].
Das Beispiel des PEMFC-Stacks in Abb. 11.7 zeigt das
Kosteneinsparungspotenzial (abhängig von der Produktionsrate) für die
Brennstoffzellenkomponenten BPP, CCM und GDL. Das erhebliche
Kostensenkungspotenzial wird deutlich, wenn die Ausbringungsmenge von 1000
auf 100.000 Brennstoffzellenstapel pro Jahr erhöht wird. Die Herstellungskosten
(ohne Materialkosten) können so bei CCM um rund 73 Prozent, bei BPP um 74
Prozent und bei GDL sogar um bis zu 92 Prozent gesenkt werden. Zusätzliche
Skaleneffekte werden erzielt, wenn die Jahresproduktion weiter auf 500.000
Stapel erhöht wird. In diesem Szenario sinken die Prozesskosten für CCM um 75
Prozent, für BPP um 75 Prozent und für GDL um 95 Prozent gegenüber der
Ausgangsmenge (1000 Stück/Jahr) [5].
Größenvorteile wirken sich auch auf die Kosten des Brennstoffzellenstapels
aus. Weitere Analysen der in Abb. 11.7 verwendeten Berechnungen zeigen eine
erwartete Senkung der Prozesskosten um 82 Prozent bzw. 84 Prozent, wenn die
Produktionsrate von 1000 auf 100.000 oder 500.000 Einheiten pro Jahr erhöht
wird. Die Kosten für das Brennstoffzellensystem können auch von Skaleneffekten
profitieren. Ein erhöhtes Einkaufsvolumen kann auch zu Einsparungen bei der
Beschaffung von BOP-Elementen führen [5].
11.1 305
Brennstoffzelle
Batch-skalierbare Technologien
Die gesamte Brennstoffzellenindustrie ist damit beschäftigt, die Technologie zu
finden, die in Bezug auf Kosteneffizienz, Komponenteneigenschaften und
Robustheit (Prozesssicherheit) die vielversprechendsten Ergebnisse liefern kann.
Es geht darum, zu bewerten, welche Kombination von Technologien möglich ist,
zu bestimmen, was notwendig ist, und zu berechnen, wie viel dies letztlich kosten
wird. Dies erfordert einen ergebnisoffenen Ansatz, der verschiedene
Technologien nutzt. So erfordern unterschiedliche Eingangsparameter und
Einsatzszenarien in der BPP-Fertigung die Entwicklung einer
Produktionstechnologie mit hoher Durchsatzleistung. Neben Hohlpräge- oder
Hydroforming-Verfahren, mit denen eine hohe BPP-Qualität erreicht werden
kann, erlaubt nur das Walzen eine deutliche Steigerung des Ausstoßes auf über
100 Bipolar-Halbplatten pro Minute. Auch für die Verwendung bereits
vorbeschichteter Bleche sind neue Lösungen gefragt, die zu einer weiteren
deutlichen Verkürzung der Bearbeitungszeit führen und die Lebensdauer der BPP
erhöhen können. Speziell für diese Optimierungsaufgabe wird ein batch-
skalierbarer Technologiebaukasten für die BPP-Produktion entwickelt. Damit
können durch evidenzbasierte Analysen der multilateralen Abhängigkeiten
zwischen BPP-Geometrie, Fertigungsprozess, Ausbringungsmenge, Kosten und
Lebensdauer erstmals messbare, praxistaugliche Lösungen identifiziert werden.
Zur besseren Einordnung werden im Folgenden relevante BPP-
Fertigungsverfahren mit ihren grundlegenden Eigenschaften beschrieben und
hinsichtlich Planarität, Qualität, Lebensdauer, Kosten und Produktionsrate
verglichen [11].

Formpressen (Graphit-Bipolarplatten)
Das Formpressen erfordert eine Formpresse, ein Formwerkzeug und ein
Formwerkzeug, das für verschiedene Formen (Pulver, Puck, Platte) verwendet
werden kann. Während des Prozesses muss eine Reihe von sensiblen
Prozessparametern beachtet werden. Es muss ausreichend Formmasse
aufgetragen werden, um sicherzustellen, dass alle Hohlräume ausgefüllt werden.
Das Material härtet durch einen chemisch irreversiblen Prozess aus. Die hohe
Ausschussrate und dieser Überschuss stellen einen intrinsischen Verlust dar. Abb.
11.8 de-

Abb. 11.8 Verfahrensprinzip des Formpressens: Variante mit einer Platte als
Vorformlingsmaterial (FBH = Niederhalterkraft, FP = Presskraft) [11]
306 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie

Abb. 11.9 Prinzip des Spritzgießverfahrens (FCLOSE = Schließkraft) [11]

zeigt eine Variante zur Umsetzung dieses Verfahrens. Hier wird der
Verbundwerkstoff als Halbzeug in Form einer flächigen Matte eingebracht.
Damit lassen sich Geometrien ähnlich wie bei der Hohlprägung von Blechen
erreichen [11].

Spritzgießen (Graphit-Bipolarplatten)
Für das Spritzgießen werden eine Form, eine vorgewärmte rotierende
Förderschnecke (Extruder) und ein Behälter für das Rohmaterial benötigt. Eine
vereinfachte Version dieses Verfahrensprinzips ist in Abb. 11.9 dargestellt. Der
Prozess wird in der Nähe der Glasübergangstemperatur der thermoplastischen
Formmasse durchgeführt, um kurze Zykluszeiten zu erreichen. Es wird fast kein
überschüssiges Rohmaterial benötigt, und Ausschussmaterial kann bis zu einem
gewissen Grad wiederverwendet werden, so dass weniger Abfall anfällt als beim
Formpressen. Ein Nachteil gegenüber dem Formpressen ist, dass der Graphit- und
Fasergehalt aus Produktionsgründen relativ gering sein muss. Dies führt zu einer
geringeren Leitfähigkeit (auch wenn die Ausrichtung der Graphitpartikel einen
Vorteil bietet), und ein möglicher Faserbruch führt auch zu einer geringeren
Biegefestigkeit [11].

Hohlkörperprägung (metallische Bipolarplatten)


Dabei wird das Blech vorzugsweise mit zwei starren Werkzeuggegenformen
hohlgeprägt, wobei auch ein Gummipuffer gegen eine metallische Matrize
gedrückt werden kann. Dieser kann jedoch nur an den Blechkanten eingesetzt
werden, da die Strömungsfeldstruktur zu kompliziert ist, um sie für den
Brückenbereich (Rippe) abzutrennen, um das Blech dort zu klemmen.
Theoretisch könnte der Bereich der Blechhalter auch erweitert werden auf
11.1 307
Brennstoffzelle

Abb. 11.10 Prinzip des einstufigen Hohlprägeverfahrens (FBH = Niederhalterkraft, FP =


Presskraft) [11]

Die Struktur des Strömungsfeldes - insbesondere die Brücke oder die


Rinnenbreite - muss jedoch ausreichend abrasiv und groß sein, um dies zu
ermöglichen. Eine vereinfachte Version dieses Verfahrensprinzips ist in Abb.
11.10 dargestellt.
Das Prägen ist eines der robustesten Umformverfahren und lässt sich mit
Folgeverbundwerkzeugen oder Transferwerkzeugen leicht realisieren. Da das
Material schrittweise beansprucht wird, lassen sich höhere Verformungsgrade und
besser ausgeformte Kanalstrukturen erzielen. Auch der Schneidprozess kann
integriert und mit demselben Werkzeug durchgeführt werden.
Die Produktionsszenarien wurden mit einer Rate von 60 Hüben/min berechnet;
dies ergibt eine Produktionsrate von 60 bipolaren Halbplatten pro Minute mit
einem BP-HP-Werkzeug. Die Berechnungsergebnisse zeigen, dass jährlich
genügend Bipolarplattenhälften für über 97.000 100-Zellen-PEM-Stapel
hergestellt werden könnten. Die gleichzeitige Herstellung beider
Bipolarplattenhälften - Anode und Kathode - mit einer angepassten Presse und in
einem Pressenhub ist ebenfalls möglich. Dies würde die angenommene
Produktionsrate verdoppeln [11].

Hydroforming
Das Funktionsprinzip der Innenhochdruckumformung, auch
Hochdruckblechumformung genannt, ist in Abb. 11.11 schematisch dargestellt.
Der Vorteil dieses Prinzips liegt in der besseren Ausnutzung des
Umformvermögens eines Werkstoffs, was eine Erweiterung der Umformgrenzen
gegenüber dem einstufigen Hohlprägen z. B. unter Kaltumformbedingungen
ermöglicht.

Abb. 11.11 Verfahrensprinzip der Innenhochdruckumformung von Blechen (FCLOSE = Spannkraft)


[11]
308 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
Die vergleichsweise geringe Produktionsrate ist ein Nachteil, wenn hohe
Stückzahlen benötigt werden. Das Berechnungsergebnis zeigt, dass unter den
gegebenen Annahmen jährlich bipolare Halbplatten für etwa 11.000 100-zellige
PEM-Stacks hergestellt werden könnten. Durch Hydroforming könnte die
Hubzahl und damit die Produktionsrate weiter gesteigert werden. Dieser Prozess
ist aufgrund der höheren Anzahl von Aggregaten komplexer als das
konventionelle Hohlprägen. Die gleichzeitige Herstellung von Anoden- und
Kathodenplatten erfordert daher einen höheren Aufwand für die Anpassung der
Presse und der einzelnen Werkzeuge innerhalb eines Pressenhubes bzw.
Schließvorgangs [11].

Walzen mit Hohlprägung


Die Produktionsgeschwindigkeit ist ein entscheidender Faktor für die
Produktionskosten (Effektivität) und die Deckung der hohen Marktnachfrage und
damit ein wichtiges Entscheidungskriterium. Wie in Abschnitt 11.1.6 dargelegt,
bietet das metallische Bipolarplattenwalzen in dieser Hinsicht ein erhebliches
Potenzial. Eine vereinfachte Darstellung dieses Verfahrensprinzips ist in Abb.
11.12 zu sehen.
Erste Hochrechnungen zeigen, dass das Walzenprägen im Vergleich zu
konventionellen Fertigungsstrategien (wie dem Spritzgießen von
undurchlässigem Graphit) und bei geringeren Investitionskosten für die
Anlagentechnik die Produktionsraten von drei auf weit über 60 bipolare
Halbplatten pro Minute erheblich steigern kann. Es sind jedoch weitere
Forschungsarbeiten in diesem Bereich erforderlich, um zu untersuchen, ob dieses
Verfahren die Designflexibilität in Bezug auf das Design und die Leistung von
BPP einschränkt. Es wurden experimentelle Hohlpräge-Walzversuche
durchgeführt, um die Durchführbarkeit der Konstruktion paralleler
Strömungsfeldkanäle zu ermitteln. Die erzielten Ergebnisse lassen sich wie folgt
zusammenfassen: Das Walzprofilieren ist prinzipiell geeignet, bipolare
Plattenkanalgeometrien im industriellen Maßstab herzustellen. Die
Notwendigkeit, unerwünschte Seitenef-

Abb. 11.12 Prinzip des Walzenprägeverfahrens. (Fraunhofer IWU Chemnitz) [11]


11.1 309
Brennstoffzelle
Faltenbildung und Rückfederung sowie die Übertragung des erworbenen Wissens
auf reale Geometrien hinsichtlich Komplexität und Dimensionen stellen
Herausforderungen und damit zukünftiges Entwicklungspotenzial dar [11].

Andere Methoden und Ansätze


Ein weiteres mögliches Verfahren besteht darin, einen thermoplastischen
Polymerverbundwerkstoff in eine teilweise offene Form (d. h. in einen
vorvergrößerten Formhohlraum) einzuspritzen. In diesem Fall wird beim Prägen
ein Extruder verwendet, um die Form in die gewünschte Form zu bringen. Die
Abkühlung, das Öffnen und der Ausstoß erfolgen wie bei einem normalen
Spritzgießverfahren. Da das verwendete Polymer nicht aushärten muss, ist keine
Haltezeit erforderlich, so dass der Zeitbedarf für das Verfahren mit dem des
Spritzgießens vergleichbar ist. Dieses als Spritzprägen bezeichnete Verfahren
wäre prinzipiell anwendungsfähig, ist aber noch nicht für die Massenproduktion
vorgesehen.

11.1.7 Vergleich ausgewählter BPP-Produktionsverfahren

Anhand verschiedener Bewertungskriterien wurden die derzeit am häufigsten


eingesetzten Fertigungsverfahren bzw. die Verfahren mit dem größten
Kostensenkungspotenzial für zukünftige Produktionsprozesse verglichen. Der
Fokus lag auf der Ermittlung der verfahrenstechnischen Grenzen und der
Weiterentwicklung der Verfahren für die industrielle Massenproduktion. Darüber
hinaus wurden die benötigten Maschinen und Werkzeuge unter dem Aspekt der
Simultanfertigung, d.h. der parallelen Herstellung von Kathoden- und
Anodenplatten pro Umformsequenz, betrachtet. Grund hierfür ist die effizientere
Verknüpfung des Fertigungsprozesses mit dem anschließenden Fügeprozess, so
dass bipolare Halbplatten unmittelbar nach der Umformung wieder eingesetzt
werden können, ohne den Prozess zu verlangsamen.
Das Spinnendiagramm in Abb. 11.13 bietet einen qualitativen Vergleich
ausgewählter Parameter zur Bewertung einzelner Prozesse. Jeder höhere Wert
(auf einer Skala von 0 bis 1) bedeutet eine positive Bewertung; niedrigere Kosten
ergeben also einen höheren Wert. Zur Vereinheitlichung wurde der beste Wert
aus der Tabelle mit 100 Prozent definiert (Standardwert = 1). Dieser Wert stellt
die Benchmark für den Vergleich dar.
Die qualitative Bewertung der Parameter "Plattenqualität" und
"Dauerhaftigkeit" beruht aufgrund der Vielzahl der Einflussfaktoren auf
erfahrungsbasierten Annahmen.
Aus dem Diagramm in Abb. 11.13 lässt sich ableiten, dass bei vier von sechs
Bewertungskriterien (Eckpunkten) das Formpressen den Benchmark setzt.
Lediglich bei der Produktionsrate und den Investitionskosten fällt dieses
Verfahren hinter das
310 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
Bewertungskriterium Komprimierun Spritzgieß Hydroforming Hohlkör Rollende
g r
en perprägung
Systemkosten [Mio. €] Gießen ~3.5
~3.0
Wert ~1.5 0.37 ~1.3 ~2.0
0.43
Werkzeugko 0.87 ~250,000 1 0.65
~120,000
sten [€] ~80,000 0.32 ~300,000 ~150,000
0.67
Wert 1.00 50,000 0.27 0.53
15,000
Spannkraft [kN] 10,000 3,000 8,000 500
3,500
Umformdruck [bar] Komposit Stahl
Plattenmateri Komposit 2-10 Stahl Stahl
12-18
al Plattenpreis 12-18 500 2-10 2-10
300
[€/kg] 500 1.00 500 500
0.60
cm2
Fläche der Platte [ ] 1.00 6.7 1.00 1.00
3.0
Wert* 0.5 0.06 60 120
Produktionsme 0.03
0 0.50 1.00
nge 0.80
0.50
[BPP/min] 1.00 0.20 0.60 0.20
Wert 0.90
1.00 0.20 0.20
BP-HP Qualitätswert
BP-HP Planaritätswert
* ermittelter Wert zur Verwendung im Diagramm

Abb. 11.13 Bewertungskriterien für ausgewählte skalierbare BPP-Produktionsverfahren.


Zur Vereinheitlichung wurde der beste Wert aus der Tabelle als 100 Prozent definiert
(Standardwert = 1). Dieser Wert stellt die Benchmark für den Vergleich dar [11].

Umformverfahren für metallische bipolare Halbplatten. Während die


Produktionsrate beim Innenhochdruckumformen nur geringfügig höher ist als bei
den beiden Formgebungsverfahren, sind das Tiefprägen und das Walzen deutlich
produktiver.
11.1 311
Brennstoffzelle
Dieser Ansatz kann als Blaupause für weitere Vergleiche dienen. So könnten
beispielsweise bestimmte Produktionsszenarien verwendet werden, um Zielwerte
wie 1 (100 Prozent) zu definieren, die die Eckpunktziele im Spinnendiagramm
darstellen. Die Parallelisierung ist für das Hohlprägen und Formpressen
unerlässlich. Die Mehrkosten (aufgrund der Pressengröße bei gleichbleibender
Pressensteifigkeit oder erhöhter Presskraft) für die Parallelisierung dieser
Prozesse durch Erhöhung der Maschinenkapitalkosten für die Pressen müssen
berücksichtigt werden. Bestehende Maschinen können über mehrere Jahrzehnte
für die Produktion genutzt werden, was zu einer langen Abschreibungsdauer
führt. Jeder neue Stapel und jede neue Generation von Bipolarplatten erfordert
jedoch einen neuen Werkzeugsatz, der mit entsprechenden Kosten verbunden ist.

Technologie-Kit für die BPP-Produktion

Abb. 11.14 H2@IWU-Bipolarplatten für die Massenproduktion; Prototyp hergestellt


durch Hydroforming. (Fraunhofer IWU Chemnitz)

Beim Hydroforming werden dünne Metallfolien (50 bis 100 µm Dicke) mit
Wasser unter einem Druck von 200 MPa in die Fließkanäle gepresst.
Bipolarplatten können auf diese Weise präziser geformt werden als mit den
bisher verwendeten Verfahren. Darüber hinaus werden
Rückfederungseffekte minimiert. So entstehen hochwertige Bipolarplatten,
die zudem nur eine einzige Form benötigen (Abb. 11.14). Um den nächsten
Technologieschritt in Richtung Massenproduktion von Bipolarplatten zu
312 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie

Platten muss die Geometrie des Strömungsfeldes weiter entwickelt werden.


Diese muss sowohl unter Effizienz- als auch unter produktionstechnischen
Aspekten optimiert werden. Zu diesem Zweck wurde am Fraunhofer IWU
das neue H2@IWU-Bipolarplattendesign entwickelt. Es ist speziell für die
Massenproduktion im Hochdurchsatzverfahren mittels Walzprägen
ausgelegt und ermöglicht das Einbringen von Strömungskanälen in einem
kontinuierlichen Prozess. Theoretisch soll der Wirkungsgrad von
Brennstoffzellen mit H2@IWU-Bipolarplatten stabil und auf hohem
Niveau bleiben. Ziel ist es, mit dem neuen Design eine Produktionsrate von
mindestens 120 Bipolarplatten pro Minute zu erreichen - das Doppelte
dessen, was Industrieunternehmen derzeit mit konventionellen Verfahren
herstellen können.
Produktionsverfahren für maximale Ausbringungsmengen sind nicht der
einzige Schwerpunkt dieses Forschungsfeldes. Je nach späterem
Einsatzgebiet (stationär oder mobil) können Prozesse erforderlich sein, die
unterschiedliche Anforderungen an das Bipolarplatten-Halbzeug stellen. So
muss der optimale Fertigungsprozess anhand von Rahmenbedingungen
bzw. Eingangsgrößen und unter Berücksichtigung des Einsatzszenarios
ermittelt werden. Ob dies das Inkremental- oder Hydroforming für eine
Produkt-Miniserie, das konventionelle Prägen für mittlere Stückzahlen oder
das Walzprägen für große Stückzahlen ist, hängt von den jeweiligen
Anforderungen der Industrieunternehmen ab.

11.1.8 Strategie für die Einführung

Aus ökologischer und nutzerorientierter Sicht ist die Brennstoffzelle in vielen


Anwendungsbereichen anderen Energiewandlern deutlich überlegen und hat das
Potenzial, diese zu verdrängen. Bei der Ablösung langjährig etablierter
Technologien, wie z.B. Batterien oder Verbrennungsmotoren, muss die
Brennstoffzelle jedoch klar definierbare wirtschaftliche und technische Vorteile
bieten. Neben einigen wenigen technischen Herausforderungen sind vor allem
Kostenfaktoren wie der Verkaufspreis oder die Infrastruktur ein Hindernis für den
Markteintritt. Kurz- und mittelfristig müssen weitere deutliche Kostensenkungen
erreicht werden, um die Entwicklung eines kommerziellen Marktes für die
Brennstoffzellenanwendung zu ermöglichen. Die in allen Bereichen immer noch
hohen Kosten sind einer der Hauptfaktoren, die derzeit eine breitere
Marktdurchdringung der Brennstoffzellentechnologie verhindern. Die Industrie
ist mit der Herausforderung und dem Risiko konfrontiert, die derzeitigen Kosten
erheblich zu senken, ohne dass eine Nachfrage besteht.
11.1 313
Brennstoffzelle
Volumen, was erhebliche Größenvorteile und damit eine erhebliche
Kostensenkung ermöglichen würde.
Daher sollten politische und finanzielle Investitionen getätigt werden, um die
Entwicklung lokaler Produkte zu fördern und die technologischen
Produktionskapazitäten zu verbessern. Damit einhergehen muss die Förderung
des Aufbaus nationaler Produktionsinfrastrukturen zur Entwicklung und
Erforschung geeigneter Herstellungsverfahren für die Großproduktion. Dies
würde es ermöglichen, die Brennstoffzellenproduktion erstmals massentauglich
zu machen, was die Produktionskosten in großem Maßstab senken und den
kommerziellen Durchbruch der Brennstoffzellentechnologie beschleunigen
würde.
Die Akteure der deutschen Industrie können von einem nationalen
Aktionsplan für die Erforschung und Einführung der Brennstoffzellentechnologie
profitieren. Dieser zielt darauf ab, Forschungskompetenz und Infrastruktur zu
bündeln, um gezielt an den grundlegenden Herausforderungen und aktuellen
Fragestellungen der Unternehmen zu arbeiten. Diese ersten Herausforderungen
waren

● hoch skalierbare Produktions- und Testtechnologien,


● Werkstofftechnik,
● internationale sektorübergreifende Normen,
● Bewertung sowie eine
● Berücksichtigung der wertvollsten und anfälligsten Teile der
Wertschöpfungskette in einem wirtschaftlichen Kontext.

Zu den weiteren Vorteilen des Aktionsplans gehören Beratung und Anleitung für
die Akteure der Industrie, z. B. bei der Integration von Produktionssystemen und
der Entwicklung von Lieferketten. Auf diese Weise ist es möglich, wirksame
nationale Wertschöpfungsnetze aufzubauen und die sozioökonomischen
Auswirkungen unmittelbar zu verbessern.

Nationaler Aktionsplan für die Brennstoffzellenproduktion


Im Rahmen des nationalen Aktionsplans werden Lösungen entwickelt, die
eine erhebliche Aufstockung und Kostenreduzierung der
Brennstoffzellenproduktion ermöglichen. Darüber hinaus werden
Schlüsselelemente bzw. Prozessschritte und die wesentlichen Sensitivitäten
der Brennstoffzellenproduktion evaluiert, um die Machbarkeit einer
industriellen Großserienfertigung zu demonstrieren. Der Aktionsplan
richtet sich an Unternehmen unterschiedlicher Größe, die die gesamte
Wertschöpfungskette der Brennstoffzellenproduktion abbilden, und
umfasst Anwendungen in der Lastmobilität bis hin zur Systemumgebung
einschließlich des Baus der notwendigen Maschinen und Anlagen.
314 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie

Abb. 11.15 Nationaler Aktionsplan für die industrielle Einführung der


Brennstoffzellentechnologie für den Einsatz im Verkehr. (Fraunhofer IWU
Chemnitz)

Hinter dem Aktionsplan stehen 18 Fraunhofer-Institute (IWU, IPT, ISE,


IPA, IWS, ENAS, IMWS, IFF, IGP, IPK, UMSICHT, ILT, ICT, ISI,
IGCV, IST,
IFAM, IKTS) aus insgesamt neun Bundesländern, die ihre
Forschungskompetenzen und -infrastrukturen sowie lokale Netzwerke für
die Entwicklung neuer Fertigungslösungen in regionalen
Technologiedrehscheiben einsetzen. Diese werden in die vier
Technologienetzwerke R2MEA, R2HP, HP2BPP und ST2P integriert und
durch die Einbindung neuer Landes- und Bundesinitiativen gezielt ergänzt.
Das übergeordnete NEXUS-Netzwerk: ViR nutzt digitale Abbilder der
Umfang der 90
Finanzierung:
Projektkoordination: MillionenWelf-Guntram
Professor C Drossel, Dr. Ulrike Beyer,
Fraunhofer IWU Chemnitz
Informationen: h-2-go.de
11.1 315
Brennstoffzelle
11.2 Elektrolyseure

Die zukünftige technische und kostenmäßige Entwicklung der einzelnen


Elektrolyse-Technologien ist mit großer Unsicherheit behaftet. Die Unterschiede
in den Eigenschaften dieser Technologien sind zum Teil rudimentär. Eine
Zusammenfassung zu einer einheitlichen, marktbeherrschenden Technologie wäre
daher nicht sachgerecht. Es kann davon ausgegangen werden, dass die
Entwicklung der Elektrolyse im Prinzip technologieneutral ist und die
Marktanteile entsprechend der Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden. Allerdings
werden sich die Marktanteile allmählich von der derzeitigen Konzentration auf
die alkalische Elektrolyse hin zu einer Kombination von Technologien
entwickeln (Abb. 11.16). Da die Protonenaustauschmembran-
Wasserelektrolyseure (PEMEL) kurz- und mittelfristig ein großes
Entwicklungspotenzial bieten, konzentriert sich die nachfolgende Analyse auf
diesen Elektrolyseur-Typ [12].

11.2.1 Kostenkomponenten und Kostensenkungspotenzial

Ein Elektrolyseur kostet derzeit je nach Typ zwischen 1000 und 1500 EUR/kW.
In Zukunft ist ein CAPEX-Wert zwischen 500 und 700 EUR/kW erforderlich, um
das volle Potenzial der Elektrolyseurtechnologie zu nutzen. In den aktuellen
Studien besteht eine grundlegende Unklarheit über die Hauptkosten der
Systemkomponenten

Abb. 11.16 Jährliches Wachstum der Elektrolyse-Technologien [13]


11.2 Elektrolyseure 311

Abb. 11.17 Anteil der wesentlichen PEMEL-Komponenten an den Gesamtsystemkosten [13]

für verschiedene Elektrolyseur-Typen, da je nach Auslegungskonzept eine


unterschiedliche Gewichtung innerhalb der einzelnen Verfahren und
Größenklassen vorgenommen werden kann. Dennoch lässt sich ein
unterschwelliger Trend erkennen, nämlich dass die Kosten für den Stack einen
überwiegenden Anteil an den Gesamtelektrolyseurkosten ausmachen:

● PEMEL-System 50%
● AEL-System (Alkalische Elektrolyse) 40%
● HTEL-System (Hochtemperaturelektrolyse) 30 %.

Abb. 11.17 zeigt den Anteil der wesentlichen PEMEL-Komponenten an den


gesamten Systemkosten [13].
Stacks sind selbst in großen Anlagen auf eine bestimmte Leistung begrenzt.
Daher sind auch in Zukunft nur einstellige Megawattbereiche zu erwarten. Die
Stacks werden daher parallel angeordnet (sogenanntes "Numbering up"), um eine
höhere Anlagenleistung zu ermöglichen. Entsprechend steigt der relative Anteil
der Stackkosten zu den anderen Komponenten mit zunehmender Anlagengröße
stetig an. Da die angestrebten Anwendungsbereiche und Größenordnungen
erwarten lassen, dass 100-MW-Anlagen in Zukunft an Bedeutung gewinnen
werden, stellt das Numbering up und die damit verbundene Massenproduktion
von Normteilen eine große Herausforderung dar. Abb. 11.17 zeigt deutlich, dass
ein sehr hohes Kostensenkungspotenzial für Stacks in den Jahren vor 2030 und
nochmals vor 2050 zu erwarten ist. Kostenkomponenten und damit die gesamte
312 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
Die Systemkosten sollten dadurch deutlich sinken [13]. Skaleneffekte als
Kostensenkungsstrategie wurden bereits am Beispiel der Brennstoffzelle in Kap.
11.1 dargestellt und gelten aufgrund der hohen technologischen Kompatibilität
auch für den Elektrolyseurbereich; allerdings werden im Folgenden die für die
Elektrolyseurproduktion spezifischen Technologien im Detail analysiert.

