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7 Kombinationskraftwerke
(Gas- und Dampf-Kraftwerke)
Die Gründe, aus denen Energieversorgungsunternehmen zunehmend Kombinationskraftwerke
aus Gasturbinen und Dampfkraftwerken (auch Kombikraftwerke oder Gas- und Dampfturbi-
nen GuD®1 genannt) beim Zubau von Kraftwerkskapazitäten bevorzugen, sind vielfältig:
x Höchste thermische Wirkungsgrade bis 60 %
x Geringe CO2-Emission
x Geringe Brennstoffkosten trotz Einsatz der hochwertigen fluiden Brennstoffe Erdgas oder
Heizöl
x Geringe spezifische Investitionskosten
x Kurze Bauzeiten
x Leistungseinheiten von ca. 50 MW bis über 1000 MW
x Hohe Flexibilität
x Geringe Schadstoff- und Lärmemissionen
x Hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung

Bei Dampfkraftwerken ist das obere Temperaturniveau derzeit aus wirtschaftlichen und ther-
modynamischen Gründen auf etwa 550 °C bis 600 °C beschränkt. Demgegenüber erreichen
moderne stationäre Gasturbinenanlagen Turbineneintrittstemperaturen von deutlich über
1000 °C, was Abgastemperaturen über 500 °C ergibt. Es bietet sich an, mit dem Abgasstrom
der Gasturbine einen Dampfkraftwerksprozess mittels eines Abhitzekessels zu „beheizen“.
Bild 7.1 zeigt die prinzipielle Schaltung einer Anlage,
bei der der Dampfkraftwerksprozess allein durch die
Gasturbinenabgase beheizt wird.Ein derartiges Kom-
bikraftwerk vereinigt den thermodynamischen Vorteil
der Gasturbine, d.h. Wärmezufuhr bei hoher Tempera-
tur, mit dem des Dampfkraftwerks, also Wärmeabfuhr
bei niedriger Temperatur. Der wärmeabgebende Pro-
zess wird im angelsächsischem Sprachraum mit Top-
ping Cycle und der wärmeaufnehmende mit Bottom-
ing Cycle bezeichnet.

Bild 7.1:
Prinzipieller Wärmeschaltplan eines Kombinationskraft-
werkes

Alte Dampfkraftwerke können mit der Umrüstung durch Gasturbinen und Abhitzekessel zu
Kombikraftwerken konvertiert werden. Dies wurde beispielsweise bei dem nicht fertiggestell-
ten und umgebauten Kernkraftwerk in Midland (Michigan/ USA) gemacht, wo 12 Gasturbinen

1 GuD eingetragenes Warenzeichen der Siemens AG, Geschäftsbereich KWU


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mit jeweils 85 MWel über Abhitzekessel den damals fertiggestellten Dampfturbosatz speisen,
der 360 MWel liefert. Die elektrische Volllastleistung dieses großen Kombikraftwerks beträgt
1.380 MWel.
Die Gasturbinen der Kombikraftwerke werden zunehmend mit Erdgas befeuert und sind des-
halb umweltfreundlich, da Erdgas zum einen hohen Wasserstoffanteil hat und zum anderen
diese Kombianlagen einen hohen thermischen Wirkungsgrad aufweisen, was eine besonders
geringe spezifische CO2-Emission ergibt. Gasturbinen sind derzeit relativ preiswert, was spezi-
fische Anlagenkosten für Kombianlagen um 500 Euro pro installiertem elektrischem Kilowatt
erreichen lässt (1999). Kombikraftwerke eignen sich auch zur Kraft-Wärme-Kopplung und zur
Meerwasserentsalzung. Insbesondere, wenn mehrere Gasturbinen in einem Kombikraftwerk
Verwendung finden, ist eine höchst flexible Betriebsweise realisierbar.

7.1 Schaltungsmöglichkeiten

Bild 7.2: Weitere Schaltungen von Gas- und Dampfkraftwerken

Es gibt eine Vielzahl von Schaltungsmöglichkeiten, wie Bild


7.2 als Ergänzung zu Bild 7.1 nur unvollständig andeutet.
In Bild 7.2 a) ist der Dampferzeuger in der Gasturbinenbrenn-
kammer integriert. Man spricht vom aufgeladenen Dampfer-
zeuger. Das Rauchgas gibt einen Teil seines Wärmeinhalts zur
Dampferzeugung und Überhitzung ab und tritt dann in die Gas-
turbine ein. Da die Turbineneintrittstemperatur für einen guten
Wirkungsgrad der Gasturbine hoch sein muss, ist eine hohe
Temperaturspreizung mit Exergieverlust bei der Dampferzeu-
gung in Kauf zu nehmen. Falls die heissen Abgase der Gastur-
bine wie in Bild 7.2 a) nur für die Speisewasservorwärmung
genutzt werden, ergeben sich weitere Exergieverluste. Die
Kosten eines aufgeladenen Dampferzeugers sind hoch, weshalb
derzeit nur Pilotanlagen realisiert sind.
7.2 Prinzipielle Zusammenhänge 135

