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DOI: 10.1002/stab.

201900066

Markus Feldmann, Helen Bartsch*, Ulrike Kuhlmann, Karl Drebenstedt, Thomas Ummenhofer, Benjamin Seyfried Aufsatz

Auswertung von Ermüdungsversuchsdaten


zur Überprüfung von Kerbfallklassen nach EC3-1-9
Der Beitrag befasst sich mit der Neuauswertung des Kerbfall- Evaluation of fatigue test data for the verification of detail
katalogs nach EC3-1-9. Zur konsistenten Kerbfallklassifizierung categories according to EC3-1-9
wurde zunächst eine geeignete statistische Methodik festge- The paper deals with the re-evaluation of the fatigue detail
legt. Als Grundlage für die Kerbfallauswertung dient eine struk- catalogue according to EC3‑1‑9. An appropriate statistical
turierte SQL-gestützte Datenbank, die neben neueren und eige- methodology was first defined for consistent detail classifica-
nen Versuchsdaten zunächst vor allem jene Ermüdungsver- tion. A structured SQL-supported database serves as a basis
suchsdaten umfasst, die im Hintergrunddokument zum EC3-1-9 for fatigue detail evaluation. In addition to newer and own test
dokumentiert sind. Nach Selektion der aussagekräftigsten data, this database includes above all fatigue test data docu-
Versuchsdaten wurden wichtige Kerbdetails, wie bspw. ver- mented in the background document for the EC3-1-9. After
schiedene Ausführungsvarianten von Längsschweißnähten, selecting the relevant test data, important details, such as vari-
neu ausgewertet. Außerdem wurden eigene Ermüdungsversu- ous design variants of longitudinal welds, were re-evaluated. In
che in Verbindung mit numerischen Simulationen durchgeführt, addition, own fatigue tests were carried out in combination
um die Ermüdungsfestigkeit bestimmter Kerbdetails zukünftig with numerical simulations in order to better assess the fatigue
zutreffender bewerten zu können. Die bisherigen Ergebnisse strength of certain details in future. The results so far show that
zeigen, dass die analysierten Details häufig höhere Ermüdungs­ the analysed details partly show higher fatigue resistances
widerstände aufweisen, als derzeit im EC3-1-9 dokumentiert ist. than currently documented in EC‑1‑9.

Keywords  Ermüdungsversuche; Kerbfallkatalog; Kerbfallklassifizierung; Keywords­  fatigue tests; fatigue detail catalogue; fatigue detail classification;
Kerbspannungskonzept; Prognoseintervall effective notch stress concept; prediction interval

1 Einleitung und Motivation In [2–4] werden die Details des EC3-1-9 [1] analysiert,
dieser Beitrag befasst sich exemplarisch mit der Auswer-
In vielen Bereichen, z. B. im Brückenbau, Kranbau oder tung von ausgewählten Details wie dem Kreuzstoß und
Mast- und Turmbau, sind Ermüdungsnachweise von den Längsnähten. Außerdem werden erste Ergebnisse
Stahlkonstruktionen erforderlich. Jedoch führt der Kerb- zusätzlicher experimenteller und numerischer Untersu-
fallkatalog des EC3-1-9 [1] im Vergleich zu früheren Nor- chungen an Stirnplattenverbindungen vorgestellt.
men zu teilweise konservativen und unwirtschaftlichen
Ergebnissen. Einer der wesentlichen Gründe dafür ist,
dass die oft mehrere Jahrzehnte zurückreichenden Ver- 2 Statistische Auswertemethodik
suchsgrundlagen und ihre Datenbasen unvollständig und
die damals verwendete Auswertemethodik teilweise in- 2.1 Generelles Vorgehen
konsistent ist. Deswegen zielen die hier beschriebenen
Untersuchungen vornehmlich darauf ab, bestehende Ver- Ermüdungsversuche, insbesondere an geschweißten Stahl-
suchsdaten zusammen mit neuen Versuchsdaten neu sta- konstruktionen, können zum Teil erhebliche Streuungen
tistisch auszuwerten, um Empfehlungen für verbesserte aufweisen. Infolge von mehreren voneinander unabhängi-
Kerbfallklassen für die europäische Normung zu erarbei- gen Einflüssen, wie metallurgischen Unterschieden, geo­
ten. Es wurde dabei eine detaillierte Datenbankstruktur metrischen Toleranzen, unterschiedlichen Bauteilmaßstä-
entwickelt, um die umfangreichen Ermüdungsversuchs- ben, Eigenspannungen, verschiedenen Schweiß­verfahren,
daten intelligent auswerten zu können. Die Datenbank- kleinen Schweißnahtunregelmäßigkeiten oder unterschied-
anwendung ermöglicht sowohl Such- und Auswahlfunk­ lichen Versagenskriterien, weisen entsprechende Ver-
tionen als auch eine benutzergesteuerte Auswertung der suchsdaten eine zufällige Streuung auf. Für die Herleitung
Versuchsdaten. Eine große Anzahl relevanter Einflüsse, eines charakteristischen Bemessungswerts muss diese
die die Ermüdungsfestigkeit mitbestimmen, wurde an- Streuung berücksichtigt werden. Es existieren zahlreiche
hand der beschafften Primärquellen identifiziert und als Ansätze für die statistische Auswertung von Ermüdungs-
zusätzliche Information in die Datenbank aufgenommen. versuchen [5–9].

*)  Corresponding author: h.bartsch@stb.rwth-aachen.de


Diese Ansätze unterscheiden sich in Bezug auf die zu-
Submitted for review: 28 June 2019 grunde gelegte Widerstandsfunktion, die angenommene
Accepted for publication: 11 September 2019 Wahrscheinlichkeitsverteilung sowie hinsichtlich der Be-

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Fachthemen

Bild 2 Schematisches Vorgehen zur statistischen Auswertung einer Daten-


Bild 1 Darstellung von Ermüdungsdaten einer Serie in Abhängigkeit von menge für die Bestimmung der Ermüdungsfestigkeit
der Spannungsschwingbreite Schematic procedure for statistical evaluation of a data set for the
Illustration of fatigue data of one series as a function of the stress determination of fatigue strength
range

rücksichtigung der Stichprobengröße. Für den bauauf- log N = log a − m ⋅ log S (1)
sichtlich geregelten Bereich definiert Eurocode 0 [10] im
Anhang D Vorgaben für die statistische Auswertung von Der Parameter log  a entspricht dem theoretischen
Versuchsdaten. Dabei wird für die Grundgesamtheit ge- Schnittpunkt der Zeitfestigkeitsgeraden mit der Abszissen-
nerell eine Streuung vorausgesetzt, die einer Normalver- achse und kann entsprechend Gl. (2) aus der Stichprobe
teilung oder einer logarithmischen Normalverteilung geschätzt werden.
folgt. Für eine Stichprobe mit unbekannter Standardab-
weichung wird eine t-Verteilung angenommen. Zur Her- log aˆ =
1
n
( )
⋅ ∑ log N i + m ⋅ ∑ log Si ,(2)
leitung eines charakteristischen Bemessungswerts nutzt
Eurocode 0 [10] ein Prognoseintervall [11]. wobei n die Anzahl der Versuche und der Index i die
Laufvariable des einzelnen Wöhlerversuchs beschreibt.
Für den vereinfachten Fall, dass die Neigung der Wöhler- Die Neigung m der Wöhlerlinie wird im Rahmen der hier
linie als bekannt vorausgesetzt werden kann und bei der vorgestellten Untersuchungen als bekannt vorausgesetzt.
statistischen Auswertung nicht aus der Stichprobe ge- Für geschweißte, kerbscharfe Konstruktionsdetails ist die
schätzt werden muss, kann das Vorgehen nach Eurocode Annahme m = 3 durch viele experimentelle Untersuchun-
0, Anhang D7 „Statistische Bestimmung einer einzelnen gen belegt [13].
Eigenschaft“ auch für die Auswertung von Ermüdungs-
versuchen genutzt werden. Die Standardabweichung der Stichprobe kann mit Gl. (3)
berechnet werden.

