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GIFT OF
JANE K.SATHER

EXLIBRIS



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ürg,t~hzado por Goog e


.Die Grenzen
·der naturwissenschaftlichen
Begriffsbildung

Eine logische Einleitung


in die historischen Wissenschaften

Von

Heinrich Rickert
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Z w e i t e n e u b e a r b e i t e t e A u f l a ge

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1„ ii b i 11 g e n
Verlag von J. C. B. ~f ob r (l;,altl Siebeck) •
1913

ürg,t~hzado por Goog e


Alle Rcchla ,•orbthal lt·n .


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Druck. '\"Oll ff. T, 4l l1 fl J) jT li1 'f'!lhillfl~D .

0191 lt ado por Goog e


- III -


.....•

Aus dem V01~ort zur ersten Auflage.


Eine Tl1eorie cler ,vissenschaftJiche11.· Begriffsbildurlg hat. 111icJ1
seit 11,cin.er Doktorarbeit „Zur Lehre vo11 der Definition" (1888) be-
schäft igt. Schon damals }iahe ich den Gedanken einer natunvissc11-
chaft lichen Univers-nlmelhocle bekampft und zu zeigen versucll·t ,
\vie nichtssagend die Lehte ist ,. nach ,vclchcr die gemeinsamen E1e-
mcnte der Dinge mit den ,vesentlichen ~ferkn1alen der Begriffe identisct1
sind. Es ,var mir klar ge"vorden, daß es stets eines bestimmten Z"''eckes
bedarft 111it ll.ilcksicltt auf den die \\•csenllicl1en von den tU1\vescnt-
licl1en 1\1erk1na1en geschieden " 'erden, und rlaß es in der l\lethodeJ1-
lehre darauf ankommt, clie Ver chiedenartigkeit diese1· Zwecke kenJlen
zu lernen. u111 die l\1a11nigfaltigkeit der ,,·isscnscl1aftliel1en l.\l et}iodeJt
iu v erstel1cn un.d ihr gerecl1t zu werden. achdcm ich dann v er-
sucht hatte, in 111ciner Schrift über den „Gege1lsta nd der Erkenntnis''
( 1892) für n1ci11e , veiterc 1\rbei t eiJ1en allgemeinen erkenn t.nisthcoreti-
chen nSt.ondpunkt'' .z u ge,vinnen und den Prir11at der pral{tische11
Vernt1nft. tl1eoretisch zu bt>gr011de"I1., \ve11dete icl1 Illich ,,·ieder n1ethoclo-
Jogischcn Untersuchw1ge11 zu. Scb1· bald aber ab ich ein, daß eioc
alle \Visse11scl1a ften umfassende Theorie der Begri(fsbjldung ,vcge11
der Fülle der L 1ierzu not'~veodigen ·pezial,vissensct1afllichcn l(enntni · e
ein U·ntcrneiuncn n1it un a bse hbare•1 ch,vi ·rigl<cjtcn b jldete. o
\fel'sucbte ich, micl1 zu beschränke11 11nd vor a!Je1n d.a \\7e~cn der
g e s c b i c h t l i c h e n Begriff bil-d ung zu ver tel1en 1 iunächst ,veil
hierfür v on d er Logik bi~her ar11 ,vcni~ste11 gcta11 ist . soda11n ,,·ei l
eine Einsjcht in den prinzipjellen Unterscl1ied de. gcschicl1tlicl1e11
vo1ll natuf'\vis::1enschaflliche11 Denken sielt als Jer ,,'ichlig:,;te P unl<t
für dru; Verständ.nis aller speziaJ,visscnschafLlichcn T ätiglieit cr-g~tb l
und endlic l1 weil diese Einsicl1t rn ir zugleicll fOr die Behat1cll u1ig der
111ei t en pl1ilosophiscl1cn Proble1110 oder \ Velta11sc bauu11gs fro gcn drin-
gend gefordert zu sein sch_icn. Die logigche Theorie stcl1t l,ier in1
Dien tc d or Bckätnpfuog de Nalurali rt1us und tler B<•grü rldung
einer an d e1· Gescl1ichle orie11ticrLr 11 idcalisLischen Jlhilosu1)hi c.

ürg,t~hzado por Goog e


- IV -
:l\ieinc An icht von, VerhäJtnis cles Begriffes zur empirischen
\"\Tirklict1keit überhat1pt1 die für den gnnz.er1 folgenden G-eclankcngang
rnaßgcbcnd ist, habe icl1 zuerst in einer Abl1andJu11g ,,Zur 1'hcori
der natur,visscr1 cha[tlicl\en Bcgriffst)ildung•• in A,renarius' \ !iertcl-
j ohrssc hrift 189-1 veröffentlicht. z,,·ei J ahre s.p üte r erschienen clie
clrci ersten l(apitcl dicso.o.; Buche..;, die vor allcrn den z,,•,c ck hatten,
zu zeigen, daß die u alt1r,,·issenschartlic l1c lVletl1ode in <lcr Gescl,icl,to
n i c 11 l a11\1/endbnr isL, u11d die a ls n e g a t, i ver T eil der Arbeit
ein abgcschlo ~senes Gnn1.e-F- bilden. In eine n1 Vortrnge über 11 I(ul tt1r-
,vissenscl1art und ratunvisscn schaft" ( 1899) vcrsuc;ht.c ich dt:111tl it1
mö"licl1 t, einiacl1er Forn1 die Grundlinien einer p o s i t, i ,, e n Dar-
legung de~ logi cllen \i\.,e~ens der Ge~c hicl1t.e zu geben, tincl einige
andere klci11crc Arbeit4.l11 1 <lie daral1f f<Jlgten, s tel1c11 ebenfalls irn
eng~Lcn Zusan1rnc1) hange mit dicse111 Vcrs ucl1 . . . . .
. . . . . . \ Yährend icl1 dc11 Plnr1 zu n1einer Arbeit cnt,,-nrf, ,,r ar
d a. Thcn1a clc r l1ist ori c11cn l\fcLhoclc in cler Ge chicht..-.wisscnsc huft
nicl1t.s \Veuiger aJ ~ aktuell, un,l rnan durfte auch r1iclt t. er,varte11 1 u"ß
diese Frage v on l\1ä nnern der Spczinl,vi5scnscl1nft bol rJ ,Yiedcr d i~kt1-
tiert ,,·erden ,,·ürdc. An1 ,vcnigst.crt abcl' hätte ich e <.la1nal-· für
möglicl1 gcl1nlt.c11 1 daß in clcr1 l{rci:;t~11 der fiistoriker ~elbst der alte
Gc<lanlic ei11er „Erh ·bung det· Gc::icl1ichte zur \\i'is:-:cn::;chafl" d11rcl1
An,venrlt1ng cler nattir,, issenschaft,lir hen ~f e lhode so bald ataftauchen
,,•-.:irde 11nd A,1fscl1cn erregen könnte, denn der Glaube an Buckle
ur1cl vcr,,·andte Geis ter scl,icn d orL er1dgültig abgeta n llnd nur noch
i,1 der nnt111·a li tiscl1cri Pltlto~opl1ie eine Rolle 1.u spielen. l·lct.1tc
g<.' betl sicl1 trotzcle1r1 tlie altc11 JJ('kulatiC1ncn der AufJ<lärung ,vic(lcr
eit1r11a l al:3 die neuCH,lcn u11d ,viclt tig~lc11 ges<" hir h tHct1er1 Erru n r•cn-
schafLer11 und d c!;ha lb l1iclt ich e.,; f .ü r nötig, a,1ch auf die Bcgrirr~-
v cr,vi1·ru n gcn }1j11zu,vei.i.;c11 1 ,,·eiche ih11on zugrunclc licr,e11 1 u11(l be. on<lers
clie \ 'icldeuligkeit. (ie1· cl1lag\vorte klar1:ulegf'n, n1it dcr1cn in u11sc re11
T agen die~e gründlic- h vcr~tl l.ctct1 Theorit t\ ,,·icucr v crtcitligL ,,,cr(len.
Daß icl1 d a bei <.lic 1lcucstc L it~ra lur dieser Rir htu11g n t1r zu111
lclein. lcr1 Teil au sdrücli.lich bcrücl<.sichtigt halJe, ,,·ircl jeder Logiker
v crs t \,!hc11. ic trägb fast durch,,·eg :;o sehr den (:hal'akter d Dilcl ta1t-
ti~111us, tl Hß eine iu5 cinzc-lJ1e ge l1 c11rlc Au ~cinar:i,!crset1.ung n1it ihr
nicht luhr1t. lr11pti1.ite glattbc ich zu a llen ,,·ese-11tlicl1en Gcdnnkcn,
die in d c111 neuesten Streit 0111 die l1h, l o ri::ct1~ )le l.ho<lc l1crvorgctrct c1t
sind, ~n1::.reir.hc11d St ellt1f1g gcn(ltnllll'Jl zti liallt11 .
\\: •nig-er gerechtferti gt d;igegcn ,,·ircl es , ·ic ll r icht ersch ei nen,

0191 lt ado por Goog e


- V -
<l nO at1ch rlie ,ve rtvoller1 • cl1riftcn über dai; \i\-'escn der Ge c hic hl.s-
" 'i~sense~laft nur zurn klein tcr1 T eil genannt tind r~ t gar nicht aus-
drücklicl\ bcsprocl1en ,vordc11 sind. Docl1 lie ß sieb das nicl1t. ä11dcrn 1
,,·enn der Um fang des Buches nich,t al lzuscltr ansch,vcllcn sollte.
A ußerde1n aber rneine ich auch, d a ß ,-.'ir heute im allgemeinen viel
zu viel zitieren und dabei nncl1 Grundsätzen verfal1rer1, dio nur für
L chrbücl,cr gellen dürfen. Besond ers in der Philosopl1io bes itzen
\\·ir eine 'i\lenge umfangreicher ,.,chriften, d ie zu m '"'eitaus größten
'f eil au · Referaten und J{ritil<en ar,derer Ansichten be.~t.ehe11, und in
de nen nur kleine Bruchstück.e uns die eigene l 1oinung iltrer Vor-
f asser gcbe11. In bc,'-'UOtc111 Gegensatz hierzu habe ich verst1c·h t, ein-
f:ich ,tas durzustelle11 11nd z 1.1 begrün den. ,,·ns icl1 rnr richtig h:ilte,
und 11ur ausna hu1S,vcise und gel~gcotlich si11d dal1cr f1·e111t.lc Arbcit.cn
uusclrücklich genannt, ,ve11n Jl1ir dies i111 ln l.cre '~I! der l{la.rlcgung
1nein<'s Gedanken ganges ,vün chr•ns,,·crt . scl1ien. Doci1 li offc ich, auch
J1ier Jie vorhnndenc Literatur nicl1t vernrichlässigt und impliz.iLe die
,,·c:;entJicl1cn Ge<la-nken an(terer gc11iig~nci brr(it ksichtigt zu habeti .

. . . • . . D.n bci möchte icl\ niclit. uoterlHs.se1l, hervorzuheben , ,vic viel
Dank für die 1{1ürung n1eincr cigc11cn 1\nsichtc11 ir h auch solc hen \,\ Terk cn
schulc.lc, dere11 ' 'erf:-i.Rser zu 11en11cn , sich k<>iJ1<! Gelegcnheii bot.
~oda nrl 1)och ei11 kurt.es ,,rort. über die Art rr1eincr Darslellun!! ., .

l"t1 !-t1chc vo11 clc1t Grenzc11 <lcr 1latu1<\,·issc11scl1nf'tlicl1cn Begrif'fsbil-


du 11g aus da:-- \\'c cu der ,virklich v orl,a11fl cnc11 G~schicl1Le zu vor•
s t.ch•e n unrl nicl1t et,v~ Plfi nc (ür Z11l{11nft:;,,·is., cnschaftcn zu cnt,.,·~rrcn .
Zugleich aber li egt es mir fern , lediglich <l~:; Vorlinnrleue zu a n a-
1 y i c r c n oder zu bcschrcib,~n, so11dcr11 ith n1öclttc tlic iu11ere
Jogisrhe t,ru lctu r aller gc.scl,ich Lli clic11 B •p-ri ff:-bild urig at1fdeck.en.
Aus <lic1-e1r1 Gtunrlc rnußte ic h zunftr l1:-t vo n gnnz allgcn1<'incn Be-
griffe11 a1.1~1.1che1l I cli,e noc h ~ hr ,,·e11ig ,,ou cl ein crtLh:1 ltcn, ,vas r11:l11
GC'schichtc zu nennen ge,,·nhnt ist, un<l ga r1z a ll11.1äh lit:li füA"O ich z:u
diesen Bcg.rilfel1 ein Elcn1fl11L 11aclt dcn1 ande ren hio1.11 t 11111 so crs l a 111
chluß des vierten J{ap.iLcl~ den Begriff zu ge,vin n.en, der at1f die
ühl i<>h,·r,,·cisc Geschi chte get1::i n11tcn \Vis: cnscli ~1ft•~ll paßt. Es ergibt
sic- h au$ cJicsc1n s ..v n t h e t i s c 11 c n \ 'e rfa lt rcn 1ticl1 l 11ur Jic Un- ·
bct1ucr11lich.kcit, claß TT1an clas ganze Buch gelt•~en haben 111118, 11111
iu ,,·i~:ac.o , '"'as ich tr1eine 1 tiOn <l <"rn .:i uc h die l'\ ot,,cJ1<ligk,•it 1 das rL<'il
ül,er die Richligltcit 111cir1er An::-ie ht bis zu1tt chlul3 zt1 su::p<' nilicrcn.
D<.lr h vcr1noclttc ich bci,n bc:: Lc.n \\"illc11 a uc h lii orn11 nichL-; zu änd1;r11.
l•rl'il>u1g i. B. , J nn. 1002. JI 1 i 11ric h Ri cker L.

ürg,t~hzado por Goog e


- \ 'I

Als icl1 vor elf ,Ja hren dies u1nfnngreiche u11d u1usLäntllicl1e
Bucl1 zurn crsten1na l veröfte11tlicl1te, gla ubte i ·11 nicl1t , da ß es eine
Z\\tcil e .Auflage erleben ,vUrdc. \\1nr doc h ein großer Teil seiner Dnr-
legungo11 r1ur f{ir einc.tl engon Kreis von F acl1gc.n osscn bcstim111t.
Aeußcrliclic U rnst ä nde, bcsonclers der Streit der J Jjst orjkcr über die
,,._neue" i fetl1ode, truge11 dazu b ei, tlaO die Schrift auch i11 ,veitcrcn
Krej:.-1en il1rc Leser fa1lcl. Sie ,,·ar nach v erhältni~111aßig kurzer Zeit
vergriffen t1nd l1a l eino 1-leilic ,..oo J ahren i 111 Bl1chhanclel gefehlt.
Zu eineu1 unverär1derten Abdruck k.onnto icl1 1nicl1 11icht enJ,scl1Jieße11t
da n·1ir einige ilrrer ~läogcl o dcutlicl1 ge,vordc[t ,va rPn 1 d a ß ic h rnich
mit dcr11 Pla11e einer vollständigen Un1ar beitung trug . J e lä11ger ict>
111icl1 jedocl1 da 11lit. beschä rtigte, um so meh•r sa h ich ein, daß ein ganz
ncut's \Verk cnL5tcl1en ,vür<lc , d essen F ertigstellung r1icht abtt1sehen
,va.r. Sc hlicßlicl1 t1at de r von mehrere n Seiten, a uch ,,on n1eine111
verehrten Verleger, J--lert-11 Dr. Paul Sicheck 1 a11 1r1icl1 geri chtet e
, vunsc h n ach einer neuen Auflage mic11 vera ulaßt, ei11en i\lilLcl,veg
Z\\'ischcn bloOen1 \Vied era bdrucl<. ur1d völliger U 111a rllei t ung einzu-
schlagen . D en Geda11kenga_ ug und die Glied e ru,1g des Gu11zen be hielt
ich i11 d er· Haupt.sac; he bei, ob,vol1l ich ,vciß, d aß hier n1anches sch,,·cr-
f ällig und n, it \Viederl1olt1nge11 b eln "tel erscl 1ei11en k ann, und b e-
schJ'ä nkte 111icl1 at1! Verbesseru11gcn ,und Ergänzungen von Einzelheiten.
Vor a)lcn1 l1ahe icl, 11,icl1 bo1T1üht, dc11 Au sdruck scl1ärfcr zu fassc.n 1

,,·o meine Ge(lartkcn !\fißve.rst ändnisscn begegnet „ir1d . Dabei ,,·aren
mir 111a nche v on clcn zal1lreichr,n K rilikcn , die 111cin Bucl1 gcfur1den
hat , sel1 r ,,·crtvoU, uu d ic h l1o!fe 1 111a11 ,vi1·d n1ei11 Best reben nicl,t
\tcrlier1ner1, d en ,vichtif,rst on E in,vä nde.n , nu r die ic h gest oßen biri,
gcrcch L ~u ,,·crde11. In alle11 '\-\'Cse11tlic hc11 P t1 nkte11 11 1u ß ich frei licl1
d a :1ufrcch t erha lten, v;a. sc hon in d er er:?ten Au!lnr;e st and . Auc h
\\'llr es ulir n icht 111öglich, au f alles eir1zt1gr.l1(•n, ,vas i111 1\nschluß a11
r11ei11 c 1\rbeit gcsch riebe11 ist, denr1 das hntt.c d en U111f.:iog d er ncucr1

0191 lt ado por Goog e


VII

Auflage zu ~ehr vern1cllrt. Ja, ich, 1nt1ßt,e sogar den für mich in man-
cher H insicht, v,ichligst.on Teil der Literatur fast ganz unberücksichtigt
la~sen. Das für Philosopl1cn g •"clirjcbc_rle Buc h l1at nün1lich d as
1

Sctiick ·al gcl1abt, daß es bei d0n 1'-fännern der pezial,visser)schafter, ,


die sich für methodologi ehe Fragen intere-:.\~ieren, ntclir beachtet
und nieiuer Ansicht nach in1 al lgemei1tcn aucl1 besser v crstan rlen
,vorden ist als bei "·ielcn rn-einer Fachkollc,gcn 1 und ich kann nicht
let1gncn 1 daß dje~er Errolg n1ir b esonclers errr-eulich und lel1rreicl1 war.
Die '"i -enschofLlicl1cn Arbeit tl aber, tl ic l1icraus hervorgegangen
sincl, und (lie n icltt. nur vo11 liisLorikcrn sondern auc t1 von Th-e olouen,
J uri. Wtl und ~ationalöl~onomen sta111n1en, betref(eJ} 1neisL Frngcr1,
clir l1ie r ei11gel1en<ier ztt bel1:tndel11, nicht 1r1ri110 Aufga'be \\'ar, denn,
,vic ich \,·ic<le.rholt hcrvorgehob(!n habe, ka m es rnir nicht auf da
Gnnze ctcr \Visscnschaft.slehrc orler o,1ch nur auf eine erschöp fende
Dars tellung cler '?-1-ethoclcn in d.c11 nicl1t-nntur,vis~ensr-haftlicher1
Diszirlinen au , so11derr1 icb n,t10tc 111ich a11s (Jen irn Vor,Ynrt zu,r
ersten J\ u{lagc ang•~g•!bcnen Grüt1<len auch jelzt nur dif' hn cngcrer1
i1111e liil--lorische.n \Vissenschaften. beschrünk:cn . \ !iele an. ruein Buch
anknüpfende ntersucl1u11gen gehen übet· den ,~ou ruir ciugchullcucn
Problemkreis hina.us. Sie gründli ch zu ,vürdigcn uncl rJnmit d en
Dank zum f\ u~rlruck zu briugr, n, rlcn ich ihner1 !-Chulcle, ,,·i r,I 1nir <lnher
erst möglict1 sei1l, ,,·e,1n icl• es ein,oal ,,ersuchen sollte, rin v ollsl 5n-
digrs System der \ \ ' isS:enschaftslchrc zu geben r1nd d::trin zu zeige11,
,velche. die logische SLrl1lcLur Ut1cl1 der Theo logie, d er Juri i-1>ruclenz,
der I\ationalökonomie un<l allc1· ancler-cn sogcn~1\11tcr1 Gr ist,~s-\,issen-
sc})aJLeo ist.
Die Aenderungcn 1 die ich v-org"nom.rnen l1ube, i 1Y1 cinz"lnen atif-
zu:zählen und dadurch vielleicht dein I<er111er cler cr~lcn Auflage tlic
Lektüre zu erleichtern, ,,.,·ürcic zu ,vcit führen. In d<'r H a11plsochc
hlln<l elt e. sieht ,,, ic gcs.agt, 11111 bc. sere Fr,r1~1tuliei-11n gPn, unrl ,l ic
sind Oller das gnnze Buch o ve~treul, duß 11ur we11igc Teile geun u,,. ...
de11:-,clbcn ''' ort lau.t ~vie früh er .zeigen. f 1ri11zipicll ,vicl1tig ,, ar tr\ir
in1 übrigen v or allem riie srh.iirf crc Abgr<'n1.ung ucs Lorrischen. gegrrl
<la!-- J> yct,ologischc. Die erste Aufl:ige sc hl,,O sicl1 1 bci.on.dcr' it1 tlC'u
s<'hon l 96 vcrörfenilichtcn l{<1J)iLcl11. zu,n '!'t>il nocl1 z,1 eng tlLl flic „I. .o-
gik' ' von Sig,.var t ant deren \ 1crl1äli11is zt1r P~)rchologic n1ir heute
nicht 111ehr h~lltbar erschei11t. Nelt hinzu~.-lio1nrnen ~iucl uni.er a n- .,
dcrern einige Bernerk.u ngcn über d.l::- lti:--lorische , ,Ver. tch~n •• u n,d
die ,,lelt des ,, inne.••, die ,r. .
r:1tande11 ,,·ir,1, d.if' rl:-,r u,n nh<•r nic;lat

ü1g1taltzado por Goog e


- VII I

et,\la ein.e reale pS)rcl1iscl1c \\1clt zu sein braucl1t , \Vie man het1te nocl1
fast allgemein glaubt., sondcr t1 a}s „un,virklich" bezeichnet ,verdcn
muß, \lnd die leider v on , •ielen 11och so gut ,vie igno riert ,vird , ob,vohl
ittre Bcriicksichtigu11g für nahezu alle 1'cile d er Pl1i·losophie vo11 Be-
clct1t11ng sein dürfte. Docl1 llandclt es . ich l1ier nur un1 flüchtige An-
deutungen , die ku1w .i darauf l1ir1,veisen ,vollen, ,vie aucl1 eine logiscl1e
Untersuchung , ja ('] iesc allein, viel bel1andcltc Probleme der ,,Gei tcs-
,,-isscn schaften'·', die man [äl1-cl1 lich für ps)rc}1ologisc.h•e Probleme l1ält,
rnit Erfolg in Angri ff nct1men kar1n. F erner swd :tltcl1 cJic crl{enntnis-
tl1eoret ischc11 Aus (ül1rungen des Jetzter1 l{apitcls vo,1 allen Resten
cir1cr psyc'holoc:Z islisch-,1 oluntari t,ischcn Aurfas ·t1ng befreit , die in der
cri:;tc11 At1!lugo nocl1 stehen geblicbcr1 ,,.aren., und endlich habe icl1
alles geta11 , um dem i\fißverständ11is vorzube11gcn , ttls verfolgte ich
in den ' '' cltan~c hnt1 t1ng.sfrageJl irgend eine l1ist.oristiscl1c ocJcr „kon-
scrvat jvc'' Ricl1tung. Die mcthodologiscl1e11 Gru11dgetla11ken werden
a ber du rcl1 a lle diese Acnderungen und Ergilr1zungcn nicht berührt.
E s ist nur tiic von Anfang n11 schon vorhar1dcr\c „antiJ>l-)'Ch<)lOgist i-
scl1cu Te11denz noch 1nehr vcrstärlct \\!Orden, und d,1rcl1 sie ,,·ird t~11ch
di•e neue 1-\ uflnge vern1u.t licl1 ,vicclcr uc11 schiirfsten \ 1/iclers11rucl1 hc1-vor-
ru ren. Doc.11 kann ic}1 rni cl1 zugleicl1 der Uebcrzcug,1ng r1icl1t. er•
\\'Chren, claß der Glaube an rljc t,grurtdlegentle1 ' BeclcuLur1g der 1~s,ycl10~
Jogie für die ,,Geisl es\\·jssc11~cl1aftcn '' cb ns<, \\'io die ~ieir1u11g, es sei
möglicl1 durch psychologische Antll)'RC das W tsen <l~r Ge:.c:hichtc als
\1/isscnschofL zu ,,c,-stcl)cn, i,nmer n1rl1r scl1,,·inclet. Eincr:-:ciLs näml.icl1
ist das , '"·as von p j'Cl1ologi~cl1er Seite nocl1 hervorgehoben ,:vi r,d , ,ven11
e gil t , die Bcdcutt1ng der Psychologie für da ges:tr11l.E~ ,v.isscn~chHflliclte
Leben zu zeige·n ; in1 Gru11dc J ocll recht besclt(•iden ge,vf)rdE'n, tu1d
a ndererseits be,, eis •11 1(1.:lnchc Schriftc11 der n ct1esten Zeit, <loß rl<'r
1

Begrirf cl<'s 1 ,GcisLcs'' für eir1c Ül'Uricllcguug cler Gcistc~,,·issensch~flcn


i 11 itnmcr hOltcre1n ~iaDe so },c ti1111n t ,virfi, c_la ß er 111it dc111 B1~gri ff
<Jcs Gegcn Rt a ndes der P sychologie 11icht 11l<'l1r viel gc,nci r1 l1 a t . Da bei
si11 c_l l,fsr,ndcrs dje letzten rbeitcn , •on Dilt.l1ey zu bcrUcl\sichtigen,
in dcncr1 er sich, ,,·ic rr\ir sc heinen ,vill, dc111 l1ier vertretenen SLa11d-
p.t1nk.t , (luß ni cht der 11tcrsr,hi ed , ron rat.ur ur1d Geist so11detn der
von i\a tur t1nd I{u lttlr 1lcr Glicd<'run g der \\'issc11scl1aften Zltgrun<ic
zu legen i:,t, erheblich genähert hat. So darf icl1 doct1 v iel leic ht hof[~n ,
<laO dic-c z,vcite Au f tage aueh in (l c 11 !(reisen n1eincr Fachgenossen
ct,v.a s 111el1r Zusti111n1ung Ii11den ,,·ird, als der erstell be cl,ieclen \,·ar .
nger11 h._tbc icl1 au[ die Ausci1ta11<.lorsclzung n1it einctn viel g.c-

D1911 11,ado por Goc,gle


- IX -
1,.:-,n11Len Denker u.n erer Tage, 1t1il llcn ri Be.r g:;on, v erzichtet. Ich
konnte auf se ine J\nsichten nicl1t 11iil1er eingel1e11, ,veil die rrlctllodo-
logisct1en Grundgedanker1 dieses Buche,s dncfurcti nicl1t klnrer heraus-
gcko1r1nle.1l ,värerl . Doch ,,,ill icl1 ,,,enigstens hier im \ 'or,,·ort das be-
rül1rer11,vas 111ir ,vicl1tig :scheint. Als iclt die eri;te Auflage di~scs ~ 7crkes
schrieb, ka,n ntc ich von Berg:-on, "ie dan1al ,vol1l viele Deutsche, V
so gt1t ,vie nicht...~. Später ist mir dann ei ne ,veit.gehcnde Ueberein-
tiJ11m11ng in einige11 Punkten, au( die auch a11dcre schon l1ir1ge,\·iesen
l1abei1 , t,öchst interessant und erfreulicl1 g(\,vesc11. Die l{luft, die
z,,·iscl1e11 der Wirklicl1kcit und der Natur,vissen scJ1aft l,cst.el1t, ist.
vo11 Be1·gson in unübert.refflicl1er Weise z·ur,n Be\vußtscin gebracht,
und ich kai1n jeden, der durch n1eine Darlrgur1gen nicl1t überzeugt
,..,ird, nur au{ diese gliu1zend er1 Au~führung~n hin\vcisen . E schejnt
n1ir in1 p11ilos•OJ>l1ischen Interesr-:e unbedi1lgt nol,vc11dig 1 daß \\-'ir uns
auf das Ur1mittelbare in seiner Unmittelbarkeit o\\ cil besinnen,
,..-ie dns nur irg,c11d 1nöglicla ist, u1u.J clann uns zugl<'i ch den Abstand
vergcgcn,värt.ige11, den jeder \\li, se11 cl1aftlichc BC'grif{, in b<'~o11dere
aber die Begriffe der Natunvisser1scbaft, von der eu1 pirisch„11 Realität.
z~igcn. Der Glaube, die Natur,visS-cnschaft -=ci in der Lage, 1nit ih ren
Bcgri(fe11 dje Wirltliclrkcit selbst , in cler ,vir leben l111d hnndcln, Z\I
erfas en, muß rnit der Zeit i1n1ncr rnchr v e rsc li,,·in,Jcn . Freilich. dar{
auch et\vas andere nic•ht ut1er,väl1r1t. blcibetl. Die Besil1nuug nur das
Un11aittelbare ist bei Bergson docl1 ,vohl et,,·ns einseitig an dem Gegen-
satz zur mathcmatiscfl-pf1)1sikafiscllen .t\ uffas.sung orientiert, und sie
kann abgcschcrt hier,,on a ucl1 nicl1t, ,,,ie clas ,,·l~11i rstens 1r1a11cl1c An-
hänger Bergsons zu glaube11 scheinen, das leLzte \i"\lo,·t Jer Philo~ophie
sci,1. Sie darf vielmeh r r111r als 1hr crst ts vVort gl:'1Len. 11it dein bloß
„ intuitjven 11 Erfn~sen des ur11nitlelbar·cn 1 1Lebe11s'' i~ t, ,,·i~sertschaft..licll
nocl1 nicJ1ts getan. Auch das begrifflicl1e De11l<c11 n1uß sicl1 dorn Leben
111chr zu nähern ucl1en 111 :J.1s die Nat tJn"i~~enS-chnrtcn e~ t11n 1 ob,,1ohl
j e d e \v isser1schaftlicl1e Et·fassu11g de.-. G11n1ittclb~rc11 irgcr1d ci11e
rr1formung und da1ni t zugleich cir1c , 1AutöLu11.g" de Leben:; ci11-
. cl,lie Ot. \'Vie nal1c \\'ll' nl:- ,vissen!-chaft,li che l\lenschc11 tiberl,aupt
dc111 Lebendige,, kornn1cn können, ist nicl1t clas Tbc~m::i dieser Schrift.
Aber die größere Wirklichkeits- u11tl L cl>ensnähc der l1i:st.orischcn
Disziplinen gegcnüb.e r dert DarsLcll u11ge1t der l\i1t11r n1öchtc icl1 Z\trrl
Be\vußtscin bringen, u11J dattli L zu gleicl1 <lic \\'i::i::-c1tsch.aftc11 in das
ricl1t.ige Licht . teilen, ohne deren Berüclc~iclttigung e nie gelingen
Jtlc k ort , G Tc11z1111. ~. A ufl.

0191 lt ado por Goog e


- X -
\\·irrt , ein<? Pltilo$0pl1io 1.11 scltaffcn, di e ntit Rec ht eine nPhilo..,opl1ie
des Leher1s'' gc11a 11n t ,,·cr(l(•11 ka11n .
Zurn chlt1fJ 11ocl1 eine B er11<"!rli:Ung. \\'c n1 d as Vcrstän<lnis rlief:es
Bucl1es ' cl1\,·icrigl,citen r11t"tchen sollte, den darf i-cl, vif'llcicht ::ru f
z,,,ei k leinere • cllriften \.'Or1 mir ~,in\\'Ci$en, die sich als Einfül1rung
citl'ne11. E s ~incl ,d ie:- rncin Bucl1 ül)er ,,I(ullut'\Vi~ ensc l1~ft u11rl Na tur-
"'isse11~chaf t" , 2 . 1'\ tiflngc 19 10 , u11cl 111e i nc prog1:n1111 na lische ,1-\.bha11cl-
l u ng über „Gc~rl1icl1tsphilosophie 1 1 in der Festschrift füt l(ui10 Fisc her,
,,Die Philosoph ie nl11 Bcg-i11n des 20. J ahrht111 clt'rts' ' 1 2 . i\.t1fli„gc 1007.
Selbstvcrsliincllich l<önncn dj •:::.c kü.t·zerc1, Arbcile·n da · au führ lict,cro
\Vc1'l< nicllt er, etz<>n, rtlJcr man ,virrl au ihne11 ch11eller cr:: .cl 1en.,
\VClrau{ ich eig~ntli<'. h hinaus ,,rill, t1nc.l (In cl ürftc clann ,J ie Lct, türc
der vorlieg "nclcn Dar:-:. Lcll·u ng erlcict1 t.er,1.
Freibtirg i. Br., J <111ua.r 1913.
H e i 1, r j c t, R i c k e r t .

ürg,t~hzado por Goog e


- Xl -

Inhalt.

Einlritun~ . ... . .. . • • • • ., • • •

Er . lt•& l{opi t e l.

Die begriffliche Erkenntnis der Körpenvelt • ~

d ie a llgemcin" ,,·ortlJrdC'11l11 ng • • • • • • • • fil}

11. Die B r-.,tiutmlheil d e,s Bl'griffl's . • • • • • • • • 4i


11 J. Die Geltung dc3 ß t'grirrc::- • • • • • • • • !i'2
1\ ". Din({Lcg-riffc und Rt>latiou,-Lc.•u-rirre • • • tui
\ ". Dir mrcltaniJ.chr i nlurauffa~,,ung • • • • • • • ß1
1
\ l. B1>-.cl1r1, ibu111, ullt.l Erklörurig . . • • • • 101

2,v t: it c•!-< Knpil o l.

Natur und Geist • 119

l. Ph~--sisch u11d P.-;.yclii-.c h • . . • . . . . • • • • •


1I. 010 gC'nc,-ali slcri-ndl" J~·rk<'nn In,- rlcl'I :,;rt•l~nlC'L1P11:- • • • )47
'l-... 11 I. Na I ur,vi:;i,enscl1ar1 tlll<l G•·i tc~,vl:-;:-i'llf!.Uhort. . • • • • • t r.ß

D r i Lt c i,, 1( u JJ i t e 1.

Natur und Ges chichte • • • 185 •

1. Die nal111"\\·i:-::-L•n:-chafllich•• Bc~rtff'-lJilduu~ und tliC' c-111plri.:chc \\1 irk-


-

Hc l1kcil . . . . . . . . . . . , "'.

1J. .De r log,~cbe B1tgriff di'l> H i--tori,elJ1:u . • • • . • • • • 214


1ll . Oif• hi?;l ori„chPn IJv„lnn<ll<•ih• i11 ,lr-n ~ a l11r,vi,.,s en-.ch,1ftt11 • • • i?:1&
• • • • • •

V i ~ r t e :, 1( a p i L c 1.

Die historische Begriffsbildung • • • • • 274


1. Dn P rohlcm der his l<'r ischt>·n BP~rl rr :,.l,,il du11g • • • • • • 27{!
f 1. D:i · lt i!:> t o risc h u J11uividuuni • • • • • • • • • • tJOO
J I f. J1ic \\'(•r ti1t•1,ic h <'n I le Bcgrifr~ulldun~ • • • • • • • • • • :~:l3
t \ '. Di•r hislorisc hr Zu:-o ntmPn hl\n~ • • • • • • • 353
\ .. Dir g,·~chiclt l liclto Eu t\,·ickluni; . • • • • • • • • • • • 389
\ 1. Diu ua l un\'i~,.e115.Cl1afllic lliln ({1>:,I nnrl lc11i, 1n d r·u hi-;tor i'-chrn \ \ ' il'l \' tc
• .
. .. . . . .. . . .

D191, h,ado por Google


- X II -
• • • • • • 4,0
• • • ,)04

Fonfle ' Kapil e l.

Naturphilosophie und öeschichtsphilosophie • btlC

I . D ie naluralist i::.c he Ge-dehich t.sµhi lo,o ph ic • • • • • • • • • 537


l l . Die cn1pirl'-chc• Ohj r ktivil!' l • • • • • • • • • • • 5ij7
11 I . Die n1c.taeti~•!,i~chr Ohj t:kli\·il ftl . • • • • • • • • • 5 71
JV. Die Obj1•kU\"i lti L d er \Verlc • • • • • • • • • • .)~6
V. Oc:-c hichtc und \\' el tan ...chnuu11:f • • • • • • • • • 6 10

'
-- -

D1911 11,ado por Goc,gle


• . .....



• •
. .• -•.. ... "...
• •

- 1 -

• •


.... .

Einleitung.
lm ,vi~cnschaftliehe11 L ehe:11 unserer Zeit nehrnen hist orisclie Ua-
l ersuct1ungen einen breiten Raum ein. Kommt in der P h i l o s o p h i e
die Rücl.e_sicht auf die Gcsct1ichte cbcrtfalls zu dem ihr gcbüt1rendco
Aus.d ruck 7 :\Jan hal e~ bel1auptel . In einet· , rielgele. ene11 Schrift
• •
w1serer T age, die nicht nur durch ihren Inhalt ::;ondern aucl1 durct,
ihrer1 äußcrer1 Erfolg für die gcger1,värtige11 pJiiloso phj!ichort Ir1ler-
e~. en u11d Ansicl1l.en 2.un1al in Deuls~hland recl1t charakteristi~cl1
ist . ,vird unter d en Rici1tungc11, in denen s ich die Pl1ilosophie zu bc·
,,•.-,zc11 . cl1e ine, au cl1 die R i c h tu 11 g a u f cl i e G e s c h i c 11 t e
genannt, ja, sie ,vird . ogar nls ein 7:ug bc1..eich11et., d er der ganzen
Pl1ilosopl1ic des neu11z cl111tcu .Jahrl1under ts 1 ixn G~gcn~atz zu der
voraufgcgange11cn matl1e111aLisch-natur\\'isscn cl1afLlic.hen P eriode! das
Gr-präge gebe 1 • Ist \\'irkli ch in der g o. TI z e n Philo. ophie des neun-
zc t1ntcn J a hrl1undcrt ·, ist. v oJlcnd s in <.ler Philosopl1ie der Gcgc11\Värl
viel v on dic„c111 Zuge zu rne rke11 ? Vor allem : ha t man das \ Ve en
d er Geschjchle p h i I o ~ o p h i s c h zu v ersteh en g ·suc•ht, d. h. so,
d uß il1rc Bcde11tung au ch (ür die f>roblctllc eir1cr urr1fa eud ert \Visser1-
scl1aftlichen \ VeltanscllaUtJng zutage tritt? Oder so llte in der a n•
ge[ührtc11 B ehat1ptur1g nic ht n1ehr ein \\lun sch a ls eine T o.Lsac he
zum A ll . druck gekommen sein ?
Eir1ige Philosophen tler ersten Ja.hrz.eh:r,Le des n.eunzehnten
Jaltrhund ert l1al l.en a llerdjngs b egonnen , s ic h mi·t der Gcsch,icl1te
a useirtanderzu. ctzcr1. .Ja, niernals ist eine We1tn11 ·l1auung so l1i-
sLor j ct1 orieut.iert ge,vese11 ,,·i.e die des deutschen Iclea li mus . l{ann
n1an a be.r ·agen,. daO das noch ,vcitcr z ut.reff e? Auch in Frunkrcich
cnt,,vick ltc allerdi11gs ur1gefähr zu derselben Zeit, i11 der f.l cgel cir1e
PhiJosöpl1ie der GeAcl1lchte vortrug, Cornt e Gedanken , die den hi-
torischen \Vi-senschafton ihren Platz in <lern G;;tnzen der Erkennt-

1 Paul s e n, Einleitung in d iQ Philosophie. 18,92. Vor,vorl1 S . .X J. In


iwanzig Jatlre11 sind von dielf('ffi Ductie v iorunt11.w0Hzig A urta:.: •n erschienen.
1

D191, h,ado por Google


• • ♦ •

••• • ••
• •

- 2 -
nis an\veisen und ihre ricl1lige Behnndlung feststellen ,,,ollte11. ,.\her
ist es hier n.ich t , trotz manches ,vcrLvollcn .l\nsatzes, bei1n bloßen \\'ollen
geblieben? Zurll ~lin.desten \\•ird mar1 niclit behaupten k·ö nnon, daß
die \Virksnmkeit der Comt.eschen Gedanker1 geeignet ,var, die Ricl1-
tung auf die Geschichte im Ge g c n so t z zu der voraufgcgangcnon
naturwisser1schaftlict1en Periode zu sUirkc11. Wenn Cotnle die l1isto-
rische \\rissen.schart zur Soziologie n1achen ,volJte 1 so verlan.gLc er da-
mit, daß sie ,vic eine Natunvissen sct1art verfah::.j D~ konnte seiet
direkter u.ncl nocl1 rnehr sein, hauptsä·c hlic h durcl1 cngli cl\e Autoren
vermittelter, indirekter Einf:luß nur dazt1 beitragen, in der z\veiten
Jiillfte clcs ilcunzehnt.en Jahrhunderts al1ch in Deutschland den gro-
ßen historischen Zug wleder zu vcrdränge1\ 1 den <lic Philosopl1ie
• des deutschen ldealismu. gezeigt l1aLte. · · ur die empirische Ge"chic hts-
forscl1uL1g trat die Erbsc}1aft dieses ldealism,1s an und nahro infolge--
dessen ein.cn mächLigen Aufsch\\'ung. Die Pl1ilo·oph1e aber, so\\1ej t
sie für das allgerneine Gei Lcslebe11 überJ-u1upt 11och eine Bcdeutu11g
hatLc , l, a1n ganz und gar unter de11 Einfluß der Natur\vissen schaften.
Die \\lorte \vejLerblickcr1dcr Denker verhallten t1ngchört.
- Und nun gar die Philoso phie der Gegen\\•arL? Bed ürfle es (Orden
absolut unbislorischen Charakter des ,veil.e Kreise b cl1errschenden
Geistes 11ocl1 eine Be\\1Ci::Jes, o ,._·ürdc eine l-lindeutur1g auf die Tat-
sache gcinügen , daß , •on den deulscl1er1 J->Jiilosopllen in den letzlen
Jahrze llntcn , 1or Allen chopenhauer und die Denker, die sic h mehr
odet' weniger a11 ihr1 a11 c hlicßc n, beachtet uncl gelesen ,,·ordcn si11d.
Freili<.:h l1at • cl1opcnhauer den pJ1jlosophjsch entscheidenden und lo-
gisc}1 gruntl)c.gcndcn Unterscl1ied Z\V1 chcn Natunvis e11~cl1aft ,1nd
Gct-cl1icl1Lc 1 ,vcn;gste11s 11acl1 ci r1cr Scit.c hin , mit dern Scharfblick
de!-- Hasses ::;o friilt gesehen und so klar for,n uliert ,vie ,vcnige Denker
der · ·cuzcit. Aber tt·<tLzdcm ist scir1e \ ' crständr1i$losigkeit fiir das
geschicht liche Leber\ kaum zu ObcrbieLen. ' ''e il die Ge,--chjchte
nicht. ,,·ie die Natut\\ isscrt~chaft ,•crfal-1ren k.a nn, pricht Schopcn-
0

hat1er ihr dc11 Cbal'al<.tct· als \ :Vj ::;er1sct1.lft ab, ,U Jlu es 1ti0l sicl1 in der
Ta.t mit seiner \Veltanschat1ung ein p h i lo s o phi s c h c s Inter-
esse für <las gcscl1icl1tliche Lcbc11 nicht vorcinige11. Das Erlah111er1
des l1istorischen ' i11nes in der Philosophie einerscit.«:., clie \ ' o'ffic.be
für die Natur"\\'iR.scnschnft o<lcr filr die n;tlt11"\visscnscl1afLlicllc Pl1rase
andererseits ,varen .11ol,"·endigc Bedingungen für den SfJät en Erfol.g :
Schopenhauers, der Gedanken d es deutschen Idenlis1nt1s nur s.o,veit
zu Gehör brachte, als er sie in cir1er e benso unglüclilichc11 \\'ie dem

D1911 11,ado por Goc,gle


- 3

Geschmack de r Zeit ~t1sagend.e o physiologischen Terminologie re-


produzierte. Am ' "'enigsten aber darf der Einfltiß, den auch die phan-
ta t.is-c,h -spiritualistiscl1en Elemente der Schopenhauersctien Philo~
sophie gehabt haben und in mannigfaltigen Umbildungen nocl1 llcute
ausüben, über die Situation hin,vegtäuschen; 11 AUe S c h w ä r m e-
r e i is t und wird nolwendig Natur pliilosophie", das hat schon
Ficht..e ricl1tig erkannt 1. Und bei d en Nachfolgern Schopenhauers
in der Gunst der ~1 ode ist ebenfalls ,venig von eine r Richtung auf die
Geschichte zu merken. ~1an braucht nur an Nietzsche zu denken,
und b-e ond ers. auffallend ist es, ,vie fremd auch Bergson der Geschichts-
wiss.enscbaft gegenilbersteht, obwohl er die Grenzen der Naturn·issen-
scl1a.(t in manc her Hinsicht so tief erkannt hat wie wenjge.
So mag man es denn beklagen oder sich darüber rreuen I der Tatr
sache \vird m an sict1 nicht v erschließen dorren: die hi torischen
WissenschaftCJ:1 haben auf die Philosophie der neuesten Zeit n ,u r einen
geringen Einflt1ß ausgeübt, von oinor R ic}1tung al1f die Ge cl1ichle
im Gcge11salt zur atur,vissenschaft find et sich, v on wenigen J\us~
nahmen abgesehen, im pl1ilosophischcn Be'\>\'ußtsein gera de <ler Gegen•
\\·art nur wenig. Die l\'leint1ng vieln1ehr, daO alle ·ecl1te Wissc11schaft.
im Gruride Nat1rrwissen schaft sei, ja der Glaube an eine , 1n att1r„
\Vi seriscbaftlic he \Veltanschat1u11g'' ist ,-.·ieder ei11mal \Veit v erbreitet
und hehoo-rscht auch so)cl1e Der1lter 1 ilie sich de. sen nic}1t at1 d rück-
lieh b ewußt ind. Nt1r das ist festzusleJlen, daß im Gegen sa tz zu d er
v oratifgegangenen matl1ematisch-natur\visscr1schaftlicl1en Periode in
der P}1ilo opbie 1nehr biologislische und psychologistische 'l'er1deozen in
• den Vordergrund gct.relcn sin<! .
Allerdi11gs, die unbesonnenste Form, d ie eine im \\resentlic hen
von nat.urwissenschafLlichen L1t.eresser1 beeinflußte P hilo ophie an-
ncl1men ka nn, die Met.aphy-ik des tat crialismt1s,. darf ,vohl als eine
überwundene Episode in der geistigen Ent,vicklung der neuesten
.Z eit betracl1Let, lVC·rden , denn h eute hat d ie 1'1einung, daß die \Veit
nur Körper sei ur1d alles seelisclie Leben also eine besondere F onn
physi ·cher \ 'erändcrung darstelle, in Kreisen, die ernsthafte Bcscl1ä f-
ligung mit philosophischen P rob lernen anstreben, so gt•t ,vie k ei11e
Geltung mehr. I,n Gegentei l, die Ansicl1ten Ober das Verhältnis v on
psychischen und körperlichen Vorgängen \\·erden von einem Dualismus

1 Die Grund lagen des gegonwlirligen Zeitalters. Achte Vorlesung: von der
Reaktion ehles solchen Zoilaltcrs gegen sich. s •lbel'.' durch Aufstellung des Un-
be-gl'eiOichen als höchs ten Prinzips. S. W . Vll 1 S. 111.
1*

D1911 11,ado por Goc,gle


- 4 -
b eherrscl1t1 ,vie D esca rtes ibn nicht scl1ärfcr ausgebildet hat, einen1
Dualismus, d er auch durch de11 1noderoe11 Si1inozismus doch nur als
schei11bar üher,vunde11 a11gesel1on ,v,e rden darf. Die Eigenart d es See•
lenlebetis '"'i~d zugegeben, der prinzipielle Unter: chied der physi-
sct1cn und der psycl1ischen Vorgänge, insbesondere die Unmöglichkeit,
das Psyctusche a uf das Physische zurück.i ufiihren, gilt heute a ls 11ahezu
sclhstversUindlich. Sogar die Ma terialist en scl1eu.en den Namen
und 11enne11 sich „i\ilonist.en 1 ' , ohne al1gehen zu könne11 1 ,varun1. Der
Gla,1be an die l1nbedingt,e und ausschließliche Herrschaft der Natur-
\\'issenschaft ist. aber dur·c h die A11erkennung einer unkörperlichen
Welt nocl1 rücht el'scl1üttcrt1 und es ist aucl\ nicht einzusehen, ,,,ie er
dadurch allein erschüt tert werden. köl'1nte. So entschied en m an
die materialistisc l,cn Spekulatione11 ablohJ1t, so streng hlilt man fest
an der natur\vissenschaftlicl1cn ~1 e t t, o d e. Dio ,vissenschaftl.ic l1en

Erfolgc 1 die mit ihrer Hilfe auf ,dem Gebiete der körpel'licl1en Natur
errunget1 sind, cheincn eine Bilrgschaft dafür zu bieten , daß n1an
bei der Erfor, cl1ung des Seelischen ebe11fa lls natur\.vissenscl1aftlich
ve rfahren dürfe 1Jnd rnüsse. Eine Na.Lunvi senscl1aft. des gci tigen
L eb ens, eine ihrer l\letl1ode nac h 1tatur,vissonsch.aftlicl1e P s)'chologie
g1lt als die einzig ,vissenschaftlicl1e Psychologie, un(l diese fvfeinung
beslimmt dai1n auch die Auffa sur1g vom W esen der Gescl1ichte
als \\1i ·enschaft. D ie dor Erfabl'ung zugö11gliche \Virkl.ichk.eit scl\eint

• durch die Eint.cilung in körperliche und seelische Vol'gängo erschöpft.
Daher glaubL n1a.n, ,vcil die Ps)1 cl1olo.g ie eine . atur\vissen chaft
ge,vorden. ist, mit gutem Grunde hebaupl,cn zu d ürfen, daß es eine
andora a ls <lje natunvisscnscha fLlicl1e ~f ctt,ode rür die Erfahrungs-
~'isscnscbaften übe1·ha upt nicht geben kö11ne. Soll a lso die Gc:schicllt.e
e ine echte \Vi senscl1aft sein, so \vjrd sie sich ebcnfa lls endlich der in
den at ur,vissenschaflen erprobten ~f etl1ode zu bedienen haben,
und eine ,visser1schafllicl1e Belta ndlung ,ics historiscllcn Lebens,
das doch geistiges L eben ist, muß t1m o sicherer ge lingen, j e mehr
die Erforschung der menschJiol\Oll Seele noc h natunvissc1)schaft-
licl)er ~tetl1ode v orgeschri tten ist . ?\•l it f{ücksicl1t auf diele l\1einung
kann man dann allerdirJgs a.ucll sagcrt 1 daß, iJ1s,o fcrn nian in einer
natunvi e11scl1aftlichcn Psychologie da unfehlbare ~litlel zu be itzen
glaubti die Geschichte zu1r1 Range einer „oxal<ten " \Visscn cl1aft
zu erheben, eine E r forscl1ung des gescl1.ichLlicben Lebens a ls \<,1 is en-
schaft vielleic}1t, noclt 1uc1r1a.ls rnit größerer Zu\'Crsic ht UJlternomrnen
worden ist als in unsern Tagen. Aber doch n ltr des\veget1 .h errscht
'

ürg,t~hzado por Goog e


- 5 -
diese Zuversicl1L1 ,veil man die Ge.schichte selbst zu einer Natunvissen-
schaft glaubt machen zu körmen, und ob das ' 'orbandensein solcher
Ueberze-ugU11gen als eine Richtung der Philosophie au( die Geschichte
zu bezeielinen ist, dürfte doch zum ~iindesten als ein Problem beha11dclt
werden . Wer Geschicl1te und Na t unvissenschaft i11 pllilosophischer ,
Hinsicl1t als Gegen1Sätze ansiel1t, für den wird sich vielmehr gerade
hier am deutlicltsten zcigc.n1 daß das Denken un„erer 'fage unl1ist orisch
ist; auch dort, wo ein lebhaftes In teresse für die Erforschung des ge~
scl1icbtlichen .Lebe1\s zu beste hen scheint, oder daO man das \Vesen
der Gcschicht.s,vissenschaft p,hiloso phisch gänzli.ch verket111t.
Docl1 es ist nicht notwendig, die heutige Denkart genauer zu schil-
d ern . Im Allgerneine-11 bat es für d en, dar über philosophische Problem.e
zur l{larheit zu komn1en ,vünscht, -Oberhaupt ,venig Z\veck, darüber
nacl1zudenken, welche Strön,ungen in einer Zeit das Be\vußLsein
,veilerer Kreise beherrscl1en. So ist es auch überflüssig, Vermutungen
d.arüber anzust.elle.n, ob die gel<ennzeichnet e Tenllenz in -d er Zur1ahme
beg riffen ist, •Oder ob sie jhren f-Iöhepunkt bereits überschritten hat.
\1/as kommen ,vird, ltängt von dern ab, \vas die l\'l änner der Wissen-
schaft tun ,verden. Daß der Glatibe an einen allgemeinen .,Zeitgeist",
fü r den das lndividuurn nu r t.t.nsell>sländicres Organ i l, allein au einer
ein eitig naturwisscnsclrafllicl1en 1\;uJfassung der Wirklic hkeit ent -
springen kann, ist einer der Sätze, die im Folgenden. begründet ~•erden

sollen . J edenfalls d,arf kein Verständiger sjch scheuen, seine A11sichLe11
auszusprect1cn, auch ,vcnr1 er glau b't1 daß <lie allgemeine, d . 11. am
meisten ve•r breitete Geistesrichtung filr ihre Anerkennung nur
' \venig günstig gestimrnt ist . Trotzd,em ka11n i1\ einer Hi·nsicht
auch er von dieser Strömung beeinflußt. \\'erden, 1111d z,,·ar besonders
dan111 wertn ,e r den Ve-rstlch macht, seine Gedanken für andere nieder-
zuschreiben. Das, ,,·as er zu sagen hat , ,vir(l dann. leicht die Form
eines Kampfes gegen die hcrrscl1enden ;\fcinunger1 annehmen, oder er-
kann ,vcnig ·tens einen solchen Kampf . ich i um .i\u:::gangsput1kt
seiner Untcrsucl1un gcn \vältlcn. \ 1or allem muß es. ihrn darauf atlkom-
mcn, die Sc }1 r a nk e n der wissen"chaftlichen Richtung, dio nichts
anderes neben sic}1 dulden möclrte, atifzuzeigcn. Da toit, ,vill er ge"''isser~
n1aOen das F eld frei machen . Ist ihm dies gelungen, so wird er 01n
ehesten hof·fcn dürfen, auch fOr die GedaDken Gehör z,1 finden . die
ih1n an1 Herzen licgcr1 . o ,vird in UilSCrem Falle auc.t1 der z.unfieh:;;t
von der Nalunvi:,:.sen. cl1o(t 11nd ihrer ~fct.hode sprcche11 , der rneint,
daß es noch A11deres als sie inl ,vissenscl1afllicl1c11 L eben gibt,, ut1 d

ürg,t~hzado por Goog e



- 6 -

daß die P hilosophie aucl1 dieses Andere zu beac hten und zu ver-
stellen l1at .
Solchen Ueberlegungen verdanken die rolgenden Ausfuh.ruogen
die Fortn, in der s ie auftreten . At1s der l ieberz.eugung, da ß der l\1a11gel
an philosophischem \''erstä11dnis für da \1/c cn <ler Gescl1ichtc zu den

folgensch,versten Uebclst.nndon in der Philosophie ,1nserer Zeit, gehört, •

sind sie en tsprungen. Als derbe t.e Weg, ,d ie e Ucbcrzeugung Andern


mitzt.1 teile11, crscl1ien ein \ fors uch, auf die Einseitigkeit d es natur-
\.Vtsse11scl1aCtlichen Denkens hinzu,vei cn und zunäcllsL eituna] die
l... ücke a,tfzuzeigen , die auch eine in höcl1st..er Vollendung geda<:htc,
dio körperliche tind gci tige NaLtrr gleichmäßig umfa sende 1atur-
,visscnsehaft notv.·cndig in dem Gat1zcn der Erf.ahrungs,visscnschaften
lassen 1nuO. Erst wenn dies geschch,en i. t, ,vird es möglich sein,
auch d.e n Glaube11 zu zerstören, man kö11ne 1nit, einer n u r an den
Natur,visse11schaften orion t icr t.en Philosopl1ie zu d em vordr ingen,
,vas ,vir mit einem nicl1t sehr glückliche11, aber scb,\rer zu entbehren-

der1 Au drucl{ als unsere ,,\Vcltanschauung'' .zu bezeichnen gc,vohnt
sind . Es gilt mit andern Wor ten, die ~1 ethoden d er Erfahrungs" ·isscn-
sel1aften in ihrer Vielseitigkeit z :L1 begreife11, be-vor man die .i\uCgaben
der wis cnscl1aftlichen Philosophie in Angriff nin1mt. ' ' ielleicht gibt
es einen kürzeren v\'cg, um zu einer umfasse11den \-Velta11scl,auu11g
zu gelanget\. Bei d er heutjgen Lage . scl1eint der eingeschlagene
aber der sicherste zu sein. Dal1er unternel1men '"'ir, um Ober das Wese1l
und dio philosophische Bedeutung der l1isLori::;chen \\lisscnschaftcn
zur l{ larheit 1.t1 kom1ne-n 1 eine Untersl1chung Ober die G r e n z e n d e r
a turwi ss cns c haft.
Ei11 solches Unternel11l1e11 ist, jedoch heute nacl1 mehrerer,
Seiten hir1 ~f ißverHLändni::-sen ausgesetzt, die von vorne herein ah-
zu,vchrcn not,\,•endig ersc hei11t.
ZtJniichst liegt uns nichts ferner als die Ab icht, die moderne
l\aLun,·i.;scnschafl ~elbsl in ih i-er Bec.i eutt1ng irgcnd,vie l'1er-.1bzu-
setie11 . Gerncle unsere Zeil hat auf diesem ·G ebieLe so großar tige
Erfolge erlebt, claO jedes ei1tzuschrä11kencle \1/ort nur d.cn Eindruck
versländnisloser örgelci hervorrufe1t l{önnte. nd \Venn die Na t,ur-
,vi $senschafl die Popularitüt, die sie besitzt, auch ,'11ohl rt1cl,r den
äußeren Errolge11 der Tecl111il< als den rein ,,is e1lschartlichen Resul-
taten verdanlcl, so blcil, t ,vahrlich, at1ch abgeschc,n v on allen J)1·.a k-
tiscl1c11 Errt1ngen:-cha f~cn, in11ncr noch genug Obrig, dtl nicl1t zu l1ocl,
gepriesen ,verdcr1 kar\11. Ga11z 1111al)härigig aber vott c.J iesC'r g roßen

ü1g1taltzado por Goog e


-
• •
7 -

Bedeutung i t, der Ansp,ucl1 'der Naturwisse11scl1aft - auch "ve 1111 ,vir
das \1/ort in dem ·äenkbar weitesten Sinp.e nehmen, den wir spätc:r
genauer feslzu "'lcllen haben - ols die e inzige \Vissenscl1aft an-

geselten zu ,,·erde11. i\1nt1 kar111 n1it. staunender Be,v-underung die 1„ei-
s tungen m oderner Naturforscher \terfolger1 1 ja auch il1re Bedeutung
für die Philosophie sehr hoch einscl•ätzcn und trotzdem meinen, daß
e eine hcklagens,verte Verarmung im geistigen Leben der Mcnscl1en
l1erbeilül1re11 muß, \Venn die i\f eiuung entsteht, da ß durch naturwi:;sen-
s ·haftliche Untcrsuchunge1t das ,vissenschaft.Jict1e Leben ilberhaupt
erschöpft sei·n solJ, d aß die Natunvissenscl1aft in a l l e n Fragen d as
entsc heide11cle \Vort z_u prcchen habe. ,l\lso, niclll etwa gegen die
J\; alur,vi~senscl1aft.cn, sondern ledigli~h gegen ih re Alleinherrschaft
und vollends gegen den \!ersuch, aussc hließlic,11 auf sie eine \\'eltan-
schauttng aufztibaue.n , ,,,endet sich unsere Unter. uchw1g.
Ein z,veite:; l\lißver tändriis liegt in einer ander1t Rict1tung. Von
,,Grenze11 des Naturerkenne11s" zu redc11, ist unserer Zeit ge läu fi g,
und gerade von naturn·issenscha ftlichcr Scito aus sind E rörterungen
unter dieseln T itel populä r gemacht ,,1ordcn . Da ,vir<1 es gut sein,
v o 11 vorne herein zu sogen, daß das F olgerlde 111it Utl.terst1c}1ur1gen dic5er
Art so gu t ,vie nichts ge111einsa1n hat.. Es sollen sich, so l1a.t. man ge-
glaub t, m it unah,veisbarcr Notv„e.n digkcit irr1 Zusa11-1me11l1nnge
natur\visse11schaft1icher Forsch.t1ngen Probleme ergebent vo11 dene11 8iclt
zeigen lasse, daß sie eberu,o noL,\·endig für alle ZciLen unlö ·bar bleiben
rr1üs ·cn ., und über die zu g·r übeln1 der 1nenscl1licl1c Geist daher unwr~
las.sen möge. Ein besonnenes Denken sollte si,c l1 Problemen gege11Uber,
die in \: ahrheiL Problenie sind, zur Behauptung ihrer Unlösbarkeit
nicht lcichL cnlscl1ließen. Das viel genn11nte , l f,'Tto ra birnus" ist nur
das Produkt einer fah;cl1cn Fragcslellung. Es geht. grade a11s jener
ein eit ig nalurwissenscltn{t,lichen Dcnk,,·eise hervor, die nicht zu be-
greifen vermag, daß für eine ,veitcrblickende Auffa ~u,1g dort Problerne
von ganz anderer Art ,,rorlicger\, \vo sie Grenzen (les aturerl<enncns
u nd datTlit Grenze11 des Erk ennens überh.aupt s ieht. D och es .g enügt,
,,·enn ,vir hervorheben, daO un ere Absicht, jcde11fal ls nic11t uuf das
lionslaLiereu unlösbarer Proble n1e g,ericlil-ct i. L. l ni Gcg"ntoil: n i c h t
d a ß z. u v i e 1, o n d e r n d a ß z u ,v e r1 i g g e r r a g t, ,,, i r d,
i~L unsere.._ Sorge. Auf Probleme 1nljehtc·n ,vir- hin,,·eiscn 1 die im Zusa1n-
mcnhang n11tur"visscnschafLlicher r1Lersuchur1ge1l nicht cnlslc}1cn
k önnen, die erst fOi- den si<'htbar ,vcr<len uncl clcr L ösu11g ,,·erL Ct':lC!h ei-
ncn , der sich vo111 Banne des einseitig nn.tor.\'i.i.scnsrhnftlicher1 D ·n-

D191, h,ado por Google


- 8 -
kens befrejt 11a.t. Daß sie cliese Pr-o-bleme nicht sehen, gesch,"·ergc denn
ct,va s ?.ll ihror Lösu11g beitragen kann, daß sio deshalb das Unters11-
c}lungsgebiet de menschlichen Geigtes ttngcbührlich verengt, a ls Grund-
lage einer \va lirha ft umf.asscndon \Velt,anscl1auur1g also vollends un-
tauglicli ist } das i ·t unser Ein,,·and gegen die Natunvi ·enschaft, das
is t der Gesicht.f.pur1kt 1 u11tcr dem ,,,ir von i11rcn Grenzen precllen.
Ertdlich ist noch eine Vermutling gleich an dieser 'teile abzu-
"vehren. \\'er für dali Rccl1t und die Eigenart. der Geschichte ei11triit,
sct.zt sich leicltt dem Verdachte aus, da.O er den1 Hi s t o r i s m u s
huJdjgc. Auch diese Tendenz liegt uns ganz fern . Ja, die l\feint1ng,
es habe die Phito~ophie sich n u r at1f ge chiclltliche \i\i'issenscharten
Z\l stützen oder sich gar in hi w ris~he-s Denken aufzulösen, bekämpfen
aucl1 ,,.,ir au f da ~ Enlscbieden t.e. Grenzen der Gescl1icbLe bc·st.ehen
so gut ,vie Grenv..en der Nat.unvisscn chaft, und nur ,·vegen der heute
weil vcrbreitet on Ueber ·chätzung der · atur-..vi ·enscha ft gehen ,vir
von. ihren ·Grenzen a us. I nsbesondere gibt es eine ,,historische v\'clt-
anschauung'' ebensowenig, ,vie es eine natunvi~scnscha ftliche \Velt-
anscl1auu11g geben ka,m. v\' ir treten hier z11.ntichst nur für das Hecht
und die Eigenart der Geschichte als Erfal1rung s ,,· i sse n sc haft
ein . Wir ·, ,·ollc11 zeigen , daß eine natun,•issen chnrtliche Bebar1dlung
der Geschichte ihrem \1/escn widerstrebt u1td illt·en Sinn vernicl1tet.
Die Pl1ilo opl1ie selbst ,,crmag ,veder clie natur\vi se11schaftliche noc h
die gcschichLliche l\fethode anzuwertde11. Sie rnuß viclrnclu· gt•gen-
\lber a 1 J e n Eirizcl\Yisscn„chaften ihre Selb tändigli:eit ,vahren.
J a, der HisLori. n1us ist sogar für sie noc h gefül1tlicher a ls der atura-
lisruus, de1tn die ·Gcscl1ichLe gibt für sictl allein nicht nur eir1e einseitige,
sondern im Grunde genommen überhaupt keine \Veltanschauung,
die diesen Nar11cn verdient. Aller HisLorismus kon1mt, " 'enn er kon-
sequen t ist , auf Relativismus, ja Nihili.sru us hi11aus, oder er v erdeckt
sei11e NicLLigkeit und Leerheit n11r dndurch, daß er ,,·illkilrlict\ <licsc
oder jene Ge tall des gcschichtliclten L ebens l1eeuu!-grc ift, 11n1 ~11.1
ihr dc,n Inhalt fii r eine 11 \Veltan c1'1auu 11g' ' zu nchn1e11, deren Horizo11t
dann nocl1 viel c11gcr zu sein pflegt al~ der naturalistische. Die Ge-
schicl1te mu O ihrem \1/ei-cn nach irn Ge. cl1i..-h llic h-en u11d damit, irn
zeitlicl1 Bcdinglen • icl1 ltalLcn. Die Philosopl1ie da<rl'ger1 l1at i1111n,e r
die ;.\11fgnbc, nbcr das Ge chicl1t lichc zurr1 Zeitlosen ocler E ,vigcn
bjc1auszugchcn. \\' c111\ ,vir a lso auch a11~ clcn ang<'gcbc11cn Grr111derl
den l(nmp{ gegeit clie }~inseilig keitcfcs 1ncthodologisrhcn Nat.urali:,nll!S
voran t llen, so /l.(JII' <l oc h gerade die l 7nl,irsttc ht111~ über das \Ves-e11

0191 lt ado por Goog e


- 9 -
der Gesc hichts,vissenschaft, uns dazu fOhren, d a ß ,,rir einsehen: dnnn
allein ,,,ird die Philosoph.ie Fortschritte macl1en, ,venn sie einerseits
nicl,t, nur die N.a tunvisscr1schaften sondern auc h die Geschicht ,vissen-
schaften bcrücksicl1ligt, andererseits aber zugleich \tersucht, einen
Standpunkt über beiden zu ge,vinnen. Damit, i L unser Unterncl1-
men, die Grenzen d er Natur,vissenschaft aufzuzeige11, wol1l vor t.[iO-
vets Uindnissen genügend ge cl10tzt.

Vo11 einer Lücke in dem Ganzen der Erfa hrung~ v.issonsc haft.cn
haben ~rir gesprochen , und die e Lücke soll im l ntcres~c einer um-
fasse11den \1/eltanschauung aurgcz·e igt ,yerden. Um zu diesem Zie-le
vorzudri1Jgen ; s tellen ,vir eine Untersuchung Ohcr die wi. sensc haf.t-
Iic t1cn l\1 e t h o den an. Wieder kon1men ,vir dan1it zu einem Punkte,
an d em u11serc Gedanken mit vollem Be,vußt.sein, ,venn auch in a11-
derer 1-linsicht, von dem gegen,värligeo Zusk'lnde der Philosophie
abltängig ir1d . In letzter l ,inic handelt es sicl1 llicr um Problcr,1e,
die die al lge-rneine Welt,.. ur,d Lebe11 a u chauung bctrcffer1, \\'ie es für
die Philosopllie überhaupt nur so lcl1e Probleme gibt. LTnser,c nter-
su ,c hung abe-r ist in allen il1rcn \\'Cscntlichen T eilen eine I o g i s c h c
oder m ctbodologisc he und crkenntnist.heoretisc l:ie, und sie kon1mt zu
den a .llgemeinen Fragen der \\' elt- und Lehensat1ffassung ntir da,
'\\.'O die logi ehe Betrachtu11g ge'-";Ssennaße11 von elb t in eine ,veiter-

greifende Ohcrgeht. Also nicl1t. e t.\va eine ,v elt.-- n11d Lcber1saufrassung


seihst \vill dieses Buch gcbe11, sontlern nur die 1'littcl st1cl\t es auf-
mzeigen, mit d cn-en e.i ne all eilige und umfassende, dttrch keine natur-
wissen schaft·liche:n \ ' orurtei lc und Einscitigkcitcr1 bcgrenzttC \ Vel t.an-
scliauung zu ge,vin:11en ist.. Ein solches Verfahren k ann Jeic ht den Ein-
druck einer sch,väch.lichen , un:-:; ic-l1eren , cn lnervter1 Dcnk·verf as.sung
machen. '\Vozu da l{i11- u11d H erre flekliere.1\ ül1er ,len \\leg zur Phi-
loso·pl1ie1 statt eines küh11en Zugreifens? D urfte nichL m ancher ge-
neigt sein i dem Philo ·opl1cr1 zu raten , , as Goethe d c 111 l{ünstler zu-
rief, daß er ,veniger reden und n1el1r bilden solle ?
In der Tat, d er logisr h-erkcnntnisthcorelis<'he Zug, der die m o-
derne Philoso phie cha.rnkterisicrt, un<l der ge ra de in v ielen ihror
besten L,eistungcn am deutlichsten J\,crvortrilt . l1at vielleicht (lazu
beigetragen, sie clem lntcrc . e ,,·cilcrcr l(rei 'o :lU enlrre1ndctl . At1cl1
dürfte fOr die Philosophie in Gestalt clcr ErkcnnL11i · tl1corie zunächst
wcnigs t et1s nicl1t viel 1-loffnitno- bestehen , ,vicdcr rinen ,vc cnlli chl!n
direkten Einfluß auf ,veitere J(rei e zt1 erl nngcn . Diese 1\rt. des flhi

ü1g1taltzado por Goog e


- 10

losopl1ieren i t nic ht nur sch\vie rig , sor1dern sie rnuß dem flü c}1tigen
Blicke aucl1 in hohem ~faßc unergiebig Cür die Lösu11g de r \\7eltan-
scl1auungsprol:>le1ne ersch:ei11en. Daß e · nun endlich r11il clcn crkc11nt-
nist.h corctiscl1en Unt.crsucl1ungen genug sei, cla i t ja v o 11 verschie-
denen eiten , 1 erkü11deL ,,·orden. Ja, , ,iellcicht \vird ~t1gorma r1chcr , der
glat1bt1 eine Lösung pl1ilosophischer Probleme nur mit HiJre einer
U1llersuchung iibcr die \tVis en!-chaft in Angriff ne hmen zu können,
selber bis,vc ilcn von dem Gefühle ergriffen ,verde11 1 ,vie 111atL u11d fa rb-
los ur1d nüclttern solche Bestrebungen im Vergleich mit d en Geda nken-
systeme.n sind, in denen man zur BlüLezeit des dcul,sc J,cn ldealisrnus
ein Bild clcr ':\' c lL zu ent,vcrfen und eine LebeL1:san chauung darauf
zu gründen ,,ersucl1L t1at,. ,1/elch ein Gla nz und ,velcl1 ein Zauber für
Gefühl ur1d Phantasie! Dagege11 ist unter allen rJ' hcorien die Erkennt-
nistheo rie .b esonders un-1•auu. Ei·n e Stimmung des -eidcs rnag uns

übcrk.omrncn , \vcnn wir fcscn , \Vie H ege l de11 ~tut zur Wal1rhcit als die
ersl.e Becljngung des philoso phisct1e11 Studiu1n s proklarniertc tind sei•
n,c n l-J örcrn einschä rfte, daß den1 \\f ute de Erkennens \V idersto.11d zu
le isten, da. ver$chlos er1e \-Vcsen des Universums keine Kra ft in sich
habe. lVlan \\' ird e~ vi,c lleichL Nic111a11d verder1kcr1 dürfer> , ,veno ihm
bei der Erinncrur1g an diese ZeiLen unsere . o sehr „vorsichtige'' Phi-
]osopl1ie r1ichL bcso11uers begeist ernd ersnl1eir1t.. Sollen \.Vir nicht v er-
St1chen.1 die \ 'ergangco.hcit, ,vieder zurücl<i urufc1l urtd, a lle Erkennt-
nisth eorie übcr sprir1gcnd, ur1s \\•ierl cr mti tig in <la Erl<e11nen clc. Ulli-
vcrsurns sLürieit ? Solle11 ,vir rticl1t er1dlic l\ a·ufh üren, ,,Analytiker''
zu eiu, und zt1r ., )'nl'hesc'' (ortschr iten? ~ 'erden. ,vir r1icht gerade
auf diesen1 \\' cge a111 sict1er~Len auclt allen 11alur,"i·sen~ch:1ftlichen
ebenso ,\·ic a ll n gc. cliichLlic hen Einscitrgk "tWn cnlgcl1cn?
\\rer <lie ge istigen B c,,·l'gunircu i1n 11eu11zehn tcn Jahrl1t1ndert
kennt, \.vird das nicht \voJl011. \ ' iclleic ht komr11L ein mal für die Philo-
sophie ,viedcr eine an,lcre Zeit. Für heute scheint da:- erkcnr1lnis-
tl1eoretische \ ' e.rfa hrert ilrr ganz unentbehrlich. \\tir wi seu , 11ach
v.·ie liut·zer Zeit, jene . t.o1zen Gcd a11kcnsyslen\e de de utsche11 Idealis-
mus ihre l!crrscliaft Ober die GeisLer verloren l1nben1 tJnd das erfolgLe
nicht nut· aus üußerlichen Gründ,en . Der pl,ilclsophische l\1u t .hatte
clie Ka•aft des U11ivcrsums doch e rh eblicl1 unler:-;chälzL. .Ei11e Zeit der
pt1ilosophi c hc11 F eigheit b.rnch a n , unter derc11 ~a c li,virl{ttngcn \\·ir
bis heute zu leiden haben.•Ja . es gibl gerndc in t111scrn T agen n och einen
besonderc11 Grund• in J t1r Pl\i lo:';oph i.c , ·orsic hti~ zu ~ci11 u11d recht lange
bei clct r1al)·se Zl l v er,r(•ilcn, ehe n 1a11 zt1r • ~·n thcsc ühcrgcl,t. J e 11e

D1911 11,ado por Goc,gle


- 11 -
P eriode des Rückschlags scl1einl, \venigste11s in der jtlngeren Gene-
ration, endgültig vorüber. Die Teilnat1rne an alJgemeinen \Veltan ehau-
ungs·- Problerr1en ,.,·ächst irnmer mel1r. )1ar1 sieht sogar ein, daß die
\Vis ·cnsc haft auch in der \Vellanschauung nic ht et.\va aurhören
darf, zu fra gen , ,veil sie damit a,u fhören \\'ürde, im l1öcl1stcn Sinne rlcs
\i\1ort.es \-VisRenschaft Z\l ein. Die Zeit. des rei11e11 pezialistcntums,
d. h . ein,es Wissensch.alt.sbetriebes, der jede t1rnfasse11dere Ueberlegt1ng
grundsätzlich als ,,un,vissenscha{tlicl\' 1 meidet, hat, ,ve11n njcht alles
täuscht, ihren Höhep.unkt übeT"S-chritten. Wir ,,,agen tin.-,, möge11
aucl1 die Naturwissenschafte n dabei nocl1 1r1eisl i111 \ fordergrunde
st.et1en, \\rieder an pl1ilosophiscl1e Fragen l1cran. E s hat. daher ge,viß
led iglich eine äußerJicho Bedeutung, ,vcnn gerade in ur1.sern 'l'agen
die Unfähigkeit. zu ,,,eitergreifendem achde:r1kon an d e n SLolJen
mit. 1-lebeln und Sct1rauben eifrig heru1nllanLieren darf, an denen sonst
der men chliche Gei t zu energischer BesitIDung a11f die Well-anscl1au-
ung. probleme sich ztl :;arnmeln berufen ,var. Uebcr die Forderu11g 1
n1an mi)sse, ehe man sich an die philosophischen Probleme macho1
ihnen erst in eirier d er spczi~llsten Speziat,vissensc~1aften, in der
experimentellen Psychologie , die 11exaltte11 Gruncllage schaffen,
kann schnell zur Tagesordnung, d. h. zur Philosophie itbergcga.ngen
,ve rdco. t\bor gerade weiJ diese ,,unexnkle" Stimmung, in der eint
Philosophie allein gedeil1cn ko.nn, nämlic h d ie ar1tispcziaH tiscbe
SLirnmung, ,,vieder a u{komm'l, ist jedes unll ritische Dara·u flo. gehen
um so bederlklicher. Nur vorsichtig und langsam , jeder1 Scl>ritt
überlegend und reclitfertigend, ,,•erden ,.,•ir d.au •rnd vorwä rts kommen .
·v or jede Bohauptung über d ie Sache s lellen ,vir eine Unler ·t1cl1ung
·darOber, in,viefcm die \Vi senscl1a{t. hier das Rech t habe, cL,"·as aus-
zu age11. Jede, Problem der nllgcu1cinen \ Veit.~ und Lebens.an ·chauung
v erwandelt ich daher für uns zu11ächst i11 ein Problem der Logik,

der Erkenntnistheorie. Das kann n1an vie1Jeicl1t als eine Art Zuge-
sländ11is bezeic~1nen, das ,.,rir dem zum l'cil rlocb spezialis tisclton
Zeitgeiste macl1e1t, denn unte1· allen Teilen, der J>Luloso1>hie trägt
die Erkenntnistlleoric am rneisten den Charakt er einer SpeziaJ"1issen-
schaft. Wie es sich aber dtimit auct1 verhallen n1öge: der 1\1 ut des.
Erkennens ist uns nun einmal gcbrocl1eo., ,.,·e11igstcns <J •r :\tut in dem
. inne, ,vie H egel ihn besaß. Erkon11tni::;Lheor.ie ist (Or uns ac he des
gut.e11 Ge,vissens ge\\''Order1 , u11d ,vir mögen Nicmartd hö1·cn 1 der eine
R echtrertigung sei11er 1>h1losoJ)hischen Gedanken durch s.ie ur1L.erläOt.
Vie1lcicht erscheint dies s1)ätcret1, glücklicheren, Zciter1 als ein

D1911 11,ado por Goc,gle


- 12

Zeichen der Sch\\'äche. Die heute schon über diese ,,Sch\väche''


sich hinatis,vähnen, haben den Be,veis noch nicht erbracht, daß a uch
auf anderem \Vcgo die J>l1ilosopt1iscl1e \ Vissenscha.f t zu fördern ist.
Die metaphysiscl1en l{onsLruktionen d es Weltalls, die wir in unsern
Tagen erleben müssen, zeigen ent,veder eine bedenklicJ1c Aohnlichl<eit

·m it, ält.eren, meist. viel lehrreiel)eren Gedanke11gebilden, od-e r ~je sind
Produkte des übelste11 Dilettantismt1s. Auch der Umstand , d aO mancl1e·
jel7.t ,vcnigstcns die große V e r g a n g o n h c i t kennen und sieb
daher statt, an die ~cl1,väcl1liclten Modernisieru11gen lieber an die Ori-
ginale, i. B. an dieses oder Jenes System des deutschen Id ealismus,
halten, darf 1.1ns in \1nserer erkenntnjstheoretiscl1.en Vorsicllt nicht irre
m achen. Was nicht von Grund au s selbständig cnvorben sondern a us
der \ t ergangenheit lediglicl1 aufgenomme11 ist, ka1m in un erer Zeit
nicht wirklich lebendig werden . Dogmatiscl1e Restal1rati-onsverst1che
sind phjlosophisc h eben50 ,vert,Jos '"'ie die Beschränkung auf die
exakte Spczial,visscnsc11aft. Die \ 'er~icl1Ler erkeru1tnistheoretischer
UnLersucht111gen müssen het1te alle als Sch,\•ärn1er ersch.ei11en 1 die der
Gewinnung einer u.m !asscnden \1/elt- u.nd Lebensa11schauung alll
,visscnschaftljel1er Grundlage noc.h gcfährlicl1er sirtd, als jene allzu
genügs~rnen und bc cbcidenen Natul'en, die mel1r al ein Spezia-
lisLentt1m in d er Wi sen chafL iiberha,1pt nicht ,vollen. So hat auch
die Philosophie unserer Zeit ihre Scylla und ihre Ct1ar~•bdi ·. Z,visc.l1en
d ogmatischer ' ch,värn1erei und skepti. ehern oder bo·m iertem Spezia-
listentum hindurcl1 mtlß sie ihren Weg mache1l, oder sie wi1·d über haupt
keinen \1/cg machen. \Vi r brauchen nicl1t jenen i\Iut der frül1eren Zeit,
der -e in UcbcrrY-1ut y.•ar. Wir brauchen 11icht ,1kül\ne" metaphy-
sisehe l{o1istruklio11en -d es vVellalls, die sicl1 auf irgend eine nicht
weiter zu begrü.n <lc11<ic , Intuit..ion"· . tützcn. Solche \ 'ersuclte köru\en
die Pbilosopl1ic, <lic \Visscnschaftlicho \\1elt..ar1schauunbrslel, 1·e sein
\Vill t nur in ~lil3kreclit bringen. \\i.ir brau-c'l1e11 vieln1chr :\tut, u11s immer
\\rieder auf den bcsch,verlicl1en und dorner1vollen \Veg d er Logik und
Erkenntni ~theorie z.u \vagen d en Plat on 11nd l{ant gC'gangc11 sind.
fiicr licgeri die \\li chligst.cn Aufgaben fü r eine Pbilo ·01)l1ie. die ir1 be-
\YUßterri Zu ·a1nr,1e11har1gc 1nit de11 großen Denl{ern d.er Vergnngen-
heit, 11nbcki.in1,ncrt un1 di e ~Toden des Tages, nn d en. a lten Problemen
we itcrarbcit,ct.
, ,1enn dies ge~c hieht, besteht. auch keir1e Gefal1r, daß die großen

Ziele au dem Au.ge verlore11 ,verdcn , die zu c.rreicher1, :-Let..-, als der
~igcuLlich~ Si11n philosophischen Forschc11s angescl1cn \\'Orde1\ ist .

ürg,t~hzado por Goog e


- 13 -
Auob unser Weg soll zu umfassc11der \1/elt- und Lebensauffassung
l1i11lül1ren . Das ist ejne .A.ufgabe, dje keine Zeit vernachläss igen darf .
N ien1als Ober d.as Ziel, nur über den "'' eg können in einer Philosophje,
die diesen Nam en ·verdien.t , verschiedene l\ifeii1ungen e11t.stehen. W eil
a ber der W eg, den ,vir hier eir1.schlagen, längere Zeit über das letzte
Ziel, d em wir zustreben , im nklaren Jassen kaim, ,vird es gut sein,
von vorne herein auch au[ dies Ziel hinz·u,veison , und z,,ta r in einer Ar-t,
die t111abl1ängig ist von der besonderen F orm, in die wir später unser
Pl'lohlem zu k leiden und in der wir es zu lösen versuche11 wollen. \Vir
möchten rnit andern Worten a11deut er1, zu " 'elche11 ,•on d en philoso-
p hischen F ragen unsere Arbeit in nächster Beziehung steht) die immer
v on Neuem d as Nael1denkcn des 1ncnschlichen Geistes bcschä fti g.t
haben .
Dieses Nachdenken be,vegt sielt in großen Gegensöt.ien. F ür uns
handelt es sich darum , den Ge.gensatz, so,veit. er d ie Bedeutt1ng des
flistoriscbe11 {llr eine plliloso pl1ischc ,vcltanschauung betrifft, in
m ögli.chs t bekannter, ja trivialer Form festzustellen. Wir knüpfen
daher wieder an die ber eits ern·äl1nten P hilosop hen an, deren Stell lmg
zum bjstor ischen Lebe11 ror (lie Weltanscl1au u11g besonders charak-
teristisch ist. Von ilanen hat Se l1openl1au.er cin p o s i t i v es Verhält-
nis ZLtr Gcsct1ichte überhau pt nicl1t . E r lehnt sie als Wi se11schart
ab un d scheidet da her für u.nsere Bet rael1t.ung at1s. l·Iegel und Comte
aber können uns a ls Typett für die z,,1ei füchtur1gen gel,ler1, in denen,
d as große Enf;\vedcr-Oder der \.\' cltanschauung gerade in der Art,
wie d ie Gescl1ichte „ron ilmen bel1andelt \\'ird , seinen Ausdruck
findet 1 •
\ Vas ist fü r I-Iegel die \ Veltgeschicl1te? Die ursprü11glicl1e Ge-
schichte, in der der Aulor seihst erzä.l1lt, ,,.·aa er erlebt ha.t . und allen•
falls das E rlebte durch Bcricl1t e anderer ergänzt, oder in der a uch
eine · ebersicht über die ga nze Gcschicl1te eines Volk.e s, eines Landes,
oder sogar der \\' elt gegeben ,vird , genügt Hegel nicl1t . Aucl1 die
verschiedenen AI"len der refleklierende11 Gcscl1ic.l1te, die p ragma tische,
dje die Vergangenl1eit zur G.egen,vart ir1 lleziel1ung sclzt 1 dio krit.iscl1e
1 Der Un t erschied von Logik de r Geschichta und Ge .e hic hls philo ·ophio
im engeren inne hleibl In die:.tin elnleitcn de-n .Berner kungen a b· ichUich unbe-
r Ock11ich ligl. In welche ·r cilc die l"hi losophie der Geschichte ze r fa llt, \111enn wir
da , vorl im u mrassendslen Sinn.o n,oh ,nf!n, habo ich in n1einor J\ bhandlung
über ,,Geschich tsphilosophie" zu 1,C'igrn v ersucht. \ tgJ. die Philo:iophic in1 O«· •

giru1 de-S 20. J altrhunderts. F esl.:sebrifl rnr I<uno fischcr. 19 05, 2. Aun. 1907,
s. a21 tr.

ü1g1taltzado por Goog e


14

Untersuchung der Gescl1ichte auf il1re Glaub'\\rürdigkeit, die Ent-


wick lungsgcschicl1tc gc,visscr Sonderbegriffe in Kun. t, R eligion,
alles das kann den Philosophen tlicht bcfricd.igcn. Für ihr\ ist es eine
Vorau ·s etzung, daß die Geschichte nicht einfa ch bloß ablaufe, sondern
eine11 S inn hobe, daß V e r n u 11 r t die \ Veit bcl1errse he. Den
PJan in der Geschichte aurzuzeigcn u11.d d arzustellen, il1ren „ Geist"
zu erkenlte11, das ist die eigent.licl1 philosOJ)l11 clle Au fgabe. Und weil
r1un filr fJ egcl d as \\' esen des Geist es Freiheit ist im Gegensa tz Z\Jr
~1aterie, der Geist aber nur frei ist, insofern et sicl1 selbst frei ,veiß 1
so ,viJI Hegel ttns die \\' eltgeschichte zeigen als llen Prozeß, in dem der
Geist zum Be,vuOtscir1 seiner selbst und darnit zur f,rcjl1eit kommt.
Auf diesen \'\ferdegang ,vird jecles histo1•isch-e Ereignis b ezogen und
dadurch das Ganze zu ei t1er Einheit zusarr1me11gcschlo:;~e11.
Die l-[egelscl1e Gesc hicl1tspt1i losophie gilt heute für veraltet
und bis zu einem ge\ isgen Grade mit Recht.. Zu11,äcl,st steht, und fällt
sie, ,vie H egel selbst dies sel1r ,-vohl ,veiß, rnit seinen1 eigenen meta-
physischen S)'SLcm, das ,d,c n inn der Geschichte inha lllicl1 bestimmt.

Aber davon abgesche11 wird 1na n J1eute ge11eigt sein, noch ,veiter zu
fragen , \ver uns v erbürge, daß überhaupt ein "Sinn'', eine ,,Vernunft'',
ein PJan" in der Geschicl1te vorbande11 w1d für den ~'lr n cl1en erltenn-
11

bar sei. 1-Iicrmit i!lt die ~,f öglichkcit jeder Bchandlu11g der Gcschicl1te,
die der 1-1 rg~ls äh 11lict\ ist , zun, mindesten in Frage ge. tei lt,. Da iltr
ein erk1•nnt.n istl1corctisc her Unterbau fel1lt, muß sie solcl1cn Ein-
,vOrfen g(•gcn Ober 1naclitlos sei11.
' ' ö'llig an,J crs n)utct uns ComLc-S tellur1g zur Gcscl1ichtc an. Da-
bei m üssen ,vir u11 . freilich auf ei1}e 1·er1den.2. seines Denkens, die nehe11
andern bc t eltt, beschränken und .nicht fragen. ob er s ie übcr«ll kon-
sequ er1t durchgcfül1rL l1at.. \\1ir dürfen da , den11 diese l 'cnd cnz
i t allei n in der ,veiu-ren Ent,v.·icklung der Gcschi,cht:-r)hilosophie
v.•irksatn ge,vorJen. \Vir köc1ner1 sie kurz die naturali iisc he ne111te11.
Bei der Gescl,ichle ha.ndcl t es sich für Conite dar11m 1 ,d aß ie eb cni;o
wie die antlcrn \\ ' issens.cllnften „posiLiv'' \verclen soll. Die pos.itive
\Visscnscltnft aber kennt nur Tat!'!achen und ihre Gese.f.zc. Zu dic.<1er
Eiusic}1t. habcr1 sich die . 1 atur,\·isser1scl1aftcn größlc11leils ber-eils <lu,rcl1•
geru11gen. Es komn1 t da.rtluf a.n, d.,o man cndlir:-h in1 gescl1icllLlicl1en
Leben der :\len~ch heiL cl.>enfall~ 11ur <lie ·ra t.sr1<• her1 un cl <lic J ·atull:esctze
suchL. Dns Gru n.dg,c~cLz ullcr l1 istorisc hen Ent,,·iclilung glaubt Con1te
dc1n11 ebenso gcna\1 zu ke11r1e1\ \\'ie 1lege l <lc11 Siu11 ti<?r Geschichte.
Au ch Conltes "oziologie m·gcnübcr ,,·ird n1a r1 rtich t 11ur darau f

D1911 11,ado por Goc,gle


- 15 -

bin,,·cisen können , daß sie mjt seinem bekannten 11 Gesetz' ' von den
drei St.ldie11 steht und fällt, sondern a uch l1ier ,vird sich die erkenn~
ni theoret.i c l,e Frage nicht abweisen lassen , ob es denn überhaupt
N aturgcsetz.e für die Geschichte gebe, oder zum mindesten, ob diese
-Gesetze für den menschlicllen Geist erkennbar seien. Colnle hat
diese Frage nicht ge tcllt, ja , er hat. die logisclte Struktu r seines
Grundgesetzes in l1ohem ~laße unklar gelassen , und nllr dem in einen1
ganz einsejtig natt1n vi ssenschaltlichen Denken Befar1genen kann dies
,veniger anfechtbar er cheinen als Hegels unkritisehe Art. In \Vahr-
hcit ist Comtes Geschichtsphilosophie der Erkenntniskritik gegen-
über genau so ,vehrlos ,vie die de ~ deulscllen ldealisten, so „modern''
sie vielen auch lteute noclt scl1einen mag.
Die Philosophie als "\,Vissensc haftslehre 1n uß daher zunächst so-
,vol1l H egels als auch Comtcs Art, Geschichte zu behandeln, ablcl1nen.
Dadurch ist aber nicl1t ausgeschlossen , daß H egel t1nd Comte uns den-
noch als typische Vertreter fü r die beiden Ricl1tu11ge-n in der Philo-
sophie gelten können, Z'-vischen (le11en at1cb urisere U 11tersuchung
eine En tscheidung zu treffen haben ,vird. 1111 An c liluß ar1 ihre Lcl1rc:n
,vollen ,vir l1ns dat1er das Problem, u111 das es sictt handelt , klar machen.
Es fehlt an cJ1Jaf:,nvort.en, um den Gcge.nsat1. in seiner a llgemein-
sten Form cindeulig zu bezeichnen. Für die flichtung, für die Com te
un s t)rpisch ist, kann man alJcntalls das ~ 70 1·t i aturali mus venvenden. I

Es pa.Ot au ( d as Be treben Conites, die Gescl1i-c l1te zu r Soziologie,,


d . l1 . zu einer Wissenschaft, zu machen, die naclt Art cler Natunvis.sen-
s haft v orfäl1rt. Ob Com te Gesetz von den drei Stadien seinem lo-
gisel1cn ~ 'esen r1acf1 in \Vat1rhcit ejn Naturgesetz. ist, geht u.ns zuuäch t
nich ts an. \iVie aber sollc11 \Yir die a11dere Rici1.tung nennen? Das
Wort ld ea lismt1s is t zu unbestimmt, 11nd , rieldeutig, tim ohne nähere
Erklä ru11g gebraucht zu ,verden. Wir begnügen uns desl1alh damit, \,
den Gegensatz durch die Negation zu bestimmen, ''"as fOr diese vor-
läufige Orientierung at1sreicl1t. \Vir können dann auc t1 die Begriffe
der I111manen1. un.d der Trans zend en z einführen. E s hanclelt s ich
nämlich darum , daß die eine Denkart sieh lediglich ar1 eine Welt 'hallien
\ \1ill, von der sie glau_bt , daß sie ibr unmittelbar ahs \Virl~lichkeit sinn-

Licl1 gegeben ist. Die andere Riciitung <Jagcgcn. suc1lt die \Virklichkcit,
in dor \.Vir leben -die imrnanet1te \\ielt., di.e ,vir se hen u11d mit H linden
greife11 können, zu einer anclercr1 in Beziehung zu ctzer1, die u11s jeden-
falls nich t sinnlict1 gcgeber1 i. t, jn, ie meint, daß der Scl1,,·crpt1 nkt
d es L ebens in einem Sicbverscnken ir1 die Bcziehw1gen ctcrnotürlichcr1

ürg,t~hzado por Goog e


- 16 -
Sinne·n\velt zu j üner an,d eren üb ernatOrlic hen oder übers inrilic he n
1

'"'elt z:u ucllcn ~ei.


E s ve r icl\t, icl1 ,ron selbst , \\-·ie in der Stellung zur Ge.cl1icl1te 1
die Comte ei11crscit,s, H egel a nde rersei ts l,a t., di ese v erschi ede nen A11-
sict1tcn zum ;-\ u druck kommen. müs cn, ,venn sie k on sequ ent er1t,vickelt.
werclcn. 1-Iie r der Begriff eines in sich geschlossenen , sich selbst ge~
nügcn(Jcn , v on rein imma11.enten Gesetzen behe rr. cl1ten Seins, d ort
die \,'\Tirklichkeit als ein r\ blauf v or1 Ereig-r,isscnt der gc-glic<lcrt ,,·ird
durch die Bczieht1ngen , in d e11en er zu einem tran sze11d enten Prin zip
steht. Hier d a t1 •r die \\'elt , ,,·eil unlcr alJ,,.emeinen Ge etzen „tehe11d 1
eine N a t u r , die im Grun-de genomrne n in) nter dieselbe jst 1 -e in K r e i -
l a u f gleict1güllig gegen die Fülle der Einzelge~La ltungcri, die ent-
stehen u11d verge h t\ und als ein Vergä nglicl1cs nicr1 ti(r ~in<:I . Dort
<lie Wirklichk.cit 1 sir111,•oll .g egliede rt im bcson1i c rcn 1nit R iicksicht
auf das transzc11dente Pri,1zip, eine einmalige E n t \'t' i c k l t 1 n g
v erschiedener - Lu.fe.r1 1 v on clor1cn j ed e in ihre r E ig •n art ih re B ecleu-
t u ng lla l. \.\1cr1n d er N atura l.i:;mu im R echt ist , donn i t, in ,d er Ta t
die Gescl1 ici1tsfors.cbung nur in F orm der oiiologie mögl ic h, d. h .
a ls Le hre v on den t¼llgem cinen N a tu r g e s e t z e n , die gleicl1-
m ä ßig j eden Ablauf d er ges.c hic htlicl1cn \\' irklichkeit b e l1crr cl1en.
A11clcrs, wenn die ornpiri:;che Wir klic hl{cil in B czie l1ung gesetzt ,verden
darf zu einer Welt über ihr. Dann ge\viT1nt auc h d as E i n n1 a I i g e
in seiner individ u.ellcn

E i ge n a r t. lntere~sc, je nacJ1 der Stellung,
die es zu j erier anderen \Velt ei11nimmt. Dann bat es einen Sinn,
den Pla n des Gan ze11 de r gesclticht lichen E nt,vicklung zu deuten .
Am klarsten \vird vicllcicl1t. d ieser Gegen atz der An ·icl1tcn an
einem speziellen Problem. Gibt es einen F o r t s c h r i t t in cle r
G·esclticl1Le? Das ist eine vo11 tlen ,,erscl1iedenster1 philosophischen
Ricl1Lu11gcn oft verhande lte Frage, deren Bca rtl\vortt>ng l{einc Philo-
soph ie s ic h ga nz entziehen kar1r1 . Au c, h Comte hat se ine s<>z.iale D) 1 -
namik als Le hre v om F ortscJ,r iLt hrzcic hne t . \Vir m ü~~en aber doct.1
wohl das ' '' ort F ort sc hritt, in d em S inne vcrsfA'!l1cn, d a ß, ,vcnn et,,·as
da ForLgeschritt-ene genann t \,ird, dadt1rch ein , vcr tu r1Lerscliied
z\\rischcn verschieclcncn Zustön den gen1nc}1t \,\'erden s<>ll., d . l'l. so, daß
de r Fortscllrilt zugleicll eine \\l e r t. te i g e r t1 n g bedeutet . Sonst
würde die F ra«e nach dern Fortscl1ritt in der Geschiclato kein sond er-
licl1e~ ln leres e bie ten , de11r1 daß al l<'s in d er Geschichte sic h '--'C r-ä ndert,
ist se lbst\'· ers läutllicl1. ,l{ a 11.11 der Nalu ra li~mu s, \venn er l<onseque11t
v erfül1rt, solcl1e vVertun ter::;chiede der verschiedenen Veränrlerur1gs-

ü1g1taltzado por Goog e


I

- 17

stufen n1achen, die eine mehr als ,villkürliche B edeutung habct1?


l{ann vollends das ·Gesetz ComLe , ,venn es ,virklicl1 ein Naturgcseti!
ist , zugleich ein Fortschrittsge etz sein? .l\luß jede rein immanente
\Vertung, über clie der Naturalismt1 ~ seioen1 \\lesen nach nicht hinaus-
kommt, nic}lt als et.,va Vergängliclies, ja für die \\fi:,;se11schaft Nichtiges
erscheinen? Oder muß er sich zum m,indesten nicht darauf beschrän-
kert, zu sagen, daß Fortsel1rilt das ist, ,,,as nach naturnot,,·endigen
Ge etzen kominen ,,•ird, und daß das Spätere daher unter allen Um-
s k'lnden aucl1 das Fortgeschrittene is L? Verliert da1ln a ber nicht das
\Vort Fortschritt den ru:igegebenen Sinn. als \iVertsLcigcrung?
Hier istnoch.nichtderPlatz, diese Fragen. zu entsct1cidcn. Nur das
soll hervorgehoben w erden, daß für den Naturalismus eine Sch,,lie.rig-
k eit besteht, die für die andere Ricl1tung, cla sie die Wi1·k1icl1keit;
z,u einer außerhalb jhr liegenden \Veit in Bezie.hu11g setzt, nicl1t vor-
l)andeD ist . Denn die transzendente \\lelt gibt -einen l\IaßsLab filr eine
mehr als \\lillkürlic hc und v orübergehende W ertung der verschied enen
Zustände un.d damit die hlöglichkcit, den Fortschritt in '"' al1rl,eit
als eine \Vertsteigerung zu verswh n. Dem Einmaligen und· Be-
sonderen ist datl.fi sei11c Stelle anzu,veiscn als Stufe im Ent,\'icklung -
prozl'ß 11ach eine1n Ziele l1in, das nicltt nur selbst objektive Bedeutun°·
l1at so11dern zugleicl1 die e Bedei1lung aucl1 .a uf rlas Gan1.e, tlt2rcl1 da.
es ver'\virklicht ,vircl, liberträgt. So scl1eint b ei der Frage nach dem
Fortschritt in der Ge cl1ichte die Entscheidung über imma,1er1L!i!
oder transzendente \\'eltanscl1auung nicht zu umge hen .
\\'ic ge_agt, das eigentlicl1e ·1~•1crna unserer Unter ttchung bilclet
dieso }.,"'rage nicht, u11d auch das Problern iöt hier absichtlich nur ganz
im allgc11\ei11en, in eirier die ve1· ehiede11sten Au~prägungen urnfas-
~cndcn und clal1et· rioch unbestiminten Fo1-rr1 a11gcdeutet. ,vordcn.
Aber _cl1ließlicll ,vird unsere Ur1tersucbt1ng llltS an cir1cn PtmkL führen,
,vo \\'ir genötigt sind, auch dazu lcllung zu nel1n1en , ob ,vir n1it einer·
immanentet1 \1/eltan chauu11g ausko1nn,e11, oder ob r1jcht ein Trun~-
2--ende11tes unenLbehrlich ist. Dann ,vird a,1ch der Sicm dieser Frage
noch ge11auer zu be-sw1nn1cr1 sein. Daß ,vir 11ol,ve11dig a11 ci11cn solcher-1
Punkt gelangen, scheint dieser\ logiscl1en ' ntersuchungert ihre phjlo-
~ophi ehe Derccl1ligt1ng zu · verloil1cn1 un,l dal1er sei endlich aucli
jetzt. ·cl1on ,,,enigstcr1s eine Anclcutung über die f{ichtu11g 01'\:,,•eg-
ge1.1otn111e11., in der ttnsete letzte Ent!;chcidur1g sich be,,·e"cn tnuß.
Eine Bel1andlt1ng d.er Gesch.i.chte v otn nalurul is tisc her1 Sta.nclpu11l,L

.au erscl1einL uns als ein J)ri111.i.picller I rr,vcg, ,,·ie sich nuc'h tlc111 \.'Orher
lt t c k e t•, Gr,ut.en. 2. A utl. 2

D1911 11,ado por Goc,gle


- 18 -
Gesagt.en v o·n selbst v erstel1t. \\1ir ,verden ei11gehend z:u zeigen l1aben ,
daß Geschichtsfor~cllung als Nalunvissenscl1aft eine in sicl1 unmög-
li che, logisch sich ,vidersprecl.1endc Aufgabe ist . Darn it isl zugleich
"e ·agt, daO un er Standpurlkt , , erwand tschaft zeigt mit jener anderen,
s t1pranaturalen DcnJn,,cise, fiir die 1-Iegel un s 'f ypt1s ,var. Allerdi11g5,
nur Ve1"'-''and tscl1aCt. Die meisl e·n bishel' gemachten Ve rsuche in
dieser Richtung und in besondere aucl1 da.s S)•st.cm H egels leiste11
11icl1t das, ,vas ~ie leis ten sollen, ja, koo~cquen l zu Ende gedacht,
nlüs. en sie zu einem Re uitat fUhrct1, dein aJlc Unmöglichkeiten des
Naluraliamt1s anl1a[t,en . Aber d as meinen ,vir in der 1' at, '\-venn über-
haupt Geschichte als \Visser1schaft. getrieben ,vcrden soll, so sinrl

transzend en te ;\nnahmen unentbehrlich. Ja , \Vlr '\-Verden zeigen
l~önnen: ein rein in1manenter Naturalisn1us ist überl•aupt logiscl,
undt1rchfiihrbar. Dje \Vis enscha[lsle.h rc z,-vi11gt uns zu der A11er-
l,;cn11ung, daß auf tra11szendenter1 Voraussetzunger1 j c de Wisscn-
schafL r u'l1t. Die · atu1'\\'i"~ensc haft.e11 mögen ich ttaruber Uiuscl1en
können , ,veil cler Gebrn11ch de Tra11szencle11ten in ihnen so sell>sl-
verslä11<llich ge,vortlcr1 i t, daß man ihn 1nci ·L ·v öllig i\ber~iehl. Die
histo1·~chen \Vis. e11scll:lCLe·n ,verden sicl1 a1.1f it,rc lra uszcuuc11Le n
Faktoren ausdrückli ch zu besinnen haben . In de,r, ·ncl1,veis ihre1·
Cnf'ntbel1rlicltkei t mün-d et die Logik in eine ollgc11,cünc \Vcltan-
s,chnultngslehre.

Die. c Andcuturigt•n können gc11tlgci1, um im allgemcinc11 über


Ct1ar~kter uud Ziel un crcr Unt, rsuchu11g ztt orient.ieren und de1l
philosopl1ischeu Rai1n1cr1 zu i-eicl1ncn i11ncrhalh de~~en sie !:lieh bc-
,,rcgt . Nun ,venden ,vir uns der F orm Ltlicrung unsere~ s J) e ziel l e n
JJ I' o b I e n1 s zu. clton die U 01,v.a ndlung ei11cr al lgPmoir1c11 I•ragc

der \\'e'l t- und Leben· au[fas u11g in ei11e logische erschien als Be-

sc hränkung 11nscrer Aufgabe. \\' ir mc,.ssen clarin jetzt noch ein.e ri
"'chrilt \YciLcr gehen. l\ir ht, in einem urnfai-sendcr1 und nacl1 allen Sei-
l en hin au::ge-führtc11 ~ y s t e 111 der ,vis enschaftsl •h re oder der
theorcti:-chen Philosophie stellen ,vir die Grenzen der Natunvi~scn-
schoft fest .• um von du rt au s zur I{larhcit über das \ Veser1 der G1!-
trhichLe vor-z.udri11gen 1 sonclcrn nur einen be s o n tl e r c n Fa J 1
greifen· \\·ir hcrau . Doch hitbcn \,·jr ihr, so gc,\·ä hlt, daß . ich dara11
A

da. nllgcme i11e f>rinzi p zeigen ti nd die ,vcse11tlicl1cr1 Frnge11 sysle-


1nntisc h b-:!ha ncl1:ln lassen. Da gi lt so,voh l für die Gre11ic11 clcr a-

ürg,t~hzado por Goog e


- 19 -
tun,•issenschaJt. als auch fflt· die logi eben Grundbegriffe der hist.o•
rischcn Disziplinen .•
Es ist d er Logik geläufig, zvt'ischen ,vissenschaftlicher U n t c 1· -
s 11 c h u n g und Dar ste ll u r1 g zu scl,eiden. Nimmt man clas
Z\veite \iVort. nic ht. in einem äußer-liohen Sinne, wonach es nur die
spracl1.Iiche Formulie1·ung der Gedanken bedeutet, sondem verstellt
ma11 darunter die logische Form, die mit No~,•cndjgkei't dje Ergeb-
nit;se der ,v:issenschartlichen Arbeit annehmen, so können ,vir sagen,
daß es uns hier nict1t darauf a1tk:01nmt, den Prozeß des na tunvissen- I
j
schaftliehen F orschen und Bc,vciscns in seiner logischen Struktur
darzulegen, sondru·11 daß wir irn ,,rese11tlicl1en nur eines de1· D a r -
s t e l 1 ,1 n g s m i 't t e l logisch ,,erstehen \\'Ollen. Das ist im folgen-
den sorgfäl tig im Auge Z\l b ehalten, ,·veru1 man die .i\bsicht unserer
ntcrsuchung nic}1t, 1nißvorstel1ert \\'i)l. Für die Formt in der die
R esultate der '"i:--sen. chnft)ichen Unterst1cl1ung ge,vissennnßen nieder-
gelegt ,,·erden, brauchen ,vir alle i11 der raLun\•i senschaft den Namen
des B e g r i f f s. B egriffsbildur1g in tmserem Sinne bild.e t immer
1.,
einen ,ve11igste11s relatjven Ab s c h l u ß ei11er Unterstichung, d. h.
im Begriff stellt sich das als fertig dar, ,,·as dlll·ch die F•orscllung ge-
leistet ist. Insofern als jede nntur\\1 issens.chaf-tliche Arbeit sjcll auf
Derrriffsbildung als ihr Ziel ricl1tet, scheint ei11e Einsicht in il1r \Vcscn
t1ns in bohem Grade geeignet, das \iVesen d·er natur'\vissenscl1aftlichen
~1 ethode überhaupt hervortreten zu lassen, insbesond•ere so,veit ihr
\ 1crbältnis zur ,vissenscl1a.ftlicbcn Beha11dlung der Geschicht e in

Frage stel1t. Eine Untersucl1ung clarl1ber, a11f \velchen Geb.ict.cn die


Bildung v·on Begriffen nach naLunvi~sen schaftlicher ~IeLhode einen
Sinn hat, und auf ,velcl1et1 Gebielen sie diesen Sir111 n ot,vertdig "·or-
Jieren n1uß, d. b. also eine Untersuchung iibel· die G r c n z e n d er
n a t u r ,v i s s c n s c h a f t l i c 11 e n B e g r i f f s b i 1 d n n g haben
" 'ir uns daher, unserer früher angedetiteten Absicht e·n tsprechcnd,
zt1r Atifgabe gema.cht. Sie soll uns zunäcl1st die L ocke aufzeigen,
die auch eine zu höchster Vollkommcnllcit gohracl1tc ~atur\',rissen-
schaft not,vcndig in unsern1 \Vissen lassen n1uß, t1nd so at1 f das l1in-
Iül1ren, ,vas durch die natur\\' issensclta rt.lichc Begriffsbildu11g, selbst
\"\'enn nur die Erfahru11g ~vissenschnCten in B etrach t komrncn, nic ht,
bc,vältigt ,vcrclon kann.
Ist die e Frage erledi<rt, so suc'h cn ,vir zu zcirrer1, \\1elchc Art v on
\:\ 'i~sen, chaft geeif,'11Ct ist , die Lücke in den E rf nhrungs,vi sscnschartcn
ttu zufüllen. \\1jr glauben, da.ß den }1 i s t o r i s c h e n Dj ziplincn
2*
\

D191, h,ado por Google


..
- 20 -
diese Aufgabe zuCällt. In den positive11 Au fiil1n1ngen über die G,e-
scl1ichte ,verd·en ,..·ir bc ond ers das hervorzul1eben habon , ,vas den
logiscl,on Gegensa tz der beiden ~fethoden klar mach.t . Dadurct,
wird zunächst die prir1zipiellc Becleutung der Grenzen der natur-
"'' issen chaftli chen B egriff~bildu_ng noch 111el1r hervortre ten . Sodann
aber muß der Geg-ensatz auch Liebt ,verfen atrf ,vescntliche Eigen-
tümlichkeiLen des historischen \ ' erfahrens sel.bst und bcso11ders
\Vicder de1· bi ·Lori che11 Dar tellung oder de "l1ist-0rischen Begriffes" 1
,venn dieser Ausdrtick im Gegensatz zum natur"vissenschaftliche11
Begriff gestattet ist . Docl, ist clarauf zu acl1ten, daß ,vi1· hier u11ter
J1ist.orisct1cn \'.\1issensc hafLe11 zunächst noch nicht die Geschichte im
11
engeren Sin11e nleinen. \\l ir können bei den Worten ,tbistorisch
ttnd ,,Geschichte" in den grundlegend.en F e tstellungen dieses Bucl1cs
nur logi. ehe t111d das l1eißt forrnale Bcgrifrc im Auge halJen, a lso n icht
an die durcl1 ihr besonderes l\1ateria1 charaklerisierten ltistoriscl1er,
\Vissenscl1aften d enken . \\' er hiera uf nicht achtet, ,-vird de11 I{er11-
punkt unserer Au führungen chenso,venig v ers tehen ,vie dort welcher
nicht an die Bescl1rä nku11g d er ntersucuung auf den Begriff <lenkt,
und deshalb seien so,vol11 llhcr den Plan einer ,,Logik der Gesc hichte"
im allgemeinen al · auch über <len Si11n clcs \Vortes „ Begriffe ' in d e11
l1isloriset1en Disziplinen im besonderen noch einige Be1nerkunger1
vo1·ausge. chickt, di-o ,,on vornel1erein l\lißver l,.,1 ndnissen übel' das.
Ziel un crcs nt.ernehmens vorbeugen sollen.
Der BeNriff der , Gcs,~hicl1te'', n1i:t clem ,vir ihre Log ik zu be-
gin11en haben , ,var frü her, z. B. in der Pl1ilosopl1ic v on Chris tian \Volrf
und der deutschen 1-\ ufk lärung, tlurcl1aus üblich , so ,vcnig rna11 auch
das Problem sa h, das uns bcscl1äftigt. Erst i tl n euerer Zeit hat man
s ich an eine 'f crrninologie ge,vöhnt1 d ie das \\iort nur i11 eincJTI ongerer1
Sinne vc·n vendct . L e<1iglicl1 desl,nlb kann mancl1e vou dern, ,,rns
,vir sa.-,en, paradox l"lingcn, aber das i t im Intere se einer reinlicl1e11
Iicraus<1rbe-it ung der logische11 Problerne n icllt zu ve11l1ciden , und
,,·ir !1itb en ,.1111 so ,ve11igcr Grur'l.d, solche scl1einbare11 Paracloxien zu
scheuen , a ls ,vir .nur einen alLen, ,vohl bc4sründeten Sp rncl1gebrauc h
,'\,icder al1.fncl1men. F alls ,vi r ü.b cr da · Verh äl tnis der GeschichLe
zur ratu r.Yis~enscl1art logisr.110 I{larltcit gc·,vinnen '"'·ollc11 1 clarf clcr
Begrirf1 v o 11 dem "''ir clab ei ausgehe.n , nur ein forn1a lcr sein. Da
so ll le 1na 1t eigentlicl1 für sclb~t\.·er1-tändl ich haltc11, und doc h scheint
geratlc die Anerke.n n111:ig d ieses I c i t e rt d c n Pr i n z. i Jl {~ s u 11-
s e r c r gan z e n · r1 t c r s u c }1 u n g au f den sltirli.s~en \'•'idcr-

D1911 11,ado por Goc,gle


- 21 -
stand i-u ~toßen. Von a llem ;\löglichen "'Tird in der Logik dOI' Gescttlchte
geredet, ntir nicht von ihrer logischen . truktu r. ~fit solchen ,\reit,..
1

verbreiteten, aber darum nicllt begrlln<leten Ge,vo·hnl1~iten ,volle11


,vir prinzipiell b rechen, ja, darin sehen ,vir den Haupt,vert u11 ereg

nt.emehmens. Wir möcl1ten für die L ogik ei11 fast ganz v on ilir
vemacl1lässigtes Gebiet erobern, inde1n ,vir frage11, ,vori11 der Begriff
der Gescliichte als V-.7 i ss e n s c b a f t bc.~tcht. Nu1· die ..\.ntwort
au f diese Frage hat ein selbsWindiges logisches Interesse, und der
Begriff der Wissenschaft läßt sich Jogi eh r1ur forn1al bestim1n en.
1\us diese1n Grunde diirfen \,•ir zu Beginn un erer Arbeit die Ge-
c.bicl1tc besonders aucl1 nic ht a ls „Gei-tes,vissenschaft" n elunen,
,vie das ,1blich i t. J'a, sogar der1, ,,~ie ,vir später sel1en ,verden, sach-
lich z.utreffcndcn Ausdruck ul{ultunvisscnscl1aft'' l1aben ,vir vor-
läufig zu rneiclen, denn diese uncl and.ere Termini bezeichnen alle das
:\1 a t, c r i a J , das die Ge"'chichte ttntersucbt., nicJ1t dje l o g i s c h e

Struktur einer hi 'lori chen Dar--tellu11g, die uns hier interessiert .
\Vie 1t1a11 das R ~ l1t einer so lche,n F r a g c s t c I l tt n g n1iL ,vissen-
scl1aftliche11 Gr(~nde11 be treile11 ,vill1 ist nicht einzusehen.
~lit anders orientierten UnLcrsuchu11gen über das Wesen der
Geschichte braucht. ihre Logik darum nicht, '"·ie man zu glauben
scheirit, in I{o11flikt zu ko1n1nen. Ge,viß katui 111 a11 auch von den
Unle1· c}1ie.d en in d en Stoffen au s 0 chen, die die \Visse11. chaften be-
han.de1n, u·m dann zu zeigen, ,vie z.B. die J( enntnisnahme des geistige11
Lcbe1ls in der Ge cl\ichle andel'e Sch,vierigkeiten bietet und deshalb
andere ~fcthodcn der Ur1Lcrsuchut1g ver langt als die Kenntn isnallme
(ler körperlichen Natur. Da bei 1nng 1na11 dann mit R ccl1t Begriffe
,,·i~ den des l1i toriscl1en „Ve1 tebens 11 1.u1n Ur1terschicde von dein
<,)es naL.unvi ·scnscl1altlichcn „Erli.lärens" in den Vorri ergrund stcllet1.
Indem \vir hier eine logische Untersuchung der Ge chiehte v ers,1chcn 1
bestreiten ,vir die Berechtigu11g solcher Un ter~cheiduugen in 1<ei11er
\Veise, .Ja, aucl1 \Vir ,vcrden schlieOlicl1 a11 den ProbJen1en, die d.a bti
:tuf~11cl1en, nicht vorühcrgcl1cn. Aber ,vir köuuen d eru1·tige Fragen
nicht 1..un1 A \t s g an g s p u n k t e nehmen, ,,·eil ,,,ir ebc11 Logik
treiben \\'olJen. Daß 111.111 bisl,er nicht ge,vöhnt i t, dns f>roblcm der
Geschicht.-;;\\'is en~<:haft logi eh zu b eho11dclr1 ur1d <lesltalb logi$cl1
~cliuD(läre Fragen voran. teilt, ist gc\,·iß kein Eir,,\'and gt~f!c.-n un ·cr11
v·cr~ucl1. Aro ,,·criig ·Le11 kanr1 eiuc bloß „hist ori:;chc'' Uebcr::-icl1t

o<ler eine l{lassifikation der v erschiedc11cn Einicldi~zi11li11c1, nach dct·
\; er ·chiedenh.cit ihrer Stof(e, ,,,ic sie in n1anchcn S)·stcmcn <.lcr ,1Logik•'

D191, h,ado por Google


- -
üblicl1 i t, oder das Bestreben, diejenigen Wi sen chaftcn möglicl1~t
nal1e zusammc·nzubrirtgon, deren Vertreter in besonders ltohem ?l,faß-e
bei ihrer Arbeit au fein ander angewiesen sind, d as Ziel einer P h i I o -
s o p }1 i e der \\'isscnscha ften sein. So Jeicl1t darf man sicl1 die Sache
schon dcs\\·egen nicl1t, machen , weil man at1f diesem W ege nie darüber
zur Klarltcit kommen ,vird , in,viefern die Geschichte als ,vissenschaft-
liche Er k e rt tl t n i zu gelten ha t . Freilich ist ja mancl1es von dcr11 ,
,vas inan t1öute Gcschich te nennt, 11icl1t Wi ~senscl1aft oder rnellr als
\' iisscnschaft, und ,vorauf da beruht, i t ge.,.viß ebenfalls ei11 Problet,1
der ""-' isscnscl1aftslchre. Aber es g ilt v on a llen \Vissenscl1aft.en , d.a ß
ie o, ,,rie sie al hi ·toriscl1e 'l'atsacl1en v orliegen , in k e in logiscl1e~
Schema re"' Llo~ eingehen, de11n es \Virken ja in aller \,·i scn chaftliche,1
Forschl!J11g mehr oder \,·c11iger auct1 ath eoreti ehe )f oti\ e nlit, untl
1

gera.d e das, ,vodurcl1 die Gesc hichte evcntltell Ober die ,vi_·enscl1aft -
liche Erkenntnis hinau geht oder aucl1 hinter ihr zurückbl eibt , kann
docl1 ers t dann v ers.tunden ,vcrden , ,,·enn man den Begriff der C c-
sc hict1le a l \\' is!=;enscl1aCt.. vorher auf logischern \Vcge Lcrcit geft1ndcn
\
t1at. Es scl1adet, tim enrllioh auch die zu erwähnen , gar nicht , fall ~
die Logik dazu ko1n1r1en sollte, das in einen Gegen ·utz zu brin gen ,
'
,vas i ti dem \\'' issens.t,h a ftsbetriebe, "'·ic er als F aktu1n vorliegt, stets
aur das Ena-st.e rni t.einaurler verli11ü1,ft ist. Det· Vor,,·urf, da.ß eine
solcl1e Betrachtungs,veise die \\'1 is. enscl1n rten in .,unnalürlicl1cr ''
Art zerreiße, ,vtirc ebenso berechtigt, \Vie der \ t or,vurf, daß rler Ai1aton1
ei11en I<örper zerschneide, um ihn ,.viss.cnschaftlich Zlt bcgrcifer1.
E i11e Gliederung <lcr \\1i::1sc11scha fle11 nac l1 il1rcn SLoffc1t oder nnrh
ihrc.11 alogischen Bestn.1tdL.eilen m.ag ge"''iß atJch il1re Bedeutung hahe11,
aber sie liegt eben 11ichL auf clcrt1 W ege einer Logil, der Geschi cht(~,
ja, sie karu1 sogar als \ iorarbeiL nur dann b rauchbar werdc11, ,,·en11
ma11 1 mit, logischen Begriffen Rchon at1 get·üRlet, ie zu benutze11 ver-
sLeltL. Nur auf logi ·cbc,n \\1c<;rc ,,·ird rnan d en U1rtcrscl1icd v on a-
tur,\·i. senschaft t1.r1d Geschicl1t e attcl1 n1.it Rücksicl1t auf ihre . ac}1-
licl1011 Eigentil111Jichkcitcn philo~opl1isclt v erstcl1erl u11<l bagrcife11,
,,,as clie Ge;-c hic hts\vi se11scliafL für eine erkcnnt 11isth eoretisch ru n-
clicrte Plti lusophie beclc11 tot.
Den Jogi~c lteri Bt.., griff der Geschichte io d em hier zu ver,,·r-n-
clencJen1 denk l,nr t1mfasscrtdstcn for malen • i.nn kann selbst'\'erstiil1,I-
Jich er t die fc,lgcrtdc C11lersuch u11g bcstin1rner1. Hier sei nur r1or.: h
h crr1erkl, d aß er1lsprerhc11d d er Bci-chrlinktang bei der C11t-er~uchu11v
dcl' Nnlut"',·i. scnsc harL es ltn · at1ch fü r die G<'~chi cliw ,,·cniffcr a11f

ü1g1taltzado por Goog e


- 23

den Prozeß des F orschens als auf die Form der Darstellung, d. h. \ .
·/
auf clie logische Sl.ruklur d er geschichts,,ri:;;senscha(tlichen Ergebnis::1c
anko,nmt. Sie allein können die Lücken im natun,·issensc t,a(tlichcn ,
Begreifen der "'Virklichkeit at1sfü.llen: und sind daher das ei )'entlieh
pt1ilosophisct1Interessante. Wir können aus diesem Grunde es nicht als
Ein,,•and gegen unsere Theorie aoseh.en, ~·enn ma11 bestreitet 1, daß
der ,vis-sensch.aftlicl1e B e ,,, e i s in .d en soge1lannte11 Gei Les,\lisscn-
scl1aften .11ach anderer l\Ielhode gefilt1rt ,vil'd, oder die Auffindung
seiner A u s g a n g s p u n k t e sich a:nderS vollzieht aJs auf d.ern
Gebicto der Naturw,issenschaften. Diese Probleme stehen hier gar
nicht zur Diskussion . , 7on ihnen ,väre in andern 1~eilen eir1es Sy-
stems der ,v i senscl1aftslel,re zu handell1, und dort ,,1ürdo sicJ1 dann
ge,viß ergeben, daß der P rozeß des F orscl1,ens und Be,"·eisens in allen
empirischen ,,1issenschaften ,veitgehendc Gen1ei11sa1n.keiten zeigt..
Das ist aber für unsern Z\veck nur von untergeordneter Be<leu tung.
Hier so1l, ,vie ,vir scl'1on sagten, clas \,\ie en des h i s t o r i sc hon
B e g r i f f c s festgestellt \Verden. Das muß man immer im Auge

beb alten, und auch da ß dieser AusdrtJck i111 Gegensatz 'lUJJl 11atur-
,,·issenscha ftlichen Begriff nicht üblich i t, braucht:. nicht zu stören.
Das hängt mit d em t1nlogiscllen oder alogi~chen Charakter der bisher
fa t a.llein betriebenen Gesch.ichtslogik zt1sa.r111nen, von d orn ,vir schon
gcsproclien haben. Wer die Gc~cl,ichte mit Rücksicht au f da vo1t
ihr dargestellte ?\fateria l ,.,erstehen \Vill , l1at keine \ 'eranlassu11g, v on
1

historischen Begriffen 1.u redet1. \ Vir \Vähle11 dies Wort, um auch in d~r
1'erminologie den logische11 Charakt.er der 11tersucbung durch1.u-
füh rcn und außerdem die v,erscbiede11cn Problcrne, die NnLun,..issen-
schaft und Geschichte uns stellen, para llel behandeln zu könnet\. lu
<-lem, ,,·as ,vir als histo1·ischen Begriff bezeichnen, n1uO besonder der
,v i s s e n s c h a f t, l i c h e Charakter der Geschichte t1ei11en Aus-
d rt1ck find en, ur1d schlieOlicl1 karan, insofern der gesumte Prozeß der
,vi · enschaftlicl1on Arbeit. aucl1 liier von ihrcrn Ziele bel1crrscht is t,
scl1on au.s ei11er Untersuchung iiber die Darstelltlng in den hisLo•
rischen \\' i <.e11schaft.en sich das für ihre logische Eigenart nbcrl1aupt
\VesenLliche, zumal i1n Unterschied vor1 der Eigenart, <ler n atur,vissera-
scl1a fll ichcn B egriffsbildung, ,vcnigstens in seinen Grundzügen er·-
gebcn. In diesem Sinne versuchen ,vir in1. (Qlgenden eir1e l o g i s c 11 e
E i n l e i tu n g i n d i c h i t o r i s c h e rt v\' i s s c n s c h a f t o n .
- 1 ' ' gL A. R i eh l , I~ogik und Erkcuntni:;Lbcoric. Die I(ulll'lr <lcr CI,igc11•
wart. l, 6, 190i. . 1 0 1.

ürg,t~hzado por Goog e


- 24 -
Dje Scheiclt1ng in na tut"\visscnschaf tlicl1c u11d historisct1e Be-
griffe muß, ob\voltl sie nicl1t ge1ät1lig i t., uzn so 1nehr vorgeno1n1ne11
~verden, al · in den Ab chnitte11 der Logik, die der Le hre vom Begriff
i,n allgemeinen gc\viclmet si11cJ, \•lir ra t at1s chl,ießlict1 die Begriffs-
bildung in Betracht gezogen finden, die ,vir als natunvissenscha(t-
licl1e bezeichnen zu müssen glauben, und dalter die Lehre vo1n Be-
griff bisher einen ganz einseitigen Charakter trägt. Doch )<öt1nen
,vir uns nicht eion1al für den naturwisscnsct1aftlicl1er1 Begriff ohr1e
,veiteres a.uf unbestrittene Sätze cler allgemein en Logik bert1fen 1.
d enn besond•e rs sci·t Sig\vart in seine111> die neueren logi ·cl1ec1 Be-
,vegunge11 noch i1n1ner in hohe-m Gr.a de beein[Ju senden \\'erke 1 der
I... ehre vo1n Begriff den Platz an der Spitze des S~rstcms genomme11
llat, den sie in cler t1·aditionellen Logik be aß, ist es nocl1 nicl1t \vieder
gelunge11, ihr eine alJgernei11 a11erkannte Stoll11ng und Gest.<tll11ng zu
geben. Was über.h atlpt ejn Begriff sei, oder woIU1· man die. en Aus-
rlruck arn i)as~ ~nrlslc11 iu vcr\venden habe, dat·über geh•e1t die 1\1ei-
nu11gen ,veit au einancler. So\VO~l l für die ein fa chsten logiscl,o.n Be-
standt.<:ilc al aucl1 fii:r die l(ornplizierteste,1 logiscl1e11 Gebilde ,vird
da \\/ort Be0 riff gebr a ucl1t. Die elcr11cnlarst en 1 nichL \Vcitcr ana-
J;y·sierha1·e11 \\i'ortbetlcuttJngen . ol l es bezeichne11 11nd zugleic h die
letzten Ve rdichtungen ,vissen cl1arUicl1er 'l'hcorien. Ja, die VieJ -
,lc11t,i.g keit des \Vortes Begriff i t so grol3 1 daß 111an neue1·ding den
'l'ern1inus aucl1 ,vohl vollständig v er,m ieden }1:1t. ~ian freut sieh t
„ohne jede Hilfe aucl1 nu1· des \Vort.s Begriff" 2 F>roble1ne erörterr1
zu können, die früher a ls die Hauptproblc111c der Lehre vorn Begrirr
gegolten ltabon.
Es k o11)mt selhst"•er tii·n cllicl1 auf das \ Vort nicht an. 1\.l an tnöge
c.s ,vegen seiner iu l inklarheiten fiihrendc11 Vifldeuli~keit durch
n1ehrere e.i ndcutigc Tormini ersetzen. Trotzder11 ,vird 111a11 sic h \Vol1l
:-<ch,ver ci1tscl1ließen kön11e11, die Ausct1~ü<'ke Begrirf, begreifen, bc-
a rjffliel1 in der Logik ganz z.u entl)el1re11, l ltld viel1eicJ1L geli11gt es,
et,\·as mehr Ejnheit u11d l{lnrhcit i11 die Dchanulung dieser Fragen
zt1 bringrn, ,vcnn \Vir mit Bc\vu[!Lgei n eins in ei11cr 1ogi$cl1en ... pezial-
u11te1 u.c l1ung ,Lur1, ,vas clie l ,ogik in. ihrem allgen1einen Teil fa l aus-
r1ah rr1 los ohne a.usdriicklie he Hervorl\ebung getat1 hat, nümlicl1 ,,·enn
,,·jr ur1s zu11äcl.ist ein1r1al völlig auf de n na.tur\visse11 c haft licl1cn Be-
f(rirr b c chränkcn u11cl "':'lttz davon absehen, ,,·ie ,veit da
1 L 1;1gik, 187 3- , 8, 4 • •.\urt ., 1911.
' Iienno E rd cnan n, f~ogik l . 189~, 2. Au(!., 1907 . S. l?u5.

ü1g1taltzado por Goog e


25 -
handeln, z.um Wesen des \\lissenschaftlichen Begriffe~ überhaupt
gel1ört. Dann erst ,verde11 ,vir die Grenze.n der nalur,vjsseni;chaftliche11
Begriffsbildung Icststelle11 und von da aus in das \Vesen de histo-
rischen Begriffes cindrin,g en köru1en .
In einer l{larlegung des logischen \.Vesens der natt1r,visse11schait-
licl1en Begriffshi ldung haben ,vir a lso den A u s g a n g s p u n k t
,,ns.erer UnLersuchu11g ge\vonnen. \1/ie v orher die allgen,eine 1'ert-
1lenz, so ,,·ollen \\fir jelzt a uch die Gliederung u11seres ,veit..ere11 Ge~
dankengay1ges in il1ren Hauptzügen ,ve1ligstens andeuten.
\\ o über llaupt rlebon der NatuI"\\'Jsgenschaft eine andere Art
,..11. scnscha ftlicher Arbei t anerkannt ,vird, pflegt die Scheidung fa t
ausnahmslos durch de11 Gegen.s.atz der Gejst;es,visse11sc}1afte11 und der
='l at.ur\visse11schaften bei:eicl1Ttct zu werden. vVird die Natur so v om
Gei:it getrennt , dann ist unter Geist in vielen F üllen das gesamte
psyc.hisc he "'ein gemeint, und d cm e.t1t sprcchend muß tna11 dann tJnler
,Jem ,,ro rte Nat\1r die Körper"\ve)t, verstehe11 . "'' ir akzeptieren vo.t'-
laufig die~e Ausdrucks,veise tmd verst•chen, un1 a llen unnötigen Scl1\v.ie-
rigkeiten aus dein \Vegc zu gehen, die natunvisse11schaftlichc Be-
griffsbildung zuerst nur ir1 ihrer .l\n\\·endung auf eiern Gebiete kennen
zu lernen , das Objekt der t atur,vi senscborten im engeren . inne ist ,
die Gesamtheit d.er köt·perlichen Di11ge und orgänge. Orler ge1tauer:
,i.,ir achten zun5c11. t nicht darau f, ,vie ~·eit da , ,,,as von d.er na tur-
\\1is„enschnrtl ichen Begri [fsbildur)a fü1· die Kö·rper,velt gilt, auch dann
r ichtig bleibt, ,venn es sich urn die Dar ·tcJ1lu11g des geistigen oder
:seelis.chen Lebens har1dclt. Dc!S\v<10-en ,vird i1:i. dcin e r s t e n l( a p i t e I
nur von der b e g r i f f l i c 11 e n E r k c n n t n i s d e r l\ ö r p e r - \/
'" e J t durcll die Natu1'\vissensct1a!t. die Rede sein. \.\' ir verfolge11
1.labei das \Vesen des nntur,vjssen.sc·hnftlichen Begriffes ciureh die ,,er-
scl,ic<l.ener1 Studien seirier logischer1 Votl1{01r1mc11heit. hindurcl1 und
suelten so die ~letl1o<lc, ,Jurch die faktisch die KörJierwclt. brgriffer1
,vird, in ihrer logi chcn truktur klar Zll legen. Von clcr1 Grer1zc11 der
n.a t tll'\Yi senschaftlichen 8f"griff:,bildung i1-t in diescn1 Zu. ammen-
ha11go 11och ganz abzusehen.
Da11r1 fragen ,vir, ob diese Grenzen vif>IIcir ht. dorL heginnc11,
,vo d ie Körpcr,velt auft1ört. Die rneiste11 der historischen \\•·i~sen-
sch aftcn habe11 e ja faktisct1 1ni t eelist.: hc11 \ 'or<,ä11gen zu t u11, ,,,ie
niem:i11cl bez,,,eifeh1 J,ann. lr1sofer11 sind sie al so a11cl1 den sogenannte11
Geiste ,,•issenschafle11 zuzurcclu}cn . Darum mt1ß ausclrOck lic h ent..~
schicdc11 ,verden, ob sie in ihre1· Eigc11schalt als Geistes,, issen:;chnften

0191 lt ado por Goog e


- 26
die natur,vissenschaftlicl1e ~lell1od e der Begriffs bildung nicht an-
,venden kör111en. Diese Frage ge"talLe,t sic h zu dem Problem, ob dje
Eiger1a1t des seeliscl1en Lebens iiherhaupt der rar die Körpen,•elt
brauchbaren notur'vvissensc hafllichen Begriffsbildu11g eine prinzi-
pjelle logi ·clae Grc11zc entgegenst ellt, und ob de.m nach cler Gege-nsatz
von N a t u r un.cl G e i s t einer logi chen Gliederung der \ Vis_sen-
scbaften zugr1.1nde gelegt ,,,erden darf, ganz t1nabl1ängig davo•n,
,velch.e sachlicl1e Bedeutung er lü.r die Ei11teilung nach clen Stoffen
besitzt.. Die A11t,,rort hierauf llat das z w c i t e 1{ a p i t e 1 zu gehen.
\Vir ,verden scl1en, da ß nichts ei11er klare11 Einsicht i11 das \,\tesen der
l1istorischen \1/issenscl1aftcn rne hr hinder1ioh ge,vesen ist a ls die
Ein!ühru11g cles Gegensatzes von physisc hen und psycl1ischen Vor-
gängen in die logischen Probleme. Ge,,riO ergeben sich aus dern ,1/esen
des Geistigen ~fodifikatio11cn der i\l ct.hodcn , die bei der Darstellttng der
l(örpet'\velt anzuwende11 sin d. Aber 11ur um l\lodifil<ationen haJ1delL
.
es sich, t1nd die e sind un,vcscnt lich im Vcrgleicl1 zu den1 prinzipiclle11
I,1gischen Gegensatz; der bei der D'l:~rste.11,lng der Natur einerseits,
der Gescllicl1te andererseits entsteht. Des,,·cgcn scheint c~ notv.'endig,
daß man auch in der 1'erminolog.ie sieb dieser Eit1 icltt an chließl
u11d, v.·e11igste11s solange man u11ter ,,Geist'' das psychiscl1e J__.ebe11
versteh.t , in der Logik nicl1L mehr von einer Eintcilu.ng in Na~ur~
\vissc11schaftcn u11d Gei t.es,vissenschaften spricht. Es 1-ntiO ein lo-
g isches Eint.eilungsprinzip vorangestell t werclen, das Z\\'ar gc\vi U
nicht an die St c 11 e des sachlichen Untersc hiedes treten kann , denn
sacl1licl10 Unterschiede la se11 sich nien1als durch rormalc ersetzen,
\\'Ol1l aber a llen Itlaterialen Dif{crcnzen logisch vora usgeh. t.
Den Un tcrscl1ied von l • a tu 1· ur1d Ge s c l1 i c h t c möglichst.
scltarf l1erau.szuarbeiten, ist d.ann die Aufgabe des d r i t t e n l{ a-
p i t e 1 s. \ Vir kommen hiermit 1.1J d em l<ernpunkt un erer Unter-
sucl1l111g. E s ,,, ircl sich zeiger1, daß hier in \Va hrhcit ein logische>1·
Gegensatz vorliegt, der 1nit de1n sacl1lichcn von atur u11<l Geist nur
ir1 einer ' 'crbind ung v on , ckundärer Bedeutt1.n g steht. o muß kla.1'
,verdcn: die Kalur\\.issenschaftcn lind die Gcschicl1ts\,'is.Be11schaftcn
lassen sicl1 ihretn allgcn1cir1slen logischen B egriffe na ch üherl1au1)t
nic11t dadurc h unterscheiden, claß die einen es 1n it anii ern Objekten
al die audcren zu tu.n hfl ben. E. kann vieJrnchr d('rsclbc Vorga ng ci11C!r
\\·1ssensc haflli clicn Bearbeiturtg und Darstellung du rch beide ~lelhoclen
unte,·zogen ,,·erden. Daran ,vird dus allgemeinste logische \\reseu
der Gt'schichte und zugleicl1 cler logische Un terschiecJ von natur-
-
•\ '
' •
.
"

0191 lt ado por Goog e


27 -
\\',ienscha(tlicher und bistorisct1er Begriffsbildung deutlich. U,11
il1n möglichst rein t1ervortret en zu lassen, ,rersuchen wir, uns (iber
<.las W esen de1· hi torisc~1en Darstellting, soYt',c it es angeht, zuersl
an solchen Fälir.n kla r zu ,verden, b ei d e 11e11 '\\'ir uns das hi toriscl1c
Interesse a u( körperliche Dinge u11d Vorgänge gericl1tet denken. Auf
diesem W ege ,vird sich zeigen, da.ß die gesamte ernpirische ,v irklict1-
keit sowohl Objekt einer natur\,·is enschafttichen a ls a uc h einer in1
Jogiscl1en Si1u1e llis torische-n Darste llt1ng ,vcrden könnte, und daß dal1er
der Begri(f der Gcscl1iclitc sic h von alle11 Besonderheiten des his t o-
riscl1en l\Iaterials ablösen läßt .

In dem ,virklichen Wisscnsc h.a ftsbetriebe, de,n ,vir uns dan11
endlic h im v i e r t e n K a p i t e l zu,,,end en , u.nd den ,vir nun auf
Grund der vorher ge,vonnenen Begriffe in sei.ner logiscl1en Struktt1r
zu verstehen hoffen dürfen, stellt sich allerdings die Sac he erheblich
anders als in der rein logischen l{o11struktio11. E s gibt Ge biete, die
ausscl1ließlicl1 naetl natt1·N ·issenscha ftlicl1cr, es gibt. solcl1c, die a.ti. -
schJießlich nach historisc11er ~[eth.ode dargestellt ,vcrde11, und es t/
gibt endlich solche , d ie so,vohl der Dnrstellting du.rch eine Nntur,vis.sen-
scbaft a)s aucl1 durc}1 eine bistorisct1e \.Vissenscl1aft t1ntcr,vorfen sincl..
Die Da.rlcgung der Gründe l1ierfür muO das logiscl1e We ·er1 der histo-
risch,e1> Begriffsbildung im engeren Sin11e verständljch rnachen, d. l1.
zeigen 1 , ,..ie die \\' isscnschafte11 verfahren, die t1eute als Ge ci1ic hts-
,vissenschaft en und zugleich a ls Gcistcs,vissenscl1aftcn b ezeiclin.e t
\,·erden. Es lco1nmt uns hattptsäc}11ich dnrau[ an, zu v erste hen, ''"eiche
Gebiete eine historiscl1c Da.rstellu11g nicht 11ur crmöglicl1en son,dcrn
aucl1 erfordern . \Vir ""erden also un tersuchen, \\'ie \.veit die rein iogiscllen
UnLcrsc:lliede in einem Zus.arn1ne11.hange 1nit cle11 sa chli.c heo ü nLer-
schieden der ,,issenschaftlich darzustellend en toffe stehen, und bei
dieser Gelegenheit uns aucl1 der Aufgabe zu,vender1, die ge,vöhulich
als einzige 1\t1 fgabe der Gcschich~ logik betracl,tct ,vird. Es rnuO
s ich jedoch e.rgebe11, d a ß at1ch j etzt nicht et,va c.ler B egrifr des Geiste$
sondern d er Begriff der K u l tu r für die histori8chc Begrilf:,bildung
im engeren Si1LI1e \-·on ausschlu-<rgebender Bedeutung ist, und daß,
,venn \vir- Oberhaupt einen nic hL nur Jogisc!1en S.OLtdern a uch sac h-
Jicller1 Gege11salz Z\\'eior Gtuppcn v on Erf~\l1rt1ngs\.visse11schaftcr1
feststellen wolfen, d,ie l1istori. chcn l(t1Ilu r,vis~ensc ha ft.en cle11 Na tur-
,vissen.schaft.en en Lgegen zu setzen sind. Die er U11te1·schied l1at rut
<.lie Stelle der Eir1teilung in ~a t ur\.Vis~cnschaftcn 11nrl Gei ·te:-\,'l!;Sen-
scl1aften zu treten, sob31d e~ gilt, clic \\1i:;scr1sel1a (Lcn r1acl1 ihrc111

D1911 11,ado por Goc,gle



28

)lntcriAl zu glicderr1. .Ja, es läOt, sielt dartun, ,daß der Au druck


1
\ Geistes,,•i~~c11~cl1aft ,vol1l niemals O:bliel1 gc.\vordcn ,väre, ,venn ,,Gej ~t''

J nltr das P 1rchisclle und 11icllt zu<rlcich atich einen Teil dcir·cn bedeutet
hütte, ,,·os mit dern Worlo l{ult.ur viel bes er bez.eich.n et ,vird. Doch
kt)tlnen die sachliche11 UnLer chiede der \Vissenschaflen erst am Schluß
◄ l cs vierten l{npitels verst.anden ,\terden. Vorher sticl1en ,vir aucli das
Proble,n der hi st.ori cl\er1 Begrifrshildu11g o,,·eit ,,,ie r11öglich formal
zu behandeln, und ,,•ir ,verden dabei hauptsächlich die B egriffe des
histori clten Ir1dividuu1ns 1 des t1isLorisc her1 Zusa1nmenl1arlges und der
!tistori chen Ent,,,•icklung 1·eir1 logi~ch erörtern. Dan,it komn1en \:vir
zu ~iJJer Einsicht in das \Ve en der „individual isicre11dcn" Be,griff!l.-
Li ldung, dit! die Gescl1ic}tle im Gegc11!-iatz zur ,/•cncralisiercnden''
Begriffsbildttng der Nat.11nvi · enschaft zeigt, und e ergibt ·ich <1nnr1
durch lvcuz\1ng des formalen u11d drs sachlicl1e11 n terschicdes
stntt der obl.ichen z,,,eiteilung eine \ ii,erteilung der Erfahrt111gs-
,v1ssen chaft.cn als m öglich. Die atur irn Geger1sa tz zur l(u}l,.o r
karu1 nämlich r1i cht nur gcnera li iereud so11dern attch individlta li-
sierend , t111d cben::o ka n11 die K ultur SO\\'Ohl indiviclualisiercnu als aucl1
ger1eralisie1·end <lurgestellt, ,,·erden. l:ns kom,11t es jedoch, da diese.s
Buc~1 nicht. ei11e erschöpren<le l(lassifikatioo der \\,.ii.:.:;en-chnfle11 gobcnt
:-i.c111clcrn das \\'es •n cler Gesch ichte als \\' i:-scnsc hafl v cr 'tch c.n \'\'ill ,
in der Hnttptsache nur a uf die 11 j s t o r i s c h e n I< u l Lu r ,,, i ss e n-
i- c 11 a r t • n an. Da: ,,·ir hlig':- t • Erg hn1s _i~l, ,luß tlie ir1<li,,idua-
lip,ierenJe Begriffr-bild111tg dies.er Di ziplinetl auf ein er bi her voll-
stäncliu (tbe1-sel1 c11,•n u11d doclt fiir di e logi~l"h Struktur der Gei;c hi.:· ht<!
~er adczu rnl sc ltcide ndcu 11 thcorcti.cli,cn \\'ertbeiiel1t1rlg'' h<"rul1t,
1lie die Nalur,vis::en~chaft, nicht ke1111t. Die U11entl)chrlichltcit. des
\\/crtprin.zipc-s ffi r ,das gP8c·hich tlichc Dclrl<er1 ist es zugleich , die den
Au~tlruck l{ultu r,\'is:iit:n5~liaft zur Bezc iclinurlg der l1ist.,uri cllen
Diszip li n c 11 i111 e11g<'rcn . _ inne a,r, gceig11cl:$tcn m;,c h t, de1111 aus cle111
De-griff des l\.ultu r\V<:rtcs c1ll11in ltiOl sich vet~Lchc11, ,,·arun1 <i~ts l{ull,ur-
l~ben ll11reh ei1te nalut'\\'i:-scr1~c-hafLlichc J)ar~Lellu r1,, nic111nls zu, er•
:-"liö11fPn t!'t l'l,Qn,ler111 nucl1 ab~c~ch<~n v on alleu l'tol)lc111en. clie es
1lcr r' lii lo~opl1ie sl c·llt, eine e1n11iri ~ch hii:.lorisc hc Dar~tc lluug durch
1

iJiJ ivid unl i ~icr nd c Bc-~ri ff:-l1i lrlt111g v crlnngt.


\\'ic ' chon er,vtlh11L. ,,·er<leu ,,·ir scldicB lich zur Beh.iuptl1ng d er
~ Ol\\'endigli.cil lra11szenilC't1l,t•r :\ n11.ahrnen grfiihrt1 und z,,·ur hiingen
dic:::e cbc11faJI:; 1nit ,Je111 Begriff <IP.l-- \ VcrLcs u,nd der l\.ullu1'"'" is::-cnscl1aft,
zt1:s~ n1n1cn .. Die J-.'rnge, ob Gcsr;lii,·hl,e i11 <Je111 .'inl11e al , ,vie;:ic11schaft~

D1911 11,ado por Goc,gle


29
lict1e Erkenntnis gelten kann ,\·ie c1ie Naiurwis..i;enschaft, kornmt dabei
in BetracJ1t. \Vir werden s.o z11 g es c h i c h t s p h i l o s o p h i -
s c h e n Erörterungen im engeren Sinne geführt, d . h. zu Problerncn,
,vie sie in d em früher berührten Gegensatz von I·Iegcl und ComLe vo r-
liegon, und die ,vir uns be onders deutlich an dem Fortscl1ritt,gbegriff
klar macl1en konnten , der ja ebenralls ein \Vertbeg,ri.ff i t. Ihre Bcl1and-
lung setzt die v ora.ngegangonen methodologiscl1en Au fül1rungcrl
über das \i\1esen d er n.atunvis enscl1aCtlichen uod der historiscl1cn
Begriff bildung vo raus, uncl zugleich ist ibne.i1 da.r,n noct1 ein festerer
Halt an einigen ätzen aus der allgcmei,n en \Vis~cnschaftslchre und
Erkenntnistheorie zu geben. Diese Aufgabe hat da für1fte und l e tzte
1( a p i t. e I zt1 lösen. E s soll zugleich die Einwü rre und Bedenken
zu beseitigen verttuchco 1 die sicll viclleictll. bei de11 vorangegangenen
metho(1ologischcn Ausführungen hier ttn<l da ergeben n1ögc11, und dje
erst in clcm dann errcicl"lLen S)·st,crna tisl'.l1cn Zusarnmen}1ange il1re
Erlediguno- finflen kün11e11. Auch die F rage, was die a lu1°\visso11schaft
urtd ,\·::1 die Geschict1te für die Philo~opl,ie bccleutcn, und in ,,·clchcm
Sinne man \>'On einer natl1r,,·i er1schaftljcl1e11 unc{ einer g~cl1icl1t-
lichc11 \V e I t a n s c l1 a u tl n g spre ~he11 l<Rnn, lä ßt sich ers t da11n
beha11deln. Das Urte il über die l~icl1t.j<•kciL der itt dics_c111 Buche ,ror-
getragcne11 Ar1sichler1.:ollLe rna11 des,,·e()'en bis zt1m Schluß su~pend iercn.
Die V\tahrlleit i t auch hier das Gao ze .

0191 lt ado por Goog e


- 30 -

E r s t c s I{ a p i t e l.

Die begrifflicl1e ·Erkenntnis der I{ör·per,vclt .


.,Das H& bsto ~-are, zu be5rrelfe11,
d11B rul es FnktJsclte schon Theorie Ist~"
Goethe.

\ \1
ir ,,1issen , claß unsere er te Autg.a be clarin besteht, da s ,vcsen
der natur~·issenschaft lichen Begriffsbildung festzt1 tellen. , vir ,, ollcn 1

..,ie aber ztt11äc l1 t nur .so,,•eit kerrnen Jerncn t als sie fü r dje Erkennt-
ni s d er l{örperwelt , 1on Bedeutung ist, also völlig davon ab ehen , \\'as
..:ie mit der Darstellung des psychischen Seins oder e'ventuell au cl1 mit,
der des ge ·c!1i ch.tlicJ1en Lebens gemei11sam bat. \\'ir betrachten cla-
bei1 olme unsere .rrtethodologiscl1en Ausführu11gen in den Zusammen~
har1g ei11es Sy~tems der Logik zu stclle·n und so unser Verfahren a11s-
drückl ieb zu begründe11, den Begri rr als 1\1 i t t e l z.u eine111 natur"visscn-
schaJtlichen Ziel. Das ist d~durch gerecl,tfertigt, daß alle \Visscn-
scl',aften Begriffe von. A u f g a b c n sind, und dnß ihre Bcstandtcile
sich da her at1cl1 als l\fitt..cl zur Lösung cliescr Aufga l)cn vcrstche11 lassen
müssen. Von vorrleherein ist damit ferne·r gesagt , daß \Vir das Wort
Begriff n.i crnnl f{ir Gebilde gcbrt\uchcn, die darin aufgcl1e11 1 als Tat-
::achen vorha11dcll zu sein, sondern ledig lich filr solche B cst.nndteilc,
clic etwas für das ,.,risse1tscl1aft.licl1e Erkenr1en 1e i s t e 11. Un ·cre erste
Frt:1gc J1at a l o zu lauten: ,vol'in bestel1t die A.ufgabe des natur, issen-
scha fl.lichen Begrirfes, uncl ,v,odurch lö t er s ie ? So ,verd en ,vir sein
logiscl1es \Vcsen aus seiner Leistung für das ErJ.ccnnen verstehen.

r.
D i e ~1 a n 11 i g f a 1 t i g k e i t d e r K ö r p e r ,v e 1 t 11 n d i l1 r o
V e r e i n f a c h u n g d u r c h cl i e a. 1 1g e m e i 11 e \IV o r t-
b e de u tun g. •

Um eine .<\nt,vort zu finden, gehen ,,·i1· v or1 ci1\er j.ctle1n gelfi t1fi-
gen :\Ieinuog aus. Der Mensch steht einer körperlicl1e11 11 \\'irklicltkeit' 1

ü1g1taltzado por Goog e


31 -
gegentiber, auf die seine Erkennlni-s sicl1 ricl1tct. Diese \Virklichl(eit
selbst inachcn \\'ir hier nicht zum Problem, sonder11 sotz.en sie a ls
~Iaterial der Erfahrungs,vissenschaften v oraus. Eine solcl1e Trennung
der Pi·obleme läßt sicla in einer Spezialuntersuchung nicl1t \rermcidcn.
\Vir kümmern uns also zunäch!;t, nicht darum , ob die \Virklichkeit
ein ,·orn erkennenden Subjekt in jeder Hin ich.l lo uelöstes Sein
bildet , das ,,im B e,vußtsein'' ent,vecler ga11z oder zum Teil ebenso
sich darstellt, \vic es unabhängig davon exist iert, oder ob die Körpet-
'"'elt n11r die ,,Erscheinung", -clie Atiffassungs,veise einer andern uns
vö11Jg unbekannten, absol11t realen \Veit von Dingen an sicll i t., oder

endlich, ob die uns unmittelbar gegebene empirische Wirklichkeit die
•inz.ige ist, die ,vir anzunehmen ein Recht haben, t1nd ihr daher ein
,,dal1inLcrliegei1des•• Sein nicl1t entsprecl1en kaWl. \Vir begnügen lins
d.amit, daß jeder von einer Körpe.r,velt ,veiß a ls vort einer in Rat1m
und Zei t. ausgebreiteten \Virklichkeit an ct1aulicl1er Gestaltt1ngen,
tlnd dall die Wissenschaft von den K.örpern, so,veit sie empirisch ver-
fä hrt, a ls Ausgangspunk t il1rer Ur1tersuchungen jede1\fa lls 11ur diese
eine \Virklichkeit kennt, rue ,vir empirische Wirklichkeit nennen wolle1\.
Gc,viß steckt in diesem Begriff noch ein erkennt11istheoretis.cl1es Pro-
blem vo11 gro:Oer ß e(leutltng 1 . In einer n1et hod0Jog.ischen U.nt.erstichung
abe r ,vit1d der Ausdru ck nicl1t zu l\l ißvcrsländr1isscn führen.
Doch müssen \.Vir uns ei11e in a11derer Richtung liegende Eigentün1•
1ichkeit der körperlicl1cn Erfa hrungs\velt zu1n Be,vußtsei11 bringen ,
die zu la"e tritt, sobald wir den Versuch rn nchen , ie zu erkenner1.
~tellen ,vir uns dabei die Aufgabe, djo anschauliche \Virklichkoit,
gena u so ,vie sie ist, abzubilden oder alles, \\•as ,vi1· vor, il1r ,rissen
kön11cn, a u zusagen , so stoßen \vir nttf chwierigkeiten , die sich bald
a ls t1nObenvindlicl\c 1-lindcrni sso für ei11e derart ige Erkenntnis heraus-
stellen, u11d in dene11 dan.n die von uns gemeinte Bcschaffenlleit
./
der l{örper,,1clt. zu_m Ausdruck kommt. Die eine clieser Sch,vierig-
kcite11 ist jedem beknnnt. Die körperliche \Veit 11nt keinen fü r uns
erreichbaren .o\.nfang in der Zeil und keine für uns errcieltbarc Gronze
im Raum. s·i e bietet sich. vielmehr uls eine 1.-eillich t1nd räumlich
unübersehba re ~J. annigfaltigkcit von Gestaltungen dar, von denen jede
von jeder a11.dern qua11Litaüv ua.d qualitativ verschieden ist. Alle
diese Gest.altungcn , so ,vic sie sir1d 1 einzeln zu erl<cr1t1c11, i ~t eiu.e für
--VJ!CI.
1 Ober don Begriff d er „ot,jokti"·an \'lirkJ ichkr.it." das ttlnrLe l(npilcJ
n1eint>s Buches: D er Geg-en--'land dor E rkunn t nls. l!:inCiillrung ht die ·r 11tns-
ictnJc11 la lp hiJosophie. Jß92. 2. ,t\utl . 190J. Ic h hoffe, d ie :,~it lft nger i•r Ze il ver•
wrifft n e Sclt ri rt bald in völlig umgcarbcil<'lor l~l•,.ln IL vcröfren tlich(' ll 2.u kö nne n.

D1911 11,ado por Goc,gle


32

d en end lichen • )f en chen~ei:: t prinzipiell ,u11lö · bare .~ufgabe. J ,e dcr


\ "e rsuch in d ic~cr Richtung ,värc geradezu \\·irler.:-.innig, den11 1 ,,·ie groß
,vir a.uc li djc An 2a}1l <.J ~r E inzelgeslallungcn an11chmcr1 m ögen die ab-
zubilden uns, g,"li11 go11 kön nte, es ~Ui_t1de ihnen r1och ir,11ner eine r•ritl-
zipicll uoilber.:)i:libare .'.\lanoig falligkeit , ·on unerkann.ten, Dinge r\ ur1<I
\ "o rgä1,ge n gegt11über, uncl es dü rfte unle1· dieser Vorau ssetzung nie-
mals von cinen1 I;-ortschritt ir1 der Erke1111Lnis der gesamten körper-
lic hen \\,"elt gcs.p•r ochen \Verden. D a ist so e in fa ch, d a ß es ltej11cr
,vciwrcn Erörterung bedarf.
Doch au ch ein \terzic l1t auf das Ganze, <l. 11 . eine Bc.;;:chrönkung
a uf einen T eil cler Körpei·.1 ,,'Orde de111 Bcuürf11is nacl1 ci nc,n r\ bbi ld
du rcl1 die Erkcno Lnis nur \venjg helf4'. ' 11 1 und ctamit. i,t.oßen ,vir auf eine
Z\\'Ci lc c.h vrieri•rl(cit, d ic oicl1t minder ,,·ic h lig 1 aber sel1r viel ,veniger
l>cacl1te'L \\·orcl en i~t als die soeben cla t'U'f•stcl lte, und in cler noch eint>
ru1d ere Eigculü1nlichkci t. der KorrJcr,, ·elt zun1 Au druck kon1n1t.
J ed,~r ein1.elr1e anschaul·iche l{ürper nä 1ulich, eiert ,,·ir au-s <ler t1nübcr-
, t hbaren Firl le hernusgreifcn , h ie tPt ·un ··, o ein(ar h ,,·ir il111 auch
,,·ä h lcn n 1ögen, in1111 er noc h ei11c :\1 n nr1ig fnlli rke_i t. clar I unrl \\·ir ,,·erde11.
,vcnn ,\·ir un an eine 11ä hcr c ü r1lcrst1 ·hung 1nacl1cn , fiudcni rl,,ß d ieF-e
~fa1Jnigfulligl,cit un1 so µ-rößer zu \Verd en chr int. je n,ehr ,\·jr ur1 ir1
~ie verliefen . \Vir rncincn clan1it ni cht nur die ~l .:ir1ni::rfalti gltciL,
die jcrlcm Dinge dn d urch anl1a ftet, {la ß es in e iner u11üb~rs~hbar<'n
Ftille , ron 8 Hzirh11r1g<•n zu a utlcrn Di11gen ~l cl1t. A11ch "'·~nn ,,ir eirtc
ei11zf•lnc ansclia ulir' hc Gc. laltu11g ·von allc11 ihren B czich11ng" n lo~-
lö:-cn , s toßen ,Yir i11 clelll klci11sLer1 T ~i lc clel' J{ürper\,·clt, d en ,,·ir f ii r
s ic'li belrar hler1, ,viccl e r auf e ine ßfn11nigfalti nkcit, , ·on der ,vir 11icrnal :-
,ri:;sc11 k ön netl, ob ,vir ~ ie er~chö pft hnhc n , u:ncl d ie cJe:;h(.) lb ebenso
ur1über ·chbar ist \\·ic cl~\s l\.orr>er~a nzc . 1\ c lilc n ,,·ir , u,11 t1ns 1Jies klnr
zu m richf'n , b ei ir~crtd c:in e,n Gegc11sla n(l z. B . 11ur auf d n. , , vns \\'ir
v orl ihn, sehe,1, attf die Ober(l ü<'li•e . ,lic er uc1scr111 Au~e rlarlJjct et .
. o lia l,c11 \\·ir darin eine '.\[nnn igln ltigl, •it, die oga1· in z,vei farl1ct\ in
(1t1n11Lita Li,·.-•r \\"ic i11 qu a li La ti,·cr l l insi<'h l-, fOr cirt abl>ilcl ('n(le. F: rk1•nn er1
u11,c rscl1öp,flich ist . .Jcdc J~Uir hc kö n.n f'n ,,·ir in bei ie1,ig , ·iclo ·rci le z1•r-
legcri , u11cl ,,·enn ,vir nu,·l1 d en klcin~ten T eil , dc11 ,vir n och ' "·nhrn ch-
1.n c11, genau uutci·sucht ltabcr1 1 so bü rg t. ni<'l1L dafür, daß bei noch

,,·ci lcrer Zcrle~u ng ,,·ir 1,icl, L el \Yas N cuc~ cr1lcleckcn \\ c1·de11, tl a sie h
lll\ :5 bi:.lier en tzogt~n l1at. tJÜcr rj ern i··t, ,,·eil ja je(lc 1:lächc eiue 1-'a rbc
1,a t, t1 n<! ,,·ir n ic l(onsla l ic re11 ki>n1,c11, ob es eine absolu L glcich1T,~□ igr
1-·ä rl.Ju1,g- <IPr l\ lein ·t,cn ,va hrnclim ba rf•n Flüche gibt, ei11c .i\nz:l h1

D1911 11,ado por Goc,gle


- 33

von Farbcnn\1anccn auf ihr möglicl.11 die erscl1örJ.fend ri:11.eln ztlm aus-
drücklichen Be\vußtsein zu bringen, eben[alls c' i. • unausführbares
Unternehmen ist. So ,vird deutlich, daß ma.n -, : ~.-!n .kleinsten 'f eit
d er K örperwelt nicl'1t abbildend, genau so ,,,ic :.. r , ·., '. erken11en ka11n .
Sollen, um die Ausdrücke Humes zu gcbr·auchen, un sere „ Ideen''
im s t.rcngcn Sinne des \J/ortes Kopien v on 11 lmprcssionen'' sein, so
stehen ,vir auch bei größt er Einschränkung des Er1tenritnisgcL o ~PS ,ror
einer prinzipiell unlö baren Aufgabe.
Von den b eiden angegebenen Sch,vicrigkeiten 1 die ei11er abbil •
dend en Erkenntrtis der Körpe1,velt im \Vege stehen, ja , ic in z,vei-
fa<:hcr Weise 11nmöglich machen, kann eine 1'be-orie der natur,vis~e11-
sc haftlichen Begriff bi ldung ausgehen. \Vir ,vollen, um bcquerne
Ausdrücke i:11 haben, die Eigcnlüa1lichkoit d er \\-' irklicllkeit, die in
Frage kommt, \Venn unsere Erkcn11tnis au( da Ga1lze get·icl1Let. isL,
als ihre ,,extensive'', und die Eigentümlichkeit, die j ede eir1z.el11e
anschauliche Gc-st.altung uns darbi etet, als ihre 11 intensi'\•e'' Ur1über-
chbarkeit bezeichnen. \ Vir k önnen dann, um das Rcs uftat dieser
Ueberlcgungen Zl1sa1T1mcnzufassen, sagen, d aß, ,vcn.n es (lberhaupl
eine Erkenntnis der körperli chen \,Virklichkcit für dort endlichen
~lcnscl1engeisL geben soll, sie .n ur o zustande kommen kann, daß da-
bei die Unobersel1barkeit der exten. iven und der intensiven ~fanni"-
ra ltig.k eit des a11 chaulict\ gegebenen l\1 at("rinls ir.1:.,enct,,,ic be ei t.igt
ocler Ober\Vltnden ,vird. Jn diese1· Ueber\,·ir1d11ng zum z,,·ecke der
,vi sen chaftlichen Erkenntnis cler l{örpenvelt sehen ,vir hier die t\ur-
gabe und die Leistung des nalttl'\\'i senschaftlichen Begriffe~, und i11
,d er Art, ,vie er diese Aufgabe löst, ,vurclen ,vir dn her se-in \\resen zu
erCassen sucl1en. E . ist dies jedenfa lls einer d er \Vcge 1 atJf <lern sich
die logische Struktur der rtatu1"\,risse11 chartliclte11 Begriffs.bilclt111g
verstellen lasser1 muß.
Bevor \Vir j~uocl1 au f die l Jeben\'1ndung der unübcr ·el,barcn
~1annigfaltigkeit du rcl1 den no.lur,,·isscn cha fllichcr1 Begrirr näh.er ei11-
gehe11, ,,,ollen ,vir einigen l\'l ißv ersU\11dnis.sc11 vorbeuge11, die icll an
die "·on uns gebraucl1tcr1 AusdrUcl,.c ltnilpfen l,ö1\ncn. Sclbstver Uind-
lich ist e:-, daß das \1/ort ,,intensiv' ' in diesem Zusanimcnha nge nicht
:rlur die qualil~live sonclern nuch ,j ie <tuanlilalive l'\Ja1lnigfaltigk:ei t.
bezeichnen soll, die un jed<: cir1zeli1e, ,ver111 auc:-11 nocl, o kl "'i.ne, art~
schat1JjcJ1e \Vi rklicll,keit darbietet. z,var ist es bcllc11klich 1 ein \Vorl, in
einer Bedeutu1lg zu gcbrauchc11, die ·ich mi t der lu•rkör11111l ir l1cn
nic ht ganz deckt, aber a.nllcrc J\ u:;clrücl<e, cL\\":t äul3crlitl1c t111d ir1ncr-

ü1g1taltzado por Goog e


..
- 34 -
licl1e i\lannigfaltigkeit, die ,,·ir l1ätten \Vti.blen kön11en, scllienen in
andc.rcr H insic~ht o.icht ,,·eniger bed enklich z.u sei11. J eclenfnlls ha11delt
es sielt dabei nur um eine t er1r1 inologische Frage. vVas gemcinL ist ,
,viJ'd nach den vorang<'gange11en Ausfü hrungcr1 nir ht mehr mißv e r-
slariden \\'erden.
Ferner n1iis en wir ausdrücklic'h hcrvorl\ebcn, daß die Begriffe
extensiv u11d intensiv in diesem Zusammenha.nge relativ sind. Icll kann
dieselbe l\lannigralti0 .k e it so,,•ohl a ls extensiv als auch al intensiv
bczeicl111c111 je nacl1de1n ich den betreffenden Teil c:lcr l{örper\velt
a ls aus m ehr eren Einze ldin~eu b estehend oder als ein eit1l1ciLlic.l1es
Ding ansehe. In dem a ls ·e in Ding aufgefaOLc11 wrneuhin1n1cl z. B .
n:1uß ich die v erschi edenen \1/ellkörper sei11e inten ive ~fnnnigraltig-
l<cit nco11cn , kann abe r aucl1 den Anblick, der sjch lnir bietet, als eic1e
extensive !\rla1mi<,faltigkeit v on \1/cltkörpern aurfasscn, v on denen
dann jede r einzelne \vieder eir1c intens ive N1anr1igfaltigkeit. besitzt.
J a, es ist eine Betrachtung der \\1irltlichkeit de11kbar1 bei der der
UnLerscl1ied vo11 exte11siv u nd intcn. iv ~einen Sinn g,1nz zu v erlieren
cl1eint. Fasse ich die l{örpenvelt als ein cin1.ige. einheitliches Ding at1f,
so ist il1r gcgcnü.ber nicht mel1r vor1 cxtc11si,rcr so11c.Jcrn nur r1ocl1 von
intensiver ~'l an_nigfaltigkeit z.u reden. D och i l es klar, d aß olche
~löglicl1k.ciLcn der AtlrfasAting nicl1ts an eiern änttern, \,•as für 1-1ns von
Bcdeulu11g i i, r1ä111Jicll 1 daß ,.vir uns der an ·cl1aulicllrn l{örpor,ve lt
geg,e11über Ztlll1 mitlde t..en imn1er vor ei11er u11Uber-sehbaren i11Lcnsive.n
~la111ligfalt.igkejt befir1•<1en, die so, ,vie . ie ,vir·klich ist, iit kf ine abbi1-
dcn<lc Erkenntnis eines endlichen Geistes einzugehen v crrn.a,g.
Et\vas größere , ch,v ierigkeiten dürfte jedocl1 v icllcicl1t, <Jic F crn-
·haltu11g eines ande rn l\l ißverstä11cb1is:,cs bereile11.. \\ ir ha be11 die
nOllersehbnrk~it der \Virklichkcit au clrückli cl1 mit ihrer Rä u111lich-
keit und Zeitlicl1kciL in \ Tcrbinclt1ng gcbritcl1t., ttnd "''ir rr1t1ßlen t.lies>
um zeigert zu körlne11, daß j e der l{örper ir1 seine r i\.l ar1nigfalligkcit
u11crschöpflich ist. Da könnte n1an nun ~ag~n, es „e i hier eine Ucl)cr-
. tragu ng der v or\ <lern l\'f i.tl,hemntikcr . ogena11ntcn ,,Uncndlichkeil14
vc>n R uum uud Zeit oclcr ge11a11er i,o,vo hl des Begriffes vor11 uoencllicl1
Großen als al1cl1 vorn u11c1ullic ll l{ leiner1 a uf die i n. Rau111 und Zeit
vorhftnde11e etnpirir;che \Virk.lichkej t v orgenolnmen. und eine solche
L cberlragu11g sei un 1,u läs;;jg. Die qu n 11 li La live · 11e11cllichkeit n ~itr1lic h,
vo1) der in der ~laLhcrna t,ik docl1 allein geredet \Verden knrtll, sei 11icl1Ls
\\iirklichcs sondern le<ligl ich das Produkt b('gri(flicher Ueberlcgunr.ren.
Ji:~ har1dcle .s.icl1 besonders bei d er inter1siven Unübe1·schbarltcit. ei11cs

0191 lt ado por Goog e


- 35 -
I{örpcrs nur un1 die i\föglichkeit, jedes rä.\1mliche und zeitliclie K onti-
nuum a ls aus einer unendlic hen l\1e11gc diskreter P\lllkte z-usamn1en-
• gcsctzt zu denken. Daß d.agegcn diesen Punklon au ch et,vas Realos
in der K örpenvelt entspreel1e, und daß daher die ,virk.liche J{örpenvelt
selbst a 1s eine unübersehbare ?.lannigfaltigkeit angesehen ,vcrdcn
rnüsse,. sei eine ,,1 illkürliche An11a hme. Zt1m mind eslen l1ätten ,vir eine
1

Eigentümlichkeit der I{örpern•clt, v on der ,vir bei tinserer Begriffs-


tl1eorie a u s g e 11 e n "°-,ollen, d11rch eine begriI!liche Ueberlegung
selbst erst. ge:scl1a(fen und damit von v ornherein die empit·i sche
Realität umge\.v andelt.
In einem ge,vis:scn Sinne ist diese letzte BchaupLung richLlgt und
es karu·1 auc}t gar nicl1t anders sein. Solange ,,,ir die ,virklichkcit r,ur
anschauen oder „erleb en .. , ohne irgencJ et\vas von jhr erkannt zu haben,
,v i s s e n ,vir selbslv'ersLändlic l1 auc h r1och n i c lt t s von il1r und kön-
nen d a ller aucl1 nicht v on ihrer Unübersehbarkeit sprechen. Erst
,venn , ...ir dnrauf rcfle kLi~ren , daß du ,, ,vas ,vir erleber1 oder s.nschul1en ,
crka.n1.1.t ,verden s-011 1 kann uns . eine exlensi,1 e utld inten ive ~lannig-
falt.igkeit zum ausdrücklicl1en Be,v-ußtsein kon1rnen . ~lit mnthe1n::1-
t.isel1er tle11dlichkeit ist j cdoclt diese U11übor~chbarkeit. der \v'irklich-
keit, d.aru1n durchntts nic11t identisch . Freilicl1 beriefen ,vir u11 s, u1n
nachz:u,veiscn, daß wir nie imstande sein ,verden 1 die gegebene l\,{annig-
faltigkcit zu erschöJJfc11, a\tCh at1 f die ~löglicl1kcit1 jeclcs rä,1rnliche
t1nd zeitliche Gebilde immer weiter zu zerlegen , denn ...o allein l<.önncn
wir ,,on a ll er \Virk licl1l<.cit in Raum uncl Zeit zeigen, daß sie unü.ber~
sehhar ist. So a.lleit1 bleibt. unsere Behauptung vo.n de r U uül>erscl1-
barkeit des , ,v irkJicl1en nic ht eine unbegründete Bel1auplt1ng. Doch
rnuß hiervon cb•cr1fa lls sorgfäl t ig cJi o l feberlcgt111g getrennt. ,,. rdcn,
daß jedes rau,nli che und zeiLli clie J(onLir1uuln als aus ejncr ur1en<llichen
~(enge <Ji kreter Punkte zusammengesel zL :iu clenkcn sei'. Da geht
utts in diescrn Z11samrr1.cnl1angc 11och ga r nicttt.s 3 11 . ' '' ir k onstatieren
lediglich, daß ein.o er chötlfcn<le Au ssage über die in der \\lir.k'iichk.cit
vorhandene rä11n1lict\e uncl zeitliche ~tan11igfaltigkei t für unf tln-
n1öglich ist. Da1nit köt1ncn \\~ir uns begnügen . ~lag aucl1 di,c rcber-
zeugung v on der Lr1attsfi'1hrbarkcit einer crscltö1, fcnd e11 Darstellung
mit dem \Vese11 des Rau.n1e - und der Zeit i 11:iQf cr11 zusan,n1enhilnge11 1
als die l{örricr,velt eine im Raum be finclliche und irt der Zeit sic h
v crä 11<lernde Wjrklicl1l<cit ist, so llluß doch clas an der Kört)er,,·ell,
,va uns unfül1ig macht, d iese Wirklichk:cit uns in ihrer gtt 117.en :\t a11nig-
faltigkeit zum ausdrü cl{licl1cn B c,vuOtscin zu brinn-c11, von cle1n Be-
s•

D191, h,ado por Google


- 36

griffe eiI1es ir1 r1ncnd lieh vie)e 'l'ei le zerlegbaren l{ontinuums 1 ,,,ie die
Mathen1atik ih11 bildet, streng geschieden ,vcrdcn. J a, ,vir können
geradezu sngcn daß unser Begrifr der \'1'irklichkei t u11d der mathe-
matische Begr iff, \Yie später noc h kla rer ,verdcn ,vird , in ei11ern G e g e ri-
s atz ztleinander sl.ellen. Eir1 m ath.emati ches Ko11tinuu1n, ,..,.ie der
R.aum oder die Zeit es ist , is t h o m o g c n und daher girr nicht in dem
angegebenen Sirme ,,unübersehbar'' \\'ic die Wirk.licl1kcit. Das,
,,·as u11s Zllm Be\\'l.Jßtsein kommt, ,,·enn \\'ir a n die abbi ldende Erkcr1nl-
nis der in Raum und Zeit befincllichen \\' irkl ichl<.eit den ke111 bc teht
-0a1·in1 daß <lic&e \Virklicl,keit nn j,,dcr teile u n cJ e r s i t a l.:; a 11 jeder
nt1d ercr1 1 und d aß \vir daher nie \,·issen , ,vievicl des Neuen und lJ nbc-
kanr,ten sie u ns nor.h zeigc1t \Yird. \\'ir Jiör1r1en rlas \1/irkliche <lc~l\a lb
in1 nt.et·-chicde v om u11,,·irklich.en matl1cn1otiscl1en homogcnc11 l{ou-
lint1um auch ein li c Lc r o g e n e I{ o n l i n u u m neonc11, t1nd
Jediglich mit (lcr Unmöglichl~cit, ein olche,_ l(onlini1um so ,vic e ist,
erschöpfc-nrl zu er)(crinc11, halJc!r1 \\·ir es hier zu t.t1n . • o lange ,vir
un tor der l'niibcrschbarkeit der \Vit'klichkt~it nicl-1ts ,,·citcr als die.
für uns u11crschöpfl)are a nschaulicl1c 1\-lannigfa ltigkeit trnd damit il1re
11
. 11.Irrat.io1lali Uit gegc11übcr den1 ' 'ersucl11 sie rc~,llos n,it dcr11 \ 'erst..1nde
zu durchdring('n. , 1ers Lchcn , ._ind ,,·ir gegcrt jcdcrt Ei11,,·ar\d ge::-ichert,
•der urls vor,,·irrt, dnO v;ir den ,,·isse11:;;cha(Llicl1cn Begriff zur I~ösung
einer Aufga be bc~t irnrn cn , clie seihst er:-t durch eine clie \Virklichkcit
11mg"staJtc11cJe bcgriffli,.!hc Bearbeitung crtls tar1cler.1 ist . ur a11 der
Ol111111uchl u11scr~s Intellekte~ u11d an tlcr Unat1sfü.h rbarkcit eines auf
das 1\ bl, i ldc11 gerichtet en J~rken 11lnisslrel)('.t\ bri11ge-n '"•jr t1 os cl ie
ie braucht in
die. err1 Gcclnnl(cnzusom1ncn h:,ngc nur a ls das ,,ohjPkti\•e' ' GC'gl'!'n-
bild un.·ercr U1ifä higl{cit da r~csLcllt zu , vc rdc r1, \vic c sich auch
son:;t r11it ihr \ '('r}aallen rnag 1.

1 .o\.uf IJil' inll•re l'- Olllf' l· rO.f!'r, <Ji<• R, H O n i g ~ w ä l d i11 1-ci11,•r ,.\ hl1a11(l-
l unl-{: .,Zur \\' i:,;en !<cliart~l hcoric und -~)'!'> Lt•nia l ik n, i t. bc::-:ond,· r,•r ft Octc,..ichl
auf H eluricb Rickort. Kullur,,•i:'Jc 'Cn$chart und ~ a t ur,\•I s1•ns cho rl" aur~c,, orfl•n
ha t, ol> nl 11in Sa lz v on tler „ hel erogHnuo l( o n tinuilill" de.s \\' irkliciht•n nur die
logi:..cho Valonz oln o- E rn p e i r o ru s habe, gelte ich o n dit•st•r teile al;sich l•
lieh n i-r ll t oin . . lo \\10rd o nur i111 Zu.s11 rnn1i:!n hun ~e n1it d e in olJl'I\ 5. 31 bere it_
a L>;c,vie cn•e o P roh lo111 d~r , .ohjekli\·f'n \\.irklichkcll" zu bl'hn nd<'hl Rt•in, und
ic h lca nn ei ne E rOrl~ruug hier uul so nlehr unt.e1·l nss1•n, :alii. [iö11i~~ ,11altl se lber
h L'i-vo rbeL t, e d llrfo „ kt1ino Rci.Jo 1.h1 von $Cln .... . , d o U tlic an;t~d cutelcn Fo lgPn
eor l~ickort sclb::- l irg ,•n<l "·ie bedenk.lie h ,vo1·don könnten«. Sirhc: l{an t~tudi•~n,
ßd . X \ ' 11 . 191 2, S. 70. 1\11 d c ri.•11 Ll ,~dcu kc•n. dil! 1-1 o u I g:, \\" a I li gl'g:<1 n m t•inc·
.--\ n~ichtl'n <'r hclit, ,vorde ich l"b,·n ral ls 1111r n1 il R ach:~ich L auf rnrin,·n Ot•grif!

ürg,t~hzado por Goog e



- 37 , .
J etzt ,,•e11den \vir 11ns der F.1;agc zu, \\·ie die Uebcr\vindung der
extensiven Utld der intcnsi\rerrii~~igfaftigk~-it.ciurch die ,visscnschaft.-

Licl1e Erkenntnis trotzflem zusta1l(le J,ommt. \Vem1 ,vir das \1/irklicl1e
irrational gennnnt llnben , so so'll das nic ht bcdcutcn 1 daß es absolut
irrational ist 1 sonder11 daß es lcdiglic~ fiir einen Verstand, de1· es ab- ~
bildend erkenncr1 °""ill, sich als irrational d arstellt. In anderer Hinsicl1t
muß es icl1 rationa lisier e11 las e111 ,,.,enn Erkenntnis davon überhaupt
t11öglich sein soll. · 11d n.un können ,vjr ,vei t.er gehen und sagen : die
Erkcnnt.ni ,vOI'de niemals n1öglicll sein,. ,ve11n ,vir irn ,vj g "enscl1aft-
lich ,ioch ungc~chulten Zusta nde nur J{cnntnissc besäßen l deren Be-
deutung da rin aufgeht, daß sie sich atif diese oder je ne einzel1-1e
Gestaltun.g der l{örpenve.lL beziehen. Das ist aber nicht der Fall.
Lange viclrnchr, bevor ,vir an eine ,vi · e11scl1aftliclle Erforscl1ung
gehen, besitz<:n \vir \Vorle, ·1nit de11er1 \\'ir 11icl1t n\.1r je eine einzelne
an-chau]iche Wirklichkeit sondern auch eine l\f ehrheit , •on ihnen
zugleich bczeichr1en können. Die \Vorte kann Jl1an insofern a J 1 g e-
n1 e i r111.erulen 1 als ie jcl1 au[ alle die v erschiede11on Objekte der ~lehr-
l1oit b eziehen . D och st ccli.t i11re Allgemeinheit nich t in dem J{lange
des \i\' ortes selbs t , de1111 er ist ja, rur sic h be Lraetit et , j edesmal ein ganz.
individlteller akustischc.r oder optischer Eindtucl<, u1ld der extr,en:&e
N ominalism11s, der das Denl(en mit dem precher1 jdentif.izjeren
I
n1öcl1te, verdient scho11 aus die ern• Grunde lccirle ,veil.ere Widerle-
. '

gu ng. Es 1nuß vielmehr Zlt den einzelr\en Lat1len oder Laut:komp le-
x en, die da ,virkliche \\ ' ort ausn1achcn I u11rl die ,vi r hören, oder z1c1
den \Vortbildern , die \vir sehen , n oclt et.,vas a11cl rcs hir1zt1treten,
d. h. ,Jie W orte mO ~en nllgcmei11c B c li c u Lu rt g c n l1<1ben 1 die \'On
uris versl a11dc1t \Vcrdctt, und nicht au f die \Vor Le ond('rn au f die n1it

ihnen , rerk.nüpften allgemeinen \\1orlbcdcutur1gc1t ko111m t. es l1ie1· an.
Sie sic1d es n ämliclt, in dcner1 scho11 das vor""issens<>ha ftli chc Denken
ein ~lit.Lel hesit.zl, mit eiern es 2.,var r1ocl1 ni cJ1t die ·11über3ehbarkcit
der l{örper,,,.cl t \visscn schaftlic h Z11 iiher,vii1den 1 ,,·0!11 ubcr ei nen Teil
ihrer extensi,,en t1nd intensi,,,e11 ~1a1111ig fa ltigltcit ir\ hohen1 )l aße zu
v •rcinfach c11 u:rid cla<lt1rch ztt übcr ehcn in1slande ist. Die exten ive
0

• •
)1anrtigfaltigkci t d ~r t1 ns ·1.1n1gcbcnfle11 \Virklichk.eil läßt :;ic h tladurc~1

J verringern, daß ,,·ir mil eine1t1 bede11Lungs"•ollcn \Vol'tc eine \ 'iet-

• rlPr objrkl.ivt>n \\.irklichk•·il. und die Untcr,-clicidung ,·on l, 11n,- liluli\'l•n lind
1111•lhod0Joi:ri~cht>n Forrnrn gc-1·ceht " 't'rd('r1 t,onne11t Jif' ich iJ, 1111•inr 1n Buch
,a ber d en. G11gc11:- lnnd der Erkl!nnlnis chtrg(•lt·gl habt•, untl. ~ie n1(b,,r•n llab,~t· hier,
\\'O !eh n1i r,h .iur die n1r:lhodol()gi..chcn 1: 1,1Jtf•n bf's~hri)nkc, unerörlerl bleibe n .

D1911 11,ado por Goc,gle


- 38 -
heil vo11 a11scbaulicl1en wirklicl1e11 Dinge11 zugleicl1 auffa se11. Die in-
tensive ~1a11nigfaltigkeit jedes einzelnen ,virkliclien Dinges \\'ircl
dadurch über,vunder1, daß ,,,ir, oh11c uns das Ding seinem gac11.en an-
schauljcl1en In.l1alt nacl1 . airsdrücklich "~c·rgegc11wärl1gL z~ i1abeu,
,vas unmöglict1 \\'äret es doch mit Sicl1erheiL einer Wortbedeutung
unterordnen. Wir nehmen al;'o durch die \Vortbed eutung mit eine1n
Schlage den lnl1aJt einer i\·l et1rl1eit von an cl1au lichen Gestaltungt>n
ge,\·issermaßen in uns auf, und ,vi r b ilden doch 11ur einen k leinen 'f eil,
,•iellcicl1t sogar nichts, von diesem· ' llnilber et:ibaren 1na11nigfa.lligcr1.
an chaulicl,en In halte dabei a.b.
\Vas •d ie ,al lgemeinen \.V ortbcd "ut ungnn eigentlich ,,sind'', und

,vorauf ih.re Fäl1iglceil 1 die \Virklichkci.t v ereinfachend Z"tl übersehen,
beruht, danach fragen "''ir l1ier zunächst nicl1l. Daß diese Fä hig-
keit vorhanden ist, oder daß die Wortbedcutm1gen das leisten , ,vorauf
es hjer ankommt, davon kann jeder in jedetn Auge11blicke ich über-
• • •
zeugen, und das knr1n vor läufig gcnüge111 da al lein il1r Leistur1gs-
bcgriff in Frage . tcht, Nur eine Ansicl,t über ihr \Vesen müssen ,vir

ausdrOcklicl1 zurücl{\\-'Ciscrt. Ebenso ,,•aie sio nicht mit d em wirklichen
\Vorte zusamtner\falle1t, si11<l sie at1cl1 vorl dein 1>sycl1ischen Sein zt1
u11terscl1eiden1 durcl1 clas sie gerrieint oder vcrst:an.den ,verdcn. Sie
selbst könn en Clberh aupt kci11 p )'Chi~cl1cr V•organg in ei nem reale11
crJ,ennenden Subjek.Lc sein . Das geht schor1 darnu. hervor, daß si ·
.sonst ebe11~0 of L '"irklicl1 vorha11dcu sein rn ü ßten , al orkcnrtc11rlc
u l>jektc ie verstel1en od•e r n1eine11. olch eine rea le Viclh"it der
vcrst,a,ndcn cn '\' ortt>cdeu tung a ber gibt es nicht. Die Bedcutu1'lg, die
eir1 \Vorl l1at 1 i~L vjclrncltr, ,vic oft. sie at,ch gcn,eint oder versl,anclen
sei11 1nag1• ir1 cinPm sinnvollen SuLzc i1n1ncr 11u1· ein und dieselbe, tind
die e jdenLi ·ehe Be,louLung allein r11eit1en ,vi r, ,venn ,,1ir . agcrt, duß in
ihre11t J11l1alt drr I11lialt. der ,virl,lichcn ~l:1n11igraltigkeit hcrcils v,1r-
ci1lrncht ist. \:Vie ps)·chische Vorgtlnge, clie cl1cnso ''"ie die ,virl,licl1cr1
\<Vorte swts i'l1div,iduelle ur1d unübersehllttr 1nar1nigfallige \\rirk1iclt-
kcitc11 sir1d, logi cl,e . llgen}cinl1cit besitzen un<l die ~Iannigfalligl<eit
der l(öt·pcn,·clt vereinfachen ollle11 1 ,väre überhauJ)l nicht einzusct1cn.
Das Ncgotive also steht jedenfalls fest: \\·orLbedcutungcn in<l '"<'der
,virklicbe \Vortc noch p. ycli ische R ealiläten des ~l ci11ens oder Ver-
stehen .
Im 1\ nschlt1ß hicra11 lä lJt sich I\OCh ci11ern l\liß\'Cr- tänclr1isst• , ,or-
be11gen. )1ar...h t .111a1\ ~icl1 11nr1,l ich auch nur dies . Iegative der lüt;iscl1e11

Gvl>ilclc lilar, so ,virtl T1lnn unsere 'l'ltco•rie der nat\1r,\·i)'l:-cnsclinfLli ~l1en

D1911 11,ado por Goc,gle


- 39 -
Begriffsbildung, die von der Vereinracl1ung des gcgeher1e11 ,virklicl":ien
~lateriales durch die elementaren \Vortbedeu tungen ausgeliti njcht
1

1nit heut.c \\1 eit, verbreil-eten An icht.en ver\VCchseln, die ·ebcnrans \Vert, • • •

at1f die Einfa cl,he it des Begriffsinhaltes legen . l\fan 1,at bekanntlic h
d a moderne Al}l1ei}mittel des Danvinismus auc h zur E1·k lä rung der
logisc·h en Al'igerneinl1eit des Begri[fes ver,,.·enden ,vollen , und es mag
11un ricl1 tig ein , d a ß die Ve reinfachung der .\ \' irklicl1k.eit durch dn.
• t .... ~

Denken die Orientierung in der W elt erle1ct1tert, · Ro daß al o der


Besitz v on allgemeinen \\' ortbede\1tungen in •d er ·rat zu einer ,,,icl,ti-
11 ~ P l

gen.... \Vaffe im Ka.m pf un1s Dasein ,verdcn kann. Der sogenann te


Pr-agrna.lismus, der au( diesem dar,vinistischen Gedar1l<en bert1h l ,
würde da nn e benfa lls init R echt sagetl, daß der \\1ert, den <lie \\i'orL-
bedeulungen haben , darin l1e: lc ht., daß sie die soiist \1nülJersehbare
0

anschauliche ~fa.nnig faltigkeit über,vinden . \ ror1 einen1 olchcn


,,praktischen'' W,e rt der \Vorlbecleutu11gen rcdect ,vir hier jed oc h gar
1tich.t . \ Vir betrachten sie vielmehr als logische, al o rein t, l1 eo r e-
V (1

t i s c h e Gebitdc mit Rück icht darnu.f, dHß sie irn Dienst clcr Er-
ke1111tni s tehen. u11d wir ,vollen nur zeige11, daß 111it j ecler Erkenntnis
eine Verei11fachung der an chau.lichcn Wirklichkeit verknüpft sein mt1ß,
\Veil ihre u1tübersehbnre ?t1annigfaltjctkeit i11 keinen Begriff ei1,geht.
Die \ ereinfacl1u11g als solche ist da her aucl1, '-\'te sie h spät.er gen.auer
zeigen wird , noch nicht das logische Gut, clo. ,,·ir beim Erkenrten u-
ct1en. Diese ka11n nttr in dern stecken , wa ,vir a ls theoretische G e l-
t u n g de r Begriffe spät.er zu e rörtern ha be11. 11iL cle,n ,vissca c ha (L-
:Jichen Begriff bringe11 \.Vir dje , i\,'or t betleutung hier nur cles,\·cgen in
'\··erbir1dung, ,,·eil in ihr icl1 bereits eine Vereir1fachu11g , ron der .,\ rt dar-
st ellt, daß sie geeignet. ist , 11m als l\1it tel (lern z,,-ccko tl cr Erl<e1u1L,1is
Zll dienen. J ed er Gedat1ke a n irgend ,velch<:n ,,Nutz(~r1" , den dic:-c . , •

Einfacl1!1eit. d ~.s Erkc1111.t11h,it1l1a ltc. besitzt liegt d·en logh;r hc·n U chcr-
-
legu11<Te11 also vollst.:indig ferT1. .Zuglcic1, frei lich läß t sich in diC!)ctn
. • • , . t '•
Zusammenhange auch vcr:telic1,, ·,,·e!:.halb d!!r sonderbar,, E111folJ, tl1c
theoret.isclt.e \\lal1rl1eit. der Erl{e11r1tni · . ci pragrr1alistiscl1 11\.il ihrer
. .. • _Niltzlichkcit z:u iden tifizieren, für mcl1r als einen r.hcrz geha lten
\\.'Orden i. t. \ Vir rnüs"e>n SO \,·ol1l in1 l ·h eoretischcn als nuc h i1n pr:ik-
tischcn In t cresse der Ori.e u ticrt1ng d ie \\1irlcl ic}1l{ei t , ~rcinfac heu 1
0

uncl bei ei11cr \lenveclts lung <l<'r bci<i en i\rtcn v on \ 'erci11rac hung
.k ann der Gccla rlkc aun,01nn\tn, es sei die nütz.liehe \ ·ercinfa,·hu11g,
die im Dienste des pral<t isclicn Lehen steht, sr ho11 l hcorC't iscl1c
Erkenftltiis . Abgesebe11 vox\ di l5Ct le'it hl zu <lurc hsc haue11c.l<'ra \ "cr,vcc l1s-

ü1g1taltzado por Goog e


- 40 -
lung aber haben unsere Ueberlegungen mit irgend einer de1lköko,n o-
mischcn oder pragmatistischen 1 ,Erkenntnistheorie" nicht das Ge---
ri11g ' lc zu Lur1.
So]aogo die \'crcinfacliung der körperlicl1en l\fannigfaltiglieit
dt1rch die Wortbedeutunge11 lediglich vo11 ei11em nicht d urch logische
Ziele geleiteten Dcnlcen v orge11ommen \vird , geht ie uns l1ier überha upt
noch nichts a11. \ cr-.,,cndet man die "''ortbedet1tt111g däg~gen zur \Visscn-
~chafll icl1c11 Erk ·11nL11is, ·o habc11 ,vir daril1 die pri11tltiv t,e F orm, ·.
. die ,vir al die dem natunvissen.i,c haftlicbcn Begriff . eigontün1li~lte .
Lei. t1111g nnsehen ,vollen : er v,ereil1Iael1t die \>Virklicl,keit 11n<l bringt
dad urc h il1re .i\1a1111igfaJtigkeit in ei11e Forrn, in der sie in ttrLScre E l'-
kent,t;ni einzugehen vcr.tnag. ln <Jjcscr LeisLung erfasse11 ,vir das
allgemeinste logisc he 11 \Ve e11' ' des primi.t.i,•e11 n atur,vissenscltaft-
lichcn Begriffes.
~iit der1 Ausdrilck --11 der traditionellen .
Logik l<.örmen ,vir die
Leis t.ung auch so charak terisierer1 : im m f a n g des Begriffes ,\'ird
,Jie extensive, in1 l n h a 1 t die int.e11si vc ~Innnigfnlt.igl-.ci t des gcgebe- .
• • • '
, • n.• ,

non '"'·irklichcn .i\latcrials über-.,•u11dcn. \\'a unter der · eber~:vindung ' .



del' extensiven ~Janrugfal tigkcit du rcb dor1 Cmfa11g zu verstel1cn ist, •


}:>edarf v.·ohl kci11er 11ähercn Erklär1111g 111cl1r. '"' os die Ueben,rindung

tler in.l,ensiven l\1a11n ig(altigkcit durch den Be1:,ri·if{sinha lt. bedeutet.,
kann n1an sich , ·ielleicht .nicht be::ser klar mach.cn, als ,vonn ma11 das
VcrhalLcn de. \ \.·i ~. cn chuftliche11 ~tcnschen mit dcrn vergleicl1t, dns
der künstlerische l\1enscl1 der körpcrlic}1e1t \Virklichkeit gegenüber an
den 1"'ag legt. \\i'ir haben dabei in bc.so11dere den bildenden l{ünsLlcr
i,n .t\ ,1ge 1 . Er hart.et rr1it seit1e.1n 11,tcres e an der ru,schauliclic11 Ge-
staltung <ler Dinge. Au cla er fühlt s ic~h der ~I ar1nigralLigkcit der A.n -
, .
schauur,g grgenübcr ohn r1.1ächLig, ein Gefühl, das jeder kenntt der
ei11mal 11acl1 der Natur zu zeichnen at1ch 11ur versucht hat. Aucl1 or·
,vt:iO, daß die Ai1schauu11g für ih11 u11-crschöpflicl1 i sL, t1nd er 1nuß
sie ebenfalls ,,ereinrachcn. Aber es bleibt für ihr1 z11glejch clocl1 imn1er
die A11Schauu1}g, ,lie er festzul u1Jt.,c r1 , ja ir1 sci11er \ Vci ' e gest altend zt1
e11l,\v1cl<t•l11 sucht. Er glu11hl, , ,it•llr- ic,h t sogar, !-icl1 seinem Ziele 11111 so
mehr z11 ni.ih e1·11, je 011, hr er sjch 111 die .A.r1:;clial1u11g el b t ver lieft,,
u1.td ,veru.:i at1cl1 das Prc,<l, tk:t sei, 1cr Bc111u h url"CU schließlich oft ci11e

1 \ ~I. die ;-rhr inlt•rct-:--aute n cllriflr n von Co n r ll ,;l J.' i. o d l c r : t.:<•bt:r


t.llc lll' urtc-ilung \'OJt \\·c rk1•n der bi ldPn1ll"n I{ un ... t, 18 'i 6, und: Der U rt-pr ung
d('r k011 :-( Jcri:.C h(•J1 'J'::itigkc!il, 1 887 . \\"ic:di'r ullg 1•druc kl in: Scltrifl('n Ober l 11n~t.,
herau,~. von ilons ~lt\rhocli, 18 96.

D191, h,ado por Google


- 41 -
). " ~ .
außerordentlich große Vereinfachung der Anscliauung darstellt, so
muß es docl1 immer eine anschaulic'hc Vereinfachung sein, um die
es sich für ihn handelt. Als gelungen wird ein l{unst\verk nur darlD
-.~ ~ • 1 '-

gelten, ,ver1n es ,ver1igstens den Scl1ein des u11erschöJ>flichen Reic~1turus


·· \1ervorruft, den die Wirklichkeit selbst an jeder Stelle besitzt, und

• d och zuglcicl1 dicson unerscl1öpflicl1en Reiclitum in einer g-e ,vissen

'. Hinsicht übenVl1nden hat. Ganz anders d er wissensc haltliobe ?\lensch.
, • • Bjs zu einem hohen Grade sind ihm die Einzelt1eiten. der anscl1aulicJ1en •

' .
Gestaltung gleichgültig. Alle; die nicht kf111stleriscl1es Interesse

an der \Virltljchkeit 11ehmen, \Vis en von der ar1schaulichen Gestaltung .'' . ..
,' •

selbst der Dinge, mlt denen s ie täglich umgel1c~ meist überrasch-end
wenJg. Nur soweit praktische Bedürfnisse dafür vorhanden sind, • • •

merken sie darauf, und d.e r \\1issenschaftliohe l\'lenscll hat das alJer- ,

ding-s mit ihnen gemein, daß nicht die An chauung als solc.he für ihn in -. •
Frage komznt, so \Veit seine Beobach,t ung sich aur sie auclt 01-strccken,

und so viel Uobekann.te-s und Neues er aus ilir auch zutage fördern •

m ag. Vielmehr ist eben!olls ein Bedürfnis, ttnd z,,·ar do s theo reliscl1e
Bedürfnis nach E rk.enntnis, n1aßgebend für seine 'f'eil11ahme am
Anscl1atJlicher1. Er verläßt dat1er die Anscl1auung 1 sobald or sie sich
so,,•cit ausd,r ü-eklicb zum Be,,1ußtsein gebracLt bat, daß er sich über
ihr V-c rhältnis zum . Ii:1halt seiner Begriffe klar zu ,vcrden ·vermag .
• • •
Er muß einen rviaßsta.b dafür hab.cn, ,vann er djc A.n schattung ver-
., . . . ... . ' .- ...
lassen, d. h.. in ihren Einzelhei ten unbeachtet lassen darf. Sonst
.
wür·de er mit, de1· Untersuchung aucl1 nur eines einz.igeJl Obj ektes
" ,,. . . -
,vegen dessen"ün uber-,sehbarer ?\.fannigfalligkeit niemals fe1·tig ,,•erden .
Ohne Begriffe irt dem angcgebene11 Sinne ,väre also eir1c Erkenr1t-
1us selbst der kJeinstcr1 und citlfacl1st.en körpetlichc11 "\VirklichJ{cit un-
möglicl1. Begriffsbildung, d. h. \ fcn vendung der :clligemcinen Wort-
bedeutun-ge11 zu einem logischen z,,,eck, ist not,vc11clig verkr1üpft
mit jed em in \Vorten ausdrückba1·en Urt..eil Ober Llie \Vir-kli ch ke:t . •

Der Gedanke an ei11e unmi ttell>are oder ir11 st re1tge11 • inrte „iutuiti,,e''

Erkerw.tnis im Gcgc11sat.zc zu1· begriffl ie1Jc11 ist (lahcr als \\"idc1-siunig
..
t .. " •

• ' von , 1ornh-erein abzulehnen. Bloßes Anschauen oder 11 im Bc,,·ußL- ....
• •
• sein habe11' 1 ist uni.er keinen rns tönd cn sc-hon Erken.11en , so sehr
• ••
die e ß egrif!e a.ucl1 , ,011. der älteren und neueren Philo"opl1ie d11rchP. i11- •

at1dergerncngt '\Verden mögen. Es gibt allertlir1gs U rLcile, die sich


auf ejnzclne An"chauungcn beziel1er1. Vers tändlich aber sind sie
nur, ,vcnn sie vor1 hin,veiscrtdcn Gebärden begleitet ,verdcn 1 ,ven1t rnan
also dje gemeinte t\ n :;chat.1ung direl<t aufzeigen ka.nrl.. J edes rt-0il, •

D191, h,ado por Google


- 42

das fü t· sich verstündlicli ist - und die Urteile, die wissensel1aft-


liche Bedeutung l1aben sollen, müssen dies aus11ahmslos sein .:- ver-.
. ' ✓) ......... •••

v.rendet allgemeine logische Gebilde, in d onen so,,·ohl eine Anzahl v er- •

schiedener Anschauungen zusnmmengefaßt als auch immer nur ein


...1;~ 'o4•f' .. .., 1/' ✓

Tei_l• des Inhaltes der zusammengefaßten Anschauu ng el1thalten is t 1 .



• •
Der Umsta11d 1 daß es Urt,cile gibt, die sicl1 nur auf ein einzeln es Du1g
beziehen ,v o l 1. e n, l1ebt diese Bohaupt.ung ebenfalls nicht auf.
Eine Vereinfachung der \1/irklict1keil liegt aucl1 dann vor, wenn mit
Hilfe der \Vortbcdctitung das zt1sammengcfaßt ,vird, \\'as e 'i n ,virk-
liches Ding an Ma11nigfaltigkcit in verschiedenen E i n z e I a n s c b a u-
r .
u n g c n unter verschiedenen Ur»stär1d en darbietet. ,Ja 1 sollte so.gar
mit einem Wo1·te r1ur eine einzige, vollkommen individuelle anschau-
liche Gestaltung der \VirkJjch.k eit g e m e i n t sein, so \Vü rcle das
Urteil, ,venn es o hne eine auf die bet~~ir~n:d~
Anschauung hin\veiscncfe ...
Gebärde versLar1den ,vcrden soll , doch a us allgetnoin,en Begriffen
bestehe11 und ltönnle nur durch eine bestimmte I{omhi11alion von
t ..
Wortbed eutungen dazu auffordern 1 an eine einzelne ,\·irkli.c }le An chau-
ung zu den ken 2 • Die -~-nschauung selb. t aber wi.irde auch gegen-
über dieser Kombi nation v•o n ,,1or tbedeut.unger1 i1nmer nocJ1 ein un-
übersehbar großes..
.Plus
. , . . ~-
an Inha lt besitz.en.
. l·licraus ei·gibt sich dar\n auch sogleicll, daß die allgc1neinen \Vorlr
• bedeutunge n für j e d e denkbare \vissenscha[tliche Begrif[sb.ildung,
also njcl1t 11ur fill' die rlatu r\\·issenschaftliehe v on Bedei1tung sein müs~
sen., und dn · hat selbsLversLät1<llicl1 für die Metl1odenlcLrc jeder Wis~cn-
sc hn ft eine critsc hcidende Bedeutting. Auf die l(onsequenzen jedoeb,

die sich daraus filr die Be.gr-iffshildung in der Ge chichte ergeben,
kommen \\'i1· erst i:!päter. J-Iier bra11chen \Vir auf die Fälle, in denen eine
oi nzcl11c inrlivicluelle \Virklichkeit gemei11t ist, nich.t einzugehen,
dci1n i10 Zu a1nn1enhangc einer ab c hließenden 11alu1'\vissen cha(t-
lic·h ~r1. D a r s t e l l 'U 11 g, 8ltf die ,vir uns beschränken, ,verdcn olche
Urteile aus Grü11clen, die sich bald ergeben m(i:-scn, sich ni cht fin tie.n,
1Dnß hir rhci clir .~t, lzo niclll in F r:1gl" k on11ncn , i.11 dcn~n al~ ubjektc oder
Prütlika l (' dil! \\'Ort e~ als solche, a,ls d ici::o bcslintm lrn Lau t ko1nplcxc gcrnl"int sind ,
V('rl',I ••h 1. sich von sc-lbst. Vgl. S i g '"' a r L , Logik 11 J . r\u fl. S. 31 7.
ü Ei, is t ein \ rr•rJi,!nl'l \ ' o I k c l l ln 11,eincn ;c\ u,foh.runffen Ober u<'n BegrLrf
( t::rfa tirun~ unct Ot't1k on , 18861 ... a1 7 rt. ), rnil d<!ncn ich auch i 1n folcc·nden
( suehr all t·rditt~, iin .Rl•i.ullal als h1 de r B0ironuung) in. ,ve!i-enllieht' n Punkten
Ohcroins limriu.', ,vicdcr en u.chicde n darauf hinge" rie~en zu haben, do!J d<'r Be-
g riff alll(en11•in oder, ,vie er ~agt., e ine \ ' or::;LeJluug \' Orn C ernei11sa n1i'u i ' l. Die
l•'r a~o der i11 tl ivlduali:-icr.-111l{•n B,·gr iff;: bildun..,. ,Yird dndurrb, ,vic ,rir zeigen
kOuucn, nicht berü hrt.

D1911 11,ado por Goc,gle



- 43 •

-., ( ..


,
,. ..,
und ,velche Bedeutung sie innerhalb der nat.111"\\'i senschaftlichen
, 1 • ' r •, --. 1 6 1., '

U n t c r s u c h u n g haben, können wir ganz dahinge teilt sein Jasse11.


Aucl\ Begrif(e, die die verschiedenen Gestaltungen nur eines einzel-
- ' . -·· , .......
nen Dinges u1nfassen, kommen in der natur,vissenschaftl iche,n Dar-
stellung selten vor und bieten kein '-Yesent)iches Interesse f (lr diesen . • il . '•
Teil der Wissenscl1afts lel1re. Sie ,verdei1 uns eben( alls erst bcscl1äfti- .'.",
gen, ,venn wir un der Bedeutung des Begriffes in de1, historischen
Wjssenschaft,en 2.u\vcnden. ..,.
• 1 • •

• , Hier ist in bezug auf die elementuren Wortbedeutu1lgen nur noch -. .


I • ~, /, •1 • ~ • f ., 1
✓; (olgencle's nerv,o nun.eb'en. ' Selbst in de11 einfachs t.cn Urteilen , rnit de- '
nen ,vir, wie man zu sagen pflegt , nichts \Veit.er tun a.16 die Wirklich-

,keit b c s c h. r e i b c n, n ehmen \Vir immer bereits eine ,veitgehende I

Vereinfachung v or, und wenn die Beschreibung eincrn '\\11S"enschaft-



licllen Z.wecke die11t, so n\uO aucl1 sie als eine logische Bearbeitung und
~ ' 1 ..
<, __ ,.,.,.. '!Umformun ~~~ ~i~~~ct~~ei:t mit. 1-Iil[e der \V,ortbedeutunge:n bczeicl1-
.
9
net ,verden. ,\iVcil e1n "rteil. Ober die Wirklichkeit immer nt1r mit

l-Iilfe ein es Begriffes in d em angegebenen Sinne, also cir1er prirnitiven


\Vortbcdcutung möglic·h ist, so können \-vir auch sagen, daß alle An-
gescl1aute in ein Urteil nur als Glied einer Kla se ei1\geht. .Jedes
· Ort.eil set zt daher bereits _eine Kla.ssifik,a tion voraus, mag sie logii;ch .
, - -~·--<. ~ /. , ' f
~ -e- , .. ._ ·, J ·betr o.cl1tet s.ucl1 n och so unvollstänoig , unsyst ematiscl1 und lücke11-
. haft sein. Aus diesem Grunde ist es ganz um11öglich> daß, ,vie Sig,~a rt
meint 1 , einer Klassifikation d es Gegebenen der' 'E 11t\VU;f ~ei'nes noch ~

Rau·m und Zeit vollständigen Weltbildes irn Ideale der Erkenntnis


<'' • _;vora~gehen müsse. Das Ideal einer vol lständigen Kenntnis des Ein-
• '
• • zeinen, ,,·enn darunter ei11e l{e11nt1u der gesamte11 unUber ehbaren
•• Wirklichkeit v ers tanden ,vird, kann vicl1nchr in der L ogik Oberhaupt
kei ne Stelle l1aben. Ja, ,vir dürfcn sagen, daß Urteile, die nur elemcnlal'e
.
.... .. . ' . .. .. (
Wortbedeutunge11 benutzen,:J um eine11 Gegenst.ond Zlt beschrc~ben, •
.

• •

f(lr cla.s natur\.visscnschaftliche Begreifen tediglich als ·or::;tu!en ,•an
logiscbem f n,te~ssc sind. In einem nat.ur,vis ·enscltaft.licheo. Zusnn1men- · ·
llan~g~fe'n~~-lr' i~s'lri1~"mals bolie~ig 1rgend ei,nc ,elemcntaro \\lort-
bede1.1tung 1~,eraus. Wir ~,~a·r,·1e·
n' sie zu einem bestimmten Z,,•eck
und bcnutze1t die in il1r vollzogene ' ' creinfachu.ng d er a11s ·haulichen •
l\lannigraltigkeit so. da(l d.n(lurch clic \"\'·ortbe<lcutung cir1cr1 logischen. j
1

Wert erhält. .Ei11c solche \rer,Yc11dung Jjcgt cla11n immer schon auf dem '
1
.- ,vege
.,, zu einer ,..,issenschaft.lichc11 Begrifr.3bildu11g, und dieser · msland
· · : · r echtJertig t es at1ch, d aß \,·ir b ereits Gebilcic, die sich vo1t den ciemcn-
---- 1
L ogik 11, 4. Aufl. S. 9.

ü1g1taltzado por Goog e


- 44 -
taren \VortbedeuLungen inhaltljcb noch nicl1t t1nicrscheidcn 1 als Be-
griffe bezeichnen. \\' ir setzen damit clerncnt.arc Wort bcdcutunge11 t1nd
Begriffe durch.aus nicht. gleich. Die Allgemeinheit der elen1entaren
\Vortbedeutungen allein genügt noch nicht, um sie zu cinetn ,,·is en-
scl1af tl.ichen Begriff zu machen. Darin stimmen wir mit Sig'\,·art voll-
kommen überein . \Vir nennen die \Vortbedeuturigen fLur daur1 JLQtur-
wissenschaftliche Begriffe, wenn die durch sie v oll2.ogene \ 'et·ei11fach ung
der 1\r1schauung in der angegebenen Weise in den Dieust des natur-
,visser1schaftlich.en E rkcrlnens tritt und so dt1rch ihre .l\llgemeinl1cit
, ein logiscl1es Ziel erreicl1t1 eine wis c.nscl1aftlicl1c Leistung vollbracht
\vird. vVir glauben zu dieser Bezeich11u11il um so mehr Recht zu l1abe.r1,
als aucl·1 die al1s-gebildetcn Begriffe der Natur\vjssenschaCt, o sehr
sie s icl1 v on den elernentaren \Vortbe<ieutungen unti~rscheidcn rnögen,
ibren logischen \i,lert zun1 größten Teil derselben LcisLung verdanken,
die wir als ,d as we. entliehe Charakteristikum schon der primitivsLen
Begriffsbildung ansel1en., nämlict1 der Vereituacht,ng der intensiven und
,exte ~ivcn .!\1an.n igfaltigkcit der ' "irklicl1 c11 Dinge durcl1 Umsetzu11g
der ·~ci;autic\tkeit in die logiscl1e F oml •de r Al}gcmeinl1cit , die der
Be.g riff besi tzt. Zt1 zeigen, daß im G e n e r a l i s i er e n cla · W e::.e11
a uch d er logi cl1 v ollkommenste11 natu1'\vissenscl1aftlichen Begriffi--
bildung besLeht , ,vird i1n. Colgenrlo1L u11serc 1\uJgabe sei11.

f
I
I tf l 4 ,_
II.
1 •
Di e B est i mmthe i t des B c g r i f r c s.
Wi r t1aben bislior nur die Vcr,vendt1ng der elementaren \iV01·t-
beclet1lungen zum. z,\·.eck d er ,,·i sc11schaftJicl1cn Erkenn~nis k örper-
, .,. II', • •

lieher Vorgänge kenn en gelernt, und '"ir nJü Sic 11 jelzL at1cl1 zeigen,
,,,arum es sicl1 dabei nur um den erst en Ansatz zu r Bildung ei11es ··
wi senschaltlichen Begriffes bandcln l<ar1r\. Die \\1orth-edcutt111gen
bedürfen, um logisch volll, om mene Begriffe zu s-eirt, d. h. tim die Auf- •
• r
gabe, die sie haben, zu erfül len, einer ,veite rcn logiscl1en BenrlJeit11ng.
J a, er- t damit setzt das ein 1 ,,·as ,vir irn oigentli cl1en inne des \\<ortes
Begriffs bild u n g nennen dü rfe11. Die cle1n •nlarcn \Vorll>edcu-
tungcn bilden ,\11r r1ich~ so11dern findet) sie fertig v or. 1ut die Art,
\vie ,vir sie \vältlen u11d , rer,,·cnden, n1ncl,t, sie zu ,,BegriJic11'' i,11
\.,·issenschaft.lichc11 .... in11c, t1nc) n11r ir1so[crn kann man schon Lei ih11en
von BegriffsLild.ung r~de11. Dabei aber k.a11n es, ,vie gcs11gt, niclit
sci1l Be,vcr1,ler1 haben . Um die Not,vcndi 0 k eit und die Art ihrer ,vci-

D191, h,ado por Google


- 4.6

teren Bearbei tung zu verstcl1en, mussen ,vir, zunäcl1st il1r Wesen uns
..
~

r1och et.\vas genauer vergegen\\:ärtigen. · ' ' .,. •· '• '
Wir sir1d davon ausgegangen, d.aß es so et,vas ,vie allge.meine Wort-
bedeutungen gibt, und dazu l1aben wir ein gutes Recl1t. \\renn die Worte

keine Bedet1tt1ngen h.ättc11, so ,vürden wir sie nicht ver tehen, ja gar
ni cht von sinnlosen Bu'c'i1staben.: oder Lautkomplexen unterscheiden
können. Was aber ist das, ,vas zu dem an sich bed.e utungslosen Wort-
bild oder \Vo1~tklang hinZ-ulritt? \Vir müssen dies Problen1 f ilr unsere
• •
Z,\•ecke hier \Venigstens so stellen 1 daß ,vir fragen: können ,vir d er ~ • •
t

empiriscl1en ..\nschauung beim Verstehen d,e r W orte gänzlich entbeh-t· • •


ren? Warum diese P rage von Bedeutung wird, ist kJar. l\[üssen ,vir
sie v erneinen, so k ommt mit der Anscl1auung auch unübersehbare
ltlannigfaltigkeil in der1 Begriff, und sein Wert, der ja gerade in deren
•11--"•
Ueben,•indung bestehen soll, m11ß ,vicder z,veifelhaft \\'erden. In der
• ·• -'j •• "
, .,. . Beseitigt1ng auch dieser r.t ar1nigfalt.igkeil ,väre dann eine ,veiter e lo- '
· · .. ,,.,. gische Bcarbeit.ung der ele1ne11 laren Be-griffe zu suche11 1 die n u r
• •
• \Vortbedeutungen sind .

Docl1 scheint die Anscl1au.ung der \Virklicltkeit beim Verstellen
der Wortbcdeutw1gen keine wesentli che Rolle ztt spielen. \ 'iele werden

· geneigt sein, mit Schopcnhauer 1, Lieb1na11n 2 t RicbJ 6 1 Busserl' und
I
a11dern anzt1nehmen, claß \\'lt' zum , mindesten nicht a lle Worte, die ,vir

... ' ' t + f - •

vers tel'1en , in anscha1.1licl1e Bi ld cr umse tzen 1 deru1 es \\'ürd e dann ei1t


• •
so scl1nelles Verstäodnist \Yie es t.atsächlich stattfindet, nicht mög-, ..
licl1 sein. NcuerdinE,rs hat. man fOr diese nicl1t gerode überraschende
Tatsache soga r Be,veise durcl1 psychologische , 1Experin1enLe 1 ' versucl1t.
Aber s ie läß t d a Proble1n der '\-Vortbedeutung, \\'enn es s ich um
di-c Leistung .,.<!esl ,visscnscJ1aftlic hcn Bce11·irres l1andel t , doch. ,1ur ' u.m
..) r :

so!schärfer ·1~er, rort.ret cn . E s m ag ricl1tig sein : ,vir ,\.·iss.er1 bei dett rnei-
sLen \\1orte111 die \Vtr verstehen und in der Wissenscl1aft benutzen ,
nicl1t genou anzugeben, ,vns der Inha lt ihrer Bedeut.u11g ist. Grade der
• •
Um tatld, daß ei11 · St.reit darüber c11tslehen kol'1nte, ,,·as zum \\rortc 1

1
1
liinzukomrr1t, u.m ihrn Bedeutung zu gc}Jc11, bc,,1cist d ie ja auf
,,,._.... "'
· clas U11z,-.·eideutig ·te. ~lag nu11 aber auch die Ur1rnöglichkcit. ei11cr ge-
1
11auen Bede utungsangabe fUr das Uiglic he Leben nicht s töl'cnd sein ,
so lieg t P.-S doch_ ar1<lers b ei \,Vorlett, die a ls Zeic hen vou Begriffe11
1 Die " 'l'll al · ,,11110 Hnd , rors lrlluug. Ers lt'S Buch, § 01 •• \V. (Gri~cba.ch}
Dd. I, . 77 rr.
2 Zur J\naly!'iiS der \ Virluichkeit, l 87J 1 2. :\ufl. 1880, •~· .t 11 ff.
3 B citri'il,?c zu r Logik, 1892.

' Logische oter.suchu ngen, 11, 190 11 S. 0 1 rr.

0191 lt ado por Goog e


46

einem \Vissenschaftlicl1en Z,veck dienen soll.en. Da genügt es nict1t,


daß die \'Vorte v,erstan_d~n ,"verd.cn, ohne daß ,vir ,,,isse11 ,vodurch,
~--· , ... 4,

denn unter dieser Bedingur1g sind l\'l ißverständnisse niemals ,röllig


• • •
'a usgeschl ossen. Wir können daher bei der viclJcich-t ricl1tigen 1 abel' rein
r


11egativcn Behauptung nicht stel1en bleiben, daß ,vir k eine Ansc~1au-
ung brauchen, urn die W orte zu verRteheri. Die Wissenschaft ,vird,
11m Sicl1erheit in der An,ve11dung der Wortbedeutungen fOr jecler1 Fall
l1crbejz11fiil1ren, da,·auf ausgehen, d en la t1alt, den sie habe11 sollen,
auch aus<lrück}icb zum Be,,•ußtsein zu bringen.
Vers ucllen ,,•ir dies aber, dann drängt s ich, ,,·enigstens i11 vielen
Fälle11, d och eine Ansci1auun.g mit ih rer unübersehbaren ~Iannigfalt.ig-
keit vor, und ejne solche Ve1·gegcrt,värtigung der Bcdetitung gcntigt im
wis ensohaftlichen lnteres e offe11bar nicl1t. Die ilannigfaltigkeit
des Inhalt.,; füt1rt eine Unsicherheit1 ein Scl1,variken rr1it sicl1, u11d
die Wortbedeutung, deren Inhalt ,vir uns in der a11gcgebenen \Veisc
vergege11,värtigt r1aben, v erdankt dann il1re Fähigkeit, die l\faruug-
faltigkeit der Welt zu vereinfachen, so lange sie ein logiscll nicht
,veiter bearbeitetes Gcbilcie ist, nur d•e r Unbestimmtheit ihres Inhalt.es.
Oder genauer, da eine \Vortbedeut.ung, so,\·eit sie überhaupt ver_tande11
,vird, auch als bestiin mt v en;tanden ,verclcn muß : das , vort bekommt,
,,~e1111 ,,,ir seir1e Bedeutur1g uni:s au. drücl~licll zu vcrgcgen,värt.igcn Sl1-
cl1en, statt einet· oft meJ1rere Bedeul,unge11, unc:l ,vir ,,·isscn dann nicl1l,

,velche von il:i.J1en .g emeint i t. Doch clürfen ,vir dies Auftau chen u11d
.'
.
Versch,"·indcn verschiedener Bedeutungen heim Hö1-en oder Lesen
.,
eines W ort es, um einen bequemen usclruck zu haber1, kurz ,vohl
seine ,,unbesti,nmtc BecJcutur1g 1 c nennen und dcn1entsprecl1en,d au ch
von ,,unbesti1nmtcn Begrif(en'c reden. \\l'ir könn('Il dann sagen:
mag die Unbestimmtl1eit der \Vortbedeutunge11 oder Be.griffe bei ihrer
Ver,vondung im tüglicl1en Lebei1 o gcri11g scir1 1 daß bis,~·cilcn der
.Scl1cin enlßtcht, sie . ei überhaupt nicht vorhandcr1, so isl sie <loch
unler logischen Ge icht JJu nkten ei11 l\Iur1g •l. Sie hindert urlS nicht
nur, den Umfang des Begriffes ntil Sicl1crl1eit anzugeben, sondern es
k ann ein Begr-iff rnit unb ' t.in1n1te10 Jnhalt in dem angegebenen Sinne
au ch ftir die ebenvindung der intc11siver1 l\la11nigfaltigkeit der Einzcl-
gcstnltungen nur \vcnig leist.cn. Es gilt, also, die I\-lan11igfaJtigkeit,
auf der die ·11bestimmt.heit beruht, aus de1t1 Inl1alte <ler \Vorlbedeu-
tung zt1 c11t.fei-nen ttnd ,de11 Te il zu iso)ierent auf de11 es in der \Vissen-
schurt allein ankornrnt. Es gilt mit, Andcrr1 W orten, den Begriffsin-
1,a lt so,veit von der Anscl1auu11g loszulösen, daß jede . tören(le ?llannig-

ürg,t~hzado por Goog e


- 47 -
faltigkeit besei,tigt \Yird. Nur so können \vir logisch vollkotnmenc
Begl'if(e bilden , die ei11en bestimmten Inhalt haben, oclcr genauer .:
nur die \Vorte sind zur Bildung von \Vissenschaftlichen Urteilen
brauchbar, deren Bed·eutung nur e i r.1 e ist, und die zugleich eine
• J .,.
,II ,, .> • • •
soweit genau angebbare Bedeutung besitzen, daß keine Ve1·wechslung
mil ru1deren Bedeutunge~ <lr~bl. Sig,"~art h.a t deshalb durchaus rccl1t,
wenn er die Bestimmth eit als eine wesentliche Eigenschaft des logisch
vollkommenen Begriffes her"rorhebt. Aucl1 Volkelt nennt den Beg-ri[f
die bestim1nte Vorst ellung vom Gemeinsamen. ,vir haben l1ier ver-
sucht1 die , Not,,,endigkeit
.
der Bcstimmtt1eit aus der Leistung des Be-
griCfes abzuleit.en, die er in einem \vissenschaftliche11 Zusa1nmenhange
v ollbringen".. muß. · •·
(.,,1 ..... , ,
,4
1 ,
,
, , .,. . . . .

Und \Vie ,verden \Vil' die störende ~lannigfaltjgl<eit los, die das ,
• ~ ... • • • ·1.-, .l • ,. •" ., .1~ , I . ,. -, -•
\1/ort vieldeutig und darnit den Begriff in dern ·angegebenen ji:tue
unbesti1nmt macht? Da~ i\•f ittel daxu ist sehr einfach.• ·u11d e~ ,vird auch
' . .. .
lort,vährend venvendet,. \iVir ,,definiere11•• den Begrif(, d. h. ,,·ir sagen
au d rücklich, \\'Oraus seir1 Inl1alt best eht. W ir geben z. B ., \\'enn \\·ir
eino b eobachtbare )lan11igraltigkeit von Ein.zelgcstaltungen vor uns
haben, genau an, ,va diesen ve1--schiedenen Gestaltu.ng•en gemeinsam
ist., u11d ,vir
t
fa ·se1l dieses Gornoinsame llann in de11 Begriffsinhalt
9'I • • ,,,,, •

zu arnm.c11, ,vährend wir das, ,vodurcli die verschiedenen Gestaltungen


1
sicl1 voneinander unterscheiden, als un,vese nLlicl1 \.\:~glasR.en: '.\fit
solchen Aussagen aber komn1en ,vir zu et\vas ganz Neuem. Die Be-
gri[fsbcstirrunung kan11 nämlicl1 nur dadurch v orgcr1ornmcn \Verden,
daß \\'lr an die Stelle des c in e n \iVortes ein on ·atz treten la sen,
der von uns versLa.r1.dcn ,vird . l n det· Bedeutung oder it1 <Jem , inn ..
dieses at.z.c l,abeu \Vir dann den Inhalt de-s Begri(fes besLim,nt
v or uns. Das soll ft1eilich nicht beiße11 daß bei der Vcr,Ycntlung des
1 .. ,. . ;
1
• .
so bc~tirnmten Begr.iff1::s in \\'i ·--en~chaftlichen •Aus fill1rt1n 17cn jedesmal
beim H ören des betreffertdeo \\'ortcs die Aussage, die den Inl1alt
einer Bede1.1tung ar1gibt, a1.1sdrücklich verstanden \\"ird. ·ur die
~[ögli chkeit muß da sein, daß, sobultl über den lnh,\ lt , rotl Be{;riffen '
'
ein z,,rcifel bestellt, b estimmende Aussagen auftreten und ve1·standc11

,verden können. Nur das meinen ,vir, daß, ,,·o da::i B cdür[11is 11ach •
'
a11sdr·OckJicher Vergegetl\\1ärligung. ge11au bestimm ter Begriff in-
halte best.ehl 1 dio ·e tticht d.urcll Angabe ein1.elner \\!'orte sondcr11
durch Aussagen zu gesc heltcn l1at.. Ja, wir müssc11 uoch ei11e Einscliriin-
k1.1ng machen. Wir \\1ollcn zunächst 11u1· fcslstcllen, da ß dj e I11halts-
angabc eir1cs Begriffes und jed.c \\"'t rkliche ' ' ergcgcr1\\'ürli&n1 ng sci11es

D1911 11,ado por Goc,gle


- 48 -
Inhaltes die äußerliche F o r m einer Aussa.ge an11ehmen muß. Die
Frage, ob wir es dabei o.ucl1 mit ,,Urteilen'', d . h. mit Sätzen, deren
logischer Gehalt \'!' a h r genanrlt ,verden kann , zu tun haben, lassen wir
zunächst dahingestellt. Hier ka1n es n ur darauf ar1, zu ~eigen, welches
Mittel \\i r an,vendcn, um die beiden an einen Begriff zu stellenden
Anf orderunge11 1 die Allgemeinheit und die BesLin1mtl1eit, miteinander
#' .. •
, • • ... . . . ' <'""""".&.
'zu vereinigen, falls das, ,vas \vir bci111 Lesen od.cr H ören eines eir11.el-
nen \Vortes verstel1e11, nicl1t eir1deutig ist .
Doch beseitigt dieses :i\1ittel at1cl1 wirkljch de11 l\·l an gel, der den
logisch unbearbeiteten \\Fortbcde-utungen" anhat~t? Dies scheint
insofern nicht der 1''all zu seio , als jede cinzeln.c Bedeutung der ver- ·
schiedenen \Vorte, aus der1e11 der bestimm ende Satz besteht, also a.t1ch
jedes der Begriffs e l e m e n t e, deren Gesamtheit nt•n d en Inhalt
• t '
des Begriffes au m acl1t , ,venn er bestimmt ist, ,vicdcram eine n och
nicht bestin1rnte '-''ortbedculung sein mt1ß und dalter, \\'Ctln it1r In-
halt auS<lrücklicb v ergrgen,\o·ürtigt \vird, mit derselben 1\,( annigf altig-

keit und Unbestimmtheit b eha(lct sein ka11n ,,,je der durc}1 sie zu
best.immendc Begriff selbst . Z\.var läßt diese Unbest,imm Lheit der so-
gena11nter1 ,,l\ierkma.le" des B cgriffr , ich dadurch beseitigen, daß ,vir
die \\'orte in den z11r Bestimmung des Begriffes dienenden Sätzen
,viederum nach ihrer Bed eutt1ng bestimrnen, indem \vir ebe11fa}ls in
neuen At1 agcn deren Elemente gcnatt angeben . bcr , da au ch diese
neuen Elemente al ' allgemeine Woribedel1tu11ger1 ' i11 dem ai1gegeb .. .enen
, ..
Sinne unbeslin1n1t ·ein l<ön11en , und dieser Ucbcl sland b ei jed-e r
11eucn Bcstirnmt1ng sich eve11tucll \\·ietlerholt, so scheinen wir ,ror die
Aufgabe gc~tcllt, eine unendliche Reihe von Begrifrsbestin1mungc11
vorzunel1meu, um einen. v öllig be timn1ten Begriffs.i nhalt zu erreichen.
Das aber heißt, daß ,...-ir auch dt1rch die msetzung des B-e gtirfsinl1altes
in d en Sinn v o.n At1ssagen 11icht imstande sittd, Begriffe mit völlig be- •

stimm ten Inhalt zu bilclen, ,d a ß also auch diese Bcgrilfe die , Lörencle
'
1
~lru1nigfalligkeit nicht in logisch. \ ollkornrr1:e11er \\ ei e t\ber,,·iodcn.
1

I n der Tat, eine rei11 for1r1ale Betrachtung, die ohne Einsclträn-


kung a n j e<ien Begrirf die r\ n fordcrung absol uter B cstjrnmthcit stellt,
oder die nur solcl1c \Vorle i11 nat ur,visse11schaftlicl1en &ilze11 ver-
\vcnden ,vill, dore11 logi ·eher Gehalt absolut eindeutig ist , verlangt
et" ·ns Unmöglicl1e:s. Solange aber d ie Be timmtl1eit d es Begriffes
nur die Sicherheit seiner .A.nwenclung oder einer Lei t ung ga r·a.n-
tieren so ll, b raucht die Begriffsbestimmung auct1 nur so,vcit zu g,cl1c11 1
d aß cJie Ur:tbt ti1nmthcit ctcs l11haltcs nicht mehr cincri störende.11

D191, h,ado por Google




- • .. . ... , •
• • 1 , .,

Einfluß auf den Gang der ,,·isscn ~cl1aftlichen U11ter.suchtttlg ausz.uühe1i


, •et·mag. J:;tt so m U' ·en ,,~ir fragcr11 zur Erreichung die ·es Zieles immer
eine a b s O l u t e Be~ti1nn1theit ~ e·rrorderiic1, ·?···orrenbar nicl-1t . 1 ll l'
bestin1mte r müssen ,vir die B-egriff sinhalte machen können, als ,e~ in
'\•ielcn Fäl len die ".\lannigfaltigkcit der Bcdculu11gcn i~t, die sich mit
..
einem Worte verkt1üpfen, und dem stcl1L nichts irn \\'ege. Schon , 10 11
• • • r'

• .•vornel1erein i t das, ,va~ ,vir die Utlhestimmtheit der \-\ 'ortbe<leutul1ge11


nennen, in ge,visse Grenzen einge. cl1lossen 1 da ,,·ir il1nen ja nicht .alles
:: Beliebige untcror<.lnen kö1~ncr11 und es kommt 11ur darau f an\ ~iesc
t ...... ~ ,, ,. - J

·G renzen zu "·erenger11,. Das aber kann aucl1 durcl1 AngaLe vo11 De- •

gri(f:$elcmenten oder \Vort bcrleutu11gen, rJre (üt' · ich nicl1t vollkon1men


besti1nn1l ind, i11 llohc1n :\laße erreicl1t ' "'cr<lcn . So ,vird z. B. der
Jurist 1 bei d er eleme11t.aren und i.n dem angcgeber1en inne unbe-
stjmmtc,1. Becleut11ng d es \Vo1·tcs ,tEhe", bei d ern mnn an sehr v,er-
scl1i"dcnc Inhalte dc11kcn ka nn, z.,var nicht . ..s tehen .bleib . n son rlt:'rn
d en Begriff durch A11gabe der die Ehe betreffendot1 Gesolzesbcst,irn-
mtingen~,
au.sr.lrücklich fe. Lstcllr n. Er ,,,ird jedoch d abei nict·, t ver-
[• . meiden könner1, 1nil \Vortbccleulungen ,,·ie ~Iann und \.\feib zu or,c-
·riete11, ttnd ,venn er bei ihr1en von einer uusdrücl<.lict1e,1 Begri ffsbe-
stimmu1'\0 absicl1t, so kann er· das, ·,"~eil dt1rch die U nbestim111Lhcil
d i c s e r \Vorlb.edeulunuer1 <ler Bc.g rirf cJcr Ehe nie,n,ils eine fiir den
J1,1ristcr1. störende nbe. t im1nthciL cr•JifilL. o liißl sich, \Vct111 <las
Beispiel at1ch nict1t den Nal11r\\"i ssenscllafLen entnon1n1e.tL ist, doch
ganz irn allgcmcir1en i cigen, \\1a · '\rcr;rur1dcri1ng der Unbcstin1n1theit
ei11cs Begriffes dt1rch Angabe von selbst u1tbcst i1n1ntc11 \Vo rtl,ef'teu-
tungen als .Bcgriff.,;elct11cntcn l1cißL. . '
Wo die Grenz,e der für clie logische Bcgriff ·lcislur1g u11schärllic;hrn
l:nbe tim111tlieit liegt, kann sel11:;;Lvcrstiin•<llich n1.1r fiir die versc hie-
d enen \Vis.scriscl1aftcr1 unter B eri1c·1, · ichtigttng ih rer suc hlic}1cn Eig<'n-
lürnlicl1keitcn im einzelnen festgc teilt ,,·crrlcn. Die ondcrtlis.zi-
pl inen m üsser1 sich }1jc ri11 scl1r vcrsc!aied n verhalten, e11tsprPr h"n,I
den ,.rersclLictlenen Erlienntnisattfgabc11, die sie ::;ich stcll<'1 1. IIier ge-
niigt es, daß aus d em ita.11gel allsoluLer Bestinll'n theit l,cin allgen1ci1tcr
Ei11,vnnd gt;gen unsere Gcda11kcn l1ergclciteL ,rerd en darf. Dahcl'
sei nur für die natur"'i scnschafLlichc Begriff l:,ildung1 die uns hier
ja allein i11l.eressiert, noch ei1tiges hinzugefügt . l1t viele11 1-;,nlJe11 ,vir·tl
ich die Suche so dar~tcllcn, <l aß die \VorLhc(icutu11gen, d ie ein l 'ri l
1 \ tgl. S i g ·,..- a r l ~ l(s•H ik n1ein~' r l)ol, lordi-.scrla tio11: Z11r Ltilu·e , ·on dt•r
Dcrinilion, :t88S, ill den (;OLlingi,ch{.'11 i;,rr•h·hrlcn ~\ nzi'is;tr11, 1890, Nr. 2, S. 6a.
R i c; k a r t , O·r.,n.teu.. !l. AuJ] . 4,

0191 lt ado por Goog e


- 50
der Natu r,,·is~ nscl1aft t1icl1t durch Au :-agen zu bestimmen h rattcht,
,,. •il ihre Be ·t,irnrntl1cit f iil' 'eine Z,•,ccke atJsreicltt, von •i1lem a1\rlerr•
l 'eile der ~ atu1•,,-i.:;se11 chaft z-t1 weiLerer bcgrjfflicher Bearbe·i tung
nufgcno,m men ,vcrdc11, ,\·ährend tlie er Teil ,viec le rum einen andern
1'eil seiner \:\'orLbcdeutungen einer dritten Nat.ur,visscnscJ1aft zu r
- - • I •
h r,rifflichc1i Bearbcitur1g überl äßt u~,,·. OfL bilden die \Vo tLbcd cu-
lur1get11 1n.i t d enc11 uie ei11e \'\' ii-sc nschaft, trotz ihrer Cnbc timml-
heit , icher arbeitet, geracJe die ct,,,·icrigsler, Problente für eine andere
Di. zir,Ii11 . '.\lan ka nJl. ve rs uch 11 , u1'll1..· r <licscm Gesic: l1t spunkt ciue
s)1stcm aliscl1e .i\notd11ung der cir1zclhe1\ ~atur\vik:l.Sensci1afLen vorzu-
r1ehtnei1. Da11n hi.itt.e rna11 rrtit denerl zu begiru1en 1 in d e11cn die meister,
uu brarbciteten \Vortbedcu lungen vorl,omrncn , ,cl. h. in de11e 11 es
· ic h im ,,·esenllichcn nur u ni cir,e sog •11annte Bc~cl1reibt1ng f1an,lelt.
Doch \\·ürcle rna n fin<icn, daß .schon c:Jie gr,,·öhnl ic h a ls beschreibcnclc
Natur\,·is e11 ·cl1afl.e11 bczeichncLcr\ \Vissensz,vcigc 1nit, \ ,\ ;orthe<ll.'u -
t.ur1g "111 derc11 l11halt b ·-i dein v·ersuc h, ili.11 zu v t~rgcgc.n,värliqt!11,
n u r ei11e unn·1itt,•lbare .~ nscl1auLtn" bild et , da1111 allein au ~kon1n1e1\,
,,·e11rt sie Dinge unter ci11rn Begrir{ bringe,1 1 die eine ,veilg<'hencle an-
~chauliGhe Achn li cl1k cit mitein a nder haben. Diese i t aber ni,cl1t in
al len Fällt•~; m aügcl>en cl. Ein Dcnl...en t das lediglich mit solchen \\.iol't-

ll 1lr ut11ngcn operiert, ,vir<l z.. 8 . cir1c Blind1-chleiche zu <lec1 "clllanger1t
ci11<:n Delr1hi11 zu <icn Fi ·cllcr1 zäh len . Ein 8 '(•riff, der die Blincl-
sclileict1e ini t der Eidcchsc 1 Jen Dcl r\h in 1nit, dein I-[untlc zu r.mn1r11-
fnO t, ka1\C\ keit\e ele1r1e11Lare \ \rorLl:>cdcu'Lt1ng n1ehr ~ein, deren Inh:~lt
s ich n<)cl1 anschaulich vergegen,,·ä rtigctl ließe. Die Ele1ncnLe sc hon
,J i"scr Brgrif f c mü, sen v iclmc 11 r al1::.dr fi ck Iir h angegeben '\.vcrtlen.
\ 'on hic!r aus könnlc m a n dac1n zu antlt~r n \ \' i:;:1cnsel1~ ftti:> n auf$t cigc11,
rlif'! um ~.o höln-)r slc hen, je m eh r in ihnr11 die l' nbeslintrnlhcit rler
a nsc11aulicl1 er1 )f..i.r111igfallig.lie it, .bc:-tcit.i•1l und durch Jogi cl1 bca r- •

bcit.cte1 in <lcr Form \.'On Attssag••r1 t,i ttri:.lcllbare Begrirf(' er5rlzt ist. ••
'

Doc h \,·ird es erst <lar1r1 ll\ögli ,._ ch ci11, (litseo G..-1.la11kl r1 zu , ,oller l\.la r-
1

hei t zu bri11ge11, ,,·ct11\ , vir die Frage bt•hnn(le ln , ,,·ic ,,·.e il djc 1\ t.1s~agr11 ,
llu rch \,·eiche d ic Elc111el1le ei11,, , IJcgriffes a11gPg~bc11 ,,·er le11 1 ni <' ht
nur 1lic äußere F orm ,•on. .. fit1.cn son rl r n1 ~ucl, <len lngi:>Chen Gchult
vor1 IJ rl/'ilr n haht'11, d ic ,,·n hr , inrl. Er~L tla111t ka11n d as eic,cnLli cl1e
'
\\fe •t- u dt':ii Begriff •s sich c11thült1•1i, <las 1niL (.lt·1· 13t'l.-stin,mtheit, cl>cr1 o
,,·li'r1 ig- ,,·ic 1uit tler hie-her allei n betra,:l1lct"'n 1\ llg(•rnrir1heit der cle~
n1c11tarc11 \\7orlbctleu lu ngcn cr~t• hö11f t i:,;t. Da,_, ult)ße \ \ 'ortvcrs·t tl nd -
n i cinrr, \,·ie ~ich zt•igc-n ,vird, üLcrhnu JlL 11och gttt' 11it:hL al s das \ 'e r-

D191, h,ado por Google


- öl

:ständnis eines l o g i s c 11 c n Sinnes oder als Erkcnn.Lnis gelterl. . ,.


.. . .. ..
.i\lles, ,vas ,vir bisher at1sgeführt haben, hat dahe.r 11ur eine vorläufige : '
Bedeutung. .
41,.. , •• ,
Den Gedanken an eine Rangordnu11g der ver cl1iedenen \Vi sens-
Z\veige scl1on hier ztt streifen, veranlaßt der Umstand, daß er u11s auch
in bozug a u{ die Bcstimmt,l1oit des Begriffes ,,or eine neue Schwierig-
keit f ül1rt. Gerade wen.r1 ,vir an de11 Zusamn1enhang der einzeln en
Disziplinen in der Naturwi~senschaft den ken, mus cn ,vir z,veiielhaft
\\·e1·dcn 1 ob die Meinung, die eir1e \\1isser1schaft benutze .unbestimmte
\Vortbedeu.t ungen 1 die sie ei11er_ anderen zu begrifflicher Bearooi-
: .... . ..
tllng überläßt, u s ,virklicl1 befriedigen kann . Die verschiedene11
T eile der Naturwisse11 cbatt stellen z.,,,ar von v c.rsct1icdcncn Seiten
her die \Virklicl1keit dar t111d l<.önne11 al Sonderdisziplinen sjch nur

begrenzte Aufgaben stellen. Aber sie sind doch zugJeich, ,veil die
• •
· l(örper"velt .als ci11 einheiLlicJ,.es Ganzes Zll betracl1ten ist,, alle aucl1
al s') rGlicder· ~ines ,vissen.schnftljch•en ystems nnzusel1er1. Es ,vird
danach scl1licßlich eine \Visscn schaft geben mü. eo, die die Aufgabe
der Begriff- bestimmung, al ·o d er B-c eitigung aller sicl1 ei11drängc1ldcn
stören,Jen l\Ja11nigfaltigke.i t1 zu Et1de zu fiihren sucht, ,,,eil sie es mit
Begriffsefe m enl,en zu t\1n l1at, deren Bearbeitung sie k.einer a11dcrn
~

\.Vissons ·haft me}ar zu:fct,ichen Jtan i1. nd di~se \\'is~eosclia.(l ,,•ürde


ih re r\ .u{ga he er t dann gclö ·t haben, \\"enn sie n u r mit Begriffen
arbe itete, d eren Elemente so,volal allgcrn.e in als auc l1 zugleicl, ahsolul
bestimmt .sind. Dal'nil komtn,cn ,vir a l~o doch wieder zu der obCit ab-
ge,v iesen~n F orderung · der absolute.11 Bestimmtl1eit de allgcmeine11
Begriff inhaltes Zltrück. !'\Jl crd i11E:,rs stelu: n ,vir ihr jetzt insofor11 anders
gegenüber, als sie 11jcht mehr a11 j eden Begriff g<!sLclJt ,verrlen darf.
At}er sie er.scheint in (!et· T at. als der Gedanke eines Zieles, c.lcnt die
allgcm"ir1.ste uncl in ·ofcr11 grundlegende 1\- atur,vis~enschaft sich i111mer
1nel>r anzunähe rn l1at. \i\'ir ,1,üs c1l - da..: Jilßt ~icl1 nic ht leug11e11 -
als letztes natur,vi ,~c11schaf t,I iches I d e a l Bcgrif!e er Lrcbc11, deren
Elemente volll,on1men frei von unbestimmter ~Ianni gf alligkcit sind.
w.ie s ie die Anschauung der e111r,irisc hen \ Virkliehkei t 1nit sicl1 führt,
und das l1eiBl nichts anderes, nls c.laß ,,·ir als Ideal e i n r a c 11 o Be-
g riffe aufzt1stellcn l1abcn. Die Bc H11t,vorlung der Pr:.1 gc11 j edoch, \\'ie
,veit diese lcLztcn idealen Bcgriff3e)er11 ·nt.e erreichbar sind, uod
o b sie sic'h uns •rer . .f- hcorie in j eder 1-finsicht, einorutl "n, ,,·ollen ,vir für
einen späteren Zusammenhang a11 ft1cl1ic l"Jcn. \\'ir l{ö nn (!Il es, cla diese
Begrif!e gc,vis.-.errnaOerl rtur einen Grcnzf:111 J arsLcllc11. Zu 11{lch t
.i "

ürg,t~hzado por Goog e


drä ngt sich un s eine ,,·icl1tigcre allgcnt •irlc Frage a ttf, die das \Vesen
aller nalunvi ·scnsc haJtl ichen Begriff , betrif(L.

1I 1.
D i c G c I L u 11 g d c . B c g r i f f s.
\,ia re 1nit Begriffcn, die det1 vorher da rgr ~tcllt"n "\ n(o rd erunge·n
genügen, eine vollkommene Ueberwinduug der exleusivcu und in-
ten ive11 ?\ian.nigfaltigkeit O<icr au<~h nt-tr ein; ~ ru1ü_!1erung an dicsc~:l
.Ziel möglicl1? ~ ohn1cn , ir eic1n1aJ an, es 'golii n.ge cler . atur,vjssen-
scha(t , absolut ei11[ ac'l1c u11cl bestimmte B-(?griffsclem eilte zu fir1.de11,
atts denen sielt alle andel'en Begrirfe fü t· d ie l<:örpcrliche \\'irklichkeiL
a-u fbalt<'n Ins en, ,vürde sie damit auch nu.r die i11leusivc 1\fannig-
faltigkeit. ir 0 cr1d einer Einzelgestaltung '"i ~!;eu~chaft licli z.u üher-
,vindcn i1nstande sci11 ? Offenbar nicl1t1 denn ll m die Erliel1n t nis eines
Kör·pers so zu El1de zu rnl1ren 1 da ß k.einc an~cha ulichc und ut1il ber-
set1ba!'e l\launi •tul'tigl{eit darin mcl1r uubcgriffcn bl ihL 1 b l'auchcn
\.Vit· r1icht nur ~in fnchc und bcsLimu-1tc HcgrifJ' ·c• le1r1cnlc so-n derr1 aur lt
1

-eine volll<omn1eo üllerschba1·e 1\rlza}1l von ihnen, d. h. ,,,ir n10$sen


die Ueborzcugung ge,,•inncn k ön11en 1 daß koi11-e ,,·eitere Ur1tcrs\1Cl11, 11g
<lcs bct ' reffende11 Einzelobjck.tcs uns nötig 11 ,vird, die Bcg1·iffsele-
rr1cn'lc bcliclJig ,veitcr zu vern1 chren. m \tns aber eine·n solcher\
Zust a11d a ucl1 r1u r n ü h e r n zu k.önnc11 1 bietet der Begrifr, so,,·eit
,vir ilt n bi her kenn en gelernt haben t noch kein l\1it tel. nd doch
m üssen ,,·ir einen ~olcher1 Zusta.11d dc-s \.\lis,en als lct.zte Ziel au f-
st«Jllc;n, ,ver•n es überhaupt einen Fo' rtsc! tritt. ir, der ErkcJnntnis geben

soll . lso hat nocl, ef..,,·a bi. 1,er Ur1bcachletc ztt den a ng1.-:gt~bc11e11
Ei~r-n:;chaftcrt des natu r,,,i:,;sC'nscha(tl ichert B eNriffes l1i117.u zu Lret.en.
D„1 ,,·ird ·oglcich kla rer ,,·erden, ,,·e1111 ,,,ir nicht n ur die i11 tt'n-
sive sortucr11 aucl1 die cxl.c11sive ~Ian11igfaltigl<cit d er cm1)ir i:-;c hcn
\\ii rkliclt kcit a us<lrücltli~l, i·r1 ß cl rncht 4iehcr1. J a, ,vir ,vollen u11s
z1111iic lt~· t cin111al auf ihre eb er,vin d nng bcscl1rä11li:eu. \\''ir könne11
dies 1 da ja das ErkenntnissLreben der lalur,vi~ser,::chaft. \:\'e11igsLens
ir, lct1.tf!r Hin sich L, n ic1nal:; auf E i11belne sondern irnrncr auf ein exl.(•r1-
. . ...,,_
. iv unühcrse libare Gt1nzes , •011 l(örpcrn gerichLet ist . Dan1\ er(l' ibt
sicl1 lül"'c11des. U11sere Begriffe sin,1 immer nur an einer begrc111.ten
A1lzal1 l \ ·011 Einzclgeslaltitnge n O(ier evcntt1ell au cl1 a.n einer einzigen
zu l1ilclen. Da un hegr nzlc l{ü-rJJerga nzE! ist seinem \\i'escn 11acl1
niC?mals dircl\.lA!r Gcgc11.sta.1td der Bcobac htur1g. \Vir 111üs.sen also
vora us el zc1i 1 daß schon ein 1'eil uu über allr 'J'ejle Au fscltlnß gi bt,

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,., ••• - 53
'
d. h. tins ermöglicht., am Teil Begriffe zti bilden, die ~ur Erkenntnis
cles Ga.nzen dienen. Der Plt;·sikel' z. B. sucht eventuell durch Analyse
eines cinZcigen Experjrne.ptes einen Begriff zu find en , der unübersehbar
!\f annigfaltigcs „ mfad1.:· <öf;~r Gedanke f Ohrt uns 'tveiter. \\' ir hatten
bisJ1er imm.er nur die Vereintachuog einer J\ilan11igfaltigkeit Oberhaupt
behandelt. J et.zt1 ,vo . ,vir die l\ifannigfaltigkeit der KörpenveJt im
Sinne von · tJnerschöpflicl,keit oder Unobersehbarkeit nehmen, muß
klar sein, daß die dargestellte Vereinfachung fi1r deren eberwindung
noch nichts leistet. Die 1\llgemeinheit der eien1er1taren Wortbedeu-
tungen i .t stets cmpiris.cla begrenzt, und die Bcstimmt1ng jhres In-
, •.-. .. , I - . r. • ... l :-• • ... j~ • .,.
haltes clurch mseliung in die äußerliche Form von Aussage11 ä11dert
hieran nicl1ts. Soll eine Uebcnvindung der tintlhersehbaren Fülle der
l{örper\'\-·ell durch Beobachtung eir1es extensiv begre11zten l\lat.erials
möglich seir1, so miissen ,vir Begriffe bilden können , unter deren
. Umfang noL,vendig eine unbegrenzte Anzal1J von Einzelgestaltungen
• ••
fällt. Sonst ·schrump ft jede natunvi scnsc haftlichc J„eistung gegeniiber
der unersc höp[li cl1on .t\'Jonnigfaltigkeit der Kürper,1lelt. zu vollkorn -
mener Bedeutungslosigkeit iusamm.en.
Et,~as genauer können ,,,ir diesen Gedanke11 formulierer1 1 ,venn
,vir ,,·icdar da1·an •erinnern, daß ,vir die l(örpenvelt so,vohl raurnlicl1
als auch zeitlich unübcir ehbar denken. \\fir 111ae }1en in der 1 atur-
,vissenscl1aft n ot,,vendig die Vorat1sselzung, da ß ,~•ir mit Begriffen,
~ ~ ' \ ..
die an eine1n uns naheliegenden Britc hstück gebildet sind, et~va
t" • ,.
r • _.,
erfaßt l1aben, das in jeder belichigc11 Entfernung von uns sicl1 \vieder-
ho1en kann. Daraus er-gibt sich, d aß der lnhal.t cles Be<.,.riffes vo11
jeder Be.stimmt1ng, die sich n u r auf diesen oder jc11en R.atlmteil bc-
zich.t, frei aein rnuO. Ur1d genau eben o v el'hült es sicl, nut der Zeit.
Der lnhalt eines Begriffes 1 der zur Erfas$u11g des Körperganzcn dienen
soll , darf nichts en th.a lten, clas ih11 art irgerid eine hesti1urnLe Zeit
bindet. Erst tiann gilt vo11 ilun d~s '''o rt chopcr1l1auer ·1 d'aß er
I , • • •

frei ,,on der Gc~·alt dct' Zeit ist. Es ist nicht einzu~ehcn, wie die Be-
griffe, die nttr die bi$her betrachteten Eigensehafter, besitzen, das,
,vas liier verl angt ,,·ir<l , leisLeo sollen. Ein Allgen1ei11heit z. B., ,,·ic ,
.. '

sie durch \ 1ergleichung direkt beobar.l,tbarcr Objeli lc, d urcl1 \\'f'..g-


fns··cn der nterschicde und Zusamn1c1:i f a.siiu)1g des Ge1ncinsam•en
zustande kornmt, ka11n nicht in den Dienst einer Erlcenntnis der
unüberscl1baren l\Ja11nigfalLiglicit. gestell t ,vcrclcn . \\las aber f.e.hlt c.Jcr
bisher betracl1Lete1l Allgccn.einheit O•)c h? Un1 eine ;\r\t,,,-o-rt rlariluf
1

Zll gc,,'inn.e n, Fül1ren ,,·ir d~n Gcc.l"nkc:n ,vciter, duß der ,,·issc1lScl1afLlich

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brauct1ba rc B egriffsausdruc k die Form , ron Aussagen haben, oder
genauer jederzeit imstande sein muß1 diese For1n anzunellmen. B is-
her haben ~'it· es unentscl1iede11 gelassen , ob die Begriffsbestimmung
a-u ch aus sol chen At1ssagen besteht, die et\,·a s als ,val1r be haupten
o~er Urt.eilsgel1alt besitzen . Ist , so ,vol}cn , ,vir j etzt fragen , die Be~
gri!rsbcstimmung ocler die Zu~arrunenfilgung der Begriffselcmcnle
a ttch il1rem logisc hen Gehalt nach. ein• Urteil, odet'
........
tät1scllt
... ,~
,v1c
.Riel1l 1
.~ .. . - • •
ausgeführt hat, ihre sprachlic he Einkleidung un über ih.ren eigent-
1

licl1en ·Cl1araktcr ?
Vorher müssen " 'it· j edoc h den Begrilf des Urteil. ebe11so ,vie . • • f '

früh er den der ~ 'ortbcdeutu11g vor v'er,vechslungen scJ1ütz.cn. \Vir


trennte11 das \\fort von der Bedet1tung, die a11 jl1m l1aftet , und rliesc
von dem ps)rcl1i chcn Akte des Verstehen oder ~l einetlS. Kornrnt
nt1n das Urtefl ale Inl,alt eines Begriffes in Frage, so kann es ebe11-
• •
falls nicht nur nic;h t der Satz on<ler11 aucl1 nj cllt der psychische Akt
d es Verstcl1cns oder des Meinens sein, den " 'ir U rteiler1 ne11nen . Das
vielmehr, ,v a s verstanden oder g-cm-eint ,vird, ,venn '"jr einen . atz.
hörc11 oder au ·sprechen, ist für tins da · logiscf1 \Ve:Scnlli ct1c am rteil ,
und ,,,ir mil:;scn c von dem \virklichen Akte des tteile.11.s scharf
ab~on<lcrr1. Es kann o ,venig ein psychiscl1er \ 7organg sein, ,,,ie die Be-
deu tt1ng <lc · \.Vortes. es ist, und z,var a us denscJhcn Grür1clen . '\t\'ir
,,,.ollen cJ a· ider1tischo Et,vas, dus vor, vcrschie·de11en Subj ekten oder
ai1 ch von ei nern Subjekt i11 ,,crschiedenen psycliischcn Akten als
d ass o I b e genleint oder , ,erstancleu "vi.rd, und d as daher nicht 1n it
<lc11 v e r c h i e d e r, c 11 p. ycl,ischcn RcnliLlitcn zusamn1eI1fa llc n •
kan1) 1 zur \ rcr1nciclt111g v on l\fiOvc rs liir1dni_se n at1ch rr1it einc111 bc-
soncleren ~rcr111inu , bczcichn "ll. Wir l{ör111tc11 es den logi che11 ,,Sinn''
des rtcils 11cnrte11, u111 es so v on der blo ßen ,.Bcclet1 t ung" (lcs \Vorl.es,
d1e cJnon 1111r zu cin<'In Glir-clc die ·es r,Sinncs'' gc,vorde11 ist , zu tren-
nen 2. AbP:t· es isL ti a11 r, a us<lrCicklich liinzuz.ufiigen, daß ,vir clarnit
11 u r tiCJL fiir si"h lJcst,• hc11den, , ,orn UrLcilsakLc in jeder Jfj11sicl,t u11ab-

hiingigc111 11 l r:1nszt•nJe11tPn" Urteilssinn r11ci11cn 1 d enn es kann auch


v(.ln c i11c1rt <.lern UrLcilsaJ.tLe inoe,vohncndC'n oder ,tirnrnanc11t. 11," Sinn
ges1)tocl1cr1 ,,·cl'dcn. An1 besleJ1 ,vird es sein, "''erltl ,,·it da ' logiscl1c
1 Bcilr:igti iur l~ogik, 1802.
!? \ "gl. inclnc l1hanu l1.1ng: z,y1~i ,,·cgc der Erkcnnlni'i', Lhcorie. T1-art~zcn•
d~nl::alJ)Sychologie un<l 1' ran!'ZOndcn tallogik. l"ants t ui licn, X l \' , 1909, S. 199 f.
D ie ·rrcnnung de \l.'irl,licltcn psychisc lil!n 1·Lcilcns von de-111 ln1111u11culcn r-
l tiils,lnn un d ,lt•rn trull!<Zendenlon Urtl'il~gt'hal L halJc icll rcrnl'r in JPr ,\ t.,hanu-
lung: C1·leil u n{I t ·rtl.'il••n, Logos, 111 1 1 0121 S. 230 rr. durchzuführen ,·e,~ uchl.

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1

- 55

Gebilde, das gemei11L oder verst.anden ist, als den logiscl1en U r t e i l s-


g e h a I t bezeichnen,. und unsere Frage läßt sicJ1 darln so fotmulicrcn,
ob der logJscl1 volJkommene Begriff nuJ· aus \1/ortbedeutungen be-

stet1t oder aus dem Geha·l t von Urteilen, der ,vahr genannt ,verclen •'
1
kann, und als de sen bloße Glieder dann die Wortbedeutungen zu 1
ootra.ct1len ,vären.
C ~• ' -
,.. •
' •' ••• 1


Für den, der irn Urteil nicl1ts anderes al eine bloße ' ' erknüpfung
von \.Vortbede11t\1nge:n sieht, ist die Frage bereits bcant"vortet. Die •

Unterscheidu11g vo11 Begriff und rteil hat dann lediglich die Be-
deu tung der sprachlichen Unterscheidung von \'\fort u11d_ Satz 1.
Der logische Gel1a.lt ist in beiden derselbe. At1ders aber liegt die Saclle,
wenn man meint, daß die bloße Verknilptung vo11 \Vort.b-edeutungen •
noch keinen Urteilsgehalt gebe 1 sonder11 daß tu ihr noch ein ~loment
l1inzutretec1 müs e, das als das der ,, Geltung'' zu bezeichr1en ist. ur •

Gebilde, die gelten 1 könncm v.1ahr sein und daher einen ·rteilsgeha lt
ausmacl1en. 1\ lso, wir \.\'ollen ,vi sen, ob Begriffe iltrern logischen Ge- •

halt nacl1 g e l t e n , ,veun "'"' fragen, ob sio atls Urteilen bestehen .


Das Problem ,,.,·ird n,oct1 dltrch den Umstand kompliziert, daß in de1·
s pracltlich vollzogenen Begriffsbe. Limmut1g, der De!inilio11 2, die Ur-
Leile, die den Begriff bilden, nicht zu einetn spracl1Jichen Ausdr1:1ck
kommen, dessen Form sicl1 mit der StrtJ-kt11r des logischen Gehaltes
deckt, denn sie sind in einen atz zusamn1engefaßt, uttd z,var so,
daß djeser llirekt nicht den Inhalt des Begriffes sondern die Bodeu-
1
tung des mit. dein Bogrif-f verknüpften \1/ortcs ar1gibt. Deshalb muß
l1ervo1-gohoben \Verden, daß der Bed,e utungsar1gabe des Wortes nicht
der Urteilsgehalt ent.5JJricht, der für un. i,1 Frage ko,nrnt. Aber auch
1
das bei eitigt, nicht aJle Unklarheiten in der Fragestellung. Die H aupt-
el1,vierigkeit liegt vielu1ehr darin, daß, selbst ,venn die Sätze, die den 1
In halt. des Begriffes angeben, atisdrücklicb vollzogen ,i,,•crd en , mau ••

meinen kann, die Begriffsbildung bestehe lediglich in ein•er Zt1snm- 1


mensLeltung von Begriffselementen oder i\1erktnaleo, oli11e daß da-
durch schon irgend et.,vas Ober die Ge)Lurig gerade dieses Zusn111;1nen
',
1

1 Vgl. \V in tl ~ l band, ßcilrllge zur Ll·hre , · 0111 ncgali\'~Tl Urlril. traO-


burgcr Abhand lungen zur Philosophie, 1884, S. 170 f. 1
2 Ons \\ 1orl ist bii,hcr ab„ichllich v('rtnicdcn. Ic l1 t1ube ~s frOher ttl::, gleich-
hctleot.end mit. ß f'grirr~biloung ouc.r ßf'grirri;bc-,.,Limn1uni; g(·brnuch l ( Zur L ehr(•
von der Derinilion), gcl.lc nher S i g w v. r t g-c·rn iu, IJaU ntao es fJrr,,-.or fOJ" J ~n
:;prucltlichon atz. ,·cr,v ' lllh:l , d(•r <lic ßt'rlcul u11~ Z\\"Cicr "\u-.Jrückl' glcich::..1• t1.t .
Doch ,,·ertlen dadurch ~ncltlich dif' ~\ u„f illtru1tgl'f1 1nein 1-r Dok lor-Die:'-rrl o t ion
nur un ,\·e~c-n llich n1odifizie rt.

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als ei11es Zusa1nme11 a o h ö r i g e .n ausgesagt, ,verdc. Dann kön11te

, ~.. '
man noch imm.e r ni cht bel1aur,ten, daß der Begriffsi11halt. aus dem
.
Gel1alt v on ,\'ahren oclcr gülLigen Urteilen besteht. :Qocll, es wil'd nun i l:
~\var niemand lcugr1cn, daß es möglich ist, Begriffs.elemente oder r.. ,.t • .• ·,,• .-·
' • .... • • "I

· , " l\lerlt rnale zusammc11.zus tellen, ol1ne daß a11 ilmen \Vahrl1cit. haftet, ' .. · · ·.4
6

,• , und daß ~olche Begri{tsbildungen , die man dann wenig glilckJic~ l _ . .... - , ,

,,Nominaldefinitionen'' nennt, nur die Form von Aussage11 haben,


also keine gültigen Urteile sind, ist al lerdings selbstverständlich.
. '
Aber dieser Umstand darf un.c. den ,,·cscntlichen Pu11kt nicl1t ver- • 1

hullen. Wir behn1ldeln hier den Begriff 11ur inso,veit, als er ei11 für
die Erkenntnis der jatur logisctt b e d c t1 tu n g s v o 11 o s GJied
ir1 einem \v·is:cn"chaftli.c hen Leistunrr.szusatr1menhange ist , und da ist
die ~I ö g I i c h k e i t einer Begriff 'bildung , t
durch bloßes. Zusammetl-
t eilen von ~lerkrnalt1n ol1ne deren Zusan1mengcl1örigkeit für unser
flroblem vo11 keiner ,,·c e11tlichc11 B ctletJtun.g. \Vir haben vielinchr
zu fragen, ob die \Vissenschaft nicht Obera ll die Au f g a b e hat,
Begriffe zu piJclcn 1 di() il1rcm ln ba.Jt nach dein logiscl1en Gel1alt von
4 ,t,7' ,,. ., • , ~

rteilcn g1eictizusetze11 si11d.


En t.sc hciden-d für die .i\nt,vort ist u1 unserm Zu amm-enhange der
Umstand, daß nt1r danr1,. ,venn \vir die Begriffe. i.1m einen attcl1 vo1,
Riehl 1 früher gebrat1chten f\usdruck zu benutzen, aJ ~ ,,potentielle
4
,,,. ' . .
Urt-eiJe ' auffas~en, s ie fä hig sind, die Unübcrsel,barkei t der ai1scl'1at1-
Jichcn i\1annigf.a lligkcit ,visscnscl1afLlicl1 zu über,vinden. ,vir sa hen,
daß die \ ~orau ·elzur1g der l1öchst.en l .eistung des natur,vis~enschaft-
lichen Begriffes d.a.1·in be~ tcht, daO er von al len bP!;oncleren rät1rnliclien
tiod zeitlichen Bcstin1mungen frei ist, um so au f j ede Gestaltu11g der
\Virklichk.eit Zll passen ,,1clc hc räumlicl1e11 und zeitlichen Bestim1nun-
gcn sie aucl1 haben möge. Er muß mit artdern \VorLcn nic11t nu1· cm-
pirisc}1e so11(lcrn unbegrenzte oder 11nbedingte AlJgc1neii1l1eit besitzen.
Die Allgen1einl1eit der Wortbedeutung oder de II Gattun~ begriffes''
im traditionellen Sinne 1 d er durcl1 Vergleic hung n1ehrcrer direkt
bcobachtlJarcr Ollj ekte, also du.rch Ztu:,am1nc11fas ung des Genleio.-
samcn z.u:-1lnnde komn,t., und I11it l Ii lfc clcs ·erl ,\·ir eirtc exten~i"· (iber-
. eh bare l\ta11n.igfal Ligke it vr rci nJ achen, ist in11ncr em pirisr.h begrenzt,
11nd es ist rlicht ein.z11schc11 ,vie die m sclzung in clie bloße For1n ,·on
Aussagen od er clic Bcgr irr l,cst.iruJrrung darur1 ct.,,·as t:i11der11 solllc.
Die bis her betrachtctcu ß cgrif[c l<önn~n ,,·egen ihrer lctliglich cmpi-
tischcn A11 gcrr1ci11llcit (len letztc11 7.iel<:n \Jor Na Lu r,visscnBcha[ t u)so
1 \ 'g-1. J,rili,7.h,n1us, 11 l , l ' 79, .. 224.

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nicht. dienen. Völlig anders dagegen verhalten sich allge1neine U r-
t eil e der Erkenntni aufgabe gegenOber. Wir nahmen in der Natltr-
,v.isscnscl)aft an, daß ,Yir nicr1t nur empirisch allgemeine sondern auch •
1

\Jnhedingt a llgemeine Urteile zu bilden imstande sind, d. h. Urteile, 1


deren Gel1alt für alle Vorgänge und Dinge gi}L, ,vo und wann a uch immer 1
'
1

s ie sich finden m ögen . Daraus ergibt sich dann, daß die unüberseh- l

bare i\'l an1ligfaltigkeit (ier \Virklichkeit durch die· e, von d er bisher


allein betrac hteten vorsclLicdcnc Allgemeinheit, die Urteile haben 1
1
1
1
können, wol1I zu übenvinden ist . Wir nennen solcl1e Ut·Leile, die et,vas
ü ber nicht ,Jirekt erfahrene Wirklichk,eiten e11t.h.a)t-er1, Na tu r g e-
s e t z e, und ,vir können ,d aher auch sagen, daß \vir eine unübersehbare ••

Fülle ,ron tlnübersehharmannigfa ltigen Einzelgestaltungen n,u runter d,er 1


Vora us·etzu11g n1it einem Begt·ilf erra c11 ,verdcn, daß sein Inhalt •

aus Urteilen best eht, in deren logiscl1em Gehalt ein Naturgesetz steckt. l

Solche Begriffe sind dann von den Allgemeinbegriffen der traditio-


nellen Logik oder den l\terkma lskomplexen mit Riicksic ht auf ihren
'
Erkenßt__nis"vcrt J>rinzipiel] verschjeden.
1
Dies E rgebnis läßt sicl1 , so,vei t es sich u1n d ie Erkenntni des 1

l{örperganzen1 d. h. um die Ucbe1"'vindung der c.xtensiveu l\1a1toig- 1
1
faltigkeit bar1dclt1 auclt so a11sdrü__g_ken. ~1it Begriffen, die bloße Zu- •

4; . · • . , sammenstell ungen von l\-lerkniälen sind, also n1il den Ga ttungsbegriffen. ()_

• der traditi,onellen Logik1 die durc b cmpiriscltc Vergleicl1ung zus ta11de


••
korruncr1, kan:n nur die l(J assifikation ei nes eng begrenzte11, überseh-

baren Teiles der \ Virklichkeit versucht ,vcrden. Eine d ie ganze ~ 1e1t
,
. ; , · · ~ „4
1
· \Jmf asse11de Klassifjkation 1t1it llilfe solc.h er ~1erk-malskomriloxe .!1...
oder
~, . ; '·· Gattungs begriffe a ber ,väre nur möglich, ,veru1 ,,,ir alle Ge~talt ungcn
' '
der Welt. einzelrt kenn te11, d. 11. uns im Be-sitze jenes, \\1ir \-\'lt gesel:1:en
haben, nicl1t einmaf annäherUil¾:,l'S\Veise erreichbaren Ideals eir1es voll-
sW.ndigen \ VeltbiJdes befär1de11. So ,ve11ig jen~ Id eal antl iil1erun gs-
\\1eiso erreichbar ist, so \Venig \Yird die Natur,vissenscllaft eine bloße
I{lassifikation der \.Yelt auch nur anstreben , ,venn sie sich ~clbst
versteht. Ein \Yertvol les Glied i11 d etl auf <li,e Erlienn'tnis des Ganzen
<ler l{ örper\\'Clt gerichtelen LeistLLogszusa1r1menhängen kan11 , 1ielnJc hr
eine v\lissenscl1aft. nur scint ,v('nn s ie c h o n i n <l e n c r s L e n
• •

• .~ n s ä tz e n _zu d en Bi l d u11.ge ll. ihrer B eg riff e d ~s
1 • •

•• e n cl' g ü I t i ·s c Z i c I a J I c l' a t u r \ V i s s e n s c h a f t i ill


A l l g o h a t , d i e E i n s i c h t j n d i e n a t u r g e s e t z I i c t1 e
Not ,v e nd i g k e i t d e 1· D j ll g e. If a t. «ic a!Jer uic•s·s Ziel i1n
r\ugc, da11n ,,-ird ic überall die rei n li_lus ifil1.a torisc hc Brgriff:;bilduag

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sobald \vie möglicl1 zu vcrlas~en streben, d. h. sich n i e n1 a l bei
B e g r i f f e 11 b e g n ü g e n , d i e b l o O e M e r k 1n a I s k o n1-
p l c x c s i n <l , son<lcrn es \Vird j e d c Z u :; a 1n n1 e n Ca s s u n g
v o n i r g e 11 d ,,, e l c 11 e rt E l c m c L'l t c r• z u c i n e 1n B c-
g r i ( f e i n1 m e r ll rt t e r d e r V o r a u s s e t, z u n g g e s c h e h e n,
d a ß d i e z u s n m m e n g e ( a ß t e n E l c rn e n t e e n t ,·v e d e r
d i r c k t i t'l e i n. e m n a t u r g e & c Lz I i c h o o l ,,. c n d i g e n,
d. ll. u n b e cl i n g t a I l g e 111 e i n g ü l t .i g e 11 Z u s a 111 rn c n-
11 an g e s l e l1cn oder in il1rcr Zusammen s t e llt1n g
,v e n i g . t e n s V o r s t u f e n z u s o 1 c 11 e n B e g r i f [ e n a b-
g o I> o 11 i n d c 11 c r1 e i n n a t u r g e s e t z l i c 11 n o l ,v o n d. i-
g c r Z u s a m 1n e n }1 a n g z u m A u s d r u c k k o 111 m L. Da.
i t bei aller 11at·u r,.v.isser1schafLlichen 8egl'ifft1 bilduna ge,vis!5ertna0er1
die stillsc h,veigendc Vorat1. setzu11g 1. E s könne11da her 1, 1ichL nur \Vo1·t-
bedcutun"c.n oder deren l{omplcxe, sonclcrn es rnuß tet.s auctl der Ge-
halt von rLcilc11, d. h. von Jogi cl1c,1 Gebilden, die ,va.hr sind, gemeint
oder verslauucn ,vcr<:lcn, v.·e,111 ein logisch voJlJ~ommener na lur,,·isser1-
sc l,aftli c her Be~riff vorliegt, unll obald ,,·ir vora11s:jctzc11, daß die
Begriffe schon i11 it1rer pritnitivstcn l<'or1n der naturwi:;. enschaftliclicn
Erkenntnis d e. l(örperganzen dienen sollen, i L aucl1 von ihnen da filr
den rteiJ~gcha.l·t charnkteristi ehe i\tomcr1t der allgcn1ein~n Geltung
nich~ l'oszulö on. Die Bestanclteilc cl(!S Begriffes g c h ö r e n 2.usam-
nte 11 u11d ,\'erden in ihrer Zusarr11nengchörigkcit v otn bej ahenden
Urteilsakte anerka1111l ::io vcrl1 ält es sicl1 \,·e.o.iasl,"rls bei ,1en positi,.,·en
Erkcnntr1is cn , au{ dio ,,·ir u11s hier bcsch1·ti11l,c.11 ltö1111.eo.
• \Vic aber , tcht. e:s1 ,,·e11n ,,•it· vo11 ei1tcr Erk.e1111tnis des K ürpcr-
ganzc,11 ab cl1c11 urtc,I nur di•e Begriffsbildung ins A.uge fn.sscn, die bei
der \\' i ·.sen ·cl1aftlichen Bearbeitt1ng eir1e~ b<'grcnzlcn Ausscl,nitt.es
der \1/irklichkeiL. eines cxter1.s iv übcrseltbarrn Gcbict..e , cii1e }-{olle
spielt? l.icgt hier die ach e 11icht a1ttlcrs? Si11d liier die Bcgrirrc 11icllt
bloße l\01nplexc von cle1ne11tarcn \ Vortbecl('ulu11g •11 Oller ~lcrkrrtalcn,
olt11e tlaß ein l\lo1Tient der Gcllu11g odrr der Zusommcngcllörigkeil
hi11zut,riLt.? \\' ir sa.l11: 11 1 daß (lie Begriffe tian11 bl<J ß · i\[crkmalsl-t.om·plexe
sei.11 \Vür1l c11, ,,·cnn sie n u 1· cler l{lasf-ifikation dic11tcn. und es mag
n.un ,,·ol1l \·orkv111111Pn , cJnß eine rein kl ussifil<.ntoris ~l1e Begri(f. bildu11g

1 fc h 111(,<>h l,· rnil l \üc ki-iehl uu f .-pli~cr n och zu crörl1>rnrlc Ein,,·fl n dt' und
;\liG, ~r :,lfu11lni-i.:,t', c.1,· u<·11 111\.'illO .~ u,1ro hrungen b egi•g n◄ •t ~irtd, bl'n1 •rl~en, dnß
d ic~c :,i,tze \\'örtl ich b(!rrll,- i11 '1i•r C'r~tc.>n ,\uCl:.i~c dtl':,,f'"- l3nch{':- i-tr•h(•n . Ic h
11.l hc ~ic jl•lz.l nur ·durch <l\' n Druc k 1n i:hr hrr,·orgc..•h ol)~n.

ü1g1taltzado por Goog e


- 59
auch a ls Ziel auf irgend oincm Gebiete der Natu1"\ris:3cnscllaf~ in Angriff
genommen ,,•ird. Aber, abgesehen davon, daß eir1e solche Klassifika-
tion fast immer nur ein vorläufiger · otbel1e1f ist, entziel1cn sich aucl1
diese Fälle unserer Theorie nicht, ,venn sie nur zu ,virklicl1 ,vi senscha{t.-
licber Arbeit in irgend ,velchcr ,vcsen tlicl,cn Bczicliung stel1e.n. Es
gibt. ja bei genatierer Bctrncl1tt1ng im Grunde doch kein ,,;"'senschaft.-
liclles Gebiet, auf dem die Dcgrifrsbildung ganz ausschlieOlicli der
Klnssi(ikation dient. J ede11fa)ls jst eine reir1 ,viUkürliche l(lassifjka-
tion ohne ,vissenscl,aftlicl1en \Vcrt. Was aber t1cillt \V.illkurlicbe I lassi-
fi kation? Ei11e J{lassifikation oh ne jede Geltu11g ist inimer ,villl{ürlic u.
Eine ·not.,vettclige I{lassifikation kann immer 11ur mit Rücksicht auf
eine Theorie vorgenommen ,,·erden, die aus ,,·ahrcn Urteilen besteht,
oder es \\'ird ,,ienigsLens dut·cl, die Bildung eir1os Begrilfes und durct1
die J1terordnung der cin1.efnen Dinge un <i \ 1orgänge unLet· ihn imn1e1·
scl1on der .l-\11rang zu einer 'fllC·O•r ie der Dinge o<ler \ rorgängc gemacht,
die ,,·nhr sein ,vill. Dann aber ist die Zu- am1nenstellung gerade die:.er
Begriffselcment..e in Rück icht. auf <lie 'Theorie 11ot.,,·endig und gilt.
Der Inhalt. de;; Begriffes isL somit nicht nur ei1, bloßer L\Jerkmnl:---
komplex, so,n<lon1 es "''ird iru.plicit.e aucl1 eir1 \VHl1rer U rteilsgehult g<.._
meint oder ,,erstanden. Der Begriff i t also in dic~em Folie, ,vo e" sich
u1n die Erkc11ntnis eines Teiles der Wirklichkeit l1andclt 1 ebenfalls
d·em Gehal L eine: gültigt:n U rLei ls logi~ch tlqu ivalen t.
Die übcrz. ugcttd~·Le F ils ·u11g können ,rir di e5e11, Gc-da11J.cc1L -.•ie l-
leicht in fol.g('uder '''ei e geben. ehmen ,,·ir an, rlaß uns eine völlig
übcrscl1barc Rcih,c von Dingci-1 vorliegt, die ,,,issc11.scl1aft.lich zu klassi-
fiziere11 u11::iere . \- u[gabe \\·üre. l(önnt.cn ,vir uns oh11e irgend \\' l' l,·hc
v'oraus. etiungen an dic:ic Arbeit n1ac'l1en, o ,,·ürdi!n ,,·ir fin <lcn.
daß ur1s auch bei einer über5ehbnren 1\ nz~thl , 1011 l(ö1·11c1·n eine unüber-
sehbare J\ nz.nh l von Jlrinzi11ien f-ür ihre l{J as. ifikat.ion zur , ·erfü 1rung
.Ui1tcle, und ,,; r ,vürclcn da her ol1t1e ,,·ci t,e,,o~ n icl1t ,,rissc•n, ,,.<:'1,·h,!s
, •
Prirµip ,,;r ,väl1len sollen. Da$ klingt. , iicllcicl1t sond erl,ar und ist. cl ucl1
UUZ\\'Cifell1a(t ric htig. Denken v.-ir nur dara11, ,d aß auclt jede Ei11z<>l-

gestaltung der l{örpcr\vclt eine 1tie zu cr:-;cl1üp fende.1 u11iil>cr-3chbarc
~f anni,;ralLigkeit zeigt. Da rnuß e.s, ,ve1u1 ,,·ir ol111c leiLe11tle,1 Ge· icht~-
punkt an flic '"' nrhe g"hc n, ,..-illkürlir h sein. ,,·a, aus <:lic-Ser :\l nnnig-
faltirtkeit
o ,vjr herau..:n-r •i[c11 1 un1 ein P r inzi11· zur \ 'c1•r,[cichu111"'
~ e r.,
der [)i·n•rc
~

untcrcinartcler zu ge,\"inn n. .Jcdcl· kürp~rlirhe \ 'orga11rr i,t j eu('111


and ern in uuüuerseh !Ja r vjt: len Beiieliu11ge11 gleich uttd 111 ('})l•nso
vieler1 ß t ziehu11gcn ungleic h. \Va~ die-s üt,crsl'hcn. 15ßt , ist der Cn1sl,n11d.

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- 60

daß durcJ1 d.ie '''orLbed eutunger1, die ,vil' besit't en, uns nur ein kleiner
'f ei l de i· Gleicl1ll-eiten und Un gle1chheit.en uus(lrücklic h zun1 Be,vuOt-
seln kotnmt.. )1it \\'orten ist von d en vielen tl)öglicl1en l(tn ~:-ifikatio11en
der l(örper stets nur ei11 kJeiner Teil küsriih~bar. \\fi1: l:1ahen uns aber
0

immer gcgen,värt.ig zu balter1 1 da.ß wir in den \VorLberJcuLungen d,ie


liörperliche \Virklichkeit bereits in hoh e,n 1\faße vereinfacht besit zen,


- .
u11d daß dieser von ,,ri se11s~ha ftli e he r\ . Gesichtspu11kle11 au.s zt1.m
. .., . . . - . . '
.
.
, ~... , !
...
,.. ~· .. .,.,
größten 'l'cil zu fä llig vollzoocnc ProzeO clcr Vereinfachung eigentlich •
••

I •• ••
übera ll erst d er logiscl1er1 oder "'·i sen ctiartli chen llccl, tfertigung ,• .• • •

bedürfte. Nicht nur ruü sse11 ,vir einen Grund dafü.r haben, d aß ,,·ir
,. unter clen durch die elen1enta rcn Wo rtbed eutungen ri:•öglichen J(la ssifi-
kationen einer den Vorzug gebe1l , so11dcrn auch d afür, daß ,vir überhaupt
eine v on diesen Klassifikatio-n en \\'ählen u11d 11ich t eine au. der unübor-
- ,..... .. """ .. .
sehbnre1i Fülle, die sonst r1ocli rn öalic
f , ,.
..
.... h s.ind. Docl1 bra.ucl,en ,vir
die~en Gedanken 11icht ,veiter zu ' 't:rfolgen. •
\\'enn \.vjr nur nicht vergesse n, daß auch bei größtr r Eiuac hrän-
kung ,les Erl,enntni:-gebictes ,vir irn rner vor einer Uniibor-soh barkoit
st ehen, die d urch die r1alur,visscnschaftl icl1e Begrj [fsbildu11g erst zu
Oben vin.d e11 ist, so "vertle11 ,,,i1· dadurch auch auf den Ged.an l<en ge-
führt ,verdcn, daß die Erl<cnn tnis eir\es Btuch lück.es der l(örper-
,velt keine prinzipiell and ere Aurgubc ist als d ie Etkcn11tr1is des l,ör-
pcrlicl1en \Veltga.r1zer1. Die in.tensiv·c U tlOLer chbarl\cit der Einzel-
gostaltungen bedarf zu il1rcr · cbcr,vindung ebenfalls d e·r unbedingten
Allgerneir1hciL, die in de1t sogena.nn t.(;'n Na.tltrgeset zen zun1 Ausd ruck
ko mmt., ,veil nur ein u1lbec.li11gt al lgcrnoingültigcs ·rteil d.ie "'' illl~ilr
bei <lcr Bcgri(fgbildu11g beseitigt. Diese Nut11rgcsetze fallen inhalt-
li clt 1nit drnen zusammen, die un. zur Ucber,vil1tl \lng der cxtensivert
~ i tannigfa!Ligkei t der l(örper,,•elt dienen. Ei11e n1ehr als \\'illkUrliche
B egri[fslJi ldu11g üb •r,,·inclct iu ih rer l1öchst,cn. Vol l-e1ldung daher l)Qirle
1\ rl,en der u11ül>crsnhbal'et1 ~Ia111tigfalLlgkeit . lsL ei.n einzelner l( örpcr
, röilig begriffen , so ist ,Jarin zt1glcicl1 eL,\.'a erfaßt, ,vas fü r das \1/clt-
gatl:te orJcr für alle seine Tei le gilt. Tn der Ueber\,·i11 iung d cl' inten::;iven

'.\fann igfaltigl\ci t, eines Körper:" ,vird in1tl\er auch ein Stück der ex-
tf'nsiven ~fa11rtigraltigk<' it <lc. l{örperganzcn mit Obcr,,,unden . o
verstehen ,,·ir auch rlie Bedeutung des Experimentes un rl der ~l cthodc,
din iluf ,lie t\ nal)'·~e e ii 1f'S E ir1zclfull"s au:-gch L, um <l:ldurch z.·u Natur-
gf'setzf!n zu liornrnen. Der Einzelfall, der un lcrs uc ht ,y1rrl 1 hätte gar
l-ct>,ir1 l 11tcre. e, ,vc11n er n.icl1t {t.ls Re1)1iise11t a1lt fü r das Ganze oder
••
{ür alle F älle i1t Belracl1 t, l\ärl')e. :\Ja n l,ann dies aber aucl1 t1n1kcli1·e11

D191, h,ado por Google


- 61

und sagen, daß eine ,vah rhaft ,vissenschaf tliche begrif flicl1e Erkenntnis
eines Einzelvorganges durchau ar1 ein Erkenntnisstreben, das auf das
Ganze der Kö1·pcr"velt gel1t, gebunden ist, ,veil das unbedingt allge-
m eine Urteil, das für alle Teile de Gan·i en gilt, aucl1 fü1· die Ucbei-~
windung der intensiv,e n Unühcrsel-1barkeit j,cdes Einielvorgangcs
nicht~n-Llfet/1't'\~er<icn·~t!nn:· ·~'•·· 1

So, sel1en ,vir, mt10 das Be treben der Natur,vi .. eit~ ba{t. unter
allen Umständen darauf ausgclien, Begriffe von unbedingt allgemeiner
Geltu11g, d. h. Begriffe, die Nat.urgesetze enthalten, zu firtden. Ge,viß
bildet d ie Beziehung d.er \Velt d er Bedeutungen auf •d ie Welt der An-
schaut.1t1gen t.in.scr Erkennen, ,vcnigstcns so,,·cites sic~l um ein Erker1nen
der NatUf\\.'isscnschaften handelt. Aber gerade. darun1 könuen die
Bed eutttngen nicht nur Bedeutungen einzelner' \\' orte sondern m·üsse11
ib.rcm logischen . Gel1alte nacl1 Urteile sein, die Gesetze ent11alten
• • •
oder sie, vö1·bereitei1:- n e1m die \\feit der Bedeutungen oder de Urteils-
gehaltes muO begrenzt sein im Gegensatz zur unbegre11zten \\'elt
d er Anscl1auungcn 1 und nur in For,n des geltenden Gesetzes haben ,vil'
ein Begrenztes, das icl1 auf Unbe.grer1ztes beziehen läßt. So ergibt. sic·h
tins di.e letzte Eigcnscba(t der Bogl·if fe, il1rc unbedi1lgt allgemei11e
Geltung, ,viederum. atts ihrem logisc hen ~ 1e. en, cl . h. daratts, daß sie
das nlittol zur Ucber,vindung der unübersehbaren i1annigfaltigkeit
1

der KörJ)er,vclt ,ind. .'ic ,,,ordr11 ol\r1e t1r1bcdingte Gelt.ung 11icht das
leist en, ,vas sie im Die1tste der Erkenn.t.nis zu leisLen haben. Der Uni-
fang eir1cs Gesetzesbegriffes chließL eine u11iiber-se hbare ext.er1~ive
~1annigfaltigl{eit eint dor l nl1alt sagt 11ns, ,,•as aus der unübcrsebbare11
intensiven :\lannigfaltigl,eit für die Erke11ntnis in Bet.ra cl1t kornn1t
oder ,ve entlieh ist , und errnöfflicllt un ... daher\ auell clie~e ~Jannigfalt,ig~
• . ... . .... , .. ,J · ·- ··
keit naLur,,,tissenscha(lliGh vollkornmen ztt uber$ehen,. ·
, Docll a11cl1 t1iermit ist da Ideal der Begriffsbildung rtoch 1iicli t
. .t < l ...... ganz . angei;;.1'16.. ei-i.♦ '·,vir musse11 nicht T1Ur Ge elzesbegriffe biltler1

können, vor1 derlen jedet' einzelne ei ne tinübe rscl1bare 1\1anriigfalti 0 -


kei t ü,bcr,Yindct, sor1(lcr11 at1ch ,,oraus. etzen, <laß eine vollkomn1cn ül)cr-
sel1bare Rei he v o11 Gesetzesbegriffen alle Ei11zelgeslaltunge'lt der t111-
übersehba.r en \,Vi rklict,keit ltm(aßt. Es ,,·nc·e ja dcnli.bar, daß es eine
I ~ , •
u11übersel1bar g roße ~[enge' ve rsc hiedener Ge.seLzcsbegriffc giibe, tind
unter dieser Vorau selzung ,,·Ure ,vieJeru1n ci11c E1·l,cnnlnis cJcs .Körpcr-
gani.en in allen einer1 Teilen auch. nicltL cirtrnal o..r1t1ilhernd erreichbar.
Doc h ist hier n t1r ein e Vora usi;ctzung nocl1 not \-vcnd ig, d,ic s ictt von der,
da 0 \vir ·ü berhaupt Ge etzc.:;bc-g1•iffc bilclc11 kör1nc1\ 1 rlic tinbeclingte
1


D1911 11,ado por Goc,gle
- 62 -
Allgcmci11liei t b esitzen, nicht prinzipiell unterscl1eid et. Die Ge,viß-
heit.1daß es eine überse})b are R eihe vo11 Naturgesetzen gibt.1 ist möglich,
,vetm ,vir sozusagen eine Gesetzmäßigkeit der Gesetze at1nel1men ,
d. 11. ,vcnn \\'ir imstande sind , einen letzten Ge. etzesbegriJf aufzustellen,
(!er <.lie verschiedene11 Naturgesetze umfaßt , oder genauer , \Venn ,vir
vorat1 set zen dürfen, daß \vir auch die Geso tzrnäßiglieit immer rnchr
zt.1 v ereinfachen in1stande sind und uns dadurcl1 dem einen letzten
Gesetzesbegriff imn1er m el1r annä.herJl. Atlf jeden Fall n1uß e i 11
letzter Begriff als Abschluß gcford~rt \vCr<icn , ur1d z,..-ar atis rein lo-
giscl1en Gcsichtspunktc11. Es i t nicht richtig, daß d iose F orde rung
nur cine1n tisthetiscl1en B edürfnisse en tspringt , u.n d daß eine ~1ellrzahl
letzter Begrirfe dem wi enscllaftliclien Erkenotnisst.reben gc11ügen
kan.n. Ergeben sielt näm lich scl1ließlich mehrere letzte Begriffe als ein
Unhegrcifliches1 so körtnen ,vir niernals wisso:n; ob n icht noct1 eine t1n -
bcg1·enzt.o Anzahl von n euen letzten Begriffen hei ,veit,c rcr F orschurtg
hinzutreten wird , und eine cber\-.·indung der unübe1-sehba1•cn Mannig-
falt igl<eit ist dar\rl durcll nict,ls gc,,..-ä ht•lei::.:tet . \Vis en ,vir dagegen,
,vnrum mehrere letzte Begriffe sich ergebeia, dann ist jene l\lr l1rl1cit
ja. gar ni cht die letzte sondern erst ,tic ,,orJctzt-0 Stufe, t111d irn \\7is. Cil
vom Grt1ndo einer ~1 eltrl1-c it von letzten Gcsc tzesbcgrirfe11 hallen ,vir
<lanr1 den ei'oen, in \ Vahrheit letzten B eo-ri((. Er paßL au! alle E in zel-
g0$laltungen der K.örperwelt, in ihm ist alle ltnüberscl1bnre l\1annig-
raltie,'1!eit über,,·un clen. Ob er jemals gef'u11den ,,,erden ,vircl, geht t1ns
in d ie.sein Zusamrr1enha11ge selbstvct tändlicl1 nictl'ts a11 . J edenfalls
bildet er clns dcnl<bar höcl,ste logiscl1c Icleal der n a tunviss·e nschaft-
lichen Begriffsbildtang, un rl eir1 Ideal alleir1 l{ün r1c11 \Yi1· hier ko11sin1ierer1.
A11f ,velcl1ern \Vegc <l ie u11bedingt allgemeinen Naturbegriffe
oder dje a turgc ctze v o11 der \\1is~e11 chaft g e ( u n d e n \\'e,rden,
11:\hen ,vir e11tsprecl1cnd der Be. chrtinkung uni,,erer AtJfgaho in diesem
·z usanunet1haoge 1ticllt näher zu u11tcrsuchcn. E s ko1nmt ur1s nur auf
die logiscl1e Strul{tur der r c r t i ge n ß egrirrc an, danut ,,·ir
dann
spä.tcr festsLellen k önn en , ir1 \.Velchem \ferhält1ii.s s ie zur empiri chcn
Wirklichkr it st..cl1eu, urad mit ,,·elchem Rccl1tc man in ihnen die
einzigen ,vis ·cr1schafLlicl1cn Begriffe crbliclit. Auf die logiscl1e SLru1ltur
der Forschung gchcr1 ,Yir ja nirger,icls ein. t1r das war bei den Uill>e-
dingt a llgemeinen B('griffcn o<ler cl1'11 aturge~etzcn vo11 Bed et1lung,
daO es zu il1rnr ß ildu11g 11ie.l1t ,vic bei d en blo ß empirischen Gattungs-
bcgriffen einer direlite11 V e r g l c i c h u n g mehrerer grgcbcner
Objekte betlorf, fü1• die sie gellen ollen , d enn gerade darauf beruht

D191, h,ado por Google


- 63

ja il1re L eistung., daß sie über d as djrckt Beobachtbare hinausgehen


und auch for solche Dinge und \' orgänge ge)ter,, die niemals "erfahre11 ' ',
,d . h. \\'ah rgcnommcn "'·erden können. Tat.sächlich liegt denn auch in
einigen l 'oilcn do.1· No.tur,vissenscl1aft die acbc sot d aß der Begriff
des allgemeinen Naturgesetzes sich durc}1 A11alyse eventl1ell eines
e i 11 z i g e n Objektes f i n d e n läßt. w·ie das möglich ist, brauchen
\\·ir in dic.scrn Z.usammen l1ange jedoch ebenfal.ls r1icl1t zt1 fragen. Nur
darauf .kommt es an., daß der a n einem einzigen Objekte geft1ndcne
Begi-irf t1•o tzdem f ü. r eine u11ubersel1bare ;\1enge von nicht beob achte-
ten Objekten gült1g sein muß, und daß gerade in dieser unbedingt
a i 1 g e m e i n e r1 Geltung sein logisches \\'e en. be tellt. \\1en11 ,vir
frü}ier sagten, daß die Natun•.iissenschaft durch ihre Begriff c g e n e-
r a I i s i e r e, so darf cla selbstversUindlich nicht et,va so "'erst.a.n<len
\Verden , daß s ie sicll auf \ fcrgleich ung melirerer gcaebe11er Objcl<le
zu beschränken l1abc1 bei denen. sie dann clas ind ivicluell \ Tersc hiecle11e
,\·cglößt, um nur das Ge1nei11samc tlbrig zu behalten. W'ir h aben im ;

Gegenteil zu zeigen versucht, daß die 1 atunvisscnsc ha ft. mit, em,piriscl1.e1·


v·crgleicl1ung nicht ausko,nmt . Auf die Unterscl1ieclc, die sielt 1bci der
Bildung von Gatt ung.shegriffcn irn engeren Sinne und von Gesetzes-
begriffen ergollen , n äher einz11gelicn, l1at.Len ,vir aher trolzdc1r1 l{eino
\' ernn.l a sung. Es wäre ogar geradezu fal;:.;cli ge,vcscn, in diese-n1
Zusam1ncr1hango z,vischen der gcn@ra lisierend.en }\bslraktio11 u11cl der
Anal)-se de~ einzelnen Falle einen Unter chicd ,ron der Art zu 1nac.h en ,
daß r1ur das er~te Ve1·fal1rc11 gcr,cr·alisierc. o eng dür!er1 ,vir den
Begriff des Generalisierens nicl1t fassen. Es kommt. un nicht nur
auf die durch Vergleichu11g ent~t ~nde11e :\llget11einhcit, 011, ,,,enn ,,,ir
von Generalisieret\ sprechen , sonde rn auf die a llgcrnci no Geltu ng
des Begriff 'i.nha ltes iiberh au pt g~genOber :illen be$ondcl'cn und ein-
zelne11 Vorgängert rür tlic er gebilde t ist , un d für di • et· tloher gelten
oll. Jai gcrad•c das ist rür uns ,vic htig, rl aO auch d i e Begriffe, clie durch
Anal)•se eine einzelnc1l }::'alle gebil(Jct sind, iJl cler Nnlur,vi:,senscha(t
von allem absehe n, \\•as sich n u r an clic~e1n ei11zeh1l':O l1 alle fi11del.,
und dal1er ebenfalls generalisieren. In di ese r Iii nsich l. sind :sie
von dem durch \ 1crgl.eich u11g gt1bildcLer1 Gatlu11g:-.begriC(e in it1rer
logischen Struktur nicht v crscliicdcn . ie haben ,,·0111 eine andere Art
von .i\llgf'n1rin l1ei t, u be r nllgc1nci11 sind a 11ch sie. ic ,,·ürtlr11 j cdc11
1i.:tlunvis~cnschaf llichc11 Sin11 verlic1'cn 1 ,,•eun sie dns gr·llcn ,\·ol ll en
,vas nur an dem Einzelfalle, dc11 sie anulysif!t--en, zu find en ist.
\folle11,l · best.chL h i c r keine Vcra r1l[1 ·~ungi der gcn~.ral i::; iercr1drn

D1911 11,ado por Goc,gle


- 6 ,i

Abs traktion eine „ iooliercnde'' als prinzipiell davon vcr:;cl1iedcn. gcgcn-


Oberzustellen . Es liat 'vielnlel1r, \\f·ie \vir d a 11äter n och sehen \\·erde11,
j e d e Bildung ei11es natun,issenschaftlichen Begrif(es das R esultat,
da ß sieb ihm die \ rorgänge, ftir die er gelten soll , nur als i oliert ge-
d achte Exempla re unterordnen la sen . ~1an kann daher gcradeztt
sagen , daß d.ic natur-.vissenscl1afLlicl1c Begriffs bild ung unLer aller1
Umst änd en mit einer isofierende11 Abslra ktion zu ammenft1 lll, und
un1gekel1rt hat jede i olierende Abst ral<Lio11 a uch das Ergebni -, da ß
• die isoliert gpdachtcn Fa ktoren nur nocl1 als Exemplare all gcrneinnr
Begriffe gedacht, werden. ./.\ber das alle · ist zunächs t un,vescr1tlic h

und soll n\rr den Ein\.vän«Jcn begegnen, die In an gegen die Bchauplur1g,
daß a 11 e Natur,visse11scl1afL ge11:eralisi,e1·e, go1naehL hat. 1 . \Vir 111ußlen
für w1sere z, eck.e einen ganz a l 1 g e 111 e i n c n Begriff d es 11a Lur-
v-·i ,se11-chaftlicl1er1 Begriffes zu ge,-vinncn s uchen un.d uns d.:tl'au! be-
scl1räi1ken, die v crsclt iederien Stadi n der Volll<ommenhcit aufzu-
zcigc11, die die logisc he „ truli.t.ur d.er f •rt igf'11 Bcgri fre mit lliickt-iclll
auf Al lge1nei11heit und Be.st.i.mn1t lieit besitzt. Da ,,·ir n icl1 t ,rlic „ tru k t ur
der {.'orschung so nclcrn nur clic der Darstellung t1ntcr:-uc hcr1 1 konnt-e11
wir ferne r aucl1 so!Ghe Ver3chiedcnl1eit.cJ1, die z. B . die at1t ikc Loailc
von de r im l n w1·esse der mode rnen Natur,,-is en.scl1aft umzugcstall.ctl~
<lcn Logil,;: tretmen, ni cht in den Vord ergrund l>ringen 1 denn dann ,vä rc
u11sere F .:tstellun g cl"s \-Vc ·en d ,r natu1.,,\'i:. ~cns-e liafUichen Begriffs-
bildung <;! i11 ·eilig ge,,·01•,d er1. \Vir mußten die ar1t jkc Begriffsbilciur1g
ehe11so, \\'ic die 1nodcrL1e in den Ral•1ncn un.sercr Untersuchung au f-
ne h111c11 . Da raus (olgt aber nicht eL,,•a , d aO -.,·ir deshalb it1r1erh alb de~
R alln1ens der a11t il<cn Logilc stehen geblieben ind. Im Gegenteil ,
gerade darin, d aß ,,·ir den Begriff in ·ci11er logisch ,,0Jll,orr1mer1sw11
Gestalt nicht nl:,; eine ,,allgemeine VorsLcllnng" son dern als ein dcrr1
urlhediJ1gt allgr.rru~irLCr1 Urlcil i.,gcl1alt. Jogi eh ~cruival~ntos GcLilde Le-
t.rachlet ha ben, un<1 daß a l!-:<o ,vc11.igel' die q·ua ntitativ"' 1\.llgc1r1ci11hc~it, de;;
GalLu ng:-L •gri rr ·s irn crLgerc.11 Sirul.e a ls clic Alh~etnl.!inhciL der Geltut)g
des t a turrrc eLze:s das We.:;.cnLliche fü1· urls ,-\·urcle, haben ,,·il' das
\~csctt tler 1noucr1tc11 G.csctzes,,·isser1srhafL gegcnii ber clcr nnliker1
Auffassu11g i111 r1liciLc auf das Scl1ärfslc 1.t1m 1\11sdru ck gebr<\chl.
1 Dil':..e Ein \\·:l n•Jc sit1d a111 nu~rohrlichs len v o n 1.,. r i s c h e i so n - 1'- ö h •
1 r r heuronrltt : l)i(• (~ ,r r•n1.cn ct1>r natur \vissenschaftlichen Bti„r iff-::llilJung
Arclllv !Clr sys te,nali„chc J)hilosophit-, . II u. X I I I, 1906 u. 1907, Utltl~ \\.i ·sen-
i-e tinfl 11 1\ll \\"irkliGhkeiL, l!JJi, ... . J 9;i rr. \ '!rl. fl'rn,•r: ~\. r-t i Ch 1 ' Logik und
Erkt•nntn i i-lh1•oric, 1!)07. l{ullur rl<.>r Gt>gcn,\·arl I , O, 11nd: E. Ca s s i r e r : Sul,-
i;l1111zl11•griff L1n,t f' unktion b-l'gr iff,, J 9 .1 0, ~. 2!12 f f.

ürg,t~hzado por Goog e


- 66 -

Der antike Begriff darf nur als eine \ 7o.rstufe zt1 cJem modernen Be-griff
de Naturgesetzes gelten 1. Der Gegensatz unserer Begriffstl)eori•e
zu der der antiken Logik wird vollends ztttage treten, ,,·enn ,,,ir irn
folgenden noch einen ,..,rei~re11 Unterschied innerhnlb der natunvissen-

schaftlichen Begriffe beachten, an den sich ein naheliegender Ein-
,vand gegen unsc1·e Theorie knüpfen kann.
• Ict1 habe in diese111 t\ bschniLL einige Bemerkungen hinzUcgcro.gt, dlo s treng
genommen sacht.ich ntchl n ot,,rendig sind. Ich " ·olJte hier Wllnigs tu1is allge1ncin,
d . h. ollue Polernik g"('gt n besondere Forrnulierungen, dio zu v.•elt gerahr t hälte,
den Punkt zur Spracho bri ngen, an den die meis tert Einwände gegen die erste
Auflage dle es Buc hes onknnpfen. Sie kon1rr1en in der J-JaupL<sache darauf hinau 1
dal'l ich nur den nnlikcn Galtung$bc.griff bcr ncksic bllge und daher das „ann-
l)·Li!'iche" Verfahren ()er 1nod ernen Natur,Yi!)Scnsc haft, ignoriere. Dieser E ln-
wnnd trifft mlcb nicht. Jch habe sc hon in d er erst en Auflage auf das Sehnrr~tt-
zwis.chen empirischer und unbedingt allgemeiner Cellt1ng unlcrschietlen, und
da·r ou( :iUein k ounte es in dies em Zusa1nmenha11gt} anko1n.rnen. \ ;crschiedenhc,i te n in
d em Prozeß des Findens brauchen rar die logische Struktur tlcr fertig en Ucgrirre
oich.l von ausschlaggebender Bedeu tung zu s eh1, und diese Struktur nllcin onl-
seheidet darober, was erkannt i8l . Besonder~ ist die lleinung zurociuu,ve-i en 1
ein natur,vissenschaftlic her Ges elios begi:i(f, dc11 rnan n n einem tünzigcn Vor-
gange gcbHdcl hnl, soi darum weniger gen eral is ierend als ein DcgriCf, d er llurch
\ <'ergleichung n1ehrerer e1npirisch g(•gcbencr Objekte ents lanrlf~n is t. Die AU•
gemeit11leiL d er du_rch Analyse ge bilde ten Gesetz.e-sbeg-riffe isl oiu~agen n och
,, Rll~c rneiner" ali- din ,\llgrrn~inhcll d er nur durc h emp.irischc \ tcrgleichuug
01tls lande11e11 Gatlungsb ~grirre, und d e ,,•e~e u muß 010.n gerade btü Gest!ttes-
b~rirtcn von g cn cralislt>rc ndcr 8C'grirfs bildung s prechen. Ein logi~chcr ' ntc r~
schied b ei;t,•ht freilic h 1.w l:scbcn d en 1natl1e1na Useh ror1nulierle-11 Naturge eLzer1
und <len Galtungs bcgriff,c n irn eI\gc·ren. 8 inno, die auf ernpirisehcr Verglcieht1ng
b cr11hen. Aber t'r kn11n v ollends nic ht Jic Behauplull~ au.Ihc brn, daß all~ i at.ur-
'\\·i.ssenscba1t, öle Gciiol i c sucht, auf GerteraUs ieren hinaus k:ornnlt. Das ,,,erden
wir spi lcr ausfOhrlich zoigen. Doch will ich 1$ChQn an uios l"r ~teile aur J lo ob en
er,, ahnte Abha.11dlu11g hin,\'CiEitll, die R. H ö u i g s ,v a 1 d in d on l{a11lslodt<.·n
0

v erötfcnl lic ht hat : 11 Zur \VL"sS~nscha fl thoorie und Syst~rnalik olit be ondcrer
F~Ocks i.J1t auJ H el11ric h f\ieker t.s I n tur,~issen chafL u11d J( uJ lt1r\\'isso11~chaft'·.
II ö 11 i g s ,,. a l d zeigt hier in völlig Oberz·ougt}ndr r \Vcisc, daß be.-sonllors d ie
1-;in~·ände, d ie ,,on C a s s i r e r gegc•n 1neine An, ic.ll Len crho bert „ind, sich nicht
.l tatle1t Jnsse11, ja den eigentlic hen • inn meiner Au~rohr ung,;,-n v ollkon1n1en ver-
k ennen. ··o we.it ich sehe, sind darnil zu~l1!ic h aucb (lie Ein,,1ti11de v on fl i c h 1
und ,·01t Fr i s c 1a c i s e o - 1,;. ö h 1 er n1llgctrorfen, und die scheint mir urn
so b emc rkcnsworlcr, alc, 1-l O n i g w u. 1 d in a1u1erer 11 insichL gar nic hl 1nit
m ir ,cjuvcrs landl'n is t tu1d bl:sondcrs den Ul'bCl'i,CI-Ui:fllllgcD :R i e h l . 11l'll1f" r s lGht
als d en n1oiJ1igen . 1\n ein Zilat I\U S rno.inem Buc he (vgl. obt'n ~- 68 u11d d lo An-
merku11g), da uu~h Co, s s i r e r anrohrL, Wld das alltilt1 il11n hOtl e ioi~en k0111,c11 1
daß eiu o Ein ,rönde n1ie h nic ht, lrcrr~n, fOg l 1C o n i g s \\' u 1 d die B,·,nerkung :
.. ~lit voller l<.lnrhtil rgibt sieh t:IUS dil!t.el1 Sit lZt!ll , do O auell Ri.~kc rt ÖClS letzt~
Jirileriurn r1:1r d ie Vo,l(111z ,vi:;sen sclt ii f1 lichcr fi <'.1-,'t'iff~t,il.clung n ic ht in d er ,, Quon-
tilät des rteil subjf'k tc~·•, sondern in d ~rj \ln igen ,, Qualit ä t' ' der Vcr"n opfung
erblic kl, welche. als Artgc 111cing ülligkoil die speii rrSac l1c J<or,x•ln l ion der EJen1en le
d e Urteils selbst definlcr·t" ( l{onl~ludient X\' 11, ·. 40).
B l c k o r i , GTeuten. 2. Au.ff. :-,

ürg,t~hzado por Goog e



- 66 -
IV.

