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2006 11:33 Uhr Seite 616

LESERANFRAGEN

! „Bestandsschutz“. Jeder kann mit sei-


nem Eigentum, hier die Wohnung mit der
Elektroinstallation, machen was er will. Das
Unternehmer, Arbeitgeber) und der Elektro-
fachkräfte sollte somit nicht lauten,
• „Hat die alte Elektroinstallation Bestands-
Hauptverteilung werden die Trafos dann über
Kuppelschalter parallel betrieben.
In den NS-Hauptverteilungen wird der PEN-
BGB sagt dazu im § 903: schutz“, sondern vielmehr, Leiter vom Trafo aufgeteilt in PE- und N-Lei-
„Der Eigentümer einer Sache kann, soweit • „Ist die alte Elektroinstallation noch so gut ter. An diesen Hauptverteilungen sind dann
nicht das Gesetz oder Rechte Dritter ent- und so sicher, dass sie von ihrem Eigen- ausschließlich Abgänge im Fünf-Leitersys-
gegenstehen, mit der Sache nach Belieben tümer ohne Gewissensbisse, d. h. ohne tem angeschlossen (L1, L2, L3, N und PE),
verfahren und andere von jeder Einwirkung Schäden und Unfälle zu riskieren, selbst be- also TN-S-System. An den Hauptverteilungen
ausschließen.“ nutzt oder Anderen vermietet werden kann“ ist aber teilweise auch der Umschaltschrank
Dies gilt unabhängig davon, in welchem Zu- (BGB §§536/537). einer Netzersatzanlage angeschlossen –
stand sich die Anlage befindet und ob sie ebenfalls im Fünf-Leitersystem. Auch die Ge-
möglicherweise eine Gefährdung darstellt Gerätewechsel. Da mit dem Auswechseln der neratoren der Netzersatzanlage sind im Fünf-
oder nicht. Steckdosen keine Veränderung der Anlage, Leitersystem angeschlossen. Bei den Gene-
Um eine Neuinstallation zu erzwingen, müsste ihrer Schutzmaßnahme, ihrer Belastung oder ratoren ist der Sternpunkt geerdet durch
ein Dritter (Elektrofachkraft, Mieter, Vertreter ihrer Umgebungsbedingungen verbunden ist, eine Brücke zwischen der N- und PE-Schiene
des Mietervereins o. ä.) beweisen und zur ergibt sich aus diesem Austausch auch kein im Umschaltschrank der Netzersatzanlagen.
Anzeige bringen, dass durch die möglichen Grund zur Anpassung der alten Anlage an die Die Netzumschaltung erfolgt durch dreipolige
Folgen der unzureichenden Installation neuen Normen. Schütze automatisch (L1, L2, L3), der N-Lei-
(Brand, elektrischer Schlag), seine Rechte Er soll jedoch für die Elektrofachkraft – den ter wird nicht mit geschaltet (Bild ➊). Nach
oder die anderer Bürger betroffen und verletzt „Beschützergarant“ ihrer Kunden – Anlass unserer Überzeugung müsste der N-Leiter mit
werden. Da dies ein mühsamer Weg ist, den sein, um nachdrücklich auf die Notwendigkeit umgeschaltet werden, da man im TN-C-S-
man nur bei akuter Gefahr beschreiten wird, einer Veränderung dieser Anlage mit der klas- System nach der Aufteilung des PEN-Leiters
bleibt dann nur die geduldige, hartnäckige und sischen Nullung hinzuweisen. K. Bödeker in PE- und N-Leiter keine erneute Verbindung
letztlich vielleicht doch überzeugende Dis- zwischen diesen beiden Leitern herstellen
kussion. darf. Dies erfolgt aber durch die Sternpunkt-
Auf den so genannten „Bestandsschutz“ kann Aufbau einer erdung der Anlagen.
sich der Eigentümer dabei nicht berufen. Nach unserer Meinung muss der N-Leiter mit
• Es gibt keine gesetzliche und allgemein
Mehrfacheinspeisung umgeschaltet werden und die Sternpunkt-
gültige Festlegung, die einer alten Anlage für eine NS-Anlage erdung der Generatoren sowie der NS-Netze
„Bestandsschutz“ zuerkennt und jeweils vor dieser Umschaltung ausgeführt
• nirgendwo ist verbindlich festgelegt oder
definiert, was „Bestandsschutz“ in der
Elektrotechnik eigentlich bedeutet und
? In einem Industrieunternehmen er-
folgt die Mittelspannungseinspeisung
(10 kV) durch das EVU. Mehrere Transforma-
sein, so dass es zu keiner unzulässigen
Zusammenführung des PE- und N-Leiters
kommt.
welchem Sicherheitsniveau eine Anlage mit toreinspeisungen in unterschiedlichen Ge-
„Bestandsschutz“ entsprechen muss.
Die Behauptung „Meine elektrische Anlage
hat Bestandsschutz“ ist lediglich eine Droh-
bäuden erzeugen ein NS-Netz (400/230 V).
Insgesamt gibt es im Werk sieben NS-Haupt-
verteilungen, die jeweils von einem oder bis
! Bei elektrischen Anlagen mit parallelen
Einspeisungen aus verschiedenen Span-
nungsquellen (in den Normen spricht man in
gebärde. Sie fällt in sich zusammen, wenn zu drei Trafos versorgt werden. In der NS- diesem Fall von einer Mehrfacheinspeisung),
man den konkreten Beweis dafür verlangt.
Andersherum wird ein Schuh daraus. Es ist zu
klären, ob eine Anlage sicher genug ist oder ob Niederspannungs- Netzumschaltschrank
sie auf Grund ihrer Mängel den aktuellen hauptverteilung L1
L2 NEA*
Normen angepasst werden muss. Dabei ist zu
L3 Haupt-
berücksichtigen: N verteilung
1. Eine Anlage, die nicht nach den techni- PE
schen Regeln errichtet oder erweitert/ge- N N
ändert wurde, die nicht den Vorgaben der
Norm entsprechend angepasst wurde,
wenn sich z. B. ihre Umgebungsbedingun- PE
PE
gen verändert haben, muss den aktuellen
Vorgaben angepasst werden.
2. Bestimmte ältere Anlagen sind in jedem
Fall den aktuellen Normen anzupassen
(UVV BGV A3).
3. Jede prüfende Elektrofachkraft hat dem
Besitzer einer jeden – alten oder neuen –
Elektroanlage eine Anpassung zu empfeh-
PA-Schiene
len, wenn sie der Ansicht ist, dass diese
eine Gefährdung für die mit ihr umgehen-
den Personen darstellt. L1L2 L3 N PE
Diese Sicherheitsstrategie wird einzig und G
allein durch eine konsequente, aktive und Generator 3N
sachgerechte Information der Anlagenbesitzer * NEA Netzersatzanlage Fundamenterder
durch die Elektrofachkräfte umgesetzt werden
können. Nur so ist zu erreichen, dass alte un- ➊ Aufbau der Netzumschaltung auf eine Netzersatzanlage bei Mehrfachein-
sichere Anlagen baldmöglichst verschwinden. speisung in einer Anlage als TN-System
Die Frage des Anlageneigentümers (Betreiber,