2.2 Widerstandsmodell & Regression ∑  logN i − (log aˆ − m ⋅ log Si )


2

s= (3)
n −1
Die sogenannte Wöhlerkurve dient als Widerstandsmo-
dell vor allem für den Langzeitfestigkeitsbereich (Bild 1).
Hierbei wird im doppeltlogarithmischen Maßstab eine 2.3 Verteilungsfunktion & Prognoseintervall
lineare Beziehung zwischen der Spannungsschwing­
breite S und der Anzahl der Schwingspiele bis zum Ver- Für die Herleitung der charakteristischen Ermüdungs­
sagen N für den Zeitfestigkeitsbereich angenommen. festigkeit mit 95 % Überlebenswahrscheinlichkeit kann
Dieses Modell geht auf Basquin [12] zurück. Damit kann ein Prognoseintervall herangezogen werden. Die Berech-
der Zeitfestigkeitsbereich mithilfe von Gl. (1) definiert nung des charakteristischen Parameters log ak ist in
werden. Gl. (4) dargestellt:

Tab. 1 kn-Faktor für charakteristische Werte mit 95 % Überlebenswahrscheinlichkeit (Auszug aus Eurocode 0 [10])
kn factor for characteristic values with 95 % survival probability (extract from Eurocode 0 [10])

n 1 2 3 4 5 6 8 10 20 30 ∞

Vx bekannt 2,31 2,01 1,89 1,83 1,80 1,77 1,74 1,72 1,68 1,67 1,64
Vx unbekannt – – 3,37 2,63 2,33 2,18 2,00 1,92 1,76 1,73 1,64

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log ak = log aˆ − kn ⋅ s (4)

Dabei entspricht s der Standardabweichung der Versuchs­


ergebnisse, der Faktor kn kann Tabelle D.1 im Eurocode
0 [10] entnommen werden (Tab. 1).

Wenn die Standardabweichung aus der Stichprobe ge-


schätzt wird, sollte die Zeile mit „Vx unbekannt“ gewählt
werden. Obwohl nach Eurocode 0 [10] eine statistische
Auswertung mit unbekannter Standardabweichung be-
reits ab drei Versuchskörpern möglich ist, wird empfoh-
len, dass die Stichprobe aus mindestens zehn Versuchs­
ergebnissen bestehen sollte. Um für ein Konstruktions­
detail einen normativen Kerbfall abzuleiten, der möglichst
alle zur Streuung beitragenden Einflussgrößen in der
Stichprobe beinhaltet, sind in der Regel aber noch deut-
Bild 3 Bestimmung von auf 2 Mio. Schwingspiele normierten Versuchsdaten
lich mehr Versuchskörper notwendig.
Determination of normalised test data (scaled to 2 million cycles)

Die Anzahl der Versuche bzw. der Stichprobenumfang


richteten sich in der Praxis letztlich nicht unbedingt nach
statistischen Erfordernissen, sondern nach der Verfügbar- wird, werden alle Versuchsergebnisse an normalfesten
keit von experimentellen Daten. Stählen und hochfesten Stählen einzeln nach Abschn. 2
ausgewertet und anschließend gegenübergestellt. Da der
Mit dem charakteristischen Wert log ak kann mithilfe der charakteristische Kerbfall sowohl vom Mittelwert als
Gl. (1) die charakteristische Wöhlerlinie hergeleitet wer- auch von der Streuung der Stichprobe und der Anzahl
den. Das Vorgehen ist in Bild 2 schematisch dargestellt. der Versuche abhängt, ist hier ein Hypothesentest, wie
bspw. der Zweistichproben-t-Test, hilfreich. Damit kann
Der Kerbfall lässt sich berechnen, indem mithilfe der um- z. B. bewertet werden, ob der Einfluss der Streckgrenze
gestellten Gl. (1) die Spannungsschwingbreite der charak- signifikant ist.
teristischen Wöhlerlinie bei 2 Mio. Schwingspielen be-
stimmt wird (Gln. (5), (6)). Eine vereinfachte Möglichkeit, signifikante Einfluss­
größen zu untersuchen, ist der Vergleich normierter Ver-
2 ⋅ 106 − log ak suchswerte. Dabei wird, wie bei der in Abschn. 2 be-
log S = (5)
−3 schriebenen statistischen Auswertung, die Neigung der
Wöhlerlinie als bekannt vorausgesetzt. Entlang der be-
∆σ c = 10log S (6) kannten Wöhlerlinienneigung werden alle Versuchsdaten
auf den Bezugswert bei 2 Mio. Schwingspielen abgebil-
Das dargestellte Vorgehen erfüllt sowohl die Anforderun- det. Die normierten Versuchsdaten können auch verein-
gen aus dem Background-Dokument 9.01 [5] als auch des facht als Streuband dargestellt werden. Dieses Vorgehen
Eurocode 0 [10]. Ein ausführliches Berechnungsbeispiel ist schematisch in Bild 3 dargestellt.
ist in [4] gegeben.
Die Bezugswerte können im nächsten Schritt in einen
Zusammenhang mit einer potenziellen Einflussgröße ge-
3 Bewertung signifikanter Einflussgrößen setzt werden. Dabei ist ein Einfluss auch optisch gut zu
identifizieren. In Bild 4 ist beispielhaft der Einfluss der
Ein Ziel des hier vorgestellten Forschungsvorhabens [2] Streckgrenze auf die Ermüdungsfestigkeit der Längssteife
ist die Bewertung unterschiedlichster Einflussgrößen auf dargestellt. Die auf 2 Mio. Schwingspiele bezogenen Ver-
die Ermüdungsfestigkeit. Beispielsweise seien hier mög­ suchswerte können direkt mit dem entsprechenden Kerb-
liche Einflüsse aus der Mittelspannung oder der Material- fall verglichen werden. Liegt eine signifikante Einfluss­
festigkeit genannt, die im Rahmen des Eurocode 3-1-9 [1] größe vor, muss ein Trend erkennbar sein. Bei der in
derzeit nicht berücksichtigt werden. Aufgrund der gene- Bild 4 dargestellten Einflussgröße Streckgrenze wird
rell präsenten Streuung der experimentellen Ergebnisse deutlich, dass sowohl der Mittelwert als auch die Streu-
ist der Einfluss signifikanter Parameter nicht immer offen- ung relativ unabhängig von der Streckgrenze sind.
sichtlich. Deshalb wurden unterschiedliche Ansätze zur
Bewertung potenziell signifikanter Einflussgrößen unter- Um mit den skalierten Versuchswerten arbeiten zu kön-
sucht. nen, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Zum einen
dürfen die Daten nicht durch weitere signifikante Para-
Die einfachste Möglichkeit ist die Gruppenbildung von meter beeinflusst werden. So bietet es sich z. B. an, nur
experimentellen Ergebnissen. Wenn bspw. der Einfluss Daten zu vergleichen, die unter einem vergleichbaren
der Streckgrenze auf ein Konstruktionsdetail untersucht Spannungsverhältnis R generiert wurden, da bspw.