11.2.2 Technologien

Membran-Elektroden-Einheit (MEA)
Ähnlich wie bei der Herstellung von MEA für Brennstoffzellen gibt es bei
Elektrolyseuren zwei grundsätzliche Vorgehensweisen. Im Allgemeinen wird
eine Elektrodenschicht in Form einer flüssigen Tinte oder nassen Paste
(bestehend aus Katalysator, PFSI und Lösungsmittel) auf ein Substrat
aufgebracht. Beim PTL-basierten Ansatz wird eine poröse Transportschicht
(PTL; bei der PEMFC als GDL bezeichnet) als Substrat verwendet, während
beim CCM-basierten Ansatz die Membran beschichtet wird. Wie bei der
Brennstoffzelle wird auch beim CCM-Ansatz zwischen direkten und indirekten
Verfahren unterschieden. Beim indirekten Verfahren wird eine Abziehbild-
Transferfolie verwendet, wobei die Tinte zunächst auf diese Transferfolie (meist
Teflon oder PTFE) aufgebracht wird. Mit dieser Folie wird dann der Katalysator
auf die Membran übertragen. Beim direkten CCM-Verfahren entfällt dieser
Schritt, und die Membran wird direkt beschichtet. Um eine kontinuierliche
Kontrolle des Prozesses zu ermöglichen, wird beim Heißpressen teilweise auf
Walzenkalander zurückgegriffen, so dass eine Verarbeitung von Rolle zu Rolle
möglich ist.
Alle drei Verfahren bieten prinzipiell Potenzial für die Massenproduktion und
werden in gewissem Umfang bereits in der PEMFC-Fertigung eingesetzt. Zu
beachten ist jedoch die vergleichsweise hohe Steifigkeit der bei der Elektrolyse
verwendeten porösen Titantransportschicht (PTL). Die Integration dieser
Komponenten in einen kontinuierlichen Produktionsprozess muss genau überlegt
werden. Das Abziehbildverfahren umgeht Nachteile wie das Eindringen von
Katalysatortinte in die poröse PTL (PTL-Ansatz) oder die Faltenbildung der
Membran beim Befeuchten mit dem Lösungsmittel (direkter CCM-Ansatz), da
die Elektrodentinte bereits beim Kontakt mit der Membran ausgehärtet wird. Der
zusätzliche Prozessschritt der Verwendung von Abziehbildfolie verursacht jedoch
zusätzliche Kosten. Die Verstärkung von Membranen und die Verwendung
geeigneter Lösungsmittel sind Ansätze, um die erwähnte Faltenbildung der
Membran beim direkten CCM-Prozess zu verhindern. Durch die Verstärkung der
Membranen können auch höhere Zugkräfte aufgebracht werden, was zu höheren
Vorschubgeschwindigkeiten im Produktionsprozess führt. Dennoch ist das
Abziehbildverfahren das in der industriellen Produktion am häufigsten
verwendete Verfahren, da die Prozessparameter gut bekannt und vergleichsweise
einfach zu steuern sind [13].
11.2 Elektrolyseure 313

Poröse Transportschicht (PTL)


Die poröse Transportschicht auf der Anodenseite im PEMEL wird derzeit
aufgrund ihrer hohen Korrosionsbeständigkeit ausschließlich aus
Titanwerkstoffen hergestellt. Für diesen Prozess gibt es drei verschiedene
Konzepte. Bei der Herstellung von Titanfaserfilz werden in einem ersten Schritt
durch Verfahren wie Bündelziehen, Folienschaben oder Schmelzspinnen
Metallfasern hergestellt. Diese werden durch Sintern zu Filz verarbeitet. Eine
anschließende Walzenprägung sorgt für gleichmäßige Dicken und Oberflächen
[13].

Bipolare Platten (BPP)


Bipolarplatten für Elektrolyseure werden entweder aus
Graphitverbundwerkstoffen oder aus metallischen Werkstoffen hergestellt. Eine
nachträgliche Plattenbeschichtung zum Korrosionsschutz ist oft notwendig. Für
die PEMEL wird fast ausschließlich Titan verwendet, da dieser Werkstoff einen
ausreichend hohen Korrosionsschutz bei Standard-Elektrodenpotentialen
ermöglicht. Während Bipolarplatten in erster Linie im Formpress- oder
Spritzgussverfahren unter Verwendung von Verbundwerkstoffen hergestellt
werden, wird für Bipolarplatten aus metallischem Titan häufig ein sequenzielles
Stanzverfahren verwendet. Auch das Hydroforming wird als eine
vielversprechende Prozessoption angesehen. Durch die Implementierung eines
kontinuierlichen Prozesses kann diese Herstellungsmethode weiter optimiert
werden. Im Vergleich zu einem sequentiellen Prägeprozess ermöglicht ein
kontinuierlicher Prozess geringere System- und Werkzeugkosten und einen
feineren Detaillierungsgrad der Strömungsfeldstrukturen. Zudem kann eine
Bipolarplatte in einem einzigen Prozessschritt hergestellt werden - abgesehen
vom präzisen Schneiden und Stanzen der Löcher für die Kanäle (sog. Manifolds).
Bei kleinen Losgrößen werden diese Aufgaben nachgelagert durch
Laserschneiden erledigt. Bei großen Losgrößen könnte ein mechanisches
Stanzsystem eingesetzt werden. Das Aufwickeln der geformten Bipolarplatte zu
einer Spule direkt nach dem Hydrogate-Prozess würde die Strömungsfelder
deformieren, so dass die oben erwähnte Nachbearbeitung direkt in-line erfolgen
muss [13].
Die Bipolarplatten werden anschließend hauptsächlich durch physikalische
Gasphasenabscheidung (PVD) zusätzlich zu den galvanischen Verfahren
beschichtet. In diesem Zusammenhang wird häufig das Verfahren der Magnetron-
Kathodenzerstäubung eingesetzt. Dieses Verfahren ist im Prinzip eine
Abwandlung des Kathodenzerstäubens, bei dem ein Target in einem
Vakuumsystem mit konstanter Gasentladung mit positiven Ionen aus einem
Plasma beschossen wird, wobei eine Gleichspannung angelegt wird. Einer der
Hauptkostenfaktoren für die Beschichtung von Bipolarplatten ist der Preis des
elektrisch leitfähigen Materials. Einen innovativen Ansatz für eine
kosteneffiziente Beschichtung bietet die "TreadStone Generation 2" [13].
314 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
11.2.3 Skalierung

Neben den in Kap. 11.1.6 vorgestellten Verfahren, die aufgrund der


Technologiekompatibilität zwischen Brennstoffzellen und Elektrolyseuren auch
in diesem Bereich eingesetzt werden können, werden im Folgenden einige
spezielle Fertigungsstrategien für das Upscaling der Elektrolyseurproduktion
vorgestellt.

Membran-Elektroden-Einheit (MEA)
Das in Abb. 11.18 dargestellte Produktionskonzept für Membran-Elektroden-
Einheiten gewährleistet einen hohen Durchsatz, gute Homogenität und
Farbstabilität. Die Verwendung von Abziehbild-Transferfolie verhindert, dass
Lösungsmittel die Membranstruktur angreifen und die PTL-Poren verstopfen.
Durch Sprühen der nassen Beschichtung werden Schichten mit hoher Leistung
erzeugt. Auch die infrarotunterstützte Konvektionstrocknung hat sich als
effizientes Verfahren erwiesen. Ein anschließendes kontinuierliches
Heißpressverfahren sorgt für den geringsten ohmschen Widerstand und beste
Haftung. Das Scheren verhindert die Wiederanhaftung des verdampften
Membranmaterials an die Katalysatorschicht, während das Heißpressen die
höchste Haftung für die Abdichtung gewährleistet.

Poröse Transportschichten (PTL)


Das in Abb. 11.19 dargestellte Produktionskonzept ist ein hochpräzises
Verfahren, das hohe Durchsatzraten für die PTL-Produktion ermöglicht.
Streckmetall ist bei weitem die schnellste Technologie und sehr flexibel. Dies
bietet einen Vorteil bei der Skalierung von Prozessen. Die Grobheit des Gewebes
verhindert den direkten Kontakt mit der Katalysatorschicht. Daher ist eine
zusätzliche Schicht erforderlich. Das Laserschneiden wird eingesetzt, um eine
Beschädigung der

Abb. 11.18 Konzept einer MEA-Produktionslinie. (Fraunhofer IPT Aachen)


11.2 Elektrolyseure 315

Abb. 11.19 PTL-Produktionslinienkonzept. (Fraunhofer IPT Aachen)

Struktur entlang der Schnittkontur. Diese Methode gewährleistet eine präzise


Form- und Lagetoleranz des Schnittes, kann auf vorbeschichteten Platten
eingesetzt werden und garantiert eine schnelle Prozesszeit bei maximaler
Flexibilität. Die Reinigung mit Ultraschall erzielt die besten Ergebnisse. Die
mechanische Vorreinigung verhindert eine grobe Verschmutzung des
Ultraschallbades und die schonende Reinigung vermeidet mechanische
Einwirkungen. Die physikalische Abscheidung aus der Gasphase ermöglicht eine
hohe Abscheiderate von 0,01 µm/s (für Metalle), so dass durch eine geeignete
Form der Automatisierung eine höchstmögliche Skalierbarkeit erreicht werden
kann. Dies geht einher mit einer geringen Verschmutzung und sehr dichten
Schichten mit starker Haftung, was auch die Verwendung einer breiten Palette
von Materialien ermöglicht.

Bipolare Platten (BPP)


Das in Abb. 11.20 dargestellte Produktionskonzept zur Herstellung von
metallischen (und auch vorbeschichteten) Bipolarplatten beginnt mit dem Prägen.
Dieses schnelle Umformverfahren ermöglicht einen Flankenwinkel von ca. 75°
zwischen den Kanälen. Der nächste Produktionsschritt ist das Laserschneiden.
Dadurch wird sichergestellt, dass entlang der Schnittkontur praktisch keine
Strukturveränderungen auftreten und der Zuschnitt auf Basis einer exakten Form-
und Lagetoleranz durchgeführt wird. Außerdem garantiert es eine schnelle
Prozesszeit bei maximaler Flexibilität. Das Sputtern ermöglicht eine hohe
Abscheiderate von 0,01 µm/s (bei Metallen), größtmögliche Skalierbarkeit (durch
Automatisierung), geringe Verunreinigungen und sehr dichte Schichten mit
starker Haftung. Eine milde Reinigung mit Ultraschall und öllösenden
Reinigungsmitteln erzielt die besten Ergebnisse. Eine mechanische Vorreinigung
verhindert grobe Verschmutzungen. Für die Prüfung können verschiedene
Methoden der Widerstandsmessung (ex situ), der Dichtheitsprüfung (in situ oder
ex situ) und der Leistungsmessung (in situ) sukzessive gekoppelt werden. Das
Ergebnis ist ein umfassendes Prüfsystem, das verhindert, dass defekte
Bipolarplatten einen ganzen Stapel gefährden. Außerdem unterstützt es die
datengesteuerte Qualitätssicherung.
316 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie

Abb. 11.20 BPP-Produktionslinienkonzept. (Fraunhofer IPT Aachen)

11.2.4 Strategie für die Einführung

Neben der Schaffung von Lösungen für die industrielle Produktion von
Elektrolyseuren zu marktfähigen Qualitäten und Kosten ist das Erreichen von
technologischer Souveränität und einer führenden, global wettbewerbsfähigen
Rolle deutscher Unternehmen ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor. Der
kontinuierliche Ausbau lokaler Produkt- und Wertschöpfungsnetzwerke kann die
nationale Produktionsinfrastruktur in Deutschland stärken und hohe Marktanteile
für die deutsche Industrie sichern. Aufgrund der Marktpräsenz asiatischer und
nordamerikanischer Unternehmen können deutsche Unternehmen derzeit nur
einen sehr geringen Produktionsanteil am globalen Elektrolyseurmarkt
übernehmen. Strategische Investitionen und Kooperationen zwischen Politik,
Industrie, Forschung und Investoren würden es ermöglichen, auf dem
Komponentenmarkt bzw. auf dem für die Produktion von Komponenten
notwendigen Maschinen- und Anlagenbaumarkt Fuß zu fassen. Ziel ist es,
Marktanteile von den derzeitigen Marktführern zu gewinnen und weiter
auszubauen. Damit würden sich auch die technologischen Dimensionen für
deutsche Hersteller bei der Komponenten- und Subsystemfertigung, der
Systemintegration und anderen Bereichen deutlich erweitern.
Ein Beispiel für ein Projekt, das diese Herausforderung lösen soll, ist der
Ideenwettbewerb "Hydrogen Re- public of Germany" des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel ist es, eine Technologie für die
Wasserelektrolyse im Gigawatt-Maßstab zu entwickeln. Zu diesem Zweck wurde
die Technologieplattform H2Giga konzipiert. Sie ermöglicht den
Informationsaustausch und auch die Kommunikation zwischen den Bereichen
Industrie und Forschung. In der Startphase gibt es 24 Netzwerke
11.2 Elektrolyseure 317

mit über 130 Projektpartnern. Die Plattform, die zunächst auf vier Jahre angelegt
ist, wird die gesamte Wertschöpfungskette und verschiedene Elektrolyse-
Technologien abdecken. Die H2Giga-Plattform bündelt und zentralisiert
Informationen und fördert den Dialog, der die Forschungs- und
Technologieentwicklungspartner in den teilnehmenden Projekten unterstützt,
indem sie ihnen ermöglicht, technologische Entwicklungen für die
Massenproduktion und das Upscaling von Elektrolyseuren schneller und
umfassender voranzutreiben oder umzusetzen.

H2Giga-Plattform
Fraunhofer-Verbundprojekt FRHY - Referenzfabrik für Elektrolyseur-
Massenproduktion
Die Referenzfabrik ist so konzipiert, dass sie eine flexible, multidirektionale Lösung
bietet,
eine ergebnisoffene technologische Lösung für die Großserienproduktion
von Elektrolyseuren (Abb. 11.21). Im Rahmen des Projekts werden neue
Produktions- und Testkonzepte entwickelt. Auch digitale Bilder werden
erstellt und über eine zentrale virtuelle Referenzarchitektur verknüpft. So
entstehen nicht nur neue Lösungen für die Produktion, sondern auch ein
Technologiebaukasten, der eine Vielzahl von Ansätzen zulässt. So lassen
sich die einzelnen Ansätze hinsichtlich Produktionsqualität, Skalierbarkeit
und Kosten vergleichen. Den Prozessschritten in der Referenzarchitektur
zugeordnet, können sie zur Berechnung von Produktionsvarianten bis hin
zu ganzen Wertschöpfungsketten herangezogen werden. Dies ermöglicht
den Vergleich und die Bewertung von Strategien für parallele Prozesse,
Automatisierung und vertikale Integration. Neben den Investitionskosten
können so auch Return-on-Investment-Prognosen auf Basis des geplanten
Produktionsvolumens validiert werden. Damit wird eine solide Basis für
eine durchsatzstarke, wiederholbare Produktion geschaffen, die eine
kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung der
Elektrolyseurqualität sowie die Optimierung der Standzeiten gewährleistet
und zudem dynamisch und flexibel an veränderte Bedingungen angepasst
werden kann.

Beteiligte Fraunhofer-Institute: IWU, IPT, IPA, ENAS, IMWS


Geplante Forschungsmittel: 22 Millionen C
Geplante Projektdauer: 1. April 2021 bis 31. März 2025
318 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie

Abb. 11.21 Fraunhofer FRHY Verbundprojekt-Referenzfabrik für Elektrolyseur-


Massenproduktion (Fraunhofer IWU Chemnitz)
Referenzen 319

Referenzen
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Wasserstoffstudie: Energie der Zukunft? Brennstoffzelle und Wasserstoff für
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320 11 Produktion von PEM-Systemen, Upscaling und
Einführungsstrategie
13. Smolinka T., Wiebe N., Sterchele P. et al. (2020): IndWEDe-Studie: Industrialisierung
der Wasserelektrolyse in Deutschland: Chancen und Herausforderungen für nachhalti-
gen Wasserstoff in Verkehr, Strom und Wärme (Industrialisierung der
Wasserelektrolyse in Deutschland: Chancen und Herausforderungen für nachhaltigen
Wasserstoff in Verkehr, Strom und Wärme). NOW GmbH, 200
Normung, Prüfung und Zertifizierung
12
Klemens Ilse
Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und
Systemen IMWS
Jan Wenske ● Andreas Reuter ● Fabian Pascher ●
Sylvia Schattauer
Fraunhofer-Institut für Windenergieanlagen IWES
Sebastian Schmidt ● Herman Hilse ● Welf-Guntram Drossel
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und
Umformtechnik IWU

Abstrakt

Als Teil unserer Wirtschafts- und Rechtsordnung schaffen Normen und


Zertifizierungsverfahren die Grundlagen für wichtige Themen wie
Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Sie ermöglichen die Kombination von
Komponenten zu Systemen, sichern Qualität und Kompatibilität, schaffen
Transparenz und schützen die Verbraucher. Normung und Zertifizierung sind
auch entscheidende Faktoren für den Wissens- und Technologietransfer.
Deutschland ist Vorreiter und wesentlicher Treiber der Normung in vielen
Bereichen, vom Maschinen- und Anlagenbau bis zur Energietechnik. Darüber
hinaus gibt es zahlreiche nationale und inter- nationale Initiativen zur
Normung von Wasserstofftechnologien. Dieses Kapitel gibt einen Überblick
über bestehende Normen aus verschiedenen Bereichen, die sich auf
Wasserstofftechnologien beziehen, und skizziert damit auch die Komplexität
dieses Technologiefeldes.

© Springer Nature Schweiz AG 2022 321


R. Neugebauer (Hrsg.),
Wasserstofftechnologien,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-22100-2_12
322 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

12.1 Die Bedeutung der Normung für


Wasserstofftechnologien
Normung und Zertifizierung sind zentrale Bestandteile jeder innovativen
Industriepolitik und ein wesentliches Instrument für die wissensbasierte
Wirtschaft. Sie spielen eine entscheidende Rolle für die beschleunigte Umsetzung
neuer Entwicklungen und für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt
[1]. Darüber hinaus legen Normen und Zertifizierungsverfahren als Teil unserer
Wirtschafts- und Rechtssysteme die Grundlagen für wichtige Themen wie
Arbeitssicherheit und Umweltschutz [2].
Normen werden z. B. von Gremien wie Räten und Ausschüssen erarbeitet und
definieren den Stand der Technik sowie die Anforderungen an Produkte und
Dienstleistungen. Sie ermöglichen die Kombination von Bauteilen zu Systemen,
sichern Qualität und Kompatibilität, schaffen Transparenz und schützen die
Verbraucher. Sie sind auch ein entscheidender Faktor für den Wissens- und
Technologietransfer [2]. Zertifizierungsverfahren werden von unparteiischen
Dritten mit dem Ziel durchgeführt, die Konformität von Produkten, Verfahren
und Dienstleistungen mit einer bestimmten Norm nachzuweisen [3].
Deutschland war und ist in vielen Bereichen Vorreiter und wesentlicher
Treiber der Normungsaktivitäten, u.a. in der Automobilindustrie, im Maschinen-
und Anlagenbau und in der Energietechnik. Allerdings ist die Normungs- und
Zertifizierungsarbeit für Wasserstofftechnologien in Deutschland und Europa im
Vergleich zu den vorgenannten Branchen derzeit noch nicht so weit
fortgeschritten. Und das, obwohl Industrie, Politik und Wissenschaft einen
immensen Bedarf in diesem Bereich sehen. Denn die Erarbeitung und Umsetzung
von Normen und Zertifizierungsverfahren für den Bereich der
Wasserstofftechnologien und der damit verbundenen Produktionsprozesse kann
und wird einen wesentlichen Beitrag zum erfolgreichen Aufbau einer
Wasserstoffwirtschaft und darüber hinaus zur Transformation des deutschen,
europäischen und globalen Energiesystems leisten.
Die zielgerichtete Erarbeitung und Umsetzung dieser Normen und
Zertifizierungen wird in Zukunft viele Vorteile für alle Beteiligten - von
Herstellern und Anwendern bis hin zu Banken und Versicherungen - mit sich
bringen. Normen und Zertifizierungsverfahren sind ein wesentlicher Faktor, um
Wasserstoffsysteme und -technologien vom Prototypenstadium zur Marktreife in
den Bereichen Produktion und Fertigung zu bringen. Sie ermöglichen auch
gesicherte und zuverlässige Aussagen über die langfristige Leistungsfähigkeit,
Lebensdauer und Wartung einer Technologie. Darüber hinaus können Normen
entscheidend dazu beitragen, dass die immer wichtiger werdenden Themen
Recycling und Kreislaufwirtschaft in den Bereich der Wasserstofftechnologien
integriert werden. Dabei geht es in der Regel um Schlüsselelemente der Sus-
12.2 Überblick über die Normung: Akteure und Prozesse 323

Die Vorteile liegen in der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen für die heimische
Industrie, in der Gewährleistung von Transparenz und Qualität sowie in der
Schaffung einer verlässlichen Grundlage für Investoren, Banken und
Versicherungen. Weitere Vorteile sind die Schaffung erheblicher
Wettbewerbsvorteile für die heimische Industrie, die Gewährleistung von
Transparenz und Qualität sowie die Schaffung einer verlässlichen Grundlage für
Investoren, Betreiber, Banken und Versicherungen. Schließlich ist die
Standardisierung und Zertifizierung im Bereich der Wasserstofftechnologien für
die einzelnen Volkswirtschaften von großer Bedeutung. Denn sie sorgen dafür,
dass wichtige Energiesysteme auch in Zukunft nicht ausfallen und garantieren so
eine sichere Energieversorgung für Industrie und Gesellschaft.

12.2 Überblick über die Normung: Akteure und Prozesse

Im Bereich der Normung gibt es verschiedene etablierte Begriffe und Verfahren,


und um diese richtig zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, wie sie definiert sind
und wer daran beteiligt ist. In den folgenden Abschnitten werden daher die
Konzepte und Akteure der Normung im Bereich der Wasserstofftechnologien
beschrieben und erläutert.

12.2.1 Terminologie und Verfahren

Normen werden in Ausschüssen unter Beteiligung interessierter Kreise, z. B.


Unternehmen, Behörden und Instituten, erarbeitet. Sie werden dann im Konsens
angenommen und von anerkannten Normungsorganisationen veröffentlicht [1].
Dieser systematische Prozess zur Erreichung von Einheitlichkeit in materiellen
und immateriellen Angelegenheiten wird als Normung bezeichnet (Abb. 12.1).
Das Ergebnis ist ein Dokument, das Regeln, Richtlinien (verbindliche, normative
Anforderungen), Leitlinien (Handlungsempfehlungen) und Merkmale für
Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt, die für den allgemeinen und
wiederkehrenden Gebrauch geeignet sind [4]. Unverbindliche Normen können
aber auch von anderen (temporären) Gremien geschaffen werden, ohne dass alle
interessierten Kreise beteiligt sind oder ein Konsens erzielt wird (wie z. B. bei
HTML, Mobilfunkstandards und Bluetooth) [1]. Im Englischen fällt dieser
Prozess zur Formulierung von Spezifikationen auch unter den Begriff
"standardization" (obwohl andere Sprachen, wie z. B. Deutsch, andere Begriffe
für verbindliche und nicht verbindliche Normung verwenden).
Normungstätigkeiten werden auf nationaler, europäischer und internationaler
Ebene durchgeführt. Die Anwendung von Normen ist in der Regel freiwillig; in
einigen Fällen kann jedoch aufgrund von Vorschriften oder anderen Formen der
Gesetzgebung eine rechtliche Verpflichtung zu ihrer Anwendung bestehen [4]. In
diesem Fall bezieht sich eine Verordnung auf alle Rechtsvorschriften, die
324 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

Abb. 12.1 Die Standard-


ierungsprozess. (vereinfachte
Darstellung in Anlehnung an
[4])

Abb. 12.2 Normen im


Rechtssystem. (siehe [4])

die verbindliche Umsetzung eines Gesetzes (Abb. 12.2). Die Zertifizierung ist ein
Verfahren, bei dem Dritte bestätigen, dass ein Produkt, ein Prozess oder eine
Dienstleistung bestimmten Anforderungen, z. B. einer Norm, entspricht. Im
Gegensatz dazu ist die Akkreditierung ein Verfahren, bei dem eine dritte Partei
bestätigt und formell anerkennt, dass eine bestimmte Einheit über die für
bestimmte Aufgaben erforderliche Fachkompetenz verfügt [5].
12.2 Überblick über die Normung: Akteure und Prozesse 325

12.2.2 Normung in Deutschland

An den Normungsprozessen für Wasserstofftechnologien sind in der


Bundesrepublik Deutschland verschiedene Akteure beteiligt.
Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) wurde ursprünglich als
"Normenverein der deutschen Wirtschaft" gegründet. Seit 1975, als es einen
Vertrag mit der Bundesregierung unterzeichnete, der das DIN als nationale
Normungsorganisation für Deutschland anerkannte, ist es die wichtigste nationale
Normungsorganisation in Deutschland. Darüber hinaus haben sich das DIN und
der Verband der Elektrotech- nik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) in
der Deutschen Kommission Elektrotechnik, Elektronik Informationstechnik
(DKE) zusammengeschlossen, um die Normungsarbeit auf den Gebieten der
Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik gemeinsam zu betreiben.
Damit ist die DKE gleichzeitig dem VDE als Geschäftsbereich und dem DIN als
Normungsgremium unterstellt. Das DIN und die DKE betreuen eine Vielzahl von
Gremien, die sich mit der Normung von Wasserstofftechnologien beschäftigen.
Sie vertreten auch die deutschen Normungsinteressen auf europäischer und
internationaler Ebene (z. B. in CEN/CENELEC- und ISO/IEC-Gremien) (Abb.
12.3).
Neben dem DIN und der DKE gibt es eine Vielzahl weiterer Akteure, die sich
auf nationaler und internationaler Ebene mit der Normung für den Bereich
Wasserstoff beschäftigen. Zu den nationalen Organisationen gehören hier der
Verein Deutscher Ingenieure (VDI)

Abb. 12.3 Überblick über nationale, europäische und internationale Institutionen der Normung
326 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

Der Verein Deutscher Ingenieure e. V. (VDI), der sich selbst als größter deutscher
Verein von Ingenieuren und Wissenschaftlern bezeichnet, gibt jährlich bis zu 250
VDI-Richtlinien heraus. So erarbeitet der Ausschuss zur VDI 4635 eine
Richtliniengruppe mit dem Schwerpunkt Power-to-X-Technologien, die auch die
Wasserstofferzeugung einbeziehen wird [6]. Der Deutsche Verein des Gas- und
Wasserfaches e. V. (DVGW) gibt Regeln für das Gas- und Wasserfach vor. Zu
seinen Veröffentlichungen gehört ein Genehmigungsleitfaden für Power-to-Gas-
Anlagen [7].
Konformitätsbewertungen und Akkreditierungen sind ein wesentlicher
Bestandteil der Qualitätsinfrastruktur für Normungsverfahren. Bei diesen
Verfahren werden Produkte und Dienstleistungen geprüft und es wird
bescheinigt, dass sie bestimmte, vorgeschriebene Anforderungen erfüllen. In
Deutschland ist die Deutsche Akkred- itierungsstelle (DAkkS) für die
Akkreditierung von Stellen, die Konformitätsbewertungen durchführen,
gesetzlich zuständig. Als unabhängige Forschungseinrichtung prüft die DAkkS,
ob diese Stellen über die erforderliche fachliche Kompetenz verfügen. Die
Akkreditierung durch die DAkkS bestätigt, dass diese Stellen ihre Aufgaben
kompetent und in Übereinstimmung mit den geltenden Anforderungen erfüllen
können. Durch die Überprüfung der Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse von
Zertifikaten, Prüfberichten und Inspektionen trägt das Akkreditierungsverfahren
dazu bei, dass diese weltweit anerkannt und vergleichbar sind.