D i n g b e g r i f Ce u n d R -e J a t i o n s b e g r i f f e.
J e ent.scrucde.nor ,vir nämlich hervorlieben, daß nur mit Begriffen, '
die Gesetze enthalten, also ur1bedingt allgemeinen Urteilen logisch
äcruivalenL sind , die eber,,•indung der unübor/ie~1baren körperlichen
~la11nigfaltigkcit, zu erreichen ist , um so deutlicl1er muß eine bisller
absicbtlicll ur1beachtct gelassene Scb,vierigkeit zutage kommen, die
sich der Durcl1f ühru11g unserer Gc<lank.en entgegen zu stellen scheint.
ig\.vart l1at sie gegenüber unserer unter nndorn Gesichtspunkten be~
rei ts früher vertretenen ~leinung, d aß <ler Begriff seine1n logische11
Gel1alt nacl1 aus Urteilen hestel1e, hervorgehoben 1 • Seine Ausfüh-
rungen beziel1en sich auf die Bcgriffslehre im allgemeinen. Soviel
Richtiges darin liegt, sagt. er, daß der Bcgrif[ als Vcrcinigungspunkt
von U rl.ei len ztt rassen sei, so gel1e docl1 diese T heorie zu ,veit . vVas
sollen, ,venn je,ler Begriff nur ein l(omplex von rteilen ist , die Sub-
jekte und Prädikate d i c s c r Urteile sein? i\1ögcn ai1 cl1 für die \Vissen-
scl1afLliche Bearbeitung an Stelle der l\lerlunalc der unn1itlelbaren
Anschauung l{ausalgesetze t re-te11 1 so müssc11 diese Geset ze doch ". o n
irgen.d et\va gelten. Zugcgebe11, daß z. B. der Begri!( der Gravitation
ident isch i t mit dern Gravitation g-csetz, so ist er es nur daruni, ,vcil
er kein D i n g b e g r i f f sondern ein li e l a t i o 11 s b e g r i f i ist .
Auch er setzt aber · tets graviticrc11de l\1assen, a]so Dingb-Ogriffe
voral1s, so gut ,,,ie der früher al Bei pie] bereits er,vähnte Begriff der
E l1c ~1ann und, \Veib vora ussetie11 1nl1ßte. Unsere Tl1eorie ,vürdc dcm-
r\acb 11ur für dio R elationsbcgriffe gcltcr1 . Die Dingbegriffe l<önnten
11ien1als zu logisch v ollkomn, enen Begriffe11 i11 unserem Si11.ne gernacl1t
,verdcn, ob,vohl ·ie doch not,vendige \ Torat1s etzungen d·cr Rcratio.r\ ·-
begriffe sind. 1st die. er Ein,vand nicht bcrecht,i,rt ?
\Vir bcscl1rä11ken uns hier auf das, Vlas aus dicsc11 AtJ.. !ühr-u11gcn
Cür den natur,vissenscl1aftlicl1en Begriff in Frage kommt. Der Begriff
de.r Ehe, an dem ,vir zc.igen .konnten, ,vie jeder Begriff at1cl1 durch Ao-
g.\be von. 11nbestim mf.<'n Ele.1r1enLen bc timtn ter ,vcrde:r1 kann, hat hiet·
kein ln licresse mel1r, da er ci11 jurist.isct1er Begriff ist . Aber auch bei
<lcr BcscltränJ<ung auf die Na-tt1r,vissenscl1aft rnuß zugegeben ,,·erden,
daO die vor\ Si~vart ge fo rde rte Schcjdung der DiJ1gbegriffe von den
Rclationsbegriffen in der Tat gcmacl1t ,,rerdcn muß. V\1ir ha bcr1 d-en
t \ 'gl. i g '" a r t s l{1·llik n1e!ner Schr·ilt: Zur Lehre vorl d er Dcfin i Lion.
Cötlingil'chr. gt.·lchrlo An zeigen, 1890, N r . 2, S. 5 4. r.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 67 -
Einwand, der s ich hieraus gegen u11sore Tl1eorje J1erleit.en läßt, bereits
gestreift, als wir darauf hin,vicsen, ,vie schon die Begriffs b es t i m-
m u .n g, so lange es sich um Begriffe v on anschaulichen Dingen l1an-
delt., nur mit selbst unbestimmten Elementen vorgen,ommcn. ,verden
kann , \\'le also der natun\·issenschaftlicbe Begriff dann aus E lem enten
besteht , die nicht einn1al forma] voltkommet1e Begriffe si11d. Schon
darau s konntc11 wir ersehen , daß eine vollständige Auflösung aller
Wortbedeutungen nuch nur in die äußerliche Form von Urt.ei)e11
unm·ö glicl1 ist. J etzt, \\"O es sich auch um der, logisch.e n Gehalt der
Begriffe h.andelt, tritt ein e der früher erörLerLen entsprechende
Schwierigkeit auf. Körperliche Dinge s ind ans c hau I ich. Die
Begriffe vo11 ihnen enthalte11 d.aher, sobald wir den Versuc·h 111acl1en,
uns den Gehalt der \,Vorte , die sie bezeichnen, ausdrücklicl1 mit Rück-
sicht. auf die gen1cinten anschaulichen Dinge zu vergegcn,värtige11,
ent,vedcr selbst ansc haulicl1e Elerr1ente oder musscn jedenfalls auf An-
schauungen bezogen ,verden. Denken ,vir nun die an cl1aulichen
Dinge in die Beziehungen aufgclö t, in d er1en il:1re Teile zucir1ander
stehen , t1nd venvandeln ,vir dem.e ntsprechend die W orte ir1 Sätze oder
dje \Vortbedeu tur1ger1 in. rLeile, die die Elemente des Begriffes au.s-
drücklicl1 angeben, so braucl1en ,vir dazu ,,·iederum \Vortbedclitungen,
die sich auf a11schauliclle Dinge be~iehen, us,"··, und so sct1eir.1e11 wir
ät1cl1 i.n di cser11 Zusamrncnhangc vot die Aufgabe gestellt, ei ne unend-
lictie Reibe von imn1er neuen Begriffsbildungen, d. h . Au!lö ur1gen von
\\1ortbcdetitungerl in Urteile zu. vollzicl1cn. \-Vir werden die Dingbe-

grif(c 11icl1t los und mit ihnen at1cl1 die empirische •"-nschauu11g d'er
\Virklichkeit nicht, die ,vir durc h die Begriffsbildung Obcr,vinden
,-.,,0Jlc11 .
Indern wir j edoch den Ei11\vurf so fonnulieren, sind \vir bereits

auf dem \.Vcgc eine B edeutung fUt· die 'l'llcorie der rlatunvisr;.cnschaft-
.licl1en B ~grirfsbilduT1g ,ve11igstcns erheblicl1 einzu chrä1lken . Aller-
dings s pielen Begriffe von a11schaulichen Dingen i11 den Natunvis cn-
sehafLen ein·e gr,oOe R olle, u·nd es ml1ß das bei vielEin Wissenschaften
immer so blei ben . Dieser ·umsLar1d a.b cr bc,,·cist noch ·n iclil.s gegen ur1-
sere Ansicht. E k önnte ein , daß solche Begriffe nttr dort , rorha.11den
sind, ,vo es der Natun,·is ·enscl\afL cnL,veder noch nicl1t gelur1ger1 ist,
ihre Begrirre zur logischen Vollkon1menheit durchzu bilden, oder ,vo
diese Durchbildung für die besonderen z.,vecke d.cr W i scn chnJt
überhaupt nicht not,vend ig ,vird . Hier kö11ncn un cJ d(irfc11 \Vir 11ur
fragcr1 1 ,vie es mit den Diugbcgl'iffcn • teht, ,,·enn es ich un1 rlas I o-
5*

D1911 11,ado por Goc,gle


- 68 -
g i s c 11 e I d e a l des 11atur,vissenschaftlicl1en Begl'iffcs hande lt.
All erd ings müsse11 \Vir voraussctze11, daß die Naturwissenschaft, selbst
werin \Vir sie uns nocl1 so ,veit v orge chritten dcnken 1 au der ~1einung,
die Körper,vclt bestehe au.s Dingen, unter allen Umstön.d en festhält,
so daß n i e r11 a I s ein natunvis en scl1aftlicl1cr Begriff von der Körper-
,vel t gebildet ,verden kann, i.n dem aJie Di11ghcgrilfe fel1ler1. Aber
auch dio er mstand hebt. unsere Theorie noch nicht auf. E s könnte
sich nämlicl1 erstens bei der Rolle, die cJer Dingbegriff in einer logisch
v ollkon1men gcdacl1ten atunvissen.scl1.aJt s pielt, ,viedcr nur um einen
-Grenzfall handeln, und ~s könnle feiner sogar in dem Grenzfall ein
Beg·ri.ff "'on solcher A1·t in Betracl1t kommen, daß el', ob\,•ohl Ding-
begriff, unserer Theorie doc h 11icbt \\'idersp-r icht. \-Vir "'·erden daher
die e beiden ~löglichkeiten zu er,,•iigen l1aben 1 ehe \\•ir tins über die
Bedeutu11g cles angcfül1rten Ein,vurfes c11tscbcidcn.
De1ikeri "vir, um zu1täcl1st zu sehen, ir1 welchem Umfange eine
logi cl1 vollkomrnene Natur·\vi ·e11Schaft nocl1 mit Dingbegriffcn ar-
beiten müßte, ,,rieder an die friih el' er\väh1ite Anordnung der verscltie-
denen 1'cile der K atunvi. ~enschafL, bei de1' \\'lr v or1 Disziplir1en, die
viel rela li\r t111besti1n1nte allge1neine \\ fortbedeutungen v cr,,•cnden,
zu olchen aufst eigen, in denen diese prirnitiven Bcgrif Ce in,mer melu·
zurücktreten und durch solche ersetzt \Verdcr1, deren Bestandteile in clet·
Forn1 von Au sagen genatt anzugolJc:rn S"irid. J eLit, \Vo es sich 1ucht r1ur
urn die (ormnle Bcstiltuntheit so1ldern darum l1a11delt, '"ie \Veit der
Inhalt der nalur,-vis.sen cllaft.licl1en Begriffe atts dem gültigen Gehalt
von Urt-eile rt 'b •stel1t , und wie \\'Ci't er \\fortbcdeu tt11Lgcr1 beib challc11
rnuß, dje auscl1auli.cl1e Dinge hezeich11en, kör1ne11 \\ir uem Gedanl{C-n
einer Anorclnttng der ver cl1icdenen atur,vi senschaftcrl ·n och oi11e
andere ,vendung geben. J eder Begriff v on c1npiriscll an scl1aulie l1e n.
Dir1gcn bezieht :iel1 nocl1 auf eirtc ur1überdchbare l\Iaru1igfnltigk.eit.
E teckt also dnrin et.was, das nur hingenomm n, nicht in seu1cr
natt~.rgeset1;liche11 Not,vendigl,eit erfoßt ,,·erd(>11 kanr,, ein dunkler
J(ern ge,vj~scrrnuOcn, der noch der , 1 Erl<:lä1't1ng'' 1 d er · ufl ü ung itt
d ie Beziehung sein er Elcrncn te zu~inandcr har1·t . \\ fcnn da her auch viele
,vissc11sc haCtcr,1 n1it Dingbcgrifre11 arl)eit cn, so ist doct1 z,, sagen,
daß je mel,r Dingbcgriffe sie benulzcn, sie desto ,vciLer von de111 Ziele
entfernt !', i11d, d<'m die Natur,vissc11schaft in ihrer 1'otalität zustrebt :
d er Einsicht in d ctt italurgeselzliche n Z11sammenhang der \ \'irklich-
keil. \\ ' eiche Roll e a lso at1ch die I{ategoric des Dinges in einer ab-
ge:,;clil os c11 gc<lact1len 'rheoric der Körpcr,,·clt r1och Sf)ielc11 .111ag1

D1911 11,ado por Goc,gle


- 69 -
so unterliegt es docl1 jedenfalls kcir1cm Zweifel, daß. die Natt1rwis en-
schaft darnach s trebt und streben m uß, die starren und Ccstert Dinge
imn1er n1ehr aufzulösen, sie als nach Ge etzen e1ttstehcnde ond v er-
gchez1rle Vorgänge zu begreifen, und das l1cißt 1ucltts anderes, a l die
Dingbcgriffe so '\\'eit ,vie möglich in Relationsbegri ff e umzu,,1ai1deln.
1st man auch tals~lchlic.h von diesem Ziele 11och recht \\'Cit e rltfern.t,
müssen z. B. alle Untersuchungen, die es mit Organisn1eo zu t un hahen,
bei Dingbegrif fen stehen bleiben, die bis jetzt auch keine andere
Wissenschaft in R elationsbegriffe umwandeln ka11n, s o hat, doch die
Logik keinen Grur1d, diesen Zustand als einen. dem Jogi chen Ideal
entspr-0ch•enden anzuseJ1en. \\'enn er au.cl1 ror die Z\\'ecke der Spez.iitl-
\\'jeo cbaiten genügt, ja, solang•e eine pezial,vissenscl1aft djose be-
sondere Spezial,,rissensclia!t blciber1 ,,·ilJ, nol\\'endjg ist , ··o muß er
als eine Unvollkommenheit en1prunden ,ve1·der1, sobald ,vir die v.e1 chic-
d enen Natt1n.vissenschaft.en als Glieder eines einl1eitlichen Systems
ansehen. Gerade di es aber ,vollen ,vir hier tun, und unter die·· e1n
Gesichtspunkt lassccl icl1 daru1 i1n logischen Ideal clie versc hieden en
Nntun"·issen.scba!ten so angeordnet denken , daß die Dingbegrilfe ,
mit dene11 der eine ·i·eil arbeiLet, u.11d solange er über die be::;ond,e re
Aufgabe, die er s ich slellt 1 nic ht hi naus iehtt at,ch arbeiten muß,
,vie 2. B . die Biologie mit den B egriflec1 von Orgariismct1, von eiric m
an dern Tcil 1 der sicl1 umfussendcre A\1fga.b en stellt, übernommen ,1nd
in R elationsbegriffe umgc,vandelL ,verden, daß dann dieser Teil seine
Dingbegriffe einer noch a ltgen1eineren Natur\\1isse11 •c haft üborgibt
US\V ., bis scl1l.ießJiclt eine die ganze l{örpcnvclt limfosscndc nJlgc-
n:1cin t e Theorie die Arbeit der Begriffsbildung voller,d cL. \\' äre <J it-scs
Ziel erreicht . so ,,·ürc.le die an de1· Spit.ze lle angecleuiclc11 Sysi c111 ·
stehende Disziplin mit ein c·r ein zigen , sogleich zu crör Lcrnden At1snal1n1e
nur nocl1 mjt. R elatio11sbegrif!en arbeiten. Dje Dingbcgriffe, die die
ande rn Naturwissensc hafte n innerha lb ihres Gebietes beibehalten
kön11en und n1üsscr1, ,,•tiren in clieser Theorie, die ,vir als die „let:i.L e
a tu r 'ltv i s e n s c l1 a r t " bezeich11en ,vol len, in Relalior1s,bcgriffe
aufgelöst .
Fall j ema,1d dies_e ab icl1 tli ch rein logisch gel,alLer1e1, Aus fü l1-
rur1grn s ich scl1or1 jcLzt an einen, Beispiel zu v crdcutlicltcu. ,,·ü11sci1t,
kann er an die Tendc11z dcnl,en , das gcsamto körperli che ein u11d
Gescl,ehen al ~·l cchani mus zu bcgreife.n . E ir1e r e in mecha11ische
Tl1eoric, in einem später 11ocb genau zu fixi<.'1·cr1<lc11 S.inric, ,,·orde darin
dem l cleal der „ 1 tzlen Nat11r,"i ·. cn ~chilft.'' logiscl1 al1:i nii chs lP11

ü1g1taltzado por Goog e


- 70 -

stehen. Docl1 zunäcl1st fassen wir ganz allgemein diese Gedanken so


zusammen, daß z,,1ar ir1 der Tat Begriffet die at1s Urteilen bestehen,
immer auch Relationsbegriffe sein müsscn 1 a'1so nicl1t rnehr Begriffe
von Dingen sein können, d aß aber gerade deswegen die R elations-
begriffe die logisel1 vollkommenen Begriffe sind. Was in den Natur-
,vissenscl1aiten an Dingbegriffen noe}1 vorband.en ist, l\ängt, von der
ei.ne11 sch.o n er,vähnte11 Ausnal1me abgesel1en 1 damit zusammcr1 1
daß von verschiedenen Seiten her die Körper,velt von verschiedenen
\\1isse.nschartcn in Angriff genommen wird, und daß die Spezial-
,vi~sen scha(Len, selbstverständliel1 mit R echt, sicl-1 imn1er nur eine
beschränkte Aufgabe in der Erkeru1tnis stellen. Wenn sie dies tun,
so brauchen sie nicht alle ih.re Begriffe zur denkbar höchsten logischen
' ' ollk:01r1menl1eit durcl1zubildcn, ja, sie können es gar nicht. Sie miissen
überall dort bei Dingbegrillen stel1en bleiben, ,vo f ur ilire begrenzten
Ziele keine Probleme met1r vorliegen. Sobald ,vir jedoch an den Zt1-
samrnenl1ar1g der Naturwisscnscl\aften denken und im Auge behalte11,
daß alle einzel11en Teile zu einer allge1neinen Theorie der l{örper-
,velt i.n Be1.iel1ung zu bringen sind, so dürfen ,vir sagen: Begriffe von
Dingen siod immer noch natur,,•issenscl1aftliche Probleme, erst Re-
lalionsbcgl'iffe bahc1en die Löst1ng dieser Probleme an, und ,venn sie
unbedingt allgemeine ,U1·Leilc, d. 11. Naturgesetze entl1alten, sind s ie
P roblemlösungen. So würde z. B. unter dem Gesichtsp,u nkte der
1~cnder1z, die gesamte Körper,velt mechanisch zu begreifen, der Di,ng-
begriff des Orga nismus z1.1 einem Problem, bet dem die Biologie, solange
sie Biologie bleiben und die Organismen als Organism en bet1a1ldeln
,vill, z.,var not,vc11dig zu fragen auft1ört, d essen Lösur1g aber durc.h
einen Begriff mccl1anischer l{clationcn von einer andern \\fissenschart
sehr ,vohl versucht ,verden könnte. J edenfalls ist es u11ler diesem
Gesiclitspunkt kein prinzipieller Ein,,..·at1d 1nel1r gegen t1nscre Aus-
führw1gen. •daß Begriffe, die aus Urteilen bestel1en, R elationsbegriffe
sein müssen.. Für das logische I d e n I der natur\vissenschaftlicllen
Begriffe in. einer „letzten'' Natu r,vi~senscbaft ist un erc Theorie gültig.
denn e handelt sic h bei diesem. Ideal 11ur n och uo1 Relationsbegriffe.
Die Rolle, die in einer logisch vol ll~omme11 gedachten Natt1r,,·i 'Scnschaft
dio Di11gbegriffc spic,f.E,!n ,vürdcn, ist zurn mindesten sehr klci11.
Aber, ,vic gesagt, es gibt:. eine Ausnah111e. Ebenso ,vie bei der
Erörterung übet• die forma le Be timmlheit der Begriffe muß auch hier
~ ied er gerad e die Erinneruna a n den Zusammerthang und d ic Rang-
ortlnung der Natur\:Vissc11:-cl1aften tJn da rauf führen, da ß der Gedank e

ürg,t~hzado por Goog e


- 71

an eine immer ,veiter fortscbreitende Umsetzung der Dingbegriffe


in Relations.b egriffe uns scl1Ließlich doch nicht zu befriedigen vermag.
Diese Umsetzung läßt sich nicht bjs ins Unendliche durch eine Reine
von immer neuen Wissenscl1aften fortfül1ren. '\iVie in dem f rül1eren
Zusammenhang so kommen ,vir auch hier zu dem Gedanken an eine
W issenscba(L, die am Ende der Reihe steht und daher ihre Din.gbegriffe
keiner andern Wis.c,enschaft mehr zur Auflösung in Relationsbegriffe
zuschieben kann. Diese letzte Naturwissenschaft hätte als logiscl10
Idealwissenschaft alle naturwissenschaftlichen Probleme zu lösen,
die die anderen atur,vissc11sohaften zurückschieben müssen. Sie
,vürde also alle Dinghegrilfe ohne j ede Ausnaltme zu beseitigen haben,
falls wirklicl1 die Lösung aller Ptoblernc 1nit der Bildung v on Relations-
begriffen zusarnmenfällt. ,veil wir aber vo:rausset.zen, daß eine voll-
ständige Beseitigung der Dingbegriffe in einem nat.ur,vissenscha(t-
liche11 Körpcrbegri!( nicht einmal a ls Ideal aufzustellen ist , so bedarf
in der Tat unse1-e Theorie noch einer E.nveiterung. A.ucl1 dje letzte
NaLur,vissenscllalt ,vürde., in höchster Vollendung geda:cl1t, nocl1. in1111er
mit Begriffen von Dingen arbeiten, und so muß es, ,, enr1 eine logisch
1

v0Ukomn1ene allgemeine Theorie der l{örpenvelt möglich sei11 soll,


auch logiscl1 vollkommene na tunvissenscl1aftlicl1e Dingbegriffe geben.
Insofern ist der Einwand, mil dem wir uns hie1· abzufinden haben,
berechtigt, ·,venn auch n u r inso[ern.
\1/ir könnten 11u.n z,var sagen , daß es sich jetzt ,vieder um einen
Grenzfall lia.n delt, cler unsere Theorie im allgemeinen unberührt
läßt,. Zur völligen Klarlegung unseres Gedankenganges ,vird es jecloch
gut, sein, auch die Frage nach der Begri(fsbildurtg in der letzten Natur-
wissensct,aft, die ,vir bei der Erö·r ten1ng der Bestimmtheit der Begrif(e
zurückgeschoben haben, ausdrücklich zu behandeln. Wir haben dazu
um so mehr Veran.lassung, als dadurct1 nicl1t allein die Frag·c nach der
Begriffs b e s t i 1n m u .n g endgü.ltig erledigt, sondern aucl) unsere
gesamte Theorie, wonach. die natw.,.vissenschaflliche Begritfsb.ildur1g
eine Verein!acJ1ung des Inl1altes der empirisc hen körperlicl1en l\lannig-
f aJtigkeit einschließt, erst vollkommen überzeugend und abschließend
ent'\\·ic·k elt werden kann. Wir ,,,erden sehen, daß es eine Uebe.nvi.ndung
der unühersehhare11 Mannigfalt igkeit nicht nur durch Gesetze be-
griI{e sondern auch durcl1 Dingbcgriffe gibt., die aber von solcl1er
Art ind, daß sie un ere Theorie nur be!-tätigc.n.
Nehmen ,vir, um dies zi.1 zeigen, an, es sei der N atur,risscnschafL ge-
lungen, die allgemeinsten Gesetze zu findc11, die at1s11ahrnslo alles

ü1g1taltzado por Goog e


körpet·liche Ge chehen belterrsctien , es seien die Dingbcgriife so ,veit
,vie möglich zurückgedrängt lind in Rcla tionsbcgrilfe aufgelöst, es sei
nlso durcl1 die letzte Nalur,vis enschaft ein Begriff von d er l{örpenvelt
,gebildet, in d em nur nocli di e Dingbegriffc vorkomm en , die durcl1
keinen ,veite1·en F ortsc.hritt. der en1piriscl'1en Wisser1scl1aft mel1r be-
\
seitigt werden körl11en.. Die Dinge, aus de11cn nach diese1n Begriff
die Körpc1"\vel.t dann besteht, und von denen alle die Gesetze. gcl.tcn,
die die letzte Nalunvi 'Sense halt gefund en ba t , kön11ert '""ir al s die
nl et z t e n Ding e" bezeichnen. \i\1ie müssen die Begriffe von ihnen
ges talt-ct sein, "'cnn dio l1öchst.e Aufgabe d er atur,,·i Aenschaft, eil1e
,,ollkommen allgemeine 'fl10-0rie der K ör pel'\velt, a ls gelö t betrac}1tei
werden soJI ? \,Vir ucl1en die e Frage alloin a\JS d en bisher gernacl1 ten
\ 'orattssetzungen Uber die Aufgabe d e~ natur,~i:;!,crtscl1aftljcl1on Be-
griffes zu heant,vortcn. Dabei Jassen ,vir es zt1nächst dahingestellt,
ob Dinge, die dem v or1 uns kons truierten logischen Ideal entsprccl1en 1
,,rirkJich existieren, und ob die Natunvisa-enscha!t das logisclle Idea l
jemals erreic hen kann . ur die logischen Voraussetzungen gilt es auf•
zuzeigen; unter denen eine abschlic:fJende, keine P robleme m ehr zurück-
lassende Erkeru, tnis der KörpcnveJt möglich sein ,vOrde. Erst in ejnen1
sp.ä teren Zu.sammenf1ange, \\re nn wir z tt d en Grenzen d er natur,vi~i:.on-
·chaftlichen Begriffsbildung ko1ntn.e11 1 ,,'ird sicl1 zeigen, in,viefcrn
,,letzte Dinge•• nicht zu erreicl1en und dal,cr die Na Lltn\'isscn!-cha ft
nie abz1,1 scb,li cßen ist . Aber diese Ged a1ll(c11reihe schieben ,vir liior
noch ganz zurück und kons trl1iercn lediglich da.s logische Idea l.
Zu diesem z,vecke gel1e11 wir von d er Zeitlichkeit der körperlichen
Vorgänge aus. Alle Dinge, die wir kenn en, verändern sieb, und jede
Veränderung durcltläu!t ·als l1eterogcnes I{onLinu um eine ur1üllcrscl1-
bar e Anzal1J versc hiedener Stadien. Die }tiermit verbundene ~1 an11ig-
faltigkeiL d arf der1 ,,let.ztcn Dingen'' nicht anhaften. Sie müssc11 daher
unverär1d crlich sein , ur1d z~·ar nicl1t rtur für eine begrenzte Zeit sondern
aucl1 in jeder Vergangenheit und jeder 2',ukuort, denn eine .u nl)cdi11gt
allg-cm.eine Tl1eorie der Körpcn v~lt soll für alle Zr iler1 gelter1. \\-'ir ha-
ben also a11zu11ehmeo, daß die letzt.c11 Di11ge at1ch ungc,,,orden un tl u11-
vcrgänglich si11d, da j ed es \\1erdcn od-c r Vergelten \ 1erii ud e111ng in \ fcr-
gange11heit oder Zuku11ft und damiL ,,rieder eine unoberschl,ar e
r.J.annig(altigkcit, einschließt. i\lit der nvcrli11dcr1ichkeit i t auc11. die
U11tcilba.rkeit gegeben, dc.1 jede 'J'ciluug Ve1·~11dcruns ,värc 1 und '"enn
die Dinge unt ilbar s in d, so kan n schließlich eines von dem an cl0r11
rlicht qu a.nti Ln tiv verschieden sein, denn dan11 ,väre das eine größe r

D191, h,ado por Google


- 73 -
als das andere, und das größere \vlire nocl1 t eilba1·. Die letzten Dinge
sind also untereinander quant.ita"tiv gleich, soweit von Quantität bei
einem Unteilbar-en noch z,u reden ist . Diese Gleichheit und U11ver-
änderlichkeit läßt sicl1 eb enso aus der Räutnlicb_keit der l{örpern·elt
herleiten. Alle uns gegeben en Dinge s ind räumlich teilbar, und ihre
Teilbarkeit schließt unübersehbare Ma11ni.gfaltigkeit ein. Die letzten
Dinge also müssen, falls diese Mannigfaltigkeit begreiflich sein soll,
als unteilbar angenommen werden. Damit ist dann \vieder a.ucb ihl'e
qua.n t itative Gleic.hl1eit gegeben, '\Vie wir das soeben gesehen l1aben.
Doch bat es k einen z,veck, die v erschiedenen Woge zu v erfolgen,
auf denen sieb dieselben Bestimmungen fioor die Jet z.t en Dinge ge-
winn,e n lassen.
Nur die QuaJiLlit, bedarf noch einer ausdrücklichen Erörterung.
Selbs t.verständlich ist es. z,var, daß jedes einzelne letzte Dir1g njcht ntir
alle quantitative sondern auct1 alle qualitative :h1annigfalligkeit vo11
sict1 ausschließen muß, denn jede qualit.at,jve ?tlannigfaltigkrut eines
J{örpers wäre not.,,.iendig mit Veränderur1g oder \''enigslens Tei lbar~
k eit. verburidon. Bliebe es aber trotzdem nich t m öglicll, daß die ver-
schiedenen letzten Dinge von einander qualitativ verschied,e n sind?
E s IäOt sieb zeigen, daß a.uch diese Ivlannigfaltigkeit ausgescl1Josscn. ist,
und daß wir also j e d e Verschiede·n heit in den letzten Dingen zu ent-
fernen genötigt sind. ~(an könnte freilich meinen, daß fO.r u11Sern
Z,veck die Annahme einer begrenzten und überscl1haren Anzahl von
!{lassen letzter Dinge genOgLe, von denen jede eine besondere Qualität
reigte, denn es ließe sich dann dje unübersehbare Fülle von Qualitäten
der gegeb en en \\'elt a us dieser übersei1barer1 Anz.alll b egreifen, und :u1
der Tat ist un ter die~er \ Toraussetzung eine. ratunvissen schaft möglicl1,
die eine sehr holte logjsche Vo,llkomm.e n~1eit ihrer Begriffe besit.z.t.
Aber sobald ,vir an das Ideal einer a b s o I u t allgemeinen Theorie
der l{örperwelt deoken, können ,vir uns rnit dieser imrne.rhj1t großen
Vereinfachung doch nicht begnüge11. E s rcicl1t nicht aus, daß eine
bef,, renzte An zahl , 1on verschieden en Qualität.cn der ietzten Dinge
un-1) als eine empirische T atsache gegeb en ist, bei der ,rir s lehen bleiben
mOssen, sondern wir haben eine Theorie zt1 erstreben, die uns davor
siel,ert, daß ,vir irgend,vo im Raume und irgend,\·ann in der Zeit at)f
neue, eventuell unilbersehhar viele Quali täten tre[fe11, die unter k einen
unserer Begriffe zu bringen sind. Ein.e so lche Sicherheit ist nur da nn
erreichbar, \Venn alle q ualitativ ' "'"on einander versch iedenen Dinge
icli unLer einen Begriff bringen lasset1, der jecle d.eul<bare Qunlittit

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- 74
umfaßt. Dieser Begriff darf dann keine BestandLeile n1el1r ent.l1altcn,
dje Begriffe qualitativ von einander verscluedencr Dinge sind, weil
sonst für diese Dinge ein ne11er Begriff not\\'endig wäre, usw. Das
aber he,ißt nic hts andere , als, daß Dit1ge,, die untereinander noch irgend•
,,·ie verschieden sind, niemals ,,Jetzt.e Dinge'' in dem Sinne sein können,
,vie eir1 absolut allgemeiner Begriff von der Körperwelt sie fordert.
E · müssen sich alle voneinand,e r verschied enen l(örper begreifen lassen
rnit Hilfe ein·es Begriffes von Dingen , die untereinander in jeder Hit1-
sicht gleich sind.
Das Resultat, zu d ea1 ,vir gelangt aind läßt sic h auch so dars t ellen.
Falls jede i\'1annigralligkeit der Körper,volt in einer umfassenden Theorie
übersehbar ,verde11 soIJ, s ind die letzt.cn Dinge , aus denen die Körper-
,velt besteht, als in jeder Hin icht e i n f a c h anmnct1men. Ein!a cl,e
Dinge oder ,,Atome•• im logiscl1on Sinne d es \ Vortes sind uns in de r
empirischen Anschauu11g aber niemals gegeb en. Die bist1er betrachteten
DingbegriCfe waren. immer Begriffe von anscliaulichen, also unüberse h,-
bar mannigfaltigen Dinge n. Sc hon aus die ein Grunde k.onnt,e d er vor-
l1er betraclit.ete Prozeß der Begriflsbildung nut· miL einer B eseitigung
der Di11gbegritfo zusain1ncnlal lcn. Sobald e:s sich nun aber um die lel.:t-
ten Dinge handelt, a lso eine Beseitigurtg des Dingbegriffes ausgcscltlos-
sen ist, muß mai.1 dat1er zur Bildung von Begriffen cit1facl1er Dinge kon1-
n1e11. Dingbegri(fe be hält so r11it z,var at1ch die letzte Natun,·issenschaft.
bei, aber es dürfen di.cs nicl,t mel1r Begriffe von anschaulichen Dir1ge11
sei11. In cinCacl1c, n.icl1t anscl1attlict1e Dinge n1fissen alle m a nnigfaJ„
tigen. nnscl1aulicl1en Din.g c sich auflösen Ia sen . Dies Resultat ent-
spricht gen1.1t1 d em , ,vozu ,vir bei der B-etracl1tting der Gesctzesbegl'iffe
gelar1gten, ur1d aucl\ der Grund ist derselbe, der urls i11 dem !rühcren
Zusammenl1nng nicllt hei einer 1\fcl1rl1eit let:1.ter GeseLzesbegriffe
st.cl1cr1 bleibt 11 ließ. E i n GeseLzesbcgri(f ,,,ar noL,veudig,, unter
d en alle a11dern Gcse t.zcsbcgriffc als ciue ArLen fallen . E in Di11g-
bcgriff a llein d urf bleibc11, unte r tlen s ic h alle vcrScl1ieder1en körper-
licl1en Di11ge in de r W,elt mOssc11 bringen lassen . Beides sind .rcir1
logische F orderungen , denn in cinen1 solche11 l{ö rperbcgriff allein
,,,äre alle t\1annigfaltigkcit der anscl1a ulichen \Virklichl<cit vollkommen
üoor,v(1ndcn und die l(örpenvclt als Ganzes begr,e iflich gemael1l.
Nur auf eine11 Punkt \\1ciscn ,,·ir nocl1 l1i11, um den. so gc,vorwcnen
B egriff z~1 vervoll ·Wnd jge11. Er enth ii lt nä111lich noch immer eine ~lan-
niglalLigl<eit1 ja ir1 do,p pcltcr I-Iu1sicht sogar ist sie vorl1anden. \Ver1n
auch jed,es ,,letzte Ding'' fü.r sicll v ollkommen einfach u11d jcclem an-

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- 75 -
dern gleicl1 ist, so bleibt docl1 die An z a t1 l der letzten Dinge unbe-
grenzt, oder falls dies bestritten ,verden sollte, weil der Begriff einer
u11hegrenzten Anzahl einen Widerspruch e11thält, jedenfalls unühersohb-ar
gr-0.ß, und rerner können die unübersehbar vi.eJen Dinge auch in un~
Obersel1bar viele Beziehur1gen zu einander treten. lt1 diese Anzahl der
letzten Dingo und der Beziehungen , in denen sie zueinander stet1en,
hat sielt die Unübersel1bo.rkeit der unmittelbar gegebenen ansc11aulichen
Körpef'\\relt ge\vissennaßcn zu1·ücl{gcz.ogen. Daß das gescl1iel1t, ist
not,vendig, denn irgendwo muß sie ih.r en Platz finden . \\'ir worden es
ja als ·owo Fälschung durch die natunvissenschaftlicho Begriffsbil-
dung ansehen, ,venn das unübersehbare körperliche t\11 sich in den
Begriffen als eine begrenzte vVirklichkeit daratellle. 'frot.zdem stört
diese ~tanoigfaltigkeit der letzten Dinge u11d die ihror Beziehungen zu-
einander uns nicl1t mcl1r. \~loran liegt das?
Die BeanL,vortung dieser Frage fü.n rt uns aur ein Problem, das
erschöpfend zu behandeln, in diesem ZusammenJ1ange nicl1t unsere
Aufgabe ist, auf das ,vir aber, um die Auseinandersetz.ung zu einen1
Abschluß zu bringen, ,venigstens hinweisen mü ssen. Es handelt sicl1 un1
die Bedeu tung d er ~1 a t h e m a t i k für die Begriff bi)dung der Na-
tunvisscnscl1afL. Wir babon bisher die mathematiscl1en ßegrifte nicht
• berücksicl1tigt, denn wir wollen ja nur die Erkenntnis der empiriscl1en
\ \1irklichkeit durch die Natunvissen. chaft verstehen , tlnd die ~lathen1atik

handelt nicl1t von realen sondern nur von idealen Objekton. Trotz-
dem stellt sie sich in den Dienst der natuf\\'i ·"'en chartlichen Begriffs-
bildung, und soweit dies der Fall ist) müssen wir sie beachten. Der cnt-
sc heide11de Punkt i t der, daß den mat.he1natiscl1en Objekten die
Art von ~1annigfaltigkeiL fehlt, die jed.e empiriscl1e wirkJicl1e .i\n chau-
ung besitzt. Dasselbe aber gilt aucl1 von der W elt der letzten · nlur-
wissensc.l1af t, von den Jetzt~n Dingen tind it1ren Bcziel1ungen zu ein-
ander, und at1s die em .,. Grunde i t die ~1aru1igfa ltigkeiL die er Welt
nicht. mehr störend . Die A.nzahl der letzten Dinge ist. Z\ Vär unbegrenzt
groß, aher wir 1<.ennen das Gesetz der Zahlenreil1e, d . .h. \VlJ' ,vissen,
daO, ,vie ,,,eit wir auch zählen mögen, uns nicrnals 11ocl1 ct\vas prin-
zipiell N.eues in ihr begcE,rnen kann 1 • E get}ügt daher, '\venn die Verein-

1 H iorbci i:.L allrrdiJ1g$ die Vornussetzung gcrnachl, daO ge,\•i~se ne uere •


n1othemnlischo Bt-gr1rre, ,,,ie di.o der „ tron fiJtil\' ll Zahlun", aur diB \ Virklich-
koit nicht nnwendhnr i-ind. Doch ,vird wohl auch nie1nand meineo, es babe einen
Sinll zu sage n, daß ei n l{Orper aus o, oder ro + n lclt.t cn Dingen bo,-i.tcht . Vgl.
G. Ca n t o r , Grundlag~n oiner t:1llgc nlt'l ineu ~i tinnig rollig-kcit:iill'hre, und B .

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'
1
'

.,
- 76 - 1

f acl1ung der l(örpet"\velt so,,reit voll1,ogen i t, daß nur noch die ~1a1111ig-
faitigkeit der Zal1lenreil1e übrig bleibt, und falls die letzten Dinge 1
1
'
einfach und untereinander vollkommen glcicl1 sind, ist das der Fall.
Dann l{ann ihre Anzahl, die da s \Ve•l tganze oder jrgend einen 1'eil der
K örper,, 1e)t, bildet, jede b e 1 i e b i g e Größe hnben, denn jede Anzahl
fällt unter einen Begriff, der di•e Eigenschaft, bat., jede beliebige Größe
zu umfassen. J eder Vorgan.g der Körper,velt läßt sich dann 1 ,,,..ie wir •
1
1
jet zt sagen kön·nen, unter den Begriff von Komplexen letzter Dinge
r
bringen,, die sich, ,vas die Dinge betri!It, nur noc.h durcl, deren Anzahl
von einander unterscheiden und d aher mathematisch vollkommen
begreitlicll sind. Scbon llierin \\'ird da Prinzip der ma·themat.iscl1e11
Natur,,'isscnschart, so,veit es für uns i11 Betracht komrnL, de\1tlich.
Docl1 nicl1t 11ur in der A11zal,l der D in g e bleibt eine unbegrenzte •,

lf annigfa ltigkeit übrig, sond.ern sie ist , ,vie bereits gesagt , aucl1 in der 1

Verschiedenhei t der B e ziehungen , in denen die letzten Dinge
zu ein ander stehen, und in dem \1/ccl)sel dieser Beziehungen vorl1anden.
z,var haben ,vir das ~Iittel zu ihrer Ueber,,1ndu11g bereits in den Gc-
set1.esbegrif[en gefunden, die unbedingt allgemeinen Urtei)e11 logiscl1
äcruivalent sind. Aber er t nacb.dern ,,.·ir die Natur der let.zlen Dinge
kennen, läßt sicl1 genatier zeigen, in welcher Weise auch die \ 1icll1cit
il1rer Beziehungen tnr die atur\\>·issenschaft übersehbar ,vird. E s
ha11delt sicl1 1 wie ,vir \vissen 1 um ein.c l{örper,vclt in Rau1n und Z,eit.
Da qualiLative Verscl1iedenl1ci ten in den letzten Dingen nicltt rnelir l

vor-llanden sein können, muß sieb auc}1 alle Verscl1iedenhejt u11d alJer '
,•
Wechsel in den Bezicl1ungen dieser letzten Dinge auf verscl1iedenc
rät1mliche und zeit1icltc Bestirnu1ungen zurückfübre11 la en, d. 11. es
'
muß aucl1 aus d.en Beziebtingen der Dinge z.uojna11der jede qualitative
J\'f annigfaltigkeit entfernt .ged acht ,,·erclert. Oder: das Unvcrö.n dcrlichc
kann n1.1r seine Lag c im Raum verändern1 al_o aller " ' ecllsel in
den Bczi ·l,ungen der letzten Dinge zueinander muß B e ,\. e g u n g
sei11. run isL Z\Var ,,·ieder eine unbegre11zt..e .~11zalll von ,rcrscl1icdencn
Be\vegungen anz\1neb1nc.n . In diese ~l nnnigfaltigli:cit zieht sicl1 die
Unilbcrschl:>arkeit des e mpiri scl1cn Wechsels in demselben Sinne z.t1-
rf1ck \Vie vorher die,,nüberschbal'e :\la.111,igfalt.igkciL der vielen Ein-
zclg•esLaltu11gcn in die t1nbegrenzt große Za hl der letzten Dinge. Aber
diese 1\lannigfalt.igkeit der Be,,·egu ngc11 ist ebenfalls nicht in cle11, Sin,1<!
un(iber:icI1lJar ,vie die e rnpiri sclie anschaul icl1e \Virlilichkcit. uch llie
K e r r y, Sys tem einrr Theorie der Grenz.bcgri[fl', S. 38 ff .: Die Unendlichkeit
der i\nznhlcnreihc. •

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'

- 77

Be\vcgungen der letzten Dinge sind vielmel1r darstellbar als mat.he-


matjsclte Größen, dene11 die ~lannigf altigkci t der en1pirischen Anschau-
ung fehlt. Sie la sen s,ich in R e i h e 11 so angeordnet denken, daß sie
ein J{ontinuum bilden, und daß der Begriff eines solchen l(ont.inuums
die Be\vegungen jeder beliebigen Größe u1n faOL. Aucl1 hier komm en
wir also dazu , daß jede Beziel1ung letzter Dinge zu einander w1tcr den
Begriff einer homogenen kontinuierlichen f{eil1e zu bringen ist, d. h.
es löst. sich auch unter diesern Gesichtspunkt die unübersehbare
1\tl ann.igfaltigkeit. der Körpenvelt in eine nur noch mathcmati eh be-
stin1mte und daher übersehbare ~Jarlnig[aJtigkcit auf. Denn $0\\'eit
wir auch ei11e solcl1,e RciLe verfolge11 mögen, es kann uns in il1r ebenso
,,,enig \.Vie in. der Zah ler1reihe et\v.:i pri11zipiell i eucs oder UJ1bekar1nles
begegnen, sobald \\1ir das Gesetz der Rcil1e kennen. \Vit· stehen ihr
also prinzipiell anders gegenübcl' a]s der anscl1aulicllen empirischen
\ Virklichkeit , von der \vir nie wi. sen können 1 ob in jllr noch et,vas
prinz:ipiell Neues vorkommt. Die F illle aller Bewegunge11 \\-i.rd in einem
Syslem matben1atisch formulierter Be,vegungsgesctzc vollkornmcn
begrifflich beherr~cht. Daauit sind ,vir endlict1 zu einem .t\.bschluß des
Körperbegriffes geJangt1 den \vir, gleichviel ob er· inbaltlict1 jc111a ls
zu erfüllen i t, al · logisches Ideal der natur,,,.isserischailliche.11 Begriffs-
bildun g a ufst ellen rrtüssen, und eiern sicl1 ,,,enigslens a nzunä hern,
die logisch not,vend ige Aufgabe der atunvissenschaft ist..
Kel1ren \vir j,etzt nocta. .einrnal zu einem Gedanken zurück, der1 ,vir
zu B-eginn dieser Untcrsucl1t1ng andeuteten, \\'ir mu ßten dort dem ~J iß-
versUind11i ·e vorbeugen, daß die vo11 uns behau f>tete unübersehbare
l\1annigfalt igkeit d e r aoschauJicltcn \Virklichkeit 11ict1ts anderes sei
als der Begriff eines in uncndlict1 viele maLl,e,nati ·ehe fJu11l, Le zerleg-
baren homogenen Kontinuums. ,Jetzt ist, vol lends d eutlich , \\1 i c ,veit
die beiden 1\ rtcn vo11 ,, neudlicl1licit'', von de11er1 ,,:ir die ei.ne als die
rtübersehbarkeit der empii·ischen Ansc-hauu1tg, d ie andere als die
matllcmatiscl1-begri [fliehe t_; Ilend Iich kci t bczcicl111en könne11, vou
einander abliegen . \Vit n1üsse11 sie unt er 111ctl1odologis<-hcn Gcsicl1t.s-
punkten geradezu in ei11en Grgensatz Zlrej n and cr bri11ge1i. D urcl1 die
m athematische Behandlur,g der Natur,vissenscha!Lcn v e 1· dr ä n g c 11
\Vir die Ur1 übersehbnrkei t, vrelche die hctcrogcnc 1 ko·nti11uie:r lichc 1 au-
scllaulicl,e \Virl<licl1kc-it 11ns r.:lnrbiet.ct, 11rtd die uns in unsere r Un,fühig~
k eiL1 sie in allen ibr-cn Eir1zelheiLen zu1n au.stlrü•cklichcn DC\\'t1ßtsci11 zu
bringen, klar ,vird. \Vir setzen a n ilirc S tel l •e den vo11 ihr prjnzipicll
v erschiedenen rn,at,l1en1aLi::;-ellen Bcµ- r·iff einC'--s al1s beliebig vielen , ~eilen

0191 lt ado por Goog e


I


- 78

bestehenden homogenen I{ontint1u111s 1 die nur noch quantitativ, nicl1t


mehr qualitativ von einander verscl1ieden sind, und ,,rir kön11en es 1
daher geradezu als ,d ie letzte und abschließende Aufgabe der begriff-
lichen Bea rbei tung der Körperwelt bezeicr111er1, aus jeder unüberseh-
l
baren, l1eterogenen, qualitativen ~1a.n nigfaJtigkeit der empirischen
,virklicl1er1 Anschauung eine ilbersel1bare, homogene, mathematische,
qua ntita tive Unendlichkeit zu machen . Unühersel1bar ist die \\'irk-
lichkei t, die uns unmittelbar gegeben ist, deswegen, ,veiJ jeder ihrer
unhe&rrenzt vielen Teile von allen an.d em verscl1iedcn ist , also seine
einzigartige individt1clle Gestaltung besitzt. Wir können nie '"·is cn,
ob wir bei weiterer Zerlegung nict•t noch auf et\.va prinzir:>iell Neues
stoßen. Uebersehbnr dagegen ist die mathematische quantitative 1
.
Ur1endlichkeit einer hornogcncn kontinuierlichen Reihe des,vegen, 1
1

,veil ,vir jedes beliebige Glied der Reil1c herausgrcifen können und in 1
il1m bereits alles haben, ,vas für sämLlicl1e Glieder der Reille in Belracl1t 1

kom1nt. Et,vas prinzipiell Neu.es, noch Unbekfl'nntes kar\n in ein er


solchen 'homogenen Reihe uns dah er 11ien1als begegne11. Uebcrzieh.en 1

,vir tllso die unübersehbare t1r1d iosofer11 irrationaJe empirische \>Virk- l


lichkeit rnit eincr11 Begriffsnetz, ,vie die letzte NuLt1r,vissenschaft es
bilden muß, so ist damit die em piris(' ho \>Virklichkcit auch SO\\'eit
rational geworden, wie sie überhaupt rational \\'Cr<len kann.
Eodlicll ,vcnden ,vir uns jetzt der Frnge zu. "vie ,1„eit der Begriff
der letzten Dinge, den auch ei ne logisc ll vollkornmenc allgttmeine
·rt1eoric der l{örpenvelt rlicl1t entbel1ren kanr1, sicti tmserer Tl1eorie
einordnc11 läßt, nach der das logische Ideal des natun,•issen chaft- •
Jichen Begriffes aus dem Gehalt vc>n gt11Ligcn Urteilen besLel1t , die 1

ihn bestimmen und z11glci-ch durch ihre Geltu11g ih m die notwendige


l1nbedingLe AJlgemeinl1ci't verleihen. Für die B eantwor t ung dieser
Frage kommt vor allem der Umstand ir1 Betracltl, daß der l nhn lt
eir1cs Begriffes, cler sich nicllt auf en1piriscl1 anschauliche Dinge bcziel,t,
seih t ebenfalls nicht aus anschnul ichcn 1\lomenten bestehen kaw1.
Zunächst ersehen ,vir daraus, ir1,vic,veit n1it solchen Dingbegriffen das
ab chlicßcndc Ideal einer v ollstäncligcn Begriffs be s t i m m ti n g
zu erreichen ist . '\\lol.'len \\·ir uns den I11hnli des Begriffes der letzten
Dinge au drücklicl1 vcrgegcn,vü1·tigcn, so müssen ,..,·ir al l-es da v er-
n ei n c n , ,vas uns von den in, der en1 piriso11en An~cl1auung gegel)enon
Dinger1 bekannt ist. Die lctzLcn Di11gc sind dah er ni cht, teilbar, nic11t
v eränd erlich, 11icl1t gc,,,ot·de11, 11icht. vc11g:inglicl1 us,v. Auch das 1
scheinbar positive l\f crkrn al der Einfach hcit i t, auf l{örper a1)gev.•t>ndet,

D191, h,ado por Google


- 79 -
ebenCalls nur eine Negat.ion. Durch verneinende Urteile also wir-d aus
dem Inhalte dieses Begriffes alles ausgescl1Jossen, was Unbestimmt-
heit, 1nit sich führen könnte. Die Bestimmung ist zwar durcl1,vcg ne--
gati"', aber doch vollkommen eindeutig, denn es handelt sich hier,
wie bei allen brauchbaren negativen BegriCfen, um eine zweigliedrige
Disjur1ktion. Alle Dinge, die uns gcgebe11 sind, sind mannigfal tig
und zeigen alles, was die letzten Dinge nicht enthalten. E s ist. deshalb
ganz ausgeschlos en, daß der Begriff des letzten Dinges jemals mit dem
Begri(f eines anderen Dinges verweellselt ,vird. Mit dem \Vorte
,,letztes Ding' ' isLjetzt nur ein c Bedeut11ng, alll.o ein gcna.u bestimmter
Begriff verbunden. Der Begriff des leLzLen Dinges vollendet demnach
z·u näcl1st unsere Theorie insofern, als tnit seiner Hilfe eine vollkommene
Bestimmtheit der Begriffe ge,vonnen werder1 kann.
Noch \vicl1tiger aber ist ct,,•as andere . Wenn der Begriff der letz-
ten Dinge seinen1 Inhalte nach nur dadurcl1 Zl l vergegcn,"ärtigen ist,
daß ,vir alles das vemeinen, ,,,as ,vir von der empiri. chen Anschauur1g
der \Virk.Jichkeit kcru1e~ so setzt sicl1 auch dieser Begrjff, sobold wir
seinen lnhaJt denken, ebenso ,v:ie die andern logi cl1 vollkon1-menen
Begriffe der Nat1tnvissenscl1a{t1 aus dem Gehalt v o 11 lauter Ur ,t e il c n
zusammen. Als da Ding, von dem diese Urteile et,,·as au ·agcn,
bleibt nur etwas iibrig, clas inhaltli-ch zu vetgegen,,·t,rtigen ,vir UJlS
vergeb.licl1 bemühen, und das ,vir auch, ,vcnn ,vir \1ns den Inhalt des
Begriffes vollsUindig zum Be,vußt.sejr1 gcbracllt l\aben , als anschau-
liches Ding gar nicil t zu denken braucl1en . So kö11nen ,vir sagen,
<laß ,,,ir hier im Gru11de genommen ebel\falls einen Rclationsbegriff
vor uns haben, und nttr dadurch t1nt.erscheidet. sicll dieser Relatio11s•
begriff von and ern l'lela tionsbe-grif'fer1, daß ,vir ihn so behandeln, a ls
ob er ein Dingl)egriff ,väre. Wir müssen ,ron ei11e111 Dinge s1J1,echen, "veil
\\•ir uns die l{örpcnvc'l t nicht anders als aus Dingen besteliend dcnkon
könne11, abor lediglicl1 cler Gellalt der ttcile, tlie ,vir Ober das Ding
füllen, und ihre Geltung komrnt in einem ,1/issenscha(tlichen Zu. arnmcn-
l1ru1gc 11ocl1 in BeLracl1t . Von clen Dic1gen ~el b t isL nichLs als die Form der
Dingha!tigkeit über.haupt geblieben . Aller Inhalt leckt in den Re-
lationen dor Dinge zucina.11dor. o gel1t es der a t,1r,vi ~cue.cl1aft n1it
ih.rer1 letzten Di1,gcn nicl1L anders, ,vie es ihr t11iL allc11 Dir1r.rcn gcl1t:
sie löst den lnl1alt ihrer Begriffe in dcr1 Gehalt von 'Urteilen auf. Ja,
gerade dieser unserer 'fl1corie scl1einbor ,viJ crsprecl1er1<le Grcr1i fal.l
macht, die Sache am cletttli chstcn. Jst die otur,vi "scnschoft lJcj ihren
letzten Dingbegriffcn angelangt, so kann sie n. u r noc h den Gehalt

D191, h,ado por Google


••

- 80 -
von · · rteilen denken. Damit ordnet sicl1 auch dieser Grenifall unserer 1
'
Theorie restlos ~in: der Inl1alt a l l e r J.ogi~cb vollkommenen nat.ur- 1
wisse11schaftlichen Bcg1·ilfe besteb,t au dem Gehalt von gültigc11
UrLeilcn.
Zugleich V\>'ird so deutlich, ,vie unsere Tl1eorie aucl1 die n1oden1e
Auffas ung der Natunvisscnscl1aft ztirn 1-\ usdruck bringt im Geger1-
sntz zur antiken l\Icir1ung, auf deren Boden die traditionelle Logik
e1"\Vachsen i~t. J a, da " ist geradezu die Pointe dieser Au~fül1rungen
ilber Ding- und R,c lationsbegriffe , d aß wir mit dem antiken Gattungs-
begriff, der ein Dingbcgrif! is t , be.i oincr nalur,vissenscbaftlichcn Er-
kenntnis der Körpen,rclt nicht auskommen. Wir müssen den Gedan-
ker11 d er BegrifC ei nur eine \lorswllLtng vom Gen1-einsamcn 1 ga11z •
fallen lassen . Ein kurzer l1ist or-iscl1er Rückblick ,,,ird das bis her
Gesagte mit Rück icht hierauf vielleicht nocl1 klarer machen.
\\1ie die Begriffslehre b eschaffe11 ,var, die 'ol(rates v ortrug,

,verdcn ,vir mit absolu ter Sicherheit nicht feststelle11. Für die Zukur1ft
entsct-1cide11(f \\1ar die \\1endurig, die Platos Ideenlehre dem Nacl1-
denker1 Ober Jogi ch.e Frageri gab. A.ristoteles ist in dieser Jlinsicht.
von Plato durcl1aus abl1ängig 1 . Das einzelne incJividuclle Ding ist
als solcl1es aucll dicse11 Der1kern Cor die Erltcnntnis ol,ne Bedeut,1ngt
e existiert ogar nac h Plato eigentlich riicht. Die ,,,ahre \Virklicl1kcit
ist eine \Veit ,,on allgemeinen ,, Gestal tcn ''. Die Ideen sind al lge.meine
Dii1ge 1 und dic~e Dj11gc sind der Gegc11 ·land der Erkenntnis. l\1ocl1 le
man nun diese Dinge mehr transzendent oder mehr immanent auf-
fassen, da Ziel de Erken,1len. l<.onnte nur darin be Lehe11 1 die Urbilder
zu reproduzieren. Die B edeutung d es B egriffes ,var d aher in einem
Nachbj}d zu finden. Sei11e Aufgabe bcstar1d darin 1 den ,,,a hrh~ft
seienden Gegenst and der Erkenntnis ,,·iedertugcl1cn . Ga n-z ge\viß ist
es daher ,u nrichLig, ,venn Latze 2 ir1. einem d er licfs i,mjgsten l(npitel
seiner Logik die platoni!ilchc Idee a ls das interpretiert, ,vas g i l t, i111
Gegensatze zu detn, " ·as i s L. Gerad~ dic:-er Geclanke ist un.plalonisch,
,vcnn ,vir das \'v'ort GclLen in1 Gegensatz zu1n Sein gebrauchen . Die
Id een sjnd n ach Plato d as ,,,ah rl1aft S ,icrtde, und die Begriffe spiegeln
es so \Vicdcr , \Vic e1:, v.ruhrhaft exi ti ert. Um o ,ver~roller dagegen i t
die Lot ze~cl1e Unlcrscl1cidung für eine Logik, in der die T cndenz.en
d er 111odcrncn \Vis ct1scl1art, inbeso11dere der Natun\'ißsenschaft, wie

1 , ,.l(l. ,,. i 11 (1 c I b II n d, Ceschi<:hle der aJLen Philoso rl1 ie, 1 88, 2. Aufl.,
189 1, S. 1 t.9. Oio drill•• ,\ ur!ago isL vo n A. Bouhöt(c r t;earbcilel, 191:?.
11 Logik, 1871, 2. Aufl. 1880, s. 505 rt.: Die JdOOll\V8lL.

ü1g1tahzado por Goog e


- 81 -
sie sich seit den Zeiten der Renaissance ent.,vickett ltat, zum Ausd ruck
kommen sollen. Anschauliche Gebilde \vie die griechischen Begriffe
,,sind''. Urteile ,,sind'' nicht sondern ,,gelten", wobei ,vir selbst.-
v ers tändlich den logiscl1en Gelialt der Urtei le) nicht den ,virklicl1en
Urt.eilsakt meinen, der h.ier Cür uns nicht in Betracht kommt. Wo'hl
ist, also auch der moderne Naturforscl1er Plntor1iker, insofern sein
l11leresse immer a.uf das 1\ 11 g o m e i n e g„ricl1tct ist, aber die
Allgemcinl1eit darf er nicht mehr in einem nach Art de.r Antike ge-
dact1ten Gattungsbegriff von D in gen finden. \\' ir kennen keine
,,allgemeinen Dinge'' mehr neben oder in den einzelnen wirk I i-
c 11 e n Dingen. Wir können daher mit unsern Begriffen aucl1 kei11e
Dinge a b b i l d e r'l \Vollen. Die indivjduel.leo, einzelnen Dinge sind
für uns die \Virklichkcit, und z,var die einzige \\' irkl,i chkeit1 die \-venig-
slens fü.r dio empiri:iche \1/isscnsc uaft. in Betracl1t kommt. Das All-
gemeine, das sie e rfaßt., kann einher nic l1t als abbildc.n des Nact1bild
ged.acht ,verden , so-n dern wir ,voller1, '\venn wir t1ns recl1t, verstehen,
jene unbedingt allgemein gültigen Urteile vollzicl1en, in dore11 Ge-
halt \-\rir das a11ffnssen, \Vas ,vir die die Natur beberrsche11clen Gesetze
ne1men. Das Allgerne.in.e, \vie die Natun,•issenschaft es sucl-.t, gibt es
f(ir uns nut· noch in der I•'orm des Geltens, u11d die individuellen
Einze.ldinge int.ere ·sieren uns in der Natur,visser1sc;liaft nur insofern,
aJs sie Ansdrücke eines allgemeinen, in11ner gültigen Verha1Le11s sind.
nsere natur,,•issen cl1aftlichen Begriffe können d ü.mcnlsprecl,end
nicht nt1r \>Vortbedc.utungen sein, deren ,,dssc11 chaftlicher \Vert dar-
auf beruht, daß sie A ~bbilder von Dingen sind, sondern sie müssen das
\Vissen vo,n Gcset.zon oder \\'cnigste·n s die Vors tufer1 zu einem solchen
Wissen erithalten. J edes \iVissen aber besitzt den Gelialt. eines Urt.cils.
Nur al einer besonderen 11or1n des UrLeils oder genauer als einem
d em Urleil:igehalt Jogisch äquivalenten Gebilde kommt dal,er dem
'
Begriff eine \VC entliehe Bedeutung i1n 1noder11e11 naturwissenschaft;..
liehen Erkenntnisprozell zu.
So gliedert sich unsere Begriff tl1corie leicht in einet1 größeren
Zus ammenl1ang ein, der gerade d a moderne Denken zu1n Au sdruck
briJ1gt. ~eine weitere Vcrfolg,1ng ,,·Urde u11s jedoch zu eirie.r erke.n nt-
ni Lhcorctiscltcr1 D eulurlg des K örperbegriffes fül1ren 1 den die Natur-
,vi~senschaJt zu bilden hat, u rn die ~la11nig[altig kcit d er ernpi.risclleri.
Ar1schauung zu üher\.vindcu. Es r11i.ißLe dttnn gefra gt ,vcrdcn, \vio ,\'eit
v-o n einer ,,RealiUit'' der ,,letzten" 1 n icht me'11r anscl1aulichcn D.inge
ger~det ,,,erden kann, und ei11e solche Deutung gehört nicht nichr in
K ic; lt c r t, Cl rt.'n1:i! 11 . :l. Aufl. 6

ürg,t~hzado por Goog e


- 82 -
diese Gedankenreihe. Hier hande.l t es sich n.u r tim die Fcstslel.lung und
Begründung der naturwisscnscl1aftlicl1en l\lethode u11d um die Auf-
zeigu ng der Ideale, d enen d ie N atunvissen chaft sieb auf de111 Boden
des empirischen Realismus mit Hilfe dieser ?.Ict l1oden zu nähern hat.

V.
D i e m c c h a n i s c b e N a t u r a u ff a s s u n g.
\ Vir haben vcrsucl1t 1 den Ausführungen di e es Kapitels, so~·eit
es möglicl'l \\far, einen rein logischen, also formalen Charakte.r zu geben.
Nur von Z\\'ei in ha ltJ icl1 best imm ten Vorattsset zungen machten wir
Gebrauch. Au,s der Tatsache e.incrscits, d aß \vir eine d en R aum
hetcroge11 u11d kontinuie1·Jich erfüllende und in der Zeit sich ebe.11so
v erändernde ar1schauliche ~l annigfaltigl<eit ,•on l(örpe1·n vor uns
hab en, d ie man wegen ihrer extensiven und intensiven Unübersehbar-
keit nicrr1 als abbildend erkennen kann , und aus der F ordert1ng anderer-
seits, d a ß diese Mannigfaltigkeit t rotzdem eingefangen ,verden soll
i11 ein , rollkomn1en übersehb ar es System von Begriffen, haben ,vir d as

logische Ideal einer absolut a llgemeinen, d . b . [ür alle l{örpcr ziitreffen-


d en und f Or alle erke11nenden Subjekte gültigen Tl1eorie der 1{.ö rper-
,velt ko11stru iert . Streng genommen l1aben ,vir sogar erst bei -d er E r-
örterung d es Untcr.scl~ied es von Dingbcgriffcr1 und l{cla,t,ions bcgrii f.cn
den Urnsl and benutzt, d aß d ie gegebene l\'[ annigfallig)<eil aus aus-
gedel\ntcr1 und raumerfüllenden Dingen, also aus K öt'pern besteht.
Der Inhalt d r vorangegangenen Erört.eningt~n ,-.·ar so formu liert,
daß die l\lomentc der err1pirisc hc11 Al lge rncinl\eit, d er Best immtl1cit
und der unbcdirtgL allgemei11en Gel tung des Begriffe~ ohne ausdrü ck-
liche R ücksicht auf die Eigenar t, der l( örper,vclt ge"''onncn ,vurden .
W ir kö11ncn uns auf die en Um sl and benJfen , ,vcnn os sich in denl fo,lgen-
den K apit.el u1n die Frage liandc~t, ,vic \vcit die natur\vissc11sc h.~fLljcl1e
Begriffsbild ung aucl1 zur logjscl1c11 Bcarh<:ilur1g de psychi$cl1cn oder
geist igen Leben:s bra uc}1bar is t . Diese Frage von vorr1J1cr ' jn .so,veit
wie möglic't1 im Zusammenh ang mit der b •griffl ichc11 BcarbeiLuug der
K örper,\·elt zu bel1a ndeln 1 scl,ien nur de \vcgc11 ni.cht an gc111essen,
weil der Bc-grif'f des ~I aterials der P~y-c liologio n icht so sclb tvcr5Länd-
lich ist 11n<.l jcfl!!r1fnll:. ,vis 'cnsc ha fllicla c1icl1l o fe ·L t.cl1t. ,,·ie der einer
a n.scl1at1ficl1 gr•r.•cLer1cn J{örper·,,·el t. \\·aa die P h~•;;iker zu bclia11del11
t,aben, ,,·i:iscn sie alle. \\' as , ,eigen LIicl1'' Ol•j ckt. der P:;)•chologie ist,
d ar über- . ind die P~)·cl1ologcr1 durchaus 11icli t ci11ig. LT1n :\liß,,cr3lä11d-

ni ~en vorz\1beugcn, \\'Ci~cn ,,·ir jedocl1 ·chon hier ausc.11 ücklicl1 darau f

ürg,t~hzado por Goog e


- 83 -
hin, daß nur einige spezielle Eigentümlichkeiten, nicbt a.be·r die all-
gemeinen Charakteristika des naturwissenschaftlicl1en Begriffes aus
einer sac.hlichen Besonderheit der I{örpenvelt ab.geleitet sind -
Gerade desl1alh ver,,1eilen wir aucl1 nocl1 et\vas bei der natur-
wisse11schaftlici1en Begriffsbildung, die sich nur auf die KörperweJt
bezieht. Wir sind zuletzt zu einem Ergebnis gelangtt d as zv,rar rein
Jogiscl1 konstruiert ist und des\vegen auch nichts ar1deres als ein lo-
gisches Ideal s.ein kar1n , von dem sich aber t rotzdem u igen lä ßt,, daß
die faktisch vorhandenen Natunvissonschaften sicl1 ihm mehr oder
weniger anzunähern versuchen. Ja, man könn.te sogar meinen,
die allgemeinste Disziplin von der l{örpenvelt ,väre die ,,letzte Natur-
wissenscha ft' 1 t die wir lo"isch konst ruiert haben . So let1rt ja die llt·le-
chanik: die Welt, die sich uns in der Anscl1auung als eine unüberseh-
bar mannigfaltige darbietet., ist, im Grunde genommen immer und über-
all dieselbe. Alle Verschjedenheit und aller Wechsel beruht auf der
B ewegung eines unver-änderlicllen Substrats im Raume, und diese
Be'\vegung ,vird beherrscht von alJgeineinen Gesetzen, die aurzu-
suchen , mathematiscJ1 .zu formulier<in und in ein einl1eitlicl1cs Systern
zu bringen,. die Aufga be der Wissenschaft i t. Kurz, die körperliche
Natur ist zt1: verst ehen als ~i e c h an i s m tl s.
Angesichts dieser Uebereit1 t.ir1unung ist. zunächst dem l\1ißver-
sUindnis vorzubeugen, als meinten ,vir, daß logisct1en Ucherlegungen,

wie ,vir sie.i,angeslellt haben, die Grundbegriffe der mechanischen
Naturauffassung ihr Dasein verdanken. Im Gegenteil, "''"ir "'~isscn,
daß diese Begrirfe auf einem andern \Vegc entst.anden sind, den ,vir
zum Teil dcutlicll verfolgen köru1en, der uns aber in djesem Zusammcr1-
hange nicht interes iert. \V.i r gingen hier von dem Gedanken aus,
daß jede bcgriiflicbe E rkenntni~ der K örpcn vclt mit einer Vereinta-
cbung der \Virklichkeit. verbunde11 i t . Das ,,1a1· n ur ein logisch-mctlio-
disches Hilfsmittel, um uns d ie Not,vendigkeit ge,visser forn1aler
Eigentilmlichkeiten d er na tul"\:vissenscha(tlichcn BcgriffsbilJ ttn g 1.u10
Be,,1uß tsein zu bringen. Dio Absicl1t der \ rcreinfacl1ung ist 11ictlt.
etwa, \\' ie der Pragmat ismus glau bt, der Gesicl1tspunkt 1 der atlCh den
S pezialforscher leitet , oder von deren \ 'er,virklichur1g ga r tlie inhal t-
liche \\fa brhcit seiner Ergebnisse a bltängt . \.\'ir lassen es • ogar ous-
d rücklich dahin gestell t, ob \vir h ier den einzigen Gcsic~1l.$pu nkt ge-
wonnen haben, unter dem das logische Id.eal einer allgcmei11en Theorie
d er Körpe1"\velt z.u botrachte11 isl . E s reicht aus, \ven.11 dies nur ein
ricl1Liger Gesicl1tsp11nkt unter a11dern i t, sicl1 also auf di.cscm \Vege
6*

D1911 11,ado por Goc,gle


- 84 -
ilbe rh a,1pt. die logische Struktur des Ideals der natunvissenschoft--
licheu Begriffsbildun.g zum Be,,,ußtsein bringen läßt. Wir l1aben die-
sen Gesicl1Lspunkt deshalb ge,väblt, \vci l ,vir so arn besten das klar
legen konnten, ,vas ,vir später bei einer AuCzeigung cler Grenzen der
natt1nvisscnschaft.lich.en Begriffsbildung brat1chen werden . Eine er-
schöpfende DarsteJJung der natur,vissenschaftlichen Metl1ode in ihrer
ga11zen logischen Struktur liegt, wie immer ,vieder zu beachten ist,
nicht in u r1serm P lan. Die Bedeutung de l1ie.r dargestellten Teiles
für unsere spätere Aufgabe, das \i\'esen der hisloriscl1en Begri[rs-
bildung zu e11t,,·ickcln, kann erst in dem Zusammenhange des dritten
l(apitels klar ,verdcn .
Il ier bringen ,vir jetzt den auf logiscl1em \Vcge gefundenen all-
gen1ei11en BegriCf der Körpenvelt noch ausdrückJicl, zu einigen Begriffen
der wirklichen Natur,vis enschaJt in Beziehung. Dafür haben \v.ir mch-
r,ere Gründe. Indem ,vir dabei et,,,as ~'eojger obi..Lrakt vcrf al1ren 1
wird un ~er Gedanke11gang vielleicht leichter verständlich, ja, er
kann sogar a11 Ueberzeugungskraft gc,vinnen, wenn ,vir zeigen, ,,vie
,,·eil er m it den Theorien der empirischen vVis„enscl1nftcn sic h in
Ucbcreinstirrunung befir1det . Ferner müssen wir auf die vorl1ande11e
l<'orschung aucli desl1alb Bezt1g 11ehmen, ,:veil es so scheinen könnte,
als seien unsere logischen Ausfül1rurlgen nicht allgemein genug, d . 11.
als umfasse unser Begriff der Körperwelt nicl1t alle die allgemeinen
Bcgrif!e, zt1 denen die \1/issenschaft gelangt is.t1 sondern stel1e sogar
mit einigen von ihner1 ir1 Widerspruch. Gerade neuet-dings i t von na-
turwissenschaftlicher Seite die mechanische aturauffassung zum Ge-
genstand von ;\ngrilfcn gernac~lt ,,,orden. Wir t1abcn dal1er zu zeigen,
daß , ,vo ein solcr1er Widcrsprucl1 v orlta11c;len ist, er sicl1 nicht gegen
en1pirisch beg·ründcte oder begründbare Theorien sor\dern gegen lo-
gische l\·l ilngel dieser Tl1eorien richtet. Doch lcönnen ,,,ir im allgernci11.en
mcl1r ebereinstirnmung als -w·iderspruch konstatieren. Endlicl1 ver-
weilen ,vir aucl1 gerade ,vegen der großen Ucbcrcinsli1ntnung Z\vischen
dem lo.gisch ko11stru.ierten Ideal und einige11 raktiscl1 vorl1andcnen
spezial,vi senscl1aftl ichen Theorien noch et,,·as bei dies.cm Punltle.
Wir 111usscn u.11 darüber li.lar werder1 , daß in den e11lpirischcn \Vissen-
scho.ft..en nur von einer An n ä h e r u n g an <las Ideal, nicht et,:va ,,on
seiner ,virklicl1en Erreichung die R ede sein ·d arf, denn gerade clas i8t
für das Wesen der natur'1visscnscl1afll icl1cn B(~griff hil clu11g 1nit Rüclt-
sicht auf das \lerbüllnis zur Gesc}Jcl1te von ausschlaggebender Bedeu-
tung.

ü1g1taltzado por Goog e


- 85 -
Die folgenden Ausführungen werden selbstverständlich von dem
logiS:ch zulälligcn Stande der Nalunvissen ehaft abbängig, d . 11. ,väl1-
rend das bisher Gesagte nur dadurch modifiziert oder widerlegt
\\'erden kann, daß eine Jogiscl1e Inkonseque11z darin nacbge,viesen
wird, sind Einzelheiten dieses Abscht1ittcs durch \Vandlungen in den
e1npiriscl1en Disziplinen umzustoßen lJnd können daher schnell ver„
alten. Das mag als Uebelstand erscheinen, und es kommt noch et,vas
anderes hinzu, das das ~tißlicl1e unseres Unternet1mcns v erstärkt.
Auch jel,zt:. ist unsere 1\ufgabe in der \\•iederholt anged euteLen \Veise
begre11zt, d . h . ltnter den Tl1eorien der Naturwis cnscltaft ,verdcn ,vir
nicltt solct1e ,vä t)len, die, zur Bearbeitung spezieller Problem e gebildet,
einer Einordnung in das Ga11ze der \Vissenscha!t noch harren und auch
als l\'l aterialsammlungen für umfassendere Theorien ange ehen werden
können , sondern wir suchen Ged.a nkengänge auf, die als theoreti scher
Abschluß der '\\'issenschart gedacl1t sind oder wenigstens auf ibn hin•
deuten. D·abci ,vird es sieb meist um Ansichtet1 handeln, it1 denen
bypotl1et.isc he E lem ente ei11e große ß olle spielen , und die d eshalb
besonders stark dem Wandel unt.er,vorfen sir1d . \Vir müssen sogar
solcl•c Gebiet.e bev orzugen , auf denen zu arbejt.en, mancher Einzel-
! orscher eine Abneigung empfinden mag. ,veil e r sich hier auf einem
noch al1zt1 unsic.heren Boder\ be\vegt . Doch ist andererseits zu bcmer-
kon, daß die Stellung der Logik z_u stark mit hy potl1elisc hen F aktoren
durchsetzten Theorien eine ,vesenLlich andere sein darf als die des
1'1a1ules der poiial,\liss:cnschaft, fa.Us für ihn nicht ebc1lfalls logisct1c
Interessen maßgebend sind . Was dein Fac}1manl1e nämlich. als vo1„
eilige I-Jypothese, ja vicll.eächt als Pbantasma crscl1cint, ist unlcr
logischen Gesichtspunkten d eshalb interessant, ,,·e,il d nra us oft besser
als aus ge icherten Einzc)c1-gcbnis en Klarl1cit über d ie allgemeinsten
Tendenzen und letzten Ziele der \\1i. sen chaft ge,,·orl.rJcn ,,1crdc11 kann.
Gerade das i t, j a f ü1· ltns vo·n Interesse, in ,vclcl1er Richt,1ng sieb die
Spezialforscl1er selbst d en Abschluß ihrer \Vissenschafl, oder ,ve11ig- •

stens ihre .z ukonrt ige Erlt.,vicklung •d enken. \\'enn "'ie l deen darüber
Ausdruck gehen, so gellen sie damit cigcnllich ü.Lcr it1re 'l'ä tigkeit,,
die sie al Spezialfor eher haben, hin.aus und ,:vcnd n sicl, seihst
implicitc ,vcrtigster1s der I(,0 11 truktio11 logischer I deale zu. Inisbesondere
die 1' heorcme anerkannt bedeuten<ler F orscher . incl unter diesem
Gesichtspunkt als pc1-sö1l1icJ1c Kundgebungen ,vjchlig 1 und sie beha lten
ihren Wert au clt d.ann, ,venn sie sicl1 in halLlich al8 verfehlt heraus•
stellen sollten. l{ö n11en ,vir in clerartigcn Gednrtl<.cngehiJden nur e111e

ürg,t~hzado por Goog e


- 86

logisct1e SlrukLur entdeclco11, die mit unscrtn logische11 Ideale ilberein-


sti1nn1t, so dürfen ,vir in ihnen schon eine Bestätigung unserer At1sich-
tcn selten . Wir gehen ja 1tirgend darattf atas, den all,gcmeinen Theorien
d er Naturwissenscl1aft sogenannte , 1,p hilosophischc l{on,sequenzcn' '
zu entnel1men, sondern \,,ir ,vollen nur it1re logiscl1e Struktur verstehen.
Unser Unternehmen ist also unbedenklich, sobald ,vir at1sdrucklich
den ' 'orbel1alt machen , daß die in Betracht gezogenen Theorien der
Natt1rwis.sensei1aft nicht als i n h a l t l i c h rict1t,ig ,,orausgesetzt sind.
Es soll dieser Abschnit t überhaupt me}1 r zur Erläuterung und
Bestätigung als zur Er,veiterung des bisher Gesagtc11 die11en, j.a et,vas
prinzipiell Neues können wir ga.r nicht ge\vin11cn '"ollen . Unter diesem
Gcsicl1tsp1.1nkte \\'lrd es sich dann auch recl1tfcrtigen, ,vas im ersten
Auge11blick vielleicht frerndartig erscl1einl 1 daß wir nicl1t nur an den
gcgenwärtigc·n Zu-st.and der Wissenscbafte11 v on der l{örpcrwelt uns
halten, sondern die it1 der erswn Auflage dieses Buche v·or mehr als
sect1zelln Jahren v eröffentlichten Ausfüh ru11gen in der Haltptsacl1e
unvcränd.ert lassen u1ld auf die Fortschritte der Natu1'\vissenschait
in der neueste11 Zeit nur soweit Rücksicht. n ehmen, als not,vendig ist,
um zu zeigen: an ihrer logisct,eri Struktur hat sich nicht s Wescnt- ,
liehe geändert. Gcr~nde der Un1sl-.and, tlaß das logische Ideal, das
don rroher aufgestellten T heorien zugrunde lag, aucl1 11ocl1 in den
modernsten Gedanken sl.eckt, muß unseren Aus.{ührl1ngen Ueber~
zcugu r1gskraft geben. So mache11 ,vir uns, soweit dns übcrl,a upt mög-
lich ist, von dem logisch zufälligen Stadium im liistoriscl1cn Er1L-
\\1icklungsgange der ati1nvissenschaft. frei.
Von den verschiede,n en naturwis enschaftlichen Disziplinen is t
es die t heoretische "•Jechanik 1 ,d ie d.e m logischen Ideal a,11 meisten
entsprict1t. Sie behandelt nichts m ehr, das nur l1ier oder dort, dann
oder jetzt im Raume oder in der Zeit zu tinde11 ist , sondern il1rc Be-
griffe sind absolut a llgeme in, so\,·eit die I{örpen,•elt übcrl1aupt in
Frage kommt, Jedes beliebige Stück oder alle Tei le des Ga11zcn,
jede int.onsive oder extensive physische ~1annigfaltigkeit ,vill sie be-
gl'eifen und so in einem völlig ühersel1baren System das Unüborsel1-
bare erfa en. Darnit kocrunt sie genau auf das Ziel der , 1 lct.zLen Natur-
,visscnscl,aft" hinaus. J a, ,vir finden soga r cine11 Versucl1, sie in ihren
Gru11dbegriffcr1 so zt1 gestalten, daO sie 11och in besonderer Hinsicl1t
dem von uns konslruierl.en Ideale einer logiscl1 vollkornmcncn l{örper-
,vi sen cha[t e11tspricht. Die 11Prinzipien der ~1ecltanik" von H ein-

ü1g1taltzado por Goog e


- 87 -
ricli Hertz 1 unternehmen es, .,alle einzelnen besonderen Gesetze
dieser Wissenschaft alts einem e.i nugen Grundgesetz abzuleiten'',
wie Helmholtz in seinem Vorwort zu diesem \ Verke es als ei11 Cha~
rakt.eristikum des Sys tems ausdrücklich hervorhebt 2 • In Rücksicht
auf die Re.l ationsbegri{fe ist also hier die Körperwelt genau in dem
Si:n.ne vereinfacht, wie ,vjr dies aus logischen Gründen gefordert l1aben.
E s ist der Versuch gemacht, ci.nen leLzten Gesetzesbe:griff zu finden,
als dessen Arten alle an.d eren Gesetze zu verstehen sind. Und mit den
Dingbegriffcn stel)t es nicht anders. Außer den Gesetzesbegriffen
bleiben in diesern System nur Rautn, Zeit und Masse als nicht '"veiter
ableitbare Begriffe übrig. Der Begri({ der K ralt oder der Energie ist
als selbständige Grundvors t.ellung beseitigt: er tritt nur ,,als eine
mathcmatjsch·e Hilfskonstruktion" auf, al-5 ,.,d as nur gedact1tc Mit,t,el-
glied z,.vischen z,vei Bewegungen' 1 s. Raum und Zeit sind für eine
allge1neine Theorie der K örper,velt keine Probleme, da nicl1t Raum
und Zeit s011dem die \Velt in Raum und Zeit begrüfcn \,,erden soll.
Es findet sicl1 also von naturwisscnsc haftlic}1en Begriffen in diesem
Sys.tem neben d em einen Geset1.esbegritf, der alle R elationen der
Dinge umfaßt, nur noch der eine Dingbegriff der ,, ~fa se' ' vor, unLer
den alle a11dern Dingbegriffe gebracllt \Verden. Dcsltalh könn-e n \\ir,
ohne auf Einzelheiten weil.er einzugehen , in diesem System den Ver-
such einer in unserm Siru1e logisch voUkommenen Theorie dc.r un-
übe1·sehharon physiscl1en 1'fannigfaltigkeit ko11st.atieren.
Zugleich a.ber ist noch et\vas anderes kJar. \Venn dieses S).rstem
sich nicht nur als logiscl1 "'ollkommen sondern aucl1 als inl1altlich
richtig Ct\.Vieso, ,väro et\\'a in ihm die Aufgabe gelöst > eine ·letzte Na-
tur,visscnscl1af t so zu gestalten 1 daß sie auch d ie Di11gbegrif{e der
andern Wissenschaften bis auf den cincr1 l\1assebcgriff in Relations-
begrifJe umsetzt, d. h. ,väre damit im Prinzip die Arbeit, die gesamte
K.ö rporwelt durch Begriffe "·ollkommen zu vereinfacl1eni abgesch!os.ser1
und daher mit Rucksicht llierauf die Natun,,.isscnsct1a.f t zu Ende?
Selbstverständlich is t da~ nicht der Fall, und es muß für uns von
Interesse sein, zu sel1en 1 ,vas schon unter rejn formalen Gesichts-
punkten auch d er H ertzscl1en l\1ecl1anik zur Löst1ng dieser Aufgabe
noct1 fehlt. Die Vereinfachung der l(örpenvelt ist in ili1· sozusagen
teuer erkauft. Ihr ~lassebegriff unüaOt z,var die, unübersehbare ~1annig-
faltigkeit, mact1t sie aber, so,veit es s ich um die u11mittelbar gegebene
1 Ge a mrnelle \\'erke, Bd. 11 J. 1 a. a. 0 . S. XIX.
1 H e r t z , Q . n. 0 . $. 84.

ürg,t~hzado por Goog e


- 88 -
\\firklicl1keit l1andclt 1 nur in Rü cksicl1t au f da begreiflicl1 1 ·,vas sicl1
schon rn d er empiri chcn An schauung als Be\vegung oder Ruhe der
J(örper darstellt, tind sucl1t sonst nu r nocl1 j en es 11v crborgen e E t,vas",
1
d as ,,liin ter den Schranken unserer Sinne'• als t,heimlic her l\1i tspieler '
,virken soll, als Be\veg·u11g und ~fasse zu v erstehen 1 . Aus der siclitr
ba ren und gr·ei fbaren , kurz aus der gesan1ten empirii-chen f\lannig-
faltigk.oit der Körper,\·elt ist also nur das herausgcgriffc11, ,vas aus
den ar1gegebenen Granden am leichtesten einer vollkom.n1enen V er-
einfachung d.urch die Begriffsbildung zugänglich ist: die Gesamtheit
d,cs Quantitativen.
Da raus aber ergibt sicl1, daß rur eine mehr als willkflrlicl1e Ver-
einfacl1ung de en 1 ,vas sich uns in der I(örperwelt nicht un1nittelbar
als Be,,1 egung darstellt, hjer noc h so gut wie nicl1ts getan isl. Es
,verden, urn ,vieder \VorLe vort llclml1oltz 2 zu gebrauchen, ,,11oc h
große Schwierigkeiten zu üb erwinde11 sein bei dctn Bestreben , aus
den von 1-[ertz ent,Yickelt.en Grundlngen Erklärungen for die ei nzelnen
Absc.h.nitt.e d er Physik zu gebe11' 1 • Mit ar1d crco \\'ortc11: die opt.i•
sehen, akustischen, thermj che111 e lektr i chen Vorgl\11ge s teh en noch
als eine ~lannigfn.lt.igkcit vor uns, die nicht durch e inen ,,,is. enschaft~
Lic hen Gesetze bc.g riff übe r,,1J11den sondern in d er allgen1cinon Be•
deutung des \Vorte 1 ,l\la '·c' 1 ig11oricrt ist. 1-\ n dcrn Au druck hart.et,
,veno auch nicl1t Cü r die theoretische i\1 echanik, so doch in hezug nur die
qualiLative l\lanrtigfaltigkcit der im engcrc1\ Sinn physika liscl1cn
Dinge u.nd Vorgänge, nur eine unbest.immLe allgcn1cine ~ Totlbed.cutu,,g.
\<Vcil die Sätze cler 1\fectia11ik 11.icl1t anwendbar sind auf die leuc h-
tende, tönende, \,·arme, elektrische I{ örp er,vclL, so ge·ben sie uns
aucl1 k e ine durcl1gebildeten mecltar1iscl1cn Begriffe v on Licltt, Scl1a1l,
, v tirme, ElektriziLlit.
Dem ent.spricht der Zu. tand der Phy~ik. ie ist von d,1m von
ur1 aufgestellten logischen Ideal \Veit entfernt. • ie ur1terscheidet
verschiedene Gebiete, von d enen fast j ed es scit1e besonderen Gesct1.e

l1at.. Ihre Relationsbcgriffe si11d dol-'1cr nicl1 t, in ein einl1Pitlic ltcs Sy-
stem gebra cl1t, und ebc11so,venig ist sie zu eine r Einl1cit lic hJ.ce it in
den Dingb-c griffen vorgcschrilt.en. ~ ·0111 faßt sie ganz in1 allgen1cinen
Lic ht und Sc li a ll als Bc,-.•egung auf, aber <le r B egriff eines e inheit-
lichen ge111ei11san1en ubstrats diese r Be,,·cgungcn 1 d,er Br gri ff des
,,letzten Dinges", ist nicht ausgcbiJ:d.eL. Von einer abi:;olut. tllfge111cincn
T licoric d er gcsa111t.cn ltörperliclten ~tanra ig(altigliciL ist also keine
~ .
1 \ 'gJ. 11 c r t -z, a. n. O.; S. 8 0. s H c l n1h o ltz, a. a. 0., S. XXII.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 89 -

R ede. Z,viscl1en d er reinen !\techanik und der Physik im engeren


Sinne klafft vielmelir eine große LO cke.
So gc'-viß aber der Ztist.nnd der Physik mit Rücksicht nur das
logische Ideal unvollkommen is,t ut1d e-s bis zu einem ge,vissen, später
genau festzu stellenden Grad,e auch immer bleiben muß, so ge"viß
geht andererseits das Streben dahin, die Unvollkomrnenbeit jm.r11er
m ehr einzuschränken und eine Theorie zu bil.den , die in der R ichtung
auf die von uns sogenannte let-zte Naturwissenschaft; Jjegt. E s giJt,
die ~fannigfaltigkeit in den. Ding- und R elationsbegriffen der Physik
immer mel1r z.u vereir1Iacl1en"' also einen ge1neinsamen Dingbegriff
zu find en, der ~fechanik und Physik mehr mitein ander 'lerbindet.
E s gilt tem er, auc)1 Rela'tionsbcgri ffe aurzusLellen , die nicl,t nur eir1-
zel11e Gebiete der physik alischen 1\1annigfaltigkcit umfo::i en . Diese
1'endenz besl:.ätjgt ,viederurn unsere logiscl1cn Ausfilhr,u ngen. J ede
Entdeckung, die etwas Gem einsames Z\\rischen z,vei schci11bar prin-
zipiell v on einander ·verschiedenen \ 1orgängen fest.stellt, wird als
epocltcmacl1cnder Fortscl1ritt der Wissenschaft begrüßt. U1n ein Bei-
spiel zu l1aben, können ,vir aucl1 hier ar1 J-leir1rich I-lerlz eriru1ern,
und z\var an das, ,vas er über die Bczicl1ungcn z,vischen Licl1t und
Elektrizität gelehrt l1at . So,vohl in Riick ·icht auf die Relations-
begriffe als auclt aur die Dingbcgriffe liegt hjcr ein großer F ortschritt.
in d er Ve·reinfachung der ph)1sikalischen "fb corien vor. Ja , Hertz
hat im Zusamment)ang mit diesen Untersucl1ungen bereits eine Theorie
d er ph.)•sikaliscl1e11 l\lar111igfaJ ligkeit angedeu Let, die nicht nur in der
Richtung a uJ d as v on uas logisch kon truicrLe Idea l liegt sondern
sic)1 mit ih.m in ihrer logisclLen Slrt1ktur sogar ,,,ied'er vollständig
d eckt, d. h. er hat auf einen Weltbegriff hinge,vic, en, durch de_scn
Ausbildung dio n1echanischc Nati1rauffassur1 g niclit n ur das scl1on
in der Anschauung als Be,vegung Gegebene b egreifen kö11nte. Un-
mittelbar anschließend an die Frage nacb dem \Vcscn der elektrischen
I{räfte im Rat1m erhebt s ich n äm lich für H•c rtz die 11 ge,,·nll ige Haupt•
frage'' nach dem \Vcsel:1 des AcLl1crs, d. 11. des ,irau,ncriüllcndcn
l\littels'', ,voraus a 11 o körperlicher1 Di11ge und \ 1orgör.1ge bestehen
solJen : ,,Immer mehr gc,vir,nt es den i\nscheir1, als überrago d iese
Frage alle andern, als m ii se <l ie Kc.111ltnis des Aether utls nicht oll,cin
das \\'o en der el1cn1aligcn Jmponrlcrabilicn offen baren , so ndern auclt
da Wesen der alten. ~1 aterie selbst ur1d iltl'er i11ne1 ' ten Eige11 chafwn,
der Sch,,1ere und 'l'rtighcit. Oje Quint.es. cnz uralte r pl1ysikalisclu.ir
Lel1rgcbäu dc ist u11s in der1 '"''orten aufbe,,·nhrt,, daß :1lle~, ,vns i. t, :tus

D191, h,ado por Google


- 90 -
dem Wasser, aus dem Fouer geschaffen sei. Der l1eutigen Ph)·sik
liegt die Frage nicl1t mel1r fern, ob nicht alles, was ist,, aus dem Aether
gcscbaffen sei' ' 1 .
In ,velcl1em Zt1sammenhange diese Sät.ze rnit unsern Ausf'flhrungen
st-el1en, bedarf kaum der ausdrücklichen Hervorhebung. Zunächst
bestätigen sie das logische Ideal des letz:tcn Dinges. Als aus Teilen
des ,,Aetl1ers1 ' zus ammengesetzt, 1r1ilßte, ,vcn11. eine 1''11eo,rie in diesem
Sinne ausgebildet ,väre, alle ~'Iar:utlg[altigkeiL der l{örpenvelt gedacht
,vcrder1. Es käme nur darauf an, die verschiedenen .1\ etherbe,:c,1cg11nger1,
die ,vir als Licht oder \Värme, Elektrizität oder Schall bezeichnen,
unter einen allgemeinen Begriff zu brin.g-cn. Dann hätten ,vir diese
pbysikaliscl1e i\lannig[altigl<cit nicht 1nel1r in ei11er unbestimmten
\ ~ 7ortbedeutu11g ignoriert sondetn als gesetzmäßige Be\vegu11g von

letzten AetherteiJen verstanden . Auch die J{örperatome oder die


Massenatome im engeren Sinne, als Bestandteile der po11derabeln
~1aterie, ,vären anzusel1en als ,,Verdichtu11gszentren 1 ' oder quantitativ
.b esonders bestimmte ~fodilikationen des ,,Aethers" und dal1er, eben. o
\\'ic Schall und \Värme, Liclit und Elektrizität, uls besondere F'o1·men
der Aetherbe\vegung begriffen. Oder : es ,väre, um ganz modern zu
sprechen, nicht nur alle 1 ,1\ilaterie", im U n t e r s c h i e d e vom Aet.t1er 1
als Elektrizität zu denkon 21 sonderr1 auch die Elektrizitä t selbst. er-
scluene dann als Aetl1crmodifikation. Im Aether hättert ,vir also den
Dinghcgriff, der die Brücke chlüge über jene l(lt1ft, zwischen Mechanik
und Pl1ysik, die l1cute no.c l1 bcstolit, d. 11. ir1 ihm ,vä1·e, um in unserer
0

Termi11ologie zu reden, jenes logisch geforderte 11 letzte Din.g'' gefunden,


mit Hilfe dessen es gelingen müßte, alle l\1annigfalligkeit der l(örper-
,v,elt o.l1ne Willkür n1ecl1anisch zu überwinden.
Damit soll selbstverständlich \\'cdcr über die , 1l{ontinuitäts-
hypothese1' nocl1 über d1e ,,Atonustik", insofern sie zu ihr in Gegen-
satz tritt, irgend et\vas entscl1ieden ,verden. Faßt rna n das Substrat,
aus dem die Körpenvelt besteht, als kontinU-ierlich auf,. so kann man
als von e in e n1 11 leLztcn· Dingo'' reden. Das aber ,viderspricbt,
unser11 Ausfübru11gen riichL. Auch die Kor1tinuiUitshypothese n1uß it1r
Substrat irgcnd,,•ie als a us Teilen best ehend denken und l\.a nn dah er den
Begriff d es 11 Atoms 11 im logisclton Sjnne des \Vorte-s , d. h . als Begriff

1 H. l'l c r l i , Ucbcr die Beziehungen -zwischen Lich L uod Elek trizilnt,


s. 20 r.
• Vgl. P. L e n a r d , Ucbcr Aelher u nd ~ta lcrie, 1910.

ürg,t~hzado por Goog e


- 91

d es , 1letzten1 ' Teiles nicht gänzlich entbel1rcn 1 . Die Vielhe.it ,,letzter


Dinge'', von d er \Vir reden, bliebe also identisch nut der \ ' ielhcit der
t,Atome'' d•e s Aethers, gle ic hviel ob zwisch.e n diesen Atomen sich loerer
Raum befindet. oder nicht. Selbs tversländlich gebrauchen ,vir dabei
das Wort ,,Atom'' nur im 1 o g i .s c h e n Sinne, reflektieren aJso gar
nicht darauf, daß es in physikalischen und chemiscl1en Theorien eine
andere, und z,var viel engere Bedeutung l1at. Die o[t recht kompli-
zierten Atome del' speziellen nntunvissenschaftlj cl1en Tlleoricn kommen
hier nicht in Frage. Nur das ,vollten wir zeigen, daß die H ertzsche
Ansicht, es sei a l l e s aus dem Aethcr entstanden, eine Theorie
v oraussetzt, die sich in il1rer logisch.en Struktur mit dem von uns auf-
gestellten Ideal der letzten 1a tunvisscnsct1art in l Jinsicht atu die letz-
t en Dinge vollkomn1cn d eckt. Und eben -0 wie die Hcrtzscl1en Gedan-
ke1l mit unsern Ausfül1rungen über die Dingbegriffe Ohe reins:timmen,
stehen sie auc h mit denen über die Relations·b egriffe in Harmonie.
W ä ren nämliel1 alle Actl1erbe\\·egungen aus d.e m einen Grundgesetz
der H ertz.sehen i\Jechanik zu , rerstehen, so hätten \\'tr •e inen logisch
vollk.ommcnen Körperbegriff, dern nich.tnur alle denkbaren physiscl1en
Dinge und Vorgänge als Komplexe letzter Dinge sich unterordnen
ließen, sondern nach dem sie auch alle von einem letzten Geset ze be-
herrscht \1lären. Die Frage, ob d er Inhalt des H erLzschen Grundge-
se tzes wirklicl1 ,,einfach'' ist oder bei näherer Untersucl1ung sich als
ein Komplex v on mehreren Gesetzen herau stellt1 i~t. für die logjsclle
Tendenz · d er Hertzscl1en ~1ec11anik ol1ne Bedeutung und betrifft

nur ihre inllaltliche Richtigkeit. Darauf allein kommt es an, daß nach
H ertz jeder prinzipiello Fortschritt it1 den allgemeinen Th,e orion der
Körpenve] L einen Schritt in der Ricl1tung a u( unser logisches Ideal
hin bedeuten muß.
Selbstverständlich i t die Ber,u fu ng auf dioses eine Beispiel kein
zwingender Beweis. Aber d arurn J1andelt es sic h ja hier auch nicht.1
und es l1at deshalb keinen z,veck, die Beispiele zu l1äufcn. Nu.r das sei
bemerkt, d aß die , 1m onistiscl1e 1 ' Tendenz, die \Vit· bei Hertz finden,
in der neues,t en Physik nicht et,va verlassen ist. Zur1ächst deckt sich
die Elektronen tJ,eorie in il1rer logi c hcn Struktur v ollständig tnit un-
sern A.us(ührungen. Die gesamte ~Iaterie \vird durcl1 sie als ein I{on1.plex
von Dingen gedacht, die nntereina11der keine Vc rsctueclcnheit mcllr
zeigen und zugleich v on einl1eitlicl1en Bc,Yegungsgo-etzen b eher rscht.
1
sind. Freilicl1 l1abe11 ,vir in d en Elektro11en. nocl1 nic l1t 11 l0Lzt.e Dinge '
1 gL hie i-zu : \V u ll d 'l , Logik, 11, S. Aufl. S. 4•17 ff.

D191, h,ado por Google


- 92

im logisc l1en Sjnn, \\1as schon daraus hervorgeht, daß man vielfach nur
die ,,~Iaterie" als aus ihnen bestehend denkt und diese dann in einen
Gege11satz ·zt1m Aether bringt. Das tun auch Pll)'Sjkcr, die Hcrlz nalte
stehen . Nach Lenard z.B. bestellt die l(örpcr,velt aus Aethcr und Elek-
trizität, ja, es taucht bei ihn1 sogar der Gedanke auf, daß es möglich
sei, hinter clem Aetber und seinen Teilen noch einen andern Aethcr an-
zunehmen 1 . Die Pl1;•sik der 1'-la'lerie und die Physik des Actl1ers
stehen sich gegen,vä.rtig noch als Z\\'e i große Geb,iete gegenüber 2•
Die \Vissen schaft ist eben noch nicht fertig, llnd sie ,vird e vermutlich
niemals sein. Der alte Gedanke aber, daß in der Nat11nvisscnscl1aft
das letzte, höchste Ziel 1 ,die Zusammenfassung der bunten ~1annigfal-
tigkei~ der physikalischen E1-scheinungen in ein einheit liches System,
'\\'o.m ögl.ic}i in eine ciJ1zige Formel" sei, tritt darum ruclit zurilck. J a,
für Planck 8 scl1eint sogar scl1on jetzt „ der ursprUnglicbe Gegensatz
z\\11scl1en Aether und l\1aterie et\vas in1 Schwinden be 0 ·riffen zu soh1' 1 •
Er sagt : ,,Elektrodynamik und ~1echa11ik stehen sich gar nicht so aus-
schließend gegenüber, \vie das in weiteren ICreisen ge,vöhnlich ange-
nommen vi:ird'', und vo,llends komn1t ,das f'ür uns W,esentliche in den
fol genden Sätze11 zu m Ausdruck : ,rDie ?\,f ec11anik bedarf zu ihrer Be-
gründung prinzip.icll nur Bebrriffe d•es Raumes, d er 2.eit und d essen,
~·as sich be,vegt, mag· tnan es nt1n als Subsianz oder als Zustand
bezeichnen. Die närnlicl1en Begriffe l<.,a nn aber aucl1 die Elektro-
dynan1ik ni-cl1L cntbehten. Eine passend verallgemeinerte Auffassung
,
der l\Jcc hanik könllte daher sehr wolil auct, die Elekti-odynamik mit

umscblicOcn, u.nd in der ·rat sprechen man,cberlei Anzeicl1et1 d afür,
d a,ß diese beiden, schon jelzt teil"veise ineinander übergreifenden
Gebiete ·ich sct1ließlicl1 z.1.1 einem einz.igen , zur allgemeinen Dynamik,
vereinigen \\-'erden". Solch_c Gcdaoltcn stimmen in ihrer logiscl1e11 Str,1k-
tur ebenao ,vie die von l [ertz mit u11scrn Ausf ül1rungen überein.
Außerde1n aber finde11 sielt, \\.1C bereits angedeutet, in der n1oder-
nen Natunvi_s"'enschalt auch Tl1eorien, die sich in ganz anderer J~j ch-
tung be,vegen, und zumal vom 11 Aetl1cr'J ,vollen hervor, ngende Phy-
sil<er nichts ,v;. sen. Es ,,,.ird dnher noc h m eltr zur Erl äu terung hei-
l-ragen, ,vc11n ,vjr un · aucl1 mit der Richtung auscina11dersctzerl,
die unscrc11 logiscl1en Konstrulilio11en zu ,vidcrsprechcr1 sc beint.

1 a. o. 0. s.f 80. •
11 P I a n c k ,\ Dio Ein heil de J}hyslkuliscli en \\'el lhllcJ~s. Phys ikälische
Ze itschrift, 1909, S. 62 rr.
1 a. a. 0. S. 64.

0191 lt ado por Goog e


- 93 -
Doch wollen wir uns hier ebenial ls auf ein Beispiel beschränken und
wählen zu diesem Z,veck eine Theorie, die recht weit von den Hertz.
sehen G.e danl<en abweicht~ I{önnon ,vir nac h\veisi!n , daß aucb sie nicht
geeignet ist, unsere logischen Ausführungen zu erschüttern, so ,verden
damit aucll die Z'\visehe11 il1r und den Ansichten von r lerLz liegenden
Theorien erl edigt sein.
Ost,va}d h.a t mit seiner „Energetik«• sieb au! das En tsclliedenste
gegen d.ie Ansicht ge,vendet , daß die AuflösUI1g der Erscl1einungen in
ein S}rstem bo,vegter ~lasscn·p unkte d.a s Ziel sei, das die a turerklä-
rur1g erreicl1en könn.e. Er ,,,ill die ,,m ec'b anistisc he \Veltauflassung''
•beseitigen und durcl1 die ,,enorgetischeu ersetzen, d. h. an Stelle d es
B egriffs der !\f ater ie od.er der be,vegter1 ~fasse soll der Begrifr der
Energie t reten. De r allgemeinste W e ltbcgrif[ \vürde sicl1 dar1ach
so gestalten, daß ,,alles Geschehen in der Welt nur in Aenderungen
der Energie im Raum u11d in der Zeit beste}1t, und daß somit die-se
drei Größen die allgemeins-ten Grundbegriffe sind '' 1 .
Zunäcl1s t sehen ,vir, ,vie aucl1 djose Ansicht im \Vcsentlichen mit
den allgerncinsten Ergebnissen unserer logi cl1e11 Ausführungen über-
eit1s timmt. "'! ir finden sogar bei 0 .stwaJd '""iederholt den Gedanken
ausdrücklich for1nuliert 1 daß es die Aufgabe der Wissen sc haft sei, die
unbegrenzte 1\-lannigfaltigkeit der E rsche.inungs\velt gedanklici1 zu
bc\vältlgen, ur1d ,,,cnn er aucl Ldas, was ledig lich ein J\,Jit.tel für die Wis-
senscJ1a(t ist, Jo.r ihren Z"veck haJten mag und so ein bedenkliches
, 1 pragmat.istiscl.iesu Element in sei11e 'f l1co-r ien l1ineinhringt, ändert

das doch an d er Ueberei11 timmung seiner Gedanken mit den unsri-


gen an dem für uns wesentlic hen Punkte nicl1ts. .Aucl1 daß Ost,va1d
sich ferner nic l1t darübel' klar ist, ,varum die \ ' ereir1Inchung der vVelt
in einer Um\v-a,n d h1 r1g der \Virklichkcit durc l1 die Bcgriffsbildu1lg
besteht, sondern zu mei11en scheir1t, in der unn1it.Lelbar gegebenen
Wirk lict1kcit selbs t ein E infaches und Be. tändiges vorrinden zu
kör111eu, geht n1eJ1r auf die er)ien11Lnist.h<:orctiscl1c Dcutu11g der 11alur-
v.rissenschaftlichen Tl1eorien a ls a uf die Gc.staltung dieser Theorien
selbst und kann dal,er bier ebenfalls unberücksichtigt bleiben. J a,
in gewisser H insicht sche int sogar die Energe tik ui-,sern Art icl1ten noch
,veitcr c11tgcgen zu kommen al rlio m echanische NaL11ra11ffas.sung,
nämlich in bezug au{ die Bcsei tigu11g der Du1gbcgriffo. Die Dingbe-

1 0 s t ,v o l d , Lch rbuch dt'r allgc1nt!incn Ch~rnie , 1l , t: Chom i~che Energie,


ß . Aufl. S. , · 1. Ehttl populäre Darstellung in <len1 Vortrage : Die U i:b llr\\'irtdung
d es \\1 is.<;cnscha ftlichcn Mat er ialisn1us. 1895.

0191 lt ado por Goog e


- 94 -
griffe sind hier so vollständig in Relation begriffe aufgelöst, als ob ea
eine Grenze dafür nicht gäbe und die Not\vendigkeit, den Begriff eines
letzten Dinges übrig itt behalten, fi.ir die Natunvissenschaft gar nicht
be--stände, denn der E11crgicbcgrif{ soll doch ,vol1l kein D·i ngbugrüf
m ehr sein . Wird al o der Begriff der ~fasse vollständig durc h den der
Energie ersetzt und in der Energie das ge ehent \\'as die eigentliche
11
, 1 Rcali tä t der I{örpcn,·elt bildet , so sieht es in der 1'at hier so aus,
als sei eine allgemeine physikal.isclle Tl1eorie ausgebildet, die nur
noch mit Relationsbegriffen arbeitet. Danach wäre dan11 unsere
Einscl1ränkung in bczt1g au.r die Umsetzung der Dingbegriffe in Re-
lationsbcgriffe gar nicl1t nötig gewesen. Hätten wir nur diese Eiu-
schrii'nkung nicht ,g emacht, so wü.rde dj.e Energetik noch meh r als die
Aethertheorie, ,,·ie I'icrtz sie sich denkt, die Richtiglteit t1nserer lo-
gischen Deduktionen bc.st ätiE,~n. \Vir könnten es also bei dem Gesagten
be,venden lassen und uns auch auf die Energetik als eit1e mit unserm
logiselten Ideal iibereinstimtnende allgemeine Theorie der I{örper-
welt berufen, in der sogar der Begriff des letzten Dinges besei tigt
sei. Der rvteioung, daß da Wesen. der natun,,issenschaftlichen Begriffs-
bildung mit einer Vereir1lacl1ung der gegebenen. l\1annigfaltigkeit durch
U m,vandltin.g d er Dingbegrif(e in Re1ationsbegrif!e verknüpft ist,
widers1l richt die Energetik jedenfalls nicht.
Trotzdem v.·ollen ,vir zu zeigen versucl1en, daß die v•ollständigo
Beseitigung der Dir1gbcgriffe durch die Energetik nur scheinbar ge-
lungen i t und al o un ere Einsebränkung durcl1aus not.\\·endig ,var.
Doch 1nüssen \vir dabei einen Vorbehalt machen. E s kann hier nicht
unsere Sacl1e sein, über die Bedeu,t ung zu ul'teilen, die die Energetik
für die Lösung spezielJcr P1·obleme bcsJtz-t . Die \Vis·onscl1afl l1at oft
\Vcge zu gehen, die nicht mit denen ilbereinzustimmon brauo.he11 1 die von
logischen Gesich tspunkten aus als die kürzesten erschci11e11. Nur mit
Rücksicht auf das letzte Ideal, zu dern cu1c umfassende TJ1eoric llin-
strcbt, muß die Logik miL der en1pirischcn '\\1isse.n scl1af t ;zu nrrunen-
tref fen, sonst a.ber ist es sel1r "''ohl möglich, da.ß unter Urr1 Uiltden
eine logiscl1 volll-commeno Auffassi1ng (ür vorläufige Zwec){e innerl1alh
der Spezial,vi:1scnscl1aft nocl1 ganz u11gccignct ist. Es ,vC1r<le daher
nichts gegen unsere A,t1sf ülirungcn be,vcison, ,ven11 eine AeU1erthcorie
itn inne von Hertz sielt für die zu einer bestimmten Zeit g"gc bcnen
Probleme d•er Na lt1r,visscnschaft unfru chtbarer cr"vicsc als die Ener-
getik von Ost,,,·al(i. Die 1-\ ctlicrthcoric kör1r1tc da rt1m im.m er 11och ihre
Bctlculung als Dar Lcllu11g tl cs lct zle11 Zieles der natu1,vi senscl1aft,-

D1911 11,ado por Goc,gle


95

licl1en Begriffsbildung behalten. \\'as ,vir zeigen \\rollen, ist. lediglich


dieses, daß die Energetik nicht zu einer a·bschließendcn Theorie der
I(örpcnvelt gelangt, sonderr1, um absolut allgemein zu ,verden, ,venig-
stcns solange sie auf dem Boden des empiriscl1en Realismus bleiben
oder die l{örpenvclt im dreidimensionalen Ra um als die Wirklichkeit
.b etrachten will, sclllicßlich auch dara ur hinauskommen muß, alles
körperliclie Gescllehen als Be,,•egung „letzter Dinge' ', a l o n1echaniscJ1
zu begreifen.
Zunächst kann eine empirisch,c '\<Vi -cnschaft, ,vie ,vir bereits her-
vorgehober1 habe11, niemals den Begrifl von .Dingen ganz en tbehren.
Das 1 ,raumcrfüllende ~1ittel'', v o n dem alle Gese tze gelLe11, rnuß immer
ein Ding sein oder aus Dingen bestel1en . \Venn also die Energie das
eigent.licl1 ,,Rcaleu der K örpe rv.·clt sein soll, dann muß sie selbst als
ein k•örperliches Ding oder als aus Dingen bestehend gedacht ,verden.
Die Bel1a uptung Ost,,,alds , von matericlJcn Dingen ,vaßLen wir
nichts, ,vir erführen oder ,,fühlten'' immer nur die Energie 1 , fü hrt
gänzl_ich at1s dem Gebiete der Physik hmaus, irn günstigsten Falle zu
einer erkenntnistl1corelischen Dcutur1g, bei Osl\.vald abe r zu spiritua-
listisct1 gefärbten meta physiscl1en Dogmen, die die N atur\\·issenschaft
n iir ver,,1irrcn und im übrigen dutcl1 die Pl1ilosophie längst ,\•idcr-
legt sind. \rVenn Ost,,,·ald die Ph)rsik auf das beschränken ,vill 1 ,vas er
und die andern ~Jenscl1cn ,,f,üL len ' ', so ,vandelt er damit, dio physi-
schen Objekte i_n psychi cl1e Vorgfi11gc um. Das ist keine 1'alu1'\vi scn-
scbaft so11dern scl1lechtc .1 ,Philosopl1ie". Vo1n n aLunvisscnschaft-
lict1en Gesichtspu nk t nus braucht man eine1t körper·lichcn ,,1'räger''
der körpcrlicl1en Eigen3cliaften 1 ur1d e isl pliysikaliscJ1 ganz gleict1-
giilt.ig1 ,vclche crkennt..nisl heorctiscbe Deu tung man die cm Begriff
des 1"rtigers gehen ,vill.
Soll aber das \1/ort ,tfühlcn'' vielleicht nicht die Bedeutung haben,
daß der lnLall. des Gefühlten d adur cll z.u et.,vas, d as kein l{örper me l1r
ist , urngedeutet ,,·ird ? Nun, dann ist es lediglich als eine Acndcrung in
der l 'errni11ologie zu betracht.cn, ,venn rr1a11 an die Stelle des, \Vortes
~lat crie das \Vo rl Energie setzt. Sachlicll bleib t d.ann all es bcirn i-\ l lcn.
Die Er1ergic ist dann nur ci.11 neu.er NaJ1le für das körperliche Di11g,
das a ls cigcntlicl1c R caliüit d er gcsa,n tcn körperlichc11 \VclL zugrunde
liegt, und tiiese Ternriinologie ist kei11c glücl, liche. Be. on<lcrs i11 d r
populären Darstellu11g, die Osl\,·ald der EncrgeLil,: gegeben ha t, gehc11
nat ur,,ds3Cnscbartliche, erkcnnlnislh,coretische und n1e tap h)·sische
- -- Oio
1
-
Ue bcr\\•ind ung dos " 'ii;sou ~ ho. rtlichßn Al a l erial i&m uti, S. 20.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 96
Gcdanl-te ngä.ngo bunt. durcheinander. Allerdings ist ja au ch die me-
chanische r\uffa s ung der Körpenvclt.1 so wie sie gewötLnlich vcrst-0ndc n
wird , von metaphysischru-1 Ele111enton nicht. frei, aber es l1errscht
in il1r eine m.a terialisti·· che ~leulphysik, die in naturwis e11sc hatt-
licl1en nterst1chungen über die I{örper,velt unschädlich ist t111d einer
s piritualistischen ~iet.aphysik bei ,veitem v orgezogen ,vcrden muß.
Auf j eden Fall hat oine e mpirisct1-nalunvis enscliaflliche allgerneinc
Theorie der Körper,velt 11\alerielle Dinge beizubehalten, von dc11cn sie
annimmt, daO aus ibnen die l(örpet'\velt be Lel1t, und v on denen alle
Ges-e tzc gt?Iten.
Nocll de utlicl1cr zeigt sicl11 daß hej FesthalLung des empirischen
St.andpunklcs un<l konsequenter Ent,vicklung die ~nergctik in ihrer
logi chen Struktur chlieOlicl1 mit ejncr mecl1anischcr1 ~rl1eoric zusam-
n1enftillt, sobald ,vir darauf achtent vlas ihr fel,lt, um sie zt1 eint~r
a l 1 g e tu e i n e n 1' heorie der Körper,,,elt zu machen. ie bertutzt
eine ?ilel1rheit von verscliiedenen Energieformen., v on denen jedoch clio
eine in die andere s ielt soll tJm\\·andcl n_können. \Vill „ ic nun di e 1n-
\\ra11dlur1g der c_inen E11ergieform in ei.nc andere so begr-eiflich mac l1en1
daß in dem froh er angegobenen i11no k.einc l\1annjgfaltig.keit n1ehr
unbegrifren bleibt, o muß ie scbließlich alle vcrscl1iedenen Er1ergio-
Jorrncn auf e i n e z.t1rü ckfü hren. Bleibt. aber nur ei11e allen Forn1en zu-
grunde liegc,lde Ene rgie übrig, \vie solle·n dann die verschiede11en
Forn1en zu begreifen sci11. \\'C1l r1 1ucht a l nur durch il-lre r i:i umlic hc
Anordnung t1nd Be,vegu1lg von eina11der v erscl1iede11e l{omplcxc
von t,letzten'' EnergieeJe111entcn? \>Venn ma11 al o die 1n,var1dlung 1

nic rlt für tinbcgreiflich erklären ~·ilJ, so muß man die l{örpcrv.·elL in
ein Systo,n bc,,·cgter letzter T eile atJflö. en , die untereinand er voll-

stärtdig gleich siocl. Ob rnan dru111 aber dieses Subst,at a ls Acihcr oder
als Energie bezeichnet, i t mit fiück icl1t auf eine a llgcr11cine 1'hcorie
d er KörJ)e1-welL ,viederum eine rein Lerr11inologischo Fr·nge. Jed enfal ls
\\'ird auch durch die Eri,c r·getik eine v ollstnndjgc Aurlösung der Ding-
h egriffe in Relat ionsbcgriffc nir l1L möglich, und die Ann ahme b e,vcg-
ter !\lassc11 Lcilcl1cn lllcibL für eine allge111cir1c 'I'hcorie der l{örpcnvclt.
bestehe11. Wol1l 1.nag rr1at1 diese ,,lclztcn Dir1ge'' bei der Ei11zclfor-
schung iguoriere11 ltör111en und sein Auge11n,erk nur auf die ~laß-
bcstimn1ungcn ricl 1tcn 1 dt1rc h die die Aec1uival:enz ver chicde11er
Naturvorga nge au sgedrückt ,,,ird , ,v,ohl mng nlso die Energe tik den
Begriff der :\J asse aus il\ren Berccl1nungcn entrcrncn, t1nd es knnn d As
für spezielle naLur,,·issctlsc haflliche Z\vccke au ch ein \ ' ortc il sein:

ü1g1tahzado por Goog e


- 97 -
es sind doch stets letzte T,eitcllen als da.s Beharrende im Wandel d er
Vorgänge stillschweigend vorausgesetzt. Auch '\\renn ,vir den Wert
der Energetik f Or einen vorläuligen Fortschritt in den Wissenschaften
von der I{örpe.n,,elt noch so hoch anscl1lagen mußten, so könnte
sie docli niecnals die mecllanisch•e Naturauffassung ga,1.z verdrängen.
Diese bleibt vielmehr z.um n1indesten als letztes Ziel, dem \Yir uns, auf
,velchen Um,,.regen aucl1 immer, annähern. müssen,. in voller Geltung.
U11d darauf allein kommt es (ür uns an. Die Energetik k ann nie mehr
als ein vielleicht notwendiger Umweg zu diesem letzten Ziele sein.
Das ist übrigens insofern ,vohl auch di'e ttfeinung von OsL,vald selbst,
als nach ibrn d.ic Energetik ,,vo raussichtlicl1 als ein besonderer Fall
noch allgerneinerer Verhält11isse ersct1ei11en 1 ' ,vird. Nur n1eint er,
daß vtir ,,v on deren Form zur Zeit kaum eine Al1nung haben könne11'' 1 .
Nacltdem wir .gese hen haben, ,velchc Gestalt das Ideal einer letz-
ter• Naturwissenschaft in dern tat.sächlicl1 vorhandenen ,1/issenscl1afts-
betriebe angenommen hat und anneJ1mcn muß.,. ,,.1ollen ,vir j efrzt noch
einen B lick a uf d as Verhältnis ,vcrfcn, in dem die einzol11en , ~eile der
at.u nvisscnscha rt z.u dieser letzten Wissen schaft stehen , um damit
auch den Gedanken einel' Anord11ung der verscl1iecle11en n atur,ivissen-
schaftlichen Si>ezialdiszipli.nen nach der logischen Vollkommenl1eit
ihrer Begriffe an Beispielen zu verdeutlichen.
Im Prinzip muß dieser Gedanke bereits kJar sein , sobald ,vir an
das Verhält njs der Physik im engeren Sinne zu einer allgemeinen Theo•
ric der Körper,velt et,va irn Siru1c der Aotl1ertl1coric von l fertz denken.
Beschäftig t sich die Physik nur mit einzelnen Gebieten der l{ürper-
,velt1 so kann sie bei einigen Begriffen der logischen \ 7ollkon1menheit
en tbcl'lrcn, d. h. bei \Vortbc<lcut11ngcn stehen bleiben, die n ocl1 an-
scl1auliche ~lannigfaltigkeit enthalten. Die Optik und die LcJ1re von
der Elektri zität haben Großes gcleistet1 ehe ein gemein amcr Begriff
für I„icht und E lekLriziW t g ·funden ,var. \1/erd,en die T eile der Phy-
s ilc dagcgctL in Bczict1ur1g zu einer allumfasscn,d cn Theorie der K örpcr-
,,.relt i:;c:;ct.bt , so n1uß das Bed ürfnis erv;ccl, t ,,·erden, a 11 c ihre Begriffe
unter eit1heitliche Relations- oder Gesctze"hegri ffe zu bringen und jede
\VortbcdciJt.ung, die noclt anschnu lichc ~Iann igra!Liglceit en t hält, zu
bc eiligen. Andererseits \v(irdcn jedoch, aucl1 \ven11 . olcho Umwand-
lung der Bcg1·i(fe gelungen \Väre, clie Untersuchungen, di e n t1r innerl1alb
eines Ausschnitte de r \Virl,lichkei t ~ngesLcll t \Verden, und die für d ie-
sen Ausschnitt gefundenen Ge.setze niemals iltrc r1 :scJbsLänd igco \Vert.
1 Die Ueber\\1ind ung u ~\v., S. S5.
7

0191 lt ado por Goog e


- 98 -

v erlieren . Es könnte mit andei·n '\Vort.en eine allgemeine Tl1eorie der


1
l{ürpenvclt niemals die peziellcn phys ikalischen 'I'heorien überflüssig
mache n oder die Physik go.nz i1\ reine ~fecha11ik au!löse.n. \Varu:m das
so ist, ,vird sich erst in cir1cm sptiteren Zusamo1cnhange vollst.ä.nd.ig
kl ar legen lassc,n , in dem ,vir die Grenzen d er n,a tur"\Vi. ,_CJl cl1aft-
licl1e11 Begriffsbildung (estst.eller1 und dabei sehen, \\'as a11ch für eine
in höcl,sLer Vollendung gedachte Theorie der Körperwelt i1nrner un-
begreiflich bleiben m110. 1-Iier. ,vo es sjcl1 um die nllgemcinsterl. Ten-
denzen dieser Begriffsbildung ha11deJt, sucl1cn ,vir lcd.iglich zu zeigc11,
,vie j ede Spezia),vis cn cha {t über sich lri11ausstrebl, um ,vcnigstcns
Zt1samrnenltang 1nit einer rein m ech3ni c hen Auffassung det· Natur
zu gc,vinnon . Nur inso,vcit llaben " ·ir dah.er auch das \.'erf1ält11is
d er Ph)' ik im engeren Sir1nc zu ei,n er absolut allgemeinen l 'hcorie
der l{örper,,relt in Be trac l1t gezogen, un(l ,vi.r müsse11 auf SJlätere Aus•
führu11gcn als Ergänzung dieser Gedankenreihe hinweisen.

Das.se ihe Verhältrtis, ,vie es z,vi chen Plt)•sik und llecl,anik be-
s teht, zeigt sich uns, wenn ,<Vir jetzt einen Blick a uf die Begriffe d er
Chemie \\"Crfcn. Dabei lassen wir j ed och das außer Belrachl, ,vas n1ar1
als phy ikaliscl1e Clicmic bczeicl1I1et, denn e komrrtt tlns l,icr a'1lcir1 auf
eine Wi"'senscl1aft a11 1 die au.sdrücl{licl1 von den quHlilaliveu \ 7er!5chie-
denheitcn der i\1alerie handelt. \\'ir ,vollen 11ur auch d:l: üb~r die
Qualität der lelzlen Dinge Gesagte erläutern.
\\'ie dio plt)r::ikalische ~1annigraltigl{cit get,rt•nübcr d er mecl1ani-
sct1e11 so bielcn die spczifi 'Cl, chctnische1t Eigcru.chnften eine net1c
attschauliche 1tla11nigfa lLigkeit gegenüber d e1t beiden bi~he r betrach-
teten dar . \ 1on den Qunlit~ten der ~ogcr1an11lc11 ponderAb lcn Slorre
ist oichL nur ir1 der reinen ~1cchAriik sond ern aucl1 in der P•h)·sik J,ci
'
Bet1·acJ1tu1)g d er l( örper ,,·illkürlic l1 abstrahiert. Die Cl,cn1ie, die ,vir
hier meinen, teilt s ich als be ondere \Vis ·e11schart clic Aurgobc, auc h
die.Re ~Jannigraliigkcit begrifflich zu beo rbejtcr1. Du rc h de11 Begriff
des cl1cc11ii-chcr1 „Elcrncntc:t' 1 alt; d<'R Bcgrif[es der u111.ersrLztJaron Loffc,
aus dc11cn alle bcka n.n tcn Stoffe bc ·.tchc1t, hat sie c b ereil zu ei11cr
ehr großen Verci1\[ac hung de r gcffcbenc n ~f annigrn1ligl<ciL g<'hrarht,
tind ie ka n,1 sich für ilt re speziellen z,\·eel<e bei ei11f"r \ Tercir1fa chur1g
die er Art au ch J)eg11iig('n . Die ur1übe1·sehb nre Fülle der gcgcbcr,cn
Stoffe .ist. auf ei1,c re lativ kleine Anzah l ,•on G1·ur1d~toffrn zurücl,-
ge[ührl. Ur, tr.r I1r-griffe von gesetz1r1ü1Jig crfol•r•.!nd•<·n l\0111l,i11nlionc11
dieser Crund~loffe kanu alle chetniscl,e l\ la1111igfultigkc il1 die der E r-
fah rung dir·ekl zugtl11glic h j l , gc lJra.chl ,,·erden . f)nbci arb ei tet aber

D1911 11,ado por Goc,gle


- 99 -
die Chemie andrerseits doch noch immer mit einer verhältnismü.ßig
großen Anz.ahJ v·On Dingbcgriffen, denn il1re E lemente stehen a.ls eine
~fannigfaltigkeit verschiedener Dinge unvermittelt nebe11 einander,
j nf es werden sogar immer ,vieder neue Elemente entdeckt. Es gibt a lso
noch keinen wirklich abgeschlossenen Gesetzos'begriff1 un ter den die
ltfannigfaltigkcit der chemischen Elemente zu bringen "'·äre, oder der
gar eine Einordnung jedes neu auftauchenden claemischen Elementes
ge~tattcte. Eber1so ,vie zwischen der rein mechaniscl1en und d er im
engeren Sinne physikalischen Wisscnscl1aft 1 ,vie ·z. B. d er Optik oder
der Akustik, ist noch keine Verbi.n dung z,visci1en der cl1cmisel1cn Be-
trachtung u·n d einer me-chanisch-physika lischen. Theorie hergestellt.
Aber ebenso ist auch das Streben nach der Bildung eines Begriffes
in tler Ct1cmie vorha11den, der die Aufst.ell\lng von unbedu1gl allge-
m einen Sät.zen über die chemische ~lannigfaJtigkeit erm•öglicht,. und
es kommt in diesem Streben \Vicd e-r genau die Tendenz zum Atisd ru ck,
die ,,,ir aus logiscr1en GrUnden gefordert b.aben. Ja, in neuester Zeit dür-
fen \vir von mehr als einem bloßcr1 Strebe11 sprecl1en, denn diese Be-
1niihungen l1aben bereits die glänzend len Erfolge gezeitigL. Die qua-
litativ von einander verschiedenen ur1-d daher als rein tatsächl iche
hJnnnigf altigl{eit neben einander stehenden cl1emisc he11 Elemente
versucbt-e man zunächst in eine geordnete Reihe zu bringet1. Dies
ist erm öglich t, seitdem d ie Eigenschaften der E lemen te als eine perio-
dische Funktior1 jbrer Atomgewichte angesehen ,verden dürfen. Das
Atomgewicht ,veist jedem Eleme11t seine11 Platz in einem ,,,vohl-
geord.neten Gefüge" mit Not,vendigkeit an. Damit aber hängt et.,vos
Weiteres zusan1men. ,,Die E rkcn.nt11is der Zusamrnengel1örigkeit
a J J e r cJ1emisclien Elerne,n te zu e i n e r Reil1e 1 welcher seit der Auf-
findung d es P eriode11gesetzes kaum irgend ein Chemiker sich n1el1r
verschließt, hat . . . . . . dio Ueberz,cugt1ng befcst.-igL, <laß iltncn allen
ein g e m e i n a m e s E t, iv a s inne ,voll11e, und damit die einstige
Zerlegung der Eie1nenle zu eine1n fest en, ,venn auch viellcicl1t fcr11cn
Zie.te der ,vissenschaltlichen Forschung geslerr1pelt.'' 1 .
Die Cl1emie l1at also einen Begriff gebilclet, unter den jedes
ElerncnL sich als ein durch das Atomgc,vicl1t, d. 11. nur noch qu anti-
tatjv bestimmtes Glied einer Reihe bring,cn läßt. Denken ,vir u11 nun
,diese Tltcor icn bis zu r größten Vollkorn1r1enl1eit d·u rcligefiihrt, so ,,r(ir<le
aucl1 fü r di e Chemie sc hließlich nls das "Pc1nein:;ame E t,ras'' i11 allen.
Elementen nur noch ein einziger Dingbcgriff übrig b,lcibeu, de1· Bc-
1 V I k t O r ~l O y C r , P rolJlcmt der Alo111islik, 1896, s. 20.

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D191, h,ado por Google


- 100 -
griff eines ,1 Urelementes", das in verschiedener Anzahl und Anordnu11g
in den heute noch als „Elementen'' betrachteten vcrschieden.e:n
Stoffen auftritt. Als aus einer !\ile~ge nur noch in unbegrenzter Anzahl
v orha11dener 1 unter einander aber , r,ölli:g gleicher Urelemer1tsatome
besteh.end ,,ri.ircle dann die gesamte Mannigfaltigkeit aller überhaupt
m öglichen chcrni cl1en Vorgänge zu denken sein. Setzen wir nun
weiter, ·was itn logischen Intere„se .g estattet ist, um ein Scl1ema zu cr-
l1alten, den Begri(f des Ur,elemcnLes in Beziehung zu einer allgemeinen
Theorie der ~1aterie i.m, Sinne der Aethertheorie v o 11 Hertz, so müßte
das Urolemcnt als die besondere Art d er Aethermodifik.a tion g,edacht
,verden, die ,vir ponderable l\taterie n ennen, und die Gesetz.e endlich,
unter denen die "'erschiedenen ohemiscl1en Stoffe ich bilden, müßten
dann selbstverständlich dieselben mecl1anische11 Ge etze sein, die die
Aetherbe,•fegungen überhaupt beher1-schen. Dann ,väre nucl1 die ge-
samte chemische i\1annigfaltigkeit in einer rein rnecl1ani~cJ1en Natur-
auffass ung untergebracJ1t und dadurcl1 vollständig begriffen. Eine
genat1ere Darstellung des jetzigen Standes der \iVisser1.scltaft mit
R'ocksioht auf dieses logische Schem.a ,vorde hier zu ,veit führ·c11 ..
W er die Fortscl1rittc auf dem Gebiete der ·Chemie k ermt, ,veiß ohne-
ltin, daß g erade die neuest e F orschung sicl1 il1rer logisct1en SLrukttlr
nach in der hier ange(leuteten Richtung be,vegt, ja, daß sie viele Ge·
da11ken 1 die vor kurzem nocl1 als ,,ferne Ziele'' ocler als pl'lantastisc he
Spekulationen erschienen, in wo,hl begrtlndete natur,vissenscha[t-
licl1e Tl1eorien umge\\'·andelt hat.
J edoch könnte andererseits, selbst ,venn die Cl1emie n och so ,veit
fort,gesclLrittcr1 ,väre, \.\·icdorum d c n Darswllt1ngcn, die es. 111it c.lcn
cinzclr1en che,n1ischen Elementen zu tun ha t, ihr CharakLer als sclb-
tändige \.Vi enschaft so \\1enig genon1men " 'erden \vic der Optik od(!r
Akttstik gegenübel' der reinen Mechanik. Die Cl1cnu c i1n e11geren Sir1ne
bleibt bei dcr1 gegebenen Eigen chaft.en der chemischen Stoffe :steher1
und überläßt ihren letzten Dingbegriff, den c,hemisc hen Stoff überl\11upt
oder d as Ure1ei:r1ent, einer andcr,1 :ratunvissenschaft, die ihn in einen
Relationsbegriff umil1,,:a ndcln l1ättc. Nur daraui kommt es ltier an,
da ß, falls einmal eino allgemeine Theor ie der K örpcr\vclt v ollendet
,väre, in ihr a.,1 ch aUo Begrjffc der Cl1e111ie, eben o ,vie die d er Phy-
sik, in Rcl:itions- oder Gesetze begriffe a,1fgelö t \Verden k önnten.
Aber, ~ucl1 ,venn ,vir uns alle diese Theorio.11 v ollkornlncn ausge-
" '
bildet denken , so ,väre dan11t ein Abschluß der .iiat.ur\\'isse11schaft-
lichcrl Arbeit noch irn1ner nict1t, erreicht. Immer t1eue ?\1annigfaltig-

D191, h,ado por Google



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- 101

keiten bietet ·u11s die in der empirischen Anschauung gegebene \Virk-


lichkcit dar, die einer Un ter ordnung unter die hier betracl1teten Be-
griffe bisher sicl1 entziclien. Vor allem stellt die \\feit d er Organjsmen
die Wissen.schalt vor neue Fragen. Sind auch die lebe11den l{örper
mechanisch zu begreifen ? Das heißt: kann man einen Organismus
auch nocl1 anders ansehen a]s daraofh.in, daß er ein Organismu.s ist,
und läßt sich also dieselbe Wirklichkeit, die von der Biologie a ls Or-
ganismus be zeicl1net wird 1 unter anderen Gesichtspunkten vielleicht
auch a.1s Mecl1a11ismus denken? Soll dio mecl1aniscbe Körpertl1eorie ah-
solltt allgemein gelten, so " rird man nicl1t un1.hin können, diese Frage zu
bejal1e-11. Doch ·wir verfolgen diese Gedanken hier zunäcl1st nicl1t ,vei-
ter. Ein anderer Zusammenl1ang \\1ird t1ns vo11 Neuem auf sie fü hre n,
und erst in il1m können wir den Gedanken der syst.ematisclien Gliede-
rung aller verscliiedenen Natunvissenscl1a(ten zu E11de bringen.
Wir müssen dazu nämlich den Begriff des ,, HisLorischen" in seiner
logiscl1en Bedeutung scl1on ge,vonnen haben. Er s pielt bereits in
den Geda11ken ci11cr aJLnä.l1liche·n E r1 t s t e h u n g der verschiedenen
c.h emischen Elemente a·us einetn Urele111ent hinein, w1d er ist v0Jle11ds
un.en.tbehrlich fil_r ein,e Klarlcgung der logischen Prinzipien der Biologie,
die ja heute unter dem Zeichen der Entwicklungs g e s c h i c 11 t e
st:.eht. Hier ka1n es zunächs t nu r darauf an, zu sehen, ,vio ,vcit si ch
unsere Theorie übe.r Dingbegriffe u11d Rclationsbcgrilfe an einige.11
Beispielen klar legen ließ.

VI.
B e s c h. r e i b u n g u n d E r k 1 ä r u n g.
Das Ergebnis der bish,erigen U11tersuchung könn en ,,·ir so zusam-
menfassen. \i\7ir haben die Vereinfnchung des Inhaltes der empirisc hen
\Virkliehkeit durcl1 den natunvissenschartlichen Begriff als ein ~fit.tel
betra clttot , mit dem der endliche Geist die unüberseh bare l\fannig-
faltigkeit zu Ober\\'inden und damit die Körpc1"\vell in seine Erken11l-
nis aufzunchm.en vermag. Drei verscl1iedene Stadien konnten ,,•ir

unterscheiden, in denen die Begriffe ihrer Aufgabe in. immer .höhel'cm
~(aße ge1-ec·h t \Verden . Das erst e fällt mit den clemcntarc11 \:Vorl-
bed.eutungcn zusamme11, die \"'ir "'erste l1en1 lange el,e ,vir vVis ertscl1aft
treiben. \\las an ihnen für uns in Frage komn1t, ist il1re empirische
A 1 1 g c m c i n h e i t 1 d. 11. der Umstartd, daß r:io au r oiru:: f\-lclirheit
verschiedener anschnulicl1cr urtd incJiviclucllcr Gestaltungen bezogen
werden könnet1. Eine11 logischcrl \Vert und da1r1it ein l{ecltt auf den

D1911 11,ado por Goc,gle


• •• •••
• .• •


- 10'2 -
N an1en Begriff erl1alten sie aber erst durch den ZusammenhangJ in
den sio gebracht " ·erden, oder durch den ,Yissen.scho.ftlichcn Z,vcck,
d em sie die11cn. Sie sind daber, fü r sicl1 betrachlct 1 gegenüber dem
Unterscllied von Natunvissensc haft und Geschicl1te noch indifferent,
,vie "'ir später sehen ,,•erclen. E rst bei ihrer Ver,..,endung in ,-.·issen-
schaftlichen Darstellungen und bei ihrer ,veiteren Ausbildung t reten
c!ic logischen Gegensätze der ) lethoclcn zutage. Ohne Rücksicht
t1icrau! können die allgerneinen W ortbedeu tu.n gen riur als Begriffs-
elemcnt,c, nicht als selbständige ,vissenscha ftl icl1c Begrifr e betrachtet
,,rerd en .
\Vir sahen sodann, ,vie die primitive \V,o rtbed eutung nur in
,venigen FälJcn den logischen Z\\'eck d e Begriftes in der atu1"\vissen-
sc l1aft vol llcomme-n erfüllt . Da il1r Inl1alt b-ei d em ' ' ersuch, ihn aus-
drücklich zu vergC'gen,värt igen, eine anscl1aulichc l\1annigfa ltigkeit
zeigC11 kann, un.d \\~ir dann nicl1t genau ,,,is1>e11 1 \\'as a·\Jl:i deren Fülle
i11 ur1_sere Erkenntnis a,u fzuneh1nen ist, muß das Bcdiirf nis cn t.sl chcn,
die ,\."escntlicl1en Be Landteile des Begriffes a usdrücklicl• J1crauszu-
l1eben . Die so geforder te B e s t i n1 111 t 11 e i t , die n eben die ernpi-
riscl,e Allgemeinl1eit als ZY.1eite Eige11sel1a!t des r1atur'\vissenscl1aft-
licl1en Begriffes tritt, ist nur durch Aussagen zu ge\vinnen, djc ,,rir ,,er-
st ehen. E s komn1t dadurch ein Begriff zustand e, \vi,e iht1 di•e t radi-
t ionelle L ogik als einen Komplex von l\Icrkinalen kcr1ntt ein Gebilde,
das aber unter logischen Gcsicl1tspurLkten>d . h . auf die Bedeutung hin
angeset1en, die es für den z,,,eck der Wi enschaft }1at1 11ur eine höhere
S ture der er: t c11 Leistung des Begriffes da.r st ellt. E s gestatten auch
die· Begriffe in diesem z,veiten Stadium nu r eine Ot·dnung und Ver-
einfach,ung, d. h. eine sogenannlc I{l as s i fi kation ein er extensi'\r
überse hbaren anschat1lichen l\'Jannigfaltigkeit von Dingen und Vor-
gängen.
Da s <Jrit-tc Stadiu1n des Begriffes ermögl icht ein en Ab -chluß der
in den beiden ersLe11 begonr\e11e11 rheit. Die Natt)r,vi ~senscl1aft.
tcllt nic'h t n.u r Merkmale neben•einn r1d-0r und bildet empi rische GaL~
tungsbcgrif fe, um so den lnhal t des Begriffes bestin,rnt zu macl1cn 1
sor1der11 sie faßt 11ol,vc11dig zusa111me11 g c h ö r i g e Ele111e11te zusa111-
men u11d bat111t. d alr1it ei11e Art d er Bcgrjffsbildu11g nn, die chließlicl1
zu unbedingt allgerncinen Begriffcn oder l'\nturgPsct1..cn zu füliren
vcrrn ag. Auf den U nl,cr ·ct,icd der Gcselzc.sLcgriffe vo11 d cri eltl J)iri-
sc hen Gattungsbegriffcn nocl1 nälJer einzugcl1cn 1 hnber1 ,,·ir in dicscr11
Zu ammcnlta11g k eine \ 1eranlassung. E s gcniigt, \VCnn ,,·ir c hcn, ,,·ic

0191 lt ado por Goog e


- 103 -
es möglich ist, nicht nur eine extens iv übersehbare ~1an11igfalt.igkeit
zt1 vcreinfacl1en sondern eine Ordnung und \ 'ereinfachung d-e r \Veit
zu scharren, die die unübersehbare Fülle der Gestaltur1gen umfaßt
und damit die Ueberwind.ung der ansclta11lichen ~fQnnigfaltigkeit
vol'lendet. Der voJlkommenc Begriff muß .nicl1t n.ur das einer üherse.}1-
baren 1\nzal11 v on Anscl1auungen Ge1nein.same und dies Gemeinsame
bestimmt enthal ten, er muß also nicht nur ein empirischer Gattungs-
begriff sein sondern unbedingt allgemein·e G e l t u n g besitzen.
Diese Geltung ist aber immer die Geltung eines rteilsgehal tes. Auct1
in den Begriff.en v on Dingen kommt für die Na tur,vissensct1a rt scl1ließ-
Jich nur die Geltung der das Ding be treffen<len Urteile in Frage.
Wieclerl1olL haben ,vir l1ervorgehoben, daß es uns in diesen Un-
tersuchungen über die Erkenntnis d·e r l{örpcrv..·clt nt1r daratif ankommt,
die ~i ethode der NatuN·issenschaft mit Hilcksicl1t auf i•1re Ziele z-u
verstehen . Da ,,,ir \1ns aul die Begriffsbildung besc hränkt, also nur
eine Soile dieser ~1-elhodc in Betracht gezogen haben, mußt-0 und durfte
unsere Da rst ellung einseitig ,v,e rden. Es verst~ht sicl1 von selbst,
daß nicht jede .na tunvissenschaftlicl1c ntersucl1ung von vornch.ercir1
aussc l1ließl ich die 'fend-enz hat, von der ~1'a11:njgfaltigkeit der Ges~-il•
tungen möglic}1st sc 11n e 11 zur J\uffassung der al lgemeii:1st on Gesetze
tl herzugehen. Ge,viß sucht rue Natunvissenschaft auch der l\t annig-
fal tigkeit der einzelnen Dir1ge gerecht zu ,verden, jat fast überall ist
die genaue Beobachtung und Ana.lyse des E inzelnen für die Au bil-
du.ng der a1'lge1neinen 'fl1eorien die unenLbol1rlicl1c Grundlage. l\~ur
das meinen ,vir 1 daß. so en~tehcnde l(enntnis. e i11 der Natunvissen-
schaft 11iemals Selb tz,veck sonder11 imm.e r nur ~iittel oder \i·orstufen
zur 8jldung allgemeiner Begriffe sind, die Gesetze enthalten, tJr1d jeden-
falls bra11chcn ,vir hier nicht näher auf sie einzugehen, \.VO ,,·ir unsere
Untersuchl1ng nttr auf llie letzten Ziele <ler Nalu r\visscrH5chatt ricl,ten.
Dool1 könnte man meinen, daß, a bgesehen von d ieser beabsichtig-
ten und berectrtigtert Einseitigkeit., ur1~cre Darstellung auch in bezug
a uf die Bcgrüfsbildung ·clbst einseitig geblieben sei, und d~LO sie ins-
besondere die Bedeutung der rci11 empi rischen Gat t ungsbegriffe
u_nters<::hätze. \,Vir haben närnlich bisl1er eine UnLer~cheidung nur
flüchtig gestreift, die 11icht selten in logischen ntcrsucl1ungc n eine
,,richlige Rolle spielt, die nterscheidur1g von N a ,t u r b e s c h r c i-
b u n g und N a t. u r e r k I ä r ll n g. Vielleicht ,vird ma11 daher
gegen un.ere 1\ usfül1runger1 den Vo•r \vurf erhebe11, daß ie nur die
Begriffe d c r Natt1r\vis -enschaftcn im Auge gehabt, die erklä rcr1

ürg,t~hzado por Goog e


- 104 -
wollen, die Begriffsbildung bei der Bescl1rcibung dagl•gen v ernach-
lässigt hätten. Auch die B eschreibung sei doch Naturwissc11scl1aft,
t1abc aber nndere Zjele als die Erklärung, und deme1ltsprecl1end
seien auch ihre Begriffe gesondert zu belrachlen. E s gel1e nicht an,
sie, '\vie ,vir es getru1 haben, n u r als VorarbeiL der Erklär;ung zu be-
handeln u11d damit dem empirischen Gattungsbegri[f seine selb Wndige
Bedeutung zu rauben~ Ja, ein nocl1 \veiter gehender Ein,,1artd ist
möglicli. Hat man docl1 behauptet, daß a 11 c Natunvis8cnschaft
at1f ,,Besch_reibun~" der \\'irklichk eit beschrnnkt ei, und daß die
Natunvissensct1afL gar 11ict1t 11 erklären" kötJnc. Dann ivürde die Natur-
wissc.nschaft nur empirische Gattungs begriffe bilden, <iie uns a ls
bloße Vorarbeit gelt.cn. Stellt al o die Behauptung, daß alles in der
Natur,vissenscl1aft Beschreibung sei, tt11serc R esultate nicllt ,~iedcr
in Frage?
\Vir n1einen allerdings1 daß eine p r in z i pi e 11 e U11terscl1ei- 1

d·u ng z,vischen Beschreibung und Erklärul1g, ,venn es sicl1 um cl i,c letz-


ten Z i e l c der atu1"'\vissenscl\nrt handelt, nicl1,t gemact1t ,vcrdcn
dnrf. Ja, in g~,visser Hinsicl1t i ,t, das d er l-lauptz,,·cck d ieser nter-
suc'h ungen ge,vesen, zu zeigen, daß alle Bestrebungen der NnLur,,1is en-
schaft au( ein Ziel gericl1tct sind, für das ,,Bcscl1rcibung' 1 ein ,,te11ig
glücklicl1 gewä}1ll:.cr 1arne ist. Dje Be11auptung vollends, <l.:tß a l] e
Natur,visscnscl''l aft nur Beschreibung sei und niemals et,,,as anderes
,vcrd en k önri,e, schei11t uns gilnilich unhaltbar. \Vir g.la11ben a,l!)o
nicht, daß ein l-Iin,veis au f den Untersc hied vor1 Bescl1rcibung und Er-
klärung eine \"·escntliche Bedeutung rür unset·e ']~heorie .b esitzt. Docl1
kann andet·erseits .a\1ch nicht in Abrede geste]lt ,verde111 daß nicl,t
ohne "-'eil.eros alle atunvissenschaft a ls Erklürung a11zusehe11 i t,
und daß dahet· der Unter-scl,eidu11g von Bc·cl1reibt.1ng u11d Erklör1111g
in gc,vi~set· 1-Jins icht auch ein Unterschied z,,·eicr v ersc hied ener
Arten v on Natun\·i cnschaft entspricht. W eil nun a uf di~se Untcr-
scbeidu11g viclracl1 eir1 be onderer \i\'ert gelegt ivird, j,a clie Behaup-
tur1g, die Wi sensc haft ltönne nur bescl,reiben , als bcso11dcrc E11t-
deckung gilt, ist es viellcicl,t gut, ,,,enn ,vir u11s 1nit dcrt beiclt·11 Behau pp
t ungcn, da ß e11t,vcdcr a1le Natur,visser1scl1aft nur Beschreibung
sei ur1d zur Bildung von mel1r als empirischen GattlJngsbcgriffen
nicht kommen könne, oder daß die Bcsclircibu11g ,ve11 ig~len ' von der
Erklör\111g getrc11nt ,vcrder1 müsse, so,veit a1.1stlrocl<-licll auseir1nndcr-
set1~n, als da Lei die Bildung d er BPgri ffc in Frage kommt. Pr:i11zipic11
Neues l1aben ,,·ir dor·übcr al lerdings 11icl1t m ehr zu sagen. Da , r:olgc11de

ü1g1taltzado por Goog e


- 105 -
ist hauptsächlich als ein.e zu ammenfassende Uebersicht dies es Ka-
pitels und als Entwicklung einiger K onsequenzen mit Rücksicht
auf das Verhältnis von Be~chreibung und Erklärung anzusehen, \\'O-
bci ,vir die ,vesenUiclten ResulLaLe w1serer Un tersucl1ung über die
begriffliche Etkennt nis der K örpcf"'·elt uns in einer F orm zu vergegen ...
,värtige11 suchen, in der ,vir sie aucl1 in unseren ,,,eitere·n A,us[ü lirungcn
brauchen ,verdcn.
Da Be~chreibur1g und E rklä rung in eine11 Gegensatz zu einander
gcbracl1t werden sollen, wollen ,vir zt1erst kurz angeben, ,vas nach
unserer Tl1eorie un Lcr einer na Lur,vissenscbaftlichen E r k l ä r u n g
zu verstehen ist. Dann ,vird es am leichtes-ten möglic11 sein, den Be-
griff der natunvissenschaftlichen B cschreibu.n g in seinem Verhältnis
zu dem d er Erklärung festzustellen.
Et,vas ,,erklä ren'' kann fOr uns nicl1t,s ar~dcrcs heißen als es in
dcrn angegebe11en Sinne b -e g r e i f e n, und zwar entspricht es ,vohl
a11ch dem Sprachgofilhl, wenn ,vir jedes Begreife11 ein ErkJärer1 im
weitesten Sinne d es W ortes nennc11. Bis,veilcn geben ,,rir uns schon mit
einer Erklärung zuf rieden, die ein Ding n1it einem uns bekannten
Nan1en b ezeichnet, also n ichts tt1t, als d aß s ie es einer allgemeinen
W ortbedeutung unterordnet. So ist die ,,l\Iilcl1straßc'• am Him.u1el
,,erkl ärt'' i '-Venn ttns gesagt ,vird, daß sie ein H aufen von r,Stcrncn''
sei. Die Erklärwtg befriedigt r1ocl1 m eh r, \\'Ctm aus der I\:Jannjgfal t igkeit.
ei11es Vorganges, d en wir zuniichst nur l1innchmcn konnten, best immte
Merkrnale nusd rücl<licb herausge hoben sitld, und ,vir zugleicl1 auf
andere uns bekannt,e Vorgä11ge llinge,viese11 ,\·erden, bei denen diese
~ierkmale sic-11 cbe11falls finden. Dann k ann matt rech t eigc11LJicl1 v on
einer ,Erklün1ng'' in d em Sinne reden, daß i11 einer t>nerschöp!lichen
und unübcrscl1baren ~1ar1nigfa ltigkcit die 11\Vescntlichcn" B estand-
teile über ehbar und klar hervortreten. E s kann also. chon jede U11tcr-
or-dnung 1.1nter einen Begrifr iLn ersten oder zwcite11 tadium zu einer
Erklärung 'i\'"Crdcn. In die. em ,,·e,i te ten Sinne jedoch ,,:erden wir
h ier, ·,vo ·, ,·ir die E1·ltlärung i 11 cir1en GegcnsaLz zur Bescl1rcibung
bringen ,vollen 1 d tts \Vort nicht gebrau chen dürfen , dn ,vir cino Erkläru11g
sonst. gar nicht vo11 einer n at.u r,vissenschaftJict1e11 .Beschreibur1g u r1 ter-
scheiden köonter-1. Ohne Vcr,vendung von Begriffen ist, ,vic ,vir ,,·isscn t
kein n atur\\ris ·cru;cl1a fllicl1es Urtei l rnöglich 1 . Gäbe jeder Berrrift
schon eioe Erl<IIiru ng, o ,värc jellCS naLunvi. ~cnscl1:ifLliche Urtei l 1nit
einer Erklärung verknü pft,. W ir werden also das \:Vort E rl<lärut1g out·
.t Vg l. oben S. <1 l r.

ürg,t~hzado por Goog e


- 106 -
für eine b esondere A r t, des Begreifen verwenden, und z,var ,vollen
wir sagen, daß eine nalur~issenscl1aftlichc Erklärt1ng erst dort vor-
lic-gt, ,vo es gelungen ist, einen \ 'orga.na ·u nter einen Begriff im dritten
Stadium zu bri11gcn , d. h. tlnter ein Naturgc:,;ctz von u n bedingt
allgemeiner Gcllu11n-. \ Vir \\o'issen dann,, ,varum das, ,vas ,vi r erklärcrl
,voll en, so sein_mufl , ,vie es is t . Erklärt i t in diesem in.ne das auf-
fallcnclc Farben piel, clas entsteht, ,,·enn die Sor1ne eine R c.gen,vand be-
scheint, soba ld ,vir d en Vorgang des Regenbogen u11ter die allgcmcine,1
Gesetzesbegrifre der Brechung von Licl1t.sLra'hlen t1nterordnen kön11en.
1\us der gegebenen !\lann:ig(al t igkcit sind dann d i e Elemente heraus-
gel1oben, die sicl1 in cinc1n i1n1ner und überall vorkommenden Zus.a rn-
menl1ange befirtden, und ,vir habcr1 also eine Einsicht jn die ,,Not\vendig-
k oit' ' clcs Regenbogens beim Bescheinen einer Regenwand durcl1 die
Sonne gc,vonne1l. Was die Bildung von aturge"et zen sons L noc t1
Neues gegc1rOber der bloß en Be _cl1rejbt1ng leistet, geht uns in d.icsem
Zu1,a1nn1en l1ange jedoc h nichts an . \Vir ,vollen ja keine ausgefül1rtc
T lleorie cler natu1'\vi senschaftlicl1cn Begriffsbildung geben. Nur
darauf kom1nt es an, daß ,..,·ir d,ie z ,v e i i\ r t. e n von l\. 1 1 g e m e i n-
h e i t unLcrschcidcn, die die al lgemeinc11 \Vortbedeutur1gcn und die
lflerkmalskomplexe cinerscit.s, die Na•t urgesetze andererseits l1abc.n.
Eine ErklärL1ng dui-cl1 dio Allgerncin lleit der Not\ven.digkeit ist
.n atürlich um o vollkommener, je umfassender un.d allgerneiner die
vcr,vendet.e11 Gesetzesbegriffe sind. Die „Ietzler1u Gesetze der Natur
,vu1,den d.ie F fi lugkcit l1abc11, a lles jn diesem Sinne vollkommen z.u
erklären . Ei,n Organisn1us z. B. ist uncrklärt u nd muß l>is zu ein.em
gc,vissen Gracle in der Biologie aucl1 irnmer unerklärt bleiben , ,,·ie ,vir
das später nocl1 genauer set1en ,verden. Er lilßt als Orgaui rnus sich
nicht z.ugleich als Mcchanisrn u d.e nken u11d he.bL sicl1 clal1cr als Aus-
nahm.e atts der sonst n1ecl1aniscb gedacllt cn l{ö r1->en vclt heraus. Eine
Erklärung aber hätten ,vir, ,venn es gelunge11 ,väre, di es c l b e
\Virklichkeit, die ,vir sons.t a ls Organismus bezeiehner1, auch unter
die allgemeinsLcn mccl1anis:::hen B egriffe d er körperlichen Natu r
zu l>ringen . Sie ,väre da1111 nur noch ei11 besortcJerer Fall d.es i111mer
und Oberall '\'Or sic.h gehenden n1ecl1anischc11 Gesc hchcr1s 11n.d stände
in einer R eilu~ m it al len andern Teilen d er ur1übcrsehbarcn cxlen::-ivcn
i\1annill'faltigl{eiL. ..\us il1rcr intcn:-iven ; Junnig-f{lttigl<eit ,väre das als
ihr ,, \''esen'' l1crausgel1oben , ,vas sie in Zusammenl1ang m.it dem
allgorncir1 :tün ,,\Vc,c;en " d er l{örpet· überhaupt bringt. E ine a11dere
oder bessere El'ltlärung als clie U11tcrord11ung unter die a llgemeinsten

ü1g1taltzado por Goog e


- 107 -
GcsetzesbogrifJe vermag die Natunvisscnschaft n ,icht zu geben. Die
Einsicht i11 die ,,. ot,vendigk-e it" eines Vorgar\ges kann bei ihr immer
nur in der T{cnntnis clcr Gesetze bestehen , die ihn beherrschen . Nur
so,veit sicl1 et,vas eir1em Gesetze unterordnen lä Ol, ist es überl1aupt cr-
kl t,rbar. Auch darauf kommt es hiel' nicht an, ob d ie zur Erklärung
v e1...vend,etcn Ge etze u n mit t c I bar not,venclig ersc heinen oder erst
bewie se n werden mü sen. Nur das Begreifen mit l·Iilre einer m e l1 r
als e m p i r i s c h e 11 Allgomcinheit l1aben ,vir hier im Auge.
Was ,verden ,vir 1111n in1 Gege11satze zu einer solchen Erklärung
u nter einer natunvissenschaftlichen Beschreibung verstehen? Ganz
im allgcmcine11 n1üssen ,vir mit diesem Worte jede Art von Dar .bellung
der \ Virklichkeit bezeicl1nen, die o h n e die An,,·er1dur1g v on u11.be- •
dingt aJlgcmcingülLigcn rteilen, d . h. Gesetzesbegriffen vorgen ommen
,vird. Die Bescl1reibung \\'ürde, da auch sie 0)1r1e B egriffe im ,veil.cren
Sinne njcl1t auskommen kann 1 dann al o Begriff'c in1 er sten oder z,veiten C
• •. J •


Stadium, und z,var nur c1iese, benutzen. I n anderer \\'eise k önnen
,vir sie vo11 d er Erklärung nicht abgre11zet1, und ,vir glaube11 aucl,, daß
die er nterscl1ied Cast immer gemeint i t, ,,1enn iiberhaupt die n atur-
wissenschaftliche Beschreibur1g in eir1en Gegeusatz zur Erklärung ge-
bracht ,vird. Die Erklärung bedarf st ets Begr iffe von mehr a ls em-
piriscll allgemeiner Geltung. Die Bcscl,rcibung der Dinge dagegen
glaubt, ol1ne dies überempirisclie Element au ·ko1nn1en z-u könc1Efn.
J edenfalls liegt diese U11tcr~cl1ei<lung, mehr oder \veniger ltla r 1 der Be-
.h auplung zugr-u11de, daß die Na t urn•issenschaft et,vas anderes als
Beschreibung zn gcb en 1 überhal1pt nicl1t imstand e sei lJnd auf j ede 'E r-
kläru.n g. d . li. Einsicht i1t einen „n ot,,•m1digcrt' ' Zus amrncrt hang v cr-
zicbl.en n1üssc. Die m ehr als empiri~che Geltung der Ge~etze.sbegriffe
Ist es, d ie filr ge\vis. c lcgi ehe Ricl1tangen ci11cn Stein des, .i\ns.toßcs
bildet, und die man gerne be!-lcitigen möchte. Desha lb ,vcil die Be chrei-
bung d es Obercmpiriscl1er1 Elelt1entcs nicltl zu betlürtt~n scheint, soll
sie also an di.e Stelle d er Erklärung treten.
\Venn nun aber clie Na tur,,r:h,scn:;chaft auf B eschrei bung einge-
schränkt tind trotzd em v on ihr ei11e Dru'Stellt1ng der Korper,vclt in
dern Sinr1e verlangt ,,·ird, daß nicl1t nt1r vereinzelte, hier und d ort vor-
gefuodene Tats.1chen sonclcr11 die a ) l e n l<örJJerlicllcn Dingen und
Vorg:1nger1 gcmeinsamcr1 Etc,ncn t.c be chrieben werden oll n, so is t
nacl1 ur1scren. rruhcren Ausführungen über die u11ühcrscJ1barc J1 ann ig-
faltigkeit leicht cinzusel1en , da ß Je<liglich durcl1 eine ncu•e Tertninolo-
gie der eigentliche Kcrnpur1kt des Problems v e r d e ck t, ,,·ircl. Das

D1911 11,ado por Goc,gle


108

Problem steckt grade in der Ausde·h nung der ,tBeschreibung'' auf a 11 e



T eile der Körperwel t, d . h. in dem Bcgrif(e einer voll s t ä n d i gen
V Beschrei bung der Natur. Auf diese Vollständigkeit hat denn au.cl1
G. K irc hh off 1 , an den die Versuc1'1et alle Natur\vissen.schaft at1f Be-
schreibun g einzuschränken, meist ar1knüpfen , ausdrückljcl1 hinge-
'\\<iese n. Er bezeicl1nct es als Aufgabc der Mechanik : , ,die in der Natur
vor sicl1 gebenden Bc,,~cgl1ngen v o 11 s t ä n d i g und auf ,d.ie ej n-
f achste W eise zu be chreiben" . Scho·n hieraus erßehen \vir; die bloße
Vermeid ung des W o rt es ,,Erklärung'' ,vird sch,, ,erlich an dem
Umstande etwas ändern , daß eine ,,vollsländige Beschreibung'' der
l{örpenvelt ,,1ege11 der intensiven und extensiven Unühcrse bbarkeit

der Dinge ol111e Anwendung von m e }1 r aJs empirisch .allgemein en
Begriffen als Ziel der Natur\visse1l.schait logisch urunöglicl1 ist .
Am allerdeutlicl1stcn zeigt sicl1 dies, ,,1enn man daran denkt,
daß auch der i\fecllanjk nur die 1\ t1fgabe einer Beschreibt1ng zugestan-
den ,ver<len soll. !llleinf, rnan darnit, die Geltt1ng der meclla,niscl1en
Sätze sei eingeschrä nkt auf d i e Be,vegur1gs,,.orgänge 1 die bisl1er ein-
zeln direkt bcobaclttet wer-d en konnten? Dann allerdings \vären auch
die m cchaniscl1cn Begrif(e nur empirisch allgemein, und dann hä tte
es einen Sinn, die l\lecl1a,nik eine ,,Bescl1reib ung11 zu nennen. Aber so
kann es doch nie111and irn .E rnste rneinen. Die 1cc11a11ik v erliert
jeden Sinn, ,,,enn ihre Sätze nicl,t für a t 1e Körper ol1r1e Ausnal1me
gelten, auch für die, die niemals direkt beobachtet sind und niemals
direk-t beol>achtct ,,,erden können . F alls ihre Begrilfe aber dies(} Gel-
tung l1aben s0Jle11, 1nüsset1 sie aucl1 mel1r als e1npiriscl1 aJlgen1ein sein .
Nimmt man also das "''ort Erklärung so, ,vie es in der Natur,,,issen-
schaJt allein gebraucht v.·e.rden dart , so hat es keinen Sir1n, es für
die ~1ecl1anik und. alle die vVisscnscltaften zu verrneidcn, die rnit einem
l\il at.erial arbeiten, das in seiner exle1asiven und inLensiven ~fannig-
faltigkeit niernals aucll nur annähernd im ci11zclnen ·vollständig be-
rOcksicl1tigt, \tnd das daher n\Jl' dt1rch Gesetzesbegriffe ohne \\fjJ)kür
in ein überscl1barcs Begriffssystem gebracht " 'erdc11 kann. Dan1it also,
d a ß man sagL, auch die ~lechanik ho.be ntir zu b~chreiLen, ist im Grunde
genomn1e11 n i c 11 l s ge agt. Die so beliebte Bcruft1ng au f einen g roßen
PI1ysikcr kann daran nic'h ts ändern. Das logische J->roblcm, das der
Begriff der ,,vollständigen Bescl1rcibur1g" enthält, d urft.e l{j rch~1off
als Ph)r.:iker ig11orieren. Dem Logiker aber ist es nicl1t gesta.ttet, sich
bei einem solciten ScltJag,vorte zu beruhigen.
1 ,\ nalyüsche Mechanik, S. l .

0191 lt ado por Goog e


- 109

~fit d.cr Bel1auptung also 1 daß a 11 c Nat unvisscnschaft B eschrei-


\.t
bung sei, hraucl1cn wir uns nic ht ,veiter zu b escllä ftigen. Es l1atldelt
sicl1 d a b ei lediglich um einen \V o r t s t r e i t , und Z\var um d en
Versucl1 1 eine v erwirrende Terminologie einzuführen . Wi r soUten
vielmehr t1nter Besch reibung nur die Art ,vis enschaftlicher Darstel1ung
v erstel1en , die ohne jede ;\n,vendung von Gesetzesbegriffen il1r l 1a-
terial z u bearbeite·n such t. Docl1 ha t d as Wort. Beschreibung aucl1 dann
n ocf1 z ,,., e i Bedeutungen , d ie wir ebenfa lls voneinand er scl1eiden müs-
sen. Es gibt n ä mlich erstens Beschreibung im Si11c1e der sogenannten
,,des kriptiven Natunvissensehaften''. Diese seh.en in d er v ollsW.ndi~
g en K l a s s i f i k a t i o n einer gegebenen extensiven 1\'l annigfa l tig-
k ei t das Ziel ih.rer B egrifisbildu11g. Sodann gibt es end üc h eine Art
v on Beschreibung, die eine systematische Darst ellung und b egriff-
lic he Glied erung einer extensiven Mannigfaltigkeit überhaupt nioht
anstrebt sondern sicl1 lediglic h auf die B oobachtung und Analyse
e i n z c l n c r Vo rgä nge und ih rer in t en siven Mannigfaltigkeit ric htet .
Sie b e-sch.rä 11kt sicl1 dara uf, das zu k or1st aticren , was hier oder dort
"-'irklich existiert, und man k ann s ie aucl1 als d as Besch1-eibcn od er F est-
st ellen v on Ta t s a c ti e n bezeichnen. D as ' 'erh ä ltn.is beider Arten
von Beschreibung zt1eina nder und zur E rklärung suchen ,vir, so,\•ei t. die
natur\vissenscbaftlicl1e B egriffsbi ldung d abei in Frage Jtommt, kla r
zu legen.
W ir haben frü her bem erkt, da.ß eine bloße Klassifika tion in d er
modernen Natur\vissenscl'1art fast imm.cr r1ur als eine '"'' jssenscha[t-
Jichc Vor a rbeit zu b et rachten sein ,vird. Da,1 on sel1e11 ,vir hier nalür-
Jich ab, d enn sola11gc \Vir d aran fest halten , d a ß d as \\' issen v on unbe-
ding t allgemeinen U rteilen. als letztes Ziel a 11 e r n atur\vi se11schart- I

licl1en Fot'sch u11g zugrt111de liegt , können sicl1 die Begriffe ein er l(l assi-
fikation nur graduell vo n d en Gese tze begriffe11 u11tcrachcidc11, und eir1e
besondere U11tcrs11chi1ng d a r über ,väre unte r dieser ' 'oraussetiung
nic bt n1eJ-1r 11ot,vend ig. Da ,vir ab er hier a nnehm crl ,\:ollen , d a.ß d ie
,,deskriptive.n Wissenschaften'' nur a u( eine l{lassifil,ation ihre r Ob-
j ekte ausgehen, und ,,•ir si•e d aher in n ücksic.ht a.u f il1re letzten
Ziele v on den erl<lärenden \\ti~sen cl1afLcn trennen, so m üssen ,vii- j e tzt
!ragen , oh s iu v o11 d iesen dar111 atich in ihrer lngi ~c hcn S trttlctu r so
,veit a b,v-cichen , daß il1t'e Begriffe von den bisher b ctrac hLctc11 prin-
zipiell verschieden sind . \Vir ,vollen, die ·e F r:igc 1,u bcnn t,vo r-tcn,
t im

die B cgriffsbild u11g der Hcschrci burtg an cinigcr1 Bcisr)ielcn ken net\
lernen . Zoologie und Botani k könn.en in der \\'eise b cLricbr n \Verde111

ü1g1taltzado por Goog e


110 -

daß sie nur au f eine l(la ifikation der \.'Ol'handenen P!lahzen und Tiere
ausgel1er1. · elbstverstä.11dlich ist zunächst, d aß auch sie d u11n die
g es a 1n l e i 1a1,nigrnlLlgkeit ihres l\'lat.erial's im einzelnen cbcnso-
,venig ,vie eine erklärend e Natun,·is"enscl1aft h e1·ücks ichtigen kö11n en,
d. h. eine Bcscl1J·eibu11g, die jed es einzelne Tier oder jecle einzelne Pflanze
darzustcl.lcrl s ucl\L, ist .auct1 fOr sie ttnmöglich . Dennoch is t hier
z,veifellos eine "'' enigstcns anntl hemd v o l l s t ä n d i g c begriffliche
Bearbejtung der ihnen gcgebc1,cn ~lannig!altigkeit ot1ne unbedingt
allgcme.ingültjgc Begriffe errcicl1har. Die Gründe dafür mOs. en \\rir
aus d er Natur il1rcs ~Iat eria ls verstche11. Dann ,vcrden 1-\·ir eine
Einsicltt in das \Vese11 ihrer B egriffsbildun.g e rhalten.
Um zunächst die cx wnsi,re Maruiigfalt.igJ~eit in Betracht zu ziehen,
so ist die nterstrcl1ung nur auf ein kJeines Bruch tück der l{örper-
,velt gerichtet, das räur1tlicl1 w1d zeiLlicJ1 in b cstimn1ten Grenzcri lieg t.
W'ährer1d die Begri(fe d er Optik für d as Licht jedes beliebigen \,V elt-
körpers eb en S-o gültig sein müssorr \vic für das der ncbe11 w1s stche11den
Lan1pe 1 hat es die d esk riptive Zoologie oder Botan:ik nur mi t den 1' ieren
od.cr d en Pflanzcr1 , die in ge\visscn Zeitabschnitten auf d er Erd e Vor-
kornmcn , zu t u11. \''as al. Tier ocler Pflanze zu b etracl1t en ist, darf
fer11er von vur1lc.l1erein, ,,·enigslens bis zu einem gc,vi:sscr1 Grade, scl1on
.als bekannt vorausgesetzt \\'Crdon, d. h. nur ganz b e ti1n1nle GesLal-
tu11.ge11 der Körper,velt, die man eben Tiere oder Pflanzen ncn11t,
s ind fü r die de kri1>livc \rVi ssenschaft v on Bcdet1tung·. So jst also ihr
1\f at.crial extensiv vert1ältnismiißig kJein. Die Kennt1tis besLin1n1Ler
Fonncn gestattet die A11s,vahl d er wcsenLlichcn Gebilde au der
~fannigfalLigkcit der Dinge. Das empirische Feststellen aller vcrscliie-
denen F ormc11 ,vird so ein Ziel, de111 1na11 sicl1 ,ve11igsl.c11s anzt1nähern
v ermag. IJas i t d el' ,ye en t liehe Pu11kt: die extensive ~lannigf,¼lLig-
l keit der l{.örper ist hier n i c h t prinzipiell u n ü b c r s e ll b a r.
Dia Gc.sctzcsbegrirfc kö1men daltor bei ihrer Uchcrv,indung enl,bel1rL
,verden.
Docl, diese relative Begrc11zt heit der e xLen.sivcrt ~la.nnigfaltig-
kcit re.icht noct1 nJ cht aus, u,n die \f,ereinfo cl1ung ol1t1e Gc&clzcsbcgr iffe
ganz zu verstcl1c11. Es bleib t clie int,cnsivc ~lanu.igfalligkeit dt:,r cin-
zolnen Dinge, und die. c ist. auch hier ,;\'ie überall prinzipiell U11über- •
scl1bar. \Vic i~L aus ihr <las für die Begriff:,bildurig \\.rc.sct1tliche licrat1s-
zuh.cbcn un.cl eiu ll1•iu2.i 11{ür die l{lnssifil{atio11 zu gc,,•ir111en? \\1ir 111üs~
sen hier {c,lgc1tdC" b crücl{sicltli<ren . An die uni.ihcrschbore ~Jannig-
faltigkcit, die 1nit d er \ 1c1·il11de1~ttng d er Dinge zuso n11r1c11bängt,

ürg,t~hzado por Goog e


- 111 -
und die \Vir die zeitliche nennen können, denkt eine d,eskripti,•e Na-
t urwissensc haft ,ven.ig. Sie kümmert sich nur um die momentan vor-
handenen Formen, die il1r als unveränderlich gelten, oder deren Ver-
ä nderungen für sie ,venigste1as nich t in Betracht kornm·e n. z~ 1 ar

beachtet. sie in ge,,ris er Hinsicl1t a uch den Wect, cl. So ,veiO die Bo-
tanik ,,,ol1l 1 daß ein lG rsc l1bau1n ein anderer ist zur Zeit der Blüte n1s
im \Vin ter, aber es handelt sici1 hier um \ ' emndcrungen, dc11en vcrscl1-ic-
d cne Stadien sich im ,\blauf eines J ahres '\Viederholen. J\.leist ,verden
11ur ,,,cnige Stadion einer Reili e, und z,va1· solcl1e, die imn1er ,vicd or-
kehren, ous dem Wonclcl der F ormen herausgegriffen. So bleibt nur
noch die inte1tsive t\'lannigral tigkeit d er 1'ä un1licl1en G·c t altung als un-
übersehbar übrig, und a uch sie ist l\i er nicl1t unübc r\,·indlicl1. W eil
es sicl1 für die deskriptiven \Vissenschaflcn nur um schon v o rher
b estimn1te Formen d er Körper handelt1 die innerhalb ge,,•ii,ser Grenzen
feststehen, geben diese l•'orme11 auch d as l\Jittel, um tlurch roin empi-
rische V c r g I e i c h u n g der vcrsclticdenen Dinge mi teinander aus
ihrer intensiven ~f annigfa)tigk:eit dus in Riicksicht auf die e Fo,·men
\1/e entliehe '"jed,e rum ohne An,vendung von u11bedi11gl allge1ncinen
Bcgriffc11 J1erauszuheber1 und so d io ~la1U1igf.altigl"eit zu übel"\,·i11de11.
Trotzdem crlt11ält a uch das l\•l ateri al der de. kriptivcn \Visse1:tschaf-
t en, be-sonclers in hezug auf die extensive ~t annjg faltig kcit, eine
Untibersehbarkeit. l\ta11 kann ja nie \vissen, ob nicht irgend,vo a uf der
Erde sich noch eine Fonn fjndet., die vo11 allen bisher bekar1nLen
gö nzlich ab,vcicl,t und d.ocl1 zu d en 'fieren od er Pflanzen gcz.äl1lt
werde11 rnuß. Da. bed arf es dan11 n ocf1 be onderer ~litlcl, u111 ein Be-
griff, ~yslcm xu scllaffcn, das nic11t r1ur alle direk.t gegebenen Formen
t1111fa ßt sondern oucl1 di e Einordnu ng der neu auflauchend en 1' iere oder
Pflat1zc1\ oh11e .i\n,vend uog von Gesetze ·begri,rfe11 enr1öglicll t.. Diese
~f itlcl m ü .sen ,vir ihrcrn logj ·c'hc n \\lesen n ac,h ebcnfolls v erstehen.
Sohen ,vir uns daraurhin z. B. ein botn,.tische System an. Da ,,·erd en
Begriffe geschaffen, von denen der eine <las ko11tradikLorische Gegen-
teil d es and er11 bildet,. Durch solc he z,vcig licd rjgpJ1 D isjunl~lio,acn ist
es natü rlich JeichL rnüglich, a 11 e tlenkJJft1·en P flnnzC'n 1.u lt111f{1~~en.
Die Prl311zcn ml1 sse n nach d e in · a Lz vo1n a 11s-gc~cl1lussenc11 D1·il te11
a lle cnt\,,e<ler Blü l.en tragrn oder keine haben, d ie Dlnl c-n tragt'11<Jcr1
m üsscll. •nt,Ycd cr {rut:l Ilbi !Jen(] <' oder nacktsar11igc sei11, us,v. t1s,v.
Erst d.an11 gehl da B,cgrif fssy~tctn irt d ie Brüche, ,,·crtn ci11 K ürper au f-
lau<.: ht, von dem :;.ich nicht 1nch r s~gf'n läßL, ob er überhaupt noc h cin,t
Pfla11zc sei. Interessant ist unLcr ll1gischc1t Gcsicht:-tpunkt.en a 11clt rlcr •



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1
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ürg,t~hzado por Goog e


112 -
Gedanke, die Anz a 11 l d er Sl.aubgefä ße aus der ?t·I annigfaltigkeit
d er Blüten herauszugrei fen t1n,d dadurch die P!lani-en zu klo.~si!izie re n.
Hier beruht die \ rcreinfacl1ung d er Mannigfaltigkeit i 11 ge,visser Hin-
sicht. auf demselben Prinzip, das ,vir bei d en d enkbar v ollkommen sten
B egriffen der erklärend en Wissensct1aft.en vorfand en. J e d e Pflanze,
die überhaupt SLaubgefäße hat, ist in diesem B egriffssyste m unter zu-
bringen> da in der b,loßen An.zal1l niemals oL,vas prinzipiell Ne ues t1nd
daher auch niemals et"vas st eclten kann, das geeignet ist, das System.
umzu,verfcn . Auf diese W eise also ist, urn d as Bcgriffssystern at1! Er-
scheinungen auszudehnen, die noch nicht direkt beobachte t sind,
ge,visscrmaße11 ein Surrogat für die dabei sonst unentbehrlichen
Gesetz.esbegrif(e gcscl1affcn . D och ve1·steht e.s sic h z1Jgleich ,-.·ohl v on
selbst, daß es sic h hier n u r urn ein Surrogat. ha11deln kann, und daß
von einer Einfül1rung der Matl1emat,ik in die Botanik ,iurch eine solche
l(lassifjkaLion nicht geredet \Verden darf.
Diese B en1 erkungen über die b eschre ibenden Natt1n~issensc bafton
mögen g enügen, um das zu zeigen, \.vorauf es uns ankommt. \Vir schm1-,
da ß die Eigcnsel'1aften der Begriffe ich aueJ1 bei il1nc11 durch'"veg daraus
vorsLel1en lasse11, daß sie als I\l ittel zttr Ucber"'vincl ung und Ve re in-
fac hung eitler e xLensive n und i11tensiven ~lannigfaltigkeit dienen . Die
Bcgr1ffe müssen jedenfalls a l l gem e in und be s timm, t ein.
,~.ras ih11en i111 \ 'ergleicl1 zu den bisher betrach t eten B~griffcn a llein
feh lt, i t die u n b e d in g t al)gem,eine Gel tun g, und s ie kann
des halb fe l1len , \\reil sie zur Erreich11ng d es hier angestrebten z,,·eckes
nicl1t not,vendig ist.. Das ist der in diescrn Zusammen.hn11g ,vesentliche
nterschied. Aber \\·ir können nich t eir1ma l sagcr1 1 daß die B egriffe
der beschreibend en \\' isscnschaften nun übcrl1aupt kei ne ,1 Gcltu.ng' 1
besä ßen und dal1er ,ve.nigste11s i11 dieser Ilins icht v on d en Ge~etzcs-
begrif(en pr.in.zipiell verschieden seien. Sobald ie nämlicb den z~·eck
erfüllen, zu d em s,ie gebild et sind, so gelten aie aucl1 nut, Rücksicht
auI diese11 Z\vcck. Dieser z,,·cck ist nt111 freil icl1 n u r Vere-infac l1-
u11g1 aber darauf allein kom;nt c~ ir1 diescrn Zusa 1111nenhang an, denn
,vir habe11 ja a ttch die u r1 b e d in g t e Geltung der Geset.wsbcgriffe
a ls ~lit.tcl zt1r Verein fachung de r l'\ Ia11nigfnlligl{eit in :Be trac ht ge-
zogen . Insofe rn ist a lso die B1"gri[fsbilclung in den beschreibcnclen
\,Vis, enschaftcn der in den erltlürenden \Vi~se1tschaltc11 artalog.
Trotzdem blei bt st:lbstvcrslä ndlicb ein prinzipieller U11tc1·schi ed.
Die ,tCclLung'' dieser Brgriffc ist anderer A r l > dcn11 sie b este ht
nur so lange, a ls 1na11 nich t t.l ara n d en kt1 d.1ß d as Reicl1 d er Pflanze n

ü1g1taltzado por Goog e


- l 13 - •

ode1· der Tiere nic ht ,-.,·irklic l1 el\.vas SLarre~ und i11 icl1 Ahge~chlo ~cncs
bildet sondern vermutlich einen Anfang uncl ein Ende l1at und jedcn-
f alJs als Glied des 1 •alurganzen zu betrachten ist. SobaJd die · aber
geschieht , muß jedes B egriffs,.J1stem einer le<Jiglich b eschrcillendcrl
Natun\·issenschaft a ls ,villkiirlich erscheinen und die Begriffe il,1-c
Geltung v erlicrcr1. Die von der De~kr iption gele istete \.'erein(a.chu11g
hat datm il1ren Wert n lt r als Verein!achung, d. ti. es '"·ird durch
sie nicht ,,,.ie durcl1 die Begrifre von Gesetzen et,vas erkannt, dcsse11
Geltung auch unabhängig von der betreffe.n dcn. Begriffs bitduna
bestel1t. Zugleic h aber cxi tiercn darin die ,,deskriptiven " \ issen. c.haf-
ten als solche, die andere Z i e l e als die Erklärung babcr1, überJ1aupt
nicht mehr, d . h. die Be cl1reib,11ng geht durch Einfuhrur.}g von Gesetze1---
begriCCen in eine Erkläru11g oder in einen Ver~uch dazu über. Davot1
rnüssen ,vir hier ab:sel1en. 1\ uch in1 Gegensatz zur ErkJäru1lg behä lt.
d ie Beschreibung ihre n \\' ert überal l d ol't, wo das zu beschi·eibendc
1\1aterial eine v ol lständ igc \ ' crcinfach ung seine r )IannigfaltigJccit
ohne Gesetzesbegriffe gest.atLet , d en.n für eirt solcl1cs l\Iaterial ka 1111
die Bescl1reibt1r1g et,vas leist.en, das der Erklt1r·ung durch Ge~clzes-
begri((e durchaus ent.sf,richt, und d eshalb dürfen die dabei ver,vend elen
Begriffe, ,vcl1r1 sie ihron z,\·eck erfollcn, auch n.ic}\t mel1r als rein ,vill-
kürlici1 angesel1en ,verde.n. Gitr1z i t allerdi11gs die \Villkür ohne 1-\ n-
,vendung von Ge..i,etzesbegriffen nie zu vermeiden, aber sie lieg t
bei d en des·k riptiven \Vt ·ser1 c :I1aftcr1 doch 11ur darin, daß di,e blo ße
l{las, ifikation einer ~,Ia nnigfaltig keit. ·tarrer l•'or1nen als ,,·is~en cl1arl-
liche Z i e 1 betrac11tet ,vird 1 d . h. ie Jjegt nur ir1 d e r z,,·ecksctzu11g
und nicl1t in der Begriffsb ildung selbst .
nter dem Ge-sicl1Lspunkt1 daß ga nz im aJlgcn1cincn aus dc111 Ziel
d er Vereinfachung da:; \iVe~c,1 der natut'\vi ·scnschaftlichen Bcgrirf~-
bildur1g zu verst el1en ist , billlet al. o d as \ rorhande11sein der deskrip-
t iven \,Vis. cnschaften keinen Ein,,,and uegen die Richtigkeit un-
serer Be0 l'iff tJ1corie. f\ ucl1 dicij.cn Bcgrirre n korr11n t , ,,·ic allen nndc.rr1 ,

neben d r 1\ llgerr1ci r1l1cit u11d Be:1Li111rntl1cit eine g,c,vi ·sc Geltung zu,
,vor111 sie d en Z\veck d er \ 'erei nfa chung errulien. Der Urtterotlliecl i:,.t
n ·u r der1 daß diese Geltu,ng keine von1 crker1nenden Subjcl{t unnbl1tingig
bes te hend e i t ,vie clie der 1 aturgc elzc. D a dies aber 11icht. die All-
ge rn einhcit betrifft, so sind cl i.e Beg riffe der deskriptiven \\ 7is~en:-c:l1a(t
von d en GereLzesbegriffpn der rkl:ircnden \:\tj .sen~cliaflen in dici.:C'r
liinsicht nicht prinzipiell vcr'Sc hlelle11; ,incl ,vir hatten kei11e V,·ra nlas-
sung, sie g esondert zu l11·ha11,lel n. 1\ueh clie Br•sc hrcibu11g. ll.il' ,,'.i r
llic:k c r t, Orell1.f.'11. 1. Autl.

D1911 11,ado por Goc,gle


-
jetzt kennc11 gelel·t1t haben, fä llt 1nil ei11er generalisierenden Begriffs-
bildt111g zusamme11 .
• o bleibt scl1ließlicb nur nocl1 die Art ' "Oll Beschreiburtg ühl'ig,
die die Re ultate der Beobachtung und Analy, e e in z e I n e r \ ' o rgfin(1 C
d arstellt oder auch 1 \\•ie man 1.u sag,cn pflegt , sich darauf be chrünkt,
T a t " a c h e n z.u l<onstatieren . Zunächst müssen \\rir verst ehen,
,,•ie eine sol,c he Besct1reibung überl1atipt 111öglich ist. Von i-elbst v er-
s teh t sich da . nicl1t, d enn ,vir haben früher gesehen, daß ohne Begriffe
eine Aufnat,mc der \1/irklicl1kcit. in unsern Geist , also Erkcrintnis, iiber-
ltaupt nicht ,tattfindcn kann. Die dem Begriff ei0 cntürnliche IJcis t,11ng,
tlic Vcreir1fachung der ar1schaulicher1 1\.1armigfaltigkcjt, cr,v.ies si(:h
at ~ ein jerl crn ,visscr1sc.:haftlichcn Denken ,vescr1tlichc~ l\lornent. Da
alles \-vissoru;chaftlichc Denken begriffliches De11ken ist, so ist es
et,vas anderes als ein Anscl1at1cn odei- ,,Voi-sLellc11'' d er ,vil'l{tichkeit.
\iVcnn 11ut1 aber auch aus diesem Grunde jede Be cl1reibu11g zu einer
Vereinfachu11g d er \\' irkJichkeit führt, o ka11i1 d ocl1 andererseits aucl1
rlcr \ 'er uch gen1a.cht ,verden, die durch die elementaren \Vortbedeu-
lunge11 entstehende \ ' ereinfacl1ung eir1zus.ch1"'ä.11ken t1nd so,~·eit ,vie mög-
lich ,vied.er au fzttheben. Das ge~chiel,t dann dad11rch, claß man,
,,·ie ,vir e eben falls schon einmal andet1leten, durch eine bestimmte
K o m b i n a t i o n von allgemeinen Wortbcdet1t,u ngcndazu auffordo1t 1
an die ~lannigfaltigk •it einzelner ,virklicher Anschauungen zu de11kc11t
und ·cJbsLvcrst il ndlicl1 ist eine solcl1e Beschreibung d es Eir1zel11cn auch
dt1rchaus nicht ,ver tlos. Jai vielleicht. ,vird mancher g,e11cigt sein,
den Attsdruck Besch reibung nur für ,ei ne Darstellung dieser A.rt zu
ver,\'enden. Doch muß man sich dann da rü l,er kla r ,,,errl cn , <"l aß in
clie er Bedcutt1ng d er ;\ tisd ruck ,, Besc hreib\1ng'' li.eine Bezei,chnu ng
für eirte natur,vi s~en. charLliche Begriffsbildung sein kann , oder gc-
nauer1 daß in derarLigcn Bescl1reibungen die atur"''i ~ en ' cha ft nie-
m als ihret1 .1\ b s c h l 11 ß findet. Dos, ,,·as durch sie geleistet ,,,ird
kann vie!n1chr nur als Vorarbeit einer erl{lä rendcn oder aucl1 eine r
d~ k.r.iptiven Natunvi~semcltnft gelten . E s ,,•ird durcl1 wie talsächli-
clics .:\ia.tcrjaJ gcsamrn elt, c.Ja dann päter einet· ,vcilere11 ,,·i. ;~en"Cltl:lrt-
lichen Bcarbeitur1g unterzog •n ,,,erd cn ·oII. Ja, ,vi r n1ü~r;c·n noch
\,·eitcr gche ri. Auch dieses t.alsäcll liche ~f a~rial inuß i 1111n "r Sl!hon
unter ein •m br.sLin1mten Gcsicht.spunkt gcsarn1nclt ,,·crde11, denn es
ist. 11ic111al 111öglich, ,\ll cs au ei11er c irlzclncn an~cltt\ulicll g<->gebcrtcn
)[a11nigtal tigl<ci't zu besc111·1~ibe11. ,"' elb:;t die led iglicl1 nls \ t ora rl>ei t,
fiir ,vcilcrc ,,·i:-<.sc115cliuflliche B,~griffsbildinig i11 BeLracl-1t 1iJJ1nrncr1de

D191, h,ado por Google


- 115 -

Beschreibun g ge bt unter allen Umstä nden darauf aus, d ie Wirkljcl1-


keit zu vereinfachen . ~lag s ie, bei der Beobachtung d es Einzelnen
auch noclt ~o viel zt1m ausdrilcklicheo Bo\vußt...::cin bringen, das der
praktis.cl1c i\i en..-;ch cles l ,ebens an den Dincren imrrter übersieht, und, das
nur für die tlieoreti ·ehe \<Vissen chaft Interesse hat , so kann il1r Be-
. treben doch n ie auf dio Darstellung der ge a11,ten an cJ1aulic~1en
NlannigCal ligkeil gericht et sein. Eine unüber'•e hbare Fi.ille v ,0 11 der
A11schat1u ng ~\· ird vielmehr auch 'bei gena ue ter Beobachtung d1,rch die
vo llko1111nenslen Lec hnischen ~liltel von der Besch reibttng als un,ve e11l-
Jich· bei Seile gela ·sen . . o ,vird z. B . eine noch :o ge1-1au.e Be-
schreibu ng einzelner 'fiere oder Pfla nzen doch stets nu.r J\,[er1<male
liefern für die verschiederlen Arten und Gattu11gen der Tier- oder
PfJa 11zenkla . en , und auch sie llat also in der Natur\,·i ·senschaft nur
die Bild ung voll all.ge111ei11en Bcgriffc11 zurn Ziel. Wenn \vir d;1s tibcr-
scl1cr1, RO liegt es d aran , <laO in d en d e kript.iven \'' i~·c1ischaftc11 zu
'

rJem reiu r1 atu1"\\•is e11sc ha flli,c hen In.te1·e::-se bis\\reilen ein li th eLi ches
Interesse a 11 d er a11schauJiclicn ~fa rinigfalt igkeit d,er Dinge tritt,
und d a ß d atlll un"villkürl jcb die 11al'ur11\'issenscl1 a rtliche Bc~chreibung
in eine 11icht n1ehr rein ,vis. enscl1aftliclte Scl1ildcrung der anscliau-
lichen intensiven J\la nnigfaltigkeit über gel1t . Sehr feine Ben1erkungen
fi11dcn \\·ir bei K. '.\1öbi1.1s über clicse , ,äi;thetische Bctrach tung cler
'l'iere" 1. ,,\Ve11n Zoologe11", sagt er, ,1ihren Scl1riftcn Abbildungen
bei[ügen , gelien. sie . . .. . .. über di~ Gtc11zer1 der begrifflich erkenn-
und d ars tellba re11 Ge etze der tieriscl1er1 1 at ur hinau:: i i11 d ai; Gebiet
d e. äs th etisch an:;<·l1nt1li cl1en l ndividuellc11'' . Die Eir1mischen alo-
gischer )lomen te i11 die ,,ris ' enscl1aftdarf un~ die logj, ehe t ruktu r der
bcsch reibcr1den Begriffsbildungen nicht, VPrhü llen.
[n der .atu r,, is ·cnschaft ,vn ndcln wir irnmcr , a uch c.J urch das
F est sLellen von ,/rat achen .. , d ie \,\firkliclt keit u1r1. E s ergib t ~ich daraus,
\Vie ,ycriig 1n.i t der l1e11te so belieb t,ert B >hattpt11ng gci-agt, ist , d ie Na-
t u1,vis~c11·chart llabe e iiberhaupt nur· n1it l ' atsacl1en zu tun . Die Lo-
•1ik muß gegenüber solchen Schlag"vortcn der \visscn:5cha ftli ·l1e11
~tod e sich in1n1er ga111. be~ond ers rn iOt.ra11isch verhalte11. J e öfter ~ie
gebrauct1t ,verclcn, ti rn so ,vcniger haben sie 1r1ci ·t zt&bcueuLen . Ebenso
,vie dns \>Vorl Bcscl1rcibung ,vird bes.onder · clas \Vort 1'aL~nche 11icht
selten d azu be11utzt, Problc1r1c zu ,rerdcclcen ut1d zt1 ignoriP-re111 anstatt
zur Aurt1cllung der ,vis enscl1;'lft liclien ~·fethod e zu dic r1en . No<' h in,
--·---- -
1 ~fclt h . u. nnturY,L„s . ~til l . a . d . Si tz u nJ:!:,;Lericlll en <l . k öniµ- 1. 1,rc u ß , ,\ k a •
d•·r11 ic d . \ \ "isi1. 1.1 t Be rlin . 1895, lX, , . 458.
C, •

ü1g1taltzado por Goog e


116

cincrn ande111 Zusan1mer1hange läßt sic l1 zeigen , daO eine 1 ,'I'atsache''


d urchaus 11icht el\\'as so Ei11facl,es ist , ,,,e n1an 1neint. Erst als l{ o n-
s t a t i e r l e Tatsache ,,·irrl sie t.h coret isch re levant, u nd in il1rcr
Konstatierung steckt, , vcil es sicl1 dabei irn·m er ,im ei r1 Urteil , a lso
attcl1 um <lie Anetkenn111,g cir1rr über d et1 individ 11e llen Be,vuß•L-~eins~
inl1alt hin nuS\,·ci 'C1tdcn 11 -rteilsnot"·enfligkeit" llaudelt. cir1 erkcnnt-
n i theoretisc hes od er, ,venn man '" ill,, e i11 metaphysi~c he::, Problerr1 1 .
Hier cr·scheinen die "f' at„acllen und ihre B •schreib ung volleltds pro-
blematisch. Verste ht man u11Ler· einer Ta t .. ache eir1en einzel11en ,,·irk-
lic t1en an:,chau licli n ' ' organg, . o, kann n1an • ngcn , daß rtir 1'atsache11,
~ o ,vie sie sin<J, in d en Begriffen d er N atur,visse11.scl1aft keir1 I:>latz ist.
V erlang t n1an 1 daß eine natttr~·issenschaftliche Be c l1reibung ,·on Tat-
s acl1en a 11es das geben soll ,,•as v.~ir sehen, hören \J:,'"' ·, :-10 '"ird
man sagen mü· sen, da ß ,vir mit natur,vi ·.s-eni.c haff.Jichen Beg,r iffeJ1
,,1'atsachen" gar nicl1t bescbreiLer1 l{öor1en . '.\1an darf nicht 111einc11,
daß n1an in einer nalur,vi sensclla ft.lichen UnLersucl1ung imstancle sei ,
st.att. mit ab t1·aktcn Begriffen 1nit ·r atsacl1en z,1 arbeiten, die et,vas
von den Begriffen prinzipiell , 1erscl1ieclenc•- \Vä ren . J a , sogar der· Sat z 1
d aß die Un ter. uchung st.att mit .t\ bs traktion en 1njt dc,n un1n iLLelbar
Vorgefund enen a n f a n g c n soll e, v e rlnngt st reng genommen et\\·ns
Unmögliches. Nur gc\,·i se Arte11 von Begriff. bildungen kann nlar1 ver-
meiden wollen , aber rr1il a llgomei11en Begriffen 111uO n1a11 c:lic natur-
\\1is:5cnscliaftlicbe .'\ rbcit. immer scl1on b e g i ti Jl e n, auch \,·enn ihr
Ziel nur ei11e l{Ja~sifikaLio11 einer begtenzte11 ~1an11igfalLigli:ciL is L.
Dazt1 ko1nmt noch, et,,·as anderes . \\7enn d.ie. Bescl11,cibung de~
Einzelnen in der Natu r,visscnsc haft nu t· als \ iorarhei t er1t\,·etler für eine
Erkläru ng oder fü r ein•e K las~ifikitlion z.u gelten t1at, so gehLat1cl1 schon
der Bl'griff im erste11 SLadiu,n, <l .l1. die un,vil lkürlicl1 chLijtar1{lcr1e\\l ort.bc-
dcuLung, sobald ie in eitler B esc brcibu r1g logi„cli ver,,·crlcl ,,·ird , darat1r
au , Zusar111ne11 gehörige s zu umfa.:sert. l n seiner prirniLivs t;en For111
also, al~ Be t~1n(lteil cles cj11ra.clisl..en augdrücl<lict1 v ollzogc11.en n atur-
w i.sser\sc hatllichen Urtei ls, da~ nur eirie Tats ache konslatiert, gibt der
naLur,\·is 'CJ1Scl1uftlichc B<'griff nicht n11 r die zum rteilcn ülJcrh.auJ>t
not\vendige prinlitive l{la::-sifil<otion, . onclcrn e r n1trß 1 al~ Vor}Jercitu11g
z u eir1;cr irl d ,c1n angcgcber1en Sinr1c g ü l t. i g c 1 l(l as~ifil{at.ion, fast
i1nrner sc hon 1r1it R ü•:l~?:-icht auf e it1e ,,'l'hcorie'' gc!bi ldet ,.,.·erd ('t1.
Dann aber c11thä lt. er a1_1('I, scho11 in. djc~ern 'tncl iuan itt1plir i Le 1 1 Gel tu11"'" ,
und lllcl tt \\'ird dah er !-lagert diirfcrt, fiaß .i.t1r h i11 d e r1 ßpg riffctt scl101l

0191 lt ado por Goog e


117 -
ein t; rtcilsgel1alt, sLeckt, ir1 {lcneil es noch nicltL ein111aJ zu einer au~d rück-
licl1en „prädikaLivenu Zerlegung ihres l11haJtc · gekommen ist , die also
11och nich.t in1nal die iiLißer e F orn1 eines Urteils gewonnen haben .
Das l1orncnt der Geltung i Lrnitl1in auch von clen primi tivste11 Begri(fer1
nic}ht loszulösen, fa ll:; sie in einem natun,•issensc ha ftJichen Zusn11lme11-
liange v,o rkorr1men.
Nicht anders t eht es schließlich tnit der BesLi1nu1theit. Auch die
elementaren \.Vortbed eutungcn müssen, ,venn .ic logisch venverwt
,,·erden, Be tinlmtl1eit l1aben . Denn \vir 11er1ncn ja ciie \\>'orthcdou-
Lunge11 nt1r dann Begriffe, ,.,•,eon eine logisel1e , 1er,-.,cn<lung u1ö-glich ist.
J)iese Venvcndung aber \\'ilrde in keinem F alle m öglicl1 . ein , ,venn c)ic
Unbest.irnmtl1 eit der \\'o rtbedcuLunge11 grenzenlos \väre. So =,el1en ,,·ir,
daß j e d c r Begriff der Na tur,visse1tsehaft, im er ,te,1 t\nsat.z chon
a J .1 e s das enthält, '"' a. icl1 in d en natur,vi~- e11schaft}ichen Ge- etze~-
begrirren a11sdr11cklicl1 c11tfaltet, d . h•. dor natur,vis~c11scl1aftLi~hc
BcgrifF ist stets oicl1t nur erripirisch allg ,nein sn11tlcrn ~ucht sicJ1 aucti
d er .B c ·ti1nr11th,cit und Geltt1Dg in1 rner ,,·enig ter1s an z u n ä he r 11.
Da 11un olin.e B·egrir(e ei n natur,,·is en schaftJjcJie~ Denkett überh aupt
nicht n1öglic;l1 i ·t, o i_1, es nicn1als altf ein Abbil,J der \\1irl<.lichkeit
so ndern immer at.1f ein Erfas$Cn a llg,er11cin. gü ltiger ·rtcile gcricl1tcL.
Das; bloße Fakt.urri, o ntci11t 1nari ,vol,l, soll der Begriff v·c rtreter1, und
1r1a 11 stellt d.uru1d er N a lut ,,·issensc l1att, die Aufgttbc, 17akta zu be eh rei-
betl. Aber d as einzel ne F al<t.u1111 gehl als solches, ,~·ie ,vir gesehen ha-
ben, auch in d i e 11atunvi~:;cn:chaflliche11 rtci le, die nur 1'nt . ~chen
konsta tieren, gar nic ht ein. Es gi.l t ,1.ieh11elir fiir die l .ogil< der Nalur-
,vissens ·haften da~ \Vort.: 11 Das l[öcl1ste ,vüre zu bcgrcifer1. da ß a lles
.r'al<tische schor1 ·r heorie is(," . Da ß bei Goethe, der aucl, ir1 d er \\l'i~sen-
scl1afL Künstler ,var u11d dalier überall sich an die Anscliauung Ztl hi,1-
Len such te, dieser S,1tz einen anderen, ja gerad ezu den ttn1gckehrLen
Sinn haben soll, darf uns nicht hindern, ihn ir1 dic:$em Zu~amme11l1ange
zu ver,\le11d<.'n. Dcn.r1 es il,t kei11 Zufall. daß er tleu1 \ \ ',Jrt.lat1t nacl1 a11ch
ZllJil Ausdruck ei11er l\Jeinttn.g gebrauclil ,\·erden ku nn, die GoetJ1c,

ü.b rigens aus nicht irnn,er ,,nnz ge,vürdigt.en Gründt•n, nu drü klicl1
beltä rnp-tte. Der künstlerisc he oder , ,vie "''·ir n11cl1 sage11 dürfcu 1 d c1·
,,gric,·l1iscl1c" ~[eafl-ch iibcrlia uJ)l konnte r11<'ineo, ,ioß (lie ,.; fJ1eorie''
s,;hon in dertl slcck.L ,va er ie ht. Der u1odt\rne ,,·is:senscl1:1ftliche
~-Jen~ch 111u O · icl1 dar(lber l<lar \Vercler1, <loß J er G,•l,1nlL d er Erkc11nlnis
~ich z,,·ar au,( . iclitbarcs bezieht, i-r: lb:;t, nll<'r volllion11ne11 „ unsicht-

ü1grtaltzado por Goog e


- 118 -
ba,r'' i:;t . Nicl1L ob rr1a 11 ie sehen oder l1ör(~ n kon11, sonclcrr1 oh . ie gil'L,
ist daH für die Erkenntnis 11\a ß,,eb cnlte.
1-Jiermit k önnen '"~ir die Untersuchung über die begriffliche Er-
kenntni::. der l(örper\,·elt ab, c hlie Oen. Was für unsere z,,·eckc not-
,ver.tdig ,var, haben ,vir gezeigt. \1/ir erinnern uns, iJ1 ,velc hetn Zt1sa rnmcn-
hange ,,·ir die~" E rörterungen angestell t haben . \\·1 r ,,·ollen die G r e n-
z e n der natun,·i. s<'nRc haftlic hcn B eP'riffshildung l{cnnen lernen , u111
daraus da \'' e~en d e r \,rj sc11scl\a lle11 zt1 vet':'ltehen, die , 1on der J.ogik
bisl'1er zu ,ve11ig b erüc ksic htigt ,,·ord en ::.inc_i , d . h . die Einseitigkeit df'r
natun\'i.--sen chafllichen Logik ti chen ,,~ir Zll übenvintlen. \\'t il aber
die Loaik F-iclt ih.rer Eins.eiligk,e it nur ·eilen bo,vußt ist, o konn ten
,vir ihr auct1 für den natunvisscnschaftlic hcn B griff nicht ollne \1/eite~
rcs allgemein arlerkattnte ~'ätze e11tt1eh111e11 ur1d ,nu{JLen dnl1,cr zunüchsL
einrna l da \\'esen d es natur,vissenscha ftlic lten Bcgriffe,s selb:-t ,,·c11ig-
s tens nach ein er citc hin , die mit seiner Eigen~c haft a l:- l\'f iLtel zur Ver-
einfa:chtJng d er W.irklichkeil zu amrne nhä ngt 1 ken11cn lernc11 . \Vir
t1abc1l auc h i11 dieser 11ur \·orbereilendctt (.j tll,crsucl1,u rig ein nnhercs
Bi11gehen auf Eir1zelt1eiLcn und ei11e ausrotu·Jichere Dar:;tcllung nicl1t
ge cheut, denn je gründlicher ,\,ir das \V e ~ e n der natur,vissc,1schafL-
lichen Begriffsbildung nac h liie:-er eir1en eile hin ,,ers te hen, t im so
leicht.er ,verdc11 wir ihre G r c n z e n fcstzuslcllcn irnstn11de sein .
E~ \Väre 1tun rt1öglich, von hier aus ~og lcicl1 zur i.\ ufzeigung die t·
Grenzen über:&ugehen. Ja, \\1iede·rholt ,h abe11 \\'lr der1 Pun kt, auf den
es dabei ankon1n1t, bereits n11gedeutet. C eherall , ~o kortnlcn ,,·ir ~eige11.
ge ht d ie ·atu r,vi sscnsc ha ft, mag ~ie die Dinge erklä ren oder be chrc i-
ben ,vollen, auf das Allgemeine, u11cl ihre gc~a.mte Begrirfsbild ung ist
von d icscr gc11crt1li~ic rcndcn T c11tlcnz b,e hcrrscl,1t . Subu ld da · Be or1d •rc
oder das Individuelle al8 solches Gegcnslan<l des ,vii;i;e11s,·haft lir hen
I11tcressc~ ,,·ird , is l mit ih ren Begriffen nttr ,ven ig an zt1fa ngen. Scho11
in sei11er ur~prüngliehe11 Form kon1n1t der naLu,l'\\'i:.sensch:iftliehc
BegriC( an clie Einzeldinge in ihrer l11cli,, i1l,1 nfilä l nicl1l ltcrar1 1 11nci, je
vollkommen er er ausgebildet ,,·iru, dc:-lo ,,·eite1· en lfe1·11l e r sieh von
ih1lcn, u1.n irn,rncr Al lgen1cin,ercs uud ,, eni~cr I n(l i·vi(Iurll e~ iu u1l1 ra ~~e11.
D ocl, bevor ,,·ir djescn Ge<la11ltcn ,,.<"i Lr r fiihrcn , n1ii~i-(~n ,vir 110 ·h
eine andere Frage bea11t,vorlen .

ü1g1taltzado por Goog e


l 19 •

'

Z ,v e i t c s i{ a p i L e 1.

Na tt11· und Geist.


„Nl\tume leg@11 et, re1Zula11 sunt, ublq,ue et
!lernper c:i.e.d11ru, 11tq11e 11deo 11n11 e&demque et l11n1
debet ellSe rtltlo rerun1 q uaJlumoum41ue na-
turam loteUigendl.' '
Splnoza.

Wir haben t1ns bi l1er bei der Kl arlegung de. \Ve$et1 der na lur-
\\1isse11scha ftliche11 Begriffsbildung absicl1t)jclt auf jhrc Bedeutung
f Or die Erken.ntn.is der körperlichen Di11ge u11d V org:Jnge be~cllränkt,
d . h. wir haben , dem in der E inteilung ent,vickelten PJa.n,e ent.sprecl1end 1

die Ausdrucks,veü;e akzeptiert, nach der unter lnttir nur clie phy i:;r.he
Welt zu "'erstehen .IBt. Die behandelte J\,{ethode des Bogreifc11~ i t zuerst
bei der ,visscnsc l1aftlichen Bea rbeit11ng von. Körper11 au gebildet
,vorden und liell sicl1 dal1er au,cl1 arn leicbtesler1 verst el1e111 ,,,cnn sie
zunäcl1st nur mjt R,ücksicht f1ieraur logisch ent,\'ic•kelt \.V urde. ·Nachderr1
dies ge~chehen ist, inüssen \Vtr u nsere Betrachttlng erweitern. Da \vjr
die Grenzen dc1· natur,vi ~e11s.chaftlict1cn B egriffsbildung kennen ler-
nen, d . b. Ce tstellen wollen , bei ,-.,elcl1er ArL von ,vissc11scha(tlichcr
Arbeit sie nicht ango,\1 cndct ,vcrd cn kan11 1 isl es u11sere Aufgnhe,
zu untersuct1cn 1 ob da · l\,f. a t e r i a l, 1nit denen e~5 andere etnpirisc ho 1•
\VissenschafLe11 zu tun l1aben, E igentiin1licl1keit.en auf,reist , (lie die
r\n,vendung d er nat.u r,vis enschaftlichen Bcgriff~bildur1g ausscl1ließcn
und dat1er eine a n<lere logische F o rrn der \.Visse11schaftli rhen D at·stel-
lung erfordern. Oadurcl1 ''"·ird dann ent..schietlen ,verden können, ob
e!:l ü berhauplin d ein de n empirisc hen \Vis~ensC'l1aften zugä ngliche n ~laLc-
rial s a c h I i c h c Untcr:)chicdc von 'Olcl1e r Art gibt, daß sie eiJlel'

logisc!1e11 Gliederung der , v i.ssenschaftcrr zugru11de zt1 1ege11 sind.
Die Frage, mit wel<;l1em Rechte noc h arid rc Gcgenstär,dc ab;
l(örJ}er für die empiriscl1c \Vis::sonsc haft als gegeben behauptet \vctden,
übcrgellen ,vjr lli.e r. Die An ~jcf1L, di e kejn atLderes als körpcrlic.hes
Sein anerkennen \\' ill , hat nttr n oc h ,,·enigc ernAthnfte Ve rtreter , und
eine Auseinandcf'setzung n1it ihr dü rr n \,·ir liier u1r1 so ,nehr tant.er-

0191 lt ado por Goog e


- 120

ll\$'Cn, als au ch der )lateriali:;t. durch eine metaphy~iscl1en Ueber1.e11-


gungen nicl\t gehindel't ,,•erder1 lca11r1, 11nsern ,veit ren UnLersuchungcr1
zuzuslirn111en. Die Problc1ne, die in diesem l(a pitcl behandelt ,.,·erden,
existieren für ihn überha upL nicllt1 d c1111 falls er R echt hat, ist von vorn-
heteit1 klar, daß die Grenzen für die natunvi scnscl1nfUicl1c Begri ffs-
bildung nicht in dem \Vo5icn irgend ,vclchcr besond eren Gegen stände
d er Untersuch 11ng b-estcl1en un d das allgemcinst.c Prinzip für die Eir1-
Leilu11g d er Wi 'sctlschaftcn nicht in eil1crh sach licher1 ntersc},iede des
"·issenscJ1afllicl1en lVfaterials liegen kann. Dies allein aber ,vollen \.Vir
in diesen, Ka pitel r1uch,,·ei en . E in l\f aterialist kar1r\ at o diese Aus-
führungor1 überschlagen t111d ·ogleich zt1m dritten Kapitel übergel,cn.
\Velchcs is t nun d as andere ~·l ato1·ial d er en1pirisch.er1 \Vi enscl,af-
Len, dru für uns noch in Frage kom1nt? \\•'en n überl1aupt außer der
l\örper,,·ell eL\l\·as als exisLiere1ld anerliar111t \\'ird, so ist es d as , ,vas r11an
als s e e I i s c h e s oder " e i s t i g e Sein zu hezeicl1nen pflegt.
Seele und Geist, ebenso "'~ie ecliscl1 un d geistig, \vollen ,,·ir zunäcl1st,
,vie es heute vielfacl1 üblich ist , als gleichbe.deuter1d gebrauchen.
E ,,,erde.u z,"·ar die Wörter Gei t und geis tig auch in eii1em anderen
Sinne ange"''endet, de1· sich mit dem von Seele und seelisch nicht
decl<t, j a, es könn er1 die beid,en Begriffe geradezt1 in einen Gegensatz
z11eir1&11der l rcten. Dovor1 jedoc h sehen ,vir für:; EN-te ab, da keine
E illigkeit dc.1r(lber hcrr~<"h t ,, as ur1ter 11 Geist'' zu verstehen ist, \Ve1w es
nicht, so viel ,vic sceli:;chc,:-t ocl er psycl1i. cl1es Leben becleut.et. \Vir ..,.et1.en
f„rner vorau 1 <.l aß ,nitdcr Zweiteilung in körperliches t1nd gf'i5tig(~ ~ oder
physi:;cl1c~ u111.d p ychigc he Ge ·cl1ellen die IlealitäL, die den emJ)iriscl1cn
\\' i)';scnschit!Len zugii1t~lic h is,t, erscl1öpft seir1 soll, unu dah er Alle aJs
~eclisctt r,der l{Cislig bc1.eichnet ,vird, ,vas nicht l{ö rper ist , sn,veit
e::; Obcrha,upL zur cn1pirischen \ VirklichkeiL gehört. •·n1-1erc Frago kann
demnach n tlr laute11, ob, unrl ,vic ,veit, beider Erforscl1ung de· sccJisclicn
ode1· geis Lige11 L cbcn:s cJie:-clbc Art der ß cgrifCsbildung gestaltet ist
,vi" bei der Erfor--c l1u11g der· J(örper, d. h. der sachlicl1e G.ege11i;at~.
dessen logisr l1e 8 ('d cul,l1ng uns in1 Folgenden beschä fLigen \Vi rd, ist
der von . a t. ll r t1nd G e i s t.
Die„er Gegensatz 1r1,1f3 8UCl1 d1~sha lb für uns i11 BeLracl1t:, korn1r1cn,
,\·eil \\"ir die Grenzei, d er natur,\'issc11sc1tarllichen B cgl'i(f.)bildung
n1itd er Ah~ic ht, re. k t cll(•11 , cinf" Ein .ichl.. in d as \ Vc~en d er g es c hi c h l-
J i c h e n \ \'ii-sc11::;r haru,11 zu gc\,·1u 11e11. Die 1ncis le11 hist orisch eo
Diszipli11cr1 ha bc11 s, ,,·<·nig ·tens v or,vi egcnJ , ,n1jL psyc: hiS-che11 Vorgän-
gcr1 zu tt1n 1 und ,vr ru i Hbcrl1aupt ein prinzipieller l : nleri;chicd Z\viscl1cn

ürg,t~hzado por Goog e


- 121 -
Natur,vissenscl1.a ft und Ge chicl1le ar1erka11nt ,vird, so rnacl1t inan aJs
Grund für die Not,ve11digkeit einer be onderen historisctlen Metl1ode
1neist. den Ums tand geltend, daß die Gesc.hichte eine Geistes\-vissen-
schafl sei. Dabei ,vird dann freilich unter Gei t durchaus nicht irnmer
da selbe wie das seeli ehe Leben verstar1de11 1 sondern es herrscl1t. oft
über das V-e rhältnis d er heido11 Begriffe zu einander eine große Un-
klarheit.. Grade des halb aber r11üs en wir uns vorläufig auf die Frage
nac h der B ed e utung de ~ p ychisc hen Lebens für die I\1lethode der
Begriffsbildung bescl1ränken. Is t ali,o d er mstand , daß die Gc:,chichtc
seelische Vorgi,nge bet1andelt 1 entscheidend fü r clie logische Struktur

ihrer Darstcllu11g. u11d ist dah.er das Vorar1st,elle11 dieses ·mst.andes d er
ricl1tige \1/eg, urn eine Einsicht in das logische \1/e~en der his torisc}1en
Begriff bildung zu ge,vinnen? Diese Frage läßt sich nt1r ent.-;cheid.en,
,venn ,vir \\'lsscn, in ,velcl1cn1 '/ erhä'1tnis die naLunvissen schaftlict1c
Beg.riifsbildung zua1 geistigen od er scelisc.h en Leben Oberhaupt steht.
Setzt et,va da p. yc hische Sein der Natur,~'issen chalt eine Grenze ?
Das heißt nicht: läßt sicl1 aus l( örpcrn seeliscl1es Leilcn erklären?
i\lit diesem Problem u11d m it. de11 bei ·seiner Bet1andlu11g sicl1 eventuell
ergebenden 1.Grenzen der ·atur,vissen chafl'' ,,·ollen \Vir es ja hier
nicht 1.u tun haben. . ondern nur da int.eresRie1·t L1ns 1 ob d as ee1ische
Leben durch clieselbe Art der Begriffsbildung dargostellt ,verden kann
,vie die K örpc nvelt. Die umfns cnd ste \\' issen c haft, vom Sceli c hcn
oder Go.ist igcn ne1mt man allgcrncir1 P s y c h o I o g i e. Auf die
ps)•cltol.ogische Begriff biJdung n10ssen ,vir also un el' Auge11merk
richten.
Daß die P s)•cllologie 11ach natu1'\visser1scl1aftlicher i\lethod e be-
trieben ,verden könne ttnd müsse, ist eine heute ,veit verbreitet e :\Iei-
nung. Trotzdem d-ürfen ,,1 ir sie nicht als et,,·as Selbstvers tä ndlic hes
hinnc hn1en 1 denn es fcl1l t. daneben gerade i11 r1curst er Zeit auc }1 nicht
an Stir11111en1 die dieser An ic bt e11tscltieden e11tgege11 tI•ete1,, t1nd be-
sonders rnit Rü.ck-icht daJ'auf, daß die P ~ycl1ologic die Grundlage für
die Geisteswissenschafte111 also a r1ch für die Ge..,,chichte, ein soll, hat
man die natur,"·isscnschaftliche Bchnndlung de~ Seele1ilchen belcä111pft.
I t es wirkli cl1 d as Seele1lleben, für das diese At1sfiihr-ungcn geJLe11,
c1der \\'erden 11icl1t vieh11chr logiscl,e Besonderh eite11 1 d.ie in d en
h i t o r i s c 11 c n \Vi.s enscl,aften allerdings v orl1anden sind, mit
Unrec ht auf den Um.s tand zurückgefül1rt, d aß diese , vi~scnschaftcn
..
es mit p ychische11 Vorgängc11 zu t.un habeu ? U rn zu di eser Frage
'tellung zu nehmen, haben ,vir das geistige Leben in seinen sachlich ' n

ü1g1taltzado por Goog e


- )22

Eigentün1lichkeiten so,,·eit kennen zu lernen, a ls nol \\lendig i~t , um


zu sehen , in ,,relcl1er Hinsie ht es unter logi chen Gesichtsp unkten
in einen Gegensnt1. zur l{örpenvelt g,c btacht ,verd.en kann . \\'ir
v ersuchen also zunäcltiil, rJie Begriffe de. J> h y s i s c h e n und d es
P s y c h j s c 11 e n i11 ihrer.r1 \ 'erl1ältnis z11 einander tnit l{iicksict1t
dar~tuf zu best.irrunen. ob clas 1\1 a t e r i a I der P ychologie, das
Psychi ehe als solche , bereits e i 11e11. fili' dc11 logi che11 Gegensatz der
Begriffsbilclu1tg bedeutsarnen Untersc hied v or1 •de1r1 1'1aterial der l.XaLur-
,visscuschafton, dem. Ph y:;ischen, aulwei::.t.
1 ach,Jern ,vi r zu einer Verneinung dieser Frage gel<<11n n1en sind .
könrle11 ""it· zu eitler U11ters11ch.uog über clie b c g r i ff I i c ll e E r-
1< e n 11 t 11 i s d es Seel ,e 11 I c bell s übcrgci1e11, u11d schlicßlicl1
mü - cn ,,·ir auf GJ·u11d di e er Erörwru11gen u11 d arüb er klar ,,·erd en , ob
11nd in ,velchetTI · inne es überhaupt. n1üglich ist , 11nlcr logi~clie11 Ge-
siclit.spunkten ein.e•n Gegen a lz von G e i .; t es ,v i s e n . c h a r t u.nd
N a t, u r \V i s ,' e n s c 11 a { t, a ufzustellen. \Venn ,vir gezt>igt haben ,
daO d er s a c 11 1 i c h e Untcr:-chicd \,ron 1 atur uncl Gei L (t.ir eine um-
rn~send e logi cl1e Gliederun<• ,d er Begriffsbildung in eiert ernp.irische,1
\1/issenscliaftcn unbrauchbar ist1 ers t. dn1111 ,ve.nclcrt ,vir u1t irl\ dritten
Kapitel dein I o g i s e h e n Gegeru,atz zu, irt de.r11 Natur •UO<l Ge-
scl1ichtc zuei r1ar1der tel1en . Dies z,veile l{apilcl ha t alao itn ,,·e ·enL-
liclterl r1ur zu zeigcr1 1 ,vo die Gre11ze1.1 der na lur,vi$ enscl1a fllicl1e11 Be•
grifr · bildui1g 11 i r h t liegen. Es sind aber n ter~uch ungeo hier(lber
um so not,\'cndiger je ,nehr die An~irl1t \rerbreit.t-t i t , <laß cler Gcger1~
salz "·oo r atur unn G.-ist von prinzipiell Pr Bedeutu ng auc l1 für die
logische ~lrulctur 'd er Begrif(s hild1Jn.g :-ein rnüssc.

[.

P li y j sch t1 n 11 P y c h i s c h.
Als e~ in l B••l'i'i 11n des er ler1 l(apitül:; darauf a11l<a111 1 das )laterial

der 1• atut"\vh-~en -~haften zu c harakLcr1sierer1, bJ<auch te11 ,vir nur darauf
hinzu,vci .on, tlnß jedem eine f{örper"'·elt als ej ne in Rat1m und Zeit
au~gebrcitclr \Virl<l icltkcit von anschnul ichcn Dinger1 und \ 'orgängen
bcl<annt i$:t . Der f-Iin,,·eis au f eine solche ·1·at..':;a<'l1e reicht, ,venn es
sich urn d ie Beg1·iffsbesti1nn1ung de. cclcnlcbcn in1 GPgcn, al.1. zur
K ö rpcn\ elt, ha ndrlt , nicht, a u:;. E s läßt sielt überhuupt 11ichl oltrle
1

,vcil,cres eind t.n1 lig an.g ·Lcn, \,•o,ria t.las ~l al eri„11 clcr J"s}·cl1ulog-ic bc-
st<' ltt. Ihr(•m \\ 1 orLlnuL J1acli ,.ha ntlcJ t, tlicse \\ 'i~sc115rl1aft von d er
eele. allet von ,,.'cf.'>1 •n 14 '\'\'eiß die bet1lige f), }rchulogie, ~o \,·eit sie eir1e

D191, h,ado por Google


- 123

ernpirische \VissenschafL i-,t, nichts, denn ' eelcn sind un.:; niemal:3 in
der Art wie Körpe r tn der Erfahru.n g gegeben . Sie l<ennt viel1ncl1r nt1r
11
sogenannte .,ps.ycbis<:h.e'' oder „seclisc l1e Vorgä nge; und so iiblich
aucl1 diese Ausdr(lcke ge,"·orden sind, so müs ·cn ,vir uns doch klar
t11a chen, daß, wenn die eele etwas nbekannw i i;t, die davon abge-
leiteten \Vörtcr seelisch oder p ychisch ebentall nichts als bloße Na-

mo11 ein können, die in keiner \.Vcise den Begriff der dantnter fallen-
den Vorgänge inhalllich angeben. A,1 enarius 1 l1at. dal1er d urcl1aus
Recl1t , ,venn er sagt: nder Aus(truck psychisch ist rein ko,n ventionell ;
an sicl1 s,elbst ist er nach der Elimination der Seele nichtssagend. fl


Nun \\ is e11 ,vir z,var, falls ,•.iir u11ser Urte.il niclil irgend welchen
1

Theorien zuliebe gänzlich get..riibt haben, genau , daß wenn jemand


von einem ,,Begehren " oder von einern 1 ,Schn1erz" spricht, er damit
et.,\'as meit1t1 das nicht ein Körpct ist . \~'ir z,veifel11 fe rner ,a uel1 nict1t
daran, daß es eine Fülle von Vorgängen gibt, die ebenso ,,,ie das Begehren
od er d er Sch n1et-L sicJ1 von j edecn k.ö rperlicl1cn Vorgang io unZ\veidcu-
tiger \1/eise unterscl1eiden Jassen u11d zugleich jn1 Gegensatze zu a llen
Körpern et,,·as Gemeinsames ha ben. \1/orin aber dieses Gcn1ci11satnc
der ver~chiedenen sogenanoten psychischen Vorgä nge, und ,vorin sein
Unterschied von d em alJem körperlic he n „ ei n Ge,neinsamen bc. Leltt,
da rüllcr gcl1cn di.e ) 'leint1nger1 ,veit auseinander\ u11d jedenfalls gibt C!'.
keine von allen anerkantlte Begrifrsbestim111ung de~ P~)·<'hi chen 1

die wir einer Untcrsuc~1ung ül)er die Begrilfsbildt1ng der Psychologie


zugrunde lcge11 kö1tnle11. Auch \vir denken hier r1icht dara u1 ci11e olcl1c
Defini tion zt1 ver~uchen ; aber ,vir nro~sen aus dera a11geführten Gründ en
zu der Frage, ,va · eig entlic h da:;; Scclenlebe,n sc.i, ,,•enigslert!'.l o,,·ciL
Slellu11g ncl,llnen, al · not.\vcc1dig ist , u1t1 nacl1zu,vei-cn , <1nß g e \Vi!>,;;('
U n t e r . c h i c d e Z\Yischen phy!-li chen und psycl1i. cl1en Vorgtingen.
die eine gcmeinsnn1e ~·[othode der ,vis. enscllaft,J ir.hcn Bcl1andl1Jr1g. ins•
be ·ond ere ei11c ir:r1 logisc t1e11 i11 r1c 11alt1r,vis.i;.c rt~chaftliche ·a e-.griffs-
bildung i11 der p.., ychologie u111nöglich n1ar hen ,v1trden? rr1it nrccht
behauptet \VOrcl en sind .
[111 ,Yescnt.lichcn kö11nen ,vir u11 • dabei auf clie l<laricgu11g c i n es
cntscheidencleti t>uttl<tes beschränken. Es ·tot.zen sich närnli h die
Alisicliten von cler ntT1öglirlikcit eir:1cr natur, i~scnschaftlichc11 Psy-
hologie nicht ..,rltcn nur die Bcha uptun.g , daß das 11s}1chischc ·cir1 den1
erkennend en :'\.1hjektc u r1 111 i t l c l b a r c r gegeb •r1 • ei a l$ (lie 1,ör~
1 Bcrnerkong,· n zu rn B~gr i rr cJo:,, Gcg,•nf.l ande:1 dc,r Psychologie 1. \ 'ierl lll -
jahr--s-ehriCt fOr ,,,i.si,c . f•hiloi-ophic. Etrl. X 111, 1894 , ·. 1-11 •

D1911 11,ado por Goc,gle


- -
JJCf'\\'Clt, u11d z.,\·ar \,·i,·d cliese An icht gerade d ol't \'erLrcten, \\' O der
Gegen. al.z von Natur und Geist al l$ tnaO.gcbend fiir die Glied erung cter
\\'is$e11~cha ftet1 und für d ie Ei"entür11licl1kciten ihre r ~leth ode gilt.
ln de n ~a tur,vi~sen :,;c ha rten sind un. , . ogt z. B . Dilthey 1 , .,die Toi-
:-acl,en von oußen , dlirch ,d ie S inne, als Phllno111r.ne und einzeln ae-
gc.ben'', ,.,,ogt•gcr1 sie j11 den Gei!-tcs,vis:-cns,·~1nftcn 11 vo1t i1111 cn , ols
RealitJ:it<'Jl ur1d nJ s ein lebendige r Zuziammenh ang originoliter auf-
trete n" . A11ch clic Gcdanl{en von \-VundL bc,,•cgcn sich in eine r ;ihr1-
licllc11 Ricl1tung. Er Sit.cllt. der Natun,·isscnscliafi f]ie Aufga,b e, die
,,Objekte" zu untcrsucllen, ,,,obei ic 'v on den1 „Subjekte" z11 nt>-
strahiere11 habe, u11d meint, daß dei;J1,Llb 1 il1re Erkenn w1is\vei~e ei11e
1 •
1r1illelbare und . . . . abstra l<.t begrjffliche • ~ei. Die P sychologie
da••ege-11 l1ebe diese Ab tr~klion ,vie<IP-r attft „u111 <.Jic Erfahrung in
ihrer uru11it.telharen \:Virklicl1k,eit ztt t111tcrsuchen" . Ihre El'kentllr1is-
\ ,veise sei cletn nact1 11 im G('gc11!-al,1, Z\1 d erje nigen der Nalur,,·issen -chart
eine unn1itlclb are uncl . . . . anscl1au liche" 2 •
Es bedarf keiner At1.s.cinand crsclznng, ,:s;cshalb geraclc diese ttn<l
iih1tlicl1c A.r1s icl1te11 hier für ur1s Vf>n Beclcuturtg :;i11d. \Ver1r1 sie richtig
,,·ären , so müßLe11 ,,•ir a llcrding · ei11cn prinzipicllc•11 ntcrschicd
z\vj ·c}1cn ~atur,"·isscnschaft und Psyc hologie 111i t Hüclts ic ht a uf die
Begriff~bildt1ng 1nacl1en , d e1u1 ,-v ir haben j a zu zeigen versucht,· d:tß
eine bcgri!flicl\c Erkc.11nlnis,vcisc, die 1na11 al;; u t1 .r n i Lt c 1 b a r u 11cl
n rt . c h n t1 l i c h bczcichr1cr1 l<.aun, in den Natur,,·is ·e usch<ifl· n , •or1
cier l{örpenvelt irl der Tat 11icbL angc"•endet. \\'ird. 1s t. es, so n ,üi-sen
,vir also rragen , riclltig, d a.ß die P~yc hologie d a· See le1,lcbcn un1nit.Lel -
b ar tind an~c hatilich zu erke11rtcn hat '?
\,\lir sind " ·eiL davcln entfernt , zu le1:1gne11 1 <.l aß cJe11 AusfOhrungc11,
zu dertc11 ,vir hier Stellung z.u n ehme n haben , ein bcrccht.ig t.cr Gedanke
insofcr11 zugtuncfe .liegt, als eiite nacl1 r1at.t11,vissc11scha (Llicher ~letl1ode
b etrieb ene Ps.ych,Jlogie i11 d e r 'l'at. außcrst.unde scirt ,vürdc, uns da
ztt l~i~ttn, ,,·as \\'tr von ei11er \\'isscnsel1aft v crlangc11 111ü:,t::1cn 1 clic Grund-
lage d er h i t o r i s c lt c n Di ,:i11li·n<'l1 cira oll, ja , '"ir "voll en scll)st
0

spä ter zu zeigen suchen, ,\·a rurn ein.e nalur\\ i1':--e11scltafLlicltc J)~)·cho-
Jogie dieser Aufgabe, die 1nan il\r . tcllrn Z\ t n10t-:s · n glaubt,, durchaus
nicl1t gr,,•a-c l,scn sein lia1ln. ,i\.ber <lnmj t scheint Utts 11oc: h gnr 11ichL
1 l<ll't>l\ Obt'r el n o l,1-:,.c ltre ib.cn tle und z1•t·!{lict lcru dti P s yc hologi... Sit zung:-.•
b cr ic l,t o d t' r k c'\ n igl. prr u(Ji.;cl,rn ..\kaci eo1 ic df•r \\' i;.s. 1894, S. 181;:1. ,-\ e>hulicho
t ;,-llun·kt>rt durchziehen dil',c untl andt·rt• . \ l, haoul un,gcn Di1 t hoy::-.
2 \V o o d t , t:cbi•r t.Hu J),•finil iotl dl'1' Psycho.logil'1 1 895, f'h ilo~o pld,che
Stu;Jj1•n, l::IJ . •'\11 , ~. ll r. \ r~l. auc h: L ol-{ik, 3. ~\oft. Bd. III, :t908.

ü1g1taltzado por Goog e


- l 2fJ

he\viesen zu sein, daß das See!enleber1 als solches sicl1 der im logischen
Sinne nal unvissen c l1aftlichen Begriff bildung entzieht. E s ind viel-
mehr die Fragen nach der l\1etl1ode der Psychologie ltnd nacl1 der Be-
d eutung dieser Wissenschaften für eine Grundlegung der ,,Geistes-
\Vissenschaften'' , al o auch der Ge.schichte, sorgfältig von einander
zu lrenne11. \i\1ir 1t10ssen die Begriffsbild tt11g der J:1-syct~ologie zunäclt t
ganz oh n e Rücksicht darauf unt~rst1chen, \i,·as die~e Wisse11schaft
f(ir die sogenannten Geistes,,•is. e1\sct1aftcn 1.u lei. ten imst-ande i"l ..
ur so ,Yird sich ein unl1efang~11es Urteil (i·b cr s:ie gewinnen lassen .
und wir habe11 zu einer :solcl1en Trennung der Problernc u111- so rnehr
Vera11las ung, als die fa t. allgemein gemachte und , ,vie es scheint, ,
als sclbst,rerstäncllich geltende Vorau setzu11g, daß die Psychologie
die Grundlage f1lr clie h i s t o r i s c h e n , vissenschafte11 seir1 oll,
gerade das i t , ~·a ,vir hier in Frage stellen ,,.,.,o,)len.
Untersct,ei<let sich das psychisct,e Sein als so1cl,es ,virklicl1 in
einer für die Logfk der Begriff_bildur1g h edetttsarnen w·ei~c von der
l(örpenvelt ? Insbe.~onderc: i~t e tinmittelbarer gegeben als diese, .und
'"·ird clesl1alb dio Art ~eirtcr begrifflichen Bearbcitt1ng eine andere sein?
~r a11 ka1.1,r1 versucbcn, die Bej aht1ng dieser Frage . o zu begrü.n dcn,
daß man agt: ,,·ährend das )latcrial der Nat.unvissenschaftcn nur aus
einer Welt v on Ob j e k t e n l>esteht, die als et,vas J:!' 1•c n1dcs an das
ubjeltl herantret en, lia t es die P sl'chologic im Gegensalz da.zu 1t1it.
dem unmittelbar bekannten s. u b j e k t ·elbst z tJ tu1l. Diese E-nt-
gegen setzung von Subjekt, und Objekt. ist jcdcr1falls nicht direkt
fa. l eh, dc11r1 die Seele oder <ler I11bcgrifC ,J cr psyr•liisc;l1c.'n Vorgä nge kan11
sel1r ,vol1I irn Gegen: ·atz iu de11 körperliclier1 Objekten ein ul.>jcl~t ge~
nannt \Verde11. o richtig sie aber auclt .ein mag, so 11icht.s · agen.cl ist
sie doch zt1gleich tinler l(>gi:-;chen Ge icl1tspunkten 1 fall~ n1an 11icltt
g,1nz genau anzug<~ben vermag 1 in ,velchcr Bccletitung rnan in cJiciscn1
Zusammenl1ange die \,\'örtcr ,, ' 11bj kt.'' ttnd , 10hjekt:' gcbrat1ch t .
Die bcirl<•n Termini sirtd sehr vield eutig, unrl nicht. attf jede ihrer B.e-
d~utungcn lä ßt die Begrüud u11g cir1e3 n1ethodologischen U,1,terz1 hiedcs
in der Begriffsbild ung ~ich stiitze·n. .J a, ~ ir meine11, daß die Ans ich.tera ,
denen ,vir hi er e·n l.g1·gc1, tretcra, irr1 ,ve:e ntlicl1en a1Jf einer U11klarhcit
über clic Begrifft~ vo11 Subje k t 11ud Objekt. u11d ü ber ihr \ •erl1LilL11is zu
einaltd er beruhet\, \\' ir 1.n üssen claher: u1n über die l o g j s c h e ·1·rag-
\\•eite d~$ ang,..dcut ct ~n t rnterschiecle: Z\Visc hP-tl at ur,vi:-ser1:;chaft tltld
P s)·chologic j11s l(l are 7.\1 l{on1men , n tif d ie ve rsr hicde nen B r(i cutu ni:rcr1
d er \\lörter Sul1jckt 1ir1J Obj cl{ L et,vns nä her cingclicn.

ürg,t~hzado por Goog e


- 126 -
Daß Eröt·Lerunrren die er Art not,vendig sind, "vo es sielt nur ltJn
die Feststclhing d s l\faterials einer en1pirischen \:Vis. enscl1aft handelt,
.kancl au ffallen. 11n vorigen l{apitel haben ,vir jede erkenntnistheoreti-
sche Deutung des Seins der Körper,,1eJt abgelel1nt un.d , um unsere
Urtter~ucliut1gen rnüglichst einfach 1.u machen, an d er Vern1eidung
solcl1er Deutunae11 bisl1er absicl1tlicl1 fcstgoholl,en. VielJeie ht ,,·irrt man
schon au::; de1r1 U 111sta11de, d aß das in diei,cm Zusarnr11enho.11ge nicl1t
n1ehr mögl ich i t, cine11 prin·zipiellen U11terschied z,,,ischen aLur-
,vissenscl1aft t1nd P-ychologie !terleiLe11 ,vollen. Doch js t dabei zu-
näch t zu bedenken, daß die Ps)·chologie erst seil verl:1ällni mäßig
kurzor Zeit anfängt, sich al eine ernpirische Spe1.ial,,,.issen~chaft v on
der Pllilosophio loszulö3-Crt, tand daß m an sich daher nicl1L ,vundern
darf, ,ve11n i11 iltr phil<>so1,hi ehe ·,1nd erk.enntnistheoretischc l~lernente
noch eine größere llolle SfJielcn als in. den °"'isscn~chafLen von der •

Körper,\·olt, Iür die sich dieser Prozeß der L,oslösung ZUlTl größte11
1'eile läng· t vollzogen h::it. Darü ber. ,va~ der crnp,irisc'l1 psycl1ologi-
scl1~t1 Be}1a11dlung zugänglich, ja darüber, vvas ein ,virklicl1,or psyc.hi-
scl1er \ rorga11g ist, l1errscf1t l1011te noch große nklarl1cit. Wir selbst
m.u flten frülier dem lrrLun\ vo.rbc1Jgcn, daß (.lic ,,BcdcuLu11g'i eine.:
Wortes oder <ler logische 1 ,Gcbalt." eine · Urteil·, der von 1nehrcren
Individu en als derselbe verstanden \1tird t eine p:;ychisc he W irklicl1keit
sein könne, ,vie viele das für :-elhstvcr Lä11tllicl1 ha.llen. Psychi ~ch
sollten nt1r olche Vo1-gä11ge genannt ,verden, die in dem nicl1t-lcörper-
licl1cn Leben einzelner Individuen zeitlich ablau fen. Sons t verliert
d er Begriff einer ps}rchischen , virklichkeit jeden Sin1\. l(önntc 111an
dal1er z. B. ze.jgen, daß d,ie Bedet1tung ei11es \\'ortes und der logiscl1e
Geha lt eines rteil ocler irg nd ,velche anderen ,,un,\ irJclichen"' Sinn-
1

g cbilrJc sich nicl,t 11ach natun,·issen cl,aftlicli er n,Jcthod e behandeln


la ·e 11, so y.·äre damit üllcr die nmöglic'h keit einer nat11n\.lissenscl1aft-
li chen P s )' c h o l o g i e r1ocl1 nicht das Geringste ge agt, denn ,vir
dürfen eben die Bedeututtger1 von \.Vorte11 u11d den Gehalt v on Urteilen
nicht zu den psychi ct1en \ Virklichlcei tcn rechnen. Psychisch ind nur
die Vo rgänge, durcl1 die sie getncint od er vers tand en \Verden . Scl1o n
d~ra•t · ,vif'd klar; daß d as Gebi L tlcr e111pirischen P sychologie erst aus-
driicklicl1 abge.st.ccltt ,v,t!rd on 1nuß 1 u11tl die erk.enntni t heo retischen
Ucbcrlegungcn, die dicscrn Z,vcckc dicner1 solle.n , m ü. ·cn hier urn SO·
11nbedenkl ichor crschci nen, als sie nur e jnige törond e 111eto fJla y:1-iscl1e
Bcha1tpt11ngcn l•n•l ebcrr ·st e vera lteter Philor-;oph(!rr1e 1.u b c ciLigen
hitbcn , von denen nicht ~o :;ehr d ie rnod crn P::-yc;hologic .:--clh$t, ,vohl

D191, h,ado por Google


- 127

a ber ihre ):fe thodenle hre sich noch i111n1er 11icl1t ganz frei gemacht
hat.
Abgesehen davon können ,vir sagen, ,d aß ein p r i n z i p i e l l e r

nt.erschied in bczug a1-tf clie NoL,vendigkeil erkenntnistheoretiscl1er
Ur1tersuchungen für die P ych-o louic einerseits und die l( ö,·pen\·issen~
chafton andererseits nicht b~ tcht. 1\ uch in den l{örpcr\vissenschaflen
find en ,vir Gebiete, in de11en d er i\,Jangel an erkenntnistheoreti cheo
Ueberlegungen nicht nur die hier ziemlich harmlose ~1etaphysik des
~laterialisr11u · gedeil1en läOt, sondern eberJ.So ,vie in do1· lls ychologie
zu durcl1aus störenden und ver,virrenden n1etaphysischen Behaup-
tu.11gen führt. Dies i. L besonders dann der Fall, ,venn es . ich un1 die
letz.Len un<l abscl1ließencJen J?ragen nach de1· alJgemeincr1 Natur der
l(Orpcr,velt hand elt. o i t tin z. 8 . in Ost\vald ,, E ne rge tik" cl er
Ged a:r1ke begegnet , daß ,,,ir von rnateriellen Dingen nichts ,vüßten
·i)ndern im mer nur die Energie „ fühlten''. Diese )'leinuog \vird dort
allein en tstehen , \VO es an erkcnr1tnisthcoreti scher J(larhei'l fe hlt,
Ultd z,va r hand elt es sich d abei im we entliehen u,n dieselben Begriffe,
die a uc h \vir hier erörtern ,,·ollen, nän1li cl1 urn die Begriffe von Subj ekt
• tincl Objek.t . \Venn also sogar in den \Vi,r;senschaften von der l( ötper-
,vclL zu,veilcn erkertntnistheore tJ:icl10 lJcbcrlcgungcn unentbchrlic b
ind, damit aus der · Iatu1"\vi en schaft nicht ,vie bei Ost,,·ald eine
spiritualistische ~lctapl1)"Sik ,-vird , so darf es uns ge,viß nicht a uffal len,
, ,1em1 ,vir in Unle1 ".8uchunger1 uber das Vcrh ä ltni des Psycl1ischcn zum
Physi:..chen nicht ohne sie a\Jsko111men ltör111e11..
Endlich, ur1d <lies ist. das \Vicht,igstc, ,vird sich ercreben, daß aucl1
der Begrifr der l{örper,velt nur so .la11.ge selhsLverstär1dlic h u11d ein-
d eutig ist , als man. sein \ 'crl1ältnis zu1n Begriffe de S ee'le nlebe.r1s nicht
berücksicl1tigl, daß dagcgc11 1 sobald dies geschiel1l, d n körperlic he
'"'ein nich t selten mit Eige11 ·cl1afte11 ausgc tatt.e t. ,vird , von de11~r1 die
empirischen \Vj senscl1a (ten .ni chts ,,·i sen. \ Vir werden uns im fo l-
genden d::i lier ebenso berr1ühen rniissen , d en Brgrirf der Körpen\'elt vor
fa ~chcr1 AtJrfassur1gcn zu scltülzec1 ,,,ic dcr1 des cclenlcbens (lavon frei
zu halten, j a, es ,vird die ers te Aufgabe ogar die sch·,vierigerc ·ein.
So, ehen \vi-r, bestcl1t ei11 ,,resen.t licher Unterschied z\,.'ischen ·atu.r -
,vis;:;cnscha ft t1nd fJsyc holog ie mjt R ücks icht auf ih.r Verhä ltnis 1.ur Er-
ken11Lr1istheorie in keiner \cVeise. Da ß wir die erkcnntni theoreti ~chcn
Ueb erlcgttrtgcn ir11 er · t e11 Kapitel er1thehrerl ko11nl cn , lag nur d a ra n ,
daß \,•ir gar nicht an das erhalt11is der l{örJ)er,vC'IL zu111 • ecle11lcbe11
zu clonken bra 11c hten .

D1911 11,ado por Goc,gle


- 128

Bei einer I{la.rlcgung der vcrschicden.en Bedeutungen, die d ic \i\' orte


Subjekt. und Ohj<'!kt haben , acl1ten ,vir n·un ,•or aJlcm auf drei Begriffs-
paare, dere11 Vcr,,•echslung n1itcina.oder scl,or1 in vielc11 Fällen die Quelle
zal1lrcicl1e1· Irrtümer ge,vorden ist 1 . ' ubjekt wird, erstens d er b e-
e e l l e I< ö r p e 1· g nannt im Gegen. otz Z-U der ihn r ä um l i c 11
u1ngebenden Auß n,velt. Fernei· kann das Wort die See l e a 11ei n
bez.eicl,nen ir.-1 Gegensatz zt1 d e.m Körper, zt1 detn sie gehört. Und
dritten nennt man c?1dlich · ubjckt auct, doi; B e u O t · c i n, ,v
d ns bei I<ant ali' ,,Be,vußtsein überl1nt1pL" oder .a ls 11 transzendent.alc
1
Apperzcptir>n' in erkc11ntni .t hcoretist> hcn1 Z1.1sarnmonhang eine Rolle
s pielt, das Be,vußtsci11 1 das tiie gani,e 11 ir111uatteote", körperlicl,e und
seelische \.Vell. un1faßl, und zu derrtdann Objekte, die 1 ,nicl1t b ewuJJt"
in1 Sinn,e V·OJl ,,transzendent'' sind, i11 Gegensatz gcbracl1t wcrde11.

\Velcl1er djeser d rei Subjektbegriffe darf r11it den1 l\fnteria l d er e111pi-


rischen Psycholog ie, d. h. den 1 ,p~)1chi s ·l1 cn' ' o rgfi ngcn gleichgesetzt
\\·erd en·?
.D aß cler he.seelte l(örper nichL da ' ubjekt s •in ltann, das G<;gcr1-
sl:,aud der .P S} cl1ologic is t , s.ol.lto sicl1 eigcntlicli v o11 selbst verstehen.
1

und die Aus.scheidung diese.-. Suhjcktbcg1·iffes \vird jedenfalls keine


prinzipiellen ch,vierigkcitcr1 1t1achen. 'l' rolzd ern müssen ,vir auct1 auf
den Geg,ensatz, itl dem der beseelte Körper zu der ihn rä u111lich urr1ge-
benden Außen\\·elt lel1l.l rnit ein paar Worten e-i11gel1e11, c.ie11n auch
er spielt in den Bcgriffsbe. tiron1ttngc11 de- Psychischen eine nich.t
tln\vc:icntliche f-loJlc. NjchLim111eri t,man sicl1 närn licl1darüberkl::i.r , daß
in eir1cr c111piri c h(!n '\Vissea:chaft d as \ Vort. c~lc n,1r als zusan1rncn-
fassend er Na111e für c.lic p~ye hischc11 Vorgiinge gchr:1ucht \Verden (larf.
E s ,vird ·vicln1c hr die Seele nicl1t sclLcr1 als ein Ding gedacht, da ~ ie 1

ein 1( örpl'.'r ci11c11 besti1l1n1lcn Ort irrl ~tau111e oi11nin1mt, uncl z,var soll
si,e sich j n n e r h a I b des l{örpe rs l1cfinde11, der fiir be eelt gilt.
Im Gcgeu atz zu ei11cr r ä u m l i. c l1 c n Seele kann man dann di e den
hc~ccllen J( örper u111rrebenden Di 11i;c clie tl ß e n ,v c l t, nennen ,
und z,1 il1r 11::iliirli c}1 a uc!1 die frem.clen bP- ~ecltcn l(ö,r pcr zä lilen. Da
r1u11 rcru cr ahe1· cl<'r eigene J{örpel' \ '01n örllichrr1 ... ta11di:;n1nkte fren1cler
eelcr1 ebc11f.al h, als 11 \J ßcn,,·clL" ztt beLrachl,r-n ist, c> über·lrägL gich
der i'i.a1nc AuUen,"'·elt sc hließlich auf a 1 1 c l( örpcr ·ü bcrh.\t1pt. l) ic
• ecle11 a ll <.·i11 blei ber1 un Ler <licscr , .ora1.1 ssclzu11g ir11 Gc""e.r1sa tzc zur
Au ßc n,,·elt J a · uinnerc' , und <lic Bezeich11u11g d es ·.eel ·r1lebc11s
al~ der I n n e n ,v c J t ge,,·it111t so cir1c11 g ute1t , ir111 . .I-f cuic jcllocl1 h~L

ü1g1taltzado por Goog e


- 129

es die empiri. ehe Psychologie a.t1fgcgebe11, von einem eelending zu


reden, das in,1erl1alb des I{örpers existiert., und damit ist in1p)icitc
att gescl1lo sen, daß \\'ir da P )'Chiscbc rä ut1l licl1 an einen bcstirnrnte11
Ort i11nerhalb eines Raumteiles v erlegen. Die Voraussetzu.nge11, die
d en Gegeu ·at z v on K öri)e r und cctc 1r1 it clen1 ,ro•t\ AußPt\\vclt ttnd In-
n cn,\·clt. identisch ·~tzcn l« se11 und u·rescr lcle11tifizicrt1ng allcir1 einen
verstündliche11 Sinn \1 erleil1en, sind ..,01nit alle forlgcfallen. Die sprach-
lichen B ezeichr,ungcn haben ,vir trotzdenL beibel,alten. Die l( ö1·per
,verclen n ocl1 in1n1cr die , 1Alrßf'n,vclt.", d as Seelenleben ,vird noch imn1er
das,, ln11enlebec1' ' ger1 a.1111t. als l1 a11cl lc t}S sich dnl>ei 11m d cri Gegensatz,
in dc-01 ein li aun1tcil z u den ilin umgcbcr1dcn a rtd erc11 Huurr1teilen
steht.
Die prac lte de:; täglichen Lcbel1s biet et u11s eir1e Fü lle vo11 At1s~
dri:icke11, (lie :;icla auf die Glcic tlsctzung der seelischen Vorgit rtge mit
der f 1tnc11,vclt ittt·Hckführt>1\ las:--cn. lnsbP. ondere llat sich au ch der
W t'rtunLcrschif'cl, d<'n ,,·ir ge,vl;h nt :,.incl, z,vischcn celi~chl'.'1n und kör•
perlic.hc111 ein zu tr1acli-e n, und der rlie P:-ychulogic als ('ropi ri sche
\ Vissensc li afL nichts artg,•l1t 1 atif da~ I1111e n tl11c1 ,\uOl~ll der D ir1ge
über t ragen. \\.-a~ , ,ftt1 ßcrl icl1" u11d o ber(l üt!l dich" i::.t , gil L tim ,\·ent g
11 •
.und ,,,as ,/"J"Ünd lich" :Pin :--oll , muß ,,t ief'' bis ins „ Jnn"rc" der Dinge
vorcJri1igcn. ',eJbs tv c1·slä111ll icl1 ,,·ir<l es kci11~n1 Vcr:-; UiruJig<>c1 einfallcr1,
d en f;cbra ucli . ol,·h•·r liil1l1··r iu ladcl11. E s ,,·iirde ,,.C'nig von unserer
prache ii brig bleit1er\ 1 ,,._..1,11 ,,·i1· a lle d ic \ \ ' e11c Iu11gt~r1 au:- i li r verbaru1en
,volltc11 1 di e, aus eine r r\1 u,c h11uu·r1g räu111iich •r \ ' crbii ll11issc st.u1n1ne11d 1
sp5Ler auch durt g„hraur..ht "·erd ' 1\ 1 ,i,,o nicht, ru cli r ct,va · l-läu n1liches
ge1nei11t. ' <"i r, l{atln. Ganz a nc.lers aber )i('gL die a h-e doch, ,,·c!1n es
oicl1 ltrn <lie \,' er,,·,-11clu ng solcher \\ 'firt" r in cle r ,,·.is.'< <'11~cl10Ctlichcn
Terrni nolvgie hanclclL, und dan rt ,,·i1! i1L unscrcn1 f•allc die nur hilcllic h
gec11eit1te ;\ u ~cJrut: I{ ·,,·eise gcracle clurcl1 illrc11 l eLl•n:-.inn e i1l<:-I t ~'J •roßcn
Ej11fluß a uf die ,vis et1;;cliafllicli P-n 'l'heurie11 }Jeko111n1t, doO r\ rn,ichte11
ent, Lehen, als uch(! es nir-: t1t 1tur eirte 1(ör}l•' f"\Yel t t:lrau ßPn u11d ein t"C-
leitl cbort etriru1er1 sond •rn a u ßer1..lc111 noch z,vci ~a11z "'r r;-;r hir,l1•nc
,, i1u1e 1 1 , u,u C!LVl·as v on die 'eil heitlE'n \\' ell t"n z11 Prfalil'cn. Dur ·h dr r1
,,~ußercn i11:11· · sollen ,vi r von den },örpcrn, clllrch d •Jl 1 .inn11eren
Si11r1'• ,·or1 d en1 cclen leher1 et,,,·a:1 ,vi~sen. .la, sr ]1licßlir h begcg11en
1

uns die 1\u:-,Jr11ckc ~•ttßt' re und i11nere Erf:,thr11ng zur 8 1.7.cichuun.g d es


Unt~rsc;l1 icdcs vor, f)lt)'·si5cl1 u11cl f1 : :.;·chi~ch irt ,,·i ·l1ligt•11 und ent.s:chr i~
dcudcn Gcdan kengä11gt~11 p h ilo, or► hi" c h e r , chriftc-1.1. D a<lu l'c l1 erhült
die ·r er1ni11ologie ei11c Bedeult1ng, cl ic it.r t1nl.,•r k1·irH' n • r11s Ui11,lcn zu-
1t i c k „r 11 G~ l·n :r:r n , ::. ;\ u rl
1
• H

ürg,t~hzado por Goog e


- -
gc~Lanclen ,verdctt darf. :\latl i!-L in Gefal1r, zu v lrgc 'Se it, daß 111an. 11ur
in Bilder.n redet, und nlit alJer Enlschietlenh.eit 11'.\üssen \\'i r de111-
g,:gc_r1übcr oar,1u fcs th .illcr1 1 daß die ·r crn1jni Tnnon,\'Clt \tnd A.tlßen-
'-"·elt cino1t eio-er1tlichon und sarhlich zu trcffcrtdcn. S1nr1 nur da11n hal)en,
1
,vcn11 ie a uf z,,·ci ver~rltiede11e l'cile der rä urtl licl1cn \\' elL bezogen
weroen. Gracte dies" J3erle11t11ng aber l<nrtn n i c h t. o-c111eir1t :;ei11
sonder11 is t, vielmehr sor•,.fä llig zu , 1 crrncicle11 , ~,•.o n1it d crn \ Vorte
l n11cn,, clt "la 'celtnlebcJ1 in1 Gegcr1sal.z zur Kör})er,-..·1..' lt bezciclin•c t
1

,vi1·tl. \\' ti re es daher 11icht arn besten, in Jogkchc11 u11u. J)~ycl1o logische11
Ur1t.ersuchungcn den Terminus Jnnen,,·clt, fi\r d,t~ ._ erle11lebcn Obe1·-
haupt rticl1t zu vor,vc11clcn 11n<I dnmiL zuglci<·h die l nt,e1~r h"idt1og cler
.b eiden v cr~cl1ieclc1.Le1.t " i11r1c" ul1d 1~rle11 des Erfahrc1ts Iallt>11 zu Ja~~er1?
Ge\viO hat e.. einen guten Sittn , cJas see lj;-;cllc Lebeit i11 einert
beso11dc1·- cr.ge11 Zu a1nrnc11hang rrdt den l<örr•erlichen ' 'orgäng<'.n
zu bring,"n, clie sjch u11Ler der Ha,,i des :\ter1schen in seinen innere11
Organen o.bspielcn, ab<'r au<;h ur1ter clirscr \ rorat1sgrt.zung ist dns
Seelisc he dor~l\ li ücd1stcn:-- d.,,s v o1rt l 1rnern ,1\l,l1iingigc 14 \1nJ nic-r11:1ls
da: [nuerc S(!lb t. Halte11 ,,·ir also <lar an fc~t,, daß cla~ J n tl er e clcs
;\f en~chcn sein Gchi1·11 1 sei11e Ner\·e,1 1 ~eit1c 1\1u~J<eln, se.irtc Ein!-l"c,veitle,
al)cr nicht sein Seelenleben isL, und 1nachen ,vir uns klar, clafJ der
Gege r1satz \.' 011 Subjekt und Objekt, rlcr den bc..~e<'ltcn IJcib urt{l rlic ihn
rä11mJicl1 u111gC'bcr1<lc . ußc11,velt bc:zeicJ111ct, fü r die ' r1t cr.:-chr ictur1g
elf•:. pi--)'r.hi~chcn "'om ph~·sisc hcrt Leben ohne jcllc i,aeliliche l3"<le11l1tr1g
sf'i•n m.u.f3. Er dar.f ci11e Rolle 1tur in der phy~joJo,rj ('hen Psy1:ltologie
otlcr· in d e1· P s)tchopl 1)rs itc s pi('len, ,,·o ~tusclrüclt lic 1t d ic B<'zjeh un,gco
de,· ltör-perlit: lte11 und cicr Sl:elisclt<'n ' 'orgä11gc zu cir1andcr i11 Bclracl1L
gezogPJt ,,·er,d ert. \i\'ir ,volleii claher das SubjeltL in clie!'lern Sin11e als
das p s y c h o p h :l . i c h e b,czcichn cn 1 u1n es , 1 on <lern JJs) 1l'holo-
gischcn Sul)jckt zu unter~c·hcicJcn, da.s Grt<:11sta1tc.l dt>r J>s~1chologie
is t.. Auf jcdc11 F all ,vcr{len ,vi1·, ,,·('11J1 }l:-;~'chologie und l<örpc1,viRsen-
:-;c)1afL d.1durcl1 ,,u r1ei r1ancler 11ctrc1trat ,,,crd e11 sollen, (laß die Körr,er
11n~ ,,vc•n nußen'', clic p. )'C hi 'chen Vol'gii11ge dagP,gr;n „von innc11"
gegeben .'Cicn, nie lit. anzut'1'.k e111\cn brnt1chE' n, d.._,ß auf G ru n<I cli<•~cr
UnLersc>l1ciclung irgPnd \\'rlchc Gf'gf'TtF-tilzc ir1 tlc>n ?\l r t.l1<Hl er1 der bcidc11
\ Visscnsc ha rt "'n a11gcr101n1n en ,,·cr<lcn dürfen. J~s isL ·, ,it:lrnclir !1Jgisch
bcdct1Luxtgs l0;5 1 \\'t'1111 vcr~iclH·rl \\·ir<.l. Jic J>.-5~r ·h,Jiugie llltt1 llie Gei:;Les-
,,,issc11::-chaflcn liütlc11 es ndL J c 111 l111,e11lrh~r1, die l(örpcr"\Vif>!--Cn-
sc l1aflf' n iJng,!ge n n1it d1•r 1\ uJJen,v~IL zu t\111 1.
\ 1 ucli Ober d,•11 r1„r,rrirr clt~,, ,, 111 ,u•ron" a 1~ do-, ( •fL~i:11-.lanuo der P.s)·chologie
.-\
'
findrn sich bei Ave n a r i u s (a. a. 0. . 150 rf.) lrt•frl:'ndo Ben1erkuugen .


ü1g1taltzado por Goog e
- 131 -
I 11 d en rneist cn Jtä lle11 is t übrige11,._ mit cl cr nt<•r~chcid ung von
1\ uOcn- un(l lnn,"!11,,~elL aut;ll \\'ohl 11ur gc111ci11t, daß clas }Jsycliii-cl1e
uns t 1 n r11 i L Lc I b a r er gl'ge bc11 ~ei al:- da::; Pli )·~i~·che, u11cl über die
Bercc.hLigung dic:-er U nt.er~cheidui:tg i t durch die Ablehnt1ng des Gege11-
satzc vo n J11nc11- und i\ ußen,\·r:lt noch nichts gcs:ngt. \\1ir m(issen uns
vich11eh1·1 U1l1 d~rr1 licfe.N n 8in11e d e r hie r zu crö r Ler11<lc 11 Ul1tcrscllei-
clung r1ähe r zu. koro.r11e11, jetzt. d1:-.rn an dritter Stelle genannten ' ubj ekt-
b,!griffe urLCI :;ci n,' n1 \ icrl1ültni 1.111n ~Jatcria t df"r P syc holugie zt1,vendent
r1ärr1licli (lc-111 Begriffe d cl'.I ubj ckt..s als des „B o ,v u ß t, se i n s" •
.Es gilt , auch die~ •n SubjckLhegrirr sorgfüJLig vo11 de1n des Seelen-
lcbc11. zu tr~nnen, miL dc;m er nicht sell~n glcichge.-.et1.t ,,·ird. Die
b esceltc11 \Vcscr11 so :iagt 1nar1, haben Bc,vußtsci11 od er sind ll,~,,·ußt iln
Gegensatze zu den unhe,vußten uncl dal,er secler1lol'len Körpern. Auch
die En~ t chung df':- eelertlebet1s ,,·jrd de11,e nt.,prechend angesel:1en
als id0nti::1cl1 111it d('r Erttstcliung des · Bc,vußt.seins. Ist dag1:-gcn ei,n
W esen be,\·ußtlo , so ernpfjn<lct, ,vill, fühlt e · auc h nicht, d. l1. es ist
l< ei11 , eelii-iclie. L eben 111e hr ,•orhand en.. Bci111 Sc hlaf vcrlii UL d a Be-
wußts ein den ~f.er1schcn, da nn s{: ldfift auc}1 clie e ·le, tt11d , venn hei1n
'fod c das Bc,,·uUt.sei1l für i1n1ner cnt,,~·ichcn ist, dann. kcim1l1l auch clas
ccle11leben r1ic t1lc:1 l~ ,.·rie<lcr. Aus allen die ·en Sä lz,en geht deu tlict1
her, ror, J a ß es d c t11 ::,prachgcbrau ch. durl'hnus e nt.-.pricht, B •,vußtscin
urld Seele eictar1dcr g-lt.'icl11.u:,clzen, und \\'ir <l(1rfen UJ\S <lalier nic hi
,,·u11tle.r11, ,,·enn da. sr.eli$chf:' Leber1 11iclrt :- "I t cu gcraclczt1 rt ls Be,,·u llt-
•in~, ·o,...-,-ang cl c f i n i c r t ,,·ird. ,\uch ,vir ,vollen 1.unö.c l1;-;t, eirtntal
d ic.ic ])t•fi11i lio11 als Le rcch t iµl gell cfl la~3c11 trr1d zu c hen I v,as clarati~
für unse r PrrJu l,•11l ((Jlgt. ,
i\ 11r kri11en J,' all l<ann l)f's lrittcn ,,·rrden, daß d:1~ \\.·ort Bc,,·ußt-
sein ztir B ,•~1·iff:,bPJol.lii11r11 u11.g f1c~ I>~ yr;liisr hc.n i 11 c i 11 c r J Ii11sich t
brn11 chl)rtrer· i:-.t als do · \ \ 'ort l11r1,·nl r l>en. \\'ti hr·c11ff ufinllic:h dic:-r ,
falls c.s nicl1t, a ur einen l{ ..tuintt:•i.J angc,,•pn,le l. ,vird gar krine eigt11t-
liche JJNleul 111 tg n1,r• lir lia l . S<> ,~er~ll•h1•11 \vir c.s urtl<' r alll•n l ir11stii11dc•n,
"'·en n ,vir d:,s P s)'.c hisclt • als Uc,vu ßl:-Pi 11 Lczcich11ct hören. Z\var ver-
rr1üger1 ,yi,r viellt>ich t nit' ht 1·,ähc•t anzug<>JJer1. ,va <.lai- \ \ rort beclf' ut.et ,
aber ,vir .sin(I doc-11 i-i ·her , daß .J c•,l r:r ,,·Pi ti, ,vas ,,·ir darrtit 111 t·inen,
eben~o ,vic (lann , ,,·enn ,vir etvf:tti cirtcn J( örpc r 11cnnr.n 1 ur1tl gerade
ciic.'-cr C'1n.:-: la 11cl :,chci11l für tlic z,\"t·ellc <ler J>:-ycliologic l l c 11 Atl!'-(1rucl<.
.B c,vuJJL~cin e benso gl!eig11ct zu ntai;lico \\ ic Jas \\ ',Jrt l~ örpcr als l\'un1 en
für di e 11icl1L lJe,vußlc \\'irklit;likcit. l:O:i11e · j cdor h tlürfe11 ,,·ir tlab,:i
nit;ht auUc ,r 1\ chL 1:ts::~n. l)it!SCI' B,·griff clcs f>:,;ychischl't\ ltaL J, o ttse-
9•

D1911 11,ado por Goc,gle


- 132 -
quc11zen 1 die ,vei t über da Gebiet der Psycl1olugie l-uu.au ·fü l1rc>1t.
Das \\'ort Bc,vttßLsei11 ist g<',vi · ~el'n1aflet1 ,veniger li armlos als das \\lu rt
l(ör11env elt. Die Ver. t~111rllich keit ~einer Bedeu t ung gel1t so\\·ci L, daß
,,·ir es in ge,visser J-lin:;icht gar t\icht n1ehr recht zu "·crste.hen v er111öge11,
,vcnn. uns gesagt ,,·ird, es gü bc et,vas, clas n i c h t Bc,,·ußt:;cin is t.
Sinci dcn11 I(ürJ)l:'r i11 V\•ahrhcit 11icl1t bc,vußt? \\'ir k ennen ll n 111 i t-
te l b a r jedcn r~ll k e i n e \Virklicltk:~it, die "vir zu dcrn Bc,\·,101:.! ein
in jeclPr H insich t in einen Gegen„a tz :br i11gcn llö1tr1cn , ju, ,,·ir fi11den.1
daß a 11 e .s, ,,·i\s ,vir e1·fahren ocler erleben, sicl1 au•c h 11 i11l Be,,·ußt.~f•ir11 •1
abspiC1lt. Die l(örper,,·clt kan n <lal1cr, so ,vie sie u n , g e g c b e 11 i~t,
ebenfalls 11icl1ls andtrcs als ein B P\Vußt.:;ci1u,itJl1alt sein. J)arat1 .. nl)er
folgt., da.ß, \\'e11n ,vir die ps}·ch ische11 \ 'org:i'ingc als B c,v1Jßl,,.;;;ej11S\1or-;?i'inge
definierc11, wit· ~agcn 111ü. se11, dafJ die gesnmtc uns unmitt,elba.r
gegebene ur1d au der Erfuhrt1ng bt.:l,a1111t..e l(örpcr,vC'J t aucll t111tc r ct ...11
B"'grifr -d rs P s y c 11 i s c h e n fälll. U11d l1al1cr1 ,,.•ir das cin111al a l{ieri-
liert , dann lreibt uns di e Regriff' ·l.1e3tin11nt11tg ·ogl ·ic h 11 o c h eii-1c11
chriLt, ,,·,e it,Qr. Da ricrnur1d i111 [~ro ste 111cinc11 karin, claß ei1t U·n ler-
schicd z.,visc hen kö1·p<'rlicl1c111 und seeli.;chc1n ein ilberha. u f>L n ic11 t,
b<' ' tcl1e 1 d . h. daß dir' l(örr1cn ,·elt nt1r ein r ~1·<·l1ischcr \ •'ol'ga11g :lei,
so scheint, die 1\ nnnh1ne ,1r1,,r rrnc•idlich, die l{örpr r,vclt sei m e hr
al<; dru. 1 ,,·a ,viral.: ::tn::.r'hn11lic ht• \\'eil , ,ur1 rti urnlirht•n Di11g1•0 u11rf \ 1or-
gLtngcn uur11iltclbar irat Bc,,·ußt,.-i.cin erfah ren, ja, ,,·ir 1nüsst'lt ~ogar be-
haup lc11, daß die .l(örp •l' "igl'ILLlicl.1 gar t1ichL das s i 11 d , \\'as ,,·ir ,·on.
.ihnen u nrT\i Lt.C'lba r lt1:,11nPO . ])as Errn hrt> tlP odr>r l~rlr l1Le n.11 i h11cn is L
, rielmelir nur ih r<! ,.Erschein ung'' irn Sl·cl eltl l'l1e11, und dnrat1 ergibt
sich dann s.<, fort j 11e u f rassong v n11 rlPm pri1tzi1>icl lcr, UnlCl"$C hir d
z,,·ischen drm 1'Ja. tcri nl c-lpr Jl:s y ·h(Jl<1gie ur1d dc-111 d er l{ö1·per,\·i~sc11-
scha fLcr1, v o11 <ler ,,,ir 11 itir a·usg<•ga ngP11 si11d . I~t a I l t> ~ ,111n1i Lwlbnr
g •g, bc110 Seju aucl1 Be,,·ltßtscin lUt<l j P ll c r Bl',v11ßL. cin ·vorunng
el,vas Ps)rchii-c hes, d an1l kartn in dor 'f at. n \J r cl.ls Scc'ie,tlcberl u n-
111 i t, L e I b a r geg ben sf'i11.

Die G,Jeich ·et.1.u11g des r ~ych ischr n Sci11s 1nit den\ llc,v uOLSci11
l1aL un.,; also it1 einer nlcrsC' h1•id\1ng vo11 f;l'r•le11.lc lJe 11 ttnd l\.ürpcr-
,,,cl t, gertih rl, d ic auf dem crltc~n11 tnisthcorcti~c- h~?l Gcl•iele Ii-e 0 L. u 1uJ
gr rad c ,ven11 ,vil' Lt11tnr crJ<ci tttt11i stl}eorcLi:-,chcn (;osiebt.-,pt11tklen di ese n
GruanJ(cn v er{olgnt1 , cltciuL die .a ltsgrsproch+~1· 1c l\.On:,.e<1t1cnz t1 11-
ertlfl'iclil)a r zu sein. Daß j •des utunittrlb11r g<'gclJcue OLjckL1 ah,o auch
die l{örpet·,,·elt, ~o \\'eit ,vir sie -c rrahrer1 l1ahc111 nol\re r1dig zu dc11kcl\
i ~t in }lPi'.11~ ati f cir, ·· ubjel,L, da ' ist ei 11 . alz, clcr fa:;L irt 1, ciuer Erkerint-

ürg,t~hzado por Goog e


- l33 -
niotl1eorje ganz fehlt., und gegen den sicl1 au cl, 11icht viel ,vird ein,ven•
de11 lassen . 'et zt 1na 11 nun abel' d i es e s ubjekt, ,vie es üblich ist ,
mit dein Bc,vußtscin gleich, so folgt daraus a ucb, daß die gcgebon cn
l{örpor nur Cü r ein Bc,vt1ßtscin oder als Vorgli.nge i m Bc\vuOt ~ein
exi.c;Lieren 1 und \\'itd ,,,eil.er dieses Be,vußtseirl als i<le1,t,isc h rnit.. d em
Scelcnlcbc11 angesehen, so läßt :-icla die Behat,pLtlng njch.t, vemleidcn,
daß, Calls die l{örpcn.,•clt nicht. ein psycl1i::cl1cr \ torgang ein oll,
,vas absunl ist , ie f Or uns nu.r al:; P h ä n o rn e u existiert. Das see-
lische Leben all ein ist t1ns dann als Bc,vußL~i1is, ,orgar1g aucl1 direl(t..

in seir1cr Re a l i t ä t gegeben . Ja , 1\ocl1 deutli cher \\·ird die Notwen-
digkeit erscheinen, das Sct.!ler,lcben als R oalitnL, die T<örpcr dagegen ,
so,vei~ ,vir sie unin.it.Lelhar kcn1tcrt., nur a ls Pl1~1n ()m cnc gelten zu lassen,
\\·enn die Identifizieru ng von Subj ekt, ße,\·ußt.scin u·nd Seele i11 der
Formuliet'ung au ftritt, d aß die ((örper,vel L nu1· in 1n e j n e m Bc,,·ußt-
scin gegeben ist, oder daß i c f1 das ubj ekt bin, au f das sie bezogen
,vcrdcr1 muß. \Verm r1itrnlicl1 11rncir1 Be,vußtscirt'' z11 aller Erfal1rung
gehört , da·n n wird nicht nw· alle Erfal1rur1g ps)'clii ·cla, sottd crn sie ,vird
auch nbhüngig von r,1ir. Wollte icJ1 dann da!; Sein• der l{örper,velt
nicht als cL,vas beLracl1ten, da mir n11r 1,e.1~cheint'', de:, en ,,·ahre
R •olitäl also der unrnittelbaro.n Erful1r ung v e r b o r gen i ~t, so ,vürde
dadurch nicht nur die sclbst.är1digc Existcr1z ein.e r l{örpc1·,,,clt vo11 n1ir
be~trit.ten werden n1üssen, sonden1 e- d ü.rfle danr1 überhaupt r1ichts
ex.ist.ierc11 als rr1 e i n Seelenleben . E s ist bcl<annt, ,velclie Rolle solche
En\·ägungen in der Erkenntnistheorie gespielt haben. \\'er untcJ·
diesen \ 'oraus etzur1geu ke111 anderes kö rperliches Sei11 als da: 11nmittel-
ba.r erfahrene anerke1111en ,,·ilfI n1uß tiahi1, get.ricb<:n ,,·e1x.le11. daß tlcr
Sol.ip isn1us der \v'eishejt lelztel' ."'chluß i. t, und ,ver v or so lchen
Absurd itä Len z111·iJck:-c h•e 11t, "vird da11n do1~l1 Ht!her d ic l,•cligl ich phä-
nomcna lc Exislc11z. clcr ,1n1n iltclbar gegebC'1le11 l{örIJ ·r,,·... tt zug" tkhen.
Kurz, ,,·ir sc hei11cn vo11 ·vcr.schie-dc11 ·t1 eitcr1 zu der At1 ic: ht genöt-
tigL zu ,verden, die, ,vie ,,·ir sahc11, von Diltt1cy u11d \\ 'un(it vertr•c leo
\\'ird , t1nd ,.vir 1r1ü~ en f c·agP-n: ist 11ich L die pf'it11.i pi(•lle r1terscl1cicl u ng
des ph)1 si::,cl1 n uncl dc,s psych iscJic•n s.(,dn:- in l{(icksichL auf tlr\mittcl-
bare J{calit.:it tincl J)h;inon1c1,a lilät irl mt•hrfaclier Jii1Lsicltt ,vohl
begrüntl<!t? \\'ircl 11iclit (las ]}:- rchiscl1c ga,1z a11c:.lcr - crfahrcr1 als das
Physische'/
111 der rr nl, die n 11gcd('t1 tclcn l\.1 nst•q \H~J17.(• n si1t~J ,1ncn t(liehbur,
w e 11 r1 ci1trnal d i" \ ' orau:;r-.el zur1g zug,•stand c11 i~t, auf rl<'r sie l,ert1 licn.
1st, aLt::r <lic e V o r a u i! s c t zu r1 g r ichtig? l)arr clas „Su Lj t:kt "

0191 lt ado por Goog e


- 13 -l -
das i.u alle111 un1t1ittclbar gcg ' bcncL1 b c itt J1ot,,ve11dig guhörl, t1t1cl d a..:
mall als Bc,vuf3Lseit1 lJcreichncn l(a11n , d c 111 ubjck:t und d c 1n
Bev,rt1ßtsei n gleicltg~~tit ,verden, das da ~t ate rial der e1r1 pirischc11
P sycllologic bildet? 1-fabcn ,vir rnit andern \Vorten ein RPcht dozt,,
dadurch, daß Y,ir d a~. celisc he rtl1L dem Bc\v11ßl5ein irlentifizicr<' n,
dcn1 Seelenleben a 11ei n d.ie Unrr1itl.elbarkcit des Geocbcn~ein~ zuzu-
erkennen ? Diese Frngcn 1 g lauben ,..rir, ind dtrrcl1aus ZLt vernc-i11f' n,
Es läßt sich zeigen , daß nocl1 ein dritter Subjekthc 0 riff in diP:5(!11
Gedankengü11gcn inc Holle sp.iclL, der, ,vic schon l(ar1·t s ,,Be,,·ußt.:; ·i11
überhaupt",. nur cla Produk:t einer erk.cnntnislh corot.ischen Uebf>r-
legu,i.g i 't, ur1d d •r rnitd c1n Gcgenstand.c d er Ps ycl1ologie nicltt 1r1chr zu
tun hat al · 11ul d•!1r, ~i a'Lcrial d er l(örpcr,v isscnscllaflcn. \.Vir k.ö1tnl.e11
uns hier einfach at,r l(artt berttfen, cler Ll e1l rnel.i phy~i eben Un1,le1-1-
tungcn d er c1nr).i rischen Realitä t in ei n p.::ychisch4•s 'ei11 ci.n f'ilr a llemal
eit.1 En{le hcr<'iLet und <l~n,it jeden rlogn1a ti~chc-n ,. l ,leHlis1n\1s'·, <l. h .
jede SJ)iriluali tid ·hc l(ler1li fizi eru.rtg d er unn1iLu:lbar g1•gt•Ler1cn \\iirk-
tichkcit 111it detJt Seelisclie11, ,vie sie in U(' J• 11sichte1l IJilLht~,• ·s urid
\Vun<lLs ,,·i,cclcr zutilgc tritt, ,rerniclll..(>t hnL. Aber es; ,vim vielleicht.
gut sein , <ilc\S, ,va:3 \!t'ir n1einen , aucl1 una t.>hrirlgig von l(a11L zu sagen.
\\' ir ttcni1e tl a lso das Bc\,·uDL ein, das zu j c d c r enlµiri5cl.1eil Ht~nlitöt
gPhört, un, c~ von clcn bci<len ancle„n 'ul)jr ktc11 zu t1ntcrsch(•iclei1, das
e r k e r1 r, t n i s t h e o r e L i s c h c u l) j c 1( L t1n (l suche11 r1t1 11 ~cirt
\ ' erh äl l11is zu <len a 1,dcrn Sul,j<>kten I b cso11der-:; zun I p y1·hc ,Jngi:..r h1•n r
genau f e:;tzu ~tellc1.1 . Dabei \\'ercJ er1 ,,,ir ein elJcr1so vje[ bchar\<l 1„Ile.-~ ,\·ie
sch\vi •rigcs Problfn-, s lrcireri ,nü:-sen , o,Jine jC"uor.li 1. ti\her clnro uf cit1-
2.ugeheC1t a.ls für un. crn z,veck not ,,·cnd ig ist . i\ m ei nfac hsten k1,11111ter1
,,,ir zu11, Ziele, wc1111 ,vir nocl, inn1al auf det\ Begriff drs p!-)'<'ho-
physiscl1t'r1 bubj(•h:t.s. u 1,d eir1 \ t erhüllni.-1 zu1n fJsy1.:hc)togische1'\ z.11-
rii1·kgrcifcn ur1<l zeigc,1 1 <laß z,visclier1 <lt•rti p:--ycl,ologi~chl"n \1 nd dein
crl{(' rt11tnit:iLhco rctisr.h-c; n ~t1J1jekt in ge \\'iss1'J' l-l'ir1 ·ic hL eitl a11al,1g1' l--
Vcrl1alL1tii; bc._.:.L.-1,t ,,·ie z",·isc hc1 t d •r1 b<•id1·n v,1rli"r })ctracl1 li:lc11.
Fa sen ,,·ir zu die:;cnt z,vcc1{ • •i 11n 1:.i .l das Sul1jckt :.i.l::; da.s per-
cipi 11 da · Ohjckt da~egen als clas pcrc<>pl111 11 nnf. lJ:-t ,Jürfle ci11er
1

,,·.. it, ·verl)1·,~iteLcr1 ,\t1sicli t cnt,..prccl1cn. 1\ ls pcrci1>i<·l1:-: l, H11n1:11 \\'ir lla1111


zu11äch~L das p ·)1t:ho11hy::.isc:hc ' lJl>j ·kL belr~tcl1t •11 , in::-.of<'rn <lic C'
rü u1 nlic li 1.1.1r1gebt1r1.<lc A11ßc11,,•elt i.eirt pcrcCf)l1n1l is t. 1\ ls p,•re it,icn~
kann auch <li.c Seel,~ fiir s ich allei n er;:;Glieiue11 , in, Gt•gPn~a l z iu iltrf'1n
als percc riL1111l gecl,tr,ht,Pu l...t)ihc ,vie zt1r gc:--a11 1Lr•n l(i.>rp••r,,·ett ii h-<"rf1nUJ)l.
Duri11 nl,er hal>Pil ,,·ir 110<.: lt 11ichl ,lllc .-\ ufra~:-ungr 11, die• mö~li,·h .-.i11<1.

ürg,t~hzado por Goog e


- 13ü

\Vir können 11i1: hL alleir1 ci111na l u.n sc rn g e i:: a. n1 t c 11 l~eib :z.ustl1r1 1ne11
1r1il der eele ab percipien s, llH:-5 a ndere i\lal dagegen tl u r clic Seele
a ls percipiens und dc11 gcgamten l _,,eib al~ perceptt1111 ansehen soridern
außerd e11t 11or h vcrsel1iedcnc Begriffspaare von percipje11 und percep-
tun1 b ilden , rlie z,ri~ ·hcn uie~e11 bei<le11 Extrcn1ctl liege11. Zt1niichst
braucl1c ich nur einr.n Tc i I meii1cs Leibes al perccpLuJn zu denJccn
Ul'td ka11n cJa,Lei ei1tcn an.dc1~11 l 'cil 1 zusa n1mcn r11it d er eclc, noch als
percipie11 an~chen . Ic h kar1r1 <laru1 fcr11cr dcrl "f eil de · Leibe· , derl
icll zu1n per,·ipicns rccl1rte. in1m~r k I eine r ,v,cN l~-.n l a.;;.5e11 11nd so
alll11ählich dazu 1,otrun•·u, tlaß sclilrcOlich a J I e ~ l{ör1Jcrlic- ho zurn pcr-
cepttrm ge,\-'Or{lcn,. a l~o nur 11.or:li da Sceli ·c.ho al , pcrcjpit'tt- übrig
0 e l ► li"ben i:'.' t . E:- liiOl t1ir h n1it nndt~t11 \\' orLen. ei tt . chritt,,·r-is.cr , eber-

ga11g v o11 ci11c111 ubjc· klc zuu1 art(lPrr, fia,! (•11 dl1rr·h eine ~fehrhc,it
ver~chi<>dt.}ner Begri{Isr>aat-e von .'ubjekt ur1d Obj •kt o<l r per ipicr1s
u nd ru•rce1)t.un1 h inrl11r(' h , in rl"11en e ine r~eit.s d C!t Begriff dt>:- perci-
pje,t Oller de~ ~ubjt.:k:tb:i sich i111mcr 1nel1r vcren1,.tcrt, ,vä hr<'nrl anrJcrer-
seits der ß •grirr de:- flerce pturn O(le r rlt•s Oujckws ejr1en itnrner größcrett
U111fong erh ii ll. \ '011 d e tJl p:,;)·ch,, ph y~i chen • ubji•l{t, dn. zusan1mcn
mit d er Seel· J eu g a r1 z c 11 Lei b 1.1n1fnOL, fiilirt. eirH: I{ e i h c vo11
a11dcrn p:-ychot)h)•si.!scl1e11 Sut)jcktbegrifter1, ic1 d ettert das Phyi-i c.t1e
in-,mer kle iner ,,,j rd I tin~ sch lif'O lieh zun1 rei11 p::1)'Ch<1logi5;chnn ttl1j ckt1
das gar r1i<!l1ts l(örpcrlief1es 1nct1r e11t,l1iilt, all1nöhlich hi11ilb cr. Der
Beo-tif[ des p::-:,'cltulo ,,.iric,)u'.'n • ulJjek.l:; läßt sj ·h <la,111 ,ye1·ad.-•tu :;o de-
finieren , claß man ihn nl:,; (las End~lic-cl o<l "r tlf>n ,, Grcnz.lJrgriff'' der
n11ur1:•cbene11 R eihe vo11 psyc ho phys isr. hnn ubjc•klbf•i•riffcn bc-
zeichrtct, irL <ler ,I.:l" als pcrc ipicras aufgefnß t.e l'\ örfH!l'l ichc in1n1er 111ehr
ver cla,,·i.11tlet untl sc hließlich zu ni,·lil!l, ge,vordt•U i~L.
D --r G l"'◄J nuli!f' dic>:-:Pr lleihenlli ld ung ,1r1d dc•r cla111il zl1s.ar11111.e11•
hä ngcnclr n ,Di:fir1il io11 t.lt·S psy,·ht1lugi~elu~n Su bj rkts ist at1 sicli jed och
hier nicht. ,,1c:-1.:r1lli(·li. \\"ir h n l) i.:l\ iltn 11ur t111ie(le11 lct , ,,111 z11 7.cigc•n,
daß die Rei he rnit eiern Begriffe di>r Sf>clc tlls elf!, Su l1j1•kts o<lc·r tles
pcrcipicr1s nicht, al,gc~clllr1:-:.f11 zu :-.c ir1 bra ucht i so11d(! r11 d.1 ß 11,an . ie
1

über d a_ psy,• ltülugi ·ehe 'tiojrl~t, lt i r1 a u s i,1 einPr ganz a11al<,gen


\i\fei·e ,vie biid,r.r noch ,,·PilPr vf' rroli:r.-.11 kann. \\·~,11n die~ ges,·li ir liL,
so ,vird sie f(ir 111L" vo n Inlrrcs.:-C, cl.,.n.r1 cl,111n 111uO u11:, der Jt c u c „fe il
der Rcjhe alluihhlieh z1, <lt·111 Ht~riffe ei11c:-. .., ulljt>kt:; hinf(ihr~•n, dn:s in
dcn:-elben Wei!-.C tla:- E r1<lgl i<'d <I t' r Reihe vo n p:,.)' fl 1ologiscllc11 '"u l>j{•klc•n
bildet, ,vie d H:-. vi ,rhcr bl'lrar ht c· Lc 11:-:)·chol•,giiocl 1•• R\tlJJ" lit Erulgl ied
der da rgc=,tell tcrt J~ •ili' v◄1n psyel1o r11ty. i~ch1•n ' 11llj(•kl +>11 ,, ur. \\' ir

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1
136

v.•o,ll~n also den I3t;gri rr des erke11nt1listl1eorctise hen S,1bjekts eben-


falls dadurch zu dcri11icren suchc11, daß ,vir i11 ih111 das Endalicd oder ~

d.e n „ Grenzbegriff" ein er R e i h c v on ' t1bjektbcgriffcn sel1en. So


,verden ,,·ir ihn ebenso s1cher voit dem p. ycholoo-i "chen Subjekt.-
begriffe U11tcrscbeiden 1 ,v.ie ,vir die ·e11 vor1 dein psycJ1oph)t:-iscl1en
untcr:;cheid en 1<011:nLen.
Die ·ratsache, , 1 on der ,,•.i r d.abei au::.gehe11t ,vird 11icht be tritten
,,,erden. Es kan11 nicht nur die eele oder das psychologische t1bj elct
in ein.er G es a 01 Lh e i t als clas percipions im Gegensatze zu den
Körpern oder den Objekte1l a ls dern percepturn aufgefaßt ,,rerclen,
sondern es lä ßt sieh at1ct1 i 11 dem psychologische1·, Subjekt selbst
eirl percipier1. und ein. pcrc-cpL11m , ein Subjekt. tind ein Objekt t1ntcr-
sc heidcn. l{önnte11 ,vir 11ämlich 11ur unsern l{örper uncl nicl1L aucJ1 unser
Seelcr,lcben zu einern perceptun1. 1 zt1 ci11en"\ Objekte n1achen oder es
objektivieren, so ,vürde e. attch keine enlpirischc \\1js.se11..~ct1aft von ihm
geben. Auf d er ~1öglic.b keit einer chcidu11g d es Seelischen ·olbst in
pörcipien und perceptu1n beruht. die ~·I öglichlreit einer etn piriscl1en
P ~ )'Chologie. Das beißt aber nicht, claß dabei p erci piens und perceplurn
d a s s e l b e sind, de.n n das , väre logisch unsinnig. Selbst.,vahrnehmung
oder Selbst.beobachtung ir11 strengen inne des \\'ol'les sirtd in sicl1
,vidcrspruchs·v,o llo Begriffe. Dal$ Dcobacl1t..cndc muß stets ct,vas
a n d e r e s als dHs Beobach.f.eto, das percipicns sLcts et"'·as anderes
~, .. (Ins perc(•ptt1rn seir1. Jede B chatlf)tung, dio das rii ·ht a11crlccr1nt1
\\-i derspricht det11 Satz der Identität. ubj ek.t bleibt da.her b ei de1t11 "''as
mnr1 SellJ t,vnl1rr1chrnu11g oder SellJstbeobac htung nennt, i1nmer nur
eiti. ·r ei l des Seelcnle ber1s, ,vä hrcnd ein a11dercr 'f eil das Ohjelrt
biJdcl , d a ,\,al1rgcno111n1en oder b eobacb tet ,vircl 1 ebc11~0 \\"ie in der
vorher betracl,teten ps)1cl1opllysischen f{eil1e ei11 Teil des Leibes
Objekt. \Verden konnte, ,vührend ein anderc1· Iloch zt1m ubjekt gehörte.
Ohne diese Annnhrr1e ,vürde es gar n icht v erständlich scln 1 ,vie \vir uns
sel l1st objektivicrc11 und Psycl1ologic als \VisscnschafL l reibe11 können.
Urn nun vorl hier aus zu1r1 Be 17 riffc des crken11 L11i -tl1eoretischen
Subjekts zu kon1n1e11, braucl1ci1 \Vi r 11ur 11oeh ci11e11 ScltritL ,\Teiter zu
gel1erl . :·ollen ,vir 111iser g a 11 z e eelc ol c.be11 ke1tnen lernen, o n1uß
es möglicl1 sein , j e d c 11 Tf'i l cles p~~· hologischcn ['ubj ckts auc h als
Objekt. al:1, pc1·ct!1>t.u111 zu }Jetrach tcn, oder gc na.u,ir : ,vas ni e zu1n Ob-
jel, t in dic:,e111 ··i1rnc zt1 n1ac:.hc11 i~t, ka r111 . ,vcil es sicl1 d er ernpiri chet1
\ \ 'is ·e11scl1a ft ertlzieht1 aucl, 11icht ztt d e ,n Subjek.t. gerechn et ,verden,
<las ,Jus ;\laLcrit'I I dc1· e1HJJirisclter1 l-'s)1ch1Jl<1gic bildet, ltnd grade dies ist

ü1g1taltzado por Goog e


- 137 -
der Punkt, a tlf den al les anko1nmt. Einen Uebergang zu d ern v on uns
gesu chten drilte11 Subjektbegriff gc\vinnen \Yir nä mlich dadurcl1 1
daß wir den Proze ß der Objektivierung des Seele11lebens immer \Veit.er
fortgesetzt denken, so daß, ,,·ährend d as Objekt im Seelenle·b en sicl1
immer mctlr v erg rößert, das Psychische im Subjekt imn\er k leiner wird,
genau so wie in der vorher betrachte ten R eil1e das Pl1ysiscl1e a llmäh-
lich aus dem St1bje.k'i. v er ch\vand. Und denken \Yir un,· cl1ließlich den
Prozeß der Objck.tivierung v o I Jen d e t , oclcr nehmen ,,1ir an , daß
das Material der P ycl1ologie, d. l1. das p~ycl1ologiscl1e Subjekt, g art z
.zu1n Objekt ge,vorden ist 1 \vas faktisch ra·eilich nie auf eitunaJ geschehen
kann , so erhalten '"-ir als not"''eudiger1 l( o r r e J a t b e g r i r r ztt d i e-
s e m Objekt. oder a ls En.dglied und 1 ,Grertz.bcgriff" der p ~1chologischon
S ubjektreihe den Begriff ei1tes perci[Jienst für d as a 1 1 c s er11pjriscl1e
Sein perceptt1m bildet,, eines Subjek ts, für <las nicht nur die gesamte
l(örpen,·elt so11dcrn a uch al les Scelenlebe1l, rla ·· Material der cn1pi-
rischen P~ycl10Jogie ,,·erder1 l, ann, zu1n Objek t ge,vordcn i t, eines
Subjekl.s also, d.as seinem BegrifCe 11ach k e i n empirisches Sein mr· hr
en t hä lt, weder physi:~chcs 11och psychische.s 1 d a her a uch nie,r,als nls
empirische- \Virklichkoit gcdacl1t ttnd v ollends njcht Gcgcr1slar1d ei,ter
ernpiriscl1eu \Vi cnsc haft \Verden k ann, von d em s ieb ah er trotzdem
eirt genau he5timt11ler und ei11deutiger B e g r i r f bilden läßt, Dies
percipiens allein be1.eicl1nen ,vir a ls das e r ke nn t n i s t h eo r e t ;. .
s c h e St1bjel<t. Von ilim kann gesagt ,vcrclcn , d a ß die gcsa rnte e1n-
pirjscl1e Welt, seirt Objekt ist, t1nd nennen \\'ir es Be,v110Lscitt 1 so 111ils en
,,,ir a 11 es gegebene Sein, das physi ehe ebenso ,vie das p )'Chiscltel
al B c \V u O t s eins i n h a l t bezeicl111cn, Von dem psychologi-
schen Subjele_t aber i t dieses ,,Be,,rußt! ein' ' so.rgfä ltig zt1 unterschei-
den , d enn es enthält cbe11sow-er1ig Psychisc hes, ,v'ie dn psyc hologjsc he
SubjekL Physisches ctt'thä1t. J a , nur des,v<'g •n . ,,·eil es n i c h t s
Psycht ·ct,es rncl,r enthält und i1berlia upt 1,cine e1npiriscl1e \Virklich-
keit rnel1r i:;L~ l{allll es als da zur g es a 111 t e n e1n pirisct1ert \''irkli{"h-
keit gehörende Be,,·ußtsei11 a11gP.:;;elien \Verden, mit RücksichL auf
d a dann d as gegebene Sein in ~ei11er ·roL.'\lit5 t z.u1n Bc,vußtsei1lsi1tlt a lt
\.\'ird . \\1ir llaben i11 il1111 lecliglich cir1cu erkcnnL1iis thcoreLi~c hen
Formbegriff, 11ich t dc11 Begl'iff ei11er f-;tot.s au ~ l•'or1n u 1\ d I1\ha lt. bc~
stel1cnden Realj täL. De11n es ist in die ~111 Be,,·ußLs(•in 11ur die St:it e
d r ern11irischen J{ealiläL b c g riff I i c h ab g e l ö s t., die ,\·ir auch
il\re 11 B e\vußt,h il" nen11c n kön11e1l, u1l1 clu.rr1it, die U11,virklichkcit
tlicses abst,.-akt gPdach L 11 ~\.l o111e11Les zu kt'n11zeic·In,en. l)en1 f)sy -

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138

cllu,l«Jgi5chen ubjektc eine solche ftollc zu :1.uet Leilcr1 , \\'Ür<le zu111 logi-
·chcn \\1id1•rAinn r,1l1r n . Der Bcgrirf eines \Virl-i:liche.11 untc1· a11dcre m
\,Virl<.lic hcn l{nrut nie der Begrirf cinr..is nllcrn \\1irkliclie n, da:- v,ir kcnnrn ,
gc11te i11'5a111cn forrr1ale1l ~tonle11le · ci11.
ln1 Grunde gc,10111n1eri i: t auclr die~er Gcdar1k · de~ B c\Vu ßt-
sei 11 als cles crkenntnisthcoretL c hcn Subj el{Les einfach, ja sc ll~ l,-
v or~t.ä 11dl ich. Dio Sch,,·i<'rigl,r.it, die ih1r1 anlla[let, b e- t<.~ht nur darin:
die ObjektivicnJ11g des gesarntcn 'ccle11lebcns k ann 11ir-.ltt ir1 (ler \,7ci. c
Vt'l rgcnoo1.rt1en \\'Orden, daß da ~ crkenr1t1ti. t.h(~orcLi ~chc Si1bjokt al
eii1e Realiüit übrig bleibt, tlie dc1t1 psycholog ische11 Sullj<'kL als ei,1er
eb,..nsolcltC'n Rcn liUit gegcn(ihcrgcstcllt ,verclen könnte, ,vie die., bei
d<•r TrPr1nung de~ psyc hoplt}'si~c hc11 von der11 p ·) cl1ol.c,- gi~<:ltcn ubjckle
1

rr1üglich ,:var. E s i?:1 1.. viel1111.!ltr die ' fren11t111g des psyc h<>logist hcit
St1bjeJ<t.s v u1L1 erl, nrtlnislhco re t.i ·c hen n u r begrifflich rnögliclt,
d . lt. es kann z,,·ur j e d e r T e i I d<?s celcnl cbens Objekt ,vcrdcn,
aber ,,7ir ,d ürfen 11icht , ,o raus.s<?tzen, rJaß a lle 'l' eilc <l cs cC?lcr1lchens
aur cin,n al t1t1d zu gl ·ichcr Zeit zu objcJ<.ti,·icren sintl. E ::; bl.-ibt, ~ricl-
mehr, so ,,·eil es sich un1 \\lirkJiche ha11cle)t, ein 'J'eiJ des Jlsyc lio logi~clicn
ubjel{t e. in1mer n,i t den1 erker"lntnistheo rcLi3chen verbu11clort 1 oder cias
erl,enntrti$L heorct.isch.c ubj clct tritt nien1als i!--oli-ert. altf, ,vcr1n ,vir
unter ' ubj "'kt eine Realität , 1 crslche11. \Vir fl) ti~ser1 1 11ri1 ~f illvcr ·Ui1td-
ni~ser1 \·orz.u bcugc11, dies 1nit alle1r1 · ac h<lrucl{ licrvorhebcrt. Es liü1111t.e
011t,L die l·'rugc auflauclJei1 1 ub ,vi r el\va 1n e i11e11 , c.laß das e rkcJ1nlr1is~
thcoreti -che Subjcl<L da ~ 'ubjekL scj, d.as Ps)rc'holt,gic treibe. clLst-
Vf:!rsttindl ich kann die ps)rcholvgii;;che ntcr:;ur,hung und O:tr::;Lcllung
nicrna ls vo1n e t·ke1tr1tni~thcoreti:;che1.1 ubj elcL ge rührt ,vordcn, so11dcrn
1

dazu ist in1 rner ein p~ycliologiscli.cs Subjekt nöLig. \\'en n der Ps~, ·ho-
lugc n5ich seihst" beobacl1 tet 1 ,vie ntan :--ich at1.szutlrticken J)f.lcgt,
so beobachte t eben fal<tisch , \vi c '"ir ber iLs saglc1l , ein ~1· c i I scirtcs
Scelcnl cbe11 ein.cn a n d er n 1'cil. Das b co bael1te11de Subjekt. vet'-
licrt also n.icn1a.ls eine enlpiri.sc hc J=lealitä t.. \\fi1· ri1üsse11 zugl,e icl1
abt: r auch belo11c11, <.l <\ ß ctic."er U111.sLand Iür da 1 ,vr>ratif es uni; hier
a11k.or11 t1tl , oh11e Bc,teul.uug- .is t . Die b e g r i ff 1 i c 11 e cl1cicl 11r1'7 de
erkcnntn.i~t.henret.i ··c:·l1en vo rn J1S)'Chologi ·cl1en • uLj:ckL bleibt u1ta 11-
recl1 tl>ar, lind d.er B<'gr·i ff (lro c rkr 11ri l11istl1curctisc l1c11 ' uLj ckt..-; selbst
rnuß völl ig ci11c.lcul.ig ge,vor(lr·n. sein, ,, enigstcJl "' so,vei t , ua ß rr nicht
n.aehr rnil den l1ciu c11 a11<lern ~ul,jekt:bc-~riffcn v er,v1!chselt ,,·ird. ~lehr
a l1cr als clic · l:;rauc;hP11 \,·il' fiir ur1sere z,,·<•ck.c cit1cr Ze rstörung der
spirilt1ali.s li!'\cli,-rncla11h ~i~C' her1 I >of,"l 11cr1 Ilicld... \ \i'H~ das erk.cn11tois-

ü1g1taltzado por Goog e


- 139

theoretische St1bjekt denn 11un eigent.lict1 sei" 1 ,,·cnr1 es ,,:cdcr ein


11

psycl1opl1ysiscl1cs! nocl1 ein psychologisches · ubj ckt is t , ja Oberl1aupL


keine empiriscl1e \\1irkJic l1ke it sein liat'ln, oder ""as ,,rir tint.er der !ür
sich gedachten Form des be,v,ißtcn \ Vil'klic hcn zu denkcr1 !1abcn , das
geht un in die em Zusan1rnenl1ange nicl1ts \\·citcr an.
K ehrc11 ,vir nu11 tnit dem Begriffe cle ' 11icl1t-p yc.l1ophysiscl1cr1 und
n.icht-psj1 cl1ologiscl1en ubjekts noC' h ein1nnl 1.u d er Gedü1)l<enreil1c
zurück, aui- der s ich 1r1iL Not,vcndigkci t zu crg,c bon schien , daß das c,e-
lenleb.en die einziae unmittelbare Realität sei, und daß der l(ür per~
weit nu r eine Exj tenz als Phünorrlcn zukomme. Zt1nächst., sel1er1 ,vir ,
i~t es o frenbar ur,ric liLig, d m 'atze, d nß olle:; S~in nt1.r in Rücksicht
aur cu1 ubj ekt oder al - Bc,vt1ßLseinsi1tha lt. oxi tit~rtt die Form ztt geben,
daß die l{ örper\;\'elt. nur in tt1 e i n e in .Be\\"ußLscin .a uflrilt, od er daß
i c h das St1bjekt bi11, für d.a allein sie vorl1on,de11 ist. In jedem etn-
piri:-c llcn Ich ist vie lntch r Subjfl,t und Objekt octer Be,vt1ßl..'-ei1tsforr11
ttnd Be"''ußtsei11Sinh alt sorgrä ltig zu c }1eidt~n. und alles, ,,·as indivi-
c.luell ist , n1uß irn Prinzip zu1n Objeku.: gercr hr1eL ocier zunl ~Iiude!:-te r1
als objcktivierl)al' gedacht ,\·erden. Das Sttbjckt int erkeu11lni thPo-
rct.iscbe n Sinne enthä lt von n1 i r als c in«!r b~· t ir11u1tcn individtt1;llen
Person n.ich ts, und Jedi...,li ch at1f dieses (or1r,a le ur1pcrsö1!lir llc über-
in•dividuelle SulJjci<t dar! die l( örpct,\'elt bezogen und de~,vcge11 Be-
,vuß,t sein inl1alt g<:nannt ,verder1. Konsrqu<'nzcr1 ,vic Solip is 1nt1. 11.nd •

dergleicl1cn, z.u deren Verrncidung die An11ahrn.e cin~r ledigl,icl1 1Jhä110-


mena len Existenz ,d er l( ,iirper\vP.l t al · nol,vendig erscheinen 'ko?1nl..e,
sind darnit vollko1nrr1en hit1fällig gc,vorden . Dns indi, ,iduello feit ist
n1it dc!ln erkcuntnistlico retisch ,n „ubjrkt \lTld de n1 BC\\'1Jßt.s-"i11. als
des~en. I n halt tlie ga11ze ern 1>irische \\' eil gelte11 kat111 , o ,,·t"11ig- i<le11-
tisch I d aß es ror diese "'t1bjekt, le<liglich ei r1 OJ-1jekt ur1ter and f'rn Ob-
jckwr1 isL. E.-; ist nlso ganz falsch zu sagen 1 d a ß die un n1itLell,ar ge-
gebene \ Virkljcltlicit lll o i n ß .c,..,ußtscinsinhaIL. odt!r <l all <Jie \ Vl•ll
,.meine \'orst..ellLLng'' s~i, ,vie e nut Scl1upe1tl1auer licuLe noch ,,il'len
als ~cibstvt"r. Lä ndlich gilt,.
• .EbeusO\\'OrLig d a rf a lts <ic•1n Sulz••, nach d cn1 jPdC uni- l,<•ka11r1t c
Wirk.lic l1kc:it ei11 Be,vu{ll.st•i11svorga11gi::; L, gc::;r hlo~::-e11 ,v!'r<lcn., tl;\ß .,.:.j • ci11
p s y c hi sc h e r Vorga r1g sr.i. Das Be,,·ulJLscin, von clt>nl nllein v.-ir
sagen k.ö rl11en , daß ~s allt> bei-ca 11tlle \ \ "i rl<I ic h.kcit, t11n f1lßl 1 e1\thii It
j a, ,vie es vorl allc,n in<Ji,1 id11c' lle11 BcsLandlcilPn frei i:--t, auc h ,n icl1 t ·
P ycli ischt!·· 1r1chr. E s hat tniL du111

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- 140 -
zu l{örpern so11dern Ztl a l I e 11 ernpiri ·chen OLjc:klc11 übcrhaupl. Auc h
rlara\1 s 1 daß das erltetmtnislheorcljsclie Subj,;kt, das l)egrifflicl1 zu
jede1n G •gc11 la.ttdc der E1~fahrt111g g,!l1ört 1 ir111ner 11ur zu:,a1)11r1e 11 111it
eir1 c1n tück. des individuellen eclenlebc11 ,virklich '\tor)(o111n1t,
folgt keine:;\vcg I daß alle Gege11SUinde <.lei· u11?11ittelbai·e11 Erfah1·ung
et,va j PsychiscJ1es sind.
Falls endlicl1 clns \\'o rt Bc,,·ußlscin Cür da~ f' t•l;e11nt.11i~th~orel ische
Subje kt gebraucht ,vird , so rnuß 111an die Erfal1runr.rs,v lt 1.,var in itircr
G esarnl h,c il als Be\Vl1ßt.sei11si11hall Lezeicltn1.:n 1 abc:r da~ Bt•,vufJt.sci11
1

i~t dnr1n eLe11 11ur der Narne für alle jy1 der ßrfa.l1ru11g g,·g •ueru~ \\:j rk_l ich-
kc iL, ur1<l ~'e nn unter die8er Voraus:-.et-zu11g die KörfJet· at1~h B e\vußt-
sci11si11halle zt1 nennen sind , so hören sie darurn doc h dul' · hau" nicht
au f. i h r e u n 111 i t t e I b n r e R e a I i t. ä t a I s l { ö r p e r z ll
b ,e 11 a J t e n. Die 1nit d er fal sche11 J.dcnti fizi ert1ng von Be"vußtheit
und seelise hrm Leben v erbunde ne Gleict. sc tzurig de FS)'Chi chen
111it dem unrruttell)a r Gegcbene11 is t gänzlic h tingerecl,lfcrtigt, und
es ~ir1.d daher durcl1 die Trennuug ue1· Subjck.l,begriffe alle Grün<lo,
:1Jhysiscl1 tllld Ps ycl1isc h in der \Vei e v o1)ei11a1ld cr z.u u11t,•r$cl1r-.iclcn 1
daß cla · eitle n11r Phiir1ornen, <las a11dere aJlein f{ealit.äL ci, ebe11falls
fo r tgefallen. Das 1->hy:;is-che und das Psy·chiscl1e haben \\r.ir, \vie n1a11
sie auch sonst definieren mag, jed enfall b e j d e als gleich unn,itLel-
bar gegeben a nzuscl1cn. Die D efinition des Psy chisc}1en a 1 1 e i n
dt1rch den Be\,·ußtseirt inl1alt geni1g t nicht 11ur nicht., onfJern ·ie muß
zu ~lißverständnissen fiil1ren, solangr- 11ic.l1t hinzugefügt \\'ird , daß es
nu ßcr den1 Ps)·chischen r1och cin >n a11dcrr1 He,,·ußl ·ei11.s.ir1 halt gibt:
die l(ö!'per,velt. Das B ·,vußt..-;cin kann i11 einer Dcfi11iLion <le Ps)'chi~
scl1tn ntir das gcr1us proxin1um s<>in t1nd ihm dje .'lclle t111Lcr den
e1npirisclie1l l~ettlitä tc1t üucrhaupt a11,vci:.-cn. Die spe1.ifisl' he Differeuz
tr1 uß erst gcfuudc11 ,,·ertle11. Die Definition des Ps)·chi::.cl1cn als der
Bewußtsci nS'\1orgiingc isl ftl'i'l a1Ldern \\iorLPn viel z11 \\'<'it und dal,er
ganz u fl"'eeigt1et , 111 n es gege,1 die l(ürJ>t!r,,·e) L aozugrc11zen. ,-\ )les,
,vas au d i c ~e r JJ cfiuiLio11 für <l e1\ Bl J'riff des })s~•cl1ischer1 sich
1

.e rgibL, ist ,•if'ln1-t:h r au cli für de,1 des f 1 hysjscl1en gültig: uu cl1 das l.>by-
si-che i Leine 11n r;niLlt·ll,ar gt•gebene .Hcalit.ä l , d. li. <l a s J)I1y~-isclic, d a
de.n J, örpf'r\vi~scni::<' hllfl.e11 nl )la lPrial vorljl'gl .
.Ja, \\'ir könrlcn l-c,g,lr, tun zu z i~"n , ,,·ie ,,·ett ig t.1as JJh)·~i.. chc als
nur 111illelbar i111 \ "erg lciclic zu111 l")~yr lti:i.cl,cn bczeiclt11cl ,vcrd cn d arf 1
11och ei11c 11 (!l1rilt ,,·cilc r •cl1crt. \\·(,llt~ inan ülJerlt:.l llJ)l. z,:vischcn
d €'. ll f>h )'3i ·~h en Ull(I d ct1 fJ .)'Cliisch CI I \ . 0rgä11 1r1:n n1it, J1 tlr· ksich t darHU r'

D191, h,ado po, Google


1,41

da.ß sie r11ehr odeJ' ,veniger tinmittelbar gegcbe11 sind, ei nen -nler-
S<.;.hied machen, so ,,iirde man sarrcn m11!.~en, daß die l{örpel"\\'el,t d e T
T ei l des Be\vußt,s.e insinhalte~ ist, der von n I l e n ~Icn. cf1cn ge1hcrnsatn
und unn1ittelbar erfuhren oder erlebt ,verde n karin. Seelisches Lcber1
dt1gcge11 ist j e-c1errL Ei11zel11en nur o,vcit unmitt,elbar gegeben, al. es
sein e i g e n es • celcn1t!ben bildet, u11d das übrige kenrten ,vir nur
rn i t t e 1 ba r, enL\veder durcl1 die Deutung von urlt11ittelbar .gegebene11
körperlichen Vo rgä11gcn oder vi llcicht aur. h, \vas hier nicht nä ltcr zu
erörtern ist~ durctt das 11 \ 'crstä nclni ," von el)cnfalls unmjttolbar er-
lebten nicht-p. ychisc hen Si11ngebilden, die ,,·ir mit andern IncJividttcn
ebenso gemeir1~an1 haben ,vie dio l(ö rper,·velt. Even tuell ließe icl1 dann
d er Satz b•-gründclt, daß das Seelettlcbcn das E i n z i g o ist-., \\'as grund-
si:i lzlic!) nut· z11n1 l<lei11cr\ 'l'cil t11unittelba1· erJebt ,verden l(an11, \\' ähre11d
alle and ern Obj ekte, im Prinzip ,,1 enigst,cns, allcrt :\lc11schen gc1neinsa1n
als un·mi t,tclbnre Gegebenheit en zugf1r1glicf1 si nd. Ob icli j ed oc h
au:; d.icsem m~La11dc ut1clt pri11zi 1licllc U nLcn.1•l1i1~dc für die :\Icthode
d er Bcgriff ·:t)jfclurtg ir1 d er P. ychologie in1 Gegc rL ·at,z zu llcr in d en
K örpo1'\visse nschafLen crgcJJet1 1 la~sen ,vir dahingei;w ll t. ' '' ir ltabe1t diu
Andc1llt1ng Ober clir. f\ tlRI,ahr11 r. t llung d e. cclrnlc.lJPns n.11r ge1nacht,
u1n zu 1.eig() n 1 ,v i e fnl~r h ~ i~t , das Ps )'chi~c h~ n1it d ein 11nrr1itt cl-

bare n Sc111 zu idc1Lti[jzierc11 Ün Gt'geu:;ntz Zt1r l\ör11cr,,·clt1 die un.3
t}Ul' l1liltelbar b ek~11nL ~ein so ll.

ur einen 1n.st,ar1d \vtill •r1 ,\·ir nor.h er,vü: ltn n, drr ( ll•~r1fnJls
1

d azu b eitrage n kartn, die 1\1isicltt.cn üLcr das \ ' crli i.i llnis, r11 d e 111 da.'
hf ateria l d er P ~)'Chologie trnlt' r logi clle11 Gcsicli lspt1nl\ten ztt <lC' n1 fl er
· atu r,vis~<?n..i cha ft~r.\ stt-- lt t, 1.t1 t r übf'n , tJntJ clrr vi<'lleicht gPra tl e d cn
:\f a nn d c.r c1n piri~chcn \\'i~"Cilschaft l>i::i,vcil cn in <lie Irr e führL. Es
solIt.e sich von ~elbst versLchc11, <laß, ,vc 11n 1110 n i111 lugi..:.c li ·11 l11tercsse
(c:; Lstcllen ,,ril l, ,,·ic d •1· B egri ff d es l' :;ychisehcn sich zu dctn des \>ii)·-
si..-r.c;hert v crhiilt. m an dabei irnmor r111r fla.' Phy~i~c he RO n(>hn1en (Jarf,
\vie c · s ich uns als nOc}h njcht ,Yi!--sc:rt:Srhafllich u n1,goforn 1l cs ~i a L e-
r i a l <larbietcl 1 cl)e11s-0 ,,•je 1ll::tr1 <loch 1la~ 1>syc l1iscl1c 11i1n11:1t irL d<'r (~e-
s talt, ,,,je es v orgefttnd r n ,,·ir<l. Diese R t•<li ngitng aber i:..L durc11aus
,
'nicht in11ner crf ül Il,. ,, clie , teile der l{ört)er,Yelt. ,,·ie sie itl ~ e111 pi-
r i ·ehe \\1il'kli clik:Pit 1111n1il l t lba r gl'gcbi.!tl ist, tritt un,,·illl\ü rlit;h rl er
Bt=•griff d ' T' l{Orl')er\velt., \Vi e iht1 d ic Na Lur,vis en-schaft 1t1e ltr otler
,vl;!nigr.r bPrPit.~ 11 c a r h e i t c t hnt. \\'ir lial)et1 nun gesel1cn, cla.ß
diese r J>rc,zeß der Bcarli..-iLt1ng v<>n V1Jrnchercin daru.uf g<'r ichL •t, ist ,
die A11 ·t:hal1l icl1l<eit un<1 u ur1tillclba rkcit der Jlti rpcrlicl1e11 Di11ge t1r1-d

D1911 11,ado por Goc,gle


- - •

\ ' orgHnge 1 d .i r ihnen als B c\,·ußtsein in.halLen zul"r>.1nn1t. iinrncr 1n •hr Zll
v crdräligen, so daß ::;cl1liefllicli eine rein qt1anLitativP \Veit an (lie Stelle
d er gegebener1 quulit.alivc11 en1pirischen RcaliLät. t.ritt. \ 1t"rglei~ht. man
da11n diese natL1r,,·i scnsc haftlicho B o g r i f f s ,,, c l t d,~ }>h)•sisch(fll
· n1iL dc111 u11millelbar gcgcbe11e11 r ca l c 11 itate rictl der P s}'(! h<,logie,
darin 1nuß selLst,1 erstäncllicf1 der nscltcir1 e11Lst ehen., al - ob Phy-
s isches t1nd Ps ychisches in bczt1g auf Ji c UnmiLtelbarl<cit r1rinziJl iclJ
von cinar1d.t~r ver.:-chicden \Viire n . Daß nber ein ~olc h,e r begriff:;rea listj-
c he r Vcrgleiuli in der l\JethoflcnJrh1-e unl>erec htigt ist, bedarf kci11er
näherer1 Begrün<lung. Nur di e ,vjsscns<:liaftlich nocl1 nicht bca.rbcit.cte
l(ör11er,,•elt is t das l\l a 1. e r i a I der Natunri~se11schaften 1 u11d sie
allein clarf n1it der ebenfalls \\ is~e11se haftlicl1 nocl1 1lic ht bearbcilc te11
Weil df'..s '"'oolenlebens v e rglichen \verden, die das ~lale1·iai der Ps)reho-
logic bildet.
Selbstvers üi11dlic.h so llen diese Ausfül1rungcn rue ht al le crkenn.t-
nis lheorc tischen Proble111e erlec-ligcn, die sicll in diese1·11 ZlJsamn1e11-
h::1nge aufdrüngcn könnf'n ut1d n1ü -:;en.. o k:ö1u1Lc 111an z. B. noch die
F r.1gc stellen 1 rnit ,Yclcl-1er11 R echte ,vir übc1·ha1lpt von cinPn1 ·11tcr-
sc hied \tun J>hysisc h u11<l l's) ·chisch ?'<~de n, solange ,vir un 1111r an den
Ul'ltnittelbar gcgebenert 1 ,Bß,,•t1ßt.seinsinhalt" l1altc11. "' teilt. nicht sc hon
seine , i.1alLu1lg i11 Z\\·e i v erschieden e Arten des Seins, i11 die des J)l1y:;i-
schen uncl die de:, Psychischen 1 eine begriffliche U n1 i o r 111 u 11 g des
u11n1iltcllJnr grgebcnen )Jal!.erials dar, ja , liegt die 'l'cnd enz die~er 1n-
formung nic ht bereits in. derselben Richlung, in der clie SJ)ezifi ·cli n a-
t u r \V i s ~ c tt s c h a f t I i c lt o Urr1forn1u11g des u111nittelbnr ge-
gebene11 toffe zu uchcr1 i ·t '? GchL nicht n1it and ern \-\1orLer1 der kürpcr-
'"i.5se·nschaftlicl1en Beg1·.iffsbildur1g cir1c f•'or1nur1g d e" gege ben en In•
hnltes voran, ohn e die es nocl1 keir1en Sinn hat, das Pll)'~isc he dem
Psychischen c1itgc•gcn zu setzen? Die r,t,vorl auf ~olche 1:'rH.gcn
kör1n<.~n ,vir i11 clic:;c111 Z11samrncnhangc nic ht gehc11 1 u11d \Vir Lra uchcn
e auch nic ht. .Es korntnt w1s ja ltic r 11 u r daratif or1, d en erlte1111tnis-
thcoret i~chen oder bes ·er cJc11 r11cl-itpl1y;-:-ischen Gegen atz von R ea-
liUit und Phüno1ncnalil :\t 1 von lJ111nitLcllJrtl'l,cit urid ichtunmit.tel-
burkcit1 aus dc11 Br,griffsbf•:;I irnn'lu11gen ct,•s Psychisch<'n nncl d 'S
Ph ysi ·c he11 fer11zul1altcn. Sollte cJie "p.1llt1ng d e:; \\'irli lichcn i11
Ph ysiscl1es un,l l"'s y(; hiscltcs nur das l'rodul,t ci11cr Legriffliche11
Bea r!Jcil.u.t1g d es u11millelbar Geg ebc11en :;ci,11 u11d dahe r i11\ u11rrdttel-
bar Erlebten belb~t noch keine Stelle hah,... n, so b lcib<'JI cl<>ch di<:se
beidt>n \ \ •1~1l cn , \.V<'nn !'- ic einmal gcLrc nr1 t i-Jnrl, mit Riick:-ich l auf <lie

0191 lt ado por Goog e


Unu1ittelbarkei.t ltn<I Realit5t. aur cl e n1 s elben erken11tnisth(\c,rc-
li chen riv au , und das al lein ,vollt.cn ,,,jr l(lar :-t •llcn. Die plt)1sisc hc
\Vei t ist n i c l1 t w en i g c r , ,t1nr1littclbar" utld ir1 i}1rcr Un111jLLelhar-
k<-it ·n j c h t ,v e n i g e r .,real" als die psychi eh \VelL.
Die F orn1, in die ,vir dieses Resn1ltat g-e kl eidcL lta])cn, <'nthält
freilich f iir viele ,,rahrscliei11!ich ci11en slarke11 Zu$atz , roi-1 Pa1•a4J oxie.
Die GleicJi~etzur1g der l{örpc n,,elt trlil einen1 , ~eil c.lcs t1n1nitlelbarcn
Be,\'ll ßtseinsir,J.altei; klingt ebc1iso son<lcrt,a r ..,:ie d ic Be·ha11ptung,
d:10 das P i;vchi:-che r1icht 1nit don1 ß c,v•t1ßtsl•it1 o huc ,veiterc · itlcuti-
~

fi zjcrt ,verd ~11 d'iirfe. J\b\:r das l<'rc rr1dartige cJies,•r "äl1.e beruht dc1ch
ltur auf d e r d a h •i v e1"vendel1•n 1'ern1i11olngic, d. h. alrf d<',n lJ m land s
Jaß clie ..\u::d rücke, die ,vir nicltl e11tbe hre1l kör1r1crt, viel,lcutig si11d.
Der Salz, daß <las b~gri(flic;h 11ocl1 unbearbeitete ~TaL<'riol <ler l{örfl 'r-
,vis~e11schafl.en niul1t mel1r und ni cht ,ve1tigc1· un111iLLelbur und real ist
als das begrifflich noch unbearbeitete ~Ia.Lerial der P ychologie, kctnn
nicht .p aradox lil'ingen, obald 1t1an n.ur· a11 clie Tfitii;keit denkt, ciie die
Männer der atttr,,,isse11sc hafl,('n untl <-lie P:;;ych<,logc11 ,virk.Jicll a,1s~
üben . Sie gehen a lle von 11n1 n iltclba r gl'gebc.r1e n Bc,vußLscinslatsaclicri
aus ur1d · Leigen ,,011 diese11 alhnä hlich zu iliren Begriffss)rstcrl1c11 cu1pu t.
D e r Pl1ysiker ,vürde seine ,vis.sen:schaftlichen Un.t crsuc,h ungen eb enso-
,vcnig ,vie der P syc hologe b egi nn en kön1ler1) ,venn il1111 sein 1\Ja-
te rial nicht, u1trnilLelbar i1r1 BevrußL ·ein gegeben \\'äre. J edenfall
,vollen v,ir hir r a c h 1 i c ll nur et.,,·a im Grunde genomn:1Pn gnnz
Eir1faches1 närnlich die l3cha11 11tu11rr <lcr ur1rr1ittelt1arcn ll ealilä l der
.K örpenvc)L zu1n Ausdruck brir1~t11, die die stillsc h,,·eigcn<le \ 'orat1s-
setzu r1g aller NuLttnvissf'n ·chnfL i1'1 t , und rlie kein,:! Sllirit11a li~Li,s,·he
J\letaphysik beseitigen ka.11n. ~achclc1n w ir cin rnnl fC'st..gesLclll l1&ben,
daß das \\1·orL "Bc,vt1ßt"e1n1 ' z,vei ga11z VPrilchietlenc Bed ct1Lunge11 hnt,
nii1n!ich ei11,11a.l die Unrnittclbnrk<>it des eins ül>erl1aupt u.nd sodnnn
das pezi{isc h p ·ychisr hc Scir1 bezeicht1cL1 l<önncn \1t'ir, ,vo i\l ißverslitr1d-
11i~se 1rlöglic h sind , das \1/orl Bc,,·ußlse.i11 auch vern1ciden 11ncl uns uuf
die ;\b,vcl1r der ß chai1 r>turtg beschrä11licn 1 d aß, ,vcil die Erfal1rut1°~-
,vclt. ein Be,vt1ßl„ eins vo 1-gt111g sei, nur dn.. 'eelenl cben un1nil tPlbare
RenliLä.L besitze. \.Vir halten daran fc t, d Hß das ,,,,o rt 1 ,psy,·ltisch 11
jcd•·rt 'i1111 verliert., ,vctlll es ni cht a uf eiuct\ 'f e i 1 <lcr ur111ti l lell)ar
gegebenen \:Virkli ·hkeit beschrä nkt. '"ir,1, tanll daß die un1Y1il t.clbar
gegebene Körpe r,vcll <las ci11zige ~I a l c r i a I d er <'tnpi risC' h,r n i'\c:1t11r-
,,.isse11 cl1afle11 bilclct. Das, ,,•ns Jllttl1 unter erk~11r1lni~Lheoretischen
Ge. icht.s1)\tnktcn al s Bc,vußL..;cin~inhalL zu bezci ·hnt!n g1·,vo hnt.. isl 1

ü1g1taltzado por Goog e


- 144 -
n ennen \Vir, 11r11 j<:de i-pirit.t1a listisclte ;.\ ufrassung unn1öglicl1 zu rnacl1en,
die e m p j r i s c h e \ V i r k l i c 11 k e i t. Darun ter verstehen \vir den
uns un1nittclbar g·~l:'bcncn anschaulichen Tnhalt.., den wir a lle al s
\\'irll li ch l)ezcic!in~n oclct i 11 clc r F orrn ,,\~firkiichkeit'' de11kc n. U1n die
~löglichk ~it einer Schciclu11g in RealiLät u11d Pl1äno1ne11aliUil kümn1cr11
,,·ir uns 11icl1t ,veiler, nachde111 ,vir illre Be<lculungslosigkeit für u11ser
Pt·ohlcrn clargota.n ha_))en. Ob ihr überhaupt irgend eine Berech tigung
ztikc,mn,t, lasse n \\lir dahingestellt. E ~ genügt urts 1 ,ven11 \\'ir zeig 11
kör1n1'n , daß cl,1rch - ie jedenfalls das f-'hysische VOlll Psyclti 'Ccher1 nicl1t
gebren r\t ,verd en darf. \\ ' ir find en, ,~renn ,vil' ,\·i~t:tc"n~chafllich zu uer1lie11
h<:g inncn, rine \ ~'irkl ichkcit vor, die au J{ örpcrn besteltt und aus
anclern G-cbildc11, die ,vir p. ychisch n ennen, d. h. jerl er lann der
Spczial,vis:sensc liaft rinclet dic:--e \Virl(l ichl,eit vor 1 ,,·enn er n1it seiner
spc1.ial·, vissenschaf~licl1en Erforscht111g der 01.>jelcle a1Lfü11gt. Das allein
ist i'n d icsetn Zu :tmmenha.no-c von Bcdeut11ng. \ 7on einer nält('ren
Bcgl"iff~be Li1r1mung de P ~y~hische11 s(d1e11 ,vir cbcr1fa lls ab, ja, ,vir
, ,10Hrn sogar ausd riicklic h hervorhcbe11, daß dieser Begriff durch un$cre

U11Lersttchu11gen in keiner \~/eise inl1alLlicl1 bc.sti111n1t scir1 su)I. \Vir


,vis. c n , claß da:,; Psychische ei,n Teil der en1pirischen \\' irl{l ic hkcit
i t i,O gut ,,·it: tii<1 l{ör·per, u nd ,vir bescl1rfinkcn t1ns im Ollrige11 d orn uf,
zu ~-agc11, daß als psychisch alle unn1itt.el}Jnr gegebenen od er er.fnhre11en
,v i r I< 1 i c h c n Objcl<te zu gclwn habt•11 , die nicht physisc h s iTl(l. Die e
n t'g~livc 13L-stitri rY1ung reicht hier volls ltindig alt~, da ,Yi r ja in der
cr11pirise hc11 \ \ ' irklic hl<cit nur ent,vccl c r physische o(lcr psychi. e he
R ealiUlten l<•n11en.
Ncll1ri en ,vir, u111 das I{esullal dieser J\u::f ilhrung11n z1,~;'ln11nen-
zu.fassen, en<.llic h noch ausd rücl<lich tclluitg zu der I;-o rn1uliert11tg,
vc>n tler \\' ir a11~gcganglin sind . Der Untc1-sc hied der Pi;ycholog-ic von
der Nat11r\\'l:i."en. . c haft St)IILe dari11 bestehe n, daß d a ~lnl ria l der einen
d ie Objekte sind, die als et,vns Frernd cs an dus • ubjekt hernnlrelen,
die andC'rC es dagt1gcr1 mit d ' m 1in1niltcll)ar grgeben 'Jl Subjclct . cll> t
zu Lt111 11aL. \\' ir ,vis.c;en, unter ,velchcn Bcdi11g1111gcn allci11 d'ieser
Satz ein" Bccleutung für clic L a rik gc,,·ir111cn kö1tr1Lc. , .ersteht 1nan
unter Subjel<t das psyc ltopb)·sisc he StLbjekt, so ,vird man das ,,lnncr1-
Jebf>n' ' prir,zipiell ,,ro11 der ,,.l\ußen,vcJ,t " 11nterscheiden ,,,•ollen. Der1kt
man an cln..s erke11nt11i Lhf>oretische - uLj ck.t , so n1uß das Seelenleben
1

als <lns a llein u11r11-ittclbar gcgel>et1e 11 , ei11'' i11 cir1cn Gegensatz zu der
11ur als ,1 ErscJ11.:i 11urtg" gegehe11en ,,,'elL der l(ürper treten. Diese
b eid •11 Suuj eh.tLer.rrirfe l<on1men jedoch, ,vie ,vir gescbe11 habe11,

ü1g1taltzado por Goog e


- 145 -
für die P •j•chologie nicht in Betracht. Nicht das Subj ekt ive als das
,, Innere' ' i t Gegenlitand der J>•y,choiogic, dertn zu dieser Bel1aupLung
t1ätte nltr der ~laterialis1nt1s oin Hecht, (lcr i11 Vo11rJngcn im, Gelurn
·und Nervensystem das „ eeli ehe erblickt. icht. das uLjekli\1e als
,,Be\v·ußlscinsinhalt'' ist Gegen land der Psychologie, denn diese De-
fi nition setzt. die gesa1nte emr)irische Realität dem Seelenleben gleich
und würde nur , ron einem spit·itualisLl ·ch-motapl1y ischen „tandpuokt
aus bcrecl1tigt sein. At1ßerderr1 würde man als Konscqueu~ dieser An-
sict1t. behaupler1 r11üssen, d aO clie Psychologie die einzige \\!i sens.c haft
ist , die es 01it unmittelbar gcgcbc.nen1 ~laterial zt1 tun hat, also al5. die
einzige en1 piri cJ1e Wi seiischaft gelt.eu kar1n. Bci~e Bcgriffsbostim-
mltngen sind jedel1tal!s atis ein,er- r11etaph)'sischc11 f\uffassurig ent-
spr-ungcn ur1d haben daher l1ier keirte Stelle. \ Tiel111e1"1r darf als psy-
chi eh nur das bez.eicllnet \.\'erden, \.vas \Vir a l psychologiscl,es St1b,jckt
von de n beiden a11derr1 Subj ekte11 ur1te rscl1eiden konnlen , und ,vas
durch\veg objcktivic.-bar i„t. So allein ge,vinnen \Yir einc11 Staz1d pu1lkl,
von dem aus eine Begri{fsbe:: timn1t1ng des Psychischen für eine e111-
piriscl1e Psycl10Jogie 1nöglicb ,ivird .
IialLen ,vir hieran fest , so ,vis.scn ,vir aucl,, daß der atz, die
Psychologie ha.he es 1njt Subjekten, die Natur,,,i ·scnsc haft dagegen
111it Objekter1 zu tun, . O\\'Cit er ri chtig is t, f(ir e_lic ~1ethodenlet1re
nicl1t..q bcdcuteL. Ge,vi·ß u n ter ·t1cht die Natt1r\vissenschafL nur Objekte
i1n erltor1ntnis thcoreLis:chet1 S111.n , ut1d \vcnn -ie l( örper\vi.sscn ·haft ist .

so kornn1t. auch d a- ps, cllologischc Subj ekt. f'Clr sie ent,ve<ler gar 11icht
oder nur als et,.,·us, '"'ovo.n ic absel,cn muß, in Frage. Das erke11ntrti~-
tl1corcti~chc Subjekt gcl1örL z,var zum Bcgrjff jeder cmr)iriscl1 en \Virk-
lichkeit, doc.l1 die Einzel,,·isscn ·chaftc11 l1abe11 auc:h vo11 ih1n zu ah-
tral1ieret1. Gatiz Ial::,cl1 abel' ,väre es, zu sage11, daß ,vege11 diesttr
Abstraktion von allen Subjekten die Erkenntnis,,·ei1-e der l{örpen,·is en-
chaft eine rr, iltclbarc u1irl abst1·akt bcgrifflict1c ist itn Gcgc.a satz zur
ps)·chologisc hcn Erl{e11nlnis 1 die l1nr11ittclbar iltr :\laLcl'ial erfaßt .
l'\icl1t:.die Ig noricrung d"-s p$)''Ch<1l0gi chcli urtd nichLdie Jg11orierung des
crl(cn11tn..ii:;thcorctischcn ..:.ul}jckts nötigt zur Dildu11g von B('griff1'n.
die an Stelle der An ncl1auttng tret en , sor1dcn1 die G1·ündr alle.in, die ,,·ir
in1: vorigen I,a piLcl ausfül1rlich clargelcgt, ha lJcn , :::incl fü r die lu riscl1e
Stru.k t ur der nntur,\·i~sen:-; cl1a fLli r hcn Begri rr ·Lild ung 111ftßg<' be11d.
tf a.n ka rin a uch k.tJrpcrliche \iorgü11gc, so \Yic s i,e a11"cl1at1lirh gegeben
sjnd, in d er \\'eise zu 11 beschrcihr·rl'' vcr~urhen, daß claclurch ein u11-
s.cl1au licl1es ß ilJ von ihrer t111n-1.iltelbarc1t i11di"·iritu::llc·r\ ,,·irklir·hkc>il
r, i C lt C> T ~ ' Grtn7..en„ 2. AuH . 10

0191 lt ado por Goog e


- 146 -
enlsteht und jed er Gedanke an die begrifflicl1e "'' elt der Nat.unvisson-
scl1aft dahei ganz lerngef1alLen ,vird . Aber .m an kann das im,ner nu.r
mit eir1zelrlen, j n d i v i d u e l l e n Di11gcn und Vorgängen tun, und
,,·an1m solcl1e Bcschreibunget\ für dio Nalunvi scr1Schaft nur aJ s Vo r-
arbeiten vo11 Bedeutung si11d t1nd in ilJr elten v orkom1nen, haben ,vir
ge~ehen.
\Vie v erh ält es sich nun r11Jt den ubjekten in der P. ychologic?
Wie die N.1t\1r,vissenschaft sic t1 um das psycl1ologischc Subjekt 1ticht
kürnmert, so hat die Ps)1chologie von der1 körperlicl1e11 \ 101·gärigen ab-
zusehen, und eine Ab. tra ktion vom erkenntnistheo retiscJ1en Subjekt
rnuß sie ebenfal ls von1chmen, denn son t wü.rde sie kcin.e ornpirische
"''issenscl1aft seit1. AJfes 1 \\ras sie untersucl1cn soll, rr1uß auch die Psy-
cl1ologie zum Objekw macl1en , und \Yenn. die ·rrennu11g d es p ycholo-
gi.chen :\laterinls v om erkenntni.s t l1eorctiscl1en Subjel<t sc h\,rierigcr
auszuführen sein rnag, o ist sie darum d och nicht minder not,\,end ig.
Docl1 ,,crli ert d urcl1 die Abstrakliort v om erkenntnistheo retischen
Subj ekt das ~iateria l der Ps)·et1ologie eb.cnso,vcnig v o11 seiner Un-

1nit te lbarkeit wie das )laterjal d er K örpenvisseuschaft.cn . ,i.\ uch l1icr
ist ein unmit telbares Er.Cnssen einielner individueller p. ychi eher
Objek te . elbstverständlich rnöglict1. i\1an kaim unmittelbar erlebte
rr...; ychischc \1/i1·klichkcilen hi d'crsclhcr1 \iVeise ,vie cJ ic physiscllen
,,bcschreibe11'', ·o daß da.durch anschüuliche Bilder p ychischer \Virk-
lich)<eiter1 ent lehe n . Ja, rn an kann a,1ch frcl11de~ Seelcnleber1, das 11ur
auf jrgcnd einem Um,,·ege bekannL ,vird t ebenfalls in solclien 111divi-
(lual isicrondc n Beschreibungen er(.1,-,scn . oll nltn aber hier d ie, e
nicl1tnatu1"\\'is.scn.schaftliche 1\ rt v on B eschrcil>ting einzelner Tat-
sachen d ie eir1zige Art d er E rkcn11tuis sein? Soll die objeliLivic rw
,velt des Psycli iscl1en nicht vielmcl1r eben~o ,,·ie die ol>jcJ, tivierte
Welt. de~ 1>J1ysischen in il1rcr G e s a rn L h e i t t1ntcrsucl1t und zu1n
~1ind c t.en einer gcr1crali siere11de11 ,,Beschreibu11g' 1 naGll Art der Natur-
\\15 en cha[ten , eventuell auch einer n alunvj senschaftlichcn ,,Er-
k:lä rung" unt(.?rzogen ,verden, clie für a l l c ps)'Cl1iscl1en 11calität en
gilt, a lz;.o ebenfa lls gcnera. li~iercr1d verfu hren rr1uß ? Es liegL rlicht, der
1nitldesl,e Grund '\'O r 1 diese Frage zu ~·err1l•i11en . Daß ,vir nicht u11scr
ga11zes Secle11lcbc1l att f einma l z.u111 Obj1.?kle zu n1achc11. in1st and c sjnd,
kann d och k ein Hi11der1u s [ür sci11c r1 alu r\Yl,-5cnsc haftli c ho Uea1·bei-
tuc1g St~in , d enn nt1ch clie lcörperlicl1e 'Vl irk.lichkeit is.l. 11ie1nals ir1
ihrer 'J'ol ulitill. zugleich erfahrba r. ·.ucl1clem ,,·i r ali-o fc t gcst cllt
lla bcu , <laJl in den, )1 a t e r i o. 1 d er JJ:;)•cliologic ols solchem sicl1

0191 lt ado por Goog e


- 147 -
nichts findet, was seine 11atunvisse1iscl1aftJiche oder generalisierende
Darstellung v on v om eherein als weniger möglicl1 erscheinen läßt
als die der Körper\\·elt, müssen ,,·ir t111s jetzt der Frage zu,vendcn,
ob diese Behandlung durch eine generalisierende Begrif(sbildttng nicht
n11r 1n ö g l i c h , sondern aucl1 in ,vie ,veit .sie n o t \\" end j g ist , ,venn
v on einer ,visser1schaftlichen Erkenntnis d es Seelenlebens überhaupt
oll d.ic Rede sein können, ocJcr ,venn \vir ,roraus.~eLzcn, d aß es ,visserl-
scha ftl iche P ychologie gi bt.