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Fachthemen
Bild 4 Normierte Streubänder in Abhängigkeit von der Streckgrenze für das Konstruktionsdetail Längssteife (Versuchsdaten bezogen auf 2 Mio. Schwingspiele)
Normalised scatter bands as a function of the yield stress for test data of longitudinal attachment (test data normalised to 2 million cycles)

Druckschwellbeanspruchungen einen positiven Einfluss ten Ermüdungsfestigkeit relevanten Informationen mit


auf die Ermüdungsfestigkeit haben können. Zum anderen einzubeziehen. Dazu zählen:
muss die angenommene Wöhlerlinienneigung für alle
Versuchswerte konstant sein. Schweißnahtnachbehand- – allgemeine Informationen: Konstruktionsdetail, Quelle,
lungen können bspw. zu abweichenden Wöhlerlinien­ allgemeine Anmerkungen;
neigungen führen. – Angaben zur Belastung: Art der Belastung, Prüffre-
quenz, Lage der berechneten Spannung;
– Materialinformationen: Stahlsorte, Streckgrenze, Zug-
4 Ermüdungsversuchsdaten und Datenbankstruktur festigkeit;
– Informationen zu Schweißnähten: Form, Schweiß-
Die erhobenen Daten basieren zunächst auf mehreren symbole nach [15], Anzahl der Lagen, Vorbehandlung,
Ermüdungsdatensammlungen, die während einer frühe- Nachbehandlung, Schweißfolge, Eigenschaften des
ren Forschungstätigkeit zusammengetragen wurden [14]. Zusatzwerkstoffs, Schweißposition nach [16], Prozess
Diese Datensammlungen umfassen 13 Datenbanken ver- nach [17];
schiedener internationaler Autoren. – Angaben zu den Prüfbedingungen: Temperatur, korro-
sive Bedingungen, Luftfeuchtigkeit;
Zunächst wurden die ursprünglichen Primärquellen all – detailspezifische Eigenschaften: je nach Detail (z. B.
dieser Datensammlungen erworben und erneut detailliert Dicke der Bauteile, Spannweite);
analysiert. Im Kontext des laufenden Projekts wurden – Versuchsergebnisse: Spannungsschwingbreite, Span-
auch eigene Versuchsdaten der involvierten Forschungs- nungsverhältnis, Anzahl der Zyklen bis zum Versa-
stellen sowie zusätzliche, bisher nicht in den Datensamm- gen, Versagenskriterium, Versagensbereich.
lungen enthaltene veröffentlichte Versuchsdaten in die
Datenbasis aufgenommen. Die innovative Datenbank auf Mithilfe der strukturiert in die Datenbank eingepflegten
Structured-Query-Language(SQL)-Basis enthält aktuell Informationen und des webbasierten Auswertetools kann
über 360 Primärquellen mit etwa 1 800 Ermüdungsserien die Auswertung von Ermüdungsversuchen und deren Ein-
und ungefähr 22 000 Einzelversuchsergebnissen zu ver- flussgrößen einfach realisiert werden. Im Rahmen des lau-
schiedenen Kerbdetails. fenden Forschungsprojekts [2] wurden bereits erste Neu-
auswertungen von Kerbfallklassen durchgeführt. Ziel ist
Bei der ersten Analyse der Quellen aus den früheren Da- die Aufarbeitung aller Kerbdetails, die in [14] bisher mit
tensammlungen konnte eine große Variation der Daten- Versuchsdaten belegt sind. Der Schwerpunkt liegt auf den
qualität festgestellt werden. Außerdem wurden die meis- Basiskerbfällen der Tabellen 8.2 bis 8.5 [1], welche Längs-
ten dieser Quellen bereits in den 1960er- und 1970er-Jah- nähte, Quernähte, Steifen und geschweißte Stöße ent­
ren veröffentlicht. Die neu entwickelte Datenbank zielt halten. Beispielhaft werden in Abschn. 5.2 die Er­gebnisse
darauf ab, durch Abfragen in Form von ca. 140 Eingabe- der Kerbfallklassifizierung der Details aus Ta­ belle 8.2
feldern alle hinsichtlich der versuchstechnisch ermittel- (Längsnähte in verschiedenen Ausführungsvarianten) des

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Tab. 2 Übersicht über Versuchsserien an geschweißten zusammengesetzten Querschnitten (Tabelle 8.2 [1])


Overview of test series on welded composite cross-sections (Table 8.2 [1])

Detail Beschreibung Serien Versuche

 Automatisch geschweißte Kehlnähte 6 77

 Automatisch geschweißte Doppelkehlnähte oder beidseitig durchgeschweißte Nähte, 28 305


beide mit Ansatzstellen

 Handgeschweißte Kehl- oder Stumpfnähte 13 129

 Unterbrochene Längsnähte 7 38

 Längsnähte, Kehlnähte oder unterbrochene Nähte mit Freischnitten < 60 mm 7 36

Längsbeanspruchte Stumpfnähte, beidseitig in Lastrichtung blecheben geschliffen, 100 % ZFP 2 183


 Ohne Schleifen und ohne Ansatzstellen 1 100
Mit Ansatzstellen – –

 Längsnähte in Hohlprofilen 1 7

Summe 65 875

EC 3-1-9 [1] vorgestellt. Tab. 2 enthält einen Überblick Um einen ersten Überblick über die Ermüdungsversuchs-
über alle bisher in der Datenbank enthaltenen Serien und daten hinsichtlich der Klassifizierung in Details zu erhal-
Versuche von Längsnähten, wie z. B. automatisch und ten, wurden die aussagekräftigsten Serien eines Details
manuell geschweißte Kehlnähte oder unterbrochene herangezogen. Hierzu wurden die folgenden Hauptkrite-
Längsnähte. rien angewandt:

Ergänzend zu der Ermüdungsauswertung von Längs­ – Verfügbarkeit von primären Quellen


nähten werden in Abschn. 6.3 erste Ergebnisse der Neu- – Verfügbarkeit von Versuchsdaten in Tabellen- oder
auswertung der Versuchsdaten zum Kreuzstoß vorgestellt Diagrammform
(Kerbdetails 1, 3 der Tabelle 8.5). – Aussagekraft des Versagenskriteriums
– Anzahl der Versuche
– Möglichkeit der eindeutigen Zuordnung zu einem Er-
5 Ermüdungsauswertung müdungsdetail des EC 3-1-9 [1]