12.2.3 Internationale Normung

Die Internationale Organisation für Normung (ISO) mit Sitz in Genf hat die
Aufgabe, internationale Industrienormen in allen Bereichen außer der
Elektrotechnik und der Telekommunikation zu erstellen und die internationale
Vergleichbarkeit bestehender regionaler oder nationaler Normen zu
gewährleisten. Der Begriff Internationale Norm (IS) steht für eine formale,
verbindliche Norm. Die ISO arbeitet manchmal mit der anderen großen
internationalen Normungsorganisation, der Internationalen Elektrotechnischen
Kommission (IEC), zusammen, die für elektrische und elektronische
Technologien zuständig ist und ihren Sitz ebenfalls in Genf hat. Die daraus
resultierenden internationalen Normen beginnen dann mit der Bezeichnung
ISO/IEC, um ihren Ursprung zu kennzeichnen. Innerhalb der IEC und der ISO
werden die Normen in Arbeitsgruppen erarbeitet und überarbeitet, die nach
Themenbereichen gegliedert sind und als technische Ausschüsse (TC) und deren
Unterausschüsse (SC) bezeichnet werden. Diese müssen einem zentralen
Standardization Management Board (SMB) über ihre Ergebnisse Bericht
erstatten.
Die Europäischen Normungsorganisationen (CEN, CENELEC) mit Sitz in
Brüssel integrieren die ISO- und IEC-Normen in das europäische Normensystem
und gleichen die europäischen Normen an. Die Mitgliedsstaaten von
12.2 Überblick über die Normung: Akteure und Prozesse 327
CEN/CENELEC haben dann
328 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

eine Verpflichtung, sie als nationale Normen umzusetzen. Während die


Übernahme internationaler ISO- und IEC-Normen auf nationaler Ebene freiwillig
ist, ist sie im Allgemeinen eine unabdingbare Voraussetzung für den freien
Welthandel und die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen. Die
Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) ist eine Generaldirektion der Europäischen
Kommission und fungiert als Expertengremium der Kommission für
wissenschaftliche Dienstleistungen. Die GFS arbeitet unabhängig von privaten
oder kommerziellen Interessen und unterstützt europäische Normungsprozesse
und die Zusammenarbeit mit Drittländern (z. B. bei der Angleichung von EU-
Normen).
Eine weitere Gruppe von meist internationalen Organisationen ist für die
unabhängige Produktüberwachung und -zertifizierung zuständig, die die
Einhaltung technischer Richtlinien und Normen sicherstellen soll. Dazu gehören
die Underwriters Laboratories (UL), ein amerikanisches Unternehmen, das die
technische Sicherheit von Produkten prüft und zertifiziert. UL prüft, ob Produkte,
Komponenten und Materialien bestimmte Anforderungen erfüllen. Diese
Anforderungen können sowohl international anerkannte als auch firmeneigene
Normen umfassen. Das Unternehmen führt die Prüfungen oft nach eigenen,
strengeren Sicherheitsanforderungen durch, die je nach Norm auch den
Herstellungsprozess des Produkts berücksichtigen können. Die Zertifizierung
durch UL ist daher weltweit anerkannt. Das bedeutet, dass eine UL-Zertifizierung
nicht nur die Exportchancen für Produkte in Europa, sondern beispielsweise auch
in den USA, Kanada und Asien erhöht. Trotzdem hat die UL-Zertifizierung nicht
mehr rechtliches Gewicht als andere Prüfzeichen. Im Gegensatz dazu i s t die
europäische CE-Kennzeichnung gesetzlich vorgeschrieben. Zu den weiteren
internationalen Inspektions-, Klassifizierungs- und Zertifizierungsunternehmen
gehört DNV (Det Norske Veritas), das auch technische Beratungs- und
Ingenieursdienstleistungen in Bereichen wie konventionelle und erneuerbare
Energien sowie der Öl- und Gasindustrie anbietet.
Grundsätzlich geht es bei der Klassifizierung und Zertifizierung darum,
einheitliche und verbindliche Regeln für die Bewertung und Absicherung von
Risiken zu schaffen, was wiederum Transparenz schafft und das Vertrauen der
Beteiligten stärkt. Klassifizierungs- und Zertifizierungsmaßnahmen umfassen
verschiedene Schritte, wie die Durchführung von akkreditierten Verfahren, Tests
und Messungen.
Die DAkkS vertritt die deutschen Interessen im Bereich der Akkreditierung in
den europäischen und internationalen Akkreditierungsorganisationen als
Vollmitglied in diesen Gremien. Dabei handelt es sich um die European co-
operation for Accreditation (EA), einen Zusammenschluss europäischer
Akkreditierungsstellen, das International Accreditation Forum (IAF), ein globales
Netzwerk von Akkreditierungsstellen, und die International Laboratory
Accreditation Cooperation (ILAC), den weltweiten Zusammenschluss von
Akkreditierungsstellen für Laboratorien und Inspektionsorganisationen. Die
Association of Issuing
12.2 Überblick über die Normung: Akteure und Prozesse 329

Für die Wasserstofftechnologien hat Bodies AIB eine besondere Bedeutung, da es


höchstwahrscheinlich für das europäische Herkunftsnachweissystem für grünen
und kohlenstoffarmen Wasserstoff zuständig sein wird, ebenso wie für das
Herkunftsnachweissystem für erneuerbare Energien (siehe Beispiel 4 in Abschnitt
12.4). Das Hauptziel des internationalen Akkreditierungsnetzes besteht darin, die
gegenseitige Anerkennung der von den akkreditierten Stellen erbrachten
Akkreditierungen, Dienstleistungen und Ergebnisse zu gewährleisten, um zu
verhindern, dass kostspielige Mehrfachakkreditierungen erforderlich werden.

12.3 Bestehende Normen für Wasserstofftechnologien

12.3.1 Übersicht

Im Bereich der Normung von Wasserstofftechnologien hat es auf nationaler und


internationaler Ebene zahlreiche Aktivitäten gegeben. In diesem Kapitel soll zwar
keine erschöpfende Darstellung all dieser Normungsaktivitäten gegeben werden,
doch soll im Folgenden ein Überblick über bestehende Normen aus
verschiedenen Bereichen gegeben werden, um die Komplexität des Bereichs zu
verdeutlichen. Abb. 12.4 gibt einen visuellen Überblick über bestehende Normen
im Bereich der Wasserstofftechnologien, gegliedert nach verschiedenen
Anwendungsbereichen. Die Normen betreffen u. a. die Herstellung, den
Transport, die Infrastruktur und die Speicherung von Wasserstoff sowie die
Verwendung von Wasserstoff im Verkehr, in der Industrie und im Wärmesektor
und die Sicherheitsmaßnahmen auf hohem Niveau. Diese Übersicht ist
keineswegs vollständig, da sie nicht alle laufenden Aktivitäten der zahlreichen
nationalen und internationalen Normenausschüsse (die wiederum in zahlreiche
Unterausschüsse unterteilt sind) abbilden kann, die derzeit an der Normung im
Wasserstoffsektor arbeiten.
Die bestehenden Normen aus diesem breiten Spektrum werden in den
folgenden Abschnitten ausführlicher vorgestellt.

12.3.2 Produktion

Wasserstoff wird absichtlich in industriellem Maßstab oder unabsichtlich als


Nebenprodukt hergestellt. Die absichtliche Wasserstofferzeugung kann in
Prozesse unterteilt werden, die mit fossiler oder elektrischer Energie betrieben
werden. Die fossilen Verfahren werden durch die Normen ISO 16110-1 bis
16110-2 für Produktionsanlagen abgedeckt, die Erdgas, mit Methan
angereichertes Gas, raffiniertes Erdöl sowie Hydroxy- und Ketonverbindungen
verwenden. Die Norm ISO 22734 gilt für Elektrolyseur-Technologien, die
Folgendes verwenden
12.3 Bestehende Normen für 329
Wasserstofftechnologien

Abb. 12.4 Überblick über die veröffentlichten Normen für die Wasserstoffwirtschaft

Anionenleitende Membranen (AEM) unter basischen Bedingungen oder


protonenleitende Membranen (PEM) unter sauren Bedingungen. Im Hinblick auf
die Klimaneutralität sind Verfahren zur Kohlenstoffabscheidung und -
speicherung für die heute am häufigsten eingesetzten Verfahren besonders
wichtig, da diese auf fossile Kohlenwasserstoffe angewiesen sind. Aus diesem
Grund decken sechs der neun Normen zur Wasserstofferzeugung diesen
Technologiebereich ab. Darüber hinaus befasst sich die Normenreihe DIN EN
13445 mit den Anforderungen an unbefeuerte Druckbehälter, die bei der
Erzeugung, Verteilung und Speicherung von Wasserstoff benötigt werden.
330 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

12.3.3 Verkehr und Infrastruktur

Wasserstoff hat unter atmosphärischen Standardbedingungen (273 K, 1 bar) eine


sehr geringe volumetrische Energiedichte, so dass in der Regel eine Verdichtung
erforderlich ist, um Wasserstoff effizient über die Versorgungsinfrastruktur zu
verteilen. Die Verdichtung ist daher mit besonderen Anforderungen an
Rohrleitungen, Instrumentierung, Gasbehälter und Sicherheitsmanagement
verbunden. Diese Themen wurden bereits in bestehenden, veröffentlichten
Normen (Tabelle 12.1) behandelt, die nicht nur Gastransport-Pipelines, sondern
auch andere Transportmöglichkeiten, wie z. B. die Eisenbahn, berücksichtigen.

12.3.4 Lagerung

Ein entscheidender Vorteil der Wasserstoffwirtschaft ist, dass sie es ermöglicht,


größere Mengen elektrischer Energie in Stoffen mit hoher Energiedichte über
lange Zeiträume zu speichern (siehe auch Kap. 8). Das bedeutet, dass die
Wasserstoffproduktion nicht unbedingt dem Bedarf entsprechen muss, was
entscheidend zur Stabilisierung der Energienetze beitragen könnte. Die derzeit
verfügbaren Normen (Tabellen 12.2 und 12.3) umfassen die Materialien, die für
Druckbehälter, unterirdische Speicher und Tankstellen verwendet werden können.

Tabelle 12.1 Titel der in Abb. 12.4 aufgeführten produktionsbezogenen Normen


Kurzer Titel Vollständiger Titel
ISO 22734 Wasserstoffgeneratoren mit Wasserelektrolyse -
Anwendungen in Industrie, Gewerbe und Haushalten
ISO 16110-1 bis -2 Wasserstoffgeneratoren mit Technologien zur
Brennstoffaufbereitung
ISO 27919-1 Kohlendioxidabscheidung - Teil 1: Bewertung der Leistung
Verfahren zur CO2-Abscheidung nach der Verbrennung,
integriert in ein Kraftwerk
ISO 27913 Abscheidung, Transport und geologische Speicherung von
Kohlendioxid - Pipeline-Transportsysteme
ISO 27914 Abscheidung, Transport und geologische Speicherung von
Kohlendioxid - Geologische Speicherung
ISO/TR 27915 Abscheidung, Transport und geologische Speicherung von
Kohlendioxid - Quantifizierung und Überprüfung
ISO/TR 27912 Kohlendioxidabscheidung - Systeme, Technologien und
Verfahren zur Kohlendioxidabscheidung
ISO/TR 27921 Abscheidung, Transport und geologische Speicherung von
Kohlendioxid
Speicherung - Querschnittsthemen - CO2
Stromzusammensetzung
DIN EN 13445-Reihe Unbefeuerte Druckbehälter
12.3 Bestehende Normen für 331
Wasserstofftechnologien
Tabelle 12.2 Titel der Normen zum Thema Verkehr und Infrastruktur aus Abb. 12.4
Kurzer Titel Vollständiger Titel
DIN CEN/TS 12007-6 Gasinfrastruktur-Pipelines für maximale Betriebsdrücke bis
einschließlich 16 bar
DIN EN 10216-1 bis -6 Nahtlose Stahlrohre
DIN EN 10217-1 bis -6 Geschweißte Stahlrohre für Druckzwecke
DIN EN 12007-1 bis -5 Gasinfrastruktur-Pipelines für maximale Betriebsdrücke bis
einschließlich 16 bar
DIN EN 12186 Gasinfrastruktur-Gasdruckregelanlagen für die Übertragung
und Verteilung - Funktionelle Anforderungen
DIN EN 12279 Gasversorgungssysteme - Gasdruckregelanlagen an
Versorgungsleitungen - Funktionelle Anforderungen
DIN EN 12327 Gasinfrastruktur - Verfahren zur Druckprüfung,
Inbetriebnahme und Stilllegung - Funktionale Anforderungen
DIN EN 12583 Gasinfrastruktur-Verdichterstationen-
Funktionsanforderungen
DIN EN 12732 Gasinfrastruktur - Schweißen von Stahlrohrleitungen -
Funktionelle Anforderungen
DIN EN 13445-Reihe Unbefeuerte Druckbehälter
DIN EN 13674-1 bis -4 Eisenbahnanwendungen-Track-Rail
DIN EN 14382 Sicherheitseinrichtungen für Gasdruckregelanlagen und
Gassicherheitsabsperrvorrichtungen für Eingangsdruck bis
zu 10 MPa
(100 bar)
DIN EN 15399 Gasinfrastruktur-Sicherheitsmanagementsystem für Gasnetze
mit maximalem Betriebsdruck bis einschließlich 16 bar

DIN EN 16314 Gaszähler-Zusätzliche Funktionalitäten


DIN EN 16348 Gasinfrastruktur - Sicherheitsmanagementsystem (SMS)
für die Gasübertragungsinfrastruktur und Pipeline-
Integritätsmanagementsystem (PIMS) für die
Gasübertragung
Pipelines - Funktionale Anforderungen
DIN EN 17339 Transportable Gasflaschen-Voll ummantelte Flaschen und
Rohre aus Kohlenstoff-Verbundwerkstoffen für Wasserstoff
DIN EN 1776 Gasinfrastruktur - Gasmesssysteme - Funktionelle
Anforderungen
DIN EN 334 Gasdruckregelgeräte für Eingangsdrücke bis zu 10 MPa
(100 bar)
DIN EN 10229 Bewertung der Beständigkeit und Stabilität von
Stahlprodukten gegen wasserstoffinduzierte Rissbildung
(HIC)
DIN EN ISO 11623 Gasflaschen - Verbundbauweise - Regelmäßige Inspektion
und Prüfung
DIN EN ISO 15112 Erdgas-Bestimmung der Energie (ISO 15112:2018)
332 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

Tabelle 12.2 (Fortsetzung)


Kurzer Titel Vollständiger Titel
DIN EN ISO 80079-36/37 Explosive Atmosphären
DIN ISO 17533 Schweißen für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt -
Schweißinformationen in Konstruktionsunterlagen
ISO 16111 Transportable Gasspeicher-Wasserstoff absorbiert in
reversiblen Metallhydriden
ISO 17081 Verfahren zur Messung der Wasserstoffpermeation und zur
Bestimmung der Wasserstoffaufnahme und des
Wasserstofftransports in Metallen durch eine
elektrochemische Technik
ISO/TS 17519 Gasflaschen - Nachfüllbare, fest montierte Verbundrohre für
den Transport

Tabelle 12.3 Vollständige Titel der speicherbezogenen Normen aus Abb. 12.4
Kurzer Titel Vollständiger Titel
DIN EN 1918-1 bis -5 Gasinfrastruktur - Unterirdische Gasspeicherung
DIN EN 10028-1 bis -7 Flacherzeugnisse aus Druckstählen
ISO 9328-1- bis -7 Flacherzeugnisse aus Stahl für Druckzwecke - Technische
Lieferbedingungen
ISO 19880-1 Gasförmiger Wasserstoff - Tankstellen

12.3.5 Verkehr und Industrie

Direkte Abnehmer von Wasserstoff finden sich vor allem im Verkehrs- und
Industriesektor. Die einschlägigen Normen (Tabelle 12.4) für diese Bereiche
enthalten detaillierte Anforderungen zu Themen wie der Verwendung von
Wasserstoff als Kraftstoff, der Effizienz von Betankungssystemen und
Leistungsdaten von Fahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb.

12.3.6 Sektor Heizung

Wasserstoff kann zur Wärmeerzeugung in Heizkesseln verwendet werden, die für


diesen Zweck ausgelegt sind. Die Normen (Tabelle 12.5) in diesem Bereich
enthalten Spezifikationen für die Heizkessel, die Gasleitungen und den Gasfluss.

12.3.7 Sicherheit

Da Wasserstoff mit Luft, Sauerstoff und anderen oxydierenden Gasen


hochexplosive Gemische bildet, sind Sicherheitsfragen ein wichtiger Faktor bei
der Normung.
12.3 Bestehende Normen für 333
Wasserstofftechnologien
Tabelle 12.4 Titel der Normen für Verkehr und Industrie aus Abb. 12.4
Kurzer Titel Vollständiger Titel
ISO 13984 Flüssigwasserstoff - Schnittstelle der Betankung für
Landfahrzeuge
ISO 13985 Flüssigwasserstoff-Treibstofftanks für Landfahrzeuge
ISO 14687 Qualität von Wasserstoff als Kraftstoff - Produktspezifikation
ISO 23828 Brennstoffzellenfahrzeuge-Energieverbrauchsmessung-
Fahrzeuge, die mit komprimiertem Wasserstoff betrieben
werden
ISO TR 11954 Brennstoffzellen-Straßenfahrzeuge - Messung der
Höchstgeschwindigkeit
DIN EN 15001-1 bis -2 Gasinfrastruktur - Gasleitungen mit einem Betriebsdruck von
mehr als 0,5 bar für Industrieanlagen und mehr
über 5 bar für industrielle und nicht-industrielle Anlagen
DIN ISO 19880-1 Gasförmiger Wasserstoff - Tankstellen
ISO 23273 Brennstoffzellen-Straßenfahrzeuge - Sicherheitsspezifikationen
- Schutz
gegen die Gefahren von Wasserstoff für Fahrzeuge, die
mit kom- pressiertem Wasserstoff betrieben werden
DIN EN 17124 Wasserstoff als Brennstoff - Produktspezifikation und
Qualitätskontrolle - Protonenaustauschmembran (PEM)-
Brennstoffzelle
Anwendungen für Straßenfahrzeuge
DIN ISO 21087 Gasanalyse-Analytische Methoden für Wasserstoff-
Brennstoff-Protonenaustauschmembran (PEM)-
Brennstoffzellenanwendungen
kationen für Straßenfahrzeuge

Tabelle 12.5 Normen für den Wärmesektor aus Abb. 12.4


Kurzer Titel Vollständiger Titel
DIN EN 1775 Gasversorgung-Gasleitungen für Gebäude-Maximaler
Betriebsdruck kleiner oder gleich 5 bar-Funktionen
Empfehlungen
DIN EN 15502-Reihe Gasbefeuerte Heizkessel
DIN EN 437 Prüfgase - Prüfdrücke - Gerätekategorien

Tabelle 12.6 Sicherheitsrelevante Normen aus Abb. 12.4


Kurzer Titel Vollständiger Titel
DIN EN 16726 Gasinfrastruktur - Gasqualität - Gruppe H
DIN EN 676 Gebläsebrenner für gasförmige Brennstoffe
ISO/TR 15916 Grundlegende Überlegungen zur Sicherheit von
Wasserstoffsystemen
ISO/TS 19883 Sicherheit von Druckwechseladsorptionssystemen für die
Abtrennung und Reinigung von Wasserstoff
334 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

12.3.8 Brennstoffzellen

Der Grad der Normung für Brennstoffzellenanwendungen ist vergleichsweise


hoch. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die DIN EN IEC
62282-Reihe zur Brennstoffzellentechnologie, die mehr als 20 Einzelnormen
umfasst. Die Normen dieser Reihe umfassen Begriffsdefinitionen (Teil 1),
Brennstoffzellenmodule (Teil 2), stationäre Brennstoffzellen-Energiesysteme
(Teil 3), Brennstoffzellen-Energiesysteme für den Antrieb (Teil 4), portable
Brennstoffzellen-Energiesysteme (Teil 5), Mikro-Brennstoffzellen-
Energiesysteme (Teil 6), Prüfverfahren (Teil 7) und Energiespeichersysteme mit
Brennstoffzellenmodulen (Teil 8).

12.4 Anwendungsfälle

Beispiel 1: Prüfverfahren für Elektrolyseure

Wenn sich Elektrolyseure zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in großem


Umfang auf dem Markt durchsetzen sollen, müssen Projektleiter, Investoren und
Anwender ein tiefes Vertrauen in die Technologie haben. Ein wichtiger Aspekt
der Vertrauensbildung sind anerkannte und im Idealfall standardisierte
Testprotokolle und -verfahren zur Bewertung der Leistung und Haltbarkeit von
Elektrolyseuren unter Bedingungen, die für aktuelle und zukünftige
Anwendungen repräsentativ sind. Das bedeutet, dass bei Leistungs- und
Belastungstests realistische, dynamische Betriebsbedingungen simuliert werden
sollten, z. B. für netzferne Elektrolyseur-Anwendungen, die auf schwankende
Stromquellen wie Wind- oder Solarenergie angewiesen sind, oder Anwendungen,
die im Teillastbetrieb arbeiten, um das Stromnetz zu stabilisieren.
Diese Prüfungen müssen auf der Ebene der Zelle, des (kurzen) Stapels und vor
allem des Systems durchgeführt werden. Prüfungen auf Material- und
Komponentenebene können ebenfalls hilfreich sein. Die einzige derzeit
verfügbare Norm, ISO 22734, die Prüfverfahren für Elektrolyseure festlegt, ist
relativ allgemein gehalten und reicht bei weitem nicht an das Maß an Spezifität
und Detailgenauigkeit heran, das für die zur Vertrauensbildung erforderlichen
Prüfungen erforderlich ist. Daher arbeiten Industrievertreter und
Forschungseinrichtungen - darunter auch Experten der Fraunhofer-Gesellschaft -
derzeit in einer EU-weiten Initiative an der Zusammenstellung und Angleichung
von Protokollen für Zell-, Kurzstapel- und Systemtests. Die Ergebnisse werden in
einem technischen Bericht der GFS (der derzeit erstellt wird) vorgestellt.
Ein weiterer hilfreicher Schritt ist die Entwicklung von standardisierten
Testgeräten, die den Vergleich von Materialien verschiedener Hersteller unter
realistischen Betriebsbedingungen ermöglichen. Dies ist besonders nützlich für
den Vergleich einzelner
12.4 335
Anwendungsfäll

Abb. 12.5 Fraunhofer-Wasserstoff-Forschungszentren, die sich u.a. mit der Zertifizierung befassen

Komponenten wie die Membran-Elektroden-Einheiten von PEM-Elektrolyseuren


und wurde bereits im Bereich der Brennstoffzellen umgesetzt [8]. Ein
Konsortium von Fraunhofer-Instituten, das an den vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Wasserstoff-Flaggschiff-Projekten
H2 Giga und H2 Mare [9] arbeitet, plant die Entwicklung eines ähnlichen Systems
für Elektrolyseure auf Stack-Ebene.
Mittelfristig wird in diesem Zusammenhang angestrebt, die Prüfverfahren
anzugleichen und in ein Zertifizierungsverfahren für Elektrolyseure einzubinden.
Eine derzeit laufende Kooperationsinitiative der Fraunhofer-Gesellschaft und der
internationalen Klassifikationsgesellschaft DNV zielt darauf ab, in
Zusammenarbeit mit Industriepartnern ein Zertifizierungsschema für die
verschiedenen Elektrolyseur-Typen zu entwickeln (siehe Beispiel 2). Die
praktische Erprobung dieses Zertifizierungsschemas wird unter anderem in den
Wasserstoff-Forschungszentren von Fraunhofer in Bremerhaven, Leuna und
Görlitz durchgeführt (Abb. 12.5).

Beispiel 2: Zertifizierung von Elektrolyseursystemen

Ein etabliertes, universelles Verfahren zur Systemzertifizierung im Bereich der


Wasserstofftechnologie gibt es noch nicht. Laufende nationale und internationale
Aktivitäten sind fast
336 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

ausschließlich auf die Erfüllung der grundlegenden Anforderungen für die


technische Standardisierung von Elektrolyseuren ausgerichtet. Jedes
Systemzertifizierungsverfahren sollte sich idealerweise auf diese Normen stützen
bzw. in seiner offiziellen Dokumentation darauf verweisen.
Am Beispiel der Windenergie lässt sich am besten erläutern, welche
Überlegungen hinter der Einigung auf ein definiertes Schema für die
Systemzertifizierung stehen und welche Vorteile sich daraus ergeben. In den
frühen 1980er Jahren starteten Organisationen wie der DNV gemeinsam mit
Vertretern der Industrie und wissenschaftlichen Interessengruppen Initiativen zur
Standardisierung von Windturbinen und zur Festlegung von Verfahren zur
Prüfung der Turbinenkonstruktion und anderer spezifizierter Eigenschaften sowie
der Einhaltung der neu geschaffenen Standards. Dieses Zertifizierungssystem
umfasste eine Vielzahl von Faktoren, darunter die Auslegung und
Dimensionierung im Hinblick auf die Lasten, den Nachweis der Festigkeit und
Stabilität, die Sicherheitssysteme und das Betriebsverhalten unter bestimmten
Umweltbedingungen, wie allgemeine Windklassen, Klimazonen, Onshore- und
Offshore-Standorte und Emissionen sowie Fragen wie Lärm und elektrische
Netzverträglichkeit. Heutzutage haben die Turbinenhersteller die Möglichkeit
und/oder die Pflicht, ihre Turbinen vor dem weltweiten Vertrieb von
unabhängigen Prüforganisationen (wie DNV, TÜV oder Bureau Veritas) nach
einem bestimmten Zertifizierungsschema prüfen zu lassen, um ein
Einheitenzertifikat für ihr eigenes Produkt zu erhalten. In einigen Märkten und
Ländern wurde das Einheitenzertifikat schnell zu einer
Konformitätsbescheinigung, die vor dem Anschluss an das elektrische
Versorgungsnetz verlangt wird. Die für die Konformitätsbewertung geforderten
Nachweise bestehen heute aus Gutachten, Berechnungen, Simulationen und
Messungen aus Feldversuchen von Prototypen oder Großprüfständen (System-
und Komponentenprüfung). Diese müssen von akkreditierten Laboratorien oder
Messinstituten erbracht werden, die ihrerseits eine Akkreditierung für die von
ihnen angewandten Methoden, z.B. durch die DAkkS, durchlaufen haben müssen.
Rückblickend zeigt sich, dass die Etablierung des
Systemzertifizierungsverfahrens den Windparkbetreibern, Investoren,
Versicherern und Netzbetreibern das Vertrauen in einen ausreichenden Reifegrad
und eine standardisierte Prüfung der Anlagentechnik ermöglichte, das für einen
schnellen Markthochlauf unerlässlich war. Die Hersteller mussten den
unabhängigen Prüfinstituten ausführliche Informationen über ihre Technologie,
ihre Produktionsprozesse und ihr Qualitätsmanagementsystem zur Verfügung
stellen. So wurde ein Verfahren, das anfangs auf erhebliche Widerstände
gestoßen war, schnell zu einem Qualitätssiegel und damit zu einem
Verkaufsargument für professionelle Hersteller, vor allem auf neuen Märkten.
Der DNV und die Fraunhofer-Gesellschaft haben Ende 2020 ein erstes
gemeinsames Projekt gestartet, um diesen etablierten Ansatz aus dem Bereich der
Windenergie auf ein Zertifizierungssystem für Elektrolyseure zu übertragen (Abb.
12.6). In dieser Initiative arbeiten die Partner gemeinsam mit einer Reihe von
12.4 337
Anwendungsfäll
Akteuren aus der Industrie daran, im Rahmen ihrer laufenden Aktivitäten die
notwendigen Grundlagen zu schaffen, um
338 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

Abb. 12.6 Schematische Darstellung der Schritte bei der Typ- oder Stückzertifizierung für
Elektrolyseur-Typen und -Einheiten

ihre Ergebnisse in einem technischen Bericht im Jahr 2022 zu dokumentieren.


Dies wird ein erster Schritt auf dem Weg zu einem künftigen
Zertifizierungsstandard sein.

Beispiel 3: Genehmigungsverfahren für Power-to-Gas-Anlagen

Power-to-Gas-Anlagen gelten als ein vielversprechender Anwendungsbereich für


Wasserstofftechnologien. Sie können zum Beispiel zur Speicherung von
erneuerbarer Energie und zur Entlastung des Stromnetzes eingesetzt werden. In
Deutschland sind bereits mehr als 30 solcher Anlagen in Betrieb. Bei diesen
ersten Anlagen hat sich gezeigt, dass die Planung, der Bau und der Betrieb dieser
Anlagen und insbesondere die Durchführung der notwendigen
Genehmigungsverfahren und die Einhaltung der geltenden Richtlinien, Normen,
Verordnungen und Gesetze sehr komplex und unübersichtlich sind. Abb. 12.7
verdeutlicht diese Komplexität und die Hierarchie der Gesetze (siehe auch Abb.
12.2). Die Abbildung listet die Gesetze zu verschiedenen Themen auf, wie z.B.
Planfeststellung, Baugenehmigung, Umweltschutz, Immissionsschutz,
Naturschutz, Arbeitsschutz und Sicherheitsingenieurwesen/Brandschutz, und
zeigt, wie die Vorschriften für jedes Gesetz auf Richtlinien, Normen und Regeln
zurückgreifen.
Es ist schwer abzuschätzen, wie lange ein bestimmtes Genehmigungsverfahren
dauern wird und ob es für die verschiedenen Beteiligten wie Planer,
Generalunternehmer und Behörden erfolgreich sein wird. So werden diese
Verfahren schnell zu einem Kostenfaktor, der nur schwer genau zu bewerten ist.
12.4 339
Anwendungsfäll

Abb. 12.7 Hierarchische Übersicht über die geltenden Gesetze, Verordnungen, Richtlinien,
Normen und Regeln für die Genehmigung von Power-to-Gas-Anlagen (diese nicht
abschließende Liste ist aus [10] entnommen)

für die meisten Projekte. Dies zeigt, dass für eine signifikante
Marktdurchdringung von Power-to-Gas-Anlagen klare Vorgaben notwendig
wären. Um hier eine Orientierung zu geben, hat der DVGW zusammen mit
verschiedenen Partnern einen umfassenden genehmigungsrechtlichen Leitfaden
erstellt, der Themen wie Planung, Bau und Betrieb von Power-to-Gas-Anlagen
mit dem Ziel der Integration erneuerbarer Energien abdeckt. Dieser Leitfaden
wurde im Rahmen des öffentlich geförderten Projekts PORTAL GRÜN erstellt
(siehe [7]).

