Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
•
••
1
,
• •
•
J • •
GIFT OF
JANE K.SATHER
EXLIBRIS
•
•
•
•
• •
,
•
• •
•
•
Von
Heinrich Rickert
• •
•
•
Z w e i t e n e u b e a r b e i t e t e A u f l a ge
t•
•
• •
. .
•• • " ~ ... . . • • , . -# . • .. ..
•
• • •
• •
1„ ii b i 11 g e n
Verlag von J. C. B. ~f ob r (l;,altl Siebeck) •
1913
•
•••
•• •• • • • • •• • .• •
•
• •••• •
•
•
• • • •• • ••
•
•
• • • • • •
.... . . .,.... ... .....
•
•
.. t ..
lt •
•.
•
•
•
•
♦ •
,
.. • • •• • •
_ ,. •
••
•
. . .... . •
•
"
•
•
•
•
.....•
Als icl1 vor elf ,Ja hren dies u1nfnngreiche u11d u1usLäntllicl1e
Bucl1 zurn crsten1na l veröfte11tlicl1te, gla ubte i ·11 nicl1t , da ß es eine
Z\\tcil e .Auflage erleben ,vUrdc. \\1nr doc h ein großer Teil seiner Dnr-
legungo11 r1ur f{ir einc.tl engon Kreis von F acl1gc.n osscn bcstim111t.
Aeußcrliclic U rnst ä nde, bcsonclers der Streit der J Jjst orjkcr über die
,,._neue" i fetl1ode, truge11 dazu b ei, tlaO die Schrift auch i11 ,veitcrcn
Krej:.-1en il1rc Leser fa1lcl. Sie ,,·ar nach v erhältni~111aßig kurzer Zeit
vergriffen t1nd l1a l eino 1-leilic ,..oo J ahren i 111 Bl1chhanclel gefehlt.
Zu eineu1 unverär1derten Abdruck k.onnto icl1 1nicl1 11icht enJ,scl1Jieße11t
da n·1ir einige ilrrer ~läogcl o dcutlicl1 ge,vordc[t ,va rPn 1 d a ß ic h rnich
mit dcr11 Pla11e einer vollständigen Un1ar beitung trug . J e lä11ger ict>
111icl1 jedocl1 da 11lit. beschä rtigte, um so meh•r sa h ich ein, daß ein ganz
ncut's \Verk cnL5tcl1en ,vür<lc , d essen F ertigstellung r1icht abtt1sehen
,va.r. Sc hlicßlicl1 t1at de r von mehrere n Seiten, a uch ,,on n1eine111
verehrten Verleger, J--lert-11 Dr. Paul Sicheck 1 a11 1r1icl1 geri chtet e
, vunsc h n ach einer neuen Auflage mic11 vera ulaßt, ei11en i\lilLcl,veg
Z\\'ischcn bloOen1 \Vied era bdrucl<. ur1d völliger U 111a rllei t ung einzu-
schlagen . D en Geda11kenga_ ug und die Glied e ru,1g des Gu11zen be hielt
ich i11 d er· Haupt.sac; he bei, ob,vol1l ich ,vciß, d aß hier n1anches sch,,·cr-
f ällig und n, it \Viederl1olt1nge11 b eln "tel erscl 1ei11en k ann, und b e-
schJ'ä nkte 111icl1 at1! Verbesseru11gcn ,und Ergänzungen von Einzelheiten.
Vor a)lcn1 l1ahe icl, 11,icl1 bo1T1üht, dc11 Au sdruck scl1ärfcr zu fassc.n 1
•
,,·o meine Ge(lartkcn !\fißve.rst ändnisscn begegnet „ir1d . Dabei ,,·aren
mir 111a nche v on clcn zal1lreichr,n K rilikcn , die 111cin Bucl1 gcfur1den
hat , sel1 r ,,·crtvoU, uu d ic h l1o!fe 1 111a11 ,vi1·d n1ei11 Best reben nicl,t
\tcrlier1ner1, d en ,vichtif,rst on E in,vä nde.n , nu r die ic h gest oßen biri,
gcrcch L ~u ,,·crde11. In alle11 '\-\'Cse11tlic hc11 P t1 nkte11 11 1u ß ich frei licl1
d a :1ufrcch t erha lten, v;a. sc hon in d er er:?ten Au!lnr;e st and . Auc h
\\'llr es ulir n icht 111öglich, au f alles eir1zt1gr.l1(•n, ,vas i111 1\nschluß a11
r11ei11 c 1\rbeit gcsch riebe11 ist, denr1 das hntt.c d en U111f.:iog d er ncucr1
Auflage zu ~ehr vern1cllrt. Ja, ich, 1nt1ßt,e sogar den für mich in man-
cher H insicht, v,ichligst.on Teil der Literatur fast ganz unberücksichtigt
la~sen. Das für Philosopl1cn g •"clirjcbc_rle Buc h l1at nün1lich d as
1
et,\la ein.e reale pS)rcl1iscl1c \\1clt zu sein braucl1t , \Vie man het1te nocl1
fast allgemein glaubt., sondcr t1 a}s „un,virklich" bezeichnet ,verdcn
muß, \lnd die leider v on , •ielen 11och so gut ,vie igno riert ,vird , ob,vohl
ittre Bcriicksichtigu11g für nahezu alle 1'cile d er Pl1i·losophie vo11 Be-
clct1t11ng sein dürfte. Docl1 llandclt es . ich l1ier nur un1 flüchtige An-
deutungen , die ku1w .i darauf l1ir1,veisen ,vollen, ,vie aucl1 eine logiscl1e
Untersuchung , ja ('] iesc allein, viel bel1andcltc Probleme der ,,Gei tcs-
,,-isscn schaften'·', die man [äl1-cl1 lich für ps)rc}1ologisc.h•e Probleme l1ält,
rnit Erfolg in Angri ff nct1men kar1n. F erner swd :tltcl1 cJic crl{enntnis-
tl1eoret ischc11 Aus (ül1rungen des Jetzter1 l{apitcls vo,1 allen Resten
cir1cr psyc'holoc:Z islisch-,1 oluntari t,ischcn Aurfas ·t1ng befreit , die in der
cri:;tc11 At1!lugo nocl1 stehen geblicbcr1 ,,.aren., und endlich habe icl1
alles geta11 , um dem i\fißverständ11is vorzube11gcn , ttls verfolgte ich
in den ' '' cltan~c hnt1 t1ng.sfrageJl irgend eine l1ist.oristiscl1c ocJcr „kon-
scrvat jvc'' Ricl1tung. Die mcthodologiscl1e11 Gru11dgetla11ken werden
a ber du rcl1 a lle diese Acnderungen und Ergilr1zungcn nicht berührt.
E s ist nur tiic von Anfang n11 schon vorhar1dcr\c „antiJ>l-)'Ch<)lOgist i-
scl1cu Te11denz noch 1nehr vcrstärlct \\!Orden, und d,1rcl1 sie ,,·ird t~11ch
di•e neue 1-\ uflnge vern1u.t licl1 ,vicclcr uc11 schiirfsten \ 1/iclers11rucl1 hc1-vor-
ru ren. Doc.11 kann ic}1 rni cl1 zugleicl1 der Uebcrzcug,1ng r1icl1t. er•
\\'Chren, claß der Glaube an rljc t,grurtdlegentle1 ' BeclcuLur1g der 1~s,ycl10~
Jogie für die ,,Geisl es\\·jssc11~cl1aftcn '' cb ns<, \\'io die ~ieir1u11g, es sei
möglicl1 durch psychologische Antll)'RC das W tsen <l~r Ge:.c:hichtc als
\1/isscnschofL zu ,,c,-stcl)cn, i,nmer n1rl1r scl1,,·inclet. Eincr:-:ciLs näml.icl1
ist das , '"·as von p j'Cl1ologi~cl1er Seite nocl1 hervorgehoben ,:vi r,d , ,ven11
e gil t , die Bcdcutt1ng der Psychologie für da ges:tr11l.E~ ,v.isscn~chHflliclte
Leben zu zeige·n ; in1 Gru11dc J ocll recht besclt(•iden ge,vf)rdE'n, tu1d
a ndererseits be,, eis •11 1(1.:lnchc Schriftc11 der n ct1esten Zeit, <loß rl<'r
1
Inhalt.
Einlritun~ . ... . .. . • • • • ., • • •
Er . lt•& l{opi t e l.
D r i Lt c i,, 1( u JJ i t e 1.
V i ~ r t e :, 1( a p i L c 1.
'
-- -
- 1 -
• •
•
.... .
•
•
Einleitung.
lm ,vi~cnschaftliehe11 L ehe:11 unserer Zeit nehrnen hist orisclie Ua-
l ersuct1ungen einen breiten Raum ein. Kommt in der P h i l o s o p h i e
die Rücl.e_sicht auf die Gcsct1ichte cbcrtfalls zu dem ihr gcbüt1rendco
Aus.d ruck 7 :\Jan hal e~ bel1auptel . In einet· , rielgele. ene11 Schrift
• •
w1serer T age, die nicht nur durch ihren Inhalt ::;ondern aucl1 durct,
ihrer1 äußcrer1 Erfolg für die gcger1,värtige11 pJiiloso phj!ichort Ir1ler-
e~. en u11d Ansicl1l.en 2.un1al in Deuls~hland recl1t charakteristi~cl1
ist . ,vird unter d en Rici1tungc11, in denen s ich die Pl1ilosophie zu bc·
,,•.-,zc11 . cl1e ine, au cl1 die R i c h tu 11 g a u f cl i e G e s c h i c 11 t e
genannt, ja, sie ,vird . ogar nls ein 7:ug bc1..eich11et., d er der ganzen
Pl1ilosopl1ic des neu11z cl111tcu .Jahrl1under ts 1 ixn G~gcn~atz zu der
voraufgcgange11cn matl1e111aLisch-natur\\'isscn cl1afLlic.hen P eriode! das
Gr-präge gebe 1 • Ist \\'irkli ch in der g o. TI z e n Philo. ophie des neun-
zc t1ntcn J a hrl1undcrt ·, ist. v oJlcnd s in <.ler Philosopl1ie der Gcgc11\Värl
viel v on dic„c111 Zuge zu rne rke11 ? Vor allem : ha t man das \ Ve en
d er Geschjchle p h i I o ~ o p h i s c h zu v ersteh en g ·suc•ht, d. h. so,
d uß il1rc Bcde11tung au ch (ür die f>roblctllc eir1cr urr1fa eud ert \Visser1-
scl1aftlichen \ VeltanscllaUtJng zutage tritt? Oder so llte in der a n•
ge[ührtc11 B ehat1ptur1g nic ht n1ehr ein \\lun sch a ls eine T o.Lsac he
zum A ll . druck gekommen sein ?
Eir1ige Philosophen tler ersten Ja.hrz.eh:r,Le des n.eunzehnten
Jaltrhund ert l1al l.en a llerdjngs b egonnen , s ic h mi·t der Gcsch,icl1te
a useirtanderzu. ctzcr1. .Ja, niernals ist eine We1tn11 ·l1auung so l1i-
sLor j ct1 orieut.iert ge,vese11 ,,·i.e die des deutschen Iclea li mus . l{ann
n1an a be.r ·agen,. daO das noch ,vcitcr z ut.reff e? Auch in Frunkrcich
cnt,,vick ltc allerdi11gs ur1gefähr zu derselben Zeit, i11 der f.l cgel cir1e
PhiJosöpl1ie der GeAcl1lchte vortrug, Cornt e Gedanken , die den hi-
torischen \Vi-senschafton ihren Platz in <lern G;;tnzen der Erkennt-
••• • ••
• •
- 2 -
nis an\veisen und ihre ricl1lige Behnndlung feststellen ,,,ollte11. ,.\her
ist es hier n.ich t , trotz manches ,vcrLvollcn .l\nsatzes, bei1n bloßen \\'ollen
geblieben? Zurll ~lin.desten \\•ird mar1 niclit behaupten k·ö nnon, daß
die \Virksnmkeit der Comt.eschen Gedanker1 geeignet ,var, die Ricl1-
tung auf die Geschichte im Ge g c n so t z zu der voraufgcgangcnon
naturwisser1schaftlict1en Periode zu sUirkc11. Wenn Cotnle die l1isto-
rische \\rissen.schart zur Soziologie n1achen ,volJte 1 so verlan.gLc er da-
mit, daß sie ,vic eine Natunvissen sct1art verfah::.j D~ konnte seiet
direkter u.ncl nocl1 rnehr sein, hauptsä·c hlic h durcl1 cngli cl\e Autoren
vermittelter, indirekter Einf:luß nur dazt1 beitragen, in der z\veiten
Jiillfte clcs ilcunzehnt.en Jahrhunderts al1ch in Deutschland den gro-
ßen historischen Zug wleder zu vcrdränge1\ 1 den <lic Philosopl1ie
• des deutschen ldealismu. gezeigt l1aLte. · · ur die empirische Ge"chic hts-
forscl1uL1g trat die Erbsc}1aft dieses ldealism,1s an und nahro infolge--
dessen ein.cn mächLigen Aufsch\\'ung. Die Pl1ilo·oph1e aber, so\\1ej t
sie für das allgerneine Gei Lcslebe11 überJ-u1upt 11och eine Bcdeutu11g
hatLc , l, a1n ganz und gar unter de11 Einfluß der Natur\vissen schaften.
Die \\lorte \vejLerblickcr1dcr Denker verhallten t1ngchört.
- Und nun gar die Philoso phie der Gegen\\•arL? Bed ürfle es (Orden
absolut unbislorischen Charakter des ,veil.e Kreise b cl1errschenden
Geistes 11ocl1 eine Be\\1Ci::Jes, o ,._·ürdc eine l-lindeutur1g auf die Tat-
sache gcinügen , daß , •on den deulscl1er1 J->Jiilosopllen in den letzlen
Jahrze llntcn , 1or Allen chopenhauer und die Denker, die sic h mehr
odet' weniger a11 ihr1 a11 c hlicßc n, beachtet uncl gelesen ,,·ordcn si11d.
Freili<.:h l1at • cl1opcnhauer den pJ1jlosophjsch entscheidenden und lo-
gisc}1 gruntl)c.gcndcn Unterscl1ied Z\V1 chcn Natunvis e11~cl1aft ,1nd
Gct-cl1icl1Lc 1 ,vcn;gste11s 11acl1 ci r1cr Scit.c hin , mit dern Scharfblick
de!-- Hasses ::;o friilt gesehen und so klar for,n uliert ,vie ,vcnige Denker
der · ·cuzcit. Aber tt·<tLzdcm ist scir1e \ ' crständr1i$losigkeit fiir das
geschicht liche Leber\ kaum zu ObcrbieLen. ' ''e il die Ge,--chjchte
nicht. ,,·ie die Natut\\ isscrt~chaft ,•crfal-1ren k.a nn, pricht Schopcn-
0
hat1er ihr dc11 Cbal'al<.tct· als \ :Vj ::;er1sct1.lft ab, ,U Jlu es 1ti0l sicl1 in der
Ta.t mit seiner \Veltanschat1ung ein p h i lo s o phi s c h c s Inter-
esse für <las gcscl1icl1tliche Lcbc11 nicht vorcinige11. Das Erlah111er1
des l1istorischen ' i11nes in der Philosophie einerscit.«:., clie \ ' o'ffic.be
für die Natur"\\'iR.scnschnft o<lcr filr die n;tlt11"\visscnscl1afLlicllc Pl1rase
andererseits ,varen .11ol,"·endigc Bedingungen für den SfJät en Erfol.g :
Schopenhauers, der Gedanken d es deutschen Idenlis1nt1s nur s.o,veit
zu Gehör brachte, als er sie in cir1er e benso unglüclilichc11 \\'ie dem
1 Die Grund lagen des gegonwlirligen Zeitalters. Achte Vorlesung: von der
Reaktion ehles solchen Zoilaltcrs gegen sich. s •lbel'.' durch Aufstellung des Un-
be-gl'eiOichen als höchs ten Prinzips. S. W . Vll 1 S. 111.
1*
daß die P hilosophie aucl1 dieses Andere zu beac hten und zu ver-
stellen l1at .
Solchen Ueberlegungen verdanken die rolgenden Ausfuh.ruogen
die Fortn, in der s ie auftreten . At1s der l ieberz.eugung, da ß der l\1a11gel
an philosophischem \''erstä11dnis für da \1/c cn <ler Gescl1ichtc zu den
•
folgensch,versten Uebclst.nndon in der Philosophie ,1nserer Zeit, gehört, •
Vo11 einer Lücke in dem Ganzen der Erfa hrung~ v.issonsc haft.cn
haben ~rir gesprochen , und die e Lücke soll im l ntcres~c einer um-
fasse11den \1/eltanschauung aurgcz·e igt ,yerden. Um zu diesem Zie-le
vorzudri1Jgen ; s tellen ,vir eine Untersuchung Ohcr die wi. sensc haf.t-
Iic t1cn l\1 e t h o den an. Wieder kon1men ,vir dan1it zu einem Punkte,
an d em u11serc Gedanken mit vollem Be,vußt.sein, ,venn auch in a11-
derer 1-linsicht, von dem gegen,värligeo Zusk'lnde der Philosophie
abltängig ir1d . In letzter l ,inic handelt es sicl1 llicr um Problcr,1e,
die die al lge-rneine Welt,.. ur,d Lebe11 a u chauung bctrcffer1, \\'ie es für
die Philosopllie überhaupt nur so lcl1e Probleme gibt. LTnser,c nter-
su ,c hung abe-r ist in allen il1rcn \\'Cscntlichen T eilen eine I o g i s c h c
oder m ctbodologisc he und crkenntnist.heoretisc l:ie, und sie kon1mt zu
den a .llgemeinen Fragen der \\' elt- und Lehensat1ffassung ntir da,
'\\.'O die logi ehe Betrachtu11g ge'-";Ssennaße11 von elb t in eine ,veiter-
losopl1ieren i t nic ht nur sch\vie rig , sor1dern sie rnuß dem flü c}1tigen
Blicke aucl1 in hohem ~faßc unergiebig Cür die Lösu11g de r \\7eltan-
scl1auungsprol:>le1ne ersch:ei11en. Daß e · nun endlich r11il clcn crkc11nt-
nist.h corctiscl1en Unt.crsucl1ungen genug sei, cla i t ja v o 11 verschie-
denen eiten , 1 erkü11deL ,,·orden. Ja, , ,iellcicht \vird ~t1gorma r1chcr , der
glat1bt1 eine Lösung pl1ilosophischer Probleme nur mit HiJre einer
U1llersuchung iibcr die \tVis en!-chaft in Angriff ne hmen zu können,
selber bis,vc ilcn von dem Gefühle ergriffen ,verde11 1 ,vie 111atL u11d fa rb-
los ur1d nüclttern solche Bestrebungen im Vergleich mit d en Geda nken-
systeme.n sind, in denen man zur BlüLezeit des dcul,sc J,cn ldealisrnus
ein Bild clcr ':\' c lL zu ent,vcrfen und eine LebeL1:san chauung darauf
zu gründen ,,ersucl1L t1at,. ,1/elch ein Gla nz und ,velcl1 ein Zauber für
Gefühl ur1d Phantasie! Dagege11 ist unter allen rJ' hcorien die Erkennt-
nistheo rie .b esonders un-1•auu. Ei·n e Stimmung des -eidcs rnag uns
•
übcrk.omrncn , \vcnn wir fcscn , \Vie H ege l de11 ~tut zur Wal1rhcit als die
ersl.e Becljngung des philoso phisct1e11 Studiu1n s proklarniertc tind sei•
n,c n l-J örcrn einschä rfte, daß den1 \\f ute de Erkennens \V idersto.11d zu
le isten, da. ver$chlos er1e \-Vcsen des Universums keine Kra ft in sich
habe. lVlan \\' ird e~ vi,c lleichL Nic111a11d verder1kcr1 dürfer> , ,veno ihm
bei der Erinncrur1g an diese ZeiLen unsere . o sehr „vorsichtige'' Phi-
]osopl1ie r1ichL bcso11uers begeist ernd ersnl1eir1t.. Sollen \.Vir nicht v er-
St1chen.1 die \ 'ergangco.hcit, ,vieder zurücl<i urufc1l urtd, a lle Erkennt-
nisth eorie übcr sprir1gcnd, ur1s \\•ierl cr mti tig in <la Erl<e11nen clc. Ulli-
vcrsurns sLürieit ? Solle11 ,vir rticl1t er1dlic l\ a·ufh üren, ,,Analytiker''
zu eiu, und zt1r ., )'nl'hesc'' (ortschr iten? ~ 'erden. ,vir r1icht gerade
auf diesen1 \\' cge a111 sict1er~Len auclt allen 11alur,"i·sen~ch:1ftlichen
ebenso ,\·ic a ll n gc. cliichLlic hen Einscitrgk "tWn cnlgcl1cn?
\\rer <lie ge istigen B c,,·l'gunircu i1n 11eu11zehn tcn Jahrl1t1ndert
kennt, \.vird das nicht \voJl011. \ ' iclleic ht komr11L ein mal für die Philo-
sophie ,viedcr eine an,lcre Zeit. Für heute scheint da:- erkcnr1lnis-
tl1eoretische \ ' e.rfa hrert ilrr ganz unentbehrlich. \\tir wi seu , 11ach
v.·ie liut·zer Zeit, jene . t.o1zen Gcd a11kcnsyslen\e de de utsche11 Idealis-
mus ihre l!crrscliaft Ober die GeisLer verloren l1nben1 tJnd das erfolgLe
nicht nut· aus üußerlichen Gründ,en . Der pl,ilclsophische l\1u t .hatte
clie Ka•aft des U11ivcrsums doch e rh eblicl1 unler:-;chälzL. .Ei11e Zeit der
pt1ilosophi c hc11 F eigheit b.rnch a n , unter derc11 ~a c li,virl{ttngcn \\·ir
bis heute zu leiden haben.•Ja . es gibl gerndc in t111scrn T agen n och einen
besonderc11 Grund• in J t1r Pl\i lo:';oph i.c , ·orsic hti~ zu ~ci11 u11d recht lange
bei clct r1al)·se Zl l v er,r(•ilcn, ehe n 1a11 zt1r • ~·n thcsc ühcrgcl,t. J e 11e
Ziele au dem Au.ge verlore11 ,verdcn , die zu c.rreicher1, :-Let..-, als der
~igcuLlich~ Si11n philosophischen Forschc11s angescl1cn \\'Orde1\ ist .
giru1 de-S 20. J altrhunderts. F esl.:sebrifl rnr I<uno fischcr. 19 05, 2. Aun. 1907,
s. a21 tr.
bar sei. 1-Iicrmit i!lt die ~,f öglichkcit jeder Bchandlu11g der Gcschicl1te,
die der 1-1 rg~ls äh 11lict\ ist , zun, mindesten in Frage ge. tei lt,. Da iltr
ein erk1•nnt.n istl1corctisc her Unterbau fel1lt, muß sie solcl1cn Ein-
,vOrfen g(•gcn Ober 1naclitlos sei11.
' ' ö'llig an,J crs n)utct uns ComLc-S tellur1g zur Gcscl1ichtc an. Da-
bei m üssen ,vir u11 . freilich auf ei1}e 1·er1den.2. seines Denkens, die nehe11
andern bc t eltt, beschränken und .nicht fragen. ob er s ie übcr«ll kon-
sequ er1t durchgcfül1rL l1at.. \\1ir dürfen da , den11 diese l 'cnd cnz
i t allei n in der ,veiu-ren Ent,v.·icklung der Gcschi,cht:-r)hilosophie
v.•irksatn ge,vorJen. \Vir köc1ner1 sie kurz die naturali iisc he ne111te11.
Bei der Gescl,ichle ha.ndcl t es sich für Conite dar11m 1 ,d aß ie eb cni;o
wie die antlcrn \\ ' issens.cllnften „posiLiv'' \verclen soll. Die pos.itive
\Visscnscltnft aber kennt nur Tat!'!achen und ihre Gese.f.zc. Zu dic.<1er
Eiusic}1t. habcr1 sich die . 1 atur,\·isser1scl1aftcn größlc11leils ber-eils <lu,rcl1•
geru11gen. Es komn1 t da.rtluf a.n, d.,o man cndlir:-h in1 gescl1icllLlicl1en
Leben der :\len~ch heiL cl.>enfall~ 11ur <lie ·ra t.sr1<• her1 un cl <lic J ·atull:esctze
suchL. Dns Gru n.dg,c~cLz ullcr l1 istorisc hen Ent,,·iclilung glaubt Con1te
dc1n11 ebenso gcna\1 zu ke11r1e1\ \\'ie 1lege l <lc11 Siu11 ti<?r Geschichte.
Au ch Conltes "oziologie m·gcnübcr ,,·ird n1a r1 rtich t 11ur darau f
bin,,·cisen können , daß sie mjt seinem bekannten 11 Gesetz' ' von den
drei St.ldie11 steht und fällt, sondern a uch l1ier ,vird sich die erkenn~
ni theoret.i c l,e Frage nicht abweisen lassen , ob es denn überhaupt
N aturgcsetz.e für die Geschichte gebe, oder zum mindesten, ob diese
-Gesetze für den menschlicllen Geist erkennbar seien. Colnle hat
diese Frage nicht ge tcllt, ja , er hat. die logisclte Struktu r seines
Grundgesetzes in l1ohem ~laße unklar gelassen , und nllr dem in einen1
ganz einsejtig natt1n vi ssenschaltlichen Denken Befar1genen kann dies
,veniger anfechtbar er cheinen als Hegels unkritisehe Art. In \Vahr-
hcit ist Comtes Geschichtsphilosophie der Erkenntniskritik gegen-
über genau so ,vehrlos ,vie die de ~ deulscllen ldealisten, so „modern''
sie vielen auch lteute noclt scl1einen mag.
Die Philosophie als "\,Vissensc haftslehre 1n uß daher zunächst so-
,vol1l H egels als auch Comtcs Art, Geschichte zu behandeln, ablcl1nen.
Dadurch ist aber nicl1t ausgeschlossen , daß H egel t1nd Comte uns den-
noch als typische Vertreter fü r die beiden Ricl1tu11ge-n in der Philo-
sophie gelten können, Z'-vischen (le11en at1cb urisere U 11tersuchung
eine En tscheidung zu treffen haben ,vird. 1111 An c liluß ar1 ihre Lcl1rc:n
,vollen ,vir l1ns dat1er das Problem, u111 das es sictt handelt , klar machen.
Es fehlt an cJ1Jaf:,nvort.en, um den Gcge.nsat1. in seiner a llgemein-
sten Form cindeulig zu bezeichnen. Für die flichtung, für die Com te
un s t)rpisch ist, kann man alJcntalls das ~ 70 1·t i aturali mus venvenden. I
Licl1 gegeben ist. Die andere Riciitung <Jagcgcn. suc1lt die \Virklichkcit,
in dor \.Vir leben -die imrnanet1te \\ielt., di.e ,vir se hen u11d mit H linden
greife11 können, zu einer anclercr1 in Beziehung zu ctzer1, die u11s jeden-
falls nich t sinnlict1 gcgeber1 i. t, jn, ie meint, daß der Scl1,,·crpt1 nkt
d es L ebens in einem Sicbverscnken ir1 die Bcziehw1gen ctcrnotürlichcr1
- 17
gera.d e das, ,vodurcl1 die Gesc hichte evcntltell Ober die ,vi_·enscl1aft -
liche Erkenntnis hinau geht oder aucl1 hinter ihr zurückbl eibt , kann
docl1 ers t dann v ers.tunden ,vcrden , ,,·enn man den Begriff der C c-
sc hict1le a l \\' is!=;enscl1aCt.. vorher auf logischern \Vcge Lcrcit geft1ndcn
\
t1at. Es scl1adet, tim enrllioh auch die zu erwähnen , gar nicht , fall ~
die Logik dazu ko1n1r1en sollte, das in einen Gegen ·utz zu brin gen ,
'
,vas i ti dem \\'' issens.t,h a ftsbetriebe, "'·ic er als F aktu1n vorliegt, stets
aur das Ena-st.e rni t.einaurler verli11ü1,ft ist. Det· Vor,,·urf, da.ß eine
solcl1e Betrachtungs,veise die \\'1 is. enscl1n rten in .,unnalürlicl1cr ''
Art zerreiße, ,vtirc ebenso berechtigt, \Vie der \ t or,vurf, daß rler Ai1aton1
ei11en I<örper zerschneide, um ihn ,.viss.cnschaftlich Zlt bcgrcifer1.
E i11e Gliederung <lcr \\1i::1sc11scha fle11 nac l1 il1rcn SLoffc1t oder nnrh
ihrc.11 alogischen Bestn.1tdL.eilen m.ag ge"''iß atJch il1re Bedeutung hahe11,
aber sie liegt eben 11ichL auf clcrt1 W ege einer Logil, der Geschi cht(~,
ja, sie karu1 sogar als \ iorarbeiL nur dann b rauchbar werdc11, ,,·en11
ma11 1 mit, logischen Begriffen Rchon at1 get·üRlet, ie zu benutze11 ver-
sLeltL. Nur auf logi ·cbc,n \\1c<;rc ,,·ird rnan d en U1rtcrscl1icd v on a-
tur,\·i. senschaft t1.r1d Geschicl1t e attcl1 n1.it Rücksicl1t auf ihre . ac}1-
licl1011 Eigentil111Jichkcitcn philo~opl1isclt v erstcl1erl u11<l bagrcife11,
,,,as clie Ge;-c hic hts\vi se11scliafL für eine erkcnnt 11isth eoretisch ru n-
clicrte Plti lusophie beclc11 tot.
Den Jogi~c lteri Bt.., griff der Geschichte io d em hier zu ver,,·r-n-
clencJen1 denk l,nr t1mfasscrtdstcn for malen • i.nn kann selbst'\'erstiil1,I-
Jich er t die fc,lgcrtdc C11lersuch u11g bcstin1rner1. Hier sei nur r1or.: h
h crr1erkl, d aß er1lsprerhc11d d er Bci-chrlinktang bei der C11t-er~uchu11v
dcl' Nnlut"',·i. scnsc harL es ltn · at1ch fü r die G<'~chi cliw ,,·cniffcr a11f
den Prozeß des F orschens als auf die Form der Darstellung, d. h. \ .
·/
auf clie logische Sl.ruklur d er geschichts,,ri:;;senscha(tlichen Ergebnis::1c
anko,nmt. Sie allein können die Lücken im natun,·issensc t,a(tlichcn ,
Begreifen der "'Virklichkeit at1sfü.llen: und sind daher das ei )'entlieh
pt1ilosophisct1Interessante. Wir können aus diesem Grunde es nicht als
Ein,,•and gegen unsere Theorie aoseh.en, ~·enn ma11 bestreitet 1, daß
der ,vis-sensch.aftlicl1e B e ,,, e i s in .d en soge1lannte11 Gei Les,\lisscn-
scl1aften .11ach anderer l\Ielhode gefilt1rt ,vil'd, oder die Auffindung
seiner A u s g a n g s p u n k t e sich a:nderS vollzieht aJs auf d.ern
Gebicto der Naturw,issenschaften. Diese Probleme stehen hier gar
nicht zur Diskussion . , 7on ihnen ,väre in andern 1~eilen eir1es Sy-
stems der ,v i senscl1aftslel,re zu handell1, und dort ,,1ürdo sicJ1 dann
ge,viß ergeben, daß der P rozeß des F orscl1,ens und Be,"·eisens in allen
empirischen ,,1issenschaften ,veitgehendc Gen1ei11sa1n.keiten zeigt..
Das ist aber für unsern Z\veck nur von untergeordneter Be<leu tung.
Hier so1l, ,vie ,vir scl'1on sagten, clas \,\ie en des h i s t o r i sc hon
B e g r i f f c s festgestellt \Verden. Das muß man immer im Auge
•
beb alten, und auch da ß dieser AusdrtJck i111 Gegensatz 'lUJJl 11atur-
,,·issenscha ftlichen Begriff nicht üblich i t, braucht:. nicht zu stören.
Das hängt mit d em t1nlogiscllen oder alogi~chen Charakter der bisher
fa t a.llein betriebenen Gesch.ichtslogik zt1sa.r111nen, von d orn ,vir schon
gcsproclien haben. Wer die Gc~cl,ichte mit Rücksicht au f da vo1t
ihr dargestellte ?\fateria l ,.,erstehen \Vill , l1at keine \ 'eranlassu11g, v on
1
historischen Begriffen 1.u redet1. \ Vir \Vähle11 dies Wort, um auch in d~r
1'erminologie den logische11 Charakt.er der 11tersucbung durch1.u-
füh rcn und außerdem die v,erscbiede11cn Problcrne, die NnLun,..issen-
schaft und Geschichte uns stellen, para llel behandeln zu könnet\. lu
<-lem, ,,·as ,vir als histo1·ischen Begriff bezeichnen, n1uO besonder der
,v i s s e n s c h a f t, l i c h e Charakter der Geschichte t1ei11en Aus-
d rt1ck find en, ur1d schlieOlicl1 karan, insofern der gesumte Prozeß der
,vi · enschaftlicl1on Arbeit. aucl1 liier von ihrcrn Ziele bel1crrscht is t,
scl1on au.s ei11er Untersuchung iiber die Darstelltlng in den hisLo•
rischen \\' i <.e11schaft.en sich das für ihre logische Eigenart nbcrl1aupt
\VesenLliche, zumal i1n Unterschied vor1 der Eigenart, <ler n atur,vissera-
scl1a fll ichcn B egriffsbildung, ,vcnigstens in seinen Grundzügen er·-
gebcn. In diesem Sinne versuchen ,vir in1. (Qlgenden eir1e l o g i s c 11 e
E i n l e i tu n g i n d i c h i t o r i s c h e rt v\' i s s c n s c h a f t o n .
- 1 ' ' gL A. R i eh l , I~ogik und Erkcuntni:;Lbcoric. Die I(ulll'lr <lcr CI,igc11•
wart. l, 6, 190i. . 1 0 1.
J nltr das P 1rchisclle und 11icllt zu<rlcich atich einen Teil dcir·cn bedeutet
hütte, ,,·os mit dern Worlo l{ult.ur viel bes er bez.eich.n et ,vird. Doch
kt)tlnen die sachliche11 UnLer chiede der \Vissenschaflen erst am Schluß
◄ l cs vierten l{npitels verst.anden ,\terden. Vorher sticl1en ,vir aucli das
Proble,n der hi st.ori cl\er1 Begrifrshildu11g o,,·eit ,,,ie r11öglich formal
zu behandeln, und ,,•ir ,verden dabei hauptsächlich die B egriffe des
histori clten Ir1dividuu1ns 1 des t1isLorisc her1 Zusa1nmenl1arlges und der
!tistori chen Ent,,,•icklung 1·eir1 logi~ch erörtern. Dan,it komn1en \:vir
zu ~iJJer Einsicht in das \Ve en der „individual isicre11dcn" Be,griff!l.-
Li ldung, dit! die Gescl1ic}tle im Gegc11!-iatz zur ,/•cncralisiercnden''
Begriffsbildttng der Nat.11nvi · enschaft zeigt, und e ergibt ·ich <1nnr1
durch lvcuz\1ng des formalen u11d drs sachlicl1e11 n terschicdes
stntt der obl.ichen z,,,eiteilung eine \ ii,erteilung der Erfahrt111gs-
,v1ssen chaft.cn als m öglich. Die atur irn Geger1sa tz zur l(u}l,.o r
karu1 nämlich r1i cht nur gcnera li iereud so11dern attch individlta li-
sierend , t111d cben::o ka n11 die K ultur SO\\'Ohl indiviclualisiercnu als aucl1
ger1eralisie1·end <lurgestellt, ,,·erden. l:ns kom,11t es jedoch, da diese.s
Buc~1 nicht. ei11e erschöpren<le l(lassifikatioo der \\,.ii.:.:;en-chnfle11 gobcnt
:-i.c111clcrn das \\'es •n cler Gesch ichte als \\' i:-scnsc hafl v cr 'tch c.n \'\'ill ,
in der Hnttptsache nur a uf die 11 j s t o r i s c h e n I< u l Lu r ,,, i ss e n-
i- c 11 a r t • n an. Da: ,,·ir hlig':- t • Erg hn1s _i~l, ,luß tlie ir1<li,,idua-
lip,ierenJe Begriffr-bild111tg dies.er Di ziplinetl auf ein er bi her voll-
stäncliu (tbe1-sel1 c11,•n u11d doclt fiir di e logi~l"h Struktur der Gei;c hi.:· ht<!
~er adczu rnl sc ltcide ndcu 11 thcorcti.cli,cn \\'ertbeiiel1t1rlg'' h<"rul1t,
1lie die Nalur,vis::en~chaft, nicht ke1111t. Die U11entl)chrlichltcit. des
\\/crtprin.zipc-s ffi r ,das gP8c·hich tlichc Dclrl<er1 ist es zugleich , die den
Au~tlruck l{ultu r,\'is:iit:n5~liaft zur Bezc iclinurlg der l1ist.,uri cllen
Diszip li n c 11 i111 e11g<'rcn . _ inne a,r, gceig11cl:$tcn m;,c h t, de1111 aus cle111
De-griff des l\.ultu r\V<:rtcs c1ll11in ltiOl sich vet~Lchc11, ,,·arun1 <i~ts l{ull,ur-
l~ben ll11reh ei1te nalut'\\'i:-scr1~c-hafLlichc J)ar~Lellu r1,, nic111nls zu, er•
:-"liö11fPn t!'t l'l,Qn,ler111 nucl1 ab~c~ch<~n v on alleu l'tol)lc111en. clie es
1lcr r' lii lo~opl1ie sl c·llt, eine e1n11iri ~ch hii:.lorisc hc Dar~tc lluug durch
1
- 30 -
E r s t c s I{ a p i t e l.
\ \1
ir ,,1issen , claß unsere er te Autg.a be clarin besteht, da s ,vcsen
der natur~·issenschaft lichen Begriffsbildung festzt1 tellen. , vir ,, ollcn 1
..,ie aber ztt11äc l1 t nur .so,,•eit kerrnen Jerncn t als sie fü r dje Erkennt-
ni s d er l{örperwelt , 1on Bedeutung ist, also völlig davon ab ehen , \\'as
..:ie mit der Darstellung des psychischen Seins oder e'ventuell au cl1 mit,
der des ge ·c!1i ch.tlicJ1en Lebens gemei11sam bat. \\'ir betrachten cla-
bei1 olme unsere .rrtethodologiscl1en Ausführu11gen in den Zusammen~
har1g ei11es Sy~tems der Logik zu stclle·n und so unser Verfahren a11s-
drückl ieb zu begründe11, den Begri rr als 1\1 i t t e l z.u eine111 natur"visscn-
schaJtlichen Ziel. Das ist d~durch gerecl,tfertigt, daß alle \Visscn-
scl',aften Begriffe von. A u f g a b c n sind, und dnß ihre Bcstandtcile
sich da her at1cl1 als l\fitt..cl zur Lösung cliescr Aufga l)cn vcrstche11 lassen
müssen. Von vorrleherein ist damit ferne·r gesagt , daß \Vir das Wort
Begriff n.i crnnl f{ir Gebilde gcbrt\uchcn, die darin aufgcl1e11 1 als Tat-
::achen vorha11dcll zu sein, sondern ledig lich filr solche B cst.nndteilc,
clic etwas für das ,.,risse1tscl1aft.licl1e Erkenr1en 1e i s t e 11. Un ·cre erste
Frt:1gc J1at a l o zu lauten: ,vol'in bestel1t die A.ufgabe des natur, issen-
scha fl.lichen Begrirfes, uncl ,v,odurch lö t er s ie ? So ,verd en ,vir sein
logiscl1es \Vcsen aus seiner Leistung für das ErJ.ccnnen verstehen.
r.
D i e ~1 a n 11 i g f a 1 t i g k e i t d e r K ö r p e r ,v e 1 t 11 n d i l1 r o
V e r e i n f a c h u n g d u r c h cl i e a. 1 1g e m e i 11 e \IV o r t-
b e de u tun g. •
Um eine .<\nt,vort zu finden, gehen ,,·i1· v or1 ci1\er j.ctle1n gelfi t1fi-
gen :\Ieinuog aus. Der Mensch steht einer körperlicl1e11 11 \\'irklicltkeit' 1
,,·ci lcrer Zcrle~u ng ,,·ir 1,icl, L el \Yas N cuc~ cr1lcleckcn \\ c1·de11, tl a sie h
lll\ :5 bi:.lier en tzogt~n l1at. tJÜcr rj ern i··t, ,,·eil ja je(lc 1:lächc eiue 1-'a rbc
1,a t, t1 n<! ,,·ir n ic l(onsla l ic re11 ki>n1,c11, ob es eine absolu L glcich1T,~□ igr
1-·ä rl.Ju1,g- <IPr l\ lein ·t,cn ,va hrnclim ba rf•n Flüche gibt, ei11c .i\nz:l h1
von Farbcnn\1anccn auf ihr möglicl.11 die erscl1örJ.fend ri:11.eln ztlm aus-
drücklichen Be\vußtsein zu bringen, eben[alls c' i. • unausführbares
Unternehmen ist. So ,vird deutlich, daß ma.n -, : ~.-!n .kleinsten 'f eit
d er K örperwelt nicl'1t abbildend, genau so ,,,ic :.. r , ·., '. erken11en ka11n .
Sollen, um die Ausdrücke Humes zu gcbr·auchen, un sere „ Ideen''
im s t.rcngcn Sinne des \J/ortes Kopien v on 11 lmprcssionen'' sein, so
stehen ,vir auch bei größt er Einschränkung des Er1tenritnisgcL o ~PS ,ror
einer prinzipiell unlö baren Aufgabe.
Von den b eiden angegebenen Sch,vicrigkeiten 1 die ei11er abbil •
dend en Erkenntrtis der Körpe1,velt im \Vege stehen, ja , ic in z,vei-
fa<:hcr Weise 11nmöglich machen, kann eine 1'be-orie der natur,vis~e11-
sc haftlichen Begriff bi ldung ausgehen. \Vir ,vollen, um bcquerne
Ausdrücke i:11 haben, die Eigcnlüa1lichkoit d er \\-' irklicllkeit, die in
Frage kommt, \Venn unsere Erkcn11tnis au( da Ga1lze get·icl1Let. isL,
als ihre ,,extensive'', und die Eigentümlichkeit, die j ede eir1z.el11e
anschauliche Gc-st.altung uns darbi etet, als ihre 11 intensi'\•e'' Ur1über-
chbarkeit bezeichnen. \ Vir k önnen dann, um das Rcs uftat dieser
Ueberlcgungen Zl1sa1T1mcnzufassen, sagen, d aß, ,vcn.n es (lberhaupl
eine Erkenntnis der körperli chen \,Virklichkcit für dort endlichen
~lcnscl1engeisL geben soll, sie .n ur o zustande kommen kann, daß da-
bei die Unobersel1barkeit der exten. iven und der intensiven ~fanni"-
ra ltig.k eit des a11 chaulict\ gegebenen l\1 at("rinls ir.1:.,enct,,,ic be ei t.igt
ocler Ober\Vltnden ,vird. Jn diese1· Ueber\,·ir1d11ng zum z,,·ecke der
,vi sen chaftlichen Erkenntnis cler l{örpenvelt sehen ,vir hier die t\ur-
gabe und die Leistung des nalttl'\\'i senschaftlichen Begriffe~, und i11
,d er Art, ,vie er diese Aufgabe löst, ,vurclen ,vir dn her se-in \\resen zu
erCassen sucl1en. E . ist dies jedenfa lls einer d er \Vcge 1 atJf <lern sich
die logische Struktur der rtatu1"\,risse11 chartliclte11 Begriffs.bilclt111g
verstellen lasser1 muß.
Bevor \Vir j~uocl1 au f die l Jeben\'1ndung der unübcr ·el,barcn
~1annigfaltigkeit du rcl1 den no.lur,,·isscn cha fllichcr1 Begrirr näh.er ei11-
gehe11, ,,,ollen ,vir einigen l\'l ißv ersU\11dnis.sc11 vorbeuge11, die icll an
die "·on uns gebraucl1tcr1 AusdrUcl,.c ltnilpfen l,ö1\ncn. Sclbstver Uind-
lich ist e:-, daß das \1/ort ,,intensiv' ' in diesem Zusanimcnha nge nicht
:rlur die qualil~live sonclern nuch ,j ie <tuanlilalive l'\Ja1lnigfaltigk:ei t.
bezeichnen soll, die un jed<: cir1zeli1e, ,ver111 auc:-11 nocl, o kl "'i.ne, art~
schat1JjcJ1e \Vi rklicll,keit darbietet. z,var ist es bcllc11klich 1 ein \Vorl, in
einer Bedeutu1lg zu gcbrauchc11, die ·ich mi t der lu•rkör11111l ir l1cn
nic ht ganz deckt, aber a.nllcrc J\ u:;clrücl<e, cL\\":t äul3crlitl1c t111d ir1ncr-
1 .o\.uf IJil' inll•re l'- Olllf' l· rO.f!'r, <Ji<• R, H O n i g ~ w ä l d i11 1-ci11,•r ,.\ hl1a11(l-
l unl-{: .,Zur \\' i:,;en !<cliart~l hcoric und -~)'!'> Lt•nia l ik n, i t. bc::-:ond,· r,•r ft Octc,..ichl
auf H eluricb Rickort. Kullur,,•i:'Jc 'Cn$chart und ~ a t ur,\•I s1•ns cho rl" aur~c,, orfl•n
ha t, ol> nl 11in Sa lz v on tler „ hel erogHnuo l( o n tinuilill" de.s \\' irkliciht•n nur die
logi:..cho Valonz oln o- E rn p e i r o ru s habe, gelte ich o n dit•st•r teile al;sich l•
lieh n i-r ll t oin . . lo \\10rd o nur i111 Zu.s11 rnn1i:!n hun ~e n1it d e in olJl'I\ 5. 31 bere it_
a L>;c,vie cn•e o P roh lo111 d~r , .ohjekli\·f'n \\.irklichkcll" zu bl'hn nd<'hl Rt•in, und
ic h lca nn ei ne E rOrl~ruug hier uul so nlehr unt.e1·l nss1•n, :alii. [iö11i~~ ,11altl se lber
h L'i-vo rbeL t, e d llrfo „ kt1ino Rci.Jo 1.h1 von $Cln .... . , d o U tlic an;t~d cutelcn Fo lgPn
eor l~ickort sclb::- l irg ,•n<l "·ie bedenk.lie h ,vo1·don könnten«. Sirhc: l{an t~tudi•~n,
ßd . X \ ' 11 . 191 2, S. 70. 1\11 d c ri.•11 Ll ,~dcu kc•n. dil! 1-1 o u I g:, \\" a I li gl'g:<1 n m t•inc·
.--\ n~ichtl'n <'r hclit, ,vorde ich l"b,·n ral ls 1111r n1 il R ach:~ich L auf rnrin,·n Ot•grif!
•
- 37 , .
J etzt ,,•e11den \vir 11ns der F.1;agc zu, \\·ie die Uebcr\vindung der
extensiven Utld der intcnsi\rerrii~~igfaftigk~-it.ciurch die ,visscnschaft.-
•
Licl1e Erkenntnis trotzflem zusta1l(le J,ommt. \Vem1 ,vir das \1/irklicl1e
irrational gennnnt llnben , so so'll das nic ht bcdcutcn 1 daß es absolut
irrational ist 1 sonder11 daß es lcdiglic~ fiir einen Verstand, de1· es ab- ~
bildend erkenncr1 °""ill, sich als irrational d arstellt. In anderer Hinsicl1t
muß es icl1 rationa lisier e11 las e111 ,,.,enn Erkenntnis davon überhaupt
t11öglich sein soll. · 11d n.un können ,vjr ,vei t.er gehen und sagen : die
Erkcnnt.ni ,vOI'de niemals n1öglicll sein,. ,ve11n ,vir irn ,vj g "enscl1aft-
lich ,ioch ungc~chulten Zusta nde nur J{cnntnissc besäßen l deren Be-
deutung da rin aufgeht, daß sie sich atif diese oder je ne einzel1-1e
Gestaltun.g der l{örpenve.lL beziehen. Das ist aber nicht der Fall.
Lange viclrnchr, bevor ,vir an eine ,vi · e11scl1aftliclle Erforscl1ung
gehen, besitz<:n \vir \Vorle, ·1nit de11er1 \\'ir 11icl1t n\.1r je eine einzelne
an-chau]iche Wirklichkeit sondern auch eine l\f ehrheit , •on ihnen
zugleich bczeichr1en können. Die \Vorte kann Jl1an insofern a J 1 g e-
n1 e i r111.erulen 1 als ie jcl1 au[ alle die v erschiede11on Objekte der ~lehr-
l1oit b eziehen . D och st ccli.t i11re Allgemeinheit nich t in dem J{lange
des \i\' ortes selbs t , de1111 er ist ja, rur sic h be Lraetit et , j edesmal ein ganz.
individlteller akustischc.r oder optischer Eindtucl<, u1ld der extr,en:&e
N ominalism11s, der das Denl(en mit dem precher1 jdentif.izjeren
I
n1öcl1te, verdient scho11 aus die ern• Grunde lccirle ,veil.ere Widerle-
. '
gu ng. Es 1nuß vielmehr Zlt den einzelr\en Lat1len oder Laut:komp le-
x en, die da ,virkliche \\ ' ort ausn1achcn I u11rl die ,vi r hören, oder z1c1
den \Vortbildern , die \vir sehen , n oclt et.,vas a11cl rcs hir1zt1treten,
d. h. ,Jie W orte mO ~en nllgcmei11c B c li c u Lu rt g c n l1<1ben 1 die \'On
uris versl a11dc1t \Vcrdctt, und nicht au f die \Vor Le ond('rn au f die n1it
•
ihnen , rerk.nüpften allgemeinen \\1orlbcdcutur1gc1t ko111m t. es l1ie1· an.
Sie sic1d es n ämliclt, in dcner1 scho11 das vor""issens<>ha ftli chc Denken
ein ~lit.Lel hesit.zl, mit eiern es 2.,var r1ocl1 ni cJ1t die ·11über3ehbarkcit
der l{örper,,,.cl t \visscn schaftlic h Z11 iiher,vii1den 1 ,,·0!11 ubcr ei nen Teil
ihrer extensi,,en t1nd intensi,,,e11 ~1a1111ig fa ltigltcit ir\ hohen1 )l aße zu
v •rcinfach c11 u:rid cla<lt1rch ztt übcr ehcn in1slande ist. Die exten ive
0
• •
)1anrtigfaltigkci t d ~r t1 ns ·1.1n1gcbcnfle11 \Virklichk.eil läßt :;ic h tladurc~1
•
J verringern, daß ,,·ir mil eine1t1 bede11Lungs"•ollcn \Vol'tc eine \ 'iet-
•
• rlPr objrkl.ivt>n \\.irklichk•·il. und die Untcr,-clicidung ,·on l, 11n,- liluli\'l•n lind
1111•lhod0Joi:ri~cht>n Forrnrn gc-1·ceht " 't'rd('r1 t,onne11t Jif' ich iJ, 1111•inr 1n Buch
,a ber d en. G11gc11:- lnnd der Erkl!nnlnis chtrg(•lt·gl habt•, untl. ~ie n1(b,,r•n llab,~t· hier,
\\'O !eh n1i r,h .iur die n1r:lhodol()gi..chcn 1: 1,1Jtf•n bf's~hri)nkc, unerörlerl bleibe n .
1nit heut.c \\1 eit, verbreil-eten An icht.en ver\VCchseln, die ·ebcnrans \Vert, • • •
at1f die Einfa cl,he it des Begriffsinhaltes legen . l\fan 1,at bekanntlic h
d a moderne Al}l1ei}mittel des Danvinismus auc h zur E1·k lä rung der
logisc·h en Al'igerneinl1eit des Begri[fes ver,,.·enden ,vollen , und es mag
11un ricl1 tig ein , d a ß die Ve reinfachung der .\ \' irklicl1k.eit durch dn.
• t .... ~
t i s c h e Gebitdc mit Rück icht darnu.f, dHß sie irn Dienst clcr Er-
ke1111tni s tehen. u11d wir ,vollen nur zeige11, daß 111it j ecler Erkenntnis
eine Verei11fachung der an chau.lichcn Wirklichkeit verknüpft sein mt1ß,
\Veil ihre u1tübersehbnre ?t1annigfaltjctkeit i11 keinen Begriff ei1,geht.
Die \ ereinfacl1u11g als solche ist da her aucl1, '-\'te sie h spät.er gen.auer
zeigen wird , noch nicht das logische Gut, clo. ,,·ir beim Erkenrten u-
ct1en. Diese ka11n nttr in dern stecken , wa ,vir a ls theoretische G e l-
t u n g de r Begriffe spät.er zu e rörtern ha be11. 11iL cle,n ,vissca c ha (L-
:Jichen Begriff bringe11 \.Vir dje , i\,'or t betleutung hier nur cles,\·cgen in
'\··erbir1dung, ,,·eil in ihr icl1 bereits eine Vereir1fachu11g , ron der .,\ rt dar-
st ellt, daß sie geeignet. ist , 11m als l\1it tel (lern z,,-ccko tl cr Erl<e1u1L,1is
Zll dienen. J ed er Gedat1ke a n irgend ,velch<:n ,,Nutz(~r1" , den dic:-c . , •
Einfacl1!1eit. d ~.s Erkc1111.t11h,it1l1a ltc. besitzt liegt d·en logh;r hc·n U chcr-
-
legu11<Te11 also vollst.:indig ferT1. .Zuglcic1, frei lich läß t sich in diC!)ctn
. • • , . t '•
Zusammenhange auch vcr:telic1,, ·,,·e!:.halb d!!r sonderbar,, E111folJ, tl1c
theoret.isclt.e \\lal1rl1eit. der Erl{e11r1tni · . ci pragrr1alistiscl1 11\.il ihrer
. .. • _Niltzlichkcit z:u iden tifizieren, für mcl1r als einen r.hcrz geha lten
\\.'Orden i. t. \ Vir rnüs"e>n SO \,·ol1l in1 l ·h eoretischcn als nuc h i1n pr:ik-
tischcn In t cresse der Ori.e u ticrt1ng d ie \\1irlcl ic}1l{ei t , ~rcinfac heu 1
0
uncl bei ei11cr \lenveclts lung <l<'r bci<i en i\rtcn v on \ 'erci11rac hung
.k ann der Gccla rlkc aun,01nn\tn, es sei die nütz.liehe \ ·ercinfa,·hu11g,
die im Dienste des pral<t isclicn Lehen steht, sr ho11 l hcorC't iscl1c
Erkenftltiis . Abgesebe11 vox\ di l5Ct le'it hl zu <lurc hsc haue11c.l<'ra \ "cr,vcc l1s-
merken sie darauf, und d.e r \\1issenschaftliohe l\'lenscll hat das alJer- ,
•
ding-s mit ihnen gemein, daß nicht die An chauung als solc.he für ihn in -. •
Frage komznt, so \Veit seine Beobach,t ung sich aur sie auclt 01-strccken,
•
und so viel Uobekann.te-s und Neues er aus ilir auch zutage fördern •
m ag. Vielmehr ist eben!olls ein Bedürfnis, ttnd z,,·ar do s theo reliscl1e
Bedürfnis nach E rk.enntnis, n1aßgebend für seine 'f'eil11ahme am
Anscl1atJlicher1. Er verläßt dat1er die Anscl1auung 1 sobald or sie sich
so,,•cit ausd,r ü-eklicb zum Be,,1ußtsein gebracLt bat, daß er sich über
ihr V-c rhältnis zum . Ii:1halt seiner Begriffe klar zu ,vcrden ·vermag .
• • •
Er muß einen rviaßsta.b dafür hab.cn, ,vann er djc A.n schattung ver-
., . . . ... . ' .- ...
lassen, d. h.. in ihren Einzelhei ten unbeachtet lassen darf. Sonst
.
wür·de er mit, de1· Untersuchung aucl1 nur eines einz.igeJl Obj ektes
" ,,. . . -
,vegen dessen"ün uber-,sehbarer ?\.fannigfalligkeit niemals fe1·tig ,,•erden .
Ohne Begriffe irt dem angcgebene11 Sinne ,väre also eir1c Erkenr1t-
1us selbst der kJeinstcr1 und citlfacl1st.en körpetlichc11 "\VirklichJ{cit un-
möglicl1. Begriffsbildung, d. h. \ fcn vendung der :clligemcinen Wort-
bedeutun-ge11 zu einem logischen z,,,eck, ist not,vc11clig verkr1üpft
mit jed em in \Vorten ausdrückba1·en Urt..eil Ober Llie \Vir-kli ch ke:t . •
Der Gedanke an ei11e unmi ttell>are oder ir11 st re1tge11 • inrte „iutuiti,,e''
•
Erkerw.tnis im Gcgc11sat.zc zu1· begriffl ie1Jc11 ist (lahcr als \\"idc1-siunig
..
t .. " •
•
• ' von , 1ornh-erein abzulehnen. Bloßes Anschauen oder 11 im Bc,,·ußL- ....
• •
• sein habe11' 1 ist uni.er keinen rns tönd cn sc-hon Erken.11en , so sehr
• ••
die e ß egrif!e a.ucl1 , ,011. der älteren und neueren Philo"opl1ie d11rchP. i11- •
-., ( ..
•
•
,
,. ..,
und ,velche Bedeutung sie innerhalb der nat.111"\\'i senschaftlichen
, 1 • ' r •, --. 1 6 1., '
Wert erhält. .Ei11c solche \rer,Yc11dung Jjcgt cla11n immer schon auf dem '
1
.- ,vege
.,, zu einer ,..,issenschaft.lichc11 Begrifr.3bildu11g, und dieser · msland
· · : · r echtJertig t es at1ch, d aß \,·ir b ereits Gebilcic, die sich vo1t den ciemcn-
---- 1
L ogik 11, 4. Aufl. S. 9.
f
I
I tf l 4 ,_
II.
1 •
Di e B est i mmthe i t des B c g r i f r c s.
Wi r t1aben bislior nur die Vcr,vendt1ng der elementaren \iV01·t-
beclet1lungen zum. z,\·.eck d er ,,·i sc11schaftJicl1cn Erkenn~nis k örper-
, .,. II', • •
lieher Vorgänge kenn en gelernt, und '"ir nJü Sic 11 jelzL at1cl1 zeigen,
,,,arum es sicl1 dabei nur um den erst en Ansatz zu r Bildung ei11es ··
wi senschaltlichen Begriffes bandcln l<ar1r\. Die \\1orth-edcutt111gen
bedürfen, um logisch volll, om mene Begriffe zu s-eirt, d. h. tim die Auf- •
• r
gabe, die sie haben, zu erfül len, einer ,veite rcn logiscl1en BenrlJeit11ng.
J a, er- t damit setzt das ein 1 ,,·as ,vir irn oigentli cl1en inne des \\<ortes
Begriffs bild u n g nennen dü rfe11. Die cle1n •nlarcn \Vorll>edcu-
tungcn bilden ,\11r r1ich~ so11dern findet) sie fertig v or. 1ut die Art,
\vie ,vir sie \vältlen u11d , rer,,·cnden, n1ncl,t, sie zu ,,BegriJic11'' i,11
\.,·issenschaft.lichc11 .... in11c, t1nc) n11r ir1so[crn kann man schon Lei ih11en
von BegriffsLild.ung r~de11. Dabei aber k.a11n es, ,vie gcs11gt, niclit
sci1l Be,vcr1,ler1 haben . Um die Not,vcndi 0 k eit und die Art ihrer ,vci-
teren Bearbei tung zu verstcl1en, mussen ,vir, zunäcl1st il1r Wesen uns
..
~
•
r1och et.\vas genauer vergegen\\:ärtigen. · ' ' .,. •· '• '
Wir sir1d davon ausgegangen, d.aß es so et,vas ,vie allge.meine Wort-
bedeutungen gibt, und dazu l1aben wir ein gutes Recl1t. \\renn die Worte
•
keine Bedet1tt1ngen h.ättc11, so ,vürden wir sie nicht ver tehen, ja gar
ni cht von sinnlosen Bu'c'i1staben.: oder Lautkomplexen unterscheiden
können. Was aber ist das, ,vas zu dem an sich bed.e utungslosen Wort-
bild oder \Vo1~tklang hinZ-ulritt? \Vir müssen dies Problen1 f ilr unsere
• •
Z,\•ecke hier \Venigstens so stellen 1 daß ,vir fragen: können ,vir d er ~ • •
t
so!schärfer ·1~er, rort.ret cn . E s m ag ricl1tig sein : ,vir ,\.·iss.er1 bei dett rnei-
sLen \\1orte111 die \Vtr verstehen und in der Wissenscl1aft benutzen ,
nicl1t genou anzugeben, ,vns der Inha lt ihrer Bedeut.u11g ist. Grade der
• •
Um tatld, daß ei11 · St.reit darüber c11tslehen kol'1nte, ,,·as zum \\rortc 1
•
1
1
liinzukomrr1t, u.m ihrn Bedeutung zu gc}Jc11, bc,,1cist d ie ja auf
,,,._.... "'
· clas U11z,-.·eideutig ·te. ~lag nu11 aber auch die Ur1rnöglichkcit. ei11cr ge-
1
11auen Bede utungsangabe fUr das Uiglic he Leben nicht s töl'cnd sein ,
so lieg t P.-S doch_ ar1<lers b ei \,Vorlett, die a ls Zeic hen vou Begriffe11
1 Die " 'l'll al · ,,11110 Hnd , rors lrlluug. Ers lt'S Buch, § 01 •• \V. (Gri~cba.ch}
Dd. I, . 77 rr.
2 Zur J\naly!'iiS der \ Virluichkeit, l 87J 1 2. :\ufl. 1880, •~· .t 11 ff.
3 B citri'il,?c zu r Logik, 1892.
- 47 -
faltigkeit besei,tigt \Yird. Nur so können \vir logisch vollkotnmenc
Begl'if(e bilden , die ei11en bestimmten Inhalt haben, oclcr genauer .:
nur die \Vorte sind zur Bildung von \Vissenschaftlichen Urteilen
brauchbar, deren Bed·eutung nur e i r.1 e ist, und die zugleich eine
• J .,.
,II ,, .> • • •
soweit genau angebbare Bedeutung besitzen, daß keine Ve1·wechslung
mil ru1deren Bedeutunge~ <lr~bl. Sig,"~art h.a t deshalb durchaus rccl1t,
wenn er die Bestimmth eit als eine wesentliche Eigenschaft des logisch
vollkommenen Begriffes her"rorhebt. Aucl1 Volkelt nennt den Beg-ri[f
die bestim1nte Vorst ellung vom Gemeinsamen. ,vir haben l1ier ver-
sucht1 die , Not,,,endigkeit
.
der Bcstimmtt1eit aus der Leistung des Be-
griCfes abzuleit.en, die er in einem \vissenschaftliche11 Zusa1nmenhange
v ollbringen".. muß. · •·
(.,,1 ..... , ,
,4
1 ,
,
, , .,. . . . .
Und \Vie ,verden \Vil' die störende ~lannigfaltjgl<eit los, die das ,
• ~ ... • • • ·1.-, .l • ,. •" ., .1~ , I . ,. -, -•
\1/ort vieldeutig und darnit den Begriff in dern ·angegebenen ji:tue
unbesti1nmt macht? Da~ i\•f ittel daxu ist sehr einfach.• ·u11d e~ ,vird auch
' . .. .
lort,vährend venvendet,. \iVir ,,definiere11•• den Begrif(, d. h. ,,·ir sagen
au d rücklich, \\'Oraus seir1 Inl1alt best eht. W ir geben z. B ., \\'enn \\·ir
eino b eobachtbare )lan11igraltigkeit von Ein.zelgcstaltungen vor uns
haben, genau an, ,va diesen ve1--schiedenen Gestaltu.ng•en gemeinsam
ist., u11d ,vir
t
fa ·se1l dieses Gornoinsame llann in de11 Begriffsinhalt
9'I • • ,,,,, •
- 48 -
Inhaltes die äußerliche F o r m einer Aussa.ge an11ehmen muß. Die
Frage, ob wir es dabei o.ucl1 mit ,,Urteilen'', d . h. mit Sätzen, deren
logischer Gehalt \'!' a h r genanrlt ,verden kann , zu tun haben, lassen wir
zunächst dahingestellt. Hier ka1n es n ur darauf ar1, zu ~eigen, welches
Mittel \\i r an,vendcn, um die beiden an einen Begriff zu stellenden
Anf orderunge11 1 die Allgemeinheit und die BesLin1mtl1eit, miteinander
#' .. •
, • • ... . . . ' <'""""".&.
'zu vereinigen, falls das, ,vas \vir bci111 Lesen od.cr H ören eines eir11.el-
nen \Vortes verstel1e11, nicl1t eir1deutig ist .
Doch beseitigt dieses :i\1ittel at1cl1 wirkljch de11 l\·l an gel, der den
logisch unbearbeiteten \\Fortbcde-utungen" anhat~t? Dies scheint
insofern nicht der 1''all zu seio , als jede cinzeln.c Bedeutung der ver- ·
schiedenen \Vorte, aus der1e11 der bestimm ende Satz besteht, also a.t1ch
jedes der Begriffs e l e m e n t e, deren Gesamtheit nt•n d en Inhalt
• t '
des Begriffes au m acl1t , ,venn er bestimmt ist, ,vicdcram eine n och
nicht bestin1rnte '-''ortbedculung sein mt1ß und dalter, \\'Ctln it1r In-
halt auS<lrücklicb v ergrgen,\o·ürtigt \vird, mit derselben 1\,( annigf altig-
•
keit und Unbestimmtheit b eha(lct sein ka11n ,,,je der durc}1 sie zu
best.immendc Begriff selbst . Z\.var läßt diese Unbest,imm Lheit der so-
gena11nter1 ,,l\ierkma.le" des B cgriffr , ich dadurch beseitigen, daß ,vir
die \\'orte in den z11r Bestimmung des Begriffes dienenden Sätzen
,viederum nach ihrer Bed eutt1ng bestimrnen, indem \vir ebe11fa}ls in
neuen At1 agcn deren Elemente gcnatt angeben . bcr , da au ch diese
neuen Elemente al ' allgemeine Woribedel1tu11ger1 ' i11 dem ai1gegeb .. .enen
, ..
Sinne unbeslin1n1t ·ein l<ön11en , und dieser Ucbcl sland b ei jed-e r
11eucn Bcstirnmt1ng sich eve11tucll \\·ietlerholt, so scheinen wir ,ror die
Aufgabe gc~tcllt, eine unendliche Reihe von Begrifrsbestin1mungc11
vorzunel1meu, um einen. v öllig be timn1ten Begriffs.i nhalt zu erreichen.
Das aber heißt, daß ,...-ir auch dt1rch die msetzung des B-e gtirfsinl1altes
in d en Sinn v o.n At1ssagen 11icht imstande sittd, Begriffe mit völlig be- •
stimm ten Inhalt zu bilclen, ,d a ß also auch diese Bcgrilfe die , Lörencle
'
1
~lru1nigfalligkeit nicht in logisch. \ ollkornrr1:e11er \\ ei e t\ber,,·iodcn.
1
·G renzen zu "·erenger11,. Das aber kann aucl1 durcl1 AngaLe vo11 De- •
bcit.cte1 in <lcr Form \.'On Attssag••r1 t,i ttri:.lcllbare Begrirf(' er5rlzt ist. ••
'
•
Doc h \,·ird es erst <lar1r1 ll\ögli ,._ ch ci11, (litseo G..-1.la11kl r1 zu , ,oller l\.la r-
1
hei t zu bri11ge11, ,,·ct11\ , vir die Frage bt•hnn(le ln , ,,·ic ,,·.e il djc 1\ t.1s~agr11 ,
llu rch \,·eiche d ic Elc111el1le ei11,, , IJcgriffes a11gPg~bc11 ,,·er le11 1 ni <' ht
nur 1lic äußere F orm ,•on. .. fit1.cn son rl r n1 ~ucl, <len lngi:>Chen Gchult
vor1 IJ rl/'ilr n haht'11, d ic ,,·n hr , inrl. Er~L tla111t ka11n d as eic,cnLli cl1e
'
\\fe •t- u dt':ii Begriff •s sich c11thült1•1i, <las 1niL (.lt·1· 13t'l.-stin,mtheit, cl>cr1 o
,,·li'r1 ig- ,,·ic 1uit tler hie-her allei n betra,:l1lct"'n 1\ llg(•rnrir1heit der cle~
n1c11tarc11 \\7orlbctleu lu ngcn cr~t• hö11f t i:,;t. Da,_, ult)ße \ \ 'ortvcrs·t tl nd -
n i cinrr, \,·ie ~ich zt•igc-n ,vird, üLcrhnu JlL 11och gttt' 11it:hL al s das \ 'e r-
1I 1.
D i c G c I L u 11 g d c . B c g r i f f s.
\,ia re 1nit Begriffcn, die det1 vorher da rgr ~tcllt"n "\ n(o rd erunge·n
genügen, eine vollkommene Ueberwinduug der exleusivcu und in-
ten ive11 ?\ian.nigfaltigkeit O<icr au<~h nt-tr ein; ~ ru1ü_!1erung an dicsc~:l
.Ziel möglicl1? ~ ohn1cn , ir eic1n1aJ an, es 'golii n.ge cler . atur,vjssen-
scha(t , absolut ei11[ ac'l1c u11cl bestimmte B-(?griffsclem eilte zu fir1.de11,
atts denen sielt alle andel'en Begrirfe fü t· d ie l<:örpcrliche \\'irklichkeiL
a-u fbalt<'n Ins en, ,vürde sie damit auch nu.r die i11leusivc 1\fannig-
faltigkeit. ir 0 cr1d einer Einzelgestaltung '"i ~!;eu~chaft licli z.u üher-
,vindcn i1nstande sci11 ? Offenbar nicl1t1 denn ll m die Erliel1n t nis eines
Kör·pers so zu El1de zu rnl1ren 1 da ß k.einc an~cha ulichc und ut1il ber-
set1ba!'e l\launi •tul'tigl{eit darin mcl1r uubcgriffcn bl ihL 1 b l'auchcn
\.Vit· r1icht nur ~in fnchc und bcsLimu-1tc HcgrifJ' ·c• le1r1cnlc so-n derr1 aur lt
1
frei ,,on der Gc~·alt dct' Zeit ist. Es ist nicht einzu~ehcn, wie die Be-
griffe, die nttr die bi$her betrachteten Eigensehafter, besitzen, das,
,vas liier verl angt ,,·ir<l , leisLeo sollen. Ein Allgen1ei11heit z. B., ,,·ic ,
.. '
Zll gc,,'inn.e n, Fül1ren ,,·ir d~n Gcc.l"nkc:n ,vciter, duß der ,,·issc1lScl1afLlich
licl1en ·Cl1araktcr ?
Vorher müssen " 'it· j edoc h den Begrilf des Urteil. ebe11so ,vie . • • f '
- 55
•
Für den, der irn Urteil nicl1ts anderes al eine bloße ' ' erknüpfung
von \.Vortbede11t\1nge:n sieht, ist die Frage bereits bcant"vortet. Die •
Unterscheidu11g vo11 Begriff und rteil hat dann lediglich die Be-
deu tung der sprachlichen Unterscheidung von \'\fort u11d_ Satz 1.
Der logische Gel1a.lt ist in beiden derselbe. At1ders aber liegt die Saclle,
wenn man meint, daß die bloße Verknilptung vo11 \Vort.b-edeutungen •
noch keinen Urteilsgehalt gebe 1 sonder11 daß tu ihr noch ein ~loment
l1inzutretec1 müs e, das als das der ,, Geltung'' zu bezeichr1en ist. ur •
Gebilde, die gelten 1 könncm v.1ahr sein und daher einen ·rteilsgeha lt
ausmacl1en. 1\ lso, wir \.\'ollen ,vi sen, ob Begriffe iltrern logischen Ge- •
, ~.. '
man noch imm.e r ni cht bel1aur,ten, daß der Begriffsi11halt. aus dem
.
Gel1alt v on ,\'ahren oclcr gülLigen Urteilen besteht. :Qocll, es wil'd nun i l:
~\var niemand lcugr1cn, daß es möglich ist, Begriffs.elemente oder r.. ,.t • .• ·,,• .-·
' • .... • • "I
· , " l\lerlt rnale zusammc11.zus tellen, ol1ne daß a11 ilmen \Vahrl1cit. haftet, ' .. · · ·.4
6
,• , und daß ~olche Begri{tsbildungen , die man dann wenig glilckJic~ l _ . .... - , ,
hullen. Wir behn1ldeln hier den Begriff 11ur inso,veit, als er ei11 für
die Erkenntnis der jatur logisctt b e d c t1 tu n g s v o 11 o s GJied
ir1 einem \v·is:cn"chaftli.c hen Leistunrr.szusatr1menhange ist , und da ist
die ~I ö g I i c h k e i t einer Begriff 'bildung , t
durch bloßes. Zusammetl-
t eilen von ~lerkrnalt1n ol1ne deren Zusan1mengcl1örigkeit für unser
flroblem vo11 keiner ,,·c e11tlichc11 B ctletJtun.g. \Vir haben vielinchr
zu fragen, ob die \Vissenschaft nicht Obera ll die Au f g a b e hat,
Begriffe zu piJclcn 1 di() il1rcm ln ba.Jt nach dein logiscl1en Gel1alt von
4 ,t,7' ,,. ., • , ~
4; . · • . , sammenstell ungen von l\-lerkniälen sind, also n1il den Ga ttungsbegriffen. ()_
1 fc h 111(,<>h l,· rnil l \üc ki-iehl uu f .-pli~cr n och zu crörl1>rnrlc Ein,,·fl n dt' und
;\liG, ~r :,lfu11lni-i.:,t', c.1,· u<·11 111\.'illO .~ u,1ro hrungen b egi•g n◄ •t ~irtd, bl'n1 •rl~en, dnß
d ic~c :,i,tze \\'örtl ich b(!rrll,- i11 '1i•r C'r~tc.>n ,\uCl:.i~c dtl':,,f'"- l3nch{':- i-tr•h(•n . Ic h
11.l hc ~ic jl•lz.l nur ·durch <l\' n Druc k 1n i:hr hrr,·orgc..•h ol)~n.
- 59
auch a ls Ziel auf irgend oincm Gebiete der Natu1"\ris:3cnscllaf~ in Angriff
genommen ,,•ird. Aber, abgesehen davon, daß eir1e solche Klassifika-
tion fast immer nur ein vorläufiger · otbel1e1f ist, entziel1cn sich aucl1
diese Fälle unserer Theorie nicht, ,venn sie nur zu ,virklicl1 ,vi senscha{t.-
licber Arbeit in irgend ,velchcr ,vcsen tlicl,cn Bczicliung stel1e.n. Es
gibt. ja bei genatierer Bctrncl1tt1ng im Grunde doch kein ,,;"'senschaft.-
liclles Gebiet, auf dem die Dcgrifrsbildung ganz ausschlieOlicli der
Klnssi(ikation dient. J ede11fa)ls jst eine reir1 ,viUkürliche l(lassifjka-
tion ohne ,vissenscl,aftlicl1en \Vcrt. Was aber t1cillt \V.illkurlicbe I lassi-
fi kation? Ei11e J{lassifikation oh ne jede Geltu11g ist inimer ,villl{ürlic u.
Eine ·not.,vettclige I{lassifikation kann immer 11ur mit Rücksicht auf
eine Theorie vorgenommen ,,·erden, die aus ,,·ahrcn Urteilen besteht,
oder es \\'ird ,,ienigsLens dut·cl, die Bildung eir1os Begrilfes und durct1
die J1terordnung der cin1.efnen Dinge un <i \ 1orgänge unLet· ihn imn1e1·
scl1on der .l-\11rang zu einer 'fllC·O•r ie der Dinge o<ler \ rorgängc gemacht,
die ,,·nhr sein ,vill. Dann aber ist die Zu- am1nenstellung gerade die:.er
Begriffselcment..e in Rück icht. auf <lie 'Theorie 11ot.,,·endig und gilt.
Der Inhalt. de;; Begriffes isL somit nicht nur ei1, bloßer L\Jerkmnl:---
komplex, so,n<lon1 es "''ird iru.plicit.e aucl1 eir1 \VHl1rer U rteilsgehult g<.._
meint oder ,,erstanden. Der Begriff i t also in dic~em Folie, ,vo e" sich
u1n die Erkc11ntnis eines Teiles der Wirklichkeit l1andclt 1 ebenfalls
d·em Gehal L eine: gültigt:n U rLei ls logi~ch tlqu ivalen t.
Die übcrz. ugcttd~·Le F ils ·u11g können ,rir di e5e11, Gc-da11J.cc1L -.•ie l-
leicht in fol.g('uder '''ei e geben. ehmen ,,·ir an, rlaß uns eine völlig
übcrscl1barc Rcih,c von Dingci-1 vorliegt, die ,,,issc11.scl1aft.lich zu klassi-
fiziere11 u11::iere . \- u[gabe \\·üre. l(önnt.cn ,vir uns oh11e irgend \\' l' l,·hc
v'oraus. etiungen an dic:ic Arbeit n1ac'l1en, o ,,·ürdi!n ,,·ir fin <lcn.
daß ur1s auch bei einer über5ehbnren 1\ nz~thl , 1011 l(ö1·11c1·n eine unüber-
sehbare J\ nz.nh l von Jlrinzi11ien f-ür ihre l{J as. ifikat.ion zur , ·erfü 1rung
.Ui1tcle, und ,,; r ,vürclcn da her ol1t1e ,,·ci t,e,,o~ n icl1t ,,rissc•n, ,,.<:'1,·h,!s
, •
Prirµip ,,;r ,väl1len sollen. Da$ klingt. , iicllcicl1t sond erl,ar und ist. cl ucl1
UUZ\\'Cifell1a(t ric htig. Denken v.-ir nur dara11, ,d aß auclt jede Ei11z<>l-
•
gestaltung der l{örpcr\vclt eine 1tie zu cr:-;cl1üp fende.1 u11iil>cr-3chbarc
~f anni,;ralLigkeit zeigt. Da rnuß e.s, ,ve1u1 ,,·ir ol111c leiLe11tle,1 Ge· icht~-
punkt an flic '"' nrhe g"hc n, ,..-illkürlir h sein. ,,·a, aus <:lic-Ser :\l nnnig-
faltirtkeit
o ,vjr herau..:n-r •i[c11 1 un1 ein P r inzi11· zur \ 'c1•r,[cichu111"'
~ e r.,
der [)i·n•rc
~
daß durcJ1 d.ie '''orLbed eutunger1, die ,vil' besit't en, uns nur ein kleiner
'f ei l de i· Gleicl1ll-eiten und Un gle1chheit.en uus(lrücklic h zun1 Be,vuOt-
seln kotnmt.. )1it \\'orten ist von d en vielen tl)öglicl1en l(tn ~:-ifikatio11en
der l(örper stets nur ei11 kJeiner Teil küsriih~bar. \\fi1: l:1ahen uns aber
0
•
- .
u11d daß dieser von ,,ri se11s~ha ftli e he r\ . Gesichtspu11kle11 au.s zt1.m
. .., . . . - . . '
.
.
, ~... , !
...
,.. ~· .. .,.,
größten 'l'cil zu fä llig vollzoocnc ProzeO clcr Vereinfachung eigentlich •
••
I •• ••
übera ll erst d er logiscl1er1 oder "'·i sen ctiartli chen llccl, tfertigung ,• .• • •
bedürfte. Nicht nur ruü sse11 ,vir einen Grund dafü.r haben, d aß ,,·ir
,. unter clen durch die elen1enta rcn Wo rtbed eutungen ri:•öglichen J(la ssifi-
kationen einer den Vorzug gebe1l , so11dcrn auch d afür, daß ,vir überhaupt
eine v on diesen Klassifikatio-n en \\'ählen u11d 11ich t eine au. der unübor-
- ,..... .. """ .. .
sehbnre1i Fülle, die sonst r1ocli rn öalic
f , ,.
..
.... h s.ind. Docl1 bra.ucl,en ,vir
die~en Gedanken 11icht ,veiter zu ' 't:rfolgen. •
\\'enn \.vjr nur nicht vergesse n, daß auch bei größtr r Eiuac hrän-
kung ,les Erl,enntni:-gebictes ,vir irn rner vor einer Uniibor-soh barkoit
st ehen, die d urch die r1alur,visscnschaftl icl1e Begrj [fsbildu11g erst zu
Oben vin.d e11 ist, so "vertle11 ,,,i1· dadurch auch auf den Ged.an l<en ge-
führt ,verdcn, daß die Erl<cnn tnis eir\es Btuch lück.es der l(örper-
,velt keine prinzipiell and ere Aurgubc ist als d ie Etkcn11tr1is des l,ör-
pcrlicl1en \Veltga.r1zer1. Die in.tensiv·c U tlOLer chbarl\cit der Einzel-
gostaltungen bedarf zu il1rcr · cbcr,vindung ebenfalls d e·r unbedingten
Allgerneir1hciL, die in de1t sogena.nn t.(;'n Na.tltrgeset zen zun1 Ausd ruck
ko mmt., ,veil nur ein u1lbec.li11gt al lgcrnoingültigcs ·rteil d.ie "'' illl~ilr
bei <lcr Bcgri(fgbildu11g beseitigt. Diese Nut11rgcsetze fallen inhalt-
li clt 1nit drnen zusammen, die un. zur Ucber,vil1tl \lng der cxtensivert
~ i tannigfa!Ligkei t der l(örper,,•elt dienen. Ei11e n1ehr als \\'illkUrliche
B egri[fslJi ldu11g üb •r,,·inclct iu ih rer l1öchst,cn. Vol l-e1ldung daher l)Qirle
1\ rl,en der u11ül>crsnhbal'et1 ~Ia111tigfalLlgkeit . lsL ei.n einzelner l( örpcr
, röilig begriffen , so ist ,Jarin zt1glcicl1 eL,\.'a erfaßt, ,vas fü r das \1/clt-
gatl:te orJcr für alle seine Tei le gilt. Tn der Ueber\,·i11 iung d cl' inten::;iven
•
'.\fann igfaltigl\ci t, eines Körper:" ,vird in1tl\er auch ein Stück der ex-
tf'nsiven ~fa11rtigraltigk<' it <lc. l{örperganzcn mit Obcr,,,unden . o
verstehen ,,·ir auch rlie Bedeutung des Experimentes un rl der ~l cthodc,
din iluf ,lie t\ nal)'·~e e ii 1f'S E ir1zclfull"s au:-gch L, um <l:ldurch z.·u Natur-
gf'setzf!n zu liornrnen. Der Einzelfall, der un lcrs uc ht ,y1rrl 1 hätte gar
l-ct>,ir1 l 11tcre. e, ,vc11n er n.icl1t {t.ls Re1)1iise11t a1lt fü r das Ganze oder
••
{ür alle F älle i1t Belracl1 t, l\ärl')e. :\Ja n l,ann dies aber aucl1 t1n1kcli1·e11
und sagen, daß eine ,vah rhaft ,vissenschaf tliche begrif flicl1e Erkenntnis
eines Einzelvorganges durchau ar1 ein Erkenntnisstreben, das auf das
Ganze der Kö1·pcr"velt gel1t, gebunden ist, ,veil das unbedingt allge-
m eine Urteil, das für alle Teile de Gan·i en gilt, aucl1 fü1· die Ucbei-~
windung der intensiv,e n Unühcrsel-1barkeit j,cdes Einielvorgangcs
nicht~n-Llfet/1't'\~er<icn·~t!nn:· ·~'•·· 1
So, sel1en ,vir, mt10 das Be treben der Natur,vi .. eit~ ba{t. unter
allen Umständen darauf ausgclien, Begriffe von unbedingt allgemeiner
Geltu11g, d. h. Begriffe, die Nat.urgesetze enthalten, zu firtden. Ge,viß
bildet d ie Beziehung d.er \Velt d er Bedeutungen auf •d ie Welt der An-
schaut.1t1gen t.in.scr Erkennen, ,vcnigstcns so,,·cites sic~l um ein Erker1nen
der NatUf\\.'isscnschaften handelt. Aber gerade. darun1 könuen die
Bed eutttngen nicht nur Bedeutungen einzelner' \\' orte sondern m·üsse11
ib.rcm logischen . Gel1alte nacl1 Urteile sein, die Gesetze ent11alten
• • •
oder sie, vö1·bereitei1:- n e1m die \\feit der Bedeutungen oder de Urteils-
gehaltes muO begrenzt sein im Gegensatz zur unbegre11zten \\'elt
d er Anscl1auungcn 1 und nur in For,n des geltenden Gesetzes haben ,vil'
ein Begrenztes, das icl1 auf Unbe.grer1ztes beziehen läßt. So ergibt. sic·h
tins di.e letzte Eigcnscba(t der Bogl·if fe, il1rc unbedi1lgt allgemei11e
Geltung, ,viederum. atts ihrem logisc hen ~ 1e. en, cl . h. daratts, daß sie
das nlittol zur Ucber,vindung der unübersehbaren i1annigfaltigkeit
1
der KörJ)er,vclt ,ind. .'ic ,,,ordr11 ol\r1e t1r1bcdingte Gelt.ung 11icht das
leist en, ,vas sie im Die1tste der Erkenn.t.nis zu leisLen haben. Der Uni-
fang eir1cs Gesetzesbegriffes chließL eine u11iiber-se hbare ext.er1~ive
~1annigfaltigl{eit eint dor l nl1alt sagt 11ns, ,,•as aus der unübcrsebbare11
intensiven :\lannigfaltigl,eit für die Erke11ntnis in Bet.ra cl1t kornn1t
oder ,ve entlieh ist , und errnöfflicllt un ... daher\ auell clie~e ~Jannigfalt,ig~
• . ... . .... , .. ,J · ·- ··
keit naLur,,,tissenscha(lliGh vollkornmen ztt uber$ehen,. ·
, Docll a11cl1 t1iermit ist da Ideal der Begriffsbildung rtoch 1iicli t
. .t < l ...... ganz . angei;;.1'16.. ei-i.♦ '·,vir musse11 nicht T1Ur Ge elzesbegriffe biltler1
•
D1911 11,ado por Goc,gle
- 62 -
Allgcmci11liei t b esitzen, nicht prinzipiell unterscl1eid et. Die Ge,viß-
heit.1daß es eine überse})b are R eihe vo11 Naturgesetzen gibt.1 ist möglich,
,vetm ,vir sozusagen eine Gesetzmäßigkeit der Gesetze at1nel1men ,
d. 11. ,vcnn \\'ir imstande sind , einen letzten Ge. etzesbegriJf aufzustellen,
(!er <.lie verschiedene11 Naturgesetze umfaßt , oder genauer , \Venn ,vir
vorat1 set zen dürfen, daß \vir auch die Geso tzrnäßiglieit immer rnchr
zt.1 v ereinfachen in1stande sind und uns dadurcl1 dem einen letzten
Gesetzesbegriff imn1er m el1r annä.herJl. Atlf jeden Fall n1uß e i 11
letzter Begriff als Abschluß gcford~rt \vCr<icn , ur1d z,..-ar atis rein lo-
giscl1en Gcsichtspunktc11. Es i t nicht richtig, daß d iose F orde rung
nur cine1n tisthetiscl1en B edürfnisse en tspringt , u.n d daß eine ~1ellrzahl
letzter Begrirfe dem wi enscllaftliclien Erkenotnisst.reben gc11ügen
kan.n. Ergeben sielt näm lich scl1ließlich mehrere letzte Begriffe als ein
Unhegrcifliches1 so körtnen ,vir niernals wisso:n; ob n icht noct1 eine t1n -
bcg1·enzt.o Anzahl von n euen letzten Begriffen hei ,veit,c rcr F orschurtg
hinzutreten wird , und eine cber\-.·indung der unübe1-sehba1•cn Mannig-
falt igl<eit ist dar\rl durcll nict,ls gc,,..-ä ht•lei::.:tet . \Vis en ,vir dagegen,
,vnrum mehrere letzte Begriffe sich ergebeia, dann ist jene l\lr l1rl1cit
ja. gar ni cht die letzte sondern erst ,tic ,,orJctzt-0 Stufe, t111d irn \\7is. Cil
vom Grt1ndo einer ~1 eltrl1-c it von letzten Gcsc tzesbcgrirfe11 hallen ,vir
<lanr1 den ei'oen, in \ Vahrheit letzten B eo-ri((. Er paßL au! alle E in zel-
g0$laltungen der K.örperwelt, in ihm ist alle ltnüberscl1bnre l\1annig-
raltie,'1!eit über,,·un clen. Ob er jemals gef'u11den ,,,erden ,vircl, geht t1ns
in d ie.sein Zusamrr1enha11ge selbstvct tändlicl1 nictl'ts a11 . J edenfalls
bildet er clns dcnl<bar höcl,ste logiscl1c Icleal der n a tunviss·e nschaft-
lichen Begriffsbildtang, un rl eir1 Ideal alleir1 l{ün r1c11 \Yi1· hier ko11sin1ierer1.
A11f ,velcl1ern \Vegc <l ie u11bedingt allgemeinen Naturbegriffe
oder dje a turgc ctze v o11 der \\1is~e11 chaft g e ( u n d e n \\'e,rden,
11:\hen ,vir e11tsprecl1cnd der Be. chrtinkung uni,,erer AtJfgaho in diesem
·z usanunet1haoge 1ticllt näher zu u11tcrsuchcn. E s ko1nmt ur1s nur auf
die logiscl1e Strul{tur der r c r t i ge n ß egrirrc an, danut ,,·ir
dann
spä.tcr festsLellen k önn en , ir1 \.Velchem \ferhält1ii.s s ie zur empiri chcn
Wirklichkr it st..cl1eu, urad mit ,,·elchem Rccl1tc man in ihnen die
einzigen ,vis ·cr1schafLlicl1cn Begriffe crbliclit. Auf die logiscl1e SLru1ltur
der Forschung gchcr1 ,Yir ja nirger,icls ein. t1r das war bei den Uill>e-
dingt a llgemeinen B('griffcn o<ler cl1'11 aturge~etzcn vo11 Bed et1lung,
daO es zu il1rnr ß ildu11g 11ie.l1t ,vic bei d en blo ß empirischen Gattungs-
bcgriffen einer direlite11 V e r g l c i c h u n g mehrerer grgcbcner
Objekte betlorf, fü1• die sie gellen ollen , d enn gerade darauf beruht
v erötfcnl lic ht hat : 11 Zur \VL"sS~nscha fl thoorie und Syst~rnalik olit be ondcrer
F~Ocks i.J1t auJ H el11ric h f\ieker t.s I n tur,~issen chafL u11d J( uJ lt1r\\'isso11~chaft'·.
II ö 11 i g s ,,. a l d zeigt hier in völlig Oberz·ougt}ndr r \Vcisc, daß be.-sonllors d ie
1-;in~·ände, d ie ,,on C a s s i r e r gegc•n 1neine An, ic.ll Len crho bert „ind, sich nicht
.l tatle1t Jnsse11, ja den eigentlic hen • inn meiner Au~rohr ung,;,-n v ollkon1n1en ver-
k ennen. ··o we.it ich sehe, sind darnil zu~l1!ic h aucb (lie Ein,,1ti11de v on fl i c h 1
und ,·01t Fr i s c 1a c i s e o - 1,;. ö h 1 er n1llgctrorfen, und die scheint mir urn
so b emc rkcnsworlcr, alc, 1-l O n i g w u. 1 d in a1u1erer 11 insichL gar nic hl 1nit
m ir ,cjuvcrs landl'n is t tu1d bl:sondcrs den Ul'bCl'i,CI-Ui:fllllgcD :R i e h l . 11l'll1f" r s lGht
als d en n1oiJ1igen . 1\n ein Zilat I\U S rno.inem Buc he (vgl. obt'n ~- 68 u11d d lo An-
merku11g), da uu~h Co, s s i r e r anrohrL, Wld das alltilt1 il11n hOtl e ioi~en k0111,c11 1
daß eiu o Ein ,rönde n1ie h nic ht, lrcrr~n, fOg l 1C o n i g s \\' u 1 d die B,·,nerkung :
.. ~lit voller l<.lnrhtil rgibt sieh t:IUS dil!t.el1 Sit lZt!ll , do O auell Ri.~kc rt ÖClS letzt~
Jirileriurn r1:1r d ie Vo,l(111z ,vi:;sen sclt ii f1 lichcr fi <'.1-,'t'iff~t,il.clung n ic ht in d er ,, Quon-
tilät des rteil subjf'k tc~·•, sondern in d ~rj \ln igen ,, Qualit ä t' ' der Vcr"n opfung
erblic kl, welche. als Artgc 111cing ülligkoil die speii rrSac l1c J<or,x•ln l ion der EJen1en le
d e Urteils selbst definlcr·t" ( l{onl~ludient X\' 11, ·. 40).
B l c k o r i , GTeuten. 2. Au.ff. :-,
D i n g b e g r i f Ce u n d R -e J a t i o n s b e g r i f f e.
J e ent.scrucde.nor ,vir nämlich hervorlieben, daß nur mit Begriffen, '
die Gesetze enthalten, also ur1bedingt allgemeinen Urteilen logisch
äcruivalenL sind , die eber,,•indung der unübor/ie~1baren körperlichen
~la11nigfaltigkcit, zu erreichen ist , um so deutlicl1er muß eine bisller
absicbtlicll ur1beachtct gelassene Scb,vierigkeit zutage kommen, die
sich der Durcl1f ühru11g unserer Gc<lank.en entgegen zu stellen scheint.
ig\.vart l1at sie gegenüber unserer unter nndorn Gesichtspunkten be~
rei ts früher vertretenen ~leinung, d aß <ler Begriff seine1n logische11
Gel1alt nacl1 aus Urteilen hestel1e, hervorgehoben 1 • Seine Ausfüh-
rungen beziel1en sich auf die Bcgriffslehre im allgemeinen. Soviel
Richtiges darin liegt, sagt. er, daß der Bcgrif[ als Vcrcinigungspunkt
von U rl.ei len ztt rassen sei, so gel1e docl1 diese T heorie zu ,veit . vVas
sollen, ,venn je,ler Begriff nur ein l(omplex von rteilen ist , die Sub-
jekte und Prädikate d i c s c r Urteile sein? i\1ögcn ai1 cl1 für die \Vissen-
scl1afLliche Bearbeitung an Stelle der l\lerlunalc der unn1itlelbaren
Anschauung l{ausalgesetze t re-te11 1 so müssc11 diese Geset ze doch ". o n
irgen.d et\va gelten. Zugcgebe11, daß z. B. der Begri!( der Gravitation
ident isch i t mit dern Gravitation g-csetz, so ist er es nur daruni, ,vcil
er kein D i n g b e g r i f f sondern ein li e l a t i o 11 s b e g r i f i ist .
Auch er setzt aber · tets graviticrc11de l\1assen, a]so Dingb-Ogriffe
voral1s, so gut ,,,ie der früher al Bei pie] bereits er,vähnte Begriff der
E l1c ~1ann und, \Veib vora ussetie11 1nl1ßte. Unsere Tl1eorie ,vürdc dcm-
r\acb 11ur für dio R elationsbcgriffe gcltcr1 . Die Dingbegriffe l<önnten
11ien1als zu logisch v ollkomn, enen Begriffe11 i11 unserem Si11.ne gernacl1t
,verdcn, ob,vohl ·ie doch not,vendige \ Torat1s etzungen d·cr Rcratio.r\ ·-
begriffe sind. 1st die. er Ein,vand nicht bcrecht,i,rt ?
\Vir bcscl1rä11ken uns hier auf das, Vlas aus dicsc11 AtJ.. !ühr-u11gcn
Cür den natur,vissenscl1aftlicl1en Begriff in Frage kommt. Der Begriff
de.r Ehe, an dem ,vir zc.igen .konnten, ,vie jeder Begriff at1cl1 durch Ao-
g.\be von. 11nbestim mf.<'n Ele.1r1enLen bc timtn ter ,vcrde:r1 kann, hat hiet·
kein ln licresse mel1r, da er ci11 jurist.isct1er Begriff ist . Aber auch bei
<lcr BcscltränJ<ung auf die Na-tt1r,vissenscl1aft rnuß zugegeben ,,·erden,
daO die vor\ Si~vart ge fo rde rte Schcjdung der DiJ1gbegriffe von den
Rclationsbegriffen in der Tat gcmacl1t ,,rerdcn muß. V\1ir ha bcr1 d-en
t \ 'gl. i g '" a r t s l{1·llik n1e!ner Schr·ilt: Zur Lehre vorl d er Dcfin i Lion.
Cötlingil'chr. gt.·lchrlo An zeigen, 1890, N r . 2, S. 5 4. r.
grif(c 11icl1t los und mit ihnen at1cl1 die empirische •"-nschauu11g d'er
\Virklichkeit nicht, die ,vir durc h die Begriffsbildung Obcr,vinden
,-.,,0Jlc11 .
Indern wir j edoch den Ei11\vurf so fonnulieren, sind \vir bereits
•
auf dem \.Vcgc eine B edeutung fUt· die 'l'llcorie der rlatunvisr;.cnschaft-
.licl1en B ~grirfsbilduT1g ,ve11igstcns erheblicl1 einzu chrä1lken . Aller-
dings s pielen Begriffe von a11schaulichen Dingen i11 den Natunvis cn-
sehafLen ein·e gr,oOe R olle, u·nd es ml1ß das bei vielEin Wissenschaften
immer so blei ben . Dieser ·umsLar1d a.b cr bc,,·cist noch ·n iclil.s gegen ur1-
sere Ansicht. E k önnte ein , daß solche Begriffe nttr dort , rorha.11den
sind, ,vo es der Natun,·is ·enscl\afL cnL,veder noch nicl1t gelur1ger1 ist,
ihre Begrirre zur logischen Vollkon1menheit durchzu bilden, oder ,vo
diese Durchbildung für die besonderen z.,vecke d.cr W i scn chnJt
überhaupt nicht not,vend ig ,vird . Hier kö11ncn un cJ d(irfc11 \Vir 11ur
fragcr1 1 ,vie es mit den Diugbcgl'iffcn • teht, ,,·enn es ich un1 rlas I o-
5*
- 71
handelt nicl1t von realen sondern nur von idealen Objekton. Trotz-
dem stellt sie sich in den Dienst der natuf\\'i ·"'en chartlichen Begriffs-
bildung, und soweit dies der Fall ist) müssen wir sie beachten. Der cnt-
sc heide11de Punkt i t der, daß den mat.he1natiscl1en Objekten die
Art von ~1annigfaltigkeiL fehlt, die jed.e empiriscl1e wirkJicl1e .i\n chau-
ung besitzt. Dasselbe aber gilt aucl1 von der W elt der letzten · nlur-
wissensc.l1af t, von den Jetzt~n Dingen tind it1ren Bcziel1ungen zu ein-
ander, und at1s die em .,. Grunde i t die ~1aru1igfa ltigkeiL die er Welt
nicht. mehr störend . Die A.nzahl der letzten Dinge ist. Z\ Vär unbegrenzt
groß, aher wir 1<.ennen das Gesetz der Zahlenreil1e, d . .h. \VlJ' ,vissen,
daO, ,vie ,,,eit wir auch zählen mögen, uns nicrnals 11ocl1 ct\vas prin-
zipiell N.eues in ihr begcE,rnen kann 1 • E get}ügt daher, '\venn die Verein-
•
.,
- 76 - 1
f acl1ung der l(örpet"\velt so,,reit voll1,ogen i t, daß nur noch die ~1a1111ig-
faitigkeit der Zal1lenreil1e übrig bleibt, und falls die letzten Dinge 1
1
'
einfach und untereinander vollkommen glcicl1 sind, ist das der Fall.
Dann l{ann ihre Anzahl, die da s \Ve•l tganze oder jrgend einen 1'eil der
K örper,, 1e)t, bildet, jede b e 1 i e b i g e Größe hnben, denn jede Anzahl
fällt unter einen Begriff, der di•e Eigenschaft, bat., jede beliebige Größe
zu umfassen. J eder Vorgan.g der Körper,velt läßt sich dann 1 ,,,..ie wir •
1
1
jet zt sagen kön·nen, unter den Begriff von Komplexen letzter Dinge
r
bringen,, die sich, ,vas die Dinge betri!It, nur noc.h durcl, deren Anzahl
von einander unterscheiden und d aher mathematisch vollkommen
begreitlicll sind. Scbon llierin \\'ird da Prinzip der ma·themat.iscl1e11
Natur,,'isscnschart, so,veit es für uns i11 Betracht komrnL, de\1tlich.
Docl1 nicl1t 11ur in der A11zal,l der D in g e bleibt eine unbegrenzte •,
lf annigfa ltigkeit übrig, sond.ern sie ist , ,vie bereits gesagt , aucl1 in der 1
•
Verschiedenhei t der B e ziehungen , in denen die letzten Dinge
zu ein ander stehen, und in dem \1/ccl)sel dieser Beziehungen vorl1anden.
z,var haben ,vir das ~Iittel zu ihrer Ueber,,1ndu11g bereits in den Gc-
set1.esbegrif[en gefunden, die unbedingt allgemeinen Urtei)e11 logiscl1
äcruivalent sind. Aber er t nacb.dern ,,.·ir die Natur der let.zlen Dinge
kennen, läßt sicl1 genatier zeigen, in welcher Weise auch die \ 1icll1cit
il1rer Beziehungen tnr die atur\\>·issenschaft übersehbar ,vird. E s
ha11delt sicl1 1 wie ,vir \vissen 1 um ein.c l{örper,vclt in Rau1n und Z,eit.
Da qualiLative Verscl1iedenl1ci ten in den letzten Dingen nicltt rnelir l
vor-llanden sein können, muß sieb auc}1 alle Verscl1iedenhejt u11d alJer '
,•
Wechsel in den Bezicl1ungen dieser letzten Dinge auf verscl1iedenc
rät1mliche und zeit1icltc Bestirnu1ungen zurückfübre11 la en, d. 11. es
'
muß aucl1 aus d.en Beziebtingen der Dinge z.uojna11der jede qualitative
J\'f annigfaltigkeit entfernt .ged acht ,,·erclert. Oder: das Unvcrö.n dcrlichc
kann n1.1r seine Lag c im Raum verändern1 al_o aller " ' ecllsel in
den Bczi ·l,ungen der letzten Dinge zueinander muß B e ,\. e g u n g
sei11. run isL Z\Var ,,·ieder eine unbegre11zt..e .~11zalll von ,rcrscl1icdencn
Be\vegungen anz\1neb1nc.n . In diese ~l nnnigfaltigli:cit zieht sicl1 die
Unilbcrschl:>arkeit des e mpiri scl1cn Wechsels in demselben Sinne z.t1-
rf1ck \Vie vorher die,,nüberschbal'e :\la.111,igfalt.igkciL der vielen Ein-
zclg•esLaltu11gcn in die t1nbegrenzt große Za hl der letzten Dinge. Aber
diese 1\lannigfalt.igkeit der Be,,·egu ngc11 ist ebenfalls nicht in cle11, Sin,1<!
un(iber:icI1lJar ,vie die e rnpiri sclie anschaul icl1e \Virlilichkcit. uch llie
K e r r y, Sys tem einrr Theorie der Grenz.bcgri[fl', S. 38 ff .: Die Unendlichkeit
der i\nznhlcnreihc. •
- 77
•
- 78
,veil ,vir jedes beliebige Glied der Reil1c herausgrcifen können und in 1
il1m bereits alles haben, ,vas für sämLlicl1e Glieder der Reille in Belracl1t 1
- 79 -
ebenCalls nur eine Negat.ion. Durch verneinende Urteile also wir-d aus
dem Inhalte dieses Begriffes alles ausgescl1Jossen, was Unbestimmt-
heit, 1nit sich führen könnte. Die Bestimmung ist zwar durcl1,vcg ne--
gati"', aber doch vollkommen eindeutig, denn es handelt sich hier,
wie bei allen brauchbaren negativen BegriCfen, um eine zweigliedrige
Disjur1ktion. Alle Dinge, die uns gcgebe11 sind, sind mannigfal tig
und zeigen alles, was die letzten Dinge nicht enthalten. E s ist. deshalb
ganz ausgeschlos en, daß der Begriff des letzten Dinges jemals mit dem
Begri(f eines anderen Dinges verweellselt ,vird. Mit dem \Vorte
,,letztes Ding' ' isLjetzt nur ein c Bedeut11ng, alll.o ein gcna.u bestimmter
Begriff verbunden. Der Begriff des leLzLen Dinges vollendet demnach
z·u näcl1st unsere Theorie insofern, als tnit seiner Hilfe eine vollkommene
Bestimmtheit der Begriffe ge,vonnen werder1 kann.
Noch \vicl1tiger aber ist ct,,•as andere . Wenn der Begriff der letz-
ten Dinge seinen1 Inhalte nach nur dadurcl1 Zl l vergegcn,"ärtigen ist,
daß ,vir alles das vemeinen, ,,,as ,vir von der empiri. chen Anschauur1g
der \Virk.Jichkeit kcru1e~ so setzt sicl1 auch dieser Begrjff, sobold wir
seinen lnhaJt denken, ebenso ,v:ie die andern logi cl1 vollkon1-menen
Begriffe der Nat1tnvissenscl1a{t1 aus dem Gehalt v o 11 lauter Ur ,t e il c n
zusammen. Als da Ding, von dem diese Urteile et,,·as au ·agcn,
bleibt nur etwas iibrig, clas inhaltli-ch zu vetgegen,,·t,rtigen ,vir UJlS
vergeb.licl1 bemühen, und das ,vir auch, ,vcnn ,vir \1ns den Inhalt des
Begriffes vollsUindig zum Be,vußt.sejr1 gcbracllt l\aben , als anschau-
liches Ding gar nicil t zu denken braucl1en . So kö11nen ,vir sagen,
<laß ,,,ir hier im Gru11de genommen ebel\falls einen Rclationsbegriff
vor uns haben, und nttr dadurch t1nt.erscheidet. sicll dieser Relatio11s•
begriff von and ern l'lela tionsbe-grif'fer1, daß ,vir ihn so behandeln, a ls
ob er ein Dingl)egriff ,väre. Wir müssen ,ron ei11e111 Dinge s1J1,echen, "veil
\\•ir uns die l{örpcnvc'l t nicht anders als aus Dingen besteliend dcnkon
könne11, abor lediglicl1 cler Gellalt der ttcile, tlie ,vir Ober das Ding
füllen, und ihre Geltung komrnt in einem ,1/issenscha(tlichen Zu. arnmcn-
l1ru1gc 11ocl1 in BeLracl1t . Von clen Dic1gen ~el b t isL nichLs als die Form der
Dingha!tigkeit über.haupt geblieben . Aller Inhalt leckt in den Re-
lationen dor Dinge zucina.11dor. o gel1t es der a t,1r,vi ~cue.cl1aft n1it
ih.rer1 letzten Di1,gcn nicl1L anders, ,vie es ihr t11iL allc11 Dir1r.rcn gcl1t:
sie löst den lnl1alt ihrer Begriffe in dcr1 Gehalt von 'Urteilen auf. Ja,
gerade dieser unserer 'fl1corie scl1einbor ,viJ crsprecl1er1<le Grcr1i fal.l
macht, die Sache am cletttli chstcn. Jst die otur,vi "scnschoft lJcj ihren
letzten Dingbegriffcn angelangt, so kann sie n. u r noc h den Gehalt
- 80 -
von · · rteilen denken. Damit ordnet sicl1 auch dieser Grenifall unserer 1
'
Theorie restlos ~in: der Inl1alt a l l e r J.ogi~cb vollkommenen nat.ur- 1
wisse11schaftlichen Bcg1·ilfe besteb,t au dem Gehalt von gültigc11
UrLeilcn.
Zugleich V\>'ird so deutlich, ,vie unsere Tl1eorie aucl1 die n1oden1e
Auffas ung der Natunvisscnscl1aft ztirn 1-\ usdruck bringt im Geger1-
sntz zur antiken l\Icir1ung, auf deren Boden die traditionelle Logik
e1"\Vachsen i~t. J a, da " ist geradezu die Pointe dieser Au~fül1rungen
ilber Ding- und R,c lationsbegriffe , d aß wir mit dem antiken Gattungs-
begriff, der ein Dingbcgrif! is t , be.i oincr nalur,vissenscbaftlichcn Er-
kenntnis der Körpen,rclt nicht auskommen. Wir müssen den Gedan-
ker11 d er BegrifC ei nur eine \lorswllLtng vom Gen1-einsamcn 1 ga11z •
fallen lassen . Ein kurzer l1ist or-iscl1er Rückblick ,,,ird das bis her
Gesagte mit Rück icht hierauf vielleicht nocl1 klarer machen.
\\1ie die Begriffslehre b eschaffe11 ,var, die 'ol(rates v ortrug,
•
,verdcn ,vir mit absolu ter Sicherheit nicht feststelle11. Für die Zukur1ft
entsct-1cide11(f \\1ar die \\1endurig, die Platos Ideenlehre dem Nacl1-
denker1 Ober Jogi ch.e Frageri gab. A.ristoteles ist in dieser Jlinsicht.
von Plato durcl1aus abl1ängig 1 . Das einzelne incJividuclle Ding ist
als solcl1es aucll dicse11 Der1kern Cor die Erltcnntnis ol,ne Bedeut,1ngt
e existiert ogar nac h Plato eigentlich riicht. Die ,,,ahre \Virklicl1kcit
ist eine \Veit ,,on allgemeinen ,, Gestal tcn ''. Die Ideen sind al lge.meine
Dii1ge 1 und dic~e Dj11gc sind der Gegc11 ·land der Erkenntnis. l\1ocl1 le
man nun diese Dinge mehr transzendent oder mehr immanent auf-
fassen, da Ziel de Erken,1len. l<.onnte nur darin be Lehe11 1 die Urbilder
zu reproduzieren. Die B edeutung d es B egriffes ,var d aher in einem
Nachbj}d zu finden. Sei11e Aufgabe bcstar1d darin 1 den ,,,a hrh~ft
seienden Gegenst and der Erkenntnis ,,·iedertugcl1cn . Ga n-z ge\viß ist
es daher ,u nrichLig, ,venn Latze 2 ir1. einem d er licfs i,mjgsten l(npitel
seiner Logik die platoni!ilchc Idee a ls das interpretiert, ,vas g i l t, i111
Gegensatze zu detn, " ·as i s L. Gerad~ dic:-er Geclanke ist un.plalonisch,
,vcnn ,vir das \'v'ort GclLen in1 Gegensatz zu1n Sein gebrauchen . Die
Id een sjnd n ach Plato d as ,,,ah rl1aft S ,icrtde, und die Begriffe spiegeln
es so \Vicdcr , \Vic e1:, v.ruhrhaft exi ti ert. Um o ,ver~roller dagegen i t
die Lot ze~cl1e Unlcrscl1cidung für eine Logik, in der die T cndenz.en
d er 111odcrncn \Vis ct1scl1art, inbeso11dere der Natun\'ißsenschaft, wie
1 , ,.l(l. ,,. i 11 (1 c I b II n d, Ceschi<:hle der aJLen Philoso rl1 ie, 1 88, 2. Aufl.,
189 1, S. 1 t.9. Oio drill•• ,\ ur!ago isL vo n A. Bouhöt(c r t;earbcilel, 191:?.
11 Logik, 1871, 2. Aufl. 1880, s. 505 rt.: Die JdOOll\V8lL.
- 82 -
diese Gedankenreihe. Hier hande.l t es sich n.u r tim die Fcstslel.lung und
Begründung der naturwisscnscl1aftlicl1en l\lethode u11d um die Auf-
zeigu ng der Ideale, d enen d ie N atunvissen chaft sieb auf de111 Boden
des empirischen Realismus mit Hilfe dieser ?.Ict l1oden zu nähern hat.
V.
D i e m c c h a n i s c b e N a t u r a u ff a s s u n g.
\ Vir haben vcrsucl1t 1 den Ausführungen di e es Kapitels, so~·eit
es möglicl'l \\far, einen rein logischen, also formalen Charakte.r zu geben.