Im Beispiel Bild 7.2 b) dient das heiße Gasturbinenabgas als Sauerstofflieferant für die Kohle-
verbrennung in einem Dampferzeuger. Das Gasturbinenabgas hat ca. 16 % Vol.-% Sauerstoff-
gehalt, was für Verbrennungsvorgänge ausreicht. Die Leistungsaufteilung von Gasturbine zu
Dampfkraftwerk beträgt etwa 1:4. Die Verbesserung des gesamten Wirkungsgrades um 1 % ist
gering. Diese Schaltung hat wenig Bedeutung.
Bei der Anlage gemäß Bild 7.2 c) wird das Abgas der Gasturbine zur Speisewasservorwär-
mung einer Dampfanlage genutzt. Hierbei wird zwar die Abgasenergie genutzt, aber durch die
hohe Temperaturspreizung zwischen Speisewasser und Abgas ist die Erhöhung des Gesamt-
wirkungsgrades wegen des Exergieverlustes gering. Die Leistung der Gasturbine ist hier ge-
genüber dem Dampfkraftwerk niedrig.
Die Kohlevorräte sind ungleich größer als die der fluiden fossilen Energieträger, so dass ver-
sucht wird, Kohle als Brennstoff für Kombikraftwerke einzusetzen. Bild 7.2 d) ist eine Schal-
tung mit einer aufgeladenen Wirbelschichtfeuerung für Kohle. Der Dampferzeuger ist in der
Druck-Wirbelschicht integriert, vgl. Bild 7.2 a). Die Rauchgase müssen vor Eintritt in die
Gasturbinenbeschaufelung von Partikeln (Asche) und gasförmigen Schadstoffen wie Schwefel
und Metallverbindungen befreit werden. Diese Heissgasreinigung ist die technische Heraus-
forderung, die es bei der Kohlenutzung für Gasturbinen zu bewältigen gilt. Die Nutzung der
Kohle in Gasturbinen ist in Kap. 6 näher erläutert.
In Bild 7.2 e) wird die Dampfturbine mit einem konventionell befeuerten Dampferzeuger und
dem Abhitzekessel einer Gasturbine gespeist [7.2]. Eine derartige Kombination, auch als Ver-
bundprozess bezeichnet, bietet eine höchst flexible Fahrweise insbesondere für die Kraft-
Wärme-Kopplung.
Da die in Bild 7.2 gezeigten Schaltungen trotz hohem technischem Aufwand keine überragen-
den Verbesserungen des thermischen Wirkungsgrades erwarten lassen, werden sie nicht weiter
vertieft. Allerdings sind derartige Anlagen für die Kraft-Wärme-Kopplung und für Verbesse-
rungen bestehender Anlagen bedeutend. Nur die für die reine Stromerzeugung wirtschaftlich
bedeutende Kombination, bei der das Gasturbinenabgas als Wärmequelle für das Dampfkraft-
werk entsprechend Bild 7.1 dient, wird im Folgenden behandelt.

7.2 Prinzipielle Zusammenhänge


Der Gesamtwirkungsgrad Kth,Ges einer Kombianlage ohne Zusatzfeuerung, bei der nur die
 =Q
Gasturbinenabwärme zur Beheizung des Dampfkraftprozesses dient ( Q  GT ), führt auf
zu
 GT + PGT / Q
 = PDT / Q
Kth,Ges = (PDT + PGT) / Q  GT = PDT / Q
 GT + KthGT Gl. 7.1
zu

Die isolierte Betrachtung der beiden Prozesse liefert für den thermischen Wirkungsgrad der
Gasturbine KthGT
 GT = ( Q
KthGT = PGT / Q  GT – Q
 Abgas ) / Q
 GT Gl. 7.2
Die Dampfturbine wird durch den Abgaswärmestrom Q  Abgas beheizt, so dass für den Wir-
kungsgrad ȘDT des Bottoming Cycles die Definition eingeführt wird:
 Abgas
KDT = PDT / Q Gl. 7.3
Dieser so definierte Wirkungsgrad ist nicht mit dem thermischen Wirkungsgrad Kth DTdes
Clausius-Rankine-Prozesses zu verwechseln, denn Q Abgas ist nicht die dem Prozess zugeführte
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Wärme. Q  Abgas ist größer als der dem nachgeschalteten Dampfkraftwerk zugeführte Wärme-
 DT
strom Q zu , da nur ein Teil des Abgas-Wärmestroms der Gasturbine als Wärme für den Bot-
toming Cycle genutzt wird. Aus Gl. 7.2 folgt
 Abgas = Q
Q  GT (1 – KthGT) Gl. 7.4
Gln. 7.4 und 7.3 führen auf:
 GT (1 – KthGT)], umgeformt:
KDT = PDT / [ Q
 GT = KDT (1 – KthGT)
PDT / Q Gl. 7.5
Gl. 7.5 in Gl. 7.1 eingesetzt führt auf
Kth,Ges = KDT (1 – KthGT) + KthGT , umgeformt auf
Kth,Ges = KthGT + KDT (1 – KthGT) Gl. 7.6

Der thermische Wirkungsgrad der Gasturbinenanlage KthGT hat direkten Einfluss auf den Ge-
samtwirkungsgrad Kth,Ges, wobei sich durch die unterschiedlichen Vorzeichen ein gegenläufi-
ger Effekt einstellt. Eine Verbesserung von Kth,Ges ist nur zu erwarten, wenn die Ungleichung
der partiellen Ableitung
˜Kth,Ges/˜KthGT > 0 Gl. 7.7
erfüllt ist (Bild 7.3). Die Ableitung ist leicht durchzuführen:
˜Kth,Ges/˜KthGT = 1 + dKDT/dKthGT (1 – KthGT) + KDT (– 1) Gl. 7.8
Damit folgt die Ungleichung:
– KDT/KthGT < (1 – KDT) / (1 – KthGT) Gl. 7.9

Bild 7.3:
Thermischer Gesamtwirkungsgrad Kth = Kth,Ges über dem der Gasturbine
KthGT

Solange diese Ungleichung eingehalten ist, steigt der thermische Gesamtwirkungsgrad Kth,Ges.
Eine Verbesserung von KthGT ist also nur sinnvoll, wenn ȘDT nicht zu stark sinkt. Eine Verbes-
serung von KthGT geht oft mit der Senkung der Abgastemperatur T4 einher. Daraus folgt, dass
die Frischdampftemperatur TFD und der Frischdampfdruck pFD des DKW reduziert werden,
d.h. ȘDT sinkt.

Beispiel:
Wie bekannt ist, steigt der thermische Wirkungsgrad KthGT des Joule-Brayton-Prozesses durch
Erhöhung des Druckverhältnisses S. Andererseits sinkt, wie in Bild 7.4 veranschaulicht, durch
die Druckerhöhung bei gleichem T3,max die Abgastemperatur T4´ der Gasturbine GT. Eine
höhere Abgastemperatur T4ZE ist allerdings durch eine zusätzliche Zwischenerhitzung ZE
selbst mit hohem Druckverhältnis erreichbar. Je höher die Abgastemperatur T4 der GT ist,
7.3 Eindruckprozess 137

desto besser ist es für den Dampfprozess und somit für ȘDT. Die Zwischenerhitzung ist bei den
GT 26 und GT 24 realisiert [7.3, 7.4], was sie in besonderer Weise für Kombianlagen geeignet
machen.

