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ENT WICKLUNG  Gemis chbildung

Direkteinblassysteme
für Wasserstoffmotoren
© BorgWarner

Auf dem Weg zu einer lokal emissionsfreien Mobilität stellen Wasserstoffverbrennungsmotoren eine effi­
ziente und wirtschaftliche Alternative dar. Anwendungsgebiete mit hohem Leistungs- und Energiebedarf,
wie leichte und schwere Nutzfahrzeuge, eignen sich besonders für die Umstellung auf Wasserstoffbetrieb,
um Emissions- und CO2-Ziele zu erreichen. Das vorliegende, von BorgWarner entwickelte Wasserstoff-
Direkteinblassystem erfüllt die Leistungsanforderungen dieser Motoren und ermöglicht eine robuste,
saubere und effiziente Verbrennung in einer Vielzahl von Anwendungen.

g Etwa 11 % der weltweiten energie- dige Dekarbonisierung von Lastkraftwa- motor (Hydrogen Internal Com­bustion
bedingten CO2-Emissionen stammen von gen ist weiterhin in Diskussion. Derzeit Engine, H2ICE). Einige wichtige Leis-
Pkw und 7 % von Nutzfahrzeugen (Nfz). werden umfangreiche Investitionen in tungskennzahlen für diese unterschied­
Trotz anhaltender Bemühungen zur Sen- den Umbau der Energieinfrastruktur lichen Antriebsarten werden in BILD 1
kung des Kraftstoffverbrauchs steigt die- getätigt, um sowohl batterieelektrische an­­­hand einer 40-t-Schwerlastanwen-
ser CO2-Ausstoß tendenziell weiter [1]. als auch wasserstoffbetriebene Fahr- dung mit 800 km Reichweite verglichen.
Um den Transportsektor zu dekarboni- zeuge zu fördern [3]. Ein Vorteil von Fahrzeugen mit
sieren, sind ein grundlegender Wandel H2-Antrieb ist ihr geringes Gewicht im
und die Abschaffung fossiler Kraftstoffe Vergleich zu batterieelektrischen Fahr-
CO 2-NEUTRALE ANTRIEBSOPTIONEN
als primäre Energiequelle erforderlich. zeugen (Battery Electric Vehicles, BEVs).
Kürzlich wurden anspruchsvolle EU- Die drei wichtigsten CO2-neutralen Op­­ Das vergrößert sowohl die Energieeffizi-
Zielsetzungen für Pkw und leichte Nfz tionen für Fahrzeugantriebe sind der enz des Fahrzeugs als auch die Nutzlast.
vorgeschlagen, demzufolge bis zum Jahr batterieelektrische Antrieb, die Wasser- Darüber hinaus können H2-Schwerlast-
2035 kein Kohlenstoffdioxid mehr ausge- stoffbrennstoffzelle (Hydrogen Fuel Cell, fahrzeuge in etwa 20 min vollständig
stoßen werden soll [2], und die vollstän- H2FC) und der Wasserstoffverbrennungs- betankt werden, während dies bei BEV
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AUTOREN

Gavin Dober, PhD Dr.-Ing. Guy Hoffmann Laurent Doradoux Guillaume Meissonnier
ist Manager Combustion ist Chief Engineer Advanced ist Advanced Gasoline ist FIE Systems Chief Engineer
and Systems Analysis (Hydrogen Gasoline Components and Components Engineering bei der BorgWarner Inc.
and GDi) bei der BorgWarner Inc. Simulation bei der BorgWarner Inc. Manager bei der BorgWarner in Blois (Frankreich).
in Bascharage (Luxemburg). in Bascharage (Luxemburg). Inc. in Blois (Frankreich).