Nur von Z\\'ei in ha ltJ icl1 best imm ten Vorattsset zungen machten wir
Gebrauch. Au,s der Tatsache e.incrscits, d aß \vir eine d en R aum
hetcroge11 u11d kontinuie1·Jich erfüllende und in der Zeit sich ebe.11so
v erändernde ar1schauliche ~l annigfaltigl<eit ,•on l(örpe1·n vor uns
hab en, d ie man wegen ihrer extensiven und intensiven Unübersehbar-
keit nicrr1 als abbildend erkennen kann , und aus der F ordert1ng anderer-
seits, d a ß diese Mannigfaltigkeit t rotzdem eingefangen ,verden soll
i11 ein , rollkomn1en übersehb ar es System von Begriffen, haben ,vir d as
stens ihre .z ukonrt ige Erlt.,vicklung •d enken. \\'enn "'ie l deen darüber
Ausdruck gehen, so gellen sie damit cigcnllich ü.Lcr it1re 'l'ä tigkeit,,
die sie al Spezialfor eher haben, hin.aus und ,:vcnd n sicl, seihst
implicitc ,vcrtigster1s der I(,0 11 truktio11 logischer I deale zu. Inisbesondere
die 1' heorcme anerkannt bedeuten<ler F orscher . incl unter diesem
Gesichtspunkt als pc1-sö1l1icJ1c Kundgebungen ,vjchlig 1 und sie beha lten
ihren Wert au clt d.ann, ,venn sie sicl1 in halLlich al8 verfehlt heraus•
stellen sollten. l{ö n11en ,vir in clerartigcn Gednrtl<.cngehiJden nur e111e
im logisc l1en Sjnn, \\1as schon daraus hervorgeht, daß man vielfach nur
die ,,~Iaterie" als aus ihnen bestehend denkt und diese dann in einen
Gege11satz ·zt1m Aether bringt. Das tun auch Pll)'Sjkcr, die Hcrlz nalte
stehen . Nach Lenard z.B. bestellt die l(örpcr,velt aus Aethcr und Elek-
trizität, ja, es taucht bei ihn1 sogar der Gedanke auf, daß es möglich
sei, hinter clem Aetber und seinen Teilen noch einen andern Aethcr an-
zunehmen 1 . Die Pl1;•sik der 1'-la'lerie und die Physik des Actl1ers
stehen sich gegen,vä.rtig noch als Z\\'e i große Geb,iete gegenüber 2•
Die \Vissen schaft ist eben noch nicht fertig, llnd sie ,vird e vermutlich
niemals sein. Der alte Gedanke aber, daß in der Nat11nvisscnscl1aft
das letzte, höchste Ziel 1 ,die Zusammenfassung der bunten ~1annigfal-
tigkei~ der physikalischen E1-scheinungen in ein einheit liches System,
'\\'o.m ögl.ic}i in eine ciJ1zige Formel" sei, tritt darum ruclit zurilck. J a,
für Planck 8 scl1eint sogar scl1on jetzt „ der ursprUnglicbe Gegensatz
z\\11scl1en Aether und l\1aterie et\vas in1 Schwinden be 0 ·riffen zu soh1' 1 •
Er sagt : ,,Elektrodynamik und ~1echa11ik stehen sich gar nicht so aus-
schließend gegenüber, \vie das in weiteren ICreisen ge,vöhnlich ange-
nommen vi:ird'', und vo,llends komn1t ,das f'ür uns W,esentliche in den
fol genden Sätze11 zu m Ausdruck : ,rDie ?\,f ec11anik bedarf zu ihrer Be-
gründung prinzip.icll nur Bebrriffe d•es Raumes, d er 2.eit und d essen,
~·as sich be,vegt, mag· tnan es nt1n als Subsianz oder als Zustand
bezeichnen. Die närnlicl1en Begriffe l<.,a nn aber aucl1 die Elektro-
dynan1ik ni-cl1L cntbehten. Eine passend verallgemeinerte Auffassung
,
der l\Jcc hanik könllte daher sehr wolil auct, die Elekti-odynamik mit
•
umscblicOcn, u.nd in der ·rat sprechen man,cberlei Anzeicl1et1 d afür,
d a,ß diese beiden, schon jelzt teil"veise ineinander übergreifenden
Gebiete ·ich sct1ließlicl1 z.1.1 einem einz.igen , zur allgemeinen Dynamik,
vereinigen \\-'erden". Solch_c Gcdaoltcn stimmen in ihrer logiscl1e11 Str,1k-
tur ebenao ,vie die von l [ertz mit u11scrn Ausf ül1rungen überein.
Außerde1n aber finde11 sielt, \\.1C bereits angedeutet, in der n1oder-
nen Natunvi_s"'enschalt auch Tl1eorien, die sich in ganz anderer J~j ch-
tung be,vegen, und zumal vom 11 Aetl1cr'J ,vollen hervor, ngende Phy-
sil<er nichts ,v;. sen. Es ,,,.ird dnher noc h m eltr zur Erl äu terung hei-
l-ragen, ,vc11n ,vjr un · aucl1 mit der Richtung auscina11dersctzerl,
die unscrc11 logiscl1en Konstrulilio11en zu ,vidcrsprechcr1 sc beint.
1 a. o. 0. s.f 80. •
11 P I a n c k ,\ Dio Ein heil de J}hyslkuliscli en \\'el lhllcJ~s. Phys ikälische
Ze itschrift, 1909, S. 62 rr.
1 a. a. 0. S. 64.
nic rlt für tinbcgreiflich erklären ~·ilJ, so muß man die l{örpcrv.·elL in
ein Systo,n bc,,·cgter letzter T eile atJflö. en , die untereinand er voll-
•
stärtdig gleich siocl. Ob rnan dru111 aber dieses Subst,at a ls Acihcr oder
als Energie bezeichnet, i t mit fiück icl1t auf eine a llgcr11cine 1'hcorie
d er KörJ)e1-welL ,viederum eine rein Lerr11inologischo Fr·nge. Jed enfal ls
\\'ird auch durch die Eri,c r·getik eine v ollstnndjgc Aurlösung der Ding-
h egriffe in Relat ionsbcgriffc nir l1L möglich, und die Ann ahme b e,vcg-
ter !\lassc11 Lcilcl1cn lllcibL für eine allge111cir1c 'I'hcorie der l{örpcnvclt.
bestehe11. Wol1l 1.nag rr1at1 diese ,,lclztcn Dir1ge'' bei der Ei11zclfor-
schung iguoriere11 ltör111en und sein Auge11n,erk nur auf die ~laß-
bcstimn1ungcn ricl 1tcn 1 dt1rc h die die Aec1uival:enz ver chicde11er
Naturvorga nge au sgedrückt ,,,ird , ,v,ohl mng nlso die Energe tik den
Begriff der :\J asse aus il\ren Berccl1nungcn entrcrncn, t1nd es knnn d As
für spezielle naLur,,·issctlsc haflliche Z\vccke au ch ein \ ' ortc il sein:
7•
- 101
VI.
B e s c h. r e i b u n g u n d E r k 1 ä r u n g.
Das Ergebnis der bish,erigen U11tersuchung könn en ,,·ir so zusam-
menfassen. \i\7ir haben die Vereinfnchung des Inhaltes der empirisc hen
\Virkliehkeit durcl1 den natunvissenschartlichen Begriff als ein ~fit.tel
betra clttot , mit dem der endliche Geist die unüberseh bare l\fannig-
faltigkeit zu Ober\\'inden und damit die Körpc1"\vell in seine Erken11l-
nis aufzunchm.en vermag. Drei verscl1iedene Stadien konnten ,,•ir
•
unterscheiden, in denen die Begriffe ihrer Aufgabe in. immer .höhel'cm
~(aße ge1-ec·h t \Verden . Das erst e fällt mit den clemcntarc11 \:Vorl-
bed.eutungcn zusamme11, die \"'ir "'erste l1en1 lange el,e ,vir vVis ertscl1aft
treiben. \\las an ihnen für uns in Frage komn1t, ist il1re empirische
A 1 1 g c m c i n h e i t 1 d. 11. der Umstartd, daß r:io au r oiru:: f\-lclirheit
verschiedener anschnulicl1cr urtd incJiviclucllcr Gestaltungen bezogen
werden könnet1. Eine11 logischcrl \Vert und da1r1it ein l{ecltt auf den
•
•
- 10'2 -
N an1en Begriff erl1alten sie aber erst durch den ZusammenhangJ in
den sio gebracht " ·erden, oder durch den ,Yissen.scho.ftlichcn Z,vcck,
d em sie die11cn. Sie sind daber, fü r sicl1 betrachlct 1 gegenüber dem
Unterscllied von Natunvissensc haft und Geschicl1te noch indifferent,
,vie "'ir später sehen ,,•erclen. E rst bei ihrer Ver,..,endung in ,-.·issen-
schaftlichen Darstellungen und bei ihrer ,veiteren Ausbildung t reten
c!ic logischen Gegensätze der ) lethoclcn zutage. Ohne Rücksicht
t1icrau! können die allgerneinen W ortbedeu tu.n gen riur als Begriffs-
elemcnt,c, nicht als selbständige ,vissenscha ftl icl1c Begrifr e betrachtet
,,rerd en .
\Vir sahen sodann, ,vie die primitive \V,o rtbed eutung nur in
,venigen FälJcn den logischen Z\\'eck d e Begriftes in der atu1"\vissen-
sc l1aft vol llcomme-n erfüllt . Da il1r Inl1alt b-ei d em ' ' ersuch, ihn aus-
drücklich zu vergC'gen,värt igen, eine anscl1aulichc l\1annigfa ltigkeit
zeigC11 kann, un.d \\~ir dann nicl1t genau ,,,is1>e11 1 \\'as a·\Jl:i deren Fülle
i11 ur1_sere Erkenntnis a,u fzuneh1nen ist, muß das Bcdiirf nis cn t.sl chcn,
die ,\."escntlicl1en Be Landteile des Begriffes a usdrücklicl• J1crauszu-
l1eben . Die so geforder te B e s t i n1 111 t 11 e i t , die n eben die ernpi-
riscl,e Allgemeinl1eit als ZY.1eite Eige11sel1a!t des r1atur'\vissenscl1aft-
licl1en Begriffes tritt, ist nur durch Aussagen zu ge\vinnen, djc ,,rir ,,er-
st ehen. E s komn1t dadurch ein Begriff zustand e, \vi,e iht1 di•e t radi-
t ionelle L ogik als einen Komplex von l\Icrkinalen kcr1ntt ein Gebilde,
das aber unter logischen Gcsicl1tspurLkten>d . h . auf die Bedeutung hin
angeset1en, die es für den z,,,eck der Wi enschaft }1at1 11ur eine höhere
S ture der er: t c11 Leistung des Begriffes da.r st ellt. E s gestatten auch
die· Begriffe in diesem z,veiten Stadium nu r eine Ot·dnung und Ver-
einfach,ung, d. h. eine sogenannlc I{l as s i fi kation ein er extensi'\r
überse hbaren anschat1lichen l\'Jannigfaltigkeit von Dingen und Vor-
gängen.
Da s <Jrit-tc Stadiu1n des Begriffes ermögl icht ein en Ab -chluß der
in den beiden ersLe11 begonr\e11e11 rheit. Die Natt)r,vi ~senscl1aft.
tcllt nic'h t n.u r Merkmale neben•einn r1d-0r und bildet empi rische GaL~
tungsbcgrif fe, um so den lnhal t des Begriffes bestin,rnt zu macl1cn 1
sor1der11 sie faßt 11ol,vc11dig zusa111me11 g c h ö r i g e Ele111e11te zusa111-
men u11d bat111t. d alr1it ei11e Art d er Bcgrjffsbildu11g nn, die chließlicl1
zu unbedingt allgerncinen Begriffcn oder l'\nturgPsct1..cn zu füliren
vcrrn ag. Auf den U nl,cr ·ct,icd der Gcselzc.sLcgriffe vo11 d cri eltl J)iri-
sc hen Gattungsbegriffcn nocl1 nälJer einzugcl1cn 1 hnber1 ,,·ir in dicscr11
Zu ammcnlta11g k eine \ 1eranlassung. E s gcniigt, \VCnn ,,·ir c hcn, ,,·ic
- 103 -
es möglich ist, nicht nur eine extens iv übersehbare ~1an11igfalt.igkeit
zt1 vcreinfacl1en sondern eine Ordnung und \ 'ereinfachung d-e r \Veit
zu scharren, die die unübersehbare Fülle der Gestaltur1gen umfaßt
und damit die Ueberwind.ung der ansclta11lichen ~fQnnigfaltigkeit
vol'lendet. Der voJlkommenc Begriff muß .nicl1t n.ur das einer üherse.}1-
baren 1\nzal11 v on Anscl1auungen Ge1nein.same und dies Gemeinsame
bestimmt enthal ten, er muß also nicht nur ein empirischer Gattungs-
begriff sein sondern unbedingt allgemein·e G e l t u n g besitzen.
Diese Geltung ist aber immer die Geltung eines rteilsgehal tes. Auct1
in den Begriff.en v on Dingen kommt für die Na tur,vissensct1a rt scl1ließ-
Jich nur die Geltung der das Ding be treffen<len Urteile in Frage.
Wieclerl1olL haben ,vir l1ervorgehoben, daß es uns in diesen Un-
tersuchungen über die Erkenntnis d·e r l{örpcrv..·clt nt1r daratif ankommt,
die ~i ethode der NatuN·issenschaft mit Hilcksicl1t auf i•1re Ziele z-u
verstehen . Da ,,,ir \1ns aul die Begriffsbildung besc hränkt, also nur
eine Soile dieser ~1-elhodc in Betracht gezogen haben, mußt-0 und durfte
unsere Da rst ellung einseitig ,v,e rden. Es verst~ht sicl1 von selbst,
daß nicht jede .na tunvissenschaftlicl1c ntersucl1ung von vornch.ercir1
aussc l1ließl ich die 'fend-enz hat, von der ~1'a11:njgfaltigkeit der Ges~-il•
tungen möglic}1st sc 11n e 11 zur J\uffassung der al lgemeii:1st on Gesetze
tl herzugehen. Ge,viß sucht rue Natunvissenschaft auch der l\t annig-
fal tigkeit der einzelnen Dir1ge gerecht zu ,verden, jat fast überall ist
die genaue Beobachtung und Ana.lyse des E inzelnen für die Au bil-
du.ng der a1'lge1neinen 'fl1eorien die unenLbol1rlicl1c Grundlage. l\~ur
das meinen ,vir 1 daß. so en~tehcnde l(enntnis. e i11 der Natunvissen-
schaft 11iemals Selb tz,veck sonder11 imm.e r nur ~iittel oder \i·orstufen
zur 8jldung allgemeiner Begriffe sind, die Gesetze enthalten, tJr1d jeden-
falls bra11chcn ,vir hier nicht näher auf sie einzugehen, \.VO ,,·ir unsere
Untersuchl1ng nttr auf llie letzten Ziele <ler Nalu r\visscrH5chatt ricl,ten.
Dool1 könnte man meinen, daß, a bgesehen von d ieser beabsichtig-
ten und berectrtigtert Einseitigkeit., ur1~cre Darstellung auch in bezug
a uf die Bcgrüfsbildung ·clbst einseitig geblieben sei, und d~LO sie ins-
besondere die Bedeutung der rci11 empi rischen Gat t ungsbegriffe
u_nters<::hätze. \,Vir haben närnlich bisl1er eine UnLer~cheidung nur
flüchtig gestreift, die 11icht selten in logischen ntcrsucl1ungc n eine
,,richlige Rolle spielt, die nterscheidur1g von N a ,t u r b e s c h r c i-
b u n g und N a t. u r e r k I ä r ll n g. Vielleicht ,vird ma11 daher
gegen un.ere 1\ usfül1runger1 den Vo•r \vurf erhebe11, daß ie nur die
Begriffe d c r Natt1r\vis -enschaftcn im Auge gehabt, die erklä rcr1
•
Stadium, und z,var nur c1iese, benutzen. I n anderer \\'eise k önnen
,vir sie vo11 d er Erklärung nicht abgre11zet1, und ,vir glaube11 aucl,, daß
die er nterscl1ied Cast immer gemeint i t, ,,1enn iiberhaupt die n atur-
wissenschaftliche Beschreibur1g in eir1en Gegeusatz zur Erklärung ge-
bracht ,vird. Die Erklärung bedarf st ets Begr iffe von mehr a ls em-
piriscll allgemeiner Geltung. Die Bcscl,rcibung der Dinge dagegen
glaubt, ol1ne dies überempirisclie Element au ·ko1nn1en z-u könc1Efn.
J edenfalls liegt diese U11tcr~cl1ei<lung, mehr oder \veniger ltla r 1 der Be-
.h auplung zugr-u11de, daß die Na t urn•issenschaft et,vas anderes als
Beschreibung zn gcb en 1 überhal1pt nicl1t imstand e sei lJnd auf j ede 'E r-
kläru.n g. d . li. Einsicht i1t einen „n ot,,•m1digcrt' ' Zus amrncrt hang v cr-
zicbl.en n1üssc. Die m ehr als empiri~che Geltung der Ge~etze.sbegriffe
Ist es, d ie filr ge\vis. c lcgi ehe Ricl1tangen ci11cn Stein des, .i\ns.toßcs
bildet, und die man gerne be!-lcitigen möchte. Desha lb ,vcil die Be chrei-
bung d es Obercmpiriscl1er1 Elelt1entcs nicltl zu betlürtt~n scheint, soll
sie also an di.e Stelle d er Erklärung treten.
\Venn nun aber clie Na tur,,r:h,scn:;chaft auf B eschrei bung einge-
schränkt tind trotzd em v on ihr ei11e Dru'Stellt1ng der Korper,vclt in
dern Sinr1e verlangt ,,·ird, daß nicl1t nt1r vereinzelte, hier und d ort vor-
gefuodene Tats.1chen sonclcr11 die a ) l e n l<örJJerlicllcn Dingen und
Vorg:1nger1 gcmeinsamcr1 Etc,ncn t.c be chrieben werden oll n, so is t
nacl1 ur1scren. rruhcren Ausführungen über die u11ühcrscJ1barc J1 ann ig-
faltigkeit leicht cinzusel1en , da ß Je<liglich durcl1 eine ncu•e Tertninolo-
gie der eigentliche Kcrnpur1kt des Problems v e r d e ck t, ,,·ircl. Das
licl1en Fot'sch u11g zugrt111de liegt , können sicl1 die Begriffe ein er l(l assi-
fikation nur graduell vo n d en Gese tze begriffe11 u11tcrachcidc11, und eir1e
besondere U11tcrs11chi1ng d a r über ,väre unte r dieser ' 'oraussetiung
nic bt n1eJ-1r 11ot,vend ig. Da ,vir ab er hier a nnehm crl ,\:ollen , d a.ß d ie
,,deskriptive.n Wissenschaften'' nur a u( eine l{lassifil,ation ihre r Ob-
j ekte ausgehen, und ,,•ir si•e d aher in n ücksic.ht a.u f il1re letzten
Ziele v on den erl<lärenden \\ti~sen cl1afLcn trennen, so m üssen ,vii- j e tzt
!ragen , oh s iu v o11 d iesen dar111 atich in ihrer lngi ~c hcn S trttlctu r so
,veit a b,v-cichen , daß il1t'e Begriffe von den bisher b ctrac hLctc11 prin-
zipiell verschieden sind . \Vir ,vollen, die ·e F r:igc 1,u bcnn t,vo r-tcn,
t im
die B cgriffsbild u11g der Hcschrci burtg an cinigcr1 Bcisr)ielcn ken net\
lernen . Zoologie und Botani k könn.en in der \\'eise b cLricbr n \Verde111
daß sie nur au f eine l(la ifikation der \.'Ol'handenen P!lahzen und Tiere
ausgel1er1. · elbstverstä.11dlich ist zunächst, d aß auch sie d u11n die
g es a 1n l e i 1a1,nigrnlLlgkeit ihres l\'lat.erial's im einzelnen cbcnso-
,venig ,vie eine erklärend e Natun,·is"enscl1aft h e1·ücks ichtigen kö11n en,
d. h. eine Bcscl1J·eibu11g, die jed es einzelne Tier oder jecle einzelne Pflanze
darzustcl.lcrl s ucl\L, ist .auct1 fOr sie ttnmöglich . Dennoch is t hier
z,veifellos eine "'' enigstcns anntl hemd v o l l s t ä n d i g c begriffliche
Bearbejtung der ihnen gcgebc1,cn ~lannig!altigkeit ot1ne unbedingt
allgcme.ingültjgc Begriffe errcicl1har. Die Gründe dafür mOs. en \\rir
aus d er Natur il1rcs ~Iat eria ls verstche11. Dann ,vcrden 1-\·ir eine
Einsicltt in das \Vese11 ihrer B egriffsbildun.g e rhalten.
Um zunächst die cx wnsi,re Maruiigfalt.igJ~eit in Betracht zu ziehen,
so ist die nterstrcl1ung nur auf ein kJeines Bruch tück der l{örper-
,velt gerichtet, das räur1tlicl1 w1d zeiLlicJ1 in b cstimn1ten Grenzcri lieg t.
W'ährer1d die Begri(fe d er Optik für d as Licht jedes beliebigen \,V elt-
körpers eb en S-o gültig sein müssorr \vic für das der ncbe11 w1s stche11den
Lan1pe 1 hat es die d esk riptive Zoologie oder Botan:ik nur mi t den 1' ieren
od.cr d en Pflanzcr1 , die in ge\visscn Zeitabschnitten auf d er Erd e Vor-
kornmcn , zu t u11. \''as al. Tier ocler Pflanze zu b etracl1t en ist, darf
fer11er von vur1lc.l1erein, ,,·enigslens bis zu einem gc,vi:sscr1 Grade, scl1on
.als bekannt vorausgesetzt \\'Crdon, d. h. nur ganz b e ti1n1nle GesLal-
tu11.ge11 der Körper,velt, die man eben Tiere oder Pflanzen ncn11t,
s ind fü r die de kri1>livc \rVi ssenschaft v on Bcdet1tung·. So jst also ihr
1\f at.crial extensiv vert1ältnismiißig kJein. Die Kennt1tis besLin1n1Ler
Fonncn gestattet die A11s,vahl d er wcsenLlichcn Gebilde au der
~fannigfalLigkcit der Dinge. Das empirische Feststellen aller vcrscliie-
denen F ormc11 ,vird so ein Ziel, de111 1na11 sicl1 ,ve11igsl.c11s anzt1nähern
v ermag. IJas i t d el' ,ye en t liehe Pu11kt: die extensive ~lannigf,¼lLig-
l keit der l{.örper ist hier n i c h t prinzipiell u n ü b c r s e ll b a r.
Dia Gc.sctzcsbegrirfc kö1men daltor bei ihrer Uchcrv,indung enl,bel1rL
,verden.
Docl, diese relative Begrc11zt heit der e xLen.sivcrt ~la.nnigfaltig-
kcit re.icht noct1 nJ cht aus, u,n die \f,ereinfo cl1ung ol1t1e Gc&clzcsbcgr iffe
ganz zu verstcl1c11. Es bleib t clie int,cnsivc ~lanu.igfalligkeit dt:,r cin-
zolnen Dinge, und die. c ist. auch hier ,;\'ie überall prinzipiell U11über- •
scl1bar. \Vic i~L aus ihr <las für die Begriff:,bildurig \\.rc.sct1tliche licrat1s-
zuh.cbcn un.cl eiu ll1•iu2.i 11{ür die l{lnssifil{atio11 zu gc,,•ir111en? \\1ir 111üs~
sen hier {c,lgc1tdC" b crücl{sicltli<ren . An die uni.ihcrschbore ~Jannig-
faltigkcit, die 1nit d er \ 1c1·il11de1~ttng d er Dinge zuso n11r1c11bängt,
beachtet. sie in ge,,ris er Hinsicl1t a uch den Wect, cl. So ,veiO die Bo-
tanik ,,,ol1l 1 daß ein lG rsc l1bau1n ein anderer ist zur Zeit der Blüte n1s
im \Vin ter, aber es handelt sici1 hier um \ ' emndcrungen, dc11en vcrscl1-ic-
d cne Stadien sich im ,\blauf eines J ahres '\Viederholen. J\.leist ,verden
11ur ,,,cnige Stadion einer Reili e, und z,va1· solcl1e, die imn1er ,vicd or-
kehren, ous dem Wonclcl der F ormen herausgegriffen. So bleibt nur
noch die inte1tsive t\'lannigral tigkeit d er 1'ä un1licl1en G·c t altung als un-
übersehbar übrig, und a uch sie ist l\i er nicl1t unübc r\,·indlicl1. W eil
es sicl1 für die deskriptiven \Vissenschaflcn nur um schon v o rher
b estimn1te Formen d er Körper handelt1 die innerhalb ge,,•ii,ser Grenzen
feststehen, geben diese l•'orme11 auch d as l\Jittel, um tlurch roin empi-
rische V c r g I e i c h u n g der vcrsclticdenen Dinge mi teinander aus
ihrer intensiven ~f annigfa)tigk:eit dus in Riicksicht auf die e Fo,·men
\1/e entliehe '"jed,e rum ohne An,vendung von u11bedi11gl allge1ncinen
Bcgriffc11 J1erauszuheber1 und so d io ~la1U1igf.altigl"eit zu übel"\,·i11de11.
Trotzdem crlt11ält a uch das l\•l ateri al der de. kriptivcn \Visse1:tschaf-
t en, be-sonclers in hezug auf die extensive ~t annjg faltig kcit, eine
Untibersehbarkeit. l\ta11 kann ja nie \vissen, ob nicht irgend,vo a uf der
Erde sich noch eine Fonn fjndet., die vo11 allen bisher bekar1nLen
gö nzlich ab,vcicl,t und d.ocl1 zu d en 'fieren od er Pflanzen gcz.äl1lt
werde11 rnuß. Da. bed arf es dan11 n ocf1 be onderer ~litlcl, u111 ein Be-
griff, ~yslcm xu scllaffcn, das nic11t r1ur alle direk.t gegebenen Formen
t1111fa ßt sondern oucl1 di e Einordnu ng der neu auflauchend en 1' iere oder
Pflat1zc1\ oh11e .i\n,vend uog von Gesetze ·begri,rfe11 enr1öglicll t.. Diese
~f itlcl m ü .sen ,vir ihrcrn logj ·c'hc n \\lesen n ac,h ebcnfolls v erstehen.
Sohen ,vir uns daraurhin z. B. ein botn,.tische System an. Da ,,·erd en
Begriffe geschaffen, von denen der eine <las ko11tradikLorische Gegen-
teil d es and er11 bildet,. Durch solc he z,vcig licd rjgpJ1 D isjunl~lio,acn ist
es natü rlich JeichL rnüglich, a 11 e tlenkJJft1·en P flnnzC'n 1.u lt111f{1~~en.
Die Prl311zcn ml1 sse n nach d e in · a Lz vo1n a 11s-gc~cl1lussenc11 D1·il te11
a lle cnt\,,e<ler Blü l.en tragrn oder keine haben, d ie Dlnl c-n tragt'11<Jcr1
m üsscll. •nt,Ycd cr {rut:l Ilbi !Jen(] <' oder nacktsar11igc sei11, us,v. t1s,v.
Erst d.an11 gehl da B,cgrif fssy~tctn irt d ie Brüche, ,,·crtn ci11 K ürper au f-
lau<.: ht, von dem :;.ich nicht 1nch r s~gf'n läßL, ob er überhaupt noc h cin,t
Pfla11zc sei. Interessant ist unLcr ll1gischc1t Gcsicht:-tpunkt.en a 11clt rlcr •
•
•
•
•
i
1
1
112 -
Gedanke, die Anz a 11 l d er Sl.aubgefä ße aus der ?t·I annigfaltigkeit
d er Blüten herauszugrei fen t1n,d dadurch die P!lani-en zu klo.~si!izie re n.
Hier beruht die \ rcreinfacl1ung d er Mannigfaltigkeit i 11 ge,visser Hin-
sicht. auf demselben Prinzip, das ,vir bei d en d enkbar v ollkommen sten
B egriffen der erklärend en Wissensct1aft.en vorfand en. J e d e Pflanze,
die überhaupt SLaubgefäße hat, ist in diesem B egriffssyste m unter zu-
bringen> da in der b,loßen An.zal1l niemals oL,vas prinzipiell Ne ues t1nd
daher auch niemals et"vas st eclten kann, das geeignet ist, das System.
umzu,verfcn . Auf diese W eise also ist, urn d as Bcgriffssystern at1! Er-
scheinungen auszudehnen, die noch nicht direkt beobachte t sind,
ge,visscrmaße11 ein Surrogat für die dabei sonst unentbehrlichen
Gesetz.esbegrif(e gcscl1affcn . D och ve1·steht e.s sic h z1Jgleich ,-.·ohl v on
selbst, daß es sic h hier n u r urn ein Surrogat. ha11deln kann, und daß
von einer Einfül1rung der Matl1emat,ik in die Botanik ,iurch eine solche
l(lassifjkaLion nicht geredet \Verden darf.
Diese B en1 erkungen über die b eschre ibenden Natt1n~issensc bafton
mögen g enügen, um das zu zeigen, \.vorauf es uns ankommt. \Vir schm1-,
da ß die Eigcnsel'1aften der Begriffe ich aueJ1 bei il1nc11 durch'"veg daraus
vorsLel1en lasse11, daß sie als I\l ittel zttr Ucber"'vincl ung und Ve re in-
fac hung eitler e xLensive n und i11tensiven ~lannigfaltigkeit dienen . Die
Bcgr1ffe müssen jedenfalls a l l gem e in und be s timm, t ein.
,~.ras ih11en i111 \ 'ergleicl1 zu den bisher betrach t eten B~griffcn a llein
feh lt, i t die u n b e d in g t al)gem,eine Gel tun g, und s ie kann
des halb fe l1len , \\reil sie zur Erreich11ng d es hier angestrebten z,,·eckes
nicl1t not,vendig ist.. Das ist der in diescrn Zusammen.hn11g ,vesentliche
nterschied. Aber \\·ir können nich t eir1ma l sagcr1 1 daß die B egriffe
der beschreibend en \\' isscnschaften nun übcrl1aupt kei ne ,1 Gcltu.ng' 1
besä ßen und dal1er ,ve.nigste11s i11 dieser Ilins icht v on d en Ge~etzcs-
begrif(en pr.in.zipiell verschieden seien. Sobald ie nämlicb den z~·eck
erfüllen, zu d em s,ie gebild et sind, so gelten aie aucl1 nut, Rücksicht
auI diese11 Z\vcck. Dieser z,,·cck ist nt111 freil icl1 n u r Vere-infac l1-
u11g1 aber darauf allein kom;nt c~ ir1 diescrn Zusa 1111nenhang an, denn
,vir habe11 ja a ttch die u r1 b e d in g t e Geltung der Geset.wsbcgriffe
a ls ~lit.tcl zt1r Verein fachung de r l'\ Ia11nigfnlligl{eit in :Be trac ht ge-
zogen . Insofe rn ist a lso die B1"gri[fsbilclung in den beschreibcnclen
\,Vis, enschaftcn der in den erltlürenden \Vi~se1tschaltc11 artalog.
Trotzdem blei bt st:lbstvcrslä ndlicb ein prinzipieller U11tc1·schi ed.
Die ,tCclLung'' dieser Brgriffc ist anderer A r l > dcn11 sie b este ht
nur so lange, a ls 1na11 nich t t.l ara n d en kt1 d.1ß d as Reicl1 d er Pflanze n
ode1· der Tiere nic ht ,-.,·irklic l1 el\.vas SLarre~ und i11 icl1 Ahge~chlo ~cncs
bildet sondern vermutlich einen Anfang uncl ein Ende l1at und jedcn-
f alJs als Glied des 1 •alurganzen zu betrachten ist. SobaJd die · aber
geschieht , muß jedes B egriffs,.J1stem einer le<Jiglich b eschrcillendcrl
Natun\·issenschaft a ls ,villkiirlich erscheinen und die Begriffe il,1-c
Geltung v erlicrcr1. Die von der De~kr iption gele istete \.'erein(a.chu11g
hat datm il1ren Wert n lt r als Verein!achung, d. ti. es '"·ird durch
sie nicht ,,,.ie durcl1 die Begrifre von Gesetzen et,vas erkannt, dcsse11
Geltung auch unabhängig von der betreffe.n dcn. Begriffs bitduna
bestel1t. Zugleic h aber cxi tiercn darin die ,,deskriptiven " \ issen. c.haf-
ten als solche, die andere Z i e l e als die Erklärung babcr1, überJ1aupt
nicht mehr, d . h. die Be cl1reib,11ng geht durch Einfuhrur.}g von Gesetze1---
begriCCen in eine Erkläru11g oder in einen Ver~uch dazu über. Davot1
rnüssen ,vir hier ab:sel1en. 1\ uch in1 Gegensatz zur ErkJäru1lg behä lt.
d ie Beschreibung ihre n \\' ert überal l d ol't, wo das zu beschi·eibendc
1\1aterial eine v ol lständ igc \ ' crcinfach ung seine r )IannigfaltigJccit
ohne Gesetzesbegriffe gest.atLet , d en.n für eirt solcl1cs l\Iaterial ka 1111
die Bescl1reibt1r1g et,vas leist.en, das der Erklt1r·ung durch Ge~clzes-
begri((e durchaus ent.sf,richt, und d eshalb dürfen die dabei ver,vend elen
Begriffe, ,vcl1r1 sie ihron z,\·eck erfollcn, auch n.ic}\t mel1r als rein ,vill-
kürlici1 angesel1en ,verde.n. Gitr1z i t allerdi11gs die \Villkür ohne 1-\ n-
,vendung von Ge..i,etzesbegriffen nie zu vermeiden, aber sie lieg t
bei d en des·k riptiven \Vt ·ser1 c :I1aftcr1 doch 11ur darin, daß di,e blo ße
l{las, ifikation einer ~,Ia nnigfaltig keit. ·tarrer l•'or1nen als ,,·is~en cl1arl-
liche Z i e 1 betrac11tet ,vird 1 d . h. ie Jjegt nur ir1 d e r z,,·ecksctzu11g
und nicl1t in der Begriffsb ildung selbst .
nter dem Ge-sicl1Lspunkt1 daß ga nz im aJlgcn1cincn aus dc111 Ziel
d er Vereinfachung da:; \iVe~c,1 der natut'\vi ·scnschaftlichen Bcgrirf~-
bildur1g zu verst el1en ist , billlet al. o d as \ rorhande11sein der deskrip-
t iven \,Vis. cnschaften keinen Ein,,,and uegen die Richtigkeit un-
serer Be0 l'iff tJ1corie. f\ ucl1 dicij.cn Bcgrirre n korr11n t , ,,·ic allen nndc.rr1 ,
•
neben d r 1\ llgerr1ci r1l1cit u11d Be:1Li111rntl1cit eine g,c,vi ·sc Geltung zu,
,vor111 sie d en Z\veck d er \ 'erei nfa chung errulien. Der Urtterotlliecl i:,.t
n ·u r der1 daß diese Geltu,ng keine von1 crker1nenden Subjcl{t unnbl1tingig
bes te hend e i t ,vie clie der 1 aturgc elzc. D a dies aber 11icht. die All-
ge rn einhcit betrifft, so sind cl i.e Beg riffe der deskriptiven \\ 7is~en:-c:l1a(t
von d en GereLzesbegriffpn der rkl:ircnden \:\tj .sen~cliaflen in dici.:C'r
liinsicht nicht prinzipiell vcr'Sc hlelle11; ,incl ,vir hatten kei11e V,·ra nlas-
sung, sie g esondert zu l11·ha11,lel n. 1\ueh clie Br•sc hrcibu11g. ll.il' ,,'.i r
llic:k c r t, Orell1.f.'11. 1. Autl.
rJem reiu r1 atu1"\\•is e11sc ha flli,c hen In.te1·e::-se bis\\reilen ein li th eLi ches
Interesse a 11 d er a11schauJiclicn ~fa rinigfalt igkeit d,er Dinge tritt,
und d a ß d atlll un"villkürl jcb die 11al'ur11\'issenscl1 a rtliche Bc~chreibung
in eine 11icht n1ehr rein ,vis. enscl1aftliclte Scl1ildcrung der anscliau-
lichen intensiven J\la nnigfaltigkeit über gel1t . Sehr feine Ben1erkungen
fi11dcn \\·ir bei K. '.\1öbi1.1s über clicse , ,äi;thetische Bctrach tung cler
'l'iere" 1. ,,\Ve11n Zoologe11", sagt er, ,1ihren Scl1riftcn Abbildungen
bei[ügen , gelien. sie . . .. . .. über di~ Gtc11zer1 der begrifflich erkenn-
und d ars tellba re11 Ge etze der tieriscl1er1 1 at ur hinau:: i i11 d ai; Gebiet
d e. äs th etisch an:;<·l1nt1li cl1en l ndividuellc11'' . Die Eir1mischen alo-
gischer )lomen te i11 die ,,ris ' enscl1aftdarf un~ die logj, ehe t ruktu r der
bcsch reibcr1den Begriffsbildungen nicht, VPrhü llen.
[n der .atu r,, is ·cnschaft ,vn ndcln wir irnmcr , a uch c.J urch das
F est sLellen von ,/rat achen .. , d ie \,\firkliclt keit u1r1. E s ergib t ~ich daraus,
\Vie ,ycriig 1n.i t der l1e11te so belieb t,ert B >hattpt11ng gci-agt, ist , d ie Na-
t u1,vis~c11·chart llabe e iiberhaupt nur· n1it l ' atsacl1en zu tun . Die Lo-
•1ik muß gegenüber solchen Schlag"vortcn der \visscn:5cha ftli ·l1e11
~tod e sich in1n1er ga111. be~ond ers rn iOt.ra11isch verhalte11. J e öfter ~ie
gebrauct1t ,verclcn, ti rn so ,vcniger haben sie 1r1ci ·t zt&bcueuLen . Ebenso
,vie dns \>Vorl Bcscl1rcibung ,vird bes.onder · clas \Vort 1'aL~nche 11icht
selten d azu be11utzt, Problc1r1c zu ,rerdcclcen ut1d zt1 ignoriP-re111 anstatt
zur Aurt1cllung der ,vis enscl1;'lft liclien ~·fethod e zu dic r1en . No<' h in,
--·---- -
1 ~fclt h . u. nnturY,L„s . ~til l . a . d . Si tz u nJ:!:,;Lericlll en <l . k öniµ- 1. 1,rc u ß , ,\ k a •
d•·r11 ic d . \ \ "isi1. 1.1 t Be rlin . 1895, lX, , . 458.
C, •
ü.b rigens aus nicht irnn,er ,,nnz ge,vürdigt.en Gründt•n, nu drü klicl1
beltä rnp-tte. Der künstlerisc he oder , ,vie "''·ir n11cl1 sage11 dürfcu 1 d c1·
,,gric,·l1iscl1c" ~[eafl-ch iibcrlia uJ)l konnte r11<'ineo, ,ioß (lie ,.; fJ1eorie''
s,;hon in dertl slcck.L ,va er ie ht. Der u1odt\rne ,,·is:senscl1:1ftliche
~-Jen~ch 111u O · icl1 dar(lber l<lar \Vercler1, <loß J er G,•l,1nlL d er Erkc11nlnis
~ich z,,·ar au,( . iclitbarcs bezieht, i-r: lb:;t, nll<'r volllion11ne11 „ unsicht-
'
Z ,v e i t c s i{ a p i L e 1.
Wir haben t1ns bi l1er bei der Kl arlegung de. \Ve$et1 der na lur-
\\1isse11scha ftliche11 Begriffsbildung absicl1t)jclt auf jhrc Bedeutung
f Or die Erken.ntn.is der körperlichen Di11ge u11d V org:Jnge be~cllränkt,
d . h. wir haben , dem in der E inteilung ent,vickelten PJa.n,e ent.sprecl1end 1
die Ausdrucks,veü;e akzeptiert, nach der unter lnttir nur clie phy i:;r.he
Welt zu "'erstehen .IBt. Die behandelte J\,{ethode des Bogreifc11~ i t zuerst
bei der ,visscnsc l1aftlichen Bea rbeit11ng von. Körper11 au gebildet
,vorden und liell sicl1 dal1er au,cl1 arn leicbtesler1 verst el1e111 ,,,cnn sie
zunäcl1st nur mjt R,ücksicht f1ieraur logisch ent,\'ic•kelt \.V urde. ·Nachderr1
dies ge~chehen ist, inüssen \Vtr u nsere Betrachttlng erweitern. Da \vjr
die Grenzen dc1· natur,vi ~e11s.chaftlict1cn B egriffsbildung kennen ler-
nen, d . b. Ce tstellen wollen , bei ,-.,elcl1er ArL von ,vissc11scha(tlichcr
Arbeit sie nicht ango,\1 cndct ,vcrd cn kan11 1 isl es u11sere Aufgnhe,
zu untersuct1cn 1 ob da · l\,f. a t e r i a l, 1nit denen e~5 andere etnpirisc ho 1•
\VissenschafLe11 zu tun l1aben, E igentiin1licl1keit.en auf,reist , (lie die
r\n,vendung d er nat.u r,vis enschaftlichen Bcgriff~bildur1g ausscl1ließcn
und dat1er eine a n<lere logische F o rrn der \.Visse11schaftli rhen D at·stel-
lung erfordern. Oadurcl1 ''"·ird dann ent..schietlen ,verden können, ob
e!:l ü berhauplin d ein de n empirisc hen \Vis~ensC'l1aften zugä ngliche n ~laLc-
rial s a c h I i c h c Untcr:)chicdc von 'Olcl1e r Art gibt, daß sie eiJlel'
•
logisc!1e11 Gliederung der , v i.ssenschaftcrr zugru11de zt1 1ege11 sind.
Die Frage, mit wel<;l1em Rechte noc h arid rc Gcgenstär,dc ab;
l(örJ}er für die empiriscl1c \Vis::sonsc haft als gegeben behauptet \vctden,
übcrgellen ,vjr lli.e r. Die An ~jcf1L, di e kejn atLderes als körpcrlic.hes
Sein anerkennen \\' ill , hat nttr n oc h ,,·enigc ernAthnfte Ve rtreter , und
eine Auseinandcf'setzung n1it ihr dü rr n \,·ir liier u1r1 so ,nehr tant.er-
[.
P li y j sch t1 n 11 P y c h i s c h.
Als e~ in l B••l'i'i 11n des er ler1 l(apitül:; darauf a11l<a111 1 das )laterial
•
der 1• atut"\vh-~en -~haften zu c harakLcr1sierer1, bJ<auch te11 ,vir nur darauf
hinzu,vci .on, tlnß jedem eine f{örper"'·elt als ej ne in Rat1m und Zeit
au~gebrcitclr \Virl<l icltkcit von anschnul ichcn Dinger1 und \ 'orgängen
bcl<annt i$:t . Der f-Iin,,·eis au f eine solche ·1·at..':;a<'l1e reicht, ,venn es
sich urn d ie Beg1·iffsbesti1nn1ung de. cclcnlcbcn in1 GPgcn, al.1. zur
K ö rpcn\ elt, ha ndrlt , nicht, a u:;. E s läßt sielt überhuupt 11ichl oltrle
1
,vcil,cres eind t.n1 lig an.g ·Lcn, \,•o,ria t.las ~l al eri„11 clcr J"s}·cl1ulog-ic bc-
st<' ltt. Ihr(•m \\ 1 orLlnuL J1acli ,.ha ntlcJ t, tlicse \\ 'i~sc115rl1aft von d er
eele. allet von ,,.'cf.'>1 •n 14 '\'\'eiß die bet1lige f), }rchulogie, ~o \,·eit sie eir1e
ernpirische \VissenschafL i-,t, nichts, denn ' eelcn sind un.:; niemal:3 in
der Art wie Körpe r tn der Erfahru.n g gegeben . Sie l<ennt viel1ncl1r nt1r
11
sogenannte .,ps.ycbis<:h.e'' oder „seclisc l1e Vorgä nge; und so iiblich
aucl1 diese Ausdr(lcke ge,"·orden sind, so müs ·cn ,vir uns doch klar
t11a chen, daß, wenn die eele etwas nbekannw i i;t, die davon abge-
leiteten \Vörtcr seelisch oder p ychisch ebentall nichts als bloße Na-
•
mo11 ein können, die in keiner \.Vcise den Begriff der dantnter fallen-
den Vorgänge inhalllich angeben. A,1 enarius 1 l1at. dal1er d urcl1aus
Recl1t , ,venn er sagt: nder Aus(truck psychisch ist rein ko,n ventionell ;
an sicl1 s,elbst ist er nach der Elimination der Seele nichtssagend. fl
•
Nun \\ is e11 ,vir z,var, falls ,•.iir u11ser Urte.il niclil irgend welchen
1
spä ter zu zeigen suchen, ,\·a rurn ein.e nalur\\ i1':--e11scltafLlicltc J)~)·cho-
Jogie dieser Aufgabe, die 1nan il\r . tcllrn Z\ t n10t-:s · n glaubt,, durchaus
nicl1t gr,,•a-c l,scn sein lia1ln. ,i\.ber <lnmj t scheint Utts 11oc: h gnr 11ichL
1 l<ll't>l\ Obt'r el n o l,1-:,.c ltre ib.cn tle und z1•t·!{lict lcru dti P s yc hologi... Sit zung:-.•
b cr ic l,t o d t' r k c'\ n igl. prr u(Ji.;cl,rn ..\kaci eo1 ic df•r \\' i;.s. 1894, S. 181;:1. ,-\ e>hulicho
t ;,-llun·kt>rt durchziehen dil',c untl andt·rt• . \ l, haoul un,gcn Di1 t hoy::-.
2 \V o o d t , t:cbi•r t.Hu J),•finil iotl dl'1' Psycho.logil'1 1 895, f'h ilo~o pld,che
Stu;Jj1•n, l::IJ . •'\11 , ~. ll r. \ r~l. auc h: L ol-{ik, 3. ~\oft. Bd. III, :t908.
he\viesen zu sein, daß das See!enleber1 als solches sicl1 der im logischen
Sinne nal unvissen c l1aftlichen Begriff bildung entzieht. E s ind viel-
mehr die Fragen nach der l\1etl1ode der Psychologie ltnd nacl1 der Be-
d eutung dieser Wissenschaften für eine Grundlegung der ,,Geistes-
\Vissenschaften'' , al o auch der Ge.schichte, sorgfältig von einander
zu lrenne11. \i\1ir 1t10ssen die Begriffsbild tt11g der J:1-syct~ologie zunäclt t
ganz oh n e Rücksicht darauf unt~rst1chen, \i,·as die~e Wisse11schaft
f(ir die sogenannten Geistes,,•is. e1\sct1aftcn 1.u lei. ten imst-ande i"l ..
ur so ,Yird sich ein unl1efang~11es Urteil (i·b cr s:ie gewinnen lassen .
und wir habe11 zu einer :solcl1en Trennung der Problernc u111- so rnehr
Vera11las ung, als die fa t. allgemein gemachte und , ,vie es scheint, ,
als sclbst,rerstäncllich geltende Vorau setzu11g, daß die Psychologie
die Grundlage f1lr clie h i s t o r i s c h e n , vissenschafte11 seir1 oll,
gerade das i t , ~·a ,vir hier in Frage stellen ,,.,.,o,)len.
Untersct,ei<let sich das psychisct,e Sein als so1cl,es ,virklicl1 in
einer für die Logfk der Begriff_bildur1g h edetttsarnen w·ei~c von der
l(örpenvelt ? Insbe.~onderc: i~t e tinmittelbarer gegeben als diese, .und
'"·ird clesl1alb dio Art ~eirtcr begrifflichen Bearbcitt1ng eine andere sein?
~r a11 ka1.1,r1 versucbcn, die Bej aht1ng dieser Frage . o zu begrü.n dcn,
daß man agt: ,,·ährend das )latcrial der Nat.unvissenschaftcn nur aus
einer Welt v on Ob j e k t e n l>esteht, die als et,vas J:!' 1•c n1dcs an das
ubjeltl herantret en, lia t es die P sl'chologic im Gegensalz da.zu 1t1it.
dem unmittelbar bekannten s. u b j e k t ·elbst z tJ tu1l. Diese E-nt-
gegen setzung von Subjekt, und Objekt. ist jcdcr1falls nicht direkt
fa. l eh, dc11r1 die Seele oder <ler I11bcgrifC ,J cr psyr•liisc;l1c.'n Vorgä nge kan11
sel1r ,vol1I irn Gegen: ·atz iu de11 körperliclier1 Objekten ein ul.>jcl~t ge~
nannt \Verde11. o richtig sie aber auclt .ein mag, so 11icht.s · agen.cl ist
sie doch zt1gleich tinler l(>gi:-;chen Ge icl1tspunkten 1 fall~ n1an 11icltt
g,1nz genau anzug<~ben vermag 1 in ,velchcr Bccletitung rnan in cJiciscn1
Zusammenl1ange die \,\'örtcr ,, ' 11bj kt.'' ttnd , 10hjekt:' gcbrat1ch t .
Die bcirl<•n Termini sirtd sehr vield eutig, unrl nicht. attf jede ihrer B.e-
d~utungcn lä ßt die Begrüud u11g cir1e3 n1ethodologischen U,1,terz1 hiedcs
in der Begriffsbild ung ~ich stiitze·n. .J a, ~ ir meine11, daß die Ans ich.tera ,
denen ,vir hi er e·n l.g1·gc1, tretcra, irr1 ,ve:e ntlicl1en a1Jf einer U11klarhcit
über clic Begrifft~ vo11 Subje k t 11ud Objekt. u11d ü ber ihr \ •erl1LilL11is zu
einaltd er beruhet\, \\' ir 1.n üssen claher: u1n über die l o g j s c h e ·1·rag-
\\•eite d~$ ang,..dcut ct ~n t rnterschiecle: Z\Visc hP-tl at ur,vi:-ser1:;chaft tltld
P s)·chologic j11s l(l are 7.\1 l{on1men , n tif d ie ve rsr hicde nen B r(i cutu ni:rcr1
d er \\lörter Sul1jckt 1ir1J Obj cl{ L et,vns nä her cingclicn.
Körper,\·olt, Iür die sich dieser Prozeß der L,oslösung ZUlTl größte11
1'eile läng· t vollzogen h::it. Darü ber. ,va~ der crnp,irisc'l1 psycl1ologi-
scl1~t1 Be}1a11dlung zugänglich, ja darüber, vvas ein ,virklicl1,or psyc.hi-
scl1er \ rorga11g ist, l1errscf1t l1011te noch große nklarl1cit. Wir selbst
m.u flten frülier dem lrrLun\ vo.rbc1Jgcn, daß (.lic ,,BcdcuLu11g'i eine.:
Wortes oder <ler logische 1 ,Gcbalt." eine · Urteil·, der von 1nehrcren
Individu en als derselbe verstanden \1tird t eine p:;ychisc he W irklicl1keit
sein könne, ,vie viele das für :-elhstvcr Lä11tllicl1 ha.llen. Psychi ~ch
sollten nt1r olche Vo1-gä11ge genannt ,verden, die in dem nicl1t-lcörper-
licl1cn Leben einzelner Individuen zeitlich ablau fen. Sons t verliert
d er Begriff einer ps}rchischen , virklichkeit jeden Sin1\. l(önntc 111an
dal1er z. B. ze.jgen, daß d,ie Bedet1tung ei11es \\'ortes und der logiscl1e
Geha lt eines rteil ocler irg nd ,velche anderen ,,un,\ irJclichen"' Sinn-
1
a ber ihre ):fe thodenle hre sich noch i111n1er 11icl1t ganz frei gemacht
hat.
Abgesehen davon können ,vir sagen, ,d aß ein p r i n z i p i e l l e r
•
nt.erschied in bczug a1-tf clie NoL,vendigkeil erkenntnistheoretiscl1er
Ur1tersuchungen für die P ych-o louic einerseits und die l( ö,·pen\·issen~
chafton andererseits nicht b~ tcht. 1\ uch in den l{örpcr\vissenschaflen
find en ,vir Gebiete, in de11en d er i\,Jangel an erkenntnistheoreti cheo
Ueberlegungen nicht nur die hier ziemlich harmlose ~1etaphysik des
~laterialisr11u · gedeil1en läOt, sondern eberJ.So ,vie in do1· lls ychologie
zu durcl1aus störenden und ver,virrenden n1etaphysischen Behaup-
tu.11gen führt. Dies i. L besonders dann der Fall, ,venn es . ich un1 die
letz.Len un<l abscl1ließencJen J?ragen nach de1· alJgemeincr1 Natur der
l(Orpcr,velt hand elt. o i t tin z. 8 . in Ost\vald ,, E ne rge tik" cl er
Ged a:r1ke begegnet , daß ,,,ir von rnateriellen Dingen nichts ,vüßten
·i)ndern im mer nur die Energie „ fühlten''. Diese )'leinuog \vird dort
allein en tstehen , \VO es an erkcnr1tnisthcoreti scher J(larhei'l fe hlt,
Ultd z,va r hand elt es sich d abei im we entliehen u,n dieselben Begriffe,
die a uc h \vir hier erörtern ,,·ollen, nän1li cl1 urn die Begriffe von Subj ekt
• tincl Objek.t . \Venn also sogar in den \Vi,r;senschaften von der l( ötper-
,vclL zu,veilcn erkertntnistheore tJ:icl10 lJcbcrlcgungcn unentbchrlic b
ind, damit aus der · Iatu1"\vi en schaft nicht ,vie bei Ost,,·ald eine
spiritualistische ~lctapl1)"Sik ,-vird , so darf es uns ge,viß nicht a uffal len,
, ,1em1 ,vir in Unle1 ".8uchunger1 uber das Vcrh ä ltni des Psycl1ischcn zum
Physi:..chen nicht ohne sie a\Jsko111men ltör111e11..
Endlich, ur1d <lies ist. das \Vicht,igstc, ,vird sich ercreben, daß aucl1
der Begrifr der l{örper,velt nur so .la11.ge selhsLverstär1dlic h u11d ein-
d eutig ist , als man. sein \ 'crl1ältnis zu1n Begriffe de S ee'le nlebe.r1s nicht
berücksicl1tigl, daß dagcgc11 1 sobald dies geschiel1l, d n körperlic he
'"'ein nich t selten mit Eige11 ·cl1afte11 ausgc tatt.e t. ,vird , von de11~r1 die
empirischen \Vj senscl1a (ten .ni chts ,,·i sen. \ Vir werden uns im fo l-
genden d::i lier ebenso berr1ühen rniissen , d en Brgrirf der Körpen\'elt vor
fa ~chcr1 AtJrfassur1gcn zu scltülzec1 ,,,ic dcr1 des cclenlcbens (lavon frei
zu halten, j a, es ,vird die ers te Aufgabe ogar die sch·,vierigerc ·ein.
So, ehen \vi-r, bestcl1t ei11 ,,resen.t licher Unterschied z\,.'ischen ·atu.r -
,vis;:;cnscha ft t1nd fJsyc holog ie mjt R ücks icht auf ih.r Verhä ltnis 1.ur Er-
ken11Lr1istheorie in keiner \cVeise. Da ß wir die erkcnntni theoreti ~chcn
Ueb erlcgttrtgcn ir11 er · t e11 Kapitel er1thehrerl ko11nl cn , lag nur d a ra n ,
daß \,•ir gar nicht an das erhalt11is der l{örJ)er,vC'IL zu111 • ecle11lcbe11
zu clonken bra 11c hten .
ein 1( örpl'.'r ci11c11 besti1l1n1lcn Ort irrl ~tau111e oi11nin1mt, uncl z,var soll
si,e sich j n n e r h a I b des l{örpe rs l1cfinde11, der fiir be eelt gilt.
Im Gcgeu atz zu ei11cr r ä u m l i. c l1 c n Seele kann man dann di e den
hc~ccllen J( örper u111rrebenden Di 11i;c clie tl ß e n ,v c l t, nennen ,
und z,1 il1r 11::iliirli c}1 a uc!1 die frem.clen bP- ~ecltcn l(ö,r pcr zä lilen. Da
r1u11 rcru cr ahe1· cl<'r eigene J{örpel' \ '01n örllichrr1 ... ta11di:;n1nkte fren1cler
eelcr1 ebc11f.al h, als 11 \J ßcn,,·clL" ztt beLrachl,r-n ist, c> über·lrägL gich
der i'i.a1nc AuUen,"'·elt sc hließlich auf a 1 1 c l( örpcr ·ü bcrh.\t1pt. l) ic
• ecle11 a ll <.·i11 blei ber1 un Ler <licscr , .ora1.1 ssclzu11g ir11 Gc""e.r1sa tzc zur
Au ßc n,,·elt J a · uinnerc' , und <lic Bezeich11u11g d es ·.eel ·r1lebc11s
al~ der I n n e n ,v c J t ge,,·it111t so cir1c11 g ute1t , ir111 . .I-f cuic jcllocl1 h~L
,vi1·tl. \\' ti re es daher 11icht arn besten, in Jogkchc11 u11u. J)~ycl1o logische11
Ur1t.ersuchungcn den Terminus Jnnen,,·clt, fi\r d,t~ ._ erle11lebcn Obe1·-
haupt rticl1t zu vor,vc11clcn 11n<I dnmiL zuglci<·h die l nt,e1~r h"idt1og cler
.b eiden v cr~cl1ieclc1.Le1.t " i11r1c" ul1d 1~rle11 des Erfahrc1ts Iallt>11 zu Ja~~er1?
Ge\viO hat e.. einen guten Sittn , cJas see lj;-;cllc Lebeit i11 einert
beso11dc1·- cr.ge11 Zu a1nrnc11hang rrdt den l<örr•erlichen ' 'orgäng<'.n
zu bring,"n, clie sjch u11Ler der Ha,,i des :\ter1schen in seinen innere11
Organen o.bspielcn, ab<'r au<;h ur1ter clirscr \ rorat1sgrt.zung ist dns
Seelisc he dor~l\ li ücd1stcn:-- d.,,s v o1rt l 1rnern ,1\l,l1iingigc 14 \1nJ nic-r11:1ls
da: [nuerc S(!lb t. Halte11 ,,·ir also <lar an fc~t,, daß cla~ J n tl er e clcs
;\f en~chcn sein Gchi1·11 1 sei11e Ner\·e,1 1 ~eit1c 1\1u~J<eln, se.irtc Ein!-l"c,veitle,
al)cr nicht sein Seelenleben isL, und 1nachen ,vir uns klar, clafJ der
Gege r1satz \.' 011 Subjekt und Objekt, rlcr den bc..~e<'ltcn IJcib urt{l rlic ihn
rä11mJicl1 u111gC'bcr1<lc . ußc11,velt bc:zeicJ111ct, fü r die ' r1t cr.:-chr ictur1g
elf•:. pi--)'r.hi~chcn "'om ph~·sisc hcrt Leben ohne jcllc i,aeliliche l3"<le11l1tr1g
sf'i•n m.u.f3. Er dar.f ci11e Rolle 1tur in der phy~joJo,rj ('hen Psy1:ltologie
otlcr· in d e1· P s)tchopl 1)rs itc s pi('len, ,,·o ~tusclrüclt lic 1t d ic B<'zjeh un,gco
de,· ltör-perlit: lte11 und cicr Sl:elisclt<'n ' 'orgä11gc zu cir1andcr i11 Bclracl1L
gezogPJt ,,·er,d ert. \i\'ir ,volleii claher das SubjeltL in clie!'lern Sin11e als
das p s y c h o p h :l . i c h e b,czcichn cn 1 u1n es , 1 on <lern JJs) 1l'holo-
gischcn Sul)jckt zu unter~c·hcicJcn, da.s Grt<:11sta1tc.l dt>r J>s~1chologie
is t.. Auf jcdc11 F all ,vcr{len ,vi1·, ,,·('11J1 }l:-;~'chologie und l<örpc1,viRsen-
:-;c)1afL d.1durcl1 ,,u r1ei r1ancler 11ctrc1trat ,,,crd e11 sollen, (laß die Körr,er
11n~ ,,vc•n nußen'', clic p. )'C hi 'chen Vol'gii11ge dagP,gr;n „von innc11"
gegeben .'Cicn, nie lit. anzut'1'.k e111\cn brnt1chE' n, d.._,ß auf G ru n<I cli<•~cr
UnLersc>l1ciclung irgPnd \\'rlchc Gf'gf'TtF-tilzc ir1 tlc>n ?\l r t.l1<Hl er1 der bcidc11
\ Visscnsc ha rt "'n a11gcr101n1n en ,,·cr<lcn dürfen. J~s isL ·, ,it:lrnclir !1Jgisch
bcdct1Luxtgs l0;5 1 \\'t'1111 vcr~iclH·rl \\·ir<.l. Jic J>.-5~r ·h,Jiugie llltt1 llie Gei:;Les-
,,,issc11::-chaflcn liütlc11 es ndL J c 111 l111,e11lrh~r1, die l(örpcr"\Vif>!--Cn-
sc l1aflf' n iJng,!ge n n1it d1•r 1\ uJJen,v~IL zu t\111 1.
\ 1 ucli Ober d,•11 r1„r,rrirr clt~,, ,, 111 ,u•ron" a 1~ do-, ( •fL~i:11-.lanuo der P.s)·chologie
.-\
'
findrn sich bei Ave n a r i u s (a. a. 0. . 150 rf.) lrt•frl:'ndo Ben1erkuugen .
•
ü1g1taltzado por Goog e
- 131 -
I 11 d en rneist cn Jtä lle11 is t übrige11,._ mit cl cr nt<•r~chcid ung von
1\ uOcn- un(l lnn,"!11,,~elL aut;ll \\'ohl 11ur gc111ci11t, daß clas }Jsycliii-cl1e
uns t 1 n r11 i L Lc I b a r er gl'ge bc11 ~ei al:- da::; Pli )·~i~·che, u11cl über die
Bercc.hLigung dic:-er U nt.er~cheidui:tg i t durch die Ablehnt1ng des Gege11-
satzc vo n J11nc11- und i\ ußen,\·r:lt noch nichts gcs:ngt. \\1ir m(issen uns
vich11eh1·1 U1l1 d~rr1 licfe.N n 8in11e d e r hie r zu crö r Ler11<lc 11 Ul1tcrscllei-
clung r1ähe r zu. koro.r11e11, jetzt. d1:-.rn an dritter Stelle genannten ' ubj ekt-
b,!griffe urLCI :;ci n,' n1 \ icrl1ültni 1.111n ~Jatcria t df"r P syc holugie zt1,vendent
r1ärr1licli (lc-111 Begriffe d cl'.I ubj ckt..s als des „B o ,v u ß t, se i n s" •
.Es gilt , auch die~ •n SubjckLhegrirr sorgfüJLig vo11 de1n des Seelen-
lcbc11. zu tr~nnen, miL dc;m er nicht sell~n glcichge.-.et1.t ,,·ird. Die
b esceltc11 \Vcscr11 so :iagt 1nar1, haben Bc,vußtsci11 od er sind ll,~,,·ußt iln
Gegensatze zu den unhe,vußten uncl dal,er secler1lol'len Körpern. Auch
die En~ t chung df':- eelertlebet1s ,,·jrd de11,e nt.,prechend angesel:1en
als id0nti::1cl1 111it d('r Erttstcliung des · Bc,vußt.seins. Ist dag1:-gcn ei,n
W esen be,\·ußtlo , so ernpfjn<lct, ,vill, fühlt e · auc h nicht, d. l1. es ist
l< ei11 , eelii-iclie. L eben 111e hr ,•orhand en.. Bci111 Sc hlaf vcrlii UL d a Be-
wußts ein den ~f.er1schcn, da nn s{: ldfift auc}1 clie e ·le, tt11d , venn hei1n
'fod c das Bc,,·uUt.sei1l für i1n1ner cnt,,~·ichcn ist, dann. kcim1l1l auch clas
ccle11leben r1ic t1lc:1 l~ ,.·rie<lcr. Aus allen die ·en Sä lz,en geht deu tlict1
her, ror, J a ß es d c t11 ::,prachgcbrau ch. durl'hnus e nt.-.pricht, B •,vußtscin
urld Seele eictar1dcr g-lt.'icl11.u:,clzen, und \\'ir <l(1rfen UJ\S <lalier nic hi
,,·u11tle.r11, ,,·enn da. sr.eli$chf:' Leber1 11iclrt :- "I t cu gcraclczt1 rt ls Be,,·u llt-
•in~, ·o,...-,-ang cl c f i n i c r t ,,·ird. ,\uch ,vir ,vollen 1.unö.c l1;-;t, eirtntal
d ic.ic ])t•fi11i lio11 als Le rcch t iµl gell cfl la~3c11 trr1d zu c hen I v,as clarati~
für unse r PrrJu l,•11l ((Jlgt. ,
i\ 11r kri11en J,' all l<ann l)f's lrittcn ,,·rrden, daß d:1~ \\.·ort Bc,,·ußt-
sein ztir B ,•~1·iff:,bPJol.lii11r11 u11.g f1c~ I>~ yr;liisr hc.n i 11 c i 11 c r J Ii11sich t
brn11 chl)rtrer· i:-.t als do · \ \ 'ort l11r1,·nl r l>en. \\'ti hr·c11ff ufinllic:h dic:-r ,
falls c.s nicl1t, a ur einen l{ ..tuintt:•i.J angc,,•pn,le l. ,vird gar krine eigt11t-
liche JJNleul 111 tg n1,r• lir lia l . S<> ,~er~ll•h1•11 \vir c.s urtl<' r alll•n l ir11stii11dc•n,
"'·en n ,vir d:,s P s)'.c hisclt • als Uc,vu ßl:-Pi 11 Lczcich11ct hören. Z\var ver-
rr1üger1 ,yi,r viellt>ich t nit' ht 1·,ähc•t anzug<>JJer1. ,va <.lai- \ \ rort beclf' ut.et ,
aber ,vir .sin(I doc-11 i-i ·her , daß .J c•,l r:r ,,·Pi ti, ,vas ,,·ir darrtit 111 t·inen,
eben~o ,vic (lann , ,,·enn ,vir etvf:tti cirtcn J( örpc r 11cnnr.n 1 ur1tl gerade
ciic.'-cr C'1n.:-: la 11cl :,chci11l für tlic z,\"t·ellc <ler J>:-ycliologic l l c 11 Atl!'-(1rucl<.
.B c,vuJJL~cin e benso gl!eig11ct zu ntai;lico \\ ic Jas \\ ',Jrt l~ örpcr als l\'un1 en
für di e 11icl1L lJe,vußlc \\'irklit;likcit. l:O:i11e · j cdor h tlürfe11 ,,·ir tlab,:i
nit;ht auUc ,r 1\ chL 1:ts::~n. l)it!SCI' B,·griff clcs f>:,;ychischl't\ ltaL J, o ttse-
9•
Die G,Jeich ·et.1.u11g des r ~ych ischr n Sci11s 1nit den\ llc,v uOLSci11
l1aL un.,; also it1 einer nlcrsC' h1•id\1ng vo11 f;l'r•le11.lc lJe 11 ttnd l\.ürpcr-
,,,cl t, gertih rl, d ic auf dem crltc~n11 tnisthcorcti~c- h~?l Gcl•iele Ii-e 0 L. u 1uJ
gr rad c ,ven11 ,vil' Lt11tnr crJ<ci tttt11i stl}eorcLi:-,chcn (;osiebt.-,pt11tklen di ese n
GruanJ(cn v er{olgnt1 , cltciuL die .a ltsgrsproch+~1· 1c l\.On:,.e<1t1cnz t1 11-
ertlfl'iclil)a r zu sein. Daß j •des utunittrlb11r g<'gclJcue OLjckL1 ah,o auch
die l{örpet·,,·elt, ~o \\'eit ,vir sie -c rrahrer1 l1ahc111 nol\re r1dig zu dc11kcl\
i ~t in }lPi'.11~ ati f cir, ·· ubjel,L, da ' ist ei 11 . alz, clcr fa:;L irt 1, ciuer Erkerint-
\Vir können 11i1: hL alleir1 ci111na l u.n sc rn g e i:: a. n1 t c 11 l~eib :z.ustl1r1 1ne11
1r1il der eele ab percipien s, llH:-5 a ndere i\lal dagegen tl u r clic Seele
a ls percipiens und dc11 gcgamten l _,,eib al~ perceptt1111 ansehen soridern
außerd e11t 11or h vcrsel1iedcnc Begriffspaare von percipje11 und percep-
tun1 b ilden , rlie z,ri~ ·hcn uie~e11 bei<le11 Extrcn1ctl liege11. Zt1niichst
braucl1c ich nur einr.n Tc i I meii1cs Leibes al perccpLuJn zu denJccn
Ul'td ka11n cJa,Lei ei1tcn an.dc1~11 l 'cil 1 zusa n1mcn r11it d er eclc, noch als
percipie11 an~chen . Ic h kar1r1 <laru1 fcr11cr dcrl "f eil de · Leibe· , derl
icll zu1n per,·ipicns rccl1rte. in1m~r k I eine r ,v,cN l~-.n l a.;;.5e11 11nd so
alll11ählich dazu 1,otrun•·u, tlaß sclilrcOlich a J I e ~ l{ör1Jcrlic- ho zurn pcr-
cepttrm ge,\-'Or{lcn,. a l~o nur 11.or:li da Sceli ·c.ho al , pcrcjpit'tt- übrig
0 e l ► li"ben i:'.' t . E:- liiOl t1ir h n1it nndt~t11 \\' orLen. ei tt . chritt,,·r-is.cr , eber-
ga11g v o11 ci11c111 ubjc· klc zuu1 art(lPrr, fia,! (•11 dl1rr·h eine ~fehrhc,it
ver~chi<>dt.}ner Begri{Isr>aat-e von .'ubjekt ur1d Obj •kt o<l r per ipicr1s
u nd ru•rce1)t.un1 h inrl11r(' h , in rl"11en e ine r~eit.s d C!t Begriff dt>:- perci-
pje,t Oller de~ ~ubjt.:k:tb:i sich i111mcr 1nel1r vcren1,.tcrt, ,vä hr<'nrl anrJcrer-
seits der ß •grirr de:- flerce pturn O(le r rlt•s Oujckws ejr1en itnrner größcrett
U111fong erh ii ll. \ '011 d e tJl p:,;)·ch,, ph y~i chen • ubji•l{t, dn. zusan1mcn
mit d er Seel· J eu g a r1 z c 11 Lei b 1.1n1fnOL, fiilirt. eirH: I{ e i h c vo11
a11dcrn p:-ychot)h)•si.!scl1e11 Sut)jcktbegrifter1, ic1 d ettert das Phyi-i c.t1e
in-,mer kle iner ,,,j rd I tin~ sch lif'O lieh zun1 rei11 p::1)'Ch<1logi5;chnn ttl1j ckt1
das gar r1i<!l1ts l(örpcrlief1es 1nct1r e11t,l1iilt, all1nöhlich hi11ilb cr. Der
Beo-tif[ des p::-:,'cltulo ,,.iric,)u'.'n • ulJjek.l:; läßt sj ·h <la,111 ,ye1·ad.-•tu :;o de-
finieren , claß man ihn nl:,; (las End~lic-cl o<l "r tlf>n ,, Grcnz.lJrgriff'' der
n11ur1:•cbene11 R eihe vo11 psyc ho phys isr. hnn ubjc•klbf•i•riffcn bc-
zeichrtct, irL <ler ,I.:l" als pcrc ipicras aufgefnß t.e l'\ örfH!l'l ichc in1n1er 111ehr
ver cla,,·i.11tlet untl sc hließlich zu ni,·lil!l, ge,vordt•U i~L.
D --r G l"'◄J nuli!f' dic>:-:Pr lleihenlli ld ung ,1r1d dc•r cla111il zl1s.ar11111.e11•
hä ngcnclr n ,Di:fir1il io11 t.lt·S psy,·ht1lugi~elu~n Su bj rkts ist at1 sicli jed och
hier nicht. ,,1c:-1.:r1lli(·li. \\"ir h n l) i.:l\ iltn 11ur t111ie(le11 lct , ,,111 z11 7.cigc•n,
daß die Rei he rnit eiern Begriffe di>r Sf>clc tlls elf!, Su l1j1•kts o<lc·r tles
pcrcipicr1s nicht, al,gc~clllr1:-:.f11 zu :-.c ir1 bra ucht i so11d(! r11 d.1 ß 11,an . ie
1
cllu,l«Jgi5chen ubjektc eine solche ftollc zu :1.uet Leilcr1 , \\'Ür<le zu111 logi-
·chcn \\1id1•rAinn r,1l1r n . Der Bcgrirf eines \Virl-i:liche.11 untc1· a11dcre m
\,Virl<.lic hcn l{nrut nie der Begrirf cinr..is nllcrn \\1irkliclie n, da:- v,ir kcnnrn ,
gc11te i11'5a111cn forrr1ale1l ~tonle11le · ci11.
ln1 Grunde gc,10111n1eri i: t auclr die~er Gcdar1k · de~ B c\Vu ßt-
sei 11 als cles crkenntnisthcoretL c hcn Subj el{Les einfach, ja sc ll~ l,-
v or~t.ä 11dl ich. Dio Sch,,·i<'rigl,r.it, die ih1r1 anlla[let, b e- t<.~ht nur darin:
die ObjektivicnJ11g des gesarntcn 'ccle11lebcns k ann 11ir-.ltt ir1 (ler \,7ci. c
Vt'l rgcnoo1.rt1en \\'Orden, daß da ~ crkenr1t1ti. t.h(~orcLi ~chc Si1bjokt al
eii1e Realiüit übrig bleibt, tlie dc1t1 psycholog ische11 Sullj<'kL als ei,1er
eb,..nsolcltC'n Rcn liUit gegcn(ihcrgcstcllt ,verclen könnte, ,vie die., bei
d<•r TrPr1nung de~ psyc hoplt}'si~c hc11 von der11 p ·) cl1ol.c,- gi~<:ltcn ubjckle
1
rr1üglich ,:var. E s i?:1 1.. viel1111.!ltr die ' fren11t111g des psyc h<>logist hcit
St1bjeJ<t.s v u1L1 erl, nrtlnislhco re t.i ·c hen n u r begrifflich rnögliclt,
d . lt. es kann z,,·ur j e d e r T e i I d<?s celcnl cbens Objekt ,vcrdcn,
aber ,,7ir ,d ürfen 11icht , ,o raus.s<?tzen, rJaß a lle 'l' eilc <l cs cC?lcr1lchens
aur cin,n al t1t1d zu gl ·ichcr Zeit zu objcJ<.ti,·icren sintl. E ::; bl.-ibt, ~ricl-
mehr, so ,,·eil es sich un1 \\lirkJiche ha11cle)t, ein 'J'eiJ des Jlsyc lio logi~clicn
ubjel{t e. in1mer n,i t den1 erker"lntnistheo rcLi3chen verbu11clort 1 oder cias
erl,enntrti$L heorct.isch.c ubj clct tritt nien1als i!--oli-ert. altf, ,vcr1n ,vir
unter ' ubj "'kt eine Realität , 1 crslche11. \Vir fl) ti~ser1 1 11ri1 ~f illvcr ·Ui1td-
ni~ser1 \·orz.u bcugc11, dies 1nit alle1r1 · ac h<lrucl{ licrvorhebcrt. Es liü1111t.e
011t,L die l·'rugc auflauclJei1 1 ub ,vi r el\va 1n e i11e11 , c.laß das e rkcJ1nlr1is~
thcoreti -che Subjcl<L da ~ 'ubjekL scj, d.as Ps)rc'holt,gic treibe. clLst-
Vf:!rsttindl ich kann die ps)rcholvgii;;che ntcr:;ur,hung und O:tr::;Lcllung
nicrna ls vo1n e t·ke1tr1tni~thcoreti:;che1.1 ubj elcL ge rührt ,vordcn, so11dcrn
1
dazu ist in1 rner ein p~ycliologiscli.cs Subjekt nöLig. \\'en n der Ps~, ·ho-
lugc n5ich seihst" beobacl1 tet 1 ,vie ntan :--ich at1.szutlrticken J)f.lcgt,
so beobachte t eben fal<tisch , \vi c '"ir ber iLs saglc1l , ein ~1· c i I scirtcs
Scelcnl cbe11 ein.cn a n d er n 1'cil. Das b co bael1te11de Subjekt. vet'-
licrt also n.icn1a.ls eine enlpiri.sc hc J=lealitä t.. \\fi1· ri1üsse11 zugl,e icl1
abt: r auch belo11c11, <.l <\ ß ctic."er U111.sLand Iür da 1 ,vr>ratif es uni; hier
a11k.or11 t1tl , oh11e Bc,teul.uug- .is t . Die b e g r i ff 1 i c 11 e cl1cicl 11r1'7 de
erkcnntn.i~t.henret.i ··c:·l1en vo rn J1S)'Chologi ·cl1en • uLj:ckL bleibt u1ta 11-
recl1 tl>ar, lind d.er B<'gr·i ff (lro c rkr 11ri l11istl1curctisc l1c11 ' uLj ckt..-; selbst
rnuß völl ig ci11c.lcul.ig ge,vor(lr·n. sein, ,, enigstcJl "' so,vei t , ua ß rr nicht
n.aehr rnil den l1ciu c11 a11<lern ~ul,jekt:bc-~riffcn v er,v1!chselt ,,·ird. ~lehr
a l1cr als clic · l:;rauc;hP11 \,·il' fiir ur1sere z,,·<•ck.c cit1cr Ze rstörung der
spirilt1ali.s li!'\cli,-rncla11h ~i~C' her1 I >of,"l 11cr1 Ilicld... \ \i'H~ das erk.cn11tois-
- 140 -
zu l{örpern so11dern Ztl a l I e 11 ernpiri ·chen OLjc:klc11 übcrhaupl. Auc h
rlara\1 s 1 daß das erltetmtnislheorcljsclie Subj,;kt, das l)egrifflicl1 zu
jede1n G •gc11 la.ttdc der E1~fahrt111g g,!l1ört 1 ir111ner 11ur zu:,a1)11r1e 11 111it
eir1 c1n tück. des individuellen eclenlebc11 ,virklich '\tor)(o111n1t,
folgt keine:;\vcg I daß alle Gege11SUinde <.lei· u11?11ittelbai·e11 Erfah1·ung
et,va j PsychiscJ1es sind.
Falls endlicl1 clns \\'o rt Bc,,·ußlscin Cür da~ f' t•l;e11nt.11i~th~orel ische
Subje kt gebraucht ,vird , so rnuß 111an die Erfal1runr.rs,v lt 1.,var in itircr
G esarnl h,c il als Be\Vl1ßt.sei11si11hall Lezeicltn1.:n 1 abc:r da~ Bt•,vufJt.sci11
1
i~t dnr1n eLe11 11ur der Narne für alle jy1 der ßrfa.l1ru11g g,·g •ueru~ \\:j rk_l ich-
kc iL, ur1<l ~'e nn unter die8er Voraus:-.et-zu11g die KörfJet· at1~h B e\vußt-
sci11si11halle zt1 nennen sind , so hören sie darurn doc h dul' · hau" nicht
au f. i h r e u n 111 i t t e I b n r e R e a I i t. ä t a I s l { ö r p e r z ll
b ,e 11 a J t e n. Die 1nit d er fal sche11 J.dcnti fizi ert1ng von Be"vußtheit
und seelise hrm Leben v erbunde ne Gleict. sc tzurig de FS)'Chi chen
111it dem unrruttell)a r Gegcbene11 is t gänzlic h tingerecl,lfcrtigt, und
es ~ir1.d daher durcl1 die Trennuug ue1· Subjck.l,begriffe alle Grün<lo,
:1Jhysiscl1 tllld Ps ycl1isc h in der \Vei e v o1)ei11a1ld cr z.u u11t,•r$cl1r-.iclcn 1
daß cla · eitle n11r Phiir1ornen, <las a11dere aJlein f{ealit.äL ci, ebe11falls
fo r tgefallen. Das 1->hy:;is-che und das Psy·chiscl1e haben \\r.ir, \vie n1a11
sie auch sonst definieren mag, jed enfall b e j d e als gleich unn,itLel-
bar gegeben a nzuscl1cn. Die D efinition des Psy chisc}1en a 1 1 e i n
dt1rch den Be\,·ußtseirt inl1alt geni1g t nicht 11ur nicht., onfJern ·ie muß
zu ~lißverständnissen fiil1ren, solangr- 11ic.l1t hinzugefügt \\'ird , daß es
nu ßcr den1 Ps)·chischen r1och cin >n a11dcrr1 He,,·ußl ·ei11.s.ir1 halt gibt:
die l(ö!'per,velt. Das B ·,vußt..-;cin kann i11 einer Dcfi11iLion <le Ps)'chi~
scl1tn ntir das gcr1us proxin1um s<>in t1nd ihm dje .'lclle t111Lcr den
e1npirisclie1l l~ettlitä tc1t üucrhaupt a11,vci:.-cn. Die spe1.ifisl' he Differeuz
tr1 uß erst gcfuudc11 ,,·ertle11. Die Definition des Ps)·chi::.cl1cn als der
Bewußtsci nS'\1orgiingc isl ftl'i'l a1Ldern \\iorLPn viel z11 \\'<'it und dal,er
ganz u fl"'eeigt1et , 111 n es gege,1 die l(ürJ>t!r,,·e) L aozugrc11zen. ,-\ )les,
,vas au d i c ~e r JJ cfiuiLio11 für <l e1\ Bl J'riff des })s~•cl1ischer1 sich
1
.e rgibL, ist ,•if'ln1-t:h r au cli für de,1 des f 1 hysjscl1en gültig: uu cl1 das l.>by-
si-che i Leine 11n r;niLlt·ll,ar gt•gebene .Hcalit.ä l , d. li. <l a s J)I1y~-isclic, d a
de.n J, örpf'r\vi~scni::<' hllfl.e11 nl )la lPrial vorljl'gl .
.Ja, \\'ir könrlcn l-c,g,lr, tun zu z i~"n , ,,·ie ,,·ett ig t.1as JJh)·~i.. chc als
nur 111illelbar i111 \ "erg lciclic zu111 l")~yr lti:i.cl,cn bczeiclt11cl ,vcrd cn d arf 1
11och ei11c 11 (!l1rilt ,,·cilc r •cl1crt. \\·(,llt~ inan ülJerlt:.l llJ)l. z,:vischcn
d €'. ll f>h )'3i ·~h en Ull(I d ct1 fJ .)'Cliisch CI I \ . 0rgä11 1r1:n n1it, J1 tlr· ksich t darHU r'
da.ß sie r11ehr odeJ' ,veniger tinmittelbar gegcbe11 sind, ei nen -nler-
S<.;.hied machen, so ,,iirde man sarrcn m11!.~en, daß die l{örpel"\\'el,t d e T
T ei l des Be\vußt,s.e insinhalte~ ist, der von n I l e n ~Icn. cf1cn ge1hcrnsatn
und unn1ittelbar erfuhren oder erlebt ,verde n karin. Seelisches Lcber1
dt1gcge11 ist j e-c1errL Ei11zel11en nur o,vcit unmitt,elbar gegeben, al. es
sein e i g e n es • celcn1t!ben bildet, u11d das übrige kenrten ,vir nur
rn i t t e 1 ba r, enL\veder durcl1 die Deutung von urlt11ittelbar .gegebene11
körperlichen Vo rgä11gcn oder vi llcicht aur. h, \vas hier nicht nä ltcr zu
erörtern ist~ durctt das 11 \ 'crstä nclni ," von el)cnfalls unmjttolbar er-
lebten nicht-p. ychisc hen Si11ngebilden, die ,,·ir mit andern IncJividttcn
ebenso gemeir1~an1 haben ,vie dio l(ö rper,·velt. Even tuell ließe icl1 dann
d er Satz b•-gründclt, daß das Seelettlcbcn das E i n z i g o ist-., \\'as grund-
si:i lzlic!) nut· z11n1 l<lei11cr\ 'l'cil t11unittelba1· erJebt ,verden l(an11, \\' ähre11d
alle and ern Obj ekte, im Prinzip ,,1 enigst,cns, allcrt :\lc11schen gc1neinsa1n
als un·mi t,tclbnre Gegebenheit en zugf1r1glicf1 si nd. Ob icli j ed oc h
au:; d.icsem m~La11dc ut1clt pri11zi 1licllc U nLcn.1•l1i1~dc für die :\Icthode
d er Bcgriff ·:t)jfclurtg ir1 d er P. ychologie in1 Gegc rL ·at,z zu llcr in d en
K örpo1'\visse nschafLen crgcJJet1 1 la~sen ,vir dahingei;w ll t. ' '' ir ltabe1t diu
Andc1llt1ng Ober clir. f\ tlRI,ahr11 r. t llung d e. cclrnlc.lJPns n.11r ge1nacht,
u1n zu 1.eig() n 1 ,v i e fnl~r h ~ i~t , das Ps )'chi~c h~ n1it d ein 11nrr1itt cl-
•
bare n Sc111 zu idc1Lti[jzierc11 Ün Gt'geu:;ntz Zt1r l\ör11cr,,·clt1 die un.3
t}Ul' l1liltelbar b ek~11nL ~ein so ll.
ur einen 1n.st,ar1d \vtill •r1 ,\·ir nor.h er,vü: ltn n, drr ( ll•~r1fnJls
1
d azu b eitrage n kartn, die 1\1isicltt.cn üLcr das \ ' crli i.i llnis, r11 d e 111 da.'
hf ateria l d er P ~)'Chologie trnlt' r logi clle11 Gcsicli lspt1nl\ten ztt <lC' n1 fl er
· atu r,vis~<?n..i cha ft~r.\ stt-- lt t, 1.t1 t r übf'n , tJntJ clrr vi<'lleicht gPra tl e d cn
:\f a nn d c.r c1n piri~chcn \\'i~"Cilschaft l>i::i,vcil cn in <lie Irr e führL. Es
solIt.e sich von ~elbst versLchc11, <laß, ,vc 11n 1110 n i111 lugi..:.c li ·11 l11tercsse
(c:; Lstcllen ,,ril l, ,,·ic d •1· B egri ff d es l' :;ychisehcn sich zu dctn des \>ii)·-
si..-r.c;hert v crhiilt. m an dabei irnmor r111r fla.' Phy~i~c he RO n(>hn1en (Jarf,
\vie c · s ich uns als nOc}h njcht ,Yi!--sc:rt:Srhafllich u n1,goforn 1l cs ~i a L e-
r i a l <larbietcl 1 cl)e11s-0 ,,•je 1ll::tr1 <loch 1la~ 1>syc l1iscl1c 11i1n11:1t irL d<'r (~e-
s talt, ,,,je es v orgefttnd r n ,,·ir<l. Diese R t•<li ngitng aber i:..L durc11aus
,
'nicht in11ner crf ül Il,. ,, clie , teile der l{ört)er,Yelt. ,,·ie sie itl ~ e111 pi-
r i ·ehe \\1il'kli clik:Pit 1111n1il l t lba r gl'gcbi.!tl ist, tritt un,,·illl\ü rlit;h rl er
Bt=•griff d ' T' l{Orl')er\velt., \Vi e iht1 d ic Na Lur,vis en-schaft 1t1e ltr otler
,vl;!nigr.r bPrPit.~ 11 c a r h e i t c t hnt. \\'ir lial)et1 nun gesel1cn, cla.ß
diese r J>rc,zeß der Bcarli..-iLt1ng v<>n V1Jrnchercin daru.uf g<'r ichL •t, ist ,
die A11 ·t:hal1l icl1l<eit un<1 u ur1tillclba rkcit der Jlti rpcrlicl1e11 Di11ge t1r1-d
\ ' orgHnge 1 d .i r ihnen als B c\,·ußtsein in.halLen zul"r>.1nn1t. iinrncr 1n •hr Zll
v crdräligen, so daß ::;cl1liefllicli eine rein qt1anLitativP \Veit an (lie Stelle
d er gegebener1 quulit.alivc11 en1pirischen RcaliLät. t.ritt. \ 1t"rglei~ht. man
da11n diese natL1r,,·i scnsc haftlicho B o g r i f f s ,,, c l t d,~ }>h)•sisch(fll
· n1iL dc111 u11millelbar gcgcbe11e11 r ca l c 11 itate rictl der P s}'(! h<,logie,
darin 1nuß selLst,1 erstäncllicf1 der nscltcir1 e11Lst ehen., al - ob Phy-
s isches t1nd Ps ychisches in bczt1g auf Ji c UnmiLtelbarl<cit r1rinziJl iclJ
von cinar1d.t~r ver.:-chicden \Viire n . Daß nber ein ~olc h,e r begriff:;rea listj-
c he r Vcrgleiuli in der l\JethoflcnJrh1-e unl>erec htigt ist, bedarf kci11er
näherer1 Begrün<lung. Nur di e ,vjsscns<:liaftlich nocl1 nicht bca.rbcit.cte
l(ör11er,,•elt is t das l\l a 1. e r i a I der Natunri~se11schaften 1 u11d sie
allein clarf n1it der ebenfalls \\ is~e11se haftlicl1 nocl1 1lic ht bearbcilc te11
Weil df'..s '"'oolenlebens v e rglichen \verden, die das ~lale1·iai der Ps)reho-
logic bildet.
Selbstvers üi11dlic.h so llen diese Ausfül1rungcn rue ht al le crkenn.t-
nis lheorc tischen Proble111e erlec-ligcn, die sicll in diese1·11 ZlJsamn1e11-
h::1nge aufdrüngcn könnf'n ut1d n1ü -:;en.. o k:ö1u1Lc 111an z. B. noch die
F r.1gc stellen 1 rnit ,Yclcl-1er11 R echte ,vir übc1·ha1lpt von cinPn1 ·11tcr-
sc hied \tun J>hysisc h u11<l l's) ·chisch ?'<~de n, solange ,vir un 1111r an den
Ul'ltnittelbar gcgebenert 1 ,Bß,,•t1ßt.seinsinhalt" l1altc11. "' teilt. nicht sc hon
seine , i.1alLu1lg i11 Z\\·e i v erschieden e Arten des Seins, i11 die des J)l1y:;i-
schen uncl die de:, Psychischen 1 eine begriffliche U n1 i o r 111 u 11 g des
u11n1iltcllJnr grgebcnen )Jal!.erials dar, ja , liegt die 'l'cnd enz die~er 1n-
formung nic ht bereits in. derselben Richlung, in der clie SJ)ezifi ·cli n a-
t u r \V i s ~ c tt s c h a f t I i c lt o Urr1forn1u11g des u111nittelbnr ge-
gebene11 toffe zu uchcr1 i ·t '? GchL nicht n1it and ern \-\1orLer1 der kürpcr-
'"i.5se·nschaftlicl1en Beg1·.iffsbildur1g cir1c f•'or1nur1g d e" gege ben en In•
hnltes voran, ohn e die es nocl1 keir1en Sinn hat, das Pll)'~isc he dem
Psychischen c1itgc•gcn zu setzen? Die r,t,vorl auf ~olche 1:'rH.gcn
kör1n<.~n ,vir i11 clic:;c111 Z11samrncnhangc nic ht gehc11 1 u11d \Vir Lra uchcn
e auch nic ht. .Es korntnt w1s ja ltic r 11 u r daratif or1, d en erlte1111tnis-
thcoret i~chen oder bes ·er cJc11 r11cl-itpl1y;-:-ischen Gegen atz von R ea-
liUit und Phüno1ncnalil :\t 1 von lJ111nitLcllJrtl'l,cit urid ichtunmit.tel-
burkcit1 aus dc11 Br,griffsbf•:;I irnn'lu11gen ct,•s Psychisch<'n nncl d 'S
Ph ysi ·c he11 fer11zul1altcn. Sollte cJie "p.1llt1ng d e:; \\'irli lichcn i11
Ph ysiscl1es un,l l"'s y(; hiscltcs nur das l'rodul,t ci11cr Legriffliche11
Bea r!Jcil.u.t1g d es u11millelbar Geg ebc11en :;ci,11 u11d dahe r i11\ u11rrdttel-
bar Erlebten belb~t noch keine Stelle hah,... n, so b lcib<'JI cl<>ch di<:se
beidt>n \ \ •1~1l cn , \.V<'nn !'- ic einmal gcLrc nr1 t i-Jnrl, mit Riick:-ich l auf <lie
fi zjcrt ,verd ~11 d'iirfe. J\b\:r das l<'rc rr1dartige cJies,•r "äl1.e beruht dc1ch
ltur auf d e r d a h •i v e1"vendel1•n 1'ern1i11olngic, d. h. alrf d<',n lJ m land s
Jaß clie ..\u::d rücke, die ,vir nicltl e11tbe hre1l kör1r1crt, viel,lcutig si11d.
Der Salz, daß <las b~gri(flic;h 11ocl1 unbearbeitete ~TaL<'riol <ler l{örfl 'r-
,vis~e11schafl.en niul1t mel1r und ni cht ,ve1tigc1· un111iLLelbur und real ist
als das begrifflich noch unbearbeitete ~Ia.Lerial der P ychologie, kctnn
nicht .p aradox lil'ingen, obald 1t1an n.ur· a11 clie Tfitii;keit denkt, ciie die
Männer der atttr,,,isse11sc hafl,('n untl <-lie P:;;ych<,logc11 ,virk.Jicll a,1s~
üben . Sie gehen a lle von 11n1 n iltclba r gl'gebc.r1e n Bc,vußLscinslatsaclicri
aus ur1d · Leigen ,,011 diese11 alhnä hlich zu iliren Begriffss)rstcrl1c11 cu1pu t.
D e r Pl1ysiker ,vürde seine ,vis.sen:schaftlichen Un.t crsuc,h ungen eb enso-
,vcnig ,vie der P syc hologe b egi nn en kön1ler1) ,venn il1111 sein 1\Ja-
te rial nicht, u1trnilLelbar i1r1 BevrußL ·ein gegeben \\'äre. J edenfall
,vollen v,ir hir r a c h 1 i c ll nur et.,,·a im Grunde genomn:1Pn gnnz
Eir1faches1 närnlich die l3cha11 11tu11rr <lcr ur1rr1ittelt1arcn ll ealilä l der
.K örpenvc)L zu1n Ausdruck brir1~t11, die die stillsc h,,·eigcn<le \ 'orat1s-
setzu r1g aller NuLttnvissf'n ·chnfL i1'1 t , und rlie kein,:! Sllirit11a li~Li,s,·he
J\letaphysik beseitigen ka.11n. ~achclc1n w ir cin rnnl fC'st..gesLclll l1&ben,
daß das \\1·orL "Bc,vt1ßt"e1n1 ' z,vei ga11z VPrilchietlenc Bed ct1Lunge11 hnt,
nii1n!ich ei11,11a.l die Unrnittclbnrk<>it des eins ül>erl1aupt u.nd sodnnn
das pezi{isc h p ·ychisr hc Scir1 bezeicht1cL1 l<önncn \1t'ir, ,vo i\l ißverslitr1d-
11i~se 1rlöglic h sind , das \1/orl Bc,,·ußlse.i11 auch vern1ciden 11ncl uns uuf
die ;\b,vcl1r der ß chai1 r>turtg beschrä11licn 1 d aß, ,vcil die Erfal1rut1°~-
,vclt. ein Be,vt1ßl„ eins vo 1-gt111g sei, nur dn.. 'eelenl cben un1nil tPlbare
RenliLä.L besitze. \.Vir halten daran fc t, d Hß das ,,,,o rt 1 ,psy,·ltisch 11
jcd•·rt 'i1111 verliert., ,vctlll es ni cht a uf eiuct\ 'f e i 1 <lcr ur111ti l lell)ar
gegebenen \:Virkli ·hkeit beschrä nkt. '"ir,1, tanll daß die un1Y1il t.clbar
gegebene Körpe r,vcll <las ci11zige ~I a l c r i a I d er <'tnpi risC' h,r n i'\c:1t11r-
,,.isse11 cl1afle11 bilclct. Das, ,,•ns Jllttl1 unter erk~11r1lni~Lheoretischen
Ge. icht.s1)\tnktcn al s Bc,vußL..;cin~inhalL zu bezci ·hnt!n g1·,vo hnt.. isl 1
als <lns a llein u11r11-ittclbar gcgel>et1e 11 , ei11'' i11 cir1cn Gegensatz zu der
11ur als ,1 ErscJ11.:i 11urtg" gegehe11en ,,,'elL der l(ürper treten. Diese
b eid •11 Suuj eh.tLer.rrirfe l<on1men jedoch, ,vie ,vir gescbe11 habe11,
II.
D i e g e n e r a I i s i e r e n d e E r l< e n n t n i s d e s S e e l e n-
1 eben s.
Daß z,vischen d en ~Ieth,odeo der Körperwi sse11sc l1aften und
d enen d er P s ychologie erhebliche n terschiede bestehen, \\'ird niernand
in Abrede stellen. Schon der Umstand , daß die für jede empirische
'"' i~senschaft not""'endige Objektivierur1g il1res ~l at erials in der Psy-
ct,ologie mit Sch,vierigkeiten verbunden ist, die die \Vissenscl1nften
von d er l{ö,rpet"\velt nicht kennen, daß man ferner immc1· nocl1 allzu
geneigt ist, Sinngcbilde ,,,ie die Bede utung von \Vortcn, den Gehalt
v on Urteilen oder au,ch der1 ä thetischen „Gegensta11d" an I{unst-
"verken und \VertgcbiJdc, die an andern J{ulturgütern l1aften 1 für
ps ycl1iscl1e \Virkliclikeiten zu hall&n, ob,vo}l l sie gc,viß nicht zeitlich
ablaufe11dc reale Vorgänge in nur einem i11dividuelle11 Seelenleben
sind, rn uß sicl1 auch f ilr c.Jie ~fethoden der P s.ychologie n1ehr oder ,ve-
niger geltend machen 1 und es i ~t ge,viß eine interes antc Aufgabe,
die logiscl1en E igentün1licl1kciten1 die sich l1ieraus besonders füi· die
Auffindung und Abgrenzung d es von der P sycl1ologie zu unlers uchen-
den ~laterial ergebet11 irn ejnzelnen zu v erfolgen. Auf die e11 T eil der
psycl1ologischen Arbeit ko111mt es aber hier für uns r1icht an. \Vir
setzen vielmehr, der ,vieder·holt hervorgel1obencn Beg1·enzung unserer
Aufgabe en t..,prechend , das psycl1ol-0giscl1e ~latcrial in d en1 nngegebe-
11en ir1r10 als ,vi sensc haftlich zugänglich tind v on allcrn Nicht-P y-
chi ·cl1on gcschieclen voraus u11cl fragen r1ach der logisc hen truktur
der Begriffe, rl1it denen die Ps ycho logie dies ~'laterial darstellt. Daß
die v crscl1ied en en Teile der ,visscnscl1afLlichc11 ~f 'äLiglieit., insb eso1,dere
nters uchung uncl Dar~ tcllu11g; gerade i 11 dieser V\f j sen~chaft vielleicl1t
nocl1 \vcuiger al~ a;r1der:;,vo faktisch vor1 einander gesclded en ,,·erder1
können,. binderL uns nicht, ie begrifflic l1 auch l1ier zu trenn.c n und
.
abgesondert von einand·e r zu hotrac hlc11. , :Vir könr1tc r1 1 \\ 'CJlll \\' Ir
10 +-
Diese Bestimmung, die don Begl'iff ir1 das z,,,eite Stadiwn überführt,
is t sogar in der P ycl1ologie rneist von noch größerer Be,:leutt1ng als
in den "'' issen cha!ten v o11 der K örpe1"\vel t. Aus Gründen, die \\ieder
mit den Sch,vierigkeiten einer Objektiviert1ng des psychiscl1cn l\1Iate-
rials Z\Jsammcnl1ä ngen, is t es oft sch,vcr, die ps),cl1ologisct1en Begriffe
scharf gegenoinander abzugrenzen, und e i t dal'ler eine wcscntlicl1e
Aufga be der Psychologie, zunächst eintnal durch Bt~griff~hesLimmt1ng
eine möglicl1st eincleutige Ter1n inologie zu scl1affcn. Aucl1 di~ e Art
der Begri(fsbildt1ng kann aber von der körpcr'\visset1icha(tlic}1en in
ihrer logischen Stn1kt,ur njcht J)rinzipiell verschieden sein. Es i t
d a l1er, oac,hd cm ,\~ir so,vol1l in bczug auf die unüb ersehbare r..t annig-
falti:gkeit und ihre Uobe1'\,·indung durch die allgcmei 11c \~'ortbe(l euLung
als auclt in bez.ug auf die Be: tirnn1theit des Begriffes eit1e Uebercin-
stimrnu11g i ,vi chen l{ö·rpenvissen~r.Jia rt und P sychologie konstatieren
kot1nten 1 nur 11och mit Rücksicht auf das drille l\1 oment d es körper-
,vi senschaft.Jicl1c11 Begriffes, die unbedingt allge111rinc G e l t u n gt
ein e b esondere Erörtert1ng not,,1cnd ig.
Da kan11 tr1an nun tnc.inen, dnß die P sychologie i1n Grgensatz zur
Natt1nv.i,senscllaft uj emo ls ü bcr eine B e s c h r e i b u n g des eclcn-
lebens mit H ilfe eines Sy ·tems b~~limr11Ler B egrjffe hin.a \1sko111me. d . h.
als d eskriptiv e \Vissen eJ1aft außer tande sei, die S()c)i:;chen Vorgü11gc
du1·cll Unt •rordnung unter Gesetze~h<"griffc i u „erkli:iren". \Vi r
könnten auch iugcbc.n, <Ja ß diese B el1auptung zutrifft, denn selJ)-·t
unter <.lic'et· Voraus ct1a1ng ''"ürrlc i11 bczug auf d ie logi-che Strul{lttr
155
so liegt, auch wenn ,vir die dort \.Visser1 'cl1aft lreibcnde1i \Vesen
a ls uns äl1nlich annehmen, kein ·G rund v or, zu gla uben , daß die-Se
Be.grirfsy tem mit dem unsrige.n irgendwie übereinstimmt, \vä l1rend.
in d en erklärenden Wissen cl1nften die Geset zesbegriffe für Licht oder
Schall our allen Weltkörpern dieselben sein rnüsscn., ,\·o ur\S ä hnliche
\\.rcscn überhaupt Licht und Schall k ennen. Sollte also die Zoologie
oder d ie Botanik Ober Organisn1en irgend etwas aussagen, d essen
Geltung über die direkt beoba<' htetcn Tiere und Pfla11zen unS-erer
Erde l1inau:::gcl1t, so müßte a ucl1 sie m el1r als bloße Bescl1reibung und
Klassifikation in dein a11g,egebenen Sinne anstreben. In e.i ner ä l1nlict1er1
Lage ,vie d.er Zoologe oder Botaniker sich den Organi mcn ft'erader
•
\Veltkörper gege110ber befindet, ,,·ürdc sicl1 aber der Psychologe
gege1\ilber dein Scele11leben and erer \Vesen befinden, ,venn er a uf
bloße Besch.reibung und l(la sifika t ion , die rein empirjscl1 i t, bcschrl!nkt
\\•äre. Er kö11ntc dann nur Beg1·iffc b ilden, d eren Geltung Ober das
direkt erfat1rbare eige11c Scclcnlcbe11 nicl1t l1ina usrcicht1 und die~c
Begriffe hätten für die P sycliologie al \ Vi seriscl1aft keinen \\,ert.
Es soll doch a uch in d ie sogcnan1., tc d c„kriptiv,e P 5)'Chologie da den
versch.iedencn Seelen Gcmei11sarr\c eirtgehen. Ein Begriff:; ·ysto,11 also,
' das an eir1cm kleinen 1'cil d es Seelenlcbcr1s gebildet ,,·er<lcn m uß und
d ocl1 ge lten soll für eine ~fannigfaltigkeit.1 d ie nieni.a l direkt zu bcob-
acl1ten i t, kat1n nicht aus bloßen l\[c rkmalskon1pJexe11 oder rein
empirischcr1 Gattungsbegriffen in d em früh er angegebenen Sinnr
bc tel1cn. Der Psycl1ologe muß vielmelil' stet danac h l rebcn, seinen
Begriffen eir1e 1nclir als empir isch allgc1nei11e Geltung zu v crlcil1c1l.
\ Velch.e '1Vege er hierzu einzu.chl ngen hat , kann ,viecler d uhinge~telll
bleib en, denn nur a uf die logiscl1e Struktt1r d es gc,vonnen en R esuJtale:;
k.o mmt es uns an. Die Begriffe, d iP an eiern cigertcn Sf'clenl ebcn g,~-
bildct sind I rnüs~c11 g{')l,e11 für ti as ' cclcnlebcn überl1a1Jpt; sonst ist
eine P sycl,ologio als \\1 issenschaft. v on dein g..,samlen p ~yc hische11
Sein nicht rnog,licl1.
Dieser Gedanke lü.O t ::;ic h auc h so OllRtli:ücl<en. l\lnn hnL gesugt,
daß alte Psy cllologic i'trl Grt1nclc gcr1om111en l nd ividt1al 1J~ychologie
sei 1, unu da i t, richtig, ,,·ei l \\·ir in11ncr auf die Beobuclat.ung de-.. ir1-
dividuellen Seelenlebens besch rä nk t sind, also in t.l er rf aL psychologi-
sc he Bcgrifre imme1· nttr Begriffe von solchen Tütigkeitcn •o der \ tor-
gängen sein können, \\'el hc d.ic l~eflcxion t-tuf u11-s aclbsl ,,·irklicl1 c11l-
deckt 11al. Der Ps)rcl1ologe ist d emnach, \Vas die ur1111ittcll,are Erfah-
' Si g war 1, Logik l (, 4 . ,\ufL S. 200.
Ei11c F'ragc habc11 ,vir jectoch hi licr 11oclt Jlic lit bcr ück:-ichligt.
1\ Js ,,ri r v orl clcr l>cgrifflichcn Erlic·11r1tr1i::; der l{örp •r,,·clL l1an<l t'[t~11,
b e chra,tl(l.eu ,vir uns 1uclit nur attf d ie .l\blt'it1111g d er c1n1)irii-cl1crt
Allgerneinhejt, cler Oc:- Li1n1l1Lhei t. u11d der t111bc<liT1gk11 Gelt u11g, d ie
j ed er nnt11r\\.·issensc hnrLIic hc B ,gri ff n1eltr od e1· ,,·e11 iger be~iLzo11
muß. ~ontlcr11 1nucht.en al1cl1 den Vcrsucli, das 1c.lcul cir,cr abscli licßcn-
d cn l ' hcoric der l\.örper,,·clt logi,:;cl1 zu l{o11slrt1i "l'CD. .\liL llöck~icht
hiera uf ,,·ar c. tl ann 1n.ügli(• h, Ztl zcigc111 Ul tf ,,·elcl1fln1 \\'ege <lje ~ at ur-
\Vissensc baft nicl1t 11ur relativ bestimmte u11d gültige Begriffe bilden
sonder11 sich einer absoluten Bestirnmt~1eit und unbedingt allgemeinen
Geltung il1rer Begriffe anzunähern verrnag. St immt auch die logisc he
Struktur einer „letzten'' Wissenschaft, durch die a lle Probleme der
Psychologie zu lösen ,vären , mit dem logi chen Itteale der letzten
Körpcr,vissenscl1aft überein, und ist es möglich, ,venigstens die I{ich-
tung d es \Veges anzugeben, der in d er I:>sycl1ologie ZUI' Aunällerung
an ein olches logi.sches Ideal führt ? Erst die Beant,vortung die er
Frage schci11t u11serc U11tersucllung zu einem S)'st emntischcn Ab. chlt1ß
zu b ringen . \ Vir können uns dabei aber nicht m ehr auf die Ausfüh-
rungen de erst en l{apitels berufen, ,v,eil dort die logische l{omtruk-
tion der letzLen Natttt'\\;issenscl,a [t nur mjt ausdrilcl<lichct llück:Sicht •
wie sicl1 eine Tl1eorie gestaltet, die darauf ausgeht, das p ·ycbh,cl1c
Sein o h 11 e ausdrO.cklicl1e RückS-icllt auf seine Abl1ängigkeit vo11 der
Ge etzmäßigkeit des physischen Seins in einem Begriffsystem .zu
umfassen.
Aucl1 dabei ist. von vornel1erein klar, daß man sich be1nü}ler1 \vird,
das gesan1te Seelenleb en untere i Il e n einl1eitlichen Begriff zu bri11gen1
ebenso wie die letzte Natur,vis e11scbaft die I{örper'\velt unter den
einen .B egriff d es l\lechanis1nu_s zu bringen sucht. Von „letzten Dingen"
kanr1 z,,rar filr dio P syc hologie keine Rede sein, aber Begriffe von
uElementen' 4 , d. 11. einfacl1en Bestandteilen des Seelenlebens wird
man bilden, au:s denen a11e unübersehbare !t1annjgfaJtigkeit bestehen
soll. Falls sicl1 e i n letzter Begriff von solcl1en Ele1nenlen nicht
finder1 läßt., der dem letzter köI"pcrlicher Dinge entsprjcl1t, so d aß
·ich der Parallelismus im Prinzip a) undurcl1fül1rbar er,veist, ,,rird
man die l\1ehrhejt der elementaren Faklioren. doch so kJein wie rr1ög}ich,
jedenfalls aber als begrenit denken, denn nur dann kann at1s Gründen,
die ,vir aus dein ersten l{apitel bereits kenne11, eine in \-Vahrheit all-
gemeine 'l'heorie des Seelenlebens zu tande kott1tncn, in der jeder
ps)·chische \ ' organg seinen Platz findet. Daß es psychoJogische Theo-
rien von die ·er Iogi ·chcn Struktur gib-t, läßt sicf1 nicht bezwejfeln.
Scl1on in frül1eren Zeiten hat inan z. B. versucht, alles Seelenleben
als aus ,,Empfindungen'' bestehe:nd zu denken, und neuerdings ind
diese Bestrebungen wieder auJgenommen. Der \•Ville, so meint man,
ist durchaus nicl1t.s, was sich von d en Vorslell.ui1gen 1>rinzipicll unter-
scheidet, so11dern er tnuß ,-vie sie als ein l(ompl ex von En1pfindungen
begriffen ,verden, und ebenso soll es sieh 1nit d en Gef(i l1len der L1tst
orlor der Unlust, ,vie überh aupt 1nit alle11 ps ycl1i~cl1cn \' orgängen ,
verbalte1\. Besonders in den ,,einfact1en Emprindunge11", von denen
man r edet, hätte also die Ps ychologie einen Begriff, der dem des „let ~-
tcn Dinges" in der Körpenvissenscl1aft lo,gisch entspricht, un.d cben$O
,vird aucb eine Vcrcinheitlichung der Relationsbegriffe angestrebt:
die Be zicl1ungcn, in denen die Empfindungen zu eir1a11der stehen,
sollen du rcl1,veg uni.er de11 Begriff der ,,Assoziation'' fallen . Dan1it
,väre dann das gesa11'1te, unüberscl1bar rnarmigfalt ige Seelonleb• 11
überall aJs l( omplex von Empfindungen aufzufassen, die von As ozja-
tionsgcsetzcn bel1errscht si11d. Es ,,·äre also in allen seinen Teilen
unLcr einer1 einhcitlic~1er1 Begriff gebracht ut1d son1it übernl1 als do."-
selbe z.u de.n ken. FreiJich i t geracle die Assoziationsp ·y chologie neucr-
clings ct,vns in Mißlcredit gekommen, aber a11 der logiscllen Struklur
- 160 -
der allgc111einen psycl1ologi::-che1, 'fheorien är1dert a\1ch dieser Un1gtand
nicl1ts. Da kan.n 111an z. B. an ~Iün terbergs Arbciw11 verfolge11.
Er llat die As ·ozialion ·psJ•choJogie ve rl assen , 1,1nd trot1,;dem sind seine
Sc hriften nacl1 ,vie vor von de,n )dea le eines ps ycl1ologischen Begriffs-
$)'sle111s gclcitet 1 des:;;er\ logi ·cl1c ebereinsiimmung rn it, d em Ide a le
der 111ecJ1 aru ·chcn l{örperauf!assung ir1 die Augen pringt.
Andererseit~ jedoch d.tirfen " 'ir hier gerade bei solche11 1'heorien
nicht sl t1cn bl<'ibert, dcr1n sie sind durc haus nicht allgcrne in anerkannt,
und es d a rf dah er nic})t so aussehen, als sei d er rtal ttr\vi sc11_cl1afl-
liche Cha.rakle r der P syc hologie 11 u r d ar1n ge\,·ahrt, ,,·e nn versucl1L
,vird, dn gesarnlc Seele·nlcben aus let zlet1 eir1facl1cn E lem enten au f-
zubnt1c n , die nicht nle hr von einander versclaied en ·ir1d uud n11r noc h
durch il1re Anord11ung vor1 ci11andcr ab,~,eichen. D oc h haben ,vir nicl1L
so scl,r die Einv:änclc irn .l\,ugc, die von seilen einer vors ic hligetl
Spcz_ialfo,r-. cllung gegen di eses Ideal erhobe n wet·der1 können , (lcnn
bei oi11er so j1.1ngen \\1i en cl1aft j t, die 11Vorsic ht" vicllcicltt nicht in1-
me r clie i t11tler d e r \ Ve is heit, die 1.u ,vertvollen l-Iy11othese1l führt.
Bed crtklic hc r i t scltün , daß gerade die Ucb ercinstim,nung in d<'r lo-
gischen St ruktur, die gc,visse psychologische 'l'l\corien mit der
f echanik zoigcn, de n Ve rdacht e rregt , hier sei doch allzu äußerlic l1
die körpe1'\vi:;scnscllaftli-che l\let.hode au f cl.as • celcnlchen iibertragen .