Bild 7.4:
Zusammenhang zwischen Druckverhältnis bzw.
Zwischenüberhitzung und Abgastemperatur

7.3 Eindruckprozess
Das heiße Abgas der Gasturbine soll ohne Zusatzfeuerung die Speisewasservorwärmung, Ver-
dampfung und Überhitzung für das nachgeschaltete Dampfkraftwerk bewältigen. Für den
Abhitzekessel bietet sich das Gegenstromprinzip an. Das Abgas darf wegen seines Taupunktes
und des noch notwendigen Auftriebs im Kamin eine gewisse Temperatur, abhängig vom
Schwefelgehalt des Brennstoffs, nicht unterschreiten. Um diese Temperatur nicht zu unter-
schreiten, ist eventuell eine regenerative Speisewasservorwärmung wie bei konventionellen
Dampfkraftwerken vorzusehen. Bild 7.5 zeigt das idealisierte Temperatur-Wärmestrom-Dia-
gramm im Abhitzekessel.

Bild 7.5:
Temperatur-Wärmestrom-
Diagramm im Abhitzekessel ohne
Zusatzfeuerung
DT: Dampfprozess
GT: Gasturbinenprozess

Der Druckverlust in der Verdampferstrecke mit entsprechender Abnahme der Sättigungstem-


peratur ist nicht berücksichtigt. Das Wasser durchläuft einen Phasenwechsel. Für die Ausle-
gung ist der Eckpunkt des Verdampfungsbeginns entscheidend, an dem die Temperatursprei-
zung zwischen den wärmeübertragenden Fluiden minimal ist. Die Zwangumlaufschaltung,
Bild 7.6, dominiert, wobei auch Naturumlauf oder Zwangdurchlauf realisiert sind. Bei Befeue-
rung mit schwefelhaltigem Öl ist der Taupunkt zu beachten. Dann ist je nach Speisewasser-
Vorwärmtemperatur die Abhitzekesselschaltung zu modifizieren, damit der Taupunkt nicht
unterschritten wird.
Unter den Annahmen konstanter spezifischer Wärmekapazitäten und konstanten Drucks im
Abhitzekessel gestalten sich die Wärmebilanzen einfach. Für das Gasturbinenabgas gilt:
 GT = m
Q  GT cpRG ǻT = m 
 GT cpRG (T 4GT – T1GT) = Q Gl. 7.9
max

Indexbezeichnungen: GT Gasturbine, DT Dampfturbine, RG Rauchgas (Abgas GT), D Dampf,


W Wasser.
138 7 Kombinationskraftwerke

Der Verdampfungsprozess ist zweckmäßig in Vorwärmung, Verdampfung und Überhitzung


aufzuteilen.
 23DT = m
Für die Vorwärmung: Q  DT cpW (T 3DT – T2DT) Gl. 7.10
 34DT = m
Für die Verdampfung: Q  DT · r, mit r = h3 – h4 Gl. 7.11
(Verdampfungsenthalpie r aus Dampftafel zu entnehmen)
 45DT = m
Für die Überhitzung: Q  DT cpD (T5DT – T4DT)
 45DT = m
bzw. Q  DT (h5DT – h4DT) Gl. 7.12
Der für die gesamte Dampferzeugung zu erbringende Wärmestrom ist die Summe o.g. Wärme-
anteile
 DT = Q
Q  25DT = Q
 23DT + Q
 34DT + Q
 45DT Gl. 7.13

Bild 7.6:
Dampferzeugerschaltung,
Zwangsumlauf, Eindruck-
prozess

Sind die Grädigkeiten (minimale Temperaturdifferenzen) im Abhitzekessel zwischen den


wärmeübertragenden Fluiden mit ǻTRG-fl (zwischen Rauchgas und Wasser) und ǻTRG-D (zwi-
schen Rauchgas und Dampf) bekannt, so gelten die beiden Ungleichungen:
T4“GT t T3DT + 'TRG-fl Gl. 7.14
T4 GT t T5 DT + 'TRG-D Gl. 7.15
Letztere Ungleichung führt zu:
 45DT + Q
 GTcpRG(T4GT – T3DT – 'TRG-fl) t Q
m  34DT Gl. 7.16
Moderne stationäre Gasturbinen, i.A. für den Spitzenlasteinsatz vorgesehen, werden nach
maximaler Leistungsdichte mit maximal erreichbaren Turbineneintrittstemperaturen konzi-
piert. Bei den üblichen Druckverhältnissen von 10 bis 20 ergeben sich Abgastemperaturen um
etwa 500 °C. Für Kombianlagen werden diese Gasturbinen „von der Stange“ verwendet und
nur der nachgeschaltete Clausius-Rankine-Prozess optimiert. Zunehmend werden auch Gastur-
binen angeboten, die für Kombikraftwerke entwickelt wurden [7.3, 7.4].
7.3 Eindruckprozess 139

Bei Kombianlagen ist hoher Frischdampfdruck nicht gleichbedeutend mit höherem Wirkungs-
grad. Es ist nicht Ziel, den Dampfkraftprozess hinsichtlich seines thermischen Wirkungsgrades
KthDT zu optimieren, sondern er soll gleichzeitig die Abwärme optimal nutzen. KthDT steigt
zwar bis zu einem gewissen Grad2 mit höheren Drücken an, es lässt sich dann nicht mehr so-
viel Abwärme nutzen und der Wirkungsgrad der Kombianlage Kth,Ges sowie deren Leistungs-
abgabe sinken. Entscheidend ist bei gegebenem KthGT das maximale Produkt aus dem Abwär-
menutzungsgrad KAK und KthDT, wobei die Anpassung über den Frischdampfdruck pFD ge-
sucht wird. Das Optimum für den Eindruck-Prozess bei Gasturbinen mit T3 § 1100 °C und ʌ §
15 liegt um pFD § 25 bar.