selbst bei einer Höchstladeleistung von WtW-direkt-Szenario belegt erneut die kungsgrad nach dem Schließen des Ein-
1 MW fast 2 h dauert. hohe Effizienz batterieelek­t rischer im lassventils nicht mehr beeinflusst. Außer-
Die sogenannte Tank-to-Wheel(TtW)- Vergleich zu H2-Antrieben. Für Anwen- dem kann bei einer DI kein Kraftstoff
Kraftstoffeffizienz, also die Wirkungs- dungsfälle, in denen ein bedarfsgerech- in das Einlasssystem gelangen. Rück­
gradkette von der Zapfsäule bis zum tes Aufladen erforderlich ist oder ein zündungen, ein bekanntes Risiko bei
Rad, zeigt, basierend auf aktuellen hoher Anteil der Energie indirekt bezo- H2ICEs, sind daher ausgeschlossen.
Daten [4-6], einen um ~ 10 % höheren gen wird, bieten H2- und BEV-Antriebe Das Druckniveau des Einblassystems
relativen Wirkungsgrad der H2FC- gegen- eine sehr ähnliche Gesamteffizienz. be­­einflusst sowohl Einblasrate als auch
über der H2ICE-Technik, wobei beide Einblasfenster. Höhere Drücke ermög­
H2-Systeme etwa halb so effizient sind lichen spätere Einblaszeiten und höhere
ÜBERSICHT ÜBER DAS
wie ein batterieelektrischer Antrieb. In Massenströme. Der höhere erforderliche
WASSERSTOFFEINBLASSYSTEM
BILD 1 sind zwei Szenarien für die Effizi- Gasdruck verringert allerdings die Fahr-
enz „von der Quelle bis zum Rad“ (Well- Das Wasserstoffeinblassystem ist ent- zeugreichweite, die sich dann mit einem
to-Wheel, WtW) dargestellt. Dabei wird scheidend für die Leistung eines Wasser- zusätzlichen Kompressor im Gassystem
die Annahme getroffen, dass die elektri- stoffverbrennungsmotors. BILD 2 veran- wieder vergrößern lässt. Bei einer Direkt-
sche Energie entweder direkt (WtW schaulicht die Optionen für die System- einblasung mit frühen Einblaszeiten
direkt) oder indirekt durch Zwischen- architektur unter Berücksichtigung des durch ein Mitteldrucksystem (< 50 bar)
speicherung in Form von Wasserstoff Systemdrucks und der Lage der Einblas- ist die Auswirkung auf die Reichweite
genutzt wird (WtW indirekt), bevor das düsen im Motor. Durch die Einblasung des Fahrzeugs gering, ein Kompressor
Fahrzeug aufgeladen wird. Die WtW- in das Saugrohr kann unter stöchiome­ ist nicht erforderlich. Wird die Direktein-
Analyse berücksichtigt die Effizienz der trischen Bedingungen bis zu 30 % des blasung hin zu späteren Kurbelwinkel-
H2-Herstellung, der Speicherung und des Frischgases verdrängt werden, was den graden verschoben, werden höhere Drü-
Transports sowie die Verluste bei der volumetrischen Wirkungsgrad und die cke (> 150 bar) benötigt, und es muss
Energieumwandlung von elektrischer Leistung verringert. Im Gegensatz dazu ein Kompressor hinzugefügt werden.
Energie in Wasserstoff und bei der wird mit einer Direkteinblasung (Direct Eine Hochdruckeinblasung bietet
Rückumwandlung. Das dargestellte Injection, DI) der volume­t rische Wir- den Vorteil eines größeren thermischen

BILD 1 Wichtige Leistungsindikatoren für CO2-freie Antriebsstränge (40-t-Nfz, Langstreckenbetrieb, Reichweite 800 km, H2-Druck 500 bar, H2-Massenstrom 3,6
kg/min, Spitzenladestrom 1 MW) (© BorgWarner)

MTZ 12|2021   82. Jahrgang 61
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BILD 2 Systemarchitekturoptio-
nen für gasförmige Kraftstoffe
(© BorgWarner)