\ for all em jcclocl1 ist dies erttschcid~nd: ob die Auff11··su11g d es Scclct1~
lcbcns als eines Ko111plexes von Bn1ptir1d u11gcr1 oder von irgerid \\·ei-
c hen andern ElcmenLen ,,is ·011 c ha!tlic hen \\iert ha t., das kann nur
di.e Ps)•c11ologie selbst , ruc111als die I,ogik. sagen . \\' ir sehen d•al1er
von. d en 1' heo rien , die das gcs.an1t,e psycl1i:-che . C'i n. al Empfindur1gs•
kompl ex oder ä11nJicJ1 a ufzufassen versuche11, hier vollsW11dig a b .
\1/i1· kü11nen es, den11 ejt1e für unser n Z,veck ,,·etie ntlic he J.'rage ,vircl
hi e1-durch gar niclit l,crOhrt. Ist die B ildung e i n es .,letz ten" psy•
chologiscl1cn Bcgrifres, unter d en n 1 1 c J>sychisc;.hcn \ 'orgürtge falle11,
<ler Psychologie ve1 agL1 u11d bleiben z. B . die uVorstellu11gen '', die
11
11 Ge[ülde" ttncl die ,,\\'ille11s-akLe , ofier auch ir"enu ,velc he anuere
162 -
zugeben, claß sich nicht ersc her1 läßt, atJf ,velchen1 \Vege die Psycho-
logie jemals die qualitativen Unterschiede aus ihren Begriffen los\\,er-
d en und jr1sofern zu einen, Id eale kommen, k,ö nnte, d as clem d er körpcr-
wissenschaFtl ichen Begriffsbildung gleicllt. Das, ,vas cler1 Raum er-
füllt, d . 11. die K örpe1·,•,elt, i t bisller wenigste11s die ei11zige \Virklj ch-
keit, hei der eine logisch v ollkon1mcnc VereinfachtJ11g clurcla Qua11li-
fikation a ls Ziel det· Begriff: bildung aufgeslel ll ,verden kann.
Folgt nun aber hierau~ et,va 1 daß at1ch logisch ein J)rinzipieller
Unterschied Z\\ 1ischcn Körperwissenschaft und P sychologie gemacht
,verden ,nuß? Das ist gelviß nicl1t d er Fall, denn ,vüre die ?\·fögli ch-
kcit einet qua11Li Fi:ziercr1rlcn Begrjftsbildung als en tscheidend für die
Frage anzusehen, ob eine \\'1sscnschaft im logischen .inne Natur-
\Vi„se11schafl ist, so tn tlßte d er Begriff der Nat\1nvissen chaft erh.ebli h
, rerengert ,verd cn, ,1,n d z,var so, daß er au f einen großert Teil d er \\' isse11-
schaftcn von d er K örpch velt nicht mellr angc\vend et ,,,erdc·n könnte.
J~ine v ollkomme11 allgen1ei1te Theo-r ie de r l{örpe1"\velt muß z,,,ar auf
Quantifikatio11 ihres Materials a,1sgchen , und unter d em Ge ic hls-
p1,tr1ktc dieses logiscl1en Ideals sin.d auch die Begri ffe d er übrigen
\\li en ·cl1aften der rein mechanischen Natttrauff.as.-;ung insofe rn
ltnt crzuordt1en , als sie il1r rucl1t, \VtderdJ)r-echcn dürfen . .E benso ent-
i-;c hieden aber haben ,vir andererseits her,•-o rget1oben 1 d aß die Ein1.cl-
\\'jsscnschafLcn , d ie ihre l Tnlersuchung bcschrii nken 1 ihren sclhstä11-
<liger1 \ VerL gegenüber der rein r11ecl1ani cherl Körperatrffa u11g r1ie-
mals '\'erlioren könr1en, ja, e ine \Visscnsch:ift von l{örpern, d ic n ll r
1nit. Qua1ttitäteu arbejtet , ,vürde aufhören , eine \ VissPnschait von
,virklichen l{örpern zu sein . In vielen Na lunv-is~euschartcn spielt
die Quanti!ikalion i11 der Begrjff..,bildu11g übcrl1a upt 11ur ci11e geringe-
Rolle, tind z\visehcn die~en Disziplinen und der P sycho]ogie bcsu~l1t
daher logisch kein pri1lzipiellcr Un t crschiP.d . Nur das eirte bleibt :
die d enkbar vollkon1n1c11 ·tc Vcreinlacllu11g aller anschaulicl1cn ~fann ig-
raltigkcit ist 7.\Var der Psyc hologic versagt, aber . ()\Veit ,vie rnöglich
~ucht, attch die P sychologio sict1 ci11cr v'ercinfac t1u1tg jl_ire ~1ateria l~
d urch tlie Bcgrifff:bildung an1.uni.-i her11, und au f d iese ,-r cndcn.z ko n11nt
(~S l1ns in die~em 7.L1i:atl11ne11l1 ange allein an. Es genügt , ,,·en1l ,vir
zeigen können, daß . ie den ,,1 issen ·cl1A flen von de r l(öl'penvelt und den
r~)'chologisc he11 l1iszi J)lir1cn gerneinsan1 isL.
Docl1 ,lurniL ,,·erden sicl1 rlie Gegner einer natur,vi:--sc11 ·chaft lich
v erfahrende1l f•s)· l1ologic vir llci ·ht n oc h nicht zu (r ietlcn geben. .' iP
künru~n 1lar;iu f l1in,,·ciscn 1 cla lJ 1 \,·er1rt Huch d a~ ~lal f' rinI clcr Jl$}'-tllolc,gi~,
•
zt1lc.ge11, brauche11 ,vir r1~in1.lich 1lenBPg1·iff <.les 1-fisLorisc hen, durcli ctcn
a\1ch erst , '" ic ,•ri r früh t•r he rnerklcn , Jie lu"i"c lic Glic,Icn111g der 1{öl'per-
\v i&;c11sc ha fter1 , rollk 0111u1cn klar \.\·erclt.•n l,a11n.
V◄'.> rl äu fig fnssc11 \\' ir n a her ,J'as T{csullat clie-.scs 1\ hsrhnittc5 llr1hi1t
0
zusar1111.1c11, <l ~lß die tJ~yc hisc lH•11 \ fJrgi1nge 11irh L 11t1r eine Art 1Jr r llc-
griJflichcn Bc:l.l'heit.uitg zu I a ~ · c n, die iler bei ucri K ö rpct,1o r-
•riir1:gc11 a11.zu,,·e1ld t·1trl cn prir1z.i1>iell lugi~c h glcichL. !'.>0 1ttl er11 <.laß für die
Ps)•chologic {lic 11aL11,..,,,·is.:;en_chaflliche B~griff~bi ld uu~ nt11•h u n-
e 11 t. b e h r l i· c h ,vird . =-,o Lnld ein" Erk,)J11tt11i~ d<'::i: ganzc11 Seelt'11lc>bt'J1~'
ir1 a llt.'n sein •11 ur1ü ber:-eh lJHr rna nnigfalligrn 'J'~ilc n ang ·trelJL,, ird. jJ ag
die Psycltc1lo.gil'!, ,veil ihre ß f'g ri ff" zun1 Iuha-lu- i11u1u•r Q11:1lit-ii t Jt h;l!Jen,
III.
N a t ,1 r ,v i s s e n _ c 11 a r t u n ◄J G e i s L c s \\" i s s c n s t h a f t.
\ \1i1'veri-uche11 zunäch ·L, ,Jen Begriff der Na Ll1r,•, isi- n:;cli a[L iu
seiner logi ·cl1cn Bcdculurtg (c,sl,zt1s te ll cn ! \Incl g ehen dab<' i von d en1
Oegriff de1· Na tu r aus. Irn Bcgi1111e der ·nter ucl 1ung l1abr-.n ·,vir die~
\v'ort. nl:; gicicl1})edet1te11cl n1it 1~ ö r p e r ,v e I t gebraucht, ab-e r
\voz_u sie in ei11em Gegensatz sLeheta. \Vird die a tur vom Seelenleben
unterschieden so ist sclbsLverständlicl1 nur die l{örperwelt. damit ge-
m eint. Auße r diesem Gegen satz aber spreche11 '\\'ir 1:1icht t1ur vor\ Nal.ur
und Geist sondern aucl1 von Natur und Ge ch ichlc, at.ur und Ku11st ,
Natur und Sitte, Natur und l(t1ltt1r1 Natttr u11d Gott. J tl, es ließe11
icl1 ,vohJ no,eh mel1r Paare finden, in d.cnon die Na tur da ' eine Glied
bild et . Aber die genannle11 genügen, t1m uns die Vjelde utigkeit <l es
\\ro rtes zum Be,vu ßt ein zu brir1gcn . Z1Jgleic li scher1 '"'1ir, daß -aLur
die Bedeutung de~ körperlichen ei11s 11 ur dan11 hat, ,venr\ .. ie jr11 Ge-
gensatz zu1n e •lj schcn stel1t 1 oder ,vcnn geistig nic ht..s anderes ah,
psyclLisch bedeutet. ~f an '"'ird dahel' sagen r11t1 .,e n, daß in ,d iese1n
Ii'alle die Bedcut ur1g ungebü hrli ch ve rengt isl. Im Gegensatz zur Ge-
schjchte, zu r l{ultu1·1 Zt.lr l{u11st, iur Sitte, ZLt Gott ist
keinc:n
U f-\V. atlf
Obje kte, insof rn ,.,.ir nu r c nL\\·cd,·r p~ychisc lte oder phy i ·cl1c Vor-
gänge als er111Jiri cl1c W irkl ich kl'iten ken11en.
Unter di(\!<Ctl l TrnsW11d c11 ist c" sehr bc-grciflich, daß man unter
atu r vielfach auc h dj c e n1 p j r i s c 1) ,e '\' i r k I i ch k c i t über-
haupt v cr:-ian•Jcn hat. De r G<·gcnsalz zu ihr \\'ürdc dann e nt,,·cclcr
t:!inc \\rirkl icl1k·<> it a 11dercr t\ rt als clic un un1 n i Ltclbar g<'gcbcr\e u11.cl
bl'kannte oder at1cl1 et,,·a:-: · 1jch L-\\li rkl iches ·ein. kö11ne11. Docl1 i. t
tiics ,vied erun1 ni cht die Bell~ut.ung , ,die clas ~ ·ort. Natur in1 Gcg~11-
salz zu den vort1er genannLet1 Bcgrif,(en hat. E i11 V\Terk der bildcn(lcn
J
l{ unst z. B. od,c r ,e in andcr('~ Ku itu r,e rzeugnis ist. aucti c irt Stück ,l el'
c1r1piriscl1er1 \1/irkJiclilicit., u11d inan \\ljrct c · Lrot..z.dcm 11icht iat.ur
nc1111en. Als Be1.eichnt1r1g für d,ie g es a n1 t e cinpiri~clte \\rirklich-
keit hätLc a lso d as \\'ort cir1e zu \V ite B edeutung uad kö1tr1tc außc rdern.
iu ci11er log ischc1t Glicdcru11g der en1piri,:;che r1 \ Vissc11schaftc11 eb e11_0-
,,·cnig eine Rolle spielen , wie dann, \.\·cnn c ~ .nur Für tlie l{örpcr,vclt v cr-
,,·cndc t \\1ird . \\•1 il' ,vollen ja hier zu niich~t. J'e d iglich die \\'i ·sc11sch a f-
ten von der c1n pirii:-.clten v\rirkli chkeit eintcilcr1, un<.l sie ,vären dan11 al le
N;ltU1'\,rissenschnfl t• n. \\1ir n1ii:-- t'Jl a lso, fnl l~ die \Vortc NDLtlr ttncl
atu1..,,·j:,;scn~cha ft itl ci11cn1 logi:-.chcn Zu:1ar11n1,e11b ange. dcrl ,,·ir aut
iJ ie Ei11teilt1 ng clrr ern 1>iri:;ehc11 , vii-lsert...cha rlcn bc1.icl1en 1 al. ·r er1ni11i
•
111 it li)gi:--chcr B,,•◄- 11! ttlt1 ng gr.Lrat1ch t ,v.-rd r n ~oller11 11nr h nach ein er
'
dritten Bedculurag rle. \\.-orLc atur suc:h f n.
, Einc-s i~l clabci von vorneltcr1•i11 J\la r. \V'enu d~$ \.\rort a tu r, f(ir
di•t~ l(ö rper,vclt a ll ein nngc,ve11drt, eine Z\t enge, für clie r.1t1pirisclie
: \ \l'irkljl'hkcit ii l,crhau 1,t <1nge,,·c nclel, dagegen e ine zu , v(•ite ß edcu• 1
•
l Ul tg hat, t1·11,1 c• lbstvc1'!-lii nrl)ir l1 seine Glcicl1~ctzt1ng nlit drn\ eelcn-
lebcn oder rnit ,d er rn<'f npl1ysiscl1r 11 Rcalilii l oder dc·111 Ni c ht- \\' .i rli-
lichc11 n ic ht irt J7'rtt"e ko11ur1L, ~o blci1)l r1ic hl a11dc-re ~ Hbrig, als d uß
t!s die en1piri!-c'. he \\' irkli,;l,keit, 1.111Ler <'ir1c111. bcst irnrnten logi:;cl1r11
, G c s i c h Ls J) u n l{ t, b.czeichncL, ,,·11bci ,,·ir jc-Lloc h ,\·ie<lcr davo1t aJ,-
1
• scltf!11, ,v,ic ,vril 1'Chon die ' frr11r\u ng in r,~ychis,~hc u r\{] ph)'Ri~chc \ 11Jr -
gü1t"' C 11ur u11Ler l'ine111 be- tin1n1~r1 G csicltts 1>unkL durchgc• rührt
,,·er(li•.n kn11n. :\IIPrding~ i~ t es n.ic hl n1 öglicl1 1 eilte D{',Jcu tung für d:is
\\'t► rt zt1 fi11llcn , die a 1 1 es cl,ts t111tf.illL. ,,·us c. in d en v er!lcl1ic<lr•ner1
fllt~•·fül,rten C:cgenl'lii lzera bezeichnet , aber ir1 rler1 1neistr.n Fiillc11 ,,·ir<l
<lnrunt.cr doc l1 die \\'irklicltl,t'it vers Latlllen ,ver1len kö1 111cr1 ur1Lct <l c111
Gesichtspunkt, daß sie, "'rie \Vir djei;r. in der Einleitu,1g bereits angedeu-
tet haben, als ein in :iic·h gc ~chlosser1cs, von rein ir11u1anenten Ge ctzen
b eherrscht.es . ein u11d Gesc hehen betrachtet ,vird . ~al.t1r i:;t ,,das \
Da ·ei1\ der D.i nge, oforn es n.a ch altgc111ei11c11 Ge ctzen besti1nrr,t ist'f, 1
sagt Kant. An diese logische Bedeutung ,,·ollen "''ir anknüpfen. ,.Na-
türlich" nennen \.Vir irrt G~gcnsatzc ~ur l{unst oder ztrr I{ul tt1r
übcrl1aupt das, ,vas v o11 ~ctbst ,vird , also n.ichL ,,on andeten gemacht
i t. ,,Natürlich'' ist ferner da", ,vaö in sich ruht und sich selb~t. genügt1
oh11c Rücksicht aur Schön l!nd Häßlich, Gut und Bö ·e oder irgend
,,·efche ande1-en \Vertpaarc. o hiJd et tiie Natur dann auch den Gegen-
satz zurn Sittlicl'1 en oder zu Gott. Trnmer ist sie du s gegen ctlzlos.c,
insbeso11derc ,vertindiffere11t Gedachte, !$ich über-all Gleichbleibende
und im1ner \.\' iederkehrende. \\t e,n n '\\'lr al.$0 da \\'ort als c~inen to-
gischcn Ter11lin.u · i11 der \Vissc11scl1a!Lsl•el1re gebrauchen ,,rollen, . o •
L\1elh•odo1 denn sollen die Ol1jcktc als Exe1n pla rc a llge1r,ci11er Be-
griffe angesehen ,vcrdcn, so muß man von der\ ve,~:;cltie(lenen B e-tleu-
tungcn1 die s ie 111it R(ick ~icht ntif \Verte orler durch il1re Beziehung zu
et,vas Uebernatü1·lic lic111 haben, absel',en. Son. t \\'ü1·d cn sie nic ht n u r
Gattu,ig-sexerl'\plai-e sein, von dc11cr1 j 'des a11 die • t,el le des and ere·11
treLe11 lcönntc. Am d eut.lich. lon ?.cigt . ic'h -d ie e Becleutt1ng i11 ,lern
Ausdruck Naturge s etz: clas Natürlicl1e ai das rat.urn o t-
,v e n rl i g e ist <las, \vas ;;ein n1ttß, und d as zu b illigen oder zu 1niß-
billig en , daher keinen ir1n hat.. Da:) att,rgesct,z ist abel', ,vie v.1 ir ge-
sehe11 haben , itichLs anct ere. al~ ,iie denlcbar vollkom1nPrIBte F o r1r1 der
b ?rilfJichen llg<1.n1eir1h~j,t.1 die u,tbed i ngt. gilt. Da her kön.nc11 ,vi r
ganz a1 1gcrnein (lie „Natur•• ,J.cr Objcl<Le at1ch das t1e11ncn 1 ,vas in die
allgemeinen Begriffe der N alttn,•i;:;, el1:::cli a (Len eing~h t , ouer -u11s an1
l<.itrzestcn dahin atistlrClcken : die Nat,1r ist (lie r mpiri:-che \Virk.licll-
kcit lt \.it Rück icht auf da;; All g~ n1 e i 11 e. • o gc,,-·in11l, das \\'01·l,
eine logiscl1c Bedeutur1g. l Jr1ler 1 .Allgen1cinhci.t' ' i::,L dabei i\l"lb~t-
vcrsl:.ü11dlich nttr d ic Allge, nci nbcit de-.-; r1atu,~,,,issc usc haf tl i·r licn Bc~riffc•s
zu ver~tchc11 1 die so,vohl ~i11c i)lo ß cn1pirisc hc nl~ :-iuc h ci11c 11r1be-
<lingt gültige . Pin kann, 1111cl vor\ ,icr a11rlcr e .~r Lcn ,ler .A.llg11meinh ciL
spfi tor noc h zu tre11uert ·ci 11 ,vcrden.
\Venn ,vi1· cliose ·r errnir,of<, u·ie al\ zeplie rf'11 1 lii ßt :4,jeh zu<,.lcich cl cm
seiner Bedeutung eine N·uar1ce, die es mit cler l{ötper\velt i11 eine be-
sonders nahe Bezieliung bringt. Im übrigen is·t nicht einz.usel1en 1
,varum das Seelenleben ·,veniger e·tv.ras Natürliches ist als das körper-
licheDasein, ·u nd deshalb sollte man auct1 das \1/orl Natu1"\vissenschaft
e11tsprechend ail\l.'end en . Der Sprachgebrauch \YOrde sieb dann nur dem.
Umstande fügen., daß hcut.e das SeclcnJebe11 nacl1 derselben Methode
,vie die Körpe1·,velt, nän1lich generalisierend und u1it Rücksjcht auf
seinen gesetz,m äßigen Zusatnmenhang, unabl1ängig von. alJei- Bedeu-
tung, die es in seiner Besonderheit durch Bezieh\rng zu \Verten oder zu
Uebernatürlichcrn besitzt, erforscht \Vird.. Auch das Seelenlebe11
wird u.nd ve·rgeht \vie die körperliche atur von selbst . Es kann .a n~
•
gesehen ,verden ohne Rücksicl1t auf Gut und Böse und jedes andere
Wertpaar. Es unterscl1eidet sich scir1em allgemeinen Begriffe nacl1
von der Kultur, der l{tlns t , der Sitte us,v. genau wie· d.ie l{örperwelt.
E ist also ,vie die Körpe1,,,velt a1tcl1 eine ,,. atur' ', 11nd es 1nuß clavon
eine Natunv:iss.cnschaft ,vie v on den Körpern gcber1. Die Recbtrer-
t igung dieses S prachgebraucl1es ,\,erden vollends die späteren Aus-
führu11gen über den Gege11satz , 1on Natur und Geschichte bringen .
Sie ltaben zu zeigen, daß der gencralisie1ier1clen Begriffsbildu ng ur1d der
dadurch entstehenden Auffas ung der \iVirklichk.clt als Natur eine prin-
zipiell. andere llffassung der \Virlclichkeit entspricht, durcl1 die die
realen Objekte zu_r Geschi chte \',rerdcn . Hier begnügen ,vir uns jedoch
rnit dec11 l-Iin,veis darauf I daO ,vir einen gcmcinsarnen 'f er11ti11us brau-
chen für alle \'1'isRenscharten„ die nac h der an d er l{örpc r,velL erprob-
te11 generillisiere11den ~1etbode b ett·ieben " 'erden, und daß un ter tlen
vorh andenen Worten, die wir ,vählcn kön.11lcn. da Wort Nat11r,vissc11-
scl.1aft d as bei \Veit en1 geeignclste ist . \1/ir ,vcr<len es a1so übera ll dort
verwenden , \\' O ma n die Objekte darat1fhin ansiehL,. daß sio ei11t11 iit
sicJ1 ruhenden , gesetzmüßigcr1 Zusarrunenltang bilden, und ,vo 111u11
dara·u.r ausgeht1 die \\1irlc_lichkcit in e·i n Bcgri,ffssy · Le11\ zu bri1tr:,.eu , in
dein dieser gc.!'etz.tr15ßige ur1d allgemein-begri(fliche Zusammenl1ang 1
da Wesen oder die ,.Nntur" der Dinge, iurr1 1\usdruck kon1n1L.
. '1. Der Satz aber, daß au-cl1 das Seelenlebe n Nntt1r ist, t rr. ibt t1n so-
gleicl1 noct1 einor1 Scl1ritt ,vcitcr. Soll die gc~amte der E rfa l1rur1g
zugängliche Wirklichkeit ent,vedcr p,:o;ychisch o d er physi:-;ch sein,
und gib t es dcrnn ach, (a lls ,111 ir tcclit haben, in ihr üherhattJ)l nich ts,
das nich t als Nattlr angesehen und einer Bearbeitung durch die
naturwi.ssenschaftliclle Begri rfsbildutig unter-zogeu ,verdcn kant1,
so muß sich die Frage erl1cben 1 ob es dcitn die einzige i\1öglicl1keit ist 1
-
flie \Vi rklichl<eit. als atur zu crfor:icl1er1, daß \Vir dabei ertt.,vedcr n ur
das Pli)·:-i i;he oclcr n u 1· das Psyc}1ische in Betracht iicl,en. n1{aßt
<lcr al1gemeinsLH Bc;griff cler Natur nicht vi~lmchr J(ü1·1:,er,,·elL u n d
:,cclcnlcben zusa1r1111en als seic1c l'cile? [st riie \\' irl\licl1kcit in iltrcr
Ge.s.a1nLl1cit, nicht ein ei11hcit.liche · Ganzes, <las als att1r zu. b egreiren ;
eine berechtigte u11d not,,vcr1dig1! ufgabc i~t,, u11(l 1nüßtc darin ni clit
ei11e \\' isser1.schaft vorha11de11 sein, di e sich auf die g e s a 1n t c Natur,
d. 11. so,v•o lil in ihrer l{ örp "rlichkciL al:; auch ir1 ihrcln pslrc l1isc h<!n
Charakter bezielrt? Da i::.t z,,,cifellos ei11e Ftugc, clic sielt nicl1t ol1<r1e
,-..·eitere · a b,vei f'n laDL. E. i~t neber1 cle-r I{örr1cr,visscn chaft und <lcr
J:>sychologie, rlic bci(le dncl urcll · chnr:1.kLcrisicrt. s ind I daß sie einen
Jlrinzi picllc11 r1ter.s.chied Z\\.· iscl1ec1 t) h )'si.. cl1 u11d p:.yc h isch t1\achen,
•
11och eine (!·ritte \\,'i..:sen chaft. ,,·enigsten::- dc11kbar, die flnrauf aus.g •ht,,
clie unmittelbar· gegebene :\t aunig-fa lligkcit der gesan1t.e1t \V irl,lichkeit
•
durch Begriffe zu vereir1facl1en un<l in ei11 eir1h ciLlich"s Systen\ ztt bri11-
ge1,, al so die ' aLur <><lcr das Wc 'cn de r \\•'irkliclikcit iibcrha.upt
gcn cral is ierend tla rz.u~L1!llc11. Eine\ Vit<~c11:-1clu1ft, die s ich :solche Auf,•abeit
~teilt, sch,vcbL ,vohl vi elen v o r, die von ,, \1elaph)'Sik'' rc•lcn. Diese
J
Bczeich11tt1100 ist rreilieh ,ve11ig arigcn 1cs1"Je n 1 ,Je n1t tl~l;, U e JJ e r si11nl ic he
kü1u1te eine :;olche f)isziplin gr~1de 11icht, erforschen. Ab~r sie ,,·ürde ir1
clc1· rrat rlc11 Cliarakl.er einer , 1r11onistisr- hc11" 011ll:1lo~i<~ tragf't1, ii1sufcrn
(ür Rie die 'fr,.11111ung <lc:,r, 1->tiysj~che11 "~'->llt Psychi~chc11 nic·ht ,, P..<'nt-
1ich i ·t. u n,I von den 11 ier a 1tg•!<lcuLete11 G~ ic'11 t.:.r)u11ktett aus i:..t r s
da fl11 111ü~licl1, einer ~u lr l1ct1 .. ~l ctH1Jhy:..ik." l-'robl~r11e zu t llen, die
berec htig te ,,.,· i~fe n:.~li:i ftli r he I;-rage11 · nthaltcri,.
~nr das i:<t li crvo riuli eb crt, <l a ß •nla11 nicht. g laub,·n tla rr, Llit'se
\Vi~sen~chaft ,v!i rc nun in clcr r„ag-c, <li~ \\.'irklicl,kr il nls (;.tnze~
u n 1n i t t c I t," r zu crl\.cn11en. u1ul sielt du,lurch prinzipiell ,1 011 (iC11 ;
dann kann die er grade n i c h t. rnchr mit dem der u11mittelbar gegebe-
nc'I\ Anschauung ubertinupt seine,n l ubaltc naclt zusa1nn1onfnllen.
Uebcr die l{l,urt. z,vischen der ,,-issc11schaftlichen \Veit cler Begriffe
und der \Veit cler An~cl1auu11g korn111.t k e i n e E:rken11tni8 de Wirklich-
keilsganiet1 l1io,vcg. Ja , die ,, i\(e't aphysik" jn de rn ar\gegebencn Sin11e
rniißtc sich bei ihre r Begriffsbii,Jung sognreiner 1'Ie thodc hodienc·r1, die in
ihrer logiscltcn Struktur tnil <1cr i11 den Naturwt ·e1ischaflen ange\\·c11de-
ten übereir:1st irr1rnt 1 d. h. sie 1nü Ote ,rer:;\1chen, clus \,\ ·'csen dcrWirklich keit
überhaupt in einem die gei:.a1r1te ~1 a·ru1i 0 falligkejt urnfa&.q.ertden gülLige11
System vo11 <lurcl1,\'eg allgea1cincn Bugriffcn au.~zudriicl<co, eheni-O
,,.,,ie dies die "'' issenschaJLen v o 11 den l(ürper,1 für die pliysi ehe \ \1c1L
und c.lie P ·ycl1ologic für das cclenlehon an~treber1. Da&\Virklichkeits-
gnnzc wäre auch für sie 11ttr so zu erke1tr1en, c.l afl l:'ic allgemeine Begrifft
bildet , die auf je,ic11 T ei( an,\'endba r ind. D adurc h allein ,värc sie
von den J{örpern·is-·c11scba [t.en und vurt dert p. ychulogi:ichen Diszipli-
ne11 u11t.crsct\ic,lcn 1 d;i,ß für sie d.ic \\ 1irklic hl<eit noch nicht in phy isc ho
t1nd psyt! hische Vorgä11go zeriä HL. Bildel..c sie a'b-cr ei11 solches Syste1t1
von a Ugemci11er1 Begriffen, sQ ,,,ä re, ,venigsten~ unter rein logiscl1er1
Ge.;ichtspu11kt..cn, gegen sie nichls cirlZu,vcncl cr1. ,Ja, es häLLe einen
g<.tlc11 Siu11, vort einer \Vi:;sen ·chaft., die dera rtige.- untcrnj111mt, ztt
sa 0 er1 1 d a ß sie in demselben i11oe eine Erfuhru ngs\vi:)sc111Sclta fL sei
\.Vic ,lic a llgt!n1cinc 1l h ysik oder die Ps)1chologie, uncl so v <>rs tehc-n ,vir,
da ß kein Geringerer o.ls Edt1ard Zeller für die "l\lctaph,y:;ik als Erfah-
rungs,vi ·scmclraft.'' ei11t retcn k.0 11nlc. '.\lil I~echt sagt Cl\ clall, ,,·er djc
1\löglichkeit des Wissen Q'T undsätzlich cinrii.u111c, kein llcchL ha br,
,,classclbc hirri,ichtlit h ·eines Urnfa11ges oder· seiner icherl1t"il in u1rvc r-
rücltbare Schranken einzuschlir.Oen" 1 . •
l)och hal)cn \,·ir dies• A11:_:.fül tr11ngcn 1111r gc1oa l, l , u111 dru dcol, -
bar tun[i1ss ·ndslen B e g r i f f e i n e r g c n e r n I i s i c r a n d c n
W i s · c n s c lt a f L, tlie J ic gct-a111te \\' irl{tic hkeit al . 11 ralt1r'' dar-
stellt, zu en t,,·ickeln. \ 1iellci1·ht \vürde sich bei genauerer Untcr~ucl1 t1r1g
•
ergeben , <laO e · viel leichter ist, dfls a11geclcttlel e Pro blcrn zu . Leiten
als jn erfolgreicher \Vci~c ati s,! i11cr Lüs u11g zu ar}Jeilcn. \\ 'ir 11tftssc n
sogar, u111 ~lißv ' rs t.1rldr1i '~c11 ,·orzulJr!t1gcr1 1 noc h ci11igc einsc hrü11-
kendc Zltsälze n1ac hcr1. Eine .,~fcLaplt )1sik'' in <l cn1 hil'r a,1gcg bcnc11
ir111e , ,·ürd c immer nur auf die b cg-rjfflichc Bcarbcitu r1g dc ·.;:;p11 gc-
ri.chtcL r:.ein, ,vas O L j e lt L \\'er◄ lc rl ){;1r1n in <lcr ]3edt•Htt1na-, clie die
E rkcnrtLnisthroric mit rliescrn \ \'orl t• vcrl>inllcL, ,,·e111, sie alle~ \\'ii-k-
vo11 Plr)rsisc h und Psycl1isch die , virkl ichkeit ei1tl1eitlicl1 ocler ,,mo-
nistiscl1' ' z11 begreifen hat, lJnd es ist gerade sc.h r z.,veifelhaft, ob . ie
irnsta ride sein "' "ircJ, n1i t d cn Beg rif(e11 zu nrl>citcn , die von de11 a ndern
•
Erfahru11gs,vi cnscl1afLcn rr1it Rock.sieht enl\vedcr a,1f die l{örper
odel' cJa ,Seelenleben a l I e i n gebildet. ,vorden sind. \\1äre das aber
nicht der Fa!I, so ,v(l rde schon die. er Umstan.d P~c; a u::;schließen , d.aO sie
eine besot1.d ere Philo:;ophie des Geist es und ci11e Philo~oph.ic der lat11r ,
d urch Vi•Clcl1e J>s~rchol ,gie und f->}1ysilc. zun 1 Ab:-chluß geLracl1-t \1/erde11 ,
tinter icl1 befaßLe. .Ja , ,vir müsscrt soga r 11och einen Scl?ritL ,veiter
gchc11 . Es i i:;t scl1r wohl clc11JJJa1"r daß die \\lirkljchkcit sielt 11atur-
,vi~~on chaftlich oder gen<'ralu icr4'nd n ur da1111 begreifen läßt, ,,,cnn
1na11 eine pri11zi11icllc „chcillung der JJhysis hen odc1· rau1nerfülle11-
clcn und clcr p~ychischen orler nicl1t-ra11rncrfü llcnd cn Wir1c.l ichkeit
zug rttJ1(l e l<-gL. Dann aber ,vilro cirtc ullgcmeine OnLologie als \-Visse-r1-
5chart. von ,vi1·l<lichen Obj ekte11 üherhat1pL, ·die \re-der ps)•chi~cb n,ocl1
pi 1)·~ h!ch sind, r1ii~J1 t rnch t· 111öglicll. .:\ Jle.' , ,,·ns ~icli ge11cralisie-r •rtd \ 'Oll\
d enn alle \,\fis- cr1schafl.e11 1 die siel, auf reale ·Objeli:Le i1t1 e rk enn.tni :;.►
ttlcoreli chen Sinne bcschränkcri, ,,·ä rcn. dartach zu den Natur,-1risscn-
schn(tcr1 zu rcc hr1crl , urtd unl' r die· cn Begrif[ fiele unnn ni cht nur die
f)s)•cltologie onder.n nticlt (lie ~c-..chic blc. t 1c l\ sie hat es \\·ic alle
e rnpirischcn \Vis ·cn;-1c ha.rter1 nur 1nit rea J.ei-1 Olijcktc11, ni hl t1"1it, clt>rn
Gei L als clcln erk.e1,r1t11islheoretischcn uhjcl{t zu tu n . ,
Das \ \i'o rt Geist hat Aller noc h cirtc tlritlc ß c-deutu,1g. 1..li<' ::-it h
R i c 1c o r t ., Orentlln, !l. A u fl . 12
,veder mit der des ps}'cltiscbcn Seins Liherh au1>t, noch mit der d,es er-
•
kenntni tlleoretisc h.cr1 Subjektes deckt, sondern in der es eine b e-
s o n d e r e A r t des psychi ·che11 · c.in bezeichnet, und auf rlie:;c r
Bedcut.ung beruht es zweifel'los vor allein, \.Venn die Eir1tcilung in
Natur- und :Gcist,es,\-isscnscha(Len üblich gc\vorden ist. Es ist bekar111L 1
· ,velche 11olle clcr Au druck Geist z. B. in der 1-legelschen Philosopliic
spielt. D1-ei vcrscl1iede11e ,o\rten ,•or1 Geist kcrtnt J{egel, dc11 si1bjek-
tiven, den objektiven und den absoluten Goist. Von il1ner1 ist jedoch
nur der erste allenf nlls mit. den1 1.u identifizieren, \vas \\' i1· p ychisch
nennen , und dic~er subjektive Gei t st eh t r1ach Hegel n i c }1 t im Ge-
ge11 at.z zur Natur, s011dcrr1 er ,vird „ Naturgeist'' genrAnnt. Nur inso-
fern a ls aus ihrn et,vas a11,deres ,vo:r-den kann als atur, i t er in ejncn
Gegc1c;atz zu ihr zu bringen. Erst ,ve11n der Ge.i st aus der Forn1 der
Subjelcti,1ität heraustritt, d . h. ,venn er aufhört, 1nit dein bloß P s)'chi-
·cl1en identiscli zu sein, is-t er nach J-Iegel Geist im Gegen :;;ntz z11r
t atur. ,\ls objektiver Gei ·t, ist er darul Rcclit.1 l\'IoraliUit u11d Sitt-
Iicl1kcit, aJs absoluter Geist J{un. t, l"leligion. ttnd Philo. opl1ic. Die
Wi · ·cn cl1a ftt:!n 1 die vo11 diesen Gegenstil nden handeln , kann n1a11
dann ,,·ol1J als Gei · t os,visser1schaft.en bezcicttncn , aber sie rnüßten
durchau , in einen Ge g c n s a t z zur Lehre vorn subjektiven Gei t,
d. 11. zur Psychologie gebracl1t ,verdrn. So,,·eit die Heg"lsche 'f ermino-
logie dazu beigetragen hat, das \\7ort Gcist~~,vist-en.~c hafl gebräuch-
lich zu machen, ist, es daher eigentlich eine rt von ~I i ß v c r s t, ä n cl-
Il i s, \\'Cnn rnan die \Vis:;rnschaft.cn . deren Objekte p s y c h i s c h e
Vorgänge ~ind 1 als Gcist,es\vissc1tscl1afte11 bezeichnet und aucl, die
P:>ychologie zu ihnen rec hnet. Dies Af iß"•cr~t.ändnis sollte man endlich
beseitigen. ( Tm Zt1 a1nmenhange 1nit der Ifcgcl::1ctlct1 Terminologie
hat d:ls \,Vort Geistcs,,·i::;:--enscl1aft gev:iß cir1c11 g utc11 in111 ja, i115ofcr11
l·tech t., ~Ioralitüt us,v. })rodulrte der G e:;; c hi c 11 t e si11d, und die
Geistc~,vis cnschaften also elas Se~ler1lebP.n auf einer be:iondct·er1 Stufe
.:.eir,cr hislori. cJ1e11 E11L,vicklung zu bcltand,r ln bütten 1 stä nde dieser
Begriff der Geiste:,,,·is. cr1scliafL 11\iL dcrn der Gcschichts,vjssen.:-chaft
•
ilt der l'at in cngsler 13czicl111ng.J Lehnt 1na,n aber die Becle11l,111g,
die Hegel 111iL <lern Wurte Geist vcrbi.Ltltel , a·b, so \,·ird nlan in der \:\'is-
scns.chartslchre auch d as \Vort GcistC!-\vi s. cn$claaft im Gegen. atze
zl.l ,Jer \v'isscnschaft, vo111 bloß Psychischen und dan.1 il ül,crhaupt
falle11 lussf'Jl 111ü:--.:S>cn. D l.'r Ausdru ck p::i) chc1logiscl1e Di;.;zi1Jli11 i~t, dann
1
- 179 -
Geföl1l dafür nicht ge ch,,·,1ndc11 1 daß Geist at1ch ct\va bedeutet im G c-
g e n s a l z zum bloß Psychiscl1en 1 daß also eine Gcisl.es\,·isseruchart
et,vas ist , ,va der Ps)'cl1ologie geradezu entgcgcngcsl llt \"-rerdcn muß.
\Venn je1nancl z. B. eine 11Darstellung der psychischen \ 7orgä ngc in
der1 Spinnen'', oder Unt.er tichungen über !lda eelenleben der Pro-
ti t.cn'' zu clen Gei tcs,vi2-scn~chaflcn rechnen ,volJte, so \,·ürcle man ,d ies
als eine urihaltbare Terrrlit10Jogie empfinden. Das ist, Nattt1"\vissenschaft,
würde man sagen . Dann aber sollte man atich ,veiter gehen tind die
P~ychologie (lberhaupt eine NaLunvissc11.Schaft ne1111e11. Ur1d un1ge-
kchrt, \\' Cnn je1nand ,vie z. B. Et1cken e i11 B11ch schreibt, über den
11
11 Ka1npf u1n eit1cn geistigen L.ebcnsirlha.lt. 1 so ,,·ciO jeder von vorne-
1 0 i I L h C }' ' D~r ,•\Ufhnll d er gt•t-chicll llic ht•n \\"clt in d en 1;ci:,le:-,,· i~:.t'll•
::.chaflr•u . ..-\ uh::tnd lungcn der l.unigl. pr1Juß. ,-\ kaJ uniic d1?r \\.is~cni-cllafll•ri, 1910,
s. 11.
li *
d-es halb er\vah nl1 urn die v:i-ch Ligst en Gründe ,venigst.en z11 bcrOhren ,
die e::- manc}1cm erscb,vercn, den Au druck GeisteS\vissenschafl
fallen z11 lassen. Auf eine positive ß estirrunung können ,vir hier nicf1L
eingehcr1. ,. ie ,,·ird sicll nur ge,,rinncn laR~en, ,ve1ln der Bcgrifl cler
Ge~ch.icltl.s,visse11scl1a ft in fo•r'lnaler ltnd materialer Hint:-i,·ht sc hon
fest tehL. Auf keine11 Fall ist urng,·kchrt aus d·icsenl noch gunz fJroble-
1natisc hl.'n Beg riff rl 'S Geistes der Begrifr der Gcschicl1le zu enl,\'icl<.cln.
'\ion de111 einge„chlagene11 '''ege ka11n 1Jns al o lic r a11gcdct1teLc
Geda11kc nicht al>l)ringcn.. Ebens.o i t der· sachliche Zusam1ne1d1a1\g
i,vi~cltc11 Cic-~ch ic hte un<i I(ultur, <len \\/ ir angcdeulct habe11, er::-t
k htr zt1 1r1nchc11, rtachdetrl ,,,ir rle11 logiscl1 cr1 B egriff <lc Ge. ch ichl~
liehen :-:chon l<en 11~11. Zu1n A u s g a 11 g p u n kt e clarr det-ih3 11J <l io
Logik. ur1'ter k c i n c n rn.s länden clcn Salz 11ehmen , daß es außer
den Nalur,vis cDschnftcn nocl1 a11dere \Visse11scl1aftE>n gibt 1 die„ nl,ör-
perlic hes" zu ih1'C-1n Gegen tandc haber1. ln bcs.onclerc aber sollte d ie
~Ic inung über die ~lelllotle d-c r l2,sycltc:,logic die Ansic1J tc11 Oller dit•
hi:-torisc he ?\'leLl1ode 11icht mc~1r bccinflussen 1 damit ni cht von vorne-
herein alles in '\I c,,,·irrung kom111t. Da~ ml1ß d urch d n bloßen l lirl,vei ·
auf ein Reich de „Gcistes", das \vcdcr ph ysiscf1 nocu ps)·chi~ch ist ,
vollends klar geword.e n sein . Doch bleibt u11scr Geda nl<engang a uch
dann richtig, fal ls s ich ergeben sollte, daß von einer unwirkliche1l
„geist igen" Welt nicht geredet \\•erden darf. Nur clarauf kornmt es
an : der Begrirr des Gei. tigen ist , wenn er njcht mit dem de · Psy-
c hiscl1e11 zusamtncrtfä ll t , ganz problematisch ge,,•orden .
H iermit sch ließen ,,·ir die Ansführungcn über d en Gegensalz
von Natur uttd Geist. Sie ,varen in1 wesen tlichen n e g a t i ". und
1:.ollten nichts and eres . eir1. Vielleicht find et lnan, daß \Vil' z. 'f . rein
t.erminologiscl1en Fragon eir1e allz11 eir1gebend.e Erör tcrurig gc,vidrrtet
l1aben t und in der Tat mag der ~lanll der Einzel"vissensch.aft olche
Ueberlegttngen entbehren können . Für die Wis. c11schc:1flslcltrc je(.)och
s ind 'ie nicht gleichgü ltig. Nt1r a llzt1 leicht ~chleicht sich m it ei11er
una ngemessenen Terminologie auch eir1e falsche 'f heorie ei11, oder zutn
mind.e ten find et der Gegner in der ·r er1n.inologie eine Stelle, ,\·o er mit
sei11er1 A·ngriffcn ein8ctzcn kann. Das \Vort Geistes,vis..sensct,aften
ror(:lert ~JißversUindnis~e ur1d Angritre geradezu l1eraus, nachden1 die
Psyc.hologic sich zu ein er l atunvissenschafL irn logischen Sinne des
Wortes gestaltet li a t . Für eine Bekärnpfung d es ej11seiLig na'tur-
wisse11scha!llichen De11kcns ist es dn hor \Vichtig , hervorzul1cben,
daß die Fraget ob die Geschichte in ihrer Eigensct1aft. a ls G e i s t es-
\vi senscbaft der Behand lung durcl1 die n atu n visscn~chaftliche Be-
griff!ibildung enLzogcn sei, verneint ,,·er-de11 1nu.ß, daß vie)n1ehr n11ch
das Seelenleb en in seir1cr u11fibersehba rcn l\1. annigfaltiglieit. not,vendig
unter ein System von allgemeinen Begriffen zu b1·inge11 ist ,,·ie clic
l(ör1>ern,elt du1-c h die aLUt"'\\'JSsensclia ft, und d aß überl.iau11l kei11c
cler Erfal1rung zugä nglicl1e Wirklichkeit, d urch ihre sachlichen Eigr n-
tü ml i·c h keilen einer Bea.rbcitu11g d urcl1 die 1\atu1"\vis:-en!-lclia ftl ic.hc
oder gene,·ali iere11de Be.griffs l>ildung prinzipielle S chrar1ke11 scl-zl.
Dad urcl1 ,verdcn alle Angri(re gf>gc11 ei11c selbständige lorrische tcl-
lt1ng der G es e 11 j c h t. s ,vissei-1 chaftcn von vo1·neltorein geger1•
sta ndslos, die sieh darouf stützen, doß , ,,·eil die Ge-~a mt,'"irklichkeit,
ein einl,cit liche. Gn11zes sei, auch d er h i . t o r i s c h e ~f e 11 s c h
a ls ein Glic-d der Na t ur betra chtet ,verde11 n1tissc uncl sein e Schick-
sale im Laufe der Geschichte einer 11atunvissen~c hartliche11 Behand-
lung nicl1t cnt.zogcr1 ,-vcrder1 dürfLe11. Gegen rgun,cn.tc olcher r\rt., die
fa.st, die einzige11 sind 1 1n it dcnC'n hcu tc rtocl1eine 11atur,,·issenscha ftl ichc
Universal.rnethodc vert.r~lc11 ,vir<l , ist \ orr1 • La11d p1..1nkte der Gci:;Lc.s -
1
,visscnscho.ft n in det· ~rat nicht " einzu,v·, 11den1 UJtcl \ ·terfecht.er der
'
1
• •
D r i t t e s K a p i t o l.
Wenn ,vir nun aber kei11 Recht haben, u11.ler logischen Gesicl1t.s-
punkten die Geist cs\\rissenschaften prinzipiell von den Natur.vissen-
schaften zu trennert, \varu111 suclien ,vir <:lann iiberl1aupt noch 1tach
ei11er andere11 als der natunvisse11schaftlichcn !\Iethodo de.r Bcgl'if(s-
hildung , und ,vorin l<ann sie bestehen? Deut.et nicht gerade die Ab-
lehnung eines logischen Gege11satzcs von Natunvis~enscltaft und Geist es- \
,,.,j enschaft darauf hin, daß dieje'liigen r echt l1abe11, die d.ie Natur- 1
•
,vis ·en chaft für die einzige WissenscJ1af.t halten, und daß es Grenzen \
der Natunvissen scl1aft , die ein.e and ere ArL der Begriffsbilcl ung not-
\Vendig machen, nicht gibt? \\''erden \'.vir nich t itn folgendet1 höch - •
1Ji:;zipli11e11 an,vcndba r z.u sein. \\l ir gewinnen ci aher vorläufig für den
B egriff der Ge chichts,,1i"senachart im engel'e11 Sinne nur \venig 1 aber
für eir1e logisch begründete i\1ct.lioden1ehre ist. Ull5er rei n lo.g isclter Bc-
g rifr der Gesc hic ht e t roLzdcm u11en.tbehrli cl1 1 denn 11ur ntit. seiner
l [ilfe l<ö11ncr1 die Iogi:>chc1t rit<' rsc hicd c cler \\.lis:-<'nsc hnfLcn i11 ihrer
pr.in1.ipiellen Bede,utu11g l<lar ,YerdeI'l.
1-lttbcn \\'ir s.o den allgem instcn logi!-chcn Gegen~atz von Iatur
u11cl Geschichte hera11sgearbeite t 1 der als . olcher einer E inLcilu11g cler
\ Vis::1c11:.chafl u ,Jh11c ' "eilert'S noch r1 i c l1 t zugru11<legelegt ,verdcr1 k.ann,
so köJ1ncn '"ii· un~ d<'r ,\u rg--dbe zu"'·e11dcn 1 das Prinzi p für ei11c logj:3ch•c
•
_ .. 187 -
Gliederung der Lal,:,ächlicl1 v o r lt a d e 11 e 11 ernpiriscllen \\1 i ~sen-
11
scltaften zu ge\vi1U1en. ·z unächst ,vird sich dabei ergeben , daß die
Begriffe von Natur und Ge~chic hLe , ,vcnn ,vir sie so uc11fa- end und
forma l nei'1rnc:n, ,\•ie c · hie r vorläu.fig gesc hiel1t, in ge,visser I-Iinsicl1t
1·elativ sind, t111d daß daher h i 1, o r i s c h e Be t an d t e i 1e
a u c h i n d e 11 a t u r ,v i s s c n s c h a f t •e n eine Rolle spicler1 1
j a sogar die logi cl1e Gliederu11g der ratur,vi sen chaften selb~t be-
di11gen. Ers t cnit l-Iil(e d es logisct1en Begriffes vom Hi tori!\cl1cn ,,·ird
also auc h die rein logis<: he Str11ktur der Naturwissenschaften in il1rer
1\:Innnigfaltigkcit ganz klai· ,vr1-dco. Darin können ,,,ir aber nichL
et,va einen Ein,vand gegen unsere 'I' heo rie sor1dern lediglic h cir1e
:B estätigutlg daror erblick,e n, d a ß nt1r miL den Jogiscl1cn B egriffen
von Natur und Geschichte, 11icht rnit d en ~achliche11 ·u r1t.er ·chieden von
Natur und Gei t in d er \Visse11schnfts lc hrc vot'\vä rl.s zu kommen ist .
His torische Bestandteile irn allgemein ten logischen Sio11e des \VorLe ~
,verden ,vir dann so,vol1I in den K örpc rn•isscn c hafto11 als aucl1 i,1
d en psychologi e ben Di zipl inen find e.n , und das d a rf vollend. nic ht
a.uffallcn , d enn eb en~o ,vie t1nser Begriff d er Natur Ph ysii-chcs uu<l P s)'-
chi ·cbes g leicb111ü O.ig umfaßt, muß auch der i111 Gegensatz zu ih1n gebil-
d ete logi c.ll e Bogriff des I-Ii$,toriselicn in scj11er,\·eitc~ten B 1'! dcutung 11ocl,
ganz unauhi:i11gig von d ein Untersclliedc , ,011 l(örper u11cl Gcii~t. :-.citt.
Wir find en al:.o rnehr ocler '1\' eniger historische BeE,ta11dLeilc in a 11 e rt
..
,visi-enscl,aften, die die \Virklichk~it als Natl1r in denn angegrl1cr1P11
Sjncte bctracl1ten, d . h. \\'tr ,vollen eir\ olches l 11 c in a t\ d e r \1nd
Zu s am m e n der bci(1c11 logisc hen Faktoren ni,·ht et,\·.,-., ,,-ic 1r1;il1
so nde rbarer Woir\e g~glaubt hat, bestreiten ~011d~rn al1 l-tlrücklich iu1 n
Bc,\"ltßt...; in hl'in,gen .
Tro tzde,n aber lä ßt sich se ld iell liclt docl, zeiger11 daß die Rt'.'l:,-
tiviWL <t4!r Beg riffe Natur ,,nd Gcscliich te \Jnd ihl' Zusa nitnen in de11
ver:;chiedcnstcr1 l1,atur,,·isser1scha Ctl.ichcn Disz.iplinen ihre Bedeut ung
auch fü r die logi 'Clie E i n Le i l t• n g de r crnpjri~c. hen \\fi:..~~n~chnftcn
n ic ht ar:1tastct . Denn, ,,·ie n1at1 dc·n Begriff de r Gc,:;c liicht~,,-is ·ct1Scha f-
t en a,1ch nühe r brstir,1t1l<'rl 111ag, Ulll ztt d f'lll 1.11 kon1rn,c' r\. ,,·as 1r1a 11
üblichc r,,,cisc ,inter cl icsc1r1 \Vo rlc , 1 cr::;Lchl, so i '.t ei11c 11al\Jr,,·isse11-
cha rt l icho oder gcneral 1~ierc n(IO Da,•:: ; Lel lt1ng cl or ·Ge~cld t'ht,c 11nt<·r
allen U1ns Lä11den au:-.gc:--clilo:,sru. ttncl d~ltcr 1niis.;t•n n a tu r ,,. i ss e 11-
, c lt a f t I i c II c und g es c h i c h l - ,v i , i.; e l1 ~ c h a f t I i c lt c 13r.-
grir{sbildttng ~tets in cinern prini ipielle n logi:>chcr1 Gegensat ze zu ci,1-
and cr bleiben. i\lit di •'er Ei11.-.ic ht ge,,dnt1et1 ,vir ztterst dt:!n Begriff
J der Begriff einer A u r g a b e soll also zunächst der BegrifF der Ge-
'
schicl1ts,vissenscl1aft gc,vonncn ,verden. Erst i1n vierten I<apilcl
l gehen \\'ir zu posiLi.ven Bestimn1ungcn Ober da· \l\'escn der hist ori-
. che11 BegriffsbildtJng Ober uod ·uchen im Gegensatze zu den Eigen-
arten der 11atur,vit"1sen:5chaft.lichc11 Darst,ellul1g die logi ·chen Gruncl-
begriffc und Voraussetzungen eir1er hislotisc he11 Darstellung Z\I e11t-
•
\\·ickcln . Dann cncJlicl1 ~vird es aucl1 1nöglicl1 ein, d e n Be.griff der
Ge ·chichte zu beslimr11en t a11 den rr1an beute allein denkt, wenn ma n
von historischen \iVis enschaften ~pricht1 den1t ,vir "''crd er1 da111t aucl1
v on d em Nlaterial recl ~n .k ö·nncn. m it dern die Ge •chicht.s"',j ·s.ert~c)1aft
es zu tun t1at. Die i\Jaterial ,vird. s icll \Jtl!; .:tl"' clic l'\.ultur crg ben im
Gegcr1satz zur Natur, und damit koinmen ,,·ir zu ei11ern s a r, l11 i c 11 c. r1
Gege11satze d·e r selb tvers tä ndl icl1 11i.ch t ohr1, ,veitercs 111it den, lo-
1
gischen Gegen atz von Gcs.c bichte und Na llir z11,sa1n n1cn fallcn ka111\.
Die Atrsführur1ge11 clie c l(apiLels aber n1ü~sen no<· h rein f o 1· n1 a 1
sein, ,veil es eben d er Si11_r1 unse.-er Un Ler'8ut hung ist 1 das rein l .iogiscl1c
Oberall '\TOD den1 ~1ateria l a11 r da, Schärfste Zll sondern. Er!¼t ,venn diese
Sond erung cir1n1a.l kon, cqt1ent du rcligcfOl1 rt is t , läßt ich a 'ucl1 ,vicdcr
au eine \ 'ercinigu11g clc: F orm alen u11d {i rs :\later iale11 u·nd a n ei,n c AuI-
zeig11ng det· Bezieh ungen clenkcn, die z,vist;hc n de11 fo1711aler1 uncl den
111aterialrn Unter. chied en jJl <Jen \Visöet1Sehaft,e11 be:iLehcn, ur1d uie
zu leugn~n sclbst.ver::lüncllich 11ie1na11d v er 11chen \\•ird .
I.
D ie n n t 11 r ,v i s s e n s c h a f L l i G l1 c B c g r i f f s b i 1<l u 11 g
u 11 <l <1 i e c in p i r i c h e \,r j 1· k I i c t, k e i t.
\\' a ' a lso i1"t es , das dt'I' natur,,·isl<eT1!-ch11fll ichen B egrifr~bi ld t111g
di~ Grenze set,zt, übe r die sie at1 ' logisch,en Grü11<le11 nie111als hinat1s-
zuko111men verrnag ? Um clics ci11zt1sf' h<'n , richten 'A·ir un::cr· 1\ ugcnmcrk •
auf do.s 1 \\'as durch die Urr1formurtg t111rl \ fel'ei11fach ung in den Dar-
stcllt1ngen und yRt en1en der Natu1·,,·ifsc n -chaftc11 o,lcr clcr gt'11c'rali-
·icrcndcrt Disziplinen not,vcndig v e r I o r e n gehl. \\fir bclrachtcn
d e1l1.uacl1 j e tzt ge,vi:; -crn10.ßcr1 die K cl1 r~cit e d er nalur,\'is~cnschafl-
lichc11 B cgriff ·biJ<lttng uu<l gehe n zu dic:;cn1 z,,·ccke von dern Vcrh ül t-
•
ni~ a u~, in (l.,.rn . ic 1.u r An s c l1 a u 1 i c h k e i t d er ern pir-i~e hc11 \\.'eil
s te ht. Er:--t clann ,verti ert \\'ir uns <l:cr,1 z.u,vc11<len, ,vas ma11 die l 11 d i-
des cclcnlcbcns ,väre dann kein an. chnt1,Jichc.-; E len1c1•L n·,cl\r cnLhnlteu,
<len11 so ll 11 die En1pfindu11aert in \ i\':,hrhcit, die 11 leLzten" Elc.n1cnl,f}
a 11 c . eclcnlf'bc-11 sein, so nrü~sen sie ,, ie die letzten lcö rpcrli chen
Dinge at·~ etwas, da einfach is·t , dcfirucrt ,verden, und daniit ist cla11n der
Bcgri rf eir1e~ Psycl1ischen gebildet , das nirrnal anschal1l.ict1 gl'gC'be11 .
::;ein kann. F alls also eine psychologische T heorie übf'rhat1 JJt cla1·auf
au~gcl1t , allu p~ychjschcn \ 'o rgä11 e unter Begriffe zu llri11gen, die nu r
noc h die ,,einfachen'' Be ,land lellc cJ c~ Psyclti:::chen t 11tllall c11, so
r11L1ß auch sie bc treb t sein , at1s ihnen i·r111ner n1ehr das zu e11lfcr1ten,
\\·a:; u11s in d er A11Scl1auunn als ps)rc•hisc.h gcgebr·r1 ist. Für die gcnera-
lisi„rc ncle na Lu r\\'j!,:::;e11scltaftlicli c Ps)1chologie ü;·L es dnh er jede11falls
ricl1Lig, daß in il 1rc prin1iliverc1t Brgrjffe im me r ntr r ein T eil d~-r en1pi-
ri. chen An:-C'l1aut1ng ci ng,:hl, c) ('r darin lediglich die Rolle (ler SteJl-
vertreLt1,1g ::;piclL, un.d ' in 1-;,ol't.schriLL il1 cler logi ~chen ' 'oll'ko1n n1cnl1eit
de r Bcgriffsl)ildu11g fällt ntil ei11cr E11tfcrn ung die ·er e11111irjfc bt•n l\ n-
cha uu11g aus d e1n I11h&lLc t.l cr Bcgl'iff.c z11. a111 111e11.
1-1 tärkcrc B rc.Ic1tkc11 jcd ucl1 ,verden vjelleichl der Bel1aup tt1r1g cnt-
gcgc11~lcl1e11, claO es au c; h clc11 Begr1 rren 1 in ,lcn cn die ' alu r\\'i:-;:-:cn ~ch.ifL
, 1on clt'I' 1( ö r J) e r ,,·elL denkt, an en1piri!3cher ArlF-Chat1t1ng l ll l 1 :o n·1chr
Dabei ,vollen \Vir njcht in Abrede st ell en, daß n)an oft geneigt ist,
an die Stelle der rein mcchanisclien natunvis.senschaftlicl1cn Begriffe
solcl1e tretc11 zu lassen , die atJc.h noch e1r1pirisch nnschauli cl1e ~to•
1ner1tc enth alLe11. talt d en Begriff cinfacl1er oder letzter Dinge Zll
bilden, d enken \vir leicht an sehr kleine, aber docl1 i1nmer nocl1 an ~cha t1-
licl1e l{örper und setzen so art llie telte d es in \,V ahrh eit völlig unan chnu-
Jichen l{örperbcgrif fs das in l10.l1c1n ~laße anscJ1auliche Bild einer A{enge
von . ichLbarcn Kugeln oder de1-glcicheni die aufeirtan.d cr swßen,
von einander abprallen, sicl1 eventuell anzieheni US\.V. E s soll attch fer-
11er niclit geleu.g net ,vcrden, daß die l\löglichkeit einer solchen empi-
riscl1 a n:;ehaulicl1c11 Stellvertretung bei dor allmiil1licl1en Entst-0ht1ng
der mecl1a11ischen Naturauffassung neben d er 1nat.hcmaLischen An-
scl,aulichkeit dieses \Veltbegriffes v o 11 gi,oßer Bed eutu11g ge\ve 'CD is t.
Ja, noch heute ,vürde die mechani ehe Natura uffa ~sung vielleict,t
rricht so popu ltll' ein, ~vertn sich il1ren 8 cgriffe11 n icht diese en1piriscl1
ar1scllauliche Stellvertretung unterschiebe1t ließe. Es ist soga r sch ließ-
lich nicht zu bestreiten, daß das empiriscl1 anscl1at1licl1e Bild in vielen
Fällc111 das natur,,tissenscliaftlichc \Ters tä11d11is erleicl1tern und för-
,Jcrn kanr1. E fel1ll ja in d ".n n1ntl1en1aLi ch~natur,vi:; enscha(tlicl1en
Begriffen das, ,,1as sonst so leicht clas .l\.uflreten von empiri:-chen
A11schauu.11gen als störend für die sichere An,vcndung der Begrifrc
erscheiue11 läßt. \\Feil \\71' ,vi$~Cn, daß d iese Begriffe rein q,1antitativ
. ind , nlso eigentlicr1 von a 1 1 c r e1npirisc hen .t\ nschauung frei .sein.
so,IILen, so können ,vir nicm.a l:S i1n z ,,·cifcl d arüber sci11, ,'1 elclle Teile
der Anschnu11ng als ,ve:;.crtLliclt zt1 t:rclten l1abcn untl ,velche nicJ1L.
1· V gl. ohon s. 11 r.
n ic>rl , dil! 'fi•11q1t•rnlur IIH•orL·li"'"'' h durch <lil' dein Z\\'l'ilt•n llaupt,-n.Li d er \\'1,rn1r-
l heoric cn l-r1 o n1111t:11<! T1•n1pe1-al11r:-l•i1\h_t, in <l<n· kin11t ii-then <;u--Llaeoric tlurc t, <Jie
)l'bendii.r•· l,r:ifl rl1•1• :\l o lekuh1,·lit-\\·1•.u1111g, p rakli~h 4,;h1J·ch di r \ t)lt11 n1•nll11dt••
run~ ei11 e.r t li1•r111 0111,•lr l-.r h C'n :--1i1~--1nn1. hz,v. durch tl~n :,;,i.alc•nau-.'-t"hl;1~ «'Hit"
n u lo ro(• ltn- o d f' r 'fh1•rrr1oi•Jpr111·n li.; vtin d1•r ,,·!\rn1C't>111pfi11,lt1n;,!' i~l nti,•r b,•i 1l1•r
'l\•n1p •ralur in k eln\'lrl 1ca 1J 1111•hr (li,1• Rl•dt•." ,\ t1<:l1 „in tll•r 11lo1l1)rn1•11 O,·f l11llio .n
d or t<rafL cr :.ichcinl tl1~ .-.puz.if i-..ehc ~ir1111•i-,·1HpCiutl 11ng r•l,r•n :i.o t•li1uinle rt \\'i1• iu
11och et,va ~ genauer rc~l, ,va.., Indi,riduur.n t1nd I11\.•id, H1liU1t i11 die._e111
Zusam,nenhange heiß t.. ~\rjr sind, ge,vöh,11t, bei den \:\7örtern vor a llem.
:-1n J)er:,;önlichkeitf:'n 1.u denken. Das komm t hier zunüch~ t 1li •l1t in
derjau ir{('H d r r 1; a.r1Jc der l•arhc-n!>lnn ". l )fanck i:sL ~icll dabei Je,· ·r ro.g-"·eil~
d iPi-t~ l ; n1,;tantlcs , ·ollt-lfl n tl.i g br,\·uOt: uB t•dl•11 k t rn.tn ", ~ngt 1·r, ,,dnß <loch di~
E1u prl nd Ulll{t' n a lll•rk a n11 l l' l'lr\a ßl'n dt>u .-\. u~~a llg:-11u 11 k l a ll or p h y..;i I< a !il'C ht•u
F"orschong bi!dl'n , so 11111 0 d it,•so brwuOlc ,.\ hkr hr von 11,•n v!'t1nrlvor a11i-:,,elz11ngr11
iutrnr r hin e1·s tu unlic l1, ja p:.i1·adox cr ·c bc incrL nd dl'11 1toc l1 liegL k au 111 l"int•
·r a t.-,aclJo in dl· r c;1:o;;clt ic hlc dt'r l 1 hy-.ik so k illt' zulogc \\'i<: dil'!'-1•. 1: 01' \\'ultr, ,~s
111f\i-,.;r n u n ,rhö lzhare Vo r l„ il.- .srin , "1-\"l'lc:lte einer s olc hen p rin7.ipil'llr n S (•lb s l1•ul•
• ~ u ß cru ng \V,:1·L t-i11d I" Ich kon ule es tltir nic ht.. \!(ll'!3:l~t tl , uit' e Salzo h i••r zu
1,illl•r-1, 11 . 11 111 in 1.1·ii:tl' n, ilaU 111a n "uc h in phy:-ikali~ ltr n l·\'.rri,(•11 von d!.!r R1chl.ig-
l,1·iL d ◄ "r ir11 ·r e~l gi•g••ln•11P11 .\ usfO.ltrung,,•u Ub<'rz.uug l h, t .
Frage, sondern der Beg1·iff, den ,vir i111 Altge l1abcn 1 i~t, ent.sprcchend
d er allgen1eine11 logischen T endenz unserer Bestitllmungcn, viel un1-
ra!-.'4cnclcr , so daß das menscl,lichc lndiv·i<iuurrt 11ur eine seiner Arten
bildet. Wi r m(1 ~en uns daral1l besjnnen , daß jeder körperlict,e oder
geistige \ 'orga ng. so 1.,1i (l ,vir ibn unmittelbar crfahr~n oder erleben ,
ein l'ndivid uurn ist l d. h. et,vas, da nur cirunal atl dieser e i11e11. be-
s timmten Stelle des Raumes und der Zeit vorkon1mt, von a.lJcn a nd el'n
körperlichen oder geistigen Vorgängen v erschieden ist, sich niemals
••
,,·iederholt und daher, ,vcr1n es zers tört ,virtl od er vergangen ist, fü r
imn1cr , •erlorcn geh t. Freilich gibt, es, auch: ,,·eitn ,vir von den Persön-
lichkeiten absehen, noch einen z,,·eiten Begriff d er Individualität, d er
nicht mit dem l1i~r gemcinloa. d er einmaligen u11d besor1cleren \Virk-
lichkcit überhaupt z.usamrnenfrtllt, ttnd der urts späLer nocll aus-
führlich beschä ftigen \\'lrd . ,\ber um die Be -0nd erhcit.1 Einzigartig-
keit u11d Einrna1igl<eit jeder \Vi rlilicl1keiL zu bezeichtten, henutzert
,vir eb enfalls dieses \Vort, und die nie ,viederkehrende Besond erl1eit,
E inzigl{cit und Einmaligkeit jed er beljebigen ' '' irklicltkeit ,,·ollen ,-.,ir
zunäc l1st allejn hervorheben, um das z11 kennzeichnen , ,,·as in einen
nat11n\·isscnschaftlichc11 Begriff nicht ei ngehen kann, ,,·eil es n1it der
ernpj1•ischen An cl1auung verscl1,vindet. Wir sag-en in1 Gn1nde nenom-
1nen nur et,,·a Sclbslv ers l~.ir1dljcl1es, u11d d och "''ird gerad e dies Selbst-
v erständl iche leicht Ober.sehen. ,vir si11d geneigt, die JnclividualiLät
als das. \-.·a. einzig und , 1 on a llem 1\ndcre11 , •crsclricd cn ist , nur mit
einem Tc i I e <ler \\'irklichkeiL it1 verbi11<l en, und gcra<le <lie Natur-
\''i !i en. chaft hat 11ns hieran gc,vüllnt. \\.''en11 ,,~ir n.ä1:nlich in ihr von
der individucJJc·n Gesl altung der Dinge a b:-:.chen, , o slörL uns <lies in
den 1ncisten Füllen ni cht, lln,d z11mal ,,·nnn c. sich ,1m l(örpcr hantl cl t .
n1erken ,vir es kaum. Uns interessiert es nicht, d" ß j,ed es Blatt at1 einer11
Baunae ancl<'rs a1u;. ieht, ol. die Blätter d nncb cn , doß kci11 Stück eine~
r.ltcmischcn toffe , da itt eine Ret.orte ge,,·orf,cn ,vi rd, ia-gend e j11 •n1
ar1dern lücke desse'lbe11 toffes gcnfltJ gleicht u11d 11icmt1ls ,vir..d-e r
vorkon11nt. Der gcrn ejr1sa,ne a11te ge11ügt un. zur Beze.icllr1ung1
und '\\'ir kün, ,n crn uns d e,nent precl1cnd nu r um das 1 \\' O.S vorhanden
~r-in m11ß, fal ls der ame a11gc,ver1dct ,,•erder1 J:1.olJ , t.l . lt. ,,·ir ~c lzen un-
,villkürJicl1 d en Jnbalt, c.l er ' i\' irk]icl1kcit in den Jnhult von a llgem einen
Begriffen ltn1 uncl meinf'.n darin, daß, ,Yci l ,vir 1rnrner cl,va · finc)c11,
das d ctn Inllalte u11s~rcr Begriffe e11tspric ht, auch (la~ , virkliche
selb~l ~i.ch ,vied erhole ocler einem andr rc>r1 gl eich sei. Dict- ahcr i L nie
der Fall, t1ud sobald ,,·ir daran dc11kcn, n1uß uJLc; auch d ie 'l'ra g\,·cite
l i:5 ,..
\ .
•
1
-
rien und Dar ·tellungen au hil<len 1 t11r1 ·o ,veit.cr entfernen , vi1· u_11~ v-on
.der cin1naligen, anschal1lichen t1nd individuellen v\l·irklichkci t , also vo11
l
der \-\1irklichk.ei t übcrl1a11pt 1 11nd u1n so -sicherer ge11t ie u11~ bei d er
•
Arbcit1 so,\1ol1l mit Rü cl~ ic; ht auf ilu·~ 1-\r1~chot1lichkeit al. a11 ch mit
Rocl{i5icht a uf ihre l11di,1 iduoliLät, unLe1· (i c 11 Il ä11clcn verl•>rt· n. B-e-
11ttL:te1l \vi 1· gc\\·isde elc1r1ent are \\l'ort})cd eulungcn , so b cflallcn \vir •
ei n, und darauf allein komrnl c a 11. Besonders deutlich ist das iu bczna
1
au r die I<örpern·elt, und zwar geradr. <lcshalb, \Veil die \\iisse11:-.chaft
vo11 il1r als die logi::ich vollko111rr1c11ste Nalunvissc11scha[t, ar1ge eltcn \
,vcrdcn muß. Jed er l{örpcr, den ,,-ir unn,itlclbar kennen, ist inclivi~ ·,
(luell und an„chaulich g<' t.altet, untl scJhst ,vc11n c-s z,.,·ei Di11gc gäbe ,
<lio einarider mit llü{! ksicht. at1f ihre An::.chnuJichkeit u11d I11dividua-
lit.iit gena u glichen, kö,1ntc ein Be,veis daflir ,ycgcr, ihrer u11ilberseli-
barcn l\lannigfll lt.igkcit nicht geführt ,,vcrden. l)ic ;\to11\<' in1 Jo-
gi ·c hctl 'inr1 <lcs \Vorl,ei, da~gcn i11d u11terei110ncler voll~lii11dig
gleich. Ob,vohl die \Vorle At.on1 t111d lndiviJ1..1 u1n da8selbe zu bcu cu-
tc11 ch.ei11cn , so ist docl1 cJ as, \,'a~-; durch ..,ic bez.eichncl ,vird 1 vo11 ei·,1-
ander o vcrschied et1 ,, ie 1r:1öglich. J it, es klafft ci11 prinzipi~l ler
Jogi.scher (,i-egen,;;atz z,vi~c hcn de11 beider• Rcgrirfr n . fJas ka1111 i1n
Interc se der \1/issenscha!l~lcl1re 11ic;l1t ~charf ge11ug ttc1"\1orgeli<.>bcn
,verdcn. \\tä hrend da · .,.\ tom, ,vcnn es, un1 nur die. zu sagent kein •
natunvissenschaftlic~1es Problem mehr ent halten sondcr11 zur Lösung
von Problen1en dienen so ll, als ab ol11t einfach angeno111men ,,,e1·den
xnuß , is ~jedes l1tdividuurr1 1 da es sich \ 'On allen andern Ind ividuen untcr-
sc11eidet, mannigfaltig und z11samn1engesetzt.. Die Ei11heit der Eit1rach-
hei t aber dürfen ,vir nicl1t mit der E inheit der 1\1annigfaltiglteit ver-
\'iCcJ1seln1 die das Individuurn zeigt. Eine \\ii~se nsc}1afL 1 die vo11
einer \Veit der Individuen zu einer \Ve]t der Atorne übergeht, behiilt
von d er ihr ursprü11glicl1 gegebenen und erfn l1renen Wirklichkeit nicl1t s
mcl1r übrig, uzu.l es bleibt also dabei, daß in die Begriffe der Natur-
,vissen chaft von der \Velt, die ,,•ir unn1it telbar kennen, tun so ,•.eniger
cingel1t, j,e logiscl1 vollkommer)er die Begriffe sind. J e d c r F o r t-
s c t1 r itt in d e r Atorr1i s i e r ung rn uß u1.it ein e r •
'
r o r t c li r e i t e n d e n V e r n i c h t u n g d e r I n d i v i d u a-
l i t ä t z u s a r11 r11 c 11 f a l l c n . pricl1t 111an a1.1S cliesen oder jenen
Gründen der Erfahrung ;\Velt die ,val1re n ealiLät ab, so ist <liese \\relt
doch j1eden,(alls d.ie \Virklich kei.½ in der \\'ir lebeJ1, aus der unsere
Freudet1 u11d unsere Scl1rnerzen sta1nrr1en 1 in der \-vir uns praktiscl1
bcUitigen , u11d die ,vir <loch ,vohl auch erkcn11011 ,vollen, ,,vcnn wir
\\1.i senscha{t tr,eiben . l\:lag also die Natu~,i!-scnschaft, aus dieser \\;clt
dung sei ~ondem sie~, r-esLlo. 1nit HilCe der mathe:111ali cl1cn atur-
gcsetzc crke11nen lasse. Daraus kann man da nn ,veiLcr folgern , daß.
,veil die ln.d ividunlität der quantitativen \'Veit der I ndividu alität der
empirischen \ Virklichltcit gen au ents1lrecl1en mü se, a uf diesem \Vcge
auch die Individualität der e1r1piri chen \Vi rklichkei.t mit Hil(e der
Nat unvi :sensellaft erkennbar \\•erde, ulid llält inan dies für rich.tig, so
muß die ~f einung enlstehen 1 der Richl 1 mit den \\forten Ausdruck
gegebe11 l1al: ,,Ohne Z\\•eifel reicl1t a11ch d er Naturforscher, ,,,enn et· .
,vill, zu den ,virklichen Dingen ·u nd \ ' orgängen llerab, da er doch die
Gesetze von der1 Dingen und Vorgängen der \Virklichkc it ableitet.
Er braucht nur clie Kon t anten seiner For1neln z.u besLitllrnen, u111 d en
I~ück\lrcg zu de11 reale11 Vorgängen zu nehmen ."
Ist dicse .An::.icht haltbar ? Die I{onstanter1 i11 den 1nat1letnaLi chen
Gesctzesbcgri[fen können n11r qua n t i tat i v bestimmte I{onstan tcn
ein, und ,,·enn inan diese qua11t.jt.ative Bestin1:m theit eine „ I11dividua-
lit.ät " nennen wilJ, so mag man das tun. Das \\' ort Ind ividualität
hat n1ehrere verschiedene Bedeutungen , die sorgfältig gegen einander
abzugrenzen , , päte r nocl1 unsere Au fgab e sci11 ~o,•ird. cl,on jetzt aber
i t klar, daß die 111athemaLische „ JndividualiUtL" rnit der Indi,·id uali-
tät der stets qualitativ bestimmten. a nsc l1aulicl1 gegcbe11cn e1r1piri:-che1,
Wirklichkeit nj ct, t, , riel mehr als den Nan1cn gerncin hat.. Gc,viß ka11n
man in die mathematiscl1 formulie rten Gc~ctzesbegriffc d er Nnti1r-
v.,issen ~chart quantitativ best.immte l(o11ctanlen einsetzen und a.u f
die:;e \\'eise dann die rein quantitati, ren Bcstin1mungcn der c111piri-
se hen \Virklichkeit sogar herechnen. Die JndividualiUiL d er crnJJi-
r.iscl1en \Virklic hkcit ,vird aber dabei doc h i1n1ner ttut· nac h ihrer CJttatt-
titativen eite getroffen, und dic.-;e quantit..nLive Scil,e ist, fü r . ich
allein betracl1tet1 ,vcit davo11 er1tfernt. die Inc1ividualitfit de r e111r1i-
rische11 v\Iirkl ichkeil zuo1 Ausd ruck zu brin,gen. \Venn llla.n clas Quan-
tita tive individuell hest.imrnl. ner1r1en ,vill, so ist seine lndi\l'irlt1olilti t
doch grade r:uch.t c.lic Ir1dividualiUiL t.le. \Virkliclu!n sondel'n 11ut· die
Individtialit.äL eine von dieser \Virklicl1keit bcgrifflirh lof-g~lö~tcn,
isoücrter1 F a ktors t1 11d dan,il eine durcha us t1r1,,•irkliche In<li,·id t1:.lliliit..
Durct1 die Vielueutigl<cit, cie ,,~orte. :-:ollte man ~ich ul~o 11i"hl ltitl·
scl1cn lnsscn.
l Jn1 zu voller l{larltcit zu ko1r1111cn, ,volle11 ,,·ir die e Geda nkt'n
---- 1
-
Logik und Erkt•1111tnis lh1:r11·i(', u. o. 0 . i\ u~·h Ein,\·fi11tle vvn I•' r i s c h-
c i s c 11 - l( u h 11· r und (,'. o e, :1, i r 1' r kon1r11en in d,·r l l aup1--ach1• nur di,•-.cn
Gedanken hlnnu .
1
\ '!!1. E. du l to l :-• J'lrymond , l h·dcn, 1, :. 10.irr.
:: !( . ) 1 a r 1., e, Zt>ll~chrlfl fti r J• J11lo"opl1i<' und p hilo:-opt1iscl11· l,ril.ik, IJd. 1 11,
:,. 2116 ff, \ g l. oh•·n s. 149.
3 ,·'1
, tl r b c „
a . ·a . 0 ., .......
~ .,• -~
, ,.
karu!. A11 ,ii('setn Grunde 111üssen \Yir aucl1 den Gedanken einer
ei11deutiger1 Zt1orclnu11g der 1"\ tornwelt zut· in<iivid uelle11 empiri..,che11
\~' i·r klichkeit aufgeben und eben o den Gedanken einer eindeutig,e n
Zuord11u1ig des Physischen zu1n Ps·ychiscl1en 1 ga11z abge eben davo n,
daß eine Zuordn ung d•es Quantitativen zum Qualita ti"'en im ein-
zelnen für irnmer uribegreiflich bleiben \\'ürcle. Nicht nur der Ge-
da11ke cir1er 11atu1'\,'isscnscl1aftlichen ErkcnnnLn is de1· Individualität
eines quantitat iven Weltganzen sondertl schon der Gedanke der
natur,visscn.schaftlicher1 Erl<enntnis eines eirizigen individuellen Atoms,
,venn inan von einem solchen "Unding" üb erhaupt reden v.·ill , .schließt
einen Jogi ·clion \iVidcrsprtlch ein. \'' ill inan aher von einem solchen
Unding nicht rcclen dann kanr1 voller1cls \>'On ei11er Erkenntnis des
Einmaligen und IndividueJlen durch die NaLt1r,vissenscl1aft keine
Rede sein. Im übrigen läßL sich die rein quantit ativ bestim111tr
\'' elt der 1n aLhc111atisc hen Nat.ur\\1issen chaft iiberl,a upt n_iclit als In-
dividuum denken, so lange ,vir unlcr die ein \Vorte das ver teher1 1
,vas jede crnpiriscbc Wil'klicl1keit zu cine1n lndividut1rr1 ,nac ht: die
niemals ,vicderkeh1·entle Einrna)iP'keit ur1d B e,onderheit dieses oder
j eno · realen Vorganges.
Doch, ,vie ct1on a11gcdeulcL1 bra uchen ,,·it· <lie ·c AusCulirungcn
gar nicht, un1 die Un1nö 0 l1cl1keit eine,· 11.att11"\vis··en chafl-licbe11 E r-
kcnntni d~ IndividueJlen darzulun. EL 1äl3t sich auc l1 ganz una b-
1,ängig von ihnen ieiger1 1 daß, geracle die u11,ra send ·ten Gesetzcs-
bcgrirfc [(er Natur,\'i3Senschaft jede11 Si11n \rerlieren, sobald wir v er-
suchen, sie so zu bc ti n1men 1 daß sie auf die El'kcnntnis inclividueller
\.\-'irklichkeiten an,ver1clbar sind. ~lt1ß n1an 11ä111lich z,var at1cl1 sagen ,
daß das '''eltganze eine einmalige individuelle und in cinen1 ci.11zjgen
Ent,vicklungsgango beg riffcnc '\' irklichkcit ist, und kann ir1sofcr11
das rletlkbar urnfassenfl ste Objekt der Natur,vis.scnsclJaft ein Indi-
vid ,1um genannt ,verden, so komm t doch die \,\ ..irklicl\kei t rar die
1
att1r,vi~ cnschaft als diese ein1nalige inclividucllc ur1d in einern ein-
zigen Ent,\·ickJung ~gange begriffene Wirklicl,kcit nicl1t cinn1al als
das 1\1 a t c r i a 1 , clas ie ztt bea•rbei Ler1, hat, i11 Bctracli t. Für dieses
l\(atcrial als solche:; ,v(irde si gar keine natur,\•issen.scltaft lichon
Begriffe bilden können . :\·Jan braucht nur daran Zll cJenkon, daß es
unn1öglich i-t, ct\vns über ,Jie quaril.itative E 11dlichkeit O(ler Uncr1d~
lichl<cit der ,~l e[t z.11 s ::igc r1 , t111.d inan icllt sofort ein : der Satz von
clcr Erl1alturtg der Energie gilt, für <l as Ganze n.icht, Calls es a ls t11tbe-
grenzL a11g c n o r1111}Cll \,·irc.l, denn dann verlicrld r Brer-riff der E11ergic-
- 209 -
crhaltu11g jeden Sinn. Er paßt nur auf einen bcgrifflicll i o l i e r t
gedacl1ten, begrenzten Te j; l, oder genauer: er gilt für da \Veltganzc
lediglicl1 inso(el'n, al: es auf jeden bcliebigc11 sei11er b egrifClich. iso-
liert gcdac l1tcn ·r eile anzu\ve·n cien ist , die dann aber n icht. als in-
dividuelJe SLücke d e" individuellen Ganzen sondern 11ur als Exe1u-
plarc des a llge1ueinen OatLung ,hegriffes \Virklichkeit.steil überl1aupt
anzusehen sir1d . U nd gen.au dasselbe läßt ich auch \l'On d em z,,•citen
l-Jat1ptsalz der 1't1ermodynamik 1 von dem soger1an11ten Entropie-
atz zeigen , der e benfalls \Veit da"·on enlfor-nt ist, ein Geset z für der1
einn1aligen individuellen \ 1e rlau( des \Veltganze11 zu ein. F~iJt
,,\i,' ärmet,od'' kann immer nu1· in eir1em begrirflicl1 isoliert gcdachte11,
begrC'11zLen SLücke der Wirklichkeit, nicrnals aber in dem 11nbcgrenz.L
ged ach ten Ganzen ei11lreLcn1 u_nd zugleich wird das Stück der \\'elL,
•
at1f das man den Satz der Entro pie bezieht, von der Natu1"visse,1scl1uft
auch in dieserra 1-"'a llc 11ur als Gattung. cxcmplar fü r irgend ein b e-
,
greru.Lcs SLück der .k örperlichen Wirklichllcit üb:erl1aupt , nie111.als
abet· in. sei11er Ind ividualität betracht et 1. Woll te a1an a lso auch nur
die quantitative , 1 Individualität'' der \Virklichkeit n1it allgerr1einen
n1ath-ematisctl formulierten Ge etzen berecllncn ~ o miißte man von
ei nem individuell be:-ti1n1nten QuanLum da .b ei in detll Sinne a us-
g ehen, daß dieses zugleich d ie ciwnalige und ind ividucilc l)crsöruich-
keit desjenigen, der die Berechnung an~tellt , mit ei nsc hließ·t, d . l1 .
•
man müßte cine11 bcsLiu11nt.en Zeitpunkt an11ehr>1 en, clcr rr1it einem
von der Gescl1jcl1te durch Ja hrc~z.ahlen bestimmten Zeitpun kt zu-
sa1nn1enfäll,L, und es bedarf ,,·ol1l keines acl1\vci es, da ß in natur-
,,,i. scn~ct1aftlicl1e11 Begri!Ccn eine so leite Chronologie, ol1ne die 11icli l
einrnal die ,,Individualität" der zcillicl,en Besti1nmung a ngc:acbc11
,verdcn knnn, nicht v orko1n rnt. Fül1rt mar1 d e11 Ge,la nkcn ei11cr
Berechnung des l ndividt1ellen ,vir l{lic b durch, o zeigt, sicl1 nicht
allein , daß ie nur 1niL Rüclwicl1t a uf dio Quantitäten der1kbar i~t ,
al-o die cigcnllici1c, crualitativ bcslilruT1Lc unscbau}iclic und , 1 i11di-
vjducllc' ' Indi, •id ualitäl ller en\pirischen \\'irl<lichkeiL ganz bei-
sciLe läßt , so11dern e lritt, a uch zu1,<lejch l1,er\'Or 1 \vie v.·(•nig die 11a'L11r-
,,,i scnschaftl iclie Begri ffsl)iJd ung ö"'Ur 111il dieser le<liglicli qua 11li-
taLiv be~lin1rntc11 ,, I11d.i,,iduafiläl" zu Lun hat.
Doct1 br·aucl1en ,\·ir alle die c Gcdankc11 11icht weiter z t1 ·v er-
folgen, denn für uns kon1mt es ntJr dnr<luf 0 11 1 daß di e e n'l pi r i s c 11 c
~-----
Aus füh rl icher ha l,e ieh llil's grzeigl in rncin.-r . chri(I: J, ullur,,·i.-:~"fl"Chnft
1
- 210
I l.
De r 1o g i s c h e .B <! o- r i f f d c Hi t o r i s c h e n.
Fragen ,,,i1; ,va schon a11s den bistterigen Ausftlhrungen sielt für
eine and ere a ls die natur,vissenschaflliche ~lethodc der Da r-stelJung
ergibt, so sehen ,,,ir, daß ztwäcl1st die Einsicht in das logische \.V e e n
d er nat ur,vis ·en scl1aftlicl1c n B egriffsbi ldung fOr diese a11dere l\lethodt?
cler Darstellur,g ge,,·i_se rt,1a ßcn <las F eld frei gen1ncht hat . So lange
man es nä n1licl1 für die f\ufga be de:.s Erkennens hii lL, ein .i\ bbild der
\1/irJ<:licl1l{cit durch Vo r~tellu11gen zu lieferr1 o,lcr <lie \,-\t irklicJ1kcit
selbst ihrem gegebene11 Inha lte n acl1 in die Begriffe aufzunehn1cn ,
muß die Behauptung, daß z,,•ci logiscl1 einand er entgegengesetzte
,vissen cl1a ftlichc Dar.~tcllunget:i, d er \ 1/irklicl1ltejt, rnöglich sejc11,
afs u11anneh1nbar erschcincrl . Iiat die \1/isscnscl1aft abzubild en ,
so kann, ,,·eil nur e in Abbild ric11tig ist , jede ,,·i" ·cnscl1aftlicl1e Dar-
stcl.lu11g nur ein und da selbe Ziel v e rfolgen , 1.1r1d tn:-ofer11 die logische
truktur der Bt'griffsbildung einer \ Vi senschaft dur(}lt il1r Ziel be-
hcrrscl1t ,vird . ka1111 es auch nt1r e in e ~let.hode d er DarsL llt1r1g
geben . Die tnethodologi chc11 Untersc hiede sind da·mt i111mer n\1r
.atJs .sachlichen Eigc1i t(ln1lichkei t en d es ~Iaterials l1 crzul citcn 1 d a~
der Erfor chu11g J1ier die$C, dort jene Aurgabc Lellt.. GibL ina n d a-
gegü11 die .1\bbi ldlJ.1 ·oric in clt n1 ar1gc-gcbcf1c11 inne au r1 so liegt, cli
Sact1e anders. '\'ir habcn d ann einc11 Erkc1u1t 1tisbcgriff, d er lo riscl)e
D i ff o r e n i i e r u n g e 11 in d er Art d-e r Begriff::.hil(lu11g ztd äßL1
o.lu1c d aß dadurch d er "'inn tles E rltc1111e1..s irgcntl,,·ic t;f'Slört zu ,~·erden
bra t1chL. Das, ,va ,,·ir t1ntcr b•~grifflichcr Erkennltlis versLel1en 1
i t d a ni1 -cv e11Luell in r11 eli rerc Hicht ur,gcn ztl s1>altet1, ohne seirtc11
\1/crt cladu1·ch zu ,,erlieren. Die Begriffe LesLchen ja nun aus d en 11
,,·as als ,,,vesentlicl1" <lern ~la tcria l d er E rl„er1nlnis cn lnon1n1 cn
i t, u11d d a rat1f allein ko n1111L e-s bei ih rPr Dedeut nng fiir rlas E rk.enr1c11
a11, d aß ihr I11lialt sic h zu einer llut,vcr1dige111 d. 11. gül Lige11 E i11hcil
zu. arnrn~11 ·chlicfJt... \.\'ir l1al1en das \\ ·e·ct1 der B egriffe ruclil 111ch r
in il1rer F Ultig l{Pit 1 a l)zubi ldt•111 u11d crn lediglich in ihrer Geltung
gcfu11d,.. ,1. Die Gc~1chtsp\ink te, die die A11s,vahl (les , \·c~P11t lit l1e11
und :;eine Zu:;arn ntenschließur1g .z u gü lLigctt Dcgrif[en, al~o d ie Be-
daß die Natunvisse.nsch-a ft d.ie Wirkl ichkeit nicht abbildet oder il1rcn
Inl1alt nicht o in ihre Begriffe aufnirnm L, ,vie e-1· ist, . ondern ilm
n acll be timmtcn Gesicht.spt1nktcn in allgen1cingült iger \.\1eisc u1nforn1l, '.
i t ZUllächst a lso die M. ö g l i c 11 k e i t einer , •öllig anders vcrfah-
rcn_den \Vi se11scl1art. gegeben, die unter andern Ge ichtspunkte11 eine
CJ,n fonn uug der "'' irklichkeil v or'TlllTitnt, abe r daru1n nicl, t ,veniger
gültig zu sein. braucht, als die natllnvi~senscl1aftli che Oars t.cllu11g es ist.
Diese ~löglichkeit vcn,·a11.delt sich aber in eine logische N o t- '•
'" c 11 d i g k c i t I sobald ,vi1· re i-c1er nicl.tt uur das \Vc::;e11 1;.0 11tle rn
auch die G r e n z c n der natu r,visscnscl1afLliGlien Bcgriffsbildu11g
ken.11en u11d da rr,it aur Fragen l1i11zu",·eiscn i1nst.a11cle sin(i, <lie zu t,e-
ant,vorlcn, der Nnlunvi se n.sct,aft für alle Zeiten vcr:,agt sci·11 rr1uß. •
Un1 \\'elctte Fragen es sich dabei ha11<lcll, o<lcr ,,·eiche Li.ickc d ie Na-
tur,,·issenscha t, ·at1clt ,vcnn ,vir d as \\'ort i11 dein a1tgegeb<' nen clcnk-
bar ,veitcsten Sinne 11eh nlcn, für i1n 111er i11 unserer Darstell urtg der
\Vil'klichkeit l~i:;c1t rnu.ß, verst.el1t. sich jetzt vo11 sclb~L. Es gibt. eine
F ülle von Dingen und \ tol·gänge n, die uns ni cht nur rr1it, ll üel< icht
darauf inleressieret1, i11 wclct1c1n ,. erhül tnis • ie zu einem allgemeinc11
Gesetz od er zu ci11e 1r1 Syi,Le111 von allgcn1cinen Begri ffen siche11 ,
sondern die un gerade d\1rc h ihre B cso11dcrlteit, Ein111aligh.eit uni.l
lndividuaJit.i:i t von Betlcul.u11g sind . Ceberall a ber , ,,·o dieses Inlcr- I
Zei t kuüp{t i:.011d er11 .allgcc11cin 1 also üt,erall u11d für i111111cr gilt, ~-0
bedeutung~voll sie für di e Erkcnnlr1is tlcr Nat ur at1ch ·eitl 1t1ag,
viduelle als . olclies aus ihrc11 Begriffeit aus ·chalt,et. l Die Ge::1chic}1tc
bctracl1tet <iie \\1irklichkeit unter einern v öllig andern Ge ichL-:.punkt
und bedient siet1 daher 11ot.,vendig aucl1 einer völlig andern ~lethode ,
cle r Dar tellung und Begriffsbildung.] W orin die-~e ~le thode im Ein-
zelnen besteht, ,vic sie das Wescntliclie aus cler '\.' irklichkeit so aus-
,väl1lt1 daß d abei die Individ ualit.öt •df's einn,aligen Ge.,.chelic1ls er- '
halten bleibt, und wie zugleich dieses \Ve:,cntlicl1e zu einhcitlichc11. gOJ-
tigen Bcgrif fe n zusa1nmengcschlo::.. cn ,vird, da. ,, ,erden "vir Cl'st ,
später zeigen können. Daß aber der alJger1,eirt~Le leite11de Gesich ts-
punkt der Gcscl1ichts\vi s:senschaft von dem , der Natur,visse nscl1oft ab-
,voich t , ja ihr logisch entgcgengc~etzL i ·t 1 clas läßt icl1 sc hon j-cl zL
fe tstcllen[ Die Gcsc,hichte ka,n n1 at1ch als \\' issenscl1;\ft, die '\Virl<lich-
keit niemals miL Riicksicht au.r d.as A 11 g e in e j n e orid crn i,n m ~1·
nur m it Rücksicl1t auf dtiS B c so n d c r c ur1d I n J i v i d u c I J c
darzust.elle11 ver uchen. Da-, l11dividuelle t11u.l Ei11n1alige ist allein
,v i r k 1 i c h g e s c h e h c n I und n u.r eine \,\'i~se11sclta fl, ,~el'cl1e
von ei ern ~inr,1alige n '"irklicl1c11 Ge~cltel1ett sel}.>st rcdcL, darf Ge-
scl1ichts,\'isi;cnscha rt genannt \verdcnJ
Vi el scheint allerdi1,gs hierdurch 11ach dein. ,vas ,,,ir frü her a u. -
gefü hrt haben, fil r die logiscl1c Gr11ncl lt"flu ng der Ge: chichte als ei ner
beson<ler n ,,, i ss e n s c h a f L. 11oc h ,nich,t ge,,·onncn z'u srin. Die
Anlianger der nat11r\Yisscr1 ·chaftlichcn , nivcr~alrncLhode ,,·el'den
vi elleicht sagen, <la ß gegcr1 die. e Beg1·iff::-bcsli1n·1nu11g nichts eir1zt1-
,,venllen sei, daß aber ge ra de durc l1 sie der Ge:3c hi chtc d er Chara kler
der \Visscr,scho ft von v ornelte rcin. Unll für alle Zeiten entz<;gen ,,·erde.
\,\ fohl sei die Bet.rachlut1g dtr \\l"irlcl i41tl<eit, al:$ Nal,ur, d. h. 111i t Rück-
·icht a uf <l as Allgen1r inc, ciri.-:eitig. In cli<>ser Ein;-;,~itigk.cit be ·Lel1e
//
•
\ abet elle11 das \\"esert der Wi s ~ensc h·aft über·liautlL, denr1 da: bloße
K onst.at,iere11 von eininaJigen ur1d i11dividuelle11 1"'aLsnchon in ihrer
Einn1aligJceit und Be ·onderlieit könne höchsLcns als \ rorarbc.it für
die "\,\Fis~ en::;chaJL gr.lwn, und darat1f k.omn1e es clJen an, die einseitige,
ge,1eralisicrcnde :\leLhode eudlicl1 aucl1 auf d i e GegensUi.11d e anzu-
\Vendcn, die 1t1an bisr1e r n u r hislori c l1 bet1andclt, d. 11. in ihrer Ein~
maligkeit und Individualität als bloße Talsachen konstatiert hat,.
Sc hopcnhauer, der ilt der Neuzeit zu clcn erst en gcl1ört, denen der
UnLerschicd z,\.·iscben atur,\.·isscnschaft u11d Geschicbt.e in logisc her
Hinsicht völlig klar ,var, bc11ulzt <l enn auch, ,\·ie ,vir bereits c1,Yä l1r1-
tcn1 dit~ e l(larhe.it nur, um der Gcschicl1te den Cl1arnktcr ah; \ Visscn-
scha ft abzusprechen , ltnd das hat ma11 immer '"·ied.cr von ~eue111
getan. Gerade \vcil sie ei11e \\ri!)se11~chaft vo11 l11di id uen ,\·äre, ,vie
Scno1lenhauer sel1r riclttig be111crkt, ka1m sie seiner An~icht nach
keine \\' is ensc·h a(t sein. \Vir meinen jedoch n_i chL, da ß dieser Eir1-
wand eine \VCSentliche Bedeutung bc. iLzt, und da eine k ö nnc11 ,vir
scl1011 jetzt snge11: sollte man es fü r ricl1t_ig bulLcr1, daß nur die \,'4is-
sc11sc haft. vor11 t\Jlgrmcinen in \\ra Jlrl1ci t \v'issenscliaft i L, o dürfLe
•
i11 k e in e ,. \•Vei~e d ie Ge~c hichtc al · \Visse11sct1att gelLe11, vrie Scho-
penlLauer da. kon.sequc1tLef'\\:eise auch glaubL. \ .'on di e s e r ]--'rage
aber se hen ,vir h.ier zunäch::L ab. \Vir "';ci~cn da ra:uf allei11 hin, tlaß der
Nar11e Gescltichtc nur für eine \\' i~en chaft ver\vcnd.ct ,\·erde11 darf,
d.ic uas von d e 111 bericht et , ,,·a als ein111uliger tutd iudiviclueller \ ror-
•
: gang ,virklicli gesc hehen ist. All e Gcscl1i chte hat sicll diese Aufga be
t
• •
• gc~t(:llt un•d l ul es l1cute ohne jec!c Ausna.110,0. • uch dicje-11igen. die
bct1aupten, e 1..-1.üßtc fli e Gese ltiGJ1te z.un1 R nng~ einer vv'issen~c·haft
1
daclurcl1 crl1obcn ,,·ertl c1l, daO sie cla:; \ ·erfahren dcl' Natur,vissen-
·chart nachahrn.e, arbeite11 laL -äcl1lich 11 i c ll t r1ac h clcr ::\I1!Ll1o<lc
clcr 11.~Lur,vis cn-sc haftlicltcn Dor1'1l<'llung, ~onclern auch sie bü,richlcn
,ro11 (lc1n 1 ,va:ö ci11 n1al gcs.c hche11 ist, i.tr1d ,,·a$ c.ich in ~ein."r In,<l i,;j_
<lualität 11ie ,\·icucrltolt. Nac hd cn1 \\'ir die Gre11zcn c:ler 11atur,vi~~cn-
scl1aftlichP.n Begrifrsbildung kc11nen, ,,,isse11 \vir, <laß die a tl1r-
\vissen:-chaft die Au fgabe der Gc.;;c hic ht \\'is~enscl1aft n i ch l löscrt
kann und <lies gcnii g'L uns . Irgend oir1cn 1'eil d. r genera)i~iere11<len
\\i'isse11:-l;ha ften 1 d ic sicll ·c.·lbsLv·crsl,ä 11clljch aur alle T Pile de r \:\f i rJ<l ir;l1-
k.f'it er"L.reckcn könn.en, al s 11 Ge·chj<•h te· 1 zu bczeicl1J1cn 1 t"t·sc,l,cir1t
al ~ ci11e ganz ,,·illkürlichc Ter1ni11ologi '· ,, ·ir setze11 hier vorau · , daß
Ge c hicl1te gctricbcrl ,, crdun soll als \Vi:-sens1.: l1aft , ·0111 einmaligen
u11d i11divi-1.lt1t llcn ,,·irl{liche11 Gc~c hel1er1 1 ,,·t>il nicht nur das Allo-c1nei11e
0
isl e., 1.u1n n,ir\clPstcn ni cht au g1>sclil(1s...,P11. llaO e:- eine Art <Jt•r ,,·isst'n-
~('ha fllichPn Bcarl1c-ilung gilJt, <lic z,rnr auch nicht. in1i-l,nn,:lc i::;t den
l nhult der \ Virklichk it sel1)~L in Begrirrcr, so darzusl cllc•,t, ,vic er ist,
<Jic a ucr d,ocl1 i11 cirtc·m g:1 nz an<lcrcr1 1 :-1ozu5c1•rt;1t 11fil1crcr1 \ 'crh ä ll11is
7,t tr ern J)i riscl1cn \,\"i rli lir..: hl,eil steh L a 1· ,l ic f\ a Lur,vis~c1tscltaf L, u11J uie,
'"·cnr1 sie attch die gattic i11Lc118ivc 1\la11rliµ,Ca ltigl{cit ihre~ an~c l1aulichen
1\IaL<'- rial s 11ie crfas~Pn kann sonrl 1•rn , ,·ic jede \Vis:;C"nsch:ifl. die 1\ n-
scl1auu1tg in. Begrifrc w1asctzc11 n1uO, docl1 auch I\icl1L <larauf aut1zu-
_0chen .brauclit, sicl1 n1iL dc1n ltlhalle il1 rcr DeO'riffc i111111c•r tltch r von.
der Irt(i ivi<l ual iLü t der CtllJlir i:,;chen \<\/irl,1 iclil,eit zu. entrcr't1c:r1. Dici-e
Bea.-beilu ng unu U 111furn1t1ng dt~r a11scliatilirhen ,,.·irklicJ1keiL kann
n1aligeu u11d i.n div itiur llcn \\' irl-.l ichkcit ~Pf l>:-l ,,·cnig:-len~ artznnähcrn ,
S0\\1cit 1r1an da von cin,e r \ Vissenscliaft übe rhaupt sagen kann. ~luO
.!-ie auch die volle unrnittelbar gcgcbc11e Ansclta uung \vie jede \Vi.scn-
:$Cl1aft v erln. srn, so ,vird sie sicl1 trotzd em an <le n ei111naligcr1 inc1ivi-
d ucllen Verlauf d es Gc8c hchons selbst zu }1altcn haben . ~Jan kann sie
cle:s hnlb irn Vergleic h zur Natun,,j~ en"chaft,, clie immer vom Beson-
deren zurn Allgcn1cincn un<l dnn1it zt1n1 U n,virklichen strebt, auch a.l:s
\V i t k l i c h k e i t ,v i s . e n s c h a r t bezcic-hncn , ,,•ic Simmel d as
getan hat 1 . Dies"r Au. <lruck dar! ft·cilich 11ur so ~·erslar1den ,verd en ,
d:1ß djc Geschichte die Bcsond crl1cit ,1nd Individual ität de r \\Firk-
Jic hkcit darzu::;tcllen ,•ersucl1t, u11d daß, ,,·e11ll s.ic auch d c-n Inhalt
d er Wirklicl1keit selb..,t rucht zt1 rcprodu1Jcren verrnag, ihl'e Bcgrifre
doch ztir individuellen unc.l einmaligen , virklicl1kcit in einetn prinzi-
piell anderen u11d n ti h c r c n \ 7erl1ältni . Lel,,en als die Begriffe der
g ~ne ralisie rendcn Natun,•issenschaft.
Docl1 vicll'ci cht \,rird man auc h das bes treiten auf Gr,1nd cin,r. J
Gedai1kcnganges, (let1 ,,·ir hier ebenfa lls nicht. übergehen <lür-fcn 2 • 1
\\ic11n der Inhalt der \\ iirl, lichkeit als so lcl1er in kein<'11 B"griff eir1-
gel1t so ndcr11 imrner ers t un1geforn1t ,,·erden n1uß , so haben ,vir auch l
kein Recht, zu agen1 da O das Individuelle dcrn \\1irklichen nä t1cr •
r
tehc als da. Allgt>tneine, d. h. j,e11es l11dividuellc, d a. in eine ,visse1t-
sc hultlichc Dar_tcllung ci11gclien kann. Führen -.vir d en Gedanken cler
U11bcgreiflicl1k,eil des \iVirltlic hen .ko1l:;eq,1cnt durch, ~O kor11r-11en ,vit f
'
vic-ln1 chr zu dern Ergebnis, d aß die \Virkliehkeit al solcl1e y,·c(ler it1-
<.Iivicl·uell r1(1c l1 all gc1nein ist , und 7.\\'nr da ;; r,inc gcna11 so ,,·cr1:ig ,vie d:1s
andere, denn rlcr Begriff cJes J11dividucllen hat. ja rtur im Gtgcr1 ·atze
1
zu dem d es •.\llgcmeincn einen Sinn. \\l',,nn ,vir d nl1er die \\l.irl{lir.l1-
k.cit als i11cJividu(•ll bczt;ic huon, so 11el1r11cn \Yir da rnit bcreit,s chc1tso
eine begrifflic he U rnforrnu11g vor ,vic rlann, \Vcnn ,vir eL,..·as unter
einen a llgrmcin en Bcgrirf bringen . Die \\lii·klic hl,eit . cl~,st, die in
ilil'cr ur1übcrscl1La rcn l\lanrdgfaltigl<.f'it all(•m Begreifen sriut tct , ltö11ntc
höchsten 11 irratio11.l:l l'' g('na11nL ,vr·1·-..l c11, u1t<l auch, die~e Bezeichnung
kä1nc ihr riur in::.,,r"rri 1,u, a l!-1 ~ie ~icl1 cbt'n j<>uem Begreifen c11tzicht,
E ~ ,,•ij rc ul -o da111it 1tic lits P o~iLl ves sonclcrri nur eL,,·os N·cgativc
au,:;gei-ag t, j a, es ,viir" cigcnUich Ilic ht,g Ober llic ,\1irl<lichkeit selbst
sond ern nt1r üb ·r un...;;crc Unfäh igkrit, sie zu h,..,grcifcn , lJr ha uptet.
- 225 - •
wie irn Gebiete der Natltr''. Das ist woh l insofern richtig, als Gesetze
für d i e \i\'irkli chkeit zu finden , mit der m e i t die GeF.chicb te
•
sic.}1 beschäftigt, viel sch,vieriger sei11 mag als ,für die, mit der es d ie
Naturwissensclla flen, insbe ond ere die l{örperwis en8cl1aflen 1 zu tun
habe11. Aber niemals wird es möglich sein, auf die en Urns tand einen
prinzipiellen Gegensatz von Natur und Geschicl1te zu gründen und
die logische Bedeutung des Histo,riscllcn fcstzustcllc11. Irn Gegenteil,
solcllen Argumenten gegenüber ,•.iird die Ansicht in11ner in1 R echt
bleiben 1 die sagt, es sei das gcscl1ichtliche Leben ein T eil der \Virkl ich-
keit ebenso, ,vie al les andere, und ,,1cnn os auch vielleicl1t sch,vieriger
sei, scit1e Gesetze zu finden, so liege d och nich t der mindeste Gruttd
vor, die Lösung dieser Aufgabe als für alle Zeiten unmöglicl1 a11zu-
sehen. J e sch,vicrigcr die Aurgabe sich gest alte, um so größer n,üsse
v iel.mehr der Ant·eiz sein, s icl1 an il1re Löi;ung zu ,vagen. Damit der-
arLige Argumente in ihrer ganzen l1infälligkeit of{e1lhar werden,
1
- 227
- 234 -
sehen, aber tatsächlich gleicht kein Körper d-e m andern, denn nur in
11 und ~tenge ist er \\'lrklicl1, und was dem l\,lanne
, 1 \Villkürlich,e r'' For1
so gestaltet sich unsere At1fgabe auch nicht so einfac11 wie bei den
von sachlichen Unterscl1ieden des l\!lateria]s ausgehenden Eintei-
lungen .
Ein anderer, noch ,vichtigerer Umstand dient ebenfalls dazu,
unsere Aufgabe zu komplizieren. Wir 1nußten, um die Begriffe von
Natur und Geschichte zunächst einmal rein logisch. klar zu stellen,
mit Ei n s e i t i g k e i t verfahren, d . h. den Gegensatz der Wissen-
sc11aft vom AlJgemeinen zu der Wissenschaft vom Individuellen schärfer
herausarbeiten, als er in den bei ,,•eitern meisten empiriscl1en Wissen-
schaften fakti eh zum Ausdruck kommt. Abgesehen d.a v,o n, daß der
Begriff einer \Visscnschaft v om Individt1ellen vorlät1fig noch nichts an-
deres als ein logiscl1es ProbJcrr1 1. t, bedürfen a\1clJ die Natur \.V i ss e n-
s c ha rt e .n nut Io\l'.lcksict1L auf il1r \ 1erhältnis zu1n Historischen
oder zur em pirisch en ,virkJicbkeit in ihrer Besonderheit und Indivi-
dualität noch einer genaueren Erörterung, die in gewisser Hinsicht
als Ein s o b r ä n k u n g des bisher ge'\\l'Onnenen R esultates ange--
set1en werden kann. Daß wir tu solcl1en Einschränkungen kommen
würden, t1aben \vir von ,·omeherein hervorgehoben, und der Grund
für sie muß sich bereits atts den Ausführungen O.b er das Wesen der
natunvissensct1aftlichen Begriffsbildung ergeben. Doch ist es not-
wer1dig,. das logiscl1e Prinzip, ur11 das es sicl1 dabei handelt, nocl1 aus-
drücklich zu formulieren und an Beispielen zu verdeutlichen.
Der l(ernpunkt läßt sic,h rnit wenigen W ort en angeben. Wir
haben früher ,,,jederholt darauf hingewiesen, daß die Begriffe der
.N atunvisscnschaft bei der Bearbeitung d er Körperwelt, und des Geist es-
lebens mit Rücksicl1t auf das Ideal einer allumfassenden mechanischen
oder psycl\ologischen Theorie als m e h r oder w e n i g e r logisch
v ollkommen angesehen ,verden 1n'Ossen. Erst ~·enn die Gesamt-
VirirkJichkeit des Physiscl1en oder des Psycl1iscl1en., ge11auer der In-
begriff aller il1rerTeile, unter ein e n urnfassende11 Begriff gebrac.h t
worden ist , hat dieser Begriff a 11 e unübersel1bar e l\1annigfaltigkcit
überwunden und enthält dem-entsprechend n ichts rn.cl1r von der Be-
s.onderl1eit und 1ndividtialit.ät d er verschi edenen ernpiriscl1en Wirk-
lich.keiten. J ede N atunvissenscbaft jedoch, deren Begriffe diesem
Ideale mehr oder ,veniger fetnst ehen, nitnrn t auch n ocl1 mehr oder
weniger von der Besonderheit u11d Individualität des Wirklichen
in sicll auf. Da nun die individuelle ~lannigfaltigkcit für u11s mit dem
Historiscl1en in seiner a llgem einsten logisc l)e11 Bed eutt1ng iden-
tisch ist , so können ,vir diesen S atz auch dal,in forn,ulieren, d aß
schichte gericl1tet ist,. suel1en \\'lr zunäcl1st die Bedeutt1ng cler histo-
rischen Bcstandtcile in den Naturwi. senschaften zu verstehen.
\1/ir geben auch jetzt " ·ieder so v or, \\rie ,vir es frül1er getan haben,
d. h . ,vir entwickeln unsere Gedanken fü rs Erste nur· mit Riicksicht
auf die Wissenschaften von der K ö r p e r \\1 e I t. Für diese, in Unter-
suchungen über die ?\•Iethode der Geschichtswissen schaften et'~,ras un-
ge,vöhnlich.c Art der Betrachtung haben. wir mehr,e re Gründe. Z·u -
nuchst n1uß, ,,1enn unsere bisl1e1·igen Behauptungen richtig sind,
es 1.um h-1indesl.en gleichgültig sein, ob wir an den Körperwissen-
schaften oder an tle11 ,,Geisteswisscnscha rlcn'' ein logisches Prinr.ip
klnr machen , derin der Gegen ·atz von Nu tur und Geschichte hat
ja in seiner allgemeinsten logi cl1en Bedeutung mit den1 von K örp er
und Seele nichts zu tun. o<iann aber· besitzen für unsern Z,veck die
Körper,visseriscltaften im VergJeicb zu den psychologischen Diszi-
plinen den \ 'orzltg, daß sie in der logischen \ 1o.1Jkommenheit il1rer
Begriffe weiter fortgeschritten sind, und daß. besonders da letzto
Ideal einer bcgrif [licl1en Erkenntnis der Körpcnvelt, wegen der i\·lög-
JichkeiL einer Quantifikation hier viel deutlicher zutage tritt als bei
der begrifflichen Bearbeitung des Seelenlebens, Endlich bevorzugen
wir die Körpenvissenscl1alten gerade d.esl1alb, weil es n i c 11 t ·üblich
ist, den Begriff des Historischen auf sie anzu,vend en. J e unge\vohnter
nämlich das ~lntcria1 ist, an dem ,vir unsere B egriffe c11t\vickeln,
de lo mehr muß il1re von dein Material unabl1ängige logische B ed eu-
tung zu tage treten? und so von "euem der Gegen.salz klar \Verden,
in dem un ere logische EinteiluJlg der Wissen ch::i!ten z.u der . omst
t1blicl1en in Natur- und GcisLes\vissenscl1aftcn stel1t.