Beispiel 4: Einführung eines Herkunftsnachweissystems für grünen


Wasserstoff

Wenn wir eine Wasserstoffwirtschaft entwickeln wollen, die auf globaler Ebene
wettbewerbsfähig ist, dann ist die Frage nach einem funktionierenden
Zertifizierungs- und Herkunftsnachweissystem eine der wichtigsten
regulatorischen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Dieses System
muss in der Lage sein, nachzuweisen, wie eine bestimmte Wasserstoffeinheit
hergestellt wurde und welche Umweltauswirkungen sie verursacht hat,
insbesondere im Hinblick auf die Treibhausgasemissionen. Dies ist besonders
wichtig, wenn man bedenkt, dass derzeit ein farbliches Klassifizierungssystem
verwendet wird, um die Herstellung von Wasserstoff zu beschreiben.
Referenzen
340 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung 339

CertifHy ist ein bahnbrechendes, EU-weites Herkunftsnachweissystem (GO)


für grünen und kohlenstoffarmen Wasserstoff [11]. Nachdem die Initiative bereits
Pilottests durchlaufen hat, wurde im Oktober 2020 die CertifHy-Phase III
eingeleitet. Diese Phase zielt darauf ab, das System europaweit zu etablieren.
Entwickelt wurde dieses System von der neu gegründeten Gas Scheme Group
(GSG) in Übereinstimmung mit Artikel 19 der RED II, der Norm für
Herkunftsnachweise CEN-EN 16325, die derzeit überarbeitet wird, und den
allgemeinen Anforderungen der Association of Issuing Bodies (AIB), die bereits
für das europäische Herkunftsnachweissystem für Energiezertifikate (AIB EECS-
Standard) verantwortlich ist. Das auch international viel beachtete Projekt
CertifHy hat wichtige Bausteine für ein Herkunftsnachweissystem für Hy- drogen
gelegt.

Referenzen
1. Herrmann P., Blind K. et al. (2020): Relevanz der Normung und Standardisierung für
den Wissens- und Technologietransfer.
https://www.fraunhofer.de/content/dam/zv/de/presse-medien/ 2020/dezember/studie-
relevanz-der-normung-und-standardisierung-fuer-den-wissens- und-
technologietransfer.pdf, zuletzt aufgerufen am 11. Dezember 2021
2. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimapolitik: Standards. https://
www.bmwk.de/Redaktion/EN/Artikel/Technology/standards.html, zuletzt aufgerufen
am 11. Dezember 2021
3. VOREST AG: Was ist eine Zertifizierung und wie lautet die Definition? (Was ist eine
Zertifizierung und wie lautet die Definition?) https://www.din-iso-zertifizierung-qms-
handbuch.de/ zertifizierung/, zuletzt aufgerufen am 11. Dezember 2021
4. DKE VDE DIN (2020): Grundlagen der Normung. https://www.dke.de/en/standards-
and-specifications/basics-of-standardization, zuletzt aufgerufen am 11. Dezember 2021
5. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (Bayerische Landesanstalt für
Landwirtschaft): Qualitätsmanagement LfL: Definitionen, Qualitätssicherung.
https://www.lfl.bayern. de/verschiedenes/qualitaetsmanagement/031139/index.php,
zuletzt aufgerufen am 11. Dezember 2021
6. VDI (2019): Power-to-X: VDI startet technische Regelsetzung (Power-to-X: VDI
startet technische Regelsetzung). https://www.vdi.de/news/detail/power-to-x-vdi-
startet- technische-regelsetzung, zuletzt aufgerufen am 11. Dezember 2021
7. DVGW-Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V. (2020): Por- tal Green-
Entwicklung eines Power-to-Gas-Leitfadens zur Integration erneuerbarer Energien (G
201735). https://www.dvgw.de/themen/forschung- und-
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340 12 Normung, Prüfung und Zertifizierung

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harmonisierte Tests von PEM-Einzelzellen-Brennstoffzellen. EUR Vol. 30592 DE.
Amt für Veröffentlichungen der Eu- ropäischen Union, Luxemburg.
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9. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Willkommen bei den Wasserstoff-
Flaggschiff-Projekten! https://www.wasserstoff-leitprojekte.de/home, zuletzt
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10. Koralewicz M., Glandien J., Hüttenrauch J. et al. (2020): PORTAL GREEN-
Genehmigungsrechtlicher Leitfaden für Power-to-Gas-Anlagen-Errichtung und Be-
trieb. GRS-S-59 Band 1. https://www.grs.de/sites/default/files/publications/ grs-s-59-
1_0.pdf, zuletzt aufgerufen am 11. Dezember 2021
11. CertifHy. https://www.certifhy.eu, zuletzt aufgerufen am 11. Dezember 2021
Sensoren und Sicherheit
14
Carolin Pannek ● Armin Lambrecht ● Jürgen Wöllenstein ●
Karsten Buse
Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM
Armin Keßler
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT
Ralf Tschuncky ● Patrick Jäckel ● Steven Quirin ●
Sargon Youssef ● Hans-Georg Herrmann
Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP
Steven Oeckl
Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS

Abstrakt
Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Wasserstoffwirtschaft ist
eine gefahrlose Technologie. Sensoren sind hier der Schlüssel zur Sicherheit:
Bestehende Sensoren für die zerstörungsfreie Prüfung können zur
Überwachung der strukturellen Integrität genutzt werden, und etablierte
Sensorkonzepte können zur Detektion von Wasserstofflecks eingesetzt
werden. Allerdings sind diese verfügbaren technischen Lösungen oft nur
eingeschränkt nutzbar oder sehr komplex. Die hier vorgestellten Forschungs-
und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Sensortechnik sollen aufzeigen,
wie die derzeitigen Einschränkungen in Zukunft verringert oder ganz beseitigt
werden können.

https://doi.or
© Springer Nature Schweiz AG 2022
g/10.1007/9
R. Neugebauer (Hrsg.),
78-3-031-
Wasserstofftechnologien,
22100-2_14
357
35814 Sensoren und Sicherheit

14.1 Einführung

Mit der Veröffentlichung der Nationalen Wasserstoffstrategie im Juni 2020 hat


die Bundesregierung ihren Plan dargelegt, grünen Wasserstoff (H2 ) als
Energieträger der Zukunft zu etablieren und damit einen wesentlichen Beitrag
zum Klimaschutz zu leisten [1]. Die erfolgreiche Umsetzung dieser neuen
Technologie hängt von einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz ab, die
wiederum von der Gewissheit abhängt, dass von der Wasserstoffwirtschaft keine
Gefahr ausgeht.
Dies muss in allen Bereichen der Wasserstoffwirtschaft gewährleistet sein,
einschließlich der Erzeugung, des Transports, der Speicherung und der Nutzung.
Während der Wasserstoff immer näher an den Endverbraucher heranrückt und
seine Infrastruktur und Logistik flächendeckend verfügbar wird, ist die Frage
nach seiner Sicherheit keineswegs trivial. Die Verwendung von Wasserstoff als
Energieträger stellt hohe Anforderungen an die Sicherheitstechnik, denn H2 kann
sich bei 4 Vol% in der Luft entzünden und wird bei 18 Vol% explosiv. Die
Folgen dieser Eigenschaft von Wasserstoff wurden am 12. Juni 2019 bei einem
Unfall an einer Tankstelle des Wasserstoffunternehmens Nel außerhalb von Oslo
deutlich. Der Vorfall führte zum Zusammenbruch der gesamten norwegischen H2
Versorgung und wurde durch Fehler bei der Montage eines Hochdrucktanks
verursacht [2].
Daher ist eine systemische Sicherheitsanalyse ein unverzichtbarer Schritt bei
Planung, Bau und Betrieb von Wasserstoffanlagen. Sie wird in der Regel in Form
einer Gefährdungs- und Risikoanalyse (Abb. 14.1; [3]) unter Verwendung
etablierter sicherheitstechnischer Werkzeuge wie HAZOP (Hazard and
Operability Study), FMEA (Failure Mode and Effects Analysis) und FTA (Fault
Tree Analysis) durchgeführt [4]. Dabei werden zunächst mögliche
Gefahrenquellen identifiziert und anschließend eine Risikobestimmung anhand
typischer Szenarien (zum Beispiel Betankungsvorgänge an einer H2 Tankstelle)
durchgeführt. Je nach Ergebnis der Risikobeurteilung können Änderungen am
Prozess oder an der Anlage vorgenommen werden, zum Beispiel durch
zusätzliche Schutzeinrichtungen.

Sensoren

Wie diese Risikoanalyseverfahren zeigen, ist die Sensorik ein wesentliches


Element in allen Bereichen der Wasserstoffwirtschaft. Sensoren können schnell
und zuverlässig eine Gefahrenquelle erkennen, so dass sofort aktive
Schutzmaßnahmen eingeleitet werden können. Dadurch wird das Schadensrisiko
deutlich reduziert, da die Sensoren der Gefahrenabwehr dienen. Dazu müssen die
Sensoren in der Lage sein, möglichst viele Szenarien abzudecken.
Sensoren werden zur Überprüfung aller Anlagen- und Maschinenteile
benötigt, um deren sichere Funktion über die gesamte Lebensdauer zu
gewährleisten. Darüber hinaus sind Sensoren in allen Systemen
14.1 Einführung 359

Abb. 14.1 Ablauf einer Sicherheitsanalyse: Sensorik ist ein wichtiges Element der
Gefahrenabwehr

und Geräte müssen in allen Betriebszuständen, also auch bei Ausfallszenarien -


und seien sie noch so unwahrscheinlich - sowohl Gefahren für Menschen als auch
Sachschäden verhindern. Daraus ergeben sich die folgenden allgemeinen
Anforderungen an Sensoren und an die Klassifizierung von Sicherheitssensoren
in der Wasserstofftechnik:

● Materialien, Bauteile und Systeme, die in der Wasserstofftechnologie


eingesetzt werden, müssen sowohl vor und während des Einbaus als auch
während des Betriebs auf Sicherheit geprüft werden. Hierfür ist eine geeignete
zerstörungsfreie Sensorik erforderlich.
● Für die sichere Verwendung von Wasserstoff und den sicheren Betrieb aller
Wasserstoffanlagen und -systeme sind Richtlinien und technische
Schutzeinrichtungen erforderlich. Darüber hinaus ist die Sicherheit von
Personen und Gegenständen in der Nähe von wasserstoffführenden Systemen
und Geräte müssen ebenfalls gewährleistet sein. Dies erfordert zuverlässige H2
Sicherheitssensoren
für ein sehr breites Spektrum von Anwendungen.
● Dichtheitsprüfungen müssen bei der Installation und bei Wartungsarbeiten an
wasserstoffführenden Systemen und Maschinen sowie bei regelmäßigen
Inspektionen durchgeführt werden. Alle Lecks müssen aufgespürt, lokalisiert
und repariert werden. Hierfür sind H2 Lecksensoren erforderlich.
360 14 Sensoren und
Sicherheit
● Wird Wasserstoff vorübergehend chemisch an ein Trägermolekül gebunden,
um ihn beispielsweise sicher und effizient transportieren zu können, sind
zusätzliche Wasserstoffträgersensoren erforderlich. Dies ist zum Beispiel der
Fall, wenn Ammoniak als Wasserstoffträger fungiert.
● Bei der Herstellung, Verteilung und Lagerung von Wasserstoff kann es zu
verfahrensbedingten und unbeabsichtigten Verunreinigungen kommen.
Darüber hinaus können für bestimmte Zwecke Begleitgase und Geruchsstoffe
zugesetzt werden. Verunreinigungen und Beimischungen, auch in
Spurenmengen, können entscheidende Faktoren sein, wenn es um die sichere
Verwendung von Wasserstoffgas geht. Aus diesem Grund muss bei vielen
Wasserstoffgasanwendungen die Reinheit des Gases genau überwacht werden.
Hierfür sind geeignete Wasserstoff-Reinheitssensoren erforderlich.

14.2 Herausforderungen

Der erfolgreiche Aufbau einer großtechnischen Infrastruktur für die Erzeugung,


Speicherung und Verteilung von Wasserstoff mit der notwendigen öffentlichen
Unterstützung erfordert ein Höchstmaß an Sicherheit und Verfügbarkeit, die von
Anfang an an jedem Standort, unter allen Betriebsbedingungen und über lange
Zeiträume gewährleistet sein muss. Und das so effizient und kostengünstig wie
möglich, um ökonomische und ökologische Ressourcen zu schonen.
Wasserstoff muss in großen Mengen produziert, transportiert und gespeichert
werden, wobei die Speicherung in mobilen (Druck-)Tanks, Rohrleitungen oder
Kavernenspeichern erfolgt. Das bedeutet, dass der Wasserstoff komprimiert oder
gekühlt werden muss, oder im Falle der kryogenen Wasserstoffspeicherung
beides gleichzeitig.
Da Wasserstoff stark diffusionsfähig ist und die Materialeigenschaften
verändern kann, müssen sicherheitsrelevante Aspekte sorgfältig geprüft und bei
allen Infrastrukturkomponenten berücksichtigt werden. Faktoren, die sich auf
Materialien beziehen, wurden in Kap. 13 behandelt.
Für die industrielle Nutzung von Wasserstoff ist der Aufbau eines
Wasserstoff-Pipeline-Netzes erforderlich, das Großverbraucher (chemische
Industrie, Raffinerien, Stahlindustrie usw.) mit Produktionsanlagen (Wind-/PV-
Elektrolyse) oder Häfen für importierten Wasserstoff verbindet. Eine Möglichkeit
zur schnellen Realisierung eines flächendeckenden
Wasserstoffverteilungssystems ist die Nutzung der bestehenden
Erdgasinfrastruktur. Dazu kann dem Erdgas ein bis zu zweistelliger Prozentsatz
an H2 beigemischt werden. Darüber hinaus können einzelne Elemente der
Versorgungskette für die Nutzung mit hohen Wasserstoffkonzentrationen
umgerüstet werden. Alteingesessene Systeme wie Erdgasleitungen und -speicher
müssen eingehend geprüft und gegebenenfalls umgebaut, erweitert, mit
geeigneten H2 Sicherheitssensoren ausgestattet und für den Betrieb mit
Wasserstoff zugelassen werden. Gleichzeitig müssen sicherheitstechnische
14.2 361
Herausforderungund Vorschriften, die für den Einsatz von Wasserstoff zugelassen
Einrichtungen
sind, überprüft werden.
362 14 Sensoren und
Sicherheit
Eine Erdgasinfrastruktur muss um die spezifischen Eigenschaften und das
Gefahrenpotenzial von Wasserstoff erweitert werden. Dies gilt für die Planung,
die Qualifizierung der Komponenten, die baulichen Maßnahmen sowie die
Installation, die Inbetriebnahme, den Regelbetrieb, die Inspektionen und die
Wartung der Verteilungsinfrastruktur.
Dichtheitsprüfungen sind eine wesentliche Sicherheitsmaßnahme bei der
Installation, Umrüstung und Reparatur von Gasanlagen sowie bei der Wartung
und regelmäßigen Inspektion. Speicher, Armaturen, Messgeräte usw. müssen vor
dem Einbau geprüft und zugelassen werden. Der DVGW verfügt über ein
umfangreiches Regelwerk für die Dichtheitsprüfung und Ortung möglicher
Leckagen von Erdgas sowie für geeignete Prüfgeräte für diesen Zweck. Dank der
Anwendung dieser Richtlinien und Geräte sind im deutschen Erdgasnetz [5, 6]
mit einer Gesamtlänge von 511.000 km und einer Speicherkapazität von 130
TWh - das entspricht etwa dem Primärenergieverbrauch von 14 Tagen - nur sehr
wenige gasbedingte Unfälle zu verzeichnen. 2017 ereigneten sich etwa sechs
meldepflichtige Unfälle pro 100.000 km Pipeline. Die meisten dieser Unfälle
waren auf äußere Einflüsse auf die Pipeline zurückzuführen, wie z. B. Schäden
durch Bagger [7].
Bewährte Sicherheitsprotokolle für das Erdgasnetz können als
Sicherheitstemplate für ein zukünftiges Wasserstoffnetz dienen. Ein Beispiel ist
das DVGW-Arbeitsblatt G 465-4: "Gasleckanzeige- und
Gaskonzentrationsmessgeräte für die Leckageüberwachung an
Gasversorgungsanlagen", das Eigenschaften definiert, die auch für Wasserstoff
gelten, aber weiter spezifiziert werden müssen [8]. Es gibt jedoch erhebliche
Unterschiede und Herausforderungen, die für ein Wasserstoffnetz einzigartig
sind. So spielt beispielsweise die Odorierung eine wichtige Rolle bei der
Gewährleistung der Sicherheit eines Erdgasnetzes. Der unangenehme Gasgeruch
führt dazu, dass ein Gasleck von allen Personen in der Umgebung, auch von
Kindern, sofort bemerkt wird. Die Odorierung trägt daher wesentlich zur
schnellen Erkennung von Gaslecks und zur Vermeidung von Unfällen bei. Leider
gibt es für Wasserstoff keine wirksame Möglichkeit der Odorierung.
Problematisch ist dabei, dass Wasserstoff durch kleinste Lecks diffundieren kann
und im Gegensatz zu allen anderen Gasen auch durch eine Reihe von Materialien
diffundieren kann. Das bedeutet, dass herkömmliche Geruchsstoffe, die große
Moleküle haben, für Wasserstoff ungeeignet sind. Kleine Wasserstofflecks
können daher nicht durch Geruch erkannt werden. Umso wichtiger ist ein
empfindlicher H2 Sicherheitssensor.

Sensoren zur Leckortung

Für Erdgas wurden berührungslose Methoden entwickelt, um mögliche Lecks aus


der Ferne zu erkennen und zu lokalisieren. Modifizierte Wärmebildkameras
[9] und empfindliche Laserdetektoren [10] können helfen, Lecks aus einer Entfernung von
14.2 363
Herausforderung
bis zu
364 14 Sensoren und
Sicherheit
Es gibt sogar ein Hubschraubersystem, das zur Überwachung von Gaspipelines
eingesetzt wird und mit dem Gaslecks aus einer Höhe von über 100 m aufgespürt
werden können [11]. Diese Art der Lecksuche kann auch automatisch oder von
einem Fahrzeug aus durchgeführt werden, was eine effektive und gezielte
Inspektion vor Ort ermöglicht. Das physikalische Prinzip, auf dem diese
Fernerkennungsmethoden beruhen, ist die Infrarot-Absorption von Methan.
Leider ist reines H2 nicht infrarotaktiv. Das bedeutet, dass ein umfassendes,
verzweigtes Wasserstoffnetz eine eigene empfindliche, effiziente
Ferndetektionstechnologie erfordert.
Bei Neuinstallationen werden Rohrabschnitte, Muffen, Formstücke usw. mit
hohem Gasdruck beaufschlagt und auf Druckabfall geprüft. Kritische
Anlagenteile werden mit empfindlichen Lecksuchern untersucht; für Erdgas wird
z. B. ein Flammenionisationsdetektor (FID) verwendet. Für Wasserstoff können
Palladium-Feldeffekttransistor-Sensoren oder ein kompaktes
Massenspektrometer, das selektiv auf H2 reagiert, verwendet werden. Diese
Technologie wird für Dichtheitsprüfungen mit Helium verwendet und ist sehr
empfindlich. Die manuelle Überprüfung komplexer Systeme ist jedoch sehr
arbeits- und zeitaufwändig und wird daher bei bestehenden Anlagen nur in festen
Intervallen, z.B. jährlich, durchgeführt. Durch den Einsatz bildgebender
Verfahren zur Erkennung und Ortung von Leckagen können die
Inspektionsarbeiten wesentlich effektiver durchgeführt werden. Wie bei der
Gaskamera für Methan ist hierfür ein entsprechendes berührungsloses H2
Lecksensorsystem erforderlich.

Sicherheitssensoren

Die kontinuierliche Überwachung von Gasanlagen während des Betriebes


erfordert den Einsatz von fest installierten H2 Sicherheitssensoren, die eine
Konzentration von über 1 Prozent H2 in der Umgebungsluft zuverlässig
detektieren und einen Anstieg der H2 Konzentration innerhalb weniger Sekunden
auch bei Werten unter 0,4 Prozent nachweisen können.
Diese Sensoren müssen ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, Robustheit und
Langzeitstabilität aufweisen. Sie müssen außerdem wartungsfrei und
kostengünstig sein, da die zuverlässige Erkennung eines Lecks normalerweise ein
Netzwerk aus mehreren Sensoren erfordert. Die Sensoren müssen optimal
platziert werden, damit sie z. B. in einem Gebäude mit wechselnden
Luftströmungen ansprechbar bleiben. Um Fehlalarme zu vermeiden, dürfen die
Sensoren nahezu keine Querempfindlichkeit gegenüber wechselnden
Umgebungsbedingungen, Staub, Feuchtigkeit oder anderen Gasen (z. B. Dämpfe
von Reinigungsmitteln) aufweisen. Die Norm ISO 26142:2010 legt einige
wichtige Spezifikationen für Wasserstoffsensoren fest, unabhängig von der
verwendeten Technologie. So müssen die Sensoren ihre Funktion selbständig
überwachen und die Verschmutzung oder Verschlechterung von
14.2 365
Herausforderung
Schlüsselkomponenten erkennen können. Darüber hinaus müssen die
Sensorelemente in einem H2 Detektor technologieunabhängig redundant sein.
Dies bedeutet zwei Sensorelemente, die jeweils
366 14 Sensoren und
Sicherheit
Tabelle 14.1 Vergleich von Wasserstoff, Methan (Gase bei 0 °C und 1013 mbar) und
flüssigen Brennstoffen (bei 25 °C) [15-17]
Eigentum Wasserstoff Methan Benzin Diesel
Aggregatzustand Gasförmig Flüssigkeit Gasförmig Flüssi Flüssig Flüssig
(LH2) g
(LNG)
Dichte 0,09 kg/m3 0,071 kg/l 0,72 kg/m3 0,42 kg/l ≈ 0,75 kg/l ≈ 0,85 kg/l
(Luft: 1,3 kg/m )3 @-253 °C @-162 °C
Heizwert pro 141.8 55.5 ≈ 43.5 ≈ 45.4
Masseneinheit
[MJ/kg]
Heizwert pro 3.54/m3 2.79/l 11.1/m3 6.5/l ≈ 9.0/l ≈ 10.4/l
Volumeneinhei
t [kWh]
Entzündung 585 595 200-410 220
stemperatur
[°C]
Mindestzündenergi 0.016 0.2 0.24(a) -
e [mJ]
Diffusionskoeffi- 6.9 - 10—5 2.2 - 10—5 0.67 - 10—5(b) -
zient in Luft [m2
/s] @20 °C
Schallgeschwi 1280 466
ndigkeit [m/s]
(Luft:
343 m/s)
Wärmeleitfähigk 186 34.1
eit [mW/m K]
(Luft: 26,2)
Untere 4 4.4 1.4 0.6
Explosionsgrenze
, UEG [Vol%]
Obere 77 16.5 7.6 7.5
Explosionsgrenze,
UEL [Vol%]
(a) Heptan-Luft-Gemisch,(b) n-Heptan-Dampf

müssen in einem System verwendet werden, um zu gewährleisten, dass auch bei


Ausfall eines Elements das System weiter funktioniert. Dies sind Anforderungen
an die "funktionale Sicherheit", die in den Normen DIN EN 61508, DIN EN
61511 und ISO 26262 (für Straßenfahrzeuge, siehe unten) geregelt sind.
Wie aus Tabelle 14.1 hervorgeht, verflüchtigt sich H2 im Falle eines Lecks
viel schneller als Methan- oder Benzindämpfe. Einerseits ist dies ein Vorteil, da
es das Risiko der Bildung entzündlicher Gemische verringert. Andererseits
bedeutet der hohe Diffusionskoeffizient aber auch, dass sich in einem
geschlossenen Raum schneller zündfähige Konzentrationen bilden können.
Außerdem ist der Konzentrationsbereich der explosiven Gemische für H2
14.2 367
Herausforderung
ist größer als bei CH4 oder Benzindämpfen, und er benötigt weniger Sauerstoff
zur Verbrennung als andere Energieträger. Die sehr geringe Zündenergie von
Wasserstoff ist eine weitere große Gefahrenquelle. Schon ein kleiner Funke, zum
Beispiel durch elektrostatische Entladung, kann eine Zündung auslösen. In
Anbetracht der vielfältigen Szenarien ist es nicht möglich, allein anhand der
Werte (Tabelle 14.1) zu entscheiden, ob Wasserstoff oder Erdgas der sicherere
Energieträger ist. Entscheidend für die Sicherheit beider Systeme ist, wie sie von
Fachleuten gehandhabt werden [12].