II.
D i e g e n e r a I i s i e r e n d e E r l< e n n t n i s d e s S e e l e n-
1 eben s.
Daß z,vischen d en ~Ieth,odeo der Körperwi sse11sc l1aften und
d enen d er P s ychologie erhebliche n terschiede bestehen, \\'ird niernand
in Abrede stellen. Schon der Umstand , daß die für jede empirische
'"' i~senschaft not""'endige Objektivierur1g il1res ~l at erials in der Psy-
ct,ologie mit Sch,vierigkeiten verbunden ist, die die \Vissenscl1nften
von d er l{ö,rpet"\velt nicht kennen, daß man ferner immc1· nocl1 allzu
geneigt ist, Sinngcbilde ,,,ie die Bede utung von \Vortcn, den Gehalt
v on Urteilen oder au,ch der1 ä thetischen „Gegensta11d" an I{unst-
"verken und \VertgcbiJdc, die an andern J{ulturgütern l1aften 1 für
ps ycl1iscl1e \Virkliclikeiten zu hall&n, ob,vo}l l sie gc,viß nicht zeitlich
ablaufe11dc reale Vorgänge in nur einem i11dividuelle11 Seelenleben
sind, rn uß sicl1 auch f ilr c.Jie ~fethoden der P s.ychologie n1ehr oder ,ve-
niger geltend machen 1 und es i ~t ge,viß eine interes antc Aufgabe,
die logiscl1en E igentün1licl1kciten1 die sich l1ieraus besonders füi· die
Auffindung und Abgrenzung d es von der P sycl1ologie zu unlers uchen-
den ~laterial ergebet11 irn ejnzelnen zu v erfolgen. Auf die e11 T eil der
psycl1ologischen Arbeit ko111mt es aber hier für uns r1icht an. \Vir
setzen vielmehr, der ,vieder·holt hervorgel1obencn Beg1·enzung unserer
Aufgabe en t..,prechend , das psycl1ol-0giscl1e ~latcrial in d en1 nngegebe-
11en ir1r10 als ,vi sensc haftlich zugänglich tind v on allcrn Nicht-P y-
chi ·cl1on gcschieclen voraus u11cl fragen r1ach der logisc hen truktur
der Begriffe, rl1it denen die Ps ycho logie dies ~'laterial darstellt. Daß
die v crscl1ied en en Teile der ,visscnscl1afLlichc11 ~f 'äLiglieit., insb eso1,dere
nters uchung uncl Dar~ tcllu11g; gerade i 11 dieser V\f j sen~chaft vielleicl1t
nocl1 \vcuiger al~ a;r1der:;,vo faktisch vor1 einander gesclded en ,,·erder1
können,. binderL uns nicht, ie begrifflic l1 auch l1ier zu trenn.c n und
.
abgesondert von einand·e r zu hotrac hlc11. , :Vir könr1tc r1 1 \\ 'CJlll \\' Ir
10 +-

D191, h,ado por Google


148 -
diesen \ 'c1-such nicht unterr1cli1nen ,vollten , überl1at1pt zu gar lceinern
fül' unsere z,vcck e b efriecligenden Ergcbni l{o1nmen.
z,.,
1eifellos sind nun aber Cer11er auch rt1it, llücksicht auf die Begriff:--
bildung oder Darstellung der f.>s)rcllologic erh•c blichc logische UnLcr-
scl1iedc v on der Begriffsbilclung u11c.l Dars te llung d er l{örpe1"visse1t-
scha!ten vorbanuen. \Vir ,,·ollc11 hier 11ichts ,ve11iger als e.ine unkrj.
ti sch•e UeberLragung der i\1ctl1oden v o1t cincrn Gebiete ,,·isscnschaft-
licher Arbeit auf ei n aJ:idcl'es bcfor,,·orlcn 1 sondcr11 ,,·ir 111einen, daß d io
Eigen arten der ~lethoden in1 Einzelnen ich imn1er an d en
Eige11arler1 des zu bea rheitcnde11 ~Iateriales zu ent,vickel n }1abe11.
Diese l\1einur1g kann uns j edoch nicht hind ern , zt1 fragen : sind die bei
der b egriffljchen Bearbeitung dei· l( örper,,·elt und des Seelenlebens
s ieb ergebenden logi. chcn Unlerschiede von so p r i n z i pi e 11 e r
B ed eu t ung, daß ie eine E in teilung d er gesamten emp irisc hen Wi sen-
l'ichaftcn in d ie zwei Ha11plgruppcn der Natur- und GcisteS\vjssenscJ1af-
t cn z11 b(•grüi1dcn vermögen, udor gibt es nic}1t vie11nch r noc lt einc11 viel
tiefcrgel1cnclen logi ·eben Gcge1isatz d,e r ,vissc nscl,a(üichcn Arbeit,
i1n \ ' crgleich zu d ern die Unterschiede Z'-Vi chen der Begriffsbildung d er
l{örpcr\\·isscns.cl1aft unci der der .P sychologie so \\·eit un,ve:-entlich
erscl1eincn, daß ,,rir ei11 Recht haben, diei.;e \Vi::.;senscJ,a ften unter
logischc11 Ge icl1W!punklen als zu ammengchörig anz.uscl1cr1 und daher
vo11 ejner nacl1 d er natunvissc11 chaftlicl1cn ~J etl1ode v erfallre11den
Ps)fchologic zu s prcchc11? Eiue solche \Visscn~chaft ,,·ürde dann unter
logis.ch<'n Gcsicl1tsrl u1tkl"n eJbs L als eine Natt1rn·isscnsc haft z11 be-
1,eicl111c11 sein. Inde11, ,vir die Frage nncl1 d em logisch tie.fergehenclen
Unterschiede vorläufig zur(ickschicbcn, v ersuchen ,vir zun äcl1sl zu
zeigen, in \velchen P11nktc11 die begriffli<"hc Bea rbeitung und Dar tellttng
t d es "'eelenlebcn mit der der Körper,,·elL tlberein tjn1111e11 muß. Zu
di csen1 Z,vccke g •11üg~ es, ,,·enn \vir 1.11sel1e 11, ,vie ,veit die Ausfül,ru11gc11
d es crslcrl l{apitel über die begriffliche Erltennl1u · <l ct· K örpe1,,·elt
auf dj c Erkenntni de . eclenl cbens iiberlrage11 \\'erden ltönnen .
\Vir haben Cestzt1 ~tcl len , <l~lß die seelischen \ 'orgi.i nge ellf'nso ,,·ic cl io
phy~i~cl1cn in einer anschaulichc11 ~.f an11igfaltigkeit b estehen, u11d daß
d iesc eben ·o ,,·ie clic der l{örpcr, elt in uoppel tci- 1.-I in::.ich t., cl. h. cxtcn~iv
ur,d il1t.ensi,· u11iibcr eh bar ist.. Dies gilt sclior1 1 ,vcnn ,vir zu11äcl1~t, 11ur
die Gebilclc i11 BeLrt1chL zieh (\n, die t111 , irn eigenen Seelenleben direkt
zt1gLt1~glicl1 si r1d. \' 'ir b esinnen i 1ns, daß ,,·ir in d er ' ' ergnngenhciL eine
u111ibcrsehbare A1lzuhl vor1 vcrsc hiC'dene11 scclischcll \ To 1-gü11gen er-
) "b t b,tLe11, ·und ,yir (i11(.le11 fcrr1er in jc·dcni 1-\ \1geitblickc d•c r Gegcn,,·art

D1911 11,ado por Goc,gle


- 149 -
eine in il1ren Einzelheiten unübcr: el1bare Follc von · psychiscl1etn
Lebe11 vor . Kein P..;ycl1ologe kan11 daran denken , alle die Wahr-
11ehmungsakte un.d Erinnerungsbilder, die er gel1ab t 1 all.e die Nei-
gungen, und Abneigungen, die er orfahren 1 alle die Scl·arnerzen und Freu-
den, die ihn be,vcgL haben, einzeln und ausdrücklich .in i::eine \Vis. en-
sc hafL aufzunehmen . .Jeder Verst1ch 1 diese Gcsarntheit auch l\Ur
a nnähorut1gsweise durcl1 eine abbilcie11de Erkennt11is zu er·fassen, ist
hier genau ebenso ,vidersinnig t1nd aussichtslos ,vie gegen.ü ber den l{ör~
pcrvorgängcrt. \Ver unter E.rkcnnt11is des Scclenleben.s ein ,virklicl1es
Abbild verst el1t, rnuß auf eine Erkenntnis des Ga1uen oder aller
sei11er ~l'ejle jedcnfall verzichten . nd , ebensowenig ,vic in der Natur-
\Vissenscf1afL von den K örpern, ,vür<le auch hier ein \ ferLichL auf die
Kcrmttus a 1 1 c r Vorgä.11ge u11d die Bcscltränkung aui einen be-
grenzten Teil von ihnen et.,va.s ändern, denn au cl1 unler dieser Voraus-
etz,1.ng s tänd·en ,vir rioch i111mer , ,or einf'r unüber,:,1rhl>are11 ~l annig-
falligkcit. J edes einzelne seel.ische Gcscl1ehcn, das ,vir erlebe n, ist ,
o einfach ,,·ir es attch ,vühlcn n1ögen , noch imnier sr hr kon1pliziert.
Kein Gefüh l gleicht dcn1 andern , keine \Villcr1sä ußc rung ,,·icdcrholt
sich ger1au 1 ,,·ie s io scllon einrr)al \Var\ sond ern jeder \ 7orgn ng l1aL sci.r1c
Eigentüml ichkeit., die nur auf ei ner große n ;\f annigfalLigkcit bert1hen
l(a11n.. Ja, irg..-.nd ei ner1 psychi chcr1 , organg ~i,·h in allen gci nen Ein-
zelheiten ..,o ~u,ri ausdrücklicl1en Bc,,·ußtsci n zu l>ri11gr11 1 cl aß ,vir
sicher sci,n können, a lll's daron erfnßt zu l1abe111. ist ganz u11n1ögljcla .
Scho11 der U1n tanrl , dnß alles sccli:-cl1e Lcb<> n in der Zeit ,•erleiufL,
bc\,·ci t dies, c1e,m jeder Vorga r1g 111ach t <l.abei citl • unüber ·ehbar gro ße
r\ nz.al1l von versc hiedenen Stndie11 d11rc }11 u nd ,vi r h abcr1 kcjn.e n G·r und ,
anzu11eb111e11, daß nicht aucli hier überall ei11 he lcrog •ncs Konti1it1u111
vorli<'gt, das vollslJlnil ig in ci11en Bcgri rr zu bringrn , pri11zipicll ,, n-
rnögl icl1 ist . \Venn rnan von psycltologi. cl1cr Seite hi<>rg„gcn ei ng ..,,-c n-
d et hat, die ,,p )'Chi ~ehe an~chaul icl1c ~ta1111igf~ ltig'lit;il " sei ,. rtic'h ts
,,·eiliger a l:1 unH ber:;chlJar11 , ja, '"'enn <lie~e Mannigfaltigkeit (,gar
,,für recht bcsc hr.1nkt. angcscl1e11" \Vir(l 11 od <'r ,venr1 111a n behauptet ,
daß „die bcgrifflic'hc Beschrci11ung nirgc11ds elnc·n an ~cha\Jlichc11
Il ~s t iurü<· ltlasse, <ler 11ich t sei l}:..L ,,·ird er l-;eg riffl j,,1i cha raJ.<l.eri~iert
,,.-erden k a11tl''!t, so i:;L clabei 1 ,vie o oft, tlie ~la,, nigfalligkeit cfcr ffi r
eine ,vi se11~chaftliche 'f heo ric ,,, c ::i • n t I i c li c n ntcr:-1chi(•dc ,nil

1 \ ' ![I. ~I o r b c, in cl1•r Zt•il-..ch1·irL für T'lfilo~c>pltic• und pflilol'optri„cllc 1,rilik ,


Bd . l li , · . 2ll0 ff,
' ~l O Jl l'I l c r b ~ r f!'., Gr11ndZf11(1' tlc-r P:- ycho lo~i<", L l 90fl, S. :18.

ürg,t~hzado por Goog e


- 150 -
der ,virklie'l1cn ) l.annigfaJtigkeit des psychischc.rl Seins St!lbst vcn,,cch-
seJt, oder man muß glauben, daß die psychische Realitä t atts den ps)1 -
chologiseJ1en B,e.grirfsinhalten zusa1nn1engesetzt, sei ,,•ie ein andl1aufen
au einzelnen ,virkliche11 Körnern. Wo solche rat.ionali tiscl1-meLa-
physiscl1en Vorurteile herrschen, und ,vo man die Begriffselemente
mit den ß ,c5;f.andteilen der R ealität identifiziert, kann man zu einer
l(la1·l1eit tlber die 1,·rage11 der l\i( ethodcnlehre nie,nals komme11. f\.lan
muß lcrncn1 clon Inhalt der ,vi. sensct1aftlicl1en Begriffe ilberall, also
auch in der Psychologie, von dem Inhalt der ,virklichen Bestand teile
des psychologischen Materials zu scheiden, (ür das di.e Begriffe gel.t.en.
sollen. Dann \vird rr1an nie die realen Bestandteile sondern nu1· die

BegriffseJe1nente für ub,~rsehbar halten. Al1cl1 mein eigenes mir un-
m ittelbar gegebe11e Seelenleben ist. in c!em d erlkbar kleinste11 Zeitraurn •
gegenilbcr einer begrifrlichen Erfa. st1ng i11sofern irrational, als es nicl1t
restlos in ei11c11 Begriff cingohcn kann. Also bleibtt selbst '"·enn ,vir
an die ~·l annigfalt,jgkeit d es f1•erndct1 Scclcnl.e bcns noch gar nicl1t
denken, da Resultat, in bezua auf die ~föglichkeit einer abbild enden
Erkenntnis der PsycJ1ologie genau das, Z\1 dem ,.,.., jr früher bPi der
Betracht.uug der ~vi sen cl1aftLiche11 Erkenntnis der K örpet'\velt ge-
ko•m men y:aren. Das ~latcrial ist prinzipiell unüber c'h bar und bedarf
daher, ,vonn es l1herl1a11pt in die Erkcn11l,r1is eingellen so ll, einer verein-
fachend en Um forn•ung d11rcl1 den Begriff.
Gehen ,vir soda nn vo1n. eigenen SeeJe11leben auf das fre,r1de über,
so ,,,erden ,vir . ogar . ng:en müssf'n, daß eine abbildende Erkenntni. der
psychischc11 ~lannigfaltigkcit in allen ihren Teilen noch. in cir1em ganz
anderen inne u11111öglicl1 ist , als dies bei den Körpern c.l er Fall ,,,ar.
Die Gesamtheit d er seelische11 \ 'orgänge aller vcrschi cclcnc11 \Ve.en is t
nicht nur iu ihrer ir1tcnsivcn ur1<I cxlcnsive11 '.\-larmigfaltigkeit unerscl1 öpf-
lich1 sondern es ist auch au ihrer unühcr'chbaren Fülle den1 einzel-
nc11 ForsGl1cr nur ein verhä ltni. mä ßig klci1ler Teil als unmil.tclbarc
AnschauUllS direkL .zugä1tglic}1. cbc11 der, \,·elcl1cr i.;.ein cigc11es Scele11-
lcbcn bildet, und wenn \vir auch mancl1e,., frc1ude Seelenleben . o un-
n1ittclba r zu lceruu!r1 glauben \\1 ie da~ eigene, so bleibt, ganz ahge~cl1cn
davon, ,vje ,veit di eser Glaube berech tigt. ist , u1is doch bei \\'cilc1r1 del'
größLe 1'eil aus <ler G.esalllth,eit d er p )'Chischl'.'n , ·orgiinge in seiner
Unmittelbarkeit v öl lig 1111hekani1t. d. 11. er ist urtscrer ß eobachlun~
prjnz.ipiell cntzol:,r-e n. Da~, ,,·ofül' ,,·ir bei uns ~ell)st ltcin Analogo11 finllen,
"'·erden ,vir r1icr11 ..,ls auch 11t1r Z\J erraten irr1staurle ein, u11d es i~t, clal1er
für clic ''"is5en~chaft als i\laterial so gut ,vic n.icht vor'h anderi. ""cltort

D1911 11,ado por Goc,gle


- 151 -
alt diesem Grunde " 'are es unmöglich, in ein,e P sycltologiet die doch
nicht das individucJle Seelenleben eines einzelnen l\1enschen dars tellen
soll, die ps1rchiscl1en Vorgänge, so ,vie ,vir sie unrnitLeJbar ansc hauen,
a11fzunel1men. E s könnte dabei von der extensiven ps)'·cllisc he11
i\·Jannigfaltigkei t 1 aucl1 ,venn sie nicht unüber5ehbar gr-oß wäre, nur ein
kleiner Teil berücksichtigt ,verd c11 1 und die intensive ~Iannigfaltig~
keit dieses Teiles wäre in ihrer Eigenart ganz , ron der Eigonart des be-
treffenden Forschers abhä11gig 1 also notwendig von allem v erschieden,
,vas sonst noct1 in d er Welt an psychiscl1em Loben vorha.nd en ist.
E s ,,,urde danacli jeder P sychologe; gerade ,venn er darauf ausgjnge,
das ihm -d irekt zugängliche oder erschließbare Secle·nleben in Forrn.
eines Abbildes anschaulich darzustellen und -e s auf diese \Vcise unmittel-
bar zu erkennen, eitle Psychologie zustande bringen , die sich von d er
jedes andern Psychologen notwendig u11tersct1iecle.
Wir braucl1e1l diese Gedanken nicht näl1er att zufül1ren I denn a;lles,
was ,vir i1n ers ten KapiLel rar die unmittelbar gegebene I(örpe1~·elt
nachge,viesen haben , muß, so,veit es l1ier ,vcsentlicll ist , auch für die
\,\.1elt der p ycttiscl1ei1 Vorgä11ge gellen. E s ergibt sich darau · jedenfall_,

daß eine unmittelbare und anschauliche Erkenntni;;,,,ci e in d er P y-


chologic genau cbensowe11ig möglicl1 ist '"''ie in d er Körpe1"\vissenschaft .
\:Venn daher DilLhey 1 sagt: ,,es b edarf ei ner psycholog.i chen Syste-
matik, in " 'elcl1er die ganze Inhaltlichkcit des cele11lcbcns Raum fin-
det' ', so v erJangt er damit et,vas, desse1t \ Te1"virklichung in1 Jnt.ere1se
der sogenannten Gei~te \vissensc·ltafLc11 1 insorcrn sie l1ist ori ·ehe Wis-
senschaften sincl, vie.lleicht sehr \\1ün chons,vert ,väre, au" Gründen ,
die w 1 später noch zu be._,,;cl1äftige11 }labe 11, er verlangt aber zugleich
et,\·as, das zu erreicl1en, prinzipiell unmöglic•1 is L. Nur dari11 sLinuner1
wir Dilthey zu, daß die nattlr,vi ·~eoscl,iaft.lich verfahre11<le, ger1era.li-
sierende Psychologie in der ·1·at nicl1t Gi-undlagc det· GeisLes,vis ·e 11-
scllafLen sein ka11n, ,ve11ig~ten ,ven11 es sich u·,n histori~c he \Vjssen-
scbaft.en handcll,. Aber darau s folgt gar nicht, d aß der nterschied
von . 11atl1r und GeisL auch. die BerJeutung eine logisc hen Gcgcnsa L1.c~
l1atr so lange man dabei allein der1 nle rscbicd vo11 Ph ysisch und PS.: )'-
chisch ins Auge faßt. E crgibt sicil vielmehr daraus 11ur1 daß , ,vonn der
1-Iistorikcr ein .Kenner des Soele11leben sein 1nuß 1 er sich d abej nicht
auf eine syst cn1aLischc \\1issen:,;chnft vo1n celertlcben stützen l<anr1i
sondern daß die „PS)'Chulogie 11 1 die er braucl1t, \VCm1 i-11a11 ·ic Oberhaupt
so .nennen ""'ill, rn it d e r P )' ·hotogie, die al ,~1i::~enscha (l. gelricbert

ürg,t~hzado por Goog e


- -
\\'i1'<1 , nur sel1r \\'enig gemeinsam hat. Bruch tücke d e unmittelbar
erfahrbaren oder erschließbaren psycl1ischen Seins sind 0 1 ,vie
.-io lucr und cla in der .i\_nscl1auu11g mannigfa ltig xistieren , durcll
eine die Pbantasie anregend e Besch reibung wenig t.e11s anniihernd in
ihrer Anscl1au licllkeit zu reprocluzieren. Die Gesarntl,-eit des
Seelenlebc11s aber cntziel1t sich ober1so wie die d er Körper\velt jeder
Dars tellung, ir1 der il1re „gar1ze Inl1altlicl1keit'· R aum ünden soll .
. ie ist prin·zipiell unerscllöpflic.h , und nicht einmal eine An11äherung
a n ein Ziel dieser Art ist rnöglich. Die Ps)'c}iologie n1uß ,.rielmehr auf
jeden Fall ei11c begri ffliche Umformung des it'1r gegebenen f\<(aterials
vornehmen, und diese Urnforrnu ng kan11 wegen sein.e r extensiven und
intensiven Unübersehbark.eit ebenso ,vie in den l{örper,\'issenscharten
nur eine \ lerein!ach11ng sein.
Dan1it kommen "\\' ir zu ff.er Frage, in ""·elcher Richtur1g die e
mfonnu1lg zu ge chehen h,at. Zunä ch.ist be rück ichtigen '":ir ,v-ieder
nur die l\<larmigfaltigkeit, die d em Psycl1ologen in seinem eigenen
Seelenleben u.n mittelbar gegeben ist . Daß sie iin Prir1zip gen nu in
d erselben Art begrirfen \\'Crdcn muß ,vie die ~fannigfalticrkeit d er Körper,
e·rgibt sich, ,vas die empirascl\e Allgcrneinheit und die Bestir11n1theit
d er Be.griffe betri fft, ,viederum bereit aus den Ausfül1rungcn d es erst en
l(apitels. Wenn ,,,ir un rrüher aucl·1 auf clie Erkenntnis der l(,ü rper-
,velL bcscli1·a11ktcn1 so haben ,-..·ir unsere Gedanken d och absjc]1tlicb,
so,vcit es 1nöglicl1 ,,·ar, sc hon dort ·o for1nt.1licrt, <1.aO ltns.ere Ergebrlis -e
für die beg1•jffliche .E rkennlnis j e d e r a11sehat1lichcn und 1.1nüberseh-
baren ~1annigfaltigkcit gülti g sei,, mu.Oter1 . T\lit dem Nach'\veis, daß
das P · )·chi~cho ebenso \Vio da Ph ysische als fline unübersehbare an-
sct1a uJichc ) Ia,uligralLigkcit vorliegt, i t al. o bereits auc!1 die ot-
• ,,·endigkei t ei ner natur,vissen~chartlich-e n od er gencrali ierendcn
Begriffsbjfdung in der Psychologie \\·cnigstens zttin Teil er.viesen .
oll at1ch ltur die Tot alitfit d es eigr nen · cclc nl~beru; in eine Theorie gc-
braeht ,verclen, so 111üs:,cn scl1 0 11 bei der J>ri111iLivcn B esc hreibung die
allger1,eincn v\' o r t b e <l e u t ti n. g e n o gc,viihlt ,,,erclcn, daß s ie die
ge.g ebene An~c li uttung gencral isicr~nd v ereinraclien. Ge\viß ,vir<l aucl1
hier die Be:;chreih1111g st.c~ darauf at1sge.!tcni , ,it>I 111el1r aus d er anschat1-
licl1en :.\Junni•rfHltinlceit, zurn a u <l rücklichc11 B.e,v110tsci n zu bringc11,
a ls der praktische t\lensch uavon bemerkt . Der ,vi~.--cr1schaftlicl1 11ichL
Ge.i;;,chult,c )(ennt d n!'; :\J:il erial, das in <1i•o ps;ychologischcn Theorien
eingel1c11 soll , o!l noch gar 11icltt, und e!=l i t gerade clie Aufgabe def: Psy-
cholugcr11 durch ci11c g ·scl1u llc S(~lbstbcobo.cht11ng O(lcr (lt1rch clas

D1911 11,ado por Goc,gle


- 153 -
Experin1ent oder du1·ch irgend " ·eiche anclem 1\littel dieses 1\faLerial
bemerken zu lassen . Abflr auch ~,·enn das gescl1el1en ist , kann el· sict• n,ie-
maJs um eine Beschreibung dieses i\faterials l1andeln, dje dazu an-
regt, eine einmaljge individueJle~fannjgfaltigke.it v ont1s tellen oder nach-
z_uerleben. Aucl1 hier muß die Besc hreib11ng 1 falls sie im Dienste
einer Erf<>rschung de gesamten Seelcnlebe11s stel1en soll, eine natur-
wisse nschaftliche Bcscl1t1eibung in dem früher angegebenen Si11ne sein,
d . 11. ntit Begriffen arbeiten, die den körpe1,vissenschaftl icl1en Bcgriffei1
im ersten Stadium Jogiscl1 gleichartig sind.
Ferner ""ird sict1 auclr i11 der flsychologie zeigen, daß die \'' ort-
bed.eutungen bei dein Versuch, sich ihre11 Inhalt a,u sclrücklich zu ver-
gegen\\rä rtigen , ,vegen ihrer U n b e s t i m m t h e i t den ,vissenschaft-
lichen z,vecken der Begriffsbildung nicht genügen und da l1cr ebemo
,vie i11 den l{örper\\'isse11Rchafte11 ,dt1rcl1 eine Utr1sctzung in die Form
von Urteilen zu genau bestirnm l..cn Bcgriffcr1 gcmacll t ,verde11 mO ..,~en.
1

Diese Bestimmung, die don Begl'iff ir1 das z,,,eite Stadiwn überführt,
is t sogar in der P ycl1ologie rneist von noch größerer Be,:leutt1ng als
in den "'' issen cha!ten v o11 der K örpe1"\vel t. Aus Gründen, die \\ieder
mit den Sch,vierigkeiten einer Objektiviert1ng des psychiscl1cn l\1Iate-
rials Z\Jsammcnl1ä ngen, is t es oft sch,vcr, die ps),cl1ologisct1en Begriffe
scharf gegenoinander abzugrenzen, und e i t dal'ler eine wcscntlicl1e
Aufga be der Psychologie, zunächst eintnal durch Bt~griff~hesLimmt1ng
eine möglicl1st eincleutige Ter1n inologie zu scl1affcn. Aucl1 di~ e Art
der Begri(fsbildt1ng kann aber von der körpcr'\visset1icha(tlic}1en in
ihrer logischen Stn1kt,ur njcht J)rinzipiell verschieden sein. Es i t
d a l1er, oac,hd cm ,\~ir so,vol1l in bczug auf die unüb ersehbare r..t annig-
falti:gkeit und ihre Uobe1'\,·indung durch die allgcmei 11c \~'ortbe(l euLung
als auclt in bez.ug auf die Be: tirnn1theit des Begriffes eit1e Uebercin-
stimrnu11g i ,vi chen l{ö·rpenvissen~r.Jia rt und P sychologie konstatieren
kot1nten 1 nur 11och mit Rücksicht auf das drille l\1 oment d es körper-
,vi senschaft.Jicl1c11 Begriffes, die unbedingt allge111rinc G e l t u n gt
ein e b esondere Erörtert1ng not,,1cnd ig.
Da kan11 tr1an nun tnc.inen, dnß die P sychologie i1n Grgensatz zur
Natt1nv.i,senscllaft uj emo ls ü bcr eine B e s c h r e i b u n g des eclcn-
lebens mit H ilfe eines Sy ·tems b~~limr11Ler B egrjffe hin.a \1sko111me. d . h.
als d eskriptiv e \Vissen eJ1aft außer tande sei, die S()c)i:;chen Vorgü11gc
du1·cll Unt •rordnung unter Gesetze~h<"griffc i u „erkli:iren". \Vi r
könnten auch iugcbc.n, <Ja ß diese B el1auptung zutrifft, denn selJ)-·t
unter <.lic'et· Voraus ct1a1ng ''"ürrlc i11 bczug auf d ie logi-che Strul{lttr

ürg,t~hzado por Goog e


- 154

d er· Begriff bildung k ein p r i n z i p j e J I e r U11t.erschiod z~vi ehen


l{örperwis ensch,aft und P )'Chologic bestehen. Die .psychologischen
Begriffe,vürden da11n z,var nicht unbedingt a llgemein, \\>1e die Gesetzes-
begriffe, ,vobl aber in den1 Sirtne ,vie dio B egriffc der d e-Skriptivcn
Zoologie oder Botanik ,,gelten'' , näm licJ1 tnit Rücksicht auf d en Z,veck ,
zu dem sie gebildet sind, das ganie Seelenleben in ei_rl gescltlos.scnes
Bcgrif fssystetn einzufange11. Die Psycl1ologie käme so niemal . ober
jc11e 1\.rt von Vorläufigkeit hinaus, die ,vir bei den d cskriptive11 Körper-
\vi sen sc haften erörtert haben. i\fit dieser Eirisc!Jtä nkung aber ,väre
i m1ncr noch die Begriffsbildung der .Psyc11ologie der der l(örpc r,,iisscn-
cltaften in'o!ern logi eh gleichartig, als in beide11 die Erker1ntnis at1f
keinen Fall anschaulich oder unn1ittclbar gen annt ,verden köru1l e.
Nur ein gra<J ueller U ntcrscl1icd d er Gelu1ng ,väre z,,·ischen beidc11
Arten d er Dars tellung ar1zuerkcr1nen .
Eine n ä l1erc Betracl1tung jedocl1 zeigt1 daß nicl1t eirunal dieser
U11ter chied in dem 1\1:aße vorband en ist, ,vie c scheinen kann, falls
man die Bildung von p:sychologische1\ Gesetzesbegriffe1\ nicht filr
m öglich hält. Aucll ,vcnn närnliclt die Psychologie 01el1r als ein e voll~
sUindige KJassifikation d er seelisc hen Vorgä nge nicht gil be, so \\'äre
ie doch nicht eine Wi ' ·enscl1aft im inne der deskriptiven Zoologie
oder Botanik, sondern sie stüt1de \\·as die Oeltu.ng ibret Begriffe
betrifft, den erklärenden I{örpenvjs enscl1aften zum rnindcst cn n äher
als jene. Hier kotnm.t für die ~Iethodenlehre der schon einma l hervor-
gel'lobene msland ir1. Betracl1t, d aß jedem ForscJ1er nt1r d as eigene
Seelenleben direkt zugängl.ich ist, u.nd z,var Cl'f>'1bl sicl1 jetzt, d aß diesei-
Umst.and \-veit davon entfernt ist , Z\vischen d er B egriffsbildung d er
f>sychologie url•d der der l( örpenvis.. enscltaften einen prinzipiellen
logi 'cl·1e11 Gegensatz zu bcgt·ü11d eJL \Vent1 es sich niin1lich in der
d e~l-:riptiven Zoologie oder Bot.anik um eine Klass.iiikaLion handelt,
die den Anspruch erhebet1 <larf, einigermaßen vollständig ztt sein , so
ist dabei, " 'ie \.Vir gesehen l1aber1, eine einmal vorl\an.d enc und in der
angegelJcnen \-Veise beobachtbar-e 1"1annigfal'tigkeit vo1·au5'gesctiL,
die in ein Begriffs yst em gebrncl1 t ,ver,len soll, und z1.1r Erreichurlg diese„
Z,veckt!i:i sir1d, \\·ic ,,·ir ,,,isscn, Begrifre v o11 lediglicl1 ein piriscl1 a llgc1-
mci1lcr Geltung ausreichend. l<'üt· eine l\1at111igfal tig l<.<-it vo n 1'icrc11
oder P flatlzcn aber , die 11icl1t direkt beobachtet , e,·de.n könnte,
,-vü r<J e·n die B egriffe einer bloßen Kl a si(ikalior\ nichts J,edet1tc11.
\\' enu z.B. nuf irg('11rl oinem a ndern P laneten Orga ni 111cn in eilt S)'Sbe ttl
v on nur en1piris1·h allrrerncincn Bc(7riffen gcbrncltt ,vorcJcn , Are11,

D191, h,ado por Google


155

so liegt, auch wenn ,vir die dort \.Visser1 'cl1aft lreibcnde1i \Vesen
a ls uns äl1nlich annehmen, kein ·G rund v or, zu gla uben , daß die-Se
Be.grirfsy tem mit dem unsrige.n irgendwie übereinstimmt, \vä l1rend.
in d en erklärenden Wissen cl1nften die Geset zesbegriffe für Licht oder
Schall our allen Weltkörpern dieselben sein rnüsscn., ,\·o ur\S ä hnliche
\\.rcscn überhaupt Licht und Schall k ennen. Sollte also die Zoologie
oder d ie Botanik Ober Organisn1en irgend etwas aussagen, d essen
Geltung über die direkt beoba<' htetcn Tiere und Pfla11zen unS-erer
Erde l1inau:::gcl1t, so müßte a ucl1 sie m el1r als bloße Bescl1reibung und
Klassifikation in dein a11g,egebenen Sinne anstreben. In e.i ner ä l1nlict1er1
Lage ,vie d.er Zoologe oder Botaniker sich den Organi mcn ft'erader

\Veltkörper gege110ber befindet, ,,·ürdc sicl1 aber der Psychologe
gege1\ilber dein Scele11leben and erer \Vesen befinden, ,venn er a uf
bloße Besch.reibung und l(la sifika t ion , die rein empirjscl1 i t, bcschrl!nkt
\\•äre. Er kö11ntc dann nur Beg1·iffc b ilden, d eren Geltung Ober das
direkt erfat1rbare eige11c Scclcnlcbe11 nicl1t l1ina usrcicht1 und die~c
Begriffe hätten für die P sycliologie al \ Vi seriscl1aft keinen \\,ert.
Es soll doch a uch in d ie sogcnan1., tc d c„kriptiv,e P 5)'Chologie da den
versch.iedencn Seelen Gcmei11sarr\c eirtgehen. Ein Begriff:; ·ysto,11 also,
' das an eir1cm kleinen 1'cil d es Seelenlcbcr1s gebildet ,,·er<lcn m uß und
d ocl1 ge lten soll für eine ~fannigfaltigkeit.1 d ie nieni.a l direkt zu bcob-
acl1ten i t, kat1n nicht aus bloßen l\[c rkmalskon1pJexe11 oder rein
empirischcr1 Gattungsbegriffen in d em früh er angegebenen Sinnr
bc tel1cn. Der Psycl1ologe muß vielmelil' stet danac h l rebcn, seinen
Begriffen eir1e 1nclir als empir isch allgc1nei11e Geltung zu v crlcil1c1l.
\ Velch.e '1Vege er hierzu einzu.chl ngen hat , kann ,viecler d uhinge~telll
bleib en, denn nur a uf die logiscl1e Struktt1r d es gc,vonnen en R esuJtale:;
k.o mmt es uns an. Die Begriffe, d iP an eiern cigertcn Sf'clenl ebcn g,~-
bildct sind I rnüs~c11 g{')l,e11 für ti as ' cclcnlebcn überl1a1Jpt; sonst ist
eine P sycl,ologio als \\1 issenschaft. v on dein g..,samlen p ~yc hische11
Sein nicht rnog,licl1.
Dieser Gedanke lü.O t ::;ic h auc h so OllRtli:ücl<en. l\lnn hnL gesugt,
daß alte Psy cllologic i'trl Grt1nclc gcr1om111en l nd ividt1al 1J~ychologie
sei 1, unu da i t, richtig, ,,·ei l \\·ir in11ncr auf die Beobuclat.ung de-.. ir1-
dividuellen Seelenlebens besch rä nk t sind, also in t.l er rf aL psychologi-
sc he Bcgrifre imme1· nttr Begriffe von solchen Tütigkeitcn •o der \ tor-
gängen sein können, \\'el hc d.ic l~eflcxion t-tuf u11-s aclbsl ,,·irklicl1 c11l-
deckt 11al. Der Ps)rcl1ologe ist d emnach, \Vas die ur1111ittcll,are Erfah-
' Si g war 1, Logik l (, 4 . ,\ufL S. 200.

ü1g1taltzado por Goog e


-
ru11g betrifft, z,var irn111er auf sich selbst i1J1.ge,,·ieccn als auf clieses
eine b rstin1111Lc lndividuu,111.. Aber es ist ebefüo richtig, daß er in der
\ Visscnsc~lafL 11.icht sich scJb ~t , sondern in1mer d ns Seelenleben itn a.ll-
ge1neinen clarzustelle1l suchtt d . h. die sogenannte ,,J11divjdualp.sycl10-
Jogie11 is L niemals Psycho'logie des fn d ivid t1un1s, u11d es sollte
daher die ·er 1\usdruck vielleicht besser fallen gcl.a~sen ,vcrder1, da er
nur zu ~tißverständnisscn f'ühr.e11 kanr1. WollLe rnan die E rfal1rung
nicht in eben der \Vej' e übers ·l1rciten, ,vie dies in den c·rk liirendcn
K örpcr,,ris5cnschaften gcschic.h t,, o ,,•i_irdc, da jede Ind i,,id uu1n sicl1
von jcderrt andern unterscl,eidet, auch der lnhalt j eder ,des·kriptiven
Ps)'Cl1ologie von den1 jeder andern vcr;!-lcl1iedcn sein rnü en. B ctracl1-
tet Tl1an die psycl\ologi~c11er1 S)1 ' te1ne u11serer Zeit, i-o \Vird 1'l1.u n aller-
ding· vielleicl1L rnei11.e11, daß die \Vis. enschnrt über die..:,en Zust{lnd noc l1
nicht ehr \\-'Cit l1inausgekommcrl i, t . Als ein logis<~l1cs Id •al ,,,jrd 1na11
ihn j.e<loc h wol1l nicht l1i11st ell e11 ,vollen. Darnit aber ist klar : ~ st1cht
auch <lic P ychologic zur Allla(Ctl1rjnftcit und Besti1n111th cit ihrer
Begriffe eine unbeJin"Le Geltur1g hi11~uzt1fügen, u11tl da heißt rtichts
anderes, als da.ß der Ge:h alt der r ~yct,ologi chen Bcgl'irfc d ern Ge ha lt
vo11 11,chr al:; e n1piri$c h allge1Tieinen •rteilen logiscl1 äquival ent ein
n1uß. Da111it ist darin na chgc,,·iesen, daß so,,·ohl d ie Ziele <l ct p~ycho-
loai cl1en Bc<,.ritfsbildu11~ als, aucl1 die :\lit..Lelt n1it de11e1\ · ie ih re
z ,,·eclc,e 1.tt erreichen sucht , in1 al)gc1neinen dieselben ·ind ,vie die,
,vclche ~·ir bei der Betrac htung der \Vis enschaflen von der K ö1·per-
,,.rclL kennen gelernt hab en , d . h. e mpirische AHgerncinhcit, B ci:;tin1111l-
hcil. und unbedin,,,.te Gcll11rig ihrer ß('grirfe strebt d ie Ps)·c hulugie in
dcn1selben Sinne an ,\"ie <lic l{örper,,·i~sc11scl1aftcn, ja sogar d ie Bc-
grirrc eine!' scl1einbar n.u1· deskripti, ,cu Psychu!ogie von en1piri-
scl1cr AJlgcr11ci11hciL slcher1 ,,·cgf•t1 iltre1· 111ehr als rein c1111Jirjschen
Geltung lt,g iscl1 den Bcgriffc,1 d <'r crklärcnclcn l'\örpcr,,·is ·cnt.ic haf ten
näh,er als d ie Begrirre der de:l{riptivc11 Zt1ologi<" od t!r Botanik dcn.en
d er .\fech,,t1\i1i:. O(lf> r Pli ,·.::.ik.
~

Ei11c F'ragc habc11 ,vir jectoch hi licr 11oclt Jlic lit bcr ück:-ichligt.
1\ Js ,,ri r v orl clcr l>cgrifflichcn Erlic·11r1tr1i::; der l{örp •r,,·clL l1an<l t'[t~11,
b e chra,tl(l.eu ,vir uns 1uclit nur attf d ie .l\blt'it1111g d er c1n1)irii-cl1crt
Allgerneinhejt, cler Oc:- Li1n1l1Lhei t. u11d der t111bc<liT1gk11 Gelt u11g, d ie
j ed er nnt11r\\.·issensc hnrLIic hc B ,gri ff n1eltr od e1· ,,·e11 iger be~iLzo11
muß. ~ontlcr11 1nucht.en al1cl1 den Vcrsucli, das 1c.lcul cir,cr abscli licßcn-
d cn l ' hcoric der l\.örper,,·clt logi,:;cl1 zu l{o11slrt1i "l'CD. .\liL llöck~icht
hiera uf ,,·ar c. tl ann 1n.ügli(• h, Ztl zcigc111 Ul tf ,,·elcl1fln1 \\'ege <lje ~ at ur-

D191, h,ado por Google


- 157

\Vissensc baft nicl1t 11ur relativ bestimmte u11d gültige Begriffe bilden
sonder11 sich einer absoluten Bestirnmt~1eit und unbedingt allgemeinen
Geltung il1rer Begriffe anzunähern verrnag. St immt auch die logisc he
Struktur einer „letzten'' Wissenschaft, durch die a lle Probleme der
Psychologie zu lösen ,vären , mit dem logi chen Itteale der letzten
Körpcr,vissenscl1aft überein, und ist es möglich, ,venigstens die I{ich-
tung d es \Veges anzugeben, der in d er I:>sycl1ologie ZUI' Aunällerung
an ein olches logi.sches Ideal führt ? Erst die Beant,vortung die er
Frage schci11t u11serc U11tersucllung zu einem S)'st emntischcn Ab. chlt1ß
zu b ringen . \ Vir können uns dabei aber nicht m ehr auf die Ausfüh-
rungen de erst en l{apitels berufen, ,v,eil dort die logische l{omtruk-
tion der letzLen Natttt'\\;issenscl,a [t nur mjt ausdrilcl<lichct llück:Sicht •

auf sacl1li che Besonderheiten del' l{örperv,•elt, i,n beLondere darauf,


d aß es sicl1 1.1m eine den Rau1n erfüllen.d e Wirklict1keit llandelt, mög-
lich ,,,ar. E s ,vilrde also bei der Erörteru.n g der psycl1ologisc.hcn
Id eal\vigsenschait und d er Konstruktior1 ei11es logi ·eh , ,oJlkommenen
Begriffssystems der Psychologie auch Rücksicht auf ~acbJicl1e Eigen-
t ii1n liclikeitcn des P· ycl1i~chcn zu nehmen sein. . chon aus dicseiat
Gr und e müssen \Vir von einer solcher1 ld calbildur1g hie r abscl1cn. E s
fehlt uns ei'n a llgen1eiI1 a11erkann Ler Begrifr d es P~yc hibcheti, der fü r
die l{onstruk tion einer „ let zte11'' psychologiscl•e11 Diszipl.i11 ir1halt-
Jic}1 gen ügend bestimmt i t. Die Psychologie i t 11och zit ,vcnig au -
gebildet., 1.1m oi11e allgc1neit1 giilt igc logisc he Erörterung ihrer leLztcn
Ziele zu errnöglicl1e11. E s ,\·ird aucl1 ,val1rscl1einlicl1 r1ocl1 la n.g e da.ucrra 1
bi J1jer nur einiger•naßcn dor Grad von Cebercinslina Lnurig g e \Vor111c 11
is t , der in bezug aur diese Fragen in den l{örper,vi ·scn~chaftcrl a ls er~
rcicht, ar1gescheo \\•erden darf, und das hängt ,vicdcr darnit zui:-anl111on,
daß in <1er Psycl1ologie neben p. ychi:;chco Wirklicl1keiLen, die sio allein
beha11del11 sollte uncl auch viclfQcl1 allein zu bcha1t-dcln glaub t, tat-
äc hlich Gebilcle untcrs ucl1L ,ve1·dc11 ,vie der Si111l u11d dt' I' Ge'l,alt
der \,ri. l:-en..;chaftlichcn SäLze, der Kunst,vcrkc, der etlli$chen \\'i[lens-
l-iur1dlungcn 11~,,, . Ihr psychologisch unfaßbarer \Vert~ u11cl Gcltt1ngs-
charaltt.er ka11n in eir1e \,1 issc11$chaft. vorr1 ,,,irklicl1c11 ' eclc nfcbc11
nur \ ' er,virrung .bringen, olanb,e njcl1L ilt11e ldealiUi l. oder Ur1,virk-
licl1kciL und dan1iL ih re nverglcicl1barkciL n1 tt den r,ealcn, zeitlich
abluuConden psych i~chen \' orgi,11gcn grü r1cltich durcll~chatit ist.
·1·r0Lzdc,n ,vollen wir die Frage nach ci11cr p:,ycbologit-c l1en Idea l•
\v is~ Jl ·chnft \\.·cn ig:;t cns so,,·cii bel10. udc lu, da U ,vir dcr1 ill z, die Ps)'-
cl1ologie l1abe nach rta lur,vi =-Cltscha flliclacr :\fethotle ~lt ,·erfa h rcr, 1

ürg,t~hzado por Goog e


vor l,Jißversl,ändni !-ICU schützen. Nur das meinen ,vir, das ,,, e n n
in der P sychologie ein Begtiffssyst.etn aufgestellt ,vird , das a lle see-
lischen Vorgänge zu umfassen ha t, djeses Ideal ~ich in seir1er logiscllen
Strl1ktur nicht prinzipiell von de1n der Körper.vissenschaft unterscl1ei-
d et.. ~iit <ier Frage jedoch, ob es eine letzte psycl1ologiscl1c Idcal-
wis cn chaft überhaupt gebe,1 kann, l1abe11 ,vir es hier ruc bt :LU tt1n,
und n ur darauf kornmt es a.11, zu zeigen, daß, auel1 fall die·c Frage
vernejnl \\'erden muO , os. 11ic:l1L tr1öglich ist, die Bcgrirfsbild u11g der
Psychologie in einen prinzipielle11 logiscJ1en Gegensatz zur Begriffs-
bildung der Körper,vis. en. chaften zu bringen. ~lan darf i11Sbesondcre
nicht glauben, m.an habe schon de11 nicht-naturwissenscl10.ftJicl1cn
CJ1arnkter der Psycho logie dargetan, ,,.,enn 1nan 1.e.igcn kann, da ß es
'fll c-0rien gibt, die !i,ict1 im einzeli1en z u eng ar1 die 'fh corien der l{örper-
wi scnschaftcn anlehnen und dadurch das ps)1cbiscl1e Sein in seiner
Eige11art nicht zu Rect1t kol'nmen lassen. Die Uebercinstimmt1ng der
logischen Struktttr hat nichts mit ä uOerlicl1er Nac11ahmi1ng der all-
gerueinst en körpef'\>\·isserischartlicl1en Tl1c'Orie und ih rer sct1e1natisc~1en
U eber trag11ng auf das psychische Leben zt1 tun.
Auf die \ 'ersuche, das p ychi~cl1e Leben i111 Zusar111nenl1ange n1it
de.n körperlicr,cn Vo.r gängen , d.. 11. mit Hilfe phy!-liofogjsc hcr Tt1corie11
in ei11 geschJosscnes B egl·iffssyst<:im zu brrnger1 , brauche11 "'·ir J1ier
nicht ojnzugehen. Aucl'l ,vo sie nich t auf dem Boden einer 1,1ateria-

li tischen ~1ctaph ysik unternon.1me11 \\"ercle11 1 b eruhen sie auf dem Ge-
danken, daß, ,veil das Psychische in irgend ei ner \Vcisc al · ,,abh ängig''
vorn P hysi~cl1ert anzuscl,er1 ist., die rar die Körpenvelt fe ·tge~ tellte
Gesetzmäßigkeit auch auf eins Seelenleben ilbertrage,1 u11d dieses clurcl1
eindeutige Zuordnung, gt~,vi~sermaßen a uf einem Urn,,,egc (ibe,· die
l{örperv~•el t., unter Geset.ze~begriffc gebracht und erk:lärt. ,vcr·den könne.
Die ~lethode dieses ,,p~ychophy i ·chotl. ~laleriali::;11,us'', ,vie 1nan im
0

Gegensatz zu,n metaph)rsiochen das Prinzip solcl1er For::.chungen


ge11a11nt hat, rnuß, ,vie er sich at1ch io1 ei nzel ne.n gestaltet, und v.·as er
zur l(ertntni ' des 'celertlcbens beizl1tr:1gl'!n vermag, einen irr1 logi cl1cn
Sinne naLur,vi!;senschaftlichen Charal{tcr tragen, und da ojne große
t\nz.nh l von Psychologe1l den i,Parallcli,su1u~'' des Pllysischen u1t<l des
P ·ychischcn, ,ve111t auch nicltt als rnetaphysische ·· eberzeugung,
so doclt als rnethodischcn Leitfaden vertl'clen, so ist hierrrtit bereits
ein großer Teil der faltlisch. vorha11dene11 p-ycl1ologiscl1en Bcgriffs-
bilclung al:-- in seinem logh;cher\ \i\'e ·en nat.111'\vissen. c.hafllich oder
gc:ncrali.'~icrcnd en,·ic~en . \1/ir brituch<!n c,lal1cr 11ttr noc l1 Z\1 frHgcn,

D1911 11,ado por Goc,gle


- 159 -

wie sicl1 eine Tl1eorie gestaltet, die darauf ausgeht, das p ·ycbh,cl1c
Sein o h 11 e ausdrO.cklicl1e RückS-icllt auf seine Abl1ängigkeit vo11 der
Ge etzmäßigkeit des physischen Seins in einem Begriffsystem .zu
umfassen.
Aucl1 dabei ist. von vornel1erein klar, daß man sich be1nü}ler1 \vird,
das gesan1te Seelenleb en untere i Il e n einl1eitlichen Begriff zu bri11gen1
ebenso wie die letzte Natur,vis e11scbaft die I{örper'\velt unter den
einen .B egriff d es l\lechanis1nu_s zu bringen sucht. Von „letzten Dingen"
kanr1 z,,rar filr dio P syc hologie keine Rede sein, aber Begriffe von
uElementen' 4 , d. 11. einfacl1en Bestandteilen des Seelenlebens wird
man bilden, au:s denen a11e unübersehbare !t1annjgfaJtigkeit bestehen
soll. Falls sicl1 e i n letzter Begriff von solcl1en Ele1nenlen nicht
finder1 läßt., der dem letzter köI"pcrlicher Dinge entsprjcl1t, so d aß
·ich der Parallelismus im Prinzip a) undurcl1fül1rbar er,veist, ,,rird
man die l\1ehrhejt der elementaren Faklioren. doch so kJein wie rr1ög}ich,
jedenfalls aber als begrenit denken, denn nur dann kann at1s Gründen,
die ,vir aus dein ersten l{apitel bereits kenne11, eine in \-Vahrheit all-
gemeine 'l'heorie des Seelenlebens zu tande kott1tncn, in der jeder
ps)·chische \ ' organg seinen Platz findet. Daß es psychoJogische Theo-
rien von die ·er Iogi ·chcn Struktur gib-t, läßt sicf1 nicht bezwejfeln.
Scl1on in frül1eren Zeiten hat inan z. B. versucht, alles Seelenleben
als aus ,,Empfindungen'' bestehe:nd zu denken, und neuerdings ind
diese Bestrebungen wieder auJgenommen. Der \•Ville, so meint man,
ist durchaus nicl1t.s, was sich von d en Vorslell.ui1gen 1>rinzipicll unter-
scheidet, so11dern er tnuß ,-vie sie als ein l(ompl ex von En1pfindungen
begriffen ,verden, und ebenso soll es sieh 1nit d en Gef(i l1len der L1tst
orlor der Unlust, ,vie überh aupt 1nit alle11 ps ycl1i~cl1cn \' orgängen ,
verbalte1\. Besonders in den ,,einfact1en Emprindunge11", von denen
man r edet, hätte also die Ps ychologie einen Begriff, der dem des „let ~-
tcn Dinges" in der Körpenvissenscl1aft lo,gisch entspricht, un.d cben$O
,vird aucb eine Vcrcinheitlichung der Relationsbegriffe angestrebt:
die Be zicl1ungcn, in denen die Empfindungen zu eir1a11der stehen,
sollen du rcl1,veg uni.er de11 Begriff der ,,Assoziation'' fallen . Dan1it
,väre dann das gesa11'1te, unüberscl1bar rnarmigfalt ige Seelonleb• 11
überall aJs l( omplex von Empfindungen aufzufassen, die von As ozja-
tionsgcsetzcn bel1errscht si11d. Es ,,·äre also in allen seinen Teilen
unLcr einer1 einhcitlic~1er1 Begriff gebracht ut1d son1it übernl1 als do."-
selbe z.u de.n ken. FreiJich i t geracle die Assoziationsp ·y chologie neucr-
clings ct,vns in Mißlcredit gekommen, aber a11 der logiscllen Struklur

ü1g1taltzado por Goog e


'

- 160 -
der allgc111einen psycl1ologi::-che1, 'fheorien är1dert a\1ch dieser Un1gtand
nicl1ts. Da kan.n 111an z. B. an ~Iün terbergs Arbciw11 verfolge11.
Er llat die As ·ozialion ·psJ•choJogie ve rl assen , 1,1nd trot1,;dem sind seine
Sc hriften nacl1 ,vie vor von de,n )dea le eines ps ycl1ologischen Begriffs-
$)'sle111s gclcitet 1 des:;;er\ logi ·cl1c ebereinsiimmung rn it, d em Ide a le
der 111ecJ1 aru ·chcn l{örperauf!assung ir1 die Augen pringt.
Andererseit~ jedoch d.tirfen " 'ir hier gerade bei solche11 1'heorien
nicht sl t1cn bl<'ibert, dcr1n sie sind durc haus nicht allgcrne in anerkannt,
und es d a rf dah er nic})t so aussehen, als sei d er rtal ttr\vi sc11_cl1afl-
liche Cha.rakle r der P syc hologie 11 u r d ar1n ge\,·ahrt, ,,·e nn versucl1L
,vird, dn gesarnlc Seele·nlcben aus let zlet1 eir1facl1cn E lem enten au f-
zubnt1c n , die nicht nle hr von einander versclaied en ·ir1d uud n11r noc h
durch il1re Anord11ung vor1 ci11andcr ab,~,eichen. D oc h haben ,vir nicl1L
so scl,r die Einv:änclc irn .l\,ugc, die von seilen einer vors ic hligetl
Spcz_ialfo,r-. cllung gegen di eses Ideal erhobe n wet·der1 können , (lcnn
bei oi11er so j1.1ngen \\1i en cl1aft j t, die 11Vorsic ht" vicllcicltt nicht in1-
me r clie i t11tler d e r \ Ve is heit, die 1.u ,vertvollen l-Iy11othese1l führt.
Bed crtklic hc r i t scltün , daß gerade die Ucb ercinstim,nung in d<'r lo-
gischen St ruktur, die gc,visse psychologische 'l'l\corien mit der
f echanik zoigcn, de n Ve rdacht e rregt , hier sei doch allzu äußerlic l1
die körpe1'\vi:;scnscllaftli-che l\let.hode au f cl.as • celcnlchen iibertragen .
\ for all em jcclocl1 ist dies erttschcid~nd: ob die Auff11··su11g d es Scclct1~
lcbcns als eines Ko111plexes von Bn1ptir1d u11gcr1 oder von irgerid \\·ei-
c hen andern ElcmenLen ,,is ·011 c ha!tlic hen \\iert ha t., das kann nur
di.e Ps)•c11ologie selbst , ruc111als die I,ogik. sagen . \\' ir sehen d•al1er
von. d en 1' heo rien , die das gcs.an1t,e psycl1i:-che . C'i n. al Empfindur1gs•
kompl ex oder ä11nJicJ1 a ufzufassen versuche11, hier vollsW11dig a b .
\1/i1· kü11nen es, den11 ejt1e für unser n Z,veck ,,·etie ntlic he J.'rage ,vircl
hi e1-durch gar niclit l,crOhrt. Ist die B ildung e i n es .,letz ten" psy•
chologiscl1cn Bcgrifres, unter d en n 1 1 c J>sychisc;.hcn \ 'orgürtge falle11,
<ler Psychologie ve1 agL1 u11d bleiben z. B . die uVorstellu11gen '', die
11
11 Ge[ülde" ttncl die ,,\\'ille11s-akLe , ofier auch ir"enu ,velc he anuere

r>sychise hc \ 'orgönge, al~ 1 ,lct.1.te'' rten fiir i,nn1cr unver1nittclt ticbc11


ci11a11,<lcr s l{' hen , so k<)rn1nL cbc11 die P s ychologi<· nicrna l über cl t~11 Zu-
statld hi 11a u~, in dc111 z. D. die f->h)ri:) il( ·ic h ucri11dcL1 so la1\gc . ie Licht,
Schull. Elek.Lri1.iti,t u. \\', r\icht u11t.er ·eine11 gen1ei11. a111en B egriff ztt
b ringen ,•er1nag 1 und <lie er 1,;mstan(I k:ctn11 clen natt1r,,·i:;sensc h.a ft~
licl,en Cli araklt.!r rl cr psychologischcr1 'I'hcoricn 1ticht. aufl1cb •,i1.
1\ llcrdi11g.:1 1 i11 ei11ei- 1tinsiel1l ,rcrd cn (iic Begriffe d er fJsyclif>logic

D191, h,ado por Google


- 161 -
fü r i11m1cr ·ich v otl. denen d er Körper,\'i ·senscha ft unl.ersct1eider1.
\i\' ir ltaben ge~ehen 1 daß bei der begri fflichc11 Bearbeilttng des Phy-
s i cl1er1 eine vollständige Ueb er,vjnclung aller anscha.ulichcn UnübP.r-
scl1ba rkcit nur cladurch erreicht ,vcrden ka11n, daß rr1an in der letztcr1
Natu1"\vi. sen;;chart jcc.le qualitative ~lannigfaltigkeit be:;.eitigt un<l nt1r
noc h eine <1 u n. n t i t a t i v e :\lannigfaltigkcit einfacher Dinge bci-
heltült, d eren einzige \ rerändert1ng darin ebenfa lls als rein c1uanti-
tativ1 nä1r1licl1 al· Be, \•cgung, angese hen \\'ird . In <li.e~cr11 Begriffs-
systen1 i!;L at1ch d.ie absolute Be~Limmt.l1eit der Begriffe errcir.hbar.
Die ru11öglichkcit, jt1 rier Psycl1ol<.>gie dieses Id eal auch r1ur anzu-
s trebc11, ka.ru1 i:t1 d en Vordergru nd gesc hoben \verde11, \Ve11n C-!, sicl1
daru1n ha11d elt, Psychologie und I atur\\'i ~cnschaft. ,·on ei11anrler zu
trcn11cnt uncl .es li'i ßt :-ict1 auch ge,\·iß nicl1t let1g11c111 cl,1ß hier ein
Üntcr::ichiccl bc tcht.. Die K örper e r(üllcn d 11 Rnurn . Abs trahieren
,vir v or1 alle11 QuahUil.e11, so behallen \Vir i1 runer noct\ <lc11 Begrirf cle~
R nun1erfüllcnclen übet·haupt übrig, Ein solches S-ubstrnt ist Z\var
11icht n1chr cr•1piris-cl1 an chnulich, aber ,irr Begriff ilavon hat einen
selbsUiudigcr, l,1hall. Das P ,ychisc.he dane••cr1 erfüllt. ni,c rnals c.i 11e 11
Raum. Da i~t. 11a hezu d a· eir1zige1 ~'as \ \"i l", oli11c au f \Viderspruch
zu .s't,oßcn 1 von ihn1 au, sr1gen können. Inso fr r n n lso bc~Leht. t1ntc: r
a llen · mstä r1d.cn z,vi ·che n de1n J>h \'sischcn u 11 d (len I P s,. •cl 1i::H.:llcn
~

ein prir1zipiellcr olcr::chied , u11d es ist anzt1nrh1i1t·n, da ß Jicsc l'


Untcr;;<' l}icd ot1ch E it1fluß at1f JiP ps)·chol<Jgist·hc Bcgriff:-l)il•lung hat .
Frcjlich schlif•Ot er für sir:h Hllcin di e Bil<lu1lg v o 11 r ei11 11t1artlilati ,r
bcslirt1111Len Beg riffer1 in der Psyt·holoaie 11oc h tlicl1 t at1,;. tincJ :;o \\'e1,ig
prakti~r110 Bed eutung ,l a:5 auch h~1 ben 1nag, so ,\·irrl es cfoc h gut st:in ,
es \\"Ctli~t.cns 111it •ir1c111 \\"orle Zll e r,,·üh11c1l. \\'c1111 d u~ p:-)·ehi::;clt1.~
Sei11 at1ch l{ciucn Rnurn ein n1 uln1t., o rrnl lt ,~· doc h al;,; \\' irkliehkci.t
imn1cr eiuc Zeit:; Lreckc, tind e:; ,,·nrc nu11 unlC'r l"<:in I,jgi:-.clu•n Ge-
~-ichl::- punklcn ilenkba r, d. h. nicht ,,iclcrsin11ig, ,la O, n1a11 v cr:;u•·hte.
alle q,1tt lilalivc11 U 11Lersc biede auch hif! r auf qu an.tit:i livP zeit.liehe
Untcrschietle zurüc!kzt1rührc~n, ~. B. cJerl Ot~riff ein es p~)•<-lti$cltr n
ub~tralcs zu bild en, <lc.sse1t Ele111<:nle 11u1· no,·h in t.l e11L f{l1;ylrnu:-
1
ibre~ 1.f>ilJichert .i\blaufrs ~ irl1 vo11 ei11a?lller u11ler:-,_c heiil<- n 1 sonst, nhPr
E'brn:-o \,·io die 11 lcli.t,•r1 D.i11ge 1 ' ll ~r l'\i,rp1-:r,,·i:"'scr1:-clu,1fl cir1a nrl cr glciC' li
: :. inrl . Da jcd(l1·h nocl 1 t1irgf'tH.h• a1 1c h nur rl<'r ireri11g.:-Le t\ tlsalz zu eitl e r
derart ig,•n T hf"orie fi •r; l1 s ) 't' h is1· he11 ~-<)rl il'gl, 1tu L es kcinPn z,\. C(' k.
auf diPsr11 Grtla rtkf'n nä her c·inzugf~h(•n . Er ,,·ur,lc 11ur ,1,~r ..,)':-te-
111a ti.--r hf' rt \ "olh,Ui 110 i~l<.~i L ,v,•gen c1, , ii h nt. 1\bgt•:--el1◄ •r1 hit: r,·,.ln i:- L zu-
ß i c ll ~ r t , (;r;:,azen. ~. A1.1II. 11 •

0191 lt ado por Goog e


'

162 -
zugeben, claß sich nicht ersc her1 läßt, atJf ,velchen1 \Vege die Psycho-
logie jemals die qualitativen Unterschiede aus ihren Begriffen los\\,er-
d en und jr1sofern zu einen, Id eale kommen, k,ö nnte, d as clem d er körpcr-
wissenschaFtl ichen Begriffsbildung gleicllt. Das, ,vas cler1 Raum er-
füllt, d . 11. die K örpe1·,•,elt, i t bisller wenigste11s die ei11zige \Virklj ch-
keit, hei der eine logisch v ollkon1mcnc VereinfachtJ11g clurcla Qua11li-
fikation a ls Ziel det· Begriff: bildung aufgeslel ll ,verden kann.
Folgt nun aber hierau~ et,va 1 daß at1ch logisch ein J)rinzipieller
Unterschied Z\\ 1ischcn Körperwissenschaft und P sychologie gemacht
,verden ,nuß? Das ist gelviß nicl1t d er Fall, denn ,vüre die ?\·fögli ch-
kcit einet qua11Li Fi:ziercr1rlcn Begrjftsbildung als en tscheidend für die
Frage anzusehen, ob eine \\'1sscnschaft im logischen .inne Natur-
\Vi„se11schafl ist, so tn tlßte d er Begriff der Nat\1nvissen chaft erh.ebli h
, rerengert ,verd cn, ,1,n d z,var so, daß er au f einen großert Teil d er \\' isse11-
schaftcn von d er K örpch velt nicht mellr angc\vend et ,,,erdc·n könnte.
J~ine v ollkomme11 allgen1ei1te Theo-r ie de r l{örpe1"\velt muß z,,,ar auf
Quantifikatio11 ihres Materials a,1sgchen , und unter d em Ge ic hls-
p1,tr1ktc dieses logiscl1en Ideals sin.d auch die Begri ffe d er übrigen
\\li en ·cl1aften der rein mechanischen Natttrauff.as.-;ung insofe rn
ltnt crzuordt1en , als sie il1r rucl1t, \VtderdJ)r-echcn dürfen . .E benso ent-
i-;c hieden aber haben ,vir andererseits her,•-o rget1oben 1 d aß die Ein1.cl-
\\'jsscnschafLcn , d ie ihre l Tnlersuchung bcschrii nken 1 ihren sclhstä11-
<liger1 \ VerL gegenüber der rein r11ecl1ani cherl Körperatrffa u11g r1ie-
mals '\'erlioren könr1en, ja, e ine \Visscnsch:ift von l{örpern, d ic n ll r
1nit. Qua1ttitäteu arbejtet , ,vürde aufhören , eine \ VissPnschait von
,virklichen l{örpern zu sein . In vielen Na lunv-is~euschartcn spielt
die Quanti!ikalion i11 der Begrjff..,bildu11g übcrl1a upt 11ur ci11e geringe-
Rolle, tind z\visehcn die~en Disziplinen und der P sycho]ogie bcsu~l1t
daher logisch kein pri1lzipiellcr Un t crschiP.d . Nur das eirte bleibt :
die d enkbar vollkon1n1c11 ·tc Vcreinlacllu11g aller anschaulicl1cn ~fann ig-
raltigkcit ist 7.\Var der Psyc hologic versagt, aber . ()\Veit ,vie rnöglich
~ucht, attch die P sychologio sict1 ci11cr v'ercinfac t1u1tg jl_ire ~1ateria l~
d urch tlie Bcgrifff:bildung an1.uni.-i her11, und au f d iese ,-r cndcn.z ko n11nt
(~S l1ns in die~em 7.L1i:atl11ne11l1 ange allein an. Es genügt , ,,·en1l ,vir
zeigen können, daß . ie den ,,1 issen ·cl1A flen von de r l(öl'penvelt und den
r~)'chologisc he11 l1iszi J)lir1cn gerneinsan1 isL.
Docl1 ,lurniL ,,·erden sicl1 rlie Gegner einer natur,vi:--sc11 ·chaft lich
v erfahrende1l f•s)· l1ologic vir llci ·ht n oc h nicht zu (r ietlcn geben. .' iP
künru~n 1lar;iu f l1in,,·ciscn 1 cla lJ 1 \,·er1rt Huch d a~ ~lal f' rinI clcr Jl$}'-tllolc,gi~,

D191, h,ado por Google


- 163 -
was seine Unmittelbarkeit betrifft, uns eben o gegeben i t ,vie das
~faterial der Physik, das Psy chische doch stet s in einem eigenartigen
Z tl s a m m e n h a n g e auftrete, den das Phys ische nicht kennt, und
der n ot,vendig ze rsWrt ,verden muß, ,venn man versuc}1t, das Psy-
cl1ische untet· natunvisscnschaftliche B egriffe zu bringen . Diesen
Zusammenhang aber, '\\1ird man sagen 1 darf man nicht zersl ören , ohne
daß man dadurch das Wesen d es Psyct1ischen in seiner Eigenart über-
haupt vernichtet . So kann man z. B. meiner1 1 daß das Seelische in
seiner Mannigfaltigkeit jmmer auch eine der organischen ähnliche
oder mit ihr identische Einheit eines Leistungszusamme11hanges zeige,
und daß diese nie aufgehoben " 'erden dür!e, \venn man nicht den
Cbarakler de.s Psychisch en selbs t at1fl1ebcn ,volle. J ed er Vers11ch,
das Psychische in der Wei-se in seine letzten Elemente zu zerlegen
od er zu 1 ,alo111isieren" 1 ,,·ie die Natunvissonschaft da!, b ei der Körper-
,~telt tut, sei daher un,vis enschaftlicl1. E ,vürde cJ en1t1ach nicht ge-
nügen, d nß man in d er P ycttologie an qu alita ti,ren Unterschied en
festl1ält ,vie in der Chernie, sondern 111an rnüßte überhat1pt clnrauf ver-
zichten, das P sychi ehe and ers als in seinen1 Zt1 an1monh .:.i.nge zu be-
greifen , u1td dadurcl1 unterscbied e sicl1 j ede psy chologische Theorie
prinzipiell v oL1 einer 'l' hcorie d er l{örpe1-welt.
\Vas an solchen Be.h auptu11gen richt ig i"t , hab en ,vir hier in sei-
nem ganz.en m(angc nicl1t zu prüfen. Wir las ·c1l es d nbing estell.t,
ob es eitle Art, Einheit. UJ'ld Zusammcnllällg gibt., die da P .ychische
al s l\faterial der- en1.pirisclien \Vissenscl,art pri11iipiell vom Physil-cl1en
unlerscheidct., u11d ,vir fragen vollend s nJt!.ht, ,vorin. diese Ein.heit be-
ste ht , ob sie mit Rect1t a t~ ei11e der organischen v en,·andte oder 0·1it
il1r idcnti ehe angesehen \Verd en dar!. ,vir köntlen n ä,n lich zugeben,
daß, ,,·er di e Verg leichba rkeit. d ea Ph y ~ischen mit dem Psychischen
in d em angege-bcr1en Sinne bestreitet., irn R et;hl, ist, deru1 a.n den1
naLur,,,isso11.scl1aft.lichen Cl1aral<wr· der P ~ycllologie, ,vie '"ir ihn ver-
st ehen, ,vir<l auch dadurch n ichts geündert. J a, gerade die Bchaup-
tung1 d aß a 11 es eelenlcbcn einer1 ,,orga,1ischen" Zusammenhang
oder irge11d eit1e andere Ei11l1eit bilde, die nie zerstört ,,·er-d en dürfe.
,vei t au f den P,1nkt bin , a\1f den es nnkomn, t . E ~ i t clan1i.t ja nicl1t
die Einheit <.iicser oder jener Pcr ·ö11lichl<eit als ei11er bcs tim mt..e11 Ir1-
di"·idualitilt gerneint, clcn11 tliesc oll er j ette be:sti1n1,1te i11dividue)le
Einl1eit l., ann geracle nic1,t, j e d e u1 Scele11leben zukon11nen. Es l1un-
<l elt :.ich also 11ur urn eine allgcrr1eine E ir1hcitsform, d ie ü bera ll zu kon-
. tat ieren ist , und eine so lche ,vcist nicht nur da Psyc hiscl1e auf.
11 •

D1911 11,ado por Goc,gle


164 -
Auch (lie J(örper,v is~e11~chafLe11 von ,1r n lebcnd igc11 Organisrne,n
sehe n sich '-'Or ei11 lalerial ge ·tellL, da. \,·eg-rn eines Zt1summcnhnng~
keine 1\rt ,,on )lechar•isie11-111g urtd Ato1r1isieruri.g vcrträgl , t-Olange ll:i
al s organ.i$Glt~::; Leben rl:trgcstcllt i,·erdcn oll. Nt1r i n cJem Zt1sammen-
ha11gc1 i1t rlcrn dje Glieder ir1el"- Organismu. sLehe11, rnacl\e11 ~ie eir1en
Organis111t1s atJs, tu1d di,e Biologie ,,·ürdc da h(•r, ,venn ie vor1 die~<1rn
Zu ammenha11ge ab~tra fti,crtr I au fl 1ören, Biologie, d. h. \Vi "'.scnscha f t.
von Orga11is111eJ1 Zll ei11. l ' rotzclcm ,vird 1r1at1 docl1 nit hl bc.slreile11,
daß diese Diszipli n nach nalur,vil'$st:'11:;.cl,a rLlichcr oder gc11erali~ieren-
dcr l\l~Lhode ver fü hrt. So richtig e · also a11ch ' eirt n1ag, Jaß die
Ps)'Chologie oft, i11 un.krili!-!chcr \'Vei~e Eig,entümlicltkcil.e11 1 die sich
aus de111 be:sortd-Oron ~1alerial g<'\V.i?Sser körperliclicr \ Torgänge für clie
Begriffsbildung el'gcben, auf die• Behandlung rlcs ·"'ccl •rLlcben„ über-
trugen liat 1 :-o \venig ka11n die ·er ·,nsUt11d darar1 et,,\·a." änd ern , daß die
logische Str11kt11r der pF-y<"hologischen ßegriffsbildung i1n allgemej11e1t
rni t der <l er- l(örpcr'\,·is, en:-;chafLlichen Begriff~bild t111g zu arn,nenfi:i llt .
Die Ps)·c}\ologic ,varc, ,vcn11 sie d ie Zl1sam rncnh ii ngc des Seclc11lcben.s
nicht zerstören dürfte , freilich rtithL eir1c. ~ atu1",·isse11seliaft in clent
'inne, ,vie llie Phy ik oder tlic Cl1e1nie es i~t, aber 111it, tler Biologie
bJiehe . ie imn1er auf de1nselben logis<~lien ~iveau . ie \Vürdc !:-tel~
darauf bcrlac hL ~ein, nllgcmeirte Re-griffe zu hi,lrl<~n, u11ter die al le ver-
:,chiecJene11 Zusatnu1enhängc clcs J->sythi:;chc11 ~ich bringen Jassen,
ebenso \.vie die Biologie nach ci nc1n .Uegriffssj·:-:tem Rtreb L, das für alte
versch,iedencn biolo<J'i3c:hen E in.l1eil.e11 gilt. Faßt n1an (lc11 Begriff der
natunvi-,se11~chaftLiche11 Begriff=,bild.ung 11icht zu eng 'Ond err\ ~l,ellt.,
~vie ,vir es abs ichtlich getan haben, Jabci d as Gcneralisicrcr1 in den
Vorclergrund, ganz unalJhilngig davon, ob es s ich u111 rrn Geuera.li~it"-
ret1 11acl 1 Art d<'r Ph y6il{ o<l,c r d<:'t Biologie hanuclt 1 ~o gibt es kein
Hintlerni , aucll vo11 (lcr P~)'cliologic zu surren, daß sie bei ihren Dar-
~Lellt111gcn logi;;ch na cl1 Art d.-.r Nat,1n,·i::s("r1 ch,nft v"rfährt . 11an
rnuß 1tu r hiu1.t1 fügc n, tlaU ,tie SLr,,ktur ihrf"r Be.griffe cve11Lucl l rncl,r
der clcr .Liologi:<.chr11 al:- cler Jer pl,)·.-.ika li ~ch,cn v\ "i::;:::e11~chafL ver-
\Va11<lt, ist . .1\- l1r jl'dert Fitl l t,lt•ibt es ili r<.' Altf'gnt>e, in einc'm f1bPr. eh ba-
r c11, ge::<:hlos.scncn • )'~t,(' m von nllgf'1J'l1•inl'r.1 Bcgrirfcn das urtübc•rseli -
bnr n1a11nigra Il igc cclc u ll' LL'n in a llett sei 11c11 ·reile11 unlcrzu IJri11gcn.
Nur ei11. l'u1tli L b ·darf jetzt, c1i.JJith 11oc:lt ei 11cr au 8tirl1Clilichc-11
Et·örl{·ru rtg. Jtt ,velchetn \ ' crhä ILnis . teil L die al lgcr:ncinc 'f lieo r-ic d e::-
~ celc11lcLc11s z11r Ge::am t.1,ci t. der p~ )'chologi~chen \''i~~c-n~chn flcn ?
l ; ;: t nlle Ar}1eiL n1u· au f Au:-;bil(lung dC'r letz.tcn „l'l1eoric grrif·iiL<?l, oder

ü1g1taltzado por Goog e


gliedert sich die I~orschung auch hier in uer \ Veise, daß es besond ere
l 'eile gibt, die einer nllt1mrassenden 1'heurie des Seele11lebc11s mel1r oder
weniger fernstehen ? :\1an braucht nur die F rage z ti stellen, tim einzt1-
tselter1, daß die Jogi:;che Struktur der p ychologjsc hen Disziplinen irn
\Vesentlicl1en ,vicclcr mit der Obereinslimmt, die wir b ei d en \Visson -
schalten von d er Körper,vell kennen gelernt haben . Selbst. ,venn
es gelt1ngen ,vöre, alles Sec]en teben zt1 begreifen aJs boslel\en,l aus
eine1n einJ1eilliche·11 ps)·chi cl\e11 Substrat, da tlberall u·nter d cn-
._clben Gesetzen i;teht , ,..,·ürd e damit eine besondere Psychologie, z. B.
des Willens oder de Gefü hls, so ,vcnig ihre ,vi!)8enscl,aftlichc BeLl cu-
tung verlieren ,vic die Optik oclc r J\kt1stik durch eine a lles ph)•si c.l1e
Sein urr1fas e11de 'fl1eor·ie des AeLhers. Es behält in,n-1.er ,!inen gutcrt
inn, die i\lannigfaltigkeit ein es Teiles des Scelc11Icbcn für icl1 in
eir1 spezielle8 Begriffs ')''Slct n_zu bri11ge11 und ticr1 alJgen\einslen Beg riff,
1nn,c rhalb dessen l Jmfang n1 0, r1 ••ich dabei hc,ve-gL, eitler u111 fas e11tleren
p ·ycl1ologiscl1en Theorie zu ,veitel'et' BcarbPilt111g zu überlassen .
Da. fiir besond ere GchieLe Gefund ene mufJ gültig b lcibe r1 1 ,vie auch
schli eßlich die timfa. se11dsl.c 'I'lieorie sich get-La1tcn n,ag. G-c11au \,·ie
hei den \Vis. e11schaft en vo11 der l{ör1)e1"\\·elt ist es al.so mögli ch , di e
Gc:-atn th eiL der ver:;chieclen cn ps)'·(:hologischcn Diszipli nen einrr. eits
als ci11 oinlicitliches Ga1)zes z,u bclrncliterl, cles:=;cn Glicller alle clazu
b citra:gcn , das \Vesc1a d es Seelenlebens i111 ollgcmeinc11 zu erforscl1en 1
andererseits aber at1ch <lcn versr hieJ e11er1 Einzcllli ~ziplinrn 1 di e sich
bcschriinktc 1\u fga bo·n i11nc rhalll ein~ hes.on,lc rcn Geb iete' sLel let1,
ci11e für sich bc- t chert<-le B ccl culu11g zuzu. ch,·eibett, die ::.in durch
keine noch so \\·ci t, a1..1s.gebil<lcl e a ll•1c11, •inc 'fh coric v rlic- ren kör1n er1.
Ei11 11ä here~ Eingehen at1 f rli cse Gliec.ler ung unt.erlas~rn ,,·ir hier
cb cr1:-,) ,,·ic bei rlr11 l( örper," iiSsensc h a ften . n1 ihr f>rinzi {) völlig l{la1·-
T

zt1lc.ge11, brauche11 ,vir r1~in1.lich 1lenBPg1·iff <.les 1-fisLorisc hen, durcli ctcn
a\1ch erst , '" ic ,•ri r früh t•r he rnerklcn , Jie lu"i"c lic Glic,Icn111g der 1{öl'per-
\v i&;c11sc ha fter1 , rollk 0111u1cn klar \.\·erclt.•n l,a11n.
V◄'.> rl äu fig fnssc11 \\' ir n a her ,J'as T{csullat clie-.scs 1\ hsrhnittc5 llr1hi1t
0

zusar1111.1c11, <l ~lß die tJ~yc hisc lH•11 \ fJrgi1nge 11irh L 11t1r eine Art 1Jr r llc-
griJflichcn Bc:l.l'heit.uitg zu I a ~ · c n, die iler bei ucri K ö rpct,1o r-
•riir1:gc11 a11.zu,,·e1ld t·1trl cn prir1z.i1>iell lugi~c h glcichL. !'.>0 1ttl er11 <.laß für die
Ps)•chologic {lic 11aL11,..,,,·is.:;en_chaflliche B~griff~bi ld uu~ nt11•h u n-
e 11 t. b e h r l i· c h ,vird . =-,o Lnld ein" Erk,)J11tt11i~ d<'::i: ganzc11 Seelt'11lc>bt'J1~'
ir1 a llt.'n sein •11 ur1ü ber:-eh lJHr rna nnigfalligrn 'J'~ilc n ang ·trelJL,, ird. jJ ag
die Psycltc1lo.gil'!, ,veil ihre ß f'g ri ff" zun1 Iuha-lu- i11u1u•r Q11:1lit-ii t Jt h;l!Jen,

ü1g,1~hzado por Goog e



166 -
jene vollko1n menstc Forn-1 der Vcreinfael1,1ng, die in der Zurockfü.h.rung
aller qualitativen l\ilannjgfalt,igkejt auf eine rein qu:tntitat.ive besieht,
nie111als erreichen körtncn, mag n.icht einmal auf dern Uru\.vegc aber
die Psycl1oph ysik indir·ekt ein-c Annäherung an die e r;orm d er begriff-
licl1er1 Bcarbeilung n1öglich ein, die absolut. b cstin1mte und absolut all-
gemeine Begriffe lie.cvorbringt, so trennt dies die Ps)1cJ1ologie docl1 nut·
von den höchsten Zielen d er thcoretisct1en Physik, nicl1t aber von den
Zielen d eT Natt1r,vis enschafwn, die niemals in die LheoreLi eile Physik
aufzt1gcl1-cn vcm1ög en , ,vie z. B . die Biologie. E s ist viel1nehr d as \ ter-
fahrcn der Ps)rcl1ologic dem dieser· alt1n:vi SCllS-cl1aften logisch dt1rcl1-
aus gleichartig, und z.,va r rtie ht nur, ,,re1.tn tnan in ihr cjne erklärende
Gcse~ze~\\-isscnscl1a.ft iehl, ondcm al1cl1 ,,,enn n1a n sie aur ein e B -
schreibung der . celisch-en \l'organge Lciichränkt. Al Gesetzes'1visscn-
scha.fL kann die P s ychologie es vielleie}1t nicrr1als ,veit cr bri11ge11 a ls
die Biologie, die 11icb.t in Pl1ysik oder Chemie übergehen ,\·ill. Doc h
ä ndert die · an ihrem 11.a tunvisseu.scl1a(tlichen Ch a ra k ter nichts. i\'fan
müOLe ja or1st a us d enselben Grü11dcn sicu ,veigcrn, die Biologie, d ie
bei den Organisrr1en als 01.·ganismen ~t ehe11 bleibt, eine Natur,,1isse11-
sc ha (t zt1nent1e11. Und cb en so,,·c nig spielt d er Gegensatz z,Yischc11 er-
klä renden und be chreibe11de11 Wissenschaft,cn hier eine ausschlag-

gebe11de R olle, -d a e r sich fil r uns ja überhattpL als relativ clargest.ellt
hat. \Vie ,ven ig il11n e ine prinzipielle Bede utung für die allgemeins te
Gljed erung der \Vi ·cnscl1afte11 zuko mmt, ,vird sicl1 nocJ1 kl.arer zeigen,
,venn wir im dritten Kapitel cJe11 logiscl1c11 Gegensalz ent\vickeln1 der
in den mcLhodologiscl,en Erö1·Lerungen über Natur- u11d Geistcs,vis. en-
scl1aften z\,·ar selten ganz fehlt, aber eben o selte n z11 v olle r bcgrjff-
licl1er Schärfe lic rausgcarbeil et u nd in d as Ze•1t.rum d er U rtter suc hu11g
ge.sLcllt \.\ 'ird . Ehe \Vjr zu ih tn übergehen., nchnien ,vi r nur noch a,uf
Grund d er bis herigon E rö rteru11gcu ausdrücklic h Zll d er Frage tell u11g 1
,velche logische Bed eutung die Begriffe NtlLU t"\Yissen c ha ft und Geisles-

,vissc11Scha ft ltabe11 l<öoue n , sola11ge 11nt.cr Geist nichts anderes a li,
d as p.s ychi:,che Sein v ersLantlett \\ irrl.
1

III.
N a t ,1 r ,v i s s e n _ c 11 a r t u n ◄J G e i s L c s \\" i s s c n s t h a f t.
\ \1i1'veri-uche11 zunäch ·L, ,Jen Begriff der Na Ll1r,•, isi- n:;cli a[L iu
seiner logi ·cl1cn Bcdculurtg (c,sl,zt1s te ll cn ! \Incl g ehen dab<' i von d en1
Oegriff de1· Na tu r aus. Irn Bcgi1111e der ·nter ucl 1ung l1abr-.n ·,vir die~
\v'ort. nl:; gicicl1})edet1te11cl n1it 1~ ö r p e r ,v e I t gebraucht, ab-e r

ü1g1taltzado por Goog e


- 167 -
z,veifellos i t dies nic l1t eine einzige und jedenfaJls niel,t seine logiscJ1c
Bedeutung. J a, e. ,verderl 11iclit , ricle geneigt sein, die v•öllige Gleich-
setz:ung von Natur und l{örperwelt Zll hiltigcr1, denn os ist ni cht cinzu-
seh,en, \\'ar\11n nicht auch das psycl1ische l.ebeJ\ zu r· Natur gerech11et
werden soll. vVir haben llie1· um so n,ehr VeranJa1<-sung 1 auch nach den
andern Bedeutungen des \.Vortes Natu r zu frage11, als d er Begriff,
Y>'enn er nur die Körper,velL tJOlfaßt., für eine J o g i s c h e Gliederung
der ,vis enscbaft.licl1en l\1et1Loden nicht von ,vesent.licher Bcdeut.ung
,vordcn karu1. I L die ~fethode der Natur,vissensohaft,en nicht au[ die
l(örpe r"\vclt beschränkt, so hat es, falls atur nur die l{örperwelt be-
zeichnet, in dor \1/i ·sen...-.cJ1aft.slel1re keinen Sinn mcl1r 1 von einer
,,naturwissenschaftlic hen" als d er k ö r p e r ,vissenscha!tlicl1en ~1 et.hode
zu reden. Dann ,väro es besser, körper,vi "enschaft liche ~Icthode
und körperwissenschaftli che Beaß'riffsbild,u11g zu agen, denn so ,,,ctrden
keine MißversUindni:5 e darüber ent. t ehen , ,vas eigentlich gerncint ist .
Soll der Ausdrltck Natur,visscn chaft als I o g i sc h e r 'f er1n inus
überhaupt eine Ven~endung ri11·d en 1 o muß das \Vort Natur nocl1
ar1ders gebraucht ,,•erd en als zur ß ezeiclmung des Physischen .
Der Ausdruck Natur gehört, ebe11so ,,•ie z. B. der Ausdruck Sub-
jekt, zu denen, dot'en Bedeutung er!>t datlll l>esti1nn1t ist, ,venn man sagt,
4

\voz_u sie in ei11em Gegensatz sLeheta. \Vird die a tur vom Seelenleben
unterschieden so ist sclbsLverständlicl1 nur die l{örperwelt. damit ge-
m eint. Auße r diesem Gegen satz aber spreche11 '\\'ir 1:1icht t1ur vor\ Nal.ur
und Geist sondern aucl1 von Natur und Ge ch ichlc, at.ur und Ku11st ,
Natur und Sitte, Natur und l(t1ltt1r1 Natttr u11d Gott. J tl, es ließe11
icl1 ,vohJ no,eh mel1r Paare finden, in d.cnon die Na tur da ' eine Glied
bild et . Aber die genannle11 genügen, t1m uns die Vjelde utigkeit <l es
\\ro rtes zum Be,vu ßt ein zu brir1gcn . Z1Jgleic li scher1 '"'1ir, daß -aLur
die Bedeutung de~ körperlichen ei11s 11 ur dan11 hat, ,venr\ .. ie jr11 Ge-
gensatz zu1n e •lj schcn stel1t 1 oder ,vcnn geistig nic ht..s anderes ah,
psyclLisch bedeutet. ~f an '"'ird dahel' sagen r11t1 .,e n, daß in ,d iese1n
Ii'alle die Bedcut ur1g ungebü hrli ch ve rengt isl. Im Gegensatz zur Ge-
schjchte, zu r l{ultu1·1 Zt.lr l{u11st, iur Sitte, ZLt Gott ist
keinc:n
U f-\V. atlf

l◄'a ll mit ·a.tw· n u t· ct,va · Körperlicl\c~ gcmcjnt. j a vicllcichL ,,·Or<le


der Gegensatz 'lOn Natur t111tl Geist nich L übl ich sei11, ,vcnn \1ntcr
Geist nich t, noch etwa ga11z and eres ,1 crstarLdcn ,,,erd en kö1t11lc,
als clas Nicht-I(ör1)erlichc. Jeuenfall.s geho,·t in J en übrigen Gegensatz-
paaren, au f die ,, ir zunäch t allein reflcliticrc·n ,vollr~n, cla da s \\lort
Gei t eine al1gcn1eiu ancl'ka1trtle t1nll be~t i111111Le ß etlet1tt11ig heute nic·l1L

D191, h,ado por Google


1
168

ha t, da bloße Seclrnh•bcn n,l cr die p ychi e he \\tirklic h,kcit gerade so


gut. zur ntur \-\'ic die l{örr•er,velt,, und cle r Begrj,f'f der Natt.1r ii,t also
an\,·cntlba r at1f a 1 1 e der Erfahrung t1nnutteJba r z\1gä:rtglic hcn rea len 1

Obje kte, insof rn ,.,.ir nu r c nL\\·cd,·r p~ychisc lte oder phy i ·cl1c Vor-
gänge als er111Jiri cl1c W irkl ich kl'iten ken11en.
Unter di(\!<Ctl l TrnsW11d c11 ist c" sehr bc-grciflich, daß man unter
atu r vielfach auc h dj c e n1 p j r i s c 1) ,e '\' i r k I i ch k c i t über-
haupt v cr:-ian•Jcn hat. De r G<·gcnsalz zu ihr \\'ürdc dann e nt,,·cclcr
t:!inc \\rirkl icl1k·<> it a 11dercr t\ rt als clic un un1 n i Ltclbar g<'gcbcr\e u11.cl
bl'kannte oder at1cl1 et,,·a:-: · 1jch L-\\li rkl iches ·ein. kö11ne11. Docl1 i. t
tiics ,vied erun1 ni cht die Bell~ut.ung , ,die clas ~ ·ort. Natur in1 Gcg~11-
salz zu den vort1er genannLet1 Bcgrif,(en hat. E i11 V\Terk der bildcn(lcn
J
l{ unst z. B. od,c r ,e in andcr('~ Ku itu r,e rzeugnis ist. aucti c irt Stück ,l el'
c1r1piriscl1er1 \1/irkJiclilicit., u11d inan \\ljrct c · Lrot..z.dcm 11icht iat.ur
nc1111en. Als Be1.eichnt1r1g für d,ie g es a n1 t e cinpiri~clte \\rirklich-
keit hätLc a lso d as \\'ort cir1e zu \V ite B edeutung uad kö1tr1tc außc rdern.
iu ci11er log ischc1t Glicdcru11g der en1piri,:;che r1 \ Vissc11schaftc11 eb e11_0-
,,·cnig eine Rolle spielen , wie dann, \.\·cnn c ~ .nur Für tlie l{örpcr,vclt v cr-
,,·cndc t \\1ird . \\•1 il' ,vollen ja hier zu niich~t. J'e d iglich die \\'i ·sc11sch a f-
ten von der c1n pirii:-.clten v\rirkli chkeit eintcilcr1, un<.l sie ,vären dan11 al le
N;ltU1'\,rissenschnfl t• n. \\1ir n1ii:-- t'Jl a lso, fnl l~ die \Vortc NDLtlr ttncl
atu1..,,·j:,;scn~cha ft itl ci11cn1 logi:-.chcn Zu:1ar11n1,e11b ange. dcrl ,,·ir aut
iJ ie Ei11teilt1 ng clrr ern 1>iri:;ehc11 , vii-lsert...cha rlcn bc1.icl1en 1 al. ·r er1ni11i

111 it li)gi:--chcr B,,•◄- 11! ttlt1 ng gr.Lrat1ch t ,v.-rd r n ~oller11 11nr h nach ein er
'
dritten Bedculurag rle. \\.-orLc atur suc:h f n.
, Einc-s i~l clabci von vorneltcr1•i11 J\la r. \V'enu d~$ \.\rort a tu r, f(ir
di•t~ l(ö rper,vclt a ll ein nngc,ve11drt, eine Z\t enge, für clie r.1t1pirisclie
: \ \l'irkljl'hkcit ii l,crhau 1,t <1nge,,·c nclel, dagegen e ine zu , v(•ite ß edcu• 1

l Ul tg hat, t1·11,1 c• lbstvc1'!-lii nrl)ir l1 seine Glcicl1~ctzt1ng nlit drn\ eelcn-
lebcn oder rnit ,d er rn<'f npl1ysiscl1r 11 Rcalilii l oder dc·111 Ni c ht- \\' .i rli-
lichc11 n ic ht irt J7'rtt"e ko11ur1L, ~o blci1)l r1ic hl a11dc-re ~ Hbrig, als d uß
t!s die en1piri!-c'. he \\' irkli,;l,keit, 1.111Ler <'ir1c111. bcst irnrnten logi:;cl1r11
, G c s i c h Ls J) u n l{ t, b.czeichncL, ,,·11bci ,,·ir jc-Lloc h ,\·ie<lcr davo1t aJ,-
1
• scltf!11, ,v,ic ,vril 1'Chon die ' frr11r\u ng in r,~ychis,~hc u r\{] ph)'Ri~chc \ 11Jr -
gü1t"' C 11ur u11Ler l'ine111 be- tin1n1~r1 G csicltts 1>unkL durchgc• rührt
,,·er(li•.n kn11n. :\IIPrding~ i~ t es n.ic hl n1 öglicl1 1 eilte D{',Jcu tung für d:is
\\'t► rt zt1 fi11llcn , die a 1 1 es cl,ts t111tf.illL. ,,·us c. in d en v er!lcl1ic<lr•ner1

fllt~•·fül,rten C:cgenl'lii lzera bezeichnet , aber ir1 rler1 1neistr.n Fiillc11 ,,·ir<l
<lnrunt.cr doc l1 die \\'irklicltl,t'it vers Latlllen ,ver1len kö1 111cr1 ur1Lct <l c111

ü1g1taltzado por Goog e


- 169

Gesichtspunkt, daß sie, "'rie \Vir djei;r. in der Einleitu,1g bereits angedeu-
tet haben, als ein in :iic·h gc ~chlosser1cs, von rein ir11u1anenten Ge ctzen
b eherrscht.es . ein u11d Gesc hehen betrachtet ,vird . ~al.t1r i:;t ,,das \
Da ·ei1\ der D.i nge, oforn es n.a ch altgc111ei11c11 Ge ctzen besti1nrr,t ist'f, 1
sagt Kant. An diese logische Bedeutung ,,·ollen "''ir anknüpfen. ,.Na-
türlich" nennen \.Vir irrt G~gcnsatzc ~ur l{unst oder ztrr I{ul tt1r
übcrl1aupt das, ,vas v o11 ~ctbst ,vird , also n.ichL ,,on andeten gemacht
i t. ,,Natürlich'' ist ferner da", ,vaö in sich ruht und sich selb~t. genügt1
oh11c Rücksicht aur Schön l!nd Häßlich, Gut und Bö ·e oder irgend
,,·efche ande1-en \Vertpaarc. o hiJd et tiie Natur dann auch den Gegen-
satz zurn Sittlicl'1 en oder zu Gott. Trnmer ist sie du s gegen ctlzlos.c,
insbeso11derc ,vertindiffere11t Gedachte, !$ich über-all Gleichbleibende
und im1ner \.\' iederkehrende. \\t e,n n '\\'lr al.$0 da \\'ort als c~inen to-
gischcn Ter11lin.u · i11 der \Vissc11scl1a!Lsl•el1re gebrauchen ,,rollen, . o •

dürf-e11 \vjr auc.l, sagen, daß a tu r {I i e e rn pi r i s c h e W i r k-


1 i ch k e i t i s t mit Rück. s i e ht auf ihr e n allg e meinen
• • •
b c g r i f f I i c h e n Z u s n rn m e n 11 a r1 g. Dc1s ist dann ge11au <lie- •
II • (
selhc B ed el1tung ,\·ie in t.loin AusLlruck n a tu r \\'is, enscl1aftlicl10 •

L\1elh•odo1 denn sollen die Ol1jcktc als Exe1n pla rc a llge1r,ci11er Be-
griffe angesehen ,vcrdcn, so muß man von der\ ve,~:;cltie(lenen B e-tleu-
tungcn1 die s ie 111it R(ick ~icht ntif \Verte orler durch il1re Beziehung zu
et,vas Uebernatü1·lic lic111 haben, absel',en. Son. t \\'ü1·d cn sie nic ht n u r
Gattu,ig-sexerl'\plai-e sein, von dc11cr1 j 'des a11 die • t,el le des and ere·11
treLe11 lcönntc. Am d eut.lich. lon ?.cigt . ic'h -d ie e Becleutt1ng i11 ,lern
Ausdruck Naturge s etz: clas Natürlicl1e ai das rat.urn o t-
,v e n rl i g e ist <las, \vas ;;ein n1ttß, und d as zu b illigen oder zu 1niß-
billig en , daher keinen ir1n hat.. Da:) att,rgesct,z ist abel', ,vie v.1 ir ge-
sehe11 haben , itichLs anct ere. al~ ,iie denlcbar vollkom1nPrIBte F o r1r1 der
b ?rilfJichen llg<1.n1eir1h~j,t.1 die u,tbed i ngt. gilt. Da her kön.nc11 ,vi r
ganz a1 1gcrnein (lie „Natur•• ,J.cr Objcl<Le at1ch das t1e11ncn 1 ,vas in die
allgemeinen Begriffe der N alttn,•i;:;, el1:::cli a (Len eing~h t , ouer -u11s an1
l<.itrzestcn dahin atistlrClcken : die Nat,1r ist (lie r mpiri:-che \Virk.licll-
kcit lt \.it Rück icht auf da;; All g~ n1 e i 11 e. • o gc,,-·in11l, das \\'01·l,
eine logiscl1c Bedeutur1g. l Jr1ler 1 .Allgen1cinhci.t' ' i::,L dabei i\l"lb~t-
vcrsl:.ü11dlich nttr d ic Allge, nci nbcit de-.-; r1atu,~,,,issc usc haf tl i·r licn Bc~riffc•s
zu ver~tchc11 1 die so,vohl ~i11c i)lo ß cn1pirisc hc nl~ :-iuc h ci11c 11r1be-
<lingt gültige . Pin kann, 1111cl vor\ ,icr a11rlcr e .~r Lcn ,ler .A.llg11meinh ciL
spfi tor noc h zu tre11uert ·ci 11 ,vcrden.
\Venn ,vi1· cliose ·r errnir,of<, u·ie al\ zeplie rf'11 1 lii ßt :4,jeh zu<,.lcich cl cm

ürg,t~hzado por Goog e


17(> -
Satze, daß e,-, ,,natunvis"enschaftliche Ps)'cuologie'' gibt, noc~1 ein
anderer Sinn verlcilien als bisher. \Vir habe11 gezcigt 1 daO die ~lett,ode,
die bei der Darstelltu1g der Körpcnvelt ausgebildet \vorde11 ist, atlcl1 bei ,

der Dars tellung des Seelenlebe11s ange\,1e1idet \Verden kann, ja muß,


falls es sicl1 um eine allgerneine Theorie des Seelerliebe11s t1a11delL.
Von natunvissen:scl1aftlic)1or P s)1cbologic konnten ,vir t1nter dieser
Voraussctzwlg insofern reden, als die Ps)1cl1ologie r1a ch der in den
atur,vissenschaftcn üblicl1en f\[ctllode betrieben ,vird. ~'erstehen
,vir nun aber unter Natur d ie \1/irklichlteit mit Rücksicl, t a.uf das 1\.Il-
gerneine, so tnuß die P~ychologic aucl1 de~l1aJb eine NaLt1nvissenscl1af,L
genannt ,ve1·de11 1 ,,reil sie die Wissenschart vo11 der ,, Natu-f' 1 des Scclcn-
leben3 i ·t, d. h .. die \Vissen ~cI1aft v om Seelenlebert, ir1sofer11 c aufgefaßt

,vird a l - im Gege11saL~ stel,end ni,cl1t nur zur l{örpe1'\velt sondern at1cJ1 '
zu_r Kunst, zur Kultu ''t zur iLle, zur Gescl1icf1te us,,•., <l. h. als ein in
t sich ru.h entier, alle,:; au:; sicJ1 selbst hervorbringender, von i1n111anenten
1
i Gesetzen belierr cl1ter1 ol1ne llückBicl1t aul \>Verte und \\1crt;gegcnsätze
1 betracl1tcter Zu. ammenhang. Als Natur selJen, ir <las Seelenleben an,
sobald es als Ga11zes mit. l~ücksicht auf das Allge1ncine z.u begl'eifen ist,

lind ,vir müssen ei- von allen Bcedeutunge11 1 die es mit, Rücl· ·icl'lt au[
\ '\ ert.el vo11 alle11 Bezie!J u1igc11, die es zu et,vas Uebernatürlichern 11a t, los-
1

lösen, ,veiJ ,\"ir es sonst überhaupt nicl\ L unter ein System allge1neiner
Begriffe bringen kö11ncn, für das clie psycl1ischen Wirklichk,c iten nur
• Gattungsexern plare sein sollen. Et,vas anderes dürfen sie in einer aU-
gen1einen l ' heorie d es See lenlebens rtieu1als bedeuten. Die, also und
••
nur dies r11ei11e11 ,,rir, ,vcnn ,vir die P sychologie ztt den Na tur,vkr e11schaf-

t en rech11cn. Wir kö,nnLcn die ~letl1ode il1rer ßf',griffsbildung at1cl1,
fall · das \Vort !ntu1'\viss.e11schaft zu el1r an •die l{örpe1"\velL cri1werL,
gcncrali ierencl. nennen., u1n so jed.en1 I{o11Jlikt rnit, dem Sprachgebrauch
u11d jede1:n f\lißvcrständt1i.s zu entgehen, d ertn das w·ar für uns ja das
\\Tcscntliche an der körpcr,,·is etLSchaftlicher1 Begrif(sbildu11g. claß sie

gener-..1lisicrer1<l ih re Objcl{Lc dars tellt, und dara uf allein, J nß dies
auch <lie Psychologie t u11 nluß , ,,·enJl sie eine \Vi ··ensc haft vo1n ge-
sa·mLe11 Seelenl eben. sein ,vill . l<.01nu1l es uns in diese m Z\1sar111nen-
hatlgP- an. ·
Doch \.väre es a rtd rcrsc il.s ,\·ü n cl1cns,,·crL, d aß inan s ich daran gc-
,röli 11Le, i11 der Logi l, l{örper"vj ser1scl1aft, ur1d P s)fchologic unter den
umfassenden Begriff der Naltll'\Yi:;scnsc ha(L zu b1·i11gcn. So alJeu1 ist
ei11c li.OltSe◄'1 t1c11te l0gisc he \ rer,,·c11du11g des \\·ortes Natt1r möglicl1.
N ll r irl <l ern J\usdrucke 11 atttr \V i s ~ e n c li a f t '" hat Natur in

D191, h,ado por Google 1


- 171

seiner Bedeutung eine N·uar1ce, die es mit cler l{ötper\velt i11 eine be-
sonders nahe Bezieliung bringt. Im übrigen is·t nicht einz.usel1en 1
,varum das Seelenleben ·,veniger e·tv.ras Natürliches ist als das körper-
licheDasein, ·u nd deshalb sollte man auct1 das \1/orl Natu1"\vissenschaft
e11tsprechend ail\l.'end en . Der Sprachgebrauch \YOrde sieb dann nur dem.
Umstande fügen., daß hcut.e das SeclcnJebe11 nacl1 derselben Methode
,vie die Körpe1·,velt, nän1lich generalisierend und u1it Rücksjcht auf
seinen gesetz,m äßigen Zusatnmenhang, unabl1ängig von. alJei- Bedeu-
tung, die es in seiner Besonderheit durch Bezieh\rng zu \Verten oder zu
Uebernatürlichcrn besitzt, erforscht \Vird.. Auch das Seelenlebe11
wird u.nd ve·rgeht \vie die körperliche atur von selbst . Es kann .a n~

gesehen ,verden ohne Rücksicl1t auf Gut und Böse und jedes andere
Wertpaar. Es unterscl1eidet sich scir1em allgemeinen Begriffe nacl1
von der Kultur, der l{tlns t , der Sitte us,v. genau wie· d.ie l{örperwelt.
E ist also ,vie die Körpe1,,,velt a1tcl1 eine ,,. atur' ', 11nd es 1nuß clavon
eine Natunv:iss.cnschaft ,vie v on den Körpern gcber1. Die Recbtrer-
t igung dieses S prachgebraucl1es ,\,erden vollends die späteren Aus-
führu11gen über den Gege11satz , 1on Natur und Geschichte bringen .
Sie ltaben zu zeigen, daß der gencralisie1ier1clen Begriffsbildu ng ur1d der
dadurch entstehenden Auffas ung der \iVirklichk.clt als Natur eine prin-
zipiell. andere llffassung der \Virlclichkeit entspricht, durcl1 die die
realen Objekte zu_r Geschi chte \',rerdcn . Hier begnügen ,vir uns jedoch
rnit dec11 l-Iin,veis darauf I daO ,vir einen gcmcinsarnen 'f er11ti11us brau-
chen für alle \'1'isRenscharten„ die nac h der an d er l{örpc r,velL erprob-
te11 generillisiere11den ~1etbode b ett·ieben " 'erden, und daß un ter tlen
vorh andenen Worten, die wir ,vählcn kön.11lcn. da Wort Nat11r,vissc11-
scl.1aft d as bei \Veit en1 geeignclste ist . \1/ir ,vcr<len es a1so übera ll dort
verwenden , \\' O ma n die Objekte darat1fhin ansiehL,. daß sio ei11t11 iit
sicJ1 ruhenden , gesetzmüßigcr1 Zusarrunenltang bilden, und ,vo 111u11
dara·u.r ausgeht1 die \\1irlc_lichkcit in e·i n Bcgri,ffssy · Le11\ zu bri1tr:,.eu , in
dein dieser gc.!'etz.tr15ßige ur1d allgemein-begri(fliche Zusammenl1ang 1
da Wesen oder die ,.Nntur" der Dinge, iurr1 1\usdruck kon1n1L.
. '1. Der Satz aber, daß au-cl1 das Seelenlebe n Nntt1r ist, t rr. ibt t1n so-
gleicl1 noct1 einor1 Scl1ritt ,vcitcr. Soll die gc~amte der E rfa l1rur1g
zugängliche Wirklichkeit ent,vedcr p,:o;ychisch o d er physi:-;ch sein,
und gib t es dcrnn ach, (a lls ,111 ir tcclit haben, in ihr üherhattJ)l nich ts,
das nich t als Nattlr angesehen und einer Bearbeitung durch die
naturwi.ssenschaftliclle Begri rfsbildutig unter-zogeu ,verdcn kant1,
so muß sich die Frage erl1cben 1 ob es dcitn die einzige i\1öglicl1keit ist 1

0191 lt ado por Goog e


-
flie \Vi rklichl<eit. als atur zu crfor:icl1er1, daß \Vir dabei ertt.,vedcr n ur
das Pli)·:-i i;he oclcr n u 1· das Psyc}1ische in Betracht iicl,en. n1{aßt
<lcr al1gemeinsLH Bc;griff cler Natur nicht vi~lmchr J(ü1·1:,er,,·elL u n d
:,cclcnlcben zusa1r1111en als seic1c l'cile? [st riie \\' irl\licl1kcit in iltrcr
Ge.s.a1nLl1cit, nicht ein ei11hcit.liche · Ganzes, <las als att1r zu. b egreiren ;
eine berechtigte u11d not,,vcr1dig1! ufgabc i~t,, u11(l 1nüßtc darin ni clit
ei11e \\' isser1.schaft vorha11de11 sein, di e sich auf die g e s a 1n t c Natur,
d. 11. so,v•o lil in ihrer l{ örp "rlichkciL al:; auch ir1 ihrcln pslrc l1isc h<!n
Charakter bezielrt? Da i::.t z,,,cifellos ei11e Ftugc, clic sielt nicl1t ol1<r1e
,-..·eitere · a b,vei f'n laDL. E. i~t neber1 cle-r I{örr1cr,visscn chaft und <lcr
J:>sychologie, rlic bci(le dncl urcll · chnr:1.kLcrisicrt. s ind I daß sie einen
Jlrinzi picllc11 r1ter.s.chied Z\\.· iscl1ec1 t) h )'si.. cl1 u11d p:.yc h isch t1\achen,

11och eine (!·ritte \\,'i..:sen chaft. ,,·enigsten::- dc11kbar, die flnrauf aus.g •ht,,
clie unmittelbar· gegebene :\t aunig-fa lligkcit der gesan1t.e1t \V irl,lichkeit

durch Begriffe zu vereir1facl1en un<l in ei11 eir1h ciLlich"s Systen\ ztt bri11-
ge1,, al so die ' aLur <><lcr das Wc 'cn de r \\•'irkliclikcit iibcrha.upt
gcn cral is ierend tla rz.u~L1!llc11. Eine\ Vit<~c11:-1clu1ft, die s ich :solche Auf,•abeit
~teilt, sch,vcbL ,vohl vi elen v o r, die von ,, \1elaph)'Sik'' rc•lcn. Diese
J

Bczeich11tt1100 ist rreilieh ,ve11ig arigcn 1cs1"Je n 1 ,Je n1t tl~l;, U e JJ e r si11nl ic he
kü1u1te eine :;olche f)isziplin gr~1de 11icht, erforschen. Ab~r sie ,,·ürde ir1
clc1· rrat rlc11 Cliarakl.er einer , 1r11onistisr- hc11" 011ll:1lo~i<~ tragf't1, ii1sufcrn
(ür Rie die 'fr,.11111ung <lc:,r, 1->tiysj~che11 "~'->llt Psychi~chc11 nic·ht ,, P..<'nt-
1ich i ·t. u n,I von den 11 ier a 1tg•!<lcuLete11 G~ ic'11 t.:.r)u11ktett aus i:..t r s
da fl11 111ü~licl1, einer ~u lr l1ct1 .. ~l ctH1Jhy:..ik." l-'robl~r11e zu t llen, die
berec htig te ,,.,· i~fe n:.~li:i ftli r he I;-rage11 · nthaltcri,.
~nr das i:<t li crvo riuli eb crt, <l a ß •nla11 nicht. g laub,·n tla rr, Llit'se
\Vi~sen~chaft ,v!i rc nun in clcr r„ag-c, <li~ \\.'irklicl,kr il nls (;.tnze~
u n 1n i t t c I t," r zu crl\.cn11en. u1ul sielt du,lurch prinzipiell ,1 011 (iC11 ;

Erfal11·urtgs\vi:-s<'n.-:a; ha flc1t z u 1111tcr. c heiden . J,•:inc , 1 intuit, i,•r 11 r..: rk•t•nnt-


11i:;1 die nicht, ultgt'.' n1t-in B1•_1;riffc bildet, gibt c~ au t h fHr ~io nicht,
:-:o lat1~c 111a11 •
da s \\'' u rL Erk,enncn für ein th rorct ischcs V •rha lien v er~
,ve11ctet 11n,l d i<'-1r:-; t,hct)rt• ti.schc \' crh,1lic1l a ,1f t~ir1 Ga r1zes g<>riC' ht 111 l dr t\l, t.
l)aran li atLt\ auch ur-r Urnsta n<l , daß n1an die \\.i1·klir- ltkcit 11 l . . eLcr1''
n ertrtt o, tc,r ~ic rrliL clc111 ur1111ill,ell)ar ,,Erlr l,Len' 1 glr ich:;1•t 1.t , 11ichts

äntl c r11, tl ,\ fltl J us \Vo rt l.~: bcn bcd cutct ent,,·cclt·r· ·o v,ii~I ,,·ie da!-- l J 11-
1nitl<:lbarc \tfl<I i Ltla11r111i1; hL-,sage1ld , <l. li . tlir 11 ~fl'l-..tJll1)' ik J s; l,elJt'n ~"
0

,,·ü,·tle <l ura11f hinau::ko1nrnr n, <la ß cl as rtnri.ttclharc ,la5 C nrl1itLcl-


ba rc, d 83 u,1 n1i tt.t-Il)a r Erlr l>le d n, un,11 iltcllia r Erlcbt.e if ~, odr•r : (la.~
' " ' 0 rt, J. . c l11·1, bf'Zt•ich nel, c ittCll ir1 lta ltl ,icl1 ltfi her be~tin11l\ leTl Uegrirr, u11d

ürg,t~hzado por Goog e


- l7J

dann kann die er grade n i c h t. rnchr mit dem der u11mittelbar gegebe-
nc'I\ Anschauung ubertinupt seine,n l ubaltc naclt zusa1nn1onfnllen.
Uebcr die l{l,urt. z,vischen der ,,-issc11schaftlichen \Veit cler Begriffe
und der \Veit cler An~cl1auu11g korn111.t k e i n e E:rken11tni8 de Wirklich-
keilsganiet1 l1io,vcg. Ja , die ,, i\(e't aphysik" jn de rn ar\gegebencn Sin11e
rniißtc sich bei ihre r Begriffsbii,Jung sognreiner 1'Ie thodc hodienc·r1, die in
ihrer logiscltcn Struktur tnil <1cr i11 den Naturwt ·e1ischaflen ange\\·c11de-
ten übereir:1st irr1rnt 1 d. h. sie 1nü Ote ,rer:;\1chen, clus \,\ ·'csen dcrWirklich keit
überhaupt in einem die gei:.a1r1te ~1 a·ru1i 0 falligkejt urnfa&.q.ertden gülLige11
System vo11 <lurcl1,\'eg allgea1cincn Bugriffcn au.~zudriicl<co, eheni-O
,,.,,ie dies die "'' issenschaJLen v o 11 den l(ürper,1 für die pliysi ehe \ \1c1L
und c.lie P ·ycl1ologic für das cclenlehon an~treber1. Da&\Virklichkeits-
gnnzc wäre auch für sie 11ttr so zu erke1tr1en, c.l afl l:'ic allgemeine Begrifft
bildet , die auf je,ic11 T ei( an,\'endba r ind. D adurc h allein ,värc sie
von den J{örpern·is-·c11scba [t.en und vurt dert p. ychulogi:ichen Diszipli-
ne11 u11t.crsct\ic,lcn 1 d;i,ß für sie d.ic \\ 1irklic hl<eit noch nicht in phy isc ho
t1nd psyt! hische Vorgä11go zeriä HL. Bildel..c sie a'b-cr ei11 solches Syste1t1
von a Ugemci11er1 Begriffen, sQ ,,,ä re, ,venigsten~ unter rein logiscl1er1
Ge.;ichtspu11kt..cn, gegen sie nichls cirlZu,vcncl cr1. ,Ja, es häLLe einen
g<.tlc11 Siu11, vort einer \Vi:;sen ·chaft., die dera rtige.- untcrnj111mt, ztt
sa 0 er1 1 d a ß sie in demselben i11oe eine Erfuhru ngs\vi:)sc111Sclta fL sei
\.Vic ,lic a llgt!n1cinc 1l h ysik oder die Ps)1chologie, uncl so v <>rs tehc-n ,vir,
da ß kein Geringerer o.ls Edt1ard Zeller für die "l\lctaph,y:;ik als Erfah-
rungs,vi ·scmclraft.'' ei11t retcn k.0 11nlc. '.\lil I~echt sagt Cl\ clall, ,,·er djc
1\löglichkeit des Wissen Q'T undsätzlich cinrii.u111c, kein llcchL ha br,
,,classclbc hirri,ichtlit h ·eines Urnfa11ges oder· seiner icherl1t"il in u1rvc r-
rücltbare Schranken einzuschlir.Oen" 1 . •

l)och hal)cn \,·ir dies• A11:_:.fül tr11ngcn 1111r gc1oa l, l , u111 dru dcol, -
bar tun[i1ss ·ndslen B e g r i f f e i n e r g c n e r n I i s i c r a n d c n
W i s · c n s c lt a f L, tlie J ic gct-a111te \\' irl{tic hkeit al . 11 ralt1r'' dar-
stellt, zu en t,,·ickeln. \ 1iellci1·ht \vürde sich bei genauerer Untcr~ucl1 t1r1g

ergeben , <laO e · viel leichter ist, dfls a11geclcttlel e Pro blcrn zu . Leiten
als jn erfolgreicher \Vci~c ati s,! i11cr Lüs u11g zu ar}Jeilcn. \\ 'ir 11tftssc n
sogar, u111 ~lißv ' rs t.1rldr1i '~c11 ,·orzulJr!t1gcr1 1 noc h ci11igc einsc hrü11-
kendc Zltsälze n1ac hcr1. Eine .,~fcLaplt )1sik'' in <l cn1 hil'r a,1gcg bcnc11
ir111e , ,·ürd c immer nur auf die b cg-rjfflichc Bcarbcitu r1g dc ·.;:;p11 gc-
ri.chtcL r:.ein, ,vas O L j e lt L \\'er◄ lc rl ){;1r1n in <lcr ]3edt•Htt1na-, clie die
E rkcnrtLnisthroric mit rliescrn \ \'orl t• vcrl>inllcL, ,,·e111, sie alle~ \\'ii-k-

ü1g1taltzado por Goog e


- 174

liehe in eine11 logischen Gego1isatz zum erkenntnistheoretischen Su b-


je1tt oder zur Form cler Be,\'U ßt11eit bringt. \ ro.11 diesem Suhjcl{te
hä t,t,e auct1 die allgcrneins t,e Ontologie zt1 abstl'ahieren , u11d sie ,,·äre
z,var clen a11de111 Erfal1rungs\visscnschaften insofern übergeordnet ,
als sie un1fai;;sender ist a ls diese, der Erkc11ntnisthooric aber dt1rchaus
untergeo rdnet. Es ist ferner nic ht einzusehe11, ,-vio diese Ontolog.iP.
eine „Pl1ilosophie der Natt1r" und eine „Philosopl1ie des Geistes''
unter sicJ1 befaS8e11 soll derart, daß die eine die l{örper,vissenschaften ,
die andere die Psychologie zu einem Abschluß zu bringen hat. \Vns für
die Körper,velt und tin.i:; Seelenleben von einer Er(al11·ung ,,,isEe11Scl1aft

überhaupt zu leis ten is t 1 das }iahen die \Visscn ~chuften v on den I{örp ern
und die Psychologie als •at.u1·,\lissenscl1aft.e11 selbst. zu leisten, t1nd i n
d er W eise allein können diese W.isse11schafte11 in die f' hil,oso phic über-
gehen , <laß ihre „letzt.e_n" Begriffe nur durch erkenntrtisLheoretische
E rört erungen , z. D. mit Rücks icht auf das erkenntnistheoretische
Subj ekt, kla1·zulegen i.11cl, od er da ß man die tl1eoretischcn \Verte~ rlie
als logjschc Vorausset:1.ungcn d.cr ,,1is:::enschartJjchc11 F ol':>t liung nicli t
entbel1rl ,,·erder1 können, für sicl1 in ihrem formalen Cha rakter )1eral1s-
arbeitet.. Dann aber greift eine völlig andere ~f ctl1o{Je nls die der
E rf ah.r11ngs,-vis:en chaften Platz und n1an darf solche U ntcrsucl1ungeri
nicltt 1nchr in dem angegebe11en inne ,tlnetaplty. i eh'' nennen. Der
l\1etapt1)·:ik als E rfa hrung:,visscrlscl1,\fL ka11r1 eine besondere Aufgabe
11 u r darnit ge teilt ,verden, d aß sie ol,11e rtück icht. auf den Gegen atz

vo11 Plr)rsisc h und Psycl1isch die , virkl ichkeit ei1tl1eitlicl1 ocler ,,mo-

nistiscl1' ' z11 begreifen hat, lJnd es ist gerade sc.h r z.,veifelhaft, ob . ie
irnsta ride sein "' "ircJ, n1i t d cn Beg rif(e11 zu nrl>citcn , die von de11 a ndern

Erfahru11gs,vi cnscl1afLcn rr1it Rock.sieht enl\vedcr a,1f die l{örper
odel' cJa ,Seelenleben a l I e i n gebildet. ,vorden sind. \\1äre das aber
nicht der Fa!I, so ,v(l rde schon die. er Umstan.d P~c; a u::;schließen , d.aO sie
eine besot1.d ere Philo:;ophie des Geist es und ci11e Philo~oph.ic der lat11r ,
d urch Vi•Clcl1e J>s~rchol ,gie und f->}1ysilc. zun 1 Ab:-chluß geLracl1-t \1/erde11 ,
tinter icl1 befaßLe. .Ja , ,vir müsscrt soga r 11och einen Scl?ritL ,veiter
gchc11 . Es i i:;t scl1r wohl clc11JJJa1"r daß die \\lirkljchkcit sielt 11atur-
,vi~~on chaftlich oder gen<'ralu icr4'nd n ur da1111 begreifen läßt, ,,,cnn
1na11 eine pri11zi11icllc „chcillung der JJhysis hen odc1· rau1nerfülle11-
clcn und clcr p~ychischen orler nicl1t-ra11rncrfü llcnd cn Wir1c.l ichkeit
zug rttJ1(l e l<-gL. Dann aber ,vilro cirtc ullgcmeine OnLologie als \-Visse-r1-
5chart. von ,vi1·l<lichen Obj ekte11 üherhat1pL, ·die \re-der ps)•chi~cb n,ocl1
pi 1)·~ h!ch sind, r1ii~J1 t rnch t· 111öglicll. .:\ Jle.' , ,,·ns ~icli ge11cralisie-r •rtd \ 'Oll\

ürg,t~hzado por Goog e


175

\ Virklichen aussagen läßt tt11d die realen Objekw in ihrer Totalität


un1{aßt, fände dann cnt\vedcr in den Körper,vissen schalLen oder i11
d en pS)'chologischen Disziplinen seine Stelle. Eine generalisierende
Wi sen schaft vom Wirklichkeitsganzen ,väre dann not,vendig an die
prinzipielle Scheidt1ng cles f>llysiscf1en vorn P sychi chen gebunden.
Doctt alle diese Gedanken haben ,vir hier nicht weiter zu v erfol-
gen oder gar zur Ent.scheidung zu bringen. Un kommt c nur darat1f
an , zu zei.gen., ,vo die Grenzen der Natunvi enschaft n j c h t liegen .
\,Vir ,vollen ihr alle Rechte einräun1e11, die sie nur irgend beanspruchen
kann, und deshalb allein haben ,vir versucht, z.u zeige11, daß, ,,. e 11. n es
eine 1 1 ~fetaphysik" gibt als \N'is!,enschaft. d er gesnmtcn \iVirklichkcitt
es sehr ,vohl möglic h ist, daß sie nac h 11aturnri :-1en1-cha[tlict1er ~•1ethorle
ger1era lisierend betrieben. ,vird. E s soll dadurcl1 nur deutlich ,verdcn.•
,v i e "'·enig die Grenzen [Ur die natur,vissenschaftljche B egriff bildu.n g
aus der1 Eigen chafte11 des Mn t c r i a l s hergeleitet ,verden dürfen,
das der \Vissenschaft. als ,virklich zur Bea rbeitt1ng vorliegt. \\'ir neh-
1r1c11 da s \Vort Natur in diescn1 denkbar ,,·cites le11 inr1e 1 u111 spät.er d en
B egriff der Gescl'iichte u1n so ichererdagcger\ abgrenzen zt.1 können und
zu zeigen , daß, ctbst ,ve:nn alle Körperwis c11scha(tc11 1 alle ps ycltolo-
gisohen Disziplinen und auOerde,n nocl1 eine i\letaph;-sik in d crn angc-
1

gebe11en Siru1c naclt gen eralisierender oder 11atur,viss.cnschaftlicr1cr


~felhode in. d enkb a r höchster Vollendung a\1~gcbildet \\'ü1-cn , da11•it
r1oeh nicht ein einziges P roble1n. der Gescliichls,vissenschaft.ec1 gelöst,
ja , nocl1 nicht einmal als Problem begriffen zu sein brauchte.
B evor wir j edoch zu dein logischen Gcgci1saLz von Natur ut1d
Gesc hichte übergel1en, durch d en ein ebenso u1 n{asscn.d cr B<~gri ff d'e
Hisl-Orischcr1 zu ge,,·it1ncn ist ,vie der Beg riff der alur1 de11 ,rir j etzt
crl1alten haben, richten ,,,ir cl1I ie ßlic,h noch d.cn Bliclc ~ ur dcr1 Bcgri rr
cler G e i s te i- ,,. i ss e n s c h a f t c n, um das logisc.h c Verl1Liltnis,
in de,n ie zu cJen atur,vissenschafl.en Lehe11, ausdrücl,lich fcsl-
zust,c llen. er,,·c11d cn ,Yir c)as \\,' ort Nat.u1..,.,·i~sc1\schaf'l :,o, d::i ß e1, j ccle
\Vis ct1~chaft bezeichnet , die ihre Obj ekte n1it Rück icht auf da . AU-
gom ei11e, a lso gcr1cra lisicrcnd betrachtet i,111d , so,vcit es möglicl1 ist ,
in Gesetzesbegriffen ilir \\' e.s-cn zu e rfasse n suc ht, und soll ferner d a
\Vort geistig da:--sclbe bedeuten ,•,ie secJisch oder ps)·chi"'cl•, also 11icl1t-
körp<1rlicl1, , o können ,vir es je t1.t a ls völlig sclbst.versttindlich Lczcieh-
ncn, daß der Ausdrucl< Geistc~,vi.:;~en. cl,.aftcn k,cinc 011sgrzcicltnctc
logische Bed eutung haben rlarf. Da das Ser-lcntc.~ ben so gut ,-.,ie clic
l{ö rpet"\\·ell al ej r1c Natur darzu ~t cllcn i.st , rr1 ü OLcn d ic, Gcii-tcs,visse1t-

0191 lt ado por Goog e


176

schalten, insc,fern ic W'is:;cr1sch.aften v on1 Secle·nlebei, ·incl. al:i.


\ Visscnschaften von der ~atur des Gei ~les au ch nac h· natur\.vi sen chaft-
lic11t,r ~f ethocJe ge11eralisiere11d ihre Begriffe bilden lJild. ihrerl storr
da rsLe.llen. Oclcr: <ier m tand, daß eine Wissenschaft es mit gei::.tigPn
\'orgänger1 zu tt1n hat, l<ar1n für sich a 1 1 e in nierr1als einen pri11zipiel-
le11 lJntcri;r.hied der ~·l ethotle b cgrii11den , denn der Geist i t, solange da ~
\\1ort ni chts anderes al ps)·chj scr1 bedcutot 1 cl>cz,so ,vie die \\'eil d.er

l{örper gecrcr1übr.r der1 letzLen logischen Unlersct1icdc11 der Bcgrift~-


bild ung indif(crc11l. 'c11ri t rnan daher die Gesc hichte ein.e Geiole! ·-
,vi ·senschafl 11nd be~Limmt als il1r Objek t einen Teil des 1ne1tscl1liche11
ScclcuJchcr1 ·, !.1.o i: t e~ u111nögJich, Jogi ·eh die Bcgri(fsbildu1tg der
Gcsc·hich,Le pri11Zi-f)iell \'On der der Nalur\\'i ser1scliart zu scl1cide11.
D·as ist clas .E rgcbni~, z.tJ dem alle u11.Serc bishcrige1t ,. \. usführungc11
hinstreben. Die Ge~chic:hte kann unter d ,ieser Vora ussetzut1g, nur als
ein Teil clcr psychologischen Disziplinen angesehen ,,•erd en, und e~
ist nicht einzusehen, ,varu111 sie njcl1t vrrst1cherl soll, d~ geigtigc
oder secli 'e he Lcl)e11 der Völker und ~lensciien unt.er n1lg-crneinc De~
griffe zu bringer1 urtd \Ver111 tnöglich ~eine Gesetze l{cnncn zu lerncrl ,
also e als Nat11l' da t·zust,clle11 . \'V ir bcg reife11 e. <lah.er ehr &rut, tla ll
J. St . ~lill , der \Voh l als Erst.er eine S)' te1natischc Logik der Geistcs-
,vi~sen chn[Len unt..et'n ahm, in der ebcrtragu·n g der natur,vissenschufl-
J.ichen :\fcthode auf lie Gei tes,visse11scha fl,e11 de•1 ei11z.igen \,\1cg 'ah ,
urn a ucl1 sie zu \\·ahrcn \,Vi. senscl1aflen zu machen. Er k.onnLc rnit Recht
in dem SeclenJellc11 a.l:, solchcrn ni chts Cltldcckerl, das eine a ndere
!\fetliode als die in de11 Nal11r,\·isscnscl1a(tPn erprobte erford e rte .
,
Die Logik der GeisLes,,·issen.scl1aftc11 rnußtc also [il r ih11 z,1 cu1e1n
bloßen 1\.nhang der L ogik der atur,vi ·sc11scl1a.ften ,rcrd cn. Solange
n1a11 kci11en andern Gegertsalz a1 s den von solc;hen \.Visser1sclia fle n ,
die e. rnit plty~iscl1-err1 Sein, urtd solchen. die e$ n1it p:;ychischctl Vor-
gängen zu t.un haben, ltc.1111t1 ist es tt11r kons<Htucnl, z ,11 beha„upt,e1t,
clnO nllc \\1iss nscha(Le11 n1it flilc ksicht uu f die logische ~·tr11k.tur ihrer
D arstellung orJe1· Bcgriff:-bilrJung l ntunvis,:,;enscliuftcn si11c.l. Gehl
man al 'O v o 111 Begriff ,Icr Gei:,;L~~,vissc11 ' c;haftcn bei einer JJ ii1 l cilunn-
der \\tisscnscl1a fLen au s 1 so ,,·ir,l 1.nun.. ei11cn ko11seq11nnte.n mf'll1odu-
logisc h<~11 Nal11r,tlis t('n nic·,nals ül>cr~Le-ugcn, daß er irtt -tu·cc ht i:,,.t.
r\bcr nbf'n;-;o !i!ic liPr ist ci- au cl1, <In ß n1an d on n das I o g i c h c J)l'0Llc1n 1
11111 d as c ' sic h hier ha11delt. uor h gar nicl\t g e:-e hen l1Ht„ So l(o1n111c11
\vir zu tle,11 Rf':i tillat: der Gcgcnsntz v,Jtl Natur \111d Geist ist rnr cinc
1,,gise ht• GIi,•rli•rl1ng rl t:> r ,,·i:-Re11sc h nf t Iic.hl"n Begriff:;hi lcl ung u 11cl Da.r::1 tcl-

ü1g1taltzado por Goog e


- 177 -
lu°'g gänzlicl1 un brauchba r . Ja , er i t gera<lezu ,,er,,·irrcr1d , "'·eil er die
Aufmerksamkeit von dem Pu nkte abJer1kt, auf den in der Logi k
alles anko1111n t 1 u11cl ie aur einen logisch scku11,Jäte11 UnLcrschied
ricl1let.
\tVir k-ö nnen sogar noch einen Schritt ,vciLer gel1en und b chau pt.cn ,
d a ß auc h der Brauch, clie \Vi:siie11schaftcn in atur- u11d Geiste. -
wisscnsel1aftcn einzuteilen, nic l1t c r1Lstandcn \\'tlrc, ,,·cnr1 das \\'orL
Geis.t, nt11· <lie bisher ber(lck!-ichtigte ' Bedeutltng tle. Psychischen
ur1d das '\;Vort Natur nur die Bedeutu ng des J)hy1si:schen oder l{örper-
licher1 hätte. Auf die Vieldeutigkeit des \Voi-tes "atttr habe11 "'~ir
bereits hingc,viesen. \Vir müssen jetzt a uch einen Blick au f die vcrsehie-
d en eu Bed e utu11gen ,,rerfen~ die da \VorL Geist hcsit:ll, u1n zu zeir,e111
,,·ie ni chtssagend der Tcrmirtus Gcistcs,\•isscnscha ft o hn~ eine n:i h~re
Be •t,in1mung des 'Begriffes Gei · t, ist.
Ztinäcl,st l1at auch das v\1ort ·Geist z.,\'·ei der Bedeutungen, die da:;
Wort Subje kt, habe1.1 kann, d. h. a u ßer der. eeJc i::it unter Geisl auch tla.~
erl,ennlnisthcoreti 'ehe Subjekt zu verstellen. Die raiur im Gegensatz •

zum Geist \\'äre datm ,,·ieder die gesar11l.e en1piriscl1e \Virklichkeit ,


die \,Velt de r rea len Objcl,te Obcr ha t1pt. D a ,vir die \Vis~cnschafts lchrc
gegen die .E rfal1rutig ..;;vis etl cl1aften auch <ladureh abgre1,ze,1 kOrtr1en,
<laß jene au drücklich nt1f da erkenntnisth eoreti ·ehe ubj el<t reflek-
tiert, ,vährend diese ausdrüc kli ch davon absLrahic1·e11, ·o ,vürtle 111ar1
die \Vjssenschaft.slchrc a ls die G iste:;..,rissenscllnrt i,11 Gegl'nsatzc
zu d e .n Natur,vi se11schaft,cn bozeich1le11 kön11e11 1 zu dener1 dann n l 1 e
e1,1piriscl1 en \Vi i;;er, ~cl1often, n1iL Ein. chluß sognr d er ) fc Laphys ik i111
angegebenen • inne , zu rechnet1 \\'ä ren. '"\uch diese r Gegensatz ru ag
,nchr oder ,venigcr n\itklinge11, ,ro au f die Einteilung in Natur- uncl
Gei~tf,s,vissenschafto11 ein \1/crt g ' legt ,vird. Besu11de1-s k ann man S•>
d ie l>hilo ·01Jhie als die Gei · t.e ,visscnscha ft. clcn • atur,vi~senf.cl1nfter1
geger\(ibersLellcn. Do h i~t gc,,·jß a11ch diese Tcr1ni11ologio r1jchL gl ück.-
licl1. Der Gc.gc11saLz vu11 IaLtlr und G ist "'·äre dann für eine Einteilung
llct· e m pi .r i s c h e n \VissenschufLc11 gi1nzlicl1 u11brai1cl1bar ge,,·ur,J-r•t'I , •

d enn alle \,\fis- cr1schafl.e11 1 die siel, auf reale ·Objeli:Le i1t1 e rk enn.tni :;.►
ttlcoreli chen Sinne bcschränkcri, ,,·ä rcn. dartach zu den Natur,-1risscn-
schn(tcr1 zu rcc hr1crl , urtd unl' r die· cn Begrif[ fiele unnn ni cht nur die
f)s)•cltologie onder.n nticlt (lie ~c-..chic blc. t 1c l\ sie hat es \\·ic alle

e rnpirischcn \Vis ·cn;-1c ha.rter1 nur 1nit rea J.ei-1 Olijcktc11, ni hl t1"1it, clt>rn
Gei L als clcln erk.e1,r1t11islheoretischcn uhjcl{t zu tu n . ,
Das \ \i'o rt Geist hat Aller noc h cirtc tlritlc ß c-deutu,1g. 1..li<' ::-it h
R i c 1c o r t ., Orentlln, !l. A u fl . 12

D1911 11,ado por Goc,gle


178

,veder mit der des ps}'cltiscbcn Seins Liherh au1>t, noch mit der d,es er-

kenntni tlleoretisc h.cr1 Subjektes deckt, sondern in der es eine b e-
s o n d e r e A r t des psychi ·che11 · c.in bezeichnet, und auf rlie:;c r
Bedcut.ung beruht es zweifel'los vor allein, \.Venn die Eir1tcilung in
Natur- und :Gcist,es,\-isscnscha(Len üblich gc\vorden ist. Es ist bekar111L 1
· ,velche 11olle clcr Au druck Geist z. B. in der 1-legelschen Philosopliic
spielt. D1-ei vcrscl1iede11e ,o\rten ,•or1 Geist kcrtnt J{egel, dc11 si1bjek-
tiven, den objektiven und den absoluten Goist. Von il1ner1 ist jedoch
nur der erste allenf nlls mit. den1 1.u identifizieren, \vas \\' i1· p ychisch
nennen , und dic~er subjektive Gei t st eh t r1ach Hegel n i c }1 t im Ge-
ge11 at.z zur Natur, s011dcrr1 er ,vird „ Naturgeist'' genrAnnt. Nur inso-
fern a ls aus ihrn et,vas a11,deres ,vo:r-den kann als atur, i t er in ejncn
Gegc1c;atz zu ihr zu bringen. Erst ,ve11n der Ge.i st aus der Forn1 der
Subjelcti,1ität heraustritt, d . h. ,venn er aufhört, 1nit dein bloß P s)'chi-
·cl1en identiscli zu sein, is-t er nach J-Iegel Geist im Gegen :;;ntz z11r
t atur. ,\ls objektiver Gei ·t, ist er darul Rcclit.1 l\'IoraliUit u11d Sitt-

Iicl1kcit, aJs absoluter Geist J{un. t, l"leligion. ttnd Philo. opl1ic. Die
Wi · ·cn cl1a ftt:!n 1 die vo11 diesen Gegenstil nden handeln , kann n1a11
dann ,,·ol1J als Gei · t os,visser1schaft.en bezcicttncn , aber sie rnüßten
durchau , in einen Ge g c n s a t z zur Lehre vorn subjektiven Gei t,
d. 11. zur Psychologie gebracl1t ,verdrn. So,,·eit die Heg"lsche 'f ermino-
logie dazu beigetragen hat, das \\7ort Gcist~~,vist-en.~c hafl gebräuch-
lich zu machen, ist, es daher eigentlich eine rt von ~I i ß v c r s t, ä n cl-
Il i s, \\'Cnn rnan die \Vis:;rnschaft.cn . deren Objekte p s y c h i s c h e
Vorgänge ~ind 1 als Gcist,es\vissc1tscl1afte11 bezeichnet und aucl, die
P:>ychologie zu ihnen rec hnet. Dies Af iß"•cr~t.ändnis sollte man endlich
beseitigen. ( Tm Zt1 a1nmenhange 1nit der Ifcgcl::1ctlct1 Terminologie
hat d:ls \,Vort Geistcs,,·i::;:--enscl1aft gev:iß cir1c11 g utc11 in111 ja, i115ofcr11
l·tech t., ~Ioralitüt us,v. })rodulrte der G e:;; c hi c 11 t e si11d, und die
Geistc~,vis cnschaften also elas Se~ler1lebP.n auf einer be:iondct·er1 Stufe
.:.eir,cr hislori. cJ1e11 E11L,vicklung zu bcltand,r ln bütten 1 stä nde dieser
Begriff der Geiste:,,,·is. cr1scliafL 11\iL dcrn der Gcschichts,vjssen.:-chaft

ilt der l'at in cngsler 13czicl111ng.J Lehnt 1na,n aber die Becle11l,111g,
die Hegel 111iL <lern Wurte Geist vcrbi.Ltltel , a·b, so \,·ird nlan in der \:\'is-
scns.chartslchre auch d as \Vort GcistC!-\vi s. cn$claaft im Gegen. atze
zl.l ,Jer \v'isscnschaft, vo111 bloß Psychischen und dan.1 il ül,crhaupt
falle11 lussf'Jl 111ü:--.:S>cn. D l.'r Ausdru ck p::i) chc1logiscl1e Di;.;zi1Jli11 i~t, dann
1

doclJ sehr viel t•ir1dcutiget·.


Ganz i~t ja allerdi11gs i1, dl"r <lc11lsc hcr1 'tlrachc noch heute das

0191 lt ado por Goog e


- 179 -
Geföl1l dafür nicht ge ch,,·,1ndc11 1 daß Geist at1ch ct\va bedeutet im G c-
g e n s a l z zum bloß Psychiscl1en 1 daß also eine Gcisl.es\,·isseruchart
et,vas ist , ,va der Ps)'cl1ologie geradezu entgcgcngcsl llt \"-rerdcn muß.
\Venn je1nancl z. B. eine 11Darstellung der psychischen \ 7orgä ngc in
der1 Spinnen'', oder Unt.er tichungen über !lda eelenleben der Pro-
ti t.cn'' zu clen Gei tcs,vi2-scn~chaflcn rechnen ,volJte, so \,·ürcle man ,d ies
als eine urihaltbare Terrrlit10Jogie empfinden. Das ist, Nattt1"\vissenschaft,
würde man sagen . Dann aber sollte man atich ,veiter gehen tind die
P~ychologie (lberhaupt eine NaLunvissc11.Schaft ne1111e11. Ur1d un1ge-
kchrt, \\' Cnn je1nand ,vie z. B. Et1cken e i11 B11ch schreibt, über den
11
11 Ka1npf u1n eit1cn geistigen L.ebcnsirlha.lt. 1 so ,,·ciO jeder von vorne-

hcrcin, da ß damit nicht ein Kampf u.1n ~inen .PS)1cl1iscl1en Lebensinl1alt


ge1nei r1tist.Denhai jedc Tier, und da rumbrauchtman nicht zu kämpfen .
Auch Dilthey ist ncuerdu,g5 bei sein.er Abgrenzung der Geistcs,vis!--en-
sc l1a flcn dazu gekomm ent den SiJ1n, i11 d em er das ,vorl. Gei' ·Lgebrauchcn
,,·ill, so anzugeben: "es ist dcr~clbe, i11 ,,·clchetn ~1011Le~quicu vo1r1
Geist der Ge ct.z.e, Hegel vo1n objektiven Gei:.t Oflcr Jl1ering vom Geist
,des rörniscl1en Rechtes gesprochen hat" 1. E~ bczcicl111et also ein ·
\\' or-l Gei. t auct1 für uns J1eutc nocl1 ein psychi~cl,es l„eben von be-
onderer Art, zun1 n1indeste11 ,vird es meru chlicl1c Seclr nlcben ein ·
müssen , das ,,~ir gei. tig nennen 1 und dies ist. e·b e1uall~ ei11 Grund,
, esrtalb da" ,i·ort GcisLeS\\ris erl chaft, ~icl1 in1 Gegensatz zur Natur-
wissenschaft erlia ltct1 ha t. Doch sollen diese Bcmerk.ungc1t durchaus
.nicht tlen 'f ermin11s fül' die I.ogik rctw11 O<ler sc-i11e \i'cr,,·cnclung rec ht-
fertigen •011tlern nur erklären, ,,·aru,n es ,•icllcich L n1anchcr11 i:;ch,vf'r
,,rird, sich von dem .i\\1~drucke Geisl es,vi~scni,,c•ltaft zu trennen. Daß
er aus der Sprache überl1a upt versch,vinden ,,·ird , i t, 11n,vahrscheinlich 1
und dnral1r kommL es im Gru11tlc gerlOliltnen nt1ch gar nicht an. !\ur
in ,d er[. o g i ){ sollt e n1an il111 heute nicht zur Bcieicl1n11ng der nich L-
natur,,·isscnscl1aftlicl1en Diszipli11cr1 gcbrrAuchen 1 weil er zu unbestin1rnt
geworden ist und vor allen1 i1u1ner das l\lißvcrsläntl nis hervorrufen
kann, als seien n1iL c.Jen Geiste \Vissc11scl1afLen die \:Visscn ·ctiarLen ·v or11
psychisc hen Leben oder die ps)•chologisc.:h·cn DisziJ) I i ne11 gen1ei1lt,
und als gehöre dal1er <lic Psycl,ologie sc.lb t zt1 dc11 Geisles,,·isscnschaf-
ten und nicht zu den \\1i:--se11scha(tcr1 von der Natur. Fcr11er ,vird i-n nn
cla 11n zu der cbe,1ralls ganz unh al Lbarcn 1\rtsicht geführt, als mü► ·c

1 0 i I L h C }' ' D~r ,•\Ufhnll d er gt•t-chicll llic ht•n \\"clt in d en 1;ci:,le:-,,· i~:.t'll•
::.chaflr•u . ..-\ uh::tnd lungcn der l.unigl. pr1Juß. ,-\ kaJ uniic d1?r \\.is~cni-cllafll•ri, 1910,
s. 11.
li *

ü1g1taltzado por Goog e


180 -
die Psyrhologie clie eigentli che Grun,dlagc für die Gei tc_\..,.is~enschaften
in d en1 inne ein, '"·ic rlie l\lcch anik es für die l{ö rpenvissensc hafte11
ist. Daß die~e Ansicht sicli nicl1L halten liißl , l1abcn ja auch diejen.iger1
oi11gesehen , die \\'ie Dilthey t.ro tzclcm dc11 Ausd ruck Geiste ,vi · en-
chaft nich t aufgeben ,vollen . Sje scf15d jgen jedocl1 1nit d er Fes t-
haltung an dem v era ltr tcn 1'ern1inu. ihre eigc11e 'ache, denn sie untcl'-
stü tzer1 i1nmor ,~.ieder cJcn Irrt11m , da ß es bei den nicht-natur\ i~sen-
se haftlicli en Disziplinen auf tfcn psyc hischen Chara kter- dC!; zu bea r-
b eitend en ~ ateria1s ankomme, und doch ist gerad e d ieser ps)•cliischc
Charakter, \\'Cnn mar1 d as \\rort Geist in dem Sinne ,\'ic ~lo11tc ·quieu,
H egel od er Ihcrit1g \'er\vcndet , ot,v. a~ ganz u11,,·eE-011tliches, von dc1n
m an !licht. a usgcl1en darr, un1 über die logisc he St ruktur d er nicht
na t ttr\vi"se-n~c ha(tl iche11 Disziplinen l<Ja rhciL zu ge,,·innen.
\ ' ielleicht bekom m t das \Vorl Geist t'i11111a l irn Gegensatz nicht nur
zur ph.ysischet1 sondern auch zur ps)rch.i che11 Natur ,vicdcr einen Sinn,
der allge,n,eirl anerkannt lJ:nd versUincllich ist. Ja, wir rinde11 l1cul:ic
sc,hon Bes trebt1ngen, ihn\ einen olcl1e11 b esond eren S inn zu verleihen.
Doch ka.r111 von einer allgemein a ncrkannLcn Dedeutu11g d es \Vort..C'S
in1 Gege11salz zttm Psy ch ischell 11och keine Re-de sein. \\'ir haben
uml'<lomc.l1r Veranlassung, ,Jas \•Vorl Gois t .in cler \\.' issen ,-. haftslehrc
zu vermeid!!n , ul and ere unz,,·cideut igc 'f cr111ini u,ns zur \ Tcrfügu11g
st cl„c11. D:..is \Vort G e s c h i c h t e, von <lem ,vir s11älcr reden ,verd en,
bezeichnet den I o g i s c h e n , da \Vo,rt I< l t I t u r, d en ~ a c 11 l i-
c h e n Gege11satz zur Na t ur in v öllig au sreiche11dcr \ eise; ,vcnn es
gilt, z,vei Grupper1 vot1 vVi senscl1aftcn zu un terscheiden. Das chließt
nicht aus, daß fü.r die Gcschichts,,•i::;senschnfLc11, so,vcit sie sicl1 1n it
psycl1iilchen \ ' orgä ngt>n bescli ä fl igen , als !\it a t e r i a 1 fast au~scl1licß-
lic.: h eine Ar t. des Ps)'chisc hcn in Betracht ko111n1t, rur d ie mar11 m it
Rücl,:,i l1t a u! die früher üb liche Term ir1ologic 1 aucl1 den Ausdruclt •
des Geist igen irn Gegcn.satz zt1m bl<,ß P~)·chischcn v er,vend en kö1m Lc.
E ine . olcl1c \le1·,vcn,Jut1g a ber ~cLzl, Degriffsbcst i1nn1u11gc11 vorau ,
die 11ns ers t irn folgend en beschäft ig<'n ,,·erden. Dort '"·ird sich attch
zeigen, \\'~rum , ,vcnr1 man nach einr111 \Vorlc sucht, '\\1r lche. das l\.f a-
t e r i a l rler Gcsc hich tS\,·isscn _, ch;.1 ftcn bezeichnet, rlas \\'' ort Gei t.
durchaus hi11l<tr dem lcichlcr- \'Cl'Stüntllir licn Ausdruck I(,ulLur zurücl<.-
z11Lrt~tcn 'h at. cl1on cla:-, ,vas llcgcl Geist i'! t1 höl1cten ' inne, d. h.
objckli\.·r•n oder nb~(1lutcn Gci:-t nnnnt..c, fä llt in ge,vi~scr I-lir1~icltl
n1it <lern z11 ·amrnen, ,,·a~ \vir unter l(u lt l1r v cr8l ch c'111 u1td dei-:halb
.ha t jetzt, aurh DilLhey in ei ern oben ~1,gf' f Ol1rl •n Salze unf'c rn Brgriff clcr

0191 lt ado por Goog e


181

Kultunvjsscnsch.aften. ob,vob l er unsere T e rm in o 1 o g i c 11och


bekämpft 1 der Sache nach akzoptiert1 so daß "'·ir ih11 n icht mehr zu
den prinzipiellen Gegnern der hier v er uchten Gliederung der \Vissen~
scharten rechnen dtl rfen.
Schließlich sei nur nocl1 aur einen Gedanken ,venigsLens kurz hin-
gc\viesen, der sich eb enfalls a .n den Begriff der Geistes,visscnscha (t
anknüpfen läßt, der uns aber noch ,veit.er von der ijbJichen Einteilung
in Natun,•i~senschaftcn un.d Geisu--s\,·issenschallen fortfü hrt. ~[an kann
ge,viO ,r,il Recht, !¼1gen, daß da Interesse der Geschichts,visse1isehaftcn
i1n engeren , sact1lichen Sir1ne des \Vortcs sich rtur selten auf die Kö rper-
,vcltals solche richt et ondern i1t letzter J-Jil1sicht sLet...-i el,vas grundsätz-
lich Unkörperliches im Auge hal. Is t aber dieses Gebiet dan1m aucl1 als
,,psycl1iscl1'' zu betrachten ? Sola11ge man nur Ph ysis.ehe und P sycJ1i-
sches kennt, ,virtl n1an d iese Frage ft-eilicl1 nicht vers tehen u11d das
Geistige nur al eine besondere .-i\ rt des Ps)·chiscl1cn v om Körpcrlichc11
Lrennen. Doch gerade darauf kon1n1t ei- vielleicht all, ob ,vi r uns rlicht
entschließen rn.ü ' Sen , ei11 Gebiet der For~chu11g anzuerken.11011, das
,v c d c r kör-pcrlic'l1 n o c h seelisch genaru1t ,vcrdcn da rf. \\' ir s in.cl
~l1f ein solches drittes [\eich bereits gestoßen, als ,virin1 erst e11 Kapitel die
,, Bedeutungen" d er \Vorle und d en 1 .GehaJt'' d er ,\:·al1rcr1 ·rteile v on
clen psychi cl1en ..\ kter1 1 d t1rch clie ·ie v e~t.andcn od ct· ge111ei,11t ,ver<len 1
·cheiden mußten. '\<Vit· konrtt cn in dcn1 ge\viß unkörpcrlicl1en logiscl1e11
11 Sin11" '<:I\Or1 de ,\·egcn keine p ychische Rea litä t sehen, ,vcil er ja
v on l1l.e hreren lndividucn g e n1 e i n s a n1 vcrstanti cn ,vird, ,,•tihrcnd
es d och zum W esen des P sych iscl1cn gehört, daß es a llein in c j n er
'eele ,virklich vorkor111t1t und l{P.inen1 Z,vt•ite11 arlg1::l1 ö1·t . Habeit
wir nun Grur1d,ci11 solches, vo11 beliebig ,1 irlcn Individt1er1 a l:; icJen.Liscl1
erlebbares Reich 11 u r für da Logische ru1zuerkc11ncn? l,ehörl
nicl1t vielr11chr al l "8 da , ,va_ Hegel „objektiven Gei:,L" nennt, al ·o
R ccl1t 1 l\foralitäL, Si ttlichkeit,. K un~l., Religion u.n d vielleicht nocl\
1nehr seincn1 1 ,Gehalt'j nach a11ch in eine Sphtire, die ,:v~der als körper-
licl} rtucl1 al ' p~)rchi~c.: h zu bcz.eich ncn i~t? Alle dic~c Grbil<l c ,vcl'den
doch ebenfalls vo n verschiedent'Jl J11dividucn g e 1n c i n s a 01 crle bL,
ja nur, SQwciL $iC irgendwie einer ~[c lirheit v o n )fensc hc n a 11gchören
un<l dad urcl1 Ober das celische l1j11ausragen. spielen sie in der Ge-
schichte au Grü11clcn 1 die ,vir kc11nen ler11<!n ,vcr<lcr1, eine ,,·r;-{'ntl iche
R olle, Dus Psychisclte, daö nur irl den ei111.c)ncn Individue n ,virkJi cll
abläu!t, karu1 allein dadurch geschic:hll ich be<lcuL„a111 ,,·c1xle11, d~O
es rnit einer iihcri1uli vicluell1!fl \ eil 11ichL-p:-.yc;hj5r.; lt'-'I' Sin ng<'bi lcle

0191 lt ado por Goog e


-
in \ 1crbindl1ng stellt. ie dagegen fallen die psychischen \ ro rgänge
selb"t · 1oit d er den v ersc biedc11en Individuen gcn1einsamen 'vVelt zu-
samm-en . Fall · daher das ,t\,tirkJicl1c•• durcl1 die Eintcilu1-.g in Psy-
chisches 1.1ncl Physisc hes erschöpft ist , muO der objektive 11 Gchall1 '
des rechtlicl1-en 1 ~ tnatlichen, sittlicl1en 1 kil11slleriscl1en u11d religiösen
',Lcbor1s 1 ebenso \\rie der logische Gehalt, ,,·ahrer Urteile, als „un,\rirkliel1 1 :
bezeicl1nel \verde11 1 und ct,vas Un,virklichcs ,väre e- · dann auch ,vorat1f
die histori ·cl1en Wi ·senscl1afLer1, so,voit sie ,, Geistcs",·js.c;en. cl1nflon '(
s ind, tets Rücksicht, nel1n.1on, ,venn ie die g-cscl1icbtlichc \,Virklich-
koit erforschen. \1/ill man 11un dieses Gn,virkliche ,,Gei t" 11e11ne11,
dan11 \vürc in d er •rat auch die Ge:-cl1ich te .n1it Recht als Geistes-
,viS: enschaft ztt bezeichnen. Dies Geistige aber fiele :;o ,vcnjg mit de.in
P sy chischen zusan111len, daß es 11ich L eimnal rr,ehr eine ·ci11er besondc-
1•e·n ..\ r t. e n darst.ellt, sond ern e1- müßLe zurrt P ychischen in einen
ebenso pr·inzipiellcr1 Gcgcnsati ""ic z11r Körpenvelt "ebracht ,,·erden.
Der ,,Gei_~t 14 ,vä re da11n vo11 der g c s a 1.n t c r1 Natur, der psyc hischen
ebenso ,vie der physisclien , prinzipiell zu t.r nncn, ti.nd die Gei te:---
,vissc1l chaften lügen clcr Ps)·c,J1ologie 1ucbt näher al · den I~örpcr-
,,1issenscl1afler1.
Docl1 ,rir haben de.n Gedar11< •n an ein 1J11,,•ir)clic hes Reich d·cs
1 ,Gei Li.gen ", das versc hiedene Indivi,Jucn gcmcinsa1n erleben, hier nur

d-es halb er\vah nl1 urn die v:i-ch Ligst en Gründe ,venigst.en z11 bcrOhren ,
die e::- manc}1cm erscb,vercn, den Au druck GeisteS\vissenschafl
fallen z11 lassen. Auf eine positive ß estirrunung können ,vir hier nicf1L
eingehcr1. ,. ie ,,·ird sicll nur ge,,rinncn laR~en, ,ve1ln der Bcgrifl cler
Ge~ch.icltl.s,visse11scl1a ft in fo•r'lnaler ltnd materialer Hint:-i,·ht sc hon
fest tehL. Auf keine11 Fall ist urng,·kchrt aus d·icsenl noch gunz fJroble-
1natisc hl.'n Beg riff rl 'S Geistes der Begrifr der Gcschicl1le zu enl,\'icl<.cln.
'\ion de111 einge„chlagene11 '''ege ka11n 1Jns al o lic r a11gcdct1teLc
Geda11kc nicht al>l)ringcn.. Ebens.o i t der· sachliche Zusam1ne1d1a1\g
i,vi~cltc11 Cic-~ch ic hte un<i I(ultur, <len \\/ ir angcdeulct habe11, er::-t
k htr zt1 1r1nchc11, rtachdetrl ,,,ir rle11 logiscl1 cr1 B egriff <lc Ge. ch ichl~
liehen :-:chon l<en 11~11. Zu1n A u s g a 11 g p u n kt e clarr det-ih3 11J <l io
Logik. ur1'ter k c i n c n rn.s länden clcn Salz 11ehmen , daß es außer
den Nalur,vis cDschnftcn nocl1 a11dere \Visse11scl1aftE>n gibt 1 die„ nl,ör-
perlic hes" zu ih1'C-1n Gegen tandc haber1. ln bcs.onclerc aber sollte d ie
~Ic inung über die ~lelllotle d-c r l2,sycltc:,logic die Ansic1J tc11 Oller dit•
hi:-torisc he ?\'leLl1ode 11icht mc~1r bccinflussen 1 damit ni cht von vorne-
herein alles in '\I c,,,·irrung kom111t. Da~ ml1ß d urch d n bloßen l lirl,vei ·

D191, h,ado por Google


183

auf ein Reich de „Gcistes", das \vcdcr ph ysiscf1 nocu ps)·chi~ch ist ,
vollends klar geword.e n sein . Doch bleibt u11scr Geda nl<engang a uch
dann richtig, fal ls s ich ergeben sollte, daß von einer unwirkliche1l
„geist igen" Welt nicht geredet \\•erden darf. Nur clarauf kornmt es
an : der Begrirr des Gei. tigen ist , wenn er njcht mit dem de · Psy-
c hiscl1e11 zusamtncrtfä ll t , ganz problematisch ge,,•orden .
H iermit sch ließen ,,·ir die Ansführungcn über d en Gegensalz
von Natur uttd Geist. Sie ,varen in1 wesen tlichen n e g a t i ". und
1:.ollten nichts and eres . eir1. Vielleicht find et lnan, daß \Vil' z. 'f . rein
t.erminologiscl1en Fragon eir1e allz11 eir1gebend.e Erör tcrurig gc,vidrrtet
l1aben t und in der Tat mag der ~lanll der Einzel"vissensch.aft olche
Ueberlegttngen entbehren können . Für die Wis. c11schc:1flslcltrc je(.)och
s ind 'ie nicht gleichgü ltig. Nt1r a llzt1 leicht ~chleicht sich m it ei11er
una ngemessenen Terminologie auch eir1e falsche 'f heorie ei11, oder zutn
mind.e ten find et der Gegner in der ·r er1n.inologie eine Stelle, ,\·o er mit
sei11er1 A·ngriffcn ein8ctzcn kann. Das \Vort Geistes,vis..sensct,aften
ror(:lert ~JißversUindnis~e ur1d Angritre geradezu l1eraus, nachden1 die
Psyc.hologic sich zu ein er l atunvissenschafL irn logischen Sinne des
Wortes gestaltet li a t . Für eine Bekärnpfung d es ej11seiLig na'tur-
wisse11scha!llichen De11kcns ist es dn hor \Vichtig , hervorzul1cben,
daß die Fraget ob die Geschichte in ihrer Eigensct1aft. a ls G e i s t es-
\vi senscbaft der Behand lung durcl1 die n atu n visscn~chaftliche Be-
griff!ibildung enLzogcn sei, verneint ,,·er-de11 1nu.ß, daß vie)n1ehr n11ch
das Seelenleb en in seir1cr u11fibersehba rcn l\1. annigfaltiglieit. not,vendig
unter ein System von allgemeinen Begriffen zu b1·inge11 ist ,,·ie clic
l(ör1>ern,elt du1-c h die aLUt"'\\'JSsensclia ft, und d aß überl.iau11l kei11c
cler Erfal1rung zugä nglicl1e Wirklichkeit, d urch ihre sachlichen Eigr n-
tü ml i·c h keilen einer Bea.rbcitu11g d urcl1 die 1\atu1"\vis:-en!-lclia ftl ic.hc
oder gene,·ali iere11de Be.griffs l>ildung prinzipielle S chrar1ke11 scl-zl.
Dad urcl1 ,verdcn alle Angri(re gf>gc11 ei11c selbständige lorrische tcl-
lt1ng der G es e 11 j c h t. s ,vissei-1 chaftcn von vo1·neltorein geger1•
sta ndslos, die sieh darouf stützen, doß , ,,·eil die Ge-~a mt,'"irklichkeit,
ein einl,cit liche. Gn11zes sei, auch d er h i . t o r i s c h e ~f e 11 s c h
a ls ein Glic-d der Na t ur betra chtet ,verde11 n1tissc uncl sein e Schick-
sale im Laufe der Geschichte einer 11atunvissen~c hartliche11 Behand-
lung nicl1t cnt.zogcr1 ,-vcrder1 dürfLe11. Gegen rgun,cn.tc olcher r\rt., die
fa.st, die einzige11 sind 1 1n it dcnC'n hcu tc rtocl1eine 11atur,,·issenscha ftl ichc
Universal.rnethodc vert.r~lc11 ,vir<l , ist \ orr1 • La11d p1..1nkte der Gci:;Lc.s -
1

,visscnscho.ft n in det· ~rat nicht " einzu,v·, 11den1 UJtcl \ ·terfecht.er der

D191, h,ado por Google


184


i1at.ur\,rissenscl1aftliclicn Univer alt11ell1ode \,•ie Co111te, ~lill, Spencer
.. 11nd ihre Nachfolger können dann leicht aJ Sieger erscheinen . Ja,
noch r11ehr, es i s t in der Tat der ?tlenscl1 ur1d die 111 e n chli che Gesell-
sclln ft auch als ein Glied d er Natur anzt1scl1en, und es b esteht nicbL der
geringste Grund, der natu,.,•issor1scltaftlichen ~f ct.hodc in d i e s e r
lli11sich t ir0 ·end ,vclcl1e Schra11ke11 zu setzen. Das )1 a t e I' i a 1, das
.• i 11 der Geschicht.e vorliegt, kann dt1rcl1,veg al Natur at1fgefaßL und einer
• naL111"\visscnschaftlicl1cn Bcgri(fsbildung unten,•or fen ,verd en. Das
Hollte 111an nicri1als be, treiten. Tatsächlich liegen ja solche .g enerali-
sierenden Dar:;teJ lu nge11 des gcschicl1t licl1e.n Lebens vor. Nur darf
das, ,vas bei dieser gene1·aJf~iere11den Behandlung de ge~ellscl1aft.-
Jic.he11 !\fet1sc l1en hera,1skom mt 1 eben n ie1nals Ge s c l1 i c h t e genannt
,verdet1. Das zu zeigen, rnüssen ,vir im folgenden versuchen. .E ine not-
"vcnd ige \ 1,orarbeiL d azu ,var der Nachy,reis, daß clie Eigenart de geisti-
gel1 Lcber1s für die Lo"ik der Gesc)1icl1l.s\1i•isse11scha ft zunüchst nicltt in
Betracht kommen darf. Die Aufme rksamkeit muß ich violn1el1r zu-

erst einer Gedat1kenrcihc zti,vcnd en, d ie von d en sonst in don Vorcler-
grund geschobenen Streitfragen v öll ig unahl1ängig ist., und die sicl1
ga r 11icht atif l;nLcrschiede in dem )1 a t, e r i a l beiichlr, das dcrt em-
piri chcn \\l'isscnscl1aften zur Bearbei.Lting vorliegt. At1f diesetr1 \Vege
alle.in ,vird es dann .r11öglicl1 sci rt , die clb stü ndig keil d er his torischen
\\fis.senschaCLe11 logi eh zu begründ en, d . h. die Fortn der ihnen eigen-
t ümlichen Bf'g riff bild ur1g zu ve1, ·tehen. ' ' ielleicht erscl1ci11t. der \iVeg,
rlcr,. ,,,ir zu <liese1t1 Ziele einge~clilagc11 l1aLC1l, et,,•as ur11 ~tänd Jicl1 .
Doch, wenn ,s u.n5 nur gelingt, a t1f ihrn n1it icherheit v onvä t·t! zu
ko1n1ner1, so ,,·,>llcn ,,·ir diesen ·01"\vurf Utl' · gc1·11 gefa ll en lassen .

'

0191 lt ado por Goog e



l85

1
• •

D r i t t e s K a p i t o l.

Nalt1r t1nd Geschicl1te.


„ Die Wi.ssenffCb~l\en, da Hit Syeteme vou •
Begriffen &lud, rudco Mie t! , ·011 Gattungen ; die
Gaehlch le vo11 lndili d oen. Sie wlre dem.nach
e.lt1c Whsllcnschaft von lndlvfduon . . . . "
~chopenl1auer.

Wenn ,vir nun aber kei11 Recht haben, u11.ler logischen Gesicl1t.s-
punkten die Geist cs\\rissenschaften prinzipiell von den Natur.vissen-
schaften zu trennert, \varu111 suclien ,vir <:lann iiberl1aupt noch 1tach
ei11er andere11 als der natunvisse11schaftlichcn !\Iethodo de.r Bcgl'if(s-
hildung , und ,vorin l<ann sie bestehen? Deut.et nicht gerade die Ab-
lehnung eines logischen Gege11satzcs von Natunvis~enscltaft und Geist es- \
,,.,j enschaft darauf hin, daß dieje'liigen r echt l1abe11, die d.ie Natur- 1

,vis ·en chaft für die einzige WissenscJ1af.t halten, und daß es Grenzen \
der Natunvissen scl1aft , die ein.e and ere ArL der Begriffsbilcl ung not-
\Vendig machen, nicht gibt? \\''erden \'.vir nich t itn folgendet1 höch - •

sten zu den Grenzen de.r ,v


i s s e n s c b a f L f i c h c n B e g r i r f s-
b i l d u n g ü b e r h a u p t koir11ne11? Indem \,·i1· ttns der Beanl-
\\'Orlt1ng dieser Fragen zu,vendcn, gelangen \vi r endlicl1 zu de n Iefaupt- •

god anken der Arbeit. Alle bisherigen Au fOh111ngcn hatten nur


den Zw,cck, zu ihnen hi11zuführen , und der erste ertlscheidende Sc.: l1ritt
n1uß sicl1 jetzt a ls eine im Grunde genom men sclb~tversUind lichc,
1na.ncJ1e111 ·vielleicht allzu selhstverslflndtiche l{onsequcnz ergeben.
Sel bs tverständ lich m.u ß da 1.:t1nH.chsL fo lgend e schor1 des,vcge11 ei11,
,veil es noch rein logisc h ist, und \Veil a lles rein Logi ehe, sobald
man •e s überhaupt nur einmal verstanden .l1at 1 sich von selbst verst.ch t.
Ueber den \\'eg, den \\~it· einzuschlagen l1aben, ·um ,vcitcr zu
kominen, ,verden ,vir n icJ1t irn z,,.
eifel sci11. Da ,vir ,vis~en 1 daO die
Grenzen der nalt1rwissenschaftlicl1cn Begriffsbildur1g niclit durcl1 R e-
flexion auf sacl1liche Eigentütn.lichkeiten des ) 'l ateriaJs rcst.gestcllt
,,,erde11 kow1e11, dje 11ur dieser otle1· jenet· T e j l d er etr1pirischc11 \~li1·k-
licbkcit uns darbietet, so haben ,-vir clarauf allein zu achten , in e 1-,v

D1911 11,ado por Goc,gle


• - 186 -
C h e tn \ l e r h ä I l n i s d i e n a t u r ,,ri s 8 C n. s C l I a r t I j C ·h e
o d e r .g e n e r a I i s i e r e n d e B c g r i r f b i I d u n g z u r ,e 1n-
p i r i s c h. e n \,\l i r l{ 1 i c la k e i t O b e r h a tl p t s Le h t . SiJtd
\.Vir uns darüber k la r ge,vo•rden , so s uchen v. ir zu zeigen , d aO da.sf::vas
1

a us rein logischen Grönd e11 nie1naJ in einen naturn·i:--scnscl1aftl1cl1c11


B egriff einzugel1en v ermag, nfln1Ji ch d ie ,,Ind ividu alitä t ' 1 d er •em pi-
risc hC' n Wirklichk,cit , , vcnn ie überhal1pt, "\\,'i~sen chaft lic)1 behandelt
,,·crdei1 soll I nur in \.Vis ·cm cl1aften da rztist c.11.en i t , die \.Yir a ls geschicl1t--
lich bezeichnen n1ü eu, denI1 der Begriff de.z-sen 1 ,vas der Natur-
,vi. !-Cnscl'la rt ein.c Grenze setzt, der Begriff de. E inma lige11 und lndi-
vidt1cllc11, fä llt rn it der11 B eg riff d e Hi s t o r i s c h e n irn denk-
bar "'·eiteste11, d. 11 . rein rorn1alen, logischen Sinne die!'-e ' '"or·t es zu-
sa1nmen. So ge\vi11nen \Vir einen logischen Gegensatz von Na tur ttnd
Gescl1ichte. Daß er in sei ner u ntrassends ten Gestalt nicht n1it de111
Gegensatz zu iden t ifizieren ist , den man ge,,•öl1nlicl1 111ein·t 1 \\' e n11 man
v o11 Natur urtd Gescl1ichte spricht, habc11 ,vi r bereits in d er EinlciLt1ng
auf das l'\achdrOcklicJ1ste hervorgehoben. Dieser Um ta11d braucht
aber di e logisc he Untersuchung nicht zu stören : ur1 er Gege11sa t.z
s o I I umfa.$Sendcr als dcl' übliche ein, und a I J r11 ~t .h 1 i c h nur kann
von il1111 alt~ ,der Bngriff d e~sen best i1nn1t '"'erdc11, ,,·as im crtgcrcn
Sinne h.eut.e ,,Gcschicbte 41 heißt. D c;;l1alb darf rrian d ie spä ter zu die-
. , e111 allgcmei1iste11 B egrif[ d er Gescl1ichte not\ve11dig hi11zt1zurügend en
Deterrnination c11 auch nicht et\.\'a a ls " Zuge lä11dni~se'' oder als
Akkommotlatio11er, an die herkömn1 li clte ~fei11.u ng ansehen, 0 11.d<•1-n es
liegl im \.Vo ·en u n..:crcr logi:;chen Unters11chu ng1 da ß ,,,ir zunäcl1st
eir1en mit. Rücksicht. a uf die allein l1eute so ge11a11.nLcn „ Gesc hicht.s-
\\· i e11scl1a{Len'' z t1 allgeir1ei11en B egriff det· Gescl1icltte bilden, der

d11rch d ie . T~ti teren AusfUhrungen erst seine Au~gestaltung und Bc-


s ti1nm1111g Cl"\\'a rLet., 11111 auf die ,virl,lich v orliandcn.e n l1istori c11cr1

1Ji:;zipli11e11 an,vcndba r z.u sein. \\l ir gewinnen ci aher vorläufig für den
B egriff der Ge chichts,,1i"senachart im engel'e11 Sinne nur \venig 1 aber
für eir1e logisch begründete i\1ct.lioden1ehre ist. Ull5er rei n lo.g isclter Bc-
g rifr der Gesc hic ht e t roLzdcm u11en.tbehrli cl1 1 denn 11ur ntit. seiner
l [ilfe l<ö11ncr1 die Iogi:>chc1t rit<' rsc hicd c cler \\.lis:-<'nsc hnfLcn i11 ihrer
pr.in1.ipiellen Bede,utu11g l<lar ,YerdeI'l.
1-lttbcn \\'ir s.o den allgem instcn logi!-chcn Gegen~atz von Iatur
u11cl Geschichte hera11sgearbeite t 1 der als . olcher einer E inLcilu11g cler
\ Vis::1c11:.chafl u ,Jh11c ' "eilert'S noch r1 i c l1 t zugru11<legelegt ,verdcr1 k.ann,
so köJ1ncn '"ii· un~ d<'r ,\u rg--dbe zu"'·e11dcn 1 das Prinzi p für ei11c logj:3ch•c

ü1g1taltzado por Goog e


_ .. 187 -
Gliederung der Lal,:,ächlicl1 v o r lt a d e 11 e 11 ernpiriscllen \\1 i ~sen-
11
scltaften zu ge\vi1U1en. ·z unächst ,vird sich dabei ergeben , daß die
Begriffe von Natur und Ge~chic hLe , ,vcnn ,vir sie so uc11fa- end und
forma l nei'1rnc:n, ,\•ie c · hie r vorläu.fig gesc hiel1t, in ge,visser I-Iinsicl1t
1·elativ sind, t111d daß daher h i 1, o r i s c h e Be t an d t e i 1e
a u c h i n d e 11 a t u r ,v i s s c n s c h a f t •e n eine Rolle spicler1 1
j a sogar die logi cl1e Gliederu11g der ratur,vi sen chaften selb~t be-
di11gen. Ers t cnit l-Iil(e d es logisct1en Begriffes vom Hi tori!\cl1cn ,,·ird
also auc h die rein logis<: he Str11ktur der Naturwissenschaften in il1rer
1\:Innnigfaltigkcit ganz klai· ,vr1-dco. Darin können ,,,ir aber nichL
et,va einen Ein,vand gegen unsere 'I' heo rie sor1dern lediglic h cir1e
:B estätigutlg daror erblick,e n, d a ß nt1r miL den Jogiscl1cn B egriffen
von Natur und Geschichte, 11icht rnit d en ~achliche11 ·u r1t.er ·chieden von
Natur und Gei t in d er \Visse11schnfts lc hrc vot'\vä rl.s zu kommen ist .
His torische Bestandteile irn allgemein ten logischen Sio11e des \VorLe ~
,verden ,vir dann so,vol1I in den K örpc rn•isscn c hafto11 als aucl1 i,1
d en psychologi e ben Di zipl inen find e.n , und das d a rf vollend. nic ht
a.uffallcn , d enn eb en~o ,vie t1nser Begriff d er Natur Ph ysii-chcs uu<l P s)'-
chi ·cbes g leicb111ü O.ig umfaßt, muß auch der i111 Gegensatz zu ih1n gebil-
d ete logi c.ll e Bogriff des I-Ii$,toriselicn in scj11er,\·eitc~ten B 1'! dcutung 11ocl,
ganz unauhi:i11gig von d ein Untersclliedc , ,011 l(örper u11cl Gcii~t. :-.citt.
Wir find en al:.o rnehr ocler '1\' eniger historische BeE,ta11dLeilc in a 11 e rt
..
,visi-enscl,aften, die die \Virklichk~it als Natl1r in denn angegrl1cr1P11
Sjncte bctracl1ten, d . h. \\'tr ,vollen eir\ olches l 11 c in a t\ d e r \1nd
Zu s am m e n der bci(1c11 logisc hen Faktoren ni,·ht et,\·.,-., ,,-ic 1r1;il1
so nde rbarer Woir\e g~glaubt hat, bestreiten ~011d~rn al1 l-tlrücklich iu1 n
Bc,\"ltßt...; in hl'in,gen .
Tro tzde,n aber lä ßt sich se ld iell liclt docl, zeiger11 daß die Rt'.'l:,-
tiviWL <t4!r Beg riffe Natur ,,nd Gcscliich te \Jnd ihl' Zusa nitnen in de11
ver:;chiedcnstcr1 l1,atur,,·isser1scha Ctl.ichcn Disz.iplinen ihre Bedeut ung
auch fü r die logi 'Clie E i n Le i l t• n g de r crnpjri~c. hen \\fi:..~~n~chnftcn
n ic ht ar:1tastct . Denn, ,,·ie n1at1 dc·n Begriff de r Gc,:;c liicht~,,-is ·ct1Scha f-
t en a,1ch nühe r brstir,1t1l<'rl 111ag, Ulll ztt d f'lll 1.11 kon1rn,c' r\. ,,·as 1r1a 11
üblichc r,,,cisc ,inter cl icsc1r1 \Vo rlc , 1 cr::;Lchl, so i '.t ei11c 11al\Jr,,·isse11-
cha rt l icho oder gcneral 1~ierc n(IO Da,•:: ; Lel lt1ng cl or ·Ge~cld t'ht,c 11nt<·r
allen U1ns Lä11den au:-.gc:--clilo:,sru. ttncl d~ltcr 1niis.;t•n n a tu r ,,. i ss e 11-
, c lt a f t I i c II c und g es c h i c h l - ,v i , i.; e l1 ~ c h a f t I i c lt c 13r.-
grir{sbildttng ~tets in cinern prini ipielle n logi:>chcr1 Gegensat ze zu ci,1-
and cr bleiben. i\lit di •'er Ei11.-.ic ht ge,,dnt1et1 ,vir ztterst dt:!n Begriff

D1911 11,ado por Goc,gle


188

eines ..,•i~senscl1aft.liel1e11 Z i e I e s1 das durcl1 clic nst.unvis··en ct1aft-


\1 liche Art der Begriffsbild1.mg n ie er1·cict1bar ist , und mit dem Hir1,vci
' au( dieses Ziel \\'Ollen ,vir uns i1l diesem K apitel begnügen . N u r als
l

J der Begriff einer A u r g a b e soll also zunächst der BegrifF der Ge-
'
schicl1ts,vissenscl1aft gc,vonncn ,verden. Erst i1n vierten I<apilcl
l gehen \\'ir zu posiLi.ven Bestimn1ungcn Ober da· \l\'escn der hist ori-
. che11 BegriffsbildtJng Ober uod ·uchen im Gegensatze zu den Eigen-
arten der 11atur,vit"1sen:5chaft.lichc11 Darst,ellul1g die logi ·chen Gruncl-
begriffc und Voraussetzungen eir1er hislotisc he11 Darstellung Z\I e11t-

\\·ickcln . Dann cncJlicl1 ~vird es aucl1 1nöglicl1 ein, d e n Be.griff der
Ge ·chichte zu beslimr11en t a11 den rr1an beute allein denkt, wenn ma n
von historischen \iVis enschaften ~pricht1 den1t ,vir "''crd er1 da111t aucl1
v on d em Nlaterial recl ~n .k ö·nncn. m it dern die Ge •chicht.s"',j ·s.ert~c)1aft
es zu tun t1at. Die i\Jaterial ,vird. s icll \Jtl!; .:tl"' clic l'\.ultur crg ben im
Gegcr1satz zur Natur, und damit koinmen ,,·ir zu ei11ern s a r, l11 i c 11 c. r1
Gege11satze d·e r selb tvers tä ndl icl1 11i.ch t ohr1, ,veitercs 111it den, lo-
1

gischen Gegen atz von Gcs.c bichte und Na llir z11,sa1n n1cn fallcn ka111\.
Die Atrsführur1ge11 clie c l(apiLels aber n1ü~sen no<· h rein f o 1· n1 a 1
sein, ,veil es eben d er Si11_r1 unse.-er Un Ler'8ut hung ist 1 das rein l .iogiscl1c
Oberall '\TOD den1 ~1ateria l a11 r da, Schärfste Zll sondern. Er!¼t ,venn diese
Sond erung cir1n1a.l kon, cqt1ent du rcligcfOl1 rt is t , läßt ich a 'ucl1 ,vicdcr
au eine \ 'ercinigu11g clc: F orm alen u11d {i rs :\later iale11 u·nd a n ei,n c AuI-
zeig11ng det· Bezieh ungen clenkcn, die z,vist;hc n de11 fo1711aler1 uncl den
111aterialrn Unter. chied en jJl <Jen \Visöet1Sehaft,e11 be:iLehcn, ur1d uie
zu leugn~n sclbst.ver::lüncllich 11ie1na11d v er 11chen \\•ird .

I.
D ie n n t 11 r ,v i s s e n s c h a f L l i G l1 c B c g r i f f s b i 1<l u 11 g
u 11 <l <1 i e c in p i r i c h e \,r j 1· k I i c t, k e i t.
\\' a ' a lso i1"t es , das dt'I' natur,,·isl<eT1!-ch11fll ichen B egrifr~bi ld t111g
di~ Grenze set,zt, übe r die sie at1 ' logisch,en Grü11<le11 nie111als hinat1s-
zuko111men verrnag ? Um clics ci11zt1sf' h<'n , richten 'A·ir un::cr· 1\ ugcnmcrk •

auf do.s 1 \\'as durch die Urr1formurtg t111rl \ fel'ei11fach ung in den Dar-
stcllt1ngen und yRt en1en der Natu1·,,·ifsc n -chaftc11 o,lcr clcr gt'11c'rali-
·icrcndcrt Disziplinen not,vcndig v e r I o r e n gehl. \\fir bclrachtcn
d e1l1.uacl1 j e tzt ge,vi:; -crn10.ßcr1 die K cl1 r~cit e d er nalur,\'is~cnschafl-
lichc11 B cgriff ·biJ<lttng uu<l gehe n zu dic:;cn1 z,,·ccke von dern Vcrh ül t-

ni~ a u~, in (l.,.rn . ic 1.u r An s c l1 a u 1 i c h k e i t d er ern pir-i~e hc11 \\.'eil
s te ht. Er:--t clann ,verti ert \\'ir uns <l:cr,1 z.u,vc11<len, ,vas ma11 die l 11 d i-

D191, h,ado por Google


- 19

v id tl a 1 i t ä t ,d er e·n1piriscl1en \iVirklichkeit nennen kann, und auf


d essen Verhältnis zu den Begrif(en der nattinvi ssenschaftlichen Dar-
stellung es u11.S hauptsächlicl, ankommt.
Scl1on die Besc l1rcibung, die allgemeir1c Wortbedeutungen v er-
,vendet , sieht ab von der an chaulict1en l\1annigfaltiglteit1 die jedes
einzeln,e Gebi l,d c uns unmittelbar da.rbietet. Allerdings ,vird der Be-
griffsinlialt. in vielen Fällen n och durch AW$,cl1auungen vertl'eten,
aber, ,vie ,vir \\lissen , kann diese Vertretung \\<'Cgen ihrer unbestimn1te11
l\lann igfaltigk.eit in einem ,vis enscl1aftlichcn Leistungszusamn1en-
!1ange geradezu sW rend werden, und s ie .zu beseitigen, is t, daher, ,vie
wir zeigen konnten, eine ,veitero Aufgabe, die d ie Begriffsbj ld ung s ich
sLellcr1 muß. Ist a11ch diese Aufgabe durch die Begritfsbestimtnung
gelö ·t, so läßt sich der lnl1alt des Bcgrifres tlurch eine A11schauung
nicht mehr in adäquater \ Vcise v ergegcri\.värtigen. Sollten dabei 11och
gewisse anschauliche Reste stel1cn bleiben, o versch,vinden ie do<!h
um so 1nehr, je \.veitcr die Begrirfs bildung fortschreitet, und denken
,.,.1r uns ·chließlich das logi~ctie Ideal ei11cr natunvissensel1aft licl1c11
Tl1coric crrPieht, so finden '"ir in d e 111 Inh alt der Be.griffe nicl:iLs ·m elir
vou dc1· Anschauung, clie die Erfahrung uos unn1ittclbar .clarbietet.
Wir kün11en dal1er geradezu agen , da IJ die logiscl1c \ 'ollk omn1enhcit
eines naturwissenschaft lichen Begriffe vor1 d em Grade abhängt,
in det11 die en1piriscl1e A11schauung aus seinem I1th alte e11t.Icr11t ist .
Obwohl dieser Satz nur eine selbstverstllndliche I<on~equ.e nz
aus frü lteren Ausführungen zum Be'\vuß ,t sein brir1gl, ,vo llen ,v.ir ihn
doch nocll et,vas genauer erläutcn1. ~lau köru1te r1ät11lich 111e itlen,
daO er nicht fiir a ll,e Natur\visscnschaften in gleicher \Vcise zuLrcrfe.
Zunächst '"·ird man vielleich t clic P s y c }1 o I o g i e au~ne~11r1en
\ \1ollen 1 tind es ist, i11 der Tat sc: h,vcr, zu zeigen , daß il1re Begriffe, ,,·cnn

sie irn natut'\vi ~·en chaifLlichen Sinne logisch vollkommen \.Värcn ,


keine anschau lichen Elemente n1ehr enthalten ,vürden. Dc11n ei11
Ideal logisch voll kotnmener Begriffe, das sich allgemeiner Anerkenltung
erfreut, gibt es fü r diese \,\ljsser,schaft bisher nicht. \\ter meintt daß
es unmögl ich i t, da gesat11te p ych i ·ehe Leben generalisierend unter
einen einheitl iclien Begl'iff zu b1·,ingc11 und z. B. p ych iscl1c Gehi.lde
,vie 1 ,\ 'orsLelfun('1"' 1 , ,, Gefül1l" t1nd ,,\Villc" od er irgend eine andere ,
Mehrl1eil v o11 Gruppcu srcli schcr Vo rgärtgc als (lie lclz Le11 Klas~en
betracl1tcL, die ur1tcr kciner1 urnfa:;sendcrcr1 Begrifr v,un \\'isscr1, cl1aft-
iicher Fruchtbarkeit Zll bringen sin<l , d er ,vil'd all crrlings 1:lic cnl J)i-
ri:;chc An~chau u11g n ien,als gün:1.li~h aus cte1·1 psycht,logiscl1e11 Dar-

ü1g1taltzado por Goog e


- 190 -
slellungcn cntfcrnen ,,·olle11. Der JnJ-1alL der „letzten'' Begriffe i t dann
nur dad,u rcl1 zu ge,vinnen , daß man ar1 irgend einen an cl1aulicl1cn psy-
chi.scl1en Vorgang denkt, der zu je einer der letzten Kl assen gel1ört. ,
Den allge1neinsie11 Begriff ei nes p ychi chen , rorgar1ges Oberl-1aupl
kann man llntcr dieser ' 'oraus~et.zu1lg ebenialJs tlut· darl t1rclt bildc111
daß man ent,vc<lcr eine Vorst cllUJ1g oder eit1 Gefüh l oder eine1t \Vi1Je11s-
akt als StellverLretung <l•e Begriffsit1haltc attflau<.:- hen läßt und sjch.
zugleich darauf besinnt, daß es njcht darauf artlton1u1t 1 ,velrtlcn Vor-
gang inan gerade zu dicscrn z,,·cc ke gc,,;ä hlt hat. Eincr1 sclb tändiger1
,vissenscl1afllicl1c11 Inlla lt f1aL dann also der a ll gcn1einsle Begriff des
P. yeh ische11 rticli.t me11r.
1\r1clers aber s teht es, ,ven11 r11an versucht, a lles p- yehisc he Lebe,1
uu Ler einen einfteitlichen Begriff zt1 b-rirtgen 1 d er t1nabhüngig vo11
diese n BcsLa ndteilen ist, d. }\ . ,vcnn 111an z. B. n1einL, d aß in den Ge-
fühlc.n t1nd v\'illensakLen, ,vic überhaupL in allen psycl,i chcu Vorgärtgcn,
ltcin psychisc hes Eletnent vorkorn ,ncn kann, tlas nicl1 t in irgc11<l ,vcl-
chen ,,VorsLel.lunge11' 1 ebe11falls enthalten ist,, und die • Behauptung,
u1n ,vieder au( die bereits hera11gczogcn.e 'l'hcorie zuriil'kzt1ko1n1r1en,
<lara ur sLü tzt, daß alle p ychi ~cl1en Vorgünge als l(<>rn1ilcxc von ein-
facbcr1 E111pfindu11gen " zu begreifen seien. In einem s<J l,·hcn Begriffe
11

des cclcnlcbcns ,väre dann kein an. chnt1,Jichc.-; E len1c1•L n·,cl\r cnLhnlteu,
<len11 so ll 11 die En1pfindu11aert in \ i\':,hrhcit, die 11 leLzten" Elc.n1cnl,f}
a 11 c . eclcnlf'bc-11 sein, so nrü~sen sie ,, ie die letzten lcö rpcrli chen
Dinge at·~ etwas, da einfach is·t , dcfirucrt ,verden, und daniit ist cla11n der
Bcgri rf eir1e~ Psycl1ischen gebildet , das nirrnal anschal1l.ict1 gl'gC'be11 .
::;ein kann. F alls also eine psychologische T heorie übf'rhat1 JJt cla1·auf
au~gcl1t , allu p~ychjschcn \ 'o rgä11 e unter Begriffe zu llri11gen, die nu r
noc h die ,,einfachen'' Be ,land lellc cJ c~ Psyclti:::chen t 11tllall c11, so
r11L1ß auch sie bc treb t sein , at1s ihnen i·r111ner n1ehr das zu e11lfcr1ten,
\\·a:; u11s in d er A11Scl1auunn als ps)rc•hisc.h gcgebr·r1 ist. Für die gcnera-
lisi„rc ncle na Lu r\\'j!,:::;e11scltaftlicli c Ps)1chologie ü;·L es dnh er jede11falls
ricl1Lig, daß in il 1rc prin1iliverc1t Brgrjffe im me r ntr r ein T eil d~-r en1pi-
ri. chen An:-C'l1aut1ng ci ng,:hl, c) ('r darin lediglich die Rolle (ler SteJl-
vertreLt1,1g ::;piclL, un.d ' in 1-;,ol't.schriLL il1 cler logi ~chen ' 'oll'ko1n n1cnl1eit
de r Bcgriffsl)ildu11g fällt ntil ei11cr E11tfcrn ung die ·er e11111irjfc bt•n l\ n-
cha uu11g aus d e1n I11h&lLc t.l cr Bcgl'iff.c z11. a111 111e11.
1-1 tärkcrc B rc.Ic1tkc11 jcd ucl1 ,verden vjelleichl der Bel1aup tt1r1g cnt-
gcgc11~lcl1e11, claO es au c; h clc11 Begr1 rren 1 in ,lcn cn die ' alu r\\'i:-;:-:cn ~ch.ifL
, 1on clt'I' 1( ö r J) e r ,,·elL denkt, an en1piri!3cher ArlF-Chat1t1ng l ll l 1 :o n·1chr

ürg,t~hzado por Goog e


- 191 -
rel1lt, je vollko1nmener sie sind. Nicht. selten ,vird ja gerade die A11-
schaulicl1keit d er NatuN·issenscl1aften von den Körpet"Il als ihr be-
sonderer Vorzt1g hervorgehoben, ja es läßt sich sogar die Bel1auptung
vertreten, daß die Körpenvclt für u.rlS um so a11schaulicher ,verde, je
,veiter die naturwissenschaftliche Begriffsbildun.g fortschreite, und daß
insbesonder ~ eine vollkon1mene natu.n ,•issenscbaft,licl1e, d . 11. eine
mechanische Erklärung eines phy isclJen Vorgange geradcz-u mit einer
Veranscl1anlichung identifizie,·t ,vcrdcn müsse. E s ist ~. B., kann man
sagen, so lange eine mechanische 'fheorie fehlt, ganz unanschaulich,
\Vodurc ll aus der ~f jscht1ng Z\veier che1nischer Stoffe unter bestim1nten
Bedingungen ein dritter Stoff entst eht, der mit den beiden andern
gar keine anscl1aulict1c Acl1nlichkei t m,c hr besitzt. Gelingt es dagegen,
a)le \ "orgünge solcl1er Art auf Be,vcgurlg lolztcr Dinge zurückzu(Ohre11 1
so sind sie clad,1rch aucl1 anschaulich gc,,.·ord en. Gerade der I{örpcr-
begriff der letzten Nalun"i enschaft scheint uns al"o er t eine Anschau-
11ng von d et1 Vorgängen der l(örpenvelt z11 geben , die ,vir in der u11-
rnitl.elbaren Erfahrung noch nicl1t besitzen.
Selbstvcrständlict1 sind ,vir ,veit davon entfernt, d er mcchA.niscl1en
Natun\,issens.chaft dJe Ansct1au]ichkeit überl,aupt abzusprecl1en , trnd
nur d a s meinen ,vir, daß d er \VO entliehe Inhalt ihrer Begriffe, sobald
,vir von a llen Stellvertret ungen. ahscheu, r11it d e r AnschaLtung, die
,,,ir· at1;; der Erfahrungs\\•elt u111nittelbar kennen, tim so ,ven iger Zlt
tun hat, je \\.'Citcr ,vir die mechaJtiscltc aLuraufia.sung in d ern frül1cr
a1\gc-gebe11e11 Sinne aJ, vollendet, denken. U,n uns d ie. klar ztr machen,
brauchen \\'ir in dem mechaniscl1cn I( ö1·pcrbcgriff \vied~r nur die Re-
lations begrif(evon d.er-1 Di11gbcgriffen zt1 cl'1 eidcn. Dnß der Dcgriff rlcs
,,·i
,,letzt.e11 D.ingcs'' nicl1~ J~nsch.a ulicl1cs 1nehr enlhtilt, ,vis cn r. A nd crs
aber ste ht e, allerdings mitdenRelationsbegri[fon ,,venn \Virvoraus etzen,
daß alle Bczielitingcn z\vischen den K örpern aus Be,vegungen b~stcheu,
clcnn, ,,·as eine Be,yegung ist,. ken11en \\'ir aus dor crnpiriscbon Anscl1au-
u11g. Denr1och b esteh.L z,vischen den Bc,vcg11rJgen , die ,vir au ihr ken-
nen, 11nd d.cncn 1 die im Inhalte der Begriffe d or lotztcr1 1 atur,vi~ crt-
'Chaft gedac ht ,,,erden, ein erh.eblicher 11tcrsc bied . Ernpi,·iscb an chau-
licl• ist imrner nur die Bewegung eines anschaulichen l{örpers. Du es
. icl1 aber in einer rein mecl1aniscltcn Naturauffa~sung llur urn die Be-
\Vegur1g von l{örpern h.anclcJt, d ic itl keiner Anschauung gegebc11
seir1 kö11neo 1 so e11thalte11 al1ch die Relationsbcgriffe der letzten Natur-
\\'1:1senschaft nichts m ehr, ,,·as in dein Sinne nnsc haulich ist ,,·ie die
e n1pi rische \\' il'klichkeit. Die Anscha ulichkeit itl'I I11halte eines vo ll-

ürg,t~hzado por Goog e


ko1nmen 111ecl1ani"'chen \Veltbcgriffcs ist vicl1ncl1r nur noch matl1c-
1nati eh oder quar1titativ be ·t im1ni und fällt al o mit cler stets quali-
tativ mannigfaltigen Anschauung cler Erfal1rungs,velt n.ie zt1sammen.
\Vir kommen hier ,vicdcr auf jenen Gegensatz des 1-lomogenen und des
H eterogenen zurücll, dei- t1n schon frülier einmal hescliäftigt J1at 1 .
\Vcnn ,,,jr , 1on einer •.\nschauung d er ernpiriscl1en \Virklicl1kciL reden,
so i t nur die beLerogene, niemals die homogene Anschauung der
math ematisc hen Gebi lde ger11cirlt. Der l1omogenen Anschauung der
~1athemutil<- fclut es a n d er prinzipiellen Unübersel1barkeit1 die das
Cllarakteris tikum der l1ete1·ogenen an cha.ulichen empiriscl1en \>Virk-
licl1kcit ist . ut· von der beterogccnen Al1scl1auung also behaupten
ir, daß sie in die Begriffe der Natur,vi senscl1a(t nicht. eingeb t.
\ \1

Dabei ,vollen \Vir njcht in Abrede st ell en, daß n)an oft geneigt ist,
an die Stelle der rein mcchanisclien natunvis.senschaftlicl1cn Begriffe
solcl1e tretc11 zu lassen , die atJc.h noch e1r1pirisch nnschauli cl1e ~to•
1ner1tc enth alLe11. talt d en Begriff cinfacl1er oder letzter Dinge Zll
bilden, d enken \vir leicht an sehr kleine, aber docl1 i1nmer nocl1 an ~cha t1-
licl1e l{örper und setzen so art llie telte d es in \,V ahrh eit völlig unan chnu-
Jichen l{örperbcgrif fs das in l10.l1c1n ~laße anscJ1auliche Bild einer A{enge
von . ichLbarcn Kugeln oder de1-glcicheni die aufeirtan.d cr swßen,
von einander abprallen, sicl1 eventuell anzieheni US\.V. E s soll attch fer-
11er niclit geleu.g net ,vcrden, daß die l\löglichkeit einer solchen empi-
riscl1 a n:;ehaulicl1c11 Stellvertretung bei dor allmiil1licl1en Entst-0ht1ng
der mecl1a11ischen Naturauffassung neben d er 1nat.hcmaLischen An-
scl,aulichkeit dieses \Veltbegriffes v o 11 gi,oßer Bed eutu11g ge\ve 'CD is t.
Ja, noch heute ,vürde die mechani ehe Natura uffa ~sung vielleict,t
rricht so popu ltll' ein, ~vertn sich il1ren 8 cgriffe11 n icht diese en1piriscl1
ar1scllauliche Stellvertretung unterschiebe1t ließe. Es ist soga r sch ließ-
lich nicht zu bestreiten, daß das empiriscl1 anscl1at1licl1e Bild in vielen
Fällc111 das natur,,tissenscliaftlichc \Ters tä11d11is erleicl1tern und för-
,Jcrn kanr1. E fel1ll ja in d ".n n1ntl1en1aLi ch~natur,vi:; enscha(tlicl1en
Begriffen das, ,,1as sonst so leicht clas .l\.uflreten von empiri:-chen
A11schauu.11gen als störend für die sichere An,vcndung der Begrifrc
erscheiue11 läßt. \\Feil \\71' ,vi$~Cn, daß d iese Begriffe rein q,1antitativ
. ind , nlso eigentlicr1 von a 1 1 c r e1npirisc hen .t\ nschauung frei .sein.
so,IILen, so können ,vir nicm.a l:S i1n z ,,·cifcl d arüber sci11, ,'1 elclle Teile
der Anschnu11ng als ,ve:;.crtLliclt zt1 t:rclten l1abcn untl ,velche nicJ1L.

1· V gl. ohon s. 11 r.

0191 lt ado por Goog e


- 193 -
Eben.so ,,·ie in cler :\Jather11atik seJbs t ve rmag die zur Erleichterung
des Denkens f1crangczogenc I\lannigra.)Ligkeit der e1.upiris ·he11 .>\n-
scl,at1\1ng daller nien1al ei11e un,vissenschartliche Unbe ti1111ntl1eiL
d er Bogriffc he rbeizuführen . 1\ bcr dies alles ~oll nur erklären, ,va rttin
über die AnschauJi r1 keit d e. r1atur\.vissen~cl1afllicheri \Veltbegriffes
v crschicde1tc ~1einun.g en best ehen können , t1nd e:' rt1uß irr1 übrigf>n
zeigenl daß, \VCnt1 ,,•ir von den stellvertretel1dcn Bildern abse hen, das
Ziel der letzten l<örpenvi c11...-.cha rt, ,ebenso '"ic da · der and<L!n1 Na-
turwi$.··onschaften, i.J1 einer Entfernung der en1rJiri. chen Anschauung
a t1 d ern Inl1alte ihrer Be.griffe bes teht. Das Iles ult.~t, zu dem ,vir bei

Be.ant\,rortt1ng der Frage gckonim,e n i'nd , in ,velchem \ 'el'hä lt.,lis die


natunvissc11scl1aftlicho B egrif[, bildung z11r An~chaulicl1kt>-it der \Vi rk-
licflkeil s lcl1t, ist. d al1er f{ir jede Natun\'iS"Ctlschaft in derselben \\tci '('
giiltig. Eine11 Gegensatz i,vischen den1 Jnl1alt der Beg rjffe einer ·eiu·
und der gegebenen a nsc ha ulic hen \\'irklic bkci t ar1dererscits möglicl1st
scharf herat1 zuarbeiten, ist geracle d e r Sinn u11d d,e r Z\veck der
Natun,·is. c n c ha(t. D ie Erze11gung einer d<'.l'art,.igen Kluft ist dns
not,vcndige Resultat jeder Betracl1tu,1g der \''irklichkcit als . ~a tur,
d . ,h. mit Rüclt-icht auf das Allgemeine. '\\.clclu.•: s atich i1nmer der l11-
halt der Begriffe sein mag, zi1r cn1piriscl1crt \Veit. de. An:icl1aul icl1e11
steht er in u1r1 so entschie<lenc1·e1n Grgen:-;alzc. je ,vcit.cr fortgc-
schrittcrl .i1n logischen Sinn~ clic na tun,·issen~r l1a ft licl1e Begrif(:;,-
bi ld ung ist 1 .
-
1 Sehr 7.ulrt>ffcnd ,,·i.rtJ da~ \ lcrhi',Uni,., dt>r pt1y-.i knli!i<rhl'n ·r11c-oric Y.11r u11-
n1illcl1Jar an!!choulic-l1f'n \\"irklichkt•il v o n d P111 l'hy:-ik 1·r P I a u c k in: L•rP
Ei11lu·iL J e · ph y:-ikaJi,.,ch,·n \\\•ll!Jild1>:1-. Ph y::iikali:-,cltc Zt•it1-chrifl X , 1909, . t12 rr.
tlarge:s tr Ul. .E r 1.t-igl , \\·ie „ di~1 " 'i ..<:eo ..ch:-ifl liehe• 1cor-.<•h11 0Q in alh•n ifl'rt'll c;p.
hirten l!n l ,,.,,dt•r an unn1il I elbar prll k I L,c lt!' H.-,10 rfni,-,t' 011,·r an b e::1111,1„r, a 11f-
r:1 l1i1,t1· Na t11r,•r i-ch1•inu11gl'u ank1u1prl", und \,·ic dnnn tlif• ,, \ 'preinfach unµ '· durc h
, lif' \\'i.,.:c11schafl ,,~icll hef,l'lei t,~l t.l•iµ-L von ~i11en1 a11rfall1.·11,.Jl•11 Z11rt1rk trl' ll'll d1•:-.
IIH!O:,Chlich-hi~to1·1scht'n ( !) l•:h,n11•nl, in alh·n p hy:-ika li..,chc-1t Ot'fln it1otu•n ••.
,. rn dt•r phy-.ikn lil-l' hr n ,\ ku,-lik, Opt ik ltrJ(I ,,·ur111t'lt•hri' i-ind fli(' ~pr1.ifi,cht•J1
~inne;;" n1 pfi n d 111lll<' II ~ f'l'lld t•1.11 a u,-l!("N<" ha l ll't . U i<' ph y1-ika lii-cht•n Ü L• fi n i li011l'll
de T on:-, d,·1· 1: arLP, J r•r ·r e1n p<·ral ur \\'t•rtl('ll hf•ulc k ~ i111',- \\ 1•;.r,:,. 1r11: hr tl1•r u11-
n1i llt·lbatt'n \\.' n tu·11t•lir, 111n:,: r,htt('h d 1<' <'nl~p rC'fh!!111h·n Si11n t• t•11l1to1n1ne11, i--0ntll•rn
' f"(lll un d l '11rbf' ,~·r rd1•n durch d,ic :"C'h \\ in~11n1t..:1,Ahl h1.,v. \\·1,1Ir nl,:lilngr. d i•ri-
1

n ic>rl , dil! 'fi•11q1t•rnlur IIH•orL·li"'"'' h durch <lil' dein Z\\'l'ilt•n llaupt,-n.Li d er \\'1,rn1r-
l heoric cn l-r1 o n1111t:11<! T1•n1pe1-al11r:-l•i1\h_t, in <l<n· kin11t ii-then <;u--Llaeoric tlurc t, <Jie
)l'bendii.r•· l,r:ifl rl1•1• :\l o lekuh1,·lit-\\·1•.u1111g, p rakli~h 4,;h1J·ch di r \ t)lt11 n1•nll11dt••
run~ ei11 e.r t li1•r111 0111,•lr l-.r h C'n :--1i1~--1nn1. hz,v. durch tl~n :,;,i.alc•nau-.'-t"hl;1~ «'Hit"
n u lo ro(• ltn- o d f' r 'fh1•rrr1oi•Jpr111·n li.; vtin d1•r ,,·!\rn1C't>111pfi11,lt1n;,!' i~l nti,•r b,•i 1l1•r
'l\•n1p •ralur in k eln\'lrl 1ca 1J 1111•hr (li,1• Rl•dt•." ,\ t1<:l1 „in tll•r 11lo1l1)rn1•11 O,·f l11llio .n
d or t<rafL cr :.ichcinl tl1~ .-.puz.if i-..ehc ~ir1111•i-,·1HpCiutl 11ng r•l,r•n :i.o t•li1uinle rt \\'i1• iu

D191, h,ado por Google


- 194 -
Damit ha1tgl. nun aber et,va · a1td eres uru11i tLelba r zu anun en,
das die B ed eutung diese.s Gegensatzes filr Utlf-i erst v öllig klar n-1acht.
Ni cht mit der homo.g e11e1J matherrtati~chen , ,vol•l abet' mit der hcLe-
rogencn e1r1piri.. cl1en An::.cl1at1ung, ,die d ie nattin\·j scnschaftlichc
Begriff. . bild ung aus ihren Da rstellungen entfernt, i. . t daR ver~bt1nden.,
,vas "\Vir die 11 In,Jivicluali Uit 1 ' der \Virklicl1keit nennen, falls dieses
\\·ort das vVirkliche selbst bez.cichnc11 soll, und lleswe-gcn 111uß die
Be-~ eitigung der err1piriscJ1en Anschauung, so ,vie sie vo11 der nat ur-
,,,is. enscha ft lichcn Begriffsbildung v ollzogen ,vir<l, sLeLs äuch d ie Ent-
fcrr1ung des u1dividucllen Cl1arnkters der gcg •bcnen Wirklichkeit
a tts dcrn Ir1ha lt d ur Begriffe bed euten . Oder : eben.so ,vic von der e 111-
piri chen An cJ1auu11g et1thal t.en die natul'\vi scnschaftJicl•on Be-griffe
auch von dem Jndividt1el1en r1m o ,venigcr, je vollkomn1e11er i1n lo•Yi-
schen inne _ie ,verden. Da. Indjviduelle im strengen Sin11e fehlt
bcrci t..c; i htcr primitivsten F orm I ur1d sc l,Iicßlicl1 kommt die rntu1"\vis. en-
:-ch afl da1·auf llina us 1 daß a lle \1/irklicl1kej t im Grund e genommen
ein und da selbe i l , a l o gar 11ichls Individ uelles m ehr enthä lt. Dit~s
fiir die v erschiedenen Wissen cl1aften im einz-einen a t1sfo l1rli chor :tu
zeige1l 1 ist nicht, not.,,·e11cljg. \Vir snhcJ1 : \\·,clchen Teil der dt1rch,vf>-g a n-
:;chaulichen 11nd individuellen \VcJt, in d er ,vir Jehcn , inan auch be-
Lracl1t cn rn ögc, so liat m an r1ach naturl,·isscn.schaft lichcr A11sicht,
,,·cnn c:· sich tun l( örper hand eit, übera ll B '\Vegu11g ,.-on At.on"aen
vo,· sich, und für das eelcr1lehen ,vird eine ana]oge ltffa.sung ,ver1ig-
~Lens versu cht. J~t. i1'ge1,d et,vas na lur,vis-scn c-hnfllich begriffen, :SO
i~t, im Bc,,rirr mit der i\lannigfa ltigkeit clcr cmpiriscl1en An. cha11u11g
a lso ztig leich auch all(•s das vcrlore11 gl•ga11gc1l, ,,·as es zu einc,n rcalera
Ind.ivid t1um ,nacli t .

U 111 die 'frag,vciLc clicsc.'- Ergebniss~.s Zl t , viir,tigcn , ~lcll P.n ,;vir

11och et,va ~ genauer rc~l, ,va.., Indi,riduur.n t1nd I11\.•id, H1liU1t i11 die._e111
Zusam,nenhange heiß t.. ~\rjr sind, ge,vöh,11t, bei den \:\7örtern vor a llem.
:-1n J)er:,;önlichkeitf:'n 1.u denken. Das komm t hier zunüch~ t 1li •l1t in
derjau ir{('H d r r 1; a.r1Jc der l•arhc-n!>lnn ". l )fanck i:sL ~icll dabei Je,· ·r ro.g-"·eil~
d iPi-t~ l ; n1,;tantlcs , ·ollt-lfl n tl.i g br,\·uOt: uB t•dl•11 k t rn.tn ", ~ngt 1·r, ,,dnß <loch di~
E1u prl nd Ulll{t' n a lll•rk a n11 l l' l'lr\a ßl'n dt>u .-\. u~~a llg:-11u 11 k l a ll or p h y..;i I< a !il'C ht•u
F"orschong bi!dl'n , so 11111 0 d it,•so brwuOlc ,.\ hkr hr von 11,•n v!'t1nrlvor a11i-:,,elz11ngr11
iutrnr r hin e1·s tu unlic l1, ja p:.i1·adox cr ·c bc incrL nd dl'11 1toc l1 liegL k au 111 l"int•
·r a t.-,aclJo in dl· r c;1:o;;clt ic hlc dt'r l 1 hy-.ik so k illt' zulogc \\'i<: dil'!'-1•. 1: 01' \\'ultr, ,~s
111f\i-,.;r n u n ,rhö lzhare Vo r l„ il.- .srin , "1-\"l'lc:lte einer s olc hen p rin7.ipil'llr n S (•lb s l1•ul•
• ~ u ß cru ng \V,:1·L t-i11d I" Ich kon ule es tltir nic ht.. \!(ll'!3:l~t tl , uit' e Salzo h i••r zu
1,illl•r-1, 11 . 11 111 in 1.1·ii:tl' n, ilaU 111a n "uc h in phy:-ikali~ ltr n l·\'.rri,(•11 von d!.!r R1chl.ig-
l,1·iL d ◄ "r ir11 ·r e~l gi•g••ln•11P11 .\ usfO.ltrung,,•u Ub<'rz.uug l h, t .

D1911 11,ado por Goc,gle


195

Frage, sondern der Beg1·iff, den ,vir i111 Altge l1abcn 1 i~t, ent.sprcchend
d er allgen1eine11 logischen T endenz unserer Bestitllmungcn, viel un1-
ra!-.'4cnclcr , so daß das menscl,lichc lndiv·i<iuurrt 11ur eine seiner Arten
bildet. Wi r m(1 ~en uns daral1l besjnnen , daß jeder körperlict,e oder
geistige \ 'orga ng. so 1.,1i (l ,vir ibn unmittelbar crfahr~n oder erleben ,
ein l'ndivid uurn ist l d. h. et,vas, da nur cirunal atl dieser e i11e11. be-
s timmten Stelle des Raumes und der Zeit vorkon1mt, von a.lJcn a nd el'n
körperlichen oder geistigen Vorgängen v erschieden ist, sich niemals
••
,,·iederholt und daher, ,vcr1n es zers tört ,virtl od er vergangen ist, fü r
imn1cr , •erlorcn geh t. Freilich gibt, es, auch: ,,·eitn ,vir von den Persön-
lichkeiten absehen, noch einen z,,·eiten Begriff d er Individualität, d er
nicht mit dem l1i~r gemcinloa. d er einmaligen u11d besor1cleren \Virk-
lichkcit überhaupt z.usamrnenfrtllt, ttnd der urts späLer nocll aus-
führlich beschä ftigen \\'lrd . ,\ber um die Be -0nd erhcit.1 Einzigartig-
keit u11d Einrna1igl<eit jeder \Vi rlilicl1keiL zu bezeichtten, henutzert
,vir eb enfalls dieses \Vort, und die nie ,viederkehrende Besond erl1eit,
E inzigl{cit und Einmaligkeit jed er beljebigen ' '' irklicltkeit ,,·ollen ,-.,ir
zunäc l1st allejn hervorheben, um das z11 kennzeichnen , ,,·as in einen
nat11n\·isscnschaftlichc11 Begriff nicht ei ngehen kann, ,,·eil es n1it der
ernpj1•ischen An cl1auung verscl1,vindet. Wir sag-en in1 Gn1nde nenom-
1nen nur et,,·a Sclbslv ers l~.ir1dljcl1es, u11d d och "''ird gerad e dies Selbst-
v erständl iche leicht Ober.sehen. ,vir si11d geneigt, die JnclividualiLät
als das. \-.·a. einzig und , 1 on a llem 1\ndcre11 , •crsclricd cn ist , nur mit
einem Tc i I e <ler \\'irklichkeiL it1 verbi11<l en, und gcra<le <lie Natur-
\''i !i en. chaft hat 11ns hieran gc,vüllnt. \\.''en11 ,,~ir n.ä1:nlich in ihr von
der individucJJc·n Gesl altung der Dinge a b:-:.chen, , o slörL uns <lies in
den 1ncisten Füllen ni cht, lln,d z11mal ,,·nnn c. sich ,1m l(örpcr hantl cl t .
n1erken ,vir es kaum. Uns interessiert es nicht, d" ß j,ed es Blatt at1 einer11
Baunae ancl<'rs a1u;. ieht, ol. die Blätter d nncb cn , doß kci11 Stück eine~
r.ltcmischcn toffe , da itt eine Ret.orte ge,,·orf,cn ,vi rd, ia-gend e j11 •n1
ar1dern lücke desse'lbe11 toffes gcnfltJ gleicht u11d 11icmt1ls ,vir..d-e r
vorkon11nt. Der gcrn ejr1sa,ne a11te ge11ügt un. zur Beze.icllr1ung1
und '\\'ir kün, ,n crn uns d e,nent precl1cnd nu r um das 1 \\' O.S vorhanden
~r-in m11ß, fal ls der ame a11gc,ver1dct ,,•erder1 J:1.olJ , t.l . lt. ,,·ir ~c lzen un-
,villkürJicl1 d en Jnbalt, c.l er ' i\' irk]icl1kcit in den Jnhult von a llgem einen
Begriffen ltn1 uncl meinf'.n darin, daß, ,Yci l ,vir 1rnrner cl,va · finc)c11,
das d ctn Inllalte u11s~rcr Begriffe e11tspric ht, auch (la~ , virkliche
selb~l ~i.ch ,vied erhole ocler einem andr rc>r1 gl eich sei. Dict- ahcr i L nie
der Fall, t1ud sobald ,,·ir daran dc11kcn, n1uß uJLc; auch d ie 'l'ra g\,·cite
l i:5 ,..

D1911 11,ado por Goc,gle


'196 -
d er Tatsacl1e 1 daß jede 11altlnvi se11:schaftJi che o<l er generalisierende
Bcgri ffsbilclung die ni:cha1.Jlichkeit ltnd Individualit ät d er einmalige11
•. empirid'.chcn \\' irklichkeit ignoriert, 1,un1 Be,vußtsein kommen. \Venn
1
n ä1nlicl1 nichts I ndivid,Jcllcs u11d J\n chauliches in d en Inhalt d e r Be-
griffe eingeht, so folg t, dara u.:, d aß auch nichts \1/irkliche., so \\'ie es
ist, in iht1en be.,tehen bleibt, \:vobei unter dena \1/irkliclaen sclbstverständ-
lif"l1 oichti:; a11cleres zu verst ehen i t al , die t1nnlitt..cll>ar gegebene \Virk-
licl1kcit, in d er ,vir leben. Die• Kluft z,vische11 d en Begriffen und den
Individuen, die d ut'Clt die Nntur"vissen5cha ft hen rorgebrach:L ,vird ,
ist dernnach eine Kl uft z,,·J~chen d en ß egrif fcn und der cmpiri che11
, virklicltk.eit in ih rer Einr11aligkeit und Beso11cle1·hcit ü.b erha tipl. b-:inc
g"Cner-aljsicre11d verfahrende natur,vi set1Schaftlicl1e Dar tellung mcint
r1icht 111e l1 r diese oder j.enc l>esondcre \ Virklicl1keil sondern sieht v o 11
allcn1 ab 1 ,ras die Objekte zu d iesen besonder n vVirklichkeiten uncl
d am it übcrl1aupt erst zu \Virklichkeit.en tr1acl1t.
Wir kon1men al o 1.u folgcnde1n Re ·uliat. Die \ Virk.lichkeit,
können ,vir ihrerr1 fnllalt nach \vol1l t111n1ittelbar ,,er leben" ocJer , 1cr-
Iah1'Cn(', aber sobald \\'ir d en \ t crsucl1 rl1acl1cn, sie durch clie Na t11r-
~vjs~cnsc l1aft zu bcgrcifcn t cnL,vciclrL tms immer gerade das von il1r1
\\'Oraus „ie al \Virl{licllkeit besteht.. Nur niit d em t1nn1ittelbai-cn
Leben, n ien1als n1it der Natun issenscl1art. korn1ncn ,vir an das inhalt-
lich erfüllte Wirl<liche heran. Der 111 Land, d aß das "''ort " \Virklich-
keit1' auch der Name für die Form !\-ein kann, die ,..,·ir d ein UI11nitLelbar
erlebte11 ar1Schaulicl1e11 u11d indi,,iduellcn Inha lte beilr.gen , isL in die-
sem Zusammcr1l1ange ohne Bed eutu11g. \\1ir nennen ,virklicl1 l1ier den
Inhalt, der anschaulich und individt1ell ist, und i:;o i. t kla r, daß alles,
,,·as ,vir von d<•m v·er l1ältnissc clor natur,,,jsser1~cl1aftlichen Begriff~-
bild,ung zur An.schau lict1 keit ur1d Individ t1nlitüt sngc11 konnten , auch
• v on ihrem Verhältnis zur crnpiriscl1cn \>Vi rklicltk.cit s-clb: t gelten
rnuß. Um so vollkomme11cr ,,,ir u11sere natl1r\vi~sct1iöcha ftliche11 ·1.·11co-

\ .

1

-
rien und Dar ·tellungen au hil<len 1 t11r1 ·o ,veit.cr entfernen , vi1· u_11~ v-on
.der cin1naligen, anschal1lichen t1nd individuellen v\l·irklichkci t , also vo11
l
der \-\1irklichk.ei t übcrl1a11pt 1 11nd u1n so -sicherer ge11t ie u11~ bei d er

Arbcit1 so,\1ol1l mit Rü cl~ ic; ht auf ilu·~ 1-\r1~chot1lichkeit al. a11 ch mit
Rocl{i5icht a uf ihre l11di,1 iduoliLät, unLe1· (i c 11 Il ä11clcn verl•>rt· n. B-e-
11ttL:te1l \vi 1· gc\\·isde elc1r1ent are \\l'ort})cd eulungcn , so b cflallcn \vir •

in ih 11e11 vo11\ \\'irkliclien no ·l1 relati"' viel. Die an~c}1:1t1liche11 \ 'erlre-


tunge11 der Bcgriflc, d ie uns ,ron der Anscha uli-c hen ~latl nig.fa lt igl(cit
d er \Virkl icl, kcit cirl Bi td gt• ll<!n , d riir,gcn siclL {11rL,vä h rc11cl heran .

ü1g1taltzado por Goog e


197 -
Aber sie kClrnmel'll uns nicht, 3ondcrr1 sio törc n urtS sogar. Une)
\ven11 ,vir dio natunvisser1 chaftlichen 1' heorien. vollende t llaben ,
dann reden ,,•ir von Di11ge11 oder Vorgä1igcn 1 \>'On denen ,,.,jr sorgfäl-
t ig al les das v erneinen, ,,·as die untniltelbare Erfahrung tt11 von der
Wirklichkeit übera ll a uf Sc hritt u11d Tritt darbiete t , und \ \ ' 8 !; allei n
als empirisch ,virklic h be1.ieichnet werden dar.f. .i\.ucl1 gilt di~c1· Ab-
sta.t1d vo1n \Virk liehen filr den Inhalt von solchen Begriffen, die durch
die Analyse einzel ner Vorgänge ent.sLehen, ebenso v ie fllr die Begi·iffe,
die durclt e111piriscl1c Vergleic hung 1ne~\rercr Objekte zustande kommen ,
und ,,·ir können daher hier in aller l{(1rze sagen: ,vns die Begriffp der
att1nvissenS-cl1aft. nocl1 vo1, dcni lr1halte der ar1schaulichcn t1nd in-
dividuellen \Virklichk.eit besitiC'n, da ist auch n och nict1t natur-
,,·isse11 ct1aft Ji,ch begriffen. Hat man dagegen einen logisch vollkomme-
nen Begriff gebildet, o isl al lel' Wirkli-cllkeitsinhalt in dein angegcber1en
Sinne aus ihn1 v er sch,,-unden. Darnit haben wir zugleich eine ganz
allgcn1ein,c A.nL,\·ort nuf clie Frage erbalteu~ die iLu Mittelpunkt diese.-;
Kapi tels s te ht. D a s, ,v a s d e r n a t u r ,vi . s e n s c h a r t 1 i-
c h e o B e g r i r f s b i J d u n g d i e G r.· o n z e s c t z t, ü b e r
<l i e s i e n i c m a I s h i n ,v e g z u k o m rn e n v e r m n g, i s t ,
n i c h. t s a n <I e r c s a l s d i o e i ·n m a l i g c c m .P i r i s c h e
\ V i r k I i c lt k c i t e I b s t, o ,vie '"·ir s ie i11 ihre1· Anschaulichkeit.
\lnd l nciivid uaJjtät u ruui Llelhar e1·leben.
Da Erg~bni die. e r · ntcr ·uc hung c11ag zunäcli:5t pa1·adox lclingen.
Die Beg riffe der Naturv,i ~enscl1aft sind uni so vollkornmencr, je ,Ye-
niger sje v on der ' '' irkl,ic hkeit entha lten, z,1 d erer1 Erke11nl1us ,,·ir Aie
gebildeL haben ? Da~ kuun ,~ic hL richt1g sein. d enn ur1le r diC'~cr \-"oraus-
. etzur1g hill tc ja die N.a l un, •i$se11schaft ihr Ziel vo,ll~Uindig v ~rfehlt.
Sie s.oll t111 do h zur \.Virl{liclikei L l1infi1hrcn, 11iehl ahc r \ 'Otl ihr c 11L-
fcrnen. I hr Ziel kann daher nic11t ein ysten, "·011 Begr iffen ::Pin ,
d essen Inh alt i1n Geg<:n~alzo zur ~rnpiriscl1en Wirklichk.eit. st,·ht.
Ja, noch Ult cincn-1 a rtdern Grunde scheint dic~rs Re:.ullat falsch.
Nic hl nur tl1co rctiscl1c Er,vägu ngon sprechen dagl'gcn so ndern auct1
die Ta lsoche, daß ,vir d och 111it l-lilfe d er Nalu1•,visseitsc· l1 aft t 111s in de1·
1

\Virklichkcit orientieren t1nd sie ogar vora u. b rcchnerl kön ner1 .


._ olcl1e und ältnlicl1c Gedanken \\'er<icn sicli sogleich u1t crn At1::fül1-
rungcn enlgcgcns~II •n, tincl ,,,ir 1nüsEocn sie so,vohl rnit Hück:::icht.
auf d en Bt-griff cl cr 1alu1, ,·i::;sc11scl1aft a l~ a ucl1 111it ~1/h-~ icltt. ~\ Uf dc11
d er \ Vi1·klit: l1kcit noch ausdr•iick lich erört.crn .
\\ras <l 1t B egriff <Jcr Natur,yi 5:1c11 charL be trifft, ::.o künr1e1t ,,·ir

D1911 11,ado por Goc,gle


- 198 -
nur darauf hin,vei en , daß es sclb ·t.vc1·sländlicl1 jcdc111 frei stel1t
unter dcr11 \Vorte das zu denken. ,,·as r ,vill , t1r1d daß ma11 dal1er
unsere Dofir1itio11 ablelin cn kann , nacl1 d er die Natu1'\vis enschaft,
u1n das Ganze ,ei ner unübor ehbaren \Vir·l<licllkeit zu erkennen, diese
1nit R (icl<sic ht auf das Allge111eine zu hcLracl1tcr1 und ,ve11n rr\öglich
1 \ \. IJ,
(

ihre Ge-setze zu finden hat.. Zugleich <ltlrfcn ,,1it aber auch die Tal-
II ( l
- {
1 sac he kons tatieren, d aß die \Vissensch.aft.en, die Naturges et..ze zu er-
/ { , l (_
f • kenne11 suclien, meist als N atun·vissen schaften b ez,eic hnct "'·erder1 ,
• und ,vir \.\'issect, daß diese \'~/issenscbatteu 1ncl1t de11 Sir1n l1nben können 1

• die \VirkJjchkeit in ihrer Anscl1aulicl1keit ur1d Individualitä t. sclb t iu
il1re 'I' hooricu auCz\1ncll1ne1l. De.- I11halt ei11e G-csclzcsbegriffes ist ,. ie
d er jed es naLur,vi~:;cnschaftlicl1en Begriffes alJger11ei11 . D,e r In halt
jed er empiriscl1c11 \ Vir klicl1keit dagcgc11 is t individuell. Diese l~l1.1ft,
ist 11ic1n.a ls z1.1 übe rbrücke11 1 de1111 auf ihr beruht ge radezu der Sinn der
Erkenntnis (ies , vi rklichen als Nalur. Daher 1nuß für jede "''i~ser1scl1aft.-
licfte 1\ rbeit, die irgend ein tüclc d er Wirl<lichkeit s)rsletitat i eh 111it
allge111cinen B egriffen dars tellen \\'ill, das Ergebnis unserer Ausfüh -
rungen al gü lt ig anerkannt ,verdcn . J edct· Vers11ch ci1ter Sys t.e111-
bildu.n g i;;,t aus rein logiscl1en Gründen unzertrennlic l1 verknüpft
mit eine111 Ab. chcrt von der ind ividucllen t1nt1 anschau lichen Gestaltung,
1 und ebe11, o sichor ist es, daß alle \iVirklichkeit , die "vir ker1nei1, leclig-
•! / l '1 • lich aus anscha,1lich und individuell gesta.lLetcn Gebilden beslcht .
( .. •l•f-1o
D aß daher die errtpirische \v'irklichJceit, so ,vie ::;ie i11di,ridut•Jl tand arl ~
schaulicJ1 ist, in kei11 nat,,1r,,•i:,öcnscllaft,licl1e~ Bcgf'irf S)?~l c t1t eingeh t
untl :sur1•it die Gr•cnze j ed ' r natur,ris en- c:hafl lichcr1 Erke11ntni
bi ldet , lta11n nicl\t be!:ttriLlen ,vcrd e1l , 1111d dies ist d a~ einzige , \\'c1ra1.1 f
C8 uns i11 d iese111 Zusa111n1cnl1a11gc ankomrnt. Es li\'gt i1n B r g r i f r
des NnLurge.seLzes, d.aß e$ 11jcht.s datül>er ::agt, ,vas ci111nul hier oder
dort, jetzt. oder dann in nie ,vit"del' vor1~onl1111•t1der Ei112.igarLigk:eit
ur1d. Iudi,vid ualität ,virklich g . ehit~h t . Das ku11n 1nnn jch ~c h<)11
daran zt1n, Bo,vußtscir, bri11g ,, , daß j(•des l\a turgcsctz sich ,·öJlig
adäq ua t in cirtc.rrt :)og ·nat111t,-011 „h;•potl1-c:Lisc hc11' ' rtcil fo1111ulicrcn
lä ßl: ,,. e 11 11 Ja:- eine ist, so ist a 11cl1 dat:J a11dere. Das eir1e u1,cJ tla;-;
andere si11d 11ur Narncn (Or allgen1einc Begriff . 11 1 ,,•,. Jeher a11s.cliau-
liclien und ind1\'1dt1elten Gestaltung. iu \),clchcr Jc\ nzahl, zu ,, ..:!eher
Zei t , a11 ,,·clc:t1ern Orte tlie 0l>jekte, d ie u11Lcr die allge111cir1c11 Bcgri f!e
fallcr1 , ,virklich s;11d , darüber ka11n tind ,vill da~ . ratt111ge:;ctz gar nich ll-
. ugert , ja, c.s \\ ürd e so fo rt a11fhörcr1, ,ein NHt.11rgc:ictz zu ~c·i11, , vc1111
es Rt>lcl1c [J.bj<>klP dar„telle11 ,volll<', UJ1l l da nur die ei111naligL·11

D1911 11,ado por Goc,gle


199
anscilaulicl1en ttnd itldividuellen Objekte in best..in1mter Zahl, an be-
st.imtnl.e.n Orten tind zu bestim·m ter Zeit ,,1 irklich sind , so kanu und
,vill das Naturgesetz aucl1 nichts über das \\' irklichc clbst sagen , so
,vie e anschaulicl1 t1nd individueJ I exis tiert... ~obald eß 11ur aur d as
,
.,,venn - dann' ' irn Naturgesetz ankotnmt., sl.eht dn!- ob überh.aupt
nicht. in Frage, ondern es ,vird nur stillsc h,veigcnd voraus-gesetzt , 'I
daß e.s \Virkliches gibt, das urtl,er d.ie im Gesetze begriff verit.nüpCten
allgcmcin.e n Begriffe fällt. \ ron seiner Individualität ur1d Anscl1auJicL- 1
keit aber wird not"rendig abgcsel1en. Falls man eine solche Darstellung
d.cr \~firklicl1keit, in d er sie als ciruJ1alige, ansc h,\ulicl1e, inclividuelJe,
also wirkliche \Virklichkeit v erscl,,Yindct , nicl1L 11aLur,vis.·enschaft-
licl1 ne11nen ,vill, o \vird rr,an vor1 der 1a.Lur,visseruchaft eine Er-
kenntnis der K örper,velt oder des Seelenleben in1 Allgcn1cir1e11 nichL
forden1 dürfc11.
Auch d er Umstand , daO, ir t1n 111iL Hilfe der 11aLur\\·is~en. chnfl,-
licl1cn Erkcnnt.nissc in der \Virklicttkeit zit orier1t,iere11 vcr1nöger1,
ja sie vorau s z.u berech.n en ims tande si11d , kann ebe.11falls nicht a ls
Ei.n,vand da.gegen a11geselier1 ,,•erde11, daß d er Inhalt der individueller,
und anschaulichen \Virklichlceit in clcn natur,visscr1 ·cJtafLlicl1en
Begriffen getilgt i t. \Vir m(issen vielr11et1r u111gekel1rl ~agen ,
daß, \\'CDn die Begriffe der ·atur,vissen:'chaft n oc~l die anscl1aulicl1·c
und individuc]le Gestaltu11g der \\l.irklichkeit e11lhicltor1 , n1it ihrer
Hilfc eine Orie11titru11g ir1 d er \Virklichkeit und ihre Vora usberecl1-
r1ang 11ic~,t.. müglicl• ,vü1·e. Nur di e in d en B egriffen vorgenon1mcnc
\ i e r e i n f a c 'h t1 n g (lcr Wirklicl1JceiL ges t..at.tcL uns eine Orieiatie-
rung in ihr1 v.:ie ,,,ir das sc.hor, früh er bei der ,.\u ·einnndcr::;etzu11u-
mit dc1n Pragrr1:atis.n1u..., l1ervorgehobcn l1abcn. \\i'ir 111(isscn vu11 Be-
s-0 nderl1eit und Eigentüml ichkeit, ab;:;chcn 1 uui u11$ i111 \\rirklicl1en
7.\Jrech tzuf incl<in. Sci11c unübct ~ chbare f\1ann igf3 lLig kC'il hebt onst
jcclo Orientierung aut. \\'ir -.vürd~n b ei u rl ·erm pra klisclten l-:la11tleln
ratlos vor d er Wirklichkeit stcl1üc11 ,,·erut ,,·ir n.icl1l .allg~n1ein.c Begriffe
l1ättcn 1 rnit deren J lilfe ,vir sie zu vc rej nfnch~rt und sie rladuJ't h zu·-
glcicl1 j}irc r , ,e1"\,·irrend e11 llldivi<l tuilität u11d An_:;t·l1a ulichkeit zu be-
l'Utlbe11 ver111öcl1ten . 1\uc h daß ,,·ir sie vo rausberechr1cn, clilic~ßt
1licht cir1 1 daß {Jie B.~griffe J er Natur,vis::;cn~c!taft ih rc11 lr1hall in sich
au fnch1ncn. )Ia 1L 111uß ich ttur klar n1ac hcn, ,,·as da ' Bcrcc h11c r1 be-
deutet. \ 10 11 cia◄! nl Erfa:.-scn dl' r i11divid ucllcn und an:;cliaulichen
\\i'irklicl1keite n in ihrer A11..,cltatilic hkr it uncl l nclivid ualitiit ist- dabei
keine Rcclc, :soncl<>r11 ,,·ir sitt<l nur in der r.agr!, zu sagen, tl a ß i11 Zukuu[t

ürg,t~hzado por Goog e


- 200 -
ein Objekt au!trete11 ,,·ird, da:; sielt als Ex.e 1nplar unter diesen oder jenen
allge1noi:nen Begriff hl'incren läßt. eher die Indi,tidualit.ät u11d An-
scl1atilichkej t der Zllkünftigcn Objekte aber \visser1 ,,·ir nicf, ts, son{ler11
,vjr mü sen, ,,·011n \Vir attch davon et,vas erfahren ,vollen, i,nmcr ,vartcn,
bis sie ,virklich da intl , um dann zu kons taLiercr1, "'·as sie über den all-
gen1ei11en Bcgriffsinlialt l1in.a u · nocl1 an lndividttaJität und .l\nschau-
licl1kcit, d. h. a t1 ,roller \Virklichkeit besitzen. \.Venn '"·ir clas übersehen
und uns darauf ,,erlas e n können , <faß die Nat.ur\vissensc haft vora11s-
sagt , ,va~ k on1mt, so Liegt da · daran, daO ,vir in diesen Fällen .g ar nicht
,\·is·en ". o 11 e n, ,,·ie das, ,va.s sein ,,·ircl, in sci11er Anschaulichkeit
un.d lnd ividualitiit. gcst.alt.el i t 1 sond ern ganz zufrieden sind, ,vo11n wir
11ur \Vis en, unter ,velchen allgemeinen Begriff ,vir die ztikünft,igen
\\1jr•klicl1l{eiten ,verden bringen körin.en. Auch die Braucl1barkcit der

Natunvisscnscl1aft i1n pl'akLis.ch,en Leben ist also nicht ein Ei,n,vand


gegen ur1sero Behal1pt11ng so11dern1 sobald sie ricl1Lig verstanden ist,
nur ein neuer Bc,\·ei dafür, claß die Wirklichkeit. in ihrer Anschaulich-
keit und ·1ndividualitfit, d. h. als \\firklichkei t, in die natunvis cnschaft-
)ichen Begriffe nie eingeht.
v\'er den11och von der atur,,·issenschaft eine l~rkeru1tr1i der
\1/irklichkciL clb ·t verlangt und trotzdem an clem aLze fest.halten
1nö c)1te 1 d.aß sie un 1.t1r individt1@Jle11 '''irklichkeit. hinzuführen
habe, slalt un . von il1r zu entfern.e1l 1 dem bleibt nur ein Au~\veg 11ocl1
übrig, u1n clen von un gezogenen Konsequenzen zu c11lgcllf!n . Er ,vird
: ztJgeb en t daß Z\\'ar (Jie e 1n pi r i s c h c \ irklichkeit in der Natur-
,,ri:-scr1 c}1aft not,\·endig v erlor·•n ueht, ober Z\1gleich tragen, ob tlen11
diese die einzige \Virkli chkeit is t, oder ob 11icht vie l.mehr g •radc clio
Nat.ur,,,i. senschaft den Beweis dafür liefere, daß tlocL et\\'D:S -:.1.nderes
als die u11rnittclbar crlcl>ir. . inncr,,vclt ,,.rirklich exis.tiC'rc, ja ciic. e:s
,-\nuere allein aJ ~ die ,., • ahrc '· \\'irklicl1kcit bctraclilct ,vcrdc11 dürfe .
"ic bildet, ,vird ,n lan unter die er Vorau setzung dann . agen , o ,venig
die Grenze d er nalun\·ji.;sc11schaft lir h •n Brgriff. bildung 1 daß vi<?ln1ehr

erst die B egriffe d,e r Nat,·u r,,·isscn~chafL uns von ihr l{unde gcbe11.
Die Welt isl et,va... artderes, als ~ie 1.lt ei1t s<~heinL. Da. \\!irkliche ist
nicht, die bunte ~fan11igf~ltigkcit 1 djc ,vir u111uit.tcltlar ,\·a hr11cl11nen,
ur1d die U\Jrch,v""g a n ·chaulicl1 und i11divir.luell i.:il, ~0 J1<le1·11, . o,,·eit
·ie kö rperlic h is t , besl e.l1t ~ic uus cine111 Ko111rllcx cinfnchcr Dinge, und
:;o,vcit sie eele11leb~11 k l, bildet . ie ebenfall s ein atti:. ('infacl1etl Jls)rchi-
·1..:}1c1.1 Eiern ·11l.e11 bcst,cl,cndcs ilbc1·Hll gleiclics Sein. Dan1it soll nicht
der ICant.if:che Gegen.sati v o 11 l ing an ich t111 tl Ei-~c ltci11u11g gc1·cchL-

ürg,t~hzado por Goog e


- 201 -
.. fertigt \,-erden, denn da Ding an sicl1 ist uacl1 Kant UJ1erkennbar,
und z\var gerade für die Natunvissenschait. Wohl aber mü cn ~·ir
eir1en Untersc hied 1nacl1cn z,vji,e}1e11 dem unn1itt.elbar Gegebe11en,
A11scha ulichen und Jndivid\1ellen und den1, ,votu die Natunvissen-
schaft erst vorclririgt . .Sicl1t n1an darin allein die Wirklic hkeit, so kan11
man ruhig zugeben, daß die Natun,,i ~er1sc haft, z.,var die anschauliche
11nd individuelle Gestaltung der empirischen \1/clt au dcrn Inhalt
ihrer Begriffe nach l löglichkeit zu e11lfcrncn sucl1t, denn man ,vird
l1inzufüge11, daß, sie gerade dad11rch von der Welt des Sct1eins loskomtn.e
und zum Sein vordringe. Ihre Grenze ,,·ä rc da.r1n nur de1· Schein, d·en.
s.ie zu übeN'indcn t1at.
Diese Ansicht braucht hier jedocl1 11icht geprü rt zu ,verden , denn
sie ka11n das Resultat, zu de.i n ,,rir gela11gt sir1d , in keiner \\1'eise ersc l)üt-
te1n. Dies allein wollten ,vir feststellen : in d,cr Wirklichkeit. die ,vir
kenne11, ist alles anschaulich, t1nd jeder· beliebige Vorgang ist a ls Jn- •

dividuun1 von jedem anderen verschieden . In cler ab olut.en 1-letcro-
geniUit des \Virk.licl1en haben ,vir zugleich eine lndividualiUit... Soll
clas wal1rhart , irkliche eelenleben aus 11ichts andcr'en1 als aus lnuter
einfachen E:mpfiodungon oder sonst,igen ps)•c biscl,cn Elementen be-
st ehen uncl jedes körperliche Ding alt. physischer1 Ato111en im logi. che11
i11nc des \Vortcs oder aus 11 lctzte11 Dingen" zusammengesetzt sein
,vie ei n Haus nus Zit?gelsteinen, o bleibt es <locl1 dabei, daß dn11n die
"wal1re 1 ' \Virklicl,keit n1it dercrfahrerlen in Hir1sicht, au f dia 1\n~c hau-
licl1keit. und Individuali.UiL nichts r11ehr gemein hat. Die erfahrene
Realität also gebt jeclcnfalls nicht in die Begriffe cicr rnlun\·is c.n. cha ft '.,, . •

ei n, und darauf allein komrnl c a 11. Besonders deutlich ist das iu bczna
1
au r die I<örpern·elt, und zwar geradr. <lcshalb, \Veil die \\iisse11:-.chaft
vo11 il1r als die logi::ich vollko111rr1c11ste Nalunvissc11scha[t, ar1ge eltcn \
,vcrdcn muß. Jed er l{örpcr, den ,,-ir unn,itlclbar kennen, ist inclivi~ ·,
(luell und an„chaulich g<' t.altet, untl scJhst ,vc11n c-s z,.,·ei Di11gc gäbe ,
<lio einarider mit llü{! ksicht. at1f ihre An::.chnuJichkeit u11d I11dividua-
lit.iit gena u glichen, kö,1ntc ein Be,veis daflir ,ycgcr, ihrer u11ilberseli-
barcn l\lannigfll lt.igkcit nicht geführt ,,vcrden. l)ic ;\to11\<' in1 Jo-
gi ·c hctl 'inr1 <lcs \Vorl,ei, da~gcn i11d u11terei110ncler voll~lii11dig
gleich. Ob,vohl die \Vorle At.on1 t111d lndiviJ1..1 u1n da8selbe zu bcu cu-
tc11 ch.ei11cn , so ist docl1 cJ as, \,'a~-; durch ..,ic bez.eichncl ,vird 1 vo11 ei·,1-
ander o vcrschied et1 ,, ie 1r:1öglich. J it, es klafft ci11 prinzipi~l ler
Jogi.scher (,i-egen,;;atz z,vi~c hcn de11 beider• Rcgrirfr n . fJas ka1111 i1n
Interc se der \1/issenscha!l~lcl1re 11ic;l1t ~charf ge11ug ttc1"\1orgeli<.>bcn

ü,g,t~hzado por Goog e


1
- 202

,verdcn. \\tä hrend da · .,.\ tom, ,vcnn es, un1 nur die. zu sagent kein •
natunvissenschaftlic~1es Problem mehr ent halten sondcr11 zur Lösung
von Problen1en dienen so ll, als ab ol11t einfach angeno111men ,,,e1·den
xnuß , is ~jedes l1tdividuurr1 1 da es sich \ 'On allen andern Ind ividuen untcr-
sc11eidet, mannigfaltig und z11samn1engesetzt.. Die Ei11heit der Eit1rach-
hei t aber dürfen ,vir nicl1t mit der E inheit der 1\1annigfaltiglteit ver-
\'iCcJ1seln1 die das Individuurn zeigt. Eine \\ii~se nsc}1afL 1 die vo11
einer \Veit der Individuen zu einer \Ve]t der Atorne übergeht, behiilt
von d er ihr ursprü11glicl1 gegebenen und erfn l1renen Wirklichkeit nicl1t s
mcl1r übrig, uzu.l es bleibt also dabei, daß in die Begriffe der Natur-
,vissen chaft von der \Velt, die ,,•ir unn1it telbar kennen, tun so ,•.eniger
cingel1t, j,e logiscl1 vollkommer)er die Begriffe sind. J e d c r F o r t-
s c t1 r itt in d e r Atorr1i s i e r ung rn uß u1.it ein e r •
'
r o r t c li r e i t e n d e n V e r n i c h t u n g d e r I n d i v i d u a-
l i t ä t z u s a r11 r11 c 11 f a l l c n . pricl1t 111an a1.1S cliesen oder jenen
Gründen der Erfahrung ;\Velt die ,val1re n ealiLät ab, so ist <liese \\relt
doch j1eden,(alls d.ie \Virklich kei.½ in der \\'ir lebeJ1, aus der unsere
Freudet1 u11d unsere Scl1rnerzen sta1nrr1en 1 in der \-vir uns praktiscl1
bcUitigen , u11d die ,vir <loch ,vohl auch erkcn11011 ,vollen, ,,vcnn wir
\\1.i senscha{t tr,eiben . l\:lag also die Natu~,i!-scnschaft, aus dieser \\;clt

zur \\o·ahrer1 \<\1irkJichkcit, ,,or-d ringen , unter allen rnsWnclcu "''i rd ie


d a rattf verzicl1Len 111ilssen , das , ,vas ,vi r u1u11iLLelhar erleben, in seiner r
Ansct1aulichl<eit ur1d Indi,ridlJalitä.t ic1. ihre T heo ri,•n aurzu11elu ueu ,
und dies allci11 ist e~, ,vas ,,·ir festst ell en ,,·olle11. ,,ra rur11 \\lir uns auf
dieses Ergcbrris bescltrü1.1ken kOnnen, \\1 e1•de11 ,vir noct1 deutlicher se hen,
so bald ,vir fraucn , ,vaR schon a us clieser Ta t:;ach,c für die Begt·.i ff -
bild1._111g d er G<!Schich l ·,ris ·cr1schaft folgt .
Nu r ein l\[ornent sei no..: li a us<lrücldic h erö1·terl, da - 1.,:0:ar für die
·eberzeugut1gl3kra.ft un ore. Gcdanker1go nge„ nicht unentbehrlich i- t ,
dessen Vernach1äss.igu11g a ber d och zu ~Jiß,·erstä11d ni~sen führen J,can11
und geführt hat. \\1.i r haben v other die An chauliclllcrul ,. tlie die Welt
d er rnathc1natischt>n qunr1tifizierenclen NaLur,vii-~cn chaft .be-it1.t,
, ron cJer An::;cha uli ch k:eit, rJer unn1ill elhur g"gcbcrten \\1irltlicl1k.cit
unterschi ecl en. Die ei ne An~chaulichkcit ist, hu111oge11, dje a1ldere
hcterogc.n , und da ß dieser Un,t er:.chicd von pri1tzipiell~r log i-chcr
BedcuLt111g sein r11t1 ß 1 liegl a uf ,d er 11and . ' un kan11 1na11 aber sage11,
dnß die rei11 i1ua11 Litativo \\.'eil der n1nthe111atischen ·atur,,·is enschnft
doc h a ucl, eirtc ., Indi,•idunliLüL11 tJc::-itzL, 1JJlcl daß d i e s c Individlta litii t
d urclin11s nich 1.. cl ic Oreriz.e rl er 110lt1r,,·i2S:;c n:;cha ft.lichc11 ß C'griff:;l>il~

ürg,t~hzado por Goog e


- 203 - •

dung sei ~ondem sie~, r-esLlo. 1nit HilCe der mathe:111ali cl1cn atur-
gcsetzc crke11nen lasse. Daraus kann man da nn ,veiLcr folgern , daß.
,veil die ln.d ividunlität der quantitativen \'Veit der I ndividu alität der
empirischen \ Virklichltcit gen au ents1lrecl1en mü se, a uf diesem \Vcge
auch die Individualität der e1r1piri chen \Vi rklichkei.t mit Hil(e der
Nat unvi :sensellaft erkennbar \\•erde, ulid llält inan dies für rich.tig, so
muß die ~f einung enlstehen 1 der Richl 1 mit den \\forten Ausdruck
gegebe11 l1al: ,,Ohne Z\\•eifel reicl1t a11ch d er Naturforscher, ,,,enn et· .
,vill, zu den ,virklichen Dingen ·u nd \ ' orgängen llerab, da er doch die
Gesetze von der1 Dingen und Vorgängen der \Virklichkc it ableitet.
Er braucht nur clie Kon t anten seiner For1neln z.u besLitllrnen, u111 d en
I~ück\lrcg zu de11 reale11 Vorgängen zu nehmen ."
Ist dicse .An::.icht haltbar ? Die I{onstanter1 i11 den 1nat1letnaLi chen
Gesctzesbcgri[fen können n11r qua n t i tat i v bestimmte I{onstan tcn
ein, und ,,·enn inan diese qua11t.jt.ative Bestin1:m theit eine „ I11dividua-
lit.ät " nennen wilJ, so mag man das tun. Das \\' ort Ind ividualität
hat n1ehrere verschiedene Bedeutungen , die sorgfältig gegen einander
abzugrenzen , , päte r nocl1 unsere Au fgab e sci11 ~o,•ird. cl,on jetzt aber
i t klar, daß die 111athemaLische „ JndividualiUtL" rnit der Indi,·id uali-
tät der stets qualitativ bestimmten. a nsc l1aulicl1 gegcbe11cn e1r1piri:-che1,
Wirklichkeit nj ct, t, , riel mehr als den Nan1cn gerncin hat.. Gc,viß ka11n
man in die mathematiscl1 formulie rten Gc~ctzesbegriffc d er Nnti1r-
v.,issen ~chart quantitativ best.immte l(o11ctanlen einsetzen und a.u f
die:;e \\'eise dann die rein quantitati, ren Bcstin1mungcn der c111piri-
se hen \Virklichkeit sogar herechnen. Die JndividualiUiL d er crnJJi-
r.iscl1en \Virklic hkcit ,vird aber dabei doc h i1n1ner ttut· nac h ihrer CJttatt-
titativen eite getroffen, und dic.-;e quantit..nLive Scil,e ist, fü r . ich
allein betracl1tet1 ,vcit davo11 er1tfernt. die Inc1ividualitfit de r e111r1i-
rische11 v\Iirkl ichkeil zuo1 Ausd ruck zu brin,gen. \Venn llla.n clas Quan-
tita tive individuell hest.imrnl. ner1r1en ,vill, so ist seine lndi\l'irlt1olilti t
doch grade r:uch.t c.lic Ir1dividualiUiL t.le. \Virkliclu!n sondel'n 11ut· die
Individtialit.äL eine von dieser \Virklicl1keit bcgrifflirh lof-g~lö~tcn,
isoücrter1 F a ktors t1 11d dan,il eine durcha us t1r1,,•irkliche In<li,·id t1:.lliliit..
Durct1 die Vielueutigl<cit, cie ,,~orte. :-:ollte man ~ich ul~o 11i"hl ltitl·
scl1cn lnsscn.
l Jn1 zu voller l{larltcit zu ko1r1111cn, ,volle11 ,,·ir die e Geda nkt'n
---- 1
-
Logik und Erkt•1111tnis lh1:r11·i(', u. o. 0 . i\ u~·h Ein,\·fi11tle vvn I•' r i s c h-
c i s c 11 - l( u h 11· r und (,'. o e, :1, i r 1' r kon1r11en in d,·r l l aup1--ach1• nur di,•-.cn
Gedanken hlnnu .

0191 lt ado por Goog e


in einen .größeren Zu~arnmenhang bringen tind so nocl1 et,,·a:1- genauer
das Vort1ä ltrlis der begrifflichen quatltitalivcn ,.vclt zu dem, ,va '"·ir vo111
empirischen Standpunkt aus a lltit1 al \VirkJicl,lieit hezeich11en dürlen ,
v erstehen , denn be. onclers an dett Gedanken ei11er rein qt1antiw.liven
.A.totni tik oder eitler durchgeführten mecl1ani~c11 ' J\ l{örpera1,1ffassu11g
knüp fen leicht clie 1\feinungcn nn, die atif einem völligen Verkennen (lcr
ab olutcn Unbegreiflichkeit der a nscllaulichc11 und indi,•iduellen
\Virklichkeit durcl1 die N.a Vun,·i~cn~c l'1aft beruhen, und die do her aucl1
(las \ ' '!rhä lt nis der Geschichte 1.t1r • aturndS,'-c•ns_chaft verkenn en
1n1ls eu, ,vci), wie ,vir später scJ1en ,vcrdcr1 1 die Gcscliichts,vi~ enLcha(t
der en1pi riscl1en \Virk·licl1keit ir1 genau zu bestimrnender Hin~ichl
11ähcr steh t als die \\,. iss-cnsc hofl ,,on der Nat11r.
Den elaärf~tcn lJnd prinzipiellsten Ausdru ck findet clcr lrrtu1r11
den \Vir bekämpfer1, <lort, \VO ruan tlas Ideal einer Ilatu r,,·isl">CJ1sct1aft-
licl1en Rrkenntni des Anschaulic.he11 und l nd ivi<luelle11 zu deri, einer
• 1 ,\Vcltfor111el'' enveitert, in rlerdas niversum .1dt1rch ei11 unermeßliches
:' S),ste,n imultaner Diffcre11zialgleichungcn 11 dar-g(>st,ellt ,,·ird , ,,a us
<Jer11 sicl1 Ort, Be,v!:"gt111gsrichtung u11.d GcscI-1,vi,1digl<.eiL jede 1\torl1s
r' in't v\1elt.all zu jeder Zei t'' ergeben soll 1 • FaJls dic~er Begri ff des von
La Placc gcdacht.cn Geistes als _Jd eal der Erke1111tnis vor~ch\\·ebtt
dann ,vir<I rnan freilich de111 Gedanlie11 d er prinzipiellen Grc11zcn der
natun,·i:s~enschaftllchen Begriff~bildurtg JlichL zu~t.imn,cn u11d 1r1einen,
es sei rrur r1 o c 11 rl i c li t gelu ng"n, aucl1 da Be~ondere 1 l tl d i"\·idtle llc
w1d A11~·cl1aulicl1e rc ,tlos zu h«!greifcn , im Pri11zip dijg<'gen 1u<.·lit un-
möglich, ,.Einzcll1.eiten llcr anscl,auliclicn ~Iarmigfaltigkcit r1icht nur
i r1 jcd cr11 Aug,,nblickc zt1 vPrst(•IH t1 ondcrn al1ch für beliel·,igc ver~
1
1 ,

gangonc oder zukü11ftigc Zeitclcm'-!nt" zu b crcc l1n1•n'' :_ 111 dcrn


At1scinanderfallen von ralur,vi ·se11scliaft und \Virl,liclikcit ka 1u1 n1ar1
dann n11r eine vorläufige Ur1voll l<o1r1n1e11 heil der , :\/ i..i,;cnsC' hafl erblicken
und glnuben, ,,dnß clie Erlienntni ..: . cJe einzeln(' rt in einer \\Tcill~rent-
'\'ir k.lu·ng un erer N~ t un,·i!-lsensel1aft. ihre I„ö~nng ,,·cnü.?-sten s oline
Jogi clte Sch,,,icrigl{cile1t fi11d cr1 Jt u 11 1t'' ode r duß ,.auch rl cr gc~rhit hL-
1icl1r. , .erlau r d e~ An~r hauliclien ~ich prinzipiPll rein na tur,,1s.~1•11sc haflr
lieh dt•tluzi •rPil l.n 'ß t' ' 3 . l $L rnari si<·li d:.igc~gt11t iibc·t· <la~ , ·crhiillni~ der
,. \. to,11,,·cll, oder irg,•11,I riL1cr a 111l1•r11 rci11 qu anlilal ivi:' n \Veit, a11f dir

1
\ '!!1. E. du l to l :-• J'lrymond , l h·dcn, 1, :. 10.irr.
:: !( . ) 1 a r 1., e, Zt>ll~chrlfl fti r J• J11lo"opl1i<' und p hilo:-opt1iscl11· l,ril.ik, IJd. 1 11,
:,. 2116 ff, \ g l. oh•·n s. 149.
3 ,·'1
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D191, h,ado por Google


- 205

allein der Gedanke des La Placesctlen Geist es ange,vendct ,,·erden darf,


zur en1pirischen Wirklic11keit kla1-, iso muß mQn einset1c11t claß so,vol1)
der Gcclanke einer , 1Weltlorn1el" 1 die gel)tatten soll, alles Individuelle
und Besondere im "''irklicl1en iu berecl'1nen , als auch di e et ,vas ab•
gescl1\\'ä,cl1te Behauptung, man könne irgend ein e anschaulicl1e und in-
di,ricluellc Einzellacit. des individuelJe11 Verlaufe d er Wirklichkeit
,,prinzipiell rein nat ur,vissenscl1aftlicl1 ded uzicren '', nicht. nur et,,·as
tatsäch!icll Unau füllrbarcs für rnöglich hält sondern einen logi c l1en
vViderspruch ei11scl1ließt. E gibt z,var ein,en '\'eg vo11 de1· empiriscl1en
\\tirklichk.eit Zllr Atom,,·elt durch Vera1·111u1ig cler unmittelbar gegebe-
nen Anschat1licl1keit und Individualität 1 aber es kann keinen \\7eg
geben, der von der Atom., ,•e1t ,vieder o zur en1pirischen \1/irklichkeit
zurück.führt, daß er m el1r v o11 il1r begreift, nl. eber1 in den Begriffen
von diese r Atorn,vclt ont.halt.en ist . \,Vie "'·ill n1an aus ei11cr rein quan.-
titativen w·ctt jcrnals die QualilüLcr1 ,,,iedcr hervorzauber-rt, au denen
die lnui,lidualitäL und An"chaulichkeit der \Virklic.l1keit doch auch
besLel1t? Urn zur Atotr1,vell zu kom111en, 1nuß rna11 von allem absehen.,
,va al volle Realität urun il lelba.r ,erlebt ,,,erden kann. Aucl1 ,,,enn n·1an
<lu1·cl1 Al1alyse eine · einzelncr1 F alle!:- ein n1aLhen1atisch formuJierbares
Natut·gcsc tz st1cht 1 i t das 11ot,vendig, denn ~ sollen ja immer nur
rein quantitative, al. o rein begrifflicl1e E le1nenle übri.g bleiben , t1nd es
~ird daher niemand fertig bringen . aus dit?.sen für gc,vis.5e ,vissenscha rt-
licl1c Z,vec ke gc,viß une1,tbc hrlic•1c11, aber im Vergleic h zur einmaligen
anscl1auljcl1en und ir1dividuellc11 \Virl(licliJ,eit sell)st docl1 S(\hr arm-
seligen Abstraktionen den l{cicblu1r1 des kleinsl,c11 Lückcl1ens ernpi-
rischer \1/irk:Jichkcits,vclt l1orauszuklauben. 1 t. c doch sc hon für alle
Zeiten unbegreiflich, ,varu.11\ d ern Begriff die-er einen, cl. h. quantitativ
so und so bc lirnmten Atorn be,,•egung gerade die Qualität Licht untl
dem .Begriffe jener andere11, d. h. q uan titativ anders bestimn1ten ALom-
he,vegung gerade die Qualität Scha ll entspricht. ·\ Vir kö..-incn also
pr-inzipicll nicht eicunal das Spezifische so a l 1.g e r11 c in e r nat11r-
\\'is:se1tscl1aftliclter Begriffe au · d en 1nat hcmat.i cllen Fonncln ph)'sika-
li ·c h „ded uzicrcn ◄ ', u11d auel1 keiner P sychopll)'Sik ,,,ird das je geli11gen1,
denn es is t. gar nicht cinzuscl1e11, ,vie da~ P ychi ehe, "elb t ,venn rn a n
r s dct11 Physi chcn „parallel" selzt., il1m so z.ugt'ordnct. ,verden :-oll ,
daß daraus die Eigc11art de · Psychi 'Che·n at1s der ihm J)a.rallel laufen-
d en q,.1antitativen ph)rs i;;chen R eihe deduziert \\·ird . \\'ic ,vill n 11'\t1
1 \\: lc J<' r 1 c h o i :-:, e H. K o hlt• r 1-unil••rl,a1'l'l'\\"1•i~•· '1.11 g la 11lll'11 l-1Cht>inl .
\ 'gl. ,,·i„l'l'O:'Chnrt und \\' irk lic llkc•i( . 1912, s. 151.

ü1g1taltzado por Goog e


- 206 -
vollends von der logisc he1,i i\föglicl1keit ei1ier natu1"\"Vissc.n.schaftlicl1e.n
Deduktion dieser oder j ener ei11maligcn anschaulichen und individtle)len
EinzelJ1eit der Wirklichkeit. reden?
Um die ratio11alis tische 1'1etaphy ik, clie sich neuerdings in de11
nalur,vi:, en~chaftlich klingend en Br-griff der ,,\i\'clt.fo-rn1el" geflüchtet
hat, und die dem logiscl1en Verständr1is der Wissenscl1aften ir-n Wege
tel1t, a,1ch atis il1rc1n letzten As yl zu v erlreibe1l , wollen \\'IT aber ein-
rnal ganz davon ab ·ehen, da ß vo,n der Atom,,.·eJt kein W eg zur em-
piri. chcn ansch·au,licl1en tand individt1ellen Wirklichkeit zurückfüh1t1
tin.d t111s ferner zu rJcr ahculeuerlichcn 1\nsicht , rerstcigcr1, ,,daß es
in, \V'irklicl1keit keine Qualitäten gibt''. d . h. \Vir \Vo1 len ciru11al annel1-
1ncn, die quantitative Ato1n,,1elt ~ei eir•e Realitä t , in der die einzelnen
Atome ,,·.ie die uns bekannten Dinge selbs Lli.ndig existiere11. \Vir
können dann nämlich z<!igcn , daß sc>ga r diese "''c·l t, di.c docll die denk-
bar bes ten Chat.1ren filr ei11e restlose r1a:tunvissc11schaftJichc Durch-
ll ringung auch d.es Ind,ividueJlen bieten .titü ßte, Lrotzdcm 1aiernaJs für
einen dem me.nschlichen vergleichbaren Geist so erkennbar ,,·äre, daß
<ia bei allgemeiner Begriff und individuelle \Virklichkeit, Na tu rgescb
und ci11111aligc~ Faklum sicl\ decken, und daß daher rticht ciiunal diese
\Velt in ihrern einn1aligen individuellen Ablauf natur,vissenscJ1afL-
ljcJ1 begriffen oder gar b erec hnet v.·el'den könr1te. E ~ ,,,ird ein solcher
'achl>,•ejs vi elleicl1t auch den hart 11äckigsten Begriffsrealist en zu
denken geben , die ~icl1 unter den Anhä11gcrn der nat.un,·issenschaft-
lic}1cn 1\•lcthode heute noch. fir1den 1 und die die begl'ifflichen Produltte
der Nalt11·\vissenschaft. ihrem Inhalte nact1 von d etn lrahalte der u11-
n1ittelba r n-egebcnc11 1 anscl1aulicl1cr1 und individ ticllcn R.eolitä t nic h ~
tanterschcicle11 l<öru1en.
Der Geist , ,,·elcher die \\'eil. d er nt1r nocl1 quantitaLiv bes.Lim1nlen
ALo111e in ihrer .,It1dividualit5L'' erkennen soll, rniißle ei111nalige
'fa tsacl1cn fe t. Lclle11 1 oline irgend etv,1as ,,,ahrzun ~l1m er~, denn der kon-
i:ie<1u nt zu End e gedacl1Le Begriff d er Atom,\·clt, de r allei n der Begriff
einer vollkomn1en durch 111alhe1nati ·cl1 [orrr1uliertc Na Lurgc ctzc er-
kennbaren \Yctt ist , setzt notwendig un,,•ahrrtE'hmbare Aton1e vorau .
Dies allei11 sc hor1 \Vürdc also gcn(igc11, un1 zu zeigen , daß eine J( ennt-
nis drs 1nd ivid ur llen i11 (1 er ALorr1,velt sicla n 1it k!!irt('r clc-m :\1e11::.chen
zugflnglicl,cn Erken11tni verl.riigt. Aber n chnlcn ,,1ir ci11n1al üllt es
sei 1nü••lich 1 zu cine1n h cst in1n1lcn ZeiLpu11kt die bc Lirnr11te Lage eines
be ti1r1111 ten .i\Lor11s als einn1,iligc inctivicluellc 'f nl.5 i.'1.che rest1.l1~teller1 1
,vn. 11 ,ü ßtc n1 nn t.1.rn, tiru c.lic."e i11<livillt1cllc 'l'al.~achc auch al • eine g,e-

ürg,t~hzado por Goog e


- 207 -
seLznläßig not,"·cndige zu begreifen? Der erkennende Geist , so sagt
n1an; müßte nact1 Fom1e)n st reben , in d en en ,tdcr Zustand d er \\' elt
\\'ährend eines Zei tdifferentiales erschiene a ls unrnittelbare \\' irkung
ihres Zustancles \Vä hrend des v orjgen und als unn1itLelbare Ur; acllc il1re,5
Zu Landes ,,,äb rend des folgenden Zeit<liffer,entiales". Aber at1Cll diese
Formeln blieben als Formel11 d och immer a l l geme i n , und es müßt e
ihnen daher erst ein ii1clividuelle r Weltztistand unt ergeordr1et sein 1 ehe
sich ein and erer individticller W eltzus tand n1it ih,r er Hilfe berechnen
ließe. Dies setzt jedocl1 voratis, d.a ß cler erkcrmcnde Gei t. die indi-
,v
viduelle l .age a 11 er Aton1e ä h r c n d e i n e s Z e i. t d i ff e r e n-
t i a I s im einzelnen als T'a l'iac}1e konstatiert hätte, und das diirftc
do<: ll wohl scl1on als ei11e Leistung betrachtet "'·erden , die von de1l1,
,vas ein mcn_schlichcr Intellekt je zu tun verrr1ag, sict1 nicht graduell
sondern prinzipiel l untersc heidet . \i\'ir sehen also, daß nicht 11ur
die e111piri ehe \~/irklichl(eit in il•rer Individualität uncl AllschauJich-
keit fü1· \Jns nat11nvi ~enscl1aftlich u_n_begreiflicl1 i- t, sondern daß
nic ht ei1uc1al f ür die als R ealität gedach te B e gr i ff s w e 1 t der
,.,letzten' ' att1nvi ~e11Schaft oine natur,,1is~cnschaftlicl1e Erkenntni
des Jndividue]lc11 n1öglich ,:,,.•äre, d ; }1. es können die Gren_zen der
natunvis::-cnscl1aftlichen Begriffsbildung aucll clann .-ücht geleugnet
,re·rd en , \\·enn als Objekt der Erkc11ntnis eine \ Veit geset zt, '"i rd,
in der die de11kbar güns tigsl-en Beding11ngen für eine Annäherung des
sich in natt1r,vi:; en chafUichen B cgrjffcn ,bc,,·cgcndcn D cnkc_n an
die Indi,,idualiUit der Objekte gegebe11 sic1d.
\1/ir be haupten dabei noch nicllt ei1unal, in de111 soeben Aus-
gefiihrtcn scl1on n J I e nmöglicbkcitcn nt1 fgcclcckt Zll l1aben, die in
{lc1n auf die Ato1r1i Lik ge t(1 tzten Gedanken eir1er Weltfor1nel Utl<l
einer natUl'\\'Is~en cl1aftlichcn Erkenntnis des Einmaligc r1 e.1r1d Jndi-
vidu•e llen st ecken. \\l'ir treben l1ier e ine Vollslänc.ligkeit d er i\ rg u-
mer1t.e nicl1t an, ,veil schon das GesagLe genügl, um das z.u zeigen,
,va ,vir bra11chen. ~la, e.. enthält boreits sehr viel mehr, als. nöli{;
i!:S t.1 dcttn 11ach aJJem, \Vas ,vir Ober die Bedeutung des Alombcgriffes
attsgeführt l>abcn , gel1t es gar nich t :in, clie Atome i1n rein logiscl1crt
inne so i.u b etracht en, ufs ob, sie in der '\ 1/cisc ,vic tlie uns hckannLc11
anscl1aulich •tl Objekte ihre incli\1idt1elle Existcuz haben, cl. h. <':-i
i t ni cht nu r l<.e-i11e Erken1\t11i,s für den l\fenscl-1e11 clenklJar, die jed<'s
Atom 1.u jeder ZciL au ffaßt, sor1dcrn C:i läOl sich auch mit d en \.VorLen
,,jedes Atom zu jed<'r Zeit'' über.ltau JJt kei11 Begriff verbitlden, <lcr
in ei11er logi5chcr1 nLersucht1ng v on po~iliver Becleulung ,verd en

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- 2f)8

karu!. A11 ,ii('setn Grunde 111üssen \Yir aucl1 den Gedanken einer
ei11deutiger1 Zt1orclnu11g der 1"\ tornwelt zut· in<iivid uelle11 empiri..,che11
\~' i·r klichkeit aufgeben und eben o den Gedanken einer eindeutig,e n
Zuord11u1ig des Physischen zu1n Ps·ychiscl1en 1 ga11z abge eben davo n,
daß eine Zuordn ung d•es Quantitativen zum Qualita ti"'en im ein-
zelnen für irnmer uribegreiflich bleiben \\'ürcle. Nicht nur der Ge-
da11ke cir1er 11atu1'\,'isscnscl1aftlichen ErkcnnnLn is de1· Individualität
eines quantitat iven Weltganzen sondertl schon der Gedanke der
natur,visscn.schaftlicher1 Erl<enntnis eines eirizigen individuellen Atoms,
,venn inan von einem solchen "Unding" üb erhaupt reden v.·ill , .schließt
einen Jogi ·clion \iVidcrsprtlch ein. \'' ill inan aher von einem solchen
Unding nicht rcclen dann kanr1 voller1cls \>'On ei11er Erkenntnis des
Einmaligen und IndividueJlen durch die NaLt1r,vissenscl1aft keine
Rede sein. Im übrigen läßL sich die rein quantit ativ bestim111tr
\'' elt der 1n aLhc111atisc hen Nat.ur\\1issen chaft iiberl,a upt n_iclit als In-
dividuum denken, so lange ,vir unlcr die ein \Vorte das ver teher1 1
,vas jede crnpiriscbc Wil'klicl1keit zu cine1n lndividut1rr1 ,nac ht: die
niemals ,vicderkeh1·entle Einrna)iP'keit ur1d B e,onderheit dieses oder
j eno · realen Vorganges.
Doch, ,vie ct1on a11gcdeulcL1 bra uchen ,,·it· <lie ·c AusCulirungcn
gar nicht, un1 die Un1nö 0 l1cl1keit eine,· 11.att11"\vis··en chafl-licbe11 E r-
kcnntni d~ IndividueJlen darzulun. EL 1äl3t sich auc l1 ganz una b-
1,ängig von ihnen ieiger1 1 daß, geracle die u11,ra send ·ten Gesetzcs-
bcgrirfc [(er Natur,\'i3Senschaft jede11 Si11n \rerlieren, sobald wir v er-
suchen, sie so zu bc ti n1men 1 daß sie auf die El'kcnntnis inclividueller
\.\-'irklichkeiten an,ver1clbar sind. ~lt1ß n1an 11ä111lich z,var at1cl1 sagen ,
daß das '''eltganze eine einmalige individuelle und in cinen1 ci.11zjgen
Ent,vicklungsgango beg riffcnc '\' irklichkcit ist, und kann ir1sofcr11
das rletlkbar urnfassenfl ste Objekt der Natur,vis.scnsclJaft ein Indi-
vid ,1um genannt ,verden, so komm t doch die \,\ ..irklicl\kei t rar die
1
att1r,vi~ cnschaft als diese ein1nalige inclividucllc ur1d in einern ein-
zigen Ent,\·ickJung ~gange begriffene Wirklicl,kcit nicl1t cinn1al als
das 1\1 a t c r i a 1 , clas ie ztt bea•rbei Ler1, hat, i11 Bctracli t. Für dieses
l\(atcrial als solche:; ,v(irde si gar keine natur,\•issen.scltaft lichon
Begriffe bilden können . :\·Jan braucht nur daran Zll cJenkon, daß es
unn1öglich i-t, ct\vns über ,Jie quaril.itative E 11dlichkeit O(ler Uncr1d~
lichl<cit der ,~l e[t z.11 s ::igc r1 , t111.d inan icllt sofort ein : der Satz von
clcr Erl1alturtg der Energie gilt, für <l as Ganze n.icht, Calls es a ls t11tbe-
grenzL a11g c n o r1111}Cll \,·irc.l, denn dann verlicrld r Brer-riff der E11ergic-

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- 209 -
crhaltu11g jeden Sinn. Er paßt nur auf einen bcgrifflicll i o l i e r t
gedacl1ten, begrenzten Te j; l, oder genauer: er gilt für da \Veltganzc
lediglicl1 inso(el'n, al: es auf jeden bcliebigc11 sei11er b egrifClich. iso-
liert gcdac l1tcn ·r eile anzu\ve·n cien ist , die dann aber n icht. als in-
dividuelJe SLücke d e" individuellen Ganzen sondern 11ur als Exe1u-
plarc des a llge1ueinen OatLung ,hegriffes \Virklichkeit.steil überl1aupt
anzusehen sir1d . U nd gen.au dasselbe läßt ich auch \l'On d em z,,•citen
l-Jat1ptsalz der 1't1ermodynamik 1 von dem soger1an11ten Entropie-
atz zeigen , der e benfalls \Veit da"·on enlfor-nt ist, ein Geset z für der1
einn1aligen individuellen \ 1e rlau( des \Veltganze11 zu ein. F~iJt
,,\i,' ärmet,od'' kann immer nu1· in eir1em begrirflicl1 isoliert gcdachte11,
begrC'11zLen SLücke der Wirklichkeit, nicrnals aber in dem 11nbcgrenz.L
ged ach ten Ganzen ei11lreLcn1 u_nd zugleich wird das Stück der \\'elL,

at1f das man den Satz der Entro pie bezieht, von der Natu1"visse,1scl1uft
auch in dieserra 1-"'a llc 11ur als Gattung. cxcmplar fü r irgend ein b e-
,
greru.Lcs SLück der .k örperlichen Wirklichllcit üb:erl1aupt , nie111.als
abet· in. sei11er Ind ividualität betracht et 1. Woll te a1an a lso auch nur
die quantitative , 1 Individualität'' der \Virklichkeit n1it allgerr1einen
n1ath-ematisctl formulierten Ge etzen berecllncn ~ o miißte man von
ei nem individuell be:-ti1n1nten QuanLum da .b ei in detll Sinne a us-
g ehen, daß dieses zugleich d ie ciwnalige und ind ividucilc l)crsöruich-
keit desjenigen, der die Berechnung an~tellt , mit ei nsc hließ·t, d . l1 .

man müßte cine11 bcsLiu11nt.en Zeitpunkt an11ehr>1 en, clcr rr1it einem
von der Gescl1jcl1te durch Ja hrc~z.ahlen bestimmten Zeitpun kt zu-
sa1nn1enfäll,L, und es bedarf ,,·ol1l keines acl1\vci es, da ß in natur-
,,,i. scn~ct1aftlicl1e11 Begri!Ccn eine so leite Chronologie, ol1ne die 11icli l
einrnal die ,,Individualität" der zcillicl,en Besti1nmung a ngc:acbc11
,verdcn knnn, nicht v orko1n rnt. Fül1rt mar1 d e11 Ge,la nkcn ei11cr
Berechnung des l ndividt1ellen ,vir l{lic b durch, o zeigt, sicl1 nicht
allein , daß ie nur 1niL Rüclwicl1t a uf dio Quantitäten der1kbar i~t ,
al-o die cigcnllici1c, crualitativ bcslilruT1Lc unscbau}iclic und , 1 i11di-
vjducllc' ' Indi, •id ualitäl ller en\pirischen \\'irl<lichkeiL ganz bei-
sciLe läßt , so11dern e lritt, a uch zu1,<lejch l1,er\'Or 1 \vie v.·(•nig die 11a'L11r-
,,,i scnschaftl iclie Begri ffsl)iJd ung ö"'Ur 111il dieser le<liglicli qua 11li-
taLiv be~lin1rntc11 ,, I11d.i,,iduafiläl" zu Lun hat.
Doct1 br·aucl1en ,\·ir alle die c Gcdankc11 11icht weiter z t1 ·v er-
folgen, denn für uns kon1mt es ntJr dnr<luf 0 11 1 daß di e e n'l pi r i s c 11 c
~-----
Aus füh rl icher ha l,e ieh llil's grzeigl in rncin.-r . chri(I: J, ullur,,·i.-:~"fl"Chnft
1

uncl ' o.lur,vi •i,en~cll;irt, 2. ;\ uri. 19101 ~. t t ll rr.


lt l c k o rt , Orl.'nie11. 2-. Au O. 14

ü1g1taltzado por Goog e


- 210

\;\/il'klicllkcit iri ihrer Individualil-ät und A1\scl1at1lichkeit 11icht in die


st ets allge111einen B-er.rriffe der NaltJr,vi. senschart eingel1t. Schon
daraus kö nnen ,vir die cntscl1cidonclcn K onsequenzen für d.os \ Vese.n

einer historisc hcr1 Bcgriffs bildu11g od er Dar tellu11g ziehen. Nt1r
das rnuß man ir11 Auge behalter1, daß. v,enn ,vir von de1· I ndividual.i-
täL der em ,p iri cl1en \Virkli cbkeit sprec hen und sie die Qrcnie für die
nat11r,vissensch a ftl iche B cgrif[sbild1Jng nennen , dieser B egrif( nicl1t
1nit <!em cler <.T u a r1 t it a t iv en 8t'stin1mtheat zusamn1enfä llt.
Frei lich i .t ja jed.·c s I ndividuum aucli an einem bestimmten Orte
tt11cl an einer bestitnmten Zeit, und die::-e quantitativen Besti.rn1nthci-
t,e n gehören daher m i t zu seiner Individualität.. Nichts aber ist
v •rkehrter als der Glaube, daß darauf seine. eigcn t:.lichc Individuali-
l.ät betul1e, die es v on al len andern l 11ctividuen untc rsct1,e idet, und daß
man n1it gena uer Angabe des individuellen Orte~ Ui td der in,divid,ucllcn
Zeit a l Je i 11 scl10 11 die l 11di,ridualit.ät selber angcl>cn und besti1nmcn

körme. ur fall.: inan niit Schopcr1l1atter in Rau11l und Zei l tlie ,,Pri11-
zipien der Individuationf' erbHckt und ganz "'ergißt1 ,vas man r11eint,
,venn man vo11 de r Inclivicl11alität d ieses einen , n iemals v,·iedcr vor-
l{ommenclc n W i r k I i c 11 c n spricht, ,Yird man glauben, daß sic h
cl,1rch ei n System allgemeiner Bcgr.ifre, in das h eslin1mt.e Zahlcn-
,,·ertc eingesetzt sind , dje Indj,,idt-1al.i tül eitler e1r1pirischcn Wirklich-
k eit berechnen l.a ·sc, Hier k önnen " 'ir allein d i c se l r1dividualilat in1
f\ 11gc l1abcn, <Jcnn nur ihr e na tunvissenscliaftliche Urtb,egreiflic hkcit
i t, für d ie ~Iethode der bjstori chct1 ,v'isscn ·chaftcn ,ron B t rlc11tung.
Ehe ,vir j edocl, zu dcr11 Begriff <les rlistorisc}1cn seil>. t (ibet'~
gcl1cn müssen ,vir ,d as Verh51tnis d er B..-r.rriffi-bilclting d.t: r •at11r-
,vis.sen. chaft zur \\1jrl(lic hkeil in n och ei11cr underr1 llä11sitht b etrac h-
t en. Auc h darlt1rch nür11.lir:h, daß ,\'ir ut1.er Erg ·bnis in der a11ge0 e-
bt>nf>n \ Vei„e cinI•chrä11ken, d . h. n\tr die e1npiri ·ehe "'' irltlichl, it
in ihrer .f\nschaulichk.cit 11nd Jndi, riduali tä t als Grenze der notur-
'\V.i~senscl1a ftlic'h en B cgrif(s bildung b c1.cif"lincn 1 l1ot t1nsc1· Gcdanl<.cn-
ga11g ff1r vielo seinc11 Ar1 ·c hein v on Paratloxie \vahrschcinlicli 11oc h
in1rncr nicht vcrlo1·en. Gerade ,vcnn ,,•ir den J)l'ohle111at.is ·lten Gegen-
satz vo n bll) ßc-'! r Erschcinutlg t111d ,,·ahrcn1 • ein gaJ1z bej eile la ssen,
,,·ird e~ so aus.:,,clte11. ahs verliere die l'\atur,vissen~cbnft jcclr n Sinn,
j11 1 als crr ·icl1e ma11 cJu rcl1 (1ic naLu,nYü,sen~chaftlieltc Bcgrirrs-
l,ilclur.ig da. Geg,•nl~il von dr t11, ,,·as man lleab, ichLigl. cJbstver-
13tiin<Jlich ist di1•f; nicht un~c rc ) feint1ng, un,J ci- korn,r,t nu n darau f an,
1l('1n Rr•sult aLe un~l'rcr t: 1tter!'-ucht1ng aucli noc h t1r1lt"r r.l er \ 'ora us-

ürg,t~hzado por Goog e


- 2 11

setzung, daß die e1npirische Wirklichkeit. die einzige \.Virklichkeit isl,


mit der die Natun,·isi-cnscl1aft es zu tu n hat, d en J\ nschein von Para-

doxie zu neltmen . Die Gedanken, die ,vir zu diese1n Z\-,·ecke l1crvor-
zul1eben haben 1 ergeben si ch ,vie alles Bisl1erige i,11 wesentlichen
bereits aus den Ausführungen der früheren Kapitel.
Die l\Jeinung, daß eine na tur,visscnscl1aCtlicl1e Theorie il1r Ziel
verfehlt , \\"Cntl es ihr nicht gelingt, die \Virklichkeit selbst darzustel-
len, so ,vie sie ist , ka.n_n nur unter der Voraussetzung eines ganz be-
stimmten Erkennt ni s b eg r i ff e s entstet1cn. unter d.er Vor-
a ussetzung 11ä cnlich, daß da · Erkennen die Aurgabe t1abe, die em-
pirische \\'irklichkeiL a b, z u b i l d e n. Ein Abbild ist elbstver-
ständJicl1 urn so vollkomn1enier 1 je mehr es dem Original, so wie e$
,,·irklich i s t 1 gl,eicl\ kOmmL. \Vürc dal1er die Abbildtl1corie richtig, so
hätte die Natur,vissenschnfL die Aufgab e, die empirische Wirklicl1kcit
auch in ihrer Anscltau·lichl~eiL und Individu alität zu reprodt1ziere1\.
f
Darf aber das ,•,risscnsc ha(tlichc Erke11nen dem 1-\ llbildcn gleich- r

geset zt ,ver<l en '1 Die Frage isL cr1tsclliede11 zu verr1ci11en . Gege11
di ese Auffassung d es Erliennens ,varen unsei-e bi.., l1crigen Au rolJ- .•
rungen clJenso gerichtet ,vie dagegen, daß die Nat11nvissenschoft
das Anscl1a1.,tlicl1c u1t<.I I1uJ.ivicl uello in i'h ro Tl1cor icn auf nel11nen könne.
E s lä ßt. ~icl1 von ganz allgcmcine11 logi ·chen Gesichtspunkten
aus zeigen, daß, \-\leil jecle Erke11ntn·i.s als Urteil at1.ftreter1 rr1uß 1 e,
ganz un rnö-glich i t, daß sie ein Abbild gjbt, oder daß, ,.vje 111~1:1 ich
auszudrüc}{c11 p(legt, die \\.lahrheit der Erken_nl{lis i11 der 11 Ueber-
ein. li1n111u.ng d er V o r s t e 11 u n g mit ihrem Gcgcn., tancle" bc~teht.
Z"·ischerl d er \\firklichkcit und den, Gc>halt der · rtoilc, die über sie

gefüllt ,,·,e rd en , kAnn n iernals ein Vcrhliltni ,vje Z\\ isc lte11 Orig inal
1

utul Abbild bcslchcrl. \Vo.111 i ·l es rr, ö~rUch, durch eine bcsotldere 1\ rt


von Be. clireibung auch r11 it Urtcil c11 die \Virkli chkf'it so rl;1rz11stcllcn,
daß ,vir eine Art ansc h::.i uliclies Bi I d vo11 ihr ge,"in11er1. Nur ist eine
~o lche Be ch.rcibu11g nie111als n:1tur,vi~senschaftl,ich, ,,·ie ,,•ir nus-
ft1h l'lich gezeigt t,aben. Die friihcr •11t,,·ickelte Beg rifr. tlieorie . eil •int
dnl1er gceignet1 die Abbild tlu~orio grilndJir.11 zu uulergrab en. Die
aturcrk:enntni:s k a.rtn irr, ,ner nur ei1le Bearbcitt1ng und Um fortn\lng
d er etl\J>iri che,o \\' irklichl{eit vorn<'hrner1 , ,veil d as Ganze dieser \Virk-
lichliei't sich überha upt ni cht abbiltlen lüOt: das Unübersehbare
abbi lcl •n \voll en, is t ein logisch ,vidcr.-;ir1nige · r1t crnehn,..-n . Jn der
Tat hä tte die Natur,vissc nschaft bi~hcr r1ocl1 nichts gclci:;;lct, ,venn
d a:; at.urcrkcnTicn atLS oinetn Abbi ' l<.ler1 tler \ Virklicl1l<cit besUi nc,le.
14 *

ürg,t~hzado por Goog e


- ... ')...,
'>l -
Gibt man aber die Abbildtheorie auf, ~o braucl1t das Erke11nen durel1-
.aus nic'11L dcsllalb ,-vertlos z11 sein , ,veil es den Inhalt der \iVirklichkeil

sclb.sl. in seine B-cgriffe t1icl1t a u(zuneh1ncn vermag. Aus de11 beidc11
Sätzen, d a ß cincrsei~ die \-'lirkl i,;hkeil uris überall als unübersehbaro
~l annigfaltigl{cit er1LgegcntritL, und daß and ercrseiLs eine natur-
,,,j senschafllicl1e Theorie u1n ·o l\öher steht, je mcli r ie diese U n-
üb-ersel1barkeit übe1·,vu11d en u11cl damit das lrratiouale r11tior1al ge-
1nacht l1at, folgt als völlig ·clb tverstäudlicl1 l daß ei11e nalunvissen-
schaftliche 1'heurie u111 ~o "·ollko1nl11ener i t, je " ' e n i g e r von der
t1nmiLlclbar gegebenen und unübersehbaren \\i'irklichkeiL ihre Be-
griffe enlh-altcn. Das Erge.b11i · un erer U11ter~ucht1ng n1uß, obald
n1nn sich hierüber klar isl , seinen Anschein von Paradoxie zum größ-
t en Teil schon verloren t1aben.