Greifen wir zunäcli t auf die Au rohru11gcn über Dingbegriffe
und Relationsbegrjrf,e in1 ersten Kapitel zurück. Die Beseit.igu_ng der
Dinghcgriffe durc,h msetzung in Begriffe von Relationen ist , ,vie wir
wissen, der Weg, au( dem die Natunvissenschaflcn von der l(örper-
welt sict1 der logiscl1en Voll.kon1menbeit an11äherr1. · nLer die Begriffe
von Relationen 11Jetzter Dinge' ' solJ so\veit ,vie mögiicl1 a lles kötper„
licl1c Sc.in geb racht ,verdcn. J e mc11r Begriffe v on anscl1aulicben
Dii1ger1 a lso eine Wj ssc1lschaJt noch benutzt, d•csto \\'eiler ist sie v on
der Ein icl1t in d.e11 allu mfa sct1den nalurge~et.zlicl1en Zusammenhang
der J{örpern•elt entfernt. Die Begri.rre nun , die noch nicht Relations-
begriffc gc\\'ördcrt sind , können ,vir jetzt aucl1 a ls die historischen
Be:sl:.andLcilc der 11at.un, isscnschafLlicl1en 1''t1eorien bezeichnen und
1
- 241 -
eine Rolle, und es kann der1tent.sprechencl auch die l\{etl1ode der Dar-
stellung nur ur-elat.iv historisch' ' oder relativ 1ndivi<lualisicrend sein,
a.ber naturwissenschaftJicl1 im Jogische11 Sin11e ist ie Lrot.zde11, nicht
mehr. Sie muß historisch genannt ,verden, und t1nt.cr rein logiscl1on
Gesicl1ts·p unkten ist eine . olcl1e hislorisclle Darst..ellu11g ror das ~la-
terial jed er Natunvissen chaft1 mit Ausnahme der ,,letzten" 1 rnög-
lich. Desl1nlb scheint der prinzipielle Gegensalt. vo11 Naturwi sen-
schaft. und Ge~cbicl1Le für die e1r1pirischen Wissenscharten ilbcrall
dort zu verschv.•inden, ,vo nicht 11t-.r die Bo6rriffe der · ratun...~issent:1chaft
historiscl1e Ele1r1e11re entl1alLun, sondern ,vo aucl1 :iuf den historiscl1en
Charakter dieser relativ inclividuellcn Elemente au.sdrücl(lioh reflek-
tiert u11<l dann der ei11u1alige gc ·cl1ichtlicbe \Verdegang des lndividuel-
len in Betracht gezogen wird.
Es ist jedocl1 nicht sch\\1er zu zeigen, daß trotzdem die Bedeu-
tung des Gegensatzes von Natur und Geschichte ror die \Visse11schafts-
lehre unangetastet bleibt, tind ,vir ,vcrtlen <lie~ noch leicl,ter können,
\Venn ,vir uns das Prinzip, um das es sicl1 hier l1andclL, an einigen
Beispielen zu v erdeutlichen suchen. In dem wirklichen Betriebe der
Natu,n-vissenschaftcrl von der K örper,veit spielt die in dern angegebe-
nen Sinne t1istoriscl\e Darstellung vor allerY1 in den b i o J o g i s c h e n
Disz.jplinen eine erl-1ebliche Rt lle, und es sirld die logischet1 Besonder-
heiten der Biologie aucl1 desllalb hier von B ed eutung, ""'eil z,var wohJ
kau1.n im Ernsle bet1aupteL ,ve„den ka1111 1 daß die Gcscl1icllte ,,tie
Pl1ysik oder C·h emie ~u treiben seit inan aber daf(ir um so n1ehr in der
Biologie die Natunvissenscl1aft ges ehen hat, deren J\ Iell1ode aucl1 für
1
i 1-I fick a 1 (Der ~loni:..rnu:i al:., Band z,, •ischen ft cliglon 11nd \\' isst"n ~chaft,
l ·G) 8rtgl n ll1' rding~: , , \\·cnn \\' il' rn i tL.-Js l d er l~urtpu1n po d in ~hlR-.ß der ol u10 -
rihärischen Lurt aus eint•r Gl a'-glockc cntrern~n , :-o bleibt die L lchl111cng~ irmrrhnlb
dcrsclbro unveri'iLu.lrrt : ,v i r s o h e n d o n s c h " " i n „ Cl n rl o n A c t h e r !"
Al><'r dos kann rnan ,,·old doch n ic fll l>ohauptcn , sondern " ·ir s c h e n
im 1ncr di ~ ,. Lichtmcnge1" und d e n k c n s ie un:s nur al.s au Reh v,ri11gl'll den,
,:.\ Clher be:. lchcud.
der A1•t, nacl1 eb en o unLerscheiden \\'ie diese von einander, das ,vissen
,vir nichL u1\d können es niemals ~•is e11. Wa re cin e 11letz t.e 1' 'l'hcorie
volls Lä11<lig a usgebildet, Urtl.er d ie jeder d enk.hure körperliche Vorgang
gebracht , erden kann., u11d dadurch erne Uebcrwi11du11g der ext,en~
siven Nlaruugfaltigkeit der l{örper,vclL in ihrer Gesamtheit. erreiel1t,
so be t..l\11den die Begriffe v on Licht, cl1aJJ us,1/. aus Zalllen und For-
meln , die sich z,'i·ar auf die phy ikaJisc hen Vorgänge, die \vir kentlen,
beziel1cn, n1jt dern aber , ,,,a ,vir als Licht, SchaU us,v. un c hat1lich
erfa.l1ren oder erJebe:11, nictil.s mehr gemeirtsam haben. Die pl1y ikali-
schcn Vorgänge sind bcg reifliclt imnler nur mjt, Rüc.k icht auf das,
,vas ie mit andern Leiten . \\1er niemal. Licht ge ehe11 oder 1~öne ge-
hört hut1 würde au · dctn Inl1alt (.lcr Bcgrjffc 1 die eine absolut allgen1eine
'I'hcorie d,cs Ph.y ise-t1en bilde11 könnte, von dem , ,va Li ch t 1 T on,
Scliall usw. aJs en1pirische \VirkJicl1keitcn in ilirer Be ·underh cit und
lndividualiLtit sind, auch nich t d as Geringste erfahren.
Dies n·teinen \vir, '"'0 11n ,vir sagen, da.O die pl1ysikaliscl1en EjnzcJ-
-
disziplinen, die nicht absolut aJlgem,eine 'fheo1·ie des Pl1ysiseher1 sit1d,
auch in ihren allge1neinste.n Begrir{en 11och l1istorische Elemente ent•
halLen.. J ede von ihnen bcgir1nt g-e\\•isser1I1aßer1 n1it cincrn l1istorischen
Faktt11r1 1 und so a.llgcm-ein nucl1 z. B . der Begriff d es Licht.es ist, so
muß die Ü(>Lik., un1 als Lehre vorl1 I~icbt Na tunvissenscl1pft in t1nserm
Sinne z.u sei11, d. h. zu ge11-eralisierent ganz davon absel1ea , daß ibr
1\ilate1·ial vielleicht nur eine beso11{)cre und inclividueJ l,e Art der Aetber-
bewcgung, al o eine historische ~lodifil<atio1.1 darstellt.. Sie u1uß sict1
darauf bescl1ränke11, das f es L1.l1stcllen , \Va gilt~ ,vo übcrl1aupt l„icht is L.
Darirl erfaßt, sie dann d ie Katur irulerhalb de~ relali,1 hi~tori.-;cher1
Vorganges, das Allgc,neine in:i B ~sond eron . Ej11n1a l ergi bt sicl1 hieraus,
\Varu.01 die Unt crsucllunge11, die 11ur fi.ir einen Teil der \\lirklichkcit
gelten, niemals ihren sclbstä11tligen \\' ert v erlieren können, und \varurt1
e unmöglicl1 ist , die spez.iellen r,lr~,'sikalischen Theorien rc.sllos irl eir1e
1'ltcl1ar1ik at1f-zulösen, die nur noch von Quantität:.cn rcdcL. Zuglcict1
ab er sehen ,vir hicra11s auch., <laß der G·e da11ke eir1er G e s c h i c h t e
des Lichks, d. 11. ein er Behandlung d er Licht.vorgängc, die auf ihre
nulividuelle vVirkljchkcit und du111it auch auf ihren ein111alige11 \\' crcle-
gang Ul der \ fergn11g<.\1lhcit Rücksicht. ni1n111t, durct-.aus nicl.1t logisch
,,·ider..·in1ii.g ist. \J äre11 nä n1lich alle nat t1nvissenschaft.lict1cn Licht-
probleme gelöst , so bliebe doch noch ei11e R eihe von Frager1 in Betreff
<.ies Lichtes unbeant,vortct. Gab es irruner l .icht. ? ,,rann ur1d wo ist
es ium er~ tcnmal zu find er1? \\1ievicl Licl,t exis tiorlc ein111al \\'irl<.lich ,
J,ß .
und an ,vclcl1en Stellen der \Velt ka111 e , vor? Die si11d historische
Frage11, über die die Optik aJs gcneraJisierende alu1..,,·i scuscha ft
nichts aussagt. F:s knnn fitslch kein rr1 Ph y.sil<cr •ein fnl l.cn, olcl1e Fragen
zu stellen , denn abg ~chen davon , rlnß ztJ cirtcr Gesch icl,t,e des Licl1tes
aus nal1elicgenrl nn Grünrlen die „ U rli.u.ndcn " f<'li lr n , ,vürd c sie ihrl nicht
intercssicrct1. Abe r darauf 1<-or11n1t " hie r nic h t an. ' '' ir \\rollen nur
zeigen, daß für alles, \\':ls r1ocl1 e1r1tlil'iscl1c Wirkli chkcjt urtd darn it
noch I,1dividt1nlität enthält, auclt ei11e h.istori:iche Dur u:llung logisch
möglich ist , die , ict1 at1sdrücklich dc1· einr1ia fjg,!n und individuellen
B c-,cl,affenhei t, clcr b etreffenden Vori;ünge zt.1,vendet. Daß es sich
bei B ·gri(fe ,vi • dc111 des l .ichte·· n u r l1r11 ri11e logiscl1 c l\ lög-
e ine11 t
licllk•eit l1anrlelt 1 ärtcJert a r1 urtserr n Rcsultat.c cbt1nfa lls t1ichts. \\1a.
,vir auggeführt huben , gi lt vicl1nel1r für die gcsa1n te \\r •tt der Physik
im engeren Si1111e. Auch di~ 1 ,po11derablc Materie", utl1 das, ,vas "'iel~
leicht an1 (re1nclartig-ten l<lingt., hern\1<:.zl1hc))en, ist , ,,renn. z. B . die
?r1assc11atornc ai ' .,Vcrdict1tt1r1gszcnlren ' 1 dN- ,\ cthcr~ angesehen ,,·~r<Jcn ,
el>en falls ir11 \ fe rg lcic lt zu d „m Aeth cr 11ur ein hi sto rischer \ to rga ng ,
der cv e.11Ln cll ei 11e11 Ai1fang ,u uJ ei11 Ei1de hat ,vie alles Be5ou,lcrc u11rl.
l ndi,•iduc lle, und vort de in es d aher at1ch ei1\e Ge3cl1icht.e gcl)en kör111te,
die :;ict1 au! seinen ein rr1aligf'11 111,d hf'so11der~n \\'errl en-nng b~1.ieh t .
\i\'ie gesagt , ,vir ,,·orclcrl a 11f (1if'sC Gcrlo nk<'11 !{<•i n•c n '\,\·crL l1•g1?n,
,,·en11 da logische Prinzip, au r da~ es u u dabei a11lcorn rnt, u1 n llen
\·'lisscnsr.l,n ftf'n so bccleult1ng~los \-Yär e ,,·ie in ,ler P·h )'· ik. D as i. t n l><'r
nicl1t ,d cr Fall. ... cl1on ,,·,•nn ,vir ,111s von d er pllys ika lisc he11 i\Iur111igftlll.ig-
li.ci~ c1cr clu~rt1iscl1en , d. 11. d l)n q ua li t.ntivcn Vcrschiedcr1hejLc11 der
11 Elcrner1t e ' .zu,ve,idcra , gc,,·iru11•11 die historiscl1.rn B esta11dlcile ei11e
1
des L icht.-;. ,•\ nd<:r<'rs{'i t,s al)cr enLha llc11 cli<'$C ,l~lernc11lc" 11icl1t nt1r
v o111 t.a11<l1)unk.l:.e ei11cr logi~clt , rolll(o1 ,1r1\ ·n gedacl,ten, also ab:-.c,1ut
unh i torischc11 Aet.hert.heorie so11rlern nucl 1 chon ttnler ph)·sikali:-chen
Ges ich lsp unk Let\ in) <'l'1ge1·en inne h i:-.-tu1·iscl1e B e~lnnd teile. lnsofcrn
historische11 Berichtes aru1imr11t. Die Chen1ie gibt dann nicht nur Ge-
setze, die für immer gellen , sond,en1 sie erzählt auch v o 11 dem, was
einrnal in frül1eren Zeiten wirklich geschehen ist .
• achdem \vir so die historiscJ1en: B esta11dteile i11 der Physik und
in d er Chen1ie k ennen gelernt l1abcn, können wir uns der Bi o I o g i e
zu,venden , in der rlas logisc he Prinzip, d:ls ur1s beschäftigt , a111 deutlich-
sten zum Ausdruck ko111mt. \ Vir sind jet.zt imstande, die Bc.sonderh,eit
dieser \-Vi senschaft als ,e L,va-s zt1 v erst ehen, ,vodurch sie sicl1 z,,•ar
graduell, aber nicl1L prinzipiell v on den übrigen NaLun,rissenscl1aften
unterschcid,et. Eine cn,pirischc Natur°l'\'isser1scha.ft, d erer1 Begriffe
gar keine ltistorischen Besta11dteile er1thalwn, gibt es bisl1 er nu r nls
logisches Ideal, denn , '"'enn ,vir von d,e r rein en ma the1natiscl1en
~tec hu.nik absel1cn. so ntüsser1 '"ir sagen: scllotl (lie allge11·1ein ten
B egriffe der Ph)•sik zeigen ein rclat.iv I-li"toris('ltcs, (lic der ·Cl1ernie
b ereits ein Historisches höherer Ordt1ttng. Bietet llL1 nun nucl1 die
~
n1oderne \-\'issc nscl,aft von dc-n Organisn1en in der Forn1 ihrer Darsf.cl-
lung ein erheblicl1 anclcres Bild a ls I)lt)'stk und Cheruie, so liegt d as
im ,~·csenliichcn d.o cl1 nur daran, daß hier ein l-Ii~tori~1·l1es v on nocl1
l1öhcrer , '\\'enn r11 a 11 ,vill, vor1 dritt e r O r d 11 u n g clen Gegc11-
stand der Unt.crs,1cl1ung bildet , u11d daß dc1,1e11t. prcchcnd die l1istori-
schen B estandt.eilc in die er \Vi senscho ft eine 11och größe re Rolle
spielen. Unter dir.scn1 Gcsich tspu11kl fügL ~ich also die Biologie d em
Idealsystem von Nalur\',1j se11Schaften ei11 1 da.s wir 1nit l lilfe urt·er·es
Begriffes v o 111 relaLiv Historisr; hcn aufstellen kö1u1en.
Allerdings, vjcJleicht, v\>ird die Be1.cir l111u1tg cler Organisrncn als
relativ riie.tori e l1c~ B ede11ken erregen. Sie se tzt l\tin1licl1 v oraus, daß
z,1.rischen d er ,,to ten" u11(l der ,,leb enden " att1r im Prin1,ip k •· in an-
derer Unterschied bc t eht nl et,va z,vi·che11 E1cktri1jUit, ut1d Gold, tind
diese ' ' orattsseLzung läßt sich unter logischen Gcsicltt!:-punkten r111r
dadurch recl1tfertigr>n, da ß , \\'Ort n sie falsch ,,·öre, eine a b s o l u L
allgemeine T heorie der ph ysischen \ Velt nicltt cin111:1l at~ Ideal a11fge-
s tellt ,verde11 könnte. \:Vollen ,vi r überhat•~)t flnrnar h streben, a lle
l(örper un te r ein c-inheilliche Beg1·if(FS)'Rtem zt1 b ri nµ-cn, so n1ü se11
,vir anneh11,cr1 <Jaß n.icht nur Elektrizität u11d Gold so11dcrn auch die
Vorgänge in den Orgarti 1ne1t sielt als beson ,lcre Artcrl ,,on Bc"''egt1ng
1
,lo:t1.Lf!r Oittgc" J e1tken lasse11. \,\1 a- soll diel)e AJ1n a hn1e , re rbietcn?
Es schei11t, a.1~ ob ,,•,a niastcns der scl1ürislc \\,.id(~rsprucl1 gegen die
Vol'a\l. sel1,l1ng r irier prir1zipicll.e11 Gl cicl\sclzu11g der pl1ysil, ali~ch-
chcr11i::1cucu u11d der or<"aniscl1e11 \ 'orgä,110-e nt1 r ,d o rt hervorgcrl1fcn
- 248
Begriffe in der Wirklicl1keit 11iclYts e11t spricJ1t, \1/a~ icl1 zu a llcll Z-eit en
findet, " 'irtl in der Spezial\,..ri. en cl1art die Frage nach der hi tori chen.
Er1tslehu11g der betreffenden Objekte docl1 ignoriert, 1Jnd, tim für die
biologischen Vorgüngc cir1c allgemeine 11aturwjssenschaftliche 'l' lteorie
a ufs tellen zu kö11r1.cn, ,vird das Hi~torischc als 1 ,unslcrbl ich'', resp.
ne\vig" angtsehel\, also nicht als ciu llistorisclte. bel.raclitct. E s ist.,
,,·ie ,vir auch 5,age1t kö1111et\ 1 da s n:;.i crhlic hc für einen b e ontlercn
'f eil der \\firklichkeit ode r die 1 ,e,vig gleiche a luri• inr1erhalb eir1es
llistoris hc11 Vorgan.ges, di e nun ohne Rück.sicut auf ihr hii:.Lori cJ1e
Bcschaf f cnltei L rei11 generalisierend oder natu1,,•is.se11~chnftlicl1 be-
griffcn '\vercle11 kann.
Wir vcrf0Jgcr1 clie logische Gliederung d er a tu r,,,isse11sc haften
, •on <ler I(örper\velt \Jnter die!5cr,1 Ge.i;;ic11tspunkt.e nicht ,veitcr, d<'11n
ein vollst...'indi 1 rcs SysLe1 n zu cnt,vcrfen, lieg t nicl1t in unscr111 Plan.
E ka1n nur dttraur a11, durcl1 ei11igc Beispiele kJarzulege11, ,velche
Bedeutung clic hi1'Lorisr hcr1 Best and lt!ile inncrhnJb clcr N att11"'vi ~cn-
schaften haben, ,1n<l in\.\'i •fcr11 der Gegcn„atz von · alunvisse11sclta ft
und Ge clucl1te b ei seiner An,ven·d nn° in d er l\Iet llodenlchre cin.,,.e-
scliränkt, 11nd ahgcscl1,,·äcl1t. ,verden rnuß . S cll>stverständJich kanrt es
n eben d er uflgc111ei1teti Biologie noch Spezia ldi zipli11eu gebe11 1 die
die Natur eines I-Iistoriscl1en immer höherer Ordnung zu erforscl1cn
. ucl1en, d. h. innE!rhalb eir,es ei r1n1al ent lf.t11dcr1e11 Gebi etes doch rcir1
gencruli. iercnd vcrfal1re11. Aucl1 in der \i\.'elt der u11bclt•l1Lc11 l{örper
ist e na t (l l'lich 1nöglicl1 1 ein r elativ 1--J istorisr hc~· 11öl1crer Ord11u11r.r 1
als es dj c cl1er1usc hc11 Votgä1Lgc i1l 1 ullgc1ncinc11 sir1d, zu111 Gcgcr1sla11de
der ntersuchu11g zu 111arl1en. Als Bei~J,it>l ei 11ur auf die Geologie
l1itlge,,·icsen . Sie s LcJ\t a.llgeo1cine 'fh eor1cn at1f, <'lie für alles Geolo-
gt ehe üherh.attpt ge lt..en, ob,,·ohl unter nndcrn Gcs.ichtspur1litc1t die
geologischen \ lorgü1\ge auch als eirl lii t orischer ProzC'ß betrachtet.
werdc11 kür111en. Ganz b e ondcre · In.teressc bir t,et forncr die ,\ stro-
r10111i e1 die j a in ge,vis- er )I i11sicli l, nä1r11ich jn:-ofer1l ~ie es J)\it den
einzclnen \,\' el tlcörpcrn zu lu11 hat. I11cliv iu ue1t in\ s tre11g<'ll inne,
.-lso et,vns nhso ltit Hi. Lorjsc hcs bcho11dclt,, tind d ie doclt a.u ch der
" lctzLcn 4 ' Nalur,,·i:; cr1.s1:linft na he sl cht, da ~ic in einigen l 'cilc·11 v on
aller q ualilative11 ita111 tigf nl tigl<cj L <l ~r \V.~) L11.ö rper abt- Lrahiert. Sie
kann dies, ,veil die Qua li lti Len, die sich nirl1t n1nlherual,isct1 hC'l1an-
dcln lc1::.se11, a11f di e Dc,,,t·gu11gc11 de r (;l'~ti1·11e, die d ~r F o r::cher zt1
ber ecl111e11 11c}1t, von keinen1 ,vesenLlic hen Ei11flusse si1td. Dio 1\ sLro-
no1nie ,vird u 11s übrig •ns ,,-cgrn ihre~ in g ,,,·i!-lser rl insich L ernin<"nt
1V.
N a tu r ,v j s s e n s c h a f t u 11 d G e s c h i c h t s "". i ss e n s c h a f t.
\\'ir wissen , nachd er11 v; ir die hist orischen Elcn1en te in den Natu r-
,vissenscha rten kennen gelernt haben , \\'eiche E inschrä nkt1ng unsere
erste F or1nulicrung <lcs Gegen al:zes von Natu1'\vis cnschaft w1d Ge-
scbicl1te erfa l1ren rut1ß, soba ld das rein logisch gc,vonnenc Prinzip
auf die tat.sächlich vorl1nnde1le ,vi:sc11scliaftlicJ1e F orscl1ung ange-
,ve11dct v,:crdcn soll. Aber es ,vird auch zugleich klar ge;vord en sein,
daß der prinzipielle logi. c he Ur,terschicd Z\\:ischen de11 b ·i<len ~lctho-
rlen d er B egr iff~bildt1ng tincl Darst ellung d adurch 11ic.:llt in FraNe ge-
tell t ,,·erden kann . Da t·elaliv 1Ji to1~ische, aucl1 da. höherer Ord•
nung, verbicLct z,var eine nat111'\visscnsel1aftliche B char1d lung nicht,
und ebenso,venig ist djo An,vertrlung der lristorischen Darstcllu ug bc-
cl1rll·11k:t auf <.Lio cr11piriscltc \Virklichkeit., \\'ic ·~ie a ls individ uelles
Sei:n. im einzeJ ne11 t1nmjttelbar gegcl)en ist , denn so~ar ct.,\•as so All-
gemeines, '"·ic das n,it dein \.\'orto ,tLicht," bezcichrtelc, ist als Ge.gen-
sland einer gc-sct1ichLlichen Darst ell ung, die sejt\en cinn1~ligcn und
i11cli,,iducllcn Verlauf ver.folgt, denk.bar, ,vie ,vir da::; später n.och ge-
nauer zeiget\ v.;erdcn. Innner al>cr rnüss.c11 die Gedankenreil\en, die
sich au f dcr1 cir1rna liger1 1 z.eitlirhe11, ,virklichen Verlauf des Geschcl1 e11s
einerseits und at1r die allgemeinc~n , zcillusct1, begriffliche11 1 also un-
,,rjrJ, licl1cn ·crhti Il,1,1i$Se nncl..-rersei L$ beziehen, i11 der \.Visse1,scl1a ft--
lichcr1 Dars.tcll\1ng 1 ,vcn.n attch r1ich t fnkt.iscb, so doch n1it R ück-
"i-cl1t au f ih re logiscl,e Slruktnr ~1useina uderfallc11.
Da.s zeigt sich a11f :-i.11 den vcrschicclenen GebieLcn , bei denec1
eine doppelte BchandJu11g, d. h. so,vol1l eit1c generalisierende nal ur-
..
1'ag, r111r ,Yenig \1/iiß le. · 11rl 111ngckr-h rt, es könnte jen1ar1d die ein-
1naligc i11dividucllc E11L,,·icklu11g der Lcbc,vcset1 auf t11l:--PI' r Ercle ken-
11cn , oh1te da ß d.icse l{ent1tni~ ih11, et,vas \:\lesi,cntli<'hc über die bio-
logi~c her, GesetzP, ,,rpJr·'l1c die,scn \ rorgt111g b C'hcrrs<.'lier1 , zu sagcrl
brn11chte[l5nter Jogi cltcn GesicJ1tspunkler1. 11\tisseu \\'jr llnher z,\1scllen
h i 5 t O t' i S C h e r Uild Jl a t \l l' ,,, j S S e O S C h a f t ] j C h C r B i 0 -
1o g i e untcrRCl t·eicien, von ,ienen <lie eine d<:11 t~i ntnaligcn EnL,,·ick-
lungsga11g individualisierend, (lie a11Llcre das biolc,gisch.' i\latcrial ü.l>er-
lianpL genernlL iürend bchnndcltJ
\\1ir könnr.11 sogar n or h einen • rhril,t ,vciter gPhen und ~~ge11,
<l ufl bei tliescr 1' r r tlnu11g clcr 11utt1r,vi~se11 chafLlichc11 t1r1d hislori ~ch.en
B , ·t.andt.cilc in d,c r Bi,o logic ,·ielleicht n1Pllr als ein. lr,gischcR Intere:--. e
voriic 1rl. \\i'cnn n1u11 rlie neue-sLe11 biologisc hen B c~lrebun[rc11 \.'erfc)lgt1
so s iel1L es so aus, ul~ ut:icl1 e ::.ich irr1n1 •r 111chr ei11e Rirhlu11g g •ll(•ntl,
die darauf clringt, d ic hi i-torischer1 Darstcllul1gcn a u der Biologie 1,u
' r1L(e1·ncn 1 t.111d diese 'f <'nd<'n1.cn 111tissC'n dt>r<'hau s als bcrerhli gt cr-
:-f'h.r:i11{'11, ,,·e11n die Biologie C'jnc Nat ur\,·ir--:-e•n ·c·laaft ,ver,lcn soll in dem
•
i111le, ,,·ie die l>\,y. ilt u11d a uC'lt tlie ChC'n1i,e e ist., d. l,. \vcnn 1nH11
illl' ctie Atifgitbe su-llt, ß"'r1cra lisicrcnd nacl1 c ~~etz.cn z,1 ~ur l1('n. \\ •ir
,lenken dabei nicht c111 tl ie ~1 öf{liclilc,c iL e it1c r BcgrifC -bilt.lu1\~, in der
a 1 l e 1.. "l)end.ige sielt a 1.. ei11e b c:-:011clcre ,t\ rt Jlh)•sil<n liscl.1-cl1c,ni~r her
\ 'orgnngc d~rsLellt, df>n11 clicsc B rgriffc- ,\·ürd en clc11 F on,r f1c-r au!) ,l~r
Biulorrie hil1 tt ui; z1lr J.>hy~il{ u11tJ Chctrtie fii hreri. ,,1ir lial)c11 "·i~lrnc lir,
\\·enn ,vir von einer B ·:-:.cit.igung der hii-torh,c hen Elr111ente ir1 der
Biologie sprcch<'n, nicli t d ic Br.se i t igun j)' clc ~ 11czifisct.1 biologiscl.tcn
~·t a t c r i a l s iul ALt~e, rlas ,vie al'les 8 (•8on<lcre einen rela Liv l1i8lori-
~t hen Cl1,Lrtt klf!r i<'igL1 ~(:.11derr1 die 8 f'1uüht1ngc1.1, die h iF-ltJri ~ ·hc i\l e-
t h o <l e au d"r J3 iologir 1.u c11trcrnen 1 cl . h. l<·<liglit· li di e Gc:;f' lzc
i J1 n c r h a I b <l <:r organi~t·lie1t \\·•·lt k c nt1c11 zu lcrn<'n u11<l clabei
vrJn tlen1 eiu1na liger1 i11 di,,id t1ell n 1.:r1l\Yicklung-;-;gn11g t l l!~ Leben,:; au f
der Er4lo gc1 t1:z alrttt:,;rhen..
\ 'i("'ll.-i,;ht infl die heu le , ·ielr~1rl1 gcl1ra11rhl,cn T c11Tiini
als Gesc hic hlc zu er,nöglicllcI\. Nicht nur d its a b so I u l. JJi ·to1·ische
nän1lich „onderu at1cl1 l1tancbcs, da nur ein re lativ Hi. Lori ches zu
sein scheint, hat docl1 einen Eigen1\ao1er1 insorern, als ei11 Nat11e rticJit
n1it dein des a llge111einen 11atun\'i ~cnst haftl ic: hcn Begriffes identisch
ist., unter clcn clic von ihm bc~eic hnetcn Obj ekte fallen ,,·ortlet\. Oder
ist el,va der n a t u r ~·is;;.ensc haftli J1e Be~rif[ von a ll den Dingt11
tin(l , rorgiingen , die ,,•ir rnit „grie<'hii;rl1" ocler „detll5ch" bezeic l1nen,
b raltcl1bar in einer Dar:-;tellung der griccl1ischcn (l(ler der deutsc hen
Gcschicl1Lc 1 clie ur1scr Jn terc.s.e an dein Ei11111alige11 urtcl lndi, 1iduellen
der hcide11 Völl{er zt1 hc frjcdigc11 vcr111öc;l1tc? , ,V ir 1nüssen dies Frage
Y.1ohl verrleinen, clenn ein natu1"ivi~sens ·ha!llicl1er B egrifI <.lcr O:c utsche11
dürfte 11ur das e1ttl1alten 1 \\'HS a J I e n Deut.scheu gcmeinsan1 i. t 1 ui1d
\VCnn dieser Begri ff gebildet wäre, so ,,rorde er zie1nlich uninteres .anl.
sctn und $ic h ,,·enig von den1 natun\ris cn chaftlichen Begriff des
Fra11zosen oder vielleicht au<'l1 des E ,1ropficrs überli a upt uitler~cheiden.
' ' erolehen ,vir also un ter g ricchiscl1 oder deut.sct1 t1u s, ,,,,\s wir hei
a 11 e n Griccl1e11 otlef al l e r1 Deut · ·l1c1t fi11dc11? Es ,\·ird kau u1
jen1Hnd geneig t s:cin, ciies.e F.-ngc zu bejahen. Die allg·eJ11ciue l'\at,11r'' 0
de Deutsch.en re~t.sLcl lct1 i11 dcrn Sinr1e, , vie d ie OpLil< (iic allgc·r11ci11e
N atur des .L irhtes e rforscht, da~ hi eße d a:-; ignorieren, ,vn ,vir meinc11t
wer111 ,,·ir „dcut. ·ch" s.agc11. Aucl1 <lic Gr icche11 oder die Deul.sc:!1e1\
lassen eine n.ntu,·~,·isscn~cl1a.ftliche oder gcncralisicrc11<lc Dars lellur1g
chcnso,venig zu ,vie die ei11zelucn Persör1lichkeiten. Au~ einer nalu r-
,,·i . enscl1aftlichcn Darste-ll11nw der Gcsrh.ieh lc rniißtcn 111it den Eigc11-
n c1111cn der l'crsö11l icl1keiLcr1 at1ch die Eige1\na1nen <ler \ 1ölker vcr-
sch,vi.nden , uncl ,,·enn du:,; der F all ist , so ,vir,1 n.l an d och nic ht, 111cd1r
belia upten können, <Jaß cirte solche \ Vi&seusc haft noch iu,~wnde ,,·;J rt>,
dn R I nterc~se z11 b<' fri crligcn , ,Jas ,,·ir a n cl c1n E inn1alig-c11 1111<.I l11<livi-
duelle1i der \\'irklic hke it 1,elt,nc11.
E ine v olls tä ndige Erlt~tl igung clcr 1~r„1µ1!n , cl ir sic h l1icr auf<lrl,11g,•1l 1
l,;.aru1 erst. 'pätc1· grgebc11 ,vc rden. ·ur da~ Ei1t•e _cl1c11 ,,·ir jetzt schcJl\:
d er Begrirf rlcs rel~tiv l list<1rit,che·n untl rtie ~l öglir ld<('iL, du,_ relati v
II istor is<.: hc 11ul.ur,,·is~c:1t~e ha (ll ich ge1,1era li:-ic re11tl zu b ~ 1,audcl rt, bc-
seil.-igt, du B e d o r f n i . n acl1 ci11er \'\ii~::c11:-.cl1aflt djc in eincnt ga1tz
unt.lcrerl. Vc·rhil ltni:--., c 1.ur 111piri:-;rht'11 \ \ 'irkl ic.:hlicit l'-lcl1t. al clie J:t-
tu r,,-isscn:? hnft, durchau~ nic ht. · ur cia~ ,,,J\non~·nic' ' ka 11n Oojckl
<.lcr 1\'at t1r,\'is;;c11-sc hu[l, ,,·ertlc rt. r\ucli tlaf- reluti,• l [i:-lo1•i::-c ht!, d.is ci11c·11
Eiger111c.t111P11 lrii•rt., cn t.zicli l, ~icl1 ihr u11l ' r ,dlc11 C 1i1st ü 1tc.le1t u11cl vi1·l-
lciclt t sog~ r 11oc l1 einige:; n,chr„ IJnfJ nllc r 1n11ir i.scl1c11 \ \ 'i:::-<:n:,,clt afl<:n
u1t1 ge ringschütiig v o r1 der Ge cl1iclrLe iu reden, ist gerr1cle 7.urn Gru nd-
266
stcin ci11cr logis.cllt>n Glie<lrru11g Jer \\tis~eni,1,r horlcn zt1 111acl1cn. Nicht
also urn eine Entdecku,1.1g ci r1cs ne11cr1 f1111darr1c11talc1t logii$c heu Unter-
sc.:!tic<lcs, d·e111 rl"1ttrl r1tit Rech t u1iOtrauiscl1 gegenO'ber treten ,vürde,
sondern ur11 eine 11eue \ 'e1,,·cn(l ung lilng:.;t bekannter Begriffe zur
I{lnrh•gung cJe logü,r h •t1 \\fesens tier Gcsc hicl1l,s,, i~:-:cnscl1a ft hnnflclt
c sich hi er.
.. Doch auch in Jiescr IJi11sicht ..ind unsere b i . her i ge n Aus-
•
führu1tge11 in der H ot,pl. n.(·he nicht eige11tlich 11eu son(lern \\'Olltet1. llUr
•
einen ,vic<lcrholt atisgcsprorhenen Getlankert vor allein dadurcl1, ,laß
5je die R elativität des Gecgc11~atzcs von Natur UJld Geschichte au f-
zeigter1 , ei11gel1ender uucl 11mfltsserl<ler ent,viclccl11i als t.>s bislier ge-
scltcl1et1 ist. Sehc11 ,,·ir v<>11 <J{'ll Atl~iitzen zur Beha11lllurlg un~erc:-
]Jrubler11s ir1 d<.',r Philo::;nJ!llie de. dct1tst~hcr1 Jcle<1li~n1t1s nb u.nd bc-
schrflnk.e n un::- auf die n.crrcsl,,e Zeit, s<> ist t1ntcr ,te11c11, die z11r l{lü-
ru 110- des lo1rise1lc11 1f aupt.probleru:; bcige lrag~11 l1abe111 beäon(tcrs
\\'inucJband zu nennen. • ei11e Dar~t.ellung Le!-~ing~ leil-ete er . chon •
•
so vir l \\'crL haben sollte n , als ~ie jene B<'griffe \,·ie,lerholen. Da$ ,var
cl1e n0 t,,·er1tlige l<'o lge <l~t,·011. claß ,rl iescr R~,tiona li : :. m1J.s Sl\ cler I l a11d •
del' • a t u r ,,.· i s c 11 s c h ._\ r t, u 11<l :-,.p·t:ziell der 11 e c b a 11 i l{ groß
ge,,·ordrrt ,,·ar. l r1 il1r ::illcrdii-1g:; b;t die ei11zclrlc rr at:-ache nur t.'in e
Exen1 plifil<aLiort des c,,·igcn , i1llge111 i n<>n G<'~~l zf>. , und • ic "·er1nag
v o11 d <!111 Jn lli,,i,h1cllcr, .1l)zusehc11, ur11 gl'r::tdc <ia<lur<'h <las Gesclz-
n1 ii □ igc zt1 fi ,nrlc11. J~'ür . ie i~t rleshnll, der ,,rerl, d1•r einzelnen l•:r:-.1'hCi•
11u11gr1t letligli.ch. clurc•l1 <1'as C,•~r tz be~lintn1l 1 ,, elclic'~ s it: h ,l1.iri11 bo~
- 267 -
11ur das nat11r,vi senscl1aftliche maßgcbenrl ,vurde, so trieb das Denken
der .>\ufklärung überall a uf den Universali 111u s z1-1 uncl verlor in
steige11dem 11a0e lnte~es e un.d Verständnis fiir die bisitoriscl1en 1' nt-
sachon." Ebenso klingt Windelban<ls Darstcllut1g der phi.lo ophi.thcn
Begriffe t1nd Probleme in ih.ror E rlL\\'iclt lung v on den Griechen bis zur
Gegen,vart i11 einer Gegen(iberstellt1ng von atur und Ge chichte
aus 1 , und endlic h l1 at d erselbe Autor die e 'l' hen1a aucl\ zt1111
Gege11Sta11de eu1er systernatischen Erörterung gerna,c l1t)'- Er '\\ill
nusdrücklicl1 die üblic he Eintei lung in N al,.1t,vi ·se11scha{ten tind
Geist .cs\viss.cnschaften fallen lass~n, v or allcrn, ,veil es nicht n1ögllch
i t, die P sycl1ologie in ihr uaterzu br,i ngen. 1-\ n i'hre Stelle hat die
Unterscl1cictung der .,Ercignis,,·issenscha ft.e.n ' ' v o11 der1 „Ge elzes-
\,·isse11schafte1111 zu treten, und die l\fethode der eiJ1en . 011 ,,id io-
grapl1iscbt' , die der anderen 11 nomothet iscl1" hcjßen. Da,1tit i~t. ""e11ig-
stens der o i n e, bisher allein bel1a11deltc P unkt fur eine logische
Gliederung der \\' issenscl1aflen mil vollet· I{ larl1ejt bezeictlnet. Auc l1
der Au drl1ck G~etzc ~vissor,scltä.ft ist i11sofcrn z:utreffcnc:I, al~ dat-
höchste I dea l d er . atun"·issenscl1a(L i1t der At1:(stellung von Ge. . cLzer1
bcstcl1.t. FreiJic h ist er streng geno111men zu eng, d a die ,deF<kriptivc.n"
\ Vis-.sen ebaften doch ebenfalls in eine1n Geg,•~atze zu clen ,,i d i o-
graphischen ' ' stehen r11ü , c11, u.nd dcslta lb c11lpfiel,lt, es ~ic h , v or1
gen cra lisier·e,n dcn \ is, en„cl1ntterl z11 re<len. \.Vas fe rnet' d en ·r errni1111s
idiogrnphi scl1 betrifrt, o bczeicl,ncl er flus Grünclc1t, di o v,tr 1\ocl1
genauer ke11nc n ler11en \VCJ'Cle n , l \Ut· ein 1-> r o b I e 11, oder brh1gt
,ve1ugste11. das \-Ve:;ct1 ,!er hii.;torisc hen ~fcthode nu r n:.tch ci1,cr1 11n{l
Z'\·ar nur nach ihrer 11 c fl' a t i v e 1l cite hin zun1 ,r\u ~dttu.:k.. Docl1
1J1ehr als ein Prohle,n haben att<.~ h ,,·ir ir1 di•e:::.c111 l( a pitel 11()<'h r1i cht
geben ,volle n.
el1r int.ere ~a,11.. i~t es, ,laß gleichzciLig 1nit \\ti11(lelb a11d Jlarn1.s ~
ebenfalls in ei11er1 l \\'erlce l1isl.<1ris hen Inhalt.c Ausführ11rtgPn tibc·r
den logi. c hcn Gegcn:::.ltz v on Nat.\J r 1.111<1 Gc~<;l1iclit.c 1.1ncl cin•e dnr a uf
zu g1·ü11dc111.l e Eir1tei lu11g der \Vj_ e11:,cl1a ft.e11 ge1r1ae ht hat . .,A.11 ~
bcsond t'ren ,,·.i~.:l.enc:rli nft.en" , sagt cr 1 ,,ruhen cnt,,·cdcr l'luf <i <.' r l\" atur-
forscl1u11g ocler auf <ler Ge$c hic h~for~chulll-' Ullll sind dal lcr (le1· l•'ortr,i
ihre. l~rkcnr1enR na'"l1 cnt,vt'flcr 'feile tler ge r l1i chtlic· hen ndf'r der
l c; ,,,cJ1ithl li d i:r t>hilo:-op liit•, l ~tl':?, S . :,0-0 rr., G. .\ ufl. unl••r (11•1u 'l'il<·l :
L chrhuch d1•r c;e,,.c tiicl1lo <le,t· ,... hl]O:-f)phit•, 1Hl~.
•
~ ':e.-c hil!h l e und !\alu1·\\'i:-,._1cn-c haf t , ~ lrnßhurgcr l tr•klornt -.r<'ti<', 1R9 1.
3 Die- Pliilo,01,hic in ihrer (it'-'-Chiclllc J. p,-ycltoloKii', l 878, ~. ;;:; rr.
- -
•aLu1·,Yissc nschaf.t. Gc${·laicht.licltc \\"is;:;en~cl1a ftl'1\ 1ic1111 •J t ,,·it· die,
,,·eiche in (1·r Ge~chicht.e eine Quelle ihres Erkeru1e11s l1::1bcn, ,vie die
P oliLik, (lie Ju rispruclenz, die positJ,,e T l1eologie, die Nntionalöko-
nomic, t.Jie Pl1i lologic und , prach\\•i<•scnschaflen u. a. n1. • ic rul1cn
insge a1nL nicl1L auf Naturforsch.ung1 so11dern auf Gescl1ichts(or~cltung.
Diese Eint.cilung der \\•·i-~en1;chaflen in gcschi<·h tlicl1c 11nd Nat.ur-
,vi~sensc:haflcn , 1crdient allen a1H;leren in ll1corctis<:he und prakli:sclle,
in 111eU1phy5iscl,e ttJ1d ästhet.i el1e1 in · 1at ur- und Ge'i Le. ,vjs er1schaft.en
0
de halb vorgezoger1 ztt "'·crcle111 \\·eil sie der tatsiichlicl1r n For m und
:\lethodc ihres Erkenn en cn~ pricht., ,vähre1icl die übrigcl1 Einteilu11ge-n
dieselbe ig,1oriercr111 • Aucl1 hic1· also ist, d er en.tscli cide11<le Punkt
klar. l•'rei lieh findrr1 sich b ei l l a1·1ns daneben au ll Sätze, die z igen, 1
claß er cJic Begriffe del' 1 atur u11d der Ge, ct-iichtc irl i,hrer logi~chen 1
Reinh eit doc h. nicl1t kennt, ur1d da □ er d:.. her nicht jn1:;La1te.le gc\vcsc11
v,är~, eine EinLcilw1g nu~t.hodologisch fru el\t bar zu 111acr1,e r1. So
~agt er z. B.: ,,Die Erf.:thrun „ selbs t , ·, ,·oraus a lle besond cre11, , vissen-
' chafte11 hervorgehen, ist, dopJ)elL", und beltauJJi •t ,·on dcrr1 Gcgcn-
sat.z v o1t Natur und Gcscliicl1te: ,,Es ist. da kcir1c Differenz i11 dc11
erk c1111e11<.l e11 ubjcktcn 1 011de111 i11 d e11 zu erl"cn11 •t1de 11 Obj,cktcn".
Dan1it kann eine L o g i k der Gcschiclite nichi.$ ünfartgcn. Anclcrcr-
seit.s ist C$ sehr bc1nerket1S\\'Cl'I., ,ve11n lla r111s vo11 Dar\,·jo sagt.: 11 ichL
d a Gebiet cler Nat.ut,visscn cha ft hat er e1-.., ·eitert1 sonJcr11 t11ngckehr·t,
1
tlas Gebiet der geschichtlicl,en Erkenn tnis l1at er zu enY itPro vcr-
ucht." Docl1 ist au ch das ,vierter nicht in d crn r ein logischer• Si1u1c
gc111cin1., ir1 dem es hier a11so-efül1rt. ,vurdc. Auf jecJe11 Fall aber finden
sirl, bei I--larn1s ehr ,,·erLvollc Gedank e11 1 die leider kei11c W irku11g~n
:1.\1„geübL hab en, ein · n1s tand, der zeigt, ,,·ie v oll~t fi11(lig d er .l ogi..:ct1c
Grundg<'g<'n~·atz d er ,vis ·enschufLliciicn i\ifeth<.icJen ü ber '1ogi. cl) seku11- •
• ei te lass.en, u111 o ,vichtigcr ab~r ind die beid c11 cr~t,f'rt. Die Cc-
srl1i c}1Le b \. Lcl1L 11act1 ·avillc aus dC'n \\,"j;,;;-;,cnsc hnrlc11 ,·011 tle1· \\"irk-
licllkcit.. lrn Gcgensa t.z dn i u t1n1f11ßt Llie z,,•,.i-Lc cJas, ,,·a5 ,, ir 1'nlur-
,\ is ·er1scl,1aft gC'r1,1n11t h11bc11: clie \v'i~senschafL<'11 vo11 den 1t0t.,,·u11uigrn
11edingt1ngcn des ~löglic.- l1cn ◄J d f' r <lie Ge3cizes,,-issc11se ltt1ftcrt. Die Ei11-
.
• J..>c la c la,..,ific.alion tles !ieie1H; t1s. J-:tuJc logi<p•e, 1888, 2. Au fl. 1OOl.
\ ' ortrcfflic 11c Bcrr1erk t111ge11 iil>er das '\Vese11 tlcr Gesehiclll~,vissen -
srhaften fi.niJc11 wich end.lieh i,1 ei11cr Schrift vor1 G.corg Si1111ncl 1,
die ,,·ir bereits en,·i.ih nten , a.l:11 \,·ir von rler Ge::;(jhich tc als rler \''irk-
lichk<Ü Ls,,·issc11 ·cl1aft Sf)rachen. Die Ei11sjcl1t, d a ß z.,vii!ic11e·n erzäh len-
der und Ge::ctzes,\·isst nsch.:i(t,, logiscl1-bcgrifflicl1 a11gesc}1,c11, d er größl..e
l 1nter~chied be:;tet1t, d en es überh aupt at1f cle111 Gebiete cl e~ \\l'is~en~
geben kann, ist hier eb~nfa 11::- clPu Llic h :.1usg<'~pn:,cl1c1·1: ,, l 11::ofcrn a h,o
1 U it• l 'rohlt 1ilr d t•r Gt.•i,c h ic hl:-tpld loi-.o phir , 1302.
-
Ge"cliichtr ,,·i. scn.scl, a[t zu schil,tc111 hal , \.,·a · "virl{licr1 geschcltc11 ist,
inden1 sie die \Virklichkeits,,·is.senschart schlcchthi1t ist , tritt sie in
den dcr1l\.bar .-:1chä rfsten Gegensatz g<·gcn alle Gesetze ,,,j5senschaft " 1 .
Jn1 ei11zclnen können '"ir dan11 allcrclings at1ch im1l1el, be„0I1:ders i11 clcr
erste11 t\ uflnge seiner Scl1rjft,, at1f tlic ,,,ir ur1s a11 ,dieser Stelle absicht-
lich bcscl1rä11ke11, ,veil ,,·ir nur alif (l.ie Arb it n hin,\.·cis en, die ·vorlage-11 1
al::; die erste Auflage dieses \v'crl,cs gcdrucJ{t ,vurde, nict1t übera ll
zu~Lin1n1en. Es . cl·1ei11L uns .nicht gliicklich, rl a.0 aut h er ,,on dc11
p s y c 11 o ), o g i s. c 11 e r1 v·oraussetz,1ngcn in der Ges,·hichlsfor-
~chl-lflg a,1::gel1t 1 uncl fcrnor ,vircl vo,1 ih,11 ucr Gc:gcns~tz v on Gcsr hichte
u11d Ge ·etze. \,,js „e 11 l,art, t1t1-,gekehrt \\'ie bei Navil.le, ,vieder so sel1r
cjr1gc1sr hrii11kt und abr,esch'"·,ä cllt, <la ß er scirlc DcdcuLung fo t oanz
zu v erlicre11 scl1eint.. DR,_h~ng l zun1 Teil mit irn1\1els Auffassu11rr d er
Erkenntnistheorie zusammen, die tecligli,· h eine „Beschreibung'' der
Erkenntnis gebc11 soll. .Ja, es fin<lr n ich ugar i11 der ersLC'n Fas. ung
' .
e1n1gc ätze bei in1rnel, clie seinen eige11c11 , rorat1s:;et zulliten dirc.k t l
,,·idP.1·~precl1en 1 unrl die Z<'i'""Cn , d itß ltuc l1 er ::.i<·h hier n orh ni rllt , 1on
cinge,,·urz.cltcn ralio11ali t.i chcn Dc11l{ge,,•olutl1c1tc11 ganz Crci gen1uc.~ht
l1at. So ::igt er z. B. : ,,Gäbe es eine P. )1chologie al Ge;;et1.es,vj~ er1-
7
Daß ,,·ir bi~l1er 11ur ein Proble111 ge,,·onncn hahen, läßt sieh aucl1
11och in rtiner t\r1ci cr<>n. \1/Pise klar 111ac hcll. l\fa.11 ltönnte nä1nlich
ltl<-ir1e11, (!1ar logische · ntersc hicd z,vi~cl1 rn ~alur\.,·is, enscha,ft uncl
Gc!-chj chLc best ehe nur darin.' daß die G-e~cliicl1ts,vis~cn chafL die
Aufgal,e habe die Ergebn isse cler natur,vi~~en schaftlichen B efl'riffs-
bildu11g nun nucl1 auf ein Ei11m.1ligc, Bcso.ndere tind Individuelle
anzti,ve11den t1n<l , o vo11 cic11 allgcn,cinen Abstrak.tioncn ,vicder zu,11
konkreten I-Tistoris<'her1 zurückzukehren. Es Jäßt sicl1 ja 111it a])t„e-
n1ci11.en \Vortbcdcutunger1 jedes beliebige tück der e1npiriscl1en \Vi rk-
Iichkeit aucl1 i 11 ei11er lndivid.ualiLäl und Bcso11derheit darstell en.
\:\"ir brauchen ,,·ieder nur an die Be chreibtmgen zu denken , die ,,·ir
~rhon früher or,vä hrtt haben, und von den.en ,,ir zeigen konnLen 1 daO sie
11ic h t 1nc hr t~ls itatur,vi :ser1sclta ftlic hc Begrif fsl,i ld n11gf"n sondern nur al
\ 'orarboiter1 dazt1 zu verst.eh.e11 si11 d. Es sc ~1cint 1 nls könnten gcra<Je
sie n t1n als dje cigenLlicl1c Aurgabe der Gcschicl1t wi.:; ensc}1aft gelten.
Jt1re ~ 'i. se-11::.chaftli chkeit gege11über den prir11itiven Beschreibungen
,vtirdo d :,.i. nr\ darin be··tchc,1 1 daß jene letliglJcl, 111iL Hilfe vo11 el<'-
111cntaren \ \'·ort.be.det1tungen vorg~110111n1cn ,verde11 1 ,,·ä hrcnd die
,vi5sensctiaftliche Ge chichte {lie von der. ·ntu1"'''itsc11schuft, c11 t..deekten
Allge111cinbe-griffe zu benutzen htitle 1 tarn so rl1~s Einn1a lige und 111-
cl ivid uel le ,,·j sen i-.C haf tl ich Ztt b ese hreibt'.'n. Die Ge chicl1te \\'iire <la-
n.ach ni chls andere · a'ls gc,,,js~er111af3en ange,,·anrlte Natun\·issen chaft.
Diese .\1cin.t1ng j~d'ocl1 isL grundfal cl1 ur1d ,vird dem \ Vcscn der '"°irklich
vorha11dc'l1e11 Gc~chic hts,vi ~seJlschaft in keiner \1/eise gereclit. I11
seiner l11dividualitJ\t be::chrcibcn lilßL si<'h, "'·ic ,,1ir fr1iher sahen, jc<les
heliel)igt! Liir,lc der ern1)iti:-cl1ci1 \\rirl~lichkcit, abrr es i, t nicht recht
ci11zuschcn, ,,·ie dt1rclt solc l,e B e cJ1rcibungcrt et,vas zt1st.ar1de l<o1nr11e11
soll, ,,·a den Nan1cn einer l>e~ondrren Wissen. chnft , 1erclie11t.. l cl1 kann
die Ti~chpl.lLtc v or rnir ir1 ihraf>r fn•ii,1 icl11nlitiit ge,viß !-O be,-chreibe11,
daß ich das a11 ihr heraushebe, \\:a sie von and erer• 'fi sc hpluttcn u11tt'r-
stl1eidet, ur,d ich krt1\n in der Beschreibu ng <lie~cr Indivi<lualitüt be-
liebig ,veit rrc he11, so daß es in\ {Jri11·zj1; möglich ,,·üre, ein B11cl1 n1it
ei r1rr Beschreibung die~l'r ein111a li gen u11tl i11divi,l,1ellen Tisch1>IHlte
zu füllen. l(cin 1\lcnscl1 aber ,,'ir<l da, Gt-sc hichLe nennen or!cr über-
hat1 J)L ci11e r solfhcn B eschrcib,111g <lc11 Cha.ral~ter tlcr \i\1issc11scha tt
beilcgcri, t1 uc ~t cla,111 1'licltt, \\' c 11t1 clarir1 11ur 11a tur,,·i sc11scha rt l.ic hr
Allgct11ci1tbcgrifrc "·cr,venclcL , i11u. l rn 1,?il11. lig~tcn }+'alle künr1c11 !,Olct1c
B~scl1reibur1gcn, '"·ie ,vir eins gesl"h<'n hal1en 1 nl:; • a m1r1lung , ·011 l 'at-
sacl1e11rl1atr· rit1 l g<•lter1 1 dar:. liar111 d<-r ,,·eit.t'rt>Tt ,,·i1-scns.c- hafllichen Be-
- 274
Vi er t c s l{ a pi t, e 1.
Die l1istoriscl1e Begi:--iffsllildung .
• • • . µ(ii,)•.ov "'EX),"fi\v~,; xrx.).a!o3-a~ ..-o~~ ,:1j,; 1t t:t ~ 3 s :> o ~tu,;
-r11~ fi;1ii:i?cx; Yj -cotl~ -r~; X6tvr1~ yO~l!CJ)~ µ!-:-s.x_ovT«~. •
I■o lira·te,.
::.o sehr er sich auch gege11 alle 'l"eleoiogie stl'ilubeo rnag, not,vcnclig
Gcbr·auch n1acht. Drc in rlividu nli_icrPnd c ,\·ird sich also als ei ne
,v e r t b c z i e h e nd. e ß e g r i f .r s b i 1 d u rt g rr,Yeisc:n und auct1
1lad11rcli ir1 einen Gegensat z zur ,,·er lfreien , na lun, isse11:cllaftlicl1cn
Bcgriff~ll il d ung l retcrt. D er Begriff rlcr tl1corclisC"hen \,,1ert bczielrung
Rls dc8 cigc11tliche1t P ri111.ipe~ einer intlivic.lualit1icrcnd<~11 oder histo-
ri;,(<· lien I>ar~tellu1,g i~t ~ll 1! d ns EingPhcnd~te 1.1.1 etöt·lcrn.
1 •
\\rei ter geführt \verclert v.rir da11r1 (l l1rcl1 de11 U n1stand 1 (laß es E!l.
,t
cler histo rischen \\' irl{licl1l\eit nirge11ds e r e in z e 1t e l ndividt1en gjbt,,
sond ern daß a lle Obj clc t,c der Gescl1icl1te T eiJe ei11es größ eren Ganzen
s ind , 111it dcrT1 sie in einem rea len Zusammenl1ang st ehen. Die N ntur-
,,-isscn cl1aft hebt, \Yi e \Vir ge..;cl1crt }1u.bcn , d11rch il1re .-\ bst r aktioncn
diesen Zusarr1111cnl1ang aui und isolictt die Exen1p1arc begriUlicl1 .
Die Gc ·chicht.c kann so nicht verfah ren. Nur durel1 DarsLelJ.ung de
h i s t o r i i- c h e ll Z u s a 1n n1 e n 11. a n g e s ltar1n sie ztar \Vis e11-
scl1nft vom ,,·irklic hen cinrr1a ligen Ge.5chr lten ,verde11, t1nd bcsondcr::-
daraur i. t Ztl acl1Lcn, d aß jedes individ.uclle Obj ek t n1it and eren ir1-
-
clividucll~n Obj ekten lc au s a l , 1 erki1üpft is_!j Diese h i 8 t o r i s c l'-1 e u
Kau~alzt1!::la1nroenhänge sind aber ,viederu111 sorg fältig von den natu r-
,vis enschaftlj.cl1en l( ausal g e s c t z e n zu scheiden. Die Dal's tellu11rr
v on k at1salc n Vcrkniipfur1ge11 fä llt dt!rchau nich t, ,,,ie vie lfach ge-
glaubt ,,·ird, 111it einer Darstellung der \\'irklicl1keit als Natt1r z1 \ -
S}1 n11nen. Endlich vercirtigc11 ~jcl1 im Begriff der gescl1icl1tlichc1,
E n t ,v i c l... l u n g die logi chcn Gru11dpri11z.ipien der historischen
B egriffsbildung. Dc>ch ist. d ieser Urr1st~1nd ebenfalls ,,·eil d,:'l,ron en t -
fernt, die historisc,he und die 11aturn·i scn cl1aftlicl1c l\,tet.hod." ei11anclcr
zu n äl,ern. Die g e s c 11 i c 11 t l i c f, c E n t \V i c lc l u n g beiilel1t
e rst en. aus einmaligen und u1dividuellen \ Iorgä11ge11 1 u11d Z\\'ei Lc11s
gclieu auch diese tlur durch die Beziehung au{ \ Verte in historiscl1c
Begriffe ein . Dc11 i11 \ logi' chen Siru1c n a tur,vissenscha{tlit hcn Dar-
slellw1ge11 i ·t, d aher d j e s e r E nt""·icklt111gsbegriff fre1nd , un(l \\7er1n
er lrotzd•e m sogar i11 einigen ]~eilen der l(örpcr,,,isscnschaftcn eine
• Rolle spielt , so liegt das nur da rar1 1 daß n1an aucll die ph)·:sischc \iVirk-
lichkeiL unter l1isLorische Gesich tspur1kte briu.ge11 u11d individuPli-
sierend darst.cller1 kan,n, eirl t:111stand 1 der , ron Ncuc11l he,,·eist 1 '\\·ie
,,\'enig der Gegensatz von Nalur un<l Geist ge,eignct ist, die logischen
Problen1e der Gescl-•icl1lc klar zu legen .
1
Ist, d,urch den Begriff ·der E nt"vicl(lu11g.sgcscl1ichl,c das allge-
1
111cin tc Jogisc; lic \Vest'Il jeder l1ist orische1t DarsLcll ung bcsliu111 Lt 1 so
"'•,cndc11 ,vir uns den Ei11schra11kungcu zu, d ie gemacht werd en 1nüsser1 ,
falls unser B egriff auf c..l ic ,,·irklicl1 v orliandene Geschicl1ts,vissen-
schaf't, a11ge,,·e11lleL ,verclc11 soll. \\'ir dehn.er, jl1r1 vorn absolu t ITislo-
rischc111 das ,vir zuerst allein ber ücksicl,tigcn,. i1u f d;i~ r c 1 a t i v
H i s t o r i s c 11 e aus u11d lernen clatl urc h d ie n a t u r ,v i s s c r1-
s C h a r t I i C h e n B e s t. a n. d t C i l C i 11 d C n G C s C 11 i C h t s-
,,. i s s c n s c ll a f t e n kc11nc11, <lie eb('U 'O ,,·icl1Lig sirid ,vic die hi-
scl1aften gegen(ibcrgestcllt ,,·erclen 1n i.i "scn. Sie fallen unter den socl1-
lichcn B egriff der Ge chichtc. Docl1 bleibt a ucl1 dieser Bcgrifi 11och
inso(cr11 for111al, als ,vi r irt der :\'lethodenlcl1re 11ur cir1en for111 ale1t
Begriff der l{ultur aufst ellen, l,önri·en . \\ fel.che inhaltlich best.i1011lLen
\.\' ertc die gescllich tlichc D arstellu ng leit.er1 1 und \\'Or at1s also der
inhaltlich bcstin1ntLe B egriff <ler Kultt1r bcsLchl1 das ,rern1ag nicn,:i.l:'l
die Logik sondern nur die gescbichLlichc \\!issenscl1aft selbst urtd eine
an ihr ori.entiertc t1.n1faisende Philosopl1ie oder ~ elt.an~cl1auur1gsl ,t,rc
zu sagrn . Die l\·IcLhod cnlcl1rc ]{ann Jtur n och de11 Vci-such 111acher1,
vom ß en-riff der l(ul tu r\,·i~~cnsclt~ft nu in clas v\·csen des so viel
erörtert en hi sLorisch,c n ,,\fcr~t chens'' einzLtdringeri. Die I„ö:-u1tg
dieses Problems i t aber erst iu A11g rirf zu nel1111rn 1 ,,·enrt n1an scho11
\veiß, ,v a v o 111 Hist oriker v·ersu1ndc11 \\'i rd , urtd at1ch aus die · e 111
Grurtde d arf nlarl v on1 \ 7crsl clicra in ,ein.er Theorie der Gcscl1iGhLo
nicht au~g-el1e11. llistorisc hcs \ er~tJi11d nis ist nicht. clas \ rcr:;tii.ndni:;;
des ee lis ~hen Oller P sychiz:;che,1 80t1dr 1T1 d n~ \ "c rs l ä11c.li1-is der n,chr
als bloß J)S) 1cl, ischcn I '"ttl tu r.
E1idlicli crl1<11>t si ·lt ffir <.Ji,e Logik. r.1uch ci11 neues Problcn1. Irt
jcc.lc1· uat.ur,vi: ·crtscliaflli r h<'I\ ui1<.l in jc-Jcr 1ii ~tori:;:cl1en l)n1~· tf'llt1ng
111achen ,, ir ciJ1e !-leihe \'On \ T o r a u s s c L i tl n g c n , die als das
11 tl priori'' der ,,·is e11~chafllil·hc1 1 B<.·griff. l>i1du1,,, zu bczeich n.e u „ind .
. . ic sterken, l-o,,·eil sie 11icr in B elrac l,l, h.01nn1c11i \'ttr all.-1t1 ir•1 Be-
gri ff <l cs N a tu r g es e t, z es als de LltlLeJi11gt allgc111ei1u!11 Urteils
eirier8"'i ts unrl i ,11 Begri.rf clc:- I{ tl I t 11 r " ' er t e . 1 attf clf•Jt j.cdes
l1istoriscl1c OLjckl Lczogen ,vir<l, t11tdr.;rcr~eits, ur1d es l<anu 1111 rt nich l
l.
Da ~ P r o b Jc 111 d e r h j s t, o r i s c h e 11 B e ~ r i ff · b i t d u 11 g.
Um unser nettes rr1cLh otloJogische~ f.>roble,n gen::1u zu forrn Lilicren,
ist es n ot,vendig. dnO ,,·ir einn1al a u<: h eir1en Blick. nuf das Ganz e
der Fragen werfen, die die Gesc.:hicl1ts,vissc11schaft an die Logi k stellt ,
und dann d as , ,,·a.s ,vir ut1ter l1istoriscl1cr Begri{fs}Jildung verstehen ,
gegen die andern For111c11 des gescl1ich t \Vissenscl1aflüchcn Der1ken
a bgrenzen . Nach J)roysen hot die l\Icthodjk <.lc,· hi!'-tori"chen F orl';cl1cr1s
vier Teile, die l-l euris tik 1 die Kritik, die lnter,p rctation untl die Dar-
stellung 1, und clieser E ir\teiJu ng 8chJicßt sicl1 a11cl1 Bcrnhei111 ar•.
Er faßt die cinzclrLe11 Grundsätze un(i Opcratio11e11, die die angc-
\\randte ~1cthodologic o<ler ~1ethodik at1.smnchen, in "icr ,•crsc l1iedc1lc
1
Gruppen zu.sar11rr1cn: ,,Die Q u e J I c n k u n d e oclcl' lieuri:--,Lik,
,velchc die San1rnlung unfl l{enntnis r1nh111e clcs Stoffes bc5 rcift, ,lie
K r i t i k , \\1clclic sich trtit der ichtu11g des Stoffes t1nd der l{on-
st..atierung des 'f a.u-nchlicl1en b cschäftirrt, di•c 1\ u ff a · u n ,rr- ,
welche die BcdcuL11ng ur1cl den. Zusan 11ne11l\nr1" der T aLsachcn Zll
•
erken.n en h~t, die D a 1· s t c l I u n g , ,vclchc die i11 il1rcrn Zu~a1r11ucn 8
- 2 0 -
akzeptieren und müs.s~rt ru.Jr die Bedeulu11g c1n1gcr T cr1nini ern·as
gena ucr bestin11rle11.
Der Gegensa tz , ·on Stoff und A,,rfas.sung fällt hier seinem allge- •
mein ten • inne nacl1 1nit dem von I\laterie und 1r1ct.hodologisc t1er
Form zusamn1en . Als l\faterial der \1/issensc;haft betrachLen wir
überall die e1t\pirisc he \Virklichkeit 1 die , ,venn es ich z. B. um die
l{ör·pcr,\·ell, hancielt, a11 einer " ~1 chrheit• 4 von ,,Dingen" besteht.
Nun gibt e ·, \\-;e r l1on einn1al ar1gecleutct , eino11 erk~n11tnistl1eo-
retiscl1cn Stan<.l punktJ von dem aus clie~e \\7irklicl1kcit, die für die
beso11(leren \ i„sc11SchafLcn r1ur Stoff i L, bereits als gcforrnter Stoff
•
angesehen ,,·erclen kann , so cla.ß dann z. B. l\f ehrheit. und Di11g!1aftig-
•
keiL, ja \Virklichkcit selu ·t, F ot·rnc11 ,vären,. die orst ar1 das ~·l aterial
•
herangebrarht P.ind 1 und dieser er k e n n t n i s t h e o r e t i s ·c h e
Gcgc11suLz von toff und Forn1 1nuß \ 'On de111 rn o t h o d o I o g i-
s c h e n geschieden ,.verdcn 1 . f'ü r eine Untersuchung, die die ge-
schichts,vi..-;scnscl1aftlichen Forrner1 in1 Gcgensat-z. zu den naturv,1iss.en-
cl1aftlichen tlarst.ellen ,vill , k an11 es nä1nlich ,,·ichlig ,verd en zu ,visscn,
,,. lcl1e Forn,cn zu j c d e r Auffas.<.11ng der Wirklichk,eit gehören, ,veil.
•
diese da1m , ,vie z. B. die J◄'o rr11 1 ,\1/jrkJjc.:bkeit•1 , der atu r,vis cnscllaft
u nd de.r Ges chi t late geme.inson1 . ein mlissen. , elbstvorst;ändlicl, i t
hier die Grer1ze 1ricl1t so z.u ziehen, daß ,,·ir 11acl1 dem System dieser
e rkenntnistheoretischen Fo1·nlcn fragen , sonclc,·n ,vir lcö-n net1 .die
Scheidu11g 11ur ro1· die bc~onclercn F älle vc1rne l1n1cn 1 ar1 \>\'Clcl1e die
llter. uC'hung uns hernnfü1"1ren ,•.rircl . Aher es ist llötig, gleich von
vorne hcrcin darauf hir1zu,vei e11 , da.O, ,vertu ,vir uo folge11dcn ohne
n li here Be. tjrnm,111g von Fo-r n1en der Artffassun g reflc-n, niernals die
a llge111einen crkcrtnl1ti~LlleOr<'tisct1c11 oder ,,kon~ti Ll1tivci1'' sonder11
nur die t11et.hoclolo"'ischen. also clir spez.ifii<ch ges:chi<'h t~,,,i. sensch{l ft-
l'ich~n oder 11at11r,vi "~crtst' l1nft lic!tcn 1;or111e11 g,·n1cir1t _si11d 1 ttnd dal1cr
der t111 t,c r erl<er111tni tltcorctjscl1en Gei:;ichl.s.pu11ltten 5chon koostitutiv
gcforn1te Stoff , llic en1r)iri·che \\' irkli ·hk.cit, in der 111ethoclologi;,;.cht•n
l 11 lcr;;uch,1r1g ol.s " toff t.-chlecl1tl1in hczcichnf>t. ,vorden darf. Das
,vird beso11der~ bei J er Ji'r:.1ge, ,,·c>lc lie Brd<'ut.ung das I{at1~.tlprjn zip in
der l"icsc hiclilc haL, vo11 \ VichtigJ,eit ,verden.
Anc1h rla1ln jrdoc h i ~.t der Att, rl ruck. ,, toff'' dP r Ge!'-chicl,ts~
'"is ·c11scharL r1 och r,ichL ~ir1<leutig. ~Ian )ia110 da1·u 11tcr n.ilrnl ich ~o-
1 , ·g-t. 1ti1•r z 11 S<; hrirL: l>C'1' G-••J.e'c•1a;,l ortrl d('r J·:rt,,•nnlnis. Fonrtes l,Q-
ri1 fi nr
JJilel: Dn:- l'robl1!1n tlt:r nl,jrl-tlveu \\'ir·kJirhkril, 110d : l~on.:lilulivß und 1uelho-
dolögi:,,ch1.! 1:orn1Pn .
f
•
üog,t~hzado por Goog e
- 281
hist ori cl1er1 I•'or1n clie Jl.ede ist, da runter nie die b loße Quelle, aber
at1 cl 1 nic ht das "'ch,o n gc~cl1ichtlirl1 at1fg<> faOtc odrr bearbeiLete Objekt
sondern 1-edigtich <lie ir1dividuellc gescl1ichtlict1e \\'i rklichk-eit nls
~olcl1e vcrslattden ,,·erden 1r1u ß .
.'chließlich i:;L ,ni t Rür ksicht aur die 1',errninologie 11och däran
7.ll eri nnen11 daß ,vir das '".rort ,,DarsLcllu ng" ni cht nt1r fiir die ä ußer e
For1n der ~li tteilur1g gebratachcr\ ~or1d.er11 aur·h die „Auffe\s$1:1ng' ' ,
a l~o das u t1ler der Erkenl'\t11 is V()l1 , ,B ed eu ll1o g" t l t><J 11 Zus<1rnn1ert-
l1nng'' der ·r at~r\cht">n C e1ncintc cla ru11Lcr ve rst ehen. \\7ir kön11en da111\
n1it Rück_icliL auf clie vier nr1g.,.gebe11c11 Gruppe11 urt~er Proble111 so
f o rn1t1licren, d:l.ß es si<·t1 nic ht •11r1 die bc•irlc•n ersl.-:n 1 ~ lso nic ht um
J f uristik t111 J I<ri til{. :;<:111derr1 \ I H\ clie 1-.ci,lcll letztc11, cl. h. ttrn Auf-
fa:ss ung u11d Dar t cll t,ng l1nn<.l~lt. \Vic <lie l{enr,tni~ (lcr hi!-Lorische11
'l"'at..:ac hcn oder der darz.uswllcr1dcn ,virklicltkcit at1 ~ den Qucl l1}Jt
g.,.,vonnPn ,vircl 1 d ürfen ,,ir u11beri.icksichtigl las:se11. o ir1lcrr:,:i-::ln t
e · s •ir1 n 1uo·, die 'l'ecl1ni k der '\I nt.eria l:::a 111, nl11ng llncl J{ri lik im E ia-
ZPlnc11 Zll , 1 cr·folgan, so kön11rn doch die l lnt.er~chicdc 1 di e si<',h hier
Z\\'i~chcn der }lct.l1od c der Natu 1",·i~~crtstl1nfL und der der Ge chichLe
fi nrlcn , nicht , ,on so prir11.ipie llf>r B-erlcn Lu tt•., fl1 ,. un s .. ei11 ,,·ic rlit!-
jc11igen , die bei r1e r Alrffn. :-11 r1g u11.d D t1rdLcllu11g des crefunll euer1 ~InLP-
r.ia l.:=; zutagti treLcn. Zur 1\ ufri11<lu1ig t111cl ,'icl1eru11g llcr 'l'a lsucl1cn
i ·t j c <l e r \\.'l'g und 111,,·l'g, ,v{'nn er nltr zt11-n Ziele führt t irl gleicher
\!Veise ,vi.lJkorn,,,en. u,n_.rl berechtigt, unri c1'!;t, d :;1r111, ,,·pnn d ie e in e n
,,·1::.~cn-cl-'1n ftcn ihre11 Stoff al~ Na tur, die a n d c r 11 ih11 als Ge-
sch ic\, te „auffassen " , e11l.slcli~rl die funu atnP.nt nJen 1r1clJ1()dologi~chcJ1
L:' nLer~c liietle. \\ras genauer 1..1nLer „ Au ffa.s-.~,,ng", und ,va b csond er~
.
- -, ..., -
·)
Getlank.e l{o111.rncr1 , tla ß et· sci11 'J'alsuchcnr11aLerial clurch einen Pro zeß
der At,s'-'·nl'-.1 noc h 1.u 1 ,verei11fachen" habe. l-lat er a lso seine J\ l'bcit
nicht gcl.a11, \\' c 11n a.,1~ den Q11 llcn tlic 1'at..,achc1t gef u11ue11 u11d kri-
tisiert si1t(l, und isl. d a1L1t die Darsf.ellung nicht 11ur ei11e F orn1 dc.r
l\fi.tt.eilung, die viellcicl1t Gescliick und Ge-. r h111nrk erford ert , aber
nichL als cigentJich ,visscrtScltafllicl,c J\ rbeiL a1~gc.sol\e11 ,verdc1l katlU?
J a '"'ird nicl1t die t reueste u11rl ,va l1rs.tc historische Da.1·~t ellun,g d.ic $Cin ,
die "' ich ou r d ic \\ricJ.ergil bc J cs k.ri Li -eh goi-ich Lr t1>11 Ta t,stlchcntttaLe-
1
ria ls au :.tlrück lich b eschränkt t111d nur idiogra1)hi!:<ch ' crzäl1l t.1 ,\,~e
es eigentlicJ.1 ge,vcse11'·'? Bei der r a ttlr,vissct1..:)tl1aft. rr1ag 1r,ru1 n1it
Rect1t fragerl , ,va~ sie au s der uu überschbaren Fülle clcs l\latcri als
a ls ,,· sent lich al1s,,·Uh It , unr1 den eh,vcrput\ltL ih rcr ,,\ rhci t, ·d a her 1
c)arin e1·J>licl<e11, daß sie illre Begriffe rich t ig bi ldet.. l) ie l1islori. cl1cn
1·a lsa ·1,cn abct' sind nir ht 1..111ii her5rhbor 1r1a11ni gfn.ll.ig 1 und d ie J>ro-
ble,ne. die ich fü.r clie NaLt1r\,·if;::; cnsc haft, erga ben , exi&t icre11 ·da l1er
für die G,escl1ichts,,·ii:!~cnschafk 1t n icl1L. Da. Auseinander.fnller1 ,,0,1
Queller1u10Leria l tt nd Tttl.sachcnn,nteri al scheint so,nit., ,Pirtc \,·cscnL-
licl1e loHi cho Dcclc11Lung zt1 gc,vir1r1er1.
ln der 1'nl , eir1 ei11fachcr l·lin,,·ci:; au f rlic unobcrschh:1 rc l\l an11ig-
falLigh:ciL dt·r en,pi'l·i:ichcn \''irklich kci t. gC'11iigt nicbt, u1r) das 1teue
Prootc1n •l)CliSrJ dcutl ich ,, ic cla& der 11a Lu r\, j~~e11schaf Llicli~11 Be-
grif fsr,i lclu11rr he1"\·,11·tr ·i,in zu la~!,en . Z\Ya r k öt1ntcn wir sagrn, dnO,
\\·en1.1 auch tdcht die ·ra L...;n,·hcn, so doch die Q ,u e 11 c n <lc,11 1-list o-
- 283
Der entscheidende Punkt ist dabei der folgcnde.LJ)as, " ' örin die 1
- 184
st.rallle11. sind, sobald n1a11 uur ci11,1nal die Betli11gu11gcn ihrer Beob-
a.clatung kennl.1 a n jeder11 b eli ebigen Orl un<J zu jeder beliebigen Zeit,
\val1r1lehn\bar 1.11 rr1achen . Schon der Che11ukcr dagegen , clPr e.in relativ
1-.Jist orisches l,öhcrer Ordnung bel,andcJt, ~' er111ag sir h 1 ß\1c h \.,·enn er
rnil. al lc11 Apparaten au sgcro tet ist , 1ticl1t übcl'alJ gerade das ~1at.crial
z11 versct>affen, daf; ihr1 intere, siert, uucl vollends \Vird tlie ~faterial-
:,an11n lung in den biologiscl1en \:Vi~sen:-<•haftcn auf Scl1,,,ierigkeitcn
stoßen. D·e r E111bryologc z.. B. 1nuß oft lange . uclicn , bis er das ei ne
oder andere hesLi111r11Le , ladium in de1· E nt,vi cklu11g eines Or rani. -
1n11s crt1ält,1 da er zt1r Bilclung eines vollsl,ändigen Allcretnciiibegriffes
cler betre(fe11de11 Gattung braucht, und so kann bei ,veitcrer pezifi-
)(at.ion die 'ch,vierigl<eit der ~1ateriah:;a1,1mlu11g in11ner größer ,,·erden.
A11derer:-;cits ab er b]cibl t.rot.z dieser R ela tivität. ein prinzipieller
lJ r1tcrscJ1i.ed besleheri. \\7ir 111ü!--se11 rtur stct,s aucl1 i11nerhalb der
l{örpcr,vi cnsrhnflen, deretl bf a t er in l ei n relati historiscl1es
is t , die nat.ur,visscn ·cha [tlicbe und die hjsto riscl10 l\f e t h o de der
Dnr:;;telltrng au. cina11derha'llel1. Lediglich in \ \J'issc11:-chal lc11 \\·ic der
P alt~ontolo1 ric komrnc>n ~1erk1l1ale von ..o)f' hen Dit1ge11 i11 Betracht, •1
1lie t111zugär1glicl1 ~ci11 könnc11 1 , ,. -il sie 11t1r :lr\ e i n e r .b c;;,Lin1mten
teile existiere11 ocler tlbeJ'l1aupl tlich t 111ch r , rorha1ldc11 sind . Die
J{.örper,vis~enscltaftcn aber ,verden l1ierdurcll dann alleir1 ent cheide11d
,
beeir1flu ßt, ,vet1n sie ict1. .i-\ t1 rgaben st cllcr1 : die, ,vic wir ge1.eigt 1
hnl)c11 , unter logischen Gesicl1tspL111kLcn zt11· Ccs<:hicht.e gel1ürcnt 1
(lcnn a11cl1 die dcr1kba r spezicll$l,e Theorie ist in,1ne1· 11och allgcn1eir1.
Eine 'flieoric tle · Ci\ arcn\,·a,hn. inns z. B. ,,,ill nien1a ls clns nttr c in e n,
eelc11JclJe11, et,,·a d.e,ct rcros, Eigc11Li111Llicl1c al~ solches darstellen,
sontlP,rn die einzelne Pc1·son l{or11ll1t attcl1 für s1e riur .als Excn1plar
eines allgc111eir1cn ß C'griffes in Bctr.·tch t. Nero ,vi1rde rür clen Pi-ychiatrr
k.ein l11Lcrt!Ssc h:,1l>~n 1 ,vc·nn e r nicl1t nls Exctt1plar ein er GtttLt1ng ar1go-
i-ehen \vcrd e11 k.ün1,tc. 1\1 i111sLerberg 1 freilich spricht ,,on ei11e1n
,,. pczialgcseLr., cl ns sich i1l unsC>rcr Erfl:l.l1rung n ur c i 11 r11 n 1 bct.üli-
~cn k a n n' '. Der B<'6'Ti ff cinf1s ::.o lcl1cn Gcsf!l.7,es en LhI\lt j c<loch einen
logjsclicn \\'illcrspruch. Das~ Jlczicllslc Gesetz isL ir11n1er nocJ-1 a.Jlge111ci11,
cl. h. die Vorgöngc1 die clnrunter fallen , .k ö n n c n sich lleliel,ig oft
,vicdcrl1olen, u11rl so i~t es au ch rnit, allc111, ,yas die P. ;ychi::ilric von
cl(~r f>s)'<: hos.e N "ros in il1re 'l'l 1coricn uufnir11n1t,. Gc,,·iO l:ichati!JLCL Jer
- 1 <.,-;runrlioge der Ps yellolog:ic l, $. 1.1 3.
~r atsac\1e eriei lc111 u11d attch ,Jahei ist die ,voJ1l nic11la l v orhander1e abso-
Ju te Treue des Gedäcl1tnisses ,,orausgesetzt. Al,lc andere individuelle
Seeler, leben jedoch t das der \ ' crgange·nhci t, angehört , ,vird den1 1-Jislori-
ker i111mcr nur in vcrl1ültnis111äßirr lileir1en Brucl1 t ückc11 bekannt S€i11,
u11tl J eshalb gibt e~ ,,·e11igc F älle, in dc1ten er nicht auf uu icl1cre \ 'cr-
r11utungen a11ge,\'icsc11 i t oder atif die Darst ellung großer T eile eines
Gegenstandes v on vorncl'1erein \•criichten muß. Wir sehen also auc h
l1ier 1 ,vio für d ie Ge ·cl1icblc Sch,vierigkcit c1t entstehe11 1 die die Nalurp
,vissei1scl1ait, nicht kennt. \.Ver nach der Nati1r f 0 1. cl,t, hat meist
mehr Stoff, a ls er brauc}1t,. Das ergibt sic~1 aus den1 Begr iff der Natur
als der Wirkl ichl{ei.t n1it Ro cl< icl1t auf das Al lgemeine. \Ver die Ge-
::-cl1icht,c k ennen \Vill , \vird mei::1 t zt1 ,ven i.g von ihr ,vis en. Da. lolgt.
aus dem "''csen der Gescl1icl1tc als der Wisscnscl1aft vo1n \Virkliche11
tltit Rücksicl1 t au! das Ein1t1al ige u11d Beso11t.lere. l·Iieraus crklä1·t c:;
sich dann at1cl1, daß in der Gescl1ichts(orscl1ung 11Hilfs,vissenschartcr1"
existieren , deren \\'e.sen t lict1e Aufgabe darin besteht, Jaterjal zu sa rr1 -
rneln llrtd zugän.g licl1 zu 01achc1L Ei11e derartige ArbeiLr,tei lung isL der
Natur,visscnsc.h a(t im allgcrn eincn fre rnd. Freilich kanr1 s ie in detl
Disziplinen, die es tn it einem retativ Hist o1·iscl1en höl1crcr Ordnung zu
Lun haben , \ 1 ie1leichL aucl1 einmal eintreten. Aber vorläufig ,verden
in der Natt1r\-v:isscnscl1aft die T al.suchen rr1ei:-t nur von de111 gesarnrnelt,
<ler sie wisscnscltaftlicli dars tellt.
Kel1re11 \\'ir nun zu unser111 Proble111 del' historiscl1en Darstellur1g
zuriick, so verstehen ,vir jetzt, ,,ric es kommt, daß die Gesch.ic)1Le il1re
1'at.sachcn 111cist nicl1L " ·ie die Natur\v·issenschaft direkt erfahren
kann sonder'n last i1n111er ersL aus erha ltei1en Spuren erschlicßel1
111.u ß, uncl ,vilrum sie dal'\er nicht il1re111 Tat achenrnaterial sondern
nur .ihrcr1, Quellcr,rnatcria t als einer unübersetlbare11 l\lannigrnttigkcit
gegenüber tcht. In \\'Cnigi:n Ausnal1r11cfällcn ist der Gegenst.a r1d,
{ O r cler1 sie iltre Begriffe bildet,, zuglcicl1 der, an do111 sie sie bilder1
k.ann. Ge\\'öh.nJicl1 fnl len Objekt der Bco.bacl1tu11g und Objek.t der
l1istorischcn Darfif.cllung, also Que,lle u11d Tatsacl1e 1 .a useinander.
Da.durcl1 l(ar1 n c.Jie ~·teinur1g cnt.., lchen, daß dor rlistorik er von seinen
Objcl\.te11 A 11 e s darzu:-Lcllc11 lta},o, \\'äS rtur irg<·11,l,vie in Erfal1rur1g
•
zu bringc11 ist , u1.1d da1u1 scl1 cir1l. kciri R e ·h t zu .beslel1cn, die l1istori cJ1e
Begrirf~bi!du r1g , 1011 tler 'futsache11fest::\tellung aucl1 nur begrifflich zti
scheiden.
TroL1.{lern kann ei11 solche.:, J{ech t cr,vi<"sc11 ,,·crc.lcn . Zunä cl,s t
freilich erf;iliL sir li .JllS d ~r l "nvull:-Lii r1<li r,kciL (lcs hislori.,;che11 Stoffe.<-
Wir kön11en vicl1,1et1 r ,viecler clicselbe Frage stellen, die '\ \•ir bei der
Klars tellung d er natur\.,·i:,.;;;ensc haftlic h~rt Begrifr. bildung ge teilt
h abe11: ,varum wird vo,r1 der Geschichts,vis e11 chaft sLets nur die
F esi.tstellting eine~ T iles d er \ \ ' irklic.hkcit in seiner individt1cllen Gc-
st:lltung erstrebt, und \Ve lcl1cr l 'eil ist dj~s ? Soll lticr keine \1/illk11r
}1errschen 1 so ,11uß es ein " risscn s<'l1aftli•c hcs Prinzip geb en , n ac h cie111
die Aus,,·ahl erfolgt., u11d , 1 or1 diesc111. Pri11zipe ist dann die logische
Struktur der l1i tori cl1e11 Dar tellung und B egri ffsbildun g not,"enclig
abl1Ur1g-ig.
Docl1 \\'e1111 aucl1 die a11gegeh e11c FiJiLion im logi~c hcn Interes·e
ber ·•cl1ligl i ·t. so ,vird es trotzde111 gut ein hi11:zuzl1fiig(Jn , daß ,,·ir
sie n u f' brnt1chen , um tlt15Cr Proble1n ~anz nllgen1ein ::.l f!llcn zu k önne11.
Es • ir1d nu<>h fal<.t.i:-,ch fa. t irnn1cr .-nehr ·r ats:i ·l1f,n R11s rlP11 Quellen
für <lc n f Ii!-t o rike r ztl ge,vi11nen, al:- er d arstcllt, ur1(l at1c'h <l esha.l 'b ist
c1n Pri11zip <ler .-\.t1s,,·ah l und ·\ tcrcinfnrh ung f'ür ihn ut1e11lbehrlich.
Dal,ci 111t10 rnnn freilich r11chr~rc F tillc , 1 onej1\attder unt.e1·8cl1eide11.
G nn1. Relbst,,·crs tiindlic h ist clie Not.,,·e11<ligk.eil ei11cr , 1erei11r~,cl1u11rr
dt1rch Tronn1111g de. \\1P.::;crlt.lict·1cn ·vorn r1,ve~er,tlic he11 1 ,vcnn Quelle
i1nd Ta lsar he ZlJ Sr11nmc nf:, lle11. l{ a r111 d er Jli torili.er nie ~l e11. chcn .
<lic srin Objek.t bildc11, a11sfrag<'11 1 od er hat er es rr\it, rlcn unverii nclert.
erh:tl let\e n rreugraphi:,;cl1cr1 : r. hn uplü tzrn 11 istorisct1cr E,rcignissr 01:Jcr
rnit J,(1lll.urproduktcn ,,·ie Bnute11 , l(un~t,,,•erkco, GPr-iit!'n t1s,v.
nicht nt1r als Quellc11 sc1nder11 Utl·Cli als hi~tori~1.;hcn 'f atsar hcn <)cJcr
Obj,ekLen zu t1111. dnn11 . lcl, t, er 1l111cn g~nan ,vic der Natu.rfc)rschcr
als ein er unübersehbaren ~1 annigfaltigl<ci t gtgc11ül,er. Ebc11so \\'Ciß
er vor1 a llf'n h i~toi·isr,hcn , , Orf;üngPn , die <'r 111itcrlcLt ltHt, ?5 teLs viel
nichr, nls er darstellen ,vill und Jcar1n . J l'u cr z. B. 1 tl •rBi. 1narf'k sc>Jbe1·
geseli('n ha t., kcn11t eine ~l cl1gt1 v o,1 1'a L..;ache11 ühef' ihn, rliP- ir1 l{oinc
Gcsc·hichll', aucl1 J1i cht in die au:-:führlicl1slc Bior""ra11hif"' g·c hörrn. •icl1t
, ricl nnclc rs nllc1· ~l t~lit es bei n1a.r1cl1t•r1 gcsc ltichtlir hc11 V o r ~Ü lll"'t'n : cli
•
,:vir z.,var nicl,L r11cl1r 11,il crleht haben. clie u11s ab<•r 1.eitlicl1 11ahc liegen .
Au ch cla liö r111t.e11 ,,·ir au . :5 ic11r ri>11 Qu e llen ei11e J•'ülle ,,on l•:i111.el11eiten
crfahrvn, <lie 11i<'l1t <las gt>ri11g~Lc hi:-;Lori~c hH lnl~rr.R&C h{tb1"11. t111d
s tet ,<; ,vir<l n1ar1 <l n 1111 , !1)1-n 1li:.lorik t>r vcrl angc11, il a LJ er tlas \\' c..,<•ntl ichc
v o n1 l n,,,e:.-t•nl.l ir l1P11 Zlt llltt..f•r~c l1<·id c11 ,vis::;c. l)aß z. B. FriP1Jricl1
"''ill1Pltn I\' . d if' (l•' ltlst" lte l~ ai:,;,•rl.;. ro11c abl ·hr1tc, i5l ci11 ,,l1is t,1ri~r hes''
Er~i•rnis, :,brr c;;. i~L [ (1 1· ei11c pc,l ili~clu~ fi csr·hiehtc \' o llk < ► 1111n cn 1•lcir h-
g1l It ig, ,,·elr: lac .' <·h ncid •r ·e in e l (ür kc ffCJ nnc· l1t h ab~rl 1 c,bglr.ic h ,vir
,vohl a uch llici-; nocl1 f'"l' na u e1·ft1l1rcr1 l,ö nPle 1\. Un1I ralls n1a11 l,iergcgcn
~tellt., \YaR er ,vciß odrr ,,rjgscn kc1n11le? Das lJluße FakLttrn hcucut.et
auch hier 11ocl1 nichts, ja, 111an kru1n sogar vo11 ga11z 11 u11bckannten"
Ditl "Cn i111n1er noch vit: I n1chr erfithrcn, als in die G~c:hichtc a-t1f1ur1ch-
mcn i~t. Von jf'cle,n \\J en:-chcn lf\ßt, gji::h n1it ichcrh cit alles des a u'"-
sage.11 , ,vas die Na Lur,vi sc11sc.ha rt von (lcn l{ör(JCrr1 tUld rlic al lge111eine
P sychologie vorn Sc('lenlr:br-n lel1rt.1 tind doch kun1rnerl sich der
·-·-.. -
\ \"ic Ed u a r ,t :,1 fl y er •·:- i,r(•lnr1 J1al: Zur ·r1tec,r ic und )le thodik drr
1
Ge~chich t.P, 1902. \ 1 µ1. auch rrtc•in„ Schrirt: l,11JL111·,\•i.;sf'nscflnft 1111d l"'\ a lor-
\ Yt ~;'.)cl\sch Rft, 2. A ur!. ~· . !lt f,.
19 •
cl, ichte \;\/es-entliehe ot1s der \Virklict1keit herau. gehobc11 u11d zu- '• '
sani.mengefaßt, i t, \vie die . · ntl1r,,ris. cnschaft Brgrif(e bildet, indcllt
sie das !C1r sie \\l<'::cnllic hc au: d er \Virklicl1kcit l1crat1shcbt und zu-
sa1n111enfaßt. ' clbsLverslä11cll.icll sind diese l1i 'lorischen Be.griffe
ihrern Gehalt nach n t1r dantl ,,,il·klich zu <lenken, ,vc1111 n1a11 sie i11
Exislenzialurtr-ile ouflösL, rl.io von den durch ~ie dnrgestclllcn Dingen
'
und Vorgüngcn crzültlen, nbcr d ic rr1setzung in Urteile i::t, ,,·ie ,vir
gcz.eigt 11.:iben, au"l1 bei <le111 I)e11kcn nat ur,vi:-..~e1t cl1afllichcr Begriffe
birtterial darf i11u11 cr nur ::.1 Beispiel zur VcrcleuLlichung ein.es vorher
fest,:rest.elltcn logisc he11 Prir1z.i-pes auflrel.e11, tancl auch das darf nic-
111andc11 stören 1 clnO die zuerst rein ror1l1al ent'"·ickelLeo logi ·cl1e11 Prin-
zipien cingcschrä'rll<t \\·crd<'n rnti ss~r1, \Vcnn e.s gilt, ie auf die wirklich
vorl,arldene au ·geO.bt.e ,vi~::sen ' Cilaft.liehe P ri,xi zu bczicl1<'n. Die
- ; irklichert \.Visscn~cl1arten gcl1en als hi~tori ehe l~akw in k eir1 Scl1cn1a
rcstlo:; e in. Abe r ,vir b.e dürf 'n. cler allgen1cin cn logiscl1en • chcu1ata,
u1rt a uf diese \Vcise die loo-iscl1e Struklur ,d er Wi~:-<c·11sc hafLen zu ver-
s teh en u11d die verscl1ictlenen Joc-ri~cl1en B estandteile v orieit1an<lc r zt1
so,1dcrn, rli.e in ihnen ~ll einer Einheit zu. an11neng ~hcn.
Hicr;,;u ko111111L noc·}1 ein and erer Gru11c-l, der uns veranlallt, zu-
nächst. fortr1al od,cr 1 ,dcdukliv" zu verfahre11 . \\ 1o die Wis cnschaft.s -
lehre ll)it vorher festgcsLellten Bcgrirfcn an ihre Arbeit gcga11gen ist,
, var ie !-ic l1 <lc~scri meist, nicht bc,\·ußt sondern raOtc das \ 1erhältnis
des Allgcrncirten zu111 Besor1dcren , nls vers lt•he iclt tl a. ga nz von scl}JF-t,
so auf, d a □ sje n11r die U11Lerord1\\111g d.cs Besondrren unt.c.r den allge-
meinen Bc11·riff bcr,1 cl\sichligtc. Jr1folge(l<•~en J>Aßtc a llei11 die 11atur-
\\ri:--sett:5.e l1a [ll ic1Je Begriff:;bi]du11g in ihr "'rhcrna. Für all 's Rltdere \Var
sje so gut ,vie bljnd 1 oder sie vers11chlc 1 all e::; in ihr .. <!l1cn1 t\ zu pressen .
G radc durch unser bc,vu.ßt t.lctlukti,re v'crfa lircr1, da:1 1tieht, nur
c i 11 c so11c.lcr1t vo11 vor11cl1orei11 a 1 1c denkLare11 i iöglichkeilc11 \'011
begrifflichen Da~t ellurtge11 der \,\fjrkl,ichkeit berü ck ic htigtr ,vollü11
\\'ir ◄ liese Eiu. e itigkeit übern·inrl e·n 11r1d den U\l är h Iir h vorh antl.r•r1cn
\\ fis:-en. chaften gr rccht ,vc rdcn. \ iVir k.o nslruierc11 dcs h.alb z11 crs.t d en
•
rei11 Jogi ·chl'11 13t'grjff ei11er hisloriltc·he11 ~lethode tin ◄. l ~ l:'ndt•11. i}1n
dann a uf d ie e111pirisr he \ \fissen:;c- hafl :1n 1 d. 11 . ,vir verfahren gcru.1u
un1g•r.k Ht1rt \vie die lo~iscl1cn Natura LisLen, die zuerst 1·ci11e E,npirie
prokla1r1iercn , un, <Jann bei der rein spt·k.11lat ivo11 F ord erung einer •
histo ri:;c hcn \Vis~enscha[t u11z\11a11gt-n, c.lie, ,venr1 ie die> der Gc!-chi chlie
zufnllend ~Jl Au(gn.l)en löse-1l o ll , ni Pu1nl:; ve1•,\·irl<licl1t ,vercJen kann.
Zu1t~it~hsl mag d ies forr11 ale Vcrfnhrcn g<•gc:niibcr dc11 Gest·l,jc hls-
' issen~cl1artcn rr ilicl1 u11f1"llt htbarer cr.sclu: ,11 C'r1 al, gegenliber d•en
N att1n\'is ·ct1sc hafl.c1t, denn. au:.-; Grü nJ cn 1 uie \,·i r ke11n Il lern ·11 \\'Crtlen,
ist tlen1 Jli~toriker be i der Dars tellung seirtcs :i\latcri als t'itt größerer
piclraum ft1r die Bet ütigu11g i11Jividu eller Eigerta.J'Le11 g-egeben, die
sict1 auf logische l 1'or111 cln ühcrl1 nupL 11ir lit bri11gcn la s. en. lgnoricr,c o
\Vir alle:; <lil'se~ uncl sPhc11 zugleic h v on je,Je nl l,c;;01l,lei•t'11 l11\1a lt d.er
Wissr-11~r haf~ ab , ~o ,,·il'd naan vi~llcicl,t, vo1t cler hi Lori:-che11 Tüti:zkeit
i111 A 11 f n n g Ull$.ercr l Jntcrs\1c hun.g ni c h t..➔ zu Cinclf' n glat1h~n . Aber
da_ ist noch kein Ejn\\•and gegen unsere Aufstellungen , und es V\>·idcr-
spricht ihrern z,vecke aucl1 nicht, "''en11. • eJbst d i e Hi torikcr ihr·e
Richtigkeit bestreiten olltcn, die ebenso ,vie ,vir von einer Hneuen
~1etbode1 1 nichts wissen ,vollen . Die Männer der Spezial,vi. scnschaft
braucl1e111 auch ,ven11 sie die l1islorisc.h e i\lell1ode mit Sicl1erl1eiL an-
\\'enden, die logischen Eigentümlichkeit.en ihres Verfahrens ich nicht
klar gctnacl,t zu haben. Aucl1 die 1\r,hä11ger der 11 alten Ricl1tung"
\\'erde11 oft 1nit viele11, il1nen nicl1t ausd1iicJ.clicl1 zum Be,vußtsein
gekomm ncn Voraussctzt1r1gen arbeiten,. ,vie es die Anllänger der
,,neuen Richtung" und rler angcbJ icl1c11 11cn1en Mcthorlc immer t11n .
Wollte die Logik nur (estsLellen , ,vns jeder His loriker bereit~ weiß,
o hätte sie lceinen Zweck. Vor allem aber ist im Auge zu behalten,
daß ei1te logische nt,orsucl1ung njcl1 t all •s at1 f eirtmäl sagen kn.nn.
und n,on ,,'ird ,lallcr gt1t tun, sein Urteil darüber, ob hier ,virklicl1
das z.u m Alt~druck gebracl1 t i t, ,vas jeder l{i. to riker tut,, bi. zum
Er1de der Darlcgl111g z.u suspendieren. Bei der Ent,vicklu11g d.c r logi-
l1en Schen}ata 1nuß zucl'::it ein1.nal aucl, hier ,,. ieder üb c r tri e-
h e n ,verden. Die nötigen Ein.schrü11l<.u11ge11 ,verclen danr1 chon
folgen. \Vem es sct1,ver \.verde11 sollte, in der not,,•endiger,veise et,vas
dünnen Lurt der logi 'cl1cn Gedanko11trär1gc zu almer1, der mög<: daraus
nicht <Jer Logik •cine11 \ ' or,vurf macl1cn. ie beha11delt ihre Pruble111e
nur uru it1rer seih t ,vjlJen, nicl1t aber un1 dern ~lann d er Einzel,ri$se11-
sc haften zu zeigen, ,vie nr c~ bei ~ einer 1\rbeit halten solle. Tut er nicht
ohne lo~isclie 'l' h.e orit! schon da RichLigo, so ,,ird er auch a u~ der \\fis-
senschaflslch re 11ichl.s lernen. Ergibt sicll a us dein Zusa1nr11e11l1ang
des Ganzen trotzdc1n aL1<::l1 et,vos für dan Spezialforscher \\iertvolles,
so ist das natürlicb crfrculict,, aber es bleibt docl1 in1 logischen I 11tercsse
nur ein Nebe1lcrfolg. Die Logik l1ot Z'tlnilchst für die Logik zu arbeite11.
Desha lb gf'hen ,,·ir aucl1 hier vo11 ga11z allge1lleioen \lnd abstra.ku-11 • •
logiscl1cu B•~griffcn aus, utr1 sie 'chritl. für · ·hritt in1111<'r 1n<•l1 r zt1
deter111i11iercn und so sc t1ließljch bei den1 Begriff der ,virl, lich at1sge-
übten Geschic hts,vissc1•scl1a.ft anzuk.01r1111cn . \Ver in so)c'h r 1\ Detcr-
rrti11ation on .it\ b 'Ch\.vächtJngco , Zugeständnisse, lnkon cq11c11 Z<!n ode1
dcrgleiche11 erblicltt, t1at sich den Sin11, den allein ei11e LoMi k. <1cr Ge-
schichte haben ka1m, noclt nicht klar gemacht. Daran 11tufJte l1ier
noch cinn1a t erinnert ,vcrdcn.
II .
Das l1 i t o r i s c h e I n d i v i d u u 1n.
Das Historische in seiner den.kbar ·w eitesten Bcdeutt1ng, in der
c mit dem einmaligen, üoorall individuellen, empirischen wirklichen
Gcscl1el1en selbst. zu arnn1enfällt, bildete die Grenze der natt1nvissen-
cl1afLlicl1en Begriffsbildung so,vol1l durch seine An chaulichk eit als
auch dtirch sein e Individualität. Nun ka·n n die empirische An-
s c 11 a u u n g vor1 keiner Wissensch.aft dargestellt "'~erden, denn sie
bleibt unter allen Gn1sUi:nde·n unübersehbar n1amugfaltig u_n,d geht
'
des.halb in keinen Begriif ein.. Anders dagegen steht e mit der I n-
d i v i d 11 a I i t ä t. W etlll sie uns aucl1 anschaulicl1 gegebei1 ist , so 1
hung'' von 'l~ntsachcn cnl.steht, rlic s ich at ,vi :se.n . cl•nft.liche Dar- 1
stellu11g 11oeJ1 nicl1 t ansel1cn läßt . Das heißt, ""'ir n1üsst.>n jetzt fragen, i
t
ob aus der ttnübersel1barcn i\f annig[a.ltigkeit de onschaulicl1en In-
l
haltes der W il·l{licl•kcit hcsti1r1rt1Lc B estandteile so l1ernusgehoh en und '
zu ,,·issertscl1aftlicl1cn Begriffen so zu ~a1nir1e11gcscl1losscn ,,·erde11 kö11- f
t
11cn, daß sie nich t uo: eir1cr l\Iol1rhejt von Dingen tind ' '01•gfingcn j
Bedeutungen haben , und es kann das nic ht ande rs sein, d enn nur
solche \Vortc sind allen v ors Uindlictl. z,var find en sich daneben Eigen-
na1nei11 und diese scheinen eine Ausnal1me zu bilder1 . Sie bcdcutcr1 •
aber ohne ,veitore Angabe ihres Sinnes nur für de11 et,vas, der das
darnit b ezeichnete Individuum at1s der Anscha uu.n g kennt und in de r
Brinner11ng zu reproduzieren v ermag. Die Kc1u1tnis solcl1er indivi-
dueller An s c h au u n ge n darf der lli t.orikor jedocl1 nion1als
v oraussetzen , \tnd Calls er . elb st ie besitzen so11Le, ,,ras ll.Ur dann n1öglich
ist, ,vetlll ·ratsacl1cn- und QuelJenmaterial ztl!-amn1enfal len , kann er
sje doch nur so auf eine11 andern übertrar,eo, daß er ihren Inl1alt rnit
Hilfe v orl al lgemeinen \Vortbede,1t11ngen ru1gi.b t. E ~ dürfen also auch
die E ige1u1amen in ejner llistoriscl1en Darstellung nur a ls Stellver-
treter für eine11 K.o rnplex von \Vorte11 mit allgemeiner· Bedeutung auf-
treter1, denn nt1r dann ist die Dnratellu11g fü1· j~den ver ländlich, der
sie l1ört oder liest . J a, ,vir müssen noch n1chr sagen. Es ist oichL
dieser ä ußerliche U rr1stand allein , d or den His toriker nvingt , a IJ es mit
l{jlfe von a}),~emeinen Begriffen da_1•zt1 ~telt.cn. Wir fa rlde11 früher 1.,
d aO j edes Urteil eines 1\lfg.c n1eincn b edarf und d eshalb scl,on die
Elemente, rnit der1en ,,·ir ei11en a llgcrncinc n natun,•i -.cz1gcha(tlichcn.
Be-griff bilden , selbst immer allgemein sind. \.Venn aber dies erste
Allgemeine unentbe.hrlich ist for j edes logisc l1e Denken übcrl1aupt,
so kann es selbs tvcrständ.licl1 bei cir1er geschichtli chen DarsLcl lt11tg
eben o,venig fehlen wie bei der natunvisscn -·cl1aftlichen B egriffsbil-
dung. In tie1n Sinn e, daO die E l e n1 e n t e der Urteile. und Begriffe
allgemein sin.d, muß de rrmach j e d es "vissenscl1aftliche Denken ein
Denken in a llgetneinen Be,griffe11 sei11 1 ,ind ,,,ollt e 111an also clcr Ge-
schichte die Aufg abe zuerteil en , nicl1ts ande res a ls individu elle It1-
hal,Le zu geben, so \\'ärc der BcgriJf der Geschichts ,,.. i s s e n s c 11 a r t
in der Ta t eine contradictio in aclj ccto.
Folgt aber hi eraus et,va, daß die Vcnvcncl11ng der aJlge111ei11cn
Wo,r tbcdcutt1n6 en als Begriffselen1errt.r r1ur irl der c in c n Richt ung
möglicl1 is ~, die \.\'ir in der Nnlurvnssen scl1ift fi11den '? Oder anders
ausgedrückt: la:s:; en sich mii Hilfe ,·on allgemeinen \Vortb edetttungeri
einmalige und in clividtlclle ' ' orgängc nur in der '\'eise ubeschreihen'' ,
daß <l ast \vas tlicse B escl1reibu11gct1 e11t.ltalt.cn, lc<liglicl1 als M a t c r i o 1
für ,veitere begrifflic he B earbeitung gelten kann? Freilicll , die Ele-
n1en.te "~;sser1scl1aftlicher Begriffe n1ü~sc11 für sicl1 gcnon1r11cn allge-
/ d. t1 . eit1 allge1ncir1er Beg riff 1 <lern Jie Fülle des E i11zel11e11 -icl1 t1nler-
orclr1en läßt, i t ihr Z ,v e c Je . Auch <iie speziellstcr1 Naturgesetze 1
1
r
r.n üsscn irr1tr'ler noch für beliebig ,·it.' lc individuell e Din~<- und \'orgä11ge 1
gellen, ,11·e1111 sie den :.T a1r1cr1 ci11es „Ge etzes" vcr<lic1te11 (lllet1 . Die
Ge~chicl1t~ clar,"gcn be11ulzL z,var eben.fall~ dns AIJgcrneine, t,ro über-
hc:t\JF>t ,,·isscn. chnftl icl1 denken tir,,I urt<'ilen zu kö11nen , al,cr <lu~ All-
,· gcrt1ei.r10 ist ff1r ~ic le<liglicl1 ~I i t. t e 1. E~ i~t der l: n1,veg, aur dc1r1
I ' sie ,vinrlcr z.u111 ] 11di,ddu ·IJe1t, als illrer11 eige11 t lic l1ett G<'gensln11de,
zut(1clczu ko111.1nen . t,cl.t. • i,e be11u tzt es eben so, ,,,ie (>i 1\ {~ Bt'!-cl1reil>11ng
es be nu tzt, t 11n ei11e rein t,aL--üchlirhc \,\firkl irhlie it <larzus telll·n, und
ttttr ciaraur li:01nrnL es a11 , clas ,visoer1scha ft licl1e ZicJ zu ver:-l<•hen , dem
ei1l .. ol ·he Dar~te-llu 11g cles l1ttli·vid ucll<-.11 cJie11t. \\'ir- ,vollen jn hier clie •
,\.T i:;scnschaften nicht n1it R ii r k. 1cht nu·f ilirr I\lit..tcl souuc1·11 11ur n1il
'
l {ück icht auf il1rc Ziele c hnral{trri!,iercn . Bel1auplunge11 ,vie die,
daß a lles ,vi::-sc118r.hafllie hc Dr·1lk1:11 111it Allgc1llt!.ii1begriffcn arbeitet,
si11,I claber z~·a r u11au(cc·l1Lbar 1 ir1 llicscr t;11be~ liJ11J11t.l1r·it j<'dnch für
die Frage, ob die Gcii<·hicht.:-,vis1-cn:tcl,.,rt (lic-:,;cll,f'11 Z i e I o ,vie Jie
Natur--.\'is:;enscl1~, rt ,,crrolgt, ga11z l)fldcl1Lt1ng6lu . .-\ lle Begrifft: 111üsscn
~ic h z,v a r in ~r tcilc auflösen lasseJl, d cl'cn le tzte Bestandteile t1llgc-
11 tt"in ::-in,I, diese U 1·teilc a]Jcr k.ö1111€'n i11 ihrer Gcsarn tllr.it so,vot.,J
et\vas .~\ llgP rnei J\Pi- als ~ ur h c t..,vas Eir1111a li gos u11<i l11d i,ridu ellt•: dH r-
sl ellcn , t111tl cl HrR,rf allci11 l, 0 111111l es l,ier a 11.
·1·r1JlzJ.c111 ha.L 111a11 fl~,1 · ,n~ta11d, duß jedes Crt.eil .all!.'.!'c 111ci11e
'"'ohl nicht viel ~lateriaJ zutage fördern. Aber vielleicl1t ist der ge-
ringe Gebraucli, den die Geschic)1te bi s h. er vo11 den Ergebnissen
der Naturwissenschaft gemac11t hat, ein Mangel, un-d auf jeden Fall
,vird rnan die i\töglichkoit nicht bestreiten könnont daß in demselben
Nfaße, ir1 d etrl die ollkor1unertheit ge,vis er oatur,visscrtSchaftliclter
Ailgcrneinbegriffe ,vächst, aucl1 die ,vis enscha{Llicbc Bestimmtheit.
ei1ter historischen Darstellung zu11i1nmt. J a, es Hißt sicll eventuell
die Behauptung vertreten, daß eine logis.cli ,,ollkon1111ene Geschicl1ts-
wi. scn~chart niemals mehr ele111c11 tare \\1ort.bede-u tungen sondern
n11r noch '"issen chaftlich be. ti11lnlte Allge111einbegriffc benutzen oll,
und daß sie <.luher ihre Begl'iffi.ele1nenle durch,,·eg drr Natur,"·issen-
schaft zu enlnet1men 110:t. J etle1lfnlls j t eine Förderung der Ge,-
scl1ichte durcl1 die Natunvissenschaft. irr1 Prir1zip nicht ausgcschlo en.