Sensoren für mobile Anwendungen

Neben der stofflichen und industriellen Nutzung von Wasserstoff, z. B. bei der
Herstellung von Ammoniak für Düngemittel, in Raffinerien oder in der
Stahlindustrie, ist die wichtigste Anwendung von Wasserstoff die Umwandlung
von Strom in Brennstoffzellen. Die überwiegende Mehrheit der
Brennstoffzellensysteme wird im Verkehrssektor eingesetzt, ganz im Gegensatz
zu Erdgas, das im Verkehr nur eine geringe Rolle spielt. Während es im Jahr
2020 in Deutschland 14.470 Tankstellen für Benzin und Diesel gab [13], waren es
für Erdgas (Compressed Natural Gas, CNG) nur 832 Tankstellen [14]. Für
Wasserstoff gab es Ende 2020 bereits 89 Tankstellen, bis 2025 sind 1000 weitere
geplant. Vor allem der Güterverkehr und der öffentliche Personennahverkehr sind
die größten Märkte für Brennstoffzellen und weisen hohe jährliche
Wachstumsraten auf [32]. Allein im Güterverkehr lag die elektrische
Gesamtleistung der 2019 weltweit verkauften Brennstoffzellen bei 0,9 GW, was
einem Marktanteil von 80 % entspricht [33]. Im Gegensatz dazu bleibt der
Individualverkehr trotz zahlreicher Pilotprojekte und der kommerziellen
Verfügbarkeit von Brennstoffzellenfahrzeugen ein Nischenmarkt, da seine
Kosteneffizienz noch nicht erwiesen ist. Für den Verkehrssektor ist der Aufbau
einer flächendeckenden Tankstelleninfrastruktur unerlässlich, die vorzugsweise
mit einem stationären Versorgungsnetz gekoppelt sein sollte. Wasserstoff
unterscheidet sich in dieser Hinsicht deutlich von anderen Energieträgern (Tabelle
14.1).
Aus Tabelle 14.1 geht hervor, dass der Energiegehalt pro Volumeneinheit von
gasförmigen Brennstoffen bei atmosphärischem Druck etwa 1000-mal niedriger
ist als der von flüssigen Brennstoffen. Außerdem ist der Energiegehalt pro kg H2
etwa dreimal höher als der von Erdgas, aber dreimal niedriger pro
Normalvolumen. Das bedeutet, dass Wasserstoff bei etwa dem dreifachen Druck
von Erdgas getankt und gespeichert werden muss, damit ein Fahrzeug bei
gleicher Tankgröße eine ähnliche Reichweite erzielen kann.
Der maximale Betankungsdruck für CNG-Fahrzeuge ist auf 200 bar bei 15 °C
begrenzt. Da der Druck beim Betanken ansteigt und sich das Gas d a d u r c h
erwärmt, wird der Betankungsvorgang bei einer Obergrenze von 250 bar
unterbrochen. Das Tankvolumen (bei CNG-Pkw etwa 100 l) begrenzt die
368 14 Sensoren und
Reichweite eines Fahrzeugs. Sicherheit
14.2 369
Herausforderung
Fahrzeugs. Ein CNG-Fahrzeug hat also etwa die Hälfte der Reichweite eines
Dieselfahrzeugs. Verflüssigtes Erdgas (LNG) und kryogener, flüssiger
Wasserstoff (LH2) benötigen kleinere Tankvolumina, sind aber technisch viel
komplexer zu handhaben. Sie werden nicht in Personenkraftwagen und nur selten
in Lastkraftwagen eingesetzt. Aus diesem Grund wird im Folgenden nicht
speziell auf LNG und LH2 eingegangen.
Vergleicht man Wasserstoff mit Erdgas, so wird deutlich, dass sehr hohe
Betankungsvorgaben erforderlich sind, um die Einführung von Wasserstoff im
Verkehrssektor wirtschaftlich zu machen. Wasserstoff erwärmt sich beim Tanken
stark und muss daher meist auf -40 °C vorgekühlt werden. Die Betankung von
Brennstoffzellenfahrzeugen erfolgt in der Regel bei 700 bar, wofür die
Wasserstofftankstellen in Deutschland ausgerüstet sind. Allerdings sind nur
wenige von ihnen auch für Nutzfahrzeuge geeignet. Diese benötigen größere
Wasserstoffmengen, wobei die meisten nur für einen Betankungsdruck von 350
bar ausgelegt sind.
Noch ist unklar, wie der erhöhte Bedarf an brennstoffzellentauglichen
Tankstellen gedeckt werden kann und wie die gewünschten kurzen
Betankungszeiten von etwa 10 Minuten erreicht werden können. Ein weiterer
wichtiger Aspekt ist die Frage, wie die Tankstellen mit Wasserstoff versorgt
werden. So ist es beispielsweise schwer vorstellbar, dass eine abgelegene
Tankstelle an einer Autobahn mittelfristig an ein stationäres Wassernetz
angeschlossen wird. Die naheliegende Lösung wäre in diesem Fall, dass die
Tankstelle regelmäßig mit flüssigem H2 beliefert wird. Dies würde jedoch den
Bedarf an Sicherheitseinrichtungen und Sicherheitssensoren für den Umgang mit
LH2 erhöhen. Entsprechende Sicherheitsmaßnahmen sind auch bei der
Verwendung alternativer Wasserstoffträger wie Ammoniak erforderlich.
Ammoniak ist zwar nicht so brennbar wie Wasserstoff, aber giftig, so dass
geeignete Ammoniaksensoren vorgesehen werden müssen.
Wesentliche sicherheitstechnische Herausforderungen in diesem
Zusammenhang sind die schnell wachsende Zahl von Tankstellen, die hohen
Betankungsdrücke, die kurzen Betankungszeiten, menschliche Fehler und
Bedienungsfehler, der Verschleiß von Komponenten und nicht zuletzt die rauen
Umgebungsbedingungen an Tankstellen. Aus diesem Grund haben sich viele
Sicherheitsstudien speziell mit dem Thema Wasserstofftankstellen beschäftigt
[18-20].
Neben dem Einsatz von Sicherheitssensoren in einer stationären H2
Verteilerstruktur ist daher insbesondere auch der Einsatz in Tankstellen zu
beachten. Hier müssen spezielle H2 Sicherheitssensoren eingesetzt werden. Da
sich an Tankstellen in der Regel viele Personen aufhalten, die meist nicht in die
einzelnen Betankungsvorgänge eingebunden sind, ist besondere Vorsicht geboten.
Dies wurde bei dem oben erwähnten norwegischen Tankstellenunfall deutlich, bei
dem zwei Umstehende verletzt wurden.
Eine weitere Herausforderung liegt in der Sicherheit von H2 -betriebenen
Brennstoffzellenfahrzeugen. Auch hier steht der Schutz der Menschen im
370 14 Sensoren und
Sicherheit Verschleiß,
Vordergrund. Verkehrsunfälle, schwierige Witterungsbedingungen,
Bedienungsfehler etc. können zu gefährlichen Situationen führen, was bedeutet
14.2 371
Herausforderung
Für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind besondere Sicherheitsmaßnahmen
erforderlich. Dazu gehören in erster Linie zuverlässige H2 Sicherheitssensoren.
Dabei erweist sich die Einhaltung der Norm ISO 26262 und des für die Zulassung
erforderlichen "Safety Integrity Levels" (SIL-Standard) für viele Anwendungen
als große Hürde.

Reinheitssensoren

Brennstoffzellen reagieren besonders empfindlich auf Verunreinigungen im


Wasserstoffgas - dies gilt insbesondere für die PEM-Technologie (Proton
Exchange Membrane), die bei weitem die am häufigsten verwendete Technologie
ist. Gerade bei der Betankung von Brennstoffzellenfahrzeugen muss die Qualität
und Reinheit des Wasserstoffs ausreichend gewährleistet sein. Die Normen ISO
14687-2:2012 und EN 17124:2018 sowie deren Überarbeitungen für 2019
enthalten Spezifikationen für Wasserstoff als Brennstoff für PEM-
Brennstoffzellen. Sie sehen zum Beispiel Höchstkonzentrationen von nur 5 ppm
H2 O, 5 ppm O2 , 0,2 ppm CO, 0,1 ppm NH3 und insgesamt nur 4 ppb für alle
Schwefelverbindungen vor. Das analytische Verfahren zur Messung der Reinheit
von Wasserstoff ist komplex und nur in wenigen Labors in Europa verfügbar
[21]. Es gibt jedoch kein kompaktes, kostengünstiges Reinheitssensorsystem, das
an Tankstellen oder in Fahrzeugen eingesetzt werden kann. Verunreinigungen
von H2 können zu Ausfällen und dauerhaften Schäden an der Brennstoffzelle
führen. Dies führt an sich nicht direkt zu einem Wasserstoffleck. Da der
Schwerpunkt dieses Kapitels auf dem Explosionsschutz liegt, wird auf H2
Reinheitssensoren nicht weiter eingegangen.

14.3 H2 Sensortechnologien und -anwendungen

Im Folgenden werden die verschiedenen Messprinzipien zum Nachweis von


Wasserstoff vorgestellt. Die Methoden werden zusammengefasst und in die
Bereiche etablierte Sensoren, MEMS-basierte Sensoren und optische Sensoren
unterteilt.

14.3.1 Etablierte Sensoren

Auf dem Markt gibt es eine Vielzahl von Sensoren zum Aufspüren von
Wasserstoff und Wasserstofflecks. Wärmeleitfähigkeitsdetektoren (TCD),
katalytische Gassensoren (Pellistoren) und Metalloxid-Gassensoren (MOx)
machen den größten Anteil des Marktes aus. Auch Ultraschallsensoren,
elektrochemische Gassensoren, gasempfindliche Feldeffekttransistoren (FET) und
Spektroskopiesysteme können eingesetzt werden. Aufgrund der komplexeren
372 14 Sensoren und
Sicherheit
Technologie und der damit verbundenen höheren Kosten werden diese eher in der
Industrie eingesetzt.
14.3 H2 Sensortechnologien und Anwendungen 367

die in Nischenmärkten zu finden sind. Im Bereich der Forschung und


Entwicklung werden auch hochspezialisierte Laborgeräte wie
Hochgeschwindigkeits-Massenspektrometer und berührungslose optische oder
akustische Bildgebungsverfahren eingesetzt.

Sensoren für die Wärmeleitfähigkeit


Jedes Material hat seine eigene spezifische, typische Wärmeleitfähigkeit. Sie ist
eine physikalische Größe und kann für Gase mit Hilfe der kinetischen Theorie der
Gase abgeleitet werden. Sie ist unabhängig vom Druck bei einer bestimmten
Temperatur [22]. Aus der kinetischen Theorie der Gase lässt sich auch ableiten,
dass leichte Atome und Moleküle Wärme besser leiten können als schwerere. Aus
diesem Grund unterscheidet sich die Wärmeleitfähigkeit von Wasserstoff
erheblich von der anderer Gase: Sie ist um einen Faktor von etwa sieben höher.
Nur Helium kann eine Querempfindlichkeit verursachen, da seine
Wärmeleitfähigkeit 16 Prozent unter dem Wert von H2 liegt. Allerdings kommt
Helium in der Natur nur in geringen Konzentrationen vor und wird nur punktuell
für technische Zwecke eingesetzt, so dass es praktisch keine Einschränkungen
gibt. Da sich Wasserstoff in seiner Wärmeleitfähigkeit von anderen Gasen
unterscheidet, ist die Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit die ideale Grundlage
für einen selektiven Wasserstoffsensor.
Das Messprinzip von Wärmeleitfähigkeitssensoren und
Wärmeleitfähigkeitsdetektoren (WLD) besteht darin, ein Heizelement
(Glühfaden) aus Platin, Wolfram, Nickel oder deren Legierungen auf eine
definierte Temperatur zu erhitzen. Während dieses Prozesses findet ein
kontinuierlicher Wärmefluss vom Heizelement zur Umgebung statt. Dieser Fluss
ist abhängig von der Wärmeleitfähigkeit und damit von der Zusammensetzung
der umgebenden Gase. Änderungen in der Zusammensetzung des zu messenden
Gases führen zu einer Änderung der Temperatur des Heizelements, wodurch sich
auch der elektrische Widerstand des Glühfadens ändert. Die Messung kann
entweder bei einer konstanten Temperatur oder bei einem konstanten Heizstrom
erfolgen. Mit diesem Messprinzip lassen sich auch geringe Konzentrationen von
H2 in der Umgebungsluft bestimmen. Physikalisch gesehen ist die
Wärmeleitfähigkeitsmessung ein geeignetes Verfahren zur Analyse der
Abgaszusammensetzung einer Brennstoffzelle, allerdings müssen
Querempfindlichkeitseffekte wie Feuchtigkeit und mögliche Störfaktoren wie
Kondensation bei der Analyse berücksichtigt werden. Dennoch sind TCDs derzeit
Stand der Technik. Das Schema in Abb. 14.2 zeigt den Aufbau eines
Wärmeleitfähigkeitssensors.
Eine zusätzliche Referenzzelle kann sowohl zur Erhöhung der Genauigkeit als
auch zur Verringerung des Einflusses der Umgebungsbedingungen integriert
werden. TCDs lassen sich in der Regel kostengünstig und im Miniaturformat
herstellen. Sie sind langzeitstabil, hochselektiv und verbrauchen nur wenig
Energie. Wärmeleitfähigkeitssensoren werden häufig als Detektoren in
Gaschromatographen eingesetzt.
368 14 Sensoren und
Sicherheit

Abb. 14.2 Schema eines Wärmeleitfähigkeitssensors. Das Gas im Inneren der Zelle wird
durch ein Heizelement erhitzt. Ändert sich die Zusammensetzung des Gases in der
Messzelle, so ändert sich auch die Wärmeabgabe, was zu einer Temperaturänderung führt.
Die Temperaturänderung wird von einem Temperatursensor erfasst.

Pellistoren
Pellistoren (ein Portmanteau aus "Pellet" und "Resistor") gehören zu den
frühesten Festkörper-Gassensoren. Sie stammen ursprünglich aus den 1960er
Jahren, als sie zum Aufspüren von Methan in Bergwerken eingesetzt wurden. Die
ursprüngliche Methode bestand darin, einen beheizten Draht zu verwenden, der
eine Reaktion des Gases bei sehr hohen Temperaturen auslöste, wobei der Draht
selbst seine Temperatur aufgrund der durch die Reaktion erzeugten Wärme
veränderte. Die Struktur dieses ersten Sensors wurde schnell verbessert, um seine
Stabilität zu erhöhen (Abb. 14.3). Das Herzstück ist ein gewickelter Platindraht
(a), der zum Schutz vor Oxidation und mechanischer Belastung in ein
Keramikpellet eingebettet ist (b). Die Außenseite des Pellets ist mit einer dünnen,
katalytisch aktiven Schicht überzogen (c). Brennbare Gase und Sauerstoff
reagieren mit dieser katalytischen Beschichtung (d) ab Temperaturen von 500 °C
und können als Änderung der Sensortemperatur nachgewiesen werden. Da die
Heizspirale auch als Temperatursensor verwendet wird, kann die
Gaskonzentration entweder als Temperaturänderung bei konstantem Heizstrom
oder als Änderung der Heizleistung bei konstanter Sensortemperatur erfasst
werden, ähnlich wie bei einem TCD.
Der klassische Aufbau besteht aus zwei separaten Heizspulen, die in Keramik
eingesintert sind. Der "aktive" Pellistor ist mit einem Katalysator beschichtet. Der
unbeschichtete, "inerte" Pellistor dient als Referenzsensor. Werden beide
Pellistoren in einer Brückenschaltung betrieben, dient dies der Kompensation von
Störgrößen wie Luftstrom, Umgebungstemperatur und Wärmeleitfähigkeit der
Luft.
Der Vorteil von Pellistoren besteht darin, dass sie aufgrund ihres einfachen,
aber robusten Aufbaus prinzipiell für den Nachweis aller Arten von brennbaren
Gasen geeignet sind. Darüber hinaus sind Pellistoren auf dem Markt etabliert.
Nachteilig ist, dass sie eine relativ hohe Heizleistung von etwa 1 W haben und ihr
Messprinzip
14.3 H2 Sensortechnologien und Anwendungen 369

a b

c d

Abb. 14.3 Schematische Darstellung des Aufbaus eines katalytischen Gassensors (Pellistor). a)
Heizspule,
b) Pellet aus inertem Oxidmaterial (Keramik), c) dünne katalytisch aktive Schicht und
d) Reaktion der Schicht mit H2 Molekülen in der Umgebung

unselektiv. Außerdem arbeiten sie bei Temperaturen über 500 °C, was sie zu
einer potenziellen Zündquelle für brennbare Gemische macht. Außerdem muss
der Sauerstoffgehalt in der Umgebung mindestens 10 % betragen, damit die Gase
nachgewiesen werden können. Ein hoher Wassergehalt in der
Umgebungsatmosphäre beeinträchtigt die Messung ebenfalls. Aufgrund der
dreidimensionalen, mehrteiligen Strukturen der Sensoren sind die
Produktionskosten vergleichsweise hoch. Dies und der Wunsch nach
stromsparenden Lösungen führen zu einer Welle der Forschung an MEMS-
basierten Sensorstrukturen und alternativen katalytischen Sensorschichten.
Sensoren auf Pellistorbasis sind in der Regel relativ preiswert und bieten eine
gute Langzeitstabilität. Sie sind prinzipiell nicht selektiv für H2 , sondern liefern
ein kombiniertes Signal für brennbare Gase und Dämpfe. Die erforderlichen
hohen Oberflächentemperaturen können nicht nur eine potenzielle Zündquelle
darstellen, sondern sind auch mit einem hohen Energieverbrauch verbunden.

Metalloxid-Gassensoren
Metalloxid (MOx)-Gassensoren beruhen auf der reversiblen Änderung der
elektrischen Leitfähigkeit einer Halbleiterschicht. Diese Änderung wird durch
Adsorptionsprozesse zwischen der erhitzten Sensoroberfläche und der
umgebenden Gasatmosphäre verursacht. Die Anwesenheit von Sauerstoff in der
Gasmatrix ist für den Betrieb von MOx-Sensoren unerlässlich. Bei
Betriebstemperaturen von 150 °C und darüber wird Sauerstoff reversibel an der
Oberfläche chemisorbiert, was zu einem Ladungstransfer mit dem Metalloxid
führt. Bei Temperaturen über 400 °C dissoziiert auch der molekulare Sauerstoff.
Wenn die Temperatur und die Sauerstoffkonzentration konstant sind, stellt sich an
der Halbleiteroberfläche ein Gleichgewichtszustand ein. An diesem Punkt
reagieren die Sauerstoffionen auf der Oberfläche selbst mit oxidierenden und
reduzierenden Gasen, wodurch sie in die Halbleiteroberfläche ein- oder austreten.
370 14 Sensoren und
Sicherheit

Abb. 14.4 Querschnittsdarstellung eines Metalloxid-Gassensors. Auf einem nicht leitenden


Substrat (Keramik) sind Platin-Elektroden aufgebracht. Diese sind elektrisch mit dem
halbleitenden Metalloxid verbunden, so dass Gasreaktionen als Widerstandsänderungen
nachgewiesen werden können. Ein Heizelement hilft, den Sensor auf der richtigen
Betriebstemperatur zu halten.

Elektronen aus dem System. Dieser Ladungstransfer kann als Änderung des
Widerstands nachgewiesen werden [23]. Der grundlegende Aufbau eines MOx-
Sensors ist in Abb. 14.4 dargestellt.
Leider weisen MOx-Sensoren eine geringe Selektivität auf, da sie aufgrund
ihres Messprinzips mit fast allen reduzierenden und oxidierenden Gasen
reagieren. Ihre Selektivität kann durch die Wahl eines geeigneten Metalloxids und
einer geeigneten Betriebstemperatur sowie durch die Verwendung mehrerer
Sensoren in einer Anordnung erhöht werden. In Verbindung mit den relativ hohen
Betriebstemperaturen und dem damit verbundenen Stromverbrauch bedeutet dies,
dass MOx-Sensoren letztlich nicht für alle Anwendungsbereiche geeignet sind.
Trotz ihrer Nachteile werden diese preiswerten und langzeitstabilen Sensoren
heute standardmäßig in vielen Bereichen wie der Automobilindustrie, der
Umwelttechnik, der Lüftungstechnik, der Klimatechnik und der
Verfahrenstechnik eingesetzt.

Elektrochemische Gassensoren
Elektrochemische Gassensoren, die auch als elektrochemische Zellen bezeichnet
werden, sind chemische Sensoren mit einem komplexen Aufbau. Sie bestehen aus
zwei räumlich getrennten Elektroden, die von einem Elektrolyten umgeben sind.
Die Messelektrode kann mit dem Zielgas in der Umgebungsluft reagieren, was zu
einer Redoxreaktion im Inneren des Sensors führt. Die Messelektrode ist
zusätzlich durch eine Diffusionsbarriere geschützt. Die Elektronen werden über
einen externen Stromkreis auf die Gegenelektrode übertragen (amperometrisches
Messprinzip). Bei diesem Vorgang ist der Strom direkt proportional zur
Gaskonzentration. Die Funktion eines elektrochemischen Gassensors ist in Abb.
14.5 dargestellt. Die Reaktion zwischen dem Elektrolyten und dem Zielgas ist
selektiv. Elektrochemische Sensoren gibt es für eine Vielzahl verschiedener Gase
und Konzentrationen.
14.3 H2 Sensortechnologien und Anwendungen 371

Abb. 14.5 Schema eines elektrochemischen Gassensors. Das Gas durchdringt die
Diffusionsbarriere und erreicht die Messelektrode. Dort findet eine chemische Reaktion
statt, die einen Ionenstrom vom Elektrolyten zur Gegenelektrode erzeugt. Die Elektronen
werden durch einen externen Messwiderstand geleitet. Bei diesem Vorgang ist der Strom
direkt proportional zur Gaskonzentration. Als Elektrolyt werden je nach Zielgas entweder
ionenleitende Flüssigkeiten oder Feststoffe verwendet

trationen. Ein Nachteil dieser besonderen Messmethode ist die geringe


Langzeitstabilität des Elektrolyten, der mit der Zeit verbraucht wird und bei
flüssigen Elektrolyten austrocknet. Aus diesem Grund wird die Lebensdauer oft
nur mit etwa zwölf Monaten angegeben.

Festelektrolyt-Sensoren
Festelektrolytsensoren funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie
elektrochemische Sensoren. Da es sich bei dem Elektrolyten um einen Festkörper
handelt, entfallen die oben genannten Probleme des Austrocknens und der
Alterung von Elektrolyten. Allerdings erfordern Festelektrolyte höhere
Temperaturen und damit eine ähnlich starke Erwärmung des Sensors wie ein
MOx. Der Hauptvorteil dieses Sensortyps liegt in der hohen Empfindlichkeit von
bis zu 0,1 ppm in Verbindung mit einer kurzen Ansprechzeit von weniger als
einer Sekunde. Da es sich um einen planaren Sensor handelt, ist ein einfacher
Schichtaufbau möglich, was eine kostengünstige und stark miniaturisierte
Herstellung ermöglicht [24]. Diese Eigenschaften machen diesen Sensortyp
perfekt für MEMS und für den Einsatz als Schnüffelsensor in Lecksuchgeräten.

Gasempfindliche Feldeffekttransistoren
Die mögliche Verwendung von Feldeffekttransistoren (FET) als Gassensoren
beruht auf der Entdeckung der Reaktion von Gasen mit der Gate-Oberfläche von
FETs. Diese Reaktion kann nützlich sein, wenn ein geeignetes Gate-Material
gewählt wird. Gasempfindliche Metall-Oxid-
372 14 Sensoren und
Sicherheit

Abb. 14.6 Schema eines GASFET mit einem Pd-beschichteten Gate. Die Reaktion mit
Wasserstoff an der Oberfläche des Gates bewirkt die Dissoziation des Wasserstoffs, was
wiederum Diffusionsprozesse im Metall auslöst und zur Bildung einer Dipolschicht auf
dem Gate-Isolator führt. Je nach Geometrie des GASFET kann dies entweder den
Stromfluss erhöhen oder dazu führen, dass der FET den Strom bei einer bestimmten
Konzentrationsgrenze "abschneidet".

Halbleiter-Feldeffekttransistoren (GASFETs) können zum Nachweis von


Wasserstoff verwendet werden. Die Gate-Elektrode besteht aus einem
katalytischen Metall wie Palladium (Pd), das für seine hohe Reaktivität mit
Wasserstoff bekannt ist. Der Wasserstoff aus der Umgebung dissoziiert beim
Erreichen des Gate-Materials, wo er zu atomarem Wasserstoff wird und durch das
Gate in den Sensor diffundiert. Dies führt zur Bildung einer Dipolschicht, die
wiederum eine Änderung der Aktivierungsenergie bewirkt. Die Verschiebung der
Übertragungskennlinie des FET dient als Messsignal. Das Diagramm in Abb.
14.6 zeigt den Aufbau eines GASFETs.
Die Affinität von Palladium und Wasserstoff bedeutet, dass selbst niedrige
Konzentrationen von H2 nachgewiesen werden können. Aus diesem Grund
werden Pd-FETs häufig in Geräten eingesetzt, die Wasserstofflecks aufspüren
[25]. Sie lassen sich in miniaturisierter Form sehr kostengünstig herstellen, sind
langzeitstabil und verbrauchen sehr wenig Energie. Aufgrund ihres Messprinzips
sind Pd-FETs nur für die Messung kleiner Konzentrationen geeignet. Hohe
Konzentrationen führen zur Degradation der Palladiumschicht und letztlich zum
Ausfall des Sensors.

Ultraschall-Sensoren
Die hohe Schallgeschwindigkeit von Wasserstoff (1280 m/s bei 20 °C) im Vergleich zu Luft
(343 m/s)
[26] kann für den Nachweis von Wasserstoff nützlich sein. Die Resonanzfrequenz
eines akustischen Resonators ist proportional zur Schallgeschwindigkeit.
Geeignete Geräte zur Wasserstoffentnahme sind auf dem Markt erhältlich [27].
Auch Gas, das bei hohem Differenzdruck entweicht, erzeugt oft einen
charakteristischen Ultraschallpfeifton, den ein spezielles Mikrophon zur Ortung
von Lecks nutzen kann [28]. Diese Methode ist jedoch nur für höhere Leckraten
geeignet und versagt bei kleinen oder diffusen Leckagen.
14.3 H2 Sensortechnologien und Anwendungen 373

Sensoren für die Schallgeschwindigkeit


Die Schallgeschwindigkeit steigt proportional mit der Konzentration von H2 in
der Luft; dies kann als weitere Messmethode genutzt werden. Die Schallsignale
werden von einem Sender über eine bestimmte Strecke gesendet und dann von
einem Empfänger (Mikrofon) empfangen. Die dabei benötigte Zeit gibt
Aufschluss über die Konzentration von H2 entlang der Messstrecke. Geeignete
Sender, die eine stark gerichtete Strahlung bis hin zu Solitonen erlauben, können
die Überwachung großer Messstrecken ermöglichen, sofern Sender und
Empfänger mechanisch präzise platziert werden können. Aufgrund anderer
Umweltfaktoren, die die Schallgeschwindigkeit beeinflussen, ist diese Methode
für sicherheitsrelevante Konzentrationsmessungen nicht empfindlich genug. Aus
diesem Grund wird es im wissenschaftlichen Bereich nur in einer speziell
angepassten Form für hohe Wasserstoffkonzentrationen eingesetzt.
Auch Kartierungsmethoden mit Ultraschallradar sind möglich. Mit ihnen lässt
sich die dynamische Entwicklung von explosiven Stoffen mit hoher zeitlicher
Auflösung erfassen. Damit dienen sie als Grundlage für sicherheitstechnische
Beurteilungen, zum Beispiel bei der Festlegung der Grenzen von
Explosionsschutzzonen.

H2 Massenspektrometrie
Die Massenspektrometrie basiert auf der Zerlegung von Molekülen in ihre
atomaren Bestandteile durch Elektronenionisation im Vakuum. Anschließend
werden die ionisierten Atome durch elektrische Wechselfelder entsprechend ihrer
charakteristischen Atommasse auf Detektoren gelenkt. Die Detektoren zählen
dann die Anzahl der Atome. Der Aufbau der Vakuumkammer ist speziell auf das
geringe Gewicht von gasförmigem Wasserstoff abgestimmt. Dies ermöglicht es
dem Spektrometer nicht nur, nur die Masse des H-Atoms zu messen, sondern
verleiht ihm auch einige einzigartige Eigenschaften: Das vom Fraunhofer ICT
entwickelte Echtzeit-Massenspektrometer H2 ermöglicht die Online-
Konzentrationsbestimmung über sieben Dekaden von 100 ppb bis 100 Vol%, mit
einer zeitlichen Auflösung von 1 ms bei einer Ansprechzeit t90 von 15 ms und
einer Selektivität von 100 Prozent [29]. Für die Messung wird ein sehr kleiner
Strom von Probengas durch eine beheizte Kapillare angesaugt; die dafür
benötigte Zeit verursacht eine Messverzögerung von < 200 ms. Diese
Messmethode ist jedoch in einem sehr weiten Bereich physikalischer
Bedingungen am Messort, einschließlich Druck und Temperatur, sowie in
praktisch jeder Gas- und/oder Dampfatmosphäre frei von Querempfindlichkeiten.

14.3.2 MEMS-basierte Sensoren

Die auf Halbleitern basierenden Sensorprinzipien von TCDs, Pellistoren und


MOx-Sensoren gelten als Stand der Technik. Allerdings sind die konventionellen
Formen dieser Tech-
374 14 Sensoren und
Sicherheit

Abb. 14.7 Vergrößerte Bilder von mikrostrukturierten MEMS-basierten H2 Sensoren.