Es ,,,ird ih·n , röllig ver lieren, sobald ,..,ir nur nocl1 einen a11dcrn
Gedanken auscirück.Jjch 1lervorl1cbcn. Nch1nen auch die Begriffe der
Natur,vissc11!$cl1aft von dc111 l rthalt der unmittelbar gegebc11e1.t u11d
unübersehbar- n1annigfaltigcn e:mpirische1l \ Virklic11kcit nur ,venig
.auf, so stehen sie selbstvcr;gLändliclt in engster B e z i e lt u i1 g zu
djescr Wirklicl1l<cit unci sind ,vcit davor1 e11tfernt1 -e lv,•a ProdltkLe
d er \ Vi llkür zu sein. \\ iit· haben ja. ,viederl1olt hervoft"tchobcn , daß
-die b I o Oe ' ' ereiniachu_ng der \\'irl<licl1l<uit durc'l1 Begriffe mit ,vissen-
scl1aftlict1er Bcg1•iffshildung nicht zusanm1enfä llt. So entscl,icden
,vir den Gedanlten ab,veisen , daß cin-e Betrachtung der \i\' irklichkcit
rriit flücl~ icl\l auf das tigern.eine die abbildend e Dar:-tellun.g di.cser
\'Vi rklicl1l<.cit selbst geben ka11n. ro ,vie sie ist, ebenso ent -chiedcn
l1alt.c11 ,,rir· dara11 re·t, c1aß die generalisierende Begriffsbildung der
Natur\vissensc}1aIL nur dann einen Erkenntnisgehalt besitzt, ,vcn11
d crn Allgcmeine11, das sie darstcflt 1 G c lt u 11 g zuliQmu1t.. Die rteuere
Erkenntnistheo rie befindet sic'l1 in Rück~icht auf di es ' ' erh ä llnis
von "'ein uncl Gelten. [.:ist Oberall n<,ch in cirier ArL von Ucbel'gangs-
sta<lium. \ ' ielfach ist ma n ja bcn·,üht, den Bcgri ffsrealisn1us e11-d-
gültig zt1 bc:;eitigen , cler die Begriffe a ls da~ Ctlltige fi.lr Abbil<lca· \ 'On
' "'irklichkeiLe·n hä lt. J\bcr 11icht til)c rall gescl1iel1t, dies 111it der nol-
,vendigcrt l{o nscq11c11z, t1r1d ,,·o ·s cirul1al gescltiel1t, e11Lstcht dann
rr1eist eine ' t.i1rtmt1ng 1 <Jie zu sltept i clle11 Angriffe n gegen die Bc-
d eulu11g ul Ir r \\ ' issct1scl1a ft 1 i11sb1?so11d re clcr Na tl1r,,•i sc11sct1aft,
geneigt rn ac lH:11 1nuß. Der Grt111d dafü r ist leicht zu zeige t\; Es gc~
niJgt 11.icl, L, n,it U C lll pl utoni:;chen Bcg ri rr::ireali:;111 ll S au rzu rallffiCll
11ucl die Begl'if(c nicl1t 1r1elir f'ür Abbilclcr ·von f{euliLiile n z.u halten,

ü1g1taltzado por Goog e


- 213

sondern ,nan rnuß auch , rersucllen, eL,,·as Neues an die Stelle zu


setzen , das die bisl1er erfüll te Leist11n° :r.u übernehmen geeignet ist,
11ä1nlicl1 die "Objektivität/' der Nnt.unvissenscllaft zu begr ünden.
So lange dies nicht ge"cl1ehen ist, scl1eint unter erkenntni tl1eoreti-
scl1cn Gesichtspunkten jed e allgemein begriffli.cti-syst,en1atische "''i-
sensc:h alt l1altlos in cJer Luft zu scl1\veben . Der erkermtnisth eoJ•etische
Net1bau 1 der die Objektivität der (YeneJ'alisierenden Begriffsbildung
rechtrertig t. 1 kann uns hier jedoch 11icht b escltä ftigcn . '\Vir müssen uns
begnügen, darauf hi11zu,veisen, daß an die Stelle d.es Seienden , das
die Begriffe in jhror l nhalt)ichkeit nicht darstellen können, die Gel-
tung zu treten l1at, d ie 8ie ltaben IJlüssen: die natunvissenscl1aflliel1en
B egriffe sind nicht de. halb "''al1r, \Veil ie die \Virklichkeit so, ,vie '
'
1
1

sie ist , abbilden, so.nclern ,veil sie l ü r die WirkJichkcil g e J t e n. .So-


bald sie dies tu n, besteht kein Grund mehr , zt1 fordern, daß sie dje
l
\-VirkJicl1keit s~lbst entt1alten. J a, eine Verdoppelung d.es \\1irklicl1-
kcitsgehalle · d urch den Gehalt d er Begriffe ,,·ürde gerade 11 i c h t
d as lc.isten können, ,vas wir vo11 eir1el" Erke11ntnis der \ Virklichkeit
verlangen. Sie ,vürde al b I o ß o \ 1ordoppclung "vertlo-s sein, insbe on-
dere lccir1e theoretische B edeut ung haben. ~lit der Be._eitigt1ng cles
falschen ,,rahr.heit.sbegriffes, ,,·o nacl1 da, Erkc11nen ein abbildendes
,VorsLellen' ' eir1cr Wirklichkeit. i ~t , 1nuß also e11dgC1ltig jed er chein
von Paradoxie unse1·n1 Ergeb1\i~ geno111n1en. ,,·er{lrn.
I1n Grunde kom111t hier sogar 11ur ein uralt.er Gedanke zu1n
Au druck, tler o \,renig paradox isL, daß r11an ihn viclrnel1r trjvial
nennen könn.te. l,;m den Gegensol.-z dP All 0 ~n1eine1l zum Beso rt-
cleren oder Individt1ellc1t })c\vcg t sich die Logik seit okraLes, 11nc..l
\\'enn ,i.rir sagen, d aß alle .l\nsc h.1uliche und all<'s IIl.dividucllc und
B cso1iderc in seiner IndividuHlität un(I BesoruJcrhcit unbcgreiflicl1
t
( ül.' die gcncralisicren clc 'aLtU"\\'i:ssen ·chafl. ist, so sagen \vjr du,ni t
eigentl ich nj chts Anderes, nls daß du · ,l\l lgemeine nicl•L da.s Bc,::on-
dere u11tl Indivi,d uclle i, t. Eine Bcdeulurtg gc,vi11t1L dieser ·,atz nur
dadurcl,, daß ,vir l<einc „allgeu1eit'1e11 \\1i1·klichkeilen' 1 u1el1r kcnr1cn,
so ndern daß fiir un. alles ,,·jrkliche im Ans hnulichcn trnd Indivi-
<l uelle11 oder Bc.sonricre11 steckt. \Vir ko11nt..cn i.cige11, daß die Logi k.
bisher fast nur d ie \\"i~set1Schaften herücl,sirhLigLe, clie auf eine D ar-
s.tell 11ng des f\ Ilg,.. meitlen g.erichlcl . i11d I und dabei übct·sa h, ,vas
in dieser Da rst.cll u11g verloren gehen 111uß. U rll<' r · al.11r ver. t eilen
,vir die \\1ir klichkeit r11it ntick ic hl auf das Allg~1neinr.. Da die I...ogik,
von ,,.·enigen Ausnahn1en nhgese hen , nnr die ,,·i$J-1('11~c haftli1:hcn Dar-

D1911 11,ado por Goc,gle


- 2 l4 -
sL.ellt1ngen beachtete, die dns Be ondere i111 Allgcrneiuen a ufgehen
las en , so mußte sie ich einseitig zu einer Logik der Natur\\'isseu-
schnft gcstaltcr:i . 111 \\Tclcl1er Ricllt ung die Ergänzung dieser Ein-
scitigltcit zu st1che11 ist , '"ollen ,,·ir nun in1 folgenden fe tslel.len .

I l.
De r 1o g i s c h e .B <! o- r i f f d c Hi t o r i s c h e n.
Fragen ,,,i1; ,va schon a11s den bistterigen Ausftlhrungen sielt für
eine and ere a ls die natur,vissenschaflliche ~lethodc der Da r-stelJung
ergibt, so sehen ,,,ir, daß ztwäcl1st die Einsicht in das logische \.V e e n
d er nat ur,vis ·en scl1aftlicl1c n B egriffsbi ldung fOr diese a11dere l\lethodt?
cler Darstellur,g ge,,·i_se rt,1a ßcn <las F eld frei gen1ncht hat . So lange
man es nä n1licl1 für die f\ufga be de:.s Erkennens hii lL, ein .i\ bbild der
\1/irJ<:licl1l{cit durch Vo r~tellu11gen zu lieferr1 o,lcr <lie \,-\t irklicJ1kcit
selbst ihrem gegebene11 Inha lte n acl1 in die Begriffe aufzunehn1cn ,
muß die Behauptung, daß z,,•ci logiscl1 einand er entgegengesetzte
,vissen cl1a ftlichc Dar.~tcllunget:i, d er \ 1/irklicl1ltejt, rnöglich sejc11,
afs u11anneh1nbar erschcincrl . Iiat die \1/isscnscl1aft abzubild en ,
so kann, ,,·eil nur e in Abbild ric11tig ist , jede ,,·i" ·cnscl1aftlicl1e Dar-
stcl.lu11g nur ein und da selbe Ziel v e rfolgen , 1.1r1d tn:-ofer11 die logische
truktur der Bt'griffsbildung einer \ Vi senschaft dur(}lt il1r Ziel be-
hcrrscl1t ,vird . ka1111 es auch nt1r e in e ~let.hode d er DarsL llt1r1g
geben . Die tnethodologi chc11 Untersc hiede sind da·mt i111mer n\1r
.atJs .sachlichen Eigc1i t(ln1lichkei t en d es ~Iaterials l1 crzul citcn 1 d a~
der Erfor chu11g J1ier die$C, dort jene Aurgabc Lellt.. GibL ina n d a-
gegü11 die .1\bbi ldlJ.1 ·oric in clt n1 ar1gc-gcbcf1c11 inne au r1 so liegt, cli
Sact1e anders. '\'ir habcn d ann einc11 Erkc1u1t 1tisbcgriff, d er lo riscl)e
D i ff o r e n i i e r u n g e 11 in d er Art d-e r Begriff::.hil(lu11g ztd äßL1
o.lu1c d aß dadurch d er "'inn tles E rltc1111e1..s irgcntl,,·ic t;f'Slört zu ,~·erden
bra t1chL. Das, ,va ,,·ir t1ntcr b•~grifflichcr Erkennltlis versLel1en 1
i t d a ni1 -cv e11Luell in r11 eli rerc Hicht ur,gcn ztl s1>altet1, ohne seirtc11
\1/crt cladu1·ch zu ,,erlieren. Die Begriffe LesLchen ja nun aus d en 11
,,·as als ,,,vesentlicl1" <lern ~la tcria l d er E rl„er1nlnis cn lnon1n1 cn
i t, u11d d a rat1f allein ko n1111L e-s bei ih rPr Dedeut nng fiir rlas E rk.enr1c11
a11, d aß ihr I11lialt sic h zu einer llut,vcr1dige111 d. 11. gül Lige11 E i11hcil
zu. arnrn~11 ·chlicfJt... \.\'ir l1al1en das \\ ·e·ct1 der B egriffe ruclil 111ch r
in il1rer F Ultig l{Pit 1 a l)zubi ldt•111 u11d crn lediglich in ihrer Geltung
gcfu11d,.. ,1. Die Gc~1chtsp\ink te, die die A11s,vahl (les , \·c~P11t lit l1e11
und :;eine Zu:;arn ntenschließur1g .z u gü lLigctt Dcgrif[en, al~o d ie Be-

ürg,t~hzado por Goog e


- 2 15 -
arbeitung u11d Cn1fo.r mung der empiriscl,en \\i'irkJichkeit leiten,
b esli1nmen danr1 allei11 den E rkcn11t.nis\\1ert1 11nd es i L jetzt gar nicht
einzt1sehen , ,,·a.rum es eine Bcarbeit,ung und Umformung der \Vir-k-
lichkeit ouereiI1c gllltige At1s,vahl des W escntlicllel'l u11d die Zusam111e11-
fassung des Zusammengehörigen in einer begrif(lichcr1 Dars lcllttng
d es \Virklichen durch die \Vi senschaft nur u11ter e i n e 1n Gcsichts-
pu.11l<t u.ncl nu1· in e in e r Ricl1Lung geben soll. l\tit dern Nach,veis 1 •
1,

daß die Natunvisse.nsch-a ft d.ie Wirkl ichkeit nicht abbildet oder il1rcn
Inl1alt nicht o in ihre Begriffe aufnirnm L, ,vie e-1· ist, . ondern ilm
n acll be timmtcn Gesicht.spt1nktcn in allgen1cingült iger \.\1eisc u1nforn1l, '.
i t ZUllächst a lso die M. ö g l i c 11 k e i t einer , •öllig anders vcrfah-
rcn_den \Vi se11scl1art. gegeben, die unter andern Ge ichtspunkte11 eine
CJ,n fonn uug der "'' irklichkeil v or'TlllTitnt, abe r daru1n nicl, t ,veniger
gültig zu sein. braucht, als die natllnvi~senscl1aftli che Oars t.cllu11g es ist.
Diese ~löglichkeit vcn,·a11.delt sich aber in eine logische N o t- '•
'" c 11 d i g k c i t I sobald ,vi1· re i-c1er nicl.tt uur das \Vc::;e11 1;.0 11tle rn
auch die G r e n z c n der natu r,visscnscl1afLliGlien Bcgriffsbildu11g
ken.11en u11d da rr,it aur Fragen l1i11zu",·eiscn i1nst.a11cle sin(i, <lie zu t,e-
ant,vorlcn, der Nnlunvi se n.sct,aft für alle Zeiten vcr:,agt sci·11 rr1uß. •
Un1 \\'elctte Fragen es sich dabei ha11<lcll, o<lcr ,,·eiche Li.ickc d ie Na-
tur,,·issenscha t, ·at1clt ,vcnn ,vir d as \\'ort i11 dein a1tgegeb<' nen clcnk-
bar ,veitcsten Sinne 11eh nlcn, für i1n 111er i11 unserer Darstell urtg der
\Vil'klichkeit l~i:;c1t rnu.ß, verst.el1t. sich jetzt vo11 sclb~L. Es gibt. eine
F ülle von Dingen und \ tol·gänge n, die uns ni cht nur rr1it, ll üel< icht
darauf inleressieret1, i11 wclct1c1n ,. erhül tnis • ie zu einem allgemeinc11
Gesetz od er zu ci11e 1r1 Syi,Le111 von allgcn1cinen Begri ffen siche11 ,
sondern die un gerade d\1rc h ihre B cso11dcrlteit, Ein111aligh.eit uni.l
lndividuaJit.i:i t von Betlcul.u11g sind . Ceberall a ber , ,,·o dieses Inlcr- I

es.s.c an der \Virl\.licl1l<.eiL v orha11clcn ist, l<.önncu ,,·i1· n1il cl · r natur-


~s Cll chaftlicher1 Begrjrf::J,ildung Taichts anfangf'Il. Das soll 11icl1t
et,va , ,vic irn111c1· ,vieder }1e rvorge holJcn ,,·erclen rl1.u 0, l1C'ißc11, daß
oinrnolige und individuelle Obj ekte ::ich überhaupt llitlil natur-
\\' i sen, cbaftlich tlarstelle11 la:, e,1, es ~ II vollenJs nicht die Bcdeutur1g

d er 11~\t\1r,\·issenl-,i; l1afll ichr n Dar.:,lclJt1ng hcrahs ·tzen ~ nd crn nt1r


ih re Eigenart und dat1\il allen::lir1g:. auch ihre Einscitigl<f:iL deutlich
1nacl1e11. E s suli zu1t1 Bc,vu:Ot.sci r1 bri1tge11, <l.~u eir,e \,\ ' i~senscli aft
von dem, das sicl, an keinr n b<>,.s tin1n1ten Ort urid au L<.ciri:e bc liu11ntc
0

Zei t kuüp{t i:.011d er11 .allgcc11cin 1 also üt,erall u11d für i111111cr gilt, ~-0
bedeutung~voll sie für di e Erkcnnlr1is tlcr Nat ur at1ch ·eitl 1t1ag,

0191 lt ado por Goog e


- 216 -
nichts darijber saget1 kann, .,,.,·as an be.i,tio1mten Stellen des Ra\unes
,1nd d er Zeit exis tiert, \.\'as es nur ei11mal hier oder dort , jetzt oder
dann gibt. Wolle11 ,vir et,,·as Ober die Ein.1l1aligkeit 1 Besondcrl1eit
und l ndividunliWt des \Vi rklichen ,v-issen, so können \\'Jr u ns nicl1t
an ,ei11e Wissensc haft ,,·end en, d eren Begriffen das ,v.irliliehe Ge-
schehen in seiner einn1alig·en lind individuelle11 eben o ,vie in seiner
anschaulicl1e11 Gestalt ung ei11e Grenze setzt, sondern, fall. es über·-
llaupt eine Darstellung der \Virklicllkeit mit Rücksicht a.t1f ihre Ein-
maligkeit und Individ ua lität geben soll, ist dazu eine \\'issenscl1aft
erforderlicl11 die in cler Fonn ihrer Begriffsbitd11ng von d er Natur-
\vi "Ci l chaft logiscl1 in ,vescntlichen Punktc11 ab,veicl1t. Die logische
SLruktt1r dieser \t\ isscnschaft kennen zu lernen, i}lre Begriffsb ildung
gegen die jeder Na Lunvissenschaft abzugrenzen und dad urch das
J>rinzip für eine logiscl1e Einteilung der em piriscl1en \Vissenscl1arten
zu ge,,·innen, ist v o11 jetzt ab u11sere Au.fgabct die sich u runittelbar
an die A11fzeigung der Grenzen d er natur,vissen:ichaftlicl1cn Begriffs-
bildung a11schließt..
Um fesl.~ustell en, ,velchen N a 11J e n oi nc \Vissertschaft , die auf
cJas Einmalige und Individuelle gerichtet ist , 'ivird Iül1.ren müssen,
ist nur noch eine ei nfache Ucbcrlegung 11ot,vend ig. \\i' ir erin11em
\,;cder darant daß, t:1lle ernpi,·ischc \Virkli ehlccil s ich in R at1rn un-d Zeit
befi11clet. O\Veit. die Dinge nur Exernplare a llgcn,citler Begriffe sind,
ko1111r,t es auf d n be. Lim,nlen Ort, an de111 sie sich befin<len 1 u11d auf
d ie bf!sLimmte Zeit, zu der ic •Xi!-f. licren , rtir ht an . Es gel,ört zun1
Wesen de:- riutur\,·i ·scnscl 1aft-licl1en Begri[fe-. , ,ia ß er Cür Objek te gilt
die on ·vcr:;chietlenen Ül'le11 t111d z11 ,,er::-rhicdonen Zeitcr1 sitid. Das
f~ir:,n1alige un{l l ntlividt1ell e dagegen i t in1111 cr ntir an einem beslir11n1Len
Ort und a rt eine1· br.:;tin1n1l.cn Ze il. D ie rä umlic he Desti1t1111tl1 it ist
in rlie!lern Zl1samn1cnh ange 11ic.hL ,\·eiter V f)J1 Be(lcutung. \\To hl aht>r
•e rgibt sich ::ru· clcr Zei tlichkeit all<'s \:\1irklichr~n eine Eigentürnli h'k cit.
fOr dje ei nr11aligcn untJ jr1(livi(luell.,.11 R.e.-i litfiLe11, Llic zu beachten ist..
Nelun en \ ir das \\fort ,, Gcgr r1,\1arL'' j,n s Lr<' ngrn Sir111e, o l<otn111en
d i:e Obj cl~te al:-: gflg1'n\viirtigc f ilr <1io ,,,i ~~ 1l!-le' ha rtl iclic Errorscl1 ung
ihrer I11cl ividual iLki t. u11d. l~in,nal igk:cit, ni cht i11 Betracht. Sie 1ir.gc11
irr1rnr:r schon• in d er \ · c I' g a n g e r1 h e j l. , t~d Z\Y:)r 11in1rrtl jl,r
Sein doi·l •i11c bC":1tin1rnt,~ Zci lstrecl<c c;!itl. Die 1-., rag('Il, di,c si<'h auf
die eir1 rni1lig(~ unci individuelle \~·irklit hl,eit bczi<"J1e11, n11is~cn cl.:.iher
i nuncr ,lir Form nnni'hn1r11 : ,,·as ,,. a r f r ü h e r in (l ·r \,\ ielt, Utltl
,,•jn i~t rlas . eicrirle ei11111al ge\,·orJ en? l(urz, die \\+"i:-i-Pn. cltafl, von1

ürg,t~hzado por Goog e


/
-\ ·i17 ::_
, __.,,,, /

Einmalige11 und Individuellen jst, n otwendig die \Visse11 chafl v on


dem in d,er Vergangenhcjt, abgelaufenen Ge s c h c h e n . Als Namen

fOr sei1te Darstellung aber bietet w1s die :SpJ"act1e 11ur ein einziges -
\\fort.[ Alles, ,vas uns v on der Wirklic hkeit . elbst erzählt, und ,vas
aus de11 angegebenen GJ'ünden von dem einmaligen ind ividuel.len
Geschel1en an bc timml.cn Stellen cles :Raumes und der Zeit beric htet.,
nenneu ,vir Ge s c 11 i c h t o , und wenn es dal1er eine \Vi · ~c11scllaft
von dem einma ligen und individ1tellcn Geschellcn geben ~oll , . o ,vird
sie Geschic hts,visscnsci.1alt heißen mOssen. An die Gcschici,te ,vcnden
,vir uns Ober-all, ,vo un-:.er Intere"!le durch die Natur,vissenschaft nicl1t
befri edigt wird] Sie allei11 kann die Locke ausfalle11, die die NaLur-
' f
,vis ·efüJcba(t in unsern1 \\7issen lassen n1uß, inden1 sie alles Indi- •

viduelle als . olclies aus ihrc11 Begriffeit aus ·chalt,et. l Die Ge::1chic}1tc
bctracl1tet <iie \\1irklichkeit unter einern v öllig andern Ge ichL-:.punkt
und bedient siet1 daher 11ot.,vendig aucl1 einer völlig andern ~lethode ,
cle r Dar tellung und Begriffsbildung.] W orin die-~e ~le thode im Ein-
zelnen besteht, ,vic sie das Wescntliclie aus cler '\.' irklichkeit so aus-
,väl1lt1 daß d abei die Individ ualit.öt •df's einn,aligen Ge.,.chelic1ls er- '
halten bleibt, und wie zugleich dieses \Ve:,cntlicl1e zu einhcitlichc11. gOJ-
tigen Bcgrif fe n zusa1nmengcschlo::.. cn ,vird, da. ,, ,erden "vir Cl'st ,
später zeigen können. Daß aber der alJger1,eirt~Le leite11de Gesich ts-
punkt der Gcscl1ichts\vi s:senschaft von dem , der Natur,visse nscl1oft ab-
,voich t , ja ihr logisch entgcgengc~etzL i ·t 1 clas läßt icl1 sc hon j-cl zL
fe tstcllen[ Die Gcsc,hichte ka,n n1 at1ch als \\' issenscl1;\ft, die '\Virl<lich-
keit niemals miL Riicksicht au.r d.as A 11 g e in e j n e orid crn i,n m ~1·
nur m it Rücksicl1t auf dtiS B c so n d c r c ur1d I n J i v i d u c I J c
darzust.elle11 ver uchen. Da-, l11dividuelle t11u.l Ei11n1alige ist allein
,v i r k 1 i c h g e s c h e h c n I und n u.r eine \,\'i~se11sclta fl, ,~el'cl1e
von ei ern ~inr,1alige n '"irklicl1c11 Ge~cltel1ett sel}.>st rcdcL, darf Ge-
scl1ichts,\'isi;cnscha rt genannt \verdcnJ
Vi el scheint allerdi1,gs hierdurch 11ach dein. ,vas ,,,ir frü her a u. -
gefü hrt haben, fil r die logiscl1c Gr11ncl lt"flu ng der Ge: chichte als ei ner
beson<ler n ,,, i ss e n s c h a f L. 11oc h ,nich,t ge,,·onncn z'u srin. Die
Anlianger der nat11r\Yisscr1 ·chaftlichcn , nivcr~alrncLhode ,,·el'den
vi elleicht sagen, <la ß gegcr1 die. e Beg1·iff::-bcsli1n·1nu11g nichts eir1zt1-
,,venllen sei, daß aber ge ra de durc l1 sie der Ge:3c hi chtc d er Chara kler
der \Visscr,scho ft von v ornelte rcin. Unll für alle Zeiten entz<;gen ,,·erde.
\,\ fohl sei die Bet.rachlut1g dtr \\l"irlcl i41tl<eit, al:$ Nal,ur, d. h. 111i t Rück-
·icht a uf <l as Allgen1r inc, ciri.-:eitig. In cli<>ser Ein;-;,~itigk.cit be ·Lel1e
//

ü1g1taltzado por Goog e


I
- 218 -


\ abet elle11 das \\"esert der Wi s ~ensc h·aft über·liautlL, denr1 da: bloße
K onst.at,iere11 von eininaJigen ur1d i11dividuelle11 1"'aLsnchon in ihrer
Einn1aligJceit und Be ·onderlieit könne höchsLcns als \ rorarbc.it für
die "\,\Fis~ en::;chaJL gr.lwn, und darat1f k.omn1e es clJen an, die einseitige,
ge,1eralisicrcnde :\leLhode eudlicl1 aucl1 auf d i e GegensUi.11d e anzu-
\Vendcn, die 1t1an bisr1e r n u r hislori c l1 bet1andclt, d. 11. in ihrer Ein~
maligkeit und Individualität als bloße Talsachen konstatiert hat,.
Sc hopcnhauer, der ilt der Neuzeit zu clcn erst en gcl1ört, denen der
UnLerschicd z,\.·iscben atur,\.·isscnschaft u11d Geschicbt.e in logisc her
Hinsicht völlig klar ,var, bc11ulzt <l enn auch, ,\·ie ,vir bereits c1,Yä l1r1-
tcn1 dit~ e l(larhe.it nur, um der Gcschicl1te den Cl1arnktcr ah; \ Visscn-
scha ft abzusprechen , ltnd das hat ma11 immer '"·ied.cr von ~eue111
getan. Gerade \vcil sie ei11e \\ri!)se11~chaft vo11 l11di id uen ,\·äre, ,vie
Scno1lenhauer sel1r riclttig be111crkt, ka1m sie seiner An~icht nach
keine \\' is ensc·h a(t sein. \Vir meinen jedoch n_i chL, da ß dieser Eir1-
wand eine \VCSentliche Bedeutung bc. iLzt, und da eine k ö nnc11 ,vir
scl1011 jetzt snge11: sollte man es fü r ricl1t_ig bulLcr1, daß nur die \,'4is-
sc11sc haft. vor11 t\Jlgrmcinen in \\ra Jlrl1ci t \v'issenscliaft i L, o dürfLe

i11 k e in e ,. \•Vei~e d ie Ge~c hichtc al · \Visse11sct1att gelLe11, vrie Scho-
penlLauer da. kon.sequc1tLef'\\:eise auch glaubL. \ .'on di e s e r ]--'rage
aber se hen ,vir h.ier zunäch::L ab. \Vir "';ci~cn da ra:uf allei11 hin, tlaß der
Nar11e Gescltichtc nur für eine \\' i~en chaft ver\vcnd.ct ,\·erde11 darf,
d.ic uas von d e 111 bericht et , ,,·a als ein111uliger tutd iudiviclueller \ ror-

: gang ,virklicli gesc hehen ist. All e Gcscl1i chte hat sicll diese Aufga be
t
• •
• gc~t(:llt un•d l ul es l1cute ohne jec!c Ausna.110,0. • uch dicje-11igen. die
bct1aupten, e 1..-1.üßtc fli e Gese ltiGJ1te z.un1 R nng~ einer vv'issen~c·haft
1

daclurcl1 crl1obcn ,,·ertl c1l, daO sie cla:; \ ·erfahren dcl' Natur,vissen-
·chart nachahrn.e, arbeite11 laL -äcl1lich 11 i c ll t r1ac h clcr ::\I1!Ll1o<lc
clcr 11.~Lur,vis cn-sc haftlicltcn Dor1'1l<'llung, ~onclern auch sie bü,richlcn
,ro11 (lc1n 1 ,va:ö ci11 n1al gcs.c hche11 ist, i.tr1d ,,·a$ c.ich in ~ein."r In,<l i,;j_
<lualität 11ie ,\·icucrltolt. Nac hd cn1 \\'ir die Gre11zcn c:ler 11atur,vi~~cn-
scl1aftlichP.n Begrifrsbildung kc11nen, ,,,isse11 \vir, <laß die a tl1r-
\vissen:-chaft die Au fgabe der Gc.;;c hic ht \\'is~enscl1aft n i ch l löscrt
kann und <lies gcnii g'L uns . Irgend oir1cn 1'eil d. r genera)i~iere11<len
\\i'isse11:-l;ha ften 1 d ic sicll ·c.·lbsLv·crsl,ä 11clljch aur alle T Pile de r \:\f i rJ<l ir;l1-
k.f'it er"L.reckcn könn.en, al s 11 Ge·chj<•h te· 1 zu bczeicl1J1cn 1 t"t·sc,l,cir1t
al ~ ci11e ganz ,,·illkürlichc Ter1ni11ologi '· ,, ·ir setze11 hier vorau · , daß
Ge c hicl1te gctricbcrl ,, crdun soll als \Vi:-sens1.: l1aft , ·0111 einmaligen
u11d i11divi-1.lt1t llcn ,,·irl{liche11 Gc~c hel1er1 1 ,,·t>il nicht nur das Allo-c1nei11e
0

ürg,t~hzado por Goog e


2 lf>

sonder11 auch da Indi,,iduclle oder Be.sonde re ein Gegenstand des •


., ••
,

,
• 1 , •
,viss •nschaftlichen lntcre es ist. Ei n solcl1cs ,vis8en chaflliclac:., 111-
teresse von vo,rneherein al u11\vissen chaftlich ab ·ch11cidcn zt1 ,vollen,
st:heint ftJ.nzlich dogmati~c h und ungerechtfel'tigt zu seilt.- \,\ri1· leben t
'
in1 Individuellen und B c~onclcrcn, und ,vir si'nd ,virlilicl1 nur als In-
dividue1t. Dct· Be,vei , daß das ,,,i ~senscl1aftli.c.hc l11tcres:;e .am Ind i-
viduellen unhcrecl,tigt ist , müßte erst gefiil1rt ,vcrcJen. Solange das
nicht gcscl1clicn ist, haben Beha.uptt11:igen ,vic die, daß allein da , All-
getn eine Gegenstand einer ,visserischa(tlichcn Darstetlur1g sein dürfe,
keine B~d•e\1Lung. S.ie enthalten eine pctitio principii chlimms tc1· Art,
der man i11 clc 11 rfh corien der „natur.rissc1u,chaff.licltcn Historiker' '
allerdjng~ rech.L liä ufig begegnet, die aber noch 11ie1nals in die ,vi ·sc11-
schaftliche Praxis iiberge(f1hrt \\'erden kort11te.. .J e d e r Historiker
tellt sein Objekt in sci11er Einrnaligl<cit und lndi, ri<luaJitat dar. Da:;
i.st eine 1'atsache, die 11,an irr, Er·nste nicht boz,vcifeln kann. \ 'on •
dieser 1· a t s a c h e haben , .ir at1szugeben lJnd zu rragc11, \\:orin der
I
,
logi:1cl1e Chara l,ler der Ge ·chichte b ~steht. . '•
Doc l'1 es gibL noch Ein,,·an<le von größet·er B elle ull1ttg. l{unnneu
.. .
,vir, ,vcttn die Gc-scltichtc al DnrsLcllung des ,virklichcn GesC' h«-h ens I
in seiner· Ei11111aJigkeit Ull.d I11dividua liliit ci11c \ \1isst:11i,;c ha ft :-ei11
soll, damit nich,t i t1 d_ctn Bcgrifre einer Aufgabe. di • gerad l' Ilaclt
unseren frill1crcn Ausführungen lo"isch ,,·irlcr:.pr11chsvoll i t '? Die
\Virkli chlteit i11 it1T-er at1 ·chauli~·lt~n und itt<l.ividucllcr1 Ül' ' l-r:i.11111tg
geht ja, ,vie ,,·ir ati~fü~irlich· g,•zeig t haben, in k. ein e \\ ris -,Jnscha ft,
ein. Au diesem Sat ze koru1tcc1 '"ir die Not,,-endigl<cit und Brsonder-
hcil der· nalut'\vis cnsc hafLlichc11, gf'nPraJi ·ie1·t nde11 i\fclliude herlcit.c11.
Unler kc:i11r1\ Urn. tti nd ~n dürfen ,,·ir al~o jctz:t <1er Geschichte c.Jie
1\uJgabc stell n, clcu Inhalt dct· ,, 1 irkU ·l1k,•it,, di e irldivitluell unci
an ·chaulicl1 i~t , a bl1ilc.lt•n<l in ihre Beg riffe nurzunchn1-c n. Das. ,vä re
in d er Tat. ci11 logisch ,, ic;ler:,innigc r , ·er·s111.= h. Aucl1 i:-L die e R

tcttsivc Unühersehbark ·it d er \\firl{lichl<.Pit n u r d er ~ulur,visscrt-


schaft iu~ä nglich1 die B<'griffe vo·n t1J'1l,cd ingL all••e111rir1cr Geltung
Cür jeden beliebigen ~(' in-er 'f eile bildet . :Eine Y\'isseJ1::ocl1aft, tlie 11.ic!tL
Gcsclzc st1ch t, vcrn1~,g d i c s e {Jrtiil>crst,i hL~trkcit. übcrl1aupt ni cht.
zu über,,-i11dt•11. l~s J<.a un also, ,,·o clic .,.\ ufgabe bc:-lcht , cl as Ganze
d -•r c1nr)irisc he11 \\"irklicld, cit h,1' nt1ctt zu Jer11c111 11 ur 110.tur,ri~~c11-
scl1aftlicl1 vcrfa hrcrt ,vcr<ler1 , 1r11d d ar:111 · fc>lg t 1 da ß ein (!111piri!;f:l1 c
Wis "enscl1afl 1 die ni ·ht • atur\Yis.scri.;cl)ufl, istt nur cir1cn T c i I de r f
'
\\l'irklichkeit zu ihrem GcgcnsLancle n1aclt-r n ,rlrd. Docl11 auGh ,vc11n

ü,g,t~hzado por Goog e


-
,vir von -d er exten. i,,,.11 ~lannigfalLigkeit. ab cl1en u11d die Gcscl1ichle
atlf einen T eil cin:schränker1 1 ist der B egriff ei11er andercrt als d er natur-
,vissenschaftlichcn ~le.thodc nocl• immer nicht ollnc logische Be-
denken. \Vir ,visscn , <J aß die iz1te· n ive nübersehba.rkeit jedes ein-

-
zel nen Vorganges einer Erl<.en.n tnis, die die \ irklic h keit, so ,,·ie s ie
ist, darslelle11 ,,,ill, ebenfal ls unOber,vindliche chranke.n er1Lgegcn-
elzt, und daraus folgt, daß auch dlc nicl1t-r1ttturwis~enscl1aftlichc.n
oder geschichtlichen Di ziplinc n eine .-nJor.mt1ng und BrRrb<'iLung
cler ihnr.11 gcgebe1tcn Ylirklichkeit vur11ellrt1e11 111üssen. Ja , die Ric h-
tung dic„er B earbeitung kan11 a.uel1 l,ier nur a,uf eine \ 'creinfachuug
Jurch Au \val11 des \1/e entliehen ttnd at1[ eine Zusa111n1enfas11it1ng des
Zt1sam1ncngehörigcn in Begriffen gehen, die gfjltig sind. Bleiht al i:;o
,Jer Begriff der Ge, cl1ichte nicht dt1rcl1::111s problcma Ll eh, \\ c11jgsto11s 1

d er Gcscl1icl1te1 d e r \-\:ir die .i\ufgube stelle11 1 da einmalige ,,·irkliche


Gcscl1ehcn in seiner Einn1alig ke,i t ur1d ]nciivi<lualität in B egriffe at1f-
z.unel11ne11?
Gc,,iß, mcl1r al~ ein Pro b I c 1n h~ben ,,·ir bi~hcr 11och nicht
ge,vonnen, ja, ,vir 111-0 sc11 die. sogar n1it allein Nac11clruck, um ):fiß-
vcrsttindnii-se.n vorzubeugen, hervorheben. Aber , uncl clarn.uf k orn111t
es an: ,venn ,vir die Gcscl1jcht..s,,·i ·senscl1nrt auf einen 1'eil d<'r \\lirk-
Jichkeil eirlschrä11kcn , o i:-L ihre Aufgabe docl1 11icht 11lel1r ia den,
Sirtne ,,·id er3prurh voll, ,,·ie eir1e ge chi ·hLljche Dar„le llung d r \\rirk-
Jic hkeit in ihrer Tota lil~.t. es ,värc. Nur ,,·o die extcn...;i,,e un,cl intcn::ive
Untiberschborkeit zt1glci ·11 z11 übcr,,·ind c-n ,,·arctt, r1111ßtc das raLu.r-
g<'~c tz nls clas cinxig~ logi. cl, vol Ikor11rncnc ~litte! z11r I.ösung d icscr
Aufgabe crs<;hcincn und kon11tc· eins Ziel aller ,vis!,'.t11~cl1afLlit her1
Darst ellung n\1 r in 11,•r ßild L111g u11bcdi11gl allg •1l1cinec- Begriffe bc. L<! het1.
\ \10 aber Jit cxlcu::d·ve Ur1übcr:¼'hbarl<eil uichL in Betrac ht l<o1n111t,

isl e., 1.u1n n,ir\clPstcn ni cht au g1>sclil(1s...,P11. llaO e:- eine Art <Jt•r ,,·isst'n-
~('ha fllichPn Bcarl1c-ilung gilJt, <lic z,rnr auch nicht. in1i-l,nn,:lc i::;t den
l nhult der \ Virklichk it sel1)~L in Begrirrcr, so darzusl cllc•,t, ,vic er ist,
<Jic a ucr d,ocl1 i11 cirtc·m g:1 nz an<lcrcr1 1 :-1ozu5c1•rt;1t 11fil1crcr1 \ 'crh ä ll11is
7,t tr ern J)i riscl1cn \,\"i rli lir..: hl,eil steh L a 1· ,l ic f\ a Lur,vis~c1tscltaf L, u11J uie,
'"·cnr1 sie attch die gattic i11Lc118ivc 1\la11rliµ,Ca ltigl{cit ihre~ an~c l1aulichen
1\IaL<'- rial s 11ie crfas~Pn kann sonrl 1•rn , ,·ic jede \Vis:;C"nsch:ifl. die 1\ n-
scl1auu1tg in. Begrifrc w1asctzc11 n1uO, docl1 auch I\icl1L <larauf aut1zu-
_0chen .brauclit, sicl1 n1iL dc1n ltlhalle il1 rcr DeO'riffc i111111c•r tltch r von.
der Irt(i ivi<l ual iLü t der CtllJlir i:,;chen \<\/irl,1 iclil,eit zu. entrcr't1c:r1. Dici-e
Bea.-beilu ng unu U 111furn1t1ng dt~r a11scliatilirhen ,,.·irklicJ1keiL kann

D1911 11,ado por Goc,gle


vielnlel1.r eventuell et\, as leisten, da für uns die Bedeutu11g besiti.t,


1

als sei dadurcl1 das einmalige incJividucllc \virklichc Geschet\en selbst


dargestellt.. \\' ir braucl1en , urn a1izudeuten , in ,volclter Richtung das
möglich \\'ä re, nur an die früher besprochene Art der B e c b r e i-
b u n g z11 erinnern, die eine Realität. nach d er Sejte i}1rer Beson.d cr-
l1eit u11d Ein111aligkcit wiedergibt und gc1·ade darur,1 nich t das Ziel
ei,ner natur,,·j e nschafttichen lla1·'Lellur1g sei11 kann. z,var felilen einer
solchen Beschreibung noct1 die leiten<len Gesicl1t.spunkte, die es er„
1t1öglicl1en, W esenUichcs vom Un,vcscnt licl1cn in not,vcn-diger \Vcise zu
trennen und ~o z.u gOltige11 \\'issenscl1aftlichen B egriffen zu kon1-
m-en. Aber es ist damit, doch der Gedanke, daß Gcschichts,vissensc haft
vo·n vorncli •rein ein logiscl1er Widersinn sci 1 beseitigt. Im übrigen
können ,vir e~ zu11ächst b ei dem ·B egriffe d er Gesc hicl,ts,\'issen:;cha:rt
als d em eines not,,,.,cndigcn P r o b I e m s d er Wissenscl1 aftslcl1re be-
'''enden la.sscn. Es gibt ,vissenschaftc11, die die \ VirkliclikeiL in il1rer
Einnlaligkeit t1nd I11dividualität darstellen, und ,,·ir mü -se11 dal1e:r fra-
gen, ,vori11 ihre. logisc he Struktur besteht. D ie Ant,,,·ort 0\1( di,ei:.e
Frage ,vollcr1 \\·ir erst irn vi4!rl,cn l{apitel gehen. Hier gal t es nur,
un1 einen logi chen Gegerisatz zu d•e n Aufgaben der Natur,,·is en cl1uft
2.u erh alten , ein I n t e r s s c a ufzt11.eiger1, dem die gei\el"alisicre11d
g,!bildetcn Begriffe nie111al ge11(igc n könne11, und zi1näcl1st "ve1ug-
tcr1s, o hne üb r ihre logische · truktur cl\va, -ä hcrc · ztJ sager11 auf
ei1le Darstellu11f" der Wirl, licl,keit hinzu\vci. en, die nich t generali-
sierend so nd cn1 individualisierend v crräh rt, und deshalb g'cig-ncL ist,
das l nlercsse a11 dem einmaligen indi,riduellco (}esch chcr1 sclb ·t zu
befricdigcn .
' ''ir g •,vi11ncn auf diese \Veisc im. unmittelbaren An chluO ar1 die
Fe='tstellu11g d es \\' cscns ur1d d er ·G renz.en der 11a tur,,·i~~ CI\schufllic l1f\n
Bcgri ff!'l biltltlng d en Begriff cJ.cr Geschichte \venig·• tcn .im ,,·citcstcn
fonnalc11, rci11 logischen Sinr1c rlcs \\forlcs, at1f d en es u11s zu uäch~l
allein nnko•n1111t . Ull.d ,ve11n es auch nur eirl 111eLhodologisches Problc1n
i t, Zll eiern ,,•ir gekon1mcn sincl, d. h. ,ve 11n ,,·ir auch noch gar nic ht
, vis cn, \Vic eine ,,·i::::;cnsc ha!l,liclic Darstcllurtg det Gcschi.cht,e ,,niöglich' '
ist. so s Lch t ihr Gegcn ~ali Zttr Darslcllu1tg der Katur\,·1sser1 cha(L doch
bercit.s .fest. Sie lca r1n illt'<! r Auf ga b e na h ni •.u1als \>'Cl"Stlchen 1 il1r ),Ja-
lc rial i11 ein • yi-lern vorl allgrt11einc11 Il(~griffc11 zu bringer1, dns ur,1
so vollkorr1111cr1er ist, je ,,·c11.igcr ,·un d •r \\' irli l.iclilccit in ihrer lr1<Ji\•i-
<lu alitfi l es c11L.hülL1 sü11dcrn . ie sucht, sich, ei.n er DarsL('llt1ng der ei1l- •

n1aligeu u11d i.n div itiur llcn \\' irl-.l ichkcit ~Pf l>:-l ,,·cnig:-len~ artznnähcrn ,

0191 lt ado por Goog e


••

S0\\1cit 1r1an da von cin,e r \ Vissenscliaft übe rhaupt sagen kann. ~luO
.!-ie auch die volle unrnittelbar gcgcbc11e Ansclta uung \vie jede \Vi.scn-
:$Cl1aft v erln. srn, so ,vird sie sicl1 trotzd em an <le n ei111naligcr1 inc1ivi-
d ucllen Verlauf d es Gc8c hchons selbst zu }1altcn haben . ~Jan kann sie
cle:s hnlb irn Vergleic h zur Natun,,j~ en"chaft,, clie immer vom Beson-
deren zurn Allgcn1cincn un<l dnn1it zt1n1 U n,virklichen strebt, auch a.l:s
\V i t k l i c h k e i t ,v i s . e n s c h a r t bezcic-hncn , ,,•ic Simmel d as
getan hat 1 . Dies"r Au. <lruck dar! ft·cilich 11ur so ~·erslar1den ,verd en ,
d:1ß djc Geschichte die Bcsond crl1cit ,1nd Individual ität de r \\Firk-
Jic hkcit darzu::;tcllen ,•ersucl1t, u11d daß, ,,·e11ll s.ic auch d c-n Inhalt
d er Wirklicl1keit selb..,t rucht zt1 rcprodu1Jcren verrnag, ihl'e Bcgrifre
doch ztir individuellen unc.l einmaligen , virklicl1kcit in einetn prinzi-
piell anderen u11d n ti h c r c n \ 7erl1ältni . Lel,,en als die Begriffe der
g ~ne ralisie rendcn Natun,•issenschaft.
Docl1 vicll'ci cht \,rird man auc h das bes treiten auf Gr,1nd cin,r. J
Gedai1kcnganges, (let1 ,,·ir hier ebenfa lls nicht. übergehen <lür-fcn 2 • 1

\\ic11n der Inhalt der \\ iirl, lichkeit als so lcl1er in kein<'11 B"griff eir1-
gel1t so ndcr11 imrner ers t un1geforn1t ,,·erden n1uß , so haben ,vir auch l
kein Recht, zu agen1 da O das Individuelle dcrn \\1irklichen nä t1cr •
r
tehc als da. Allgt>tneine, d. h. j,e11es l11dividuellc, d a. in eine ,visse1t-
sc hultlichc Dar_tcllung ci11gclien kann. Führen -.vir d en Gedanken cler
U11bcgreiflicl1k,eil des \iVirltlic hen .ko1l:;eq,1cnt durch, ~O kor11r-11en ,vit f
'
vic-ln1 chr zu dern Ergebnis, d aß die \Virkliehkeit al solcl1e y,·c(ler it1-
<.Iivicl·uell r1(1c l1 all gc1nein ist , und 7.\\'nr da ;; r,inc gcna11 so ,,·cr1:ig ,vie d:1s
andere, denn rlcr Begriff cJes J11dividucllen hat. ja rtur im Gtgcr1 ·atze
1
zu dem d es •.\llgcmeincn einen Sinn. \\l',,nn ,vir d nl1er die \\l.irl{lir.l1-
k.cit als i11cJividu(•ll bczt;ic huon, so 11el1r11cn \Yir da rnit bcreit,s chc1tso
eine begrifflic he U rnforrnu11g vor ,vic rlann, \Vcnn ,vir eL,..·as unter
einen a llgrmcin en Bcgrirf bringen . Die \\lii·klic hl,eit . cl~,st, die in
ilil'cr ur1übcrscl1La rcn l\lanrdgfaltigl<.f'it all(•m Begreifen sriut tct , ltö11ntc
höchsten 11 irratio11.l:l l'' g('na11nL ,vr·1·-..l c11, u1t<l auch, die~e Bezeichnung
kä1nc ihr riur in::.,,r"rri 1,u, a l!-1 ~ie ~icl1 cbt'n j<>uem Begreifen c11tzicht,
E ~ ,,•ij rc ul -o da111it 1tic lits P o~iLl ves sonclcrri nur eL,,·os N·cgativc
au,:;gei-ag t, j a, es ,viir" cigcnUich Ilic ht,g Ober llic ,\1irl<lichkeit selbst
sond ern nt1r üb ·r un...;;crc Unfäh igkrit, sie zu h,..,grcifcn , lJr ha uptet.

1P-rohletnc tl ,•r ;<"fc h lc J1 t-.p h ilo!>opbit, J 89t 1 ~ . 4 3.


l \ ':rl. 1.11 fh'lll Folii-cndL ·ll: SC ,. g i U ~ ,..r ~ S S e 11 : J11diYi1l 11r Jl c [.::u.1:-ali-
lä L. SI u\lil'fl zurn I l't\r\•el"1Hlt•11la l•-· ll r;;n,piri~Jltlll>, l·: r11f11li'.llllg' h<'rl!' d◄• r l (ant-
.;l 11di(•n . 1909.

0191 lt ado por Goog e


-
ehrnen ,,rir die Wirklichkejt nur hin, ,vie sie an und für sich ist 1 • o
können ,vir üb~rl1aupt nichts von ihr aussagen, LJnd deshalb bleibt
der Begrirt d -e r Gescltiehte a ls de.r \\1irklichkeitswissenscbaft auch n1it
<ler t1ier angegebenen Einsch-ränkung in jeder l·linsicht eine contra-
dictio in adj ecto. Die lndi,ridua lität ist nicht ,veniger ,1n,virklicl1
als die Allgen1einheil. Ein ,vissenschaftliches Interesse am \\1irklicl1e11:
sefbst kann es überhaupt nicht geben .

In cinern solct1cn Gcdankenga11gc. ist Richtiges ttnd Falsches gc-
r11iscJ1t. Richlig ist aller<li11g , daß der Inhalt der \VirkJichkeiL sclb t,,
so ,vie er unabhängig von j eder Auffassung durcl1 Begriffe besteht,
weder allgemejn noch individuell ge1tannl ,,rerden kan11. Falscl1 da-
gegen ist , daß das Individuelle d-e m \Virklichen nicl1t näher st.el1c
als das Allgemeine, und daß daher der BPgriff ei11cr Wis,;er1scl1aft,,
die das inc)ividuelJ.c1 eir1malige GcschcllCti in seiner \Virl<lichkeit dar-
::;telle, sct1on einen Widersprucl1 in sich enthalte. E hat nämlich der
Begrirf des Individuellen z,va.r gc,viß nur im Gcgcrusatz zu dem d es
Allgemcine11 eine Bedeutttng, aber ,vir ,vorden die Bedeutung des
\\1ortes indi..,.•idue11 nicht verstol1en. ,vcnn ,vir sie uns nicht an de nl
'
irrationalen Inhalt d er unmittelbar gegebenen \Virklich.k:eit · elbst zum
Be,vußtseitl bri11gen kötlnten, ur1d dat·all ~, daß sie nur irn Geg en• .atz
zur Bedeutung des \Vortcs al lgemein klar zt1 n1achcn ist, folgt nicl1t,
daß ,vir r1icht das \.Virklicllc scfb ·t individu~l,l t1e1u1en dürfen. Die
lndividualität des \\1irklicl1en hängt auf da .,E ngslc n1it seiner ,,lrraLio-
nal iUi t,'' gcger1iiber dem a 1 1g e 1n ~ i n e 11 Begri(f zusan1m<!n 1 und
:;chon darau gellt hervor, daß da s l nrli,,icluellc dem \\' irklicl1 •r1 prin-
zipiell nlther steht als da" Allgo1neirtc. l•' rei lich ,,·ir<l dadurch, d aß •
, ,1ir dns Irrationnle mit dcrrl Individuellen in \ Ferbindung iscLzc11, d or
Bcgrirr ci11er \\f i s s c n s c 11 a r t von1 Inclivid ucl le11 iu and erer ~li n-
sicht cr::;t recl,t problernatisch . Der Satz: indivh.luum est inPffabile,
~c}1eint v o i1 j edem rr:;ucJ1, das Individuelle üherhaupt. unter B e-
g r i r f e brirtgen zu ,\1olle11, abzusc~1reckcn. i\ber 1 11:1chr als ei n P ro-
blen1 , vollen ,,·ir ja., \:vie scho-n ges::tgL vor J ä u f i g nicht ge\\'inncn t
und gcr.:icic um clicsc' Problv-n1 zum Bc\\'Ußlscin ~u bri11gen , ,~·ei. e 11
\Vir darauf hin, claß die Gcschicht.s,vi · "nsctlaft der \Virklich1< it
selbst 11ä hcr zu kon1me11 . uchell 1nuß, al!. clie Natun,·issenschaft. rnit
ihren al}gP.mcinen. Bcgriffc11 c jcmnls kar1n. \Vie die 11 irrat.io11alc"
\Virk.liehkeit so in B~griffc zu bri11gen, al ·o, auch sc, zu ,,r.1tionali-
sierc,1' ' isL, daO dabei lrolzd,c n1 ih1·e 11 Ind ivicloaliL1lt'' nicht ver'lorPt\
gf1hl, das ist. die :-;r,1üt ere Ft"age, <.i ie di e Th(ioric der hi:-torischcn Be-

ürg,t~hzado por Goog e


griffsbildung zu beant\vorten hat. \<Vir ,verd en dabei sehen, daß ,vir
z ,v e i A r t e n des I n cl i v i d u e 11 e n von einander trennen
rnü sen, von denen nur das eine mild em \\' irklichen selbst zu atnmen- ,
fällt, die trotzdem aber et,va G e m e i n s a m e s bellall,e1l, und
gerade dies Gc1nc.i n ame ,vil'd es rechtfertigen, d a ß \vir von der Ge-
schichte als von der \\'issenschaft sprecl1er1 1 die das ,,.,rirk1icl1e Ge-
scl1ehen da rstellt. Der Um t.and, daß auel1 sie, als \1/issen cl,aft, nur
eine Auffas ung d er \\Tirklicltkeit unter eine111 bestimmten logisc hen
G e s i c h t s p u n k t geben kann und daher di.e Unmittelbarkeit
d-e r ~ irkJichk.e it no twendig zerstörtt ändert an d er Berechtigung dieses
A u s g a n g s p u n k t es d er logh;cl1e11 U11tersuchung nicb.ts. In1mer-
hin ist es gut, zur Vermeidur1g von ~lißver tändnisseJ\ auch darauf
von vornel1crein hinztt\\'eisen, daß j <! d e \.VisscnscliaJt, also aucll die
Ge~cbjcLLe, il1r ariscl1aulicl1es l\laterial umzuforrnen und unter Be-
gr1ffe zu bringen hat. Da.her ,vollen '"-i r den Gegensatz von Natur··
,visscr1scl1a ft und Ge~chichte, urc1 d en es sicl1 hier ha:r1dclt.1 so for11lulie-
re11, ciaß \Vir sagen: die ernpi risclle \''irklichkeit, kann noch unLcr einen
andc:rn logischen Gesichtspunkt, gebracht ,\·erden als unter den , daß
'
1 sie Natur ist . S i e ,v i r d Natur, \V c n n \.V i r s i e betr a eh-
'
• t o n m i t R ü c k s i c J, t a u f d a s A 1 1g e m c i n o, s i e \V i r d
G e s c h i c h t e, ,,., o n n ,v i r s i e b e t r a c h t e n m i t R ü c k-
\ s ich t a u f d a s B esonde re und In div i d t1 e l l e. Von
\ der unrnitlelbar erfo.hrenen ,virklichk.e it in ihr-er An chaulichkcit und
Individualität gcl1t, j ede empiri cl1e Wi:!<sen. chaft aus, und jede 1nuß

aus der \<\l'irklicl1keit das \\•csentliche aus,väl1le11 1 ie also in il1rer
Unmitlclbarkcit verlas_en. Der aJlgcn1ein te Unter cl1ied der l\'l etl10-

d eu ist a ll ein in dein zt1 t1cl1en, ,vas die ver:1chicdene1t Begriffe 11lit
die er \Virklichke it macl1 cn 1 ur1d z,var kornnlt es darauf an , ob sie
das Allge-m eine uncl i11 jeder llii-1~icl1t Un\virlcJjclie, oder ob sie das

Individuelle am ,\,'irklicl1en ~ell>sl . uc11e11. D er att1r\..-isse1iscl1a[L
"

fitl)t, die eine , der Gescl1icht5'visscnschaft, die andere :-\t1fgabe zu„


In diesen1 inne darf da.h-e r die Geschicl1t,e als die Wirklichkeit.s-
,,,isscn. c hafL bezeich11et \Verd en, da11liL ihr lo"i. cl1c Problem am scllärf-
sten ztitn Be,vußLsein l<o1nn1t. Daß auch :-.ie nier11al - in1st,ande i t, d ie
Wirklichkeit genat1 so z11 reprod11zicrcn 1 \\'ie s ie isl 1 liebt ,!e11 Begriff
d er \\ irl<lichkei t~"'"issenscbafL, :,o,b ald \\'ir a11 die l11d ividua liLäl der
\\' irklichkcit, dc11kcn, noch nicht a11f.
Da ,,·ir, ,,. ic \Yiee_lcrholt hcr, rorgchoben. d ~n ß cqrirf dt' r Ü('$rhielile
vorlüu rig iJ\ d!"r d<'nkllar ,,·('- it r::-lrn uncl rein lclg i~rh(·n t~<'d<•utL1ng 11cl1-

ürg,t~hzado por Goog e


• •• •
,. •
• I
• •
, ,•

•• • t

- 225 - •

,m en, so ist clementsprect1end auch der erste und allgemein te Begriff


d es H i s t o r i s c h e 11 zu -ver,venden. So können wir der:1 G e g e n-
s t a n d cler Gescl1ichte nennen , ,vo die Z,veideutigkeit dieses \\'ortes
einen Z\veifel darüber läßt, ob ,vir die \Vi senschaft oder il1r Obj ekt
meinen. Dieser Begriff d es Historisch.e n umfaßt dann selbstver ständ-
lich ,vioder durchaus niclat 11ur den T eil der Wirklichkeit, d er Objekt.
'
der Ge cl1icllts,viss.e1ischa(Len irr1 üblicl1en 1 engeren SiI1r1e des \Vortes
ist, sondcr11 er muß it1 seiner rein Jogisct1etl Gest.alt a:r1wer1dbar ·ein
au f j e d e n beliebigen Teil d er gesan1ten ernpiri cl1en Wirklichkeit,
insofern ,vir daran denken , daß sie überall at•s individuel len Gebilden
best eht. J a► die Gcsamt,wirklicltkcit sel·bsL \vird u11Lcr diesem Ge-
sichtspunkte in il1rcr Individualität ei n t1i ·torischer Prozeß, \\1enn es
aucl1 keine Gesamtge cbichte davon geben kann. }'1.it. ,velcl1em Te i 1
dieses I-Jisw rischen die Geschichte sielt bescl1äftigt, und ,,·ns dat1er
das Historisct1e im engeren Sinne isL; kann sicl1 ,vied er erst bei gf!nlluerer
Bestimrnu-ng des Begriffes der l1is torischen \1/i senscl1aften ergeben.
\Vir suchen Oberall nicht die \\i'is. cn ·cha ft durcl1 d en Begrifr ihres
Gegenstandes sondern umgekel1 rt den Begriff dl!S Gt'.gcr,stnndes v o 11
clem Begriff der \\1issenscba ft aus , die ihn behandelt, zu gc\\1innen.
H ier aber . c l1cn ,vir bereits, claß, ,vomit aucl1 die GeschichLc als Wissen-
cha ft sich bescl1äfti,..en , und ,vic 1n an ihre11 Begrirf genauer bestirn-
m.en mag, der Begri!f des Hi wrischcn in sei11er allgcmei1tsl.en Bc-
deutt1ng ganz ttnabhtingig von allen a.c hlic·h cn n tcrschicden, Y.•ie
z. B. dem , 1 011 Natur u11d Gei L1 ist . Die l( ör r>er lasse1t sich ebenso
ut1f ihre Bcsoncicrheit und lndividualilät. l1in betrachten \Vi c das
l)S)'C.l1ische. ,vir ltürr1mcrn. ttns bei der BesLirnmu11g ucs logischen
Begriffes Ober haupt njcht um irger1d ,velct1c Eigen ~chaften, die nur
ein Teil der empirischen \Virklic hkcit bes it-~t . denn nur ein rein log-i-
scher Beg riff des l .listorischcn ka nn uns dazu dicrten, die empirisc hen

\\-'is ensclu:iften in illrcn tr1ell10,Iologischer1 Eige1ltli111l icltkeiLon zu ver-
stehen.
Um un ern B egriff <les I-li:-.toriscl1cn völlig deu tli ch 7.11 mac hen,
n1ii sen \.Vir t1n · noclt darü.b er kla r ,,·erden, daß d ie angcführt,en Grünlle
d ie eirtzigen ,vahr!tafl c11LscJ1cidcnden i11d , clic u11~ l1in<lcrn, Ge-
Sc 11 icllLe l'tac h na lur,,·isse11schafLlicher i\1 cLhode bcgri rfl ich ztt .bear-
beiLcn. Nicht . eilen ,\·ir<;I 11ä rnlich gesag t , das „geschi,:ht lic•l1e r„ehf 11 " ,
d. l1. uie \\' irklicld{ciL, mit der die Gesclaic~ltts,,,isscnschart im ,engcrr.n
S inne sich licschüft,igt,, sei a us irgr ncl ,vcdch<!tl Crür1Jen n ich t, it1 J er-
sclbcn \Vei.-~c glcicl1förn1ig ,vic <1i,e ·atu r, un<.l d c.' hall1 ei es nicht.
Jl ic .k c rt , Grt'n;,en, 2. A uH. 15

ürg,t~hzado por Goog e


- 226 -
möglic.h, es unter Gesetzesbegriffe zu bringen . So mejnt z. B. aucl1
Sjg'\''art 1 , daß, ,vir bei d en Gegenständen d er historischen Forschung
11 nicht zum voraus eine äl1nliche Regeln1äßigk.e.i l vermuten können

wie irn Gebiete der Natltr''. Das ist woh l insofern richtig, als Gesetze
für d i e \i\'irkli chkeit zu finden , mit der m e i t die GeF.chicb te

sic.}1 beschäftigt, viel sch,vieriger sei11 mag als ,für die, mit der es d ie
Naturwissensclla flen, insbe ond ere die l{örperwis en8cl1aflen 1 zu tun
habe11. Aber niemals wird es möglich sein, auf die en Urns tand einen
prinzipiellen Gegensatz von Natur und Geschicl1te zu gründen und
die logische Bedeutung des Histo,riscllcn fcstzustcllc11. Irn Gegenteil,
solcllen Argumenten gegenüber ,•.iird die Ansicht in11ner in1 R echt
bleiben 1 die sagt, es sei das gcscl1ichtliche Leben ein T eil der \Virkl ich-
keit ebenso, ,vie al les andere, und ,,1cnn os auch vielleicl1t sch,vieriger
sei, scit1e Gesetze zu finden, so liege d och nich t der mindeste Gruttd
vor, die Lösung dieser Aufgabe als für alle Zeiten unmöglicl1 a11zu-
sehen. J e sch,vicrigcr die Aurgabe sich gest alte, um so größer n,üsse
v iel.mehr der Ant·eiz sein, s icl1 an il1re Löi;ung zu ,vagen. Damit der-
arLige Argumente in ihrer ganzen l1infälligkeit of{e1lhar werden,
1

n1üssen ~vit· hervorheben, daß Erö1·terungen über die größere oder


geringere S c 11 " . i e r i g k c i t einer Gesctzc,s,vis.sen . chaft mit ,lern,
was ,,,7ir t1ier festst.ellen, gar nichts zu tun t1abe11. Ge,,1iß ist das ,,histo-
rische Leben" ein Stück d er empirisc:h en \.\rirklicl1keit ,vie jed es andere,
aber das hat i.n d iesem Zusam,r,enhange des ha lb keine Bedeutung,
,veil eben a 1 1e VVi rklichkcit gescllichtlich im "·eit.estcn, rein logi-
schen Sinne des Wortes, d. l1 . individuell ist . GC'\viß kann man ferr1er
fiir a lle \ ~irklicl1kcit die Gesetze zu finden versuchen, und unter allge-
meine Begriffe läßt jec.J enfalls auch d i e \Virklichkeit sich bringen,
mit der e die Ge chichts,vissc11scl1aft im engeren Sinne zu tun hat.
\.Vir sind al, o ,veit. da.von en.trcrnt1 zu be treitcn, daß a,uclt die Scl1ick-
sale d er Kul tu rmenscllhcit einer nalurwisser1 cha[tlichen oder generali-
sier enden Dar:;tcllu11g untet"\\1or{cn ,verd cn können . Nur sehen ,vir
j etzt, ,varun1 das, '"'as bei d ieser Begriffsbildung herau,.kommt, nie-
mals Gcscl1ichte l1eiOcn darf, denn eine s0Jct1e Darstellung kann riicbt
mehr at1C das einmalige individ uelle "''irklicl1e Gesc hehen in seiner
Eir1n,aligkeit und l ndividualiUit sic.11 richten. Vlo die Wirklichkeit
i11 ihrer Inrli"·i,lualitä t uncl B,esondel'heit erlaßt ,vcrdcn soll, da is t
es logiscl1 \vicler::iru11g, ie unter al lgcmcine B cgri[fc zu b ringe11 oder
Gesetze des 1~1i~torisehe1l aufzustellen, d ie, ,,,ie ,\'ir wisscri, nicl1.ts als
1 Logik, 1I, 4. Aufl., S. 63G.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 227

Allgemeinbegriffe von unbedingter Geltung sind. Diese Gesetzes-


begriffe \Vilrden uns,. ,vie a)le B egriffe der Natunvissenschaft, ja immer
nur das geben, ,vas nicht iudividueJl ist, ,vas daher auch nien1als
wirklich geschi eht, und es '\\1 ärc daher der z,veck der Geschichts~
,vissenschatten, die \Virklichkeit in ihrer Individualität kennen zu
lernen, um so sicl1erer v erfei1l t, je mehr es gelänge, die Gesetz.e d er
Wirklicl1keit zu finden, deren Geschichte man kennen lernen ~<i ll.
Es ist nicl1l eLYla 111ehr od er \Veniger schwierjg, die Gesetze der Ge-
schi chte zu finden, sondern der Begriff des ,,hisloriscl1en Gesetzes''
ist, ,venn ,vu· d en Begriff des Geschichtlichen in der hier angegebenen
rein logiscl1e11 Bed eutung nehmen, eine contradictio in adjecto , d. h.
Geichichts\vissenschaft und Gesetzes,,..-issenscl1aft schließen einander
begrirflich aus, insofern die ei1le das Allgemeine, die andere das Indi-
viduelle d arstellen will. Die Darst ellung des Allgemeinen kann n.ie
die Dars tell ung des Individuellen sein.
'i\i'ir wenden dies allgemeine Prinzip noch at1f einen speziellen
Fall an. in dem es von besonderer Bedet1tung ist . .Nicl1t selten kann
man hören, die e_inzclnen P e r s ö n l i c 11 k e i t e n d er Ge ·chichte
könnten allerdings von der Naturwissenscl1aft ni,c ht. bcgrifCcr1 ,vcrden,
,,•eil sie zu kompliziert seien, um vollständig oberseJ1en zu \Verden,
d.ie körperlicl1en \ ' orgängo dagegen böten ihrer Einfachheit \\1ege11
eine solcl1e Scl1wierigkeit nich.t dar. Aucl1 diese Meinung ist auf das
Allerentschied enste zurückzu~,·eisen, und ,vie falsch sie ist , rnuß uns,
abgesel1en von d er1 bereits angegebenen Gründen, sofort. klar ,,,er.d en,
wenn ,,1ir u.n s auf das besinnen , ,vas wir Ober den Begriff d es Indiivi-
duums festgestellt haben . J edes Blatt amBaume, jedes Stack Schwefel,
das d er Cl1emiker in seine Retorte t ut, ist, ein Individuum und geht
aJs Individuum ebenso,venig in einen natur\vi scnscl1a fllich e11 Begriff
ein wie irgend eine große P ersönlichkeit der Gesctricl1le. Wer1n ,vir
Blätter oder Sch\\•efel wirklich ,tor ·,u ns haben, so betr-act1ten wir aller-
dings u n w i 11 k ü r I i c h die einzelnen Individuer1 nur als Exem-
pla.r e von al lgcmcin.cn Begriffen , d . b. ,vir ach len ni cl1t atJf das, was
sie zu Individuen n1acht, und ,vir müsset, das tun, d enn so allein cr-
halLcn v.rir erst, ,,Schwefel'' oder "Blätter' 1 im Sinne der Natu~ ·iss-en•
schaft . \ Veil u ns die Ind ividuen hier überhaupt nur als GaLtungs-
exempJare interessieren, so v ergessen ,vir ferner, was wir geta n haben,
und macllen dal1er keinen .n tcrschicd z.wischel1 einern Blatte im Sinne
der Natur,vissen.schaf,t und diesem besonderen Blatte als eit1em hi-
st ori. che11, eigenartigen, individucl1cn Fa.1<tum. B ei anderen In-
15 *

ürg,t~hzado por Goog e


dividuen dagcgcr1 1 insbesondere be i P crsönlicl1keitcn 1 ist es scl1,ver 1 ja
unmöglicl1, die cr1. Untorscbicd v •o 1i lndividulJm ur1d Gat.t.un&,sexem plar
zu über ·ehen . Setzen \Vir ein Individuum ,vic Goctl1e in ein Gat.tung·-
exe,nplar um , so müssen ,vir da · sofort merken, denn dann behalten
\vir rlttr n och einen Ojc htcr, einen :\tini ter, einen l\lenschc11 und 1:tict1t
n1cl1r Goethe. Aber dieser Unterschied darf uns nicht dar-Ober täuscl1cn,
daß der Pro zeß, durcl1 de11 ,,·ir an clie StelJe dieses Blattes und cliesl'S
chwcfcls ,,ein Blattcc oder ,tSch,ve(el" in1 Siru1e der Nat.u nvisscn-
scha.ft, also ein Gattungsexemplar, gesetzt J1aben, logisc h genau de r-
selbe ist ,vic der, durch d en ,vir Goe th.e i11. ,,einen Dichter" ver-
,,·andeln.
Wie kommt es, dnß ,,·ir dies, das docl, irn Grunde sclbst.verständ-
lic l1 ist , so leicht übersehen 1 Es liegt in den n1eist.en Fällen an einern
ganz äußerlichen Umstand. E s gibt Individuen, die nur Gallu11gs-
.n a m e n führen . J laben \\'ir daher an ihnen einen Begriff gebildet.,
so bleibt der Name für den Begriff derselbe ,vic für das ,virklicl1e In-
di,•idullm, Bei Iridividuen dagegen, die Eigennamen haben, ,vechselt
der ame, ,vciin ,vir aus dem Individuu1n ci11 Gattt1ngscxc1n·p lar
machen, und dieser Urnstand macht uns sofort aur das auf1·nerksanl,
l\~as \\'ir getan l\abe11. Der Narner1wecl1sel ist. abor mit RiickJ icht auf

dns, ,.,,·orat1( es uns l1ier ankomn1t 1 ganz zu f ä 1 1 i g. Ob ,vir statt
von die-~em Stück c h,vef el von Sc h,vefe l irrt .aUgcn1cinc11 oder statt
.vou Goethe v o n e inem ::\Ie nschen oder einen1 Dic hter im allgem einen
.reden , tnacllt rein iogi ~cl1 gar keinen Un terschied. E s ist daher ganz
ur1d gar ir1·cfüll re1:id, ,,,eun gesagt, ,vird, eir1e bedeutende hist o ri~cho
.P ersönlichkeit sei zt1 ko n:1plizierL 1 urn in die Begriffe de1· NaLur,vi ·cn-
schaft cingctlcn zu k.ö 11ne11, ein körperlicl1e r Vorgang dagegen nicht.
1
Da schlö ße ja die 1',1ögljchik <>it, eines spüte1·en Bce,ri·eifens at1ch der
P er sönlichli.eit 11ieht aus und ,vürde die Behauptung cirtl!S l!nler-
schiedes Z\\ 1ische11 den Individu·c n der Geschicl1te im engeren .'inne
und d en ar1dcrn l)irigen , die eben.fall~ historisc,h e luflivifluen jn der
allgemei11, lcn logi -clic11 Be(leulu11g des \\7ortes ·ind, ei risc hJicllcn.
Geratle di ese l\Icir1ung aber bekurnJ)f ' 11 ,,·ir hier. Goelhe ist gn l' 11iclrt
,,h:o mplizic rtcr'' all$ irgend ei n b eliebige Stück Scl.1\vcfel in seine r
v o ll •n c-1r)1)irische11 Renlilät , dc11r1 die l\1a1111ig fo.ltig kcit, b eider \Virk-
1
licl1keilen i ·t unüberscht,ar g1·01J, und vo n cincn1 1r1chr o der ,,•cnigcr
l\.ornplizicrtcn zu i-edet1 1 ha t, claher keinen .'iu1L. NichL als kon1plizierte
I'cr.~ö1dicl1k•c it son(li;rn nl" ei111 naligcs I ndivid1iun1, als nie ,,·icdcr-
kcl11·c11d1?s.1 bcso11dercs Gcbil tlc ül>erl1aupl,. ist ein Jl ann de r Ge.5cl1ichle

D191, h,ado por Google


- 229 -
naluN•issenschaftlich unbcgreiJlicb, d. h. er teilt diese Unbegreiflich-
keit mit allem Wirklic'hent das in seiner Individualität in Be:tracht
kommt. Et,-vas ,tEinfachere II als ci-n St:ück Sch,vefel kann e"5 doch
nicht geben, und lrolzdem ist jedes Stück Sci-1,vefel, das wir nicl1t auf
die allgemeine Nabur des Sch'\\refels sondern auf seine individuellen
B esonderheiten hin ansehen , eine unübersel1bare )fannigfaJtigkeit und
daher genau so unbegreiflich wie et\va Goethe oder K ant, d. 11. un-
begreifli ch durch die genel'alisierende NatunvisscnscJ,aft. Diese Un-
begreiflichkeit hafliet, al so Oberttaupt niemals irgend ,velohen b eson-
deren Dingen, ,vic z. B. d en Persönlichkeiten der Geschichte, in höhe-
rem ~laße als anderen ""'irklichen Objekten an, son dern eine natur-
,vi senschaltliche Bel1andlung kann uns v on a 11 er \VirkJjct1keit immer
nur das gebcn 1 was d en H i toriker, der da Individuelle u-nd E in-
malige darstellen will , nicht 1oel1r interc · ·ierl. N ietzsche sagt cinn1al:
,,\1/enn erst die Individuen beseitigt sind, dann ist der Gang rlcr
Gescbicl1te zu erraten, clc1m der einzige irrationelle Faktor ist be-
seitigt 1• '' D,ieser Salz gibt die h.erkömmJiche i\1ci11ung vor2.1iglich
,vieder, aber er ist faL„ctt, da Nielzscl10 mit den It1dividuen nur die
bedeutenden Persönli chkeiten meint. Diese sind eben n icht der e i n-
z i g e irrationelle Faktor, sonclern a 11 o s \VirkJiche und infolge-
d essen alles l-lislori ehe in dem hier festgcstcll Len logi chcn Sinne i!-t
dcrn allgen1einen naturnrissenschaftlichen. Begriff gegenüber genau so
1
, 1 irrationell ' ,,rie die einzelnen gro'1lcn P ersönlichkeiletl und daher
einer generalisierenden Darstellu1tg prir1zipicll enlzo en. 0

Endlicl1 ist unsere Begriff be titnmung d es l-1 istorischen Jlj,•\1t.


nur von all en .i\nsic.h ten zu untierschciden, die cla \\'esfJtl (!er o-e-
schichtlicl1cn \Vis ensclta!L"n au der E igenart einc.s besonrlcrcn :\la-
terials, et,va der l{ulturme11schheit oder d.os geistigen Lcber1 s, vc1·-
stef1en ,.,,ollen, sondern ,vir n1üsse11 auch nocl1 zu ci11er , •icl fa ch vc1·-
treten en A11sicht Stellung nchtncn, die \vie '\vjr einen I o g i c t1 e 11
oder rormale11 Begriff des lJ isto risclte11 zu ge,vinne11 sucht, t rolzdcn1
aber ni cf,l als logisch ei11,,·a,1dJrei gelten k.ann, \\'eil ic nicht den
Jogi "Ch tl r s i, r ü n g I i c h c 1t G1~gcJ1satz von · •alt1r tind Gc:,<'hich lc
trifrt. Sie i~t in n,et1rcren von ci1taudcr unobliängigr.n Fo1·n1cn und
schon frilh aufgctrr•tcrt.
Als im J alirc 17~3 Con<lorcrls E :::..c1uis~e d 'un Lt1bl1•,a u hi~tori<1t1c
er.schiert, eine S l1rift, 1 die Lck.a.n11 llicll einen gro·Oe11 T eil der (;c<la11kcn

t '\Verke, leid . X , S. 200.

ürg,t~hzado por Goog e


- 230 -
entl1ält, die seitdem immer von n·euen1 aufgetaucht sin,d , so oft es
galt , die Geschichte t,zum Range einer Wissenschaft zu erheben 4• 1
ga.b Friedrich Scl1l~gel in Nietbarnn1crS Philosophischen1 Journal
eine Krjtik, in der ·er auf den Grundirrtum a ller der Bestrebungen
hinge,viesen hat., die auch ,vir hier bekämpfen. E r s ieht deutlicl1, daß
Condorcet den Begriff der Geschichte gällz.licl1 verfehlt und sagt :
11 Die beharrljchen E igenschaften des ~1 enscher1. si11d Gcge1Lsland der
reinen Wissenschaft, d.ie \ feränderungen d es ?\·t enschen hingegen, so-
,voh l des einzelncci als der Masse, si11d der Gegenstand einer ,-.·issen-
scha(tlichen Geschichte der ~lenschheit." Unter reiner \,\fissenscha ft
l1aben ,vir l1ier dasselbe zu verstehen, ,"vas ,vir Natur,\·issenscha.ft
nenne.n, und es ,vircl also der Gegensatz von atur un(l Gescl1iclite
mit d em von Bel1arrung und Vcränd eru11g gleichgesetzt. H ier ist
von materialen Untel'Bchiedcu keine Rede m ebr , sondern es is t alles
rein formal u11d insofern logisch gefaßt. Von einen1 Einfluß dieser
Schlegelscllen Gedanken ist jedoch nichts zu mcrker1, ja, seine l(ri-
tik Condorccts is t so gut ,vie unbekannt geblieben.
S,J>äter gehört Droyse11 1 zu den \Ve11igen, dje ebenfalls einen
togiscl1en Begriff der Ge chichte aufzustellen v erst1cl1t en 1 und Bern-
beim 2 bat sich ihm angc ·chlos~en. ,,Wenn '"'ir••, sagt er, nd.ie ver-
schiedenen \Vissenschaften überblicken, be111erken ,\rir1 daß es drei
v e rscl1iedene A•·ten g ibt, ,vie eine Wissensc:haft ih11e Objekte betrachtet,
je nach dem, \vas sie von diesen \Vis$en \vill: 1. " 'ie die Objekte an
sich sind und sicl1 verhalten, ihr Sein; 2. ,vi.e sie zu dem gc\vorder1 sind

bez,v. \\'erden, ,~·as sie sind, il1re Ent,vicklung; 3. ,vas sie i111 Zusa1n-
n1enhange miteinander, im Zusammenhange der \\'elt bedeuten.
Nattinvissenschaftliche, ges-chichtlicl1c, pl1iloso phische Betracl1tungs-
art scheiden sielt danac~1.'' Sel1en wir von dem Begriff der Pllilo-
sop,lue, der hier aufgestellt ,\~ird, ab,. so konunt unter logiscl1en Ge-
sichtspunkten diese nter chcidung z\\·ischcn Nattt r\,·issenscl1ort und
Gescl1ichte im ,,•ese.ntlicl1en auf dasselbe hina11s wie die von Scl1legol,
und j e(lenfa lls reflektiert auch sie ntil de11i Gegensatz v on Sein und
\Verden. auf djc 1\1cthode, nicht auf da ~ l\lnlerial.
Die eingel1endste Theorie der his toriscl1en \\ ' issenscl1ij ftel1, clie

1 Grundriß der lli!.Lorik, 1867, 8. ,\ufl. 1882 .


1 Lflhrbuch der hislori~chen l\lclhodc. 1889, 2. .1\ ufl . 189.j , . 1. Ich zitiere
zuuächs l aus ichlJicb ,d ie frohere Fai,,;ung. In cleu s pli leren Auflog~n h.aL Bern•
hei1n d•~n Snl1. ot,vas gcl\1lclcrt, o ClaO er (i fr hier v i-rtrc tcncn Ansicht nuher
k on1n1l. , ,.gl. u11lc11 S. 2S2 Anrn.

0191 lt ado por Goog e


• - 231 -
auf einem logischen Gegensatz aufgebaut ist,t findet sich endlicl1 in
dem \Verke v on Xenopol 1 • Er unterscheidet zwei verschiedene
Arton von Tatsachen, von denen er die eine als ,,phenomenes coexi-
stants11 oder später ,,fait.-s de repeli tion 11 , dje ande1-en als ;,ph e.nomenes
succcssiCs" bezeichnet., und er lehrt, die Geschichte l1abe es nur mit
• den letzteren zu tun, wällrend d ie and.eren das ·O bjekt der Natur-
wissenscl1aft seien. Die Natunvissenscl1aft ist dementsprechend die
Wissenschaft. von den Wiederholungen, die Geschichte die Wissen-
schaft von der Aufcin.ar1d.e rfolge, u11d ,vährend die Naturwissenschaft
Gesetze sucht., J1ahen die Gescbicht.s,,·issenschaften ,,Reihen'' darzu-
st.ellen. Es bedarf keines Be,vcises, wie nal1e auel1 diese Unt.erschei•
dung sich mit den soeben angeführten berul1rt, und \\1 ie auch sie rein
formal, also logisch ist . Wiederl1olungs-Pl1äno,nene gibt es, ,vic X <'no„
pol aus führt, überall, im KörperJicJ1en ebenso wie im Geistigen, und
ande1·ersoits sind die Pt1ünorncne der Au(einanderfolge nict1t ct,,,a au f
das geschichtliche Leben iin engeren Sinne beschränkt, sonden1 aucl1
die gesa1nte Körper\\·elt kann a ls eu1_ e Reil10 von aufeinanderfolgenden
Phänomenen ange ·ehen ,,,erde11.
Was ist zu solcl1en Aufstellungen zu sagen? Zweifellos sind unter
logischen Gesicht-spunkte11 die angeführten Unterscl1eidungen z,\fi.
sche11 Naturwissenscl1aft und Geschichte die besten, d ie wir bisl1er
kennen gelernt habet\, ,veil ie eben auf die ~tethode und nicht. au f
da~ l\ilatorial reflektieren. Aber im stren gen Sinne kö11nen "vir die
Ge.gensätze von Beharrung und Veründenmg, Seir1 und \ Verden,
Wicdcrl1olung tind A.ufeinander(olgc für die Objekte der empirischen
Wirklichkeit nich.t ar1erkennen. Es ist zwar ge\viß richtig, daß die
Geschichte es mit V cränderung, \\' e1~den und Aufcinan.d.er[olge ZlJ tt1n
hat, i-r1sorem a l l e einmalige, individuelle ~ 'irklichkcil, a lso alles
Ji.isloriscbe im denkbar umfassendsten logi chcn Sinn.e sich verändert,
,vird und aufeinanderfolgt, und besonders das \Verk v on Xc.nopol
zeigt, daß man auch au r der Grund lag-0 seines Gegensatzes von \Vieder-
holung u11d Folge zu \Vertvollen Ergebni scn koulmen kann. Aber
trnt.er pliilosophischen Gesichtspunkten ist dio Identifi7jerung al ler
der angcfül,rtcn Begrif.fspaaro mit dcr11 von N-atur ur1d Gcschicl1te
t rotzde1n unzulässig, denn es kon·1mt der \\'a·hrhnft entscheide11de
1 o g i s c h 0 Unlerscttied in jhncn nicht k I a r ger1ug zurn Aus•
druck. Es ent.st-eltt nän1lich bei ihrer Ven,·cnd ur1g der Scl1ein, ja, es
1
Le · princlpes fonda1nenll•aux d ü l 'his to ire, 1899, 2. A1itl. unler de m
T i lt•I: La lhoorie dü l' hi Loire, 1908.

ürg,t~hzado por Goog e


- 232

wird sogar direkt bel,auptet, daß die W i r k J i c h k c i t s e 1 b s t


in Beharrung u11d \ 'eränderung 1 Sein und Werden, Wieclerholu11g und
.A ufeinanderfolge dern Forscher ~vei grunusatzlic)1 versciliedene Arten
,,on T a t s a c h e n darbiete, die er so hinnehmen könne, wie sie
sincl. Wir hätten danach h i e r die Natur a ls Faktum, d o r t die
Geschicl1w ebenfalls als Faktum, und die Wjs:ser1scl 1aft v on ihnen ,väre
in beiden l"?ällen nur ei11 ,,Spiegel de·r WirkJicl1keit' •. Gerade diese
l\leinung aber is t unhaltbar, ja, sola.nge .sie bcsliel,t, ,~rird inan zu
einem logischen Verst.ändn.is der \iVissenschaften nicht ko1nmcn. Des•
halb ist mit allein acl1druck l1ervorLut1ebe11: a l l e s empirische
Sein ist. zugleicll auch ein Werden und Geschehen , j c der '"irk-
licl\e Vorgang verändert sich lang::.amcr oder schneller, a l 'l e etn-
pirische RealiUit setzt sich aus ,,Reil1en" :z.u ·ammen,, clcren Teile
aufeinander folgen. Ein beharrendes, starres, dauernd e. ein \tnd
\Vjederholung im strengen Sinne des \Vorl.es kermt die ernpiri ehe
\Virklicl1keit überhaupt nicht. Dauer und Kreisla uf bicte11 sich dern
Forsch.er niemals als er-npiri cl1e Tat.sacllen dar, die er dtirch eine
Begriffe nur ,viderzuspiegeln brauct1t. Veränderung, W erden und
Aufeinand erfolge ist andererseits aucl1 den Natunvissenscl1aften, ,vie
\\'l r das später bei der Erörteru11g des E nt\vicklungsbcgriffes nocl\
sehen ,verden, durchaus nicht etwa fremd . Sollten die angeführten
Begriffsbestimmungen von Gescliicht.e und Natun,,isscr1 cl1art aufrecht
erhalten werden, so könnten sie nur bedeuten, daß die Natunvissen-
schaft von der empiriscl',en \cVelt des Entstehens, der Veränderung,
des \Verden~, des Gcscl1chens, der Aufeinanderfolge zt1 einer uner-
fat1rbaren , velt des dauernden Sein UJtd der \Viederholung vorzu-
drit1ge11 habe, ,vährend die Geschichte bei <lern cmpiri. chcn Sein, das

sich stets verändert u11d nie ,,,iedcrhol.t, slcl1cn bliebe. Diese Deutung
aber schließt, v.1ie wir gesellen haben, erhelJlicl1e Bedenken ein 1 u od
sie ist offenbar aucl1 nicht gen1eint1 ' "o der Nalur\vi.:-scnscha fL das
Sein oder die \Vieclerholtang, der Gescl1ichLe das \i\1erden oder die
Aufeinanderfolge als Objekt ZU"eteilt ,vird. Deshalb n)üssen ,vir cJjo
i 1cirtung Dr'Oy e 11 s ebenso ,vie clie Xe11opols a,lllel1ncn 1 .

1 B e rn h o i n1 kon1rnl neucrclings d ct r ic hligrn 1.-orn111 licrung n il h<'r, ,,,enn
e r untrrsc- hr idel: ,, 1. ,vie d il! Objt•k t c hc.schaffr"n sind uud sic h Vt• rl1ult ~11, ih r all-
ge1nclnes ( !) '\\'e c,i und Sein ; 2. '\\'ie s ie zu d c,n Bf'. ond<'rl'n ( t) geword<'fl s ind
bi,v . , ,•crtlt'n, ,\.R:$ i.ie sind" . Lehrbuch d er llis lori~ tn~u ~f ~Lhod o u nd der Ge-
&chlch L:!pl) ilo:,o pl, ic, 5. und 6. ,\ ufl. 1 908. Im logischcn l nl r1'<'ssc wrirc jedoch
eine . c hilrf«'ro Trt•n11ung d er Gege ui.n tz panre von St·ln und \:\rc.rden einerseits
u II d ,\lli;<!111cinc1n und llosonclorcm andoror ei ls " 'On cheni.wcrl .

D191, h,ado por Google


- 233

D·a man einen Irrtum am überze-ugends t.en bekämpft, y.•enn man


zugleich seine Entstehung begrei(lich ma,cht, s.o ,ver-fen ,vir a uch noch
einen Blick auf die verschiedenen Ausdrücke, in die die Natunvissen•
schaft einerseits, die Geschichts\vissenscha(t andererseits ihre Urteile
:z.u kleiden pflege.n . Die Spracl1e nä1nlicl1 scheint die abge\\•iesene
1\ileinung zu bestätigen, denn die allgemein-begrifflicl1en Aussagen der
Natunvissenschaft nehmen in der Tat die Form an, daß dieses oder
jenes dauernd so ist, ,vä hrend ein l1istorisct1er Bericht aus den sclion
angc-g-ebenen Granden erzählt, daß dieses oder jenes einmal so w a r.
Daraus ,,ersLel1en wir, ,vie rnan dazu gekommen ist, dje Unterscl1iede
v on Sein und \Verden , Bel1arrung und Vcrä11derung mit dem Un ter-
schiede von Natur und Geschichte in Vcrbindi1ng zu bringen. Die
.s prachlichen Wendungen ,vcrden sicll aucll gcy.•iß nicht vcrrneiden
lassen. \\' ir l1aben aber trotzdem keinen Grun<l, anzunebme.n , d.aß
in ihnen das logisch \1/esentl iche rein Z\llage tritt. Das Wort „ist••
hat vielmel1r, wo ilie Natur als das dauer11d Seiende bezeic:t mct ,v.ird,
die Be-det1tung der zeitlosen Geltung, lind die s pra chliche W en-
11u1·
dung darf uns daher nicht verhüllen, daß( ~ie Natun,'issensch~ft nur
Begriffe bildet , deren unwirklichen Gel1aJt sie dem ,vi rklichen " 'ech-
selnden Geschehen als das Dauernde u11d Feste gegenüberstellt] Allein
d em Jnhalt der B~ ifle ko1nn1t Dauerh aftigkeit und F estigkeit zu,
nicht d.e n renlen Objekten, auf die die Begriffe sich beziehen . Auch
noch aus einem anderen Gruncle ist. d ie 'l~äuschung, als handle die
Natunvis.senschaft von einem dauernde11, sicl, gleich.bleibenden oder
sich ,viederholcndcn Sein, erklä rlich. vVenn ihre Begriffe gelten, so
finden sich in d er \Virklichkeit tets Gebilde, die sich diesen Begriffen
unterordnei1 lassen. So korr1rr1t sie leicht da zu , zu sa gen, daß e Dinge
u11d Vorgänge gibt, die sich immet gl eiehen oder ,vied erholen, ,,•eil
in der Tat da an il1ne11 1 ,vas den lnl1alt der .Begriffe bildet, an vielen.
Stelle11 de R oumes und der Zeit da i t. Der Hist orik:er d agegen,
den n icht das interessiert, "''a · Oberall und im1ner ist , ,vei ß alles,
,,,orauf es ihm ar1korn mt, im \Vcr,d en und in \ 'eränderung, und er
,vird daher nicl, t so leicht iru z,veifel ei11 , daß Obcrall nllr die Begriffe

u11veränd ert bleiben , ihnen a lso nirgcr1d s gleiche und un,,erä11derlichc
Wirklichkeiten als Tu t.sochc11 er1tsprechc1.1. ,,In der Che1r1ie'', sagt
Ostivald 1 einn1al , ,,,,·crrJcn solcl1 c I{ö rpcr als glcicl1 angc clicnt deren
Eiien cha ften, al)ge"ehcn von der ,,·illkürlichen ~tc11gc und F orm,
vollkon1mcn übcrcinswmmcn 11 • Gc,viO, sie \\'CrcJe-1\ a l. gleich anse-
- 1
- -
L1>hrl., uch J 1>r allgpn1cinr n Chem ie, Bd. J, S. 1 .

D191, h,ado por Google


- 234 -
sehen, aber tatsächlich gleicht kein Körper d-e m andern, denn nur in
11 und ~tenge ist er \\'lrklicl1, und was dem l\,lanne
, 1 \Villkürlich,e r'' For1

der Natunvissenscl1aft ,villkürlich erscheint, kann für den Historiker,


dessen Interesse a11C das Einmalige und Besondere gerichtet is t,, ge-
rade das sein, ,vorauf es il1n1 ankommt, und \\'a.s er daher in seine
Darstellung aufnimmt.
Wird also die Geschichte von der Natur,vissenscl1aft dadurch ge-
trennt, daß die eine das Geschehen und das Werden, die andere das
Sein zu erfor.scl1en t1at, so ist dieser Gegensatz zum mindesten ungenau
formuliert. Aber wir verstehen andererseits nicht nur, ,,raru1n es zu
diesen F ormulieru.ngen kommen muß 1 sondern auch ,vir ,verden im
fo-lgenden ,ron der Natur als von einem ,,dauernden Sein' ' und von
-der Geschichte als von der ,,, ,eränderun.g ", dem ,,W erden'• u11d dem
,,Entst ehen 1' sprechen, da es außerordentlich umsländlich sein ,vürde ,
,vo11t en wir diese Ausdrücke ganz vermeiden oder jedcs1nal ausdrück..
licl1 darauf hin„veisen, daß l1ier der logische Gege11satz v·on Allge-
n1einem und lndividueHen1 zugrunde Jiegt . Wir haben uns ari die
genannten Ausdrücke nun einmal ge\vöhnit und finden sie überall
in de1n angegebenen Sinne ver,\,endct. Dom Spracl1gebraucl1, daß
dieses oder jenes dauernd so i s t , und daß dieses oder jenes einmal
so ,v a r, ,vcrden aucl1 ,vir tins besonders dort anschließen , '\\'O wir
solche natu.rnissenschaftliche oder l1i.s toriscl1e W erke herar1:z.iehen und
logisch nn.a lysieren, i11 denen diese spracl1liehen Wendunaen vorkom-
men. Das schadet nicl1ts, solange ,vir nicht v erge. sen, \\'as den Aus-
drücken als ihr eigenllicl1cr logiscl1·er Sinn zugrunde liegt, und solange
,,rir uns besonders nicht dazu verleiten la en , die \ Virklichkeit selbst
in z,vei v ersc l1icdene 1\rtcn von Tatsachen, dauernde u11d sich ver-
ändernde, \Vied ert1olung t1nd Aufeinanderfolge, i:t1 spalten. E s bleibt
jedenfalls dabei [nicht der G,cgensatz von sict1 wicderl,olendem Sein
und sich verändcrnde1n \Verdeo, der ol1ne nähere Erkl5 rut\g rr1i0-
\.1erständlicl1 ist, da kein wirkliches Sein sich ,,'icd erholt, d arf der
allgerneinslen logi cherl 0 11terscheidu11g von Natunvissen~cl1aft und
Gescl1i,;hl..e 1.ugrunde gclPgt ,vcrden,

sondern ,,ir haben fes tzuhalten
au dem Gegensa tz des A 11 g cm e i n c n , das (iir vcrs.cl1icctcne Orte
und verschiedene Zeiten oder auc}1 i1n111cr w1d überall gilt, einer-
seits, und Llcr allein ,Yi rli.lichcn in d i v i d u e 11 e n \VeJt des Ge-
scbcl1e11s u11d <ler Vcrändcru1ig an,lcr-erscils I in d er sich niernals et\vas
,,·iederholtJ I>i cs kann gen ügen, um clie Berrriffc von Natur ur1d Ge-
:iClticll'le irl il1rcr allgcn1ci11~ten B edeut ung klar z ti legen .

ürg,t~hzado por Goog e


- 235 -
III .
Die historisch e n Bestandt e ile in den Nat ur-
w i s s e n s c h a f t e n.
\.\1 enn ,1,rir uns jetzt der Aufgabe zu,,,enden, mit Hil(e der ge•
\Yonnenen logischen Begriffe von Natur u11d Geschicl1tc eine Glie- •
d erung der empiriscl1en Wis e11sct1aften zu ge,vinnen, so ,verden ,,rir
uns von vornehcrein darüber klar sein, daß dieser \ 1ersuch einen
Na c ht e i I im Vergleich zu den onst üblichen Einteilungen haben
n1ttO.. Die Wissenscl1aften selbst sintl Crti her da als die Reflexion auf
ihre logi:;che Struktur und gliedern sich nicllt n ach Jogi. chcn Prin-
zipien. Die 'l'cilung der " ·issen!:ichaftlicJ1crl Arbeit k11ilpft zuerst an
sacl1liche Unterschiede de.r gegebe11en \VirklichkeiL an, und der ein-
zelne Forscher ,,·ird oft das Material , das er k·e nnt und beherrscht,
unt er verschiedenen methodologi. ch·e n Gesict1t.c,pt1nkten betrochten,
in d er1 1r1eisten F ällen, ohne sicl1 dcs~en ausdrücklich bc\vußt zu sein.
Ueberall, ,vo die der .F all ist , kanr1 die logische Gliederung n1it der
wirklich beste hen.d en Teilung der ,,·is.senschaftJjcl1en Arbeit in Kon-
flikt koll11nen. Das hä ngt n1it der Art unserer logischen Untersuchung
not'\\'ondig zusammen, uncl es las cn sich von der TaLsache dieses Kon-
flik tes aus daltcr keir1e Ein,vände gegen unsere Tl1eorie erl1eben. \\1ir
können und \\'Ollen an dieser Stelle die naturwisscnschaftlicllen Dar-
stellungen 11ocl1 nicht s o von den l1i'Stori chen trennen 1 daß der eit1e
T eil der F orscher es ausschließlich mit diesen , der n:nderc es nt1sschlic ß-
lich rnit j cr1cn zu turt liat. Die faktiscl1e Arbeit.s teilu11g ko1n1c1l vor -
läufig noch 11icht in Betracht. In dieser Hinsicht sind deshnlb aJle
von sachlichen U11tc, cl,ieden aus.gcl1enden Ve1 uchc ein r Gliede-
rung der Wissenschaften gegenüber unscrctn Versuche im Vorteil.
, , orn Standpunkt der Einzel,.vis-,enscl1afler1 aus ka11u 11ta11 von eit1er
,,i llkür-licl1en Zerreißu11g der \vi c11~chartlichcn Arbeit sprechen.
Docl1 1n11ß die er. acl't tcil an j e d e r r1icJ1l vot1 sacl1lit hc11 Eigc11tüm 4

lichkeiten drs laterials sondern ,,on logischen Gesichtspunkten


8tJsgclten<l cn Gtie(ierung der \Viss~nsc haftcn hafte1t, uJtd er ,vird
reichli ch a tifgc,,·ogcn durcl1 die Vorteile, •die ,,,ir niit Rücksicht auf
das \ 'erst..i\r1d11is tlcr logiscl1er1 truktur der \Vi~ enscl1aften gc,'.\,·inncr1.
Frcilicll tla es t1ns nicht d arnuf ankomn1t, die Trcn ntingslinie cr,t-
SJ)rechend clcr ,,·irklicher1 Teilung de r 'i\~i~se11sc hHftlicl1c11 Arbeit zu
ziehen son<lcrn clie hicr,,on go11z 1.a11abha11girr bestc'hcn den Unter-
sc hiede tles logi~c'hcn Chara k tcriS der \,\.i:.::.scn!-ichaften u.11fz11zcigPn,

ü1g1taltzado por Goog e


- 236 -

so gestaltet sich unsere At1fgabe auch nicht so einfac11 wie bei den
von sachlichen Unterscl1ieden des l\!lateria]s ausgehenden Eintei-
lungen .
Ein anderer, noch ,vichtigerer Umstand dient ebenfalls dazu,
unsere Aufgabe zu komplizieren. Wir 1nußten, um die Begriffe von
Natur und Geschichte zunächst einmal rein logisch. klar zu stellen,
mit Ei n s e i t i g k e i t verfahren, d . h. den Gegensatz der Wissen-
sc11aft vom AlJgemeinen zu der Wissenschaft vom Individuellen schärfer
herausarbeiten, als er in den bei ,,•eitern meisten empiriscl1en Wissen-
schaften fakti eh zum Ausdruck kommt. Abgesehen d.a v,o n, daß der
Begriff einer \Visscnschaft v om Individt1ellen vorlät1fig noch nichts an-
deres als ein logiscl1es ProbJcrr1 1. t, bedürfen a\1clJ die Natur \.V i ss e n-
s c ha rt e .n nut Io\l'.lcksict1L auf il1r \ 1erhältnis zu1n Historischen
oder zur em pirisch en ,virkJicbkeit in ihrer Besonderheit und Indivi-
dualität noch einer genaueren Erörterung, die in gewisser Hinsicht
als Ein s o b r ä n k u n g des bisher ge'\\l'Onnenen R esultates ange--
set1en werden kann. Daß wir tu solcl1en Einschränkungen kommen
würden, t1aben \vir von ,·omeherein hervorgehoben, und der Grund
für sie muß sich bereits atts den Ausführungen O.b er das Wesen der
natunvissensct1aftlichen Begriffsbildung ergeben. Doch ist es not-
wer1dig,. das logiscl1e Prinzip, ur11 das es sicl1 dabei handelt, nocl1 aus-
drücklich zu formulieren und an Beispielen zu verdeutlichen.
Der l(ernpunkt läßt sic,h rnit wenigen W ort en angeben. Wir
haben früher ,,,jederholt darauf hingewiesen, daß die Begriffe der
.N atunvisscnschaft bei der Bearbeitung d er Körperwelt, und des Geist es-
lebens mit Rücksicl1t auf das Ideal einer allumfassenden mechanischen
oder psycl\ologischen Theorie als m e h r oder w e n i g e r logisch
v ollkommen angesehen ,verden 1n'Ossen. Erst ~·enn die Gesamt-
VirirkJichkeit des Physiscl1en oder des Psycl1iscl1en., ge11auer der In-
begriff aller il1rerTeile, unter ein e n urnfassende11 Begriff gebrac.h t
worden ist , hat dieser Begriff a 11 e unübersel1bar e l\1annigfaltigkcit
überwunden und enthält dem-entsprechend n ichts rn.cl1r von der Be-
s.onderl1eit und 1ndividtialit.ät d er verschi edenen ernpiriscl1en Wirk-
lich.keiten. J ede N atunvissenscbaft jedoch, deren Begriffe diesem
Ideale mehr oder ,veniger fetnst ehen, nitnrn t auch n ocl1 mehr oder
weniger von der Besonderheit u11d Individualität des Wirklichen
in sicll auf. Da nun die individuelle ~lannigfaltigkcit für u11s mit dem
Historiscl1en in seiner a llgem einsten logisc l)e11 Bed eutt1ng iden-
tisch ist , so können ,vir diesen S atz auch dal,in forn,ulieren, d aß

D1911 11,ado por Goc,gle


237 -
die v e :r sc l1 i e d e n e n Na t t1rwi sse n sc l1 aft e n m e hr
o d e r w e n i .g e r h i s t o r i s c 11 e B e s t a n d t. c i l e a u f w e i-
s e n , und zwar ist dies so zu versLeheo, da ß ihre an dem Ideal der
,,letzten" Naturwissenscl1aft gemessene Vollkornrr1e11beit. ahhöngt
von dem Grade, in dem es ihner1 gelungen ist , die historischen Ele-
mente aus ihren Begriffen zu entfernen. Entsprechend dem ~1aß von
}1istorischen Bestandteilen, das die \Vissenschaften en thalten, können
wir auch sie selbst als 1n e b r oder w e n i g e r n a t u r w i s s e n-
s c t1 a f t l i c h oder ge11eralisierend bezeichnen. R.ei11 nat unvissen-
schaftLich und absolut generalisierend wird dann nur eine Betrachtung
der Wirklichkeit mit R ücksicbt auf itaren a 11 g e m e i n s t e n Begriff
zu nennen sein. Kommt dagegen nur das Allgemeine eines besonderen
T e i 1 e s d-er Körpenvelt oder des SeelenJebens in Frage, so sind in
den nur für diesen Teil gült igen a llgerncinen Begriffen i1nmer auch
noch historische Bestandteile vorhanden, oder die Generalisation ist,
nicht absolut s011dern nimmt noch rnehr oder wen.igcr V·On der Indi-
vidualität d er Dinge auf. Und eine an.aloge Betrachtung muß selbst-
verständlich auch für die h i s t o r i s c l, e n Wisse11schaften gelten,
da unsere Begriffe des Natun\•issenschaftlichen und d,es Historiscl1en
ja 11ur Korrelatbegriffe sind, d. h. es rnuß ebensot \,,ie es ein 1nel1r oder
\\-"en iger N atu.nvissenschaftlichces gib t, ein m e h r oder ,v e n i g e r
H i s t o r i s c b e s geben. Auch das H istorische ist somit etwas,
d as Grade hat 1 d. l). es ist nicl,t. nur eine absolut b.istoriscll.e Betrach-
tung möglicht die die \Virklicbkeit mit R ocksicht a uf das Individuelle
und Besondere scblect1thin darstellt, sondern man wird auch eine
Betracl1tung nocl1 historiscl1 nennen, die sich 1,w ar auf et\,•as Allge-
meines richtet, dies Allgen1eine aber im Vergleicl, zu nocl1 Allge-
meinerem als eine Individualität oder als et,vas Besoncleres ansieht.
So wird der Begriff der Geschichte ebenso r e l a tiv wie der de:1·
Naturwissenschaft . Dem relati,•er1 Ge11eralisieren steht ein relatives
Individua lisieren gegenüber, trnd wje es hist oriscl1e Ele1rlente in den
N atun vissens.chaf Ler1 gibt., so ,verden wir auch n a t u r w i s s e n-
s c t, a r t l i c h e E I e 1n e n t e i n d e r1 G e s c t1 i c t1 t s ,v i s s e n-
s c h a f t e n finden. \.Vas (las Letztere bedeutet, läOt sicl1 jedoch
genauer erst i1n Zusarnrnenl)a11ge 1nit cl.en logi ~ch.c n G.ru11dbegriffen
der historischen ,vissensc.harten selbst zcigcn. Hier , ,vo unsere Auf-
merksarnkeit 11och Rtl f die Grenzen d•e r natu r\.vis cnschaftlichen Bo-
griffsbildung w1d den prinzipiellen Gegensal z. von Natur u11d Ge-

ü1g1taltzado por Goog e


- 238

schichte gericl1tet ist,. suel1en \\'lr zunäcl1st die Bedeutt1ng cler histo-
rischen Bcstandtcile in den Naturwi. senschaften zu verstehen.
\1/ir geben auch jetzt " ·ieder so v or, \\rie ,vir es frül1er getan haben,
d. h . ,vir entwickeln unsere Gedanken fü rs Erste nur· mit Riicksicht
auf die Wissenschaften von der K ö r p e r \\1 e I t. Für diese, in Unter-
suchungen über die ?\•Iethode der Geschichtswissen schaften et'~,ras un-
ge,vöhnlich.c Art der Betrachtung haben. wir mehr,e re Gründe. Z·u -
nuchst n1uß, ,,1enn unsere bisl1e1·igen Behauptungen richtig sind,
es 1.um h-1indesl.en gleichgültig sein, ob wir an den Körperwissen-
schaften oder an tle11 ,,Geisteswisscnscha rlcn'' ein logisches Prinr.ip
klnr machen , derin der Gegen ·atz von Nu tur und Geschichte hat
ja in seiner allgemeinsten logi cl1en Bedeutung mit den1 von K örp er
und Seele nichts zu tun. o<iann aber· besitzen für unsern Z,veck die
Körper,visseriscltaften im VergJeicb zu den psychologischen Diszi-
plinen den \ 'orzltg, daß sie in der logischen \ 1o.1Jkommenheit il1rer
Begriffe weiter fortgeschritten sind, und daß. besonders da letzto
Ideal einer bcgrif [licl1en Erkenntnis der Körpcnvelt, wegen der i\·lög-
JichkeiL einer Quantifikation hier viel deutlicher zutage tritt als bei
der begrifflichen Bearbeitung des Seelenlebens, Endlich bevorzugen
wir die Körpenvissenscl1alten gerade d.esl1alb, weil es n i c 11 t ·üblich
ist, den Begriff des Historischen auf sie anzu,vend en. J e unge\vohnter
nämlich das ~lntcria1 ist, an dem ,vir unsere B egriffe c11t\vickeln,
de lo mehr muß il1re von dein Material unabl1ängige logische B ed eu-
tung zu tage treten? und so von "euem der Gegen.salz klar \Verden,
in dem un ere logische EinteiluJlg der Wissen ch::i!ten z.u der . omst
t1blicl1en in Natur- und GcisLes\vissenscl1aftcn stel1t.
Greifen wir zunäcli t auf die Au rohru11gcn über Dingbegriffe
und Relationsbegrjrf,e in1 ersten Kapitel zurück. Die Beseit.igu_ng der
Dinghcgriffe durc,h msetzung in Begriffe von Relationen ist , ,vie wir
wissen, der Weg, au( dem die Natunvissenschaflcn von der l(örper-
welt sict1 der logiscl1en Voll.kon1menbeit an11äherr1. · nLer die Begriffe
von Relationen 11Jetzter Dinge' ' solJ so\veit ,vie mögiicl1 a lles kötper„
licl1c Sc.in geb racht ,verdcn. J e mc11r Begriffe v on anscl1aulicben
Dii1ger1 a lso eine Wj ssc1lschaJt noch benutzt, d•csto \\'eiler ist sie v on
der Ein icl1t in d.e11 allu mfa sct1den nalurge~et.zlicl1en Zusammenhang
der J{örpern•elt entfernt. Die Begri.rre nun , die noch nicht Relations-
begriffc gc\\'ördcrt sind , können ,vir jetzt aucl1 a ls die historischen
Be:sl:.andLcilc der 11at.un, isscnschafLlicl1en 1''t1eorien bezeichnen und
1

sngcn, doO die Auflösu ng d er Dingbegriffc in R elation b egriffe einer

D191, h,ado por Google


- 239 -

Beseitigung der l1istorischen EJe1nenLe gleicl1zusetzen ist . J eder


Begriff eines a11schau)ichen Dinges muß im \ 7ergleicl1 zu den „letzten
Di1lgen' 1 noch et,vas Jndividucllc-s, also H ist ori sch "s im logiscl1en
Sinne entl1allcn. Demenlsprechend läßt sict, dann mit Hilfe unseres
Begriffes v om His t.orischen auch ein logiscl1es I d e a J s y s t e m der
versclricdenen Natunvisse11scllaften konstruieren. Wenn \Vir die be-
sonderen Disziplinen als Glieder eines ein'beitlichcn Ganzen au ffassen,
müssen ,vir sie u11s in einem System in .folgender Weise a11geordnet
d enken. Die historischen ElcmenLe, die it1 den Dingbegriffen d er
einen Wisse11schitft noch vort1anden sind t1nd , so lange diese Wissen-
scl1 aft über die besondere Aufgabe, die sie sich ste llt, nicht hinausgel1t,
auch vorhanden sein m üss<in , ,verde11 von einer andern Dis1.iplin 1 die
sich um fassenclere Aufgaben stellt, durch Begriffe von Relationen
solcher Dinge, die· weniger l1istorisc-hc Bcstancltcile entl1altcn 1 be-

seitigt. Diese \\' issenschaft schiebt dann ihre historischen Elemente
eir,er noch umfosscndercn \Vis enschaft zu , die neue Rclationsbegriffe
mit immer '\\·e11iger }1istorischen Bestandteilen zu bilden bat, bis
schließlich in einer die ganze J{örpcrwel t. umfass.enden Tl,coric alle
Begriffe von individueJle11 Dinger1 und damit alle hisl-0rische1t Ele--
mente entfernt sind. Ers t die .,,letz:Le Natun,•issen chaft " also ist als
von historischen Elementen vollkommer1 frei zu denken tJnd als „rein"
naturn•issenschaJtlicl1 oder absolut generalisierend Zll bezeichnen.
ZtJgleich sehen wir, da ß unter diesen1 Gesict1tspu11kte n u r die
leLzt.e Nat.l1nvissenscl1afL keine historischen Elemente mehr be itit.
Alle and-c ren Dis ziplinen zeige11 sie t\icht nur talaächlicl1 mehr oder
weniger sondern mü s. en sie a uch, so lange sie sicl, eine begrer12Le
Aufgabe stelle11, in ihre11 Begriffen vo.n Di11gen beibehalten . Sie hören
dadurch a J l e in aber noch nicht aur, Naturwissenscl,a'Ct.cn aucl1
im logiscllen Sjn11e zu sein. Sie wollen allgemeine Begriffe n\1r für
einen besonderen Teil der \tVirklichkcit bilde11 und dürfen dal1er dort,
wo für ihre begrenzten Ziele keine Problernc mel1r vorliegen, die Ding~
begriffe stehen Jassen , ohne 011! d en Um-51.and , daß vom St.a11clpunk.tc
eirter lel.it.e11 ~ nlut'\\>·isserIBc'~1aft d arin noch individuel le, al~o histo-
rische Elen1entc en.thaltcn ind, zu refle.k tieren. .Ja, als Spezial,vi scn-
sct1ai len J1aben sie nicht, nur ein Recl1t, vot1 einer Betrach tungsy.reise,
die ab. olut. unhist.orisch ist , a b.zusel1en, sondern sie können Oberhaupt
nur <lad u rcl, at11r,visscr1i:schaften eines be onderen 'feiles cler l(örper•
'.\'elt bleiben , d a ß sie d as Allgen1einc i n n c r h a l b eine Bes,)odcrcn
u11d ln<lividucJlen , flie Nntur inn e rhalb eines Il islor i ~llcn uchen

D191, h,ado por Google


- 240 -
und sich gar nicht dnrum kürnmern, daß dns Gebiet, für '"elches
allein ihre B egriffc gelten, auclt als el,vas Historiscl1es anzusehen ist.
I n s o r e r n also heben die bistoriscl1e11 B estandteile in d en B egriffen
den logisch naturn·i s enscha ttlichen oder generalisierenden Charakter
der Darstellungen, in denen sie sich linden, noch nicht auf.
Aber dieses Verfa.bren ist in den \Vissenschaften, die es mit einem
,,relativ liisloriscl1en 1' zu. tun haben, nicht da_s einzige, da s möglich ist,
und damit kommen ,vir erst zu dem Punkt, an dem die Durchfüt1rung
de prinzipiellen logis chen Gegensatzes v o.n Naturwissenschaft und
Geschichte, so wie v,•ir diese Begriffe bish.er gefaOt l1aben, zu scl,cit.ern
scheint. .Je ferner die Spezialdisziplinen nämlich dem Ideale der
letzten Na tunvissenscha(t s tehen , um so bedeutsa.mer muß in il1nen das
Geschichtlicl1c und um so größer die Sch\,•ierigkcit ,verden t die all-
gemeine Natur innerhalb dieses Geschicl1llicl1en zu finden. Die em•
piriscbe Anschauung mit ihrer Besonderheit und lndividualilät drängt
sicl1 imn1er mehr in den Vord ergrund . Unter diesen Umständen ,vird
nicl,t nur die mehr a ls c.m pirisch allgemeine Geltun g um so unsicherer,
je weiter die Begrilfc von der Gcltur1g der 1nathcrn a.tisch formulierten
B e\\r,egungsgesetze e11tfernt ist, sondern - ur1cl das is t das Entsc hei-
dende - es grei ft auch ein anderer Gcsichl5punkt der B ctrachtt1ng
a ls der im logischen. Sinne natuf'\\•isscnschaftliche Platz. Der llis tori-
scl1e Cl1arakLer d essen, \\'as für die hegrcr1zle11 Aufgaben der Spczial-
wis, enschaft ,k ein nnturwissenscl1aflliches Problem ist , wird nun
nicht me11r igno riert, und. soba ld dies geschieht, muß das Verfahrer,
der \iVisscnsct1aft selbst l1i!)toriscl1 ,verd en, d . h. der F orscl1cr su cht
dann nicht nur die Natur innerl1alb eines Sondergebiet.es , da ' AUge-
meine innerhalb eines I11dividuellen, sonde1·11 er reflektiert auct1 aua-
drückljch darauf, daß er es 1nit hi-t orischen ' ' org!ingen zt1 lun hat,
und dann nimmt seine Darstellung aus den früher angegebener, Grün-
den die logis-cl1c J•'orm ei nes B erichles an, der von d crn ein111al.igor1
Geschehe11 oder cler Veränderu11g u11d tien1 \Verde11 crt.ühlt. Der
Blick ,vendet sich von clen z,eitlos gOILi 17en Rclat.ion r.n ,ler V·crgar1gcn-
heit der Objekte zt1 . Es la u cl1t die Frage altf : \Vie ist das Be tchende
allrnählict1 gC\\'Orclen ? Dei il1ror Bea11t,,·or-tung ltorrtrnt s.o zu dem
historiscl1en Charakter des I n 11 a l t c s. dc1· Be~riffc au cl1 d ie l1isto-
riscl1e ~I e l 11 o de der Dar:;tcl lung. Z\va r \\'ircl clas i,Jaterial in den n1ei-
slen FUllc11 i11·1r11cr ruJch t1n lcr relativ allgcnteiI\" Begriffe gc l">rncht1
d enn ei ne ß ctracl1 tun.g der Bcso1tt.'tcrhl'i Let\ einbclr1cr 1n<livid ucn
SJ)icll i11 d-e1\ l{örpcr,,·isse1IBchafte11 llöcl1s lc11s i11 Ausrtn h rnefüJleri

ürg,t~hzado por Goog e


'

- 241 -
eine Rolle, und es kann der1tent.sprechencl auch die l\{etl1ode der Dar-
stellung nur ur-elat.iv historisch' ' oder relativ 1ndivi<lualisicrend sein,
a.ber naturwissenschaftJicl1 im Jogische11 Sin11e ist ie Lrot.zde11, nicht
mehr. Sie muß historisch genannt ,verden, und t1nt.cr rein logiscl1on
Gesicl1ts·p unkten ist eine . olcl1e hislorisclle Darst..ellu11g ror das ~la-
terial jed er Natunvissen chaft1 mit Ausnahme der ,,letzten" 1 rnög-
lich. Desl1nlb scheint der prinzipielle Gegensalt. vo11 Naturwi sen-
schaft. und Ge~cbicl1Le für die e1r1pirischen Wissenscharten ilbcrall
dort zu verschv.•inden, ,vo nicht 11t-.r die Bo6rriffe der · ratun...~issent:1chaft
historiscl1e Ele1r1e11re entl1alLun, sondern ,vo aucl1 :iuf den historiscl1en
Charakter dieser relativ inclividuellcn Elemente au.sdrücl(lioh reflek-
tiert u11<l dann der ei11u1alige gc ·cl1ichtlicbe \Verdegang des lndividuel-
len in Betracht gezogen wird.
Es ist jedocl1 nicht sch\\1er zu zeigen, daß trotzdem die Bedeu-
tung des Gegensatzes von Natur und Geschichte ror die \Visse11schafts-
lehre unangetastet bleibt, tind ,vir ,vcrtlen <lie~ noch leicl,ter können,
\Venn ,vir uns das Prinzip, um das es sicl1 hier l1andclL, an einigen
Beispielen zu v erdeutlichen suchen. In dem wirklichen Betriebe der
Natu,n-vissenschaftcrl von der K örper,veit spielt die in dern angegebe-
nen Sinne t1istoriscl\e Darstellung vor allerY1 in den b i o J o g i s c h e n
Disz.jplinen eine erl-1ebliche Rt lle, und es sirld die logischet1 Besonder-
heiten der Biologie aucl1 desllalb hier von B ed eutung, ""'eil z,var wohJ
kau1.n im Ernsle bet1aupteL ,ve„den ka1111 1 daß die Gcscl1icllte ,,tie
Pl1ysik oder C·h emie ~u treiben seit inan aber daf(ir um so n1ehr in der
Biologie die Natunvissenscl1aft ges ehen hat, deren J\ Iell1ode aucl1 für
1

die historischen \Vissenscha!ten anv,,·endbar sein m.tlsse. Trotzdem


darf die Untersucl1t111g, ,,,e1tr1 sie die lor:,ri"cl10 StrukLut· -der Biologie
klarlegen ,viJI, sich 11icht auf diese \1/isse11schaft beschränken sond ern
muß zeigen, <laO i11 ihr nur eL,vas ztt beso11dcrs ucutliche111 Ausdruck
ko1n1nt1 das auch in der1 and ern atur\.vis e11 chaft.e11 nlclir oder
w-c niger at1sgeprägt z1t fin-d cn ist. Aus diese1l1 Grunde ve1-s11cl1cn ,vir,
l1istorische Elernente auch in der Chen1ie, ja, als lo•:•isclle l\lö••lichkeit,
sogar in der Ph)rsik aufzuzeigen. Wir können uns dabei at1f d as bc·r -ufon,
,vas ,vi.r im ersten l(apiLel über clas Ideal einer o b s o 1u t allge1neir1en
Tl1eorie <ler J{örper\.velt 11nd ihr \ fe1l, ä lt.nis z.11 r Phy:::ik und Chern ie
ausgeführt habe1l, und "·e,rdc1t zugleicl1 i1nst ~n<lc sein, jetzt die Er-
gänzungen zu dern dc,rt Gesagten zu geben , .a uf die frf1h er nur l1inge-
,vicsen wurde 1. Selbstvcr Ländlicl1 sel1en ,vir jedoch auc l1 hier von
- •· s. oben S. 98.
lt i c k e r L, Gttu?.{l D, !!. A nti. l li

0191 lt ado por Goog e


- 242 -
aller inha ltlicl1en Ricl1tigkeit der herangezogenen Beispiele ab und
verfailron ganz scherr1alisch, ohne die Einzelheiter1 cles gegenwärtigen
Sta.11des det· ForscJ1ttng Z\1 berück~icht.igen ..
Gel1eo ,vir von d em Gedanken einer rein rr1echanische-n Natur-
nuffa-.;su11<r i11 der Gestalt ati s, '-Vie z. B . I-Te1·tz sie als AeLllerll1eorie
angcdeuLct hat, und suchen ,vir von diesem Jden le alJmä hljc h durcl1
Physjk u11d Chcrnic i1n engeren in1.1e hindtirch den \ Ve-g Z\1r Biologie
zu_ finden. Der Begriff der l{örpet"'lvelt, r1ach dein alles physische Sein
als Bc"•euung letzter Dinge zu denken ist, enll1ält, ,,,ie ,vir wissen,
nicl1ls e1npiris.cl1 Anschau.licl1e ur1d rticht..s l11divid1tclles mehr. \1/ollen
,~ir trotzden1 den Aether im i11nc tles bloßen 11 rau1nerfülleuden
i\1itLeli-", r,l. t1. a ls d us "'t•bstra t, einer absol11t ollgc.n1einer1 Theorie
de Ph)•si 'cheu t\ocli für ei11e \Vi rl...liel1l{ciL halten, so !1at er tlocl1 jeden-
fall s 1nit c_ler uns bcktann.ten '1Virk.lichkeit nic!1t. ,,Wirklicllc 11 1r1ehr
gemein 1. E r ,väre, ,vie ,vir aucl1 sagen köu11en , eine v,öllig unl1istoriscl1e
\Virklichkcit, und es hät.Le keiiten Sin11, ihn nlit Rücksicht auf seine Be-
so11c_lerheit und Inclividualitä t zu unlersuchcn. ,Jerlcr seiner 1"ejle soll
ja sein.e m Begriffe noch d a.sscJbc sein ,\·ie jeder a11dcrc, r1ät1tlich : Be-
,vegung letzt.er Dinge. Zugleicl1 aber ist der Beg1·iff c1e ,1 le-lzt.c11 Dinges''
a uch der einzige natun,,i ser1scl1 a ft liche Begriff, cl<'r 11icht.s mPhr v on
I11dividt1alität und Be ondcrh eit cnLhä lL. cl1011 ,ve1111 ,,-ir uns der
11lar1nigfallir1>J<cit zu,vcncle11, v or1 der die verschiecle11cn Teile der
P ll y i k. i,11 c11ge1·en Sinne handeln, so rinrf cn \.Vir, daß Li<'ht, Schall,
:\•JagneLismus, Elektrizität, ponderable ~laLeric z\vf,r scl1r allgcmejne
Begriffe sind, fiic eine u11iiberscl1bar-e Fiille von verschic<.le11c11 einzelnen
Dinge11 ttnd , .rorgängen u111fas ('n , aber i111n,cr n och onsr t1aulicl1e u11d
jndividuelle, al o l1istoris<!l1e Ele111ente i1T1 logischen Sinne enthaILen.
Ga11z abgcselien davon , rlnß es bis jcLzt noc h. 11ichl gcl un"c11 ist, alle
.l\lannigfaJtigk.eit der physikalischen , ,,orgnnge \tu Ler ei11en gc1neir1samcn
Begriff z11 bri11gcn , sind Lict1t1 Scliall us,v. als a n s c h n u I i c h e
Gebil(le· in ihrer lndi\tiduali tü.L für rtll•e Zeile11 nu.r al et,,·as ~1·0.tsäch-
licl1es o,lcr .,I-Ii · toriscl1es 1 ' hinzt11lchrr1ctl. \.Varu111 es gcracle diese und
nicht an dere pltysi l<aliscl1e Vo1·gängc gibL, tlic von cle11 bcl~a,mLcn s ich

i 1-I fick a 1 (Der ~loni:..rnu:i al:., Band z,, •ischen ft cliglon 11nd \\' isst"n ~chaft,
l ·G) 8rtgl n ll1' rding~: , , \\·cnn \\' il' rn i tL.-Js l d er l~urtpu1n po d in ~hlR-.ß der ol u10 -
rihärischen Lurt aus eint•r Gl a'-glockc cntrern~n , :-o bleibt die L lchl111cng~ irmrrhnlb
dcrsclbro unveri'iLu.lrrt : ,v i r s o h e n d o n s c h " " i n „ Cl n rl o n A c t h e r !"
Al><'r dos kann rnan ,,·old doch n ic fll l>ohauptcn , sondern " ·ir s c h e n
im 1ncr di ~ ,. Lichtmcnge1" und d e n k c n s ie un:s nur al.s au Reh v,ri11gl'll den,
,:.\ Clher be:. lchcud.

0191 lt ado por Goog e


- 243

der A1•t, nacl1 eb en o unLerscheiden \\'ie diese von einander, das ,vissen
,vir nichL u1\d können es niemals ~•is e11. Wa re cin e 11letz t.e 1' 'l'hcorie
volls Lä11<lig a usgebildet, Urtl.er d ie jeder d enk.hure körperliche Vorgang
gebracht , erden kann., u11d dadurch erne Uebcrwi11du11g der ext,en~
siven Nlaruugfaltigkeit der l{örper,vclL in ihrer Gesamtheit. erreiel1t,
so be t..l\11den die Begriffe v on Licht, cl1aJJ us,1/. aus Zalllen und For-
meln , die sich z,'i·ar auf die phy ikaJisc hen Vorgänge, die \vir kentlen,
beziel1cn, n1jt dern aber , ,,,a ,vir als Licht, SchaU us,v. un c hat1lich
erfa.l1ren oder erJebe:11, nictil.s mehr gemeirtsam haben. Die pl1y ikali-
schcn Vorgänge sind bcg reifliclt imnler nur mjt, Rüc.k icht auf das,
,vas ie mit andern Leiten . \\1er niemal. Licht ge ehe11 oder 1~öne ge-
hört hut1 würde au · dctn Inl1alt (.lcr Bcgrjffc 1 die eine absolut allgen1eine
'I'hcorie d,cs Ph.y ise-t1en bilde11 könnte, von dem , ,va Li ch t 1 T on,
Scliall usw. aJs en1pirische \VirkJicl1keitcn in ilirer Be ·underh cit und
lndividualiLtit sind, auch nich t d as Geringste erfahren.
Dies n·teinen \vir, '"'0 11n ,vir sagen, da.O die pl1ysikaliscl1en EjnzcJ-
-
disziplinen, die nicht absolut aJlgem,eine 'fheo1·ie des Pl1ysiseher1 sit1d,
auch in ihren allge1neinste.n Begrir{en 11och l1istorische Elemente ent•
halLen.. J ede von ihnen bcgir1nt g-e\\•isser1I1aßer1 n1it cincrn l1istorischen
Faktt11r1 1 und so a.llgcm-ein nucl1 z. B . der Begriff d es Licht.es ist, so
muß die Ü(>Lik., un1 als Lehre vorl1 I~icbt Na tunvissenscl1pft in t1nserm
Sinne z.u sei11, d. h. zu ge11-eralisierent ganz davon absel1ea , daß ibr
1\ilate1·ial vielleicht nur eine beso11{)cre und inclividueJ l,e Art der Aetber-
bewcgung, al o eine historische ~lodifil<atio1.1 darstellt.. Sie u1uß sict1
darauf bescl1ränke11, das f es L1.l1stcllen , \Va gilt~ ,vo übcrl1aupt l„icht is L.
Darirl erfaßt, sie dann d ie Katur irulerhalb de~ relali,1 hi~tori.-;cher1
Vorganges, das Allgc,neine in:i B ~sond eron . Ej11n1a l ergi bt sicl1 hieraus,
\Varu.01 die Unt crsucllunge11, die 11ur fi.ir einen Teil der \\lirklichkcit
gelten, niemals ihren sclbstä11tligen \\' ert v erlieren können, und \varurt1
e unmöglicl1 ist , die spez.iellen r,lr~,'sikalischen Theorien rc.sllos irl eir1e
1'ltcl1ar1ik at1f-zulösen, die nur noch von Quantität:.cn rcdcL. Zuglcict1
ab er sehen ,vir hicra11s auch., <laß der G·e da11ke eir1er G e s c h i c h t e
des Lichks, d. 11. ein er Behandlung d er Licht.vorgängc, die auf ihre
nulividuelle vVirkljchkcit und du111it auch auf ihren ein111alige11 \\' crcle-
gang Ul der \ fergn11g<.\1lhcit Rücksicht. ni1n111t, durct-.aus nicl.1t logisch
,,·ider..·in1ii.g ist. \J äre11 nä n1lich alle nat t1nvissenschaft.lict1cn Licht-
probleme gelöst , so bliebe doch noch ei11e R eihe von Frager1 in Betreff
<.ies Lichtes unbeant,vortct. Gab es irruner l .icht. ? ,,rann ur1d wo ist
es ium er~ tcnmal zu find er1? \\1ievicl Licl,t exis tiorlc ein111al \\'irl<.lich ,
J,ß .

ü1g1tahzado por Goog e


- 244

und an ,vclcl1en Stellen der \Velt ka111 e , vor? Die si11d historische
Frage11, über die die Optik aJs gcneraJisierende alu1..,,·i scuscha ft
nichts aussagt. F:s knnn fitslch kein rr1 Ph y.sil<cr •ein fnl l.cn, olcl1e Fragen
zu stellen , denn abg ~chen davon , rlnß ztJ cirtcr Gesch icl,t,e des Licl1tes
aus nal1elicgenrl nn Grünrlen die „ U rli.u.ndcn " f<'li lr n , ,vürd c sie ihrl nicht
intercssicrct1. Abe r darauf 1<-or11n1t " hie r nic h t an. ' '' ir \\rollen nur
zeigen, daß für alles, \\':ls r1ocl1 e1r1tlil'iscl1c Wirkli chkcjt urtd darn it
noch I,1dividt1nlität enthält, auclt ei11e h.istori:iche Dur u:llung logisch
möglich ist , die , ict1 at1sdrücklich dc1· einr1ia fjg,!n und individuellen
B c-,cl,affenhei t, clcr b etreffenden Vori;ünge zt.1,vendet. Daß es sich
bei B ·gri(fe ,vi • dc111 des l .ichte·· n u r l1r11 ri11e logiscl1 c l\ lög-
e ine11 t
licllk•eit l1anrlelt 1 ärtcJert a r1 urtserr n Rcsultat.c cbt1nfa lls t1ichts. \\1a.
,vir auggeführt huben , gi lt vicl1nel1r für die gcsa1n te \\r •tt der Physik
im engeren Si1111e. Auch di~ 1 ,po11derablc Materie", utl1 das, ,vas "'iel~
leicht an1 (re1nclartig-ten l<lingt., hern\1<:.zl1hc))en, ist , ,,renn. z. B . die
?r1assc11atornc ai ' .,Vcrdict1tt1r1gszcnlren ' 1 dN- ,\ cthcr~ angesehen ,,·~r<Jcn ,
el>en falls ir11 \ fe rg lcic lt zu d „m Aeth cr 11ur ein hi sto rischer \ to rga ng ,
der cv e.11Ln cll ei 11e11 Ai1fang ,u uJ ei11 Ei1de hat ,vie alles Be5ou,lcrc u11rl.
l ndi,•iduc lle, und vort de in es d aher at1ch ei1\e Ge3cl1icht.e gcl)en kör111te,
die :;ict1 au! seinen ein rr1aligf'11 111,d hf'so11der~n \\'errl en-nng b~1.ieh t .
\i\'ie gesagt , ,vir ,,·orclcrl a 11f (1if'sC Gcrlo nk<'11 !{<•i n•c n '\,\·crL l1•g1?n,
,,·en11 da logische Prinzip, au r da~ es u u dabei a11lcorn rnt, u1 n llen
\·'lisscnsr.l,n ftf'n so bccleult1ng~los \-Yär e ,,·ie in ,ler P·h )'· ik. D as i. t n l><'r
nicl1t ,d cr Fall. ... cl1on ,,·,•nn ,vir ,111s von d er pllys ika lisc he11 i\Iur111igftlll.ig-
li.ci~ c1cr clu~rt1iscl1en , d. 11. d l)n q ua li t.ntivcn Vcrschiedcr1hejLc11 der
11 Elcrner1t e ' .zu,ve,idcra , gc,,·iru11•11 die historiscl1.rn B esta11dlcile ei11e
1

größere Becleut..t111g al1ch, i11 J er ,v-irklicl1c11 \\' is c1,scl,aft. Dcnh:en ,,·ir


an die D ars tcll,1na. die clic unübers · hlJare q ttalitntivc 11annigfa ltig-
k cit der poncler:-tbl<'n tat •rie hegr<'ift, ir1dcm sie i;ic auf eine l)<'grcnzl,e
Zahl v on Qual itält!1\ o,l••r atl f c,hc tnisr.!Jc lt Jen\ ·ntc 1.urückfi.ihrt. R ein
t\atur,,'is cn chaftJich bl c-ibL ih re 1\1,...thorlc nur dadurcl 11 daß ~ie die
E len1en.te al et,va ' ·1}ge,ro1·d~rlcs 1 D:1uerndcs. also U11 lli~t oriscl\es
betrai;htet . i • rinclct, irt illl1er1 die ,.Natur" des Chen1isclien und k:n nn
die :\1üglicl1k<·it ihr, r ein1 r1a ligr11 Ertl$Lch u11g und deren i11di"·idl1cllen
\ 7erla1 1( ebenso ignorieren " ·ic die ()p( ik: cli•e ci111nalige ErtLs tehur1g

des L icht.-;. ,•\ nd<:r<'rs{'i t,s al)cr enLha llc11 cli<'$C ,l~lernc11lc" 11icl1t nt1r
v o111 t.a11<l1)unk.l:.e ei11cr logi~clt , rolll(o1 ,1r1\ ·n gedacl,ten, also ab:-.c,1ut
unh i torischc11 Aet.hert.heorie so11rlern nucl 1 chon ttnler ph)·sikali:-chen
Ges ich lsp unk Let\ in) <'l'1ge1·en inne h i:-.-tu1·iscl1e B e~lnnd teile. lnsofcrn

ü1g1taltzado por Goog e


nür11lict1 bereits der Begriff der ponderablen ~laterie ais der einer
Aethermodifika·t io•n el\vas relativ Historisches ist., müssen die chemi-
schen Elemente, ,venn \vir uns außer der Aetl1ertbeorie aucl1 ei11e
The-0rie der ,,U relemen te" at1sgefiibrt d enken, als historische ~lodi fika-
tior1en von ct.,vus angesclten ,vcr<le11, das i m Vergleicl1 zu111 Aetl1er selbst
scho11 eil1e hi torische ~1odifikALion bildet. )1a11 kao11 daher die ~l annig-
faltigkeit cJer cttc111jscl1en E lemente i1n Vcrgleic.h zu don ph)rsikaliscl1en
\Forgängeu auch als ein llis toriscl1es höl1erer oder .z ,v e i t e r O r d-
11 u n g bez.cicl1nen, t1nd ,vie ,vir bereits angcdou Let hoben, ist der
Gcdan·kc ihrer Gcscliichtc nicl1t nur, vric clcr ci11er Ge c.lticl1le des
Lic'h tes 1 eine bloße logi sche ~1ögl.ic hk,eit, sor,der·n die e1npiri. ehe Wis-
senschaft . clbsL l1at sich bereits dn1t1it, bescldi Ctigt; ja 1 eine völlig
u11 l1ist.oriscl,c Betrachtung der ,,El.e,n1ent e1 ' ,vird sogar imn1er melir
verdrängt . Diö Versuche, die hier i11 Frage ko1nmer1 1 hu.b cn ihr·cn
Ur~prur1g einerseil.s in den Thco1·ien v·on Lo,Lha r ~teycr und l'.lendele-
jeff 1 , urld ~ie hä ngen arldererscits 11,it der Ucbertragung d es histori-
sc hen Ct..'s ic li LspunkLes auf unsere Erde 11ncl unser Sonnen ystern zu-
·ar11rnc1l1od er sie rolge11 ga11z itn .:illge1l\einen aus der Besin11u1lg llarattf,
daß die gc ·amte e111piriscl1c \Virklic hkcit, in der ,vir leben , als ein
hi.st-oriscltor, d. h. ein111aliger \<\1erdegaug angescl1e11 \,·erde11 rnuß. So
,vie die WclLkörper entstan.clen ind aus den Ele111e·n ien 1 könn en so
nicl1t auel, rJie .Ele1ner1te selbst, cinrna l entstRndcri sein? ~fi t <lieser
F rage ist die :\iöglichkeit einer lii._lorischec~ BcLrachtung gegeben, Ulltl
bei ej11er bloßen .\<Jöglichk.eit ist es hier nicl, t geblieben. \Velche Ele-
mente ,1-·arcn z11crst da , ,velche später? Das si11d l1i1>tori!:i.che F'ragen ,
u_r1cl rr1an hat. At1 t,vorlcn auf sio v1~rst1c ht 2. So \\'enig wir Ober die
inha lt.Uchc lticllligkeil dies.er G~danl'-en l1icr Zl l urteil<'.n l1~1hc n, so
1

ir1leressar1l ist, unier logischen GcsichL~pu11lt: Le11 die bloße T:1tsacl1c,


d;1ß es tiberh aupt chcrnischc ·ut,crs1,1chungcn gibt, in Jc1len ni cht nur
die B egriffe, ur1lcr die die zu u11t.ersucl1 cnd co Obj, ktc fall en, rr lati,1
f-J ist..oriscltes c1tthnlt<111, onden1 in c:lenen die relativ I fislorische auch
l\ii; tori:ich behan<lcll \\'irtl, d . 11. sci11e Dars t1,1lung rJie Fo1~n1 eines
-
1 \ 'gl. oben S. 09.
t •.\uf 1.11.'n gegOII\\ llr li •en S tancl dt•r 1\ n.sichte n Ob1•r di~sc Gcdnnken, w ie
sie 1... B. in der Schrift von C .r o o k c aber die Genc:,is der Elemente zu,n
A11sdruck gck o111t11cn si nd , und uiti, al!-. ich dio ers te Aufluge dies-es Buches schrieb,
v.ir•len n och sehr p hau lus lii;ch er1,,ch lrnon, gehe rch nicht o.in, (l,•nn da:; Jogi eho
Pri111.ip könule dadurch niclll klttri•r \\'Urd{'ll. Das T•ro t.;!1~111 ,,·ird in einer Ab·
ha t1cllung von G . \\' end t : Die l~n l \\'tc kl L1ng der J•:ten1ente, l::nl \\'ttrf iu eiur r
biogQnOli!:leh<'rl ,r11nl1lage !Crr ,h(' !H il:l u11<l Phy ik. ,sul !o r-1t1uli1•rl .

D191, h,ado por Google


- 246

historische11 Berichtes aru1imr11t. Die Chen1ie gibt dann nicht nur Ge-
setze, die für immer gellen , sond,en1 sie erzählt auch v o 11 dem, was
einrnal in frül1eren Zeiten wirklich geschehen ist .
• achdem \vir so die historiscJ1en: B esta11dteile i11 der Physik und
in d er Chen1ie k ennen gelernt l1abcn, können wir uns der Bi o I o g i e
zu,venden , in der rlas logisc he Prinzip, d:ls ur1s beschäftigt , a111 deutlich-
sten zum Ausdruck ko111mt. \ Vir sind jet.zt imstande, die Bc.sonderh,eit
dieser \-Vi senschaft als ,e L,va-s zt1 v erst ehen, ,vodurch sie sicl1 z,,•ar
graduell, aber nicl1L prinzipiell v on den übrigen NaLun,rissenscl1aften
unterschcid,et. Eine cn,pirischc Natur°l'\'isser1scha.ft, d erer1 Begriffe
gar keine ltistorischen Besta11dteile er1thalwn, gibt es bisl1 er nu r nls
logisches Ideal, denn , '"'enn ,vir von d,e r rein en ma the1natiscl1en
~tec hu.nik absel1cn. so ntüsser1 '"ir sagen: scllotl (lie allge11·1ein ten
B egriffe der Ph)•sik zeigen ein rclat.iv I-li"toris('ltcs, (lic der ·Cl1ernie
b ereits ein Historisches höherer Ordt1ttng. Bietet llL1 nun nucl1 die
~

n1oderne \-\'issc nscl,aft von dc-n Organisn1en in der Forn1 ihrer Darsf.cl-
lung ein erheblicl1 anclcres Bild a ls I)lt)'stk und Cheruie, so liegt d as
im ,~·csenliichcn d.o cl1 nur daran, daß hier ein l-Ii~tori~1·l1es v on nocl1
l1öhcrer , '\\'enn r11 a 11 ,vill, vor1 dritt e r O r d 11 u n g clen Gegc11-
stand der Unt.crs,1cl1ung bildet , u11d daß dc1,1e11t. prcchcnd die l1istori-
schen B estandt.eilc in die er \Vi senscho ft eine 11och größe re Rolle
spielen. Unter dir.scn1 Gcsich tspu11kl fügL ~ich also die Biologie d em
Idealsystem von Nalur\',1j se11Schaften ei11 1 da.s wir 1nit l lilfe urt·er·es
Begriffes v o 111 relaLiv Historisr; hcn aufstellen kö1u1en.
Allerdings, vjcJleicht, v\>ird die Be1.cir l111u1tg cler Organisrncn als
relativ riie.tori e l1c~ B ede11ken erregen. Sie se tzt l\tin1licl1 v oraus, daß
z,1.rischen d er ,,to ten" u11(l der ,,leb enden " att1r im Prin1,ip k •· in an-
derer Unterschied bc t eht nl et,va z,vi·che11 E1cktri1jUit, ut1d Gold, tind
diese ' ' orattsseLzung läßt sich unter logischen Gcsicltt!:-punkten r111r
dadurch recl1tfertigr>n, da ß , \\'Ort n sie falsch ,,·öre, eine a b s o l u L
allgemeine T heorie der ph ysischen \ Velt nicltt cin111:1l at~ Ideal a11fge-
s tellt ,verde11 könnte. \:Vollen ,vi r überhat•~)t flnrnar h streben, a lle
l(örper un te r ein c-inheilliche Beg1·if(FS)'Rtem zt1 b ri nµ-cn, so n1ü se11
,vir anneh11,cr1 <Jaß n.icht nur Elektrizität u11d Gold so11dcrn auch die
Vorgänge in den Orgarti 1ne1t sielt als beson ,lcre Artcrl ,,on Bc"''egt1ng
1
,lo:t1.Lf!r Oittgc" J e1tken lasse11. \,\1 a- soll diel)e AJ1n a hn1e , re rbietcn?
Es schei11t, a.1~ ob ,,•,a niastcns der scl1ürislc \\,.id(~rsprucl1 gegen die
Vol'a\l. sel1,l1ng r irier prir1zipicll.e11 Gl cicl\sclzu11g der pl1ysil, ali~ch-
chcr11i::1cucu u11d der or<"aniscl1e11 \ 'orgä,110-e nt1 r ,d o rt hervorgcrl1fcn

0191 lt ado por Goog e


- 247

wird, ,vo die Vertreter cler 1ncct,aniscl1en Naturauffassung behaupten,


die Pr-01.esse im lebendigen l{örper, so ,vie sie uns a l:; empiriscl1e Wirk-
liol1keit gegeben sind, auch rc tlos in chen1isc}1c und ph~·sika liscbe
Proze.;;se auflösen zu .k ö·n nen. W enn der ,,Vitali ·tnus' 1 od er ,,l\"'eo-
Vitalis1ot1s" die für unn1öglich erklärt, ~o isL er freili ch im R echt.
Aber eine solcl1c Auflös1in·g ist gerade nac~ ·un ·erer Theorie durchaus
rticl1t die notwendige Vo rat1ssetzung dafür, daß at1c h das Organische
als ein relativ H isto risches betrachtet wird , d enn a uch die chcnii e he
\Velt isl aJs cmpiriscl1c \Virklie hkeit etwas ganz anderes al~ d as, ,vas
die Pl1ysik ir1 il1r-e Begr iffe aufnehn1e11 kann, und eben.so ist die fihysi-
kalische ' '' elt, als e111pirische Wirklichkeit et\-vas anderes als Be,vcgt1ng
von ,,letzten Din°cn ••. Ge,,1iß, das Organi sche gel1t in seiner i n d i v i-
d u e 11 e n E i g e 11 a r t , so ,vie es anschaul ich gegeben ist , in k e i-
n c n mec hnnist.iscl1en Begriff ein, d e,n n alles 1ndividt1elle und An-
scl1auliche setz.t cler natu1"visse1iscl1aCLlichen Bcgriffsbi ld ung ine
Grenze. F erner kar1n a l1c h ein Orga11i~rnu s a I s O r tt a 11 i s 111 u s
nien1a l!s ein ~lcchauis111us sei111 <leru1 die B eg r i r r e de · 01·garusr11us
un d des ~tecbanismus schließerl einander aus. Aber , und darauf kommt
es hier an , es braucl1t „ir h d.a ~ Orn-ani~ch·e in di ese r l-finsicht nicht
prini.ipie ll v on den andern Arten d er Wir klichkeit, c{P.in Physika lischen
im engeren Si:n ne und de111 Chc111iscl1cn , zu ur1lcrscheider1. Den.n
auch das Physilcaliscl1e i111 engeren Siru1c i L nicl1t ein rein ~fechani-
sches, und obenso,venig i t da Cl,cn\iscl)e ~ls Cl\CiruscllC'l':i rein ph •si-
kaliscli zu verstehen. \.Vir nel1n1e11 übeJ'a ll i11 der Na.Lu r\vi -~enschart
arl, daß aus gc,,;s c11 Di11ge11 ~ich an(iere, nette Di11ge bilden, deren
a11scl1auliche Wirklichkeit prinzipicJI v on cler verscllicclen ist, au~ der
sie entsta nden sind. W enn "vir uns al~o njcttt scl1e11 •r1 , URS Licht a ls
Aelberbewegung zu dcr,ken , obv.-oltl ,vir seine cr11pi1·i ·ehe \'firklichkcit
stre11g v orn Acther trenrien müsse11, so liegt. auclt kein Gr·wld vor , d er
uns hin dern könn te , d as Orgar1ischc, ob,,·ohl es in seiner c111pirischen
Wirklichkeit d en physika li el1-cl1e1niscl1er1. Vorgilngen n ie gleichzu-
setzen ist, dc11noch a ls aus ihrlen en tstand en zu denken , d . h. a nzu-
neh111eu, da ß aus der ,,unhelebten' 1 l\la t cric s ich Gebilde ent,vickc ln,
die ""'ir als Organisn1en aurrassen . Und ,ver1n ,vir dies vorausset.zer1 1

so dürfen ,vir nuch. v on {lerJl Organi sche11 als von eiueu1 1f istorisc hen
höherer Ordn11ng in1 \fergleich zu d en pl1ysikaJj ~' hcn u11d cher11isrllen
Vorgängen rc(ICrl. Da.bei nehn1en "'·ir freilich an , d aß m nn un ter
Orga11is1t1e11 nur k ö r p e rl i c h e Vorgänge v ersteht, und d ttß clie Frage
nach dem n1echa11i chcn \\lesen cler 1 e b c n de rt l{örper sorgfältig

ü1g1taltzado por Goog e


- 248

von der Frage nach il1re B e s e e l t1 n g geschieden \\·ird. Wo dies,


wie bei 1na,1chc11 modernen Vit.ali :len, 11icht g•esc}1ieht 1 kann es nicht
einmal zu •e iner klaren Stellung dos Problems kom1nen. vVir müssen
aus den1solbcn Grunde auch von der ,,Z,veckn'läßigkcitl' der Organis-
n1en absel1en, da il1r Begri!( ol1ne Rücksicht auf irgend ein psychisches
Sein sicl1 rticht. bjldeu lä ßt. Wir haben hier nichts anderes in1 Auge
als den n1stand. daß die von uns Organis1nen genannten l{örper
s ich spezifi scl1 von derr1 ~1cehar1ismus urlterscl1eidcn., so 'lange wir sie
so betrachten, \vi~ sie u11s als \1/jrklichkeite11 gegeben sjnd. Da · tun
aber auch die physikaliscl,en u1ld die chernischen Gebilde: sie sind
uns nicrn als aJs reine ~{echa nismen gegeben. I 11 s o [ e r n be:;t cht
Z\\'ischen ihnen und dcr1 Organisn1cn keit1 pri11zipieller lJnterschied,
und nichts kann uns also l1indern , die logische Lruktur der modcr11en
Biologie als beso11dere Au prägung eines alJgen1einen Prinzips darLu-
stcil.on , das mehr oder weniger die gcsarnt.c Natur\-.·i.:scr1schaft dt1rch-
ziel1t.
Vorher l1aben \\'lr ,,on den , vissenschaften, die sich t11it de11 Lebe-
wesen hcscllä ftigen , 11ttr die deskriptive Zoologie u11cl Botanik bc-
rücksicl1tiat.. Sie begnügen sich damit,. die il1ncn bekannte ~ta11nig-
faltin-keit uriter ein Syst em en1pirisch allgc111eincr B egriffe zu bringen,
und i!1r \ 'erfa hren ist , ob,vohl ein relativ I·list.,ori chc.s böllcrer Ord11ung
de11 Gege·nstand der Darstellung bildet , doch rein natur,,·issenscl1aft-
Jict1 oder gen.eralisiercnd, \vic ,vir f rül1cr zeigen konr1ten. Sie er-
reichen dies dadurctl , daß ie r\icht. nur den ld toriscl., er1 Charakt.er
,Ies l..,ebendige11 übcrl1aupt ig nori eren sondern außcrd ern eine gro ße
i\1cnge von v erschiedenen F ormen der Lcbc,veser1 in ge,\ri se1t Gl'en-
z.en als für alle Zeilol1 LesUin.dig urtd dauernd betracl'l ten, obwohl
diese ,,Arten" i1n Vergleich z11 dem allgemeinen B,egriff de· Le.b endi-
gen als ein llistorischcs no.c h höherer Ordnu1lg ar1zuscl1cr1 sind. Aus
Gründen , die \Vir als bek.a11nL vorausseLzen dü rfen, wurd e Illtn aber
die ,,Konslanz der Arten" z11 ei11c111 Problen1, u1td scl\on da a1it trat
ein hi Lorischcr Gesic l1lspu·nk'L, 11är11licl'\ die Frage n ach der ein111ali-
gen 1 ,Entstehung der Arten'' a ls eines historiscl1en Vorgar1ges, in d er
Biologie i11 de11 \ 7orclerg ru11d. Es lag tta11 n ferner sehr n al1c, daß irn
Zusammenl1a11ge hiet1r,it auch auf det\ histori c hen Charalcter cles
Lobe11d.igcn g-~ ,cnüber der lot en "'atur reflekti ert, \VUr(le, unrl in der
1'al i le heute der Biologie g nnz gclfi ufig gc,,·orde1t, die \ Velt der L e be-
\vcsen .nls einen ein111a ligen l1istorischen Vorgru1g anzusehen , der an
cine,n besLin1 n1ter1 Zeitpunkte jn der EJ1tstel1ung~gescl1ichLc der Ercle

0191 lt ado por Goog e


- 249 -
sei11en Anfang hat und einst vennutlicl1 ein Ende nchrnen ,vird. ~Jan
versucht daher, auch die Gescl1ichte dieses \ 'organges in einer b_istori-
scl1en Darst elJung zu erfassen, und dagegen läßt sich unter logischen
Gesichtspunkten nicht das Geringste sagen. Denn, ,venn man an-
nimmt, daß chemische QuaJjtäten sich aus dem reinen Mecl1anis.m us
entwickeln köm1en , so karm man rrtit de1nselbe11 Rechte oder auch
mit demselben Unrechte voraussetze11, daß ph)1sikaliscl1-chen, iscl1c
Prozesse ein1nal zu Organisinen ge\vorden sind .
Das Interesse an historisch-biologische11 Darstellungen mu ß
un1 so gr ößer sei.111 als es sicl1 clabei u1n den Ent"vicklungsprozeß ~u
handeln scl1eint, der von den primitivsten Stadien des organischen
Lebens allrnäbl.ich zun1 l\1 e n s c 11e n ltinful1rt. Dies.er Umst..aod ist
sogar, ,~, e wir später noch sehen '"verden, ror den historischen Charak-
' tcr ge,viss@r biologj:,cl1cr DarsLcll ungcn von prinz.ip,ieller Bedeutung.
Er be,,'irkt nön1lich, daß n1anche biologisclle ,,Ent,vicklungsgeschi chte 11
nocl1 in einem ganz anderen .S inno Ztl ,den l1ist orischcn Disziplinen
gezäl1lt , ..·erden muß als et\va gesc}1icl, tliche Darstellunge11 in der
Chemie. \ Vir könn en den Gr11nd dafür jedoch erst o.11c:i·ebcnt ,vcnn
\vir die Begriffe der 1. e j t I i c h e 11 F o J g e , der E n L ,v i c k l u n g
ur1d des F o r t, s c h r i t t e s , die beute 1ucht elte11 rn itcinander ver-
wechselt '"'erden , genau bestin1mt tlnd sc h.a rf v on einand er ge.schiccJen
h.aben . ln,viefcrn die Nat.unvisse11sc}1aft ein Recl,t. Lat, von E1lt,vick-
lunrr, falls s ie clarun ter mel1r al . . ein bloßes 1\.ufeinanderfo]g,cn meint,
oder gar vo11 F ortscl1ritt zu reden , müsser1 \vir hier cJa l1ii1gestcllt
lassen, und ,,·ir gebraucl1e11 dal"1er da · W ort E1lt,vic.klu11g vorl~iufig
in den1 zit'n1Jich unbestin1mt en Sinne; in de111 es heti te ge,vöh r1)ich

in n aturn·isscnsch aftl ichen u.nd n aturphiJosophischen Schl'iflcn ver-
wendet ,-.rird. Es ko111rrtt uns l1ior Obcrl1auvt n ur dar au f a1l 1 aur di.e
Tatsache ltinzuweisen , da ß es zu einer ,veser1Llichcn At1fgabe de1·
B iologie ge,vordcn ist . den 1 1Slamrnba um' 1 d er Organisn1en 1 die 11 Ab-
s ta mmur1g des l\fe11schcn '' oder derarligcs darz usl cJlen. \V clcl1e
R olle diese Darst ellungen seit cirugen J ahrzehn ten in der B iologie
spielen, ist so b l~ann t , claß wir nich t nät1cr d arauf cinzu gelle11 brau-
..
c},.en. \'Vir sehen jcdcn[all" : na tur\visse11schaft.licl1 in'' dctn Sitme ei11cr
generalisierenden Darst ellung sirtd sie n icht. Ein Bttcll ~vie l-Jäck els
1 ,Natürlicl1e Scltöpfungagescl1ichoo" - um Oll d as bekan nte te B ei-
spi el zu crir111ern - muß rnan 11ach u11sem bi$hcr.igen Bcgriffsbc-
stirn1tlunger1 vielrnehr zu1n Tei l ~·enigstcns den GeschichUI\Vi e11-
scha ften in der allgemeinsten Bcrlcul.11r1g des \\'ort es zu rech1len 1 \venn

D191, h,ado por Google


aucl1 sein Gege11stanrJ im ,,,e~entlichen nur et,vas t,r-elutiv His toriscl1es„
ist. Denn dieses Buch stellt einen einrnaJigcn Wcrd cga11g in seir1er
l ndividua1ilät dar,. ,vie er nie111als '"·ieder vorgeko1n1nen ist.
Andererseits aber ze igt u11s di,e Biologie at1ch eine im logisc hen
Sinne natur\vissenschaftlicbc Seit.e, d. h. sie ist ei11e rein generali-
sieren-de '\,\1is enscha ft. ,t\.ueh wo n-.~m die natunvissenscha{Llich~
deskriptive !\1et11od c verla~se-r1 hat, beschränkt rnan sich nicl1t darauf,
clic ein111alige Geschi chte der Lebe,,1eser1 darzust ellen , . ondern sucttt
Gesetze z t1 finden , nach denen . ich dns Leben aller Organismen be-
,vegt , orlcr ,venigstens B egriffe zu bilden, die gcltc11 sollen, '\-VO über-
hat1pt Organismen vorko1nn1en, gleichviel ob es sicl1 dabei um dje
eri.ten oder un1 clio le tzten Organismen, ,vio sie einrnal a ll1nählich
er1 tsta11den s ind, l1andeJL. Dam1 r11uß , ,.veru1 auch r1Jcht, von derr1
llist orischen Cl1arakter der ver chiede11er1 Arten, so clocl1 von der Ge-
sch ichtlic hk.eit d e.s Le bend.igen ·überhaupt a bstrahiert ,verden . Die
T enclenz d er \Vissenscliaft ka11u 2 . B. clahin gi1l1e11 1 die F tl llc <Jcr fort-
während ,,•ech ·elnden Gest alten au( Vorgänge zurücl<z.uführen, die
als organisc he \Forgänge Z\'iar v o1rt Stt1r1dpurtktc einer allgcrucincn
Th eorie der l{ötpcr\velt i1nu1er noch e t,va.s relntiv Hi~toris-rhes bleib-en
müssen , ir11 \ ' ergl eich zu den rort,v~llrend ,vcc hsclndcn GestalLen der
einzelnen Organisn1·en aber a ls et,vas Dauerndes und U11vergfingLiches
zu bet racl1te11 sir1d. Die • ache liegt cla1u1 genau ,,i e in. der Physik
ode r in d er Chcn1ie. Die Biologie . t1cl1t die Natur innerh a lb des Histori-
schen , tirn als Biologie zu einer 1alunvisser\scl1aft in d ein Si11ne, ,vie
je11e Wi s -enschaften es sind , ztt \,•erden, d . l,. t1rn eine lediglich gen e-
ralisiere.r1de Begriffsbildung anzt1\Vendc11.
In ei11igctt .'chriften Weisrr,atms kon11-nt dies logische Pri11zip

zum d~1,Jtli cl1en A\1. rlruck. Seine I.ehre v on df?r Ko11tinuitnt clcs T{cim-
plasrH a i t uichL r1ur als eir1e 1'l,eo-rie anzusel1er1, in der etwas relativ
H is torisches natunvissenschaftlich ode r uenc.ralisicrend bcl-.andelt
\Vird 1 or1derrt in d er die ~löglichkeit. e iner J o [J p e I t c n B e t r a c h-
t u n, g s ,v e i s e geradezu ausgc pruchcn ist. \\i'ir können dat-1er an
dieser 11,corie zeige n, dnß c ~ si,c h in tJnscr11 Ausführung(~11 nicht et,,,,.u
nur u111 eine lo0 jschc l(onstrtili.Liuu h.andclt. Das l(ci111plnsm,a ist
für \Vei nln 11n d r „ ttnsterblicl•e T eil'' 1 des Org(\nis1nns. 1 nber den
B egriff der „ Ur1' tcrblichkcit'' grenzt er orgfä[t ig v on dem der ,,E,vig-
1 Vgl. Die J{ontinuitäl de K ein1plu ntas ols Grundlage einer Theorie der
Vererbung, in ,,,. e i s 111 a l l n s Au rso.tzrn Ober Vorcrbu,ig und verw,tndt~ bio-
logi.sche Fragen. 1892. S. 248.

D191, h,ado por Google


- 251 -
keit' ' ab und hebt. hervor, ,tdaß die irdischen Lebensfom\en einen
Anfa rig geha bt l1aben''. Die r1sterblic'l1keit ist. , 1 oir1 rci11 bi,o togisc l,er
Begriff w1d ,vobl ~u trc1mer1 von der Ewigkeit der t 0Lc11, d. h.
der ariorganischen ~faterie''. Von den Objekten der Natunvi en-
schaft. isLnichts e,vig a ls d.ie kleins ten Teile der Materie und ih re Kräfte 1.
Noch deutlicher v.icl1eicf1t al bei djeser Uritcr ch,eidun° von Ev.1ig-
kcit und nsterblicl1keit kol'ttrnt das logisclle Prinzip, urn das es sif' h
handelt, in einer frül1ere11 Schrift Weistnan,1~ zu1n Au~druck, die sich
nicht speziell auf das KeimpJasn1a sondern auf das L.cben der Zellen
bezieht. Dies Leben ,vi rd dort all\ , 1ewjg" bczeicllnct , aher Zllm ~ chluß
fi.igt \Veisrr1anr1 die cl1arukteri tiscl1en Sätze hi11zu: 1 ,fcl1 l1abe ,vie(ter-
holt von eir1er e ,,, i g e n D a u e r ge~procl\en, einerseits der cin.i-e11i-
gen Organisn1en 1 andererseits der PropHga tion:-zcllen. fch haLc damit
zunäclIBt nur eine unsor1n 111ensehJicl1er1 Auge u n c n d l i c J-1 e r s c h e i-
n ende D aue r bezeichnen ,vollen. Es ~ollte ciarnit dc-r Fr:1ge r1ach
dem t e l l t1 r i s c h e n oder k o s n1 i s c 11 c n r~r•rung des irdischen
Lehens nichl vorgegriffcr1 \>Vel'<lcn . \ro,, der Ent.schcidu,1g clieser
Fra,,c a ber ,vüt'de e~ offcr11Jar abh~r,gen 1 ob \\'ir die Fortpflanzu11gs--
fähigl<eit je11e1· Zelle11 al ,v
i r k I i c h e ,v i g o<ler nur al, u n g e-
h eue r I an g anzusehen haben , denn rttlr ,,·as anfAngslos ist, kann
t1nd 1nu 'O au ch er1rl los sein" 2 • \ V"is1nann „elbst erkJärt cl~nn ~ogar
au~clrücklich, dafJ für ihn ,,die Ur•zct1gu11g trotz aller ~f j{Jc-rfolge, ie zu
er,vei~e11, intmer nocl1 eir1 logi~clle-~ Postulat j L: Das Organ i s c }1 e
als eine e,vige St1bst.a11z, ,lern U n o r g a n i . c h c n als einer ,gl cirl1•
fall c"'·igen Substanz an die eile ge~lollt., ist 1ni r eine urttlcnkbare
Vorstellu ng u11d z,var desl1alb, ,,·eil das Orgarlische fort,,·ältre11<! ohn,e
Re t i 11 clas Unorgani ehe aufgeht. . . . Darau ,,·u1·de (olgen , daß
da Ül'ga1lische einn1al entslan<Jen ~ein n1uß" . Es i t al:;o n,ach " 'eis-
n1ann, der selber inncrhnlb einer b i o l o g i s c t1 e n nLersncl1ung
ol1t1e Bedcnkrn vort cl~r ,,E,vi~k •it'' des Lebens rcd~t u11d die!-!es
Leben da,111 rei11 generali·ierettd bel1ar1delt1 dcn1 Orga1,iscl1r11 unter
ß 11 g ,e mein er e n Gc~ichtsrt1nkt.e1 1 e,,-ige Dauer irn eigen tlichen
Sinne des \-Vorlies nbzusprccl1cn und il1 r11 nur e ine u11gel1e11er la11gr
Dauer zuzugesteh en. 3, d . h. es i L in u11screr Ten11i11ologie als ein
hi.., tori~cher \ iorgang zu betrochLen. Hier liegt den1nach genau das
vor, ,vas ,vir zu zei 0 e n ,,ersucht hab en. Neben der Ein. icht, d.,ß einem

1 BP1nerk11nµ <'n 211 ch,igen Tagcsproblcn1cn. a . a. 0 . S. 6,1H r.



2
elsur dio Dauer de:-\ Leben!'i. o. a. O. S. 4-0.

a a. a. o. s . 41.

D1911 11,ado por Goc,gle


252

Begriffe in der Wirklicl1keit 11iclYts e11t spricJ1t, \1/a~ icl1 zu a llcll Z-eit en
findet, " 'irtl in der Spezial\,..ri. en cl1art die Frage nach der hi tori chen.
Er1tslehu11g der betreffenden Objekte docl1 ignoriert, 1Jnd, tim für die
biologischen Vorgüngc cir1c allgemeine 11aturwjssenschaftliche 'l' lteorie
a ufs tellen zu kö11r1.cn, ,vird das Hi~torischc als 1 ,unslcrbl ich'', resp.
ne\vig" angtsehel\, also nicht als ciu llistorisclte. bel.raclitct. E s ist.,
,,·ie ,vir auch 5,age1t kö1111et\ 1 da s n:;.i crhlic hc für einen b e ontlercn
'f eil der \\firklichkeit ode r die 1 ,e,vig gleiche a luri• inr1erhalb eir1es
llistoris hc11 Vorgan.ges, di e nun ohne Rück.sicut auf ihr hii:.Lori cJ1e
Bcschaf f cnltei L rei11 generalisierend oder natu1,,•is.se11~chnftlicl1 be-
griffcn '\vercle11 kann.
Wir vcrf0Jgcr1 clie logische Gliederung d er a tu r,,,isse11sc haften
, •on <ler I(örper\velt \Jnter die!5cr,1 Ge.i;;ic11tspunkt.e nicht ,veitcr, d<'11n
ein vollst...'indi 1 rcs SysLe1 n zu cnt,vcrfen, lieg t nicl1t in unscr111 Plan.
E ka1n nur dttraur a11, durcl1 ei11igc Beispiele kJarzulege11, ,velche
Bedeutung clic hi1'Lorisr hcr1 Best and lt!ile inncrhnJb clcr N att11"'vi ~cn-
schaften haben, ,1n<l in\.\'i •fcr11 der Gegcn„atz von · alunvisse11sclta ft
und Ge clucl1te b ei seiner An,ven·d nn° in d er l\Iet llodenlchre cin.,,.e-
scliränkt, 11nd ahgcscl1,,·äcl1t. ,verden rnuß . S cll>stverständJich kanrt es
n eben d er uflgc111ei1teti Biologie noch Spezia ldi zipli11eu gebe11 1 die
die Natur eines I-Iistoriscl1en immer höherer Ordnung zu erforscl1cn
. ucl1en, d. h. innE!rhalb eir,es ei r1n1al ent lf.t11dcr1e11 Gebi etes doch rcir1
gencruli. iercnd vcrfal1re11. Aucl1 in der \i\.'elt der u11bclt•l1Lc11 l{örper
ist e na t (l l'lich 1nöglicl1 1 ein r elativ 1--J istorisr hc~· 11öl1crer Ord11u11r.r 1
als es dj c cl1er1usc hc11 Votgä1Lgc i1l 1 ullgc1ncinc11 sir1d, zu111 Gcgcr1sla11de
der ntersuchu11g zu 111arl1en. Als Bei~J,it>l ei 11ur auf die Geologie
l1itlge,,·icsen . Sie s LcJ\t a.llgeo1cine 'fh eor1cn at1f, <'lie für alles Geolo-
gt ehe üherh.attpt ge lt..en, ob,,·ohl unter nndcrn Gcs.ichtspur1litc1t die
geologischen \ lorgü1\ge auch als eirl lii t orischer ProzC'ß betrachtet.
werdc11 kür111en. Ganz b e ondcre · In.teressc bir t,et forncr die ,\ stro-
r10111i e1 die j a in ge,vis- er )I i11sicli l, nä1r11ich jn:-ofer1l ~ie es J)\it den

einzclnen \,\' el tlcörpcrn zu lu11 hat. I11cliv iu ue1t in\ s tre11g<'ll inne,
.-lso et,vns nhso ltit Hi. Lorjsc hcs bcho11dclt,, tind d ie doclt a.u ch der
" lctzLcn 4 ' Nalur,,·i:; cr1.s1:linft na he sl cht, da ~ic in einigen l 'cilc·11 v on
aller q ualilative11 ita111 tigf nl tigl<cj L <l ~r \V.~) L11.ö rper abt- Lrahiert. Sie
kann dies, ,veil die Qua li lti Len, die sich nirl1t n1nlherual,isct1 hC'l1an-
dcln lc1::.se11, a11f di e Dc,,,t·gu11gc11 de r (;l'~ti1·11e, die d ~r F o r::cher zt1
ber ecl111e11 11c}1t, von keinen1 ,vesenLlic hen Ei11flusse si1td. Dio 1\ sLro-
no1nie ,vird u 11s übrig •ns ,,-cgrn ihre~ in g ,,,·i!-lser rl insich L ernin<"nt

ü1g1taltzado por Goog e


- 263

historischen Cl1aralcl er." b ei der 1ttersucht1ng über die logis,~hen


Grundlagen der Gescl1icl1t.s"vi„sen cl1aften im Zusammcnhartge mit
<iem B egriffe d er Ent,\•icklung 11ocb ei1rrnal beschnftin-en. E s \varert
-die~c Erörterungen hier nur als vorlä ufige zt1 'belr acl1 ten , die abge-
broclten ,verdcr1 rnüssen , ,vo il1rc ,VE-iterführung ci11en po s itiv e n
Begriff der Gescllichls\visser1schaft vorat1ssctzt. E sollte nur gezeigt
\Verden, in'Ariefern die Begriffe so,\•ol1l des na Lur,vissenscl1aft.liche11
Generalisierens als auch des historische11 Individua lisierens sicl1 ni,cht
nur a uf das abs olut Allgemeine und d as absolut Indi·vidu ell e iu b e-
ziehen b rauct1en, sondern v.·ie sich z,viscl1en dem ahsolt1t Allgemeineu
und d en1 abso,lut Individuellen ein ganzes S tu r e n r e i c h von
r elativ Historischem und relativ Allgem einem k onstatieren läßt.
Werul ,vir dabei von einem relativ I-Jistoriscl1en z,veiter und dritter
Ordnung ge prochcn l1abe11, so b esitzen diese Z a 11 1 c n natürlich
keinen ab so l u t e n \Vert sonder11 sollen nt1.r a u8drü cker1, daß das
ein e Historiscl1c von m e ll r oder ,v e n i g e r l1oll er Orrl1\t1r1g isL als
das andere. Erst i11 ei11e1r1 unter dicscrn Cesicht.<;l, punkt.e bis ins Ei11zel11e
v ollkom tnen at1!-gef tihrten Sysle111.e der Na lur,vis ·cnscl1afLen l<ön11te
man die v erschiedenen Gebiete der Unter:suchting durch Zahlen
k~r1n;zcicl1nen ur1d it1nen dadl1 rcl1 il1re S tellung irn Syst eme an,vcise1J ,
Doch \Vürde a11ch clar111 noc::l1 eino r1cu e11tsl-<!hende Spezial\,,ig,sc11-
scllaft jederzeit den a .b s o l u t e n \\feii, der Za l1lcrt zu ättdern ,,er-
m ögen , denn es läßt ~icl1 gar nicht einscl1en , ,varutn nicht z.B. z,,,i-
sche11 Cl'1e1n ie und Bi.ologie eine neue \Vjssenscha ft treten soll , ,vie
z,vischcn Ph)' ik und Ch crnjc eine n eue \\' isscn~t:haft getreten ist .
Zunächs ~ jcd oc,h vorln sen ,:vir jcLit die l(örpcr,vissen~ch~ft.en , om
dHs b.isl1er absicl1Lljch nur mi t Ril ck sir l1t at1C sie gevv-01111ene Resultnt
auch auf die \Visi:.en:chartli che Darsl.cl lung g <>i s t i g c r ocler p s y c h i-
s c t1 e r Vorgä11ge zu Obcrtrngen . Pri r1zipicll Neues ,vird sic h dab ei
für die Logik 11.iclit ergeben , u11d wir kö11nen u11s d aher 11lit ,,1enigett
Bcn,et·ku1tgen b egntigcr1.
Eine absolut unbistorische psycl1ologiscl1e Disziplin, deren BP--
griffe nichts 1nel1r v on dein in der Erfa hrung gegebenen eelcnlcbcn
en.tl1alter1, kann als I deal, det11 die Wi". o,1~cl1afL ich auzunähern ha t,
nur u nter der Vornussf?tzung au fges tellt \ver cien, dftß es n1öglich ist,
das gesamte Seelenl eb en tinLcr e i n e n einhcit.lich,en Begriff z 11 bringen.
Wenn aber z. B. eine ~rh eol'i e uns at1ffo1·cle.-t, alles Scclcr1l•ben als
bc.. tel1cr1d aus eir1fachen E rnpfi nduI\gc11 zu denken, so enthaltc11 dje
Begri ffe der \ iorstell ung, des \Villens, des Gefühl:i irn \ 'erglcicl1 zu

D1911 11,ado por Goc,gle


- C');:;. ,t
... ~

tlem absolut, allgen1eineu Be-griff.c 11och bisLorisc'11e Eler11ente. Es


wäre denkbar, daß Vors tic,l lungen , \\filJensa kte oder Gefühle ei111t1al
in1 Seelcnlebc11 nicl1L <la \.varent und inan körmtc dar1r1 11::1cl1 ih1·er
Gcscliic hte fragen. Ja, vom Standpu11kte ei11cr die gesarnte '\i\1i rk-
li chkeit u111fassendcn ,,~1etap'h ysik" <1 ürfLe eve·nt.uell sogar 11acl1 einer
Entstehung der p sy chischen Vorgänge überllau.pl, also auch der
,,letzten'' psycl1isc.hen Elemente gefragt ,verdeu , aber es \\'äre dann
eine Frage nacl1 d er Entstehung d er ,,let zten'' körperlicllen Dinge
ehenso mvglich. Doch hat es kein Interesse, diese l\löglicl1keit hier
r1äl1cr z.u erörtern. Die Frage nact1 der Er1tstel1t111g deR P sy c hischen
aus den1 Ph)·s;is.chen is t jeclenfa lls in d en gcneralisicrcndctt \\'isscn-
scl1aften sjnnlos, nict1t ,veil beide al en1piriscl1e \Virklicltkciten sicl1
vonei11ander prinzipiell u11terschciden 1 d enn d a tun a11ch die Orga11is-
111e11, d ie von J e 11 J)hysiblisch.-chen,isct1en Vorgä11gc11 pri11iiJ)icll ver-
schieden sind, sondern ,\•ciJ der B c g r i f f d es Physi~chcn rn.it dem
d es Psychi.scl1en überhaupt unvereinbal' ist,, d er Ged a nke einer Ent-
tel1u11g d es P s)rchi ct1en a u de111 J>}iysi cl1c11 also ei 11e 11 \Vidcrs prucl1
enth ält. \\1ir beschränken uns daller auf das llislorische innerl1alb
d el' psycliiscl1cr1 \Velt u r1d ,vl•i:;cn ut1r ,Jarnu f l1in 1 daß der Gt~tlankc
ei11 r Entstel1ung der b esonde t·cr1 p 'ycl1iscl1011 Vorgä11ge aus den,
allgemeinen psyel1ische:r1 Substrat, 1rich.t Jogisr,11 ,vidersinnjg ist.
Andererseits }äßt sich jcdoc l1 aucl1 der hisLoriscltc Gesicht, pun.l{t
g,1 nzlic h jgnoriercn, und die P sycltologie kn,111 versucl1e11 ,. die \\' ille11s-
vorgä11ge oder d ic Vors tel.lungen od er irge1ld eine andere A.rt des
ps-ych ischcn Soi11s geso11clcrt ur1tcr ein Systc111 vc)n Begriffen z·u bru1gcn.
''' ir vcrfolge11 jedoch diesen Geda r1ke11 ni cht ,veiter, da alles, ,vas ,,·ir
v orh er v on den Körpen,1isse11:chaften o-cs~tgt hab en , sic h mit un,,·csent-
li0hen i\'lodj fikatiur1cn auf die J)syc11ulogiscf1en Disziplin en übertragen
li,Bt.. Nur ei11c <licser Diszipli11c11 l1cb e1t ,vir n•ocl1 hci·vur. SelbsLvcr-
lä r1dlicl1 ka11D rnan atLch bei der wissc11scl1aft,lichc11 Dai-stellu11g des
gcistige11 Leben ein }li. Lorisc hes von i1nn1er höherer Ordnung zum
Gege ilstanclc einer bcsondcreri n<llur,visse11scl1afLlic.'. hen orler generoli-
sierenden DarsLell u11g 111acl1e11, und ,vir greifen au s d er lieihe <lcr
ObjeJ.<'ie, die duL"i ir1 l•1·age gckor,uneu si11d , das inen t;)1liche Gt isles-
lebe111 ,~,je e · sich in der G e s e 11 s c l1 a f t gestaltet , her>at,s. Es
hand..:IL sich dabei un1 ein besonderes psycl1iscl1cs Sein, das z,,·eifellos
r1ich L irnn1cr existiert, l uit sonder11 alJ111ä hlicl1 c11tsl,an,Jert isl und
a ucl, eine,n allgen1einste11 Begriffe nach als ein relaliv JJj torischcs

von scl1on zi e111 licb l1o hcr Ordnu11g a11gcselien ,verclen 111 uß . Cll1C

D1911 11,ado por Goc,gle


- 255 -
g es c 11 i c 11 t I i c 11 e Darstcllu.n g ist 11icl1t 11ur Jogisch 1nöglicb,
sondern dieses GejsLesleben gilt als das eigentliche Objekt. de r
\.Vissenscl1aft1 die ma11 Ge-scl1icl1te im engeren Sinn.e nennt. Aber
gerade deshalb milssen ,vir hervorhebe11, daß ma11 ehr· ,vol1J versuchen
kann, auch ein System von allge1neinen Begrirfer1 zu biJdeni das die
Natur des gescllscl1aftlichen Lebens, d. h. das seinen verschiedenen
Formen Gemejnsar11c und w-ertn n1öglich, sci11c Gesetze zum Ausdr1.tck
bringt. Das heil3t, man kaU11 das g,e:sellsehafL\icl1 gcistig·e Lcbe11 ebe11So-
gut generalis:ierencl \\'lC indi\•iduali ierend darzustellc1l. versuchen. Die
generalisierende Dars tellur1g des gesellscllafLlich geistigen Lebens be--
zeichnct n1-a11 als So z i " 1 o g i e. o ,ven.ig Erf1,eulicl1os diese \\' is cn-
schaft 111it derr, ,venig erfreuJ'iche11 ·an,en aucl1 bi ,veilen produzieren
mag, so " 'enig ist unter l o g i s c 11 e n Gesichtspunkten g-egen eine
nat un,•isseoscl1aJtliche oder generalisierende Darstel lung der gcscll-
schaftlicbe11 \,\1irl\.l.icl)l<eil eir1zu, c11don. Ob es 111öglicl1 ist, l1ier bis zu
Gesetzesbegriffen vorzudringen, denen n1an 111it einiger \1/allrschein-
lichkeit eine n1ehr n1s en1piriscbe Gellung z.usp1·echen kann, rnag
allerdings z,veifel l10.ft sein, denn .irn allgcn1einen ,vird die naturnd scn-
cliafLlicJ1c Bel1andlung \lm so 1nehr Aussicl1t auf Erfolg haben, jo
umfas endor de1· Begrjff i t, unt..er den illr tat:erial fällt , Utlcl e-S ,,1i1·d
lln\ so sch,verer sein, zu Geset1.o bcgrirfcn z_u gela11gen , je ltöherer

Ordnung das Historische ist, das n1an r1atur\\".isscnscl1afLlicl1 oder gcne...


ra lisiercr1d d arsteflen ,vil1. Abor , es hand elt, sicli bei solche11 Er ,,,ägu rlgen
in1n1er nur. uJtl g r ad u e 11 e UJ1tel'sc hiedc, und die uat11r,vis. en-
sct1artlichc Dar teJJung eines rela tiv l-listo,rischen hüherer Ord11ung
oder die generalisir:rendo Begriffsbilq.ung gegenü ber einem relativ
lndividttellcn, ,,·io das LolJen der 1r1e11schlicho11 Gcscllscl1aft es gegen-
über dcrn menschlicl1en Seelenlcbc11 übcrl1au1Jt bildet , ist scho11 de -
halb 1tien1als volls Lä11<lig ausgcsch lossen, \\'eil 1nn11 ja in1111er Bcgrirf e
bilcl-en kan11, die ,,·enigste1Js e1r1piri~ch ilbernll gelten, ,vo bi jetzt
übcr'htlupt ges-clll:ichafll i<~h scclis<·hes Leben vorgcfu1te.lc11 isL.
chlicßlicl1 rnüssen ,vi r sogar nocl1 hinzu füge111 daß die 111e11sch-
liche GesellscltafL in1 allgeu1ei11c11 durcl1„tus nicl1t schon (las relativ
Historiscl1e höcli ter Ordnung zu sein braucht, das sicl1 11al,ur,vis&cn-
scllaft,lich orlcr generalisierend hchartdeln läßt,. E s kann vielrnehr,
ebenso ,,.·ic in der Biologie, auclt in11erl1alh der Soziologie noc h Spezial-
\vissenscJ1afte11 geben, \Velcl1c die at..ur irgend \,·elcher bcso1tderen
Vorgange der gesell:;chaftli ch gei:SLigc11 \ Virklichkcit, "·· B. der P olitik,
des ,virt.schaft.licl1c.r1 Lehens, <l er Kuru~, der Wissenschaft u .s\V. darzu.-

0191 lt ado por Goog e


- 2.56

stellen strebe11 d. 11 . verst1chen 1 d.i.e betrer{enden Vorg5.nge unter ein


System allgen1ciner Begriffc zu bringen. Das geistige Leben ist eben
nirge11cls pri11zipicll der gcncral isierci-1den oder natunvisse11scl1aftlicben
• Beha11dlung entzoge1l., und nicrna11c\ kann also der Nnttir,vi ~·cnscr1a.ft
oi11e genera lisierende Darstellung der Objekte \vehren , mit denen es
die Ge cl1ichte in1 üblicl1en Sinne des \Vortes 2.u tu:t1 hat. Trotzdem
dürfen gen era lisierende Darst-Ol lungen n ie a n die S t e J I e der Ge~
scl,icl1te treten. \1/arum das so ist, ,vollo11 ,vir jetzt noc u ausdrücklich
hervorl1eben 1 u1n dadurcl1 ur1sere Untel'sucl1ung Ober das ' -'erhfi llnis
von Nat1.1r und1 Geschichte, so,veit dies ol1ne einen p os itiv e n

Begriff d er Gescl1icl1ts,,rissen.schaften r11üglicl1 ist , ,vcnig~Lcrt zu e111ern
vorläuügcn Abschluß, zu hri11"en.

1V.
N a tu r ,v j s s e n s c h a f t u 11 d G e s c h i c h t s "". i ss e n s c h a f t.
\\'ir wissen , nachd er11 v; ir die hist orischen Elcn1en te in den Natu r-
,vissenscha rten kennen gelernt haben , \\'eiche E inschrä nkt1ng unsere
erste F or1nulicrung <lcs Gegen al:zes von Natu1'\vis cnschaft w1d Ge-
scbicl1te erfa l1ren rut1ß, soba ld das rein logisch gc,vonnenc Prinzip
auf die tat.sächlich vorl1nnde1le ,vi:sc11scliaftlicJ1e F orscl1ung ange-
,ve11dct v,:crdcn soll. Aber es ,vird auch zugleich klar ge;vord en sein,
daß der prinzipielle logi. c he Ur,terschicd Z\\:ischen de11 b ·i<len ~lctho-
rlen d er B egr iff~bildt1ng tincl Darst ellung d adurch 11ic.:llt in FraNe ge-
tell t ,,·erden kann . Da t·elaliv 1Ji to1~ische, aucl1 da. höherer Ord•
nung, verbicLct z,var eine nat111'\visscnsel1aftliche B char1d lung nicht,
und ebenso,venig ist djo An,vertrlung der lristorischen Darstcllu ug bc-
cl1rll·11k:t auf <.Lio cr11piriscltc \Virklichkeit., \\'ic ·~ie a ls individ uelles
Sei:n. im einzeJ ne11 t1nmjttelbar gegcl)en ist , denn so~ar ct.,\•as so All-
gemeines, '"·ic das n,it dein \.\'orto ,tLicht," bezcichrtelc, ist als Ge.gen-
sland einer gc-sct1ichLlichen Darst ell ung, die sejt\en cinn1~ligcn und
i11cli,,iducllcn Verlauf ver.folgt, denk.bar, ,vie ,vir da::; später n.och ge-
nauer zeiget\ v.;erdcn. Innner al>cr rnüss.c11 die Gedankenreil\en, die
sich au f dcr1 cir1rna liger1 1 z.eitlirhe11, ,virklichen Verlauf des Geschcl1 e11s
einerseits und at1r die allgemeinc~n , zcillusct1, begriffliche11 1 also un-
,,rjrJ, licl1cn ·crhti Il,1,1i$Se nncl..-rersei L$ beziehen, i11 der \.Visse1,scl1a ft--
lichcr1 Dars.tcll\1ng 1 ,vcn.n attch r1ich t fnkt.iscb, so doch n1it R ück-
"i-cl1t au f ih re logiscl,e Slruktnr ~1useina uderfallc11.
Da.s zeigt sich a11f :-i.11 den vcrschicclenen GebieLcn , bei denec1
eine doppelte BchandJu11g, d. h. so,vol1l eit1c generalisierende nal ur-

..

D1911 11,ado por Goc,gle


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,vjs enscha!tlichc als auch eine individua lisierende historische Dar-

stellt1ng möglicl1 i t oder ,virklicl1 stattfindet . Um zur1äcl1st bei den
K ö r p c r ,,. i s s e 11 s c h a r t o n zu bleibe11., so sahen ,,·ir, da ß e
Natu1"vissen ~chaft vo111 LichLe n ur gibt, "''enn 111an sicl1 um die ein-
malige Entstel1ung dei- Lict1tcs r1icht ku1r11r1ert . Die Begriffo und
Gesetze können z,,,.ar nu1· a.11 irgend \\'elcl1em ,virkücJ1e11 Lichte gefun-
den ,verden, und die es ~taterial, das ,,·ir Licht nennen, existiert
'"'; rklich allein io der Gest a lt dieses oder jenes historischen Faktur11s.
Die Gesetze haben al)er , we_nn sie gefund en ~ind , mit de.r einmaligen
gc-chiclltlict1cn WirkJichkoit d es Lichtes so \venig zu tun , daß ihre Gel-
tung vollkot11n1en unabl1ängio- davon ist, wo und ·want\, ja ob überhat1pt
irgcnd,vo ,virklich Licht exis t.iert. Das zeigt sicl1 sc hon daran, daß.
alle N aLurgcset.zc sicl\ sprach1ich in die Form , ,on sogenannten l1ypo-
thetischen Sil.tzen kleiden las en . Die Wirklichkeit d es Lichtes , ird
in ihn,en aus d r il c k l i c h gar nicht mit' bch.auptet. Die natur-

,,·issenijcl1a(tliche Tl1eoric teilt ur1s nlso , •on einer Gescl1icl1te de
Lichtes auch nicl,t das Gerin"ste r1dt. Ehc11so lieg t die Saci1e in der
Cl1emie, und. njcl1t ander„ kann es ich in der Biologie vcrl1altci1 .
Dabei leugnen \\ir nicl1t, daß[lo. der Physik ebenso ,vje in d,e r Chetnie
tind noch l't1chr in der Biologie <lic l1 is Lori chc11 · 'ätze mit fJen t\atur-
,vis enscl1aftlicbcn o(t so eng v erbtmden auftrcter1, daß es bi ,vei len
scl1,,·e-r is'L, die beiden vcrscliieder1en Bes t.andteile auseit1an<l1.1r zu
hallen. ?i,Jit der Darstcllltng der ,virklicl1en einmaligcrt r~ L\vicltlu11g
j t die Darstellung d-ct al lgcn1cinc11 Gesetze, ,tic alle Ent,,·icklun~
beherrscheu, faktisch i11,nig venvobc11. Aber tlic ·1·rc1111u11g ist unt r
logi. cl1en Ge ichtspunkLen l \\'enn es sich u111 ein \ 'erst ärtdnis der
Ge. chicl1ts,vis. enscl1nftcn ha11dclt 1 beso r1der. für die Bio logitl not,ven-
1
1
tlig.) U1,1 d a Pl'inzip klal'zulegcn, ,vollen '"';r uns auf dic-se Wissc11ge ha.ft 1

be. chränlien . E t ritt hier auch mit. Rück icht auf die tak tisch vor-
l1andene For:-chung he. oridcrH deutlicl1 zt1tage.
l1 a.c he11 ,,·i,r uns also kl ar , daß die logi · ~11e 'Ltt1ktur ei11eP Dar-
s.tcllu11g1 die u1ts z. B. bericl,tet, daß die er.5Len Lcbe\vescn i\ 1nöbe11
,vare11 1 daß darauf i\Iol'enden, dann Bi n le..iclcn i1s,,,. folgtc11 1 sirh
prinzipiell von der logischc11 .~L-rulttur solcher Sälzc \111tcrschciclct , i,1
denc11 t1ns ge agt ,,ird , daß z, 8 . aus der ung ~,11ein großen .l\11zal1l
der L cbe,vesen i111tner nttr diejenigen ~ich erhalten könne1.1, die fh rer
Umgebung am besten „angepa0 l 0 :3ind , utid daO hiera us die z;.,·cck-
111äiligl<eit de.r Orga1us111cr1 zu cr1, liir<!I\. sei. Aucl1 die svgenau11teu
,,EnL,vicklltn~gesctze" ngen uns üb •r <lic ci n111a ligc ,,·.irkli.chc Enl-
Itl ck.Y rt , G reu~~n. :.!. A,111. 17

D1911 11,ado por Goc,gle


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\Yicklun~ dr r LcJ)e,rc:icn nicl1L das ~li11desl<!. Es ,,·ä rc d enkba r , rJaß
die natut'\\'j~se11scl1aftliche Biologie alle Gesetze, <-lic da~ Leben cler
Orgatl'ill111un b eherrschen , v oll:::.tö n(l ig 7:tir l( cnn In i~ gcbr~<' ht hätte
und (')uch vo11 der Cc:;c hicll t c, d. l1 . dcrr1 ,)i n.r11a Iige1t und iut1i,1 jdt1ellcu
\\1erdcgar1g der Organisn,en ~eit d e11 Anfä11(7'en bi~ auf den heutigen

1'ag, r111r ,Yenig \1/iiß le. · 11rl 111ngckr-h rt, es könnte jen1ar1d die ein-
1naligc i11dividucllc E11L,,·icklu11g der Lcbc,vcset1 auf t11l:--PI' r Ercle ken-
11cn , oh1te da ß d.icse l{ent1tni~ ih11, et,vas \:\lesi,cntli<'hc über die bio-
logi~c her, GesetzP, ,,rpJr·'l1c die,scn \ rorgt111g b C'hcrrs<.'lier1 , zu sagcrl
brn11chte[l5nter Jogi cltcn GesicJ1tspunkler1. 11\tisseu \\'jr llnher z,\1scllen
h i 5 t O t' i S C h e r Uild Jl a t \l l' ,,, j S S e O S C h a f t ] j C h C r B i 0 -
1o g i e untcrRCl t·eicien, von ,ienen <lie eine d<:11 t~i ntnaligcn EnL,,·ick-
lungsga11g individualisierend, (lie a11Llcre das biolc,gisch.' i\latcrial ü.l>er-
lianpL genernlL iürend bchnndcltJ
\\1ir könnr.11 sogar n or h einen • rhril,t ,vciter gPhen und ~~ge11,
<l ufl bei tliescr 1' r r tlnu11g clcr 11utt1r,vi~se11 chafLlichc11 t1r1d hislori ~ch.en
B , ·t.andt.cilc in d,c r Bi,o logic ,·ielleicht n1Pllr als ein. lr,gischcR Intere:--. e
voriic 1rl. \\i'cnn n1u11 rlie neue-sLe11 biologisc hen B c~lrebun[rc11 \.'erfc)lgt1
so s iel1L es so aus, ul~ ut:icl1 e ::.ich irr1n1 •r 111chr ei11e Rirhlu11g g •ll(•ntl,
die darauf clringt, d ic hi i-torischer1 Darstcllul1gcn a u der Biologie 1,u
' r1L(e1·ncn 1 t.111d diese 'f <'nd<'n1.cn 111tissC'n dt>r<'hau s als bcrerhli gt cr-
:-f'h.r:i11{'11, ,,·e11n die Biologie C'jnc Nat ur\,·ir--:-e•n ·c·laaft ,ver,lcn soll in dem

i111le, ,,·ie die l>\,y. ilt u11d a uC'lt tlie ChC'n1i,e e ist., d. l,. \vcnn 1nH11
illl' ctie Atifgitbe su-llt, ß"'r1cra lisicrcnd nacl1 c ~~etz.cn z,1 ~ur l1('n. \\ •ir
,lenken dabei nicht c111 tl ie ~1 öf{liclilc,c iL e it1c r BcgrifC -bilt.lu1\~, in der
a 1 l e 1.. "l)end.ige sielt a 1.. ei11e b c:-:011clcre ,t\ rt Jlh)•sil<n liscl.1-cl1c,ni~r her
\ 'orgnngc d~rsLellt, df>n11 clicsc B rgriffc- ,\·ürd en clc11 F on,r f1c-r au!) ,l~r
Biulorrie hil1 tt ui; z1lr J.>hy~il{ u11tJ Chctrtie fii hreri. ,,1ir lial)c11 "·i~lrnc lir,
\\·enn ,vir von einer B ·:-:.cit.igung der hii-torh,c hen Elr111ente ir1 der
Biologie sprcch<'n, nicli t d ic Br.se i t igun j)' clc ~ 11czifisct.1 biologiscl.tcn
~·t a t c r i a l s iul ALt~e, rlas ,vie al'les 8 (•8on<lcre einen rela Liv l1i8lori-
~t hen Cl1,Lrtt klf!r i<'igL1 ~(:.11derr1 die 8 f'1uüht1ngc1.1, die h iF-ltJri ~ ·hc i\l e-
t h o <l e au d"r J3 iologir 1.u c11trcrnen 1 cl . h. l<·<liglit· li di e Gc:;f' lzc
i J1 n c r h a I b <l <:r organi~t·lie1t \\·•·lt k c nt1c11 zu lcrn<'n u11<l clabei
vrJn tlen1 eiu1na liger1 i11 di,,id t1ell n 1.:r1l\Yicklung-;-;gn11g t l l!~ Leben,:; au f
der Er4lo gc1 t1:z alrttt:,;rhen..
\ 'i("'ll.-i,;ht infl die heu le , ·ielr~1rl1 gcl1ra11rhl,cn T c11Tiini

D191, h,ado por Google


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zt1n1Al1~rlrtlck komme11 1 , nicht glfu•I lieh ge,Yählt., dcnn \11n eincJ\lcct1a~
nik in1 sLrc11gen Siniu; kann r · s ich tlabci, sola11ge Or"anis-mcn noch
a I s Orgar1isme.n behar1delt ,,·erden, nie ha1ld el11. \\'ol1l aber ver-
stehen ,vir, ,,·es.halb die Ent,\'i<·kllt11g d er Organis111en al ein cin-
rnaligcr hi ·Lori ·eher \;orguog eiern Biologeri ,,onig glcicl1gültig ,vird,
·u ncl we ~holb er über die „Ah,n,l"!ngnlerien'' spot.tet, die lnng,vei lig ein
11
soll(!JI , ,v<'il sie a1.J( kci11 ,,,·aru rn ant,,·orlcn ur\d kei11c Erklärung
gc•ben 2 • Djc IJefLigkeit, 1niL <IPr Da1'\\·ir1 bi \\'eilen gcracle vo11 n.at.ur-
wi. ~eni-cha{tlichc r ciLe bekän11Jft ,vircl, i t zun1 T oil nur cios l Jel)er-
,viegcn der l1isl orisr hc11 Ge. icJ1tspu11l{l..c zt1rück2ufül1re11, die sich tneb.r
al bei ih111 .elbst bei einig n :;cir1<'r Na<'hfolgcr, z. B. bei 11ä ke],
vorfinden . Es spri,·llt aus dic::s ·m Ka1t11Jfc ci11e1·:;eils al lr rdings ein
)l:'\ngcl a11 \ 1cr ·tändni:s filr d 'n " 'crt des l--listorischcr1 1 denn Ahncn-
galetien sind nicl1t in1111:er lang,veilig, uncl clic Absta1l1111ung des ~l e11-
sch n b c:-ilzt gev,·iO ,,·iss<'11„cl1aftli r hc · lntel'e-se. W arum oll 111a.n
·11ic.ht aurl, nach den1 ein1Tialigen ittdividucllcu Ent,vicklungsgang
fra.gen, den na Lcbcr1 auf unserer Erdo gcno1r1n1en hat ? Anderer-
seits aber läßt sich ni r ht leug11crt, da ß o ft B erichte über die cir1rnali re
a lln1äh,Jiclle E11t,,·icklung der , 1 c1-schiedenen l ~chcnsfor1ncn so gut ,vie
ni chts clazu beitr·ager1 kö11ncr1 1 die Biologie Zll eir1cr Gcsetzcs,1,•isscn-
1
. c·hafL zu r1,acllcn, und es • ltcint dah er ,,·ol1I 1uör,lich 1 daß all111äb]jch
d.ie hi s l(,ri scl1e und die na lur\\·isscn~L:haftlichc Biologie sicl1 auch
fakti,ch i1tln1er n1ehr vonei11andcr L1·en11e11. Doch. ,,·ic es ic h l1iermit
n11ch verl1al Lcn r11ng, es n,uß ich aus diese n Au~(ühru11"' •n jedcr•falls
J.::jnf!s r11i t Bcstinimtl1eit ergeben. \\ic11n der Ge chir htc d c s h n I b
die nalur"\-•,i~~e1\schaftli<' hc irethotlc etllf1rohl,•n " 'irtl , ,,·eil z,Yischcn
ihr und der Bir,logie k ein ,ve::-cnllir l,er Vn.tersct1i d lJ,~Rt.che, so i t

dan1it noc11 ga r 1uchLs gesagl, ,,·a lo"i._el, ci1Hlculig ,,·är •. ~Ja 11 rn11ß 1
,venn es sich um die 1-\ n,,·cnd11r1°· cler biologischen
-
~l cthode handelt ,
"·orhcr frage11 , ob d ic ~l ct11o(lc. <lcr 11atur,vi1-sc11sc haf LI ic}1erl .g•cner:l li-
sic rcnde n oder d er h i:i-lorisclJcn ind i,·id 11::i li~i rcnd f' n B iologic ge111ci11l
i:-l. Die cr~tf- ~tc lh o<lc i~t für die Gcsc hi<·hte gä1,zlich 1111l'>1-n,11chbnr.
Gegen die z,,·cite r11ö~lir·hc Bel1auptt1ng 1 daß <lie Gesr hichLe nach <lcr
~let.hode df'r l1i. Lorischen Biolqgic b r tri ben ,vercl<'n 111üs.~e, \\·ird sic h
.nllcrdings 11rir1 ~ 1,icll nicht vjef ci11,,·cr1cl1•n Ja::sco n11r l,;.ann n1ar1 clann
- -
1 \ 'g l. fi o u x, Einl(•ilung 7,un1 1\ rclli\" ror 1--:nt,\'ick h.10~:-.1-nccho.nik d or Or-
g a11h,111en, l SH,i .
t , ·g1. l-1 . 0 l' 1 t' :-, C II> Di(' Biologi(• n ll' i-1• 1 1 ►,.11\,11.iige Cruu1J \\•i-,~t!ll~(.'hOll,
1 soa, s. 20 r.

ü1g1taltzado por Goog e


-
vo11 einer U •bertl'agutl" biologischer, d . ~t. natur,,·~senschaftli cber
i\lctJ1ode11 auf die Gc~cl1ichts,vi scnscl1aften de halb nicl1t gut rede11 1
1

,veil ei11e genauere UnLerst1chung ergebe11 ,,·ürde, daß viel1uehr umgc-


kehl't. die historischen i\letl1ode11 auf die Biologie übertragen ,,rorden
. s ind. 111 ,vie liol1e111 Grade d l'\S der F a 11 ist, ,,·erclen ,vir später nocl1
sehen.]
DnO cnclJit ll aucl1 i11 d en p s y c 11 o l o g i s c h e r1 Diszipline11
ebcnku ,\·ic iu den \Vissenscl1atl.en vo11 der l{örpet""-·elt ,ve,ügstens
logi8ch eine . cl'teirl ung der na.lun.,·i. . senschaftlic11en v on den hi tori-
s~her1 Be Landteilen vollzogc11 ,,·erden n1uß, l)etiarf jetzt keiner bt-
sondercn E ,,örterun g n,chr, und nur darauf ,volien ,,·ir noch mit ei n.c rn
\\'o rte ausd rücklich bin,\'cisen, daß a t,ch die logi ' cl,c ~füglic hkeit.
einer Sotiologie, d. h. ei11er Le-h re von cle111 gcistig-gesellscl1aftlicl1c1i
Leben der 1\lensct1c11 als · aLUI'\\15 cn chaft, n ichl a11 detn prir1zipielle11
Gege11satz von .c 5atunvi„se11 cl1art u11d Geschicl1te, ,vie ,,•ir il1n aufgc-
i;Lellt habenr ändern kann. \~'ir haben z,var gegen die ti:atuf\vi~sen-
scha(tliche Behan<lJt1ng des geistig-gc-seJI chaftlicl,en Leben der
~1 enschhejt logi:-l~h nichts einzu,,·endcn , aber ,,-ir Ill,ü •. r n z.ugleicl1
aur h bestreiten, daß diese \\fissenscha ft uns ~agcn könnte, ,vi<.' sielt
das Lebc1t der I\1enscltl1cit j11 seir1e1n einrtta lig:en j11di\tjducllc11 \ 7er-
laufe " 'irklicl1 gestaltet l1at . I t auch di e Gesell. chaft ein reJati,•
H istoriscl1es hol1er Ordnung 1 so gel1t doch von d e m gesell~cl1oftlichcn
}.eben, das clcn H istoriker interc~sicrt.1 111n ~o ,-vcniger in clie Begriffe
de1· Soziologie eir1 1 je vollko1111nener sie als Natu1"\visseru;cl1aft geword en
ist, d. h . je a.llgcmeinor il1re Begriffe gcltcn.[Ylir müs eo also Z\\'iscl1e,1
einer n a t u r \t' i s s e n s c l1 a f t I i c t1 e n , gc11eralisicrenden t1nd
einer g es c l• i c l1 Ll j c h e 11 , i11diviclualisiere11den Da1-stellu11g der
n1enscl1licl1en Gcsellsc.l1aft ebenso ur1terscheiden ,vie z,vis.chen natur-
\,·issen cl1afllicher und histori8che1· RiologiV Der l:rn land, daß auch
die I\atUl"\.\'i~seuscl1a(t da gcsell~r!l1aftlicl1e J.. . cbcn zu ihrcrn Geger1-
stande 1nacl1cn k an 11 , bcdeutel.. fü r die l\1cL11ode der Gescl1ichts-
,,.isscnschafl-en llichl das G.e-l'iiig lc. So ,vctLig ,vir dcn)nacl1, \venigsten.
un ter rein log'ischen Ge jchlspu1,klet1, o-egp·n eine nl\Ltir,Yissenschaft-

licl1e oziologie ,,orzubringen habe11, o e11tschiedcn hallen ,vir o.n der
L' nr11öglicl1keit einer J1a lur,vis:--enschafl liclacn Gc~c l,ichte f r-st, d. h. die
Soziologie kann a l:=; gPn~ra li~ie rcn<l(' \.Vis:icn:cl1aft r1ie111als n1t die
St e 11 o der Geschic· hte trete11. ic i~t do.lter at1 f <la~ ·acl1<lrücl<-
lichsl c z.u bcl„ä111 pfcn 1 suba1<1 sie dc11 1\ r1~pru,--ll crhchl , die ei nzi g c-
\\'isscn~c ha rt vorn g<-._cl1.ich ll it'·hct\ l .cbcrt rl ·r )1 r.rtseJ1e11 oder g:1 r

D191, h,ado por Google


I
Ge3chicht, ,.,,.is..-,cnschaft z.u :-.ci11, de11n sie v,er~ticl1t datnit, Gescllicl1te
überhaupt u111nög-licl1 zu 1nacl1cn. Unter dicscrn Gesichtspunkte is t es
auch nicl,t zu bi·ll.i gen, ,,:enn <l ie 1.ticht•1\att11"'vis$en chaftliche11 Diszi-
plinen dadurch cl'\arak:tcrisicrt ,verdcn , d aß ihr Objekt d.ie , 1gesell-
cha[tlich-geschicl1t.liche '\'\1irk)ichkeit11 sei, und ,vcnn inan von uge-
schich tlicli-gcsclJschaftlichen Wissenscl1aCten ' 1 epricl1t, ,vie Dilthey
<lies in seiner 11 Binleitu11g in die Gcist.cs,,Tissenscl1aften" tut. Gesell-
:-chafts,visscnscha ft und Geschichts\\·isserascha.ft können l og i sc h völlig
auseinar1derfallent d. h. die Gcs.ellschafts,visscr1scl1aft kann z,,·ar
generalisierend nacl1 natu1·,vis ensehafi)icl1er
.
~tethode b etrieben " 'er-
dert, ,,•ä hren<! cino An"''endt111g dieses Verfahrens auf die Gescl1icl,ts-
,visscnsct1aft. logiseh unn1öglich ist. Es handelt sich l1ier nicl1t un1
ein er1t,veder - oder sonrlern 11m ein SO\'\·ohl - als a t1cl1.
Nt1.r einen Einwand müssen ,vir schließlich 110ch berücksicl1tigen .
Da aucl1 das relat iv Hist.orisct1c holter Ord.nt1ng eine natunvissenschaft-
)iclle Bel1ar1dlun.g nict,t ausschließt, so liegt. die F1'age 11ahe, ob es de11n
rticht möglich ist, mit einer nach natunvissenschaftlicl1er ~icthode
betriebener\ Wisscmcl1aft auch das 1 n t c r es s e zu befriedige11,
das ,vir an cler einmaligen und indi,,iduellen \\.tirklichkeit selbst ncl1-
n1en. :\1an köJ\Ittc die Ricl,tigkeit di~er Anr1a hn1e darauf stütze11,
daO, ,ve.nn ein Iiistoriscl1es ir1u11er hö•l1e1'er Ordnung z11n1 Gegenstanrle
cler Untersuchur1g ge111acl1t ,vird, n1an dadurcl1 zun1 mindesLcn mit
,d er Natt1r,vissenscl1afL der ein11taliger1 und individuellen \Virltlich-
keit imn1er n tl ll e 1· kon1me. J edoch so richtig diese B ehat1ptung
auch ist , so ,venig verrnng sie et",·as nn unsere111 bisherigen Re..,t1lt.ate
i.u ändern oder gar ct,vas .z.ugun ,ten ei r1cr natur,vissc1tscha ftliclle tt
Beh(lndlurtg d er Gcschi ct1te b i1.utrngen .
Zunäclls L ergibt sicl1 als selh~t.ver.släncllich d~ß nur da · r e l a-
t i v Hist orische; nien,als abe1· <.Ins al>~olu t IJistorische oder d:,s
t I istori ~che ltöcl1· Lcr Oronu.n_g, d. 11. die ein111alige tind i11divjduclle
\Virkl ichlceit selbst nls olche eine Darstcllu11g nach r1atur,,issenschart-
li her ~leLhodc zuläßt, und da111it i t gesagt, dnß die einzelnen P e r-
s ö n l i c h k e i t e 11 de1· Geschichte i111 e11gercn SjnL1c in k.cin r r
11aturwi senschn fLlichcn l:ntcrsuchur1g einen Platz haber1 können,
111ug sie at1ch ein r1och so hoch 1·elativ tlistorischcs zu jl1rcrn Gegc11-
sl an<le ,viililen.. ''' ir ,,issen aber, da ß die Perftönlicllkeiten in (lie. er
f-1:insicllt keine Ausr1ahn1cstcllur1g cinnch111cn so11dcrn die Un111ög-
l icl1keit 1 in eine naiur,vis3-tnschafll ich'C 1"heorie ei11zugelle11 , n1it jedetn
einzelnen und indi,·iduellrn Ding und ' ' orgu,ng der en1 pirischcn \-\'.irk..- •

0191 lt ado por Goog e


- -">ß?,.,. -
liclll<.eit gc1neinsa1n haben : begrejflicl1 ist, tlas allein, das man mit
et,vas ande1·en1 v ergleichen ka11n, und nur so,veit ist es be"rei(lich,
als es andere1n gleicl1.L1 ,vcnigste11s so lange rnan unter Begreifen das
Begreifen nacl1 Art der Natun,·issenscl1aft versteht. Unbegrei flicl1
in natur\,•i.3-senscl1,aftliche111 Sirrne ,var dalier das Licl1t in deo1 1 ,vas
es vom Schall, unbegreiflic h das organische Leben in dem, ,vas es von
eter ur1l)elebten I(örpenve}t trennt, und eber1so unbogreitlich ist jede
einzelne P ersönlichkeit in dem, ,vas sie von anderen Persönlichkeiten
unter cl1ci<leL. \\' ährcr1d es jedocl1 vom Licl1t und von den Orgonis-
1ne Tl eine Natur,,.;ssen chaft gibt, da sie ja nur relativ Hi toris.che~
sind, und rr ltl'n dal1er inncrl1alb des His-toriscttcn nuch die N atur dessen
erforschen kann, '"-'OS die en allgemeinen Begr,iffen untergeord11et, ist,
so gibt es von den Individ,1on ltcin e Nalun vissenschaft , '"eil sich n icl1Li
Besonderes n1ehr itmen unterord11en läßt, im Vcrg.loicl1 zu dem sie
noct1 als ein Allgemeines oder al eine „ Natur'' aufzufassen \vären.
Aber auct1 '"·enn rna1t dies anerkennt, wird man vielleicl1t meinen,
daß dan1it nicllt viel be,viesen sei , denn - so sagt n)an j a - die ei11-
z.elnen Persönlicl1keiter1 l1abe11 fü r die \\·isse-nschafUichc Gescl1ichtP
,venig Bedet1lt1ng. Wir ,Ye.rden a uf die~e Frage später zurückko1nrne11.
l{ier ,vollen ~1ir einmal zugeben, daß es das Idea l einor Geschichts-
,,,jsenscha[t sein kann, eine Darst ellung zu geben, in deJ· "·on einzelnen
P ersönlichkeilet1 1 a lso vom absolut f listoriscl1er1, überl1aupt nicht
n1ehr die Rede ist oder doch nt1 r , ron derri, "vas di.e~e Persönlichkeiten
rniL a11dercn oder gar mit der großen l\lti:-se gemeinsam haben. \Vä rc
dann das llinclcrnis, das eii1er unse1· Interesse an der IndividualiUit
des \Virklichen hefriedigendc1l 1 nntur,vi •• enschafllichen Bel1andl ung
des rn•en:;cl1licl1cr1 Lebcr1s entgcgcnslcl1t, aus dein "\i\7cgc gcrüt.L111t.?

\Vjr haben früher Individuen u11terschil'dc11, die nur Gitltungsna1ncn


Lragen von sc,lcl1er1 1 die Eigent1arnel1 fCil1rc11. Die U11tcr<.1 rdnu1tg d er
Indivi,ll-1eJ1 1l1it. GaLtu11gsna1ncrt u11t er· atlgcnicinc Begriffe isL un ~o
~elbsL'ver tfi11d·licl1, daß ,,·ir sie l(aurn bemerk.en, ja, das, ,vas nul'
einen Gattt.JngsnameLl lla~, b-e tracl1.ten ,vir auc}1 fru-:t i1n11,er nuJ' Dh,
Excrn p-la r ·ines al lgf'tl1f'ir\crt BP.g rif f::i. Bei Jndi, ·iducr1 1.11it. Eigt'n11arnt'Jl
dagegen kö11nen \Vir tlic r1icht, ,vcil sie da(iurch ihren Eigc11name11
,,erliel'eJ1. Das 111ag zt1n5rlts t n.ur al ct,vas Acußcrliclu~s au.g ·i-cheu
'"ertlC'rt, aber es g,•11ügt u11s hier, u1n ZLL ieiger1, daß, ,,·e,,tl atac h ei11c

\\.'i~sc11:;cliaft ,,ou1 111c-11schli chc11 IJc.b{'n die l r1rlividucr1 i111 :;trc11)!"<'fl
...
inne des \\.-orles ignoricr ~11 '"oll Lc, <lies a llei,11 noc h nicht aus rcicher1
,,·ür<lc, l11n ci11e n~1t.ur,,·isscnscl1aftli chc Behandlung ilirl's Gcgc11s'Lu11dt:s

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- 263

als Gesc hic hlc zu er,nöglicllcI\. Nicht nur d its a b so I u l. JJi ·to1·ische
nän1lich „onderu at1cl1 l1tancbcs, da nur ein re lativ Hi. Lori ches zu
sein scheint, hat docl1 einen Eigen1\ao1er1 insorern, als ei11 Nat11e rticJit
n1it dein des a llge111einen 11atun\'i ~cnst haftl ic: hcn Begriffes identisch
ist., unter clcn clic von ihm bc~eic hnetcn Obj ekte fallen ,,·ortlet\. Oder
ist el,va der n a t u r ~·is;;.ensc haftli J1e Be~rif[ von a ll den Dingt11
tin(l , rorgiingen , die ,,•ir rnit „grie<'hii;rl1" ocler „detll5ch" bezeic l1nen,
b raltcl1bar in einer Dar:-;tellung der griccl1ischcn (l(ler der deutsc hen
Gcschicl1Lc 1 clie ur1scr Jn terc.s.e an dein Ei11111alige11 urtcl lndi, 1iduellen
der hcide11 Völl{er zt1 hc frjcdigc11 vcr111öc;l1tc? , ,V ir 1nüssen dies Frage
Y.1ohl verrleinen, clenn ein natu1"ivi~sens ·ha!llicl1er B egrifI <.lcr O:c utsche11
dürfte 11ur das e1ttl1alten 1 \\'HS a J I e n Deut.scheu gcmeinsan1 i. t 1 ui1d
\VCnn dieser Begri ff gebildet wäre, so ,,rorde er zie1nlich uninteres .anl.
sctn und $ic h ,,·enig von den1 natun\ris cn chaftlichen Begriff des
Fra11zosen oder vielleicht au<'l1 des E ,1ropficrs überli a upt uitler~cheiden.
' ' erolehen ,vir also un ter g ricchiscl1 oder deut.sct1 t1u s, ,,,,\s wir hei
a 11 e n Griccl1e11 otlef al l e r1 Deut · ·l1c1t fi11dc11? Es ,\·ird kau u1
jen1Hnd geneig t s:cin, ciies.e F.-ngc zu bejahen. Die allg·eJ11ciue l'\at,11r'' 0

de Deutsch.en re~t.sLcl lct1 i11 dcrn Sinr1e, , vie d ie OpLil< (iic allgc·r11ci11e
N atur des .L irhtes e rforscht, da~ hi eße d a:-; ignorieren, ,vn ,vir meinc11t
wer111 ,,·ir „dcut. ·ch" s.agc11. Aucl1 <lic Gr icche11 oder die Deul.sc:!1e1\
lassen eine n.ntu,·~,·isscn~cl1a.ftliche oder gcncralisicrc11<lc Dars lellur1g
chcnso,venig zu ,vie die ei11zelucn Persör1lichkeiten. Au~ einer nalu r-
,,·i . enscl1aftlichcn Darste-ll11nw der Gcsrh.ieh lc rniißtcn 111it den Eigc11-
n c1111cn der l'crsö11l icl1keiLcr1 at1ch die Eige1\na1nen <ler \ 1ölker vcr-
sch,vi.nden , uncl ,,·enn du:,; der F all ist , so ,vir,1 n.l an d och nic ht, 111cd1r
belia upten können, <Jaß cirte solche \ Vi&seusc haft noch iu,~wnde ,,·;J rt>,
dn R I nterc~se z11 b<' fri crligcn , ,Jas ,,·ir a n cl c1n E inn1alig-c11 1111<.I l11<livi-
duelle1i der \\'irklic hke it 1,elt,nc11.
E ine v olls tä ndige Erlt~tl igung clcr 1~r„1µ1!n , cl ir sic h l1icr auf<lrl,11g,•1l 1
l,;.aru1 erst. 'pätc1· grgebc11 ,vc rden. ·ur da~ Ei1t•e _cl1c11 ,,·ir jetzt schcJl\:
d er Begrirf rlcs rel~tiv l list<1rit,che·n untl rtie ~l öglir ld<('iL, du,_ relati v
II istor is<.: hc 11ul.ur,,·is~c:1t~e ha (ll ich ge1,1era li:-ic re11tl zu b ~ 1,audcl rt, bc-
seil.-igt, du B e d o r f n i . n acl1 ci11er \'\ii~::c11:-.cl1aflt djc in eincnt ga1tz
unt.lcrerl. Vc·rhil ltni:--., c 1.ur 111piri:-;rht'11 \ \ 'irkl ic.:hlicit l'-lcl1t. al clie J:t-
tu r,,-isscn:? hnft, durchau~ nic ht. · ur cia~ ,,,J\non~·nic' ' ka 11n Oojckl
<.lcr 1\'at t1r,\'is;;c11-sc hu[l, ,,·ertlc rt. r\ucli tlaf- reluti,• l [i:-lo1•i::-c ht!, d.is ci11c·11
Eiger111c.t111P11 lrii•rt., cn t.zicli l, ~icl1 ihr u11l ' r ,dlc11 C 1i1st ü 1tc.le1t u11cl vi1·l-
lciclt t sog~ r 11oc l1 einige:; n,chr„ IJnfJ nllc r 1n11ir i.scl1c11 \ \ 'i:::-<:n:,,clt afl<:n

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c.nt.wcder nntur~·is_ •11. chaftlich oder historii,rh, ge11eralisiercn,1 oder
in(livi<it1alisicrc11d 1 vcrfahrcrt 1nüs.scr1, clarf ulso 1.,var 11icl1t so v er-
st.andc11 ,verd e111 als gäbe es ci11e Gruppe von \,\!jssen scba(Len, die rein
r1atunvi':l- en cl,aftl i ·h u11d nur gen,e ra lisicrend 1 ei11e andere, die rein
g1.\scl1ichtJir.h t1nd nur individuaUsierend ist , sonclern die Einteilung
gilt, nur ir1 clerr1 ' inne, daß durch sie z.,,,ei J l a u p t Le 11 d c n z e n
der ,visAcnschnfLlichen Arbeit gekennzeichnet ,,-erden ~oller1. In dieser
J Iir1sicht aber gilL sie aucl1 a bsolut. Natur,:vissenschaftlich ,vcrdcn
,vir jede Un terst1chung 11e11nen, die il'1nerhalb de. Gebietes, das sie
bearbeitet, so \\:eiL ,,,je 1nöglich zum Al lgcincinen vorzudringen sucht,
t1nd \\'as eine Darstel lu11g his torisch r11acht, können ,, 1ir jedenfa lls
schon jetzt dahin ang,e bcn , daß diese T e·ndcn i i11 ihr nicht vo•r hnnden
• ein ka1111. \Vent1 diese Bestimmung auc h nur itcgativ ist, so ist. sie
für di e Klarlegung der hist orisc hen ~fethode i,11 Gegensatz zu der der
Natur,vi · er1schafteri und i11sb cso11der,c für tlie Gr,enzen d er natur"vis.5en-
schaftlichel\ Begriffsbildung doclt nicht ohr1e Btdeutu11g_
\ \1ie ,veit clie Geschicltts,,·isse11scl1aft in das Einmalige und ln-
di'vicluelle ei11zudri11g<:'11 u11d es i11 il1re Darstcllur1gcn aufzt1n.e hmen
ha t , kann s ict1 er t pä tcr zeigen. }Iier dürfen ,,,ir 11ur sag n, daß
u Jort, ,,,o die B egriffsbilclt1ng der Naturv,•issenschaft ih re Grenze findet,
n1ci:'l t das Intc1·cssc clcr Gcscl1ichtc erst beginnt] So ergänze·n diese
bci(ler1 Arten von \,ri sense h.a fle11 eirlat1der ut1tl u1 nrassc11 zugleich
alle:-, ,vas die en1piriscl1c \\' irklic hkeit un o.n ,vissen ~cllaftlicl,en Auf-
gabe11 LeHt. Die Ei11teiJt111g nacl1 Natur 111r1d Geschichte ist al so in
logischer l-linsic ht a uch , •oll!'<tär1cl ig ttnd er. chöpfcnd i11soferr1 1 als <lie
crnpirjgc l1e11 \\' isscnschaftcn n,1r en t."'"'cder mit Rück$icht at1.f da All-
ge111ei 11e oder r11it f{ü cksicht auf das l11tlividuelle die \1/irl, licl1keit.
bctra,1.: l1Lcn )(ör1nen, d . h. von einer dri tten A1·t en,piriscl1 ,,,jssenschatt-
licher Bel,andl u11g der u11:- gegebc11er1 Obj clc!R, (Jie logiscl1 v on d~n
hcide11 genannten ebenso prinzipiell sie}, u11terscl1cidct, '"ie diese
von ei11andcr \' erscl"1iedcr1 sii1d, ,rcrn1ügC'n ,,·ir uns kcir1cn B egriff 1.t1
111achcn . Eine dritte Gruppe , 1on \-v'isi:;cr1scl1a!te11 ka1111 n ur in dcrr1
Si11r1e vorha rtrlc11 :icin , dn ß ir1 ihr cl ie na t, u,,·i. sen::.cha[tljc he und die
I, i:;to1·isc·he Dar ·t..,,J lu11g nt:bc11cit1a11<Jer in A11,vcndu11g kom111en . So
liegt es dc.1111 at1r· l, faltLisch in . ehr ielen \\'issenscl1afte11.. Das aber
är1d ert an dr.1n ,largclcgtcu logische11 Gcgortsal,z ur1,J nn der Un11,ög-
lic ld<ei t, Gcsch ich tc nach 11atu1~,vi. o:('rtschaftlichcr ~I cthode zu tr-cibct, 1
n icb t ,Jas Geringste.
B ev or ,,·ir die:,,e 11egalive11 A\1. fü hrun gcu iiber Nat-ur UtLd Ge-

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- 266 -
,
scl1icl1lc abschlie ßen, fügen ,,,ir nur 11ocl1 Eines hi11zu. \Vir haben
wiede rhol t hen ·orgebobcn, daß der logische Gegen„a t z v on Na tur und
Geschjchte v on d er l\1ethodenlelire bei der togischer1 Gliedcru·n g der
\\ijs~ensct1aft.cn zu \\'enig beachtet und der sa chlicl,e Gege11 atz von
Nalur u11d Geist zu seht in den Vorclergr11nd. gescl1oben ,vird.~ur die
Gegcr,sätze von Sci11 ur1<l \1/erde11 1 Bel1arru11g und Veründeruug,
Wiederl1olung und. Aufeinanderfolge konnten als logische Geg nsäLze
g-elten, die man vers ucht tiat, de111 Unlerscl1icd von Na ttir und Ge- •
cl,ichtc zttgrur1de zu 1egen, aber ,vir !anden, -d.i ß diese logisc·hen Gegen-
sö tze nicl1t gcr1au genug formuliert sind, u1n c{as logi c:t1 cnt.sct1eidende
• Prir1zi.p klar zu 111achen 9
Dar11it haben ,vir jedoch nicht agen ,,·ollen,
daß die hier dargelegte logi.sct1c 'frcnnt1ng d er Bc.~griffc der Natur
und Ge ·cl'1ichte .rnit dein Anspruc l, nuf tritL, die Entdeckung v o·11 et."vas
O'anz Nct1cm zu ein. Im. Gegen teil, ,vir n1üOte11 zeitlich rcci1t ,veit
zurückgrei ren, falls ,~·ir a lles aufzählc11 ,v0Jlte11, "''as f Or dje KJar-
legung dieses Gegensatzes . chon früher geleistet ,,·orden ist,. Insbe-
sondere in d er Pltilosopltie des dcutscl1ert l tleali tnust ,vie er sic h nach
l( ant ent."vickelt hnt 1 finden ,,,jr bereili manc hen ,vcrtvollc.n Beitrag
z11 u11serer F rage. [Ja, der allgc111cinsle Begriff de.s Hjsturische11 als
des Einmaligen, Besond eren und l ndivid11ellen \\'ar der deutschen
Aufklärung cies 18. .JahrhnnderL5 selhst,,ers-tä1\dlir h 1 \1r1,I er.~t später
hat. das \,Vort. ltist.oriscb , '"'rie ,,•ir ·cl,ou i11 der Ei11lciLttt1g andeuteten,
eine er1gere Bed eutung nngeno111m rl.] Insofern a lso grcifcr1 ,vir sogar
1r1it der 'l'ern1inologie nur auf früher allgerr1cin verbreitete A11sichten
z.11rück. Doc h zog man in der ..:\,1fkläru11g t111<l ebenso at1ch spät<"r a\,IS
diesem ß e0 rilf des I Iislorischer1 ,fa11z f alsct,c I<-011seq-u enzc11 für den Be-
griff der Ge chicl1tc als \\ t i ss e n s c h a r t. A1 kh\:,sischcr a ucl1 1

beute nocl1 einflußreiche1· Vertreter ka11n der schon e1,,·ähnte r hopen-


hauer gclten t d.er in dieser Hin."icht i1\ .i.\ ufklärt111g:.:.tendP.nzcn steclien
gcblicb!!r1 ist. Die Wissc11scliaften rcdcr1 11ach iha1 sün1Llic~1 v o 11 d "fl'l ,
,vas immer ist, clie Ge chi ct,te hingegen vo11 dc1r1, ,va, nur· einn1al
ur1d da nn nic ht 1ne hr ist . D ern<'n~µrer.hend ,~ ä re die Geschichte eine
1

\ ,Vis enschaft vo11 den l ndividucrt, ,vcJches aber, ,,·ie choJ)Ct1ltaucr


sofort hi11zufiigt 1 ,,einen '"iiderspruch bcs.~gt 11 • Dic.-,,cs w-1l1..ilthhre
n atur,'llistische Dogn 1a gi lL es, zu be eiligen. Der · nt er chir,J, cl{'f>
111a n in d ct· AufkJiärun ~ p·l1iio~opl1ie u11d at1cl1 später n ur b cr1utzl ha t,

u1t1 ge ringschütiig v o r1 der Ge cl1iclrLe iu reden, ist gerr1cle 7.urn Gru nd-

, Vgl. oben s. i~& ft.

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t

266

stcin ci11cr logis.cllt>n Glie<lrru11g Jer \\tis~eni,1,r horlcn zt1 111acl1cn. Nicht
also urn eine Entdecku,1.1g ci r1cs ne11cr1 f1111darr1c11talc1t logii$c heu Unter-
sc.:!tic<lcs, d·e111 rl"1ttrl r1tit Rech t u1iOtrauiscl1 gegenO'ber treten ,vürde,
sondern ur11 eine 11eue \ 'e1,,·cn(l ung lilng:.;t bekannter Begriffe zur
I{lnrh•gung cJe logü,r h •t1 \\fesens tier Gcsc hicl1l,s,, i~:-:cnscl1a ft hnnflclt
c sich hi er.
.. Doch auch in Jiescr IJi11sicht ..ind unsere b i . her i ge n Aus-

führu1tge11 in der H ot,pl. n.(·he nicht eige11tlich 11eu son(lern \\'Olltet1. llUr

einen ,vic<lcrholt atisgcsprorhenen Getlankert vor allein dadurcl1, ,laß
5je die R elativität des Gecgc11~atzcs von Natur UJld Geschichte au f-
zeigter1 , ei11gel1ender uucl 11mfltsserl<ler ent,viclccl11i als t.>s bislier ge-
scltcl1et1 ist. Sehc11 ,,·ir v<>11 <J{'ll Atl~iitzen zur Beha11lllurlg un~erc:-
]Jrubler11s ir1 d<.',r Philo::;nJ!llie de. dct1tst~hcr1 Jcle<1li~n1t1s nb u.nd bc-
schrflnk.e n un::- auf die n.crrcsl,,e Zeit, s<> ist t1ntcr ,te11c11, die z11r l{lü-
ru 110- des lo1rise1lc11 1f aupt.probleru:; bcige lrag~11 l1abe111 beäon(tcrs
\\'inucJband zu nennen. • ei11e Dar~t.ellung Le!-~ing~ leil-ete er . chon •

1 7 111it folgen{l<'n Süt1.e1, ein 1 , die den i\J,1ngel cl<·~ l{atiu11ali:-111u~,


S-ci11c L" 11fältigkciL1 det1 h istori~chcr1Erscl1eit1ttr1ge11 gcrct·ht zu ,verdc11 ,
l<ln1· legen : ,.Wenr, die n10Llcl'ne Philoso phie v<n1 A11f::\ng an dt1rch
c!c 11 GC'gc•ni-at.z clcs Uni ,rersul i!;r11u!-- Ul l ll rlci- Jndivi<luali~1r111 l>c,vcgl

ge,,·e:;crt ,va r, so hatte ir1 diesc111 ratio1,ali ·ti.;chc,1 D,~r1ke11 l)eclingu11t-rslos


der Ur, i "'e r s a I i • 111 t,t t11H1 rnit ihn, fnsL ·, ,,icci t-•r der 111ittcla lter-
lichc n c;i li:-111t.1s gr~ie.g t. N11r . C'i11c a llg<'n ,ein.cn Begriffc ließ es g,.[te1t:
(1ie ci 11ie h1C'n Er~c hcirtu11geo ,,,are11 i h111 ZLtft't lJige Exi · Le11zc,11 1 die 11ur
1

so vir l \\'crL haben sollte n , als ~ie jene B<'griffe \,·ie,lerholen. Da$ ,var
cl1e n0 t,,·er1tlige l<'o lge <l~t,·011. claß ,rl iescr R~,tiona li : :. m1J.s Sl\ cler I l a11d •
del' • a t u r ,,.· i s c 11 s c h ._\ r t, u 11<l :-,.p·t:ziell der 11 e c b a 11 i l{ groß
ge,,·ordrrt ,,·ar. l r1 il1r ::illcrdii-1g:; b;t die ei11zclrlc rr at:-ache nur t.'in e
Exen1 plifil<aLiort des c,,·igcn , i1llge111 i n<>n G<'~~l zf>. , und • ic "·er1nag
v o11 d <!111 Jn lli,,i,h1cllcr, .1l)zusehc11, ur11 gl'r::tdc <ia<lur<'h <las Gesclz-
n1 ii □ igc zt1 fi ,nrlc11. J~'ür . ie i~t rleshnll, der ,,rerl, d1•r einzelnen l•:r:-.1'hCi•
11u11gr1t letligli.ch. clurc•l1 <1'as C,•~r tz be~lintn1l 1 ,, elclic'~ s it: h ,l1.iri11 bo~

t liLigt,. Ga.111. arttlcrs i11 der Gc•:;rbiclil~ :[ hi~lort!-1t he Gebjltle la~~Pc1


sicl1 Jlie111als ohne l tcsL ir1 allge1 nci11,·• ll<'g-riffo .tuflü~c11, e.s hlc:ibt in
. -·
jh11r,11 i1111 11c-1· f't,,·ns Eirtzigl':-i, l nclivi1luelle ·, llllU c})en lla1·i11 bi:stf· ht
il.ir \\"erL.'l\\"
.J
-r il d\~!,:.ha lh V(l t\ den brid~n gt·ol)p11 Gebieten e_icr exuk:Let1
J~c1t.-cht1Ju.f fiir tlic I~11L\\"il'l"h1•1t.g clrr n111cl •111c •1 I) Jiilosoµhi e zu11äc hs t
- ---·1 •
J li\• t~t:>,rltic l,tt• tJ,·r ll l'lH.' l't ' n l )hilo:-01, ltil· J, 187 , :S. :it.1 f. , Zi , ,\ ul'L 19 11 1 •
• j-t -t F.

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- 267 -
11ur das nat11r,vi senscl1aftliche maßgcbenrl ,vurde, so trieb das Denken
der .>\ufklärung überall a uf den Universali 111u s z1-1 uncl verlor in
steige11dem 11a0e lnte~es e un.d Verständnis fiir die bisitoriscl1en 1' nt-
sachon." Ebenso klingt Windelban<ls Darstcllut1g der phi.lo ophi.thcn
Begriffe t1nd Probleme in ih.ror E rlL\\'iclt lung v on den Griechen bis zur
Gegen,vart i11 einer Gegen(iberstellt1ng von atur und Ge chichte
aus 1 , und endlic h l1 at d erselbe Autor die e 'l' hen1a aucl\ zt1111
Gege11Sta11de eu1er systernatischen Erörterung gerna,c l1t)'- Er '\\ill
nusdrücklicl1 die üblic he Eintei lung in N al,.1t,vi ·se11scha{ten tind
Geist .cs\viss.cnschaften fallen lass~n, v or allcrn, ,veil es nicht n1ögllch
i t, die P sycl1ologie in ihr uaterzu br,i ngen. 1-\ n i'hre Stelle hat die
Unterscl1cictung der .,Ercignis,,·issenscha ft.e.n ' ' v o11 der1 „Ge elzes-
\,·isse11schafte1111 zu treten, und die l\fethode der eiJ1en . 011 ,,id io-
grapl1iscbt' , die der anderen 11 nomothet iscl1" hcjßen. Da,1tit i~t. ""e11ig-
stens der o i n e, bisher allein bel1a11deltc P unkt fur eine logische
Gliederung der \\' issenscl1aflen mil vollet· I{ larl1ejt bezeictlnet. Auc l1
der Au drl1ck G~etzc ~vissor,scltä.ft ist i11sofcrn z:utreffcnc:I, al~ dat-
höchste I dea l d er . atun"·issenscl1a(L i1t der At1:(stellung von Ge. . cLzer1
bcstcl1.t. FreiJic h ist er streng geno111men zu eng, d a die ,deF<kriptivc.n"
\ Vis-.sen ebaften doch ebenfalls in eine1n Geg,•~atze zu clen ,,i d i o-
graphischen ' ' stehen r11ü , c11, u.nd dcslta lb c11lpfiel,lt, es ~ic h , v or1
gen cra lisier·e,n dcn \ is, en„cl1ntterl z11 re<len. \.Vas fe rnet' d en ·r errni1111s
idiogrnphi scl1 betrifrt, o bczeicl,ncl er flus Grünclc1t, di o v,tr 1\ocl1
genauer ke11nc n ler11en \VCJ'Cle n , l \Ut· ein 1-> r o b I e 11, oder brh1gt
,ve1ugste11. das \-Ve:;ct1 ,!er hii.;torisc hen ~fcthode nu r n:.tch ci1,cr1 11n{l
Z'\·ar nur nach ihrer 11 c fl' a t i v e 1l cite hin zun1 ,r\u ~dttu.:k.. Docl1
1J1ehr als ein Prohle,n haben att<.~ h ,,·ir ir1 di•e:::.c111 l( a pitel 11()<'h r1i cht
geben ,volle n.
el1r int.ere ~a,11.. i~t es, ,laß gleichzciLig 1nit \\ti11(lelb a11d Jlarn1.s ~
ebenfalls in ei11er1 l \\'erlce l1isl.<1ris hen Inhalt.c Ausführ11rtgPn tibc·r
den logi. c hcn Gegcn:::.ltz v on Nat.\J r 1.111<1 Gc~<;l1iclit.c 1.1ncl cin•e dnr a uf
zu g1·ü11dc111.l e Eir1tei lu11g der \Vj_ e11:,cl1a ft.e11 ge1r1ae ht hat . .,A.11 ~
bcsond t'ren ,,·.i~.:l.enc:rli nft.en" , sagt cr 1 ,,ruhen cnt,,·cdcr l'luf <i <.' r l\" atur-
forscl1u11g ocler auf <ler Ge$c hic h~for~chulll-' Ullll sind dal lcr (le1· l•'ortr,i
ihre. l~rkcnr1enR na'"l1 cnt,vt'flcr 'feile tler ge r l1i chtlic· hen ndf'r der

l c; ,,,cJ1ithl li d i:r t>hilo:-op liit•, l ~tl':?, S . :,0-0 rr., G. .\ ufl. unl••r (11•1u 'l'il<·l :
L chrhuch d1•r c;e,,.c tiicl1lo <le,t· ,... hl]O:-f)phit•, 1Hl~.

~ ':e.-c hil!h l e und !\alu1·\\'i:-,._1cn-c haf t , ~ lrnßhurgcr l tr•klornt -.r<'ti<', 1R9 1.
3 Die- Pliilo,01,hic in ihrer (it'-'-Chiclllc J. p,-ycltoloKii', l 878, ~. ;;:; rr.

D191, h,ado por Google


'

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•aLu1·,Yissc nschaf.t. Gc${·laicht.licltc \\"is;:;en~cl1a ftl'1\ 1ic1111 •J t ,,·it· die,
,,·eiche in (1·r Ge~chicht.e eine Quelle ihres Erkeru1e11s l1::1bcn, ,vie die
P oliLik, (lie Ju rispruclenz, die positJ,,e T l1eologie, die Nntionalöko-
nomic, t.Jie Pl1i lologic und , prach\\•i<•scnschaflen u. a. n1. • ic rul1cn
insge a1nL nicl1L auf Naturforsch.ung1 so11dern auf Gescl1ichts(or~cltung.
Diese Eint.cilung der \\•·i-~en1;chaflen in gcschi<·h tlicl1c 11nd Nat.ur-
,vi~sensc:haflcn , 1crdient allen a1H;leren in ll1corctis<:he und prakli:sclle,
in 111eU1phy5iscl,e ttJ1d ästhet.i el1e1 in · 1at ur- und Ge'i Le. ,vjs er1schaft.en
0

de halb vorgezoger1 ztt "'·crcle111 \\·eil sie der tatsiichlicl1r n For m und
:\lethodc ihres Erkenn en cn~ pricht., ,vähre1icl die übrigcl1 Einteilu11ge-n
dieselbe ig,1oriercr111 • Aucl1 hic1· also ist, d er en.tscli cide11<le Punkt
klar. l•'rei lieh findrr1 sich b ei l l a1·1ns daneben au ll Sätze, die z igen, 1

claß er cJic Begriffe del' 1 atur u11d der Ge, ct-iichtc irl i,hrer logi~chen 1

Reinh eit doc h. nicl1t kennt, ur1d da □ er d:.. her nicht jn1:;La1te.le gc\vcsc11
v,är~, eine EinLcilw1g nu~t.hodologisch fru el\t bar zu 111acr1,e r1. So
~agt er z. B.: ,,Die Erf.:thrun „ selbs t , ·, ,·oraus a lle besond cre11, , vissen-
' chafte11 hervorgehen, ist, dopJ)elL", und beltauJJi •t ,·on dcrr1 Gcgcn-
sat.z v o1t Natur und Gcscliicl1te: ,,Es ist. da kcir1c Differenz i11 dc11
erk c1111e11<.l e11 ubjcktcn 1 011de111 i11 d e11 zu erl"cn11 •t1de 11 Obj,cktcn".
Dan1it kann eine L o g i k der Gcschiclite nichi.$ ünfartgcn. Anclcrcr-
seit.s ist C$ sehr bc1nerket1S\\'Cl'I., ,ve11n lla r111s vo11 Dar\,·jo sagt.: 11 ichL
d a Gebiet cler Nat.ut,visscn cha ft hat er e1-.., ·eitert1 sonJcr11 t11ngckehr·t,
1

tlas Gebiet der geschichtlicl,en Erkenn tnis l1at er zu enY itPro vcr-
ucht." Docl1 ist au ch das ,vierter nicht in d crn r ein logischer• Si1u1c
gc111cin1., ir1 dem es hier a11so-efül1rt. ,vurdc. Auf jecJe11 Fall aber finden
sirl, bei I--larn1s ehr ,,·erLvollc Gedank e11 1 die leider kei11c W irku11g~n
:1.\1„geübL hab en, ein · n1s tand, der zeigt, ,,·ie v oll~t fi11(lig d er .l ogi..:ct1c
Grundg<'g<'n~·atz d er ,vis ·enschufLliciicn i\ifeth<.icJen ü ber '1ogi. cl) seku11- •

d!lren F.i r1tcilu1tgspl'ir1zipicn i11 der Logi}( vcrg1::ssc11 ,,·ar.


Ft"rner sei in d ie:-:e111 Zt1,.a1n11\e11l1u11~e noch Ad ricn N a, ·i llc 1
gcrta 11nl 1 der itt c•incr bhundlt1r1g ·ü ber die l{la::;si[ik ation clcr v,•'is l'.'11-
schttfLen d1 ei G1·u.p1)c11 u11terscl1eidet: ,,l1i ·toi re" 1 ,,th{ort>rnat.iqu ~••
t1r1d , ~s,· icnccs rt'·g11 lttlivcs''. Die lclttc Gruppe k ö,11nr11 \.Yi r }1 ie r bei-

• ei te lass.en, u111 o ,vichtigcr ab~r ind die beid c11 cr~t,f'rt. Die Cc-
srl1i c}1Le b \. Lcl1L 11act1 ·avillc aus dC'n \\,"j;,;;-;,cnsc hnrlc11 ,·011 tle1· \\"irk-
licllkcit.. lrn Gcgensa t.z dn i u t1n1f11ßt Llie z,,•,.i-Lc cJas, ,,·a5 ,, ir 1'nlur-
,\ is ·er1scl,1aft gC'r1,1n11t h11bc11: clie \v'i~senschafL<'11 vo11 den 1t0t.,,·u11uigrn
11edingt1ngcn des ~löglic.- l1cn ◄J d f' r <lie Ge3cizes,,-issc11se ltt1ftcrt. Die Ei11-
.
• J..>c la c la,..,ific.alion tles !ieie1H; t1s. J-:tuJc logi<p•e, 1888, 2. Au fl. 1OOl.

ü1g1taltzado por Goog e


- 169 -
teilung der \Vis~cn chaflen gestaltet icl1 da11n unter diesem Ge ichLs-
punkt v on dPr (ibHchcn sc-hr ah,,·cicl1cnci. Zur G~chir l1t,c gehört z. B.
. 1
dio ta.tislilt als Darst ellung '\'On den \Vi rl<licl1e11 Z.th lenverhäl tn.i sen,
und als Gesetzes,vis ·enscl1aft entspricht ihr die Aritl1metik , die es
rnit clen 1nöglic- hcn Zah lenvcrhältni 8Cn zu tun hat. Zur Geschic\1tc
gehören rcr·ner außer den \Visscnscl,aft.c11, die n1an ge,vöhnlich dazu
rechnet , die Geodä ie, die Astronomie·, die Geologie , ja sogar Botanik,
und Zool ogie, \veil sie vor1 wirk liche,1 KöYpern h andeln, ,vä,h rend
l\[echanik , Physik, Chemie tJnd Biologie Gesetze su chen und dah "l'
mit der PS)'C'hologic und der Soziolog ie, die ,die eb enfalls t un 1 zt1 am-
1nen die andere Gru1lpe der \\/isse1l cllafLe-11 bilder1. Es isL l<la1·, ,,rie
gt"Ondlicll von Naville der üblic~,e Gegensatz von Natun„isscn cltaften
und Geistcs,vis!ilenschafLen b eseitigt ist , un{l ,Yic ausschließlich ein
logiscl1-er Gcsicl1tspunkt fill' die Glicdcruno- rr1aOgebe1td ,,·ird. ~r rotz-
d cn1 k önnen ,vir dieser Einteilung nicht in allen Punkten zustir11rnen .
E geht nicht an , alle. zur Geschicl1t,e z.u rec hnen , "vas nicht Gese tze
al1fstellt, <lenn das Gesetz ist nur dio llöch!';te Fotm d es natur\vissen-
scha(tlich ' n Begriffe. , und ~ i "t dal1er notv,rendig, k1assifika~orische
\iVisscnschaften, ,vic Botanik und Zoolo 0 -ic, rr1iL den Ge:setzcs,,·i::;s.eri-
scl1artct\ logiBrl1 zusan11T1enzustellcn . El)en 0 \\'6tlig dürfen ,,rir clit'
Statistik i11 dem Sin11e, \vie Navillc e.s tut, der Gescl1ichtc zut.eile11 .
Sie l1at mit Ge~chicl1te iveniaer zu tun als die ,fent.,,r:icklungstze"cr1icl1t-
liche'1 Biologie. Da . J1{ingt mit ihren quantitativen Angaben zusa.m-
1nen. Vor allem aber fohlt es iivi-lle t\n eiern Begriff•
des rela t.i ,, Histo-
ri cl1en, tlcr zu ein.er Du1·cl1fübrung de logi eben Eintcilt1ngs1lrinzi11s
u11crrtbeh rlicll ist. •nvil)e berüc~ icl1tigt nur die äu f1crgten logi~chcn
Extreme, Dies hat ihn atich daztr gebracht, l\lat hrmat.ik tind reine
l\lcchar1i.k nicht von Physilc und Chcr11ic zu trennen , ol)\Vohl doel1 da:--
Verl1ältnis zur \,\'irklicl1kcit in diesen \\.isse11s.c ha fLer1 gc,,·iß iuc lrl

üb·erall da. selbe i -t. Aber e kotn.mt uns hier \,·cniger d a1·at1f :111 d.ic
Differe11zcn ller,rorzul1cbcn als di e Uebcrcinstin1111uJ1!!' '
zu }{<>nsl atiere11.
'

\ ' ortrcfflic 11c Bcrr1erk t111ge11 iil>er das '\Vese11 tlcr Gesehiclll~,vissen -
srhaften fi.niJc11 wich end.lieh i,1 ei11cr Schrift vor1 G.corg Si1111ncl 1,
die ,,·ir bereits en,·i.ih nten , a.l:11 \,·ir von rler Ge::;(jhich tc als rler \''irk-
lichk<Ü Ls,,·issc11 ·cl1aft Sf)rachen. Die Ei11sjcl1t, d a ß z.,vii!ic11e·n erzäh len-
der und Ge::ctzes,\·isst nsch.:i(t,, logiscl1-bcgrifflicl1 a11gesc}1,c11, d er größl..e
l 1nter~chied be:;tet1t, d en es überh aupt at1f cle111 Gebiete cl e~ \\l'is~en~
geben kann, ist hier eb~nfa 11::- clPu Llic h :.1usg<'~pn:,cl1c1·1: ,, l 11::ofcrn a h,o
1 U it• l 'rohlt 1ilr d t•r Gt.•i,c h ic hl:-tpld loi-.o phir , 1302.

D1911 11,ado por Goc,gle


r

-
Ge"cliichtr ,,·i. scn.scl, a[t zu schil,tc111 hal , \.,·a · "virl{licr1 geschcltc11 ist,
inden1 sie die \Virklichkeits,,·is.senschart schlcchthi1t ist , tritt sie in
den dcr1l\.bar .-:1chä rfsten Gegensatz g<·gcn alle Gesetze ,,,j5senschaft " 1 .
Jn1 ei11zclnen können '"ir dan11 allcrclings at1ch im1l1el, be„0I1:ders i11 clcr
erste11 t\ uflnge seiner Scl1rjft,, at1f tlic ,,,ir ur1s a11 ,dieser Stelle absicht-
lich bcscl1rä11ke11, ,veil ,,·ir nur alif (l.ie Arb it n hin,\.·cis en, die ·vorlage-11 1
al::; die erste Auflage dieses \v'crl,cs gcdrucJ{t ,vurde, nict1t übera ll
zu~Lin1n1en. Es . cl·1ei11L uns .nicht gliicklich, rl a.0 aut h er ,,on dc11
p s y c 11 o ), o g i s. c 11 e r1 v·oraussetz,1ngcn in der Ges,·hichlsfor-
~chl-lflg a,1::gel1t 1 uncl fcrnor ,vircl vo,1 ih,11 ucr Gc:gcns~tz v on Gcsr hichte
u11d Ge ·etze. \,,js „e 11 l,art, t1t1-,gekehrt \\'ie bei Navil.le, ,vieder so sel1r
cjr1gc1sr hrii11kt und abr,esch'"·,ä cllt, <la ß er scirlc DcdcuLung fo t oanz
zu v erlicre11 scl1eint.. DR,_h~ng l zun1 Teil mit irn1\1els Auffassu11rr d er
Erkenntnistheorie zusammen, die tecligli,· h eine „Beschreibung'' der
Erkenntnis gebc11 soll. .Ja, es fin<lr n ich ugar i11 der ersLC'n Fas. ung
' .
e1n1gc ätze bei in1rnel, clie seinen eige11c11 , rorat1s:;et zulliten dirc.k t l
,,·idP.1·~precl1en 1 unrl die Z<'i'""Cn , d itß ltuc l1 er ::.i<·h hier n orh ni rllt , 1on
cinge,,·urz.cltcn ralio11ali t.i chcn Dc11l{ge,,•olutl1c1tc11 ganz Crci gen1uc.~ht
l1at. So ::igt er z. B. : ,,Gäbe es eine P. )1chologie al Ge;;et1.es,vj~ er1-
7

schaft, so \\'ürdc d ie Gcsclticl1ts,"·isscnschaft in <letnselbcn Si1111c an-


ge,vant.l t,e P. ycl,ologie sein, ,vie As trot1on1ie angP,vandt.e i\fat hen1ntik
ist' '. Dar1,i t ve.rtritt t!r die 1\nsif' )tt, <lie ,vir h,ier beliä rnpfcn 2. Doch
n,uß , clavon. abge!'elicn, bcso1•der~ ,ia~ z,..·eile I< a pi tel der chri rt,
11
das ,,von den hiBL<>rischcn Gcsetzc11 hnnd lt, als ei11 äußerst, \Vert- •
1
volJcr Beitrag zur !\lctl,otl enlchre c.ler Gt1schichls,,·isscnschartc11 angc-
~el1e11 '"erden , i1l <Jcrr, die ilbliche Gcgc1\überstellung \Ton Nat\1r-
,risscnschl1 ft, u11<.1 Geis te ·,,·issenscha. ft, rlic sic h für logi~che U1ltcr-
:ill ·ht111gc11 als so ,,·e11ig rru cl1tbar cr"vic~en lla t , vollslär1djg verla : 1s{'n ist.
„ o, ~ehcn ,,·ir, ist. bereits von ci Pn vcrschi cdcns,tr:n eilen her der
1 a. a. 0. ~. .is.
!! a . a. 0. ~- 2 . In d,·r 1.,v<'ili'n ..-\ uft. 1005 111achl .. huul('I ~clb:Sl {legen ::.einen
~n.Lz d i e iu die~r n1 B uch Jagt'gen erh ol>(!neu B edenken gelle 11d , ,, J uß Gese tze
nur d ll :- ,.\IJ1?1·111l'in<· nn u,•n Cegens l'!lndcn d<•~ l•:rkf11 n<'ns 1.u c r fa i-sen ' ' <'l'lnög-rn .. ,
und :-ng t : .,c~ l'!'clu·i nt al ein nic li t, n ur u lopi~c hcf<, :-ou<l1·r11 d irc l<l feld~r eifcndc~
B<·1n Ohrn, e in [r(•,;;ch ir h l lic h (,~ 1n eil v id11u n1 a lia: den IJloU,, n "fre ff puu kl 11ll~ern t!tner
p;..yc holoi;i~ch,•r C:·l'!'~l zu ve r~lchl~n zu \\·oll r n, <llc, nur in an <lc-1·rn l, o n1b i11a-
lio11c n, a uc l, itl(c·nd 1~in nnd t•res 1ndi·v idu u u1 (' rg1•b1•n " . Da::. i:;l ge11au dii' h1 d iei;1~n.t
Duc h vl•rl rl'll·rlt .•\ 11sic hl, \l nd es i.il 1.u l111ff1•n , d ulJ a uc h nndrre Ü t!nkcr Fi ch,
1·b en -.o 'l\"iO S irnnH•l (lS gclon ht\L, ulhll fi ld lc:h v on cJC• rn ,la11h('ll bi:rrl:'il'n ,
ll 111"ch Ci c::- (•tir k Onne je1n a ls dPr C'i11 m ttligC' \ 'crlaur (ir..: <~1'"-chii.: h t lic he11 er kuunl
'" erden.

D191, h,ado por Google


für eine logiscl1c Glietlcrur1g der \\"isscnschartc11 r11aOgcbende G('-


sicb~ punkt gelt.end ge111acht ,vordc11. Zugleich aber n1üs~en ,,rir ebenso
en t.1;chic,len hcrvorh('bcn 1 <laß 11boralJ cler B cgri!f der Gl'schic,h ts-
,visscnscl,afL dar11il I1i1r als ei11 P r o b J' e rn au ftaucl1t. Bei dc111 B-c-
griff der WirJ<licl1lteits,vissen"'cl1aft, kann n1an 11icht tehcn bleiben.
Er . tellt 11ur die erst-e Stufe auf dcn1 \'\'ege dar, der Zll einem B-egrif(
der Gc:scl1ichtc als \\fisscnschaft fü hrt. \VciLcr koru1Lcr1 auc t1 unsere
Att. {i\l1rul1gP.n bish.et· nicht dri11g •n so lange \Vir n u r a,,r <len Ge0 e11-
saLz (lcs Allgen•eir1rn t1r1cl ('}es Einn1,nl igen ocl<:>r l 11clivi(l-u cllt•r1 rcflek-
tier·Len. Die Grer1ze1t der nalur,vissc11 c haftlicl1en BegriJ(sbildung
haben ,\•ir zunüchst allein ken11e11 gelernt, t1nd cJa ,vnr 1lot,,·cndig,
un, zt1 :Gt::igcr1 1 ,vorin das Jogi ' r he \Vrscn der l1i~tol'isc hcn \\'is. c1tsc haft,e.n
11 i c h t be~telu.1 1\ ka11.11 . Da,1nit. isl jccloch n L1r clic c r t e i\t1fgn be 1
(lic \vir un. in der EinJeilt1ng ge::;tellt hnbc11, gelöst. \ Vir , 1,i._ cn nur
,,·eichen Gebieten die Bildutlg nat.urn·issc1lscha ftli c her Begri ffe einen
Sir1n h11t , und auf ,v-e lcl1en Gebieten sie dic~en irtn not,vend ig ,,cr-
lie rl. ~riL R.ücks icht au f ci11c logische Einleit,u11g in die Gü~chi<'l1ls-
,,,is~e11s.chaflen d a t'f Jt)an da\1er tlic bisl1cr1gen Aus führun gen nu r als
clen n e g a Li v c n Teil tlie~cr Arbeit be1,eichne11. Z,var ,vis.scn ,,·ir
auch b ereits, ,vclr l1e \.Vissen cha ft. geeignet. i~t, die L ücke at1szuff11len,
die tlie l\a lur,vjssc·nsch:-tft für ir11n,er ir1 ut1serc111 \i\' is. e n von clcr
enlpiri ~<-)1en \Virl{li chkei.t la,. en n1uß. Aber von der logiscJ1cn t111ktur
d~r Geschicht '\\'isscn ~c ha ft. \Viöse11 \\'ir nCJch so gu t \\·ie niclt Ls. \\ ir
-
kcnncrt nur il1rc.n • ·a n1en , cl. h . ,vir l<en1.1e11 ntlr die Aufgnl>c der Ge-
:-chichts,,·issenscl,art, aber ,vir kc11L1cn 11och nic ht clie ~·fclhodr , mit
c.lerc11 H ilfe e" .1;nöglich ist , di e ·c At1fga be a1.1ch zu lösen. Da der \\'e~ent-
lil" l'1e z,,-eck ,lie~cr Arbeit., ,,·ic ,,·ir in clo1· ISirtleitt1lig gesagt haben,
nicht nut clarauf ge ric htet is.l 1 das U11befri ·di ,c11c.le einer rein nat.u r-
,,·is.sr nsch.a ft,J ichc11 Br.trac hlur\gs,veise d er \\1 irltlicl1lic.i t k larzulegen 1
so dürfen ,,·ir bei ei11 ··r11 olcl,e n rein problc111alisc hen Begriff der
Geschichte . ,,·ie er bisher hcrallso·earbei l ~t ,vord e11. i.~t, nu<·h nicht
st.C'h<'n hlriben . '\'ir m11;:;srn viehnehr in1 ,\ n„cltluß a n <lic Grenzetl
<lcr 11.lt.ur,,·iss nscha ftlichen Begriffsbil(Jut1 g das \,;csen der l1isl.orisc he11.
\\' is:-e11~cl1aftc11 selbst , venigstens in seinen logischen Grt1n(lzt1f1 cn
l,e11nen le1·1ien 1 ,1'ar11it die Ei11s ~iliglieit t.lr-s 11ntut'\Vi~Sf'1lschaftlichc11
Denl{c11„ in il, rer g1:111zen Bcdcult1ng au ch für clic Ph ilosophie he rau~-
t.riLL. Jr1 dic:::-er Darlegung c.J e-s logisc hen \\rcsc11:; de r Ge~clri~ ltl~\\'issc11-
·r l1aft aucl1 nar.h uer p o s i liv e 11 „ eite lic-gl de r cigc11ilichc z,,·eck
<lic1-er linl.cr!)ucltuncr.

D191, h,ado por Google


Daß ,,·ir bi~l1er 11ur ein Proble111 ge,,·onncn hahen, läßt sieh aucl1
11och in rtiner t\r1ci cr<>n. \1/Pise klar 111ac hcll. l\fa.11 ltönnte nä1nlich
ltl<-ir1e11, (!1ar logische · ntersc hicd z,vi~cl1 rn ~alur\.,·is, enscha,ft uncl
Gc!-chj chLc best ehe nur darin.' daß die G-e~cliicl1ts,vis~cn chafL die
Aufgal,e habe die Ergebn isse cler natur,vi~~en schaftlichen B efl'riffs-
bildu11g nun nucl1 auf ein Ei11m.1ligc, Bcso.ndere tind Individuelle
anzti,ve11den t1n<l , o vo11 cic11 allgcn,cinen Abstrak.tioncn ,vicder zu,11
konkreten I-Tistoris<'her1 zurückzukehren. Es Jäßt sicl1 ja 111it a])t„e-
n1ci11.en \Vortbcdcutunger1 jedes beliebige tück der e1npiriscl1en \Vi rk-
Iichkeit aucl1 i 11 ei11er lndivid.ualiLäl und Bcso11derheit darstell en.
\:\"ir brauchen ,,·ieder nur an die Be chreibtmgen zu denken , die ,,·ir
~rhon früher or,vä hrtt haben, und von den.en ,,ir zeigen konnLen 1 daO sie
11ic h t 1nc hr t~ls itatur,vi :ser1sclta ftlic hc Begrif fsl,i ld n11gf"n sondern nur al
\ 'orarboiter1 dazt1 zu verst.eh.e11 si11 d. Es sc ~1cint 1 nls könnten gcra<Je
sie n t1n als dje cigenLlicl1c Aurgabe der Gcschicl1t wi.:; ensc}1aft gelten.
Jt1re ~ 'i. se-11::.chaftli chkeit gege11über den prir11itiven Beschreibungen
,vtirdo d :,.i. nr\ darin be··tchc,1 1 daß jene letliglJcl, 111iL Hilfe vo11 el<'-
111cntaren \ \'·ort.be.det1tungen vorg~110111n1cn ,verde11 1 ,,·ä hrcnd die
,vi5sensctiaftliche Ge chichte {lie von der. ·ntu1"'''itsc11schuft, c11 t..deekten
Allge111cinbe-griffe zu benutzen htitle 1 tarn so rl1~s Einn1a lige und 111-
cl ivid uel le ,,·j sen i-.C haf tl ich Ztt b ese hreibt'.'n. Die Ge chicl1te \\'iire <la-
n.ach ni chls andere · a'ls gc,,,js~er111af3en ange,,·anrlte Natun\·issen chaft.
Diese .\1cin.t1ng j~d'ocl1 isL grundfal cl1 ur1d ,vird dem \ Vcscn der '"°irklich
vorha11dc'l1e11 Gc~chic hts,vi ~seJlschaft in keiner \1/eise gereclit. I11
seiner l11dividualitJ\t be::chrcibcn lilßL si<'h, "'·ic ,,1ir fr1iher sahen, jc<les
heliel)igt! Liir,lc der ern1)iti:-cl1ci1 \\rirl~lichkcit, abrr es i, t nicht recht
ci11zuschcn, ,,·ie dt1rclt solc l,e B e cJ1rcibungcrt et,vas zt1st.ar1de l<o1nr11e11
soll, ,,·a den Nan1cn einer l>e~ondrren Wissen. chnft , 1erclie11t.. l cl1 kann
die Ti~chpl.lLtc v or rnir ir1 ihraf>r fn•ii,1 icl11nlitiit ge,viß !-O be,-chreibe11,
daß ich das a11 ihr heraushebe, \\:a sie von and erer• 'fi sc hpluttcn u11tt'r-
stl1eidet, ur,d ich krt1\n in der Beschreibu ng <lie~cr Indivi<lualitüt be-
liebig ,veit rrc he11, so daß es in\ {Jri11·zj1; möglich ,,·üre, ein B11cl1 n1it
ei r1rr Beschreibung die~l'r ein111a li gen u11tl i11divi,l,1ellen Tisch1>IHlte
zu füllen. l(cin 1\lcnscl1 aber ,,'ir<l da, Gt-sc hichLe nennen or!cr über-
hat1 J)L ci11e r solfhcn B eschrcib,111g <lc11 Cha.ral~ter tlcr \i\1issc11scha tt
beilcgcri, t1 uc ~t cla,111 1'licltt, \\' c 11t1 clarir1 11ur 11a tur,,·i sc11scha rt l.ic hr
Allgct11ci1tbcgrifrc "·cr,venclcL , i11u. l rn 1,?il11. lig~tcn }+'alle künr1c11 !,Olct1c
B~scl1reibur1gcn, '"·ie ,vir eins gesl"h<'n hal1en 1 nl:; • a m1r1lung , ·011 l 'at-
sacl1e11rl1atr· rit1 l g<•lter1 1 dar:. liar111 d<-r ,,·eit.t'rt>Tt ,,·i1-scns.c- hafllichen Be-

D1911 11,ado por Goc,gle


- •

arbei:tung 11och bedarf. 'f al.s~1cl1lich , ,e rd e1t ja de11n auch detaillierLe


Beschreibungen eirtm{tliger Objek te von der \V1l).-;enscl1aft vorgenort1-
r11tin. ~lan hrau cl1t. 11t1r an die l{cn ntnissc zu dcnke11 die z.. B. vo1\ d•e r
1

u11 · zu(rckellrtc.n Oberfläche des Mondes gesamn1elt, siltd. ogar \\'CllO


ruau tl icht z.ugebet1 \.VOHte daß olc he Beschreibungen r1 u r l\lalcrinl
f'ü r eine ,veitere 11aturwi, senscl1a rtlicl1e Bearbeitung sir1d, so würde
gerade <lor Urnstar1d, daß ie it1 der \Vissen: cl1aft eine andere Rolle
piclcn als die Cr\\'öhntc Besch reibung dieser 1'ischp)at,tc, auf ci as
DcutJiclt t,e z-0igc11, <laß i11 <lcr bloOe11 ß oscl1reibwig einer i11dividucllc11
\Virklichkeii rnit H ilfe von a llgcn,einen \.Vorlbc.deutungcn oder auch
mit 11alur ,viss •nscl1aftljch gebildeten, Allgornci11,bogriffcrt n och kei ne
\\'issenscl1 aft erblickt \\·erden kan11. Es 1r1uß irgend ein. b e:;oridcrs
Jogi ·clies Prinzip sei1-11 das die Da.rstellt1.ng de" lndividue11e11 leitet..
clarnit eine solche Dariitcllurlg zur vVissense haft, i11 eine logisch not-
\ven<ligc Beziel,ung kon1mt. nd vollends ka1111 eine Dar tellt111g
des Individt1ellen itl clcrr• soebcr1 ar1gcgebener1 inne 11och 11icl1L G<'-
schicl1 ts,\'l' enscl1aft genan11t \Verden. J cdenfa ll~, ,ver tllei11t1 d.ie Ge-
schichte sei 11icl1ts anderes als ange,vencJcte a tun,·issensr,h aft, hnt.
<l as logische \ Ve-en der Gcscl1ichts,visscn c,haft, no ' h nicl1t verstanden.
Aucl1 au. dieso1n Grt1 nde nrü se11 \,·ir hervorhebe11, daß ,,·ir bi~t,er nu r
,vis~cn: die G·esohicl1to räogt dort an , wo die Natur.vi~sensc hufL auf-
1,ört. Daran :)Cllließt. sich dari11 die ,,·eitere 1: ra•,c: ist diese Arbeit,
die a11 der Grenze der- naLur,\·i~se11Scl,artlicl1en BPgri(fsbildu11g be0 iru11;,
ist diese \Visso.n··cha rt von der individ,ucllcn Wirklic11keit . elhst auch
(lcr ~lüt1e ,vert. ? Erst \Verln \\·ir hicrnt1f ei11c Ant,,,·ort gegeben t1aben,
köilrter1 ,vir agen , ,vclelte 1·rng,,·eite die F eststellung der Gre11z.c1t J ,cr
Na.tur,vi~scn!cl1aft be::;itzt.. \\Tir ,vcrdcn dal,cr in <l<!n1 z,Yciten posi-
tiven Teile der .o\rbeit ver uche11, diese Fr,tgc, so,,·eit es unLcl' luP'i~c he11
Gcsichlspt1nktcn n1öglich i~t , zu b eant,vortcn 1 J. 11. ,,-ir ,,·olle11 die
Jogis ·hcn Grur1dlage11 u1Hl \ 'ora usscLzt1rtgen clcr ,,issenscha[Llichcn
Gescliicltte klarlegen.. :·o schließt sir h an ,lic Un t •r::111cl1u11" üLer die
Grenzen rlcr nat,11"',·i~scn ·t·hafLlichcn B-cgrirr~h ilc.ltn1g ei ne logische
Ei11leitu1lg iit die l1istorisc:her1 ' ' ' isscnschaflc11 a 1t.

Jt i c k e rt, Gronir:l.'n, :il. Aufl. 1'

ü1g1taltzado por Goog e


- 274

Vi er t c s l{ a pi t, e 1.
Die l1istoriscl1e Begi:--iffsllildung .
• • • . µ(ii,)•.ov "'EX),"fi\v~,; xrx.).a!o3-a~ ..-o~~ ,:1j,; 1t t:t ~ 3 s :> o ~tu,;
-r11~ fi;1ii:i?cx; Yj -cotl~ -r~; X6tvr1~ yO~l!CJ)~ µ!-:-s.x_ovT«~. •
I■o lira·te,.

m den Begriff der Gcschich1$,v-isfcni5chaft, den ,vir bisher 11u.r


ne-gati,r als den <-'incr durch natunvissenscl1afLlir:he B egriffs bildu1l:g
t1nlösbal'e11 1\t1fgabc k ennen ge.lcr11t hal)e11, auch po itiv zu b csti1111ne1, ,
beziehen ,,·ir vricder die vcrscl1icdenen 1ogischen Prol)lerne die er ent-
l1ält, ttuf c i n H,luptproblcrn. Die"'es aber n1,11J fle,n Prolll..-n1 ent-
sprechc111 da~ wir bei de r I{larlcgt1ng de" \Vesens der N:1Lt1r,Yis~er1-
·chaft, in den Vorclergrt1n.(i gcsteUt l1abcn. d . ll. es J...0 111ln l at1ch jcLzt,
1
,vie berei t.s in <le r Einleitu1\g lJe-rncrl,t ,,·urcte, 11ich L au f <l•~n \Vcg
cler Forsc hung , bcson,l<?1'. nil!hL a\1[ das S tl c h e n rl cs historisc:l1cn
~.lat.erials , ond.ern a11f clic For111 sei11er Dar s t c I J u n g a11. Das
Gebilde. 111 dcn1 die vorlättfi<ren oder e11dgültige11 Ergc b11is 'e der
1
atur,vi:-~cn. chafL jhrcn At1s<lrttck finde11, heißt "Bcgriff14 1 t1n•d clcn1-
cntsprcch1•1)u sind jeLzt die Prinzipien d er h ·i s t o r i s c h c n B e- 1

g t· i ff b i I d Lt n g fr. tzusLcllen. Die Enveit..erung lies · 1Jrachgc- l


brrn1 c·hns, clie in clicscr B ci eic hnu11g Jiegt 1 rechLferligL sielt dadurch 1
daO du · neue Proble1n iu lc,gischcr Hinsir l1t das.c;efbe i. t, ,vjc das bei
lle111 v•ersucl1e ci1}es loui~cltcn \ f e1 ~tii11d11isses <ler N al11r,Yisscn:;cl1a ft, [
-
in clcn Vord ergrund ge. t elltc. E gil't vor llen1 1 z.tt hebti·eifcn, ,,·ie
Jie E le111<•nt -e eines hist<irische.n Begriffes sich ztl ei11er E i n h e i t 1
zusa rrn11cnsc hlicf.lf'rt 1 o<lc>r ,vorrt11 f seine ,vi:-;sensrltfl fLliC'hc G- c I tu 11 g
bertthl.
f)ic P ro})le1nlüsu1tcr gli,'(ierL sirh clar\11 i11 f<Jlgr1t1lcr \\ rei. c. Da1 nit
ihr logischer Gehalt ' "iefler n1öglicl1~t rein he rvortritt, sehen ,vir aucl1
jel.z t. z·u crsL , ,on allen sachljc hcn Bcsor1dcrhcilcn d e. l\lu l erials <lcr
l1istori~che11 , .\ •'isse11 c haflcn ab u11d gehen Jahc r , ron dc111 aus, ,,,as
("'ircrtzc j ed er 1tttlt1r,,·issc nscha ftlichen Bcgriff~bild,1r1g ist, tl. h. v o ,n
l n cl i , , i d u u ,n in cl cr ,YeiLesl •n B('flt.>11lu11g des \\'ortcs, in der es

0191 lt ado por Goog e


jede beliebige einJtlalige u1\d individuelle \'' irklic11keiL bezeichnet.
Da er tcns nicht olle in,r lividucllen \\'.irklich.kc.iten Gc" er1st and der
Gesc hicl1te !-ind, haben ' \"ir zu ze ige111 \Vie ftlr die his tol'iscl1e Dars tellung
aus der tt110bersehbaren ex lctt$i, ·en ~fartnrgfa'1li0 ·keiL der Objekte
sich eine bc_ondcro .i\rt hcrau ·liebt., <"lie wir als die 11 l1istoriscl1en
1nlli,,iduen·• i11 \ er1gcren inne b ezeichnen können , unc1 die al}ein
ftir eine Dars t.ellt1ng it1rer Indi\1 idl1alitä t in Betracht korn1r1c,r1 1 und da
z,,,eite11 auch die, e hi torischen '\iVirklichkei ten sich 11icht in illrcr
g:lnzen intensiven ~lnnnig!oltigkeit d arstellen lä se.n , ,nü:--scn ,vir
ferrLer ver Leh en, ,vas au~ dem Jnl1aJt der ~'(a m1ig faltig1teiL des ein-
zelnen historis hon Jn,dividuu1ns gich uu sondert u nd zu dc,m indivi-
{luellen Inl1 alt, eir,e historisc llen B egriffe zusa1r1n1enscl11ießt. Auf
diese \Vei.e ,verrlen ,~rir das allgrn1eins.t e Pr1nzip einer in div j-
d u a l i s i e r e n d c n B e g r i f r s h i ) d u n g crf a~scn, d ie in einem
logi chcn Gegcn snt.:r. zu r gen era.li~ieren den Begritr~bild t111g der Na-
ti1n,i ssen.5chaften stel1t 1 und voll ends <>in:-ehcn, ,vic falri,ch die ~1ein.ung
ii;t,, daß es sic1) bei der Dar~teJlut1g der C escl1icbte r1ur \1r11 ein e An-
,,·endung der a llgen1ei11en naturv.'i~ cni-rhaft lichen E rgebn isse auf da
Besondere handelt.
In Folge der neuen Art <lcr ~ ~heidung ,,·eserltH el,cr Bestand-
teile , ,on un,rc~cntlicl1 er1 envei_t, ~ich d anr1 dje Darstc11t1ng des In-
\\
dividuellen, a lso d <:s GcsC' hicl1Lli chcrt in1 'l ogisc-hf'n ir111e, al n1öglicl1 ,
und z,,·ar v.·ird sich Z<'ig~n , da.ß d.ic BilJung von Begrifren n1it i11di-
"·idue llem l11ha lL oder die individ1la.lis.i ' l'encle Begri ff ·bilcJ ung, ,,·ie
,vir 5ic n enr1cn , 111tr c1t1r1;li ci11e in ihrcn1 '\\1c.se1\ genau: zu be tirnr1tcndc
th corcli:sc he :,Beziehu11g" der gesrhichLliclten Obj,rktc nuf \'\f e r t e l
z.ustan (fe k orn n 1t uncl insofern aur h als „ t eleologiscl1'' bezcich 11<'t
, vcrd c11 ka,1n. Doch hnt dies histori"ch-t clcologi. clt c ~1011,cnt 1nit
,ter hi11 uncl ,viecler v o rkomn1cndt'n und oft 111iL R ech t als u11,vi:1.5e11-
sclia fLJicl1bcJ.~ä1r1pften Ge ·cl1irl1tslelculogie nicht zu tun. Jn~})csonclcr·e
d arf e ich da bei n.t~ r llm ein rein t 11 C' o r e t i s c h e ~ Pri nzi11 liandl.!-h1,
,las Z\Var n1cis l njrh t, berr1rr1i.t ,,·ir<l. , 011 <lc1n i1brr jerJcr l-fistorik~r,
1

::.o sehr er sich auch gege11 alle 'l"eleoiogie stl'ilubeo rnag, not,vcnclig
Gcbr·auch n1acht. Drc in rlividu nli_icrPnd c ,\·ird sich also als ei ne
,v e r t b c z i e h e nd. e ß e g r i f .r s b i 1 d u rt g rr,Yeisc:n und auct1
1lad11rcli ir1 einen Gegensat z zur ,,·er lfreien , na lun, isse11:cllaftlicl1cn
Bcgriff~ll il d ung l retcrt. D er Begriff rlcr tl1corclisC"hen \,,1ert bczielrung
Rls dc8 cigc11tliche1t P ri111.ipe~ einer intlivic.lualit1icrcnd<~11 oder histo-
ri;,(<· lien I>ar~tellu1,g i~t ~ll 1! d ns EingPhcnd~te 1.1.1 etöt·lcrn.
1 •

ürg,t~hzado por Goog e


- 276

\\rei ter geführt \verclert v.rir da11r1 (l l1rcl1 de11 U n1stand 1 (laß es E!l.
,t
cler histo rischen \\' irl{licl1l\eit nirge11ds e r e in z e 1t e l ndividt1en gjbt,,
sond ern daß a lle Obj clc t,c der Gescl1icl1te T eiJe ei11es größ eren Ganzen
s ind , 111it dcrT1 sie in einem rea len Zusammenl1ang st ehen. Die N ntur-
,,-isscn cl1aft hebt, \Yi e \Vir ge..;cl1crt }1u.bcn , d11rch il1re .-\ bst r aktioncn
diesen Zusarr1111cnl1ang aui und isolictt die Exen1p1arc begriUlicl1 .
Die Gc ·chicht.c kann so nicht verfah ren. Nur durel1 DarsLelJ.ung de
h i s t o r i i- c h e ll Z u s a 1n n1 e n 11. a n g e s ltar1n sie ztar \Vis e11-
scl1nft vom ,,·irklic hen cinrr1a ligen Ge.5chr lten ,verde11, t1nd bcsondcr::-
daraur i. t Ztl acl1Lcn, d aß jedes individ.uclle Obj ek t n1it and eren ir1-
-
clividucll~n Obj ekten lc au s a l , 1 erki1üpft is_!j Diese h i 8 t o r i s c l'-1 e u
Kau~alzt1!::la1nroenhänge sind aber ,viederu111 sorg fältig von den natu r-
,vis enschaftlj.cl1en l( ausal g e s c t z e n zu scheiden. Die Dal's tellu11rr
v on k at1salc n Vcrkniipfur1ge11 fä llt dt!rchau nich t, ,,,ie vie lfach ge-
glaubt ,,·ird, 111it einer Darstellung der \\'irklicl1keit als Natt1r z1 \ -
S}1 n11nen. Endlich vercirtigc11 ~jcl1 im Begriff der gescl1icl1tlichc1,
E n t ,v i c l... l u n g die logi chcn Gru11dpri11z.ipien der historischen
B egriffsbildung. Dc>ch ist. d ieser Urr1st~1nd ebenfalls ,,·eil d,:'l,ron en t -
fernt, die historisc,he und die 11aturn·i scn cl1aftlicl1c l\,tet.hod." ei11anclcr
zu n äl,ern. Die g e s c 11 i c 11 t l i c f, c E n t \V i c lc l u n g beiilel1t
e rst en. aus einmaligen und u1dividuellen \ Iorgä11ge11 1 u11d Z\\'ei Lc11s
gclieu auch diese tlur durch die Beziehung au{ \ Verte in historiscl1c
Begriffe ein . Dc11 i11 \ logi' chen Siru1c n a tur,vissenscha{tlit hcn Dar-
slellw1ge11 i ·t, d aher d j e s e r E nt""·icklt111gsbegriff fre1nd , un(l \\7er1n
er lrotzd•e m sogar i11 einigen ]~eilen der l(örpcr,,,isscnschaftcn eine
• Rolle spielt , so liegt das nur da rar1 1 daß n1an aucll die ph)·:sischc \iVirk-
lichkeiL unter l1isLorische Gesich tspur1kte briu.ge11 u11d individuPli-
sierend darst.cller1 kan,n, eirl t:111stand 1 der , ron Ncuc11l he,,·eist 1 '\\·ie
,,\'enig der Gegensatz von Nalur un<l Geist ge,eignct ist, die logischen
Problen1e der Gescl-•icl1lc klar zu legen .
1
Ist, d,urch den Begriff ·der E nt"vicl(lu11g.sgcscl1ichl,c das allge-
1

111cin tc Jogisc; lic \Vest'Il jeder l1ist orische1t DarsLcll ung bcsliu111 Lt 1 so
"'•,cndc11 ,vir uns den Ei11schra11kungcu zu, d ie gemacht werd en 1nüsser1 ,
falls unser B egriff auf c..l ic ,,·irklicl1 v orliandene Geschicl1ts,vissen-
schaf't, a11ge,,·e11lleL ,verclc11 soll. \\'ir dehn.er, jl1r1 vorn absolu t ITislo-
rischc111 das ,vir zuerst allein ber ücksicl,tigcn,. i1u f d;i~ r c 1 a t i v
H i s t o r i s c 11 e aus u11d lernen clatl urc h d ie n a t u r ,v i s s c r1-
s C h a r t I i C h e n B e s t. a n. d t C i l C i 11 d C n G C s C 11 i C h t s-
,,. i s s c n s c ll a f t e n kc11nc11, <lie eb('U 'O ,,·icl1Lig sirid ,vic die hi-

0191 lt ado por Goog e


- 277 -
st.ori• .l,eJ\ Bestandteile in clcn Natur,vis:;Pnscliartcn. \Vir st1chen
also auch ltier ,vierter das 1 11 c i n a n d e r und Z u a m 111 c n \ ' On
allgemeinen und i11divirli1elleil F ak toren zu ·vcrstcl1en, llas für j c d e
ert1piriscl,e \Vissenscha(t charakLeristisch i L. Doch bleibt trotz aller
Uebe,•gfinge 11nd z ,,·i~chcnfc,rmen , rlie w ir }{enncr1 ·1er11cn ,vcrder1,
ein prinzipieller logischer Unlersc bjcd von Naturwi~scn„chaft und
Gewchicht.,,vissen schaft best ehen. ' ''enn au ch viele, vi elleic ht og.a r
,lic 1uei tcr1 historischen Begriffe insofei-r1 ci11en a 11 g e m e i 11 e n
Jr1halt haben, als sie das einer l\lcJ1rheiL v on individuellen \VirklicJ1kciion
Gemeinsa1ne urnla::~et1, o kon1rr1t docl1 clie .l\.llgc1n-cine in dc111 l1i Lo-
ri c hen Zusan1n1enl1ang einer einn1alige11 Ent,vick lungsreihe immer nur \
als et,vas relativ Besonderes un<1 In,dividuelle!:- i11 B etrac ht. und n1uß
deshalb für die .a tunvis:;.e11~c haft eben so eine Grenze bilden ,,·ic das
a bsolut l-Jistorische. \\fir ,verd o11 vers tehen , ,vie au ch clas Allgetneine,
d . h . n1.chl'ercn Objel~Len Get11-cinsa1:nc, ,vertbeziel1end .u11d indivi-
du ali:;ierend darzustel1cn ist. Dje Paril<loxie 1 die i11 diescrn GcdR.nke11
steckt , i -t nur scheinbar.
!\'lit diesen1 Noch,,·f'is ist <lnn11 dje r c in logis.~h(' Arbei-t des
vierlcn K apitels beend et . \Vollen ,vir j edoch nicht nur <las \,Ve era
son·derrl atich die ,vissen~cha[tli-c he Berleutung und Unentbehrlich-
1,cit der historischc11 B egriffsbildung vcl"::-tchen, o 1nüs!-cn ,vir schließ-

fj c-h at1ch ,visse11, ,,·elche r l)eso11de1•e 'J'cil de~ in<.livjdueller1 Wirklic}1-
kcit es i~t-, der einr ge~chi„htlicl1c Darstellung e r r o r d c r L, u.nd
<li<•Ro Not,vendi gkcit J,anr\ nur :i uf besoll(l •ren i 11 II a l t l i c 1' e n
Besti1n1nt1ngcn gc,,·i~sc1· Objekte beruhen, die dann zu „ historis.c hen
Objekten·• ini eng •rerl iunc ,,·erd ec1. ,,rir lan bC'r1 also zu frucrc11, in-
,,·iefcrn ein Zusa1nmenhn11.g z,viscl1en I n h. a I L uud F o r 111 d er
llistorisclle11 Darstellungen be tf'ht. un cl nti f clic. c \\'ci. e O.\lcl1 clen
s a ch l i c h e n Begriff der Gescliict,t.e zu ge,vin11en , an cl e11 n1ar1
heute zuerst <lenkt, ,,·etln rna n v on „ G('S-chi cli t..e" f:prichL. Ztn1flcl,i-t
kon1111L clabei i11 Belra<'li t , dnfJ die vorJ1.~11dcncn Gcsc hicht.s,,·isse11-
scl1aflen gegen dc11 ar1fnngs :ib.:icl1tlich beiseile gelnsscJtl'J) Ur1icr-
~chied vorl l{üri>er t111e:l Gei~t f n I{ t j s c h njcht gl{'it' hgillLi rr sind
son ◄ l c rn e-s il n ,vc~cntlichen n1i t gct~tigcn \ 1 orgä 11grn zu tun habe11
un<.l i n o f c r n auc h a ls G c i s t es \\' i ss e n s c 11 n f t e n b e-
zei chnet \YP. rclen k önul~n . '\'j,, Jr1ü~;:;.cr1 r ,,,_tst r llcn, \\'0 1t •r tl ttS kotnn1tl
und ob et.,,,a itucJ1 die hi:-tori. elte ~Jet.ho(lc d11rcl1 dic~cn - m !!-tl :111rt
,,·e~e11tlich bestin1111t ist . E s ,vird sielt jedoch v on Ncuf'Jrl zeigen, llaß
J er Unterschied , •011 t,;' atur,,·is~enschnft. un.d Geist.cs,Yisscn:-r ha rt.

0191 lt ado por Goog e


- 27

&elbst dann in keiner \Veise al:5 au schlaggebcnc.i angcscl1en ,verden


k.a nn, ,vcnn es sich um die Eiriteilu11g der cr11pirischc11 \ Vis.sc11schuftc11
in z.,vei i n l1 u l L l i c l1 ver-chiede11e Gruppc11 handelt. Die Objel<.to,
111it dcr1 cn es die Geschicl1ts ,,·issen schaften zu tun l1abcn, sind viel-
111el1r 1111 Geg('r1satz zu den Objekt en d er Natur,vissenscha[t, unter
den Begriff der 1{ u I t u r ztl bringen, lJ11d z,,·ar desholbt ,veil die
\Verle, die l1i torisch ,vcrtbeziel1endc Begriff bildu11g leiten und bc-
~ tin1n1en, ,,,as Objekt der Gcscl1iclite i t, dt1rch,vt>g d ein l{ultu rlebc11
entnoo1111en sind. Freilich ka1t11 au.e h die K ultur, ,,·ie j de WirkJic1l-
koi~, unter natun,·issenschaftlicl1e Begriffe gebrach t oller g~11erali-
sicrend darge ·teilt ,,·erd erl, aber !ür ic reicht diese Art. der Darstellu11g
alJein nic111i\ls a t1s . Die h i s t. o r i s c h e 11 l u l tu r ,v i s e 11 -
s c h a r t e u s-i11d es da,ltcr.• die so,vul1l mit Rü cksicht auf d.ie ~1e-
tbodc a ls aucl1 111it Ilücksicl1L auf il:ircn In.11alt d en N att1r" ·issen- •

scl1aften gegen(ibcrgestcllt ,,·erclen 1n i.i "scn. Sie fallen unter den socl1-
lichcn B egriff der Ge chichtc. Docl1 bleibt a ucl1 dieser Bcgrifi 11och
inso(cr11 for111al, als ,vi r irt der :\'lethodenlcl1re 11ur cir1en for111 ale1t
Begriff der l{ultur aufst ellen, l,önri·en . \\ fel.che inhaltlich best.i1011lLen
\.\' ertc die gescllich tlichc D arstellu ng leit.er1 1 und \\'Or at1s also der
inhaltlich bcstin1ntLe B egriff <ler Kultt1r bcsLchl1 das ,rern1ag nicn,:i.l:'l
die Logik sondern nur die gescbichLlichc \\!issenscl1aft selbst urtd eine
an ihr ori.entiertc t1.n1faisende Philosopl1ie oder ~ elt.an~cl1auur1gsl ,t,rc
zu sagrn . Die l\·IcLhod cnlcl1rc ]{ann Jtur n och de11 Vci-such 111acher1,
vom ß en-riff der l(ul tu r\,·i~~cnsclt~ft nu in clas v\·csen des so viel
erörtert en hi sLorisch,c n ,,\fcr~t chens'' einzLtdringeri. Die I„ö:-u1tg
dieses Problems i t aber erst iu A11g rirf zu nel1111rn 1 ,,·enrt n1an scho11
\veiß, ,v a v o 111 Hist oriker v·ersu1ndc11 \\'i rd , urtd at1ch aus die · e 111
Grurtde d arf nlarl v on1 \ 7crsl clicra in ,ein.er Theorie der Gcscl1iGhLo
nicht au~g-el1e11. llistorisc hcs \ er~tJi11d nis ist nicht. clas \ rcr:;tii.ndni:;;
des ee lis ~hen Oller P sychiz:;che,1 80t1dr 1T1 d n~ \ "c rs l ä11c.li1-is der n,chr
als bloß J)S) 1cl, ischcn I '"ttl tu r.
E1idlicli crl1<11>t si ·lt ffir <.Ji,e Logik. r.1uch ci11 neues Problcn1. Irt
jcc.lc1· uat.ur,vi: ·crtscliaflli r h<'I\ ui1<.l in jc-Jcr 1ii ~tori:;:cl1en l)n1~· tf'llt1ng
111achen ,, ir ciJ1e !-leihe \'On \ T o r a u s s c L i tl n g c n , die als das
11 tl priori'' der ,,·is e11~chafllil·hc1 1 B<.·griff. l>i1du1,,, zu bczeich n.e u „ind .
. . ic sterken, l-o,,·eil sie 11icr in B elrac l,l, h.01nn1c11i \'ttr all.-1t1 ir•1 Be-
gri ff <l cs N a tu r g es e t, z es als de LltlLeJi11gt allgc111ei1u!11 Urteils
eirier8"'i ts unrl i ,11 Begri.rf clc:- I{ tl I t 11 r " ' er t e . 1 attf clf•Jt j.cdes
l1istoriscl1c OLjckl Lczogen ,vir<l, t11tdr.;rcr~eits, ur1d es l<anu 1111 rt nich l

D191, h,ado por Google


-
nur überhaut)L r~aeh de r Geltu11g dieser Vorat1siictzt111gen gefragt
,,·ercJen, soncJcrn es wird in F o,lgc des bcso11d.cren Charakters, den ::;ic
in der Gescl,ichts,vi sensc haft l1abcn 1 die " :issenscl1aftliche Ob j e k -
t i v i Lä t der liistorischcn Da rstellung gegenüber der Natur\.vis en-
schaft als prob.lematisch erscheine11. Darr1iL is t dann die Ge ·chichtc
als wjsscnscl1afLliche E r k e n o t n i s doch "'ieder in. Frage gesLellt.,
und s-0 ko1111l1e11 ,vir zt1 der Aufgab e, das \ 'crhällnis von tat.u1,,yissen~
scha rt. \tnd Gcscl1icl1t.e auct1 nii t Rucl<sich t at1C die Geltu11g ihrer
\ Tora\1ssetzungen zu begreifen . Dies aber gehört. nicllt rnel1r in den
l11et.hodologiscl1en Zusa1n1r1enha11g. Erat das lcLzl.c Kat)i tel ,-.,ird daher
die erkennt.nistl1eoretiscllen Problen1e de.- a tu r p h i 1o s o p h i e
?

und G e s c b i c h t. s p h i 1 o so p b i e I auf die ,vir durel1 die F rage


r1acb der Objektivität clcr historischen Begriffsbildung gefül1rt ,,1el'Je11,
abgesondert , ,011 d.e n 111eLltodologisclletl Problemer1 behandeln und
darnit unsern Gctlankenga11g 1.u1n ,\bschluß bringen .

l.
Da ~ P r o b Jc 111 d e r h j s t, o r i s c h e 11 B e ~ r i ff · b i t d u 11 g.
Um unser nettes rr1cLh otloJogische~ f.>roble,n gen::1u zu forrn Lilicren,
ist es n ot,vendig. dnO ,,·ir einn1al a u<: h eir1en Blick. nuf das Ganz e
der Fragen werfen, die die Gesc.:hicl1ts,vissc11schaft an die Logi k stellt ,
und dann d as , ,,·a.s ,vir ut1ter l1istoriscl1cr Begri{fs}Jildung verstehen ,
gegen die andern For111c11 des gescl1ich t \Vissenscl1aflüchcn Der1ken
a bgrenzen . Nach J)roysen hot die l\Icthodjk <.lc,· hi!'-tori"chen F orl';cl1cr1s
vier Teile, die l-l euris tik 1 die Kritik, die lnter,p rctation untl die Dar-
stellung 1, und clieser E ir\teiJu ng 8chJicßt sicl1 a11cl1 Bcrnhei111 ar•.
Er faßt die cinzclrLe11 Grundsätze un(i Opcratio11e11, die die angc-
\\randte ~1cthodologic o<ler ~1ethodik at1.smnchen, in "icr ,•crsc l1iedc1lc
1
Gruppen zu.sar11rr1cn: ,,Die Q u e J I c n k u n d e oclcl' lieuri:--,Lik,
,velchc die San1rnlung unfl l{enntnis r1nh111e clcs Stoffes bc5 rcift, ,lie
K r i t i k , \\1clclic sich trtit der ichtu11g des Stoffes t1nd der l{on-
st..atierung des 'f a.u-nchlicl1en b cschäftirrt, di•c 1\ u ff a · u n ,rr- ,
welche die BcdcuL11ng ur1cl den. Zusan 11ne11l\nr1" der T aLsachcn Zll

erken.n en h~t, die D a 1· s t c l I u n g , ,vclchc die i11 il1rcrn Zu~a1r11ucn 8

hang erkan11t en ·1·atsachen i11 crkenn.trtisge111äfl.elll _.\ us(lru<'I< ,vicucr-


giLt'' 2 • \.Vir könn e11 [1lr den z,,,cck einer UeLersicl tl diese EinLcilu1lg
1 \ rgJ. Gr11ni\1•iO tlrr Il i;to1•ik, 2. ,\ufl. J87 5. Jo d1•r a. ;\ufl. i:,L die Oi,po~i-
lii,n ct,vus v.-rf\1L<lcr L u nll die ,. Dar-.:-;L('llun,p-.. nu · d;•r " i\t elhodik" in die "1' n pil("
,,erwiesen. Doch ilndert llies i-achlich 11ic h ts.
~ \ ' gl. L ehrbuch <1,·r l1i~lorbchc,n ~l••lho<lt\ 5. ll. 6. Aufl. 19l•tt, S. t50 !.

ü1g1taltzado por Goog e


•,

- 2 0 -
akzeptieren und müs.s~rt ru.Jr die Bedeulu11g c1n1gcr T cr1nini ern·as
gena ucr bestin11rle11.
Der Gegensa tz , ·on Stoff und A,,rfas.sung fällt hier seinem allge- •

mein ten • inne nacl1 1nit dem von I\laterie und 1r1ct.hodologisc t1er
Form zusamn1en . Als l\faterial der \1/issensc;haft betrachLen wir
überall die e1t\pirisc he \Virklichkeit 1 die , ,venn es ich z. B. um die
l{ör·pcr,\·ell, hancielt, a11 einer " ~1 chrheit• 4 von ,,Dingen" besteht.
Nun gibt e ·, \\-;e r l1on einn1al ar1gecleutct , eino11 erk~n11tnistl1eo-
retiscl1cn Stan<.l punktJ von dem aus clie~e \\7irklicl1kcit, die für die
beso11(leren \ i„sc11SchafLcn r1ur Stoff i L, bereits als gcforrnter Stoff

angesehen ,,·erclen kann , so cla.ß dann z. B. l\f ehrheit. und Di11g!1aftig-

keiL, ja \Virklichkcit selu ·t, F ot·rnc11 ,vären,. die orst ar1 das ~·l aterial

herangebrarht P.ind 1 und dieser er k e n n t n i s t h e o r e t i s ·c h e
Gcgc11suLz von toff und Forn1 1nuß \ 'On de111 rn o t h o d o I o g i-
s c h e n geschieden ,.verdcn 1 . f'ü r eine Untersuchung, die die ge-
schichts,vi..-;scnscl1aftlichen Forrner1 in1 Gcgensat-z. zu den naturv,1iss.en-
cl1aftlichen tlarst.ellen ,vill , k an11 es nä1nlich ,,·ichlig ,verd en zu ,visscn,
,,. lcl1e Forn,cn zu j c d e r Auffas.<.11ng der Wirklichk,eit gehören, ,veil.

diese da1m , ,vie z. B. die J◄'o rr11 1 ,\1/jrkJjc.:bkeit•1 , der atu r,vis cnscllaft
u nd de.r Ges chi t late geme.inson1 . ein mlissen. , elbstvorst;ändlicl, i t
hier die Grer1ze 1ricl1t so z.u ziehen, daß ,,·ir 11acl1 dem System dieser
e rkenntnistheoretischen Fo1·nlcn fragen , sonclc,·n ,vir lcö-n net1 .die
Scheidu11g 11ur ro1· die bc~onclercn F älle vc1rne l1n1cn 1 ar1 \>\'Clcl1e die
llter. uC'hung uns hernnfü1"1ren ,•.rircl . Aher es ist llötig, gleich von
vorne hcrcin darauf hir1zu,vei e11 , da.O, ,vertu ,vir uo folge11dcn ohne
n li here Be. tjrnm,111g von Fo-r n1en der Artffassun g reflc-n, niernals die
a llge111einen crkcrtnl1ti~LlleOr<'tisct1c11 oder ,,kon~ti Ll1tivci1'' sonder11
nur die t11et.hoclolo"'ischen. also clir spez.ifii<ch ges:chi<'h t~,,,i. sensch{l ft-
l'ich~n oder 11at11r,vi "~crtst' l1nft lic!tcn 1;or111e11 g,·n1cir1t _si11d 1 ttnd dal1cr
der t111 t,c r erl<er111tni tltcorctjscl1en Gei:;ichl.s.pu11ltten 5chon koostitutiv
gcforn1te Stoff , llic en1r)iri·che \\' irkli ·hk.cit, in der 111ethoclologi;,;.cht•n
l 11 lcr;;uch,1r1g ol.s " toff t.-chlecl1tl1in hczcichnf>t. ,vorden darf. Das
,vird beso11der~ bei J er Ji'r:.1ge, ,,·c>lc lie Brd<'ut.ung das I{at1~.tlprjn zip in
der l"icsc hiclilc haL, vo11 \ VichtigJ,eit ,verden.
Anc1h rla1ln jrdoc h i ~.t der Att, rl ruck. ,, toff'' dP r Ge!'-chicl,ts~
'"is ·c11scharL r1 och r,ichL ~ir1<leutig. ~Ian )ia110 da1·u 11tcr n.ilrnl ich ~o-
1 , ·g-t. 1ti1•r z 11 S<; hrirL: l>C'1' G-••J.e'c•1a;,l ortrl d('r J·:rt,,•nnlnis. Fonrtes l,Q-
ri1 fi nr
JJilel: Dn:- l'robl1!1n tlt:r nl,jrl-tlveu \\'ir·kJirhkril, 110d : l~on.:lilulivß und 1uelho-
dolögi:,,ch1.! 1:orn1Pn .

f

üog,t~hzado por Goog e
- 281

,vol1l da i\1 a Lerial ve r t.el1en, da . dcrr1 rl isLoriker u11 mit.telbar ge-


geben ist, und at1s de m er sei11.e Ken11tnis der Dinge und Vorgänge
scltöJJft., die er darst ell en ,vill, al ~ a11ch diese Dinrre ur11I \ forgänge
~elb~t, die ror die ~·Ietl1odcr1lc~1re nur t\,faterittl bi lden , so lange ie noch
nic ht d ie . pezifi sch ge~chichts,vi ~e11schaftlich.e 11 1nctl1odologisc l1cn
Fo1·n1en angcnorr1mcn ha'b cn . \\'ir bezeichn en dn.her den untniltelbar
gegebenen . toff, der nic ht sell)st hisloris.cli dargestellt ,vird , als
Q u e 11 e n rr1 a t l~ r i a 1. die Dj11ge u11d Vorgänge tler en1 piri cf1en
\Virklic hkeit d agegen , v,efc he die ·G e cllic hLe ,vi ser1schaftlich dar-
• t eilen. ,vill, als ihre Obj ek t e o(1cr, ur11 rlen Gegen~nt1. zur gc:S..-hicht s-
,,·i "e11 c haftlichen. n1ethodologi„c'hen F or111 anzu<leu lcr1, ul~}1j t.oriscl1c ·
Tat s a c h e n nl a t e r i a l 1 (las n t1r crlce nntnisllleo rctischc Forn1en
besitzt, s<> daß, wenn vor1 <lcrr1 l1i:sLorisl ht"!n toff in1 Gegensatz z.t1r
0

hist ori cl1er1 I•'or1n clie Jl.ede ist, da runter nie die b loße Quelle, aber
at1 cl 1 nic ht das "'ch,o n gc~cl1ichtlirl1 at1fg<> faOtc odrr bearbeiLete Objekt
sondern 1-edigtich <lie ir1dividuellc gescl1ichtlict1e \\'i rklichk-eit nls
~olcl1e vcrslattden ,,·erden 1r1u ß .
.'chließlich i:;L ,ni t Rür ksicht aur die 1',errninologie 11och däran
7.ll eri nnen11 daß ,vir das '".rort ,,DarsLcllu ng" ni cht nt1r fiir die ä ußer e
For1n der ~li tteilur1g gebratachcr\ ~or1d.er11 aur·h die „Auffe\s$1:1ng' ' ,
a l~o das u t1ler der Erkenl'\t11 is V()l1 , ,B ed eu ll1o g" t l t><J 11 Zus<1rnn1ert-
l1nng'' der ·r at~r\cht">n C e1ncintc cla ru11Lcr ve rst ehen. \\7ir kön11en da111\
n1it Rück_icliL auf clie vier nr1g.,.gebe11c11 Gruppe11 urt~er Proble111 so
f o rn1t1licren, d:l.ß es si<·t1 nic ht •11r1 die bc•irlc•n ersl.-:n 1 ~ lso nic ht um
J f uristik t111 J I<ri til{. :;<:111derr1 \ I H\ clie 1-.ci,lcll letztc11, cl. h. ttrn Auf-
fa:ss ung u11d Dar t cll t,ng l1nn<.l~lt. \Vic <lie l{enr,tni~ (lcr hi!-Lorische11
'l"'at..:ac hcn oder der darz.uswllcr1dcn ,virklicltkcit at1 ~ den Qucl l1}Jt
g.,.,vonnPn ,vircl 1 d ürfen ,,ir u11beri.icksichtigl las:se11. o ir1lcrr:,:i-::ln t
e · s •ir1 n 1uo·, die 'l'ecl1ni k der '\I nt.eria l:::a 111, nl11ng llncl J{ri lik im E ia-
ZPlnc11 Zll , 1 cr·folgan, so kön11rn doch die l lnt.er~chicdc 1 di e si<',h hier
Z\\'i~chcn der }lct.l1od c der Natu 1",·i~~crtstl1nfL und der der Ge chichLe
fi nrlcn , nicht , ,on so prir11.ipie llf>r B-erlcn Lu tt•., fl1 ,. un s .. ei11 ,,·ic rlit!-
jc11igen , die bei r1e r Alrffn. :-11 r1g u11.d D t1rdLcllu11g des crefunll euer1 ~InLP-
r.ia l.:=; zutagti treLcn. Zur 1\ ufri11<lu1ig t111cl ,'icl1eru11g llcr 'l'a lsucl1cn
i ·t j c <l e r \\.'l'g und 111,,·l'g, ,v{'nn er nltr zt11-n Ziele führt t irl gleicher
\!Veise ,vi.lJkorn,,,en. u,n_.rl berechtigt, unri c1'!;t, d :;1r111, ,,·pnn d ie e in e n
,,·1::.~cn-cl-'1n ftcn ihre11 Stoff al~ Na tur, die a n d c r 11 ih11 als Ge-
sch ic\, te „auffassen " , e11l.slcli~rl die funu atnP.nt nJen 1r1clJ1()dologi~chcJ1
L:' nLer~c liietle. \\ras genauer 1..1nLer „ Au ffa.s-.~,,ng", und ,va b csond er~

D1911 11,ado por Goc,gle


.
- -, ..., -
·)

uriwr deri 1'~hr ·viclclet1Ligen .1\u. drücl{en ,,Beclcutung'' und „Zu-


samrncnh;;tng" zu v erstel1on ist , l{ann sicl1 erst s1>ülcr zeigen. l-Iicr
genüo-L die Be111crl( u11g, daß UßSer Problem bej cier I:;:-rage beginnt,
wie a us c.lrn gefttndcncn und hi. tori~ch gcsic'h tetcn 'J'aL achen Ge-
scl1icl1t,e als \Vi:sso11:;cha(t. ,,•ird, oder, <Ja \vir den ,,,isscnscl1aftlicl1
u1td i11so!eru bcg1·ifflict1 geforn1t-cn Stoff aucJ, in tlcr Geschicl1tc
einen Begriff ncnne11 ,vic der 1-list oriker att scinPm T atsac~1cn-
11ta tcriul seine Bi!griffe bil,lct . o a!lcir1 cntspricl1t unser I' roblern
dein bei der Untc1-suchung der n aLUr\\'lS en„cl1aftliclien Begriffs-
bild1111g }Jcl1unclcltet1.