Der Abwärmenutzungsgrad KAK ist definiert zu


 DT/ Q
KAK = Q  Abgas Gl. 7.17
DT
Kth hat bei relativ hohem pFD sein Maximum, während KAK bei geringem pFD seinen Ex-
tremwert durchläuft.
KDT ist das Produkt der beiden Wirkungsgrade
KDT = KAKKthDT, Gl. 7.18
Es ist das Optimum für KDT zu suchen, wie in Bild 7.7 prinzipiell veranschaulicht. Es gilt:
 DT = PDT/( Q
KthDT = PDT/ Q  Abgas KAK) Gl. 7.19
 DT / Q
und KAK = Q  Abgas Gl. 7.20
 Abgas = KAKKthDT.
Dadurch ist Gl. 7.18 gegeben: KDT = PDT / Q

Mit Hilfe des T, Q -Diagramms, Bild 7.8, ist diese Optimierung leicht zu verstehen. Bei der
Variation des Frischdampfdrucks wird jeweils der optimale Massenstrom dergestalt ermittelt,
dass man die für den Abhitzekessel minimalen Grädigkeiten (in Bild 7.8 'T) ausnutzt.

Bild 7.7:
Wirkungsgradverläufe in
Abhängigkeit vom Frisch-
dampfdruck pFD

In Sonderfällen ist vom optimalen Frischdampfdruck abzuweichen. So kann es bei Anlagen


mit Luftkondensator (keine Möglichkeit der Wasserkühlung in heißen Ländern) wirtschaftlich
sein, den Frischdampfdruck über das Optimum zu erhöhen, um den Abwärmestrom des
Dampfkraftwerkes gering zu halten. Das ergibt eine kleinere Kühllast.

2 Da die Gasturbine eine feste Abgastemperatur hat und somit die Frischdampftemperatur begrenzt ist,
durchläuft der thermische Wirkungsgrad des einfachen Clausius-Rankine-Prozesses bei steigendem
Frischdampfdruck auch ein Maximum.
140 7 Kombinationskraftwerke

Bild 7.8:

Kombiprozesse im T, Q-
Diagramm bei verschiedenen
Frischdampfdrücken

Bild 7.9:
GuD-Prozess im T, S-
Diagramm

Die beiden Kreisprozesse der Kombianlage lassen sich im Temperatur-Entropie-Zustandsdia-


gramm darstellen. Zu beachten ist, dass es sich um Prozesse mit verschiedenen Arbeitsfluiden
und unterschiedlichen Massenströmen handelt. Deshalb eignet sich die spezifische Entropie s
[kJ/(kgK)] nicht, sondern nur die Entropie S = m · s [kJ/K] bzw. der Entropiestrom m  ⋅s
[kJ/(sK)], mit denen sich die unterschiedlichen Fluide und Massenströme in einem Diagramm,
wie in Bild 7.9, eintragen lassen. Mit dem Integral TœdS sind dann die interessierenden zu-
bzw. abzuführenden und zu übertragenden Wärmen ermittelbar.
Höchste thermische Wirkungsgrade werden bei optimierten Kombiprozessen ohne Zusatzfeue-
rung erzielt. Abhitzekessel mit integrierten Zusatzfeuerungen oder Schaltungen nach Bild 7.2e
bieten demgegenüber höchste Betriebsflexibilität, die schnelle Wechsel im Kraft-Wärme-
Betrieb erlauben [7.2]. Sie werden hier nicht diskutiert, da für jeden Kraft-Wärme-Lastfall eine
thermodynamische Optimierung vonnöten ist.
Früher, als die Gasturbine noch nicht verbreitet war, gab es Kombikraftwerke, die auf Dampf-
prozessen beruhten. In den USA waren zwischen 1922 und 1949 mehrere kombinierte Queck-
silber/Wasserdampf-Kraftwerke in Betrieb.
Bei damals hoher Temperatur um 540 °C wurde als Topping Cycle ein Sattdampfprozess mit
Quecksilber betrieben [7.6]. Da der Quecksilberdampfdruck bei dieser Temperatur nur etwa 8
bar aufweist und die hohe Dampfdichte geringe Rohrdurchmesser erlaubt, war diese hohe
Temperatur beherrschbar. Die Kondensatabwärme des Quecksilberkreislaufs von ca. 230 °C
bei etwa 0,1 bar diente als Wärmezufuhr eines nachgeschalteten Wasserdampfprozesses (Bild
7.10). Regenerative Speisewasser-Vorwärmung und evtl. eine Zusatzfeuerung zur Dampfüber-
hitzung vervollständigten die Kombianlage. Bei den werkstoffbedingten geringen Frisch-
dampfzuständen der damaligen Zeit ergab sich mit der Vorschaltung des Quecksilber-
Prozesses eine deutliche Wirkungsgradsteigerung.
7.4 Zwei- und Mehrdruckprozesse 141

Bild 7.10:
Quecksilber-Wasserdampf Kombiprozess

7.4 Zwei- und Mehrdruckprozesse


Bei Eindruckprozessen geht ein relativ großer Wärmestrom des Gasturbinen-Abgases verloren
und sattdampfseitig zeigt sich eine große Temperaturspreizung. Diese Energie-/Exergiever-
luste sind durch einen Dampfprozess mit zwei oder mehreren Verdampfungsdrücken mini-
mierbar. In Bild 7.11 ist ein Zweidruckprozess im Vergleich zum Eindruckprozess dargestellt.
Mit einem zweiten Verdampfungsdruck ist die Temperaturspreizung und damit der Exergie-
verlust geringer. Wird noch der untere Verdampfungsdruck reduziert, so lässt sich auch mehr
Wärme des Gasturbinenabgases nutzen.

Bild 7.11:
Ein- und Zweidruck-Kombipro-
 -Diagramm
zesse im T, Q

Es läuft auf eine Optimierung von zwei Frischdampfdrücken und deren Massenstromauftei-
lung hinaus. Bei einer Abgastemperatur der Gasturbine von ca. 550 °C ist der Bereich von 2
bis 3 bar für den Niederdruck und 60 bis 80 bar für den Hochdruck optimal (ohne Zwischen-
überhitzung, ohne Überhitzung des Niederdruckdampfes). Diese Drücke sind deutlich geringer
als bei üblichen Dampfkraftwerken.
Wenn Abgastemperaturen der Gasturbine von 600 °C oder höher vorliegen, kann ein wesent-
lich höherer Frischdampfdruck optimal sein, wie Bild 7.12 der Karlsruher Kombianlage zeigt
[7.8]. Diese Anlage hat einen Zwangdurchlauf-Dampferzeuger, in dem Speisewasser bei zwei
Druckniveaus (zwei Verdampfungsdrücke) verdampft und überhitzt wird. Zusätzlich findet
eine Zwischenüberhitzung bei einem drittem Druck statt.
142 7 Kombinationskraftwerke