·rrot-zd1~1n braucl1cn wir l1ierbei nicht. lange zu v-e r,vcilcn, dc11n, ,vie
groß aucll der G-ebra11ch. rtalur,visscnschafL}icl1 cr B<1griffe ir-i einer
historiscl1en Darslelll111g ,ver,Je11 ttlÖ"'C, so kör111e 1a sie docll, ,,1enn mit
it1rer Hilfe ein einn1aliger inuividt1 •ller \ Forgar1g dargc_tellt werden soll,
an clcrr1 logi~cl1en Vcrhül triis von rlatt1nYi ' Scni;cl1a(tl ichcr t1nd ge-
schicl1tlichcr Begri Ffsbildung r1icht da:s Ccri11gste änclern. Sie SJ)ielen
un'l.er logiscl1en Ge icl1tspunl<tcn kci11c a11dcre Rolle als die allgemeinen
Begriffs e l c rn c n t e iiberbaupt, d. 11. :-ic sinrl z,,,ar, f(ir sich be-
t.rachtt::L, allgeinein, aber sie sind nicn1als der Z,veck oder dAs Ziel
einer hi t.orischen Darstellung so1td •i-11 ri ur ilar ~1ittel I t1nd sie n1üsscn •
- 305 -
schichte miissen die Elemen te des B egriffes eine Einheit im. Sinne der
Z u s a m m e n g e l1 ö r i g k e i t bilden, \.venn \1/i sse11scl1aft ent-
stel1en soll, und auf das Bar1d also,, das die Elemen te z.u einem Begriff
mit i1ldividuelle1n Inhalt zu arn111ensrl1ließt, kon11nt es für 1Jns allejn
an. Erst unter diesen1 Gesich l~pt1nkte kann v on einer G e l t u n g
d er historiscl1en Begriffe die R cdo ein. L äßt sich oin so lches spezifisch
hisLorisches Einheit.sprinzip njcl1t fiI1det1, <JanJl muß es h-ei der Behaup-
tu11g bleiben , daß die Darstellu11g alles Individuellen {!IS bloße Vor-
arbeit für eine ,vcitergcl1ende, generalisierende B egri(f!-bildung zu gelten
hat. Worin be tehl al~o die Einheit der l1istori chen Begriffe, ,,·enn
die Zusnm1ne11goböriglteit der B cg-riffselcmcnt.c nicht \Yic b ei einem
natu1"\vissenschaftlichen Begriff darauf beruht, daß er fiir alle ihrn
untcrge-ord11ctcr1 Excn1pla re gültig ist?
Ut11 diese Frage gn11z allgert,ein zu beant,vorten, krtopren ,vir
\\'ieder an den d cn'k bar u.111fassendsten Begriff des Historisc hen , an
d en Degl'iff d es l ndividuurn üboi·l,a upt an , und z,,,a_r heben ,vir her-
'lor, claß d as \Vort J\icl1t 11ur die Bedeutu11g llaL, die ,vir bit-her a llein
berück.sichtigt h~ben , n än1lir h die des Ein111aligen, Besonderen u11d
Einzigartigen so11clern zugleich a11Ct\ die des U r> t e i l b a r e n .
Dieser Begriff der Unteilbarkeit. ,vei t auf eine Einheit hin, die für
uns von Jntere!;se sein n1uß. \Vir "vissen daß jede Wirklichkeit., um
einzigartig zu scit1 , aucl1 zusa1111ncngcsetzt sein muß, denn da Ei11~
fa che, \\'ic d as Aton1, ist individua lilät.slos. Desl1alb liegt die Fruge
n al1e , oh es viel leicht 11tcl1r als ein Zufal l ist t dnß~1 it dcrn \1/orte 1
Individuutrl z,vci BedcuLt1nget1 verbunden si nd , die filr un er Problen1
des lti Lori chcn Begriffes not,vendig zu~a1nr11cngel1ören : dio der Ein-
l1eit einer l\1annigfnlligkeit im Sinne einer Zt1samn1.engcl1örigkcit
einerseits urid die der Einzigartigkeit andercrscits.'r E s is L doc h zt1m •
•••
mindesLetls at1 ffaller1d 1 daß ,,·ir etv,as, das i111mer n1an11igfaltig ist,
zuglci ·h ei1\ Indi,•iduum, ein Unteilbares nenn en„ Hat der Aus<lruck
seinen \Vortsinn verloren 1 ,vcnn er zur Bezcicl11)ung vot\ einziga rtigen
l\tanr1igfnlt igkeite11 v r,vendeL ,,,ir<l, u11d ist 11ur das eir1faehc Ato 111
unLeilbar, oder gibt, es vi elleich t, ln-d i,1 id11en al1ch in dcn.1 Si11ne, daß
ihre :\'far1nig'falLigkcit \\' e gen ihr~r Einzi~nrtig1ccit ei ne Ei11lLcit irn
Sinne d er Zusan1n1er1 g e h ö r i g k e i t bildet? \\lenn dies der Fall
•
ist, so ,,·örf"n hier Einz.ignrt,igkeit \111cl EinhPi t ei ner ~Iannigfelligk~it
so miteina1tdcr vcrlt11üp fL, ,vie ic auch in eine111 his tori5clieu Begrirte
\\' il> enschaft rind{•rt kvnrtl'n, auch n lcltl als Einl\·anJ ge-gcn di(i hiPr ent"·ickelle
Tbeorio der Ce;Schirh le als v;1>'1oe11<;chart {(eilen.
'R I t 1k III r t I G r elli;t' u . :3. Auß. 20
- 307 -
artigkoi bei den Dingctl, in die das gei s tige Leben sich gliedert?
Sind die: ,,Seelen•• 11icl1t noch in ganz anderer \Vei e 1t11Leilbar als die
Körper , und ist ihre Einheit nicht untrennbar nrit il1rer Einzigartig-
keit verknüpft? Hier liegen <loch die Teile nicht nebeneinander, und
von fakt.iscl1er Teilbarkeit, die uns sofort deutlicl1 1r1acllt, ,,•ic die nicht
individuelle Einheit sich mit jede1n beliebigen i11dividuelJen Teilint1alt
verbindet, kann hier nicht in der \Veise die Rede . ein \vie b ei körper-
licl1en Dingen. Auc h n1ag der Gedanke -d er Einheit, der in dem \1/orte
lndi,riduum zu1n A11sdruck kommt, •ich besonders auf die unteilbare
Seele beziehen, und jedenfalls ist es sicher, daß wir eclcn lieber In•
tlividucn nennen als Körper. Dieser Umstand ist für uns von Be-
d-eutung, d a seeliscl•es Leben vonviegend das Objekt histori~ch.e r Dar-
stelJut1g bildet. Wir mosse11 ulso fest.stellen, ob in1 Ps)'ch.ischen als
solcl1em scl1on die gesucht(.) Einheit cler einzigartigen f.1annigfalLigkeit
steckt, oder ob nicht die Mögljchkeit vorliegt, auch hier l.iegriffliclt
sowohl die Einl1eit der Seele von il1rem individuellen Inhalt zu trennen
aJs auch diese11 individuellen Inhalt wiederu1n so geLeilt z11 denken,
daß dann ebenfalls die Einheit sich von der Einzigartigkeit ganz Jos-
lö:>en lüßl.
G1•ei(en wir auf die l{rit.ik der Ansichten zurück, die prinzipielle
methodologische Unterschiede z,vi cl1en Körper- und Geistcs,vissen-
scl1alton dar-a11s ableiten ,vollen. daß das körperljche Sein aus Objektent
das seelische Sein dageg-en aus SubjekLcn besteht 1, um zt1. entsrheideI';-
ob in1 Begriff des Subjekts vielleicht die gesuchte Ei11hcit des In-
di,,idu.un1s steckt. Wir l1aben zwischen einetn psyel1ologiscl1en und
eiricrn erkcnntnistheoretiscl1cn Subjekt unterM chiederl, und elbst-
verstäncllich kann an der Einheit c.les ~rke11ntnisLheoretiscl1c11 ub-
jckls nicl1t ge2'\''eifelL ,vcrden. Aber olfe11ba.r isl es a.llcin cije Ein-
heit des psycl1ologiscl1en Subjekts, ,velclie für tlie Ge ·cllicl1te in
Frage ko11u11t, denn 11ur diese is t. individuell , tind auO-crder11 tnuß der
I-Iistoriker ebenso v.•.ic der Psychologe ein ~laterial, t1n1 es darst ellen
zu kör1nen1 objektivieren. W cn11 also die Ei11hcit des ubjck.t.s soviel
"'ie Einheit des Bewt1ßt.scins i t.1 so finden ,vir daß diese Einl,eil n,it
der Einheit, der psycltischen Individualität nicl1ts zu tu11 hat. Sie
gel1ört allein d e n1 Subjekt. an , das einet\1 Begriffe nach. .niemals
Objekt, rucrnals indivi<luell und übcrl1<1upt nierr1als ~latcrial ci11er
ernpiriscl,cn \Visscnscl1aft sein kann . Von der Einheit des erkenn.tc1is-
- 30 -
theoretiscllen SubjckLs l1abe11 ,,tir also hier ebenfalls v·ollkom111e11
abzus.ehen.
Einer volllio1nn1cnen Scheidung der beiden Subjekte, des empiri~
scl1en und des erkenntnist.heoretischen , stand allerdings die Sch,vicrig~
keit im \.Ve.ge, da:ß ,vir die Objeklivim11n g unseres eigcr1cn Seelcnlebe~
nien:tats faktisc11 so vorneh1nen kö11nen, daß ,-.llc scir1e Teile zu .g lcicl1er
Zeit zt1 Objekten ,verden. Das erkenntnistl1eorct.isch,e Subjekt bleibt
fuktiscl1 stet-5 nut einem Teilo de p ychologi chcn Subjekts ge,visser-
maßcn v crbunde11, und desl,alb scheint auch die ülJerindividuelle el'-
ker1ntnisthooretiscl1e Eir1t1eiL des Be\\•ußt..-,eins 1nit derrl i11divitlt1ellen
psychologiscl1en Subjelct u.nLren11bar verschn1olzen z·u sein. Dies aber
kann uns nur veranlassen , die faktische und die begrif[Jiche 1·renn-
barkeit der beicle11 Subjekte auscinanderzul1alten, und sobald di<..-s
geschieht, entl1illt die !\1ar1nigfaltigkeit des in,d ivjducllcr1 Seelenlebens
jedenfalls begrifflich von der Einl1eit des erkenntnisthcoreti ·cl1en Be-
\VUßt.seins nichts. \rVir können sogar sagen, daß auch Cal<Li ·cl1 unser
gesan1l es irldividuelles Seelenleben v on dern. erkenntnistheor-eli clien
Subjekt zu trennen ist„ Der T ejl de ps)·ch·ologisr,he11 St1hjci<ts, dor
rnit dcrn erkcnntnistl1coretisc·h en ,,crsch111ol1.en blcibL, is t nä1nli ch
vnrial,el, und es s te!1t prinzipiell r1jcl1t.s don1 ' 'crs11c;l1 e-11lgt•gen, il1r1
o variieren zu lasscnt daß scl1ließlicli j e d c 1 'l"cil t111 scres indivicluelle11
Seelar1lebens cinrrlal objekLivicrt und da1l1it vo111 crkcn11lnistllcoreLi-
schelt Subjekt lo:5gclöst ,,·orde11 isL. o kö1111en ,,•ir aucl1 im psycl10~
logi cl1en Subjelil die Eir1l\eit des Be,,·ußtsE'i11s be11s0 vollständig vort
der ~tannigfaltiglc •it der ern piriscllc·n Srele trennen vlic bei cinerr,
l{örper die Einl1cit des Dinges von der ~tar1r1igfa lt,igkei „ sei11er Eig,c n-
schaft-0n, 11n.d in beiden F üll en ist es d,il1cr au~go chlo se11, d aß die
Ei·n l1cit n1iL der lr1clividt1aliLät s o vcrl'-11ilpfL i!'=.l, <laß sie auf i11r herul1t.
Sehen \.Vir aller ouclt von1 erkc1inl11i~iheoreLischen ~1,1l1jckt ab,
und l1allcn ,,·ir dara1t fest, claß clie erkenntr1 i:: Lhroretisrl1cr1 Syi1Lhcscn
des P syc hi sclien f ilr u11sc1'1l z,,·ec'k von lc('incr an<lcrcn Bcdcutut1~ sein
k önnPn a ls die crlie-J111Lnistl1eorr Lisr t1cn Sy·11tl1cscn des Ph)·sischen,
so scheint trotz ,dieser e r!, . 11nlnistllcorcti cl1e11 I~oordinntion der bciclr n
Gebiete doc h otic h die obj ektivi('rtc ps)·cl,isc1,e ~lnnnigCalligl<c it cir1cr
Seele in noch ga.,·tz a11clerer ,,,' ci~e ej1le Einl10it ztt bilclen als di e )Ia11nig-
fal tigl{ ~it eines Körperg. z,var ~vir<I n1 a 11 J\i<·ht lcu~1t<'r1 1 <l{tf.l ji~J es i11-
div1<luellc ... eelc11lcl,c1a si,c}, rak.Liscl1 f,}rt,,•§l1r(•11cl v,·rär1cJcrt, d. 11. gc-
wiS!be Beslal1tl l•~iII" vel'lif'rt und durch n1t<ll~1· Bcslar1tl l,1~i le bcT'cichert
,vird. Aber 111n11 ,vird trut1.d c1n n1ci11 ert , daß die5,c "rfill,arl<.cit l1r1cl Ver•
überhaupt nicht Zll begreifen, ,vie der ·nt,crschicd d s Gei. tigen von1
Kö!' perlichcn de11 U11t.er„cl licd z.,vi:-chc11 Einzigartigk •il ijbcrhatt}lt ui1d
einl,eitlicher Ein1.igartigkeit odP.1' l1i torisc}ler 1ndi.vidullliltlt begrün-
den soll.
\ Vir haben u,1t so ,vrni~cr Grun(l 1 b('i cine111 ::.olc11crt Prinzip
tehcn zu h,leiben t al · cter L r1terschic,d 1 (ier für 11ns cnt ·c hl'idcnd isl,
~ic}1 auf ein a n d e r e ~ Prin.z.ip Zl1rüe kföl1ren JäUt, das rrian cberl o-
gt1t auf körperliche \vie auf gci. tige \Virklir.hkeiten an,venclen kann.
Ja , gerade ein solcl1es Prinzip iLl uncnLl>ehrlic li 1 denn es gibl ei nerst:ils
at1cl1 l{örpcr, d eN:!n t>inzjgartige f~11111igfalLigkei,t eine Ei1\h eit, bilclet,
so daß cl ie Einheit auf rlr r Einzig,tr·tigkeit IJeruh t , ur1rl dif' ~i<'h dad ttrch ;
von ar1d l"n l{ Orpcrt1, dje bloß eirizigartig si11d, ur1Le1~cheidcn, ur1d
andererseit beLitzt nicht jedes C'Clenlf'lJen sch•on die Einh"it, seiner
Ei111igartigkcit , dio un~ bei bcstirr1r11l;,cn f-'cr ·onc11 deutlich t•nlgegen-
tri tt. Es las~en sich vieJrnel11· ga:uz allge1uein l ndivid ucr1 i n1 c11geren
vo11 _c,lchcn i111 ,vcitere11 Sin11 tintersc h<'i(lPtl. ~o daß nur (lie eine Art
aus In-dividuon bcslehL. \~.'ir k ö1u1e11 u11s ogar, u1n die~ l't••c· ht. rlcuLlich
hervortreten zu la sc11, das Prir1zip 1 ,,·orauf cljc ,1urch Ei ,izjgr,l'ligkeit
e11t.stehe11de Ei11hriL berul1t1 7.\ter~t an der Gl'g-e11übe1·~t-0 llung 1.,,·eier
l{örpcr k lnr rnnchen . \~'ir ,,·errleu d aclurr h frei lir lt noch nicl1t zi1 cic,n
cr1dgiil Ligen B<·gri rr d e hi ·toriscl1t!n l111livi,d uurns v orcl ringe11, dc11n
es ist ja ur1bez,veift•lbar-, daß die Gescl,ichte c hat1p'lsücl1lich 1njt scc-
lischc1r1 Lebc11 zu tu r1 hnt . .Ja, ,vir n1fis..-:..-_11 sr J1on cJc. ,,·egcn hier bei
einem vorläufi rr{'11 ß <.'1,riff swl1cn blt.•ib,•11 , ,veil \\:ir 11oc·l1 ga11z davon
a lls<'hcn , daß alle gcsc l1i<: htliclte \Virkliel1lieit ri11 G c ~ t h c l, e n ist,
das sjc}, verändert, uncl 11ur <lu · l1)il.ivicluu11t OherhaupL nl · et.,.,·a für
ich Bt'st.f>h end e. ur1d in !1oir l1 Rtth<>nilf's j11 Betracht zichc11 1 ·o ,vic es
,,,i1·klirl1 nicht , rorkon1 n1t. 1\b r ,,·ir haben 1,ier. ,ve 11t1 ,,·ir )c}gi eh
(J ie t.l clhodc clcr gcscl1ich tlicheit B<'grif rsbi lclu11g ver Lel1e11 ,,·01le111
zuenit. \\:iedcr rlie lc,gi$tl1en Prinzipien in ihrer Abstr,tkthr it darzu-
s tellen, u itr1 sie da.11n später Scl1rit,L für Schritt ntiher zu deterrninieren 1•
Die l(örper, atl d e 11e 11 ,vir das Prinzip, auf clas e„ i1ns zunächst
alle-in ankommt, u11d da·· nur die Unterschejdung z,veier Arten von
Jndividuc11 betrif(L, in seiner logischen Abs.traktheit lclar mach-en,
so llen ein bestimmtes Sluck l{ohle und ein best immter großer Dia-
rnant , ,vie z. B . der bekannte Kohinoor, sein. Dieses eine bestin1mte
K oh len~t.ück gibt es ebenso,,1enig Z\vcirna l \.Vie de11 mit ei11ern Eig-c n-
namcn bczeich11eten DiamanLen, denn ,,:ic der Diamant is t es durch
seine individt1olle11 E igont.ü1nlicl1kcitcn nicl1t nur von allen anders
geart.ete11 Dingen so11d.e1·n auch von allen Kol1lcnsLüeken vcrscl1iedcn.
\,'' as also die Einzigartigkeit anbetrifft, so sind b eide l{örpcr Indivi-
duen. in gena u dem elben Si11ne. Ganz anders verhalLen ie sicl1 da-
gegen mit Rü.cksic}tt al1f il1re Ei.nl1eitlichkeit. Sie k ö n n e n z,,rar
beide geteilt ,verde.n: ein H aminen;chlag ,,rürde das eine I ndividttum
so gut ,vie da ar1dcrc zersplittern. \Vä l1rend jedocl1 eine 1'eilung der
J{o}1 le die glcicllgült igste Sact1c von der \VeJt \väre, \\·ird man den
Diar1ta.ntel1 vor ihr sorgfältig be,va1lren , und z\.va r ,,111 man rucht, daß
er geteilt ,vcrdc, ,,, e il er ci11zigartig ist . B ei den, Diama11ten also ist die
E int1eit seiner intlivid11ellen ~1annigfa1tigkeit ,,·irklich 1n it scin e1' E inzig-
artigkeit so verknüpft. daß seine Ei rlheit auf sei11cr Ei11zigartigkeit.
beruht. Bei dcr11 , tück I(ohle dagl·g;cn is t die E i1lzjgartigkcit z,va r
.a uch vorha11de11, aber ie ,vird gar njcl1L als ßjr,heit, at1f eu10 C\reuluclle
Teilung bezogen. D·c r Gru11d dafür ist de1·, da ß a n die Stelle des
Kohtenstückos jc(lerzeit eit1 and eres l(ohtcnsLück t.r„t,en ka1lr1 , ei11
zweiter l{.ol1iT1oor cl,lgeger1 rtie,nals zu b a:;cl1a f fer1 i t . Dan1i t 111uß der
Utltcr:~cl,ied z,,,ischcn z,,•ei 1-\ rt,c11 von 11.ldividuen l<lar sein. Das E inzi g-
artige ist uan11 s teLs zugleich 110L,vc11tlig ein r1icht zu Teilen,lcs oder
ein In-di, ,idt111tr1 irr1 en •cre11 Si11ne ues \,\1orLe.s, ,venn seiner E.inzig-
arli"k.eit eir1e u11ersetzlicl1"' B c cJ u tu r1 g zultbrr1r1tt. DaO 111 diC'scn1
Sin11e 11icl1l l tur Seelen s011tlcrn auc.L1 l\.Orpcr irtdivitlucllc E inl1eiten
bilcl c ,i1 1 kann a lso nich L best1·iLLe11 ,,,erdc11.
Z,vcifcllo ist 11t1n dieser U t1terscl1ied Z\V,iscllen z,vei A rte11 von
Individuen auch au r n 11 e l{ örJJer so anzu,vendert, daß die gesar1lte
phy:;i ehe \V lt 11rttcr di()Scn1 Ge.sichL.')pt1r1kt, in 7.W('i Grupr1cn von \\'i~l{-
licl,ltcite-lt zerfä llt. 1\ us der t111übersehl,arcr1 extensiven ~lannigfaltig-
kei·t der Di11g s011<lcrL ·i<: h ci11e bcslrirr11nl..c Anzahl aus. Bei ,vcitern
auf das gebrut1ch.Le Bcis1,iel 111ögl,icl1 ist, dnn11 kü111H·u ,,·ir s age11: die
Bedeutung, die der Di~lrnunt, l)esitzL, bert1l1t auf clc11l \"\' c r t e, d,er
an einer durcl1 nichts zu crsctzcntlcn EinzigarLigl<~~ji hnflct. Der
Dia1natlt so 11 nichL geteilt ,,·crder1, ,, eil er ,.,·ert.voll i~t , ttltd aucl1
dies rnt1ß rü r nllc I{örpcr gelten, die l n-cli,•icl,1en s incl : r,ur dndurc h,
daß iln~e Ei11zigarLigk it in Bezieli1111g zu cir1e1n \\lcrLc gC'Lrnclit ,,·ird 1
ka1 ln <lie cl1araklel'isierte 1\ rt vou Ei11l1eit ent~tclie11. Da111it ,,·ir·<l 11icht
geleugr1et.i daß es nucl1 11ocl1 a.11:dcre Grür1d gibt, di ' einen l{örp er zu
einer unteilba ren Ei11l1 cit rnachen. Organi1:;1r1c11 z. ß . ltü11ner1 1ucht.
geteilt ,vcrd en, ,,·crtn sio nicl1t a11fhörc11 sollcu , Orgauis111er1 zu sein ,
u11d da:;s cl be gilt au cl1 vort \\;erkzeugen und l\ la f'hit1..,11 . .\h l'r ,1 i •~:-; e
•
von Zentrum und P eripherie i11 der en1piri chen 1',Jannigfaltigkeit einer
l\fenschenseele auf keinen1 anderen Prinzip a ls au f dem, das ,vir bei
dem Vergleich des Djamanten 1nit ein,ein Kol1Je11stück ke1111en gelernt
t1abcn, d , h, die individuelle Einheit einer PersönlicltkeiL ist ebenfalls
auf r-1.ichl<s anderem als darauf gegründet, dnß ,vir rnit i.hr einen. Wert
verbinden, und daß infolgcclcsscn die mit Rilcksicht nt1C diesen \Vcrt
unersetzliche,1 oder \vescntlicl1en Be tanclteile ein Ganzes bilder1, das
nicht geteilt \Verden oll . l{urz, die inclividuelle Einheit der l'er ön-
lic-llkei't ist keine a ndere als die de auf einen Wert bezogene11 lndivi-
duurns überl1aupt. ' ' on l1ier au s ,vjrd da11n auch der Begriff des
p y•chi cl1en Struklurzusammcnhanges verständlich, N.ichL eine ,,er-
lebte'' Eint,eit. maclit die geschichtliche Einl,eit einer P ersönlichk eit
aus, sondern die Einheit der auf ei11e11 \iVcrt bezogenen P ersönlichkeit
w.uscl1t uns, solange wir sie it1 illrClll Wesc11 nicht durchscliaut haben,
vor, daß scl1on in der erlebten Einhcjt des p► ycl1i~chen Strukturzu~am-
111cnl1anges als soJcher eine in div icl u e 11 e Ei11}1,e it z.u finden sei. Das
,vird beso11der · deutlicl1, ,vr,nn der Strul<tt1rzt1. ·t;1mrnenha,ng z\1glcich
als z,veckzusa1nmenJ1ai-1g charal<Lerisicrl ist, denn in d•e m Begriff des
Z,veckes ist dann ein W erl rrutgccla,cl1t, und au f diesem W ert a llein
ber11ht die Einheit der J11dividualitftt. Der U11terschied z,vischen
l{örpcr- tind Seeleninclividttum bei tcht n t1 r darin, daß die Indivi·-
dualität keir1es !\,1r,nscl1cn uns so gleicl1gültig ist ,,rie die eines Stiirkes
I<..ohJc. Dara\1s aber rolgt,1 daß a 11 dem P s),chischen a ls solchcn1 die
Einheit det· Einziga rtigl<.eil nocl.i nicl1t haften kann. Abg~scl1e11 vo11
d n1 V crt kö111.1en ,vir UJJS nicl,t nur sel1r gut eitl zigarliE!es Seelen-
leben d e n l{ e n , du„ kei11e indiv.iducl1e Einheil besitzt, ob,vohl e
d,ie Einheit des p~y,;l1iscl1en truktt117.u. ammen .h anges docl1 irt1mcr
l1al)en m11ß, sondern, ,venn "vir z. B. 1'ierc betrachten, so i~t auch
faktiscl1 sel1r oft kein Bar1d vorl1ar1de11 , das die Eir1zigarligkeit zur
Eit1heiL n1acht , ob,,1ohl doch auch hier die Einl,cit des erlebten Stn1k •
lt1rzusammenhan ges ni cht fel1len kann , fall" sie zum Seeli ·chcn als
solchern ge11ören so ll . \\'aru1n a 1 l e ~ler1sche11 rr1it \Verlen v er1,nüpft
und rlcsltol b (ür un. a11ch Individtten sincl, ist hier ztmäch_t gl.,.icll-
giiltig. E s kom,itf. nur <la.rattf an, zu zeigen, daß unser PriDiiJJ in \~' uhr-
heiL gan z allgc111eio i~t, u11d daO dadurch al· o jede beliebige \Virltlir l1-
keit, gleicllviel ob sie pl1ysiscl1 oder psychisch ist, in Individu er1 ittl
engeren und ,,,eitercn inne zerlegt \\>·crd<:11 ka1tn. Wir vcrste he11
dann at1ci1, ,vo.r11m ,vir es so 1•i<;ht vergcs ·en 1 <laß mit Rück ·icl1t aur tlie
Einzigartigkeit alle "\\>"irklichkcitc11 in vollko111n1en. gleicl1cr \\'eise als
- 316 -
Individuen cxi tier,en. Sie sind eben zum bei ,,·eiten1 größten Teil
n u r einzigartig, u11d \\1eil ,vir erst dann , ,venn sie auf einen \Vert
bezogen und daclurch einl1eitlich in ihrer Eir1zigarLigke.it ,verden, auf
die Ei11zigartigl<eil acl1Le11 t1nd sie uns ausd rücklicl1 zum Be,vußtsein
zu bringen Vera11las·u11g haben 1. ,vie das bei ps)1cl1ischen Indi,riduali-
töten fast im111er de r Fall ist 1 klingt es paradox, ,:venn ,vir Blätter
oclcJ· Nüss.e Indi,. .i,J11e11 ·r1en11eni ob,vol1l sie in der allgcrnein~tnn Bc-
d c,1tu11g dieses \ Vorl.es gc11au so individt1cll sind ,vie die Persönlicl1-
keiten der Ge:'cl1ichLe.
Die IGarlcgung des Prir1zipes 1 auf der11 die ch.oiJung in Z\\1Ci
verscl1iedene Arten von Individuett berul1t, bringt u11s aber zu1täcl1st
nocl1 nichls ande1·es z·u1n Bewulll.sein als dc11 Gesicl1tspu1tkl, vo11 de11t
jeder fühlende, \\'ollendc und l1andelnd•e J.turz jeder 'Lellur1g n•eh1nc11lle
und also jeder ,vi rklichc ~1cn ·eh bei seir1er Atlffas~ ung der \\Telt gc.-
lcit.et ist, tind un ter c)en1 sicl1 rür ihn das · eier1de ir1 \VC!-PUili clie un·d
unwesentliche Bes Land lcile sci,cidet. \Ver lebt, d. h. sich Z\,•rc;k.e setzt
u11d sie ver,..,·irklicl1et1 will, kan11 einerseits die \l/ clL 11ic111als n u r
111it fiürksicl1L au f das l1csor1dere anscbc11 1 <lcnr1 gc11cra.lisicrc11cl allf'in
vern1ag er in der über.:111 i11dividuelle11 Wirl<.licl1k.eit. sicl1 zu orie11tiercu
und zu ,vir1ien. Ein Teil der OlJjclct e llo1r1111t d.:1J1,er fü r il1n nur i11so,vcit
in Bctrachtt :lls sje Exen1plare v or1 Gntltt11g:,;l, .,griffen sinrl. Ar1dcrcr-
tscit.s aber \\·erderl viele Obj ekte gerade d tarch ihre Ei n2.iga rtigkeit ,vichlig
u11d sind de~l,all) not,,·c.ndig einheitlicl1e I11diviciuen. Die!-C · chei(lt1ng
v ollzjel1t sic h n 1iL so großer 'elllstv<'rsländ lich kc.iL, J aO 111an ih re n Grund
nur selten be1r1r>rl<t u n cl ~ar nicl1t daran dc11kt, daß \Vcrt•rcsicl1ts1Junkte
dabei ei nc A uswal1J lcilc.n. 1 11 der 'l'a t ist es tluc l1 cJic! u t~]>1·ür1gliclt$tCAu[-
f assung dct· \Vil'l\.licltk_cit , und !ur d erl \\'itk.lie l1c11 ) i ertscl1en I der in1n1er
ein \\'Olle1lc_ler , ,,·c,r-lenc_lcr, stc1Jungneh11-.cnder ~J cnscl1 ist , ,,;rd daher
v,
die i11 llcr a11gegelJenct1 ·ei e tci ls generalisi"re11d 1 teils i1tdividunli-
i cr e11<l aufgefftßLe \\'irl<lir hk.eit g<•r;i.tlcz-u zt1 clcr \\:i„klichkeiL ül}erl1aupL
,,,erden. Dc•shalb 111uO 111an es „i<•I) ers t a.t1sclrüclJicli z.t1n1 Bc'"rußLsein
bri11ge11 1 <lafl die \.\-1'clt der ci1tl1ei Llichcn ln<,i i, ·id u ' n el)cnso \-Yie die
l<.ü1~.t,lcrj scli ;t11gcscl1 Cllt Le o<ler die i11 allµ-,·1uci11e11 Beg1·i rf cn geJaclite
\ \1irJ, licl1l<.eit , 11 ll r cin•c bcs lil.11n1ie J:\. u ff a s s u 11 g it:L1 die ,vi r
t1eben die 11alur,vissc11scl1aft.liche u11d die kü11~tleriscl1e Auf{oss,ing
als ei11e dritte, sicli prin1.ip1cll "·011 i h 11e 11 unlcrs,·l1cidC'11clc :-ctzcn u nd
zu11äcl1s t als die \\"elt ,tes pra l{l,i i;c hr n l.cLcns brzr icl1r1cr1 könnc11.
\ Vorit1 b c:-:-t el1t aber tlun clcr Zus~1111111c1tha11g ... der ind i,,i-tlualisiere11 •
den \ Virklichkcitsauffas. u11g n1it, rll·In f-'roLler n der l1isto1·iscl\e11 B e~
- 317 -
griffshildung? Wir haben be re its ,viederholt hervorgehob en, daß wir
an dem Bcgrirfe des Di.a mantcn den Begriff des l\ i s t o r i s c ll e n
lnclividutuns nocll nicl1L ganz klar macl1en köm1e11. Ur1.ser Ged an~
kengang ,vill vorn Begriff der Grenzen der NatUJ'\\'lSsenschaft- aus durcll
alln1äh)iche Detern1ination den Begriff d er Gcscl1icl1tswissenscl1aft ge-
winnen, ur1d ,vir ,verd,en nt1n sagen d iirfen , daß ,vertn die individuelle
Wirklicl•koit a ls solche mit. dem a llgemeinsten Begriffe des hi~torischen
0 b j e kt es gleich zu setzen ,var, die inrlividl1alisiercr1dc W irk licl1-
keitsauffo.ssung des praktischen L ebens alJctt als die ursprüriglichste
und umfassendst,' b i s t o r i s c h e Au rf a s s u n g bezeicl1net ,ver-
den muß , ,,robei das „ llisloriscl1e" nur die \.Virklic}1k.eit n1it Rücksicht
auf das Einmalige, Besondere und Individuelle bedeutet . Das histori-
sctte Int eresse in diesem Sinno l1abcn ,vir n1it. dein fnLere. so a1J\ In-
dividuel len gleichge.~etzt.1 und die Ii1dividucn, die für den \vollenden
und \\fCrtenden :\tenscl1on ln-dividuett sind, können \.vir d.a her h i s t o-
r i s c h. e I n d i v :j d u e n nennen, solange n11r rJcr Begriff des GE:'-
schicl1tlichen als des Ein1rtaligcn u11d Ir1dividuel lcn in Betracl1t ko111mt.
Frcilicr1 t1a.t. auch d ieser engere Begriff des Jndiv.idut1n1s zunäch t
r1ocb keine Bedeutung flir den Begriff der \V i s s e n s c h R f t I i c 11 e r1
Geschicl1te. Doch ist er trotzd crn von \\1ic litiglccit, dcnr1 ,vir körnten
n1it Rücksicht auf ihn d·c n umfas.senclst.en logischen Be«riff des IIisto-
rischen1 der bisl1cr n t1r ein Proble111 enlhielt, doch so bestim1nc11, daß
\vir der Proble111lösung \\'erugstens niiher kom.men. Wenn ,vir früher
a ls Natur die °"' irk}ichkcit rnit Rücksicht auf das Allgcn1cinc 1 ab, Gc-
schicl1te die ,virklichkeit mit R11cksicl1t auf das Individuelle bezeicl1-
ncten, so ,var in dieser F or r11ulierung 11ur der allge1_0einsle Begriff der
Natu1'\vissen.scbaft enlhal len, aber nocl1 n i ch t s von clom B~o-riffe
einer gcscl1ichtlicf1e11 Wissenscha ft. agPn wir <lage::;cn jetzt..: die
\ \1irklichlteit ,vird Geschichte ruit Rücksicl'1t au! die Bedeutu ng, die
das Geri11gste geändert., denn die en1pirisclle \.Virklichkeit, ,vie si,e der
,vollende l'vl,cn„ch des prakli c hen Lebens mit Rücl<sicl1t auf ihre Eigen•
art, und Bcsonderhei.t darstellen ,,rü rcle, rnüßte der natunvj ·senschaft-
licl1en Begriff l>itdung ebenso eitle Grenzo set,zen wie die Wirklichkeit
selbst in ihrer überhaupt r1icltt darzu. t eilenden unübersehbaren
~1 annigfa U:,igkeit.
Wie aber solJ die A uffassttt1g des w o 1 l e n d c n ode1· des p r a k-
t i c 11 e 11 L eben uns d,en1 Begriff der Ge chicl,te {1s \V i s s e 11-
s c 11 a f t n äher führen'? Da i t jetzt die entschcidcnd.e Frage. Bleibt
diese }\ uffas t1.11g nicht ge,·ade, \V c i 1 sie die Auffas ung des ,vollenden
l\if cnscl1e11 ist , cl.er \V1ssenscl1aft,Jiehen Atifra ung not,veI1dig c11Lgegen„
gesetzt? Ge,vi'ß , die geschicl1t)icl1e Aufrassung kann. nicl1t 111it d er
des ,vollenden i\fen chen identisch. sein. Beid.e l1abe11 nur cl.ie cl1ei-
d ung von Individuen im. engeren u_nd \veite.ren Sinne n1iteinander
gomei,t a1n t1rid scl1ließcn so indiv:idt1elle l\ta1111iufaltigkeiLen ztt Einheiten
ir11 Siu.r1e der Zusarnrncngcl1örigkeit zusa1I1n'1c11. ie tinterscheiden
sic h aber at1cl1 prinzipiell voncinar1dcr, und z.,var jr1 z,", •i.facher Hin-
sicl,t. Da1nit e1-st kom1nen ,,·ir 1.ur ,v i s •e 11 s c 1'1 a r tl i c }1e 11 In-divi-
<luenbildung.
Erstens isl der I•l jstoriker als 1\,l a1u1 der \'\ti_scrucl1aft i.1n Gegen satz
zum ~•ollenden ) f en cl1en nicl1t praktisch sondern theoi·et.isch ttnd
verhält sich d al1cr imr11er nur d n r s t e I l e n d und nicht b e u r-
t, e i 1 e n d, d . J1. er hat ,vohl die Gesichtspunkte der Bct.raclittlng 111i t den1
pralc.ti cllcn ~len ·<;l1e11 gemejn, 11icl1t. aber da \\;ollen und ~ 'crten
selb t. Das läßt sicli auct1 so aus.d rücl{en :[die Gcscl1ichte ist lc c i n e
\V e r t e n cl e s-011dern nu1· ei11e ,v e I' t b e z i e 11 e n d e \\ 'isscn-
I scl1a ry \>Vir ,verden ger1au re::-tsLel1en, \VOrin die bloße „Betrncl1Lu11g11 •
•
• 1 tilltcr Wertgesichtspunkten oder das rein tl1eoretiscl1e Beziche11 auf
/'
\iVert,c im Gegensatz z \1m \\tollen und prakti~che11 , verten be.-,tcl1t ..
Hier sei r1u1· ben1e1·lctt daß d er Dia.n1ar1t l{ohi11.001· au ch aus diesem
Grunde nocl-1 nlcl,t als ein l1isto1·iscbcs li1d ivid uurn fii r uns in Bet.raclit
kon1me11 kann, ,veil \vir iltn ja gerade dadurc~1 VO'l l d c 111 I{ohl cr1stück
unterscliie<len haben, daß il\1n ein größerer \,'\,'el't zuh.01l11nt al i1·ge11d
ei11en1 beliebigen l{ohlc11slück. ;\ ls leclig'lich "vertbe:1.ogencs und i1IB~
fern \,;ssenscl1afllich gcsch icl1tliclies I nclividuu111 ,,,ürd e der Dia111ant
wiefler nur in eine,n größeren Zusa1n111 11l1angc verst ändlich ei n, auf
de11 \\·ir liicr vorlä.t1fig 11ocl1 ni ch t ei ng •l1en können. Zu11ächst st ellen
wir den z,,..citer1 UnLcrsct1icd fest. Der ,vollc11de 1Vlensch ha t inl prak-
tische,, Leben slct..s ai1ch \\'crLc, die r1ur f(ir ihn alJcjn als \.\ tcrlc gelten,
Bcscl1ränku11g auf cjnen ·r eil \ron it1r1cn ? Ofie11h~lr darauf1 <laß sie
s icJ, nur für da. intcre:-sicrt, \\'R:s, ,vie 111an zu sagen pflrgt , eine a 1 1-
g c n1 c i n o Bcdct1Lur1g be. itzt,. Dies ka11r1 jedoch nichts .-111rlcrcs
h,c iOc11, a1 ~ d a ß der \\l'ert. n1it Rttr.k~i t1t nuf clcn für ic d.ie Objekte
1,u ltistoriscl1c11 lndivid u<>n \\'erd en, ci11 allgernci11('r, d. h. ein ror alle
gül tiger \\l'e1·L sei11 rr,uO..JAllc ~Jen. cher1 ,,.,erc.leo zt1 l11clivi tluen irn
ct1geren Sin11e nur dadu rch, daß \vir j des ,,,eo chlicl1e J11di,1 idu um
nur irgend eine,n W ert. ühcrh at1pt bezicl,cn. Acltlcn \\-ir dagegrrt rl a rauf,
,,·elcl,cs indiviclu el le Leben „ich nur n1iL Riicksic ht, a ur t:1llgc1n(•i.n e \\'erte
d·urcl, seine E in ziga rtigk,e it zu einer Einheit zu. am n,ensc-1,Jießt, da11n
sehen ,vir, daß a uc h nt1s d er Gcsan1Lt1cit d er I\l cnscl1e11, \\'ie aus cler a lle r
a11dern Objekte, ~ich lltll' eine be.stin1111t e Anzahl herau!- hcht.. Bei der
Gegcnübcrs tcllu.ng z,vcicr Körper l1att.c11 \Vir dc11 Dia1r1atller1 gcv.iähll,
,veil er n1it R ti ck~it' l1t a11f cir1c1t allgen1ciuc11 \Vert zu einern von nll cn
ge,vcrtetc11 I11tlivid ut11ll ,v_ird. t,~ll<'n ,,; r nt.1n f"inc P ersönlict1kcit. ,vie
Goclhe irgc11tl cin c,n l 11rcl1s1·hnittsrnonschcn gegenüb~r 1 t111tl · ::seh~11
,vir dn,,ro11 ab , daß au ct1 die In(livicl,1alilä t des Du1·cl1schnilt.s1nen cllen
n, iL Rü · ksiC' ht our irgend ,,·cl(' l1' Lciiebigcn \\'erlc ct.,vn bcdcut..ct , so
ergi bt sich , dRO GoelJ1c zu ei r1C11\ ol<' h.en ~l eruic hcn Fl irh vf'rh it ll ,, if!
l
1
Allgemeingültigkeit iricr gaschicl1tlichert Auffassu11g erlr1öglicht, mit
dem natu1"\vissenscl1aftlicl1cn Allgcrr1citler1 nocl1 '"en.ig<-l" Zll t un hat
als diQ a lfgerncin n E lc1n •11te der lli l-orischen Begriffe. Diese sind
n iiml.ich ,ver1ig:;tR11s illrem Inh alte 11acl1 in dcrnselb-e11 Sinne allgeniein
" 1 ie ein natt1r,vi ssenscbnftlichcr Begriff. Der allgcrt1eine \1/ert d~gegen
soll cr::;tens nicl1t ct,-va t11cl1rerc irtdividuelle \\/erle uls seine Exen1plare
umfassen sondern nur ein von allen anerkannter \1/ert oder ein (ür alle
.g ültiger Wert sein, und z,veitens is t das, ,vas allgemeine Bedeutung
hat, insofern es auf einen allgemein.e n Wer t bezogen ,Yird, darum nicht
selbst e~vas Allgem eines. Irn Gegenteil, die allgemeine Bedeutung
eines ObjekLes kann sogar in demselber1 1'1aße zunel1me.n, in dem d ie
Unterschiede größer ,verden, die Z\\ischen ihm und anderen Objekten
. t1nd die Geschichte \vird also, gerade w e i 1 sie nur vorl d em
best ehen,
bericl1tot1 ,vas zu einein a 11 geme i nen '\iVert in Beziehung stei1t,
vo1n Individuellen und Besonderen z 11 bericl1ten haben . Das historiscl,e
Individuum ist dann f ü r a 11 c durch das bedeutsam, wori,1 es
a 11 d c r s a 1 s a LI e isL. \i\'er meir1t, daß niemals das Individuelle
sot1dern nur das Allgen1.eine eine allgemeine Bedeutung habe, über-
sieht, daß gerade die allgemeinst en '-'' •e rte am absolut Individuellen •
und Einziga rt igen hafLen können . [Wolil bed arf also die Geschichte
ei11es .i.\.llgernei11en als Prinzipes der Au_s\.vahl, aber ehenso\.venig \\·ie
die allgemeinen Begriffsele1r1cnte ist dieses All gemeine das Z i c l,
nacl1 d em il1re Darstcllu11gen hinst1·ebeo . Bs ist vicJme.h r die V o r-
a u s s e t z u n g, unter der allein eine allgernein gültige Darstellung
des Einmaligen und Individuellen vorgenommen ,vcrden kann 7 •
Da die Scheidung d es ,,111iL allen Ge1nei11sa1nert'·' von d e 111 ,,für alle
Bedeutsamen'' v on enL5cheidender \Vichtigl{eit filr das logische Ver•
l
ständnis der l1istoriscl1en Wissenschaften ist, so orörte·r n \\·ir, bevor
\Vir zu dem Begri.ff d er 1 ,W erLbezichu11g1 ' Obcmel1cr1, noch einen Ver-
i
such, den Gegenst and der Geschichte zu bestimmen, der besonders
lcicl\t zu der soeben dargclegte11 \ 'envechslun.g führe11 kann.. Nicl1t
selten l1ört man, daß der 11;~t,orjker 11ur vom ~1· y p .i s c r1 e n zu
handeln habe, ttncI das klingt vielen eben o selbs tverst.ändlich ,vie,
daß nur das \Vesenllicl1c, Bedeutun gsvolle, \Vichtjge oder Int.eressante
dargestellt ,vet'den solle. 111:, logischen Jritere~.. e jedoch hat 111an Grund,
gerade cle·n Ausclruck ,,Ty·pu '' zur Bcstirnr11ung des I-tisLorisclten
\ \1cnjgstens seinem urruaS:)cndsten Begriffe nac11 zu ver11leicleu. Er ist.
wie viele hät1I:ig gebrat1chte Ausdrücke n1ehrdcutig. T)1pus heißt
•
einerseits soviel ,vie v ollkommene Ausprägung oder V o r b i I d. Dann
ist es ejn W crthcgrif[i genauer der Begriff ei1aes Gute~, an d ein ein
\1/crt haftet. Anderersei t bezeict1net das \\' ort 1"ypus aber auch im
Gegen atz hicrz11 dns fiir den Du r c t1 s c h n i t t einer Gruppe v on
Dingen oder Vorgängen Cl1a.r-akLeristi~clle 1 ur1d daru1 h eißt es bis\,·eilen
geradezu soviel \Vic E x e m p l a r eines allge111einen natur,, issen- •
sctiaftlichen Ga Ltu11g$bcgrjf{e.s. Dj sc beidera Bed eutungen <les \\'ortes
Ri ,;i k l' ,. ~. Orcnt&u. 2. A~ll. il
11.a ben , ,venn \\'ir -,.ron den1 Begriff de. al)s0Jt1l llist ori ·cl,en, n1it, clen1
,vi r un l1ier allein bcsc•hflftigcil, zu <lern ,de re)aliv J1islori~c11cn
übcrgcl1en . E · gibt in de r 1'at gc,visse relativ historisr. he BP.griffe,
für d ie 1na11 den t\ usdruck de · It.l cnll.ypus "'c1·,,·c11<lcn kann. . her
gcra,lc de ·,,·cgcn , ,,·eil es ~icl1 cJul>1"i nur urn t"t,vtlfi r e I a t i v l Jistori-
S<!h<>s ha11dt.:ll, i~t die e1· Begriff iur B e. ti1n111u1lg des hisloris he11
. -- - --
1 Llie „ C)bj,•kliviifil "
!.oz ia l\v1~-.~n„chaftlic l1t•1· 11nd sozinlpoli liscl1t•r Er-
kl:t1nlnh;, 1004. ,\rc ltiv fü r Soila l"'i 'scnscho(L 11nd $Qz1alpolilik . Bd. X I X .
•
näcbst auf die beiden T)•penbegriffe des Vorbildli cl1e11 und des Durch-
scl1ni ltliclien.
•
Tt1n \\rir dies, so kann der ::,atz, die Gcscl)ichte l1abe da Typiscl1e
darz.ustclle,n, et,,.·as becleut eu , was z."'nr nicl1t eine erschöpfende I Be-
stimmung des historiscl1en lndividt1un1s , aber doch mit Rücksicht
,venigs Lcns a llf einen 1' c i I clcr llist orisclien Objekte nicht geraclezu
falsctt ist. Sagen ,vir z.B., daß Goethe oder Bis1r1arck typ.isch.e Deulsclte
sind , so l<.ann das l1cißen 1 da ß sie in ihrcl' Einzigartigkeit und Indivi-
dualitä t ,·orbildlich si11d, und weil sie als Vorbilrter a ucll für alle be-
deulsarn sein miissen , so v.·erden sie in der Tat a ls Typen aucl1 zu histo-
rischen In-dividuen . Scl1icbt man dagegen dem Begriff des Typus
clie an(l erc Bedeutung des Durcl1sch1)iltlicl1e11 unter u11tl erklärt dann 1
daß die Ge8chichte nur "·o,n T)rpischen handle, so kom.n1t n1an zu der
falscl1cn Ansicht, daß die Geschichte an allen Individtien nur das
beact.ite, was sie mit der großcr1 ~lasse gemeinsam l1aben . Werden
tlar1n Goetl1e oder Bisr11arck auch. il1 <liesenl Sim1e 'l'ypen genannt,
so e.n tstel\t die so11derbare l{on eqttenz, daß sie für die Geschichte nur
insofern in Betracl1t komn1en, a ls sie Dul·chschnitt.smensc••en sind,
uod man glaubt, so einen Sir1n mit der Behau pLt1ng verbinden zu kön-
n.e n , daß auch die 1 ,großc:n l\länner'' 11t1r 11 ~lassencrsct\einui1gc11" seien.
Der Ausdru ck 1'ypt1s kann also 11ur daz.u dienen, die Irrtün1er über ·die
Aufgaben und das \.Vcserl cler Gcschicl1tswisscnscl1aft z.u befestigen,
die a11s der \ ' cr\-vcchsl11ng des ,,für alle Bcdeutsa1no11" ,ni t d ein ,,mit
allen Gernein arnen' ' entstehen. ur ,venn ,vir \ ' orb,ildlict1es und Durcl1-
schni'tLlicl1es, clas ich, in der Bedetitung de. \iVortes '"fyr>us unklar
rniscl1t, sorgfältig au ·cinan<lerhaltcr1. ,v,ird dor Glaube verscl1,vindcn,
da ß allein ,das Ge111einsa111.e oder <ler Inhalt ei11es al lge111einen Gatt.ungs-
begriffes von allgen1einer l1islori ·cher B cde\1Lung sei .
Frei!icl1 soll dje Ablcl1nung des Ausdruck<!S 'I'ypus nicl1t. t1cißcn,
da ß die Ge.schichte n i c m a I von Durch c}111jttsL) pcn bericl1t-0t, ·
1
denn '\riele Objekte ko"1111ncn in der 1'at at1.ch fü r do11 Historiker nur
durch das i11 Bctracl1t, ,vas .sie n1it, einer Gruppe '\ron Jr1dividt1en
teilen 1 und ,vir vverdcn diese l1istori~chcn DurcllschnittsLypc.n eben-
falls näl1e r erörtern, ,,,cnn \\•ir ur1s vo11 den absolut l1isloriscl1cn zu
den relat iv bisLori ·chon. Begrifre11 ,vci1den u1td da11n aucl1 it,r v'erl1älL-
ni:t zu dcr1 vorl,cr gl'nn11nten l dealt~·pen klnrz.1tstellcn uchen. 1-Iier
jedoch ka11n clcr Urnst..and, dnß die Geschichte 11r1ter Andere111 aucl1
Durcl1~ch11iLlstypcn darstellt, nur ,ein neuer GrL1n,J stin, das \,\.7 ort„
21 *
- 325 -
al o an den Kohi11oor und 011. Goethe, so könnte man meinen, daß
d i e Teile der Wirklichkeit, z.u l1is torisehcn Individuen ,verden sollc11,
die selbs t \Vertc v crkö tperu, oder die Güter sind, a11 denen \Verte
haften, u nd z~•ar \Verte v o11 solcl1er Art, daß sie von Allen po itiv
ge\vertet ,verden. .Dieser Begriff ei nes Gt1tcs aber, an dem ein von
Allen positiv ge,verLetor ~ 'ert haftet , ,vüre viel zu e11g 1 u1n das histo-
rische Individuurn :zu kennzeichnen, und es genügt auch nicht, diesen
Begriff dadu_rcl1 zu erweitern, daß mnn die negativ ge,verteten Wirk-
ticl1keiten oder die Uebel, \\ ie rr1an irr1 ·Gege11sntz zu den Gütern sagen
1
gcge11 durcl1 ihre lndivi<lua li t.ä.t für sie bedeutsam sind? Der eine
von den Beiden 1r1ügc ein radiltal~r Demokrat und· Freil1änd.ler, ller
andere ein radikaler ArisloltraL und cl1uLzzöJlncr sein. Sie "'·erden
da11n gc\,,jß i11 il1ren. \Vertungen oder· \Vert<t1rtcilcr1 über die poliliachPu
Vorgl:l11ge il1rer Zeit oder der \ tcrgangenheit, in ihrcr11 \ ' aterlan(Jc
o(ler bei andern v'ölkern nur in \venigen Fälle11 übereinstinl1l1en cl„ ll .
sellr verschiedenes für Gtiter ode r für Uebel halt.e11 , aber ,vircl darurn
•
et\va der ein•e von il1nen 11.ur . olcl1e incli\•iduellcn poliLiscl\en ·orgü11(,e
. 1nit l11tere.,sc "·erCol gen, die dem anclcrn vollkcJ,nm n gleicl1g(illig
inrl? Gewiß nichL. .i-\ ucl1 \1nw 1· den Polit.ikern clcr denkbal' , rerscl1i •·
de11 ·t en Ricl1tungcn bilclen d i o se l b e n i11divirluelle11. ' 'o1'µ-511ge
den Gegr11sta11d des Jntere. scs, cl. h .. die Differcn.1.en der '''erLu11g
müssen . ich aur eine g c rn e i 11 s o. m c \Vi rklichl citsaurfassu11g
beziehe.n , <icnn ,vo Z\vei ?\Jc11 chen vcrschi(lcicn<!r ~l ciitttng Ober den
,,rert einer Ge~La. ltung sind 1 ,vürdcn ja die Strei'tcnden gar nir l1t
von de n 1 s e l b o n Objekte SJ)rechcn, falls dirse gerf\ct11:,;n 111c '\'irk licl1-
kcit..-,auffassung nicl1t bestünrl c, und es ,,·nre cl:ilu?r ein Streit über dert
Wert cles l>etreflenclcn Objekt.es ü bcrhou1)L 11n111ögli ch. Sr hon die~ei;
1
Beis1>icl rr111ß es uns klar macllen, <la ß n1nn di" Güter und {3ie Akte
des Wcrtcr1s t1icl1L rt11r so bch<.tnd ·In kn11n, <laß 1r1an 11t1c h c.l er <,cllttrlg
d er utit il1nc11 v erbunclenet1 , v crtc frag t und daz,11 feslz.ustellcn ·11cl1t 1
11,it ,vclcbem f{ecl1Le clie positiven oclor 1tcga Livcr1 ,,,.crlu11gcr1 ,,oll-
zogen und die Di1tgc al , Güter oilcr a ls · cbel beze ic hnet "'·er<J cn,
so11der11 daß e außcr clern n oclt eirlc Bclrac l1tung 11lit Rüc k.-;ichL au.f
\\fcrle gibt, die nacJ.1 cle111 \Vert O{Jcr LTn,,·ert d er Ding•, na,r h ilu·el·
Eige n cl-1aft al Gttt od er Uebel gal' 1Licht fragtt vicl111.chr lctligLicl1
das atlS d er t1nül,ersch.baren l\lan11igfalli"J'-cil herausffreift, ,,·as über-
l1aupt in einer Bczif'l1ung zt1 \\'erten st.el1t, so daß c r11it R ü.cksiclit oti[
die„e \ Verte irgendwie d i f Cc r e 11 t ,1vird. ach der Ber~chlig,111g 1 Ob-
jekte als Güter otlel' nls Uebel positiv od :.l' 11egati.v zu ,,·ertcr1 1 l1at die
Gc.~chichLe nicl1t zu fragcn 1 unJ ,,·er ~ich gegc11 soicl1e \\'ertunge11
iJl einem rein ,,isse11scl1aftlicl1cn l1isloriscl,en Zu.snn11nerlhange strüulJt,
is t 11icl1t ~lt "''id•t>1·legc.n. Die Be1.ieh1111g der 01Jjcl{le aber a\1 r \\'e rLe
überl1a upt, s.o claß ~ie rl:1du rcll in s<llche z~rr:dler1, clic i11c.lifr(lrcnt
gegen tl ie \,\ ' crLc i-i1,rl, i, n,l so leite>, (lie niiL R iick.. icl1t a,1f ·, ,.erte Ober-
l)aupt eine 'B e(lcutung ha ben, lä ßt s ir h von ctcr g(~..-chichtliche11 B e-
trachtting nicht loslösen. Di~~e \\' erlbnziehung ist \•jcl1nchr fü r clic Ge-
schicl1 ts,,·isse11scll art so \vc. cn t,l ich, <iaß ntnn ,)hrtc sie ga.r ni cht i1n -
$lfl1\tle ,,·üre, <.lc1:i, ,,,as liistorisc t1 ir1 Ilf>Lrucht kt11nmt1 v on tle 1n z11
zipiell anderc · als da Lhcc>reLi -,1·!1-e Bciiehen der Objck.Le auf \\'erl.e
ist. Da~ \VerLen mt1ß i1nrncr po~iti, r oder nc«ativ 8ein t1nd das be-
lrcffcntle Objekt ftir ein Gut orler flir ein Ucl1el crlt lärcn . Ons bloß
tl,eoretischc Bezicltcri ataf \Verte ctageg n hält sicl1 von dirscr Alter-
native , roll ·Läntlig fer rt u11d erklärt ein Objekt nur rar \-Vesentlich,
ol1nc 11acl1 ~ei11en1 Charakter al, GuL oder C ebel ztt frager1 .
\ Ve1ttl trot.1. die~es unz,,·eifclhnfLen ntcrsc t1icclc · die Begriffe
cles positiven oder n eguti"·cn. ,,icrtc11. nicht, von der11 Begriff de r tl1co-
retischc11 \\'crlbczich urlg ge.l.r,e 11r1t. ,vrrclcn , so• liegt da nur an fol-
ge11dern. \ Vird das ei11c Ereig11is als ,ve ent lieh, da , artdcrc nls un-
,ve. .cntlit•l1 bezeichn t 1 so i. L cl n . a.ll erding::. our. l1 ein Akt de:, ,,rcrL('rrs
o,lcr der Stelltingn..1'1111\0. 1\h r tlic ·es St •llur1gnch11u:-n fä ll,L ebc11[Rlls
n1i t den, ll1eorcLiscl1e11 B •ziel,,c n <lcr ObjekLc auf \:VcrLe, ,,·oclurcl1
hisL01·i~chc lndivirlttert c11t.stehc11, 11i,·ht zusn111n1en . Dn)I, .. ·i1eicl('11 in
,yesent'licl1e und \lfl\Ye~<'nllit:lit~ ~l erkn1al bedE"talct 11ümTir h in j c d .e r
'\Vi&senschafLlichcn Bcgriffsbildt1ng· ein \Vcrtcn, ·u nd i n s o f c r o
i ·t a.u(• lt tlic Nalur,,·i:-:seit~cha fL V1) t1 \Al crlunge11 nicht frei. \\"'SC'11t-
liclies vorn l '. n,,·ese1tlli,:he11 l r ent\(' n, rla.; ~etzt üb<>1·all den \''"'rt der
W i e n s c h a f t , ,or:111s; r·niL R üc:l<~ici1t. au f den ,Jie einen Br::;t nnci-
tf'ile ,,·~cntlicl1 1 rlic an.d c rn t1n,,·c c11tlich sin<I. \Vo Jic \''it-SCll~Cllaft
nicl1t als Gut r.re,,·erLet ,,·ird, ka11n es fiberl1a\111t nicl1L 7.ll einer . chei-
cl una von ,vc~en t Ii<' hcn ltnd u11,,·1.~:--<'r1 llirhcr1 Be ·Land t il(:n kon1n1cn.
E s liißt i.ir h d:il1or d r U11Ler:.ic•l1i •d der n aLur,, i sc11schn fLlir l te 11 "'{111
clcr hisl<1 risl' h1?n Auf(ass11ng aucl1 so au:-rlrückcn , claO, ,,·enn j~ma11d
clie aLur,\·is e1,~chaft all'! l'he<> retisch ,,e; G11-t ~e tzL \incl t1ci !,eincrr1
Denken von <ler Abi-\icht gclci-t •t ist, all,ye•ncine N.tturl>·gri ffe i·u
bil,lcn, un•lcrc Faktoren <lcr c1ri11iris1:hcn \\'i1·k)i('hkei t fü r ihrt ,veser1t-
lich 11 r1d nnt lerc url,vcs@11tl icl1 ,,·ertle11 n1iis:-.cr1 , Hls clon n 1 ,ven1l jcn1ar1<l
\Va rurn er7.t\ti!L rlie Gescliicl1 Le von dcn1 einen 11cr1scl1cn und von der11
.::inrlern nicht? Die individ uellen Unterschiede z,,·i che11 ih11e11 sind
an sich nicht größet· als die z,,ti c hen a:n,d en1 D i,n gen , denn ohne d.a ß
\\'ir cli e es als \:\'C entlie h t, 1vorl1ebc11 t1n <l jenes als un,\'C en t lie h b ei~
s ~itc lasse11, i t jccles Ding einer beslimnitcn G::tll l1ng vo11. jcrl<'rr1
anderen .in 11nübers hb::tr vi ler1 Beziehu11gcn v crscltic<le11. Er:,,L
\ \7erlhczi hung~r, hestin1mcr1 (lic Größe d.er uuJ jvi,tuclle11 Differc11zer1.
u11d ,venn ,\·ir irn folgen.d en von l1istoriscl1e11 Individt1en oder In-di-
viduen ohno ,veitcren Zusatz sprecl1en, so ist itnmer nur der Begriff
auf der dritten Sture d er Bestimmung gemeint. Natürlich ist auch
dieser Begriff nocl1 reir1 formal lind im. Vergle1cb zum sachlic:he11 Be-
griff der Gcschicl1te noch immer viel zu ,veit. Aber logisch läßt sich
jetzt der Begriff der Gcscl,icl-ile so angeb en: sie i t W i r k 1 i c l,-
k c i t s ,,,i_sso11schaft, insofern sie es n1it einmaligen, individuellen
\-Virklich.lteite11 a ls solcl1en zu tun hat, die clie ein zigen Wirklicl1keiten
• sind, von de11en '"ir f1berhat1pt et,vas ,,,jssen. Sie ist \Virklichkcits-
,v i s s e n s c 11 a f t , in ofcrn sie ein.e n ftir alle gilltigcn Standpunkt
,._, d r bloßen Bctracl1tung einnitnt11t u11d dal1cr nur die durch Beziel1tJJ1g
a1.1f einen all go1ncinen Wert bedeutungsvollen oder ,vesentliclien
individuellen \ VirklicJ1kei ten oder die hi torischcn Jn-divid.ucn zum
Objekt, ihrer Darstellung macht: Ers t durcl.1 die. e Bestimmung l1ört
der Begriff einer Wirl~licl1keits,,rjsscnscl1aft, a t1!, lediglicl1 Problen1
1.u ein oder gar ei11cn ''' idcrspruch einzuscl1ließen.
E s ist viellcicbL nicl1t gan.z überflü ssig, darattf l1inZ.ll\\reise:n , da.ß
at1ch der Sprachgebraucl1 sicl1 n1it den drei St ufen 1.1nserer Begrifrs-
be..'>timmung sehr gi1t verträgt. Das vieldeutige ,v ort „historisch''
bra11cl1cn ,vir erst ens, llm die bloJlc 'fatsächlichkcit zu bczciclincn,
,vie <las in de111 Sprac hgebrauch früherer Zeiten , z. B. in der i\uf-
l, lärungsphilosophie ganz allgcrncin übli ch "'·ar. \;\•'' cnn "vir a lso
sagen, der viel zitierw Aus prucli Gal11ci\;: und sie l1e,vegt sic\1 docl1,
isL 11jcllt l1istori eh, so l1eißt da · nur: Galilei l1at diese \Vorlie nicht
,v.irklicl1 ge proche11. f-Ii toriscl1 bcdet1tet })ier also genau o v iel ,vie
'\V i r k l i c l1 , t1nd ,vir verstet1en d ann auch; ,varum a lle R ationalis ten
sicf1 über die bloß tatsäcl1licl1en \1/al1rhejt,en als über clie ,,bloß l1isto...
riscl1en„ a bfäll ig äußern.. Dieser crst.e Si1tn des \Vortcs l1ist oriscI1
,,·ar unser erster Begriff. z,veite11s aber s11recl1en ,vir 1r1it E111phase
vo11 ei11etn ,,hi tori_chen ~1 0Jl1enl" , ,venn ,vir n1einen 1 claß ein Ereignis
eine große Bedeutung besitze, die es daclurcl1 l,a t, iJ aß es cir1 Gt1t ist,
an ,velche1n ein \Vert l1Hftct. .Ja, ,,,ir k on1mc11 tins selb:::t \\'icl1tig vor,
,venn es uns gcist attet i ·L, cir1en solcl\en ldst orj~c l,t.'ll .i\lo1r1e11t mit-
zuerleben, und die e BedeuLU11g kann natOrlicl1 nur durch die Ver~
hindung 111it einen\ ,,1erte on tslehen , d r ich dann nt1f uns (ibert rägt.
Der z,v eite inn des \Vortes hi.:)Lorisclt dccl,t sich al.:i-O nut tlcr Z\\'Citen
Stufe u1\scrcs Dcgriffs. Dr-iLLc11s sagen ,vir endlich: dies oder jenes ist
,thisLoriscl1 gc,rorden '', oder n or.l1 besser t weil d a11u t leicht das n ega-
tive \\' crL,.1rtei 1, es sui vcra llct, ,,e111eitrt sci11 ka1u1, es "gcliörl der
III.
D ie Yl e r t b e z i e h e n d e B e g r i r f s b i l d u n g.
Nachdern ,vii· nun ,vis en, \\'as ein hisLorisches I11divid11u111 is t,
kann auch über das Prinzip der hisLo•riscl1en Begriffsbildung, \Venja-
sler1S soweit es icl1 um da abso1ut H i loriscbe und um einzelne, noch
nicl1t in de11 Strorn des Gesche}1ens hi11 eingezogc11e l11dividuen \lal\dclt,
auf die wir uns zunäcl1st bcscl1ränken, kein z,,,eirel r11el1r bestel1en.
In die hist oriscl1en Begriffe gehört eben das, ,,ras sicl1 durch die bloß
tl)•core·Lische B czicht1ng eines Objr ktes auf allgcn1cin anerkannte
~ 'erle aus der Wirklicl1keit herausl1ebt, und zu i11di,rid,1ellen Einh.e ilen
zusa,nrc1enscl1licßt. \\rie auf dic>scm \v'ege SO\volil die extcrtS1,•e al
auch die interlsive unübersehbare !\lannig[alt igkeit in prinzipiell
andetcr \Veiso als durch l>loße Be c11reibt1ng ei11es ,,-illkürlich herat1s-
gegrif{enen R ealitötsstückcs über,,'Undcn \vird, bedarf jetzt kei11.cr
,,·eitere11 Brklärt11-ig r11chr. Aus der extensiven )·1nnnigfaltigkcit der
verschiedenen Ge!sLaltt1ngen geht nur oin kleiner Teil in hi tori. ehe
Begriffe ein , llnd ebenso bildet atts der inten iven ~{ar111io-faltio-keit
de. ein1.clncn hi.st.oriscllen IndividuurrlS ,viederunt .n ur ein kl einer 1'eil
gewisscnnaße11 de1t „ Ral11n cn'' abgibt für die Eintragung der Fak-
t.oren, die dann den vorher nur aJJgcn1ein bestimmten historischen
Gege11s~'lnd n iiher deter1ninieren und so aus ibm den individt1ellen
Begrift eines 1,istorischen ObjckLcs macl1en. Der allgc1ncine Begriff
tri tt dann eben o \vie die ander11 Begriffsele1l1ente in den Dienst einer
indiviclunlisier·enden Auffassung. Was wir hier in1 Auge haben, können
,,.,i1· scl1on klarlegen, ,,,eru1 wir 11ocl1 einmal au! den Kohinoor zurück-
kommen, obwohl cr 1 ,vie " 'ir ,,•isse11, noch nicht ein lu~toriscl1es Indivi-
duum im eigentlichen Sinne darstellt. Es is t sclbstvcrstiindlich ricl1tig,
daß 1 um seinen individuellen Begriff zu ge,vinnen, ,vir auct1 sagen
1nüsson, dieses so b eschaffene Jndividut1m sei ein Djamant und nicht
et\lva uur ein Ding überl1aupt. \ Vir brauchen also den nllgen1einen Be-
griff des Diamanten t un1 das Individuum Kohinoo t· t1nter einen Be-
griff zu ..bringen, aber cladurch ,vird cle-r Begriff des l{ohinoor elbst
nic.h t allgern ein. Ebenso setzt der Historiker voraus, daß, ,vc.r1n er
von Goethe redet, clamit nicl1t ein Ding überhaupt sondern ein ~1ensch
gemeir1t ist , und insofern ,,,ird auch von der Gescl1icl1t.c d.as histo-
riscl1e Individuum unter einen a l I g e m e i n ·e n Begriff gebracht.
Da aber ist ein Umstand, der an d errt logiscl1en Gegensatz der gene-
ralisierenden und der individualisierenden B egriffsbildung 11ichts
•
är1d ert 1 denn wcn11 ,,,ir statt. cjnes Dir1ges überhaupt. von einem Dia-
i:r1ante11 oder von einem 1\'l enscl1e11 mit so bcsti111n1t,cn .Ejgcn. chaften
sprecl1on 1 dann \Verden diese Allgemeinbegriffe eben nur als ~1ittel der
Individuali ierung benutzt. Ejn „Di11g" mit den und den 11äheren
Bestin1mu11ge.n hezeicl111ct eben n i c 1, t dasselbe Indivicluum ,,,je ein
,,Diamant'' oder ein n~1ensct1' 1 1n it. den u11d dc11 Bestin1m,1ngen 1 und
es kornrr1L hier gar nicl1L darat1! ai11 ob auch ei11 u1nfas:)c11det Allge-
mei1lbegriff not,ver1djg is t , u.rn die lnflividualitä t darzu teller1, und ob
aucl1 insofern die Gesc hicht:: ; \visscnschaft die 1\Jlgemeinbegri(fe d er
Natur,vissenscha!t als l\.lit.Lcl benutzt. Es bleibt stets dabei, daß, in
y,rclcl1em Un1fange olche Allger11cittbcgl'iffe a ucll , ,et\vendet sein
1nögc11, sie irn1ner n u r ?\ifittel zur Darstellu.ng des Individuellen sind,
a lso nicht als Ziele der his torilScli,e11 Bcgri(fsbildu11g in Betracht komn1en.
\Vicl1tiger sind andere EigenLümlicltkeit,en der .hist.orischen Be-
griffe, die n1it dem U111stand.c zusa11l111e11l1ä11ge11, daß dns Prinzip
ihrer Bildung ein \\'e r t ist , und sie mü se11 ,vir noc~, aus<lrücklich
eröt·t crn . Ir1Sofer·11 die Einl1 it des hist.orischen Ind ividuun1s stets
auf der Deziehung zu einern \,Vcrte beruh t, kann man 'sie nuch gls eine
t e I c o I o g i s c h e Einheit und die }r i · toriscl1er1 J11tlividucn als
•
cler Begriff eine , '\,Verl,es, clcr daran haftet, verbunclen j t, tJnd n1an
5,jch daher daran ge,vöh11t hat, jede Bctraclltung 1 in <ler \Ve1·tc ci.n-e
ent$cl1eidende Rolle pielen, auch ,,teleoJo.giscll" zu nenn et'l. Die
historiscl1c Beg1·iffsbildur1g, die sicl1 dieser teleologiscl1en In-di,tiduen-
bildung anzuschließen hat, läßt sict, dann ebenfa lls a ls teleo logisch
ansehen, und clie historischen Begriffsbil<lt1r1gc.r1 sind v on den natur-
,\·is, cnscha ftlichen dementsprecherid al t o l e o 1 o g i s c l1 e B e-
g r j f ! s b i I d tl n g c n iu unterscheid.eo. W äre es gestattet ) einen
philologiscl1 nicht zt1 rechtfertigenden 1,erminus 7.U bilden , so kön11tc
man ei11 historisct1es lndivicluun1 at1<!l1 ci11 ,.Individuendt11n 4 ' und die
hisLorische Begrif(sbildung ei11e , ,J ndivjduendenbi ldungj' nennen.
Docl1 ,vird e.'I besser :;ein, iiberall, ,vo a.ngede11let \Vr.rdcn soll. da.ß ein
Indivjduurn c.ir,.c teleologische, d . 11. eine 11 i c 11 t z u t e i t e nd c
Individtialilä t bed-eu let , die Sct1reib,,·cise In-dividtlun1 zu gebrauc l1en,
die freilich das te1eo1ogi cl1e ?\lon1e11 L tles Nicl,t-gcLcil t-,vcrden- o l -
1e n nicht zt1m Au drttck bringt. Doct, er,,reckt andcre·t seits der
Ausdrttck teleologisct, bei violen ge,viß Verd.ncl1t 1 und besonciers ,ver
v o11 T eleologie in de11 l1islori cl,en \-Vi~senschaften sp1·ict'1 t, wird ·icl1
vor l\lißvcrstJindnissen hü ten n1üsse11. Gerade die Gescl1icl1L; teleologie
.. Leht tnit Recht in einem sc hlech ten l1uf, cJa es in der Ta t ganz i1 n-
\<Vissetiscllaftlicl1e geschichtliche T eleolorrie gibt. Es muß d aher noch
genau best.immt weroer1, in ,velcl1en1 Sinn e al lein die ,,,.ertbeziel1e11de
Begriffsbildu ng ,,t eleologisch,. heißen cla rf.
H äu fig bringt ma11 die B egri ffe k o u s a J ,1nd Leleo logi c11 in
ei11cr1 Gege11sa tz zt1eina11der, und d ann gi lt jcclc T eleologie für u11l1alt-
har1 ,,·eil sie 11nvcreinbnr mit cle1· kau. alen Auffas 11ng zu sein scheint.
1:reilicl1 i t diese Gegenüberstellung nicht. beso11d-ers gli.icklic,h , <lenn
cler Ur1terschied , den rr1an meint, kann, " 'enn <lie tc leo luµ' iscl1e At1f-
(a.ssung clie }<.a u:Sale ausscl1licßer1 soll 1 n11 1· darin br!<lel1Pn 1 daß b ei der
katasa len Auffassung der E11deffekt gctlacJ,t \\'ird als l1crv(>rgcbrach t
clt1rcl1 ~ach.er1 , llic zeit.lieh \'Ot' ih rn licf;(en , ,vä l1rcrld er bei clt~r t clco-
logi. cherl tlf rai-~ung als z'\,\'CCl~ die J.'ü higkcit- hnber, so II , z 1, 1 ,virkc11,
ehe er ver,virklicl1t i t. E s sind ~ott1it eigentlich be i d c A uffas:;ungc11
k au~a l, d~n11 1 1laß der Enfl effr kt als Zwerl, ge?-etzt un.cl rtamit Zl1gleicl1
toit einern \V~rt,e ve rl, niil1rt. ,vircl karu1 an den 1,tt,usalen \ !crhülLnis~Prl
al~ S())c l1c 1t r1icl1t · ä 1ttle r11 . .\ ·f an ~ollLe dal1er 11ieht ·von eincr11 Gegen-
~ i c kor t , Gren,11u. 2. AuO . •
satz von l"au aliu"it und ·r eleo1ogie überl,alipt. sonderr1 nt1r vor1 1,,·ci
v ersc l1iedcnen A r t e n von K a:usalität sprocher1, ,vie dies in den \\1or-
ten causa ef.(i ciens und causa fin a liA iu·m Ausdruck kommt. Sehen
,vir von al len. Wertgcsichtspu11k!,en ab, so i ·t. auch <Jie causa finalis
e ine ,v i r k e n <l e Lr~aclie, u11d d er gc1nei11te U11ler cl1ied besLel1t.
also n 11 r dar.in, daß bei der t eleologi ·che11 Kau aliUi tsauffa sung die
~eitlic}1e F olge von rsache und Effekt tJ n·1 g e k e ll r t ist., d . h . clie
rsache schiebt in de in. einen Fall da:; Be,virkt.e go,vissermafle11 vor
sich her, wä hrend in dem andern Falle clas Endziel, mit dem der \ Vcrt
verknüpft ist., also der z,veck, die t,ähigkcit l1al, das, ,,•od urcl1 es
,~rklicl1 ,verde11 soll, zu sicl1 heranzuzjehcn.
Aber, ,,~ic dem a.u,cl1 sein n1öge 1 bei einer e111pil'is l1en .i\uffassung
der \Virl<}icl1kcit kann in der Tat imrner nur die er. te 1\ rt de. Kau al-
begriffes v envendba r sein, und der Karnpf gegen die Teleologie, die
auf eine zc.jtliche (j mkcl1r des l{au ·alitätsverl'lälLni scs hinauskorr,mt
und ,,·irkende z ,\recke annim1nl , ist dal,er auch in der Gescl1icl1ts-
,visse1,schaft ge,viß berechtigL. Ur~acl,en 1 die ~·il'ken, ehe s ie \lt'irklich
sind, sind uns n ic1nals als geschichtliche 1'atsnchen gegeben , und die
Frage, ob die \Virklichkcit dt1rcl1 Ursachen becinflt1ßt \\'ird, clic die
Fäl1igkeit haben, das ~Iaterial zu iltrcr eigcncr1 VenvirkJichung zu - icl1
hinzuleilen, kann daher für die Ge ct1icl1ic, wenn sie eine empiriscl1e
, vissen scl1att sein soll, nicht in Betracht ko1tunen . Das ProbJen1
einer tc]eologischcn Kattsnljtät in dem a11gegebenen Sinne gel,ört
vielmehr, wenn es überl1aupt ein Problem i:-t , in dje T\,let npl1)' ik , und
,vir wollen diese Art v on 1'clcologic, die mit. j en cils aller empiri:::cl1en
, virklichkeit liegc.n<len Ursacl,en re<~lincn ,n u O, a ls m e t a p 11 y s i s c h e
T c l eo log i e be,zcicl1i-1e11 1 u1c1 „ie v o11 der Gcscl,ic bts\visse.r1schaft
sorgfältig fern zu halten,.
Eine gewisse Umkehr der 1.eitlict1en •.\ufeinandcrfoloe von U rsacl1e
ur1d EffekL scl1ci11L je<iocl1 auct1 d,>rt vorzl1Llegc11, ,vo ein be,,1Jßt{~
\Vcsen ei11 Ziel j,1s Auge faß,t und es du rcl1 :1cir1c vorn \Villen geleiteten
Ha11dlnngen erreicht. Ja, e~ ,,,ii rd e der Bt>g1·itf der r11ctaphy ischc.n
T eleologie vielleicht nicl1t cnL~t11nd<'n $ein, ,venn er 11icht nnch Ana-
Jogie olch,e r \ 'orgllr1ge gebildet ,,,erden könnte. Es ist j cdoct1 klar da ß
rlicse tcleol<lgischc 1\11ffas!-11ng trnl7.1Jc1r1 v on ,ler 111cta1)hysisrl1en
J{ausaliUitsLcleo)ogic streng gc:scl1iC"clc11 y.·rrcif-11 1ut1ß . f.i ne t: n1l{cl1r
rlcr Zei tfolge vor1 l:rsachc und \ Virkung> die sich n1i t einer c,npi rischcn
\Vi se11schaft 11icJ1t verträgt, verla1lg l sie gar 11ir lt t. DeJ· Ge <I a 11 k e
all ,Ins Ziel, nicht a l>er da5- Ziel selbst, ,, irkt, 1t11 d ucr GedAnl< e gcl1t
altcl1 clet· Zeit, nacl1 dein beabsicl1tigten Errekt vc·ran . Ei11 teleologi-
scher Vorgang dieser Art o rdnet sich also du rchaus derrt rar die empi-
r iscl1e Wirklichkeit a llein gültigen Begrifl der K ausalitä t ein. ~fit
der Gcschichts,vissenscha!t hat diese Teleologie insofern etwas zu tu11,
al sie in dec· Tat zun1 \ ' ersUindnjs historiscl-1.cr Vorgänge venvendet
'\\·erden k a o n . ~1an wird, ,vo sich Dinge finden, die offenba r zur Er-
füllung eines z,,rec.kes dienen, und bei denen dieser z,veck ~ls ~loti v
ejnes hand,e)nden Wes ens empiriscl1 nict1t fest.zu.stellen ist, um sie zu
verstehen, au! die 'f ä tigkeit von Wesen schließen, deren Handlungen
von einem bewußten zwecksetzenden Willen geleitet sind . lvlan kann
da1-1n diese Betrachtungsweise auch so verallgemeinern, ,d aß man
ie auf a lles menschliche Lebe.n ausdchntt d . t1. ü b e r a 11 nach be-
\vußten Absicl1ten und Z,vecken sucht, und a ucl1 die Geschichte hat
dies his,\•ei1en getan. Sie glaubt dann, den Verlauf der historischen
Ereignisse nur verstehen zu können, wenn sie zeigt, ,velch.en Wert die
gcschic}1tlichen Gebilde für die ~lenschcn besitzen, und daraus schließt,
daß sie überall aucl1 mit Rücksicht au f die en \Vert von , ·ernünftigen
\~7ese.n absichtljch gescllaffen ,vurden. Die Geschichte vcr!äl1rt dann
- 342 -
dat1er jetzt. zu. el1en,. i11,vie,veit. es ents1>recl1ende Probletne der t1istori-
schcn Begriffsbild ul'tg gibt.
Was zunächst die empirische Allgemejnheit betrifft, so erinnern
•
,,ir unsi daß die naturnrissenschaftliche Begriffsbjldung eines vor-
,vi ·senschaftlicl1en Ansatzpunktes bcd lirftc, u.m die \ 1ereinfnchting
d er \Virklichkeit vornebo1cn z-u können, d . h. sie rnu.ßt...e sich als die
be,vußte ttnd systematische , v eitcrbildung einer 'lon,,isscn scbaftlic hc.n
Begriffsbildting v erst ellen lassen 1 u11d d.eren Resultale fand en \v-ir in
·1 den a 11 g e m e i n e n ,v o r t b e d e u tu n g e n der Sprac11e des
täglicl1en L ebet1s. Sucl1en wir r1un für„ die l1ist.orische Begriffsbildung
nach einent Analogon, so haben wir nicht auf \\'orte mit allgemeinen
Bedeutungen zt1 achten sond ern im Gegenteil darauf, daß es E.ig e n-
n tl m e n gibt 1 ,d ie sicl1 nur auf ein111al. v orhand.c11c i11dividt1cllc Objckt-e
beziet1en. chon dt1rcl1d iese Art der Bezeiclinu11.g ' "irci in der 11nü ber::tel1-
hare11 ex tensiven ~faru1igfaltigkeit der Dinge eine bestirtLmtc A11zal1l
allgcsondert, die dt1rct1 it1re Einziga rligkeil becleutsa1r1, also Indivi-
duen i111 e11geren Sinne des , 1/ortes sind, und an denen diejenig"n
Bestandteile, deret,\·ege11 sie rnit einem Eigenna1nen vor den übrigen
a,1i:-gezeichnct werden , sielt aus ilLrer u11übersel1haren inte·nsivcn
~fan11igfaltigkeit rnel1r oder ,veniger deutlicl1 hera usheben. Dies
l\'.a11n aber nur darauf beruhen , daß be timmte lndividt1en gerade
,,,egen ihrer Ind ivjdual itöt auf einen Wert bezogen '"erden , lln,J in
der un,,1illkürlich begonnenen Scl1cidung von \\' escnt lichcm tind
Un,vcsentlichem irn vor\-Yisse-nsct1aftlicl1en Lebe11, die in <Jo1· Bczeich-
nur1g mit Eiger1namen zut11 Ausdru clr komn1t1 dorren \\:ir daher die
primitivste Forr11 eirler t)ist orischen Inclividuenb-ilclur,g im " 'eite„ten
Siru1e des \\f.orte!, erblicken .
Diese Scheid11ng jedoch ,vir<i oft al Rcst1lta t rein ind i,riducllcr
,villkftr au ftreten. Der Einzelne bczeicl1net sciric H at1. tiere n1it
Eigcnna1nen, während für die andereit diese Objekte lediglich Katzen,
litrnd e us,v., also Gottungsexem pl~re sind, d . h. es fehlt de,n \.\'' ert-
cte:;i,c hLspt11tkt.1 n1it Rü cksicl1t au.f der, im von viss.enschaftlict1e·n
l„el1cn die Her, ..orhebung durcl1 den E1gennan1e11 vol'ger1orn1ncn \Vird ,
11ocl1 j ede a l l g e m e i n e Bedeutu ng, die vo1·l1andon sein muß,
fctll der Prozeß der Auswahl aucll 11ur als Vorstufe zt1r " 'isscnscl1aft-
lichen Begriffsbildung der Geschicl1te ange, chct1 ,,•erden soll. 1'~ ist
dal1er ,·viecler z,vischcn Individ,1cn zu ur1tcrschcidcn 1 die nur für irgend
ein beliebiges ,vcrt.cr1d es \ Vc~cn, u11d solcl1-e11 , die f(ir alle durch ciner1
Eige1111a1ncrl at1 tl ·r f\las··e hervo1·treten, tlnd die sicl1 also " ·irl,lic1l
- 343 -
ci11en Namen go1nucl1t'' l1abe-n. Unte r , 11\llen'' können ,,·ir clabei
, 1
344
t .1.\ us nalu•lirgcnden (;ronctr·1, können ,~ir hi,e,· un,1 0,11 anderen • tcllrn
n Ltr 1·iu tu r,,·i:-~ensehaflliche [ l i r1 g begriffe n 1i l dnu histori,-chen Bl;griffcn vor
glrichcn.
350
li ällnis zur t~ltsäcltlicl1e·11 \ al11·heiL ,,ft·ci", d. 11. e t· brauc ht ·icl111ict1t a n
das zu hal ten, \\'aS nur ein1nal \\•irklich \\"al'. Der l·lisloriker dagegen
ist im1ner an die ei11n1aligen 1•a~acl1en gebunden, i11sofcrn seine a.n -
scl1nul icl1•e D arslell11ng 01.i t einer bes Lin1rnten ein111aligcn individt1ellc11
\Virkli cl1keit übereins tir11me n 1 d. h. \vahr sein 111uß . Z\\·ar pric ht
Jl1an auc11 , ,on 11 künstleri cl1er \\ial1rheit'', aber das \Vort, hat da11n
einen une.ige11tli cl1en und übertragenen Sinn, clen näher darzulegen
ni cl1t noL\\1endig ist 1 . Es genügt hervorzuheben , daß ,vahr in der
strengen Beclcutung des \Vortes i111rner nur Urteile oder B egriffe
sir1d 1 ::;ofern sie d en Gel1alt '\'Oll Urteilen besitzc11. 1-\ uf ,,,ahre Urteile
gel1t de r K (i nstler niemal", der Historiker da.gegen i1111ner aus.
Ganz ungcrccl1tfertjot ist es vollends, ,,·i
senscha[tlicl1e t1nd
künsl.leri~che Bestandteile in ein, und derselben J)ar::tellung so zu
scl1cidcn, da ß d ie Wissen cl,aft darin die allgcn1cincn B egriffe, d ie
l{unst. dagegen die i11clivid11elle El'gär1zung gäbe , und 1111( <1icwc \\'eiso
die Gleic hsetzung vo11 \:Vissenscl1«t(L und Natut'\\·issensrhafL a11frctl1t
zu erhalten. ,vie solier1 n,·ei i11 logisc h e11lgegengeselzter ftic h lur1&
s ich be,,rcgcnde Tend enze11, \ f On denen die eine a\1f das Allgc1nei11c,
die anclere au( das Inctividuellc gellt, zu ejn er Einheit zt1sanlt)1en-
,virken? z,,rar schei11t sic l\ die Ku11st 111iL eit1cr allge1r1cir1e Begriffe
bilclenden Dar tellung dort zu ver inige1l, ,vo z. B. eine zoologisc he
oclcr t1ot.a.niscl1c ntersuchung Abbild t1ngfln il1rer Objekte gibt, de11n
die:;e n1fisse11 al:1i Anscl1 auu1lgen irnn1er einen inJividt1cllc11 Charakter
tragc11. Aber \\·ir dürfen nic}l1t ,·ergcRsen,· claD d ie in rli·vicJuc llen Züge
olc l1cr Abbildt1ngcn tin,vesentlich ind, j a, in1 ,vi:-~cnsrh.1 fllic~1en Jn-
tercs. c unbcrticki.ichtigt bleiben n1ü:;scn li. Die. e Bilder ,vollen nur
1 Sie l1aber1 dah er n11f(allc11de
in<li"·i·1luclle ,,\,b,vcicltu1.1ge11 zu vrrn1ricicn 1 u11d abgc5ehcn da,•011 ist.
es ga 11i giei ·li glillig, it1 ,,·clcl1cr bc:ionclcrcn Richtt11tg sjc i11dividucll
si11d. lt\ <lcr Gc:z ·llicl,lt? d agege11 ko1n111t geraclc das in ei11ct· besti111111te11
nichltJllg i11di\•i(lucllc Bild al~ SOIC'hCS in BctrachL. E·· h.nLsich ettg an
d en i11tl i\rid uel)c11 In hal t, d e:; B cg ri ff <'S a11 zus ·h lietler1 1 c.Jeu es a11s.c hau-
lir·l1 1r1a<·hcn soll. u11(l ,,·ii rc cl t1licr nicht auch <lie BcgriffF-Lild.ung von
voi-1 tllcrcin auf da::i lnclividucllc gcriclilc, l 1 so ,vürdc tlie geschi~ht-
lic he l<ti r1sLlerisc hc (· hilfJ r r,1ng 1ticht.' v urfj1\t lc11. ,,·as ::;ie n1it ilrren
) litteln umkleiden uncl ge,,·is ·cr111;tfleu bis zu ~iner l)c:-t i1,1111tt'11 iodi,ri-
rlu cllcn AnsC' hat1un~ s lciµ:er11 kü1tnl •. ".ur ein indi,·icllte ll ,r Brgt'iff, nie
-. --
1 \ '~J. J o n a ~ t. o li n , 1\ tli r•n 1<"i1t(~ /\. f• lht•lik , 1901, S. 611 rr.
2 , ·,_.,1. ohon ~- Jt 5.
D c r l1 i s t o r i s c 11 e Z u . a n1 01 c n h a n g.
\Vcnn ,vir jetloc h auch von a llen \i\1erlprob.lemen abseher1, so
genügt d as, \,·as \\'ir Ober die Darstellung in,lividueller \'1'irJ<lichkeiLetl
clurol1 dio Gtsc hicl1Le ges:.lgt haben , zur Bes tirnmung d es logischen
BcgriCfes der Ge chicl1 Ls,"i senscl1 ~\ fl, 11oc \1 i.1r1tJtcr r1icltt.. U 111 nä111-
lich den Begrirr cles l1ist,oriscl1c11 I11dividuu1n:: - u1 sei11cr einfactlsLen
For111 zu ge,,-in11cn, 111ußter1 ,,·ir zt1erst <lie Ül)jekLe c!er Gei;chichte
r1icl1 t n \t r als j n<l ivitlt1eUe !-ondern Ut1c 11 als ge\\'i !sei►ma ßc11 i11 icl1
~hgcsel1lo::;scne u11tl (laclurcl1 v e r e i r1 z c I t e ·Gestaltungen be-
trachtert.. :\lan (larf 11un aber das Jr1tlividu lle oder das Eirlzelnc rti<;ht
für das \ 'erci11zcltc h0lLe11. 111 (ler ernp.iri ·cher1 \ Virl, li<~l1k.eit, so ,vie sie
ei11111al a.bl üuft, gib t es e l\\'a VcrcinzelLe~ nie,,nnls, un(i die Gesch.icht,e
a l · <Iie \iVii;sen ~cl1a ft, \ 'On dcn1 i1\rl ivid ucl lcn blat1 r clcr Cltlpi rischcn
\Virkli,: hk.eit, (iarf a lso nic ht „ individualistisc h" i,n dem ,~inne sein,
<l a ll sie clie \Virklichl eil in isolierte Indivitlt1crt a11flöst. Im G._.gcnteil,
ei1tn s<>l r hr I ·olierung ,viire gf!radc riach utasci-~11 \ 'orau:-.~cL~unge1\ un -
li i~lo riäcl1. ur ,lie grnf'ra lisicre11tle Beg1·iffsbildu11rr i:;t not,vct1tlig n1iL
isolieret-itlcr hsLt·aktio r1 v erb'l111<-lcn. f)ie Ge cl1iehte; die <le11 cin-
JlJ .:ik cr L, G t eUl.!;'-11, ~. Aun.
- 35-1 -
1naljge11 und individue)len Verlat1f der \Virklichkcit dar Lellen \,·ill,
kann 11icht isolierend verfahren. z,var kon11ncn au ch in der Geschic.h te
wohl Besct1reibungcn von Zuständen vor, in den en die \ ' erbindu11g rnit
andern Dingen und Vorgängen ignorierL ist, aber mit. solch en iso-
lierenden Darstellungc11 wird dit! lu sLorischc Wissc11schaft ihre Al1f-
gabe 11iemals als erscl1öprt betrachten. Ihre Arbeit -ist vielmehr erst.
dann getan, we·n n sie jedes Objekt, das sie bel1andelt, auch dem Z u-
s a 1n m e 11 ll a 11 g e eingeordnet hat, in dem es sich ,virk lich be-
findet.
Was ergibt. s icl1 hieraus für die Logik der Ge.. chichtc? Zunächst,
scheint dieser \veit.ere Schritt \Vieder die Richtigkeit de bisher ge-
wonnenen Begriffes des Historis.el1en in Frage zt1 stellen. Der Zu-
sarn menhang, in den die ei1l zelnen }1iswrischen lndjvi-ducn gehören,
muß d ocl1 im Gege11sat.ze zu il-in en a 1 1 g e m e i n gen ann t werden .
H ört also d urch seine Berüc'k sichtig unp die Geschichte nicht auf, diP
\1/issenschaft v otn lndivjduellen zu sein ? Allerd inf'S, wir trefferl hier
,v.ieder aur ein 11 Al)gen1eines", und z.,Yor ist es n eben de·n allgcmei ne11
Begriffs e l c m e n t e n und d en allgcn1einen \Ve r t e o das d r j t t c
A 11 r e m c i n e , das in jeder Ge chichte v orkommt. Aber es läßt
sieb wied er leicht zeigen , daß die gescbicl1tliche Darstellung eines
in.d i"·iduellen Objektes in seinem a llgemeinen Zusamn1e11hang und die
Unterorrlnung d esselben Objelits unter ci1ten n llgemcinen natur-
"''isscnschaftlicl,eu Begriff Z'vei Vorgt'l nge i11d 1 die ei1.1e prjr1zipiell
v erscluedene, ja geradezu einar1dor a11sschlicßende logiscl1e Bedeutung
J1aben.
Der allgcr1,eine ges-cl1ichtliche Zu.sam1nenhai1g 11il1l1lich ist ein
u11lfassendes Ganz es, und die eir1zelnen Individ tten in.d d.cssen
'I' e i I e. Das Allgem.c ine im Sin11e der Nat.ur,vi sscnsc haft d agegen
ist. st..cts der allgemei11e lr1l1alt cir1es B eg r i f ( c s , unLer den die
einzelnen Ir1dividuen als E x e 1n p l a r e fallen; u1td daß das \' er-
l1ältnjs {ler Teile zutn Ga11zen ein ande.-cs isL a ls das clcr Exemplare
zt1 d e.111 illnen (1bergeordnetcn allgenlci11en Begriff, sollte k-cincs Be-
\\!ciscs be<lü rlcn. Ucbcr-nll, \ VO dio ,,indi~ it-lualistis.che'' G·eschichLi,-
au fta~sung mit clcn1 lli11,vt'is darau f b ckürn r, rt '\\•irct, <1 ,1ß jed es I11di-
vid-ut1m zt• ci11e111 1 ,,1 l lgcr11ei1)CJl " Zlt an1u1er1 l1at1rr gehöre I uncl der
,r
Historiker ()ah er, \\'io rr,an rnil orli,•llc sngt. , 11,c,ll~h:ti-,·j~ Li cl," u11d
d e s h a I b na l,nr,vissensclt(lftlicl1 orJer gcncrali ~icrcnd v erfa l1ren
rnüi-.. e, si11d Jic.,;e bei Lien , , e1·hältr1j:::se n1i lcin1:t1tder vet,.,·cc}1·clt. Es
isL ul:-o 1ti.il if:, clnU,vi1· nir-h t Jl \ Jr di c All~f'1nei11ht'il des r1alu1·,vi!'lsensct1aflr
- 366
R ealität ist niemals 110.mogen, und es unterscl1eide11 sicl1 also die Teile
des ltistoriscl\en Ga11zen noch in völlig anderer \Veise von einander
als die individuellen räumlicl1en Gebilde.' aber es ist dann doch in beiden
Fällen ,venigstens jeder Teil ein Individuum, das durcl1 Einordnung
in. den allgemeinen Zusammenhang nicht schon unter allgemeine B e-
griffe gebracht " 'ird, die für alle ·reile des Ganzen gcltcnt und dies is t
hier für uns v on \Vicl1tigkeit. Bleibt nämiicl1 ein Gebilde als Teil eines
allgc1neinen Ganzen selbst dann ebenso indi viduell ,vie als vereinzeltes
Individuum, ,venr1 es nur ein Stock des Oberall l1on1ogenen Rat1n1es
ist, so kann doct1 vollends kein Z\veifel darüber bes tel1en 1 d a ß von
•
nattin,rissenschaftlichom Begreifen eines individuell.e11 Gebildes durcl1
Einordnung in einen ,,allgemeinen'' Zua,amme11l1aog dort nicht ge-
sprochen ,verden clarf, wo dieser Zt1sa1l1menl1ang nicht einmal hon10-
gen ist und seine Teile daher noch in ganz anderer ,Vcise individuell
~ein müssen, als die individue llen räumlichen Forn1cn e~ sind.
Ist nun aber der allge1n·eine Zt1sarnrr1enhang 1 d eln die Gescl1ict\te
d ie einzelnen Individue11 einzuordnen l1at, ebenfalls ein Individlium t
so kann aucl1 über die logischen Prinzipien sci11er his toriscl1en Dar-
stellung kein Zweifel bestehen. E s i t von ihrt1 stels e in individt1eller
B egriff zu bildc11, de:,se11 E lerncnte i 11 einer absolut J1iwtorischen D3r-
stellun.g , at1f die wir uns zu11äctlst b eschritnken i da1111 die Begriffe
sind, die man von seinen histo1·isch bedeutsa1nen ir1dividuellcn Gliede1·n
gebildet hat, und die Einheit dieser EJcn1enLe ist outiirlich ebenfalls
durch eine Wert.beziehu11g l<onstituiert, d. h . die e EJcrr1 e.n te schließen
s ic h mit Rücksicht auf di e B cdct1Lung zt1sa11,111eu, di e cias ir1dividuc lle •
Ganze durch seine B cso11derlleit f(ir den leite1,det\ \ Vert be itzt. Dies 1
Ganze isl dann fre ilich ,viedert11r1 nicht ein vereinzclu-s Individuum,
sondern gel1ört einem nocl1 größere11 Ga11zcn a11, aber at1cl1 dieses
neue, rtocl1 u.nlfassendere Gar1ze i t selbstverständlich auch kein a ll-
gemeiner Bcgri{f sondern e'in neues Indjvidut1m, t1nd es m1,1 0 von il1m
• <ial1er ebe11falts cir1 r1eucr i11divicluellcr B egriff gebildet, \Verden, des~c n
Ele111eotc clar,n die i11dividuellcn Begriffe einer l1is torisch bedeut.c:..1-
111en 'fe ile si11d . Kurz., \Vir sel1en , at1ch an den Prinzipien der t1ist ori-
srhen ßpgrif(sbildung ,,•ird durct1 clie EinordnL111g c.Jt•s t•inz.cln c11 ln-
dfvicluu1r1,3. in den allge.111cirtcn, tl. h. ur11fa ~e11dc1·en. ~aber i111 übrigPt1
ebe11fall:- i11di., ricluelle11 Zusnn1me11hang nicl1ts gcändc1-t. Es ka.1111 das
i-iChon clcs,vege11 nic ht ande rs sei11, "'feil tla Verhällnis des ·1·cilc zu111
Ganzen sleL relaLiv i t, d. 'h . ,veil s icll jede extPn:-.ive ~fannigfult.ig-
kciL von Tri lc11 nuch als Pi nc inLrn ~ivP )f a11nigf;,dl if,!l~c-it. a1) ehc11 lttß t,
Sie iS-t eii1 i11dividi1elles Ganzes und zugleich ein individuelle· Glie<l.,
eine extensive und eine i11t.c11si,re l1istori ehe 1\-Ian1\igfaltigkeit. Ein
cinheiLlicl1es Ga nze is t sie, inl-)ofcnl sie alles da.: umraßt , \,·a. an ihr
hi t orii:-ch l)ed e utsa n1 i t. .J etl.e einzelne ih1·er T a t e11 u11d j<'des cit1 zelne
il1ret· . cl•jcksale ist i11dividuell, und so,,,eit ihre 1~aLe11 und Sclticksalc
11istorisGh In<li"•iciucn ind , bes leht sie f(1r die Ges·c hicl1tc au i; il1nen als
ihren 1'cilel1 , die ~icl1 in il1r zu einer Eit)h!!iL utit. R o.cl<~icht at1f die Be-
deutung, die sie al · Ga1,ze"· lür den leit e11den \1/crt bc.. itzt, zu„an1111e11-
schlicßen. Zuglcicl1 aber i. t die~e PcrsünUchkeit ein Gliecl eine;:. größe-
ren Gan zen, einer Familie, einer Generat.ion, eines Volkes, eines Zeit-
alters, zu dern ::ie sicl, ebenso verl1ä ll., \Vie jecler iJ1rcr '!'eile zu jhr,
r denn jerlcr die~cr größeren Zusa1r1111e11 l1ä11gc kan11 \vieder als •i11 ein-
•
t heitlich ,,s ftldividuu1n aufgefaUl \\'erden , des::-cn Be, La ndteile die J)er-
•
1
sö11lic'hkei Len oder Fan1ilien oder \ iölker bil<le11, die zu ih111 als ,vcsc11t.-
•1' }iclle Glieder gehöre11. l)ies<':- G~1nze i~t dann einern ru)ch b·, rü1Jerer1
Ganze11 einzuorcl11 en , nS\\'. us,v. Das let zte }1i:il.o risrhe Gnnze 1<.ar1n J.ic
/ 1
1
•1 l(uJ:Lurrnenschl1eiL sein .,der die :\lcnsclil1cit il bcrh a upl. Die l(ulli1r-
l 111en c11heit \vä re (lann ein Glied der l\ler1sr hhei t , alJer a11cl1 die~e
t ,,•ieder ein Glied clcr orga 1 isclt er1 \iVelt. OJcr Lild.et, 11oel.1 d1e urgani ·ehe
'
'\Veit ci11 hi.· torjscl1e lndivjdu u rn , d. lt . l< o1n rnt vo11 ihren 'f eiteu r1icht
nur die l\let1.cl1lteil :,\1 ein llist orisel1e lndividt1un1 ir\ BelrachL, sondern
lassen icl1 auct, i,hr" anden1 1·eile .tl hi~torisrl\c 1ndividu.c1l n11sehcn ?
l~t. cl1lie.Olich vielleicl1t die Gre nze noc h ,,·e.iter h i nitusz urür licn ?
I{ann unsere Errl e 11och als ein hislori:-rh cs Inclivitluun, grlvn , und ist
sie d a nn das lcLzlc l,i t or isC' he Ga nze , orlcr 1nuß at1r h !'- ie n o!' h a ls
•
GLicd ein.c:; umf:1s~cr1,leren Zu sa mrne11hangc~, rte~ Son11c1L~)·s le111.s
angcsch •n ,vc~rclc111 urid l1iitlen ,,·ir er.sL 111 clic!-•'rn das u111ra . .se11<l. l.e,
,,letzte·'' l1islorisc he Tndividuu111 ? ß e jJ11 So nnc11sysLcm ,,·ijrrl en v,i r au f
jeden Fall ul ◄1c rn letzten hi s't<>ri::.cl1~r1 Ganzen 1-lalt, r11.lch<.• n n1 ü.-.~en,
denn vo11 den itbrigc11 ·1·eilc11 <lcs Gnnzen, rlc;'\~e11 Glied es i~t, ,,·i:-se,1
,rir Zll ,,·erlig, als tial3 sie clt1rcl1 il,rc lncli\•iduali l üL 1,och lti~iori. eh. bc-
dcut:-a n1 ,r c1·c.lcr1 köitnle11i uu<l ic l,n1nr11er1 rla he r v o rlüttfig jr(le11falls
a Hein als Ex 'llt[>la re a llgc111ci11cr Begri rre j n l3etra,·lit... :·\ l:><'l' a11r·11 tias
i:iL logisch z11t~lllig, rl e nr1 ollr1c l, f' nnlni. d l'.'S Jnh a llfi, dl·r1 die lcilenrlP11
,,re rLe (ler us,,·ahl h.-,l)l' Jl, läßL si(' h ,l<'r B<'griff rle:- lclzLt•11 J1islorircJ1 e11
G a11zc11 i11lia ltlic h 11.ic•l1.t be:i.ti 1111ncn. un ,l <'~ 1, .01n111~ hier atl{' l1 n.u1·
Jarau f an , cl,a ß a11 ir::r<'11d t:i11cr SLcllc ci1111\al das u1:11fa::-se11clsle
. hi.i;t orh-t hc Gar1lc ei11e1n 11o<·h ~rüß cren Zu :;.."1l11111f'nh;1ng ci ng-cor<ln ct
,virii, d"r kci11 liisto ri:-<·lH•s f11 divirl11u1,1 lllf'hr if-t ~Onflcr11 in ~einc11 an-
ltünstleriscl1 beha ndelt ist und infolgedessen bei gewi~scr1 Arten v o11 1
K ttnst,verken historische urid künstlerische lnteres ·en durcheinander
gehen. Das P orträt, oder at1ch ein l1istoris·c her Roman kö1111en daftir
als Beispiele dicn.er1. E s ist aber das l1i toriscl1e und das kü11stlcrische
Elen1ent ni chl nttr bcgrif(lich voneinander zu scheider1 1 sonclern ,,·it·
können soga1· sn°cn, !.laß der l{ünstler bei der Dar~tcJiung eines ge- l
1
hang rnit der übrigen l1jst o,r ischen Wirklichkeit vollkom111en gl.cich-
gO ltig ge\vordc11 is t. \Vährend a1so d ie I<tinst immer isolieren 1nu ß,
hat di1~ Ge ·cl)icll'te irn111ct· zu verknüp(e.11. Aus diesem Gru11de sollLe
n1an ~uch nicl1t 8agen, \Vic . ogar \;\/iodelband 1 es tut, daD die 1
Gesc hi chte r,Ge ~t.alt"u•i zu gebet1 , ,ersucht, und da:clurcl1 il11-cn Un~r-
srhied vor\ der • · utl11·,visse11schnft bc"• t,ir11i-nc11. die es 1nit Gesetzen ~u
tu11 llat, d P 11 n clic:ler · 1,,~tand trifft nicht den logischen Charakter der 1
schiebLe, ja, clie JTetvo rhellttng clcr , , GesLalL•' als <lcr eigentlichr11
Aufgabe (lf'r Ge:-ch ichts,,·iss.--n ·eh a.ft kann nl1t' dazu d.icncn, die für
ih rcr1 ,,, i ss e n s c h o. r t. 1 i c Ji l! n Charal,ter a.11sscl1lagf:eben<len ~lo-
111e1lte zu vcr·d ccl,r•n.
Lö t aher ,lic l~ un ·t d en Zt1:-a1n111enhung ihrer Obj ekte mit der
• Wirklicltk:ci'I, ar1sc~ha ulir l1 i1uf, : cJ 11irn n1t die raL11r,vissenscha(t durcl1
ihre Cencra li::litio11 cit1e brgrirrliclte Ve reinzelung vor. S<' hon frü her
habe,, ,vir da ra uf hit1ge,,·ic„e1\ 1 t1,Jß es ltic:hL a ngel,t, eine isoliercude
BeLraclt tu11g der ,-,erteral i~icr~•t1<lc11 ertlgcgr·11zu stellc11. Die Ger1erali-
_,___ ---- •
die \ f rhälLni:-sc ihrer t· eher- u11cl 1tlerord r1ut1g zu de1n~e lbe1t s)1sLc-
rr1ati:,tlicn Zu antr11cr1hHng gc l1örcn i a be r für tli('SC Begriffe gilt er trotz
rnftn t: l1cr 1\ n g riffc•, tlic er crfahre1l h.at. 1, in rle r rrat, sobald trlat1 die Eir1-
sc hrä nli ung l1inzufügt, cla U e·• sit h ur11 notu 1'\vi~se1l~rl1afllirhe Beg1 ifre
hanc'lelt, un<l er gi lt. da111t nicl 1l ct,Ya nur for die B('griffc eines l<las-
sitik.atorjscl1c:11 ~r;-.u.•1ns sondern at1cli für GcseLze~begriff(•. ,,·ns . il'h
z. B. an dem B e~l'if( rJes l~'allgc~elz~. tl11cJ tl<'~ Grn,•itat i,,n~gc•:;(' Lze.
leicht l~lar r11aC'l1cn läßt. B c:-:.onll crs- d c•ttlich ,,·i rcl da , ,,·a::. ,,·ir l1i('r
1ncine11, ,,·enn ,,·ir uns llie ei1lz<'lnrn T1-ile cl cr . ·attir,vü, "C'l'1~~11aft ir1 dr r
fr ührr angegcbe11Pn \\ T'!i:'1c in ei n ")·· te111 gebracht dcr1kcn, für dcsse11
.i\u f ~tel h,1ng rlns :\f u ß , ro11 r(.?laLi,· hi:;;lori~ ·hen Be ·t and teilen in dl'n
einzcl1len D i:;zir,linen a, t~::-r Id «ggr·b l"llll i:-t. D ann ,vcr1.Jc11 d ic R<'griff c,
dio v o 11 all,ctl Körpern ilberhaupt gelten , den ärrn t.e11 Inllalt besil,i.en;
je 11lch.r Jag~ge11 <lie Unlersuchur1g sicI1 spezialisiert, und einen um ~o
l, lcineren TejJ der \Virklichkeit sie i11 Betracht, zicl1t 1 um o mehr ,vird
auch d er Inhalt ihrer Begriffe ,\·acllsen. Es gilt ja für jede G1~uppe von
K örpern nicht nt1r das, ,vas gerade illnen eige11tü1T1ljc.h ist , sondern auch
zugleich das, ,vas v on allen K örpern ilberha11pt attsge~agt ,verden kann,
und in dicsern inne ist es olso in der ·r nt richtig, daß die naturnri sen
schafllicl1en Begriffo um so mehr v on d en Objekten entl1al ten 1 je kleiner
d er l{reis ist, für den sie gelter1 sollen, ,vo1·in \\·iedcr zu1n „i\.usdruck
ltommt, daß die antil<e Art der Bcgriffsbilclung durchau · nicl1t in jeder
llinsieht der 1nodcrncn Art <lcr natt1r,,,is cnsch afllicl1cn Bcgrirfs•
bildur1g entgegcr1gcstcllt ,verdcn darf, und daß bcso11d~rs mit, Rück-
sicht auf dc11 ,1 pyra rnidaler1'' .i-\ ufbau der B egri(fe k ein nLerscl1ied
z,vi~c hcn der antike11 und fJcr modernen Anordnung zum )·i-Lcm
best eh t .
Für die gcscl,icl1ts\,isc;e11sc·haftliche Begriffsbiltlung dagcgo11
1~cl1rt, icl1 das \ "erl1älLni von Umfan;g und Inhalt ,{er Begriffe 111n.
Der B egriff eines historischen Gnnzcn enll1~ilt in11ncr m c b r als die
Begriffe dcrTeile, aus de11en c · bt-stcht, j a, sci11 Inhalt isLgerad•ezu tler
Inbcgr.i ff aller d er Bcgriffsele,nente, aus d enen die historischen Be-
griffe sei1·1er 1'eile gebilclet itld. Der umfa se1ldst.e Begriff hat also
,lcn größte11 ]11l1alt. Die ,,\\'eltgeschi,c hte" e11tl1ält a 11 es, ,,·as
ltistorisr.h \\~e~ enLI ich i ~t. Seihst ver U'tncl lieh gi'lt. djei aJ)r,crncin nut
L
ni,· IJl-'i in höherf>ru ~l :lß,: <l':'r • c lu: i11 e11L:ta11,len. daß die l "1n,,·<)11dlu11!?