5.1 Datenselektion
5.2 Auswertung von Ermüdungsversuchsdaten
Bei der Analyse der Ermüdungsversuchsserien zeigte sich
eine sehr unterschiedliche Datenqualität. Einige Quellen Im Folgenden wird ein erster Überblick über die Neu-
stellen Sekundärquellen dar und enthalten nur wenige auswertungen von Ermüdungsserien der Details 2, 3
detaillierte Informationen über die Geometrie oder den und 5 der Tabelle 8.2 [1] gegeben, die die klassischen
Probekörperwerkstoff, sodass zugehörige Primärquellen Längs­ nähte in verschiedenen Ausführungsformen dar-
herangezogen werden mussten, um die ermüdungsrele­ stellen (Tab. 3). Bei Detail 2 mit der Kerbfallklasse 125
vanten Eigenschaften der Versuchsserien zu extrahieren. handelt es sich um automatisch oder vollmechanisiert
Oftmals sind wesentliche Informationen, wie z. B. Schweiß- geschweißte Kehlnähte, die keine Ansatzstellen aufwei-
nahtdetails oder Versagenskriterien, auch in der Primär- sen dürfen bzw. deren Ansatzstellen „repariert“ wurden.
veröffentlichung unzureichend beschrieben. Darüber hin- Zu Detail 3 mit der Kerbfallklasse 112 gehören automa-
aus variieren die dokumentierten Versagenskriterien tisch oder vollmechanisiert geschweißte Doppelkehl­
stark. Versuchsergebnisse wurden manchmal nur grafisch nähte oder beid­seitig durchgeschweißte Nähte, die An-
in mäßiger Qualität dargestellt. Dies führt zu einer unge- satzstellen beinhalten. Handgeschweißte Kehl-, HV-
nauen Einordnung der Ergebnisse. Einige Versuchsserien oder Doppel-HV(DHV)-Nähte sind dem Detail 5 und
erscheinen in mehr als einer Quelle und wurden daher der Kerbfallklasse 100 zugehörig. Die Kerbfallklasse gibt
doppelt in die bisherige Versuchssammlung und Kerbfall- dabei den Bezugswert der Ermüdungsfestigkeit Dσc bei
klassifizierung [5] aufgenommen. Außerdem scheinen ei- Nc = 2 ⋅106 Zyklen an.
nige Serien der bestehenden Datensammlung in früheren
Auswertungen möglicherweise einem falschen Detail zu- Bei der Analyse der Daten wurde festgestellt, dass das
geordnet worden zu sein, was in einigen Fällen erst nach Vorhandensein von Schweißnahtansatzstellen nicht
der Recherche der Originalpublikationen festgestellt wer- immer dokumentiert wurde. Solange nicht explizit er-
den konnte. Darüber hinaus ist für mehrere Versuchsdaten- wähnt wird, dass Ansatzstellen bearbeitet bzw. nach den
reihen aufgrund fehlender wesentlicher Informationen die Anforderungen des EC3-1-9 [1] repariert oder entfernt
eindeutige Zuordnung zu einem Kerbdetail nicht möglich. wurden, wird davon ausgegangen, dass diese vorlagen.

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Fachthemen
Tab. 3 Auszug aus der Kerbfalltabelle 8.2 [1]
Excerpt from the detail category table 8.2 [1]

Kerbfall Konstruktionsdetail Beschreibung/Anforderung

125 2) Mit Automaten oder vollmechanisiert geschweißte Kehlnähte. Es dürfen


keine Schweißansatzstellen vorhanden sein, ausgenommen bei Durchführung
einer Reparatur mit anschließender Überprüfung der Reparaturschweißung.

112 3) Mit Automaten oder vollmechanisiert geschweißte Doppelkehlnähte oder


beidseitig durchgeschweißte Nähte, beide mit Ansatzstellen.

100 5) Handgeschweißte Kehlnähte oder HV-Nähte oder DHV-Nähte.

Nach Selektion der Daten wurden drei Serien mit insge- der definierten inversen Steigung m = 3 durchgeführt.
samt 54 Versuchen zur Bewertung des Details 2 heran­ Darüber hinaus wurde der Referenzwert der Ermüdungs-
gezogen, die alle auf Untersuchungen von Fisher [18] ba- festigkeit Dσc bei Nc = 2 ⋅106 Lastzyklen mithilfe der über
sieren. Für die Auswertung der Daten zu Detail 3 dienen das Prognoseintervall berechneten Wöhlerlinie bestimmt
acht Serien mit insgesamt 184 Versuchen, die von Reem­ (Abschn. 2.3).
snyder [19], Olivier [20] und Minner [21] durchgeführt
wurden. Für das Detail 5 lassen sich vier aussagekräftige Bild 5b stellt beispielhaft die Kerbfallauswertung für das
Serien mit 39 Versuchen klassifizieren, die aus Unter­ Detail 2 der Tabelle 8.2 dar. Wie auch schon in Bild 5a
suchungen von Olivier [20, 22], Munse [23] und Ruge [24] erkennbar ist, liegen die Versuchsergebnisse der handge-
hervorgehen. Die berücksichtigten Versuchsserien bein- schweißten Nähte (Detail 5) unterhalb derjeniger mit
halten unterschiedliche Versagenskriterien, Bauteilmaß- auto­matisch geschweißten Nähten (Details 2, 3). Laut
stäbe, Schweißverfahren und weisen verschiedene metall- EC3-1-9 [1] weisen automatisch geschweißte Nähte ohne
urgische Unterschiede, geometrische Toleranzen, Eigen- Ansatzstellen eine höhere Ermüdungsfestigkeit als Nähte
spannungen oder Schweißnahtunregelmäßigkeiten auf, mit Ansatzstellen auf, dies bestätigen die Versuchsergeb-
was einerseits zu einer großen Streuung der Ergebnisse, nisse der aktuell in die Datenbank eingearbeiteten Quel-
andererseits aber auch zu einer größeren Repräsentation len jedoch nicht.
der Ergebnisse führt. Alle Versuchsergebnisse der drei
untersuchten Details sind in Bild 5a dargestellt. In Tab. 4 wird die Neubewertung der Kerbfallklassen der
Details 2, 3 und 5 zusammengefasst.
Zur Kerbfallableitung wurden alle Versuchsergebnisse
eines Details gemeinsam ausgewertet. Im ersten Schritt Zunächst wird erneut deutlich, dass die Schweißnaht­
wurde eine lineare Regression (Abschn. 2.2) unter Ansatz ansatzstellen offenbar keinen so maßgeblichen Effekt auf

Bild 5 a) Darstellung der selektierten Versuchsergebnisse der Details 2, 3 und 5 [18–24], b) Kerbfallauswertung des Details 2
a) Illustration of the selected test results of detail 2, 3 and 5 [18–24], b) fatigue analysis of detail 2

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Tab. 4 Auswertung der Details 2, 3 und 5


Evaluation of details 2,3 and 5

Detail Serien Versuche Dσc Kerbfallklasse


[N/mm2]

 3 54 127 125
 8 184 130 125
 4 39 119 112

Bild 6 Darstellung der Probekörper für a) Groß- und b) Kleinversuche


Illustration of the specimens for a) large-scale tests and b) small-
die Ermüdungsfestigkeit haben wie derzeit im EC3-1-9 [1] scale tests
unterstellt. Detail 2 und Detail 3 könnten gleichermaßen
in die Kerbfallklasse 125 eingeordnet werden, was eine müdungsbeanspruchten Kranbahnträgern eingesetzt wer-
Hochstufung für Detail 3, das aktuell in EC3-1-9 [1] der den. Im Hinblick auf Schraubverbindungen erfordert der
Klasse 112 zugeordnet ist, bedeutet. Auch bei der Aus- Kerbfallkatalog die Kenntnis der tatsächlichen Schrau-
wertung der handgeschweißten Längsnähte, dem Detail 5, benkräfte, die jedoch – je nach Geometrie der Verbin-
wird deutlich, dass mit einem Bezugswert der Ermüdungs- dung – zusätzlichen Belastungen durch Abstützung und
festigkeit Dσc von 119 N/mm2 die Kerbfallklasse 112 er- Verlust der Vorspannung unterliegen. Um die tatsächli-
reicht werden kann, anstatt der Einstufung in die Klasse che Schraubenkraft infolge einer äußeren Belastung zu
100 wie aktuell im EC3-1-9 [1] hinterlegt. Die dargestellten bestimmen, sind wiederum aufwendige numerische Un-
Ergebnisse basieren lediglich auf den Quellen der Daten- tersuchungen erforderlich. Um sowohl die Ermüdung der
sammlung, die im Hintergrunddokument zu EC3-1-9 [1] Schweißnaht am T-Stoß als auch die Beanspruchungen
als Grundlage des Kerbfallkatalogs angegeben sind. In der vorgespannten Schraube zu untersuchen, werden der-
Zukunft soll die Datenbasis vergrößert werden, sodass zeit experimentelle und numerische Untersuchungen an
die Kerbfallauswertungen noch aussagekräftiger und re- Stirnplattenverbindungen mit vorgespannten Schrauben
präsentativer werden. durchgeführt.