J\ii an l<ann 11un [tber fragc1•, ob es überl1at1pt einen Sin11. l1a t , auch
11t~r begrifflich Tatsacl1er1 fe l stelltu1g und Begriffsbildung il1 der Gc-
sct1ic hle von<'i11and<!r zu scltcidc11 . Selten ,vir ur13 nä1nlicl1 hi toriscl1e
\\ferke an , so sc'l teir1t der J-Ii to1·ik.er oft A l l es clarzuslclle11,. ,vas er
von seirtcn ObjekLen in Erfal1rt1ng gebracht l1a t, j a hJi ufig ,veiß er
von il1ncn ,vcnigcr, al er ,vi. scn 1nöclitc, und dan11 ,,:ircl ihrr1 ni,e der •

Getlank.e l{o111.rncr1 , tla ß et· sci11 'J'alsuchcnr11aLerial clurch einen Pro zeß
der At,s'-'·nl'-.1 noc h 1.u 1 ,verei11fachen" habe. l-lat er a lso seine J\ l'bcit
nicht gcl.a11, \\' c 11n a.,1~ den Q11 llcn tlic 1'at..,achc1t gef u11ue11 u11d kri-
tisiert si1t(l, und isl. d a1L1t die Darsf.ellung nicht 11ur ei11e F orn1 dc.r
l\fi.tt.eilung, die viellcicl1t Gescliick und Ge-. r h111nrk erford ert , aber
nichL als cigentJich ,visscrtScltafllicl,c J\ rbeiL a1~gc.sol\e11 ,verdc1l katlU?
J a '"'ird nicl1t die t reueste u11rl ,va l1rs.tc historische Da.1·~t ellun,g d.ic $Cin ,
die "' ich ou r d ic \\ricJ.ergil bc J cs k.ri Li -eh goi-ich Lr t1>11 Ta t,stlchcntttaLe-
1
ria ls au :.tlrück lich b eschränkt t111d nur idiogra1)hi!:<ch ' crzäl1l t.1 ,\,~e
es eigentlicJ.1 ge,vcse11'·'? Bei der r a ttlr,vissct1..:)tl1aft. rr1ag 1r,ru1 n1it
Rect1t fragerl , ,va~ sie au s der uu überschbaren Fülle clcs l\latcri als
a ls ,,· sent lich al1s,,·Uh It , unr1 den eh,vcrput\ltL ih rcr ,,\ rhci t, ·d a her 1

c)arin e1·J>licl<e11, daß sie illre Begriffe rich t ig bi ldet.. l) ie l1islori. cl1cn
1·a lsa ·1,cn abct' sind nir ht 1..111ii her5rhbor 1r1a11ni gfn.ll.ig 1 und d ie J>ro-
ble,ne. die ich fü.r clie NaLt1r\,·if;::; cnsc haft, erga ben , exi&t icre11 ·da l1er
für die G,escl1ichts,,·ii:!~cnschafk 1t n icl1L. Da. Auseinander.fnller1 ,,0,1
Queller1u10Leria l tt nd Tttl.sachcnn,nteri al scheint so,nit., ,Pirtc \,·cscnL-
licl1e loHi cho Dcclc11Lung zt1 gc,vir1r1er1.
ln der 1'nl , eir1 ei11fachcr l·lin,,·ci:; au f rlic unobcrschh:1 rc l\l an11ig-
falLigh:ciL dt·r en,pi'l·i:ichcn \''irklich kci t. gC'11iigt nicbt, u1r) das 1teue
Prootc1n •l)CliSrJ dcutl ich ,, ic cla& der 11a Lu r\, j~~e11schaf Llicli~11 Be-
grif fsr,i lclu11rr he1"\·,11·tr ·i,in zu la~!,en . Z\Ya r k öt1ntcn wir sagrn, dnO,
\\·en1.1 auch tdcht die ·ra L...;n,·hcn, so doch die Q ,u e 11 c n <lc,11 1-list o-

ürg,t~hzado por Goog e


- 283

riker als inte1tsiv unübersehbare ~[annigfalligkoit ge-gebcrt sind, und


daß er also unter allen Un1ständen eine I>rinzips der J-\ us,,·al1l be-
darf, urn in ihnen das \Vescntliche vom Unwesentlichen zu scheiden.
Aber ,vir ,vürdcn dan1it doch nicht eine Probl'emstellu·ng gewinnen,
die der für die naturwiS::enschaftliche Begriffsbildung sict1 e·r gebei1de11
Frage parallel gesetzt ,verdcn kann, und das ,väre ll11ter logischen
Gcsjcbtspu11kte11. ein Mangel. Die Geschicltle unterscheidet sicl1 aucl1
du rch die Art, ,,1ie ihr die Tatsacl1en gegebe11 sind, von der Nat.ur-
,vissen ·cl1art, und ,vir mO.ssen dal\er diosen Unterschied, so,veit, er mit
der11 allge111cir1~ien logiscl1en Gegensatz von Natur u11d Geschicl1to
zusammenl1ängt, zu verstel1en sttchen. '

Der entscheidende Punkt ist dabei der folgcnde.LJ)as, " ' örin die 1

,.Nalur" der Wirklicl1kcit bcst.el1t, und ,vas die Natur,visse11scl1a ft 1


1
ken11e11 n,uO, u111 ihre Begriffe zu bilden , Cindet sich fast inlrner u11 1

einer l\fcl1rheit von Objekte11, un<l in besondere das }l aterial zur


Entdeckung der zeitlos geltenden NaLt1rge~etze \\-ird a11 viele11 St.elle11
,•orhanden sein. Das Beson,d ero und ln<lividuellc dagegen, für das die
Geschichte sich interessiert, ist, so~veit absolu t l1is toriscllc Begriffe
in Betracl1t kom111e11, 11ur ein ejnzi~es ~lal dage,vcse11, t1r1d dio l{cn11t-
nis , ron il1m ist dah er o~t nu_r scl1,ver ~der gar nic~t zu erlangen.J Da1:aus
folgt, daß der Stoff (ur die na lur\\·1ssc11 cl1nftl1ct1c Darstellung eine~
Gege11staJldes vollstfi11dig ,,orhanJc11 sei,1 kaun 1 \\"äl1rertd er für die
gcsc11jclllliche Darstcllu.ng de s s c I b e n Gegensta11d es nur l1öcl.1st
u1,1vollstänclig zu g,!,,•innc11 ist . Freilicl1 h-.\r1clelt es sic h aucl1 hier
nicht u1t 1 eiiten unvcrn1ilieltcn Gege11.salz1 so11derr1 die \i'oll~Lät1dig-
k ejt clcs Stoffes ist in de11 verschiede11en 1~eile11 der Natur,visscn-
schaf't , 1 ersrhjeden groO, ur1.cl z,var ,vird die Lückenh aft,igkeit u11ge-
fähr in dc111sclbcn it aße ,,,acl1 en, in de111 die relativ historiscl1c n
Elc111c11to zt1r1eh1ne11 . Der1ker1 , ir zu11ilCll~t ,vicder an die l( ö rl)Cl'-
,,issenschaften, so braucht die 1·eirle l\lecltanik, ,vcil sie von hist o-
riscl1en Elementen abso lt1 t frei ist, ii bcrl-1au pt kei11 a11d e1·cs ~j t1Leria l
als die Ansc ha uungen v un. Raur11 und Zeit, tlnd die an j c<l cr11 bclic-
bigc11 l(örJJCf\' organg zu bildcr1rlc11 B egriffe v o11 ]\'Jasse und Bc,vcb'llng
oder I<rafl. Die Ph)'Sik in1 c1tgcren Si11n · al · <lie Lehre von\ Schall, von
<lcr \'iUr1nc us,,·. ka1111 ei11es besonderen toffes sc hon nicl1t cr1tbcbrer1,
aber als eine ' ' 'i:;. ertsclta ft, die in1n1er n och sehr al10'c111eine Beg riffe
bilclcL. fiJuJ et. sie ihn nah{•zu überall oder kann il1n ,,·e11igstert überall
t1ervorbri11gen , \VO ihr ,c,eigncLc A1,para tc zur \ erfü gu ng s tcl1en.
1\ uch r1 eLt entdeckte ph:y. il<.a liscl1e \ ' or~ä11ge, ,rie z. B. <li ' Höntg<:n-

0191 lt ado por Goog e


- 184

st.rallle11. sind, sobald n1a11 uur ci11,1nal die Betli11gu11gcn ihrer Beob-
a.clatung kennl.1 a n jeder11 b eli ebigen Orl un<J zu jeder beliebigen Zeit,
\val1r1lehn\bar 1.11 rr1achen . Schon der Che11ukcr dagegen , clPr e.in relativ
1-.Jist orisches l,öhcrer Ordnung bel,andcJt, ~' er111ag sir h 1 ß\1c h \.,·enn er
rnil. al lc11 Apparaten au sgcro tet ist , 1ticl1t übcl'alJ gerade das ~1at.crial
z11 versct>affen, daf; ihr1 intere, siert, uucl vollends \Vird tlie ~faterial-
:,an11n lung in den biologiscl1en \:Vi~sen:-<•haftcn auf Scl1,,,ierigkeitcn
stoßen. D·e r E111bryologc z.. B. 1nuß oft lange . uclicn , bis er das ei ne
oder andere hesLi111r11Le , ladium in de1· E nt,vi cklu11g eines Or rani. -
1n11s crt1ält,1 da er zt1r Bilclung eines vollsl,ändigen Allcretnciiibegriffes
cler betre(fe11de11 Gattung braucht, und so kann bei ,veitcrer pezifi-
)(at.ion die 'ch,vierigl<eit der ~1ateriah:;a1,1mlu11g in11ner größer ,,·erden.
A11derer:-;cits ab er b]cibl t.rot.z dieser R ela tivität. ein prinzipieller
lJ r1tcrscJ1i.ed besleheri. \\7ir 111ü!--se11 rtur stct,s aucl1 i11nerhalb der
l{örpcr,vi cnsrhnflen, deretl bf a t er in l ei n relati historiscl1es
is t , die nat.ur,visscn ·cha [tlicbe und die hjsto riscl10 l\f e t h o de der
Dnr:;;telltrng au. cina11derha'llel1. Lediglich in \ \J'issc11:-chal lc11 \\·ic der
P alt~ontolo1 ric komrnc>n ~1erk1l1ale von ..o)f' hen Dit1ge11 i11 Betracht, •1
1lie t111zugär1glicl1 ~ci11 könnc11 1 , ,. -il sie 11t1r :lr\ e i n e r .b c;;,Lin1mten
teile existiere11 ocler tlbeJ'l1aupl tlich t 111ch r , rorha1ldc11 sind . Die
J{.örper,vis~enscltaftcn aber ,verden l1ierdurcll dann alleir1 ent cheide11d
,
beeir1flu ßt, ,vet1n sie ict1. .i-\ t1 rgaben st cllcr1 : die, ,vic wir ge1.eigt 1
hnl)c11 , unter logischen Gesicl1tspL111kLcn zt11· Ccs<:hicht.e gel1ürcnt 1

und diese Unterscheidung z,,·ischen 'atur,.\·i~senscl1aft w1d Geschich te


tler Orga11i~1r1e1\ l>eruht i:-o ,,·c11ig auf einer .b lo ßnn logiscl\en l(on-
.sLrl1ktion1 da ß ihre ' 'erkcrrnur1g ·ogHr zu fa l$Cliet1 An~icl1wn über
den \'Vert no btlr,vissensc haftlirher Theorien führet1 k o1111. Es ist z.. B .
1
in e L h o tl o I o g i s c 11 [<-1 l~ch., ,vcnn ntxn \ron rlcr a 1 1 g e 111 e i n e n
D<>szond enzlheoric cler1 Nacli,vei~ cles ,virl, li(' heu \ 'orha11cler1scin:- , incr
lück<>11lo:.f'n l1istoriscl1Pn I{ctte clf'r Lehc\\'C~cn n1it nlle11 z,,.·iscl\en-
for11lcc1 UlH.l ·rLergäug,~11 fordert. Als gcner:_1 lisicrcn,tc natt1r,vi::-~e11-
E;(•l1fi[l.licl1e Theorie hat . it gr11ug gctc1111 Rolt,tld :--je zcig.e,.1 ka rrn, a11s
,vclc hcn Grün<.l<'n ülJerh aupl die Un1„vnndlung ei ner i\ rt, in die and ere
a11genornn1en ,,·er,l er1 111uß, t111d Begriffe g<' bilcll't ha t , die ~olch~ · n1-
,,·a11d lu11gcn a l:;. i u1 Ei11kl:tr1g s t<'h end 1nit <l t'lt ü l)ri~e11 Anna l1n1c11 über
<las orgct11i ·clic Gescb,c ltcn crs~ h,-inr11 ln. s.cn. J n, die At1fz(>iO'ung eir\t· z· '•
lückt'.'n lo.:-en h i s t o r i s c ]1 e 11 Ent,,·irl-:lun.11src.il\c ,,·ür<lr , ' """n r1 <lic
l ; m,,·a1 icll u tt<r ~i11cr 1\ rt in rl i<> nn• lere .auch nu 1· a11. ciucr verli iil Lu is-
1.115ßig kleinen A11znl1l ,·on Bci6J1ielcn c,ichcr n achgc·,-ii·icsen \,·äre, clio

D191, h,ado por Google J


-
GclL1111g cl ' r allge1nei11c11 'J'lieorie iin Pri11zip 1ti(;.t1 t. rr1clir ,vese11tlicli
befc,:; Li~en. Diese An::;ich l f.ir1tlet sic h $oi-rar bei fl 5i..:l{el t der t-011st sel1r
ge11eigL isL, <lic J3eclcuti1c1g de1· l11~t.oriscl1e11 Bi<, logie !ür· die 11al-ur-
,vis en:;chaftliche11 f->roblemc 1.t1 ülJer~chälz.cn. Er sagt: ,,die gcfürch,Let.o
•.\bsLar111n11ug des ~ler1 ·c he1i voi11 . ffer1 - dic::.cr ,vicht.igst.e ( l) F0Jge-
schlt1ß der 111odc:rnen E11tv.·icklungslcl1re - bei-leht. aucl1 o h n e det1
Scl1fidel un<l Obe1~3c he11k.el de~ fo:-'.~ilen PiLhelc.1.nthropus eber1so icher
und l<.lar, ,rie Jl 1 i t. d en1-·elbe11. Die 1111gleich Uirkef'en Bc,•,cisgriinde
der vergleichend.en Ar1.atorr1ic u r1rl Ontogeni<' . teilen. jene viclbcl)triltcne
AIJsl.arn n1t1r1g rn r je<lc11 sacl, ltullll igcr1 un<l u rlcilsfä hi,~en Forscher
viel klHrcr uncl sicherer fe-st , ~ls es eine voll::t- lät\t.ligc R e-il1c von fossilen
z,vi~c l1enalie<lerr1 z,,i sc her\ ~t cr1. cl,cn t•t1d J\fcr1 ·che11n.rren vcrr11öclitc'' 1•
Zugleich Cill.hi,ilt rlieRer atz in1r>li1.i te eine n,·heidu11g der natu1"\visse11-
schafl.lir hen u11d l1i -Lori~cl1e11 Dioluuic uri.d ku1ln , ge rade ,vcil H öckci
(Jas klare Be\vußk;cin die.ses Untcr~c hiedes fchll 1 z.ur BesUitigu11g u·n-
screr frül1i)rc11 1\us(lihrungen drenPn. Volle1\d~ . i11d cii-1c .~lcr1gc von
ttnclerf'n Pr,ilJlen1<•n der 11a tu r,,-i=--~cn::cliaftl ic· hc1i Biologie, z. B. d i,>
Froge11 na r h der \ 'ererbung cr\,·orbe11er Eigertsrhaften, der Bcd culu11g
der g«':$cl1l chtlicl1e-n Au. lese 11nd dcrgleichert durcl, ciic K cn11L11is
0

der his t.orisehe11 Ent,,·icklt111g ihrer Lösung nicl1L näl1er zu bri11ge11.


I truner ert,L (ür die gc~chir hLlicl1c .Dn rsl cllung kon1n1.t die VollsUindil,C-
keit, clcr cinn1:iligc1t E11l,vicklur1~rcihc in Belraclit, 11ic1nals für die
gerteralisicre11den natu1..,vissensch.aftlichen Theorien . l{urz, ,,as für
die Natur,,:i~se11:scl1~1rt eine At1. nol1r11c ist bilrlct fii r clie Gc~chicl,t..t•
clie Rege l: von1 Historischen is t seh r oft, jede JJ\.11' verloren , vo11 d~' r
atur dagegen ru "t nie. Da~ ,vird nus clen oltgct11ri11en logischen Be-
g riffen von Natur und Ge:,cliichtc ~ehr lcirl1t verstän<J ,lir t1, k}tnn
aber z,1gleich aui-~11 n u r at1s iltl1cl1 begriffen ,vcrdc11.
Daß auC'li i1t11erhalb der 11a tu r\\li ·::-er\ c ha rtl ich vcrf,1 hrcn{,_let1
P s y r h o I o g i e die Lü1"'k enh:1fLigkeit de:;. Stoffes i11 deu1sf'luen ~l aUc
,,•iiclisl , in d('tl1 die Allgcniei11heiL der T11coricn uhnj111111L, i~t niclil.
~ch,vcr zu zeigen. Für die })S)'chol(>gic, die nur da~ in allc111 Seelen-
leben ' ' orlt:Jntlcnc da.rstcllt•11 \vill, l1esilzt <ler P :.ychuloge a1i dc1n j}11n
st ets zugil11gl ich(:ll eigerten ."' cclcnlt ben ein voll~U:i 11cl ir•c:i ~f aterial.
Die r1ot,,·<>11dige Vergleif linno- dic.•:;cs Sloffcs rrtit rle1n Scr l,•nleben
anrlcrer ~fcn.sc; hcn haL clcn z,\·cck 1 dit.'i rci1L Ir1 (li·viuuelle auszl1Sl' hci-
dcr1, tlJill tlal1cr 1~a11.r1 r11un g~raclcz u sug1~r1 1 (l{1ß at1cl1 dt1rch clic in die. e11 t
Jr1Lcrc~st.: ,·orz.t111elu ncu.dert EXJJCri1nr!1t tc an n nd"rPil l ncl i,·irl ue11 daR

0191 lt ado por Goog e


286 -
)laleria] r1icht durch prinzipiell neue individuelles Seelenleben , rer-
• n:iehrt sor1dern i111 cger>teil so vcrntindert ,viJ·<J, daß nur tlos alle11
(ndivi.cltaen Ger11ci11sa n1e zur hegt·.rffllc he11 Bea rbcitur1g Obrig bleibt..
\ 1on ,,Jnclividt1al-Psj'chologie" Sf)lltie 111nn dri her bei „olchen Ur\Lcr-
st1chu11gcn a ucl1 a us d ic~en, Grund e nich.t redcn i da die.::;e1· Ausdru.clc
lleso11<lers im Gegensatz zu,· S01.ia l-Psycl1ologie z.u f\:f ißverstündnisscn
\ "cranlassu:ng geben kann. Vorn Jndivicluellen ist geratl,e in der soge-
11al1ntet1 I11dividt1al-PS)'Cl\o logic nic111a ls die Rede. \\7jrd dagegen
et,v:is relativ Historische , ,vie z. B. das nur <lern Srclc11Jcllen des
l(i11d•es Eigcr1Lü1nlichc, 1.um Objel<t , so ist der ,Psycl1ologc vo11 cinc,n
'
beso11deren 1 eve11tt1ell t1ic.l1t sofort zu b r.schaffcnden Stoffe nl,hä11"ig.
Dabei schert ,,;r v o 11 der p.rinzipiellc11 U11.zugl111glicl1l(cit. des frem<len
See'l cnlobcr1s ab und bescl1ränk en uns nur attf <lie VollsLäncligkeit tlcr
z.ur ])Sychologisclicn Deutu11g v orlicg('n<l "n physiscl1cn 1' ntsn.chen .
Jn1r11crhin sind l<ir1der, die 11 1a11 beobar.: l1 l:.011 l111d f ragf'11 kan11 t ver-
htilt,nisr11üßig leicht zt1 fin(ten. Dagegen muß, ,ven11 die kün tlerisc::1,c
Pha11La ie o<lel' der Cä ·areJ1,vahnsi11n 11alur,\·isscnll<chaftJich generali-
sierend untcrst1cht. ,verd.r.n ~0ll 1 der Un-,lcreis de hicrfiir zur \ ' crfügur1g
st ehen,lcn ~l3tcrials schon recht klC'in sci11. Es ergcb-e11 sich a lso ger1au
,JiescJbe11 \ 'e1·halt1tissc ,,rie hei der DarslelJ,1r1g der I{örper,velt,, d. h.
je spezieller die p ycl1ologiscl1cn Theori en sind, u111 o \\·enjgc1· Stoff
für <l.ie l( c11ntnis der ge t1cht.e1l 1'at1'ache11 ist. ihnen gegeben. l•
;\ r1clcrerscits a ber is t atlclt bei den !i-p<'ziellst.e11 naLur,.visseu schafl-
lir·ll-psycholo"ische,1 'l' heor-icn ff ic v·ollst:indigkcit des zur psycl10Jogi- r
schei1 Dettlt1ng no t,,·endigen J\latcrial::; iu1 Prinzip nie at1~gcsc hlosscn, 1

(lcnn a11cl1 die dcr1kba r spezicll$l,e Theorie ist in,1ne1· 11och allgcn1eir1.
Eine 'flieoric tle · Ci\ arcn\,·a,hn. inns z. B. ,,,ill nien1a ls clns nttr c in e n,
eelc11JclJe11, et,,·a d.e,ct rcros, Eigc11Li111Llicl1c al~ solches darstellen,
sontlP,rn die einzelne Pc1·son l{or11ll1t attcl1 für s1e riur .als Excn1plar
eines allgc111eir1cn ß C'griffes in Bctr.·tch t. Nero ,vi1rde rür clen Pi-ychiatrr
k.ein l11Lcrt!Ssc h:,1l>~n 1 ,vc·nn e r nicl1t nls Exctt1plar ein er GtttLt1ng ar1go-
i-ehen \vcrd e11 k.ün1,tc. 1\1 i111sLerberg 1 freilich spricht ,,on ei11e1n
,,. pczialgcseLr., cl ns sich i1l unsC>rcr Erfl:l.l1rung n ur c i 11 r11 n 1 bct.üli-
~cn k a n n' '. Der B<'6'Ti ff cinf1s ::.o lcl1cn Gcsf!l.7,es en LhI\lt j c<loch einen
logjsclicn \\'illcrspruch. Das~ Jlczicllslc Gesetz isL ir11n1er nocJ-1 a.Jlge111ci11,
cl. h. die Vorgöngc1 die clnrunter fallen , .k ö n n c n sich lleliel,ig oft
,vicdcrl1olen, u11rl so i~t es au ch rnit, allc111, ,yas die P. ;ychi::ilric von
cl(~r f>s)'<: hos.e N "ros in il1re 'l'l 1coricn uufnir11n1t,. Gc,,·iO l:ichati!JLCL Jer
- 1 <.,-;runrlioge der Ps yellolog:ic l, $. 1.1 3.

ü1g1taltzado por Goog e


:2 7 -
Psychologe, der b ei der At1 bildu11g seiner 'fheorie die P ~ychose Neros
benutzt. l1at, die t.1t.~ächliclte Existe nz d,-IB von i,h111 vcr,vcndeLe11
Materials mit, aber die es ExisLer12.ialu1·t.ejl, das sich at1 f ein,e ein malige
individuelle \Virklichkeit bez.iel1t, i. t die stillsch,veige1Jdc \ ' oraus-
:;eti.ung, nicht der- Jnltalt scjner Th eorie, und „daß da et.was existiert.o,
da in der historisc hen \ rcrgnngcnheit. nur e i 11 m a J sein k o n n t c 1 ' ,
ist für die R.ichtigkcit der 'fhcorie ,röllig bed•eutu11gslo . :Nf OnsLer.berg
::;clbst agt ja clurcha\l!; zutref(end 1 duß et\,·as „at1szttfi.agcn sinnlos
,värc, ,,·cnn es nich.t das eine ~l al ,v e n i .g s t e n ,virklic h \var" 1 und
dies ,.,,,renib~ ten.s ein11,nl'' ,v,idet'SJ)ri cht doch gerade cJem „nur ein-
nial" . Auch mag es " ·ohl vorkon·u11 c11 1 ,laß n1ttn in der e111pi1·iscltcn
\Virklic h lceit nur e i n Exeni_plar eines allgcn1ei1.1en 11nLll'"''issenscl1aft-
licl1en B egri ffes l<ennt.., aber daß dieser Begriff nur für den einen
Fall gelten k a n n , folgt hieratrs durcliatts nicht. Ob,,·ol1 I i\fii1tste1·-
b crg ·o tleutlicb ,vie ,,,e11ige eingesehen hat, daß die Na t11nvi sen sc haft
l\UT.' bstrakLionen gibt, hat er sicl) docl1 noch r1ich t ga11z v o11 clcrn
,veiLverbreiteten natur\.vissC'nscha ftljche11 Ra t..ionnli~m us losgc111acl1L.
Auch et vcr,,.·ert,r-,el't n och Beg ri ff und \1/irklil'hkcit 1. J edc11(alf~
sind fiir den Psychiater, ,ve11.n er vo1t Nero spl'iclttt nt11· die Eigen-
s ·haflt:n aJ1 ih,11 \,·csenllich , die zt1 tl em nll gcn,<'in.t?n Begrirr de · Cäsa-
r,~n,\1all nsinns i1herl1nupt gcl1ürc11. Da11rl allein, ,ve1m e. ~ich u111
Ocschicl1te l1antlclL1 1uu.ß , faJJs der zur Ersr~hliel)ung eirl C.'- cinn1alig<-'n
ps)·chi:-cl1en Vorganges not,,, ·cr1dige St.off ga nz '\'erlorcn ist , eiJte Dar-
stf' llu11g für iu1rr1cr unrr1ögljcl1 bleibe11 , und deshalb ka,111 clas, ,vas ,\"ir
,,on . cro ,vis~en, ob,vohJ <'S e hr- lilckcnhaft ist , doch , ,,·eru1 c, 11t1r
d urel1 I(e11n Lrtissc über andere geisLf"~l{rartl<e Jndiv illtlell ergH nzt ,vird,
fLlr •ir1e ger1,eralisi,c rcnue nalur,,·is.~e11 ehafL1iche Th eorie des Cäsatf'.'11-
,,·a hn. inns .g roßen \Vert l1nbcn, ,,·ührcnd für oi110 gcJ:1cJ1i.rl1tliche D:lr-
.·tellurtg Ieros , ruc ,c:,; n1it il t111 11icl1L a ls einen, GuLtl1ng::.exc111pl:ir
or1d err1 als einern lt1di\.•ir\u,t1m zu t\111 l1a t , ,vir viel zt1 ,vcnig ,vi '!ol.C1,,
ttncl d::\ es r>rinzipicll unrr•üg,lich ist., die Lücl<l'!n di ~scr hisl ori sc h o
l{enntnis llurclt J( cnntnisse \lber an,lcre rndividu eJ1 zu crgänzen 1 so
i t es <l enl(l>ur, ,laß ein J-listoriker au f <lic D ars tcll,111g •ro ganz
vcrzichle;n zta rr1f1s en glattbt.. •

Al.>soluLe hi ·tori ~che \ rollst.:\11,l igl(r:it des p~)'·cl1isc l1cn :\J;.tl(;1·i:.:ils


knnn ~~ \,·egP.n d.cr schncJl1!n \ 'ergici1tglicl1k ,jt de ,;. cclertlel;ens eigent-
lich lltll' für die Dar~lclluug VOTl. ~Ien1'<:hen g1· b c r1, cJic clc111 1-Ji:- torik er
(l u1·..-h 1\11l,vortcn auf jrdc J,clieLige Frage AuskLLnrt übt>r jccle l)clicbig "
1 \ ":tl. v l,H' ll S. 14 9 f.

ürg,t~hzado por Goog e


- 288

~r atsac\1e eriei lc111 u11d attch ,Jahei ist die ,voJ1l nic11la l v orhander1e abso-
Ju te Treue des Gedäcl1tnisses ,,orausgesetzt. Al,lc andere individuelle
Seeler, leben jedoch t das der \ ' crgange·nhci t, angehört , ,vird den1 1-Jislori-
ker i111mcr nur in vcrl1ültnis111äßirr lileir1en Brucl1 t ückc11 bekannt S€i11,
u11tl J eshalb gibt e~ ,,·e11igc F älle, in dc1ten er nicht auf uu icl1cre \ 'cr-
r11utungen a11ge,\'icsc11 i t oder atif die Darst ellung großer T eile eines
Gegenstandes v on vorncl'1erein \•criichten muß. Wir sehen also auc h
l1ier 1 ,vio für d ie Ge ·cl1icblc Sch,vierigkcit c1t entstehe11 1 die die Nalurp
,vissei1scl1ait, nicht kennt. \.Ver nach der Nati1r f 0 1. cl,t, hat meist
mehr Stoff, a ls er brauc}1t,. Das ergibt sic~1 aus den1 Begr iff der Natur
als der Wirkl ichl{ei.t n1it Ro cl< icl1t auf das Al lgemeine. \Ver die Ge-
::-cl1icht,c k ennen \Vill , \vird mei::1 t zt1 ,ven i.g von ihr ,vis en. Da. lolgt.
aus dem "''csen der Gescl1icl1tc als der Wisscnscl1aft vo1n \Virkliche11
tltit Rücksicl1 t au! das Ein1t1al ige u11d Beso11t.lere. l·Iieraus crklä1·t c:;
sich dann at1cl1, daß in der Gescl1ichts(orscl1ung 11Hilfs,vissenschartcr1"
existieren , deren \\'e.sen t lict1e Aufgabe darin besteht, Jaterjal zu sa rr1 -
rneln llrtd zugän.g licl1 zu 01achc1L Ei11e derartige ArbeiLr,tei lung isL der
Natur,visscnsc.h a(t im allgcrn eincn fre rnd. Freilich kanr1 s ie in detl
Disziplinen, die es tn it einem retativ Hist o1·iscl1en höl1crcr Ordnung zu
Lun haben , \ 1 ie1leichL aucl1 einmal eintreten. Aber vorläufig ,verden
in der Natt1r\-v:isscnscl1aft die T al.suchen rr1ei:-t nur von de111 gesarnrnelt,
<ler sie wisscnscltaftlicli dars tellt.
Kel1re11 \\'ir nun zu unser111 Proble111 del' historiscl1en Darstellur1g
zuriick, so verstehen ,vir jetzt, ,,ric es kommt, daß die Gesch.ic)1Le il1re
1'at.sachcn 111cist nicl1L " ·ie die Natur\v·issenschaft direkt erfahren
kann sonder'n last i1n111er ersL aus erha ltei1en Spuren erschlicßel1
111.u ß, uncl ,vilrum sie dal'\er nicht il1re111 Tat achenrnaterial sondern
nur .ihrcr1, Quellcr,rnatcria t als einer unübersetlbare11 l\lannigrnttigkcit
gegenüber tcht. In \\'Cnigi:n Ausnal1r11cfällcn ist der Gegenst.a r1d,
{ O r cler1 sie iltre Begriffe bildet,, zuglcicl1 der, an do111 sie sie bilder1
k.ann. Ge\\'öh.nJicl1 fnl len Objekt der Bco.bacl1tu11g und Objek.t der
l1istorischcn Darfif.cllung, also Que,lle u11d Tatsacl1e 1 .a useinander.
Da.durcl1 l(ar1 n c.Jie ~·teinur1g cnt.., lchen, daß dor rlistorik er von seinen
Objcl\.te11 A 11 e s darzu:-Lcllc11 lta},o, \\'äS rtur irg<·11,l,vie in Erfal1rur1g

zu bringc11 ist , u1.1d da1u1 scl1 cir1l. kciri R e ·h t zu .beslel1cn, die l1istori cJ1e
Begrirf~bi!du r1g , 1011 tler 'futsache11fest::\tellung aucl1 nur begrifflich zti
scheiden.
TroL1.{lern kann ei11 solche.:, J{ech t cr,vi<"sc11 ,,·crc.lcn . Zunä cl,s t
freilich erf;iliL sir li .JllS d ~r l "nvull:-Lii r1<li r,kciL (lcs hislori.,;che11 Stoffe.<-

0191 lt ado por Goog e


- 289 -
nur eine neue Schwierigkeit, die de11 Sinn unsere- ganz,en Uolor-
nehmens vollends in Frage zt1 stellen scl1eint. E s ist nämlich nicht
einzu5-ehen, ,vannn , ,verm Quellen und 1~atsache11 auseinanderfallen,
für den IIistoriker immer Quellen 'für eine, ,,•enn attcb. nur unvo.ll-
ständige Gewinnung gerade d es T atsacben1naterials v orhanden sein
solJe11 1 das ihn interessiert, tind es erscheint desJ1alb unter logischen
Gesichtspunkten als z u f ä l 1 i g , ,,·elcl1e \ 7orgä11ge er darzustellen
vel'mag. Diese Zufälligkeit aber muß der Gesclucht..e Eige11Lümlich-
l<eitcn verlcil1en 1 die sicl1 aus ihre11 Zielen njcht ableiten und sornit
überl1aup.t nicht logisch begreifen las en. Sie trngen dazu be.i. ihr den
Anschein einer «t.:ti{tooc,~ ö1.71 iu geben , und dies ist auf das sorgfältigste
zu beriicksichtigen, werm es sicl1 darun1 ha.n(ieJt , das Verhält nis des
logischen Ideals einer geschichtlichen Darstellt1ng ztt den ,,rirklich
vorhandenen Gescl1icl1ts\vissen scha ften zu v crstel1en, denn Ideal und
\V1rklichkeil lassen sich hier viel scblverer zur Deckung bringen, als
dies bei der n a turwissen scl1af tlicl1en Begriffsbildung der Fall v.·ar.
Daß aber die Au fst elJw1g eines logischen ldeals der hisLorisc11ct1
Darstellung und BegrifisbiJdung überhaupt unmöglich ist, foJgt
dara us nicl1t . Wir dürfen nämlich, gerade ,v-eil die Lücke:nhafligkeit
des St:.offcs sicl1 z,,·ar im alJgc111einen aus dein logi eben Begriff der
Gescl\ichte als der ' ' ' is..~nschaft von der einn1aligen und individ uellen
Wirklicl1keit vcrstcl1en läßt1 irn einzeh1e11 aber \follkomn1c11 zufäUig
ist, von il1r attcb irn ei11z.elnen absehen \lhd die Fiktion n1ncl1en, d.aO
für cle·n l-Iist oriker in eitlem beliebigen Falle jedes beliebige 'f al.sacltc11-
matcr-ial aus <:len Quellen zt1 ge,vinnen sei, denn zufä llig könnten sich
j.a aucl1 ein1nal a lle hierzu erforderliclien Quellen arlialtcn l1aben.
Für einen solchen denkbaren Fall · tel le11 ,vir da1m zunächst ein logi-
scl1cs Ideal a11{, u1 n liintcrher, sobul(i es m,it der Wirklichkeit v,c rgJ icl1en
,vertlc11 solJ , die Einscl,rän l<ungan hinzuzufügen, die mit Rücksicht
auf den meist voI"handene11 i\'laterial1T1a11g.el not,,·endig sind. Darr
aber diese I1iltl..ior1 gc111ncht ,,·crc!en , so ist da rn it zugJeich aucl1 die
für un ere Problerr\sicll~1ng cnt.stander1e Scl1\\•ierigkeit beseitigt, , ·011
der ,vir ausgcgar1ge11 sind. E besrtzt allerdi.r1gs r1ur das Quellen-
material, nich t auch c.l as 1'atsach'"'nn1at..el'ial der Gescllicl,t.e ur1übcr-
sehbare }lannigfaltigkeit, aber \ VC1111 dies Jediglich ei11e U n v o 1 1-
s t ä n d i g k c i t des 'l'atsacben1,1aterials bedeutet , so brai1cl1en \\'ir,
gerade ,veil die Lück<-nhaftigkcit s.ich in jedem beso11dcrcn Falle dcr11
logiscllcn Begreifen f'ntzic.b t, ihr auct1 keinen Einfluß auf die logische
Aus bildllllg eine r 'f heorie de r gesr hiclltlichcn D nrs l.cl lun g Zl t gc\\'ährcn .
R ickcrt , Orenz.en. 2. Au ll. l!i

ürg,t~hzado por Goog e


- '290

Wir kön11en vicl1,1et1 r ,viecler clicselbe Frage stellen, die '\ \•ir bei der
Klars tellung d er natur\.,·i:,.;;;ensc haftlic h~rt Begrifr. bildung ge teilt
h abe11: ,varum wird vo,r1 der Geschichts,vis e11 chaft sLets nur die
F esi.tstellting eine~ T iles d er \ \ ' irklic.hkcit in seiner individt1cllen Gc-
st:lltung erstrebt, und \Ve lcl1cr l 'eil ist dj~s ? Soll lticr keine \1/illk11r
}1errschen 1 so ,11uß es ein " risscn s<'l1aftli•c hcs Prinzip geb en , n ac h cie111
die Aus,,·ahl erfolgt., u11d , 1 or1 diesc111. Pri11zipe ist dann die logische
Struktur der l1i tori cl1e11 Dar tellung und B egri ffsbildun g not,"enclig
abl1Ur1g-ig.
Docl1 \\'e1111 aucl1 die a11gegeh e11c FiJiLion im logi~c hcn Interes·e
ber ·•cl1ligl i ·t. so ,vird es trotzde111 gut ein hi11:zuzl1fiig(Jn , daß ,,·ir
sie n u f' brnt1chen , um tlt15Cr Proble1n ~anz nllgen1ein ::.l f!llcn zu k önne11.
Es • ir1d nu<>h fal<.t.i:-,ch fa. t irnn1cr .-nehr ·r ats:i ·l1f,n R11s rlP11 Quellen
für <lc n f Ii!-t o rike r ztl ge,vi11nen, al:- er d arstcllt, ur1(l at1c'h <l esha.l 'b ist
c1n Pri11zip <ler .-\.t1s,,·ah l und ·\ tcrcinfnrh ung f'ür ihn ut1e11lbehrlich.
Dal,ci 111t10 rnnn freilich r11chr~rc F tillc , 1 onej1\attder unt.e1·8cl1eide11.
G nn1. Relbst,,·crs tiindlic h ist clie Not.,,·e11<ligk.eil ei11cr , 1erei11r~,cl1u11rr
dt1rch Tronn1111g de. \\1P.::;crlt.lict·1cn ·vorn r1,ve~er,tlic he11 1 ,vcnn Quelle
i1nd Ta lsar he ZlJ Sr11nmc nf:, lle11. l{ a r111 d er Jli torili.er nie ~l e11. chcn .
<lic srin Objek.t bildc11, a11sfrag<'11 1 od er hat er es rr\it, rlcn unverii nclert.
erh:tl let\e n rreugraphi:,;cl1cr1 : r. hn uplü tzrn 11 istorisct1cr E,rcignissr 01:Jcr
rnit J,(1lll.urproduktcn ,,·ie Bnute11 , l(un~t,,,•erkco, GPr-iit!'n t1s,v.
nicht nt1r als Quellc11 sc1nder11 Utl·Cli als hi~tori~1.;hcn 'f atsar hcn <)cJcr
Obj,ekLen zu t1111. dnn11 . lcl, t, er 1l111cn g~nan ,vic der Natu.rfc)rschcr
als ein er unübersehbaren ~1 annigfaltigl<ci t gtgc11ül,er. Ebc11so \\'Ciß
er vor1 a llf'n h i~toi·isr,hcn , , Orf;üngPn , die <'r 111itcrlcLt ltHt, ?5 teLs viel
nichr, nls er darstellen ,vill und Jcar1n . J l'u cr z. B. 1 tl •rBi. 1narf'k sc>Jbe1·
geseli('n ha t., kcn11t eine ~l cl1gt1 v o,1 1'a L..;ache11 ühef' ihn, rliP- ir1 l{oinc
Gcsc·hichll', aucl1 J1i cht in die au:-:führlicl1slc Bior""ra11hif"' g·c hörrn. •icl1t
, ricl nnclc rs nllc1· ~l t~lit es bei n1a.r1cl1t•r1 gcsc ltichtlir hc11 V o r ~Ü lll"'t'n : cli

,:vir z.,var nicl,L r11cl1r 11,il crleht haben. clie u11s ab<•r 1.eitlicl1 11ahc liegen .
Au ch cla liö r111t.e11 ,,·ir au . :5 ic11r ri>11 Qu e llen ei11e J•'ülle ,,on l•:i111.el11eiten
crfahrvn, <lie 11i<'l1t <las gt>ri11g~Lc hi:-;Lori~c hH lnl~rr.R&C h{tb1"11. t111d
s tet ,<; ,vir<l n1ar1 <l n 1111 , !1)1-n 1li:.lorik t>r vcrl angc11, il a LJ er tlas \\' c..,<•ntl ichc
v o n1 l n,,,e:.-t•nl.l ir l1P11 Zlt llltt..f•r~c l1<·id c11 ,vis::;c. l)aß z. B. FriP1Jricl1
"''ill1Pltn I\' . d if' (l•' ltlst" lte l~ ai:,;,•rl.;. ro11c abl ·hr1tc, i5l ci11 ,,l1is t,1ri~r hes''
Er~i•rnis, :,brr c;;. i~L [ (1 1· ei11c pc,l ili~clu~ fi csr·hiehtc \' o llk < ► 1111n cn 1•lcir h-
g1l It ig, ,,·elr: lac .' <·h ncid •r ·e in e l (ür kc ffCJ nnc· l1t h ab~rl 1 c,bglr.ic h ,vir
,vohl a uch llici-; nocl1 f'"l' na u e1·ft1l1rcr1 l,ö nPle 1\. Un1I ralls n1a11 l,iergcgcn

ü1g1taltzado por Goog e


291

ein,,1endet. 1 1 d:\ß dies Faktum z,,,ar für eine ·politiscl1e Geschichte


.inuner u11,ve_sentlich bleiben werde, in einer Geschichte der )1oden
oder des Scl1neiderge,verbcs oder der P1-eise <lagegen historisch ,vesent-
Jicl1 ,verd,en könne, so ist das zwar richtig, beweist aber für das al1ge-
1neine Prinzip, u,n das es sich llier l1ancl \;Jt, nichts. Für di•e po)itische
Geschichte ist viel1nehr gerade damit die Not.,vendigkcit <i-incs Prin-
zips der ,\ us'\vahl anerkanntt und außerdenl las e 11 sich leicl1t T'o.t„
sachen n ennen , die für j e d e der1kbare ~csch i•c ht lict1c Dars,t ellung
un,ve e11tlich sind . Bei~1,ieJc 1 die man hierfür ,vültlt, ,verden freilich
immer et,vas ,,gesucht" erscl1ei11cn1 weil fü r v 0Jlkon1111en un,vesen t-
licl,c histo,·ische Fakten die Quellen nleist verloten gel1en , und nie-
1na11d ein lilLercsse daran hat, sie in der Erinnerui1g aufzube,vahren.
Aber daß ,vir von einer Petsö.-1liehkeit \\'ic Friedrich \Vilhelm IV.
eine Fülle von Tatsacl1cn fcsts tel let1 kön:nte1\ 1 die ur,tet· aJien Umstün-
den ltislori eh u.n we-sc11tlich sind, sollte 111ru1 doch nict1t Lez,,·o.ifeln.
:p.i[an denke nur, ein Historiker besliße eine größere Anzahl von Brie-
fen, die die. er l{önig eigcnl,änclig gCcschriebet1 bat. Wollte er da auf
die Art act1Len, '\\ie die 1~it1Le vorn König auf dem Papier verteilt i t,
!iO könnte er n1it der childerung nbsoluL w1bcz,"·eifelbarer Ttvtsachen
a11s der Vcrgungonlteit. Bäude fü lle11, t1nd doc h ,,rfu~de ,,1ohJ aur h der
spez.ielh;tc Spezinlist nicht behaupten, daß das noch Gesctlichts\vis-
f-len ·cliart sei. Der ,,histori„che Begr.i f(" des l{önigs kann also ge,,·iß
11icht aus A 11 e n1 bestcl1en, "·as ev.e11Lt1ell über ihn ~ict1er- fcslzt1sLcl-
Jert ,väre.
~i\.nders scheir1t es dann zu liegc11, "\\"eru1 die Quellen sehr SJ)ärlich
fl ießen. Da ,vird inan in der ·r at keinen jndividuellcrl Zug {ortlas ·.•rl,
den inan 11ur irge11cl erfuhre11 k ann, ja, das Gcrin~fügigs.te gc,vinnt
hier ,vegen de, Nl.a.te1·ialmor1gcls eine Bc<lculu1&g, <lie e l>ei 1eichlicl1
v orltandenen acl1ri ·hler1 virl leicht 11ir l1t haben \\'Ürde. ;.\ her <larf
n1a11 ,,•irklieh sagen , daß in die$t'11 l~i,Hc11 cler IJistoriker a 11 es dar-

~tellt., \YaR er ,vciß odrr ,,rjgscn kc1n11le? Das lJluße FakLttrn hcucut.et
auch hier 11ocl1 nichts, ja, 111an kru1n sogar vo11 ga11z 11 u11bckannten"
Ditl "Cn i111n1er noch vit: I n1chr erfithrcn, als in die G~c:hichtc a-t1f1ur1ch-
mcn i~t. Von jf'cle,n \\J en:-chcn lf\ßt, gji::h n1it ichcrh cit alles des a u'"-
sage.11 , ,vas die Na Lur,vi sc11sc.ha rt von (lcn l{ör(JCrr1 tUld rlic al lge111eine
P sychologie vorn Sc('lenlr:br-n lel1rt.1 tind doch kun1rnerl sich der
·-·-.. -
\ \"ic Ed u a r ,t :,1 fl y er •·:- i,r(•lnr1 J1al: Zur ·r1tec,r ic und )le thodik drr
1

Ge~chich t.P, 1902. \ 1 µ1. auch rrtc•in„ Schrirt: l,11JL111·,\•i.;sf'nscflnft 1111d l"'\ a lor-
\ Yt ~;'.)cl\sch Rft, 2. A ur!. ~· . !lt f,.
19 •

ürg,t~hzado por Goog e


Hi~toriker um die-es Wissen nicl1t, wei l die Geschichte eben die Wi ·-


senschaft vom Individuell.en ist. Selbst ,venn also die Geschicllte von
ihren Objekten z u \V e n i g weiß, ,veiil sie zugleicll aucl1 v,o n ihoe11
z u v i e 1[~Sie kann sich deshalb niernals darauf beschränken, 2t1 er-
zählen, , 1\\>'ie es eigentlich gewesen'' oder „idiographiscJ1'' ru ver-
fahrcr11 sondern sie l1at überall die Aufgabet das \Ve.:.entJiche vorn
U.n ,vesentlicl1en zu sc.heiden. Für ejne solche Sclieidung aber n1uß
1

1
• es leitende Gesichtspunkte geben, und diese ind als Pri11zipier1 der
historischen Darstellung zum ausdrücklictte11 B e,,•t1ßtseit1. zu bringen~7
f
So ·tritt, auch abgesehen von der im logiscl1cn Interes,i;e bcrochtigt,en
}7ib."tion, d as P1•oblem der l1istorischcn Bcgriffsbildurlg dculli cli zu-
tage.
1--Iaben ,vir nun darun1 aber .at•ch ein Recht, von his torisrl1er
B e g r i f f s bildt1ng zu sprechen? ~Ian körinte gerade auf Grund
un~crer früheren Ausfül1n1ngen d agegen etwa rolge11des einwenden .
pve1w die G<.--scl1icl1te aucl1 nicht alle Tatsa cl1e11 zu bericl1Len l1at, so
bleibt es doch dabei, d aß sie eben diese oder jene individuellen 'fa.t,..
sachen als ,virkJicl1 kon ·tatierl, ,vähre11d i'n1 Gege11saLz dazt1 dje Na-
tunvisscnschaftea Begriffe bildenJZ,var l1u't !:Zelbstvers~~ndlich jed e
en1piriscl10 \Visscnsr.l1aft es mit ,\1irklicl1cn Dingnn und Vorg:ingrn 1.,1
tun, insofern iltre Begriff(~ für die \Virltliclilteit tind nur- für sie geJtcn
sollen, denn wollte jemand P11a11L:1.sicgebi1de in ein SysLen1 allge-
meiner Begriffe bringen, so \vürclc kci11 l\1enscl1 eins atu1".vissen-
schaft oder 11berh nt1pt "'' isser1scha[l ne11ncn. Aber i11sofern ist docl,
die Natun\liss •J1scl1aft. Begrtffs" 1iss-er1schaft i111 Gegensatz zur Ge„
sc}1icl1te 1 als nicl1t 11ur der Inhalt il1l'er Begriffe dem l11l1alt.e der cn1piri-
schen \\lirl(licl1kcit un1 o ,veL1iger gleicht, je tln1fas-ser1<ler diese Be-
grifrc ,,•erden, so11dcl'n aucl1 i11soforn , a.ls d.io ßxistc11z ili rer Objekte
nicl1L in UrLei l<'rt atisdrücltlich lu"!rvorgcllobc11 ztt '"''erden braucht.
Sütze :i. B . ,,ie: es ribt eine l(örper,,·cltj ns exist.icrt. \\lns er, od er es
lcbf' Jl. l\lcn chcn , sind nicl,t Inl,a lit sondern s tillsch,veiger1d • Voraus•
setzt111g der Nat1rr,\'isscnscl1a ftc11 1 die von d er l Öl'JJer,vclt iiber.h aupt,
v or11 \\l'as er oder ,,001 ~let1scl1et1 l1ancleln1 d . l-1. gerade \)l<::il diese
Urteile absolut sclb. tvers tändlicl1 s incl, gehören si~ 11icl,t 111chr in •
djese \Vissc11schaften hi11cin . So Jie~rt also überall jn der atur,visscn-
scl1aft. der cl1v.·l"rpl1n kt der Pr·o hlc1T1c ir1 der I„r~gc 11nch der G liung
d er Begriffc, nicht in d er Frttgc nac11 tlcr Exi:}tc111, der Ot>j i.:ktc. In
der GcschichLS\\'ts~cr1scha fL d .-.\g('ge11 l,a!Jcr\ bloße Existcn z.ialurteile
t'i11P. pri11zipiell an<lcrc B eclctttung. Ocr I-lil" l•_,ril{cr sagt forl,\ il hr"n•d :

0191 lt ado por Goog e


- 293 -
dies wa r so, tind j:enes war anders, und gerade die r ein tatsächliche
Wahrheit solcl1cr Urteile zu behaupten und zu begründen, ist das,
\Vorauf es ihrn ankommt. Umgekehrt v.rie in de1· NalruT\\1issenscbaft.
Jie:gt also hier der Sch"verpunkt der Probleme in der .F rage nach der
E xist enz der Objekte, njcht in der Frage nacl1 der Gelt.urig •d er Begriffe,
und d eshalb s,cl1eint inan auch eine l1ist.oriscl,e B e g r i ff s bildung
nicht der naturwissensch a Ctlichen parallel set1.e11 zu kön11en. DaH
\1/ort Beyriff muß in der Geschichte einen ganz anderet1 Sinn a ls in
der Natt1nvissen.schaft. haben . \ ~as ist llicrzu zu sagen ?
Ge.,viO, ein prinzipieller Unt erschied best.el1t , ja, t1nserc gar1ze
Da.r stellur1g war bemüht, ihn nach.zuweisen. Aber e1· kann u1is doch
nicht daran J1indcrn, d en f>rozeO, durctl den in der Ges.chichte eine
Au5,val1l des Wesentlieh,cn vom • n,vesentJicllen vorgenommen ,vird,
und d er be,virkt, da ß eine h istoriscl1e Darstellu·n g gerade aus diesen
·u nd nict1t aus jenen Existonzialurtei len besteht, ebenJall$ als Begriffs-
bildung zu bezeichne11. Bisl1er h~1ben wiir das Wort „Begriff' ' freilich
immer nur so gebrau•c ht, daß es ein Gebilde 1n1t a llgemeinem Inha lt
~ clcutcte, ,,·eil <ljc Logik, we1u1 sie von ,vi . e11sc.t1aftlich •n Begriffen
redet., rast. a u schließlich das zu be rücksichtige11 pflegt, \vorin die
E igenart des natur,,rissenschaft.l ichen Begriffes bestelit. Docll darin

sehen wir ja gerade d ie Einseitigkeit, ciie ,vir übcr\,ii ndcn "~ollen. Es
bilclet al ·o die Gescliichte zwar nicl1 t allE>-e1neine Begriffe ,vie die
generalisierenden l)i5ziplinen 1 alJcr sie kann andererseits eberi-so\v•enig
wie die Natun vissens<;haft ihre Objekte, z. B . Cäsar oder den dreißig~
jäh rigen l{rieg oder ciie E1tlstcJ1u11g der Ritlerbrüter oder die nieder-
lättdische l\falerci :;Plbst i11 ihre Dar tellung au f11cl,nlc.n 1 so11dern auch
sie mt1ß "Gedankc11" v o n Cäsar orl er v o n der Rnl.st.cllttng der Rit-
tergü Ler bjlde11, und cJa di<'sc Geclankc11 sic l1 inhaltlich 11ie1r,als 1nit
den unü11erschbar 1nannigfaltigen \vi1·J<.lic1•cn Vorg:.ingcrt 1-(<?na tJ <!.ecken \ 1
kör1nen , so sind ett1ch ic, ob,vol1 l sie kei11en a 11 g e m c in c n Inhalt
habe11, doch 1 ,Br,griffe" i ll de111 S,i11rte, daß in ihnen <las f(ir die Ge- 1'

cl, ichte \;\/es-entliehe ot1s der \Virklict1keit herau. gehobc11 u11d zu- '• '
sani.mengefaßt, i t, \vie die . · ntl1r,,ris. cnschaft Brgrif(e bildet, indcllt
sie das !C1r sie \\l<'::cnllic hc au: d er \Virklicl1kcit l1crat1shcbt und zu-
sa1n111enfaßt. ' clbsLverslä11cll.icll sind diese l1i 'lorischen Be.griffe
ihrern Gehalt nach n t1r dantl ,,,il·klich zu <lenken, ,vc1111 n1a11 sie i11
Exislenzialurtr-ile ouflösL, rl.io von den durch ~ie dnrgestclllcn Dingen
'
und Vorgüngcn crzültlen, nbcr d ic rr1setzung in Urteile i::t, ,,·ie ,vir
gcz.eigt 11.:iben, au"l1 bei <le111 I)e11kcn nat ur,vi:-..~e1t cl1afllichcr Begriffe

0191 lt ado por Goog e



- 294 -
not,vendig. 11nd o bestet1t i11 diesel' Hinsicht eber1falls kein prinzi-
pieller Unterschied. \ Ven11 UI, s.ic!l1 in dem einen Falle un1 Urteile han-
delt, dje rrut llücksicl1t au f der1 z~·cck der ~atur\\1i ·sen cltafl, da
Allge111eir1e zu erfas:-ie11, gebildet. s ind , in dein ander11 F'alle dagege11
um UrLei le, die v on der bcsonclerer,a ttnd individuclle11 \Virklict1keit
bcricl1ten, so lrilt darin cbc11 nur· der Untcrscl,ied det' naLt11"\vÜsscnschnft-
licl1e11 tmd d.e r )1isLorischen Darst ellu11g übc1 l1aupl zLttagc. Den Ter-
mu1us ,,Begriff'' aber ,vollen ,vir in seiner ,veitesten B edeutung gerade
von diesem · n tcrscl,iede frei h.1 lten; ~-ir ,,,ollen ihn für jedes logi cl1c
Gebilde ver,vendcrlt desse11 Gel1alL die Erker1nt11is der Objekte in sicl1
scb.ließt. ur so kom111eu ,,·i1· zu eir1er ,val,rt1af~ urnfasse11de11 und al l-
seitigen Theorie der Bcg1·i([sbiJdung, i.1nd deshallJ i t, e i111 logischen
Ln tcressc gerechtfertigt, die Gobil()e\ in denen das h ist ori gche \Vesen der
WirkJichkeit individualisiere11d crfa ßti t, cbcr1 o Begrifre zu nenr1en ,vie
die Gebilde, in denen die allge,neiue Natur clcr Di11ge ihren Au druck
'
findet. In dem angegebenen inne muß , n l l es " 'i~sc11~cJ1artliche
-
Der1ken sicl\ i11 Begriffen be,vcgen , die incliv,i dualisie renJe Geschict,te

1 nicht ,,·e11iger al die ger1el'a)isiere.nJc Nalur\vissenscl1alt,
1
1
Abgesehc11 v o.n cler An,,,endung dieser 11icl1t üb)icl:1e11 Tern1i110-
J
Jogic liegt jedocla nicl1t.s uns rerner, als eine 11.0 l1 nien1al ·· angc\,1endete
11 e u e ~1etllodc der hiBt.orisct1c11 DarsLcllu11" zt1 erfinclcn und sie im

Gege11salze zu dczn jetzt •cbl'äucl1licl1e11 \ rorfal1rcn al:-i <lic einzig


berechtigte hiniu<, tcU.e11. Wir incl vicl111ehr, ebe1tso ,vie bei iier Uotel'-
sucl1ung der Nutur,,,isscr1scl1aft, u11r von rlcr Ab. icl1t gelE:>itcl, die
,,•irklich a11s,,.eübtc ,vissc11sc!.afLliclle 'I'iitigkcit. <lcs Hiswril,ers z11
ve rsLelien, d . 11 . die logi eh e Strul<tur l{e>me11 zu lerne,, , die j e d c
historisc l1e Darstcl lt11\g zeigr.n ,nuß. B i11 anderes Ve,·hällni~ ,vird die
• L ogik zur crnpirisel1cn Forschur1g nie haben. Höe l11-tcr1: ka11r1 die
Bcsi1inung at1f die logi. hcn ß csor1clcrhciten einer U11t crsuchung nut
die~er selbst Hat1d in Hand oehcn u11d sie llacl\.1rcl1 zielbe\\rußLcr gc-
::-Lallen . In den bei " 1ciLeJ11 rn.ci:;te11 F i..illen aber sittd die \i\7i sen~
:)cl1afL1_:! ll bis zu einerr1 l1ol1cn Grorie altsgcb ildeL, ctie die R eflexion au f
il1re logische · truk t ur hcgir1nt. Sogar ,vcnr1 rJie Erkenntnistheorie
nacll der Bcgrü11clttr1g gc,vis.scr· , 1Votausse tzu11gcn.'' d er \~tisscrtschaft
fragt, und dabei deren Geltung i11 dein r1hilosoph isch hercchtigt<>n
Interesse niöglichsl gr<>ßer Vor:tussf'tzu1lg:-losigl<cit J)ro)Jlcn1ati. eh z11
macl1e11 versucht, läßL sie rlic Be<lcuLurtg d <'r- VVisscnschaft.e11 in il1rer •
Eigc11scl1aft als ernpirischer Spezialfot·:-cl)u1tg•~1t ~:111z au~ d",n Spiel,
s,o naß sie a11cl1 du11n nicl1t d('n 1\nspruch erheht1 fülarend der "''i se11-

D1911 11,ado por Goc,gle


-
schaft die \,Vege zu ,,,eisen, sondern nur verstehend ihr folgen ,,,itl.
Dies kann so selb8tverständ lich crsc hei11en 1 daß es rticht gesagt zu
,verden brauchte.•~ber gerade <iie Logik der Gcschicli ts,,·issei-lschaften
hat Grund aucb das • elbstverstäJ1dliche zu betonen. Nocl1 i11)111f'r ist {
&, a11 der Tagesordnung, die Gcscl1ichte durch J-\ ·n preisung einer· von

ih.r n·icn11tls gebrauchten !\lcthodc en<llicJ1 1 zum Range eiuer \Visse11-


scl1o(t z11 erl1eber1 1 ' . \ Ven11 solche '\lersuclte nacl1 einer Zeit, in der die '
historiscl1en \-Vi se·n :)chafte,1 es zu eir1er unge,vöhn licl1en Höl1c ge-
bracht haber11 sclion an iclt et,vas ,vu11dcr licl1 u11d außcrdcn1 ehr
rückschrittlicl1 erschei11en, \.veil dabei i1n1n.er nur a11f die Geclankc11
einer glücklich überv: undene11, . pezifisch t1nhi st orisc l1en oder antil1i-
st ori---c llcn Philos<>pl1io früh erer Zciter1 zurtickf!cgriffen ,,·irt.l , o ist es
noch g.a r1z besor1ders c.rsl aunlicl1, d aß diese ,itelhodoJogi chc11 J(on-
stru ktionen nicbt eL\va von spekulativen, di e Erfahrung verachtenden
~leta1>ll}'Sikcr11 nusgel1on 1 sor1d crn ent,,·crler v o11 Philosophe11, die
sictl auf il\rc enge 1:.·ohlung rnit. der1 Erfa hrungs,.,.·isser1sc hafLen et,vas
zugu l.e tun, oder gnr von I-1 istoriker11 selbst., die ihre Ab1ieigung gegen
pl1ilosophische l<onstruktionen nicht genu.g l1ervorl1eben können . Es
ist scl1r begreiflich, daß andere Historiker d.adurcl1 gegenüber a l l e n
mctl1o<lologiscl1en nters11c~1ur1gcn et.,vas r11ißlrauiscl1 ge,vorc.l e11 sind,
uud 111a11 ,vird dah er vielleicht, tia ~cl1on die besch.eide11e Erfuhrungs-
philo!'lophie solcl1c ahen Letierlichen Bl(itcn \\'ie die „neu.c hi. torischc
~lethode<I zeitigt, noc h ""cl1li1nr11cres von einer l.ogik Cr\varten , die
aus drücklich l1ervorl1ebt, daß sie rei11 for1nal VCJ'fa l1rer1 \VilJ , llOd die
ich nußc1'<le11l noch in den Dienst einer itlea li::ilisrhcn \Vellanscha u- •
ung st ellt. Dc:--l1alb \.Vl•iscn \,·ir vo,1 v o rnc hf~rei11 darauf l1in 1 daO e~ 11ur
die ~aturali~tcn ttncl angeblichen E1l1 pjristen :;ju<l , die d ein Vcl"slänll-
n is der vorhandcr\eu hi torir-rhc11 \Vissen~cha ftc11 fern genug steher1 1
u n1 eine nette hi. tori~cl,e l\fet.hocle zu fordern , dnß dagpg~n die l.,og-ik,
\\·ie \Vir • ic hier Lrc-ibcn, oiclt~ i11 ß creilsch.a ft, hal ten ka11n, ,vo(lurcl1 \l I
eine 11eue Aera der historischen For!5chung herbeill'cftih rt ,,·crd c1\ sflll. 1

Sie ,,•ill das logische ·,ve cn d c r Gcsc hicht.s,vissenscha fL verslcl1e1> 1 l


die ,virkJich existiert., denn nur so kann :,ie die Bedeutu ng der Ge- J
1
schichte für die \ VeJt anscl1aut1ng::.lchrc \,·ür<Jigen.
\
Das heißt ='c)LsLverst i.i11d I it II 11ir ht 1 •.laß die Logik d.cr Gesc h ic: lt Le
dns Verfallren einei- ei11ze lr1e11 I-listorikers, ,,·ic cL,va da Ruul,cs, oder
die be:tonderc ~fctho1lc einer sogenannten 1 ,a ltcn Richtung" fiir alle
ZeiLcn als gül tig Cti:;tl ·gen u11<l die Einfül1rung ne11et· Gesicht~punkte
in die Gcrscbic hl"'"issciu:it: hafl für u11 gei-ec hlfcrtigl crltlärer1 ,,·ill, <len11

0191 lt ado por Goog e



-
- 296

d.ies wäre ein ebenso l1offnungr loser Versuch, die Wissenschaften zu


111eistern 1 ,,,ie die Proklnmierung einer wi senschaftlicl1en Universalme-
tt1ode oder das Unternehrnen, die \-Verke Rankes aus der \Vissenscl1aft
hinauszu,veisen. In1 Gegent eil, un: er B egriff der Geschichte rnuO s o
allgen1ein uncl urnfassend sein ,vie unser Begriff der Natunvissen-
schaft. Auch die ,,mod.e n1sten' 1 B esLrebungcn, wie z. B . die der
Wirtschaftsgeschict1te, der „Kulturgcschicl1te'', der geographjsch,en
und der „mat erialistischen" Geschicl1t...,auffasst1ng darf er nict1t aus-
schließen , sondern aucl1 sio hat er loffisch zu verstehen. Aber gerade
d eswegen ist es von vorrtl1erein unmöglich, daß \\'ir 2.u Resultaten

ko11unen, die a\1f die Geschichte, wie Ranke oder andere Vertreter cler
,,älteren." Rie~1t.ung sie geschrieben llaben 1 11icl1t passen . Wir glauben

vielnlehr zeirren zu können, d aß die in Wahr}1eit n euen Gesicl1tspunkte 1

in der Geschicbt.s\Vis cnscl1a(t, \\1ie z. B . die grö'ßere Be1·0cks_ichtigu11g


d e.0 \-Yirtschaftlicllen Lebens, gege11 die die Logik r1icht. das Geringste 1
ein,venden kann 1 weil sie hier überhaupt kein Urteil b esitzt, i1ur die
Einfül1ru11g eines neuen ~1 a t e r i a 1~ , nicl1t die Einführung einer •
r1euen ~1el.llode bedeuten, und daO auch oie in der 1~J1eorie t·adikal ten
Vertreter der 1111euen ~'l ethode'' 1 solorlge siP. nt1r überhaupt Ge chichte
sehreiben 1 in der Praxis stets, wenn auc}1 ohrte e · zu \\li$sen , n acl1 der
1'iletl1ode arbeiten, die imn1er von der Gcschicht.e ange,vendet ist uud
so lange ange,vendet, ,,,erden ,vird, aJs es Gescl1ict1ts,,,issen chaft gibt.
Et,\·as anderes ist freilich eben!t lls nacl1drucklich zu hctone11, das
vielleicht als ein e Ein,~chränl,ung des soeben GesagLen angesehen ,,,er-
'
den \Vird. Wenn ,vir 11äm lich auch al Re s u I· t a t der Uutersucltur1<~

11 nur" eitae eberein$li1nmung der logiscl1en 'fh eorie11 01it der i\tcthode
d-e r ,virl{lich vorhandenen bistorischc11 \Vissens(~liaften erstrP.bCJ) t so
ka1m de l1aJb der W e g , auf de1n ,vir zu den für das logische , , ersländ-
nis der Gcschicl1ts ,visscnschufL braucltharen Begriffen geJa11ge11, nicl1t
in einer bloßen 1\ n a I y s e der vo1·oefundcnc1l \-vis enschaftli chcn
rf'ütig!{eit bestehen, Ju, ,vir glauben sogar, da.U eit1e U11tcr"ucl1ung1
welcl1e da111jt beE,rinnen wollte, 11iemals zu Ergebni1-se11 von logisc her
BedeuL\111g gelange11 könnle. \iVir babcn den Grund da fül' in der Eifl•
leitur1g schon angedcu t..ct . \,'enn keine \~/is.F.er1sclt:>fL i11 einer Bescl1rei-
bung als einer bloßen \,\'iedergabe ihres l\'l a teriols bcslcl1t, so kann
schon aus diesern Gru11cle a1ctcl1 (lie Logik J\icht hlofJe nBescl1rcibung' 1
sein . Sind doch rf ic '1\'issmischafLen selb. t ein Lück der. hi~toriscl1e11
\\1irklicl1k:cil 1 <las, ,rie ,vir ,visse,1 1 sic~t ohne ein Prinzip d er A11s,vahl
gar ni chL l1esrlirci bcn läßl . Der Begriff J et· 11 reir11:n Ir1tlul,;'L1011'', \\'ie

0191 lt ado por Goog e


- 297 -
das noch immer Ilicht verschv,11nde11e Schlag"-vort lautet, ist in Wahr-
hei t nur das Ideal einer rein deduktiv verfaltrendf'n, radikal en1piristi-
schen Spekulation, die rnit dem ,virkliclten ,vi senscl1aftlichen Denken
kejne Benlhrungspunkte hat, und der Versuclt, in der Logjk rein induk-
tiv v orzugehen, muß aus besonderen Griinden vollends unfruchtbar
bleibe11. \Vie ,vol}te man die Struktur der Wisse,n:scl1aftcn ei11fach
ablesen. ,venn es sich um die Klarlegung 7,,reier logi~cl1, also fornlal
einander entgegengesetzter ~lethoden handelt? Die Te.iiung der wis-
senscha.ftlichen Arbeit knüpft ja z.t1erst nicllt an lo~ische sondern an
inhP.)tliche Unterschiede des l\laterial, an, und diese müssen sich not-
,vendig in den Vordergrund drängen , sobald der Versucl1 gemacht wird,
die verschiedenen Wissenschaften ,,induktiv'' zu bescl1 reiben. D~
halb kann n1an die logischen Gegensatze, un1 sie überhatipt sichtbar
z,u mactien, zunächs t nt1r formal , ohne Rück.sicl1t auf die vorlicgc·nden
Einwlwi"sensch.aften in iltrer eJ "rnentarsten Gest.alt kons truieren.
Formale Konstruktionen dieser Art finclen \vir d-enn auch bei ?.1ännern
der Einzelwissenscb.af.ten, die. sielt über die McLl1ode i11rer Arbeit kJar ,
zu \\'erden v ersucl1tc11. Boeckh 1 z. B . .. agt, it n Zusa1nrl1en hang rnit ~,
seiner bekannten Defi11ition der Philologie als der i,Erkenntnis des
Erkannten '': "Es war :u ot,,1endig, erst einen unbeschränl(ten Beg-riff
von der Plulologic aufz uswllcn, urn alle willkürlichen Bestin111·1tmgen
zu entfernen ttnd das eigentlicl1e \Vesen de·r Wissen cl1aft zu finden.' '
So vcrsucllen auch ,vir hier, es zu .111ochen, und haben ein Rec ht dazu,
·~•enn \\-'1.r i1rul1.er nur dara·n denken, daß, u1n ,\•iecler \\Torte Boer.khs
zu gebrauchen, ,,j.e unbescl1ränkter der Begriff jst, dest o inchr die
Besct,ränkun·{l in der Au sfühnin·g geboten sein muß" . ln den a llgen1ej-
ncn Teile11 der Logik ist rr1an aucl1 ar'l dieses Verfallren a ls an. ct.,vas
gar1z .selbstvers Uin.<llich.cs gewöh11t , und nu.r, ,vo die ?Ylethoder1lellre
sich spev.iellercn ,,,issenschaft.lichen Formen z11,vcn<lcl, fi11derl ,,·ir o(t,
daß v on An[ang an d •r Inl1alt der bchaut.lclLcn \Visscn cl1aften die
H auptrolle pielt. Solche Unl.er:;uchungen geben rlann 111cl1r cir1en
enzyklop ildiscl1en Ueber.blick über die \rcrschietlene11 Di zipl incn als
eine Entv.·icklung logischer Begriffe, und gerade diesen enz)•klopäcii-
schet:1 Cl1arakler sucher1 ,vir auch iin folgenden, ebenso ,vie bei der
Dars tellung der nnt.unvissenschafUict,en Begriffsbildung, sor~gfaltig
zu vcr1 neiden, um wirklich eine J o g i s c b e 1"lctt1odcnlellre der
b.istoriscl1en Bcgrif(sbildurlg zustande ztt brjngcn. Das empirische
1 Enz_y klop!'tdio und l\l<'lho(lolo,rie dl'r philologiscl1e n \\'i!tst-nt-ehnrten, 1877,
. 20.

D1911 11,ado por Goc,gle


298

birtterial darf i11u11 cr nur ::.1 Beispiel zur VcrcleuLlichung ein.es vorher
fest,:rest.elltcn logisc he11 Prir1z.i-pes auflrel.e11, tancl auch das darf nic-
111andc11 stören 1 clnO die zuerst rein ror1l1al ent'"·ickelLeo logi ·cl1e11 Prin-
zipien cingcschrä'rll<t \\·crd<'n rnti ss~r1, \Vcnn e.s gilt, ie auf die wirklich
vorl,arldene au ·geO.bt.e ,vi~::sen ' Cilaft.liehe P ri,xi zu bczicl1<'n. Die
- ; irklichert \.Visscn~cl1arten gcl1en als hi~tori ehe l~akw in k eir1 Scl1cn1a
rcstlo:; e in. Abe r ,vir b.e dürf 'n. cler allgen1cin cn logiscl1en • chcu1ata,
u1rt a uf diese \Vcise die loo-iscl1e Struklur ,d er Wi~:-<c·11sc hafLen zu ver-
s teh en u11d die verscl1ictlenen Joc-ri~cl1en B estandteile v orieit1an<lc r zt1
so,1dcrn, rli.e in ihnen ~ll einer Einheit zu. an11neng ~hcn.
Hicr;,;u ko111111L noc·}1 ein and erer Gru11c-l, der uns veranlallt, zu-
nächst. fortr1al od,cr 1 ,dcdukliv" zu verfahre11 . \\ 1o die Wis cnschaft.s -
lehre ll)it vorher festgcsLellten Bcgrirfcn an ihre Arbeit gcga11gen ist,
, var ie !-ic l1 <lc~scri meist, nicht bc,\·ußt sondern raOtc das \ 1erhältnis
des Allgcrncirten zu111 Besor1dcren , nls vers lt•he iclt tl a. ga nz von scl}JF-t,
so auf, d a □ sje n11r die U11Lerord1\\111g d.cs Besondrren unt.c.r den allge-
meinen Bc11·riff bcr,1 cl\sichligtc. Jr1folge(l<•~en J>Aßtc a llei11 die 11atur-
\\ri:--sett:5.e l1a [ll ic1Je Begriff:;bi]du11g in ihr "'rhcrna. Für all 's Rltdere \Var
sje so gut ,vie bljnd 1 oder sie vers11chlc 1 all e::; in ihr .. <!l1cn1 t\ zu pressen .
G radc durch unser bc,vu.ßt t.lctlukti,re v'crfa lircr1, da:1 1tieht, nur
c i 11 c so11c.lcr1t vo11 vor11cl1orei11 a 1 1c denkLare11 i iöglichkeilc11 \'011
begrifflichen Da~t ellurtge11 der \,\fjrkl,ichkeit berü ck ic htigtr ,vollü11
\\'ir ◄ liese Eiu. e itigkeit übern·inrl e·n 11r1d den U\l är h Iir h vorh antl.r•r1cn
\\ fis:-en. chaften gr rccht ,vc rdcn. \ iVir k.o nslruierc11 dcs h.alb z11 crs.t d en

rei11 Jogi ·chl'11 13t'grjff ei11er hisloriltc·he11 ~lethode tin ◄. l ~ l:'ndt•11. i}1n
dann a uf d ie e111pirisr he \ \fissen:;c- hafl :1n 1 d. 11 . ,vir verfahren gcru.1u
un1g•r.k Ht1rt \vie die lo~iscl1cn Natura LisLen, die zuerst 1·ci11e E,npirie
prokla1r1iercn , un, <Jann bei der rein spt·k.11lat ivo11 F ord erung einer •
histo ri:;c hcn \Vis~enscha[t u11z\11a11gt-n, c.lie, ,venr1 ie die> der Gc!-chi chlie
zufnllend ~Jl Au(gn.l)en löse-1l o ll , ni Pu1nl:; ve1•,\·irl<licl1t ,vercJen kann.
Zu1t~it~hsl mag d ies forr11 ale Vcrfnhrcn g<•gc:niibcr dc11 Gest·l,jc hls-
' issen~cl1artcn rr ilicl1 u11f1"llt htbarer cr.sclu: ,11 C'r1 al, gegenliber d•en
N att1n\'is ·ct1sc hafl.c1t, denn. au:.-; Grü nJ cn 1 uie \,·i r ke11n Il lern ·11 \\'Crtlen,
ist tlen1 Jli~toriker be i der Dars tellung seirtcs :i\latcri als t'itt größerer
piclraum ft1r die Bet ütigu11g i11Jividu eller Eigerta.J'Le11 g-egeben, die
sict1 auf logische l 1'or111 cln ühcrl1 nupL 11ir lit bri11gcn la s. en. lgnoricr,c o
\Vir alle:; <lil'se~ uncl sPhc11 zugleic h v on je,Je nl l,c;;01l,lei•t'11 l11\1a lt d.er
Wissr-11~r haf~ ab , ~o ,,·il'd naan vi~llcicl,t, vo1t cler hi Lori:-che11 Tüti:zkeit
i111 A 11 f n n g Ull$.ercr l Jntcrs\1c hun.g ni c h t..➔ zu Cinclf' n glat1h~n . Aber

D1911 11,ado por Goc,gle


- 299

da_ ist noch kein Ejn\\•and gegen unsere Aufstellungen , und es V\>·idcr-
spricht ihrern z,vecke aucl1 nicht, "''en11. • eJbst d i e Hi torikcr ihr·e
Richtigkeit bestreiten olltcn, die ebenso ,vie ,vir von einer Hneuen
~1etbode1 1 nichts wissen ,vollen . Die Männer der Spezial,vi. scnschaft
braucl1e111 auch ,ven11 sie die l1islorisc.h e i\lell1ode mit Sicl1erl1eiL an-
\\'enden, die logischen Eigentümlichkeit.en ihres Verfahrens ich nicht
klar gctnacl,t zu haben. Aucl1 die 1\r,hä11ger der 11 alten Ricl1tung"
\\'erde11 oft 1nit viele11, il1nen nicl1t ausd1iicJ.clicl1 zum Be,vußtsein
gekomm ncn Voraussctzt1r1gen arbeiten,. ,vie es die Anllänger der
,,neuen Richtung" und rler angcbJ icl1c11 11cn1en Mcthorlc immer t11n .
Wollte die Logik nur (estsLellen , ,vns jeder His loriker bereit~ weiß,
o hätte sie lceinen Zweck. Vor allem aber ist im Auge zu behalten,
daß ei1te logische nt,orsucl1ung njcl1 t all •s at1 f eirtmäl sagen kn.nn.
und n,on ,,'ird ,lallcr gt1t tun, sein Urteil darüber, ob hier ,virklicl1
das z.u m Alt~druck gebracl1 t i t, ,vas jeder l{i. to riker tut,, bi. zum
Er1de der Darlcgl111g z.u suspendieren. Bei der Ent,vicklu11g d.c r logi-
l1en Schen}ata 1nuß zucl'::it ein1.nal aucl, hier ,,. ieder üb c r tri e-
h e n ,verden. Die nötigen Ein.schrü11l<.u11ge11 ,verclen danr1 chon
folgen. \Vem es sct1,ver \.verde11 sollte, in der not,,•endiger,veise et,vas
dünnen Lurt der logi 'cl1cn Gedanko11trär1gc zu almer1, der mög<: daraus
nicht <Jer Logik •cine11 \ ' or,vurf macl1cn. ie beha11delt ihre Pruble111e
nur uru it1rer seih t ,vjlJen, nicl1t aber un1 dern ~lann d er Einzel,ri$se11-
sc haften zu zeigen, ,vie nr c~ bei ~ einer 1\rbeit halten solle. Tut er nicht
ohne lo~isclie 'l' h.e orit! schon da RichLigo, so ,,ird er auch a u~ der \\fis-
senschaflslch re 11ichl.s lernen. Ergibt sicll a us dein Zusa1nr11e11l1ang
des Ganzen trotzdc1n aL1<::l1 et,vos für dan Spezialforscher \\iertvolles,
so ist das natürlicb crfrculict,, aber es bleibt docl1 in1 logischen I 11tercsse
nur ein Nebe1lcrfolg. Die Logik l1ot Z'tlnilchst für die Logik zu arbeite11.
Desha lb gf'hen ,,·ir aucl1 hier vo11 ga11z allge1lleioen \lnd abstra.ku-11 • •

logiscl1cu B•~griffcn aus, utr1 sie 'chritl. für · ·hritt in1111<'r 1n<•l1 r zt1
deter111i11iercn und so sc t1ließljch bei den1 Begriff der ,virl, lich at1sge-
übten Geschic hts,vissc1•scl1a.ft anzuk.01r1111cn . \Ver in so)c'h r 1\ Detcr-
rrti11ation on .it\ b 'Ch\.vächtJngco , Zugeständnisse, lnkon cq11c11 Z<!n ode1
dcrgleiche11 erblicltt, t1at sich den Sin11, den allein ei11e LoMi k. <1cr Ge-
schichte haben ka1m, noclt nicht klar gemacht. Daran 11tufJte l1ier
noch cinn1a t erinnert ,vcrdcn.

0191 lt ado por Goog e


1
(
- 30()

II .
Das l1 i t o r i s c h e I n d i v i d u u 1n.
Das Historische in seiner den.kbar ·w eitesten Bcdeutt1ng, in der
c mit dem einmaligen, üoorall individuellen, empirischen wirklichen
Gcscl1el1en selbst. zu arnn1enfällt, bildete die Grenze der natt1nvissen-
cl1afLlicl1en Begriffsbildung so,vol1l durch seine An chaulichk eit als
auch dtirch sein e Individualität. Nun ka·n n die empirische An-
s c 11 a u u n g vor1 keiner Wissensch.aft dargestellt "'~erden, denn sie
bleibt unter allen Gn1sUi:nde·n unübersehbar n1amugfaltig u_n,d geht
'
des.halb in keinen Begriif ein.. Anders dagegen steht e mit der I n-
d i v i d 11 a I i t ä t. W etlll sie uns aucl1 anschaulicl1 gegebei1 ist , so 1

f o )ri.t daraus noch nicllt, daß sie mit der Anschat1trng i d e n t i c h


se.i. D a s P r o b l e rn d e r 11 i s t o r i s c h e n B e g r i ff s b i 1-
d u n g b e s t e h t d e m n a c h d a r i n 1 o b e i n e ,v i s s e n•
scl1aftliche Bearbeitt1ng und Ver e infa c l1ung
d e r a n s c h a u l i c h e n \1/ i r k I i c h k e i t m ö g l i c h. i s t,
o h n e d a ß i n i l1 r, ~v i c i n d o n B e g r i f f o n d c r N a t u r- •
1
\
,v i s s e n s ,c }1 a f t , z u g l e i c 11 a u c h d i e l n d i v i d t1 a l i t ü t
v e r l o r e n g e h t, und trotzclc,11 nicht t1t1 r ei11e b-loßc „Be chrei- 1

hung'' von 'l~ntsachcn cnl.steht, rlic s ich at ,vi :se.n . cl•nft.liche Dar- 1

stellu11g 11oeJ1 nicl1 t ansel1cn läßt . Das heißt, ""'ir n1üsst.>n jetzt fragen, i
t
ob aus der ttnübersel1barcn i\f annig[a.ltigkeit de onschaulicl1en In-
l
haltes der W il·l{licl•kcit hcsti1r1rt1Lc B estandteile so l1ernusgehoh en und '
zu ,,·issertscl1aftlicl1cn Begriffen so zu ~a1nir1e11gcscl1losscn ,,·erde11 kö11- f
t
11cn, daß sie nich t uo: eir1cr l\Iol1rhejt von Dingen tind ' '01•gfingcn j

Gemei11sa111c sor1d cn1 ,d aa nur an ein c 111 l11(livicluur1t \ f orha11de11e dar-


st ell ctt. So olleiJ1 ,verclen Begriffe mit inrliviouPllem In ha lt f>nlstehen,
die atif ,len Narncn historischer Bt~griffc A11spruct1 habe11. Daß bloße
Bcsc hr~ibun gen ind iviuucllcr Tatsachc1\, tlic selb.;tvcrstä11dlicl1 jeder-
zeit rn ö g 1 ic h sj ncl, noch 11,icllt di esen Nan1cn verdienf'!11, r11uß sicl1
scl1on a1..1s den1 Bisl1erigcn ergeben. '\'\iir ,votl,cn ja nur d a s 11 Begriff''
. n e1111en t ,,,orin eine ,vi~scnscha ftli f' hc Darstel lung il1r 1 n .A.hschluß
I
1 find et . '\,\'i r fragen al..o, ::-ir1d et,,·a inclividuelle Bl·griffc logisch ebenso
..
uun1,öglich , ,~·ie a nschnul iche Begri ffe es sriri ,,·ürden?
;'elbstve rslit11tllicl1 bes treiter1 ,, ir ,d ie Uncntl1ehrlichkeit eirles
A 11 gen) e i n e n fllr j,,dc ,,·issen:-~ha ftlic l1e BegriJt-;L1ild\1ng nicl1t.
c hon der flü c11tigc Blic k ;tuf eine gescli ichLlicl1c Darstcl h1ng zeigt, 1
<laß a·ucl, :-je fast durch,,.·cg aus \\·ort,en lJesteht, ,velchP allgerr1cine

0191 lt ado por Goog e


- 301

Bedeutungen haben , und es kann das nic ht ande rs sein, d enn nur
solche \Vortc sind allen v ors Uindlictl. z,var find en sich daneben Eigen-
na1nei11 und diese scheinen eine Ausnal1me zu bilder1 . Sie bcdcutcr1 •

aber ohne ,veitore Angabe ihres Sinnes nur für de11 et,vas, der das
darnit b ezeichnete Individuum at1s der Anscha uu.n g kennt und in de r
Brinner11ng zu reproduzieren v ermag. Die Kc1u1tnis solcl1er indivi-
dueller An s c h au u n ge n darf der lli t.orikor jedocl1 nion1als
v oraussetzen , \tnd Calls er . elb st ie besitzen so11Le, ,,ras ll.Ur dann n1öglich
ist, ,vetlll ·ratsacl1cn- und QuelJenmaterial ztl!-amn1enfal len , kann er
sje doch nur so auf eine11 andern übertrar,eo, daß er ihren Inl1alt rnit
Hilfe v orl al lgemeinen \Vortbede,1t11ngen ru1gi.b t. E ~ dürfen also auch
die E ige1u1amen in ejner llistoriscl1en Darstellung nur a ls Stellver-
treter für eine11 K.o rnplex von \Vorte11 mit allgemeiner· Bedeutung auf-
treter1, denn nt1r dann ist die Dnratellu11g fü1· j~den ver ländlich, der
sie l1ört oder liest . J a, ,vir müssen noch n1chr sagen. Es ist oichL
dieser ä ußerliche U rr1stand allein , d or den His toriker nvingt , a IJ es mit
l{jlfe von a}),~emeinen Begriffen da_1•zt1 ~telt.cn. Wir fa rlde11 früher 1.,
d aO j edes Urteil eines 1\lfg.c n1eincn b edarf und d eshalb scl,on die
Elemente, rnit der1en ,,·ir ei11en a llgcrncinc n natun,•i -.cz1gcha(tlichcn.
Be-griff bilden , selbst immer allgemein sind. \.Venn aber dies erste
Allgemeine unentbe.hrlich ist for j edes logisc l1e Denken übcrl1aupt,
so kann es selbs tvcrständ.licl1 bei cir1er geschichtli chen DarsLcl lt11tg
eben o,venig fehlen wie bei der natunvisscn -·cl1aftlichen B egriffsbil-
dung. In tie1n Sinn e, daO die E l e n1 e n t e der Urteile. und Begriffe
allgemein sin.d, muß de rrmach j e d es "vissenscl1aftliche Denken ein
Denken in a llgetneinen Be,griffe11 sei11 1 ,ind ,,,ollt e 111an also clcr Ge-
schichte die Aufg abe zuerteil en , nicl1ts ande res a ls individu elle It1-
hal,Le zu geben, so \\'ärc der BcgriJf der Geschichts ,,.. i s s e n s c 11 a r t
in der Ta t eine contradictio in aclj ccto.
Folgt aber hi eraus et,va, daß die Vcnvcncl11ng der aJlge111ei11cn
Wo,r tbcdcutt1n6 en als Begriffselen1errt.r r1ur irl der c in c n Richt ung
möglicl1 is ~, die \.\'ir in der Nnlurvnssen scl1ift fi11den '? Oder anders
ausgedrückt: la:s:; en sich mii Hilfe ,·on allgemeinen \Vortb edetttungeri
einmalige und in clividtlclle ' ' orgängc nur in der '\'eise ubeschreihen'' ,
daß <l ast \vas tlicse B escl1reibu11gct1 e11t.ltalt.cn, lc<liglicl1 als M a t c r i o 1
für ,veitere begrifflic he B earbeitung gelten kann? Freilicll , die Ele-
n1en.te "~;sser1scl1aftlicher Begriffe n1ü~sc11 für sicl1 gcnon1r11cn allge-

1 Vgl. oben . 4.~ rr.

ü1g1taltzado por Goog e



- 302 - r
.1
,nein sein, aber \-Vir l1aber1ja. frü l1er gcschcr1, daß sie, fül' sic,l1 betrachtet,
überl1aupt 11och kei11e ,vissensclta(tlicl1en ,,B egriffe•• ·ind sor1dern cr-st
1
in ihrer Zu ·a111rnensLellung et,,·a.s für die \ Vi ~. cnsehaft bedeuten, und •

diese ZusnmmeJ1. tellung b roucllt durcl1aus nicl1t in1n1er in d er \Veise i1
vorgerlomrr1en zu ,ve rden, daß dadurch ,vieder ein Begrifr mit allge- '
n1cincm Inhalt entstcl1t.. 'ic kann vielrnehr a uclt so crfa lgc·n , d aß der 1
sicl1 ergebende l{omplex von allgemeir1en Elen1e11Le11 als lianzes einen
InJ1alt hnL, der sich nur a11 einen1 einmaliger1 und be..onderen Objekt
fin(lot und a lso geraflc das da1-stellt, ,,·od,1rch ~ich clicsc. Objekt vo11
alle n arlrJeren unterscheideL. ;fclir als diese ~'l öglit:hlceit, abe r braucl1en
,vir 11ic'h t , um den pri11zipiellen Gc 0 en ·at,z von alt1r,vissenscha fL ttnd
Gesc hichte auch fC1r di Begriff:,:.bi ldung ni1frecht zu erhalten. "'' ir
k önnen ihn n1it R iickmcl1t darauft daß alles Dcnl(e11 d,es Allgc111cinen
bedarf, d,\1111 so formulieren : in der Natltr\-vissen:;cl1afL i!>;t d.:ts Allge-
1neinc1 dns bereits ir1 de n clc1nentars tcn \Vu.rtbcdcutu ngcn vo rliegt,
f zuglei cl1 das, \v:1s die \\ ' jsse118chafL \\ ciler auszubilden sicl1 betnü ht,
1

/ d. t1 . eit1 allge1ncir1er Beg riff 1 <lern Jie Fülle des E i11zel11e11 -icl1 t1nler-
orclr1en läßt, i t ihr Z ,v e c Je . Auch <iie speziellstcr1 Naturgesetze 1
1
r
r.n üsscn irr1tr'ler noch für beliebig ,·it.' lc individuell e Din~<- und \'orgä11ge 1
gellen, ,11·e1111 sie den :.T a1r1cr1 ci11es „Ge etzes" vcr<lic1te11 (lllet1 . Die
Ge~chicl1t~ clar,"gcn be11ulzL z,var eben.fall~ dns AIJgcrneine, t,ro über-
hc:t\JF>t ,,·isscn. chnftl icl1 denken tir,,I urt<'ilen zu kö11nen , al,cr <lu~ All-
,· gcrt1ei.r10 ist ff1r ~ic le<liglicl1 ~I i t. t e 1. E~ i~t der l: n1,veg, aur dc1r1
I ' sie ,vinrlcr z.u111 ] 11di,ddu ·IJe1t, als illrer11 eige11 t lic l1ett G<'gensln11de,
zut(1clczu ko111.1nen . t,cl.t. • i,e be11u tzt es eben so, ,,,ie (>i 1\ {~ Bt'!-cl1reil>11ng
es be nu tzt, t 11n ei11e rein t,aL--üchlirhc \,\firkl irhlie it <larzus telll·n, und
ttttr ciaraur li:01nrnL es a11 , clas ,visoer1scha ft licl1e ZicJ zu ver:-l<•hen , dem
ei1l .. ol ·he Dar~te-llu 11g cles l1ttli·vid ucll<-.11 cJie11t. \\'ir- ,vollen jn hier clie •
,\.T i:;scnschaften nicht n1it R ii r k. 1cht nu·f ilirr I\lit..tcl souuc1·11 11ur n1il
'
l {ück icht auf il1rc Ziele c hnral{trri!,iercn . Bel1auplunge11 ,vie die,
daß a lles ,vi::-sc118r.hafllie hc Dr·1lk1:11 111it Allgc1llt!.ii1begriffcn arbeitet,
si11,I claber z~·a r u11au(cc·l1Lbar 1 ir1 llicscr t;11be~ liJ11J11t.l1r·it j<'dnch für
die Frage, ob die Gcii<·hicht.:-,vis1-cn:tcl,.,rt (lic-:,;cll,f'11 Z i e I o ,vie Jie
Natur--.\'is:;enscl1~, rt ,,crrolgt, ga11z l)fldcl1Lt1ng6lu . .-\ lle Begrifft: 111üsscn
~ic h z,v a r in ~r tcilc auflösen lasseJl, d cl'cn le tzte Bestandteile t1llgc-
11 tt"in ::-in,I, diese U 1·teilc a]Jcr k.ö1111€'n i11 ihrer Gcsarn tllr.it so,vot.,J
et\vas .~\ llgP rnei J\Pi- als ~ ur h c t..,vas Eir1111a li gos u11<i l11d i,ridu ellt•: dH r-
sl ellcn , t111tl cl HrR,rf allci11 l, 0 111111l es l,ier a 11.
·1·r1JlzJ.c111 ha.L 111a11 fl~,1 · ,n~ta11d, duß jedes Crt.eil .all!.'.!'c 111ci11e

ü1g1taltzado por Goog e


- 3(}3

Begriffe enthält, gerad ezu zum Angelpt1nkt der Ge chichL~n1ethod,o logie


machen wolle11, und ga11z beso11dcrs rn.e rk,vurdig t 't uabci 1 daß 111a11
11icJ1t et,,·a die l\löglicl1keit einer Darstellung de InrJiviclt1ellen über-
haupt best.reit.et sondern clics als Aufgal>e der l{ u n s t. uezcichn.et .
Dest1alb soll die Gesc hicl1Le a ls Dars tellung de lr1dividucllc11 r1icl1t
\\'issen chart son clern l{un t sein . \ Venn nicht nur die bildende Kunst
sondern at1ch die Poesie gc,neint ist, so ist diese Argu111eJltilLion ,venig
überzeugend , ja, sie bc"''eist gerade die i\löglicltkcit d essen , \\'as ie
bc treiten 1nöcllte. Sollte es nä1nljch richtig sein, daß die Po('sic die
Aufgabe hat, Individ\JCll<'s darzt1stcllen - eine Ansicl1t1 , •on deren
n äherer Un tersuchu.11g \\'ir l1ier a b chen - so ,vird ja gcra<lc <iurch
den Hin\veis nul die Poesie d,ie ~Iöglich.keit, einer Darstellun" <lcs
l ndi,riduelletl n1it, Hilfe u cs .l\llge n,eincn dnrgclau . Oder ver,,1endet
et,..,.a <Iio l'.)ocsie 11icl1l al lr•c111ci11e \\fortbedeuluuger1 1 urn jcdr:111 l~c. er
oder J-{örer versl-iindlir.11 zu seilt, und briztgL ie nicl1t trolztlcn1 Dar-
st ellungen 1.u Ul n<le, die nnr,h tl er Bchaur1t.11ng d •r naLt1r,,'i:-isenscl1aft-
lich n. Ges<• h,ichtstl, evrntik cr et,,\·as Besond ere ' un<l In,lividuell,-.~ cn.t-
lta lter1? Freilich, ljoesic ist, 11i "ht Gcschichl,et scln>n aus d c i11 cin-
fac}1en Gru11de, \.vei l die us!-agen rler Ue:-chiel\ te ,va hr , cir1 ,r1iissen,
aber die bloße Existenz. clcr Poesie, rn lls sie ,vi rkli ch cl.ic Ditr5l cll ung
des Individuellen ,vä rc 1 würde o-cr111gen . u,n die ungrcJeutete11 --r1, ori cn
zu ,,·id e rlegcn. \ Värc die n<·ntbehrlicl1lceiL a llgen1cincr ,\1orLLedeu-
Lun r•p11 fiir <lus 1ne11schl iel1e Dc1tk.e11 sclHJn ein Eict,,·and g-rgen clie
~löglich kcit ei r1er D,1r:"tellun~ clc: Jndivid uelle11 , so l{ön'n te ee; Dicl1-
Lungen, die l ndi, ·iclu3 lilüLcr1 clat teilen, cbenso,,·enig ,,·ie Gc,,i,.c liicht c
geben. i\lit dein Hir1,,·eis <larftuf 1 daf3 je,lc:; Urleil nllgr111<'ine \,·orl-
b~cleut,unge.n c11tl1alleu u1uß 1 sin.d nl:,;o di.c J:>roJJle111c cler :\lf'I hoci er,-
lcl1re \\'irl, l.i ch nicllL Zll lö. ('rl ,
Aucl1 der U1r1:-:ta11cl , rl ~ß die Gc:.1.chicl,tc l1ii-,,veilcr1 11ieh t 11t1r ele-
11~entnrc allg-01l1ei r1c \\,'ortbc(let1l 11r1~cr1 sor1<lcn1 Auch au:-igctJi ltlete nn-
t t1r,vi~"'e11scharLlic he Begriffe l)enul?,t, hP l)t ihren. Cli nrakL,'r als ,,risser1-
sc1 ha(L vo1n It1<livitluf'ller1 njchL ~11f. . ie ,vird (1,\ dnru1 t11rl, ,,·c1,11 die
allgen1cincn \\'ortl) ·clct1Lungc11 i 11 den1 früher nn •egebr neo Sinne 11 un-
besti1nu1t•• s jnll. Ju, n1c111 kö111tlf' sognr bch,lUJ 1tt111 daß ,,·eil 1..l ic Nal.ur-
,,·iS!-lr11. cl1a[L n11el1 rl~n prurhg<~l,rauclt l,cein'fl t1ß t, ihr<' l~rgC'l}ni~sc
sr.l b~l, dn1111 a11f <lic lti~lori chc11 Dnrslell ur1gen cir1cn EinfluO i;c,,·irlr1cn,
,venn d.cr llisl-0rikr-r sich <J e~. cn g,tr 11ich L t,e,v ulJL ist. \ Vnlltc u1ar1 fr<·i-
licl1 die v orli.1nden, Gc~r hichls,,·is.s<'n. cha ft au f (l.ie . 'pu r (' t1 hit1 u11ler-
suchen , ,Jic V(>O cinc•r :olchctl B e ,jnflu. :;urig e1-iillilet1 , ;;.o ,, Üt'(lc dic~i:-

D191, h,ado po, Google


- 304

'"'ohl nicht viel ~lateriaJ zutage fördern. Aber vielleicl1t ist der ge-
ringe Gebraucli, den die Geschic)1te bi s h. er vo11 den Ergebnissen
der Naturwissenschaft gemac11t hat, ein Mangel, un-d auf jeden Fall
,vird rnan die i\töglichkoit nicht bestreiten könnont daß in demselben
Nfaße, ir1 d etrl die ollkor1unertheit ge,vis er oatur,visscrtSchaftliclter
Ailgcrneinbegriffe ,vächst, aucl1 die ,vis enscha{Llicbc Bestimmtheit.
ei1ter historischen Darstellung zu11i1nmt. J a, es Hißt sicll eventuell
die Behauptung vertreten, daß eine logis.cli ,,ollkon1111ene Geschicl1ts-
wi. scn~chart niemals mehr ele111c11 tare \\1ort.bede-u tungen sondern
n11r noch '"issen chaftlich be. ti11lnlte Allge111einbegriffc benutzen oll,
und daß sie <.luher ihre Begl'iffi.ele1nenle durch,,·eg drr Natur,"·issen-
schaft zu enlnet1men 110:t. J etle1lfnlls j t eine Förderung der Ge,-
scl1ichte durcl1 die Natunvissenschaft. irr1 Prir1zip nicht ausgcschlo en.
·rrot-zd1~1n braucl1cn wir l1ierbei nicht. lange zu v-e r,vcilcn, dc11n, ,vie
groß aucll der G-ebra11ch. rtalur,visscnschafL}icl1 cr B<1griffe ir-i einer
historiscl1en Darslelll111g ,ver,Je11 ttlÖ"'C, so kör111e 1a sie docll, ,,1enn mit
it1rer Hilfe ein einn1aliger inuividt1 •ller \ Forgar1g dargc_tellt werden soll,
an clcrr1 logi~cl1en Vcrhül triis von rlatt1nYi ' Scni;cl1a(tl ichcr t1nd ge-
schicl1tlichcr Begri Ffsbildung r1icht da:s Ccri11gste änclern. Sie SJ)ielen
un'l.er logiscl1en Ge icl1tspunl<tcn kci11c a11dcre Rolle als die allgemeinen
Begriffs e l c rn c n t e iiberbaupt, d. 11. :-ic sinrl z,,,ar, f(ir sich be-
t.rachtt::L, allgeinein, aber sie sind nicn1als der Z,veck oder dAs Ziel
einer hi t.orischen Darstellung so1td •i-11 ri ur ilar ~1ittel I t1nd sie n1üsscn •

si.cl1 in jhrcr Gc~n,nLheit stets ,vi "c.lcr zu hisl.orischer1 Begriffen 1nit


individ\1ellen1 Inhalt zusan,rnon sc}llicßen, ,,·erln durch sie das Ziel
errei ·l1L ,,,erden soll, das die Gesch.ichLc irn Auge l1aL.
Unser P1·oblerr1 begin nt dalier ers t mit der Frng , ,,·clches Prin-
zip die l1i Lorische Zusan1n1enstcllung der Bcgrjffscle1uc11t..e leitet .
Die Geschichte 1<.ann als \Vi cnscl1 aft 11ie111r-d s rtur in der ,,Beschrei-
bu ng'' inc)ividucller Tatsacl1en bcst.chcr1J olche Bescl1rcibu11gen, " ie
,,·ir ie z. B. in den Dar:--Lcllungc11 des l\lo1tc:lcs bcsitzc11 1 und ,,•ie ie
sich von jeder b-elieLigcn i11di iduellt-n \\lirl<licl1kcit g be11 lassen,
sind „hi tori-~c h'' nur i11 jer1er cr-Len 1 g:1111.. allgctl)cincn Bcdeutt1ng
des \Vortcs, i11 der es das F.in111alige und J11di,1iclucllc üLerhaupL be-
zeichnet.. können abet nict1t dazu diene11, den Begrif[ einer geschicht-
licllcn W i s s e n s c 11 n C L k lar zu n1achcn 1 . Au ch in der Ge-
-
l Oei,,hall> Jarl <ler t·lilt \\·c•i~ auf „B,•schrciuungl'n" einmali~•cr iudlvid.oellcr
Objcklt-, ,vie s ie sich als b loße Fc:-lSlt·llungcn von ·rat i;&cl1~n iu j e(ll' I' enlpiri~.c hcn

D191, h,ado por Google


- 305 -
schichte miissen die Elemen te des B egriffes eine Einheit im. Sinne der
Z u s a m m e n g e l1 ö r i g k e i t bilden, \.venn \1/i sse11scl1aft ent-
stel1en soll, und auf das Bar1d also,, das die Elemen te z.u einem Begriff
mit i1ldividuelle1n Inhalt zu arn111ensrl1ließt, kon11nt es für 1Jns allejn
an. Erst unter diesen1 Gesich l~pt1nkte kann v on einer G e l t u n g
d er historiscl1en Begriffe die R cdo ein. L äßt sich oin so lches spezifisch
hisLorisches Einheit.sprinzip njcl1t fiI1det1, <JanJl muß es h-ei der Behaup-
tu11g bleiben , daß die Darstellu11g alles Individuellen {!IS bloße Vor-
arbeit für eine ,vcitergcl1ende, generalisierende B egri(f!-bildung zu gelten
hat. Worin be tehl al~o die Einheit der l1istori chen Begriffe, ,,·enn
die Zusnm1ne11goböriglteit der B cg-riffselcmcnt.c nicht \Yic b ei einem
natu1"\vissenschaftlichen Begriff darauf beruht, daß er fiir alle ihrn
untcrge-ord11ctcr1 Excn1pla re gültig ist?
Ut11 diese Frage gn11z allgert,ein zu beant,vorten, krtopren ,vir
\\'ieder an den d cn'k bar u.111fassendsten Begriff des Historisc hen , an
d en Degl'iff d es l ndividuurn üboi·l,a upt an , und z,,,a_r heben ,vir her-
'lor, claß d as \Vort J\icl1t 11ur die Bedeutu11g llaL, die ,vir bit-her a llein
berück.sichtigt h~ben , n än1lir h die des Ein111aligen, Besonderen u11d
Einzigartigen so11clern zugleich a11Ct\ die des U r> t e i l b a r e n .
Dieser Begriff der Unteilbarkeit. ,vei t auf eine Einheit hin, die für
uns von Jntere!;se sein n1uß. \Vir "vissen daß jede Wirklichkeit., um
einzigartig zu scit1 , aucl1 zusa1111ncngcsetzt sein muß, denn da Ei11~
fa che, \\'ic d as Aton1, ist individua lilät.slos. Desl1alb liegt die Fruge
n al1e , oh es viel leicht 11tcl1r als ein Zufal l ist t dnß~1 it dcrn \1/orte 1
Individuutrl z,vci BedcuLt1nget1 verbunden si nd , die filr un er Problen1
des lti Lori chcn Begriffes not,vendig zu~a1nr11cngel1ören : dio der Ein-
l1eit einer l\1annigfnlligkeit im Sinne einer Zt1samn1.engcl1örigkcit
einerseits urid die der Einzigartigkeit andercrscits.'r E s is L doc h zt1m •
•••
mindesLetls at1 ffaller1d 1 daß ,,·ir etv,as, das i111mer n1an11igfaltig ist,
zuglci ·h ei1\ Indi,•iduum, ein Unteilbares nenn en„ Hat der Aus<lruck
seinen \Vortsinn verloren 1 ,vcnn er zur Bezcicl11)ung vot\ einziga rtigen
l\tanr1igfnlt igkeite11 v r,vendeL ,,,ir<l, u11d ist 11ur das eir1faehc Ato 111
unLeilbar, oder gibt, es vi elleich t, ln-d i,1 id11en al1ch in dcn.1 Si11ne, daß
ihre :\'far1nig'falLigkcit \\' e gen ihr~r Einzi~nrtig1ccit ei ne Ei11lLcit irn
Sinne d er Zusan1n1er1 g e h ö r i g k e i t bildet? \\lenn dies der Fall

ist, so ,,·örf"n hier Einz.ignrt,igkeit \111cl EinhPi t ei ner ~Iannigfelligk~it
so miteina1tdcr vcrlt11üp fL, ,vie ic auch in eine111 his tori5clieu Begrirte
\\' il> enschaft rind{•rt kvnrtl'n, auch n lcltl als Einl\·anJ ge-gcn di(i hiPr ent"·ickelle
Tbeorio der Ce;Schirh le als v;1>'1oe11<;chart {(eilen.
'R I t 1k III r t I G r elli;t' u . :3. Auß. 20

D191, h,ado por Google


- 306 -
vcrkniipft ein mC,ssen , clatni,t vo.n seiner G e 1 t t 1 n g geredet '"·erden
k ann. Enthillt also viellcicl1t sc ho11 rlc r B egriff d es ln<livicluu,ns
selb$t das J>rj,tzi p 1 da s i111 gcscl1icl)l.licl,on toff das Zusa1nruongcl1örige
ve:rbinclet u.n-d darnit. vorn bloO Zusa111111engerato1ten sct1cidet ? Wir
. uc hen zucr~l fest.zl1. tcllc.111 ob der Begriff d ~r Einheit llild Un t.cilbar-
keit sicl1 lIUt oc1n der Eir1zicrartigkeil. so verbinden ka11n, daß die Ein zige-
artigkcit der Gruncl oder die \ 7oraussctzt•n" der U11Leilbarkcit ur1d
Einllc iL i t . .. \uf clie e \Vei e ,,·e rden ,vi1· ,,,cni~ten.s d en e r st, c n
. c h r i t t auf den• \i\'egc tu11 kt11tncrt 1 der ttni.. ,lanrl allmkllilich
zti1n Begrif[ des hi- Lori~cl1e11 ln(livi,lui:.11r1s fül1r cn . oll .
D afUr, daß i11dividuclle Gcs tnlLuL1gcn a ls Ei11l1eite1:1. aufgefaß t.
,verden , knon inan n1e!1rerc Gründe n r1führe11 1 ui1d sie mögc11. all e rnit
<l azu bei~Ptr::igen }13 bcn. j enen Sprachg~bra uch zu befestigen , der nut
e in e rn 1-\ usdruck Ei11ziga rtigkf!it und l,;ntcilbitrkcit bezeicl1net . So
be -tcl1t d ie \Virklicl1keit. 1 «Jic das 0 1,jckt jeder c1r1pirischen \~t j g~pn-
scltaft ist, für das er1.t,.vickelte Bc,,·uOLscin a u ~ individuellen D i rt ge n,
clic z,va1· r11itei11a11der v el'bur\llcn , zuglei~I, aber aucl1 in sicl1 abgc-
sc}1lossen sir1d, der1r1 j('d.es Di11g i~t ein ,,Ding'' nur clac.lurc.h , <laß c.
tlie Ei11l1eit eine· ~·l annigfaltige11 dar t el1 t. I< aru1 also et,va die Ding-
hafiiglteit die vo,o. uns gesuchte Ejnl1eit ein? \i\1enn ,,rir zu.r1öchst r\ur
an 1( ö r per denken , ~o ist <li c e l 1' ragc ohne \VeiLol'CS zu , •ernci11cn.
D ie Einhei t des ph)'Si. eh(•n Dinges i~t nicl\L i1ldi\·iJ uc ll . Die ..·y n tl1cse
d er l\1an11igfaltigkeit,t die \\o·i r Din.g ne1.1.11en, , Cf'trügt :sielt rnit dc:11 a l lcr-
ve1":lch ie<lcnsten ind ividue·l lcn Inh a lten, d. h . nic111als l1ört durcl1 "f cilung
ei n körperl iclics Ding au f, di11gl,aft z.u sein, sor1-der11 es \VCrtJc11 z,,·ci
oder cn,e l1rcrc Din rrc darnus. U11cl ,u 11lgckellrt ka11t1 '11ta 11 <1urcl1 Zu-
. an1111e11~ctzung mehrerer Di nge ('lfl neue~ D·itll" hihJcr1 , das ,viecl~rum
neu nur cJurcl1 den l{omplex seiner E igenscl1afte11, .nicht aller ,,,egon
scir1cr Ding ltaf tigkeit ist . \Vcnn a.lso d11rc h --r cilL111g Oller dt1rc h Ver-
ci11i1,"lJ11g 1i,it, anclern Din"e11 ei11 Oi11g Z\var a.ufhürL, cliescs Ding zu
sei1t, aber die Einl1eit an it1m, d ie in der Di11ghaftigkeit. als ~olc·hcr
st eckt, ~ icl'I mit jede,11 beliebiJ,.ren in ,tividuclle1, kürpcrliche11 Sein v er-
binden l,anr1 , so liegt in iltr auch nichtst ,,,a ~ für uns ·n1 Z,vcc l< von
Bedeutung ,varo. ,,, ~11n ,vir cint•n J(örpcr als J11<lividuu1n au(fas.sen ,
!iO kant1 das nir·ht at1 f 8Cincr Dir1gh:lftigkeit bertth,·n. ~ie b-i )J('t ge-
\visscr111nßcn nu r den a.llgc111cir1cn Rahn1P.n fiir ein(' Einhejt übcrl1aupt.
Die Z11:;an1 111e11gcliörigkoi t clc!r 1l:1nnigfalt.igl<1•iL ei r1~s ()ingc:; al:--o tllUO
iri einem tttld ~!ren Prinzip als i,1 ihr gcgr-ü1tdet, se it\.
\\'ie al,er s teht es mit der Vcrlli ndt1i1g vo,1 Einl1cit und Bir1zig-

ü1g1taltzado por Goog e


- 307 -
artigkoi bei den Dingctl, in die das gei s tige Leben sich gliedert?
Sind die: ,,Seelen•• 11icl1t noch in ganz anderer \Vei e 1t11Leilbar als die
Körper , und ist ihre Einheit nicht untrennbar nrit il1rer Einzigartig-
keit verknüpft? Hier liegen <loch die Teile nicht nebeneinander, und
von fakt.iscl1er Teilbarkeit, die uns sofort deutlicl1 1r1acllt, ,,•ic die nicht
individuelle Einheit sich mit jede1n beliebigen i11dividuelJen Teilint1alt
verbindet, kann hier nicht in der \Veise die Rede . ein \vie b ei körper-
licl1en Dingen. Auc h n1ag der Gedanke -d er Einheit, der in dem \1/orte
lndi,riduum zu1n A11sdruck kommt, •ich besonders auf die unteilbare
Seele beziehen, und jedenfalls ist es sicher, daß wir eclcn lieber In•
tlividucn nennen als Körper. Dieser Umstand ist für uns von Be-
d-eutung, d a seeliscl•es Leben vonviegend das Objekt histori~ch.e r Dar-
stelJut1g bildet. Wir mosse11 ulso fest.stellen, ob in1 Ps)'ch.ischen als
solcl1em scl1on die gesucht(.) Einheit cler einzigartigen f.1annigfalLigkeit
steckt, oder ob nicht die Mögljchkeit vorliegt, auch hier l.iegriffliclt
sowohl die Einl1eit der Seele von il1rem individuellen Inhalt zu trennen
aJs auch diese11 individuellen Inhalt wiederu1n so geLeilt z11 denken,
daß dann ebenfalls die Einheit sich von der Einzigartigkeit ganz Jos-
lö:>en lüßl.
G1•ei(en wir auf die l{rit.ik der Ansichten zurück, die prinzipielle
methodologische Unterschiede z,vi cl1en Körper- und Geistcs,vissen-
scl1alton dar-a11s ableiten ,vollen. daß das körperljche Sein aus Objektent
das seelische Sein dageg-en aus SubjekLcn besteht 1, um zt1. entsrheideI';-
ob in1 Begriff des Subjekts vielleicht die gesuchte Ei11hcit des In-
di,,idu.un1s steckt. Wir l1aben zwischen einetn psyel1ologiscl1en und
eiricrn erkcnntnistheoretiscl1cn Subjekt unterM chiederl, und elbst-
verstäncllich kann an der Einheit c.les ~rke11ntnisLheoretiscl1c11 ub-
jckls nicl1t ge2'\''eifelL ,vcrden. Aber olfe11ba.r isl es a.llcin cije Ein-
heit des psycl1ologiscl1en Subjekts, ,velclie für tlie Ge ·cllicl1te in
Frage ko11u11t, denn 11ur diese is t. individuell , tind auO-crder11 tnuß der
I-Iistoriker ebenso v.•.ic der Psychologe ein ~laterial, t1n1 es darst ellen
zu kör1nen1 objektivieren. W cn11 also die Ei11hcit des ubjck.t.s soviel
"'ie Einheit des Bewt1ßt.scins i t.1 so finden ,vir daß diese Einl,eil n,it
der Einheit, der psycltischen Individualität nicl1ts zu tu11 hat. Sie
gel1ört allein d e n1 Subjekt. an , das einet\1 Begriffe nach. .niemals
Objekt, rucrnals indivi<luell und übcrl1<1upt nierr1als ~latcrial ci11er
ernpiriscl,cn \Visscnscl1aft sein kann . Von der Einheit des erkenn.tc1is-

1 Vgl. oben . 1:1 1 rr.


20 *

D1911 11,ado por Goc,gle


- 30 -
theoretiscllen SubjckLs l1abe11 ,,tir also hier ebenfalls v·ollkom111e11
abzus.ehen.
Einer volllio1nn1cnen Scheidung der beiden Subjekte, des empiri~
scl1en und des erkenntnist.heoretischen , stand allerdings die Sch,vicrig~
keit im \.Ve.ge, da:ß ,vir die Objeklivim11n g unseres eigcr1cn Seelcnlebe~
nien:tats faktisc11 so vorneh1nen kö11nen, daß ,-.llc scir1e Teile zu .g lcicl1er
Zeit zt1 Objekten ,verden. Das erkenntnistl1eorct.isch,e Subjekt bleibt
fuktiscl1 stet-5 nut einem Teilo de p ychologi chcn Subjekts ge,visser-
maßcn v crbunde11, und desl,alb scheint auch die ülJerindividuelle el'-
ker1ntnisthooretiscl1e Eir1t1eiL des Be\\•ußt..-,eins 1nit derrl i11divitlt1ellen
psychologiscl1en Subjelct u.nLren11bar verschn1olzen z·u sein. Dies aber
kann uns nur veranlassen , die faktische und die begrif[Jiche 1·renn-
barkeit der beicle11 Subjekte auscinanderzul1alten, und sobald di<..-s
geschieht, entl1illt die !\1ar1nigfaltigkeit des in,d ivjducllcr1 Seelenlebens
jedenfalls begrifflich von der Einl1eit des erkenntnisthcoreti ·cl1en Be-
\VUßt.seins nichts. \rVir können sogar sagen, daß auch Cal<Li ·cl1 unser
gesan1l es irldividuelles Seelenleben v on dern. erkenntnistheor-eli clien
Subjekt zu trennen ist„ Der T ejl de ps)·ch·ologisr,he11 St1hjci<ts, dor
rnit dcrn erkcnntnistl1coretisc·h en ,,crsch111ol1.en blcibL, is t nä1nli ch
vnrial,el, und es s te!1t prinzipiell r1jcl1t.s don1 ' 'crs11c;l1 e-11lgt•gen, il1r1
o variieren zu lasscnt daß scl1ließlicli j e d c 1 'l"cil t111 scres indivicluelle11
Seelar1lebens cinrrlal objekLivicrt und da1l1it vo111 crkcn11lnistllcoreLi-
schelt Subjekt lo:5gclöst ,,·orde11 isL. o kö1111en ,,•ir aucl1 im psycl10~
logi cl1en Subjelil die Eir1l\eit des Be,,·ußtsE'i11s be11s0 vollständig vort
der ~tannigfaltiglc •it der ern piriscllc·n Srele trennen vlic bei cinerr,
l{örper die Einl1cit des Dinges von der ~tar1r1igfa lt,igkei „ sei11er Eig,c n-
schaft-0n, 11n.d in beiden F üll en ist es d,il1cr au~go chlo se11, d aß die
Ei·n l1cit n1iL der lr1clividt1aliLät s o vcrl'-11ilpfL i!'=.l, <laß sie auf i11r herul1t.
Sehen \.Vir aller ouclt von1 erkc1inl11i~iheoreLischen ~1,1l1jckt ab,
und l1allcn ,,·ir dara1t fest, claß clie erkenntr1 i:: Lhroretisrl1cr1 Syi1Lhcscn
des P syc hi sclien f ilr u11sc1'1l z,,·ec'k von lc('incr an<lcrcn Bcdcutut1~ sein
k önnPn a ls die crlie-J111Lnistl1eorr Lisr t1cn Sy·11tl1cscn des Ph)·sischen,
so scheint trotz ,dieser e r!, . 11nlnistllcorcti cl1e11 I~oordinntion der bciclr n
Gebiete doc h otic h die obj ektivi('rtc ps)·cl,isc1,e ~lnnnigCalligl<c it cir1cr
Seele in noch ga.,·tz a11clerer ,,,' ci~e ej1le Einl10it ztt bilclen als di e )Ia11nig-
fal tigl{ ~it eines Körperg. z,var ~vir<I n1 a 11 J\i<·ht lcu~1t<'r1 1 <l{tf.l ji~J es i11-
div1<luellc ... eelc11lcl,c1a si,c}, rak.Liscl1 f,}rt,,•§l1r(•11cl v,·rär1cJcrt, d. 11. gc-
wiS!be Beslal1tl l•~iII" vel'lif'rt und durch n1t<ll~1· Bcslar1tl l,1~i le bcT'cichert
,vird. Aber 111n11 ,vird trut1.d c1n n1ci11 ert , daß die5,c "rfill,arl<.cit l1r1cl Ver•

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- 3i~9 -
änderung eine Grenz.e habe, und daß der eigenUicl1e individuell.e 1
,,l(crn" einer Seele ein einl1eitliches Ganz.es, einen no;i wendigen Zu-
sammcnl1a11g bilde, der von den1 Zusamn1enha11gc körperlicl, er \Virk-
licl1keite11 prinzipi •II. ,•erschieden sei. Die psycl'1 ische Individualität
\\rä re danacl1 ge,vissermaß.en als d as nnt.ciJbare Zentrum der Seele auf-
zurasscn, und nur a11 der Peripherie spi-eller1 sicll die Proze~se der
Veränderung ab. lJier \\1äre dann die Einiignrtigkeit " Tirkl.icl1 mjt der
nteilbarkeit, vcrb11nd~n , ur1d au f eine Pe1-sö11licl1kcit paßte das \i\' ort
I ndividuun1 n1 seinen b e i d e n Bedeutungen. \Vir ,verdcn also vor
die Frage gestellt, ,vas die e Scheidung von cinl1eitljchem Zentrura
11nd vcr!.lnd erlic her P oriplle ric i1n objekti,1ierten Dnsein einer Seele
für u nser Problem zu bedeuten hat. Die Ent chcidun g darüber ist
Jor uns t11n so ,vichl iger, als von verschie{l ene11 Seile:rl , besonders von
Dilt hcy, in i1nn1cr höherem ~1uße die Einl1cit eines secliscl1en Struktur-
z t1 a,n rnonhanges betont ,vorcJc11 i t, ur1cl als 1t1an geradezu den Ver-
suc h gt11tacl1 L hut, v on d e,n Begriffe ci11es soltht>11 Strulilurzuson1r11cn -
~1nng •s a11s das \\iescn d er Geisl,cs,.,·isscnschaften und dumiL auch das
der G~chichl:.c zt1 begrei fen. E s ka1111 dan1it 11ichts anrlcrs gemeint.
.sci,1 als ei11 bf>stä1trliger l(ern dPs · eelcnleben , der die eigo11t,liche
Tnd ividu~1litnt bildet. i 111 Gcgcr1satz zu (lcn verä ndcrlicllet\ Be.~ tand-
Lcilcn, (iic für die Gcsthi ·hl.e tu1,veser1tlir.h ~iit<l .
lJer l c·.rn t"in<'r 1Jsyr hisclu"n ~l a11nigfnltigl<cit , der das \\'csc11Llicbe
j,r1 Gcgr nsaLz znn1 l J11,\·<;.:=rntlichen entltiilt tJJld es "O gesta lten '!-Vü.rde,
c.lir• ,,·c~cutlir h<'n RC':,l~t11clu."ilc i11 ci1l{,r lr1dividt1alität a ls not,vcndig
1:usa111tne1lgehörig ,,oh d.-n u11,vrf:i0n tl ichcn 1.u lrr n11en, lat1t sie}\ n tin
aber in versch i1'dt11c-r \\' ci~c au ffa$.:-C:-rt. E ·· i t 1nöglich, itu1 nls obsolut
u11vcrä11derlit: he f{cnlitüt v o 11 <l c11 etnpiri ' Ct1 kor1· taticrha rcr1 psychi-
schen \ 1orgfi ngC'n f1ri1rziµil'll zu t1r1L1!1:-. ·hciden, ' O daß ll H\ll ihn ols
c.inc tran ·zcruJcnl ' v\ .-e:5c11l1 •it, tlcr ,,·echseluclcn Er:-rl1ci11ung dts eele·n -
lebens g rgc1tii l>er~tellt, und 1,ugru.n<lc legt . l)ie 11 rage, niit ,,·clchcrt1
RcchLe ci r1c solclte jen.seil.s. cl<'r Erfa h ru 11gs,v1.,> IL liegcn,Je, a)~o 11ieta-
ph )~si;;ehe individ uellc . ccl · a 111,cno111.111~n ,,·ir1.I , d ürfcn ,,·ir hier u 11c1·-
ö rlert l~sscn, dn nu.cl1, ,,·enn es :-ic gf'ben so llLe, ie docl1 cbc1180 ,vcnig
,vie clas crl{CnJ.1 Ln istl1coreLischc Sub jckt zu111 ~[alcria l eitJ:er errlpiri-
sr hen \\'isse11 ·chafL gr~rech 11et ,verllen k a 1111 . Die fii r die Gc:,,,cl1i c11 te
in f:J1! Lru<>ltt k<imr11~1td c Einheit de~ Scelerdel)P11s tJarr nur i11rtcrhnlb
der e11rpiri:-;cl1 ko11.S talierbare11 ps)'<:lli:;chc11 Vor: 1 ünge gt>sticht \\'erd r n,
1.1rlcl cir1c solt;!te: 1..:i11h<"it l1at 111..> n auch '"·ohl Obernil " L'rn e.i11L 1 \\'O sie
tlie Grull<lla<"r für eine Bchan<lllir1g 4]t' r ge r: hi.,·htli,·ficn i\l cLltoJc ab-

ürg,t~hzado por Goog e


- 310 -
geben sollte. Ja, es wird auf sie gcradezt1 als ein unmittelbare ,,Er-
lebnis''' l1iilgcwios~n.
z,\·eifellos läßt sich 11un auch in diese111 unmittelbar erlebten.
Zusammenl1ange ein Unterscl1ied von Zentru111 uod Peripherie fest-
stelle11 u11d so e-it1 lndividuu1n ko11statiercn 1 <lesscn Bcst.an d,teile not-
,,rendig zu-am111engehören " Wenigst ens bei e11twickeltcn und ttns be-
kar1nten l\Jensehen werden \vir überall die zufäll igc11 vo11 den zt.1sam-
n1cngehörigen Best an d t eilen trennen 1 also ei11en intliv id11elle11. l{er11
aus d,e r Gesarntl1oit, des Seelenlellens nel'au l1cben 1 in derri {iir uns die
eigentliche 11P crson 11 des bctrcffcnd e11 ~·IP.usc,hen besteht . Es scl1eint

dcmnncl1 so, ab; ob ein Untcrscl1icd Z\vische:n pl1)rsi5chen 1111<1 1>·)·cl1i-
sct1cn t\lannig(alt,igkciten aucl1 111it Rücksich't A.ttf ci,ie Verbind ung von
E inz.igart.igkcil u11d Ejnheit v orl1ar1dcr1 ist . Die l\f annigfaltigk~it je<les
K örpers ,,räre da11ach Z\\'ar e.inz.iaartjg, aber t ei lba r . Die ~f un11igfaltig-
keit jeder eele dagegen ,väre rticf1L 11UJ· ei11zigarLig sond ern a11ch ein~
heitlich, und Seelen \\'ären also in prinzipiell atldoror \Veisc Jn-divid uen
als K ör per. Ja, uns ist sogar früt1er bereits eine 'J'at acllc begegnet,
die diese Ansicht zu beslätige11 scl1eint. Wi r 1l1ußten u11s erst ausd riick-
lich zum Be\\rußtscin hr ingc.o , da ß a uch jeder l{ö rper ci11 „I11divid ut1111''
ist . Die Vcr,vendung dieses Atisdru ckes z.ur Bezeichnung einer Nuß
oder eines ttickes Scb,-vefels klang paradox , ,vühre11d alle Persö1,lich-
kcit cn ,:1,ich ohne ,,·ei,t ercs so b e1.cicl1ncn lassen . Beru IJt dies 11icl1 t v iel-
leicht darauf, daß ein l{örper kein In-divid uu n1 ist, so nclern im111er
nur bei Seelen ntit der E inzigart.igl\.ei l sjcl1 atich d ie Ein hciLv erk nüpft ?
E s soll gc\\1iß 11icl1t gclcug,1et. ,,,crclcn , cla U i 11 cl~r rr a t. das \\' ider-
treb en , jeden ba)icbigen J(ör per ci11 I11divicluum zu r1en11c11 1 zu rrt Tt>i l
darauf zur-Ockzufol1re11 seiit n1ag1 da ß iltm die Eu1hc:it dor individu ellen
1\[anrligfaltigl<eit seines Inhaltes fehlt, ur1.d \vir ,vurrlen at1cl1 gern zu•
stimrnen 1 d aß der ,:1nrr1ittelbar erlebte psychiscl1e Stru'k tt1rzusa1111r,cn-
hang es is.tr der die e.ige11tOtrll iche Einhei t der lndi,ridua1ilät l:1crstc)ll ,
\venn ,vir 11ur ci1ts ;}1e1t k önnten, ,;,•ie gerade d i e e E ir1l1eit. mi.t,
der un,,-1ederl1olbaren E i nz i g a r t i g l, e i t v erl, rtilJJft srin soll .
Der ps)•c hiscl1e . 'truk l t1rzusan1rnenl1t\tlg n1,1ß doc h ]Jci j e d e r Per-
sötllichkeit d er s e I b, e scir1, sola nge r Iltlr als Struli.ltt rzt1:-a1l1rne11-
hang überl1atlf>t in B e tra◄~ lt t kor111n t. Es ,vircJ jn gesag,t , ,la ß j e d es
'celcnlebc1t d ie.so Ei11heit zeige, und gcr::idc dieser U,nstand scl1ließt
es a us, <laß ,vir in d <' 1l 1 üb erall u11111it t elba r cr lebtc11 psyc hiscl1en
tr·ulit11rz11su11tn1e11lll:l rigc das P r i111,j p fj11dcn kö11nc11, da. ,,·ir fii r die
~1is tor iscJ10 Bcgriffsbil<Jung brnucl1cn. Wir bcz.,\·eifcln a.l~o die 1'at -

0191 lt ado por Goog e


- 3)1 -
sacl1e jenes unmittelbar erlebten psychischen Strukturzusamn1en-
l1anges r1icbt, aber ,vir begreifen cbc11so,vcnig, \Vic n1an daraus ver-
s tel1en ,vill, daß gerade diese oder jene besti1l'ln1Le hi Lori ehe lndivi-
dualit,ät icl1 zu einer not" ·cndigen Einhei t zusammenR<'bließt. Wir
könr1.e11 in d em SLruklurz1.1sarr1rncnhange wil'de r 11icl1ts andere~ als eine
o 11 g e ,n e i n. e Form sehen, die si.ch at1f alle beliebigen lr1dividu.en
,an\vc11(len läßt., t1nd ,Jadu:rcl1 \\ ird er fiir uns bcdet1tu11gi-los. E ~ ist
1

überhaupt nicht Zll begreifen, ,vie der ·nt,crschicd d s Gei. tigen von1
Kö!' perlichcn de11 U11t.er„cl licd z.,vi:-chc11 Einzigartigk •il ijbcrhatt}lt ui1d
einl,eitlicher Ein1.igartigkeit odP.1' l1i torisc}ler 1ndi.vidullliltlt begrün-
den soll.
\ Vir haben u,1t so ,vrni~cr Grun(l 1 b('i cine111 ::.olc11crt Prinzip
tehcn zu h,leiben t al · cter L r1terschic,d 1 (ier für 11ns cnt ·c hl'idcnd isl,
~ic}1 auf ein a n d e r e ~ Prin.z.ip Zl1rüe kföl1ren JäUt, das rrian cberl o-
gt1t auf körperliche \vie auf gci. tige \Virklir.hkeiten an,venclen kann.
Ja , gerade ein solcl1es Prinzip iLl uncnLl>ehrlic li 1 denn es gibl ei nerst:ils
at1cl1 l{örpcr, d eN:!n t>inzjgartige f~11111igfalLigkei,t eine Ei1\h eit, bilclet,
so daß cl ie Einheit auf rlr r Einzig,tr·tigkeit IJeruh t , ur1rl dif' ~i<'h dad ttrch ;

von ar1d l"n l{ Orpcrt1, dje bloß eirizigartig si11d, ur1Le1~cheidcn, ur1d
andererseit beLitzt nicht jedes C'Clenlf'lJen sch•on die Einh"it, seiner
Ei111igartigkcit , dio un~ bei bcstirr1r11l;,cn f-'cr ·onc11 deutlich t•nlgegen-
tri tt. Es las~en sich vieJrnel11· ga:uz allge1uein l ndivid ucr1 i n1 c11geren
vo11 _c,lchcn i111 ,vcitere11 Sin11 tintersc h<'i(lPtl. ~o daß nur (lie eine Art
aus In-dividuon bcslehL. \~.'ir k ö1u1e11 u11s ogar, u1n die~ l't••c· ht. rlcuLlich
hervortreten zu la sc11, das Prir1zip 1 ,,·orauf cljc ,1urch Ei ,izjgr,l'ligkeit
e11t.stehe11de Ei11hriL berul1t1 7.\ter~t an der Gl'g-e11übe1·~t-0 llung 1.,,·eier
l{örpcr k lnr rnnchen . \~'ir ,,·errleu d aclurr h frei lir lt noch nicl1t zi1 cic,n
cr1dgiil Ligen B<·gri rr d e hi ·toriscl1t!n l111livi,d uurns v orcl ringe11, dc11n
es ist ja ur1bez,veift•lbar-, daß die Gescl,ichte c hat1p'lsücl1lich 1njt scc-
lischc1r1 Lebc11 zu tu r1 hnt . .Ja, ,vir n1fis..-:..-_11 sr J1on cJc. ,,·egcn hier bei
einem vorläufi rr{'11 ß <.'1,riff swl1cn blt.•ib,•11 , ,veil \\:ir 11oc·l1 ga11z davon
a lls<'hcn , daß alle gcsc l1i<: htliclte \Virkliel1lieit ri11 G c ~ t h c l, e n ist,
das sjc}, verändert, uncl 11ur <lu · l1)il.ivicluu11t OherhaupL nl · et.,.,·a für
ich Bt'st.f>h end e. ur1d in !1oir l1 Rtth<>nilf's j11 Betracht zichc11 1 ·o ,vic es
,,,i1·klirl1 nicht , rorkon1 n1t. 1\b r ,,·ir haben 1,ier. ,ve 11t1 ,,·ir )c}gi eh
(J ie t.l clhodc clcr gcscl1ich tlicheit B<'grif rsbi lclu11g ver Lel1e11 ,,·01le111
zuenit. \\:iedcr rlie lc,gi$tl1en Prinzipien in ihrer Abstr,tkthr it darzu-

D191, h,ado por Google


- 3 12

s tellen, u itr1 sie da.11n später Scl1rit,L für Schritt ntiher zu deterrninieren 1•
Die l(örper, atl d e 11e 11 ,vir das Prinzip, auf clas e„ i1ns zunächst
alle-in ankommt, u11d da·· nur die Unterschejdung z,veier Arten von
Jndividuc11 betrif(L, in seiner logischen Abs.traktheit lclar mach-en,
so llen ein bestimmtes Sluck l{ohle und ein best immter großer Dia-
rnant , ,vie z. B . der bekannte Kohinoor, sein. Dieses eine bestin1mte
K oh len~t.ück gibt es ebenso,,1enig Z\vcirna l \.Vie de11 mit ei11ern Eig-c n-
namcn bczeich11eten DiamanLen, denn ,,:ic der Diamant is t es durch
seine individt1olle11 E igont.ü1nlicl1kcitcn nicl1t nur von allen anders
geart.ete11 Dingen so11d.e1·n auch von allen Kol1lcnsLüeken vcrscl1iedcn.
\,'' as also die Einzigartigkeit anbetrifft, so sind b eide l{örpcr Indivi-
duen. in gena u dem elben Si11ne. Ganz anders verhalLen ie sicl1 da-
gegen mit Rü.cksic}tt al1f il1re Ei.nl1eitlichkeit. Sie k ö n n e n z,,rar
beide geteilt ,verde.n: ein H aminen;chlag ,,rürde das eine I ndividttum
so gut ,vie da ar1dcrc zersplittern. \Vä l1rend jedocl1 eine 1'eilung der
J{o}1 le die glcicllgült igste Sact1c von der \VeJt \väre, \\·ird man den
Diar1ta.ntel1 vor ihr sorgfältig be,va1lren , und z\.va r ,,111 man rucht, daß
er geteilt ,vcrdc, ,,, e il er ci11zigartig ist . B ei den, Diama11ten also ist die
E int1eit seiner intlivid11ellen ~1annigfa1tigkeit ,,·irklich 1n it scin e1' E inzig-
artigkeit so verknüpft. daß seine Ei rlheit auf sei11cr Ei11zigartigkeit.
beruht. Bei dcr11 , tück I(ohle dagl·g;cn is t die E i1lzjgartigkcit z,va r
.a uch vorha11de11, aber ie ,vird gar njcl1L als ßjr,heit, at1f eu10 C\reuluclle
Teilung bezogen. D·c r Gru11d dafür ist de1·, da ß a n die Stelle des
Kohtenstückos jc(lerzeit eit1 and eres l(ohtcnsLück t.r„t,en ka1lr1 , ei11
zweiter l{.ol1iT1oor cl,lgeger1 rtie,nals zu b a:;cl1a f fer1 i t . Dan1i t 111uß der
Utltcr:~cl,ied z,,,ischcn z,,•ei 1-\ rt,c11 von 11.ldividuen l<lar sein. Das E inzi g-
artige ist uan11 s teLs zugleich 110L,vc11tlig ein r1icht zu Teilen,lcs oder
ein In-di, ,idt111tr1 irr1 en •cre11 Si11ne ues \,\1orLe.s, ,venn seiner E.inzig-
arli"k.eit eir1e u11ersetzlicl1"' B c cJ u tu r1 g zultbrr1r1tt. DaO 111 diC'scn1
Sin11e 11icl1l l tur Seelen s011tlcrn auc.L1 l\.Orpcr irtdivitlucllc E inl1eiten
bilcl c ,i1 1 kann a lso nich L best1·iLLe11 ,,,erdc11.
Z,vcifcllo ist 11t1n dieser U t1terscl1ied Z\V,iscllen z,vei A rte11 von
Individuen auch au r n 11 e l{ örJJer so anzu,vendert, daß die gesar1lte
phy:;i ehe \V lt 11rttcr di()Scn1 Ge.sichL.')pt1r1kt, in 7.W('i Grupr1cn von \\'i~l{-
licl,ltcite-lt zerfä llt. 1\ us der t111übersehl,arcr1 extensiven ~lannigfaltig-
kei·t der Di11g s011<lcrL ·i<: h ci11e bcslrirr11nl..c Anzahl aus. Bei ,vcitern

1 D1c:a. hat J: r I c h fl i s c n~I< Oh I c r in ~"iT1cn A usfühttlllt?i111, rli~ sich gcf;?en


dio folge11den Darh\gun~~n richlen, gan:z. t\bori-ehen. \ gl. \\ issenschafl und
\•\ "irkJ ic h kci l, S. 1 64 f.

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- 313 -
die meist en K örper kom1ncn nu.r als Exe,n plarc allger11CÜler Bcgrifie
in B etracht. Diejenigen aber, die nicht nur einz.igartig sonclern ,vegen
ihrer Einzigart.igkcit at1clt einheitlich sind. ,verden ,vir nicht nur u nter
allgen1eine B egri ffe bringen ,vollc11. Ja, \\fl r k önnen noch rnel1r sagen.
Bet.racl1ten ,vir ein Individuum im engeren Sinr1e, also z. B . ,,,ieclcr
de11 bestimmten Diamar1ten noct1 et.,,,as näl1cr, so find en ,,1.r, da ß die
B edeutung seiner Individ u alität nicht et,va at1 f der G e s a r11 l l1 c i t
de sen beruht, ,vas soin·e inhaltticl1e !\<tartnigfnltigl<eit aus111achl. Diese
Mannigfaltigkeit beslcht j.a wie die jed,cs Dinges aus untiberschbar
vielen Bestimrnungel'1, u11d es ltarir1 nur ein 'feil von il1nc11 sein, an
oern seine Unerselftlichkeit hä11gt. Nur diese11 'feil berücl<sichtigen
,vir, v.•enn \Vir ·den Dianlanten bcschreibe.n . Die F ülle de sbr1, \.vora\1s
er sonst noch best..ch L. könnte auch antlcrs sein, ol1r1e daO die Bcdculu11g,
die er hat, da,d urch 1nodifiziert o<ler gar aufgehoben ,,·ordc. '''e.n n
aber die Einl1cit 1 die er dt1rch seine lnclividt1alit-äL h e itit, nur einen
·1·eiJ vo11 illrt1 u1,1iaßt, da1111 liefert tlllS das gesucht.e Pri11zip rtjchL nur
die 1\-töglichkeit, seine Inclividualitht überhatipt al Einhei t a111.t1sehcn
,•
sondern aucl1 cir\.e bcgrenz.Lc u11d gP.nau bes tin:1n1Le A.nzahl sci11er Be-
stiminungcn zu einer ir1dividu cllen Einheit zusamn1erlzusch li cOcn .
Ferner rnuß auch dieser U11ter cl,ied :z,v-iscl1en r1\1r zusa1nmer1scic11clcn
a.Ttd zusammertge)1örigen !\Ierli.n1alen sich ,,1iecler bei jed •m Körper
(est stellen lassen, d er ejn Individuum im engeren Sin11e ist, t111d wir
se}\en also, \\'ic aus d er ganzen uns b eltan11tcl1 l{ örprr"\vclt sich ci11c
bcstimn1.te Anzah l ei11iignrt.iger und ein h,<::illicl•er ltörpcrlicl1er
Manrl.ig!altigkcitcn l1cra11s lösl , v on d enen jede eine11 bcst1rn111ten ltnd
Obers ·llbaren Inl1alt l1at.
Vers uchen ,,·ir nu11, da allgc111ei11e Pri1tzip, da ' tlicscr Scheiduu.g
zugrunde liegt, ausdrückliclt zu (ui-rnt1licren, so,, c~it rlft, r11il RLick:;icht
1

auf das gebrut1ch.Le Bcis1,iel 111ögl,icl1 ist, dnn11 kü111H·u ,,·ir s age11: die
Bedeutung, die der Di~lrnunt, l)esitzL, bert1l1t auf clc11l \"\' c r t e, d,er
an einer durcl1 nichts zu crsctzcntlcn EinzigarLigl<~~ji hnflct. Der
Dia1natlt so 11 nichL geteilt ,,·crder1, ,, eil er ,.,·ert.voll i~t , ttltd aucl1
dies rnt1ß rü r nllc I{örpcr gelten, die l n-cli,•icl,1en s incl : r,ur dndurc h,
daß iln~e Ei11zigarLigk it in Bezieli1111g zu cir1e1n \\lcrLc gC'Lrnclit ,,·ird 1
ka1 ln <lie cl1araklel'isierte 1\ rt vou Ei11l1eit ent~tclie11. Da111it ,,·ir·<l 11icht
geleugr1et.i daß es nucl1 11ocl1 a.11:dcre Grür1d gibt, di ' einen l{örp er zu
einer unteilba ren Ei11l1 cit rnachen. Organi1:;1r1c11 z. ß . ltü11ner1 1ucht.
geteilt ,vcrd en, ,,·crtn sio nicl1t a11fhörc11 sollcu , Orgauis111er1 zu sein ,
u11d da:;s cl be gilt au cl1 vort \\;erkzeugen und l\ la f'hit1..,11 . .\h l'r ,1 i •~:-; e

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,
- 314 -
Einhei t komrnt hier für uns 1tjcht in Betrac t1t 1 \veil sie nictlt die Einzig-
artigkeit eines bestimmten einn1aligcn individuellen Dinges betrifft .
Wir fragen nur danach 1 \vie die Einzigartigkeit den Grund der Einheit
billier1 kann, und da 01uß die Ant,vort lauten, daß In-dividuen ste~
auf einen '"'crt hezog.e11e Inctividuen sind. Dies, aber auch dies ollein
\\
1
ol len ,vjr vorläufig !e.:tsteJlon. Noch einn1al sei daher bemerkt, daß
der Begriff de. historischen Individuurr1s datriit nocb n i c h t voll-
i-tändig bestim111t ist, und daß ,,·ir insbesondere gar nicl1t daran cle11-
ken, in dem Dian1antclt l(ol1ir1oor scl1on ein „historisches Individuun1''
von d e r Art zu cllen1 ,vie die Ge 'cbicl,ts,visscnschaf t itJl engeren
Sin11e lli tori ehe Individuen b cl1andclt. Der Dian1ant hnL als f e r-
t i g e r St-ein gar keii1e 11 Ge~chicl1Le11 , ,ct,on deshal b nicl1t, '.Veil sein
\Verd<.~ang uns unbekannt ist. ur \Venn er jn ei11cn. Zu$amme11han~
mit ,vcrtenden \Vesen gc~Jracht ,vird, kat1n jhn1 in djescm Z11samn1en-
l1ang eine J,istorischc Bedct1lt1ng zt1kon11ne11, au Gründcr11 die ,vir
später l{er1ncr1 lert1en \ t'crde11.. \Vjr haben ihn hier nur he1·angczoget1,
1

um an il'ltn i111 Gegensatze zu irgen d eirle111 beliebige11 l(ohlet1stückchen


den Unte~ chicd von z\vei Art.e11 von IndivirlttnliUit.en uns klar zu
machen, mjt f[ilfe (les~cn \vir dann spät.er clcn B <'grirf des bist.ori~chen
Individuurns nocl1 get1auer be tj 111111<'r1 ,,·r-rdnn. Desl1nlb sind alle
Ein,,·änd e, die da,·aur hi:J1ausl<on11t1cn 1 der Dia1t1ant sei nicht. gesc hicl1t-
licl}r völlig g<-'genstancJslos. ~ 'ir \\'ollen ruit liilfc cliPses Bei!--piels eben
n lt r den e r t e n Schritt auf de1T1 \1/ gc ztir Be"Linu·uung der
historischer1 I11d jvid ualiUit t11n .
Zunächst müssen ,,: ir nun frogen, oh tJje ge,vo11ncne Selieiclu11g
auelt fnr alle d enkbaren em pirischen \.Virklichkeiten du.rcl1 zufiih reo
und besonders auc •1 a\1 f das p?\)1 chische Sein zt1 übcrLragcn ist. \Ven r1
dies 11icl\L ofort in clie A ugc11 springt, liegt c_lns dar{ln , du □ tinler clen
nii her bekannten und beachtelet1 „ eelen,v,ese11 sielt ,vohl keines fin<ien
~·ird , in de. en indiviclueller Eigenart nicl1L ci r1 „1'eiJ der Beslirn1l1ungcn
sicl1. \ron clen. übrigen abl1ebt u11d zu einer eir1zjgarLigen i11-dividue'llen
Eilih eil zu. a1n1nenscl1ließt . Es gibt in~besonderc kei11e11 un s b('kanr1ten
~( c n . c ll e r1 1 in des cn Individt1alitü.t nicl1t ein v;eserttlir her „K ern 1 '
als tJje ei ,cnllicl1c Pcr:::ünli('hk:eit i rn GPgen::-nLzc zu den i1n,,·es-en LIic t1en
p~ripl1crisch u , iorgttnger1 enthalten ist, und ,,.('il ,vir clir~~c Einheit bei
allc111 rn et1:-cl1Iichc11 Scelenlcbc11 [in(lc111 so gla ubc11 ,vir leicl!l, sie l1afle
artt \\1cse11 des P s vchi s<·l•en s<?ll1st. Das aber ist, cill lrrLu1t1 . 'el1en
~

,vit· o,,·0111 von der crker111l11islhcoreliscl1 c11 Eir1hcit (\es B,~,,"ußtsei.11s


a ls auch vo11 jedt~r 111etHJ)hy is the11 Eit\heit, ab, so bertll1t die Sclieiclttng

0191 lt ado por Goog e


- 316

von Zentrum und P eripherie i11 der en1piri chen 1',Jannigfaltigkeit einer
l\fenschenseele auf keinen1 anderen Prinzip a ls au f dem, das ,vir bei
dem Vergleich des Djamanten 1nit ein,ein Kol1Je11stück ke1111en gelernt
t1abcn, d , h, die individuelle Einheit einer PersönlicltkeiL ist ebenfalls
auf r-1.ichl<s anderem als darauf gegründet, dnß ,vir rnit i.hr einen. Wert
verbinden, und daß infolgcclcsscn die mit Rilcksicht nt1C diesen \Vcrt
unersetzliche,1 oder \vescntlicl1en Be tanclteile ein Ganzes bilder1, das
nicht geteilt \Verden oll . l{urz, die inclividuelle Einheit der l'er ön-
lic-llkei't ist keine a ndere als die de auf einen Wert bezogene11 lndivi-
duurns überl1aupt. ' ' on l1ier au s ,vjrd da11n auch der Begriff des
p y•chi cl1en Struklurzusammcnhanges verständlich, N.ichL eine ,,er-
lebte'' Eint,eit. maclit die geschichtliche Einl,eit einer P ersönlichk eit
aus, sondern die Einheit der auf ei11e11 \iVcrt bezogenen P ersönlichkeit
w.uscl1t uns, solange wir sie it1 illrClll Wesc11 nicht durchscliaut haben,
vor, daß scl1on in der erlebten Einhcjt des p► ycl1i~chen Strukturzu~am-
111cnl1anges als soJcher eine in div icl u e 11 e Ei11}1,e it z.u finden sei. Das
,vird beso11der · deutlicl1, ,vr,nn der Strul<tt1rzt1. ·t;1mrnenha,ng z\1glcich
als z,veckzusa1nmenJ1ai-1g charal<Lerisicrl ist, denn in d•e m Begriff des
Z,veckes ist dann ein W erl rrutgccla,cl1t, und au f diesem W ert a llein
ber11ht die Einheit der J11dividualitftt. Der U11terschied z,vischen
l{örpcr- tind Seeleninclividttum bei tcht n t1 r darin, daß die Indivi·-
dualität keir1es !\,1r,nscl1cn uns so gleicl1gültig ist ,,rie die eines Stiirkes
I<..ohJc. Dara\1s aber rolgt,1 daß a 11 dem P s),chischen a ls solchcn1 die
Einheit det· Einziga rtigl<.eil nocl.i nicl1t haften kann. Abg~scl1e11 vo11
d n1 V crt kö111.1en ,vir UJJS nicl,t nur sel1r gut eitl zigarliE!es Seelen-
leben d e n l{ e n , du„ kei11e indiv.iducl1e Einheil besitzt, ob,vohl e
d,ie Einheit des p~y,;l1iscl1en truktt117.u. ammen .h anges docl1 irt1mcr
l1al)en m11ß, sondern, ,venn "vir z. B. 1'ierc betrachten, so i~t auch
faktiscl1 sel1r oft kein Bar1d vorl1ar1de11 , das die Eir1zigarligkeit zur
Eit1heiL n1acht , ob,,1ohl doch auch hier die Einl,cit des erlebten Stn1k •
lt1rzusammenhan ges ni cht fel1len kann , fall" sie zum Seeli ·chcn als
solchern ge11ören so ll . \\'aru1n a 1 l e ~ler1sche11 rr1it \Verlen v er1,nüpft
und rlcsltol b (ür un. a11ch Individtten sincl, ist hier ztmäch_t gl.,.icll-
giiltig. E s kom,itf. nur <la.rattf an, zu zeigen, daß unser PriDiiJJ in \~' uhr-
heiL gan z allgc111eio i~t, u11d daO dadurch al· o jede beliebige \Virltlir l1-
keit, gleicllviel ob sie pl1ysiscl1 oder psychisch ist, in Individu er1 ittl
engeren und ,,,eitercn inne zerlegt \\>·crd<:11 ka1tn. Wir vcrste he11
dann at1ci1, ,vo.r11m ,vir es so 1•i<;ht vergcs ·en 1 <laß mit Rück ·icl1t aur tlie
Einzigartigkeit alle "\\>"irklichkcitc11 in vollko111n1en. gleicl1cr \\'eise als

D191, h,ado por Google


- 316 -
Individuen cxi tier,en. Sie sind eben zum bei ,,·eiten1 größten Teil
n u r einzigartig, u11d \\1eil ,vir erst dann , ,venn sie auf einen \Vert
bezogen und daclurch einl1eitlich in ihrer Eir1zigarLigke.it ,verden, auf
die Ei11zigartigl<eil acl1Le11 t1nd sie uns ausd rücklicl1 zum Be,vußtsein
zu bringen Vera11las·u11g haben 1. ,vie das bei ps)1cl1ischen Indi,riduali-
töten fast im111er de r Fall ist 1 klingt es paradox, ,:venn ,vir Blätter
oclcJ· Nüss.e Indi,. .i,J11e11 ·r1en11eni ob,vol1l sie in der allgcrnein~tnn Bc-
d c,1tu11g dieses \ Vorl.es gc11au so individt1cll sind ,vie die Persönlicl1-
keiten der Ge:'cl1ichLe.
Die IGarlcgung des Prir1zipes 1 auf der11 die ch.oiJung in Z\\1Ci
verscl1iedene Arten von Individuett berul1t, bringt u11s aber zu1täcl1st
nocl1 nichls ande1·es z·u1n Bewulll.sein als dc11 Gesicl1tspu1tkl, vo11 de11t
jeder fühlende, \\'ollendc und l1andelnd•e J.turz jeder 'Lellur1g n•eh1nc11lle
und also jeder ,vi rklichc ~1cn ·eh bei seir1er Atlffas~ ung der \\Telt gc.-
lcit.et ist, tind un ter c)en1 sicl1 rür ihn das · eier1de ir1 \VC!-PUili clie un·d
unwesentliche Bes Land lcile sci,cidet. \Ver lebt, d. h. sich Z\,•rc;k.e setzt
u11d sie ver,..,·irklicl1et1 will, kan11 einerseits die \l/ clL 11ic111als n u r
111it fiürksicl1L au f das l1csor1dere anscbc11 1 <lcnr1 gc11cra.lisicrc11cl allf'in
vern1ag er in der über.:111 i11dividuelle11 Wirl<.licl1k.eit. sicl1 zu orie11tiercu
und zu ,vir1ien. Ein Teil der OlJjclct e llo1r1111t d.:1J1,er fü r il1n nur i11so,vcit
in Bctrachtt :lls sje Exen1plare v or1 Gntltt11g:,;l, .,griffen sinrl. Ar1dcrcr-
tscit.s aber \\·erderl viele Obj ekte gerade d tarch ihre Ei n2.iga rtigkeit ,vichlig
u11d sind de~l,all) not,,·c.ndig einheitlicl1e I11diviciuen. Die!-C · chei(lt1ng
v ollzjel1t sic h n 1iL so großer 'elllstv<'rsländ lich kc.iL, J aO 111an ih re n Grund
nur selten be1r1r>rl<t u n cl ~ar nicl1t daran dc11kt, daß \Vcrt•rcsicl1ts1Junkte
dabei ei nc A uswal1J lcilc.n. 1 11 der 'l'a t ist es tluc l1 cJic! u t~]>1·ür1gliclt$tCAu[-
f assung dct· \Vil'l\.licltk_cit , und !ur d erl \\'itk.lie l1c11 ) i ertscl1en I der in1n1er
ein \\'Olle1lc_ler , ,,·c,r-lenc_lcr, stc1Jungneh11-.cnder ~J cnscl1 ist , ,,;rd daher
v,
die i11 llcr a11gegelJenct1 ·ei e tci ls generalisi"re11d 1 teils i1tdividunli-
i cr e11<l aufgefftßLe \\'irl<lir hk.eit g<•r;i.tlcz-u zt1 clcr \\:i„klichkeiL ül}erl1aupL
,,,erden. Dc•shalb 111uO 111an es „i<•I) ers t a.t1sclrüclJicli z.t1n1 Bc'"rußLsein
bri11ge11 1 <lafl die \.\-1'clt der ci1tl1ei Llichcn ln<,i i, ·id u ' n el)cnso \-Yie die
l<.ü1~.t,lcrj scli ;t11gcscl1 Cllt Le o<ler die i11 allµ-,·1uci11e11 Beg1·i rf cn geJaclite
\ \1irJ, licl1l<.eit , 11 ll r cin•c bcs lil.11n1ie J:\. u ff a s s u 11 g it:L1 die ,vi r
t1eben die 11alur,vissc11scl1aft.liche u11d die kü11~tleriscl1e Auf{oss,ing
als ei11e dritte, sicli prin1.ip1cll "·011 i h 11e 11 unlcrs,·l1cidC'11clc :-ctzcn u nd
zu11äcl1s t als die \\"elt ,tes pra l{l,i i;c hr n l.cLcns brzr icl1r1cr1 könnc11.
\ Vorit1 b c:-:-t el1t aber tlun clcr Zus~1111111c1tha11g ... der ind i,,i-tlualisiere11 •
den \ Virklichkcitsauffas. u11g n1it, rll·In f-'roLler n der l1isto1·iscl\e11 B e~

0191 lt ado por Goog e


- 317 -
griffshildung? Wir haben be re its ,viederholt hervorgehob en, daß wir
an dem Bcgrirfe des Di.a mantcn den Begriff des l\ i s t o r i s c ll e n
lnclividutuns nocll nicl1L ganz klar macl1en köm1e11. Ur1.ser Ged an~
kengang ,vill vorn Begriff der Grenzen der NatUJ'\\'lSsenschaft- aus durcll
alln1äh)iche Detern1ination den Begriff d er Gcscl1icl1tswissenscl1aft ge-
winnen, ur1d ,vir ,verd,en nt1n sagen d iirfen , daß ,vertn die individuelle
Wirklicl•koit a ls solche mit. dem a llgemeinsten Begriffe des hi~torischen
0 b j e kt es gleich zu setzen ,var, die inrlividl1alisiercr1dc W irk licl1-
keitsauffo.ssung des praktischen L ebens alJctt als die ursprüriglichste
und umfassendst,' b i s t o r i s c h e Au rf a s s u n g bezeicl1net ,ver-
den muß , ,,robei das „ llisloriscl1e" nur die \.Virklic}1k.eit n1it Rücksicht
auf das Einmalige, Besondere und Individuelle bedeutet . Das histori-
sctte Int eresse in diesem Sinno l1abcn ,vir n1it. dein fnLere. so a1J\ In-
dividuel len gleichge.~etzt.1 und die Ii1dividucn, die für den \vollenden
und \\fCrtenden :\tenscl1on ln-dividuett sind, können \.vir d.a her h i s t o-
r i s c h. e I n d i v :j d u e n nennen, solange n11r rJcr Begriff des GE:'-
schicl1tlichen als des Ein1rtaligcn u11d Ir1dividuel lcn in Betracl1t ko111mt.
Frcilicr1 t1a.t. auch d ieser engere Begriff des Jndiv.idut1n1s zunäch t
r1ocb keine Bedeutung flir den Begriff der \V i s s e n s c h R f t I i c 11 e r1
Geschicl1te. Doch ist er trotzd crn von \\1ic litiglccit, dcnr1 ,vir körnten
n1it Rücksicht auf ihn d·c n umfas.senclst.en logischen Be«riff des IIisto-
rischen1 der bisl1cr n t1r ein Proble111 enlhielt, doch so bestim1nc11, daß
\vir der Proble111lösung \\'erugstens niiher kom.men. Wenn ,vir früher
a ls Natur die °"' irk}ichkcit rnit Rücksicht auf das Allgcn1cinc 1 ab, Gc-
schicl1te die ,virklichkeit mit R11cksicl1t auf das Individuelle bezeicl1-
ncten, so ,var in dieser F or r11ulierung 11ur der allge1_0einsle Begriff der
Natu1'\vissen.scbaft enlhal len, aber nocl1 n i ch t s von clom B~o-riffe
einer gcscl1ichtlicf1e11 Wissenscha ft. agPn wir <lage::;cn jetzt..: die
\ \1irklichlteit ,vird Geschichte ruit Rücksicl'1t au! die Bedeutu ng, die

das Individuelle durcll sciJle E iozigartigke.i t für ,vollende und ,h andelnde


\Vcsen b esitzt, so eröffnet sich un at1cb sofort d er Au b1ick a uf die
1\-1 ö g l i c h k e i t einer in1 logischen Sinne gcsehicJ1tlichen D a r-
s te l I tt n g, denn "'·eil di e i11 der artg•cgeberien \:\'eise his.tori cl1e Ai1 f-
fa ssung oder In-divjduc11bildung . owol1l die exte11sive als a\1ch die
intensive u11ül>erseh.lJare Iannigfa lt igkeit der c11lpirise-11cn '\iVirl<licl,-
keit über,vindet, ~o n1uß. der dabei n1aßgebcnde Gesicl1t.~punkt at1ch
zum Prinzip cler Bildung von Begriff n J11jt individuelle,n Inha lt ge-
eignet sein. Zugleich tvird an dein prinzipiellen logisc hen Gegensatz
z,viscl1en NaLur und Geschichte durch diese nül1ere Be.sLimrnung nicht,

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- 31

das Geri11gste geändert., denn die en1pirisclle \.Virklichkeit, ,vie si,e der
,vollende l'vl,cn„ch des prakli c hen Lebens mit Rücl<sicl1t auf ihre Eigen•
art, und Bcsonderhei.t darstellen ,,rü rcle, rnüßte der natunvj ·senschaft-
licl1en Begriff l>itdung ebenso eitle Grenzo set,zen wie die Wirklichkeit
selbst in ihrer überhaupt r1icltt darzu. t eilenden unübersehbaren
~1 annigfa U:,igkeit.
Wie aber solJ die A uffassttt1g des w o 1 l e n d c n ode1· des p r a k-
t i c 11 e 11 L eben uns d,en1 Begriff der Ge chicl,te {1s \V i s s e 11-
s c 11 a f t n äher führen'? Da i t jetzt die entschcidcnd.e Frage. Bleibt
diese }\ uffas t1.11g nicht ge,·ade, \V c i 1 sie die Auffas ung des ,vollenden
l\if cnscl1e11 ist , cl.er \V1ssenscl1aft,Jiehen Atifra ung not,veI1dig c11Lgegen„
gesetzt? Ge,vi'ß , die geschicl1t)icl1e Aufrassung kann. nicl1t 111it d er
des ,vollenden i\fen chen identisch. sein. Beid.e l1abe11 nur cl.ie cl1ei-
d ung von Individuen im. engeren u_nd \veite.ren Sinne n1iteinander
gomei,t a1n t1rid scl1ließcn so indiv:idt1elle l\ta1111iufaltigkeiLen ztt Einheiten
ir11 Siu.r1e der Zusarnrncngcl1örigkeit zusa1I1n'1c11. ie tinterscheiden
sic h aber at1cl1 prinzipiell voncinar1dcr, und z.,var jr1 z,", •i.facher Hin-
sicl,t. Da1nit e1-st kom1nen ,,·ir 1.ur ,v i s •e 11 s c 1'1 a r tl i c }1e 11 In-divi-
<luenbildung.
Erstens isl der I•l jstoriker als 1\,l a1u1 der \'\ti_scrucl1aft i.1n Gegen satz
zum ~•ollenden ) f en cl1en nicl1t praktisch sondern theoi·et.isch ttnd
verhält sich d al1cr imr11er nur d n r s t e I l e n d und nicht b e u r-
t, e i 1 e n d, d . J1. er hat ,vohl die Gesichtspunkte der Bct.raclittlng 111i t den1
pralc.ti cllcn ~len ·<;l1e11 gemejn, 11icl1t. aber da \\;ollen und ~ 'crten
selb t. Das läßt sicli auct1 so aus.d rücl{en :[die Gcscl1ichte ist lc c i n e
\V e r t e n cl e s-011dern nu1· ei11e ,v e I' t b e z i e 11 e n d e \\ 'isscn-
I scl1a ry \>Vir ,verden ger1au re::-tsLel1en, \VOrin die bloße „Betrncl1Lu11g11 •


• 1 tilltcr Wertgesichtspunkten oder das rein tl1eoretiscl1e Beziche11 auf
/'
\iVert,c im Gegensatz z \1m \\tollen und prakti~che11 , verten be.-,tcl1t ..
Hier sei r1u1· ben1e1·lctt daß d er Dia.n1ar1t l{ohi11.001· au ch aus diesem
Grunde nocl-1 nlcl,t als ein l1isto1·iscbcs li1d ivid uurn fii r uns in Bet.raclit
kon1me11 kann, ,veil \vir iltn ja gerade dadurc~1 VO'l l d c 111 I{ohl cr1stück
unterscliie<len haben, daß il\1n ein größerer \,'\,'el't zuh.01l11nt al i1·ge11d
ei11en1 beliebigen l{ohlc11slück. ;\ ls leclig'lich "vertbe:1.ogencs und i1IB~
fern \,;ssenscl1afllich gcsch icl1tliclies I nclividuu111 ,,,ürd e der Dia111ant
wiefler nur in eine,n größeren Zusa1n111 11l1angc verst ändlich ei n, auf
de11 \\·ir liicr vorlä.t1fig 11ocl1 ni ch t ei ng •l1en können. Zu11ächst st ellen
wir den z,,..citer1 UnLcrsct1icd fest. Der ,vollc11de 1Vlensch ha t inl prak-
tische,, Leben slct..s ai1ch \\'crLc, die r1ur f(ir ihn alJcjn als \.\ tcrlc gelten,

0191 lt ado por Goog e


- 319

t1nd so ,,·erden (ür ihn eine l\{cnge von Individuen zu ln-di-viducn,


ohne daß andere ~Icnsct1.e11 ebe11falls Veranlassu11g t1aben. diese in-
dividuellen l\lannig faltigkeiLcn ol n o~vendige Einl1eitcn anzuerkennen.
Die Geschicl1te , dagegen m t10, so,veit man d en Begriff d er \Vj sscr1scl1aft
auch {as::;on ,vill, jcdcnf~lls i1nn1cr eine Darst.ellung a11slrcl>en 1 die
rOr a 1Je gilt, und es kö1men daher nur die inhaltlichen Besti,nn,ungcn
jhrer Begriffe, nicmah; aber dio leit.cnden Prinzipie11 ihrer Durs lcllut1g
11
, 1 individuell
1
d . h. nur für dies<\ oder jenes Jndividuurn go lt..ig sein.
\Vi r '\\'erden also au ch die \Vertgesichlspunktc, die maßgebend rur die
Bildung yon hi11torischcn In~d ividue n ~ir1d 1 nocl1 gcnat1cr zt1. bc-stiin-
1ncn t1aben, als die bei d•e r Gege11übersLellu11g des DiarnanLen und des
Kol1le11sLückes inögli clt ,,·a1·.
\Vir hegi11ncn mit dc1n z,vei lcn Punkt, las ·en also den U1\terscl1icd
v o n y1r a ktischcr '\ \lertw1g urld tt1eorct.ischer \ Ve rt.bezic httllß zunächst
n oc h bei eite. Da1tn zeigt . ich ein. l Tnzl1rcichende d er bisher gc,,·on-
n cnen Begriffe vorr1 llistorischcn 111dividuu1n schon darin, daß irn
praktiscl1en Leben a J 1c ~Jer1sclle11 von uns als ln-dividucn bctracl1Let
,verden : die Jndi\ri(iualitä t k e in c s 1'fcnsct,en is L für t111 o bedeu-
tungslos ,vic die eines I{ol1ler1s t.ückct1cns. [ nie Ccscl1icl1t.c st-cllt. jcdocl1
nie1r1als <ljc Jndi\•jduttlilnt aller ~1 CJu,cl1e11 dar. \\1orauf bcrut,t die L

Bcscl1ränku11g auf cjnen ·r eil \ron it1r1cn ? Ofie11h~lr darauf1 <laß sie
s icJ, nur für da. intcre:-sicrt, \\'R:s, ,vie 111an zu sagen pflrgt , eine a 1 1-
g c n1 c i n o Bcdct1Lur1g be. itzt,. Dies ka11r1 jedoch nichts .-111rlcrcs
h,c iOc11, a1 ~ d a ß der \\l'ert. n1it Rttr.k~i t1t nuf clcn für ic d.ie Objekte
1,u ltistoriscl1c11 lndivid u<>n \\'erd en, ci11 allgernci11('r, d. h. ein ror alle
gül tiger \\l'e1·L sei11 rr,uO..JAllc ~Jen. cher1 ,,.,erc.leo zt1 l11clivi tluen irn
ct1geren Sin11e nur dadu rch, daß \vir j des ,,,eo chlicl1e J11di,1 idu um
nur irgend eine,n W ert. ühcrh at1pt bezicl,cn. Acltlcn \\-ir dagegrrt rl a rauf,
,,·elcl,cs indiviclu el le Leben „ich nur n1iL Riicksic ht, a ur t:1llgc1n(•i.n e \\'erte
d·urcl, seine E in ziga rtigk,e it zu einer Einheit zu. am n,ensc-1,Jießt, da11n
sehen ,vir, daß a uc h nt1s d er Gcsan1Lt1cit d er I\l cnscl1e11, \\'ie aus cler a lle r
a11dern Objekte, ~ich lltll' eine be.stin1111t e Anzahl herau!- hcht.. Bei der
Gegcnübcrs tcllu.ng z,vcicr Körper l1att.c11 \Vir dc11 Dia1r1atller1 gcv.iähll,
,veil er n1it R ti ck~it' l1t a11f cir1c1t allgen1ciuc11 \Vert zu einern von nll cn
ge,vcrtetc11 I11tlivid ut11ll ,v_ird. t,~ll<'n ,,; r nt.1n f"inc P ersönlict1kcit. ,vie
Goclhe irgc11tl cin c,n l 11rcl1s1·hnittsrnonschcn gegenüb~r 1 t111tl · ::seh~11
,vir dn,,ro11 ab , daß au ct1 die In(livicl,1alilä t des Du1·cl1schnilt.s1nen cllen
n, iL Rü · ksiC' ht our irgend ,,·cl(' l1' Lciiebigcn \\'erlc ct.,vn bcdcut..ct , so
ergi bt sich , dRO GoelJ1c zu ei r1C11\ ol<' h.en ~l eruic hcn Fl irh vf'rh it ll ,, if!

ürg,t~hzado por Goog e


'
- 320

der Dia1nant J(olli11oor zu etnern lücl<- Kohle, d. 11. ,nit Rücksicht


auf den a 11 g e n1 einen Wert .kan11 die Individualität d.es Durch-
schnit.tsmenschcn durch jedes Objekt, das unter den Begriff Mensch
fällt, ersetzt ,,,erden , an Goethe ,vird dagegen gerade das von Bedeu-
t ung, ,,ras il1n von al len anderen Exemplaren des Begriffes ,1ensct1
unter:scl1cidet , u.n d es gibt keinen allgerneine11 Begriff, unter den er
gebrncht ,verden kann. Das lnd ividt1u m Goethe ist at o in den1selben
Sinne wie das Individuum I<ohinoor ei n In-dividuum, d . h. seine in-
dividu elle Gestaltung wird von allen in ihrer Individualität gc,vertet,
und ,,rir sehen daraus, daß die Beziehung auf einen allgemeinen Wert
es un. ermöglic}1t, nicht nur (iberhaupt in jeder beljebigen W irklich-
keit z,,,ei Arten von Individuen zu t1 nterscheider1, sond rn diese Sclaei-
dung auch so zu vol lziehen, da ß \1/ir sie jedem als gilltig 2umuten
könncr1. Die unter diesen1 Gcsichtspunl{te zu Jn-dividt1en. \\·erdenden
Objekte stellt dann die Gescl1ichte dar, indcn1 sie die prnktii-cl1e \Ver-
t.ung durch die bloß theoretische Wertbe1.iehung er~etzt~ tim so als
Wissenschnft in al.lgc111oingültiger \\(eise das We:-cntl iche v o111 n-
,vescntlichcn. zu scl1eiden und zu einer not"rc11digcn Einlleit ztJs.a1nmen-
zusc hlicßen.
Aber ist darnjt nicht d r früher at1fgrstellte Begriff des I1istori-
scl1cn und insl)esondere der GegensaLz zur Natt1n,·issen~cha ft aufgc-
tioben? l-Iaben ,vir noch das Recht, vor\ eirter \\risser1scl1aft. de" Be-
sonderen und IndI,riduelJien zt1 sprechen , ,venn der v\rerL, der die
ObjckLe z-u hist oriscl1cn I ndividu en n1acl1t,, ei11 a 11 g c rt1 e iner
W<-rt ist? E.s gibt in der Geschichte allerdings a11f3cr clcn berejts er-
örlcrtc11 allge111einen Begriffs e l e n1 e n t e n nocl1 ein z ~· e i t es
A l l ge rn e in c sJ tind dieser Un-lstand erk.l5rt es :-ruch , ,,•arun1 in den
Diskussionen über die }fethocJe der histori chen \\;issrnsc1'1 aften der
Untersct1ied von Nat\tr\\rissenscl,a(t und Gescl1ic-h.tc überselien und
ei11e Univers.ictln1cthodc prol~lamJert \,·er<lc1l kor1n te. Es schien geradezu
sclbstvcrständlicli: die \1/iss('n~cl1afL hnt es im111er tl1it dem ,,A 1 1-
g e 111 e in c n'' zu tu11. ~l n-clit ma11 sich jedocl1 klar, ,vas dieses
z,veiLe Allgcrnci11c ist , so crgjbt sieb , <lnß ·d er allgemeine Wert , d<'r die

l
1
Allgemeingültigkeit iricr gaschicl1tlichert Auffassu11g erlr1öglicht, mit
dem natu1"\vissenscl1aftlicl1cn Allgcrr1citler1 nocl1 '"en.ig<-l" Zll t un hat
als diQ a lfgerncin n E lc1n •11te der lli l-orischen Begriffe. Diese sind
n iiml.ich ,ver1ig:;tR11s illrem Inh alte 11acl1 in dcrnselb-e11 Sinne allgeniein
" 1 ie ein natt1r,vi ssenscbnftlichcr Begriff. Der allgcrt1eine \1/ert d~gegen
soll cr::;tens nicl1t ct,-va t11cl1rerc irtdividuelle \\/erle uls seine Exen1plare

ürg,t~hzado por Goog e


- 321

umfassen sondern nur ein von allen anerkannter \1/ert oder ein (ür alle
.g ültiger Wert sein, und z,veitens is t das, ,vas allgemeine Bedeutung
hat, insofern es auf einen allgemein.e n Wer t bezogen ,Yird, darum nicht
selbst e~vas Allgem eines. Irn Gegenteil, die allgemeine Bedeutung
eines ObjekLes kann sogar in demselber1 1'1aße zunel1me.n, in dem d ie
Unterschiede größer ,verden, die Z\\ischen ihm und anderen Objekten
. t1nd die Geschichte \vird also, gerade w e i 1 sie nur vorl d em
best ehen,
bericl1tot1 ,vas zu einein a 11 geme i nen '\iVert in Beziehung stei1t,
vo1n Individuellen und Besonderen z 11 bericl1ten haben . Das historiscl,e
Individuum ist dann f ü r a 11 c durch das bedeutsam, wori,1 es
a 11 d c r s a 1 s a LI e isL. \i\'er meir1t, daß niemals das Individuelle
sot1dern nur das Allgen1.eine eine allgemeine Bedeutung habe, über-
sieht, daß gerade die allgemeinst en '-'' •e rte am absolut Individuellen •

und Einziga rt igen hafLen können . [Wolil bed arf also die Geschichte
ei11es .i.\.llgernei11en als Prinzipes der Au_s\.vahl, aber ehenso\.venig \\·ie
die allgemeinen Begriffsele1r1cnte ist dieses All gemeine das Z i c l,
nacl1 d em il1re Darstcllu11gen hinst1·ebeo . Bs ist vicJme.h r die V o r-
a u s s e t z u n g, unter der allein eine allgernein gültige Darstellung
des Einmaligen und Individuellen vorgenommen ,vcrden kann 7 •
Da die Scheidung d es ,,111iL allen Ge1nei11sa1nert'·' von d e 111 ,,für alle
Bedeutsamen'' v on enL5cheidender \Vichtigl{eit filr das logische Ver•
l
ständnis der l1istoriscl1en Wissenschaften ist, so orörte·r n \\·ir, bevor
\Vir zu dem Begri.ff d er 1 ,W erLbezichu11g1 ' Obcmel1cr1, noch einen Ver-
i
such, den Gegenst and der Geschichte zu bestimmen, der besonders
lcicl\t zu der soeben dargclegte11 \ 'envechslun.g führe11 kann.. Nicl1t
selten l1ört man, daß der 11;~t,orjker 11ur vom ~1· y p .i s c r1 e n zu
handeln habe, ttncI das klingt vielen eben o selbs tverst.ändlich ,vie,
daß nur das \Vesenllicl1c, Bedeutun gsvolle, \Vichtjge oder Int.eressante
dargestellt ,vet'den solle. 111:, logischen Jritere~.. e jedoch hat 111an Grund,
gerade cle·n Ausclruck ,,Ty·pu '' zur Bcstirnr11ung des I-tisLorisclten
\ \1cnjgstens seinem urruaS:)cndsten Begriffe nac11 zu ver11leicleu. Er ist.
wie viele hät1I:ig gebrat1chte Ausdrücke n1ehrdcutig. T)1pus heißt

einerseits soviel ,vie v ollkommene Ausprägung oder V o r b i I d. Dann
ist es ejn W crthcgrif[i genauer der Begriff ei1aes Gute~, an d ein ein
\1/crt haftet. Anderersei t bezeict1net das \\' ort 1"ypus aber auch im
Gegen atz hicrz11 dns fiir den Du r c t1 s c h n i t t einer Gruppe v on
Dingen oder Vorgängen Cl1a.r-akLeristi~clle 1 ur1d daru1 h eißt es bis\,·eilen
geradezu soviel \Vic E x e m p l a r eines allge111einen natur,, issen- •
sctiaftlichen Ga Ltu11g$bcgrjf{e.s. Dj sc beidera Bed eutungen <les \\'ortes
Ri ,;i k l' ,. ~. Orcnt&u. 2. A~ll. il

D191, h,ado por Google


- 3Z.2 -
TyfJtis ,vircl 1na11 ntir dar1.11 für idcnLi:-.cl1 l1nltenl \\'Cnn man iJ1 d et11
Jnl1alt eines allg •1r1ei1ten Begrif(es s<;l1on ci1t \ ' orhild Oller ein ld e,a l
sie'ht,, nac l1 de1r1 die ein1.el11cn l ndividue11 sicl1 zu richtc11 llabe11, und
das St!L~t vorau , daß die 111dividt1e.11 die t111v0Jlltom1J'lene11 Abbilder
des allgc111eine11 ß egri rfes sind , clcr donn als 1 , l dee 1 ' gedac ht ,verde11 1nuß.
Au( dein Boden cles p.lat.oniscl1en Begriff rcalism\1s, auf dem die n11-
gemeinen , ~.rerle das ,val1 rl1aft Wirklicl1c, ,rnd z,vur das al lgC'm e inc
\'' irkliche sinct, ha t, <1icsc An ich LrJc rtrl a uch ci11<.'t1gu tc11 i11rt, ur1<l ,,·eil
11icht sclte11 J>roduli.Lc 11alw~,,-isse1 Lscha(tlichcr BegriffsbilcJuJ1gc11 eber1-
fc111s zu r11eLapl1}·sisc he11 \i\•'erLreal.itälcn u11,gcdeutet ,v,e rden, so i t es
1.1,ichL ,vun<lerb ar . ,vcnn <Jcrartige , iorau sct zt1ngc11 bei d en 11l1ä11gern
cirlc1· 11atur\visse11scl1aftlicl1en r1 iversaln1eL.h oc.leeine lio llc spielet\ , \Vill
man c.lagcgc:n kei11.e 1neLaphy~iscl'1,en Vorau ::ieLzu11gen mach<'11 , so nluß
das 1'y·pische a ls das D,> rcl1::.ch11ittlicl1c v<)n rJe1i1 T)rpi~cl1e11 uls cleu1
Vorbilcllichen sorgrnltig ge~chiodc11 ,vordcn, ja, "vcil da Durchsel1nitL-
liche als Jnllnlt eines a llgemeinen Begri ffes ir11rucr ,v c 11 i g J' cnU1 ält
als jerle-s seiner ir1dividucllnn Exc111plarc, <las Vorbildliche aber über
(las Du rchscl1nittlicl1e hinausge,hen und 111 e 1'1 r als dor a llge1nei1lc
Be,griff cnthallc11 n1uO , so scl1ließe11 ·d ie beiclcn Be(letttu11gc11 des Wortes
Typus cir1rutder p•r i11zipiell a us, und die ,, typische" Verkörperu tag
ei nes Ideals kann nier11als die ul}-pi~che'' ' ' erkörr>cr1111.g oines al lgc-
111einen Begriff, inhalLes sein.
Außerd em kann n1nn rlas \Vorl 'l')•pus nocl1 in cj11cr dritten Be-
d eutur1g gcbra\1chen. o llat. I\'lax \V,eber 1 , ron " Icleallypen'' ge-
sprocl1cn, die i11 cler Geschiclltc ei11e Rolle sJ)ieJe11. Hier abet• hat cJer
Begrjff des Itlcalon 11icl1t. 111i,t ei11en1 \''ert.begrif( zu tun „ondern soll
nur de11 Ccoe1lsatz zur l{ ·alitiit andeuten, d. l1. durauf l1in,vcisen ,
claß den v o 11 de111 l(istoriker eventuel l. zt1 bil(l<•n<ien Jdea lL)·pcn n ir-
gc11d \\:irlilicltli~iten gcna,a entsprccl1en . \ ' on dj~,;,er (irittt'n Bedeutung
des \\tortcs Typtis 1110 sen \.Vir i11 cliese1n Zus~rrt1r1e11l1a.r1gc daher ,·oll-
Windig ab el1e11. \Vir ,,,c1d e n sie später nue h cir1n1al zu er-örtcrn
1

11.a ben , ,venn \\'ir -,.ron den1 Begriff de. al)s0Jt1l llist ori ·cl,en, n1it, clen1
,vi r un l1ier allein bcsc•hflftigcil, zu <lern ,de re)aliv J1islori~c11cn
übcrgcl1en . E · gibt in de r 1'at gc,visse relativ historisr. he BP.griffe,
für d ie 1na11 den t\ usdruck de · It.l cnll.ypus "'c1·,,·c11<lcn kann. . her
gcra,lc de ·,,·cgcn , ,,·eil es ~icl1 cJul>1"i nur urn t"t,vtlfi r e I a t i v l Jistori-
S<!h<>s ha11dt.:ll, i~t die e1· Begriff iur B e. ti1n111u1lg des hisloris he11
. -- - --
1 Llie „ C)bj,•kliviifil "
!.oz ia l\v1~-.~n„chaftlic l1t•1· 11nd sozinlpoli liscl1t•r Er-
kl:t1nlnh;, 1004. ,\rc ltiv fü r Soila l"'i 'scnscho(L 11nd $Qz1alpolilik . Bd. X I X .

D191, h,ado por Google


f r1djvidut1rl1S überl1au pt ungeeianct. '\<Vir beschränken tms dn1'1er z.u,-
1

näcbst auf die beiden T)•penbegriffe des Vorbildli cl1e11 und des Durch-
scl1ni ltliclien.

Tt1n \\rir dies, so kann der ::,atz, die Gcscl)ichte l1abe da Typiscl1e
darz.ustclle,n, et,,.·as becleut eu , was z."'nr nicl1t eine erschöpfende I Be-
stimmung des historiscl1en lndividt1un1s , aber doch mit Rücksicht
,venigs Lcns a llf einen 1' c i I clcr llist orisclien Objekte nicht geraclezu
falsctt ist. Sagen ,vir z.B., daß Goethe oder Bis1r1arck typ.isch.e Deulsclte
sind , so l<.ann das l1cißen 1 da ß sie in ihrcl' Einzigartigkeit und Indivi-
dualitä t ,·orbildlich si11d, und weil sie als Vorbilrter a ucll für alle be-
deulsarn sein miissen , so v.·erden sie in der Tat a ls Typen aucl1 zu histo-
rischen In-dividuen . Scl1icbt man dagegen dem Begriff des Typus
clie an(l erc Bedeutung des Durcl1sch1)iltlicl1e11 unter u11tl erklärt dann 1
daß die Ge8chichte nur "·o,n T)rpischen handle, so kom.n1t n1an zu der
falscl1cn Ansicht, daß die Geschichte an allen Individtien nur das
beact.ite, was sie mit der großcr1 ~lasse gemeinsam l1aben . Werden
tlar1n Goetl1e oder Bisr11arck auch. il1 <liesenl Sim1e 'l'ypen genannt,
so e.n tstel\t die so11derbare l{on eqttenz, daß sie für die Geschichte nur
insofern in Betracl1t komn1en, a ls sie Dul·chschnitt.smensc••en sind,
uod man glaubt, so einen Sir1n mit der Behau pLt1ng verbinden zu kön-
n.e n , daß auch die 1 ,großc:n l\länner'' 11t1r 11 ~lassencrsct\einui1gc11" seien.
Der Ausdru ck 1'ypt1s kann also 11ur daz.u dienen, die Irrtün1er über ·die
Aufgaben und das \.Vcserl cler Gcschicl1tswisscnscl1aft z.u befestigen,
die a11s der \ ' cr\-vcchsl11ng des ,,für alle Bcdeutsa1no11" ,ni t d ein ,,mit
allen Gernein arnen' ' entstehen. ur ,venn ,vir \ ' orb,ildlict1es und Durcl1-
schni'tLlicl1es, clas ich, in der Bedetitung de. \iVortes '"fyr>us unklar
rniscl1t, sorgfältig au ·cinan<lerhaltcr1. ,v,ird dor Glaube verscl1,vindcn,
da ß allein ,das Ge111einsa111.e oder <ler Inhalt ei11es al lge111einen Gatt.ungs-
begriffes von allgen1einer l1islori ·cher B cde\1Lung sei .
Frei!icl1 soll dje Ablcl1nung des Ausdruck<!S 'I'ypus nicl1t. t1cißcn,
da ß die Ge.schichte n i c m a I von Durch c}111jttsL) pcn bericl1t-0t, ·
1

denn '\riele Objekte ko"1111ncn in der 1'at at1.ch fü r do11 Historiker nur
durch das i11 Bctracl1t, ,vas .sie n1it, einer Gruppe '\ron Jr1dividt1en
teilen 1 und ,vir vverdcn diese l1istori~chcn DurcllschnittsLypc.n eben-
falls näl1e r erörtern, ,,,cnn \\•ir ur1s vo11 den absolut l1isloriscl1cn zu
den relat iv bisLori ·chon. Begrifre11 ,vci1den u1td da11n aucl1 it,r v'erl1älL-
ni:t zu dcr1 vorl,cr gl'nn11nten l dealt~·pen klnrz.1tstellcn uchen. 1-Iier
jedoch ka11n clcr Urnst..and, dnß die Geschichte 11r1ter Andere111 aucl1
Durcl1~ch11iLlstypcn darstellt, nur ,ein neuer GrL1n,J stin, das \,\.7 ort„
21 *

ürg,t~hzado por Goog e


das die ~ ·ei ei11ander nusscl1ließenden Bcdeutungo11 l1at, 1nit großer
Vorsicht zu v en,renden. J a, der A.usdn1ck "'·ürdc, selbst \\ e11n ,vir1

stets clas Vorbildliche und D,1rchschr1itl]jcl1e auseinander hielten 1



sich zur Besti1n1nu11:g dessen, ,vas Objelc.t d er Geschichte ist , nicht
eignen, denn die Gescl1icl1te J,at es du rchaus nicl1t nur mit Obj,ekten
zu tl1n 1 die cnt,veder ·rypen i1n Si11ne des Durcl1schnittlicl1e11 oder
Typen im Sinne des Vorbilcllichen sind. Das \ forbildliche ist nur
,vcger1 seu1er Bedeutung für Alle geschichtlich ,vesentlicl1, und es ist
nicht et\,•a j edes historiscl1c Indivi(luum aucl1 . cllon vorbiJdlicll.
~f::ln k ann sogar sagen, daß die event11clle Vorbildlichkeit des für Alle
Bedeutsan1en den Historiker , so,vcit er rein theort}Liscl1 ,vertbezieher1d
und nicht ,vertend verfällrt., nicllt zu kü mn1ern brauch.t , und jed en-
falls ,vcrder1 zu L1isLorischen Indi"•iduen auch Objek te wi e bestimn1te
geograpl1iscl\e Situalionc.r1 1 z. B. der Schauplatz einer Schlacht, rJie
doch ge,viß ,,,edcr DtlrchschniltstyJ)en sind noch irgend welche vor-
bildlicl1e Bedeutung besitzen. \Vill rnan also einen "'rall rh aft um-
fassenden Begrif[ d e-s hi ·torischcn Individuums erhalten, so i t der
Begriff des "fypus ganz unhr·auchhar. Nur ftlr be: ondere Art e n
des 1-Ii torjscl1en kann er ver"\vendet ,verde1.1 und i t dann noch genau
zt1 bcsLirnmen. \''ir zeigen hier zt1näcl1st nur, daß, ,,·enn die \i\'irk-

lichkeiL miL Rücksicl1t Qltf einen allgcn1eincn 1 d . 11 . überall als \Vcrt.


geltenden \Vert in ,,.,·esentliche und un,•lcsentliche Bestandteile zer-
fällt und die "''e entlicl1en Beständteilc sich zu individ11eJ}cn Ein heite.n.
zusarnmenscl1ließen, die daclurch entsi.<!llendc Auffassttng der \Virk-
Jichkei t nict1 t \ViUkürlicll und desJ1a]b von vor11eherein un"ri se11.schaft-
lich ist , sondern daß sie v on J edetn anerkannt ,,,crde11. n1uß tJnd
datrtil cir1e urlerliißlicl1e Bedingt1ng jeder ,vis en~chnftJichcn Aufias-
sung erfilllt.
Doch ,vir hah en cllon ,viederholt nocl1 ein,c:n 1.,,·cit e11 Untcrscl1ied
z,viscl1en der ,visscn"' cl1afLlichen l1isLori:;cl1ort AulfasS'.u11g und der
Auffasst1ng des \volJen,len l\lenschen iln prak tiscl1c1l Leben festgestellt,
und ers t dann, ,venn ,,·ir ü ber ihrt volle l{larllcit. haben, ,,•ird au.eh
der Begriff des l1i"torische11 1ndivid uums ~ icl) cncJgfi ltig be t.imr,1en
lassen. 1-\ lle bisherigen Altsfül1rt1nger1 sind n ur a1s , rora rbeit.cn l1ier-
für ttnzuseher1 , 11n<l ,,·er zu u.r1scrr11 B egriff de histori cl1en Indi viduums
StcllU11g ncl1rl1cn "'·.i ll, der darf ich 11iuht an ei1tige der ,,o,·läufigen
B csli111 1n:ung<-'n sondern n ur an clie jetzt vorz11nohrnencle e nd g ü l-
t i g e Best in1rnung l,~lten . D c11l<.L man a t\ die bcidcrt V ö tl uns gc-
brat1chten Beispiele tür rlen Begriff des hi~toriscl1cr1 lndi, 1icluur11.s,

D1911 11,ado por Goc,gle


- 325 -
al o an den Kohi11oor und 011. Goethe, so könnte man meinen, daß
d i e Teile der Wirklichkeit, z.u l1is torisehcn Individuen ,verden sollc11,
die selbs t \Vertc v crkö tperu, oder die Güter sind, a11 denen \Verte
haften, u nd z~•ar \Verte v o11 solcl1er Art, daß sie von Allen po itiv
ge\vertet ,verden. .Dieser Begriff ei nes Gt1tcs aber, an dem ein von
Allen positiv ge,verLetor ~ 'ert haftet , ,vüre viel zu e11g 1 u1n das histo-
rische Individuurn :zu kennzeichnen, und es genügt auch nicht, diesen
Begriff dadu_rcl1 zu erweitern, daß mnn die negativ ge,verteten Wirk-
ticl1keiten oder die Uebel, \\ ie rr1an irr1 ·Gege11sntz zu den Gütern sagen
1

könnte, ebenfalls zu den historiscl1e11 Individuen rech net.. l Es ist •

vielmel1r überhaupt nicht Sa.c t1e der Gescllicl1ts,vissenscl1a ft, positiv


otler 11cgativ zu ,verter1, d. 11. Zll sagen , ob clie irtdivjduclle·o \v'irklicl1-
kciten, die sie, darstellt, Güter oder UcbeJ, \vcrtv•oll oder ,,,crtfcindlicl1
sind, den_n ,vie sollte die Gescliicl1te dabei zu a l l g e n1 c i n gültigen
\;\i'ertttrteilcn ko111n1c11? Son(lern das, \.\'as ,,·ir llnter der „Bcziel\tir1g1 '
eines I11<li,,iduun1.s auf einen Wert verstellen1 ist von seiner direkten
po-siLivcn oclcr 11egat.ivcn W e r t ,, n g . orgfältig zt1 t1nter:;cl1~idcn.
[Ja, es ,,1üre geradez,i d t\S s c I\ 1 i n11n s t e v o n allen I i ß ver-
s t ä n d n i s s e n , ,venn 1nan u11scre Ansicl1t. so aufraßte, als hielten
,vir die Eallltt:i.g von po ·it.iven o(ler 11egativ n \ V e r t u r t e i I e n '
1
filr eine gc. chicl, ts,vis et1scha{tlicl1e Aufgabe und die Gescl1icl1:Le
de1ncntspr ch<•nd für eine ,verteride Wisscr1schafl."i In <ler LoslOsu11g
1

jedes praktiscl,en, positivc11 oder tlcgativen WerturLeils VOil der rein


th eoreli:scl1eJ1 Be1.ichul\g de1· Obje), t,e auf \\'erte 1nüsse11 ,vir ,,.icln1ct1r
ein ,,·cscntli ·lies l\f crk1111tl df'r ,,,iss nschaftlic ll•Cn l1ist o rj_chcn .i\.uf-
(assung e·rblick ~11. .Ja, so ,,·cit der \ Vcrt.gcsicl1L~pu11kl für <li" Gc-
sclticl1Le cnl,scheidcntJ ,,•irJ 1 i. t diescl' Be-g1·iff dcl' \Verlbczit•hur~g .grade~
z,u d o s ,,·etentlicl1e I\l crkn1 al {iir die Ge chicht,e nls \\1isscnsc11aft.
\\>'~ aber heißt es, dnß ein Ol1jckt ntir tllcoreliscl1 ouf ein~n \.Vert
bczogcrt isL, (,h11c dabei als Gut oder als Uobcl, als ''°l!rLvoll oder 1:11:.;
,veJ'tfeindlicl1 ge,vertet zu seil\'? G,rcifen ,vit-, u111 dies zu v crslehcn,
noch oinrnal auf <lic Attffas t111g des p1·aktische11 Lebe11s zurüclc 1 , ,1elcl,e
st ets auch Objt' l{to ,,·crlct,1 ur1d dc11J.cen ,vir dr,bci an i,vei ~le•1sclit.•tt,
die sel1r s tark in clen1 , ,vns sie lic·bcn 1Jnrl hns en, v on.e inander ab-
,vcicl1e11. l{.11,n l.r(1Lzde11\ r1icht 1uit. Rücksicl1·t at1f beslimrnle \\'crLe,
,vie z. B . uie politi .. chcn Iucale es sin<l, die \ Virklil"lik.•it für Beide i11
ganz übercins Lin1rnen<ler \Vci:;e in solcl,e Objekte zcrfallc1l, von clenen
die ei11c11 für sie nur als Exc111plar • eint-~ Cullungsl> •griff<'s irl B c-
tracl,t kor11rr1c11, ,veru1 ie überhaupt art ~ic d •nk<!n , die al1<lcrcn cla-

ürg,t~hzado por Goog e


- 326

gcge11 durcl1 ihre lndivi<lua li t.ä.t für sie bedeutsam sind? Der eine
von den Beiden 1r1ügc ein radiltal~r Demokrat und· Freil1änd.ler, ller
andere ein radikaler ArisloltraL und cl1uLzzöJlncr sein. Sie "'·erden
da11n gc\,,jß i11 il1ren. \Vertungen oder· \Vert<t1rtcilcr1 über die poliliachPu
Vorgl:l11ge il1rer Zeit oder der \ tcrgangenheit, in ihrcr11 \ ' aterlan(Jc
o(ler bei andern v'ölkern nur in \venigen Fälle11 übereinstinl1l1en cl„ ll .
sellr verschiedenes für Gtiter ode r für Uebel halt.e11 , aber ,vircl darurn

et\va der ein•e von il1nen 11.ur . olcl1e incli\•iduellcn poliLiscl\en ·orgü11(,e
. 1nit l11tere.,sc "·erCol gen, die dem anclcrn vollkcJ,nm n gleicl1g(illig
inrl? Gewiß nichL. .i-\ ucl1 \1nw 1· den Polit.ikern clcr denkbal' , rerscl1i •·
de11 ·t en Ricl1tungcn bilclen d i o se l b e n i11divirluelle11. ' 'o1'µ-511ge
den Gegr11sta11d des Jntere. scs, cl. h .. die Differcn.1.en der '''erLu11g
müssen . ich aur eine g c rn e i 11 s o. m c \Vi rklichl citsaurfassu11g
beziehe.n , <icnn ,vo Z\vei ?\Jc11 chen vcrschi(lcicn<!r ~l ciitttng Ober den
,,rert einer Ge~La. ltung sind 1 ,vürdcn ja die Strei'tcnden gar nir l1t
von de n 1 s e l b o n Objekte SJ)rechcn, falls dirse gerf\ct11:,;n 111c '\'irk licl1-
kcit..-,auffassung nicl1t bestünrl c, und es ,,·nre cl:ilu?r ein Streit über dert
Wert cles l>etreflenclcn Objekt.es ü bcrhou1)L 11n111ögli ch. Sr hon die~ei;
1

Beis1>icl rr111ß es uns klar macllen, <la ß n1nn di" Güter und {3ie Akte
des Wcrtcr1s t1icl1L rt11r so bch<.tnd ·In kn11n, <laß 1r1an 11t1c h c.l er <,cllttrlg
d er utit il1nc11 v erbunclenet1 , v crtc frag t und daz,11 feslz.ustellcn ·11cl1t 1
11,it ,vclcbem f{ecl1Le clie positiven oclor 1tcga Livcr1 ,,,.crlu11gcr1 ,,oll-
zogen und die Di1tgc al , Güter oilcr a ls · cbel beze ic hnet "'·er<J cn,
so11der11 daß e außcr clern n oclt eirlc Bclrac l1tung 11lit Rüc k.-;ichL au.f
\\fcrle gibt, die nacJ.1 cle111 \Vert O{Jcr LTn,,·ert d er Ding•, na,r h ilu·el·
Eige n cl-1aft al Gttt od er Uebel gal' 1Licht fragtt vicl111.chr lctligLicl1
das atlS d er t1nül,ersch.baren l\lan11igfalli"J'-cil herausffreift, ,,·as über-
l1aupt in einer Bczif'l1ung zt1 \\'erten st.el1t, so daß c r11it R ü.cksiclit oti[
die„e \ Verte irgendwie d i f Cc r e 11 t ,1vird. ach der Ber~chlig,111g 1 Ob-
jekte als Güter otlel' nls Uebel positiv od :.l' 11egati.v zu ,,·ertcr1 1 l1at die
Gc.~chichLe nicl1t zu fragcn 1 unJ ,,·er ~ich gegc11 soicl1e \\'ertunge11
iJl einem rein ,,isse11scl1aftlicl1cn l1isloriscl,en Zu.snn11nerlhange strüulJt,

is t 11icl1t ~lt "''id•t>1·legc.n. Die Be1.ieh1111g der 01Jjcl{le aber a\1 r \\'e rLe
überl1a upt, s.o claß ~ie rl:1du rcll in s<llche z~rr:dler1, clic i11c.lifr(lrcnt
gegen tl ie \,\ ' crLc i-i1,rl, i, n,l so leite>, (lie niiL R iick.. icl1t a,1f ·, ,.erte Ober-
l)aupt eine 'B e(lcutung ha ben, lä ßt s ir h von ctcr g(~..-chichtliche11 B e-
trachtting nicht loslösen. Di~~e \\' erlbnziehung ist \•jcl1nchr fü r clic Ge-
schicl1 ts,,·isse11scll art so \vc. cn t,l ich, <iaß ntnn ,)hrtc sie ga.r ni cht i1n -
$lfl1\tle ,,·üre, <.lc1:i, ,,,as liistorisc t1 ir1 Ilf>Lrucht kt11nmt1 v on tle 1n z11

ü1g1taltzado por Goog e


- 327 -
trennc11, ,,,as histori cl1 gleit·hg(iltig ist. i\Jan kann z. B. die Persön-
lichkeit L t1lltcrs für ein Gut oder Cür ein l. ol>c.l }·1allcn, n1 an k.a nn
glauben, daß sie rar die l(ullurc11L,,ricI~lung Deutscll lar1cls seg,ens-
rcicl, ge,v,csen ist ode1· nur Unl1eil gcbJachl hat. eher die. en Punkt
'n'Ct'({ "It die ~leinur1gcn de r J-l is.torikcr viellei"ht imn1er au, einancler-
"t~l1en. Darüber aber, cJaß Lu ther übcrl1aupt eine Bedeutung 01.it
Rücksicht attf allgc1neit1: anerkant1 te , v erle gehabt 1'1at, kann unter
<Jen l-list.oril{er11 , die die 'rat sHcl1cn ke1t11en, .kein z,,·eifel be··t.el1e11, u11ti
es ,,·ird nien1o ls einem lii lori·k er einfallen, zu sagen, daß Luthers
Persör1lich kcit ror cJie Ge ch·ichte un,,·e cntlict1 sei. So soll tc rr1 at\
nicl,t bcz,,·eifelr1 t claß clas positive oder ncr-1aLi, 0 \\'erlen elwas prin-
1

zipiell anderc · als da Lhcc>reLi -,1·!1-e Bciiehen der Objck.Le auf \\'erl.e
ist. Da~ \VerLen mt1ß i1nrncr po~iti, r oder nc«ativ 8ein t1nd das be-
lrcffcntle Objekt ftir ein Gut orler flir ein Ucl1el crlt lärcn . Ons bloß
tl,eoretischc Bezicltcri ataf \Verte ctageg n hält sicl1 von dirscr Alter-
native , roll ·Läntlig fer rt u11d erklärt ein Objekt nur rar \-Vesentlich,
ol1nc 11acl1 ~ei11en1 Charakter al, GuL oder C ebel ztt frager1 .
\ Ve1ttl trot.1. die~es unz,,·eifclhnfLen ntcrsc t1icclc · die Begriffe
cles positiven oder n eguti"·cn. ,,icrtc11. nicht, von der11 Begriff de r tl1co-
retischc11 \\'crlbczich urlg ge.l.r,e 11r1t. ,vrrclcn , so• liegt da nur an fol-
ge11dern. \ Vird das ei11c Ereig11is als ,ve ent lieh, da , artdcrc nls un-
,ve. .cntlit•l1 bezeichn t 1 so i. L cl n . a.ll erding::. our. l1 ein Akt de:, ,,rcrL('rrs
o,lcr der Stelltingn..1'1111\0. 1\h r tlic ·es St •llur1gnch11u:-n fä ll,L ebc11[Rlls
n1i t den, ll1eorcLiscl1e11 B •ziel,,c n <lcr ObjekLc auf \:VcrLe, ,,·oclurcl1
hisL01·i~chc lndivirlttert c11t.stehc11, 11i,·ht zusn111n1en . Dn)I, .. ·i1eicl('11 in
,yesent'licl1e und \lfl\Ye~<'nllit:lit~ ~l erkn1al bedE"talct 11ümTir h in j c d .e r
'\Vi&senschafLlichcn Bcgriffsbildt1ng· ein \Vcrtcn, ·u nd i n s o f c r o
i ·t a.u(• lt tlic Nalur,,·i:-:seit~cha fL V1) t1 \Al crlunge11 nicht frei. \\"'SC'11t-
liclies vorn l '. n,,·ese1tlli,:he11 l r ent\(' n, rla.; ~etzt üb<>1·all den \''"'rt der
W i e n s c h a f t , ,or:111s; r·niL R üc:l<~ici1t. au f den ,Jie einen Br::;t nnci-
tf'ile ,,·~cntlicl1 1 rlic an.d c rn t1n,,·c c11tlich sin<I. \Vo Jic \''it-SCll~Cllaft
nicl1t als Gut r.re,,·erLet ,,·ird, ka11n es fiberl1a\111t nicl1L 7.ll einer . chei-
cl una von ,vc~en t Ii<' hcn ltnd u11,,·1.~:--<'r1 llirhcr1 Be ·Land t il(:n kon1n1cn.
E s liißt i.ir h d:il1or d r U11Ler:.ic•l1i •d der n aLur,, i sc11schn fLlir l te 11 "'{111
clcr hisl<1 risl' h1?n Auf(ass11ng aucl1 so au:-rlrückcn , claO, ,,·enn j~ma11d
clie aLur,\·is e1,~chaft all'! l'he<> retisch ,,e; G11-t ~e tzL \incl t1ci !,eincrr1
Denken von <ler Abi-\icht gclci-t •t ist, all,ye•ncine N.tturl>·gri ffe i·u
bil,lcn, un•lcrc Faktoren <lcr c1ri11iris1:hcn \\'i1·k)i('hkei t fü r ihrt ,veser1t-
lich 11 r1d nnt lerc url,vcs@11tl icl1 ,,·ertle11 n1iis:-.cr1 , Hls clon n 1 ,ven1l jcn1ar1<l

ürg,t~hzado por Goog e


328

die Geschichtswissenscl'iart als theoretiscl1es Gut setzt und nun mit


Rücksicht auf d as Ziel, geschichtliche Wissenschaft zu ver,virklicben,
,vesoittliche und un,vcsontücl1e BesLandtcile in der empirischen \Virk-
lichkeit voneir\ander trennt. Diese log i s c 11 e n. \\'erte aber, die
bei j e d e r ,vissenschaftlicben Begriffsbildung stillscl1wcigei1d vora.us-

gesetzt sind, las-en wir in diesen n1.etl1odologischen Unters11cl1ungen
a usdrücklich im H.intcrgrnnd. \Vir kün1.r11crn uns nur um das Ver-
hältnis, in clcm die Ob j c k t e der begrifClic hen Dar. t ellung zu \i\1 erten
stclien 1 und da kön11cn ,vir n:un fests tellen, daß für die nat11n\'·issen-
schnftlicl1e Begriffsbildung es cl1a1·akteristisch ist, daß die Objekte,
die ie unters ucht, von allen Beziel1ungen zu \\1erLen lo. gelöst \.Verden
und losgelöst ,vcrden müssen.• wenn sie nur als Gattungsex en1plare
allge1ricir1er ß egrilfe anges;cl1en ,verden sollen, daß dagegen die Ge•
scl1icl1ts,.,·issonschaft z.war von dem praktiscl\en \\' crt.en der Objekte
und ihrer Beurteilung aJs Güter oder a ls Uebel sich ebenfalls freizu-
halten t,at, dagegen nie1nals die Beziel1ung der Objekte auf W erte
überhaupt aus der11 At1.ge lassen l{ann, da es sonst für sie gar nicht
'lnögliclt sein ,,iirde, in der empirischen ' '' irkljchl{eit gesch.ichtlich
wesentliche von gcscl1icl1tlic.l1 un,vesentlichcn Vorgäi1gen zu tinter-
scl,eiden. Der mstand, daß jede ,~·isson chaftlicl.1e Begriffsbildung
dje W ertung , ,on ,vissenscl,aftlichen Zielen ,,oraussetzt, darf uns daher
nic)1t darüber täuschen, daß die Bezicl1u11g der Objckt.e a11f \Vertc
el;\vas für die hi torische Begriffsbild urig Eigenlün1licbes j ~t, und d aß
diese theoretische v\'ertbeziehung , ,on der prakti cl1en ,vcrtung unt.er-
scl1ieden werd en muß .
\iVir l1aben also jede11fall - die vorieinancler a b ,v e i c 11 e n d e n
positiven oder negativen \\',e rlungen v on der g e m e i r1 s a m e n
Wirklichl,eil.sauffa. u11g 1 durch <:lie nur bcsWmmt e ·Objekte zu In-
di-viduen werder1 uud andere nicl1t, lo zulösen, d . 11. dio cl1eidung h1
,vesentliche u11d un\\re entlicl1e Ele1,1ente vollziel,t. sicl1 fli1· die Ge-
schichte in einer '\>' On der \ 1ersc11iedcnl1eit der praktiscl\en \:\1erLur-
t eile gänzlich. una.b hängigen '''cii,e. Andererseits jedocl1 i t at1c'h die
den verschiede11en Pa rteien ge1nein!iar11e .i\ uffas$ting nicht. von jeder
,,Bezicht111g11 zu \\'erLen überhaupt frei. \Vcnn irgend ein Objekt
durch seine Ir,d jvidun.lität politiscl1e oder ä:-Lhetiscl1e oder religiöse
Bedet1tt1ng erhalletl, zum Gegenstand rl e5 Streites ,verden ltnd histo-
ri ·cl1 ,vict,tig oder ,1nv,1icl1tig er1,cl1einen unrl s_i ·h al:,; Jn-rlividt.1 um aus
clor u11üLcr ·chharer1 Fülle der Objckt.c l1era usl1 •l)en so,lJ, so darf rnan
das politische, kün Llerjscl1e oder reJigiö ~e Leben nicht für et,vas

D191, h,ado por Google


- 329 -

Gleichgültiges halten sondern muß irgend ,,,eJcl1e p olitischen, künst-


lerisclien oder religiösen Werte ausdrücklich als W erte kennen , den_n
für ~fenscl1en, die dies nicht tun, würde gar keine \ ' er-nn lassung be-
stehen, der individuellen Gestaltung bestimmter Objekte ein anderes
Inter esse zuzuwenden als d er irgend \\'elchcr beliebigen a:n dern. Be-
zeicl1ncn \\fir also das, ,,,odurch eine den verschiedensten \Vertbcur•
t eilungen geme.inaame Auftasst1ng der Wirklichkeit en tsteli t , die als
solche ,vcder ncg.a tiv noch positiv gc\\'ertet ,vird, als die bloße B e- •
ziel1t1ng a uf Werte, so kann n1an diese Bez.iehung als rein theoretisch
stre11g von der pralc.lischen Be,vertung scheiden. ~ 'erten ist st ets ent- ·.,.,,-
weder positiv oder n egativ. Bezicl1en auf W crte ist keines von bei-
den. Dos allein scl1on 111acl1t den prinzipiellen UnLerscl1icd klar.
Dt1rcl1 das bloße Beziehen er1ls·l ebt dein Cl1tsprecltend eine \.\1elt von
In-dividuen für alJe in derselben W eise. Der \Vert di eser Individ uen
dagegen "''ird imn1cr sehr verschiede11 gescl1ätzt ,,·erden. Darüber,
,vas in dieser \Veit von Individuen Gut ode1· Ucbel, ,vert,,011 oder 1

wertfcindlic.h ist , ist durct1 die bloß tl1eon-tische Beziehung a11f


W e.rte 11och nicht clas geringste ausgesagt.
J etzt v erstehen ,vir : clas logjsche Ideal der llistoriscl1e11 Au f~
fassung ist also, ,venn die Geschicllte Wissenscl1aft sein ,vill, dadur,c h
charakterisiert, daß sie von alle1n praktischen W o 11 e n den Obj ekten
gegeniiber frei ist un•d dal1er aucl1 von jeder \Vcrlt111g absieht, dagegen 1
die bloße Bez i e l1 u n g auf allgemein anerkan.nte W erte in dem 1
a11gegebenen Sinne beibe11ält. E s gliedert sic l1 dann für sie die Wirk-
lichkeit in Jn-di,riducn und Exer11plare vo11 Gattungsbegriffen ir1 der
\\'eise, daß aucl1 die verschiedensten Parteien mi t il,ren von cin~ndcr
ab,,1eichen,len Wer tu11gen dieser Auffa sung zt1stimmen kö11nen.
D,a111it soll all.e rdings nicht gesagt sein, d aß ni cht auch der ~l istoriker
bis,veilen '''erturleilc fälle, oder gar da ß dj,e Logi k ihm dies verbieten
wolle. Nur gel1ört d.ie W ertt1ng, di e stets positiv oder negativ sein
muß, nich t zum rei11 log ischen ~ 'c..i;;cn d er Gcscl1ichtc sondern geht
über die im me th.od0Jogiscl1en Sinne gescl1icl1t}jclle Auffassung, d ie
sicl1 von jeder \Verthet1rteilung frei hält, hinaus. Das •
theoretische
B ozicl1en d er Objel{te auf \1/er te ist clagcgcn von jeder gcschicht-
lict1,en D ar t ellung begrifflicl1 11nablrcnnbnr. Als zugesl.anclcn dürfen
wj r v oraus etzert, d aß die Geschichte sicl, bau plsäcl1licl1 mit l\Jenschcn
beschä fiigt,, urtd tl a ß i1mcrhalb d es i\llenschenlcbens nicl1t alles fur
sie von ·gleicher B edeutung isb. Das ist; abso lt1t clbs tverstät1dlicl1,
~·ird n1a11 sagcr1. Ge,,·iß, aber nu cl1 dafür rr1uß es d ocl1 Grw1de geben.

0191 lt ado por Goog e


- 330

\Va rurn er7.t\ti!L rlie Gescliicl1 Le von dcn1 einen 11cr1scl1cn und von der11
.::inrlern nicht? Die individ uellen Unterschiede z,,·i che11 ih11e11 sind
an sich nicht größet· als die z,,ti c hen a:n,d en1 D i,n gen , denn ohne d.a ß
\\'ir cli e es als \:\'C entlie h t, 1vorl1ebc11 t1n <l jenes als un,\'C en t lie h b ei~
s ~itc lasse11, i t jccles Ding einer beslimnitcn G::tll l1ng vo11. jcrl<'rr1
anderen .in 11nübers hb::tr vi ler1 Beziehu11gcn v crscltic<le11. Er:,,L
\ \7erlhczi hung~r, hestin1mcr1 (lic Größe d.er uuJ jvi,tuclle11 Differc11zer1.

ie Jas-st•11 uns 1l cn cirlcn Vorgar1g be111erk(•1t unLI <lcn andern zuriicli-


treLc n. J e 111el1r ,,·ir geneigt ~inJ, an die.:;er Bezicl.1ung ge,,·i i-Cr \<Vi.rk-
lic1 1kciten a uf \\'erte als an ct,Yas elb:;tve rtil i1ndl ic hen1 a"htJos ,•orübcr-
z•1gchcn, desto mehr Gruncl l1a t die Lo17 il,l au f di es clbstver~t.änd-
fic hc 1nit :illern 'ac h,lruck hinzu,,·ei:i.en unrl hcrvorz11hcb(•n , daß ohne
die Bezieh ung aitf \\1crtc uns <lic indi,,irlucllcn C'nlcr ... cl1it".'de irit ge-
scl1icl1tliclicn Lrberl d ~r l l c11 ·cl1e1t cLe n~o gleichgül tig sein ,,·ür<l en
,vic die Cntcrsel1je,Jü der \ Vrllcn in1 )leer oder <l cr Blfi lle r iln "''ittde.
'\\1j)I (1C)r }li ·torik.er iiLcrhaupL cir1e Gc. . chicl1t.e der fiennissancc oder
d er ro111anti~e hcr1 clrulc srhr{·ibcn 1 so ka1u, er sie~• Z\Var ge,\'iß ei11
T,i<'al \ ron 1ii:;tori.i.chcr II Objf•k Li,,j l ä t" bilde.11, bei def.scn Err('ir,hu ng
nie111a11d merken ,,•iir,l e 1 ob s ~ir1e poliLi::chcn ode r küt1~t.lc ri~c hcn
Ueberz.eu<•u ngcri 11n(l <lje n1iL ihnen. vcrl111n.dcr1ert \ Vcl'tu11get1. il11l1 uie
Renai5sa1,ce oiJcr die Ronu,1 11tik s)·n11Ja lhiscl1 oder u11:sy111JJa thisch
macl1cn 1 ob sio il11n a ls höc h:;te Blütc11 oder als :tadien rles ticf~Lcn
\ ferralls in der Ent,vit:lilung ucr ),Jen chheit ers<' heir1cn 1 uncl ,,·rnn
er auch cJiesc:i Jclcal 11iel1t \\ il'klicl1 erreicht, stJ kanr1 er :--ich ,Ycnigs.t<·ns
eine Urt eil~(' nll1a ll11t1g über· rl<>n \\·ert <ler l)rl1nndelt..-.,1 OLjc-k.Lc ttir
,,·iss.crtsrl1a rtlir hcn Pflir ht n1arli en , cln fii r ihn nls J li~l oriker 1\ur über
clen tatsii,c l1lic hen Verlauf, 11-iert1al aber über ~ •i11en \'let·L eine ,,·issen-
sc ha fLl icl1 begrüncJe tc :'\leiuung 111ü~licl1 ist. \Vcrte a b er s pielen trotz-
derrt bei ~ci,1cr 1'üLigkeil eine "ntscl1eicle11dc Rolle, dc11n er ,,·ürd c ::icll
utn di e eillllla ligf'n ur,cl ind ivid 1u:il1.-.n , fl.Pna i~Fanee orlcr r,lrnar1tisehe
· chu le gerinnnll'n \ 'or gä11gc iil>crha u11t nic11t k ü rr1 n1 e r n, ratl~ sie r1icl1t
durcll il1re ln<l i,ti<lualiUi.l. zu polili. cllcn , ästhr lisc hen o<lcr a11deren
a.llgerneinen \\'erte11 in Beziel)u t1g stä11<lcn. D •--hal b h,t der Glnllbe,
i.r1 dnr Gcscl1 icll te je, no IM ei11en a b-ol uL ,,·erlfreiert Stnn, 1f'.H1r1l~t zu
vertreten, cl . 11 . tricht, nur poi,,ili\·e od "r n ega l,i\·e \\'r.rturtci lc sor1,lcrn
auc 'h \Vcrtbczit•l1ur1ge11 ·vermeid en zu könncr11 i11nH er eine , el1)51.-
Liit1sc hut1g. Daß die Gc~chit: hLe nur <Ja · 11 \\'t.•se1 lLlic:hcc' dar1.t1. Lellcn
hnlJ ', gi·bt, jccler oh11e ,veit.crcs zu , ja , n1a11 111at l1L Llc111 Ili -toril\er
r i11cn sch,,·eren \ ' Ol'\VU rf d a raus, ,vc rttl er c_lje -c Regel nie l• t l)efolgt

ü1g1taltzado por Goog e


- 331
und ·n ,vcsentliches rni t in seine Darstellungen aufnimmt. Die \ Vorte
,,.,veser1tlicll" aber , oci,er a\1ct1 ,,int.ere ant1 ' , ,,clia rakteri.:stiscll'',
,,,vichtig'' , ,,bedeuLsam'', die inan .
a uf da g Historiscl1e imn1er muß
al'.1w.er1c.ler1 könnct\, ha ben ohne d ie \ .Toraus etzung irge11d ,velcl1er \.Verte
gar keinen angebbaren Sinn n1chr. \\.-ir bringen also in1 Grunde ge-
11ommen durch clie Bel1auptu11g 1 daO jedes Objekt, das Gegen. t.and
der Gescllicl1tc ist,, a uf cinnn \ Vert bczoget1 ~ein n1uß 1 r1ur die sehr
trivia le \Val1rl1eit, tl aß a lle ·, ,vas die Gcscl11chtc darstellt, intere~stu1t,
el1oralcteristiscl1, ,vichtig oder bcdcutsnm isL, auf einen logisc.11 bra t1cli-
baren Ausdr11ck. l)as lnt.eres~antc, das Charnktcristi~~r hc, das \ \' icl)Lige
ka11n so,vol, l ein Gut. al aucl1 citt Uebel s-cin, und es bra,1ch,t, clar al1fhin,
ob es ein Gt1L ocler ein Uebel i t, gat' nich t betracl1tet. 2.1J ,,·.e rden. Aber
es verliert sofort den Cl1arnkt •r d e Intcres. anten, <.les \~'icl1Ligc11, dcS
Chara kleri~Li ~c11e11, ,ve1t11 jc,Jc Art ucr Beziehung a.uf \\ 'e1·te al)ge-
schnitten ,,·ird.
Blicke11 ,vir jetzt l tOch ei11111a l zurü(' k. Die Begrifr.~besLimmung
de:, L1is-t.oris.cl1cn I ndivid uu111s i t in drei t u r e n crfolgt. Zuerst ...
\!var da Jiisu•ri e he da · ein tna ligc urtd be.i or1dere \ \.rirkJicihc scl1l ccht- '
\
hin1 das überall incljvidueJI in1 Sinne von ein.zigartig ist , un<l dieser 1

Begriff ger1ügte. um die Grenzen d•c1· n a tunvisscnschafLtichcn Be-


griffsbifd.ung klar z.u legen. Socla11n ,,•t,1rde das J,{jsi,ori.scl1c clas von
cin,e n1 ,voller1clen \-Vescn n1it eine111 \Vert , 1 erbunuene un,l ir1 sciricr
Einugnrtigkcit zugleicl1 cir1heitJiche \\1irkliche, \Vie z. B. cler Dia111a1tt
Kol1inoor i 1.111d dat11iL lernten wir die v\ 'il'l<lichkcitsauffassung d.cs
praktischen Le bens kennen . E11d lieh konnten ,vir da_s l1istoriscl1e
Individuum als die \\ 'irklichkcit l>c~limn1<'n , die . icl1 durch bloß
theoretiscl10 B czicht1ng auf einer\ all tfcnleirtcn \ \ fert z1.:1 ein er oin4ig-
artigen und cinhcitlicl,en l\Jannii{faltigk.eil für Jt-'!uen zu~a1n1ne n-
scl, ließt. t1nd die clann so, \-vie sie un tel' <lern Ge icl1lspu1)l<t dieser
thcorel.ischen Betracl1tung in ,vcsent lichc tind uo\\·csentlic·h e Bcst nnd.•
teile zc1·fäl lt , aucl1 , vissc r1st·ha ftljc l1 vo11 der Gc~cl1icltlc dargcslcllL
\.verde11 katm . Dart1it isLerstcl.er B cgri tf errcicl1t , der das lJistorische als
da Objekt d.er hisw ri~r.hen ,v i s s e n s c h a lt en umfaßt. Die
beiden crst(~n. Stufen der Begriff bestirr1murLg haLen jetzt für uns kein
InLcre ·se r11chr1 u11d ir1sbc. or1 de~e vor\ dcrn Djama nlen Kohi11oor
rr1(is~e11 ,,11· ganz ahsehe n , d.a 111it nict1t, dn. l\lißverständnis entsteht,
d a ß er uns als Beispie>I fii r oi1t hist ori:-;cl,cs lndivifiuum gellen sollte.
Diese {•rs tcn . t.urc11 l>ilcJen nl1 t· ucn \\'cg, auf dein ,vi r a llr11ählich zun1
Begriff t.les ejge11Llic hen his t<,rii;f'l1c1l rudivi1.luu1r1 vordringen mußten,

D191, h,ado por Google


- 332

u11d ,venn ,\·ir irn folgen.d en von l1istoriscl1e11 Individt1en oder In-di-
viduen ohno ,veitcren Zusatz sprecl1en, so ist itnmer nur der Begriff
auf der dritten Sture d er Bestimmung gemeint. Natürlich ist auch
dieser Begriff nocl1 reir1 formal lind im. Vergle1cb zum sachlic:he11 Be-
griff der Gcschicl1te noch immer viel zu ,veit. Aber logisch läßt sich
jetzt der Begriff der Gcscl,icl-ile so angeb en: sie i t W i r k 1 i c l,-
k c i t s ,,,i_sso11schaft, insofern sie es n1it einmaligen, individuellen
\-Virklich.lteite11 a ls solcl1en zu tun hat, die clie ein zigen Wirklicl1keiten
• sind, von de11en '"ir f1berhat1pt et,vas ,,,jssen. Sie ist \Virklichkcits-
,v i s s e n s c 11 a f t , in ofcrn sie ein.e n ftir alle gilltigcn Standpunkt
,._, d r bloßen Bctracl1tung einnitnt11t u11d dal1cr nur die durch Beziel1tJJ1g
a1.1f einen all go1ncinen Wert bedeutungsvollen oder ,vesentliclien
individuellen \ VirklicJ1kei ten oder die hi torischcn Jn-divid.ucn zum
Objekt, ihrer Darstellung macht: Ers t durcl.1 die. e Bestimmung l1ört
der Begriff einer Wirl~licl1keits,,rjsscnscl1aft, a t1!, lediglicl1 Problen1
1.u ein oder gar ei11cn ''' idcrspruch einzuscl1ließen.
E s ist viellcicbL nicl1t gan.z überflü ssig, darattf l1inZ.ll\\reise:n , da.ß
at1ch der Sprachgebraucl1 sicl1 n1it den drei St ufen 1.1nserer Begrifrs-
be..'>timmung sehr gi1t verträgt. Das vieldeutige ,v ort „historisch''
bra11cl1cn ,vir erst ens, llm die bloJlc 'fatsächlichkcit zu bczciclincn,
,vie <las in de111 Sprac hgebrauch früherer Zeiten , z. B. in der i\uf-
l, lärungsphilosophie ganz allgcrncin übli ch "'·ar. \;\•'' cnn "vir a lso
sagen, der viel zitierw Aus prucli Gal11ci\;: und sie l1e,vegt sic\1 docl1,
isL 11jcllt l1istori eh, so l1eißt da · nur: Galilei l1at diese \Vorlie nicht
,v.irklicl1 ge proche11. f-Ii toriscl1 bcdet1tet })ier also genau o v iel ,vie
'\V i r k l i c l1 , t1nd ,vir verstet1en d ann auch; ,varum a lle R ationalis ten
sicf1 über die bloß tatsäcl1licl1en \1/al1rhejt,en als über clie ,,bloß l1isto...
riscl1en„ a bfäll ig äußern.. Dieser crst.e Si1tn des \Vortcs l1ist oriscI1
,,·ar unser erster Begriff. z,veite11s aber s11recl1en ,vir 1r1it E111phase
vo11 ei11etn ,,hi tori_chen ~1 0Jl1enl" , ,venn ,vir n1einen 1 claß ein Ereignis
eine große Bedeutung besitze, die es daclurcl1 l,a t, iJ aß es cir1 Gt1t ist,
an ,velche1n ein \Vert l1Hftct. .Ja, ,,,ir k on1mc11 tins selb:::t \\'icl1tig vor,
,venn es uns gcist attet i ·L, cir1en solcl\en ldst orj~c l,t.'ll .i\lo1r1e11t mit-
zuerleben, und die e BedeuLU11g kann natOrlicl1 nur durch die Ver~
hindung 111it einen\ ,,1erte on tslehen , d r ich dann nt1f uns (ibert rägt.
Der z,v eite inn des \Vortes hi.:)Lorisclt dccl,t sich al.:i-O nut tlcr Z\\'Citen
Stufe u1\scrcs Dcgriffs. Dr-iLLc11s sagen ,vir endlich: dies oder jenes ist
,thisLoriscl1 gc,rorden '', oder n or.l1 besser t weil d a11u t leicht das n ega-
tive \\' crL,.1rtei 1, es sui vcra llct, ,,e111eitrt sci11 ka1u1, es "gcliörl der

ürg,t~hzado por Goog e


- 333
Ge.schichte an•' 1 und damit meinen ,vir \Vieder et,vas ganz anderes.
Wir,vollen damit sogen,daß ein v ergangenes Geschehen keinen direl,ten
.
positi,rcn O(lcr negati"·en ',Vert r11e.hr für das Leber1 der Ocgen,vart
hat und so von unsern:1 vVollen losgelöst ist. ~1anche Pl1ilosopl1en
• ,vünschcn z.B., da ß Ka11t docl1 endliclt 1 ,l1istorisch'' in di~sern S.inue
werden rnöge, d. 11. sie ,vollen ihn aus de1n philosopl1iscl\en K ampfe
der Gegen,vart en.t.rernen. Andererseits jed.ocli ,vürde auch ein noch
so ,,historischu ge,vordener I{ant immer in ganz bestimmten Be-
zie}lungen zu den ,vissenschaftlicl1en \.Vert-en bleiben und nur "'·egen
die~er Beziehungen der Geschicl1te angehören. \Vir sehen son1it,
,vie die dritte Bedet1tung des \Vortes ,,t1ist orisch' ' sich ,vieder genau
mit dern Beg riffe deckt, den ,vir als den letzten zu dem Begriffe des
Individuu,ns hi11zufugen mußLcn 1 um eino11 für die \.Vissenschafts
lehre braucltbare1t Begriff des historiscl,en Individuums zt1 ge,vi1111en.
Kurz, \Vir können sagen, daß die droi verscl1iedenen B edeutungen,
die das \1/ort historisel1 hat, n ärnlicl1 ,,rirklicl1 1 bcdeutsa1n und dem
Streit entzogen , "·on uns alle in gl.e icl1er Weise berücksicll tigt und in
unser1n Begriffe ,tatifgehoben'' ,verden konnten, und dies dürfte
'\\'enigste11s eic1en kleinen Beitrag auch zur Recl1tfertigu11g unserer
Ausführungen liefern.

III.
D ie Yl e r t b e z i e h e n d e B e g r i r f s b i l d u n g.
Nachdern ,vii· nun ,vis en, \\'as ein hisLorisches I11divid11u111 is t,
kann auch über das Prinzip der hisLo•riscl1en Begriffsbildung, \Venja-
sler1S soweit es icl1 um da abso1ut H i loriscbe und um einzelne, noch
nicl1t in de11 Strorn des Gesche}1ens hi11 eingezogc11e l11dividuen \lal\dclt,
auf die wir uns zunäcl1st bcscl1ränken, kein z,,,eirel r11el1r bestel1en.
In die hist oriscl1en Begriffe gehört eben das, ,,ras sicl1 durch die bloß
tl)•core·Lische B czicht1ng eines Objr ktes auf allgcn1cin anerkannte
~ 'erle aus der Wirklicl1keit herausl1ebt, und zu i11di,rid,1ellen Einh.e ilen
zusa,nrc1enscl1licßt. \\rie auf dic>scm \v'ege SO\volil die extcrtS1,•e al
auch die interlsive unübersehbare !\lannig[alt igkeit in prinzipiell
andetcr \Veiso als durch l>loße Be c11reibt1ng ei11es ,,-illkürlich herat1s-
gegrif{enen R ealitötsstückcs über,,'Undcn \vird, bedarf jetzt kei11.cr
,,·eitere11 Brklärt11-ig r11chr. Aus der extensiven )·1nnnigfaltigkcit der
verschiedenen Ge!sLaltt1ngen geht nur oin kleiner Teil in hi tori. ehe
Begriffe ein , llnd ebenso bildet atts der inten iven ~{ar111io-faltio-keit
de. ein1.clncn hi.st.oriscllen IndividuurrlS ,viederunt .n ur ein kl einer 1'eil

ürg,t~hzado por Goog e


-
de11 \voi:;cntlicl1en l nl1alt de lusl ori~c}1en Bc,;rifL·. Die Leistung dieser
Begriffs l>il.d u rtg i t also der der natunvi . en. c11aftJicr,e11 1r1it Rü clt-
;;ichL auf ,Ji c Vereinlachur,g v oli tändig analog, 111it Rüclt~icht auf
df\s i1tltl\ltlic he Ergebnis i\11· jetloch genal1 e11lgegengesetzL. \Väl1re11d
d r t1atur~'issen c lta ftlic he Begri(f nttr das rrt,ehrere11 i11<livicluellen
Oe Lalturtge11 GcmeiB ·a,r,e e11thnlt und das, was nur de11 ei nzelne11
Inrli,rictuer1 zul<o1n1nt, au. d rn Begriff~inl1 alL at1ch <lann au~scl1ließt,
\venn der Begriff nur an einer ei11zigf'n inrlividt1el le11 Reali tät gebildet
i t, njtl1mt der histor.i~cl\e Bcgl'iff gerade das auf, ,vod t1rc\1 die ver-
schieden en Individuen sich vo11ei11anclel' unter cheide11 1 und lä ßt clas
ih11cn Gc1nei r1sa111c cr1t\,·eder ga J1Z beiseite ode1· behälL e. nur soweit
bei, als ·s aucl1 für die l3e liu1mur1rr der Individualität, nicl1t entbel1rt
\Verden l<ann. \\1ir lernen al::;o ei11e rt der begrjfflichen Bearbcitu.ng

ke1111e11 1 dttrch die der Inhalt d er \Vü; er\scltaft sicl1 11ich t.1 ,vie ei-. bei
der ' ' erciofachu11g clurcl1 die Naturbegriffe der l7 all "''ar, 11\11ner ,,,eiLer
,-ro·n cler Individua lität der \\i'irl<.lichJ.ceit e11tfcrnt sonder11 so ge"t-.altet
,vircl, daß er z\var nicht die An~chatrung, ,,·ohl aber die Jnrlividualität
dos ·n11,irischen 'eins zt1m Ausrlruck bringt., uncl }1iennit i1-t. dus all-
gcrncinsle logisc he Problc1rl ei11cr liislorisc1tcn D tirsLe llunf( gr.löRt.
Ausdrücl<lich muß nur noch bemerkt '\Vcrdr.n , da ß da· gc,vonnene
J>rinzip der ~ ' crlhciie11t1ng so,voh l die ext nf;i,re als auch ,die inten. ive
uitü bcrsel,baro ~Jar1nig(a.l Ligkeit tlc!r \\F irklich lieil Z\1glcicl1 ü bc1'\v1ndct.
1\lun könnte närnlicll rnei11e11 1 die \.Vcrt.bcz.iel1l111g kom1no 11t1r i11sofcrr1
in Bet.racLt, als aus der e xt e n s iv e n 1\fannigfaltigkcit, d(~r Dinge
bc tim111t.e Objekte al ~ ,,.,e, e11tlicl1 tür die Gcsci1ichte hcratJsgcllobcn
,vcrdcn, die Darstellung der in t e n s i v e n ~·l an11igfnl t igk.e it der
oinz.elnen histori 'chen lndivi<Juen tlagcgen _ei von dern PrinzilJ der
Wertbezicl1ung frei. Dndurcl, ,,iirde clie Becleutung dieses Prir1 ziJJes
für die 1,ist,orisclle Bcarif f~bild ung . . elh~tverstänct lic11 sehr erllcblicl1
eingeschränkt. l\tan müßte dnnn ag..-n: "~·eic he O.b j ekle überl1 aupL
,ve"entlicb ,verdon 1 sei z,,·ar v o11 \ \' erlen al)l'\ü.11gig, aber cla. b e(lcutc
d och nur, daß der l-li$toril{er if'gend ,v lrl1e Obj kte tius der t1t1flbe.r-
1

schbaf'en ?\·I an11igfaltigkeit, atts,v511len n\tt:s.,.;e, t1111 sie historiscli dar-


zustellen.. eir1e eiger1tlich ,,·i5se11schafLlicl1e Arbeit begi11nc clal1er
erst, nach<lcrn die~e Aus,,·al1I vollzogen sei, \Jnu in:-ofern l<:ör1ne 1 \\'enn
das Prinzip cler \ N"crthC'zieh11ng ni t llt ,vr-iLPr r<'icht .il. zur At1;·,valll
' der h_i t ori::.c}1 ,:... e. cntJif;hcn Objf'ktc übcrhau r)~, '\rc) r1 ih111 als einem
Pri11zip der histo risc11en B e g r i f r s b i l d u n g 11ir ht gesprochen
werde n. Diese Ansicht is t, jedoch unh ällbor. Das J)ri_nzip der ,,1ert-

D1911 11,ado por Goc,gle


bezicl1ur1g 1nu0 1 ,vcr111 es Oberhaupt in der Ge~cl1icl1ts,visscn cl1alt
eine ,v ~cnLlicl1c Rolle s p ielt, so,vohl bei cle>' Uehe 1'\\li11cll111A' der ex-
ter1siven als aucl·1 bei clcr el>e1...vin,J1111g clcr int~n~i,·e11. i\'lc111nigfalt.ig-
kcit n1aOgebcnd sei11. Denn nur ,,, c g e ,1 clcr Jndiviclualit.at ei11cr
in ten ive11 ~1a1lnigralligkeil entsteht. ja cli e Bede11lt1ng clf>s betrcftende11
Objekt.es für clcn allgen1,c inen \ V rL, tind nur mit Rlicksicl1t nttf die
l n(iividttnlität seiner inte11siven. l\lannigfalLigkcil knnn dal1er das
einzelne I r1divitlu\1r11 a ls lli3l ori cl1cs ]ndi·viduu111 aus det· ur1üLcr-
sehbare11 Fülle e,_ler a tttlcren Jndivicluen l1eraus.treten. Es i$t deshalb
d as Prinzip der \Vert hciich ung bei der Darstellung de, intensiv man-
njgfa ltigcn Inh n1ls gcnat1 ebenso cnt.scheidcncl \vie b~i der Au. \,·nhl
de b clrc(fcnucn Objcl(lcs a us der cxt e11~iven Un{i berscl1Larkcit der
Dinge und Vorcra11,,e übcrt1aupL. Freilich gilL da nttr für d i c ,vese11t-
lichen Bcsta11dLcil,e 1 die \\~r spä ter nls npri1nür t1istorische" z.utll Ur1ter-
schic<l v on den "sekundär l\istori cl1cn ' ' hervorheben \\·erden 1 . Aber
i11SOfer11 der Begriff •d es J)J"icr15r Hi tori,cl1e11 be~tim1nt, ,va~ sckurtdär
hjsLoriscl1 ist, bleibt das P rinzi p der \Vcr·tbczichung maßg<>bend auch
für d en b loO sck11n,lär l1islo rischcrl l nl1alt d er gc~c l1ichllichen Dar-
stellun<r. Solnnge \\1ir 1rur fcst.stellent ,,·a5 uus der cxte11~i\ren h1annig-
falt,igkeit der Di11ge histo1·i cl, \\1cse11Llicl1 \\'ird, und \Va es sodann
crn1üglicl1t1 innerhalb der intensiven i\la n11igfaltigkcit de. cin zcl1ten
l1is loris ·he1\ I nd ividu1111,s ,,·cs~ntlirhe v on t1n,vcsc11llir)1en B P~k'l11d-
tcilcn zu 11ntcrscl1cidc111 müssen ,vir str i:1g daran fc1-,tl1ultcn.1 daß in
b e j d c rl f·'ällcn da Pri112ip <ler \\tertbezichur1g in gleicher \\reise
rnaßgeher1d für die Urtler„-0 l1cid ung und da111it für d,e11 Charakl-cr •d er
ltistorisc hcn Begriff-bild ttng ist . .
E s k ornn1t nt1n ,tr1 ra,tf an, <lic l1istorische Bcgri!Csbildu11g im
F~inzf'lnen 11ocl1 ct,va. n ii hcr lcen11 •n zt1 lernct1. Daß die Elf't1lenLe,
die sielt zu ci11e1n histori:3c.hert Ber•riff zusatn11lc11~cl1licßc11 und <lic
durcl1 \'\1ertbezichung ,,·csen·t.liche l nrii~·id11:ili Uil lln rstc llcn, sclb t
durcl1,·veg a llgc1ncin :5ind, llabc11 ,vir bereits früher licrvo1·1,rhobcn .
\Vir ,visscn 8l1c h,1 daß dadurch die ge. chicl1tlicl1e Be-griff bildur1g
nicht aufhört, individu4'lisierend zt1 seir1, <lcr1r1 clara.uf allein korr1m t
es :ln, daß <la s Z us a m rn c n J er Eler1•c11le selbsi 1ucl1l •t,,·as All~
gcrr1ei11e so11dcrn et.,,·as l11dividucllcs bil<lc:t. TJ ieran ,,·ird s •lbst-
v er ·Uirtdlich nich L das Geri ngsic gt ij ncierl, ,ve 11 tl rnrtn di e J~len1cnt.e
1

des h~Lori:;chcn Begriffes so zt1:,a111n1e11scl1licOt., daß n1 an z,u erst einen


n l I g e m c. i n c n B<'~riff (ür <ltl ltistori .·cho G a 11 z c ncrtn t, der
1 V i;I. 11nlc11 ,\l,"c hnilL V.

ürg,t~hzado por Goog e


- 336

gewisscnnaße11 de1t „ Ral11n cn'' abgibt für die Eintragung der Fak-
t.oren, die dann den vorher nur aJJgcn1ein bestimmten historischen
Gege11s~'lnd n iiher deter1ninieren und so aus ibm den individt1ellen
Begrift eines 1,istorischen ObjckLcs macl1en. Der allgc1ncine Begriff
tri tt dann eben o \vie die ander11 Begriffsele1l1ente in den Dienst einer
indiviclunlisier·enden Auffassung. Was wir hier in1 Auge haben, können
,,.,i1· scl1on klarlegen, ,,,eru1 wir 11ocl1 einmal au! den Kohinoor zurück-
kommen, obwohl cr 1 ,vie " 'ir ,,•isse11, noch nicht ein lu~toriscl1es Indivi-
duum im eigentlichen Sinne darstellt. Es is t sclbstvcrstiindlich ricl1tig,
daß 1 um seinen individuellen Begriff zu ge,vinnen, ,vir auct1 sagen
1nüsson, dieses so b eschaffene Jndividut1m sei ein Djamant und nicht
et\lva uur ein Ding überl1aupt. \ Vir brauchen also den nllgen1einen Be-
griff des Diamanten t un1 das Individuum Kohinoo t· t1nter einen Be-
griff zu ..bringen, aber cladurch ,vird cle-r Begriff des l{ohinoor elbst
nic.h t allgern ein. Ebenso setzt der Historiker voraus, daß, ,vc.r1n er
von Goethe redet, clamit nicl1t ein Ding überhaupt sondern ein ~1ensch
gemeir1t ist , und insofern ,,,ird auch von der Gescl1icl1t.c d.as histo-
riscl1e Individuum unter einen a l I g e m e i n ·e n Begriff gebracht.
Da aber ist ein Umstand, der an d errt logiscl1en Gegensatz der gene-
ralisierenden und der individualisierenden B egriffsbildung 11ichts

är1d ert 1 denn wcn11 ,,,ir statt. cjnes Dir1ges überhaupt. von einem Dia-
i:r1ante11 oder von einem 1\'l enscl1e11 mit so bcsti111n1t,cn .Ejgcn. chaften
sprecl1on 1 dann \Verden diese Allgemeinbegriffe eben nur als ~1ittel der
Individuali ierung benutzt. Ejn „Di11g" mit den und den 11äheren
Bestin1mu11ge.n hezeicl111ct eben n i c 1, t dasselbe Indivicluum ,,,je ein
,,Diamant'' oder ein n~1ensct1' 1 1n it. den u11d dc11 Bestin1m,1ngen 1 und
es kornrr1L hier gar nicl1L darat1! ai11 ob auch ei11 u1nfas:)c11det Allge-
mei1lbegriff not,ver1djg is t , u.rn die lnflividualitä t darzu teller1, und ob
aucl1 insofern die Gesc hicht:: ; \visscnschaft die 1\Jlgemeinbegri(fe d er
Natur,vissenscha!t als l\.lit.Lcl benutzt. Es bleibt stets dabei, daß, in
y,rclcl1em Un1fange olche Allger11cittbcgl'iffe a ucll , ,et\vendet sein
1nögc11, sie irn1ner n u r ?\ifittel zur Darstellu.ng des Individuellen sind,
a lso nicht als Ziele der his torilScli,e11 Bcgri(fsbildu11g in Betracht komn1en.
\Vicl1tiger sind andere EigenLümlicltkeit,en der .hist.orischen Be-
griffe, die n1it dem U111stand.c zusa11l111e11l1ä11ge11, daß dns Prinzip
ihrer Bildung ein \\'e r t ist , und sie mü se11 ,vir noc~, aus<lrücklich
eröt·t crn . Ir1Sofer·11 die Einl1 it des hist.orischen Ind ividuun1s stets
auf der Deziehung zu einern \,Vcrte beruh t, kann man 'sie nuch gls eine
t e I c o I o g i s c h e Einheit und die }r i · toriscl1er1 J11tlividucn als

D1911 11,ado por Goc,gle


- 337 -
t eleologi cl1e Individ uen bczeicl111c11. Das hi1ngt, <i.an1it zusammen,
d aß der Begriff des z,verkes als der eines in d er Zukunft liege1lden,
Zlt venvirklichenden Gutes gedacl1t ,vird , al o mit ilarn ge,vöhnlieh

cler Begriff eine , '\,Verl,es, clcr daran haftet, verbunclen j t, tJnd n1an
5,jch daher daran ge,vöh11t hat, jede Bctraclltung 1 in <ler \Ve1·tc ci.n-e
ent$cl1eidende Rolle pielen, auch ,,teleoJo.giscll" zu nenn et'l. Die
historiscl1c Beg1·iffsbildur1g, die sicl1 dieser teleologiscl1en In-di,tiduen-
bildung anzuschließen hat, läßt sict, dann ebenfa lls a ls teleo logisch
ansehen, und clie historischen Begriffsbil<lt1r1gc.r1 sind v on den natur-
,\·is, cnscha ftlichen dementsprecherid al t o l e o 1 o g i s c l1 e B e-
g r j f ! s b i I d tl n g c n iu unterscheid.eo. W äre es gestattet ) einen
philologiscl1 nicht zt1 rechtfertigenden 1,erminus 7.U bilden , so kön11tc
man ei11 historisct1es lndivicluun1 at1<!l1 ci11 ,.Individuendt11n 4 ' und die
hisLorische Begrif(sbildung ei11e , ,J ndivjduendenbi ldungj' nennen.
Docl1 ,vird e.'I besser :;ein, iiberall, ,vo a.ngede11let \Vr.rdcn soll. da.ß ein
Indivjduurn c.ir,.c teleologische, d . 11. eine 11 i c 11 t z u t e i t e nd c
Individtialilä t bed-eu let , die Sct1reib,,·cise In-dividtlun1 zu gebrauc l1en,
die freilich das te1eo1ogi cl1e ?\lon1e11 L tles Nicl,t-gcLcil t-,vcrden- o l -
1e n nicht zt1m Au drttck bringt. Doct, er,,reckt andcre·t seits der
Ausdrttck teleologisct, bei violen ge,viß Verd.ncl1t 1 und besonciers ,ver
v o11 T eleologie in de11 l1islori cl,en \-Vi~senschaften sp1·ict'1 t, wird ·icl1
vor l\lißvcrstJindnissen hü ten n1üsse11. Gerade die Gescl1icl1L; teleologie
.. Leht tnit Recht in einem sc hlech ten l1uf, cJa es in der Ta t ganz i1 n-
\<Vissetiscllaftlicl1e geschichtliche T eleolorrie gibt. Es muß d aher noch
genau best.immt weroer1, in ,velcl1en1 Sinn e al lein die ,,,.ertbeziel1e11de
Begriffsbildu ng ,,t eleologisch,. heißen cla rf.
H äu fig bringt ma11 die B egri ffe k o u s a J ,1nd Leleo logi c11 in
ei11cr1 Gege11sa tz zt1eina11der, und d ann gi lt jcclc T eleologie für u11l1alt-
har1 ,,·eil sie 11nvcreinbnr mit cle1· kau. alen Auffas 11ng zu sein scheint.
1:reilicl1 i t diese Gegenüberstellung nicht. beso11d-ers gli.icklic,h , <lenn
cler Ur1terschied , den rr1an meint, kann, " 'enn <lie tc leo luµ' iscl1e At1f-
(a.ssung clie }<.a u:Sale ausscl1licßer1 soll 1 n11 1· darin br!<lel1Pn 1 daß b ei der
katasa len Auffassung der E11deffekt gctlacJ,t \\'ird als l1crv(>rgcbrach t
clt1rcl1 ~ach.er1 , llic zeit.lieh \'Ot' ih rn licf;(en , ,vä l1rcrld er bei clt~r t clco-
logi. cherl tlf rai-~ung als z'\,\'CCl~ die J.'ü higkcit- hnber, so II , z 1, 1 ,virkc11,
ehe er ver,virklicl1t i t. E s sind ~ott1it eigentlich be i d c A uffas:;ungc11
k au~a l, d~n11 1 1laß der Enfl effr kt als Zwerl, ge?-etzt un.cl rtamit Zl1gleicl1
toit einern \V~rt,e ve rl, niil1rt. ,vircl karu1 an den 1,tt,usalen \ !crhülLnis~Prl
al~ S())c l1c 1t r1icl1t · ä 1ttle r11 . .\ ·f an ~ollLe dal1er 11ieht ·von eincr11 Gegen-
~ i c kor t , Gren,11u. 2. AuO . •

ü1g1taltzado por Goog e


• - 3.38

satz von l"au aliu"it und ·r eleo1ogie überl,alipt. sonderr1 nt1r vor1 1,,·ci
v ersc l1iedcnen A r t e n von K a:usalität sprocher1, ,vie dies in den \\1or-
ten causa ef.(i ciens und causa fin a liA iu·m Ausdruck kommt. Sehen
,vir von al len. Wertgcsichtspu11k!,en ab, so i ·t. auch <Jie causa finalis
e ine ,v i r k e n <l e Lr~aclie, u11d d er gc1nei11te U11ler cl1ied besLel1t.
also n 11 r dar.in, daß bei der t eleologi ·che11 Kau aliUi tsauffa sung die
~eitlic}1e F olge von rsache und Effekt tJ n·1 g e k e ll r t ist., d . h . clie
rsache schiebt in de in. einen Fall da:; Be,virkt.e go,vissermafle11 vor
sich her, wä hrend in dem andern Falle clas Endziel, mit dem der \ Vcrt
verknüpft ist., also der z,veck, die t,ähigkcit l1al, das, ,,•od urcl1 es
,~rklicl1 ,verde11 soll, zu sicl1 heranzuzjehcn.
Aber, ,,~ic dem a.u,cl1 sein n1öge 1 bei einer e111pil'is l1en .i\uffassung
der \Virl<}icl1kcit kann in der Tat imrner nur die er. te 1\ rt de. Kau al-
begriffes v envendba r sein, und der Karnpf gegen die Teleologie, die
auf eine zc.jtliche (j mkcl1r des l{au ·alitätsverl'lälLni scs hinauskorr,mt
und ,,·irkende z ,\recke annim1nl , ist dal,er auch in der Gescl1icl1ts-
,visse1,schaft ge,viß berechtigL. Ur~acl,en 1 die ~·il'ken, ehe s ie \lt'irklich
sind, sind uns n ic1nals als geschichtliche 1'atsnchen gegeben , und die
Frage, ob die \Virklichkcit dt1rcl1 Ursachen becinflt1ßt \\'ird, clic die
Fäl1igkeit haben, das ~Iaterial zu iltrcr eigcncr1 VenvirkJichung zu - icl1
hinzuleilen, kann daher für die Ge ct1icl1ic, wenn sie eine empiriscl1e
, vissen scl1att sein soll, nicht in Betracht ko1tunen . Das ProbJen1
einer tc]eologischcn Kattsnljtät in dem a11gegebenen Sinne gel,ört
vielmehr, wenn es überl1aupt ein Problem i:-t , in dje T\,let npl1)' ik , und
,vir wollen diese Art v on 1'clcologic, die mit. j en cils aller empiri:::cl1en
, virklichkeit liegc.n<len Ursacl,en re<~lincn ,n u O, a ls m e t a p 11 y s i s c h e
T c l eo log i e be,zcicl1i-1e11 1 u1c1 „ie v o11 der Gcscl,ic bts\visse.r1schaft
sorgfältig fern zu halten,.
Eine gewisse Umkehr der 1.eitlict1en •.\ufeinandcrfoloe von U rsacl1e
ur1d EffekL scl1ci11L je<iocl1 auct1 d,>rt vorzl1Llegc11, ,vo ein be,,1Jßt{~
\Vcsen ei11 Ziel j,1s Auge faß,t und es du rcl1 :1cir1c vorn \Villen geleiteten
Ha11dlnngen erreicht. Ja, e~ ,,,ii rd e der Bt>g1·itf der r11ctaphy ischc.n
T eleologie vielleicht nicl1t cnL~t11nd<'n $ein, ,venn er 11icht nnch Ana-
Jogie olch,e r \ 'orgllr1ge gebildet ,,,erden könnte. Es ist j cdoct1 klar da ß
rlicse tcleol<lgischc 1\11ffas!-11ng trnl7.1Jc1r1 v on ,ler 111cta1)hysisrl1en
J{ausaliUitsLcleo)ogic streng gc:scl1iC"clc11 y.·rrcif-11 1ut1ß . f.i ne t: n1l{cl1r
rlcr Zei tfolge vor1 l:rsachc und \ Virkung> die sich n1i t einer c,npi rischcn
\Vi se11schaft 11icJ1t verträgt, verla1lg l sie gar 11ir lt t. DeJ· Ge <I a 11 k e
all ,Ins Ziel, nicht a l>er da5- Ziel selbst, ,, irkt, 1t11 d ucr GedAnl< e gcl1t

ü1g1taltzado por Goog e


- 339 -

altcl1 clet· Zeit, nacl1 dein beabsicl1tigten Errekt vc·ran . Ei11 teleologi-
scher Vorgang dieser Art o rdnet sich also du rchaus derrt rar die empi-
r iscl1e Wirklichkeit a llein gültigen Begrifl der K ausalitä t ein. ~fit
der Gcschichts,vissenscha!t hat diese Teleologie insofern etwas zu tu11,
al sie in dec· Tat zun1 \ ' ersUindnjs historiscl-1.cr Vorgänge venvendet
'\\·erden k a o n . ~1an wird, ,vo sich Dinge finden, die offenba r zur Er-
füllung eines z,,rec.kes dienen, und bei denen dieser z,veck ~ls ~loti v
ejnes hand,e)nden Wes ens empiriscl1 nict1t fest.zu.stellen ist, um sie zu
verstehen, au! die 'f ä tigkeit von Wesen schließen, deren Handlungen
von einem bewußten zwecksetzenden Willen geleitet sind . lvlan kann
da1-1n diese Betrachtungsweise auch so verallgemeinern, ,d aß man
ie auf a lles menschliche Lebe.n ausdchntt d . t1. ü b e r a 11 nach be-
\vußten Absicl1ten und Z,vecken sucht, und a ucl1 die Geschichte hat
dies his,\•ei1en getan. Sie glaubt dann, den Verlauf der historischen
Ereignisse nur verstehen zu können, wenn sie zeigt, ,velch.en Wert die
gcschic}1tlichen Gebilde für die ~lenschcn besitzen, und daraus schließt,
daß sie überall aucl1 mit Rücksicht au f die en \Vert von , ·ernünftigen
\~7ese.n absichtljch gescllaffen ,vurden. Die Geschichte vcr!äl1rt dann

also cbonfal]s prinzipiell teleologisch, und ,vir wollen diese Teleologie


als r a t i o 11 a l i s t i s c h e T o l e •O 1 o g i e bczeicl1nen , weil nacl1
il1r die gesclucl1tlicl1en \torgänge als benbsicl1tigte Ergcbni~ e v er-
nünltigert z.wccksetzender Wesen aufgezeigt werden. Es ist b ekannt,
,vc lche Rolle diese Teleologie in der Geschichte gespielt hat,: e sollten
die ~le.n scl1en die Sprache gescl1affcn l1aber1, weil sie sie zt1r gegen-
seitigen Verständigung brauchten, sie sollten den Staat gegründet
)iahen, um ihr Leben zu regeln und glücklich zu gestalten us,v. us,v.
Durch solche VorausseLzungen muß dann der lnhalt jeder h.ist.oris.chen
Da,rst ellung ein rationalistisch teleologisches Goprüge crl1altcn.
Haben ,,rir nun et,vn diese Teleologie i tl\ Aug•e , ,,·enn ,vir von
einer wertbezicl1enden ~lclh•ode der Geschich~ ,visse11schaft sprecl1e11'?
Es unterliegt k einem z,veifel, da ß 1nanche hislorischc11. Vorgär1ge in
il1rcn ,vescntlichen BesLan<ltcile11 \'On Persone11 hccinfl uDt ,vorden
j,1d, d.ie rational nach be,vußten z,vecken handelten. Aber v o •t\ der
1\b icht, diese ratio11alist.iscl1e T·e !eologic zt1m allgen1cinen Prinzii:>
ller Geschichte zu 111ache11, kar111 sctton des,ve-gen keine Rede scint
,..-eil ja die historischc11 l.J1dividueu in unsere111 inr1e durchntis 11icht
\ Vc en z11 seirt brauchen, die sich Z,vecke selze11 und danacl1 ltanclclnt
so1t<lcrn aucl1 Körticr zu lli:;;torisctien l ndi,,idt1.e11 ,,,erden können.
Die rationalisti~cl1c Teleologie liegL also ge11a u ,,·ic die n1etaph ysischc
2i•

ü1g1taltzado por Goog e


- 340

ganz at1ßerllalb u,uercs Gesichtskreises. Die austlr(icklicl1 zu be-1r1cr-


ken, l1abcn ,vir jedoch nocl1 einen andern Grund. !\'Ia11 kann närr1licl1
v on rlcr rat.ionalisth;cl1(!J1 Gescl1icl1tsteleologie auch ·age11 1 daß sie
1 individualisl iscl1'' sei. \Ver die bewuß te z,vecksetzung und die
d araus l1er\>·orgchende Handlt1ng a ]s d,en treibende11 Faktor a ller ge-
schichtlicl1en Be,vegu11g u11d infolgedessen den z~·cck als das Er-
klärungsprinzip cler -Ge:-chichte betrachtet 1 muß ni cl1l nt1r in einzelnen
Per~önlichkeiter1. den Jlaiaptgegcnst.and aller Gci>chichtc erblick er,,
,,·eil in illnen ja a llein hc,v110Lc Z,vccksetzungen zu konstatiere11 sind,
sondern er 111i1ß iniolge(lessen a uch rr1ei1\e11 , daß die eirizelncr, Indivi-
d uen die GeschichLc 1n a c t1 e 11 , so d aß, alles Produkt individueller
Absicl1t 3ei. \Vir aber sind \vcit davon entfet-nt, eine individualistische
Gesct1icht auffa~sllllg ir1 diesem Sin11e zu , rertreten. \Venn ,,·ir das
Individtaelle a l Objekt der historiscllen Dars tellt1ng a11 ehen , so l1a11-
d elt es sich rlnbei njcht d antm , clen individuellen ,v i 11 e n als den
maßgebenden F aktor filr clcn gc chicl1tlichcn Ver·lauf hinzust cller11
soncler11 lediglicl1 daru111, daß cJic Gcschicl1te es n1it de,n Irtdividuel1 en
Als do,n Ei1ur1alige11 und Bcsondercr1 z1_1 tur1 lla t, ur1cl diese l\lci11utlg
isl als rein logische Behauptung verträg lich mit d en ver: chiedcns ten
Ar1sichten darüber, ,velches die e.ige11tlicl1 ,,·irl<. Rn1cn Faktor en im
hi Lorische11 Verla11[ sin,1. Diese cige1ltl1c~1 ,,·irksamcn Faktoren fest--
zust ellen , k atul Oberha11pt nicl1L Aufgabe d er Logik sondern r1ur
Aufgabe der Ge chicl1te eJbst sei11. \ Vir fragen luer 11och gar 11icl1t
danach , ob in den1 'fat.sacl1enr11at..crial cler Geschichte it1divitiu clle
Z,vecksetzunge11 t1berl1aupt. vorkomrr1e1l . \Vie \Veit. schlicßlicll z,\~jsc11en
-cle1n leitend-en W ert, rnit R ücks icht auf clen die \\·e entliehen Best.an(l-
t ci1e eines historischen Begriffes zur Ei11l1ei t v erknüpfl \\'erde11 1 und
clcn Eigen t ümlichkeit en der -Ge.schicl1t e, die d araus folgen , da ß s ie es
t1t)ter and erm au ch mjt z,vecksetzenden P ersönlichkeiten 7.U tun 11:rt,
no t.,vendigc Beziehungen besLel1en , clie v on logi. cltcr Bedeutung !-ir1cl.
ist (roiJicl1 ein ' F rHge, die cbcnfnlls aufgc\,·orfen ,,·erden l,ann . 1\ber
s ie gcl\örl z11 ,Jen P rohlc1T1en, die a u clc r E1gcnart <lc.~ hist;orjscl,cn,
· 1\1 a t <! r ja 1 s sich crge)1en . 11nd von il1r rn üsscr1 ,vir <lal1cr hier n r,r h
,•ollst üudig ubsche11.
\,Vcil also 11icl1l z,,·ccliP1 dir i111 J1istorischc11 toffe vorko111111cn , ~<1 0 -
cl.ern 11t1r \Vcrlgcsicht:i:.,pu1\kl:.c, mit, Tiii<'li.-;.ir; ht, a11C d ie die l1islori:,cl1 c11
Bcgrjfrc gebildet, ,,:crc1en, ,dct\ L.clcologi.;cl1e11 Ch<1,•.,1kter cler Gesrh ir l,te
bcdjngen, so llfil're n \\'ir tu1s auc!t riic ht ,v11nU('111. ,,·e11n in1 lnh.1llf' , 1 ieler
gcschir.hl lithc1· Darstellu ngen von rf ele1)l0g1c nicht s 7-ll finclen ist,, und

0191 lt ado por Goog e


341 -
dal1cr viele l-list-Orike1· glauben, sielt v on allen \\lert.bc1iellut1geu frei
Zll l1a.l t~n . Jl.i eist \,·e1•den die mit Rücksicl1t au( <lcn leitenden \Vert

Zttsa11illlengehörigen E lemente der historiscl1en Begriffe einfacl1


neb e n e in an d er :gestellt, als ob nut· et,vaEt rein T.a tsächliches
ko11statiert ,verden sollte. lhr·e Einl1eit1 die d arin besteht, daß n u r
sie das für den l:[istoriker \\i'escntliche eine, V6rgangs bilden, braucht
d eshalb aucl1 in keir1er \V-e ise ihren sp rachlic hen .A usdruck zu finden,
or1den1 il1re 1nit Rück, icht au( dc11 \ Vor l bestel1ende Zusammen-
gehör i gkeit oJfenbart sich darin allein, daß sie Oberht\upt in der
Darstellung vorkommen. S cl1ol1 d a 1nil.1 dnß von ihne11 geredet i t,
"verden sie a ls ,vesentlicl1 l1ervorgel1obe1\. E ~ mt1 ß desha lb die logische
Strukt11r einer gescl1ichtlicben DarsLel lung irnmer erst l1crausgest-1cl1t
,vc1·den 1 ja, ,,,ir dUrfe11 nic·ht er'\-var t.en , a11 j c d e rn atze eii1es ge-
scllicbtliche11 \Verkcs das nacl1,veisen z11 könne11 1 ,,·as ,vir meinen . Es
gibt historisc1'1e DarsLcllungen , in de11e11 nur der Zl1sa1ntnenh;l'ng des
Ganzen die lei tenden \Vcrt,gesich~pu11kte der Begriffs.bildu11g erke1111en
lä ßt, ul1d es ,vürdc eine r a\Jsfü llrlicl1en 1 llis ins eir1zelne " el1enden Ana-
lyse bedürfen 1 u111 das ,vertbeiiehen de Prinzip uuf1.uzeigen. Nur bis~
'-'reiten fin-den ,,-ir in 1"1ist o.riscl1cn Scl1ri ftcn Sätze. cJie at1cl1 scl1on
tlußerJich dn~ clet1t licl1 erker1nen la~scn t '\\'88 ,,ir l1icr 111cinm1, t1nd das
\vird b e.sonders dort der Fall ein, '-VO der I Ji toriker da Bedürfnis
l1at, die Darstellung eines vielen vielleicht un'\-vcsenLJicl1 erscheinen-
den \ '01-ga11ges ausdrücklicl1 zu rechtfe rtige11. Da11n n1uß clie ftir
ge,vöhnlich selbstverstänclliche Voraussetzung, d'a,ß, nur das Wcscr1t-
licl1e in die Darst.cllung aurgcr1or1,me1i ,vird, zum Prob lem ,~·crder1
und a ucl1 il1rc11 pracl1Jiche11 Ausdrt1ck fi11d c1t. Aber das sind .,.\ u s-
nah1nefälle. ~fit R ücksicht auf lle11 leitende11 \\1erl. \\'e er1tli ch oder
1

teleo]ogiscl1 not,,·enclig in diesen1 Sinne ist in der Ge ch icllte das, \\·as


t,zur Sache'' gel1ört. Deshalb \\-ird "\-·on i)1Jn b eric;lilet! v on anderen1
nicht. • ur in 1licse1r1 Si11nc dürfen ,vir sagcr11 daß es 11ocl1 rucmals
ei11cn Historiker gt!gcben l1at., cler 11icht:. ,verlb:ezjehc11d oder „teleolo-
giscll'1 v erfahren ,,·ä re.
J etzt kö11r1en ,vir versu,chcn, clic Eigenart d er historisct1c11 B e-
griffsbildu11g nocl1 et,vas näl1er zt1 bestim111cn, t1nd ,vcil vo1· allcnt
ihr \ 'erhüllnis z t1r nntur,,·i~,;cn scl1a ftlichen T3egriff~bildung deutlich
l1c1"\.,0rLret.cJ1 soll , s,l1licßcn \\•ir UilS clabei an clie ,,erschie,Jc11c.n Sta<lien
der Voll]{om111e11l1ei t a.r1 , die ,,·ir bei dieser unterscheiden ko.n nten.
E111piri:.;che Allge1T1eint1eitt BestinlJ11tl1eit. und unbedin<1t i1llge1ncine
Gcllur1g l1aJJe11 ,vir ,lls il1re clrei , ei ien kl'nncn gelernt, und ,vi r ,voll ·11

0191 lt ado por Goog e


- 342 -
dat1er jetzt. zu. el1en,. i11,vie,veit. es ents1>recl1ende Probletne der t1istori-
schcn Begriffsbild ul'tg gibt.
Was zunächst die empirische Allgemejnheit betrifft, so erinnern

,,ir unsi daß die naturnrissenschaftliche Begriffsbjldung eines vor-
,vi ·senschaftlicl1en Ansatzpunktes bcd lirftc, u.m die \ 1ereinfnchting
d er \Virklichkeit vornebo1cn z-u können, d . h. sie rnu.ßt...e sich als die
be,vußte ttnd systematische , v eitcrbildung einer 'lon,,isscn scbaftlic hc.n
Begriffsbildting v erst ellen lassen 1 u11d d.eren Resultale fand en \v-ir in
·1 den a 11 g e m e i n e n ,v o r t b e d e u tu n g e n der Sprac11e des
täglicl1en L ebet1s. Sucl1en wir r1un für„ die l1ist.orische Begriffsbildung
nach einent Analogon, so haben wir nicht auf \\'orte mit allgemeinen
Bedeutungen zt1 achten sond ern im Gegenteil darauf, daß es E.ig e n-
n tl m e n gibt 1 ,d ie sicl1 nur auf ein111al. v orhand.c11c i11dividt1cllc Objckt-e
beziet1en. chon dt1rcl1d iese Art der Bezeiclinu11.g ' "irci in der 11nü ber::tel1-
hare11 ex tensiven ~faru1igfaltigkeit der Dinge eine bestirtLmtc A11zal1l
allgcsondert, die dt1rct1 it1re Einziga rligkeil becleutsa1r1, also Indivi-
duen i111 e11geren Sinne des , 1/ortes sind, und an denen diejenig"n
Bestandteile, deret,\·ege11 sie rnit einem Eigenna1nen vor den übrigen
a,1i:-gezeichnct werden , sielt aus ilLrer u11übersel1haren inte·nsivcn
~fan11igfaltigkeit rnel1r oder ,veniger deutlicl1 hera usheben. Dies
l\'.a11n aber nur darauf beruhen , daß be timmte lndividt1en gerade
,,,egen ihrer Ind ivjdual itöt auf einen Wert bezogen '"erden , lln,J in
der un,,1illkürlich begonnenen Scl1cidung von \\' escnt lichcm tind
Un,vcsentlichem irn vor\-Yisse-nsct1aftlicl1en Lebe11, die in <Jo1· Bczeich-
nur1g mit Eiger1namen zut11 Ausdru clr komn1t1 dorren \\:ir daher die
primitivste Forr11 eirler t)ist orischen Inclividuenb-ilclur,g im " 'eite„ten
Siru1e des \\f.orte!, erblicken .
Diese Scheid11ng jedoch ,vir<i oft al Rcst1lta t rein ind i,riducllcr
,villkftr au ftreten. Der Einzelne bczeicl1net sciric H at1. tiere n1it
Eigcnna1nen, während für die andereit diese Objekte lediglich Katzen,
litrnd e us,v., also Gottungsexem pl~re sind, d . h. es fehlt de,n \.\'' ert-
cte:;i,c hLspt11tkt.1 n1it Rü cksicl1t au.f der, im von viss.enschaftlict1e·n
l„el1cn die Her, ..orhebung durcl1 den E1gennan1e11 vol'ger1orn1ncn \Vird ,
11ocl1 j ede a l l g e m e i n e Bedeutu ng, die vo1·l1andon sein muß,
fctll der Prozeß der Auswahl aucll 11ur als Vorstufe zt1r " 'isscnscl1aft-
lichen Begriffsbildung der Geschicl1te ange, chct1 ,,•erden soll. 1'~ ist
dal1er ,·viecler z,vischcn Individ,1cn zu ur1tcrschcidcn 1 die nur für irgend
ein beliebiges ,vcrt.cr1d es \ Vc~cn, u11d solcl1-e11 , die f(ir alle durch ciner1
Eige1111a1ncrl at1 tl ·r f\las··e hervo1·treten, tlnd die sicl1 also " ·irl,lic1l

ürg,t~hzado por Goog e


- 343 -
ci11en Namen go1nucl1t'' l1abe-n. Unte r , 11\llen'' können ,,·ir clabei
, 1

jede Anzalll vo11 in Gen1einscl1a (t lebenden stcllu1ignel1mcnclen. ~ren-


sche11 verstel1en. Die prim·i tivste Form der histoi·iscben Begriffsbil-
dung läßt sielt dann vielleicht in F amiliengeschichten kons tatieren.
Die 'f rennung dessen, was Individuum in\ engeren Sir1.ne 1 vo11 dem,
,vas nur Gattungsexemplar ist, ,vird von allen l\titgliedern -d er Familie
a tif Grund der ihnen gemeic1samc11 Wertgcsict1tsp,unkt.e v ollzogen,
und da.n n ist eine Familiengeschicl1t-.e 111öglich, die als cmpiriscl1 gültig
angesehe11 werden darf. Sie wendet sich an ei11en Kreis von l\(e11schen,
bei denen eine Ueberein timmung in dem Urteil darüber besteht,
,,·el ·he individuellen Gebilde genug Bedeutung besitzen , u1t1 in der
Erinnerung Rl1fbewal1rt z11 ,vcrde11. Dasselbe muß auch !Or viele
a ndere Gomeinscl1aften v o11 l\tle11schen gelten, in d-e nen überhaupt
irgend ei11e Gemeinsamkeit d.e r lnlere. scn. hcrrscl1t. 1'rotz aller \ fer-
schiede.n heiten des Geschmacks oder der Ideale zerfällt, f,ü r ihre Glie-
der in übereinstimmender \,\'eise die Wirklichkeit in solche Gebilde,
tli.e durcll illre i11(tividuelle Eige.11art Bedeutung besitze111 und in
solc he, <lie nur als Gattungsexernp.lare in Betracht kom1nen 1 ja, wo
dies geschieht, ,vird rnei t uGescl1ichte'' in irgend einer Form der.Ueber-
liefcrung bereits vorl1andon sein , und l1ieran vermag dann die For• •
schung anzuknüpfen. Sie hat. diese Auffasslu1g der Wirklicl1keit mit
Be,,"'ltß tsein ,veiler a.uszubflden , ebenso ,,·ie die Natunvissenscl1aft
ar1 die al lgemcirtcn \>Vortbedeutungor1 anknü11Ct 1 um z11 naturwissen-
scllaft.lichen Allgcmcinbcgr-iffe11 zu 'k orrur\on. Daß solcl1e prirnitiven
historischen Darslellungen durchaus nicht ,,.on direkten \\fcr tungen
positiver ur1d negativer Art frei sein ,ve rder1 1 also nicl1t nur Wertbe-
zjchttng sonclern 111el1r als da" enthalten, kornrnt in u11: crm Zusarn„
mcnl1ange nicht in Betracht,. J edcr1falls ist in it1nen das Ana logon und
zugleicl1 der Gegensa tz zur primiti·, ,sLen Art der JlaLur,,·i senscl1aft-
liche1t Begriffsbildu11g aufgezeigt.
\'Vn entspricl1t sodann dem Prc.lzeß der Begriffs be s tim m u n g
in der Geschich le? \Vir \\'issc11, dr\ß ir1 clor 1at.t1r,vis enscllaft die
,vesentlicl1c1t Elcn1cnt.c des Begriffs als ,,~lerk1nale'' durch eine R eihe
von Urteilen au drückl icl1 herausgehoben und durcti eine Definit ion
fixiert ,verde11 1 so daß die anschauliche 1\ilannig(alligkeit., die sieb
als Stellvertretung bei d en meister1 natttnvjs eMcha!tlichen Begriffen
einfindet,, ,,:er1n 11lan i·hrert lnl1ult sicl, ausd rücklicli z,u v ergegen-
,vö.rtigen s uchlt keinen ·t örenden Einfluß mehr au f die Bcstimmtl1eit

ü1g1taltzado por Goog e


344

d es Beg1·iff~inl1altes gc,,·innt 1 . \ V.ird nun ct,v.a die Aufgabe <ler ge-


scltichtlicl1en Bcgrif(sbildu11g bcra[al.ls darin bestcl1cn 1 <,lic 1nit 'R ück-
sjcht aut den leite·nrlcn \\ 'crL ,ve cnllicl1e11 Elernentc ei11c. Jnrli~1 iduur11s
in e.ine.n1 jederzeit itt analysierenden Merkmalskomplex zti."ammen -
zu(asscn 11.11d alle ül)rigen B('-.,l~ndot.eile, au denen s<-:i11e anöcha11li<·l1e
~·ranrligfal tigkeit l>cstcl1t, so ,vcil ,vic nlöglicl1 zuriickzu.d r1.:i11ge11? 1st
mit a11dern W orten tler Unt-erscl1icd einer nalu1""·i~. cn chaftlichen
und cirlcr gcscllichllicl1er1 Dars tellu1lg 11 u r dari11 zu !Sucl1cn 1 daß die
eine die E lemc11te in einen Begriff zt1sarnn1cnfaßL, die mel1reren.
Objekten geine:i11·sa1r1 sind, die andere dagegc11. ·olcltc, au f c:1cnc11
die Bedeutung cin·e s einzigett individuclle11 Objektes bcrt1ht?
olang•e ,,·ir d en prinzipiellen Gegens atz z,viscl1en b eiden Arten
d er Begriffsbildung auf eine abstrakte l?or1ncl zu bringer\ StJchtcn,
1nußtcn ,vir hierau f den Scl1,,•,crpunkL legen. J etzt aber ist el)~n so
cntscl1iedcr1 l1ervorzuhcber1, daß das a r1gegcbcr1c l")ri11ziJ) cler \\ fcrt-
beziehung für die t)istorisc11e Darstellung nur den leiler1den Gcsicl1ls-
punkt Jie.fert, der e ihr möglicl1 .m acht, in al.lge111cingillliger \\ 'eise
Wesentliches v on, Un,vesent,'Jiche11 z.u u11tcrsch eiden, cla ß dagege11 eine
volJst.ändjg a u..,gcfül1rt,c lust,oriscl1c Darst ellung st et.s ilbcr da:c-, ,,·~s
matt historiscl1c B e g r i f f · bilrJung irr1 sLrer1gcn Si11nc des \\'orl es
ncnrtcn kanr1, hinausgeht, tincJ Z\V.a r ergib t, icl1 dies ,,,icclert11n aus
d cnt B egriff clcr Gcscl1ir l1tc als der \ Visscnsr'1n1fL vo1, den1 J~1nm~,ligen
tinrl l n ri i,•iduc.ilc11. ~o ,,·ic es ,virkJic h ahlä nft. Alle CJTl}Jirisc he \\<irk-
licl1keit ist 11icht; nur ir1<lividuell . ondern aucl1 uns ·huulich; u11d
,ve11n nucl1 die voll, tönrli ge Art chnuting in keine \\li:::scr1 schart al1 f-
genotl\1nen ,verden kan11; so \\'ird die Ge cl1icl,te il1r doelt \\"CJ1if_rsl e 11s
n fil1er zu k.o rnmen . uchc11, als riics du rr h ei11c b loße Zu!ia111n1e11~.t.cll111lg
(ler d11rcl, \Vertbeziehung ,,,<-se11tlichen tincl not,vendi g"n EIP111enlc:
zu einerr1 ind ividtlcl le11 B griff mögli cl1 ist. , ogar i.n den aLl11·,visse11-
schaft,cn läßt sicl1 d as W e:-en der Begriff:;bi.ldu11g 111.11· ga11z scl1en1atiscl1
dadurch angeben , d a'ß n1an von ,vcscntli..:hcn 1,l[erl-c111alc11" in "S
B egriffes . pricht. \ ' ollcrlcls reicl1t ir1 dc11 J,i~Lorigchcn l)arstellungcn
eine solche •'cl,emat.i~iert1ng der B egriff~lJi ldung nicl1t ut1., ur1d das
t:rilt n.icht nt1r insofP r'll ; n.l:s di • Gescl1icl1tc j •de b eliebige Ko111 bjnalio1\
-..to11 ev entuell n.oc11 so allgcr11cincn Be-griffen ber111tze1t ka r1n , \\·cnn es
ihl' nur gclir1gt 1 d:.tdurcli (}ie 111dividui1l it.ät. d,es b~trcffe11dc11 Objekt es,

t .1.\ us nalu•lirgcnden (;ronctr·1, können ,~ir hi,e,· un,1 0,11 anderen • tcllrn
n Ltr 1·iu tu r,,·i:-~ensehaflliche [ l i r1 g begriffe n 1i l dnu histori,-chen Bl;griffcn vor
glrichcn.

D1911 11,ado por Goc,gle


- ;345 -
so,,·cit sie für sie ,,·csent.lich is L, zum Ausdru.ck zu brirtgeo, sondern es
komn1e11 in (len Bcgriff.sinl1alt nocl, ga.nz andere Elen1er1te ltin-ein, di-e
sicl1 a11s de111 Prinzip der \'1/erthczieh.ung überhaupt nicht verstel1en
la er1. ' '' as in del' Natur,vissen ctia ft, gar nicht zur . acl1e gehört
sotldern . icl, nur un,v-illkiir)jch ein ' Lellt und zu rnal da1111 , ,,·en11 die be-
grilllicl,e Durst..ellu11g durcl1 Bilder llnterst(ll.zt ,vird, nicl,t, vermieden
,verden ku11n : das Uebersc-h reiten der Gren.zen des begriffliel1 Erkenn-
baren und die Darstellung einer ansehaulichen l\1a1migtaltigkeit, das
,vird für die Ge-scl)iel\to als die Wi ssensr.haft , ron dem einmaligen
indivi<luelle11 Gescl1el\er1 zur not,,·endigen Aufgabe. Sie Jouß ve1-
s ucl1e11, auch individuelle An ·cl\at1ungen il1rer Objekte zu geben,
in denen dje n1iL R·ü cksicht au! den Jeitenden Werl ,vcsentlicl1en Be-
standteile ich neben solc1"1en Best andteil en finder1, die nur zur An-
regung der Pl1a11tn~ie dienen ttnd die Dar tellur1g der \\ 'irklichkei t
möglicl1st nahe bringen :ollen, so daß dann in de11 l1jst,oriscl1e11 Be-
griffen clie beiden Fakt..orcn, die nur mit Rii cksicl1t nur den leitenclen
\Vertgc ichtspunkL ,,·csenllicl1en und die über das \\ 'escnLliche z:u.r
Anschat1ung hinausgel1enden 1 sicl1 zu eine1n ein t1citlic;her1 unscl1au-
lichcn Ganzen vurknüp!e11. Eine B cstimmtJ1eit i11rer Darstellung
strebt also a,u cl1 die Ge cnichte a11 1 aber in manchcr1 F'ä lJcrt cticht
<:lurch Definitio1,en ondcrn durcl1 t\1öglicl1sl scharfe und deutliche
an~chat1liche Bilder. Die irl [olge der Vl ertbezieh un•,. ,vc~m.1tlicl1en
Be:,tan<lwile geben dunn 11ur clic aligc1neir1e Gru1tcllage fiir ei11 Bitd,
das die geschichtlicf1e Dnrslellung 1nit einer Fülle '\.• 011 .,lebendigen''
Z(igP-n ,veiter attszugestallcn 1,aL.
Ja , der Hislorikct· kann ~icl, gern<l zu b(~n1t1hf'n., ,las Jl rir1zir>,
,Yelc hes seine Darstellurtg lci Let , cl . t1. dcci \Vert.ge-sicl1t~1111rtk.L, <l er
bc ·ti m.mt, ,,·as ,,·eser,tlicl, unrl ,va.i; un,vt!scnlli,c t1 ist, Zll v ertlccko11 1
oclcr er ,vird sicll i11 Lien Jllei ·tc11 I•'ö llen de.,. en überhaupt 11i<;l1t be-
,,·c
,vu ßt sein, ,,·a:S nur I rtit R ü,;k:,icl,t au r cle11 lcilen<le11 \ \' ert t!n t li.:11
i:-;t,, u11d ,vas er in eine Darstellung al lein deshalb a1Jfnin1111l, u- r11 sich
auch der Anscl1aulicl1kcit <l cr \'\lirk.lichkeit durch ei11 111öglir hsl. ger,au
bestin1mtes in(lividt1cllc~ Bild zu 11älicrn. Er 111ag scitle Aufn1erJiSa 111-
kcit vor allen1 darauf richten, da ß seir1e Darstellung die Vergongen-
lteit u11s.cl1at1licl1 ,vieder vergegen\värligt und." nac t1zt1crlebcn" ge-r-;lntlet .
Selbstvcrstf1.11dlicl1 kan,, er nien1nh; ein in jeder Hi11sicl1t besti111111tes
Biltl cnt,,·crfcn ~0·11dern n1uß viclt'Js <Jc111 frcicr1 Spiele der Phantasie
übe rlasse11, aber der pielrnu111 der 1nüglichen Diffcre11zen i L tloc h in
l1ohc1n i\l aße durcl1 •lic Dnr::,Lcllt1ng cit1zuengen , so <lnß die f_;hanlusie

D1911 11,ado por Goc,gle


- 346 -
\VCnig~tens in eine best iLnmte Richtung hincinge,viesen wird. Dabei
kann ttnter U 1n st ä11den scl1on die Zusamrnenst.ellung einer geringen
Anzahl vor1 Elen1cnten genügen, um in jedem ein anschauliches Bild
der individuelle11 Eiger1art, des l1istorische11 Objektes hcrvorzuruJen-
Bis,,·eilen sind dagegen a usführliche Schilderungen n ot,-ven,dig, bis die
verschiedenen \Vortbedotitungen ich zu bcstimmLe11 Ar1scl1auungen
einer Ind.ividtt.a lität vereinigen. Auf jeden Fall aber t ritt, .tal ls nicht
in historischen Definitionen sondern lediglich in der Ausgestaltu11g
möglich t bestimmter individueller An.schauungen das 1\nalogon zur
n atur..,,i. so11schaft.licl1en Begriffs b o s t i rn m u n .g zu erblicker1 ist,
der pri112ipielle Unterscltied z,viscl1cu ,1er1 beiden Arwn der ,Yissen-
scl1aftlicl1en Dars tellung von neuem in seiner ga1tzer1 Sclil:irfe l1ervor.
n,i auch. dns is t klar, ,vie dieser Unterscl1ied wieder mit. dem Gegen-
s„itz der individualisierenden und der ge11eralisierenden Begriffshil-
dur,g zusammenl)ängt. Bei generalisierend gebildeten Begriffe11 l1at
die ,vc.itcrc Ausge ta ltung, die bis Z\J <ler cl,öpfung des individuellen
Bildes vordringt., kei11en Si11rt. Bei <ler in<lividt1nJisicrenden Dc,griffs-
bildung verstehen \Vir dagegen sel1r gut , daß, ,vo die \ Virklicl1kcit in
ih rer Ir1dividualitä t, erfa ßt \\'erden soll, auc11 l\'litt.el )1erbeigezogen
,verden, die zugleich die Anschaulichkeit der Wirklichkeit ,viedergeben ,
da u 11 s j a ursprOnglicl1 die lndi,riclualiliit ei11er \\iirkJichk.eit 11 ur i11

ihrer Anscha ulicltkeit zun1 BewußLsein kt11r1mt.
Freilict1 sind \\~ir hiermit aucl1 zuglcicl1 \\~iedcr UJl einen Punkt
gekommen, ,,·o dem logiscl1c11 Begreifen d,er Gcschicl1Ls\·vissenscl1aft
eirie unObenvir1dlicl1e Grenze gescLiL ist.. \Vic es in1 einzelnen logi ·eh
unv erständlich blieb, ,velcl\e Lücke11 eiae gc cbicl1tliche Darstellung
,•tegen ~1angeJs an l\1aterial zeigt, tt11d ,,ras sie daher ,v e D j g e r
enthält, als sie n1it Rlicl sicl1t auf das logische Ideal a11 ,•resent licl1cn
Bestandteiler1 e11thalten sollte, ebe11so ver111ag man es at1ch im einze1•
nen logisch nicht zu begrci ren , ,va n1 e h r ' ' <Jn der \'1'irklicl1kci,t dar-
gesl.elJt ,,·ird , als in dein angcgebe11cn Sinne ,vegcn cicr , vcrtbczicl1ung
not,vendig und ,,·esc11tlicl1 ist, dc11n bei eiern au r die Ar1scl1aulicl1l<. •it
der Darstellu11g gr ricl1tetcn Bcstrebc11 ist der rci11 per ö11licl1en Nei-
gung und Bega bung de 1-iist.orikcrs der brcite"te Spielraum gclasscrl.
Die Gcschicl1tc ·, ,·ertdet sich llier an die Phantasie und be(larf selbst der
Phantasie. Soba.1tl aber c:lie Pl1antasie i11s Spiel ko111n1L, }1at die Logik
11icl1ts u)elrr zu S.t-l.ger1. ie kat)Il nur in1 allgen1einen verstehen, \\'aru1n
clie l,istori ·chcn Darstcllu11gen o,,·ohl infolge des 1\laLerialmangcls
l1inl,er <lern, ,vas 1niL Rücksicht ii u f rlio \\'crLLczich\1r1g 11ot.,:ventlig ist,

0191 lt ado por Goog e


- 347 -
z u r ü c k bleiben, als auch infolge des Beclü.rfni„ es nach Anscl1au-
lichk.eit über das h i n a tl s gehen 111üssen , was als ,,resentlict, i1r1
strengen Sinne 1..t1 bezeichnen ist. Aber in jedem ·besonderen Fnlle
bl •ibt sowohl das 1ni nus a ls auch das plus für ie logisch zufällig.
Dies logiscl1 zufällige plus n:iacl1t es z11gleicl1 at1ch von ne-ucm
verständlicht ,varum die ft'lög1ichkeit einer Logik der Geschichte ühcf'-
haupt bestritten ,vordcn ist, oder ,varum man sicll ,veiger.t , in der
l\lethodologie dC'r Geschlel1tswissenschaft von einem logischen Prinzip
&ltszugehen . \iVir korrimen ja hier in d er Tat an eine Stelle, ,vo ein
logisc)1es Verstehen des geschichts,vissensct1 aftlichen Denkens unmög-
lich ist. Sobald ,vir aber eingesehen l1aben, aul ,,relche 'feile de·r ge-
sc1licl1 tlichen Darstellu11g sich die logische Unableitbarkeit beschränkt,
und ,vat·u.m diese T eile logiscl1 unbegreiflicl1 bleiben 1nüssen1 so ist
zugleich atach klar, daß gegen die i\1öglichkeit. eines logi chen Verständ-
nisses der Gcsctlicllte überl1aupt hieraus gar nichts folgt. Im Gegentej)t
der Urnst and 1 daß ir1 llen Darstellunge.11 des Individuellen das logiscf,
Unbegreifliche, d. 11. aucl1 durch das Pri11zip der Wertbeziel1ung nicht
mel1r als '\vesentlict1 zu Verstehende eine so große Rolle spielt, ist
selbst un ter logischen Gcsicl1tspunkten ch:irakt oristisch und dient
mit dazu, uns das logische Wesen der Gescl1iclttswissenscba(t v erstehen
zu lasson. Fet11er zeigt dieser Llmstand , \Vie vollständig unfrucl1tbar
in logiscl1er Hinsicht ejne U11tersuct1t1ng bleiben 1nu0 1 die davon
a u s g e t, e n ,vill , daO der Hisloriker die Aufgabe l1abe, die vergangene
\Virldicl1keit der Gegen,vart '\Vieder lebendig zu 1nacllen, und da.O a l o
in einem nacherlebenden ,,V rstel1en 1 ' das eigentliche logiscl1e Wesen
der Ge cltichts,vissenschart zt1 erbliclie11 sei. Eine solcl·le Behauptung
ist z.,,·ar insofern nicht falscb, a l ein '!'eil der ge cl1icl1 tljc}1ei1 Arbeit
in der 1·at sich aur ein r,acl1 crlebcndes \ ferstol1en zurück(ül1ren läßt•
Zugleich. aber läßt sicl1 1 o g i s c 11 nur begrei(e11, ,varum der Historiker
eines solchert nacl\erlebend•e n Vcrstcl1er1s überltaupt bedarf. Die logische
Struktur dieses nact1erlebenden \ 'er tet1ens ~elbst at1fzuzeige111 darf
nicht das Ers:te sein, denn die. er Prozeß ist nicl1t rein tl\eoreti eh
,vis en c}1aftlich. At1f diesem \,\iege köru1en \,rir also der logisch('n
Struktur der Gescl1icl1ts ,v i s s e 11 s c t1 a f t nicl1t l1älaer kornrricn.
Nur ,,.,enn ,vi1' die individua lisiel'ende Begriffshildu11g der generali-
siere11den entgegenstellen und dann nacl1,,tcisert, ,,·arum die individua li-
s ie,►encle Begriffsbil.dt1ng über das mit Rocksict,t auf die \Verte ,,1esent,..
licl1c hinaus zur Anschauung gehen muß und zur Scl1öpfung anschat1li-
c•1cr Gestaltungen ein nacherlebendes \ ' cr..:tel1en braucl1t, dürCcn ,,,ir

D1911 11,ado por Goc,gle


- 34-8 •

l1offe11 1 in das logiscl1e \'\Tesen der Geschicl1ts,vi. scnscl1a(t einzudr,i ngen.


Dan1it dies v ollst ändig ,g eschieh t , müs, en ,\'i r die Beh.auptt1ng1
daß es k eine logische Grer1ze für den bei der an.scllat1licl1en Darst ellung
vorl,andenen Spielraum der Phanta ie gi bt, in ge,..,is er Iliru;icht
auch ,vieder ci11schränken. Ist c~ z,var i111 ,vese11Ll.iche11 Sa.eile cles
Takte und des Geschmackes , ,vie ,veit man i111 Interesse der Anscl1at1-
lichkeiL bei einer ,vertbeziehen<Jer1 Begriffsbild.ung über die ,,·e~ent-
licl1en .Besta11dteile 11i11ausgehen und Detail · beriick ichtigen ,,·il li die
eine Beziehu11g zu clen lei tenden \\7erten 11icl1t 1nel1r besitze11, und
läßt sicl1 daher die er Teil der l 'ütigkeit des 1-J ist.orikers nien1aL"' auf
logiscllc F ormeln bringen, so besteht die nn1öglichkeit, unter logi-
~chcn Gesichtspunkten die i11di,rid uellen Neigungen des l li:;t orj kers
einzuschriinken , doch ebe11 11ur in bezug auf das, ,vas die Gcsc11icl,te
Ztl den1 begrifflich Not\vendige11 an i 11 d i v i d l t c l J c n Zügen der
DarsLellltng h i n z u f ü g t , d . 11. ,,,ir werde11 z,var z. B . von eitler
hi toriscl1en Persönlichkeit , ,vie Goelh.e oder B is1,1tatck, gc,viO 1ucl1t
nur das erzä t1len 1 was in einem mit Rücksicl1t auf Jie leitcodc11 \\'erLe
not,vendigen Z-u sammenha11g tcl1L, ~ondern das ge ·cl1ichLUchc B ild
von ihnen auch durch solche indi, rirt uellen Züge bereir..1,ern, die lctlig-
Iich der größere11 A11scl1aulicl1kei.t die11en1 und tl.ie sicl1 rtur rnit
Hilfe eines nachcrlebende11 Verstel1e11s herbeischaffen la:-:IBeit. Aber es
,värc ganz sinnlo~, i11 der Ge~ chichte v on die en l\länncrn et\,·as zu
berichten, ,vtl'S : 1 ie mit nllen den Ir1dividue11 teilen. die unter de11-eJben
11atun,·i scnscl1aftlicher1 Beg riff fti llen. ,va ihnen z. B . r1aLurnot -
,vend ig zu ko11lmt, weil ie 1.ur Gnttu11g h<>111c> apiens gct1örer1 , ,vie
(iberhaupt al les, ,vas sicl1 aus allgemeinen Naturgesetzen nblcitcn
lüßt1 , \1ird nieo1als in il1rcn l1istori1 cl1cn Begriffen P l:ttz findc11, clent1,
da ß die betJ·efCenclen Ob]ekte , die dargestellt ,vcr<Jen sollen, 111it all
don1 ausgcstatl-Ot si11d, \"\'as il11lcr1 11at11rnol,\' cndig zuko1rur1L, kann ir1
~i11er geschicl1tlict1en Da1-stcllung nur stillsch,, ..eigend vor·ausgc etzt,
11ien1al. aber zum ausdrück li chc11 Gegens t ande d er Bel1a11dl,111g ge-
111acl1t, \.Vcrde11. ~fit Rucksicl1t, a•1f die e naLurnot,\·e11digen Be lo11d-
teilc kö1111tcn die l1istoriscl1cn lnJividuer1 j a du1·cl1 jedes belieb-ige

ar1<lere Indiv i-cluunl derse]be11 Gattung crsct~t ,vcrdei-1 und sind so1nit
l1i toriscl1 ganz uni1lLeressa11l,. Es bcginr1t vieln1el1r, ·o,,·eit e-s sich
un1 da::; a b l$ a l u t l11s:l c1ri~~he lr1dividuun1 l1andelt, clas Interesse
der Ocsc bict1Lc frühe ·.Le1ts a 11 der Stelle, \VO cla~ natur,Yissenschaftliche
a1lfltürt, urid dcsl1nlb l"01111<'tl die für clie begrjfflichc Jnrlividtte11bil-
Jung n ot,,·c11<ligct1 Be~lat1dtrile eir1cr l1isturiscl1cn Dar. tellu11g nie111uls

ü1g1taltzado por Goog e


- 349

die Gre11zc z,,·i ch,er1 o.turn•i :,er1scl1aft t111cl Gei-cl1icl1.te ,,·ie(ler in


F'rage . teilen . \Vie ,vir scl1on einmal t1er,·orhobe11 , ist ,e s fi.ir d ie Ge,.
schicl1te selb.sLverständlicl.1 1 daß Goeth e öc1cr Bismarck J\lenschen
si,1ri aber vo11 (liesem allgen1oiner1 l\fenschl.icl1er1 ,vo(:lurch Goctl1e und
1 1

Bisr11arc:k s ich v on andern ~1er1scl1e·ri 11it·l1t tinters..-lleiden, hat die Ge-


scliicl1te a u s d r li c k l i c h zu redeni niemal!- VeJ·anl ass,1ng. Der
Unt.er~chie{J Z\vischen Natu,~,visse11 cllaft t111d Gescl1ichte trilt dadurcl1
,vied er von 11eue1n he1"Vor.
\Vol1l aber cheint die unscha.uliche Seite d er tiistori~chen Darst eJ-
lU11a fo r ,•iele die Linie unkenntlich gemacht ztl haben , die die Ge-
schicht e gegen eine andere mcnscl1licl1r. Betätjgur1g abgrenzt , de11n
sie hat zu der Bel1auptung \ ' eranla!lisung gcgebei1, daß jed e Darstellung
de l11dividueUen. aJ~o auch die Ge cl1jchte , 11icl1t. \ Vi~~en.·chaft son-
der11 I{ un s t sei, oder sie hat gar zur Aufstellung eines Gegensatzes
z,,; ~cl1cn "vis enscbaft licl1er llnd künstlcrir-;cher Gesctlicl1tssctu·eibung
gcfüllrt. tun läßt sich ge,viß nicl1t Jeugn<>n, dc"lß, ,,·o an die Stelle
ein.e r DefiniLion eine sich an die Plla1lta ie ,ve11dende Darstollt1ng
tritt, die Gesch:icht e dieselben ~Iittel ven,,enden ,,,i.rcl I d eren die
P oesie sich. bedient, um anschaulich zu ,,; rken. Aber ist darun-1 d·er
H istoriker, dt~r Jnrlivictuellcs da.rslellt, au. d.er R eihe d er v.>i "en cl1aft-
licl\e11 ~l ännor zt1 ven-,•ei-;cn t1nd t1nter die l{ünstler zu sctzent ,,,eil er
zur \ fergcger1,värLigung de \ 'ergangenen \1ntcr a.nderP.tn auch kOnst-
lerisc l1c At1sdruck ·formen braucht ? J
\Vir c.lür{en crstert · nicht vergessen i <lall nicht <iic lndi, 1id11aLi Uit
so11<len1 nt1r die Anschattlichli.eit fler \VirJ.clichkciL für cJie Ge:-rll ichte
ei11c chi lderung u1\cntbel1rlich n1nc~1t , bei tler evcnL11ell ~'l ittel, ,vie
a11cl1 der l{ünstlrr i-iG v cr\vend e't, nngc,vcu<let ,verd e11, uncl z,veitens,
daß für der\ Künstler die anl'ic haulir he D:~rste llu11g Z ,v e c k , für clcn
Hi~t,lrilter <lagcgcn nur ~'I i t t c l i:;L1 lind srl1on. da11r1 muß der prin-
zipi('lle U nt,cr:-chicd i--ofott klar sein. Die k ün~Lleriseh 'f ä Ligkcit
ber uht in ejner Au sgesta ltung der Ansc11au11ng sclb~t, (Jic äsll1c lis<' h
,,_,cirl{en soll, und 111an ,,·ird es sogar eJ1r in Frage :itcllc11 müsi;c11. ob
der l{iins tler sein~ ä=!-ll lctiscl1en Ahsict1t~n crrcichc11 kanu , vvet111 er
all zu individua lisierend verfä hrt. Der Historiker liagcgc11 ,vill clic
An ·chauu11g gat· nicht urt1 der äs Lhclisc•hcn \Virlcur1g \\'illeu hervor-
rt1 fen so11derr1 nur, uni 111it. ih rer lJilfe zu zeige-n, \.Vie er ,,,irklicl1 ge-
,,-c~ett i:--t, t111<l da · i11d i, ·id ualisieren,te \ ' crral1re11 ge,vinn t d.lh cr, auch
,,·cnn ~r llic 1-\ n::-chau t111g au~~est nltet , für ihrt. ciJt(' prinzi piell nnrl(.\re
Be4 lc11Lt1ng als ftir d en l( ür1. t lcr. Der I< ün~tler i~t in . cin en1 \ r<'r-

D1911 11,ado por Goc,gle


350
li ällnis zur t~ltsäcltlicl1e·11 \ al11·heiL ,,ft·ci", d. 11. e t· brauc ht ·icl111ict1t a n
das zu hal ten, \\'aS nur ein1nal \\•irklich \\"al'. Der l·lisloriker dagegen
ist im1ner an die ei11n1aligen 1•a~acl1en gebunden, i11sofcrn seine a.n -
scl1nul icl1•e D arslell11ng 01.i t einer bes Lin1rnten ein111aligcn individt1ellc11
\Virkli cl1keit übereins tir11me n 1 d. h. \vahr sein 111uß . Z\\·ar pric ht
Jl1an auc11 , ,on 11 künstleri cl1er \\ial1rheit'', aber das \Vort, hat da11n
einen une.ige11tli cl1en und übertragenen Sinn, clen näher darzulegen
ni cl1t noL\\1endig ist 1 . Es genügt hervorzuheben , daß ,vahr in der
strengen Beclcutung des \Vortes i111rner nur Urteile oder B egriffe
sir1d 1 ::;ofern sie d en Gel1alt '\'Oll Urteilen besitzc11. 1-\ uf ,,,ahre Urteile
gel1t de r K (i nstler niemal", der Historiker da.gegen i1111ner aus.
Ganz ungcrccl1tfertjot ist es vollends, ,,·i
senscha[tlicl1e t1nd
künsl.leri~che Bestandteile in ein, und derselben J)ar::tellung so zu
scl1cidcn, da ß d ie Wissen cl,aft darin die allgcn1cincn B egriffe, d ie
l{unst. dagegen die i11clivid11elle El'gär1zung gäbe , und 1111( <1icwc \\'eiso
die Gleic hsetzung vo11 \:Vissenscl1«t(L und Natut'\\·issensrhafL a11frctl1t
zu erhalten. ,vie solier1 n,·ei i11 logisc h e11lgegengeselzter ftic h lur1&
s ich be,,rcgcnde Tend enze11, \ f On denen die eine a\1f das Allgc1nei11c,
die anclere au( das Inctividuellc gellt, zu ejn er Einheit zt1sanlt)1en-
,virken? z,,rar schei11t sic l\ die Ku11st 111iL eit1cr allge1r1cir1e Begriffe
bilclenden Dar tellung dort zu ver inige1l, ,vo z. B. eine zoologisc he
oclcr t1ot.a.niscl1c ntersuchung Abbild t1ngfln il1rer Objekte gibt, de11n
die:;e n1fisse11 al:1i Anscl1 auu1lgen irnn1er einen inJividt1cllc11 Charakter
tragc11. Aber \\·ir dürfen nic}l1t ,·ergcRsen,· claD d ie in rli·vicJuc llen Züge
olc l1cr Abbildt1ngcn tin,vesentlich ind, j a, in1 ,vi:-~cnsrh.1 fllic~1en Jn-
tercs. c unbcrticki.ichtigt bleiben n1ü:;scn li. Die. e Bilder ,vollen nur
1 Sie l1aber1 dah er n11f(allc11de
in<li"·i·1luclle ,,\,b,vcicltu1.1ge11 zu vrrn1ricicn 1 u11d abgc5ehcn da,•011 ist.
es ga 11i giei ·li glillig, it1 ,,·clcl1cr bc:ionclcrcn Richtt11tg sjc i11dividucll
si11d. lt\ <lcr Gc:z ·llicl,lt? d agege11 ko1n111t geraclc das in ei11ct· besti111111te11
nichltJllg i11di\•i(lucllc Bild al~ SOIC'hCS in BctrachL. E·· h.nLsich ettg an
d en i11tl i\rid uel)c11 In hal t, d e:; B cg ri ff <'S a11 zus ·h lietler1 1 c.Jeu es a11s.c hau-
lir·l1 1r1a<·hcn soll. u11(l ,,·ii rc cl t1licr nicht auch <lie BcgriffF-Lild.ung von
voi-1 tllcrcin auf da::i lnclividucllc gcriclilc, l 1 so ,vürdc tlie geschi~ht-
lic he l<ti r1sLlerisc hc (· hilfJ r r,1ng 1ticht.' v urfj1\t lc11. ,,·as ::;ie n1it ilrren
) litteln umkleiden uncl ge,,·is ·cr111;tfleu bis zu ~iner l)c:-t i1,1111tt'11 iodi,ri-
rlu cllcn AnsC' hat1un~ s lciµ:er11 kü1tnl •. ".ur ein indi,·icllte ll ,r Brgt'iff, nie
-. --
1 \ '~J. J o n a ~ t. o li n , 1\ tli r•n 1<"i1t(~ /\. f• lht•lik , 1901, S. 611 rr.
2 , ·,_.,1. ohon ~- Jt 5.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 351 -
n1als aber ein allgc111einer kann d.emnach die \vL.:.:s-c11~c h;\ftlichc Bnsi für
eine individuelle anscl1aulichc Dar~tel lt111g nbgebcn , rlie ein · ac h •r-
Jebcn der ind.ivi<luellcn Vergangenl1cit erroöglicl1ei1 soll.
~lan l1at also z,var richtig gefüh lt, daß die Gcscl1ich te etwas
entllält., '\\'ä.s über die rein hl'grirtliche \ Vissen~cha.ft hinausgeht, aber
die A,r t, wie 11lan dies plus von ihr abg·e grenzt hnt, i t ganz ver{elllt.
Jedes Bestreben, einen Gegensatz von begrifflict1er und darstellender
Gcscl1ichtc so zu ko.o truicren, daß clio hcgrifflicl1e es rn_it den, All-
gettleinen, die darstellende es mit dein Individu ellen zu tttn l1abe, ist
nur a ls e i11 l1ofrnungsloscr Vers uch zt1 betrnchtcn, o-ege110bcr der Tat~
sache,. daß alle Gcscl1ichte es mjt Indi"•iduellem zu tun hat, '"·enigstcns
einen kleinen Rest \Ton der "epriesc11en natur,\' i::-~enscl1aJt.licheu Uni-
vcrsalu1ethotlc zu retten. DnO dabei die Ge:-cllichte jn Z\\ ci gar1z 1

unvereinbare, heterogen.e Bcst.andtci lc zerlegt ,ve1·dcn 1n,Jß ,. kann


lelliglich die U nl1a ltbarkeit der ~l ci11ung dartttn ~s habe aucl1 <.i. er
1-f istoriker als ~l a nn der. \Visser1sc haft nur alJJ:(ctncine Begriffe zu
bilden. Die Dar tellu11g d es lndiv.iduell.e u im hi:;tori:;cllen Bcg:rif(
b edarf nicht einmal kiir1stlcrischer l\l i t t e 1 , un(l (!er l71r1star1d,
ti aO clcr J listorikor bi s,ve ilen m e h. r zu tun hat als c)a:-, \\·as ic h au f
logische For1nulierunge.n bringe11 läßt, l<nnn nien1al dnzu diei-1e11,
~einer Töligkeit den ,vis e11scl1aftlichen Char-akter Zlt neh1ner1 uitcl sie
zur l{un t. zu n1ac hen .
Auf die l.;,rafl'e> i.o,viefern Jic Gesc hichte eine ,,·issenschaft r~t,
·1,crrler1 ,vir 11och, v o11 einer 1nderer1 eiLe he r gerührt, ,vc11n ,vir cl1licß-
licl1 den historischen mit dein natur,v-issen cl1a.ftlicl1e11 B egriff auch
in be-zug auf die unbedjngt aligerneinc Ge I tu 11 g v crglci l1er1, llie
,vir als dessen dritte Seite ken11c11 gelernt l1aben. Die 111et,r al.s c1n1)i-
risc h al lg emeine Gcltt1ng zeigt. s ic h in llcr ~al\1n, isse11scl,aft, an1
det1tlichst en in cler l\töglichkcit, aturgcsctzc zt1 find en , t11ul of(enbu r
s Lollcn ,,·ir auch hier ,,·ied(\r t\uf ci1, ganz at\;l loo-es Proulern. Die
Gel tung der gesch ichtlicl1cn Dar~Lellt1 r1g rnt10 abhän gig cit1 \,'On der
Geltung der vVertct au f d.ic die J1istorische \\' jrklichl<eil bezogen ,,·ird,
und dal1cr setzt der An~pruch auf ui1betlir1gt allgc111ei11e Gcltu11g der
historisc l1cn Begriffe die Anerkennung , 1on unl1edi11gt allgcn1cine11
\.Vcrtc11 voraus. Z\var scliließt (licsc 1\ncrk.c11nung 1 ,vic ,,•ir ausfül1 r-
\
1
Jich gezeigt haben ttnd 11.i l,t nac-hclrü.clclich genug hcrvorl1eben ltönnc111
durcl1au::; ni ··1lt. die ~föglicl1l,eit 4!i11e-r Obcrein:;.ti111n1enden \V c r-
l u n g der ld ·torisc hc11 Objck.tc cjn 1 aber <.In · i::t (1oc11 n ot,,,en clig,
daß überh au 1)t \r\"erte ancrk.annt. ,,·erd•cn, zu clcut:> n J eder aur h als

ü1g1taltzado por Goog e


- 35~ -
\vissensc ha.flli<!her )( ensclt Stellung r1ehme11, und au f die er die \\1irk-
lich kciL bczicl1cn r11uß, denn clann allein knnn ihr in<lividueller ei11-
u1a liaer \ rHrlat1f ih1n nietnnl-s gan.7. gleichgülti.g sein und daher aucl\
ci11c Darslcl1u11g ihrer l n<livi<lua li t.ät ihm nie1nn ls t\l~ rein ,,·illkilrlich
und übcrflüe;sig el'scheinen . Es genügt cl e1rlnach nicl1t, daß wir die
rein. inclividucflc11 \\'erLe f\ussc hließen und als leitende Prinzipien
ei11er hi toris<'he11 Da r lellt1nt n ttl' .,olel1e \Verte bezeic,h nen, l!ic allen
Gliedern ei ner be ti1nmten Gerneio.sch~ft g,emei11sa1.r1 sit1d , 1:,011clern
,vir n1ii s~(! n, ,venn die Ge:-chichtc mit der Art v o 11 AJlgerneirtgülligkcit.
,vcLLcifer11 soll , nuf die die Natur\\'i?lsens.chaft bei der Auf ~tellung , ~0 1t
1 aturgc:sctzcn :\1l3J)ru<'h u1acl\t, a1uteh1rte11 , daß gc,viss , \\fcrte 11ic-h.t.

nur fftktisrh voJ1 allen Gliedern b estirnmter ·G-en1eir1Scliaflen a r1cr-


ka,,11t \verden , !-oodcrn <laß <lie :\11erl<ennung vo11 \.\'erlen Oberhaupt
jcrl<'nl ,vi:;;scnschu[Lli chen ~l e11sc her\ als u11vcrmeicllicl\ zuge,11utet.

\Vcr,Jcn darf, ur1cl dall dal1cr die Beziehung uer ci11n1aligcn und itlcti-
vid11ellen Wirklicllkeit a.uf j r g e n tl ,vclcl10 ~ 1crt.e von mcl1r :,ls e1n-
piri:,cl1 ,tllgcrnein<>r Gcltun.g n o t, ,v e n d i g ist. 1.1r nntc1· dieser
Bcrlingu11g kann cir1e lii~Lori~ch.e Dars tcllurlg selbst als eine ,\-i!-~c.11-
scha ftli c he · ot,\·u11diglceit gelten.
Der Frage jedocl1, \VäS ttt1ter c.lel' Geltu11"" dt~r u11bcdingt allgo-
1l1einen \<\.1erte zu verstehen ist, t111d \vic isie 11iil den1 P roble111 d<~r
,vertbcziel1enclen Be.,.riffsbildung zt1:;a11lmcnhängt, ,ve11den \\·ir uns
er.-t i1n letzten l{ arJiLel zu. Kur ,vcn n die logi~chc Strul,tur der histo-
rischen \\'' isscnschaftcn bereits voll:,tän1li~ ltlar vor ur1s liegt, unrl \.Venn
die \1/erLe, <lie [a l{Li 'eh ihre Begriffsbil-dung leiten, un~ näher bck un1Jt
sir•<l, l<önnen ,\·ir vc1·st.chcn, in \velelte1r1 Sinne der .i\ 11spruch clcr Gc-
scl,icl1ts,vi ~se11sct1 aflel1 auf ,,Objel{tiviUi.t'' ,,or1 der Geltuncr unbe-
dingt allgetneincr \~erte abllö11gt. l{ier ka,n es nur darauf a11. auf da ,
Problc1n hi11z.u,vcisen 1 daß in der Gcschichts\vissenscl1aft eiern Pro-
blerr1 d er ti bcretnpiri:-chen un l,edingten Geltung von N:-\turg-csctzen
entspricht. Dit> Fr~\gc 11ach (!er Gcltur1g vor1 N i,tt11-gcs<.! lZ1!11 hal)Cll \vi1·
frü her j.a ebenfa lls ni<"ht bci,11L,vc)rtet, ~on<ler1l \Vtr !:-<'l.zler1 ohn e \\"ciwrc
Bcgrün(Ju nge1t vor.,u~. rtnll es cir1cn S inn l1abc, 1r1cl1r al~ et11piriscl\
allgcrrlein o rlt·ilc zu fülh·r1. \Vir zeigten al ·o nur. <lnß nllci.u fl.ir1n 1
,.,. e n 11 es t1 nllcd i,,gt a llgctr1ei11~ü lt..ige Gc~cLze gibt, ci11e rn <~}11· als
,,,illknrlichc ß ef;rif1'5bil,Ju11g bei d e1· B cri 1·bcitung clrr \Vi rkli chkcit, als
l atur rnöglir l1 ist , u11 tl c} )f'11::o l)c~c·hriinl"\cll \.Yir 11ns hier dnra11f zu
:;agcn: ,v e 11 rt <lie 11crkctl'llt1n~ ller Gfltung vo11 \\'crLc 11 Llberhaup·t,
und (li c ßp1.icliu11g clcr ir1di,,i,ll1cllc11 \\Tirklichl,<>it aur $ic \ 'O r1 k cir1c111

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,vis. cnscl}nftlichco ta11d punl{t ::111::1 als \'\,·i llkiirlicl1 ersr hci nen kann r
<lann t1nd r1t1r tlann i t auch ci11.e n1el1r a ls ,villk ürl iche Bea rbeitung
der \\' irklicl1kcit als Ge chict1 te möglic11. Ob und n1it ,,•elcl1cn1 f-{.echtc
,vir von Na t11rgc5ct.zcn cirier::eits u11d ,vissenscl1af tlicl1 1,0,L\-\'Cndiger
Beziehtt11g der \Virklich.kcit :ruf unbedi11gt .nl fgctnei11e \Vert.e u11dcrer-
seits reder1, das :;;ind nicht mehr rein methodologische Fragen. \~'ir
verhcl1len un8 dabei !reilir.l1 n ichtt daO die , rer,vcndung unbedingt
aHgemeiner \Verte al. ,vi ·se11scha(tl ie~1er Vor<it1ssetzu.11gen <I •rn
größt c11 i\JiOtrauen bcgegr1cn, dag<>gen ,iie Frngc, ob es so et\va ,vie
unbedingt allgc111cir1 Naturgese tze gebe, als ei ne zic.mlicl1 übe1~r1ussige
erkenntnist.hcc,rcl.i$Chc Grübelei bot.raclrLet ,verden k ann. Aber Vor~

urteile dieser ArL här1gen ben 111it der l1errschende11 einseitigen Auf-
russtLng v o111 \:\' e~cr1 d er Wissenschaft 1.usa n1n1en, die zu b ekün1pfen
da:; Ziel dieser ga11zcr1 nLcr:;uchung i t,. Eine " orurteilslo e Bet rach-
tung so ll te rlie Frage nach cler 1111bcclingt.c11 Geltt111-g v or1 \iVcr ten zu-
11ächst. ,venigt-Lens ebenso als eine offene behand el11 \vie die nacl, der
unbecling tr n Geltung vort 1 aturgeselzen. Eir1 Uberempiri cl1er Falt-
t or i$t in tt C: i <l e 11 Fälle11 11icl1t zu ttntgclie11 . Vo1·lö.ufig kann es bei
dics<'r Fcs t"l (-llur1g sein Be,ve11den haben.