Links: Array, bestehend aus einem Pellistor mit aktiver Schicht (Kobaltoxid mit
Metallkatalysator) und einem Referenzsensor. Die aktive Schicht wurde im
Tintenstrahldruckverfahren aufgebracht. Ohne Metalloxidschicht kann die
Widerstandsstruktur als TCD betrieben werden (Fraunhofer IPM und Fraunhofer IMS).
Zentrum: MOx-Sensor als Mikro-Hotplate. Die aktive Fläche ist über vier Brücken frei
aufgehängt. Rechts: Konfiguriert als Array, bestehend aus vier unabhängigen MOx-
Sensoren (Fraunhofer IPM)

nologien verbrauchen aufgrund ihrer hohen Betriebstemperaturen große Mengen


an Strom. Durch den Einsatz von Siliziumtechnologie und Fertigungsverfahren
auf der Basis mikroelektromechanischer Systeme (MEMS) kann dies deutlich
minimiert werden. Bei diesen Verfahren wird die aktive Sensorfläche durch
Ätzprozesse vom Rest des Chips thermisch entkoppelt, so dass entweder
mikromechanische Membranstrukturen oder frei schwebende Mikro-Hotplates
entstehen. Dadurch werden die aktiven Flächen auf wenige -m2 reduziert, was
wiederum die Heizleistung auf wenige mW reduziert [30].
Das grundlegende Herstellungsverfahren ist für alle drei Sensortypen
identisch. Als Grundmaterial dient ein Siliziumsubstrat, auf dessen Oberfläche
metallische Heizstrukturen aufgebracht werden. Die Schichten können durch
thermisches Aufdampfen des reinen Metalls oder durch Sputtern hergestellt
werden. Die aktive Schicht wird durch ein Nassätzverfahren, das entweder auf der
Vorder- oder Rückseite durchgeführt wird, thermisch entkoppelt. Bei TCDs endet
der Herstellungsprozess hier. MOx-Sensoren benötigen jedoch zusätzlich zum
Heizelement eine Elektrodenstruktur, die auf der Vorderseite abgeschieden wird.
Im letzten Prozessschritt werden auf den Pellistoren (z. B. Kobaltoxid mit
Katalysator) und MOx-Sensoren (z. B. Zinndioxid) die aktiven gasempfindlichen
Materialien abgeschieden [31]. Dies sollte idealerweise berührungslos erfolgen, z.
B. durch Druckverfahren (Tintenstrahldruck), da die Membran oder die
Mikroheißplatte eine geringe mechanische Stabilität aufweisen. Viele Zielgase
lassen sich mit Schichten nachweisen, die empfindlicher reagieren als andere;
diese Gase haben zudem meist ideale Betriebstemperaturen. Der sinnvollste
Ansatz ist daher, MEMS-basierte Sensoren zu verarbeiten und zu betreiben.
14.3 H2 Sensortechnologien und Anwendungen 375

soren als Array auf einem Chip, um die Selektivität zu erhöhen. Abb. 14.7 zeigt
vergrößerte Bilder von mikrostrukturierten H2 Sensoren.
Ein möglicher Anwendungsbereich für MEMS-basierte Sensoren sind
Brennstoffzellenfahrzeuge. Der Kostendruck in der Automobilindustrie kann
durch den Einsatz von Halbleitertechnologien zur Senkung der
Herstellungskosten überwunden werden; auch die begrenzte Größe der Sensoren
kann in dieser Hinsicht helfen.
Aufgrund des hohen Risikos von Personenschäden haben Sicherheitsstandards
in der Automobilindustrie oberste Priorität. Trotz des hermetisch abgeschlossenen
H2 Systems ist es notwendig, die maximalen H2 Konzentrationen mit einer Reihe
von Sensoren in der Abgasanlage, am Antrieb und im Fahrgastraum
kontinuierlich zu messen. Dies ist in der Norm ECE-TRANS-180a13e geregelt.
Die Zukunft der Sensoren für mobile Brennstoffzellenanwendungen liegt in der
Kombination von mindestens zwei sich ergänzenden Messprinzipien, um
eigensichere Sensoren zu ermöglichen (wobei der Schwerpunkt auf der
funktionalen Sicherheit liegt). "Eigensicherheit" ist in der Norm ISO 26262
definiert. Diese Norm schreibt beispielsweise vor, dass ein eigensicherer Sensor
in der Lage sein muss, innerhalb von drei Sekunden eine Konzentration von 0,4
Prozent Wasserstoff zu erkennen. Vor allem beim An- und Abfahren eines
Motors besteht die Gefahr, dass die Membran der Brennstoffzelle reißt und eine
große Menge Wasserstoff freigesetzt wird. Dies stellt vor allem im Betrieb eine
große Herausforderung dar, da die Messungen auch bei Temperaturen unter dem
Gefrierpunkt, also bei Vereisung oder Kondensation im Sensorgehäuse,
zuverlässig bleiben müssen. Eine mögliche Lösung ist die Integration einer
Kühlfalle als Wasserabscheider. Auf diese Weise wird das im Abgas enthaltene
Wasser durch Kondensation aus dem Gasstrom entfernt. Dieser Abscheider kann
aus Metall (z.B. Kupfer) bestehen und direkt vor dem Gassensor gestapelt
werden. An den Seiten angebrachte Peltierelemente ermöglichen die Kühlung auf
eine Temperatur unter 0 °C. Abb. 14.8 zeigt einen Laboraufbau zur Simulation
eines Abgassystems mit integriertem Sensoraufbau. Damit sind Gasströme von
bis zu 5 l/min möglich.
Neben den Sicherheitssensoren für das Abgas ist auch die Überwachung des
Fahrzeugtanks entscheidend. Hier wird der Wasserstoff mit einem Druck von bis
zu 700 bar verdichtet. Die Sensoren müssen in der Lage sein, Lecks frühzeitig zu
erkennen und durch eine automatische Abschaltung den Weiterbetrieb des
Fahrzeugs zu verhindern. Aus diesem Grund müssen kostengünstige und
zuverlässige Wasserstoffsensoren entwickelt werden, um den sicheren Einsatz
von Wasserstoff-Brennstoffzellen zu gewährleisten. Prinzipiell gibt es eine Reihe
von Sensorlösungen, die zur Detektion und Bestimmung der
Wasserstoffkonzentration in mobilen und stationären Anwendungen eingesetzt
werden könnten. Diese haben sich jedoch in der praktischen Umsetzung bisher
nicht bewährt, da sowohl der Preis als auch die Zuverlässigkeit enorm wichtige
Faktoren sind.
376 14 Sensoren und
Sicherheit

Abb. 14.8 Links: Laboraufbau einer Abgasleitung. Der darin enthaltene Wasserstoff kann
mit einem TCD gemessen werden. Eine vorgelagerte Kühlfalle entzieht dem Abgas
Feuchtigkeit, so dass nur trockenes Gas den Sensor erreicht. Rechts: Ein 4 × 4 mm großer2
Wärmeleitfähigkeitssensor. (Fraunhofer IPM)

14.3.3 Optische Sensoren

Faseroptische Sensoren
Zusätzlich zu den nützlichen elektrischen Effekten, die oben im Zusammenhang
mit GASFETs erläutert wurden, tritt eine Volumenänderung auf, wenn Palladium
mit Wasserstoff in Kontakt kommt. Da diese Änderung sehr klein ist, werden
zum Nachweis interferierende Lichtwellen verwendet, so dass Längenänderungen
im Nanometerbereich gemessen werden können. Da offene Strahlengänge für
Sensoren unpraktisch sind, wurden verschiedene faseroptische Sensoren
entwickelt, die die Volumenänderung des Palladiums nutzen, um die Längen
optischer Pfade mechanisch zu verändern oder die Gitterkonstante eines
eingefügten optischen Gitters zu ändern.
Bei Wolframtrioxid (WO3 ) hingegen ändert sich der optische Brechungsindex
bei Kontakt mit H2 . Dieser Effekt kann auch in einer faseroptischen Anordnung
genutzt werden, indem das Reflexionsverhalten eines mit WO3 beschichteten
Prismas gemessen wird. Abb. 14.9 zeigt, wie diese faseroptischen Sensoren
funktionieren. Solche Sensoren sind und bleiben technisch aufwendig, was sie
teuer macht. Ihr Hauptvorteil ist das völlige Fehlen möglicher Zündquellen und
die Möglichkeit der physikalischen Trennung von Konzentrationserfassung und
elektrischer Auswertung in der In-Terferometer-Steuerung über die Faseroptik.
Die Volumenänderung von Palladium kann auch zum Nachweis von H2 genutzt
werden, da die entstehenden Kräfte auf Platin wirken, das seinen Widerstand
unter Druck ändert (Abb. 14.9). Auch dieser Sensortyp ist schwierig herzustellen
und daher teuer. Die Verwendung der Widerstandsänderung als Messmethode
ermöglicht jedoch einen sehr geringen Energieverbrauch.
14.3 H2 Sensortechnologien und Anwendungen 377

Abb. 14.9 Faseroptische H2 Sensoren, die die Volumenänderung von Palladium oder die
Änderung des Brechungsindex von Wolframtrioxid bei Kontakt mit H2 als Messmethode
nutzen

Berührungslose optische Erkennung


Bei vielen Anwendungen bieten berührungslose Gasnachweisverfahren Vorteile.
"Berührungslos" bedeutet, dass beim Nachweis eines Gases keine Gasprobe zur
Analyse oder chemischen Umwandlung in einer Messzelle erforderlich ist.
Berührungslose Messverfahren können eine Gaswolke aus der Ferne erkennen
(eine Methode, die als Abstandsmessung bekannt ist). Dies kann auch aus sehr
großen Entfernungen geschehen, z. B. aus einem Flugzeug oder Hubschrauber.
Der Nachteil der berührungslosen Detektion besteht darin, dass die Verteilung
eines Gases in einer Gaswolke in drei Dimensionen instabil ist, so dass die
Konzentration des Gases nicht genau bestimmt werden kann. Vor allem bei der
effizienten Inspektion großer Erdgassysteme und Pipelinenetze hat sich der
Einsatz berührungsloser Verfahren zur Erkennung und Ortung von Leckagen
durchgesetzt. Ein großer Vorteil dabei ist, dass mit einem einzigen bildgebenden
Gerät viele mögliche Leckstellen gleichzeitig geprüft werden können. Im
Gegensatz zu Sensoren, die mit Gas in Berührung kommen müssen und daher in
unmittelbarer Nähe zu potenziellen Lecks installiert werden müssen, kann eine
Gaswolke mit einem berührungslosen System auch dann beobachtet werden,
wenn Luftströmungen oder komplexe Installationen verhindern, dass das
austretende Gas den Gassensor erreicht.
Es wird zwischen passiven und aktiven Methoden der berührungslosen
Gasdetektion unterschieden.

● Passiv-Infrarot (IR)-Methoden nutzen Temperaturunterschiede in der


Umgebung. Sie können zum Beispiel die gasspezifische Infrarotabsorption der
Wärmestrahlung einer geeigneten Oberfläche in der Nähe messen. Wenn
Methangas aus einem Rohr neben einer warmen Hauswand entweicht, wird
die Wärmestrahlung der Wand
die von der Methangaswolke in einem charakteristischen Spektralbereich
absorbiert wird. Die Gaswolke vor dem Leck kann mit herkömmlichen,
hochempfindlichen Messgeräten abgebildet werden.
378 14 Sensoren und
Sicherheit

Abb. 14.10 CH4 Gas strömt mit 2 ml/min aus einer 0,3 mm Bohrung. Links:
Falschfarbendarstellung der aktiven bildgebenden CH4 Lecksuche aus einer Entfernung
von 2 m (Ausschnitt aus einem Video mit einer Bildrate von 125 Hz). Der IR-Laser
beleuchtet einen Kreis von 7,5 cm Durchmesser auf einer Al-Platte. Rechts: Horizontale
und vertikale Schnitte durch das Bild auf der linken Seite. Die Form und die Richtung der
Gasfahne ändern sich ständig aufgrund von Luftströmungen [35].

Wärmebildkameras, die mit geeigneten Spektralfiltern ausgestattet sind. Diese


Geräte sind auf dem Markt erhältlich [9].
● Aktive Gasdetektionsverfahren nutzen ebenfalls die Infrarotabsorption,
verwenden aber eine eigene Infrarotstrahlungsquelle, um nicht von den
wechselnden Umgebungsbedingungen beeinflusst zu werden.
Temperaturen. Insbesondere laserbasierte Messgeräte können ein hohes Maß
an Empfindlichkeit und Selektivität erreichen. Dazu wird die
Emissionswellenlänge eines Lasers schnell auf eine charakteristische
Absorptionslinie des Zielgases abgestimmt. Die dabei beobachtete
Intensitätsänderung der vom Objekt reflektierten Laserstrahlung hängt vom
Produkt aus der mittleren Gaskonzentration und der zurückgelegten Strecke,
der Säulendichte, ab. Diese kann sehr genau gemessen werden. Die
Säulendichte wird in ppm-m angegeben. Erdgaslecks können lokalisiert
werden mit
laserbasierten Punktdetektoren [10] aus Entfernungen von bis zu 30 m. Wenn der
Laserstrahl
über das Objekt bewegt wird oder eine mobile Plattform verwendet wird,
können die Messwerte zu Bildern kombiniert werden. Ein solches Verfahren
wird zur Überwachung von Gaspipelines mit Hubschraubern aus einer
Entfernung von über 100 m eingesetzt [11]. Bei kürzeren Entfernungen ist
auch eine gleichzeitige aktive Bildgebung möglich [34]. Die Kombination von
empfindlichen Laserspektroskopieverfahren mit einer Infrarotkamera
ermöglicht eine pixelweise Empfindlichkeit.
von 1 ppm-m für CH4 , wodurch Leckagen von 2 ml/min in 2 m Entfernung
mit einer Bildfrequenz von 125 Hz nachgewiesen werden können (Abb. 14.10;
[35]). Reiner Wasserstoff zeigt keine Infrarotabsorption. Diese Technik kann
jedoch auch für Trägergase wie
14.3 H2 Sensortechnologien und Anwendungen 379
als NH3 oder Erdgase mit hohem H2 Gehalt.
380 14 Sensoren und
Sicherheit
Reiner Wasserstoff kann mit einem Raman-LIDAR-Verfahren aus Entfernungen
von bis zu 50 m nachgewiesen werden (Light Detection and Ranging, LIDAR).
Allerdings muss die Laserleistung aus Gründen der Augensicherheit und des
Explosionsschutzes niedrig gehalten werden. Selbst kompakte Geräte sind
empfindlich genug, um Konzentrationen von H2 in der Luft unterhalb der unteren
Explosionsgrenze von 4 Prozent zu erkennen [36, 37]. Auch die Ferndetektion
niedrigerer Wasserstoffkonzentrationen mittels stimulierter Raman-Streuung
scheint machbar zu sein [38]. Da die geringen Signalintensitäten lange
Integrationszeiten erfordern, sind schnelle Bildwechsel, wie sie oben im
Zusammenhang mit Infrarotkameras mit Raman-Spektroskopie erwähnt wurden,
derzeit nicht möglich.
Eine mögliche Alternative zu den Methoden zum spezifischen Nachweis von
H2 könnte darin bestehen, Veränderungen der Sauerstoffkonzentration in der
Umgebungsluft festzustellen. Diese Methode beruht auf der Tatsache, dass im
Falle eines Lecks das entweichende Gas die Luft an der Leckstelle verdrängt.
Infolgedessen sinkt die Sauerstoffkonzentration an der Leckstelle. In der freien
Atmosphäre liegt die Sauerstoffkonzentration konstant bei 21,0 Prozent.
Verdrängt z. B. ein Wasserstoffleck den Sauerstoff in einem Radius von 2 cm um
die Leckstelle vollständig, so ändert sich die durchschnittliche
Sauerstoffkonzentration gegenüber einer Messung aus 2 m Entfernung um 1
Prozent, d. h. es wird nur noch eine Konzentration von 20,8 Prozent gemessen.
Auf dem Markt gibt es laseroptische Sauerstoffmessgeräte, die diese Genauigkeit
erreichen können. Im Rahmen eines internen Projekts konnte Fraunhofer IPM
dieses patentierte Prinzip mit Stickstoff als Leckgas erfolgreich demonstrieren
[39]. Das Verfahren ist für jede Gasart anwendbar, außer natürlich für Sauerstoff,
der als Hintergrundgas fungiert. Aus diesem Grund kann es im Prinzip auch für
Wasserstofflecks verwendet werden. N2 Leckraten von 100 ml/min konnten mit
dieser Methode aus einer Entfernung von 55 cm nachgewiesen werden [40]. Das
bei dieser Methode verwendete Punktdetektionsverfahren könnte um eine
bildgebende Detektion erweitert werden. Wie in [35] gezeigt, haben bildgebende
Verfahren eine höhere Wahrscheinlichkeit, Leckagen zu erkennen, da der
Einfluss von strömungsbedingten Schwankungen geringer ist. Im Gegensatz zu
CH4 ist für den Nachweis von Sauerstoff keine Infrarotkamera erforderlich. Die
Sauerstoffkonzentration wird bei einer Wellenlänge von 761 nm (bei der
Fraunhofer-Linie A) gemessen.

Bildgebung in explosionsgefährdeten Bereichen


Die Hintergrundorientierte Schlierenmethode (BOS) wurde vom DLR entwickelt,
um hochtransiente Strömungsvorgänge in der Luftfahrt zu visualisieren. Das
Fraunhofer ICT hat vorgeschlagen, sie für die Wasserstoffsicherheit einzusetzen
[41]. Diese passive Methode nutzt die Dichte von Wasserstoff, die 14,6-mal
geringer ist als die von Luft. Dichtegradienten erzeugen eine
Hintergrundverzerrung, ähnlich wie sie bei heißem Gas über einer Flamme zu
beobachten ist. Durch die Untersuchung eines statistisch strukturierten
14.3 H2 Sensortechnologien und Anwendungen 381
Hintergrunds im Vergleich zu einem ungestörten Referenzbild wird anhand der
digitalen Bilddaten der lokale Verzerrungsgrad berechnet. Diese Methode ist
empfindlich genug, um das Ausmaß der Verzerrung zu erfassen.
382 14 Sensoren und
Sicherheit

Abb. 14.11 Berührungslose BOS-Visualisierung von unverbranntem Wasserstoff im Abgas


e i n e s Brennstoffzellenfahrzeugs während eines Notstopps. (Fraunhofer ICT)

Konzentrationsbereich, der für die Bestimmung der Sicherheit relevant ist, von
100 Volumenprozent bis zur unteren Entzündungsgrenze. Damit lassen sich
dynamische Brenngasmengen mit einer zeitlichen Auflösung abschätzen, die nur
durch die im Prozess eingesetzte Kamera begrenzt ist. Abb. 14.11 zeigt einen
beispielhaften Anwendungsfall.

14.4 Sensoren für die zerstörungsfreie Prüfung

In den folgenden Abschnitten werden Sensoren für die zerstörungsfreie Prüfung


(NDT) beschrieben und wie sie zur Überwachung der strukturellen Integrität von
Wasserstoffinfrastrukturen im Hinblick auf Korrosion und
Wasserstoffversprödung eingesetzt werden.

Langstrecken-Ultraschall

Wasserstoffinfrastrukturen, wie z. B. Stahlrohrleitungen, können korrodieren,


wenn der kathodische Korrosionsschutz (CCP mit galvanischen Opferanoden)
versagt oder wenn die Isolierung
14.4 Sensoren für die zerstörungsfreie 381
Prüfung
unzureichend oder fehlerhaft ist. Da visuelle Inspektionen in vielen Fällen nicht
möglich sind und korrodierte Bereiche oft nicht direkt mit anderen Methoden
zugänglich sind, ist es schwierig, diese Schäden zu erfassen und zu bewerten.
Hinzu kommt, dass die Flächenkorrosion in der Regel zu einer
zweidimensionalen, wenn auch flachen Verringerung der Wandstärke führt, was
eine komplexe Geometrie zur Folge hat, die die Grenzen handelsüblicher Mess-
und Prüfverfahren sprengt. Solche Methoden können daher nicht zur Bewertung
des beschädigten Bereichs herangezogen werden. Die Verwendung von
Ultraschallwellen mit großer Reichweite (geführte Wellenprüfung; Long Range
Ultrasonic Testing, LRUT) kann in diesen schwierigen Fällen zu einer
zuverlässigen Bewertung beitragen.
In ausgedehnten, dreidimensionalen Bauteilen erfolgt die Schallausbreitung in
erster Linie durch reine Longitudinal- und Transversalwellen, die als
Volumenwellen bezeichnet werden und eine Teilchenablenkung in
Ausbreitungsrichtung bzw. senkrecht dazu bewirken. In Bauteilen mit
begrenztem Raum (Stäbe, Rohre, Platten usw.) hingegen erfolgt die
Schallausbreitung in Form von geführten Ultraschallwellen (Long-Range-
Ultraschall) [42-44].
Unter guten Bedingungen können unzugängliche Prüfbereiche über Distanzen
von bis zu 50 m untersucht werden, ohne dass eine Isolierung entfernt oder das
Bauteil aufwändig ausgegraben werden muss [45, 46]. Werden zudem
Schallköpfe auf Basis des elektromagnetischen Ultraschalls (EMUS-Schallköpfe)
verwendet, ist kein direkter Kontakt zwischen Prüfkopf und Prüfobjekt
erforderlich; ein Koppelmittel ist somit nicht notwendig [44].
Die Verwendung dieser dispersiven, geführten Ultraschallwellenmoden bietet
die Möglichkeit, sehr kleine Wanddickenabnahmen entlang des Schallweges einer
Ultraschall-Transmissions- und/oder Reflexionsmessung nachzuweisen [47, 48].
Sie sind daher geeignet, auch kleinste Korrosionsschäden zu erkennen. Das
physikalische Messverfahren basiert auf der Änderung sowohl der Phase als auch
der Gruppengeschwindigkeit der dispersiven Ultraschallwellenmode über die
Wanddicke. Dadurch ist es möglich, durch Auswertung der Phasenverschiebung,
der Schalllaufzeit des empfangenen Signals und der durch die Schädigung
verursachten Modenumwandlungen quantitative Informationen über die
Schädigung zu erhalten.
Abb. 14.12 zeigt einen Ausschnitt aus einem verarbeiteten und ausgewerteten
Datensatz e i n e s Pipeline-Scans, der drei Arten von Korrosionsschäden
erkennen lässt. Die Farbcodierung visualisiert die Lage und räumliche
Ausdehnung der Schäden. Daneben befindet sich ein Schadensindikator für den
Verlust der Wanddicke. Je nach Wahl der Prüfparameter können bestimmte
Signalintensitäten in Bezug auf bestimmte Schädigungsgrade erzielt werden. Ein
solcher Test kann ab einer Wanddickenabnahme von fünf Prozent schadhafte
Bereiche zuverlässig identifizieren und lokalisieren.
382 14 Sensoren und
Sicherheit
a b

Abb. 14.12 Links: Ausgewertete und visualisierte Langstrecken-Ultraschalldaten für eine


H2 Versorgungsleitung mit drei Bereichen natürlicher Lochfraßkorrosion. Rechts:
Ausgewertete und interpretierte Messdaten zur Schadensinterpretation
(Wanddickenreduktion). (Fraunhofer IZFP)

Elektromagnetische Methoden zur Überwachung der


strukturellen Integrität ferromagnetischer Komponenten in
der Wasserstoffinfrastruktur

Mit elektromagnetischen Methoden lassen sich nicht nur Materialeigenschaften in


ferromag- netischen Werkstoffen bestimmen, sondern auch Anzeichen von
Alterung und Ermüdung erkennen [49-52]. Dabei werden charakteristische
Korrelationen zwischen den mechanischen und magnetischen Eigenschaften der
Werkstoffe genutzt, um Materialeigenschaften qualitativ und quantitativ zu
überwachen, wie z.B. die Beziehung zwischen mechanischer Härte und der
Koerzitivfeldstärke HC (magnetische Härte) [53]. Die Kombination mehrerer
elektromagnetischer Methoden in einem multiparametrischen, hybriden Ansatz
bietet zusätzliche Stabilität, Störsicherheit und Genauigkeit im Prozess der
elektromagnetischen Materialcharakterisierung und eröffnet die Möglichkeit, KI-
basierte und maschinelle Lernmethoden anzuwenden [54, 55].
Ein solcher Multiparameter-Ansatz wird mit der 3 MA-Technologie
(Mikromagnetische Multiparameter-, Mikrostruktur- und Spannungsanalyse)
bereits in verschiedenen Industrie- und Forschungsbereichen eingesetzt und
ständig weiterentwickelt [55-57]. Je nach den Anforderungen der Anwendung
und deren Einfluss auf die Eigenschaften der Sensoren werden beim 3-MA-
Ansatz die harmonische Analyse des Zeitsignals der tangentialen
Magnetfeldstärke oder des Magnetisierungsstroms mit der Analyse des
magnetischen Barkhausen-Rauschens, der inkrementellen Messbarkeit und der
Impedanzanalyse von Wirbelströmen kombiniert [55].
Durch die Wechselwirkung von Wasserstoff mit ferromagnetischen
Werkstoffen (Rohre usw.) kann es zu Versprödung und Spannungsrisskorrosion
kommen. Die Anwendung der 3 MA-Prüftechnik kann potenziell
wasserstoffbedingte Veränderungen in ferro-
14.4 Sensoren für die zerstörungsfreie 383
Prüfung
magnetischer Werkstoffe in einem frühen Stadium mit einem zerstörungsfreien
Verfahren. Dieses Potenzial wurde bereits durch Forschungs- und
Entwicklungsprojekte im Bereich der Kerntechnik sowohl für
wasserstoffbedingte Materialschäden als auch für andere
Versprödungsmechanismen (z. B. Neutronenversprödung) nachgewiesen [50, 58,
59].

Magnetisches Streuflussverfahren zum Nachweis


korrosionsbedingter Wanddickenabnahme in
ferromagnetischen Werkstoffen

Die sondenbasierte magnetische Streufeldmethode basiert auf einem


physikalischen Effekt, der auch bei der Magnetpulverprüfung zur Erkennung von
rissartigen Oberflächendefekten in ferromagnetischen Werkstoffen verwendet
wird [60]. Wird ein äußeres Magnetfeld an Brüche in der Oberfläche angelegt,
bilden sich aufgrund der Permeabilitätsunterschiede magnetische Dipole, die zu
einem oberflächennahen magnetischen Streufeld führen (siehe das
Feldlinienmodell in Abb. 14.13, links). Diese können mit hochempfindlichen
Magnetfeldsensoren nachgewiesen werden (siehe Verlauf der Linie in Abb.
14.13, rechts).
Im Gegensatz zur Magnetpulverprüfung wird bei der Streuflussmethode kein
Magnetpulver benötigt, um die Defekte sichtbar zu machen. Der Einsatz von
hochempfindlichen Magnetfeldsensor-Arrays in Kombination mit Algorithmen
des maschinellen Lernens ermöglicht die automatische Auswertung von
Unterschieden in den aufgezeichneten Messsignalen. Damit lassen sich
korrosionsbedingte Schäden wie Wandabtrag, Lochfraß oder Risse in
ferromagnetischen Infrastrukturen wie Pipelines berührungslos und
zerstörungsfrei erkennen. Da sich die Schadensbilder ähneln, eignet sich das
magnetische Streuflussverfahren prinzipiell auch zum Nachweis von
wasserstoffinduzierten Korrosionsschäden.

Abb. 14.13 Verlauf des Magnetfeldes an einem Riss in einem magnetisierten Bauteil.
Links: Dia- gram. Rechts: Gemessene Normalkomponente des Magnetfeldes. (Fraunhofer
IZF)
384 14 Sensoren und
Sicherheit
Magnetische Streuflussmethode zur Korrosionsprüfung an H2
Rohrleitungen

Das PipeFlux-System ist das Ergebnis einer Studie, in der untersucht wurde,
inwieweit korrosionsbedingte Testfehler sowohl auf der dem Sensor zugewandten
als auch auf der dem Sensor abgewandten Seite von Pipelinestahl erkannt und
getrennt werden können. Die Verwendung kombinierter Messtechniken
ermöglichte die Hinzunahme einer modifizierten Sensoranordnung. Abb. 14.14
zeigt zwei Oberflächenbilder einer Stahlrohrtafel mit zwei Testfehlern. Die
beiden Bilder auf der linken Seite zeigen das Ergebnis der Streuflussmethode, die
beiden Bilder auf der rechten Seite wurden mit Hilfe der Magnetfeldverzerrung
aufgenommen. Während die Streuflussmethode Streufelder aus dem gesamten
Volumen aufnimmt, was die Abbildung von Schäden auf der dem Sensor
zugewandten Seite (links) und der vom Sensor abgewandten Seite (Mitte links)
erschwert, zeigt die weitere Bestimmung der Feldverzerrung nur oberflächennahe
Strukturen auf der dem Sensor zugewandten Seite (Mitte rechts), während auf der
vom Sensor abgewandten Seite (rechts) keine Strukturen erkennbar sind. Dieser
multimodale Ansatz ermöglicht die Abbildung von Fehlern auf der Seite
die dem Sensor zugewandte und die vom Sensor abgewandte Seite getrennt.
Das linke Bild in Abb. 14.15 zeigt den Einsatz des portablen Messsystems
PipeFlux, das auf dem magnetischen Streuflussverfahren basiert, um
Korrosionsschäden in Rohrleitungen zu charakterisieren. Das System ist
angeschlossen

Abb. 14.14 Streuflussmessung der dem Sensor zugewandten Seite (links) und der vom
Sensor abgewandten Seite (Mitte links); Feldverzerrungsmessung der dem Sensor
zugewandten Seite (Mitte rechts) und der vom Sensor abgewandten Seite (rechts).
(Fraunhofer IZFP)
14.4 Sensoren für die zerstörungsfreie 385
Prüfung

Abb. 14.15 PipeFlux, ein tragbares Streufluss-Messsystem zur Charakterisierung von


Korrosionsschäden in ferromagnetischen Rohrleitungen. (Fraunhofer IZFP)

mit Hilfe von Dauermagneten an einer Rohrleitung befestigt und um das Rohr
herum bewegt (siehe Abb. 14.15, rechts). Die Dauermagnete induzieren in dem
Rohrsegment eine Flussdichte, die zur Erzeugung des Streufeldes notwendig ist.
Die Magnetfelder werden jeweils mit einem 80-kanaligen Sensorarray zur
Messung des Streuflusses und der Feldverzerrung aufgezeichnet und mit Hilfe
eines kreisförmig bewegten Positionsgebers in Form eines Oberflächenbildes
dargestellt. Dieser flexible Ansatz lässt sich auf nahezu jede ferromagnetische
Struktur übertragen.