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Transformator 1 Transformator 2
a) a)

b) b)

L1
L2
L3
PEN c)
PE
nur eine Verbindung
zwischen der PEN-Leiterschiene
und der Hauptschutzleiterschiene
(PE-Schiene)
L1
Haupterdungsschiene der Anlage
L2
L3
N
PE isolierter PEN-Leiter im gesamten
d) TN-System mit Mehrfacheinspeisung

➋ Wichtige Regeln für den Aufbau einer Mehrfacheinspeisung in einer Anlage als
TN-System
a) Eine direkte Verbindung von entweder dem Transformatorsternpunkt oder dem Generator-
sternpunkt zur Erde ist nicht erlaubt.
b) Der Leiter von entweder dem Transformatorsternpunkt oder dem Generatorsternpunkt zur
PEN-Schiene in der Niederspannungs-Hauptverteilung muss isoliert verlegt sein.
c) In der gesamten Anlage ist nur eine einzige Verbindung von der PEN-Leiter-Schiene zur Haupt-
schutzleiter-Schiene erlaubt. Diese Verbindung muss in der Niederspannungs-Hauptvertei-
lung angeordnet werden.
d) Eine Mehrfacherdung des Schutzleiters, zusätzlich zur Erdung an der Haupterdungsschiene,
ist erlaubt und gewünscht.