D c r l1 i s t o r i s c 11 e Z u . a n1 01 c n h a n g.
\Vcnn ,vir jetloc h auch von a llen \i\1erlprob.lemen abseher1, so
genügt d as, \,·as \\'ir Ober die Darstellung in,lividueller \'1'irJ<lichkeiLetl
clurol1 dio Gtsc hicl1Le ges:.lgt haben , zur Bes tirnmung d es logischen
BcgriCfes der Ge chicl1 Ls,"i senscl1 ~\ fl, 11oc \1 i.1r1tJtcr r1icltt.. U 111 nä111-
lich den Begrirr cles l1ist,oriscl1c11 I11dividuu1n:: - u1 sei11cr einfactlsLen
For111 zu ge,,-in11cn, 111ußter1 ,,·ir zt1erst <lie Ül)jekLe c!er Gei;chichte
r1icl1 t n \t r als j n<l ivitlt1eUe !-ondern Ut1c 11 als ge\\'i !sei►ma ßc11 i11 icl1
~hgcsel1lo::;scne u11tl (laclurcl1 v e r e i r1 z c I t e ·Gestaltungen be-
trachtert.. :\lan (larf 11un aber das Jr1tlividu lle oder das Eirlzelnc rti<;ht
für das \ 'erci11zcltc h0lLe11. 111 (ler ernp.iri ·cher1 \ Virl, li<~l1k.eit, so ,vie sie
ei11111al a.bl üuft, gib t es e l\\'a VcrcinzelLe~ nie,,nnls, un(i die Gesch.icht,e
a l · <Iie \iVii;sen ~cl1a ft, \ 'On dcn1 i1\rl ivid ucl lcn blat1 r clcr Cltlpi rischcn
\Virkli,: hk.eit, (iarf a lso nic ht „ individualistisc h" i,n dem ,~inne sein,
<l a ll sie clie \Virklichl eil in isolierte Indivitlt1crt a11flöst. Im G._.gcnteil,
ei1tn s<>l r hr I ·olierung ,viire gf!radc riach utasci-~11 \ 'orau:-.~cL~unge1\ un -
li i~lo riäcl1. ur ,lie grnf'ra lisicre11tle Beg1·iffsbildu11rr i:;t not,vct1tlig n1iL
isolieret-itlcr hsLt·aktio r1 v erb'l111<-lcn. f)ie Ge cl1iehte; die <le11 cin-
JlJ .:ik cr L, G t eUl.!;'-11, ~. Aun.

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- 35-1 -
1naljge11 und individue)len Verlat1f der \Virklichkcit dar Lellen \,·ill,
kann 11icht isolierend verfahren. z,var kon11ncn au ch in der Geschic.h te
wohl Besct1reibungcn von Zuständen vor, in den en die \ ' erbindu11g rnit
andern Dingen und Vorgängen ignorierL ist, aber mit. solch en iso-
lierenden Darstellungc11 wird dit! lu sLorischc Wissc11schaft ihre Al1f-
gabe 11iemals als erscl1öprt betrachten. Ihre Arbeit -ist vielmehr erst.
dann getan, we·n n sie jedes Objekt, das sie bel1andelt, auch dem Z u-
s a 1n m e 11 ll a 11 g e eingeordnet hat, in dem es sich ,virk lich be-
findet.
Was ergibt. s icl1 hieraus für die Logik der Ge.. chichtc? Zunächst,
scheint dieser \veit.ere Schritt \Vieder die Richtigkeit de bisher ge-
wonnenen Begriffes des Historis.el1en in Frage zt1 stellen. Der Zu-
sarn menhang, in den die ei1l zelnen }1iswrischen lndjvi-ducn gehören,
muß d ocl1 im Gege11sat.ze zu il-in en a 1 1 g e m e i n gen ann t werden .
H ört also d urch seine Berüc'k sichtig unp die Geschichte nicht auf, diP
\1/issenschaft v otn lndivjduellen zu sein ? Allerd inf'S, wir trefferl hier
,v.ieder aur ein 11 Al)gen1eines", und z.,Yor ist es n eben de·n allgcmei ne11
Begriffs e l c m e n t e n und d en allgcn1einen \Ve r t e o das d r j t t c
A 11 r e m c i n e , das in jeder Ge chichte v orkommt. Aber es läßt
sieb wied er leicht zeigen , daß die gescbicl1tliche Darstellung eines
in.d i"·iduellen Objektes in seinem a llgemeinen Zusamn1e11hang und die
Unterorrlnung d esselben Objelits unter ci1ten n llgemcinen natur-
"''isscnschaftlicl,eu Begriff Z'vei Vorgt'l nge i11d 1 die ei1.1e prjr1zipiell
v erscluedene, ja geradezu einar1dor a11sschlicßende logiscl1e Bedeutung
J1aben.
Der allgcr1,eine ges-cl1ichtliche Zu.sam1nenhai1g 11il1l1lich ist ein
u11lfassendes Ganz es, und die eir1zelnen Individ tten in.d d.cssen
'I' e i I e. Das Allgem.c ine im Sin11e der Nat.ur,vi sscnsc haft d agegen
ist. st..cts der allgemei11e lr1l1alt cir1es B eg r i f ( c s , unLer den die
einzelnen Ir1dividuen als E x e 1n p l a r e fallen; u1td daß das \' er-
l1ältnjs {ler Teile zutn Ga11zen ein ande.-cs isL a ls das clcr Exemplare
zt1 d e.111 illnen (1bergeordnetcn allgenlci11en Begriff, sollte k-cincs Be-
\\!ciscs be<lü rlcn. Ucbcr-nll, \ VO dio ,,indi~ it-lualistis.che'' G·eschichLi,-
au fta~sung mit clcn1 lli11,vt'is darau f b ckürn r, rt '\\•irct, <1 ,1ß jed es I11di-
vid-ut1m zt• ci11e111 1 ,,1 l lgcr11ei1)CJl " Zlt an1u1er1 l1at1rr gehöre I uncl der
,r
Historiker ()ah er, \\'io rr,an rnil orli,•llc sngt. , 11,c,ll~h:ti-,·j~ Li cl," u11d
d e s h a I b na l,nr,vissensclt(lftlicl1 orJer gcncrali ~icrcnd v erfa l1ren
rnüi-.. e, si11d Jic.,;e bei Lien , , e1·hältr1j:::se n1i lcin1:t1tder vet,.,·cc}1·clt. Es
isL ul:-o 1ti.il if:, clnU,vi1· nir-h t Jl \ Jr di c All~f'1nei11ht'il des r1alu1·,vi!'lsensct1aflr

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licl1ei1 B e g l' i f f e s und die Allge1neinheit des W c r l e s vor1 einander


scl1eiden sondern diesen bei.den Allgemeinheiten nocl1 als dritte die
ebenfalls sorgfältig von ilmen zu trennende Allgemeinheit des histo-
rischen Z u s a m m e n 11 a n g e s als des umfassenden bistoriscllen
G a n z e n gegenüberstellen. Das historische Individuum, das wir
bisl1er betrachtet babe.n , ist dann stet.s diesem historischen Ganzen
einzuordnen, aber diese E i n o r d 11 u n g in das Ganze fällt, durchaus
nicht et,va mit der U n t e r o r d n u. n g unter einen allgemeinen
Gattung begriff oder ein Naturgesetz zusammen.
Die S.cheidung ist so kJar und selbstverstär1dlich, daß tnan fra·g en
111uß, wie ei11e \ rer\\recbslung hier überhaupt möglich ,var. Sie kann
nur dort, en~tehe11, wo das Ganze, dessen Teil das einzelne historische
Individuum ist, eine Gruppe bildet, deren Teile sieb 3lle ontcr
ei11en allgemeinen Begriff bringen lassen, und dann dies Ganze den-
selben Na1nen führt, mit. den1 man auch jeden seiner Teile zu be_zeichnen
pflegt. 1'.fan nennt das Ganze dann die Gattung. Bekommt nu1l
ein bistoriscl1es Individ:uum als T eil einer solchen Gattung de11 a)lge-
n1einen Gattungsnamen, so scllc:int es dadurch attch bereits den1
allgemeincr1 Gattungsbegriff unlergeord11et, also naturwissenscl1a(Llicl1
generali ierend begriffen zu sein . 1\fan sollte ober nicl1t ve1·gessen,
doß das \\fort ,;Gnt.tung' 1 11ic~rt. nur den n atunvi ·e-nscha!tli'chen
Allgert\eiabegriff ondern auch eir1.e k onkrete 1\1 c h r- h c i t von
I n d i v i d u e 11 beticutet1 lind claO et,va , da: 1~eil der konkreten
Gattung ist , ,cleshalb nicl,t sclion r1ur ttls Exen1:plar des Gattungs-
begriffes angesehen ,verdcn darf 1 . Gattung, Zusarr1menl1ang, oder
wie man sonst ein }1jstorisclles Ganzes nennen will, sind "·icln1e~1r
ebenso ,vie jeder ihrer T eile etwas Individuelles und Be-sonderes, d . l1.
sie sind ,vohl un1fas eilder urld größer, aber 11icl\t allgcmcine"r als
die cinzcli1cn lnd ividue-n, a.us de11c11 sie bestehen. Die ita)ieniscl1e
R enai ance z. B. ist ebenso ein l1i„torisches Individuum wie ~1acchia-
v elli , die ron1an -tiscl1c Scl1ul,c ebenso \\'le Novalis. \Vir wollen daher,
urn s tct.s zu \.Vissen, ob ein "f eil ei1'.le~ Ganzen nur durcl1 das in Betracl1t
kom1nL, ''"a~ i'hrn rnit den übrigen Teilen de elben Ganzen gemein om
ist, dn11n also nur als Gatt11n gscxe1l1plar ei11es allgcrnen1cn Begriffes
,vesentlicl1 ,vircl, oder ob er ir1 -einer lnd_ivjdualität aufgefaßt werden
soll, d i1rcl1 <.l .ie er sich von alletl andern Teilen der Gattung unt.er-
sc hci(lcL, irl1 er:sLc1t Falle vo1t <.J e11, Ex e n1 JJ l a r eines Gattungsbe~
1 Vgl. i g iv a r l, I.og ik I, 4 . ,\ un., S. :JG ff., unJ ·r1a. K i s l i a k o ,v .s k i,
(:r , ,·Jl,chorL und Ein1.r1,~·e~e11, J89i:I, hriiondt•rs S. 126 r., 138 t. u. 178 r.
2:l •

ürg,t~hzado por Goog e


- 366

griff('.s, in1 z.,,·eiLe11 Falle clagegeit vo11 clem in<lividuellert Glied e


der k<Jnkretc1, GatLun_g oder de l{o,JJekLivums sprecl1en. ~Iacchia-
v elli ur1d Novalis sind dann nien1als Exemplare sondern immer Gliede1·.
Die Einordnung eines hist orisch<>n Objektes als eines Gliedes in einen
1e11' ' hiRt orischcn Zusantn\enJ,ang ist lediglich die Einorcl-
1 la llge1nei1

nurtg cirtn!:l lndividuurns in ein andere u111fasse11cleres I11dividuum,


ltn<l d aß dies nicht rnit der Unterorclnu ng ei nes Objekte8 als ei11 es
Exern plare-~ unter ei nen allgemeinen Begriff zus,nrnrncnfti1lt1 ka11i1 nur
vor1 tletn bcZ\veifelt \Verden, d er nicht gelernt llat, den allcrem.c inen
I n h a I t eines Begriffe:; von gcine111 a llgcrr1eir1cr1 U m f a n tt z.u
untcrscJ1e.iJ cn . D a~ aber sollte nur d en i\1'1fängerrl in der L ogik l\1ühe
111ncl1cn 1 deren Za hl allerclings unt er d en ,.n,odernen'' Ge-sc hichts-
tl1eoret ikcrn , die rlie Gesrhir lltC zt1 ein er NaLur\,,i~!-icn5cl1aft n1nchen
,·vollen, nicht, klein i.'< t .
Für sie sei b emol'lit: der Inl,alt ejr1e Be.griffes ist allgemein, ,,reil
er clas einer ~l elil'heit von I11divjclueu: Ge1r1ci n-a1-r1e enth äl t oder at1f
beliebig viele Indi,fidt1en U0\\1endbar it-t , der •n1fana i::.t a)lge111ein 1
,,·eil er a 11 e GJieclcr einer ~f chrhcit von lndividucn in einem immer
inclividuellcn ZtJ a rn n1er:1l1ange oder Ga11ze1t un1faßt. f\1u ß a1so auct1
vo11 der Ge cllicl1te j edes l1 i:-torisclle Objel{t ali, Glie,\ eines allge-
n1einei1, rl . h. t1n1fa~ser1deren Zusan1111cn·h:tnge3 bct.rn,:l1t<'t ,\·erden ,
so hörl d a rucn der liistorikcr durchaus nicllt a uf , indi•; idualisicrcnd
zu verfahren. Rr ~teilt individuelle ein111a.lige Gebi.ldc als ~olche dar.
Irl.sofern a ucl1 d as K ollckt.ivu1n für die Gescllic l1w st.et_...1-; nu r al eine
ci11rnalige individuelle \ VirkJichk,c it in Bctracl,t Ji.01l 1n 1.t,1 st eht. de~halb
<lic indi~·icJu~li. iere11de lii tori::;c}\e 1'1 eLhod.e, ,vie ,vir sie verslel1en,
Ztl dcn1 1 ,,·us rnnn allei1l un l.R1· einer koll<>kl iv1st i. chPn l1istorischer1
tethud c verst ehen k n1·1rt, in kcinc1n I o g i s c 11 r n (}rg1'n1-,al Y. .
Die \ rcr,,•c,·h~Iung clcr Allgen1ei11bcit, d i • ,Jr,n ( ,u,nzen in I Ver-
l1~il Lni:; zu sei11cr1 c'i 11zcl11e11 1'eile11 zu ko11,n1t. mit t.i er Al lge1nci11 hei L,
llie der lnl1nlt ei11cs Begriffes. gegenfibr r seinr11 E xP1n,plarrn bct-itil,
li"gt au ct• rlrr A.n~icht zu grllJ11le 1 di~ J(nnt in :-f'i 11er l-4r lirC v on l~a11 n1
und Zeit bcl<i:ä1nr>fl<', und ~s ,vircl Zl1r l~larl,,gu ng t1n$.l'rPr Gc,Ia11kt"11
beit.ru D' •n , ,,·cr111 ,,·ir lticra11r n1it. r ir1 J:>nnr \\.orten einµch ·11 . .\la 11 l, a.r1r1
.,sicl1 nut· ci11cu ei 11ziq-eJ1 1{au11\ \'or::.tt1l1t,r1, t111cl \Yenn 111an , •n11 , 1 iclc11
rl äu utc11 rcclel , :::.o '-'<'T~L"h t tn art d aru11ler 11 ur 1'ci I c e.in c..-- und tle::~clben
a lt,-.i11 i~c11 Ililt1111c:-:'' 1 otlr.r: ,,,•eri-rh·iedt~11e ZeiL<·n ::.in,l 11ur rl'c- ilc ei11
11 11,I drr. ~ll1r D Zeit,''. Der .,llgnn1cinr l~a,1111 u11rl <l ir Allgr n1 c-inc Zeit
, inrl a 1.-:o 111,· h L a llge1 nei 11c Begri rre s,,n,l ern 1\ 11:-ehauu uge11. u11<l z-,,·a r

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besoudcrc tincl cinn1ali.,-.e. l)allurc· h, claß 111ttll ei nen Itau1r1 lr: il u11d
e in e Zeit. trct· kc einr111 größcrc11 R aurn und (•iner größercr1 Zeil.strecke
<>clcr auc l1 tle11t nau,n uncl clcr Zeit überh aupt einord11ct. ord net 111::111
·ic uocli r1.iclit dein allge1uei11e11 Jlau1nbegrif[ u1ld cletn all~e1neinen
Zeitbegriff t1n ter. \\1e n11111a11 dit · vor l{nril rd l1t ,Jt"ullich gcsch n hnL,
so kn111 dns ,venigste11s zu1-i-1 l ~ci l \YOhl cbcnfa)h; do ltcr, <laß der gan ze
llaurrl und di e ga11zc ZeiL 111it rlcnselbe11 .!\an1cr1 bezeichnet ,verdc11
,,·ie j ed er il, rer 'l'eile, . o d a ß 111Hn t111,,·illkürlich das. Ga11ze als de11
fibe rgco rdneten allgt'.'1neincn Begriff auffaßte. E s lag die au cl1 noc h
au s einem onderc11 Gru11do ,1ahc. Die eä.nzclnc11 Teile des Raurn ·

1lü111lie1'1 komn1cn filr die \.''is_cn!-cl1afl, die sicl1 n1it il1ner1 l)csc hä fLig t,
nl~o für die ~athe1natik 1 in1n1er n tt r di1reh solc he F ak toren i11 Be-
tracht , d ie sich bei jecler anrlcrcn rät1 111lirhcn Gesl-allu ng, d.ie unLer
tleu::-clbeo n1athen1nti el1en B ·griff füllt, cl,cnJall findP-n, u11cl daher
~ind rlie n1atl1cn1ali:.cl1e,1 Gebild e r1ie111a l in ·o.fcrn "\l"OFl B ~d eult111g für
die \\1is:;er1s.chaft, a .l.; ~ie sict1 tle1n, allgc111 ci11en, et. h. l(anz~n ll at1111
als i,n<li,ti<lucll,c Gliccl<'r einordnen, 011d •rn i11t1r1r1 nur i11sofern , als :--ie
si(' t1 den1 allg<'tlll'i11e11 Brgriff eines 1·än 1nlicl1c11 Gebilde:-- als J~xer1111tar
trntcrorclncn la::.sen . A1r.:h hand ·lt es ::;ich in d<'r ?\'l nthcmalik nichL un1
0111pirisc hc \\'i rk lichk citcn , ll ic i111 111cr h1 detll inn e individuell sin cl,
·, ,·ic ei rl hclerogi"JrlC J( onl inuu rr1 e~ i~t,, so11de1·11 u111 rc i11 qu anLiLativ
be~ti1nn1lc fia11111gchilcie , 1111<1 ,,·.,il cler malhe1l1;l li5,rlie l~n,1n1 , ro llkon1-
JIIC1i. hon1og ·n i~t., ~o 111\tß e gleir·hgii ltig . ein , in ,,·rli·hcn Raun1lcil
1

,,·ir z. B. ei n zu L1r1Ler~ucber1tles Dreiec,li. Lri ngcn, u111 zu z •iJ_.rcn, flu ß


!--Cjnc \ Vi11kel~t11n1nc <Iic Grölle v on z,\·t"i re-.. h L<.-n \-\ ·in kt ln hat. Da,·au~
aber rolgt, nur, cl a □ ,,·ir in U(' r Gc:ie hie}1 l e noc- lt viel 111chr \ ' era n l:1. ~ung
]1nlJe n, clcn ~ llgenH• i1\e11 B griff \ '()rt d ·rn a llgcr11 eincn Ganzt'n zt1 R,·lu•i-
<lcn I a 1~ bei tle-r ß elrac h lunrr l"Ci11 c1uan t,ilali\'CI' 1·5 u rt1I icher Geoi ldc,
,ien r1 da~ \ Tl'rh ülLr1i · df' r ei nzt~hit~ll r{n un1tcilc iu111 Rauniganz~t1 ,vä rc
nur tlnun clc111 \ '<'rli ül tni · •d r•r hi sLo riscl1<·n l n<lividt1e11 .z u tl eu1 Gar,zen,
,lc~:.e11 T eile s ie :--i11cl, lr•~isr h glei,hzu:-elzc11, \\'Cnn ,,·ir 11ich t n11 die
111flll1e111at.i~che Hc«riff~bild ur1~ ~outlcr1~ ar1 <Jie in laut •r i11rlivi lluellc
•'ti'1cl,e gelcillc ruun1crfOllc11dc \\.irk.li•·lik.cil dc11k_cu u11d <la11n au ch
<las il I} cJi ':,f' ll ·r ejlcn hPrfick::.it'hLi~en. \\ [I in ilic Bcgrirr,} dc J' j\l ,,t h ·-
111atik 1,iir.t1L c•ingeht, n~i111li,·l1 die rei n i11divid.1ir- llc l.agt~ und Gest:.:ilt
jc<lcs cinzt>lner1 Gr lJil,l • -, LI. h. al~o ila~, ,,·ns die räu111lii·l1en 'f L•ile
t.•r:;L ,,·irkli,·ls z.u (~ 1 i c <I er n clc~ ei11e11 räu1r1licl1en Ganien 1nath t.
z,,·ar ~in{I cli1·sc ·rl,ilc• uc,,·h keine j,1rl ivirJtlelle n hisl.ori. t: ht•n \\'irklic h-
keiL,:n, ,,·cnn 111 .111 nur or, il1rc uscl,~J-iu ung clrrikt-, <JPn n die c1 npiris.che

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R ealität ist niemals 110.mogen, und es unterscl1eide11 sicl1 also die Teile
des ltistoriscl\en Ga11zen noch in völlig anderer \Veise von einander
als die individuellen räumlicl1en Gebilde.' aber es ist dann doch in beiden
Fällen ,venigstens jeder Teil ein Individuum, das durcl1 Einordnung
in. den allgemeinen Zusammenhang nicht schon unter allgemeine B e-
griffe gebracht " 'ird, die für alle ·reile des Ganzen gcltcnt und dies is t
hier für uns v on \Vicl1tigkeit. Bleibt nämiicl1 ein Gebilde als Teil eines
allgc1neinen Ganzen selbst dann ebenso indi viduell ,vie als vereinzeltes
Individuum, ,venr1 es nur ein Stock des Oberall l1on1ogenen Rat1n1es
ist, so kann doct1 vollends kein Z\veifel darüber bes tel1en 1 d a ß von

nattin,rissenschaftlichom Begreifen eines individuell.e11 Gebildes durcl1
Einordnung in einen ,,allgemeinen'' Zua,amme11l1aog dort nicht ge-
sprochen ,verden clarf, wo dieser Zt1sa1l1menl1ang nicht einmal hon10-
gen ist und seine Teile daher noch in ganz anderer ,Vcise individuell
~ein müssen, als die individue llen räumlichen Forn1cn e~ sind.
Ist nun aber der allge1n·eine Zt1sarnrr1enhang 1 d eln die Gescl1ict\te
d ie einzelnen Individue11 einzuordnen l1at, ebenfalls ein Individlium t
so kann aucl1 über die logischen Prinzipien sci11er his toriscl1en Dar-
stellung kein Zweifel bestehen. E s i t von ihrt1 stels e in individt1eller
B egriff zu bildc11, de:,se11 E lerncnte i 11 einer absolut J1iwtorischen D3r-
stellun.g , at1f die wir uns zu11äctlst b eschritnken i da1111 die Begriffe
sind, die man von seinen histo1·isch bedeutsa1nen ir1dividuellcn Gliede1·n
gebildet hat, und die Einheit dieser EJcn1enLe ist outiirlich ebenfalls
durch eine Wert.beziehu11g l<onstituiert, d. h . die e EJcrr1 e.n te schließen
s ic h mit Rücksicht auf di e B cdct1Lung zt1sa11,111eu, di e cias ir1dividuc lle •
Ganze durch seine B cso11derlleit f(ir den leite1,det\ \ Vert be itzt. Dies 1
Ganze isl dann fre ilich ,viedert11r1 nicht ein vereinzclu-s Individuum,
sondern gel1ört einem nocl1 größere11 Ga11zcn a11, aber at1cl1 dieses
neue, rtocl1 u.nlfassendere Gar1ze i t selbstverständlich auch kein a ll-
gemeiner Bcgri{f sondern e'in neues Indjvidut1m, t1nd es m1,1 0 von il1m
• <ial1er ebe11falts cir1 r1eucr i11divicluellcr B egriff gebildet, \Verden, des~c n
Ele111eotc clar,n die i11dividuellcn Begriffe einer l1is torisch bedeut.c:..1-
111en 'fe ile si11d . Kurz., \Vir sel1en , at1ch an den Prinzipien der t1ist ori-
srhen ßpgrif(sbildung ,,•ird durct1 clie EinordnL111g c.Jt•s t•inz.cln c11 ln-
dfvicluu1r1,3. in den allge.111cirtcn, tl. h. ur11fa ~e11dc1·en. ~aber i111 übrigPt1
ebe11fall:- i11di., ricluelle11 Zusnn1me11hang nicl1ts gcändc1-t. Es ka.1111 das
i-iChon clcs,vege11 nic ht ande rs sei11, "'feil tla Verhällnis des ·1·cilc zu111
Ganzen sleL relaLiv i t, d. 'h . ,veil s icll jede extPn:-.ive ~fannigfult.ig-
kciL von Tri lc11 nuch als Pi nc inLrn ~ivP )f a11nigf;,dl if,!l~c-it. a1) ehc11 lttß t,

0191 lt ado por Goog e


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ttnd dal1er jedes Individuum sich so\vohl als ·1~eiJ eines Gartzen als aucl1
z11gleicl1 als Garlzes betracl1ten lassen mu ß, das Teile hat 1 .
Nur ein Punkt scl1eint jedoch gerade deslialb Scl1,vicrigkciten
zu bereiten. Ort!ncn. ,vir nän1lic l1 jede Individuum einetn 11euen
Ganzen ein ! ~O 111üsse11 ,vjr d•och schließlicl1 zti einem Ganzen
komn1en 1 das nun nicht mehr zu einem nocl1 größeren Zusa1nruenba11ge
gehört, und dies 11 letzte Ganze'' ,värc dann not.,\>'CJ'ldig ct,va Vercitt-
zeltes, also et was, das es i,n der Geschichte nicht geben darf. Tatsäclt-
lich jedoch er1tstel1t hieraus (ü1· tl fl S kein neues Problenl. l ,ogiscl1 be-
tra chtet wäre nämlicl1 das letzte historisct1e Ganze das Weltall, und so
lange c.s ,vic i1n !\littelalter ,,,\' ellgeschicl1te' ' im eige1ttlichen Sinne
des Wortes gab, nlußte ihr umfnssenclster Zl1sammenhaog, der z,vischen
S chöpfung t1nd jüngswm G·ericht lag, in der Tat ein ver.einzeltes
ln fljviduun1 sein. Die W elt als Ga11ie, ,,·ar begre.n zt durch Nicl',t-

\Veit. Seitdem ,vir jedoch aufgehört haben, dt1~ \Ve}trranze als Gcgen-
s ta,,cJ 1nögliohc~r Erfal1rur1g ar1zu ·e l1ct\ 1 da es von ih.111 al s eäne,n Ganzen,
,vjo ,,rir zeigen konr1Le11, auch lteinc generalisierende Natut'\vissen schaft
gibt, hat dje er B egriff !t1r di [ .ogik der Geschichte ebenfalls keine
Bcclct1lu ng 1noh.r. Das 11 Jetzte' 1 h i s t o r i s c h e Garize ,vird zwar
inuner 11och als Glied in einen größere n Zus~m111enl1ang gebracht ,ver-
<l en könne11 1 der faktisch ebenfalls ein I11dividuurr1 i t . Die$Cr Zusam-
111enhung kann aber scltlicOlicl1 nicl1t mel1r als Ganzes sondern 11ur noct1
ir1 eine,11 s~·i oer Teile du:r-ch seine Einzigartigkeit Bedeutt1ng l1aben,
al o eine his toriscl1c Jndjvi<lltalitnt besi.tzcn, i1nd sei11e übrigen 1'eile
,vr r<len da her nur n ocl1 als Exctn plarc n a tur\vis~ensc'11a f't Iicher Begri rre

in Frage ko1nt11e11 1 in der \1/eisc, ,vie ,vir da„ früher ge zeigt ha.b cn . Be-
rücksicl1tigen ,vir ilberl1aupi das W eltall im s trengen. int1e, so llat
nttr (lie Natu.n vL~cnscl1arL dafür Begt·iffe zu bilcle.11 un,I nucl1 sie lcclig-
licl, i11Lufci-r1 1 als Jiese Be-griffe für alle eine Teile gültig sind. Die Ge-
sc.l1i1!hte dagegen heht einen seiner 'f eile "'·egen seiner 111iL Rück ict,t
~1nf \\.'ertc hede11u.ia111e11. Individualität, h•e raus un cl 1-1at in ihr11 das

1 e t z t. e G,anze zu sehen , um das sie sich noc h kümmert. Dieser clurc h
\\lertl)ezicl111ng inrlividualisierc11d aufgefaßte 'fe.il lies \\'"lta lls ist
(lann de r d cr\kba r u11\(as~e:r1dsLe l1istorische Zui-t1n1n1enl1ang.
Urn die · ganz klar z·u n1achcr1 , v ersucl1e11 ,,·ir, die Verl1ältnisse
vo11 hi:--lorischen• Glied u11J l1isLoriscl1em Zu;,at11n1enl1ang un.rl lle1\
Begriff d es letzten historische11 G1tnzer1 an Beisr,i(' le11 zu erliiutern 1

tn1cl z,,,nr gehen ,,.ir ein bei von ei11cr l1isl.ori:-1chc11 P cr$Ull Iichl'-eit aus.
1 g l. obt"n ~·- !lil .

ü1g1taltzado por Goog e


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Sie iS-t eii1 i11dividi1elles Ganzes und zugleich ein individuelle· Glie<l.,
eine extensive und eine i11t.c11si,re l1istori ehe 1\-Ian1\igfaltigkeit. Ein
cinheiLlicl1es Ga nze is t sie, inl-)ofcnl sie alles da.: umraßt , \,·a. an ihr
hi t orii:-ch l)ed e utsa n1 i t. .J etl.e einzelne ih1·er T a t e11 u11d j<'des cit1 zelne
il1ret· . cl•jcksale ist i11dividuell, und so,,,eit ihre 1~aLe11 und Sclticksalc
11istorisGh In<li"•iciucn ind , bes leht sie f(1r die Ges·c hicl1tc au i; il1nen als
ihren 1'cilel1 , die ~icl1 in il1r zu einer Eit)h!!iL utit. R o.cl<~icht at1f die Be-
deutung, die sie al · Ga1,ze"· lür den leit e11den \1/crt bc.. itzt, zu„an1111e11-
schlicßen. Zuglcicl1 aber i. t die~e PcrsünUchkeit ein Gliecl eine;:. größe-
ren Gan zen, einer Familie, einer Generat.ion, eines Volkes, eines Zeit-
alters, zu dern ::ie sicl, ebenso verl1ä ll., \Vie jecler iJ1rcr '!'eile zu jhr,
r denn jerlcr die~cr größeren Zusa1r1111e11 l1ä11gc kan11 \vieder als •i11 ein-

t heitlich ,,s ftldividuu1n aufgefaUl \\'erden , des::-cn Be, La ndteile die J)er-

1
sö11lic'hkei Len oder Fan1ilien oder \ iölker bil<le11, die zu ih111 als ,vcsc11t.-
•1' }iclle Glieder gehöre11. l)ies<':- G~1nze i~t dann einern ru)ch b·, rü1Jerer1
Ganze11 einzuorcl11 en , nS\\'. us,v. Das let zte }1i:il.o risrhe Gnnze 1<.ar1n J.ic
/ 1
1
•1 l(uJ:Lurrnenschl1eiL sein .,der die :\lcnsclil1cit il bcrh a upl. Die l(ulli1r-
l 111en c11heit \vä re (lann ein Glied der l\ler1sr hhei t , alJer a11cl1 die~e
t ,,•ieder ein Glied clcr orga 1 isclt er1 \iVelt. OJcr Lild.et, 11oel.1 d1e urgani ·ehe
'
'\Veit ci11 hi.· torjscl1e lndivjdu u rn , d. lt . l< o1n rnt vo11 ihren 'f eiteu r1icht
nur die l\let1.cl1lteil :,\1 ein llist orisel1e lndividt1un1 ir\ BelrachL, sondern
lassen icl1 auct, i,hr" anden1 1·eile .tl hi~torisrl\c 1ndividu.c1l n11sehcn ?
l~t. cl1lie.Olich vielleicl1t die Gre nze noc h ,,·e.iter h i nitusz urür licn ?
I{ann unsere Errl e 11och als ein hislori:-rh cs Inclivitluun, grlvn , und ist
sie d a nn das lcLzlc l,i t or isC' he Ga nze , orlcr 1nuß at1r h !'- ie n o!' h a ls

GLicd ein.c:; umf:1s~cr1,leren Zu sa mrne11hangc~, rte~ Son11c1L~)·s le111.s
angcsch •n ,vc~rclc111 urid l1iitlen ,,·ir er.sL 111 clic!-•'rn das u111ra . .se11<l. l.e,
,,letzte·'' l1islorisc he Tndividuu111 ? ß e jJ11 So nnc11sysLcm ,,·ijrrl en v,i r au f
jeden Fall ul ◄1c rn letzten hi s't<>ri::.cl1~r1 Ganzen 1-lalt, r11.lch<.• n n1 ü.-.~en,
denn vo11 den itbrigc11 ·1·eilc11 <lcs Gnnzen, rlc;'\~e11 Glied es i~t, ,,·i:-se,1
,rir Zll ,,·erlig, als tial3 sie clt1rcl1 il,rc lncli\•iduali l üL 1,och lti~iori. eh. bc-
dcut:-a n1 ,r c1·c.lcr1 köitnle11i uu<l ic l,n1nr11er1 rla he r v o rlüttfig jr(le11falls
a Hein als Ex 'llt[>la re a llgc111ci11cr Begri rre j n l3etra,·lit... :·\ l:><'l' a11r·11 tias
i:iL logisch z11t~lllig, rl e nr1 ollr1c l, f' nnlni. d l'.'S Jnh a llfi, dl·r1 die lcilenrlP11
,,re rLe (ler us,,·ahl h.-,l)l' Jl, läßL si(' h ,l<'r B<'griff rle:- lclzLt•11 J1islorircJ1 e11
G a11zc11 i11lia ltlic h 11.ic•l1.t be:i.ti 1111ncn. un ,l <'~ 1, .01n111~ hier atl{' l1 n.u1·
Jarau f an , cl,a ß a11 ir::r<'11d t:i11cr SLcllc ci1111\al das u1:11fa::-se11clsle
. hi.i;t orh-t hc Gar1lc ei11e1n 11o<·h ~rüß cren Zu :;.."1l11111f'nh;1ng ci ng-cor<ln ct
,virii, d"r kci11 liisto ri:-<·lH•s f11 divirl11u1,1 lllf'hr if-t ~Onflcr11 in ~einc11 an-

ürg,t~hzado por Goog e


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clcrn Tcjlürt tlUI' nocl1 für eine ge1lcralisicre11ue \\'issenscha rt It1lercssc
be itzt.
Irr1 übrigen halte ,lie:-e Betr1tcl1ttrng ,ror allen1 den Z\\·eck, 1.u
zejgen, daß die Geschicl1 ts\,·is$en.sc haft1 aucl1 ,venn ~ie ihre Objck Le
tnit den 1 ,allgc1neinst:.en '', d. h. umfassend ~t en ,v cl tz11 ·ammc11l1ä11gcn
in \ Terbindung bringt,, 11i ·ht aufhört., clic \,Vis. cn!-chaft, vo111 111<.l ivi-
d ucllen I Ejnrn aligcn und Bc:-:Or'l-dc1c11 zu i--ei11. uch der <lc11kbar ur11-
fasscndstc l1ist.orisch.e Zusa1n111en:hang, das l\ebe11einander 11nd l\a<' h-
ci nandcr aller l1i torisch \vesontlichen ind.ividt:.1cllcr1 l >inge tind Vorgüngc,
ist, e i n g1·oßcs hi-stor1 ches Tr1d i,1 i(luum . E s nirn111t ei ne bc:.1 Li11~1ltl-e
Stelle de:-; Ra\1r11cs ein und füllt eine bcsli1111i1l,c St,rccl<e der 7.eit,
tind irl illm hat <1ic Gc~chichLe jede1n ioclividu r lle11 Ui11g o<lcr VorgH ng,
der hisL<,risch \\'Csc11tlicl1 ,vird, .. ein ~r1 b es.Lirnrnten J) lalz nn <>incr
be 011derc11 St.eile anzt>\\•ei en. ucl1 ,ve11n es l~(•in e l1istoriscl1e l)ar-
. tcllung geben solllc, die :;ich Ultf den un1fasscncJ:;;tcn hi:;toriz.c hc11
Zusan1111e11ha ng nl: t~uf ei11 oinlleilJi ·hc:- l1ldividuum bez.jchL ~o 111uß
doch jede l1i.::torisc hc \Virklicl1keiL, :iO l"lci11 oll er g roß sie seir1 111ag,
s icJ1 so beLrar,htcn lassen, daß ie irn .J> riuzjp d ·n1 u111fas' e11d t cn
lii torisc'h cn Zl1sa1n 1ncr1 liang ei1lgeord11et ,vercler1 k an11. Eitle Bio-
grap hic ,vilr c 1t1arigelha(t, di e niC" hL zeigte, ,vic ihr F-Jeld i11l Zu„an1n1en-
ha nge ,riit sei11 c1n \ !o lk gc lcbl hat. Die Gc:;chicl1Le dieses \ tolkos u1uß
erken nen lassf!n , ,ve lcl1c Bcziehu ngc11 es zu den a11dcr11 Völkcl'n, die vor
ih111 unrl r1a ch ih111 existiertc11, also sc hließli <:11 ~ur gll11zcr1 K -ul l.ur-
111cn~chh ci l geha bt hat. E ir1e Ge::;chicJ1te ,Jer l\ ultur111etlscltl1eit. tnuß
als 1'ei1 der i\Ienscl1l1eitsgeschichte bcgriffe11 ,verdc11 kön11cn, \1nd f:llls
es eine Gcsc:l,icht e der ::\len..,cl1cn übcrliuupt grl>rn s-o llte, so i~t n11cl1
{li 'Se, ,ve1tr1 sie absol u t vo llslä ridig sein soll, <11s <lie Geschicht,! <'i11cs
Gliede tler Lebe,ve~en 11berhaupt 111 ihrc:r11 ein1nalige11 11n<l in<li·vidu-
ell e11 v\•'c rdc·gnng zt1 denl<:<!t1 , l 111nte r nbcl' ,,·ircl t>..s sich clal)cj 11u1· un1
• die E i11orrln,1ng einer individucllc11 \\'irklichkcit i11 e.ir1e a11dt•rc, ebc11-
Ialls indi,,i,J11cllc \\' irklir hkcit, ttl:-o un1 ei1tc n1rli\•i1J11t,li:-iPrcndc
hi~tori~t he Begriff@ bild ti:ng un<l n icl1t u111 l -n.lel·o rd1ttc11g un t er ei11
Sy~Len, alli?C1Jlei11er Br.,rrirre, cl. l, . llll\ ei 11e gf'll('l"Hli ~icre11dc ~alu1-
\\'i)'l:,,ßn~cl1aft hnnfleln.
Doch c::. i:;t ni chL nur leich t 1.11 s1'he1t 1 daß 1l11r<· h cli c Einor1l11t1ng
t.les Einzelnen •n ci11~1t 11c,c h so ,,nllgf>nuii11 11'' Zusan1111ctlha 11.g nichts
a n <lcr11 logi:;chcn l ~nLrr~c liicd v on [\; ~,Lur,\'i:;scns,· l1art un,J Ge;;r,hi<'ld,,·

otler ge11c.ra Ii:-ierendcr l lruJ irtc li,:itlua_li :--i~r<·11 , l~r Be~riff ~1,ildtl11g tre-
ä 111lcr.t ,\·ir1I , ~-o ncler11 u11c li ,laß gc•ra,Jc clic Bcr01·kl'icl1ligu11g des all-

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ge1.l:lcinen Zusan-\tn.ertlla11gcs die hist orische DarsLellt1ng prinzipiell
von den ihr irrttin1licher,vcise so oft gleichge ctzten Tätigkeiten des
l\fenscl1engeiste8 unterscheideL, närnlicl, so,\·ohl von, der naturn·issen-
schurtJiche11 Auf(a. u11g als auch von1 küt1stlerisclle11 Bilde11.
Der l{unst ist der Zusamr,1e11hang ihrer Objekte tn.it de.r sie un1-
gebenden \Virklic hkeit nicht nt1r gleichgült ig, sondern sie hat jhn so-
ga r als störe11d zu lH;:seitigen . . 1ur ,,·enn eine Gestaltung sicl1 gegen die
U111gebung abschließt, v errr1ag sie kilnstlcrisct1 zu wirken, d. h. das
Gebilde der l(un t ,nuß sielt an cl1aulich loslösen von allem, ,vorin
unser ,virkliches Leben b esteht, und \,·ir sehen hier ,vieder vo11 ncue111 1
,vie falscl1 es ist, j ede Dar tellung des Individuellen als Kunst zu bc-
zcicl1ncn. ~töglicl1 \\'ar dieser I rrtum dadurcl"1, daß es 1'1ischformen
gibt, in de11en ein gcschicl1tJicl1er Sloff nicht ,vissenscl1aftlicl1 sondern 1

ltünstleriscl1 beha ndelt ist und infolgedessen bei gewi~scr1 Arten v o11 1
K ttnst,verken historische urid künstlerische lnteres ·en durcheinander
gehen. Das P orträt, oder at1ch ein l1istoris·c her Roman kö1111en daftir
als Beispiele dicn.er1. E s ist aber das l1i toriscl1e und das kü11stlcrische
Elen1ent ni chl nttr bcgrif(lich voneinander zu scheider1 1 sonclern ,,·it·
können soga1· sn°cn, !.laß der l{ünstler bei der Dar~tcJiung eines ge- l
1

schicl1tlicl1cn Vorg-;:u\ges 11ur dann seine Aufgabe ,virli:lich erfüllt,


, , en11 es ihtrl gelingt, seinen Stoff so zu gestalten, daß der Zusa111111en-
1

hang rnit der übrigen l1jst o,r ischen Wirklichkeit vollkom111en gl.cich-
gO ltig ge\vordc11 is t. \Vährend a1so d ie I<tinst immer isolieren 1nu ß,
hat di1~ Ge ·cl)icll'te irn111ct· zu verknüp(e.11. Aus diesem Gru11de sollLe
n1an ~uch nicl1t 8agen, \Vic . ogar \;\/iodelband 1 es tut, daD die 1
Gesc hi chte r,Ge ~t.alt"u•i zu gebet1 , ,ersucht, und da:clurcl1 il11-cn Un~r-
srhied vor\ der • · utl11·,visse11schnft bc"• t,ir11i-nc11. die es 1nit Gesetzen ~u
tu11 llat, d P 11 n clic:ler · 1,,~tand trifft nicht den logischen Charakter der 1

schiebLe, ja, clie JTetvo rhellttng clcr , , GesLalL•' als <lcr eigentlichr11
Aufgabe (lf'r Ge:-ch ichts,,·iss.--n ·eh a.ft kann nl1t' dazu d.icncn, die für
ih rcr1 ,,, i ss e n s c h o. r t. 1 i c Ji l! n Charal,ter a.11sscl1lagf:eben<len ~lo-
111e1lte zu vcr·d ccl,r•n.
Lö t aher ,lic l~ un ·t d en Zt1:-a1n111enhung ihrer Obj ekte mit der
• Wirklicltk:ci'I, ar1sc~ha ulir l1 i1uf, : cJ 11irn n1t die raL11r,vissenscha(t durcl1
ihre Cencra li::litio11 cit1e brgrirrliclte Ve reinzelung vor. S<' hon frü her
habe,, ,vir da ra uf hit1ge,,·ic„e1\ 1 t1,Jß es ltic:hL a ngel,t, eine isoliercude
BeLraclt tu11g der ,-,erteral i~icr~•t1<lc11 ertlgcgr·11zu stellc11. Die Ger1erali-
_,___ ---- •

D1911 11,ado por Goc,gle


- 363 -
sation ist vielmehr not,vcndig mit. einer Isola tion cler Ot.jekt.e "·er-
bunden . F1-eiljch b r ir1gt aucl1 die Natur,,·issenscl1a [t ihre Gegenstände
in eine11 ,,Zusan1n1enl1ang" , aber d i e s e r Zusammenh,a11g ist ebe.11
nicht dns hist orische i11divid uelle Ganze sondern ein Sys tem v on a ll-
gemeinen B egriffon . An '"'elc11cr bestimmten Stelle de::; -einen Raurncs
und der einen Zeit -u nd in ,ve lchet bestimtnten individuellen Umgebung
die 0 .b j ekte v orkor111n.e n, für dio die Ge et zes.b cgriffe gellen sollen,
i t bMonders den aUge rneinsten natu 1'\•ti senscha(t licl1en Tl1eorie11
ganz gleict1g(ilLig; ja, es kann sogar der allgemeir1e Begriff nur gebil-
det ,\·erderl, ,ve11n von dem realen t1ist ori che11 Zusamn1cnhange, i11
d en1 da s einzelne Exompla r sich befinclet 1 abgeset1en ,vir d . D enn es
ist ni f'l1t nur jedes Objekt von j.ed em andern verschied en sondern a ucl1 1

scir,e Bczichungert zu a nderrl Objekten oder zt1r ,,Urngebung'• it11


,veit.es te11 ' i1111e des \Vorte gleicl1en einander in z,vci F ällen niemals
voll t..1nc1ig. Die · nterord11un.g uni.er allgc11leinc B ·griffe erfordert
claher nicht n l1r, daß 1nun die verschiedene11 ln,livi<lu.en als gleich an-
sict1t, ondern z,,·ingt den F orscher, auch die Individ ua lität des indi-
vidaellen Ganzen , d essen 'I'eile si~ si11d, unbcrücl<sichtigt zu la ··~en.
Der Begriffsinhalt der Naturgeset ze lä ßt sich oft sogar nur d ann at,f
die \'\lirklichkcit anwenden , ,vcnn rr1an die Objekte 1 i'ür die er gelten
soll, k tin , t lich ve1·einz.elt, tmd darin besteht d ie Becleutung d es E xperi-
m en t.es, clnß es diese Isolierung herstellt. Nttr an dem begriffliclt
oder faktisch is-o liertcn Objekt lä ßl sich der a,llgemcinc Ge clzesbcgriff
bildc1t. Ist aber, ,Yie in vielen Fällen , d ie '\ rcrcinzclung fnk.tisch un-
rr1öglicll 1 so ,\ .ird sie jedenfalls begrifflicl, v ollzogen , und e hebL also
1

die l--ler~t ellur1g des begrif(licl1en r1 alnr"vis::cnschaftli cl1cn Zusarnn1en -


t1anges dert }\ist.orisc hen Zusa111111cr1l1a11g v on 1'eil u11<l Ga,1zem noL--
,,,end ig au f.
Doch ist a ucl1 lli-e r ,•.-iedcr auf die Relativität hi111..u,,,eisen, di e
Z\\'iscl1en natur~,,issenschaft liche1· und lus.torischcr Bcgrif[~bi ldung be-
stPh t, und die be,virkt, daß in rna uchen. Z\.veigcn der Na t un visscnscl1a ft
z,var nicl1t der einma lige ir1(livid t1cllc Z t1, am111e11\tang eines Ohj-cktes
be-rück icl1tigt , \voh-1 aber cler ullgcmcine B egrirr ei11er U111,velt gebildet
\vei-den mu ß, der eben o r ·laliv hisLori~<· he Bes t,an(llcilc e11tllält ,vie
die relati,r lli ·t-o risct1en Objekte,. d ie in d ieser Utn,velt lel)cn . So ist
z. B. bei der Erforsc hull " ge,visser Arten v or\ Tieren und Pfla11zcn der
Charak.ter der Gcgc11d ~n ,vcsent.lich, i11 denen a llein sie vorko.rnu,e11,
aber aL1ch. l1 ier ,vird es sich ni e1nnls u1n die historische ln<lividua li Uit
ei11,~r ei11z.igcn t11ul ci11n1aligc11 Sitt1aLior1 hurtclcl11. \Vir brnucl1cr1 hier-

D191, h,ado por Google


- 364 -
auf lticht 11äher eir1zugehc11, clcn11 es \Vürde ich ,:tabei 11u1· u111 eir,c all-
zu selb. t,rerst i.\11dlichc \ eiterent.,\·icklt111g tler bi!!-h er dargesLellte11 Ge-
da1l.ken h:\ncJcln. Es r,e11ügl , ,,·e11n ,,,ir zeigen könner, , (laß n u 1· <lie
Gcscliicl1tc ihre Objekl,c in ihrett L inrJivid11ellen einmaligen ,,rirklicl1en
Zu~a111rr1enhangc dar ·t ell L, die N at.ur,visse11ucl1a rt oder cl ic l(ll n:-t ihre
Gegen Ui.ndc begritfiil' h oclcr ar1~c l1c1ulich iisolicrcn rr1fLssen, uncl claß
cliese Besonderheit der hi~Lorischc11 DarsLellu11g ,vie<lcr aus cic1r1 Be-
griff tl cl· Üe$cl1ich tc nl:; der \\1is:-:c1u;c l1nrt v o11 d er einn 1a ligen inclivi-
dul'llc11 \Virklichkcil, rolgl.
Nur •i11 .P t1nkl .fl.f'i 11orh ,\t1sd'riiclclich cr,vä hnt. da eh :-ich dabei
,,·iecJcr unt die Zurück,vcist1ng \YeiL v erbreiteter Irrlü111er 11011,lclt.
1-Iat 111a1\ eir1gcsehe11 1 daß die Da r:; tcllung des his to1·isr he11 Zt1sa111111c11-
hangc.,; ,lie Einordnur1g eir1es i11cliviclucllc11 O·b jektcs in l"ir, \Jlnfa:-~en-
rleres i11djvidt1elles Objekt bedeuteL, so 11,uß sirh auch ergcberl , ,vic
falscl1 es ist , die :i11di,ric:lualisiere11,d e CcschiehtsauffaR!'i u11g n1iL ei11er
atomi::;jerc11rlcn gieichzu set1.e,1. Die inuividuali ·ie1·eilcJc ;\lcthu<le cler
G<:sc- hi cl1t,e scl1lit1ßt jP-d•e Alo1r,isicrung tler hisLori:;cl1e11 Objekte aus,
t111,J gcraclc dir. gcnc.ra)il-, iercnrl c, 11atu1,,•i!-se1~ c·ha fllictu:: l\letllodc i-t
es, die cle 11 1-Jist orili.i:r ,1azu hrin·gl, in der at1 zusa1t11.11enl1ä nge1lri cn
Jncti,,iduen be ·iehe11dcn \Virklichk cit ein A~grC'gat, z.u a1r1n1cnh angs-
lo~1>r, 11icht inclividucller ..\Lor11•e ztt S('llen, \\"ir habc11 au ·führjieh ge-
1,P.igt 1 '"·ie das Besl.re be-11 1 d ic apsn1.11 t c \\ 'ir k lichk cit t111 tcr ci11 ein heit-
1ir: hei. S)1Sl c1n voti B rgriffen zu bring,•n, 111it ei11er 1'cntlenz zt1r Alotl1i-
si~ru11g no l\,·enrli g vcrk11üpfl ist . ur1rl ,v1c ,Ja her die Begriffe de lnclivi-
clu u 1r\s 1111rl des :\ Lcn ns eirlat1d cr aus.scltließf•11 1• D •:-hnl b, ka1111 hier Pin
1lin.,vcis 1lar:c\uf gt~nügc11, claO jcdcl' Vcr:st1ch, in den ge,sr: hic11tlichen Tndi-
virlue11 n acl1 ua lu r,vj:-;:;;,~11:;c·hafLlichcr i\·lcth odt? leJiglich Excmplnrc eines
C3aLtung:-:bef,'1'iff~ zu crblic-1-.. eil t1r1rl sie so i11 der 11 :\J as;;c" vcr::cl1\, i11tlc11
zu Insf-cn, Ultf das eng~ Lc n1it jc11c,1 ator1,isiere11tle11 Geclankcn vc1·,,·011dt.
isLt dc11cn jedes hi~torisc he \ ." er:,lfin.dni:-. ftlr die bcfleult1 ugsv olJe Eigen-
:1rt <l cs Einn1aligC'n Ltncl lndivid11 r ll1111 fehlt. ,; u r fOr eiuc gener,-tli-
~ierendc natt1r,,·i:-~c-o:-<'l1aftli ·l1e 1-\ t1rr~,e-su11g ,,·ird <lie 1n ·,11~rliliche Ge-
scll~c1:hafL Zll einc 111 I( 0 1n[)lex v o11 rin a11der gleichen. :1 !so nl or1,iarti gen
\\ ' c.-;011. l)ie:-en,i ~e11r rali:-,icre nuc•n, urLhi ~toris:.c·hc11 , at orni~i re11den \ ' cr-
fnhrc11 i~t (lö'l h(•r iltt:- ir1<li,1 i,lua li:sierc11tle, g-cschiclil li c· lie \ 'crfahr"n
g,•ge•1flbc1·7.u:--lr•ll et1 1 1111d 1,ur ,lic indi, ri<lti:1li:-icre11cle, nict11a ls aber die
gr11e1·,disi1•rc111.le 1tnt111·,, i:-~en~1;lia rtlicl1c :\lrtlit)dc l<nun 1111s \.·011 ,tcn
u1il 1i:-l 11ri:-1·hr-11 .\ l1~t.rakliunc n d•'! I' .-\ufl, lül'u11g~ philo:-•>11ltit' oefrcie11 1 <lie
1 \ 'nl. o !Ji·n S. l! Ol f.

0191 lt ado por Goog e


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ma11 a ls . 1 l11(li,·iclt1a lis111u " b ezeic hnet. Die \ 'ertretc1· d e r ,,a lLen''
l=tichlung haben <len11 a ucl1 fä ngst. <len Aton11F.1 11t1~ in der Geschicl1te
übcr,v,1ndcn, die \ tert1·eter der ,.neuc:1'' R ichtung ,l;igegcn blejbrr1
in rJerr1von il1nen mit \VorlPn ~o leb hart .b el<äu1pflcn •>In,livid,1alis n1t1s"
d er t\ t1fklörung~philosophi-c lecken, der Aton1e nicht von lndividt1t•n
unlcr:i,chciden k.a1111 , tlnrl ie si11d dal1er die ei'""entlichen ,,Al ten' '.
Daß viele t1cutc d as Gegenteil fijr ,,selhstverstiinlllicl1 1 l l1alt.en und ir1-
fo)g,e ,lt>i-~en d en gc:;c hicl1tl ichen Atomi ' rnus durch die gcx1er0Jisieren.do
Nolur,,'iitsen~cl1art at,slreibcn ,vollen, ist. nu r ein Zeichen der unge,vöhn.-
lichr.n , ,.erwir1·ung, die in n1anche11 ,,,11otlerne11" cl)riften über da
W esen cler histori chen :\l ethocte hcrrscl1 t . Die ir.tdivic.\ualisiercnde
T enllcn,z der G escl1ic hLe isL vie l1nehr das einzige l\littel, urn dc11 uto-
misierc11dcn i\ ufkltl rung~in,l ividu a lisn1u zu be eitigen .
... chließ lic l1 heben ,vir in1 _;\ n schl uß an die l< larlegung d es L n.tcr-
sc!dcdP:- von allg<'mcincm Begriff uncl Exemplar einer ··eit..-,, o.llgerl1ci-
ne111 , rl. 11 . untfasscn rlcn1 GHnzcn u ncl Glic<l a ndercrs eit. TIO{' h eine
forr11ale Kortsec1ncr1z hervor, d ie• zeigt , daß rlic Einseitigkeit der ar1
der N a tur,,·is~e11scl1aft. orier1 tierlcn Logik sich bis a11f di e clcrnentnr-
sLer1 '"' ätze der chu llogi k. erst.reclct. E s kon·11r1l n511tlicl1 das Vc rh ä lt.-
ni v on Inh a lt, ttnc l Utnfaug eines Begrirrc~, ,,·cn r1 \\'ir a11 den bi t ori-
c hen Zusa n:in1cnl\af'\<'I' denken , noch in cir1er a1)<lern H ir1s.icht al bi!,hc1'
in Frage. l) ie Größ " de::. BC'griffsinltalte:; so ll beka n·n tlicl1 zur Grö{Je
d e~ ·n1fangf!3 in cincin u1ngc•kchrt<'n 'crl1ältni:: . st.-l1en 1 so daß n1nn
einerII Begriff c un1 . , o rnel 1r u nl(~rorcl n,•r1 l,ar1t1. je ,,r nigt•r . 1 l\lcrlc1nale"
sci11 lr1halt haL. D ic:-er Salz gilt natllrli<·h u11r filr B egriffe. die durl' h •

die \ f rhälLni:-sc ihrer t· eher- u11cl 1tlerord r1ut1g zu de1n~e lbe1t s)1sLc-
rr1ati:,tlicn Zu antr11cr1hHng gc l1örcn i a be r für tli('SC Begriffe gilt er trotz
rnftn t: l1cr 1\ n g riffc•, tlic er crfahre1l h.at. 1, in rle r rrat, sobald trlat1 die Eir1-
sc hrä nli ung l1inzufügt, cla U e·• sit h ur11 notu 1'\vi~se1l~rl1afllirhe Beg1 ifre
hanc'lelt, un<l er gi lt. da111t nicl 1l ct,Ya nur for die B('griffc eines l<las-
sitik.atorjscl1c:11 ~r;-.u.•1ns sondern at1cli für GcseLze~begriff(•. ,,·ns . il'h
z. B. an dem B e~l'if( rJes l~'allgc~elz~. tl11cJ tl<'~ Grn,•itat i,,n~gc•:;(' Lze.
leicht l~lar r11aC'l1cn läßt. B c:-:.onll crs- d c•ttlich ,,·i rcl da , ,,·a::. ,,·ir l1i('r
1ncine11, ,,·enn ,,·ir uns llie ei1lz<'lnrn T1-ile cl cr . ·attir,vü, "C'l'1~~11aft ir1 dr r
fr ührr angegcbe11Pn \\ T'!i:'1c in ei n ")·· te111 gebracht dcr1kcn, für dcsse11
.i\u f ~tel h,1ng rlns :\f u ß , ro11 r(.?laLi,· hi:;;lori~ ·hen Be ·t and teilen in dl'n
einzcl1len D i:;zir,linen a, t~::-r Id «ggr·b l"llll i:-t. D ann ,vcr1.Jc11 d ic R<'griff c,

D1911 11,ado por Goc,gle


366

dio v o 11 all,ctl Körpern ilberhaupt gelten , den ärrn t.e11 Inllalt besil,i.en;
je 11lch.r Jag~ge11 <lie Unlersuchur1g sicI1 spezialisiert, und einen um ~o
l, lcineren TejJ der \Virklichkeit sie i11 Betracht, zicl1t 1 um o mehr ,vird
auch d er Inhalt ihrer Begriffe ,\·acllsen. Es gilt ja für jede G1~uppe von
K örpern nicht nt1r das, ,vas gerade illnen eige11tü1T1ljc.h ist , sondern auch
zugleich das, ,vas v on allen K örpern ilberha11pt attsge~agt ,verden kann,
und in dicsern inne ist es olso in der ·r nt richtig, daß die naturnri sen
schafllicl1en Begriffo um so mehr v on d en Objekten entl1al ten 1 je kleiner
d er l{reis ist, für den sie gelter1 sollen, ,vo1·in \\·iedcr zu1n „i\.usdruck
ltommt, daß die antil<e Art der Bcgriffsbilclung durchau · nicl1t in jeder
llinsieht der 1nodcrncn Art <lcr natt1r,,,is cnsch afllicl1cn Bcgrirfs•
bildur1g entgegcr1gcstcllt ,verdcn darf, und daß bcso11d~rs mit, Rück-
sicht auf dc11 ,1 pyra rnidaler1'' .i-\ ufbau der B egri(fe k ein nLerscl1ied
z,vi~c hcn der antike11 und fJcr modernen Anordnung zum )·i-Lcm
best eh t .
Für die gcscl,icl1ts\,isc;e11sc·haftliche Begriffsbiltlung dagcgo11
1~cl1rt, icl1 das \ "erl1älLni von Umfan;g und Inhalt ,{er Begriffe 111n.
Der B egriff eines historischen Gnnzcn enll1~ilt in11ncr m c b r als die
Begriffe dcrTeile, aus de11en c · bt-stcht, j a, sci11 Inhalt isLgerad•ezu tler
Inbcgr.i ff aller d er Bcgriffsele,nente, aus d enen die historischen Be-
griffe sei1·1er 1'eile gebilclet itld. Der umfa se1ldst.e Begriff hat also
,lcn größte11 ]11l1alt. Die ,,\\'eltgeschi,c hte" e11tl1ält a 11 es, ,,·as
ltistorisr.h \\~e~ enLI ich i ~t. Seihst ver U'tncl lieh gi'lt. djei aJ)r,crncin nut
L

für a b so I tJ t l1islorische Begriffe, die unter (len15elLen lcitende11


\Vertgc~ich lspu11kt der .r\ us \\'Ohl stehen, untl auch hier nur für d erc11
logiscttc · I d e a l, clc11n cinrnal ist es ,vicdcr <ler ~i~tfJ~el a 11 • to(f, der
be,virkcn kann, uaß die historische Dar5-l cl lu11g clc1n logi:;c hcn Jdcal
nicht entspricht., und sodann clringc11 die · el11· u1 nfa:-scJ1tlcr1 l\i$tori-
cl1e11 Darstellungen, besonders cla~, ,vas 1r1on W cltgcscluchte n ennt,
11jco1als so,veit bis zurn l ndiviclt1ellen ,,or, ,\'ic sie es kön11 tcn 1 so11dcrn
begnügen sich 11, it rcloliv hisl.ori~chi>n B,1griff<·n aus Grültden , die \.vir
. pätcr k enn en lernen ,,·crclen. J\ ller 1 dies ä nd ert, 11ichu claran 1 daß in
einer voll:;W ndigc11 Kencrulisicrer1<l •n Darst ell un,g b E.• j ,, ach „enden1
· ,nrung <lrr Ir,ha Jt rler ß cgrjffe klei11cr '"irll, d,n gcg<'Jl i11 ci11er ,•oll-
sLtintiigc11 i,1,li"·i,Juali. ict·<'ncl·cn D:ir... tcllung bei '"~1r· l\:..rnde111 Un1fang
celeri · pari bus aur h clcr Inl1alt dr r Begriffe 5icJ-\ ,,.ergl'öf.i<~rI\ 1nnß .
Oclcr : die Begriffe c.ler 1 alttr,,·isscn chaft ,,·crtlen u1n 50 leerer, je u111-
!af c11,lcr 5;ie ~iru.J, ~leicl1viel oll .ic durr h \ 'eYtd<'ic' h @r1Lslat1dtr1e
Gn ttu ng:;b<'grif f c urlcr ,J nrcll f\n ul) ' 5C gc,, 1.)1111cnc Ür/..clzc_L>cgrif{e

ürg,t~hzado por Goog e


- 367 -
darst ellen, und sie entfernen sich infolgedesse11 n1.il der '\vacl1sende11
Allgomcinheit immer mel1r von der individ·u elte11 empirischen \\1irk·
lichkeit. Die Begrjffe d er Geschiclll-e dagegen mü sen, je größer illr
Umfang ist, at1ch um so m.ehr von dem historiscl1 ,~i""ese11tlichen in sich
a ufncltn1en, a lso ei11et1 u1n so reict1cren I nl1alt l1ahcn . ~.Jan ka.n n dann
geradezu sa&ren, daß d er umfasse11dste generaJisicrende 11atur'"'i:, en-
schaftliche Begriff die d enkbar größte \ ' erein[achung ~einer Objekte
dars tellt, der u111fasser1dslc i11dividualisieren de Bcgri tf dagegen die
ganze l\1annigfaltigkcit des gesci1ichtlich \Vcscntlichen darstellen
1nüßte. Aucl1 dies kann ,vieder d.en p rin.zipiellen Jogi chen Unterschjed
natur,vis ·enscl1a(t]jcl1 er und l1istorisehcr oder generalisierender u nd
individuali ierender Begriffsbildung i11 das hell ·t.c Licl1t rücken .
Aber 11ntcr der Aufgabe der Gcsc:l1icf1te, die ejnzclnen l ndivjd11en
in ihrc.n l1is Lorischen „Zusa1nn1enhang' ' ejnz.t1ord11c1l; n1uß noch et"vas
anderes ve1'tltandcn ~·erden. Die }1i toriscl1cn 1·a t.sachcn n.ä mJjcl1
ir1d aicl1t nur in ofern nicl1t vereinzelt ur1<l iso li ert, als ~ie st ets T ejle
eines größeren Ganzen bilden, 011dern aucl1 i1i.sofer 11 , als sie sich gegen-
seitig bccir1fJ11s.scn oder in einc111 k a u s a 1 e n Z11~amn1cnl1ange mit
anc..lern 1'al sach.en sl el1en. E s gibt kcinc11 T eil der empirischen '\\' irl<licll-
keit, in dem ni cl1t jedes Di11g die \Virkung v o11 a11dern Dingctl i t ur1d
f(lr andere Dinge eine Ursache bildet . \:Venn daher die Ges<·hicl1t,,c d ie
\Visse11scl1afL v on der einmaligen i11 fiivid\1ellcn \ VirlcliehkcjL sein sollt
. u ,,·ird sie ich aucl1 hier mi t zu bescltä Cliger1liabe11. ja, es r11\ 1ß eine ih1·er
,,·c cntlicl1e11 1\ ufga be11 scin 1 nicht nu r darzu:.-lrllf'Jl , ,Yas \Yar, ··oTidcrn
au ch 1tach d en Ursacl1cn zu forscl1e1•, die da!-;, ,,·as , \'ar , 11c1"\•orgebrac ht
l•abcn. \Vir kon1rnen da·r nit an einen Pt1nl,t, ar1 J e 111 die r-teinunge11
seh.r weit. at1seinander gehen , und Jciclcr ,,·ird liici- uur h v on dcnc.n ,
d ie genug , ,on Gc:::;chicl1tc und Nat11r,\'issel1:H:hnft ,vjs~en , um bei(le
sorg fä ltig v onein and er trennen zu ,-..-ollc11, (lics.c 1' rc1111u11g nicht
selten i 11 de111 Sinne vollzogen, d aß nur die Natur durch,\"cg kau. al
b edingt sein, für die Gc~chicl1te cJt1gcgen der k fl uj,lnl'c Zt1. a1,1n1e11hang
nicht in Fruge }{om n1cr1 O<lcr g"r ilberliattpL g~leugnet ,,·f rdc11 „olle.
Dann eotslel1 t jene viclge11nn11tc AI Lerna.tive: Kau ~alität Oller Teleolo-
gie. 11ter logischen Ge;;ichLspun]<tcn ist jctlorl1 ci11c ·ol ~·l1c Ccgcn-
Obertit ellu11g, die die \ Virklichkcit i_n ·z ,v •i ver:-rhic,lenc f~ejcl1c aus-
einar1d erfallcn läOL, v ollltom1ncr1 u11ltaltb ar. Uic _.\11hii11gcr ci11cr
naLttl'\\' i ·sen~r hnftl ichc11 l 111i, 1 ersal111cl l1ode sir1<l J .-1ri11 , iclntt>hr dt1rch-
aus i 1l1 R ec11t, d aß sie d ie dul'ch~ä•igigc kau~alt· Bei;li111111th rit i1 ttr-11
a llcr l1islorisc·l1 11 Ta l..'-a<' h n bchau plen UJ ltl ihre BC'rtic·l,:;ir l l ligu ng

0191 lt ado por Goog e


V(Jn ,l'!r (;fh,_,~l,i,-f,t-..\,j ...~..«:r1--rl,ttfL \·erla11gt.'rl, ja. es i~t. vic,Jleic}1 t durel1
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ni,· IJl-'i in höherf>ru ~l :lß,: <l':'r • c lu: i11 e11L:ta11,len. daß die l "1n,,·<)11dlu11!?
,J,·r (;,J,:r- hir·J,t,; i11 eir1e :'\ a ltJf"\\ i~~"n::-el1a fl ni>t,,·e,nrlig ._ei. al~ durr h die
(a 1-r he 1-; 11 tg·t•t,ff~n,ctzu11~ \'ön kä u~al b1:,Jir1gl~r ~ tt lur t1nd u~a l1lcJs('1n
hi ... tnri i;,•h,·rt (;f•"lcl1f'h r:r1. \\"oll1•n ,,·ir zu ein<.· 1n v on allen u1w .,,·<'is-
l,:J rr•n \ ',Jriiu ...... etzur,ger1 freien \ ·er.;Ui111111·i~ der e111piri~ci1Pn \\'i$tn-
,. h;, rtcn \'r, t,J ringt·ti. S--0 Jn Ü:-:-{'11 ,,·ir ~l re:ng d a ra Jl f i-S lb a lten: \Yir ke n-
JI CIJ 11ur e i 11 e Pru11irü-,·he \\ .itkliclikeit. s i e isL da · cirrzi!'.!e )l ~Lerial

,Ji-r n:•l•Jn,·i„Sf•:1::,f•l,;+flli<·hen so,,·,,111 als au,·h der t1i:-:,tori r lLP.11 )) i zi-


r,li111•n, u nrf ,lic: a l l ,, e ,n e j 11 c 11 F ortrH' O i:lieser \\"irklit·hheili z. 8,
,lif! J( au,, a lil5l. r11ü:-:N'.'r1 ::,,,,·ol1l für f!"r1c ra li~ieretlcJc ul:5 au c·h für in ii-
vid11 ali:"i•·r<'n d1· \\'ii-;:-(ln..i<:hurten v on UerJ eulung sein.
\\' t!nn ,rir <l :1ltcr j11 cl ti!r ~atur,vi::.~e r1:-rl1art. , ,r,roll$Selzcn, <l ij ß nich t~
g,•.:chir•li t, 1l~s r,i,·l,t :-tf"ir1c L' r~tH·l1e ha t , rliP 1J~\\·irkt, daß c1- i:-l , lJ i t rl daß
t~ l--<J i:--t, \\'iP 1•~ i:--L. :,:.,, k nn,1 n11 r li clie Gf':-,t' l1i<"l1ls\.\'i~se11--c ha[t llie1-..·011

J·l ir~1rta 1:-i :J i,.-,.hr-11. d,•r1n ,varu111 ~••ll te (ins ..:ci n '"' eniger k.aul"-tl 1 b~!cli11 gl
i,,i•in , \.\'("n1 1 P:-, au ( !'leiuP lndi-..·i,lualit 5l ur1cl ßc:.rJnderl1e-il hi11 b e lra1·l1l et
,vird , ctl:- " '••111.1 utau r-s uuler all~f'n1ei11 c B<'griffc Oflcr Gc ·et,zc zu bri11gcn
\.'i•r:--ur:ltt'? J-'r"ili"h, dPr l::Scqriff der l{nu: Hlilät k:..inn. v or1 ,ler Erk('n11t-
ni~Lh<·oric zu cir1ern l'r,""JlJle11l gcn1a,·l1L ,v..,,tl~n. a hcr n1iL drn rne l'lt t1do -
l, 1gi:.ehr:r1 I; nL<'r~chirJ1l1•n, lli ~ ,,ir hiPr l1ehn 1•1clrln , hal cJ i e :- Proltle rr1
,l,·r l(a11 ~alit ül, i'l!1,·r·l1at1r•t niel1L..; zt1 t1,n 1 flr 11n fallR .111<·}1 clic kau s tlle

f.1dltr- su 1uuß !-öi•· ,l,,ch zu j •n(•ra ullgen11Jinct1 crkc1u1lni:,.lllt'o ret i:-1<·li cr1
1

f"or1-111' n g,~1tic l,11PL "'·~rd<:tl, i11 die j c •I t11r>irj~<'l1e \\'irl,l.itl,kc-it. eir1-


g"f•lat 1 u11,J rlie 1: ragc 11n<-·h jhrcr G ·llung clnrf ci,1 her 1,ic111als in <l e11
(~cgc·11saLz 11:11 ur,,·i:-!-l' t1:--<'l1 a ftlir l1er und f,i t-t.orisr her B P-g riff:-.fo,·nu•n
hir1 riin:-,Jli~:len.
G,lJJ7. ·vprf,.1,1 1, . i11d a1,1. <lic:;€:111 (ir,11111•• b c•~or1.d ers uie 'fh cori<.-n.
,vc l,· h,~di1i kn11:5n lc fi1• ~Li11111tllteit ,lcr c111pi1·i. cl1er, \\ ' irkli ◄; ld<c·it d a llur◄· li
ir1 f•'r:ij:!<· zu st.-llr11 :,.1H·l,cn , cla ß ~ir• ~i,.. h nuf l( nnts .trnnt-zcndf>11t.a lr-11
Jd,·:tJj,;uiu ' h<'r1tff' rl , Z\\' a r s<·hci11t l>ci c• in~r f lü<·htigf'r1 B"t.rarh lu.Tlg
ri11 g<•\\'i:O:SI':,. Jl e1•hl rl~zu vorlt nnd<'TI zu s,·i11 1 ,vcil (lal-i K aui-.alil üt.s~
r>rol,lcrr1 ·v1J11 J( :111L .i1r1 Z,usariuncuh ange rr1it tlPr Frage b<•hatldell.
\\·o r, l ◄ • tt ii-L, ,, ic Nnl 111,, i!'-:-i' nsr hart ,,111ü~lirh .. ;;f>i, un,l 1~.,nt cl1J hcr das

all::,!Ptll<'i11c l 'rPl,lrn1 ,lcr I, au:--tlliläL von j1' n<'r h esoncler<·n F or111 ,


,,·"lcli P rl i•• 1, a 11:-- a I itf~l i1) ri uf' m n al.un,·i.:-srn:-1·l1afl lir: hcn ZLt$Gtnnlc11ha r1g
111.1ni111111L, 11i1· lil ~••:-.r liif'dc11 lia l. \\. ·nn I, unt dnh er dio l, c1 u:-.ilit il t als
c iue 1,atr•~ori,~ {111:--il'h! 1 in d f'r ,, ir 1li , \\' irh.lir llk_eil df'nk-fl11 tnf, ~srn,

ürg,t~hzado por Goog e


- 369 -

um sie als Natur at1ffassen zu könnc11, so liegt es vielleicl.1t nahe, zu



meinen, daß diese „subjektive'' Auffassu11g n u r bei der Belrachtung
der \Virklichkeit als Natur Geltung und Not,vendigkeit besiti.L. Sehen
wir jedoch genauer zu, so finde11 \\'lr, daß, obwot,t J{ant diecFormen,.
-
welche für j e d c \.visscnschaftlichc .i \u(fassung der W elt. unentbehr-
lich sind, nicltt ausdrilcklicl1 von den Forn1en geschieden llat, die ,vir
nur bei der Betracl1Lung der vVirklich k-eit als Natur an,venden, doch
aucl1 nacl1 ihm die \Virklichkeit jiir jede beliebige \visse11scl1aftl.iche
Bearbeit,lng l1n ter do.r l{atcgorie der l{ausalität gedacht werden mu.D.
,Ja, für die Geschichte als Darstellung des einrn aligen individuellen
Ablaufes der Ereignisse ist gerade nach l(Hnt die durchgängige kausale
Best,imrr1thcit oicl'1t \VCgzudenke11, denn dieser Ablauf muß sich für
den 1-lis t.or·iker jedenfalls als eine ,,objektive" Zeitfolge darstellen,
und dieser Begriff setzt ja für Knnt bereits den Begriff der kausalen
Besti1nmtheit voraus. Eino Berufun g auf I(ants Erkcnntnjsthcorie
i t also ,veit davon entfernt, uns an der kausaler1 Bestim1n tl1eit aller
\>\1irklicl1keit und ooonders an der Geltltng dieser At1ffassung für die
Geschichte z,veifeln zt1 lassen . I m Gegenteil, gcrado f al)s I<ant Recl1t
t1at, stellt sich das Sei11 für de11 Histol'iker not,,·e11dig als eine locken-
lose I{ette v on Ursacl1en und \\.'irkungen dar, da es ohn-e den Zusam-
menhang v on Ursache und \Virkm1g r1acl1 l{itnt kei11e objektive
gescl1ichtliche Zcitfolge geben \\1lrde.
So rjcbtig nun aher clies at1ch ist., so falsch sin d d.ie K onseqt1enzen,
die man hieraus im Interesse oincr natun,rissenscha(tlicl1en Universalme- •

thode gezoge11 hat . \1/enn nä1rllich 1 so 1,1cint man, alles histo-r isc hc Ge-
scl1el,en kausal besl immt ist, so ergebe ~ich daraus mit ot.wcndigkeit
at1ct1 für die Gescl1ichte die At1fgabe, die I{a:ttsal g e s et z e dieses Ge-
scl1ehe11s festz.ustcllcn . In einet solcl1cn Argumentation \vcrden eb enso
\\'le in der vorh•e r bekämpften A11sicl1t \\' iedcr die allgemciner1 erkcnnt-
n.islheoretiscl1en Vorau~sct zungen , die für den Begriff einer ,.,objektiven
\iVirklicl,keit" üherhal1pt, unentbeh rlicl1 ind , nic11t v on den besonderen
1netl1odologischcn Bcgl'iff„fort11e.n getre'.'1 111L, die nur für spezielle
,vissenschaJLlicl1c z,,-eci<.e eine Bedeutung hab en , und e enL.-.,t eht r1uo
d sl1alb gc,,·isscrrn aßen der erltg('genge ctzte Irrlu1n ,,ic vorher .
r.ian (larf den Begriff d er l{au~alität nicht rr1it dent des Ka.turg"~etzcs
identifjziet'en. \Venn dies lrolzc.lcu1 gcscl1iclit, . o liegt der Grur\d
daffir ,,·ohl darir1 , <1n0 n1an die Vo:ral1 sc'tzung, rtach der nlles Gescl1el'l en
seine U raache hat , oft al ~ , ,das I<a usa li W. t,..:; g c s e t z" bezeichnet.
z,vaT ist gegen d ie Bczcichnur1g an sit:h nicl1t.s cinzu,vcndar1, aber sie
R 1 ~ k e " t , GTenzeu. z. A.tdl. 24

D191, h,ado por Google


Y. i1,J y,f,.1rt t,,,.,Jr•r,klirt•, \\1-r,n 111c1n rJatJ<:i unt1:r .,Gt-~tx·· ~ \·1':I ~ie
~ a t IJ r g,-...i,t 1. ,r,:, . . l~hl. 1Jie ~ alurg~~"lu ,J,!r t-rr11,iri.""-·hen \ \' k~"Il-

J-,i h;.fl. ~,-r,J,-n ,J;;.rin r1firrili,·t, aJ„ Pll' r.r"- a11ff!1•f;.Ol. «Ja:e- ,.i,.t, zu d1>r11 all-

K,.,,,,;is,,~r, J{ :t lJ.._;J \ iUit.-~f-1"':lz ,·erhit ll \\ ie di~ ur1~rg..,Jrrlnr.-l~tl Bet..?'jiffe


z,, ,t,•r1 jJ,11i•f1 u¼Jt!rqe,,1 r!r,,-t,-u, u,1,J d.irat1~ ,-,rJ1.-,.i11l ::-ir f1 ,Jann dti! f ,.,1-
ij'·rur.~ zu crg•:lJf-fl, d ;,0 ~l h: \ \ i:-,,~t1~li:tften di,• .~o fga t~e tiaben,
,Jj,! t,,:-r,ud,~rf'n K ;,u:-~filät-~,~::,:tz~ für f.1~1- u.nt.-.r d1•1n a[lgc•11,ei11en
h' i, u .,:1!i1.:1l."-f(l•~1·lz ,..tJ,hc•utl • (;,..,.,·t,•.},,•n ~ u f zu:,ucl 1<·0 . t }ie~ An ~ich t
'
i„t ur1l1:jllt,;i r, u u,j d,~r ,J:,rin .~l('.t·k,-ri,le Jrrlutn ,,·ir,1 n ur dc,~" ·egen
1,i,;t,t.- ,i1,f,,rt. ,J1irr.l11-tr li ,.1u l , '\'Pil Z'\ i.:r·ht>n ,jPrrl S,1,·hr•n niv·h ~ alurere-
~v:t1..1:n ur,,f ,J,!r (ji:llun,~ <.J,!:; MJgr•u <1 unl,·n K uusalitä l=-t:!i::~elzes in der
'J'at ,:in Z1;,,:1rr11r,,:nJ1 ani;;- tJ1:$V•ht. Uil? Arlr1t1lirrie d<.-r durch!!än~,jr~n
k-1u .-.:.1l1:r1 J~1: .. ti1111 11 tti,:il ,J,•s : ,jn. konn n::i1 11lich al. rlit , ·orau~sclz.t1niY •
i.1.ug,:J'!'li,:r1 \'''!r<l'!n , di,: rJ i,~ 1\ u.r~t,!ll u n g v ,,n 1\ nl u '1'~clzcn üb erha t1 pt
c~l 111ügl i,· !i Ir1~1,· h t. ,\ f)i:r , ger~rlc {a Ib cl ie~, rit~li li~, i~l , "'oll lc cir1 leuch lca
,l t.aß ,J ic \ 'rfrf,11.,::,<:l7.u11 ~ 1 uic ;\alur~c~et,z.c er~t , 1111ög)jch " n ta c hl ,
1,i„hL ~,-1}, .. L ·,· hrJ 11 ein ~ a lur~c~1.:lz S<:in urtrl 5ie h de:i l1all1 zu d en :'.\a tu ,r-
g,::,clz,·11 ;.11<:li 11jr; ht, \\ ie d••r all~c111ei11c Galtu 11g~Lcgriff zu d·cn bc~on-
d,•rt•n 1\ rttJ,•gri fft'rt V<'1·h:1 lt"n k.111n. K au~:i lität u11<l ·aturges<' lz.lich-
k,:il 111n •.,,~1:r1 nJ-.o :111<- h ::,us di<•~-crn (] ru rtdf' . treng g r . c lii e,Jrn "''"'rd,"U,
l'IUll Z\\"a r \\ i,·,I c . ro,· un sere z\\'(!(•kr. gru üg'(~rt , \\.l!Jln ,,·jr o hne das

\ ' ,•rliiilt11iH, <l:t:- z¼·isc:lu:11 di ei:en l)ci<l cn ll(•grirfcu b<•sLch l , er~(· l1ür1fend
zu l11•l1a11 rl1·Jn , di,· r,,l~1•1t,lcn drf!i Br1triffc ousl'!in,1n,lcrholt„n .
J)il! \ '<Jr:1 u ~i-••l ;,.u1tg, flafJ alles Ge$C lt ehe1t s•:> inc C r~ai: hc httt , ,,·ol.len 1

\,·ir, u,11 sie von de n !\'.at ur~<-:,;.c tz,•n cl...,· n1piri!-.eh<'11 \\' i5s •r1::chafl t:'n
zu u n l.c•t·,,;rli1 •idPrt , 1ti,·hl l\. a11!-ali l.:1 l ~ g c ~ e l z sonclern G r u ,1 d-
~ u t 1. d„r r< uui-nlit:it <.H l,•r l{ :Lu., ,tl p r i 111, i JJ 11,~nucn . li~ ist da111it
,ii,·hl.!-1 a11d,:1f;;; g1•i,,atfl, ali-. cl11ß (!ir l( al "goric d"r l\ a11s.u.li tüL f ür j c d ,
rr11pirhu·h1• \\' irkli,·likr•iL gilt. 8(Hlann n1uO, rla jcrl , · r~ac l1e und
j1••J1• \\' irk11t1~ , 1 vn jP,lt·r a11tl,:r11 L'r~a c l1 c und jr·clcr «tnucr11 \\.irk.11 ng
v1•r!'l1·hi1·d,·n , uh,o i11di\·itl111·1l ist, jeclcr ,virJ{li r l1c Zusa111 rneuhu11g
v,,11 l frJ-1a,~li1· ur1<J \\ 'irk1111g 11:,r l1 unsrrc·r 1'c1·1r1in<1lo~ic nls ein i11tl i-
vid111•ll,·r nrtd ,ta,uil aul'h al:; r.in i111 allgell1 ci11 :-; t.c·n Sjnne cics \\,.<>rLcs
h i 1<1 1, o r i :-- r· lt ,. r 1( a II s a I zu :- a 1n 11 t c n h a l) g lJeZf'iCll11eL ,,·cr-
111·11 . l ):1111iL ,,,ir,1 1'1·lt,~l, •f"r:--lil1tdlii·l1 di<l allg-1•111cin<' J\ ntrg,,ric der
1, u11:-,1ilit .1L rti ◄ · h t, ~t•ll,:- t. i111livid11ell 1 a l11' r <':- \\'ird j •11,•r ,,·irk lic.: hc Z1.1-
i.111111111•11lia11~, 1!1•11 ,,·ir als ' ' crlt:\lt ni~ v<111 Cr~tc· hc u11(l \\.irlct111g bc-
7.t•i,· h111•11 , t1 0L,vc•1ulig uls (•in t>i11111 a li~c•s , i11d ivi,ll11•lles \\.irl<licl,l{eits-

1
D1911 11,ado por Goc,gle

- 371 -
s tück geclncht 1• cbließlic•1 SJ)rechen ,\li r v on cinen1 l( au s a 1-
g so t z , ,vcrtn iodividt1elle oder histori cl1e K atisalzu. a 1111ne11l1ünge
a uf dns l1in bct,racl1let \,·erden, \\·as ihnen mit, andern Kat1salzu„am-
1ne11l1~ingen ge1neinsam is t , otlcr ,vcnn ein unbedingt allgcrl1eines
rtejl gebildet ,vird, desse11 Gel,alt. 11t1r au cleln hesteld.,, ,vai:s an be-
lieb ig vielen inl1jviduellen l(at1:snlz\tsommenltängcn sicl1 v.icderhoJt,
,vio <lies von jedem Na turgeseLzc gilt,, Kurz, ,vir scheiden indi,1iduelle
u11d allge111einc oder historiscl1c ur1d r1at ,11"vi. se11sc haftlichc l{at1, al-
Zt1sammenl1är1gc v onei11an1ier und b eide " ·jederur11 "·on dem l{ausa-
lität.sprinzip orler der Kategorie der J( au~alitfit. deren Geltung die
' 'ora u:;sclzung sO\\'O hl von t·, isLori~cl,cn als aucl1 von 1ialu1,vis.!<t11schaft-
Jicl1cn l{a usalzt1i>a1r11nc1ihängcn isl, unci soba ld djcse Dreiteilung
.b eachlet ,,·ird , ergibt sicl1 jede11fa lls, daß cler B egriff der kausaletl
Verknüpfung als solr hcr de11 der N a ltirgc~etzlichkcit 11och 11icht
ei11schlicßt. Der Be-griff einer cinn1ali 17e:n ur1d individuellen I<ausal-
reilte, d. 11. cJie An,vor1dung der Kau :1lit.äl.sl{nl.egorie auf die indivi-
du elle cnipirische \\1irk licl1.k eit , chJießt e~ vielmehr a us, daß die Dar-
slcllung ihrer I ndiviclua lität 1nit, dcn1 Begriff eines Na LurgPsetzes
zusart11r1e11fä lll... o ist es z . B . gc,Yiß cir1 kausal v ollk on11lten besti1r1ml.er
Vorgang, d a ß Lissabon a1n 1. No"'ernber 1755 durcl, das b eka1111t.e
E r<ibebcn zerstört , -.·t1rd e, od er dnß l•'ried ri ch \\rill1eln1 lV. d ie d eu t ct1e
l{aiscrkron c Hblel1nto, abor es gibt keine allgcm cin(' n 1(a u5algcsclze,
,i n clercn Inl1alt die e ei1l1nn ligen ir1di,1 icluellcn I<at1sa lreih n ihren
Pla tz finden, so ,venig ,vie es il'ß' U(l ,,·elche allgct11cincn Ilf'gr·iffe gibt,
in clencn das Ei11rnaligo und Intlivicluelle als sol"hes u1\Lerge bracht
\\'erclcri ka11n. Ja, d er Gcclanke eines Nalu 1·geselics1 in cln ei11 ein-
r11nligcr i1iclivr(l11eUcr l<n u. a lvorg,1ng eir1°f:'lit, <~ntl1!-ilL geradezu einen
logi~chen \\.i(lcrsinn, dcn11 jcclcs Gesetz i. t allgem ein rn it R ·ü<'ki-i<·ht
a uf seinen Inhalt und kann da,hcr v o11 dc11 i11di,:idu ellc11 rir.ae l1c11
d s ei11n,a ligPr\ \ 1orgar1gs, auf d ie es eiern ll i. torikcr <1,nl,0111 11 1t , r1itl1ls
enlhalLcn ! . ~·l ~g rna1\ a u"h ngr n kö11ncn, <ln ß n nrl\ l{a11L r1t1r clas
g c s c t z 1r1 ä O i g BP:-tirnn1te R ea lität hat„ so brti:ucht 1na11 clics
d ar unt noc}1 n icltt ror richtig zu hal ten , au r l, \\'cn11 r11 a11 a ucrk cnnl, <ia ß
le,Ji~li1· h dn k n u a I UesLi n'lr11lc al::. real bezeiC'hT1,et \,'erd t•n (l,_rr~
1 An dc-n hier b1.1s l inln1ten ll llJ?rifr dr:r his t o1·ischcn J, a.us alilät hat e r•
g l u H c s s o n a11g••k nOr•fl \l tld ihn in ehr in leres„a uter \\'eiso n äher a u ~ge•
s la ll c l: t>her individuelle J{nusalill'lt, 1 ~(19,
: l1 il·rdureh erledigt.. si..;h a uch dt'r Ei-11\\·a nd, den ~t,1x F. Sc h e l e r , Die
tr-nn~cen dcn talo u ncl die p:. yehologi..,ehc ~lelhOd-'t 1000, S. 14.2 r. gcgco rnoine
'f heorie cr hob"'u hnt .

D1911 11,ado por Goc,gle


- 372 -
denn es fällt eben der Begri ff des kausal Bestimmten 1nit den1 des
gesetzmäßig Bestirl'tmten du rcl1a.u_s nicl,t zu. a1nmen .
r'"' So sel1en \,~ir jedeil falls, mit dern w ·ortc kausal ol1ne '\-VCitere11
Zusatz ist noch nic•)l.s über die 1\1etl1ode ci11er e-mpirischen Wi~sen-
-- scha{t gesagt. l\1an n1uß irnrncr frage1l, ,vclclie l{aus.a li tät isLger11ei11t?
Die Kntego rie der l{au "aliWt iiberhatipt oder das allgc1neine l(au~a)-
prinzip ist gegenü ber dem nterschiede der generaü. iereriden und
der individualisicrende11 Auffa"1-llJtg nocll indi ffere11t. Oder un1ge-
kellrt: i11 einer generalisierenden ,vie in einer ind i,,iduali ierend e·n
Au!fa ~u11cr liegt bereits eine Um bildung (lCS allgc1T1cinen, die ,,ob-
jekti,,e \\firklichkeiti' übert1a\1pt konstituicrCJ1den Begriffes der
Kausalität ,,or.
Die 'l'rot111ung der verschciedenen l(au nlb "griffe i~t fer11cr nocl1
aus einen1 anderen Grunde ,vichtig. Oft ,vissen nän1lich aucl1 die-
jenigen, " 'elcl1c d ie n.tnöglichkeit einer Uebertragur1g der r1atu r-
wisscnscliaftlichen Met hode auf die Geschi chte n1chr oder ,veniger
klar einsellen , gege11iiber dem niclats~ag~.ndc11 Schlagwort, v on (ler
,,l<ntisalen ~let}1od•e" sict1 nltr dadur,rh zt1 helfen daß sie <lie Fr c i-
1

h e i t de r hi~to riscllen Persö11Jichkeit he rvorhehert , eu,c Freil1eit, die


in diesem Falle nur so viel ,vie Ursncl1losigl<eit, bcdeut.,cn kan11 . Dcrn-
gcgenüber ist zu betonen, daß der logiscl1c Gegensatz von l\ atur 1ind
Gcscniclito mit dem Gegen. atz v on k au aler ot,ve.ndigk.cit t1.t1d
Fl'eiheit n.icl,ts zu tun l1at, und daß <lie :i11dividua)isierende G<'schi chLe
keine individuel le Frcil1cit i1n inne v on Ursar.hlosiglceit v orausse tzen
darf. Da lli toriscl1c e11tzicht sich unter logische11 Ge::-ichtspllnkten
n i c h t des,\'egen clen1 noneralisierenden natur,v.i.i;;senscha(tlichen Be-
greifen, ,a.reil e Prodtal, t freier WesPn ist, ~ondern nur ,vcil es in i-ri11er
Individualitüt dnrgest.cllt ,vcrdcrt soll, und durcl1 den Sa tz, die Ge-
schichte hHhO es r11it frcie11 Individuc11 t d ie Natt1r,,.,isLe1ts

·haft rn it
kausal b n litllmten \ 'orgängc11 zu t un , "'·ircl <laher ebenfalls eine Ent-
schci<lu ng der mrLh oc.lologiscl1en Slreilfragcn t\ic111als zu ,,e,vir1ne11
sein. Ja , hin ge die E11t,; cheidung ·von <l"r Alt er11ntive: Kausalität
oder Freiheit al>, so ,,·ären die At1hä11~~r des. en1piri:-chcn Deterrni11is-
111us, denn urn cleT\ allein kann es „ich hier ha11df'b1, i1n Recht. Oeget1
den Glauben an eine trnnszenclente \\' illcn:--frcih eit ~oll dntllit 11icl1ls
gc~agt sein , aber e~ ,,·tirc doch scllr heclenlclich 1 ili1c1 nt1f die en1pirischc
U11tcrst1chu11g <lcr Gcsel, icht.e einen Eir1(luß zu g<>statLcn orlcr gar die
~·l ett1ocic der hisLc1rischcn fJar:..teltunrr von il1l'n nb-11:ingig zu n10.cl1t'n .
End lieh In 110 die ' n lcrsc: hcirJung rJrr in d i,,id,1ellcn }1isl ori:;chc11

ü1g1taltzado por Goog e


- 373 -
l{ausalität vo11 der kausa len Naturgesetzlicl1keit dazu dienen,. noch
einen E inwi1rf gegen ur1ser,e Auffa .sung der historischen Wissen schaft
zurückzu,veisen. '\ Vie der Begri[f der Freiheit so steht näm lich auch
der der Z u r ä l l i g k e i t im Gegensatz zu dem der kausalen Not-
wendigkeit, und die J\nsicl,t, daß die Ge cl1ich ls,vi , enscl'laft e mit
d em Individuellen und Einmaligen 1.t 1 tun habe, ,vird vielfflch danut
bekämpft, daß dan.n ja das Zufällige illr Objekt sei, u11d daß es eine
\Visscnsclia.ft. vorn Zufällige11 nicht geben könr1e. ~lit, olcl1en '\\' en-
dungen j t Jedoch, olange man den Bcgrifi der kausalen 11 Natwen-
digl,eit" .nich t genau best.i111111t, ,viederurrt ga.r nicl1t.s gesagt., was filr
unser Problem von \1/jchLlgkcit sein kann, denn, \\1enn der Begriff des
Zufällige n in seiner Bede11tung ganz ~·on dem B egriffe der l<ausalen
Not,\·e11tligk.cit abl1ängt, .z.u derrt er in einen G,egcr1 ·atz gcbrac.h t ,vird,
so kö1lnen auch versch iedene, ja einander au schließende B egriffe
von Zufall entstehen 1. Nenr,t n1.an ,,zufällig" das, ,vas .nicl1t in einen
allgcrncinen Begriff oder ein. nat,11'\vi ·sc11scha[tliches l{ausalgeset z
eingeh t , und versl (•hl n1an ttnter ,,,nol\,1e11dig' ' n·u r da Gesetzmäßige,
~o i t a 11 es ,virklichc als ~olch es zufäll ig, denn alle \Virklicbkeit ist
individuell un,d geht in kein allgeu1ei11es Natttrg,esetz ein. Es ist z:. B . in
clicse111 Sinne zufällig, daß gerade der Sati1rn und ni cht die Erde Ringe
b esitit, daO .F riedricl1 der GroJJe dio Sclliacl1t bei L euthen ge\vonnen
hat, oclcr daß es i1n Ost.en Deut.scl1lands m e hr Rittergüter gibt als itn
W esten, d. h.. es lasse11 :;icl1 kein e allgon1einen Gesetze au(:;tellen, in
de11en diese in.dividuelle11 Tatsa.cllen als g · ctzrnäßig nOt\,·endig ent-
l1 alt.en ,, ·ören. Versteht mnn aber unter zufällig i1,1 Gege1l~atz zt1m
kat1sul NoL,,rendigen das, ,,·as keine Urs.a cl.1e hat, so is t umgekehrt.
n i c 11 t s in der Welt. .zttfällig 011<lcr11 alles 11ut,,·c11,lig, deru1 daß der
Snttim Ringe besit1,t , und Frir.drich clic : chlaclll ge,vonne11 hat, ist
ebenso ka11sal b<•st.i111111Li also n.ot,vcndig, ,,·ie cinß dieses " . ns:er- bei
0 Grau fest wird , u11d in di.cse rn Sin11e hat es die Gcscl1i1:llLc da11n
niemnl. rnit Zufä lligem sondern in1mer 111it r.ot,,,.· •11<.ligPm 1.11 l11n,
, ,1 obci es dalaingestcllt blci.b e11 n1ag. ,vie \vcjt dieses Nol\vendige
' ich auch al . not\venllig b egreifen lä ßt. ' c heidc n ,vir also indjvi-
duelle und allgemeine oclcr hi~torisc h<' und natu rgc e tzlichc Ka u ·alil.ät
als die z;,vci möglichen Gcstaltunger, , die- das K ausnlrJr iuzip oder die
allgerne-ine J{aLeguric d.cr l\a1.1:;.aliLlit annch rncn kann , so ist alle
vVirkl ich kcit not.,"·er1d ig rniL f'{ ü«"ltl'iich L atsf tle11 ei11r11 und ztifä ll.ig ruit

1 . gl. '\\ ' i u de I band, l)ic Leh ren von1 ZuraH , 1870.

ü1g1taltzado por Goog e


1

- 374 -
Rück sicl1t auf den andern I<au. alitätsbegriff, und der Satz, daß die
indivicluali ieren•d e Geschichte d ie \i\1i s.enschaft vom Zufälligen seit
sngt d a.nn ent,,·cder n.icbLs, wa als Ein,vand gege n ihren \\·isi-cn se-haft-
liclten Charak.ter gelten knnn, oder er ist. vollstä11dig fal eh, \\1eil er das
I ndivid ,1elle 11,it dem U rsacl1lo ·en v er,vechselt .
Doch llat. das \\1ort zufällig noch eine cl r i t t c Bcclcutunr. N ot- •

\vendig kann närr11il' h auc h so viel ,,·ie ,,,vese11tlie::}1' 1 l1eißen. u11d den1-
entsp recl1end ist da11n das Zufällige dem n,ve cnUich.cn. gJeirltzu-
sctzen. Die BehRuptung, daß die i11di,,idu alü~icronde Gcschi ·l1 tc tlie
\\/is enschaft v on1 Zt1fälligcn in dicserr1 dritter1 Sio rtc sei, ,vürdc dann
a lso nur bede uten kör1ne1l, daß es in de r Gescl1ichLe an ein.ea1 Pri11z.ip
zur ..~us\vahl des \Ve:\enLJichen fehlt, dns auf \Vis~enscl1aftliche Gel- •
tung Anspruch erl1cbon darf. Das aber l<ä1ne " ·icder auf die ' ' or aus-
set.zung hi11aus, d a ß ,vo~enLlicl1 für die \ i ~. ens<'ltH,ft n ti r der Inhalt
allge1neit1er Begriffe odct· · aturge.t;ct,zc sei, u11d sclllösse also d en
Glauben an ,e ine naLunvis e11scJ1aft.liche Universal·n1eLl1ode bereits
ein. Hat. rnan d ngegen eingcsehc-n , doß diese V oro.t1~seL1.ung ~ich nici'lt
l1alten läßt, so ist darrlit. aucl1 zugleich j c(le ~Iöglic hl(eitt dt•n Begriff
des Zu(älligen zur ~ 'iderlegu11g der ir1dividtla lisierenden bi tori~cl1cn
{)ar~t .e llu11g zu b Pnt1tzen , v ersch,vl11·1den. f)i e Ge. chichte i:-t 11icl1t
eine \Vissenschaft vom Zufäll igen als de111 · n,,•esentlich<>n I sondern.
aucl1 der Ir1hnlt il1rcr Begriffe gf'l1ö1·t noL,,•cndig: zusatl1 1ner1 1 ir1so fcrn
als alles ir1 clern ai1geg"bcnen Sin11c Z ufällige, d. l1 . niclrt 1niL Rücksicht
auf d en leitend en Wert del" D ar ·tcllur1g \VescnLlic hcl v o 11 ihr fc t'll
zu l1alten i~t. Eg sollte also Nieinancl sict1 von ~o leere11 S chlag,,·orlcn
wie den, cil1or 11\ Vi ~sen:-rhaft des Zu(ä lligen' ' • c hrecl{en la~sen s011dcrn
v erlangen, daß ganz genau ang•~gebcn ,,,ird , ,vas da, \\' orl z11fä llig
bedeutet. •
\\' it· el'ler1, eine kau a le Mctl·•ode irn GP-gc11satz 1.11r gcs,·l1icl1t-
licJ1en ir1di,,iclt1ali- icrcndcn ~f clho<I<: gibt es 11ic ht, tt11u es l1at, vollend
keinen Si1m 1 nntut"\\1issen-:cl1afLlic1'1 e und 1-tausn . le ~1cthode einnnd er
g lcjchzu setzcn. 1\n d en in clividu ellco histori cl1cn I( au!-alzusa1n m en-
l1ä11gen fin clcl vielrr1<'hr rlie gt'ncrnlisir rcndc 11a lur\vi,;;sc11 ~c hurtlil' he
B egriff bjldung ebe11. o ,,~ie an j<'der nn(ler,en i11divicluelle1t gci:.<·l1ir-ht-
licl1cn \VirJ,lirhkeit il1rc Grr nzc. Nic1nals ko111111l für eine Gesclzes-
,visscnsc ha ft <.lc r eir11t1alige \ ' orf.Z'at1 g, )lei dein aus ein er intlivi<l11eller1
U r~acl1e ein indivi<:lu c.llcr E ff<:l,t hcr,,orgch L1 a ls solch<•r in Frage,
son,lern es ,vcrdcn i1n111cr nur clll~crncine Beh'J·iffc gebil<let, die d as
n1cl1 reren i11tli viel uellen I, ntt ·n lverl1ü ltniss<'tl Gcn1einF-arn-e <'ll t hallcn .

D1911 11,ado por Goc,gle


375

Es entstct1t dadurcl1 dan11 die ge,,1iß sehr ,,·ert.~lolle Einsicl1t, daß 1


,vo aucl, i111n1cr ein Ol1jckt sich z~igL, das al ' ExemJlla r ,1nt,er ei r1e11
bestj,mmten allgcr11cine11 Begriff eir1c r Ur ael1e fällt, ei n and-eres Ob-
jekt sich einstcllc11 muß, das die 1\tcrkinale eines besti,1nmten alJge-
meincn E ffektbegriffes trögL, aber es ,vir<.i dabei von jeder einmaligen
in<'lividt1ellen l{attsalreih e ahg<'schen, und „ Gcs_cl,ichle" dnrf n1an also
eii1e solche Darstellting nie nertltcn, so lange rn an v or1 der Geschichte
die Dari:;Lc.llung de einn1aligc11 individl.1ellcn \ Torlaufes rlcr \VirkljcJ1-
keit verlangt. Es ka11n. fcr11 •1· elbsLverstär1<llicl1 aucll ci11 r1atur-
~·isser1schaltlicher Allgc111einbcgrjf{ der i11 tl c1rt eine11 f,aJle den De-
griff <-ler ·rsache bildete, als -d er Bf>griff eines Effekte betracht.eL \ver-
d.en, und ,ven11 111a o nt1n \Veitcr nach, <lern Begriff der zu ihrn gehörigen
Ursache fragt,, ~o l,andelt, e"' sir h \viedcr cl,1rur11 , ci11en allgemeinen
Begriff au(zu-- telf 'n, <ler in d,emsell.>t:n \ 1erh ü1Lnis zu ihn1 teht., \\'ie
er zu dem Begriffe sLa.1,d, mjt dem er in der1t vorige11 Fall als des en
U rsacl1cnbcgriff verltnOpft. ,var. .Ja, dieser Prozeß ,lcr Bil<lung v on
allgc11\ci11c11 Li rsaf•licn- und Erreklbegriffcr1 liißt sich e11dliclt in11ncr
,,·eit.er for1..t;etzen 1 <J . 11. die •atur,vi:.ser1~cha rt. knru1 clarauf at1sgcl1en,
ein Sys tem , ,on allgemeinen l(ausnlhegTiffen zu bil<l<H) , in da_s jecler
b licbige orga(1g der c,n pirige l1 •11 \VirkJichk.cit., sei er f)h )rs i::;c h oder p S)'-
cl1i:,ch I sich so,,·ohl al Ur~ache als auclt .ali; \V.irku11g einor(l11cn lü13t.
So \\1 ichlig jetloch aucl1 jed.er Schl'ilt „ i11 rn~n-, der die \\: is- enscl1aft,
dicsc'tll Ziele 11.äher führt, so ,vü.re clbst 111it der volJJ... on1n1encn Reali-
sicru11g <licsP-s der1kbar h<;chst.en Idea ls eir1er El'kcnn.l11i clcr l,at1sal-
neseli1 näOigcn Zi1:-an11nen hii 11@'e ei11e Dnrsle-ll 1111g der hisl orii;chcn
Zusa111n1enl1lingr- ni~l1t gc,\.·on11r.n 1 <lrnn der kat1s nle Zl1~a n11ne11hang,
der hier dargestellt, 'l>Viire, bliebe i111mer ein SysLen1 von allgemeinen
Begriff1~n. in dai:; die in,lividuellcn hi ·t.ori ehe,, l{nu a),z.usa1nn1c11l1änge
so ,,·enig ciugeh 11 " ·ic tlie inllividuc11en ltisLori1-,chcn OLjcl<Le i11 all-
gcn1eine Begrif rc ü l'lrrha u pt.
•bsichtlicl1 hahPn ,vir jc<loch bisher nicht darnacl1 gefro gt, wie
der Begriff der knu ~ntc-n \ ' erbindunrr z,vischcn z,vci als UrF-achc 11ncl
Effekt, bczeicll11etc11 Wirl,lrcl,l,eiten 7.U di,finierc·u isl . Eine a llgc1nei ne
Theorie der l(aus.aliL~t ,,·iircle :)uch ,veit ub<'r tlcn Rahn1en u.icser n tcr-
Sl1cl1ur1g l1i11Rl1sfüh rt1n . Doch \\/Ollen ,,·ir das, wos ,vir 1ni~ d rn \v·orLe
lta usa le Vcrl(tlüpfung 111cinen. ,ve11il{sle11s arl einci11 Br ispicl zcigor1.
\\'cru, ,,·ir die J I atl<l auf d en vor un s l<-:ltc ude1\ 1'i::1cl1 aufscJ1lagcn
1:i.ssen. so l1örcn ,vi.r ei11P11 :·r:: hall. \\:ir bezei<'h.uen cla1u1 die Br,vcg,11lg
uu c1·cr J land a l!5 r ·acl1c Ulld df'n • cl1all al~ Eff<'kt unLI nPhrnco ar1 1

D191, h,ado por Google


'
1
- 376 -
daß b eide not\vendig 111iteinander verk11üpft sind. \.Vorin dies ,,Bu11d•1
z,,·i ·eben U rsacl1e und E ffekt b esteht, brauchen ,\.·ir hier des11aJb

nicht zu fragen, ,veil ,,•ir ja nur den Untersch.ied allge111einer und.
individueller oder 11a turwissenscl1u[tlicher 11nd his toriscl1cr Kausali tät
fe tstellen ,vollen . Der B egriff clcs Bandes zwischen U rsache und
Effekt mU-ß nü1n licl1 dem Begriff de·r l, i s t o r i s c 11 e n Kausalität
11nd d em (] es l{ausa) g e e t, z c s g e m e i n s a m sein . Er steckt in
dein B egriff des K ausal p r i n z i p e:; , cla.s die empiriscl1e \\' irklich-
kcit ilbcrl1uupt als l{a11salzusa111menhang kon tituierL. Wichtig ist
fü r uns dagege11, da ß i11 jc-0er11 individueJlen J{ a usalvorgong die Ur- achc
vo1n Effekt v er~ c 11 i e d e n i t, d . h . stets et,\·as Ne1les, vorl1er
noch nicht Vol'han~le11es be rvorbringl, urid ,vir n:1üsse.n d iese Ver-
scl1iedenhoit vo,1 U r ac'h c u11d '\\1irkung oder den U mstand , daß in
d er e1r1piriscl1cr1 \\ ' irklic hkei t ~tets ein A n,it einem Non A kausal
verkr:1üpft isL, als eine Eigentümlich keit. jede l1iatorischc'l1 Ka u al-
verh ällnisses au f das chärfst e l,ervorhebcn. \Ve11n nilo\lich die

N a tur,,,i5se11schart Na t.ul'geset.ze a ufstellt , so kann si,e dazu k,o n1me11 1
von d er st;cts v orhandenen V crschiedcn heit der b eiden , , · rsache und
Wirkung ge11acu1t e11 Objekte zu abstrahieren t1nd zu sage1:11 daß die
Ursache nicmo.J nlehr l1ervorbrir1ge, als sie selbst entl1alt.e. Dies
findet d ann in de1r1 Salz: causa aequ.a t effec t.um seine11 Ausdl'uck,
der soo11t da G·cgen t,eil v on detr1 sagt, ,vas fü r j edo indiviLlu elle histo-
ri~che Verbindung von Ursacl1c t1nd Effekt gil'l. Of(enbnr liegt hier f
ein Ptoblera v or. Doch begnügen ,vir uns .111it ,venjgcn W ort en f1ber
diese Differenz Z\\•jschen bi torisclicr u11<,l nalur,,is ~11sc haftlh:l1er
Auf(a6s11ng des J(ausnlveti1ältnjsses, die au reichen , das klar zu stellen,
was für •d ie J,istorjscl1e ~fethode ,,,icbtig i t . •

\\'enn die NnlLtr\vissen cl1aft u11bcdin gl. allget\lei11c ä tze über


die Verbindung von Ur~acl1e und Effclc.t au fst ellt, so nin-1111l sie an ,
d äß ,,dieselbe' ' Ur:iat!he jedes1na l ,,diese lbe" ~ 7irkung hervorbrin.g t.
Aus cliese1n Pri11zip der Aequiv alc nz der Ursaclten lllßt sicl, dat1r1 1l'1it
Gründen , die ,,•ir l1ier nicl'1t näher zu \'erfolger1 haben , d as Prin1Jp
der Aectuivalcnz von Ursaclie und Effr kt ableiten . Diese beiden
Prirtzipic11 ),tö11nt n freilich rein ltu r da11r1 ange,,.•e11det ,,·er'tlen 1 ,,•e11n
es sich un1 Begriffe l1ant1eit, die quantit.a Liv bf's·ti1n,11t sir1J1 doch sie
\\'erden vielleich t in a ll er Nalunvisscn~chaft in. ofcrT1. von BC'dct1lung
seit1, als cnan v ·rs t1c he11 l<a111,, auch alle lJUl:tlitative körperlicl1c W irk-
lichkciL, ja viellcich.t . ogar <las Sccle11lcbe11 1 ,,·c11ig·ten~ 11a,ch A1lalogie
der UrSache11iiquival nz u o{l des ntzcs causn ac41 uatcrfccl11m zu tl ·n:l{cn.

ürg,t~hzado por Goog e


- 377

Ehsenso entschieden aber ist t1ervorzul1eben, daß schon die ' 'oraus-
setzung der Ursachenäquivalenz nur auf eine generalisierend bear-
beitete \Virklicbk eit angewendet \.Verden kann , ja streng genommen
nur in der hypothetischen Forn1 richtig ist, daß, \V e n n , 1dieaelbo''
rsache auftritt, sie auch ,.,dieselbe" Wirkung haber1 1nuß1 denn
faktisct1 gleichen z,vei als Ursache zu bezeichnende Teil•e d,er empi-
rischen \Virklichkeit einander nienlals, ,d . h. es komrr1t gar nicl1t vor,
daß genau 1 ,dieselbe'' individuelle Ursacl1e ,,·ieder genau ,,denselben''
individuellen Effekt hervorbringt 1. \Vir haben also schon im Begriff
der Ursacb·enäquivalenz das Produkt einer spezifisch generalisierenden
oder naturwis-ensc~iaft.lichen \Virklichkeitsaurra.ssung zu sehen.
Ist aber schon dieses Prinzip der Ursachcnäq uivalenz eine spe-
zifisch natur\vissenscha!tliche Vorau„setzung, die nur bedeutet, daß
ein unter den allgemein,en Begriff A fallender Vo1-ga11g im111er einen
1

unter den allgemeinen Begriff B fallenden \ 7organg l1ervorbringt,


so hat es vollen.ds keinen Sinn, die Gleicl1heit einer historiscllen Ur~
sache mit ihrem historischen Ef(ekt zu behatipt.cn, sondern der Satz:
causa acquat effectun'l bedeutet nur, daß Ursache und Effekt sich
von einer allgerneinen natun,,issenschaftlichen Theorie so unter z,vei
AlJge1neitlhcgriffe bri.r1gcn lassen, daO deren irn natunvissenschaft-
liclien Sinne ,vesentliche Elen1ente mit Rücksicht auf eir1en bestin1mten
Maßstab .a)s eir1ander äquivalent anzuseher1 sind. Die Geschichte, die
nicht allgemeine sondern individuelle Begriffe bildet 1 hat also keine
i\1öglicllkeit 1 von dem Prinzip der Gleichheit von rsache und Effekt
Gobl"uuch zu macl1on oder ihre K ausalz.usan1n\enhä11gc auch nur 11acl1
Analogie dieses Prinzipes zu denken. Alle Ursacl\en, die eine absolut
t1istorisct1e Darst-Ollung berücksichtigt , sind voneinander verschieden;
und ebenso ist der J1jst-0riscl1e Eftel<t stets elwas Ar1deres als die Ur-
sache, die ih11 hervorbPi11gt, clenn ,veTin er nichts Ande1·es und nichts
Andersartiges ,,räre, so könnl..e er au<:h kein historische"' In-dividuur11
sein, d. 11 . durcl1 seine Einzigartigkeit keine hi!-.tori. cla.e Bcdcutl1ng mit
Rücksicl,t auf den clie Darstellung leiLendcn Wert bekomn1cn. Es
kennt dernnach die Geschichte den Begriff der K ausalg.leichu11g über-
haupt rticl1t,1 sondern ,,·cnn der kausale Zusantmcnhang z\vcier in-
dividueller hist oriscltcr Vorgänge dargestellt ,verdcn soll, so kann das
nur in l(ausalungleicl1ung,en geschel1e11. So ist der Satz : kleine r-
1 Der Unterschied von ldcntilät und Glcicllhc.it bleibt h"ier a ,bs ich Uich
u11ber acksicbtlgl. \ tgl. darober meine ;\bhandlung: Das Eine, die Einheit und
die Eins. Logos l I, t 911, s. 26 rr.

ü1g1t~hzado por Goog e


- 378

sachen - gr,o ße \\1irk ungen Z\.Var (ür die \Vclt der nntur,,·is. cn; cl1aft-
,,·ä
1icl1er1 Begriffe fi::i:I. c- l), hrcn<l der Hist oriker sich 1ueTnals zu ·che·uen
brauchl1 lii lorisch ,ve:;enl.licl,e \ \ ' irku11gcn .a us historisch un\VC c11t-
lichen r~achcn. cnt.st.chcn z11 lassc·n, d.11. aus l 1..:aehcn , die durc}1 il1re
EinzigarLigkeil n orh keine noL,\·ertdige B eziehung zu dctn lcitc11,Jen
Werte der Dar Lellung hnben .ondcrn ertit durch t Tebertragt111f!,
n.ä1nlictt durch den Urr1st aud 1 daß h ie Uri:>Acl1cr1 für ld storisch '\.\'C:SC'l1t-
licl10 \Virkungcn ~ i11d, ei11c his Lorische Bcdeu.tur1g erl1all-er1. Auch
hier gehen ''"i "'d er die \\1rge der ntur,,·i scnsciaaft u11d der Ge-
sch.icht,c not,,·cnrlig aus.einar1cJer. ur der kar1n i.n iliescr l r1kungr11cnz
ei11r11 , \ 1idersprt1cll erblicken, der sicll v o11 dc'f11 Pha1lton1 ei11er Uni-
v ersa lmethode nocl1 nicl1t lo:;gcsagL ha L u11d in den n atur,,,is:-cn~

sc hafllichcn B grifr··bildur1ge11 Abbiltler vo11 R calit.ät,en o<lcl' gar
Abbilder der i11cli,·idtJcllcn e11,piris<"l1cn \\'irltlichkcit sieht. l1
Nich t 1r1ir1•d er sorgrällig muß ferner ra uch cirtc andere \;111bi ldung,
die cler Be-griff clcs ((nu snl2usan1nienha11grs in d'er J',;atur,\'i:,~cnscl1aft
erf51-trt , von clc r :\ ufras ung ocr ,, rirklichkeit als GcschichLe fet11 .,.e-

ltalLc1t ,,·et'd~n. Die Begrifre vo1t Llr:;aclte n sirid 11ä111licli in de11 nnlltr-
,·vis:;eni;chaftlichen J(au..algevetzc11 11icl1L nut· allgPmcin, sondern ~
,~ird vielfach at:1c!1 t~in nnt 11n,·isse11schnflliclt~s I( a,1:-al g es c L z
!'iclbsl als LTrsncl\c b czeiel1net. o soll z. B . <lHs Fallgc$clz clie Ur-
s ache der besclilc,11tigu~n Gesclr~villdiglteit eines raller1<len Körpers, !
(lie Gesct.ze über (1.ic Br<!chung "'· 011 LicltLstrahlr n die ·r:;ach<'tl ci11es 1
R ~ge11boge1u,, die A:-.sozi._tlio1tsgcsclz.c clie · rsach<'n des AufL,,uch..-11s
von \ 1or~tellungcn aus d ~r Erinncrurig :;i'in, oder e ,,·ird gar eiu Gt.....
setz als Ursac l1c ci JlCS anderen Gcsc lzcs ar1gcsehc11. G 'gt"Tl diese

Att drucJ<.s,veisc ist. so lange nichts einzu,,·cn1 len, al n1~ln sir h be-
\\'Ußl bleibt, daß (111rch :;ic ,\'icrler 1tur rt,,·us iilJC' r cl as \ 1'crhiilt.n i~ \ 'On
Begrirfen z11 cinan.dcr au~gt•sagl. ,vi rrl, und daJl in der c111piris1·hen
\.Virklichkeit, i11t111 •t· nur be., o•t1rlere u11d i1uli,·itlu,~lle lJi11ge ur,<l \r(>r-
günae, aber nit•t11ali- r\llge1nei11l)egriffc oder Ü<"i-clze nL-; 1~ n<"lien
g•clt.cn könn en . Irr1 üt>rigcn kann n1nn (lcn Grset,z.cn z,,·ar Effcl\Le
ur1 Lero1·tlrten, a l)cr d.er Oh,c rgeordn et e Begriff ::sk-l1t zu den1 il1n1 \tnter-
gror,lncwn Exf"nlplar not,vendig in ci11e•111 anclcrrn Verl1üll.r1i~ als in
dc111 von Ursache und l~ffckt. , , ·cnn dc11)na,,·h rlic Nal11n,·i:.. c1t~c ltaft
al 1 ,C:r,..,acl1e" <lcr L1esc hl 't11dg l 111 8 .,,·cgung 1:ine::> falletiden l\.örpcrs
1
da~ Fallgc:,;clz od·cr aueh tlas Gra,rit.alion~g••~etz als Cr:.ache tics J,'a ll-
gttsclies t,etracl1Li•r1 (larr, " "Cil Si<' i1r1r1ier 11ur allg-en1ci ne B('griffe
n 1iLei11a11dcr verbi r1cJc11 ' "ill, so ,,•ür<lc i11 tlcr Gcsc.hicl1 t.s,vi~se11sr h ä ft

0191 lt ado por Goog e


- 379

jeder \ f er: ucl1, bei der Darstellung eine~ einn1aligen individ.uellen


I(al1salzusamme1lhanges allgen1eine Begriffe oder l{au. algesetze als
wirkende Ursachen f,ür individuelle hjstorische E ffekte anzuseher11
un · dje f\,1ögli-chkcit raubert, cien l1is toris chen. \ 7organg zu begreifen,
denn statt der angestrebten I{ennLnis clcss n , ,vas "inn1al ,virklicb
individuelle U rsacl1e ,vnr und ,virkte, erh icll,cn '\\'lt' nur allgemeine
bcgrifflic l\e Abstrak.t io11en, die u11s nie1nals zeiget1 köunte11 1 ,vodt1rch
die historischen Ereib'lli se so ge,,•01-<le11 sind, ,v ie sie ,virklich ab-
laufen.
Dies ist beso1.1ders da r1.n zu beac·l,1ten 1 ,-vcnn es sictl da rurt1 handelt,
die \,Virkw1gcn kcnncr1 zu lernen die vor1 einem G·a nzcn oder einem
Ko llekti,,um a u ·gehen ttncl die l ndividualiLät ein e od er rr1ehrercr
seiner Gliefler besti1nme11. D:1bei ,vi.r-d l1 ä11fin- ein allgemeiner B egriff
von allen Teilen d~ Ganzen rrcbilclcl,, die·er Gnttungsbcgriff dann
mit der konkreten Gattung orler dem t1istori~cl1en Ganzen v on-vcchselt
und 11,1n ve1·s11cht., jedes GJjed des l{ollcktivttms al kuusal bcst inimt,
durch den allgemei11e11 Gattu11gsbegriff a112.usel1e11. Aus diesem
Gn1ndc hat n1.an dann auch geglat1l)t, io den Theorien , clie 11ber dcr1 Ein-
fl uß der Um,\'elt oder des „l\l i1icu„ atif d ie t,j_torischcrl P<>rsÖJllicl1-
k citen gebildet ,vordct1 sir1d , ei11c R ec11tfortigung cler ge11 •ralisierenden
natt1nvis enschaftlicl1en i\·fethode in der Geschich.t-e zu be-::-itzen,
und nicht selten tre,t en infolgedesse1t Gedankengä1lge altft die man,
ol1ne sieb einer Uebc rtrcil)ung sc huldjg zu n1a.ch.cn, et"'·a auf folgenden
Ausdruclt bri11gen ltattil. \ Vci l jedes lndi,,jcltium ,ron Rtliner „a11ge--
rneinen'' U nigcbung kausa'l bedi11gt ei, kö1u1e es 11icl1t, n1ehr als ein
Individuum angcscl1cn ,verden, denn di e a1lgen1ei11e Um,velt bringe
doch natürlich keine individuellen E ffekte hervor, uncl de!-1l1alb
sei jede ind1vidt1ali icrc11de Geschicht..-., chl'eibu11g ver\,·erfli cl1. Die
\ Vi:;se11 ·cl1atl l1abe es i111n1.cr nur rl1it de1t .,allgerucincrl l\Jassen' ' zu
tun, in clencr1 die Indiviclt1cn rc tlos aufgehen, und ,jie ,vnl1rcn r-
sac•.l1en de- hi $lorischen Vcrlat1fes seie n also niemals d~ Beso1tc)erc
und lnd ividl1<!lle s0T1dcm im1ncr das Allgerr1eine, at1s dem das In-
dividuell e 111it abs.oluLer Gesetzrnüßir•keit folgen soll. Es slehe also,,
,vei l jede1· E.in1.cli1e nur dns Proclukt der Um\.\'Clt sei, <ler Geschicl1te
nicllt n1el1r irn \.Vege, sicl1 zt1 einer Gesetzes,vissen cha(t zt1 ent-
,vickeln oder ,,·ic die i1tur\visscn.scl,nft immer nur die Gatt.ungrn ur1d
nien.1als die Individuen zu beha nd eln. Die Bcgriffsvcr,virn1r1g 1 ,velclie
derar Ligen Betu:1ur>lur1gen zug ru nde lieg t., l1abc11 ,vir, so ,vcit sie
auf cler ' 'er,vec11~lu11g cler ko11l<.ret e11 ir1dividt1ellcn Galt-ung rr,it dem

ü1g1taltzado por Goog e


- 380

allgemeinen Gattw1gsbegrifC beruhen, bereit.s at1 fgcdcckt 1 aber es ,,,ird


doch gut sein, auch die Schei<lllng von allgemeiner Naturgesetz-
licl1keit. und i11dividueller historis,~her J{ausalitüt nocl1 au sdrücklich
auf ,das \ rerl1f•ltn is von J;,divicltiunl und l\ililieu anzu\venden.
Daß jeder ~fen5ch. und jedes historische Indivi<luutn übcrhatapt

von seiner U,m gebung Eit1wirl{ungen erfährt und in seiner Eigenart
durch sie besti1nmt '"·ird, l1at, ,vol1l nocl1 Niernand err1stl1afl g-eleugnet.
;\her, aucl1 ,venr1. man sicl1 diot>e Ein,virkungen so groß und entscl1ei~
den<l denkt , ie nur möglich, so ist docl1 nicl1t nur die Um,velt als
\Virklicl1keit el\vas Individ,1elles und Besonderes und vo11 and eren
Um,velten zu anderen Z-eiten und an anderen Ort.e11 individuell v er-
sch.ieden, sondern es 1nüssen ferner, d a kein ein ziger Mensel, dein
andern gleicht, at1ch die Kausalzus an1n1enhänge jedef. hisLoriscl1en
Individuums mit einer individuellen Um,~elt in jederrt besondere11
Falle von jedem anderen Fal.le individuell v ersct,ieden sci11, und sie
sind dal1cr von der Gcscllicbtc 11ur u11ter den Begriff der bist,oriscl1en
l{atisalität, nicl1t aber unter NaLurgesctre zu bri1tgcn . IIat n1an sich
n \1t diese einfache 'l'a.tsache 2.u1n Be,•tußtsein gebraclit, so ergibt sich,

daß die ~lilicutlieorie für die Logik der Geschichte niclats And eres
bedeutet als das, ,va bereits aus der An,,•endung des l{au a lprinzips
auf alle individuelle \i\1irklich.k eit sich ergibt, dagegen fi.jr die Frage,
ob di e generalisi,erende oder indi,1idualisierendc ~f etl1ocle von dcni Histo-
rikcr a11zu\venden ist , nichts ent scheidet. Es diir[tc \vo!tl ilberllaupt
,venig Schla~vorlc gcbe11. die so leer sind ,,1ie der Att~druck ,,~lilieu'',
sobald er in Tl,eoriet1 über das Wese'n der GeschicJ1ts,•,,r i;;:sen cl1aft
au ftau cht, t1r1.d von denen 1n ar1 t rol.zden1. so viel Aufhebens gcn1ncht
l1at. .Jedenfalls is·t der Gedanke an dje Um\velt, in cler jed es einzeln.c
I11clividuum lebt. 1 viel mcl1r geeignet, (1c11 Untcrsc;l1ied .a ls das Ge-
rncinsarne z,vischetl Nat.unvi:;scnscl1aft und Gesc hichte l1Cr\'orzu-
ltebe11.
Daß die Eir1or<lu11g des ci1,zclncn lndivi,duun1 in dc11 allgerneinen
l1istorischen Zu. nn1rneul",ar1g a·n dent ir1divi<lualisiere11,den Cl1arakter
einer geschi ch tlicherl Darst.ell1t11g 11ic l) t.s ilncle1·t, ko111te11 ,,·ir un viel-
1<:icht arn besten dadurch klar r11acl1en, daß wir zeige11, ,,·ic aucl1 in
ejner l'Cin quantii~tiv gedo chl.t>n, al. o in e in c r T-Jin, ich t bereits voll-
komn1er1 ,,raLio11aJi~iertcn" \\'clt das qitnrtlital iv l1estim1nte Indivi-
dttum d urcl1 EiruJr,1n.u11g .i: n sein Gar1zes 1 zu den, es gc-l1ört , 11icht.s von
sr-iner Indi"·idu a liUit verliert urt<l <l~,Iler durch allgc111cin o Gc~etzesbc-
griffo unbegreifli ch bleibt. Dcnkcr1 ,vir \t11s den einen ,,allg~n1cinen 11

ürg,t~hzado por Goog e


- 381

RaL11n in lat1ter individuelle Raumteile vo·n besonderer Gestaltung


zerle.g t u·n d fragert nut1, ,vie '"·eit sich die individuel le Gestaltung der
T eile aus den allgerueinen Gese tzen des Räumljchen begreifen läßt.
Die Ant\\•ort is t einfacl1: jede individuelle Raumgestaltung muß dann
Z\lvar nls. et,vas betrnchtet ,verden 1 das in seiner Jndividualjtät gru1z
ausscJ1ließlich v on der U.rngehung bedingt is t , d. ll. dor individuelle
fiaumteil ist gewi ermaßen ein lndjvid uurn n o r durch das Milieu
oder die Urr1gebung, in der er sicl1 be'findet , und er wOrdc sicl1 durcl1
jede Ae11d-e rung seiner Umgebung selbst änden1. Aber, at1cl1 er hört
dadurch doch niemals nuf I individuell zu sein, und er bleibt Iür ei ne
,visscnschnft, die at1! Bildung allgemeiner Begriff c ausgeht, unbe-
greiflich . Unser Satz 1 daß die Gescl1ichte es slet s mit Individuellem
und natur\\1issc11.schaftlicl1 Unbeg1·eiflict1c1n zu tun l1at.1 d as sich nur
individualisierend darsl-<!llcn läOt 1 stel1t selbst mjt, der Behauptt1ng
nicl1t in Widerspr11ch, nacl1 der jedes Individuum allei11 du1•cll seine
Umgebung best inimt ,verde und gar nichts ,,Eigenes" :zeige; denn
setzen wir sogar voraus, daß je-de hi toriscl1e P ersönlichkei t von den
„Verhältnissen'', der ,,'Zeit'' , oder ,vie man sich sonst ausdrücken
will, so vollkommen und restlos abhL,ngig sei, daß Sp.inozas Glcic}1-
seLzung von Individualität u11d Negation zuträfe, so ltönnte darum
doch die kausale Bcstirnmtheit eines besond eren Individuums durch
das 1ilicu eber1so,,·enig aus allgen1einen Gesetze11 abgeleitet ,verden
,vie die Besonderl1eilen eines individuellen Raumteiles aus den a ll-
ge1neine11 Gesetzen, clic rar das Räun1liche überhau pt od,cr für jeden
beliebigen Raun1teil gelten, i11sofer11 es als Exemplar eint:s nllge~
1neinen räu1nlicl1er1 Begriffe. in Betracht kommt. Wir dürfen at1cl1
r,ier sage11, daß ,va · für die individuellen Gestaltungen des h o 1110-
genen Raun1es gilt, jede11falls [ür die individuellen Gestaltungen von
Te-ilcn d er nirgend s l1on1 ogenen crnpir·i. chcn , virlclicl1lccit gelten lt1uß,
und da ß dal1er l{cin nocl1 so \VCit.geh.ender Gla,1be an den Einfluß des
~lilieu den Hisloriker vott der Aufgabe e1tLhi11dcn ,vürdc, die itH.livi-
duellcn E·iJ1flösse <lel' individuellen · m,velt auf die , rersc hie<l<'11c11
hi ' torischcn ln<J i,ridttcn im Einzelnen zu erforsc}1en.
Selb tvcrst änd lich gil t die elbe Betrachtung auc1'1 1 \\'enn jedes
l11dividuum 0.1~ ein nol.\,-e11dige.s P rodukt der Vergnngcnheit at1rge-
raqt '"''ird, denn es ist ge\vjß jeder Einzelne a1tch i11 tlem Sinne ka11sal
bcdingtt daß er in ei ne b ereiLs vorhandene hist ori ehe Sit,uation
hincir1,väcl1:;t.1 llie sicl1 d11rcl1 lange Zciträun1e t1intl1trcl1 allmähliclt
cnt,vickel t hat. E lcl}t daher in ihrn die Vcrgangenl1cit ,,·cit cr, 11nd

D1911 11,ado por Goc,gle


382
er ,,,ird niemals in1stande sein , sicl1 \.'On der Tradjtion vol lkomrnen
loszulösen, denn, aucl1 ,vcnn er es versucl1t und geg n ie anl<.ä1n1>ft,
1nu.ß ein ganzer l<ampf von der Art dieser ·rraclition abhängen . Aber
ebenso,,•c nig ,v-ic clic Einflüsse der m,,·clL können clic der \ ior,\·elt, die
Bede\1tu11g habc11, d uß d11rcla sie tler E inzelL1e a ufl1ört, et,va Be-
sonderes, Eiru11aljges und Individuelles zu sein ttn·d als Jndividt1um
f(ir don l-lisLoriker in Betrarht zu ko1nn,cn. Die Gescllich•te ,vird
vie ln1eh r jmmcr ,,·ie die Um,vclt so au cb die Vor,Yclt al i 11 d i-
,1.i cl u c 11 e Ursachen an ehen :n1ü:;ser1, deren i11<liviJL1el)e \Virkungen
zu erforscl)e11 un<l in 11isLorische11 Beg.rirr e11 d ar1.usLellen sind . er- ,r
kennen kann dies '"'ieclerun1 nur d·er, ,,•elcher die konkrete Gatlung,
deren T eil j ede r Ein.zein e ist, n1it dern allgelr1eir1en Gatlu11g_begrift
ve r,,·ccl1selt. und diesc11 Gattung:,begriff rtann als ,.,Vol ~\:-: eele'' oder
,~Zeitgeist " zu ci11.er gänz!icl1 problcr11atiscJ1er1 Ilealitilt J1)·postasiert.
Dann '\\'ird er freilich die ,,Allgen1eine'' zur ,vahrcn Ursache de Ge-
schel1c11s n1acl1en ,vollcJl und behaupten, dnß der G.nng der Gcscl1ichte
nur scl1cinbar v on inclividu cllcn Ereignis~cn hl'ci nflu Ot \\."erde. ln
\\' a hrheiL jcdocl\ ist ein olcl,c r allgcr11ciner Begriff, ,veru1 lr als Er-
kläru11gr..grund auftritt, 11i,c hts als e n asylurn igr1orar1t.iae. D<~r ce hte
Hi toriker ,vird da aucl1, gerade ,,·enn er es 11tit allgc111ei11en j\'Ja~:-cn-
bc"'·eg11ngcn zu tun hat, emprinclen. ·o sagt z. B. 1'reitsc:hkc 1 aus-
drücklich: ,,Ein ~I an g e l läßt icl, bei a.llrn1 Flrißc nicJ,1t garlz be-
seitigen . Das J.cbcn der .b rcilen l\-tn~scn de::- ' 'o lk cs bleibt in cir.1en1
Zeitalter rcflekti(lrl,cr Bil<Jung in11n cr gel1eimr1isvoll, ur1.d \vie viel der
Historiker auch ,1n ,virtsc llaftli c he11, politi chen, rcligiö„en Erklä-
rung:--grün ti cn "·orbri11gt-!n 111ag 1 zulct1.L kann er doc ll n ur cinfacl1 die
1'atsache fcstR.tcllen , daß die t i m rn u n g d c r Z c i t reif \\'urde
für eir1c R evo lt1l,ion " . \.\'ic 1' reit schlie aber rnui) jeder , det sich von
n1ctaphysiscI1cr1 Bcgriff:1l1)'p ostnsen frei hält, i11m1e1· ir1 in d iv itlu,illcn
E1·cig,1i~~cr1 die Ursache11 des gc~c hi,·lillicl1t"n '\\'crcJP11 s und die Ob-
j ek te de r historisrhcn D arFtcllu11g erblicken unrl: ,,·i~. cn , d aiß allge-
meine \ \1f'r1du.ngrn ,,·ie .. 'tin1n,ung der Ze it." nur a,1r l\lil11gcl und
l,..ück:Pn. im l1istori:-chen 1\1o.tcrial hin,vci:<c:n, also 11ic h ts erkliiren
l<.önn<:rl. l(urz. es s ir1(i a,1 h hier ~-ir.-<ltr tera<lc clie ,.}lc1tler11<'n" 111,d
die a11gr•lJli ch<'11 ß1n11iristc11 1 cJie rni L eir1er t111halt.l)arcn Gesrhic-hts-
r11f•ta1>hysilc nrbei Le11 untl ,,·ie die 1nil Lcl:tl lerJ icl,cn Ri.~a.l i!!-l cn aus
bcgrifrl ich<'n 1\ ll~t.rnk l.ioncn l1 i~to ris(' hc \\"i rl{lich kei Lc11 be1'\·or<r ~ l1cn
J1eu.t~.chc G<>::cllich lc irn ncun~chnlcn J nhrhnurlcrl, 1894, Bd. V, S. 11 1.
1

Der ~f}Prrd r uck lsl , ·on nair nngrg,e ben .

D191, h,ado por Google


- 383 -
lnssen ,volle11. \,\1ir suchen dagegen , rorl einc111 ini guten . inne ,1ern-
pirist iscl1en" Standpunkt a us die 1\lethode der Gescbichts,vissen-
schaftcn zu verstel1en .
Scl1ließlich teilt uns der Begriff der indivi(lu-e llen oder histo-
rischen. KausaLität, d . l1. die cinmal1gc und individu.elle Wirklicl1keit
unter clem Gesicl1t pu11kt , daß sie eir1 kau~al b estirr1mlcr \ 1erla11f ist,
docl1 noct1 v or ein ch\vierigo Prohlcrn, d as ebc11fall.s n1it a'llcr Schürfe
hervo rgehoben ,verden muß. \,:ie ge,vinnt d er H i toriker ein e a llge-
tt1eir1 v crstä1ldlichc 11ncl übertragbare E i 11 s i c 11 t in de1l indivi-
duellen Zusan11nenJ1ang einer bestirru11tcl1 hist.oriscllen U rsachc mit
einem bestirnmLen h.J stori eh n Effekt? E s i t klar daß er hier, ebe1iso
\vje bei (ler B,ildt1ng \-,istori ~cher Begrifre iiberl1a11pt, ,, ierler einen
0

Um,veg rr1achert muß, der nun. docl1 durcl1 al l g e m c in e B egriffe


l1indurchgeh t., de11n ei11e volle ir1d ividttelle Kau salver){11üpfung ist
,,·ie jede vol le '''irklichkeit niernols in ihrer unübersehbaren ~Ja11ni0'-
faltigkeit ,,,issenscha(Llic l1 d a rzuslcllen. JA 1tocl1 m cllr: die Gc!<chichtc
bra t1cht l1icr nich t 11u1· überhaupt. a llgem ei11e Begriffe, so11derr1 es
111ü 'ser1 . ogar al lgemeine Begrifre , 1 011 l<~•usalverhältnissen oder
N a l u r g e s et z e sein, die sie a ls )l itlel clcr Darstellu ng , •envend ct,
11rld damit scheint d er Jogisclte Gegensatz von Ge chichte uncl NaLur-
,vi ~scn scl1aft docl1 ,v.ieder in Frage gei-;lellt. Doch, es schei r1t. nur ~o,
u11d u1n die llier enlstehcn de 'f öuschu11g zu d111·chscl1aue11, brauchen
wir sogar n\1r an das bereit~ frül1 cl' über die allgc1t1cinen Elcn1ent e
jedes l1istoriscbc1t ß egriff es Geoagte zu erinnern t1nd das dort. Dar-
g,eiegte eL,vas ,veiter :ruszuführ ,n . E i11 individ\1cllcr l{nu:;.a lzusarn111en-
hnng i. t i11 der Gesc hichte nicht so darzustellen , daß Ursache und
Wjrkt111.g in ihrer T o t n l i t ä t ej11e111 a llge1neinen Kousalgesclz
untergeo rdnet ,ve.rcler1, dcnr1 dndurc la n1üOtc11 sie in der T at ihre 111-
divi<luali Uit verlicre11 u11d aufl1örcn, hisloriscl1e \ ' orgtinge iu ei111
sondern e~ ind die hi~tori~cl1cn Objekte, 11acl1 deren historischer
Ursacl1e gefragt ,,·ird, ~,o zu analysieren, cloO ihre durcl1 di e Ele1l1entc
ihrer histo rischen B-c griffc d arges lcllLcn Be„ ta11dtei le gPso11(lcrt hcr-
v ortrcl.et1, und es i t t.l a nn fü.r jeden cit1zclnen J3esta,1\dt eil die Ursache
zu sttclien. Die lct1.l en Elernenlc eir,cs J.ii-t orisc hc11 B egriffes sind
n ot,,·cnd ig :lllgcn1cinr tJnd dc5llalb jst es 1nöglic~t, jede drr ihr1c11 unLcr-
geordnctcn \\1irl{lic11l<.eite11 für sicl1 aJ · Efrel(l einer rsaclte zu b e-
gr-ei rc,tr die e)Jc1tfnl ls Uilter einc1, allg~rneit1f'n B('griff gebr:1cl1t j5t,.
Sind au f dic:;e \\ici~c rnr die einzclnc1, Br.,l,.andteile des historiscl1cn
Effektes ,lic l ~r·~achc11 aur •czC'igt> so sclilicßt!r1 sich (li,c gef11ntlcnon

ürg,t~hzado por Goog e


- 384 -
Begriffe, die, ,vcon jeder für sicl1 betracl1tet \Vird 1 lauter all-
gemeine Begriffe von Uriiachen sind , als Elemente in ihrer Ge.-
arnLhcit \Vicder zu cinein hisLorischcn Begriff zusammen, und in
diesem b esitze n ,vir danri den Begriff der hi torischeu Ursache als
Ganzes. Selbst.verständlich braucht, ,vcr111 nach der Ursacl1c eines
t,i tori cl1en Objektes gefragt ,vird, das \vir al s e i Jl DiJ1g auffassen,
ltnter den his torischen Begriff seiner Urso.cl1e nicllt ebenfalls wieder
e i n Ding zu rallen, sondern e-s kann der Begriff der historisch.cn
Ursache a,1 Elcn1c11Lcn bestellen: die Begriffe dcrvcrsctliedcn.s tcn Dinge
und Vorgänge . ind . So \Vird der Begriff oft, Elemente "'on verschiedenen
1'ei le11 oder Glieucrn des Ga11zen enthalte11, zu dem de1· historische
Effekt selbst als rl'cil oder Glied gc1,örtt und diese lassen sicl1 dann
nicht wieder zu dem Begriff ein es inclivid ucllen Dinges "Terbinden.
Aber es genügt ja, damit unsere Prinzipien sich durchführen lassen,
auch, \ven11 nur auf jeden Fall der so entstehende Begriff i1l der rr o-
t alität seiner EI emcntc überhaupt eir1 i11dividuellcr ldsl.ori~ctlcr Be-
griff ist , und daß dies so sein 1.nuß, ist nich t scl1,ver zu zcigei1.
Selb. tvcrs tändlich k.ö nnen ,vir, urri die logische Struktur der
historischen Ursach ertdarst ellung zu v erstel1e11, uns nur an ein ganz
allgc1neinc Sc b e m a hal ten , das in keir1er \\1eise d.cn äußerst ver-
,vickelter1 Unte,·suchunge-n über hi . tori!-ichc l( au ~a lzttsamrr1e11 hl:inge
gerecht ,,·ird . Denn ,,•oltt en ,vir and cr verfat1ren 1 so 1Y1 üßte1.1 ,vi r
einen bestimmten F all nac}\ allen seinen E inzelh,e it en ana.1)' ieren 1
und das wi.ircJc ai10erordC11tlicl1 ,,1eit fü hre·n . Docl1 ge11ügt ein Schema
in d.icscnl Zusa1ru11c11ha11ge at1 cl1 volllton1rnen 1 um das Prjn:zip aufzu-
zeigcn t auf d as es ankomr11L. ! el1111.en " ·ir also an, cler Histo riker
uchc zu zeige11, \VOdt1 rcl1 ein individlielles hi. to1·i. chcs Objekt ,v ver-
ursacht i t, und dieses \V ft,llc u11l-Or llc11 irldivicluellen Begl'ifr St
clcssen letzte Elc111onte a, b, c, d, e, ind . Er ,,·ird dann ni cl1t ohne
w eiteres ei n anclcr~s hist orisches Objekt U find en können, del'sen
bistoris.clier Begriff ~ in eine1n al ~ not,vcndig darstellbaren Zusa111men-
l)ange mit uetn hi t.oriscJ1en Begi-ifCS stclr~, abor er \vi rd darauf aus-
gehen , E reignisse festzustellen, die unter allgen1einc Begriffe von
Ursachen f(ir n, b, c, d, e fa llen, tind ,ven11 nur1 die so gefu11denen
allge1nei11e n B egriffe oc, ß, y, 8, e n1 iL (le11 Ele111cntcn des hi st ori cl1en
Begriffes S o zusamrr1cr1hlinge11 1 d:10 ci11 u11ler den Beg riff« fallendes
Objekt stets die Ur5nche c ir1cs u11tcr den Begriff a fallenden Objelit s ist.
ci.n unLcr ß fttl lcnclcs tlie Ursache \.'On b tts,v., so knnn der 1-lisliorilcer
dio ullgcmei11er1 Begriffe ((, ß, y, ö, e nls Begriff:iclc111cnte zu do111 gc-

D1911 11,ado por Goc,gle


- 385 -
suct1ten l1i Loriscl1en Bcgrirr J; zusammenstellen tind n:\gcn, daß er
die ,vesentlichen Bestandteile der ltlstoriscl1en r~acl,e von \1/ ent-
halte. Dann aber muß, ,vc.nn der aus a, b , •C, d , e be~Lel1 cnd e Begriff S
ein absolut hisLoriscl1er Begriff ist, auch der a\1s «., ß, r ,. 8, € bcstcl1cnde
Begriff ein absolu t hist.oriscl1cr ß egrifI sein, -dein nur eine cir1zige
historiscl1e \Virklicl1keit U t111tergeord net ,verder1 l<.ann, denn ,venn
es· me'hrere Objekte U n1it den \ Jerkn1alen " , ß,. "(, 8,. e gäbe, so müßten
sie, da für clie I{at1salvcrhältnissQ cler Bcgrirfscle11le11te cler Satz der
Ursacl1011äquivalenz gilt, auc.;}1 1nehrcrc Objekte \V mit den ?ilcrk111alen
a, b, c, d, e hervor.gebracht. l1abon1 ,v.as der Vora11ssetzung ,,r.ider-
spricht. Nttr dann k anrt der Begriff i c i11e 11 allgemei11en Inhalt haben,
wenn er unvollständig isl., d. 1, . nicht. alle Elemcnlc enthält, die Ur-
sachc1'\ Iür clic Elemente ,,on S sind ltnd das ,vjrd auch t1öufig der
F all sein, aber der Begriff gehurt dann zu rler Art cler historiscl,cn
Beg1·ifre, die ,,·egen ties logioc h zufälligen l\-l0Lcri alrna11gcls nicht als
11egntivc Inslanzcn gegen un. cre Tl1eorie gel)ra11cht ,verde1t dürfen.
Ist .t dagcge1t eir1 voll ländigcr Begriff, d . h. cnU)ti lt er a lle Ursachen~
begriffe, nach de11c11 für die ,vc e11t.liche11 Elerr1(.'t) te des hist ori chcn
Erfelttbegrirfe gcsucllt \'\'llrde, so müsse11 . ei11e Ele:mente jn ihrer
T o t.alitä t n o t,\'Cndig cin-c n l{on1plex bilden , d er n 11r a.11f eine einn1alige
hist orische Situatior1 tJaßt, und t!-.<; il,t cJann der historische l(au. al-
zusan1n1 en l1ang z,viscl1e11 dc11 i1idiviclt1ellc1\ Objcktc1t vV und U mit
T-Iilfe der a llge1ncinC'n Begriff~elerr,cnte der ir,d ividuellen Begriffe
S urid ~ i11 Hllgcn,cin v erstiln ll licht?r '\'eise als no t,\'l'ncJig d ,1rgcstellt.,
d. h. ,vir begreifen; ,vnt·t1-rn ci1t einn1aliger incliviut1eller h,isto,isc-her
Effcl<t aus cin P-r Pi nrnaligc,1 in<livi.clueJl.,.,1 hi~t ori:-:cl\PO l !ri-Hche her-
vorgehen 1n ußte.
Frei lich '\,·eist ur1s d.er Un1 t an<l , d aß die Da rslellung h isto rischer
Kausalzusan1n1en}lä1ige nt1r n1it tJilfi: v on B<'grifft·11 n1öglich ist,
die allgemeine I,aui-.nU ,r.griffe od · r Naturgesetze al EI men te cn,l-
ha ltcn, vo·n Ncu<·rn dara11f hin, dAO tlie Ge. ci1ir l1 t. ,,·i~~cnsch:\rt. es
nicht n11r 11tit allger11einen \.Vcrten u11d allg 1ncinen K oll~litivj11di, iducn 1

sonder1l. attcl1 111i t ul lgt:tn ei11en Bl'grifrcn , die rt:u·h 11a l11r,,1is:,;:c11sch a(t--
licltcr )l eth odc gPhil(lct ~irld 1 zu t un l1at1 und daraus ergeben sich
Bez i e h u n ge n z.,,1 iscl1crl <l Pr hi. toriscl1e11 \Jncl der nrilun,·is~cn-
cha fi'licl1t' n Brgrirr:;b il,l11ng. z,,·nr brn\1chert die allgc1neit1e1, Be-
gri rre, 111it (lr r<•n l Jilre ,vir einsehen , "'·ic ein i11(livic:l ueUrs E rrigois dus
nndflre bc,,•irlit, 11icht ,,:i . cn sc haftli c he Bcgriffe zu sein, de1l11
\.vir ,Yissc11 alle, da ß z. B. in Dolehsloß die Ur::,:a{·lie drs 'l 'odes ei11.e-s

ürg,t~hzado por Goog e


386

\ len ·cl1r:n 5Pin kann , tind ,vir begrt:i re11 daher sr,fo rl 1 "·arutn Cäsar
tarb, ..il • Brntu ur1d eine Geräht·lert 11.u t Dolcl1en au{ i h11 eir1drange11,
l
\1 hnc u11 ~ i ui Gerj11g:i;te11 u111 den ,vis. e11schaftlichcn phys iologischen '

BPgrif f des 'l'orle:; rlt1rcli „ tir h,va ff cr1 zu küm1r1crn . J a 1 1neist ,ve rden
i11 Da1'ßtcllu1tgc11 rl cr histori~cltcr1 l(a'Usalzu a111111c.r1ltängc allgc111cin e

-
• ätze bcnul1.l, dit! v or aller Nalur,,·i~se11schnfl in der „Erfaltrung
<.ics J.eb<>n •• erttsta11doT1 sii1d u11d ct,va·, f1ber den urstich licl1en Zt1- •

sa111menltang n11ssngcn . Doch ist, die ~löi,;tiehk<'it rucht au sg<'sc hlo~sen,


ll.aß vo11 d ie c11 vor,vissetl. cl1aftl icllcn allge111eit1e11 J{enr1t rli-sel1 übe r 1
un:-äclilj chc Verkniipfung zu B cgriffe11 forl.gc>-iichritLcn ,,,ird , die eJ"st 1
d ttrctt e ine r1atur,visse11 cha(Llichc generalisicr •n dc Darstellung der t
1
Kausalvctl1ält.r1i3. e gebildet s i1ld, u11cl da1 rn kö1111en so viele Bezie-
1
h ung {•n z,,,i:;chen 11ulur,vis:'-~n. ch,1ftlichcr u nd historiscl,er B"'griffs-
bildu11g l'11tstchc11 1 (la.ß 111an vielle ic ht, !\1l ühe hat, in clen hist orischen
Dar ·lcllu1lgc11 die d,urchei11a11d er· ge111ii:;ch t c.n Be:, Lar1dtci le v on logii-:ch
\rerschied<'ncr Struktur nh~rnll zu tret111.c,1. Ein :-olcl1cs lr1ei11u.r1der
von allgc1rtei11e11 u11(l irtdivid 11ellc·1t Begriffen zeigt 111ehr oder ,ven iger
jede historiscl1e Darst ellu11g, u11c:l \\/Ir sin<I ,,·t-Jit, davon c11t.ferrlt, der-
j

arLigo ,Bezichunge11 z,,·i~che11 de11 v ersc l1ictlC't1e11 ,,; ·_e1tschaftlichcn '•

'f c r1dc11z••r1 zu leug-ner1 . A11 clcnl logi~chen Gcgensutz von Nu Lt11·,v i i.~e11• 1
~chaft urtd Ge:,;chi.cht,e U{ICr generalisierender und j11divid11alis icrender
)) n r ~ t. c 11 u tl g abr r ,vi ril, ,\·,~1111 clic l-et.zter1 wi ·.sc1tsc h:-iftJiel\e1l Zi~le
in B •truchL kon1ntc111 auch <laclurch 1\icl1ts geün(lert. Denn es bleibt
dabei, Jaß <lie allac1nci1lt~r1 Dcgri frc in r]c!n gcn<'ralisiercndcn \\'' iss~11-
schafte11 <lu · Ziel si11d. ,,·011ac h 1tla1t strebt,, duO sie in eir1cr indi,,j- 1
'
1
d ,1ali~ier.-11tlun \~' i. s "'11sr httrL cl ngcgt:'Jt nttr als ~1 i t t e l lJCllLtlzt ,,·erden , l•
u1r1 t l c 1t cir11ua li gc11 urttl i11clivid\1elle11 l( a ,1:-a lvcrl.i11f rlarzu ~tcllcr1. 1

~lan l<,Jr1n s ic:11 clics an r-i1lc r l) ar;;tcllu11g k.l.ir n,ache11 1 in der


viel v on nnt.t1ral,virt.:-1chaftlir..h(~tt uncl g,!lrt,,,ir~ chaftlir.hcn Zcitaltcrr1
die l {cdi· h,;L. Dies~ B egriffe t.:111ch<~n fast übcrs1ll a11f, ,,·o das \ fcr-
f nltr•f't1 cl er Ge~ hirht.e :-i.I„ It~l tu·,,•i::,;sertschaflliC"h zu cn ,'<"isc11 Vt'rsuch t
,,·irrl . 'o so ll tta · h f... a11111r cc ht oin 11leLhodolt)gi:;cher 11ter-scl1ied
beF,tche11 Z\\'i:.;1·he1t ful•'f' rtdc n Sä t,zcn. vun ,IPt11•n d er z,vcitc.· ein. B ci-
:.- piel fiir tli ,,11c>l1(' ),lct..hc>d<>" ist: .,7j 0 ,va1· uni F ult..la (' i110 Ht11,gcrs-
r10L, 50 daß ::;ogar Leu t ~ uu~,vn1tdcrLr:n", 11n(l : u 7i;,0 ,,·ar 11r,1 J?11lda
ci 11e l It111gc r :;1l<.> l 1 <lic c 11l sprcche11d rl. 1111 Zci lal l1) 1· r ein 11t-ttu ral,virt-
:;r, I1.1f tl ich(' n. Cha r~tk tcr trug bi8 7.ll d 1•111 Grade, rJaß selbst l „cu to aus-
,,·an(lcrt<!r1". E s i;;t ni <"ht zu bcz,vcif •IJ1 1 dnfl ller allg •rnein' JJC""riff
iler i\'nltt1·.tl,\·irL:-chi'.l f'L 11rLs hier (len kn,n,nl ,•1l Zu:-nn1n,c1thn.1)g ,,p1·-

ürg,t~hzado por Goog e


- 387

ständlicl1er machen kann, aber es ist ebenso sicher, daß die Geschichts-
,vissortschalt. zu a l len Zeiten allgen1eine Begrific zu diese1n Zwecke
verwendet l1at., und daß fer11er dies Verfahren nict1t et,,·a generali-
ierend oder naturwissenscl1aftlic1'1 ist s:onder11 nur dazu dient, indi-
viduelle ttistoriscllc Ereignisse miteiJ1a nder zu verknuprcn. 'froit.schke,
der docl\ 11ach der 1 ,al te11 ~1et.11ode' 1 arbeitet, spriclit z. B . von Steins
Städteord11ung als der11. Ausga11gspu111tt für die det1tsche Selbstver-
,,.,·a ltung und agt, daß durch sie der lebcrldige Gerneinsinn in1 deutsclie.n
Bürgert.u11t ,vieder erweckt. sei . Attch l1ier ist u11s der Kausalzusammen-
hang v on Sclbstve1"\valtung und Gen1ejnsinn. sofort verständlich.
Aber die Sätze: Sclbstver\valtting erweckt. Gerr1ei11Bi11n, u11d: Natural-
,virtscl1aft treibt bei lf ungcrsnöl.en itenschen b is zur Auswanderu1ig,
si.nd doch nicht et\va .,histori.. cl1e Gesetze'', so daß ihro Aufst ellung
da Z i e l eine r t1istoriscl1en Unt.ers u chung bildet, sonde1·11 sie sind
lediglicl1 ~f ittel zu1· Darstellung individueller historischer Kausal-
2t1san,rnenhll11ge u1id sage·n uns über den ,individt1cllen t1jstorischen
Ve rlauf jener besonderen Fuldaer l{u11gcrsnot und über die besondere
Er,v~ckung des tleut:.sche11 Ge n1einsinnes durc h Steins Reforn1en
noch garr1ichts. Ge1·ade dieselt aber ,,,ilJ die Geschic hte kennen , u nd
so ve rstel1en ,,1ir, daß eine noch i>O ausgcdctrnt.e B enut.zu11g natur-
,v,ssenscl1a(tl icl1el· l{au ·algcsetze ,d urch den Historiker nicht das
G·e rirtgs l e art de111 \Vescn der historiscl,en Bc.g rif(sbildu11g ändern
kan11, d . 11. nicht imst ande ist , aus einer individualisiercr1den Oar-
sLell11ng eine gen eralisiore11de zu rnachen. Da die KausalgeseLze i111 r11ei
r1ur 2\liLLe1 si11d 1 uni deu kau~ale11 Zusa.n11nenhan·g individueJler hi to-
r iscl1c1· 1':reib'1lissc ein1.usehc1.1 , s.o unterscheiden sie sic1t i11t Prinzip
nicl1t v o11 de11 andPrcn bisher bct.racht.eten natul'\\'i ·senscharvlichen
Begriffc11 in der Gescl1icl'1 te 1 die nicr11a ls nl tlm 1hrer selbst, '"ill..-.11
erstrebte , v otJ ~tti ndigc hi:-toriscl1c Begriffe iju(tre t e1\ so11(lcrn nur
El e n, e n t o vur:a. hislo1·ischen Begriffen sind, 111it deren Hilfe die
Dnrs lcllu.ng ,vicdcr zu,11 lndivid t1<~llen 1.111•ü,ckkel1rl.. vVir n1ils cn
st c.ts i,11 Attge bel1ultei1, d aß cler Ur1terscl1icd cler i1ldiviciuali icr cndon
his l uriscl1e n von dor generalisierende n 11atur,\.'is c11schaflli cl1en i\J c-
tl1ocle sich n ur a u f <lie Ziele tind 11icht aur di e ~fittet eine r,,; se11Schaft,.
licl1en Darstellu ng lJezicht.

\ fiel el1cr kö1,nl,e 1nnn sagen 1 daß ,vir d cr1 allgc111cinc·n K a11salhc-
grifrc11 ci11e zu große Il P-d c ul;ung Iilr die Ge~c hichLs,vi se11sch.afL bei-
gelegt ha}1 ' rt, u11J ir1 der Tat i„t, eine cinsclirünkcnde Bcm erl{ung
11o l.\\'c t1 ◄ lig. A11 kei11cr „ L1~lle cliescs Vers uches, tlje logisc he1t Grund-
1

0191 lt ado por Goog e


I

.
- 388 - • '

lagen der Geschichts\Vl$~enscl1.aft Jccnnen z,1 lernen , müs cn wir m1t


so großem NacJ1druck darftu f l1inweiscn ,vie hier, daß es sich ledig-
lict1 um die K o1istrukt.ion ein ~s logiscl1c-n I d e a 1 s 110.ndelt, l1inler
dem die Gescl1ic}1.t s\\•i se11scl1aft nicl1t nur bisher ,veit zuriickgeb liehen
ist sondern ftir alJe Zeiten ,,·eit zurückll leiben mtiß, d . h. d ie Begriffe
l1istorisclier Ursachen ,vcrden na l1czu immer u11volls tii11dige l1istow
rische Begr,iffc sein und. ich desl1alh unserm Scl1crna nicl1t. re tlos
einfügen. Denn 1nehr als sonst m uß der rnit dem W e er, der Gesc hicl1 ts-
,vissenscli a ft verknüpfte ir aterinlmongel s ich bei der noch abso'lu t
hi torisel1en 13egrif(en strebenden gcsctiichtli chen rsachcnfor chung
geltend 1r1achon. 1-Iandelt es sicl, nur u1r1 die Fc,slstell11ng von histo-
riscl1 ,vescnllicl1ert 'f atsach.c11, so ka.r1n 1,1au ,vcniE,rstens in rr1ancl1e11
F ä llen ho ffen , daß " 'egen d er B e d e u tun g, die diese T atsacl1en
f ü r A l l e haben , at1ch clie K u.n,de v on ihnf'n n icl1t ganz verloren
gegangen !-ein \.vird. Kornn1cn dagegen die rst\c:hcn der hist ori'-ch
, ,1<.-scntlicl1en Objekte in Betracht, so .b e.st.el1t kein Grur1d, der clie Er-

haltu ng der Quellen in gc-öOcrcm ~laßc begüns tigt. als d ie Erhaltung


der Quellen für <li e J( c11ntr1is irgend ,velcl\e.r beliebige n \\''irklicltlccit .
Di •ser U1nsta11d erklärt. es auch , ,varu rn viele Hist-Orilier clas Forscl1e11
nach d e11 Ursacllen über haupt glauben ablehn en zu m ü„ en . Sie
fii hlcn ganz ri cl1tigt d.1iß sie in den meisten F äl len v or eine tatsäch-
lich unlösbare Aufgab e ge teilt sind , sie di.1 rchschauer1 die \\fcrt-
losiglteit. der v agc11 Allge11101nbegriffe, die von den \ fertrcterr1 der
,,neuen ~[ethode'' an die Stelle hi. torischer Begriffe vo.n · rsachen ,
die ttnbek annt sir1d, gesetzt ,verden, und sie haben d nher fü.r die
P r a xi s auch du rct,nus Recl1t 1 \vcn11 sie es a ls cir,cn in den n1eisten
Fällen l1offnt1rt~~loscn ' ' ersuch bezeichnen , {lic rsacllcn für m.ancl,e
historischen InJiv id tten fc"SLzt1sLeller1. Die L o g i k d e-r Geschjchtc
dagegen 1nuß trotzdertt \ Vcrt darau f ltrrc111 daß dio hist ori:-:f'hc Ur-
sachenforscl1ung ir11 allg(.'111t~jnc11 berech tigt 1 ja not.,vcr11Jig ist t111d r1ur
an der UnvolL. tilndigk,c it des ~latcrials scheitert. d<>rm ic kan11 dann
urn so .sicherer z<,i ig~11 , <I aß, at1<:h f:1lls ci11n1al ol lsl!ind,igllcit des \:[ a~
teria l d ie dcalci)ar bcfl-w Ei11~ich L in den l1islorjschen l~au s.alcn Zti-
!;ammcrthan" grst atlc11 sollLe, die GC'seli ic hLe 1,icht et,va 1tnlu1·,,·i~scn-
schaftlicll O(lcr g-(•ncrnliRiPrc11d ~·r1•fiil1rt son,ler11 ebenso ,\·ie iiberHII
die D arstclh1 ng cin rn::i,lig,,r ind ivich1cllcr \\'irJ'-lifhkeiten z11ri-1 Ziel hat,
ali,O nur incliviclltalisi<·rcn d urf. Dnnn erst isl die durcl1 cJc·n l fin,\'Pis
auf uc11 kau alc t1 Zusan111tcnhi:u1g Jer l1islorj:-cht•l\ E t·eigtlisse ge-
stützte J';'orflc-rttng ci1, et· 11 1tCll<-11 " l1islo1·ischer1 ~1.ct horl<', di•e niclit

ü1g1taltzado por Goog e


- 389 -
individuali ier-t sondern generalisiert, in ihre.r gnnzPn H altlosigkeit

env1esen.

\t .
D i e g c c h i c h t 1 i c h e E n t ,v i c k 1. u n g.
Der Begriff des historisch en Zu anunenhanges und besonders
der kausalc11 hist.oriscl,en VeJ'knüpft1ng treibt uns jedocll noch in
einer anderen Ricl1tung Ober den zuerst aufgest ellt en engeren Begriff
des historischen lndi'viduurrts l1inaus . Die im lnlot essc einer allmäh-
licl1en Begriffsbe timmtang an! nngs gen1uc}1t..e Fiktion nät1llicl1 1 als
sei ein historisches Objekt eine v ereinzelte, in sich abgesc hlossene
Gcstalt,1ng, haben ,•.ir noch i1r11r1er 11icllt gan-i; vorlassen, tind in!olge-
desse:n tritt, der Unlerscltiecl de gcschicl"1llichcn Vetfal1re11S zu dem
stets isolierend en Verfahren {ler Natui"'vissens.chaftc11 noch ruclit
d eutlich genug z11trigc. z,var '"·issen \\'ir , daß jede. einzelne l ndivi~
duu11,1 ciueril u,nfa aen<leren lt1tlividuum ei1lz11ordnc11 ist, und daß
die Gesc hichte nach seinen inuividt1ellen Urs achen ucl1en n1uß.
Aber auch hjomacl1 or;:;chcint d as }1is torisc l1c In,Jividt1un1 noch als
oin Produkt dieser U1·si1chen, das nun, nachdcn:1 es ejrunal hcrvorge-
hl'acllt ist , g~,vjssennaßen ruht, ,1ncl dies ist ,vicder eine u.nltisl orische
AbstrukLion . Es sind nie1,1als fertige Di1:1gc sor1d er11 immer in Bewcgur1g
bef.in·dliche Vorgä nge, die die Gescl1icl1te darstellt. Schon a.ls ,,·ir
11acl1 dern dcnkb;1r allgcxr1ci1t ·ten B egriff <ler Geschi chte suchten,
kor1r1ten ,vir zeigt!n, ,,,e ltalb die \,\ii ·senschnft von1 Einn\aligen u11cl
Individuellen es stets 1riit zeitlich ablaufen.den \\'erdcgi\ngcn odet
Veränden1ngsreihen zu t.un l1at 1 . Die dart-1als hrgon11ene11 Uebcr•
legungcn sind jetzt ,veiler zu ful1rer1 . Nur in fct Ljgcr1 oder ruhct1dcn
Objekton ·cheincn ich nacl.l d er angcgebe11en ~fcthode die ,vesent-
liche11 von d en tl n,vesen tlichen B estandteilen i11 der i1\tcns ivcn l\ln11nig-
fa ltiglceit sclicid~n und zu ei11e1l1 i11clividuellc•n llegriff zusan1111cn-
stelle11 zu lass.eo. \1/ird ar1 ihre teile ein kausul b~s t.in1mler zeitlicher
\ 1erlo.t1f gesetzt., so ent-st.ehe1\ 11eue Sr;h,vierigkeiten . IJ •r Hi~toriker

111uß aucl1 \\r e r d e g ä n g c oder V e r ä n d e r u r1 g :; r c i b e n


erstens al-; not.,vcn,lig Einheiler1 auffn~scn könr1c11 1 so <laß d.ie E lern cnte
ihrer B eg riffe ,vegen d e.r \VerLbeziellun g z.usar11n1e11gehören, und sie
Z\Vcitens nicll t nur n ach A110en hin ahi11sr, l1licßcn sondern au ch i1r1
Inne1'!1 in ej11e A1tzal1l von Stu[cu zu zerlegen i1ustar1<lc sein, d. }1 ..
er hat. eine ul)ersehbarc 11 ·ihe v on v erschicde·11P11 l:ldicn darit1stcllc11,
----
1 \ 'g l. oben S. 229 rr. und bcsondors S. 23 3 t.

D191, h,ado por Google


- 300 -
aus denen der hist.oriscl1e Ablauf sicl1 als de11 \Vesentlichen Gliedern
zusa1nmensot.zt. Auf diese '\ eise erst kornn1t Ge~chichte als v\1issen-
schaft v om cin.m aligen individ,1ellen G c s c l1 e h e n zt1stande, tind
,vir haben noch a,usdrücklicJ1 z11 zoigcn, ,velch.er logi cl1cr ~1i~tel es
hierzu bedarf.
D en J1i tori chen Abl auf d.er Ereigni. e oder die g"srhichtlichc
Verä11der,1ngsr it10 pflrgt man als oino E n t ,,. i c k l u n g zu be-
zeicl1nert 11nd es dementsprechend als Aufgabe der Geschicl,te zu
betrachten, dio Ent\,1icklung il1rer Obje'ltte dt\rzustelle11. Wir werden
sel,en, daß der Ent,,ricltlungsbegr-iff in d er Ta t ; ,venn er ri chtig ver-
star1tle11 ,vird, das logiscl,e Wesen der Ge~chi cht.s,vis!.en~chafl zun1
Ausd rucl< bringt, und daß b esonders in ihm au ch die L öi-ttng des
soehcn dargelegten Problem s zu finden isl.. Ja ,. es ltißt. sich z_e.igen,
daß es sich dabei 1111r um eine E t"\\'citerung des bereits ge,von n PJ1en
Prinzjpes der historischen B cgri.rrsbild ung, närr,li.clt der ll1eoretisc hen
\Vertbcziehu ng, handelt. Doch hi1bcn ,vir Grund, hier ,vicder ni cht
d en direkten und l(ürzesLcn \Vcg ci11zuscl1lagen. Der At1sdr-uck 1 ,Ent-
,vicl(lur1g'' gehört zu dc11 beJie'bLest.crt Schl:lS"vortcn 11nserer Zeit, ur1d
schon dicRer Umstand legt. den Verd'acht nuh-e, daß in sriner Bcdet1-
t.ung sich d.ie verschicd.~nst•.J n, ja cinandf'r a11sscl1Jj,,ßendcn Begriffe
ztt trüber Einheit v crrt1ischcn. Insbcson-d •re spielt er a1.1cl1 in (ler
Natur'\vi ~Ac11 ellaft tt nscrcr Tage eine große liolle, und es gi lt dal\e1-,
lltTl zu ,vi sen, ,vas, urit er h i s L o r j s c l1 e r E .n t ,.., j c k l u n g zu

verstehen ist , zuerst ,vicder die v e r s c h i e <J e n e n Erlt,,·i·ck111ngs-


begriffc gesond<-rt nn7.ltg<>bcn 1 11,n dar\n d en [ür uns allcir1 in Frage
kon1mcntlen sorgfä ltig vo11 der\ a1trl(~1,1 1liit dt~n1::1clbc11 a11,e 11 bc-
zeichnete11 Begri ffcr, a.Lzuheben. I n die!lenl Zt1-i;a11lmenhange ,vird
es at1ch 111ö.tTlich seil, , die ~chon friih cr kur1. bertil 1rl f'n logischen Re-
stin1mu11gen de.,;, Histori::.<:hon \'tilh,l:i nrlig -zu ,vür1ligcn, di das \\'er<lcn,
die Vorär1d er\1ng urid dio Aufcin ac1dcrfolgc i11 tlet1 Voreiergrund Lc]ltc111
u11cl die ,vir zu11üchst ablcht1c11 rr1ußten 1 •
Unter Rn,t,vicklur1 g ka11n Jll.ln tlns tJloße Ge~r l1,·l1en od<'r W e r-
d n int G(>g<'nsatz 1.t1m r11henclen od~r behnrrcnd"n Sein verstehen,
u11d \\' CJ1n ,,·it rrühcr a 11c l1 d en B(•grirf rlf's '\vTcrdf•n~ zur r e i 11 logi-
:-.chPn R~ Li11t1n1111g ,1,~ llis tori:tc:l1er1 nicl1L bC'1tuLzc,1 }conrtten in1 GPgen-
sa'~z zu r Nntlll'\Vi~se11sr.haft., die es ,nit <Jr~1r1 • ein Zll lt1n h:tbc, so '"·ar
doch a11dcrcri-i<>its schon dan1als klar, dnß die Gesch ichte, so,vcit sie
1 Dabei ko1nn1L b,~sondors das \>Vcrl'C von X 6 n o p o I in Bolra.cht. \ -'gl. oben
s. 23 1.

ürg,t~hzado por Goog e


- 391 -
e. knn11 , das Ge?:,chehen und \Verden 7.ll vPrfolgen hat, und daß inso-
fern clic Behaupt11ng, tiie Gc$cl1icl1te behancllc <.i& • \iVcrden, 11icht
fal~cl1 ist. Da · ist _<) einl euc:htend ur1d unbeslriLLe11, daß e einer
\vcitere11 Begrilndt1ng nicht 111ehr bedarf. Nur einern i\>l iOvcrstöndnis-
ist \rot·zubcugen . Stellen ,vir der Gescl,ich t.e clie Aufgobc, zu zcigc11,
,vic die Dinge g e ,v o r d e n s ind, so 111cinon ,,,ir d ies nicl1l ir1 dem
inne, in der11 tnan r1eute v ielfach diese F orderung ausspricht. i 1an
kann hören, daß die 1 ,ältere'' Gcschic hLe d,i e Dari-lellun{? des \Vcrdens
v ernachlässigt und erst (lic 11mode111e' 1 \ Vi s cnsel1aft sicl, au f diese
. ufgabe b e. onnen hab e. W enn rnan b('i d er ,,älteren" A,1ffa~sung
a n das b ekann te \\'ort von R anke 1 denkt, der von der Gescliic li te
verl angt.e, d aß sie zeigen solle, ,,\,ie e_ eigcnt.licl1 g e ,,, e s. e 11", so
b est eht ein solc her lJnterscll iacl z,vi:--chen z\\·ei Ricl1tungen n icht .
Au dc111 Zusnn1rr1:cnhang 1 in d c t11 das viel zit.icrte \\rort R ankes sich
finJct, ergibt sicl, viel 111cl1r, d:r ß v on ih1 u gar ui cht, das ei11 im Gegen-
satz zttm \\' ercic11 gc1ncint ist . Er agt: n~la1, llal der Historie J as
i\n tt , die Vcrgan~c11l1eit zu r i c h t. c 11 , die i lit,,,·elt z u r 11 N utz.<~n
zukü11fLiger .Jal,rP. z.u b eleh r c tt l b e jgt•ntl'S:-Pn: !-O l1öhcr A~rnlct
untcr\,rinde t s icl1 dct gegcn\vfl rlig' Ver:-t1ch 11ic ht : er ,,·jJl Lloß zeigen ,

,-vio es eigcr1tli~h go,vcson ." 7,11 der Frnge, die uns hier he rhnftigt,
l1at. Ru11ko in dc1)'l ar1g<'führlcn alz 11inht :t...Jlu11g nt•hrncr1 \\'Ollen.
Dns 1.eigL der \\' ortl nut t1nz,,·eideulig. "ttr dHs ,.\n1t 1 zu r icl1lc1, und
zu hclc hru111 le hnt er ab , und irn ührigt>11 ~ucht die er große 1I i t o-
rike.r \\' O er v o1\ dein ein 111al igcn Abla,1f der Ercigni:-:~t> crzii h It, S:<>lbst-
l

ver~tllndlich stets 1.u zeige11 , ...vie es ~ e \V or <J e n isl . l~t)f'.n~(, haben


al1cl1 urtde r'! Vertrcl.cr der ,,ä lterc1l 11 J1ichlu11g 11i ·ht nur ralili6ch i11
denl Sir1-ne Ent,vicJ\ lur1g::g 'Schi<:h t.c get l'iellc u, daß sie (Ins \\1ertl •t>
darstcllLctl . ,vo ·io es l{o1111te1t ~011<1<:rn einige V (ln ihnf'n , 7.. B . )'llcl,
D ro)·se11, W aili, Git•scbrc "hl, B er11l1ein1 2 , v. Beto,,· l ha.b~11 sogar
ausc:lrücklic:h ihre \\''is. cn scl1a fL, ebenso ~ ·ic (lic Verlrt•lt11 drr ,111cucn''
Ricl1Lur1°\ ei11e Darstellur1g d.er Ent,,·ir .klu11 g g<•na rtrtt. , \-\1i,• . ollle e::;
a1tch je.1nal-S Ge. c}1ichtc gegebe n li:ibcrt, die n icht i11 dt_.t,1 ~inne En t-
\\l•ieltlungsgescltic hte ,va r 1 d;1ß si{' Oll drr11 ~·irk li(·l1 f' t\ (1es1·li,·he11,
das irr1n1.er ei11 \'\' Cf(len ist , h:'.IJldf'lt.?
Es .i t n t 1r1 nbcr 11icht nttr un111öglirli 1 a uf dc11 E11L,,·icklu11-gsl)c•gl'irr
in diesem ,,·eil c-.ist...-•n • int,c irgend rinc „ ne ue'' C,e chir l)tS\\ issenscl1aft
1 S. \V. Bd . 3ß-34, S. VI (.
1 Lehrbuch d er hist orischen ~• lhocle. 5. u. 6. ;\ ufl. ·. 9 r.
3
Oi • n eue h L<1loris c ho l f ot hodo, 11 is tor. Zel t s · hri ft , Bd. 811 • 186 rr.

D1911 11,ado por Goc,gle


-
zu begründen, soridern es ergibt sicl1 aus ih1n allei11 überl1au1;,t 11ocb
nichts, ,vas Iür die 1ttcihodenle11r,e der Gcschicl1ts,\'i&senschafl be~
doutsan1 , värc. Das habcrt \Vir früh er schor1 angedeutet und müssc11
,vir jet:Lt nocl1 ausfül1rlicllcr zeige11. Da alle e1r1pjrisct1c Wirklich-
keit \.V erden u11d Geschehen ist, so fallen u1:1ter d iesen Begriff der
Ent,,•ic1clu11g die Obj ekte a l I c r empiriscl1cn , vissensc11aften. Die
Ansicl1t, daß die Natunvissenschaft es 1nit de111 Soi11, die Gescl1ichte
dagcge11 1nit de111 \Verde11 zu tu11 l1abe, konnten ,vir bereits früher
damit zurück,veisen, daß dieser Tr-onnt1ng ein l\tißverständnis der
sprachlichen Forrr1ulierung 11 zugrunde liegt 1 . \1/ir dürfen de11
Gegensalz von ~ei11 und \\1 er(ler1 rlicht an die · teile des GegensaLzes
von zejtlos gt1ltigen a1Jgenlei11e11 Bcgrjffe11 und zcitlicl1cm W erden
scliiob on . ob"'ld ,vir 11icht n1ehr Seir1 und Bcgri rf n1,iteinander ve:r- ••
wecl1seJ111 ,visse11 ,,1i r a11cl1, daß all es em pirische Sein \Y i r d . Nur die
Geltung des Begriffes i t de111 \\1e1·de11 enlzogo111 u11d aucl1 djo NaLur-
wissenscha(t abstrahiert nicht überall i11 der '\iVeisc v orn Werden ,

daß il1r dieser Begriff überha upt fremd ,vä rc. l rn Gegenteil . ger a.d e die
Gcsetze -begrif[e ,vollc11 fi\r ein Seiu gell.on 1 da \\lerden und Ge-
schehen i t, und der Begrii{ der Er1t,,vick.lung in sciI1er einfacl1st.en .
und denkbar un l.fassendsLen Bedeutu11g gehört dat1er glejcl1rr1äßig
der Natur,,·issei1schaft wie der Gc~chichte a 11 . Des\vcgen ka1111 er
nicht AusgangspunkL fil:r tit1e Logik. der Geschichte scin.
\ 1ielleich t ,vird rnan sic h aus diese111 Grunde aucl1 sträuben,
jedes beliebige vVerden. und Gescl,c'l1en schon ei11e „E11t.\\ icl<lung'' zu
1

n cnnenl u11d es ontstcl1t, ,venn 111an dies ttit, dann ein z w e i t er ,


engerer En~vicl<lungsbegriff. Die Stadie11 eir1cs \ Vcrt.legangcs diirfcn
nicht eine \\'icderholung oder einen I{reislauf hilde11, s011cJcm es muß
rnit d cnrt Nact1eina11dcr i hrer zeitlichen Abfolge zugle1cl1 eine V e r-
ä n de r u 11 g "~erbunden sci11 1 u11d die Geschichte l1ut, es jedenfalls
immer n1 it Enl\\'icltlung a l "i11er \ ' eränderungsrcihe Zll tun. Auch
dies~! Bcstinlr11u11g k.o,u1t 11 ,vir freilich, irn Gcgc11satz zu X 6nopol,
nicht zur rein logi:-ch t\ Bc$lin1n,u11g df's TTis tot·ischcn benut-'ten,
<'.lenn sie Lrifft 11ic}i t, rle rt grttl\clli•gcru.Jc11 logiscli c11 Gegensatz von
Natu r und Geschicl1Le so11dcr11 i- t seltu11t.lär, d. l1. l)ie f olgt er~t aus
dem Begriff der \\ 1 isst111schaft v or\ di~rn ein1nalig1;1n und individuellen
W irk li che11. 1\ !Jgcsc hc11 hierv on al)er ist, sie seih~tvC'rsUindlich nicht

lalsc.Lt. Die \\'irkli •l1k.ciL selb~L ist ja sLet rucltL 11ur \Vorde11 s011dern
auch Vcrilndcrung in d Jlt Sirtue, claß je1le tadiu1n ci11e \ \!'erde-
1 Vgl. oben. s. 11!33 r.

D191, h,ado por Google


- 393

ganges sich von dem vora11gegange11en unter ct1eidet und dal1er alle
Zllsamn1en eine Veräncleru11gsreihe bilden. l{reislauf und vVieder-
l1olun·g im strengen Sinne kommen eben o,venig ,vie vollkommenes
Bel1arren oder starres Sein in der ernpirischen \Virklich keit selbst
vor. Die Begriffe von il1nen entstehen erst durcl, Abs,t raktion von den
individ uellen Dil{eronzen der ,rerschieden cn \ Verdegängc 1 d . b. es ,vird
ei11e Reibe von Verä11deru11gen als gleict, eir1er anderen ange. ehe11,
,venn die Untersc\1iedc für die leitenden Gesicbtspunkte der Begriffs-
bildung keine Bedeutung l1abc.n. So sagt man 1.. B. z.,var, ,daß in
jedem J abJ'e auf der1 Winter der Frü hling folge, riach diesern der
S01nmer komme, nach dem Herbst es ,viedcr aJlfangc 1 \Vinter zu
,vcrdcn, und da ß dann ,,dieselbe'' R eihe von neue1n b •ginne und sicl1
irnrner wiederhole. Ein Kreislauf· aber liegt. hier allein rnit Rücksicht
auf die allge1neinen Begriffe der vier Jahrcszcjten v or, und der Ge-
da11ke _;ein er \Viedetl'lolung des \:VirkJicl1en entst eht nur dadt1rc h 1
d aß j,vir das den v er cl1iedenen1 gleichgena1111ten Jahreszeiten Ge-
mcinsarne iin Auge l1aben. Als individuelle \:Virkli ct1keit ha t noch
kein Ablauf des J ahre-s de111 andern gcgliche11 und \vird es atJ-c h pi,e-
mals tun . Ebenso i t die Umdrel1ttng der E rde urtt die Sonne kein
,virk)icher \1/icdcrl1olungsvorga11g 1 dcn.n nur die begrifflich abtrenn-
bar,en, für sich un,virklicl1e111 quantitativen Bestirr1mungcn der Ercig-
ni:ise bleiben l1ier gleicll, UJtcl selbst v o11 diesen läßt sic.h hez,,,eifeln,
ob sie absolut konstant sind. Ziel1en wir die vo)len Realit.äter, in
Betracht, so isL es iu jede111 J ahre eine n e u e Erde, die sich urn eine
n e u c Sonne dreht. Nur in den allge1tteincn Begriffc1l v on Erde urtd
Sor11le \verde11 diese indivicl t1ellert Unterscltiedc und Veränderungen
ignoriert. l{urz, es ist übc1·al l1 ,vas n1an auch unter den Begri ff einer
R-cihc von \>Vicderl1olungen bringen 1rtag, in \Virklichkcit eine R cil1e
von_Veränderungen, in der nicl1Ls sici1 \viederholt,. Der Gegensatz
von Wiederh-olung t1nd Veränderung löst s.icll vollsUio-d ig in d-cn
logische11 Gegensatz von AJlgemcinen-.. und Jndividt1cllcm a uf, der
uuserer Unterscheiclt1ng von Natur ur\d Gcschicl1le zugrunde liegt.
Nur insofern ist es richtig, d aß die Gcsc.:lljcl1Le stets · eränderungs-
reihcn d a.rz·ustcllcn hat, als ·ie die \>\i isse.nschaft. vo11 dc1n Ein111aligcn
ur1d I ndividli.ell~n ist..
:\ ndererseiLs a l)er ka11n grade dcsl1alb dieser Begriff für icl1
allei11 zu1· Besli1n1nu11g des hi ~torischen En t,vicklurtgsgcdankerls nocp
nicl, t genügen. Befindet sich aJ le Wirklicltkeit i11 rastloser ' ' erunde-
rung, so c.Jarf dil! 'e Verär1deru 11g auch der Natunvis~eilscho(t nicht

'

ü1g1taltzado por Goog e


1
- 394

fre,nd sein , u11,I es kan11 dann <iie blo ße U11 l,etsch<'ic.lu n" vor1 Verä1tde-
rungs-1 un<I \\1icdcrholl1ng·-Vorgängen ebc1tfalls ni cht a ls ausschlag·
gebend bei der logischen Untersclieidr1ng von his·tori„cher EnL\,fickl,,ngs-
gescJ,icl\te ttnd gen crali ·ierender NntunvissC'nscha{t gelte11. \Vo die
atur,,·issensch!trt verscl1iedene zeilli c}·10 Vcrändert1ngsreihen auf das
hin bet1·achtel. ,vas ihnen gemei1\sa111 ist , da entsl.eht m rar der Begriff
ci11cr \Viederllol11r1g, a ber innerl1alb jeder einzelnen '"'iedcrholung
bleibt 111\n cloch aue-h eränderung erl1altcn , c.l. '11. es n1uß in1111er die
Ver iind ert1t1" ei11er Rei hc v on v cri::.chiedr1,1f'n at1 [<'innnderfo-lgenden
St.ndicn sein 1 die sielt \\·iedcrholt, ja 1 die \ lcrfindcru11g nllei n ist es, die
der~ natt1r,,•i:3senschart.lichcn Al.lgcn1ei1\bc' grifr lies . ich ,vieclcrholet1llen
\~ ci·cleganges i11 lialtlicll bc~tii.nrrrl. De halb kö11ncn wir so,voh l All-

ge1rlei11begriffe von \ Terä11deru11g:-rcilicn od<'r at1fcina11d.crfolgenrlen
Stadien d er \\' •r(icgängc bilden als a,uch eine ei111nalige i11divid·uclle
Vera r1derur1"~reihc darauthir1 ansclier1, ,,·as si" vorl alle,, t\n<lerr1 in-
<livicJt1ellen Vcrfinderu .n {r--reihcn. oder r\bfolg<>n ver.chi11<l ~ner St,adicn
1

11nwr:.chcidet,, ja, es gibt. sogur , , c r ä 11 d er u n g s g c s e L z c ,


ciio au~~agc.u , da ß ei11e be. timn1te R eihe von u,,terrinanclrr vt•rschi~-
clenen Stadien einer Vcründorung 1tat,urnot,,1enclig aufcinar1der folgen,
d . J1 . rn.an kan11 fe t...;tcllen , daß übcrnll, \\' O 1.uer~t ei n ,1nt,cr c.incn
Allgcrrtcinbcgrifr A fnllertder Vorgang nufgetau cl1t ist , darauf zcit-
Jicl1 ein anclercr folgen ,,·irrJ, der u11ter ci11r11. z,,·cilen Allgelt1ei1tbc~rj ff

B gct,.ürl1 u11d au f diegen <lanu r1 0 11 rin dri tt.er a11tlC'rer , der C unLer-
zuordnen ist . \Vi f'd,Prhol\J.ng und Aufrinanclcrfulge Pincr \ 'ertl nclerurlgs- •
reihe vcrschicci cn:cr Stadien s.ir1d a11 f diese \\lt~isc also sehr ~ •t 111 i-t-
eir1nnt:ler v cl'eirtbnr.
Au ch cl~r B<'bl'fiff der E11t,vi,:)<.l1 tr1g als d<'r einer R eih e von Ver
l\11deru,1.1g('n gt•hört also so,vo hl zt1 r Au rr assun~ dt•r \VirJilich kci t a)g
Natur nl au ch 1.t1r Auffa:; ung der \\tirklichkeit al Gefchi chte, und
darat1s ergil)t .ich \vicdcrum , " ·ic ,,·<'nig dC'r Begriff <lcr ,, Reihe" ge-
eignet ist , d,ts W es.e11 cles Geschichtliclten zu bcsLi111n1e1t , fulb . ninn
1Jar1Jntr r ni cht nur ei11n1ali ge tind individ uell<' R eil1rn ver~Lrht 1.
Aucl, Rcilte ur1d Gt•sot z schlif'Oen cinn11der nicJ-,t. a_us. ur1ll 11en11L rn;\n
Ent,,\·icklu ttg jccle J{.ciho vo11 Vcrfind erungc11 , so ka1111 11 1,111 , , 0 1t all-
gc111eincn E n t ,v i c k I u n g; g o: c l z e Jt ~og~,r in cler f' h)1sik
sprcr. ht111. Da~ fall,-c(':-<'t.z z. R. ,v~ rc d r1 n11 nl i- u~<lruck für ,lic flbrra l.1
\ 1Von ncuern i cig t. i;ich so, dnß die g run,llrgcn dl'o f3rgrirfsb csl inrtnungen
vo,1 X (l n o p o 1 • i ·t1 logi eh nicht hallen lassen . Sein Begrirt d er Reihe ist
zu W<'iL. ,E g ibt Rr ihcn , d ie nicht go chichtli~he l1<'ihcn sind.

D191, h,ado por Google


und irnrner in dersctbe11 Weise sich V'erä11detl1de oder sich ,,entwi.k-
kelnde'' Gcsch\vi.n.digkeit. eines fallenden J(örpcrs ein Gesetz, das alle
versc,hiedenen Stadien der Bnt,vicklu11g begreift, die diese Gesc h,vin-
digkeit i1n Laufe der Zeit durc hmacht, und da es sict1 dabei um einen
rein quantitativ bestimmten Begriff handelt, so ist hier sogar die
denkbar l1öchs:te Uebenvindung der l\lannigfaltigl<eit, dje eine u11übor~
sehbarc Vielheit ·v on Stadien vollständig in de11 Begriff eir1es mathe-
111atjschcn u11d daher ühcrscl1baren l{onlinu111ns zt1sammenraßt, auch
für ejne Ent,,riclclungsreihe erreicllt. \ Tielleicl1t sollte rt1a11 von Ent-
-
wicklungs g es e t z e n nur dann sprec hen, ,venn es sicJ1 um tiobe-
ctingt alJgcrocine Begriffe von V erä11<lerurtgen handelt , aber n1an mag
schließlich a11ch diejenigen allgcrl1einen B egriffe von Verände rungs-
re ih,en , in denen die alt.en Exer11plaren eiucs nur empiriscl1 allgemej11en
Gattur1g "begriffcs g tnein .amon Ent\vicklungsstadien ittn1 Aus-
druck komn1e11, ebe11falls als Er1t,\1ieklungsgosetze bezei.chr1en , wenn
n1an .11ur stets im Auge behält, daß sie als Allgemeinbogriffe von Ver-
änderungsrei hc1t zur Auffassung der Wirklichkeit als a tu r ge-
liören, dagegen lceir1e :Bede1tlung 111el1r besitzen, sobald cir1e ei11n1aJige,
individu elle, also gcsch.icl1tliche Entwicl{lun reil1e ir1 clivirlt1alisiercnd
darge-stel lt ,verdcn soll. In ein Ent,vicklungsgcsetz geht die l ndivi-
d,1alit,ät und Besonderl1eit eine r Er1t,vickl,1.n<r cbcnso,venig ein wi e
da · Individuelle in ein Naturgesetz überhaupt, und Ent.\vickJungs-
ge~etze in d em atl.gegebeneu SinnP fü r hi. tori 11 · Ent,•, iclilungs-
1-eitten a1..ifstelle1, zu ,,,ollen,. bleibt dnher ei11 logisch ,v.idersinr1igcs
Uotcrnehrr1e11.. Auch d as Eri.t,,·icklungsgesctz läßt ic h stets in die
,,ttypothetiscl1e' 1 F orm brir\gen: wenn A ist , o folgt darauf B , ,venn
B eintritt, m,1ß C kot11n1en us,v, J edci1falls gibt es nict1t 11ur E11t-
"'ricklungs r e i h e n sonde rn sogar Ent,,·icltlungs g es e t z e, die ganz
u11d gar zur NaLur,visscr1scliaft gcltören uncl dcsh:tlb rnit der D ar-
telltrng des ei11n1alige11 indivilluel len ;\bla ufe der Ereig1ti~se 1 also 111it
Geschichte, n och nic hts zu t,an h,lben .
Wir hob f!n dies a11cl1 111it Rüc k:sich t. auf das Ges~tz besond ers
hervor t ,veil es h.icr Aus1tahcner1 z·u geben scl,ciut, a uf t{ie 111an sict1 bei
dern Versucl1, die ~1ögl ichkcit „l1istori scl1er GcscLzc1 ' c.l arz11tttn 1 oft
beruft, lind i ,var ist e' die A s t r o n o rn i e t für die, ,,,ie n1an glaubort
könnte, dit• e Ausfiil1rultgcn nic ht gelten. \Vir \ve.ndcn de ha lb die er
\.Visse11scl1aft, die ,,,ir schori eitltnal gestreift haben 1, unsere Aufm erk-
sarukrit, von Net1e1n z11. lJen Grund clafür, daß sie zu Irrtürnern über
1 Vgl. oben • :?52 r.

D191, h,ado por Google


- 396 -
da s \Vescn d es Erkennens vcrfi1hrt, kennen ,vir. l\fan kann sie (ür
eine ,,hist orische" \,\1jssenscl1a(t insofer1l halte11, als sie es ntit Indi-
viduen zu tun hat ,u nd diese sogar rrtit Eigennamen benennt. Anderer-
seits aber arbeitet sie n1it ·Gesetzesbegri!fc11, die gcra.deni als ~Iusl er-
beispiele für den B egri!f des uohedi11gt nllgcrn.eine:n Nat,urge-sctzes
gelten, und es schei11t i'br also n1öglich iu sein, Naturgesetze für hist-0-
risci1e Ent,vic.k luogen, z. B. für die verschiedci1e1t aufeinanderfolgenden
individt1cllcn Stadien der ein111a lige11 Verii1lderungsreihe des Sonnen-
syste11LS aufzusLellell. I(ann 11lan doch '\ton jedem beliebigen sei ner
individltcllen Zt1 t.ä.ride aus die individ uelle Ent,\'"icklung in die Ver-
gange11l1eit zurückverfolgen u11d für die Zukunft voraus herecl1nen.
Stellt dah-er nicht die Tatsache der 1\ stror1on1ie unsern Gegensatz
von Natur,1,·issenscl1af'I'. u11d Gcschicl1tS\\ is~e11schaft, ir1 l·'rage ? Decken
1

sielt l1ie1· der nalur,vissen scha (tlict,e Bcgrirf u11tl die individ.uelle
historische \i\lirklicbkeit nicl1t vollständig, so daß von Grenzen der
natunvis er1scl1aft licl1cn Begriffsbildung in t1nsere1r1 Sin.n e 11icbt
geredet werden darf? Du Bois-fl.ey1r1ond konnt.-:-, uni seinen Begriff
vo111 Naturerke1u1cn, den er selbstverständlich miL de1n des ,yis~en- 1
scllaftJichen Erkennens überhaupt gleichsetzt, zu erläuterrt, niclJts
besseres tun, als auf die l 'ätigkeit des Astronort1en .hin,veisen, cler •
„nur der Zeit in den ilondgleicl1un.g en ejnen ge,vjssen n egativen \\'' ert
z.u erteilen brauc.h t, tttn .z-u ern1ittcln, ob als Perikles nacl1 Epidat1ro
sich einscl1iffte, die Son n•e für den Piräu·s verfinstert ,,·ard 11 • '\Vas also
liegt näl1cr, als der Gescl1icl1ts,,•isse11sct1alt d.i,escs Ideal ei1,er astro- 1

no1niscl1er1 Erke,mt,nis vorzuhal ten? 1\1ag sie es auclt so volll<o1nn>e11


'
,,;e die Astronon1ie niemals errcichell 1 so ka1l.r1 docl1 f u-r sie das ~ ,vas l
in dem cinon Falle geschieht: das Begreifen einer ein1na li gcn indivi~
dueller1 Er1t,vicklu11gsreihe durch Naturgesetze un<l die Bereclmul'1g f
i
bist.oriscl,er Tatsac1'1en niemals im Prir1z_ip t111rr1öglicl, sei11 1 oder es
dnrf jedenfalls der Begrilf eir1cs ltlstoriscl1en Ent"·ick lungsgesetzes,
,ver1n er in der Ast1·01101nie vorkon1rnt, nicllt. als ein logiscltcr \\f ider-

sin.n beieichnet werden.
Schon ,,,ir jedoGll genauer zu, i11,vic\>vcit eioo individuelle ,,,irk-
liche E11t,vicklung sich durcl1 ustronorrlische Gesetze darst ellen läßt,
so finder1 ,vir b ald, daß es ,vierter lediglich die q u a n t i t a t i v e n
Be timn1un.gcn an den \\'elt k:örJ)ern sin,·( die in iltrer ,l1tdivid11ali-
1 1

Lät' ' i11 Gesetze eingchen1 dngcge11 alles Qualitative ar1 d en ciunaaligen
indjviduellcn f3nt,,•icklungsreihcJt in seir1cr I11divi,d ualiiät natur-
,vissenschnftlich u11begrciflicl1 blciht. Daß n1an die~ üh<'rsichl, ko111cr1l

0191 lt ado por Goog e


- 397 -
nur daher, daß die nicht quantitativen Bestimmungen der Welt-
körper uns ent,veder unbekannt sind oder für die Teile der Astronomio,
die nut rnathematisch f orn1ulierten Geset.zcsbegrif fen arbeiten, kein
Interesse b esitzen. Sie sind deshalb aber nicl1t '"coige-r vorhanden,
und es geht also i11 der Astro11omie 1 ,venn sie ntit Gesetzesbegriffen
arbeitet., nicl1t e:t\\1a die volle e.i nmalige un.d individuelle ,v i r k-
l i c b e Ent,vicklt1ng selbst sondern nur ein kleiner, lediglicl1 begrif.f-
lich ztt isolierender, nicht faktisch abtrennbarer Teil von ihr in die
Go et.ro in. Abgesehen von d en ,,individuellen " Raum- und Zeit-
a11gaben , i11 dc11cn sicl1 die Individualität einer \V i r k l i c b k e i t,
n.iemals erschöpft, isL a,1ch in den astronon1ischen Gesetzesbegriffen
alle~ allgemein, ttnd diese beziehen sich also, so paradox es klingen
mag , auch dan.n , \\•enn : <ie At1f ObjclitO l'nit. Eigen1lan1en angc\vendot
werden , doch nicht. auf ei n_rrtatige individuelle \Virklichli.citen. E s
kommt, in ihnen vielmehr der \virklichc Weltkörper nt1r als E,cen1plar
eines allgerneinon Bcgrirfes in Betracht, d. 11. er k ü1mt c d1irc.h jeden
beJiebiger1 a11den1 ersetzt, \Verden, der diescJbo Größe, Scl1\vcre, Dicl1te,
Rau1nlage u ,\1 • 1 d. h. die clber1 quantitativen Bestimt-nungen hat,
dagegen als ernpirischc Wirl, lichl<cit SOJ\s t eventuell ganz an•ders
bcscl1a(Con \Väre. Dann allein , ,vc11n n1 an jener scl1on er,\·ähnten
l\1etaphysik ht1ldigt , 11acl1 d er es \i\' irl<l ichkeitcn gibt, die 11ur quan-
titative w1d kei11e qualitat.iven Bestiurr11ungc n haben, ,vird inan
glauben, daß die lndi,vidualiUit von \>Virl(lichJ<.eiLen sich re tlo - in
GoseLzesbegriffe brir1gen. lii ßt. Doch verdankt oine solcl10 )letPp}1y-
sik nur einet· falscl1en De11tung der Ph ysiologie der Sinr10.i;organe
ihre Entstehu·ng, ut1d außerdem vcrmöcl1te auch ir, selbst ,venn sie
richtig ,vöre, dara.n ni chts zu findern , daß c 1n pi r i s c 11 o \Virklicl1-
keitcn n1it Rücl<sicht auf il1rc Individualität nie in Gesetzesbegriffe
eing l1en ,verdcn. Die \Veltkörper aber , mit, clcnen es ,Jie Ast,ronornie u1
tt1r1 hat, sind docl1 aut~h cle11 er11piriscllcn Wjc;l,licl1keiten zl1zurec}1nen,
in denen sich das Qualitati,:e vo11 tle1n Quattl iL~tiven nur b<.'-grif{lich,
niemals real t renr1en lüßt, uncl au ch ihre Individt1olität i t, d cslla}b
in der tronon1ic cberlSO unbcgreiflicl\ ,vie die fntlividualit.iit irgend
ein.e r ar1dcrcn , ,Virl, lichkei t durch andere natt1r,vi 'Cl1 hafili ·he Dis-
lipli1ten. Das gilt so,..·ol1l1 ,venn ,,·ir an ucn jeLit v orha.11d encn Zust:lnd
un, c r es Son11e11s)1stc111~ als auch \VCJill ,rir Ol l tlic E11l\vicklung dcn1ten 1
die es <l11rcl-1g~n1ncht hat , bevor es zu seiner jetzigen Geslaltu11g ge•
lartg-L ,,"ar. Daß <ler at11rn f{inge h,tt, ist zurällig, sagten ,vir schon
ein m,a·I, ,vc1u1 Zufall irn Gegensatz s teht zu ,n Gesetz, urLd ebenso


ürg,t~hzado por Goog e

- 398 -
rnüssen "'·ir sagen: daß gerade der Jupi ter :f\.Jonde bat, oder daß d,ts
Individuum :\lars eine andere Farbe zeigt als das lnd,i viduurn Ve11us,
das sind individuelle Tatsacllen, die 1llan nur kons.t atier-en, aber nie-
mals aus Gesetzesbegriffen als not,vendig ableit..en kann. :atur-
Y.:issenscl1aft-lich b egreifen läßt sieb in1mcr nur, Yt'ie üherLaupt Ri11ge
oder l\1onde an einen1 Planeten entstel1en, aber nicht, ,varu1i:t sie ge-
rade bei diesem Individul1m in die er b estimn1tcn Za l1I oder Form
v orhar1de11 sind. Daß der einrnaligc Werdegang, de11 ,vir di,c Enl,,rick-
lung 11n ere Sonne11systems ne1u1e111 i11 seitler Ein111aliglceil und In-
divid11alitüt tir.iter nat\ln\·i~sen ·chafllichc Begriffe nicht zu bringen
ist, gilt sogt11· dau.11 1 \venr1 ,v.i r nur die qua11titativcn Bestimmungen
bc.1ch-tc11. ~1nr1 kan11 z,vat· vje)leicht ,.,erstehen , ,vie aus einer:\ Ga. -
h all durch erdicl1tur1g irgend eine "Soru1e'' mjt einc1T1 S)•s Lem von
Planeten sicl1 er1 L\vickelt, aber dicso unsere Sonne u11d die es un er
Planel er1sysle1l1 geht n.ien1als als In.dividt1u111 sondert1 in1mer nur als
Gat.lungscxcmplar in eine .a llgc1neine natur,vissenschaftliche Theorie
ei,1, d. h. von den ci1t111aligcn ur1d individuellen Eigentünllic hkciten
seiner Ent,\ricldung erzählL die allgeu1ei11e 'l'heoric Ober <lie Enlr 1
stcl,u11g von Planeten. )'Sten1e1, üherl1at1pt nichts, lrnd sie gibt daher
auc l1 nicht seine Geschi cl1tc. J eder Versuc h, die Darstelltlng der: ein-
rnaligc11 ur1d indjvicluelle11 E11t,vicklung t111s er•·;) onner1sys l e1n n1it
allgcn1eincn Gesetzen vorzu11el1nl-e11, ist gP11au ebe11so widersinnig
,vio der Vcrsuch 1 die ein111aligc Entl,·icl<lung ei11es Mn11r1es ,vic Goethe
oder Bis111art:k. aus aU r •111eincn Gesclzcsbcgriffe11 abzuleilru) . Vollends .J
iijt der Gedanke einer Ent,\•icklung geschich tc des · n i v e r s u 111 s 1
rnit }Iilrc,~ eir1er gcne1·uli ierenden B-egriffsbilclung, dPsscn logische
l\l öglichke1 l u1an diesen Au fültrungen als Ein,vand cr1Lgcgengel1alten
hat, falls 11nter U11ivers\11r1 dio 'l'ot..alilä t der Weil ve1 : ta11clen ,vcrdci1 •

soll, eir10 logl·che Ab. tu·clitüt. Dos l111iver$u.11l i. t , ,vi<> ,,·ir gescl1e11 1
hai)e11 1 in sei11er 'I'otalität nicht einma l 11ntcr ein ., )'Sl(.'111 a I t g e-
111 e i 11 e r Begriffe zu brir1ge11. }\ t1c.t\ tlie afl~•• r11 ci11~t<'n ful,t1rgesctze
sind nt1r at1f j eden b eliebigen seiner 'l' e i I e ar1zt1"'-vcr1,l l'n l1Jl(1 ,vcl·den
\\'egcrt jhrcr q11tt11Litntiv<-!r1 ß c~li1n rnt heil ~o fort, ~ir1r1 los. \.\ Cttn n1art
nlit il111er1 et,•.,as über d:1. quun til ativ 11nr1f>~t-irn111tc Ga11ze ~clbst
sttgcn ,vi ll . \ ViP so ll al o ga1· da 1ti\.'Ct·s u1 11 i11 ~c in,•r 'l'ot ali tät Ob-
jekt einer Ent,,·icklurtgs g e c h i c h t e ,,,c-r<lc11 rli c sci11crt eir1-
n1aligc11 u 11il intlivitlucllcn \ icrlauf 1nit Gcsel2.e~begri!fcr1 dar:--tcllt?
Dus hnt r1 01.;lt Tictr1ar1rl auch n111· zu de.11ken v crrnocht.
ltrl,rlerlt in z<;igcrt <Jic E1\t.,,,iek.lunuf-gcsrtzc (i(•r 1\ slrunuu1it! cirte

ü1g1taltzado por Goog e


- 3,99 -
Eigontümlicl\keit. die sie von den antlcm N al:.ttrgcsctzcn zu unter-
scheiden scheir1t. Setzt 111an nämlich jn sie ir1dividuelie Größen, d. 11.
diese oder jen e qt1antitativc Bcstirnrnung ein, so kann n1an . . ie ohne
weiteres auf i11dividuelle Raum- und Zeil.strecken. eines individuellen
Ent,~·icklw1gsganges anivende11, ttnd diese l\Iöglichl{eit ist auffallend.
Um nämlich die GelLung eines physikalis<::hen Gesetze~ auch nur mit
l{ück icht auf seine quantiLativcn Besti1runu11gen fur ei11c individuelle
\Virklichkeit aufzeigen zu kön11en , nt ü en ,vir auf der Erde 11ieist
erst einen I{örpcr du rcll d"' - Experimerrt a11~ seinem l1istorischon
Zusarnrt1ent\ange l1eraus11el11net1 r1r1d kfir1atlich isolieren, o daß da ,
"''as ar1 il1111 gen1esscI1 ,verde11 soll, l1icht. dt1rcl1 den Ei1ulttß anderer
\Virklic}1kcitcn „gc tört" ,vird . .Ta , ctaß cirl I{ örpcr gen au so fällt,
,,·ie es das FaUgesetz lehrt, koruriit au( der Erde nicht vor, selbst ,ve1m
der reale Vorgang 11ocl1 so sorgfältig isoliert und gegen törungeo ge-
schützt \\rird. Inso fern scheinen die S ätze der J\ stronontie also doch
eine Au Lla lt11\e zu ])ildc11. Der Gru11d llafür ist jedocli nur de1\ daß •
d ie Körper, n1it denen ~ic·h die AsLro11011,ic be cl1tif1,i 0 L, fnJ.ctiscl1 so
gegeneinander i ·oliert sind, ,vie sicl1 rlas fiir einen l(örpcr auf der Erd e
gar nicl1t oder nur 111it großer i\lühe be,,1crksLollige11 läß t. Die ei11zelnen
• Weltkörper si11d l"illtrnli ch so,veiL voneinander entfernt, daß ihre
1.ru ai1titativcn Bfst.im111ungcn durch unhcrcchenbar-o qualitative
E it1wirkunge11 nicht geän cicrt \Ver-den. Darat1s aber ergib t s ich (ür
uni-, d aß selbst die Alt\vet1du1tg ,,on Forn1el1t T)tit b e ti1n1ntcr1 qlJan-
titativen individue)lcll Größen auf qt1anLitat-iv hest.iir11nt.t~iodividuclle
\:\ irlilicl1keite11 n u r in der As tro1101nic 111üglich ist , \\'Ci I eben ihre
Objekte allein in keinen\ vollc1J hislorisc hcn Zusu1n.t11cr\har1gc st ehen
und dcsl1alb auc h ot1ne künstliche Jsoliert1ng quantitative BesLi1r1-
1r1unger1 zu r ?\,l cssu11g darh:ieLen. A11 der nhegrciflicl1l,eit oller,,
irnrncr auch quali tativ bestin1111ter Jndividu aliUite11 in1 , virklichen
,vird al~o uichts durcl1 die 'f aLsnchc der ;\ . t.ron on1ic geändert, uitd
selbsL die At1~11 alin1~ tcllur1~ der asL1·011◄)111i ehe11 Geselze i t nicht
ct.,va gc:set1.licl1 not,vc11dig sondern besitzt lediglich. eine tnLsäcl1licl1e
und jn:::ofcrn Jogi~c;lt zuf5lligo Bed •1ttung. E!; ist ~ehr wohl denlwar,
f]aß. P.i1111la l i rgt}11tl ci11 \ \ rr ltkörpcr v o11 au llen l,,·r ir, ur,~er SoruLt:ll-
s }'"Slc1n eintl rin gt 1111,t rJa.ri11 ,1uch all•· räu 11il ichen t1rtd zei Llic hc11 \ l.er-
hiil tni:;.,c, tlit• ,vir d <>rt. t,i:-<h<•r als- k o11st::ult ge r\111,l c 1t h itb f•11 1 v oll~tii.n dig
verär1cl crL1 so daß tla11rt z. ß . die für dir- Zul,11nft vorn,1 ·l,erccl111ete11
~1011d- un(l '0111 tenfi11.,.,t er11i6 e nicht zu <.len Zcit.er1 ei nlrct t1 ,,·urclen ,
für rfic 1nnr1 :..ic ber<'cltnet hut1 al$O <lir ,Yirl-.l i('l1 f' n Err igriissc 111it den

D191, h,ado por Google


400 -
astronomiscl1cn Gesetzen dan11 ebcns o,vcnig zusam1ncnfielen ,,·ie die
Bevtegungen eines l{örper" auf der Erde mit der Formel des Fallge-
setzes. Kurz, 1nan dar( s ieb in keiner Hjnsicht auf die Ast.ronon1-ie stützen,
,venn man zeigen \Vill, daß aucl1 gc cl1ichtliche Vorgängo sich nach
Gesetzen berech11en Jassen. Die übrigen Iogiscl1cn Eige1rtOmlicl1keiLcn
der Astronon1je aber, liie den Gegensatz vo11 Natur,-vissenschaft und
Geschichte aufzuheben scltci.nen, erklä ren sich d~raus , daß -d as Ob-
jekt dieser Wiss.enscl1a(f. \-\'tgen sei11er Ei11zigkeit eirle B e d e u t u n g
erh ält., die unser lnteres c über die Allgerneinbegriffe hinaus zur E r-
for$ch11ng anclt d er individuellc11 uncl gcs cl,z.mäßig stets u11bcgrcif-
lichen Gestaltur1g der Teile hinleitet . l{ennt11isse über die Indivi-
dt1alität des ,,lctzlen'' oder 11mfassen(t, tcn histori sc he11 Ganzen, das
,vir keimen , sind für u11scro \\1eltar1z";cllauung u nd Lebensauffassung
v•o n Bedeutung, und daher ,,,ird au cl1 das Ganze, <lern un sere Erde
als Scl1auplatz al ler Geschichte sich einordnet, i11 ei11em ge,vissen
Sin110 zu einem l1istorische11 Jndivicluum . o k orrunt es, daß Urteile,

die Gesetze enthalten, und Urleile 1 die lediglich indiv iduelle histo-
rische Tatsachen k onstatieren, in d er \\'issenschafL vorn 1 ,W eltgan1.en ' ' ,
1
·d as {al<.tiscl, nur ei n 1 cil des U ujversums ist, nah e beieinander
liegen. Begriff'Jicl1 könn,e n sie tro.tzde1n scharf gescl1ieden ,verdcn,
und vorbildlich für irgend eine andere \1/issensc·h art darr die logi-
sche Struktur der Astronomie r1icht . ein . Das Ideal ejncr 11 asLro-
non1i cheo Erkcnntni '' gilt nur für die Aslrono111ie elbstr u11d es
bleibL a l o dabei, daO in <li,1 iduel.le Ent" •jcJ<lu:ngsreihcn, dje als volle
\\1irklichkeiten nic111als nur quantitative sond ern au cl1 qi1alitative
Best.in1mungen haben, aus rein lofl'ischen Grü1id cn unlt!t kejnen
GcsetzesbcJ::rriff zu bri11g ct1 s i11d. Die Aslronon1ic ist <'jne von den
Di zipline11, in denen g nerali iere11de uud i11dividuali~iercndc Bcgriffs-
hilclung ir. h atif d.as Eng te miLcjnnn<ler verl, ntlpfen. Daß es olche

\\fissc11~c,h a!tcn gibt, " 'irrl niemand be treite:a . An cter Not,,:er1digkeit
einer b4"griffliche11 Scl1eitluug der bei<ler1 l\ rtcr1 dC'r B g-rifr, bildt111g 1

durch die Logik kanr, dj'! e Ta tsach.e ab ·r nichl.s ii.r1tlern .


Djcs alles, \,'a ' 111it Rü cksicl1t a1.1f ,,·ej t, v erbreitete rationalistiscb-
n1etaph)1sische frrlun icr au fül1rlich kla r iu legen \\'ar, dient also n ur
da.zu, von Netten1 die Grenzen dC'r 11alt1r,,isse11schafllicl1en Be,1 riffs-
bildung zum Bc,vußt ein zu bringen , führt uns jedoc11 über das bei der
AufsLcllung des Dco--riffcs einer historischen J{au~nlkctte gc,Yonne11e 1

R esullo.t 11icht lli1taus : der nkr~cliieJ vo11 \\"ir-klichkeite1l 1 die sicl1 1

\\-'ic,lerholen , ur,d s0Jct1e11 , die sich v crlinclcrrl , genügt Cti r sich alle.in

ürg,t~hzado por Goog e


401

zur Bestimmung des Begriffes der l1istorischen. Entwicklung nicl1t,


denn er besagt nicl1ts a11deres, aJs daß die Geschichte die -w·crdepro-
ze~se r11it Rücksicht nur ihre individuelle Verllnderung, die Natul"\vissen-
schaft sie dagegen mit Rücksicl1t auf das betracl1tet, ,vas an ihne.n
unter allgeineinc Begriffe fällt, und das ,visse11 ,vir bereits. Nur inso-
fern ist die Verär1,de:rung der ·Geschichte eigentümlicl1 1 als sie eine ein•
malige und individuelle ist, also et,va 11och nie vorher Dagewesenes,
I\eues hervorbringt. Nun ist aber a 11 es Individuelle au,ch „neu''
in diesem Sinne, und desl1aJb bleibt cJje Frage unbeant,vortet, w e l-
c h e .s Neue und ,v e l c 11 e Reih,en von auJeinander folgenden Ver-
änderur\gen die Geschichte darzustellen hat. Darn,lf darf die Antwort
nur lauten, daß es die u,, 1esentlichen '
4
Verä.ndcru11.get1 sind, d. h.
daß das Nette nicht nur anders sondern a\1cl1 durcl1 seine Neuheit.
von Bedeutung für die leitenden Gesichtspunkte der historischen
Darstellung sein 11lt1fl . Es sind also zu <len-1 Begriff der einmaligen
Reii1e von aufeinander .f olgen-d en Veränderungen n och andere ~1omente
h1nzuzufügen, darnit er zu d er1l einer l)istorjschen Ent'\.vicklungsreihe
wird, eb enso ,vie zu dem B egri ff des Jndividuu ms Oberhaupt n.och et-
was ltinzukomme11 ,nu ßte, damit er zum Begriff des hi t orische11 In-
dividuums \\·urde, und tatsächlich klingt denn auch scho11 bei (lern
Worte 11 Ent"1cklw1g'' ,vohl für jeden eine Bedet1tu1lg rnii, die über
den Begriff der bloße11 Verändor11ngsreihe hi11ausfübrt. ,Sagen wir,
daß etwas sict1 e 11 t,v ickelt 1 so den.ke11 \-vir da bei von vo.rr1eherei11 ent, eder
an das E n d e oder an das G n n z e des betreffenden '\'erd eganges
u nd bcziet1en die verscl1icdcucn aufcjnandcrf olgcnden St arlicn dara uf
so, als ob sie zu einen1 Z i e l e hinfO hrten . J a 1 ,,·ir kö11ue1L sagc11 : ein
„tcleologiscl1es1 • 1\Ioment in diesen1 Sinne ist fii r <la Sprachgefühl
votn Worte ,1 Entwicklu11g1 • in dein ?\ilaßo t)nabLrcnnhar, duß es y.,•ün-
schens\.\-·ert \Vii.r e, \Ver(len uncl Veränd erung als solcl1e noch 11icht
Ent,vicklung z11 n ennen . Dann ,,·Or<le -d er E 11t,vicklung~bcgriff io
\Vissensc.l1aft.cr1, die a 11 e teleologischen Prj11zipieu uussc11licßen,
überhaupt k eine Stelle hH.be11. J cclenfa.lls: ,,,enr1 durcl1 ,Jie Bezeic hnung
,,Entwicklung'' der Ge<lanke an das E n. d e einer Verä11dcru11gsrcihe
mit de in Begriff der Ver~i nderung v erknüp ft ,vird, und \Ve11n n1a 11 ich
dessen nicht ausclr(icl{licl1 be\vußt ist,, n1(ls:. en d nratts die vielen B e-
griffsver,,i rru11ge11 entstchcr1, die b csonder i1r1 rnodernen na.tur.a-
JisLischc11 1 ,Evol ulionis111us'' eine große Rolle spicJc1•. Die 1Jar,vi11isten
kän1 pfc1J 111iL E,npltnso gegen jede 'f clco logie, und sie l1aJten docl1
nicl,t. nur den Begriff der E11t,vick lu11g so11tll='rr1 auch so er,1inent.

ü1g1taltzado por Goog e


- 402

l.cleologisct1e Begriffe ,vie 1 1Fortscl1ritt1' , , 1 höl1eres Stad.i um '' t1nd der„


gleichen fest, was zu sehr unklaren und ganz unhaltbaren T•1eorien
uber 11 natü rlict1en Fortscl1ritt/ ' .geführt J1at.
Aber aucl, da11n , ,venn \vir irn folgen.d en tinter einer Entwicklung
stets eine teleologisch aufgefaßte eräoderu11gsreihe von aufeinander~
folgenden Stadien verstehen w o11en , reicht dieser Begriff zur Bestim-
mung desse11, \\ias histori.-.cl1e Ent"\vickJung ist , noch immer nicht aus.
\\7ir ·1nüsson viel1l1ehr auch die vc1""'cr1ie<lcnen Arten der toleologiscl,en
E11twicklu11g ebenso voneinander t re11oen, ,vie ,vir die telcologiscl1c
Ent,vick.Jung überhaupt ,,on d-c m bloßen \Verden und d-e r bloßen
Vccä.ndcrung:sreihe getre11nt J1abe11 1 u111 so atlmäblicl1 zum Begriff
der historisch.en Eot,vicklt1ng zu kon11nen. Vorliiufig haben wir die
Ent,vickll1ng von der \ 1eriinderung allein dadurch tinterschieden ,. daß
sie mit Rück.sicl1t auf ihr Re s u l t a t betraclitct wir<!, ,vclehes in
den v crscl1iede11e1l at• rei11andcrfolgenden Stadien allrnältlicll zustande
kon1mt, tlnd d ieser Begriff ist noct1 i--ehr ttnbcstimmt, d.. h. er gestattet
nocl1 verschiede11.e DeternunaLior1en 1 dur<:11 die eine ganze Reihe von
Entwicklu11gsbegrilfen nntst ch t .
Ei11er vo11 ih-nen schcide·t für unser11 Zusamn1enha11g von vorn
herein aus. \Vcr1r1 wir den ü1halt eines allgemeinen Begriffes nacl\
cioen1 bc8tin11r,ten Prinzip durch HinzufOgung neuer ,,~Ierkrnale"
d-e tcrr11ir1ieren! \Vie ,vir es z. B. l1ier :rnit. dein Begriff cler Ent \vicklung
machen . u m dadurc11 die ih1n untergeordneten Begriffe zu bilden, I
dann kann man a ucl1 d icsc-11 D o n kp r o z e ß a ls ein.e ,,Ent,vicklu ng''
be1.eich11en. So sticht Spinoza ir11 dritten. Bucl1 scir,or Ethik au~ a ll-
gemoinei1 Begrirren v orl Alfc.ktc.n das gat\ze Syste111 der 111e11scl\ ljchen 1
Lcide11.chaften vor t10 ::, entst ehen zu la. sen, tind die i t deshalb eine
teleologische Ent,,iick1u11g, \vcil dabei das endgültige Begriffssy~t,cm
als Ziel gedacl1t ,,·ird 1 das durcJ1 die Dctorrnir1a tion und Divi ·io11 er-
re1cl1t, ,•,erclc11 so )l. Ebenso kö1111co. ,vir von al lc11 hier gefül:irten
logi cl1cn Untcrstic.h1111gf'11 st1ge11, d aß sie ,,enL,vickelnd' ' v erfahren,
der1r1 ,vir haben von ,ro rr1l1cr-cin fla s Ziel ins At1ge gefaßt, den Begriff
der Geschir.h ts\vi~l'nscl1aft dutcl.1 all,uü}dic.lle Dcl ornli nation des de11l<.-
bar allgc111cinslc11 Begriffes der Gc:.-:chicl1te fe Lzusiellen . \<Vir ko-rln t..en
dabei nicl1t init cle111 c11.clgültigen B egriffe anfnn.gcn sondc1·n n1l1ßten
zuerst einen viel t1n1fas~er1llcrer1 Begriff al den cJer f nk.ti.sch betriebenen
Gescl1icltt~,vi:-:se11scl1rule11 bilde11, u1n st u fe11,veise de11 Bebri·iff e11Lst ehen
zu Ja~~cn. uor erst am Ende ttn. crcr D nrst cll11ng . ich ergc1Jcn ~o)l .
E11t,vicklung von Bcgriffeu in cJr{'scrn , in11c i~t nun aher nicn1a ls

ürg,t~hzado por Goog e


- 403 -

Au1gabe des Historikers, ja, ,vir müssen eine solclle Art der Begriffs~
bildung geradezu als Gegensatz zur geschichtlichen Darstellung
bezciclinen. \Vo die Geschichte es mit einer Ent,,ricklung z.u tu.n hat,
wircl von de111 einmaligen und individuellen \Verdegaog eines realen
Objektes bericl1tet, und dabei geht die Darstellung nich.t ,vio eine
Begriffsent,vicklung v -orn Allgemeinen zum Besonderen, so11dern sie
schreitet von einen1 Besonderen zum ai1dorn Besonderen fort, denn
jedes Stadiurn der EntY.-icklungsreihe ist et,vas Einn,aliges und Indi-
viduelles. Trotzdem wird vjelfach das Hervorgehen eines Systemes
von s-p eziellcren Begriffe11 aus allgemeineren nicht von der Darstellung
einer realen historischen Ent.\\ricklu1tgsreihc geschied-en, und dann
entsteht wieder die uns scl1on be:k annte verhängnisvolle Täuscl1ung,
als sei die Gescllichte imstande~ at1s der 1nit dem a1Jgemeinen Gattungs-
begriff v erwechselten konkreten Gattung das gesct1icl1tliche Lehen
als notwendig ahzt1Je-it.en oder zu ,,entwickein ' '. ,l tan glaubt im Zu-
sammenhang damit auch, daß die Geschicl1t.e nat urwissenscha ftlich
verfa hre, ,veil sie den. alJgotneinen lnl1alt von Begriffen nur itnmer
n1ellr zu determinieren brauche, urrl sc.hließlich zu Begriffen vo.n
einmaligen individuellen Obje-kt-cn zu kommen. J a , es wird sogar die
„ent,vickelnde itet hode" geradezu als die ,.,neue'i der deskriptiven
~f ct l1ode als der ,,alten' ' g-cgenübergestellt. Eine solche 'l'cr minologie
ist ganz irreführend. Der Gegensatz von entwickelnder und deskrip-
tiver r.fethode darf nicht einmal mit dem Gegensatz der DarsteJlung
eines bel1arrenden und eines sich vcründernden oder werdenden Ob•
jektes ident.iJjziert werden, denn man kann das Beha.1Tende ebenso
,,beschreiben " ,vie das \Verdende, und wenn inan den Ausdr-uck
B e chreibung überllaupt zur K ennzeichnung einer i tettiode venvenden
, ,1ill, so könnte gerade die Ge.schichte eine beschreibende Wissenschaft,

genan11t werden I d enr1 sie beschreibt die Objekte, so \\rie sie ,verde·n
oder sict1 ent\vickeJn. Will man dagegen das Wort Beschreibung
nu:r für die Darst ellung von b eharrenden Zu .tänden vei·,.,,·c11den
und hervorl1eben, daß die Geschicl1te es n1it Veränderun.gen zu tun
l1at, so '"il rde rnan bes er von einer crz.ä hlonden Darstcllu_ng im Gegen-
satz zur beschreibenden sprechen . Docl1 si11d auch diese Ausd.rü cke
h1ißver.s:tä1tdnis en ausgesetzt. und daher nicht geeignet , das historische
0

Verlal1ren zu chara kterisieren. Jedenfalls aber sollte rn an den Ausdrt1ck


1 ,e11t,vickelndc Mctllode" v crn1eiden. 1\t an kann j e d e Begriffs„
bildung aucl1 ein.e Begriffse11t,,ricklung n ennen, in.sofern ~ie a uf ein
,vis:scnscllaft.liches Ziel gerichtet j t. Es is t also olle. ,visse1\ cllaft-
t li"'

D1911 11,ado por Goc,gle


- 404 -
liehe \ 1e rfa1Jrcn, in ofcro es Begriff bj]<lung ist , auc l1 c r1t,vickelnd 1
und dann i t "'ollen<ls llierrnit 11jc hts gesagt, ,vas für die ejne ~1etl,ode
im Gegensatz zu einer anderer1 charal<.teri tiscl• ,vn.re. ln d er Forfle•
run g einer ent,"·icl<c lnden hi toriscl1en ~fethode steckt ei11c prinzipielle
Unklarheit. Ocr ricJ1tige Gedanke, claß ;tlJe Obj ekte der Gesr;,hjchte
sich c11t,vickcl11 1 verbindet sicl1 mit ,lcrr1 {alsc11en Geda nken , d a ß für
diese Obj ekte ein System allgemeiner Bcgrifre zu er1t,,·ickeln sei.
l m übrigen l1aben '"'ir 1nit B egriffsent,vicklung itn allgen1einen hier
nicl1t.s ,vciter zu tun. \ Vir r ellekt.iereri vic}n1chr darauf, d a ß reale
Veränder11ngsrcihen sich als teleologi ehe E11t\>\·icklungcn auffassen
lussen, und ,venn \vir ntin festztisl-ell en s uchen, ,velche logische Bedcu-
tu11g dies in der Geschichte hat, so fassen ,vir v on d en v erschieden en
tcleol.ogiscl1e11 Ent,vicklung. ·b~griffe11 zunächst den ins Auge, der von
dem der bloßen \ feränderung am ,veite ten abliegt .
J edes Geschehen ,vurde v on uns bisl1er als ei11 W erdegang a11(Ye-
sehon1 dessen verschiedene au'feinand er!olgcndc Stac)icn kausal so
1niLeirlan,d er '\terbunden s ind , daß di.e Ur aclac de.11 Effe kt ge,visser.
maßen vor sich herschiebt, ode r daß jedes Stacli um einer R eibe nur

be,,·irkt wird clt1rch e twas, das ihrn zeitlich vorangeht . Nun ,vissen
wir aber, daß sic h d.e r B cgri(f ein.e s I(ausalz\1sarr1rncnl1ar1ges mit dem
des 'ti .).o; aucll so v erbind en kanr1, daß die Aun ahn1c cir1er rnetaphy-
sischen T eleologie cntslcl1t, ,vo11ach ein Effekt die F tibigkcit habe11 soll,
die \.VirkJic hkeit in den Diens t seiner \ fe r\',,jrklichung zu stellen,
bevor er selbst ,virklict1 ist 1. \iVcn.dcn wir diesen te leologischen
K ausalbegriff .a u[ eine11 \iVerdega11g oder eine Verät1derungsreihe
ar1 1 so cnt.st.el1t dadu1·cl1 der Begriff einer 1netapl1ysisch-tcleoibgischen
Er1t,vicklu11g1 u11d diese kann hier insofern v on B edeutw1g zu sein
scheinen , als :;ie stets ein e in sich ges cl,lossen c und gegJiederte
R eihe sein mu ß. Sobald nü111liclt d ie Studien eir1.es W erd eganges in
den f>ie11 t der Aufgabe gestell t ,,·erden , die a1n E 11 d e liegt , trct.cn
sie dadurch z.u einer Lcleo,Jogiscl\ n ot,vendigen Einheit zu sammen,
und in der 'l~at l1al rnnn dc11n aucl1 v on der11. Gcrlankcn einer so1chen
teleologi:;.clien Ent,1r·icl{lung bcson(Jc-rs dort Gcbra ucl1 gen,acht , \VO
n1ao ein pliilosopl1iscl1cs er:3l,ä11d11is des l r1 11 a I L e s cler "üSUrn ten
Ceschichte a11st rcb Le. So ist .z . B. J-1egel';; ,, G t.: isl ' ' , cler in.1 \ f erlauf
der lii~lori~clicr1 Eut,,·icklung 1.u sich sclhs L und damit zur Frcil1cit
ko1,1n1t. 1 e.i 11c cn 11 a fin alis, dio d ie \ 1\"i1;l{licl1kcit zur Er1t;;,vicklur1g
ihre::; ,vahr eu ,, 1escr1s., tlcr \ 'ernunft , hinzulcit1:n v er~tcht, und Z\\"eifel-
1 Vt.rL o!Jen s. 934 r.

0191 lt ado por Goog e


1
- 405 -

Jos hat Hegel in seiner Geschich t.sphilosophie dem bistorjscl1en Stoffe


auf diese \Veise Einh,eit und Gliederung zu geben vermocht. Wir
brauchen jedoch vorläufig noct1 nicht danach zu fragen , ob es in "\iVahr•
heit ger ad e die rn e t a p h y s i s c h-telcologiscbcn Mo111c11te in den
Ent,vicklungsbegriffen seiner ur1d :1 hnlicher geschicl1tsphilo ophischer
Tl1eorien sind, den en diese ihre B ed eutung verdanken , denn, ,vie inan
auch über de11 \Vort einer derartigen plulosophiseben Geschichtsauf-
fassung urteilen mag, für uns, die ,vir vorläufig ,veder Gescl1icl1ts-
rr1etaphysik treiben noch überltat1pt irgen•d eine inhaltlich ausgeführte
Geschich tsphilosophie im Au ge J1abon 1 die det1 Sinn der gesam ten
, veltgeschicl1 te deuten ,,,ill, sondern nur an die logiscl1e Slrukt ur
der err1piriscl1en Gescl1ichts,.,.i ssenschaft denken, ist ein Begriff der Art,
wie rlcgel ihn v erwendet llat, viel zu vora ussetzt1ngsvoll. Enthält
der Begriff der b loßen Veränd erung zu wenig, so enU1i.iJt dafür der
Begrilf der 111etaphysisch-teleologischen En t,,,ickl ung z,.1 viel, um zur
Bestirn mltng des logischen \Vesens d e r l,istorischen En t,vicklung
bra,1chbar zu sein, die die cmpiriscl1c Geschicl1tsvtisse11scbaft darzu-
stellen h.a t.
Doch glaubt n1an vielleicht, ei11en m et aphysiscl1-t ele0Iogiscben
EntwickJungsbcgrifl auch in den empirischen \Vissenschaft.en nicht
entbehren zu k önnen. Ja, sogar die Natunvisscnscl1alt hält an il1m
fest , und Z\var gilt dies besonders dann, ,venn man in der Biologie
von ,,Zielst,rebigke iL" der Organ isn1en a ls einer besoncleren Realität
spricl"1t oder den ,,Vitalisrn11s'' prinzipiell dem l\1echa nismtJ s en tgegen -
setzt, denn dies kann nur bedeuten, daß man in dein organjsclien
Leben eine Art von Kausali tät annin1n1t, die mi t. der in den pl1ysika-
lischen oder chemiscl1en Vorgängen v orau._gcsel.zten l{ausalil.ät un-
v ereinbar ist . Selb tverst ändlicl1 liegt es nicht i rrl Pla11e unserer
Arbeit., die l1ier au ftau chende F rage, die in die L ogik der Biologie
gehört 1 , ersc}Jöp(end zt1 behand eln , aber ,vir hahen d och ~•et>igsLens
so \Veit auf sie einzugeh en , daß cl as Verhtiltnis des hi .toris.ch-Leleo-
logischen Entwicklungsbegriffes aucl1 zu dem Ent,\rick lungsbegrilf
der Biologie deutlich wird .
Stellt man die Altern ativ e: Mechan ismus oder Teleologie in d em
Sinne, daß cn tschic(len "verdcn soll, ob entweder eine rein mechanische
E rklärung der Lcbev.·csen ol1r1c jeden t eleologischen Gesichtspuukt
zu geben ist , oder ob sich vicl1r1cl1r die Organismen <1 •r EiDordnung
in d ie allgemeinste rnccl1an isclte T heorie der l(örpcr,velt. Oberhaupt
> Vgl. R . l C r o n e r , Z~•eck und Gesetz in der B ioJog-io. 191 8.

0191 lt ado por Goog e



- 406

cn lzi,c hcn, v.·eil für ie eine be 011dere ~l\rt des teleologisch-kausalen


Zusarnmenhar)gf's a11genon1men \Verden n1uß, so kann e~ zu einer be-
(ricd i gcn ◄:len Lösur1g des logischen Prob,le111 oion1als k o1nn1en . E s
geht n~rr\lich ei11erseits nicht, :rn zu sagen daß die teleologi ehe Auf'-
I I

fassung in de r Biologie ü.bert1alJpt kt in Rcc'l1t halle, dP.nn n,an mu-ß


dicso \ Vissen chaft gcrade1.u so de fi nieren , dnß . ie v o 11 Körpern
handelt, deren Teile sich ZLt einer telcologi1-r.h cr1 Einheit zu amrncn-
scl1licßcn. Dieser Einheitsbegriff ist von d et11 Begriff d es Organis1nus
so u11a.btre.n nhnr, daß wir nur ,vegcn des teleologischen zu gamn1en-
bangcs die Lebewesen überh aupt 110 rganis1ncn" nc n n c n. Die Biologie
wür<le also, ,vc1111 sie j e d e Teleologie verrniede, aufhören , Wissen-
schaft von den Organi~rnen als Organis,men zu srin. Die 1 ,orgnnische 1 '
Entv ickJung ist, ihrem B egriff nact, stets auch ei11e teleologische Ent,-
v.•ie-klung, und daher kann eine \1/i ·se11sc!1art von ihr n.iemals von a l l e r
Teleologie abstrahieren \vollen . .Ja, es biingt mit derr1 Bcrr-riff des Or-
ganiscl1en und der EnJ,,vicklur1g noch ei11e Reihe von ,,·citcreu Leleo-
logii:;chcn Begriffen Zltsammen , die der Biologe, olangc er Biologe
b leiut, d. h. vo11 Organi1:H1ten in ih rer Ent,,·ickll1ng redet , eber1falls
nicht zu entbehren vern, ag. \Vorte ,vie z. B . Leben uncl ToJ 1 Gesund-
heit und I{rar1kl1<>it bcdeu le r1 i111111cr nur ct,vas 111it Rück icl1t a uf d.ie
Erhaltu'l1g des Daseins ge'-visser Objeklc, so <l aß eir1c WiS!;cnscl1aft
von den Or-E,ranismen ol1ne jedes teleologis<'he l\.ton1ent eine co1ltradicLio
i rl adject.o ,,,äre.
Aber das ist zugleich nur die e i 11 e Seil.e der Sa~hc. f;'aßt 111ar1 aus
clicse1rt Grw1de die Entwicklung <ler I,cbe,ve:,,er1 so at1f 1 dn ß es sich
dabei urJ1 Ziel trebigkeit als eine uichL 1necl1ctnischc 1\ rt der Kau s a-
1 i. t ä t har1dclt 1 da11n kon1111-t rnan in andere tlt1über,vir1dliche Scl1,vie-
rigkeiten. ~'l ögen nän,lich a uch noch so viele Gründe daf(1r vorgebracht
,verder,, ctaO ,clcr Bcgri rf des Mccha11is1:nus zt1r Erkläruug der Organis-
roc11 >licht au · rcicl1c, so kann doch die utur,,·is--s-en~rha(t. da. Streben
n ach n1cch,tnischer Aufras..~ung der g a n z c n l{örpe nvelt, genauer
al ler ihrer 'l' eile, nie111nls au fgeben , und ie n1uß dah~r auch das al..s
1 ,orgnniF.cl1" bc1.cichnele Sciu decn Körperga11zer1 a ls ci11cn ebenfalls
rnecha nisch irgcn rJ,vie zu begreifeo{len Tei l einorclnen . Ja 1 selbst
wenn sie hierauf v erzi chlcrt \\"Ollw, ,,ürdc di e Einführung v on Z\,·cck-
ursachen, tli'-! prinzipiell n1it n1ccl1a11ischcr Auffas.;ung u11v,e rei1,bar
sjn.d, nieu 1al et,va 11atur,vi.s, en~chafLlir h erkl ti.r-en , ,veil clie Voraus-
St"!l.:t.ung ('int"r 111elnph~'f-i!'.'icl1-l<>lc«1logi ch<•n Er1t ,vickl11 n•r clic reale
zeitliche l{ci ltr11folg-" vo11 U1, ,u;hc u n<I \Vil'l,tn1g vcril nt.lerl und dao,iL

0191 lt ado por Goog e


- 407 -
zur Annahme von Realitäten fü hl't, die mit den zeitiicl1 stets einsinnig
ablaufcr1de-n c1npirjschen Dat:,en der Biologie in eine wissenschaftlicb-
fructltbare Verbindung zu bringen, nicl1t n1ehr möglicl1 ,vöre. Kurz,
es scl1eint unter Voraussetzung der a11gegehe11en Alter11ative : Kausa-
liUlt oder Teleologie, eu:1 unlösbarer Widerspru.ch Z\\lische11 einer not-
wendigen teleologiscl1en Auifassung der Lebc,vescr1 durclt die Biologie
einerseits und einer ebenso no.t,vendigen Ablebnu11g jeder teleologiscl1en
Kau salität, die prinzipiell uut d er rr1ecJ1ani chen unvereinbar ist,
andererseits zu bestehen.
Doch läßt sich vielleicht oine andere Auffa sun.g durchführen ,
wenn "rir an das denken. "''as wir über da„ W esen der mecl1-a niscl1en
Natura11sicht im allgcmeii1en und über die Gren~en der natunvissen-
schaftlicl1en Bcgriffsbildtrng, auch dem. relativ ßjstorischcn gegcn-
über1 irrt Besonderen festgest ellt haber1 1 • Daß die Organisrne11 von der
B i o t o "i e nicht rncchaniscl1 erklärbat sind, ersche.i nt dann durchaus
v erst ändlich, d a diese Wissenschaft ,,on den Orga11i. n1e11 als etwa
Spezifischem handelt und ein n1cchanische1· Organismus einen logisct1eo
\Vidersinn ei11schließt. Abel' Konscquer1zen 1 die mit den Grundsätzen
der mechanistischen Naturwi. sen scJ1aft, d . ll. rnit eir1er 1r1echaniscl1en
Auffassung aller 1'eile d.es Na.t:urganzeu unvei-einbar sind:, brauchen
sic l1 daraus nicht zu ergehen , d. h. es \\'ürc nic ht not,vendig , die als
Organisme11 bezeicl111et en \.VirkJicJ1keite11 f01· unvereinbar mit einer
allgc1ncinen mccha11i Li eben 'fheorie der l{örper,velt zu h.alton.
Wir niüssen, nur 1 ur11 d iese Bctrac l1tung durchfül1ren zu können, ersten
von allen Wertgesic11tspunkten 1 die n1it de111 Begriff cler 'f eleol.o gie
sielt verbinden. absehen und z,veitens a ußcrd(;Jn noch i.,vci hilo,nente
in1 Begriff des Orga.nis111us begrifflich trennen, die faktisch ir11mer
n1it einander v erkntlpfl sind, aber clar,1m docl1 nicht restlos zusa1n111cn-
falle11. Die Organis1uen sind njc ht nur te leologiscl1c Gebilde überh aupt
sondern v on den a ndern Körpern auc h nocl1 i11 andere r \Veise spezi-
fisch verscl1iede11, was schon <larau hervorgel1t, daß nlcl1t a 11 e
teleologischen Gebilde a,1cl1 Orgnnisrnen sir1d. Acl1t.e11 ~ ir nun zunäcl1st
ein1nal nur auf das S p e z i f i s c h e dei:; Organischen , ohne d a bei
grade an den teleologischen Zusam111cnhang 1.-u denken, so könner1 ,,,jr
sage11: d er B egriff des Organiscl1en bleibt. so allgeo1ei11 wir il1n auch
fasser1 mögen, ir11111cr ein Begri Cf rnit relativ historischem Inl1alt. und
kann scl1on dcs,vegen niemals restlos unter die allgen1einsten, von re-
lativ llist orischen ElcrncnLcn freien Begtiffe der „leLzten' ' NntW'\Yisse11-
1 Vg l. oben S. 235 ft. und b esonders S. 246 f(.

D1911 11,ado por Goc,gle


i
1
- 408 1
1
scharL ,,,.c l.>racl1L \Verd.~n. Dos folgt. aus clc1n W e„c11 un cl den Gre1'1zen
der naturnis enscha(llichcn Bcgriffsbild,1ng, die " 'ir kenn en ge lernt
l1aJJen . E s enth alten die Be.g riffe der all<~erueitistcn Körperth eo rie
n i e rt1 a 1. s clas, \vas n u r für einen be ondereo 1· e i 1 der K örp er-
\cvelt gilt. Aus genau demselben Grunde ind ntich rJie qu alit.~tiven
Bestirnr11unge11 der c hcrr1isclic11 Elemente von der Cl1crnie niernals
restlos unter phj' ikalische Begriffe Z-U bringen, t1nd eben o ,venig
las cr1 sich die <rualita.liven DiffP-renzcn zwischer, Scha ll, Llclit und
W ärme v on d,e r Ph ysil<in rein quan titative Vcrscl1icdcnhcile11 aufJöscn,
und da raus folgt da.un , da ß die Organi~n1c11 in ihrer pezifischen
Eigc11 art, abgc>schcn ,,on <icn1 teleologi!-chen l\I omcnt; mech ~nisch
nicht. ur1beg1·ei fl ichcr sind a]~ jede andere ernpi rjsclle \'\'irklichl<eit.
die ,vir at1f d as ihr EigP11lü n1 liclte hin betracllte11 .
llat inan aber dies vcrstn.ndcn, ·o muß and rerseits a ucl1 kl ar sein,
daO di ese Art von 11u:~cha1li eher Unb.cgreirlichkeit des Organi ·Glte11,
die ni1r au( d e 111 pezifis.nhcn der „Organis1nen 1' genannten Gebilde
boruht, ihre Einor{lnung in den a llgPm<'insl,co mechanischen ~att1rza-
satnnler1l1nng u11d die Durchführu11g der 111echanischen N aLt:trauf-
fassung für a lle l'eile der l(örper,velt nicl1t jn prinzipiell and erer
Weise ausscl1ließt, als die mechaniscltc Unbcgrciflichltcit, der cl1 emi-
schen und pl1ysikali cher1 Qualitä ten uns l1i11dert, ie unter detn Ge-
sichtspunkte clcr allgen1cinstcn Körperth eorio in rein quan.titativ
besti111111ten Begriffen zu de11ke111 sondern ,,·ir scl1e11 1nit. genau den,se)&
ben Recht oder Unrecl1t die Organis111cn, so weiL .n ur das Spezifische
ttnd nocl1 nicl1t das Tclr.•ologische an il,nen in Betracht kommt, als von
rein 11\ccltar1iscl1en Gc._et zen beherrscl1.t.e Ato mkorn plexe an, n1it dem
'"'Jr die qu.ali tativcn Differenzen der cherni chen Sto ffe und die qua-
lita tiv v on cin.a nt.ler v erschiedenen physi l,alisch.e n Vorgänge atif (lltOn-
titat ive l)if(crenzcn von At.on1be,vl'gung zurückführen. 1'1it de1n-
sclbe11 R o c lt t , d erl11 es i l sehr ,,·0]11 gestattet, auch das unte r ein
Systet11 von J'ein quantit ativ besliru,ntcn Begriffen zu brir1gcn, ,vas
selbst rr,el1r .~ls quanti t,at iv ist , und n1it de111sellle11 U n r c c h t, d e11n
es ist , ·011 jeder qu a lil.a tiven \Virli lichli <'it, nlso n\1ch v o11 den Organis-
men, nie111als zu s.agen , da ß sie n ur qu ar1Litativ bc t i1r11nt.c \Virklicl1-
kciten seien . Docl1 ist <.lnl)ei 1 ,veni1 auel1 clas R ech t der tn ccha nischen
Auffassung kl ar . ein soll , F olgcndPS zu beacl1ten . De11kL mo.r1 einen
Orga nis1nus als eir1rn chc111iscl1en oder physikaliscl1co \ 7orgnng od er gar
nls eine11 rein ,nccl,nni cl1cr1 Ato1nkorr1 plex 1 so v e,r ,lüßt tnan d ar11it tlas
Gebiet der h i o I o g i s c 11 e n \\1i~scn schn[t u11d l1ört auf, die Ül'ganis-

ü1g1taltzado por Goog e


- 409 -

men a l s Orgaoisme11 zu betrachten, aber man tut damit im Prinzip


w.i ederum nichts anderes, aJs \venn man c.he1nische Elc,11er1te oder
Wärme und. Licht als Atombe,vegung ansieht, denn auch jn diesem

Falle l1ören die Elemente auf, cherrliscl1e Elernonte im engeren Sinne
des Wortes i-u seu"i, u11d an Wär1n.e und Licl1t bleibt nicl1t.s, ,vas noch
~·Armt oder leuct,tett d . h. es ist. der chen1isc}1e oder der i1n cnger1e_n
Sinne physikalisch.e , z. B. thern1ische od.er optiscl1e Standpunkt
ebenfaJls verlassen. Zt1 "W'idersprücl1co komrr1t es erst, ,..,enn der Biologe
a l s Biologe die Orgnnisn1en n l s Organismen rein n1echanisch denken
willt denn dann abstrahiert er ger ade ,,o,n dem, um dcsscnl,villcn
er sei11e Objekte zum Gegenstande einer besonderen biologischen
\Vissenscha ft, gcmac)1t- hat.
Bei der nicht.-bioJogischen so11der-n 1nocl1at1iscl1en Aurra sung
auch der Organismen. als Atomkomplexe ltoinmt nun allerdings zu
der filr j e d e nat unvisscnschaftlicho Begriffsbildung not,vendigen
Abstraktion vom Spezifischen noch die zweite Aufgabe hinzu, auch ,,o,n
jed.e r 'l'eleologie abzuse•1er1> und l'licran scl1oi,n t die mecha11ische Auf-
fassu.ng des 01·ga11ischen d.ann doch z.u scheitcrn t denn Organisrr1,us ,ind
-
l\.lechanismus sind nicl1t nur niemals restlos. zur Deckung zu bri11gen
sondern stel1en ausdrücklich. i11 eiue1n Widersprucl·, zueinander. Der
B c g r i f ! d es Organ.ismt1s schließt es aus, dnO er jemals als f\l ecl1anismt1s
gedacht ,,.•ird. Aber a11cl1 11ieraus entstehen, \vcr111 rnac1 uberhaupt
einn1al die Grenzer, d er Biologie überscJ1ritLen und aufgehört, hat,
b i o l o g i s c 11 e Begriffe fü r die Organisrncn zu bil<len, tro lzdem
keine prinzipiell neuen Sch\vierigl~eite1:1. Die Durcl\führung der
Betrachtu11g d er Orgat1is111en als 1'1echanismen setzt nt1r voraus 1
was die Voraussetzt1 og des Verständnisses alter natur,visser1scl1artlichen
'
Bc,-gri({sbildung istt närnli,c.h daß rnan gelernt l,at, 11icllt 1ncl1r meta-
physisch die .B cgritfe als R ealiUiten zu denk en sondern in den1 unn1ittel•
b.ar Gegebenen den ein.zigen realC'n Storr der Natunvisscnsclta(t zu
sel1en, und das bedeutet in djescm Falle, daß der tcleologisctie Zu am-
m·enhallg der Organismen von vornl1erein nicht als der Ausdruck
einer 1nctapl1)'Sische11 \\''csenheit, -w·ic 11 Ziclstrebigkeitu oder derglei-
chent so11dern eben nur als eine Auffassung a11gcsehen ,,·erclen dar(, die
die von uns ,,Orga11ismen" genannten Körper durclt ihre Besond erheit
d em erkun11e11dcn Subjekte aufdrängen, u11d vorl der deshalb d er Biolog,e
als Biologe, so lange er Organisnlen als Organisn1cn behand elt, auch
nien1aJs absehen l(ar1r1. Dann macht die für den Bio1ogcr1 noL\ve11dige
teleologische Auffassu11g die Organjs111e11 for die allgemeinste mecha-

ü1g1taltzado por Goog e


- 410 -

nische I{ö:rperLbeorie nicht mehr zu Rätseln, den_n. sie ist, mag sie
in der Biologie tluch unvenneidlicl1 sein, vom 1n-ecl1aniscl1cn Standpunkt
aus doch eben n u r eine ,,Auffassungu, also mit der n1ecl1anischen
J{ausaliUit sehr ,vohl vereinbar, und an.dererseits muß ctie Anerkennung
der B erecl1tigung und Not,vendigkeit der teleologischen AufCassung
innerhalb der Biologie jeden b cgi-ündeten Anspruch des Biologen auf
teleologisches Denken vollkommen befriedigen.
Damit das ganz klar ,vird.1 sei nur noch ein Wort über de11 Be-
griff dieser teleologiscl1er1 A u f r a s s u n g biozugefügt. Es kommt all-
ein d arau1 an, daß n1an im biologiscl1en Denken den Begriff einer
Ursache vcrn,cidet, die das, v.•as sie selbst nur .öuvciµet, der !\(ög}ich-
keit nach, entl1ält, \virklicl1 zu n1ache11 oder andere \\lirklicttkeilen
zu ihrer eige.nen, Ver"iirkJichung zu bestima1en vermag. Eine ~olcl1e
,,Endursache" ,vürde mit jcdel' mechanischen Auffassung in der Tat
unvereinbar sein. Verlegen ,vir d agegen die 1'eleologie in die Auffas-
sung des biologisch erkennenden Subjektes, so beißt da_s nichts anderes,
a ls daß ,vir genötigt sind, ge,vis5c Objekte " 'cgen ihrer B esonderheit
so zu betrachten, daß ,ru dabei an das Ganze oder an das Ende denken
und nun alles Uebrigc a ls Ilotwcndige B e di ngungen iw· Venvirk-
licl1ung des Endes anse11en. Gerade diese k o n d i t i o n a l - teleo-
logiscl1e Auffassung 1 t die der n1echanischen Körpertheorie zu wider-
sprecl1en scheint, ist mit dem l\.fcchanismus nicht unverträglich,
'
wie .sich am besten daran zeigt, daß ,vir auclt 1nechanis.cl10 Gebilde f

ebenso unter sie bringen können ,vie die organischen. J ede ~f aschine
ist ein teleologischer Zusamn1enhang in den1 Sinne, daß ihre Teile
Bedingungen fü r den B estand des Ganzen sind, und doch kann hier
v on et\vas niechanisch Unerklärbarem gewiß 11icht gesprochen werden.
Ja , es läßt sich sogar jeder beliebige mechanische Zusamn1enhan.g so
ar1sehen, daß aus ihm ein kondilional-tcleologisct1cr \Vtrd. l\fan braucht
nur die Ursachen (ür den Effekt als, dessen Bedingungen zu betrachten,
also in G c d anken die kausale Reihenfolge urnZlikchren. Dann ist
aus dein kausalen. Ve1·l1ältnis ein .k onditionales u11d insofern aucl1 ein
teleologisches ge\vorden, und sieht rr1 a11 nu.n in de111 Endeffekt außer-
dern noch den z,veck, sö erl1ält der ganze Vorgang eine teleologi ehe
Eiuheit. Von irgend ,velcl1cr 111ewphysisch-tclcologisclicn I{au alität
ist aber da11n offeubni- keine R ede. Eine reir1 111echaniscl1c Auffassung
auch dieser teleologischen 'Zusan1menl1ange i t n1öglich, ~obn!d n1an
1 \>'i;-1. d niu. 01eine Abhancllu11g : Lebenswerte und l( ulturwerlo, 1911, Lo-
gos I I . s. t4l:! rr.

ü1g1taltzado por Goog e


- 411 -
wieder von der konditional-telcologiscl1er1 Urnkehrung absiel1t. Frei-
lich koinmt u11s bei den meisten anorganischen Vorgängen die teleo-
logische Auffassung ,villkürlich vor, lJnd nur die Organ.is1r1en scl1einen
uns zu ihr zu Z\vir1gen. Da s läßt sich vie lleicht daraus verstehen , daß wir
selber, die \vir erkennen, z,vecksetzende \-Vesen sind und daher atich tan-
sero eigenen Körper t eleologisclt betracl1t.en müssen . Diese Bet rach-
tungsw-ei e wenden wir dann auf alles an, was trns ä hnlicl1 ist, d. h. die spe---
zifiscl1en Eigentümlichkeiten, die wir selbst besitzen, vera11Jassen uns
überall, ,vo wir sie finden , z.u einer teleologischen Auffassung, ur1d des-
wegen v.rerden .n ur die Körper, die sielt von dem übrigen Naturgeschehen
ebenso ,vir ,vir selbst spe1jCiscl1 unterscheiden , v on uns Organismen
gcnam1t . Daß ie aber deshalb 1nit einer n1echanischen Auffassung:in
Wi de r s pru ch stel1en, darf rn.a n nic ht behat1pte11J und darauf
allei11 kommt es an. Die Biologie hat a lso Jedjglich insofern ei11e Aus-
nal1mestellung1 als die b esondere Beschaffer1l1cit der von ihr Organismen
genannten Objekte i11fo)ge ihrer s pezifischen Eigentümlichkeit en
das auffassende Iodivid.u.11m v eranlaß t, die kausalen \ 'erhältnisse
als konditionale oder durcl1 B etrachtt1r1g des Endstad i,1rns als eines
z ,"eckes vollends al.s teleologiscl1e Zusamme11här1ge zu denken. Der
Gedanke einer tcl.eologisct1co K ausalität j edoch braucht icl1 mit
dieser Betrachtungsweise nie}1t zu verknüpfen, jaJ er darf nicht rojt
ihr verbunden " 'erden , falls die Biologie ~jc ft o.icl1t in e.inen Wid er-
sprucl1 rnit der allgemeinst en l{örpertheorie set~en ,vilL
Wir kommen damit zu folge11dem Ergebnis. Die Anl1ä ng r der
,,11atürlicben Teleologie'' haben ge,viß Recht, \ve1111 sie die mecha11ische
Erklärbarkeit derOrganisn1en durcl-1 die Biol og i e bestrciten 1 denn
die Biologie hat es stets mit Organism.en a l s Organismen , d. 11. mit
teleologiscl1 aufgefaßt en Zusammenhängen , ron ei11er besondere11
Beschaffenl'1eit. zu tun , und ein rnecl1anischet Organism us is-t ein
in sicl1 wiclerspruc hsvoller Begriff. Dadu.rch aber braucl,t die Einl1cit
der mechaniscl1en Au ffas ung dec; Natu r g a n z e n in allen seinen
T eilen nicht. durchbrochen zu ,verden, d enn d iese Auffassung best e ht
nur für den Standpunkt der allae11,einstcn l{örpertheo rie zu Recl1t,
für den a lle i1tdivid11cllcn Diffcrc r1zen n.ot,ve11dig v-ersct1,vinnen, a lso
auch die Eigentüinlichkeiten, die zu einer teleologiscl1cn Auffassung
gc,visser körperlicher Gebilde veranlassen . Der Widerspruch Z\Vischcn
Mechanistnus und T eleologie steckt, \\'en n man v on a ller t eleologi cl1en
Ka.usa lität t1nd l\fetaphysik abzusel1er1 sjclt e11tscl1ließt, nicht in den
Objekten seihst sondern allein in z,vei eina_nder aussel1ließenden

D191, h,ado por Google


- 412 -

Betrachtungs,veisen derselben Dinge : in der denkbar allgemeinsten


natun\risf!enschafllichen 1 d. h. rein mecl1a.nischen einerseits und in
der 1nit Begriffen von relativ historischen1 Ir1l1alt arbeitenden
anderer eits, die auf uns selbst ähnliche uod da her von uns not -
v.,endig t eleolog.iscl,1 aufgefaßLc Objekte bezogcr1 sin,d. Diese Dop,p cl-
heit <l er Betracl)tung.s,\lcise ist aber ni,cl1t ct,va unbereclltigt sondern
im "Vescn der richtig versLar1d-enen natun\lissenscl1aCt.lichen Begrjffs-
biJdt1ng b egründet. Sie isL au.eh, abgesehen von der zu der Spezifi-
kal-ion nocli t1inzutretendcn teleologischen Auffassung, kein Ausnahme◄ •

fa ll sondern zieht sich durc11 die gan1..e Natun\'issenschaft ltiudurch.


l\1an kann in keiner Spezial\\'issen cha fL die rei11 mechanisc)1e Betrach-
tungS\Yeise dt1rchführen. d . h. man kann die Bjologie als Biologie
so \\'enig in Cl1c.nlie und P hysik auflösen 1 wie die Chemie sieb resLlos
in PJ1ysik und die Physik sich restlos in reine ~lechanik auflösen
läßt. Andererseits aber jst 8\1cl1 nur für den Bi<'logcn die teleologisc he
Auffu6sung seiner Objekte unontbel1rlich, wie nur für clcn Chcruikcr
die qtJalitativen UoLcrs.chicd.c der Stoffe nicht wegzl1<lc11kcn sind., und
die allgerneinste K örpertheorie hat nicht allein das Recht soodem
sogar die Pflicht, die spezifiscl1 en Differenzen und Auffassungen in
ihren Begriffen zu ignorieren. Nur dann würde m.an diesen Gedanken-
gang nicht.anerkennen könne-n, ,,,enn man d em „L ebendigen'' und d altcr
not~1endig zugleich teleologisch 1-\ ufgefaßten eine ga11z andere Art
, on \Vir klichkcit. beilegte, als sie die anorga11ischcr1 Objekte besitzen.
1

~lan käme damit zu einer Art. von ?\letaphysik, wie sie heute vielfach
vertreten wird und auch Beifa.11 gefu nden hat. Daß aber Jnit Hilfe
solcher Voraussetzungen auch eine die gesarnte Körpen,:elt un1fassende
allgen1eine Theorie gebildet werden kann, die alle Teile der körp-er~
liehen Natur einheitlich zu erklären v ermag, das 111üßte erst gezeigt
,verdc-r1. \.Vir gehen darauf l1i-er sc.hon dcs,vegetl nicl1t ein, ,veil ein
wissenschaCt.Jich bedeutsan1er Versuch dai.u überhaupt noch nicht
gemach t ,vordeu ist. Außerdem glauben ,vir, gezeigt zu haben , daß at1,s
rein logiscJ1en Gr·ünden nur die quantifizierende und in diesem Sinne
1r1ccl:1a11ischc Auffassung de r l{örpen\·ell es zu Begriffen bringen kann,
die sich auf jeden bcliebige11 Teil und insofern auf das Körpcrga.nze an-
v.·enden lassen. Eine 1'l1ooric aber, die dies leistet, muß die Natu1"\,·issen,-
schaft stets als letztes Ziel irn Auge behalten.
Dies alles soll jedoc h nu1· eine flü chtige Andeutung v on Gedanken
sein, mit denen die Sch,,1 ierigkeiLen, die sjch bei der Einordnung dc:r
Orgo.ni men in den allgen1einen n1echanischer1 Naturz usam1ru!nl1a11g

ü1g1taltzado por Goog e


- 413 -
ergcbon, logisch verständlicl1 zu macl1en sind, w1d die Riclttigkeit
des folger1den Gedankengru1gcs ist hiervon nicl1t abhängig. E s ger1ügt,
,venn die Ansicht, die wir entwickelt ha.ber1, keinen logischen Wider-
spruch entl1äJt. Für uns kommt es jetzt nur darauf an , \Velcl1en t.eloo-
logisc11en Ent,vicklur1gsbegriff eine Biologie, die sicl1 von a ller meLa-
phy . ischen l'eleologie frei l,alLe11 wilJ, beuutzen rnuß, und da zeigt sich,,
d.aß dieser Begriff ge,vissennaßen zwischen d,em einer bloßen Verände-
rung wld den, eines , ,on teleologischer K ausali,tät beherrschten Werde-
ganges liegt. VVas unter ihn fällt, ist stets ei.nc R eil1e vor1 er.n pirisch
kausal miteinander verknüpft.er Stadien}von denen jedes vorar1gchende
die Ursache des dari\uf fo1gendcn bildet, aber es ,vird der ganze Prozeß
so angesel1en 1 als oh er sich in ei11er besti1n,uten Rict,tu.11g auf ein be-
stimn1tes Ende hin be,vegt , und demnac11 als eine teleologisch·e Ent-
wicklur1g insofern aufgefaßt, als sein e ver chiodcncn Teile not,vendige
Bedingu ngen zur Erreichung dieses Endes sind. E s uut.e1·liegt keinem
Zweifel, daß einer solchen konditionaJ-teleologisch.en Auffa sung der
Wirklichkeit und der An\VCndung des sich daraus ergebe11clen Ent•
,vicklungsbegriffcs aucl, in einer e111pirischen \,Vissen chaft keine Be-
denken entgegenstel1en. Es kann, ,v,eil da bei von jeder z,,·ecku rsache
abgesehen ,vird, diese Betrachtun g keiner andern cn1piriscl1en Au(-
las·u11g der Wirklichlicit ,vidcrsprcchen, u11d ,,.·ir erhalten so cJen ge-
wisserinaßen vorausset:.kungs.losesten teleologischen Ent,vicklungs-
begriff, der sich der1l.<.en läßt. Er entslel1t our du.rch clie VenvondJung
der ka usalen V eTtiältrtisse jn k.o ndi ~ionalc und dur-c h Bet onung des
letzten Stadiurns als des Endes der Reihe 1 zu dessen Realisierung dann
die übrigen Glieder als dessen not,vendige Bedingt1nge11 beitragen.
\Vir können eine solche te)eoJogi ehe Auff a. st1ng atif jede beliebige

Kausalkette anYvcnden, ja, ,vir ,verden sogar sagen dilrfen, daß es
der Gedanke ao eine teJeologisctle Betr.acl1tung dieser Art j t , der
fast .immer mitklingt, \\'en n \.,,jr ü be rha11pt ejne V cr tir1de r ungsreihe
als E nt,,·icklung bezcichr1cn. Aucll ,vo man z. B. v o11 (']er E11l \vick•
Jung ci'ner \Volke spricl1t, und ,,•,o also jeder GedaJ1ke ein •r E nd- oder
z,\-•eckursache ausge cl·,losscn i. t, fassen ,vir cloch (1en Proz. ,ß als
einCI1 auf ein E ndst adium hin sich bcv.-egendc r1 at1 f nr1d bringen
danut in den Begriff ein kor1di tjonal-lclt:ologiscl1es Morurnt.
Keh ren ,virnu11 zu unscrrn Versuch, d1!11 lii::t,orjscl1e·n E nL,vicl, Iungs-
begrif( d t1rcl1 Ab~renz.ung gegen c}ic ve1"\vand'tcn Begrirre zu ge,vinner1,
zurück und frngcn, "'·ag dcr soebcr1 clargelegLe Begri ff ftir die Gescbicl1ts-
,vissenschaft he{le1 1tet, so liefe rt er orfer1bar ein Prir1zip, n1it dem

D1911 11,ado por Goc,gle


- 414 -
ein Werdegang eben o zu einer Eiraheit zusammenztischließen wad zu
gliedern ist, ,~ie dies m.it Hilfe des metaphysisch-teleologiscl1en Ent-
wicklungsbegriffes ge chehen kann. Das Ganze) das sich in den1
angegebenen Sinne entwickelt, hat an einem durch die Leleologische
Bezieh ung bestimrnten Zeitpunkt mit einem bestin'lmten Stadium
begonnen, ist an einc1r1 ebenso bcstifillntcn aud-e ren Zeitpunkt. mit einem
ai1dere11 hestimmLe11 St.adiun1 abgeschlossen, und alle seine ver ·chie-
denen Stadien hebe11 sich dadurcl1 voneinander ab, daß jedes seine
bestin1n1t,e Bedeutung für die R.ealisierung de-s Endes oder d es Ganzen
hat, d. h . sie ,,•erden zu kondilional-tcleologisch notwendigen Gliedern,
,veil ohne sie das Ergebr1is nicht zusut11de .ko1nn1en ,vürde. Der Be-
griff der bloßen Genesis oder der Veränderung führt uns al o immer ins
Unbegrenzte, der Begriff des bcstirnn1t gerichtctc-n '\Verdens oder
der Ortl1ogenesis tnacht dagegc11 eine Veränderung~reihe zu eir1er
gegliederten und einheitliche11 Kette. Daß trotzdem die t eleologische
Entwicklung in diesern Sinne aber nocl1 keine historische Ent,vic.k lung
ist, ergibt sicl1 daraus, daß sie ebenso ,vie eine bloße Veränderung so-
,vol1l mit, Rücksicht a.ur das, ,,·as ihr n:1it anderri teleologi ·chen Ent-
wickJuogen gen1einsarn ist , angesehen werden kann als auch rnit Rück-
sicht auf ilire individuelle Eigena1t, d . h. es ist auch der Begriff der
konditional-tclcologiscl1c.n E11twickl,u ng ebe11so mit einer Auffassung
der \Virklicbkeit als atur '"'ie n1it ei11cr .t\uffassung als GescltlcJ1te
vereinbar. Ticl1 Ls l1indert uns, d-ie teleologische11 En.t,vick]t1ngs-
reihen un t er ein Syst em allgcn,eincr Begriffe z.t1 brjngen, ja, ,venn diese
Begriffe u11bcdi11gt allgc111eir1 sind t 1nüsscn ,,•ir sognr von t e l o o l o-
g i s c 11 c 11 E n l ,v i c k l u 11 g s g e s e t z e n :sproc bcn, die in deu1-
elben Jogi. chcn Sinne Nat t1rgcsetze sind ,,rie d je Ge etze der Physik
oder d er Chemie. Der Satz z. B ., d aß jedes Wirbeltier zunäc l1st ein
Einzclle11sl,a,(liu:rn durcllrnacl,t,, dann ejncn Koniplex von ga r nicht oder
un,vesentJicl1 differenzie rte n Zellen biJdcl, liicr a uf sielt zu eine,n
Orga11i~111,J - 111it drei l{ejl11blütlo1·n un1formt, da1111 eiJl ungegliedertes
A chsen k,elett er,vi1·bl 1 u1l1 e11dlicl1 ein geglicdertes Ach ·cn kelctt zu er-
halten, den1 die J{lnsse den Nan1en 1 1'\o\' irbelLier'' ·v erdankt, ist als ein
solches EnL,vickl11ngi'lgcsetz ani-uscl1en, da.5, cir1 tclcologi::.i,cl1es ::\Jo111ent
aucl1 für den enthält, der vo11 dein 1ncel1a11iöcl1-kau salcn \Vet·den
aller Lcbcr1svorgär1ge fest, überzeugt isL. llie verscli ied.er,en Stadien
die er Veränderun g reil1e \Verden ja liier 111it Riick icl1t auf das be-
trachtet und zusamrnenge.schlo~sen, ,,,od urch al1ciu gcraJe die clurcb
das gcglied •rLc Achscn.:-kr leit charnk.tcrisicrl,e, Wirbellier genannte

D1911 11,ado por Goc,gle


- 415

und am Ende d er R eihe stehende Form a lJm.ä l1lich zt1stand e kornrnen


kann. Mit Geschicl1le, auch wenn ,vir das \Vort im rein logischen,
also denkbar ,veitesten Sinne nehmen, l1aben derartige AJlgemein•
begriffe vori teleologischen En",ricklungen noch nicl1ts zu tun, d enn,
wenn auch der I n 11 a 1 t der Begriffe, insofern es sicl1 ltm einen Or-
ganismus ba.n delt, relativ historische ?t1lomente entt1ält1 so is t docl1 die
l\1 e t }1 o d e der Begriffsbildung rein natunvissenscbaJtliclJ, d. h.
es v-rird für d en Begriff nur das ,vesenUich, was den verschiedenen Ent-
,vicklungen ge1r1einsam ist, und die Bildung des Begriffs beruht
somit auf demselben Prinzip, das die naturwissenscl1aftliche oder ge-
neralisierende Begril.t sbildung überhaupt leitet.
Kommt also eine einmalige Entwicklungsreihe als solch.e in Be-
tracht, so leistet uns die konditional-teleologische Auffassung zur Schei-
dung des W esontlichen vom Unwesentlichen für sich noch nic!1ts.
Scl1on ,veil sie auf jeden beliebigen Werdegang ange,vendet werden
kann, gibt sie eine ein.heitlicl1e Zt1sammenfassung böcl1st.ens in dein
Sinne wie etwa der Dingbegriff oder der B e.griff d er Seele, 1nacht es
aber nicht n1öglict1, einen einmaligen Werdegang ztt einer so,vohl
einzigartigen als auch einheitlichen oder ztisammengehörigon lYla11-
nigfaltigkeit von Stadien zusammenztJschJießen, und diese Einheit
i t es ja gcradet die ,vir suchen. Sobald das klar ist, ,vissen wir aber
aucl1 sogleich, was dem konditional-·lolcologischert Enl.\.\'icklui1gs-
begriff noch fel1lt, da1nit er ein Prinzip {Ur die Darstellung einer
hi torischen EnL-iivick lung ,verden kann , Soll in einer mehr als ,vill-
kürlichen Darstellllng die lndivid.ualität der Wirklichkeit erl1alten
bleiben, dann darf ihre I\fannigfaltigkeit nt1r durch Bez.iel1\1ng auf
einen Wert in , vesentliche und unwesontlicbo Bestandteile zerfallen,
und v on einem W erte J:1abcn ,vir vorläufig ganz a.b gesehcn . E s ,var das
möglicll , ob\vot\1 der Begriff eines Ziel~s ursprünglich sl.ets rnit dem eines
WcrLe.s verbunder1 sein ,vird , d enn es läßt sicl1, sobald einmal der Ge-
d.anke des Strebens in einer bestimmter1 Richtung vorhanden is t.,
dies Streben auc h als eir1e bloße Bo,\·egu11g nach ei11cu1 nicht ge,verLet.en
Ende l1in auffassen , und wen11 das n1öglictt ,var, so ""'ar es zugleich
not,vendig, die teleologische Auffassung einer ' 'eränderung· in il1rer
vorat1s et.zungslo estcr1 Ge talt zu ge,vinncn, in der auch die Nntur-
,vissen~chart vo11 Organisn1en sie nicl1t entbehren kann. ~lag nümJich
der Ut11stand, daß clas Ertde nls Ziel oder als Z\vecl< ge,vertet wird,
die V e r an l n s s u n g d a für bilden, daß , vir einen l{.ausa lzu.san1men-
hang kon<litional-tcleologiscl1 betrachten , . o kann docl1 diese Ver-

D1911 11,ado por Goc,gle


- 416 -

anJassung 1 nachdem sie einmal il1ren Dienst gel.an hat., fortgedacl1t


werden 1 und es bleibt da11n nur noch die Richtung der EnL,vicklun·g
auf das Ende hin bestehen, ganz unabhängig davon, ob dies Ende
ein Z,veck ist und ein Wert dadurcl1 realisiert ,vird 1 d. l,. ob schließ-
lich ein Gut entstel1t oder nicht. Vot1 der teleologisch.en Ent,vick•
lungsreihe, wie die Biologie sie kennt, ist der Gedanke eines Wertes
soga r .1lot,vendig f er11zu.l1alten, falls es 2.u einer gcr1cralisierenden Be-
griffsbildung kommen soll. Wie aber zum. Beg1·iff des llistorischen
Inclividuun1s überhaupt die Beziehung auf einen Wert get16rt, so rnuß
aucl1 die tcleologiscl1e Ent.,vicklu11 gsreil1e au! eiaen Wert bezogen
werden, damit Ent,vicklungs g es c hi c h t e i1n logiscl1en Sinne,. d. h.
Dar-s tellung einmaliger und individueller Ent,vickJung entsteht.
Was die t'llcoretisclle Beziehung auf einen \Vcrt im allge111einen
für die historische Begriffsbildung bcdcu.tct, habc11 ,vir frü her gesel1en.
Doch können sicJ1 \Vert-e mit dein Ent\vicklungsgedanken in so ver--
schicdener \Veise verknüpfen, daß Ylir uns auch die dadurch enlste.h en-
den verscbiede.nen Formen ,vicder gc-s-0ndert zurr1 Be,vußts,ein bringen
t11üssen 1 um dann endlich den Ent,,vicklungsbcgt·iff, der filr die Ge-
schichte allein in Frage kommen darf, v on diesen il1m an1 näcl1sten
venvandter1 Begriffe11 zu scheiden.
Um alle ,1~öglicl1en ntit Wert.ge ichL:ipt1nkLen verhunde.neu teleo•
logischen Ent.~,ricklungsbegriffe vollsttlndig zu ubersehen 1 ziehen \\-'lr
zuerst noch einr11al den metaphy!-isch-telcologischen mit in Betracht.
Er \\rird ,vohl fast i1nt1te r s o gedac.l1t 1 daß das d c11 ganz ·11 Prozeß he 4

herrscl1e11do Endstadium nicltL nur die Ur ache isL, die Alles bewirkt.,
so11dern z11glci,ch das Gu te, zu dem Alles hins treben soll, u11d die
telcoJogische Ent,vicklu ng ist bei diese r Aurfa.ssung dann oviel
,vie ,,l•'orlsch rit.t'' zu11, Bc-sscre1l ·oder Werl.stc:igeru ng. \.\' ir können
,vicder als Beispiel auf J-lcgels zt1 sich selbst llo1111nc11<icn ,,Geist''
hin"'·eisen, der nich t 11ur Zv,·eckursacl1e .ondcm a,1c:l1 clas G11t i.sL, an
dom ein objekti,r,cr \Vert haftet,. l l rtd zu dessen .Rcalisi~ru11g es einer
List der ' 'cr11unft. bedarf, die die •inzcl11c11 l nllividucn li('r1 über-
per~önlichen \\rerL för(lern lößt, ,,·ül.1re1td sie ineincn, i111 Dien~te ihrer
peri:;;önlir.hen T11tercs!-f\11 tütig zu ein . Gl nubt der 1-IJ~,torilicr a 11 ein
so! •lies 111et.a1_)h)•sischr;,1 Prjnzip (lcs Guten in der Gescl1ichte 1 oder
meint er gn r, es in sci11 r i11hall,ljcht•t1 He onderheit zu l( ennen, dann
i i;t e ihnl ge,\•iß 1,ic.l1l v (.>1·t>ot C:'11, da ß er Reiner el)c•r1,cugt1nrr a\1ch bei
uer g ~schichLlicl1en Dar:-t..ellung Ausrlr11ck. ver! iht.1 aber, solar1ge er
1

nur c1111Jiri~f' her F or. eher sei11 \Vill, l1aLer sich un1 diese transzcr1den teo

1
ü1g1taltzado por Goog e
- 417

Fra,g en nicht zu k(lmn1ern , und auf jeden Full ist der geschichts1;vissen-
schaftliche 'W'ert seiner Darstellung von ao)cl1en n1etaphysischen
.AJ1sicl1ter1 unabhängig zu macl1en 1 d . h. alle die Fragen 1 ,vie die Dinge
,,•irklich verlaufen sind, durch ,vclcl1e Ursachen sie bestimn1t ,varen,
und ,vas histori.scl1 ,,·esentlich oder unvvesentlich ist , muß ohne Rück-
sicht auf eine lranszendento "'1eltmacht des G,1ten entschieden ,ver-
de11. Vollends gehört das P robletn, ob es eine solche 1\1act-1t giht,
nicl1t in die empjrische GescbichLe, sondern wenn es überhaupt im
Z,isamn1enhange n·1it dem historischen Leben bel1andelt ,verdeo solJ,
in eine Gescl1icJ1Lsmetapl1ysili. ~1it \i\'ert.en also, i11sofern sie als tran-
sz.er1dent.e \Vese11l1eil-e11gedacht '"·erden , l1at es der Historiker als Histo-
riker nien, als zu t un. Daher mü.ssen \Vir den metaph) s isch-te.Jeolo-
1

gischcn Ent,,·icklungsbegrift auch in seiner Verkn üpfung 1nit einem


\\' crte l1ier fer11l1alten, sola11ge es sicl1 darum handelt, die Prinzipien
der e1npiriscl1c11 Ge.$cbicl1tswisi$enscl1afL zu verst ellen .
Wir haben ihn nur desl,alb nocl1 ei1m1al en\·äh.nt, um ihn \1on
eirterr1 andern Ent,vicl{lungsbegriff zu scheiden , mit dem er i11 eit1er
Iiinsicht ü.bereit1sti111rr1t. E s ist r.nöglict1 1 einen \\'crt, der durch
ein e Ent,vicklw1g in eine10 Gute realisiert ,vil'd , z,var ,·on den Ur-
sachen, die den Ent.,vicl{lul1gsprozeO tat.-siiclllich be~tin1,11cn 1 zu tren-
nen, trotz•d em aber den Gedru1ke11 ci11er not,ve11tligcn Verbjndurlg
z,visc11e·n d er zeitlicl1en Abfolge verscltiede11cr E11 L,vicl{lungistadien
t1nd einem F ortschritL zun1 Bes3cren beizubehalten, d. )1. \\'i.r kön11en
einen Werdegang, der Zll cinen1 ,\·ertvollen Ergebnis fül1rt, nicht n ur
darauf bin betrachu-11 1 ,vic ein Sladit11n rlas andere n1iL l{.1.usale r Not,..
,vendigkeit hervorbr.ingt, so11dct11 auch glauhc11 , daß diese Stadien
gen.a u in de m l\laße höl1er zu ,,1e1vten seien·, in dem s ie zeitlich sp ä t.er
liegen, denn, fal ls. die Ent\vicklung not"vendig dt1rc}1 jed •s St1.ldiun1
hi11durch muß, w11 d a, ,,·crlvolle Ziel zu crr,e rche n , sc heir1t a11ch mit
d erselben Not,,·endigkeit jede~ folgende Stadiun1 d er Fleihe i11 t1öhc rem
l\[aße als da vorangcga11gene das zu , rer,virJ{l ic lle11 , ,v::is sein soll.
So kar111 ,z. B. d er bio logiscf,c Ent\,rickJungsprozeß, der ,,phylogenetisch",
also i111 logi:;che.n Si11ne (,v•1nn auch 11ur re la t..-iv ) ltisloriscl1 v on den
,,niederen" Organ is111cn nllrnöl1lich bit- zu den 11höchst en' 1 , den ~.f cn-
scher1 l1inführt, ao angesehen ,vcrden, daß die rcir1 rnech~\nisch kausul
n1it einander v crknüpft e11 cinzeloer1 Statlien 11ot1;vcn<lig Scl1ritt für
Schritt einen gröOcrc11 \\'e rt ir1 Gülcrn realjsiere111 d . 11. es ,,;rd tle11 ver-
SGl1iedcncn 'ficrga LLungc n ein unl s.o höhe re r '\<\'ert b cigclegL, je näher
sie .1uf det· rniL de1,11 Z('it,licl,e,n 1\ bluu f z.usan1n1enfollcnclcri Fortsch riLts-

ürg,t~hzado por Goog e


- 418

li nie dc1-r1 l\f cnschen stcl1e11. E s scl1cir1t dann fer11et auch 111üglicl1,
die Rejh,c innerhalb des \1/erdeganges der l\1en "chheit selbst ,veit.cr
zu verfolgen i111d c.benfall als eine Kette kausal mit eir1ander verbun-
<le.ncY Glieder .a11fzura~:-cn, von denen jedes folgende den vorangegange--
11en gegenüber ciI1e ,,höhe re' ', d. h. ,verlvollere Stufe bildet , so daß
v on cle11 11ieder. Lei-1 Organismen bis zu de1n h eutigen l{ulturrnensche11
hin eine ein heil.liehe, rein kat1. al bc"i$Ljrl'1rnte tind doch not\vcn.dig zu
in11ner höheren, d. h. ,vcrt,,ollcren For,nen auf. t.eigendc ci n.maligc
gcscl1icl1Lliche E11t,,, . icklu11g zu konsta tieren ,väre.
\,\i j,· untersuchen zunäch t nicht, ob ei n solcher Gedanke überhaup t
eine ,vis. enschaftliche Bcrect,t,igung hat, sondern rragen n ur, ob diese r
Ent,,,·icklungsbegrjff für die K larlcgung des logiscl1en W esens do r
15e.--chichtlichen Begrj{fsbildttng in Betracl1t kon\1nt. \Vol.1l JäßL sich
n1it seiner Hi l(e auch ei11e ein1nulige ·erä nd erungsreihe abschließen
1Jad gliede rn , \\·ie <lies schon clas Beispiel des ein1naligen Forlscl1rittes
der Orga1,isrnc11 vorl de1l niedersten 'fi eren bis Zl 1r,1 l\'lenschc11 zeigt.
An clere r~eil.5 aber darf die hisLo-riscl1e E11t,,,icklur1g 1 die ,vir 111ei11e11,
1111d die d as \\'e~ r1 jcclcr l,i~tof'i~chc11 I >arst cllung zu1n Ausd ruck
bri11gcr1 soll, ger ade riiclaL 11F orl.s<·hritt," 1 cJ. h. nicht ei ne mit cle r
zeitlit l1c11 R ei hcnfl,lgc d er verschieclcncn. Slatlieu n ot'"''cudig zusa1n 1ne11-
fa llendc \ \' e rtstcigcrung ~ein, cicn.n , selbst ,ve11n ,,·ir ,·ora ussctz.en
,,·Q)lten , der 1l i.'- tor-ik,cr sei auf Gru,1d eine~ inl1n.lLlicl} besti111rntcn
\\'crtr11aß sL<tbes i1t dc1· Lc1ge 1 ,,·iN)c11 cl1ii fll icl1 zu lJcgründ en 1 \Y0 s ir1
ci11ei- gescliir htliclie n E11t,,·icklung Fort chritt 2.urr1 B esser en is t, und
v,as 1•icl1t 1 so n1ü.ß le -e r hl'i jedem Ve~t1r;h, die zu, tun , clazu kom111en,
das End(' c>tlt•r ,,,cr1ig:-Lcr1, cj n bcstirr1111tcs Stadiu1n rJcr EntY.'ick-
1t111gsrr ihc a 1!- dcr1 Ic,rtg s•·h ritl--engl.en 'T'ci I u n(I da her dic~cs tadiu r11
als clen ('ige11tlichc11 z,vcc-k der· Geflir.hichle, cJi,e Obt·igc11 Statlit~r1 da"'l'ger1
cn t,, ·e,l('r a.ls bl,1ße 4'1 i Ltcl zu !'-ri ner \ · r 1-...virk li cliur1~, oder als Abfall
, · 0 11 jl trc e c' i~(•n ll ir hen Dcslin11nt1ng :inzt1::<:l1cn. l)ie:- \ 'erfal,ren
,,·ord c a licr, t1111 ci11 \\!orl l{t1r1kes zu g0l,rauchcn. di e fr(ihcrcn Perioden
z,ug11nsLc11 d.ür ~11H L ren 111cr:iia tioic1•er1 u11d ,,·äre Ja her u11l1isto ri.scb.
lJic Aufg-ahe <l (•t· Gesrhjchtc ist es viel1 ncl1 r, jede. hislori ·ehe Ge~ tnl-
Lu 11g i11 der ihr ri~c11Li\r111 ichcn D('<lc11 l11ng zu ,,,ürd igc11 t also sie nie-
111:i.l nls eine bl(>!lc \ 'ors ture ir1 llc1r1 i1111 " z.u hcLrnc;IILrn, d a ß sie,
nuchdcr11 die fulgcn,Je Slu fe nus ihr Ct) lsla11dt:r1 und da mit ihr z,,·cck
erfül lt i ·L, qls iil~crfl ii~t- ig gc,,·orden gclte.n rl ar!. Stets is t dns Ganze
<1es belrefrc11(lcn \\,. eruegnn~cs i111 1\ uge zu behalten, ,,·ic es dt1rcl1 die
Gcsa1nthciL sei1JCJ' \\'e:i-cr1llii::l1e11 1'eilc alln,ä ltlich ,rcr,,·irk.licl1t \\'ird,

0191 lt ado por Goog e


- 419

denn so allein si11d die verschieder1en Stadie.11 nicl1t bloße Vorsttifen


sondern not\ve,ndige Glieder lier Ent,vicltlting, von denen jedes seine
eigenartige .BcdcuLung beltä lt. Der F ortscl1riLt.ibegrif! ist gerade
dieser geschichtlichen Auflassung feindlich. Ja \vir können sogar
sagen, daß die Stufen einer Fortschriltsreihe nur noch Verköl'pe-
rur1gcn einer lieihe von al lgemeinen Begriffen sind, die inan nact., d,e m
Prinzip ei11er immer höheren \VcrLhaltigkeit angeordnet hat, und die
desh,alb den il1ncn untergcord11etcn Objekten die individuelle, u111
ihrer e.lbst \\'ilJen bed.e utsame Eigeriart ebenso 11e1'1me11, ,,•ie dann,
,venn r11an ~ie a ls Gattun{:,rs.exen1plare ansiel1t.. Die Ent,.,iickl_ung als
ForLscJ1ritt oder \\'ertsteigerung gehört also \Vcder in ihrer meta-
physisct1en noch in ihrer soeben betrnchteten Ge ta lt unter die logi-
schen Prinzipic11 der e1npi risch historischen Begrirfsbilduc1g.
\Vie aber oll dann ein vVert 1nit de11l Ent,,•i<'klung~gedanken
so vcrk.11üpft sein, daß daraus der historh,che Enl\vicklt1ngs begriff
,,·ird '? Es gjbt zu11ächst folgcnd.c i\löglichkeit: n1an sieht von der Frage
1lach de111 Fortschritt oder der \VerLsteiget'urag, so,vcit da~ Ganze
der Ent,\1iclilung in Betracht kon1111l,1 -vollkon trr1en ab. 'frotzdc111 drän-
gc11 sich nocl1 im1ncr die einzelne11 Stadien der fieil1e als \Vcrtst.eige-
rungen oder Wcrtver1Tiindcrungen at1f und fordert, dan1it die Kritik
her aus. So ,vird der '''erdeuang ic1 jcderr1 eir1zclr1cn Reiner 1\.b. ch11i l.Le
g •,vürdigt, u11d d.ie Gefal,r einer ' ' er11icl1tung il1rcr i11.Jividucllcn
Bcdet1Lung liegt des halb r1iC"l1t vor . Es gi l>t dann vollend. keinen Grund,
vorausiusetzen, drtß die zeitlic11e AufeiuanderfoJge der einieh1en
Stadier1 des einr11aligcn \.Vcrdc 1'ange1, in cinc111 not,vendio-en Z\1. a·n11T1cn-
hang n1il, de11 WorLgcsicJ1tspw1kLe11 stcl1t, unter de1u~r1 sie b •lrachtet
,ver<lc11. E ~ unwrschci<let .ich also der so e11islehc11dc Ent\rielilungs-
hegriff prinzipioll ·von dcrn des Fortschri·t to~ orlcr der '''crt.sLeigcrl111g,
un,d zv ar fel1lt. ihn1 gerad e das, \Va dcr1 }'ort ·cliriltsbcgriff spezifisch
ur1hislorisch 111acht. Tals:i<'l1lir.!h gibt es cle1ln ,1u.~h viele historisct1e
Uars.t.cJlu11gc11, i11 dc nc11 dic,:;c t\ i-t, ci11111aljgc \V crdc·gttng<• au fzu fas ·en,
v orhe11·~c ht. G~n1.e Richtunge11 cl er Ge~ hi chtswjsscnschaft, sind da-
dt.1rch cl1arakterisicrt, <l:_\ß der JJisLorik •r n1it ~ci11en inhaltljch bcsli.r11n1-
t.c11 sittlicl1en, äsLhctisc he,1, religi ö en \\•"e1·t1naßsUibe1, tl cu ge -·cliicltt-
1ichc•n , ,0 1-g~i ll g<'n gt-gP11 ii bcr \verlend ~· Lellu11g nin unt, ja, von ~olc-her po-
3i t.iven oder r1cgalivcr1 \\'crlu1l~ ist, ,;,·ohl l<. i11 Gcscbicht '\\·erk volf).;.c.,n1-
111e11 frei, und sie trit.t, sognr recl·1t leidenschaftlich ger,,de bei einigen
l listorikern .a uf, die uicl1L gl:nug hcrvorh,cbc11 k ün11en , daO 1r1it ,vcrLen
die \\"isse11 haflr 11 e:- üLcrliau1lt nicht zu luu habe11. ·icht, nua· chlos-

ürg,t~hzado por Goog e


sers Geschichtsschreibung kann als Bci,::,piel f(ir eine Darswllu11g gel ten,
die typis-ch ff1r die ar,gegeben,e Art des Wertcns i t, sor1dern auch dus
Verfahren Taines ist hiervo11 nicht pri11zipicll ver clliedcn 1 so ,venig
djeser 1-Ii toriker nach ..,einem P rograu1111, Gescliichte zu schrcibc1l ,
,\·ertend SLcllung nehn1en dürfte. Jed enfalls, ,vir sLel1cn l1ier v or eruer
Art der Verkniipfu ng des historjschen ein1naligen \:Verdcgangos r11it
'1\'crtgcsichtspunkte11 , die der ,virklicl1 vorha1,de11en" Gescl1ichls-
"'·issenscl1aft nit!ht frcrnd ist, und keine Logik der Ge. chichte ,vird ie
daher als ganz t111berecl,tigt bezeicl1ncn dürfen.
T rotz.der11 kö1tnen ,vir a uclt b ei il1r nicltt stcl1en b leiben, d enn unter
detrJ Ge icht pu nkt eines rein \vis..cc.11·cl1a[llicl1en logisct1e11 I d e a l s
der Geschjchte ind die positi,~en oder negativen \Vertbeu.rteilungcn,
(iie einen inl1altlich besti1nn1ten \>\1ertn1allstab vornuss-etzen, eben u
,venig die Aufga be des Historikers ,\'ie et,va der Ausdruck sei11 r Urber-
zeu,rungen über die \Virksamkcit oder icht,virks~n Lkcit transzendenter
~'l äcl1te des Gute11 oder Bösen . Wir ilaben bereits gezeigt, daß der
,visscnscllaftlicl1e \V.e rt eir1er Darst ell u11g vo,1 cler wert.enden Stellu.ng-
n.a l1me un.abhängig sei11 r,1uß, " ·eil nur so der H i toriker in einer für
alle gültigen Wci~e zciger, k ann , ,vie es eigentlich ge,,·csen odrr ge-
,,·ordcr1 ist . Die Vorknüpf11ng eine Werdeganges nlit eir1cn1 "\\'ert-
gcsich tspunkt v ol lz.icht sicl1 bei der rci11 ,vis. t'n. cl1aftl ichcn Dar~t cl-
lt111g einer l1isl-0rischen En t,,,ick lur1g also ,Yicderut11 nur so I d nß das
Gc·cliel1er1 in ticr früh er gcriau ;111g<>gcllenrn \\ ' eise au f einc11 \\ ' erL rei11
t heoret.iscl\ b ezogc:11 \.,·ir<l , ,vorlurch d~~11n ohne po~iti, re oder negalive
\Vcrtung der Objeltte in dcrrl ciumalige11 \-Verdecraug ,,·esent licl1e
vor1 un,\'n, ent,lichen Be~tru11Jwilt:n unLcr chiedcn ,,·erd en J.i.ö1111c11 .
E s lieben sich il.\ts der ganze11 ~.J'anr1igfaltigl,eit des Ablaufes der Er-
e•ig11isse nur bcs li1n1nt.e Staflirrl l1cr au , t1r1d sclJJieße11 sicl1 zu dein Be-
griff einer einnlaligen Ent,vick.l11ug zusa111111en. Das Ga1Jze ert1ält
dl1rcl1 die th eoretisc he Bezichun.g nuf d en \, rert nur einen bestir11111 ten
Anfang und ein bcstirnrn tcs Ende, i11.,ofC'rn die v orar1g ,1,enclc11 oder
nachfuJge11<lcn Ereig11i~. e 11icht n1el1r für den \ Vcrt bedct1lu11g voll
s ind, untl zugleich gliedert es sicl1 111 ei11e bcsti111111te n cihe von v erschie-
denen SLatlicn , <Jic z,"ischcn A11ra11" un.d Ende lieg1•11, ,,·eil übera ll
d.ort ein Eir1sch11i tt i11 (i1·n kont ir1uic1·lichcn I„lllß cles \VercJcns ge1nncht
\.vcrden 1lluß, ,,,o tlie aU111ahliche Vcrändc1·ung groO gcnu(J' ge'.,,•ortlcn
ist, u111 3uch f'it1e ancfcrsa1·tigc Bclic·utun~ r11it Rü~ksicl1t auf tte1t
lcite,n<lcr1 \\ 'crt.gcsic htspunl{t dc1· Dal':-t<•llu.ng zu he.sitze11. l(urz, das
lclcologiscl1e P rrn zip 1 <las ciic liisloriscl le otler i11,iividu nJj ierende

ürg,t~hzado por Goog e


- 421 -
Darstellung eines .P rozesses oder eines einmaligen W erdeganges leitet,
ist genau dasselbe ,vie das , ,volcl1es \\fir für die hisl.orische Begrilis-
bildung bereits ge,,·onnen )1atten. Allein un1 Ll1eoretiscl1e Wertbezie-
hung, nicht um praktische Wertbeurteilung darf es sich bandel1}.
Es war nur nötig, de11 Begriff des l1istorischen I11dividuunts vom Simul-
tancr1 auf das Sukzessive auszudehnen, urn d en B-egriff einer rein
,vi sen ~chnftljch dargeslclltcn hislorischen Ent\vick]ung zu erhalt.eo .
I,n übrigen gilt auch von diesern e l'\veiterten Begriff des Ge-schichlr
liehen alles das, ,va ,vir über d as hjstorische Individuum überhaupt.
gesagt haben. J ede ei.n ze lnc Ent,vicklungsreih c gcl1ört. als Glied zu
einern größeren Zusan1u1ennange oder zu einen1 Ganzen , und dieses
Ganze bildet selbs t wieder eine historisch ,,·ert.bezogene Ent,vicklung.
Schlioßliclt 1nuß das ulctzte" historische Ganze sich als e in einziger
einheitlicher Ent,,·icklungsgang ansehen lassen, des. en Be.griff aus den
Begri rrsinh.nlten aller seiner T eilc1lt,vicklungen hestobt. Doclt ~ind
die Kon_scquer1z.en, die sieh aus der vorger1001J11enen Enveit.crung
tl es Begriffes v on1 historischen Individuum erg~b en , so sclbstverständ-
licl1, daß \\f.i r sie 11ict1t ausd.rocklicll zu z.iehc11 braucl'1en. Es kon1r11t
überall nur d o.rauf an, dnß nucl1 bei der D·a rstellung des Geschehens
die tl1eoretische \.\1ertb.ezicl1ung von d er praktischen We rtbeurteilung
gescl1icdeJ1 '"ird. SelbstversLl:i11-ulich soll da ni cl1l heißen, daß ein
solcl\es Ideal der nict1t ""'erten(len Ges:cl1icl'll.shetrachtu11g d e 111 H isto-
rikcr von d er Logik ernpfoblc1l ,vird . Die Logik l1a t, dern Rist-Orik er
überJ1aupt kein-e Vor chriftet) zu 1nachen, und ,ve11rl er über die bloße
\Ve-r tbezichtrng zur \Vertbeurt.cilung in der \Veii;;e Schlosser:; oder Tai-
oes hinat1, gehen w·itl, ~o ist ,Jas sein glttes ftccht. Da:) allein l1ab et)
,,-ir im j\uge,. daß d er rein ,vis.•H'!nscl1a{Lliche Begriff fler Ge~c hichte
al ein er enlpirisclae11 Di~ziplirt die E11t,,·icklungsbc r1-iffc, die mit
Fortscl1riLt un cl ,,,ertsteigeruog verknüpft :;ind, 'flieht in sie}, aufzu-
11el1 mcn hat, ,veil eine \Vis en~chaft 1 die sie benutzt, über tlas 1 ,vas c11 1-
pjrisch erkannt ,verdera ka.t1n, hi11 a usgeht . ~lar1 111ag oin :olohes Hitlaus-
gf' l1e11 über das entpirisch Erkennbare unter den vcrscl1iedc11. ten
Gesiclit.spuukten für l1öchst. en1pfchlcns\,·crt und als eine üher~·i ,~cr1-
scl1a!llich-e Bereicheru11r.r der Gescl1ichts'"visser1schaft ansehen , aber
n1an rnuß eben o in d er Logik s treng an ei1le111 rein ,vis e11.schaftlicl1en
GeschichtslJcgriff fcstl1altcn. Sonst ,,·ird man cla \1/escn der Ge::chichte
als einer e«TIJliri:;chen Wis ·e11::;chaft nic ht. verst.cJ1e11.
Blicken ,,·ir jetat n och ein111al zuriick , so l•nben ,vir irn ganzen nict1t
,veoiger al.s s iebe :n verschiedene Ent\vicklt1ng~begri (fe ge,vonnen,

D1911 11,ado por Goc,gle


- 422

die sieb in et~·as verändert-er R ei lien folgc auch o auscinatider ableite11


lassen. Erster,s b edeut.e t Ent\vicklur1g ··o viel \Vic Werden oder Ge-
schehen übef'haupL, und dann ist, uns keir1 wirklicl1cs Sein bekannt,
das r1icl1t Ent,vick)urig ,väre . Das f\faterial aller cmpiri che11 ,vi scr,-
1
sehaft.en ,,ent\\·ickelL sich in diesern fi1111c.
' z,,
citcns \Vird alle \Vieder-
1

l1oluog von dem, , , as Ent,vicklung ein soll, ausgesc hlossen, tind ,inno
fällt der Begriff d er Ent,,riclclung mit dem cles Ge ~hel1ens als cler
,virklic heo Verät1derung zusa111n1e11, d . t,. ,,~ir ko1nnu, n zti dem, \vas ,,·ir
das Historisct1e in1 denkbar 11mfai:-. end ·t.en , re in logiscllen Sinne ge-
nannt haben . Drittens trit.t zu den1 B egriff einer Reihe von \Terän-
derur1ge1) der Gedanke hi11zu, daß die ver ·chieder\e:n ·r eite zu samn1cn
ein Ganzes realisieren oder Bcrlinguogen. rles End„tadiu111s i11d 1 u11d
dadurch ents teht d e t· u111fasscndst,e teleolobri~chc Er1t,vi<~klungst,c,griff,
d et1 ,vir auch der, ko11ditional-teleologische11 genannt haben, tJ11d bei
dem da:- \Vort Telo. nic hts ande res nls da~ Enrle bede ut~t, ohn e
daU irger1d. c i11c \ 1erknilpfung nlit ei11 " 111 \\iertc oder de r Gedanke
eines ge,volltcn z,v 'Ckos vorzulicgcr1 brau ·h,L. \ 7ierte ns ,vird e it1 ei11-
ma.ligcr individueller ,vordegang in d.e r W eise zu ei11er tel eologi ·clte11
Einl1cit zusa.rn111engescl1lossen , dnß rrta11 seine Ei nzigartigkeit uncl Jn-
dividua,l ität at1f eir1ctt Wert, reir1 Ll1coretisch hezieht , oli ne posiLiv
orlcr nega tiv zti ,,·erl en, und auf <liesc vVei~e vcrknoprL _icl1 die Einzig-
artigkeit mit d<?r Einheit eines W erdcgn ngcs zu de m hi~t.ori~e hcn
E11t\\'icklu11g$bc~rift, (!er für jellc s~ r hic hts \,·i ~cni-1•l1a fLti„l1t' Ua r-
st.elh1ng unent.behrlieh i t. Fül1ft.c11~ k:, nn hi1~rzt1 noch eine a uscirür,k-
lic~1e \VcrLlleurtci1ung des ganzen \Vcrdega ngcs od<•r seinPr cii1tzcl~
nen Sta,Jie11 liinz.utrolcrt, die dann i11l1ner posiLiv otler negativ s<i in
mt1ß, und die~e geht ~c hon über die rrin. ,vi ·sen · ·ha!Lliche Aufg::.be
d er Geschic ht(' hin.tu :-, so bcrcchtint sie ,inter ::\n(Jcrcn Gc~icl1l~punkt.cn
at1C"'h ein 1ung. .,c-ch:;tens Jäßt sicll die Ent,vi cklun gs r~ihc so beLrach-
t cn , <l nß cl,ie Zu11ahn1c de~ \Ver te„ ihrer ei nzelf1cn Lu fetl in Pine,11 not•
,,•on, ligen Zu~n.1,11 llt('ll l1a nae mit ihrer 2-ei tlichcn Abfol•Tc :-lcli t. ,vo<lu rch
die Ent,vicklungsreihe zu1,1 l~orLscl1ritl od~·r zur \\l'ert.st ejgeru11g
,vircl, eine Be tracl1t.t1ng~art, deren ,vi :-cn, e h a tLI i<' he Bcdcu,1,ung 11ic r
gar11. probl,c n1,alisch blcibl?n n1 uß. Und . icl>e1\lcr1::. cn,Jlic h l<ann <ler \1/Prt,
dt ·11 <I ie T{ci he real i:iiert, zur z,vcck u r .:;Hc hc gl't1 tr1r- lt t ,verden , !-\O da ß er

S('tne eige11c \ ' cr,,·il'klicl1t1 n~r hcrvo rhrir1 rrL, \\·od1irc- h \:\ ir <lHnn i11 <l as
Gebiet uer ~r el<1 11hy~ik: l,1ir1ei11gerat.e,1. U ·r Vol 1:--Uin(J igkeit hal her sei
n och be111erl~t., naß es sich nicht n t1r \1 n 1 Ent,,vickl\1ng zun1 Gu ten
Sl)Tt<lt•rn nu ch zurn B öse11 l1in hnnctl' ln kn.nn . l)<lch b cd ü rfcu .:lie,:;,e E nt-

D1911 11,ado por Goc,gle


- 423

,vickluogsbegriffe keiner gesonderten logischen BeLrachLU11g1 da sie


sicl1 for1l1al vorl den beide.n letzten nicht unterscl1eiden. Rückscl1ritt,
zum Bösen bedeutet ja nut die U1nkehrung des Fortschrittes zun1
Guten.
Für uns ko1nn1t es vor allein darau f aut de11 vierten Ent,vicl<.lungs-
begriff als den f(ir die logisc}1e Struktur der Gescbichls\vissenschn(t en
rI1aßgebende·n scharr v on den (ihrigen abzugrenzen. Die drei er te11
führen uns a.llmählicl1 zu ifitll l1i11 1 genügen nher für un sern Z\Vec k

nicl1t1 weil sie von der Bezichu11g auf eiuer1 \'Vert frei si11d ,1nd sou1jt
.k.cin Prinzip der Aus,vah) für die Darstellur,g eines einrnaligen ¼'erde-
ganges lieferr1 kö11nen. Ohne \Vertbeziet>ung komn1er, \vir bei der
A11ffassung des Einmaligen nicht t1bcr bJoße T atsachenfeststellun g
hinaust gleicllvicl ob es ich dabei u,n ein einmaliges Sein oder um
ein ein1naliges " 'erden ba11cleJt. Die tlrei letzlerl Entwicklu11gsh-egt if[e
dagegen e11thalten für ttns zu vicJ, d. h. sie gel1en Ober da:s. logi"cl1e
Ideal einer empiri chen Gescl1icht5'vi sen ·chaft hjnau . Sie ind um
so sorgfältiger abz·uwci cn , als gcra<le in. il1ncn <iic Elcn1cntc stcck,•11- t
die oll irrtümlicher\vei ·e für not\\·endige Bestandteile (tcr i11dividuaJi-
sierenden Geschichl.e gehalte1t \Verden und da.her \ rera11la~'-ung zt1 dcrer1
Bekä·m pfung gegeben haben.
Aber a ucl1 der jetzt fesLaestellte B egriff beant.\vorLet nocl1 nicl1t
alle die F ragen , v or die ,vir durch den Begrirf der hjst orischen I<ausa-
lit.ät ge lellt si11d. \Venn K 8u. all{ct.lc:11 r11it llücksiclat nu r cir1e.n \Vert
sich auch ebenso al.s l1 i torische In-dividucn auffassc11 t1nd dadurcl1
beg1'eozen und gliedern lassen ,vie ru1tend gedacttle 'hi- torisct,e Objekte,
so treibt doclt der Begriff ,Jcr lta\1. a len Verkn ii p(ung imrncr ,,·icder
über die durch theoreti ·cl1e \-Verthe;r,iehung l1ergcstellte Einl1eit, u11d
Zusammengel1örigkeit der hiswrisc hen B egriffselen1ente hinaus. Zu-
ni.ichst, bildet nän1 licl1 je,lc ,virklichc Ent,\\·icklura g ei11 l( ol1linuun1,
und \Venn sie nun in bcst in1r:ute \Vesentl.icl1c Stadien gegliedert ,vird 1
so sind claurit auch zugleicl1 die all1nä l1}icl1cn Ueber0 änge z,vischen de11
Staclicn aufgel)oben. f)ie Geschichts viss<>nschaft kann jedoch olch~
Lilcken nicl1t Lehen lassen sondern 1nu ß !>ie \vicder so mit kausalem
\Verden ausfüllen, daß die verscl1iedenen Stadien sO\\'Oh l 111iL Rück-
sicl1t auf die \,\7erte voneinander getrennt, als a11ch zuglcicl1 1r1iL llück-
sicl,t au( tic11 kausalc11 Zusa rt1n1enh ar1g rr1it..eir1an<lcr verbunden blei-
ben. Ueberal l aber, ,vo die nötig ,vird 1 ,verden Bestandteile der \v"irk-
licl1kert darge.-.Lellt, die 11icht \Ycgen il'lrer bcdeutu11g ~volle11 Eige11art
für eir1e·u Wet·t ,vcsentljch sin<l. J a, in a11der-er llin:;jch t ist der Gc<lattke

ü1g1taltzado por Goog e


- 424

an. den kausalen Zusammenhang ·von oocl1 größerer Bed eutung. Wir
brauchen nur an das bekannte Wort Scl1opcnhal1crs zu erinnern, daß
die Kausalität kein Fiaker ist., den man beliebig halten lassen kann,
und e scheint dann auch das feste Band, das die theoretische Beziehung
auf einen \Vert um einen \Verdegang legt und il1n damit ztl einer
not\,reodigen Einheit Z\lsammcnschlicßt, ,,,ied er gesprengt. zu ,verden.
J ede individuelle Ursache, die wirfeststellcn , ist selbst ein i11dividueller
Effekt, der ,,-iederum seine individuelle Ursact1e hat, und d enken wir
darru1, daß kei11 historisches Objekt ohne die indivjdt1elle Beschaffen-
heit einer anderen individuellen Ursache so sein ,,iirde, vrie e-F- ist,
so ,,1ird sich die Beziettung zu dem Werte, die oinen \Verdegang zu
einer historischen Entvvicklung macht, aucl1 auf die indi,-iduelJe Ge-
staltung der Vorgäng,e übertragen, die, ollne durch ihren Inhalt für
den Wert ,vesentlic h oder bedeutsam zu sein, ka11sal mit il1m verkn(lpft
sir1d. E s muß dann ,crster.1s jede Entvricklunf.rsreil1e in die Vergangen-
heit zurückverfolgt:. ,verden, und z,vei tens schei11,t sie, ,,·enn unser
Kat1salitätsbedürfnis befriedigt sein soll, nicht n ur in der Längen-
dimension sonder11 auch in der Breit.endin1ension zu ,vachsen, denn
ein gesohicht.licher W erdegang ist ja nicht nur in j.edem Stadium
von vorangegangenen Ereignissen sondern auel1 v on gleicl)zcitig mit
ihm ablaufenden. Vorgängen kausal bcstirnmt.
Wir \VCrd.e11 also noch cir1cn neuen Begriff ejnfuhrer1 1nüssen 1 11m
die logische Struktur der Darst ellung l1istorischer E.o tv.ricl,lungs-
reil1e1a vollständig zu verstel1en, und z""•ar jst es not,vendig, z,vei
\
Arten von bisto•t·ischen ln•dividuen at1seinander zt1 lialt.en.. Die
einen haben eine direktet die andern eine indirekte, d. h. nur dt1rch den
kausalen Zusa mn1enhan g vermitt e l t, e Bcz.ict1ung auf d en leiten-
den Wert, und so können ,vir v on primären und se ku ndären
historiscl1en Individuen sprecl1en.. Im einzelnen ,vird es nicht immer
lei cht seio, anzugeben; ,vclche historischen Obj.ek te zu d er eincnt
welche zu der a11dern Art gel1ören. E s kan.11 vorko1n1nen 1 da.ß unter
d cn1 einen leiten.den \>Vert.gesic11tspurikt ein l n.dividuu111 primär lusto-
risch ist, dein ur1t.er cinern andern lediglicl1 eine sekundäre l1ist.orisct1e
oder überllaupt k,eine ge chichtliche Bedeutun g zt1kom1nt. So ,vird
z. B. Friedrict1 Wilh cl1n l . filr die GeschichLe der Phi losophie nur ein
sekUJ1dä.re. In teresse l'>esitzen, insofern er die Schicksale Cl1ristian
Wolffs he •in flu ß t. hat, Iür Prc11ßcr1s pol itische Ge clucht.c d.agege-n
cir1 c1ni1.1c11t priu1ä1,es Ilist orisclics l11dividtlUJ1ll sein. \ 1on '\\'enigen
l ndividue11 ,,·ird n1an s.-1gc11 l<ön11en, daß . ie 11nLer j.eden1 Gesicht.s-

0191 lt ado por Goog e


- 425

punkt, von vielen dagegen, daß sie unter keinem Gesichtspur1kt


eine primär historische Bedeutung hnben. Schillers , rat.er '"'ird z. B.
lediglich in der Gcscluct1te der deutschen Literatur bel1a11delt \-ver:den
und in dicEer nur als ejn sekundär J1istorisches Ind ividuu1n a nzusehen
sein, d. h. als ein 1.Iann, der uns gar nicl1t interessieren '"ilrde, wenn
er nicht eben Schillers Vater wäre. Auf j eclen Fall aber ist die Schei- •
dung von primär,en und seknndärer1 h.istoriscl1en l.ndividue11 begriff-
Jicl1 eindeutig, sobald \vir daran festhalten, daß für einen •
bestimnltcn
leitenden \\' ertgcsichtspunkt die eine Art der Objekte unmittelbar
durch die Eigenart ihrer .i nhaltlicl1en Mannigfaltigkeit sich zu In-divi~
d uen zusammenschließt, bei der andern dagegen das hist orische In-
t eresse an ihnen nur durch das Mitt.el d.e r kausalen Verbindung cnt-
stel1t, die zwischen ihnen und den unmittelbar \\1esentlichen oder
primären historischen Individuen V'Ort1anden ist . Durch diese Scl1ei-
dung wird dann auct, das relative Recht des Gedankens anerkannt, der
dem Prinzip der Wertbezjehung dadurch zu entgehen sucl1t, daß er
das historisch \.Vesentliche dem laistorisct1 11 \Virksatncn'' gleichsetzt.
Ein T eil dessent was der Historiker in seine Dars tellung aufnin1mt 1
gehört in sie in der Tat nur de-s,vegen hinein 1 ,veil es ,virksam ist,
d. ll. primär historische Vorgänge kausal beeinflußt hat. Anderer-
seits aber ·zeigt gerade die Scheidung des primär vom . ck t1ndär rlisto-
1

rischen, wie tt n z u r e i c h e n d das Prinzip clcr „ltistol'iscl1en \Virk-


samkei t11 für sich allein isl , sobald e gi lt, das hi Lori ehe .-i\.u ,val1l-
prjnzip zu forrnulieren . N'11r ein 1~e j I des hist orisch \Vesentlicltcn
d.a rf als das ,,l1istoriscl1 Wirksao1e'' bezeichnet ,verden , und ol1ne die
theoretische '\i\' ertbeziehung ,vürde aucll der Begriff des sekund är
Historischen l1infällig scir1. Irgend welche \Virkungen Obt ja j e de

Wirkliclikcit aust u11d deS'\vegen k.nnn der Begriff der Wirksa,n-
keit r1ie filr sich allein dazt1 dienen , un1 zu besLjmrnen, \\'aS }1istorisch
wesentlich ist. und ,vas nict-1t. ur ,venn die tl1eorelische Wertbe-ziehung
schon als selbstverständlict1 v o r a u s g e s e t z t ist , hat es einen
Sinn z.u sagen, daß der Ilistoriker a u c h das in seine Darstellung
aufnehmen müsse, was historische '\Virkungen at1sgeübt hat. Die
Worte f,historisch ,virksan1•• haben dagegen für sich allein, falls man
nicht schon weiß, was „ historisctt" ist, keine in der Logik brauchbare
Bed.eutung 1 .
- 1
-
Austn·h.-Iicher habe ich die U·n brauclluarkcit des P rinzipes der histor.icehen
\'Virksan1.kcil als des Prinzipes der Auswahl t or das historisch ,vesenUiche in
meiner Schrift : Kulturwissenschaft und a tur~•ls.senscha ft, 2. Aufl. S. 96 ff.
gegen R i e 11 1 und E. M e y e r dargelegt.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 426 -
Läßt sicl1 cncllich a.uclt ftir clic sekunclär ltistorisc t1cn Individuen
da Prinzip de r Au.s~·ahl .n och ge11aucr logisch forn1ulierer1? \i\' us die
Bestai1dt.eile beti·ifftt die nu.r zur Ausfüllu11g der kausalert Lücken
Z\vis.chen den infolge der Wertbeziet1ung '"'esent.Iictten Stadien einer
Ent"1i'icklt111g diPner1, so haben ,vir ein analoges Prob,lert1 scl1on einrnal
• berührt, als ,vir dara uf hin,,rieser1 1 daß die Geschict1te als die Wissen-
schaft von der eintnaligon Wirklicl1kcit stets über das, ,,,as n1an
hi torische Beg r i { f bildurlg i111 strengen Sinne des \Vortcs 11ennen
kann, hiuau gehen und zu ei11er anschatrliclleu Darslellu11g il1rer Ob-
j ekte zu kon1men suchen ,vird. tlandelte es sich damals u1n die U1n-
kJeiclu11g der durch \Verl:.:bezjehung not\,:endigen BsgriffseJemente
r11it aoscJ1auliehc,n l\Iater'ia l, das die historischen BegrifCe bis zu
Bildern der hisLorischet1 Gestallu1lgen steigert, o dienen die jetzt
irl Betracht konui-,enden sektrudär l1istorjschen Fakta nicl1t nur der
Ansc ha ulic hkeit. eines geschichlliclten B ilcle , .. ondern sie hnbei1 uns
zugleich auch da kontinuierliche kau ale \Verden begreifl.icl1 1u rr1a-
c•1cn, d as zu jeder anschnuiiche n und individu ell'e n \\1irklichkeit
gehört. 1·rutzdc111 ist es i111 Grltnde genorr11net1 niJr dusijclbe Bedürf~
r1is der Ge cl1icl1te nach W i r k I j c 11 k e i t s 11 ä b e, da_s hier be-
friedigt \\1e1"den soll. Eine v o l l s t ä n d i g e DarsLcllur1g der kausalen
Zu a111n1enhä nge ist ja prinzipiell ausgcscl1lossen. \Vir kör1nen daher
in be1.ug auf dru .Prinzip der u, ,,·ahl cJieses sekundär historischen
Stoffes \Vieder nict1t.s ao.d crcs sage11 , uls daß de r Hi. t,oriker jedes Fak-
tum in seine Darslt~llung a.ufzunr.hn1e11 ·h nt, ,,·elches cJom ongcgebencn
Zwecke dient, das GcschichLli.che als \,V1rküc hkeit uns riahe zu brjngcll
u_nd eventuell ,,nachcrlcb-0n(' zu lassen. Be ondere logische Prinzipien
sjnd für d ie ·en "1'e il der gcsch.ichLlicl1e1) Darstellung 11icllt at1fzustellen,
und es ,vird :iuc l1 11ir 111and s ie vermisser, . Dagegen scheinen größe re
Sc h,vie rir•keiLe n aus d c n sekundär hi ·t.ori~chen Bestandteilen zu
cn\'ac hsen, die a uIJe rl1alb d er durcl1 \Vcrtb ez.ie hun g ,ve.4,entlict1en
EnL\ icklu11g~reihc lic.ge11, und die ,vrr auc h a l~ ,fcren Vor- oder 1'chen-
geschichte bczeich1, c11 köune11. \iVollte inan llier 11lit d.c,n Geda11ken
ern. t r11achen , <laß für jcrl e~ l1i Loriscl1e I◄'akt1.1n1 alle Ur achcr1 ,darge~
stellt ,vcrd en n1ü ~scn 1 von dene11 sc-il1e intlivi cluclle Geslaltung abhängt,
so ,vürde llrt diel)c Aurg~t bc in die ex t cn;;.iv unübersehbare l\l a nnig-
falligkcit clcr \\'irl~lit l1kcit hin cinfi'tl ,rcn. da ,vir· ja, uni 111it Fichte z,1
rcdcr1 , t,k.ci11 Sa11lll<ör11chen vo11 sei11er Stelle vert'ü cl<.en können,
ohr1c clurch alle Teile rlcs unt r,111cßlicl1cn G.:tuzen hindur<·l1 ctv1'as zu
verilr1tlc1·11.,. E ~ v 'rsLe h t sich a liio v o11 seih t, <iaß eine h i.stof'i ·e he

ürg,t~hzado por Goog e


- 427

Ursachcr1Corsohung io die cm Sinne lJnmögl ich is t , und t.rolzden1


stec.k en in dieser Seite des Bern-iffes dor histori. chen Kausnfjtät
Problerne, die wiecler nur durcl1 de11 U111stand verdeckt \Vcrrlc n 1 der,
wie ,vir gerehen haben, dazu beitrage11 kann, daß iu r11ancl1en Gebieten
der Gesclucl1ts \vissenschaft ein besonderes Pri11zip der Be"riffsbildu11g
oder der Aus,va·l1l des Weseotlichen überhaupt nicht not,vendig er-
scheint. Man ,vird vielleicl1t sag,en, da.O ei1-1c l1is torisrhc Darstcllu.ng,
die sicl1 die denkba t· ltmfassendsten Aufgaben stellt.. ta tsächlicl1 die
Kausalreil1en su ,veit ,vie möglich zu verfolgen sucht un(l erst dann
aufhört, lvenn il1r das Quellenmaterial ausgeht. Aber, daß dies nicht
richtig ist, ergibt sich aus ~iner einfachen Ueherlegung. Wir \\'is~e-n,
daß nichts ,ron rJen1 exis tieren ,vür<le, ,vo1nit die Gesc hichte es zu t.u11
l1atr ,venn z. B. das ln(iividl1t1n1 Erde nicht von d-c n1 Individuum Sonne
in gafiz besti11llntcr und individueller \\fei:;e erlet1cl1tct und erv.rärmt
\\'Urde, und dennocll hat der ·Hi storike r keine \fcranl,lssu11g, v o ,11 die•
sem Faktor, der alle hi tori chen Ereigni ._c kausal bedingt, ausdrück-
lich zu handclr1. \\' art1n1 tl•t er das 11icht ? Attr.11 dnfü.r 111118 es Grü11de
gcbCll, und ,,•ir l1ahcn a.l ~.o z.u f r«gcr1 1 ,•,orin sie beste hen.
\.Vie "'·eit die Ge chicl,te die ~ek.u11dä r hisLori..,chen I{ au alrcihen
verfolgt, is t freilich \vie überall, ,,·o die Darstellung das 11,it Rock~icht
auf die \Vertbe1.iehu1l'g \\1eseritlicltc u11d ;ot.,,·e·r1di(l'e ü})erschreitet,
zum großen 1'eil der Neigung und \Villkür (lrs H istorikerg überla:::;en.
Nacl1 <1en un111ittelbar mit rJe1 rl pri111iir Jfjstorischen vrrk11 üpftcn r-
sacher1 sucht, n1an in den 111e.istcr1 Fällen, so cl,•O z.B. <lic l~lter1,i eines
historisch ,,vesentlichen ~lann es fast im111cr '" ~nig. tens zu sekuncillr
lust-0rischen Individuen ,vet·den. Im al lgrmcine11 verliert die \ 'or-
gesch ic hte an Int.ercsse, je \Yeiter sie v on der durc~t ihre1t Inhalt ,vescnt-
lic hen Entv,iclclung abliegt , und ebenso erschci11l, die ebcl1gc~c hict,te
im111cr un\\·ichtiger , je mehr die Zahl der sekundär hist oriscl1en l\tittel-
u11;acl,en ,,·ncl1st. Damit ist freilich !ür die l„o!(ik nicht viel ••c,,·011ncn.
-
Aber es ist aucl1 nur n ötig, dcn1 hist.ori:--cl1cn l ntcr-~!'-sc a.11 d<'.'r , ·~r-
folg11ng der l{ausalrcihcn übcrh a11pt, i r g c n d eir1e Gre11ze zt1 „etze11,
urn so den Gc(l~11ker1 zurückzu., vci~e11, es könn e der Brgriff der hi:-Lo-
rischen Kau ·aliliit je1r1als '"ierl er in rli~ extcn i\;·e u1,ül)crsel1bare
r--lannig[altigkcit, der \Virklic hkcit llineinfül1re11 . DarH11 allein Jt1üs~c n
,vir d cnkcr1, daß jede gt's,:l1icl1tli cltc DarslcHu11g ei11e R eihP v on ,,·e-
sentli ·hcn V . r ä n d e r u n gen cnt.hält. Ab~olut t1nhistori_cl1 1 d. l1.
in keiner vVeise aL1eh 11ur Zltr \ Tor~ oder ebengcschicr1tc zu rec hn en,
,,·erd(' n clalier ge1·ade <iie U1 . ochen sein, di e tt\1l a 11 e Statlien der pri-

ü1g1taltzado por Goog e


- 42S -
mär historischen Entwicklung g I c i c 11 bedeutsame Wirl<.ungcn
Au,süben, denn sie sind dann auch ,ron der Gescl1ichte als konstant
zu betrachten und verlieren infolgedessen für die Darst ellt1-ng der
,vcsen,tlicl1cn Veränderungen ihre Bedeutung. So i t.1 urn a uf das frül1er
gebrauchte Bei piel zt1rückzuko1t1men , die individuelle Stellung des
l ndivicluums Ercle zum l11dividuum, Son11c i1nd die daraus hervor-
geher1de Art der Er'\vär1nung und Beleuchtung \\'äh rend des ganzen
zeitlichen Ablattfe der t\1enschheit,.c;geschichte ein a)s konstan t anz11-
~ehender F aktor, d. b. er ,vird für jedes Ereignis der Ent,•.rickiungsreibe
io derselbe11 'W'ei e als Ursache ,vesen tJich ur1d braucht d eshaJb v on der
Geschichts,"; senscha(t nien1als en,,ähn t zt1 werden, ,veil er nicht
ft\r die lndi,rid ualiLät ,vesentlicl1 werden kann. Die \\'irkungen,
d ie er ausübt, sin d fnr alle historischen Vorgänge nur jnsofern bede11t-
~<:\rr11 als diese zt1 Exe11tplarcn eines alle Stadien utrlfassendcn allgc-
111cinen Ga ttungsbegriffes ,,rer<lc.n, un d da sie als ·olche ge chiehtlic11
n icht in Betracl1t kon1n1e11, so kör111en auch ctie Ursncl1en, die zu ilinen
nur gehören, insofern sie Gattungscx cn-iplare sind, nicht einma l
sekundär historj r h ,ve ·entlich sein , d . h. sie können durcl1 il1re Einzig-
artigkeit tmd lr1dividualität niemalr; e1ne geschichtliche Bedeutung
erhalten.
Sc1bstv er:,tändlich 1 t auch die e Kon3tanz d e1· ·.rs.achen re-
Jativ , d. 11 . nur r11it. R ücl{sicht .a u( die Zeitstrecke vorhanden, inner-
halb deren sirl, die histori chen Errt,vickJungsreihen bev.•egen. Da
1
die Best i1nmung dieser ZcitsLrceke aher 1 \vie alle inhaltlicf1cn Bestim-
tnungen, von lien , v erLgesichtspunkten abliängt, die die Aus,val1I
d,es bist.arisch \Vcscntlicl1en leiten, so kann au ch diese Relat ivität
njc)1t ins Gre11zenlosc fül1ren, und 1r1el1r braucl1e11 ,,·ir für eine forn1al
logische Abgronztrng des hist orisct1en Stoffes nicht. So la11ge z. B.
ciie Gescl1ic})te von ~1e11 cl1en handelt, ,,-i rd alles für sie un,vesentlicl1,
\,·as die allgenieine ,,Natur" des i\leascl1en bedingt, d . h. es i t Z\,·ar
für d ie Gcscl1icllw die elhstversUindliche und stil lsch,,Teigen,d e Voro\1s-
setzut1g, daß die Individuen, von dcncT1 sie berichtet, !vlensct1en und
als olche 1l1it alJ dcu1 at1sge.sLattet siuu , ,va~ ih"11c11 a l Exc111plaren des
allgc111ei11en Gattur1gsbrgriffcs i\len eh iuko1n11, t , a.ber die Geschichte
l1at. nie11lals V ernnlai;sung, d.a vo1l ausdrücl{.lich zu ll and eln, und zu
solchen selbstvcrst.ä n<llichen Vorat1~set,zu11ge11 ist ebenso <laTI,11 a ucb die
Stellung der Erde zur Sonne zu rech nen. E s l1ürt also hi er di,s bisto-
riscl1e Interesse ,vieder an der St elle au f, an der da~ n alur,visse11sc haft..- 1
licl1c anrängt. Das knn n gcnf1gen, 11111 de11 Bcgrirr <.lcr hislorischen

D191, h,ado por Google


- 429 -
Entwicklung auch 1J1it Rücksicht auf die sekundär l1istoriscl1en Be-
s tandteile klar zu le.g en.