1 Gasturbine
2 Hochdruck-Turbine
3, 4 Mitteldruck-Turbinen
5 Niederdruck-Turbinen
6 Hochdruck-Erhitzer
7 Zwischenüberhitzer 17
8 Hochdruck-Verdampfer
9 Hochdruck-Economizer
10 Niederdruck-Überhitzer
11 Niederdruck-Verdampfer
12 Niederdruck-Economizer
13 Speisewasser-Vorwärmer
14 Speisewasser-Behälter
15 Hochdruck-Pumpe
16 Niederdruck-Pumpe
17 Umwälzpumpe

Bild 7.12: Vereinfachter Wärmeschaltplan der Karlsruher Kombianlage RDK 4S

Drei oder noch mehr Verdampfungsdrücke erlauben weitere Wirkungsgradsteigerungen. Drei-


druckprozesse, nach Anzahl der Verdampfungsdrücke gezählt, sind Stand der Technik [7.9],
ebenso die Einwellenanlage, bei der Dampf-, Gasturbine und Generator auf einer Welle mon-
tiert sind [7.8, 7.9]. Eine tiefere Behandlung aktueller Techniken von kombinierten Gas- und
Dampfkraftwerken ist in [7.16] zu finden.

7.5 Gasturbine mit interner Abwärmenutzung (Cheng-Cycle)


Diese Bauvariante der Gasturbine gestattet eine interne Abwärmenutzung, indem der in einem
Abhitzekessel erzeugte Dampf unmittelbar in die Gasturbine gespeist wird. Diese Gasturbine
mit Dampfinjektion wird STIG-Prozess (Steam Injected Gasturbine) oder Cheng3-Cycle ge-
nannt. Schon in den dreißiger Jahren hat Bosnjakovic [7.11] in Deutschland auf diese vorteil-
hafte Prozessvariante hingewiesen.
Im Abhitzekessel wird Wasser bei etwas höherem Druck als der Gasturbinen-Verdichterend-
druck vorgewärmt, verdampft und eventuell überhitzt. Dieser Wasserdampf wird in oder nach
der Brennkammer eingespeist (Bild 7.13). Hiermit steigt einmal die Turbinenleistung und der
thermische Wirkungsgrad Kth verbessert sich. Ebenso ist die Einspeisung des Dampfes vor der
Brennkammer möglich, was noch eine NOx-Reduzierung ergibt. Es sind Wirkungsgrade des
Cheng-Cycles von etwa Kth = 50% errechenbar [7.12].

3 Prof. Cheng gilt in den USA als Erfinder dieses Prozesses.


7.5 Gasturbine mit interner Abwärmenutzung (Cheng-Cycle) 143

Bild 7.13:
Schematischer Aufbau des Cheng-
bzw. STIG-Prozesses

Prinzipiell ist die Wasserdampfeinspeisung bei allen Gasturbinen möglich, da die Turbinen
höhere Massenströme ohne große Wirkungsgradeinbußen verarbeiten. Der Betriebspunkt der
Arbeitsmaschine Verdichter und der Kraftmaschine Turbine verändert sich geringfügig, wie im
 -Diagramm von Bild 7.14 veranschaulicht. Der Massenstrom durch die Turbine steigt
π, V
durch die Dampfeinspeisung deutlich an. Der Betriebspunkt der parabolischen Turbinenkenn-
 -Diagramm verschiebt sich zu seinem neuen Volumen-
linie bei konstanter Drehzahl im π, V
 
strom VRG + VD , wodurch auch das Druckverhältnis bzw. der Turbineneintrittsdruck ansteigt.

Bild 7.14:

Änderung des Betriebspunktes BP beim Cheng-Prozess im S, V-
Diagramm

Der Verdichter muss diesen höheren Druck aufbringen, d.h. das Verdichterdruckverhältnis
muss ansteigen. Bei den Anlagen zur Stromerzeugung mit konstanter Drehzahl bedingt diese
Druckerhöhung ein geringes Absinken des geförderten Volumenstroms auf V  . Da die Kenn-
Ch
linie der Axialverdichter steil ist, ist diese Volumenstromminderung im Verdichter oft ver-
nachlässigbar.
Der Dampf hat wie bei Dampfkraftwerken Speisewasserqualität aufzuweisen, damit die Gas-
turbine im Dauerbetrieb ohne Schäden betreibbar ist. Die hohe Temperatur macht die Turbi-
nenbeschaufelung reaktiv. Bei Verunreinigungen mit Salzen kommt es zu Korrosion und Ver-
zunderung. Die Wasserdampfeinspeisung wird wegen den hohen Kosten des Speisewassers
derzeit weniger im Dauerbetrieb der Gasturbine sondern eher zur kurzzeitigen Leistungssteige-
rung angewandt.
144 7 Kombinationskraftwerke

Bild 7.15:
Skizze zur Wärmemischbilanz

Thermodynamische Behandlung: Das Dampf-Rauchgas-Gemisch ist mittels der Gasmi-


schungsbeziehungen zu behandeln, Bild 7.15. Da bei dem STIG-Prozess nur Dampf geringen
normierten Druckes benutzt wird, der nach der Vermischung mit dem Rauchgas deutlich über-
hitzt ist, ist für eine Abschätzung die Annahme perfekten Gasverhaltens hinreichend genau.
Zur Berechnung werden die Gasmischwerte benötigt, die sich aus der adiabaten Energiebilanz,
Gl. 7.22 ergeben:
 RG + Q
Q  D= Q ges, d.h.
 RG cpRG TRG + m
m  D cpD TD = m  Ges cpGes TGes Gl. 7.22
Mit m  Ges = m RG + m
 D ist die spezifische Wärme des Gemisches bei konstantem Druck
cpGes zu ermitteln:
cpGes = ( m  Ges) cpRG + ( m
 RG/ m  Ges) cpD
 D/ m Gl. 7.23
Ebenso für cv Ges:

cvGes = ( m  Ges) cvRG + ( m


 RG/ m  Ges) cvD
 D/ m Gl. 7.24
Der gemittelte Isentropenexponent țM der Mischung ist somit
țM = cpGes/cvGes Gl. 7.25
Angenommen, die Dampfeinspeisung geschehe vor der Turbinenbeschaufelung am Zustands-
punkt 3. Aus der Bilanzgleichung nach Gl. 7.22 ergibt sich für die Mischtemperatur T3,Ges:
T3Ges = ( m  Ges) · (cpRG/cpGes) · T3RG + ( m
 RG/ m  Ges) · (cpD/cpGes) · T3D
 D/ m Gl. 7.26
Mit der Isentropenbeziehung für perfektes Gasverhalten ist daraus die Turbinenaustrittstempe-
ratur berechenbar, wenn der Austrittsdruck p4 bekannt ist. Bei der offenen Gasturbine ist
p4 = patm § 1 bar, somit
T4Ges = T3Ges (p4/p3)(ț–1/ț) mit ț = țM Gl. 7.27
Daraus sind die interessierenden Arbeiten und Leistungen berechenbar. Die spezifische Turbi-
nenarbeit (kinetische und potentielle Anteile wie üblich bei mehrstufigen Turbinen vernachläs-
sigt) für ideale isentrope Zustandsänderung ist damit:
wT,s = ǻhT,s = cpGes (T3Ges – T4Ges) Gl. 7.28
Die spezifische Turbinenarbeit aT der realen Zustandsänderung ist durch den experimentell zu
bestimmenden isentropen Wirkungsgrad Șs berechenbar:
wT = ǻhT,s· Șs Gl. 7.29
Die reale Turbinenleistung PT umfasst zusätzlich die mechanischen Verluste, ausgedrückt
durch den Wirkungsgrad Șm:
 · wT · Șm
PT = m Gl. 7.30
Die Nutzleistung: PN = PT – PV – PPu Gl. 7.31
7.6 Abhitzekessel 145

Die Pumpleistung PPu ist die Leistung, die benötigt wird, um das Wasser auf den Brennkam-
merdruck der Gasturbine zu heben und die Druckverluste im Abhitzekessel zu überwinden.
Wegen des inkompressiblen flüssigen Wassers ist PPu relativ zu den Verdichter- und Turbinen-
leistungen klein.

7.6 Abhitzekessel
Wesentliches Bauteil einer Kombianlage ist der Abhitzekessel, der die beiden Prozesse ther-
misch koppelt. Wie bei üblichen Dampfkraftwerks-Kesseln ist er entsprechend dem Verlauf
der Abgastemperatur in räumlich getrennt angeordneten Economizer-, Verdampfer-, Überhit-
zer- und gegebenenfalls Zwischenüberhitzerstrecken aufgeteilt. Bei Mehrdruckprozessen sind
diese Strecken auch mehrfach vorhanden. Es sind drei Typen zu unterscheiden:
x Reiner Abhitzekessel
x Abhitzekessel mit geringer Zusatzfeuerung
x Abhitzekessel mit maximaler Zusatzfeuerung (Dampferzeuger, der auch die Nutzung des
Abhitzestroms erlaubt)
Abhitzekessel lassen alle Schaltungen zu:
x Naturumlauf
x Zwangumlauf
x Zwangdurchlauf.
Zwangumlauf und Zwangdurchlauf erlauben eine kompakte Bauweise, rasches Anfahren und
schnelle Lastwechsel.
Abhitzekessel haben verschiedene Bedingungen zu erfüllen:
a) Hoher Abwärmenutzungsgrad
b) Zulässigkeit hoher dampfseitiger Druckgradienten
c) Zulässigkeit hoher rauchgasseitiger Temperaturgradienten
d) Geringe Druckverluste, insbesondere rauchgasseitig
e) Geringe Korrosionsneigung
Die Forderungen a) und d) stehen in Widerspruch. Bei den niederen Temperaturen unter
600 °C findet der Wärmeübergang vor allem konvektiv statt. Zudem sollen für guten Ausnut-
zungsgrad und geringe Exergieverluste zwischen wärmeauf- und abgebenden Medien nur
geringe Temperaturdifferenzen auftreten. Beides bedingt große Wärmeübertragerflächen, die
entsprechend hohe Druckverluste hervorrufen, wenn die Baugröße kompakt gehalten werden
soll. Gewisse Abhilfe versprechen Rippenrohre mit kleinen Durchmessern. In den dünnen
Rohren kompakter Wärmeübertrager ist nur eine minimale Wassermenge im Abhitzekessel,
was schnelle Laständerungen erlaubt. Heute werden Abhitzekessel mit geringen rauchgasseiti-
gen Druckverlusten von 25 bis 30 mbar bei sehr guten Grädigkeiten (Pitch-Point) von nur 8 bis
10 °C gebaut.
146 7 Kombinationskraftwerke

1: Gasturbinen-Abgas
5 4 3 2 2: Abgaskamin
3: Niederdruck-Trommel und
Mischvorwärmer
4: Mitteldruck-Trommel
5: Hochdruck-Trommel
6: Speisewasser-Vorw.
7: Economizer
8: Niederdruck-
Verdampferstrecke
12 9 7 9: Hoch- & Mitteldruck-Ver-
dampferstrecke
10: Mitteldruck-Verdampf.
10 8 11: Hochdruck-Eco
12: Hochdruck-Verdampfer
13 11 6 13: Hochdruck-Überhitzer
1

Bild 7.16: Naturumlauf-Abhitzekessel mit Dreidruckprozess [7.13]

Die Auslegung des Abhitzekessels ist ein technisch-ökonomisches Optimierungsproblem. Die