,J,·r (;,J,:r- hir·J,t,; i11 eir1e :'\ a ltJf"\\ i~~"n::-el1a fl ni>t,,·e,nrlig ._ei. al~ durr h die
(a 1-r he 1-; 11 tg·t•t,ff~n,ctzu11~ \'ön kä u~al b1:,Jir1gl~r ~ tt lur t1nd u~a l1lcJs('1n
hi ... tnri i;,•h,·rt (;f•"lcl1f'h r:r1. \\"oll1•n ,,·ir zu ein<.· 1n v on allen u1w .,,·<'is-
l,:J rr•n \ ',Jriiu ...... etzur,ger1 freien \ ·er.;Ui111111·i~ der e111piri~ci1Pn \\'i$tn-
,. h;, rtcn \'r, t,J ringt·ti. S--0 Jn Ü:-:-{'11 ,,·ir ~l re:ng d a ra Jl f i-S lb a lten: \Yir ke n-
JI CIJ 11ur e i 11 e Pru11irü-,·he \\ .itkliclikeit. s i e isL da · cirrzi!'.!e )l ~Lerial
J·l ir~1rta 1:-i :J i,.-,.hr-11. d,•r1n ,varu111 ~••ll te (ins ..:ci n '"' eniger k.aul"-tl 1 b~!cli11 gl
i,,i•in , \.\'("n1 1 P:-, au ( !'leiuP lndi-..·i,lualit 5l ur1cl ßc:.rJnderl1e-il hi11 b e lra1·l1l et
,vird , ctl:- " '••111.1 utau r-s uuler all~f'n1ei11 c B<'griffc Oflcr Gc ·et,zc zu bri11gcn
\.'i•r:--ur:ltt'? J-'r"ili"h, dPr l::Scqriff der l{nu: Hlilät k:..inn. v or1 ,ler Erk('n11t-
ni~Lh<·oric zu cir1ern l'r,""JlJle11l gcn1a,·l1L ,v..,,tl~n. a hcr n1iL drn rne l'lt t1do -
l, 1gi:.ehr:r1 I; nL<'r~chirJ1l1•n, lli ~ ,,ir hiPr l1ehn 1•1clrln , hal cJ i e :- Proltle rr1
,l,·r l(a11 ~alit ül, i'l!1,·r·l1at1r•t niel1L..; zt1 t1,n 1 flr 11n fallR .111<·}1 clic kau s tlle
f.1dltr- su 1uuß !-öi•· ,l,,ch zu j •n(•ra ullgen11Jinct1 crkc1u1lni:,.lllt'o ret i:-1<·li cr1
1
thode gezoge11 hat . \1/enn nä1rllich 1 so 1,1cint man, alles histo-r isc hc Ge-
scl1el,en kausal besl immt ist, so ergebe ~ich daraus mit ot.wcndigkeit
at1ct1 für die Gescl1ichte die At1fgabe, die I{a:ttsal g e s et z e dieses Ge-
scl1ehe11s festz.ustcllcn . In einet solcl1cn Argumentation \vcrden eb enso
\\'le in der vorh•e r bekämpften A11sicl1t \\' iedcr die allgemciner1 erkcnnt-
n.islheoretiscl1en Vorau~sct zungen , die für den Begriff einer ,.,objektiven
\iVirklicl,keit" üherhal1pt, unentbeh rlicl1 ind , nic11t v on den besonderen
1netl1odologischcn Bcgl'iff„fort11e.n getre'.'1 111L, die nur für spezielle
,vissenschaJLlicl1c z,,-eci<.e eine Bedeutung hab en , und e enL.-.,t eht r1uo
d sl1alb gc,,·isscrrn aßen der erltg('genge ctzte Irrlu1n ,,ic vorher .
r.ian (larf den Begriff d er l{au~alität nicht rr1it dent des Ka.turg"~etzcs
identifjziet'en. \Venn dies lrolzc.lcu1 gcscl1iclit, . o liegt der Grur\d
daffir ,,·ohl darir1 , <1n0 n1an die Vo:ral1 sc'tzung, rtach der nlles Gescl1el'l en
seine U raache hat , oft al ~ , ,das I<a usa li W. t,..:; g c s e t z" bezeichnet.
z,vaT ist gegen d ie Bczcichnur1g an sit:h nicl1t.s cinzu,vcndar1, aber sie
R 1 ~ k e " t , GTenzeu. z. A.tdl. 24
J-,i h;.fl. ~,-r,J,-n ,J;;.rin r1firrili,·t, aJ„ Pll' r.r"- a11ff!1•f;.Ol. «Ja:e- ,.i,.t, zu d1>r11 all-
•
\ ' ,•rliiilt11iH, <l:t:- z¼·isc:lu:11 di ei:en l)ci<l cn ll(•grirfcu b<•sLch l , er~(· l1ür1fend
zu l11•l1a11 rl1·Jn , di,· r,,l~1•1t,lcn drf!i Br1triffc ousl'!in,1n,lcrholt„n .
J)il! \ '<Jr:1 u ~i-••l ;,.u1tg, flafJ alles Ge$C lt ehe1t s•:> inc C r~ai: hc httt , ,,·ol.len 1
•
\,·ir, u,11 sie von de n !\'.at ur~<-:,;.c tz,•n cl...,· n1piri!-.eh<'11 \\' i5s •r1::chafl t:'n
zu u n l.c•t·,,;rli1 •idPrt , 1ti,·hl l\. a11!-ali l.:1 l ~ g c ~ e l z sonclern G r u ,1 d-
~ u t 1. d„r r< uui-nlit:it <.H l,•r l{ :Lu., ,tl p r i 111, i JJ 11,~nucn . li~ ist da111it
,ii,·hl.!-1 a11d,:1f;;; g1•i,,atfl, ali-. cl11ß (!ir l( al "goric d"r l\ a11s.u.li tüL f ür j c d ,
rr11pirhu·h1• \\' irkli,·likr•iL gilt. 8(Hlann n1uO, rla jcrl , · r~ac l1e und
j1••J1• \\' irk11t1~ , 1 vn jP,lt·r a11tl,:r11 L'r~a c l1 c und jr·clcr «tnucr11 \\.irk.11 ng
v1•r!'l1·hi1·d,·n , uh,o i11di\·itl111·1l ist, jeclcr ,virJ{li r l1c Zusa111 rneuhu11g
v,,11 l frJ-1a,~li1· ur1<J \\ 'irk1111g 11:,r l1 unsrrc·r 1'c1·1r1in<1lo~ic nls ein i11tl i-
vid111•ll,·r nrtd ,ta,uil aul'h al:; r.in i111 allgell1 ci11 :-; t.c·n Sjnne cics \\,.<>rLcs
h i 1<1 1, o r i :-- r· lt ,. r 1( a II s a I zu :- a 1n 11 t c n h a l) g lJeZf'iCll11eL ,,·cr-
111·11 . l ):1111iL ,,,ir,1 1'1·lt,~l, •f"r:--lil1tdlii·l1 di<l allg-1•111cin<' J\ ntrg,,ric der
1, u11:-,1ilit .1L rti ◄ · h t, ~t•ll,:- t. i111livid11ell 1 a l11' r <':- \\'ird j •11,•r ,,·irk lic.: hc Z1.1-
i.111111111•11lia11~, 1!1•11 ,,·ir als ' ' crlt:\lt ni~ v<111 Cr~tc· hc u11(l \\.irlct111g bc-
7.t•i,· h111•11 , t1 0L,vc•1ulig uls (•in t>i11111 a li~c•s , i11d ivi,ll11•lles \\.irl<licl,l{eits-
1
D1911 11,ado por Goc,gle
•
- 371 -
s tück geclncht 1• cbließlic•1 SJ)rechen ,\li r v on cinen1 l( au s a 1-
g so t z , ,vcrtn iodividt1elle oder histori cl1e K atisalzu. a 1111ne11l1ünge
a uf dns l1in bct,racl1let \,·erden, \\·as ihnen mit, andern Kat1salzu„am-
1ne11l1~ingen ge1neinsam is t , otlcr ,vcnn ein unbedingt allgcrl1eines
rtejl gebildet ,vird, desse11 Gel,alt. 11t1r au cleln hesteld.,, ,vai:s an be-
lieb ig vielen inl1jviduellen l(at1:snlz\tsommenltängcn sicl1 v.icderhoJt,
,vio <lies von jedem Na turgeseLzc gilt,, Kurz, ,vir scheiden indi,1iduelle
u11d allge111einc oder historiscl1c ur1d r1at ,11"vi. se11sc haftlichc l{at1, al-
Zt1sammenl1är1gc v onei11an1ier und b eide " ·jederur11 "·on dem l{ausa-
lität.sprinzip orler der Kategorie der J( au~alitfit. deren Geltung die
' 'ora u:;sclzung sO\\'O hl von t·, isLori~cl,cn als aucl1 von 1ialu1,vis.!<t11schaft-
Jicl1cn l{a usalzt1i>a1r11nc1ihängcn isl, unci soba ld djcse Dreiteilung
.b eachlet ,,·ird , ergibt sicl1 jede11fa lls, daß cler B egriff der kausaletl
Verknüpfung als solr hcr de11 der N a ltirgc~etzlichkcit 11och 11icht
ei11schlicßt. Der Be-griff einer cinn1ali 17e:n ur1d individuellen I<ausal-
reilte, d. 11. cJie An,vor1dung der Kau :1lit.äl.sl{nl.egorie auf die indivi-
du elle cnipirische \\1irk licl1.k eit , chJießt e~ vielmehr a us, daß die Dar-
slcllung ihrer I ndiviclua lität 1nit, dcn1 Begriff eines Na LurgPsetzes
zusart11r1e11fä lll... o ist es z . B . gc,Yiß cir1 kausal v ollk on11lten besti1r1ml.er
Vorgang, d a ß Lissabon a1n 1. No"'ernber 1755 durcl, das b eka1111t.e
E r<ibebcn zerstört , -.·t1rd e, od er dnß l•'ried ri ch \\rill1eln1 lV. d ie d eu t ct1e
l{aiscrkron c Hblel1nto, abor es gibt keine allgcm cin(' n 1(a u5algcsclze,
,i n clercn Inl1alt die e ei1l1nn ligen ir1di,1 icluellcn I<at1sa lreih n ihren
Pla tz finden, so ,venig ,vie es il'ß' U(l ,,·elche allgct11cincn Ilf'gr·iffe gibt,
in clencn das Ei11rnaligo und Intlivicluelle als sol"hes u1\Lerge bracht
\\'erclcri ka11n. Ja, d er Gcclanke eines Nalu 1·geselics1 in cln ei11 ein-
r11nligcr i1iclivr(l11eUcr l<n u. a lvorg,1ng eir1°f:'lit, <~ntl1!-ilL geradezu einen
logi~chen \\.i(lcrsinn, dcn11 jcclcs Gesetz i. t allgem ein rn it R ·ü<'ki-i<·ht
a uf seinen Inhalt und kann da,hcr v o11 dc11 i11di,:idu ellc11 rir.ae l1c11
d s ei11n,a ligPr\ \ 1orgar1gs, auf d ie es eiern ll i. torikcr <1,nl,0111 11 1t , r1itl1ls
enlhalLcn ! . ~·l ~g rna1\ a u"h ngr n kö11ncn, <ln ß n nrl\ l{a11L r1t1r clas
g c s c t z 1r1 ä O i g BP:-tirnn1te R ea lität hat„ so brti:ucht 1na11 clics
d ar unt noc}1 n icltt ror richtig zu hal ten , au r l, \\'cn11 r11 a11 a ucrk cnnl, <ia ß
le,Ji~li1· h dn k n u a I UesLi n'lr11lc al::. real bezeiC'hT1,et \,'erd t•n (l,_rr~
1 An dc-n hier b1.1s l inln1ten ll llJ?rifr dr:r his t o1·ischcn J, a.us alilät hat e r•
g l u H c s s o n a11g••k nOr•fl \l tld ihn in ehr in leres„a uter \\'eiso n äher a u ~ge•
s la ll c l: t>her individuelle J{nusalill'lt, 1 ~(19,
: l1 il·rdureh erledigt.. si..;h a uch dt'r Ei-11\\·a nd, den ~t,1x F. Sc h e l e r , Die
tr-nn~cen dcn talo u ncl die p:. yehologi..,ehc ~lelhOd-'t 1000, S. 14.2 r. gcgco rnoine
'f heorie cr hob"'u hnt .
1 . gl. '\\ ' i u de I band, l)ic Leh ren von1 ZuraH , 1870.
- 374 -
Rück sicl1t auf den andern I<au. alitätsbegriff, und der Satz, daß die
indivicluali ieren•d e Geschichte d ie \i\1i s.enschaft vom Zufälligen seit
sngt d a.nn ent,,·cder n.icbLs, wa als Ein,vand gege n ihren \\·isi-cn se-haft-
liclten Charak.ter gelten knnn, oder er ist. vollstä11dig fal eh, \\1eil er das
I ndivid ,1elle 11,it dem U rsacl1lo ·en v er,vechselt .
Doch llat. das \\1ort zufällig noch eine cl r i t t c Bcclcutunr. N ot- •
\vendig kann närr11il' h auc h so viel ,,·ie ,,,vese11tlie::}1' 1 l1eißen. u11d den1-
entsp recl1end ist da11n das Zufällige dem n,ve cnUich.cn. gJeirltzu-
sctzen. Die BehRuptung, daß die i11di,,idu alü~icronde Gcschi ·l1 tc tlie
\\/is enschaft v on1 Zt1fälligcn in dicserr1 dritter1 Sio rtc sei, ,vürdc dann
a lso nur bede uten kör1ne1l, daß es in de r Gescl1ichLe an ein.ea1 Pri11z.ip
zur ..~us\vahl des \Ve:\enLJichen fehlt, dns auf \Vis~enscl1aftliche Gel- •
tung Anspruch erl1cbon darf. Das aber l<ä1ne " ·icder auf die ' ' or aus-
set.zung hi11aus, d a ß ,vo~enLlicl1 für die \ i ~. ens<'ltH,ft n ti r der Inhalt
allge1neit1er Begriffe odct· · aturge.t;ct,zc sei, u11d sclllösse also d en
Glauben an ,e ine naLunvis e11scJ1aft.liche Universal·n1eLl1ode bereits
ein. Hat. rnan d ngegen eingcsehc-n , doß diese V oro.t1~seL1.ung ~ich nici'lt
l1alten läßt, so ist darrlit. aucl1 zugleich j c(le ~Iöglic hl(eitt dt•n Begriff
des Zu(älligen zur ~ 'iderlegu11g der ir1dividtla lisierenden bi tori~cl1cn
{)ar~t .e llu11g zu b Pnt1tzen , v ersch,vl11·1den. f)i e Ge. chichte i:-t 11icl1t
eine \Vissenschaft vom Zufäll igen als de111 · n,,•esentlich<>n I sondern.
aucl1 der Ir1hnlt il1rcr Begriffe gf'l1ö1·t noL,,•cndig: zusatl1 1ner1 1 ir1so fcrn
als alles ir1 clern ai1geg"bcnen Sin11c Z ufällige, d. l1 . niclrt 1niL Rücksicht
auf d en leitend en Wert del" D ar ·tcllur1g \VescnLlic hcl v o 11 ihr fc t'll
zu l1alten i~t. Eg sollte also Nieinancl sict1 von ~o leere11 S chlag,,·orlcn
wie den, cil1or 11\ Vi ~sen:-rhaft des Zu(ä lligen' ' • c hrecl{en la~sen s011dcrn
v erlangen, daß ganz genau ang•~gebcn ,,,ird , ,vas da, \\' orl z11fä llig
bedeutet. •
\\' it· el'ler1, eine kau a le Mctl·•ode irn GP-gc11satz 1.11r gcs,·l1icl1t-
licJ1en ir1di,,iclt1ali- icrcndcn ~f clho<I<: gibt es 11ic ht, tt11u es l1at, vollend
keinen Si1m 1 nntut"\\1issen-:cl1afLlic1'1 e und 1-tausn . le ~1cthode einnnd er
g lcjchzu setzcn. 1\n d en in clividu ellco histori cl1cn I( au!-alzusa1n m en-
l1ä11gen fin clcl vielrr1<'hr rlie gt'ncrnlisir rcndc 11a lur\vi,;;sc11 ~c hurtlil' he
B egriff bjldung ebe11. o ,,~ie an j<'der nn(ler,en i11divicluelle1t gci:.<·l1ir-ht-
licl1cn \VirJ,lirhkeit il1rc Grr nzc. Nic1nals ko111111l für eine Gesclzes-
,visscnsc ha ft <.lc r eir11t1alige \ ' orf.Z'at1 g, )lei dein aus ein er intlivi<l11eller1
U r~acl1e ein indivi<:lu c.llcr E ff<:l,t hcr,,orgch L1 a ls solch<•r in Frage,
son,lern es ,vcrdcn i1n111cr nur clll~crncine Beh'J·iffc gebil<let, die d as
n1cl1 reren i11tli viel uellen I, ntt ·n lverl1ü ltniss<'tl Gcn1einF-arn-e <'ll t hallcn .
- 377
Ehsenso entschieden aber ist t1ervorzul1eben, daß schon die ' 'oraus-
setzung der Ursachenäquivalenz nur auf eine generalisierend bear-
beitete \Virklicbk eit angewendet \.Verden kann , ja streng genommen
nur in der hypothetischen Forn1 richtig ist, daß, \V e n n , 1dieaelbo''
rsache auftritt, sie auch ,.,dieselbe" Wirkung haber1 1nuß1 denn
faktisct1 gleichen z,vei als Ursache zu bezeichnende Teil•e d,er empi-
rischen \Virklichkeit einander nienlals, ,d . h. es komrr1t gar nicl1t vor,
daß genau 1 ,dieselbe'' individuelle Ursacl1e ,,·ieder genau ,,denselben''
individuellen Effekt hervorbringt 1. \Vir haben also schon im Begriff
der Ursacb·enäquivalenz das Produkt einer spezifisch generalisierenden
oder naturwis-ensc~iaft.lichen \Virklichkeitsaurra.ssung zu sehen.
Ist aber schon dieses Prinzip der Ursachcnäq uivalenz eine spe-
zifisch natur\vissenscha!tliche Vorau„setzung, die nur bedeutet, daß
ein unter den allgemein,en Begriff A fallender Vo1-ga11g im111er einen
1
sachen - gr,o ße \\1irk ungen Z\.Var (ür die \Vclt der nntur,,·is. cn; cl1aft-
,,·ä
1icl1er1 Begriffe fi::i:I. c- l), hrcn<l der Hist oriker sich 1ueTnals zu ·che·uen
brauchl1 lii lorisch ,ve:;enl.licl,e \ \ ' irku11gcn .a us historisch un\VC c11t-
lichen r~achcn. cnt.st.chcn z11 lassc·n, d.11. aus l 1..:aehcn , die durc}1 il1re
EinzigarLigkeil n orh keine noL,\·ertdige B eziehung zu dctn lcitc11,Jen
Werte der Dar Lellung hnben .ondcrn ertit durch t Tebertragt111f!,
n.ä1nlictt durch den Urr1st aud 1 daß h ie Uri:>Acl1cr1 für ld storisch '\.\'C:SC'l1t-
licl10 \Virkungcn ~ i11d, ei11c his Lorische Bcdeu.tur1g erl1all-er1. Auch
hier gehen ''"i "'d er die \\1rge der ntur,,·i scnsciaaft u11d der Ge-
sch.icht,c not,,·cnrlig aus.einar1cJer. ur der kar1n i.n iliescr l r1kungr11cnz
ei11r11 , \ 1idersprt1cll erblicken, der sicll v o11 dc'f11 Pha1lton1 ei11er Uni-
v ersa lmethode nocl1 nicl1t lo:;gcsagL ha L u11d in den n atur,,,is:-cn~
•
sc hafllichcn B grifr··bildur1ge11 Abbiltler vo11 R calit.ät,en o<lcl' gar
Abbilder der i11cli,·idtJcllcn e11,piris<"l1cn \\'irltlichkcit sieht. l1
Nich t 1r1ir1•d er sorgrällig muß ferner ra uch cirtc andere \;111bi ldung,
die cler Be-griff clcs ((nu snl2usan1nienha11grs in d'er J',;atur,\'i:,~cnscl1aft
erf51-trt , von clc r :\ ufras ung ocr ,, rirklichkeit als GcschichLe fet11 .,.e-
•
ltalLc1t ,,·et'd~n. Die Begrifre vo1t Llr:;aclte n sirid 11ä111licli in de11 nnlltr-
,·vis:;eni;chaftlichen J(au..algevetzc11 11icl1L nut· allgPmcin, sondern ~
,~ird vielfach at:1c!1 t~in nnt 11n,·isse11schnflliclt~s I( a,1:-al g es c L z
!'iclbsl als LTrsncl\c b czeiel1net. o soll z. B . <lHs Fallgc$clz clie Ur-
s ache der besclilc,11tigu~n Gesclr~villdiglteit eines raller1<len Körpers, !
(lie Gesct.ze über (1.ic Br<!chung "'· 011 LicltLstrahlr n die ·r:;ach<'tl ci11es 1
R ~ge11boge1u,, die A:-.sozi._tlio1tsgcsclz.c clie · rsach<'n des AufL,,uch..-11s
von \ 1or~tellungcn aus d ~r Erinncrurig :;i'in, oder e ,,·ird gar eiu Gt.....
setz als Ursac l1c ci JlCS anderen Gcsc lzcs ar1gcsehc11. G 'gt"Tl diese
•
Att drucJ<.s,veisc ist. so lange nichts einzu,,·cn1 len, al n1~ln sir h be-
\\'Ußl bleibt, daß (111rch :;ic ,\'icrler 1tur rt,,·us iilJC' r cl as \ 1'crhiilt.n i~ \ 'On
Begrirfen z11 cinan.dcr au~gt•sagl. ,vi rrl, und daJl in der c111piris1·hen
\.Virklichkeit, i11t111 •t· nur be., o•t1rlere u11d i1uli,·itlu,~lle lJi11ge ur,<l \r(>r-
günae, aber nit•t11ali- r\llge1nei11l)egriffc oder Ü<"i-clze nL-; 1~ n<"lien
g•clt.cn könn en . Irr1 üt>rigcn kann n1nn (lcn Grset,z.cn z,,·ar Effcl\Le
ur1 Lero1·tlrten, a l)cr d.er Oh,c rgeordn et e Begriff ::sk-l1t zu den1 il1n1 \tnter-
gror,lncwn Exf"nlplar not,vendig in ci11e•111 anclcrrn Verl1üll.r1i~ als in
dc111 von Ursache und l~ffckt. , , ·cnn dc11)na,,·h rlic Nal11n,·i:.. c1t~c ltaft
al 1 ,C:r,..,acl1e" <lcr L1esc hl 't11dg l 111 8 .,,·cgung 1:ine::> falletiden l\.örpcrs
1
da~ Fallgc:,;clz od·cr aueh tlas Gra,rit.alion~g••~etz als Cr:.ache tics J,'a ll-
gttsclies t,etracl1Li•r1 (larr, " "Cil Si<' i1r1r1ier 11ur allg-en1ci ne B('griffe
n 1iLei11a11dcr verbi r1cJc11 ' "ill, so ,,•ür<lc i11 tlcr Gcsc.hicl1 t.s,vi~se11sr h ä ft
daß die ~lilicutlieorie für die Logik der Geschichte niclats And eres
bedeutet als das, ,va bereits aus der An,,•endung des l{au a lprinzips
auf alle individuelle \i\1irklich.k eit sich ergibt, dagegen fi.jr die Frage,
ob di e generalisi,erende oder indi,1idualisierendc ~f etl1ocle von dcni Histo-
rikcr a11zu\venden ist , nichts ent scheidet. Es diir[tc \vo!tl ilberllaupt
,venig Schla~vorlc gcbe11. die so leer sind ,,1ie der Att~druck ,,~lilieu'',
sobald er in Tl,eoriet1 über das Wese'n der GeschicJ1ts,•,,r i;;:sen cl1aft
au ftau cht, t1r1.d von denen 1n ar1 t rol.zden1. so viel Aufhebens gcn1ncht
l1at. .Jedenfalls is·t der Gedanke an dje Um\velt, in cler jed es einzeln.c
I11clividuum lebt. 1 viel mcl1r geeignet, (1c11 Untcrsc;l1ied .a ls das Ge-
rncinsarne z,vischetl Nat.unvi:;scnscl1aft und Gesc hichte l1Cr\'orzu-
ltebe11.
Daß die Eir1or<lu11g des ci1,zclncn lndivi,duun1 in dc11 allgerneinen
l1istorischen Zu. nn1rneul",ar1g a·n dent ir1divi<lualisiere11,den Cl1arakter
einer geschi ch tlicherl Darst.ell1t11g 11ic l) t.s ilncle1·t, ko111te11 ,,·ir un viel-
1<:icht arn besten dadurch klar r11acl1en, daß wir zeige11, ,,·ic aucl1 in
ejner l'Cin quantii~tiv gedo chl.t>n, al. o in e in c r T-Jin, ich t bereits voll-
komn1er1 ,,raLio11aJi~iertcn" \\'clt das qitnrtlital iv l1estim1nte Indivi-
dttum d urcl1 EiruJr,1n.u11g .i: n sein Gar1zes 1 zu den, es gc-l1ört , 11icht.s von
sr-iner Indi"·idu a liUit verliert urt<l <l~,Iler durch allgc111cin o Gc~etzesbc-
griffo unbegreifli ch bleibt. Dcnkcr1 ,vir \t11s den einen ,,allg~n1cinen 11
sonder1l. attcl1 111i t ul lgt:tn ei11en Bl'grifrcn , die rt:u·h 11a l11r,,1is:,;:c11sch a(t--
licltcr )l eth odc gPhil(lct ~irld 1 zu t un l1at1 und daraus ergeben sich
Bez i e h u n ge n z.,,1 iscl1crl <l Pr hi. toriscl1e11 \Jncl der nrilun,·is~cn-
cha fi'licl1t' n Brgrirr:;b il,l11ng. z,,·nr brn\1chert die allgc1neit1e1, Be-
gri rre, 111it (lr r<•n l Jilre ,vir einsehen , "'·ic ein i11(livic:l ueUrs E rrigois dus
nndflre bc,,•irlit, 11icht ,,:i . cn sc haftli c he Bcgriffe zu sein, de1l11
\.vir ,Yissc11 alle, da ß z. B. in Dolehsloß die Ur::,:a{·lie drs 'l 'odes ei11.e-s
\ len ·cl1r:n 5Pin kann , tind ,vir begrt:i re11 daher sr,fo rl 1 "·arutn Cäsar
tarb, ..il • Brntu ur1d eine Geräht·lert 11.u t Dolcl1en au{ i h11 eir1drange11,
l
\1 hnc u11 ~ i ui Gerj11g:i;te11 u111 den ,vis. e11schaftlichcn phys iologischen '
BPgrif f des 'l'orle:; rlt1rcli „ tir h,va ff cr1 zu küm1r1crn . J a 1 1neist ,ve rden
i11 Da1'ßtcllu1tgc11 rl cr histori~cltcr1 l(a'Usalzu a111111c.r1ltängc allgc111cin e
-
• ätze bcnul1.l, dit! v or aller Nalur,,·i~se11schnfl in der „Erfaltrung
<.ics J.eb<>n •• erttsta11doT1 sii1d u11d ct,va·, f1ber den urstich licl1en Zt1- •
'f c r1dc11z••r1 zu leug-ner1 . A11 clcnl logi~chen Gcgensutz von Nu Lt11·,v i i.~e11• 1
~chaft urtd Ge:,;chi.cht,e U{ICr generalisierender und j11divid11alis icrender
)) n r ~ t. c 11 u tl g abr r ,vi ril, ,\·,~1111 clic l-et.zter1 wi ·.sc1tsc h:-iftJiel\e1l Zi~le
in B •truchL kon1ntc111 auch <laclurch 1\icl1ts geün(lert. Denn es bleibt
dabei, Jaß <lie allac1nci1lt~r1 Dcgri frc in r]c!n gcn<'ralisiercndcn \\'' iss~11-
schafte11 <lu · Ziel si11d. ,,·011ac h 1tla1t strebt,, duO sie in eir1cr indi,,j- 1
'
1
d ,1ali~ier.-11tlun \~' i. s "'11sr httrL cl ngcgt:'Jt nttr als ~1 i t t e l lJCllLtlzt ,,·erden , l•
u1r1 t l c 1t cir11ua li gc11 urttl i11clivid\1elle11 l( a ,1:-a lvcrl.i11f rlarzu ~tcllcr1. 1
ständlicl1er machen kann, aber es ist ebenso sicher, daß die Geschichts-
,vissortschalt. zu a l len Zeiten allgen1eine Begrific zu diese1n Zwecke
verwendet l1at., und daß fer11er dies Verfahren nict1t et,,·a generali-
ierend oder naturwissenscl1aftlic1'1 ist s:onder11 nur dazu dient, indi-
viduelle ttistoriscllc Ereignisse miteiJ1a nder zu verknuprcn. 'froit.schke,
der docl\ 11ach der 1 ,al te11 ~1et.11ode' 1 arbeitet, spriclit z. B . von Steins
Städteord11ung als der11. Ausga11gspu111tt für die det1tsche Selbstver-
,,.,·a ltung und agt, daß durch sie der lebcrldige Gerneinsinn in1 deutsclie.n
Bürgert.u11t ,vieder erweckt. sei . Attch l1ier ist u11s der Kausalzusammen-
hang v on Sclbstve1"\valtung und Gen1ejnsinn. sofort verständlich.
Aber die Sätze: Sclbstver\valtting erweckt. Gerr1ei11Bi11n, u11d: Natural-
,virtscl1aft treibt bei lf ungcrsnöl.en itenschen b is zur Auswanderu1ig,
si.nd doch nicht et\va .,histori.. cl1e Gesetze'', so daß ihro Aufst ellung
da Z i e l eine r t1istoriscl1en Unt.ers u chung bildet, sonde1·11 sie sind
lediglicl1 ~f ittel zu1· Darstellung individueller historischer Kausal-
2t1san,rnenhll11ge u1id sage·n uns über den ,individt1cllen t1jstorischen
Ve rlauf jener besonderen Fuldaer l{u11gcrsnot und über die besondere
Er,v~ckung des tleut:.sche11 Ge n1einsinnes durc h Steins Reforn1en
noch garr1ichts. Ge1·ade dieselt aber ,,,ilJ die Geschic hte kennen , u nd
so ve rstel1en ,,1ir, daß eine noch i>O ausgcdctrnt.e B enut.zu11g natur-
,v,ssenscl1a(tl icl1el· l{au ·algcsetze ,d urch den Historiker nicht das
G·e rirtgs l e art de111 \Vescn der historiscl,en Bc.g rif(sbildu11g ändern
kan11, d . 11. nicht imst ande ist , aus einer individualisiercr1den Oar-
sLell11ng eine gen eralisiore11de zu rnachen. Da die KausalgeseLze i111 r11ei
r1ur 2\liLLe1 si11d 1 uni deu kau~ale11 Zusa.n11nenhan·g individueJler hi to-
r iscl1c1· 1':reib'1lissc ein1.usehc1.1 , s.o unterscheiden sie sic1t i11t Prinzip
nicl1t v o11 de11 andPrcn bisher bct.racht.eten natul'\\'i ·senscharvlichen
Begriffc11 in der Gescl1icl'1 te 1 die nicr11a ls nl tlm 1hrer selbst, '"ill..-.11
erstrebte , v otJ ~tti ndigc hi:-toriscl1c Begriffe iju(tre t e1\ so11(lcrn nur
El e n, e n t o vur:a. hislo1·ischen Begriffen sind, 111it deren Hilfe die
Dnrs lcllu.ng ,vicdcr zu,11 lndivid t1<~llen 1.111•ü,ckkel1rl.. vVir n1ils cn
st c.ts i,11 Attge bel1ultei1, d aß cler Ur1terscl1icd cler i1ldiviciuali icr cndon
his l uriscl1e n von dor generalisierende n 11atur,\.'is c11schaflli cl1en i\J c-
tl1ocle sich n ur a u f <lie Ziele tind 11icht aur di e ~fittet eine r,,; se11Schaft,.
licl1en Darstellu ng lJezicht.
•
\ fiel el1cr kö1,nl,e 1nnn sagen 1 daß ,vir d cr1 allgc111cinc·n K a11salhc-
grifrc11 ci11e zu große Il P-d c ul;ung Iilr die Ge~c hichLs,vi se11sch.afL bei-
gelegt ha}1 ' rt, u11J ir1 der Tat i„t, eine cinsclirünkcnde Bcm erl{ung
11o l.\\'c t1 ◄ lig. A11 kei11cr „ L1~lle cliescs Vers uches, tlje logisc he1t Grund-
1
.
- 388 - • '
\t .
D i e g c c h i c h t 1 i c h e E n t ,v i c k 1. u n g.
Der Begriff des historisch en Zu anunenhanges und besonders
der kausalc11 hist.oriscl,en VeJ'knüpft1ng treibt uns jedocll noch in
einer anderen Ricl1tung Ober den zuerst aufgest ellt en engeren Begriff
des historischen lndi'viduurrts l1inaus . Die im lnlot essc einer allmäh-
licl1en Begriffsbe timmtang an! nngs gen1uc}1t..e Fiktion nät1llicl1 1 als
sei ein historisches Objekt eine v ereinzelte, in sich abgesc hlossene
Gcstalt,1ng, haben ,•.ir noch i1r11r1er 11icllt gan-i; vorlassen, tind in!olge-
desse:n tritt, der Unlerscltiecl de gcschicl"1llichcn Vetfal1re11S zu dem
stets isolierend en Verfahren {ler Natui"'vissens.chaftc11 noch ruclit
d eutlich genug z11trigc. z,var '"·issen \\'ir , daß jede. einzelne l ndivi~
duu11,1 ciueril u,nfa aen<leren lt1tlividuum ei1lz11ordnc11 ist, und daß
die Gesc hichte nach seinen inuividt1ellen Urs achen ucl1en n1uß.
Aber auch hjomacl1 or;:;chcint d as }1is torisc l1c In,Jividt1un1 noch als
oin Produkt dieser U1·si1chen, das nun, nachdcn:1 es ejrunal hcrvorge-
hl'acllt ist , g~,vjssennaßen ruht, ,1ncl dies ist ,vicder eine u.nltisl orische
AbstrukLion . Es sind nie1,1als fertige Di1:1gc sor1d er11 immer in Bewcgur1g
bef.in·dliche Vorgä nge, die die Gescl1icl1te darstellt. Schon a.ls ,,·ir
11acl1 dern dcnkb;1r allgcxr1ci1t ·ten B egriff <ler Geschi chte suchten,
kor1r1ten ,vir zeigt!n, ,,,e ltalb die \,\ii ·senschnft von1 Einn\aligen u11cl
Individuellen es stets 1riit zeitlich ablaufen.den \\'erdcgi\ngcn odet
Veränden1ngsreihen zu t.un l1at 1 . Die dart-1als hrgon11ene11 Uebcr•
legungcn sind jetzt ,veiler zu ful1rer1 . Nur in fct Ljgcr1 oder ruhct1dcn
Objekton ·cheincn ich nacl.l d er angcgebe11en ~fcthode die ,vesent-
liche11 von d en tl n,vesen tlichen B estandteilen i11 der i1\tcns ivcn l\ln11nig-
fa ltiglceit sclicid~n und zu ei11e1l1 i11clividuellc•n llegriff zusan1111cn-
stelle11 zu lass.eo. \1/ird ar1 ihre teile ein kausul b~s t.in1mler zeitlicher
\ 1erlo.t1f gesetzt., so ent-st.ehe1\ 11eue Sr;h,vierigkeiten . IJ •r Hi~toriker
- 393
ganges sich von dem vora11gegange11en unter ct1eidet und dal1er alle
Zllsamn1en eine Veräncleru11gsreihe bilden. l{reislauf und vVieder-
l1olun·g im strengen Sinne kommen eben o,venig ,vie vollkommenes
Bel1arren oder starres Sein in der ernpirischen \Virklich keit selbst
vor. Die Begriffe von il1nen entstehen erst durcl, Abs,t raktion von den
individ uellen Dil{eronzen der ,rerschieden cn \ Verdegängc 1 d . b. es ,vird
ei11e Reibe von Verä11deru11gen als gleict, eir1er anderen ange. ehe11,
,venn die Untersc\1iedc für die leitenden Gesicbtspunkte der Begriffs-
bildung keine Bedeutung l1abc.n. So sagt man 1.. B. z.,var, ,daß in
jedem J abJ'e auf der1 Winter der Frü hling folge, riach diesern der
S01nmer komme, nach dem Herbst es ,viedcr aJlfangc 1 \Vinter zu
,vcrdcn, und da ß dann ,,dieselbe'' R eihe von neue1n b •ginne und sicl1
irnrner wiederhole. Ein Kreislauf· aber liegt. hier allein rnit Rücksicht
auf die allge1neinen Begriffe der vier Jahrcszcjten v or, und der Ge-
da11ke _;ein er \Viedetl'lolung des \:VirkJicl1en entst eht nur dadt1rc h 1
d aß j,vir das den v er cl1iedenen1 gleichgena1111ten Jahreszeiten Ge-
mcinsarne iin Auge l1aben. Als individuelle \:Virkli ct1keit ha t noch
kein Ablauf des J ahre-s de111 andern gcgliche11 und \vird es atJ-c h pi,e-
mals tun . Ebenso i t die Umdrel1ttng der E rde urtt die Sonne kein
,virk)icher \1/icdcrl1olungsvorga11g 1 dcn.n nur die begrifflich abtrenn-
bar,en, für sich un,virklicl1e111 quantitativen Bestirr1mungcn der Ercig-
ni:ise bleiben l1ier gleicll, UJtcl selbst v o11 diesen läßt sic.h hez,,,eifeln,
ob sie absolut konstant sind. Ziel1en wir die vo)len Realit.äter, in
Betracht, so isL es iu jede111 J ahre eine n e u e Erde, die sich urn eine
n e u c Sonne dreht. Nur in den allge1tteincn Begriffc1l v on Erde urtd
Sor11le \verde11 diese indivicl t1ellert Unterscltiedc und Veränderungen
ignoriert. l{urz, es ist übc1·al l1 ,vas n1an auch unter den Begri ff einer
R-cihc von \>Vicderl1olungen bringen 1rtag, in \Virklichkcit eine R cil1e
von_Veränderungen, in der nicl1Ls sici1 \viederholt,. Der Gegensatz
von Wiederh-olung t1nd Veränderung löst s.icll vollsUio-d ig in d-cn
logische11 Gegensatz von AJlgemcinen-.. und Jndividt1cllcm a uf, der
uuserer Unterscheiclt1ng von Natur ur\d Gcschicl1le zugrunde liegt.
Nur insofern ist es richtig, d aß die Gcsc.:lljcl1Le stets · eränderungs-
reihcn d a.rz·ustcllcn hat, als ·ie die \>\i isse.nschaft. vo11 dc1n Ein111aligcn
ur1d I ndividli.ell~n ist..
:\ ndererseiLs a l)er ka11n grade dcsl1alb dieser Begriff für icl1
allei11 zu1· Besli1n1nu11g des hi ~torischen En t,vicklurtgsgcdankerls nocp
nicl, t genügen. Befindet sich aJ le Wirklicltkeit i11 rastloser ' ' erunde-
rung, so c.Jarf dil! 'e Verär1deru 11g auch der Natunvis~eilscho(t nicht
'
fre,nd sein , u11,I es kan11 dann <iie blo ße U11 l,etsch<'ic.lu n" vor1 Verä1tde-
rungs-1 un<I \\1icdcrholl1ng·-Vorgängen ebc1tfalls ni cht a ls ausschlag·
gebend bei der logischen Untersclieidr1ng von his·tori„cher EnL\,fickl,,ngs-
gescJ,icl\te ttnd gen crali ·ierender NntunvissC'nscha{t gelte11. \Vo die
atur,,·issensch!trt verscl1iedene zeilli c}·10 Vcrändert1ngsreihen auf das
hin bet1·achtel. ,vas ihnen gemei1\sa111 ist , da entsl.eht m rar der Begriff
ci11cr \Viederllol11r1g, a ber innerl1alb jeder einzelnen '"'iedcrholung
bleibt 111\n cloch aue-h eränderung erl1altcn , c.l. '11. es n1uß in1111er die
Ver iind ert1t1" ei11er Rei hc v on v cri::.chiedr1,1f'n at1 [<'innnderfo-lgenden
St.ndicn sein 1 die sielt \\·iedcrholt, ja 1 die \ lcrfindcru11g nllei n ist es, die
der~ natt1r,,•i:3senschart.lichcn Al.lgcn1ei1\bc' grifr lies . ich ,vieclcrholet1llen
\~ ci·cleganges i11 lialtlicll bc~tii.nrrrl. De halb kö11ncn wir so,voh l All-
•
ge1rlei11begriffe von \ Terä11deru11g:-rcilicn od<'r at1fcina11d.crfolgenrlen
Stadien d er \\' •r(icgängc bilden als a,uch eine ei111nalige i11divid·uclle
Vera r1derur1"~reihc darauthir1 ansclier1, ,,·as si" vorl alle,, t\n<lerr1 in-
<livicJt1ellen Vcrfinderu .n {r--reihcn. oder r\bfolg<>n ver.chi11<l ~ner St,adicn
1
sielt l1ie1· der nalur,vissen scha (tlict,e Bcgrirf u11tl die individ.uelle
historische \i\lirklicbkeit nicl1t vollständig, so daß von Grenzen der
natunvis er1scl1aft licl1cn Begriffsbildung in t1nsere1r1 Sin.n e 11icbt
geredet werden darf? Du Bois-fl.ey1r1ond konnt.-:-, uni seinen Begriff
vo111 Naturerke1u1cn, den er selbstverständlich miL de1n des ,yis~en- 1
scllaftJichen Erkennens überhaupt gleichsetzt, zu erläuterrt, niclJts
besseres tun, als auf die l 'ätigkeit des Astronort1en .hin,veisen, cler •
„nur der Zeit in den ilondgleicl1un.g en ejnen ge,vjssen n egativen \\'' ert
z.u erteilen brauc.h t, tttn .z-u ern1ittcln, ob als Perikles nacl1 Epidat1ro
sich einscl1iffte, die Son n•e für den Piräu·s verfinstert ,,·ard 11 • '\Vas also
liegt näl1cr, als der Gescl1icl1ts,,•isse11sct1alt d.i,escs Ideal ei1,er astro- 1
Lät' ' i11 Gesetze eingchen1 dngcge11 alles Qualitative ar1 d en ciunaaligen
indjviduellcn f3nt,,•icklungsreihcJt in seir1cr I11divi,d ualiiät natur-
,vissenschnftlich u11begrciflicl1 blciht. Daß n1an die~ üh<'rsichl, ko111cr1l
•
ürg,t~hzado por Goog e
•
•
- 398 -
rnüssen "'·ir sagen: daß gerade der Jupi ter :f\.Jonde bat, oder daß d,ts
Individuum :\lars eine andere Farbe zeigt als das lnd,i viduurn Ve11us,
das sind individuelle Tatsacllen, die 1llan nur kons.t atier-en, aber nie-
mals aus Gesetzesbegriffen als not,vendig ableit..en kann. :atur-
Y.:issenscl1aft-lich b egreifen läßt sieb in1mcr nur, Yt'ie üherLaupt Ri11ge
oder l\1onde an einen1 Planeten entstel1en, aber nicht, ,varu1i:t sie ge-
rade bei diesem Individul1m in die er b estimn1tcn Za l1I oder Form
v orhar1de11 sind. Daß der einrnaligc Werdegang, de11 ,vir di,c Enl,,rick-
lung 11n ere Sonne11systems ne1u1e111 i11 seitler Ein111aliglceil und In-
divid11alitüt tir.iter nat\ln\·i~sen ·chafllichc Begriffe nicht zu bringen
ist, gilt sogt11· dau.11 1 \venr1 ,v.i r nur die qua11titativcn Bestimmungen
bc.1ch-tc11. ~1nr1 kan11 z,vat· vje)leicht ,.,erstehen , ,vie aus einer:\ Ga. -
h all durch erdicl1tur1g irgend eine "Soru1e'' mjt einc1T1 S)•s Lem von
Planeten sicl1 er1 L\vickelt, aber dicso unsere Sonne u11d die es un er
Planel er1sysle1l1 geht n.ien1als als In.dividt1u111 sondert1 in1mer nur als
Gat.lungscxcmplar in eine .a llgc1neine natur,vissenschaftliche Theorie
ei,1, d. h. von den ci1t111aligcn ur1d individuellen Eigentünllic hkciten
seiner Ent,\ricldung erzählL die allgeu1ei11e 'l'heoric Ober <lie Enlr 1
stcl,u11g von Planeten. )'Sten1e1, üherl1at1pt nichts, lrnd sie gibt daher
auc l1 nicht seine Geschi cl1tc. J eder Versuc h, die Darstelltlng der: ein-
rnaligc11 ur1d indjvicluelle11 E11t,vicklung t111s er•·;) onner1sys l e1n n1it
allgcn1eincn Gesetzen vorzu11el1nl-e11, ist gP11au ebe11so widersinnig
,vio der Vcrsuch 1 die ein111aligc Entl,·icl<lung ei11es Mn11r1es ,vic Goethe
oder Bis111art:k. aus aU r •111eincn Gesclzcsbcgriffe11 abzuleilru) . Vollends .J
iijt der Gedanke einer Ent,\•icklung geschich tc des · n i v e r s u 111 s 1
rnit }Iilrc,~ eir1er gcne1·uli ierenden B-egriffsbilclung, dPsscn logische
l\l öglichke1 l u1an diesen Au fültrungen als Ein,vand cr1Lgcgengel1alten
hat, falls 11nter U11ivers\11r1 dio 'l'ot..alilä t der Weil ve1 : ta11clen ,vcrdci1 •
soll, eir10 logl·che Ab. tu·clitüt. Dos l111iver$u.11l i. t , ,vi<> ,,·ir gescl1e11 1
hai)e11 1 in sei11er 'I'otalität nicht einma l 11ntcr ein ., )'Sl(.'111 a I t g e-
111 e i 11 e r Begriffe zu brir1ge11. }\ t1c.t\ tlie afl~•• r11 ci11~t<'n ful,t1rgesctze
sind nt1r at1f j eden b eliebigen seiner 'l' e i I e ar1zt1"'-vcr1,l l'n l1Jl(1 ,vcl·den
\\'egcrt jhrcr q11tt11Litntiv<-!r1 ß c~li1n rnt heil ~o fort, ~ir1r1 los. \.\ Cttn n1art
nlit il111er1 et,•.,as über d:1. quun til ativ 11nr1f>~t-irn111tc Ga11ze ~clbst
sttgcn ,vi ll . \ ViP so ll al o ga1· da 1ti\.'Ct·s u1 11 i11 ~c in,•r 'l'ot ali tät Ob-
jekt einer Ent,,·icklurtgs g e c h i c h t e ,,,c-r<lc11 rli c sci11crt eir1-
n1aligc11 u 11il intlivitlucllcn \ icrlauf 1nit Gcsel2.e~begri!fcr1 dar:--tcllt?
Dus hnt r1 01.;lt Tictr1ar1rl auch n111· zu de.11ken v crrnocht.
ltrl,rlerlt in z<;igcrt <Jic E1\t.,,,iek.lunuf-gcsrtzc (i(•r 1\ slrunuu1it! cirte
die Gesetze enthalten, und Urleile 1 die lediglich indiv iduelle histo-
rische Tatsachen k onstatieren, in d er \\'issenschafL vorn 1 ,W eltgan1.en ' ' ,
1
·d as {al<.tiscl, nur ei n 1 cil des U ujversums ist, nah e beieinander
liegen. Begriff'Jicl1 könn,e n sie tro.tzde1n scharf gescl1ieden ,verdcn,
und vorbildlich für irgend eine andere \1/issensc·h art darr die logi-
sche Struktur der Astronomie r1icht . ein . Das Ideal ejncr 11 asLro-
non1i cheo Erkcnntni '' gilt nur für die Aslrono111ie elbstr u11d es
bleibL a l o dabei, daO in <li,1 iduel.le Ent" •jcJ<lu:ngsreihcn, dje als volle
\\1irklichkeiten nic111als nur quantitative sond ern au cl1 qi1alitative
Best.in1mungen haben, aus rein lofl'ischen Grü1id cn unlt!t kejnen
GcsetzesbcJ::rriff zu bri11g ct1 s i11d. Die Aslronon1ic ist <'jne von den
Di zipline11, in denen g nerali iere11de uud i11dividuali~iercndc Bcgriffs-
hilclung ir. h atif d.as Eng te miLcjnnn<ler verl, ntlpfen. Daß es olche
•
\\fissc11~c,h a!tcn gibt, " 'irrl niemand be treite:a . An cter Not,,:er1digkeit
einer b4"griffliche11 Scl1eitluug der bei<ler1 l\ rtcr1 dC'r B g-rifr, bildt111g 1
\\-'ic,lerholen , ur,d s0Jct1e11 , die sich v crlinclcrrl , genügt Cti r sich alle.in
Au1gabe des Historikers, ja, ,vir müssen eine solclle Art der Begriffs~
bildung geradezu als Gegensatz zur geschichtlichen Darstellung
bezciclinen. \Vo die Geschichte es mit einer Ent,,ricklung z.u tu.n hat,
wircl von de111 einmaligen und individuellen \Verdegaog eines realen
Objektes bericl1tet, und dabei geht die Darstellung nich.t ,vio eine
Begriffsent,vicklung v -orn Allgemeinen zum Besonderen, so11dern sie
schreitet von einen1 Besonderen zum ai1dorn Besonderen fort, denn
jedes Stadiurn der EntY.-icklungsreihe ist et,vas Einn,aliges und Indi-
viduelles. Trotzdem wird vjelfach das Hervorgehen eines Systemes
von s-p eziellcren Begriffe11 aus allgemeineren nicht von der Darstellung
einer realen historischen Ent.\\ricklu1tgsreihc geschied-en, und dann
entsteht wieder die uns scl1on be:k annte verhängnisvolle Täuscl1ung,
als sei die Gescllichte imstande~ at1s der 1nit dem a1Jgemeinen Gattungs-
begriff v erwechselten konkreten Gattung das gesct1icl1tliche Lehen
als notwendig ahzt1Je-it.en oder zu ,,entwickein ' '. ,l tan glaubt im Zu-
sammenhang damit auch, daß die Geschicl1t.e nat urwissenscha ftlich
verfa hre, ,veil sie den. alJgotneinen lnl1alt von Begriffen nur itnmer
n1ellr zu determinieren brauche, urrl sc.hließlich zu Begriffen vo.n
einmaligen individuellen Obje-kt-cn zu kommen. J a , es wird sogar die
„ent,vickelnde itet hode" geradezu als die ,.,neue'i der deskriptiven
~f ct l1ode als der ,,alten' ' g-cgenübergestellt. Eine solche 'l'cr minologie
ist ganz irreführend. Der Gegensatz von entwickelnder und deskrip-
tiver r.fethode darf nicht einmal mit dem Gegensatz der DarsteJlung
eines bel1arrenden und eines sich vcründernden oder werdenden Ob•
jektes ident.iJjziert werden, denn man kann das Beha.1Tende ebenso
,,beschreiben " ,vie das \Verdende, und wenn inan den Ausdr-uck
B e chreibung überllaupt zur K ennzeichnung einer i tettiode venvenden
, ,1ill, so könnte gerade die Ge.schichte eine beschreibende Wissenschaft,
genan11t werden I d enr1 sie beschreibt die Objekte, so \\rie sie ,verde·n
oder sict1 ent\vickeJn. Will man dagegen das Wort Beschreibung
nu:r für die Darst ellung von b eharrenden Zu .tänden vei·,.,,·c11den
und hervorl1eben, daß die Geschicl1te es n1it Veränderun.gen zu tun
l1at, so '"il rde rnan bes er von einer crz.ä hlonden Darstcllu_ng im Gegen-
satz zur beschreibenden sprechen . Docl1 si11d auch diese Ausd.rü cke
h1ißver.s:tä1tdnis en ausgesetzt. und daher nicht geeignet , das historische
0
•
- 406
- 410 -
nische I{ö:rperLbeorie nicht mehr zu Rätseln, den_n. sie ist, mag sie
in der Biologie tluch unvenneidlicl1 sein, vom 1n-ecl1aniscl1cn Standpunkt
aus doch eben n u r eine ,,Auffassungu, also mit der n1ecl1anischen
J{ausaliUit sehr ,vohl vereinbar, und an.dererseits muß ctie Anerkennung
der B erecl1tigung und Not,vendigkeit der teleologischen AufCassung
innerhalb der Biologie jeden b cgi-ündeten Anspruch des Biologen auf
teleologisches Denken vollkommen befriedigen.
Damit das ganz klar ,vird.1 sei nur noch ein Wort über de11 Be-
griff dieser teleologiscl1er1 A u f r a s s u n g biozugefügt. Es kommt all-
ein d arau1 an, daß n1an im biologiscl1en Denken den Begriff einer
Ursache vcrn,cidet, die das, v.•as sie selbst nur .öuvciµet, der !\(ög}ich-
keit nach, entl1ält, \virklicl1 zu n1ache11 oder andere \\lirklicttkeilen
zu ihrer eige.nen, Ver"iirkJichung zu bestima1en vermag. Eine ~olcl1e
,,Endursache" ,vürde mit jcdel' mechanischen Auffassung in der Tat
unvereinbar sein. Verlegen ,vir d agegen die 1'eleologie in die Auffas-
sung des biologisch erkennenden Subjektes, so beißt da_s nichts anderes,
a ls daß ,vir genötigt sind, ge,vis5c Objekte " 'cgen ihrer B esonderheit
so zu betrachten, daß ,ru dabei an das Ganze oder an das Ende denken
und nun alles Uebrigc a ls Ilotwcndige B e di ngungen iw· Venvirk-
licl1ung des Endes anse11en. Gerade diese k o n d i t i o n a l - teleo-
logiscl1e Auffassung 1 t die der n1echanischen Körpertheorie zu wider-
sprecl1en scheint, ist mit dem l\.fcchanismus nicht unverträglich,
'
wie .sich am besten daran zeigt, daß ,vir auclt 1nechanis.cl10 Gebilde f
ebenso unter sie bringen können ,vie die organischen. J ede ~f aschine
ist ein teleologischer Zusamn1enhang in den1 Sinne, daß ihre Teile
Bedingungen fü r den B estand des Ganzen sind, und doch kann hier
v on et\vas niechanisch Unerklärbarem gewiß 11icht gesprochen werden.
Ja , es läßt sich sogar jeder beliebige mechanische Zusamn1enhan.g so
ar1sehen, daß aus ihm ein kondilional-tcleologisct1cr \Vtrd. l\fan braucht
nur die Ursachen (ür den Effekt als, dessen Bedingungen zu betrachten,
also in G c d anken die kausale Reihenfolge urnZlikchren. Dann ist
aus dein kausalen. Ve1·l1ältnis ein .k onditionales u11d insofern aucl1 ein
teleologisches ge\vorden, und sieht rr1 a11 nu.n in de111 Endeffekt außer-
dern noch den z,veck, sö erl1ält der ganze Vorgang eine teleologi ehe
Eiuheit. Von irgend ,velcl1cr 111ewphysisch-tclcologisclicn I{au alität
ist aber da11n offeubni- keine R ede. Eine reir1 111echaniscl1c Auffassung
auch dieser teleologischen 'Zusan1menl1ange i t n1öglich, ~obn!d n1an
1 \>'i;-1. d niu. 01eine Abhancllu11g : Lebenswerte und l( ulturwerlo, 1911, Lo-
gos I I . s. t4l:! rr.
~lan käme damit zu einer Art. von ?\letaphysik, wie sie heute vielfach
vertreten wird und auch Beifa.11 gefu nden hat. Daß aber Jnit Hilfe
solcher Voraussetzungen auch eine die gesarnte Körpen,:elt un1fassende
allgen1eine Theorie gebildet werden kann, die alle Teile der körp-er~
liehen Natur einheitlich zu erklären v ermag, das 111üßte erst gezeigt
,verdc-r1. \.Vir gehen darauf l1i-er sc.hon dcs,vegetl nicl1t ein, ,veil ein
wissenschaCt.Jich bedeutsan1er Versuch dai.u überhaupt noch nicht
gemach t ,vordeu ist. Außerdem glauben ,vir, gezeigt zu haben , daß at1,s
rein logiscJ1en Gr·ünden nur die quantifizierende und in diesem Sinne
1r1ccl:1a11ischc Auffassung de r l{örpen\·ell es zu Begriffen bringen kann,
die sich auf jeden bcliebige11 Teil und insofern auf das Körpcrga.nze an-
v.·enden lassen. Eine 1'l1ooric aber, die dies leistet, muß die Natu1"\,·issen,-
schaft stets als letztes Ziel irn Auge behalten.
Dies alles soll jedoc h nu1· eine flü chtige Andeutung v on Gedanken
sein, mit denen die Sch,,1 ierigkeiLen, die sjch bei der Einordnung dc:r
Orgo.ni men in den allgen1einen n1echanischer1 Naturz usam1ru!nl1a11g
herrscl1e11do Endstadium nicltL nur die Ur ache isL, die Alles bewirkt.,
so11dern z11glci,ch das Gu te, zu dem Alles hins treben soll, u11d die
telcoJogische Ent,vicklu ng ist bei diese r Aurfa.ssung dann oviel
,vie ,,l•'orlsch rit.t'' zu11, Bc-sscre1l ·oder Werl.stc:igeru ng. \.\' ir können
,vicder als Beispiel auf J-lcgels zt1 sich selbst llo1111nc11<icn ,,Geist''
hin"'·eisen, der nich t 11ur Zv,·eckursacl1e .ondcm a,1c:l1 clas G11t i.sL, an
dom ein objekti,r,cr \Vert haftet,. l l rtd zu dessen .Rcalisi~ru11g es einer
List der ' 'cr11unft. bedarf, die die •inzcl11c11 l nllividucn li('r1 über-
per~önlichen \\rerL för(lern lößt, ,,·ül.1re1td sie ineincn, i111 Dien~te ihrer
peri:;;önlir.hen T11tercs!-f\11 tütig zu ein . Gl nubt der 1-IJ~,torilicr a 11 ein
so! •lies 111et.a1_)h)•sischr;,1 Prjnzip (lcs Guten in der Gescl1ichte 1 oder
meint er gn r, es in sci11 r i11hall,ljcht•t1 He onderheit zu l( ennen, dann
i i;t e ihnl ge,\•iß 1,ic.l1l v (.>1·t>ot C:'11, da ß er Reiner el)c•r1,cugt1nrr a\1ch bei
uer g ~schichLlicl1en Dar:-t..ellung Ausrlr11ck. ver! iht.1 aber, solar1ge er
1
nur c1111Jiri~f' her F or. eher sei11 \Vill, l1aLer sich un1 diese transzcr1den teo
1
ü1g1taltzado por Goog e
- 417
Fra,g en nicht zu k(lmn1ern , und auf jeden Full ist der geschichts1;vissen-
schaftliche 'W'ert seiner Darstellung von ao)cl1en n1etaphysischen
.AJ1sicl1ter1 unabhängig zu macl1en 1 d . h. alle die Fragen 1 ,vie die Dinge
,,•irklich verlaufen sind, durch ,vclcl1e Ursachen sie bestimn1t ,varen,
und ,vas histori.scl1 ,,·esentlich oder unvvesentlich ist , muß ohne Rück-
sicht auf eine lranszendento "'1eltmacht des G,1ten entschieden ,ver-
de11. Vollends gehört das P robletn, ob es eine solche 1\1act-1t giht,
nicl1t in die empjrische GescbichLe, sondern wenn es überhaupt im
Z,isamn1enhange n·1it dem historischen Leben bel1andelt ,verdeo solJ,
in eine Gescl1icJ1Lsmetapl1ysili. ~1it \i\'ert.en also, i11sofern sie als tran-
sz.er1dent.e \Vese11l1eil-e11gedacht '"·erden , l1at es der Historiker als Histo-
riker nien, als zu t un. Daher mü.ssen \Vir den metaph) s isch-te.Jeolo-
1
li nie dc1-r1 l\f cnschen stcl1e11. E s scl1cir1t dann fer11et auch 111üglicl1,
die Rejh,c innerhalb des \1/erdeganges der l\1en "chheit selbst ,veit.cr
zu verfolgen i111d c.benfall als eine Kette kausal mit eir1ander verbun-
<le.ncY Glieder .a11fzura~:-cn, von denen jedes folgende den vorangegange--
11en gegenüber ciI1e ,,höhe re' ', d. h. ,verlvollere Stufe bildet , so daß
v on cle11 11ieder. Lei-1 Organismen bis zu de1n h eutigen l{ulturrnensche11
hin eine ein heil.liehe, rein kat1. al bc"i$Ljrl'1rnte tind doch not\vcn.dig zu
in11ner höheren, d. h. ,vcrt,,ollcren For,nen auf. t.eigendc ci n.maligc
gcscl1icl1Lliche E11t,,, . icklu11g zu konsta tieren ,väre.
\,\i j,· untersuchen zunäch t nicht, ob ei n solcher Gedanke überhaup t
eine ,vis. enschaftliche Bcrect,t,igung hat, sondern rragen n ur, ob diese r
Ent,,,·icklungsbegrjff für die K larlcgung des logiscl1en W esens do r
15e.--chichtlichen Begrj{fsbildttng in Betracl1t kon\1nt. \Vol.1l JäßL sich
n1it seiner Hi l(e auch ei11e ein1nulige ·erä nd erungsreihe abschließen
1Jad gliede rn , \\·ie <lies schon clas Beispiel des ein1naligen Forlscl1rittes
der Orga1,isrnc11 vorl de1l niedersten 'fi eren bis Zl 1r,1 l\'lenschc11 zeigt.
An clere r~eil.5 aber darf die hisLo-riscl1e E11t,,,icklur1g 1 die ,vir 111ei11e11,
1111d die d as \\'e~ r1 jcclcr l,i~tof'i~chc11 I >arst cllung zu1n Ausd ruck
bri11gcr1 soll, ger ade riiclaL 11F orl.s<·hritt," 1 cJ. h. nicht ei ne mit cle r
zeitlit l1c11 R ei hcnfl,lgc d er verschieclcncn. Slatlieu n ot'"''cudig zusa1n 1ne11-
fa llendc \ \' e rtstcigcrung ~ein, cicn.n , selbst ,ve11n ,,·ir ,·ora ussctz.en
,,·Q)lten , der 1l i.'- tor-ik,cr sei auf Gru,1d eine~ inl1n.lLlicl} besti111rntcn
\\'crtr11aß sL<tbes i1t dc1· Lc1ge 1 ,,·iN)c11 cl1ii fll icl1 zu lJcgründ en 1 \Y0 s ir1
ci11ei- gescliir htliclie n E11t,,·icklung Fort chritt 2.urr1 B esser en is t, und
v,as 1•icl1t 1 so n1ü.ß le -e r hl'i jedem Ve~t1r;h, die zu, tun , clazu kom111en,
das End(' c>tlt•r ,,,cr1ig:-Lcr1, cj n bcstirr1111tcs Stadiu1n rJcr EntY.'ick-
1t111gsrr ihc a 1!- dcr1 Ic,rtg s•·h ritl--engl.en 'T'ci I u n(I da her dic~cs tadiu r11
als clen ('ige11tlichc11 z,vcc-k der· Geflir.hichle, cJi,e Obt·igc11 Statlit~r1 da"'l'ger1
cn t,, ·e,l('r a.ls bl,1ße 4'1 i Ltcl zu !'-ri ner \ · r 1-...virk li cliur1~, oder als Abfall
, · 0 11 jl trc e c' i~(•n ll ir hen Dcslin11nt1ng :inzt1::<:l1cn. l)ie:- \ 'erfal,ren
,,·ord c a licr, t1111 ci11 \\!orl l{t1r1kes zu g0l,rauchcn. di e fr(ihcrcn Perioden
z,ug11nsLc11 d.ür ~11H L ren 111cr:iia tioic1•er1 u11d ,,·äre Ja her u11l1isto ri.scb.
lJic Aufg-ahe <l (•t· Gesrhjchtc ist es viel1 ncl1 r, jede. hislori ·ehe Ge~ tnl-
Lu 11g i11 der ihr ri~c11Li\r111 ichcn D('<lc11 l11ng zu ,,,ürd igc11 t also sie nie-
111:i.l nls eine bl(>!lc \ 'ors ture ir1 llc1r1 i1111 " z.u hcLrnc;IILrn, d a ß sie,
nuchdcr11 die fulgcn,Je Slu fe nus ihr Ct) lsla11dt:r1 und da mit ihr z,,·cck
erfül lt i ·L, qls iil~crfl ii~t- ig gc,,·orden gclte.n rl ar!. Stets is t dns Ganze
<1es belrefrc11(lcn \\,. eruegnn~cs i111 1\ uge zu behalten, ,,·ic es dt1rcl1 die
Gcsa1nthciL sei1JCJ' \\'e:i-cr1llii::l1e11 1'eilc alln,ä ltlich ,rcr,,·irk.licl1t \\'ird,
- 419
l1oluog von dem, , , as Ent,vicklung ein soll, ausgesc hlossen, tind ,inno
fällt der Begriff d er Ent,,riclclung mit dem cles Ge ~hel1ens als cler
,virklic heo Verät1derung zusa111n1e11, d . t,. ,,~ir ko1nnu, n zti dem, \vas ,,·ir
das Historisct1e in1 denkbar 11mfai:-. end ·t.en , re in logiscllen Sinne ge-
nannt haben . Drittens trit.t zu den1 B egriff einer Reihe von \Terän-
derur1ge1) der Gedanke hi11zu, daß die ver ·chieder\e:n ·r eite zu samn1cn
ein Ganzes realisieren oder Bcrlinguogen. rles End„tadiu111s i11d 1 u11d
dadurch ents teht d e t· u111fasscndst,e teleolobri~chc Er1t,vi<~klungst,c,griff,
d et1 ,vir auch der, ko11ditional-teleologische11 genannt haben, tJ11d bei
dem da:- \Vort Telo. nic hts ande res nls da~ Enrle bede ut~t, ohn e
daU irger1d. c i11c \ 1erknilpfung nlit ei11 " 111 \\iertc oder de r Gedanke
eines ge,volltcn z,v 'Ckos vorzulicgcr1 brau ·h,L. \ 7ierte ns ,vird e it1 ei11-
ma.ligcr individueller ,vordegang in d.e r W eise zu ei11er tel eologi ·clte11
Einl1cit zusa.rn111engescl1lossen , dnß rrta11 seine Ei nzigartigkeit uncl Jn-
dividua,l ität at1f eir1ctt Wert, reir1 Ll1coretisch hezieht , oli ne posiLiv
orlcr nega tiv zti ,,·erl en, und auf <liesc vVei~e vcrknoprL _icl1 die Einzig-
artigkeit mit d<?r Einheit eines W erdcgn ngcs zu de m hi~t.ori~e hcn
E11t\\'icklu11g$bc~rift, (!er für jellc s~ r hic hts \,·i ~cni-1•l1a fLti„l1t' Ua r-
st.elh1ng unent.behrlieh i t. Fül1ft.c11~ k:, nn hi1~rzt1 noch eine a uscirür,k-
lic~1e \VcrLlleurtci1ung des ganzen \Vcrdega ngcs od<•r seinPr cii1tzcl~
nen Sta,Jie11 liinz.utrolcrt, die dann i11l1ner posiLiv otler negativ s<i in
mt1ß, und die~e geht ~c hon über die rrin. ,vi ·sen · ·ha!Lliche Aufg::.be
d er Geschic ht(' hin.tu :-, so bcrcchtint sie ,inter ::\n(Jcrcn Gc~icl1l~punkt.cn
at1C"'h ein 1ung. .,c-ch:;tens Jäßt sicll die Ent,vi cklun gs r~ihc so beLrach-
t cn , <l nß cl,ie Zu11ahn1c de~ \Ver te„ ihrer ei nzelf1cn Lu fetl in Pine,11 not•
,,•on, ligen Zu~n.1,11 llt('ll l1a nae mit ihrer 2-ei tlichcn Abfol•Tc :-lcli t. ,vo<lu rch
die Ent,vicklungsreihe zu1,1 l~orLscl1ritl od~·r zur \\l'ert.st ejgeru11g
,vircl, eine Be tracl1t.t1ng~art, deren ,vi :-cn, e h a tLI i<' he Bcdcu,1,ung 11ic r
gar11. probl,c n1,alisch blcibl?n n1 uß. Und . icl>e1\lcr1::. cn,Jlic h l<ann <ler \1/Prt,
dt ·11 <I ie T{ci he real i:iiert, zur z,vcck u r .:;Hc hc gl't1 tr1r- lt t ,verden , !-\O da ß er
S('tne eige11c \ ' cr,,·il'klicl1t1 n~r hcrvo rhrir1 rrL, \\·od1irc- h \:\ ir <lHnn i11 <l as
Gebiet uer ~r el<1 11hy~ik: l,1ir1ei11gerat.e,1. U ·r Vol 1:--Uin(J igkeit hal her sei
n och be111erl~t., naß es sich nicht n t1r \1 n 1 Ent,,vickl\1ng zun1 Gu ten
Sl)Tt<lt•rn nu ch zurn B öse11 l1in hnnctl' ln kn.nn . l)<lch b cd ü rfcu .:lie,:;,e E nt-
an. den kausalen Zusammenhang ·von oocl1 größerer Bed eutung. Wir
brauchen nur an das bekannte Wort Scl1opcnhal1crs zu erinnern, daß
die Kausalität kein Fiaker ist., den man beliebig halten lassen kann,
und e scheint dann auch das feste Band, das die theoretische Beziehung
auf einen \Vert um einen \Verdegang legt und il1n damit ztl einer
not\,reodigen Einheit Z\lsammcnschlicßt, ,,,ied er gesprengt. zu ,verden.
J ede individuelle Ursache, die wirfeststellcn , ist selbst ein i11dividueller
Effekt, der ,,-iederum seine individuelle Ursact1e hat, und d enken wir
darru1, daß kei11 historisches Objekt ohne die indivjdt1elle Beschaffen-
heit einer anderen individuellen Ursache so sein ,,iirde, vrie e-F- ist,
so ,,1ird sich die Beziettung zu dem Werte, die oinen \Verdegang zu
einer historischen Entvvicklung macht, aucl1 auf die indi,-iduelJe Ge-
staltung der Vorgäng,e übertragen, die, ollne durch ihren Inhalt für
den Wert ,vesentlic h oder bedeutsam zu sein, ka11sal mit il1m verkn(lpft
sir1d. E s muß dann ,crster.1s jede Entvricklunf.rsreil1e in die Vergangen-
heit zurückverfolgt:. ,verden, und z,vei tens schei11,t sie, ,,·enn unser
Kat1salitätsbedürfnis befriedigt sein soll, nicht n ur in der Längen-
dimension sonder11 auch in der Breit.endin1ension zu ,vachsen, denn
ein gesohicht.licher W erdegang ist ja nicht nur in j.edem Stadium
von vorangegangenen Ereignissen sondern auel1 v on gleicl)zcitig mit
ihm ablaufenden. Vorgängen kausal bcstirnmt.
Wir \VCrd.e11 also noch cir1cn neuen Begriff ejnfuhrer1 1nüssen 1 11m
die logische Struktur der Darst ellung l1istorischer E.o tv.ricl,lungs-
reil1e1a vollständig zu verstel1en, und z""•ar jst es not,vendig, z,vei
\
Arten von bisto•t·ischen ln•dividuen at1seinander zt1 lialt.en.. Die
einen haben eine direktet die andern eine indirekte, d. h. nur dt1rch den
kausalen Zusa mn1enhan g vermitt e l t, e Bcz.ict1ung auf d en leiten-
den Wert, und so können ,vir v on primären und se ku ndären
historiscl1en Individuen sprecl1en.. Im einzelnen ,vird es nicht immer
lei cht seio, anzugeben; ,vclche historischen Obj.ek te zu d er eincnt
welche zu der a11dern Art gel1ören. E s kan.11 vorko1n1nen 1 da.ß unter
d cn1 einen leiten.den \>Vert.gesic11tspurikt ein l n.dividuu111 primär lusto-
risch ist, dein ur1t.er cinern andern lediglicl1 eine sekundäre l1ist.orisct1e
oder überllaupt k,eine ge chichtliche Bedeutun g zt1kom1nt. So ,vird
z. B. Friedrict1 Wilh cl1n l . filr die GeschichLe der Phi losophie nur ein
sekUJ1dä.re. In teresse l'>esitzen, insofern er die Schicksale Cl1ristian
Wolffs he •in flu ß t. hat, Iür Prc11ßcr1s pol itische Ge clucht.c d.agege-n
cir1 c1ni1.1c11t priu1ä1,es Ilist orisclics l11dividtlUJ1ll sein. \ 1on '\\'enigen
l ndividue11 ,,·ird n1an s.-1gc11 l<ön11en, daß . ie 11nLer j.eden1 Gesicht.s-
- 429 -
Entwicklung auch 1J1it Rücksicht auf die sekundär l1istoriscl1en Be-
s tandteile klar zu le.g en.
VI.
D i e n a tu r ,v i s s e n s c ll a f t I i c h e n B e · t a n d te i l e i n d e n h i t o-
r i s c h e n \-Vi sseosc l1aft c n.
Die bis herigen . ~usführungen
. sollten den Unterschied der histo~
rischen von der natur,vis enscl1aftlici,en Begriff bildung . o '-Charf
,,rie möglich l1erausatbeiten. Die Aufrnerksan1kcit ,,·a.r dal1or nur auf •
- 430
111achen. E isl r1ürr1lic.ll nicht in allen Fällen der Urnstand, daß eine
(,e::,cl1i cllLliche Darstellung ihren Gegenst.'lnd mit eine1l1 a1fge111ei11en
la111er1 bez-eic h11et., a l~o sicl1 nich.t clirekt auf ein einzclaes l ndividuum
engste berühren, gehören nicht zu dem, ,vas wir einen relativ hi tori-
schen Begriff nennen wollen. Die Konstrukt.io.nen. von Idealtyr>en
tragen, wie Weber selbst ausführt, den Chara.k ter einer Utopie an sict1,
die durch gedatlkliche Steigerung bestimmter Elemente der Wirk-
lichkeit ge,vonnen wird. ,,In seine.r begrifflichen Reit1beit ist diese.s
GedankenbiJd nirgends in der Wirklichkeit. empirisch vorfi11dbar,
und für dje l1istorische Arbeit er\väcl1st die Aufgabe, in jedem einzeJ-
11e11 Falle festzustellen, \\1ie nahe oder ,vie ferne die \Vit klichkcit jc·nem
fdealbilde stel1t, in ,vie ,vei t also der öl,onomiscbe Charakter der Ver-
hältnisse einer bes.ti1n1nten Stadt als stadt,•tirtschaftlich i1n begriff-
lichen Sinn.c anzusprechen jsl'' 1 . Docl1 liegt e - nicl1t in u11serm Inter-
esse, at1f die Iogiscl1e Strtikt.ur dieser, zttnl 1'eil ·a ußerordentlich korr1-
plizierten historiscl1er1 Begriffe näher einzugehen. Wir l(önnen in
diesem Zusamrnenhange von den Idealtypen um so el1or ab~eJ1en, als
auch \Vcber hervorhebt, daß sie nicltt als Ziel sondern als ~1itte1 für
dio l1is.Lorischo Durstellung in BeLracht ko111mer1. Nur auf ein Bei-
•
spiel s,ei hi11gewie.sen, das zeigen muß, vvie ,venig ,,,.ir es bei ge,\·issen
Begriffen, die allget11ei11 sind, scllon mit natunvis enschaftlichen Gat-
tungsbegriffen zu tun haben. Ka11n 1r1an c.lem l1istorischen Begl'iff des
Deutsclicrl einen 1\fann wie Luther als bloßes G:1Lt ur1gscxcrn pJar unter-
ordnen, so daß LuLl1cr nur durcl1 dn.s ge chichLüch ,ve:;cntlich ist,
,vas er nüt aller1 Deutschcr1 gemeinsan1 hat? Kei11 VersLät)diger \vird
dat- behaupte.n , denn ,venn dies der Fall ,väre, so hätte kein Historiker
Ver~tnlassur.ig, von Luther 111ehr zu erzählc.n als \rOn l-linz und l{u11z.
,,,.as meinen. ,vir ,.riclmel-lr, ,ve11n ,vir Lullier einer1 ,,ecl.11,cn'' D·eutscl1en
nennen? Wir sirid daran ge,,·öhnt, gc,visse, dem l ndividuun1 LuLl1er
vor allen zuko,nn1ende Eigc11lün1lichkeilen als det1l-. eh Jberhaupt
zu betracl1tcn, und \Yir haben l1ierzu insofern eir1 Recht, als diese Eigen-
art, seilclen1 Luther gelebt. hut1 für uns in den l dcalh er:rriff tles Deut,..
scl1en überhaupt als den eines Vorbildes, also• grade nicl1t eines ldeal-
l)1fJ u s in1 Sinne \.Veb.ers, übergegange11 sind. Dieser historische Be-
griff ist, später durcl1 a11dere lndivicluc11, v.·ie durch Guctuc und <lann
du.rcl1 Bismarck, im1ner n1el1t' bereichel'l "''otde11, und es kli11 •t nun für
uns heute bei den1 \,Vorte Oct1tsch eine Fülle , ron I11hal t an, der ge,viß
nicht on einert1 Du rch cl11•ittscxcrr1pla1· eines Deutsch.en sondern nur
0
an den ein zelnen großen l\Iän11cr11 ,virltlicl1 zu fir1<l ct1 ist. liat sieb dann
aber cir1n1al au f diese \1/ei.e ein hisLorisch,cr Begriff durch Zusa11u11e1t-
fassu11g der Eigenart rnel1rercr hi toriscl1 ,,·esentlicl1er Individuen
l !:\,I . \\'" 0 1) Cr' EI . n . 0. s. 6[>.
Durcl1scl1nilt einer Grup•pe erkennen lassen, also nur als ' ' ertretc.r
ihrer Gattung historiscl1 '"'oscntliclt " rerden. Solclte Bcg1·iffe lassen
sich an Scl1riftstilclten aus früh eren Jahrhun.dei-ten,. z. B. an einer ein-
zige11 R ecl•nung bilden, die a} cinzigc-s Individuum gar keir1e Bedeu-
tung haben würde sondern gerade dadurch historiscl1 ,,,csentlic}1 wird,
2sr
een sogar noch \Veiter gehen. Sind auch bistorL.c.he Begriffe allgemein,
so cheiot es keinen Grund 1.u geben , \Varum sie nicht so in Beziehunge.n
zt1 einander treten sollen ,vie die Begriffe einer nat.ur\vissenschaft~
liehen 1. .11eorie. Es ist denkbar, dnß einige von ihnen durcl1 ihren all-
ge1neinen Inhalt in der \Veise zu einander gehören, daß sie zusammen
ein Naturgesetz bilden. I\ehmen ,vir an, es slände fes t , daß \VO immer·
beetimmte Objekte sich finden, dje unter den Naturbegriff A zu b1ingen
1
sind, mit n aturgesetzlioher Not\.vendigkeit andere Objek.te entstel1en,
d ie ur.lter den Naturbcgrilf B fallen, und es würde nun in der Geschichte
ejn relativ historischer Begriff gebildet, dessen allgeniciner Inhalt
mit A übereinstimmt, so müßte sich daraus ergeben, daß auf die unter
A gebrachten ges.chict1tlichen Ereignisse mit naturgesetzlichcr Notr
1,·endigkeit geschichtliche Er•eigrusse folgen, die so beschaffen sind,
daß sie unter B gehören. Dann aber beslände kein prinzipielles Hin•
dernis mehr, aucl1 zur A,u fst ellun g von den so lebhaft ge\vQnschl:ien
,,l1istorischen Gesetzen" zu k on1n1on. Die e enthalten nur sola.nge
einen logjschen \Vidersinn, als sie für da absolut Historische gelten
sollen. Mit dem BegriCf des relativ l-Iistori cl1en scl1eint eine gesetz.es-
wissenschaftliche DarsLcllu11g d er Geschichte sel1r gut verein.bar.
Kul"z, man kann n1einen. daß, ,venn die Ge::;chichte \virklich nur mit
relativ historiscl1en Begriffen arbeitet , es nicht 1nehr m<>gLicb ist,
dern Eindringen der naturwis ·e11schaftlict1en Begrilfsbil,d11ng in sie
irgend eine Grenze zu setzen .
In der 1'nt , derartige Mögliclil-cei tcn Jas. en sicl1 oline ,,,eiteres
n icl1t zurilck,veisen . Aber die Grenze Z\\'j chcn Natun\•issenscl1aft
'
•
und Geschjchte ,väre d·oct, durch sie nt1r dann ve,,,; c}tt, ,venn man
zeigen könnto, daß sie auch in u1etl\odologische G r u n d s ä t z e
un1gewa ndel t ,,·erden dOl'fen, ttn•d zu einer En t.scheitlung 1\icrüber
kon11nen ,,<ir erst rJ urcl1 die Beant,vortuog folge11der Fragen . Ist
durcl1 den Umstand, daß ei11 l1istor-ischer Begriff cjnen a llgemeinen
l nlialL hat, auclt cl1on et.,,•as an sei11er loni~cl1en St r u k L u r, d. h.
an dem Pri11zip seiner durch \.v'ertbeziehung entstandenen Einl1eit.
oder der Zusamn1engcl1örigkcit seiner E lc n1cnic gcä11d~rt ? I · ur dann
,,·ürdc man sagen kö1111 e111 daß , ,,,eil ein Begriff zutn JnhalL das n,lcllreren
Obj ekten Ge1ncinsan1e hat , er auch nach n.:itt1r,visscnschaftlicl1cr
)1 c t. h o d c g bildet ist. 1l a.bcn \vir fer11cr ein R ccl, t , vor a Ilcr sach-
lic her, UuLcrsucl1ung zt1 behaupten, da ß die Dn.r·stell,1ng eine ge-
, cllicl1llic hcn Ent ,vickh.ingsgn ngc. 1 di o nur Bcgri[fc 111it allgerr,ei11eu1
Jr1 h.ilt bP11 utzt, alles hi -to risct1 '''esc1tLlicl1e crscl1öpfen kann? Dann
alJein, ,verm dies der Fall ist, dürfte es sich der Historiker zum Grund-
sat.z machen , nur allgemeine Begriffe zu bjlden. Setzen wir aber
sogar einmal voraus 1 es bestände ein Rect1t zt1 dem Vers-ucl1, in der
Geschichte nur relativ historische Begriffe mit allgemeinem Inhalt
zu verwende11, so muß noch eine drjtte Frage gestellt ,verden. Lä.ß t
sich ein einmaliger Ent\vicklungsgang in seiner T otalität so darstellen,
da.ß die nur relativ historisclten Begriffe seiner verschiedenen Sta-
die11 aucl1 unter einander in einen natur\"issenscha!tlichen Zusam-
menl1ang gebrach.t werden können und d.adurch also historiseh.e
Gesetze c11 tstehcn ? Ist es ·nberl1aupt n1ög)iel1, daß für das historische
Ga n z ei das dargestellt. \.\rerden soll, und nicht nur ftir seine Teile
Begriffe mit relativ histori cl1emt also allgemeinem Inhalt genügen?
\iVenn auch nur dies eine a.usgeschloosen sein sollte, bJiebe von der
Möglichkeit, die Geschichts,vissenschatt zu einer generalisierenden
Naturwissenscl1aft zt1 machen, nicht mehr viel übrig t denn das allein
kann entscbeide11d sein, ob das Gatl.zc einer lii toris.chen Darstellung,
die das Ganze des darz.ustclJe11d,en historischen Objektes uinfaßt,
der1 Charakter einer genera)j ie1·e1,den oder ei11er individualisieren.d en
Darstellung l1aben muß.
'\Vas die erste der drei angedeuteten Fragen betrifft, so kann man.
es einc1n aus eiern gcschicl1tlicl1en Gedankenzusammc11l1ang l1erau:s-
geiöste1\ relativ historische11 Begriff nicht mehr ansehen, welches sein
Einheitsprinzip ist . aber die Logik clarf sich aucl1 nicht mit solchen
vcreinzclLen B egriffen abgeben . Sie rnuß vielmehr immer berücksicl1-
tigen1 ,velche Aufgabe ein Begriff in dem Ganzen der Darst ellung er-
füllen soll, in dem . ie illn findet, und dann zeigt sich sofort, daß auch
die relat iv historischen Begriffe trotz ihrer inhaltlichen AlJge1neinheit
erstcn.s individtialisierende Begriffe gcnaru1t " ·erden müssen, un.d daß
z,vcitcns die .E inheit ihrer Bestandt.eile und die Zusammengehörig-
keit il1rer 1 ,Merk111ale 1 ' ebenso '"'·ie die Einheit eines absolut histori•
scl1en Begriffsin.h altes auf einer " 'ertbez.iehung beruht. Nennt man
d en Inhalt der speziellen nalurwisser1schafLlichen Begriffe reJaLiv a.ll-
gen1ein, so ist der Inl1alt. der relati,, historischen Begriffe als relativ
individuell zu bezeichnen, und cliescr Begriff des 11 relativ l11djviduellen''
entJ,ält nicl1t et\Va, \\1ic man meinen könnte 1 eine·n Wiclcrsprucil.
Die \Virklicl1li.ejt selbst ißt freilich i1ntner absol ,uL individuell, und
man kann daher nicl1t v on relativ indi,riduellen O b j e k t e n der
Geschichte sprect1en. Gan,z anders dagegen steht es mit der lndi-
vidualiUil eines Bcgrlffsinhaltcs urid n1 iL der Frage, ob er einer genet·a-
- 4.40
darauf1 daß er das mit Rück icht auf die lcit.cndcn \i\i'ertgcsicl1ts.p unkte
der gc~chichtlicllen Darstellung \\''es.entliehe cnLhäll, denn das und nur
das 1 ,va::i ir1 c!er angegebenen Weise :t.u eine1T1 Indi,,icllturn, d. 11. zu einer
Jurch il1rc Eig nart ei11l1eillichcn ~lannigfalLigkcit ,vird , gc•hört in
,ei11en hj -t oriscl1en Begriff, gleir l1,·icl ob er absolut otlcr rela t,iv h i lo-
risch ist. Die Gcschjcht.c ,vüruc kein Intere..i:;~e an cincrr1 .allgo,ncinen
Begriff habe11, de·r r1icl1t. eine solcl1e auf WerLbeziel1 un.g herul1encle
Einh eit besitzt. Sie kn1111 ich ja n1it relaJ,iv hi. Lori..chc1\ Bcgrjf(en
r1ur uar1r1 bcgnügc111 ,vc11n rlas für ·ic \VcsenLlicl,e ~icl1 an allen l11di-
vi<luen einer besLi111111ten Grt1ppe fi1,tlel ur1d tlnher ei1t allgentci11er Be-
griff schon die histori cl1e lndi'\~jrlualitäl der Gruppe er chöpfcnd zum
Ausd ruck bri11gt. Niernals ,,,ird e3 iln· ci11fal Jeu , ,,·ic die Natu1...,,·isscnschaCt
ei11cn Begriffsinllalt r11it Rück:-icht darat1f zusnn1111enzusLellen, daß
er <1Hs ei11cr 1\1ehrheit vnn I11uividt1en Ge11 1cin ame un1fas::1 cn so 11,
also <las P1-ir1z.ip cJcr Gcr1cralisi1tio11 zur Gru11dlage il1rcr Begriff~bildung
zu 1l1ache11. \Vcnn es daher in der Gcschicllte in1n1er \~'erl.gcsicht.s-
punklc sind, die darüber ent..:c: hciden, ,,-as \\'Csc11tli,;h isl uncJ ,,·as nicht,
;\lachen ,vir uu dies 11ocl1 a11 einem B eispiele klar. \,Tenn die
Geschicl1te der Entstehung des Deut.selten Reiches zu schreiben ist,
so könnt.e je111und vielleicht s agen, die Einl1eit Deut.schla11ds sei
,,ein,fach die \Virkt1ng des Strebens einer kulturgeeinten Nation''
und die Erklärung der Einigung ,,liege in all den Faktoren, die jen es
Streben der l\1assen erzeugten, nicht aber et,va in dern Geiste Bis-
marcks'' 1 . Die Konsequenz daraus '"äre dann, daß auel"l ohne die
individuellen Ei11,virkungen einzeh1er Persönlichkeite11 \Vie Bismarcks,
Roons, ~ 'ilhelms I. us,v. ganz sicher et,vas entstanden \väre, ,,ras
un:Ler den Begriff ,,einllcitliche-S Dcutsct1cs Reich" fällt. Aber selbst.
,venn nian diesen SaLz für richtig bielLe, wäre durch den a.Jlgerueinen
B egriff, d er sehr viele denkbaren individt1ellen Gestaltungen eines ein•
t1eitlichen Deutschen Reiches uri1faßt1 und der jedenfalls nicllts von
dem enthalten darf, ,vas nt1r den genannten P ersönlicltkeiten eigen-
tümlich ist, das luslorische Interesse an diesem Vorgange erschöpft?
Ein Historiker \Vürde ,,·ol1l irutrler sagen,. daß das ,,Streben einer kul-
turgceinten Nation.•• z,var eii1e schöne Sacl1c sei, il11n aber v,on der
hi~torischcr1 Ent.<stel1ung d es Deutscl1en R eiches so gut ,vie nichts
verrate. Der Geschicl1te komme es niel'it darauf an, da ß irgendv.1 ann
ein1nal et,vas en.t sta11den sei, das ma11 einl1eitlicl1es Deutsches R eich
nonr1en ka1111, sondern gcraue d as sei historiscl1 wesentlich, v.rie in
diesem bestiu1mten Zeitabsch11itt, durcl1 diese ganz besondere11 und
individuellen Ursachen, in die-er ganz b esonderen u11d individuellen
Gestalt das Deut.scll.e Reich v.·irklich ,vurdc. Dat}o aber n1üsscn auch
f
die Be ondcrl1eiten un.d lndiviclltalitäten der gena1111te11 Persönlich-
keiten, tlic absolut einzig sind , al his toriscl1 eminent ,,·e entlieh in
0
1 , ·i;t 1•. C11 1np l o wi c1., So1.ioh.1aic und Polilil{, 1890. ·. 64.
eine oder die andere Jlcrsönlichkeit durch ihre Indi, 1 idualitüt mit bc-
stimmcncl ge,vescn i ·t, und ob nicht iofolgedf's. en <lic hi. toriscl1c
Darst ellung da1u-1 auch Ao:-olut historiscJ1e Begriffe zu bild,en hat.
Diese Frage aber kann ma11 a.us logischen. Ge ichtspunk t.en ni cht ver-
neinen, und ebe11so,ver1ig da1·f die ?\lethorlenlehre es bcstrcit..cn , \\'Cnn
jemand sagen wollte, es s~icn für ntanche Stadien in der Ent,,•icklung
clie individucller1 Eigentümli chkeiten auch solcher P ersönlicl\kcitcn
,vio z. B. Lud,vigs II. so ausscf1la.ggcbeod gewesen, claß gerade eine
Darstellung, die uns cJen l1istori_che11 Kaus alzusammenh.ang kla.r legen
,,,ill, , •on il1ne11 bericht.en muß. Die · ist dann keine logische sondern ei11e
ltisto rjscbe Frage, u1tcl d.ie Geficl1ict1te ka n11 sie ol1ue Bc1·ücl( ichtigting
cler Individualität Lud,vigs II. nicht cir1111al verneinend beant\,10rtcJ1.
Auch die Frage nact1 der Becleutung der großen Persör1liclllteile11
in der Gcschicl1te enthält i-on1i t kein logi~cl1cs so nder·u ein ltistorisches
P1·oblet-ll. Die Logik kann nur sagen , da ß jecle 1' heo1·ie 1 die die Bedeu-
tung dci:i ein zelnen ,,a pr-iori 1 ' f ür alle F älle leugnet, sinnlo i. t , un·d daß
gerade zu1n Verstätldni~ des kausalen Zusam1Tienhanges die l{cnntnis
ein~elncr 1\fenschcn in ihrer Individuali tät oft gar 11icl1l entbe}1rt
werder1 kann . l\fag der Einzelne nt1cl1 11ocl1 so . ehr , ,on !-Ci11e n1 ~li licu
abhängen , so bedeutet er docl1 fü r die Gcscl1ichtc imrr1cr d adurci1
et\vas, \\'US er selbst. ,va r,. und wodurcl1 er j11dividuell ue,virkt hat. Uncl
gilt es schon für jedes beliebige Objekt, daß es gegen{iber seinen Ur-
sncl1e:n ct,vas Neues ist , so ko·rnrrlt b ei den Per önlichkeitc11 rtocb el\\fas
Be::;.or1dores in Betracht., da u11s ,,,a.rne11 sollte, il1 re historiscl1e Bedcu-
tl1ng zu 1J1lterscl,üt.zer1. E s kann nicl1t nur ih1·e Ir1dividualitä t nicruals
in der Individualität ihres !\'.filieu aufgehen, denn dann ·n1üßtc ja der-
selbe ,,Zeitgeist ' ' lau t.er einander ,,gleiche" Individuen l1crvorb ringen ,
d. h. solche Individuen, die tnit Rock ieht auf dies.elbe11 .E igenscha ften
hist oJ'iscl1 ,vesontlich ,,,erden, sond ern es is t umgekehrt viel eher mög-
lich, daß eine einzelne Pcrsö.nlicl1kcit da Gepräge ihrer individuellen
Eigenart ihrer U11lgebung oder ih rer 1 ,Zeit. 11 au fdtiickt , weil sie 21 ·ug-
gestiv" ,virkt und nachgeahn1t ,vird 1 uncl cla11n haL cli-e Gescl,ichte,
um d en Zeitgeist zt.1 verstehen , vor a lle1.r1 die Individu alität der , 1 fü h-
rende11 Geister 0 zu erforscl1en \1nd zu zeige11, wie das rein Ir1dividuclle
allmäh}j ch in die l\las.sen übergeht. Eine solcl1e Darstellung a ber ist
nur mit absolt>t historiscl1en Bcgi-iffcn n1öglic h .
Docl1 ,vir ,d ürfen diesen Punkt 11och nichL verlassen, und ,vir l1aber1
a11cl1 das socbe,1 gebrauchte Beispiel absicltllich so ge,vählL, daß es
ttns noch ztt einer andern Seite der Fr,tge hinleitet. Die An hä nger
li. mu · zuliebe, der a llerd ir1g:; eine andere als die 11aLur,vis. enschaft-
Jichc, ge11crali~iere11clc 1\'letl1odo 11icht a11erken11en kann, dte g'lün ze11dsten
Leistunge11 , die die Geschicl1ts,vi::ise11scl1aft Oberhaupt aufzu,,1eiscn
0
sti 111,ncnd sind , ,,,as in der ,veitcren Ent,,,jckl\Jng für den Darsteller
das \iVe entl iehe i t: da. Scliick ..,1 de: l\lenf.c hengcschlcchts.
~Jan ,vircl vcr:--tel,cn, daß es fi.i r eine logi. ehe Unters11chung
keine leere Spielerei iist, ,, •cnr1 _ie sicl'1 nun statt der biblischen eir1e
,,·is. cnschaftlicl1e Darstellung der1kt1 in der das er~te Auftreten von
I .it~f1t üherltaupt ein ,ve!-lcntlichcs St.-adiu111 der E r1 t,vicklu11g bedeutet..
Es kon1n1t nä1nJi cl1 für urts darauf an, ob man da1ln in1sta11de ,,rä re,
clie-s gcschicl1tlicl1e Ereignis, das cloclt durch einen sehr allge,nei:nen
•
Begriff nusrcicl1cn<l gckennzeich11et ist 1 auch naLur,visse11scl1aCLlicl•
z1.1 erklä ren. Die Optik kön11te die~ of(enb<lr r1icm11.l~, denn il1re Auf-
'
Aber nicl1t nt1r die Grenzen der na:tur,vi. sens ltafllicl1en Begriffs-
bildur1g ,verden " 'icder deutlich, t,·enn ,,•ir danacl1 fragen , ,vas die
Ent,vjckluJ'lgs g c s c 11 i c lt t e des organiscl1en Lebe•1s eigc11tlicl1
natur,vi::.sensc hafUich begreift, so,n dern es Jäßt sich auch dartun ,
daß die hi torische Biologie sogar die positiven l'\.cr1nzeichen der
.
i1istoriscl1en !\lclhod ~ au f,veist. Insbesondere bei H aeckel zejgt die
.Ent,vieklu11g~reihe d.e11tlich den Cl1arakwr eines \,·crthezogcneo
historischen Zl1sarn111cnhanges, i11sofern sie zu111 ~len cllen ltinfUJ1rL,
und z,var ko1nmt d.cr ~tensch hier nicl'l t nur a.L n atun,·is.scnschafL-
liche Gatlting in Betracl1t so•n <Jern auch al ,,höfhste", d. l1. als ,vert-
'\- olJst,e Stufe des Organiscl1cn. So wird die ganze Ge.schichte des Le-
bens nicl)t nur t eleologiscl1 über l1at1pt sondern \Yertteleologisch
gefärbt. Da ß derselbe 1\ utor 1 d er so d arsLcllt., jede Teleologie a blehnt,
ist ge,viß kein Einwancl gegen un ere Theorie oncler11 1ecliglich ein
Zeichen für die unge\\·öbnlicl1c Unklarheit seiner Begriffe. \\l'ese1lt.-
lich ist zunäcl1st die Ent,stel)ting des Lebens überhaupt. E ~ ta11cht
.at1f in Gestalt der 1 ,1\Ion.e ren'' , dere11 Begriff aus de,11 best.el,·t,1 was derr1
Org~nischen. im Gegensatz zurr1 Unorganischen cigentiin11ich ist. Sei11e
Bestandteile sohließe:n sicJ1 dadurcl1 zu einer Ei11heit zt1samrncn 1 daß
sie die Besonderheit des L ebendigen irr1 Gegensatz zur tolen l\>1aLerie
zum Ausd ruck bringen . 4.\uf die ~fo11ercn folgen als 1\veitc ,,Ahnen-
stufe'' des ~fc11scher1 die Amöben, die dttrch ih re inJi iduello Bosor1-
do1·l1eit den Moncren gcgcnilber insofern eine Bede11t11t1g gc,,,innon, als
ihr „Form,vert" bereits dt">111 Ei des A'lenschen gleicht. Dann kon1rtlcn
•die l\1orcadc11, die ""icder einen n euc11 „Ji'or,n·y,•ert." l,abPn us,v. U:-.\\' ,
Es ,vir<l alBo (la5 folg1•r)d c Stadiun1 i1111ncr dur{'h da Lt·lcologiscl1
Neue ch.a rakterisierf~, rl li& es dem vorangf'ga11ger1en • t0Jiu111 ge"'enübel'
besitzt., un(i 'Z\\'ar zu ,n. 'f ei I allsdrOck lieh 1111i t, J'.:lücl-i. . irll t -clnrau r, d nß
die Rci.lle ~cl,ritt, rilr Schril t sirh de1n ~Iens~hen al de111 nl Jöhc1>un l<.t' 1
·d er EntY.ricklung 11~ihert, also cina \.\i"or tstcigr rung <ln r~Lcllt. t~l1 r
cha ralif.cristisrh i t attch, daß 1 ,veil 1.,vi. chen der leLz.te11 UJ\d dritt-
letzt.c11 Ahr1ensLufe <las , •o rh nndl'tle ~laLcri:.111 eine Lüclir. läßt, hic1· ein
Begriff ~,us l\·l erkma lcn kor1..:truieJ't '"·il'd , die sicl1 ,,·icdt"r zu cir1er
teleologischen .Ei11heit insofcr11 zusarn1nensc hlicßen 1 als Organismen
gerade mit dieser Indiviclualität existiert halJcn müssen , u1 n die l1j to-
rische Kontin uität z,\·i::;chcn Tier und l\lcn eh hcrz11. tei len. So trägt
die ganze ,,uatürliche . 'chöpiu11~~g·e~r;hichte' 1 , trotzdcn1 sie 11ur rela-
-----
Ccn.ogPOC o, ~: rgcbni:-~e cJur .~natornie 1Lnt.l 'l ~nl ,\ ick lu11g,gc•;.~liichle, 11d. V ll,
s. ?Qi! rr.
,,typische11", ·d. h. durc·h c.h aitt.licl1en \.\ict·de.ga11g c11tl 1ält, und damit
l1ätte 1nn11 clarlll e11d lich auc h das gesticht.e Gesetz cler Gcsclticl1te
gefunden. Diese logische 1\-löglichltciL lcann selb:;tvel'ständlich nicl1t
bestriLtcn ,v(}rclc n 1 a ber es isL nur z11 bcfürch Len , daß, falls die Ge-
scl1ichte sicl1 au f diese Au rgabe l)cscl1räuken ,volltc, nic mnnd sie
111ehr „Geschichte'' 11e 1111cr1 ,vorde, uc11u sie kö11nte <laun nicht r11cl1r
vou tl e111 erzä hlen,, ,vas bei <lcn C ricchcn anders ,var als bei clc11 Deut-
sche11, bei cic11 Frar1 zose11 ar•rlcr als b ei d<'o EngH.1nder11, uud es hat
4
11
,vohl 11och ni cn1at1 l-f eiue11 \ ·ersuch g,·111af:l1t, ,Gescliichte in diese111
Sinne zu ehr •ibe11. Das, ,,·as dabei liera,usl~itrnc, \Vi.i~e GcseU.ct1nft.s-
..
Arbeit.er folgt, ttnd daß bei anderen Völkern sicl1 ebenfal ls olche 1
Organi1:H,tio11cr1 a ls Effekt ei11steller1, deren historisct1 er chöpfende
Darstellu,,g unLer <le11sclben relati,r bistori.cl1en Beffriff fii llt. Dnon
kö1mte 1nar1 sugen, claß l1ior ein n a tu r n O· t ,v c n d i g e 1· Zu.sau1mcn- •
l1ang z,vischer1 z,vei relativ historischer1 Begriffen bf'..slcl1t1 ·u nd es ließe
sicl1 ein G es e t z über den Zu~an1111enha11g sozialrcvolutionä rer
Be,vcgungen mit ge,visse11 Arbeiterorgani::,aLionen aufstelle11 1 in dem
alles hist oriscll ,vicl1Lige zurr1 Au „clruck l<än1e. Ert•.i l,t si<' h hieraus
nicl1t noc'h ci11 netles Prolllc,11 fiir ,lic l.,ogik der Goschichts,vissenschaft, 'l
i Jan haL,viedcrholt die AufsLelJung derartiger Gcsct ~e für 1'Iassen-
be,vegunge11 verst1cht. Oh sie inhaltlich ricl,t.ig sind , kü111n11~rL uns hier
nicht, denn es gc11ügl, duß sie l,einen logischen \\fidersprt1ch ent-
halLcn . rur darauf ko1111r1t C:i ar1 , oh ,virk.lic h die G c s c h i c 11 t e
ihre eige1ltliche 1\ufgnbe in il1rer Fcstslel-lu11g crbliclcc,, kan11, u1l d ob ,
wir das l1echt. hab,c11 1 dabei von „hi~torischer1 Gesetzen'' zu reden.
Geschichte 1tlc1'1t alle Individuen sondern nur die mit Rücksicl1t auf
einen a 1 1g e m e. in e n vV e r t wesentlichen dar tcJlcn, doch die
Dcz.ichu11g auf ibr1 macl1t d•en In11alt der Be-gri ffe nicllt allgemein,
sondern die allgemeine Bed eutung der l>istoriscl1en Objekte haflet
gerade an il1rer Individualität. Drit.tcns bctracht.ct die Gcscl1icl,ts-
,,rissenschaft niemals dj e lndi,ridueI1 isoliert, ,,tie die gcneraljsicreJlden
\\' isscnschaft,crt dies tun , sondern in einem n 11 g e 111 e i n c 11 Z u-
s a 1n n1 e n h an g. aber dieser ist "viedorum k ein Begriff 1nit all-
gemeinem Inh alt sond ern scib~t eine individ uelle \Virklichkeit 1 und die
Einord nun.g eines lndividuurn~ in das 11a llgcmeine'' Ganze, zu <lern es
gehört, darf nicl1t rnit seiner nterord11ttng ur1tcr einen all gen1cinen
GattungsJ)e 1orriff ,,er,,,ec·hsclt ,verden. In den Z\vei letzLe11 Fällen
also kanr1 man nicl1t ei111rlal vo.n n.a turwisscnschaftlichen Bcsta.nrl-
t eilen innerhalb ein.es historischen Gcdanker1zusarnmcnhnnges reden.
Erst ira dem , ,icrtcn und letzten Fnll, ,veon die Gcschich te cir1c: G r 1"1 p p e
von InJi,ri<luen so zusa111111c11faßt, daß jedes einzelne al gleich bcdeut-
so n1 gilt, bilrlct ie inhaltlicl.1 allge111eine Begriffe, aber eine natur-
\Vissel)schaft lichc l\I e t h o d e verwendet sie auch in di esem Falle
nicl1L, denn die relativ hist..oriscl1enBegrirfe haben 1)icll t den z,vcck,
clic „allger11eine Natur" der ihnc.n ur1icrgcordnclen 0 .bjckte zun1 Aus-
druck zu bringen. Ihr In·h alt soll v iel,nehr die historisclte IncJividua-
liUit eir1cr Gruppe von Objekten dnrste llen 1 ,lie alle dttrch diesel ben
ZOge i1i to1 .isrh ,ve crl'tlicl1 \.\'Crtlen . Sie sind clo her 11 J1istorischc'·1 ,
.d . h . in clividuali~ieren,d dt1rc.h \Vertbezieh1tng gebildete Begrirfc
11 i c lt e r t , O rt>nzon. 2. Aufl. SO
schon dort die von Ritschl geforderte dreigliedrige Reihe. ~lit ihr-
konnten wir uns freilich noch nicht begnügen. Wir mußten sje schließ~
lieh zu einer v i e r g J i e d r i g e n R eil1e ausgestalten, denn die
Begriffe mit relativ h:istorische111 und relativ allgemeinem Inbaltr
,die, solang,e sie n ,u.r auI ihren Inhalt hin betracl1tct werden, zus~mt11en
zu fallen scheinen, können zwei logisch verschiedene wissenschaft-
.liche Aufgaben lösc1i, und ihre Elemen.t e sind dann auch durch zwei
verschiedene Einheitsprinzipien v erbunden, je nachdem sie die relativ
allgemeine ,,Natur' 1 der unter sie fallenden Exemplare einer besonderen
Gattung oder die relativ besondere ,,Gescltlcbte'' der durch ge1neinsame
Eigenscl1aften historisch \\·esentlichen Glieder einer bestimmten
Gruppe darstellen. In dieser viergliedrigen Reil1e der absolut und der
relativ naturwissenscba!'t]ichen und der absolut und der relativ hist o-
•
rischen Begriffe findet dann jede·r na.t un,issenschaftJiche und jeder
historische Begriff seinen Platz, möge er inl1altlich nocti so individuell
oder noch so allgemein sein. Alle Ein,vä:11de gegen unsere Darlegungen,
•
die darauf binausl<.ommen, es ,verde die Bedeutung des Allgemeinen
.in de11 Natunvissenschaften und die Bedeutung des Individuellen in
den Geschichts,vissenscbaftcn üherscbätzt, sind d-0shalh v.ollständig
gegensta.n dslos. Sie beruhen auf einetn ~1ißverständJ1is der llauptah-
s.i cht unseres Versuches. Gerade darauf kam es uns an, die mit den
denkbar speziellsten Begritfen arbeitenden, natunvissenschaftlichen
Tl1eorien genau ebenso ,vie die rrlit den denkbar umfassendsten all-
gen1einen Begriffen at·beitenden historischen Darstellungen logisch
zu verstehen. In welchem l\f aß e die Beg.rille der Natur,vis en scbaft
individi1ell oder allgemein, die Begriffe der Gescl1i-chLs,vissenschaft
al1geroein oder individ,u.ell sind, ist, \venn es sich u1n die verscbiedcnen
Gebiete der Einzelforschung hand.clt, nicl1t mehr Sact1c der Logik
sondern lediglicl1 der empirischen \.Vissenschaflen selbst..
Andererseits muß n1it derselben Entschiedenl1eit noch einmal
t1ervorgel1obcn werden , daß die Wisaenschaft.en, sobald sie selber
und ihr Objekt aJs Ganz es in Betracl1t korr1n1en , auch ih.re111 fak-
tiscl1en Bestande nacl1 so zu gliedern sind, daß die einen generali-
sierend, die anderr1 individualisierend verfahrcn , und daß die eir1en
cJabei von jeder Beziet1ung der ObjekLe auf \VerLe absehen, die andern
dagegen gerade diese Beziehung auf Werte zum Prinzip ihrer Begriffs•
bildung r11acl1en. Diese unz,veifelhaft bestel1ende Tatsache sei scl1ließ-
lich noch an einigen Beispiele11 erhärtet, ,vobei es selbstverständlich
,,,ieder gleichgültig ist, \ltelcl1er besonderen ,vissenschaftlichen ,,Rich-
so•
- 468
tt1ng" die ,vcrke ange11örcn 1 die ,vir ins Auge fassen 1 . Nehmen wit·
also Ranke Wcltgeschichl.e oder 'l~aines Orjgines de la Fr.a ncc con-
temporaine1 1'reitscl1ke Oeutsct,e Gcschicl\tc im neunzelant,en Jal1r-
ht:1ndert oder B11ckles Gcsclticbte der ZivilisaLion in England, Sybels
B egriindung des Det1l.sche11 Reicl1es durch \.Vilhelrn I. oder Burc.k-
hardts l{ultur der .Renaissa11ce in Italien, l\f ax Lel1nlan11s Scharnl1orst
1
und zur ,virkliehen Teilung soll und kann der formale Gegensatz von
Natur und. Geschicht e nicht die·nen, \\'eil diese nicht an logische son-
dern an saci1liche Vcrschiedcr1heitcn des !\[aterials ankn üpft. Nur um
das begriffliche Auseina1tdcrhalten z,veier ver".Schiede11er Auffassungs-
tendenzen in den Wissenschaften .handelt es sich, die faktisch sehr oft,
ja a.berall zusam1nen,virken mögen, aber diese begriffliche Auseinander-
l1altt1ng ,,,äre so.g ar d ann not\,1end igi wenn nic h.t einmal mit Rücksicl1t
auf ihre let zt-en Ziele zwei Arten von ,vis_scnschaftlichcr Begriffs-
bildung dadurch so voneinander geschieden " 'erden könnten , wie wir
<lies gezeigL habe11. !\-lag keine ,vissenscha{t ohne J-Iilfe des AIJgemei-
nen zustande kommen 1 so bleibt der prinzipielle logische Un lersctlied
X\vischen Natunvissenschaft und Geschicl1ts\vissenscJ1aft., trotz aller
Relativität der naturwis enscl1aftlicher1 und der J1istoriscl1en Begrif{e 1
unangetastet,. In beiden Djsziplinen geht der \Veg bald durch das
Besondet'e. bald durch das .AJlgemei11e hindurch, und (iberall ven,rendet
man das Allgemeine aJs 1'>1ittcl. Aber das Ziel der einen ist, s tets die
Darstellung des mel1r oder v,1eniger Allgerneinen 1 das der andern die
Darstellung des mel1r oder we11iger lndi,riduelle11. Alle Uebergängc
tind z,viscJ1enforroen vermöge11 an de,n logischen Gegensa tz dieser
beiden Tendenzen nichts zu ändern. Danlit k öort n ,vir un ere Unter-
suct,ung über die rein logi eben Forn1cn der Ocschicllt.s,vissen cJ1a ft
11nd il1r Verh ältnis zu dene11 der Natunvis e11scl1aft. abscl1ließen .
\ i Jl .
Ge s c !'1 i c h t ::; \.V i s s e r1 s c h a f t u n <1 G e i s l es ,v i s e n s c h a f t.