VI.
D i e n a tu r ,v i s s e n s c ll a f t I i c h e n B e · t a n d te i l e i n d e n h i t o-
r i s c h e n \-Vi sseosc l1aft c n.
Die bis herigen . ~usführungen
. sollten den Unterschied der histo~
rischen von der natur,vis enscl1aftlici,en Begriff bildung . o '-Charf
,,rie möglich l1erausatbeiten. Die Aufrnerksan1kcit ,,·a.r dal1or nur auf •

das gerici1tett ,vas ,vir da absolt1t Historiscl1e neru1en, und infolge-


dessen mußten wir den logiscl1en Geger,satz von .ntur,vissenscJ1a{t
und Geschichte übertreiben, d. 11. zur Aufstellung eines logischen
Ideals kommen, dessen Ver,virklicllung die \i\' issenscl1aft zum Teil
nicl1t einn1al ar1streben kann. Diese ,,Uebcrtrcibung'' aber gel1ört,
,\'ie ,vir ,,·issen I zu den methodischen Prinzipien tinserer Un ters\1c ht1ng,
ur1d sie jst ga11z unscl1ädlich 1 falls nur die notwendigen Ei11s.cl1rän-
kunge11 r1ieht fehlen. Dal1er darf n1an die Einscl1räI1kun.gen, di • nun •

erfolgen sollen, nicht et,va ·al~ Zugeständnisse ansehen 1 die geeignet


sind, das klargelegte logiscl1e Prinzip \,rieder abzusc·J1,,·ächoo. Gerade
darauf kornmt es vielmehr jetzt an, zt1 zeigen 1 wie das logische Prinzip
sich. gestaltet , ,vcnn es auf <lcn fa l~t isc hcn vv·issenscliafLsbetrieb ange-
" 'enrlct wird, u11d seine An,\ cndu11g \\'äi-e 11icl1t 1r1öglich , hätten \\r:ir es
1

ni cl, t vorlier in s·einer Reu1heit Ohertreibe11d hel'ausgearbeit et .


Waru1n die bisher e11t"vickelLc.n Begriffe noch einer ,,,e.ileren Be-
sLlmn1ung bcdürfen 1 um zt1rr1 Verstänrlni der vorhandenen Gesc11icl1t ·-
. ,vissen~ehaft zu dier1cr1 1 rr1uß schou a~1s den früheren At1s.iüh-ru11.gcn
kla r sein. Als '\.Vir den Gege11sa tz von Natur'\visisen cha-[t und Gesc)1ichte
in seiner allgerneiristen F'ortn mit. Hilfe des UnLerscbiedes von1 All-
gc1neinen und Incti,,iduelJe.11 aufstellten, haben ,vir gesch,e11, daß die
verschiedenen T eile der Naiu n\"is„enschaft n1chr oder ,vcr1iger all-
gemeine Begrirfe bilden 1..1nd dal1er nacl1 i1nscrer Term.i11ologie auch
n1 cl1r oder \vc11igcr l1isto1iscl1e B('..sLa11tlleile auf,,:eise11 1 so daß de1· Be-
griff der r atut· -velativ \Vur<lc. \>Veil nun die rein logischen Begriffe
von NaLttr u11d Ge-cl,icl\le eina11der gegen eitig hc!di11grn, fofgte
dorau , daß ebe11so ,vie i11 der r attrr,,·i~scnscha!t l1istorjscl1c Best and~
teile ,~orl<omrnen, e-s rlatur,vil'<S"flschnftlicbe Bestanclteile in der Ge-
schicl1tc gcl)cn, also al1ch der Be..gri[f tles IJit-t.ori chen relatjv ,,·erden
mu.ß. Solar1gc jedocl1 cJcr Begriff det' hi toriscl1en Dars tellung rein
prohle111aLi ·eh bljeb 1 lto1111tc11 ,,,ir au f di4,,--sc Ko.nsequenz nur hin.-

D191, h,ado por Google


- 430

,,reisent o,h ne genau zu sngen, ,va. tJnter einenl relativ l1istoriscben


Begriff zu vers tehen i:it. Jetzt, \VO wir das Prinz.ip der historis,cl1cn
Bc<rt•iffsbiJ<lung i11 seiner allgerncinsLen Forn1 als individualisierende

\Vertbeziebung k ennen, habe11 wir es noch so zu bost·i r11rncn, daß es
auch al1f das relativ Historische ange,vendet \Verden kann. Danr1 erst
'"'ird es rnöglicl1 sein, die logische Struktu.r der vorl1andenen Gescrucht:s-
,..,issenschaft zu vcr·stehcn, denn es gibt keine hislor iscne Da.rstc1Jung 1
die nur 1nil absolut. historiscl1en Begriffen arbeitet.
Natur,vi enschaftlicl1 im wei testen SinJ1e des Wortes, also ab-
solut generalisierend 11ennen \\>ir Begriffe 1 für deren Bildung das an

all en Individuen sich Findende in Bet.raclrt, kornml,, und deren Inhalt
den1nacl1 in der Art alJgerr\ejn ist, daß er da · einer 1tfehl'hcit von Ob-
jekt en Gc1neinsa n1c u1nfaOt. \ ir sa.l1e_r1, daß das GcnoraliEicrcn
überall vollz,ogei1 ,vird, wo die Wirklichkeit. als att1r nufgefaßt,
\-Verden soll, und dnll in die er l-li11sicl1t die durch Vergleichung e11t,..
slehenclen mpir-iscl1 ·n GaLtt1ngsbcgrifft? ~i I\ von dcrt clurch Analyse
entsteh·end,en Begri(fcn von Natl1rgesctzen nicl,t J)rinzipiell unter-
scheiden. Scl,en \vir u11S 11un ei11e h.istoriscl1e Darst.elluug au f das ' ' or-
l1anden ein olchcr allgcrneinen Begriffe an, so fallen zt1en:;t die all-
gemeinetl Ele111onto ins Auge, au. denen je(ier l1i torisclic B egriff b c-
stel1t. D01.:11 haben '\\rir es jetzt mit il111en ebenso,vei,ig ,vic n tit clcn an-
dcr11 allgen1einen B egri ffen zu tun , f]ie in der Ge. r.t1ich Le nur ~litLel
zur Darstell11ng dc.s absolut Individuellen si11d. Erst. die B egriffe, die
uas Ziel einer geschic htlichen DarsLellt1ng bilden und t.rotzdem ebc1J-
f alls n.u r einen nllgemeiiu~n Inhalt besitzen, könn e11 als relativ histo-
riscl1 gelte11 . Docl1 znilssen \Vir auch dabei nocll einen \ ' orbel1alt •

111achen. E isl r1ürr1lic.ll nicht in allen Fällen der Urnstand, daß eine
(,e::,cl1i cllLliche Darstellung ihren Gegenst.'lnd mit eine1l1 a1fge111ei11en
la111er1 bez-eic h11et., a l~o sicl1 nich.t clirekt auf ein einzclaes l ndividuum

bciicht, schon entscl1eidcr1tl für das \ iorha11dcnsci11 ci11cs im natur-


,,·is.scu cl1aftliclte11 Sinne allgeu1ei11en Beg t·iffes, soridern es gibt. 11och
eine besonclcre Art J1istorischer Begriffe, die z\var ,,llgcrnein scheinen,
aber nic:ht nliL den relutiv lais Lori schcn , die ,,·jr h,i cr rncinen, v cn,•echsel t
,verdcr1 dürfen. \Vir haben sie schor1 eir1111al berührt, als ,vir ,:larauf
l1in,viesen, d aß \\rorle ~·ie Griecl1.iscl1 oder De,_ilsch in d er Gescl1icl1te
nicht . 1an1cn ftir Gattungsbegriffe si11d, <lie das allen Gri •cl·1e11 uder
Dcut.schc11 Gc111cir1sa1ue e1,ll1allen, u11d ebcnso,vcnig ka1111 v o11 einer
J{oir1zjde11z des hiF-torisch,e11 Begri.ff~i.n \,alle~ 111i t de1n ei11 e- al lge111einon
Begriffes gei.proc hcn ,, crde11, "venr1 ein br.:,li111111te:; Sta.cliu1rt in der
0

ü1g1taltzado por Goog e


- 431

Ertt.\,ricklung tie r l\lenscl1l1eit oder eine Ent,vickl\.tngsJleriode eines


\ 'olkcs rnit. einem a llgemeinen Nar1lcn, z. B . a ls Zeitalter der R cnais-
~ance oder der Aufkläru.n g bezcichr1et ,vird, dß1111 die Gesarntheit
aller der vicle11 lndividuer1, die da1nit zu ei11er Gruppe zusamnien-
gefaßL \.Verden, ollen ·docl1 nicht unter den .i\llgemeinbegri{f eines
Renaissancegegenstnndes ocler eines Al1!klärers in dem Sinne ge.~
bra•cl1t ,verden, in de,m für den Zoologen a lle 1\ffcr1 unter den Be griff
der Vicrhänder fallen oder die verschiedenen Be,vegungen der \Vellr

körper \Inter den BegriCf des Gravit.ationsg.esetzes gehören. D er In-
halt olcher scl1eiobar ~ehr ,,allgerneinen' r B egriffe von \ lölkern,
Zeitaltern , l{tl lturcpochcn us,v. bc~tcht vielmehr t.atsächlicb zum
größten T eil aus dem, was nur an einer verhältnismäßig kl einen An-
zal1l von Individuen 1.-ich findet, die in den1 b~treffende11 v'olk oder Zeit-
alter gelebt. haben, t111d deren Eigenart historisc~1 so \ esent]ich ist,
daß ,vir nach ihnen rlas l1is torische Ga.nze, zu dem sie gehören, benennen.
Deshalb kann sogar die Entdc<!kung, daß ,,rir seit einiger Zeit in cir1er
P erjode der , 1Rcizsan1keit1 ' leben , nicl1t sagen ,,rollc.rl , daß viele Millio-
ner1 l\fen cl1en ,,reizsam•• sind,. denn das ,väre ja ei·ntncJ1 Unsinn, on-
dern sie darf nur bede11Len, daß die mit Rücksicht auf den die Dar-
s tellung leitenden \Vert de r J(uust und \ Veltanscl1at1ung \V .e s c n t-
1 i c h c n bistori c}1cn Individuen, a lso die l\l usiker, ~l aler, Dichter
und Pl1ilosopl1e11 cle r n euerte11 Zei t., ge,visse ge1nei11s ame Eigcn-
schatLen zeigen , die es gestatten, s ie „rcizsa,n'' zu ncnner1. 1\ ucl, die ·es
neueste Proclukt der 11neue11" !\[eLhocle ordnet sicl1 <leJrtnach voll-
ständig u1lset·er ·rheor·ie der historischen Begrif(~bil·d ung e in lind ist
r1icht eL,va das Ergebnis eines j,11 lo~iscl1en Sinne uatt1r,vis~cnsc:t1aft.-
lichen oder gcnernlisie rendc11 Verfal1rc11s. Ja t oi n 1'cil de~ l11halLes
der ,,allgcn1cincn'' Be:griff,c von Völkern , Zeitaltern, l ulturepocher1
u.s,v. findet. sich oft nur an ciner11 einzigen I11di·, riduurr1, uncl höch.11tens
das l(anr1 rnan sagen , daß d er Inhalt eir1es B f'griffes ,,,ie R enaissance
,,jel ztt reicl1 is t , nls daß er vollst.ändig an cjn.. rn I11dividuu1t1 zu 1<0 11-
stntieren ,,,öre. Aber gerade d,esha lb i :it er ge\,•iO Jccin i11 hal Llir.:l1
allgc1,1ei1icr Begriff, ,vie clie Natur,,·is·· e1lschaft ihn braucht, sondern
ein ab oluL hi:-t,)ri ·r1cr1 inc)ividualisiere11d ge.b ildct er B egriff, dcssc11
Inhalt n1it ~cinc,n Umfanue
... ,vä.chs t..
A11 cl1 die schon cinrn a l cr,.,·ä huLer1 ,,ldealL)'pen 11 , auf dcrc11 logiscl,e
Struktur 1tax '\ \1cher l,in ge,.i.'iesen hat 1 , und bei ctene11 es ic h un1 lo-
gische Proble,ne hande lt,1 die sicl1 111it den soeben angcde utctc.n a11fs
1 V!fl. vb<:ll . a22.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 432

engste berühren, gehören nicht zu dem, ,vas wir einen relativ hi tori-
schen Begriff nennen wollen. Die Konstrukt.io.nen. von Idealtyr>en
tragen, wie Weber selbst ausführt, den Chara.k ter einer Utopie an sict1,
die durch gedatlkliche Steigerung bestimmter Elemente der Wirk-
lichkeit ge,vonnen wird. ,,In seine.r begrifflichen Reit1beit ist diese.s
GedankenbiJd nirgends in der Wirklichkeit. empirisch vorfi11dbar,
und für dje l1istorische Arbeit er\väcl1st die Aufgabe, in jedem einzeJ-
11e11 Falle festzustellen, \\1ie nahe oder ,vie ferne die \Vit klichkcit jc·nem
fdealbilde stel1t, in ,vie ,vei t also der öl,onomiscbe Charakter der Ver-
hältnisse einer bes.ti1n1nten Stadt als stadt,•tirtschaftlich i1n begriff-
lichen Sinn.c anzusprechen jsl'' 1 . Docl1 liegt e - nicl1t in u11serm Inter-
esse, at1f die Iogiscl1e Strtikt.ur dieser, zttnl 1'eil ·a ußerordentlich korr1-
plizierten historiscl1er1 Begriffe näher einzugehen. Wir l(önnen in
diesem Zusamrnenhange von den Idealtypen um so el1or ab~eJ1en, als
auch \Vcber hervorhebt, daß sie nicltt als Ziel sondern als ~1itte1 für
dio l1is.Lorischo Durstellung in BeLracht ko111mer1. Nur auf ein Bei-

spiel s,ei hi11gewie.sen, das zeigen muß, vvie ,venig ,,,.ir es bei ge,\·issen
Begriffen, die allget11ei11 sind, scllon mit natunvis enschaftlichen Gat-
tungsbegriffen zu tun haben. Ka11n 1r1an c.lem l1istorischen Begl'iff des
Deutsclicrl einen 1\fann wie Luther als bloßes G:1Lt ur1gscxcrn pJar unter-
ordnen, so daß LuLl1cr nur durcl1 dn.s ge chichLüch ,ve:;cntlich ist,
,vas er nüt aller1 Deutschcr1 gemeinsan1 hat? Kei11 VersLät)diger \vird
dat- behaupte.n , denn ,venn dies der Fall ,väre, so hätte kein Historiker
Ver~tnlassur.ig, von Luther 111ehr zu erzählc.n als \rOn l-linz und l{u11z.
,,,.as meinen. ,vir ,.riclmel-lr, ,ve11n ,vir Lullier einer1 ,,ecl.11,cn'' D·eutscl1en
nennen? Wir sirid daran ge,,·öhnt, gc,visse, dem l ndividuun1 LuLl1er
vor allen zuko,nn1ende Eigc11lün1lichkeilen als det1l-. eh Jberhaupt
zu betracl1tcn, und \Yir haben l1ierzu insofern eir1 Recht, als diese Eigen-
art, seilclen1 Luther gelebt. hut1 für uns in den l dcalh er:rriff tles Deut,..
scl1en überhaupt als den eines Vorbildes, also• grade nicl1t eines ldeal-
l)1fJ u s in1 Sinne \.Veb.ers, übergegange11 sind. Dieser historische Be-
griff ist, später durcl1 a11dere lndivicluc11, v.·ie durch Guctuc und <lann
du.rcl1 Bismarck, im1ner n1el1t' bereichel'l "''otde11, und es kli11 •t nun für
uns heute bei den1 \,Vorte Oct1tsch eine Fülle , ron I11hal t an, der ge,viß
nicht on einert1 Du rch cl11•ittscxcrr1pla1· eines Deutsch.en sondern nur
0

an den ein zelnen großen l\Iän11cr11 ,virltlicl1 zu fir1<l ct1 ist. liat sieb dann
aber cir1n1al au f diese \1/ei.e ein hisLorisch,cr Begriff durch Zusa11u11e1t-
fassu11g der Eigenart rnel1rercr hi toriscl1 ,,·esentlicl1er Individuen
l !:\,I . \\'" 0 1) Cr' EI . n . 0. s. 6[>.

D191, h,ado por Google


- 433

gebildet, so kann es den Anscl,cin gc,,rinnen, als sei es möglicl11 die


Eigenart der einzelner1 Individuen aus dem allgemeinen Begriff einer
deutsct1en ,,\ 7olkssee1e" abztlleiten. T atsächlich jedoch gelingt dies
l{utlststück n t1r dann, ,vcnn das Ei.nzigart.-ibre, das aus der Volksseele
stammen soll, vorl1er sc holl in il1ren Begriff hineingelegt ,var, und wir
vollziehen nun ge,,tisscnnnOen eine Reihe vorl ar1alytiscl1en Urteilen.
Die allgcmeii1e deutsche ' ' olksseole ist,, sowei t sie für den Hist oriker als
'\>Virklichkeit in Betracht kommt, nicht Gegenstand eines allgemeinen
Gattungsbegriffes, so11dcrn sie hedculct einen sich i1n Laufe der Ge-
schichte unnufbörliel1 verändern.den i1.tdividuel1en Ent,~icklungsprozeß,
tind sie ge,vinnt. ihre cl,arakterjstischen Züge ersL allmählich Schritt
[llr Scr1ritt durch die individ uellcn histo1·iscltcn Ereie,rnisse. Gla.u bt
man unigekeltrt., das Indi,,iduelle a l$ aus ihr sla1r1mend zu begreifen,
so lie(rt, eine begriffsrealistische Ver,vecl1slung vor . Selbst.ver Ländlich
soll damit jecloch 11icht gesagt sein, dall in solcl1cn hjslariscl1e11 Begriffe.11 •
aus cl1licOlicl\ Züge ,•orkon1111e111 ·die an einzelnen Persönlichkeit-eo
hafter1, sonuer11 n•ur, daß viele mit einem allgemeinen · amen bczcich•
nete Begrif;[e nicht in dcrn Sir1n des vVorles 11 all 0 c1r1ein'' si11u ,vio die
genera)jsicrcud gebildcte11 Begriffe der at.ur"'is ·enscl1aft, und daß
sie unter and eren1. auch ab olut histori ehe Bestand teile enthalten.
Nur ein BP.griff aber, d,em \Virklict1 a 11 c Individuen, aui cJie er sich
bezieht, a b Exc1nplare untetzt1ord11en sind, kan11 nl · ein natt1r,vi.., en-
schaftlicher Be tandte il in der Ge..,chichte gelten.
Zu <lern Problen1, das uns hier bcsctläft-.igc11 soll, kommen ,vir also
erst dann, ,vc11n eitl Begriff rn iL einem in1 11ntL1r,vissensct\afLlicllen
Sirme allget11ei11e11 Inhalt zugleicl1 eine erscl1öpfe11de hist.oriscl1e
Darslcllt1ng gibt, oder ~·enn das Generali ieren cl1on in de1 Weise
zu individualisieren \rermag, daß dabei niühts von dein mit Rücksicl1t,
auf die Wertbeziehung für die Geschicl1t.e Wesentlichen verloren
ge,h t. Das nbcr \vircl iiberall dort der Fall sein, ,,·o die historische
Bedculting nn einem Ko1nplcx von Eigenschaften l1aftct, der sicl1
nicht nur a n ciner.ri einzigen Objokte sondern an n1ehreren 1 sonst vor1-
einand cr ver~chiccler1en Individuen (in(let . Dan n \Verden die e Indi-
viduen nicht nur Oberhaupt Zlt ei ner Gruppe zt•sa mn\engofaßt, sondern
auel1 die hi t.orischc Da rs tellung kann sicl1 n1it einern allgerncincn
Gruppenbertt·iff begr1üge11. Die Gru ppe j ~t, als Ganzes 1.,var ,,·ie i1nn1er
el,vas Einmalige~ un cl Indi,,iduc lle. und besteht aucl1 aus lauter
lndivicluc11, abr r da keines von ih.ncn hisLoriscl1 ,ve ontlicho Eigen ·chuf-
tcn hat, Llie 1dchL nl le antlern Zll ih r gc.hörigctl l nt.lividtlen ebe11falls
H I c k o r i, (1 r CtLli')ll , 2. A ufl. 2

D191, h,ado por Google


- 434

besitzen,. so ,vird die Geschichte von einem solchen historischen Gan-


zen keinen absolut bistorischen Begriff bilden, d. h. sie braucht seine

T eilindividuen nicl1t für sielt d arzustellen, sondern aucl1 der llisto-
riker siel,t in solchem Falle die Individuen, aus denen die Gruppe
besteht, a ls gleich an, und jedes lndividuun1 ist nun durc h rlieselben
Eigenschaften so,,1ohl Glied eines historischen Ganzen als aucl1 Ex.e n1.-
plar eines allgerncincn Begriffes. So allcir• ,c ntstebcn durch Wert--
bez.iehung indi:viduaüsicrcnde historische Begriffe, die t rotzdem einen
allgcn1oinc11 Inhalt liaben , d. h. 11ur das zusamrt1en fassen, ,vas allen
Indivicluen einer Gruppe ge1neinsam ist. Dies Gemeinsan1e ist dann
eben auch das mit Rücksicht auf dc11 leitenden Wert der Darstellung
\VesenUiche und bringt so clie IndiviJuulität der betreffenden Gruppe
in ausroicl1ender W eise zur Geltung. Der allgc-mcine Gattungsbegriff
individualisiert geschichtlich.
• Selb tversliändlich können nt1n olche Begriffe auch mel1r oder
,veniger 0:llgcn1ein sein , je nacl1dcr11 der Un1fang der Grupr1e und die
Zal1l der Individuen \Väcl1st oder abn ,in1n1t, die als ExemJ>larc unter
d en Gruppenbegriff fallen, \veil a.n ihnen allen das för die Gesch.ichtc
dutch \\Tert beziehung Wesentliclle l,afLet.. Ihr I11ha]t bcsLel1t eventuell
aus dem, "''as nt1r z,vei oder drei Individuen ge111ein arn j ~t, oder sie
\.\'erden aucl1, ,vonn sie dns vVesen v on gan zen Ständen oder irgend
ejncr heliebigc11, noc}1 so un1fassende11 crnpirisch.on Wirklicl\keit zum
Ausdruck bringen, in der l<ein Teil ei11e a1tdere hist or ische B e<leu tung
l1at als alle übrigen 1 ei nen sehr nllgemein.en Inl1aJt haben und trotzdem
zugleicl1 eine ersct1öpfcr1cle his torische D~rstellung ()er lictrcffenden
Objekto geben , die in genüge,1,ter Weise i11dividualisiert. Z\.viscl1en
gan z individuellen u11d seltr al lgen1cincn histo1·isch.en Begriffc 11 liegen
al o Begriffe rnit d en aller,rerschiedcnsLen Graden inl1:llllic:her Allge-
1nei1\l1ci t, Ulld \vir erse hen tiieraus, ,,,elclien Sirltl es llat, zu ~ngen, daß
a uch das Gesc hic.htliclic gradtiell absti.tf.bar i t. \Vic ,vir nnlur,vi::;scn-
scl1a{tlicl1e Begri ffe n1it relativ l1i~Lo1·i clie1r1 l11halt erster, Z\veiter,
dritter Ordnung unterscl1ieden lrabcn, darf n,an auc\1 von historischen
Begriffen 1l1it relaLiv nalur\vi ~senschaft]ichem orler allgerncinem
l11halt vcrscl1icdencr Ordr1·ungen sprechen, und n ur rler nter~cl1icd
besteht, daß sjcl1 i1icr kc.irl yst ern ·von OrJnu11gcn aufst ellen läßt,
da ja die histori~c.he11 \Vis~enschafLc11 jede Ei,1fügurJg in cir1 11acll den
Grad,en der ...\11ge1J1einheit gcb.il(ietcs S)'st crt) , •erbieten.
,\n dcn1 Vorl10.ncler1:)cin solcher relativ oaLur,,,•issensc hafllicl1cr
Begriffe de r vcrRcbicde11stcn G,ra,d c i11 d er Ge;;chic:11~ \vissenschaft

ü1g1taltzado por Goog e


- 435 -

wird niemand zweifeln. Sogar in einer U11tersuchu11g 1 deren Haupt-


gegenstand ein einziges Individuun1 ist, gibt es eine Fülle von Begriffen
mit allgemeinem, also in diesem Sinne naturwissensc.h aftlichem Inhalt.
Wir "'·issen, daß niemals allein von d em Werdegang eines Einzigen
sondern immer auch von dem größere11 Ganzen oder der ,,Umwelt1 •-
gel1andelt ,vird t zu der er als Glied gehört, und wenn auch alle Teile
d es Ganzen individuell s:ind, so kommen s-ie doch niemals alle nur als-
individuelle Glieder in Betracht. Bei weitem die meisten von ihnen
werden vielmehr unter Gruppenbegriffe mit allgemeinen1 Inhalt
gebracht, ,veil nur das, \Vaa allen Gliedern der Gruppe gemeinsam ist,
mit Rücksicht auf den leitenden W ert eine gescl1ichtliche Bedeutung
be,;itzt. Gilt dies aber schon für gcschichtlicl1e Darstellt1ngeo wie Bio-
graphie11, so \Vird es vollends für urrlfassende l1jst.oriscJ1e Werke
gelt.en, die die Ent'\vicklung aines aus unübersehbar vielen 'feilen
bestehenden Ganzen, etwa eines Volkes, darstellen '\\1ollen. Da ist dann
,•on den Soldaten ejner Sc'h lacht, den Bauern einer Gegend, den Bür-
gern einer Stadt die Rede, und es ,~1-d ev entuell k ein ejnziges Indi-
viduum, das zu dieser Or11ppc gehört, als Individuum ausdrücklich
genannt. Die Gruppe selbst ist z,var ein einlnaliger individueller
historisclicr Vorgang, aber ihre Glieder sind mit Rücksicht auf das,
was sie für die Geschichte bedeut..cn. nicl1t von ei.n ander verschieden.
Was die Quantität anlretrifft, so gehört sogar die große l\'Iehrl1eiL
der llistorischcn Objekte unter aJlgen,cine Begriffe, und wir müssen
jedenfalls in allen bjstorischen Darstellungen ein Oemjscl1 von Begriffen.
1nit individu.ellem und solchen mit allgemeinero Inhalt konstatieren.
Dies zeigt bereits ein. Blick auf die sprachliche F orm der histori-
schen Berichte. Aber die Rolle, die die aUgenieinen Begriffe in der
Geschichte spielen, ,,rird erst dann g.a nz deutlich, wenn wir sehen„
daß noch mehr von ilmen vorl1anden sein können, als die äußere Form
der Darstellung Jnerken läßt. So ,vie nämlicl1 ein scheinbar allgemeiner
Naine w eht. in1mer einen allgemeinen Galt,u ngsbegriff bezcicl1nct,
so ltönnen urngekehrtEigennnmen auch fürallgemeine Begrilfe stehen,
und z\\•ar wird dies da.nn der Fall sein, '\\.'enn lndividucr1 genannt..
~ erden, die 11 typisel1 ' in de1rt Sinne des '\,Vortes sind, daß sie detl
1

Durcl1scl1nilt einer Grup•pe erkennen lassen, also nur als ' ' ertretc.r
ihrer Gattung historiscl1 '"'oscntliclt " rerden. Solclte Bcg1·iffe lassen
sich an Scl1riftstilclten aus früh eren Jahrhun.dei-ten,. z. B. an einer ein-
zige11 R ecl•nung bilden, die a} cinzigc-s Individuum gar keir1e Bedeu-
tung haben würde sondern gerade dadurch historiscl1 ,,,csentlic}1 wird,
2sr

D191, h,ado por Google


436
daJl sie i11 ihrer Einrnaligli:eit zugleicl1 die Leber1sl1aJtung ganzer
l(lassen charakterisiert . Das liegt überall v or, \"\"O ,vi-r Grund zu d-e r
Annahn,e haben, daß der eine individ uelle Fall, der allein uns bek annt
ist, keine At1. n ahme b_ildet. Al1c.l1 oinzeloc Personen ,,rerden in dersel-
ben \'\leise unter U1nstän de11 nur dadu.rct1 für die Gcscluchte ,vicbtig,
d aß sie das an allen andern ?wlitgliedern ihres Standes Wesentllcl10
reprä cntieren , und ,vir müssen diese Jndividue11 danr1 als rela ti~·
historische Individu-e11 sorgfältig von den.e n unterscheiden, die gerade
dt1rcl1 das in Betracht ko111men, ,vas illnen mit kcinen1 andern Indi-
viduun1 ge111einsa,n ist. Auf diese Scheidung zu acr1ten 1 gibt es nocl1
einen besonderen Grund. Da die Geschichte die Tendenz. hat, ihre Dar-
tellung durcl, solche i:ndiv'idtlellen Bestandteile zu , rermchren 1 die nur
d em Jn t-0rcssc ciJ1er Zeichnung ,,oo anschaulichen Bi.ldern dienen, so

,vird sie die es \ 1erfal1ren a ucll bei der Darstellung von Durcl1s.cl1nitts,-
Lypen an,,·endcr1 1. und cl.ann ist. allein au dem sachlichen historischcr1
Zu:-a1nn1enhange zu or~el1cn, ob ein absolut oder our ein relativ hi to-
rischcr Begriff vorliegt. Daraus aber folgt lediglich, daß aus der
Analyse einzelner Teile vor1 Darst.ellunger1, die in ibret· GcsaL11th~it
individualisieren, für das logische Wesen der Ge chichte bis\veilen
nichts z11 entnel1men ist. Die Vertrelrer einer n.att1n,ri~scnsrhaftlichen
Universalmctl1o<le l1aben sicl1, um pla11 ·ibcl zu mnr l1en , daß d ie rein
i11dividuellen Züge in der Geschichte nicl1t cigc11tüch z.ur \,\lissenscl1aft
gehören an Dars tellungen von Individuen gellalten , die nur als Durch-
scl1nitts typcn ,vesentlic.11 ,var en und dal1er in 1·elativ histori chen Be-
griffen in der 'J'at erschöpfe11d dnrg,e~tcllt ,verden konn ten . Dann ,,,ar
,es selb tverständlicl1 leicht, zu zeigen. daß das botrcf(encle Individ,u um
nttr als Gatt.:ungsexemplar ei11e llistoriscl1e Bedeutur1g t1atte. '\Vir sehen
jetzt, ,vie ,venig das b-0,veist. Ist es doch SO"ar denkbar, dall ein In-
di, riduum, da s in rJcn r1i.ei. tcn Darstellt1ngen nu.r u nter einen absolu t
historiscl1en Bcgrjff fallen ka11n, bis'"vcilcn aucl1 als Gattt1ngse.xemplar
auftritt, \\·.a s z. B. dann der Fall sein ,,rurdc, ,vcnn r11an an gc,vi:-se1t
Seiten J-Icgc1s den D1Jrchsc hnit.tst,yp11 eine- TObi11ger Stiftlers oder
an ge,vissen Seiten Bisn, a.rcks den Dt1rr )uschnittstypt1s eines JJreußi~
scl1on J unkcrs nuf zu zeigen versucl1tc.
,vir sel1cr1 also, ·d aß aucl, eine schei1,l)or ab olut his'Lo riscl1e
Dars telltlr1g 111it nllgemei11cn Begriffe11 <lurcJ-1s.cl.zl sei11 kann , die
nicht ntrr die Elc1ne11Lc eines l1i ·t,ori~cllen Begriff •s sincl, w1,.i da ß
• diese En:,·eiLerur,g clcs Be'7ri(fcs <lc•r hi~Lori:ch~n Dar~tcllung t1ns erst
ge;;ta ttet , di Jogi5che Strul, t.ur der Gcsctriclite l{lnr z_u legen. JeLzt

D191, h,ado por Google


- 437 -
steht nicbt mel1r das absolut Allgemcin e d~n1 absolut lndividucllep
schroff und unvermittelt gegenüber - dies '"arer1 nur· die beiden
äußersten, im logischen Interesse zu konstruierenden Extreme, die der
~1annigfaltigkeit des Begreifens in Naturwissenscf1aft und Gcschlcl1t-A?
nicl1t gerecht ,vcrden - sondern es findet, ,vas den Inhalt sowol1l der
11aLun,,issenscha!tliol1en als auch der l1istorisol1e11 B egriffe anbetrifft,
d as Allgemeine u.nd das I ndivjduell,e d er ve1·schieden.sten Grade in
u11senn Scl1e111a Platz, u11d so wie bereits frü her auf die Begriffe der
verschjedenen und eventuell seb.r speziellen natunvissensctiaftlichen
Disziplinen muß jetzt uns.ere Theorie au.f die ve.rschjedenen und even-
tuell inllaltlich sehr allge1i1einen l1istoriscben Darstellungen passeti.
W ir könnC11 sie soga:r nicht nur dann an,venden, wenn ein natunvi sen-
scl1aftlicher und ein ttistoriscller Begriff inhaltlich zusamme11fallon 1
wenn also die genera lisierende Darstellu_ng dasselbe wesenllicl1 findet,
,vas für die individua)jsierende Auffassung in Betracl1t kommt, sondern
aucl1 dann, ,vcnn der l nl1alt der historiscl1en Begriffe 11och allge1neiner
sein sollte als der der natur,visscnscl1aftlichen., die sich auf ein spe-
zielles Gebiet der Untersu chu11g b eziehen, und ,vcnn es dal1er möglich
ist , nac11 natur\Yissenschuftlichcn Z-usammenhängcn noch inn.erhalb
d es relat iv Hii,l.oriscl·,en zu {orsclien .
So not,ven(lig aber auch die ar1ge.gebei1e Er",•eitcrung des Begriffes
ei11er historiscl-•en Darstellung rnit Rücksicht auf die 'f alsac he d er all•
gerr1cinen historisct1en Begriffe ist, so scllcic1t sie doch z1igleicl1 auch
unsere bisherigen Ergebnisse ,vieder in Frage zu stellen. ''' enn ,vir
nicht a uf e.in bestinur.1t.e!:i his torisches ~·laterial tln(l au{ bestim111te
leitende \Vortgesicl1tspun.kte dct· DarsteUung 1•cflektierc11, könno11 \vir
auch nicht ,vissen, in ,velcl1ern Umfange allge111eine Begriffe in der
Ge$chichte eine R olle spielen, und bis zu ,vclcl1e111 Grade sie ailgc111ein
seir1 dilrfe11, uni n och d en Z,vcckcn der Geschichte zu d ienen. Daraus
folgt, daß tmter logischen Ge ichtspunktc.n die Darstellung ei11cs ein-
1naligcn llistori.schen Ent,vicklur1gsganges de11Jtbar ist , in d ·r nur noc h
rr1 it Begriffen gearbeitet ,vird\ rJie das Gruppen v or1 Indi, 1illuen
Gcrneinsameen thalten, uud in der a ucll die 1nit Eigenna111en bezeicl1-.
neten Individuen lediglich historische Durchschnittstypen sind. Gewinnt
durch clicse Jogi ehe Möglichl{cit niclrt die Beh.nuptt1ng ,viedcr einen
Siru1, daß auclt die Gcschict1ts,vi senscha ft n u r al lgemeine Begriffe
bilde ,vie die atun :vi ·senschaft '? '\Vo bleibt jet.z.t der pri.11zipielle
Unter-schied Z\\'iscl1en beide11, ja, n tit ,vetcl1cm Rechte sprechen
,,'ir üb erha upt n och v or1 in.Jividuellcr1 histori ·cl1en Bcgriffcr1? Wir müs•

D1911 11,ado por Goc,gle


- 438

een sogar noch \Veiter gehen. Sind auch bistorL.c.he Begriffe allgemein,
so cheiot es keinen Grund 1.u geben , \Varum sie nicht so in Beziehunge.n
zt1 einander treten sollen ,vie die Begriffe einer nat.ur\vissenschaft~
liehen 1. .11eorie. Es ist denkbar, dnß einige von ihnen durcl1 ihren all-
ge1neinen Inhalt in der \Veise zu einander gehören, daß sie zusammen
ein Naturgesetz bilden. I\ehmen ,vir an, es slände fes t , daß \VO immer·
beetimmte Objekte sich finden, dje unter den Naturbegriff A zu b1ingen
1
sind, mit n aturgesetzlioher Not\.vendigkeit andere Objek.te entstel1en,
d ie ur.lter den Naturbcgrilf B fallen, und es würde nun in der Geschichte
ejn relativ historischer Begriff gebildet, dessen allgeniciner Inhalt
mit A übereinstimmt, so müßte sich daraus ergeben, daß auf die unter
A gebrachten ges.chict1tlichen Ereignisse mit naturgesetzlichcr Notr
1,·endigkeit geschichtliche Er•eigrusse folgen, die so beschaffen sind,
daß sie unter B gehören. Dann aber beslände kein prinzipielles Hin•
dernis mehr, aucl1 zur A,u fst ellun g von den so lebhaft ge\vQnschl:ien
,,l1istorischen Gesetzen" zu k on1n1on. Die e enthalten nur sola.nge
einen logjschen \Vidersinn, als sie für da absolut Historische gelten
sollen. Mit dem BegriCf des relativ l-Iistori cl1en scl1eint eine gesetz.es-
wissenschaftliche DarsLcllu11g d er Geschichte sel1r gut verein.bar.
Kul"z, man kann n1einen. daß, ,venn die Ge::;chichte \virklich nur mit
relativ historiscl1en Begriffen arbeitet , es nicht 1nehr m<>gLicb ist,
dern Eindringen der naturwis ·e11schaftlict1en Begrilfsbil,d11ng in sie
irgend eine Grenze zu setzen .
In der 1'nt , derartige Mögliclil-cei tcn Jas. en sicl1 oline ,,,eiteres
n icl1t zurilck,veisen . Aber die Grenze Z\\'j chcn Natun\•issenscl1aft
'

und Geschjchte ,väre d·oct, durch sie nt1r dann ve,,,; c}tt, ,venn man
zeigen könnto, daß sie auch in u1etl\odologische G r u n d s ä t z e
un1gewa ndel t ,,·erden dOl'fen, ttn•d zu einer En t.scheitlung 1\icrüber
kon11nen ,,<ir erst rJ urcl1 die Beant,vortuog folge11der Fragen . Ist
durcl1 den Umstand, daß ei11 l1istor-ischer Begriff cjnen a llgemeinen
l nlialL hat, auclt cl1on et.,,•as an sei11er loni~cl1en St r u k L u r, d. h.
an dem Pri11zip seiner durch \.v'ertbeziehung entstandenen Einl1eit.
oder der Zusamn1engcl1örigkcit seiner E lc n1cnic gcä11d~rt ? I · ur dann
,,·ürdc man sagen kö1111 e111 daß , ,,,eil ein Begriff zutn JnhalL das n,lcllreren
Obj ekten Ge1ncinsan1e hat , er auch nach n.:itt1r,visscnschaftlicl1cr
)1 c t. h o d c g bildet ist. 1l a.bcn \vir fer11cr ein R ccl, t , vor a Ilcr sach-
lic her, UuLcrsucl1ung zt1 behaupten, da ß die Dn.r·stell,1ng eine ge-
, cllicl1llic hcn Ent ,vickh.ingsgn ngc. 1 di o nur Bcgri[fc 111it allgerr,ei11eu1
Jr1 h.ilt bP11 utzt, alles hi -to risct1 '''esc1tLlicl1e crscl1öpfen kann? Dann

0191 lt ado por Goog e


- 439

alJein, ,verm dies der Fall ist, dürfte es sich der Historiker zum Grund-
sat.z machen , nur allgemeine Begriffe zu bjlden. Setzen wir aber
sogar einmal voraus 1 es bestände ein Rect1t zt1 dem Vers-ucl1, in der
Geschichte nur relativ historische Begriffe mit allgemeinem Inhalt
zu verwende11, so muß noch eine drjtte Frage gestellt ,verden. Lä.ß t
sich ein einmaliger Ent\vicklungsgang in seiner T otalität so darstellen,
da.ß die nur relativ historisclten Begriffe seiner verschiedenen Sta-
die11 aucl1 unter einander in einen natur\"issenscha!tlichen Zusam-
menl1ang gebrach.t werden können und d.adurch also historiseh.e
Gesetze c11 tstehcn ? Ist es ·nberl1aupt n1ög)iel1, daß für das historische
Ga n z ei das dargestellt. \.\rerden soll, und nicht nur ftir seine Teile
Begriffe mit relativ histori cl1emt also allgemeinem Inhalt genügen?
\iVenn auch nur dies eine a.usgeschloosen sein sollte, bJiebe von der
Möglichkeit, die Geschichts,vissenschatt zu einer generalisierenden
Naturwissenscl1aft zt1 machen, nicht mehr viel übrig t denn das allein
kann entscbeide11d sein, ob das Gatl.zc einer lii toris.chen Darstellung,
die das Ganze des darz.ustclJe11d,en historischen Objektes uinfaßt,
der1 Charakter einer genera)j ie1·e1,den oder ei11er individualisieren.d en
Darstellung l1aben muß.
'\Vas die erste der drei angedeuteten Fragen betrifft, so kann man.
es einc1n aus eiern gcschicl1tlicl1en Gedankenzusammc11l1ang l1erau:s-
geiöste1\ relativ historische11 Begriff nicht mehr ansehen, welches sein
Einheitsprinzip ist . aber die Logik clarf sich aucl1 nicht mit solchen
vcreinzclLen B egriffen abgeben . Sie rnuß vielmehr immer berücksicl1-
tigen1 ,velche Aufgabe ein Begriff in dem Ganzen der Darst ellung er-
füllen soll, in dem . ie illn findet, und dann zeigt sich sofort, daß auch
die relat iv historischen Begriffe trotz ihrer inhaltlichen AlJge1neinheit
erstcn.s individtialisierende Begriffe gcnaru1t " ·erden müssen, un.d daß
z,vcitcns die .E inheit ihrer Bestandt.eile und die Zusammengehörig-
keit il1rer 1 ,Merk111ale 1 ' ebenso '"'·ie die Einheit eines absolut histori•
scl1en Begriffsin.h altes auf einer " 'ertbez.iehung beruht. Nennt man
d en Inhalt der speziellen nalurwisser1schafLlichen Begriffe reJaLiv a.ll-
gen1ein, so ist der Inl1alt. der relati,, historischen Begriffe als relativ
individuell zu bezeichnen, und cliescr Begriff des 11 relativ l11djviduellen''
entJ,ält nicl1t et\Va, \\1ic man meinen könnte 1 eine·n Wiclcrsprucil.
Die \Virklicl1li.ejt selbst ißt freilich i1ntner absol ,uL individuell, und
man kann daher nicl1t v on relativ indi,riduellen O b j e k t e n der
Geschichte sprect1en. Gan,z anders dagegen steht es mit der lndi-
vidualiUil eines Bcgrlffsinhaltcs urid n1 iL der Frage, ob er einer genet·a-

0191 lt ado por Goog e


- 4.40

lisierenden oder in.dividualisierenden Auffassung einen Bestand ver-


dankt. \iVollten wir die Sacl1e auf die Spilze treiben, so k.öu11ton ,vir
sagen, d aO soga1· die absolut hisLorischen Begriffe,. die sicl1 auf ein
einziges lndi'\'iduum, z. B. auf eine Persönlicl1keit, bezieltcr1 , das eir1er
R eibe von mehreren individuellen Zustände11 dieser P ersönlichkeit
Gemeinsa111e entl1alten und in~ofer11 auch einen aJlge111einen Inhalt
l1ahen . Trotzdem wird niemand sich ,veigcrn, den Inhalt djeiier
Begri(fe indjvidtiell zu nennen, da sie gerade das darsLcllen sollen,,
, ,1odurcl1 die betreffende Persö1tliel1keit sich von allen ander11 unter-

scheidet, al o durchaus auf dem Prinzip der individ,ualisicrenden Bc-


griffsbild ung berul1cn. So ent.stel1t der vollkorru11en eindeutige Be-
griff der l n d i v i d u a 1 i t ä t a 11 g e m e i n e r B e g r i r r s i n-
h a 1 t c, sobald das für eine individualisierende Darstellt1ng \Vescnt-
Jiche n1it dem Inhalte eiJles allgerneinen Gattungsbegriffes ·ich deckt,
t1nd ,vir können die Prinzip leicht auf tlic rc1ativ historischc11 Begriffe
übertragen, da auch sie die Individualität des Dttrchschnitt.scharukters
einer besti1nn1ten historischen G·ruppe vori Individuen zum Aus-
druck zu brjngen l1aben, durch die diese Gruppe von andern verscl1ie-
dcr1 ist. In e.incm speziclle11 natunvi sen c11aftlicl1en Gedankenzu-
sammen)1ange bleibt den1nach der Inhalt, der das allgcrncinc Wc:,en
einer Gattung darsteJlt, mit Rücksicl,t auf das Ziel, das Ge111einsame
darzust ellen, immer allo-e111ein,. so individt1ell im Vergleich zu den •
aJlgemeinsten natunvisscnschaftlichcn Bcgriffen er aucl1 sein ,,1ag.
1

In einem hist.oriscl1en Gcda11kcnzusa,1r11nenhange dagegen verdient
eventuelJ genau derselbe, ja ein noch ullgcn1einercr Bcgriffsinl1alt
nut Rücksicht ai1f das 7.ic l, dje lruJividualitä t ei11cr 11.isLurischen. Gat,..
tung zum Ausdruck zu bringer1, den Na1nen eines individualisierend
gcbil,letcr1 und daher selbst individuellen Begriffe", ob\vohl ein
In halt i111 Vergleich zu dcn1 clcr ab olu t histori:cl1en Begriffe sel1r
allgemein sein l,n1111. Das Ziel der Wisse11scl1aft cr1r1ög]icht so im1ner
ei11c Ent.scl1cid ung darüber, ob \vir es rnit eir1c1n allgeu1cinct1 oder 1nit.
cir1c111 inuividuclle11 Begriff zu tun 1-iaben, je nacl1d ,,r1 es sich u111 eine
.generalisierende oder um eine individuaJisicrcn<le Begriffsbildung
l1andelt1 und ,veil. z,,·ischei1 d.cn Zicleri der Nalur,.,,·i1-senscl1uft ur1d dc1len
der Geschicl1Lc slet.s ein prjn1.ipieller logiscl1e1· G ·geu:;at.z besteht,
so haben ,vjr aucl, ein R ochL, trotz aller Rcla.t.i,·itiit vo11 cin r.ru Gcgc11-
satz allgemeiner ur1d in<.l i,1 i<lucller Begriffe zu s11rccl\c11. Sola11ge die
Natur,vi unscl1ait. v o1) der11 Ziel geleitet ist , ci1t S)·sLc111 vo11 Beg1·iffen
zu bilden, dcr11 jeder 1'eiJ einer ,virklichkeit ich uis Exe1111)lt1r unter-

0191 lt ado por Goog e


- 441 -
ordnen läßt 1 sola11ge sie also ge11e.ralisiererld verfä1lrt1 sind allo il1rc
Begriffe als allgemeine Begriffe zu versl-el1cr1, aucll ,ven11 zufällig
.n ur e in Exen1plar unter sie füllt. So lange die Geschichte das durch
seine Individualität. Bedeutsa,ne in il,re Darstcllu1,gcn aufni1nmt und
es nur dann unterläßt, bis zum absolut Individuellen vorzudringen,,
,venn bereits der aJlgctnci11c Gruppenbegriff genug Indivjdualität
besitzt, um das für sie \\' es.entliehe darzusteller1, bleibt sie ur1ter
allen Umständen djc iridividualisierende Wissen cha(t, die nicht nur
für einzelne Individ.uet1 sonder11 aucl1 f(lr Gruppen B egriffe mit incü-
viduellem Inl1alt zu bilclen l1at.
Docl1 man ,vird vielleicht sagen, daß die Natur,visscnschaft.
mit il1rcn relativ all.gerr1eine11 Be,,riffc11 eben rull · die Individualität
einer Gattung zum Ausdru ck bringe, und daher lri,tt, der Gcge11satz
der beiden Arten vor1 Begriflcn i11 der 1'at er t dann gn11z dcutliclt
b.ervor, ,venn ,vir auch darauf reflektiere11, ,veJcl1es Band den BcgriITs-
inl1al L zu einer Einheit vcrk:nüpft„ l.n einem natur,,,i ·sen. cha(tlichcn
B egriff gcl1ören die .Ele1tlcntc zusan1r11er1 , die das n1el1rcrcn Ob-
jekten Geri\cinsame enlhalton 1 und darauf beruht die Geltung des gene-
r alisierend gebildeten Be.griffe . Die er Grt1nd ist für clie Einl1eit eines
historischen B egriffes odE::r für die Zusau1u1engehörigkeit seir1er Ele-
1nentc nie n1aßgoh end, ,,·e111\ aucl1 rakti ~cl1 sein InhalL aus dem 1neh-
re-ren Objekten Gemeinsan\e11 beslel1t. Seine Gcltt1ng trerul1t \ iclrr1ehr 1

darauf1 daß er das mit Rück icht auf die lcit.cndcn \i\i'ertgcsicl1ts.p unkte
der gc~chichtlicllen Darstellung \\''es.entliehe cnLhäll, denn das und nur
das 1 ,va::i ir1 c!er angegebenen Weise :t.u eine1T1 Indi,,icllturn, d. 11. zu einer
Jurch il1rc Eig nart ei11l1eillichcn ~lannigfalLigkcit ,vird , gc•hört in
,ei11en hj -t oriscl1en Begriff, gleir l1,·icl ob er absolut otlcr rela t,iv h i lo-
risch ist. Die Gcschjcht.c ,vüruc kein Intere..i:;~e an cincrr1 .allgo,ncinen
Begriff habe11, de·r r1icl1t. eine solcl1e auf WerLbeziel1 un.g herul1encle
Einh eit besitzt. Sie kn1111 ich ja n1it relaJ,iv hi. Lori..chc1\ Bcgrjf(en
r1ur uar1r1 bcgnügc111 ,vc11n rlas für ·ic \VcsenLlicl,e ~icl1 an allen l11di-
vi<luen einer besLi111111ten Grt1ppe fi1,tlel ur1d tlnher ei1t allgentci11er Be-
griff schon die histori cl1e lndi'\~jrlualitäl der Gruppe er chöpfcnd zum
Ausd ruck bri11gt. Niernals ,,,ird e3 iln· ci11fal Jeu , ,,·ic die Natu1...,,·isscnschaCt
ei11cn Begriffsinllalt r11it Rück:-icht darat1f zusnn1111enzusLellen, daß
er <1Hs ei11cr 1\1ehrheit vnn I11uividt1en Ge11 1cin ame un1fas::1 cn so 11,
also <las P1-ir1z.ip cJcr Gcr1cralisi1tio11 zur Gru11dlage il1rcr Begriff~bildung
zu 1l1ache11. \Vcnn es daher in der Gcschicllte in1n1er \~'erl.gcsicht.s-
punklc sind, die darüber ent..:c: hciden, ,,-as \\'Csc11tli,;h isl uncJ ,,·as nicht,

D1911 11,ado por Goc,gle



-
so bleiben die Prinzipien der Begl'ifl bildung für die relativ historischen
Bcgrifte gcr1au dieselben ,,ie für die ab olut historischen, und solar1ge
'"rir als maßgebend für den Charakter der Mctl1ode das Band belrach-
tcn, das aus d em Inhalte eines Begri ffes eine not,vendige Einl1eit
n1ach t oder die Zusammengebörjgkeit seiner B estar1dteilc bedingt,
kann von eine1n Eindringen der n aturnti. senscl1aftlicl1en generali-
sierenden l\.tcthode in die Begriff bildung der Geschi chts"'1issenschaft
nicht die Rede sein. ?.lag die Geschichte auch nocl1 so allgemeine
Gruppenbegriffe bilden, so bleibt doch das Prinzip it1rcr Bcgri!ls-
bildung dei n der Natu1"'''i senscl1aft logi.sch entgegenge~etzt. Daß der
mit Rücksicht auf die leitenden Werte der Darstellung d urch seine r
Individualität \\'CSentliche Inh alt d er relativ l1istoriscl1en Begriffe
mit, dern Inl1alt eines allge111einen BegL·iffes zu a1r11nenfällt 1 ist unter
J,ogischen Ge ichtspt1nktcn ganz zu(5llig, denn es kann das Prjnzip
einer individualisiere11de11 Darstellu·n g r1ie111a]s dasselbe sein ,vie das
einer generalisierencte11. Dami t ist die erste Frage, ob d.u rch die relativ
historiscl1cn Begriffe a11 dem logisc hen GrgensaLz d·er l1istorischen
individua}igjcrc11dcn u11d der 11atur,\'issc1tsct1aitlichen generalisierenden
Begriffsbild ung et,Ya.s geändert ,vird, vernei1lend beant,vortet .
Die Vcrr1einun.g der z,\·citen Frage, ob vor der sachlichen Unter-
sucl1ung die Geschichte es s ich zu1n r11el.hodiscl1en Grundsatz 11,ach.-.n
dar!1 nur relativ l1istorische und i:n::o(ern allgemeine Begriffe zu
bilden , ergibt sich liicraus beinahe vor1 selbst . \Vo das Gegenteil
behaup tet ,,·ird, scl1,,·cbt. als Begr011dt1ng ,,,oh l imm.er der unha ltbare
Gedunkengaug vor, duO die Gc~cl\ichte lcdiglicl1 dAs, \V U ,,t)•pisch''
oder von 11a llgcn1einer" Bedeutung ist , darstc1lc 1 das In <-lividue1lc
aber nje typi~ch oder allgen1eia sein könne, al~o nur als Exerrlplar
eines Gru ppPnbcgrilfcs in Betracht kotJ1n1c. \:Vir ,,issen, daß aller-
dings ein lndividu u,n bistoriscltc Bcdcu tu,n g aucl1 als Durchschnitts-
t ypus ge,vinnen kann , abe1· 11ie.111al~ läßt. sich auf logii;chc11'l \iVege
zeig,e11, daß dies inlt11er-. o st>j r1 n1 u 0. Oft stu~hL r11an die Bedeutu11g:-
losigkeit d es l ndividuellc11 <it1rcl1 ei nen Hin,,•cis auf die kausale Be-
di11gtl1cit alles Geschehens clarzutun, docl1 aucl1 diP..ser H in\,·eis dient
nur dazu, das Gegc11lcil vo11 dern zu be,vt•i:;e11, ,vas 1)1a11 bc,,·eiscn
,vill. Bei jcdcr1t liistorischcn \l'(>rgaoge ,,.,; rken viele rsachen zu::;an1n-1cn,
und gc,viß siud i11 dc11 t11c.icilen Fäll(•11 au lt die Eigenarten von Grltppen
oder ~lasscn 1 die u11tc r 11ur relativ h is loriscl1e 1 also inhttltlicb allge-
n1t!ine Begriffe fr(l.lcn, 01 i t bestimn1rnd fnr <iert Ablauf dc-r Ereignisse.
Suid aber (laru11l nur dic:5C Grupp~u t1nd !\,las. t'l l n1aOgcbend '? Aus

D1911 11,ado por Goc,gle


- 443

politisc h d,e mokratischen eberzeugungen he:rat1s \eV ü n s c. 11 t man viel-


!eicht, die ~f asse solle immer den Einzelnen ge,vissermaßen erdrücken,
und das hat daru1 manche Gesc hichtsphjlosopbie, \Vie z. B. die soge-
nannte mat.erialistiscl1e 1 stark beeinflußt. Mit \Visscn chaft aber haben
solche \Vünscbe nicl1t viel zu tun 1 und logisch \Vird matt es jedenfalls
nicl1t wahrscl1einlich machen können, daß sie Aussicht auf Erf,üJl,1ng
haben. \Venn d as den ~lassen Gemeinsan:ie ttnd d as nur an einem
lndividuun1 Vorhandene in eine kausale Verbind.t1ng tritt, ist dann
et,,1a der E.Crekt nur durch das be~tirrunt, ,vas der l\1asse angehört.,
und nicl1t auch durcl1 das, ,vas sich a 11 dem einzelnen Individuum allein
findet? Es \Väre sinnlos, diese Frage allg,crnein zuguns ten d er ?Ylasse
zu beant,vorten. Die nur von d on i11dividuellen Eigentürnlichkeiten
ei.nes Ein.zclncn s ta mn1ende Ei11,"irkung r11uß immer die Individualität
d e~ Effekt.es mit bestimmen, und ,,•enn dies der Fall ist, so kann sie
e\l entuell aucl1 ernir1ent \vesentlich sein. Es gibt keir1en logischen
Grund, dies für alle Fälle t1e 0 ativ zu entscheiden, und auch der Histo-
rik er hat, selbst ,vcnn ihm der Nach,veis gelingen sollte, doß für
u1ar1cbe 1'eile der Gescbicl1te nur das d en Gruppen o<lcr !\{t1ssen
Gerr,eit1sa,n1e ~'esentlicl1 ist , ,veiJ dies allein für die leite11den \Verte
d er Darstellung Bedetitung hat , und also nur relativ hisLoriscJ1e Be-
griJre f(ir diesen TeiJ der Geschicht e gebildet Zll ,verden braucJ1en,
kein Rccl1t, das für die besor1deren hist orischen Fälle Gültige zu vcr-
allge11leincro. Die Gescbicl1te läuft an jeder Stelle d es li au111cs t1tld d er
Zeit and ers ab als an jecler andern 1 und es ist daher für jed e besondere
Stück Cl"$t. cino bcsor1d ere Unter uchun.g d a rü.b er not,,·endig 1 ob rnan
auch das absolut llisLoriscl1e berück~ichligcn muß , urn allt.'s \,\ Cf.-ent-
licl'1e darzustellen, od er ob tnan sicl1 u1jL relativ hi Lori cl1,1 n Begri!fen
b egnf1gen kann 1 \veil d ie c be reit d a für die lcit endr-n Wertgesichts-
punkte der Darste!lt.,11lg \,Vescr1tJict1c cntlialt.oi1. E JS crscl1ei11L: unter
logi::>cl1eit Gesichtspunkten also wj ederun1 vollko1r1111cn Zttfällig, ob ein
die historische Individualität in ausreichender Weise da.rstellondor
Begrirf ein absolut historischer oder ein relati,1 histori ·eher Begriff
ist . Darau s aber muß sielt ergeben, daß rnan es sich 1tler11als zurn metho-
d ologischen Gr undsatz r11acl1en kan111 irr1rner nur ntit relativ bi ·to-
r ischen Begriffen zu arbeiten und vor a ller Unter~t1chut1g das rein
I ndividuel le als histori eh ttil\\·esentlich anzu eh.e:n , denn dann ,vurde
die i\lelhodc die 111ar1 an,vendet, nur duzu dic 11e 11 1 dcr1 Inlla lt der Ge-

schichte 1.u fä l chcn oder (Ur den geschicl1lliche,1 zu~a.r11n1cnhnng
en1inent ,ve:-cn t liche kausale Frtktoren zu ignoricrc1t.

ürg,t~hzado por Goog e


- 444

;\lachen ,vir uu dies 11ocl1 a11 einem B eispiele klar. \,Tenn die
Geschicl1te der Entstehung des Deut.selten Reiches zu schreiben ist,
so könnt.e je111und vielleicht s agen, die Einl1eit Deut.schla11ds sei
,,ein,fach die \Virkt1ng des Strebens einer kulturgeeinten Nation''
und die Erklärung der Einigung ,,liege in all den Faktoren, die jen es
Streben der l\1assen erzeugten, nicht aber et,va in dern Geiste Bis-
marcks'' 1 . Die Konsequenz daraus '"äre dann, daß auel"l ohne die
individuellen Ei11,virkungen einzeh1er Persönlichkeite11 \Vie Bismarcks,
Roons, ~ 'ilhelms I. us,v. ganz sicher et,vas entstanden \väre, ,,ras
un:Ler den Begriff ,,einllcitliche-S Dcutsct1cs Reich" fällt. Aber selbst.
,venn nian diesen SaLz für richtig bielLe, wäre durch den a.Jlgerueinen
B egriff, d er sehr viele denkbaren individt1ellen Gestaltungen eines ein•
t1eitlichen Deutschen Reiches uri1faßt1 und der jedenfalls nicllts von
dem enthalten darf, ,vas nt1r den genannten P ersönlicltkeiten eigen-
tümlich ist, das luslorische Interesse an diesem Vorgange erschöpft?
Ein Historiker \Vürde ,,·ol1l irutrler sagen,. daß das ,,Streben einer kul-
turgceinten Nation.•• z,var eii1e schöne Sacl1c sei, il11n aber v,on der
hi~torischcr1 Ent.<stel1ung d es Deutscl1en R eiches so gut ,vie nichts
verrate. Der Geschicl1te komme es niel'it darauf an, da ß irgendv.1 ann
ein1nal et,vas en.t sta11den sei, das ma11 einl1eitlicl1es Deutsches R eich
nonr1en ka1111, sondern gcraue d as sei historiscl1 wesentlich, v.rie in
diesem bestiu1mten Zeitabsch11itt, durcl1 diese ganz besondere11 und
individuellen Ursachen, in die-er ganz b esonderen u11d individuellen
Gestalt das Deut.scll.e Reich v.·irklich ,vurdc. Dat}o aber n1üsscn auch
f
die Be ondcrl1eiten un.d lndiviclltalitäten der gena1111te11 Persönlich-
keiten, tlic absolut einzig sind , al his toriscl1 eminent ,,·e entlieh in
0

Betracht lio111111en. Ge,viß llabc11 diese 1\ilänncr das DeuL~cl1c Reich


rucl,L „gernacl1 t'', ja 1 sie haben es zun1 ~reil gar nicht a1acl1en ,vollen .
Dor.li ist dies l1icr g loichgt1ltig, denn mit clcr rationalisti~cl1en Ge-
schicl, t.sLeleologie hahe11 Y„ir ja uicl1is ge111c.i11. Es k.orr1r11t 11t1r darauf
an , d aß die Individuen au ch in,livid1i1cll ,,·irken . Die einzelnen P er onen
,,·arcn fern er ge, viß nicht die ein zigen Ur ach.011 1 <lurcl1 die <lt,s R eich
entstand, sondern Ma. senbe\vegt1ngc111 die die Gescl1icl1 te nu1· u11ter
aUgerneine Begriffe zu bri11gcn Veranlassung l1at , ~raren rlazu kausal
ebenfa lJs not,,·er1<lig. Abe1· a uch dies a lles stel lt 11ichl. u1 Frage, so11dern
nur darauf ko111tn t es an , ob es nicht cincJ:1 Gesich t.! 11unld. gibt, unter
cler11 oucl1 d i c Ereignii-se ge~ehich LI ich ,vc-se11 tlich ,verdeu I b ei de11en die

1 , ·i;t 1•. C11 1np l o wi c1., So1.ioh.1aic und Polilil{, 1890. ·. 64.

0191 lt ado por Goog e


- 445

eine oder die andere Jlcrsönlichkeit durch ihre Indi, 1 idualitüt mit bc-
stimmcncl ge,vescn i ·t, und ob nicht iofolgedf's. en <lic hi. toriscl1c
Darst ellung da1u-1 auch Ao:-olut historiscJ1e Begriffe zu bild,en hat.
Diese Frage aber kann ma11 a.us logischen. Ge ichtspunk t.en ni cht ver-
neinen, und ebe11so,ver1ig da1·f die ?\lethorlenlehre es bcstrcit..cn , \\'Cnn
jemand sagen wollte, es s~icn für ntanche Stadien in der Ent,,•icklung
clie individucller1 Eigentümli chkeiten auch solcher P ersönlicl\kcitcn
,vio z. B. Lud,vigs II. so ausscf1la.ggcbeod gewesen, claß gerade eine
Darstellung, die uns cJen l1istori_che11 Kaus alzusammenh.ang kla.r legen
,,,ill, , •on il1ne11 bericht.en muß. Die · ist dann keine logische sondern ei11e
ltisto rjscbe Frage, u1tcl d.ie Geficl1ict1te ka n11 sie ol1ue Bc1·ücl( ichtigting
cler Individualität Lud,vigs II. nicht cir1111al verneinend beant\,10rtcJ1.
Auch die Frage nact1 der Becleutung der großen Persör1liclllteile11
in der Gcschicl1te enthält i-on1i t kein logi~cl1cs so nder·u ein ltistorisches
P1·oblet-ll. Die Logik kann nur sagen , da ß jecle 1' heo1·ie 1 die die Bedeu-
tung dci:i ein zelnen ,,a pr-iori 1 ' f ür alle F älle leugnet, sinnlo i. t , un·d daß
gerade zu1n Verstätldni~ des kausalen Zusam1Tienhanges die l{cnntnis
ein~elncr 1\fenschcn in ihrer Individuali tät oft gar 11icl1l entbe}1rt
werder1 kann . l\fag der Einzelne nt1cl1 11ocl1 so . ehr , ,on !-Ci11e n1 ~li licu
abhängen , so bedeutet er docl1 fü r die Gcscl1ichtc imrr1cr d adurci1
et\vas, \\'US er selbst. ,va r,. und wodurcl1 er j11dividuell ue,virkt hat. Uncl
gilt es schon für jedes beliebige Objekt, daß es gegen{iber seinen Ur-
sncl1e:n ct,vas Neues ist , so ko·rnrrlt b ei den Per önlichkeitc11 rtocb el\\fas
Be::;.or1dores in Betracht., da u11s ,,,a.rne11 sollte, il1 re historiscl1e Bedcu-
tl1ng zu 1J1lterscl,üt.zer1. E s kann nicl1t nur ih1·e Ir1dividualitä t nicruals
in der Individualität ihres !\'.filieu aufgehen, denn dann ·n1üßtc ja der-
selbe ,,Zeitgeist ' ' lau t.er einander ,,gleiche" Individuen l1crvorb ringen ,
d. h. solche Individuen, die tnit Rock ieht auf dies.elbe11 .E igenscha ften
hist oJ'iscl1 ,vesontlich ,,,erden, sond ern es is t umgekehrt viel eher mög-
lich, daß eine einzelne Pcrsö.nlicl1kcit da Gepräge ihrer individuellen
Eigenart ihrer U11lgebung oder ih rer 1 ,Zeit. 11 au fdtiickt , weil sie 21 ·ug-
gestiv" ,virkt und nachgeahn1t ,vird 1 uncl cla11n haL cli-e Gescl,ichte,
um d en Zeitgeist zt.1 verstehen , vor a lle1.r1 die Individu alität der , 1 fü h-
rende11 Geister 0 zu erforscl1en \1nd zu zeige11, wie das rein Ir1dividuclle
allmäh}j ch in die l\las.sen übergeht. Eine solcl1e Darstellung a ber ist
nur mit absolt>t historiscl1en Bcgi-iffcn n1öglic h .
Docl1 ,vir ,d ürfen diesen Punkt 11och nichL verlassen, und ,vir l1aber1
a11cl1 das socbe,1 gebrauchte Beispiel absicltllich so ge,vählL, daß es
ttns noch ztt einer andern Seite der Fr,tge hinleitet. Die An hä nger

ü1g1taltzado por Goog e


- 446 -
einer n euen l1istorischen 1'-tethode ,verden vielleicl1t. zugehen, dnß unter
ge,vissen leiter1den Gesicblspu nktcr1 d.c r Da·rstellung, ,vie sie i . B. in der
politischen Gescl1icl1te maßgebend sind , allerdings aucl1 das rein
Individltelle bjstoriscl1 ,,,escrttlicl1 werde, abor sie ,vcrden hinzufügen,
daß gerade deshalb v on di esen Gesicl1tspunkt.en kei11 Gebrauch
gemacht ,ver den dürfe, und diese Ansicht kann in z,vci Fomlcn auf-
tret en . Zunäcl1st läßt sich. bel1auptenJ es en tspringe das Interesse
am rein Individuellen und an den Wirku11gen, die es ausübt, einer
bloßen Neugierde und l1abe daher mit de1r1 wissenscl1aftlicl1en bisto-
riscl1en Interesse nichts zu tun. Zu den1s.e)ben f!esultat gelangt. man
fet·ner dadt1rcb , daß man Z\\'ar dje Berechtigung des Interesses am I n-
dividuclleu anerkenn t, aber trotzdem verlangt, daß der wissenschaf t-
liche IIisto1·iker auf seine Darstellung verzichte, w e i I es sich in all-
gezneine Bl'grif f e njcht bringen lasse \tlld dal1er ein,e r ,vissenschaft-
Jichen Dars tellung überhaupt unzugänglich sei. '\Vcnn di e Geschichte
es in ihre Darstellung trotzdem auf11eh.mc 1 so müsse sie sielt doch st.ct.s
be,,rußt bleiben, daß damit die Grenze d er Wiss(~nschaft überschr itten
,verde, · und falls alle Gescl1icl1te aucl1 von rein Individuellem erzähle,
so sei sie eben de~,vegen eit1 Gen1i clt von Wissenscl1ait und etvva .A n-
deren1.
Bei der ers lcn Art der Begründutl.g dieses Standpunktes ,,rird 1neist
der Versuch einer metl1odolorriscl1en Recllt[erligung nicl1t ge111acht •

E s sind il'gend ,velcl1e 1uel1r oder ,veniger klare ,.,Weltanschauungen'',
ja his\veilen sogar \\'Ohl 11ur persönliche Stinunungen oder politi ehe
Vorurteile, ,vie \\'ir d as bereits angedeutet haben, die hier die Aufgab €.
der Gescl1ichte feststellen . Der Behauptung, alles rein. Individltelle
sei .bi torisch u11\1/cscntlicJ1 , liegt dnnn eine Abneigung zt1grunde
gegen l\ic11scben, die sicli durch ihre Eigenart aus der 1\ilasse hcrvor-
hcben1 und die 1-11corien, in denen derartige Gedanken eine R olle spie-
len , sjnd not,vendig ebenso ,,,·crt1os ,,,rie die entgegengeset .zt.en Ansich-
ten, die sicl1 auf einen extre1ncn 1 ,In-clividualismus 11 gründen und dcs-
ha.lb ci11e gcscbicl1tJichc Dars tcllur1g ,\-ünscher1 , die n\1r von einzel-
n en Individue11 spricht, alle geschichtlichen Gruppen- oder Massen-
be,vegungen dagegen verachtet:.. , , ,.ir t1abcn mit cinctn ,>Individua-
lismus'' in dieser11 Sil1ue od.er n1iL Ifcroenkull che11so\venig ,\'ie mit·
seinem Gegc11tciJ gen1ein 1 ,,·enn ,,ir das Verfahren der Ge chichte
individuaJisicren d nennen. ' ' ' ir ,vissen ferner, d aß eine ' ' 'erlbeurtei-
lung ni·cl1t Sacl1e cler Gescl1icl1tc jst, und daß dnt1er der Historiker
sicl1 ,,,:eder a uf ein en ,,individunl istischen'' noch au( einen ,,kommu-

ü1g1taltzado por Goog e


- 447 -
nistischen'' Standpunkt slellen darf, um v on hier at1s das ih1n Sy.r11-
patliische als das historisch Wesentliche zu betrachten. Dnß faktisc11
in mancl1en geschicht,Jichen Darstellungen die rein persön liehen
Syrnpathien aucl1 zu leitenden Prinzipien rar die Aus" rahl des \Vesent-
lichen werde.n , und daß dal1er z. B. besonders oft die politiscl1e11
Sozialisten die individua)i ierende Gcschiel1tsscl1reibl1ng bekän1pfen
zu müssen glauben, kann in ge,visser liin sicl1t nur unsere Theorie
,der historischen Begriffsbildung bestätigen. Hier ,vi1'Cl ebe11 der Uriter-
schjed Z\vischen theoretjschcr \\'ertbezicl1ung u.nd praktiscl1er Wertu.n g
nicht gemacl1t, und die Werturteile sLören dann jede ,\-issenscha!t--
liche Objektivität. Ist m ar1 sicl1 hierüber klar ge\\•orde.n, so n1uß a uch
der übcrzougtcst.c Anhänger einer de1nokrati chen und soziaJistiscJ1en
f1 olit,ik, sobald er Gescl1icl1 t.sv,i senschaft '\rerlangt, ein ehen, d.aß
über das ~faß r-ein ir1divid ueller Begriffe, die eine gcschicl1tliche Dar-
stellung braucht, eine Entscheidung a priori oder logiscl1 11icht getroffen
,\·erden k.a nn.
h1etltodo1ogi::;ch interessanter ist der Z\.veitc \\ieg, auf dem 1nan zur
Ausscl1Ließung des rein Individ uellen aus der Gcscl1ichLe oder \\'eni0 -
stcns alis der ,vi~scn: cl1aftlichen Geschiente ko1ru11t. Dje Ansicl1t, daß
nur d e r Stoff eine ,vissenscl1aftliche B-chand1t1ng zulasse, der zur
Bildung von i11divid11ellen Begriffen keine Veranlassung gibt, tritt
ge\\'öltnlicl1 in der Fo1 m :tuf I daß gesagt '"'ird , es sei der l,i loriscbe
Ablauf der politisct1en. E reignisse alle1dings 1.t1 m großc11 Teil durch
die individuelle Eigenart einzelner Persö11licl,keiterl best i1nrn t 1 aber
eben dl'.?sha.lb nicht ,,,issenschaftlich... darslellbor, und es n1ü::-,$e dnher
die cigontlicb ,vissenschaftliche Grundlage fiir die GescJ1icl1tc rlurcl1 eine
Darstellung der Ereig11isse ge,,·onnen ,verden , die 11icht ,ion der lndi-
vidualilöt eit1zelner PcrsönlicJ1keiLen abh.1111gcr1. Diese eigcntlicl1
, vissenschaftliche historische Darstellung ,,·ird dann ge,,,öhnlicl1 nls
,,l(ulturgesct1ichte" der politiscl1cn Geschichte gegenübergestellt.
und d t, l1cr könnte ein Vertreter cliescr .A.nsicht dca1, ,vas ,vir iru An-
scl1luß an das Beispiel von de1· EnL_sLe l1u11g des Deuts cl1en Rcicl1es aus-
gefOl1rt l1aben, z,var z.usti111n1en, 111üßte abe.- hinzttfügcn , dnß die histo-
rische Darst e:llur1g gerade djescs \ torgange en t,,·eder überhoupt njcl1t
in die ,vissenschaft1iche Gcschicl1tc gehöre odor höch~Lens mit den
l\{itteln der Kunst crgänzcncl in die eigcnlJicl1 "'·i~~enschaft.liche
I{ultu rgcschicl1tc ci nzuzcic'l11'let1 sei. Bei der Bcurtcilu11g dieser An-
sicl1.t. ~. ollc11 ,,·ir von den berei ls frü her erörterter• Scl1,vierigl{eiten
absehen, die bei j edcn1 \ et'Such einer J1ar1l)onischen \ "crbinclung

0191 lt ado por Goog e


- 448

z,vcier so heterogener Elemente onLc;tehen rnüsscn, wie es die beiden


verschiec..l cr1cn ArLc11 vo11 Geschicl1te a11geb licl1 sind. Ja, ,vir fragen
aucl1 nicl1L1 rrtit ,,·elc hen1 R ectite inan sagen kann, daß die ,,l{ultur-
geschichtc11 ,ven iger individuelle B egriffe bra uch·t als die politjschc
Geschichte, sondern \vir beschrtinken tins lltlf die rc:in logiscl1c Seite
des Problems, und dar1r1 n1l1ß der Versuch, als ge~clucl1:t lich ,1,esentlich
nur das zu bel rachterl , \.vas sich unter a llgerneine Begriffe brin.geo
lä.Ot I ohne seine geschichtliche Bedeutung zu v erlieren, als eine der
,vunderJichs-ten methodo logisc hen v·erirrun gcn ersclleinen , die j e ma ls
au!getattcll,t sind. r.t.an denke : nict1t das sacl1licl1e Interesse an1 S·Lofl
soll in ctc r Gesi·hicl1Lc s ic l, die z,1r Befriedigu ng die8eS Int eresses ge-
eig11ete l\[etl"iode scl1alfcn und ihre logische Struk tur bcst.immen,
sondern eine rtir gnn1. an dere wis · 11schaftlicl1e z,veckc a11sgcbildetc
t1nd bereit~ (cststel1endc :\1ethodc soll entscl1eide11d sein, fü r ,,,eichen
St off \,:ir ein ,,·is:-:ensct1uftlir.l1es TntcrRsse l1abcn d ür[en. Es gibt
vie llcicl1t nichts, ,vas die J-\ b~u rditü t, des Glaubens a n das allci·n se'l ig
n1achcncle nat.u r,,•i$sen~c h nftlic t1e Vcrfal1rcr1 <lcr B cgri ff sbildung in
ein l1cllere..,;; Licl1t r ück en kar1n als der H in,veis ar1f d ieses Unter11ehn1e11 ,
die Allei11l1errschaft, clcs i,1 allgc1neincu Begriffer1 sict1 be,veg-er1de11
Denl{ens zu recht fer t igcn. J-Jier ,,·ird deutlich der eigentliche Nerv
der i,n1oclernen' 1 Gescl1icl1te bloßgelegt, die nur gcnerali~iercr1 \\'ill.
Es Lt ei11 Fan;.i t isrr1u s cler natu1'\,·issenschaftli<.~ ben ~lethodc, der
l1r1;; en.t.gcgcntrit t. 1 ,1. tl . .f' S ,,rcrdcn dem abslra.kten Prinzip cle ' · atura-

li. mu · zuliebe, der a llerd ir1g:; eine andere als die 11aLur,vis. enschaft-
Jichc, ge11crali~iere11clc 1\'letl1odo 11icht a11erken11en kann, dte g'lün ze11dsten
Leistunge11 , die die Geschicl1ts,vi::ise11scl1aft Oberhaupt aufzu,,1eiscn
0

ha t , aus der Liste (ler ,,iss.cnsc haftlichen \-\'erlie gestricl1cn. Die


gesch ich tlic l1c Bedet1t ungslo igl<ei t des Individuellen u nd das Rec ht,
j eden absolut historischen B cgrirf zt1 v e rrneiden, könn te a lso r1ur
auf dem \.Ve·g e •Ct"\vie),en ,vcrden, d aß 111an ze igt : es gibt keinc11 ein zigen
leitenden \\/c1·tgesic•ltspt1nlt t., den a lle a ncrkcnn en 1 un,J ntit R ück-
sic l1t nu{ deri das nu1· an e ii1c111 Objc-ltt Vorhanclene gescbicl1t.licll
'\\'C entlieh ,,,ird, sonder11 alle Gcsichtspur1li.te, un,t cr dc11en eitle filr
alle gültige Darstell ung 111öglich ist 1 sc hließen n ttr rJns einer Gruppe
oder l\ilasse GC'n1ei r1.5a111e zu einer i ndi,·idur llen Einheit zusam111en.
Ob jerrtar1<l , der <lies ei ngc:sel1cr1 laat1 nocl1 L ui;;t l1ahcn ,vird t cinel1
solct1e11 Be,,·eis zu vc t'Fltchcn , dürfc11 alle \ ' crfa ·ser von Biographien
1:1.11(1 alle, clie fe·t a.n di-e Bedeutung (le r großen l\lc11schc1l rilr die rt-c-
schic l1tlit'hc Ent,,vitklltng glnl1bet1, 1\lit n uhc alJ,,·arlen.

0191 lt ado por Goog e


- 449

Aber, ,vje ~15agt 1 es gibt auch Gebiete, in denen die ~la..Jsenbe,,·e-


gungen vo,n ausscl1la.ggebender Bedeutung sj11d, und weil be-i einem
\ ' ersucl), zu Qntscbeiden, i11 ,velchcm Ur11fang dies gilt, man in der
Logik nicht über bloße ~löglict1keiten liinauskon1mt, so dürfen ,vir uns
bei dem ge,vonncnen Re!;ultate noch nicht beruhigen . Da es Ja einen
gt1tcn Sinn ltal, mar1cl1e l\istoriscllcn SLoffc nttr in Gruppenbegriffen
darzustellen , so nlüssen auch diese 'f eile der Ge chicl1Le sich unserer
Tl1eorie unterordnen lassen, und ,vir kon11ncn dal1er zu der dritten
I;,rage, die \,ir gestellt Latten: können djc allgernciner1 Begriffe einer
hi. torischcn Dar~tcllung auch so in na tun-.i~~en cha!Lliche Be1:ichungen
zueinander tretcr1, daß dadurcl, die Aufstellt1ng llistoriscl'1er Gesetze
i111 Prinzip n1öglicl1 i$l? ,,renn dies entse},jeden ,verd en soll, so ist

v or- allem l1cr,·orzubeben, daß eine Darstellung, solange sie Gcschjchte


is t, es s tets 11tit einer c i 11 r11 a I i g c n Ent\vickJung,sreinc zu tun l1at,
denn jedes l1istori~cJ1e Ga n z e, das gesch.ici1tlich bcl1andeJt ,vird,
is t seinem Begriff nach ct,,•a Einziges und Ei11n1aliges, gleichviel
ob es sicl1 dabei un1 die \ Virklichl<eit übcrJ,1atrpt 1 um das Sonnen ystem,
u1rl die Erdet ur,, die Lebc\.,rcscn, un1 <lic ~[enschJ1eit 1 um die I{ultur-
rrtenschhcit ode1· ur11 eine11 kleinen 1-..eil von il1r handelt. , ur die T e i l e
sind dal1or unter relativ his loriscl1e Begriffe zu bringen. Die voll-
ständige Darstellung de Ganzen sclb t 11,uß e_jnen absolut l1ist orischen,
allein auf eine c i n z i g e \Virkli,c hkeit passenden In.halt haben. Wir
dürfcn al„ o 11ur fragen, ob die DarsLcllu1lg eine einn1aligen J1isto-
r1 ·cl,c1i Gac1zcr1, die 111it lauter allgemeinen Begriffen arbeitel , eine
Gestalt anzuneh n1en vermag, die <lcn prinzipiellen Geg nsatz natur-
,,·i senschaft,licl1er und hisl orisc her oder gc11cralisierender und indivi-
duali iercr1d er Begriffshildt1ng nicht mehr erkennen la.ßL.
\Vo mat1 die e F'rage bejaht, pflegt man sir h au[ die \Vissen~chaft
von clen Lebe,,·c"'en zu berufen, und dies ist 111öglich, ,,•con m:in dabei
d i e Biologie zum \ 'er.gleich heranzieht,, die ,vir als hisLorische bezeich-
nen 1nußten. Sie sucht i11 der Tat, die cinm.alige Ent,,,icklu11g der Lebe-
,vesen d arzustellen, und sie tut dies durch\vcg mit so a llgen1cincn Be-
griffcn 1 da.ß nann nicltl beh.aupLc11 ,vird , ei11e gcscl1ich Llic lic Darstel-
lt1ng des r1Lenscl1 li chcn Lebens sei in der L age, 11och allgemeinere Be-
grifre iu ve1"vcriclen 1 d. 11. r11an \Virtl clie Geschichte niemals 11 11:itur-
,,ri;:;.sensc ha!LliC' hcr" gc. Lallen könner1, als ,veru1 111an i11 der }Jen~cl1-
hcitserlt,viclclung eine F ortsetzung der biologi:cheo Ent,,·icltl ung
si€'l1t und sie clan u ouelt derselben ~lef.l1o<lc ,,·ic den cinn1aligcn \\l'ertl,e -
gang des org.inisc hcn l,ehcns clnr~t ~I IL. ollte sich <laher zeigen, daß
RI {; k.ert, <lr~11~1'11. l! • .\ u tl. 29

D191, h,ado por Google


- 450 -
au ch die hist orische oder phy logenetische Biologie nie.m als Gesetze
.finden k.a tlll , in die die cin1nalige Abfolg~ der v erschiedenen Ent-
wicklungsstufen des org.a nis.chen L ebe11s cingcllt , so ,,;ird an der
U.111nöglichkeit, die Gescl1icl1Le als Darstellung eit1maljger Ent,\·icklungs-
reihen zu einer generalisierenden Naturnissenschaft zu n1acl1cn,
,,•ol1l ni cht n1ehr zu Z\\'eifeln scirt. Docl1 v ersuchen ,vir in einem
größeren Gedankenz.u arr1menhange unsete Begrilfe so allg<!mein wie
möglich zu gest alten , um sie da.d urcl1 ,vieder vor1 d en Be onderheiten
eines bes~in1n1ten late.r ials losz\1lösen, uncl reflektieren daher noch
einn1al a11f die Einteilung der I{örpcf\visscnscl1 a ften unter d ein Ge-
sicl1tspunkte der Relativität , die •die Begt·iffe des Natun"·issen chalt-
lichen und des HisloriscJ1en 1 ,d es Al lgen1einen und des Individuellen
}1aben. Scb·on früh er sat1cn ,virt daß die „ letzte'' Natuf'\vi ~enscl1aft
gar ltcit1e l1is-torisc}1en Elerne'Irt.e 1ncl1r besitzt 1, d.e nn die natur,vissen-
sc haftlic}1e Bedeutung der , 1letzte11 Dir1ge" un ter Bc\.vcg1111gsgf>~<;etzen
beruht gerad.e darauf, d aß jed er beliebige l{ör per zu ou1en1 Exo1nplar
d ie es Begriffes ,ver den kann. Ist aber jeder l{örper, al rein q uantita-
tive Atomhc"vegung betrachte t-, clurch jeden beliebigc11 anderen,
it1n1 c1uantitativ gleicl,cn Körper ersetzb ar, so kann er auch nien1als
durch seine Individualität eine Bedeutung erh alten . Eber1so,venjg
lassen sich die E lemente seines Begriffes zu einer \.\'ertbezoge1.1en Ein-
heit zusammenschließen , und ferner gibt e in d,er vVe1t dieser B egrilfe
keic1e l1istoriscl1e l{a usalität , d . l1. es ist. nicht möglich, zu sagent
d aß ein quantitativer Atomkon1plex el\\'a . be\virkt, d as v orher noch
nicht d a ,:var. Dtrrch ;\ tombc,vegung kann i1111ner nur Aton1h e,,regung
ent w .hcn , und l{ausalur1gleicln.1ngenl ,vie die hist ol'iscl1e Wirklicl1-
k cil s.ie un , i1111t1cr da rbieLet 1 sind d a,her hier nt1!-;geschlossen . Es gibt
in d er \.Veit d er q uan ti ta tiven Alomc n,ion,a ls ct,vas Jeu e . De l1alb
ist endlicl1 at1ch kein Ent,vicklungsbegrifl, der 1nehr al::l bloßes Werden
oder ,viederb olung ,,on ' 'erän(lerunge11 bedeutet, l1jer an,vendbar,
dcr1n es hat !{einen Sirm, Atombe,vcg,.1ng als eine Ri?ihc vor\ Verände-
ru11ge11 a11zusehe11 1 d urch di e a llrnäl1licl1 et,vas v orl1er n och n ,icht
D nge" ·esenes e·n tsl cht. \Vas sich a,n E11cle der !'leihe fj11det , ,var s:.cbon
an1 Ani ang da, und jede beliebige Stad it11n fällt 11nter drn.seJhen
Begriff. J(urz, ,,i r seh n, d aß allo Prinzi pien der l1istor isct1cn Begriffs-
bildung in. der q uun t itati,ren B egrj ffs,\'('lt der let zten Na t.ur\.vissen-
schaft ihren Sinn v erlieren , und es ergthL sieb dallcr, daß nich,t 11ur
• 11tlL f{ücksicllt auf das }li:-torisc.he als das Besondere und Inclividuelle
- t Vg l. obe11 S. 269.

D191, h,ado por Google


- 451

sondern auch 1nit Rücksicht auf die wertbeziehende histori ehe


Auffassung die ,velt d.e r reinen ~fecl1anik eine absolut unl1istorisc:he
\i'\'elt ist. Sie kann überl1aupt nicl1t individualisierend begriffen
\\'erden. Die An\vendung jedes, auch des allerallge1neinsten Begriffes
v orn Historischen ist l1ier ausgesc}1los ' en, den.n j ene rein quantitative
Atomwelt ist, wenn. wir ,,,virkliel1u das nennen ,voUen, '\\1as uns an-
schaulich gegeben ist, eine absolut t1n,virkJiche Welt. Die ratio-
n-alistisch-n1etaphysischen VonJrteile, die dieser Behauptung on tgegen-
stel1en und sich bis zu derri Geda11ken einer '\\7eltformel gesteigert
haben, sind von uns früher in genügender \:\1eise zurückgewiesen " ·or-
den 1 •
Zugleich ,,.rissen wir auch bereits, daß ,,rir n u r die quantitati,re
Atotn,velt als eine absolut unhistorische \Veit bezeic hnen können,
denn scl1on die Physik in1 c.ngcre11 Sinne braucl1t. Begriffe wie Lichtt
\Vä1·111e, Schall, die jr11 Vergleich zur Aton1be,vegung etwas Besonderes
und Individuelles enthalten. Ihr Inl1alt läßt sicl1 dal'\cr aucl1 so a.nsel1cn,
daß er durcl1 seine lndividuaülät eirte Bedeutung in einer einmaligen,
al so im logischen Sinne 11istoriscl1en Er1t,,1icklungsreihe besitzt und
dadurch d,ie Begriffe zu individuellen und l1istoriscl1cn Begriffen macht.
Selb tverstäridlich gibt es keine ,,; ~scn chaftJ,icl1e Darst ellung, in der
der Inl1alt so allgemeiner Begriffe ,vie der des Lichtes historiscl1
~·escntlich \.Vird, aber ,vas ,vir meinen, kön11en wir trotzdcn1 an einem
Beispiel verd,eutllcl1en. Die S chöpfuug~g eschichte dor ßjbel ha t mit
Rücksicllt auf ihre (orn1ale logische SLruktu.r durchaus den Cl1arakter
eines J1ist oriscl1en Berichts. Sie erzä hlt. von einem cin111aligen Ent-
wicklungsgange, und sie ,väre Gcschjchte, \\TCnn "'-ir sagen dürften,
daß das, was sie erzählt, auch wirklich geschehen ist. Die Scllöpfungs.
tage bc:wichncc> l1ier die v-c rscbicdcncn Stadien, durch die all1nählicb
,d as ent Lel1t, \.vas für den Dar teller die ,,Vlelt'' i5t , und Z\\1a.r reicht der
Prozeß voo1 „An(ang'' bis zur S cttöpfung d es l\'leoscl1e11. Diese Sta-
dicr1 aber \verde11 andrerScits zum Teil durch Begriffe dargest ellt,
die -el, r allgemein sind. ,:I,n Anfang schuf Gott Hin1mcl und Erde' ' ,
doct1 ,,•ar es noch ,,finster a11J der Tiefe." J-Iierau r tri Lt ein zweites
Sbadium auf: ,,G-ott, s prach: es \Vercle Licht,. und es "''ard Liebt, da
,,,ard aus Abend und ~lorgcn der erste T ag". So sel1en ,vir, ,vie der
allgc111cinc Begriff ,,.Licl1t'' genügt, ,1m uns von einem individuellen
einrnaligcn Ereignis zu berichten und zugleich das Neue, das dieses
Studium im Verglcicl1 zu de r1t vorangcgangc11,en Zusland der Fin:il.er-
1
Vg l. oben S. 204 ff.
29*

ürg,t~hzado por Goog e


- 452

nis bringt, ir1 seiner ir1d.ividueile11 Bedeutu11g genogcnd zu cllarakte-


risieren. F reilic}l sagt Du .Bois-Re)•mond 1 : 1.,Ljcl1t ,vard erst, als der
erste rote Auge11punkt eines lnfusor.i u1ns zut11 crst.e11mal h~ll ur1:ct
dt1nJ{el untet-schicd.'' Aber diese Bel1auplung 1 der ,,rote" Auge11-
pu11kt unter.sche.idet ,1l1ell und dunkel'', und dadurcl1 11,vard'' erst
,,Licl1t", erinnert doch zu sehr aJ\ die bekannte Erklürt111g C(lr die
scl1lafbringende \iVirkung des Opiums, al daß ,vir uns durch solche
1nctaphys.isch-cn Träun1ereien , ,vie der noch in1n1er so beliebte ph~•-
siologi ehe ,,Idealisrnus'• es ist t in diesem Gedankenzusamn1enhange
sl öre·n zt1 Jas..~en brauchten. Ebenso ,,·ird aucl1 der Tnhnlt der spä-
t eren En~vicklung:tst.adien der hiblisclicn ,,\Veltgeschict1tc'' nur d urch
allgcn1cinc BclTriffe angegeb en , da 1ne hr als das, ,va~ sif' cntl1altcn , f(ir
die leitc11dcn v\'erto clcr Darst ellung nicl1t \\1escntlicli ist , t1nd erst bei
der Erschaffung <le, I\lcu cl1e11 \,1ird das l11dividuuru genannt, at ~o ei r1
absolut l1i t.orisch.er Bcgrifr gebildet, ,,,eil der Cl1arakter und die
'.l 'aten dieses cine1t :\ fcnschen dt1rch il1rc IncJiv id ualität für da be-
1

sti 111,ncnd sind , ,,,as in der ,veitcren Ent,,,jckl\Jng für den Darsteller
das \iVe entl iehe i t: da. Scliick ..,1 de: l\lenf.c hengcschlcchts.
~Jan ,vircl vcr:--tel,cn, daß es fi.i r eine logi. ehe Unters11chung
keine leere Spielerei iist, ,, •cnr1 _ie sicl'1 nun statt der biblischen eir1e
,,·is. cnschaftlicl1e Darstellung der1kt1 in der das er~te Auftreten von
I .it~f1t üherltaupt ein ,ve!-lcntlichcs St.-adiu111 der E r1 t,vicklu11g bedeutet..
Es kon1n1t nä1nJi cl1 für urts darauf an, ob man da1ln in1sta11de ,,rä re,
clie-s gcschicl1tlicl1e Ereignis, das cloclt durch einen sehr allge,nei:nen

Begriff nusrcicl1cn<l gckennzeich11et ist 1 auch naLur,visse11scl1aCLlicl•
z1.1 erklä ren. Die Optik kön11te die~ of(enb<lr r1icm11.l~, denn il1re Auf-

gabe besLeh t dari111 die allgemeinen begrifflichen , rerhä.ltnis e inner-


l1alb der 11 Licl1t'' genaont.e11 Wirklichkei,ten fei:-tzustellen , und sie kann
nur sage11 daß , ,v e n n es Licl1t gibt, die und die Ge:-otzc dafür gelter1.
Daß aber L icht et,va e11cs gegen.(iber cinor licl1tlo-sen '\'elL ist,
kotn1nt fü r sie nicht ,in Betracht. Eine r ein m~chani:sche Erklärung
k a11n es f-ür die Enl<it el111ng vo1, Licl1t atic h nicht geben, dcnr1 die all-
ge111ein te Körpertheorie begreift z,var, \\·ic ei11 1->l1ysil<aliscl1cs Phäno-
men ich in ein anderes ven,·ar\dclt, vor1 der spezifiscl1en, L.icht gc-
na11nten Qualitii.t dagegen ,,·i~scr1 ihre 1:or11lcln nichts und können
als nur c1uat1litativ besti1n111tc l"or1nclr1 11iclits davon ,vis:3cn. \Vird
nlso nach der hi t-Orischcn Ursache de Licl1tcs 1 d. b. clanach. gefragt,
,vo,lurch einnial J.if·l1t ntis cir1e111 liel1tlo;;cu \\teltztisland lir rvorging,
1
a. a. O. ~- 1.09.

ü1g1taltzado por Goog e


- tJ53

so ant,vorLct darauf k ein l'\alurgesetz und volle11ds k eine J<ausal·


1
gleictlung . E s rnuß vielm el1r n.uch d.er J( al1sa.liUit.sbcgriff 11 l1ist oriscl1 '
,,,erden , d. 11. Licllt und NichtrLicl1t. sind nur durch eine Kausal-
ungleichung rnitcinander z.u verknüpfen . S o aber \\'ird es übera ll
sein, wo eine En t'-''ickJungsreil1e dargestellt ,vird mit Rücksicltt at1_f
das Neue, d as entsteht, mag dieses Net1e auch unter einen noch so
aJlgemoinen Begri·Cf gebracht sein , und ,vir brauchen dal1cr d as gewon-
n ene Prinzip nicht aus(ührlich auf das 1:-! istoriscbe z.1\leiter Ordnung,
d. h. auf die chemischen \ lo,r gange anzu,ven,d en. E s i~t setbstverst-ä.nd-
Jicl1, daß, ,,·enn die ·C heinie nicht die a1Jgcnloinbegrifflicl1er1 erl1ält-
nissc innerl1alb des Ct1e1niscl1en fest slellet1 sondern nacl1 dem einmali-
gc11 W erd eprozeß fragen ,vo1lte, in den1 es zur Ver\virkljchung der jetzt
vorhandenen chemi chon Storro geko1nmen ist , dar1n z,var alle ihre
Begri(f'e einen allgemeinen Inha lt behalten ,,'ilrden, der einn1alige
\\' erdcgang sich dageg en tin t.cr kein Gesetz bringen ließe, d as begreif-
lich m acht , \Vic gerade diese und keine anderer\ Sto ffe in die er best.i1nn1-
t..en i eitlicl1en R eil1enf0Jge en tstanden sind. \Vir be chränker1 u11s
darauf 1 das \ icrhält nis cler Biologie z t1r Gescl, icl1t.s,vissenscha rt zu
v erst.che11 .
1\1ußten ,vir die bibli cl1e Schöpfun gsgescliichte heranziehen um
an einem Beispiel zu zcigei1, ,vio der Allgc1ncinbegriff Licht in cin.cn
l1ist orische11 Zu an11nenr,ang komrr1cn kann, und k onn ten ,vir uns
also liier au( ein Beispiel aus der \ Vissenscl1art n icht bert1fen, so l.ieg t
als Beispie l für die gcs.chicl1llicbe Dars tellung d es cin1r1aligcn \>\1crdc-
gan gcs der Organisme11 eine „natürliche Schö,pfllilgs0 c.schichte" vor,
die ,,·c11igstens den An JJru ct1 crl1ebt, ein ,vi~se11scl1nftliches ,,rerk
Zll sein . Selbstvorständlicl1 gel1ört nur ei11 'l'cil d es bekan11tc11 Buches
v on H acck cl unter d en Begriff einer im logischen Sinne hist orischen

Dars tellung. Dns Tatsaci1c111naLcrial, das man filr eine G~scl1icJ1te
de~ 01·gru1ischcn Lebc11s braucl1L, läßt sich nur auf Grund allgcn1eincr
'l'heorien ersch ließen , und es müs::-,cn clal1er in jeder t1ist ori ch~biologi-
sche1t U1\te1-sL1chung sich auch v iele all·gcr11einbcgr ifflichc Ausein ander-
setzun gen fi nden. J a , '\\'enn diese 'l' heorien i111lerha lll d es , :llerkes, d as
au f die gescl1icl1t,,lir l1e Dars lellung ausgeht, selbst ers t ausgebildet
\\'erden , o k ann d er h i:,lori cl1e Bericht über rlie ein malige E nt.,,·i k-
Jung bis,,·eilcn ganz zu rück zu t.rcten ~cl1ei11e11 . Docl I i t der 1la Lu1"vis$e11-
sch aftli che Apparat a\1ch h ier .l ogisch als !\'litte.! zu begrcifcn 1 d urct1
den das h istor ische ~Ja Lcrial Oll:- clen Qt1cllcn gc,,·onnen ,vcrclen so\11
u11d n111ß. begt·ifflich v o 11 de r Dar~t cllu11g der cin1nnligcr1 En t ,,,ick lungs-

ü1g1taltzado por Goog e


- 454

reihe. getrennt ,verden. so en~ •e r auch faktisc h mit il1r verbunden


sein mag. Insofern also körmen wir die ,,natürliche Scl1öpfungs-
geschich te" ilJrer logischen Stru.ktu1· nacl1 als ein lust.orisches Werk
bezeichnen. Il1r gesch.icl1tlicher Cl1arakter zeigt sicl1 zunächst darin,
daß, ,veil die zu b.el1andelnden Vorgänge zeitlich sehr weit von uns
entfernt sind, sicl1 Oberall die Unvollst~digl,eit des l\'l aterials b emerk-
bar mac.h t. \ ron dem ersten Auftreten des Organischen O.berhaupt
gibt nicl1t.s uns Kunde, und wir ,verdon ,vol1l auch niemnls eine Antwort.
auf die Frage bekom1ncr1 r ,vie cin1nal frül1er das Lebendige aus dem
T oten entstanden ist , denn selb.st ,venn ,vir eine solclle Entst--el1ung
l1cute nocl1 beobachten l<önnten und das naturwissenschaftliche Pro-
blem vollständig gelöst l1ättcn, wäre der dadurch ge,vonnene B egriff
, •iel zu al.lgen1ein, um uns t:lhor das erste einmalige geschic}ltliche
En.t.:;tehen des Lebens et.,vas zu sagen . Ebenso sind die Quellen,
die un s v on der B esond erheit der sptlteren Gestaltungen des organiscl1en
Lebe11s bericl1t.en, zuin großen Teil verloren, und die historische Ent•
wicklungsrejl1e wei t dah,er für un ·ere t{cn11tni~se o..berall große Lücken
auf. Nchm,en ,,,ir nun aber einn1al an, die at1s dc n1 !\·taterial,nangel
entsteher1den Scl1,,1crigkeiten seien übcr,Yunde r1 1 ur1d inan habe eine
bisto-ri.sche Ent"vicltlt1ngsr-eih.e des orgau.ischen _Lebe,nst die auf \vi. sen-
sclaa.ftlichc Gcltttng Ansprucl, erheben ka11n, in allgen,einen Begriffen
so kons truiert, ,vic Hacck,el 11d1e tieriscl1,e .~hnenrcil1e der \ lo1·Iab.reo-
kette des i\1enschen'', ließe s.ich da11n die Ei1tstc:h.ung des einen l1isto-
risc hen Stadiltms aus de111 anclcn1 al not,vcnd ig durch den nat,u r-
,visscnsc haftlichen Zusarnm enh a ng z,veier B egri(Ce v erst-elien, oder
,väre gar oin Ent,vicklung~gcsctz für den g.a nzen ein malige11 \ Verde-
gang zu gc,vinne11 '! l\f an hra.ucl\t nur dio Frage zu stcllc111 uu1 zu ,vi~::,en.
daß sie verneint ,,·crde11 r11uß. Eir1 „ E11t,,ri cl"lurl f,.rsge~e tz◄ ' lianr,
'
i1lt nier nur tl::ts cuLJ1 0.lten, ,,·a sich evcnt,ue11 af1 einc1· beliebig großen
Anza hl vor1 E11t,vi cklu ngs rcihen ,vie<lcrl1olt t a ber es ,vird ni <>mals die
Brücl(c z,,·ischen z,rei individuellen SLadic11 einer ~i11111aligcn Ent.\vick-
lung schlagen , die d araufliin bctrarl1tet ,,,erden, \\':ts dn Spiitere <lern
Früf1erc n gegenüber an fe u en1, noch n.ic ht Dat'e'-''Cscnen1 e11thält.
Natt1r,,•iss ' t1scl Iaftlicli läßt sich al o z,var ..,-iellricht begrei f<•n t ,vie aus
i rg ·11d ein er Gatlu ug , j1111 a1ld,•re eu tsLclit , aber ei 11 Gesetz, ,vc lc'l 1cs
zeigt, daß ans A•11öbcn get'a(lc ~Ioreadon 1 at1s )Jorencle11 gerade BlasLea-
dcn ,,·cr1l{'11 n 1ußtl'11 2 ist ciu Io.,,ü;c l1er nsi1111. J)ic biologi~chcn Gesetze
sind als (y••::;etzc. au f a l 1 c ~olche 11t,v::i.11dlung(•11 an ...,·c1ltlbar u11d dür-
f,•n clalar•r 11 icht · er1tl1all~11, ,,·ag 11ur cler eii1tnnlige,11 lii~lori~chcn E11t-

ürg,t~hzado por Goog e


- 455 -

,vicklung \i'On ~foreaden aus Amöben oder v on Blasteadetl au s i lorea-


den eigeotOxnüch ist .
Auch unter der \ foraus etzung also, <'laß die Gcschicl1ts,vissen-
i--cha.rt 1ri.it so allgerueine11 Begriffen arbeitet ,vie die pl,ylogenclische
oder historische Biologie, Vtrird an der logischen Unmöglichkeit, .,,histo-
rische Ent,vicklung~gcRe:tze" zu finden, .nichts geär1dcrt. Ent,vicklungs'""
gcsct,zo bleiben unter allen Un1stände11 natunvi~sensch.aftlicti, d. h.
generalisiere,1d gebildete Begriffe. Der Begriff des h.istori chen Ent- -
wicklung. ges.etze-s enthält ebenso eine contradictio in a-d jecto \\'le der
clc. }list orischcn Ges~tzcs überhau pt. Die \'erschiedencn biologischen
Ent,\1cklungsstadie11 "'iirdcn durch Unterordnung unter einen Geset-
zesbegriff atich ihre relativ historische Individ ualitä t v erlieren , ebenso
vvie das absolut l-(istorische seine IndividualiLät bei ei11er solcl1en
nLerord11ung einbü.flen 1r1uJJ. Daß das rctativ Histor.isc~1e dabei
selbst den Inl1alt eines al lgcrneincn Begriffes bildet, durch den die
il1111 u.n -tergcordneten l 11dividuc11 na tun\·issc11schaitlicl.1 begriffen
\\·erden , ändert an seiner eigc11en Unbegrei{lict1l cit nicht das Geringste.
Selbst ,venn v.rir also die ~Ien cl1engeschicl1te als eine bloße Fortsetzung
der Ge chicht.e der Orgac1isrncn bctracl1ten 1 rrt\lß sie auf die Bildung
vor1 Eo.t,vick1ungsgesetzen verzichten. U rn jeden denkharer1 Ein,vand ·
1.u berücksicl1tigen. sei auch noch ein \Vort über das biogenetische
Grundgesetz i1in.zt1gefügt. \Vcnn die Ontogenese wirkJicl1 eine R ekapi-
tu laLion der Phylogen.cse '''äl'e, so 111üOte für die Pl1ylogene:sc dasselbe
Gesetz gclle11, u11ter das die Er1t.,vicklu11g jedes einzelnen Orga.r1is1nus
zu bringen ist, und damit ,väre dann ein Gesetz at1ch für eine einn1aljge
Ent,vicklung gefunden. Dies zeigt aber 11icht etwa, daß unsere Theorie
falsch ist, sondern daß von einer ge11auen Rekapitulatio11 <ler Pl)lrlo-
gencse keine Rede sein kann. u.nd daß d.a,s biogenetische Gru11d-
gcselz l~cin II Gcseti" im strenJ?cn Sinne des \ \ ortcs i~... 'onst. könnten
,,,jr j a an der e,nbr)'Ona)cn E11t,vickJur1g jedes bcLicbigcu Organisrnus
seir1c vnlls ~1ndige his torische Ahn,enrcil1e mit allen Uebcrgängcn und
z,\'iscl,c•nsturcn einracli ablesen , 11nd es ,värc da11n nicl,t nur die
his torische Bio logie 11tit ei11eui Schlage (crtig, son.der:ll es n-1üOte
sich gcrnä ß <lcn1 Pri111.ip cles psycl1op~1.:ysi e ben Parnllclismus außerde,n
ar1 jede1n ~1 ~nsch.c n dns Geistesleben aller tierischen 11nd rncnscl1licl1en
Gat.Lu11geo studi eren lasse11 1 aus dcn<:n er hervorgegangen h-, t. A·uct1 /
von Biologe11 ,v-i1 d übrigens das bioge11et.it,c he Grun<lgc,sc lz durcl1aus ,
oiciit für ein „ Gesetz'' g<'halter, 1 ,

'

ü1g1taltzado por Goog e


- 456

Aber nicl1t nt1r die Grenzen der na:tur,vi. sens ltafllicl1en Begriffs-
bildur1g ,verden " 'icder deutlich, t,·enn ,,•ir danacl1 fragen , ,vas die
Ent,vjckluJ'lgs g c s c 11 i c lt t e des organiscl1en Lebe•1s eigc11tlicl1
natur,vi::.sensc hafUich begreift, so,n dern es Jäßt sich auch dartun ,
daß die hi torische Biologie sogar die positiven l'\.cr1nzeichen der
.
i1istoriscl1en !\lclhod ~ au f,veist. Insbesondere bei H aeckel zejgt die
.Ent,vieklu11g~reihe d.e11tlich den Cl1arakwr eines \,·crthezogcneo
historischen Zl1sarn111cnhanges, i11sofern sie zu111 ~len cllen ltinfUJ1rL,
und z,var ko1nmt d.cr ~tensch hier nicl'l t nur a.L n atun,·is.scnschafL-
liche Gatlting in Betracl1t so•n <Jern auch al ,,höfhste", d. l1. als ,vert-
'\- olJst,e Stufe des Organiscl1cn. So wird die ganze Ge.schichte des Le-
bens nicl)t nur t eleologiscl1 über l1at1pt sondern \Yertteleologisch
gefärbt. Da ß derselbe 1\ utor 1 d er so d arsLcllt., jede Teleologie a blehnt,
ist ge,viß kein Einwancl gegen un ere Theorie oncler11 1ecliglich ein
Zeichen für die unge\\·öbnlicl1c Unklarheit seiner Begriffe. \\l'ese1lt.-
lich ist zunäcl1st die Ent,stel)ting des Lebens überhaupt. E ~ ta11cht
.at1f in Gestalt der 1 ,1\Ion.e ren'' , dere11 Begriff aus de,11 best.el,·t,1 was derr1
Org~nischen. im Gegensatz zurr1 Unorganischen cigentiin11ich ist. Sei11e
Bestandteile sohließe:n sicJ1 dadurcl1 zu einer Ei11heit zt1samrncn 1 daß
sie die Besonderheit des L ebendigen irr1 Gegensatz zur tolen l\>1aLerie
zum Ausd ruck bringen . 4.\uf die ~fo11ercn folgen als 1\veitc ,,Ahnen-
stufe'' des ~fc11scher1 die Amöben, die dttrch ih re inJi iduello Bosor1-
do1·l1eit den Moncren gcgcnilber insofern eine Bede11t11t1g gc,,,innon, als
ihr „Form,vert" bereits dt">111 Ei des A'lenschen gleicht. Dann kon1rtlcn
•die l\1orcadc11, die ""icder einen n euc11 „Ji'or,n·y,•ert." l,abPn us,v. U:-.\\' ,
Es ,vir<l alBo (la5 folg1•r)d c Stadiun1 i1111ncr dur{'h da Lt·lcologiscl1
Neue ch.a rakterisierf~, rl li& es dem vorangf'ga11ger1en • t0Jiu111 ge"'enübel'
besitzt., un(i 'Z\\'ar zu ,n. 'f ei I allsdrOck lieh 1111i t, J'.:lücl-i. . irll t -clnrau r, d nß
die Rci.lle ~cl,ritt, rilr Schril t sirh de1n ~Iens~hen al de111 nl Jöhc1>un l<.t' 1
·d er EntY.ricklung 11~ihert, also cina \.\i"or tstcigr rung <ln r~Lcllt. t~l1 r
cha ralif.cristisrh i t attch, daß 1 ,veil 1.,vi. chen der leLz.te11 UJ\d dritt-
letzt.c11 Ahr1ensLufe <las , •o rh nndl'tle ~laLcri:.111 eine Lüclir. läßt, hic1· ein
Begriff ~,us l\·l erkma lcn kor1..:truieJ't '"·il'd , die sicl1 ,,·icdt"r zu cir1er
teleologischen .Ei11heit insofcr11 zusarn1nensc hlicßen 1 als Organismen
gerade mit dieser Indiviclualität existiert halJcn müssen , u1 n die l1j to-
rische Kontin uität z,\·i::;chcn Tier und l\lcn eh hcrz11. tei len. So trägt
die ganze ,,uatürliche . 'chöpiu11~~g·e~r;hichte' 1 , trotzdcn1 sie 11ur rela-
-----
Ccn.ogPOC o, ~: rgcbni:-~e cJur .~natornie 1Lnt.l 'l ~nl ,\ ick lu11g,gc•;.~liichle, 11d. V ll,
s. ?Qi! rr.

ürg,t~hzado por Goog e


tiv l1ist.oriscl1e B egrj ffe ber1utztJ docl1 das Gepräge einer ,,·crtbez.iehcn-
den und individua lisierender1 Begriffsbildtang.
Was schließlicli die Objek tivit.ät der leitenden \\'crtgcsicbtspunkte
betrilft, so setzt die Darstellung v oraus, daß alle den Prozessen,
durch V\'Clcbe die E 11tstcnu11g des ]\{en:scl1en hedi11gt i"t, eine histo-
risclle B edeu tung b eilegen , u nd obald n1an daher glaubt, daß der
?ff ensch allmählich aus den t.ierisch,en F orrr1en hervorgegangen seit
knn1\ sich das historische I11teressc in der 1'at auch au! die ,,\ ' orge-
schich te" des ~len. chen übertragen. ~1an \\'ird daher z,,v,1r gc,viß über
de11 ,visseJ1scl1a!tJicben \1/ort solct1cr Untersuchungen wegen der Un-
zuvcrlässjgkeit des 1~at.sachenmalerials in1 einzelnen selll' v ersct1iedcn
denken, aher unter Jogischen Gcsic~ltspunkte11 i. t es rlicbt 1nöglich,
der historiscllcn Bioloa-ie im Priniip die wissen. chaftliche Existenz-
bercchtigullg abzu pre<~t1en . H öcl1stens der Urn tar,d , ,laß die ga,u:.e
E,nt,,vick.ltangsreihe nicht nur Ll1eorcli~cl1 auf eiite11 W ert bezogen
ur1d durc ll l-[ervorl1ebung de1· ,,:esentlichen Stadien gegliedert wird,
sonder.n (laß man diese Stadien ouc-11 r11it I~ückE-i<: ht auf das, ,va sie
zur Enl,vicklu11g det- r.1en chen beitragen, <.li rckL zu \Verl.e11 und
so die gan ze Reil1c zugleich a ls ein en ForlschritL odt•r eine Wertstei-
gerung anzusehen ,rer ucht, könnte de.11 bi lorisclien Charakl.er dieser
Darstellung . Löron, cloct1 hal dies hier in. oferr1 keine Bedeutung,
a l d a d u r c h de·r logische Gegc11tiatz zu r generalisierenden Nat..t1 r-
,,,issc11 chaft ge,,·iß nicht aufgehoben ,,·ircl. Det' Begri ff des F or l.sch rittes
sc hließt den einer teleologischen Ent,,·i klu nbrsr('ihc cir1 und e1)t hält
rtlso n icht zu wenig so11dert1 zu viel , u 1r1 gc:-,cli ich t,s,,·issen. t hafLlich
zu ein. Seirle An,,1end ung n1t11l <iaher <.l ic hisLOt'ischc Biologie nt1r
noch ,vci Lcr von der 1Htt1r,,·isscr1scha ft a 1· einer gc11rr}llis iere11den
Wisse11schart entfernen. l 1l1 übriae11 ,verde11 :\ien ·che11 \\'Ol.i l itn,ncr
i,1 dea,n \\ie:ge v on den ~ton ercn bis zt1 ihnen sclb:-t einen F ortscl1ritt
anerl,cnnen, und die direkte \Vcrtbcurtcilu11g der l1islori • l1er1 Biologie
,,·irc:I di-thcr von ~[enschec1 au ch ni ch t als ,,·illkUrliclt e111pfunden
,rcrde11, 50 d.aß hier eine . rt. von ohj rkLivcr „ Gf'schicht spl1i losopl1i.c' '
entstcltt . Scuc11 ,vir aber vo11 (lenl ForLsehrillk-µ'erla 11lic11 ab , so be-
si t.ze11 ,,·ir in der l1istorisc hen Biologie di-ts L)1 pi~chc B cist)icl für eir1e
\\i' iss.cr1scl1aft, die d urclr,,rer, 1.11iL rclati\' hist.oril.--c}1cr1 B egriffen incli~
vic.luali:-iierend arbeitet, d. h. einen einr11aligci1 E rt t\vi.cklt1ngsgn.ng . o
dar~tellt, cl,~ ß er siel1 rr,it Rü ·k_.;,icht auf einel'l allgrn1eiu ar1crka1tr1Len
\Vert zu ci11e111 ei11zigartjger1 t1r1d ci11l1cilli.c hen GanZ<'Jl oder .zu eine.1.1\
\\'ercle11clcn l1i Loris · hcn f n-cliviclt1ur11 7.U$Q11111u' n.,:i 1•hli.,..ßt. Au ch eine

ü1g1taltzado por Goog e


- 458 -
nach dieser ~letliotle betriebene ·Geschiclitc de r l\1enschcn, die freilich
bisher noch nich.t exist,icrl1 tnüßtc sicl1 da}1er ui1sern1 Begriff einer
l1isLorischen Darstellung restlos unterordnen lassen. Damjt ist auch
die dritte Frage beant\vortct, die sich aus den1 Vorhandensein der
relativ l1isl-0rischen Begriffe in der Geschicl1te ergab, und es sind also
alle die ge11annten E in'\:vände :z.urückgewiesc.n, die darat1f hir1aus-
liefen1 daß die relativ .histori~cllen Begriffe den p rinz-ipicllen methodo,-
logiscl1en Unterschied z,vischen Natur,,11ssenschaft und Gescbichts-
,vissenschaft a.ufl1chc11. Vora der Natunvissenscl1aft •
wird stets das
G a n z e, das sie bcl1aradelt, generali ierend, von der Geschicl1te
grado dies Ganze indi\>·idualisierend dargestellt. Ob dabei ein.zelne
'f e i l e unLer 111eh.r oder ,ver1ige1· allgesneine Begrifre gebracht ,,·erden,
is ~ fiir ,d en logischen Grundcharalctcr der ~1ctl1odc nicl1t a usschlag-
gch.end.
Trotzdc1n ist. die Bedcutu111, <le1· natur,vis enscl1aftlicl1en Best,aild-
teile in der Gescl1ichtswissen„chaft noch nicht vollständig klar. Wir
l1aben bisher an d er Vor-aus,:;ctzut\g fest.gehalten, daß die Gcschjcl1te
es mit cinc1i1 cinrnaligen Eut,vick.luogsvorgang als solchcru zu ttin hat,
u11d dies \\1ar i11so fern 11ot,vendig, als das G a n z e j ede1· l1i ·tori„chon
Darstellu11g et,"a Ein·,.naliges S('it1 111uß. Nun köJ"intc 11,an aber
sagen, claß nur clas ,,letzte" his torische Ganze, z .. B . die I{ulturn1e11sch-
hcit, seine1n B egriff n uch ct.,vas Ein n1al igcs sei t1 r1d ,d aller als absolttt
individueller \Verdegang b~tracl1Let \vcrden 111üs e. Auf die Darstel-
lur1g dieses Ga11ze11 als Gartze11 habe jedoch die Gcscf1ichte zu v er-
zicl1len u11d <lru1r1 nur seine ·r -.ile, z. B. clic Ent\vic klung der verschie-
d cr1on Kulturvölker, so llarzus te llcr1 1 daß sie sie aur das l1itl miteirl-
ar1d er verglciclLt, ,,·as illnen gen1cinsam ist . So kä1ne n1an docb zu dell1
allgc1r1cincn Bcgri[( ein er r,1en=c}1Li cht-n l{.ulturent,,•icklung und even-
tuell uuc l1 zu e.i11c1r1 l{ult.urcnt,,·icltlungsgcsc t,z, ,d as d rl' für a lle Völl-cer
0

,,typische11", ·d. h. durc·h c.h aitt.licl1en \.\ict·de.ga11g c11tl 1ält, und damit
l1ätte 1nn11 clarlll e11d lich auc h das gesticht.e Gesetz cler Gcsclticl1te
gefunden. Diese logische 1\-löglichltciL lcann selb:;tvel'ständlich nicl1t
bestriLtcn ,v(}rclc n 1 a ber es isL nur z11 bcfürch Len , daß, falls die Ge-
scl1ichte sicl1 au f diese Au rgabe l)cscl1räuken ,volltc, nic mnnd sie
111ehr „Geschichte'' 11e 1111cr1 ,vorde, uc11u sie kö11nte <laun nicht r11cl1r
vou tl e111 erzä hlen,, ,vas bei <lcn C ricchcn anders ,var als bei clc11 Deut-
sche11, bei cic11 Frar1 zose11 ar•rlcr als b ei d<'o EngH.1nder11, uud es hat
4

11
,vohl 11och ni cn1at1 l-f eiue11 \ ·ersuch g,·111af:l1t, ,Gescliichte in diese111
Sinne zu ehr •ibe11. Das, ,,·as dabei liera,usl~itrnc, \Vi.i~e GcseU.ct1nft.s-
..

ürg,t~hzado por Goog e


- 459

wissensc.h aft - oder Soziologie, falls überl1at1pt irgend et,,,as dabei


herauskommen sollte. Sogar '\\>'enn wir annehmen, die Soziologie
bätt.e Gesetze für alle T eile des historiscl1en Ganzen, z. B. für die
Entwicklung aller Kul tl1rvölker gefunden , so ,,•:iron die e l{ulturvöl-
kcr da.durcl1 für sie nicl1t nur zu Gattungsexe1npluren ohne Individua-
lität. ge,vorden sondern sLär1den auDerclom als Gattungsexe1nplare
not,,·en.d ig begrifflict1 i s o J i e r t nebeneinander. Sie könnten nie-
mals. ,,ri,cder z11r Einheit clc.s einmaligen individuellen hist orischen
Ganzen zl1sa111mcngc,cblosscn ,,·erden, denn als Glieder eines. l1isto-
risc he11 Zusam1nenl1anges müssen sie im1ner Indi,riduen sein, ,vie wir
früher ausführlich gezeigt haben, ttnd vollends ,vären die von der So-
ziologie gcr undenen Gesetze nicht als Prinzi[Jicn für die E i n h e i t
der ir1dividuellen Glieder des u1dividucJlcn historiscl1en Ganzen zu
b rau.chcn. ~lan müßte vielmehr \1/ertgesich.tspunkte haben, um indi-
viduali icrend die vcrscl1iedenen K ulturvölker 1.tt den1 einen cinheit-
liche11 Gar1ien der Kultur111ens.cl1 hcit zt1 vereir1igcn .
Docl1 so, wird 111an sagen, daß die Gesc}1jchte n u r historiscl1e
Gesetze aufzusLollen l1 abc, sei dies nat ürlich nicht gemeu1t. Das Ent-
~vicl,Ju11gsg setz könne nur den allgcn1einen 11 R nhmcn'' für die Dar-
stellt111g des Individuellc11 bieten, aber seine Bedeutung bleibe trotzdem
sclir gro.ß. E gebe der1 Gesicht.spt1nkt für die Aus,\.·ahl t1nd Gliederung
des Stoffes u.nd vcrleil1e dan1it aucl1 der DarsLellung einer cinmaligon
E11 t,vicklungsreihe eine nalur,,•issenscl1afllicl1c G r u n d I a g e . 111s-
besondcre müssen die ,,na lü rlichcn" Epochen des allgen1cinen Ent-
,\'icklung~gcset2c ' cia nn n1it, den hi:-torischcr1 Epoc hen rlcr \ fölker
zusa,on1cntaller,, lltld so wäre 111it der .t\ ufstcllur1g des J1istorischen
Gesetzes Z\var nir,hl die Arbeit der Geschic hte erschöpft, aber ,,·enig-
stens etv,ras von d·c r Würde nat11r,,,isscnscha fllicl1er Begriffsbildungen
in sio ühcr gcgauge,1. In d "r Er,vLiguog solcher l\1öglicl1keileu stcclit
in der Tat der einzige logiscl1 ,vi(lc1-pruchslose Sinn der nl::rnrug-
fac hen Bestrebungen, die Gc::chichk;,,•i:;sP. nsc-l'taft einer Gcsctzes-
,visscnscl,a!t zu näl1ern. Docl, ,vcil, selbst \\·cnn 1nar1 d as eben angc-
dct1tc'l.e Ziel erreicht l1ät.te, tl:tdu.rcl1 aus der Gcschichle niehL sct,on

ei11e Na tur,\'i~scnschaft ger:i1acht sor1dert1 ltör hstens ei11e natur,vi scn-
sch:rftlichc Ge:-c hichts p h j I o s o p h i e gc,voi1nen ,väre, rJie alle
cn11)irisch l1istoriscl1cn Darstell11ngen n\1r als l\latcria l ~.rera rbeite t ,
so ,verden \vir u ie f•'tag-e, ob wir-k)icl1 ein allge1nc•int•s I(ulturent,,·ick-
lungsgcsetz auf na.tur,\-issenschafLliche111 '''ege zu ge,vin11~.n i~t, erst
i1n let zten I up.i t..el JJehundc ln . '''ir hab<>n nu r clcsl1alb cicn Begriff

D191, h,ado por Google


- 460 -
eine · solclicn Ent.,,·icklung~gcsctzes schon jetzt e.n,·ul1nt, ,veil es noch
i111mer so schei11e11 kann, als vermöchte es a uch innerhalb der Dar-
stellungar1 ei111naliger individueller \Verdegllnge eine Rolle zu SJ)ielen.
Brauci,t die Geschichte bei der Betrachtung eines Vo.lkes jn seiner
Besonderhejt nicJ-1t a 11 e seine Teile unLer absolut historische Begriffe

zu bringen, so schein·t es logisch mögücl1, daß ge,\.•isse Glieder des u1di-
viduclle,n \Vcr d,e gangcs grade mit Rü cksicht auf d a s historisch
wesentlich ,verden, worir1 auch das histori..che \Vcsen ge,vi ~er Glieder
anderer individueller \ 'olksent,,'icklungen besteht, und auf dic:se
\'' eise kämen dann doch jn ejne hjstorische Darstellung Begrifle hinein,
die nicl1t nur in dein bisher ar1 gegel>enen Sin11e relativ t1,i storiscll
sind, sondern rue zugleich aucl1 nur noch das enthalten , ,vas besLim1nten
T oilcn r1~1el1rerer in.d ividueller Ent,vicklu11gsreihen gemei1isan1 ist. So
1
könnt.en z. B . die ArbciLcrbe,vcgungen bei , ,erschieden.e11 öl.k em
unter einen gerneir1 amen Begriff gcbracl1t " ·erden , der trot.zdem eine
für alle Fäll.e nusreicl1ende flistoriscl,e Darstellung gäbe, ,v-eil überall
das-elbe an ihnen ,historisch ,vesenLlich i t, und ricl1tet 111an nu11 die
Altfmerltsamkeit 11ur auf diese Teilent,,ricklungen, so könnte man sie 1
eventuell a u,c h so darstelle:n, daß z,visch.en den Bcgri.(fen ihrer ver-
sch.i~dc11 erl Stadien ein naturnotwendiger Zusarnrnenha11g sicl1t.bar
,vird. Es '"'äre z. B .. der1khur, daß in mehreren 1-;,älleal auf eine sozia1-
re\>·olt1tionäre Arbeiterbewegung, die nur durch dns histori. cl1 ,vesent-
)ich ist, ,,·us sie ,11it ozialrevolt1tionären Arheit.crbc,,1cgungnn in ande-
ren Volksc1ltwicklungcr1 gen1cin nin llat, eine ge,visse Orga11isalion der 1

Arbeit.er folgt, ttnd daß bei anderen Völkern sicl1 ebenfal ls olche 1
Organi1:H,tio11cr1 a ls Effekt ei11steller1, deren historisct1 er chöpfende
Darstellu,,g unLer <le11sclben relati,r bistori.cl1en Beffriff fii llt. Dnon
kö1mte 1nar1 sugen, claß l1ior ein n a tu r n O· t ,v c n d i g e 1· Zu.sau1mcn- •
l1ang z,vischer1 z,vei relativ historischer1 Begriffen bf'..slcl1t1 ·u nd es ließe
sicl1 ein G es e t z über den Zu~an1111enha11g sozialrcvolutionä rer
Be,vcgungen mit ge,visse11 Arbeiterorgani::,aLionen aufstelle11 1 in dem
alles hist oriscll ,vicl1Lige zurr1 Au „clruck l<än1e. Ert•.i l,t si<' h hieraus
nicl1t noc'h ci11 netles Prolllc,11 fiir ,lic l.,ogik der Goschichts,vissenschaft, 'l
i Jan haL,viedcrholt die AufsLelJung derartiger Gcsct ~e für 1'Iassen-
be,vegunge11 verst1cht. Oh sie inhaltlich ricl,t.ig sind , kü111n11~rL uns hier
nicht, denn es gc11ügl, duß sie l,einen logischen \\fidersprt1ch ent-
halLcn . rur darauf ko1111r1t C:i ar1 , oh ,virk.lic h die G c s c h i c 11 t e
ihre eige1ltliche 1\ufgnbe in il1rer Fcstslel-lu11g crbliclcc,, kan11, u1l d ob ,
wir das l1echt. hab,c11 1 dabei von „hi~torischer1 Gesetzen'' zu reden.

0191 lt ado por Goog e •


- 461 -
Entscheidend ist ,viedcr, ·d aß e itn1ncr nur T e i l e einer ei.itmaligen
bistoriselle11 .Ent,,ricklungsreil1e sein kön11en, die sicl1 unter solche
allgemeinen, il1re l1i-toriscl1 ,vese r1tlichen Elemer1te entl1allende11
Gesetze bringen lassen , d enr1 das Ga n z. e einer llist oriscl1en Volks-
ent\:\ricklung ,vird nicrnals r1 u r durcl1 das ihr mit anderen Ent,vick-
lungcn Gemeinsan,e. ,ve entlicl':i ,verden. Diese Teile aber li.önr1en wir
nur begrifflich isolieren. F akti,_ch sLel1en sie i1nmer mit n11dere·n Teilen
in einem geschicl1tlicl1cn Zusarnmcnhitng, und z,,·ar auch mit solc hen,
die durch ihre nie ,vicder vorko1.rlmcnd e Einzig artig k e i t
bistorisc}1 ,vesentlich sind, und de halb ist c r1icht möglich, sicl\ die
tlatun,,is enscllaftlicl1 begreiflicl1en T ejlc einer historischen Ent,vicl<-
lt1ngsreihe, ,vie z. B . gc\\·1:::-sc \\ irtsc ha.ftsgoscl1ichtliche Vorgäng<', so
1

ablaufend zu d enken , daß sie da uernd koinc ,ve:.~cntlicl1en Ein,virltungen


v on den Objekten crfal\re n 1 die unter absolut hjstorisel1e Begriffe
gel'\ören ,,·ie ge,\risse polit ische Ereigni~se. Aucl1 auf diese absolut.
individuellen Ein,,rirkungen rnuß d er Historiker act1Len, dn er sonst
Ge(atir läuft, durch 1\nv,endung von allgen1einen Begriff zusammen-
hä.r1gen die historisch ,,,es~ntlichcn Unterschiede in den verscl1icdc-
11en E11L,vicklt111gsreilie11 zu Obersellen. E isl also unter logiscl1en
Gesichtspunkten ,viederum zurällig, wenn ,virklich einmal ein ·rcil
einer Ent,vic.klu11gsreil1e durch eine längere Strecke hi,nd11rcl1 für die
hi.stori cl1e Darstcllu11g n u r durcl1 fias ,vcser1tlicl1 ,,·ird, was il11n 111it
Teilen and.erer Ent,vicklungsreihen gemeir1sarn ist t und d a l1er lassen
sich. hierauf altcll keine 111elhodologiscl,en Gru11dsät.ze st(itzen, die <lie
logi' che Struktur der 11istoriscl1cn Begriffsbildllng d.cr der Natur,vis en-
scl1aft ann ähern.
J a, ,vir 1nüsse11 nocl1 '\Vcitor gel1cn. Seihst ,,·o a llgemeine Begriffe
für die Da1·stellung t1isLorisci1cr Zusa11t111cnl1änge anzu\venden sind,
kann 1nnn doch nicht von historisc.h en Ge .. etzen sprechen, da solcl10
Gc~etze nur dann diesen an1en verdienen ,vürclcn, ,ve11n sie ,,.:irklich
a 11 es l1ist or-isct1 Wesentlj cl1e entl1alten . DC'n H istor iker aber rriu O
es stcLs at1ch intcrcs ieren, ,,. a r u 1r1 in ge,vis.sen 1'ei}e11 der Er1t,,·ick-
lung sich ein Abfauf der E reignis e ko11sLal,ieren läßt , der trotz clcr gro~
Oen l\<JannigCaltigkeit rein individueller h.i ·torise}1er Ei_n,virkungen
einen1 anderen historischen \Vcrdcgango, auf d en gair.G andere i.n<livi-
duelle UrrtStä11de ,vi,•kcn , in ullcn l1i6toriscl1 ,,·csentlich.en Best..a11d-
t eilen gleicht, d . 11. gerade die Gleicl1l1citcn i1r1 ,vc entliehen, die d o.s
Gcnerali~ieren gestatten, " ·erden "für die Ge_chicl1te das Auffallende
sein und eine E rklärung ford ern. \\,tje ko1n,11t unter ~o i11iliviclucll

ü1g1taltzado por Goog e


462 -
verschiedenen Umständen eine t.-rotzden1 in allen ihre11 ,vesentlichen

Bestandteilen übereinst.ixnmende Bewegung zustande ? Um ihre
historiscJ1en rsachen festzustellen, "";rd sich der Historiker besonders
eingehen.d grade in die individuellen Eigenarten der verscl1iedenen
Ent\vieklungsreillen vertiefen rr1Ussen, und erst i1n engsten Zusamn1en-
hange 1nit der Darnt ellung absolut his torischer Vorgänge sind also
die eventuell zu bildenden naturwisscnschaftlicl1cn Allgcmeinbegriff.e
und Gesetze der ?\il assenhe,\re-gur1gc11 von hist oriscl1er Wichtigkeit.
I m urun.ittelbaren Anschluß hieran können \\ ir endlich auch zu
1

der viel behan.delten Frage Stellung nehmen, ob die Gesclticht.o


et,vas über die Zu k u n f t zu sagen. imstande sei. E s ist wichtig,
sicl1 klar zu macl1en , daß dies Problem 1nit dem Problen1 der Ge-
schichte als Geseties,vissensct1af't eng verknüpft, ist, denn gäbe es
historische Gesetze , so n1üßte die Geschichte nicht nur die \ 7ergange11-
heit begreifen sor1dern auch die Zukunft '\.' oraus berechnen kön11en.
Ein Gesetz dar[ ja nur das enthalten, ,vas zu allen beliebigen
Zeiten vorkommen kann 1 denn es sagt stets aus, daß , wenn zu
irgend einer Zeit A gcscl1ieht 1 notwendig aucl1 B gcscl1el1en ,nuß.
Wie steht es also mit der II Geschichte der Zukunft"?
Dem naturwissenschaftlichen Denken ist jede I<enntnis der
I n d i v i d u a l i t ä t eines zukünfligcn Ereignisses absolut verschlos-
sen, sobald man den Begriff der Individualität in dern Sinne nimmt,

in dem \Vir ilm hier net1rnen m .ü ssen, d. 11. ent,veder an die Einzigartig•
keit einer volle11 empiriscl1on \Vi.rklichkeil, oder an die durch \\'ert- 1

beziehung entstehencle einheit1iche Individualität eines ein1naligen


Ereignisses der1kt. \1/ir körm cn iTI1u1or nur ,,.oraus ,visse11, daß. E reig-
nisse eintreten ,verden , die als Exemplare unter diesen oder jenen
allgemeinen Begriff fallen, aber ,velche individuellen Eigentümlich-
keiten sie abgesehen von dem, \\·ns de r a.IJgerneine Beerriff cntl1ält, 1
haben ,v,e rden, bleibt not\v.endig unbekannt. Wir ,,·issen: ein K.irsch-
haum ,vird im Frühjahr blülien und im Sorn1ner F rüchte ·t rugen j d. h.
es \\rerden sicf-1 Ohjckt.o zeigen, die unter die allgcn1cincn Degri ffe von
K irschblüter\ u11d lGrschen fallen, aber (tber das, ,,·odurch die ein-
zelne11 Blüten t1nd FrüchLe voncinand-er verschieden sind, gjbt keine
Natur,vissenscl,aft uns Auslcunft. Daß die Vorausbcrccllnu11g von ir1-
clividttellcn Rauu1- und Zeiltllorncnten gegeit c.lie Ur1n1uglichkeit,
mit J-fjlfe der Natunvissenscha rt die individuelle Zukt1nft vorat1szu-
sager11 11icl1ls bC\VCist, l1aben \,~.ir gescl1cn: die rein räurnJicb,cn und zeit-
lichen, d. 11. die rein quantitativen Beslir11n1ungen sagen nicl1ts über

0191 lt ado por Goog e 1


- 463

die volle wirklicllc Individualität eines Vorganges. So ist also in jeder


Hins icht die Gestaltung, die das absolut Historische sogat· der nä,cl1-
sten Stunden l1aben '\vird, für uns prinzipiell unerkennbar. Auch in1
täglichen L eben orie11tieren wir uns nur durch An,vendung allgcmcine.r
Beg.r ii!e und können lediglich die Zukunft des Auftre tens il1rer Exem-
plare voraussagen. Nur über das relativ Besondere sind Ve1~1nutungen
möglicl1, u·n d dies relativ Besondere ist, ,vie \vir ,,,issen, n1gleicb auch
immer ein relativ allgen1eines. E s ist sontit 11t1r e jr1 \ Visscn über
die Zukunft der geschichtlicl1en Vorgänge denkbar1 so,,·eit sie unter
relativ bistorisc]10 Begriffe fallen. 1\ber aucl• durcll solct1e Kenntnisse
kämen ,,tir überall, ,vo \\ir den Ablauf der Erei gnisse nicht durch unsern
\Villen zt1 beeinflussen u nd ihn so in gc,visser \\'ei e zu isolieren ver-
mögen, ,vie der N:iitt1rforscJ1er im Experin·1ent die Dinge isoliert,
über u11sicherc Vermut.u ngcn nicl1t l1i11aus. Seihst ,venn man jene
Gesetzesbegriffe verwenden kö11ntc, clie ev entlaell i11 ei11er geschicl1t-
lichen Darstellung vorkommen, t1nd dann von „Ent,1ricklungstenden-
zen'1 reden ,volltc, ergäbe sicl1 doch ,\·cgcn des real cr1 historischen
Z u s a m 1n e n 11 a n g e s der v erscl1 icd,cne11 Ereignisse u11lerei11ander
imn1er nur die l\1 ö g 1 i c }1 k e i t, daß ci1t bestin111"1tes u11 tcr diesen
oder jenen relativ t1istoriscl1en Be.griff f alle11des Ereignis eintritt, genau
wie jcdesiual dann 1 ,vc11n djc Naturwissenscli.aft eL\.\'as vorauszusagen
sucht, auch Ereignisse eintreten l<önnen, die die vermuteten \Virkungen
,,stören " und ::;o dje Voraussagt1ng n illusorisPh n1nchcn. \ v'ir haben
darauf h.inge,viesen, daß sogar i11 der Astrono11iic die quar1tjuitive·n
individuellen Zeit- und Raumbcstim.n1u11gcn r1ur t1r1ter der \ 'oraus-
setzu.n g Z\l berechnen si11d, daß i11 u11sei- Son11ens.:yste1i1 ni cht von
außen l1er irgend ein \ Vcltkörpcr eindringt, der alle Bcrcchnungon

umslößt. Dio absolut unberechenbare Ejn\\·irkt1ng irgc11d ,velcl1e1· an-
dern histotiscl1en Objekte kann also volJends die Ent\.Yicklungst endcnz
,.st ören'' und schließt dal1cr jede Sicl1erheit der Voraussag11ng aus.
Das gilt für die l1istorischen \\Ti. scn sc haftcn, die n1et1r 1nit absolut
histo riscl1en Begriffen arbeiten ebenso ,,·ie filr diejenigen, die sicl1 l1aupt-
sächlicl1 auf relativ histori~chc Begriffe be chräJ\k·cn. ,,Ist es doc h
eine der be, ten Errungenscl>a(te;r1 unserer hi torischen Schule, die
'\\lir,tscl1afL5geschichte als einen unuhlöslicl1cn 'f eil der a 11 g e m e i-
n e n Gcscbichte, der politisc hen ,vic der geistigen, erkan11t zu haben -
n,it h ejdcr1 in engsicrt \\l'echs<,>lhcziehungcn v erflocl·,tcn . Ein barer
Unsinn aber ,,•iire, clies ,-,·ird 111ir jeder zu gcll.en , eine allgcn1cinc 11 Gc-
schicht.e der Zt1kunft". D i es c l b c h ä n g t a b ,, o n <l e n i\f li n-

ürg,t~hzado por Goog e


- 464

nern, ,,, e i c h e s i e machen ,,· erden. Insbesond ere ,virddas


Au[ und Niede r 1.1nserer ,virlschaftlichen E.n t,vicklung abhängen von
der Ge,,'issen l1aftigkeit und der \\'eit sicht derjenigen ~1ätuler, welche
die pol j t i s c h e Geschichte DelilschJ ands lenkc11" 1 .
In1n1erl1in ~in,d aucl1 .bloße \ 'ermutungcn Ober gesct1icl1t1icl1c
l\lögli chkeiten nicl1t gat1z ,,·erllos, ,,•enn mat1 in ih11en 11ur 11ichL ge-
scliicli,t,s,,·issenscllo!Lliclle E insichten oder gar den eigentlichen Zv,eck
{lcr Ge. cl1ic hl.c .e rblickt, !:iOt1dcrn ,,·c1111 sie u11 crn \ Villen b eeinflussen
und unser Han,deln zu ihrer Realisierung in Bev.·cgu1lg scl.zcn, ltnd dar-
:111s b egreift 1na11 , ,,·arum auc h ~lünnct· d er 1:iraxis d ie Ge chichte
sLuclicrcn , t11n cL,,·as. nus il1r z t1 lernen . Aber gerade das, " ·a Ansporn
filr unsf'r \Vollen und Handeln . ein sol l, mtiß ffir 11nscrn Intellekt
bloße ~1 ög 1 j c I\ .k e i t bleiben. l, önriten wir die Zu.kuil ft ·\virkljct1
in ihrer I n d i v i d u a l i t ä t voril11shcrec hnen, tind ,,iißtcn \\rir aL o
g •nau vön A 11 e n1 , ,,,as l{o1n1t1e11 11\ u 0. so verlöre ::;oforL d"s Wollen
u11<I l-iru1dcl11 eine n inn. \ Vi r haben fla her nur Gru n,J , t1ns zu freueo,
claß es k ein hißtorische11 GrseLze gibt. Die ,,Ir-rntionalität" der
\ Virk lichkcit, die a llettl naLur,\·i ·sc11~el1afllicl,en B egrf'i fcn 1 sobald

die Jndividt.1alittlt i11 Betrncl1t konin1t, eine Gre11ze . et1.l, geJ1öt·t
zugl icl1 zu den. l1öcl1. tcn Gütern für d~n, der immer strebend sich be~
mül1t. Es i::;t eine gnädige ] Janc.l, die uns djc Zul{unrt in illrcr indi-
vid uellen Gestalt in untiurchclrj11gliche Schleier gel1ü llt l1at. '"'·ä re
auch dns I(ünftigc in . ein er Individuali tüt und Beson<lr1·l1 eil Obj ekt 1
unseres Wissens, so ,vürclc e nicn1als Ol)jckt ur1seres \·\' üllc11s ., <!in .
In ei11ct,•ollkon1111en rational ge,,·ordcner1 Welt ka1u11tic111a11d \\'i1~ken 2 •
Blicl<cn ,,·ir jetzt noch ein,nal zurücl{. Die JogiSf.l1c Eigenart
cinc·r e11l}Jiriscl1cn \\ issrrtscl1aft isL nu~ de,rt \ 1erhiillrti · zu vcrstehe11,
cla._ der J11l1alt illrcr Begriffe zt1r ernpiri::-cl·1en \\ .,irktich keit in illrer
cin111uligc11 un<l hc on<leren Ge:;talt zPigL. Der gru11(llrgc11de Unter-
schi ed z,,,i!ichcn Natur,,·i~~er1scl1afL unt.1 Gel'lcliicJ1te besLel1 t, clari11, daß
,Jie eine Begriffe 111it allgc111einen1, fl i,e a ndere solche n1it individt1ellem
In l1alt biltlet., o<lc r claß d ic eine gt•neralj~icrl, die andere incLividua-
l i:::ic,·t. Aber das heiUL nic lil , J aß f(1 r die 'aLur,\·issen:-- ·hart das Be-
sondere 11nd rnr 1lic Gr~chi ·hts,,'i~sf•n~rhart <las 1\ llg<'!rneii1c 11 i c l1 t s
bedeutet , denn es :;;i11d nir ht 11ur die Drgrifr' de~ Allge111einen und des
1) C. \ ' o n Sc h II 1 7. (1 - c; ii \ ~ r ll i 1 1., l)ie 7..cit, Ok l . 1901.
' ) Vg l. J. Bu r c k 11 i1 r tl t, \\"r ll ~(':-◄• hh: htHc hc Uc l ro<'l,Lungcn, 1905, S. 127.
,,,\ her t-10 wenig a l~ i111 l ,c l11•n <l es 1.':. i11z1•ln(' 11 i_s l C:- ff1r d:is l .clH.'ll tlc•1 ~l c n ·c h- 1
hci t ,,. o o · c h e n ,,. e r l , die Z t1 k u n f l ,.u \\ ,i,..:H•n. l ' nd LJJL...(•r~ ll5'trolo- 1
gi~c hc t:nµ-cd11l il danach i1;l ,,·ohrhafL IOrit·h l .''

D191, h,ado por Google


- 4.66 -
Besonderen relativ, sondern ohne allgemeine Begriffe ist '\\'issen.schaft
überhaupt niclat. 111öglic}1. Die ur1bcsti1nrntc Fasst1ng jeclocl1 1 daß
die Geschichte des 11 AJlgcmeinen" bedarf, s:agt t'lhcr die !\letbodc
ihrer Begriffsbildung nocl1 ,vcnig, und ge,viß läßt sielt damit der Ge-
danke einor n alurwisscn ct1aftlicben Universnln1ctl1ode in kei11er Weise
recl1tfcrtigei1. Denn ein111al bedet1tet, das ,,Allgemeine'' nicht imn1er
so viel wie einen Begriff 1nit allgemeine111 lnl1alt.1 und ferner kommt es
auch bei dc11 allgemeinen Begriffen darauf an , ,velch.e Stellung in dem
Ganzen einer \Vis.senscl1aft sie haben und ,velcl1es Prinzip ihre Ele111ente
zur EinJ1eit iusammenscl1lieDt. Wir 1t1ü ssen dalaer folgende vier
Arten des Allgemeinen in der Geschichte attseinanderhaltcn. Brste.n s
sind die E I c m c n t e aller ,vissenscha rtlichcn BegriJ[e allgemein.
Aber .n ur die Natun'-1sse11schaft hild e.t aus ihnen Begriffe, ·die selbst
einen allgemeinen Inhalt haben, ,vilhrend die Gescl1icbte aus ihr1en
Begriffe rnit eine1n indi, iducllen lnl1alt n1acht . z,,·eiliens kann die
1

Geschichte 1tlc1'1t alle Individuen sondern nur die mit Rücksicl1t auf
einen a 1 1g e m e. in e n vV e r t wesentlichen dar tcJlcn, doch die
Dcz.ichu11g auf ibr1 macl1t d•en In11alt der Be-gri ffe nicllt allgemein,
sondern die allgemeine Bed eutung der l>istoriscl1en Objekte haflet
gerade an il1rer Individualität. Drit.tcns bctracht.ct die Gcscl1icl,ts-
,,rissenschaft niemals dj e lndi,ridueI1 isoliert, ,,tie die gcneraljsicreJlden
\\' isscnschaft,crt dies tun , sondern in einem n 11 g e 111 e i n c 11 Z u-
s a 1n n1 e n h an g. aber dieser ist "viedorum k ein Begriff 1nit all-
gemeinem Inh alt sond ern scib~t eine individ uelle \Virklichkeit 1 und die
Einord nun.g eines lndividuurn~ in das 11a llgcmeine'' Ganze, zu <lern es
gehört, darf nicl1t rnit seiner nterord11ttng ur1tcr einen all gen1cinen
GattungsJ)e 1orriff ,,er,,,ec·hsclt ,verden. In den Z\vei letzLe11 Fällen
also kanr1 man nicl1t ei111rlal vo.n n.a turwisscnschaftlichen Bcsta.nrl-
t eilen innerhalb ein.es historischen Gcdanker1zusarnmcnhnnges reden.
Erst ira dem , ,icrtcn und letzten Fnll, ,veon die Gcschich te cir1c: G r 1"1 p p e
von InJi,ri<luen so zusa111111c11faßt, daß jedes einzelne al gleich bcdeut-
so n1 gilt, bilrlct ie inhaltlicl.1 allge111eine Begriffe, aber eine natur-
\Vissel)schaft lichc l\I e t h o d e verwendet sie auch in di esem Falle
nicl1L, denn die relativ hist..oriscl1enBegrirfe haben 1)icll t den z,vcck,
clic „allger11eine Natur" der ihnc.n ur1icrgcordnclen 0 .bjckte zun1 Aus-
druck zu bringen. Ihr In·h alt soll v iel,nehr die historisclte IncJividua-
liUit eir1cr Gruppe von Objekten dnrste llen 1 ,lie alle dttrch diesel ben
ZOge i1i to1 .isrh ,ve crl'tlicl1 \.\'Crtlen . Sie sind clo her 11 J1istorischc'·1 ,
.d . h . in clividuali~ieren,d dt1rc.h \Vertbezieh1tng gebildete Begrirfc
11 i c lt e r t , O rt>nzon. 2. Aufl. SO

D1911 11,ado por Goc,gle


- 466 -
nicht r\ur insofern, als ihr allgen·,cincr Inl1alt, iru Vergleich Z\J einem
noch allgemeineren et,vas Bosonderes is.l und ausdrücklich mit Rück-
sicl-it auf diese Beso·n derheit betracl1tet wird, • sondern aucl1 insofern,
als durcl1 ein teleologisches Prinzip gerade diese und keine arlderen
Bestandteile zu einer Eiul1eit verknüplt und d.adurch die B egriffs-
ele,nente als zusamm.e n g e h ö r i g v·e rbunden ,verdcn.
Hiernac11 muß klar sein, ,ve.s \vir unter den n-a tun,·isse11schaft-
)ichen Bestandteilen in der Gescl1ichte und unter relativ l1isLorischen
Begriffon verstehen, und es ist nur nocll einmal mit.. allem ach druck
llinzuzufügen, daß auch diese Begriffe für die Logik der Geschichts-
wissenschaften unentbehrlicb sind. Niernals .konnte es uns in den
Sinn k ommen, z.u bel1auptcn 1 die Natunvis enscl1aft habe es n u r
rnit dem Allgerneinen, die Gescbicl1Le n u r 111it den1 Individuellen
z.u tun. Schon ein flüchtiger Blick auf naturwissenschaftliche und
historische Darstellungen. zeigt ja, daß das nicht richtig ,1/ärc. Die
Natur,,·isscnscllaft gnht überall vorn Einnlaligcn und l11dividuelJcn
aus , und die Gcscl1icllte braucl1t fort,väl1rer,d Gruppenbegriffe. Nur
darun1 konnte es sich ha11deln, zu zeigen, \velcl1e Bedeutung das All-
gemeine und das Individuelle in den Natunvissensct1aften einerseits,
in den Gescl1ichts,visse11scl1aften a11dcrerseit.s hat, aber niemals
wird eine Logik der Wissenscl1aft.en die T atsache ignorieren , daß in
a 11 e n ,vissenschaft licl1cn Di.sziplincn ·d as .1\ llgerneine und d as Beson-
dere atif das onbrslo miLeir1ander v e r k n O p f t sind. \Ve1lil daher
z. B. Ritscl1l 1 sagt: .,,es n1uß an die Stelle des Z\\·eigliedrigen Gegen-
satzes, auf den fückert i1nn1er ,vied.er zurückgreift, vielmehr eine drei-
gliedrige Rej}1c treten , dere1\ Extren1e die Begriffe Gesetz und Indi-
viduum bilden, ,vät1rend mitten z,viscl1er1 beiden der Begriff des
Typus stellt, der mit de1r1 lndividuu111 die Besonderheit, nut dem
Gesetz die Allgomoir1l1eit teilt, und i11sofern gerade auel1 geeignet ist,
von de111 eine11 zu111 ar1dern ver111ittelnd l>iJ1über zu leiten•' 1 so können
wir nich.t finden, daß die er Satz unsern Ausführungen sachlich ,vider-
spricht. Das \Vorl ,1 Typus'' haben ,Yir allerdings ,,·cgcn seiner \ ficldeu-
t iglteit vern1iedcn 2 1 aber der in1 driLlc11 l(apitel e11t,\l ickelLc Begriff
des relativ I-listo-r ischen halte gerade den z,veclc., z\v-iscl1en den Extre-
m en des absol ut Allgen1cine11 und des absol11t Individuellen zt1 ver1nit-
Leln und so der logiscl1en Struktur der ,virl{licl1 ,,.orh andc.1lcn \\iisscn-
sc ha!te11 gerccl1t zu ,,•erden. Es findet ich also v on vor11el1erein
1 Oio c:ousalbelroch tu ng in den Gcislcs,,·issen~chaft on , 1901.
, , ·gt obe1i s. 32 1 rr.

ü1g1taltzado por Goog e


- 467

schon dort die von Ritschl geforderte dreigliedrige Reihe. ~lit ihr-
konnten wir uns freilich noch nicht begnügen. Wir mußten sje schließ~
lieh zu einer v i e r g J i e d r i g e n R eil1e ausgestalten, denn die
Begriffe mit relativ h:istorische111 und relativ allgemeinem Inbaltr
,die, solang,e sie n ,u.r auI ihren Inhalt hin betracl1tct werden, zus~mt11en
zu fallen scheinen, können zwei logisch verschiedene wissenschaft-
.liche Aufgaben lösc1i, und ihre Elemen.t e sind dann auch durch zwei
verschiedene Einheitsprinzipien v erbunden, je nachdem sie die relativ
allgemeine ,,Natur' 1 der unter sie fallenden Exemplare einer besonderen
Gattung oder die relativ besondere ,,Gescltlcbte'' der durch ge1neinsame
Eigenscl1aften historisch \\·esentlichen Glieder einer bestimmten
Gruppe darstellen. In dieser viergliedrigen Reil1e der absolut und der
relativ naturwissenscba!'t]ichen und der absolut und der relativ hist o-

rischen Begriffe findet dann jede·r na.t un,issenschaftJiche und jeder
historische Begriff seinen Platz, möge er inl1altlich nocti so individuell
oder noch so allgemein sein. Alle Ein,vä:11de gegen unsere Darlegungen,

die darauf binausl<.ommen, es ,verde die Bedeutung des Allgemeinen
.in de11 Natunvissenschaften und die Bedeutung des Individuellen in
den Geschichts,vissenscbaftcn üherscbätzt, sind d-0shalh v.ollständig
gegensta.n dslos. Sie beruhen auf einetn ~1ißverständJ1is der llauptah-
s.i cht unseres Versuches. Gerade darauf kam es uns an, die mit den
denkbar speziellsten Begritfen arbeitenden, natunvissenschaftlichen
Tl1eorien genau ebenso ,vie die rrlit den denkbar umfassendsten all-
gen1einen Begriffen at·beitenden historischen Darstellungen logisch
zu verstehen. In welchem l\f aß e die Beg.rille der Natur,vis en scbaft
individi1ell oder allgemein, die Begriffe der Gescl1i-chLs,vissenschaft
al1geroein oder individ,u.ell sind, ist, \venn es sich u1n die verscbiedcnen
Gebiete der Einzelforschung hand.clt, nicl1t mehr Sact1c der Logik
sondern lediglicl1 der empirischen \.Vissenschaflen selbst..
Andererseits muß n1it derselben Entschiedenl1eit noch einmal
t1ervorgel1obcn werden , daß die Wisaenschaft.en, sobald sie selber
und ihr Objekt aJs Ganz es in Betracl1t korr1n1en , auch ih.re111 fak-
tiscl1en Bestande nacl1 so zu gliedern sind, daß die einen generali-
sierend, die anderr1 individualisierend verfahrcn , und daß die eir1en
cJabei von jeder Beziet1ung der ObjekLe auf \VerLe absehen, die andern
dagegen gerade diese Beziehung auf Werte zum Prinzip ihrer Begriffs•
bildung r11acl1en. Diese unz,veifelhaft bestel1ende Tatsache sei scl1ließ-
lich noch an einigen Beispiele11 erhärtet, ,vobei es selbstverständlich
,,,ieder gleichgültig ist, \ltelcl1er besonderen ,vissenschaftlichen ,,Rich-
so•

D1911 11,ado por Goc,gle


'

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tt1ng" die ,vcrke ange11örcn 1 die ,vir ins Auge fassen 1 . Nehmen wit·
also Ranke Wcltgeschichl.e oder 'l~aines Orjgines de la Fr.a ncc con-
temporaine1 1'reitscl1ke Oeutsct,e Gcschicl\tc im neunzelant,en Jal1r-
ht:1ndert oder B11ckles Gcsclticbte der ZivilisaLion in England, Sybels
B egriindung des Det1l.sche11 Reicl1es durch \.Vilhelrn I. oder Burc.k-
hardts l{ultur der .Renaissa11ce in Italien, l\f ax Lel1nlan11s Scharnl1orst
1

oder Karl Lan1prccbts Deutsche ·Geschichte, so finden ,,1ir übcral1,


,vie dies den Titeln der \Verke 1 die das bistorisclle Ganze mit einetn
Eigennarr1cn bozeicb11en 1 entspricht, cir1e Reil1e von Ereignissen so
behandelt, ,vie sie nur e.inmal in der ' ''elt vorgckomn,cn sind, und welche

F orn1ung der Historiker ihnen at1cb gegeben l1aben mag, stets sind
sie i11 ihrer Beso11dcrl1eit ,ind Individualität in die Darstellu11g aufgo-
no1nn1en. Oder e11tt1ält et,,·a Lamprccl1ts Dcutscl1e Gcschiclltc, dere11
Vc.rrasscr glaubt, nach einer " neuen' ' 1\1et.b.odc zu arbeiten, als ,ve ·enl-
lic\1e Bestandteile nur das, \\·as an andern Exetnplaren des allge11leinen
Gattungs ~egrirCes einer Nation, also nn der Ent,vicklt1ng des franzö-

si~cl1en, <les engliscl1e111 des russischen ' ' olkc ebcnfnlls zu fin dl'.Jl ist,
unrl ,~·as beliebig oft zu verschicder,en Zeiten , an v crscl1icdenc11 Ortc11
sich ,viederholt, l1at oder ,,riederhole11 ,vird ? hitan braucl1L nur diese
Frage zu st..c llcn , um cinzuscl1cn, daß auct1 ein }Iistorik cr , cJcr in der
Tbcoric die 1 Jr1dividualistische" At1!'fasst1ng vcr,virfL ltnd so viel allge-
111eine Begriffe \\'ie rnöglicb bei sciuer Darstellung zu bilden sucht, in der
Praxi~ ~ein Objekt als Ganzes slets individunlisicrcnd behandel t .
.1\i:1dercrseil~ aber ist die' \ 7,e rfal1ren, das zun1 \Vese11 jeder gescl1i cltt-
ljc.hc11 Darr: tcllung gcl1ört., bei Jccinen1 \i\7erl{e der natur\'\·is e11scllaft,-
lichcn l)i~ziplincn 1 ttlögon sie sicl1 m it l{örpern oll er rt1iL g istige111
Leben beschä ftigen , ange,-.·endeL. 1'fan kanra freilich, "''ie es Höffding 2,
den üblichen Ein\vand gegen uns re Theorie t1111kebre11d , getan t1n t 1
sagen, es sei <las llöcl1stc Ziel nuch <3er • atunviwsen-s<'ltaft, den große11
einrr,aligen Prozeß zu ver tet1e11 , der in un ern1 1'-eile des \Velt.all-
vor sich geht ltnd e seien daher alle alfge111cin.e11 GeseLze cler atur-
,,·isscnschaft zuletzt nt1r als htittel U11d \Vege zu betr-achten. ~la.n knnn
da sagen, denn e.s fi11clct in der 'fa.t i11 cl.,_r r atur ,,'.ie in der Gescl1icl1te
jede Begebenheit nur einr11al s tatt, w1d es gibt in \1/irklichkeit keine
- 1
gL nt eine ,\bhundl11ng Ober „l,oscbicht~phll osopl1-ie'• in : die Philoso -
phie im llegi nn do rtO. J abrhundo-rls. Fos l $C hrifl fOr l(ll llO l~ischor . 2. ;\ufl.
19 07, S. S40 ff. 1eh huuc einige Siilzo daraus " 'ör tlict1 ,;v ied„rho1L, weil es
rnir nicllL r;ul ingen " 'ollt e1 hlcr eine hesscro For111uliorung zu lind en.
:i In oint!t B c!:iprl!Cllung n1cinor A bhandlung Ober Geschich ts philosophie,
in d en G-i>LLing. Cclohrl. Anz.ulscn . 1uos. Nr . 1.

ürg,t~hzado por Goog e


- 469 -
Wieclerl1olungen. Der Gesa111tgegenstand, in den N nttln\·issenschaft
und Geschichte sicl1 teilen, ist ja, wie aucl1 Riel1l bervorgohoben hat,
i11dividuell : die ein1naligc und in einem einzigen Enl\,rick)ungsgange
befindlicl1e \1/irklichkeit. Aber das ist gar kein Ein,vnnd gegen die
hier v orget ragene Leh·r e, denn man darf d.as nicht so vers tehe11 1 daß
al1cl1 die atun,1issenscl1aft st ets das Ziel l1abe 1 ihre einn1aligen Pro-
zes e ,,•ie die Gescl1ichte es will, in il1rer Einrnaligkeit und Individua~
lität zu begreifen 1 und sicl1er ist es daher falsch, daß alJe Nat11n,rissen-
scha.ften nur v orläufig an1 meisten an de.r Auffindung der allge111einen
Gesetze arbeiten . ~lan brauch t '"ied·e r nur an bestimn1te Beispiele
zu d e1lken, um das einzusel1en. l-Ielmholtz' L el\re von den To.n emp[in-
dungen oder '\\'ei manns Keimplasr11a, Latzes n1edizinische P sychologie
oder von Bacrs Ent,vicklungsgescl1ichte d er Tiere, l\f aX\vclls T1·aktat
über EJek.Lrizitüt ur1d :r.·I agr1etismus oder T 6nnies Gemeinscha.ft und
Ge elJscl,aft, alJe diese ·w erke berücks.ichtigen , ,vic ,veil sie auch sor1st
in il1rcr logisc.hcn Strt1ktur voneinander nb,\·eicl1en n1ögen und von
eine1l\ Systc1t1 tler \Visscn ·chaftslehrc daher zu trennen sind, an ih ren
Objekten ge·r ade in der endt'Oitigen Dru· tellung, ,vie das che11falls
scl1on die ausschließlich at1s Gattungsnamen bestehe.r1de.n 1'itel zeige1l,
nur d as, ,vas es gc;;tattct, s'ie init andern Exemplaren de, selben Gat-
tungsbegriffes a l:s g1eicli a1uuscl1en, u11d \VOvon man daher sagen darf,
daß es sielt beliebig ofl \\riederholt.. Dari11 z(~i""t sicl1 il1r prinzipieller
Jogi cl1er Unterschied von der Gesct1ichte, der nie zu eine111 bloß
gr-adt1ellcn '"·erden kann. Diesen ntersc hie,d zu leugnen, '"ird t1l1c l1
,Jen Fa11atiltcrrt einer Universnlmctt1ode sc h,,,cr ,,·erd en. Es jst ra st
ur1begreifJicli , daß 111an l1ier übcJ'llaupt nocl1 streitet,. Die Bcl1auptung
von der „Einheit der " 'j senscbaftlichen ~l elhotlc" ,vidcr!1,pricht
durchaus den T a t s a c h e n . S.ie ,,,ird. erst gelt.eo., ,ven.n die Historiker
tru fgchört laa bc.n, Gefc hiel1tc zu treiben , oder "'"enn die l\itinner der
NaLur,,·issenscha!L nicht 111el1r • ysLen,c von allgcr11cincn Bogrjffc11
bil{len und Naturgesetze sucl1en .
So l{ornmen ,,rir zu de111 Re.:;ultat: e gibt nich L nur in unser11
vor,vis"'cnschafLlicl1en Kenntnissen Z'\Vei prinz..ipielJ v.erschiedc11e '\iVirk~
licl1kcilsauffas~1111gc•n, d ie gcnerali ~icrende 11ncl clie i11dividual.isicre11dct
:SOllllern es entspreel1en ihner1 au,·h z,vci in il1ren letzten Zielen und ebe,11-
so in ihren letzten Ergebnis en log.i eh prinzipiell v erschiedene Ar len
d •r \\·i:-- ·cnscl1afllict1en Bcarbeitt1r,g der \Virklichkeit. Dan1.it soll nicl1t
das Prin zip für die ,virk:lichc 'f eilung der ,,·isscnseha ftlichen Arbeit
a11gegebc11 sein I de1,r1 logische Ej1lteillcng isL nicltt ,vi1·kJictie Teilw1g,

D191, h,ado por Google


• • •
- 470

und zur ,virkliehen Teilung soll und kann der formale Gegensatz von
Natur und. Geschicht e nicht die·nen, \\'eil diese nicht an logische son-
dern an saci1liche Vcrschiedcr1heitcn des !\[aterials ankn üpft. Nur um
das begriffliche Auseina1tdcrhalten z,veier ver".Schiede11er Auffassungs-
tendenzen in den Wissenschaften .handelt es sich, die faktisch sehr oft,
ja a.berall zusam1nen,virken mögen, aber diese begriffliche Auseinander-
l1altt1ng ,,,äre so.g ar d ann not\,1end igi wenn nic h.t einmal mit Rücksicl1t
auf ihre let zt-en Ziele zwei Arten von ,vis_scnschaftlichcr Begriffs-
bildung dadurch so voneinander geschieden " 'erden könnten , wie wir
<lies gezeigL habe11. !\-lag keine ,vissenscha{t ohne J-Iilfe des AIJgemei-
nen zustande kommen 1 so bleibt der prinzipielle logische Un lersctlied
X\vischen Natunvissenschaft und Geschicl1ts\vissenscJ1aft., trotz aller
Relativität der naturwis enscl1aftlicher1 und der J1istoriscl1en Begrif{e 1
unangetastet,. In beiden Djsziplinen geht der \Veg bald durch das
Besondet'e. bald durch das .AJlgemei11e hindurch, und (iberall ven,rendet
man das Allgemeine aJs 1'>1ittcl. Aber das Ziel der einen ist, s tets die
Darstellung des mel1r oder v,1eniger Allgerneinen 1 das der andern die
Darstellung des mel1r oder we11iger lndi,riduelle11. Alle Uebergängc
tind z,viscJ1enforroen vermöge11 an de,n logischen Gegensa tz dieser
beiden Tendenzen nichts zu ändern. Danlit k öort n ,vir un ere Unter-
suct,ung über die rein logi eben Forn1cn der Ocschicllt.s,vissen cJ1a ft
11nd il1r Verh ältnis zu dene11 der Natunvis e11scl1aft. abscl1ließen .

\ i Jl .
Ge s c !'1 i c h t ::; \.V i s s e r1 s c h a f t u n <1 G e i s l es ,v i s e n s c h a f t.
Troti<lrr,l ~i,1 <J ,vir nnrh ni1·l-1t rerl ig. E ::; gibt U\1ßrr d.--n logiscl,c1l •

ttnd forJ11alcn Unlcr. r l1 icclf'11 Huch , nateri~lc·, rlic nie1rHln<l lflt1gnr11


kn11n, und sPlb. tvcrst tir1dlir h l1at sich die f~ogik. 1nit i.h11e11 cbt~1,ra lls
1,11 be:.-tl1:irtige11. J a , erj t du rcl1 ei.ne ß erüc· k.' ichdrr11ng L eid c r Eir1-
tl·ilttn!{? (lri11zi pi-cn \virct ttie \Vi ~ ~en~r~ha ft:;lrhrP ,·ol 1:-.l!in,lig. \ \ 1 ir \,·i i-c11 ,
\,·arn11\ ,vir n,it <le,1 rei11 logi~chen CiegrnsUtzPn h .~ g i nnen 111ußlen.
· ach<lC'lll ,,·ir .sie 11un kennf'n ge lf' r11t lln<I <l ic \rpr;: (' l!ic◄ l <'n<' log i:-;,·!1..,-•
, trt1k.tur clf'r Bcg.riff~bildung 111 <lrr Gesc hichte ,,·ic i11 <i~r · a lu r-
,,·i~~n. t~l,a ft, au:- fül,rlil'll cnL\\' ic.' kt\l l 11;,hcu. ,,·crd t.•n ,,·i1· z11 ()e1· I•rage
. ,,·t,itt·1· get r.il'ltcu. ob u11tl i 11,Yi(•,\·ril au c-11 ei11 n,r thtJd o logi:-t· h b ,,.(ICt1t.-
!-an 1er Z tl :- a tn 111 e 11 h a 11 g ~,, is{_'lien de11 r ., r 111 a I c rt unil de n
111 n l e r i a I c 11 nler,:;ehicde11 tler \ \ .i:--::-c,1~cha rtr n fl.\1r,\·Pi:~'11ar i:-,.t,.
E rst ,,·t•un ,,·ir di<>;· \Vi:.1-r.n, k ön t1rn ,Yir ,,u cl1 l'in"11 :- a c 1, 1 i c lt e n
J~rgrifr 1ler C('scl1 iC"ht.e rrhal l t• n. der enger 2--C"ir1 Tt1t1ß nl :,; tl•·r 1Ji f-11er

D1911 11,ado por Goc,gle


- 471

ge\VO•ru1r nc [or111ale, und <lcn \Vir <lanr1 endlich 11,it dern in \ Tcrbi11dur1g
bringe11, \,1a" 1nan unter einer ,.,l1is Lori chen \'.\'is~ensclia[t.' 1 z,1 ver-
stehen g e \V o h 11 t i:it. Di~ser neuen Aufgabe ,vendct1 ,,,ir Ut\S jetzt
zu, und ,,·enn ,vir nun n\it tlilfe der bi her er1t,,·ickel te11 logi- chcn
U.n tersc hiccle zeigen, daß a11cl1 d i „ zuerst ub. ichtlich beiseite gcla ~cnen
f akti. eh vorl1andonen ma teria le11 U ntcrscl1icdc 1,\,·iscl1cn clcn \\'i~scn-
schaftcn, die rr,a11 !ionst .zur Eir1teilung bent1Lzt l1at, icl1 als 11ot,,,c11dig
verslel1c11 la ·ser1, ~ o ist dic~er ~ t1ct1,vei • '-~ierleru111 nicht et,va eir1c
Abscl1wäcl1un:g uns rcr Ergebnisse ocler g.a r ein Zt1ge tä11dnis an das
bisher übliche, nicht logische Vcrfaf1ren 1 • ·onclern er biJdet viel1nel1r
deJ1 not,vcndigc11 Abscl1luß unserer logisc hen Tl1corien tind <ierc11

l(rünung, denn dadurcll allein , daß ,~·i,·


un aucl\ den materialen Unter•
sc hicde11 ZL1,venrlen, läßt sicl1 zeigen, ,,·ie t,nsere logi:;chen Begriffe
f r ti c h t bar für die gan1.c \Vi. S<'nscl1af l, lchte zu machen sind.
!\-fit RücksichL aur dcr1 Gegen satz v o11 for111al und material l1a11delt
c. sic11 cbcn 1 ,,·ic irr11nct , ied1.:r z11 betor1cn ist., nicht 11m ein Ent.,,·cdcr-
ouer sOnllcrn um c.i•1 S o,,·ol.l l-als-auch. Die F or1n \ 'öra11~tclle11 t,<•ißt
nicl1t. <ie11 111l1:..lt ignorie1·cJJ.
\ 'orl <lcn 1natcrinl en Üftl.e1·schietle11 c.lcr ObjekLe t1at uns der
Gegen ·atz , ,011 Natur uncl Geist i-r hnt, ei11111at bcscl1äftigt. Er fällt
ar11 1neisteo ins AuJic: die GescJ1j.cllt.e bel1au<lelt in cler ·rat haupt.sücl1-
lir'l1 psychische \ forgänge. Hört u1an .frl~ili rl1 vor, der ,tnat..e l'iali ~t.i-
scl1cn'' Gc~ehichlsl1hilusophie, :,;.o kön11tc e · schein en, als ob dies be-
z,\"eif ·lt ,rCircle. ln \\1ahrhc iL aber i1at diese Auffa - urig niit der Frng",
ob die l;ist oriscl1cn Objekt.e p.l1ysi~cl1 oder p~ycl1isct1 sind, nichts zu
tun. Selbst \\'enn e richtig ,värc, cla ß a lle gesrhicli tlichcn Be~·cgungen
vo11 ,,i11atcriellc11'' Intercsl'icn bestir1u11t. ,verclen, J . 11. von d e 111 Strebe11

11ach den Dingen , dttrch tlie (la llöt·1>erlicl1c Daseir1 erl1alte11 t111<l"'gc• ~

för<lert ,vircl, so sind docJ,1 die auf die ,,n1ateriellet1'' Güter gericlltetc1l
B es t r c h t1 n gen sclb t in,11tcr \Villen5akl.e, also P~)·cl1isc he Vor-
gängo, 11ncl vot1 ihr1t!n hnn<l('lt at1cl1 die , 1111at(•ri ali.i-tisclic' 1 Ge~cl1ichts-
scbrcih u1l~. \Vir 111 fu.sen claher fra ge11: ,va ' hat ,lic THt~achc, flt10 clcr
J-Ia t1pt,gcgc1istar:1d der Geschicht:,e Scel('nlrl1rn ist , 111iL <let log.iscllcn
Struktur der historiscl1en Bcgriffgbilf{ung zu tun ·?
\Veil der erste, allge,r1einstc Begriff des JiisLori::;cl1e11 11ur a11 • dcrn
Begriff~ def' Gl'er1zen, die <ll'n Natur,vi -~er1„chaftcn gesl<'ckt. si11d,
cntsprano-, n1ußtcn " 'ir t1nter logi:-chc11 Gc~irhL..:;punkLen cJie Dc-zci·c h-
11u 11g II Gei_te~,vi:;scri~chaf t" Citr cJi c Ge• cli ir h tc g ..,111. ableh11c11 1 1111c)
a.ucli die ,,·crt.bezicl1e11ue:~, int.li,'itlt1alisicrf'nde l:icgriff:-bildt111g schien

ü1g1taltzado por Goog e


indifferct1t gt'gc11Dbcr tle1n l.;1llr r:;chjed von Seele u11d Körper. Der
u1nfasse11clsLe Begriff des hi ➔ to ri r.:c l1 eu lndividuun, ~ ,var sogar a11 der '
G~genüher t..ellur,g z,veicr l{örper zu ge,vinne11 ur1cl dar111 a uf geist ige
Individuen zu übertragen, ol1ne daß dabei et,,·as prinzipiell Neues
hinzuzutret en brauchte. Au ch in1 ,veil.eren \ ' erlauf der U nter. l1ch,1ng
koJ1nte11 ,vi1 die logiscl,cr1 Pri11z.i1Jien ol1t1c Berilcksicl1ligung rlcr sa c:h-
licbon E it5cntü1r1licl1l{oiLcn des P sycl1iscl1c11 e11 twickcl11. \\,'cr1r, es sielt
bei dcrn licranziehen von Bei~pieJ 11 nicht \'cr111eiclen ließ , \ 'OJn rnen::-ch-
licl1en Seclcu leben zu . 11rccJ1cn, so \,·ar clcsha Jh <-loch .-in daran gt.-hi l-


deter Dcgriff nicht tl u r aLtf Dar tellungen. p.s}·chischer1 Seins an,,·cnd-
bar. De1lnoch n1i.iti:;e1) \vjr jetzt, auch d arauf achLc.n , daß fal\.tiscl1 die
Gc~chichl.s\visi;cnscl1afl.cn es ,_.o r,,·irgcncl mit geis tigen \ rorgt,ngcr1 zu
'
1.Ull 11aben , cl c11n c.s crgcl,cn sich darat1s r1oct1 z\,·ci logisch \\1iclrtige

Frag,!n. Sit1d au s clicser Ta l:1ache noc h ,veiterc, bj~ltcr unLcacl,tct


gcb)i,e ben e logiscl1c Eigcntö111lichkcilcn de r hisLori:-cl'tc•n 1\lell1ode ab-
z.uleitcn , die 1111s. zu einer n ül1ei-cn Be ·ti111rnung des D ~g1·iffc!'i der Ge-
scl,i cl1ts,visscr1 chaft, i,vin ge.n , u11tl , Ca l.ls dj c e Frage v cr11eit1t ,vcrde11
sollte 1 ist, das cber\\'iegen des. P . yc hjschen in1 hi~to riscllCll S t off

1ogiscl1 gar1z zufä'llig 1 oder läßt es !--ic.: h ilU S de1r1 ' \' cscn dt·r hislorischc11
Begriffsbildung ver:sl ehen ? f;ic zv\.'eit,e F rap.re isL rai c hl. el\\'a 111il. der
ersten r-nitbeant, ortet, den11 es bleibt, aucl1 ,venn J cr Begriff des
P s)'Chiscben nicl1t gecigr1et. ist , urr1 au s ih111 ,vcilc1c l<>gjsGl1c Besond er-
heiten der hisl.orische11 Dar Lcllu11g abzuleiten , doc h 11,öglicJ,, daß
das geist ige Lebe11 Eigenscha rte11 he itzl, deret,vegen C ' i11 l\öl1ercr11 '
Maße als <las ph ysiscl1c cirt eine historische Darstt.:ll ung 1uit rlilfe
einer \Vertbcziehenclcn , in.di,1idua lis ic:re1,t1,~n Bcgriff~Lilrl ung erford ert.
\,\''c11n \\'ir .n ltn zunöc hRt be-·lreitt-11, da.U au:s dP1l1 B egriff de
Geis tigen ich 11euc 1 tlcr hi. tori scl1cn Darsl.el lun g eig<'11lil 01li('l1c log i ·e ile ,
Pri11zi1Jie11 gc,,·ir1r1c11 la:-se11, so ü})ers,·hen \,·ir dnbci 11.ich t, <la ß cir1

pri11:cipicller \;r1lcrscbicd bei all er E t' [ l ' r s c 11 u n g d es sccl ischl.'t\
und <les körperlichen Seitis bc, Leli L, uud daß di c~er at1c-h von de-rt
1'oilf!'n der ~lcl.l1ocll•nl ehrc zt1 l-•erürk:-i<·:li tige11 i.~t , {lic sich rnit der
F c:;tst cllu11" dc.s bi:storjscl1er1 1'8 t;:;ac lu'oI11a tcri uls und . ci1 ,er I, r.i l.ik
be cla tifLigcn . l~örper si11d uns allen un111it lclhur u11d a11~<:hauli<·h ge-
gebe11, V OJl der GesarnLht.•iL der J)s)·c his,·lictl \ 1otgü11 1"'e dngrgc-n kenn en
\Yir unmiLtclbnr 1111.t' <Jie clc,n eigener,. celenlcJJcn 0:ngeh&rigl•n 1 t111cJ es
fel1IL clnl aer dem lli:,l orilic r, di·r ci1 11~11 !-t' t liscl1cr1 \ '0rgitng da rstell L, d as
dirck L erfa hrbare Ol1jl•lt L. J,;'ol~L uber hi<' rnu · nuch cL~,·t,s, das fi) r die
Ge,vi n11ur1g d ·s logiscl,cn ldcu ls eirler his to1ische11 D a r . t r. l l 11 n g

ü1g1taltzado por Goog e


- 473

vor1 Bcclcutu11g ist. '? \\'ir \\1is.:1e1l, ,,·arun1 der angtgl'be11c Unterschied
<los Pl1) sischc11 vou1 Psycl1ischc1t für uie aalur,\isse11~chaftlicl1e oder
1

gene1·alisicrcnde Dcarbeitt1ng l<.ei11e prinzipiellen .nlclhod•ologi chcn


Unt.erschiccle 111il , ich bz ingt. Ein nntur\vi. . senS-chr ftlicher Begriff
, ,1ill 11iemnls die lr1dividualität e j11cs Obje.k tc!:- in sich au fnctUT1 n.
:\.u diese111 Grunde kan11 der gencralisicrcn<J vcrfal1rcndc Psychologe
aus sein,e111 eigenen See lenlehen das i\l aterial zur Bild,1ng cler fiit alles
psyc l1ische Sein g,iltig.-.n Be6 riffe gewinnen, ttt'ld l1ö<"hst t 11s tia d1trc h
er,,•o.chF>cn ih1n .-tus der · nzugii11glicl1l,eit c:ln_s f reni{l~n ccle11 lcl>er.1s
Sch,vierigl~eitcn, daß er d c.s Au:;$chci clen d e:; lnrliviflucllen nicl1t. au f
Gr11ntl di rekt.er Verg leicl1ung vor1.u11t~l1111cn vcrnlftg "onderJl ofL erst
durch eine komplizierte Kelte von Schlüssen erf~ihrt , ob diese oder
jene Eigenschaft eine allgemein verbreiLete oder eine rein individuelle
ist. L iegt nun aber bei der historischen B egriffsbild,u1,g die Sache nicht
prir1zipiell anders? D.er HisLorikcr sLellt fre1nclcs Seelenleben gerade
11tit Rücksicht auf seine individuellen E igentürrtlicJ,11<.eitcn dar. Es
kommt also lür ihn das in Betracht, ,va icl1 einer direklen Beobach-
tung unter allen Umstäncle11 ent ziel1t, u11d desl>alb schei11t die histori-
sche Darst.ellung von psychisehen Vorgä,1gen in der Tnt n1it prinzipiell
anderen Schwierigkeiten verbunden, als es die von Körpern sein ,vürde,
die sich tinmit.telbar beobachten lassen. 11uß also der Begriff der Gei•
st.es,vissenschaft nicht scl1ließlich doch auc.l1 eine logische Bedeutung
ge,,"'innen ?
Selb tverständlicl1 ist diese Frage nur insofern für uns von In-
teresse, als s ie r11eint, ob a11 de111 bisl,er ent,vickclle,1 Gegensatz cler
generalisierende11 und der individt1ali5ierender1 Begrirfsbildun·g noc l1
,vesentlichc logische l\1odifikation cn vorzunehr11cn .;incl , und dcsl1alb
darf ur1sere Ant,vort verneinend 1fl\1tcn. Die Sch·,vicrigl~eiten , die dein
rlistorikcr aus der U11erreicltbarkcit des frerndcn Seelenlebens cr,vact1-
sct1 1 gel1örc11, ahgcscher1 vor1 dc111 1 ,,·odurclt sie für llc11 l1ier gleicl1-
gu)tjgcn Proz.eß des ForscbetlS und U n t e r .., u c 11 c n s \\1cl1tig
,verderl, lcd iglicl1 zu den Faktoren, die sicl1 a ltS tlf•1r1 ftlr alle Ge chichte
not,ve11digen Auseinanderfallen von Ql1clle11- u11d Tatsachenn1aLerial
eJ"geben, und bedeuten sontlt logisch nichts anderes als die last stets
zu konstatierende Unvollstär1djgkf~iL d es l1istorischen T at.saclienma-
terial überhaupt. \\'ohl brauc.h t der Hi toriker die Fäl\igkeit, sich
in {ren1des Scele11lebc11 l1ineir.1zuversc tzen oclcr fr,e111(lc I ndividualitäten
gc,visserrt1nßcn „n achzucr]eben". Er übL dabei eine Art von ,,eistiger
Betätigung au.s, die '\\'cdcr clcr :\lonn der I(örpcn\'issenscltaften noch

0191 lt ado por Goog e


- 474

d er generalisierend e P sychologe kennt, und in der ge,viß a11ch sel1r


interessante Probleme stecken, die sich auf das 1 ,Verständnis'' der
l ndi,.riduen unte1·einand.e r beziehen. Aber daß die Bes onde.rheit des
sogenannten ,,lristorischen , rerstehensu auch ntit Rücks icht auf die
logische Struktur der gescl1icl1Llichcn D a r s te l l u n g, nacl1 der
,vir hier allein fragen, vo11 \Vicl1tigkeit ist, stellt darucn noch nicht
re~t. \\lo die Unzugänglicl1keit d es fremden Seelenlebens und die
Sct1wierigkeit seines „Verständnis es'' als wesentlich für die historiscl1e
~lctl1ode bezeichnet ,verder1, hat man sich an einen Spezialfall gehalten,
statt das allgcrneine logisclie Prinzip festzustellen , das von di esem
Spezialfall unabhängig gemacht werden muO, un.d da'S ,..vir schon früher
aufgedeckt haben. So läßt sieb Z\VA.r z.B. naol1,vcisen, daß e i11 be-
stirnrnter historischer Talsactienbcstand rnit nat1ezu gleich. großer
\Vahrschci11lichkeit durch Z\\'e i einander ausscl1ließende Annahmen
über die dabei ,virksnm ge,,·e' e11en psychiscl1en Vorgänge begreiflich
zu macl1en i t 1 , aber darnit ist doch Il icht gezeigt, daß solche ~1ög-
1icl>keiten nur bei der Darstellung psychischer , 1orgä11ge v,o rl,an den
sind . Sie ergeben ,rieln1el1r sic h überall , ,vo der }{ist,oriker von den
Vorgängen, die er darstellen \\rill , ,venigcr ,,·eiß, a ls er wissen n1öchte,
und er dah•e r einer besonderen F ä t1igk eit bedarf, tim das ih m ohne
\\'O
weiteres nicl1t zugänglicl1e ~1aterial auf cir1cm U1n,vcge zu erreichen.
Daß also der Ge.-;chichts\•, issenscl1aft aus der Rek•o nstruktion vergan-
genen Seelenlebens Aufga ben en"·achsent die sicl1 prinzipielJ v on der
Aufgabe unterscheiden, v ergangen es Sein überhaupt ken11en zu lernen,
ist jedenfalls, solange 111an n1Jr clie Eige11art des P s y c b i s c h e n
in Betracht zieht, nicl1t zutreffend. Der Umst and , daß psychisches
Leben der H auptgegenstand de1· Gcsci,ichtc ist, l1at für sicl1 allein
nur insofern eir1e logiscl1c Bedeutung, als er dazu beiträgt, daß da.s
logiscl1e I deal einer DarsteJlu11g des Besonderen uncl lndividtrellen
r11ci5t, o.,1cl1 nicht annii l1ernd errcicl1t ,vird. Das ist. jcdoct1, ,vio \\rir
Irülier gescber1 l1abcn 2, gerade eirl. Grund, die Scl1,\ierigkeiten bei
d er Fcstst.cllung v on p yctiischt'n T'a tsachen d er Vergru-1genttei t in
einem logi~cl1cn Idealbegriff d er Gesc hicll ~ \vissenschaft beiseite zu
lasse11. soll selbstver~ländlich nie ht geleugnet \\'erden,
fJnmit
daß diese li'ragc vo1l Bedeutt1ng ,verden kann , sobalrl es sich u1n das
FeststeIJen des l, is Lorischen l\latrri~lls t1ar1d clt. Nur in u11sern Zu-

'} \ rg1. G. S l m 01 e 1, P roL,lcmo der Geschich t~philoso[Jhio.


: } \ '$fl. ouon s. 289 r.

ü1g1taltzado por Goog e


- 475 -
sarnmenl1ang gel1ören diese Sch,,rierjgkeiten der historischen For~
schung nicl1t.
Trotzdem können wir hiermit die r1egativen Ausführungen über
das Verhältnis von Geist und Ge.scllicl1Le nocl1 nicl1t abscl1ließen.
E s sind nämlich aus der Unterordnung der Geschichts,vissenscl1aft
unter den Begriff der Geistes,,rissenschalt eine R eihe von ,veitver-
breiteten lrrtümern entstanden,. die besonders die Stellung des Histo-
rikers z:ur P s y c h o l o g i e betref~en, und ,venigstens über die
wichtigsten und fo]genreicllsten von ihnen s uchen ,~rir auf Grund
unserer logischen Prinzipie11 ein Urteil zu ge"innen. Zunächst deuten
y;·ir die in ,veiten Kreisen l1errschenden i1einungen kurz an, un1 dann
d,1rch sie hindurctl zu der richtigen Aufrassung des Verhältn isses der
historiscl1en. \Vissenschaften zur Psych·ologie vorzud ringen.
Es gjlt vielen für absolut selbstverstäodLich, daß der Historiker
ein , 1 Psychologe 1 1 sein muß, und solange man darti,nter nichts anderes
versteht; aJs einen Mann, der sich irgend\vie mit seelischen Vorgängen
bescl1äftigt, ist dagegen auch nichts einzuv,et1-den, denn die Kcnntnis-
naf1rue dos historischen Tatsachcn1naterials ist in der Tat sehr oft
eine Beschäftigung mit psycllischem Sein. lJierbei aber bleibt die
herrschende Ansicht nicl1t stehen sondern meint: Psychologen sind
Z\\>'ar die H istoriker immer gewesen , doch \var die Psycho)ogie, die sie

trieben, unsystematisch und un,,·issenscha ftlich . Das mußte l~ider so
sein, als es \vissenschaftliche Ps)·chologie nocl1 nicht gab. Heute aber,
wo \\1r sie be-sitzen, sollte auch der Historiker sie in seiner Wissenscl1aft
benl1tzen . Hieraus ergibt sicl1 dann ~in Glaube an eine große Bedeu-
tung de r Psychologie, die ,veit über diese SpeziaI,,·isscnscliaft }1inaus-
reicht, einerseits und ein e Ho ffnung au f einen unerl1ürten Aufsct1\\-·ung
der sogenannten Geistes,visse11schaft.c11 andererseits. Eigentlich, so
tneii1t 111an , sind ja die Geist.es,vi senscl1aften und v or alletn die Ge-
sch ichte viel interessanter un d wichtiger als die Natur~rissenschaften,
aber leider ,varen sie bisher ,venig ,,exal<.t''· und deshalb besaßen sie
im wissenschaftlichen Leben njcht die Becleutung, die sie wegen der
Wichtigkeit ihrer Gegenstände verdienen. Dieser traurige Zustand
j edocl1 ist ho ffentlic h bald vorüber. Die Psychologie nJs exakte ,vissen-
scl1a rt "''ird zum Allheilmiltel für die Geis tesvlissen schaften werd en.
SLudicrt nur diese neue Disziplin, ·und alles 1nuß sich ,vei1den . Ein
neues Zeit.alter dor Geisteswissenschaften briclLt d 1111n not,,·andig an.
Die für den l\,[cn clien ,vcrtvollst.en \i\fissen Z\\'cige ,,·erde r, in Zukunft,
danl{ der 111odcrnen Psycl1ologie, au cl1 in hezug a uf Sie hcrl1eit und

ü1g1taltzado por Goog e


f
- 476

Strenge der 1\1etl1odc ebenbürtig neben cler l atun\'i senschaft ste hen.
Sind solche Ueberzcugungen u11d Hoffnungen gcrcclltfcrtigt? Bei der
Beant,vort11ng dieser Frage scl1cn ,vir davon ah, ob die f>syel1ologie
scl1on dje SLufo erreicht hat, au.r <ler allcir1 sie geeignet ,väre, als
Grundlage für andere ,vis. enscl1aftlichc Tiit igkeit zu dienen. \\'ir
,vollen aucl\ nicut ·u ntersuchen 1 ,,·el.clten \-vis~cnscl1aftlicl1t'n \\1ert es
habert liann, ,vcnn ein 1\1a1111 der E i11iet,,,is·scnscl1aft aus der venvirrcn-
dcn F t\l le der ei11at1der bekämpfenden psychologischen SysLc1nc sich
t•incs herau s ucht, cle se11 SchöJlrer ·.-ricll<.>icht, geracte de n 111eist gena11n-
t.cn Nan1en fflhrt oder ihm pe rsönlich be.k annt ist oder a,1s irgend
cin c111 a11dcrcn Grunde fü r seino Z'\\•ecl<e gteigt1et. erscheir,t, u1ld ,vc11r1
d a1111 dies psychologi 'Cl.\e Syst.c1n, das vielleicl1L .k cine,11 anderen
P:;ycl1ologen, ,vohl abct detr\ betrcrfcndPn Einzclfori.ch•c r und c.incr
Scl1ulc a 1~ fesLstcl1cndcs Oogn1a gilt, zur Ba~is eines t,cisteS'"\vissenscl1aIL-
lichen Gcbäullcs ber1ut.zt ,virrl . '''ir (lürfeu hier n1iL den1 Begriff einer
Iogiscl1cn Idealpsycho)ogie arbeiten u11d fragen also 11tir, \\'as die
PRycl1(,logie ra r die Ge chicht ,vjf);senscharlcn hcdcutc11 ,,-urdc, , ven11
sie die Stufe errcicl1t l1 ätLc, die u1a11clte heute s<.·lion für errcicl,t halten.
Daß d~r Historil,cr, ,vic übrigens auch der Dichter , ci11 ,,1'\ Ien.schcn-
kcnr1cr'' sein 11,u ß, ,vird inan ni1·ht bestreiten, tlnrl <la es sielt bei dieser
i\{ensc11enkenntnis l1a upLsä,·h lieh urr1 das. seelisc he Lcbe11 l1andelt,

so läßl siel1 auch r1ichts dag<,\ge1\ agcr1, ,veiin n1a1\ <len }Ji -toriker einen
r~~rcltolo(l'e11 nennt. . h er kön.ncn ,,·ir 1nit diescru \\' orte a.ttc l1 einen
Begri ff vcrbi11c.lcrl, der e~,,·ns 1nit et e 1· PsJTcl1oloJ?ie zu tun tint, v on
der rr\an ei11c netu! E poche der Gcistc~"Yi~sc11. cha.flcn crliöfrt, d. h. mit
der Psyc h c► l,,gi c , ,Yie sie ~icl1 in. d\"n lctzl<!n .JahrzPhnLen al:< :-1clhstäncligc
E inzcl,vis rn::;cha rt heruu:-gc-l)ildr.t ltaL? 0111 llif'r c:lu f ci11e Ant,vort zu
eTha ILcn, rn ü~:;;e11 \\·ir Vl'r-:--ch iGtlcnc Problcn1 c vooeir1a1tcler t..ren ner\,
<le,1n die bcrz,~ugung ,·oo einern 11ot,vcndi gen Zu~an1111enl1~r1g Z\\'i-
chcn P:: - ych.0l11gie und Ocschirhts,,·i~ ('nst ttoft tritt in vcrscl1irrfcncn
1'~orrncn auf. Zunächst kan ,t n1an n1cir1 ~11 , cl.af3 d.ic J)sychologie die
,,·i sc11schn rtt i(' hc II Grtt11dlage'' ric r G(•~chie h te ,c t,,·a jn clen1 Si11i1e
s in niii:-,sc, ,vic clic _'.\[<'c hanilc. rli ' Grunfllage der I, ürpr:r,vir-s. nsch;ift.en
ist , u1}tl (iabci :,i1 Hi ,rir rlc r 1.,,·ei 1\ n na hrnr.11 11-1öolirl1. Dir Pi ne er}, lick t
llic~e Grun,llagc i1.1 ,ler l>erei ts ' 'l•rh a.11 de1 ,er\ P:: i )'<' hologi~, l)Pre n letztes
Ziel darin bc:-.Lch l, d n' grsnn1Lc Seelen lrJJcn n ~,, h Tl nL11 r,,·i~se.n ~cl1a ft- •
lichcr o<l cr gcnc•ra Ii:;.irrer1dcr ) 1c Lhncl ' 1,u crkliir('ll . 1)ic a11tlcrc 1-\ nnal1n1c
ctageg•"n di 111it grcJ ßcrP.111 \ 1 <.' rst.:1nclni~ für Jas \\tt•;-;c•t1 <ll•r G{'schichle
1

verkniipfL z11 se i11 [>flt•gt , i-:t vo11 1lcr r1bf':tu ◄•l 1})n rk <-i t clr-r }1t•l-il ' hcnd<'n ,

ürg,t~hzado por Goog e


- 477 -
r1aLur,vis~e,1 'Cl1aftlicll c11 l's)'Cl1ol()gie für <lie Gt~isles,~•is. cnschaft.en
überzettgt uncl fordert dal1er eine ucu e, cr.:;t zu schaffc11dc P:;)'c hologic
als Grundlage, dere11 ~1ctbodc sicl1 vo11 der erklürcr1dcr1 P~)rchologic
unterschcid e11 soll. l?crr,er ,a ber ist es auc h 1t1öglicl1, zu glauben , daß
zwa r e in prinzipiell andel'es \ 'erl,ält.ni z,visclier1 Ps)~cho1'ogic und
Geschichts,vi scn::;chaft einerseits als z,viscl1cn dor \\lecltal\ik unc1 den
ver3chie<lc11cn l{örper,v.isse11ischaft.en an<JercrseiL-; bcs-tolit, daß jcdocl1
trot2:de1tl die Ge chicht ··,, i:,s-cn. chaftcn vc,n rJer P ·yr,hologie abl1ängig
sind , uo<l diese Abliängigkcit kann ,vicdcr als 1nchr oder ,-vcr1igcr groß
gelter1. So finden ich 1\ nsicl1tcn , nac,h denC'n prinzipiell neue natur-
,vis~ensc::haftlic he Auf[as~u11ge r1 d,cs Sc4~lenl<•be11s aucl1 }l rinzipicll r1uue
hi "lorische Aufra::isur1gen r1acl1 :,icl1 zicl1<}Il 111üs~cn 1 ,und c11dlicl1 ,virtl
die ~lcir1u11g ,•crtrct.c11, duO di e Gcschicltl,s,vis~cr1~<'l1aft die Ps:ychologie
,,•enigsleui:- al · 1JilfS\Vi8se.r1scha fl r1 icl1t e11tbcl1 rcn kar1n. Dana,ch a lso,
sehen '\Vir, entsteheti v i c r "'erschicd ,,ne Ar1 ·ichtc,1. ie " ·erden al.lcr-
ding 11icl1t hnu1e r streng au:s.e inttnder g~l,alten., ja, e. sc l1eint, al~ be-
~t5 ndc ort ga r k c j11 B c,vußt ein davon, d aß Jas ,1\bl1äng ig kcitsvcrhältnis
v on P $ycho)()f,ic und G~chich te i11 sehr ver chicdcner \-Vcisc at1fgc ft-l ßf.
werden kann. In1 n1cthodologisc l1cn lntcrr.sso \\'irtl es nbcr gerade
deshalt) ,1 m so nr.> t,,·er1cliger !'lci n, d.ie vier 111öglicl1cr1 \ erh!iltr1i.~::-c ge-
sonrJcrt zu bC'l1nncloln .
.Die erste Ansicl1t ist so gc,,·iß abz ulehn en , ,vic clitl Unt.crordnung
vo11 \Vi1·klicl1kcit.cr1 ur1tcr cir1 Syst em zeitlos geltender allgentei11cr
Begriffe e Lv,•a a1l<lcrcs is Lal~ die Darst ellun g ilircr ein,n1aligcn zeitlicher1
individuelle11 E11t.,vicklur1 g. \ fo:11 ,ab oluL Historiscbcn findet siel1 in
den Begriffen d er P .s)1cl1ologic 1 di o na ct1 gcr1crulisicre1tdcr ualurwissen-

schaftl icher ~i et.hodc beLricbe11 ,, ,1ir-d 1 11ichts. Der lr1halt v on relntiv
hi ·t orj~ct1en Begriffen k an n s icl1 z,,~ar nait d{'1n L1l\alt ps)rcl10-
log iscl1er Be.griffe decken , aber dies ist erstc11s, ,,·ie ,vir au sfül1rlich
gezeigt l1abe11 1 logjsch ,zufällig, und z,,·eiten~ ,ko1n1r1,en dabei nur
psycl101ogisc11e Begriffe i11 Betraclit, die 11iclat der allgen1ein:;tc.-n
P s)1chologie soodcr11 den p:1ychologiscl)er1 .S pezit1lunLcr uchuDgen a11-
ge\-1öre11. Gerafle die allg~111ei11st c Psychologie. aber 1Y1üßte 1 falls der
Vergleich 111it d er Mecha1\ik eine11 Sinn liabe11 soll , die 1 ,Gruncllagc"
der Gesch.ichle \Vc1·de1l. Die " 'ürtle vorau. setzen 1 daß die gl."sc11ichl -
Jicl1e11 Dis:cip,li11er1 T eile el11cs psycllologis~hen S}' t.c111 . ind, ,d essen
B egriffe sicll nach Ucberordnur1g und ritcrorlinung z\1:;a1r1rr1c11-
sc1, ließe11 . üic Gesch ichte 111üßl,e also nic},t, Geschichte ~ond crn atur-
,,,i~:::;e11scl1nfL :-ein, <l . 11. sie 111illlte 11icht indi,·illuali ·ier• nd sond ern

ü1g1taltzado por Goog e


- 478 -
gcnerali ierend verfahren. Die ~t ei11ung 1 daß die n~lur,vis ·et1scl1aft-
lichc P sychologie G1·urtdlage der Gesclaichts,vis. e tl chaften i t ,vie die
~.lechanik. Gl'u11dlnge der l{örper,\ issenschaften, sLeht, und fällt d e 111-
1

11acl1 mit detn Begriff einer nat u.n ,·isscnscl1afllicl1en Universal rn cthode,
und ,vir brauchen l1ierat1f nicl1t näl1cr cinz.ugcl1cn.
Logisch inleres ·ar1ler i t die z,,·eit,e 1\nsicl1t, <lic eine 11 c u e Psy-
cl101ogie zur Grundlage der Gescllicllts\,·issc·rischaften n1achen ,,·ilJ.
J edoch liegt ihr \"\l·crt für die l1ier z t1 behandelnden Problen1e nu r in
dem Teil, in de n1 sie die Unbrt'\uchbarkeit der natur,~·issenschaftlichen
oder erklärenden Psy chologie für diesen Z'-'Yeck dartut. E s ist ge,viß
ricJ1Lig, daß die Begri ffe einer allge.meinen Tl1eoric des Seelenleben
viel zu inl,altsarm sind, utn dein I-Ii toriker ,vescntliche Dienste zu
leisten, und Dilthe)r 1 llnt Recht., ,,•enn er sagt, daß in den W erken
der Dicl1tert i11 R eflc ktior1cn i1ber das Le.bcn 1 \\·ie große Scl1riftsteller
sie at1s.gesprocl)en l1ahcr1, ein 1.,Vcrständois'' des ~lensch.cn enthalten
sej, l1inter ,,•elcl1e1r1 alle erklärende P sycliologie ,veit zurückbleibt. Nur
dar( 1nan tl~tr·nus der ,vis ·e11scl1aftlichen P sychologie keiner1 Vonvt1rf
rnael1cn. L\lit ihren Theorien l{ann und ,vill sie den Menschen nicltt
,,vcrsLcher1'' , falls darunter ein siel1 Hineinleben und Hineinful1len
i11 das ar1 <lern i11dividuel'lcrl Seelenleben der verscl1icd cncn Dicl1ter ,
l{ünsller, Staals1r1är1-n cr us\v. l1i tori:;cl1 l>cdcutsame Psychische ge-
111cin.t ist, deut1 das nacherlebcnde · crstel1c11 einrnaliger und indivi-
dueller \ ' orgänge u11<l itirc Unterordnung ur1lcr ein Systen1 allgcm,e iner
Begriffe si:ncl z,vei gei:;lig·c 'l'äLigkeile11, di e einar1der tLnter allen U1n -
sU1nden logi~ch ausschlicße11. Das Unvern1ögen zu s}r~tcmatiscl1er
Darstellung ist tnit der inl1altlict1en Ueberlegenheit der reflektierenden
• Literat.ur. die die 11"·olle \.\1irklichkcit' ' de~ J\len cbct1 z.u erfassen sucht,
n ot\ver1dig verknüpft. E in 1\1angcl ,väre dies U nvennöge11 nur unter
naturwisseoscliaftlich psycl1ologisct1cn Ge ichtspunlitc11.

Gerade auf
dic.senl ,,~1 angel" beruht die Bccleutung der nacl1erlebenllen „P s)rcho-
logie" für den, der niit eir1e1n historiscl1er1 Inte1·e~se an das Seelenleben
t1erantritl. Daß der His toril{cr <ler Fä\1igltcit eines solcl1cn acher-
lehens bedarf, bev.:vejfcln ,vir also nicht, nber \Vir glauben au cll bereits
gezeigt zu llaben, daß die Nol,vendigkcit ejner solcl1en }7'ä11igkeit rnit
<len l o g i s c h c n G r u n d l a g e n de r gc::scbiel,tlicl1c1l \1/issen-
scl1aft ur1d be:;ooclcrs cicr gcschic.l1 tli cl1cn D a r s t e 11 u n g it1 keiner
,vescntlicl1cn \ fcrbi11du11g ti LCh_l. Uie gcscl,ic.lrLlici1e 11v olle V\'irlc.lich-
1
Jdeon uber eilte bes chreibende und zerglicdorndo P sychologie, a. a. 0 .
s. 1309.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 479 -
keil 11 des )le11scher1, die der l Iislorjker 11aclizuet·lebcu ~uch L, li-iUt ·ich
eben niemal i- n ein Netz vo•n Bescl1reibung n einfangen, fJenn jede
systernatis ~hc Bcarbei tur1g dieser Erlcb11is 'C111üßtc gcnerali~i rcnd ver-
fal1ren und \ ürde so den Objekten gerad·e das 11elu1lc111 ,,·:.t ~
sie fii1·
de11 l li::S Loriker bedeutungsvoll rnachl. Es kan11 11 ur e i u c ,,·isscrt-
~el1afllicl1e })S)'cl1ologio gchc11, in cie.r alles Platz finde1, .1nuß, ,vf s
für eine ~y~tcmaüsct1c \\1i:,;scn chufl vom ~ celculebcn übel'ha:UJ)l in
Frage ko1111nt, Utld da sie 11icl1t. Grur1dl age dc1· hislot·ischcn \\'iss ,n-
schaflen sei11 kan1l, ~O ist cler Geda11lt e ei11er \\,itsc11scl1aftJich-p ycho-
logi_chen 1 ,Gruradl::1ge'' d·cr Gcschicl1tc überhaupt unh altbar„
Die c ,;\ nsicl1 t beruht nuf so cjnfuclu~n , ·orau ~•otelz.t1ngcn da.ß sie
lä.n gsl nllge1nci11c A11 ·rl{e11r1ur1g ge funJ e11 l1älLc, ,,-cr111 rnon boi <lern
V ersuche, <l:i Verhä lt1tis der v crscl1ied nen \' ·1sse11.::chaft.e11 zueittandcr
rl

zu verst.el1e11 , sLet.:; vo,n logi~chcn Ge ichtF-pt1nktfn at1~gega1)ge11 ,väre.


Da man .nbcr P s~1cl1ologie ttn d Gc:-.cl1ichts,\·h;~e1,~cl11 ft gen1cinsan1 unter
clen logiscli ga11i unbc:>Li1r1rn~n Begriff der G istcs,vis. cn!-chaft
braclrtct so e11tstantlen die so n<lerllarster1 .-\r1 ichtcn. Der Historiker,
cler in <ler P )'"cl,ologie nicl1t das findet , ,,·as er braucht, l, lngL über die
Psj1ci10Iogcn 1 und der P ycl1ologe, der in der Gescl,ichte nicht.s findet,
wa:; ihn ii-1teressicrt, hält ciics für einen lichter· der 1-listorikcr. B eide
haber1 gl cicl1 Unrrr ht. Sie seheri nicl1l1 daß tlcr l-listorikcr an dem
Seelenleben ein vollkon1n1c n artllcres Intere:-se l1Ht al · der ,,·i~se11srhaft-
licl1 arbcitentle Ps)'Cl1olugc, und <laIJ dall(!I' die gt'schichllichc urJ,J dio
ps)'C ho1ogiscl\e Dar:;lcllu11g die~es ~Jalerja ls not,vendig lügisl',h au~-
ei n a11d crfallen . Der rJ ist.ol'ikcr i5t , ,P:, )·r l1c,loge" nur in de,11 Si11n,
daß er J( cnntnisse von be!>tin1rntr n in(li,•iducllcn 11~y<'l1ischei1 or- ,r
gängcn brnt1cl1t 1 l1aL ab 'r k l• inc \ erar1las:;t1nt:r 1 rlic:-c l{ cnn lrlis~o in
eine allgcn1cir1c Tl1corie vo111 Sculc1..~lebct1 u111zusc tze11. Ja, die~e all-
gc1r1einc 'f heorie ,•1ürcle gera<le da ·1 ,,·n ihn1 ;tn dc11 Ke11nlr1isse11 1
die er bat, ,vesentlich ist, z rstörcn. Der P;;~·chologe gPl1t un1gckehrt
immer auf allg~111eiric 'fJ1co ricr1 übc.r scclisctic Vorgänge aus , braucht
sicl1 aber dabei unt die llistoris-ch-pi;yC'h ologi:-,cho l { cnntn.is nir-ht
,vcitcr zu küm1ncrn, als je<.lcr ·at•u n\'i ssc11scha{tlcr <las ih1u orli c-
gcndc ~J aterial :tu b erü •k:,ich tigen hat. Soll troi .1.de111 !-o,,·ohl der
}listorikcr ali attch der Jlatur,\·is~en ~chaftlich v crfal1rcndc Tl1corelilier
,,P:.;)'·chologe" gcnl'\r1nL werd en, so muß da' ,\.ort z,vc,i gartz v cr-
sclticdcne 13cdcutu1,gc11 b e ko1n1ncn. I1r1 erst en F ,die b ez •ichnet es
darin c.i11cn :\len:,cl1cn, d er Iüliig i::, t, incJ iv i{luclle Jl:-.)·ch i~chc \ .' orgänge
na chzuerlct,en , itn anllcrcn Falle dagcg n einen F or:-cl1cr. clcr allgc-

D1911 11,ado por Goc,gle


-
1ueine J):s)'Cl\ologiscl1e Begriffe. z11 hilcJcu "'Cl1T1ag. ~l an l<önnte die. c
Z'vei J\ rten v on Ps) chologic m it l1ü.cksic11t a u{ de11 a llgcmei11ste11
1

logi eh 'fl Gcg..-r1satz von atl1r und Gesct1ich.te als h i s t o r i s c h e


und n a tu r ,v i s s e n s c 11 a ( L J i c 11 c P sycl1 ologie v onejnander
schoiclcn. Da 111:1ri jedoc l1 in der rintur,vi:;son chaftlicltcr1 P:;yrhologie
allein \Vissc11sc l11:1ftl.ict1c E rkPr1ntnis erblickc11 darf, d ic l, i.storisc h-
PS)'Chologi c hcn l{r.;nntnis:-c dagegen zur Wi~~enschaft ei11c B czicl1un g
nur insofcr11 l1 abrn, als :iic ein f'ür die Gci,chict,tc uneutbcl,rlicl11.'.'S
)laterial cntJ1a ltcr1. so ist t111 t.er „ t1isl.1>risr.J1cr P. ~1cl1ologic" riien1al.s
ei ne bP.sor1rlcre \\1 i$~enschaft , ,0 111 ""'cclen lcbe11 ~lt v rstehPn . '\'ill
111 an de. hall> rli esf't1 r\ u!-rl ruck. 11 ich l g,r llcr1 la.s.scn , ~o ist a uch dngegen

,veiLe r ni chts hll s,1gcr1 1 nur so ll 111ar1 dann die J{cr1ntni · se, die d e r
DLCl1 tet ur1tl cler l\Icn:;chenkc11r1er i111 fJrak I isr l,en Leben l>r•si lzt, eb e11-
f all:; nicl, t tlS.)1t· hologi ·cf\ ue1111c11. u !'11n d ic::e ,,P~:ycl1ologic'' stch t, de·r
\vi·-~ensc ha rtlichcn g 11crali:;ier<'nd r-n P~yehol(,gic r1icl1 t 11äl1cr a l dje
P. )'Cht1 logie cint~s b e s ti1111lllC11 his wrisr lt<'11 \ r4Jrga n 1; ('S. Shakespeare
ist df\n n el>c•11so,,·enig ein ,,Ps)·cltologe" ,,·ic iro-en<l cir1 großer J-lislo-
rilier .
Freilicl1, diclitcri ·el1c Gr.stu lte11 ,,on ,:Jl~}'Cltologi5('11r r \ Val,rhei t ' '
-ZtJ scl1affert oder lcbe ude ~l er1sc hen , ntit dencr1 11,nn Jl <'rsö1llicli \'t r-
kchrt, richtig zu bc>"t1rLci lc1\ 1 isl '"''icdcr n oc 11 c t,\\.'Q S Qr1{l crcs, a ls ?if cn -
scl1cn der \ f crgang(•nl1ei L aus den Qnclle1L 1 ich Lig zu re\{onstruicre11,
aber ,vora ur d iese Vcrsr hicclr 11l,eiter1 rlcr 11icl1l\\- is e11:'>t hafllichcJ1 Artcr1
von P sycl.1ologic ur1 Le1·cin a1,d1~r br•ru het1, l1abct1 ""jr hier 11irht ,,·eilcr
zu untcrsur hen. Nur <l nrn11f ko1n111 L es an , <laß da- l\f aß aller die e1·
,, p ~)rc hologisc he.-1" Ker1n l.1ti::~e u rt<l F ä hi gk.eitc11 11jch t v on rl c111 )f H.ß
,vi:.'.'scrlscl1aftlich-p:-;)'C hologi:1el1cr J{·c nnt,niss.c al)hilnµt. \1 ;1n ~ci ll t,c dc>ch
ci11 se l1cn, Llaß jen1ancl c1>oc l1rtl1nch('n1le p::.ycl1ologis<: hc 'l'l1coric11 atr f-
gcstellt, hnbe11 ka n111 0l1ric die gcring:;te Begal)ung für li tlrl~llerische
Gcst::\ll11ng 1 rii1· ~t ensr.hcnl<cnnlr1i~ i111 1,raklisc hc11 LelJe11 \Ind für
Rel(o11 ·truktiun d<>~ l1i~t(1 ril-c.hcu celcrdcbcns der Vcrgange11hcit zt1
besitze11, und daß u nq;,~kf'h r t, der grußLc l,ilr1:,;llc1·i~c·lie ,,l-~s)'·cl1olog~",
( lcr gc,,·icgtcslc ~tensc her1krnn<'r und drr Sch{>pf•"r , ,011 , v crk.c•11 1 die
cir1c crs.t n.11111 ic hc J:'fi li igkci t. <l cr 11i....;Lori.-c h-11$yC hol0gh;.r l1cn Rclior.-
sl,r11k tion h o,veifl,•11. ,:cJn J)s~·ch,,logiscl1,. . n T h<>nricn, die a uf gt·neruli-
sieren<1c B cgrirf~l,ildung nu~grhl'n , kci rie 1\ h1111 ng zu l1allc n brat1chc11 ,
und da 110l\\'e11cli j"f fü r d ie Gc:-chi,;ht~,,-i:(::-C-11:-icl1HfL n ur die l.i:-L,)riscl1-
P' )·chologi~r hr- n f~ r k(1ns t ru lilit\r1 cr1 sein liöOn(·11. ,,·j r<i ei,, clH r111 ,voh 1
.nicht 0 1('l1r nl.s „sc•ll):-t~·("'r~Lä11,llic h4 ' J:t(•l lr u, ri:iß clie Gesrhiel1 te der

•·

D191, h,ado por Google


- 481 -
,visscnsc;,hnrllichen Psj•cl1ologi.c a l~ Grunrllafl'e Lcdarf. El1cr ,vird der
Historiker viclleicl1t F a lligkeiteo haben mt1 sc11 , die -d enctl des l(ünst-
le1·ischen P, )·chologen oder des ~:Jen c.hcnkcnners ,ven igste11s ver,\·andt
s ir\d. Dc)ch if-t. seih t clics z,\·eifelhnft, un,J abgr, che11 hiervo11 li'lßt sich
der Teil der hi st.o ri::;rlicn Tätigk ~iL, der mit. der künstleriscl,cn ,,l1 $)·c110-
• 'ogie•1 ½Usa1Y1t11cnl1ä ngt, au s den früh er angC'.gebcncn Gril1i<Jen tlic }1t
.8\1[ log ische l;;-on,teln brinnon , d c11n es ko1nn1.L hier ,,·iedcr jC'nt eigcn-
t üt11lii.: hc l 111klei<lu11g der hist.,01·isclte1> B e "'riffe n'lit a11~ch.a ulicllem
Inhalt in Bctracl,L, v o r1 der ,vir früh er ge!--prochen haben 1•
\iVjr gehen on1it 1.u der an dritler SLclle gcnannl,en i\1 ögliclikeit
über. \\.rirrl dc•r Historil,cr, aucl1 ,vcn n e r nicht ,vis-senscl1aftücl1c
psycholugiscltc l{ cnntr1i sse braucht, nicl,L du rcl1 die l1errschc11uen
psycl1oll)gischcn 'l-.l1eoric11 über da ' ~ 'rse11 des Seelenlebc.ns direkt otler
indirekt, be,vuOt oder unbe,vttßL b ei cler Au[fns:st111g des gcschicht.,lichen
Gci!',teslellcns beeinflußt ,ein , ur1,J. muß insbe:;<1ndcre cir,c v ol lständige
\Vancll11ng in tlcn p:-ycho logiscl1c n Ans ichtc1111icl1t aucl1 Veränderungen ·
ju d er Ge-~chieltt,s\\'is 'Cr1scl1afL nacl1 sic.11 ziellen? Seih~tvcrsUlndlich
ist diese F rage nic!,t tt1it einc111 ei nfachen tl in,vci auf den logischen
Gcuensatz von raLun\;~scn.schaft und ·Gc ·chichte zu beant,,,ortcn.
fJnß die allgi!rr1t>ir1en Al1ff assungen v on1 \\fe~cn. (lcs Seelcrileben. den
H ,istoril(er· b ccinflt1ssrn k ö n n e rt, unterliegt keincrn z,veifcl. Frei-
Jicl1, an nc•ga tivcr1 l r1F-l.a rlzen gegc11 <lic B ch~u}) t ung ei11cs i1111l1e r vor-
ha111Jetlen Abhü11gigl,,eits"·erllfiltni. scs düi·fte c-s au ch nicht fchle11,
d enn ,vir l<,•nnen gr◄1ßc Hist oriker, die uni- rlurch Il1re t1i t ori:-che
, ,P~ycho logic'' Bc,,·und'c rung abnöti~en, und die von iner ,vi~sen-
~ch:lrtlich-r>s~·ct10lo<ri::i<•hcn 1' heoric s<·l1on a11s ,l . . 111 Gru nrl • 11iCllt nb-
11il11gig siurl 1 ,vcil c-s zu ih rcr Zeit ,vi:-,sc11;-;cl1artlicl1-11sychologiscl1c
1'}1eoriPn c11t,,·edcr Ob •rhatt1lL 11ichL aab. ocler llorh dies ~fl1eoric-11 von
<l••r .t\rt ,var-cn, daß jetler EinfJu.ß auf die Gesrl1icht.s,,1is~c11~cha ft i-ich
:-ehr t1nang(•n~h.,n b en1erl,bar n1ncl1en rnüßLe. Sehen \vir aber , ·on
die,:,:cr •1 un<':.:lio fttcti a b, so l~ißt si~h ,vie ge~ngt.1 rlic bloß e ~1<}glicl1keit
einer B c(•influ~i,1,ung des Jli~t..oril(cr:- d,1rch die ,,·i::-sen~chnfLlicl1c 11 S)'Cho•-
l<lg ic ni r ht \'O n vornchercir1 all\\'Cii-et,, un<I ,,·ir rrtti:--i;en ual,er i1uc l1
au f (lie Gcda11Jtcr1 r1oc.:l• ci11gelie11 , die herangezogc11 V.'t•rtlcr1 , ,1,·c111, di-e
Abhüngii,!k,~i t clcr Ge::<'hicht:-,,·it-:,;~ns<'haft v on der P:;~:cliologie unrl
ciue Rcrni-111 <l\\S hi~u )ri~r hen Vcrf,1hrer1s auf Grt1ncl ei11 "r v öl lig v Pr-
iln(lc rlf•n r~:i-·chologii-chPn .\ uffa~:: u11g d e.~ ScC'lcn l..- her1:, a l. not,•,cndig
rli,rgr t~,n ,,·c r(l en so ll.
1 \ 'gl. obon . a1.:, rr.
Rl,·ker t, G,1•Pzl'n l!. Aufl . 31
,,

0191 lt ado por Goog e


t
'
- 482 - •

A111 b esten ist da , ,vorauf ci; ank.ommt, ,vierlcr an einem speziellen


Fall klar zu machen. z,vei Arten von P s)'Ct\ologie uncl in Abl,ängigkeit
von ihnen z,vei Arten vo11 geschicl1tlicher Aufr.a sung werden oft
einru1der ge:gcnübe1-ge8t ellt. Die ältere P sychologio soll , , Ind i, ,id.ual-
psychoJogic" in de rn Si11ne ge,-vescn scir1, daß sie nur das v ereinzelte
Incli·vidt1 um ka11nLe un.d alle Gruppen von Individuen oder alle ge e11•
scl1aft.lichen Gebilde daher für äußerliche Aggregate hielt, die dann 1

aucl1, ,vie z. B . der Stant, als d1trch de11 bewußtc11 Willen d.er In-
djv iducn entst.anden oder 11 gegrü11det" gaJLen . Die Folge clicscr In-
dividunlpsycl1ologie war - ' so 111eint n1an - eine ,11 indi,ridualistische"
Gc~cl1icl1tsauffa!isung, die eb enfal ls nur v on vereinzelten lndivid ucn
wuß~e u11d de halb auct1 kein anderes In tcrc!:)se l1all.e, als die ein-

zeli1e11 P ersönlichkeiten in ihre1n , v oll "n uncl Tu11 darzu ·t ellen . Diesen
Lehren der I ndividualpsycl1ologie is t jcdocl1 in n et1erer Zeit die s o-
z i a 1 p s )1 c ll o l o g i s c h e Ricl,tung entgegengetretc,1, die den

einzelnen 1'fen chcn i1ncr1c1· .n.ur al s Glied eines ,,Allgcmei11en'• a uffa ßt
und d aher begreift., daß jerler nur in einer Gesellsc haft. zu de1n ,verdcn
ka11r1, wa. er ist,. \ Vill also die Gc~chichts,vissenschart nicht hinter
dieser neuen Psycl1ologie zur(icl, bleil)en, . o muß sie ebenfalls il1re
AufrnerksamJteit ni cht. so „ehr dem einzelnc.n lndivi<l u un1 a!s vielnlehr
dem sozia len ZusammenJ1ang Z\1,vendcn ur1cl den gcscl1icl1tlichen \ 7er-
lauf als ein en sozial-psychi!:icl1cn Prozeß v erstehen . H ä lt inan dies
filr richtig, so scl1eint damit die not.,vendigc hhti r1gigkeit d er Ge-
schicl)ts~•i scnscha ft. v on der P ~ycho·Jogic d argetart.
Aber kann m~n rlas für ricltt.ig halten ? Bedar! es nach t1nscren
A usfühl'u ngen über derl historiscl1en Zt1 a111rner1hang noch la nger
Erörterun gen, tlll'l itt zei.gcn, dn.!3 diese gan1...e l( onstruktion in de r
LufL . ch\\'ebt? elbst \Vcnn n1nn Zltgibl, ctnfJ eine ,,Indi"·idualpsyeho-
logie" in cler11 Si1mc existi ert l,at.1 daß sie nic-J, ts a.J\dcre~ als v erein zelte
l n(livi<lucn ut1d deren äußcrlic}1e A<~rcgatc l<nnn te, . o hAt gerade
diese Psychologie sicher lteine 11indivi<'lualist i ehe" Gesc hicl1tc her-
v orgebracht, d. h. nir.ht duzu geführt, floß di•c Gcscl1ichte i1u:livid uaJi-
sierend verfuhr, (le1111 sie ist, n icllt i11rlivi<luali~tisch in dem Sinne, \\rje
die Ge„chichte es ist, ,ven n Piio l1:1clivirit1en bcl1and clt. Diese Indivi(lual-
P sycl1ologie ist viclrnehr a t o 111 i s i e r c 11 <l u1Jd da11cr n1it cin~r
individua lisicrer1d. ,,erfal1re11de11 Geschicl1tc prin1.ipicll \lnvereinbar .
Die at.o111isierende 1 ,lndivid11a lpsyehologie" sic}1t a lle lnrlividt1en als
g l c i c 11 an tind rr1uß e als 1'lllgc111cir1sto Theorie v o 111 Sccl(~nlebcn
tu11. Die Gcsc11icht.sschrcil>u11g d«gt~ger1 hat sLets il1r lr\ leresse a,u f die

ü1g1taltzado por Goog e


- 483 -
individuellen Differenzen geric},tet. Die atomisierende Jntlivicll1al-
psychologie muß ferner jedes Individuum, un, es zu1n Exemplar eines
Gattungsbegriffes zu machen, aus dem realen gc chicl1tlichcn Zusa1n-
m cnl1angc herauslö en. Die Gcschicht ~scl1reibung dagPgen st.ellt das
Individuelle in seiner \ 7el'knüp[ung mit d er individuellen Um gebung
dar. Stünde also d.er Ilistoriker unter dein Ei11fll1ssc der atornisieren-
den Psycl1ologic, so '\·väre ein Interesse an der indi,ridueJlcn Wirklich-
keit gar nicht möglicl1 1 und an cine11 Zusammenh.a ng Z\Yiscf1cn atomi-
sierender „Individualpsycl1ologie' 1 und individualis ierender Geschichts-
schreibung kan11 dal1cr nur der glauben, der Atome mit Individt1en
ver,vccl1selt., ,vie dies ,,1ohl alle Anhänger der nncuen'' l1istoriscl1en
~fet.h ode tun. Dem Glaubo·n an ci11en Zusa1n1ncnl1ang der angcblicll
veralLeten lndividuaJp ycbologie 1nit eiI1er Ge chichLsschreibung, die
·sicl1 hauptsächlich für das Indivicluelle interessiert, liegt n icl1t s anderes
als ein ~1jßverstänclnis .z ugrunde, das durch den bedenkliche11 T er~
rrunu~ 11 Indi,1 idualpsychol9gie" hcrvorgcrurcn ist .
F erner ist die ga1,ze Auffas~ung eines G e g c n s a t z e s von
Individt1nlps)1 cl1ologie t1ncl Sozialpsycliologie ilbe1:l1at1pt un.h altbar.
E s gibt p!-ychisch.e v\"irklichkeitcn, die sich ps)rchologiscl1 begreifen
Ja cn, ohne daß d abei au[ dcr1 sozialc·n ZusammenJ1ang, in d em jedes
Individuu1n steht, Rocksiellt genorrnnen zu werd en braucht, u11d z,var
sind dies die Vorgänge, die unter die allger11cinsten psy chologiscl1en
Begriffe gehören. l\fit ih11en hat es die sogenannte Individualpsycho-
logie zu tun, die \Vie jede nac l1 natu nvissensoha!tlicl1er ~1etllode gene-
ralisierend verfahrende Disziplin il1r at.orn isicrendcs, die individu ellen
Unterschiede und clen realen Z11 a11,rnenl1ang a,1fl1ebondcs Verfah·rer1
mit Recht an,,·end et. Die Sozialpsycl1ologie tritt hierzu nicl1t et"\va
in einen Gegensatz der Art, daß s ie dies Verfahren zu beseitigen ver~
s ucht. Sie l1at es n11r ni cht mit dem Seelenleben überl,aupt ondcrn
lediglich ir1sofern zu tun, als es it1 seiner Gestaltung durc}l den übera.11
v ort1a.nrlcnen sozialen Zusamn1enhang der Individuen untereinander
beu ir1<,t ist. Ihre Bcgri ffe sind d esl1alb ,veniger allge1riein 1 d . h. sie
gelten nur filr soziales, ni cht (ur Scolcnlebcn übcrhau,p t , so ,vie dje
biologischen Gesetze nicht auf !\!atcrie iiberllaupt sondcrr1 nur auf
Organi. n1e11 .a nzu,vcnden sind . Die ~ozial-p s) chologischen Begriff e
0

kö11nen also die allge1r1einslerl Begriffe der „ Individu alpsychologie'(


ebenso,,•enig v erdrä ngen, ,vie C' der Chc111ie ei11(allcn ,vird, claß für
die ~latcric nur die besonderen cl1emischen Gesetze und 1ucl1l auch
31 •

D191, h,ado por Google


1

1
- 484 l

di& für alle ph ys isc ltcn Vorgär1gc übetltaupt gelte nden Gesclze der
l\lcchanik gebiltlcl ,verden solle n.
Schlie ßlic t1 ~t.et1t die Soz.ialpsy · hologic dor F r,tge, ob cinz.clr1e
P erriönli hlceitcn eine Bcdcutu11g für <lc11 l1i lorischen \ Terlau[ b esiL~cn
o<le r nicl1t , notwe11dig indi.fferent ge.genü ber. '\Vir ,visscn, daß die
E inord11ung in soziale geschichtlic he Zusarr1111e11hii11ge 11icl1t cir1e Un-
t erordn-u ng unter :;ozjalps)'Cl1ologiscl1c Begriffe i ·t. , uncl ,vir haben
ferner gPscl1cn 1 daO clas Maß. in de,n ab~oluL l-IisLoriscl1es für die
Darstellung ,vesen Llich ,vird , ollci.n vo11 d en leitentlen ,vertg(!~ic ttts-
purtl, t en der Bcgri f(sbiltlu11g a.bl,üngt. Die i tcinun,g also, ll.a ß eirl•e
so1.inlps)·cl1ologi~che Auffassung ei11e 111ehr 11atur\\'issensct1 aftJicl1c oder 1

genoralisicrc11dc l1i~torische ~1ethode in1 Gefolge haben rr1ü s e, beru l1t.


,vicd e r a uf der Verwech:--1ung des allgeme in en natur,,'i:sc11schnftlicl1cn
B ogrifrs 111it d em ;,nllgen1cinen'' historischen Gat1zcn oder l( ollckLi, ·um.
H6cl1~t<)n · ltönc1to n1ar1 bel1aupt.cn, die Su:t.iaJpsychologic lcl1rc, daß
jelles ltlclivirJuu n1 in eit1,c1n größeren Zttsnrllnle11hange lebt, und daher

l1abc sie, \VCnn sie auch kei ne neue l1isL01·ische ~Jethode herbeifül-1ren
könrie , docl) ,venigs lcn d ns \ Terdien t, d ie Gesc hichte at1( die sozialen
Zusan1n1enhängc hinge,viesen und zu ihrer größeren B crü-c ks ichtigttng
angeregt n1 l1abcn. Die Ric11Ligk.cit einer . olcl1cn Bchaupt1-1ng kann
or,schöpfc11<l nur Jurcl1 eiue hisLoriscl10 U ntcr~uchu1lg geprüft ,,·erden ,
a,ber als ,,·ahrschcinlic11 '"ird r1la11 es ,vohl b c 1.-c ic ht1i'11 dürfen, daß die
Sozia lpsychologie utnge kchrt 1nchr von <l or Gcschic l1t.c gelernt l1at als
die Gc:;;cl1icl1t,e \-'011 <lc r Su zi a lps )·c hulogie. Die tltit jccler 11a lurwissen- 1
S-<;l1aftlicl1en Bcg ri[fsl>i'ltlu11g r1ot,ve1\dig vc rb u1ld er1e Neigur1g zur Ator1Li-
s.ieru1lg kontlle ir1 de r- P ~ychologie le i ·ht clazu fii h re111 claß l11an alle
psychologil:icl1e11 Probleme v om Stanclpunkt des Einzcl)le,-v ußtseins
· z·u lösen untcrnahn1, und 11ic hts ,,·ar gcei l'nc tcr 1 v o r solcl1cn, c r:;uchcn
· zu ,,,arnc11. al$ e1r, Blic\{ auf da · ,..escl1ichtlicl10 Leben , d as u11s tlen
tl lcr\::.chen überall in rcalcl' Vcrbiildung u1i'L s •incr U11,,vclt 1.eig t.
Docli ,vir br-nu <;hen rlics liicr ni r.t1L ,rc-il-t!r ztJ verful~e11. E s s lc ht
( st , tl a ß kcir,e allgcn1 'ir1c 11c:1t.ur\vj s:ie1.1 scl1afLlich-J) ·ycl1ologi. ehe Auf-
(as_ung von1 \\'e~cn <ler Seele an (1.cn logischen G r u n rl p r i n z i-
p i e ,1 de r in<li"·i(lu nlisicrcr1clcn und ,,·c rLbezich r nclcn l1isl,o rischcn
~leLl1otl e irgen<J cl,,vi~s änd ern kHnn. F a lls clic llisl,o rik cr friil\cr die
den gröflcrcn Grur)1u;n oder l\1~s~en " C11tci11:-:a1nen. Vo,·günge zt1 '\\'cnig
berücks ich t ig t hnl>cn 1 so t rug die lnrli,rjd unlp~)'Cholngic <iuran ~bcnso-
,ver1ig rl ic Schuld , ,,·ic ,1ic oz.i t\ 1fl S)' Cl10 l<,gic ci n \ 1r.r,Iienst cl a ran bat,
da O J ic=, lu:11t,c a tt(l ~rs gt~,vu rclcn i:-t . Es s ind. Ierliglicl1 c.lie lei t en~icn

ürg,t~hzado por Goog e


- 485

W ~rt,gcsicl1tspttnkte dci- Darstcllu1lg1 die sicta \.•ermehrt tind clrunit


eincrt Zu,vaclls auch im Stoff der Gescl1ichte h,e rvorgchraclat l1a.bcn .
In bc::.ondere d(irfte die eben er,v.ä hnte Veränderung darauf bcruher1,
daß rr1an ge11cigt i. t, <:lic Bcc:leut11ng der \\'irLscl,a fl ge chichte, d. h .
J en Einfluß cler ,,-rirL~chaftlichen \ ' orgänge auf die gesch.ic'htlichc
'
Ent,vicklrtng fiir ,vesentli ~her Z\t halten al früher. Ob da.., herecllti.gt
ist oclcr 11icl1t, geht un in <l iesern Zusa1r1me11liangc nicl1ts an. 1\1 it
dem Unterschiecl von lndi,,idual- und Sozialps}·chologic l1a.t cJics
jedenfalls nicht das Geringste zu tun.
Es bleibt ~ornit t1u t· noch d.ie Frage ö.brig, , ie ,vcit die Psychologie
als F-1 i l r s ,,, i s s e n s c h a f t der Gc~chicl1te angesehen ,,·er<le11
m\Jß , ur,<l dies ist keine Frage , ron p rinzit)icller log ischer Bedcutt1ng
mehr. Da al le psychologischen Begriffe allge1nein sind , o kann il1r
lnhnlt ers ten~ mit d c n Begriffen dor Ge.schichte zusa1-nmenfallen,
die von einer historiscl1en Da rstellung als Begriffselemente und 1'itittel
bet1u Lzt ,verrlcn, ttnd z,veilens mit de11 relativ l1istorisel1en Begri(fcn .
Ist aber die ~lö{r}icliJi.eiL, psychologisc he Begriffe in der Gcsc11ichte zu
vel"\Yenden, nur diese beiden F älle bescl1riinkt, so sol1en ,•,,i1· auch,
daß dio Frage nacl1 der Bedcutun.g der PS)'cl1ologie als I-Ulfs,vissen-
schaft für dc11 1-lisLorikcr mit der Frage zusarn mcnfällt1 \\.·eiche Be-
d.eu tung d.ie natu t'\vissenschu!Llic.hen BesLa11dtei le oder die generali-
sierend gebildet en Begriffe in der Ge:.chicbt \\ issenscl1aft überhaupt
1

haben . E s bleibt dal1cr nur nocl1 übrig, die bereits bekannten logiscl1en
Prinzipien au. drücklich at,f die l 'at nche ztt beziehen , daß die Ge-
schicbL<;,vis cnscbaft es t,a,u ptsächlich rnit der Darstellung psycl1iscl1er
'Vorgänge Zll t t1n hat.
\Vas zu11ächst die allgcn1.einon Begriffs e l ,e n1 e n t e und be-
sonders die bei einer hisLo,ri!:-cl1e11 Kausalvcrknüpft.tng u11entbehrlicl1en
allgctn,cinen Begriffe belriiftt so kann die histo ri~cl1e Darste11ung
eve11tu•cll ge,vinr1c11 , \.VCnn sie !'itatt der u11\villki.irliel1 en tstanclencn
K eru1t.nisse ,visscnscl1aftlicl1 fixierte Begriffe benut1.t. Daß aber das
Be<lürfr1is da11u ·h sehr groß sei, ,\lird rnan bez,vr.ifcln dürfen . Au clt
,vcnn c. sich \Jm d ie Dars tellung kompliziertet u11d Ire,nclarlig •r seeli-
scher \ rorgängc l1andcltt vcrstcl1cn , ..rir, ,,,as gemei11L ist, ob,v-u hl our
die un,\·illl{ürlic}1 entstandenen und ,visscnschnft1ich une 'aktcn l(ennt-
ni.'>!;C über l{ausalzusarnrr1er1h tin"O da.bei \ 'er\VCo<l11r1g gcfl1ndcn haben.
Blicken ,,rir v ollends auf die \Ve1,•ke vo11 }li::. t.o1·ikerr1, zu tlcrcu Zeilen
es P yclaologic als \VisRenschnft noch 11ich L gab, ~o ,,·e1·de11 ,vir ge,,·iß
nicht geneigt sein, viel von dc1· Ve.1"ve11clung ,vissenscha ft lich p 1,) 'Cl10•

ürg,t~hzado por Goog e


- 486 -
logiscf1er Begriffe als I\{ittel cler Darstellung zu er\\'arten. Wir ver-
stel1en die Seelenschildcrunge.n des 'l"'hukydides ebensogt1t ,vie die
eines modernen IlisLorikers. J ede11fa11s ka nn durcl1 d ie \ fer'\\·endung·
,,,issenschaftlicber Begriffe als Elemente in den l1istorischen Begriffen
an dem "''cscn d er l\ist:.oriscl1en ~1etl1ode prinzipiell nicht.-, geändert
• ,verdcn .
Außerde1n , rermag die P sychologie auch f(ir die relativ histori~
sehen Begriffe der ~1assenbe,vegungen von Bedeutung zu ,verden ,
\ve1U1 diese Begriffe so allgemein sind I daß sie mit de11 in p~ycl1ologi-
schen Spez_ialuntcrsucl1ungon ve1"\vendeten inhaltlich koinzidie1·en .
Docl1 ,vird die psychologische Forschung nu r ein en Teil der geschicht-
lichen Darstellung bcrü.h ren, und die Brauchbarkeit ihrer Be.griffe
muß in d.emselbc11 tr1aße abnehme11, in dem ihre Allgcmcinl1eit \\'ächst.
Die allgemei.t1sten psychologiscl1en Tlleoricn urid die elen1enLarsten
.
psychologischen Begriffe l1abe11 für die Geschichte keine Bedeutung,
und ,ver gar jedem Historiker e111pficltlt , in eine1n psycl1ologischen
Laboratorium St,1dicn zu macl1en 1 darnit er dadurch ,,,t(issenscl1aft-
lichcr" Geschichte schreiben lerne, muß in den Vcrdacl1t komrnen,
d.aO er "vecler von dern lntialt bi~torischer \.Verke noch von der Tätig-
keit. des experi111e11ticrenden Psycl1ologcn et,vas weiß 1 denn gerade
die an kilnst!ich isolierten , rorg:\ngen gebildeten Begriffe ,v<:'rdcn nie !
mit de11 hist or iscl1en Begriffen zusa111111eufallen. Nur bei cler Be-
scJ1äftigu,og n1it ab110:rmem oder den meisten 1"1enschcn frerndartigem
Seeler• lc h c11 kann ein Hist oriker das Bedürfnis fühlen., durch p )'Cl10-
logische Studien sicl1 nut seinen1 l\>f ateriat im a 11 gemei n e n et,vas
vertrauLer zu n1~t•c l1cn I el1e er an scit1e spezifisch l1istorische Arbeit
ge ht , und auc h dann bleiben die nat.unvis.senschaftlict•cn Begriffe für
il111 st ets ~1ittel zur Darstellung des lndividueller1. Aber, alle diese •

Frag~r1 ::;i11d fü r un s von keiner prinzipiellen Bedeu tung, denn wie \\'eit
r
die \ 1er,vendung ,,,iss-e11schaftlicher Begrifre der Psyct1ologie in der 1

Geschich te auch gehcr1 möge, solange es sich da.bei uni die f>sychologie
als l lilfs,\·issenscl1aft }1andelt1 ver111ag sie nien1ftls von ents heidender
Bedeutung für clie hisLoriscl1e l\.J c t h o d c zu ,,·erden.
Das ,vir<1 beson.dcrs kJar, ,venn ,,,jr scl,ljcßlicl1 uocli l1ervorl1cben,
daß ebe11so ,vie clie ps)'Chologiscl1e11 Begriffe auch die allgemeinen
k ö r p e r \1t·is enscl1a fLlichen 'f h,co ricn für den l iisloril(e1· brauch bar '
sein könn-en, cle11u un·1 z. B. zu. ,,l'r. tel)en , "'"arum die Amerik.a oer so
leicht über dio Spanicr 1 oder ,raru1n dio J a1)aner so leicht über die
Flu:ise11 gesiegt ltaber1, ist. es t111ter a1tclere,n aucl1 nötig, <laß ,vir ct,,,a.s

0191 lt ado por Goog e 1


1
- 487

Ober dje Un tersc hiede der von clen beiden Nationen benutzten Kriegs-
schiffe ,visson, und dabei ,ve1·den allgemeine naturwisse11schaftlicl1e
Begriffe nicllt zu e.n theltren sein. Doch ist auch dieser Zusammenhang
z,viscl1en Natur,vissenschJlft und Geschichte nicl1t von prinzipiell an-
derer Art al.s der Zusarnmcnhang, der zwischen aller ,vissenschaftlicl1en
Arbeit besteht, u11d der dadurch·, daß verschiedene logische T endenzen
innerhalb der \Vissenschaft au.fge,viesen ,verden, in keiner Hins.icht
in Frage gestellt v.1erdon soll. Fast alle ,vii;senschaftlichen Disziplir1en
haben hin und wieder Veranlassur1g, sielt bei anderen Rat und Hilfe
zu holen, und eine Einheit aller ,vissenschaltlichen Arbeit in d i es e m
Sinne z.u leugnen, kann selbs tverst.ändlicl1 niemandem in d en Sinn
komr11e11. Doch von den Beziehungen, die sicl1 hieraus erge.b en, darf
1

die Logik bei der Gliederllng d er \Visscnschaften als ·u11,vcsentliohe.n


absehen, ja, sie muß es, drur1it die '"'esentlichen Unterschiede der
,vi:s enscl1a(tlich.en Ziele und vVcge um so deutlicher ltervortreten.
Ist dies aber klar, so kann rrtan auch das leb11afte Inte1'esse, das l1eute
psyctiologischen Fragen ent.g-cge11gebracht ,,rircl , nicht n1ehr als ein
Zeicllen dafür ansehen, daß der ,,l,ist or1schc Sinn'' in der Plrilosophie
,,rieder zu wachsen anfängt. Im Gegenteil, die Psycl1olo-ge11 sind fast,
durcl1weg in ersLer Linie natunvissenschafLlich, ja einseitig natur-
"'.ci senschaltlich interessiert, und eiern, der das logische \Vcsen der
,\·is~enschaftlichen Ps ct,ologie kennt, kru:m dies nicht auffallen. Der
Psycl1ologi ~mus ist die Form, die der N a t u r a l i s ,n u s annehmen
mt1ßte, als der r.-tateriali mus abgetan v.-ar, t1nd als mnn v ersuchte,
die Psychologie an die Stelle d er Philosoph ie iu setzen. Der P sycbo-
logisn1us ist, dal1er unter logi ci1en Gcslcl,t spunkten ein ebenso großer
Fein,d der Ge cl1ichts, issenschaft.er). ,,rie es der MateriaJisinus nu.r
sein kann . Die I-Ioffr1w1gen also, die 1nan auf eine Förderung der
G e s o h i c h t s ,1•..-iss.cnschaft durch die Psycl1ologic oder gar durch
den Psyc.l1,ologis11\uS setzt, zeugen auch unter diese11t Gesichtspmlkte
,,·iedcr ntJr von einem Denken, de,n da logische '\>Vesen der Geschicl1Le
völlig fre,n d gchlicl>en ist.
Die Gründe jedoch, tlie ,vir l1aben, Ge chichte und Gcistcs,,·isscn-
scha!t von einander zu trer1nen, sind aucb. l1ier1rüt noch nicht erschöpft.
Der Umstand nämlich. daß die Psychologie es n u r m.it ps) Cl\i chen
1

\ ' orgnuger1 die Gescliichte es z,var hauptsächlich 11ut psychi scl1em,


1

dar1ehc11 aber auch .mit körperliche1r1 Geschehen zu tun 'hat, ist un ter
logisctlen Ge~ichlspunkten v o11 ,,,eit prinziJJiellerer Bede\1tung, al~ ,vir
bisher g<'~iehcn haben. \1/ir dürfcr1 nie vcrges:-cn, daß der historische

0191 lt ado por Goog e


- 488 -
Ablauf der Ereignisse un s ga nz uo\rerständlich bleiben ,vü rde, ,ve1m
wir nicl1L at1cl1 1"ei1e der l{örpcn.velt in ihrer individuellen Eigenart
ke11nten 1 und falls K örper viclleicll't auclt nur :tio,vcit 111 Frage ko1nmcn,
als sie das geistige Leben von tvlen c11en beeinC1u.:~cn, so muß doc·h ,
gerade ,,,eil sie e bccir>fltu.;sen, dieser kaus ule Zt1sammenhang e])cnfalJs
historisch ,vesc11 r.;lich ,vcrrlen. Da.rnit aber komn, en ,vir zu einem Punkte,
an dem sict1 deutlicher als irgencl,vo anders zeigt, ,vie un gerecht-
fertigt es ist, die l1istorisci1en Wissen. chaftcn in. dem Sinne Gci~t.es
,vi~senscl1afte11 zu nennen, i11 dem die Psyel\oJogie eine Geis te ,visscn-
schaft ist. Die Hat1ptsnche ergibt. sich "''ieder aus dem allgen1einsten
logisc hen Gegensatz von Natt1r und Geschiente. W enn d,ie Natur
wi. scnschaft sich dem dargelegten Ideale ihrer Begrilfsl)ildung ar1-
näl1crn ,vill, so h.a t sie irrrrner a\1sclrü,cklich daraur zu acl1te11, ob sie
körperliche oder seelische , virklichkeiten zum Objekt der Unter-
sucl1ung ,r,acht. For die l' hysik und die Chernic vollzieht sich diese
Scl1cidu11g mit ,e iner olclien Selbslverst.ä11dlicl1keit, liaß nicl1t ausrlrü ck-
licl1 aur sie reflektiert zu \.vertle11 braucl1t., aber scl1or1 in der1 Wissen-
schaften v on den Lebe,1;1csen wird bis,veile11 das l„ebondigc mit dem
Beseelten gleicl1gesetzt1 tJ od es k ann dann nicht ei nmal zu einer klAren
Stellung clcr natu1'\vi:senschaftlichen Problerr10 komrncn, ,,,je sielt <lies
z. B. oft in den nco-vital isti$Chen Schri!Lc1> zeigt 1 . Absolut 11ot,vendig
ist eine bo"vußto l'rcnnung vc,n Physiscl1e.m u nd Ps)'Chiscl1e1n vollends
in der P ychologie, und z,var ist sie gerade dort am sorgfältigsten
vuriunelirrlen, ,vo d ie Beziellungen z,viscl1crt cJcn beiden Gchieten
Gegen tand d er Uniersucht1ng sind, d. h. n1a11 nluO go.nau ausei11ander
halten, ,vas 1 erver)- u11d Gcl1ir11vorgang i t, u11d ,,·as Zl1n, See lenleben
gehört4 Zu einer bcsor1tlcrs sct1,,dcrigf;!n Frage ,vi rd clnnn das Problen1
der psycl10-pby::iisct1cn I<a usalitä t , t1nd 1nei~tens gchc11 die natur-
wisse11scl1aftlichen 1' heoricn dal1in 1 ,laß ein kau saler Zusarr1mc11l1~ng
Z\\'ischen l{öl'J)er und Geist r1ichL a11ac1101n1nt~n ,verrJc11 cJarf, ,veil clas
ein.e cfas Raurr1erfüllende, das a11,lerc das ich t.-Rat11 ncrffillende i ~t .
J a , ,venn man, wie die 11tccl1aniscl1e ~ aturau (fassuug dies verlangt,
das Physi!-chc prin zipiell v on d e 111 Psyc h.is.chen lren11t 1 so daß b eide
eina nder begrifflich. at1s~cl1ließen, und das Ideal einer quantifizieren-d en
Darstellt1ng von J( ausal.zusarnrncnhän°ert danr1 in cler l{ ausalgleichung
. erblickt1 so ist clic Attfhel)un g <lcr ft5)'Cho-pl1)rs i~c lien K ausal ität als
not\vcnd ig anzucrl{cnn en. Von a llen diesen J>roble1r1-en ,veiß der Jiis.to-
rjkcr dagcgc11 nicht s . Er hat k eine \ 7 ri1nlassung, sicl1 ausdrücklich
1 \ 'gl. obon S. 2-t 7 .t. und ~- i\06 rr.

0191 lt ado por Goog e


- 489

darauf zu be innen, ob das1 ,va_s er da rs tellt, zuto physiscllen oder zum


psychischen Sein gehört, und ge,vi ß ,vird er nierr1als Bedenken tragen,
einen kau alen. Zusam.menlla11g Z\Vischeo I<örper und Seele anzuoet1-
men, oder sich auch nur mit der Frage beschäftigen, ,vic der \-V1lle
ein,es l\ilenscltcn es an.fängt, seinen J\rn1 zu bewegen. Daß ein l{örper
Scl1merz verursacl>t oder eine Leiden cl1aft Be,vegungen l1ervor-
bringt1 mt1ß ih,n vielmel1r völ.lig selbst versUindlicl1 sein. J ai man kann
geradezu sagen : die Trennung von l{örpcr un•d Seele d a r f '-'On clcr
Gescl1ict1t.s,"·isse11scl1art 11ie111als so v ollzogen ,verdcn I claß {labei <ler
historische ps)1chopl1ysiscl1e Kausalzusa1nn1enbang in F'ragc gcst.ellt
wird, denn der Hi toriker ist geZ\\·un.gen , ,venn er O.berllaupt z,vischcn
den historiscl1en Objekten einen kau salen Zusam1nenhaog anneb111cn
,villt geistige Veränderur,gen so,vol1l für Effekte als at1cl1 für Ursachen
von I{örpcrvorgängert zu t1alten. Das ließe ich fa t, an jecler Seite
cir1er geschichtlicl1en Darstellung, die , ron l\lenscl1en handelt, nact1-
'"eisen. ut· die Spiriti ·t.en glauben, daß da gei. lige Leben eines
l\1enschen unmittelbar- auf das eines andern ,virkt. Solange ,,:ir uns
auf ihre Theorien nicl1t ci11lasscn, rnils cn ,vi1· daran festhalten, daß
alles 1 ,vodurch, das Geistige direkt beeinilußt und individt1cll bestimmt.
,vird , aus körperlichen Vorgär1ge11 be teht, \1nd ebenso vcrn1ng kein
1\ilensch direkt anders als durcl1 kö rJ>erliche Vorgü.nge in der geistigen
Welt zu ,vjrkc11. Wollten ,vir diese Kau~a}vcrhältnisse et.\\·a durch
eine metapl1ysi ehe Theorio, z, B . irn Sinne des Spinozjsn1t1s, u111deuten,
-0 da ß ,vir slet.s nur geschlossene l(ausalzusammenhängc z,viscl1en

pl1y·si ehen \ 'orgängen einerseits lln<i psycl1iscl,011 Vorgiingen anderer-


seits annchn1en tind ,virklicl1 glauben, daß bei {len1 BejYriff de-s „Pa-
rallelis1nus" v on zwei R eihen als Lotal unvergleichbar geclachtcr Pro-
zcs ' C sicl1 ct,vas dcilken läßt, ,vns tins den ,, chcinbaron'' psycho-
ph)1Sischcn Zus an1111enl1aog erklärt, so könnte docl1 die Gcs ·hichte,
rür die die j n d i v i d u e l l o n rsacl1cn UJld \V·irku11gen ,vru entlieh
,vr.rd cn , l1icr1nit ni cltls an fangen. Sie dürft,e ja für jeden Effekt, den
ein iuJjviducller ihr b ekannter kürperlicl1ct· Vorgang i11 dor gristigcn
\.Vclt nach dieser Tl1eorie nur sc}leinhar hervorbringt, ei11c geistige
Ur acJ1e nicl1t et, a al. eine individu elle hislorische T atsac he a11nel1-
1rLen1 sondern ie mGtllie ict1 diese angebliche ,va.hre Ur:,;achc erst b e-
grifflich l1u1zu)<on truie.ren. Eine olchc Ursache aber ,väre f(lr sie,
,veil sie ei n der Erfahrung i1n Pric1zip cntzogcc1or \ .forgar1g ist , n t mals
als eine l1istorische Jr1dividualiUit sor1 clcm inl111cr r\ur als 111etar>hy::;isc l1
hypostasierter B egri(( vorhandP.n u nd llütte <lc:,; hal b llicht r11chr <las

ürg,t~hzado por Goog e


-
gerinE,"SLe llistorisct1e Lntcresse. Kuf't, die 1\1uglichkeit ei11er Darstellung
bistoriscber l{ausalzu am111enhä.oge ist geradezu von der Gel tung
d es Begriffes abhängig, den die Natt1r,\·isscnsclla{t im Interesse iltrer
z,vecke bc:;eitigcn zu. müssen glaubt und in der ~r at besei t igen ,nuß ,
sobitld s ie den Begriff des Körpcrlicl1 cn n1it denl des rein ~lecl1aniscl1en,
al~o restlos Qua11tifizierbarer1 glcicl1·eLzL.
Die naltelicgcutie Frage, ob diese Verschiedenarligk.eit cJcr r1atur-
, ..·issenscl1aftlicl1en und der historisclle11 Gesicl1tspunkte nicht zu Be-
griffsbildungen führt1 die die \Velt nl Ganzes unlJcgrei{lich machen
und desl1alb nic,h t gül tig scirl können , läßt ~ich nur in einern größeren
erkennlnistl1eoretiscl1en Zusammenhange beant,,fort.en. l\,lan " '11rd.e
dabei nie}1t a llein z.u zeigen habetl; daß ,vir Prodt1kte unserer Begriffs-
bildung nich.t als Realitäten denken dürfo11, sondern auelt daß o · nich t.
angeh t , l(at,cgoricn, die a11gc,,1ondet werden, fal ls die Wirklicl1kcjt in
ein Sy:st en1 von al lgen1ei,1e1\ Be-griffen gebracl1t werden soll, u11d die
da he1· nur als l\l.i ttel einer natur,,·issenscha.ftlicl1en generalisierer1dcn
Auffassung Bedeut ung haben, in I<alcgorien umzudeuten, die für
j e d e . uffa sung c:l er \Virklichkeit l'to11,i;t.it,utiv sein sollen, und dann
dürften die scl1t!i11h-arcn \Vidersprilcl.1e und U11be:grciflichkeile n vcr-
scl1,vir1don 1 . I•'reiljc}1 isl e ,not,ve11dig, daß. ,vir uns von der An icht
frei macl1e1l, als ci das kausale Verl1älLni . tets als das einer K ausal-
g I e i c l1 u n g zu vcrst hcn. l'\ur d er Brgriff eine r Kausal u n glei-
cl1un.g gc:;taLLet es, kn\l ~alc \ ·crknüpft111g ci11c qualitaLiv bcstimrnt on
Körpers r11it cincr,1 p~)•chisc\1en Sein ebe11so zu de11ke1l \\'ie kausale 1

Vcrknü1,fw1g z,,•cier <1ualitat.iv bestinu1,Lcr l(örper oder z,veier psyclu-


schor Vorgänge 11iiLei. nar1der. Pri11zipif}lle Ein,vänd e gegen diesen
Be-brriff der Kau. alungleichung , ..·ird rnan nur clrstn11 cr.l1ebon, ,ve1tn
Jllan annin11nt, daß ,vi r Ql1uliWtcn und Ql1an titätcn als gcsonciort
bestehende RcftliiüLen vo,rauszusclzcn haben, ,vie das die fr(ll1er be-
t,andcllcn ratior1alisti~chcn Tl1oorie11 Lun, die a11 eine Berecheuba rltcit
inclividucller vVirl<.lii;Jlk~iteu glauben 2 • Auch l(örper aber in(l nie-
n1als 11ur QuanLiUlten, so11deru cla.s -Qunntilative an ihne11 lußt sich
letUgJich begrifflich isolieren. Dal1er gcl1t die e1n.p iriscl1c \Virklichkeit
als solct10 in kci11e Kuusalgleicl1ur1g ei11i tJlld das ka11sale VerJ1ält11is
z,visthen z\vei bef!t.iiflicl1

u11beurbciteten Rcalitäte11 läßt sieb nur a.ls
Kausal u n glcicliu11g J.cnl,en} n1ög ·•n diese f{cali Uiten von u11s als Z\\rei
--·----
1 \''gJ. meine ;\ bhand lung: r)~y chophysi~chc l{aui.ali til l uud r.}:)ychor,hysiseher
P1\r l\l l(•li.$n1.us, 1900,
• Vg l. ob~n S. l?vt rr.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 491 -
körperliche, als Z\Vei geistige oder als ein körperlicher und ein geistiger
Vorgang bezeic~inet \\'erde11. Iiieran venoag aucl1 das Prinzip vorl der
Erhaltung der Energie nichts z.tt ändern, denn es gilt nur für eine
quantitative, also b e g r i ff l i c h c \Veit v on Abstraktion en, nicht
für die volle Realität. Der Begriff der l{ausa)unglcicltung ist mit
sein er I·lilfe r1icht anzuf.echten. Die Kausalgleichur1g kann die Kaus al-
ungl.eicJ1ung chon deshalb nicl1t verdrängen, ,veil es zwei v ollkommen
glcict1e er11pirische W i r k 1 i c 11 k e j t e n übert1aupt oicl1t gibt. In
dern Begriff der l{ausalungleichu11g kommt daher nicbts anderes als
das ab so 1 u t e Recht ,der un11tittelbaren en1pir ischen ~' irklichkeit
gcgenübor dern doel1 irnmer r1ur r c l a t i v c n Recltt der natur-
,,1is cnschaftl ic herl Abstrakt.ion zur Geltung. Des\,·ege11. is t. es k ein
Eio,vand gegrn die v on der Gesc hicht.e vornu.s zusetzencle l{ausaliüit.,
daß sie n ot.,,•cndig die Form der Kausnlunglciclthcit anncllmcn muß.
Es hängt die~e 1ot\-ve11digkeit vielmel1r lediglicl1 tnit der ,vied erholt
hervorg"hobcncn größeren "'' irl<lichlceitsnähe der l1istorisel1en Begriffe
zusammen, clic sio gcgeniibcr den B egriffen der generalisierenden
\Vissenschaften zeige11 1.
"''eitcr brauchen \Yir auf die e Vel'l1ältni sc nicJlt eir1zugel1en,
d e11n ,,·ir können \Jns mj.t clen1 bereits ge!Uhrtetl r.ac h\,·eis begnügeDt
daß auc}1 111it. Rücksicl1t auf die Sc:h.eiclung v on G ist und J{örper die
Natur,,rissenschaft zu n1_1deren Begri ffen ko1r11r1t als die Ge cbicf1ts-
,vissenscl1art, und daß cler Begrirf d es Geistes nls des Psycl,ischen, \Vie
die !at.un,·issenscila ft ur1d die natun,·issenschnftlicl1e P sychologie ihn
bildet1 massenl ganz unlauglicl1 i ·t, tun aus ih1t1 et,\vas fü r das logische
\Ve en ,d er Ge chicht.s,,rissen chart abzuleiten. \ \1ir vet·sLel1cn v o 11 hier
aus au ch, ,varum eine \1/issenscha[t, die die ein1nalige kontinltierljcbe
E11t,,·ieklung der W'clt uar~tellcn ,,illt an nchmc11 muß, (la ß al lmälllicl1
das geistige Leben aus der I{örper,velt ber-aus,,1äcl1st, ,,·äl1re11ll diese
11einung mit den natur,vis. en schaftlicl1en Begriffen cles P.l1)'· i~chen und
flos Psycl1iscl1er1 un,•e reinl>ar ist, und ,vc. halb dns zu metnphysischen
Systemen ,,·ie derc1 des Panpsyc-l1isinus ·g eführt l1at . \~'ir v erstehen
fern ri ,,·arurn die evol11t,io11istische Bet.racht.u11g n1it. ihrer Neigu11g, an
die t.clle <ler s ·laroffcn Sct1eiclung vo11 l\1aterie \Jnd Geist ein. aJ:l·111Ul1-
Jicl1es l-li11üb-crglcil.en au der t oten atur io das Seelcnlebcrt zu setzc11,

1 Hierdurch dnrftcn die Ein"'t\ndo orJcdig l sein, d ie J. \\t . ..,. 1-11 c k ti o n,

Der I" au~a llll!grirt iu d er ncu<•ri.>n Phi h)i-ophie u~,,·. \ ' il:rlcljah:rs~ltrift ror ,viss.
Philos. Bd. XXV, 100 1, . . 318 rr. gtg•·n 111cinc Aufra„s1111Jt der p-.yc.-hophy!,<ischcn
Ko.usnti lOl erhoben hat.

0191 lt ado por Goog e


einerseits das Lebendige, also das i1n naturv.risseiascha{Llicl1cn Sinne
noch rein ~fa t ericlle zur Vorstufe des Scclise.h en, und andererseits die
primitiven Si1111esempfindungen, also da in1 natunvisscnscl1aftliehen
Sinne bereits vollkom1n.en Geistige, zum bloß Sinnlicl1en 1nacl1t und es
damit der körperlicl1en Natur annühef't , ja geradezu gleicl1~etz:t.
\.Vir erker1nen au.ßerd cm, "var,1m so h5urig Leben und Seele einerseits,
Sinnliches und l\,latcrielle. andererse its so identifiziert \ ,erden , daß
1

die~ tin ter nntur,vis cnscl1aftlicl1cr\ Gcsicl1tspunktcn nur als , 1Ver-


v.1echslung'1 z,voiet ci11or1der at1sschließcnder Begriffe crscl1ejnen kann .
•~t1ch d ie Schwiorigkeiten ei11er natur,vi sen chafllichen Definition des
organisct1en Leber1s hän.gen lliermit :tusa1nr1teo. ln1 lebendigen Körper
~ir1d ja für die unrnitLelbare Erfahrut1g in der Tat das l{örperliche und
das Seelische nu f das Engste n1iteinnnder verknüpft. '"'ill aber die
Biologie l{örpenvissenschaft sein, so mtiß sie diese Verknüpfung auf-
lieben. Die \>Vjrklicl1l<citsnä hc, die dem un,nitlelbaren „Erleben• < ge-
stuttot ist, kar1r1 sie als generalisierende \V1s~en chaft, r1icht beibehalten.
E , blejbt it1r nichts anderes übri g, al das raun1 erfüllend c Sein prin-
zipiell von dem nicbtraurl1erfü.ller1dcn ztt trennen. Sonst lä ßt sie b
die gcn•e ralisierende Begriff bildung, \vie die Natun\1 is~enschaften sie
brauchen, ni cht durct1führen .
Ohne jedoch \Vei tcr nt1f diese Fragc11 einzugehen , die nn z11 dem
Problcrn einer rvtct aph.ysik Cül1ren \"\'ürdcn 1 die der \i\'irl{_licl1keit näher
zu kommen sucht, als c die Körpenvisserischa{t und clie I>sycl1ologie
vern.1ögen 1 braucl1cn ,vir wieder nt1r zu kon tatieren, daO clie Gc-
schich ts,visser1 ~cl1aft ,1Ver,"cch~lt111gc11 cJ vo11 pt1ysischc111 und psyclli-
scher11 Sein nicht zu fürchten hnt. Auch für sie werden allerclings
Natur t1nd Gci~t, ,,·o sie dic8e \\'' orte gebraucht, stets Gegen ätze ein,
aber rlie Begriffe, die sie zu bilden Veranla~su ng hat, fa llen mit d.e m
natur'\viSscnscl1aftlicla~n Gegensatz von Ph y:;isch und Ps)'chiscl1 nicht
zus.amn1c11. ,,Geist'' ist für sie viellcicltt dns ,,höhere" Seelenleben,
clcm geger1übcr die Sinncse111pfindu11rren ct,vas NaLurha[t.es l1abcn 1
,ricllcicht abe r auch , ,vie ,vir d~,s ·cho11 frü l1cr ancleutet en , et,vas, das
überha upt nicht 111cl1r unter den Begriff einer p j 1cl1i chC'n R ealität
gcbra,c ht ,ver<lcJ1 kann. Docl1 \\·.ie es sich dan1i t auch v el'l1alLcr1 n1ag,
so blei bt das Ei ne :-;icher : die Ge~i;l1icl1t c lcümmcrt :-,ich t1 ·m alle die
a.n gedc11teten natur,vi, s nschaftlich 11 ntcr;scl•ridt111gcn nicht. Frei-
licl1 ist e., g<!t'arlc rla1111 111öglich, daß auch das \Vort ,,Gei · t." ,viedcr
ci c1C1l (ür die Geschich te b ccl C'u L-;arncr1 · inn erhült., ltb •r 1 <IH <iicscr

Begriff Qls tle!r ei11cs ,,höheren" Scclenll!'br„1s O(lcr gar ei nes .Nict1t-

ürg,t~hzado por Goog e



- 493

Ps)·chi cl1 cn nocl1 i1n111cr vollständig Utlbe t irnmt oder ,venigstcns nt1r
o,,·eit bc ·tia1rrLt is l r (laß er rlicht mit d e 111 natunvis.-:.cnscha ftl ichen
1

B egr iff de Ps ycl1ischen Zl1sarnmen.fä.llt , kann aus dem Urnstande,


daO die Objekte der Gesch..ichte v or,viegend ,,geistige" Vorgänge sin<l,
sici1 ge-,viß nichts Wesentliches für ihre ~J'etl1odc ergehen .
E s .bleibt also• nur noc}1 die a11derc Frage z.u beant,,rorten, ob trm-
gckchrt t<1us clc 111 )ogi:,c}1er1. \,Ve~ei1 cler his lori. chen Begriffsbildung
sic h vcr sl-Oher1läßt, <laß gei~t,ige \Virklicl1keilen l1äufiger als körperlicl1e
in ih.rer ei11n1aJigen und individuelle1l Ent,vicklung dnrge. teilt werden,
oder ob dies für un logi"ch zu fällig b leiben mt1ß, u n,i aucl1 cittbcj
ist ur,ter cle,n. Gei~tigcn z1.1tltichst ,vicdcr n:ur da!'\ P s)·c hiscl1c zu ver-
stehen.
Aber, so ,viru. n.1at1 sagen, kön11e11 \Vir clertn nacl1 clem soeben
Ausgefültrlc11 cliesc Frage überhaupt, noc}) stellen? \\' enn die im
natur,vissenscl1aJLlichen lntcrcs~c not,,·en<lige Scheidung v<,n Pl1)·sisc h
und Psychi. eh für d ie Geschicl1Le ur1,vcscnLlicl1 ist , t1nd ,ven11 der
Bcgrif.r ties Geist igen, ,vie die Ge cl1icl1 te ilm b ilder1 1r1üßLe 1 u11·1 den
Begriff einer ein heilliehc11 ge~r l1icl1tlich da rst.eltbal'cn \\'elt zu erhalten,
noch. u1)besti1111nt blei bt, sagen wir daru1 et,'1as Eindeut iges rn it ·d em
Satz, die Geschichts,visse11.,;cha(t habe es -..·01·,vicgend 1nit ,,gcisligen"
Vorgängen zu tun? Verliert nicht viclm·c hr ohne eine at1ch vo11 der
Geschichte anzuerkenncrlclc Grenzlinie z,viscl1cn geistig un d nicht-
gei:-tig un~erc Frage rtaclt de111 Gruncle der Bevorzugung d~s geisLigen
Lebens il1r n Sin11? In der •rat, $0 ist es, u11d selbst ,venn ,,ir J1ien •on
absellerl u11<l vorläufig an der naLu1"',·issen~c11artlichcn Scheidu11g ,veite.r
festhalLe11 ,,·ollt..en so ,,,äre docl1 sofo'l't klar, claß ,vir niemnl , rcr~tchen
1

könnten, \\'aru111 das, ,vas l111ter clen Begriff des Rau,ncrfiill cndco gc-
l1ört, f iir eine hi. tori~r 1,c Da r~wlluing ,.vcnigcr bcclcu tt1ng-svoll sein
~ontc, al::- <lns,. ,,,as nicl1t de11 Raurn erfüllt. Das {'~)1chjschc ir1 diesem
Si11r1c li.a111'1 ei11e ir1divitluatisie,~e11(le Dars lellu1lg l)icl1L i11 J1öf1eren1
~l ußc erfurdcru als das Ph vsi ·cJ1e. \ Vir n1ü scn dallcr (ür ttn ~ercn
"
z,,·cck nacl, eine r ander,cn Scl1eidting v on Körper und Gei L stieben
als cl )rje11igcr1, die in (l cn ge11eralisierenden \ \i'i si;en:ich.arten üblicJ, i~t .
So allein (liJrfcn ,,·ir hoffen, zu v erstehen., \\ ohcr es l<.011\mt, daß 111ehr
1

geis tiges l,cbc11 jndivjdua.hs icre11d ctargt!:Htcllt \1;ir<l al s k.ör'J} ~rlicl,e .


Gehen ,,·ir ,ro11 cler natu1'\\•i:3sen~cl1aftlich nocti u11bearb itct.cn
ernpirischen ' \l'irklicl1keiL aus, so kör1ne11 ,vir ir1 ihr \ 1org!lngc, in ,Jenen
ein alternatives \ 7erhalten 1 cl. h. ein Anerkennen oclcr Ab,vi~ise11 1 e i11
B illigen odc.r l1ißbilligerl , ein Bcgt>hrf.>n oder Veral,:-che,11·11, ei1t Be-

D191, h,ado por Google


- 494 -

jal1e1, oc1er \ 1crneincn, mit einem '\Vo-r te ein St, e} l u n g n e h m e n
zu einem W er te zurn Au <Jruck kommt, eindeutig von solchen
Vorgängen abtrenne11 1 die in·di{fereitt gegen a)1e Werte sicl1 verhalten.
Dieser Untersc•hied aber ist für urlS i11sofern v-on p-rinzipiellcr Bedeutung,
als ,vir1 ollne auf \1/iderspruch zu stoßen, alle Wirklicl-1keiten 1 die in
der arigcgcl>enen ,veise Stellting nel11nen oder ,verten, nicht. als körper~
licl1e sondern immer 11ur als geistige Vorgänge bezeichnen dürfen.
Freilich läßt sicl1 dieser Satz 11icht un1ltcl1ren, so• daß alles,,,·as geistig
.i m Sin11e von psych.isch genannt wird, aucl1 \vertcnd ist . Sagen ,vir
z.. B. , daß ,vir nur „vorstellen'', so scl1ließen wir da1r1it das Werte11
at1s, zählen aber doch. das \ ro1·stellen zum Seelenleben , und so ist
vielleic ht noch vieles, dn.s nicl1t \Vertet , dS\zu zu recl1nen . Der hier
gc,vol111ene Begriff ,d es Gei Ligen ""äre dann also zu eng. Aber t rotz-
den, genügt er , falls es nur darauf ankommt, zu wissen, ,,·as at1! j e den
Fall geistig ist, und so eine eindeutige Frage nach dem Verhältnis
von Geist und Gescl1icl1tc zu st elle11. Ja, \\rir haben damit sogar scl1on
einen H in,veis auf die Richtung erhalten, in der die Frage zu beant-
worten ist. Da der Begriff des \Verles mit dem des Gescl1ichtlichcn
so zt1sa nunenl1ängtt daß nu r das auf einen W ert bezogene ''' irkliche
gescbic~1tlicl1 dargest ellt wird , und der Begriff des Geistigen mit den1
d es \1/ertes insofen1 in Verbindung st eht. a ls nur geistige \Veseo ,-ver-
tend e vVe.sen sind , so ·n-1uß der Begriff des \\1ert.es auch den Zusamrnen-
hang Z\Vi$chen Geistigern ru1d Historiscl1em herstellen; und z,var \,,ird
es gerade das ivertbczichende l\1omcnt der liist orischen Bcgrif!sbildun.g
sein, aus dcrn sicl1 begreifen läßt, daß tias geistige Leben in einer anderen
und 11üheren Bezieht1ng zur Geschichtswissensct1aft stel1t als das
körperlicl1e Sein..
Freilicl1, übet· di e t\rt dieser Beziel1ung i t dan1it noch nichts
a usgemacl1t. Zunächst scl1einen die Objekte der Geschichte r11it eine1n
psychi.scl1en Se.in insofern zusamn1enzuhüngen , als sie Objekte für ein
Subj e kt sind, das die ,vesentlichen v on den un,vesentlicl1en Be-
stan dteilen io ihnen mit Rücksich,t auf einen Wort scl1eidct , tind es
ließe sicl1 zeigen , daß auch dieses ,vi sc11schaftliche Subjekt ein stel-
lungnel1rner1des, "vertcndes. also ei11 geis tiges \iVesen in dem ange-
gobcncn Sir1ne sein n1uO. Aber , so \vichtig die er U1n tand rar die
Objektivität der VVissenscl1aften ist , so fehlt doch d i e s e Beziehung·
der Objekte auf ein Begriffe bildcn cles geistigl!S \Vesen in k e i n e r
\1/is e11scl1a.Ct , uod es rnüßte deshalb, falls dieser Umst.:tnd schon aus•
scl1lngg,ebend fii1: den. Cl,arakter einer \ 1/jsse11scJ1a ft ,värc, auc!1 die

ü1g1taltzado por Goog e


- 495 •

Natun,-ri~scnschalt als Geistes,viss.enscl1aft be1.cichnet ,,·erder11 da sie


ebenfalls ohno einen das Wcscntlicho v o1r1 Un,,·esc11tlichen scheidenden
,,Geist" nicht zu dcnker1 ist. \1/olle1i \\'ir dah er d en besonderen Zu·-
sarl1mer1l1ang ketltlen lernen, der z,vi ct1en geschichtlicl1er f\1ethode
und gcistigcn1 Leben besteht, so haben ,,•ir, von detn erkennenden
,visscnschaftlichcn S u b j o kt zunächst vollkon1mcn abzus~llen und
uns nur tim die Ob j e kt e d er Geschichte zu kummer11, d. 11. ,vir
dür!e11 ntrr fragen, ,varunl in de111 historischen T atsachenmaterial sich
haliptsächlicli geistiges Sein findet.
Dl1rcl1 jede Bczicl1ung d·cr \1/irklichkcit auf einen \Vert :terfallen
die ur1s bekannten Objekte in z.,vei prinzipiell vo11einande-r v erschie-
dene Kla. "'en, nfirnlich in solche, bei denen dj.ese Beziehun.g über-
hat1pL n1üglicl1 ist, unrl in solche, die nicht r1ur dt1rcl1 ihr Dasein c-t,vas
für den ' ''crt. bct1eulen sondern auel1 selbst n 1 rlic cm \1/erte Stellur1g
nehmet1. Die zur er~tcn J<Jasse gcllörigcn Objekte könne1l dan11 so-
"vol1l geistig· als aucl1 körperlicl1 sein. Die durch ihr Stell11ngnebmen
wesentlichen der zweiten Art dagegen sind not,,·cndjg gri ·ti 0 • Setz"'.n
,vir nun den Fall, e.c; befänden ich in einer h.isl oris.cl1 dari.ust.el)e1lden
e111pirischen ,virkJicl1keit oder in detn bistorische11 Tatsachenmaterial
solche \iVescn, die zu den ih.r e Da rstellung leitenden \i\1ert.cn selbst
SLclluJ1g nol1mcn, so müßten diese \\' csen in den ~J i t t c l p unkt.
der hi ·tori..chen Darstellung treten, d. h. alle übri "re11 Objekte ~ind
darin nicl1t, nt1r insofern geschich.Llicl1 ,,·esen tlic h, o.l. sie Tll it, f{ü cksicht
auf die lcitcn<lc11 Werte des ,vissensct1a fllich darst.cllenrlen S u b-
j e 1, t es, d. h. des Gcschi chtssct1reibers, zu histori~chert Individuen
wer◄ l e.n , sondern auch in. orern, als .sie für d.ie in ihre111 \Vollen uncl Han-
deln dnrgesLelltcn gristigen Ob j e kt e cl11rch it1rc lncliviclunlität
eine Bedeutung besitzen, und rlic Gcsc}uch t.c ,,·ird ie dalter nicht 11ur
auf die lcilenrlen \1/erte cler Darstellu.ng bcziel1e·n sorld ern zugleich
mit den dargcstellt.c.n Stellung ncJ1mend·cn, \\·crLenden und geistigen
W esen in Verbindung brin gen, die in il1rern Stoffe vorl< ottlrn en. So
entst ~llt ein engerer Begriff der gcschichtliC' hen l)urstellung als bi her.
Solange ,vir auI ein besondere historisches rtlatcriAI gar 11icl1t rrflek-
tierten, hatten wir es nur mit ei n e r Art vor1 hist.oriscl1cn Objcl{ten
zu tun, SeLzer1 ""ir dagegen gci. Lige Objel<te der ar1gegebc11e11 Art
oder ,vcrtende historische Persö,ulicl1l<eiten vora\1. , so n1iis!-en rlicse
sich v o11 den übrigecl Objekten un ter cheiclen , \111c::J insbes.01tdere aile
Körper ,,•erd·en i11 ei11er solcli e1\ Dal'stcllung irr1r1\er erst durcl1 das
\vesentl icl1 1 ,,•odurcl1 sie nicht 11ur zu den tla"' erkc11nPn<l c Subjekt

D1911 11,ado por Goc,gle



- 496

lei tcnrlen \Vcrt.cn in B czichu111Y s t.el1cn, ottdcrn ,-.,odttrc h sie ztigleich


dio ,,·ollendcn untl ,vcrtenclc11 Objekte, also die geistigc B \ 'o rgäoge
in den dargesLcllte11 Persünlicl1lteilen beeinflussen oder Gegen t.an<l
ihres \\,'olle11s und 1-Ian,d clns sind. ln einer Geschictrte lu1licns z. B. 1
die vo11 dein Gcsicl1tspunkte des '''ert.cs geleitet. ist., der an der Kun t
haftet, r11uß v or allern das \iVollen und Handeln d er K {in s t l e r
,vcsentlie h ,vcrden, das mit Rücksicl1t au f d en lcitcr1d eo \~'crt durci>
seine Jndividunlität b cdP-u tsam ist, 11nd a lles a11clero Sein ,vird mit
diescrn \.Vollen und Hanrlelo i11 Vcrbir1dur1g gchrac l1t ,verd cn .
U1r1 diese üherragcr,de Bccleut.u11g <lcr goistigcn \\iesc11 inne rhalb
des gescl\ichtlicl,cn ~laLerials zura i\ tas<Jrucl{ zu bringen, ,vollen ,,rir
jetzt al le his t..ori.cl,,e n Objekte, die zu deo lci.te11(le11 \'\7erten der Dar-
stellung selbst Stollun 17 ncl1rr1en 1 ur1d die i,nu,cr gei. lige \Vesen sein
n1ü;:-:-cn, die }1 i t o r i s c b e n Z e n L r e n nennen, ur,d ,,'ir sehen
d ann , daßl "''enn solcl1e Objekt e in de1n ~fntcrial der Dar ·t ellung ~ich
tindc11, die G scl1ichle not,vendig a)IPs übrige Sci11 ::ittf f-ie bezieht 1.
Do · h ,vei l e ' nacll dem Bisherigen 11ur tn ö g I i c h ist , d,,ß es in e:inen·,
geschichtlichen Stoffe au cl, i1is torisc he Zc ntre11 gibt1 bleibt unser
Begriff d.c r Gcsc h icl1 00 i n J, a I t J i c h ntlcl1 i1n n1cr u nbP-stirt1mt.
J a, es scl1eint gcrad.e nacl, <lcn bi:-;!1crigen 1\ t1s ftihrnn gcn dtJrc~1at1s
n i c t1 t not,vondig 1 <Jaß 11atcr rle1n hist orischen ~latcriul sicl1 i1n1ner
gci ·t igc \\'e' Cn bcfin tlcn 1 utl(.i es ist vollends n och t1i cht. cinz\1seh en,
,va run\ clicse \,Vcsc11 gerade zu d e n \\iert.er1 SLcllt111g nc h111~n sollen ,
die zur•lcicl1 die historiscl1e Darstellung leiter1. Wir rr1ü:;sen a lso ilbcr
clie bloßu ~Iögli cl1kcit, die ,vir bi he r allein gc,vo1111c11 haben , l1inaus•
korr1n1cn und z.ei,~ct1, ,varu111 geistiges Lcbct1 u o t. ,,,,. c n d i g zu (l err1
l1istori eben l\lnteri al gebört. :\u cl1 dies wird oh11e große :\iül1e ge-
li11ger11 sobald ,vir t1ns di.,raltf be:1i1iner1, u11te.r ,velehe11 Bediugur1gen
allein eine \\'irkli<'hkcit un ~ zu il1rer hist ot•i~chen DarsLcllt1r1g vera11
lassen ltr,nn , 11nd. v·i cnn "'~ir ferner daran denl<cn, claJJ nicltt jecler be,-
liebigc \\'crt zum leitcnclon Gcsic)1t. pt1nkt einer hi ~to,risc hen Darstel-
lung zu ,vorclcn v cr111ag. Es er{-!il>t s icl1 cla,10, claß er:;ten:-; jcclc J1istori-
scl-1e Ol>jckt 11icht, r1ur a11f ,v rle übe rhan 1)t son,i cr11 au<'l1 a ur ein
,virkJic:hcs ,vertcnrles, al. o gei~t,igcs ,vcscn lJez<1gc.n sein n1uß 1 cl,lß
z,veit,cns cial) \ 'or'han1l cnsein :-..olcl1cr g~i~Ligcn \\'e. <'n in clf'nt gc~cl1icl1t-
lic}1(:n SLoff .nicht logisr h 7.11 fiil hg i:-t, und daß rl rittcns ,,·ir 11ur (1.ann

1 Ole~t•r ßf'r:rif( dt~s „hi:--lori~ch Pfl z,,nlr tttr.t!-'' ffl lll ,r)hs.tvt•r:,,lfi 11,llich n iehl
rnil Öf'rn ohtn .'. -l 2 l r. "nl,\·ickrlt,•n tl\'grirr d r.,; ,.pl'i1nf1rliis lori~chcn" z11 i;:i.ni11n' n.
Pri rn!l r lais tori:.c h k(h1 ru•n auch J, i'1rpt> r ~c·ln.