Wirkungsgrads durch geringere Kom- Balance zwischen Systemkomplexität, BorgWarner hat zwei Gasinjektoren
pressionsarbeit des Kolbens, eine höhere Emissionen und Verbrennungsregelung. für die Wasserstoff-Direktblasung (DI-
Klopffestigkeit und erlaubt höhere Kom- CHG) im mittleren Druckbereich ent­
pressionsraten. Selbst unter Berücksichti- wickelt, um den erforderlichen Durch-
GASINJEKTOR
gung des Energiebedarfs des Kompres- fluss- und Leistungsbereich abzudecken.
sors dürfte sich der thermische Wir­kungs­­ Aufgrund der geringeren Dichte von H2 Der DI-CHG10-Injektor ist dabei von den
grad des Motors spürbar verbes­­sern. im Vergleich zu Diesel- und Benzinkraft- Abmessungen mit den aktuellen 7,5-mm-
Aller­dings verkürzt die späte Hochdruck- stoff werden neue Lösungen im Bereich Einspritzdüsen der Otto­motor-Direktein­
einblasung die Zeit für die Gemischbil- der Einblastechnik benötigt, um die spritzung kompatibel und für Leistungen
dung, was die Gemischhomogenität ver- Anforderungen an die Durchflussrate bis 60 kW/Zylinder ausgelegt. Das grö-
ringert und die NOx-Emissionen erhöht. und den Bauraum zu erfüllen. BILD 3 ßere Einblasventil, DI-CHG15, erweitert
BorgWarner entwickelt derzeit Lösun- zeigt den erforderlichen Wasserstoff- das Leistungspotenzial mit einem Dü­­
gen für den gesamten Druckbereich der durchfluss, um die angestrebte Motor- sendurchmesser von 9,8 mm auf bis zu
H2-Einblasung. Für erste H2ICE-Anwen- leistung unter Annahme einer Mittel- 90 kW/Zylinder für Nfz-Anwendungen.
dungen bietet der Ansatz mit Mitteldruck- druck-Direkteinblasung und eines Ein- Die Gasinjektoren werden mit einem
Direkteinblasung allerdings eine gute spritzfensters von 100 °KW zu erreichen. nach außen öffnenden, direkt angetrie-

BILD 3 Gasinjektordurchfluss und


Motorleistung (© BorgWarner)

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benen Spulenventil ausgerüstet, damit BILD 4 Mitteldruckinjektor DI-CHG15 von BorgWarner (© BorgWarner)
der erforderliche große Durchfluss
erreicht und eine gute Abdichtung der
Düse bei hohen Brennraumdrücken
gewährleistet wird. Um die erforderli-
che Motorleistung zu erzielen und die
Gemischbildung zu verbessern, wird der
interne Druckabfall minimiert, BILD 4.
Mithilfe optimierter Mate­r ialien und
Beschichtungen wird die Haltbarkeit
des Einblassystems erhöht und eine
etwaige H2-Versprödung ins­besondere
in Bereichen mit hohen Zug- und Druck-
spannungen vermieden.
Die minimalen Durchflussanforde­
rungen können entweder durch eine
Druckmodulation, bei der der gesamte
dynamische Auslastungsbereich der
Motoranwendung durch den linearen
Durchfluss­bereich der Einblasdüse
abgedeckt wird, oder durch eine soft- MOTORSTEUERUNG als auch magere Verbrennungsein­
waregestützte Steuerung des Einblas­ stellungen sowie eine Vielzahl von
systems im transienten und im ballis­ Ein generisches H2ICE-Softwarepa- Betriebs­variationen des Motorsystems.
tischen Betriebsbereich erreicht werden. ket und ein Steuergerät wurden unter So er­­laubt das Steuergerät Erweiterun-
Die Nutzung des ballistischen Bereichs Verwendung bestehender Software­ gen im Bereich des Ladedrucksystems,
in Kombination mit einem konstanten module der Otto- und Dieselmotor­ der Abgasrückführung (AGR), der
Einblasdruck bietet den Vorteil, dass systeme in Kombination mit neuen Wassereinspritzung sowie der Zünd-
sowohl die Komplexität des H2-Systems H2-Modulen entwickelt. Die Motor­ und Klopferkennung.
als auch der Druckabfall reduziert wer- steuerung ist modellbasiert und er­­ Die Steuerung des H2-Systems er­­
den können. möglicht sowohl stöchiometrische fordert eine Optimierung der Einblas­

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MTZ 12|2021   82. Jahrgang 63
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BILD 5 Gasstrahlbildung in der Visu­


alisierungskammer: Auswirkung des
Strahldeflektors und Vergleich mit
CFD-Ergebnissen (© BorgWarner)