Troti<lrr,l ~i,1 <J ,vir nnrh ni1·l-1t rerl ig. E ::; gibt U\1ßrr d.--n logiscl,c1l •
ge\VO•ru1r nc [or111ale, und <lcn \Vir <lanr1 endlich 11,it dern in \ Tcrbi11dur1g
bringe11, \,1a" 1nan unter einer ,.,l1is Lori chen \'.\'is~ensclia[t.' 1 z,1 ver-
stehen g e \V o h 11 t i:it. Di~ser neuen Aufgabe ,vendct1 ,,,ir Ut\S jetzt
zu, und ,,·enn ,vir nun n\it tlilfe der bi her er1t,,·ickel te11 logi- chcn
U.n tersc hiccle zeigen, daß a11cl1 d i „ zuerst ub. ichtlich beiseite gcla ~cnen
f akti. eh vorl1andonen ma teria le11 U ntcrscl1icdc 1,\,·iscl1cn clcn \\'i~scn-
schaftcn, die rr,a11 !ionst .zur Eir1teilung bent1Lzt l1at, icl1 als 11ot,,,c11dig
verslel1c11 la ·ser1, ~ o ist dic~er ~ t1ct1,vei • '-~ierleru111 nicht et,va eir1c
Abscl1wäcl1un:g uns rcr Ergebnisse ocler g.a r ein Zt1ge tä11dnis an das
bisher übliche, nicht logische Vcrfaf1ren 1 • ·onclern er biJdet viel1nel1r
deJ1 not,vcndigc11 Abscl1luß unserer logisc hen Tl1corien tind <ierc11
11ach den Dingen , dttrch tlie (la llöt·1>erlicl1c Daseir1 erl1alte11 t111<l"'gc• ~
för<lert ,vircl, so sind docJ,1 die auf die ,,n1ateriellet1'' Güter gericlltetc1l
B es t r c h t1 n gen sclb t in,11tcr \Villen5akl.e, also P~)·cl1isc he Vor-
gängo, 11ncl vot1 ihr1t!n hnn<l('lt at1cl1 die , 1111at(•ri ali.i-tisclic' 1 Ge~cl1ichts-
scbrcih u1l~. \Vir 111 fu.sen claher fra ge11: ,va ' hat ,lic THt~achc, flt10 clcr
J-Ia t1pt,gcgc1istar:1d der Geschicht:,e Scel('nlrl1rn ist , 111iL <let log.iscllcn
Struktur der historiscl1en Bcgriffgbilf{ung zu tun ·?
\Veil der erste, allge,r1einstc Begriff des JiisLori::;cl1e11 11ur a11 • dcrn
Begriff~ def' Gl'er1zen, die <ll'n Natur,vi -~er1„chaftcn gesl<'ckt. si11d,
cntsprano-, n1ußtcn " 'ir t1nter logi:-chc11 Gc~irhL..:;punkLen cJie Dc-zci·c h-
11u 11g II Gei_te~,vi:;scri~chaf t" Citr cJi c Ge• cli ir h tc g ..,111. ableh11c11 1 1111c)
a.ucli die ,,·crt.bezicl1e11ue:~, int.li,'itlt1alisicrf'nde l:icgriff:-bildt111g schien
indifferct1t gt'gc11Dbcr tle1n l.;1llr r:;chjed von Seele u11d Körper. Der
u1nfasse11clsLe Begriff des hi ➔ to ri r.:c l1 eu lndividuun, ~ ,var sogar a11 der '
G~genüher t..ellur,g z,veicr l{örper zu ge,vinne11 ur1cl dar111 a uf geist ige
Individuen zu übertragen, ol1ne daß dabei et,,·as prinzipiell Neues
hinzuzutret en brauchte. Au ch in1 ,veil.eren \ ' erlauf der U nter. l1ch,1ng
koJ1nte11 ,vi1 die logiscl,cr1 Pri11z.i1Jien ol1t1c Berilcksicl1ligung rlcr sa c:h-
licbon E it5cntü1r1licl1l{oiLcn des P sycl1iscl1c11 e11 twickcl11. \\,'cr1r, es sielt
bei dcrn licranziehen von Bei~pieJ 11 nicht \'cr111eiclen ließ , \ 'OJn rnen::-ch-
licl1en Seclcu leben zu . 11rccJ1cn, so \,·ar clcsha Jh <-loch .-in daran gt.-hi l-
•
•
deter Dcgriff nicht tl u r aLtf Dar tellungen. p.s}·chischer1 Seins an,,·cnd-
bar. De1lnoch n1i.iti:;e1) \vjr jetzt, auch d arauf achLc.n , daß fal\.tiscl1 die
Gc~chichl.s\visi;cnscl1afl.cn es ,_.o r,,·irgcncl mit geis tigen \ rorgt,ngcr1 zu
'
1.Ull 11aben , cl c11n c.s crgcl,cn sich darat1s r1oct1 z\,·ci logisch \\1iclrtige
- 473
vor1 Bcclcutu11g ist. '? \\'ir \\1is.:1e1l, ,,·arun1 der angtgl'be11c Unterschied
<los Pl1) sischc11 vou1 Psycl1ischc1t für uie aalur,\isse11~chaftlicl1e oder
1
Strenge der 1\1etl1odc ebenbürtig neben cler l atun\'i senschaft ste hen.
Sind solche Ueberzcugungen u11d Hoffnungen gcrcclltfcrtigt? Bei der
Beant,vort11ng dieser Frage scl1cn ,vir davon ah, ob die f>syel1ologie
scl1on dje SLufo erreicht hat, au.r <ler allcir1 sie geeignet ,väre, als
Grundlage für andere ,vis. enscl1aftlichc Tiit igkeit zu dienen. \\'ir
,vollen aucl\ nicut ·u ntersuchen 1 ,,·el.clten \-vis~cnscl1aftlicl1t'n \\1ert es
habert liann, ,vcnn ein 1\1a1111 der E i11iet,,,is·scnscl1aft aus der venvirrcn-
dcn F t\l le der ei11at1der bekämpfenden psychologischen SysLc1nc sich
t•incs herau s ucht, cle se11 SchöJlrer ·.-ricll<.>icht, geracte de n 111eist gena11n-
t.cn Nan1en fflhrt oder ihm pe rsönlich be.k annt ist oder a,1s irgend
cin c111 a11dcrcn Grunde fü r seino Z'\\•ecl<e gteigt1et. erscheir,t, u1ld ,vc11r1
d a1111 dies psychologi 'Cl.\e Syst.c1n, das vielleicl1L .k cine,11 anderen
P:;ycl1ologen, ,vohl abct detr\ betrcrfcndPn Einzclfori.ch•c r und c.incr
Scl1ulc a 1~ fesLstcl1cndcs Oogn1a gilt, zur Ba~is eines t,cisteS'"\vissenscl1aIL-
lichen Gcbäullcs ber1ut.zt ,virrl . '''ir (lürfeu hier n1iL den1 Begriff einer
Iogiscl1cn Idealpsycho)ogie arbeiten u11d fragen also 11tir, \\'as die
PRycl1(,logie ra r die Ge chicht ,vjf);senscharlcn hcdcutc11 ,,-urdc, , ven11
sie die Stufe errcicl1t l1 ätLc, die u1a11clte heute s<.·lion für errcicl,t halten.
Daß d~r Historil,cr, ,vic übrigens auch der Dichter , ci11 ,,1'\ Ien.schcn-
kcnr1cr'' sein 11,u ß, ,vird inan ni1·ht bestreiten, tlnrl <la es sielt bei dieser
i\{ensc11enkenntnis l1a upLsä,·h lieh urr1 das. seelisc he Lcbe11 l1andelt,
•
so läßl siel1 auch r1ichts dag<,\ge1\ agcr1, ,veiin n1a1\ <len }Ji -toriker einen
r~~rcltolo(l'e11 nennt. . h er kön.ncn ,,·ir 1nit diescru \\' orte a.ttc l1 einen
Begri ff vcrbi11c.lcrl, der e~,,·ns 1nit et e 1· PsJTcl1oloJ?ie zu tun tint, v on
der rr\an ei11c netu! E poche der Gcistc~"Yi~sc11. cha.flcn crliöfrt, d. h. mit
der Psyc h c► l,,gi c , ,Yie sie ~icl1 in. d\"n lctzl<!n .JahrzPhnLen al:< :-1clhstäncligc
E inzcl,vis rn::;cha rt heruu:-gc-l)ildr.t ltaL? 0111 llif'r c:lu f ci11e Ant,vort zu
eTha ILcn, rn ü~:;;e11 \\·ir Vl'r-:--ch iGtlcnc Problcn1 c vooeir1a1tcler t..ren ner\,
<le,1n die bcrz,~ugung ,·oo einern 11ot,vcndi gen Zu~an1111enl1~r1g Z\\'i-
chcn P:: - ych.0l11gie und Ocschirhts,,·i~ ('nst ttoft tritt in vcrscl1irrfcncn
1'~orrncn auf. Zunächst kan ,t n1an n1cir1 ~11 , cl.af3 d.ic J)sychologie die
,,·i sc11schn rtt i(' hc II Grtt11dlage'' ric r G(•~chie h te ,c t,,·a jn clen1 Si11i1e
s in niii:-,sc, ,vic clic _'.\[<'c hanilc. rli ' Grunfllage der I, ürpr:r,vir-s. nsch;ift.en
ist , u1}tl (iabci :,i1 Hi ,rir rlc r 1.,,·ei 1\ n na hrnr.11 11-1öolirl1. Dir Pi ne er}, lick t
llic~e Grun,llagc i1.1 ,ler l>erei ts ' 'l•rh a.11 de1 ,er\ P:: i )'<' hologi~, l)Pre n letztes
Ziel darin bc:-.Lch l, d n' grsnn1Lc Seelen lrJJcn n ~,, h Tl nL11 r,,·i~se.n ~cl1a ft- •
lichcr o<l cr gcnc•ra Ii:;.irrer1dcr ) 1c Lhncl ' 1,u crkliir('ll . 1)ic a11tlcrc 1-\ nnal1n1c
ctageg•"n di 111it grcJ ßcrP.111 \ 1 <.' rst.:1nclni~ für Jas \\tt•;-;c•t1 <ll•r G{'schichle
1
verkniipfL z11 se i11 [>flt•gt , i-:t vo11 1lcr r1bf':tu ◄•l 1})n rk <-i t clr-r }1t•l-il ' hcnd<'n ,
11acl1 mit detn Begriff einer nat u.n ,·isscnscl1afllicl1en Universal rn cthode,
und ,vir brauchen l1ierat1f nicl1t näl1cr cinz.ugcl1cn.
Logisch inleres ·ar1ler i t die z,,·eit,e 1\nsicl1t, <lic eine 11 c u e Psy-
cl101ogie zur Grundlage der Gescllicllts\,·issc·rischaften n1achen ,,·ilJ.
J edoch liegt ihr \"\l·crt für die l1ier z t1 behandelnden Problen1e nu r in
dem Teil, in de n1 sie die Unbrt'\uchbarkeit der natur,~·issenschaftlichen
oder erklärenden Psy chologie für diesen Z'-'Yeck dartut. E s ist ge,viß
ricJ1Lig, daß die Begri ffe einer allge.meinen Tl1eoric des Seelenleben
viel zu inl,altsarm sind, utn dein I-Ii toriker ,vescntliche Dienste zu
leisten, und Dilthe)r 1 llnt Recht., ,,•enn er sagt, daß in den W erken
der Dicl1tert i11 R eflc ktior1cn i1ber das Le.bcn 1 \\·ie große Scl1riftsteller
sie at1s.gesprocl)en l1ahcr1, ein 1.,Vcrständois'' des ~lensch.cn enthalten
sej, l1inter ,,•elcl1e1r1 alle erklärende P sycliologie ,veit zurückbleibt. Nur
dar( 1nan tl~tr·nus der ,vis ·e11scl1aftlichen P sychologie keiner1 Vonvt1rf
rnael1cn. L\lit ihren Theorien l{ann und ,vill sie den Menschen nicltt
,,vcrsLcher1'' , falls darunter ein siel1 Hineinleben und Hineinful1len
i11 das ar1 <lern i11dividuel'lcrl Seelenleben der verscl1icd cncn Dicl1ter ,
l{ünsller, Staals1r1är1-n cr us\v. l1i tori:;cl1 l>cdcutsame Psychische ge-
111cin.t ist, deut1 das nacherlebcnde · crstel1c11 einrnaliger und indivi-
dueller \ ' orgänge u11<l itirc Unterordnung ur1lcr ein Systen1 allgcm,e iner
Begriffe si:ncl z,vei gei:;lig·c 'l'äLigkeile11, di e einar1der tLnter allen U1n -
sU1nden logi~ch ausschlicße11. Das Unvern1ögen zu s}r~tcmatiscl1er
Darstellung ist tnit der inl1altlict1en Ueberlegenheit der reflektierenden
• Literat.ur. die die 11"·olle \.\1irklichkcit' ' de~ J\len cbct1 z.u erfassen sucht,
n ot\ver1dig verknüpft. E in 1\1angcl ,väre dies U nvennöge11 nur unter
naturwisseoscliaftlich psycl1ologisct1cn Ge ichtspunlitc11.
•
Gerade auf
dic.senl ,,~1 angel" beruht die Bccleutung der nacl1erlebenllen „P s)rcho-
logie" für den, der niit eir1e1n historiscl1er1 Inte1·e~se an das Seelenleben
t1erantritl. Daß der His toril{cr <ler Fä\1igltcit eines solcl1cn acher-
lehens bedarf, bev.:vejfcln ,vir also nicht, nber \Vir glauben au cll bereits
gezeigt zu llaben, daß die Nol,vendigkcit ejner solcl1en }7'ä11igkeit rnit
<len l o g i s c h c n G r u n d l a g e n de r gc::scbiel,tlicl1c1l \1/issen-
scl1aft ur1d be:;ooclcrs cicr gcschic.l1 tli cl1cn D a r s t e 11 u n g it1 keiner
,vescntlicl1cn \ fcrbi11du11g ti LCh_l. Uie gcscl,ic.lrLlici1e 11v olle V\'irlc.lich-
1
Jdeon uber eilte bes chreibende und zerglicdorndo P sychologie, a. a. 0 .
s. 1309.
- 479 -
keil 11 des )le11scher1, die der l Iislorjker 11aclizuet·lebcu ~uch L, li-iUt ·ich
eben niemal i- n ein Netz vo•n Bescl1reibung n einfangen, fJenn jede
systernatis ~hc Bcarbei tur1g dieser Erlcb11is 'C111üßtc gcnerali~i rcnd ver-
fal1ren und \ ürde so den Objekten gerad·e das 11elu1lc111 ,,·:.t ~
sie fii1·
de11 l li::S Loriker bedeutungsvoll rnachl. Es kan11 11 ur e i u c ,,·isscrt-
~el1afllicl1e })S)'cl1ologio gchc11, in cie.r alles Platz finde1, .1nuß, ,vf s
für eine ~y~tcmaüsct1c \\1i:,;scn chufl vom ~ celculebcn übel'ha:UJ)l in
Frage ko1111nt, Utld da sie 11icl1t. Grur1dl age dc1· hislot·ischcn \\'iss ,n-
schaflen sei11 kan1l, ~O ist cler Geda11lt e ei11er \\,itsc11scl1aftJich-p ycho-
logi_chen 1 ,Gruradl::1ge'' d·cr Gcschicl1tc überhaupt unh altbar„
Die c ,;\ nsicl1 t beruht nuf so cjnfuclu~n , ·orau ~•otelz.t1ngcn da.ß sie
lä.n gsl nllge1nci11c A11 ·rl{e11r1ur1g ge funJ e11 l1älLc, ,,-cr111 rnon boi <lern
V ersuche, <l:i Verhä lt1tis der v crscl1ied nen \' ·1sse11.::chaft.e11 zueittandcr
rl
,veiLe r ni chts hll s,1gcr1 1 nur so ll 111ar1 dann die J{cr1ntni · se, die d e r
DLCl1 tet ur1tl cler l\Icn:;chenkc11r1er i111 fJrak I isr l,en Leben l>r•si lzt, eb e11-
f all:; nicl, t tlS.)1t· hologi ·cf\ ue1111c11. u !'11n d ic::e ,,P~:ycl1ologic'' stch t, de·r
\vi·-~ensc ha rtlichcn g 11crali:;ier<'nd r-n P~yehol(,gic r1icl1 t 11äl1cr a l dje
P. )'Cht1 logie cint~s b e s ti1111lllC11 his wrisr lt<'11 \ r4Jrga n 1; ('S. Shakespeare
ist df\n n el>c•11so,,·enig ein ,,Ps)·cltologe" ,,·ic iro-en<l cir1 großer J-lislo-
rilier .
Freilicl1, diclitcri ·el1c Gr.stu lte11 ,,on ,:Jl~}'Cltologi5('11r r \ Val,rhei t ' '
-ZtJ scl1affert oder lcbe ude ~l er1sc hen , ntit dencr1 11,nn Jl <'rsö1llicli \'t r-
kchrt, richtig zu bc>"t1rLci lc1\ 1 isl '"''icdcr n oc 11 c t,\\.'Q S Qr1{l crcs, a ls ?if cn -
scl1cn der \ f crgang(•nl1ei L aus den Qnclle1L 1 ich Lig zu re\{onstruicre11,
aber ,vora ur d iese Vcrsr hicclr 11l,eiter1 rlcr 11icl1l\\- is e11:'>t hafllichcJ1 Artcr1
von P sycl.1ologic ur1 Le1·cin a1,d1~r br•ru het1, l1abct1 ""jr hier 11irht ,,·eilcr
zu untcrsur hen. Nur <l nrn11f ko1n111 L es an , <laß da- l\f aß aller die e1·
,, p ~)rc hologisc he.-1" Ker1n l.1ti::~e u rt<l F ä hi gk.eitc11 11jch t v on rl c111 )f H.ß
,vi:.'.'scrlscl1aftlich-p:-;)'C hologi:1el1cr J{·c nnt,niss.c al)hilnµt. \1 ;1n ~ci ll t,c dc>ch
ci11 se l1cn, Llaß jen1ancl c1>oc l1rtl1nch('n1le p::.ycl1ologis<: hc 'l'l1coric11 atr f-
gcstellt, hnbe11 ka n111 0l1ric die gcring:;te Begal)ung für li tlrl~llerische
Gcst::\ll11ng 1 rii1· ~t ensr.hcnl<cnnlr1i~ i111 1,raklisc hc11 LelJe11 \Ind für
Rel(o11 ·truktiun d<>~ l1i~t(1 ril-c.hcu celcrdcbcns der Vcrgange11hcit zt1
besitze11, und daß u nq;,~kf'h r t, der grußLc l,ilr1:,;llc1·i~c·lie ,,l-~s)'·cl1olog~",
( lcr gc,,·icgtcslc ~tensc her1krnn<'r und drr Sch{>pf•"r , ,011 , v crk.c•11 1 die
cir1c crs.t n.11111 ic hc J:'fi li igkci t. <l cr 11i....;Lori.-c h-11$yC hol0gh;.r l1cn Rclior.-
sl,r11k tion h o,veifl,•11. ,:cJn J)s~·ch,,logiscl1,. . n T h<>nricn, die a uf gt·neruli-
sieren<1c B cgrirf~l,ildung nu~grhl'n , kci rie 1\ h1111 ng zu l1allc n brat1chc11 ,
und da 110l\\'e11cli j"f fü r d ie Gc:-chi,;ht~,,-i:(::-C-11:-icl1HfL n ur die l.i:-L,)riscl1-
P' )·chologi~r hr- n f~ r k(1ns t ru lilit\r1 cr1 sein liöOn(·11. ,,·j r<i ei,, clH r111 ,voh 1
.nicht 0 1('l1r nl.s „sc•ll):-t~·("'r~Lä11,llic h4 ' J:t(•l lr u, ri:iß clie Gesrhiel1 te der
•·
aucl1, ,vie z. B . der Stant, als d1trch de11 bewußtc11 Willen d.er In-
djv iducn entst.anden oder 11 gegrü11det" gaJLen . Die Folge clicscr In-
dividunlpsycl1ologie war - ' so 111eint n1an - eine ,11 indi,ridualistische"
Gc~cl1icl1tsauffa!isung, die eb enfal ls nur v on vereinzelten lndivid ucn
wuß~e u11d de halb auct1 kein anderes In tcrc!:)se l1all.e, als die ein-
•
zeli1e11 P ersönlichkeiten in ihre1n , v oll "n uncl Tu11 darzu ·t ellen . Diesen
Lehren der I ndividualpsycl1ologie is t jcdocl1 in n et1erer Zeit die s o-
z i a 1 p s )1 c ll o l o g i s c h e Ricl,tung entgegengetretc,1, die den
•
einzelnen 1'fen chcn i1ncr1c1· .n.ur al s Glied eines ,,Allgcmei11en'• a uffa ßt
und d aher begreift., daß jerler nur in einer Gesellsc haft. zu de1n ,verdcn
ka11r1, wa. er ist,. \ Vill also die Gc~chichts,vissenschart nicht hinter
dieser neuen Psycl1ologie zur(icl, bleil)en, . o muß sie ebenfalls il1re
AufrnerksamJteit ni cht. so „ehr dem einzelnc.n lndivi<l u un1 a!s vielnlehr
dem sozia len ZusammenJ1ang Z\1,vendcn ur1cl den gcscl1icl1tlichen \ 7er-
lauf als ein en sozial-psychi!:icl1cn Prozeß v erstehen . H ä lt inan dies
filr richtig, so scl1eint damit die not.,vendigc hhti r1gigkeit d er Ge-
schicl)ts~•i scnscha ft. v on der P ~ycho·Jogic d argetart.
Aber kann m~n rlas für ricltt.ig halten ? Bedar! es nach t1nscren
A usfühl'u ngen über derl historiscl1en Zt1 a111rner1hang noch la nger
Erörterun gen, tlll'l itt zei.gcn, dn.!3 diese gan1...e l( onstruktion in de r
LufL . ch\\'ebt? elbst \Vcnn n1nn Zltgibl, ctnfJ eine ,,Indi"·idualpsyeho-
logie" in cler11 Si1mc existi ert l,at.1 daß sie nic-J, ts a.J\dcre~ als v erein zelte
l n(livi<lucn ut1d deren äußcrlic}1e A<~rcgatc l<nnn te, . o hAt gerade
diese Psychologie sicher lteine 11indivi<'lualist i ehe" Gesc hicl1tc her-
v orgebracht, d. h. nir.ht duzu geführt, floß di•c Gcscl1ichte i1u:livid uaJi-
sierend verfuhr, (le1111 sie ist, n icllt i11rlivi<luali~tisch in dem Sinne, \\rje
die Ge„chichte es ist, ,ven n Piio l1:1clivirit1en bcl1and clt. Diese Indivi(lual-
P sycl1ologie ist viclrnehr a t o 111 i s i e r c 11 <l u1Jd da11cr n1it cin~r
individua lisicrer1d. ,,erfal1re11de11 Geschicl1tc prin1.ipicll \lnvereinbar .
Die at.o111isierende 1 ,lndivid11a lpsyehologie" sic}1t a lle lnrlividt1en als
g l c i c 11 an tind rr1uß e als 1'lllgc111cir1sto Theorie v o 111 Sccl(~nlebcn
tu11. Die Gcsc11icht.sschrcil>u11g d«gt~ger1 hat sLets il1r lr\ leresse a,u f die
1
- 484 l
di& für alle ph ys isc ltcn Vorgär1gc übetltaupt gelte nden Gesclze der
l\lcchanik gebiltlcl ,verden solle n.
Schlie ßlic t1 ~t.et1t die Soz.ialpsy · hologic dor F r,tge, ob cinz.clr1e
P erriönli hlceitcn eine Bcdcutu11g für <lc11 l1i lorischen \ Terlau[ b esiL~cn
o<le r nicl1t , notwe11dig indi.fferent ge.genü ber. '\Vir ,visscn, daß die
E inord11ung in soziale geschichtlic he Zusarr1111e11hii11ge 11icl1t cir1e Un-
t erordn-u ng unter :;ozjalps)'Cl1ologiscl1c Begriffe i ·t. , uncl ,vir haben
ferner gPscl1cn 1 daO clas Maß. in de,n ab~oluL l-IisLoriscl1es für die
Darstellung ,vesen Llich ,vird , ollci.n vo11 d en leitentlen ,vertg(!~ic ttts-
purtl, t en der Bcgri f(sbiltlu11g a.bl,üngt. Die i tcinun,g also, ll.a ß eirl•e
so1.inlps)·cl1ologi~che Auffassung ei11e 111ehr 11atur\\'issensct1 aftJicl1c oder 1
- 485
haben . E s bleibt dal1cr nur nocl1 übrig, die bereits bekannten logiscl1en
Prinzipien au. drücklich at,f die l 'at nche ztt beziehen , daß die Ge-
schicbL<;,vis cnscbaft es t,a,u ptsächlich rnit der Darstellung psycl1iscl1er
'Vorgänge Zll t t1n hat.
\Vas zu11ächst die allgcn1.einon Begriffs e l ,e n1 e n t e und be-
sonders die bei einer hisLo,ri!:-cl1e11 Kausalvcrknüpft.tng u11entbehrlicl1en
allgctn,cinen Begriffe belriiftt so kann die histo ri~cl1e Darste11ung
eve11tu•cll ge,vinr1c11 , \.VCnn sie !'itatt der u11\villki.irliel1 en tstanclencn
K eru1t.nisse ,visscnscl1aftlicl1 fixierte Begriffe benut1.t. Daß aber das
Be<lürfr1is da11u ·h sehr groß sei, ,\lird rnan bez,vr.ifcln dürfen . Au clt
,vcnn c. sich \Jm d ie Dars tellung kompliziertet u11d Ire,nclarlig •r seeli-
scher \ rorgängc l1andcltt vcrstcl1cn , ..rir, ,,,as gemei11L ist, ob,v-u hl our
die un,\·illl{ürlic}1 entstandenen und ,visscnschnft1ich une 'aktcn l(ennt-
ni.'>!;C über l{ausalzusarnrr1er1h tin"O da.bei \ 'er\VCo<l11r1g gcfl1ndcn haben.
Blicken ,,rir v ollends auf die \Ve1,•ke vo11 }li::. t.o1·ikerr1, zu tlcrcu Zeilen
es P yclaologic als \VisRenschnft noch 11ich L gab, ~o ,,·e1·de11 ,vir ge,,·iß
nicht geneigt sein, viel von dc1· Ve.1"ve11clung ,vissenscha ft lich p 1,) 'Cl10•
- 486 -
logiscf1er Begriffe als I\{ittel cler Darstellung zu er\\'arten. Wir ver-
stel1en die Seelenschildcrunge.n des 'l"'hukydides ebensogt1t ,vie die
eines modernen IlisLorikers. J ede11fa11s ka nn durcl1 d ie \ fer'\\·endung·
,,,issenschaftlicber Begriffe als Elemente in den l1istorischen Begriffen
an dem "''cscn d er l\ist:.oriscl1en ~1etl1ode prinzipiell nicht.-, geändert
• ,verdcn .
Außerde1n , rermag die P sychologie auch f(ir die relativ histori~
sehen Begriffe der ~1assenbe,vegungen von Bedeutung zu ,verden ,
\ve1U1 diese Begriffe so allgemein sind I daß sie mit de11 in p~ycl1ologi-
schen Spez_ialuntcrsucl1ungon ve1"\vendeten inhaltlich koinzidie1·en .
Docl1 ,vird die psychologische Forschung nu r ein en Teil der geschicht-
lichen Darstellung bcrü.h ren, und die Brauchbarkeit ihrer Be.griffe
muß in d.emselbc11 tr1aße abnehme11, in dem ihre Allgcmcinl1eit \\'ächst.
Die allgemei.t1sten psychologiscl1en Tlleoricn urid die elen1enLarsten
.
psychologischen Begriffe l1abe11 für die Geschichte keine Bedeutung,
und ,ver gar jedem Historiker e111pficltlt , in eine1n psycl1ologischen
Laboratorium St,1dicn zu macl1en 1 darnit er dadurch ,,,t(issenscl1aft-
lichcr" Geschichte schreiben lerne, muß in den Vcrdacl1t komrnen,
d.aO er "vecler von dern lntialt bi~torischer \.Verke noch von der Tätig-
keit. des experi111e11ticrenden Psycl1ologcn et,vas weiß 1 denn gerade
die an kilnst!ich isolierten , rorg:\ngen gebildeten Begriffe ,v<:'rdcn nie !
mit de11 hist or iscl1en Begriffen zusa111111eufallen. Nur bei cler Be-
scJ1äftigu,og n1it ab110:rmem oder den meisten 1"1enschcn frerndartigem
Seeler• lc h c11 kann ein Hist oriker das Bedürfnis fühlen., durch p )'Cl10-
logische Studien sicl1 nut seinen1 l\>f ateriat im a 11 gemei n e n et,vas
vertrauLer zu n1~t•c l1cn I el1e er an scit1e spezifisch l1istorische Arbeit
ge ht , und auc h dann bleiben die nat.unvis.senschaftlict•cn Begriffe für
il111 st ets ~1ittel zur Darstellung des lndividueller1. Aber, alle diese •
Frag~r1 ::;i11d fü r un s von keiner prinzipiellen Bedeu tung, denn wie \\'eit
r
die \ 1er,vendung ,,,iss-e11schaftlicher Begrifre der Psyct1ologie in der 1
Geschich te auch gehcr1 möge, solange es sich da.bei uni die f>sychologie
als l lilfs,\·issenscl1aft }1andelt1 ver111ag sie nien1ftls von ents heidender
Bedeutung für clie hisLoriscl1e l\.J c t h o d c zu ,,·erden.
Das ,vir<1 beson.dcrs kJar, ,venn ,,,jr scl,ljcßlicl1 uocli l1ervorl1cben,
daß ebe11so ,vie clie ps)'Chologiscl1e11 Begriffe auch die allgemeinen
k ö r p e r \1t·is enscl1a fLlichen 'f h,co ricn für den l iisloril(e1· brauch bar '
sein könn-en, cle11u un·1 z. B. zu. ,,l'r. tel)en , "'"arum die Amerik.a oer so
leicht über dio Spanicr 1 oder ,raru1n dio J a1)aner so leicht über die
Flu:ise11 gesiegt ltaber1, ist. es t111ter a1tclere,n aucl1 nötig, <laß ,vir ct,,,a.s
Ober dje Un tersc hiede der von clen beiden Nationen benutzten Kriegs-
schiffe ,visson, und dabei ,ve1·den allgemeine naturwisse11schaftlicl1e
Begriffe nicllt zu e.n theltren sein. Doch ist auch dieser Zusammenhang
z,viscl1en Natur,vissenschJlft und Geschichte nicl1t von prinzipiell an-
derer Art al.s der Zusarnmcnhang, der zwischen aller ,vissenschaftlicl1en
Arbeit besteht, u11d der dadurch·, daß verschiedene logische T endenzen
innerhalb der \Vissenschaft au.fge,viesen ,verden, in keiner Hins.icht
in Frage gestellt v.1erdon soll. Fast alle ,vii;senschaftlichen Disziplir1en
haben hin und wieder Veranlassur1g, sielt bei anderen Rat und Hilfe
zu holen, und eine Einheit aller ,vissenschaltlichen Arbeit in d i es e m
Sinne z.u leugnen, kann selbs tverst.ändlicl1 niemandem in d en Sinn
komr11e11. Doch von den Beziehungen, die sicl1 hieraus erge.b en, darf
1
dar1ehc11 aber auch .mit körperliche1r1 Geschehen zu tun 'hat, ist un ter
logisctlen Ge~ichlspunkten v o11 ,,,eit prinziJJiellerer Bede\1tung, al~ ,vir
bisher g<'~iehcn haben. \1/ir dürfcr1 nie vcrges:-cn, daß der historische
Der I" au~a llll!grirt iu d er ncu<•ri.>n Phi h)i-ophie u~,,·. \ ' il:rlcljah:rs~ltrift ror ,viss.
Philos. Bd. XXV, 100 1, . . 318 rr. gtg•·n 111cinc Aufra„s1111Jt der p-.yc.-hophy!,<ischcn
Ko.usnti lOl erhoben hat.
Begriff Qls tle!r ei11cs ,,höheren" Scclenll!'br„1s O(lcr gar ei nes .Nict1t-
Ps)·chi cl1 cn nocl1 i1n111cr vollständig Utlbe t irnmt oder ,venigstcns nt1r
o,,·eit bc ·tia1rrLt is l r (laß er rlicht mit d e 111 natunvis.-:.cnscha ftl ichen
1
könnten, \\'aru111 das, ,vas l111ter clen Begriff des Rau,ncrfiill cndco gc-
l1ört, f iir eine hi. tori~r 1,c Da r~wlluing ,.vcnigcr bcclcu tt1ng-svoll sein
~ontc, al::- <lns,. ,,,as nicl1t de11 Raurn erfüllt. Das {'~)1chjschc ir1 diesem
Si11r1c li.a111'1 ei11e ir1divitluatisie,~e11(le Dars lellu1lg l)icl1L i11 J1öf1eren1
~l ußc erfurdcru als das Ph vsi ·cJ1e. \ Vir n1ü scn dallcr (ür ttn ~ercn
"
z,,·cck nacl, eine r ander,cn Scl1eidting v on Körper und Gei L stieben
als cl )rje11igcr1, die in (l cn ge11eralisierenden \ \i'i si;en:ich.arten üblicJ, i~t .
So allein (liJrfcn ,,·ir hoffen, zu v erstehen., \\ ohcr es l<.011\mt, daß 111ehr
1
1 Ole~t•r ßf'r:rif( dt~s „hi:--lori~ch Pfl z,,nlr tttr.t!-'' ffl lll ,r)hs.tvt•r:,,lfi 11,llich n iehl
rnil Öf'rn ohtn .'. -l 2 l r. "nl,\·ickrlt,•n tl\'grirr d r.,; ,.pl'i1nf1rliis lori~chcn" z11 i;:i.ni11n' n.
Pri rn!l r lais tori:.c h k(h1 ru•n auch J, i'1rpt> r ~c·ln.
zu bringen Sl1c bcr1 t -und daher ergcbc11 sicl1 für eir1c geschichtliche Dar-
stcllu11g nur zwei }föglichkeiten . Ent,veder: die Werte der zun\ ge-
schicl1tlichen Stoff gehörigen geistigen '\\7cs-en sind dieselben \\1 erl-e,
mit Rf1ck.~icht au f die a u cl1 für den Dnrstellcr l1istorischo In-diviclt1cn
entstehen. Dan11 liegt die Sache cir1fa.cl11 clcnn <latm ,vcrtlcr1 sclhstver-
3i •
ei11 , rcr:.Län<fnis ~0''-'0h l der logisel1<'n als aucl1 der sacl1l iclle11 Ur1ter-
.at111·,vissrnscl1nft und Geschichte gc,vin11en ,vill,
trotz de ~ not,,·cr1dige11 Zusa.n11ne11l1augcs von Geschichte ur1d Geist
mit dem Ausg•~l1cn vo,n Geistigen und den1 Begriff der Gcistcs,,·isscn-
scl1aft r1icht zum Ziele zu k on1TllPJl v ermag. Daß dabei die logi:-:cl1cn
Gcgen~iltze der ~[etl1ode eher ver(leckt \\'Pr(lcn als klar zutage t rete11 1
b ra11cl1en \vir nicht n1ehr nachzu,vciscr, T denn seJb~t ,vcnn ,vir den
B egri ff des Geistes so eng fassen, daß d.urlrnter nur ,\·olle11de und
,,·ertcn<le "1'c~cn rnlle11 1 so kö11ncn doch aucl1 sie cbrn~o 1111tcr natur•
,,·isscni;chaftliche B egriffe g~hracht oclcr gctl<!rali~ierc11cl bcl1a1\dclt.
,vP.rclcn ,,,,ejede .belie}>igc aun,"r'e \\1 irkliclik.cit, uud das \\'ort Gr i~tes-
,,·is:,; •11 chaft blc·illt so111it in logi:-chct· t-lini-if•ht n:irh ,vir , ,or nicllts-
sagct1d.
Nttr darauf sei r1ocl1 au~( lrii<·llli,·11 hinge,viesf'n, clnß rt1nn ~ogar
- 1 '1-Jhir l:!Ci h 1:so11<ler:- auf ~t a 11 :- t tt r ll c r i.r r.ruudzOg-c· clPr P:-ycllolo~ie
11 l900 hingr ,,•i.-:-l'n . l}ie:1 \\'erk cnlh!ilt, ,•bf•Tl.:-0 \\'it' di n 5pill.-rr, l'liilosnphit• dct'
\\'crle ( 1 90 ), C'Jnc u sehr int••rcs._.;:antcn \ ' er :,u c ll, uult' r uc 111 Gt•:-i(•fll „flu1.1 l,lc t.les
C.i'i;rC'nsutir. \'On ·a1 ur 1.1n• I C:C'ist e,inf' f•:lntfiluug (l('l' \\'i,<1.t•n Frhafl.-11 1.11 ~e-
,vinn cn , und Z4'irhii('l sich , ·or nll en1 clntl1u·ch nu!<, daß 1111 d t• r 11ri11 zl p i, JIC'11 Ver- 0
i,rhic1h•nl11•it dt•r fli-)'clioloi;ri<ii.:llt'n und d••r hi-. tori~ehr11 J11'll'nr ht1111g trol1.,li11n
niclil {{f'Z\~t•ift•lt ,,·lrd. l-' ri."ilic lt i-ic hi-inl n1ir a11 rh )1.,.. 13,•µrif( der L~,•i:, lt'::-\\ i t-:-,t•II •
l'Chn fl nirhl h~llhar, dc•1111 <h1rc·h ~cil1C'J\ (:,•~•"n :-nlz vo11 „ohj1•kli,· i1•r('111li>n" 1Jnd
,,'" uhjt•kli v h•r,·n,l♦· n " ,,·i~st'n . . rlittflen I n.-11nl 1·r ,ti(• P-:-yrhnlol,{it· und <li•· (;1,~t'l'l ic hto
so sc-hr voni•i11::111dtr, 4lalJ cli{· \ '<•r,,·cndung von P""YC'hologi-.cl1!'H D•·~r1fft 11 in 0
t•i111•r ld:-'l ori..,cl, cn Uttr~lt>Jluul-:" danach gar nic ht 1uu;tlieh \\':1r•·, t111,I dil'S i:.l n1il
<h· n 1·u1-.u,.:hrn u11,,1•r1•in!Jnr. Ft•t·nt•r hlt·1hl nuc h JH·i ~I. tl(•r vi1•lil c>uli~(• I:Jc•p-ri(f
cl1•s ,,AJl:;rP111PinC'n" u11b{•~lh 11111l, und el' relrll tla hcr di,.. rnl.!>rlt,•ido11d l' F.in-.,irhl
In dl•n 7.u:-:'.1 1f'Ln1t•r,1 han~ 7.\\"b,rlu•n d(•r t,rt•:-~·hich l lie hen ß r J(•ul1111:.: dr,- l nlli,·idurll<ln
1..1ncJ drn :ill;:,·111tiJ1 c11 ,,·c r ll'u. Zur v·oJ!t•n 1,1arl11:il \\' il'il inan lt1 nll dic:c-1•11 f<ragi:n
erst Ju rclt ein1• !'C:hnrf,• ·rrl' rtnuu,; !lt• r lH"t"\•it,; 1,,•rnt1rl ~n „un,,·irklicht•n' ' Sinn~('-
bildit ,·un d<•n rto:clcn r ~y·c hl-.1.·ht·n \ 'orgflugt' II !fl! h1ng-1•n, n1L tlen.-11 i-it1 hofl1' n. ' icht
u111 „ot, j,•kli\'iC1'l'tl" \1t1, f „ii1Jl,jrk ti\'itr i•n" :-1>ntl••rr1 urn tlic• l•'f•~l~l1 ·llur1g <il~~ ~cini.
elut•r...el l.i; u11tl llie „ Lll!uluug•· sl!itH!:. ,.:iinue-s" auilrt'r!-1:'il.s huutlclL l!s s ich hier.
I,n fo li;l:'1111t~n ,\ln,chuit t gt•hi:n ,,·ir tl:tritur noch <il ,v11$ rinher rin.
- 503
dann nichts erreicl1t1 ,,·e:no man den Begriff des Geistig,en al eine be-
son clere Art des Ps}rc h.ischen zur Bestimn1.u11g des sachlicllcn Begriffes
der Goscl1ict1te v er,,·eode11 ,,rill. Er ist dann närr1lict\ in ae,vis er IIin-
~irl1t zu eng und in r.tt\dcrer Hinsicht auch ,viede1· noch viel zu ,ve-it.
Ztl e11g ist er, i:nsofern nur ctas hist orisc he Zenlr,urn ein Stellung r1cb 4
mendes und dal1er geistige$ \Ve:;en sein muO, und selbst die$eS v o 11 der
Ge~cfiichLe nie1nnl'> in seiner le<liglich begrifrlich zu j olicreodcn Gei•
·tigl,eil, d. 11. a] psychi cl1cs Wese11, sonder11 stets als v olle geistig-
körperliche R ealität clargestelJt ,,rird. Zu ,veit ist der B~grif[ dagegen
insofern, als nicht alle wollenden und ,vertcr1der1 \iVescn .scl1on Objekte •
VIII.
D i e h i s t o r i s c h e n 1( u I tu r ,vi s s e n s c .h a f t e n .
\Vollen ,vir v erstehen, für ,,,eiche Teile der "''irklichkeit eine
naturY.ri-ssc11sct1aftlicl1e Bel,andlung niem.a.ls genügen kann, und ,,•eiche
Stoffe also eir1e historische Darstellw1.g nicht nur möglicl1 mac}1en
sondern aucl1 fordern, d. h. ,vollen wir dinen sachlicl1en Begriff d()r
Geschicl1t.e go,vinnen und zu ihm durch nähere Bes timrnung der bis-
her dargele.g len logischen Prinzipien v<>rdringen, so können wir nur
an den Begriff der 'vV er t e anknüpfen , die die historiscl1e Begriffs-
bildung leiten. Von il1nen ist e · abJ1äogi6 , ,vas historisch ,,,ese1ttlich
\vird und was nichti und insbesondere muß ihre n ähere inhaltliche Bestin1-
mung de11Begriff des 1Jistoriscl1cn Zentrums iohaltlicl1 feststellen. Hier-
auf aber kommt es vor allein ar1, deru1 rnit einen1 sacl1lichen Begriff des
historiRchen Zentrurns ,vird, so\veit dies in der Logik möglicl1 jq.t, auch
ein sacl1licher B~ riff des Gescllichtlicl1en überhctupt gegeben sein.
Es versteht, sicl1 dabei von selbst , daß die Weiterführung der Gedanlten
•
l etzt nur nocl1 1ni t l~ilfc der l{onstatierung v on 1~atsacl,en gescllehen
kann, <lie sicl1 nicht, 1nehr als logisch not,vendig ableiten lassen . Der
Umstand, daß ein Wert überhaupt die historiscl1e Dars tellung leitet,
machte es uns verständlich, daß das bi toriscbe Zentrurn ii11mer
geistig ist, aber schon dies ko11nLe nur durcl1 1-leranz.iehung der Tat--
sacl1e festgestellt ,verdon, daß werten,de \Vesen in der uns en1pirisch
bekannte11 Welt nicht nur körperliche \\1esen sind . Es ,var dies der
erste Schritt au! einem jetzt \Veiter Zll verfolgenden W ege, lind ,vollen
wir nun den nocl1 immer zu weiten Begriff der Geschichte verengern,
so müs, en "vir nacheinander die Tatsachen 11eranziehen, aus denen
sicl1 etwas fü r den s~chlichen Begriff der Gescl1ic11te ergibt.
D,er zweite Schritt, den ,vir auf diesen1 \Vege zu machen haben,
erfolgt im Ar1schluß daran, daß jede hist ori ehe Darst ellung, ,venn
sie \Vissenschalt sein ,vill, ihre Objekte auf einen Wert beziehen muß,
der ei.n Wert [ür alle, und Z\Var zunäcl, t für alle die ist, an die sieb
der Historiker 1nit seine1· Dorstellu11g ,vendet . Die Allgcn1cinl1eit
dieses "''ertes kann jedoch einen z,vt!ifacl1en Sjnn t1aben. Es ist ent-
wecler der \Vert \virklich von allen anerkann t, oder er ,vird allen als
ein anzu·e rkennend•e r zugemutet , d. 11. er kan n ent,-.·edcr ei ne faktische
oder eine, ,vie ,,·ir sagPr1 ,,·,,llen, norn1ativ allge1r1cine Geltung besitze11.
..
als r1orrnativ allgc•tncin ansel1e11, ,,·irtl er i1n1r1er ei11er ,,•irklic hen Ge-
nlf'inscl1aft zugc111uL<Jt. \\1 ir 111Qssc11 11ur bei d e 1t1 \;\rorte Genleinschaft
r.1icl1t allei11 an sulc.l1e s<Jzi ale11 Gru~lpe·n dcnkc111 deren Glieder ein ander
rau1t1li ch u1H.I Z"tL1ich r1ah e sind, son(lf'ro auch an Gemcin s_cl1aften,
die nur durch ein iclcr·llcs B,1nd z1.1:--t:t n1rnrngol1:'l ltcn ,,·crclcn, al. o z. B.
aus al lcn 1.ur \Vit,;z;cn:-eh;:1 ft, ztJr l{u n~L us,v. St<1llung nel1tnende11 ~f e-11-
schcn bestehe11 1 und dcrc11 Glieder dan.n eventuell ,,1eithin über R'a um
und Zeit verstreut sci11 können . Nen nen ,,·ir clie nl lgpn1einen ,,rerte
au ch ~olcher Ge111e-infc h{lften 01,.i..1\e \\'crtc, so k ö nn er1 ,,·ir sagen,
daß die \\rerte, cJie eiue hi.slorisc::he Dari-u-lh1ng ·1ciLc11, i1111r1cr soziale
r11cnscl1licl1c \1/crte si nd. }Iicraul$ ab r ft,lf,rt dann \,·ic<lcr, daß in jed·e r
"'' irl<licl1kcit, die Zlllll Objcl-i.t einer t1istorischen Dar lellu11,, \\'erden
soll, 1\1enscl1en sicl1 befinden müssen, die 111it R ,ü •kii-icl1t, atif oziale
\ \ 1 rte du.rch die Tncli,1 id11alit.ät il1ros \e\'"ollcns 11nd 1--Iandclns ln-dividucn
sind, 11ncl daß dah r im Zc11 t ru,m jeder l1L, torischer1 DnrsLcllung das
durch ::;_eine Eige11art bedcu lsau1e ~ec)isc he }_eben ei11cr Ge1 ueinscl1aft
von ler1sclicn st.eht. Selbst. scl1ei1)bar .so isolierte und vereinzelte
Ir1cli\·idut-n, ,vic z. B. Spinoza, sind n1it Rü 1{:-iC' ht auf die ,,•j~:c;.enschafL-
üchc Gcn1einscl1art clcr l\·t nscheri o<Jcr die socielas philosopt1orun1 1 zu
d er sie ge hören und gehören n1iisscn , t1111 <'ine his toriscl1e Bcclct1tung
Z\1 erhalten, als s<)zialc \1/ e-5-en a11zt1scl1cn. Ocr zc11 tralc l1ist orisc ho V or•
gang ist al;;o ~tct.s c11t,,·eder di e Ent.,,·irlcl1111g eines einzelnen, i11 einem
ir1divirlue l lcn sozialen Zu a1fu11c11 hang • l1efiudl i.cln~11 n1e,nscltl ic ltcn
0
,,,.icklung der 'f ccl1nik gehört doch ebenfalls zu den historischen Ob-
jekten. Sodann - und das ist sehr \Vicbtig - bezeichnet, das W ort
I{ultur auch solcl1e psychiscl1en , , orginge, die man sich scl1eut,
.,,gcis-lig' 1 zu nennen, und die trotzdem für die Gesclucht e en1inent
,vesentlich sein k önnen, ,vie z. B . die ,, materiellen••, d. h. "'rirtschaft-
lichen Vorgänge im Leben der Völker. Eine logische Unt ersuchung,
die a 11 e hist orischen Darstellungen verstehen will t darf den Begriff
des his torischen Stoffes nicht zu eng fassen und nu.r das „höhere''
-o der ,,llöcl1stc" Geistesleben a ls ein der gcschicl1tlicl1en Darstellung
,,,nr<liges Objekt ansel1en. So verkcl1rt. es aucl1 sein 1nag, zu bcl1aupten,
daß die E11t,,ricklung der 1'ect1J1ik oder des Wirtscl1aftsleben s das
a l l e i n W esentlicl1e in der Geschicr1te ist, so rat eh '"'äre es, den lo-
gi3chen Begrirf cl.er Geschiclite a uf andere T e i l e der l{ulturent\vick-
•
lung zu bescltränken , denn es hängen nicht nur die verschiedenen
Gebiete der menscl1Jichen l{ulturtätigkeit untereinander auf das
EngsLe zusamrr1en, sondern es zeigen auch die Orga11isationcn des
\virtscl1aftlicl1cn Lcbc11s und die tncl1nisc-h cn Eo tv.ricklt1ngen rnit Rück-
sic.l1t auf normativ allge1neine \\'erte \\'eser1tlicl1e \ 1eränderungerlt und
sie gel1örcn d esl1alb Z\\lar n .icl1t unter den Begri ff des 1 ,Geistes' 1 1 ,v-o hl
aber· unter den Begriff des sich l1istoriscl1 cnt,vickelnden Kulturle.bons.
An detn Terminus l{ultunvissenschaft. kann man nur Anstoß nehmen,
,veo_n man: den Begriff der Kultur zu eng faßt. Daß das \V'ort Kultur
-eine übertragcn.o Bedeutu ng t1at und früher in einem engeren Sinne
v erwendet ,vurde als heute, ist zwar gewiß zuzugeben, aber die Philo-
sophie kann doch nicht all-e '''orte n1it über-t ragenor Bedeutt1ng ver-
meiden, und daß n1an auch von einem ,,Kulturingenieur" spricht, wie
\1/undt cin,vendct 1 , kann daher kein Grund sein, den Ausdruck
l{ult unvisscnscl1a ft, niclit zu gcbratichen,. \tVns '"·ürd e \ Vundt sagen,
•
, ,1 cnn jemand den Ter□unu s Geist eswisser1schaft v enver(e11 ,volllie, ,veil
514
s · ha ften" eröff11et . Doch 111ü l)scn ,v-ir uns clabei auf z,,·oi Beispiele be-
chränken un<l können auch auf ie nur kurz hin,\!eisc11, da eir1c ein-
gchen, lc Erörlcrung clie:;er F .ragcn 11ichL r11ehr i,n den Ral1111en dieser
Scl1rift gehö rt.
Vo,· all •i n ,,·ird bei der Un t.ersct1cidt111g von Sei11 ltnd Sinn der
Urn land \\·ichtig, claß das ll cicl1 de Si11nes zun1 ps)'Chiscllcn ' ein
ir1sofern geradezu in ei11e1n Gegc11sat.z ste l1t, als c nie,nal ,vie dje
seelischen \ forgiinge 11ur einzcl11en 111<.livicluen a1lgc hört . 1,nd ern, vo-n
vielen ge111ein.sarn erlebt und in ofern auch „ullgcn1cin" ~cna1111t ,ver-
Der unwirkliclae Sinn wird cbc1•so unn1jttelbar „erlebt" \vic die c1npi-
riscJ1c Realität, ja, 1r1a11 kann il11n sogar vielleicht eine n och größc1'e
Un111iltelbarkeit zuschreiben, und es be tel1t dal1e1· ge,,1 iß kein Be-
denken, mit Rücksicht auf ihn dje Vorgä11gc 1 an denen er }la(tet, ge-
schichtlicl1 als Einl1citcn zu behand eln. Auf c_lic. e \Vei. e können dann
historische Begriffe e11tstel1en 1 vo11 derien ~icl1 ,vccler sag"n läßt, cJaß ·
sie absolut histori eh, noch daß sie relativ historiscl1 im i11ne von
•
allge1nei.nen Gruppenbegriffen .ind . Doc.l1 haben ,vir auch in ibnon
auf jede11 Fall Produkte der i11dividt1aliijierenden und ,vertbezicl1e11clen
Auffassung, und a11 dein logischen Charakter der l1istoriscl,e11 :\1e't,hode
wir.d d aher durch sie nichts geändert. Beson•d crs den natur"visscn-
schaf t.lichen Begriffen. st ctten . ie in it,rer logisc hen Struktt1r seltr fern.
Im Zt1sarr1n1enhang hiern1it se.i er1cllicJ1 noch ein anderes Problen1
gestreift. \Vir sal1en früher, \Vie man versticht hat, Z\vei Gruppen v on
Wiss enschaften in der \Veis e auscinan.der zu h i1lt.en I daß die einc.n ih1,e
Ob.jekte ,,.e rklär en ", die andern ie dagegen ,,verstcl1cn " ""'ollen, ja,
der Begriff des 11 i s t o r i s c t1 e n V e r ... t e h e n . ist geradezu zum
Zentrum einer Theorie d er Gcschicht S\\'issen -chaft gemact,t ,\·orden .
Dabei galt es aber im111cr für sclbstverständ.licl1, daß das Objclct d es
V e.rstehc·ns nur <las ,virklicltc Scclcnlcbcn histor.ischcr Pcrsönlicl1kciten
oder historischer :\lasse11he,vegungen sei, u11cl l1ieran knüpfte sic }i da1111
d ie Bchaupt.u r1g 1 die Aufgabe des His torik ers köur\c sie.lt nicl1t. in dcn1
Nacherlebcn ci11111aliger llldivid.u eller ·1'atsacl1cn erscl1öpfe11, denn es
s piele gerade beim Verstehen slcts et.,v.as „ Allgemeine '' oder ,,Typi-
scl1esu ei11e c11tscl1eidende R olle. Da,nit läßt sich dan11 ,,,eil.er unsere
CharakterisierL111g der historisehen !\f ett1ode als der ej rier individt1ali-
sie.r e11den Beg riffsbildung bekän1pfen und die Bchaup·t ung bcgriinden.,
daß das Generalisieren nacl1 • rt der Natttnvissensclaaft auch von dc1n
flistoriker nicltt cntbel1rt ,,·er<lc1l köune. Scheiden ,vir jedocl1 das
reole psycl1iscltc Sein von de111 daran !,artenden un,virklichen Sinn 1
der dem Sein erst das historjscl1e In teresse verleiht, und der al.S solcher
nicl1t indi·viduell ,,·ie eine \-:\Tirl,lichl\eit gennnr1t \\'erd en kann , RO sir1d
,,·i-r ,viederu111 in d.er Lage, kl{lrzustellcn und. a nzuer.ken11e11, v.·a den
a11geueuteten Gecla11keng.ängen an füchligcrn zugrunde lic,gl , ol1n,e cloß
dabei unser Begriff der individualisierer1clcn Geschicht, \Vjsser,schntt.
in Frage gest ellL zu \Verden braucht. l tn Gcgc11teil, er find t so nur
von neue1r1 eine Be' täligu11g. Das l1istorische ,,, 1 rstchcn' ii:.t. in der
T at 11jcl1t auf <la ,,. ac}1erlebe11' 1 individuclleJ1 pS-~:chi. chcn Sein~ be-
chränkt, ja , dieses l"\acherleben ,,·orde für ~ic h allPir1 11ocl1 ga r nicl1t
oder religi öse Leben a uJzusLellen, so kann die Da r'""tcllt1ng sich a uf ein
Mate rial b eziet1en 1 da z,var zu111 größte11 T eil clcr KulLur, zu111 Teil
aber aucl\ den1 aturleb e11 insote rr, ai1g •hört1 als di•c F\el igio.n und die
l{un t der ,, Naturvölker" mit hern11.gezogen '-\'irrJ, cl. 11. als n1an au ch
solcl1e Ge rncin ch alten berücksic hiigtt die keine historische EuL,,i ck~
Jung z-eigen. Sodan11 knnn eine hist orische Bc t.ra.c hlung die allrnäh-
liehe Entstel1ung d er l{ulLu.r aus der ·atur verfolgen, \VObei sie s ich
ebo11fall::. der1 bci,Jcn Stoff 'ebietcn zu\vcnd cn ,nuß. Ferner is t bei
einl1eitlicl1eut ~lal crial eine l\.liscl1uog generalis ierender t1nd indivi-
duali ie1·cntler Bctracht.ur1g~,•.ci · • r11ögli cl1, "vie z. B . in der pl1)·lo-
0
geneti ::icf1.c1.1 Biologie, w1cl erldlicl, können bei der Erforschung \'On
Kulturvorgängen jndividunlisierende und ge11cralisierende Beg1·iffs-
bildung ich atlf d::ls innigst e nlit eina.11der vermengen, so daß n ur eine
sorgfältige AnaJyse sie zu scl1eiden verrnag, ,vie dies in einige11 Teilen
d er J uri prudenz und der Natioi-1alökonomie der Fall sein ,vird. Selbst-
verstündlicl1 darf keine Logik diesen ~fiscl1formen ihre Existe11z-
berecl1tigung vcrkürnmern \VOilen , und nur 111.it cler angegcbene11
Eirtschränku11g ist. es daliet· aufzufus ·cn , ,vcn c1 ,,rir sagen , daß die empi-
riscb.e11 \Visse_nschafter1 der Mctltocle nacl1 ent,vedcr natur,visser1scha{t-
licll oder goschichtlicl1 vorfal1ren ur1d al:; Stoff ontv,1ec.lcr die atur
oder die l{u1tttr bcl1andeln. Die l\fi:schfo rmon sind eben als lisctl-
for1nc11 zu ,•ers tcl1e11 1 u11d die ver~cl1icdenen BC$tandteilc la ~sen s icl1
nur begriffüch at1st~na1lderl1alte.-1. Voile11ds denken ,vir 11icl1L dara11 1
cias w i r k l i c }1 c ,vis enscl1aftlicl10 Leben , ,vie es sich im Verlau f ,der
Gescl1icl1te ulln1ählich ent,vi ckelt hat, in ein m öglic•ist cinfaclte chcrna
l1ineinzupresse11 1 so11dern ,,,ir ,vollen gerade scirlc ~•l aonigra.ltigkcit
zu ibre1n R eebt ko1nmen la sen, inden1 wir die logi~cl1e Utopie einer
Univer"al1nethode zerst ören. Die \Vi ~senschaft gel1t ali-1 l1iswriscl1er
Prozeß in ein logisches .S chema überl1aupt 11icl\t re tios ein, so11dern
nur der an il1r l1a(tende logische Sinn ist von der Logik zu gliedern,
u11d aucl1 .i11 clicsetn. Sinngebilde 1-c.önncn ,vir hier lediglich die logischen
G .r u n d u n t e r s c h i e d e herausarbeite11. um danrl festzustellen,
,,·ie die ver schiedenen logischen Tertdenzcn durchcinandcrgehcn t1nd
zu bestimn1ten von den Einzel,,rissonschaften gesotzter1 z,,·ecken
•
zusarn1ne.narbei tcn.
E s ist scl1ließJich sogar noch eine ,veitere Einschränkung mit Rück-
sicLt auf die l\fannig(altigkeit der er11pirischcn Wissen chafLen no.t,-
,vcudig. \Vo bleiben \Vissc11scl1afton ,,·ic 'fl1cologie, Juri p,r udenz,
ge,,·is ·c 'feile der Nationalökonornic usw., \VCr1n das von UJ1s ent,.
,vickelto Scl1err1a voll:,tändig sein . 011? l\1an f indct in il1nen tlicht
nur Natur-- u11d Kt1lturvorgänge nach indivi(lualisicr,e ndcr und gene-
r alis ierender 1\1ethode behandelt, sondern es kornn\en dazt1 n.o cl1 ganz ·.
net1e Eleme11te, die sich 1nit diesen verbinclen. Das muß zunächst bei
a ll den Wissen chaften in die Augen !allen, die ltauptsächlicl1 dadurch
zu c i11e111 ei11l\eiLlic·l1en Gar1z.e·n \Verden, daß ihre ·Ke.nutc1i_ e für einen
nennen kann, und die sict1 vielleicht am besten unter den Begriff einer
1
1 ,dogmatiscl1er1' Bel1a11dlung il1rer Objekte bringen Jassen. \Vir haben
alles dieses hier nur e.J"\vähnt, um den Sinn unserer Gegenüberst-ellur1g
von Natt1r,,•iss.enschaft und Gc.o;;chictite vor ,1ißverständnjssen zu
scl1ütz-en tind vor allein den Gedanken fer11zul1al'tcn 1 a1s köimte et,va
d-er 1-rin ,vei · auf ei11e \Visscnscl1aft wio die Jurispruden.z sct1on einen
Ein,vand gegen un:Sere 'l'bcorie abgeben . Die Haupttendenz unserer
Ausführungen ist ja gerade die, daß die M a r1 n i g f a l t i g k e i t
der lVletho<len nicht übersehen ,vird. Es gibt nicht nur keine ,,1i sen•
scl1aftlicl1e Universalrnethode, sondern es gel,t auch nicht a11, alle
\Vissenscl1aften erscl1öp(end •durch e·in einziges Begriffspaar zu cl1a-
rakLeri ieren. Allerding. sind für den, d•e r na.cl1 möglichst „einfacher''
1
Einteilung strebt , Atlsdrücke ,•;ric ,, Geistes,visscnschaft.en' die be-
quemst en , denn sie ·ind so unbestimmt, daß .m an 11nt.er sie lejcht
alles, ,vas nicht Naturwi sen chaft ist, nlso Geschichte und Soziologie,
•
Theo)ogie und Pt,ilologie, Jurisprudenz u11d Philosopl1ie. Psycl1ologie
1
Vorurteile, wie es hetzte Nlode i t , sondern ntJr attf . Gru.ttd. eiuer er-
kennlr1is tl1eoreti eben Unter8ucl1ung gelö:i-t "verqen , 9ie un .ifn l-Pl zte11
•
•
Kapitel beschäftigen soll. .. . .
In dem Zusan1m.enhang dieses Abscl1nit~ \\reis n ,vir end lich L
1
nur noct1 kurz auf ein Probl,e1n l1i11, das in den Erört~rurigen über die
historiscl1c 1'1l ethode l1äufig bel1a11delt ,\!ird, u.J.J das ·\vir :~orl1er ab-
• • •
sicl1llich zurückgescl1oben h.aben . Karin man yor1 . eir1ern ,1eig-e11t-
liche11' ' Arbeitsgebiete der Geschichte spreclie~ "? ljer \ re1·.such, es
•
abzugrenzen , b-edeu.tet für uns nichts anderes als d~ nteroel1n1en,
ei11en oder mehrere l{ulttinverte vor den and-ern ~o' zu bevorzugen,
•
tlaß dadt1rch der Begriff des historischen Zent.rtims noch rne ll r ,rer-
1f
engert, d. h. auf einen ~f eil des rnertschlich.e.r1 u_lturlcbcns b eiscllrä r1kt
,,·ird : Ojes aber ka11.n nu_r u11ter Berücksiclltlf,~·ng <let inl1alt lic~1en
B <Js t1rnrnt111geo <let' verschiedenen Kultunverte gesc}1ehen. t1nd tl1cse
Bcstirrut1unge11 sind ni cht Sache der Logjk ~c;>'t,1der11 der Gescl1ic l1t e
selbst . Unser Kulturbegrif( ist forrnal, u11d et' 1~füß fn einer logi~cl\en.
Untersuchung f orrr1a) bleiben, ob,,·ohl er i11l Gegc\1satz zu den, Begriff
der '''irkljchkeit mit Rücksicl\t auf da~ Incljyiduelle zugleicl1 als
nchlich bezeicll.11ct \.Vet·den darf. Ließ !-:lieh also schon der Begriff
des \1n1fas5eodgtcn l1istoriscl1c1l Zer1tru111s nur forrnal be tin11ncn,
so ist es vollends at1sgcscl1los-sc111 daß die !\fctl1oclenlehrc ~agt, ,\·as
das ,1oige11tlichc'' .i\rbeitsgcbiet der Goscluclitc sel. Ob z . B . ,virklicb
cler S t a a t i,11 Zen.truo1 aller l{ulturent,vicklung steht, also die poli-
tische Ent\vicklung das eigcr1tlicl1e Arbeitsgebiet clcr Gcscl1ich.te d.ar-
stelJt, das können nur die Hi... t oriker unter sich aus.r11a fier1, oder
l1öcl1stens clarf die Philo ophie des Staates als die Lehre v on der
,,koukre'tcr1 Sittlichkeit' ' hier mitsprecl1en. U11sere logiscl1e L. nler-
s\1cl1ung ,vürde n t1r ver,virrt ,,·erden, ''"'enn \.Vi r clie. en Gesicht:-punl{t
mit l1cranzicltcn ,,·olltcn. Die ~1et11oclenlehre d arf allein folge11des
sagen. E irt Ver ·ucl1 1 die politisclte Gcscllicli tc überl\aupL aus der f{eil1e
der \;v°i ' e1LsC1lafLer1 zu st reicl1e11 1 sollte n ic ht err1sthaft disl<.u tiert \\'er-
deu. E ~ liegen hist orische W erke als T at sacherl ,,or, die d ie Frucl1tbar-
keit des politiscltcn Gesichtspunktes , (i. h. der B ezic ltl1ng der Q,b jekte
au( den \.Vert, cler an dem I{ulturgt1t SLaat haftet , bei der Da.n- tcl.lt1ng
ge,"isser Teile der J(ult,1rcnt,:vicklung v iel bc~~cr be,vciscn , als i1'ff'cnd
eine tl-1eo,r cti~chö Erörtcrt1n g ,la~ könn Lc. J erle 'f heorie von ihrer Un-
,visscnscha rtlicl1J~eit beru ht auf eine n1 un,,is~en3cha fLlichen 11aturali Li-
ijchen Dogn,aLi:;1n1.1s. Anlicrers ~its aber i~L der \'ersuch, die poht,isclie
Geschichte als die ,1 eigerttliche1 ' Gescliicl1le zu prokl a11)it>rC1l , n11r Ja11r1
- 533 -
t • ' •
:" .•
herccl1ligt, ,, ·enn man auf Grund der historiscl1e11 T atsacl1en 11acJ1ge•
,vicse11 hat; daß ein anderer Wert als der des Staaw die Darst ellung um-
•
. -
536 -
F ü n r t c s I< a p i t e 1.
•
I•
D i e n a t u r a Ji s t i s c h e G es c h i c t, t s p h i 1 o s o p h i c.
D.a es v or allem, darauf a nkon1mt, clas Ver hältnis der Objektivität
hisLori ·eher Darstellungen z.ur Obj ektivitä t de1· Natur\,·isscn cl1a[t
zu beurteilen, so liuben \Vi f zuerst zu sel1e11, \\' OS vo11\ nntur,\'issen-
schafl licl1en Standpu11kt aus über die Wis~enschaJ'LLic hkeit de r hisio-
r·i cl1en B egriffsbi ldu11g zu sagc11 i ·t. Ei11 Naturalist ,,·ird v on vome-
}1erei11 geneigt sei11, dein t1istori cl1-er1 , ,erfuhren dje ,vissenscl1aft-
lic'he Ohjektivit.ät abzusprechen. Ist , o muß er clcnkcn, von der
Gcscl1ic hte die Wirl~licl1keit r11it Rücksicht au f das Boso11dere ttnd
Individuelle dttrz-ust,ellcn, ltnd sind die Pri11zi pic11 il1rer Begriffs-
bi l(lung \Vertgosicl1tspunkte1 so bleibt, der His toril<er not,vendjg bei
sc h,vankcndcr1 ur1d inclividuelfen Meinungen tehen, dcn.n ,vns ein
gcscltichllicl1e. l11<lividuurn ist, hru1gt ja daJtn vo.n seinen ubjektiven
\Vertu11gerl ab, und die Anorc.l nung , 1 teleologisehc1·(' Ent,vicklungen in
den1 angcgcbe11en inne bleibt in1111or da Re~ultn.t inclividuelle1 ' \\1 ill-
•
kür. Ganz in1 Gegensalz l1ic1·zu dringt die Natur,vissen scl1aft zu den
zeitlos gültiCYe11 Gesetzer1 vor und erhebt, \vührcnd die Gesc hicl1 te
stets in 111enschlicl1en Satiungen stecken bleil>t , den F~orscher iiber
sicli . elbs t , ind em sie sein em v ergänglichen Gci~te iu1 _ at\1rgl!sc:.Lz cit1
E"·iges zu er[a c11 ge;,t.•:it~ct . Da rau läßt sich cla1111 e11t,vctJer die
l(ousec1uenz ziche11, claß es nur e i 11 e \ Vissr 11sGl1 afL gibtt 1lie vo1r
d er Na t ur, und daß tlul1er djc Gc:::;cl1icltl,e üb~rl1auJJl 1-1icl1t \\.i ~eo-
- 518
scl1af,t, gr.nar1nt ,\'erde n d a rf, ode r d;,ß c da nn all ein rrtöglicl1 ist , aus
ihr ,:inc \\'is. CO!'J(!l1a ft zu 1r1acllcn 1 ,\:cnn es gelingt, il1r ein 11atur,,·isscn-
schafLliclics oder ,,·cnig::t cns ,,,crtfrcics f<'untla nlent zu gehen.
f>ie er:;t,e I{onsct1ucnz la ·scn \\'ir zunächst bei Seite utld ,volle1t
nur 11r1tcn- uchc1l 1 ob 11icl1t vicll,!icl1t. die Natur,vi!>seuscl1aft in der
La~c i L-, an dein Zt1s la11dc der Gcscliict,ts,,·issen~chart.., der il1re1n
l (lcal vou ,,·isscnschufLl ich•er Obj ektivität nicl1t entsr>richt, et,,·as zu
ä·11<l<!r11. \Vcn11 dies auch nicl1t durcl., ebertragung clcr n,.ltun,·isse11-
scl1afLlichen ~[elliodc nt1! die Gcschicl1Le selbst ge ct,ehen kann, so
gibt c eventuell eine na turalistiscl1e Geschir htsphilosopl1ie 1 rlie
,vcnigstcu den leitenden Prin zipiet1 der hi· torischen Begriffsbildung
ei ne natur\\'j · enscl1aftliche Geltung vc r~cl1afft, und auf deren B asis
d ie Ge~ct1ich.te sic h. dnnn a l objelcti,•e \:Yissen cl1aft Ztl erhebe11 v er-
m ag. Eir1 Ver uch dieser Art ka.no aber at1f zwei verschiedenen \Vegen
t1nternommen ,,rcrden. Es ist erst ens möglich , zu fragen , ob , v erte
nl • lciten.tie Prinzipien der hi · tori el1cn B1!griffsl)ilduJ1g nicl1t docl1 zu
t?n Lbcl,rcr1 und durch. eine ,~·ert!reic Gcschicl1tspt1ilosopl1ie zu ersetzen
sind , tltt<J Z\\' iLet1s, falls sich dio ahs untunlich cr\\ cjscr1 sollte, ob
1r1u n r1icl1t, au <lc11, Bcgritf der Natttr s.el})st \\1erLe ge,,•ir,ncn ka nn,
die ,Janr1 itl objekli,,cr \.Veiso be!- tirn111cn, was Kult.ur i t , oder di e
als „ nut.arlicl\c \\terte1 i <lic Ohjek.tivit.üt der histori~cl1e1l Begriffs-
bil,lung nicht töret1 ,vürden.
Die l\f öglic,1lc.cit ein.er in jecler T-1 in ~icl, t ,vcrlfreic11 Gcscllicl1ts-
P•hilosop,l,ie l1abcn ,,·ir bereit · ber(ihrt, aJ der Verlo,1f der Untor-
st1ch1tng u11::. anf dc-n Begriff eines allgcn1einen Ent,vicklungsgesetzcs
tüh rl,e, das d en Dar!iLcllu11gcn cler verschi edenen ir1dividu.ellen Ent-
,vicklt1ng~rcil1c11 zugru 11<Jc g~lcgt \\·erden soll 1 ttnd ,,•ir fa nden hierin
d er1 Pirtzig ·r1 l ogjz;el, vcrsläncllichen in11 1 rlen. die , rersu cl1e, Ge-
~c hichtc t111LI · . atu r,,·iss<>r1:.cl1aft cina,u,lcr 011zu11ül1f>rn, t1berh uupt
hal1cn k.ü1111cn 1. \•Vir 111ü::-:~cn a l!-o jotzt fragen , un te r ,,·clcl1en ornt1s-
i<.Clzu1ig<!tl ein solcll•l!-S Ent,vicl{lung~gcscLz zu gc,Yin11en ,vüre, u1n da_11n
Zll ~Chl·n , ,,·as C$ Ciir clie OI,jel{ti\ritll t dt:r Gcschicht,...,,·is:;cnscha (t b e-
. .
•
- -
au! eine neue ,Sch\,•i,crigkeit 1 ftllls v.·irklich ein G e s e t z der Kul'tur-
ent\,~icklttng ge,,·onnen ,,·cr<leri. soll. Durcll die Analyse einer einzigen
E11t,1,icl<lung:;rcih.,
e ,vir(l q1an e nicht e11tdecken, sondern die ern-
piri~cl1e Vergleichung rnel11·ercr Ent,,,icklu1lgsreil1en ist ltier das eitlzig
logiscl1 :zt1Jä.ssige ~litte). Die Znhl der verschieclenen 1niLeinander zu
vergleic henclen T<tilturvölker ~her, deren Eot,vjckJung von ,,Anfang„
r • ., ,
bis zu ,,Ende" bekannt ist , st ellt, sielt a ls ehr klein lieraus. l{ein
Naturforscl1er ,vürde !l.icl1 borcclrtigt glauben, aus d.cr Bcobact1tung
nur eitles l'cilcs piJlor so klcinc11 Aozal1J ei11cn Scl1luß at1f die übrigen
Vül.k cr zu zieh~ni de1· n1el1r als eine bloße Vermt1tun g ist. E s wäre
a]so eine vollst ändige Induktion , d. h .. die Untersuchung jedes ein-
zelnen F alles l1ier cir1c un ab,,·eislicne F order-tlng, und nuch au! d.ie ern
. ' '
Wege kä1ne 111ari · räicht Z\l cin,;111 ,virklicl1en Ge~etz, ,vie die Nut,1r-
~·i , scnscllart es ,s ucht, ~onci crn höcl1ste ns zu einem en1pirisc h allgc-
n1ciner1 Scl1.c1t1a. Set.zt tlies aber nicht voraus, daß ,Yir die Gescllicl1te
.
aller Kultt1rvölkcr irn ,vese11Llichc11 b ereits kennen , c 11 c ~·ir an die
AuCslellt~ng des allge.tneine11 Entwicklungsscl1ernas gol1en 1 und daß
also die .ganze Ge cl1ic11lc be1·cits gcsc11rieben ist , el1e die in die.sein
Si~ne _gcschichts,,rissensc·haftliche Arbeit beginnt ? Nur ,vo eine große
~fengc von Einzelfälle11 in Betract}t kommt, darf ·,r,a11 das f ül' ei11e n
Teil von il1ncn geft1ndene en, pirische Gesetz a ls leitet1dcn Gesichts-
punk:t bei qcr Erfor$cl1l1ng des nocl• unb"kannten Teiles vcn\•cn,dcn .
.
Bei der Darstellt1ng Üer ,vcnigc11 1nitcinan<ler v ergleichba ren l{ultur-
, ,ölker dagcge11 k.on trrlt n Lnn ubcr unsicl\ero ' 'er1Ttt1Lungcn nicl1t l1i1laus.
Diei;C '\,:önnen da ru1 lejch t dazu die11c11 1 daß der Ilistorjker 1r1it un-
begründ·eten V o r u r t e j 1e n ar1 die E rforscl1u11g seines Gegen-
stancl es geht, tind sie ,verd n ~1lso nicl1t geracle geeig11et ~ein, den
historiscl1cn Darst('llur1gcn die ge,\'Ün~cllte ,,Obj el{tivit-äL'' zu ver-
leihen . Stell t rna.11 freili<-h 11 Gc:;etze'' a uf \,·ie z.B . clast wonach in
jeder Vo1ltseJ1t.,vi rl{lunt• \ orzcit 1 Alter tu,n , frilhes unrl sp ätes Mittel-
alter , tlcucrc ur1d r1cuc.•:;t,e Zeit a1.1feinanrl.;:r folgi'r1 1 so n1ag rnan die
Geltung eines solcl1en 1 ,Gt•~ctzcs" bcl1uu11tc11 tin d diese Forn,c_l überall
an,,,cnde11 l,önne111 ahc1· <la sie docb nicht.s an•d eres zurn .l\usdruck
bringt, a ls duß - clns FrühC't'e ge\völ1n licl1 t.len1 Spä t ere11 voran gelit,
wird 1na11 in ihr ei11e erhe})liche ,vi ·se,1~chnft licJ1e E insicl1t ,vol1I nicht
erblickcr1 dürfen . j\'.icht besser i t es n1i t and ern F orn1eln be-
stellt, die dnrattf hina11skon1n1cn 1 claß jedes Voll, zt1cr st ei n Ji1gend-
stacliun1, tlt1 n11 eio Star1iun1 der n1än oliclu:11 1-{eife ur1d schli ,ß}icl1 ci11
tadi um des GrPi~e11a lters ciurcl1zt1111achc11 hat.. Alles, ,,·as an der-
durch il1re bloße Existenz schon eine 11egative Instanz gegen ur1sere
Behauptu11g? E s läßt sich leicht darttin, daß auch dies nicl1t der Fall
ist, denn wcno irgen(l,,ro der Scl,cin ent.stel1t , als sei ain a llgemeines
Entv.•icklungsgesetz Prinzip der Aus",·ahl d·cs l1istorisch \Vesertt-
lichen bei der Darstellung ejner cir1r11aligen individuellen Bnt'"·icklung ,
so ,vird der Inl1alt de ai1geblich!.!11 Naturgesetzes stets als das be-
1
trachtet, ,vas durc11 d.ie Ent,,-icklung ver,virklicl1t ,,,erden s o l l , und
dann können allerdings alle Prinz-ipien der vvertbczichcndcn hi to-
riscl1en Begriffsbildung an:ge,vendet ,vordcn, die ,vir J.ccnncn gelern t
haben. Aber das ,,Gesetz'' jst dann eber1 kein N a tu r gesetz sondern
die Formel für ein \ V e r t prinzip. '1'0111 rei11 natunvissenschaft-
lichen, jede \Vertbeziollung vermeidenclcn Standpunkt ist also ein
solches \ ferfahren unzulilssig.
Es \.vi rd gut sein, dies an eine1r1 Beispiel näher .zu erlö.uter11 . \\1ir
I,onnten früher die soziale D~.rna11tik Conitcs als T ypu s einer r1atu-
raljst iscltcu Ge::.chichtsphilosophje bezeicl1oen, insofern hier aus-
drücklich die Gcscl,ichtc zu ei:ner Natur,\:-i ssenschaft ge1nacl1t ,\1erden
sollte, die die Natu rgesetze der mcnscl1Jichen Ent,vicklung zt1 finden
hat. \Vir ,verden 11t1n zeige11 l<önncn, da ß in Con1les 1 ,Gcsctz' 1 von
den drei tadic.n nur der A ll s i c h t nacl1 ein Na Lurgcsctz vorliegt,
tat..~äcltlich jecloch jenes unl<lare Sch,vanke11 :t\,risGl1c11 einem Gesetz,
d as sagt, ,vas ko1nmen m u ß , und einerr1 F'ortsch:ritl.sprinzip, d.a s
sagt, ,vos kon1n1c11 s o 1 l , seinen typiscl1en Au ~drucl< gefu11den ha.t,
un<l d:~ß nttr dLtrel1 rlieso Unkl arl1eit der chein entstelle11 konnte,
als sei hier eine n.1tunvisse11s.cl1art licl1e oder gcnera lisierenclc Ge-
scl1iclltsphiloso phie geliefert. Con1le l1at närnlicll rnit rlcr11 letztcr1
seiner drei Stadjen den \\1ert, den für .ihn die ,,posit ive'' Wisscnscliaft
in, Rahn1er1 seiner von den Idealen des P olytechnikums
·•
b cli,e rrsc l1tcn
\Vcltar1sct1auu11g als i\litLcl zur \ fe1"virklichung seiner sozia lrefor-
matori~chcn Plru1e besaß, der gei an1ten roenschlicl1e11 l{ultureat-
,vicklung a1. ihren eigc11t licttct1 S i n n zugrunde gelegt uncl dann
durclt llinzufüg11ng cler beiden anderen Stauicr1 ei,1e allgemeine Formel
fü_r die allrnäbliche Ver\'>'irklicl1t1ng dieses I{uJtur\\·crt.c::1 aufgestellt.
Auch ,vc11n a lso Co111tes ,, Gesetz' ' zu träfe, so \va rc die Ba is, auf die
er die Gescl1ichte zu stcllc11 sucht, nicl1t der Begriff der 1atur so11aerr1
der l{ u l t ll r b e g r i r r d ,e r N a tu r ,v i s s e n s C h a r t , d. h.
,die flOSiLive , v·i~senscha.ft als I{uJturguL alJ.ci11 i~t es, tlie die Glie~
<lcru11g <ler l1ist.oriscl1on P crioJen u11cJ die Aus,,•a W des \\i'cscrltlichen
bei Co111t c leitet. W ir sehen clnraui;, dnO Con1te i11 seiner Soziologie
\1/ie für H egel so ist :.it1ch für ihn der Pla11 uo cl in11 der Geschicl1te
im Grunrl c seine eigene Philo opl1ic, aber ,vährc1)d 1--legel c3 vcr~ta nd,
mit ihr na lu~z11 die gnnze F tille <les Kullurlebe11s zt1 t1rnfa~~en , vel'-
•
engcrt Con1tes Intellekll1nlis1nu~ und po itivi-tiscbes \\' issensideal
den n1fang deR I<ulturlcbcns so, daß je koriscqllenter die "\ ersucl,e
ausri •len, au[ dicserr1 Boden Gescltic:h te zu ~chreibcn, u t11 ~o g rößere
•
zicl\cnd I daß e r ,vic j~d e r f.list oriker die cir1 tl'l:aligccn llistoriscllcn Ent,.
,vicklungs.reil1en auf c111pirisch konstatierbare Kultun'vert.e beziel1t,
sondern er geht ,,,eit über die not,vendige und berechtigte Ver,vendung
von \.Verten in (lcr Ge. chic hte hinaus. Er st1.cht nämlich die leitenden
Kultur,vertc seiner Darstellu11g nach berüll1nten ~Iust crn in c i 11 e
Fonnol zusamn.icuzufai-seo, die er als ,,das Prinzip fort..c:chreit.cnder
p:;~·cl1ische r In tensität'• bcz.eichnet, ur1d in die nicht nur nach dem
Vorbilde der spekulativen Gescl1ichtsphiJa ·ophie alle gcscbicl1tliche
' 'ergangenhci t hinci11gepreßL ,verclen soJI, ~ondern mit cler er atlch
die Zuklinft voratiszusogen untemirnnrt,, denn er "veiß genau: ,,Das
Geschichtlic he muß ( l) icl1 in st änclig steigender psycl1ischor l nten-
s iW.t be,vc.gcn.' ' - o t1at al o sei11e I•'orrr1el genau dieselbe Jogi.s ehe
Struktur \vic Comtes Gesetz von den drei Stadien, aber •,vä hrend
,Yir leicl1t b egreifen, ,vie Co,11.te zt1 einer 80lcl1cr1 ,,id cologiscl1en''
Verge,valtigung der hisl-0risch en T atsacl1e11 gekornn1ct1 ist , verstehen
,vir docl1 11t1r sch,ver, daß ein Historiker unserer Zeit noch glauben
kann , es müsse das gcschicl1tlicl1c Leben ilbcrall von dein l1y pothe-
ti -cl1cn Zeitalter des Anirnismu8 übe1· Ko11ve11t.ionalisn1us, ~f ) pismus, 1
und am ,venigsten glauben, daß sie auf diesem Wege zu einem Ideal
größerer geschicl1ts,vissenscl1aftlicher Objektivität vordringt.
Wir komrnen also inbezug auf die Frage nach ein er wertfre ien
naturalistiscl\en Geschjcl1tsp-bilosophie zu folgendem Ergebnis : ent-
weder sind die allge,neinen Ent\vickJungsgesetze wirklich N at.ur-
gesetze, und dann kann man sie als leitende Gesichtspunkte für die
Auswahl des Stoffes bei der Darstellung der besonderen Entwicklungs-
reihen nicht brauct1en, otler die angcblicl1en Entwicklun_ g~geset:z-e sind
tatsächlich \VertpriI1zipien, und dann läßt sich mit ihrer Hi)!e ent-
•
weder ein,e geschichts p h i l o s o p b i s c h o Konstruktion oder eine
rein wcrtbeziel1en-de individualisiere11de Darstellung der historischen
Ereignisse geben.. Im letzten Falle fällt die historische Darstellung
vollkomn1en unter clen von uns dargelegten Begriff der G-eschichts-
wissenschaft. Noch eine andere A1öglict1keit 1 Gcsclricbt c zu treiben,
gibt es dagegen nicl1t 1 und falls also die Ver\\'endung von Werten
in der Wissenschart Oberhaupt unzulässig sein sollte, .so müßte die
Geschichte, d. h. die Darstellung einmaliger Bntwicklungsr-eihen in
ihre r Beson-derheit, gänzlich aus der Reihe der Wissenschaft en ge-
strichen ,vorden. E s bleibt daher, wenn man vom natu.l"\\1issenschaft-
licben Standpunkt überhaupt die Geschicl'ite als Wi„scnscha!t be,..
grilnden will, nur noch die zweite ~löglichkeit, ihr Fundn111ent in
,,natürlichen Werten'' zu suchen.
Hierfür kornmen dann vor allem die Theorien des naturalistischen
Evolutionis1:r1us in Betracl1l, "vic sie im Anscl1luß an die neuere ,,ent-
v.-,jckJungsgesclaicl1t.licl1e'' Biologie beliebt gc,vorden sir1d. Ent-
s.p rechend der \Veit verbreiteten Neigung, in Gedanken, die aul be-
grenzten Gebieten zu ,vissenschaftlicl1em Erfolge geführt haben, ein
Prinzip zu sel1cn, das bei der Bel1andlung aller möglichen und ins-
besondere der philosophischen Problerne sicl1 frucl1tha r enveisen
müsse, l\at n1an den „Darwi11ismus 11 dazu be11utzen \volJe11, den philo-
sopl1ischen Disziplinen e·ndlich die so dringend ge"\vünscl1te natur-
wissenschaftliclle Basis zu verleihen, und der biologische Ent\\1ick.Jungs-
begriff scl1ien beso11dcrs geeignet, die \Vertproblerne zu lösen . So ist
die Idee einer Darwinistiscl1c11 Ethik aufgetauel1t., aur de,n Gebiet
der Aestl1etik hat man nach Dar,vinistischen Prinzipien gearbeitet,
Ansätze zu cioor Danvinistisct1en Logik und Erkenntnistheorie sind
in dem sogenannten Pragrr1atismus und schon früt1e.r zu Tage getreten,
ja sogar den Versucl1 einer Dar,vinistischer1 Ilechtfertigung und Be--
gründung der Religion haben wir in dcrn Buclle von l(idd erleben
- 547 -
n1üssen, das darauf ausgeht, die Religion als eine besonders geeignete
Waffe im Karnp! ums Dasein der Völker untereinander an.zuprei:sen.
Warum soll man also nic·b t aus dem 11aturalistischcn Evolutionis1nus
auch eine Geschichtsphilosophie machen und rnit ib.m zur F eststellung
von 1 ,natürlicl1en' 1 Kulturwerten kommen? Bei den Versuchen dazu
seh,ve·bt wonl meist etwa folgender Gedankengang mehr oder weniger
deutlich vor : Darwins Theorie und insb esondere das Prinzip der
natürlicllcn Auslese bat nicht nur die alte „dualisti cl1e'' Teleo logie
beseitigt und durcli Einreihung der Organismen in einen tnecl1aniscl1en
Naturzusa.m rnenhang eine ,,rein kausale'' Erklän1ng aller Vorgänge
möglich gemacht sondern zugleich die wahren Begriffe des Fort-
schritts uod der Vervollkornmnung festgestellt. Bisher schwebten
a)le \Verte sozusagen in der Luft, d. h. sie standen rnit der Wirklichkeit
in keinem notwendigen Zusan1menhnng. Man mußte die Natur daher
geradezu lierabsetzen, um einen Sinn des Lebens zu ge,,rinnen: das
. ~
Nat(irlicl1e galt als das böse Prinzip, und der Mensch erschien als ein
Fremdling in der Natur. J etzt aber sehen wir, daß die Naturgesetze
selbst not"''endig zum B esseren führen, da ja. die natürliche Auslese
im I{ampf ums Dasein überall dos Unvollkommene zu Grunde richtet.
un.d nur dein Vollkommenen sicl1 zu erhalten g~stattet. Wo das Natur-
gesetz \valtet, pa~ en die Dinge sioh in immer höherem Grade an,
werden immer zwcckrnäßiger, und durcl1 die natürlict1e Ent,vickltln:g
entstellt desl1alb immer das, \Vas sein soll. lst aber mit 1-lilfe des
Prinzips der nat.ürlichen Auslese ein sicheres Kriterium tnr das ge-
geben, was als wertvoll zu gelten hat, so muß es at1ch möglicl1 sein,
mit Racksicht auf diesen W ertgesichtspunkt die hist orische Ent-
wicklung der verscltledonen Völker oder dc-s ganzen Mcn.schenge-
schlechts darzu.st.ollen und ft1 r diese Darstc1lun.g eine naturwi s,en-
schaftlicl1~ Objektivität zu beanspruc11cn .
'\>Vas ist von diesen Theorien zti halten? Nehmen wir einmal an,
sie ,vär-en richtig, so ergibt siel1 sofort, daß der Begriff eines natür-
lichen F.ortscb.rittcs durch Auslese für eine naturalistisc'l1e Begründung
der Geschichte nich.t.s helfen könnte. E s ,verden bier närnlich Werde-
gänge nicht nur auf einen vVert bezogen. sondern es fäll t aucl1 die
zeitliche Reihenfolge ihrer versehiedenen Stadien not,vcr1djg mit eir1-cr
Steigerun.g ihres Wertes zusammen, d. h. wir haben hier ein ty1>iscbcs
Beispiel für den froher an sechster Stelle genannten Entwicklu ngs-
begriff 1 • Eine derartige Auffas-sltng des geschichtlichen VerlauJes
1 Vgl. obru1 s. 417 t. und 422.
aber u1ußtcn ,vir ;11$ ,,unhistori eh~' i11sofct'll bezeicl1ncn 1 al ~ie .r1icht
imstande ist , J.ic cigcr1artjge individuelle Bedeutung der verscl1ie-
dcncn Ent,,rick lungs ·turen zu il1re1n R ecl, te kornmen zu In. ~en. J edes
Stadium kar1n da11n ,.-ielrnel1r n u r als Vorbereitung auf ,d as folgend e
gcltcr1 und i. t '"ert, daß es zu Grt1ndc gcl1t, un1 einen1 '"'·eitcr cnt-
\\·ic.keltcn Plotz Zll nlnchen, so d:tß cl,li cßlich Alle l1öcl1, t cns 11och
seli.undär }1istori ehe Bede utung b sitzt. Lirßc . it ll also ,,·irklicl1 ein
n ntu1,,ri~:i.c111-cllaftlicl1cs J;<ort!-;chritts g es c t z au fstellen, so \\rürde es
di e prirnär l1istoriscl1e Bedout.u11g der Objekte ebenso \.'Crnicht en wie
je,rlcs aodcrc Naturgesetz. .Ja, die verschiedenen St adien der Ent-
,,,icklung ,vürden bei vollständiger Durchführung die er Betrachtung
zu Gattung;;exctnplaren e;ner Reil1e , 1 on nllgcn1ci11en Begriffen herab-
g ed rückt, rlie r1ncl1 dem Priozipe im1ncr größerer Angepaßtheit .g e-
ordnet ind , und e. blieb e von ihrer gei;;chichtlichcn Eigenart, tlie sie
als l1i~Luriscl1e Inrlividucn in d 1n friiher ang<.>gebenen inne br,sitzcn,
11icl,ts übrig 1. U11rl sc~lbst das ist r1ocl1 11icl1t Alles. Der at1 r tle11 Aus-
lesebegriff ge::; tützte F ortschritt. gedanke l10t noch cirle andere Seite,
die ihn zu1n Prinzip der l1i tori"chen B('griffsbildu11g vollends un-
bro.t1cl1bar mncl1t. v,1tire das Ange1Jaßtcre cho11 <las Vollkon1n1enere
und das Gesetz der 1\npa sung in "''al1 rtlei t ci11 ur1be<l.ingt allgcrncincs
alurgcsct.z, ~o rn üßte es rr1it Nnturnot,,rendigk it (1 b er a 1 l ejoe
i1l,mcr größere ' 'crvollkorr11,1n,1ng l1crbei(ühre11 , und d ann \\'Ü rcle
jede beliebige Stilck <ler \\ 'irklicl1keit z11 jeder Zeit einen in1mer
größeren ,vert erreichen. Oic W elt ,,,ärc ltn tcr iiit•ser ' ' oraus!-<ctzung
in j cclen1 Augenblick i11 jedc1r1 ihrer ·r cilc <lic beste aller 11a t'l1r,vi sseo-
scl1urtlich e,lenkbaren \Velte.n . \\lit die cn\ ,,,eitcgehc1lrlcn Opti,nisrnus
a bcr veri-cl1,vä nde zuglc.ich (lie l\[öglicl1 keit, einc11 U n terscliicd Z'vvischcn
solcl1en Objcl~tcn Zll n1 achon , die zu clem leitenden \\ 'erLgesicht~punkt
in einer ntil.1cren Bcziel1ur1g stel1cn nls anrl crc Objekt~ , d . 11. es ,,·ü.r c
r1,it Rück icht auf uen Begriff uer natürlicli~n Vollkom,ner1hrit j o de
\ Virklicl1kcit g I c i c h ,vc entlieh. Da· aber besagt ebensoviel, a ls
clnß n i c 11 t s mehr ,vesentli ch, ii;t, 11nd dc•r \''crt, der\ ()c1· naLura-
Jistis.che Evolutiuni:-111us begründ en zu könn et1 glaubt, cr,,·ei t sielt
da,nit als durchaus 1111gccignet , dc11 Proze.O einer ,,,ertbeziehenclen
J1istoriscl1c11 Bcgrifrs ujl <Juug zi1 leiten.
Doch gerade <licscs Ergcl.>nis scl1(!i11t in anderer IJir1sicht ,vicdcr
~el1r bctl.c11l{lich. Es darf nicl1t z,vci eina,1Llcr ,vidcrsprcche11dc Arten.
der ,verlbcLrach l t111g grbcn. 1-'a ll~ also Llie ·a t urgc elze ,,·irklicl1
t , ·g1. ol}t•n S. 4 18 r.
erhaltung. und ,,•er1n inan leli.rt, daß durch die natflrlicl1e Auslose das
mit Rücksicht auf die Erhaltu11g seines Daseins Unz"'eckrnäßige be-
seitigt wird und nur da s z,,,eckmäßige bestehen bleibt , so hat dies
mit dem Satze, daß eine unter de1n i\usleseprinzip stehende Entr
,vickluag zu irnmer größe rer Vollkommenl1eit fülu-e11 111üsse 1 nicl1t das
gerhlf,'Stc zu tun. Der Begriff des Z,veckes, "'·ie die Naturwissenschaft
ihn beibehalten mu.13, um (tberhaupt. lloch v-o n Organismen und deren
Ent,vicklung reden z.t1 kön11en, darf unter keinen Umstünden ein
\\.' ertbegriff sein. Nu r der Begriff d.cs T elos a ls eines ,verLfreien End-
stadiums hat in il1r eine Stelle.
\Vie komn1t es, daß trotzdem das Gegenteil vielen für geradezu
selbstverständlich gilt? Die T äuschung, die uns hier gef'angen hält,
h erul1t dar auf, daß ,vir uns nicht dazu cntscl1lieOen können, bei ge--
\vissen organischen Gebilden v on den \Verten, die ,vir mit ihren1
Da "e.in zu v erknüpfen g e ,v oh n t sind, zu abstrahieren. Deshalb
sehen ,vir in ihnen \VOrt,•olle z,,recke. J a, die v o r nller natur,vissen-
scJiaftlichen ·11wrsuchu r1g iängst feststcl1endcn \ Vcrtc l1alwn '"'ir
n icl1t nur uufrecllt sondern deuten s ie au cl1 noch in die Begriffe l1ine.in,
mit d eren llilfo ,vir die Ent stel1ung der gc,verteten Objekt.e zu er-
k lären s uchen , und so konnte es kommen , da ß dns 1 ,antitelcologiscl1e' 1 1
Prinzip der .i\.usle-s e zun1 Prinzip d es Fortscl1rittes \\'Urde. E s führt,
so meint rnan, zu dem hin,. ,vas uns lteut.e ,vert,voll ist , 11äu1licl1 zum
l\fens~hen ; folglich muß es \\'Ohl selbst ein W ertprinzip sein. Io dem
Augenblicke ahoi·, ,vo rr1an, ,vie die Natun,1 isseoscbaft es tun n1uß 1
aufhört, den lfenschen a l Gut zu setzc11 1 an. dcn1 ein \Vert h aftet,
fä llL au ch jeder Grund dafür fort, da Pririzip•der Au lese für ein W ert-
prinzip zu halt en. Afan hat nicht ot\va a.us den Begriffen der Natt1r-
,,,ijsenschaft eir1en Wettmaßstab gc,vonnen, sondern mnn hat bereits
v orhan.clene ll\enschlicl1c °"' erte a uf die Begriffe d.cr · a·tu nvissen--
schart ü b e r t r a g e n. Ge,viß ist es sehr begrei{licl1, daß uns
l\lcnschen a lles ~lcr1schl iche uncl ~1ensclienilhnliche ,vertvoll ist, und
in der Geschicl1le kö1111en ,vir at1cf1 von der einzigartigen Bcd eulttng
d es l\ii ensc hlichen 1 die au{ Wertbcziol1ung beruht uncl ihrn Sinn v er-
leil1t, nien1als obstral1ieren. We11n \\-11' aber eine Eot,,·icl<.lu.ng-sreihe
deshalb, ,veil sie zuro !\fensch n l1infü hrt, als einen Fort.schritt.sprozeß
bcLrachtcn , o dcnJten \Vir -eben nicl1t n1ch r na tur,vis i:11schaftlicl1 irn
Begri(fer1 cicr \Vu11dlscl1c11 P 'j'cl1 ologie arbcit.c,t, der erhebli ct, t,e
Beitrag zur Ps~·cJ1ologie dt1r l{ultur zu ~ein ;;clici11t, d,u rch konsecruente
Bcrücli&ict1tigung Llc UnLerschiet1es 11ntur\vissenschr1ftl icher oder aene-
ralisicrcnd p.sychologischcr und l1ist orischcr O(ler indivicli1alisicrcn(ler
B ctracl1tunf.,"S.\VCise 11och zu v,iel größerer l(l nrl1r-it ko1n 1ncr1 können.
Die 'l'ältscl1t1ng, daß psychcilc)giscl1c r1t,·rschci,i11ngcn einen anderen
1 ~uturv,1lhf'r un, l l,ulturvlllk1•r. F.1 11 Bcilrog zt1 t 01.iu lp:-ychologio 1896.
- 555 -
bedeut end 111it. de111, tl a ß solche \ Ve rtc übcrli a upt 11icht gellen und
daher die Gescl1ichtc l, cine \,\;isse11 ·cl1a[t. ei. Ein Be,,•eis für d iesen
Satz k,\nn von s.eiten der Natt1r·\risse11Schaft 11:ä1r1Jich gerade clann
niclit gcfühl't ,verden 1 ,ven11 die \ 'o ral1sselzt1ngcn richtig sind, auf -
Gru11d deren rl ic · atu L·,, ·i:;:,;en :;chaft ein-e "'·crtbezichend e his torisc lle
Dc11-stellt1ng dt;r \\1irl(licl1kcit ;-iblchnt. Ein rteil über clic \i\1is~en-
scl1aftl ic.ltkcit o,fer Ur1,,~i11ser1;;chaf~licl1J{ciL ci,u cr ~I c t h o <l e ist ein
\\' c r t, url,cil w1<l setzt abi.o selbst sc b.on ei11cr1 \ \1erL u, aß s t, a b
vora us, a.1) cletll die „Ollj ckti, •jLäL'' der \ \'i~i:;en~cho.fLcn gerne~sc n
'"ird. Darat1s aber folgt , daß Jie NnLt1r,,·is5-en..scl1att i,Ofort illre J(o1n-
] I.
Dic em piris c h e O b j e k t i v i t ä t.
\Vollen ,vir ,,·eitcr kom n1cn , so müssen \\'ir uns .1110glicl1sL frei ,ron
a llen ' ' or:1us etzu11gen Obe r den \~' ert der verschicdcn eri ,vis$r11scl1 aft-
lichen ~1 elhoden l1alten, tt11d ,v,cil a1s d er vorr,ius-ct1.ung;.ln!-.est e Lar11l-
pu11k.t, i11 der Erli.cr1nl,l1istlicorie clcr der rcin r1l Er.fahrung gelten ka11n 1
zuerst ein111t1 l fragen, ,vic es n1it, der Gcscl1icl1Lc st.el1t 1 V11cn1, n1a11 den
1'i(aßsta b <Jcr e1n r)irisr-.hrr1 Obj,c kti"·itüt an ~ie anlrgt. Solche Objck-
man ror die Verglejchu1lg ,vät1len ,vill, ltnd cliese \1/uhl bedarf auf rein
en1piri tischem, ... tnndpunkt ebenso ,vie in dc:r Gesc}1ichte der Zu-
·tin1n1t1ng aller dcrjenig n, fü r "''eiche die a.ltgemeinen Begriffe gelten
sollf~n 1. A.uch die Natur,,·is~enscl1aft .k a11n also die \ io rnt1ssetz\1ng, •
- 562 -
nt1r ,d avon, daß fi1r unbedingt allgc1t\eir1e Urtei le ein mci-1r o<Jer ,veni-
ger großes t\laß von Wa.hrscheinlichl<eit in Ar1sprucl1 gcnonunen
,,rcrdcn <larf I denr1 scl1on in cletn B egriff d-e r \;\Tal1rschcinlichkeit
.~ -
cincs urtbeclingt allgemeinen Gesetzes teckt ein übcrerr1pirisches
Elen1cnt. E s ,vircl dnrin vorflu. gese tzt, daß i l" gen d \\·eiche unbe-
dingt tlllgemcu1cr1 U rtcilc unabhar1gig \.' On den el'kennend.en Sub-
jcltten goltco , uod r1ur das ist fraglich 1 ob diese Urteile aucl1 schon
in die Lnen ·chliche Erkenntnis eingegatigen 'ind. Ol1nc die Voraus-
setzung, daß ,vir in dje er \Veise die Erfahrung überschreiten können,
l1at es kei.nen Sinn, zu behat1pten, da·ß , ,vas für t au send beo-b acl1t-Ote
Fälle gilt, ,,,vahrscl1einli.c h11 auch fül' den tause11d tt11d ersten nicl1t
beobftchteten Fall gelten ,vordc 1 und (liese Vorau ssetzung schließt
ein, daß i r g e n d w e l c }1 e Gesetze sogar da11n u n b e d i n g t
gelten, \\1enn ,v-ir noeh kein einziges von ihnen kennen sollten. Frei•
lieh ist dies ei11 Punkt, über den der Empiri mus nicht !)CILen 1nit
großer Goclunkertlosigkeit hin"'~eggcht, oder den er ,rut 'fheorien
gl,1ubt erledigen zu können, die die Frage nur vor\virren. nsere
subjektive U e b e r z e u g u n g von det Geltung ei11es Gesetzes
ko11l1nt ge,.viß in vjclen J?älle11 d •u rcll ei11e Häutung von Beobach-
tungen ztistandc, uad die psychologj sc\1e Analyse des ,vissenschaft-
lichen realer, Denkens ,\·ird claJ1er Begriffe ,vie Gc\,•0l1nhcit it1 den Vor-
dergrt1rl.d schieben köonc11 1 um clie Ueberz<n1gu11g de Subjekt.e zu
erklärer1. l)as aber hat 1nit u11serrn P roblen1 nicllt das Geri11nste zu
tun . ~lag unser Glaube durch tauser1d Beobachtungen entst an,den
sein, rechtfertigen läßt sich da-d urch a,Jcl1 11ur die Wah rsc hei11lichkcit
der unhcdingtc.r1 Geltung -eines GeseLzes nic tnal . E s lltllß vielmcllr
v o r je(ler Bcobacl1tuI1g <lie Geltt111g irgend ,velchcr Ge-setze und zu-
gleicll die l\töglicl1kcit außer Z,vcifcl st licn , a,1f Gru11d d es Erfah renen
ct\,'as über Unerfahrenes zu ,vissorl , fa l'I J as Sucll.en nacl1 Nnturge-
seLieu cineo Sinn haben soll. elbstvcrständlich bleibt diese Voraus-
cl:.zltng ebenso forrnal, ,vic sie übere1n1,iriscb ist . Die otur,,,is~en-
schaft kann eventuell ei11es 'I'ages clahin korr1tnen , alle unbedingt all-
ge1T1cir1cn Sätze, die . ic bisl,er gefltnden zu l1abcn gl"111 l:1 tc, für falsch
• zu crl<lären , aber solaogc überhaupt Nat.ur,,risscnscla a{t getri eben
\Vet·clen soll, c)n,rf man (!rts R-echt des erkcr1r1e11de11 uhjckte. auf den
Glauben an ttnbedir1gt allgerncine· Gesetze und arJ clic :\löglichkci't,
ich ihrP,r Erkc11ntr1 is ,vr•n.ib"Ster,s ._lru1ühl·rn zu kön11cn , niC'n1:ils i11 Frat•c
st.cllcn.
chrncn ,,·ir r1un Hn, dies R eüht. -ei er\,·iesr1J , ,v "lches :-i rld da11n
cJe11 Bcsor,<lerh eiten ,ler l•ist orisc hen Begrift;;bilrlung nicl1l.s zu t.u11 1
denn die Scl1,,ricrig'kcitcn , die sicll hier für den Hist.oriker ergeben,
sind a uf <lern Boden der rcir1c11 Erfal1rur1g 11icl1L prinzipiell t1nlösbar.
Die übercn.1piriscl1en \ tor~ussctzU11g •1t dt•r Gesth ichw n1ii~ et1 daher
an einer g,,11z a r1dcrcri lcllc li0,geu. Vcru1::ig tlie Nat.u r"\visscnscl1aft
rr1it i l1rcn B cgri rrcn sich dem t111becli11gt a llgcn1ei ngolt igen Ge„eLze
anzttniil1er11, o lto r11tJ,1t . ie ciarn it "·oll Hll ~r rn e11s-chlicl\eu W i 11 k ü r
los, ir1 tlC'r sie r1ach ~rn[Jirist.i.scl,er A11:-;icht i111u1er befangc11 ~ci11
rr1üßtc. l )ij~ G,•sl' hi r ht.P. <lng<•gen blcil1t stets bei 11,enscl1licher1 \Vert-
soll'?
Sehr ,,iclen mag os a ls selbstversländlicl1 eNcheinen, daß go
allein eins \Vescn d er ,11atur,vi~ c nsc l1aftlic hen \\i'uhrheit ricl1tig an-
gegebe n i:;t, ttnd höch. tens gege n clen Ausdruck der 11 metap-i1ysisc1'1en''
Objektiviltit \Vird mo.n sich vielleic11t sträuben. • oh.1r1ge n1an jedoc h
die ,,letzten Dinge'' oclcr die 11 , eeleneJe1n cnte" nicht cJc1· un111ittcl-
baren Erfal1rt1ng zugänglich gen1acht t1at, dürfte e.~ . icl1 docl1 e1r1-
pfchlcn, die A1·t ib1·es • ein ~ at1ch prinzipiell vo11 de r d e r beobacht-
baren er11piriscl1cn Wirl~lic hkeit Ztl scl1eid en , u11d <lal1er rnüssen \,·ir
j e d c A11sicl,t 111eta,ph,)1 ' isch neru1e11 1 die z\\·ci .>\.rl"'n clcs · ein I cirt
cn1piriscl1e und ein ab olutes vorau ·i,.c tzt, und <lcu1er1Lsprechet1d
vorl rnct.aph;•~i eher Objektivität. reden, \VCnn ,tic Geltung der ,vi:;J,en-
scl\aftlichen Begrifft"' davon abhär1g·ig sein soll, '<''io '"•,eit il1r Inhalt d a.
, 1ab~ol1ltc" eit1 ,,1c(lcrgibt. .Je<lcrrfalls aber sinrJ ,vir genötitrt, z-11
dern ar1gegebcnc11 Begriffe def. Erk.enr1cns l<.ri li$cl1 tcllu11g zu neh-
n1er1 , denn das Verhält11is <lcr Gcsc hicl1Lc z11r atur\~·issenscha ft wird
durcl1 ihn ,~on ncuo1n ein ga11z andercs 1 al es bisl1cr . c hien. Die prin-
zjpiell e Gleich\,·crtigk~it de r gesch ichtliche n Obje.k tivität mit ,ler
nA.Ll1nvisscnschaftlicl1cn 1 ciie sir t1 ai1f dem • tan<lp11nkte d er reinen Er-
fahru11g erga b, i t (lann ,vie<ler sel1r zu ungunst en der Geschichte
aufg,e hoben. Dringt nämlich die atul"\visser,sc1'l aft von der Er-
scl1einung zur Reolität vor, so bleibt im Gegen otz dazu die Ge chichte
mit ihren individualisieren,den B egriffs bildungen ausclrück]ich au f die
Erscheinungs\\·el t besct1ränkt. Das ,,1nr ja gerade der Charakter der
Ge chict1te a ls Erfal1ru ngs,vi:-;.'-enschaft 1 der diese Be chrä11ku11g be-
dingte. Z\var könnte n1nn sAgcn, daß Natt1r,vi:-senscl1a(t ur1d Ge c11icht.c
sich dann in die Erl(enntn i. de r W elt t e i I e n , inso fern es die eine
mit den1 da11er11dcn Sein, die anficre es mit dem e,vig ,verden,den und
sicl1 verünclcrndon Er~cheinungen zu tt1n hnt. Abct· di e Ge~cl.~icl1 ts-
\Vi "St:11scl1 a ft, stünde t1 nter dieser Vora u seLzuog in ih,rcr Objf•kLivitat
\\'eit hinte r d er atur,vis cnscl1aft zurü ck. Il1re B cg-riffc ,,·ä rcn cla nn
n t1 r Procluktc des un1.for111en,le11 unu heH rheilcr1den Subjt~kLes, untl
es gä be für ic kei11e R ealität, nac h der sie sielt ric hteu k611ntc. !\lögen
ihre leite11.den Gesichtspur1kle ulso 11och so allg<• u1eir1 a11erka nnt „cio,
scl1aft alles bloß Tatsächlicl1e und Histori ehe in jeder llinsic,h t weit,
hinter ich zul'ückläßt, u.n1 zum E"''igcn vo1·zudringen.
Doch es is t unter solchen Vora ussetzungen noch ~ine an.dcre An-
sicht denJmar. Vielleicht kann man närnlich sagc11, daß trotzdem auch
die Lage der Ge' cl1icl1t.e vom rl1ctapl1)1.Siscl1cn tandp11nkte mit Rück-
siclit auf die Objcktjvität nicl1t l1offn ur1gslos ist, denn dje angedeute-
ten K o11seql1enzc11 ergeben sicl1 nur, solange r11an an den1 von
uns dargelegten BcgriJC des ltistorischcn E rlten nen fc. th ält. Ist
aber dieser Begriff nicht vielleicht ebcr1so angreifbar \.vie die l\leinung,
da ß die Nat1.1n:\...jsnen chnft nur in einer U111f o1T1 1\1ng und B earbeitung
der crnpi.rischen WirkJich1teit be teht? W enn die natur,,•.isse11schaft.-
liche Begriffsbild1.1ng a n einetn absoluten Sein de11 resten l\taßstab
für il11·e Bestreb1.tngen ur1d die Grun(llage ih rer ,vi sensclioftliclteo
Bedeutung besitzt, ist es dann nicht rrlöglich, daß au ch die Geschichte
einer n1etaphysiscl1cr1 Objektivitä.L sich erfreut? E s scheint sicl1 in
der Ta t ein \\7eg zu ei-öffncn, auf dem J't1tu1·v.·issenscl1aft uncl Ge-
schicl\tc "'·icdttr at1f dicsclLe Sti1rc der \\'is. cr1scha[t,licl\c11 Objclctivität
zu st ellen. sind. 1\lt1n brt\ ucl1t nur 11acl1zu,,·cisc11, daß djo Geschic.l1tc
sicl1 cbcnf~1lls au r eitle }-[et.Ilp11)'sik st ützen k:1r1n in dem Sinne, ,vie die
Natun,·isscnschnft von <ler l{örper,\·elt sich auf djc 1\lcLaph}'Sik d e1·
Ato1ni;;tik s tützt, und z,var hätte mon iu zeigen, d nß die l(ult ur-
,,tcrte mit dein n1etapl1ysiscltcn \Vesen der \Veit so in \ 1~rbinclung
ste11en, daß die \' irklicl1keit sict1 nls ein E nt,,·icklungsprozcß auf-
fus en läßt, dl1rcl1 clen d.as \\7es;;en. der \Veit in clie E rscl1eir1ur1g tritt
oder sich a11 dein cn1pi1·i cl1et1 Sein vet'\virltlicl1t . Dann l1ätte auch die
Geschicl1tc a11 einer ab olute11 Rea1itilL den objektiven I\lußstab und
braucl1te <lcn Vergleich 1t1it. der NnLUJ'\\-iSRenschn! t nicht mehr zu
Rch,etron.