Kosten sind im Wesentlichen durch die installierte Wärmeübertragerfläche bestimmt. Maß für
die technische Güte ist die Grädigkeit, die die Abwärmeausnutzung bestimmt. Die Wärmeü-
bertragerfläche des Dampferzeugers nimmt bei Verminderung der Grädigkeit exponentiell zu
[7.5], die Wärmeausnutzung verbessert sich jedoch nur linear. Kommt es bei der Wirtschaft-
lichkeitsanalyse auf einen hohen Wirkungsgrad an (lange Betriebszeiten), so werden Grädig-
keiten von 10 bis 15 °C angestrebt, ansonsten können auch preiswertere Abhitzekessel mit
größeren Grädigkeiten bis zu 30 °C wirtschaftlich sein. Große Wärmeübertragerflächen erge-
ben höhere Druckverluste, so dass Leistungsverluste der Gasturbine die Verbesserungen des
Dampfprozesses übertreffen können. Ein Druckverlust von 10 mbar im Abgas ergibt bei der
Gasturbine eine Leistungs- und Wirkungsgradverminderung von etwa 0,8 % [7.5], da die Tur-
binenentspannung bei höherem Druck und höherer Temperatur endet.
Im Normalbetrieb wird für Teillast auf Gleitdruckregelung übergegangen. Der Frischdampf-
druck sinkt bei Teillast, so dass das Wasser schon im Economizer teilverdampft. Um diese
Ausdampfung in Grenzen zu halten, wird der Economizer eher unterdimensioniert, damit das
Wasser bei Volllast an dessen Austritt leicht unterkühlt ist.
Bild 7.16 zeigt einen Naturumlauf-Abhitzekessel im Schnitt [7.13] eines Dreidruck-Prozesses
für eine 226 MW Gasturbine. Der Abgasstrom wird horizontal eingeleitet. Der Speisewasser-
behälter dient gleichzeitig als Niederdrucktrommel.
Tieftemperaturkorrosion ist auszuschließen. Die Temperatur der dem Abgas ausgesetzten
Oberflächen soll über dem Säuretaupunkt (bei schwefelfreien Brennstoffen: Wassertaupunkt)
liegen. Die geringsten Temperaturen liegen im Economizer vor (Bild 7.8). Wasserseitig ist der
7.7 Regelung, Betriebsverhalten 147

Wärmeübergang etwa hundertfach besser als rauchgasseitig und die Wärmeleitung durch die
dünnwandigen Rohre ist ebenfalls hoch. Deshalb ist die Rohraußentemperatur praktisch gleich
der des rohrinnenseitigen Wassers. Selbst bei hohen Rauchgastemperaturen sollte die Wasser-
temperatur an keiner Stelle im Economizer oder Verdampfer unterhalb des Taupunktes sein.
Das Speisewasser ist gegebenenfalls regenerativ vorzuwämen, obwohl dies thermodynamisch
bei Kombikraftwerken nicht sinnvoll ist.
Der Säuretaupunkt hängt vom Schwefelgehalt des Brennstoffs, dem Luftüberschuss der
Verbrennung, dem Wassergehalt der Abgase und dem Umsetzungsgrad von Schwefeldioxid
SO2 in Schwefeltrioxid SO3 ab. Als Richtwerte für die minimale Economizer-Eintrittstempe-
ratur können gelten [7.5]:
Heizöl als Brennstoff mit einem Schwefelgehalt über 2 %: 140 bis 145 °C
Heizöl als Brennstoff mit einem Schwefelgehalt unter 2 %: 120 bis 130 °C
Schwefelfreies Erdgas: 40 bis 50 °C

7.7 Regelung, Betriebsverhalten


Kombikraftwerke werden wegen ihres hohen Wirkungsgrades oft zur Abdeckung der Grund-
last eingesetzt. Da die vorgeschalteten Gasturbinen i.A. einen separaten Abluftkamin besitzen,
über den das Abgas unter Umgehung des Abhitzekessels geleitet werden kann, sind sie zudem
separat zur Abdeckung der Spitzenlast einsetzbar. Falls mehrere Gasturbinen einen Dampftur-
bosatz speisen, können zur Lastregelung die Gasturbinen geregelt beziehungsweise ganz abge-
schaltet werden, während die anderen in ihrem Auslegungspunkt bei maximalem Wirkungs-
grad weiter laufen. Üblicherweise wird der Dampfprozess im Gleitdruck der verminderten
Wärmezufuhr nachgefahren, was Lastwechsel relativ schnell erlaubt und seinen Wirkungsgrad
ebenfalls nur geringfügig sinkt. So ist die Kombianlage genauso für die Mittellast geeignet.

Bild 7.17:
Teillastwirkungsgrad; Kombianlage
ohne Zusatzfeuerung mit drei Gas-
turbinen

Der Teillast-Wirkungsgrad folgt einem sägezahnartigen Verlauf bei hohem Niveau. Bild 7.17
verdeutlicht den Verlauf bei einem Kombikraftwerk mit drei Gasturbinen. Für den Lastbereich
zwischen 2/3 und 100 % werden alle drei Gasturbinen in geringem Teillastbereich gefahren.
Bei ca. 2/3 der Volllast wird eine Gasturbine ganz abgeschaltet und die zwei verbleibenden
fahren im Auslegungslastpunkt bei optimalem Wirkungsgrad. Dies ergibt den Wirkungsgrad-
sprung. Entsprechend werden im Teillastbereich zwischen ca. 1/3 und 2/3 die zwei Gasturbi-
nen im Teillast betrieben, bis wieder eine ganz abgeschaltet wird, usw. Die Wirkungsgrad-
sprünge sind etwa bei 1/3, 2/3 und 100 % der Volllast, da in erster Näherung auch der Dampf-
prozess im Gleitdruck linear mit dem Gasturbinenabgasstrom abnimmt [5.14]. Der Wirkungs-
grad ist leicht höher, wenn die Gasturbinen einen einzigen Dampfturbosatz speisen können
(Linie ---- in Bild 7.17).
148 7 Kombinationskraftwerke

Die kombinierte Gleitdruck-/Gleittemperatur-Fahrweise des Dampfkreises, die die wirtschaft-