düsenansteuerung, um den besten ERGEBNISSE DER lität als auch zukünftige Emissions­
Kom­promiss zwischen Magnetkraft, VERBRENNUNGSUNTERSUCHUNGEN vorschriften einzuhalten. Das DI-CHG-
Ener­gieverbrauch und Dynamik des Einblassystem von BorgWarner erfüllt
Einblas­systems zu erreichen. Der ge­­ Zur Unterstützung der Entwicklung des dabei die Anforderungen an H2ICEs
schlossene Regelkreis basiert auf Stra­ Wasserstoffsystems wurde ein 1,5-l-Vier- bezüglich hoher Durchflusskapazität,
tegien der Otto-Direkteinspritzung  zylinder-Ottomotor mit Direkteinsprit- optimaler Gemischbildung, flexibler
und ermöglicht den Ausgleich von Bau- zung für den Betrieb mit H2 umgerüstet. Einbauposition und funktionsopti­
teilabweichungen und -veränderungen Dazu wurde das DI-CHG-System instal- mierter Steuerung.
über die gesamte Lebensdauer. liert und das Einblas-Gasvolumen für
eine stabile Druckregelung erhöht. Die LITERATURHINWEISE
Motorergebnisse in [7] verdeutlichen [1] IEA (Hrsg.): Transport sector CO 2 emissions
GEMISCHBILDUNG by mode in the Sustainable Development Scenario.
den weiten Entflammungsbereich der Online: https://www.iea.org/data-and-statistics,
Die Bildung des Luft-Kraftstoff-Ge­­ H2-Verbrennung in einem beispielhaften aufgerufen: 22. November 2019
mischs ist ein entscheidender Prozess Betriebspunkt mit mittlerer Drehzahl [2] European Commission (Hrsg.): 2021/0197
zur Optimierung der Verbrennungs­ und Last. Ein magerer Betrieb reduziert (COD) - Proposal for Amendment to regulation EU
2019/631. Online: https://ec.europa.eu, aufgerufen:
leistung. Da Einblasdüsenposition die Verbrennungsrate und das -geräusch, 14. Juli 2021
und Luftladungsbewegung bei jedem erhöht den Wirkungsgrad und eliminiert [3] v. Wijk, A.; Chatzimarkakis, J.: Green Hydrogen
Motor unterschiedlich sind, wurde in die NOx-Emissionen nahezu vollständig. for a European Green Deal - A 2x40GW Initiative.
Online: https://www.hydrogeneurope.eu/wp-content/
das Einblassystem eine Funktion zur Auch liegen die kohlenstoffbasierten
uploads/2021/05/Hydrogen-Europe_2x40-GW-
Steuerung der Gasstrahlausrichtung Emissionen unter Betrachtung der typi- Green-H 2-Initative-Paper.pdf, aufgerufen: 5. Sep­
integriert, mit der sich die Homoge­ schen Kraftstoffverbräuche um mehrere tember 2021
nität des Gemischs verbessern lässt. Größenordnungen unter denen von [4] Walters, M.; Dirkes, S.: Fuel Cell Systems for
Heavy Duty Applications: From Concept to System
Die Ausbildung des Wasserstoffstrahls Otto- und Dieselmotoren und sind nahe
Validation. Tagung SIA Powertrain and Energy,
mit und ohne Deflektor ist in BILD 5 der Nachweisgrenze. Für die meisten Rouen, Frankreich, 2020
(links) dargestellt. Über die nume­rische Betriebsbedingungen wird ein hervor­ [5] Herold, K. et al.: Cost Optimization of E-Drives
Strömungsmechanik (Computa­t ional ragender Wirkungsgrad erreicht, wäh- for Traction. 29. Aachen Colloquium Sustainable
Mobility, Aachen, 2020
Fluid Dynamics, CFD) lässt sich der Gas- rend die Abgasemissionen des Motors [6] Korn, T.: The Most Efficient Way for CO 2 Re­­
strahl berechnen, insbesondere kann zusätzlich weit unter den gesetzlichen duction: the New Generation of Hydrogen Internal
auf diese Weise die Gemischbildung Grenzwerten liegen. Combustion Engines. 41. Internationales Wiener
Motorensymposium, Wien, 2020
im Zylinder untersucht werden. BILD 5
[7] Hoffmann, G. et al.: BorgWarner’s Injection
(rechts) zeigt eine mögliche Verbesse- System Solutions for Natural Gas and Hydrogen.
SCHLUSSFOLGERUNG
rung der Homogenität des Gasgemischs 30. Aachen Colloquium Sustainable Mobility,
im Zylinder bei niedrigen Drehzahlen Wasserstoffverbrennungsmotoren stellen Aachen, 2021

und hoher Last durch den Einsatz eines für viele Anwendungen eine attraktive
Strahldeflektors, was für die Minimie- Antriebslösung dar, um die erforderliche
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rung der NOx-Emissionen von entschei- Dekarbonisierung des Automobilsektors Test now for 30 days free of charge:
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