Röntgenuntersuchung der inneren Strukturen von


Brennstoffzellenstapeln und H2 Infrastruktur

Verfahren, die Röntgenstrahlung zur zerstörungsfreien Prüfung interner


Strukturen einsetzen, können auch auf Brennstoffzellenstapel und Komponenten
in Wasserstoffinfrastrukturen angewendet werden. "Röntgenstrahlung" bezeichnet
elektromagnetische Strahlung in einem Energiebereich zwischen einem und
mehreren hundert keV. Bei der 2D-Röntgendurchleuchtung durchdringt die von
einer annähernd punktförmigen Röntgenquelle ausgehende Strahlung das zu
untersuchende Objekt und kann je nach innerer Struktur des Objekts geschwächt
werden. Die geschwächte Strahlung wird mit einem Flachdetektor aufgezeichnet,
und nach dem Prinzip des Schattenwurfs wird ein Projektionsbild des Objekts
erzeugt. Erfordert die Untersuchung die Bestimmung der 3D-Merkmale einer
Struktur, reicht ein 2D-Projektionsbild nicht aus. Hier kommt die 3D-
Computertomographie (3D-CT) ins Spiel. Dabei werden mehrere
Projektionsbilder des untersuchten Objekts aus verschiedenen Richtungen erstellt,
um dann mit mathematischen Methoden ein 3D-Modell zu berechnen, das alle
inneren Strukturen des Objekts enthält. Roboter-gestützte Computertomographie
386 14 Sensoren und
Sicherheit
wurde entwickelt, um große, schwer zugängliche Objekte mit 3D-
Computertomographie vor Ort und mit hoher Auflösung zu untersuchen. Bei
diesem Verfahren werden sowohl die Röntgenquelle als auch der Detektor an
einem Roboter befestigt, der die Durchleuchtung des Objekts aus nahezu jeder
gewünschten Richtung ermöglicht. Mit der robotergestützten
Computertomographie lassen sich derzeit Defekte wie Porositäten,
Gaseinschlüsse oder Fremdkörper in Objekten mit einer Auflösung
(Voxelkantenlänge) von 50 µm erkennen.

Charakterisierung keramischer Festelektrolyte für Brennstoffzellen


mit Hilfe der kernmagnetischen Resonanzspektroskopie

Für verschiedene Anwendungen werden in einer Brennstoffzelle unterschiedliche


Elektrolyte, Reaktionsgase und Prozesstemperaturen verwendet. In einem
Kraftfahrzeug werden zum Beispiel eine Polymerelektrolytmembran (PEM),
Wasserstoff und Luft bei Temperaturen um 80 °C verwendet. In der
Raumfahrttechnik werden dagegen Kalilauge (alkalische Brennstoffzelle),
Wasserstoff und Sauerstoff bei einer Temperatur von 80 °C eingesetzt. Bei der
Kraft-Wärme-Kopplung reagieren Phosphorsäure, Erdgas und Luft bei einer
Prozesstemperatur zwischen 160 und 220 °C. Für den zukünftigen Einsatz in der
Kraft-Wärme-Kopplung und für den Betrieb von Kraftfahrzeugen, um nur einige
Beispiele zu nennen, werden Feststoffbrennstoffzellen entwickelt. Diese
Festoxid-Brennstoffzellen arbeiten bei Temperaturen über 600 °C mit
keramischen Festoxid-Elektrolyten. Mit Hilfe der Festkörper-
Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie) lassen sich dynamische
Phänomene wie Ex- und Diffusionsprozesse von Ladungsträgern, strukturelle
Phasenumwandlungen und chemische Prozesse in Abhängigkeit von der
Temperatur beobachten.

14.5 Zusammenfassung und Ausblick

Damit die Wasserstoffwirtschaft erfolgreich ist und von der Bevölkerung


akzeptiert wird, muss vor allem sichergestellt werden, dass von der Technologie
keine Gefahren ausgehen. Sowohl die Infrastruktur der Wasserstoffwirtschaft als
auch ihre Nutzung müssen in Zukunft so alltäglich werden wie heute die
Versorgung mit Strom, Wasser und Gas. Beim Aufbau der für die Erzeugung,
Speicherung, Verteilung und Umwandlung von Wasserstoff in einen
Energieträger erforderlichen Infrastruktur muss sichergestellt werden, dass keine
Sicherheitsrisiken oder Gefahren bestehen, die Unfälle verursachen können. Das
Gleiche gilt, wenn die Infrastruktur in Betrieb genommen wird. Um wirtschaftlich
r e n t a b e l zu sein, müssen die Systeme bei effizienter und zuverlässiger Wartung
auch eine lange Lebensdauer haben.
Referenzen 387

Hier spielen Sensoren eine Schlüsselrolle für die Sicherheit. Mit Sensoren
können sowohl unmittelbare als auch zukünftige Gefahren rechtzeitig erkannt und
abgewendet werden. Deshalb ist es notwendig, bei der Planung von
Infrastruktursystemen und Anwendungen von H2 ein für alle möglichen Szenarien
geeignetes Sensorkonzept zu berücksichtigen. Eine große Herausforderung ist
dabei die Zustandsüberwachung von wasserstoffbelasteten Bauteilen in
stationären und mobilen Systemen im laufenden Betrieb; hier müssen
Sensorsysteme zur Detektion und Kontrolle eingesetzt werden. Bestehende
Sensoren für die zerstörungsfreie Prüfung sind in der Lage, die strukturelle
Integrität zu überwachen. Darüber hinaus müssen alle Systeme und mobilen
Anwendungen, z.B. Fahrzeuge mit Brennstoffzellen, auf Leckagen überwacht
werden. Dichtheitsprüfungen können mit etablierten Sensorkonzepten bei der
reaktiven, regelmäßigen oder vorausschauenden Wartung durchgeführt werden.
Eine permanente Überwachung ist mit fest installierten H2 Sicherheitssensoren
möglich. Die zur Verfügung stehenden technischen Lösungen sind jedoch oft nur
eingeschränkt oder nur mit hohem Zeit- und Kostenaufwand nutzbar. Deshalb ist
es wichtig, durch Forschung und Entwicklung rechtzeitig die Grundlagen für
marktfähige, funktionsfähige Lösungen und Normen zu schaffen und damit die
Wasserstoffwirtschaft zu sichern. Die hier vorgestellten Forschungs- und
Entwicklungsarbeiten zur Sensorik zeigen, wie die derzeitigen Einschränkungen
minimiert und in Zukunft ganz aufgehoben werden können.

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Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien 15
Sylvia Schattauer ● Alexander Spieß
Fraunhofer-Institut für Windenergieanlagen IWES
Alexander Martin ● Robert Burlacu
Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen
IIS
Gregor Herz
Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme
IKTS
Christian Leithäuser
Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM
Ulrike Beyer
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und
Umformtechnik IWU
Joachim Seidelmann
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und
Automatisierung IPA
Fabian Frank
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT

Abstrakt

Die fortschreitende digitale Transformation schafft weitere Möglichkeiten für


die Durchführung von Analysen in der Wasserstofftechnologieforschung. In
der einen oder anderen Form wird sie in fast allen Unterkategorien des
Fachgebiets eingesetzt. Dieses Kapitel gibt einen Einblick in verschiedene
Anwendungsbereiche, in denen digitale Methoden und modellbasierte
Analysen zum Einsatz kommen. Dazu gehört die Modellierung von
Energiesystemen,
Wasserstofft
© Springer Nature Schweiz AG 2022
echnologien,
R. Neugebauer (Hrsg.),
https://doi.org/10.1007/978-3-031-22100-2_15
393
394 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
die Abbildung von Transportinfrastrukturen, die verfahrenstechnische
Modellierung in der chemischen Industrie, die gezielte Weiterentwicklung der
Elektrolyse, das Upscaling der Produktion und die simulationsgestützte
Auslegung von sicheren Wasserstoffinfrastrukturen.

15.1 Einführung und Überblick

Die digitale Transformation durchdringt und verändert sowohl unser Alltags- als
auch unser Berufsleben. Mit dem Fortschreiten des digitalen Wandels entstehen
weitere Möglichkeiten für die Durchführung von Analysen im Bereich der
Wasserstofftechnologie-Recherche. In der einen oder anderen Form wird sie in
fast allen Unterkategorien des Fachgebiets eingesetzt.
Dieses Kapitel soll einen Einblick in verschiedene Anwendungsbereiche
geben, in denen digitale Methoden und modellbasierte Analysen zum Einsatz
kommen. Es kann hier nur eine kleine Auswahl betrachtet werden. Eine einfache
und eindeutige Einordnung ist aufgrund der Vielzahl von Anwendungsbereichen,
Modellierungsmethoden und Unterscheidungsmerkmalen schwer möglich. Allein
im Bereich der Elektrolyseurzellen- und Stackentwicklung gibt es eine Vielzahl
von Methoden, die von der Modellierung der stofflichen, elektrischen und
thermischen Vorgänge in der Elektrolysezelle bis zur Abbildung von
materialbedingten Degradationsmechanismen auf der Katalysatoroberfläche
reichen [1]. Simulationen können nicht nur zur detaillierten Abbildung
physikalischer und chemischer Prozesse in Elektrolysezellen, sondern auch zur
Kombination technischer Anlagenkomponenten zu kompletten Anlagensystemen
sowie zur Integration der Anlagen in das Energiesystem eingesetzt werden. Nicht
zuletzt eröffnen digitale Methoden neue Wege zur Gestaltung skalierbarer
Produktionssysteme. In den folgenden Unterkapiteln werden daher die folgenden
Themen behandelt:

● Die gegenwärtigen Diskussionen über grüne Wasserstofftechnologien werden


zum Teil durch ihr Potenzial angetrieben, einen Wandel hin zu einer
klimaneutralen Energiewirtschaft und -industrie herbeizuführen. Aber
inwieweit ist dies wirklich gefragt? Was
Welche Kosten sind mit grünem Wasserstoff verbunden, und welche
Investitionen müssen getätigt werden? Antworten auf diese Fragen zu finden,
fällt in den Bereich der Energiesystemmodifikation. Abschnitt 15.2 gibt einen
kurzen Einblick in die Anwendungsbereiche, Ansätze und
Unterscheidungsmerkmale der grünen Wasserstofftechnologien.
● Ein inhärenter und manchmal integraler Bestandteil der Modellierung von
Energiesystemen ist der Prozess der Kartierung der Verkehrsinfrastruktur.
Zusätzlich zu den Schiffen und Anhängern,
Pipelines sind eine mögliche Lösung für den Transport von Wasserstoff. Die
Bestimmung eines optimalen Wasserstofftransportnetzes ist eine schwierige
15.2 Künftige Wasserstoffnachfrage und Integration in die 395
Energiemärkte
Modellierungsaufgabe.
396 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
Abschnitt 15.3 gibt einen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung und
die verschiedenen möglichen Ansätze.
● Die chemische Industrie ist einer der vielversprechendsten
Anwendungsbereiche für grünen Wasserstoff. Doch wie lassen sich
Elektrolyseure optimal mit Chemieanlagen kombinieren?
ikalische Synthesen? In Abschnitt 15.4 wird der potenzielle Nutzen der
Modellierung für die Verfahrenstechnik aufgezeigt.
● Die Steigerung des Wirkungsgrads von Zellen und Stacks sind wichtige Ziele
bei der Entwicklung dieser Technologie. In Abschnitt 15.5 wird beschrieben,
inwieweit detaillierte physikalische Modelle
ermöglichen es, die Elektrolyse zielgerichtet weiterzuentwickeln.
● Die Nationale Wasserstoffstrategie für die Markteinführung grüner
Wasserstofftechnologien zielt darauf ab, die Produktion strategisch
hochzufahren. Welche Rolle kann die digitale Transformation dabei spielen?
Und was sind die geeigneten Ansätze, um die
den Bereich der digitalen Fabriken? Abschnitt 15.6 gibt einen kurzen Einblick in diesen
Bereich.
● Nicht zuletzt geht es bei der Entwicklung und Markteinführung neuer
Technologien immer auch um die Entwicklung geeigneter
Sicherheitstechnologien und die Ermittlung der notwendigen
Sicherheitsaspekte. Wasserstoff ist besonders
empfindlich aufgrund seiner Materialeigenschaften. Simulationsbasierte
Analysen sind ein wesentlicher Bestandteil der Vorhersage des
sicherheitskritischen Verhaltens von Wasserstoffanwendungen und -systemen.
Abschnitt 15.7 gibt einen kurzen Einblick in die simulationsgestützte
Auslegung von sicheren Wasserstoffinfrastrukturen.

15.2 Künftige Wasserstoffnachfrage und die


Integration von Wasserstoff in die
Energiemärkte

Die grüne Wasserstofftechnologie gilt als Hoffnungsträger für den Aufbau einer
klimaneutralen Energiewirtschaft und Industrie. Doch inwieweit ist grüner
Wasserstoff wirklich gefragt? Welche Kosten sind mit grünem Wasserstoff
verbunden, und welche Investitionen müssen getätigt werden? Wie können diese
Technologien in die Märkte integriert werden, und welche Einnahmen können sie
erzielen?
Die einschlägige Literatur enthält eine Vielzahl von Studien und
wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die sich mit diesen und ähnlichen Fragen
beschäftigen [2]. Ein gemeinsames Merkmal der Studien ist die Verwendung
ähnlicher Methoden und Modellierungsansätze, die dem Bereich der
Energiesystemmodellierung zugeordnet werden können. Sie basieren auf
Zukunftsszenarien, die dazu dienen, notwendige Rahmenbedingungen zu
definieren, wie z. B. die maximal zulässige Menge an Treibhausgasemissionen,
15.2 Künftige Wasserstoffnachfrage und Integration in die 397
Energiemärkte
die gehandelt wird, und Technologieentwicklungsfahrpläne. Zur Berechnung
werden in der Regel mathematische Optimierungsverfahren eingesetzt. Mit ihnen
kann zum Beispiel die zukünftige Zusammensetzung eines Stromnetzes bestimmt
werden.
398 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
Kraftwerkspark oder die kosteneffizienteste Art der Integration einzelner Anlagen
in den Markt zu analysieren.
Eine Studie, die einen großen Bereich (national, EU, global) und mehrere
Sektoren abdeckt, kann als Systemstudie bezeichnet werden. Bekannte Studien
auf nationaler Ebene waren in den letzten Jahren die "dena-Studie-Integrierte
Energiewende" [3] und "Wege für die Energiewende" [4]. Auf EU-Ebene sind
beispielsweise die "Hydrogen Roadmap Europe" [5] und "Industrial Innovation:
Wege zu einer tiefgreifenden Dekarbonisierung der Industrie" [6].
Zu den Ergebnissen gehören in der Regel die räumlich aufgelösten Zahlen des
Energie- und Rohstoffbedarfs sowie die für die betrachteten Szenarien
verwendeten Technologien. Abb. 15.1 zeigt ein Beispiel für solche Ergebnisse:
den berechneten Bedarf an Wasserstoff und seinen Derivaten nach einer vom
Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2019 [7].
Die Ergebnisse sind aufgeschlüsselt nach den Sektoren, aus denen der Bedarf
stammt, und den Energieträgern. Die Studie basiert auf einem Szenario, in dem
die EU bis 2050 die Klimaneutralität erreicht, ohne den Einsatz von Technologien
zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) und mit begrenztem
Biomassepotenzial. Das Energiesystemmodell Enertile® wurde für die EU-weite
Analyse verwendet. Das Modell bildet die Komponenten des Energiesystems als
lineares Optimierungsproblem ab, das die minimalen Kosten von
Nachfragesektoren und Erzeugungstechnologien unter Berücksichtigung der
Netzinfrastrukturen bestimmt. Enertile® analysiert die Potenziale zur
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit einer zeitlichen Auflösung von
einer Stunde und einer räumlichen Auflösung von zehn Quadratkilometern.
Ausführlichere Beschreibungen des Modells und der Methodik zur Analyse des
Wasserstoffbedarfs finden sich u.a. in [8] und [9]. Ein aktueller Schwerpunkt der
wissenschaftlichen Diskussion zur Energiesystemmodellierung ist die
Modellierung von Wasserstofftransportnetzen. Hierauf wird in Abschnitt 15.3
näher eingegangen.
Im Gegensatz zu Systemstudien werden Analysen zur Identifizierung
betriebswirtschaftlich optimaler Vermarktungsstrategien mit dem Fokus auf
Einzelanlagen und Anlagenverbünde durchgeführt. Die Studie
"Strommarktseitige Optimierung des Betriebs einer PEM-Elektrolyseanlage" aus
dem Jahr 2018 gibt hierzu Einblicke am Beispiel des Energieparks Mainz [10].
Ziel ist es, eine wirtschaftlich optimale Form der Anlagensteuerung zu finden, die
die Kosten der Strombeschaffung, mögliche Erlöse aus der Teilnahme am
Sekundärregelleistungsmarkt und Vermarktungsoptionen für den erzeugten
Wasserstoff berücksichtigt. Die Teilmodelle werden als gemischt-ganzzahlige
lineare Probleme abgebildet. Die Simulation wird mit einer höheren zeitlichen
Auflösung als Systemstudien durchgeführt, um die Teilnahme am Strom- und
Regelleistungsmarkt abbilden zu können. Eine detailliertere Modellierung der
Elektrolyse ist ebenfalls erforderlich. Das Prinzip der Rolling-Wave-Planung wird
genutzt, um eine realistische Simu-
15.2 Künftige Wasserstoffnachfrage und Integration in die 399
Energiemärkte

Abb. 15.1 Anforderungen an Wasserstoff und seine Derivate zur Erreichung einer
treibhausgasneutralen EU

lation. Zu diesem Zweck werden kurzfristige Prognosen über die


Preisentwicklung auf den Strom- und Betriebsreservemärkten erstellt. Diese
fließen dann in die Festlegung des Betriebsplans für die Elektrolyseanlage ein.
Die hier aufgeführten Beispiele zeigen das breite Spektrum der
Anwendungsmöglichkeiten der Modellierung von Energiesystemen für die
Behandlung verschiedener Fragen im Zusammenhang mit einer grünen
Wasserstoffwirtschaft. Die dabei verwendeten Modelle sind in der Regel sehr
unterschiedlich. Zu ihren jeweiligen Unterscheidungsmerkmalen, die in Abb. 15.2
aufgeführt sind, gehören unterschiedliche mathematische Ansätze, die
Unterscheidung zwischen Top-down- und Bottom-up-Modellen und technische
Details (geografischer Bilanzrahmen, räumliche und zeitliche Auflösung der
Sektoren
400 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien

Abb. 15.2 Eigenschaften und mögliche Klassifizierungskriterien für Energiesystemmodelle.


(aus [11])

abgedeckt, usw.) [11]. Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen sowohl die
Besonderheiten der Methodik als auch die Randbedingungen der Szenarien
berücksichtigt werden. Die Herausforderungen, die sich beim Vergleich
verschiedener Studien ergeben, sind in der "Metastudie Wasserstoff-Auswertung
von Energiesystemstudien" [2] dargestellt.

15.3 Modellierung und Simulation von Wasserstoffpipelines

Der derzeitige Weltmarkt für Wasserstoff wird durch den Bedarf der chemischen
und petrochemischen Industrie bestimmt. Mit dem Übergang zu einem
klimaneutralen Wirtschafts- und Energiesystem werden weitere Absatzmärkte
und Anwendungsbereiche für Wasserstoff entstehen. Dadurch werden sich nicht
nur die Produktionsmethoden ändern, sondern auch das Transportvolumen wird
zunehmen. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an das Transportsystem. Der
Ferntransport von Wasserstoff über Pipelines wird zunehmend als
vielversprechende Technologie für Transport und Verteilung gesehen.
15.3 Modellierung und Simulation von Wasserstoffpipelines 399

lichkeit. Eine Vielzahl von Projekten befasst sich mit der technischen Eignung
neuer Pipelines und bestehender Erdgassysteme. Diese Projekte konzentrieren
sich auf Forschungsfragen, die nur durch eine detaillierte Modellierung des
Gesamtsystems unter Berücksichtigung des gesamten Versorgungsnetzes
beantwortet werden können.
Eine Herausforderung besteht darin, die Interaktion von physikalisch
abgebildeten Eigenschaften und diskreten Entscheidungen hinreichend realistisch
zu modellieren. Um dies zu erreichen, werden die entsprechenden Modelle in der
Regel als eine Mischung aus nichtlinearen und diskreten ganzzahligen Problemen
dargestellt. Die Physik des Gases ist als ein System nichtlinearer partieller
Differentialgleichungen gegeben und kann bei Bedarf auf eine algebraische Form
vereinfacht werden. Steuerungen oder nicht kontinuierliche Entscheidungen (wie
das Ein- und Ausschalten eines Verdichters) werden durch ganzzahlige Variablen
dargestellt. Die Modelle werden daher in stationäre und instationäre Modelle
unterteilt. An dieser Stelle ist der seit 2014 laufende Transregio 154-
Sonderforschungsbereich "Mathematische Modellierung, Simulation und
Optimierung am Beispiel von Gasnetzen" (Sprecher: Prof. Alexander Martin, IIS-
Institutsleiter) zu nennen.

15.3.1 Stationäre Modelle

Stationäre Modelle sind einfacher zu handhaben als instationäre Modelle. Mit


stationären Modellen ist es möglich, Probleme zu lösen, die über längere
Zeiträume formuliert sind und bei denen die physikalische Dynamik von
geringerer Bedeutung ist. Stationäre Lösungen werden eingesetzt, um zentrale
Fragen zu beantworten, z. B. ob eine bestimmte Gasmenge (Nominierung) durch
ein Netz transportiert werden kann. Ein Einblick in die verschiedenen stationären
Modellierungsansätze findet sich in [12]. In den meisten Fällen, in denen es um
Dis- kretentscheidungen geht, wird die Physik des Gases mit Hilfe der
Weymouth-Gleichung dargestellt, die in algebraischer Form vorliegt. Eine
Alternative bieten [13] und [14], die die Gasströmung mit Hilfe eines Systems
gewöhnlicher Differentialgleichungen (ODE) formulieren und darauf aufbauend
ein Lernverfahren entwickeln. Die Vermischung von Wasserstoff und Erdgas in
größeren Netzen mit zu- und abschaltbaren Komponenten ist mathematisch
hochkomplex. In [15] wird zum Beispiel eine Methode vorgestellt, mit der
optimale Mischungsverhältnisse ermittelt werden können. Diese Methode ist
jedoch heuristischer Natur und bietet keine Garantie für eine optimale Lösung.

15.3.2 Transiente Modelle

Bestimmte Probleme erfordern eine dynamische, instationäre Modellierung der


Gasströmung, was bedeutet, dass sie mit stationären Modellen nicht adäquat
dargestellt
402 werden können.15
Diese
Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
400 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
Dazu gehören zum Beispiel Probleme mit dynamischen Lastprofilen. Hier ist ein
instationäres Modell notwendig, um die Dynamik des Gases adäquat abzubilden
und damit zu bestimmen, wie das Netz realistisch reagieren kann.
Die folgenden Beispiele geben einen Einblick in aktuelle
Forschungsentwicklungen. In [16] wurde ein instationäres Modell eines Power-
to-Gas-Systems mit Hilfe einer Methode optimiert, die entwickelt wurde, um
stationäre Modelle auf Basis der Weymouth-Gleichung zu instationären Modellen
zu erweitern.
Eine weitere Möglichkeit ist die gemischt-diskrete dynamische Optimierung,
die Gegenstand intensiver Forschung ist. In diesem Fall wird das Problem
typischerweise als ein System von algebraischen Differentialgleichungen
dargestellt. Eine Übersicht hierzu findet sich in [17]. Neben den
Optimierungsverfahren gibt es eine Reihe verschiedener Softwarelösungen, die
den Gasfluss durch eine Pipeline oder in größerem Maßstab durch ein ganzes
Netz mit einem instationären Modell (und damit auch einem stationären Modell)
simulieren können.

15.3.3 Herausforderungen und Ausblick

Die meisten Softwarelösungen für den Gastransport durch Pipelines beinhalten


lediglich eine Netzsimulation. Der Algorithmus berücksichtigt diskrete
Entscheidungen (z. B. das Ein- und Ausschalten eines Verdichters) nur in
begrenztem Maße und kann sogar davon ausgehen, dass es sich um feste
Eingaben handelt. Aus diesem Grund ist eine Optimierung nur begrenzt möglich.
Das Fraunhofer IIS entwickelt derzeit eine Lösung, die diese Begrenzung aufhebt
und Entscheidungshilfen für eine Vielzahl von Fragestellungen im Kontext der
Gasnetzoptimierung bietet. Dieses Tool wird Empfehlungen für diskrete und
kontinuierliche Entscheidungen liefern, wie z. B. die wirtschaftlichsten
Ausbaupfade für Wasserstoffpipelines oder auch Steuerungen für Kompressoren.
Diese Entscheidungen können dann auf der Basis von bestehender
Simulationssoftware, z.B. MYNTS-Gas, validiert und iterativ angepasst werden.
Dies ermöglicht eine umfassendere und realistischere Behandlung der für
Gaspipelines spezifischen Fragen.

15.4 Integration in verfahrenstechnische Methoden

Die Erzeugung von grünem Wasserstoff und Synthesegas durch Elektrolyse ist
ein besonders wichtiger Teil der verfahrenstechnischen Methoden zur
Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Diese Verfahren können zur Bindung
von Kohlenstoff eingesetzt werden, wenn aus der Luft oder aus Abgasen
abgeschiedenes CO2 als Kohlenstoffquelle verwendet wird. Diese werden als
CCU-Verfahren (Car Bon Capture and Usage) bezeichnet. Erzeugt das Verfahren
15.4 Integration in verfahrenstechnische Methoden 401
flüssige Produkte, spricht man von einem Power-to-Liquid-Ansatz. Ein Beispiel
sind die CCU-Verfahren,
402 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
In diesem Kapitel wird die Bedeutung der Prozesssimulation bei der Entwicklung
neuer Verfahren mit Elektrolyse sowie die Vorgehensweise bei deren
Durchführung dargestellt. Di- eterich et al. geben einen Überblick über
verschiedene Power-to-Liquid-Ansätze [18]. Da es sich prinzipiell um neue
Produktionsketten handelt, ist es sinnvoll, vor einer Investitionsentscheidung eine
verfahrenstechnische Simulation durchzuführen, um das Verfahren
verfahrenstechnisch und wirtschaftlich bewerten zu können. Hierfür können
verschiedene Softwarepakete eingesetzt werden. Insbesondere die Verwendung
von fließbildbasierten Anwendungen hat sich durchgesetzt, wobei aspenOne® am
häufigsten eingesetzt wird. Zusätzlich zu den derzeit verfügbaren Modellen
müssen noch neue maßgeschneiderte Modelle erstellt werden, insbesondere für
die Elektrolyse. Hierfür bietet die Software geeignete Möglichkeiten. Zur
Veranschaulichung werden im Folgenden einige Werkzeuge und Verfahren
vorgestellt, die am Fraunhofer IKTS im Rahmen des Leuchtturmprojekts
"Ressource Strom" entwickelt wurden. Diese dienen der Simulation von Ansätzen
zur Vermeidung oder Nutzung von CO2 .
Um den Prozess zu bewerten, werden zunächst Zielwerte für die Berechnung
definiert. Da die elektrische Leistung aus erneuerbaren Energien nur begrenzt zur
Verfügung steht, beinhalten diese Werte sowohl die energetische Effizienz

Pch,Produkt
щen D
Pel,Eingabe

und die
Kohlenstoffeffizienz PC,Produkt
щC D PC,Eingabe

wenn eine Kohlenstoffquelle verwendet wird (in diesem Fall CO2 ).