reicht es nicht aus, ab der Hauptverteilung ein informationstechnische Nutzung mit be-
TN-S-System aufzubauen. In diesem Fall wer- rücksichtigt werden muss).
den die von den verschiedenen Spannungs- Vom Prinzip her gelten die gleichen Bedingun-
quellen (bzw. Transformatoren) kommenden gen, wenn zusätzlich parallel eine Einspeisung
PEN-Leiter mehrfach mit dem Erdpotential in mittels eines Generators vorliegt. Wird dieser
Verbindung gebracht, so dass für die Rück- Generator (evtl. als Ersatzstromaggregat)
ströme, die über die jeweiligen PEN-Leiter jedoch nicht parallel zum Netz betrieben, so
fließen, stets parallele Strompfade eröffnet ergibt sich eine andere Situation.
werden. Die Probleme sind hier programmiert Im zuletzt genannten Fall kann Ihrer Einschät-
und in der Fachwelt mittlerweile hinlänglich zung bzw. Ihren Bedenken (3-polige Abschal-
bekannt. Die entsprechenden Normungs- tung – Neutralleiter ständig mit dem übrigen
gremien haben dies bereits in folgenden Netz verbunden) nur zugestimmt werden. Der
Normen (vorläufig noch im Entwurf) beschrie- über die angeschlossenen Neutralleiter rück-
ben: fließende Strom wird nicht nur über die PEN-
• DIN IEC 60 364-1 (VDE 0100 Teil 100), Ab- Leiter zu den Transformator-Sternpunkten zu-
schnitt 312.2.1.2 (System mit Mehrfach- rückfließen, sondern parallel dazu auch über
einspeisung) und den Neutralleiter sowie den parallel geschalte-
• DIN IEC 60 364-4-44/A2 (VDE 0100 Teil ten Schutzleiter (PE) der Ersatzstromanlage
444), Abschnitt 444.4.13 und 444.4.14 zum Sternpunkt des Generators. Dies ist nach
In der erstgenannten Norm wird die problem- dem Kirchhoffschen Gesetz unausweichlich,
gerechte Lösung beispielsweise im Bild 31D da das Erdpotential am Transformator-Stern-
(Bild ➋) angegeben. Der Text dazu lautet wie punkt das Gleiche ist wie das Erdpotential am
folgt: Generator-Sternpunkt.
„Bei ungeeignetem Aufbau einer Mehrfachein- Dies ist nicht nur deshalb bedenklich, weil
speisung in einer Anlage als TN-System kann Sie damit den Schutzleiter (PE) mit Betriebs-
ein Teil des Betriebsstroms nicht beabsichtig- strömen belasten und zusätzlich auch alle
te Wege nehmen. Diese Ströme können verur- metallenen bzw. leitfähigen Anlagenteile des
sachen: Gebäudes, die direkt oder indirekt mit dem
• Feuer, Potentialausgleich verbunden sind, sondern
• Korrosion, Sie bekommen auch die gleichen Probleme,
• elektromagnetische Störungen. wie sie zuvor bereits in Bezug auf die Mehr-
Bei dem im Bild ➋ dargestellten System flie- facheinspeisung beschrieben wurden, da Sie
ßen kleine Teilbetriebsströme als vagabundie- bei der dreipoligen Abschaltung ja wieder
rende Ströme über nicht beabsichtigte Wege.“ einen zusätzlichen (und vor allem nutzlosen,
Diese Lösung bei Mehrfacheinspeisungen weil während des störungsfreien Betriebs
wird künftig auch in anderen Normen gefordert nicht im Betrieb befindlichen) parallelen
werden (z. B. in VDE-Normen der Gruppe 800, Strompfad für die PEN-Leiter-Ströme vorge-
die immer dann gelten, wenn im Gebäude ben. H. Schmolke

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