lichste ist, erfolgt praktisch ungeregelt. Die Frischdampfdaten stellen sich durch den Abgas-
wärmestrom (Massenstrom und Abgastemperatur) über die Schluckfähigkeit der Dampfturbine
ein. Bei sinkendem Druck steigt der Volumenstrom entsprechend an. Dies führt zu nahezu
gleichbleibenden Strömungsgeschwindigkeiten in der Turbine, was den Turbinenwirkungsgrad
nicht verändert. Bei gleicher Temperatur bleibt auch der thermische Wirkungsgrad konstant,
was zusammen mit der einfachen technischen Realisierung die Gleitdruckregelung so attraktiv
macht.
Bei Anlagen ohne Zusatzfeuerung wird nur die Leistung der Gasturbinen durch die Brenn-
stoffzufuhr geregelt. Die Leistung des Dampfturbosatzes passt sich automatisch dem Abgas-
wärmestrom der Gasturbinen an. Nur bei einer Zusatzfeuerung wird die Dampfturbine analog
eines konventionellen Dampfkraftwerks geregelt, also z.B. über Turbineneinlassventil. Die
Zusatzfeuerung mit ihren weitergehenden Regelmöglichkeiten ist sinnvoll, wenn die Kombian-
lage für schnelle Laständerungen ausgelegt ist. Die Lastsprünge können dann teilweise von der
Dampfturbine übernommen werden.
Bei Anlagen ohne Zusatzfeuerungen sind im Dampfprozess praktisch nur Sicherheitsbegren-
zungen oder Sekundärregelungen installiert. Üblich ist ein Dampfturbinen-Bypass, um kurze
Anfahrzeiten und flexiblen Betrieb zu gewährleisten. Der Dampfbypass erlaubt den alleinigen
Betrieb der Gasturbinen ohne Rücksicht auf die wesentlich längere Anfahrzeit der Dampfanla-
ge. Er ist ökonomischer als eine Dampfabblasleitung. Damit kann eventuell auf den teuren
Rauchgasbypass verzichtet werden, wie in der Karlsruher Kombianlage [7.8].

7.8 Entwicklungen
Um Standard-Gasturbinen für Kombianlagen einsetzen zu können, wurden bisher die Gastur-
binen und Dampfturbinen auf separaten Wellen mit jeweils einem individuellen Generator
montiert. Seit den neunziger Jahren werden Einwellenanlagen angeboten, bei denen eine oder
mehrere Gasturbinen und der Dampfturbosatz auf einer Welle mit dem Generator montiert
sind. Der Dampfturbosatz kann über eine Kupplung vom Gasturbosatz getrennt werden, um
weiterhin einen getrennten Betrieb der Gas- und Dampfturbinen insbesondere für den Anfahr-
vorgang zu erlauben. Der Generator ist zwischen Gas- und Dampfturbine angeordnet. Einwel-
lenanlagen versprechen eine gewisse Wirkungsgraderhöhung und geringere Herstellkosten, da
nur ein Generator benötigt wird [7.14, 7.15].
Die Gasturbinen werden nunmehr auch für Kombikraftwerke optimiert, wie die Alstom Gas-
turbinen GT24 bzw. GT 26 [7.3, 7.8] mit Zwischenüberhitzung zeigen.
Generell bietet der nachgeschaltete Dampfkraftwerksprozess für die Gasturbine neue Möglich-
keiten der Schaufelkühlung durch Dampf. Da bei Hochleistungs-Gasturbinen über 10 % der
Verdichterluft zur Kühlung benötigt wird, ergäbe diese Maßnahme eine Wirkungsgraderhö-
hung, da der Dampf durch die Abwärme erzeugt wird und nicht durch den Verdichter. So hat
General Electric seine erste Gasturbine des Typs 9H mit einer Dampfkühlung der ersten beiden
Gasturbinenstufen für eine Kombianlage ausgeliefert. Der thermische Netto-Wirkungsgrad soll
60 % erreichen [7.17]. Die 9H Gasturbine hat einen geschlossenen Dampfkühlkreis, d.h. der
Kühldampf wird nicht mit der Heißgasströmung in der Gasturbine vermischt. Dies hat den
Vorteil, dass das Kühlmedium sich nicht mit der Hauptströmung vermischt. Somit wird die
Hauptströmung nicht unerwünscht abgekühlt. Die Kühlung der Brennkammerwandung, spe-
ziell des Heißgaskanals zur Turbinenbeschaufelung, mittels Dampf aus der Mitteldruckstufe
7.8 Entwicklungen 149

des Dampfkraftwerks ist bei der Mitsubishi 200 MW Gasturbine 501G und der Siemens-
Westinghouse 250 MW Gasturbine W501G seit kurzem realisiert [7.21, 7.22]. Für die Anfahr-
phase, bis der Dampfprozess seinen Betriebszustand erreicht hat, ist entweder noch eine tem-
porär zuschaltbare Luftkühlung oder ein Hilfs-Dampferzeuger installiert.
Einige Kombianlagen mit vorgeschalteter Kohlevergasungsanlage sind in Betrieb [7.20]. In
Puertollano, Spanien, ist das derzeit größte derartige Kraftwerk mit 300 MWel [7.18]. Bild
7.18 zeigt das vereinfachte Anlagenschema. Die Synthesegastemperatur soll oberhalb der
Ascheerstarrungstemperatur von ca. 1300 °C sein, damit die Asche nicht an den Wandungen
anklebt. Das Hauptproblem ist bei den hohen Temperaturen die Synthesegasreinigung und
deren Überwachung im laufenden Betrieb. Die metallische Gasturbinenbeschaufelung erträgt
nur geringe Verunreinigungen.
Einfacher gestaltet sich die der Gasturbinen-Brennkammer vorgeschaltete Kohlestaubfeuerung
in einer Druckwirbelschicht, Bild 7.2 d). Allerdings sind auch wieder die Aschepartikel zuver-
lässig vor der Turbine abzuscheiden. Die Anlage in Cottbus [7.19] fährt mit geringen Turbi-
neneintrittstemperaturen um 900 °C unterhalb der Ascheerweichungstemperatur, was das
Problem der Schaufelkorrosion vermindert.

1: Kohlezufuhr
2: Vergasung
3: Rohgaskühlung mit Speisewasser
4: Gasreinigung
5: Schwefel-, Staubabfuhr
6: Hochdruckdampf
7: Speisewasser-Teilstrom
8: Reines Synthesegas
9: Luft
10: Luftzerlegung
11: Stickstoff
12: Brennkammer
13: Abhitzekessel

Bild 7.18:
Kombianlage mit Kohledruck-
vergasung [7.18]
150 7 Kombinationskraftwerke

Literatur zu Kapitel 7
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(Hrs. T. Bohn, Techn. Verlag Resch Gräfelfing, 1984
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licher Kühlmedien, BWK 45, Nr. 7/8, 1993
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Combined Cycle Technology using Advanced Gas Turbines, Schrift A9001-U18-A486-
X-7600, Siemens AG, Bereich KWU, 1997
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GuD/Kombi-Kraftwerken in Einwellenanordnung, BWK 48, Nr.1/2, 1996
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