Zum einen erfolgen Bauteilversuche an Walzprofilen mit


6 Laufende experimentelle und numerische unterschiedlichen Stirnplattenverbindungen (Bild  6a).
Untersuchungen Zum anderen werden Ausschnitte der Stirnplattenverbin-
dungen in Form von T- und L-Stößen experimentell un-
6.1 Anlass tersucht, um die Übertragbarkeit zwischen Bauteil- und
Kleinteilversuchen zu überprüfen (Bild 6b).
Die in Abschn. 5 vorgestellte Neuauswertung von Kerb-
details nach EC3-1-9 [1] umfasst bisher nur die Analyse Die nachfolgenden Abschnitte geben einen kurzen Über-
bestehender Versuchsdaten. Trotz der Aufnahme neuer blick über die laufenden Untersuchungen. Für detaillier-
Versuchsserien in die Datenbank besteht nach wie vor tere Informationen wird auf [2] verwiesen.
ein hoher Bedarf an zukünftigen experimentellen Versu-
chen, um die nicht experimentell belegten Kerbfallklassi-
fizierungen zu überprüfen. 6.2 Experimentelle Untersuchungen

Umfangreiche experimentelle Untersuchungen wurden Bisher wurden bereits zwei Versuchsserien an T-Stößen
u. a. am Konstruktionsdetail Gurtlamellenende durchge- mit Kehlnähten (Serie B) und HV-Nähten (Serie C) durch-
führt. Für dieses Konstruktionsdetail gibt es unterschiedli- geführt. Hierbei gehören die T-Stöße mit HV-Nähten und
che Ausführungsvarianten. Für die besonders aufwendige dem Versagen am Schweißnahtübergang laut EC3-1-9 [1]
und in Deutschland häufig genutzte Variante mit einem dem Kerbfall 80 (Detail 1 bzw. 2 der Tabelle 8.5) an.
verschliffenen Kerbübergang wurden Wöhlerlinien ermit- Dabei fordert der Kerbfallkatalog eine Nachweisführung
telt, die zu einer konkreten Kerbfalleinstufung in EC 3-1-9 mit korrigierten Nennspannungsschwingbreiten im Fall
[1] führen sollen. eines „verformbaren Anschlussblechs“ (Detail 2). Es sind
jedoch keine Kriterien für die Verformbarkeit des Blechs
Einige Details des EC 3-1-9 [1] erfordern umfangreiche angegeben. Daher werden zunächst Nennspannungen be-
numerische Berechnungen, die ein einfaches Nachweis- trachtet – der Einfluss von korrigierten Nennspannungen
verfahren erschweren. Ein Beispiel hierfür ist der T-Stoß wird zu einem späteren Zeitpunkt bewertet [2]. Für die
(Details 1–3 aus Tabelle 8.5 [1]), bei dem unter Umständen Kehlnähte ist theoretisch das Versagen der Schweißnaht-
mit korrigierten Nennspannungsschwingbreiten, die über wurzel maßgebend, was Detail 3 der Tabelle 8.5 mit Kerb-
Finite-Elemente-Untersuchungen ermittelt werden, ge- fall 36* entspricht [1]. Die Stöße wurden so dimensioniert,
rechnet werden muss. Noch aufwendiger wird das Nach- dass die vorgespannte Schraube nicht maßgebend wird,
weisverfahren, wenn der T-Stoß zusätzlich mit einer vor- sondern das Ermüdungsversagen in der Schweißnaht auf-
gespannten Schraubverbindung ausgeführt wird, wie bei tritt. Dabei wurden die Nähte per Metallaktivgasschweißen
Stirnplattenverbindungen, die bspw. für den Stoß von er- (MAG) gefertigt. Die Versuche wurden mit einem kon­

1010 Stahlbau 88 (2019), Heft 10


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Fachthemen
Bild 8 Unterschiedliche Versagensformen von T- und Kreuzstößen:
a) Nahtübergang, b) Wurzelversagen [1]
Different failure modes of T- and cross joints: a) weld toe, b) weld
root failure [1]

Kerbdetails, nämlich Detail 1: Schweißnahtübergangver-


sagen sowie Detail 3: Schweißnahtwurzelversagen, Rech-
nung getragen. Eine versagensrelevante Rissinitiierung
des Schweißnahtübergangs (Detail 1) wird in Abhängig-
Bild 7 Versuchsergebnisse und Auswertung der Kleinteilserien B und C
keit von den Geometriegrößen Blechdicke t und Abstand
Test results and evaluation of the small-scale test series B and C
der Schweißnahtübergänge l (Bild 8) mit einer feingliedri-
gen Abstufung der Kerbfälle von 80 bis 40, bezogen auf
stanten Spannungsverhältnis von R = 0,1 durchgeführt. den Grundblechquerschnitt, bewertet, während dagegen
Für ausführliche Informationen zur Fertigung der Proben ein Versagen, ausgehend von der Schweißnahtwurzel mit
und Durchführung der Versuche wird auf [2] verwiesen. Kerbfall 36*, bezogen auf den Schweißnahtquerschnitt
In Bild 7 sind die Versuchsergebnisse sowie die mit dem bewertet wird.
Prognoseintervall (Abschn. 2.3) berechneten Wöhlerlini-
en beider Serien dargestellt. Die Auswertung der Serie C Nachfolgend wird der aktuelle Stand der Neuauswertung
führt ohne die Berücksichtigung von korrigierten Nenn- auf Grundlage der zusammengetragenen und aufgearbei-
spannungen zu einem Ergebnis von Dσc = 83,6 N/mm2 teten Datenbasis dieser beiden Kerbdetails dargestellt.
für  das Versagen am Schweißnahtübergang, was den Die Ergebnisse der im vorangegangenen Abschnitt be-
Kerbfall 80 des Details 1 bestätigt. Für das Versagen der schriebenen neu durchgeführten Kleinteilversuche wer-
Schweißnahtwurzel, das an allen Probekörpern der Serie den entsprechend eingeordnet.
B beobachtet werden konnte, liefert die Auswertung er-
wartungsgemäß eine geringere Ermüdungsfestigkeit von
Dσc = 61,7 N/mm2. Mit der entsprechenden Kerbfallklasse 6.3.1 Geschweißte T- und Kreuzstöße: Kerbdetail 3
von 56 würde das Detail 3 dennoch drei Klassen über der (Schweißnahtwurzelversagen)
aktuellen Kerbfallklasse 36* bzw. 40 liegen. Hierzu muss
jedoch erwähnt werden, dass die Ermüdungsfestigkeit Bei der Neuauswertung der vorhandenen Datenbasis
der Schweißnahtwurzel von zahlreichen Einflussfaktoren kommen für Detail 3 nur jene Versuche in Betracht, bei
(Abschn. 6.3.1) beeinflusst wird, wodurch eine genaue denen die Schweißnahtwurzel versagensrelevant war.
Prognose der Ermüdungsfestigkeit dieses Details er- Daher wurden nur jene Einzelversuche berücksichtig und
schwert wird. Daher sollen die Ergebnisse der Kleinteil- für die Kerbfallableitung herangezogen, bei denen der Ort
versuche des Weiteren durch eigene Großbauteilversuche des maßgebenden Rissausgangs eindeutig dokumentiert
und weitere Versuchsergebnisse aus der Literatur ergänzt wurde. Weiter wurden für die Darstellung im Wöhlerdia-
und abgeglichen werden, welche zu geringeren Bewertun- gramm (Bild 9) lediglich die Versuche berücksichtigt, die
gen führen können. u. a. folgenden Filterkriterien genügen:

– Ort der Spannungsermittlung (bspw. Grundblech-


6.3 Einordnung der neuen Versuchsdaten in die oder Schweißnahtquerschnitt) muss bekannt sein
vorhandene Datenbasis – keine Schweißnahtnachbehandlung
– Versuchsdaten ausschließlich aus Primärquellen
Analog zur Neuauswertung der gesammelten Versuchser- – Serien mit einer Versuchsanzahl von mindestens fünf
gebnisse der geschweißten Längsnähte in Abschn. 5 verwertbaren Einzelversuchen
wurde bereits eine repräsentative Anzahl an Versuchs­ – keine Beschichtung der Ausgangsmaterialien (bspw.
daten von T- und Kreuzstößen in der Datensammlung er- Fertigungsbeschichtungen, Zinküberzüge etc.)
fasst und neu ausgewertet. Mit Ausnahme der voll durch- – nur axiale Versuche im Zugschwellbereich (R ≥ 0)
geschweißten Ausführungsvariante können hierbei die
konkurrierenden Rissausgangsbereiche Schweißnaht- Die gefilterte Datensammlung deckt mit über 400 Ver­
übergang und Schweißnahtwurzel als Besonderheit ge- suchen einen großen Einflussparameterbereich wie unter-
nannt werden. Im Eurocode 3-1-9 [1] wird diesem Um- schiedliche Blechdickenbereiche, Schweißnahtarten
stand durch die Nachweisführung für mindestens zwei (Kehl- sowie teildurchgeschweißte DHY-Nähte), Schweiß-

Stahlbau 88 (2019), Heft 101011


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nahtdicken, unterschiedliche Fertigungseinflüsse u. v. m


ab und kann nach dem Prognoseintervall mit einer festen
inversen Neigung von m = 3 ausgewertet werden. Diese
Gesamtauswertung (Bild 9) bestätigt Kerbfall 36 (Dσc =
38,1 N/mm2). Trotz umfangreicher Filterkriterien fällt
insbesondere bei diesem Kerbdetail auf, dass eine erhöhte
Streuung der Einzelversuche vorliegt, welche maßgeben-
den Einfluss auf die niedrige Einstufung dieses Kerb­
details hat.

Eine genauere Betrachtung der einzelnen Versuchsserien


zeigt, dass einzelne Versuche eine deutlich geringere
Lebensdauer, also einen erhöhten Abstand zur Regressions-
geraden im Vergleich zur übrigen Testserie aufweisen.
Diese „Ausreißer“ erweisen sich als charakteristisch für
dieses Kerbdetail. Ein Erklärungsansatz liegt in der
Schweißnahtwurzel, da hier unbemerkt auftretende
schweißprozessbedingte Fehlstellen, insbesondere Wur-
zelbindefehler, zu einer frühzeitigen Rissinitiierung in
diesem Bereich führen können. Hinzu kommt, dass im
Gegensatz zum versagensrelevanten Bereich an der Bau-
teiloberfläche Schweißnahtfehler und Rissinitiierung an
der Wurzel nicht durch visuelle oder nur sehr bedingt Bild 9 Detail 3 – gefilterte Versuchsergebnisse [25–45] und Darstellung der
durch zerstörungsfreie Prüfverfahren detektiert oder gar Kleinteilserie B [2]
bewertet werden können. Bei der Auslegung dieser Bau- Detail 3 – filtered test results [25–45] and illustration of the small-
scale test series B [2]
teile muss berücksichtigt werden, dass eine Ermüdungs-
rissentstehung bei rein visueller Inspektion unbemerkt
bleibt und erst bei einem Risswachstum bis zur Bauteil­ durchgeführten Kleinbauteilversuche gut in das in Bild 9
oberfläche festgestellt werden kann. Mitunter können zu dargestellte Streuband der gefilterten Datensammlung ein.
diesem Zeitpunkt aber schon erhebliche Rissgrößen vor-
liegen, sodass in Abhängigkeit vom Anwendungsfall die
Versagensform, ausgehend von der innen liegenden 6.3.2 Geschweißte T- und Kreuzstöße: Kerbdetail 1
Schweißnahtwurzel, vollständig ausgeschlossen werden (Schweißnahtübergangsversagen)
muss.
Für die Neuauswertung der vorhandenen Datenbasis der
Neben Schweißnahtunregelmäßigkeiten wie Wurzel­ T- und Kreuzstöße für den versagensrelevanten Schweiß-
bindefehler und fehlender Einschweißtiefe wurden in [46] nahtübergang wurden vergleichbare Filterkriterien, wie
weitere Einflussgrößen wie Eigenspannungszustände, in Abschn. 6.3.1 beschrieben, verwendet. Aufgrund der
Mittelspannungsabhängigkeiten und Blechdickenabhän- deutlich geringeren Anzahl an auf die Filterkriterien zu-
gigkeiten für Kerbdetails mit Schweißnahtwurzelversagen treffenden Einzelversuchen wurde der Geometrieeinfluss
zusammengestellt und diskutiert. Die nach [46] auf zunächst vernachlässigt und biegebeanspruchte Probe-
Druckeigenspannungszustände im Bereich der Schweiß- körper zusätzlich zugelassen.
nahtwurzel zurückzuführende Mittelspannungsabhängig-
keit der Kreuzstoßproben zeigt sich auch qualitativ an- Die Darstellung im Wöhlerdiagramm (Bild 10) zeigt im
hand der vorliegenden gefilterten Datensammlung. Ein- Vergleich zum Kerbdetail 3 (Bild 9) eine geringere Streu-
deutige quantitative Rückschlüsse lässt die aus fast ung. „Ausreißer“ mit signifikant geringerer Lebensdauer
ausschließlich Kleinbauteilversuchen bestehende Daten- treten deutlich seltener auf. Eine Gesamtauswertung mit
sammlung jedoch nicht zu. Experimentelle Ergebnisse an dem Prognoseintervall (Abschn. 2.3) mit festgesetzter
Großbauteilen, welche repräsentative, realitätsnahe Eigen- inverser Steigung von m = 3 ergibt eine charakteristi­
spannungszustände abbilden, sind für das Kerbdetail 3 sche Ermüdungsfestigkeit bei 2 Mio. Lastwechseln von
gegenwärtig unzureichend vorhanden. Vor diesem Hin- Dσc = 69,3 N/mm2. Damit kann mit der gegenwärtig vor-
tergrund steht die Auswertung für ausschließlich R ≥ 0 handenen gefilterten Datensammlung zumindest der
zur Diskussion und die gegenwärtige Festlegung nach Kerbfall 80 nach EC3-1-9 [1] nicht bestätigt werden. Der
EC3-1-9 [1] mit Kerbfall 36* scheint begründet. gegenwärtige Datenbestand deckt sich besser mit der
Kerbfalleinstufung von 71 nach IIW-Empfehlung [47]. Die
Wie die Ergebnisse der Kleinteilserie B (Abschn. 6.2) zei- Versuchsergebnisse der Kleinbauteilserie C (Abschn. 6.2)
gen, kann die Auswertung einer einzelnen Versuchsserie mit Versagen im Schweißnahtübergang ordnen sich gut
bei Kerbdetail 3 zu einer erheblich höheren Kerbfallein- in die gefilterte Datensammlung (Bild 10) ein, was u. a.
stufung führen, da innerhalb der Serie nur wenige Ein- durch den geringen Abstand zur Regressionsgeraden ge-
flussgrößen variiert werden. Dennoch fügen sich die neu zeigt werden kann.