Derartige Ver:;uclte sind denn au cl1 ge111a.cht ,yordcn, t111d als
Typus k a 1111 1.rns hier ,vicdcr l-feg<-1 geltcsl, bei dern der I Geist'' in
der Gescl1icltle zu sich selh~t , d. 11. i.t1r Freillcit J<on1111t. Da Pri11zip
ehe man nn dcrt Aufbau der ~lct.aphy:,ik giug. un,d ll:,ß 1nitl1i11 eine
~lelnph)rsil<. höchste11 auf obje},ti,re \:''crLc gcsLüt.zt1 ni c1na l~ jcdo,~h
tttngekehrt. clic Ohjc){t,i vi.lä t df:" r \\; eri t' ;111:: eir1cr ~ let.a f)h ) 'Si k ht•rzu-
\fcrc1agcn alle clic l\litt.el1 die eine logi ehe od-er erke11nlnislhcoreti"che
U11t.ersucl1ur1g zur ' 'errurrung hat., gleichviel ob e. _ich u1n J>Ositi,•en
Aufbau oller urn 11cgali,e Argu,r•cnte handelt, ur1d auf J en Be,vci
dafüt\ r:laß es eine absolt1Le \Velt nicht geben k a n n , di e . ich i111
Lau-fe der Gescltichte in der ern piri!.chen • inr1P-n,:velt ver,,rirklicht,
,,·ird ger:1clc der verzichten 111üssc11 , cler die Konsequcr1z.cn rJes Gc-
clank.cns zicJ1t 1 daß ,vir \Venia-stcn. aur der11 B-0den der \Vissen c'ha fts.-
lel1 rc über a11ciere als ir1lrr1ancnLe cntpiriscl1e \iVirli.lichkcitcn rnil Si-
cJ1crl1eit. 11 i c h t s aussagerl liön nen .
Trotzclem brauchen \\'i.r at1cl1 tnit Rücksicltt auf dieses Proble·m
.nicht bei einem 1''1-.agezeicl1en stehen 1.u bll!iben, \venigst.ens so,veit
es ic,h dnbei nocl1 urn ein gc chjcht.-,philosophischc~ Problen1 l1nndell.
1
chn1en " '"ir ci11mal a.11 es g5bc z.,vei ,rer.scl1ie<Jcne \\ ' irklic hkcit e11,
1
- 577
kcit der Gescl1ichLe kennen gelernt habe11, und vollends die Ucber- 1
zc1.tgu11g! daß alle mcnscltlichc \<Verten aucl1 von1 \vissenschaftlichen
Standpu11kt au nicht als gleichgültig angcscl1en ,vcrdcn darf, sclalöße
t
'•
scho•n eine rneta1>l1ysische Ueberzeugung ei11, d e-n11 clas absolut \Vcrt-
vol•le könne zur c1npiriscl1cn \Virklicltkeit nur dann eine not,ve11di«e
Dcziel1u11g l1a.ben, ,vcnn aucl1 irgencl ein r e a I er Zusammenhang
z,vischcn beiden bcstcl1t, und dieser Zusamn1enl1ang ,värc der Erfo.11-
rung für imn)er e11.tzogen, n1(1ßte al o al rr1ctapl)ysisc he R ealitä t.
angescl1en ,verden. Doch ,vie dein aucl1 seir1 r11ag, clic Ucberleu-
gung von der Richtigkeit derartiger ~feinun gen knnn imJ11cr orst
e11tstel1e1t, wo die Geltung absolu t.er \Vcrtc nicl1t rncl1r bcz.,\·eifelt
,vir<l, ur1d ,n uß sich au f die Ueberzcugung von <lieser Geltung stützen .
Eine o be!:!Tünclete l\f etaph)•~ik ,vorde daher niemals geeignet sein,
dct' Gescl1icl1tc eine Stütze zu bicwn , da ja die l\letaphysik gerade erst
die Geltung der \.VcrLe fcstsLellct1 soll. 'ie ,,·ür<lc übcrl\aupt nicht zu
d er Art v on i\ilctaphysik gehören , clic au f eine Rationa.lisjerung des
\Veltganzen ausgcl1t, u11d nu1· die \Vertlosigkeit dieser Art v on !\'[ eta -
physi k füP die Geschichts,vis.scnschufL ,vollle11 ,vir hier dartun. Da,nit
sct,ton hot sieb jeder Vc1-s\1cl1; der Gescl1ichte ei11e glcict1 große 1n eta-
physischc Objclclivit.ät zu vcrlcih.er1 , ,,·ic die at ur-,vif:se nsch.a ft sie
angcbl.icl1 be itzt, als nussicl1tslos er,viese n, und so bleibt, um die Ob-
jeklivität beider \Vissen$cha(ten ,viecler au f de11selbe11 Boden zu
stellen, nu r n•ocl1 die ~löglicl,kcit übrig 1 daß aucl1 der Glaube an eine
111ct.a physiscl1e Objcktivitut der utur\\1 issc11schaft als Illusion darge-
l an ,,·ird. Haben ,vir ein Recl1t, clie irr1mancnte Welt überh aupt
...E rsc l1cinu11g" zu nennen un<l in cin etn pri11zipicll 1111crfal1rc11en
Scirt den. Gege11sta,r1d clcr Erkc11nt11is zu el'blickcn? Erst 11ac}1 Ent-
:-t:llci<lung dieser F rn ge ist eine Str.llungna.hn1c zu dcn1 \\!cscn der Ob- 1
\Vc11n ,vir uns vorläufig ,vieder nt1r an die \Visse11schaft.er1 von der
Körper,vclt halten, so denkt bei vielen ihrer Begriffe ge,"iß nic111a11d
daran, sie als Abbil'dcr einer .m et.a ph;ysischen R ealitä t zu betrachten,,
o-n dern jeder ist über-zeugt, daß der einer l\1eltrl1eit von Dingen gc-
n1einsamc Bcgriffsinl1alt nur an ei nzel11on uncl i11divicJuellen Erfa hrungs-
objekteo ,virklich ex_istiert. \\' ir konnten scho1l froher darau.r l1in-
,,·eisen, daß der Inha lt, der \Vortbedeutungen selbst keine Realitä t
besitzt, ,vcdcr eine physiscl1e nocl1 eine psy,cl1ische. Es gibt keine
,,Pflanze'' außer den individuellen Pflanzen, die an be timmten St.eilen
der ernpirischen \Vil'klich-keiL ,,,acl1sen. Es gibt kein 11 Licl1t' 1 außer in
be timmten hi er und dort in (ler Erfa hrt1ngs~,·elt befindl icl1en Mengen .
Dürfen ,,•ir also clie Bildut1g eines Begriffes vorn Pt1y. ischec1 Oberl1aupt
oder eines Begriffes ,,letzter Dinge'' nicl1t nur als den Ab s c h 1 u ß
des Pro-zcs, es verstel',cn , in dem das menschliche Denken alln1ä l1licl1
zu imrner un1fassenderco uncl a1)ge1n eineren Begriffen aufsteigt?
Soll vielmehr, ,vcnn der Begriff gebildet ist , unter den icl1 al les
körperliche . ei11 untcrordnc11 läßt, plötzlicl1 scioerr1 lnl1a llc eine andere
Wirkl ichkeit als die Erfa l1run !!S,velt enLsprecl)en? Soll er das Abbild
ei11er metaphysischen Realität sein ?
Die J\nsicht, daß (')ie rein quanti tative 1nccl1a r1iscbc Natura u(~
fassu11g aucl1 in einer rein quanLitative11 körperlichen \>Virklichkcit ihr
l{orrelat habe, \\1elches ie, so \\'lC es ist , \\'icder piegelt, vollstän<lig
Zll verdrängen, ,vird nicht leicht sein, denn viele sind nr1 dieses rneta-
physi ·ehe Dog111a so gc"vöt1r1,t1 daß sie mciner1 , falls man oinc11 l{örper
nur imme:r ,veiter ir1 seine B cstandt<:ile ze1·legcn l,cönnte, so ,\·ürde 111i1n
sc}1ließLicl1 a uch nuf die .1\- Lorr1e i111 . trc11gcn 1 d . l1. logis.cl1en S-innc des
Wortes treffen , und nur unsere inne seien nicht scharf und u11sere
Instru ,ncntc .nicht fein ll'Cnug, u1l1 <len Prozeß dcl' 'f cilu ng zu Ende zu
fülircn. Trolzuem sollte 11100 tloch cir11rlal ,rcr' t1cl1c,n., den 111etaphy-
iscbe1\ Begri(fsrea lisn1us 1 cler in diesen Gerlar1ken st.ecl,t, auch i11 der a-
tnr,,·is. enscliaft !ollen zu la sen 1 und in dein ra un,er(üllendcn ubstrat,
das 11 ur nocl1 quar1tit..-1 liv bestimn1l ist, oicht ein Objekt dor Erkennt..,
ni in <lt:rr1 ir11le seheJ1, i11 ti en1 er11 piriscl1e \Virklicl1kcit,er1, die ,,·jr u11-
mittclbar ,vahrnch1nen,1 Objekte clcr Erkeuntni~ sind, sondern begrei-
fen , daß jener Ge.Jank.c an eine rein '-1uar1 tita tiv bcsli1111nte .1-\ t o1r1,\'i•lt,
in clr r es nur noch ei11facl1e Dinge und ihr Be,vegun gen, clic sie}\ ver-
ä,11der11, crilJL, nichts nnrlerc SPin cJarf als dl!r G,cda.nli.c eines 1•tzlt•n
Zieles, ei11er 1 ,Jdee" i1Tt l{a uti ·chcn Sin11e, ei1ter den, crl-ter1nertclt•11
?tJcr1scl1cn 11ot,,·end ig g,1s lelllc11 Au Cg ob c. )l an sollte v cr Ntehcn,
- 582 -
daO überall dort, wo die Natun,risscn cliaft von 11 Atomeo 11 als vVirk-
lichkeiten redet, sie nicht Atorne im logiscbe11 Si11ne, d. h . rein quan-
ti t.ativ bestimmte Gebilde n1einen kann. Dann \\1lrde man sich dar-
übe'r klar ,-.·erden, daß wir zwar die Wirklichkeit, um sie zu begreifen,
als bestehend aus Atorncn denk o n mü"Sen, ,veil nur so eine abso-
lut aUgenleine 'fheorie der K örpcn,-elt zustande ko1nmt, daß die
Wirk.licl1keit dnrltm aber nicl1t ,virklic h so aus Atomen be liel1t \\1ie ein
Sandbaufcn a\1S l{örnern, sondern daß K örper stets das sind , als ,vas
,\'ir sie sehen, tast en , scl1mecken usw. , und daß sie dies bleiben mi.iss.cn ,
mit ,vel,cl1e1n Sys tem von Begriffen ,-.,ir sie aucl1 UnIBpinr1en rnögcn.
~(an ,vürdc dann fe rner begreifen, d a ß , ,venn u nsere Sin,n e auch noch,
t-O scharf u11d unsere Instrt1tnente noch so fein ,,.,ärer1, ,vir doch bei
einem nocl1 so weit fort.gesetzten P 11ozeß cl.er Teilu11g den rei11 qi1anti- 1
tativ bc-Stimmtcn Atomen auch nicht um einen Schritt nöher korun-1en
sondern stets nur auf qualit,ati\'e Vorgän ge Loßen \Yürdcn, die sic h in1
l
Pr ii n z ip nic ht von den Vorgängen der Erfahrungs,velt unterscheiden.
Denk·e n ,vir die r c i Il n1ccl1a1liscl1e Atomeni.\relt als eine R enlität,
so schließt das die Behauptung ein, daß es in \\'irklicl1koit keine Qt1a.:
litäten gibt, tind diese sonderbare ~fetophysik sollte docl1 a ucl1 in de11
Krei-en der ratur,•ti~ser1scl1a,ft i111 111~ r rr1ehr an Boden verlieren .
Zum Teil ist das auch bereits der l•'all. ~tit Freuden sind die \Vortc
zu begrüßen, die Osl<,a r l-Iert,..·ig 1 at1sget procl1en hat.: ,.Der . .. .. l
Naturfor:-chcr \\'ird s ich bc,vußt bleiben, daß die Erklärung der \ Veit 1
a ls eines 1\Jec hanisrnus sich stoßender Atonie nur au f einer Fiktion
b eruht, ,vele he zur Darstellt111g mancher Verhiiltnisse nützlich sein
n1ag, 3ber d och nicl1t der \'\i.-irklichl(ci L selbst ei1tspricl1t . U11d so ,vird
i hm aucl1 die eigcn:;chaftglos gewordene \\' olt. . . . . . . im Vergleic h
zur ,virklic her1 \Veit, die mit ihren. uncndlicl1cn Eigenschaften durc h alle
seine Sinne zu ihm spricht, .als ein nichtiges Schatt.eogcbilcle erscl1einc11,
,•crglcic}ibar clen Scl1e,nen clcr U11ter,v·elt, welcl1e d crn Arm des Odys-
seus, als e r nach ihne11 greifen wollte, ,vie Nebel c11L,vicben 11 • Abgc-
sch('n ,ron dem et\\1as b edenklic hen , 1 ,p rn.gmati:.tiscl1en'' Kla ng, der in
,Iie~er1 Sätzen sl,eckt, ist ,die ihnen iugr11ndc liegende Ansic!l,t durcll-
aus zutreffend. Die eigen ' Cll::t flslos ge\vorder1c Weil d er rci11or1 1\fecha-
nik ist keine \Virklicltkl'!it n,chr. l-'I ai mnn aber das eingesch.en, dann
J~a1111 rna11 aucl1 r1jcl1t d aran z,voifeln, daß , ,011 der \Virl<licl1keit urll
n realistischen '' Al1nahn1eu , die zur Si,c hcrung cler Ohjel,ti"•il.ät 11nLu r-
genü ber eben. o,,·c11ig: in einer ungii nstigt.~re11 Lagf', \\:ic (l ies bcin1 Ver-
stich einer rein c1npirischcn Bl'grün,:l'ung ihre r Objcli.Livi t5t der l7 rtl l
,vn.r. Die cntgcgengcselztc ~I ... i11 u·n g beruht lc,liglich at1( <len1 \ 1ur-
urtf'i l, <laß r11a11 ein grö ßcr,cs Rec ht habe, ,Jie III h„1lte c.ler n ;1 lu r,,·is::;cn-
- - ---
1 g l. H . J{ 1 o i n p o t, c r im 1\rc hiv fOr sy s tema l i ehe P hilosophie, V l,
S. 87 und in der Beilage 1 u ·r allgemeincu Zeitung lUOJ, ~OG.
das, ,vor1acl1 d:is begriffliche Erkcr111t:J1 ~icl1 zu richt.en hat, tim ,,ob-
jektiv" zu :ein . nls rla:'l- 1 .0l1j ekt" <l er Erke.nntni. bcz<'ichnet , , o kennen
\vir, da dieses Obj()l(t ,\·<>dr r 111it einl'm ab. olut<'n ein t noch rtlit der
e111 piri.-.c hen \\' irk 1ich r~,•it gleic lig1•sPt.zt ,,·erden k a11t1 1 ,,·irkli che orlcr
11
scicndn " Obj:cktc tlt•r 11ut t1r,,·i:-:--cn::;cl1aftlicltcn ur11.l de r llistoriscl,et1
Begriffe ni <.~ht. \\"irklich. h;L für 1tns al lein da Tat, ::i:chen111.a terjaJ, uns ·
i,n Begriff u111gef(1rrnt ,vird. Die G~'llung rl,:,r B <"gri ff~ k:[1nn clahcr nur
ka11n, da11n vcrst el-1t es ilictl von selbs t, daß erst d11rch die vom S ubjekt
vorgm10111mc11e Ur11[orr11w1g \\'isscnscl1art zustantle kon11r1t 1 t1n d eb en-
so ,vü,sc11 wir, daß ol1ne die \ '01·au~selzung ei11es rnct.aph)rsisclicn eins
auch clas i'Vlatcria1clcr ernJliri che11 \-Vi ssert~chaCt en in :;ei11er bloßet11'at -
sä.cblichk.eit au f ein vo1·stcllcncle-::; Su bjcl( t bezognr1 ,,·crcJe,1 111 uß, clenn
es gibt dano. 11ur clic eine, dem v orstellenden 11bjcktc gegebene ocler
,tic „ i1 n111ancntc'' \\'irklic hl(cit. \' 'ir brauchen t111:-1 a lso bei ein er
nähcre11 Begrünuu11g de " l:,ndpur1kt<•~, filr tlcrt 1~ur111 u11d I1lllalt der
,P11111iri:-chcr1 \\"issc11~c haft ir1 gleicher \ Vei~c auf tla~ vor:;Leflc11de .~ub-
jckt zu b eziehen .;;in<J 1 1aich t ,,·citcr aurzuhalteu.. r
das erl<cr111•cn(lc 'ubjck t ej nen Jnl1alt ,,·irklich ncn.r1L oder illn1 die
F orm der Wil'lclichkeit beilegt, unci die Not,vendig·keit, ur1\ die es sicl1
dabei li a11dclt1 k c1110 11ur die at,,·e11digl{eit eine lhcorc·tischen W cr tcs
sein . .Es gibt al. o überhaupt .k eine E rkenn tnis, die nicl1t v on einc1t1 , e r-
tcn1icn , <lic Zu ·a1nrncn g e h ö r i g k e i t van Forrn u11d lnl1alt an-
erkem1(•11tlc11 • ul.,jekte v olJzoge11 ,vird. Da ß }1ierdurch der prir1zipie lle •
Uoterscl1icci z,visc.l1r.n \.\·crtfrcicr nnt11r,,,i e11. c hnftlic hcr und ,,·ert-
bczichr.ndcr historischer ß egrirfsbil(lung nic ltt ct,va \\'icdcr in Frage
gcslcllt \Yircl I braucht ,,·olil 11icli t au:;!ührlic b b f grüti,let. zu ,vcrdcr1.
Zu 11fic hbt. lJIPibt ja die Inrl i,•irf 11a li t tit der zu c rl~rnnen<l<'n Obj eltle in
der 1 ll tur,,·i~:f"'nscha rt , ·on j('d(!1' Dczi "l1uug aur,,1.c rLe fr ·i, d . h. r,ur
i11p;o re rn ist rl [tl'I U.t tu i-,,·i~~ en~c ha (11 ir.]1 crken nc>r1,J.c :'11bjckt ,vert.01,d,
.i ls bei rl1>r B<'grif fs t>ilcl1tng ,ier \\' crt cll!r \-\' a} 1rh~it , dt•n scirte Ll rtei le
Die .-ingoht, ru.te Eut" ·ickJung des hier zugrunde gelegten Begriffes vo1n
J 1
Erkennen giut ffi{'inc SchrirL: J)cr (;t•gcns tand dc-r Ert<enu t nis.
t1abcn 1 i111plizjtc anerkt,nnt sein 111uß, und a ußerde n1 ist diese An.c rkcn-
nung von derr1 ge ·cl1icl1tlichen Beziclte11 der Objekte au f \1/crte ut1d
der Biltlt1ng ,,on In -dividuen chon de halb prinzipiel.l \'erschiedcn >
,veil sie lcci11e bJo.ßc W crtbczichut1g s.011dcri1 ei,1c direkte \i\1crtung
von sciten de,, • ubjekles, eine Anerkennung des Zusammengchörens
von Form und h1halt darsteJlt. Dies kann ge11f1gcn, un1 zu zeigen ,
da.ß in jeder Erkenntnis der Gcdanl,c eines ,,·crtenclcn ubjcktcs not-
,ven<Jjg entluilte11 ist.
Hat 1r1an . ich dies aber klor ge.macl1t, ._ o ,,·jssen ,vir auch, ,vorin
unter erkenntnistl1eorctischcn Gesichtspunkten allein noch die F'rage
r,ac h der Objckti"·ität. <ler ,vissc11 cha ftli cl1cn Bcgriffsbildur1g best ehen
kanr1. ie h511gt au~!'chließljch von der G e 1 tu rl g der \V c r t e
ab, zi1 dcr1cn rJas erken nende. Subjekt bein1 Erkcn.Der, Stcllur)g ni111rnt.
F alls diese \\'crte gültig sind , .llabcu aucl1 tJic B egriffe, <lie i-r,it Rück-
. icht a uf . ie gchilrlct \Verden, ,vis. cnscl1aftlic he Objektivität, und Z\\' a r .1
<lio hclchstc Objektivität, die .n\ ~,n v on ihn11n vcrl a ngo11 kann . .~ur dc111
Bo<Jen jedes 11 1"'.\ealisrnus'' ,,·i1'd di<' " freilich parndox erscheinen, und •
\,·ir behaupten etb~.t vorsländlich auch nicht, dnß dem Einzel(orscl1er
die Gcltt1n.g seiner Begriffe oder clie Notv,end igkeit sci11cr Urte ile
jcn1als als. ·ot,rcndigk.eil und Geltung ei11cs \ Vertcs zurr1 ausdrü cklichen
Be,~·ußt.sein kotn,ut. Er '"ircl sich i1t der e1r1pir.ische11 \c\1is~cn~cl1a ft
leicht n1it den1 Gedan l{en abfi nd en , dt.t ß , . öflig unabllängig vo.m er•
kenncnt1cn ubj ekt es \VirJ<licl1 so ,.isL4 ' , ,.,..ie gcurtei.l t ,vird. 111 der
Erk-c11r1tni theorie aber können '"ir diese· Vorau::;setzung n,icl1t durch- 1
(iihren. \\,.ir ,vürdcn n1it ihrer llilfe nicn1a ls v ersteticn, ,,·as Obj ckti-
,,itüL der ,vissc11schaftlichcn Erkc1111t11is bedeutet , denn eine ,,,virklicl1e11
\Veit, die vo11 detn u1l1alt unserer Begriffe so, ,,·ic sie ist, reproduziert
.
,,·ird , gibt es eben nicht, oder ,vir , vis. eo ,venigstens nicl1ts von ihr.
oltte al:;o eine I·ü r sicl1 b cstcher1dc \\1 irklicl1keit cler ~t aß:;lab für die
\\·is~c11~eha ftli-c hc Begriffllbildung sein, so ,,·ürde gera de dies, ,,•ic ,vi r
schc>n g<>$el1 11 haben , uns zt1 sk:cptischc11 J( or1sc-c1ue-11zen treihcrl , u11d
,\·ir müßten <lie Ohjck.t.ivitüt jc(lcr ,\·i::sensc hafllicher1 B egrirf;-;hildung
in }◄'rage stellen. Sie lüUL sicll 11ur au·f eine Ge ltung clcr \\' crw , niema ls
•
nu r d ic Exh.ilcnz ci11cr· \\'irk lir hki!i t stützen. I~'rei licl1 ist d ic Geltung
,lcr \\"crtc zu bez,,·cifclr1, ,•on ·d1; ncr1 ,vir 1.eigf'n kön,uc.:n, daß ua~erkcn-
11c11dc ··uhjekt sie in1111r.r ,tncrkcr1nt, \\"cun es ct,,·as ;1 ln ,vnhr .bchnuptf"t.
;.\ her eitl so lcher z,,·eirel ,\·Ordc, l(uns<Jc(u · 11t für a I t c \\'crtc cl·u rcb-
g„f-ührt, den B<•grirf clcr , , ·nl1l'hei t Ctb rrh:'lt1f ► L a11(lic•b011, u1tcl dnn1 iL
kt 1n1•n ,,·ir zu ei11cr logi:;chen .~b~urdilüt . \\ .ir ,,·i::~rn, ,Ynru 1n j e d c s
nr,stellte,. ist allrnär, liclt durch die Arbeit einzelner Nl en chen ei1,e nat11r-
\vissc11scl1aftliche ErC01 ·.chtJng cfer \Vclt ge,vorden , t1nd d.iesc ein111.nlige
Ent,vicklung$rei he tT1t1ß n,it ,vis. enschaftlic hcr o.t ~·cr\c.Jigl~cit so d nr-
ge!<tefl t ,vcrden 1 da ß man sie in ihrer Individua lität in cir1e Dcziohung
1.u eiern l(ultur,vcrt clcr Natur,,·is:ic11schart 'CLzt. Dieser l(ultur\vert.
o.bcr, der die Beg-rif(sbilclung lcitel 1 ist a11cl1 von jcdcn1 a.turali~ten
als unbedingt gültig anzuerkennen und ,\•eil die gesc hicl1 tlic he E11t.-
38 •
- 596 -
,,ickluog cler Natu n,·i~:-cn:;cl1a ft sich 11ich L isol ieren lüß t ~onrlcrn in
eincrn historischen kausalen Zusat11lllcnl1,1ngr. rnit cler gr:-arr1tcn l{u!Lur-
ent,\'icklung clcr 1\1cn sr.hhcit steht, ja . diese Gesarr1Lent,vicl'"Ju ng in
ihrer Eige nart. aucl1 v on ,,·e c11,tl ichen1 Einfluß au f clie Eige11arl, clcr
Ent\Yieklt1ng der Nntur,vissensc hart g ,,.,·c~en ~ei11 1r1uß, ·o ,,·ircl n.ot-
,,·en<lige r,vci::e die objekti,•e \\ 'e.rtbcz.ichung au( die Gc~.imt.ent,,·i.ck~
lung ◄1cr rt 1cnscl,1liclie11 l\ultur übe rtrrigr n.
El'keont aber rler -~turali:-r11us die allg •11leinsLc \ 'orous~e ti11r1g
an. at1f der tlic \\:is ·cns(·h.aft.li r he Objektivität der Dar:-tellung ci11es cin-
n1nligcn ittdi, riduellen Ent,vicklung::;ga11gPs beruht, so bleibt ihn1 at1cl1
11icht ~ nnrlcrc:- ilbrig, als ~l •n~c hcn u11d n1c.n ~c hli chcs Tun '".i"<lcr in -rla::.
Z c n t r u in der g,~,ch ichtlieh<'n \ \ ' irklichl{cit 1.u et1.er1 1 ,,·ie e r a ucl1
über ihre r1.\t11nlichc • t cllung irn \v'cllall tle1,k.cn 11,:ig. d . 11. au r h •~l'
n111 ß , soba l<l er ar, sciue eigene Gesch icllte cJcnl{tt clcn I lai f lori;;;c h c11
Stn n <;l pun '"te 5eino volle "'·is~ensch af tl ich c Bercch t igu11g zuge:-: t, •l1c11 .
1\I · sinnlos er:1clif'it1l jetzt in~beso nd ere jene frf1h er ungedc\1Let c tincl
so bclicht.c Botr,1chtur1g 1 daß z,var viellcicl1t für die antike u11u 1r1iLtel-
allerHehe \\ fe it, die ~lcn1'chcng,:;chic ltte eine ''"i~
"en :,;rh~fllirhe Bedeu-
tung g •laa bt habe, {loß aber . eit de r \ 'erlrgung ,lcs SchauJ)Jatzes a ller
Gc..,.chichte aus eiern rät11nlichcn Zeotrurn i11 e•i11en bcliel)igen \Vi11kcl
dP.s \Veltalls :1ucl1 der objckLi,re \\ 'ert. a ller rnen:-:.ch licl1cn ZiclseLzu11gPn
Cür <lio \\' i:ssc11sf"ha ft versch,vunden !-Ci. \\t'cr hat tlcnn jeuc fr,1h ere11
\ Vcltan ~cha.uung" n zer::.lört, nac h ller clie Errle als cl1,tuplatz (li?r
\\'cltgC'schichLe den :\1itlclpunkt cl "r \Ve it bi ldrte? DHs hat doch. die
~ atu r,viss •nsc hnrt getan, 11 nd ,,·as ist sie ir1 .i hrer \\,.irl, J:i chkeit a1l<lc••5 1
als ein \\ rcrk ~•on :\lenschc11. die auf eine n1 bedcutu ng1-lo:-cn tüubchc n
tle::i \\7cltalls leben ? Soll ,,.·irklich ,\·egen der l'\le.int1eiL der Erde alles
:\lc11sc.hcn",·crl-. vo1n ,ri~scn cha ftl icli c,1 Staildpun l~t nus cles objekt.i,·en
Sinnes u 11tl der oot,,1endigcn \.\ 1erlbt>z.iel}ung entbehren ? \\iaru r11
leg,•n ,,·ir denn der r11cnschli clt cn Ent.d.e-ckung. dnß die Er(le nicht der j
:\litt<>lpu11li.t d er \\'cl t, jst. 1 i1·gcnc1 einen objckt,ivcn \\l'l!r-t. b ei '? :\ian
bra ucl1t, 11ur so lcl1c Fragen z11 stc1lr n. tind e i '• t l,lo r: n1il cler Ablel1-
n ung jcdrs hislori.-clie11 Ge$icl1t:-})t1nl,tcs aL cin<:s. objektiv ,v.issen cha ft,-
lichcn ,,•(irtle <lcr nat11ralist.iichc ,,·ic jeder tlll<lcre phil<>:-ophi~che
't..an,lpunkt sich ::-clh t, aufheb(•n. 1n ge,,·i:-srn1 ' ir111c ko1r1 rl1cr1 ,vir
grrade 11,it. cler \\-'is:;e,1srhaft njc n1als ül)rr d ie Ge$chichte l1inau.s .
1)iej:cnigrn cl<'nken d:1lac1· vorHusselzung:;Jo~, (lic be,,·,1ß t. gcschi chtl icl1
d<-nlic11. Nirht eiu111al ein radik a ler ..,.kc11tizi~1nus i~t clurr ltzurul1reu,
sobald der „ l{r 11tikcr 3it h ct.,ra uf cinlüßl , .:tu f tli Gr•:--c hi r htc d r in- 1
- 599
l1er Erreicllle11 prinzipiel l nichts auf, der1n ein gc,vis e r B egriff der
"''ertbezichc11der1 i ncli~1 itiualisierendcn Begriffsbiltlung ist st llon jetzt
übel' jeden z,,·eifel an seir1er Objektivitä t erhaben. Aber d er Begriff
der Gcsc.hichtc 1 den ,vir auf diese \Veise ge\vonnen haben, eN·eist s ich
als z11 0 11g, tind er mtlß clal1er n ocl1 die n ötige Er\veiter1ing erfal1 rcnt
ohne daß dadurcll dje historiscl1e ObjektiviUit. geringer ,vird .
Zunäcbst ist klar, \\1arurr1 \.\'lr auf dem bisher eiragc cJ1lagerton \Vege
zu einen1 n11dercn Resulta t als de1n erreichten nicht kommen konn-
t en . \'Vir mußten rein logisch vorgehen, und das einzige derl Intellekt,
absolut z,vingende Kriterium, das ,vir bei dem Versuch einer logischen
Deduktion der (iberempirischcn \\"issenschaftlichcn Vor-ausset.zungen
l1abe11 1 ist die Aufzcigurtg des Widerspruct1~, der in jeder L eugnung
d.ieser , 3oraussetzungen s teckt. Dal1cr scl1ei nt, ,vct1n es sielt un1 die
tl1eoretiscl1e Begründung absoluter Werte handelt, ein z:\.vingendcs
J(t•iterium nur für den Nact1\\~cis logi eher \\1crtc , ·oriaanden zu sej111
d. 11. das , ,,,as nicl1t b ez\\'Oifelt \Verde11 kann, ,,~i1·d {ür llen rein theo•
reLischen 1\Icn~claen nicl1t allein zun1 llöchst en sondern auch zt1m
einzigen absolut wertvollen Gut. So in der Tat mt1ß es sein, und
in geY.·isser Hinsicl1t liommen ,vir mit einer logischen U11Lcr~uchung
darüber njemals hinaus. Nur die Le,1gnung der logiscl1on WorLe läßt
sicl1 als logisch ,vidersprucl1svoll dartun. Sobald ,vir dies eingcsel1cn
haben, v erstehen ,vir at1ch, ,va ru1n so viele philosopl1i ehe S)·ste1Tie,
die nicht. nut· die lct.zlen Prin.zipien d,cs Seins zu ge'\vinnen sondeni
zugleich a\1 ch den Sin1l des Lebens fest.zustellen ,fcrsuc.ben, den In-
t el}ekt zu rn \Veltprin zip gemucl1t und in der in tellcktuellor1 \ 1oll-
korr1n1c11hcit dct1 absoluten \Vert gesehen habcr11 ,rieben dem alle
anderen \:\ler l:.e dann sek.und är ,vurd-on oclcr in ihrer Geltung ganz.
versch\.\1anden. \.Ver \-\1isi;enscl1a rt treibt, Jtan11 Z\va r <lie Geltung
nnclercr Werte bcz,,·cifoln t niertlals aber die GclLung c!c \\'orte der
\iViss-cnschafL. Die Welt der Wisseu _cl1aft ""·jrd da licr zti ei ner Y,,·is„cn-
scha(t.licl1on \Velt, ur1<l z,,,ar nicht nur in dem Sinne, daß sie \\'issen-
scl\nftlichc F o r r11 e n a1ulim1n t, denn dag-egen ,värc nichts zu sagcn 1
sondern cla ß sie auch einen rein \visscnscl1aflliclle11 In h a 1 t erl1ält.
E s ist. niclit der 1\Iatcrialisrnu s aJlcin, d er die 11lcLl1odischen Prinzipien
der Bcarhcitu11g der Körpet'\vclt, die a-uf Quantifizierung hin a us la ufen,
zur \,·ahrcn '1\'irklichkeit macht, und der so den At<1111is1r1us alö n1cta-
ph)·sische H ypost a ierung des logiscl'len Begriffsappara t.es enl.stel1co
läßt . Für Pla ton ,vird eben Calls der allg~1ncinc B e g-r i ff, der
•
Logos, zu111 ,,,a l1rhaft. eicndcn , ur1d der allgcn1oinsLe B egriff, den1
- 600 -
sich Alle.s unterord11e11 l.üßt, ,,·jrcl zttn1 Inhf'grirf nicllt nur des \\' irk-
lichen "ondern auch tle" Guten. o fä llt <lcr eth ische \Vcrt ,nit den1
log ischer\ \\1crt 2.u nmn1er1 1 und d a.s ,\·ürde noc: t1 v iel deutlicher zutnge
treten, ,vcnn der logische '''ert bei Plato11 1licl1t von vorn11ore in eine
stark ästl1cti:1,c lie F ä rbutlg zeigte. Fnr ArisLotctes setzt sicl1 <la ·
höc hste Jdco l der ,,·isP-enscl13ftli chen Erkcr1nlnis in rlcn Begriff der
Guttlicit und der eirt1.igc11 ,1ollkon1n1encr1 Rca 1ität un1,, o daß die
Dinge ei11 tu tenrei ch bilrlcn und un1 so realer \Verden, je n1cttr J a.
Erke1,11t.i-1ispri11zip, die l0Kiscl1e Forn.1, de11 eigentlich nich t ,,,irklicllcn
· toff durcl 1dr11ngc.n hat. Für Spinoza ist der Sinn der , v-clt, <lcr arnor
intellt•i!lu a)is dei, der ,vicLlerurn n1it dem l1öch:::ten Erker1nlnisideale
•
der cogni lio inti,iLiva zu~:'ln\rr1en fül lt., u11<l c.l er !\•1ct1sch. k art11 da her
nichts besseres t u11, als ~ich in clas reine ,\ nschauen Gottes, clc.. tlcnli-
bar ur11fassendsw11 1\ llgc1nci11bcgriffcs, zu versenken. Sogar für I{a11t,
der sor,sl. ,vcit Ober de11 Intellcl, tualisn1us hj.nnu:,:.g...scl1,ritt.en i. t, ,vir<l
eins rein problerna tisc hc Gcgcr1stück c:lcr höclt~tc·n i11t.clleh:tuellen
\ 'ollko111111c11hei t oder deR- intcJlectus arct1et)·pus, da noumenon, zun1
Ding a n :a-icl1,. und alles 111enschlichc t.rcben schci r1t.1 , ,1e11igst-cns hin
und ,,,ieder, auel1 bei d icsc1n Denker unvol lkorr1men 1 ,veil es r1icl1t
d,u rch Erkcn11Lnis jc11cs rein proble111ati ·cl1cn EL,vas den Sinn cJer
,, eil zu erfassen vcrnlag.
I{u., t, ,,·ir sehen bai vielen PhiJosO[Jl1c11 die in t.cllcl<tucllcn \Vc1~tc ,
a ls sei dies selbstverstfmcllich , an die pi Lze aller W crlc ges tclll, u11cl
die größten c!t,vicrigkritc11 rr1üssr.n dHher e11tstcl1en, so bal<l den
andcrc11 Seilell des ~•fcn chcn un·d den anderen '''cru.-·n in den philo-
sophischen S)·:.Lcn1cn eben ral ls il1r R echt. ,Ycr,Jc-n oll. Das religiöse,
ethisc he oder fulthclische Lcl"len und die \\terl c, a\1 ( denen es berul1L 1
,verdcn ent,,.-edcr l1crnhgcsclzt oder so scl1r intcllcl<lunlisierL, daß
sie ihre cige113rtige Bedeulur1g Zlt \'Crli cre,1 drol1cn. Besun<l,e r~ 1.,"'·i ·chcr1
d c lt1 „prnkli:-;c•hen" I\Jcn:.chcn, der '"' i 11, uncJ d en1 thcorcti5chen
f\lcn clic11, der crl<•e11r1l, e11uteh L ein \\' idcr~Lrci l., und Jie Pt1ilo:iophie,
die nls Wissenscha ft un,\·illk01·1ich da1.11 k C'.H11nl t, die logischen , v crtc
zu bc,·orzugcr1, i:;t dann 1nei<st ge11cigt, uc11 trci l zugunsLcn des
thcorcLi:-ch~n ~f cr1schcn 1.0 sc hlichLcn ur1<l so das Rrr.ht des pra l<-
Liscl1t'rl l\,Jcnsc ht 11 zu \'erl,ü1111ncr11.
Js t, es citle Eigen Lü 111 li,_.tiJ,1•i L, rlie df'r P hilosophic 11.-.t,,\·en d ig :111-
h ~ fLct , d:tß f-ie (lic ir1tell<'l, luellt: r ite des ~Tc11sch •11 , 1on ·( i1lcn un<leren
1
Bct üligu11gcr1 {ll>lrc1tu l tlH(l ~ ic cl un11 ,,·f•gen i hrcr l11gi ·chcn l)urcl1-
sic h l igkei t bevorzugt? L\Iuß ,lic Philo:ophrc in jhrcr Eigcn~rho.ft His
'fh corie i1n111er clic theoreti. che11 Werte a.lle11 au.<lere11 übcrordne11
t.1nd die übrigen \\'crte ihnca gcgen'i.ibcr zu vollstündigcr Bedcutu11gs-
losigk,eit herabdrück,e11? Oder gibt es ein l\littel, aucl't die nicht in-
Le)lckt\1cllen Seiten des ~le1.1 cl1en und die niclit Olll' logischen v\'erto
in einer umfa:;sc11den \VclLanscl1al1ur1g zu iflrc1n Rechte kom1l1e11
zu )assent d. l1. d.as Gebiet der alogj:chen \\'crte den in t.ellcktucller1
zu koorcliniercn oder zum Teil viellcict1t sogar überzuordnen? Von
der Ant,,·ort auf diese Frage hü.ngt es ab 1 ob ,,·i1· auch die Objektivität
einer umCa.s enden Ge ·chichts,vissenscha(t verstehen können.
Ein 11Volt1nlaris rnus" irn Gegensatz Zll n'I lnlellektualis11lus ist
licutc an der Tage 'Ordnt11\g, d. h . 111.a 11 hebt hervor, ,vie itn prak-
tischen L eben überall. der \Vil le dns au::;scl1laggcbende )1omcnt sei,
und 1ncint, daß ihn1 dah.cr auch 11icht das Recht bestritle[1 ,verden
ltön11e, un ere Ueberzeugungen v o 111 Ganzen der \Velt und \.1on dem
Sin11 des Lebens zu h<tei11rl,utsser1. Durch di(..-scn Vf1lt1r1larisn1us st;l1eint
sieb dann aucl1 eine Bevorzu.gw1g der inLelJektt1elle11 \Verte und der
,,1 sen chartlicl1cn Vollkorn111enheit über\\'inden zu las~eo. oll es
sicl1 j edoch dabei tim unsere \V i s s c n s c h a r t l i c h ·C n Ueber-
zcugungcn handcln 1 so crschcir1t d i c s e 1\rt von 1 ,Uebc1'\,•indt1ng''
de' IntelJektualisn,us ,doch sel1r bedcnk.licl1 1 clenn (la111it ist in, Prinzi1>
alle11 vVürlschcn u11d aller \\' i!lkür das T<,r gcörf11c,t , und das 1nuß
clen \,\fidcrspruch d es ,,·issc11schaitlicl1er1 )lcnsc hcn hervorrufen. Eine
"'' jsscnscl1oftlich begründe te \\reJtan chnuung kart11 imr11er n.ul' dt11'eh
logi!$ches D enk en aur rein th.eoretischc111 \Vcge zusta11de ko1c1n1cn,
und daher \\'erden, solange n1<tn cl:)s tt1eoretischc Dc11kcn so nt1Cfaßt,
d:iß es in j,cdcr rfir1sicht in ci11e1r1 11rir1zipiellc11 Gege11$atz zurn \Volle n
un tl Fühlen teb t, die l<>giscl1er1 \\ ~ertc auch irrl111cr Anspruc l1 auf
dcu Pritnat gegc11iibcr den anclcrn '''cl'tcn erheben, u11d die Pt1ilo-
so1lhie ,vird ni•cl1t in der Lage ·ein, irgc11d ,vclclte a11dcre ,·~lertgellung
de r thcorctisel1c11 a ls glcicl1bcrecbtigt gegeniiber zt1 st.cll<!n. Die
pt·a.ktische uncl die lheoreti ·che ei te cl.c:; ~fcnscli cn hleibe11 J a nu
aber auch a<>t.,vcn<lig in, Ka1npf. Der ll1ooreLischc 1\1en!-ich ,eir1erscit s
,vird nllc 1\r1sprüche des \\'illens oder de· Geffth ls aur anrlcre \\tcrL-
gcltur1gen als u11bcrechtigt. ub,veiscn, t1r1d nndcrcr~cits ,,·erdet\ 11icht
nur die \iVfll ns- und Gcrühl:.mcnschen di e ,\rr·prüclt•e der \\1issensc11aft
als eine Vc1~ge,,·nltigu ng crnpfind cn , so11dcro es rno~scn auch die \\'ir-scn-
scl1a(ten1 in dcuc11 die ni chL-intcllclll uellen \Vel'le cirtc nt:-ch('i<lcnt.le
R olle spjclc1l, ,vie die bei di;n n.1eis-te11 hi~Lorisch<:-tl \1'i~scnschaftcn
<l cr Fnll ist, ihren rein thcoretischo11 u11d du. 11,cißL un,111 auc h ihren
tu11g d,e r t,lteoreliscl1en \\icrl:.c in Frage stellen un<-f so ullcs ~111f d 'n
B oden eines uferlosen R elativisn1us ocle r Skept.izis,nus horabzie he11.
\Vohl aber gibt uns die rein logisch vcrla.l1ren,d e Erkenntni -
theo rie die ]\f öglic hkei t , den G"gcnsntz der intellektuellen und der
11icl1t in tellcktueller1 \ Verte zu ü.h •r,viudcn vder ,ve11iE,r:,tens so\\·eit
auszugleicl1cn, d:1 ß gerade un tcr de n voraussctzu n.gsloscstcn crken,1 tnis-
thcorctischon Ge ichtspuokte11 der cllein einer ·ebcrlcgenl1cit der
ir1 tcllel{Lualistiscl1e,1 Gescl1icl1Lsr,hilosopltie 1nit. Rüeksiclit a.uf ih,,e
,,·issen~chaftlichc Obj ck tivilftt versch,.vi.ndct,, u11d u111 dies zu Ztc~igcn ,
bra uchen ,vir 11ur n och eine l{on cqu enz ausdrUcltlicl1 zu ziel1cn t
die sich aus de111 iiber das \\Tcse11 nllcs ,virl<l icl1cn Erke11nens und
insb esondere al les ,,Tirkliclien Urteilens Oberhat1pt Festgestel ltc11 er-
gibt. In jeder urtei lenden Erke11ntnis - u·n d ntJr diese kon11l1t b ei
d er ,,-isseo ·cha(tlicl1en B cgri[rs bi lclung ir1 B et rac ht - gcl1ören Ob-
j cl<.t und ubjek.t not'-,·endig zu~an1n1en~ d. h . d er Begriff des E r-
ke1anens \l'erlie1·t sein.eo i11n, ,venr1 oi(~ ht einerseits ei n ,,Gegcnstancl''
u 1:- \Vert ~1 rlgl!1101n n1cr1 ''"i rcl, d er u n;:ll>hängig vor\ ,d e n, wirklic hen
Erl{Cf'l rat.nisaltte gilt, zuglcicl1 al)er a,n(lercrseit.s a uch ein Erkcnotni5-ak t
vor-au s.gesetzt ,,·ircl, der sich \VCrtcnt.l (licsc;; GcgerisLan<lcs bc11,äclrt,igt.
Von <lcr 11 objeliti,·cr1" eitc clcs Erlienn'Lt1isbcgriffes sel1en ,,·ir jetzt
einn1al ,,olJst ä11clig ab. \ Vir können sie begrifflich lo~lösen, und ,vir
1nüssc11 c.s in d ie~en1 Zu~an1111c11hang. denn , so lange es sicl1 nur un1
cli e Geltuug d es theoretischen \\'ertc3 l1 a11tlelt , si11d ,,ir bei ihr a l
clcn1 letzLen ~lng"ln11gt un rl clClrrcn 11icht hotfcr1, v<)n hier at1s den
Urr1kreis cles Gültigen zt1 er,\·e,i le rn . Jrl~ Gcge·n tcil, den Lheo retisclien
v\·ert haben ,,·ir in seiner [-{"ir1l1eit als in s ich ruhcnclcn \.Vert sorg-
fältig aurrccht zu erha.lten! nn<l so f:1nge es sicl1 t11n clic Cclt11ng der
\ 1/erte al solc he r hnnll lt, bleibt clcr J)hilosophie gar riic hts n11deres
übrig, al:; 111ügl ich::- t sc.: har f die Grc11zcn z,visclae1t clcr1 ,rcr-scl1icdcr1e1t
lA' <'rlg<'biel<'n zu ziehün. .\ uc h liegen et ieF:c ,,.rer tc als _olche in ihrer
Geltung au(Jcrlialb d'c.s ~latl'ri~d - der Ge:;chicht.e 1 die es ja irr11ner
1T1it \\'irl\l icl1k.eil(' n zu t un hnt. Aber ,vie "' lclat es, ,ve11n ,,·ir nun
kennenclen ~lenscl1cn in d "r Geschi <;l1tc auch llic h~ 111chr i11 cincr1
s.olcl1cn Gegcnsi_~ lz bringen , ,l ls ob hoi(Je gar uichts 11,itcina11dcr gc-
1nein h:jtt.•ri. sond ern <lie z,vci eiten des ~l ensc hcr1 1 uie theol'cliscl1c
uu<l die pralt Lisc hc, erscheinen 11un a ls z,vei ver ~c)1i cde1te ,<\rLen , in
de11cn .sich ein lJ(licl1tbc,,.·t10tsein oder ein autonon.1er \:Vi1le äußert,
uncl dcsl'lulb z,,·i1tgt uns eine rei11 ll1coretische Untel'suchung de Er-
ker1n o[1s, ,vie es sich in der G sc hichte all.rnöhlich entwickelt, in eiern
ein Sollt tl un cr)<.cnncnrl c11 \'' illcn da. zu 5ct1c11 , ,,·orirt die f-lcali;,;;ierunt:;
aucl1 de r \Va l1rhciLs,,•erLc in ll•~r \tVissct1sc haft seine Vorc1u s:;-etzu11g lia t,
d . h. ,,,ir l1a ben im pflicl1tbc,vußten, frei,,·illig und au.tonon.1 \\'crLe
an rkcnncn<Jw ,vollcurlo11 S11bjokt, \Ver10 der J\11:-iclru r,k gestat tet j st,
eine üb c r 1 o g i s c 11 c B a~i · für die Ve r,,·irl<.lic hur,g a ucl1 rl.er
logisc hen \\'orte in der gc:-ichichtlichcn Ent,vicl<lung anzuerke11ocr1.
Uas ,vir(I j,c Lzt r1icht 11v olu11ta l'i~t.iscl1' ' 1nißver~tanclcr1 ,vcrdcn . \\1 ir
lagt,en darnit die SelLs tiincligkcit (les 1~1hcoretischen, ,,·ic c.s f (lr sicl1
gilt, il1 keiner \Veisc a n. \\tjr ngten ja schon so la11ge '"ir nur bei
de11 logi~chcn \v'erLf'n elb t bleiben , können, ja Jn ii:,sen \Vil' v on
jode111 Willen ab:;chen 1 (lcr zu il11u~n „ tellung 11ir11n1t , unil in. ofcrn ist es
richtig, d itß d.or ' '' illo oder ga r rlC'r Prin1nt ,fe5 \,\'illcns fiir llie r~i11 e
Logik nicht best eht 1 • l{or11n1t nbcr die "''crtver,\'irklichung, cl . 11.
d:1s rcnle Entstcl1c11 der \'7 i~::.c11scha ft dt1rch erk ennende ,_. ubj C'kte
in Fi-.:igc, dsi na ,vi rtl der B\~griff ein es nicl1t 111cl1r logischen sond ern •
t1ncl rle;:;,,·ege,, können 1vir er::.t in c_lem dns .~ol lcr1 t1111 seiner sei h: t.
,,·il lcn nncrkcnncn.cl<'n \\1illcn eins letzte J."'unt)an1cr1L, 11icht -.lcr \~1ert-
gellur1g, \\ öh l aber d~r ,,irklic hcn E rkcnnLnis se lten , fü r cla:; ltcinc
,,·eiter • B~<Trü11dung ntchr 11 1örrlielt ist . Der pflich lbc,,·ußLe orte t' ,.p,rak-
t ,i ,cl1e'' \\"illc geh t rnit a11dcreo \\'orten :1,1ch ,1 •r thc<Jrct i~clten \\'crt-
v c1·,virk.lic hu ng durc h die '''issenschnft in (ic•r gc:,..chicltl.licl1c11 Eut-
,,·ick.lu1lg r1-o ch vo ra n . Da · trc bcr1 nac h \\.a hrheit setzt dus Streben
vorau~, · ·i11e !_)flicht zu lur1, ja, da lj1·teile11 1 <las im Dienst e ilcr
,,·is..;cnschn fLI iclton El'kc11n Lni:; steh t., ist ur,ter cticse111 Ge5ir ht.-=pun ktc
selL:-:t eine be:-ontlere .A rt cles 1>flir hlgen1iißen 1 lan<lcl11s 1 t1nd hicra\JS
ergibt !-1-i(.:11 nun ,Jie ob~olul.e ,,rertu og lies p(lic hlb ,Yußler1 \\' illcns
a ,1 cl1 rilr cl cn thcorctisch('n :\lcnsrhcn o l~ ci r1e Not,,·en cligkcit. Die
A11crke11r1u11g tlc r '"·irli lic 11 betr1 eb~ncn ~ ' is:;c11sc ha ft als ei nes t1n-
betli11gL ,vcrtvolh.>11 Gt1te hat liic Ancrkeu11ung de p{Jichlbc,,,1ßLen
\\'.illens a l · cinc"S ehe11fnll~ tr11bccli11gt wert ollt~r1 Gt1 tc,s zur V<,.rau;,.-
srLzu rtg. , o kön nen ,,·ir zflig{'n, ,iaß ein pflic ht.t>c,\ ußter autono1·ner
1
\Villc, der ,vill , ,vas er ,vol len soll, ei n Cut isL, d <•~scrt \\'crL gcracle
~·0111 log i. eben • La,n (IJ)Ufl kt :.ius nic1na I· in z,,·eiC e! gPZ(1ger1 ,v rd"n
darf. IJn s th eoretische Dcnke11, (las Erke1)11t11ii- ,,·jll , hat als pe7.ia l-
fnll (les p,·n kti~c hen Strcbet-i ztt gel Len, da - '~'crte überht-111 ~')t in
Oilt cro vcr\,-irl<licht . Aue h cler na lu:•I iegcncie l~in,,·and, der In tel lclt-
tua li:-.rn u. 1--ci tr-otz<.lcrn noch i111111cr n icl1t, ülJCl'\Vunden, tlct) l\ der
'W'illc er~cbe·i11c in c.J icsc1n Zu~a 11.1n1er1laat1g lediglich als ci11 intcll<'kl11C"ll
,,·crlvo!Jcs Gut1 d . h. er ~e i 11ur in s o r er 11 u11bcd ingl ,,·crtvoll,
als er· die \ 'o raussc tzung der logischen Gtitcr oder <l<'r ,,·isscn:$cl1aft-
lichen Erken11tn is bildet, i t n ic ht. st ichhaltig. Freilich (lringcu ,,·ir i1n
1
nach der \vissensclia ftlichen Objektivität rein e11lpirisc hel' l'list orischer
Darstcllung,e n die l( enntnis ei nes \Vcrts)rst crns irr ~lc'\·anti und da.her
llaben \\•ir bereits jetzt, a lles ge\vonnen, \\·as zur Begründung der
l,istorischen Bcgriffsbildu.ng und il1rer Objektivit.ät not,vendig ist .
]) er l{ultur,..·crt cler \\i'isse11. cl1a(t bot ja d er Geschichte rn e 11 rt
als sie h rauclit 1 u11d dieses .\lel1r ist gerade das , ,vus ih.n vo11 dcr11
allgemeinst.e11t rein for111alen \\Terte clc p flicllthewußlen \\1ille.ris übcr-
J1aupt u11tcrscliciuet . Der \\i'ahrhcits,vert 1nucht eine direkte \\'ertend,e
Bet1rteilung der gesel1icht.liche11 \\"jflc11s\'Orgfu1ge rnöglich. Da aber
diese Beurteilung nich.t Au fgabe der Ge-:;chichle ist , un(l da ferner
de r Jl ist,oriker un i so objektiver v erfährt.., j e rnehr er cle11 1 n h a I t
seiner leite11dcn \\rertg:.sich'Lspunkt.e dcn1 hi~ torj, cher1 1'1.alc:rial .sel.bsl
entnirn111t, das er dar teilt, • o besteht clie (ibercn11)irische Voraus-
setzung der crr1piriscl1en Gcscldcht,s\,·i:.:sentichaft allci11 darin, daß
aucl1 v o1n rei n th.coret.ischen \,·is. c J1 chart.lichcn ' Landpunkt die Bc-
ziehu11g der ,virkl ichcn "'·ertenden und ,vollcntle11 ~ ubj ckLe au f i r-
g c n d ,velchc absoll1t gültig1'!·n \\ 'cr te not,,· •ndig bleillt. Es clo.r( mit
ar1<lcrn \ v'orl:.c11 at1cl1 von der \Vi~.--cnscl1aft das „ tcllungn.e hn1en der
~1ensc11en zu norn1"ativ allge111ei11er1 \Vert..en 11ien1a ls t\ls ct,,,·as bloß
Individuel les inne clcs \Villl,ürlichen be trnch Let ,verdcn, und
i 111
cJiese Vorau setzu ug ist berci~ llureh die unbcclingtc Geltung dcl'
\.\1ertes 1 clcn ein pflichtbc,\1.1ßt.er \\' illc hat, gesichert, (Ic on i;o nol-
\\·c11dig der dar<ln haft end e \\'crt gilt , so n ot.,,·cndig i t aucli die B e-
ziehung <lcr \Virkliclikeit auf ih11. \,\' ir dürfen clabei 11ur nicht ver-
gessen , in ,\·elcl1cnl inn ,,·ir hier d::t:,; \\fort ,,P flichtbc,vußtscin" gc-
bt·at1c hc n1 d. h. 11ic ht nleinrn 1 daß \\·ir da11lit Zll einer Go~chicht.-.philo-
sophie ko1.n111c11, die rnit 11ctl1i::;ch.en ,1aßst.ähen" ::irl)eitet. t\ t1c l1 der
d~nklJnr al lgcn,cin. t.e und urn [a ·sen<lstc Begriff J er I{ultur setzt, i11it
Rficl~sich t auf seine a lln1ü hl ichc \ rcr,,·irk ljch u11g in cler Ce:-;.cl1ich te
chun einen pflicJ1t.bc,v11/Jt,cn \Villen in der Bedcut\1ng des \.\ Fort.es
v oraus, die \\·ir hier i11l Auge haben , denn ,,·ir ,,·isscn , dnß es [(ult,1r
1111r in einer Gernei11s.chafl, gibt, dcre11 · Glic<Jer ge,vi:s?->e \\'et tc- aJ~
eine gcrncinsarr1e Angel„gcnhcit, d. h . nls norrr1._\tiv allgen,cine , v erLe
bet.rachtet1 u.ntl <Jahcr rniL ihrcr11 Pfli chtbe,,.·t1ßtscin zt1 il1nen Stellung
n c·hn,en . \\'ir sehc11 also : gcric1dc ucr rei n r o r 111 n I e \\ erll>cgriff,
llcn \\'ir aus <Jein Bewiff ei11cs \\rertc frei .a nerke11ne11<le11 ''' illcn.s gc-
,,·otLr1cn habrn 1 ist <la~, '"llS ,,·i.r brauchen. Der \\ 'i11lc r:.pruc h ur1 crcr
E rgclJn i;;sc 111i t. der vor,h ancl ' nt•11 Gc··c hicl1t:-,ri:-sc11:--cha rt l>c-ru l1Lc ttuf
- 609 -
feststeht. Und z,,·ar ist das logisch ge,viO, denn ,vir haben gcselien,
daß die Geltung dieses Wertes auch die Voraussetzung clcs ,virklicl1en
theoretiscl1en Erkennens ist. Bleibt da her aucl1 n\1r eine Bcziel1ung
der Wirklichkeit au f irgcnd\•r'elct1c unbedingt gültigen '\\7crte über-
haupt, und ist. also die ' ' orau.ssetzung 1 die ,vir n1acl1en dürfen, nucl1
rein for111al 1 so genügt sie doch, um die ge~chi chtliche Auffassung
d er vVclt cbc11so als n ot,vcndig z.u betrachten '\\'ie clic natunvi!iscn-
schattlicttc. Für die ,visscrLScl1 aftlicl1e Objel{t iv-itilt der Auf telJung
von Natt1rC'Te. ctzen brauchen ,,rir nur die formale Voraus" etzung,
<Jaß irrcnd,Yelcl1e u.nbcdingt. allgcrneincn Urt.eile ab olt1t gelten.
Aller Inh alt ist der Erfal1rur1g zu entnel1r11 cn. In der empiriscl1cn
Gcschicl1te können \,·ir eber1!alls bei der forrnalen Voraussetzung,
•
daß irgendv.-clcl1c '\Vcrte abso1ut gelten, stelien bleiben. Jeder in-
ll altlicl1 bcslimrntc norn\aliv all ge1aci nc Kultur,vcrt steht d ann ab-
solulc11 \-\7erteri 11äh.er oder ferner, tin.d jedes Kulturleben l1a·t dal1er
i11 seiner l n<lividualität z;u absoluten \Vertcn eine mehr als ,villltür-
licl1 Bczichur1g. Daß ·, ,,ir au cl1 d en Inhalt der ab.solutc,1 \Vcrtc kennen,
atif ,,,elcl1e die \Vi1·klichkcit. bezogen ,vcrden 111uO , urn ei ne objektive
Bedeutung in i11rcr gcschicl1tlicl1en Ent\\'icklung zu erha lten, ,vtir-e
ntir danr1 not,,rendig, ,,•e11n ,,~ir iiber uie cn1pirisclic Gescl1icJ1ts,,·issen-
schart hinntts zu cir1cr Gescliicht.sp.hilosophie \·ordringer1 wollten,
di-e den Si nn des gcschi-chtlicl1en l.ebcns inl1altlicl1 z-t1 det1ten unter~
ni1nn1t. \Voil das aber nicht Aufgabe der e,npirisc~1cn Gcschict1ts-
,,·isscn:;cha ft sein kann , deren Objektivität uns hier allein interessiert.,
so ist jetzt di.e Frage n :.:icl1 tler Objektivität -der Oesclu chts"·issenschnft.1
so"veit dies unter erkcnntnisthcorct-ischen Gesicltt.spunktcn mög}jcb
ist, bean t,vorLet . Es gibt. kcinc11 philo ophis-cl1en Sta11dpunkt tr1el1r,
or1 dem aus es noch gereclltfertjgt ,väre, zt1 sagen , die Bildu ng von
Begriffen, deren Bestandtei le sicl1 rnit Rücksicht auf ei11en n ormativ
a11(,c1r1cinc11 \\1 erL zu einer abso lut od'er relntiv individuellen ,vert-
•
bczoge11cn Einheit zu~ammcnscl11icDcn, und die in i}arcr Gcsan1theit
eine cin111ali,.,.c Ent,ricklung:;reihc darstcllcr1, J,1abe \\1e1liger Ansprucl1
auf den . a1ncr1 der \\'issenschaftlichl,eit als die Bildung von Begriffe111
d ie eins ein er ~Jchrh it von Dingnn und \ 'orgängcn Gcn1cin~a me cnt-
hnl Lcr1 oder unbedi ngt allge1n.cinc U l'te1lc über clic Wirl;.lit ltkcit in
Fo.f',n von •nturgesctzen zt11l1 Au!l.dru ck bring~n . Ei11e intclleJt-
tunJi ' tischc i11hnltlicl1e Bcstin1mung <lcr allg(•rr1ein gültigen ' ' ' erle
schließt nicht ct,,·a \\'r11igf'r so11dcr11 so<ra r n1chr \''orH11::sctzunge11
._~i r1, u11d sie t\nt sieli als ei11" ,·öll ig uugerech lferliglc, dog,natiscbo
RIck r t , Onin if!n. 2. A •dJ. 39
V.
G e . c 11 i c h t e u n d W c l t a n s c h a u u n g.
Das in cler Einleitung djescr Schrift gestell te Problern der \1/i ·scn-
scliaft.slehre ist jetzt gelö t. Doc~1 hatten ,,,.ir gleicl1 arn Anfang bc-
111crktt daß der letzte Z\1!'eck di ese!' Arbei t, ,,·ic der jeder pl1ilosopl1i-
chen U11Lcrsucl1ur1g, darin bestel1t1 eir1c11 Beitrag zur Klttrun g der
soge.uannten W elta.n cl1auun gsf rag-cn zu liefern . Unsere A\1sführun gcn
• über die :t\Vei vcrsct1icdenen Arten der BegriCisl>ildt1r1g sollte11 d tts Feld
frei 1nacl1en r1icl1t a llcit1 für die Ge cl1 ichts\:visseoscl1aft selbst - diese
0
L.,r bci1 i1.1 l-'a1 nilic, Recht, Staat us,,•., fen1cr da kijnstleriscl10 und
cn<lJic h das relig iöse Leben, ,vo raus die pl!.ilosophiscl1en Proble111e
envach-·en , und neben d en Begriff der \\' a,l1rheit treten dc~ e11t-
sprecl1end •die Begriffe des Guten, des Schön en und des Heiligen als
philosophjscl1c Zc11tralbegriffe. Aus den vorangega11goncn Ausfül1-
ruogcn \\"i sc11 ,vir bereits, daß ,,,ir \VissenscJ1aft 1 Sittlichkeit, Kun t
und R eligion , SO\veit sie im Kt1ltt1rleben ,virklich vorkommen, so,votll
gescl1icht.Jicl1 als attcl1 natunvissenschaJtlicl1 behar1deln, d . h. einer-~eits
i11<.-t i,,idualisierend clie ei11rnalige Ent\"\-'icklu.n,g die er Objekt e vcrfcJlgen,
andet·erseits nn.cb den a.llgemeinen Begriffen oder Gesetzen s ucben
können , unter die alles \Yis ens.cl1aftlicl1e F orscl1en, a1les sittlicbc
.. trebcn, alles künstlerische Schaffen und alles religiöse Leben fällt.
Aber, ,vcnn '"ir d ie hierbei en tstehenden Fragen d urch die Ein zel-
\\lisseuscl1aftcn auch alle bea11t,vortet dcr1ken , ·o bleiben docl1 noc h
irt11ner Probleme übrig, die ich nicht auf die \VirklicJ1l{eiL det· f{ultur·-
vorglinge so11dern au( den on il1nen haflenclen uncl begrif(lich ,,on
ihnen ablösbaren u inn'' beziehen, t1ncl die ,vir au ch a.Js \V e r t-
p r ob I e m e bez.cicl1nci1 können. Sie bilden das Arbeitsgebiet rlcr
Pl1ilo _opl1ic1 die ,vir hier in il1rcr Stellung zur Gesch.ichtc kennen lerrlcrt
,,·ollen. U11tcr \Verten vcrstel1en \Vir dabei c;1lso nicht d ie G·üter 1 an
1
de1ie11 \Vt:rte hait.en , und at1ch nicht die Akte des \\ crtcr1s, die zu
39 •
\Vcrten Stellung nehmen, de11n die GüLer und die \VerLungen lassen
sielt generalisierend oder individualisierend von Einzeldisziplinen er-
f or~chen, sondern ,vir meinen nur die \Verte selbst , mit Rücksicht
auf \ve1che der Sinn der Kulturgüter best ehtt und behandeln sie, in-
sofern ~ie als "''crte gellen. \1/ir kön11cn daher das philosophische
Problern, für da , die Gc:Scl1ichte von Bedeutu11g v,ird, auch als das
der \\'erlgeltung oder der Geltung überhaupt bczeich11cn, da es nur
vVerte, nicht \\i'irklicbkciten sind, von denen man Geltu ng aus agerl
ka1m. Zv,ar hat sicl1 die Pl1ilosopl1ie nicl1 t imrncr auf diese Probleme
beschränkt, und sie tut es aucl1 ltcutc nicl1t in derrl S.i11ne, daß sie
11ur die \\'crLo behandelt, d. h . sich um die \\'irklicl1keite11 gar nicht
kü11lrnert. Doctlt ,,rie es sich damit aucl1 verJ1alLen 111öge 1 jede.nfalls
sind wahrt gutt schön, t1eilig Begriffe vorl Werter1, ,vas arn deutlicl1 te o
vi elleicht darin seinen Ausdruck (in.d et, daß die er1tsprec1'1enden Be-
griffspaare ,vahr u11d [alsch, gut und böse, scl1ön und htißlich, heilig
und u11heilig sich als \1/erlgegensätze darstellen, und es drä11gL sicl1
uns dalicr, ,ve11n \vir die angegebenen \ Vorlc überl1aupt gcbraucl1en
,,·ollcn t die Frage auf, was die~e \Verte als \\terte bedeut.cn t oder in,,·ic-
fern wir vou il1rer Geltung sprecl,en kö1111e11. Eine Bcant,vortung
dieser Fragen aber is.t nur 1r1iL rlilfe einer Bestimn1ung der \.Vert-
begriffe 111öglic11> die nichL dara uf ausgcl1 t 1 alle zu urnfas. en , ,,·a;;
,,·i\ltr, gut, scl'1ön und l1ei1ig genaru1t wird, sondcr11 die feststellen ,,·ill 1
,va allcir1 diese Nan1en verdientt oder ,vas als gültiger logi eher ,
si ttlicl1er, ä lhetischor und relig,iöser \.Vert zu v erst eheL1 ist,. So t,cbt
sicl1 ein bestim111tes Arbeitsgebiet l1eraus, das keine r1atur,visse11schaft -
licl1e oder J1istorischc Disziplin in Angriff nct1n1en lcann 1 uJ1d das
jetlenfalls der PJ1ilosopliic gcl1örl 1 gleichviel ob man dieser V\'issc11cl1aft
au.ß erdem nocl1 ar1dcrc Aufgabe,, tellen ,vill oder nicht.
z,"·ar ,vird oft in Abrede gestellt, daß derartige Aufgaben überhaupt
vo11 einer \\lisscnscl1aft ber1al1delt ,,,crdc11 kö1t11e11, aber dann meint
111an ,volil, die Pl1iloso1)hic ,volle es unternehmen, von sich aus Werte
er::.t zu erfinden, u1n für die Mcnscl1l1ei t eine Art. von \Vertgcsetzbuch
zu schreiben, 11ach d e 111 sie icl1 zu richten l1;1be. Ein solcl1er Versu ch
ginge in der 1'at über das hi11aus, \vas ,die Pl1ilosop}1ie als Wissenschaft
zu leisten in1Stande is t , und <lio Berechtigung dazu , in der R olle des
Ge ctzgcbcrs au fzutreLer1, ,,·irtl n1an de111 Pl1ilo opl1c11 1r1it Recl1t
absprecJ1en. Docl1 011, die Erfin,Jung von neuen \\1crt.er1 }1a11dcl t es
!:-icl1 in eiuer richtig vcl'sta,ldcncn Wcrt,,·is~cnschnft aucl'l durchaus
11icht. Die Philoso1)l1ie bat , ,icl111el,r , 1on C'lcr Tatsache auszugehen,
setzt fakti ·cb \\.'crt.o vora us und bel1aup t..et durch die bloße Bezeich-
nung i1n plizite 1 da ß sie gültig sind . \1/ir konnten zeigen , daß sogar
jede Kon statierung einer T atsacl1e die Anerke11nung eines \.Ver tes
un(I die Vorausse ti u ng einer \Vertgeltung einscl1ließt. Dal1er dürfen
,vir in dem Satze, daß a lles Bestreben ,. zu \\1ertbegriffen von a lJge~
•
rr1ei11er Geltung zu kornn1en 1 un,vi:-scnscltaftlicl1 sci, "''icder nur das
Zeicl1e11 eines lecre11 uud n egativen Dogrnatisrr1us sel1en 1 der seine
eigenen VorausseLzungen sieb nicht zum Be\.vußtsein gebracl1t l1at.
Scl1011 un~crc gan ze bisherige Untersuchung ist eine , lertpl1ilosophiscbe
1
- 6 14 -
kön11on aber aucl1 eineu forn,a len ' \i'ertbegriff der \v:isse11 cl1aftliche11
\Vahrl1eit bilden, der das enthält, ,vas zt1 jedem beliebige.11 ,\·issenschaft-
lichen Urteil gellörtt und diesem Begriff gcgeni1ber \,iirden dann
erst die Begriffe der n a t u r ,v i s s e n s c l1 a. f t I i c h e n u11d der
h i s t o r i s c 11 e n \Vahrhcit n1aterial sein. Scltlicßlich kann rnan
jedoch auch das zt1rn forr11alen 'feil rcchncr1, \\.·as in je<ier beliebigen
natun\'isse.n chaftlicllcn Untcrsucl1ung unc1 ir1 je{ler ge,scl1icl1ts,-vi~sen-
scl1artlichc11 Darslellu11g an logiscl1er1 , vertvorausseLzu11ger1 Leckt,
und der maLeriale T eil besteht. im Gegensatz hierzu dann aus den1,
,vas ~ich erst nt1s d.eo j n h a 1 t I i c h e 11 Be tin1111ungcn der Objekte
g,c,,,in nen läßt, mit d.e nen os die ve.n-chiedcnen ~ ~i5t:-enschafte11 zu
tun haben . Ebenso ist cler al lgemeinste Begriff des praktischen ~cler
sit.llicl1cn Wertes formal im Vcrglcicl1 1.u clen \.\'crtbegriffen der ~foral
irn (!11gercn Sinne, cl. }1. Zll den ctl1i~cl1 n \Verten, die in der Ehet in
,ter F'ainiJic, im R echt, i1n Sti1at , in der ation us,,·. st ecken. Aber
es gibt aucll fot·111ale \\1ert.begrirrc , die da~ cntlia1lcn, ,,·as in jede1n
sext1al-ethi ~cl1-en 1 jeclem juristis lleo, jecic111 nat.ionale11 Lebe11 er1t-
'\i,
halten ist, und \vas gegenüber der11 allgenlci11sten 7ertbcgrif[ cl.~s
Sittlicl1cn überhaupt bereits JTIOlel'iale .Besti11lmunge11 zeigt. Auf diese
\Veise hSl.ben ,vir schon in u nseren fr üheren Au füh1·ungen die [orn1aleu
t1ncl die mtlterjalen Bestanrlteilc von einander getrennt, t1nd ebenso
,,·ertlc11 attcl, die Obrigcn pl1ilosor,hiscl1e11 DisziplineJ1 vc1·fil.hren müssen.
Da Geschichtliche hat, 11l1n uu ter rlicscrr1 Gcsicl1ts11uokt für die
pl'1ilosophisci1cn \ Vi senscl1arte11 ei ne cioppel~c Bedeutung. Ers tens
,,ird die Philo. opl1io sich nie, nals darnit beg1lügen kö11ne1l , n u r
formale \ ;Vcr t.bcgl'iffe aufzustellen. Bei dem Versttche, clies zu tu11,
'"·ü.ruc sie auf cir1igcn Gcl1ic~n mit ihrer ArlJeit ,,,ohl sehr bald fertig
s-cin . Sje 1nu ß viclntclll' die forr11alcn Begriffe in,mcr at1cl1 au f einen
l)e~li1rnnl,e11 Inhalt bcziel1e11, und die~•r i ·t in vielen Füllen rtttr ge-
schichtlichen , ro rgii11gcr1 zu cntncl1111en. Dif':- .P rir1zip 111acl\t • ich
sch9n bei rler Glie,lp1·ung der Philo C►J)hie gcll.en(l. Daß c: überhaupt
prinzip•icll , 1 on('inan(lcr vcJ'scldcden•e \''erle gi l)L, die 111it d em An-
~pruch au r allgcn1cinc Geltung auftret cJ1, t1rid ,,·clches die~e , •erschie-
(lcne11 \Verl,c s1 nd, läßt sii,;,h 11iclil ct,,·a durclt ci11c gcncrali~icrende
Tllcoric cler V\tertungcn so11dc-r11 allei11 rnit Rürksicl1t a,1f das ge-
schic·ht,lichc Ku lturlehen kon.~tnlic1·cn 1 in <lern ich voneinander pl·in-
zipicll vcrscl1ie(lcnc l~ulL11rgülcr cnt,vicl<clt haben. r\n dic~cn l{ultur-
gütcrn l1aflcn clie \\'crte, ,Jcrc11 Grlt.u11g zurn Prot1l,.. 111 der Pl1il0Rophie
,,·ird. 1 ur irrt gesc liic11 t,li chcr1 t ,ellc11 kü11n<' n ,,-ir d al1er tii e \\' cl·tc
auffinden , auc h \Venn '\\-ir gla t1ben, d a ß die Bet.leutung von mancl1cn
\,reit über alle Geschichte und alle Kultur hir1aus,,•cist 1 ,vie das z. B.
jcdc11falls bei den religiösen und vielleicht auch noch bei andcre.n
\\' erte n der Fall ist. Ebenso läßt es sic h innerhalb der verschieclenen
\Vertgebietc nur aJ eine gescl1ichtliche Tatsache zum Be,vußt.sein
bringen , d a ß es v erschieden e Art.er1 v on \Vissc.n sclta (t, v erschied en e
Arten vo11 cth,iischcr1 F orderungen jn der Familiet itn J-tecl1t, irn Staat
u.S\V. gibt, daß , 1er~chi,odcne Arten von l{u11 t existieren, und daß
nuc h clas re ligiöse L.e ben in verschied en en gesc hi chLlicl1 ge,\'Ordcncn
F ormen seine n Attsdru,c k findet. Docli kommt die e Seite der Frage
r1ach !ler not,rendige·n t1ist<>rischen Orientierur1g der Pt1ilosophie hier
f.ilr u11. 1\icl1t sv ol>r in Betracht.. Wir 1,abe11 vielrnel1r vor aUom
i1n .J\tJ.gc, cl a ß , ubge ·ehe11 hiervon 1 auch clie . .\u(ste
. llung v on [ o r-
m a l e n W erten schon zu d em BegrifI des Gcscl1icl1tlicl:ter1 in ei11e
B eziel1ung zu seLzeri ist 1 und z\,·a r so, daß v on vorne he.rein bei der
Bi ld ung cler phjlo-ophiscl1en \Ve1·tbcgriff'c ihre An"·endbarkcit a uf
die g~sehichtliche \\1irklichkcit Oberh aupt beducl1t \.,•,cr<fcn muß.
Dies at)er li.a nn n t1r dann ge. chel1en 1 \"Venn d ie Philosopl1ic b er ei ts
i11 il1re11 forrn.a lcn Teilen zwar nicf1l auf ejnen be ondercn geschicht-
licl1en Inh alt, \\'OhJ abor auf clie a llgcrnein eo Forme11, der gesct1ic ht-
lic be11 Auffassung deJ' '\' irk1ich keit üb-erl1aupt Rück i;icht nin1mt.,
und ,,,as dies bedeutet , hoben ,vir un · kla r zu n1ache,11. Arn leiclitcRtcn
,,..ird d n. sein , ,ven11 \\riJ· dara uf achten, da ß sich a us den \iVertbegri Cfen,
,vc·lcJ1e die Philo~ophie als gfaltig vetslanden hat , Sätze ableiten las en,
die d•e n 1'1cnschen clar1n als Forclrrungen gegenübertreten, ,,·e il11 ¼-ir
also <len n orn1ativen Charak lcr der philosophischen Wis enschaft
v ora nstellen t der z,var von ih re111 ""'·e en als reiner W crllc l1re unab-
llär1gig ist, den $1C aber jederzeit annchrnen krinr1, sobald die gül t igen
W ert e auf den l\.1enschen und . ein H andeln a nge,,rendet ,~•erde n solle n .
L)ab ei rr1uO die Philosophie b cson<iers dara n de11ken , da ß der ~f cn:sct1,
attf (lc11 sie die \\ierte b ezie ht, ei11 goschic tltlicb gr,\·or<iener ~Jc.n ·cl1 ist..
Ganz ohne Rücksicht au( die F or111en einer spcziellc u Auffassung
der \>Virklicl1kci t ·incl di.e ph iloeophischen Disziplinen nie, l1nd sie
k önr1e n ~ n icht sein , denn n1it dem het erogenen l(ont.int1u1rt läßt
s ich so, ,vic \Vir e 1.1nrnitLclbar ,,.e rleben'', ,,·Lscnsclli,1(Llich nicJ1t.s
a11fangc,1. cJ1r häufi" m acht ~ic.h d eshalb un,,·iUki1rl'ich d ie Auf-
t as$u11g der '\i\' irklichkeit, al 1 ntur gclter1 (I, gobn lrl nach der ' 'erbin-
d11ng der \1/erte m it der \Virklichkei t gefragt \\·jrcJ, un d dies st eht
(lann not,,·enrlig tlo111 Ve rj,u c:h. d ie forr11nlcn \\'erte in ei ne fruch l brtrc
Bezie hung zt1n1 geschicl1tlichcn L ehen zu. bringc11, hin,d eruJ in1 \ Vege.
Docl1 ist es bei dcrn U11Lernehrr1cn , dies näl1er zu erläutcr1>t not,,·e11dig,
die vorschicclenen Teile der Ph.ilos.ophie gesondert zu bctracJ1tc11,
,veil das Verh!i.ltnis, in dern die W erte un•d Normen zu111 gesch ieht.-
liehen Leben swhen, ni,cht in al len Fällen dasselbe ist.
W orauf es in tler Lheoretiscbcn Pltilo.sopbie oder in der \\(isscn-
schait.slet1re ankomn1t, \\'is ·cn ,vir sclton. Ihr ei11s •it.ig naturwi sscn-
sch aftlicl1cr und dcsl1alb unge ·chic:h tlich er C}1arakter l)estel1L, "'iie
,vir gcseher, l1a))e11-, darin, da ß, ,venn ,es gilt, die \\'ertbegriffe der
,,rissenschaftlichcn Wah1·hcit zu gc,•.-i11ncn 1 fast nicrnals unbefange11
1
die gescl1icl1t liclte l\1annigfaltigkeil. de3 wi se11scl1aftlicl1c11 Lehens
berücksicht.igt sondern v on vornel1erein die Bildung v on allgem einen 1
Gattung begriffen oder Na turgesetzen mit dem formHlen Tdcalc des 1
~'i&liicr1scl1aft)ichen Erkcru1ens überhaupt gleichge et.z.t., also ga.r n1cl1t
danach ge!r8gt \vird , ob es nich t noch andere Formen des ,\11ssen-
scl1aftlicl1en Erkc1ulc11s gibt. Daraus cr1t.stcl1L dann no.l\YC11dig eine
,,·eil.gehende Ueberschätzu11g der generalisierenden Begriff. bildt1ng
i11 d er ganzen th,corctiscl1en Philosophie, die in1 Prinzip zt1 dem 01it
Recl1t abgelcl1nten Versuch füh re11 111uß, das ,,ris enscl1aftlicl1c Leben
weniger verstehen als 1l1eistern zu wollen. Besondel's d•e utlich. tritt
dies in r11etaph ysischct1 Systcrnhildungen zutage. Die Naturkategorien
,verdcn Utlkri Liscl1 zu \i\1irklichkeitskategorien gen1acht, d . h. die Na-
t\1r ,vird 1nit der \Virklicl1kcit. Oberhaupt oder gar n1it dem \\Ieltall
ve1•,i,•echs:elt. Die theoretisclle PJ1ilosopbie kommt, ,venn sie nach
den1 W esen d es ~ ' irklichen fragt., dann dazt1, in a llgerneinen natur-
v.·isscnsclla{tlic hcn Begriffen das waltrha.ft Reale zu sehen und olles
u.rsprünglicl1e u.nd erlebte Sein zur bloßen ,,Erscl1ei11ung11 l1crabzu-
drüclten. Sogar ,\·enn 111an v on den intigehildcn unti d en \Verten,
also der \VelL c.les ,,Un,virklicllen" ga11z a i> ' icl1t, ge::;taltcn sicli die Be-
griffe viel zu eng •ur1<l spcz_iuli t.i el1. Die rnet.apt1ysiscl1en S)·ster11c, die
auf diese \\1eise cn t...;;;tchcn , sind nur für Köpfe crträglichr die vollkommen
, rcrgcsscn, ,\·as sie iu jede,n AugenblicJ;. Ut'\ unhez,veifclbarer Realität un-
mittelbar 1 ,erleben", u11d dies gilt nicl1t et,\'a nur {1ü r den l\faterialismus,
der u.ns glauben 1nachen ,vill, d uß es in \\' il'klicllkcit keine Quali-
tät.e:n gibt, sonclcrn aucli für jedc11 SJ)iritualisn:tuö, der die \1/eil als
cine11 Empfiuclungs.kon1p lex lJegreifen n1öchte, tind ebenso für den so-
gcnnnr1 tRn ~fonisn1us, der Jie ql1a11 t ifiziert.e K örpcr\\·elt und <las
Seelenleben einantler uparnllel'' set zt, um den ::1ngeblich tinha lt.baren
Begriff der r> ycl1opl1ysi::chel1 l{~u.saliiät zu bc~citigcn . Eine Theorie ,
•
0191 lt ado por Goog e
- 617 -
die das \ Vesen des Ganzen der Realität un, ra -~en ,,1ill 1 ka11n nur dann
zu irgenc.l,\ elcl1e11 ,vertvoller1 R esultaten l<o111111en , \\·erlll sie aucll
1
ge.g enüberstehen, bei denen ,vir von den1 \ 7erkel1r mit ~1ndcrn l\ten chen r
ab chen könr1cr1 1 u11d (lie insofern a. oi.ialc \Vcrtc sind 1 so11dcrn ,venr1
u1iser WoJlen in, sozialen Verl(clir .selbst von Bedeutur1g ist uud sicll •
au drückJich at1f lJn:-er \ 'erl1ältnis zu andern P ersörtlichk.c iten ricl1tc.t,
,,·obci es sielt dann so,,·ohl um ctie \ 7erbindung 1nit der Gesellschaft
a ls aucJ, urn ci11e Absonderung von ihr in einer n1it Be,,•ußtsein ge-
such ten ozialen Einsa1nkeit !landein. l,nnn. Doc h bleibt auc}1 diese,·
erlgcre Begriff cter Pflich L uls c.ler sozi~len Pflic}1t noch so allgemei11
und forn1al, daß k eine Etf,ih: s ic h bei ihn1 begnügen \Vird. Sie mt1ß
das Woller1 11oc:l1 zu besondel'ert Tcile11 des sozialen Lebe11s als den
Objekt e11 seiner B,etüligung in Beiieht1ng selzcn, dnmit die etl1i e ben
\Verte einen l nt1alt ge,,·inr1en, und hierbei l{ommt dann, zumal bei
der JJo:;il.i,.-cu \ 'crhin{lu11g n1it u11<Jcre11 Personen, clie Berilcksichtigurrg
<! es Gesrhicl1 tlirhc11 iu Fra«e 1 cli·e "'·ir 1nci.11en. Sieht nä1nlich die
•
ü1g1taltzado por Goog e
- 619 -
cl1er1. Es können , \\11e ,,1ir gesel1e11 huben, aucl1 1T1it einer ~'l ebrl1eit
von Objekte11 '\1/erte so ve rlrnüplt ein, daß s ie an eiern Inl1alte de
Allgemeinbegriffes , cler nur das ih.nen allen Gen1einsamc en th ältr
haften blei bcnt tJnd dann fällt der Int1alt des Wertbegri[fes eventuell
mit de111 eines Naturbegriffes zusamn1e11. Zugleicl1 \\'tsscn wir aber
at1cl1 1 daß d er Begriff des l1i torischcn lndividuurn s nicht 1n it dein
der einzelnen P cr~önlic11licit identiscl1 ist., 01tclern daß c aucl1 relativ
llistoriscl1e Begriffe gibt, die d.os einer ~[ehrheit von Individuen
Ge1nejn arne enthalten. Daraus ersehen ,,rir , wie au-cl1 das Gattt1ngs-
n1äßige in einer individual istiscl1cn Etl1ik, ,velcl1c d ie For1r1m1 der
l1ist orischen Auffassung in ,ien et~1iscl1cn . o r11ie 11 bcrück.-,ichtigt,
sci11cr1 Platz Ii11den 1i1uß. Bt!ziet1en \vir 11ä111licb die For1n d es I'e la tiv
historiscl1en B egriffes au{ die 1\ u(gabc, ethi cl,e N ormbegriffe zu ge-
,,,ir1nc11, so erg ibt . ic h cle r Geclnnke, claß die E inschränk11rtg der ]nclivi 1
sch<'n Zt1sa rnn1rn l1n.ng'' ansclien. Sob:l.ld rlics aber gll.s<' hicht, hat si-c
au ch t1nler ethi~cher1 Gr!'lichts .p unktcn ,vieclcr d,lrch ihre l rHJividu~ li Lät
eine Bcdct1lt1ng, 11nd z,,·or aus d enselben Gr ilr1der1, a t1 ~ rl cn.cn das
ein:zelne lnclividuum 1 gera<le un1 seine Pflicht zu l t1n , nic11l n tlr nt1tononi
son(lero a uch ir1divicJuell s-ei rl n1uß. J)<1s ~itt.l ir he J ncli\'i{Iu u n·1 ordnet
sich ebrnso ,..·ie das hi::.tori:::ch·e sLe ts cinc1n incli,-iJucllcn G a 1t:Z(.•n
ein, un,d es l1at die Pflicht die Individua li t.ät des Ganzen zu fördern.
1
Ja , rTtan kann ·agc11, daß es sci11c cige11c lndivjrlt1alität sehr oft nur
darl1m wird. beschrünl<.en rnüssen, clarnil tl ie Individualität der Gc-
meioschaCt m der e. gehört, um so mehr sich au präge, und d a ß
wir deshalb soziale \Vescn sein 1nü!<seo , damit die socictni::,, der '"ir
angch,ö rcn 1 zu einen, I11-djvicluu1n ,vcrdc, das seir1e Hittlicl1e Bcdett-
tu11g hal. Det· vielbehandelte Gegensa tz a lso von ct lliscl1e1n I11divi-
dualismu. un<J ethischen, oziali rntts oder l{.o llelttivi tnllS v erliert
.a uf diescrn Boden seine chiirfe tind kan n ebenso,venig als eine AILer-
native at1gesehen ,~·er(len ,., ie der \o"01t ir1:clividualistischer und kollclcti-
vistisc}1er Geschichts c·hreibt111g. \Ver ge~chichtlicl1 zu ctenl,e11 (Ye-
•
lernt hat, ,vciß 1 daß 0 11c l1 der sittlicl1e Verzicht au f pcrsönlicl1e Eigen-
art im Diens te der I n,Jivi(I 11alisitrl1ng des L clJens stel1 t. \Vir sind
sozial, un, inuivicltietl z·u ,,·irlccn. Daß das r1töglich. ist , kanr1 rnan
,,ri.ecler nt1r ver:;lcl1cn " ·enn man clas \\'escn des geschicl1tlic'11en
Lel1cns bf.'griffcr1 t1nt.
U111 die · an cinern Beispiele zu "'crdcutlicl1en 1 ,veisen v.:i1· <larau r
l1in, daß ic l, auf diesem \.Vcge auch ein Verslündnj für ein e der
,,·ichtigst en aller n1enschlicJ1en Gerncin scb~lften erorrner1 muß, närnlich.
für die ethisclle Bc<Jeu tung der N a t i o n . Es ist bekanr1t1 da ß die 1
Un recl,t zu h es t-el1cn , und es kann dann aucl1 der B egriff der Humani-
tät nur venvirrcnd ,virken. Selbstverständlich is-t damit gegen e-in
am historiscJ1en Leben orientier tes Humanitätsideal nicht das Ge-
ringste gesagt, und insbe..., ondere darf es keiner Philosophie einfalle11,
die jetzt beste11enden Nationen und ihre Eigentümlichkeiten fü r alle
Zeiten festlegen zu v.rollen. .Das wäre Histori smus im übelsten Sinne
des W or t.es. Nur d as ist gcm,e int, d aß sicl1 unter keinen Umständct1
clic Eigenarten d er verscbiedene1l Nation en , in denen der Einzelne
als Glied lebt, übe1·springen lassen, und daß kein leerer Allgemein-
begriff des l\ote.nscbJichen überh aupt schon eine etlliscJ1e Bedeutung
gc,-vinnen kann . Als bloßes Exemplar der natur,vissenscfla(tlichen
Gattung ,,l\1e11sch 1 ' hört der r.,Jensch auf, ein Individuum zu sein. Er
,\·jrd ,\·ie durcl1 jede ge11era.lisierende Begriffsbildung dadurch a t omi-
siert und 111u ß den Sinn sein.es persönlichen etllischen Lebens ver-
lieren.
Doch, at1ch " 'enn wir von einer völligen Veränderung der geflchict1t~
licl1e11 Verhältnis~e in der Zukunft absct1.e.n und uns nur an die gegen-
wärtige hisLorische Situation halten, ist es selbstverst ändlich nict1 t
ausgescl1lo. sen, daß die Ethik auch über den B egriff der Nation tJndr
des nationalen SLaatcs ltlnausgc'h.t. Wir habe11 ge,viß Pflichten zu
erfüllen , die uns nicht n u r a l-i$ Gtieder einer Nation oder einer n och
e11geren Gemeinschaft betreffen . \\Forin sie bestehen , können ,vir in
clem rejn rormal geh a lten en Gedankengange nielrt andeut,cn. Allein
dnrat1! sei hingc\vie.sen, daß ,die Ett1ik a ucli bei der Be1,andl ung der
übernationalen Pflic~1ten imn1er die Stufenfolge berück ic ht iger1 rnuß ,
w der die hist.orischc Bct.racl1tung u11s nötigt, und das Uebem at.iotlale
kann dan11 noch immer nicht das i\Jensc bliche überhaupt sein. Die
materia len Bestirnmunge11 de.r ethischen Imperative sind vielmehr,
solange ie sicl1 auf die imtnanente \ Veit beziehen, dem Begriff der
Kultur1nenschl1eit. zu enlnehmen, und z,va r ihre111 historischen Be-
griff, nach dcnt sie ein individuell~s ab solut l1.ist orisc!1es Ganzes von
I{ullurvölkern bildet, so,vei t die der Geschichte bekannt ist. Diesem
Zu.ammenhang gliedern sich die nationalen Volk$individll ä.lj t äten
eben, o ein , ,vie clas ein zelne lndj,,id\1um sich der Nation cir1glied.ert.
Auf ma11chen l{ulturgebieten, ,vie z . B. der W issensci1aft , vermag
dann. cler Einzelne die Natio,n zum Teil ,vcnigstens zu überspringen
und seine Tätigkeit clirekt mit dem Leben ei11er Ober die NaLion l1inaus-
ragendcn Gemcinscl1aft in Vorbindur1g zu setzer1, ,vie es die Gemein-
cl1aft aller ,vissc11scha fllict1en J\,ler1 cl1-cn ist . Doch ind da vorläufig
4:0 •
tun, sondern die Rcchtsp}1ilosophie ist als die I...ebre vorn norm ativen
gültigen Recl1t ein Teil der praktiscl1cn Philosopl1ie, ,,re}c,ho die alJ-
gcn1cinstcn et,l1i~chen \\ferLc zu111 ß ecl1t,slcben in Bezicl1ur1g zu setzen
und ,ladurcl1 näl1er z.u bestin1n1en ersucht.. Sie ,vird nier11als de111
Phanlorn eines inhaltlich erfüllten Rechtes nachja,gen , das irge11d,vo
anders al in der gcscJ1icJ1tlicl1en \ Virklichkcit verkörpert ist, tind ie
"vir-d a11cl1 bei eiern Ver$ucl1 1 die torn,alcn norrnat.iven Recl1tsbegriffe
ausiugcstaltcr1, irnu1er scl1011 au f die f.'or1r1cn des lristoriscla4Jn Rechte ·
Rücksicht nehmen . Gegenüber der rein cmpiriscl1en gescl1ichtl1chec1
Rcchts,,rissenscl1a{t aber mt1ß 1:-ie im Prinzip eine ebenso selbständige
Au[g"bc haben, ,,·ie die Logik E.r-c.gcnübcr der GeschlchtC' des ,,,isscn-
schaftlichcn Leber1s und die Etliik gcger10ber der Gescl1ichte der
· Sitt.cn. Freilich sind auch die prinzipieller1 Unterschiede z,visc!1e1l den
vcrs<'hie<lenen philosopl1iscl1en Disziplinen nicht zu übersehen. :i\luß-
Len ,vir Cür die Ethik vor allern hervorheben , daß der Begr iff der Natur
u11geeignet ist , rlie siLtlicl1on 1'ormcr1 inhaltlich :zu bestimmen, so
,va r für die Rocl1tspt1ilosopllic der 1-Jin,veis darauf not,ve•n dig 1 tlaü
d er zur Bezcic. hnu11g <l~ n orrn ati\'Cii Recl1tcs beibehaltene unglück-
liche Aus,lruck „ Naturrecltt" 11icht die Problcn1e v·erdecke11 darf,
clie in d e 111 Geclanken eines forrnalen nor n1ativen Reehtsheg.riffes
stecken. I11t übrigen aber lieger1 {1ie Dinge für beide Di ziplincn doch
glcicl1: es gibt. natürl iches Recl1t so ,venig wie natürliche Sittlichkeit,
und d.c r ' 'erst1cl1 1 zu inhaltlicl1 erfül lten ethiscl1cr1 oder rccl1t]ichen
Norrne11 von allgcn1<'i11cr Geltu11g zt1 kon1rnc11, kann nur gelingen,
,,renn die geschicl1t.licbcn Gestaltungen <.lcr iLtc und des Rechtc-s
bC'rücksicl1Ligt ,,·er rl en , ,,:en11 n1an al o jede11 \ 'ersucl1 aufgibt, einen
allgen,eir,en nn<., 11 natunvis e11~chaft1i.cl1er l\1etl,ode gebildeten Gat-
tungsbegriff de.'- Rc<""l1Lcs zu bilclen.
Ir1de111 ,,·ir dan1it die pral\tiscl1c Pl1ilo ophie verlasscJl, erinnern
,vir nocl1 einmal dar-a n, daß nicl1ts diesen Be111erkungen ferne1· lie.g't
als der Gctlanke, clcr l\lcn eh sei. in jeder Hin. icht. dazu: , ,.erurteilt,
· itn bloß Historisclle11 ·tecl{cn zu bleiben-. Nur von dcn1 K11lturn1cn-
snl1~11 sprecl1e11 ,vir, un<l 111it bc\vußlcr Ei o s c i t i g k c i t lieben
,vir clie Not,vc1}<liglicit ei11cr Oricnlierur1g a1a Jljstoriscl1011 für einige
, ,on dE!rl 'l'cilen clc-l' Philosopliic hcn.ror , die e 111i t dec1 Wertprablemc11
cler l(ultur zu lu11 haben. ,\1ir verkennet) insbesondere nicht , ctaß
gcracle der historiscl1c Ent,,·icklu1lg~bcgriff ni,~n1a l:; zur All e in ~
hcrrsc)1;1ft gelnngcn clarr, fall:; es rr1öglich ~<'in soll, in einer umfas!-cr1-
tlcn \~lr llnns<'liauung clcn , i1111 ur1sercs gcsa1ntcn Lel>cns positiv ztl
eine l~oro1 des P flichtbe,vußL.-;eins, denn aucl1 der theoretis-cl1e ~·l ensct1
bleibt nicl1t bei eine1n bloß p assiv ert \ ferho ltcn gegenüber dem '\i\'a hr-
1'1eits\'•crtc stel1en . Aucl1 un_ere Urt eile sind }Iandlur1gw1 in dem
'
1
'
Sinne, dnO sie zu \\1erten SteJlt1ng nehmen t1nd da , ,vas durch sie •
zt1st..ar1dc kon1ml., d . b. il1r Erfolg, der in dicsern Falle die \1/issenschart
ist , n1uß eben( alls unbedingt tbeoretiscl1 ,vcrtvoll ein. In ci11er gegen
'
die W ert.e vollkom1nen indiffer en ten , virk.l icl1keit oder in eine r !Or
die Realisierung der \\fisscnscha rt1 an ,velcllcr der \Val,rl1eits\vert
ha(lcl, u11gecig11clen \ Velt ,vür<le al:io au-c:h j edes Ur Lcile11 seinen Sinn
, ·e1·liere11. ·o • c]1ließ-t tlie \ ' oraus::,clzung, floß ,vir durcl1 unsel' Ur-
teilen den unbc(lingLcn \Vahrhcit:-,vcrt in eiern Gute der \ Vis:;cnsc}1art
realisieren können, s ~llon den GJai1ben nn eine ~facht ein, ,\·elche
diesen \\'erL dtJrrh unsere Urtei le vcnvirkliclrt,.1 und so \\ir<l auch der f
'i11n alle Erl(CTt11cr1$ vo n <icr Ueberzeugu11g abl)ängig, die 11icht nur
über alle · Logi:sche sonJcrn uurh (iber nlles Ethi:;;che hinnt1sgcht: 1
die Welt ist so cingericlitct, daß in ihr das Ziol des Erkennens, die
\Vis cnscl1attt v en-virklicht ,,•erden kann .
\Venn inan ,vill, mag man dies ei11e n1elapllysiscl1e Ueberzeugung
nenf1en .1, und ,,,ir kon11ne11 hier in der Tat. auf die :,,Chon einmal be-
rührte Art von ~letaphysik l1inaus, die auf die unbetlingtc Geltung
von \Vcrten gc5tützt ist., aber ,vir ,verd en gtit t1111 1 clicse 111etapltysische
Ucberzeugung von aller rationalen ~letapl1ysik zu Lreilllen, da die
(iber:;innliche Realität nie zurn Gegenstande unserer Erkenntnis
,vcrden kann, ja ,,·ir sogar das \.Vorl „ Realität" h ier in eine1n Sinne
gebrauchen, den es in der \Vi sen chaft nicl1t hobe11 darf. Unter
logiscl1en Gesichtspunkte1l ist ,,RealitOL" immer nur Prädikat eines
Urteil , das eine:n Inhnlt real nennt, ,venn zu ihm die Fortn der Realität
gehört, und ,vcil dieser Inhalt, irgc11.d,vic " gcgcl)et1 11 • ein muß, kennt
die \Visse11scl1art 11ur irnmancnle 11ealiläton . Trotzdem vern1ag sie ..:ich
dessen be\vuJlt zu ,verde11, daß es el,vas jenseits aller \\'isscnscl1aft
Liegendes gibt, und sie l1at dann diesem Be,vußl.<rein, so gut ,vie sie
es kann, Ausdruck zt1 verlei he~. Es 1nuß das' logi$Cl1e Denken auch
hier ,vieder au{ et,,·as Uebel'logisches a ls seine Grenze i1nd ::;eine Voraus-
setzung hin,veisen. Konnt"°n ,,·ir früher zeigen, da ß zum Begriff des
Erkcnnc11s notwer1dig ein uberlogischer \\' ille gel1ört, der unbed,ingt
allg~meine thcorcliscl1e ,, ,crte a11crkcnnt., so is t es jetzt der Glaul>e
an eine objektive 'f\{acht die~er Werte, oh11e den auct1 de·r \;(/ille, das
Gesollte zu t un, seinen Sinn vo1·licren \\'ürd.e. Das \Viderstreitct dem
Satze, daß die Werte in sich rt1hen t1nd giiltig sind, ol,nc ei1ter Aner-
kennt1ng zu bedürfen, gewiß nicht, de11n 'hi,cr l1a11dell es ich eben
wieder nicht nur u.m dio Geltung der Worle ·011der11 urn ihre Ver-
,,,irklict)ung in Güterr1 , an denen sie haften , und diese ' 'envirkliehung
füh.rt. u11s in der thcoretiscl1er1 Ph.ilo ophie, ,,·o die ,,rirklicher1 Urteile
in Fra,,e kom11ten i. ebenso über die bloße \Vertgeltung hinaus, ,,,ic
in der prakti cheo Philo ophie, wo die siLll.ichcn Han<Jlt1r1gu11 ir1 Be-
tra cht zu ziel1e11 sind.
Doch ~vir ,vollten nur zeigen, ,vie \Veit sicl1 ein Glaube an eine
objck ti,,c \Veltmncl1t <les Guten, die nic1r1als Gegenstand unserer
Erkenntnis sein knr1r1 t philosophi:;ch als r1ot,,·e11dig durlun liißt 1 und
\ \10 clal1er <lur Ar1satzpu.11kt für ei11e Rcligio11 philQsophie nh; ,vcrt-
1'\' gl. hierzu die eingehende ur1d l~hrrelche I<rilik 1 d lc E . ·r r o c lt s c h in
seiner Abhandlung über ?.l oderne Oeschlchtsphirnsop hic (Thcologi$cho Rund$el\o.u,
Vt, 190a) diesen\ IJueho guwid1nct hat. Auch n1 it d esselben Autor Schril l
Ober die A t,solltlhc,iL de1> Chris leulums (1902) t.cigt d o F vlgcn dc rnnnche Oc-
r Oltruug~pu.n k te.
ejncr heiligen \' 'eltnlacht. Ja, ,vil' n1üs ·en sogar sager1, daD, ' "enn die
Gleicl1sctzur1g des in1 ollgemeinen B egriff Erfa ßten mit det" '"·at1rcn
Realität eine Berechligung l1iitt.e, es über haupt nicht möglich ,.,.ärc,
<leo religiös·en Ueberzeu·g ungcn , die nocl1 et,vas anderes als \\'eltflucl1t
bcc.Jeuten, irgend eine Bcrccl1tigung neben derl '"issenscl1afLlicl1ert
zuzugestel1en . In einer rational ge,vorde r1eu \Veit gäbe es 11icht r1ur
keine Ge chicbte 11nd kcir1 sittliches "'' irken sondern aucl1 kei11e
Jleligion, die dieser '\'elt zug k ehrt is t . Eine Philosophie dagegen,
die so,vohl d en absolute.n \Vert, de r an d em pfliclltbe,,rußtcn a11tono1nc.n
Willer1 h a [lel, a ls aucl1 das \ Vescn der Gcschichts,visscnscliaft vcr-
.:-ui nd cn l1at, ,vird n.ich l nur den Glattben an eine objckti,,c \Velt111acl1t
de:; Guten a ls not,,,endig erk.en11en son dern zu.glcicl1 aucl1 einsehen,
daß 11äl1ere Be~ti1nmungen der rcligion. pJ1ilosopl1iscl1cn \\'crtbegriffe
nt1r tlem 1'1i torischen Leben zu cn tnel1·num ~ind, u11d ~ie ,vird dann
zug leich b egreifen, daß die g c s c h i c 11 t I j c h e ficligion die J.'orrn
ist, die das religiöse Leb en n ot,,1cndig l1nbc11 r11uß , sob ald es nach
irgend ,velc hen Beziehungen zu111 K ultu rleb en sucf'1t. lst ei11c ü.ber-
hi~torische l{e11ntn.is von de m inhaltlicl,cn Zusamme11bange Gotles
1r1 it d er cmpiriscl1cn l(ultu1"\virklicbkeit fijr d en ?.-lc11scl1c.rl unrnt,glic b,
so steht damit das R c c }1 t de r }1i~torisrf1en R c ligior1 1 die sich an
cin111nligc gescl1icl1tlicJ1c E1·c1gnisse l1ält und i11 il1nen die „O!fc1iba1·ung''
Gott e sieht, aucl1 vo1n \\ issc11scl1aftlichcr1 ·t,andpunkt au.ß cr Frage.
1
Das l1cißt 1 es k ann z,var niemal s durch die \,\ iisscn sclla ft ein e R e ligion
h crvorgcbrucl1l oder a uch nur b ewiesen "'·crdc11, aber es ]üßt . ich
cbcrtso,vct1ig leug11~l'l I d a ß u11sc1·e ,vi ~senschaftli•c l1e ~ ' cl t.."ln~cha1..1t1ng
eir1e Lücke zeigt, die nur durcl, eir1cn ,tn ein er l1istorischen R eligion
orientie rten Gla uben au~zu füll er1 i?1t. Die R eligion elhst bedarf frei- •
li cl1 solc hef' RcchLfcl'ligung nic ttt. Sie slcl1L von v orncl1crci11 über
;i llor \Vissen scbaft 1 lljc ilir nic ht d as G,c ri11gsle zu ge hen v erma g,
,\·as sie n icl1t bcreit..s hat. Für die n cligio11s p 11 i I o so p 11 i e d.agcgen
ist ci11(~ At1:;cir1ancl cr cLzur1g mit dc111 B egri ff der gescl1icl1llicl1en R cii-
gjun 11icl1t zu c11Lbehren, u11J dic.se ka11n nur auf Grt111d einer Einsicl1t
in d as "'' esen d es }1istoriscl1c11 Dc11licns erfolgen. ~n1 ebenso ,vie die
andern phil osophisc he11 Diszjpli~en ihren \\'erlb grirf zt1m gcscl1icl1t-
lic·h en Lebe1t i 11 Beziel1ung zu set~cn, }\at sie da her bereits in il1rom
forn1 tlle1t Teile auf die For111en der ge clii(!l1tlichc11 Auffn::-:ung der
\\"i rl{licbkcit R ticksicl1t zu ncl1111e.n .
Ahcr gerade b ei dcn1 Gedankr.n an da:; r l'ligiüsc L eben ,,·ird,
,vic schon angedeutet, das Bedc11J,en ~ich sltirkl.'.'r· als irgPnd,vo geltend
R I v k e r 1 , Or,nzen. 2. Aufl. 41
•
't
(
1
1
- 642 -
l
machen , das sjch schließlich gegen das gonze .P rinzip einer not\,·cr1-
•
digc11 gcscl1ic llllic he n Er{(illung pl1ilosopl1ischer F ormen richten ffiltß,
und auch a uf die. c l(chrseito der Botrachtu11g \\'Ollen wir daher, '
um den Geclnnkengang z-urr1 Ab cl1luß zu b1·ingon, noch n1iL eirte111 1
\Vort-e eingcl1en. Die Gcscbicl1lc gibt uns, so \Vird rr1ar1 sagen, gc,viß
de11 positive11 l nl1alt, den \\-':ir brauchen, und den ,vir a.us keiner ar1deren
•
Quelle scl1öpfen k.önnen. Zugleich aber ist sie doch auc l1 in u nauf-
hörlicher \!erändcrung begriffen, und \\'enn eine Befreiung vo1n
H istorisc hen nur mit rein rorn1nlen '\Vertbeg1·iffer1 gclingt 1 dann
~clacincn ,vir fü r alles L eb en im inhaltlich Erfüllten nicht nur in
die Sinnlosigkeit der unendlichen Fo1tschrittsreihe sondern a11ch in
die relat.ivistiscl1~0 und skeP,tiscl1en K o11scquenz.en t1ineingetriebcn
zu ,,erden , die man l1äufig aus dem c,,·igen \Vandel • alles tlDS be-
k an11te11 Dnseir1s gezogen hat, und die nicl1t nur zu ei11er Ergänzung
des flistorischcn durch d:.1s Ucbcrhistorisc.l1c sondern geraclezu zt1r
F eindschaft gegen alles Gl'scl1icl1tlicl1e fül1ren 1t1üsscn. Der E.nt,vi ck-
lungslJcgriff ist ja tatsäcl1 licl1 ei r1e beliebte Waffe gcra<Je für de n
R arlikalis mus ge,vorde111 der darr1iL die Ui1ver1rünftigkeit a lles Ge~
•
sc-l1ichtlicl1en zu l>e,,·cisen ~ucht. "'o cliloß sich schon an H era klit,
die Skepsis ttr1, und so giog aus lf~gcl die llcgclscho 11 Linl<c'' 11cr-
vor. die groß h.a.uptsäcl,lich i,n Zcr~Lörcn ,var. J\ ucli gcnügL gc\viß
eirl bloßer ] Ii11\\'Ci::1 au! die a11clcre Seite des E11t,vicklungsbegrif{es,
daß alles sicl1 11u1· ir1 a llrni1hl ic hcr u11d la11g3a1r1cr \ 7eriir1deru1lg b c•,
fi11clet , r1ichL, u111 cle111 Gedanker,1 an ,Jie Relativität und UnbcsW11-
1
diglteiL altes Hh;tori:.-icl1en eitlen SLac hel zu neh1nerl, denn ob die
\ 'e1·ändert1ng i n der Ges.chicl1te lan,gsun1 odC!r sc;h11ell vor sich gehL,
mncl1t 1\eincn priuzipic llc n Ur1tcrsr},icd, ,ve n-n dHs Relativität! prinzip
i11 Frage kornmt.
Dennoch brau<:lat. 111a11 a l1cl1 l1icr ,victlcr nur 11ut dc1t 1 Gcd,lnken
clor his t oriscl1cn Bcdir1frLhcit a 11 e i,; I(ulturlet,<~ns ernst zu 1nacl1en,
t1n1 rlcr1 skeptischen Arg,11ncot~Liuncr1 des Radikalistt\LlS, die sicl1
auf rlen \\'a11d ,1 jctles Seieud<!I1 ::stützen ur1d danlit allc11 l1ist ori ·chcn
~JächLerl tlcn Krieg er·J-.lärer1, irr1 Pri11iip \\'CJligsLe11s jed,en Boden ztt
enlzie!ten. Gegen ci11Cll absolute11 Relativis111us läßt sicl1 freilich nichts
rnacJ1e'll, clenn er füh rt. kon equer1Ler,veise zu1n ·ihilisnlus, u11d es
bleibt d n1111 nichls n1el1r tib rig, nn dn · 111nn noch anknüpfen könnte.
Aber er i:5L aucl1 nicht zu ft1rchte11 1 rla e r sicll j ed es Urteils enthalten
,nuß, ,,·et111 er sich nic1\t sc lb · t ,vider:-preclien ,vill. \Ve,r Eie h dngeg1311
auf eine B<.'u rtcil1111g ciult1 ßl u11rl clann das Ge~c hi chLli chc b loß rJcs-
wegen unbefriedigend find et , ,veiJ es sich ,rcr äodcrt, setzt d aboi implizite
immer schon vorat1s1 d a ß es ci,1en Sinn hat, nach einem völlig u11-
- 644
-- - - -
f
1
•
•
•
D1911 11,ado por Goc,gle •
•
•
•
•
•
•
•
•
• •
1
•
•
•
•
•
•
•
'
J NOV 09
AUTO. DI~~-
J UL 2 7 19~9
CIR(~lJI ATln 1
111011111111
(006105456
' •
2 h•, ii 1 ;
.1-<,.,. ~.,_ ,.,t .:.n,t:,
• • •
• •
••
•
•.
• •