In diesem Beispielprozess wird ein auf Elektrolyse basierender
Synthesegasproduktionsprozess mit einem Fischer-Tropsch-Syntheseprozess
kombiniert. Abb. 15.3 zeigt ein vereinfachtes Prozessflussdiagramm. Im ersten
Prozessschritt - der Synthesegaserzeugung - wird mit Hilfe von CO2 und Wasser
ein für den Syntheseprozess geeignetes Gemisch aus Kohlenmonoxid (CO) und
Wasserstoff (H2 ) erzeugt. Das Gasgemisch wird verdichtet, temperiert und in den
Fischer-Tropsch-Reaktor geleitet. Dort wird das Gasgemisch mit Hilfe eines
Eisen- oder Kobaltkatalysators in Kohlenwasserstoffe unterschiedlicher
Kettenlänge umgewandelt. Wachsartige, flüssige Produktanteile werden vom
Produktstrom abgetrennt. Das Restgas setzt sich aus dem nicht umgesetzten
Synthesegas und kurzkettigen Kohlenwasserstoffen zusammen. Es wird in den
Prozess der Synthesegaserzeugung zurückgeführt, wo es stofflich verwertet oder
zur Wärmeerzeugung genutzt wird. Es besteht auch die Möglichkeit, die
Abwärme aus der exothermen Synthesereaktion bei der Erzeugung des
Synthesegases zu nutzen. Dieser Prozess wird als Abwärmerückgewinnung
(WHR) bezeichnet.
15.4 Integration in verfahrenstechnische Methoden 403

Abb. 15.3 Vereinfachtes Flussdiagramm eines Fischer-Tropsch-basierten Power-to-Liquid-Prozesses

Aus dem obigen vereinfachten Flussdiagramm (Abb. 15.3) lassen sich drei
verschiedene Verfahrenswege ableiten. Der Hauptunterschied zwischen ihnen ist
das verwendete Elektrolyseverfahren:

● In Anlehnung an das von König et al. [19] beschriebene Verfahren wird die
Niedertemperatur-Polymermembran-Wasserelektrolyse (PEMEL), die unter
den für eine Synthesereaktion erforderlichen Druckverhältnissen betrieben
wird, mit einer umgekehrten Wasser-
Gasverschiebungsreaktion (RWGS), bei der CO2 in CO und das Restgas umgewandelt
wird.
● In einem von Cinti et al. [20] beschriebenen Verfahren wird ein
atmosphärisches Festoxid-Elektrolyseverfahren (SOEL) mit einer
atmosphärischen RWGS-Reaktion kombiniert, um CO2 und das Restgas
umzuwandeln.
● In dem von Herz et al. [21] beschriebenen einstufigen Verfahren wird ein
Festoxid-Co-Elektrolyse-Prozess (Co-SOEL) mit interner Reformierung zur
Herstellung von
Synthesegas.

Neben diesen unterschiedlichen Verfahren zur Synthesegaserzeugung ist auch


wichtig, wie das Restgas genutzt wird und welche Formen der Prozessführung es
gibt. Abb. 15.4 zeigt, dass bei allen Verfahren ein Teil des Restgases abgetrennt
und verbrannt wird, um thermische Energie für die Reformierung des restlichen
Restgases zu gewinnen. Bei den Verfahren (a) und (b) wird das Gas während der
RWGS-Reaktion reformiert; diese Reaktion wird durch Verbrennung mit
thermischer Energie versorgt. Bei Verfahren (c) wird das Restgas an dem
katalytisch aktiven Elektrodenmaterial umgesetzt, wobei die thermische Energie
durch Beschuss der luftseitigen Seite des Kamins mit heißem Abgas zugeführt
wird.
Das Modell wird erstellt, indem die Prozesse in einer auf Flussdiagrammen
basierenden Softwarelösung abgebildet werden. Es gibt keine vorgefertigten
Flussdiagramm-Blöcke für die Prozessschritte in elec-
404 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
a b c
PEMEL Abgas Abgas
H2O O2
Anode
Luft Luft
H2
Kathode SOEL
SOEL
Abgas Anode
Abgas Anode
H2O Kathode
H2
Kathode Verbrennung
Abgas
H2O, CO2

rWGS Abgas
CO2 Synthesega
Abgas s
Synthesega
s
rWGS
CO2

Synthesega
s

Abb. 15.4 Vereinfachte Flussdiagramme der Synthesegaserzeugung auf der Grundlage von
(a) PEM-Elektrolyse, (b) Festoxid-Elektrolyse und (c) Festoxid-Coelektrolyse

trolyse oder der Fischer-Tropsch-Synthese, weshalb sie in einem vereinfachten


Diagramm dargestellt werden. Die Teilprozesse der Festoxidelektrolyse, nämlich
die innere Reformierung, die elektrochemische Umwandlung und die
Methanisierung, werden getrennt und durch eigene Blöcke dargestellt. Die
elektrochemischen Berechnungen werden im Hintergrund mit einem
Taschenrechner-Block [21] durchgeführt.
Empirische Reaktionskinetik kann zur Modellierung von Syntheseprozessen
verwendet werden. Für das Beispiel der Fischer-Tropsch-Synthese gibt es jedoch
keine brauchbaren Kinetiken. Aus diesem Grund wurde eine vereinfachte
Darstellung erstellt, die auf Angaben zur Umsatzrate und zum Produktspektrum
beruht [22]. Folglich sind die Ergebnisse von der verwendeten Datenbank
abhängig. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein relativer Vergleich der Methoden
nicht möglich ist. Verschiedene Ansätze können hinsichtlich ihrer
Energieeffizienz verglichen werden (Abb. 15.5), wobei die schraffierten Flächen
eine Effizienzsteigerung durch die Rückgewinnung von Wärme darstellen, die bei
der exothermen Synthese durch die Verdampfung von Reagenzwasser freigesetzt
wird.
Bei PEMEL-Prozessen muss der Reaktant Wasser in flüssiger Form zugeführt
werden, so dass eine Wärmeintegration nicht möglich ist. Abgesehen von den
Bedenken hinsichtlich der Wärmerückgewinnung ist ein PEMEL-basiertes
Verfahren energieeffizienter als ein H2 O-SOEL-basiertes Verfahren. Da sowohl
die Elektrolyse als auch die RWGS-Reaktion unter den für eine Synthesereaktion
erforderlichen Druckbedingungen betrieben werden, muss nur der CO2 -
Reaktionsstrom komprimiert werden, was den Energiebedarf für die Kompression
minimiert. Im Fall von H2 O-SOEL werden die Elektrolyse und die RWGS-
Reaktion bei Atmosphärendruck betrieben. Daher erfordert die Komprimierung
des Synthesegases einen hohen Energieaufwand. Andererseits besteht ein hohes
Potenzial für die Wärmeintegration, was zu einer höheren Gesamtenergieeffizienz
führt. Bei der Co-Elektrolyse kann die Energieeffizienz noch weiter gesteigert
werden.
15.4 Integration in verfahrenstechnische Methoden 405

0.8

0.7

0.6

0.5
η

0.4

0.3

0.2
ηC
0.1 WHI
ηen
0.0
PEMEL H2 O- Co-SOEL
SOEL

Abb. 15.5 Bei der Analyse von elektrolysebasierten Power-to-Liquid-Verfahren ermittelte


Energieeffizienz- und Kohlenstoffwirkungsgrade

Da ein Teil des Restgases zur Aufrechterhaltung endothermer


Reformierungsprozesse verwendet wird, besteht ein direkter Zusammenhang
zwischen der Effizienz des Reformierungsprozesses und dem Grad der
Kohlenstoffeffizienz: Wenn der Reformierungsprozess effizient gestaltet ist, wird
weniger Energie benötigt. Aufgrund des geringeren Stoffstroms der verbrannten
Kohlenwasserstoffe wird weniger CO2 freigesetzt. H2 O-SOEL hat hier einen
Vorteil gegenüber dem PEMEL, da der Wasserstoff bei der Stacktemperatur in
die RWGS-Reaktion eingespeist werden kann und somit keine Energie zum
Aufheizen benötigt wird. Aus diesem Grund hat die Festoxid-Elektrolyse einen
höheren Kohlenstoff-Wirkungsgrad. Die weitere Steigerung des Kohlenstoff-
Wirkungsgrades der Co-Elektrolyse beruht, ähnlich wie die Energieeffizienz des
Verfahrens, auf der Reduktion in Hochtemperatur-Prozessstufen und damit auf
einer Minimierung der Wärmeverluste.
Wir hoffen, dass dieses kurze Beispiel die zentrale Rolle der
Prozesssimulation bei der Planung und Gestaltung elektrolysebasierter Prozesse
verdeutlicht und gezeigt hat, wie ein zuverlässiges Modell ein wichtiges
Werkzeug für die Prozessgestaltung sein kann.
15.5
406 Optimiertes Stack-Design
15 Digitalisierung und Simulation von 405
Wasserstofftechnologien
15.5 Optimiertes Stack-Design

Dieser kurze Überblick skizziert die Bandbreite der Möglichkeiten, die


modellbasierte Ansätze zur Unterstützung der Auslegung von
Elektrolysesystemen und zur Prozessin- tensivierung bieten.

15.5.1 Modellbasierte Simulationsansätze

Modellbasierte Simulationsansätze spielen bei der Entwicklung der


Elektrolyseurtechnologie eine immer größere Rolle. Neue Methoden zur digitalen
Analyse und Optimierung haben das Potenzial, die Effizienz von Zellen und
Stacks zu steigern. Möglich wird dies durch die innovative Kombination von
Modellierungsansätzen aus den Bereichen Fluiddynamik, Multiphysik und poröse
Medien mit Surrogatmodellen und Optimierungsmethoden. Die verschiedenen
Komponenten eines Elektrolyseurs erfordern alle ihre eigenen Ansätze. Diese
möchten wir im Folgenden kurz beleuchten. Das Fraunhofer ITWM hilft mit
eigenen, etablierten Software-Werkzeugen bei der Lösung einzelner
Fragestellungen, entwickelt aber auch neue, maßgeschneiderte Lösungen.
Für die Auslegung der Doppelplatte sind fluiddynamische Kriterien
entscheidend. Dabei wird ein multiphysikalisches Problem simuliert, das Aspekte
der Strömung, der Thermodynamik und der Stoffkonzentration umfasst. Die
Stoffkonzentration ist ein wesentliches Zielkriterium: Bei der PEM-Elektrolyse
beispielsweise muss der produzierte Sauerstoff schnell genug entfernt werden, um
eine Verringerung des Zellwirkungsgrades zu vermeiden. Unser Werkzeug
CASHOCS [23], das ursprünglich für allgemeine Formoptimierungsaufgaben
entwickelt wurde, wird für die Auslegung von Bipolarplatten eingesetzt. Der
Entwurf von fließdynamischen Stapeln wirft ähnliche Fragen auf. Hier ist es
wichtig, eine gleichmäßige Durchströmung aller Zellen ohne größere
Druckverluste zu erreichen.
Im Inneren einer Elektrolysezelle befinden sich poröse Mikrostrukturen. Die
genaue Beschaffenheit dieser Mikrostrukturen hat einen großen Einfluss auf den
Wirkungsgrad der Zelle, wobei die genaue Beziehung zwischen ihnen sehr
komplex ist. Bei der Suche nach neuen Materialien und Strukturen werden
Simulationswerkzeuge eingesetzt, die sich bereits in der Brennstoffzellen- [24]
und Batteriezellenforschung [25] bewährt haben. Die Strömung innerhalb der
porösen Mikrostrukturen wird mit speziellen Modellen simuliert, um einen Bezug
zu den Teer- kriterien herzustellen. Auf dieser Basis kann ein virtuelles
Materialdesign zur Unterstützung der experimentellen Untersuchungen
durchgeführt werden. Insbesondere ermöglicht dieser virtuelle Ansatz einen
detaillierten Blick auf die komplexen Vorgänge innerhalb der Mikrostrukturen.
Dies wäre mit Experimenten allein nicht zu erreichen.
Kommerzielle Fließschemasimulatoren werden in der Regel verwendet, um
eine Gesamtansicht des Elektrolysesystems zu erstellen (Abschnitt 15.4). Die
fluiddynamische Komponente mod-
406 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
Die oben beschriebenen Modelle bieten einen wesentlich höheren
Detaillierungsgrad als die einfacheren Bilanzmodelle, die in
Fließschemasimulatoren verwendet werden. Sie sind jedoch mit einem wesentlich
höheren Berechnungsaufwand verbunden. Eine Lösung hierfür ist ein
Multiskalenansatz unter Verwendung von Surrogatmodellen. Dabei wird das
komplexe Modell auf der Grundlage von Parametersätzen ausgewertet, die in
einem ausgeklügelten Verfahren ausgewählt werden. Das Ergebnis ist ein
Surrogatmodell, das die grundlegende Dynamik des komplexen Modells enthält.
Das Surrogatmodell kann jedoch wesentlich schneller ausgewertet werden.
Anschließend kann das speziell trainierte Surrogatmodell in einen kommerziellen
Flussdiagrammsimulator integriert werden. Sobald ein Fließbildmodell für eine
Elektrolyseanlage vorliegt, kann ein Systemoptimierungsprozess durchgeführt
werden. Der Optimierer hat direkten Zugriff auf das Fließbildmodell und kann die
optimalen Auslegungsparameter ermitteln. So kann zunächst die Auslegung und
Dimensionierung der einzelnen Komponenten optimiert werden. Nach der
Realisierung der Anlage können dann die optimalen Betriebsparameter ermittelt
werden.

15.5.2 Bipolare Plattenkonstruktion

Beispiele für Methoden zur Gestaltung von Bipolarplatten werden im Folgenden


näher vorgestellt. Als Beispiel wird die PEM-Elektrolyse verwendet. Bei diesem
Verfahren wird das Wasser anodenseitig über die Bipolarplatte zugeführt, bevor
es in der Zelle gespalten wird. Der dabei entstehende Sauerstoff muss auf der
Anodenseite entfernt werden, damit der Wirkungsgrad der Zelle nicht sinkt. Aus
diesem Grund muss eine Bipolarplatte gleichmäßig durchströmt werden und darf
keine toten Zonen aufweisen, aus denen der Sauerstoff nicht schnell genug
entweichen kann. Unsere Werkzeuge zur Formoptimierung helfen dabei, diese
Bipolarplatten strömungsgünstig zu gestalten. Die optimierten Geometrien
zeichnen sich durch einen gleichmäßigen Fluss und eine günstigere
Konzentrationsverteilung aus. Im Allgemeinen kann der Druckabfall in der Zelle
durch ein spezielles Design ebenfalls verringert werden. Abb. 15.6 zeigt ein
solches Design.
Die linke Seite von Abb. 15.6 zeigt eine Referenzkonstruktion mit dem Einlass
in der oberen linken Ecke und dem Auslass in der unteren rechten Ecke. Die
verschiedenen Farben zeigen die lokale Strömungsgeschwindigkeit an. In den
unteren linken und oberen rechten Ecken der Referenz-Bipolarplatte gibt es tote
Zonen mit unzureichender Strömung. Diese toten Zonen können einen
begrenzenden Faktor für die Zelleffizienz darstellen. Die rechte Seite der Grafik
zeigt eine optimierte Bipolarplatte. Hier kommen neue Methoden [26] aus dem
Bereich der mathematischen Formoptimierung zum Einsatz. Der Algorithmus des
Fraunhofer ITWM manipuliert die Referenzgeometrie auf raffinierte Weise, bis
das Zielkriterium eines gleichmäßigen Flusses bestmöglich erfüllt ist. Die
15.6 Skalierung und Flexibilisierung durch digitale 407
Transformation
optimierte Bipolarplatte ist dann frei von Totzonen und die Durchströmung aller
Bereiche wird deutlich verbessert. Das neue Design kann dann leicht durch
additive Fertigungsverfahren umgesetzt werden.
408 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien

Abb. 15.6 Zwei Bipolarplatten vor und nach der Formoptimierung. Die blauen Bereiche sind
tote Zonen mit unzureichender Strömung

15.6 Skalierung und Flexibilisierung durch


digitale Transformation

Die spezifische Forschung zum Thema Elektrolyseur- und


Brennstoffzellentechnologie ist ein neues Betätigungsfeld. Es wird eine Vielzahl
neuer Lösungen erwartet, die eine hocheffiziente, kostenoptimierte Produktion
ermöglichen und die Weiterentwicklung von Elektrolyseuren und
Brennstoffzellen erlauben. Zugleich ist der Markt sehr beweglich. Obwohl
erhebliche Wachstumsraten prognostiziert werden, gibt es noch keine ausreichend
detaillierten technischen Lösungen für die Elektrolyseurproduktion. Es ist daher
notwendig, ein agiles, dienstleistungsorientiertes digitales System aufzubauen,
das nicht auf eine bestimmte Technologie festgelegt ist und für unterschiedliche
Mengen skaliert werden kann.
Um dies zu erreichen, wurde im Rahmen des Nationalen Aktionsplans
Brennstoffzellenproduktion und im Verbundprojekt FRHY: Referenzfabrik für
die Elektrolyseur-Massenproduktion eine Plattform konzipiert, die beide Bereiche
miteinander verbindet. Die digitale Referenzarchitektur ist dabei ein wesentlicher
Bestandteil, da sie die verschiedenen Produktionsschritte der Stack-Fertigung
virtuell abbildet und effektiv miteinander verknüpft. Neben der Schaffung von
Synergien sorgt sie auch für eine hohe Reaktionsfähigkeit bei der Abbildung und
Umsetzung neuer technologischer Lösungen. Das virtuelle Mapping dient als
Grundlage für die Entwicklung der digitalen Referenzarchitektur. Dieser
Mapping-Prozess muss bestimmte Vorgaben berücksichtigen, um eine
gemeinsame, übergreifende Analyse zu ermöglichen. Außerdem muss er ein
hohes Maß an Flexibilität bieten, damit die interagierenden Standorte und Partner
des Wertschöpfungsnetzwerks den Stacking-Prozess dynamisch und interoperabel
umsetzen können.
15.6 Skalierung und Flexibilisierung durch digitale 409
Transformation

Abb. 15.7 Vermögensverwaltungsschale und Teilmodelle [27, S. 5]

Der Prozess der virtuellen Abbildung eines Fertigungsprozesses oder eines


Produkts führt zu einem digitalen Zwilling in der Produktion. Die Idee dabei ist,
dass jedes Produkt, das hergestellt wird, einen digitalen Zwilling hat, der von der
ersten Entwurfsphase bis zur Produktionslinie kontinuierlich überwacht und
angepasst werden kann. Dazu ist es zunächst notwendig, alle Maschinen einer
Produktionslinie mit Sensoren auszustatten, die detaillierte Informationen über
den aktuellen Produktionsstatus in Echtzeit an ein Backend senden können. Dort
werden die Daten zusammengeführt und verknüpft. Mit diesen Eingangsdaten
lassen sich Simulationsmodelle erstellen, die den tatsächlichen Prozess
vereinfacht abbilden und gleichzeitig mit physikalischen Modellen die
Eigenschaften des Produktionsprozesses und des entstehenden Produkts oder
Halbzeugs vorhersagen. Damit ist es möglich, die Qualität des
Herstellungsprozesses zu bewerten und die Qualität des Endprodukts
vorherzusagen. Umgekehrt ist es auch möglich, Parametervariationen am
digitalen Zwilling vorzunehmen, so dass der reale Prozess bewertet werden kann,
ohne die Produktion zu unterbrechen oder wertvolle Materialien zu verbrauchen.
Diese neuen Optimierungsmöglichkeiten bieten nicht nur flexible Maßnahmen
zur Qualitätssicherung, sondern stellen auch sicher, dass das eingesetzte Material
vom Halbzeug bis zum fertigen Produkt verfolgt werden kann. Darüber hinaus
tragen sie wesentlich zur Skalierung von Produktionslinien bei.
Die digitale Abbildung von Prozessschritten und Ressourcen in Form von
Material und Infrastruktur ermöglicht nicht nur eine effizientere Nutzung
datengesteuerter Technologien, sondern fördert auch die Interoperabilität im
Allgemeinen. Hierfür müssen gemeinsame Standards implementiert und
ausgebaut werden. Die im Rahmen von Industrie 4.0 entwickelte
Anlagenverwaltungsschale (Abb. 15.7; [27]), die derzeit standardisiert und
weiterentwickelt wird, beinhaltet die Implementierung eines digitalen Zwillings.
410 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
So kann beispielsweise jeder Anlage eine eigene Anlagenverwaltungsschale
zugeordnet werden, die zusammen mit der Anlage eine Industrie 4.0-Komponente
in einer Einheit bildet. Anlagenverwaltungsschalen enthalten Teilmodelle, die
funktionale, domänenspezifische Informationen repräsentieren und eine
einheitliche Sprache zur Beschreibung und zum Austausch auf Basis von
standardisierten Wörterbüchern wie dem ECLASS-Standard oder dem IEC 61360
Com- mon Data Dictionary (CDD) ermöglichen. Vermögensverwaltungsschalen
können passiv in Informationssystemen gespeichert oder aktiv als Teil von
intelligenten Systemen implementiert werden. Letztere stellen ihre Teilmodelle
und die darin enthaltenen Informationen direkt zur Verfügung und sind in der
Lage, über die API-Schnittstelle mit anderen Industrie 4.0-Komponenten zu
kommunizieren. Eine standardkonforme Shell-Infrastruktur für die
Anlagenverwaltung befindet sich derzeit in der Entwicklungs- und Pilotphase.
Die Entwicklung von anwendungsspezifischen und
anwendungsübergreifenden Teilmodellen ist der ideale Ansatz, um die vernetzte
Produktion und die damit verbundenen digitalen Zwillinge effizient umzusetzen.
So können planbare digitale Produktionsmodule bereitgestellt werden, die die
Basis für einen wirtschaftlichen Produktionsprozess bilden. Die digitale
Referenzarchitektur ist das virtuelle Gegenstück zur realen Produktion von
Elektrolyseur- und Brennstoffzellenstapeln. Sie bildet den Rahmen für die
virtuellen Abbilder der dezentralen Produktionsmodule, die innerhalb der
Referenzarchitektur jeweils unterschiedliche Funktionalitäten haben. Als
Einzelelement betrachtet, liefern die digitalen Zwillinge die über den Standard
konfigurierte In- formation (z.B. Technologie, Kosten) für das jeweilige
Produktionsmodul. Mit der digitalen Referenzarchitektur lassen sich somit
einzelne Produktionsmodule, nämlich Maschinen, Anlagen und Prüfmittel,
bewerten und planen. Werden verschiedene Einzelmodule miteinander verknüpft,
entstehen ganze Produktionslinien, so dass Studien in einem viel größeren
Maßstab möglich sind. So lassen sich einzelne Technologien in Bezug auf
Qualität und Skalierbarkeit vergleichen. Auch Produktionsvarianten können
simuliert werden. So lassen sich mögliche Produktionsstrategien zur
Parallelisierung, Automatisierung und integrativen, kontinuierlichen Produktion
vergleichen und bewerten. Damit ist nicht nur eine validierte Hochrechnung der
Investitionskosten möglich, sondern auch eine solche des Return on Investment
bezogen auf das geplante Produktionsvolumen. Die Referenzarchitektur erlaubt
auch die Verknüpfung von Produktionslinien zu einer kompletten
Wertschöpfungskette. Dies ermöglicht eine Bewertung sowohl der vertikalen
Integration als auch des Bedarfs an Zulieferern. Darüber hinaus können Aspekte
der Fabrikplanung bewertet werden, was wiederum die Entwicklung eines
ganzheitlichen Energiemodells ermöglicht, das alle Energieträger als
Voraussetzung für eine ressourceneffiziente Produktion umfasst.
15.6 Skalierung und Flexibilisierung durch digitale 411
Transformation
15.7 Simulationsgestützter Entwurf von Wasserstoffinfrastrukturen

Aufgrund der spezifischen Materialeigenschaften von Wasserstoff ist sowohl die


Entwicklung sicherer Technologien als auch die projektspezifische Bewertung
des Sicherheitsrisikos von Wasserstoffanwendungen ein wichtiges Thema in
Forschung und Industrie. Insbesondere die Anwendung von
Wasserstofftechnologien im urbanen Umfeld erfordert die Berücksichtigung
völlig neuer Szenarien, Simulationsmodelle spielen hier als Vorhersageinstrument
eine wichtige Rolle. Die funktionale Sicherheit von so komplexen Systemen wie
zukünftigen Wasserstoffinfrastrukturen ist sehr wichtig. Funktionale Sicherheit
befasst sich mit der Minimierung der Wahrscheinlichkeit von gefährlichen
Fehlern und kann mit Hilfe von Systemsimulationen erreicht werden. Die
Bandbreite der funktionalen Sicherheit reicht von der Analyse zufälliger Fehler
durch die digitale Fehlerbaumanalyse (FTA) bis hin zur Erkennung
systematischer Fehler durch das automatisierte Testen von digitalen Zwillingen.
Methoden der funktionalen Sicherheit können Fehler- und Unfallszenarien
nicht vollständig ausschließen. Aus diesem Grund ist die Durchführung von
Risikobewertungen im Schadensfall ein wichtiger Teil der
Sicherheitsbetrachtungen. Als brennbares Gas kann Wasserstoff explosive
Atmosphären bilden, wenn er in die Umgebungsluft freigesetzt wird. Das Prinzip
eines bestimmten Prozesses kann die Freisetzung von Wasserstoff erfordern (z. B.
die Boil-Off-Phase bei der kryogenen Speicherung); andernfalls kann es zu einer
Freisetzung durch Beschädigung von Rohrleitungen, Armaturen und
Lagerbehältern kommen. Mit Hilfe von dreidimensionalen, instationären
Ausbreitungssimulationen lassen sich verschiedenste Freisetzungsszenarien
bewerten und adäquate Schutzmaßnahmen entwickeln, um die Bildung
explosionsfähiger Atmosphären zu verhindern. Ein Beispiel ist das Fraunhofer
ICT-Modell zur Wasserstoffausbreitung in geschlossenen Räumen, das auf der
Basis des Fire Dynamics Simula- tor (FDS) entwickelt wurde. Das Modell
ermöglicht die Bestimmung der Wasserstoffkonzentration mit räumlicher und
zeitlicher Auflösung für eine Vielzahl von Freisetzungsszenarien. Als
Eingangsdaten benötigt das Modell Leckageparameter wie die Dauer der
Leckage, die Freisetzungsrate und die Temperatur des Mediums sowie äußere
Bedingungen wie die Geometrie des Raumes und technische
Lüftungsmaßnahmen. Aus den detaillierten Simulationsergebnissen dieses
Modells lassen sich bauliche und technische Schutzmaßnahmen entwickeln und
deren Wirksamkeit abschätzen. Das Modell ermöglicht auch die Durchführung
von Fehlerkontrollen. So ist es beispielsweise möglich, Systeme zu simulieren,
die Wasserstoffsensoren und lüftungstechnische Maßnahmen kombinieren. Damit
ist es möglich, die erforderliche Dimensionierung der Lüftung zu spezifizieren
und geeignete Alarmschwellen für Gaswarnanlagen festzulegen. Das Modell
eignet sich für die sicherheitstechnische Auslegung von Neuanlagen und
bestehenden Anlagen.
Objekte. Abb. 15.8 zeigt die Anwendung des Modells in einer Tiefgarage mit
412 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
technischen Lüftungsanlagen, die bisher vornehmlich für die Be- und Entlüftung
eingesetzt wurden.
15.7 Simulationsgestützter Entwurf von Wasserstoffinfrastrukturen 411

Abb. 15.8 Simulation eines Wasserstofflecks aus einem FCEV in einer Tiefgarage. Blau:
Volumetrische Darstellung der Wasserstoffkonzentration. Rot: Strömungsfeld,
hauptsächlich beeinflusst durch technische Lüftungsanlagen

für den Rauchabzug bei Brandausbrüchen. Anhand der Simulation kann


untersucht werden, inwieweit dieses Rauch- und Wärmeabzugssystem in
Verbindung mit entsprechenden Wasserstoffsensoren geeignet ist, gefährliche
explosionsfähige Atmosphären zu verhindern.
Das Modell wurde speziell für die Anwendung unter atmosphärischen
Bedingungen entwickelt, bei denen geringe Druckunterschiede und niedrige
Machzahlen (< 0,3 Ma) zu erwarten sind. Dies schränkt zwar den
Anwendungsbereich auf die entsprechenden Freisetzungsszenarien ein, führt aber
zu einer deutlichen Verkürzung der Simulationszeit durch diese Annahmen. Dies
ermöglicht detaillierte Betrachtungen bei großen Bauprojekten, wie z.B.
Sonderbauten, Industriebauten und ganzen Wohnsiedlungen.
Wenn eine Entzündung des Wasserstoffs nicht ausgeschlossen werden kann,
ist es auch möglich, die mechanischen und thermischen Auswirkungen auf die
Umgebung durch eine Simulation zu analysieren. Die Simulation von Brand- und
Explosionsereignissen erfordert eine Kombination von reaktionskinetischen und
fluiddynamischen Modellen, was die Komplexität im Vergleich zu einfachen
Ausbreitungssimulationen erheblich erhöht. Deshalb werden in solchen Modellen
oft vereinfachende Annahmen getroffen, die den Rechenaufwand in einem
akzeptablen Rahmen halten [28]. Der aus diesen Vereinfachungen resultierende
Präzisionsverlust muss bei Sicherheitsbetrachtungen durch einen erhöhten
Sicherheitsfaktor berücksichtigt werden.
Modelle, die zur Bewertung der Sicherheit eingesetzt werden sollen, müssen
gründlich überprüft und validiert werden. Aus diesem Grund wurde ein Leitfaden
für die Bewertung von Simulationsmodellen in der Praxis erstellt
412 15 Digitalisierung und Simulation von
Wasserstofftechnologien
der Wasserstoffsicherheit wurde im Rahmen des SUSANA-Projekts entwickelt.
Das Projekt bietet eine Datenbank zur Verifizierung sowie eine Sammlung
relevanter Literatur mit Beispielen für die Validierung [29].

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