1012 Stahlbau 88 (2019), Heft 10


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Fachthemen
numerisch nachgerechnet werden. Mithilfe von validier-
ten Modellen kann dann eine Parameterstudie durchge-
führt werden, um Schraubenkraft- und Schweißnahtspan-
nungsfunktionen für beliebige Geometrien von T-Stößen
bzw. Stirnplattenverbindungen herzuleiten.

Sowohl für die Groß- als auch für die Kleinteilversuche


wurden parametrisierte Abaqus-Modelle erstellt, mit
denen der Schweißnahttyp und verschiedenste Geometrie-
eigenschaften variiert werden können. Zur numerischen
Bestimmung der Ermüdungsfestigkeit der Schweißnaht
wird auf das lokale Kerbspannungskonzept [47, 49, 50]
zurückgegriffen. Hierzu wird die tatsächliche Schweiß-
nahtkontur durch eine effektive ersetzt, d. h., an Schweiß-
nahtübergang und -wurzel muss ein Kerbradius sowie ggf.
ein Spalt modelliert werden. Um den Vorgaben der IIW-
Empfehlungen für den vorliegenden Blechdickenbereich
zu entsprechen, wird ein Radius von 1 mm und eine
Elementgröße in den Radien von < 1/6 mm eingehalten
[49]. Die maximale Hauptspannung an den Radien stellt
die einwirkende Kerbspannung dar. Den Widerstand be-
stimmt die Kerbspannungswöhlerlinie mit dem Bezugs-
Bild 10 Detail 1 – gefilterte Versuchsergebnisse [25–28, 31, 34, 35, 45, 48] wert der Ermüdungsfestigkeit von 225 N/mm2 bei 2 ⋅ 106
sowie Darstellung der Kleinteilserie C [2]
Detail 1 – filtered test results [25–28, 31, 34, 35, 45, 48] and represen-
Lastwechseln und der inversen Steigung m = 3 [49].
tation of the small-scale test series C [2]
Um die erforderliche feine Diskretisierung des Modells zu
Weiter kann bei der Analyse der gefilterten Datensamm- ermöglichen, wird der relevante Abschnitt des Modells
lung beobachtet werden, dass der durch den Eurocode mithilfe eines Submodells abgebildet, welches im Ver-
3-1-9 [1] abgedeckte geometrische Parameterbereich für gleich zum Globalmodell aufgrund der kleineren Größe
Kerbdetail 1 nicht bzw. nur bedingt durch die bisherige deutlich feiner vernetzt werden kann. In Bild 12a ist das
Versuchsdatensammlung abgedeckt wird. Bild 11 zeigt, Globalmodell der Serie B dargestellt, wobei das Sub­
dass insbesondere für große Blechdicken t sowie große modell rot hinterlegt ist.
Abstände der Schweißnahtübergänge l (Bild 8) gegenwär-
tig keine experimentellen Versuchsdaten in der Daten- Das Ergebnis einer Submodellsimulation ist in Bild 12b
sammlung vorhanden sind. für eine Nennspannung in der Schweißnahtwurzel von
130 N/mm2 veranschaulicht. Die maximale Kerbspan-
nungsschwingbreite von 516 N/mm2 (nach Abzug der bei
6.4 Numerische Untersuchungen der Schraubenvorspannung eingebrachten Spannungen)
entsteht in der Schweißnahtwurzel, wobei sich am
Nach der Durchführung der experimentellen Untersu- Schweißnahtübergang ähnlich hohe Kerbspannungen
chungen sollen diese zur Validierung von FE-Modellen entwickeln.

Bild 11 Durch die vorhandenen Daten erfasster Parameterbereich (links) sowie zugehörige Abstufung der Kerbfälle nach Eurocode 3-1-9 (rechts)
Parameter range covered by the existing data (left) and the corresponding classification of detail categories according to Eurocode 3-1-9 (right)

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Bild 12 a) Global- und Submodell der Serie B, b) Spannungsplot des Submodells


a) Globalmodel and submodel of series B, b) stress plot of submodel

Vergleicht man nun die mit Nenn- und Kerbspannungs- 7 Schlussfolgerung


konzept berechneten mit den experimentell ermittelten
Zyklenanzahlen der Schweißnahtwurzel, wird zunächst Der vorliegende Beitrag stellt das grundsätzliche Vorge-
deutlich, dass mit dem Nennspannungskonzept (unterste hen im laufenden Forschungsvorhaben „Neubewertung
Linie in Bild 13) die konservativsten Ergebnisse erzielt und Erweiterung des Kerbfallkatalogs nach Eurocode 3“
werden. Das Kerbspannungskonzept führt zu wirtschaft­ [2] vor, insbesondere den Aufbau einer Versuchsdaten-
licheren und realistischeren Zyklenanzahlen, die aber sammlung und die Methodik der Datenauswertung.
immer noch konservativ unter der experimentell ermittel-
ten ertragbaren Anzahl von Zyklen liegen, wie in Bild 13 Nach der Erläuterung der zugrunde liegenden statistischen
zu erkennen ist. Dieses Ergebnis war zu erwarten, da das Bewertungsmethoden stellt dieser Beitrag eine exem­
Kerbspannungskonzept ursprünglich an ähnlichen Ver- plarische Neuauswertung der Kerbfallkategorien von
suchskörpern hergeleitet wurde [49]. Zusätzlich wurde Längsnähten vor. Die Grundlage bildet hierbei größten-
das Modell durch Vergleich von experimentell und nu­ teils die Datensammlung des Hintergrunddokuments [14]
merisch ermittelten Dehnungen validiert. Zukünftig zum EC3-1-9 [1]. Mit dieser Datenbasis konnte festgestellt
kann mithilfe der umfangreichen experimentellen Daten werden, dass automatisch hergestellte Längsnähte mit
in der Datenbank sowie mithilfe numerischer Ansätze Ansatzstellen, die dem Detail 3 der Tabelle 8.2 entspre-
nach dem Kerbspannungskonzept die Kerbfallklasse des chen, von der Kerbfallklasse 112 auf 125 angehoben wer-
T-Stoßes nach EC 3-1-9 [1] überprüft und ggf. verbessert den könnten. Auch bei manuell hergestellten Schweiß-
werden. nähten ist eine Verbesserung von Kerbfallklasse 100 auf
112 auf Basis von Auswertungen der vorhandenen Ver-
suchsdaten möglich.

Des Weiteren wurden erste Ergebnisse experimenteller


und numerischer Untersuchungen vorgestellt, die den
Ermüdungsnachweis von Details am vorgespannten
Stirnplattenstoß vereinfachen sollen. Die Versuchsergeb-
nisse fügen sich sehr gut in die mit der Datenbank durch-
geführte Auswertung der T- und Kreuzstöße ein.

8 Ausblick

Die Analyse der dem EC3-1-9 [1] zugrunde liegenden


Versuchsdaten hat im Rahmen der laufenden Untersu-
chungen erhebliche Lücken bei der Klassifizierung der
Kerbfalldetails aufgezeigt. Der derzeitige Kerbfallkatalog
impliziert zudem bei manchen Kerbfalleinstufungen Ein-
flüsse auf die Ermüdungsfestigkeit, die experimentell bis-
her nicht bestätigt werden.

Wie bereits am Beispiel des T-Stoßes erwähnt (Abschn.


Bild 13 Ergebnisse der Versuche sowie der Prognose mit Nenn- und Kerb-
spannungskonzept
6.3), weisen einige Details des Kerbfallkatalogs einen
Results of the tests and the prognosis with nominal and notch stress Größeneffekt auf. In den meisten Regelwerken, wie auch
concept im EC3-1-9 [1], sind hierzu nur vereinfachte Regelungen

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Fachthemen
Bild 14 Längeneinfluss Längssteife
Length influence longitudinal attachment

enthalten. Auswertungen von experimentellen Daten gung und der Toleranzabweichungen. Fertigungstoleran-
zum Konstruktionsdetail Längssteife zeigen, dass der nor- zen spielen bei Rest- und Luftspalten bei T-Stößen und
mativ unterstellte Größeneinfluss tendenziell überschätzt Steifen eine große Rolle für die Ermüdungssicherheit
wird und so zu unwirtschaftlichen Bemessungen führen von geschweißten Konstruktionen (Bild 15). Schweiß-
kann. So sieht Eurocode 3-1-9 [1] in Abhängigkeit von der verbindungen können Fertigungsfehler, metallurgische
Länge der Längssteife eine Abstufung vom Kerbfall 80 bis Veränderungen des Grundwerkstoffs oder auch innere
zum Kerbfall 56 vor. Der Kerbfallkatalog des IIW [47] Unregelmäßigkeiten enthalten, die durch die vorhande-
berücksichtigt zusätzlich die Blechdicke. Dies führt im nen Kerbfälle teilweise abgedeckt sind. Ungänzen bei
Dickblechbereich zu noch tieferen Kerbfalleinstufungen. HV- oder DHV-Nähten an T- oder Kreuzstößen sind
In Bild 14 sind auf 2 Mio. Schwingspiele bezogene Streu- fehlende Durchschweißungen, deren Quergröße als
spannen der in der Datenbank enthaltenen Versuchs­ Restspalt bezeichnet wird. Moderne zerstörungsfreie
serien in Abhängigkeit von der Längssteifenlänge darge- Prüfverfahren erlauben heute, solche Ungänzen zu iden-
stellt. Es wird deutlich, dass die derzeitige Kerbfallabstu- tifizieren, was zu Diskussionen führt, da die aktuelle
fung den Verlauf der experimentellen Daten unzureichend Normung den Nachweis einer Durchschweißung bei
wiedergibt und gerade für große Steifen eine Verbesse- durch- oder gegengeschweißten Nähten fordert. Grund-
rung der Einstufung möglich erscheint. sätzlich wäre es nicht nur für statisch, sondern auch für
zyklisch beanspruchte Bauteile möglich, Schweißnähte
Die in Bild 14 dargestellten Versuchswerte wurden an mit gewissen Restspalten zu tolerieren. Entsprechende
Blechdicken von 4 bis 32 mm ermittelt. Weiterführende Untersuchungen wurden mithilfe von bruchmechani-
experimentelle Untersuchungen, um den wechselseitigen schen Methoden an der RWTH Aachen bereits durchge-
Einfluss von Längssteifenlänge und Blechdicken, insbe- führt [51]. Weiterführend soll zukünftig das Kerbspan-
sondere im für den Brückenbau relevanten Dickblech­ nungskonzept angewendet werden, um die Ermüdungs-
bereich, einschätzen zu können, fehlen jedoch derzeit. festigkeit von Schweißverbindungen mit Restspalten auf
wirtschaftliche Weise beurteilen zu können und schwie-
Abgesehen von den Größeneinflüssen besteht zudem ein rige Diskussionen sowie unnötige Nachbesserungen zu
Forschungsbedarf hinsichtlich der Einflüsse der Ferti- vermeiden.

Bild 15 Definition von Rest- bzw. Luftspalten bei Kreuzstößen und ausgesteiften Trägern
Definition of root or air gaps for cruciform joints and braced beams

Stahlbau 88 (2019), Heft 101015


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Mit der gleichen Vorgehensweise kann ebenfalls die Er- tigen Forschungsaktivitäten erweitert werden, sodass bis-
müdungssicherheit von Steifen in Walzprofilen beurteilt her unzureichend belegte Kerbdetails analysiert werden
werden. Vollsteifen können aufgrund von Toleranzen in können und die Aussagekraft von aktuellen Neuauswer-
den Walzprofilabmessungen zu klein dimensioniert sein tungen noch gesteigert werden kann.
und dadurch kritische Luftspaltgrößen aufweisen. Diese
Spalte führen zu Spannungskonzentrationen im Bereich
der Schweißnähte, welche ebenfalls mit lokalen Ermü- Dank
dungskonzepten bewertet werden können.
Die vorgestellten Untersuchungen wurden im Rahmen
Als weiterer Ausblick hinsichtlich Forschungsthemen ist des Forschungsprojekts „Neubewertung und Erweiterung
zu erwähnen, dass, wie bereits anhand der Simulationen des Kerbfallkatalogs nach Eurocode 3“ durchgeführt [2].
der Versuche am T-Stoß zu erkennen ist, die Bestimmung Das IGF-Vorhaben des Deutschen Ausschusses für Stahl-
von Ermüdungsfestigkeiten mithilfe des Kerbspannungs- bau in Zusammenarbeit mit der Forschungsvereinigung
konzepts zu differenzierten Ergebnissen führt. Auf Basis für Stahlanwendung FOSTA wurde über die AiF im
der Datenbank können derartige Untersuchungen zu- Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen
künftig auch auf andere Details angewendet werden, um Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium
Ermüdungsfestigkeitsnachweise wirtschaftlicher zu ge- für Wirtschaft und Energie gefördert. Hierfür bedanken
stalten. Dabei sind die Grenzen des Kerbspannungs­ sich die Forschungsstellen. Ein großer Dank gilt außer-
konzepts, z. B. die eingeschränkte Anwendung bei Details dem der AG der Dillinger Hüttenwerke, der Peiner
mit hohen Eigenspannungen oder kleinem Spannungs- Träger GmbH, der Feyler Industriebau GmbH, der August
gradient, zu beachten. Friedberg GmbH, der Donges SteelTec GmbH, der
Zwick­auer Sonderstahlbau GmbH sowie der Firmen-
Auf Basis der oben genannten Aspekte sollen die bisheri- gruppe Max Bögl für die Bereitstellung von Material und
gen Erkenntnisse durch eine Kombination von gezielten die Fertigung der Probekörper.
Versuchen und numerischen Untersuchungen in zukünf-

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