D191, h,ado por Google


- 497 -
Veranlassung habcrl, eine Wirklichkeit historisch darzust.ellen, wenn
unter diesen geistigen W esen sich auch solche befinden, die selbst.
zu den die Darst ellung leitenden \<Verten Stellung nehmen, so daß
es also keine l1is torische Darstellung ohne ein geistiges Zentru.m gibt.
Waru1n eine ausdrückliche Begrfi11dung dieser für jeden Historiker
selbstverständlichen Tatsache in1 1nethodologischen Interesse nicht
überflüssig ist , brauchen ,vir nicht erst zu zeigen. Auf djesem Wege
allein ist es möglich, die logiscl,e Struktur der his torische.n ,,Geistes„
v.1issensct1aftcn" zu verstehen und endlich auch zu b egreifen, weshalb
an dem Begriff der Geistes,vissenschaften als einem aucl1 ro,r die
~1etl,odenlel1re \\'ichtigen mit so großer Hartnäckigkeit festgehalten
,vird 1.
Was zunächs t die not\ven·d ige Beziel1ung jedes historischen Ob-
jektes auf geistige wert ende Wirklichkeiten betrifft, so kehren wir
noch einmal zu der v onvissensct1a{tlichen Wirklichkeitsau(fassung des
praktischen LebeDS zurück, von der \vir bei der Begriffsbestimmung
de-S l1istorischcr1 Individuums ausgegangen sind. Die cberein~
stimm ung der l1ist.oriscl1en mit der vonvissenschaftlichen Auffasst1ng
des handelnden und ,vollenden ~lenschen bestand darin, daß für beide
die Individualität de1 Dinge eine Bedeutung bekommt. Der prinzipielle
Unterschied Z'vischen beiden d agegen \V3r der, daß der Historiker
nicht \vollend und ,vertcnd iu den Dingen St.ellung nimmt spndern sie
lediglich tl1eoretisch betrachtend auf einen \.Vcrt bezicl1t. Lösen sich
nun aber auclt die lu storiscbcr1 Objekte dadurch insofern von Jedern
,vertenden, ,vollenden t1nd handelnden Wesen Jos, als sie njcl1t mehr
Ge:genstär1de ,einer direkten Wertttng sein diirfen , so können doch die

1 "\'l io ß. e r n h e i m ( Lehrbuch dl'r hi~lor lsc hc n ~f~thod e, 6. und 6. J\uf-


lago . . 3) ang,csichls dlcst-r Prob lemstellung und ihrer folgenden Losung be~
hau pten kann, ic h hä llC den „ logische n Znsarn1ne1thQng d es his t o r is ch en O b·
j ekt~ ,nit dl'Ol Priuzip <'.ler h i::1torischen Bctrocht\1ngs,vcise nicht e nl ·preche11d
ane rkaunl" , ist mir nich t ganz vcrslrtndlich. Ich glaube v ielme hr, daß gerade
der 1 o g i s c h e Zusa1nmenhang zwischen Geistcs,,•issenscha.fl und Geschichts•
wls ·en charl, el>en ·o ,vie in1 folg:cndcn ;\b, c hniltc uer l o g i s c b e Zui-ru1l1ncn•
hang z,vb-chc n I{ ultur-,vlss('n ~r:ha fl und Gc!;t ltich tJ;,vis~r•nschaft, in di,•sc.m
Buche zun1 ersten 1J11ll dargelegt ,,·ortJcn i l t öa e.r nur aur C'rtind der Einsich t
in d en wc rllJeii('llcndcn Charakt t?r d er indi\' ldun_tisicrendcn D i.'gtifr:1bildung
v er-standen ,vcrdcn kun nte. Ic h n1 uß da hc.rvor het,c n, um die )1tiiaung Qbzu-
Wt:>i:.C'n, ic h h i'a l l e mich n ur u,n die for,nalcn ü nl<'t"chicde gekOn1rne r L. Das
eg,•nteil ist. r ichlig. Ich habe die mnlrrialen Uo tcr scltiedc g (•na u so bcrt1ck,.,ich-
t ig l \\'io d i<' for rUtllen , un<l n ur das ,var rtot,,•endig, dnO ich die forn1alon Un tcr -
.s.-hic,le v o r 1:1 n ~ t e 1 1 t c , {la es sich 01>,·n Uln ein e L o g i 1c der hislor i:-ellen
\Visi;tllschafton handeln soll L.c.
Ri c ke r t , GretU4ln. 2. Anff. 32

ürg,t~hzado por Goog e


- 498 -
Werte, auf die sie bezogen ,ve.rde.ri ; nicht sozt1sagen „ in der Luft
sch,veben'', d. h. nur als ,,rcir1e' 1 \ Verl.e ,,gelten", sondern sie müssen,
solange es sich unt eine empiriscl1c Wissen chaft v on der '\ Virklichkeit
handelt , ge,vertete W erte eines ,,rirklichen "vollenden Wese11s sein.
Da raus aber rolgt bereits, d'aß ein Objekt, urr1 zun1 Gegenstand einer
his Loriscl1en Darstellung zu ,vcrdcn , nicl1t nur übcrl1aupt z·u W erten
in einer logischen Bcziel,ung sondern auch 111i t einem ,virklichen
wolle11den und wertenuer1 °"'escn in einer r e u l e n Verbindung
stellen rr1uß, un.d }1icrmit crgibL ich, dafl der Begriff eines psycJ1ischcn
L ebens von d o 111 Begriff eines hist orischen Individt1un1s, das ""·ert-
beziel1end ntifgofo.ßt ,vird, in .ge\.visser l-linsicl1t unabtronnbar bleibt.
Aber diese Einsicl1't gcnübrt für unscrr1 Z"veck nocl1 nicht. \'lol.le11-
de geistige W esen ko·mo1en in1111er aucl1 in de1n geschichtliclien S t o f f
als ,,·ollcnde und gei lige \Vesen v or, und. ·d as scl1ei11t. hiermit noch
n.icl1t , rerst-ändlicl1 gemac11t. Urn zu zeigen, daß auch dies oot,,·endig
ist1. dü rten ,vir allerdings nicl1t atif eine Darst ell,1ng refJckt.ieren 1 die
sielt uuf einen T e i I einer gcscllic.,1t,lichon Ent,,,,.ickll_1ng beschränkt,
sond•crn ,vir n1i:isscn de11 u11üassc11d te11 l1ist orischen Zusarnn]en l1ang
oder das „letzte hist orische Gaoze 11 , , ,1ie ,vir es genannt baher1, 111it i11
BeLrach.t ziehen, das für clie leiLe11de11 W ertgesicht.sp·u nkle der Dar-
stellung nocl1 eine historische lndjvid:unlität besitzt, und dem sich
dan.n alle Objekte, die nur 'f eile sind, als GlicfJer einfügen Jas-. ci1 müssen.
?vlan kön11le z. 8 . denken , daß f1ic }1i~tc>rjscl1c Biologie es ga1· uicl1l
tnit gcislige1 r1 Leben zu tur1 l1at. Aber da_s crill nur, solange ,vir uns
auf einen '!'eil vo11 i•1r be:cl1ränkc11. Da hislorische Gnnze der bio-
logi chen En l,\'i<'klt1r1g c1ilie.Ot den t len . cl1en, insofern er der „Höhe-
punkt" ist, au ch als geisligf's '''escn ein, dc11n 5CJnst dürfte n1an nicl1t
von ei nc,n ,,li'orLsc li1·itt' ' sprccl,cr,, 11nll auf rlcn i\ler1scl1c11 111t1 0, ,vic
,vir ges.eltei1 l1abe11 , tlie ganze R eil1e bczogt'n \\'cr<lc11, urrt überl1aupl
zu ei11er h i s t o r i s c h e n ,.,Er1 L\vicklt1r1g'' zu ,,·erden. In dc1 elbcn
Wcisfl a.b cr gcl1örcn zu j~d 1n l1istorischcn Ganzen auch p:::.ycl1i!-1cl1e oder
gci~tige \ Virkliclilicit,c11, 111it tle1ic n alle hii-Lori~chcn l n<fivid11 n in
Vcrbu1(lur1~ zu brir)gen f;i11u. D~iraus cri;ibt ~icl1 d:ir1n 1 <laß in eir1cm
umfa~. cn<le11 hi:;to„i:--chen Gat1zen u!Jc his torischen Objek.ic ·n1jt gcj-
stig.-:n \Vesen in irgend einerr1 l1i Lori8c hcn Zu an11ncnh onge :'- tel1e11.
Freilich 1nacht liir r ci11 be. ondcrc r F a ll ch,,-icri gkri tcen . Dns
geistige \Vc.-.c11 r auf <l as die gc:-chic)1Llicl1c En t,,·icl~lung b ezogen ,,·ärd,
und dn.s (l..ir111 not,,·c-11<llg a ucl1 Zll d(•111 hi~t.or1sclu:n Zu::-a1n1n.e11l1ang
geltörL, l;:a1)n e, reritu 11 ein ej11z.ig s 1 ur1u :z,,·ar <lcr llisloriker selbst

D191, h,ado por Google


- 4.99 -
sein, trnd dann scheint doch eine At1snabme vorzuliegen, da ,vir ja von
dem erko11nenden Subjekt zu abs trahieren haben. Sel1en '\\'ir jedoct1
naher zu, so ergibt sich, daß falls in dem da rzu stellenden histo1·ischer1
Stoff außer dem llistoriker kein geistiges Wesen vorhanden isi, der
Historiker nicl1t n u r als erken.ne.ndes S u b j c k t in Frage komn'.l t
sondern zugleicl1 als Objekt in einen1 geschich-tlicl1en Zusam111enhang
mit. den anderen Individuen stcl1t uncl dal1er not,vendig auclt als
Glied in das umfasse11dstc Obje,k t der historischen Darstellung oder
in das Ga11ze der '\\rertbezogenen Ent, icklungsreihe l1incingel1ört.
Daraus aber folgt, daß in dem letzten · historischen Ganzen imn1cr
wertigslens c i n geistiges \Ve13cn sich findet.
\.Varum aber soll endlich die es geistige \Vosoo auch stels das
hist orische Zentrum bilden? In d.e n1 Falle, in dein der 1-list orikcr
selbst nicl1t nur erkennendes Subjekt i ·t sonderll auch dem un1fassend-
stcn llistoriscl1cn ZusammenlLange der d argestellten Objekte zuge-
rechnet ,verden muß, versl-eht sicll die Anl\.\'O rt auf cliC!>C Frage z,,var
vo11 selbs t. denn dj.e leitenden '''orte der DarsLellu11g sir1d da11 n n<>t-
,vendjg djeselbc111 zu cJcne-n der 1-listoriker auch ,vertend Stellung
nimmt. Docl1 dic:s.e Müglic l1keil haben , ir clcsl1alb allein er,, ähnt, um
7

zu zcigc11 1 daß k e i n Fall dc11kbar ist, in dern un ter dem lListoriscl1en


Stoff kein geistige '\Veseo vorkommt. 1'atsächlich ,vird der }Ii t orike1·
fast jrn mer Ent,vicklungsreihen darstellen, zu denen er nicl1t selbst
als l1istori:scl1cs Glied gehört, sondern in denen nur andere gei tige
"'' esen sicll hefindent und ,varum sollen unter ih11e11 auch immc1· solche
sein . die zu den die hjst orische Darstellung leiLenden \Verten selbst
Stellung nelrrrlcn? Dies ist in der Tat erst der cntscl1eidende Punkt.
AlJer at1cl1 llicr ist die Ant,,1ort, nicht scl1,vcr. Sind die WcrLe v on kci-
ncnt <lcr in dei1 u1nfasse11d ·te11 l1isLoriscl1en Zusammenl1ang gcllörigen
gcistigeu Wesen zugleich die eigenen Werte des Darstellers, zu denen
er nt1ch ,·vertend Ste ll ung nimn1t1 • o rnuß er sicl1 doch wenigsten. in die
'\\1erte <iieser \Vescr1 ltincinlcbcn kö:n ncn., um sie zu versteher1, dcn.n

wo eine \1/irltl1cl1li.eit ,vcder zu uns elbs t noch zu un verstär1dlichen


wertsetzenclen Wesen in Beziehung steh.t , ,verden ,,,ir sie in1mer nt1r
als ,,Natur'' ansel1en d . h. unter ein Systcn, von allgcr11eincn Begriffen
1

zu bringen Sl1c bcr1 t -und daher ergcbc11 sicl1 für eir1c geschichtliche Dar-
stcllu11g nur zwei }föglichkeiten . Ent,veder: die Werte der zun\ ge-
schicl1tlichen Stoff gehörigen geistigen '\\7cs-en sind dieselben \\1 erl-e,
mit Rf1ck.~icht au f die a u cl1 für den Dnrstellcr l1istorischo In-diviclt1cn
entstehen. Dan11 liegt die Sache cir1fa.cl11 clcnn <latm ,vcrtlcr1 sclhstver-
3i •

D191, h,ado por Google


- 500

ständli,cl1 diese geistigen Wesen auc h llistoriscl1e Zentren. In einer


Geschichte d er l{unst z. B. i t der Wert der Kunst, mit Rücksicht auf
den für den },Iistoriker die historischen Begriffe sicl1 bilclen,. derselbe
\Vertt z·u d ern auch die K,ü11stler Stellung nehmen, tind zu historischen
Zentren n1üs_e11 dann 11ot.,ver1dig die Kilrist ler ,verden. Oder: die \Verte
der geistigen W ese.n sind nicht die des DarsteJJers, wie dies bei Vor-
gängen der Fall ist 1 die it1m räum]ic}1 oder zeitlich ferr1 liegen. Dann
hat er sicl1 in sie so,vcit hinein~uleben, daß er sie verstel1t, u11d sind
infolgec.lesscn diese Wesen ihm in jhrem einmaligen und individuellen
Tt1n und Treiben interessant· geworden, dann kann er, solange er sich
ihnen gegen(ibcr nur historiscl1 verltalten, d . b. sie ledig1ich theoretisch
aur Werte beziel1en will, gar nicl1t anders, a ls die \Verte, zu denen sie
selbst Stellung neh111en, aucll bei il,rer Darstellung zur Scheiduog des
\ Vesentlichen von1 Unwesentlichen benutzen, denn ganz andere als
die in den1 l1ist orischen Material selbst vorkommen<Jen Werte heran•
zuziel1en 1 hätte nur dan11 einen Sinn, wenn die Objekte mit llilfe eines
~ 'ertmaß tabes nicht historisch ,vertbeziehe11d dargestellt sorldern
direkt ,vertend beurteilt ,verden sollten., und daß dies nicht die Auf-
gabe des Historikers, der ,,objektiv" wissenschaftlich verfäl1rt 1 • ein
kann , wissen ,vir. E s da,rf da lacr ,venigst cus fü r diejenigen gesch.icht-
licltcn Darst-ellunge11, die sicl1 grundsätzlich auf thcoretiscl1e Wcrt-
bczieliung beschrä11kcn, also in keiner Weise auct1 ,vc1·tcn.d Stellung
nehrnen , nicl1t von einer bl,o.ß zufä lligen Koinzidenz d er Werte ge-
s procl1en ,verden, die d ie Darstellung leiten, und die die dargestellten
geist igen \Vescn bei ihrem ,verten•Jcn \ 'orJ1altcn l,estimmcn. Die
leite nden \:Verte <ler Begriffsbildung sind von eir1er in d cra angege-
benen Sinr1e rein ,vi senscl'1aftlicl1e11 Da1-slellung tets dem bist.ori-
sc.l1cr1 Stoff selbst zu entnel1n1en 1 d. h. es n10ssen solche Werte sein,
zu de1len die dargestellten geistigen Wesen oder Zentren sicl1 selbst
,,•ert.end vet·halt cn 1 .
\ Vir sel1cn also , l f tcns ist jedes hi toriscl1c Individtit1m a\1( \Ve-
sen bezogen , die ~-erlien , also gci. tig sind, z\i.rcitcns tllii son diese
geistigen Wesen aucl1• unter de11 Objekten vorkon1111cn, aus dene11 das
letzte Ganze d er historiscl1,en Darst cll1u.1g bestel1t1 'und drittens endlich
tnus en diese \iVcsen zugleich die geistigetl historischen Zentren sein,
n1it denen alle andern Objekte ,vertbeziehend i11 einen realen ge-
---
1 Dabei dar.r man jedoch nicht vergessen, daß allr.i. dies n ur fOr d a. l o•
g i. s c b o l d e a l ein er „ol1ji' klivcn" hisl or i,i;chcn DarE.l ellung gilt, aL;;o e, ·en-
t uell fGr k eine wirl..lich ,·urhuu-tlcne Geschlchl~,,·iS.:>ensellart re~llo zutrifft,

ürg,t~hzado por Goog e


sch.iehtlichen .Zusarrunenhang zu bringen sind . Der vo,rt1er als bloße
Möglichkeit gewon11ene engere Begriff der Gescbicl1te ist demnach
für uns zu1n sachlichen Begrift der Geschichte überhaupt ge,vorden,
und zugleich ko,m men wir damit dem, ,vas von der empirischen Wissen-
schaft wirklich als ,,Gescl1ichte' 1 im engeren Sinn hervorgebracht
wird, sel1r erheblich näher, als dies durch den rein formalen Begriff
möglich war. Der nicht an Jogisc11e sondern an s.ach.tiche Unter-
schiede anknüpfe11de Sprachgebrauch ,vird ste~ nur solche Darstel-
lungen geschichtlich nennen, in deren Zentrum sich geis t.ige W esen
befinden. Das ist, wie ,,rir jetzt sehon, sein gutes Recht. Es fällt uns
daher nicht ein, zu bestreite11 , daß die Geschichte im engeren Sinn
als besondere Wi-s.sens°"haft es immer auch mit geistigen Objekten zu
tun haben muß und in s o t er n eine ,,Geist eswissenschaft,' ' ge-
nannt werden kann. Nur ist zugleich von Neuetn klar, daß '"·ir von
dem Begriff der Geisteswissenschaft bei einer logischen Untersuchung
nicl1t ausgeh c n dürfen, denn nicht der Umstandt daß sie eine
Geis tes\\1issenschaft ist, bestimmt ihre logische Struktur, sondern
umgekehrt: aus der logischen Struktur der Geschichts,vissenschatt,
d. h. aus den1 Wesen der individu a lisierenden und wertbeziehenden
Begriffsbildung läßt sich verstel1en., ,varum die Goschichto , •or,vie-
gend eine besondere Art des geistjgen Lebens zum Gegenstand ihrer
Untersuchu,n g rnacl1t. ,vir begreifen also sehr ,vohl , " 'aru111 nahezu
alle Theorien cler Gesctlicht S\visscnscha ft das en~cheidende l\iferkmal
für die Trcnnl1ng von der NaLurwissenscl1aft durcl1 den sachlicl1en
Gegensatz ,lon l{örper und Geist zu ge,vinnen suchen„ J a, das soeben
Ausgeführte erklärt niel1t nur die ,veile \ 'erbreilung derarti ger Ansich-
ten sondern gibt ihnen sogar ein r e l a t i v es R ech t . Alle Bear-
beiter der 11icht 11atunvi senscbaftlicl1cn Disziplinen, <ler Theologe,
der Jurist., der Pl1ilo)oge, der H istoriker , der Nationalökonoin fühlen
sich gegenüber den l\1ännern der NaLur~isscnscl1afL zusammengehö-
r ig, und ,,,enn man n ach dem Grur1de dafür fragt, so wird .m an im111er
geneigt sein, i1n Begriff des Geist igen das Band zu erblicken, das at1s
den nicht natur,\'tssenschaftlicl1en Disziplinen ein einl1eitlichcs Gan-
zes rnacht, denn ihre Objekte si11d in der Tat vonvicgend geistig und
müssen es sein. E s liegt daher auch für den, der einen Ueberbli ck
über das gesamte Gebiet de-r '"rissensctiaftlichen T ätigkeit und il1re
Un terschiede ge,vinnen will, sehr n.a he, die \iVissensct1aften in Natu.r-
wissenschaften und Gcistes1'-issen c haften einzuteilen . \ Vird vollends
bei dem Versuch eiI1er Theorie der Geistcswissenscl1aft.en das wollende

ürg,t~hzado por Goog e


5Cl'2 -
urld ,,.. e r t c ,, d c Subjekt zum Au! gangspunk.t gcnornmcn, so kann,
,vcil dje atu r,vi:-:!:<cnsc l1art..cr1 r, 1i t Ei111-<c'1 lu (j der t=> ychologi,!, aber
i111 Gcgcns.atz zu 1· Ge. eh ic hte u11t.f (l.<'11 an,lern ,, Gei ~te3,,·is ·c n i.:;c hafter•",
ihre Objel<.te voi, jeden, "verten<l«>n Subjekt lof:tlöf;c,1 n1üi- en, und der
g"~välille Au!-ganbrspu11kt al50 nichl fa h;c h ist , sogar se hr viel \,1erl.-
v oll{' zur Chnrc1kt.orisicrL1ng der Ge chicl ,tc und ihre · Gegensatzes
zur • att1nvissc11 ·cllafl, zutage treten 1. Docll ,vü rd e e-:-- Z\l \-,·cit fOl1-
rcr1 , dies .i m einzel nen. zu vcrf<)lgr n 1 unct ,vir llraurh,·n es nuc:h nicht
ztl tun. de1111 es 111t1ß a11flcrcrscit.s sc l1011 jetzt ci11lcuchte11 1 drl,ß \\·or

ei11 , rcr:.Län<fnis ~0''-'0h l der logisel1<'n als aucl1 der sacl1l iclle11 Ur1ter-
.at111·,vissrnscl1nft und Geschichte gc,vin11en ,vill,
trotz de ~ not,,·cr1dige11 Zusa.n11ne11l1augcs von Geschichte ur1d Geist
mit dem Ausg•~l1cn vo,n Geistigen und den1 Begriff der Gcistcs,,·isscn-
scl1aft r1icht zum Ziele zu k on1TllPJl v ermag. Daß dabei die logi:-:cl1cn
Gcgen~iltze der ~[etl1ode eher ver(leckt \\'Pr(lcn als klar zutage t rete11 1
b ra11cl1en \vir nicht n1ehr nachzu,vciscr, T denn seJb~t ,vcnn ,vir den
B egri ff des Geistes so eng fassen, daß d.urlrnter nur ,\·olle11de und
,,·ertcn<le "1'c~cn rnlle11 1 so kö11ncn doch aucl1 sie cbrn~o 1111tcr natur•
,,·isscni;chaftliche B egriffe g~hracht oclcr gctl<!rali~ierc11cl bcl1a1\dclt.
,vP.rclcn ,,,,ejede .belie}>igc aun,"r'e \\1 irkliclik.cit, uud das \\'ort Gr i~tes-
,,·is:,; •11 chaft blc·illt so111it in logi:-chct· t-lini-if•ht n:irh ,vir , ,or nicllts-
sagct1d.
Nttr darauf sei r1ocl1 au~( lrii<·llli,·11 hinge,viesf'n, clnß rt1nn ~ogar
- 1 '1-Jhir l:!Ci h 1:so11<ler:- auf ~t a 11 :- t tt r ll c r i.r r.ruudzOg-c· clPr P:-ycllolo~ie
11 l900 hingr ,,•i.-:-l'n . l}ie:1 \\'erk cnlh!ilt, ,•bf•Tl.:-0 \\'it' di n 5pill.-rr, l'liilosnphit• dct'
\\'crle ( 1 90 ), C'Jnc u sehr int••rcs._.;:antcn \ ' er :,u c ll, uult' r uc 111 Gt•:-i(•fll „flu1.1 l,lc t.les
C.i'i;rC'nsutir. \'On ·a1 ur 1.1n• I C:C'ist e,inf' f•:lntfiluug (l('l' \\'i,<1.t•n Frhafl.-11 1.11 ~e-
,vinn cn , und Z4'irhii('l sich , ·or nll en1 clntl1u·ch nu!<, daß 1111 d t• r 11ri11 zl p i, JIC'11 Ver- 0

i,rhic1h•nl11•it dt•r fli-)'clioloi;ri<ii.:llt'n und d••r hi-. tori~ehr11 J11'll'nr ht1111g trol1.,li11n
niclil {{f'Z\~t•ift•lt ,,·lrd. l-' ri."ilic lt i-ic hi-inl n1ir a11 rh )1.,.. 13,•µrif( der L~,•i:, lt'::-\\ i t-:-,t•II •
l'Chn fl nirhl h~llhar, dc•1111 <h1rc·h ~cil1C'J\ (:,•~•"n :-nlz vo11 „ohj1•kli,· i1•r('111li>n" 1Jnd
,,'" uhjt•kli v h•r,·n,l♦· n " ,,·i~st'n . . rlittflen I n.-11nl 1·r ,ti(• P-:-yrhnlol,{it· und <li•· (;1,~t'l'l ic hto
so sc-hr voni•i11::111dtr, 4lalJ cli{· \ '<•r,,·cndung von P""YC'hologi-.cl1!'H D•·~r1fft 11 in 0

t•i111•r ld:-'l ori..,cl, cn Uttr~lt>Jluul-:" danach gar nic ht 1uu;tlieh \\':1r•·, t111,I dil'S i:.l n1il
<h· n 1·u1-.u,.:hrn u11,,1•r1•in!Jnr. Ft•t·nt•r hlt·1hl nuc h JH·i ~I. tl(•r vi1•lil c>uli~(• I:Jc•p-ri(f
cl1•s ,,AJl:;rP111PinC'n" u11b{•~lh 11111l, und el' relrll tla hcr di,.. rnl.!>rlt,•ido11d l' F.in-.,irhl
In dl•n 7.u:-:'.1 1f'Ln1t•r,1 han~ 7.\\"b,rlu•n d(•r t,rt•:-~·hich l lie hen ß r J(•ul1111:.: dr,- l nlli,·idurll<ln
1..1ncJ drn :ill;:,·111tiJ1 c11 ,,·c r ll'u. Zur v·oJ!t•n 1,1arl11:il \\' il'il inan lt1 nll dic:c-1•11 f<ragi:n
erst Ju rclt ein1• !'C:hnrf,• ·rrl' rtnuu,; !lt• r lH"t"\•it,; 1,,•rnt1rl ~n „un,,·irklicht•n' ' Sinn~('-
bildit ,·un d<•n rto:clcn r ~y·c hl-.1.·ht·n \ 'orgflugt' II !fl! h1ng-1•n, n1L tlen.-11 i-it1 hofl1' n. ' icht
u111 „ot, j,•kli\'iC1'l'tl" \1t1, f „ii1Jl,jrk ti\'itr i•n" :-1>ntl••rr1 urn tlic• l•'f•~l~l1 ·llur1g <il~~ ~cini.
elut•r...el l.i; u11tl llie „ Lll!uluug•· sl!itH!:. ,.:iinue-s" auilrt'r!-1:'il.s huutlclL l!s s ich hier.
I,n fo li;l:'1111t~n ,\ln,chuit t gt•hi:n ,,·ir tl:tritur noch <il ,v11$ rinher rin.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 503

dann nichts erreicl1t1 ,,·e:no man den Begriff des Geistig,en al eine be-
son clere Art des Ps}rc h.ischen zur Bestimn1.u11g des sachlicllcn Begriffes
der Goscl1ict1te v er,,·eode11 ,,rill. Er ist dann närr1lict\ in ae,vis er IIin-
~irl1t zu eng und in r.tt\dcrer Hinsicht auch ,viede1· noch viel zu ,ve-it.
Ztl e11g ist er, i:nsofern nur ctas hist orisc he Zenlr,urn ein Stellung r1cb 4

mendes und dal1er geistige$ \Ve:;en sein muO, und selbst die$eS v o 11 der
Ge~cfiichLe nie1nnl'> in seiner le<liglich begrifrlich zu j olicreodcn Gei•
·tigl,eil, d. 11. a] psychi cl1cs Wese11, sonder11 stets als v olle geistig-
körperliche R ealität clargestelJt ,,rird. Zu ,veit ist der B~grif[ dagegen
insofern, als nicht alle wollenden und ,vertcr1der1 \iVescn .scl1on Objekte •

der Ge:scluchts\visscnscl1aft _ind. E s n1üßte. also noch ein anderer


Begriff des Gei Ligen gebildet ,vertJen, falls ,virklich durctl ihn auch
nti r da ' zcr1tra}e ~1aterial der hist.o riscl1cn \\iisscnschaften bes ti,m mt
\VCrtlen sollte, t1nd rler Umstand , daß z.,vischen 9 eist und Geschichte
ein Zu art11nenhang nur in oferr1 best.el1t , als ,,·crtcnde Wesen. imn1er
psychi --chc '\\7escn. sind , zeigt dal1er gerade, ,vie \\'C11ig l1icrnt1s für die
Bestirr1mung ·n eines sact1licl1e11 Bcgriffci:, der Gcsch.ichte zu ent-
n(!hrr,cn i st. Es ,:värc d esbalbt ,,teil n1it dem Begriff des Geistes eine
r1och engere uls rlie bisher angegebene BecleuttJn(J' heute nicht ohne
1
\ \ illkür verbunclen ,verd en kann , dringe1 1d ,vünschen '\\'ert,. daß \\- ir
den Begriff der Gci8ws,visse11scl1art, be'i detn u11ter de111 \Vort Geist
ein p,;)•chi ches ein vcrst.a11cleJ1 ,vird t i11 ei11er 111etl1odologisclier1
Untcrsuchu11g gär1zli cl1 fallen lioßerl. Der Crurttl (Jr1für1 daß der A\1S-
druck sict1 eir,gcbilrg •rt uat 1 besteht nt1r darir1·, daß rr1an frti her unter
Geis Let,v-as völlig ande.rc1, verstand a l:; hcut.e. Durch die Beibehaltung
V<>n 1-\ usclrückc.n , clic ni c ht nt1r ihru frii .ho1~0 Bedetitung •~inrrebüßt l1ahen
sontlcrn _ogar a\.tsdrüt k liGh in cir1c1r1 a11dorc11 Sir1nc geb rauel,t \\•erden
a ls fr üher, können lcdiglicl\ i\1 iß"·er. Lfincl11i ti:;e e11tstcl1en. An dea1
\Vortc Gei:;t utJer hafLet die Gefl"thr solcl1er l\fißverstü11dnisse jn be-
011rl ·r:s hohc,n !\laße, \1 nd dc:;,\'eger1 is t d r I{ampf gegen clcn Ter-
111io L1s Gci:-Lcc;,vissenschn rt rn el1r :tl c i11 \Vorl.streit. E rst dann \.Verden
,,ri r au fl1ören l'Cön.ncn, ihn zu fül 1ren, Calls man tin ter Geist ,vicder
et.'\,'flS an<lcrc~ zu verstehen gc,vohr1t ist al:s da P~yclli·che. J a, inan
könn te tliescs \\'ort d atln nllein ver,ve11den 1 ,ve11n jeder „ofort \Vtlßt e,
d aß das Geistige nicht nur im Grgen atz zutn I( ö,r pcrlicht'Jl :-.onderr1
auc l, zu rn blo ß P s)~chi ' chen stcl, t . .Der Begri [f de" Psyclli$cl1cn LJeibt
un ter <:1 llr n ün1. täncien nicilt 11ur zur Charakteri~icrur,g clcr t,i tori-
ttclien l ·lotl1ndc . onllern auch zu r Be· t in1n1u11g de hi~t,oriscl1en ~late-
ri al~ v öl lig ur1gPeigr1ct . Da · ,vird v ol lellll- zttla rrc trct n, ,,·e11n ,,·ir

ürg,t~hzado por Goog e


- 504 -
,vjssen, ,va-s in \V:lttrheit das 1"Iatcrial der he\1te sogenannten Geiste~
wiqscnscl1aften ist.

VIII.
D i e h i s t o r i s c h e n 1( u I tu r ,vi s s e n s c .h a f t e n .
\Vollen ,vir v erstehen, für ,,,eiche Teile der "''irklichkeit eine
naturY.ri-ssc11sct1aftlicl1e Bel,andlung niem.a.ls genügen kann, und ,,•eiche
Stoffe also eir1e historische Darstellw1.g nicht nur möglicl1 mac}1en
sondern aucl1 fordern, d. h. ,vollen wir dinen sachlicl1en Begriff d()r
Geschicl1t.e go,vinnen und zu ihm durch nähere Bes timrnung der bis-
her dargele.g len logischen Prinzipien v<>rdringen, so können wir nur
an den Begriff der 'vV er t e anknüpfen , die die historiscl1e Begriffs-
bildung leiten. Von il1nen ist e · abJ1äogi6 , ,vas historisch ,,,ese1ttlich
\vird und was nichti und insbesondere muß ihre n ähere inhaltliche Bestin1-
mung de11Begriff des 1Jistoriscl1cn Zentrums iohaltlicl1 feststellen. Hier-
auf aber kommt es vor allein ar1, deru1 rnit einen1 sacl1lichen Begriff des
historiRchen Zentrurns ,vird, so\veit dies in der Logik möglicl1 jq.t, auch
ein sacl1licher B~ riff des Gescllichtlicl1en überhctupt gegeben sein.
Es versteht, sicl1 dabei von selbst , daß die Weiterführung der Gedanlten

l etzt nur nocl1 1ni t l~ilfc der l{onstatierung v on 1~atsacl,en gescllehen
kann, <lie sicl1 nicht, 1nehr als logisch not,vendig ableiten lassen . Der
Umstand, daß ein Wert überhaupt die historiscl1e Dars tellung leitet,
machte es uns verständlich, daß das bi toriscbe Zentrurn ii11mer
geistig ist, aber schon dies ko11nLe nur durcl1 1-leranz.iehung der Tat--
sacl1e festgestellt ,verdon, daß werten,de \Vesen in der uns en1pirisch
bekannte11 Welt nicht nur körperliche \\1esen sind . Es ,var dies der
erste Schritt au! einem jetzt \Veiter Zll verfolgenden W ege, lind ,vollen
wir nun den nocl1 immer zu weiten Begriff der Geschichte verengern,
so müs, en "vir nacheinander die Tatsachen 11eranziehen, aus denen
sicl1 etwas fü r den s~chlichen Begriff der Gescl1ic11te ergibt.
D,er zweite Schritt, den ,vir auf diesen1 \Vege zu machen haben,
erfolgt im Ar1schluß daran, daß jede hist ori ehe Darst ellung, ,venn
sie \Vissenschalt sein ,vill, ihre Objekte auf einen Wert beziehen muß,
der ei.n Wert [ür alle, und Z\Var zunäcl, t für alle die ist, an die sieb
der Historiker 1nit seine1· Dorstellu11g ,vendet . Die Allgcn1cinl1eit
dieses "''ertes kann jedoch einen z,vt!ifacl1en Sjnn t1aben. Es ist ent-
wecler der \Vert \virklich von allen anerkann t, oder er ,vird allen als
ein anzu·e rkennend•e r zugemutet , d. 11. er kan n ent,-.·edcr ei ne faktische
oder eine, ,vie ,,·ir sagPr1 ,,·,,llen, norn1ativ allge1r1cine Geltung besitze11.

0191 lt ado por Goog e


...
- 505 -
Doch ist von diesern Begriffe des Normat iven der Gedanke an irgead
ein üherempirisches Eleinent absoluter Geltung vorläutig noch gan z
fernzuha lten . Wir bleiben auch mit dem Nortnativen irr1 Tutsäch1ichen,
d. h . '\\'i r nennen die '''erte normativ t llgemcin, deren Anerkennu11g
fakiisch v on allen Gliedern einer bestimmten Gemejnschaft gefordert ist.
Fragen '"ir nur1, ,,1as hieraus sich rar eine nähere Bestimmung der
leitender1 \.Verte der geschichtlichen Dars tellung ergibt, so zeigt ein
Blick au[ die Tatsachen , daß jeder für die Gescl1icbts"'-' issensct1aft in
Frage komn1ende allgom.eine Wert ein von 1\1 e n s c h e n anerkannter
Wert sein muß. Bei de·n normativ allgemeinen W erten ist dies selbs~
verständlich., und auch die fakl jsch allgen1ein anerkann ten "'Verte
können nur· "\>Verte sein, die ~fenschen anerkennen., denn sie müssen
sich, ,venn der I-listorike r sie kennen soll, empiriscl1 konsta tieren la.sse11,
und dies ist nu1 bei ~1enschcn möglicl1. Daraus [o1gt, daß auch in11ner
llenschen im Zentrum der Wirklicllkcit ste},\en 111üssen, die Objekt
einer t1ist oriscl1en Dr rst.ellur1g ist. Nut daon n ämlich haben ,vir ein
historisches Intere„se an einer \1/irklichkeit, wenn n1it ihr geistige
\Vesen zusammenhäJ1gen, die zu den allgeu1einen me11 cJ1licl1en Wer-
t en selbst Stellung nehmen, und lt1enschlicl1e \Verte ,verden 1 so" reit
wir dies ko.nstatieren können, nur v on Men-ehcn ge,vertot. Wir haben
also jet zt einen Begriff des l}islorischen Ze11trums und damit einen
Begriff der Geschichte ge,voru1en, der dem, wa.s von der e1npirischen
Wissenschaft als ,,Geschichte'' ta tsächlich hervorgebracht wird, be-
reits wieder einen ScJ1r.i tt näher kornmt. Der H auptgegenstand, auf
den die v orhande1ie Geschichtsschreibuug alles andere bezieht, ist
imrner die Enl,vicklun.g rncnscblicl1en Gcistcs.lcbens.
Aber aucl1 dieser Begriff ist noch zu ,,reit. Den nächsten , dritten
Scl)ritt auf dein W.ege zu seiner Bestin1mung machen ,vir durcl1 die
B esinnung au! die Tatsacl1e1 daß allge1neine W erte, und zwar wieder
so\Vo}1l die faktisch allgemein anerkannten als auch die normativ
allgemeinen, nur bei solchen 1\ler1schen vorkommen , die in irge11d
einer G e mein s e h a f t nliteinru1der leben, also so zial e Wesen
im "'·eitest en Sin11e ,des Wortes sind. Daß es vereinzelte Individuen. in
der ernpirischeo Wirklichkeit überhaupt nicht gibt, ,vissen ,vir, und
vol lends kann das geistige Leben v on l\lenschen , bei denen es bis zur
Ancrker1nung von a llgemeinen \iVerten gekon1men ist, imm.e r nur ein
Leben mit ar1dcrn l\fen cl1en suin. \Vas die faktisch anerkannten .allge-
meinen Werte betr ifft, so liegt es scl1or1 in il1ren1 BegrifJt daß sie \1/erte
einer menschlicl1c11 Gemeinscha ft si11d, aber auch wenn ,vJr eine.n \Vert

D191, h,ado por Google


506

..
als r1orrnativ allgc•tncin ansel1e11, ,,·irtl er i1n1r1er ei11er ,,•irklic hen Ge-
nlf'inscl1aft zugc111uL<Jt. \\1 ir 111Qssc11 11ur bei d e 1t1 \;\rorte Genleinschaft
r.1icl1t allei11 an sulc.l1e s<Jzi ale11 Gru~lpe·n dcnkc111 deren Glieder ein ander
rau1t1li ch u1H.I Z"tL1ich r1ah e sind, son(lf'ro auch an Gemcin s_cl1aften,
die nur durch ein iclcr·llcs B,1nd z1.1:--t:t n1rnrngol1:'l ltcn ,,·crclcn, al. o z. B.
aus al lcn 1.ur \Vit,;z;cn:-eh;:1 ft, ztJr l{u n~L us,v. St<1llung nel1tnende11 ~f e-11-
schcn bestehe11 1 und dcrc11 Glieder dan.n eventuell ,,1eithin über R'a um
und Zeit verstreut sci11 können . Nen nen ,,·ir clie nl lgpn1einen ,,rerte
au ch ~olcher Ge111e-infc h{lften 01,.i..1\e \\'crtc, so k ö nn er1 ,,·ir sagen,
daß die \\rerte, cJie eiue hi.slorisc::he Dari-u-lh1ng ·1ciLc11, i1111r1cr soziale
r11cnscl1licl1c \1/crte si nd. }Iicraul$ ab r ft,lf,rt dann \,·ic<lcr, daß in jed·e r
"'' irl<licl1kcit, die Zlllll Objcl-i.t einer t1istorischen Dar lellu11,, \\'erden
soll, 1\1enscl1en sicl1 befinden müssen, die 111it R ,ü •kii-icl1t, atif oziale
\ \ 1 rte du.rch die Tncli,1 id11alit.ät il1ros \e\'"ollcns 11nd 1--Iandclns ln-dividucn

sind, 11ncl daß dah r im Zc11 t ru,m jeder l1L, torischer1 DnrsLcllung das
durch ::;_eine Eige11art bedcu lsau1e ~ec)isc he }_eben ei11cr Ge1 ueinscl1aft
von ler1sclicn st.eht. Selbst. scl1ei1)bar .so isolierte und vereinzelte
Ir1cli\·idut-n, ,vic z. B. Spinoza, sind n1it Rü 1{:-iC' ht auf die ,,•j~:c;.enschafL-
üchc Gcn1einscl1art clcr l\·t nscheri o<Jcr die socielas philosopt1orun1 1 zu
d er sie ge hören und gehören n1iisscn , t1111 <'ine his toriscl1e Bcclct1tung
Z\1 erhalten, als s<)zialc \1/ e-5-en a11zt1scl1cn. Ocr zc11 tralc l1ist orisc ho V or•
gang ist al;;o ~tct.s c11t,,·eder di e Ent.,,·irlcl1111g eines einzelnen, i11 einem
ir1divirlue l lcn sozialen Zu a1fu11c11 hang • l1efiudl i.cln~11 n1e,nscltl ic ltcn
0

Geist esleber, od r ein i11dividuellcs soiialcs Ga11zc~, dessen int.livi-


cluelle Glie<ler Ztl Gru11pell zusar11rne11gefaß t ULld nur u r1l.er ei11en

relativ J1ist orischen Bcgi-if( gebrach L zu ,,,er<len bra11e hcn, ,,·eil j. cles
ei11z.clno Gliccl ,i urc~1 die. elhen \Villcnsuktc t1nrl 1-Ia n.cllungen historisct1
,,·cscnllit h 1s t \\'ie alle andcr11 . l)ic ül>rig<'n ll'is t o ristl1r n Ohj r l<tc ,,•er-
den danrl auf di,cse ~ozial"n In<liviclue11 bczoger1 1 '"til . ic 111it ih11cn
in einc n1 rralen l1i. tori~cl1 r.n Zusa1t1r11c11l1n11gc stehen.
So· sind \Yir n1it tlilfe der PrillZiJJien d er hisloJ"ischen Bc~ri ffs-
bildur1g einerseits u11d uer drei T'a tsac hen al1clerer::-c.ils, claß ,,,,.rtende
\'v·ese1t geistige \\rescn , däfl allgemein e \\7crtc 1n ni-cl1tichc vVerLc, und
da ß allgen1cin e n1c11sr hliche \\'ertc soziulc \\'crlc sind, zu l'i nr m Be-
griff der GeS<cl1icl1te geko111n1cn> dt•r u11Lt.> r sachlict1en Gesicl1tspunk-
tc11 ,ricJfacl1 bercit,s als il1r erscl1öpft~1,1der Bf'griff ange~el1en t1nd zu
ihrer r\hlrenn.urtg von <l.c r -alur\,~.is en sc h·aft h cntrtz:t ,,•ircl. Die atur
auf der ein n Seite, d a so zinle I.,el)ct1 rl •r 1\Icnsehen auf d . r ac1dern
Seite, d~1~ i:,ind, so r11rint 111an, di ' beiden Gr u1)pcn v on 1'at.sncl1cr1, i11

0191 lt ado por Goog e


- 507 -
die sich ,fie beiden großen Gruppen von \'\1issenschaften teilen, ti.n d
\\~ir sellen al 0 1 \ Vie aucl1 diese Auffassung in un ·ercr UnLersuchung
il1r relatives Recl1t erhält. Nur knüpft sich oft an die:::e11 Begriff des
Geschichtlichen der G~clnnkc, cla ß „soziales'' Leben. niclit , 1indiv1-
du a·lisli!1-ch'' dargr-~tellt \\·erclen könne, \ VOl)ci '"-ieclcr das Atorn mit
dem Jndividt111m 1 d~s so ziale Ganze mit <lern allgcnu~incn Gattungs•
begri ff ver,vl•c hsclL isti u11,I iJes,vegcn sprcch1m \Vi r ahsicl1tlicl1 von
eine1n 1 ,ir1{iividu ellen soziale11 Zusarf11ncnhar1ge" un(i v on „sot.ialcrt
Individuen'' . Pa·ra.dox kar,n diese Zusammenstellung , ,o:n \\'orten
nur für den klinge11, der nicl,t einsieht, daß der reale geschicl1tliche
Zu::1 amrr1enl1a11g eitler Gesellschaft st cL!!. ct,,·as lrtdividuelles ist, und
di,O gcralle die Unterorclnt1ng de1· In <li,1iduen UJ:lter eir1er1 allgemeinen
'
Begriff sie au dem sozialen gescl1icht}ic1'1en Ganzen herauslösen
würde, um al)stroktc ALorn,e auRihnen zu machen . Die generalisie,~cnde
Bogrirfsbildung i ·t \Vie ,vir gcscl1ell hab n, not,,ren-dig rrut nlcllr od.er
wen iger i. olierenrler und insofern aton1isierender Begriffsbildung ver-
knüpft.
Docl1 für un~ere z,,·ecl,:e ist a uch der jetzt ge,,'onncne Begriff
der Ge ·hicl1t e r1i cht besti1n11lt ge11ttg. Ja , es (el1lt iltm sogar r1och das
e11tscl1eidrnde l\Icrkm.al, denn \vir verstehen au ihm n ocl1 in1n1er
nich t, ,van11T\ die bloß 11a.tt1rwi. senschaftliche Behand lung des m-ensch-
lichen ~oziale11 ÜP.ist c!,lehens ,vcniger befrie{lige11cl sein s<,11 als (!ic ein.es
anderen Objckt<"s, <1. li . \Vc:: halb die generalj:1,icrcnd - Soziol<>gic nicht
a lle ,,·issenschaftlich not,vcndiger1 Fragen , die das Lel>cn dr1· r11c11?.cl1-
licl1cn Gescllscl1aft a11 u11s st ellt, bca11t,vort,~n ka1111, u11d ,,,csl\all> es
a11cl1 i11dividualisierc11de G scl'1ichtc von il1r gibt. \\' ir l1aben also
dc r1 Begriff dc-s allge11teincn leitcr1de11 \.Vert.e.-. cl~r ldstori chcn Dar-
stelluug noch nnlter zu bestirnt11e.n , urn o zu eir1ern 11-och- engoren Be-
griff cler Gescl}ich t e v orzudringen. Dabei ist dies c11~cheid end. Die
fukti._ ch a llgerTieinc An~rkPnnur1g cler \1/erte, n1it Rücksicht a1J! ,vclcl1e
clie Objekte zu t1i~tor isc hcn In-di '"•jllue11 ,vcrden sollen, d nrf 11i-cl1t aus-
scl1licßlicl1 u,,r ein.cm s(;g<'nann t en 0 Naturlri-cbe" beruhen , d . h . rnit
d,·r eigurtg ei nes jeder, b eliebig n Individ11\1ms zt1sa,111ne11 fallcn , ,,·ie
djc:; z. B. bei den Gütern rler S11t t igt111g d~ · Ilungcrs oder rl ·r B efrie-
digu ng des Ge cl1lecl1t- triche,s (_ler F a ll i~t . Dcn11 so altg,,rncin die
\.Verte 1 die an lliese11 Güter11 l1a ften 1 au-c.11 sein 1nvge11, ~o b}Pil)t doct1
i.h re Vet'\virklicl1u11g i11 GüLorn zu1n Teil ,,·enigstc11s die Angcl<.'ge11hci--t
der eir1zelne11 ln(lividucn , und so\\reit das der Pali i!St, kann 1nit Rück-
sicht at1f ie niemals eine ftlr Alle gült ige In-clivil1 ucnbildu11g c11-tstcl1e11.

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- 508 -
Erst die sozialen Organisationen, die von den Gliedern einer Gemein-
I
schaft zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gcscJla(fen '\'Orden sind, haben
in ihrer Individualität zt1gleich eine B edeutung für Alle, und so können
\ltir sagen, daß die allgemeinen \iVerte, die die historische Begriffs-
bildung leiten , immer zugleicll auch eine gemeinsame Angelegenheit
der Glieder einer Gemeinschaft sein müssen. Dann aber fä)lt der
Unterschied von faktisct1 allgemeinen und normativ allgemeinen
\Verten fort , denn alJcb die faktisch allgemeinen V.7erte müssen unter
diesen U mständen i1nn1er zugleich als Forderw1gen für alle Glied~r
der Gemeinscl1aft au[treten und insofern als normativ allgen1eine
Werte gelten können 1 wie dies z. B. bei den W erten der Kirche, der
Nation , des Recl1t es, des Staat es, der Eh.e , der Familie, der "virl:iscl1aft-
licl1en Organisation , der Religion, der Wissenschaft, der Kunst .u sw.
der Fall ist. Nu r die l\1enscl1e-n, die n1it Rücksic1lt au CGüter von dieser
Art und auf die Werte, die an ihnen haften, zu In-divid·ue11 werden,
kotnrnen dann für die Geschichtswissenschaft als historische Zentren
in Bet racht, denn nur ejne Darstel.lung, die von ihnen berichtet, kann
die i\nerkennung ihrer leitenden Werte bei Allen, an die sie sieh we.n -
det, vorausset zen und so auf allge1neir1e Geltung Anspruch m.acben.
Suchen \Vir z11näcl1st no.ch einem gemeinsamen Namen für diese
,v erte, die an solchen Gütern hatten, von d enen ,vir bisher nur Bei-
spiele gegeben haben , so werden ,vir ,vieder am besten an den Begriff
der Natur anknüpfen, um .zu sehen , "''as außer dem rein logischen Be-
griff der Ge-scl1ichtc son st noch in einem Gegensatz zu ihr stel,t. Da-
bei könner1 \vir nur v on einem 'N aturbcgri[f ausgehen, der das physi-
sc l\e und das psychiscl1e Sein gleichmäßig umfaßt, trotzdom aber
noch einen andern Sinn l1at, als daO er die \1/irklicllkeit m.i t Rücksicht
auJ d as Allger11eine bedeutet, und Z\var refle.kLiercn ,vir jetzt darauf,
daß unter Natur auch die Objekte zu verstehen sind, bei de11en wir
· von allen Wertbeziehungen absel1en , \Vic dies die U11terordnung unter
allge1nei11e Begriffe not,vendig 1nit sicll bringt. E s ist a1. o nicht etwa
eir1 neuer Naturbegriff, de11 ,vir einführen, sondern es \\·ird ntir auf die
\v'ertiI1ciiffere11z des bis~ier schon ge,vo.nr,cne.n Begriffes, der dje \ Virk-
licl1keit rnil Rücksicht auf das Allgcrneinc ,1mfa ßt, auscl rüclt lich re-
flektiert. Dann stc)len icli Z\VCi Gruppen von Begriffen ein 1 die in
ein on Gegensatz z-..1r Iatur treten köntl·en. Wir habe11 lrOl1er scllon
S0\\1obl Begriffspaare ,,·ie Natur und I(u11sL, Na tur und Sitte erwäl1nt
als aucll Begriffsp aare ' "ie Nat ur und GotL 1 u11d zu dieser z,vciten Art
kö1111Lcrl·"·u· noch das von atur urtd Geis.t llin zuC'Ogco, '"·obei dann

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- 509 -
1
(rei1icl1 unter 11 Geist' .nicht das er11pirische 1\faterial der P ycl10Jogie
zu v erst ehen ,väre. E s ,vürde diesen Begriffspaaren dann vielmehr

d n s gemeinsam sein; daß dem Natürlichen als dem \tVert(reien et,vas
\Vertvol les als ein Ucherl1atürlicl1es, Uebersinnliches, Transzendentes
gegenübergestellt wird. Docl1 ist von vornel1erein klar, daß ,vir einen
solcllcn rneLaphysischen Gegensatz l1ier, ,vo es sich um die Bestimmung
der Prinzipien einer empiriscl1en \Vissensch.aft l1andelt, nicl1t gebrau-
chen könn.e n. Im Gegensatz zum Uebersinnlicb<1r1 ist aucl1 das Ge-
schichtlicl1e et,va.s 11 Natürlichcs" , ltnd es bleibt also nur n-o eh d i e
Grtippe von Begriffe11 übrig; Z\J der die Paare Natur und Kt1n t,
Natur ur1d Sit t e U5''' · gehören. D·e r Nan1c aber für das, ,vas da.b ei
zur Natur in einen Gegensalz tritt, kann kein anderer als Kultur
sein, u.11d dieser Ausdruck \\'ird daher für uns ,vicl1tig. Das "'' ort,
urs.prOnglich f ör d ie Pflege des Bode11s gebraucl,t, ist l1eute als Bezeich•
nung für die Güter üblich, di-e den Gliedern einer Gemeinschaft am
Her-zen liegen , oder deren Pflege von ihnen gefordert ,verden darf.
Die K u l tu r ,v e r t e sind deshalb die norr11ativ allgorneineti sozialen
\Verte, von denen wir gesprocher1 haben, t111d der Gegcmsatz von
Natur und Kultur ermöglicht es daher endlich , dcr1 sachliche11 Be-
griff der Geschicht.o;"rissenschaft in seine1n Gegensatze zu -d ern sacl1~
liclien Begriff der Na tt1J'\vissenschaft abschließend zu cnt,,rickcln.
Kt1ltur ist die gcmcinsarne Angclegerthcit irn Leben der Völker, sie
ist das Gt1t1 rrlit Rücksicl,t auf dessen \Verte clic Individuen ihre , ,o,n
Allen a11zuerkennende l1istorischc Bedet1tung crl1alten 1 und die allge-
meinen Kttltl1rwertc1 die an die-sem G-u te harten, sind es also, die die
hj toriscl1e Darstellung und Begriffs bild.u ng bei der Aus,vah.l des
,vesentlichcn leiten. Dabei .lassen \\rir es unentschieden t ob Z'\vischen
ihnen ltnd den übcrsin11lichcn oder transzendenten Gütern ,ein Z,u-.
sarr1rr1en hang bcstel1,t , den die Pltilosoptuc als einen not."'vcndigen auf-
zeige11 kann. Die empiriscl1e Wisse11sct-1aft l,at sich als cmpiriscl1e
Wissensc'haft darum nict1t zu kt1rnmern. E s kommt filr u1ls nur darauf
an, ein Gebiet des al.lgemein Gewerteten und Gepflegten von d e n
,virklichkeiten abzugren.zent die ,vir al.s indiftercnt gegenüber Werten
betrachten, ja 'bctraclitcn n·1ii scn, falls ,vir sie a ls Natur, tl . h. als bl<lße
Exe1n plare alJgerncin cr Begriffe dcnkcr1 ,,·oll.cn.
Sind nun aber die normativ allgemeinen Kultunvcrte die leitcnclen
Pririzipicn jeder historischen Darstellur1g, so kornm en \\'ir auct1 iJ1
der Begriffs bestimmung des historisc hen Zer1t1·urns ci11cr1 Scl1ritt
\\·eiter. Zu11üc~1. t i~t c. ~el bi-tver ·tändlich, daß für clie Ge chicltic vor

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- 610 -
allem d i e :\[enschcn \\lesenLlich ,,,.e1~den müssen , die elhöt zu den
normativ allgemeinen sozialen \Verten d es Staates, des Rechtes, der
Wirtscl1art, der Ku nst us,v. St.ellur1g genornmen f1 abe11 und dadurch
in ihrc1· Indivicluulität für den Gang der l{ulLur von '"csentlieher Be-
deutu11g ge'\\·Or<.1cn sind. Alles übrige Sein ist nur insofcrn gesc1iicl1t-
licl1, als es au! die n1enscllliche Kulturtätigkeit und ihre Ergebnisse
in seiner Individualität einen Einfluß hat. Doch reicht diesc.r Begriff
des l1istoril'>cl1cn Zentrums trotzdefn fi.ir unsere Z\vecke nocl1 nicl1t
ganz aus. Der 11allger11einec 1 l1istorische Zusam n1c11har1g Ilä1nlicl1 ist
nicht nur in..,o[ern zu bcrilcksjcl1tigen 1 als jedes lrisl,oriscl1e Individuum
mjt ei,n err1 größerer, sozialen Ganzen verlo1üpft ist , den1 es sich als
Glied einordnet , sondern ,,·ir haben auch darauf zt1 acl1l.en, daß die
Gescliicbte st et.::., so,,·eit sie es irgend kann, die Ent,\·ickJung ihrer
Objekte darzusLelJen hat, d. 11. die \ f e: r ä n d c r ll n g s r c i h e n,
deren aufeina11der folgende Stadien \\'escr1llich vo11eina11der versc.:h_ic-
den sin,d. E s läßt sict1 freiücl1 eine Ge11lein cl1aft, denken, deren Glie-
d.er zu \Vcrtcn, (lje für sie eine norn1ativ allge111eine Geltung besitzen,
in iJ1re11l \Vollen lIJ1d Handeln Stellu1\g nelune11 1 ja sogar u1laufllörlich
an cler \ 'erwirklicl1t1ng nor,m ativ allgen1ejner Ziele arbcilt:n , ol111e daß
itn Laure der Zeit nocl1 ,,•oscntlicl1e Aendcrungen a.n clcr Eige11art ihrer
Tätigkeit tind i,h rer Erfolge zu hcn1crkcn '\värcn, und clann . cl1eint
aucl1 die Gescltichte auf die Darstellu1,g ei1les c.Ia\1crt1de11 Zustan<le:s
beschränkt zu sein. Doch ,vürdc auch i11. ci11cr11 solchen Falle der
Scl1,ver1Junkt des Intcrcs, c auf der F'J'age licge11, ,\·je dieser dauernde
Zusta11d alln1ählich. in einer ein1naligcn Ent,vicl,lung erreicl1t \Vorden
ist, ja falls clic Veränderungen ,vir klicl1 in 1, e.iner H in::.;icl1t 1nc hr -.,·cscnt-
lich \Vären I so l1ätlc eine solcl,e Gcr11cinsc}1afl aucl1 lroine ,, Gescl1i cllteH
n1cl1r1 die oocl1 eir1cr beso11c.leren Darstellu1lg bedürfle, d-e11n alles
)Vcsentlicl1e in dem ~ich nicl1t a1chr ent,;i.•icli.clnden Endprodul·t n1üOte
dann l1ercits in der Gcschicht.e d er Ent,\·icklun g enthalten sein. Abge-
scl1c11 davon ,vird 1r,an bcz,veifeln dürfen ; ob es in dein angcg-ebc.11en
Sinne konsla11te l{uJlurgcr11ei11schaften ,virJ<licl1 gibt, und jcdc12falls
ist I(ult\1r in dem t1euLc iihlich ge,vorcle11cr1 S.ii1ne des v\'ortes nur dort
v orl1audcn, ,,·o da- Leben der Gen1cinschaften ,ve11igste11- frül1er ein-
n1al so abgclaufe11 ist , dt1ß die TäLigl<eit ein es jeden Sta<liun1s die Tä-
tigkeit, der vorang...gan gcncn Staciicn zur Votausset:&ung hatl.c oder
aur ihrer Gr11n<llurrc in c1cr \\: ci(':\c ,vcitcr bauLe, da O Z\\>'i cl1en den ver-
schicdcc1en Slatiierl si ·h ci11 n,it ß(lGl{sicht. ouf d1e allgerneinen \>\'ert.e
wese11Lljcl1cr ir1dividucllcr Uu t.crscl1ictl fcsts Lellcn lä ßt. ;\fit andern

0191 lt ado por Goog e


- 511

\Vorten: l{ultur ist dort allein , \VO es aucl1 l eleologiscl1 1,istorisehe


Eot",riek lung g.iibt oder gegebe11 hat, und so zeigt icl1 ein nocl1 e11gcrer
Zusammenh ang vorl Kultur uncl Ge. chicl1te; der ao einen, v iel erörter-
ten Begriffe a\1cl1 in einer andern Weise au sdrücklich klarzulegen isl.
~1a11 sprjcl1t von ,,Naturvölkern'' und br.i ngt sie SO\\fOhl zu ,,gescl1icl1t-
lich•e n'' Völkern a ls zu , 1 l{ulturvölkern'' in ei1-.on Gegensa tz. Ob es
ab olut ungescllichtliche ~Jer.a schen gibt, dto gar keine I{1Jltur b esitzen,
k ann hier wieder une11tscl1ieden b leiben. Aber, falls ein Volk in sei11em
vollständig bekannten Werdegarlge ,virklich keine historisch ,:vese11tr
liehen Veränderungen zeigen sollte, o könnten ,vir es i11 der Tat 11ur un-
ter al lgemeine B egriffe ,ron Wiederftolungen bringe11 1 also in ·ofcrn
auch 11ur als ,,Natur'' im lo.giscl1en Sinne an.,el1en, und historisch
\Vescntlicl\•C Veränderu1tger1 ka11n es nur zeigen, ,venn es 1nit f{Ock-
sicl~t, a uf seine J(ultur\"i'erte ei11e J1ist.orisclle Ent,,.,icklu11g darstellt.
Daraus ersel1cn ,,1ir, ,velcl1en Sin11 allei11 es hat, von Naturvölker11 zu
spr,ecl1en, ,u nd in ,,,,eJche1n Verl1illtnj~ die~er B egriff sa,vohl zu de111 der
K ulturvölker als auch zu dem d er gescllicl1tlicl1e11 \ 1ölker stebt. So
zeigt icl) von •eue,n: gcscl1icl).tlicllc \ i,ö]ltcr rr1us~cr1 i1nr11er auc.L1 Kul-
turvölker sein, uncJ l{ultu r kann es nur bei gesel1ichLlicl1en Völkern
gobe11. Es bedin gen s.icl1 die Br.griffo de r I{ultur uncl der Gc~chicl1te
gegen seitig und l1ängcn gc,visserrr1aßc11 ir1 clopp ~lter \Vei ' C 1nitejnander
zu~an1n1en.. K ultun\•crt-c al lein 1nachcn die Gescl1ichtc als \Vissen-
schaft n1öglich 1 ttnd gcschicl1t,.lich0 Ent,vicklung al lein bringL reale
l{ulturgüLcr l1ervor, an d•e ncn K ultun\•erte hafte.r1.
Da1nit ltaben ,,,ir e11dlicl1 a,1cl1 dC!n Begriff der z-erYLra,le11 l1i ·t,ori-
scher1 Vorgä11gc so,vei t, bcsLi1r1n1t, ,vic <lies für u11 s.cre z,,·ecke nötig
ist. Die Jeitenden Gesicl1ts11unktc jeder l1istorischcn •
Darst ellung
miisscn \iVert.e von normativ allgc1neincr Geltung sein, ur1d dietse
realisieren sicl1 in Gü tern, an de ne n sie lla ft.en , rttJr innerl1a ll) einer
l1i„tork;chcn Ent,,vickltJng. D er Stoff, der rr1it, Rücksicht a11f <licse
\Vcrto l1i,tori~c•1 "''CS<~ntlicl• scir1 soll , 11111ß al~ hi:,torische.~ Zc11trt11r1
die E r,t ,vickll1ng mcr1:.;chlicbcn f{ulturlclJens cuthaltcn 1 auf \.V~lcl1e
seine and eren 1'eilc bczogc11 ,vcrcl-en können. cll>::iLvr:r:-Uindlich ist
aucl1 dit,•scr B egriff des gesch iclttl.icl1cn Str,ffp:; als des hil-to rjsc hcn
J{ul Lurlchcn nur f o r n1 a 1. Er t1n1.faßt nichts n1ler~e!. al~ die \\'c,llcn-
de11 t1r1cl h ar1<lcl n dn,1 Gliccler ein Pr sich l1 istori:=ich en t,,,:icl\elr1<Je11
Gert\cinschaft, dcrc11 11ancl ltJng-en clurch ihre l nrliviclualitüt \\'esclttlich
werd en , obald 1r1an sie :l\t f die nor11tntiv allg..-nlPinen , ve rtc tln<t au f
die 111iL dieser\ übcr cinstim,ncndcn le. itenci cn \:\,.erlc ihrer Darst..cllung

ü1g1taltzado por Goog e


- 512

beziel-1t. \Velchen besonderen InJ1alt diese Werte und die c l{andlun-


gen haben , bleibt un be t immt und get1t ftuch <lic logische Untersu-
cl1ung als solche nichts an. Die verschicdenon Kultun,,crte und die
ihnen ent.sprecl1endcn J(ulturobjekte 1 clie ,vir ge11annt habe11, sollten
nach ,vie vor nur Beispiele sei1:1. Der formale Beg1·iff geno.gt, un1 eine
Antwo-r t auf die Fragen zu geben , die ,,,ir 11och zu stellen haben. Daß
,vir den so ge,vonnenen Begriff der Geschich te sowohl suc h I i c h
a'ls attch. f o r ma 1 nennen, k ann keinen1 Bedenker1 unterli egen. Sach-
lich ist er in1 Vergleich zu der11 r o i n lo,gischen Begri(f der Wirklich.-
keit un ter dem Gesichtspunkt ihrer Individua lität, fonnal dagegen
it11 \ ' ergleicl1 zu dem Begriff einer Darstellu11g, die einen 1nit Rück-
sicht auf die besonderen Kulturgüter und l{ u'ltur"'-'Crte inhaltlich be-
st immten l1istorischen Slof( bel1andclt. \i\' ic ,veit die normativ a llge~
n1eir1en leit enden Kultun\/crte einer „objektiven'' geschichtlichen
Da:rstelJung unter allen 1t1stä nden in dem angegebenen Sinne ,,for-
mal'' bleiber1 tl\ÜS~ en, kan11 sich erst später zeigen.
Hier stellen "''ir zu11ächst ntir fe ·t, ,velcl1er Nan1e am best en [ür
die leitenden \\'erte der Geschichte und dcment.~precl1end auch für
das, \vas rnit Rücksicht auf sie lti toriscl1 ,vcscntlicli ist, passen muß,
u11d das ka1tn jetzt 11icl1l n1et1r zweifelhaft sein. Un1 nocli eintt1al
auf den Ternunu {ier Geisteswissenschaften zuri1ckzuko1nmen, so
sinrl ge,viß die hi tori chen Zentren ste ts ai1ch ,>geistig" im Sinne von
psycl1iscl11 aber d as t,eiDt. nu11 nicl1t b l o ß Jlsychiscl1 und aucl1 nicht
b l o ß Stellur1g nchrr1cnd, und dal1c1· ist da \Vort geis·t ig in seiner
heu tigen Bed eutung zu ihrer Bezeichnung ganz ungeeignet . Unter
Kt1ltur dagegen versteht jeder sofort et,vas allgemein Gepflegtes ur1d
daher at1ch allg·ernein Ge,vertetes, ir11 Gegeni,,atz zu der sich selbst
und ihrem Wacl1stum übcl'lassenen Natur. E s fallen. ferner unter den
Begriff der Kulturobjekte aucl1 die K ö r p e r 1, die bei jeder I<t11tur-
t ätigkei t lür die l\.fe11s1,;}1e1~ als ~littel oder a\ Ziele in Betracl1t kommen ,
u11d das ist n,ot,,·e11dig, denn ie sind v on der Ge chichte i11 ili rcr }1isto-
riscl1 ,,,esentlic'h en lndiviclt1aliWt ebe11so darzustellen ,,rie d ie geistigen
P rozesse. Die ~1 aschine11 1 <lie der 1\.fe11. eh erfun den ha.t , die ganze Ent-
- ----
1 D icsl'r t; ,n:,t.aucJ isl h c ru1l.s von H. J> a u l ir1 se in en J)rinz_i pi<'n d er · rrach-
gcschichlo l 8RO ,::cl t(' lld gPrnachl ,,·ordt1 I1, un1 zu icigen, daO der 1·er rninus J< ul-
tur"·ii; ·e11::-cllart bcti-:-l'r als Cci:slt's\\·i:;s~n~clta r l sei. Im n hrigcn s l chl j cdoc h
auch P n. u I den hir r bt k !lnl pft-en Ansichten nocla zu nahe, und j edc.nfo.11 !I\Jlt.
s~in l:Jcgriff der J(ul Lur\\·i ;.::-<:n!-ichafl n ich l ttl.i l dr m hier en l " ·ickol leo zusn u1111co.
\ 1gl. tlazu 011c h rncinr Schrift : l{ullur"·i:.:sP11.Sc horl uud :'l:alur\\·i ~cnl\rhafl,
2. r\ uf1. S. 2 2 tt.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 5-13

,,,.icklung der 'f ccl1nik gehört doch ebenfalls zu den historischen Ob-
jekten. Sodann - und das ist sehr \Vicbtig - bezeichnet, das W ort
I{ultur auch solcl1e psychiscl1en , , orginge, die man sich scl1eut,
.,,gcis-lig' 1 zu nennen, und die trotzdem für die Gesclucht e en1inent
,vesentlich sein k önnen, ,vie z. B . die ,, materiellen••, d. h. "'rirtschaft-
lichen Vorgänge im Leben der Völker. Eine logische Unt ersuchung,
die a 11 e hist orischen Darstellungen verstehen will t darf den Begriff
des his torischen Stoffes nicht zu eng fassen und nu.r das „höhere''
-o der ,,llöcl1stc" Geistesleben a ls ein der gcschicl1tlicl1en Darstellung
,,,nr<liges Objekt ansel1en. So verkcl1rt. es aucl1 sein 1nag, zu bcl1aupten,
daß die E11t,,ricklung der 1'ect1J1ik oder des Wirtscl1aftsleben s das
a l l e i n W esentlicl1e in der Geschicr1te ist, so rat eh '"'äre es, den lo-
gi3chen Begrirf cl.er Geschiclite a uf andere T e i l e der l{ulturent\vick-

lung zu bescltränken , denn es hängen nicht nur die verschiedenen
Gebiete der menscl1Jichen l{ulturtätigkeit untereinander auf das
EngsLe zusamrr1en, sondern es zeigen auch die Orga11isationcn des
\virtscl1aftlicl1cn Lcbc11s und die tncl1nisc-h cn Eo tv.ricklt1ngen rnit Rück-
sic.l1t auf normativ allge1neine \\'erte \\'eser1tlicl1e \ 1eränderungerlt und
sie gel1örcn d esl1alb Z\\lar n .icl1t unter den Begri ff des 1 ,Geistes' 1 1 ,v-o hl
aber· unter den Begriff des sich l1istoriscl1 cnt,vickelnden Kulturle.bons.
An detn Terminus l{ultunvissenschaft. kann man nur Anstoß nehmen,
,veo_n man: den Begriff der Kultur zu eng faßt. Daß das \V'ort Kultur
-eine übertragcn.o Bedeutu ng t1at und früher in einem engeren Sinne
v erwendet ,vurde als heute, ist zwar gewiß zuzugeben, aber die Philo-
sophie kann doch nicht all-e '''orte n1it über-t ragenor Bedeutt1ng ver-
meiden, und daß n1an auch von einem ,,Kulturingenieur" spricht, wie
\1/undt cin,vendct 1 , kann daher kein Grund sein, den Ausdruck
l{ult unvisscnscl1a ft, niclit zu gcbratichen,. \tVns '"·ürd e \ Vundt sagen,

, ,1 cnn jemand den Ter□unu s Geist eswisser1schaft v enver(e11 ,volllie, ,veil

,,-rir von. ,,geistigen'' Getränken reden? W enn \iVunrlt ferner bervorge-


hoben l1at, daß ,vi r gerade die ursprünglichsten Begriffsinl1alte 1 die ra-
tionel len Betrieb mittei der Land\virtsct\n!t, tiie itaschinen und che-
mischen Hilf mitt.el der I ndustrie doch ,vo hl m.it Rccl1t zu der Natur-
,visscn. cl1a ft und il1rer An,vendung züblcr1, so isL mit die, ein Sutz ein
eindeutiger Sion nicht zu v erbinden . \Vill Wu.n dt sage11, daO es zur
E rfinc1t1ng der l\ta chinen natunvis:-.enscl\aftlicl1er J{enr, t11issc bedarf?
Da."' hat 11iit der Einteilung der Wi seni;chaften nicl1.ts zu tun. Das
Erfinclen selb t a ber ,,zühlen 11 \\dr zu keiner \ Vis enscl,1aft, Utld 1n it den
1 Einleitung iu d ie P hilo ophic, J902.
J:l c 'k -.i r t , 0 ,f On?.e ll, i. A1.1 n. 33

D191, h,ado por Google


\

514

erfundenen Objekten hat es ge,1t1iO nicl1t. die Natun~;ssenschaft sondern


die Geschichte der 1'eclmik zu tun und außerdem j ede Geschicl1te, für
der,en Gebiet die Erfindu11gen von ,,•csentlicher Bede11tung gc,vorden
sind . Der Temuntis l{ulturwissenscl1aft, ist a1 o gerade deS\vege11 ge-
eignet, weil er auch. aul die geschichtlichen Darstelltmgen der techni•
sehen und ,,materiellen' ' Kultur paßt.
Endlicl1 verstehen ,vir jetzt, nn,cl1dem ,vir den Stoff der Ge-
schicl',te von dcrn Begriff des I{ultur,vcrtcs a us besti n1mt haben, aucll
noch bess-0r, ,varu1n es früh.er einn1al berechtigt ,var I von Geistes•
wisscnschaften zu sprechen, denn eine wenigstens für viele historische
Zentren passcnclc Bedeutung hatte das Wort 11 Geist 11 z. B . ir1 der H,e-
gch;chcn Pl1ilosopl1ie. Gejst i1n engeren Sinne war ja l1ier der Na1ne
gerade f ül' das, was a u f g e h ö r t hat, nlit dem bloß Ps1cJ1isct,en
idcnti eh zu sein, u11d ,vas als Recht, fvloralität und Sittlichkeit, affi
Kuns,t , Religi,o.n und P bilosopl1ic die geschicl1tliche Ven~~irklichwtg
normativ allgen1einer Werte in J(ulturgütern darstellt. E s bedet1tete
also Geist, wenigstens soweit es sieb dabej um et„vas Wirkl1ch-es, zeit-
lich Gescl1ehenes hanclelte, das 1 ,vas ,vir l1eute I{ultur nennen. Nur
scl1eit1.t uns Hege~ B egtiff für die gescliicl1tliel1en Objekte oder die
Kulturgüter, an denen die Kultur,,,erte haften, zu e11g. Abgesel1cn
davon aber tun ,'Vir nichts anderes, als daß ,vir uns dem Weeltsel des

Sprachgehrauclles und den1 crweitertert Begriffe des historiscl1e11


Stoffes anschließent ,ve11n ,vir jet zt statt Geist lieber l(ultt1r sagen.
Der ,, Geist'' eines Volkes ist uns, so,veit er ,,rirklich ist , d.ie Ku ltur
e.ines Volkes. N11r cic1 l-Iegelia11er dürfte hc11te n ocl1 von Geisles,vis en-
schaften reden, und aucl1 er n1üOte den Begriff des Geistes dann auf
die ,,mater ielle'' Kultur ausdehnen.
Doch macl1en diese Ausfül1ru11gen den Begriff tler Kultur noch
nicl1t in jeder l-linsicl1t k lar , ja, gerade d ie Erinnet·ung an llegels Be-
grif( tles Gei ·te~ ,veist un~ auf ei11e t1eue Seite des Problems hin, die
wir ,venigste.ns berühren rr1üssen. \\'ir haben uns bisher absicl1tlich
a11f d a ~ ,,~Iat<irial'' der G~cl1i cht e beschränkt , das zu m wirklicl1en
Gescl1ehen zu rechnen ist., uud das ,var not,vcndig, <ler111 auf Wirkliches
bleibt das lntere~se der Gescl1icl1te 1 die in g.e \visscm Sinne geradezu
die Wirklichkeits,visscr1schaft genannt werden kann, in erster Linie
a ls auf ihr cigcnUichcg Objcl<t a\1ch jrnrrlcr gerichtet. Zugleich aber
·s tellt sle dies \>Virklicl1e nicht u1n seiner \1/irklichkcit ,villc11 dar son-
d err1 nur 0,-.·eit..1 als an ih n1 et,vas haftet, da über sein bloßes Dasein
liinau reicht. Das bracl1ten ,vir bisl1cr dadurcl1 zum Ausdruck, daß

D191, h,ado por Google



- 515 -

wir sagten, es müsse die gescl1ichtliche Realit,ät. auf Werte theoretisch


bezogen sein, ttm für d,en His-torik.e r ,vesentlich zu \Verden, und ,vir
haben dann die Art dieser Werte dadurch charakterisiert, daß ,vir sie
Ku.lturwerte nanntc11. Als Beispiele dafür kamen unter anderem at,ch
Recht, h1oralität, Sittliot1keit, Religion und Kunst, kurz das in Be-
tracl1t, ,vas Hegel objektiven oder absoluten Geist nennt, und diese
, jGeist esgebilde' ' sind uns nun schon einmal in einem anderen Zu-
sammenhang begegnet 1 der jetzt von neuem für uns wichtig wird.
\Vir wie. en früher 1 darauf hin,. daß- ,,Unkörpcrüches' 1 nicht not-
wendig Psychisel1es zu sein l>raucl1t, sondern daß es Gebilde gibt, die
weder körperlich noch seelisch genannt werden dürfen, ja über·h aupt
nicht als en1piri.scl1e Realitäten, die zeitlich ablauten, gelten können.
Zu diesem dritt.€n , 11 unv.Tirklichen 1 ' R-eicl1e gehören, wie wir gezeigt.
haben, zweifellos die 11 Bedeu·tungen" von Worten und der ,,Geh.alt''
von ,vahren Urteilen . Doch mtißten wir schon darnals die Frage
stellen, ob solche, als identisch von vielen Individuen geLneinsam er-
lebbaren, unwirklichen Gebilde n \J r im Gebiet des Logiscl1en zu finden.
sind. Alles nämlich , \Vas Heg-el objektiven ocler absoluten Geist r1e.nnt,
schien seine1n Gel1alt nacl1 ebenfalls in eine Sphäre zu fallen, die nicl1t
körperlich ist, und clie doch, insofern sie von vielen Individuen ge-
mein_san1 erlebt wird, auch nicht psych.isch sein kann, also als unwirk•
Jicll zu gelten hat, solange wir nur J{örperliches oder Seeljsches als
Wirklichkeit ar,nel1rne n. Das ,vird jetzt für uns insofern bedeutsa1n,
als, ,ve.n n dies r-ichtig ist, auch das, ,vag die Kultur zur I{ultur mael1t,
eine un,virklicl1e \Ve·l t zu sein scheint. ~ 1äre das aber zutreffend, so
dürften wir das ~1aterial der Geschichte docll gerad-e niot,t ,,Kul-
tur'' nennen , denn die Geschichte stellt docl1 Wirklichkeit.e1a, nicht
etwa un,virklich·e Sinngehilde dar . Oder, ist es ·e t\va falsc.h , claß sje es
nur mit Wirklichkeiten zu tu.n hat, ja, sollte sie vielleicht, gerade weil
sie Kultt1r~visscnschaft ist, eine Wissen cllaft von un,virklicl1e11 Sinn-
gebilden sein , also ein un,virkliches ,,~Jat.crial'' l1abcn?
Da solcl1e Fragen nal1c liegen, müssen wir den Begriff der Kul-
tur noch eintna[ ins Auge fa sen . Es l'aaftet an iltm in der T at ejne
Zweideutigkeit, und au cl1 über sie habe11 "vir weitigstens so'-''eit J{lar-
heit zu ge,vinnen, als die Bestimmung ,des Begriffes der liistorischen
Kultur,vissonscl1aften es erforclert. Zugleich werden ,vir im Zu-
samrnentla.ng damit z.u einer cndgnltigcn Erledigung des Begriffes
der nGci~Leswi~enschaften '' ko1111ncr1 und besonders auch z •igen
1 \lgl. oben s. 181 1.

ürg,t~hzado por Goog e


- 516

k.önneo, \Vie ,venig unsere Jogische Untersl1cl1t1ng n1it d e n Theorien


der Gcscl1icht.s,vissenschaften in l{on.f likt zu kommen braucht, die
von den U oterschieden in den Stoffen atlsgehen, und die dann Begriffe
,vie den des l1istoriscl1en ,,VersLeltens'' itn Gegensatz z_u den1 des
nnti1nvissenschaftlicben „Erklärens'' in de11 \ 'ordergrund rücken.
Ja, es '-"'ird sich sogar ergeben, daß es n 11 rauf unserm logischen \1/ege
n1öglich ist, aucl1 diese Problen1e wahrhaft pt,ilo~o·p hisch in Angriff
zu nehmen und il1rer Lösung näller Z\l bringen.
Scl1on der U1nstand 1 daß \Vir bei der Be timmung des hjst orischen
?wfaierjals ,,on den Werten ausgegangen sh1<l 1 ,,•clcl,e die hist orische
Begriff bildung leiten, und von l1ier aus de11 Begriff der Kultt1r bo-
~tirtlt11t haben, macl1t die er,,1äl1nte z,,·eideutjgkeit, d.es I(ulturbegrif{cs
ve1·stäncllich, denn er teilt sie mit vielen Begriffen, die sicl1 nicht, nur
auf \Virklichkciten als solche beziehen sondern auf Vorgänge, die,
,,,ie ,vir auch sagen könncn 1 ,vegen !ler \1/ertbezogenheit eine über ihr
bloßes Dasein hinausgel1c11de 11 Bedc,1tl1ng11 besitze.o. Unter Kultur
verstel1en ,,1ir närnlich einmal das ,virkJicl1e ge·,chicl1 tlicl1e Leben,
an dem die Bedeutung l1aftet, die es zu r l(ultur macht, und außerdem
können ,vir dan1it aucl1 den 11 Gel1alt'' dieser Kulturgebilde für sich
genom1nen n1einen, ,vie er als ihr ,,Sinn'' losgelöst von altern Sein zu
denken ist und sich m it Rücksicht auf die l{ultu'r n•er te deuten läßt 1 •
Als Beispiel fü r die Scheidting von Sein und Sinn braucl1er1 ,,rir ,vicder
nur auf das ,virklicl1e p )'Chisc\1e rteilen einerseit.i; und auf seinen
logischen Ge·h alt andererseits hi11zl1\,1eisen, _der allein wa\1r ist und
insorern ganz unabliängig von den1 ps)·cl1is.cher1 1 \veder wa·h ren nocb.
falscl1en Sci11 besteht,. Die realc·n Akte des Meinens und Verstel1ens
fallen ja, ,vie \.vir gc.:.,chen habeTI, niemals mit dem logischen Sinn zu-
sammen. Dies 01üssen '\\1ir jetzt nicht nur auf die ,virkliche Wis en-
schaft als einen l1istoriscl1on Vor.gang sonder11 aucl1 auf die andern
l{ulturgüter an,,·enden.. Danr1 erl1alten \\'l.r einmal die I{t1ltttr als
die , virklichkeit, an del' ein Sin·n haftet, im andern Fatl-e dagegen
ist nur der von der \Virklichkeit begrifflicl1 aligelöste Sinngeiia.l t mit
de111 Worte Kultur gen1eint. Kunst. Wissen chaft oder Religion
bedeuten mit andern \Vor.ten ersLens sinnvolle l'.{ea1itäten und z,veitens
Geb.i lde, die ebenso,venig ,virklich sjr1d \Vic \.VorLbedcl1tu1lgcn oder
,vissenschaftlicl1e \\1allrhei Len. ~[ acl1er1 \\'ir u11s nur dies klar, so ist
da,1nit die vorher berührte Scl1,vieriglteit, ob die G-eschicl1te es mit
1 1\u~ro hrlichcr hoLc ich die:.e „ D eu.Lun~" de::: · innes iu 111ci11cr Abhu ndlungi
\ '0 111 Bt•grifI der PhilOl>Ophie erört ert. Logo~ 1, l9l 0.

ürg,t~hzado por Goog e


- 517 -

Wil'klicbkeiten zu tun h.a be , Calls sie I{ultun\'issenscl1a ft sein soll,


sofort beseitigt. \i\1enn wir nän1licl1 sagen, daß alle Gescltichte roensc}1-
liche Kultur dars tellt, so haben ,vir dabei eben nicht. die Sinngcbilde
in ihrer begrifflichen L osgelöstheit sondern st et s die rea len Vorgänge
im Auge, die die „Träger'' dieser Sinngebilde sind>und auf deren ein-
malige geschichtlict1e Ent\vick}ung in der Zeit es dctn Historiker
allein ankommt. Dann ist aber auch der Begriff der hlstorischen
KuJturwissenschaft von jeder Z\veidcutigkeit frei : die Geschichte
behandelt nicht den un,virklichen Sinn der Kultur sondern die sinn-
vol.Ien I{ultunrirkiichkeiten in ihrem zeitlichen Verlauf.
Zugleich ergibt sich hieraus noch et,vas an,deres. Wollt.e man
dje Gcschi·c hte n ic ht ,vie ,vir vom Begriff der individua)jsicrenden
und we rtbeziehenden ~fetbode sondern , \vie das üblich ist, vom Be-
griff iht'es ~I a t e r i a I s her besti1nmcn, dann müßte man davon aus-
ge hen, daß es einerseits Wirklichkeiten gibt, die \vir at1f ihr bloßes
D a s e in llin anseltcn, und andererseits solct1e, ,die für uns als Träger
von Sinngebilden in Betracht kommen und inso,fern et,vas l e i s t e n,
das über ihr Dasei11 l1iual1sgcl1t.. D„ino ließe sirh zeigert, daß nur die
Träger vo11 iI1I1gebildc11 zu1_11 1'Iaterinl der individualisierenden Ge-
schicl1te i1n engeren Sinne gel1örcn, ,vij;hrencl \Vir an sinnfreien Wirk-
1ichkeiten, gleichviel ob sie physi cl1 oder psychisch sind, lediglict1
ein n atunvi scnscl,a(t.lichcs lnteres e haben, d. h. uns darauf bcscl'1.rän-
kcn köunen, sie generalisierend darzustellen , solar1ge sie njch t 111it
sin11,•otlen Objekte11 i11 einen hi-SU)rischcn Zusamn1e11har1g gebracl1 t
,verden. Daß dies der e j a1 z i g ricl1ligc $ a c h l i c h e Gegen- atz
ist , cler fakti eh der Einlei1ur1g der e,,1pir.ische11 \Vi, senscl1aften nach
ihren Objekten zugrunde liegt , l1ahon wir besondere Veranlassung,
mit allem Nachdr uc.k hervorzul1eben, denn dieser Untei-.schied erklärt
es \vieder zuglcicl1 am besten , ,varu,n die übliche Eil1t-eilm1g in Natur-
wis enschaftcn und Geiste:nvissenscha!ten nicht verschwinden ,vi-11.
Bei dcr1~ \Vortc ,,Gcjst•• denkt man fast überalJ, wo man überhaupt
err1sthaft vc11iucl1t1 den Tenninus für •
eine Gliederung der \Vi sen-
scl1aft.cn zu rccl1t.Icrtigen, an solcl1e Wirkliel1keiten, die nict1t n u r
Wirklicl1keiten, also aucl1 nich t nur psycltlscl1e Rcalität.cn sind , sondern
die einen versttindlicl1en Sinn haben , den das bloß Psychiscl1e nicl1t
besitzt, und die des,,·egen r1ai;h natunvisscnsclia(tlicl1.er ~1ethode sicl1
niclit crsct1öpfcnd behandeln lassen, da ihre Auffassu ng: als Gattungs-
exemplare ja gcracle das Abse'h en von alleo1 111.it ihrer IndividunJit,ä t
v ' rk11üpftcn Si11n vor:iti setzen ,vürde . Die Schejclung in sinnvolle

ü1g1taltzado por Goog e


- ol8
und sinnfreie Reali täten liegt z. B . auch der von Diltl1ey aufgeslelloon
T heorie der Geisteg,,vissenscl1aften, ,vie ·ie sich hauptsächlich in sein-en
letzten Schriften eot,,ticke)t l1at, al ihr eige11tlicl1er K ern zugrunde 1 •
Nur ist es DiltL,ey 1 ,vic ,vir schon sahen , nicht gelungen , das W•Jsont•
licl1e seines Eint.cilungsprjnzipc begrifflich klar bera11szuarbcitcn 1 da
aucl1 er 11ocl, im.r11er viel zu sehr de.n Unterschied vou Körpern u11d
psycbiscllen Vorgiingen ber ücksichtigt. Der sin11h<tfte Gehalt, der an
de11 gescl1ichtlichen Realitäten zu finden i t, '"·ird infolgedessen vo11 ihm
rojt dem ps)'Chischen Sein ven,·cc bsclt, clas im Seelenleben einzelner
Ind.i vidt1en raktiscl1 ablättfL, j a, es kom rr1t c.lieaern F orscher noch gar
nicf1t ,virklich :zum Bo\vußtsci11, daß ltier z,.vci Gellict e zu Lrennen sind ,
die in so verschiedcr1eo Bcg1•iffsspl1äl'en ,vie denen des Wirklicl1eo u.nd
des Un,virklicl1e1t liegen. \ ' olle.r1ds gibt \ Vundt i11 seiner Theorie der
Geistcs,,dssenscha ften sich nirgends Recl1enschaft ,Jarüber , oh er von
den psycl1ischen Wirklichkeiten selbs t oclcr von den an il1oen haften-
d en Si11ngebilden redet , \\'Oraus a1n best e11 seine n1erk,Yür<Jige und
)Ve.r1ig konsequente Ven\·endung der Termjni 11 psycl\isch'' ur1d ,,geistig''
sjch erklären läßt 2 • Daher ~ollen al1cb diese Ausf(ihrungen in keiner
Weise die Beibehalt ung des Terrr1ir1us Gei5tcs\vi:;. onsc}1aft en1plel1len
sondem nur v c rsUindlicl1 rnacl1on 1 ,ve~b.a}b clie Scl1eidung in Natur,vis-
scnscl1a(ten. und Gcistes,vi scn ~cftaften nicht überall zu ganz ab urden
Konscquc11zon gefüh1·t l1at . Wird 01\lcr ,,Geist" ein Sinngcbi ldc
oder ei11e siru1volle Realität verstanden , dar1n ist der B~griff fü.r eine
s a c h l i c h e Gliedcrttng der \Visscnscllaften in der 1„at braucllbar.
Abgescl1en hiervon ergibt sich jedoc h nt1r von neuem, daß der Aus-
druck l{ultur,,·is ·c11schaft der gocig11eterc Cür di e n.ict1t-natu nv.is~en-
$Cha [tlicl1en Di$zipli ne11 ist , denn u 11 ter l{ultur vcrstel1en ,,-ir al le
solche Realiti\Len, die \\.'egcn ihrer \Verthezoge11heit eir1e11 für uns ver-
s tür1cllicl1en Sinn bc"ilzen. Ja; ,ven11 ,vir sngc11, daß die gescl1icl1tlichc
J{ultur ein sinnvoller Vorgang ist1 so kontmt das irrt Grunde auf das-
selbe l1i11aus, ,vas ,vir fr üher zurn Ausdruck b·rncl1ten, als "'ir von
einer no t,vendigcn Bczicl\u11g der l1i:;Lorischcn Ohjck te auf allgen1cine

I(ulLur,verte SJ)rac hen. Die u11"\virklichC'11 Sinngcbil<le gchörc11 selbst.
in die Sphäre des \\7ertartigen. Sie unlc1-s.cr1eiden sich v on den for-
n1alcn l{ultu"'''crLen, auf die ,,·ir uns früher beschra..11kt hoben, nu r
inso!cri:1 1 als sie inh ul llicl1 erfüllt sind und selbsl,verstä11cllicl1 ihre11
1 \ '~!. ,\ rt hur t o i n , l)cr Flc~r iff de c,, if tcs bC'i IJillhC'y. 101 3.
1 \ igl. hh•rzu: Lka B ft u :-- c h , \\' u11Llls fl:.yclu:1l ogisch1' Grundlr;r1tnf!' de r

c.; c i:; li:':.\\'il'~en~c h a rl t·li, 1nJJ.

0191 lt ado por Goog e


- 619 -
Inhalt. irgend,vie dein Inhalt der em pirisc hen Wirklichkeit er1ti-
nel1men . Sie könnc11 cla t1er al eir1 ud ritte~ Reiche' atlch insofern be-
zeichnet ,,•erden, als sie 1tlcht nur ,veder physiscll noch psychi eh
s ind so11dem zugleicl1 auc}1 eine Art l\fittelstellur1g z,,·iscl1en dem
\\1irklichen überhaupt und d en bloß formalen oder 11 reinen '' Werten
ei1u1ehmen. Für die l\lethode d er rustoriscl1en Begri!fsbildu11g ist
jedoch n.u r il1 r \Vertcl1arak ter bedeutsam 1 insorem die Beziehung der
Wirklicl-1keit auf sie als \VorLbcziehung die Grundlage der individuali-
sierent.len AufCassung darstellt. l ·I alten wir also daran fest , d aß v.1r
unter Kultur 11icht Sin11gebilde in il1rer unwi1·kJichen Losgclö theit
sondern R ealitäten v·e rstel,en, die dt1rch sie gesci\jc'11tJjch bedeutsam
,,·erden , so gibt es nic}lt nur keinen Grund, d en Ausd1·uck Kultur
a ls Na,11cn für das gcscl1icht.liche l\faterial zu bean tanden . sondern es
ist da1nit zugleiclt auch die Tlteorie der ,, GeisLes,vi~cnscJ1aften •• im
best en Sinne, dt!n d ie es \\' ort haben kann, in unserer 1' l1eorie der Ge•
schicJ1te ,,aufgehoben''.
Irn übrigen br-a11ct1en \,\'ir a11f <las W cser1 der iohaltliclt erfUllten
Sinngebilde nicl1t 11äh-e r einzugehen, de11n fü1· die l\.f cthode der gescllicht-
lichcn Begriffsbildung kann sielt au ihrer Eig )nart nichts logisch
\\' osen tliche.s rr1et,r ergebe.o , das \\'ir nicht bereits kennen. Freilich
,,,ürde in einer Th.e orie d er Gescl1icltte1 die nicl1t nur die logiscl1e
Struktur der O n r t e l l u n g sondern aucl1 <l.ic Struktur de F o r-
s c h c n s unler::-.t1cht, der s innh a fte Charakter de hjstoriscl1e11 ~la-
terials noeh in anderer Hinsicl1t logisch bcdeut.5a1n ,verdcn, und \\'eil
diesen U11lersuchungen oft der Vonvurf ge1nacl1t ist, daß sie ' ta tt.
l
von den inhaltlichen Besti1111nungc11 der lti ·torischcn Objek te nur von
der logiscllcn Struktt1r ihrer Darstel lu·ng rede11, so sei wenigster:is a:r:1-
gedeutett \\1ie sictl von de1n jetzt durc h d en Begri ff der Sinnhaftigkeit
nä.l1cr bcstirnn1ten B.cb'rfiff der J{ultur aus auch der Zt1ga11g z.ur Behand-
luno· von v ie l erörterten 1~roblcmcn d er sogenannten „Geist.es,, i.8sen-
1

s · ha ften" eröff11et . Doch 111ü l)scn ,v-ir uns clabei auf z,,·oi Beispiele be-
chränken un<l können auch auf ie nur kurz hin,\!eisc11, da eir1c ein-
gchen, lc Erörlcrung clie:;er F .ragcn 11ichL r11ehr i,n den Ral1111en dieser
Scl1rift gehö rt.
Vo,· all •i n ,,·ird bei der Un t.ersct1cidt111g von Sei11 ltnd Sinn der
Urn land \\·ichtig, claß das ll cicl1 de Si11nes zun1 ps)'Chiscllcn ' ein
ir1sofern geradezu in ei11e1n Gegc11sat.z ste l1t, als c nie,nal ,vie dje
seelischen \ forgiinge 11ur einzcl11en 111<.livicluen a1lgc hört . 1,nd ern, vo-n
vielen ge111ein.sarn erlebt und in ofern auch „ullgcn1cin" ~cna1111t ,ver-

0191 lt ado por Goog e


- r,20 -
den kann. Danut taucl1t noch e.itl neuer Begriff des A 11 g e 111 e in en
in der Gescliicl1te auf 1. Wir mußten früher Begriffe wie , 1Volks-
scele'' oder ,,Zeitgei t' 4 ah,veisen , de11n sola11ge man von psyc,l1ischen
Vorgängen redet,, darf ma11 sielt 1:1ur an eitlzelne Individuen l1alten,
und ein r e a l e r Zeitgeist oder eine r e a l e Volksseele kanr1 dal,er
nicht existieret1. Das individt1elle Seelen leben allein ist die ps)1 cl1i:.-cl1e
\\lirklichkeit. Eine neue Seite aber ge,vinnerl die in diesen B egriffen
steckenden Pr--0blemc 1 sobald t11an dar-an denkt, daß c jn der Tat
Gebild·e gibt, die, ,, eil sie, ot1ne körpcrlicti zu sein, dennoch vieleri
1

Individu n gemeinsam sind,. aucl1 jenseits des bisl1er allein behondelten


Gegensa Lz-cs von AHgcr11cincn1 und Bcso11dcrem ste hen . Der begriff-
lich abgelöste 11 Si11n'' cler gescl1icl1tlicllen l(ultur is t z,var ge\\·iß keine
allgemeine \Virklichkeit1 aber er fällt ebensower1ig 1nit de1n indivi-
duellen Seelenleben der eir1zclnen Persö11licl1keitcn zusan tmen , t111d
wenn n1an daher von einer 11 allgemeinen' ' Volksseele orlcr v on einem
,,allgemeinen'' z,citgeist als v on eine1n un\virklicl1en Siongcbilde reden
wollte, so \Vürde dieser Begriff, so l1nbestim111t er aucl1 11ocl1 scjn mag,
wenigstens von den frü~1e:r angegebene.n Beder1ken nicl1t getroffen
,vcrd en. Ja, noch mehr 1 es ließen sich auch die hist orischen Wirk-
lichkeiten, insofern sie Träger solcl1er Sinngebilcle dar- teJlc11 1 v on der
Gescl1ichte unter besondere Grupper1b1>griffe bri11gen , deren logjscl,e
Strulctur ,vir • chon einmal gestreift l1aben 1!, als ,, ir vor1 den ,,all-
1

gen1eioen'' B egriffen in der Geschichte spracl1e11 1 d ie n i c 11 t ,,relativ


historische'' Begriffe, al o auch nicht natunvi-. enschaftlicl'le B estand-
teile ind 1 d. b. die nicht n ur das eTILhalten, was allen. Gliedern einer
t1ist.oriscl1en Gruppe gcn1einsarr1 jst . °"' orte ,vie ,,G1·icchisct-1" und
1
,,Dcutscl1' ' oder t,Re,1aissa11ce' und „ Ro,r\antik" ,,.,,ären unter der1 an-
gcgebe11en Voraussctzl111gen zunäcl1st. al ra,nen für Begriffe , ..on
un,virkli che11 Sinngcbilden zlJ verstehen, ur}d die Gesclticbte könn.tc
darin auch diejer1jgen run.len \ 'orgönge in einl1eitliche Gruppc11 zusam-
menfasse111 ,velcJ1e die Träger d'ieser Si11ngcbilrlc sincl, un1. r1ach il1r,e r
ge-cl1ichtlicl1er1 Ent.,vicl(lt1ng zu fragen. D och begn ügen ,,·ir uns hier
mit dern 1-lin,vcis, auf ,volclac111 \Vc.gc allein es 1nöglich ,v·ird 1 die Frage
nacl1 einer Volksseele oder ei11cn1 Zeitgeist logisch in Ar1griff 2.u n •hrr1en,
obnc dabei ii1 ci11en 111etapl1ysj che11 Bcgriffsrealisn1us hinci11zugcr-aten.
1 \ "gl. oben 5. 4 6-1 rr., ,vo vil1r 1\1• Lt.!n d 1·s Allg"tn<'inr.n in tl1:r Geschich te unl1!r-
schi(•den siud. \\.ie \\1r•nig g<',vis:-e ., Allgc•1nt•i n!a•lle n·• in d l'r Gc:,,ch iclll(' itich in
den nolich cn Sch,,,inali:ah•r ungen u n lt•rLringt:n Jassen, hnl auch A. S t e i u
a . a. 0. bt-nlerkl.
' \ \!l. ollen s . -1~or.

ürg,t~hzado por Goog e


- 521

Der unwirkliclae Sinn wird cbc1•so unn1jttelbar „erlebt" \vic die c1npi-
riscJ1c Realität, ja, 1r1a11 kann il11n sogar vielleicht eine n och größc1'e
Un111iltelbarkeit zuschreiben, und es be tel1t dal1e1· ge,,1 iß kein Be-
denken, mit Rücksicht auf ihn dje Vorgä11gc 1 an denen er }la(tet, ge-
schichtlicl1 als Einl1citcn zu behand eln. Auf c_lic. e \Vei. e können dann
historische Begriffe e11tstel1en 1 vo11 derien ~icl1 ,vccler sag"n läßt, cJaß ·
sie absolut histori eh, noch daß sie relativ historiscl1 im i11ne von

allge1nei.nen Gruppenbegriffen .ind . Doc.l1 haben ,vir auch in ibnon
auf jede11 Fall Produkte der i11dividt1aliijierenden und ,vertbezicl1e11clen
Auffassung, und a11 dein logischen Charakter der l1istoriscl,e11 :\1e't,hode
wir.d d aher durch sie nichts geändert. Beson•d crs den natur"visscn-
schaf t.lichen Begriffen. st ctten . ie in it,rer logisc hen Struktt1r seltr fern.
Im Zt1sarr1n1enhang hiern1it se.i er1cllicJ1 noch ein anderes Problen1
gestreift. \Vir sal1en früher, \Vie man versticht hat, Z\vei Gruppen v on
Wiss enschaften in der \Veis e auscinan.der zu h i1lt.en I daß die einc.n ih1,e
Ob.jekte ,,.e rklär en ", die andern ie dagegen ,,verstcl1cn " ""'ollen, ja,
der Begriff des 11 i s t o r i s c t1 e n V e r ... t e h e n . ist geradezu zum
Zentrum einer Theorie d er Gcschicht S\\'issen -chaft gemact,t ,\·orden .
Dabei galt es aber im111cr für sclbstverständ.licl1, daß das Objclct d es
V e.rstehc·ns nur <las ,virklicltc Scclcnlcbcn histor.ischcr Pcrsönlicl1kciten
oder historischer :\lasse11he,vegungen sei, u11cl l1ieran knüpfte sic }i da1111
d ie Bchaupt.u r1g 1 die Aufgabe des His torik ers köur\c sie.lt nicl1t. in dcn1
Nacherlebcn ci11111aliger llldivid.u eller ·1'atsacl1cn erscl1öpfe11, denn es
s piele gerade beim Verstehen slcts et.,v.as „ Allgemeine '' oder ,,Typi-
scl1esu ei11e c11tscl1eidende R olle. Da,nit läßt sich dan11 ,,,eil.er unsere
CharakterisierL111g der historisehen !\f ett1ode als der ej rier individt1ali-
sie.r e11den Beg riffsbildung bekän1pfen und die Bchaup·t ung bcgriinden.,
daß das Generalisieren nacl1 • rt der Natttnvissensclaaft auch von dc1n
flistoriker nicltt cntbel1rt ,,·er<lc1l köune. Scheiden ,vir jedocl1 das
reole psycl1iscltc Sein von de111 daran !,artenden un,virklichen Sinn 1
der dem Sein erst das historjscl1e In teresse verleiht, und der al.S solcher
nicl1t indi·viduell ,,·ie eine \-:\Tirl,lichl\eit gennnr1t \\'erd en kann , RO sir1d
,,·i-r ,viederu111 in d.er Lage, kl{lrzustellcn und. a nzuer.ken11e11, v.·a den
a11geueuteten Gecla11keng.ängen an füchligcrn zugrunde lic,gl , ol1n,e cloß
dabei unser Begriff der individualisierer1clcn Geschicht, \Vjsser,schntt.
in Frage gest ellL zu \Verden braucht. l tn Gcgc11teil, er find t so nur
von neue1r1 eine Be' täligu11g. Das l1istorische ,,, 1 rstchcn' ii:.t. in der
T at 11jcl1t auf <la ,,. ac}1erlebe11' 1 individuclleJ1 pS-~:chi. chcn Sein~ be-
chränkt, ja , dieses l"\acherleben ,,·orde für ~ic h allPir1 11ocl1 ga r nicl1t

0191 lt ado por Goog e


- 52'2 -
als ein h i s t o r i s c h es Verständnis hezeicl1net v.·erden diirfen,
selbs t v.·enn man annehmen ,voll te, d a O es überhaupt 01öglicl1 sei.
Fremd-e s Seelenleben ,vird viclruel1r in der 1\rt, ,vie der Ge cbicl1ts-
forscltcr eino Sncl1e , 1verslel1en'' ,vill, nur <lanr1 verständlich, ,venn es
der Träger eines Uil\\rirklicl1en Sinnes isL, der, ,vie v.·ir <Jas an den Be-
deutungen der \<\'orte und dein Gehalt der Urteile zeigen konnten,
nicht zum Seelenleben nur dieses ocler jenes einzelt1en Individuums
gei1ör·t sonder11, da er verschied enen Individuen ge111einsa1n ist, ,,all-
gemein' ' genannt ,vcrden kanI). Damit rechtfertigt sicl1 dann die Be-
hauptu11g, daß es i11 der Gescllic·lrt.e niclit n u r auf das V-e rständnis des
fren1rlcn Seelenlebens in sei11er I n d i v i d u a. 1 i t ä t ankomme, viel-
mel1r auch ct,va s nAilgemeine '' dabei eir1e el1tscl1eideude RolJe s piele.
Dies AIJge1neioe a bcr ist darum nicl1t et'\\,a auch das Pt"Odukt einer
1

generalisierenden BegrirtsbiJdu·ng von der Art, ,vie die Naturn1issen


schalt sie fiir reälc Objekte vollzieht, und es rückt daher dit' Ge-
schicl1te der Natunvisscn sclla(t niel,t n äl1er. Das Verstandene besteht,
so,..•eit es nicltt individuell ist, aus Si11ngebilden, die ,veder generali-
sierend noch individualisiere.o d aufgefaßt werden, ur1d "'On denen aus
dann der Weg zu dem individuellen Seelenleben d er gescl1-icl1tlicl1en
l\'Iensehen auf einem hier nicl1t näher zu erörternden \-Vege gefunden
,verclen kann . Jedenfalls bleibt unsere Tl1eorie durct1 ei11e ricl-,tige
Au rras~ung d.es hist o ri eben Vers tehens t1nangctastet, ja, auch hier
zeigt sich von ncue,11: clais Ausgchc11 von W ertgcsict1tspunkten und
Siru1gebilden eröffnet erst d eJl Zugang zu einer Pllilosoph.ie des ge-
scl1icht.lict1er1 Verständnisses, bei dcr.n „A1Jgernc1ncs" und ,,Indivi-
duelles'' in d er 1'at gleichm äßig in Betraclit kotn1ncr1. U111 aucl1 nur
das Problem klarzu teilen, muß inan i:rr1n1er frage11 , ob n1it <lern „Ver-
steher111 clas Nacl1erleben individueller1 psycl1is.el1en Seins 1 oder ob
dan1.it das Autra"scn überindividuellen, u11,virklic})et1 Sinnes gen1eirtt
ist, der dcn1 psychiscl1en Sein das historit;che Interesse v erl eiht, und
,vie diese beiden Arten dc::t Verstehens mit einander 1.11. a.n.11nenl1ängen .
H äl t man sielt dagegen nur an den Bcgrifr d~r ,,Gcistcswissenscha(Lcn' •
und geht d ementspr echend dann all ein vori d c,n psychi cr1cn Cl1arak-
ter der bi. torischen Vorgänge aus, die ver t.-andc11 ,verden sollen, dann
kann rnao njcht einmal die Fragen r icl1t ig forn1uJieren 1 in d,e ne11 die
Gru1l<.1problerne d es hii;t orisc lten F orschens st.ecke11. So kon1men ,.,.i r
irnmer ,,,ic,lcr zu d e 1t1 Ergebnis, duß der Begriff der ,vcrthezichenden
I{u ltur,\'issenschaften dem der Geistc!H•.risser1schaften \.Veitaus vor-
zuzjel1cn ist,, aucl1 \\' C11n os sielt u11i d.ie Bestirri1nung des ~ a c 11 l i c b e r1

ürg,t~hzado por Goog e



- 523 -
Gegensatzes der verschiedenen Gruppen von Wissenschaften handelt.
Näher jedoch auf diese F ragen der 'historisct1en Unters11cl1ung einzu-
ge11en, liegt nicl1t im Plan dieser Arbeit .
\Vir beschränken uns dnher , ron jetzt ab darauf, den Begriff der
Kult11r so weit Zll erörtern , al. not,vendig ist , llm die ~ictl1ode der
lli tori chen Begri·rfsbildung zt1 vcrstel~er1 , und da ist ntto in!ibesondere
nocl1 Ei11es l1ervorzuheben. Vor l\fißverstä11dnissen ge ·ctlützt i t nä1n-
licl1 der Ausdruck 1 ,Kultur'' trotz der vorgenommenen U11terscheidung
ihres reale11 Seins und des irrealen an ihr haftenden Sinnes noch im mer
nicl1t. Ja, das "tVort \vird ,vohl bisweilen o gcbraucht1 daß es gerad,e
für un ern Z,•.reck als ungeeignet erscheinen knnn. Schon einmal
\viescn ·,vir darattf l1in, daß die angeblict1 nach naturwisscnscl1aftlicJ1er
Metl1otlo verfahrende Geschicl1te von ihren Vertretern ,,Kultur-
gescllichte'' genannt ,vird und zugleich dadure t, einen neuen ln}1alt
b ekommen soll, daß man sie der p o l i t i s c h e n Geschicl1tc ent--
gegcnst.el lt. Unser Begriff der Kultt1r umfaßt selbstver tändlich auch
das staatliche Leben, lind die p-olitisct1c Gescl1ichte ist dahel" ebenfalls
,,I{ulturgcscllichte", ,vie ,vir sie verstehen, denn auch an. den sLaat-
IicJ1en Vorgä nge n lla ftet ei11 für uns verständlicller Sinn 1 der sie ge-
schichtlicl1 bcdet1ts,arn t11acl1t. Zu der Frage, ob der Staat da „ejgent-
licl1e'' Arbei~gobiet uer Gcscl1ichtc sei, ,vollen ,vir l1ior aber gar nicl1t
Stellung nch111c11. Denn a ucl1 ,ver- diese Ansicl1t vertritt, ,\rircl doc'h
nicht in Abrede stellen daß e1::1 von anderen V·orgängcn als von den mit
dem Staat in \ 'erbiafJu11g stel\cn,Je1l ebenfalls Gesc hichte gibt. So kann
also nul- den Gegnern der politiscl1en Gescl1icl1te ur,d nen vrcrtrctern
der sogen,annten ,,Kulturgosclaicl1 te' 1 unser Terrc1inus der hist-orischen
Kul.tur,vissenscha(t ,l111pa:send erscheinen. Aucl1 dies ist jedocl1 für
u11s nur ein neuer Grun,d, io einer methodologiscl1en U11t.ersucbung an
d en1 \Vorte K ultt1r festzuhalten . Der ganze Gegensnt~ von politiscbe:r
und l{ulturge~cl1icl1te ist schier und hat mit ,den Fragen der ru tori chen
~f c t, b o <l c so gut ,,·ic nichts zu tun 1• Die Ent,vicklung der religiösen,
1 ~o n dc rl ►nrcr\\,~i:--e
b ~hauptct 1,. La rn I' r o c II l itt Piner Bt.!i:, prec hung
Ol ('illt' r Schri fl „ K 11llur\\·i:-i-(' n i-cht1 Cl u_nd ' alu1·,"i:,;!->('rt~charl" itll L ilera r i...c h1•n
Z(•nlrall>l3ll, 1899, ' r . 2, <laß i ·h dil' 11rru.::~1ng • c h li r r r s vom !;;l aul ~,
drm cii;t ' nllio hcr1 J-\ rbcil:.gohi1•t d er l.i<'~ chic.h le „dc\,a,•o u terl" llfil t e und auf tlc•r
,, Grundlage dl'r n,•uc rc n c;e,-chich l~ani--cha1J ung· • :< liinll c. Jc1-, 111öc11 L~ wohl
\\'isse111 aur wclcl1e lclle otcincr ·c11rirt La ,nprccht. cliP::-P B l'hnuptung :.lillzt.
·rotslichlic h hal1c ich 1nich nu-.dt'Ocklich <lag••gcn vcr\\-nhrl, <laO ,ll'r Bi~g r iff der
K ul turgf'-'etc h ichlc in einen Gcg•:n"SaLz zur politi chen ( ,1:...,c hic h Lc g~hrac hl ,v ird.
\\o·ns ic h rnit <le r \ ' cr,vt1n du11g v o n l{ull11r,vl'tlon in d C!r liel!.Cllich lc n1cint, hat
L on1precht ,vohl nichl ganz ~e\\' ilrtJig t, wio dies Lc r,üll\ von B c I o ,v (l>r •uß.

ürg,t~hzado por Goog e


- r,24 -
kircl1Jicl1en I rech Llichen, sittlicl1en, ,vissenschaftlicl1en, künstleriscl1en
orler wirtscl1aftlichen Kultt1r ist gcnat1 in derselben \~eise individltali„
siercnd darzu!,t.cllo.n "'rie die Ent,vicklung des politiscl.1en l{ultt1rlebens.
Nur in bczug a11f das f\.faß absolt1t und. relativ }1istoriscl1er Begriffe
körmen Untcrscliiedc entstehe-n, aber wir \vissen bereits, d aß eine Be-
v,orzugung <lcr unter relativ historiscl1c Degriffe ztt bringenden Objekte
eine I~eitung rles l1istorische11 Interesses durch unbegründete methodo-
logi. ehe Vorur,teile und dai1er gcr-adczu eine Fälschung der Gescl1ichte
bedeutet. Dio Ver"'virrung, auf der allein die Gl,eichsctzung von natur-
wissensclialtlicbor Gescl1icl1te und Kulturgeschichte beruht, u11<l der
l\lißbraucl11 der ,nit dcrn Worte Kulturgcschicl1te g•e trieben ,vird , kann
uns also nicl1t hi11der11, als Objekt rler historischen \Vissen chaft.en
die Ent,vicklung der 1ncr1selilicl1en. Kultur anzusel,en.
Sucl1e11 ,vir sodann noch ct,vas genauer zt1 bestirr1n1en, ,vas das
ur11fa. sendstc historische Zentrum oder der denkbar größte zentrale
historiscl1c Zusammonllang ist , so k önnten ,vir unter for,nalen Ge-
sicl1tsp,1rtkLcn die KL1 ltt1rrr1enscl1heit dafiir halten und die Darstellung
ihrer einmaligen individuellen Ent,vicklung ats die um{assend_sLe Auf-
gabe der Gcschicl1te bezeichnen. Ob jedocl1 eine solcl1e Aufgabe in
einer e i n 11 e i t l i c h e n Durst llung lösbar ist , läßt sich unter logi-
schen Ge. ichts.punkten nicl1t ntscheiden. Die no~vendige Voraus-
setzt1ng ihrer Lö bark:eit besteht nämlich in der l{enntnis aller der
Kultur,verte 1 die a.11 d•en bi~ her geschjchtlich zu ta1ide gekomn1e11en
l{ulturgütern haften, deJ1n ol1n.e diese Ke1lntn.is :..incl ,vir nicht nur
außerstande, vo11 den vcrscl1ieder1cn Teilen der Kultu r1ner1scl1 l1cit
Darstellw1ge11 zu gebe11, dcrer1 leitende Gesichtspunkte il1re1n eigenen
Kulturleben e11tno111r11en ~ind 1 sonrl ern \\>·ir ,,ri sen überh.aupt gar nicl1t,
welche Teile der l\,fen cl1)1eit zur K ultur gel1ören und ,velche nicht.
\>Vir l1aben zwar gesellen , ,,·ie die UntersclJeidung von att1rvölkern
und gescl1ichtlicl1cn oder l{ulturvölke111 ich auf Gr und unserer Aus-
führur1gcn begrifflich ge11au hesti1111 nen und recht fertigen läßtl clenn
fall ~ i1n Laufe dl!r Zeit ein Volk 1l1it Rücksicl1t auf nor111ativ allgc1neine
--· ·- - -
J al1rlJOCht'.'r 13d. 95, ~. 55•0} und t\'l. c h e i b c (1' heol. J uhr1.<sl.1c rich t 191 S. 6 10)
k on :,loli<'rt habi•n. Ein andere r .\n!!rirf La1nprcch ts gt•~<·n die, we lc he- von einer
,,neu('n" f,l elhode n lcltls Wil> en wollen ( Die ku ll.ur,YiSt-l'r1:icha rtlieho ~t(' t hocle,
s. 24 ), bor uh l chl'nfalls auf i'incrn !\1 i0v!'t"$ Ltlndni und ist vo11 c h r I c r beroilis
zurOekge\,·ir.-scn. ::.chcler bi:•zicht (Die lrdn szen.denlnic und die p:-ycholo~ische
}fclhoilc, 1000 S. 14 t ) ui1-ser1 ,\ n~ri!f auf \, .i n rt c l li n. n d 11 n,l n1ich und ~agt,
ob,\·ohl .er eirt G'"~11<-r fll·l' iner ·r 1t••orir is t , ,,d,10 nu r t!in ga nze-5 Bündl•l hier nicht
et1l:,~•irrerH~,,·erter ~l iflv('r„l!indni~~e l , n n1 r r ech l !i dl'n \\' UndL•rlicht!rl Satz
er klärt· •. lc.11 Jean n Schfler n icJ1l ,,·1dc-r.spr eche-n.

ürg,t~hzado por Goog e


- 525

Kultur,vcrte gar keine ,vesentlicl1eo Veränderungen zeigec1 sollt,e, so


würdon ,:vir es our unter natur,vissenscha(tliche a,llge1neine Begriffe
bringen untl sagen , daß es keine gescltichtliche En.t,vicklung erkermen
lä ßt. Aber aucl1 diese Scl1eidu11g ist formal , (l. l1. ob K,1ltur und ge-
scl1icbtlicl1e Ent,vicklung bei einer11 Volke vorllat1d,c11 .ist} kön11en ,vir
im111er nur 111it Rocks.icl1t aul die uns i11tlaltlich be.k annten normativ
alJgerr1eine11 Werte er1tsct1eiden, und solan·ge ,vir also nict1t sicl1er sind,
a 11 e diese \iVerte zu kennen, ,verdcn ,vir u11s huten müssen, irgend
eine1n Volke den Narr1en des geschicl1tlicben Kulturvolkes abzuspre-
chen. \Vir ,vü1·den damit nur sagen , daß ,v,i r es 1.tich't zu u n s e r n
l(ullur,"·erten in eine Beziehung zu hrir1gen u11d mit Rücksiclit au_(
sie einen \\'erdegang als historisc he Ent,vicklun.g aufzu(asse11 ver-
mögetl. Das schließt j edoclt nicht atts, daß für ein solcl1cs \ f o.l k selbst
sich besti1nmte 1 t111s tinbekannte oder unverst ä ndliche normativ all-
geme.i ne Werte herausg,ebildet l1abet1 1 mit Rücksict1t auf ,,1elcl1e die
ver5chiedcnen Stadion \Vösontlict1e \ fcränderungen zeigen, t1nd da ß
dah.cr diese,n Volke seine eigene Ent\vicklung dt1rcl1aus als eine ge-
scl1ichtlic l1e Ent"vicklur1g gilt. Dosl1alb dart unsere logische Trennung
der Naturvölker vo11 den goacl1ichtlicltcn l{ulturvölkern nicl1t so ver-
standen \Verden, daß es ab olut· ungeschiclttlicl1c aturvö)ker ,virklich
gebo. l\ ur untermenschliche Gemeinsc haften , ,,•ic die rnit dem höcl1st
unglückliche11 u11d ver,virl'en.cle11 Naineo der ,,'fierstaaton'' bezeich-
neten Bienen- oder Ameisen.k omplexe, rnils en für un 11ot,vendig i1l'l1tler
,,ungesctiichtlicli'' bleiben, ,veil an ihrer ,,Geschichte'' kein für uns
verständlicher „Sinn" ha ften kann. Wir sehen also, der Begriff einer
e i n b e i t i i c h e n K t1lLtirn1enschheit und ihrer Gesc'bicl1te ist durcl1-
aus proble111atisch. \Vas ,vir unter Gescl1ic hte der Kulturn1er1scl1l1eit
v crstet1en , und ,vas ge,völJnlich ,,\\1eltge ct1icl1te' 1 genan.n t ,vird, ist
die Geschicl1te aller der Völker, die mi t Rücksicht au1 uns bekannte
\Vcrtc von r1ormativ al lgemeiner Geltung ,vcsentliche , eränderunger1
zcjgcn tind desl1alb von uns als Kulturvölker und historiscl1e Völker
bezoichn,e t ,verden. Wir dilr.fen u1lter logischen Gosicl1tspunkten also
als da urr1fasscndste hi torisctu~ ~ntrun1 nur die Gesamtheit der von
uns als Kultur et·kannten, Ent,vicklur1gen anscl1cn., ohne irgend,vie in-
baltlielt bestin1men zu ,vollen, auf ,,·elcl1e Völker sich d ieser Begriff
erst rec kt, d. h. es gehört zur Kultur in jc<lortl Augenblicke z,var eine
besti1nrr1te Anzalil von Völkern, aber der U1nfang die es Bcgriffc.s kru111
sicl\ irnrrtcr vergrößern in dent l\1a0e, in dern un ·ere KennL11is der 1~at-
sachet1 und unser Verstäudnis der Werte zuni111111t. Einen noch

D1911 11,ado por Goc,gle


- 526 -
wejteren Begriff d-es zentralen Objektes der Ge-schichte als den der
Kultu rmenscr,heit d.ürfen wir Jedoch auf keinen Fall bilden. Die
~1enschheit üb.ert1aupt zum historiscl1en Zentrum zu 1nachen, hätte
nur dann eine Berccl1tigung 1 wenn \vir voraussetzen dürften, daß der
Begriff der ~{cn sc}1l1cit rnit dein der Kulturrnenschheit zusarnn1en„
fällt. Auch der U111stand, daß ,vir vielleicf1t jeden ~fensche1l so zu be-
handeln habcr1, a 1 s o b er ein Kulturmensch wäre, ,veil jeder ~fen.scb
Kultur1nen~ch ,vcrden k a n n , ändert hieran nichts, denn erstens is t
dies cin ctl1iscl1er und kein histori"cher Gesicl, tspunkt, und zv.reitens
hat die Gescl1ich.te sich nicht urn in der Zukunft liegende Möglicl1
keiten sondern lediglich um die Vergangenheit zu kümtnern.
Nicl1t cber1so scharf wie den Begriff des umfassendsten histori-
schen Zentrurns werden ,vir dagegen den Begriff des l1istoriscl1en Ob-
jektes überl1aupt oder gar den des „ letzten'' l1istoris.chen Ganzen
fc. tsLelle11 können, denn es läßt sieb unter logiscl1en Gesic htspunkten
nicl1t enlscheidcn, \veJche Wirklichkeiten für J{ulturmenschcn durcl1
ihre Individualität in der Weise bodcl1tsarn zu werden vern1ögcn, daß ·
sie auch auf die leitenden \Vertc der Darst.ellt1ng l)ezogeri und zu l1isto-
riscl1en Individuen \.Verden 1r1.üs::;cn, und ist schon rrut Rücksicht auf
die .P rimär hist.oriscl1cn Objekte keine Grenze zu ziehen, so kann zu
eine,n sekun•d är his torischen Objekte nal1czu j.ede vVirklichkeit \\rcrtlcn .
~' ir haben abe:r k ein Interesse daran, die sielt l1ier crgcbcr1den ver-
schiedenen ~1öglichkeite.n. weiter z11 "'erfolgen. cla bereits der Begriff
des historiscl1en Zentrums es gestattet , zu rlen Fragen Stellu11g zu
nelimen, die uns hier noclt bescltä[t.igen, näLnlich einen sacblicl1cn Be-
griff der Gescl1icllte aufzustellen, der sicl1 nicl1t nur scl1arf gegen den
sachlichen Bcß'rifI der Natur,visser1schaften abl1ebt und so das Ver-
hälLais der i1•1 engeren Si1u1e historischen \:Visscn cl1a{ten zu den andern
e1npirischen Disziplinen deutlich hervortreten läßt, sondern der Z-u-
gleicl1 auch zeigt, \varum den I(ulttirvorgfingen gegenüber die natur-
,vissenschaftliclie oder Hsoziologisc~•e" Bel1and}ung allei n 11iemals aus-
reicl1t und daher ihre t1istoriscbe oder individualisiere11de Darstellung
eir1e u11ab,veislichc Fordcrt1ng bildet .
\i\7ollen ,vir zunächst einen Uebcrblick über die c1npiriscl1en
Wissenscl1aften go,vinnet1 1 ~o,,,eit er sich rr1it Hilfe d.e r dargelegLen Be-
griffe geben lüßt 1 so n1üsse11 ,vir der1 logi:chon Gege11satz v o.11 Natur
und Geschichte 111it den1 sacl1lichcn Gegensatz von Natur und Kultur
verbinden. Die l1 i s Lo r i s c 11 c n I( u I tu r ,v i s s e n s c h a f t. e n
stehen dann so,volil mi t f:{ücki-icht a11f den Sloff als au ch mit Rück-

0191 lt ado por Goog e


- 527 · -

sieht au f clie !\-l etl1ode zu den Natur\vissenschaftcn in cinc1n Gegensatz.


D~s ,vort ,,Natur' • wird dabei jedoch in z ,v e i Bctleutut1gen zugleicl1
ge brauc ht, dei1n so allejn kann mit e i n e m 'f er111inus der logische
und der sachliche B egriff der Natunvisse11 c haften bezeicl1net ,ver<len .
l\lethodisch ist NatL1r die \Virklicl1keit n1it Rücksiclit auf das Allge meine
im Gegensatz zum Bcsondere1l 1 s achlict\ dagegen d.ie \Virklichkoit ab-
gesehen von allen WcrtbcziellLJngcn im Unterschiede von d.er wertbc-
zogen cn und sinnl1aft.en l{11ltur. Um dcr1 Gegensatz zu den hisl;orischen
K1.1lt,Jr\vissenschaften ganz deutlich zu rnacl1en 1 111üßten ,vir also v on
generalisierenden Natunvisscnscl1afton und in•d ividualisiereodcn Kul-
turwisserlscl1aften sprechen. Diese beiden Gruppen bilden aber, ,Yie
nicht scl1arf genug hervorgeJ1oben werden kann, n1.1r die äußersten E.x-
tre111e, clenn die vi er v ersc hiede nen B egriJfe, die sachlic hen: Natur und
Kultur, und die l<)gischen : natur,•.risscns.cl1aftlich und historisch oder
gene ralisierend urld i:ndividualisie1-en(}, lasser1 sic.h 11och in anderer \Vejse
miteinander verbi11den. Zunächst kann nä.mlicb einersejts die ganz c
\ Virklicl1koit a ls Natur irn rein logi chet1 Sinne ange ehe n und dann
auclt aJlos, ,vas Kultt1r ist , natur,vi senschaftlich oder generalisierend
bel1andelt werden. }fan a.bstrahierL dabei von den \Verten ur1d von
d ern Sinn der K ultur so,veit 1 als er die Obj ekte zu Jn-dividu•e n n1acht,
und es entstehen dann gcnerali. icrende Kultl1r,vi-senscl1afte n ,,·ie z. B.
viele als soziologisch bezeichnete Darst ellungen. Andererseits läßt sielt
der historische Entwicklungsgedanke auf die a 11 sich njcht wert-
bezogene tJnd sinnfreic Natur übertragen, un•d dann ent stehen histo-
rische oder individuali ierende Natu1'\vis eoscl1aften ,vie die histo-
rische Biologie. Doch, wie " 'ir leic ht sehen können, e rschöpft a u ch
diese Einteilung clie ~ta11nigfa1tigkeit des e1npirischen Wissenscl1afts-
b etriebes oocl1 nicht. Belraclitcn ,vir rein schemat isch alle möglicl1en
l{ombinationen, und ein derartiger Sc hem.ati n1\J.S i t irn logischen
Interesse nicht ,vertlos, so ergehen sich folgende ,veiterc Arten. Es ist
zu.nächst denkbar , daß nacl1 d erselben l\iethode S-O\\'Ohl Natur- als auc h
K u lturobjekte in eir)er Darstellung zusa.n1men b e·h andclt ,verucn.
"\\1ird z. B. o i11 V crsucl1 b'C1:nacl1t 1 N aturgesctze für das kürtstlc risc lie

oder religi öse Leben a uJzusLellen, so kann die Da r'""tcllt1ng sich a uf ein
Mate rial b eziet1en 1 da z,var zu111 größte11 T eil clcr KulLur, zu111 Teil
aber aucl\ den1 aturleb e11 insote rr, ai1g •hört1 als di•c F\el igio.n und die
l{un t der ,, Naturvölker" mit hern11.gezogen '-\'irrJ, cl. 11. als n1an au ch
solcl1e Ge rncin ch alten berücksic hiigtt die keine historische EuL,,i ck~
Jung z-eigen. Sodan11 knnn eine hist orische Bc t.ra.c hlung die allrnäh-

D191, h,ado por Google


- 528 -

liehe Entstel1ung d er l{ulLu.r aus der ·atur verfolgen, \VObei sie s ich
ebo11fall::. der1 bci,Jcn Stoff 'ebietcn zu\vcnd cn ,nuß. Ferner is t bei
einl1eitlicl1eut ~lal crial eine l\.liscl1uog generalis ierender t1nd indivi-
duali ie1·cntler Bctracht.ur1g~,•.ci · • r11ögli cl1, "vie z. B . in der pl1)·lo-
0

geneti ::icf1.c1.1 Biologie, w1cl erldlicl, können bei der Erforschung \'On
Kulturvorgängen jndividunlisierende und ge11cralisierende Beg1·iffs-
bildung ich atlf d::ls innigst e nlit eina.11der vermengen, so daß n ur eine
sorgfältige AnaJyse sie zu scl1eiden verrnag, ,vie dies in einige11 Teilen
d er J uri prudenz und der Natioi-1alökonomie der Fall sein ,vird. Selbst-
verstündlicl1 darf keine Logik diesen ~fiscl1formen ihre Existe11z-
berecl1tigung vcrkürnmern \VOilen , und nur 111.it cler angegcbene11
Eirtschränku11g ist. es daliet· aufzufus ·cn , ,vcn c1 ,,rir sagen , daß die empi-
riscb.e11 \Visse_nschafter1 der Mctltocle nacl1 ent,vedcr natur,visser1scha{t-
licll oder goschichtlicl1 vorfal1ren ur1d al:; Stoff ontv,1ec.lcr die atur
oder die l{u1tttr bcl1andeln. Die l\fi:schfo rmon sind eben als lisctl-
for1nc11 zu ,•ers tcl1e11 1 u11d die ver~cl1icdenen BC$tandteilc la ~sen s icl1
nur begriffüch at1st~na1lderl1alte.-1. Voile11ds denken ,vir 11icl1L dara11 1
cias w i r k l i c }1 c ,vis enscl1aftlicl10 Leben , ,vie es sich im Verlau f ,der
Gescl1icl1te ulln1ählich ent,vi ckelt hat, in ein m öglic•ist cinfaclte chcrna
l1ineinzupresse11 1 so11dern ,,,ir ,vollen gerade scirlc ~•l aonigra.ltigkcit
zu ibre1n R eebt ko1nmen la sen, inden1 wir die logi~cl1e Utopie einer
Univer"al1nethode zerst ören. Die \Vi ~senschaft gel1t ali-1 l1iswriscl1er
Prozeß in ein logisches .S chema überl1aupt 11icl\t re tios ein, so11dern
nur der an il1r l1a(tende logische Sinn ist von der Logik zu gliedern,
u11d aucl1 .i11 clicsetn. Sinngebilde 1-c.önncn ,vir hier lediglich die logischen
G .r u n d u n t e r s c h i e d e herausarbeite11. um danrl festzustellen,
,,·ie die ver schiedenen logischen Tertdenzcn durchcinandcrgehcn t1nd
zu bestimn1ten von den Einzel,,rissonschaften gesotzter1 z,,·ecken

zusarn1ne.narbei tcn.
E s ist scl1ließJich sogar noch eine ,veitere Einschränkung mit Rück-
sicLt auf die l\fannig(altigkeit der er11pirischcn Wissen chafLen no.t,-
,vcudig. \Vo bleiben \Vissc11scl1afton ,,·ic 'fl1cologie, Juri p,r udenz,
ge,,·is ·c 'feile der Nationalökonornic usw., \VCr1n das von UJ1s ent,.
,vickelto Scl1err1a voll:,tändig sein . 011? l\1an f indct in il1nen tlicht
nur Natur-- u11d Kt1lturvorgänge nach indivi(lualisicr,e ndcr und gene-
r alis ierender 1\1ethode behandelt, sondern es kornn\en dazt1 n.o cl1 ganz ·.
net1e Eleme11te, die sich 1nit diesen verbinclen. Das muß zunächst bei
a ll den Wissen chaften in die Augen !allen, die ltauptsächlicl1 dadurch
zu c i11e111 ei11l\eiLlic·l1en Gar1z.e·n \Verden, daß ihre ·Ke.nutc1i_ e für einen

D1911 11,ado por Goc,gle


- 529 -
be timmtcn Beruf not,,•endig sind. Die meisten Disziplinen nämlich,
die nicl1t nur aus den Bedürfnissen des praktisclten Lebe11s entstanden
.
si11d sondern die Beziebur1gcn dazu ausdrflcklich aufrecht zu erhalten
suchen und pflegen, werden insbesondere zu W ertgesichtspw1kt.en
n och in einer andern B eziehung stehen als in der, ,vie wir sie b ei der
hist orisch ,vertbeziehenden Begrif(sbildltng kennen gcJernt haben,
d . h. sie ,verden einen Maßstab für clie direkte \1/ertbeurteilu:ng der
Dinge ge,vinnen tJnd Normen aufzustellen vers uclten. Doch haben wir
es mit il1nen, \\'enn die Normgebting nur im Dienste der Praxis steht,
l1ier nicht zt1 tt1n 1 denn dann gcl1en sie über ihre rein wissenschaftliche
Aufgabe hinaus, und inan kann sie mit de1nselbe·c1 Recl1t oder Unrecl•t
den historjschen oder d en I{ulttll"\\,jsseoscha!ten zuzäl1len 1 nut dem
die ~ledizin zu den Natur\vj. senschaft.en gerec.h net \<Vird . An.ders da-
gegen steht es, ,venn eine \\'•issenschaft in rein theoretischem Interesse
nich.t nt1r it1re Objekt,e auf Werte bczicltt sondern auch djrekt zu
\,Verton Stellung nimmt. Dan11 könner1 zu den genera)jaierenden und
individualisierenden Bestant1 lei1en nocl1 \\i senschaftlich norniative
Element.e hinzutret en, und dadurch entstehen ,vieder n eue l(ornbi-
n.ationen. Doch dürfen wir olehe \\'issenschaften nicht m ehr als rein
e m p i r i s c h bezeichne.n . Sje stehen viel111.el1r not,,rendig in Be-
ziel1ung zur Philosoplue al Wertlehre, denn sie können nt1r i111 Zu-
sammenhange mit il1r den Ver$u ch zu ,~·ii,scn schaftlich er Norn1gebung
rnachcr1. Die 'fl1eologie z. B. ,vird, so,veit sie ,vertct 1 religio-n sphilo-
sophi cl1e, die Jurisprude11z und die Nat.ionalöko11omie werden, falls
sie rnel1r als Tatsachen oder ratu rgesetze st1cllen, ,,ethische" Be~tand-
t eile im ,vei'testen Sinne des \VorteR,. in!-besondere rechts- und ► taat. -
philosophisc11e enthalten müssen, Es ,väre eine ebenso interessante
,vie sch\,rierige Aufgabe 1 diese Disziplinen ir1 ihrer logi:;cl1en Struktur
zu verstel1en, t1nd es könnc·n sich da bei Probleme ergeben , die zur Auf-
stellung von ganz ncucr1 .metl1ocJologiscl1cn Gesicl.1tspunkter1 führe11 1.
Der Begriff cJcs Staates z. B. ist ge\\•iß ,veder ein nat.ur,v-i sr11scl1aft-
licl1er noct1 eir1 r e in histo rischer B egriff. Doch liegt es uns hier ganz
fern, das Systerr1 der \Vissen ·chaften, das bei Berücksichtigung dieser
Elemente sich ergeben wo.rde, aucl1 nur anzl1de\1ten. EbenSO\\"enig
gehen ,,·ir at1! andere Bestandteile, z. B. in d.er Tt1eologie und io der
J t1 rispru clcnz ein, die man ,vedcr l1i:1toriscl1 noct1 natur,visscnschafLlicll
1
L1ehrr "llo :\lethoi.lo tler J ur i?,prui"lcn't vg!. \'o t all en1: E. La i. k, Rcchi.:,-
pl11lol'o phi 1•. l)i(• l>hitosopliic int Dt-ginn dl's ~O. J oh rhunch., rt~. 2 . ,-\ u fl. 1907,
s. 2Gn rr.
Jl l e Je e r t I Grc,n ztto. 2. Auf\.

ürg,t~hzado por Goog e


- 530

nennen kann, und die sict1 vielleicht am besten unter den Begriff einer
1
1 ,dogmatiscl1er1' Bel1a11dlung il1rer Objekte bringen Jassen. \Vir haben
alles dieses hier nur e.J"\vähnt, um den Sinn unserer Gegenüberst-ellur1g
von Natt1r,,•iss.enschaft und Gc.o;;chictite vor ,1ißverständnjssen zu
scl1ütz-en tind vor allein den Gedanken fer11zul1al'tcn 1 a1s köimte et,va
d-er 1-rin ,vei · auf ei11e \Visscnscl1aft wio die Jurispruden.z sct1on einen
Ein,vand gegen un:Sere 'l'bcorie abgeben . Die Haupttendenz unserer
Ausführungen ist ja gerade die, daß die M a r1 n i g f a l t i g k e i t
der lVletho<len nicht übersehen ,vird. Es gibt nicht nur keine ,,1i sen•
scl1aftlicl1e Universalrnethode, sondern es gel,t auch nicht a11, alle
\Vissenscl1aften erscl1öp(end •durch e·in einziges Begriffspaar zu cl1a-
rakLeri ieren. Allerding. sind für den, d•e r na.cl1 möglichst „einfacher''
1
Einteilung strebt , Atlsdrücke ,•;ric ,, Geistes,visscnschaft.en' die be-
quemst en , denn sie ·ind so unbestimmt, daß .m an 11nt.er sie lejcht
alles, ,vas nicht Naturwi sen chaft ist, nlso Geschichte und Soziologie,

Theo)ogie und Pt,ilologie, Jurisprudenz u11d Philosopl1ie. Psycl1ologie
1

und Natio11alöltonomic unterl)ringcn und diese ,G rt1ppe dann der


Physik, Chcmicr Biologic 1 Geologie us,v. gegenüberst ellen kar1n. So
bequcrn das jedoch auch sein ,nag, so wc11ig ,vird 11,an bcraauptcn
dürren, daß l1icrdurch rar ein philosopJ1iscl1es \ terstätl•d11is des logi~chcn
und sacl1licl1er1 , , erl1ält11i~ses der verschiedc11en \Visscnscl1aften zu
einander itge11d etwas \Vesentlicl1es ge,vonnen sei. \Vohl aber sind ,,~ir
rnr die Auif ass ung der Gesc•hjcllte, die uns l1ier interc-Ssier-t, sogleicl1
orientiert u11d ttuf dcn1 ' "'ege zu einem Verständnis ihres ,-..;sscnschaft-
Jichen Chara.kters, °"·enn ,vir uns klar rr1achen, daß in dem i\1at.erial
der Wi: ensclaaftcn ei,n prir1z.ipiollcr Untcrgchied insorcrn be tcl1t 1 a ls
die Kulturvorgiingc sich durch il1re Beziehung zu '\\'crten oder ,vcgen
des an ihnen haltenden Sin11es au~ der Gesarrlt,virklicJ1kei t, l1eraus-
heber1 und um dieser Bcdcutu11g ,villcn aucl1 cir1e ,vi::;se11sc}lafllicl1e
Darstellung verla11gc111 die sie nicht u11Ler eirl Syst ern allgen1einer Be-
griffe bringt sondern iu ihre111 e.irt1naljg,e11 individuellen \\'erden ver•
ro)gt. Irta \ erglcicf, zu dicsern pri11zipicllen Gege:nsalz ersct1cinen

danr1 die sachliche1l Ur1 ter"cl1iecle ,ve11ig:;;Lcns der rein c1npiri ctten
,vissen cl1afllicl1e11 Arbeit, c..iie es ,,,it gcg~l, 11cn Rc:1litäten zt1 tun
bat un(l kci1!e orn,hcgri[[e ers trebt, un,vcscntlieh . Deshal b stel len
\ ,1ir die hi::-toriscl1en 1( 11 lt,t1nvii-s"n~cl1aften de u alun\'jsscnschaftcn
gcgc1rübcr und heben he,,·or, daß c,<"na u das, ,vas die bistoriscl,cn I(ul-
tur,,·is ei1sc.h ufte11 bchnnc le>l11, für (ii·e nat.ur,,·ist-e1>scllaftliche Begriffs-
bildung eine ni,c r11ah, Zll iibcr.sclirei t e11<lc Gr~nze i~i . ,~.rir ,vollten .hier

D191, h,ado por Google


- 531 -
ja n11r eine logisclle E inleitung in die historj ·cl1en \Vissenschaften
gebcrl., und darür ist die o F eststellung von cotscheide11der Bedeutun.g.

Liegt so die Stellung der l1istoriscl1en Kultunvisscnscl1aftcn klar,
da1u1 sehen wir scllließlich aucl1 1 ut1ter ,velcl1e111 Gesjcht.sp,1nkt die
Darstellung der J(u tturobjekte in. il1rcr einmaligen. und individuellen
Ent,vicklung zu einer wissensch aftlicl1cn N o t ,v e n d i g k e i t ,vird,
und ,varu1n jede Ersetzur1g der Gcscttichte durch Soziologie oder
irgend eine andere ge11eralisicreod,e \\1.isscnsehaft abgclel1nt ,vc1·den
muß. Dies ergibt sicl1 ,vieder im Att cl1luß an den Begrif[ der leitenden
Werte. Sobal,d wir n1tmlicl1 Wirklichkeiten zt1 solcl1en Werten in Be-
zicl1ung setzen, die mit denl Anspruch nor1nativer Allgemeinheit auf-
treten, \Vird die Dars tellung dieser Objekte in individuellen Begriffen
sicl, in de1nselbon 1\Jiaße al F o r d c r u n g ergeben , jn dem die nor-
mativ allge111einen Werte unsere Anerke11nu11g fordern, 1111d a\Jci1 durch
das Verla~en ,d es prnkti~cl1en Standpunktes zugunsten der rei11 tl1co-
retischen \Vertbeziehung kann tch hiera11 .nicl',t.s ändern. Das Bedürf-
nis nach einer gcscl1ichtlicl1en l{enntnis der innvollen Objekte b)eibt
a\lCh für den tl1e.oretiscbcn, die Dic1ge nur au( no.rm.ativ allgcn1eine
Werte beziehenden i\,leru cl1cn b cswl1en, und er muß daher an den
Kt1lturvorgängcn ein rein \\isseclschaftlichcs Intere-sse haben, das
d\Jrch illre natur,,isse11 chaftliche, generalisierende Darstellung nic-
1nals :r.u befricdige11 ist.. E s knüpft sicl1 mit Not,ven<ligkcit an die
KultLtrgütcr die rein theoretische Frage, "ie sie in ihrer individ.uellen
Gcst.1ltung gc,vordcn sinn , "'relo}1c vcrscl1icden,en indi,riduellen Stadien
sie i,n l.auJe der Zeit durchgerr1ach.t habor1 1 und \\'Olct1c individuollen
Ursachen iltrcn einnlaljgen indi,1 iduclle11 Werdegang bc ·tirruntcr1 .
Der Ve1. uch, aucl1 sie n u r unter ein SJ•st em allgerneiner Begriffe zu
bri11gct1 und jede andere Darstellung ttls u11'i\1iS enscl1aft.li-ch ahzu-
.lehner11 ii1sbesonderc die Gesch.ich·Le durch die Soz:iologie zu ver-
drängen , muß a1~ ein.e 1.i11,vissonschaftlichc Vcrgc,valtigt1ng der a:nge-
gebcnen Interessen erscl1eir1cn und zl 1r \ ferar1nung der \Vissenscl1nft
fül1ren. Die Bcl1auptung 1 das historische Intere se sei ni,cl,t ,,wissen-
schafLlich", \Väre dan11 allein richtig, fall wir nicht nur die dirclilcn
pral, ti:;che11 \Verturteile sondern auch die bloß theoretischcl1 Be-
zie)1ungcn auf \<Verte atts der \Visscr1schaft zu "'crbannen l1ät,te11 1 und
,ver dies belttlupt.eLi setzt dabei ein en Begriff von n\\'isse1)5.cl,aft' 1
voraus, der nic l1t als scl bstver::il ä.ntllich l1ingeno1nrne11 ,vcrden dar(
son,lcrn ür:-;t zu recl1tfcrtigen i t. Die Proble111c aber, die hierbei ent-
sp.ringcn, kö.rtnen 11icl1t au( Grw1d irgend ,velcher naLurnlisLi:;chcn
3 ,{ :("

D1911 11,ado por Goc,gle


532

Vorurteile, wie es hetzte Nlode i t , sondern ntJr attf . Gru.ttd. eiuer er-
kennlr1is tl1eoreti eben Unter8ucl1ung gelö:i-t "verqen , 9ie un .ifn l-Pl zte11


Kapitel beschäftigen soll. .. . .
In dem Zusan1m.enhang dieses Abscl1nit~ \\reis n ,vir end lich L

1
nur noct1 kurz auf ein Probl,e1n l1i11, das in den Erört~rurigen über die
historiscl1c 1'1l ethode l1äufig bel1a11delt ,\!ird, u.J.J das ·\vir :~orl1er ab-
• • •
sicl1llich zurückgescl1oben h.aben . Karin man yor1 . eir1ern ,1eig-e11t-
liche11' ' Arbeitsgebiete der Geschichte spreclie~ "? ljer \ re1·.such, es

abzugrenzen , b-edeu.tet für uns nichts anderes als d~ nteroel1n1en,
ei11en oder mehrere l{ulttinverte vor den and-ern ~o' zu bevorzugen,

tlaß dadt1rch der Begriff des historischen Zent.rtims noch rne ll r ,rer-
1f
engert, d. h. auf einen ~f eil des rnertschlich.e.r1 u_lturlcbcns b eiscllrä r1kt
,,·ird : Ojes aber ka11.n nu_r u11ter Berücksiclltlf,~·ng <let inl1alt lic~1en
B <Js t1rnrnt111geo <let' verschiedenen Kultunverte gesc}1ehen. t1nd tl1cse
Bcstirrut1unge11 sind ni cht Sache der Logjk ~c;>'t,1der11 der Gescl1ic l1t e
selbst . Unser Kulturbegrif( ist forrnal, u11d et' 1~füß fn einer logi~cl\en.
Untersuchung f orrr1a) bleiben, ob,,·ohl er i11l Gegc\1satz zu den, Begriff
der '''irkljchkeit mit Rücksicl\t auf da~ Incljyiduelle zugleicl1 als
nchlich bezeicll.11ct \.Vet·den darf. Ließ !-:lieh also schon der Begriff
des \1n1fas5eodgtcn l1istoriscl1c1l Zer1tru111s nur forrnal be tin11ncn,
so ist es vollends at1sgcscl1los-sc111 daß die !\fctl1oclenlehrc ~agt, ,\·as
das ,1oige11tlichc'' .i\rbeitsgcbiet der Goscluclitc sel. Ob z . B . ,virklicb
cler S t a a t i,11 Zen.truo1 aller l{ulturent,vicklung steht, also die poli-
tische Ent\vicklung das eigcr1tlicl1e Arbeitsgebiet clcr Gcscl1ich.te d.ar-
stelJt, das können nur die Hi... t oriker unter sich aus.r11a fier1, oder
l1öcl1stens clarf die Philo ophie des Staates als die Lehre v on der
,,koukre'tcr1 Sittlichkeit' ' hier mitsprecl1en. U11sere logiscl1e L. nler-
s\1cl1ung ,vürde n t1r ver,virrt ,,·erden, ''"'enn \.Vi r clie. en Gesicht:-punl{t
mit l1cranzicltcn ,,·olltcn. Die ~1et11oclenlehre d arf allein folge11des
sagen. E irt Ver ·ucl1 1 die politisclte Gcscllicli tc überl\aupL aus der f{eil1e
der \;v°i ' e1LsC1lafLer1 zu st reicl1e11 1 sollte n ic ht err1sthaft disl<.u tiert \\'er-
deu. E ~ liegen hist orische W erke als T at sacherl ,,or, die d ie Frucl1tbar-
keit des politiscltcn Gesichtspunktes , (i. h. der B ezic ltl1ng der Q,b jekte
au( den \.Vert, cler an dem I{ulturgt1t SLaat haftet , bei der Da.n- tcl.lt1ng
ge,"isser Teile der J(ult,1rcnt,:vicklung v iel bc~~cr be,vciscn , als i1'ff'cnd
eine tl-1eo,r cti~chö Erörtcrt1n g ,la~ könn Lc. J erle 'f heorie von ihrer Un-
,visscnscha rtlicl1J~eit beru ht auf eine n1 un,,is~en3cha fLlichen 11aturali Li-
ijchen Dogn,aLi:;1n1.1s. Anlicrers ~its aber i~L der \'ersuch, die poht,isclie
Geschichte als die ,1 eigerttliche1 ' Gescliicl1le zu prokl a11)it>rC1l , n11r Ja11r1

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..

- 533 -
t • ' •
:" .•
herccl1ligt, ,, ·enn man auf Grund der historiscl1e11 T atsacl1en 11acJ1ge•
,vicse11 hat; daß ein anderer Wert als der des Staaw die Darst ellung um-

fassender,e r l1i torischer Zt1sa1n1nenl1änge nicl1t leiten sondern nur bei


der Besctiränkt111g atitpestimmte Sonderent,vicklunge11, z. B . der l{l1nst.,
• •
cler \\firtschaft, der Religio.n nnge,vendet ,verden kar1n . Da dieser

. . ..
'
• • .
Nacb,veis dar1~ allein,als gefül1rt zu bet rae.l1tcn sein dürfte, ,venn alle
Versuche, "'ich von d~n politiscl1en Gesichtsp11r1kten zu emanz.ipieren,
ge cheitert sin d, ·so ,,·ird die Logik sich nur darüber freuen .k:önnen,
daß Ul1c h Versucl1e :~i~1er solcl1en Ernanzipation gernacht ,verden, tind
. \h
erst d,o rt finden d iese i?estrebungen au·c b ihre logische Grenze, \\ro inan
. - · . --- a.
überhaupt. nicltt n1clt/' l{ultun\'Crte zur Aus,vnhl und Gliederung des
Slo[[e-s }}e11utzt so11dern an et,vas ankr1üpft, d.as nur ei.ne sekundt1r
..
historische Bedeutung ror die Kultur hat, ,vie z. B . die geographische
L age der gcschichtlich,en Schat1plätze, denn eine e i n 11 e i t I i c l1 e •

Dar tellung der r1~n.schlichen Kult:urent,vicklung kann auf die ern


.
Wege nierr1Qls er1tst ch.en .
I n ähnlicl1er ·, v eisc aucl1 n oct1 :iu and.cren Fragen über die Auf-
gabe der Gesclticht e Ste]lung zu nel1111cn, l1at für uns keinen Z\',CCk .
E ::; ,v(lr<le sielt Ieicl,t Oberall crgehe11, \1/ie ,,•eit. sie 111ctliodolotriscl1c
Fragen sind, und ,vie ,veit sie sielt nur auf Grund sacl1liclter historischer
Erörleru ngen beanLworte11 ln..,sen 1 11r1d so111it kö11nen ,vir jetzt unsere
lo_gisc ttcn At1s(ül1r\1ngc11 über die Struktur der l1istori:;chen Begriffs-
bilclu1t0' schließc1t. Zuglcii;h ist cla111it, darm aucl1 d as in der Eir1lcitung
for1nt1li<'rte :3pezi~lle logisc~u) Problc111 dieser Schrift gelöst . Die Auf-
gab , diP ,Ier ) le1\scl1 der\ e1l1piri cl1cn ,\ris el1sch.after1 stcllerl ,nuß,
j t r111r d1)rc'h Teil 11 n g der ,vissensc haftliche11 Arbeit zu l)c\,·ulLigen .
Der Gedanke eines ,,l\lonisr11 us" et.er crnpirisch ,,·issen. cha [tlichco
~lct.l1ollc ist eine logi~r: l1e Utopie. Da ß sogar einige llistoriker, ge-
blcr1det vo11 den Erfol<•cn der Nat.ur,,·issenscliaft, dies njcl1t sehen und
nach natu r,,ri scoscllaftlicJ1er )letl1ocle gcnerati ~ierend zu arbeiten
glauben, ,vähren d -ic Calc.LL eh l1istoriscl'1 individua lisierend und ,vert-
bezi cllcnd verfahren und l1öcl1st..e11s ein besonders großes ~1 aß relativ
...
. t1istoriscl1cr BJ griCfe, die aber ebe n.falls v on indivi<lualisicrc11der ,v rt-
·~-~--~~eile~\n~g
... -- ,. ... ~~tt-..
~~
·.{ltciit frei sind, vcr\,·enden, ä ndert daran uiclit.: . Ja, ,venn
,, ,-, .. .,. __
eiric'r. "'011 il1pe,n darauf l1inttc,,r-iescn l1at 1 1 ,d aß es ·vern1utlicl1 scl1,ver
sein \\·ürtle,n,h·~ ei11en1 Doppclr.;c~pa.1111 feiudlit hcr Anschauungen dcn1
hth rcn Ziel einer ,
Gesa111tcrke1111Lrlis des \\' cltganzen zuzustrcl,en ,
unc.l dnß am Ende 1 da docI1 gei:-tc ~,,·is· er\sc hafLliche ){ ,thode t1nd nat11r-
\
v,isi.,,c11:-c haf t,I ichc ~Iethode vou ~lenschcn r11it 111c11sc hli chc1r1 Dc11kcu

0191 lt ado por Goog e


- 5.34 -
ent\vic kelt ,vordcn s i·n d und b etrieben ,verden, das menscl1licl1e Der1·k on
als Ganzos die B rücke z,,·iscl1e11 beiden ,,feit1dlicl1en" '.\1etlioden bil-
den müsse'', so l1at e r rnit diese11 \Vortcn, ol1ne e zu wissen und ohn e
es zu ,voller1, gerade den Punkt berü hrt. der cn t"c hcidend für die
Not,vendigkeit einer Tcilting d,c r "vissc1tscllaft.lichen Arbeit ist . Eine
1
„Gesamt erkenntnis de \>Veltgai1zen' nä1nlicl1 111ag Z\var ein 1 ,L1cl1res
Zi el'' sein,. aber das rl1e11scl1licl1e Denken 1 wie e-s in d er Natun,is.sen-
schaft und in der Ge._chicl1te v f!rföh rt, ist zu seine,· Errcichur1g nic ht
geeig11et und kann nur in d er Bcscl11·ä11kur1g sie b a ls ~lci.st.cr cn ·,·ciscn.
,,Feindlich' ' ,vctden die ,,erscl1iede11en ~1eth odcn, die es ausbilden r11uO ,
u m clurc h Arbeitsteilur1g rnöglicl1st a 11 s ei tig zu ,verden, nur dar111 1.
,,,e11n ma11 sie in ih rer Eigenart verkennt und statt das 1 ,,·as v ersc l1ie den
is t 1 einan.der durct, seine Vcrscl1iedcnhcit ergän zen zu lassen, gewalt-
sam. zti 11nLcrscltiedsloser Einl1eit zusa1nmenzupr,e ssen versucl,t . Bis-
l1cr hat. i1nr11er die Differe11zierung als ein l\,f ittel zur Verv0Jlko1n1r111ung
gegolten. \Var un1 ollte d ies l\litt.el gerade dort nicl,t an,,·enclbar sein,
,vo ,\11· dem ,,\\1eltga_nzen" gegenüber vor un:;erc scl1,ver-ste At1fgahe
ges tellt sind? . ~
Al.lerdin~, das men:,chlicl1e D enken \\'ird auch ,,·icflcr die Brr,c ke
z,Yischcn den beiden v c rscliiedonen l\le t hodcn ztt schlagc11 ha ben und
ül,er die Diffcrenzierur1g l1inaus nacl1 ei11er Eir,heit streben. Aber
die ·e Aufgabe fällt nicl1t de11 en.1piriscl1en Spe.:tial,vis c11scl\a[tcr1 zu,
sondern vor1 l,icr aus ge,vinnt die P h i l o o p 11 i e il1r eigentümlich es
Ai·b ei tsgebiet . Die Frage, ob i l1r eir1e Gesa1nt.erkcr1ntnis des \ ,Velt-
ganzen erreicl1bar ist 1 habe11 '"rir hier n icl1t zu crtk\ct1cid on. E s ge nügt
u ns, " ·,e rrn '"'ir nact1,vei::;en können, daß \veder auf dein natur\visson-
sclla[tli-cl1cn goneralisiere11den r1ocl1 auf dern l1istoriscl1er1 i11dividua)j-
siercnden \iVcgc ei11e solcl1e Gesar11terke11ntuis möglicl1 is L. Die Kritik
j ener 11 i'n tuitivcn'' 1\lctaphy.sil<, die u111nittelbo.r das '\Vcltganze er-
ker1ncn ,,r.i tl, gehört nicl1t mel1r in diesen Zusamn1cnhang. \\fuftl aber
ist hier au f eine anrle re philosopl1is<;l1e 1-\ uCgabc f1inzu,\'~isc1t, nämlich
auf die , in unser e spczJal,vibsc11scl1a fLlicl1en Erkcnntnis~e Einl1eit zu
b ri11get1. Sie läß t sicl1 nur dadurc h in Angriff neh1n~n, dnß n1an das
\Vese11 clcs Erker1ue.r1:; selbst zu erkf'Il.ner1 v er. ucht. l)ie clerr1 Anscl1ein
nac h unlösbaren Problc1r1e, clie sie}, {ür clcn en,Jlic hen !\len.schen gc ist
al1s der 11 -11cr1<llichkcit" scitles Erlcenntni:11obj cktes crgcbe11 1 sintl da-
clu rclt zu lösert, claß r11;:u1 zeigt, ,,•arLnn sie ,111lösbar si11 cJ O<lcr für den
~lc11 s.chet1 Oberhauy1t keine Problcrue bildcri. In t ii!Jriger1 aber \Vird
clie P l1i,lusop hic die 'J'cilt1ng d er ,vis::<e11schnflli cl1cn Arbeit, unrl die

0191 lt ado por Goog e


- 536 --

Verschiedenheit cler ~lethoden a t1s d em \Vesen des menschlichen Jn„


tellek tes sclb t und aus dcrn Vcrl1ältnis, i,l d em er sielt zu d en Gcgen-
·tändcr1 scinor Brken11ini befindet., a ls not,,·e11dig zu begreifer1 suchen.
, Indem ie d abei lehrt , clas Ziel eiocr Gesamterke11n tnis des \\'elt ganzen
mit J-Jilfe einer generalisierenden oder a,1cl1 1nit eine r iiidividuali-
sierenden ~Ietliode als ein \V'a,hngcbilde anzuo;;ehen und die Grenzen
zu bcacl1wn , die unserer E rkerm tnis gezogen sind , kann sie das Höchste
crrcicl1er1t \Va an einl1eitlicher Wirklicltlieitsaufrassu11g1 ,venigst ens
auf tt1coret ische1n Gebiet, überha upt zu erreic hcc1 ist. Nur indern sie
de,n en1pi rischeo Spezialwi. senscha ften ein 11divide et impera'' zuruft,
,vird sie gla.uhen ,lürfen , sicl, d errl besseren I-fort II verein und leite' '
zu näl1ern. Als ein Beitrag zur Lö ·u11g dieser Aufgabe ist die vor-
a ngega ngene Dars t.ellung der not,vendigcn ü nLerschiede Z\vischen
nat t1 r,,,is e11scl1aftlicher und l1istoriscl1er Begriffsbilclu ng ZLI betracl1ten.
Das folgende K apitel l1at n un schließlich den Gedankengang so,veit
(ort zu(ühren , daß a uch die letzte Frage ihre Antwort findet , die uns
in d iesem Zusa1n1r1enl1a1lge nocl1 hescl1äftigcn 111uß : verrr1ag bei der
not,vendigen ,vissenschaft lichen Arbeit.steilu11g die Gcsel1icl1t..e den-
selben Anspruch auf ,vi senschaftlicl1e ,,Objektivität." zu erl1eben ,vie
die Nat ut"\\1i~~enscha(t, oder best cl, t v ielleicht in dieser 1-Jinsicht
z,vischen dc11 beide11 , v isscri ·cha ften ein prinzipieller logiscl.1er n t-er-
sch ie<I ?

. -

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536 -

F ü n r t c s I< a p i t e 1.

NaltlI'J)hilosophie und Geschichtspl1ilosophie.


,. Noc h i ,nnu:r h in Ic h d ~r Ucb c r7,.cugu b !J,
11u f d en\ r ;,-clit e u \V e,l(e -zu 11,du . wen n ich iu d t' rr1,
,.,.._, 111in 101 l, de n G ru-nd cl(ttl!'en Buch e. " ·• 1 i irt "
l.o t :r"
Die Frage, der ,vir uns jetzt zu,venden , kunn unter philosophiscl1en
Gesichtspur1kten aJs die " tichtigst.e angcscl1e11 ,,·erden. \Vir l1abcn

bisher nur gezeigt, daß, ,v e n n es GcschichLe nls Darstellung der
einmaligen Ent,vick)u11g n1cnscltlicl1cn l{ulturlellcns geben soll, ic
nacl1 der dargelegt en l\1ethode zu veriaJtrcn hat. Wir konnten auch
an.d euten , ,velcl1e Beclingungc11 et'fü!lt sei.J1 111üssc11 1 talls die Gcsc.lticlttc
in dernselben Sinne Objekti,rität. l1abe11 oder '\<\iissenschart sein soll
,vie die Natunvissensct1a(t. Aber es ist noct1 1-1i-cl1t festge:stelll, ob
diese Bedingungen auch wirklich erfüllt sind, und dabei .k ann e~ nicht
sein B e,vendcn l1abcn. Be!;äße cJie Geschichte k eine Objek livität,
so ,vöre die Bedeutung der a11fgczeigten Grenzen der na t ur,vis, eu-
schaftlictien Beg1·i(fsbil<lung i11sofc r11 pro blcn1atisch , als es ~jch dann
dabei nicl1t nur u,n die Grenzen der N at trr\\·isscnscha.fl sondern u111
die Grenzen der ' i\' issenschaft Obet·llaupl h,m\tlcln ,vürdc. \.Vir \1/erden
also jetzt vo11 neuem vor die in der Ei11leitt1ng zu die c1· , cl1r ift. sclton
berührte Frage ge(ül1rt, innerl1alb ,velc}1er \,\ fclLai1scl1auu11g die Ge-
scl1icl1t s,vis enschaft eine logisch ur1an[echtbarc. Bedeutung hat.. !\'luß
die Philo~ophie ~ich als Na tura li ·,rtu. dnn1it, begn ügen, die \Veit als
eine11 e\vigen Kreislauf zt1 belracllterl , der gleichgülti~ gegen alle Be-
sonderh eit und L1di vitlua litä t i ' t , so d aß de r11 I Iis Loriscl1c11 11ur eine
untorgeorc:lncte Rolle zufällt, 01 ler gibt es 11iclll a ucl1 ei11e \Veltan-
schauung, ir1 der die Gcs,chicl, te als ein E 11t,,·jck.lt1ng ga11g noz1-1 ehcn
ist , dein ,vir einen jer1seit.s oller atur liege11,lcn , 1.:'i11n " unterlegen
dürfe11 1 so da ß das Beson,lere t1nd Tn(l1vid11clle gerarlc in sein •r Be-
so1tdcrl1cit ltnd I nd ivi(lua litä t dl1rcl1 die Bcziebung auf den · ir1r1 eine
Be(lCltLtrng gc,vinnt un,l ein:- gu.:,ch if' hLlichc Oc11ker1 clnltcr ci11e ebenso

D191, h,ado po, Google



........
\
- 537 -
,' •

große Berechtigt1ng .,wje das nattlnvisscn cl1aftlicl1c hat? Durcl1 Be-


ant,vortung dieser .. ,philosopl1ischcn Frage ,vird das Problcru der \yissen-
schnftlic hen Objektivität l1istoriscl1er DarstelJu11gen zu lösc11 seit1.
,1/ir verlassen j edocll • auch i111 folge11den cle11 bisherigen Ral1111en
11nsorer Aus[Qllllungcn nic h:t so11den1 l1alten uns in den Gl'e111.en der
• •
,v issenschalt.slel1re. Nur clas Eine er!orclert die Au!ga.be, die ,,ir n.ocb
zu lösen l1aben . da ß ,vi1· uns nicht n1el1r auf die Konstatiert111g der
. 1 .
tatsäcl1licl1 vorhanden •
en Erke11r1tnisziele beschränken und die- B e-
griffe als ~littet zu il1rcr Erreichung betracht.er1t sondern daß ,,1r au,ß t r-
dem danach l1·agen, ,velcl1e theoretische Bedeutuug die natut'\,·issen-

scl1 aftli c hen und .geschict1tlicJ1 en Begriffe auch unahl1tiugig von dem
durch den \Viller:a, des ~len sch en gesetz.ten Ziele \1abe11, t1nd in,viefe rn
daher v on einer \vissenscha!tlicl,cn Obj ektivjt,ä t der v er$cl1iedeoen
Erl<.enntnisformcn gcspr ocl1cn \\'erden darf .


I•
D i e n a t u r a Ji s t i s c h e G es c h i c t, t s p h i 1 o s o p h i c.
D.a es v or allem, darauf a nkon1mt, clas Ver hältnis der Objektivität
hisLori ·eher Darstellungen z.ur Obj ektivitä t de1· Natur\,·isscn cl1a[t
zu beurteilen, so liuben \Vi f zuerst zu sel1e11, \\' OS vo11\ nntur,\'issen-
schafl licl1en Standpu11kt aus über die Wis~enschaJ'LLic hkeit de r hisio-
r·i cl1en B egriffsbi ldu11g zu sagc11 i ·t. Ei11 Naturalist ,,·ird v on vome-
}1erei11 geneigt sei11, dein t1istori cl1-er1 , ,erfuhren dje ,vissenscl1aft-
lic'he Ohjektivit.ät abzusprechen. Ist , o muß er clcnkcn, von der
Gcscl1ic hte die Wirl~licl1keit r11it Rücksicht au f das Boso11dere ttnd
Individuelle dttrz-ust,ellcn, ltnd sind die Pri11zi pic11 il1rer Begriffs-
bi l(lung \Vertgosicl1tspunkte1 so bleibt, der His toril<er not,vendjg bei
sc h,vankcndcr1 ur1d inclividuelfen Meinungen tehen, dcn.n ,vns ein
gcscltichllicl1e. l11<lividuurn ist, hru1gt ja daJtn vo.n seinen ubjektiven
\Vertu11gerl ab, und die Anorc.l nung , 1 teleologisehc1·(' Ent,vicklungen in
den1 angcgcbe11en inne bleibt in1111or da Re~ultn.t inclividuelle1 ' \\1 ill-

kür. Ganz in1 Gegensalz l1ic1·zu dringt die Natur,vissen scl1aft zu den
zeitlos gültiCYe11 Gesetzer1 vor und erhebt, \vührcnd die Gesc hicl1 te
stets in 111enschlicl1en Satiungen stecken bleil>t , den F~orscher iiber
sicli . elbs t , ind em sie sein em v ergänglichen Gci~te iu1 _ at\1rgl!sc:.Lz cit1
E"·iges zu er[a c11 ge;,t.•:it~ct . Da rau läßt sich cla1111 e11t,vctJer die
l(ousec1uenz ziche11, claß es nur e i 11 e \ Vissr 11sGl1 afL gibtt 1lie vo1r
d er Na t ur, und daß tlul1er djc Gc:::;cl1icltl,e üb~rl1auJJl 1-1icl1t \\.i ~eo-

ürg,t~hzado por Goog e


- 518
scl1af,t, gr.nar1nt ,\'erde n d a rf, ode r d;,ß c da nn all ein rrtöglicl1 ist , aus
ihr ,:inc \\'is. CO!'J(!l1a ft zu 1r1acllcn 1 ,\:cnn es gelingt, il1r ein 11atur,,·isscn-
schafLliclics oder ,,·cnig::t cns ,,,crtfrcics f<'untla nlent zu gehen.
f>ie er:;t,e I{onsct1ucnz la ·scn \\'ir zunächst bei Seite utld ,volle1t
nur 11r1tcn- uchc1l 1 ob 11icl1t vicll,!icl1t. die Natur,vi!>seuscl1aft in der
La~c i L-, an dein Zt1s la11dc der Gcscliict,ts,,·issen~chart.., der il1re1n
l (lcal vou ,,·isscnschufLl ich•er Obj ektivität nicl1t entsr>richt, et,,·as zu
ä·11<l<!r11. \Vcn11 dies auch nicl1t durcl., ebertragung clcr n,.ltun,·isse11-
scl1afLlichen ~[elliodc nt1! die Gcschicl1Le selbst ge ct,ehen kann, so
gibt c eventuell eine na turalistiscl1e Geschir htsphilosopl1ie 1 rlie
,vcnigstcu den leitenden Prin zipiet1 der hi· torischen Begriffsbildung
ei ne natur\\'j · enscl1aftliche Geltung vc r~cl1afft, und auf deren B asis
d ie Ge~ct1ich.te sic h. dnnn a l objelcti,•e \:Yissen cl1aft Ztl erhebe11 v er-
m ag. Eir1 Ver uch dieser Art ka.no aber at1f zwei verschiedenen \Vegen
t1nternommen ,,rcrden. Es ist erst ens möglich , zu fragen , ob , v erte
nl • lciten.tie Prinzipien der hi · tori el1cn B1!griffsl)ilduJ1g nicl1t docl1 zu
t?n Lbcl,rcr1 und durch. eine ,~·ert!reic Gcschicl1tspt1ilosopl1ie zu ersetzen
sind , tltt<J Z\\' iLet1s, falls sich dio ahs untunlich cr\\ cjscr1 sollte, ob
1r1u n r1icl1t, au <lc11, Bcgritf der Natttr s.el})st \\1erLe ge,,•ir,ncn ka nn,
die ,Janr1 itl objekli,,cr \.Veiso be!- tirn111cn, was Kult.ur i t , oder di e
als „ nut.arlicl\c \\terte1 i <lic Ohjek.tivit.üt der histori~cl1e1l Begriffs-
bil,lung nicht töret1 ,vürden.
Die l\f öglic,1lc.cit ein.er in jecler T-1 in ~icl, t ,vcrlfreic11 Gcscllicl1ts-
P•hilosop,l,ie l1abcn ,,·ir bereit · ber(ihrt, aJ der Verlo,1f der Untor-
st1ch1tng u11::. anf dc-n Begriff eines allgcn1einen Ent,vicklungsgesetzcs
tüh rl,e, das d en Dar!iLcllu11gcn cler verschi edenen ir1dividu.ellen Ent-
,vicklt1ng~rcil1c11 zugru 11<Jc g~lcgt \\·erden soll 1 ttnd ,,•ir fa nden hierin
d er1 Pirtzig ·r1 l ogjz;el, vcrsläncllichen in11 1 rlen. die , rersu cl1e, Ge-
~c hichtc t111LI · . atu r,,·iss<>r1:.cl1aft cina,u,lcr 011zu11ül1f>rn, t1berh uupt
hal1cn k.ü1111cn 1. \•Vir 111ü::-:~cn a l!-o jotzt fragen , un te r ,,·clcl1en ornt1s-
i<.Clzu1ig<!tl ein solcll•l!-S Ent,vicl{lung~gcscLz zu gc,Yin11en ,vüre, u1n da_11n
Zll ~Chl·n , ,,·as C$ Ciir clie OI,jel{ti\ritll t dt:r Gcschicht,...,,·is:;cnscha (t b e-

d,·utf•11 kö11ntc, \\' C [ l [l 111atl CS gc ru111lcn ILil-tte.


Die Forclcrufl0>, tfer lli::to rik.cr solle die vcrscl1iedcr1 n gcr-.cl1icl1t-
lichcn Eot,,i ckl11 ng3rei l,en n1iLci.na r1<ler vc rglcicl1cn 1 das ihr1rn Ge--
rncin~a111c als tla~ \\'eser1Llicl1c 11-rvorh el>en u11d di e. ~s tlan11 zur
Glicclcrung des l1b,Lori:--che11 • toffes benu t zen , cl1cinL ,,·ol1l vielen s•el1r
plat1$ihel. ,,·cn·n nber r in ~olcher \ 7l'T'glt'ich ,.,irl<:licf1 o l, 11e j ede l lille
1 \ 'ergl. oben ·. 4r>9.

0191 lt ado por Goog e


- 539 -
,,on bereits vort,,er feststel,cn,den Kultun,,ert en unternornmen ,,rerdcn
soll - und das ist j a tajer die Voraussetzung, 11uf die alles ankommt -
so cJ01·[te11 sich seiner Ausführu ng d och erhebliche cl1,vierigkeiten
in den W eg stelle11. Welcl1e l1istori. chen Ent,,·icklt1ogsreil1en sind es
denn, clic von der Gescl1icl1te rnil einander v erglic hen ,verdc.n müss.en?
' '01n Stal1clpunkt eitler ,vertfreien, na tur,vissenscbaCtlichen Betrncl1-
tung ist das nicl1t zu beantworten. Ist et,va: jede Ge1ncinscha ft von
fl.fenscl1cn, d.e rerl \Verden sich durch eine Zeitstrecke l1indurch ver-
folgen lä ßt, daboi zu bcrücksicl1tigen? Der rlistorikcr ,vird das 11ie
zugcbe11. E s sind r1icl1t alle Gcinei11 cl·1a[ten ,,gc..;chicht,lich" i11 dem
angegeben.en c11gcren oder s-acl1licl1cn Sin11e des Wo·r te8,
Als völl.ig selbstverständlicl1 tritt viel1ncl1r bei dc111 V erst1cl1
einer verglcichende11 Geschic'h lssc hreibung der Gedanke at1f, daß
durch v e„gleicht1ng der v erschieden·e n \ f ö l k e r das gesuchte Ent-
\,ricklungsgcsctz gefun•d en werden soll. \Vas aber ist ein , 1\Iolk'' ?
I{ann man ohne Hilfe eines l{ultt1rwertes agen, \.\' O eine Ent\•f'icklung
begin11 t und ,vo sie e11det, <l. h . besitzt die rein na lur,,,i. ser1sch.aftliche
Betrachtung ein :\'IiLtel, Volksent\\'icklungen eincleutig als Einl1eiten
au rzulas cn und gcgeneir1ander abzugrenzen?
Docl1 nel1meo "'fir selbst eininal an, clie sei n1öglicl11 • o tritt eine
nelte Frage attf. l(ann die Gesclticl1te da a 11 e n Völkern in ihrer
E11l\vickl11ng Ge111eir1sa rne und r1 u r dies il-1re11 Darstellu11g·en als
allgc111ei11cs Ent,vicklungsgcsetz z:u Grunde lege11? ie 1t1uß auch unter·
d en \ fölJ<.orn ein e Au s,valtl Lrefförl, uud cJazt1 l)(~(larf sie '\\'iedcr eines
leitenden Prinzip:,. Zvvar erscheiot C!> ,Jerl natur"'·issenscl-1aftlicl1en
Hist orikerr1 völJig 11sclbstver:.tär1dlict1 1 ' , daß sie sicJ1 nur den l{ul t11r-
völkern zu·wcndc11, ,veil sie eben imn1er von I{l1lturwcrt en geleitet
sind 1 at1c ~1 ,vcnn sie es nict1t ,visscn. Al)cr vom \Vcrt,frcie rl natlir-
,vissen3cl1a[tlicl1cn Standpunkt ist c · gar nicl1t sclb ·tvcrst,är1olioh,
\-vas ein J{1.1lturvolk ist . Auch der 1-Iisloriltcr , der al lgc111ei·ne Ent-
\\·icklt1ng:;g0sc tzc suclit, ,,1ird vor die l~'rngc gcf,ührt, ,vaii denn eigcnt licl1
K ultu r sei t und ohne \"\'crtgcsichu.pt1nkte kann er diese F rage nicl,t
bcant,vorte11. E s brnucht al. o auch die vcrgleicl1ende, Ge~elze t 1-
cl1ende 11 Gcschicf1Le'' i11l Pri11zip alle die Voraus;;etzungeli, utn derent -
,,rillcn der · a tu ralist <lie \\!issc1,scl1aftlicl1kei L tler in u11serc11i Sir111e
,,tcleologi eh„ oder v.•e.rt be:6iel1c11d verfal1re11<lc11 GcschicJ1te bestreitet.
Aber., , •iel leici1L dienen d ie I(ulLt1r,,,erte nur zur vorläufigt·11 Orie11-
tierung, t1nd so bald ein Gesetz ein111al gefund e1, ist, clnr,n gilt c t111ab-
hängig vor1 ihr1en. rel1n1en ,vir an, die sei ric'h'Lig, so stoßen ,vir sofort

ürg,t~hzado por Goog e


• •

. .


- -
au! eine neue ,Sch\,•i,crigkeit 1 ftllls v.·irklich ein G e s e t z der Kul'tur-
ent\,~icklttng ge,,·onnen ,,·cr<leri. soll. Durcll die Analyse einer einzigen
E11t,1,icl<lung:;rcih.,
e ,vir(l q1an e nicht e11tdecken, sondern die ern-
piri~cl1e Vergleichung rnel11·ercr Ent,,,icklu1lgsreil1en ist ltier das eitlzig
logiscl1 :zt1Jä.ssige ~litte). Die Znhl der verschieclenen 1niLeinander zu
vergleic henclen T<tilturvölker ~her, deren Eot,vjckJung von ,,Anfang„
r • ., ,

bis zu ,,Ende" bekannt ist , st ellt, sielt a ls ehr klein lieraus. l{ein
Naturforscl1er ,vürde !l.icl1 borcclrtigt glauben, aus d.cr Bcobact1tung
nur eitles l'cilcs piJlor so klcinc11 Aozal1J ei11cn Scl1luß at1f die übrigen
Vül.k cr zu zieh~ni de1· n1el1r als eine bloße Vermt1tun g ist. E s wäre
a]so eine vollst ändige Induktion , d. h .. die Untersuchung jedes ein-
zelnen F alles l1ier cir1c un ab,,·eislicne F order-tlng, und nuch au! d.ie ern
. ' '

Wege kä1ne 111ari · räicht Z\l cin,;111 ,virklicl1en Ge~etz, ,vie die Nut,1r-
~·i , scnscllart es ,s ucht, ~onci crn höcl1ste ns zu einem en1pirisc h allgc-
n1ciner1 Scl1.c1t1a. Set.zt tlies aber nicht voraus, daß ,Yir die Gescllicl1te
.
aller Kultt1rvölkcr irn ,vese11Llichc11 b ereits kennen , c 11 c ~·ir an die
AuCslellt~ng des allge.tneine11 Entwicklungsscl1ernas gol1en 1 und daß
also die .ganze Ge cl1ic11lc be1·cits gcsc11rieben ist , el1e die in die.sein
Si~ne _gcschichts,,rissensc·haftliche Arbeit beginnt ? Nur ,vo eine große
~fengc von Einzelfälle11 in Betract}t kommt, darf ·,r,a11 das f ül' ei11e n
Teil von il1ncn geft1ndene en, pirische Gesetz a ls leitet1dcn Gesichts-
punk:t bei qcr Erfor$cl1l1ng des nocl• unb"kannten Teiles vcn\•cn,dcn .
.
Bei der Darstellt1ng Üer ,vcnigc11 1nitcinan<ler v ergleichba ren l{ultur-
, ,ölker dagcge11 k.on trrlt n Lnn ubcr unsicl\ero ' 'er1Ttt1Lungcn nicl1t l1i1laus.
Diei;C '\,:önnen da ru1 lejch t dazu die11c11 1 daß der Ilistorjker 1r1it un-
begründ·eten V o r u r t e j 1e n ar1 die E rforscl1u11g seines Gegen-
stancl es geht, tind sie ,verd n ~1lso nicl1t geracle geeig11et ~ein, den
historiscl1cn Darst('llur1gcn die ge,\'Ün~cllte ,,Obj el{tivit-äL'' zu ver-
leihen . Stell t rna.11 freili<-h 11 Gc:;etze'' a uf \,·ie z.B . clast wonach in
jeder Vo1ltseJ1t.,vi rl{lunt• \ orzcit 1 Alter tu,n , frilhes unrl sp ätes Mittel-
alter , tlcucrc ur1d r1cuc.•:;t,e Zeit a1.1feinanrl.;:r folgi'r1 1 so n1ag rnan die
Geltung eines solcl1en 1 ,Gt•~ctzcs" bcl1uu11tc11 tin d diese Forn,c_l überall
an,,,cnde11 l,önne111 ahc1· <la sie docb nicht.s an•d eres zurn .l\usdruck
bringt, a ls duß - clns FrühC't'e ge\völ1n licl1 t.len1 Spä t ere11 voran gelit,
wird 1na11 in ihr ei11e erhe})liche ,vi ·se,1~chnft licJ1e E insicl1t ,vol1I nicht
erblickcr1 dürfen . j\'.icht besser i t es n1i t and ern F orn1eln be-
stellt, die dnrattf hina11skon1n1cn 1 claß jedes Voll, zt1cr st ei n Ji1gend-
stacliun1, tlt1 n11 eio Star1iun1 der n1än oliclu:11 1-{eife ur1d schli ,ß}icl1 ci11
tadi um des GrPi~e11a lters ciurcl1zt1111achc11 hat.. Alles, ,,·as an der-

0191 lt ado por Goog e


541 - •

artigc11 Bcha·uptur1gen rich tig is t., ist o . elbst verstä11d}jch, daß es


\virklich 1ticl1L ausdrlicklich ge~agL zu ,,·erden brauch.t.. _Das Problem
begin11L erst dort, ,,;o man fragt, in ,velchen1 Sinne 111nn ,·on ein er
,,J ugencl' ' bei ein em Volke sprechen kann , u.nd ob die für das ein-
zelne Jn<lividUllm ~rül.tjgen Begriffe noe l1 ci11e ,visscnsc haftl.iche Be-
deutung b eha lt en , wenn sie auf Ent,vic~lungen vor1 ga11z.c n '\Cö~kcrn
übertrage n " 'erden .
Doch ,veil es )ogiscl1 nicht unr11ö<rlicl1 ist, ei n : 1 llge1nei11es I{ult.ur-
ent,,,icklu11grgesetz au fzust ellen u11tf dai111 zu ,,er uct1e1l. 1 \:Vic ,,•cit 111an
clarn.it bei der Darstellung tler Geschichte k o111n1t, so düt·fen wir hier-
.
bei Jloch nicll.t st.el1en bleihen. Setzen ,vir nl o vorou!-, inan häti e ein.
Er1t,vicJilung.,;gesetz geft1nde111 des~cn Gelt1,1ng•
sict1 fü r die Kultur-
e11L,\•icklung aller Völker bchS\uptcn Jäßt., \VÜrd e dies Ge:.etz o:uch die
lei tcnden K tt ltur,vcrte der l1i::torischen B egriffsbildung Obc1·fl ü sig
rriachen <? Da das Allgerne ine nie1nals m ehr al den Rahn1e11 liefern
kartn., innerl\alb dessen die gcschicl1tliche l)ar$tcllu11g der beso11dern
u.nd individt1ellen Ent,vicklungcn ich be,,·egt, und ,,·eil a lso dieser
Ral1mer1 mit <lcr11 gerüllt werden n1uß, ,vas cle11 besoi11lern hisLo-
rischon Ent,vicklungon und nur ihner1 eigcntü111licl1 ist 1 so ,vürcJe ,Jus
E n.twicklungsgesetz erst da11n die leit.cndcn \'V ~rt0 esicl1t.spunkte in
(ler Gc~cl1ichic er ·ctzen 1 ,,·enn es zu111 Pri11z.ip det us,val1l aucl.1 bei
der Dar~te.ll t1ng des rein inlli"·iduellcn J1istorigche11 Stoffes diene-n
könnte. Jun ltaben \\~ir ab er ges,chcn, daß ein. '\Vescn des Gesetz-
mäßigen, ,vie das des nat11r,vissensc ha ftlichen Allgc,ncincn tlberl1aL1pt,
gerade da rin bcstc}1t, glcicl1gültig .gugcn die B.csonflerheit.e11 und In-
divirlualiLäten der Objekte zu. ein , die claru11ter als Exe111pla~e fallen,
uncJ es ist da ller niclit. zu begr eifen, ,~·ic ein a llgc1nein os Ent\"·icklur1~ -
O'f•setz clazu be11utzt \Vcrtlcn sollte.• dc1s ,,rcscnLlicltc von1 Un,,·csc11t -
licl1cn ir1 d c rtl i n d i v i d u e 11 e u Tatsache11n1at.crial z.u clleiden
mit d em djc Ge ,chichte über das allen Volksc11t,\,-ickluugen Gcinein-
sarne l1inausgcl1l. Zt1rn !eil.enden Prir1zip der DarsLellung einer cin-
rr1alige u Ent\vicklungsreihe in ihrel' I11clividualilä t , in d also nie,na ls
GcseLLe sonclern in1rner nt1r \Verte zu ver,veJ1den, ,veil allein 1nit R üc).;:-
sicl)l au{ sie das I11tlivirlu cl.tc ,,,ese.ntlicl1 zu ,,1erdcf1 , rc11nag.
Aber, ,vird n-ian sagen , da kann nicl\t. r.ichlig SPi11 , de11n es gibt
rnJ{ti eh go.~chicht.liche Da rslcllu nge11 1 d ir v<~r:-u<·lit huhc11 1 eir1 Ent.-
,vi klung::.gcsctz zurn lcitcndcrt Gci-- icbt...;pur1kt. zu 1n:ic 'l)c11, u111J ,,,cn,1
sie attch inhaltlicl1 viel,lcicht fals,;11 - i11d 1 zeigen sie nicht. ,,rcnigsle11s
(orn1al d--ie bcabsichliglc Iogisrhc , lr1Jktur 1 u11tl l>illlen sie daher nicht

D191, h,ado por Google


- 542 -

durch il1re bloße Existenz schon eine 11egative Instanz gegen ur1sere
Behauptu11g? E s läßt sich leicht darttin, daß auch dies nicl1t der Fall
ist, denn wcno irgen(l,,ro der Scl,cin ent.stel1t , als sei ain a llgemeines
Entv.•icklungsgesetz Prinzip der Aus",·ahl d·cs l1istorisch \Vesertt-
lichen bei der Darstellung ejner cir1r11aligen individuellen Bnt'"·icklung ,
so ,vird der Inl1alt de ai1geblich!.!11 Naturgesetzes stets als das be-
1
trachtet, ,vas durc11 d.ie Ent,,-icklung ver,virklicl1t ,,,erden s o l l , und
dann können allerdings alle Prinz-ipien der vvertbczichcndcn hi to-
riscl1en Begriffsbildung an:ge,vendet ,vordcn, die ,vir J.ccnncn gelern t
haben. Aber das ,,Gesetz'' jst dann eber1 kein N a tu r gesetz sondern
die Formel für ein \ V e r t prinzip. '1'0111 rei11 natunvissenschaft-
lichen, jede \Vertbeziollung vermeidenclcn Standpunkt ist also ein
solches \ ferfahren unzulilssig.
Es \.vi rd gut sein, dies an eine1r1 Beispiel näher .zu erlö.uter11 . \\1ir
I,onnten früher die soziale D~.rna11tik Conitcs als T ypu s einer r1atu-
raljst iscltcu Ge::.chichtsphilosophje bezeicl1oen, insofern hier aus-
drücklich die Gcscl,ichtc zu ei:ner Natur,\:-i ssenschaft ge1nacl1t ,\1erden
sollte, die die Natu rgesetze der mcnscl1Jichen Ent,vicklung zt1 finden
hat. \Vir ,verden 11t1n zeige11 l<önncn, da ß in Con1les 1 ,Gcsctz' 1 von
den drei tadic.n nur der A ll s i c h t nacl1 ein Na Lurgcsctz vorliegt,
tat..~äcltlich jecloch jenes unl<lare Sch,vanke11 :t\,risGl1c11 einem Gesetz,
d as sagt, ,vas ko1nmen m u ß , und einerr1 F'ortsch:ritl.sprinzip, d.a s
sagt, ,vos kon1n1c11 s o 1 l , seinen typiscl1en Au ~drucl< gefu11den ha.t,
un<l d:~ß nttr dLtrel1 rlieso Unkl arl1eit der chein entstelle11 konnte,
als sei hier eine n.1tunvisse11s.cl1art licl1e oder gcnera lisierenclc Ge-
scl1iclltsphiloso phie geliefert. Con1le l1at närnlicll rnit rlcr11 letztcr1
seiner drei Stadjen den \\1ert, den für .ihn die ,,posit ive'' Wisscnscliaft
in, Rahn1er1 seiner von den Idealen des P olytechnikums
·•
b cli,e rrsc l1tcn
\Vcltar1sct1auu11g als i\litLcl zur \ fe1"virklichung seiner sozia lrefor-
matori~chcn Plru1e besaß, der gei an1ten roenschlicl1e11 l{ultureat-
,vicklung a1. ihren eigc11t licttct1 S i n n zugrunde gelegt uncl dann
durclt llinzufüg11ng cler beiden anderen Stauicr1 ei,1e allgemeine Formel
fü_r die allrnäbliche Ver\'>'irklicl1t1ng dieses I{uJtur\\·crt.c::1 aufgestellt.
Auch ,vc11n a lso Co111tes ,, Gesetz' ' zu träfe, so \va rc die Ba is, auf die
er die Gescl1ichte zu stcllc11 sucht, nicl1t der Begriff der 1atur so11aerr1
der l{ u l t ll r b e g r i r r d ,e r N a tu r ,v i s s e n s C h a r t , d. h.
,die flOSiLive , v·i~senscha.ft als I{uJturguL alJ.ci11 i~t es, tlie die Glie~
<lcru11g <ler l1ist.oriscl1on P crioJen u11cJ die Aus,,•a W des \\i'cscrltlichen
bei Co111t c leitet. W ir sehen clnraui;, dnO Con1te i11 seiner Soziologie

D1911 11,ado por Goc,gle


- 543 -
11ur der Absicl1t, nicht a ber der Ausfül1rung 11acl1 ei11 Naturalis,t ist .
Seine gescl1icl1t Jiche Darstcllu:ng unt,crschcidct sich, g-c rade ,,,eil sie
11acl1 ,,positivisti:;chen" Pri1lzipie11 untcrno111rr,er1 ist, rormal durcl1-
,
aus nicht v on dem 1 ,vorin der ionische C:l1arakter a ller l1ist.oriscl1en
Da rst clltingen besteht. Attch die oziologie verfolgt bei C,0mte den
einmaligen indivicll1ellen Ent\,ricklungsgang der Kulturnlcnscl1heit,
stellt ihn in Beg·ri-ffen dttr, deren individueller I11halt sich mit Rtick-
sicbt aur den l{tilttirwert der po itiven \Vi sen ·chnft zt1 einer ,,teleo-
logiscl\c11" Ein heit in dem angcgc.b cncn Sinne zusan1menschließt, und
sie mu tet. zugleicl1 die 1\rlerkenn1111g dieses l{ulLunvcrtcs allen zu .
t,U11l1isLorisch'' k11nn n1an diese Gescl1icll t.5nu (fassung Comtes nur
in~o rern ner,ncn, als sie ibre \Vertgcsjcf.1l-spur1kte au cl1 zur clirekt.en
\Vertung der Vorg{inge benutzt und sie da her die K ulLurent,vicklung
nicl\t ,,objektiv'' ini Sjnne einer en1pirL chcn \Vi5senscha ft darstellt.
An dern Gegensatz z1Jr n atur\.vissc,1schaftl.i ·t1en At1ffnsstlng aber- ü.n ciert
dies nicltts. l r1-sbcsonderc ist Z\\'ischc.rt den vcr~clucdcnen Sladien
der Geschiclrt.e auch liir ,Co1t1t e clcr Zt1sarn1ncnl\ang teleologiscl11 ja
ausclrücklich ,,i rd von il11n das z,,·eitc tadi utt1 als Leleologi cl1 not-
,vcr1digcr Übergang vorn ersten zun1 letzten deduziert. 111 d ieser Hin-
sicl1t gel1ört ~on1iL das po· itivi t isch.c Ent.,vicklu•n"sschemn in ein
und dies€lbe logi ehe l{ategorie ,vie die Versucl1e, d i.e ,,on der idea-
listiscl1 •n Gcsch1cht.sphiloso pl1ict z. B. v or1 F ic}\tc oder von llegcJ
gcn1acht sind, durch cin-e F orn.1cl den Sinn der gesamten ) lenscl1!1eits-
gcscl1ir htc zti bcst irn111cn. Sogar bis ins Ein zelne hin ein kann inan
diese Gleichartigkeit verfolgen . · o liißt. Cot11t c ebenso \\'ic Fichte -
nur 1n it eir1 bißcl1en ande rn \Vorten - den EnL\vickl ung~ga ng der
i 1enscllt1cit v on1 Vern unJt in tinkt zu r \ rcrnu ,n ft\vissenschaft und
• encllich zur Vernu 11CtJ, unst fortschreiten, \1nd auch für Comtc gibt
es eir1 in der ;\Jittc liegendes tadiurr1, d as zu1l1 Zeitalter der voll-
endeten Sün,lh.1 ftigkeit ,,,ir<l.
Sclb:-.tver tä n<llicl1 sind d abei die g1·oßcn Unterschi ede im Inl1a lte
d.cr l<'lcologi:-,cherl Ent,,,icklu ng rorn,olu nicl1t zu übersehen , aber es
i ·t doc h rccl ,t frnglich, ob clcr Po. itivisrnus :-icl1 in ,:licser J-J insicl1t
scra<l e ztt sei nen1 \ '-o r tcil v o11einer Gc~c,hicht.~pf1ilo~pl1ie 'l111tcrscl1eidct,
\.Vic z. B . J-Tegel sie gescl1c1[f 'Jl l1at . 1\ bg scl1er1 clavon, du ß Coru l.c sie lt
i11 voller Unkl arhei t übf!r das Jogi~ ·ho \>\ 1cserl seirtcr , ozjologic
11

belnnd und na tu r,vi ser1~chaftlicl1 zu vcrfaltren glau bt.c, ·tc ht er durch


die Ar1n uL un rJ Dü rfLigkci t SfJ-ines S ·l\etr1as ,,·eil hir1 ter deJl gc;o:.cl,i ·ht.s-
philo ophischen I<on"t rukt ioncu <le:; clcut.sc hc11 f>h if<J-C1 J1hrn zui-(ick.

ürg,,~hzado por Goog e


- 644 -

\1/ie für H egel so ist :.it1ch für ihn der Pla11 uo cl in11 der Geschicl1te
im Grunrl c seine eigene Philo opl1ic, aber ,vährc1)d 1--legel c3 vcr~ta nd,
mit ihr na lu~z11 die gnnze F tille <les Kullurlebe11s zt1 t1rnfa~~en , vel'-

engcrt Con1tes Intellekll1nlis1nu~ und po itivi-tiscbes \\' issensideal
den n1fang deR I<ulturlcbcns so, daß je koriscqllenter die "\ ersucl,e
ausri •len, au[ dicserr1 Boden Gescltic:h te zu ~chreibcn, u t11 ~o g rößere

Eit1seitjgkeiten und Ge,va lt a1t1keiten cntstel1en tTiußten . ~•l nn braucht


nur an den Einfl uß zu 1le11ken , cicn H egel ein t'? rsnit.s und Comte an-
derersei ts auf die e1r1piri. cl1c Gcschichts,vi i:;sei1scliaft ausgeübt. ltabe11 1
und inan kann ,\Jenig te,,~ über die Bedeutung de - Erfolge" diese r
beiden De11lrer nicht irn z,,·eifel sein. '\\1as die deutsche Geschicl'1 t.s-
wissrnscl1aft Hegel verdankt; ist mehr a ls sich hier jn ,ve-nigen \\' or-
t en au ch nur andeu ten läßt. Der Comtesclle Positivismus aber hat sicl1
nur kor1seque11t ,veiLer e11t.,vickelt,, we1111 er in Du Bois-Rey111011us
bclcaunter R erle, die die R ö1r1er zug t·t11,de gehen lä ßt, ,veil ie - das
P ulver nicht crftindr..n haben, at1 ch dem flüchtigsten Blicke den Wider-
sinr1 des \ 'crst1chc u(fcnbart, die Ent\,·icklur1g der Nattlr,vis. en chaft
und der 1'echuik als den cigentlichc11 i rl 11 der 111cnscl1licl1cn l{ultt1r-
ent,,·jcklu•ng zt1 betrachten.
Doch ,vir braucl1en dies nicht ,veiter zu verrolgen. E · h,t neben-
sächlic'tt irn Vc1·gleicb zu der prinz.ipicl.1cn Frage. Nur daratif ka1r1 es
an, zu zeigen , da ß Comt es oziologje z\,·ar \'orgibt, natunvissenscl1aft-
lich zu ver rat1ren und 11hi ~tori~cl1e Geset ze 11 nufzustelle1l, t.atsäct1licl1
aber al le die Vor aussetzungen t1ngnprüft l1innin1I1lt, deret,vcgen v on
nat,1r~vir.-1scn~cl1aftli chcr Seile die \ Vissenscltaftlict,keit und Objek-
tivität eir1er teleologisch ,,·erlbeziel·1end , rerfal1rer1tlcn Ge el1ichte be-
S"tritten ,vird . \1/ as für Conite g ilt, ließe sich dann für andere Ver-
treter der oziologic als Gcscl1ichtsph_ilosophie ebenf:111 leicht na ch-
,veisc11: il1re sogcnar1nt.co Gcset zo enth a lten alle 1ne ~ir oder \VCn ig-e r
deutlich F ormeln für \V e r t s t e ig e r u 11 gen , und datlurch allein
,virci da 11tJ die Darst ellung von gc. chichtlichen E nt,vicklung·reil1er1
ern1öglicht. So l1a t frci licl1 aucl\ Corn tc einen groOcn Ein..fluß aus-
geübt, aber et· verda nkt ih11 doch in cler Tl au pt sache seine11 logi chen
Unklarl1eitr-n . Als typi!<ches Beispiel dafür, n1it ,,·clcl1en1 ~t angel an
bcgriffljcl,er Schlirfc jede a ngeblich 11 0 tt1r,Yi sscr1~chaftlicl1 verfa hrendc
GcschichtsJJl1ilosopllie bcl1aflcl sei11 111uß1 k.an1l e11dlich a.u ch Lam-
prccllt~ Leh re , ·011 <lcn l{ulturzcit nl lern gelten. Die er Ilistoril,er
s t.rtiubl ,., ieh in der Tl,eorie gegen al le 'I'elcvlogie un cl '''ertbeziehuog
11nd , ·errährt dal,<'i in der Praxis 11icht nur in cl cm Si1.1i1c ,,.-crtbe-

0191 lt ado por Goog e


- 545 -

zicl\cnd I daß e r ,vic j~d e r f.list oriker die cir1 tl'l:aligccn llistoriscllcn Ent,.
,vicklungs.reil1en auf c111pirisch konstatierbare Kultun'vert.e beziel1t,
sondern er geht ,,,eit über die not,vendige und berechtigte Ver,vendung
von \.Verten in (lcr Ge. chic hte hinaus. Er st1.cht nämlich die leitenden
Kultur,vertc seiner Darstellu11g nach berüll1nten ~Iust crn in c i 11 e
Fonnol zusamn.icuzufai-seo, die er als ,,das Prinzip fort..c:chreit.cnder
p:;~·cl1ische r In tensität'• bcz.eichnet, ur1d in die nicht nur nach dem
Vorbilde der spekulativen Gescl1ichtsphiJa ·ophie alle gcscbicl1tliche
' 'ergangenhci t hinci11gepreßL ,verclen soJI, ~ondern mit cler er atlch
die Zuklinft voratiszusogen untemirnnrt,, denn er "veiß genau: ,,Das
Geschichtlic he muß ( l) icl1 in st änclig steigender psycl1ischor l nten-
s iW.t be,vc.gcn.' ' - o t1at al o sei11e I•'orrr1el genau dieselbe Jogi.s ehe
Struktur \vic Comtes Gesetz von den drei Stadien, aber •,vä hrend
,Yir leicl1t b egreifen, ,vie Co,11.te zt1 einer 80lcl1cr1 ,,id cologiscl1en''
Verge,valtigung der hisl-0risch en T atsacl1e11 gekornn1ct1 ist , verstehen
,vir docl1 11t1r sch,ver, daß ein Historiker unserer Zeit noch glauben
kann , es müsse das gcschicl1tlicl1c Leben ilbcrall von dein l1y pothe-
ti -cl1cn Zeitalter des Anirnismu8 übe1· Ko11ve11t.ionalisn1us, ~f ) pismus, 1

S)1 tnboli mt1s , lndividualisrnus und Subjektivi "n)US l1in\1leg zu noch 0

unbekannten Zeit a ltern in1mer ,.,steigender lrltensi Lät de~ oziol-


psychischen L eb ens" fiihren . l\1an sollte gla11bcn 1 dje l\ifeintJng, daß
es <lie Aufg-abe dor errlpiriscl1cn Gcsclücl1t.s\>visser,1scl1aft sei, d en ,,Sinn' '
d er ga11zen Geschichte in e i n e Forrnel vo11 olcl1er Art zu fassen,
\Väre ,vi~cnschaftlicl1 lä ngst .a bge ta n , und ,venn vollends behauptet
,,,ird, da.0 mit Hilfe dieser Spekulationen die Geschicht..<,schrei bung,
wie R.a nkc sie getrieben ha t , a r1 Objektivitä t überboten ,verdcn könne,
so (ordert. cl:ls geradezu den Spott t1eraus 1 . Nur die Geschichts-
p lt i l o s o p 11 i o ka nn den , , orijucl1 rr1acllon I vo1n S ta r1d_pu11kte
genau bestin1n1ter I dea l e den gesa1nten Verlauf d.es geschic ht-
lic hen Lel)cns als ein liinstreben z-u diesen {dealen begrjf(lic h zu kon-
strui re11, .o ber sie ,vird sich dabei stets bew t1 ßt bleiben , dnß ie dann
nicht gcsch iclltlich souderr1 ph.iJo.sophisch verrährt.. Die empirische
Gest;Jlicht:s,,,issc11schaft clarf nicht zur Gesct1icht sphilosopl1ie '"·ercle.n
-- 1
--
Ln rn pr o c h t ,vtrfl ,nir, der ich nur :. tll ver lch('n suche, ,va:, lo~ische
\ tornU)li-elzuru! jl'<lc!r ges.chic hLlichf'n Oar~t,~U 11ng ist, in sei ner oL,va,i. ,,rei,z::-n.rncn''
Srrac t.ic ,. l)h:'ln l 11 n1ai;:orlc" , ,,grobe logische F ohlcr und \ rf' r,,·ceh:-:1 trn,rn ",
,.idcologi-,chcs Inter(• se" , ,,grclli'n \Vidcrspruch zum \\·ir klichen ,,·-isi-cnschnft•
liehen -OenkC'tl" vor untl füh l t ich „11111 nndcrtho.lhJahrliund~rl~ 1.nrückvf'rs,e.til".
Quis lult·ril Grnceho, de l:H:dilion.e qut'r~n tc · ? t•ll,slv1•.n .LunJlich habe ich u ·
rtur 1nit d-Or 11 Pbilol)-opltic" La1u _p r1:clils, nichl 111il ~ciflt!ll hi:.tori.:chctl \\'crkcn
zu tun.
A icke rt , G,u11zeo. 2. A 11tl. 35

ü1g1taltzado por Goog e


- 646 -

und am ,venigsten glauben, daß sie auf diesem Wege zu einem Ideal
größerer geschicl1ts,vissenscl1aftlicher Objektivität vordringt.
Wir komrnen also inbezug auf die Frage nach ein er wertfre ien
naturalistiscl\en Geschjcl1tsp-bilosophie zu folgendem Ergebnis : ent-
weder sind die allge,neinen Ent\vickJungsgesetze wirklich N at.ur-
gesetze, und dann kann man sie als leitende Gesichtspunkte für die
Auswahl des Stoffes bei der Darstellung der besonderen Entwicklungs-
reihen nicht brauct1en, otler die angcblicl1en Entwicklun_ g~geset:z-e sind
tatsächlich \VertpriI1zipien, und dann läßt sich mit ihrer Hi)!e ent-

weder ein,e geschichts p h i l o s o p b i s c h o Konstruktion oder eine
rein wcrtbeziel1en-de individualisiere11de Darstellung der historischen
Ereignisse geben.. Im letzten Falle fällt die historische Darstellung
vollkomn1en unter clen von uns dargelegten Begriff der G-eschichts-
wissenschaft. Noch eine andere A1öglict1keit 1 Gcsclricbt c zu treiben,
gibt es dagegen nicl1t 1 und falls also die Ver\\'endung von Werten
in der Wissenschart Oberhaupt unzulässig sein sollte, .so müßte die
Geschichte, d. h. die Darstellung einmaliger Bntwicklungsr-eihen in
ihre r Beson-derheit, gänzlich aus der Reihe der Wissenschaft en ge-
strichen ,vorden. E s bleibt daher, wenn man vom natu.l"\\1issenschaft-
licben Standpunkt überhaupt die Geschicl'ite als Wi„scnscha!t be,..
grilnden will, nur noch die zweite ~löglichkeit, ihr Fundn111ent in
,,natürlichen Werten'' zu suchen.
Hierfür kornmen dann vor allem die Theorien des naturalistischen
Evolutionis1:r1us in Betracl1l, "vic sie im Anscl1luß an die neuere ,,ent-
v.-,jckJungsgesclaicl1t.licl1e'' Biologie beliebt gc,vorden sir1d. Ent-
s.p rechend der \Veit verbreiteten Neigung, in Gedanken, die aul be-
grenzten Gebieten zu ,vissenschaftlicl1em Erfolge geführt haben, ein
Prinzip zu sel1cn, das bei der Bel1andlung aller möglichen und ins-
besondere der philosophischen Problerne sicl1 frucl1tha r enveisen
müsse, l\at n1an den „Darwi11ismus 11 dazu be11utzen \volJe11, den philo-
sopl1ischen Disziplinen e·ndlich die so dringend ge"\vünscl1te natur-
wissenschaftliclle Basis zu verleihen, und der biologische Ent\\1ick.Jungs-
begriff scl1ien beso11dcrs geeignet, die \Vertproblerne zu lösen . So ist
die Idee einer Darwinistiscl1c11 Ethik aufgetauel1t., aur de,n Gebiet
der Aestl1etik hat man nach Dar,vinistischen Prinzipien gearbeitet,
Ansätze zu cioor Danvinistisct1en Logik und Erkenntnistheorie sind
in dem sogenannten Pragrr1atismus und schon früt1e.r zu Tage getreten,
ja sogar den Versucl1 einer Dar,vinistischer1 Ilechtfertigung und Be--
gründung der Religion haben wir in dcrn Buclle von l(idd erleben

D1911 11,ado por Goc,gle


1

- 547 -
n1üssen, das darauf ausgeht, die Religion als eine besonders geeignete
Waffe im Karnp! ums Dasein der Völker untereinander an.zuprei:sen.
Warum soll man also nic·b t aus dem 11aturalistischcn Evolutionis1nus
auch eine Geschichtsphilosophie machen und rnit ib.m zur F eststellung
von 1 ,natürlicl1en' 1 Kulturwerten kommen? Bei den Versuchen dazu
seh,ve·bt wonl meist etwa folgender Gedankengang mehr oder weniger
deutlich vor : Darwins Theorie und insb esondere das Prinzip der
natürlicllcn Auslese bat nicht nur die alte „dualisti cl1e'' Teleo logie
beseitigt und durcli Einreihung der Organismen in einen tnecl1aniscl1en
Naturzusa.m rnenhang eine ,,rein kausale'' Erklän1ng aller Vorgänge
möglich gemacht sondern zugleich die wahren Begriffe des Fort-
schritts uod der Vervollkornmnung festgestellt. Bisher schwebten
a)le \Verte sozusagen in der Luft, d. h. sie standen rnit der Wirklichkeit
in keinem notwendigen Zusan1menhnng. Man mußte die Natur daher
geradezu lierabsetzen, um einen Sinn des Lebens zu ge,,rinnen: das
. ~

Nat(irlicl1e galt als das böse Prinzip, und der Mensch erschien als ein
Fremdling in der Natur. J etzt aber sehen wir, daß die Naturgesetze
selbst not"''endig zum B esseren führen, da ja. die natürliche Auslese
im I{ampf ums Dasein überall dos Unvollkommene zu Grunde richtet.
un.d nur dein Vollkommenen sicl1 zu erhalten g~stattet. Wo das Natur-
gesetz \valtet, pa~ en die Dinge sioh in immer höherem Grade an,
werden immer zwcckrnäßiger, und durcl1 die natürlict1e Ent,vickltln:g
entstellt desl1alb immer das, \Vas sein soll. lst aber mit 1-lilfe des
Prinzips der nat.ürlichen Auslese ein sicheres Kriterium tnr das ge-
geben, was als wertvoll zu gelten hat, so muß es at1ch möglicl1 sein,
mit Racksicht auf diesen W ertgesichtspunkt die hist orische Ent-
wicklung der verscltledonen Völker oder dc-s ganzen Mcn.schenge-
schlechts darzu.st.ollen und ft1 r diese Darstc1lun.g eine naturwi s,en-
schaftlicl1~ Objektivität zu beanspruc11cn .
'\>Vas ist von diesen Theorien zti halten? Nehmen wir einmal an,
sie ,vär-en richtig, so ergibt siel1 sofort, daß der Begriff eines natür-
lichen F.ortscb.rittcs durch Auslese für eine naturalistisc'l1e Begründung
der Geschichte nich.t.s helfen könnte. E s ,verden bier närnlich Werde-
gänge nicht nur auf einen vVert bezogen. sondern es fäll t aucl1 die
zeitliche Reihenfolge ihrer versehiedenen Stadien not,vcr1djg mit eir1-cr
Steigerun.g ihres Wertes zusammen, d. h. wir haben hier ein ty1>iscbcs
Beispiel für den froher an sechster Stelle genannten Entwicklu ngs-
begriff 1 • Eine derartige Auffas-sltng des geschichtlichen VerlauJes
1 Vgl. obru1 s. 417 t. und 422.

ürg,t~hzado por Goog e


- 548 -

aber u1ußtcn ,vir ;11$ ,,unhistori eh~' i11sofct'll bezeicl1ncn 1 al ~ie .r1icht
imstande ist , J.ic cigcr1artjge individuelle Bedeutung der verscl1ie-
dcncn Ent,,rick lungs ·turen zu il1re1n R ecl, te kornmen zu In. ~en. J edes
Stadium kar1n da11n ,.-ielrnel1r n u r als Vorbereitung auf ,d as folgend e
gcltcr1 und i. t '"ert, daß es zu Grt1ndc gcl1t, un1 einen1 '"'·eitcr cnt-
\\·ic.keltcn Plotz Zll nlnchen, so d:tß cl,li cßlich Alle l1öcl1, t cns 11och
seli.undär }1istori ehe Bede utung b sitzt. Lirßc . it ll also ,,·irklicl1 ein
n ntu1,,ri~:i.c111-cllaftlicl1cs J;<ort!-;chritts g es c t z au fstellen, so \\rürde es
di e prirnär l1istoriscl1e Bedout.u11g der Objekte ebenso \.'Crnicht en wie
je,rlcs aodcrc Naturgesetz. .Ja, die verschiedenen St adien der Ent-
,,,icklung ,vürden bei vollständiger Durchführung die er Betrachtung
zu Gattung;;exctnplaren e;ner Reil1e , 1 on nllgcn1ci11en Begriffen herab-
g ed rückt, rlie r1ncl1 dem Priozipe im1ncr größerer Angepaßtheit .g e-
ordnet ind , und e. blieb e von ihrer gei;;chichtlichcn Eigenart, tlie sie
als l1i~Luriscl1e Inrlividucn in d 1n friiher ang<.>gebenen inne br,sitzcn,
11icl,ts übrig 1. U11rl sc~lbst das ist r1ocl1 11icl1t Alles. Der at1 r tle11 Aus-
lesebegriff ge::; tützte F ortschritt. gedanke l10t noch cirle andere Seite,
die ihn zu1n Prinzip der l1i tori"chen B('griffsbildu11g vollends un-
bro.t1cl1bar mncl1t. v,1tire das Ange1Jaßtcre cho11 <las Vollkon1n1enere
und das Gesetz der 1\npa sung in "''al1 rtlei t ci11 ur1be<l.ingt allgcrncincs
alurgcsct.z, ~o rn üßte es rr1it Nnturnot,,rendigk it (1 b er a 1 l ejoe
i1l,mcr größere ' 'crvollkorr11,1n,1ng l1crbei(ühre11 , und d ann \\'Ü rcle
jede beliebige Stilck <ler \\ 'irklicl1keit z11 jeder Zeit einen in1mer
größeren ,vert erreichen. Oic W elt ,,,ärc ltn tcr iiit•ser ' ' oraus!-<ctzung
in j cclen1 Augenblick i11 jedc1r1 ihrer ·r cilc <lic beste aller 11a t'l1r,vi sseo-
scl1urtlich e,lenkbaren \Velte.n . \\lit die cn\ ,,,eitcgehc1lrlcn Opti,nisrnus
a bcr veri-cl1,vä nde zuglc.ich (lie l\[öglicl1 keit, einc11 U n terscliicd Z'vvischcn
solcl1en Objcl~tcn Zll n1 achon , die zu clem leitenden \\ 'erLgesicht~punkt
in einer ntil.1cren Bcziel1ur1g stel1cn nls anrl crc Objekt~ , d . 11. es ,,·ü.r c
r1,it Rück icht auf uen Begriff uer natürlicli~n Vollkom,ner1hrit j o de
\ Virklicl1kcit g I c i c h ,vc entlieh. Da· aber besagt ebensoviel, a ls
clnß n i c 11 t s mehr ,vesentli ch, ii;t, 11nd dc•r \''crt, der\ ()c1· naLura-
Jistis.che Evolutiuni:-111us begründ en zu könn et1 glaubt, cr,,·ei t sielt
da,nit als durchaus 1111gccignet , dc11 Proze.O einer ,,,ertbeziehenclen
J1istoriscl1c11 Bcgrifrs ujl <Juug zi1 leiten.
Doch gerade <licscs Ergcl.>nis scl1(!i11t in anderer IJir1sicht ,vicdcr
~el1r bctl.c11l{lich. Es darf nicl1t z,vci eina,1Llcr ,vidcrsprcche11dc Arten.
der ,verlbcLrach l t111g grbcn. 1-'a ll~ also Llie ·a t urgc elze ,,·irklicl1

t , ·g1. ol}t•n S. 4 18 r.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 549 -

F ortschrittsgesetze ,,1ärcn, so müDte selbs,t verständlich jede andere


Art der \Vorte, denen ein sicheres naLu.nvisser1scl}afllicl1cs Fundamc11t
f eh.lt, den „natürli chen Werten'' weichen, und da die n.atürlic11e11
\Verte zum P rinzip der l1ist,orisc'l1cn Begriffsbildung nicht taugen, so
wäre überl1aupt jede -:\1öglichkeit, allgernei11 gil ltige his torische Be-
grilfe zu bilden, abgegchnitten. Sel1en '"·ir jedoch n äher 2"U , mit ,vclcl1em
Rect1te man von natürlichen \i\' crten spricl1t, so zeigt sich, daß alle
Versucl1c, au.s cJ0111 naturalistiscl1on Evolutio11isrnus \Verte überhaupt
oder gar Kultunverle abzuleiten, i:nit der Arinat,rne stcl1erl und fallen,
daß die natürliche A n p a s s u n g zugleich V e r v o I l k o m 111-
n u n g sei, und dies ist gerade v on1 nat t1nvissenschaftlicl1en Stand-
punkt atl in keiner \Vcise z·utreffend. Vervollkomn1nung ist ein
W e r t bcgrjff. Die n a t u r \V i s s e 11 s c 11 a f t l i c ll e Bcdcut'ung
der Selektionstheorie beruht ·aber darauf, daß sie jede scl1einbar

teleolo.gischc Ent,vicklung durch eine .-\.Lt von Umkehr des teleologi-
sclicn Prmz.ips als "''ertindifferento Ver ä 11 d e r u 11 g begreift. Darf sie.
trotzdern die bloße Veränderung n;ocl1 als Verbesserung ansehcn 1 d. b.
hat es (ür sie einen Sinn, in der natl1rnot"\:vendigen Anpassung zugleicl1
eine \Vertsteigeru11g ZlJ erblicken? I rn Begriff cler 11Anpas ung'' steckt
freilictt noclt i nun er ein teleologiscl1es ~lo1r1ertt, <la · ,,1ir "'orn Bcgrif f
des Orga11isrnus überhaupt nicht lo löse11 könne11. Aber dieses bat,
wie ,vir zeige11 kortr1ten 1, n1it eincrn \Vertbegr iff nicl1t· a1ellr zu tun.
E s liegt l1icr le(liglic h jene Un1kchrur1g der kausalen Betracl1tur1g , 1 or,
die vo1n Ende au:;gcht ur1d die \ forst.adic11 als dessen B ed ingun gcr1
het.racl1tcL. \ 'crvollkorr1rrt11ung ist cler "\ npassungl'proicß r1\1r vorn
Stanclpu.n kte clcr \\'cscn, <Jic sich ar1pa:1- cn, und die il1r bloßes Dasein,
weil. es el)cn i ll r Da ·oiu is t , sclto11 ul · ,vci·t.,roll h •Lrucl1ten. Da· L~t
jedocl! gcra<:le der beschtätll\t t •lcologi: che Ge~icht.spu11kt, den die
NaLur\vis:;coscliaft aufgeben ,\-ill , urn zu ei11er ein.heitlichen Erklärung
oller K örper ko rnn1en zu l<ön.n en, rl. 11. aucl1 dio Organisn1en so zu
begreifen, daß. ~ie einer allgctncinon 1necharuschen Körpertheorie
,vcnigst crls nicht 1ncl11· \\·icler prechen. Der ko11sec1t1on.t durchge-
führten ·:1.ltll"\\'J:;sen:;cl1a(l n1uß also jede Veränderung al . t otal in-
dif(cr,cr1~ gegen \ Vcrt oder Un\\·ert crscl1cinen 1 l1n,cl clnl,er kann sie
a·ucl1 in <lü111 naturr1ot\\·ertdige11 Angcpaßt\\'crdcn nie111als r.i nc v\l'crt-
stcigerung sehen. Die Gleiclisctzur1g des <lurch tlatürJicl>e Auslese
Angcpnßten n1it dein Vollko1 11n1e11en ocler Wcrt\·ollcn beru l1t nu f der
Ve1"\vcch. lung von D a s c i n s c r 11 a I tu n g un cl \V e r t e r-
1 \ 'g l. o ben s. 41 0 ff.

ürg,t~hzado por Goog e


- 550 -
h a l t u n g und ist dalier un t er natur\vissenschaftlichen Gesichts-
punkten zu ver,verfen . Die Zweckmä ßigkeit eines Orgnnjsmus be-
d eutet für die Naturwissensclia ft nur die Fä,higkcit zur Daseins- •

erhaltung. und ,,•er1n inan leli.rt, daß durch die natflrlicl1e Auslose das
mit Rücksicht auf die Erhaltu11g seines Daseins Unz"'eckrnäßige be-
seitigt wird und nur da s z,,,eckmäßige bestehen bleibt , so hat dies
mit dem Satze, daß eine unter de1n i\usleseprinzip stehende Entr
,vickluag zu irnmer größe rer Vollkommenl1eit fülu-e11 111üsse 1 nicl1t das
gerhlf,'Stc zu tun. Der Begriff des Z,veckes, "'·ie die Naturwissenschaft
ihn beibehalten mu.13, um (tberhaupt. lloch v-o n Organismen und deren
Ent,vicklung reden z.t1 kön11en, darf unter keinen Umstünden ein
\\.' ertbegriff sein. Nu r der Begriff d.cs T elos a ls eines ,verLfreien End-
stadiums hat in il1r eine Stelle.
\Vie komn1t es, daß trotzdem das Gegenteil vielen für geradezu
selbstverständlich gilt? Die T äuschung, die uns hier gef'angen hält,
h erul1t dar auf, daß ,vir uns nicht dazu cntscl1lieOen können, bei ge--
\vissen organischen Gebilden v on den \Verten, die ,vir mit ihren1
Da "e.in zu v erknüpfen g e ,v oh n t sind, zu abstrahieren. Deshalb
sehen ,vir in ihnen \VOrt,•olle z,,recke. J a, die v o r nller natur,vissen-
scJiaftlichen ·11wrsuchu r1g iängst feststcl1endcn \ Vcrtc l1alwn '"'ir
n icl1t nur uufrecllt sondern deuten s ie au cl1 noch in die Begriffe l1ine.in,
mit d eren llilfo ,vir die Ent stel1ung der gc,verteten Objekt.e zu er-
k lären s uchen , und so konnte es kommen , da ß dns 1 ,antitelcologiscl1e' 1 1
Prinzip der .i\.usle-s e zun1 Prinzip d es Fortscl1rittes \\'Urde. E s führt,
so meint rnan, zu dem hin,. ,vas uns lteut.e ,vert,voll ist , 11äu1licl1 zum
l\fens~hen ; folglich muß es \\'Ohl selbst ein W ertprinzip sein. Io dem
Augenblicke ahoi·, ,vo rr1an, ,vie die Natun,1 isseoscbaft es tun n1uß 1
aufhört, den lfenschen a l Gut zu setzc11 1 an. dcn1 ein \Vert h aftet,
fä llL au ch jeder Grund dafür fort, da Pririzip•der Au lese für ein W ert-
prinzip zu halt en. Afan hat nicht ot\va a.us den Begriffen der Natt1r-
,,,ijsenschaft eir1en Wettmaßstab gc,vonnen, sondern mnn hat bereits
v orhan.clene ll\enschlicl1c °"' erte a uf die Begriffe d.cr · a·tu nvissen--
schart ü b e r t r a g e n. Ge,viß ist es sehr begrei{licl1, daß uns
l\lcnschen a lles ~lcr1schl iche uncl ~1ensclienilhnliche ,vertvoll ist, und
in der Geschicl1le kö1111en ,vir at1cf1 von der einzigartigen Bcd eulttng
d es l\ii ensc hlichen 1 die au{ Wertbcziol1ung beruht uncl ihrn Sinn v er-
leil1t, nien1als obstral1ieren. We11n \\-11' aber eine Eot,,·icl<.lu.ng-sreihe
deshalb, ,veil sie zuro !\fensch n l1infü hrt, als einen Fort.schritt.sprozeß
bcLrachtcn , o dcnJten \Vir -eben nicl1t n1ch r na tur,vis i:11schaftlicl1 irn

ürg,t~hzado por Goog e


- 551 -
n1odcrnen Sit1ne und arn ,,·enigstens in dem Sinne antiteleologisch,
\vie der Dar,vinisrnus z.u denken behauptet. Für eine kon.sequente
Na.tur,vis en scha(t, gibt es daher at1ch keine „höheren'' oder ,,niederen''
Or-ganis111en 1 falls das beiOen soll, daß die einen mel1r Wert als die
a ndern l1aben. 1-Iöher oder nieder kann höcl1stens O'liel ,vie mehr
oder weniger differenziert bedeuten, und der Differenzierungsprozeß
hat als solcher nl.it. Vervollkorn1nnung und ~ 'cttsteigerung ebenfa)ls
noch gar nichts zu t-un, wenn auch oft das Differenzierte als das ge-
eignete l\1 i t t e l zur Venvirklichung von Gütern gelten kann, an
denen \.Vcrte haften. Erstens schätzen ,vir 11ämlich oft das Einfache
r11ehr als das Zusa,nmcngesetzte, und zweitens ge,vinnt das Differen-
zierte n u r als das Leistungs!ähige, d . h. nttr als M i t t e 1 für ein,en
z,veck Bedeutung, t1nd es hat dahor dann aJlein \Vert , ,venn. der \:Vert
dieses Z,veckes schon vorher feststeht. Die Zwecke aber, die wir in
der Natunvisscnschaft a1111ehmen 1 dürfen wir, wie gezeigt, gerade
nicht als Wertbegriffe betrachten. Es berul,t also jeder Glaube an
einen ,,nalürliohen Forlßcllr.i tt„ und. an ,,uatürliclte '\\'ert.e'' auf einem
naiven Anthropomorphismus, der vom naturwis.senschaftlicllcn Stand-
pu1lkt aus unberecllt.igt i. t . Ma.n kann den Menscl1en nicllt 1nil den
)ihrigen Le.bc,ve:1er1 in eine, Reihe steJle11 u11d illn sofort wieder als
das ,,liöchs,te'' Wesen aus i1inen herat1sl1eben. Das ist ein unertrug-
licher Widerspruch. Schon K. E . von Baer 1 l1at 1 ehe inan vom .Darwi 4

nismus als ,, Geschichtsphilosophie' 1 et,vas wußte, diesen A11tt1ro-


pornorphlsmu·s köstlich vcn;pottot , indem er sich die Ent,vieklungs-
gcschiehte vom Standpunkt, der Vögel ge chrieben · dachte. Die Be-
\\'Ot111er der Luft finde·n den Menschen natürlich sellr unvollkommen,
die Fledermäuse sct1einen i·hnen unter den Säugetieren am höchsten
zu stehen, und sie. ,veisen den Gedanken zurück, daß Wesen, d.ic so
lange nach, ,der Geburt il1r F utter uicl1t selber suchen und sicl1 nie frei
vorn Erdboden erheben, t1öt,er organisi,e rt sein sollen als sie. Die
Danvinisten, die über die Teleologie Baers ,veit liinaus z-u sein glauben,
n1erken nicht, ,vie anthropo1norpl1isti 'Ct1 teleologisch ~ie denk.e n,
wenn sie den ,,Fortschritt" von den Protisten bis zun1 Mer1schen
preisen und das Prinzip der 1-\ uslcse für ein Wertprinzip halten. F ort-
schritt bleibt unter allen U1nstä11den nicht nur ein teleologischer
sonder11 auch ein ,vertteleologisc}1er Begrirr. So lange wir uns ataf na tur-
,vi senschaftlicl1em Boden belvegen , dürfen nur die Ent,vicklung"-
1 Uebcr Enlwicklunt,rs-:;rescJuchle der 'fi er-e, Bcol.H1chlung: und Reflexion
1, 1828, S. :AOS r.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 552 -

b.cg.riffe des \Ver(ier1._s, ller Vcrän<leru11g u.nd clcr ,vertfreien EnL,vick-


lu11g in Betracl1t kommen, bei d.er ma11 auf l{onditiona l-tclcologisc he
Zusa111menhänge reflelttiert. Alle mit eir1e.111 \,\ler:..gcsichtspun,k t ver-
kr1üpften EnL,vi cklungsbegriffe dagegen 1 ,~·le der Fort.scllrilt, l1abcn
hier keine Stelle, und desha lb ,,,i.rd clie Nntunvi!iscnscl1aft aucl1 nier11als
eine Gcscl1icl1tsplulo. Of>hie zustanrle bringen , deren angeb lich naLür-
lic11e \.Vart,c die Jeitcndcn Gesicht,.:;;pt1nkte bei der individunlisierenderl
historiscl1on BcgriCfsbild w1g sein kö11nc11 .
Daß dies aucl1 dann gi lt, ,vcnn der atl1ralis111us in Gestalt einer
psj·cl1ologischen 1'heorie a uftriLt, sei clcr \follst,ändigkeit halber eben-
fal ls r,oct1 hervorgehoben. l\1ar1 ha t vcr.5ucllt.1 1nit psychologi"cl1en
Begriffen zu einer Abgrenzu11g des Kulturlcbe11s gcgeJ1 die blofle
Natur zu gela ng-e n, tind. da ß. gegen eine solcl.1c l{ulturpsyc hulogic i 111
Prin zip 11icllls einz,t,vende11 ist, v ersteht icl1 von selbst . 'ie gehört
un.ter rneth odologisclicn Gcsi.cl1tspu n k ten Zll cle11 gc11erali~ieret\cle11
l{itltur,vi 'scnscha fton, d,eron loI~i.scbe Struktur ,,·ir angcclet1Let habe n .
Es i ·t jedocl1 auc h hier wieder nicht cinzusel1en, \Vic eine strenge
Scl1eidung von NaLur u11<l l{tiltur zusla11do ko1n1t1c11 soll, \\' cl1n ma.n
n.icht bereits irgend einen \Vertbcgrirf von I{ultur v o ra u s c t z l.
T ut mau dies, so kann man a uch ge,,..'iß festzus tellen suchen, ,velcl1~
U11terschieclc d tl.S Seelenleben der l{u lturv ölker von dein der r atur-
völker zeigt , und z. B. ti ara uf l1i,n,veisen 1 cl'nß , un1 ir1 cler prncl)e cler
Wuncltscl1e11 P sycllolc,gie zu rcder1 1 bei den N:.t1irvölkern die ,,asso-
ciat iven '' psychischen f' rozcssc vor,viegcn , ,~·äh rend da.s Se.:?lenlebcn
der J(ttltu rmensc\)nn ,11ei1r aus ,,a ppcrccptiven" Prozessen be. tcht.
Aber so ,,,ertvoll ·olctle T hcoric11 aut:h s i11 mögcr1 1 ,vic \ ' icrka:ndt
sie in scine1n Buche über die Naturvöll(er ur1d Kullur-völker 1 unlct -
norn111cn hnt, . o darf 1l1an cloch nic111als sagen , daß ,,,. e g e o scitles
a1)pe1·cepliven Charakteri. cla. Seclenl ebe11 ,ler l{ ul Lt1rvölker eine
hi. t orische Bccleutt1ng bei;it.zt. Ger,1de ' ' icrkand t hätte in :;eine11t
auf urr1fnngrcicl1cs 1'aL-;achenmatcrinl gcstütztc11 \Vcrl~, d as vi ele
w cr·t\ 0lle Aus führu11ge11 en tllil.lL und v o11 allt·n ' chriftcn, die mit dc11
1

Begri(fer1 cicr \Vu11dlscl1c11 P 'j'cl1 ologie arbcit.c,t, der erhebli ct, t,e
Beitrag zur Ps~·cJ1ologie dt1r l{ultur zu ~ein ;;clici11t, d,u rch konsecruente
Bcrücli&ict1tigung Llc UnLerschiet1es 11ntur\vissenschr1ftl icher oder aene-
ralisicrcnd p.sychologischcr und l1ist orischcr O(ler indivicli1alisicrcn(ler
B ctracl1tunf.,"S.\VCise 11och zu v,iel größerer l(l nrl1r-it ko1n 1ncr1 können.
Die 'l'ältscl1t1ng, daß psychcilc)giscl1c r1t,·rschci,i11ngcn einen anderen
1 ~uturv,1lhf'r un, l l,ulturvlllk1•r. F.1 11 Bcilrog zt1 t 01.iu lp:-ychologio 1896.

ü1g1tahzado por Goog e


- 553 -
a ls rein psycl1ologisct1on \Ve1·t l1abcn, beru11t " 'ieder nur darauf, daß
aL1I d i e psycl1iscl1cn Vorgä11ge, clie l\>I i t t e l zu ei1lc111 wertvollen
Zweck ,verden könnent der \:\' er t, den die er Z,vck l,at , üb c r-
t rag e n ,vird . E s 111ag vielleicht richLig sein, da.ß der l{ultur•
mensch an der Ver\virkl.icbung der Kultul'\veru; nur dann arbeiten
oder üherl1oupt z.t1 il1nen Stellung nel11r1en karmt \VC11n sein ~ celcn-
leben besti111rn te Eigent.il1111licl1keiten z:eigt , die derr1 Natur1·l1ensch •n
fel1len. Aber diese E igen t ümlichkeiten gewinnen eben nur da durcll
eine geschichtliche Be(let1tung 1 daß sie zu Kult ur,vcrl.en in Bczict1ung
·gesetzt werder.t. Ohne diese Bezieh u11g ko1n1r1t il1ne11 keir1c a ndero Be-
deut ung zu als irgend \Velchen a11cleren paycl1ischer1 Vorgängen, und es
ha t daher oh.ne die \ 'oraus,c tzung bereits fe tstehender \Vert e ebenso„
,venig cine11 inn, von , höl1e1·cn1" 1 d . h. ,vertvollereirt eclenleben ztt
sprect1en , ,vie irge11d ,velche körperlicl1en Organisatione11 als solcbe
schon ,,l1öl1er'' i1n Sinne v on ,vertvoller zu nen11ert. \!Ver die ei11gc~
sel1en l1aL, ,vird darin zugleich eine11 Grund fir1clen, nicJ1t allzuviel
von der P sychologie für l{Jarlegur1g der Wertp roblc111c zu erl1often.
Wo der Schein enLstel1t, als kö1111e n,an 111it ps.lrcl1ologiscl1en Be-
grilfc11 et\vas z.ur Lü:.;urtg v o11 \Vertproble,nen b eitragen, liegt das allein
dnl'a11, da ß diese psycholo"'iscl1en Begriffe i11 \Vahrl1eit r1 icl1L 11 ur
psycliologi.::;<;l1c Begriffe sind so,1clcr11 verst eckte F or1nulicru11gen von
'\iVetLpriuz.i pjcr1 geben.. Das ließe sicll b~o11<ler~ an ei111gen Grur1d-
begriffcn der \Vund t...,;cl1e11 Psychologie a u( das schl agcr1ds te zeigen .
Wer die ebenso gründlicl1cn ,vic dras tisc hen Auscina ndcrsctzunge11
von ~tax "''c ber 1 gclescr1 l'1at 1 ,vird l1ie.rühcr 11icl1t 1r1cl1r in Z,veifel sein.
Die Vorsuclu!, au{ natur,vis$OL1schufLlicl1cr1t \iVcgc cJcr Gcscl1ie.l1ts-
,visscn 'Cha ft eir1e feste Bn -i ~ zu geben I rr1üsfC!r1 in jeder J-Jinsicltt a ls
l1offyiuogslos ersch.ei11en, und da ra u folgt aucl1 1 d~ß die Soziologie
ni c,na ls dcr1 An i.prucl1 erheben kanT1 , Gc-scl1icl1tsp}1ilosophie Zll \\'erd n,
denn sie -.\rbeitot not,vendig nacl1 n ~tt1r,vis.~-enscl1u!tlicl1er oder gcne-
ra li iercr1der !\•f ~thod.e 2 • • at ur,,rissonsclta.ft ltnd Ge chicl1te scl1lie ßen
ci11a11der n.icht nt1r inso[er11 begrifflich at1s, a ls die eine das Allge1lteine,
d ie antlerc das I11diviclt1elle cla rstell t, sondcr11 auch insofern t als die
eine von allen ' ''ertu r1 t crschieden absieht, d ie .a11clere clagegen \\ter te
nicl1t cnt.bchren kann, u n1 dns fil r sie \Vc~entlich=- v o111 Un,vescnt-
tichcn zu scheiden. ~Iit der Auff::lssung der Ohjek te als Exe1nplare
1. \ !~). Roscl1er u n d K u ie..; 110,r i d h: lo~i:achi.'11 Prol,l~tne d t!r hl~torischL•n Au•
t ionolökono,nit> 11, 1905. Jahrbuch rür Ge),etz.gl'l>urt~, \ 1 er,\·allung und \ ' o lk:,-
\\'i rl:irllufl. B d. XXIX. . . 96 f(.
1 \ '2 I. oLen s. 254 r. u. 260 r„
C

0191 lt ado por Goog e


- 5.54 -
a]lge1neiner Begriffe, also mit der goneralisie1·onder1 Auffassung der
Natunvissenschaft ist es verknüpft, daß sie nicl1t nur als einander
gleich angesehen \"\•erden, sondern auch daß alle dieselbe Bedeutung
für jede11 beliebigen \Vort besitzen, denn jedes Exemplar kann durch
jedes andere Exemplar ersetzt Y.rcrderi. Ja, rar eine einheitliche
Naturauf(assung enthält der Begriff eines ,,natürliel1-en \Vertcs''
ger-adezt1 einen Wiclersprucl1. \Verte ind, v. e1u1 sie Ohert1aupt auf
1

e1npiriscJ1e Wese11, die zu innen Stellu11g nel1nten, bezogen '\.Verden,


immer zugleich at1ct1 \Vortgegensatz-e, und verlieren daher ohne den
D· tl a 1 i s m u s von \Vert und Un,verl ihre Bedeutung. Dafür aber
ist in dem mit jeder Nat.urauffassur1g verknüpften ,,Monismus'' kein
Pla tz. J e konsequenter dal1er die Naturwissenschaft denkt, urn so
en tschiedener muß ·sie es al>lch11en, von einem 1 ,Sjnn 1 ' des Lebens
-
und der Geschichte zu sprechen, der auf Grund von W erten gede-u tet
ist. Die generalisierende Au(fassun(.? gestaltet sich ebenso notv,,cndig
'\\'ertfrei, wie die individualisierende Auffassung not,vcndig ,,.,,ert-
bezicl1end ist . Daß es uns sch,ver fällt, von dem Naturbegriff jeden
Wertbegriff fernzullaJten, soll damit nicht geleugnet werden. Scheint
doch vielen die , 1Natur1' geradezu als der Inbegriff aller Güter, und
,venn z. B. Gootl1e vot:\ ,,Natur" spricllt, so de11kt er in der ·rat gewiß
nicht ai1 et\vas Wertfreie..,. Aber das Wort Natur isl eben sehr viel-
deutig, und die Nat.ur als Inbegriff der Güter ist nicht. die Natur
der tllodernen Natunvissenschaiten, ,vie '\\rir sie verst ehen n1üsscn.
Insbesondere Goetl1es Naturauf(assu.o g hat mit der der moder11en
Naturwissenschaft, dem allgemeinen Prinzip n ach; nichts ge1nein.
Der große Dichter sah die Nntur i1n111er vo1n !\fenschen oder vielmehr
von Goeth e aus .a n und detrt.ete den ganzen \Vert und Reichtun1 seines
Wesens in sie hinein. Er dachte daher durch un-d durch teleologisch,
und zwar in einer Weise, die mit der n1echanisc}1en · aturau(fa s ung
urlvcr-träglich ist , nä1nljcJ1 wertteleologiscl1. Scl1on daß er von Ne\vtotts
F arbenlehre nichts wissen wollte, folgte not,vendig at1s seiner Art,
die Natur zu verstehen 1 ttnd \\'ar ni.c ht et,va eine Grille, ,,f"ie heute
viele glauben, und vollends ,,rürde die n1odeme Nattir des ,,Kan1pfes
tims Dasein•' und der ,,Auslese" auf ihn einen Eindnick gemacht
haben, ,,·ie et,va das Systen1c de la nature, d. h . er l1ätte sie unerträglich
gefunden. Auch sein Verhältnis zur Ent\vicklungslchre darf uns
hierin nicht beirren. Ge,viß, at1cl1 Goetlie sucht Einllcjt und all-
mählichen Uebergang, n_bor er ,,rill den l\•lenscl1cn r1icht in den l\fecha-
ni rnus der Natur liin-einzicben, den.n cLic Natur ist für ihn gar kein

D191, h,ado por Google


- 555 -

~1echanismus, sonder·n er wiU die ganze \Virklichkeit, die er Natur


nennt, zu einer persör1licl1en IIöl1e en1porl1 ebcn 1 und so stel1t er zum
modorne11 1.nechanistiscl1en Evolut ionismus ir11 größte11 Gege11satz.
E s freu t ihn, den Z\,rischenkieferknochen auch beim ~Ienscl1en zu
finden, dcon nl1r, ,venn die Na tur ihm venvandt ist , vermag er in
~ie ,1,vie in den Busen eines Fre1:.1nds zu schauen/• und dann allein
lehrt sie ihn, seine ,,Brüder in1 stillen Busch, in Luft und Wasser
kennen''. J a, sogar die St.eine durften il1m nicl1t fern stehen und nicht
,,Tumult, Ge\valt u11d U11sinn•' sein. Kurz, in Goetl1es Naturauf-
fassu11g ,vurz.elt die Naturphilosopl1ie der Ror11antik. Der große
Kür1stler \\il) Wert ttnd WirkJichkeit nicht voneinander t rennen.
Schelling steht ihm nal1e, aber nicllt die Natt1nvissenscl1aft, ,vie \\'lr
sie l1eute verst el1en und verstehen rnüsscn . Des•1alb ,väre in diesem
Zusa.1nrnonltar1ge ci11e Berufung auf Goethes Naturbeg riff gar nicht
an1 Platze. Die moderne \\fis cnschaft muß z,,,ischen Werten und
Wirklichkeiten aur das sorgfältigste sc•1eide11 len1en.
Jeden falls: ,vir bel1aupten nur von d e m Naturbegriff, den die
moden1e \Visscnscha ft bildet, daß er als vollkomrr,en frei v on '\tVerten
zu denken ist, und \vir ,vollen sagen , daß d ie A11ffassung der \Virklich-
keit als eines naturgc 'Ctz111äßigen Rt1yth1n11s mit de111 Veriiet1t auf
jeden Vcrsucl1, detl Sitm der einn1aligen Ent,vicklung zu best i1runen,
not\-vendig zusa1111nenhängL. Die \Velt als Natu r ,-.11rd sinnloser Kreis-
lauf. So treten uns bei d ein Gedn11ke11 an eü1e 11att1ralistiscl1e Ge...
schichtspltilosophie von neuem die Grenzen der nntunvissenscl1aft,..
liche11 Begriffsbildung e11tgegen. Der Begriff dor Natur a ls der \Virk-
licl1keit in it R ücksicht auf das Allgen 1eine sc l1ließt. de·n Begriff der
1

g es c h. i c 11 t l i c t1e n Ent,vick)ung aus, und nicht nur eine natur-


,vi senscl1aftliche Geschichtsschreibung sondern a uch eine natura
li tiscl1e Ge cliicl1tspl1ilosophie ist ein hölzernes Eisen. l\'.lan kann
die \Virklicl,keit irr11n er 11ur ent,veder generuljsieret1d als Natur oder
irldividua ljsierend al GeschicllLe bet.racl,ten. Beide Betracl,t.ungcn
aber ZLl einer zu verei nigen, ist ein von vor11cl1erei:r1 si11nloses U11ter-
·nehn,1en. Der Vercin igungspunkt kann nur üb e r der Natur und der
Geschicht.c liegen und nien1al:s i n einen1 die er beiden einar1der at1s-
scl1ließen.d cn Begriffe.
Aber r11<tn ~ird nun vielleicht meiner1t daß es sicl, }1ier
nicbt um Grenzen der natunvisse11sch.aftlicl1en sondern tim G renz.ölt
der w i s s e n s c h a f t l i c h e n Begriffsbildung ilberJ1au pt handelt.
J a ,. um so deutlicher ein h-1 ann der NaLur,"isse11schnft ei1:1.siel1t,

ü1g1t~hzado por Goog e


- 556

daß von se i n c 1rt Sta11dpunkt, es l{cin en Sion l1a.t, von hislo-


riscl\-,vorthezogcr1cr E11t, vicJ.cJur,g zu redc111 u1n so entschiedener ,vird
1

er jede l1istorisch.e Dar:;l,e)Jung al ur1wissenscl1aftli cb v er~·erfen .


Die Geschic hte bleibt für ihn 11ot ,venclig ,ron jenero AnLl1ropo111or-
phisn1us b cherrsc l1t , d cs.scn Ungü ltigkeit 1ua11 ~eit den Zeite1\ der
R enais ance durcl1 eir\e erdrücl<.cnde Fülle von Be, eisen rlargctan

hat. OttS· cltristli ch.e ~{ittclalter mochte . i cla JTtit Recl1t fi.ir d1 Gc-
scl1icl1te der 1\fonscl1l1cil inlercs:1iere11, ,voil c~ vorat1ssctze11 durft e ,
daß uic z\viscl1e11 Schöpfung u11d j (lngsto11 , Gericht sich abspicJe11de
eiur11alige und endlicl1c Ent,vicl"ltang ,,'irl<licl1 die Gcscl1ichte der
,,\Velt" im str,engen inne des \Vortes sej, und ,veil die \ erte, at1f
clie die er ~Vcrdega11g zu bcziel1en ,var, al s a bsolut gültig tJr1d aJ'1er-
kanr1t i11 den L ehren der Ki r cltc vorlagen. Seitde111 aber ntls den1.
Schauplatz der Gt:'schiclat.c, dc11 1r1an für den l\l ittclpur,kt tler \Velt
l1iclt, un1 mit. Schopenliaue.r z,u reden, eine von den klci ncrl b clcuc h-
Lcteo l{ugcln ge,vorden i ·t, ,vie ·ie zu Dutzenden in1 u11cr.1<llicl1en
Rau111 sich u1n zahllo e l{ugcln ,v~Jzen, eine l(ugcl , auf dor ein
Schirt1rt1elüherzug lcbet1de ur1d erken.ner1e_le \Vese11 erzeugt h.al, 11,üs:icn
\,·ir cloch e11dlicl1 die :\Ie:i nun g a,1rgcbcn, da ß <lie Ent,vi clclung des
~len cl1cngcscl1lcchtcs eine 111chr als ,villkü rliche Bczicltung zu ob-
jektiven \Vertcn habe. Die ,t\\"cltgcscl1icl1te 11 ist ja nicl1ts anderes a ls
ein ,vi11:t.iges Bruchotiick: dcl' \Velt von ganz vorübergcllc11der Bedeu-
t ung.
• S1nd dies ,,·irl, 1.ich Konsec1uenzcn, tlie n1an v on ci11ertt rej11 11at.u r-
w·issenschaftlicJ-1cn lu11dpt111kt, aus zieh en da rf, ocle1· ,,·ird nich t. vie l-
mehr clurc h sie de r B oden der :rntur,,·isset1schuft eb enso verlassen
,\·ie darin, ,venn n1a1l tle11 \ ' rsuch n1ucl1t, ,,r1n.tür]icl1c \Verte'' zu
gc,vinncn ? ü o,, 1i ß, die atux"',ri:-sen ·clt:1 ft ist nicn1als i o der I„age,
obj c ltti\ e \Vcrte zu vcrslcl1cr1, abc1· flicser Sat.z ist. doch nicl1t gleich-
1

bedeut end 111it. de111, tl a ß solche \ Ve rtc übcrli a upt 11icht gellen und
daher die Gescl1ichtc l, cine \,\;isse11 ·cl1a[t. ei. Ein Be,,•eis für d iesen
Satz k,\nn von s.eiten der Natt1r·\risse11Schaft 11:ä1r1Jich gerade clann
niclit gcfühl't ,verden 1 ,ven11 die \ 'o ral1sselzt1ngcn richtig sind, auf -
Gru11d deren rl ic · atu L·,, ·i:;:,;en :;chaft ein-e "'·crtbezichend e his torisc lle
Dc11-stellt1ng dt;r \\1irl(licl1kcit ;-iblchnt. Ein rteil über clic \i\1is~en-
scl1aftl ic.ltkcit o,fer Ur1,,~i11ser1;;chaf~licl1J{ciL ci,u cr ~I c t h o <l e ist ein
\\' c r t, url,cil w1<l setzt abi.o selbst sc b.on ei11cr1 \ \1erL u, aß s t, a b
vora us, a.1) cletll die „Ollj ckti, •jLäL'' der \ \'i~i:;en~cho.fLcn gerne~sc n
'"ird. Darat1s aber folgt , daß Jie NnLt1r,,·is5-en..scl1att i,Ofort illre J(o1n-

D191, h,ado por Google


- 557 -
p cl cn~cn ·ü berscllr"il cL, ,vcnn sie ihr eigcr1es Vcrtahrenfiir cla " e inzi g
ber clltigL erklärt. .Je konsc<1ucntcr der natt1n,risscnschaft,l iclio
Stnnclpunkt festgcl1ulten ,vird der ,,·ertfrei ein ,vil1 unti soll, 11mson1nhr
muß t11an sich von ihm at1s at>ch jerles Urt eils über den \Vert oder
U11,,,ert einer ,\'isscn ct1aftlichen ~lt tho<le Cll thalten, denr1. auclt ein
\1/crlt1rtcil iibcr eine \\'ilisen. chaftliclle ~letl1ode bleibt docl1 in11ner
ein \'' e r l u1·teiL Freilich ,,rir d cler Natur,,·issc11sr.l1a rtler i rr1 p l i-
c i t e die Vorau" ·etzung r11acl1en 1nüssen, fJaß seine l\iethode zu ob-
jckt,iv gültigen E rgeb11i:-15en tol1rt, aber z11 einen, ,vissenschaft lichcn
Problem knl'1n sogar die se Voraussetzung für die Natunvissen-
!-icl111(t sclh~t niemals \\·erden, und daher ilnt c voller1cls keinen Sinn,
v t>Jn nnturwisser1. claartlict1en tJ\ndpunkt a1Js ein · rteil über die
B ode11tung 1111(lerel' al n .:ttLtl'\\·i sen~chafLlicher 1\ielboden zu fiillen.
Di ' Bel,andlung von ~olcl1e11 t l1eoretischen \Vertfragc11 i t aus..,cl1licß-
llch uche der Logik. \\ 1et sie v o111 .11atu1-..vis:tc11scha fLlichen StancJ-
p11r1kt .a u ' entscheiden \:\<'tll, des ·c11 \Vcs •11 in ci11er Abstraktior1 ,1 or1
a lJen \ Vertgcsicht: pur1l{ten l>cstet1t, muO r1ot,vcr1dig in einen leeren
und r1ega liven Dogn1ati:-1TIU$ ger~ ten . Es geht ,virklicb o icl1t an.,
zuerst 1r1it Ernpl1asc jc(i•:? \ \i'crtung ols un,\•is enschaf,tlich zt1 pro-
Jtlamicren un cl cla nn n1it un1 ~n größerer Sicherheit \Vcrlurteilc mit
dem Ar,spl'uch atif ,vissensch~.rtlichc Geltt111g über die Bedeutur1g
von \vissen chaftlichen )letltoden zu fällen. Fra"t~n \\'le die r1acJ1
dein logische11 Vlcrt e del' l\fethoden existicr •n für clcn konscqt1en t en
NaLu rali:;u1us ni ht. Für i 11 n z,vn r gibt es kei11c Ge::;cl1icl1ter a ber
oll sie überhat1pt nls \ Vissenschaft gelt en clarf, ,Jarübor kann er r1icl\t
das Geringste . agen. Vorn natur,vissc11schartlichen Standp,tnk.t au
ist also ,,·c<lcr die ,,·is:;;et1l!icl1altliche Objeli tivitüt cler G esch icl1te zu
recl1tfertigen, r1ocl1 können irgcrtd \\'Clcl1e• brgründctcn Bcclcn kcn
gegen :i erl1obcn "'rerden.

] I.

Dic em piris c h e O b j e k t i v i t ä t.
\Vollen ,vir ,,·eitcr kom n1cn , so müssen \\'ir uns .1110glicl1sL frei ,ron
a llen ' ' or:1us etzu11gen Obe r den \~' ert der verschicdcn eri ,vis$r11scl1 aft-
lichen ~1 elhoden l1alten, tt11d ,v,cil a1s d er vorr,ius-ct1.ung;.ln!-.est e Lar11l-
pu11k.t, i11 der Erli.cr1nl,l1istlicorie clcr der rcin r1l Er.fahrung gelten ka11n 1
zuerst ein111t1 l fragen, ,vic es n1it, der Gcscl1icl1Lc st.el1t 1 V11cn1, n1a11 den
1'i(aßsta b <Jcr e1n r)irisr-.hrr1 Obj,c kti"·itüt an ~ie anlrgt. Solche Objck-

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- 558 -
tivität setzen ,vir überaLJ voraus, \VO in einem ,,,;s~enschaftlichen
Zusamn1eohange die Geltung der Urteile auf r ein tatsächliche Wahr-
heiten zurückgeführt werden kann, denn Tatsaclten n1üssen auf Grund
der reinen Erfahrung ,,objektiv'' zu konstatieren sei.n . Doch brat1chen
,vir uns jetzt nicht mehr auf die Erörterung der Ansicht einzulassen,
nach der· es möglicll ist, durch o_in,c b l o ß e Konstatierung von Tat-
sachen schon wissen schaltliclie Erkenntnis zustand.c zu bringen,
de1m ,vir haben ausführlicl1 genug gezeigt, daß \\' issenscllaft stets
Bearbeitung und Umfortnung des Tatsächlichen nacl1 bes.tiutroten
leitenden Gesichtspunkten ist. Wir kOn11en unter Empirisn\_us nur
noch die Ansich.t verstel1en, d.aß nicht allein das l\ilaterial sondern
auch die leitenden Gesichtspunkte seiner Bea rbeitung eine rein e1n-
pirische Geltung besitzen.. Ja, lediglich die Geltung dieser metllodo„
logiscl1en Voraussetzungen der Begriffsbildung ist es, auf die es jetzt
ankorn,nt. Im übrigen 11ehmcn ,,,ir an, daß in d er Geltting der Urteile,
1
die nur 'I at.sact1cn k onstatieren, kein erkenntnistheoretisches Pro-
blern 1nch r steckt, w1d daß die Kec1ntnis des 1\lateriaJs so\vo)il in den
Natunvissen_schafLen als auch in der Geschichte. du.rch reine Erfahrung
zus tande kommt. ,vir dürfen das , ,veil die Objektivität d i es e r
K eru1lnis kein methodologiscl1es Problern enthält, das für die Ge-
schichte v·o n prinzipiell anderer Bedeutung als für die Natur,vissen-
scha!t \Verden kann. Der Sch,verpuokt unserer Untersuchung Liegt
jetzt also an einer andern Stelle als vorher , Für eine natur\vissen-
scba ftlichc Auffassung konnte allein der r11stond, daO W erte die
leitenden Gesicllt.spw1kte d,e r llis t..orischen Begriffsbildung sind, scl1on
an s icl1 ein Stein des Ans toßes sein. Vo1n Standpunkt der reinen Er-
fahrung dagegen ist dies an sich noch gar 11icht bcde11klicl1 1 den_n auch
Werte lassen sich j a insofern als Tatsachen konstatieren, als wertende
\i\'esen zu ihnen Stellung nehn1en, und besonders ihre fa ktische An•
erkennung dt1rcI-t eine bestirr11)1te. Gemein chaf.t von l\1enscl1en ist irn
Prin.zip dt1rch Erfal1rung festzustellen. Unzulässig ,virf1 vo,11 Sta11d-
punkte der reinen ErfaJ1ru11g d ie Verwendung von Werten nur dann,
wenn i11rc normativ allge1neine Geltung prinzipiell über eine als fak-
tisch zu konstatieren.de allgemeine Anerkc1lnung l1jnausgeht oder soviel
,vie u ,n b e d j n g t geford erte A11crkennu11g bedeuten soll. Anderer-
seits erscJ1oint jedoch jctz.t, die Objektivität der Natt1nvissenschaft
wegen der unbedi110-t allgc,neir1cn Naturg ese tz. e gar nicl1t mehr
sclbstver3tändlic}1 1 sondern sie ,vir<l g(~radc für den E mpirismus zum
sch,,rieri gsten Proble1u. \Vi r selten also, v orr1 Standpunkte der Er-

D191, h,ado por Google


- 559 -

fahrung kann über das Vorh.filtnis der Gesci1ichte zur Natur,vissen-
scbaft und über das ~1aß von Objektivität , das beide besitzen, nur da-
durch entscbjcder1 werden, daß man f estst-ellt, ob und in v.•e)cl1em
~l aße sie Oberhaupt unbedingt allgemeine und nOt'\vendige E lemente
vora ussetzen. Ob aber diese Elemente \Verte oder ct,va.s a11deres sindt
scl1eint gleichgültig.
Gehen ,vir von der Natunvis cnsct\aft aus, so ist klar, daß das,
was '\,rir über die empirische Allgemeinl1eit der natunvissenschart„
lict1en Begriffe ausgefilhrt. l1aben, sieb ol1ne r-1:nl1e einer rein empi-
ristiscl1en Erkenntnistheorie einordnen Jäßt, da die Geltung der Be-
griife dieser ersten Stufe auf direktem Vergleicl1en der Objekte be-
ruhen kann, und ebenso ,venig enthä lt die formale Bcstin1rntl1cit ein
überempirisches Mornent . Zu eine111 be~ondcren Problern sctieint die
Geltung der natunvisscnschaftliclten Begriffe also erst dann zu. ,,•erden,
wcnt1 sie aus Urteilen bestellen, die et,vas über eine unübersehbare
und daher der Er[ahrung niemals direkt zugängliche Mannjgfaltigkeit,
vo11 Dingen und Vorgängen aussagen sollen. Doch konnten ,,1ir zeigen,
da.B auc.h die empirisct1 allgerneinen \1.nd rormal bestimmten Begriffe
in den rneisten Fällen lediglich als Vorarbeiten für die Bildung von
solchen Begriffen zu betrachtcci sind, mit de11en die Naturwisser1schalt
eine ex-tensiv und intensiv unüborsel1bare l\ilannigfalligk.e it unter ein
einheitlicltes System bringc.n "'rill, und so, müßte also der konsequente
Empirismus aucl\ den empiriscl1 a.llgemeinen und Cormal besl,in1mtcn
Begriffen die Bedeutung nehmen, die sie a ls Vorstufen für Gesetzes-
begriffe haben. Das Ziel, das ,,tir uer Nat1tnvissenscllaft glau.bten
stecken zu kö.nnen, \Väre somit nach ko11sequent enipirislisch-er Ansicl1t
eine Ueberspa11nung. Die nat.uno;issenscl1aft.licbe Begri{Csbildung dürfte
allein auf cn1pirischor Vergleichung der Objekte beruhen t die in einer
obersebbarcn ~lannigfalt.igkeit das Gemeinsame zusammenfaßt und
die individuellen Differenzen fortJäDt.
Nehn1en ,vir nun einmal an , daß diese 1\nsicht durchfü~lrba r ist,
d. h. setzen wir voraus, daß auch die Begriffe von Naturgesetzen
otir als empirische Verallgemein.erux1gen aufgefaßt \\'erden dürfen,
also ,,on Natur g e i; e t z e n im strengen Sinne nicht zu reden i t,
insofern diese ein überempiriscl1es Moment. entl1alten, "''äre dann die
Gescl1ichte rt1it Rücksic'l1t auf iltre wisscnscha[tliclie Objektivität der
Natunvissenschaft gegenüber irgendwie im Naclt~il? Falls \\rir n.icht
die icl1erhoit des 1\1 a t e r i a 1 s sondern nt1r die Prinzipien der
BcgriffsbiJ(lur1g im Auge l1abcc1, die t)icr ja nllcin für uns ir1 Fl'age

ü1g1taltzado por Goog e


- 560 -
korr11nc-n dürfc11 1 so bra ucl1c11 tlie lciLer1d('rt \Verte der historisc h ,,·ert-
be1.ichc11dc11 Bcgl'iffsbil•,lu1 tll' nicht ,venige1· e'n1pi.risc·l1 gilltig Z.ll sein
ah- die Ge ichLspu,,Jclc, di e in (lcr N,:ttun,is-:cnRchr} ft herangezogen
,,•erclen. \J r11 ver:-<' l1ieclcnc Objekte rein c1111Jirii-c t1 mi tei n aJ1(ler zu "'er-
glcicl1cn. J)c11n es kon1n1t i 11 rlor Gcsct,icli tc ja rnlt' die Bez.iel1u11g der
01,jel<tc auf fa ltLi c t1 allgc111ci1\ a1\crl(ar1nte ' ''crte in Bet racht, durch
die sich in il1ne1\ i11 -ei ner für Alle g1:llLirren \\'eise clie ,,·e~c11tlicl1en v on
den u ,1,vesentl ichen Be.-,t11 ncl t,eilcn sc heidr n. Selb~tver~tän<l lic l1 kann
das \Vort ,,olle'' rlan o n 1.11· eine "rnpiri;;;-c h a llgc111r inc Bc<lcl1Lung hol,cn.,
d. 11. sicll llllf a lle Glic<ler- einer l1isto rischen Gcn1cinscha (L bezi:c hcn,
aber ,vcnn ern1)iri;:,;c h fc3t,.ge_lcllt isL, (laß ei11 bc:Stir111ut, •r Krei:-; \ ruc1
t.tc11 'chen1 an dt'·n ,Jcr HisLoriker :-;ich .miL 'ci11er DarsLel.lu11g ,,•endet,
t.1Lsächlicl1 gcn1ein~amc l(u!Lt1rgilter ,vic Laat, l<t1nst. \\' isscn8cha(t,
RPligio.11 kl"r.mt, derer1 Anerlionr1u11g als 11or1nnLiv :illgornei.n rlller,
Glit' dern der Gcn1 ci11 ' chafL z.ugcrnutcL \Vircl, Un(l ,vcn11 da1lr1 rnit Rü r k-
sicht, au f clic an ih11en hnfteuderi \Verle <lic ~r aLsflt hcn rl ·r Vergangrn-
hcit t1t1Ler l1i:i;t-Orischc Be 7 riffe gC'b,rncht ,ver<lcn , ~o entsLeht au ch ci,1,e
für alle gii lt.jgc Darstr llung, u11(I es '-'·ird dabei <locl1 der Boclcn der
reinen Erfahrung ge,viß nicl1t ruehr vcrlri:tl-en , als \\'c.11n die Natur-
\.Vis~e11scltart für eine bosti111n1te \.\' irk.licltl\oit cirt ysl,err, vorl :ill.gc-
rnei11en Begriffen durcl1 rein e,npirische Vergleichu11g bildet.
· Aber n1nn ,vird vielleiclit n1einetl , rlarau! al lein komn,e c · nicl1L
ar1. Die }1istorisc hcr, B egrifft; tJleibc11 trol,ztlern ,v •nigcr \\'is ·cn~cl1i1(t-
lich . E " s Lecke ein Akt der \\1 i l l k ti r tln ri11 1 cl:ifl gerittle dic:se und
11icht andere I(ult t1-r,verte tlie l1i ·tori:.cl1e B~gri(f~bilrlung leite11 1 od.er
jede11fa ll. gelte eine gesr hichtlich.e Du,, tcllung ir1,11ner 11ur für den
Krei~ von ~·Icnschcn , cJic fakti ~ch au.e h di e leitenden l{ultur,\'Ct'te an-
erkenn en, u11d <lies entspric ht. lle1tl Ideal d~r ,,·isscrlsc hHflli<: hen Bc-
griffsbiltlu.ng ir1 l(einer \\1ei·e. Die clt1rcl1 Vcrgleichu r1g und Au -

sc heillu11g des rein lnclivicluellen ge,vonrienen atlg•!111.ei11cn Begriffe
d er Natt1r\\·isscnschart sinc l dagegen (ibcr jc<le ,villl<iir erhaben ur1d
gelten für a 1101 u 11nbliär1gig tlttV<)n I ob cl in >rken nenclen S11 hj cl, te schon
v o t· 11 e r irge11d cl,vas a11tlcrc · als gültig- an crku11nt huben. Kurz,
die geschicl1t,liche Begrifrsbil(lung br:JuchL Voraus. etzur1ge11, zu deren
Anerkenn11ng nien1:111,l logis(' h genötigt. ,,·cr(lo11 ka1ln , ,,,ul1rcnd die
Natur,vissen::-chaft n1it cle1n bloßen Vergleichen z11 Bei:,riffe11 kor11n1t,
deren logische Geltung jcclc.n z,,·ci fcl au:,schlicßt.
Scl1cn ,,,ir jedoc h g,~nfltl r zu, so läß t sit~h gera<le nttf den.1 Bodet1
clcr rei nen Er(a ltru11g tli<•:(C! B<?hau1Jtt1ng nicht clt1rchführer1. E $ i::; L

ü1g1taltzado por Goog e


- 561 -
in der Natur"'·iS~e11 cttaft e.bcnso\ven ig \\-'ie in der Geschich te die
,,Sacl1e1 ' oder das ~Interial sclbstt da.s den Inl1alt der Begriffe be-
st imrn t , sondern das erkennende Subjekt entscl1eidet darüber, was
im rein 1'atsächlicl-1en ,vesentlich i~t ur1d ,vas nicl1t, d. h. nucl1 die
rein e1r1pirisclle natunvissenscha ftiiche Vergleich\ing bedarf eines
lciter,de11 Ge ichtspunktes 1 und es bleib t , ,ven n jede Möglichkeit1 sie
als Vorarbeit zu unbedingt allgemeinen Begriffen anzusehen, ver-
,vchrt sein. soll, nicht un1 das Geringste ,,,eniger w i 11 k ü r l i c h,
daß für die Zu!)ar11rnenfasst1og tJes Ge,nein ·un1e11 ge1·ade die er u11d
nict1L ein a11dcrer Gesichtspunkt gc,,•äl1 lt ,vird. \iVir vergei;sen dies,
weil oft die das Vergleichen leiten.d en Ge ichtspunkte sicl1 \Jns als
,,selbstverstä ndlich" at1fd rängen . Aber diese Art v on Selbstverständ-
licl1kcit, c.lio aus den In tercsscr1 des praktiscl1e11 Lcbe11s st.amn1t,
<lflrfLe sieb r1icht nur bei deo lcit.en.d en Gesichtspu,1-kton eir1er histo-
rischen Dars tellurag ehen(alJs konstatieren lasscn r sondern . ie l1at auch
111it ihrer logi~chen Begrü11du~1g 11ichts zu tur1. Ausfül1rlicl1 l1aben wir
gezeigt, daß oh11e clas Streben oacl1 u11bedingt allgcrncinen Urteilen
die Natur\vis$enschait es i11ln1er nu r zu eir1er Klassifikation bringen
kann , ur1d daß eine bloße Klassi.fi kation stets 1,\villkürlicl1'' ist , denn
,vcnn man sich auch. au f ei11c ext.ensiv nber~ehbare ~1annigfalt igkeit von
Objekt en hescl1ränl,t, ,,·as 1n a11 als konsequenter En1pirist tu n rnuß,
so bleibt die irltensive :VlannigfalLigl,e-iL jede cinzelt1en Objektes doch
u11übersel1bar groß , und unübersehbare Mannigfaltigkeitert las:;;en sjch
auch unter unübersehbar vielen Gesichtspunkten 1ni tcir1.ru1der ver-
glcicl1en . l·Ian 111uß also auc}l i'n der verglei-c t1endon Natur\visscr1sehaft
imrner schon vor h e r festgestellt haben, \.velct1en Ge, ichts,pun.k t •

man ror die Verglejchu1lg ,vät1len ,vill, ltnd cliese \1/uhl bedarf auf rein
en1piri tischem, ... tnndpunkt ebenso ,vie in dc:r Gesc}1ichte der Zu-
·tin1n1t1ng aller dcrjenig n, fü r "''eiche die a.ltgemeinen Begriffe gelten
sollf~n 1. A.uch die Natur,,·is~enscl1aft .k a11n also die \ io rnt1ssetz\1ng, •

die die Gescl1icLts,visscn chaft n1acl1en rntJß , 11.icht cr1thehre11. Wenn


sicl\ dies aher so verliält,, dann clar r 1r1ar1 von der Gc:schicl1tc aucl1 kei.ne
andere ArL <lcr ,vis.Qc1lsc}1aftlicl1en Objel<tivit,ät verlangor1, und da
die historischen Oiszi1>li11en der Forderung, ctaß alle hlctuiel1er1 1 ar1
di e sie sielt \Ve11c..l cn, il1ro lcite11deo Ge~icl1t.spunk te anerkc11,ue111 scl1r
\\·0l11 zu culsprccl1eo v crrr1ögc1'l 1 so si11d sie, '"as clie Willkür der Aus-
,,,ahl betrifft, der atun,·isscr1 chaft. gegenüber clurchaus nicht im
Nachteil . Der tlistoriltc r, dor sich clarau r bcschrä1lkt, mit Ri.lcksicht
1 \ 'i;:-l. 0:brn . 43 f., 57 ff. u. 1 l fl r.
fl i e lc ..,r t , Or„ 11 &,•11. "l. A u fl.

ürg,t~hzado por Goog e


t
• 1

- 562 -

auf empiriscl1 gegebene, von eine111 bestimn1ten Kreis von l\fenscl1en


für normativ allgemein gehaltene l{uJtur,\lerte die Vergangenheit in
. ihrem einma l.igen individuellen. Verlauf durch hist orische Begr.i ffe
mit individuellcrn Inl1alt darzustcJlcn, erreicht darnit vielrnot1r die
höchst e Objektivitä t, die ,rom konsequ ent e,npiri··tischcn Standpunkt
aus in der \1/isscr1schaft erreicl1t ,verd en kann. Fraglich bleibt nur der
Anspruch auf eine u n b c li in g t allgem.eine Geltung ihrer Be-
griffe, abr!r cir1c solcl1c Geltung llat ja für den konsequenten Empi-
risten überllanpt l<.cinen Si11n. Sie l1ängt i11 der Natun,,isscnscl1aft
von der Geltung unbedingt allgemeiner Gesetze., in der Gescl1icl1t.e
von der Geltung 11nbc.dingt allgemeiner "''erte ab. Für den , der von
b e i d e n nichts \,i ssen will, ]{a oi1 es 1nit Rücksicl1t auf die Objek-
tivität der Begriffe keinen Unter cl1ied mact,en, daß an St eJle de1 errt- 1
pirisch allgemein anerkannt.an Gesichtspunktes der Verg1eicl1ung1
der das Wescr1 t.liche vom Un.\vcscntlichco scllcitlet 1 ,e in c m piriscl1 a 11~ 1
1
gemein anct·ka11nter Wert tritt,, auf d.cn die Objeltto so bezogen ,vcrden,
daß aie ich zu hi:-torischen Jn-dividuen zus.0111n1ensc}1ließe11 .
och gü11stigcr gestal tet sicl, sogar vom Sta.ndpt1nktc der reinen
Erfnl1rung die Lage fljr die Geschicl1ts\,i5st-nscha ften, wenn ,vir die
rein formale Bctracl1lttr1g verl assen . Bei ,vcitern die n1eistcn histo-
risclle11 \Verkc, alle Biographien, alte Oarst.eJlungen besortd.erer Kultur-
. vorgänge, \vic z. B. clie Ent,vickl·u ngsgescl1ichtcn der R.eJigion 1 der
Wissenscl1.1ften , rles Rechts, der Kunst Lt ·~·., ja alle Geschichten von
einzelnen Völkern. und St.aa l.eo ,verdcn v or1 \Vortgesichtsp11nkte.n ge-
leitet , deren fakLiscl1e AncrJ<cr11, u11g nicht gu·t. bez,vei{elt \vcrdcn kann.
Bildet der tiistoril<er sei1.1e Begriffe 1t1it Rllclcsic}1t. auf \1/ertc der Ge-
1-ncir1i-;cha ft, der er ~clhst ong-el,ört, so \vird die Objektivit ät seiner
· Darstellung ausschlicOlicl1 von der 11iclitig1{cit des Tat.sacl1er1 matcrials
abzuhä ngen schcincr1 t111,J die Frage, ob dieses oder j c11es Ereig11is
der Verga11genllcit ,,·~en tlicll ist, g:1r nicllt auftauchen. Er steht
über jeclcr Willkü r, ,venn er z. B. die Ent,vickl1111g rler I(unst auf die
ästhelischell l{ultur,vcrte, clie Ent,vicl<lnng eines St aates at1f die
politis ·l1cn J(ultur\,·erte bczir l1t 1 uncl er bri ngt dabei eine Darst cllt1ng
zust ondc, die, so\vcit sie sict1 cles ur\hi~Lorj cl1e11 W erl u r t e i 1 s ent-
hält, für jeden f,'11lljg i:-t, der Oberh~rupt äst l1etjsche oder politische
Werle als nort1in tiv al lgcn1.ci11 fü r die Glie4ler seir1er Ger11cinschaft
anerkennt . ~l uß (icr 1-Ih,t ori kcr d.og--gcn ~i~l1 erst i11 fre,nde l{ultur-
\verte hineinlchcn , u1n a11cl1 Cernst.el1cr1tle l~u tturent\vicl<lungeo d.a r-
SLf!l l~n zu k.üoncn, so j ~t diese Arbc-j t it11 P rinzi p ebenfalls d t1rch rein

D191, h,ado por Google


- 563 -
empirische Konstalierr1ng yon Tatsachen zu leisLe11 1 utld nur \vc11n
1
eine 11Weltgcsohicbt.e ' geschrieben \Verden soll, kann es zweifelhaft
bleiben 1 ob die dabei ven\rendeten leitenden Wert.gesichtsp,u nkte auf
eine empirisch konstalierbare Anerkennung bei o.llen Kulturgcn1eit1-
schnften rechnen dürten, die eine solcl1e Darstellung un1faßt. Doch
berührt die er letzte Fall die ernpirisct1e Objektivität der Sonder-
darstellun.gen nicht.
Freilich können diese Gedanke11gänge n u r dann überzeugend

wirken, ,venn ma» stets den Unter"chied z,vischen der positiven oder
negativen praktischen \\f e r tun g einerseits und der von jener
Alternative vollst ändig freien rein theoretischen Wert bez i eh u n g
andererseits irn Auge behält. l\>l an darr deshalb die hier allein ge~
n1ei.nte Objektivität der 1,istorischen Begriffsbildung nicht rnit d e r
Objektivität in einen Zusa rr1rn e11ba11g brir1gcn , die rnan z. B. der v on
konfessionellen Voraussetzungen geleiteten und dest1alh 1 ,subjektivc11"
Gcschict1tsdnt·stelJung gegenüberst ellt. Darstellunge11 l1istoriscl1er Er-
eignisse, clie von v erschiedenen konfessionellen Standpunkten ge-
schrieben sind, ,ver(len nic111als nur rein th eoretisch ,vertbezjehend
vcrfallrcn und können desl1a lb in der Tat keine ,vissenscha!Uiche
Objektivität be i.tzen. Sieht r11an aber von allen \\'ert u r ·t e i I e n
ab, so müssen z. B. in .-jncr Da rstellung der „Lutl1er 1 ' gcnannter1
Wi rklicllkcit fiir den l{ atholiken clieselben Best andteile ,vesentlicll
\Verden ,,rie für den Protestanten U'nd sich dnher auch zt1 den selben
historischen Begriffen zusammenschl ießen. Denn , ,,rie ,vir früher gc-
scl1en haben 1 , ,väre ohne eine überein!;tirn111cnd0 \V.irklichkeit.sattf-
(a ::.ung ei11 Streit über den Wert Lu,tllcrs ga r nicht möglich . ur
für einen dcrn de,1 tschen llnd christlichen I{ulturleben gan z (em-
stehPnden Historiker ,,·ürde Luther iibcrh aupt nicl1t ,vesen tli ch un•d
dnher aucl1 11icb t historiscl1 da1-st.cllbar sein, ,vcil der Frernde l .utl1er
l nd iviclu nlitä.t nur keiner1 Wert bczicl1t . Wenn jetlocl1 dieser H isto-
rik<>r nur irgend ,ei11cn rcligiö e11 \~! ert anerkc11nL, kann er ich im
Prinzip auctl itt die \\'crtc hj ncinlebe11, au ( " 'clcl1e deutsche tind christ-
licl1c Jiist orikcr Lu Lher bnziehcn, und dann besitzt at1ch fiir il1n eine
Dar::;tcllung Luthers, die sich jedes \1/crtt1rteil. enthält, ,vi~seuscl\a ft.-
Jiche Objektivität . treiten kann rnan nt1r da rüber, ob eine E11t-
haltu11g von \,rertt1rtcil~n fü r (lcn Hist oriker ,tibcrl,aupt 1r1öglich oder
a uch n ltr ,,1111schens,vcrt i t. Doch liegt diese Frage außcrJ\a lb de Be-
reiches der logischen Untersuchung. \i\'ir hallen l-1icr nur df' n Begriff
1 , ·g1. ob,•n s. at-1 rr.

D1911 11,ado por Goc,gle


564

der r e i n ,vi-ser1scha rtlic hen gcschicl1tlich.cn Dar~tcllu11g fe tzu-


st cllcn1 die ilurch die bio.Oe Bczie}1uog ihtcr Objekte au f Kultunverte
eir,e olle11 streitenden P a rteien gemeil1sacne \Virklic hkeitsallf(assu ng
zuni Aus,Jruck b ringen tn t1ß , und n1ag eine konfes io11ell \\'ertende
Gcschicl,tsschrcibu.ng unter religiösen, etl1ischcn, politischen oder
so n tige11 ·Ge! ich tspunkten noc}1 so not,venclig und berecl1tigt. seir1,
so k a nn sie docl1 nie als re in \\1isser1sc ha ftlich betracb lct ~rerden, ,vcil
il1rcr1 WcrtL1ngen in1mer die Geltung l(lr a lle ,vi8senschrutlicl1cr1
l\l •nschcn fehlt . 1-Iöcli. tens kör1nw 111i) n d,1rcl1 eine Goschicl1t.s-
p h i I o s o p b i c eir1e i;olcl1e Geltung zu begrilnd.c r1 v er.:lucJ1en.
Von. clcr Ge:.cl,i -li tspl1ilosophi e Ab er sehen '"ir :i.usdriicklicl, ab. Wir
haben es nur n1it d en 01r1piri"cl1sn Gesc hicl1ts\vis:;erlscha(ten zu tun.,
t1nd tlcren e1n1lirisclLe Objekt.iv.ität kann nicht he.s tritten ,vcr<lcn,
!'--Olange <Jer 1-Ji torikcr sicl1 darauf besch'1•ä1lkL, (1ie 01Jjck:to da riu-
s tellcn , cJio fa ktisch v on allen au{ a llgctnein atlerkar, rl te \Vcrte b e-

zogen i11d.
Dagegen s Lö ßt die Rechtfertigung rlcr Obj cktiv,i tiiL n a tu r-
""' i s , e 11 s c h H { t J i c lt e r Ur1 tcrsucl1ur1gen auf gruJ)c cl),vicrig-
k eiten, Calls ein ach\veis fü1· die rak tiscl\e Ancrkc11r1ung ihrer leiLendcn
Gcsiclrt.spunkte gefordert wird. Solange die ntu r,vis enscl1aft at.1s-
scl1ließlich mit Dingllcgriffe11 arbeitet, kar1r1 rnan z\var vicllcicl1t sagen,
d nß es fü r jed1!11 sclbslv erstäridlich sein \Vird, \Vclclu? Objekte a ls glcicl1
u11d ,vclc hc al:; unglcic l1 a nzusehen sind. ' " 'ie sclt,,·icrig es aber \\'er den
muß, den rei11en E1npirisr11t1s a uch für Rclatio11~l)egriffe durchzu-
f üh.I"eri, ,,·ircl n ach de11 Du.rlcgungcn r1cs er:it en u11d des i,,·eitcn I( apit.els
nicl\t z,vc ifel haft sci11. So ist je<lenfa11s die T\atur,,is.,cnsct,aft in ,e iner
viel c l1\,·ier1gere:n Lago, ,,·cnn sie v or clern I=ticl1Ler:;tuhl des Em-
11iri:51nus ili re Obj el· ti \·itiit recl1t(crtigcn so ll, uls die )l istoriscJle Dar- 1
sl:,cllung. Die Gcscl1icht.e i, t die eigentliche E r f a l1 r u n g s w i ~ s e n-
s c h a Ct , n icl1t nur \vcil sie n1it ihre11 i11divid11cllc-n Begriffen der
stets inclivi<lt1cllen E rf.allrung der u11n1iltcl '1",arcn Wirklic~1l<.cit 11:ll,er
steht al ' dio Natur,vi~ cnscl1a ft 1 sondern a ucl1 ,,·eil ihre leitenden
GesichtsJ)Uo k:tc sicl1 viel leic hter at,::; der Erfal1ru ng S.l'lbst cnlneh111en
lassen. Nicht daß sie \Vcrte als leilc11de Gcsichk.\pun li..Le brauchtj
kann al o vr)m cn1piristischcn · lt~ndpur1kt. at1$ ein s törend es ~Iornent
v on S11hjckliviläL ir1 sie h.incintr.:tgcr,, sondern höcl~·t.c ,1 · die U n-
kenntnis der Not,vc11<l.igl{eit solcher \l\'C'rlgesichtspu11ktc für eine in-
•lividu.:ilisicrcncle Begriff::1 bil<Jung kann den For~chcr dn1.u ·verleiten,

ü1g1taltzado por Goog e


- 565 -
ei11en1 Ideal von ,,Objektivität" nuct1zujägc11, das in der Gcscl\ichte
nie1nals zu erreichen ist .
FaUs ,vir hier nur den z,veek ve rfolgten, das Recht ei11er \\1issen-
schart der cinrnaligen indivi,dt1elle11 Kulture1tt,v:icklung als e.iner e111-
piri~cl.1en Disziplir1 dnrzutt1n, so könnten ,vi,r jetzt unsere Schrirt
abschließen. Siel1t man von, überen1piriscllen Elementen üb c r-
h a u p t ab, so ist clie Objektivität der Geschicht..s,vissenschart nicht
mehr anzt1fechten. Un ere U1)terst1 chung .ist jed,ocl1 im Interesse
von allgerneineren pJ1ilosopl1iscl1en Problernen unLer11ornrnen ,,vorden,
und ,venn wi1· auch zunäcl1st. die Prohle.rus tellung zu einer bloß n1etl,o-
dologi~chen verengern muOtctt, so bleibt uns doch jetzt. nocl1 die Auf-
gabe übrig, die 'Beziebungo11 uer 1ncLhodologi:;cl1en Ergebrlisse zu
allgc1neu1c11 Weltanscl1auu11g fragen aufzuzeigen. Dies aber kann nur
an der Hand einer erkenntnistheoretischen Vertiefung und Weiter-
bildung der bisher ge\.vonnenen Resultate geschehen, und besonders
darüber hoben ,vir KJart1eit zu ge~,,ir1nen, ,velche Rolle die ü b ,e r-
e TTl p j r j s c b e r1 Elernente in jeder Wissensc haft 1 cl. J1 . so\\rohl in
der Natur"vis~c11schaft als a1ach in der Ge:;cl1ichl.s\vissc11scl1aft s pielen .
\\1ir ,ver<le11 1 i11tle1n \vir ur1s dicse11 Proble111e11 zu,,,e11de.r1, n1anchcs,
,vas ,vir bislter crrcichl l, aber1, ,,,iedct· i11 Frage stelle11 11,üs.. en, und
bcso11J cr · die Ol1jcktivitä'l. der Gesc hicht.s,vissc11 ~chaft kann tinter
dem neu crl Gcsict1tspu11k.t vicleo sehr Z\\'eifelhuft ,verden. Es 11lag
d aher jern and 1 der von der Recl1tlosigke1t übcrerr1piriscl1er Elc11,1c11te
in der \Vis~cnscha(t so überzeugt i t 1 daß er die Disl1ussion ihrer
Berec htigung ·v on vornel\ercin als ein ganz sinnloses und v eraitetos
Unterncl1111c11 ansieht, vielleicllt ::un besten tun, nict,t \veiter zu Je ·cn
soi:adern sit;h bei dein, bisller gev,1oonenen Erge,b nis zu bert1l1igcn.
Jede11!alls, tül' den '"'irklicl1 k o o s e q u. c n t e r, Ernpiristc11 l1aben
,vir unsere 1-\ rbeit gcl.a u, ja, es ist ,,,ichtig, zu hc111erkcn, d<tß für j e d e 11
niclit n1it unhe,veisba ren n1etaphysi ch-ratiorta.listiscl1en Dogr11en ar-
beitenden De11l{cr das gc. c1'1ict1tlicl1e L eben al · Grenze aller n atur-
wis enscl1aftlichen Begriffsl'lildung gelten muß, \.velche pl1ilo ophiscl1cn
Ansieh ten er auch soi1sl vertreten rnag: n a t u r ,~,. i s s e n s c 11 a f t-
l i c h c Erkenntni s d es G esc bi c t1tl ichen bl ei bt
u n t e r a I l c n U n1 s t ä n d e 11 1o g i s c l1 u n 111 ö g I i c lt. \,\ter
die Vergangenheit. in il1re1n ei1111taljgen ur1d individuellen Verlaufe
ken11c11 lernen \,ill, .k.ar1n sie nur in Beg1·iffen 1nit i11cJ ivitJuclle1t1 Inh.a lt
crfa~e11, derco Elen1ente si,c h mjt Rücksicht at1f eir1cn \\1ert, zur Ein-
heit zusan1111cnschlicßen, und gerade der E1nr>iri:)r11us verrnng die Ob-

D1911 11,ado por Goc,gle


- 566

jektivität, ei ner !)Olchcn Bc-griffsbildu11g nie111als a11zufechten, ,,,eiJ es


für il1n ein höheres ~'l aß von Objekti,rität tibcrhat1pt nicl1t gibt. Das
bleibt u11ter a llen U111sUloden beste'l1cn, ,vie ma11 at1cl1 über die Rich,tig-
keit dos folgende11 Gedanke.-1ganges urteilon rrta.g, und so:la11gc c · do.her
11ur auf die e 111 pi r i s c h e Objektivi li\t der Gescl1icl1ts,,·i~sens c ha ft an•
kornrnt, darf inan at1cl1 die rolgcnclcn Gcdanltcn nicl1t in die Disku ssion
hineinrniscl1en 1 .
Aber , uuf dein Bode11 der reinen Erfa.l1ru11g ist für die Erkc11ntnis-
tl1coric, <.lio tiefer dringt., eine Objektivität, ,~;e atur,\·is er1~chaft.
und Gescl'licllte ie i'lnstreben n1üssen; nicl1·t n1öglic h. \\ ras zunäcl.1st
die Natut·,vissen schaft anbetrifft, so br<1.uchen ,vir nicht 1r1et1r zu bo-
,veisen, daß jede Zurnutung, s ie solle sich prinzipiell auf rein crnpi-
riscl10 Vcrallgornei11erung hescllränken, von ihr abzu teh11ec1 ist . \Vir
denken dabei n och nicllt an die alJgemeinster1 erltcnnt11istheoretischcn
Voraus etzungen, \\l:ie die Annal1111en eir1er objektiven Zeit,.. u11d Rau111-
ordnung1 des K ausa lprinzipes u ,v., die auch die Geschichte nictlt
entbehren k a nn, sonden1 habe11 nur die p ezifisc h nntu1'\vissenscbait-
Jichen J11eL11oclologischen Vorauss.ctznngcn in1 A\1ge. J eder, der
Naturgesetze als gültig aufstellt., UherschrciLct. damit die Erfa hrung,
1nag e1· sicl1 desscr1 bO\VttßL sein oder nicht, <lcn11 e1· sa~~ ct,vos über
Objekte aus, die prinzipiell seiner Erfnli1·u11g e11t.zogc11 sir1d.. Dns darf
natürlicl1 nicht so verstan<le11 werden, als ob der I11balt. der Gesetze
nicl1t stets der Erfal11·ung ent1101nn1en ,verde 1 sondern nur da!S ist ge-
111cint, daß eine beliebig große, unül:,erset1bare Anz.al",1 11icl1t beobach-
teter Objek.Le nlit Rech L einem t~ Jl einer übersel1barerl Anzah l beob-
achteter Objekte, ja eventuell an ein,crn einzigen Obj ekt gebiJdctcn
Begriffe u,1Lergco rdr1et \vird . Auch davon ist nic ht die R ed e, daß
111it unl)cz,vcifelbarcr E,1 itlenz a,tL · dein Inl1alLo cittcs aturge~ctzes
sei11c Ltl\boclingt allgcrnei11c Geltur1 g ersehc11 ,vcrdcrt kön ne, onc:lern
1 "anz 11111.u tr1•ffend i~t 41.l:::ther die Bcha11pl11n~ D e r n h e i 1Tt ~ {Ll'hrb uc h
d er hi~l ori:;.c hc-11 :\fc·lho,1t1, 5. und ii. J\uUn~•', ·. 768), es l<nnnc ,.d ii: T1 ord r 1·ung
höchst-•r, allgt~rnei n anerkannter, ul,~olutcr f~ullur,vcrl<-, ,vlt• H. R ickorl :.lc
in lc lzlcr Linie aur;,,Lt~IH , nur d-nhin fii.hr P"n, dnU ma n ent n•rrl<'r di" tnl!-{'\chl ich
,·or hnn<lcnf n l l n t f•r::cihirdf\ jo f;rgi-ns!'tt7.<' d('r C:1::--a1n tan~chauu O{;t'n blin,r lling~
ignoric rl 0111.'r tl ic ~-IO~lii;h !<eil einer !r~cnd,viio ohj<>I, Li ,·(',n Gcschicli t-:forsch u nR
a11rhl•f>t". 7,11 ,ria,I "·r~nn n,on I.H•rnck i,;.i ch ligt, ilaß ic h hf•i alisolu l 11n \\' crll!n n it·ht
a n eiru: in h a. l l l ich a u-..g~•slallclt• Gei;ch ichls111utavhy:.1.k tH,ndcr11 nur an ein
Sy::;l t>1n r o r rn a I e r \ \ .(>1·11' rl(•nke, clarf l<~ine 'Rrdf! ctn\"on S<' in, (in0 dad1 1rc h
dir ( ll ljl'kti,·it ltL ,lor c rn p i r i s c h ,. n (lr.~ hich l t•, die sich mil ,,rt•lul iv<'n
\\' erlc 11" ll e g n il g L, bcdro lll \\'1' rLlO. , ·~1. dazu auch n1~in e ,\lihand lu11g:
(,c~chic hl:-ptiiJo~o r, llic a. a. 0,, . 634 f.

D191, h,ado por Google


- 567

nt1r ,d avon, daß fi1r unbedingt allgc1t\eir1e Urtei le ein mci-1r o<Jer ,veni-
ger großes t\laß von Wa.hrscheinlichl<eit in Ar1sprucl1 gcnonunen
,,rcrdcn <larf I denr1 scl1on in cletn B egriff d-e r \;\Tal1rschcinlichkeit
.~ -
cincs urtbeclingt allgemeinen Gesetzes teckt ein übcrerr1pirisches
Elen1cnt. E s ,vircl dnrin vorflu. gese tzt, daß i l" gen d \\·eiche unbe-
dingt tlllgemcu1cr1 U rtcilc unabhar1gig \.' On den el'kennend.en Sub-
jcltten goltco , uod r1ur das ist fraglich 1 ob diese Urteile aucl1 schon
in die Lnen ·chliche Erkenntnis eingegatigen 'ind. Ol1nc die Voraus-
setzung, daß ,vir in dje er \Veise die Erfahrung überschreiten können,
l1at es kei.nen Sinn, zu behat1pten, da·ß , ,vas für t au send beo-b acl1t-Ote
Fälle gilt, ,,,vahrscl1einli.c h11 auch fül' den tause11d tt11d ersten nicl1t
beobftchteten Fall gelten ,vordc 1 und (liese Vorau ssetzung schließt
ein, daß i r g e n d w e l c }1 e Gesetze sogar da11n u n b e d i n g t
gelten, \\1enn ,v-ir noeh kein einziges von ihnen kennen sollten. Frei•
lieh ist dies ei11 Punkt, über den der Empiri mus nicht !)CILen 1nit
großer Goclunkertlosigkeit hin"'~eggcht, oder den er ,rut 'fheorien
gl,1ubt erledigen zu können, die die Frage nur vor\virren. nsere
subjektive U e b e r z e u g u n g von det Geltung ei11es Gesetzes
ko11l1nt ge,.viß in vjclen J?älle11 d •u rcll ei11e Häutung von Beobach-
tungen ztistandc, uad die psychologj sc\1e Analyse des ,vissenschaft-
lichen realer, Denkens ,\·ird claJ1er Begriffe ,vie Gc\,•0l1nhcit it1 den Vor-
dergrt1rl.d schieben köonc11 1 um clie Ueberz<n1gu11g de Subjekt.e zu
erklärer1. l)as aber hat 1nit u11serrn P roblen1 nicllt das Geri11nste zu
tun . ~lag unser Glaube durch tauser1d Beobachtungen entst an,den
sein, rechtfertigen läßt sich da-d urch a,Jcl1 11ur die Wah rsc hei11lichkcit
der unhcdingtc.r1 Geltung -eines GeseLzes nic tnal . E s lltllß vielmcllr
v o r je(ler Bcobacl1tuI1g <lie Geltt111g irgend ,velchcr Ge-setze und zu-
gleicll die l\töglicl1kcit außer Z,vcifcl st licn , a,1f Gru11d d es Erfah renen
ct\,'as über Unerfahrenes zu ,vissorl , fa l'I J as Sucll.en nacl1 Nnturge-
seLieu cineo Sinn haben soll. elbstvcrständlich bleibt diese Voraus-
cl:.zltng ebenso forrnal, ,vic sie übere1n1,iriscb ist . Die otur,,,is~en-
schaft kann eventuell ei11es 'I'ages clahin korr1tnen , alle unbedingt all-
ge1T1cir1cn Sätze, die . ic bisl,er gefltnden zu l1abcn gl"111 l:1 tc, für falsch
• zu crl<lären , aber solaogc überhaupt Nat.ur,,risscnscla a{t getri eben
\Vet·clen soll, c)n,rf man (!rts R-echt des erkcr1r1e11de11 uhjckte. auf den
Glauben an ttnbedir1gt allgerncine· Gesetze und arJ clic :\löglichkci't,
ich ihrP,r Erkc11ntr1 is ,vr•n.ib"Ster,s ._lru1ühl·rn zu kön11cn , niC'n1:ils i11 Frat•c
st.cllcn.
chrncn ,,·ir r1un Hn, dies R eüht. -ei er\,·iesr1J , ,v "lches :-i rld da11n

ürg,t~hzado por Goog e


- 568 -
die Voraussetz.u11ge11 1 die von de1· G e s c 11 i c ll t e ge111acJ1t ,verde11
r11üsser1, dit111it illre Objektivitä t nicht hlnter der Objektivität ei11er
Ge. etzeswissen cl1 aft zurü ckb leibt? Braucht ie überhaupt ilberem-
pirische Voraussetzungen ? Auf die Beant,vortt1ng die~er Frage l{otnn1t.
jetzt u.fl.es an .
In der at11nvissenscl1aft finden ic h Begriffe, cJere11 Inl1alt de1,1.
was absolut gilt, n1chr oder ,,·cnigt1r nah e . Lehen soll, ,väl1rend olcl1e
Begriffe in der Gcscliicl1ts,vissenscl1aft seih. t nicl1t. vork-o mmen.
Erithält sie überernpirischc Bestan<i t,eilci !)O körlncn diese also nt1r
in den leitenden Ge s i c ht s p u n kt e n der Begriffsbildu11g stecken.
Aber der I 11 h a I t ih.rer leitenden Wertgesicl1t~pur1l<t e ist ja eben fa lls
der Erfnhrung entno111men, den n i-tt1c h die norr11ativ allge1neir1e Gel-
ttang von \Verten für eine besti1nn1Le Ge ell cllaft läOL ich i1r1 Prir1zip
durcl1 Er!ahn.1ng fcststcllcrl . Die Geschicl:1ts,\'issemcha-ft ,vird dal1er
wol1 l njo1nals dazt1 korrrmen, al le ihre Darst.ellt1ngen des,veg~n u 1t1zu-
stoßc11., ,..,eil die \\>'orte, cJie sje benutzt hat, nicht n1ehr al allgc,nein
betracl1lct \verdcn , d . l1. sie ,vird es nicht für n.ötig ha lt en, dnnn 1T1it
ga11z t1euen l{ultur,\'O rtcn ihre Begriffe zu bilden, denn sie rauß
das me11schliclie Leben d,e r Vergangent-ieit aus sich selbst hcra t18 ver-
s tellen und daher ein jedes Inrlividuu1n au! die Werte bczie l1en , die
seiner Gcrr1einscl1aft als norrna tiv allgrn1ein gegolten l1aben. Die
Geltur1g unbedingt allgcn1ein1~r \Verte tind die ~1öglichkeit, _ich il1rer
Kenntrus \vc11i,r::;ten ar1iunäl1crr1. scl1cint cla hcr nur f{ir eine Ge-
schichts
I
p ~t i l o s o p h i e , die nach <le1n obj-cktiven Fortschritt der
t.1en~c lthcit oder dergleichen rr.\gt, nicht aber fiir die cn1pirische Ge-
schicl1t.s,vissenscllalt eir1 Bedürfru,: ; zu sein. \iV as meinen " 'ir al "o1
wenn ,vir von übereu1piriscl1en \ Tora t16sc tzu.n gc11 der Geschicl1t e
sprechen? Et\va clie ~l ögUchkcit1 bei der Konsl aticru11g von vVortcn
durch Beobachtung gc,visser J(ulturkreisc eir\e 1{e11r\tr1is der vVerte
n ic ht beol1acl1teter f{tiltur kreL.e zu ge,vinnen? Ofreriba r t\a t dies 111it
1

cJe11 Bcsor,<lerh eiten ,ler l•ist orisc hen Begrift;;bilrlung nicl1l.s zu t.u11 1
denn die Scl1,,ricrig'kcitcn , die sicll hier für den Hist.oriker ergeben,
sind a uf <lern Boden der rcir1c11 Erfal1rur1g 11icl1L prinzipiell t1nlösbar.
Die übercn.1piriscl1en \ tor~ussctzU11g •1t dt•r Gesth ichw n1ii~ et1 daher
an einer g,,11z a r1dcrcri lcllc li0,geu. Vcru1::ig tlie Nat.u r"\visscnscl1aft
rr1it i l1rcn B cgri rrcn sich dem t111becli11gt a llgcn1ei ngolt igen Ge„eLze
anzttniil1er11, o lto r11tJ,1t . ie ciarn it "·oll Hll ~r rn e11s-chlicl\eu W i 11 k ü r
los, ir1 tlC'r sie r1ach ~rn[Jirist.i.scl,er A11:-;icht i111u1er befangc11 ~ci11
rr1üßtc. l )ij~ G,•sl' hi r ht.P. <lng<•gen blcil1t stets bei 11,enscl1licher1 \Vert-

D191, h,ado por Google


- 669 -
::;etzu11gcn als dem letzten l{riteriu-rn stehen, da.:-- sie für die Aus,\'äh l
des Weser1tli cJ1en bei ihrer Begriff bil.dung be"itzt, und daher köri.nte
n1an sagen, -da ß die gan ze mer1 chliche Entwicklung vom rein wissen•
schaft1icl1en Standpunkt atas auch als ei11 vollkommen gleicl1gültiges
und sinnloses Durcheinander vor1 i.odividuelleo Ereigrii sen a11zu el1ei1
ist , dessen Darstellung hinter dem Suche11 nacl1 Naturgesetzen an
,vi... ·enschaftlicl1er Bedeta.tung \Veit zurückstel,en 1t1uß. Das Be2iehe11
der \1/irklichkeit auf \iVerte i t überl1aupL nur Sache 1r1enschlicl1er
Willkür. \>Vill also die Geschicl1Ls, issenscha{t d en Anspruch erl·1ehen,
daß ihre Au fgabe eine \Vissenschaftliche Notweodig.lceit i t, so muß !Sie
die Vorau ~setzung rnacJ1en 1 daß es sicl1 aucl1 bcir11 \1/crtcn nicht nur
t11n \iVillkür t1andell1 und das scl,lieOt nun in der Tat die übercrnpi-
ri ehe Voraussetzung ein, daß i r g e n \1 ,..·clc:he \VerLe uubcdi11gt
gcl.tcn, zu denen die 1ne11scl1liche11 \\' crtsctzungen in eine1r1 111el:tr a ls
\Villkürlich bestim111Len Ve1·l1äl Lnis stcl1cn. \ Värc das nicht der F all,
dann könnte 1t1a r1 vom rein ,vissc11schuftl,ichcn Stan,dpunk.t atis uber-
l1aupt kcin•e Gescl1icl1tc mit ,,·ertbczichen<lcr inclividuflli. ieren,d er

Begriff:;bjldting scl1reibe,1.
Diese \ furaussutzung ist sclbstverständli-ct, ,vieder reirt fortr1a )1
d . 11. c ,vi rd 1iicl1t.s darilbcr voral1agcsct,zt,, ob ein uns bekannter
Kt1ltur,~·crt a uf ul1bedi r1gl al lgernei r,c Geltung Ans pruch hat. Auct1 aus
diesem Gl'untlc bleibt die rein e,1,piriscl10 Objel{tivität der Gescl1icl1te,
die rnit faktiscl1 a11crka11ntcn \\i,e rtcrl arbei tet, unber[ibrt. Zuglcicl1
genügt aber rlie (or111alo \ tor(c\\1ssctiung vol lkommen fiir die Obj ekti-
vität der GI"~ ·liichto im l1öcl1 ·tcri in11e,' denn gelten 11ur überbaupt
irgcnd\,·clche \:Ycrtc ab olut, und ste hen dal1er die nle11scl1liclle11 nor-
mativ allg ~rneinen \\'ert e it1nen objcl,tiv niiJ-1cr oder rem er, so l1at ilie
men„chlichc l{ultt1rcntvvickl11og atich zu den unbecii ngt geltenden \-\ier-
t cn eine not,,,.enrligc Bczict111ng 1 u11rl da Streben, die Geschicl1te in
ihrern cininaJigen Verlu,Jf n1it l{ücksicht. auf 11ormativ ,aJJge1neine \\'erte
kennen zu lernen, lta11n dan,·i 11icht tllehr als das Prodt1kt bloßer \Vill-
kür betracl1tet \\'Crde11. \1/ir sel1en al5o, tlucl1 die Gc..,cl1icbte bedarf eirie:s
ühere1ni1iriscl1cn Elcn1cntes, falls die F or111e11 ihrer Auf{a&;ung, d . b.
die Begriffe de'3 historisclten wertbezogcner1 lo-,lividuur11s, clcs histo-
riscl1ctl ,vertbezoge1len Zt1sn1111ne11hat1ges uo(J d~r historischen ,vcrt-
bezogc11c11 Ent\vicl(lu11g nicl1t hiuLcr den F orn1cn an \.,·issc11~cl1a f~
licl1cr Bedeutu ng zurücl<. telien sollen, die die Nat11,.,.vi5:-,enscha(t
b1·aucl1t, ur:r1 zu Nat.urgcscLzcn zu ko111111e11. \\/c•1· ~ ~t,11-gc-ot.ze
sucltt., 1nuß1 ijObald •r auf d.ic Vora1.1s.scLzungcn scinc.r Tä tigkeit re-

D1911 11,ado por Goc,gle



- 570 -
flcktiertt anncl1rr1cn können, daß i r g ·c n d \\' e I c l1 e unbedingt all-
gcrnci11cn Urteile ricl,tig sind , und daß er n1it seinen Begriffe11 diesen
Urteilen mehr oder '-''enigcr nahe kon1mt. Wer die ein,nalige Ent-
\vicklt1ng der 1nc11:schlic}1cn I{tiltur ,vertbeziehend und individuali-
sierend erforscht und dies für eine üb·er alle n1,cnschlicl1e ,:villkür
erl1aber1e notwe11digc Aufga be der vVissenschaft l1ält, 1n uß 1 ,veru) er
sich auf das besinnt1 ,vas erkenntnistheoretisches Fundament djeses
Strebens jst, voraussetzen dCtr[en, dnß alle an Cakli eh zu konstatie-
renden Werlt1r1ge11 haftenden nor111ativ allgetneinen \.Verte 1 die in ihrer
i11haltlichen Bestirnr11tl1eit eine Dat·sLellu11g Jeiter>. 1 Z\var 11icl1t elbst
unbedingt gelten, aber doch i r g c n d ,vclcl1en Werten, die unbe-
dingt gelten, -o der deren Geltung v o11 jeder faktiscl1e.n Anerkennung
unabl1ängig ist , n~ihcr oder ferner stel1en 1 und daß dah.e r die .m ensch-
lict1e Kultur irgend einen, uns e,,e11tuell 11ocl1 gänzlicl1 unbek an nten
objektiven Si1-in mit Rücksich t auf diese unbedingt allge111eit1en gül-
tigen \1/erte hat. Nur dann is t es logisch unverr11eicllicl11 den geschlcl1t-
lichcn Verlauf au[ \"\7erte überhaupt zu beziel1en, und nur da.n n ist
vom rci11 \-Visseoscha(llichen Standpunkt aus die cin1nalige Ent\\tick-
lung der Geschichte u11ter keinen Urr1stär1der1 ein ir1nloses Durch-
einan<icr von nur vorübergehe11tler1 u11d bedeutu11gslose11 Ere-ignissen.
Daß die angegebene ' 'oraussetzung der Geschicl,te itn praktischen
L cbcr1 1 d. h. vortt "'ollenclen 1111d l1a11delndcn ~le11schen in1plicite
"'enigstens gemacl1t ,vi rd 1 so U'te !{eines Be,,·eises bedürfen . Icl1 kann
z,var glat1bcn, daß ich. nuch bei den Zielen, die ich n1-ir s-etze, und die
ich al ,vcrtvoll erstrebe, überall irre, ja, icl1 ka1111 fü rcht en, daß jede
l-lar1rJlting rneities Lchcus vcrfcl1lt ge,,1cse11 ist, ,vei l sie kei11 G11t l1or--
vorgelJracl1t hat , an. lle1n ci11 r11cl1r uls ir1(lividucllc1· \.Vcrt l1aitet. Aber
schon diese Furch t setzt d ie u nbeding t e Geltung von irgcrtd ,,·elcl1en
Werten \1r1d die Vcrpfliclltung, Güter hervorzubringen, an denen diese
· ,,·ertc J1afl;cn, eben o voraus \11·ie die Uehcrznugt1ng, jederzeit das
\vahrl1;1fL \Vertvollc ·,-strebt zu l1aber1. I{önnerl ,Yir al~o i111 pral{tischen
Le.ben di.e \ 'orat~se tzun g unbedingt gültiger , verte nien,als bcst.r~iten,
so ,vird für de11 \\'Ollendcr, u11.d hanclclnd.er\ l\1enscl1cn die \:Veit sich
,n ot,\·endig nuch nls ein Ent,\·iclilu11gsprozeß clurstcllcn, der mit Rück--
icht au f '''crte in t1n,,·csenllicl1e und ,vesenllict1-e ir1cliviciuellc BesLond-
teile zerfüllt, d. h. der p:raktjscl1c lfe11sch ,,·ird in diesen1 Sinne stet
,vertl>eziehend l1istoriscl1 denkc11, 111ug u11cl1 seit1 \Virklichkcitsinter-
esse sich nur nt1f einen l<lei11en räu1n1ichen und zeitlicl,en Ausscl1nitL
,ter vVelt bescl,rünlicn. Eir1e Darstellung dieses Ausscl1nittcs durcl1

0191 lt ado por Goog e


- 571

\VCrtb eziol1cnde u:1dividualisierende Begriffsbildung ist dan11 fil.r ihn


eine Not,ver1digkeit, sobald er sich das zu nl ausdrückl ichen Be,vußt-
sein bringt, ,vorau.f d.er Sinn seines ,Lebens berullt. J\ber der tand-
punkt des Lebens jst nicht d er der \Visse11schaft, uncl darin besteht
nun eben die Fraget ob auch vorn ,visscntScl1u.ftlict1cn St.a.n dpunkt
d er bloßen Bctrachtt1rig die Voraussctzu11.g u11bcdi11gt gü lti ger \:Vcrte
unvern1cidlich ist 1 und ob daher die Gcsclliclits,vissenscha[tin den1s clbon
Sinrle als logisch not,,·eridig gelten kan1l ,,·ie die Natur,,·iss~nscltaft.
Dies Prohlcrr1 1 dessen Lösu·ng a uf eir1e1n ko11 cquent ernpiri~tischen
Boden überhaupt nicl,t in Angriif gcuo1111r1cr1 \\.'erden karu1, l1abon
\\,ir in un_crn1 Zu a1l1111enhang noch zu l:5telleu, \Ven11 ,vir -Ober das
\Vcsc11 det· gcscllicJ1ts,,·isscu:schnftlicl1en Objektivität zur l(larheit
llon111,en ,vo,lle11.
III.
D i c rn e t a p h y ~ i c h e Ob j c kt i v i t ä t.
Bevor ,vir uns jedoch di ~ er Frage Zll\Venden , n1üsscn wir noch aus-
drücklich zu cinrr An$icht St,ellu11g r1eh1ncn , die ,vir b.rreit.s wi ederholt
g . treift, oie111Al~ ul)cr gründlich erörtert l1abcn. N::tcl1 ihr kö.n nen näm-
Jict1 clie bisl1crig ' t1 Erö rtcru ngcn als ci11c übcrflüs~igc.: Bcscllü rtigu ng
rnit selbst geschaffer1en ch,,'ie rigkeiLcn er ·chejncn , die lcdiglicl, einer
{al che11 Voruussetzt1ng über da. \Vcsen des ,,·i~senschaftlichen Er-
kennens entspringen, Alle ,vis~en!-chnfLlichc Tätigkeit bestand für t11is
in der Bearbeitung und Un, forrnung d er Inhalte, die c! cr ttn n1itte)bar
gegebenen R ualität entnommen sind. Dar( ,.s hierbei scio B<',vcndcn
l1aben ? Läßt sich UJ1ter dieser VorausS-etzu,10- ,viss.er1scl1aft,lich•c O·b-
jcktivitä t überl1at1pt versLeher1? Zunäc l, st: l1at es e i11c 11 Sinn, Uuifor-
1r,ur1g al Aufgabe der Nn.t t1r,vissenschaft zu bezeichn en? Beruht
nicht vieln1chr der • inn aller 11:ttt1r,,·issrnschnftlichcn Erkennlnis
darauf, clnß sie zu cinern ein ,rorclringl und den l nlln lt ihrer Be-g1·ifle
so zu l,ildcn bat , da O si,~ <.lioses Sein ,,·icdcrgcbcn , ,.,ic o. ,rirklif'h ist?
l\luß J) icht al lc u 1n rorn)cr1dc Bcgrif fsbildttng Je,1ig1ich als cir1 1\1 itt,el
zu diescn1 z,vecl< betrachtet ,verdcn? Bc::itel1t clar1r) aber d ru Kritcriurn
für die Objckti,,it.üt d er Bcgr.iffshildttng nich t in cler UebcrE>in.. tin1111 t1tag
mit, einer \\'ir kliclah:oit, un ci i t a lso tlie Geltung flcr us,,·ahlprin-
zipien nicht gerec htr •rtigt, \\'C.n n bei il1rer An,venclung jf' ne geford cT'le
Ucbercinst,in1mung des Denkens mit cfcm Sein l1 crgc-. t llt ,,·ird?
olan.g o ,,·ir nur cJ ic n1cthodologisc he tru ktur clcr Bcgri rrs-
bildung vcrrolgten 1 '"a r es gleichgültig, ,vic clie EnL,;cl,cicl11ng über

D191, h,ado por Google


- 672 -
diese Frage ausfiel. Es genügte uns, ,venn \\~ir zeigen ko11oicn, \\-·ic
durc11 Urnbilduog und \ 'crcir1fac hung die Wisscnscltaft; vor,värts

komrnt. Freilich mußten ,vir den Begriff <lcr \Va hrheit al (1cn d er
Ucbereirastimrnung eines Begriffsinltaltes 1rut <lern Gegenstau-de, den
er erkennen sollt scl1on dabei i11 ofcrn aufgeben, als die Wissen c haft
nicht die c 1n p i r i s c 11 e Wirk1ichlceit abbilde11 ka11n 1 u1ld als tat-
säcl1licl1 kci11e Begriffsbildur1g di,e Tendenz zeigt, sicl1 diesetn Ziele
a,1cb nur a11zunä!1er11. icht man daher in der e mpirisc hen \Virl<lich-
kcit die ei.J1zige \Virklichkeit, so \\'ird rnaJ1 in11ner nur sagen können,
daß die \Vis enscba ftli ctlen Begriffe f ü r die \i\'irklichkeit zu g e l t e n,
nicht i,ber sie selbst zti e n t 11 a l t e n haben. Ga11z anclers jedoch
gestaltet sich da::; l,)roblem d er Objektivität in der Tat, \:vcnn .m an z ,v e i
Wirklicl1keiten ci11:c on1pi1·ischc Brscl1einungs\,·clt und eine absolute,
1

transzendente ode1· 11,el apl1ysische Realität an11i1r1r11t. Dar1r1 kann man


sagen, rluß dio natur,vi:;se11scl1aftlichcn Bcgrif(e, die durcl1 Um.for-
n1ung und Bcarbeitu11g der e1npirisclier1 \Virklicl1l<.cit ontst el1en, den
z,vcck haben, das absolute Sein der Dinge vvicdcr.zu picgeln, und daß
da ~laß il1rer Geltung davon uhhä.11gig ist, ,vie ,vcit sie sicll dicsein
Ziele angenähert haben. Da1111 ,vird die Uchereinsti111rnung des Be-
griffsir1l1all,ccs 1nit detn Wit·ltlichl,eit.si11l1alt das I<rilcriurrt (Ur die Ob-
jc.ktivit.üt. Insbc onderc die allgemeinste Jl atur\\.- b.,s_c11scl1aftliclle

Theorie d es Pllysischen l1ätte clanc1 die ,vabre pll)'3iscl1c Rea.lität,
u11d die t1llge1r1ejn . teo }lr-ychologischen 1'11eorien das ,vahre Se in
des Seelenl.cben,:; so darzust ellen, ,,·ie es \.vii·klicl1 is t . Die Natur,vissen-
schafteo ,vürc1en also si,cgreich durch clen bt1ntcn · chlcicr der Erschei-
nu11g hiJ1clt1r·cl1dringcn., der die Rcc1litä.t d•er11 un,,·is1,cnsc haltlicl1en
Auge ve1·l>irgt. Die Körper bc..-:o,tchen. <lnn n ,~·irkli cl1 aus e,\'ig t1n-
veränclcrl ic hcr1 Ato111l'n I die ~ic l1 nach e,\·ig unvcrär1de rliche11 Ge-
setzen be\vcgcn, u11d das is L d e r Gru11d , aus ,Jc111 die Natur,rissenschnft
den Io~1alt clor c1u alita t,i,.r 111annigfa ltigcn Dinge zersetzt ut1d in. Rela-
tionsbegriffe auflöst, bis sie sc.hlie ßlic h z11 Bcgriffe11 von cinfacl1en
Di11gen ltorr1111t.1 {lic fnHt.he111aliscl1 clarstellt}arc Bezicl1u11gcn z11 ein-
ander l1nben. Und ebenso \.vie auf de1ll ein Ller At.orne die Objel,tivität.
d es AtomhcgriCfe berul1t 1 ist aucl1 in der P s)·chologic d i c Th.eorie
allein gerecl•tf ·rligt, die u11s sagt ,o flcr s~1gen ,vird, ,,·oraus das n1eta-
physi::ict1c Scio <l cs cclcnlebcns hcst cht, tind n ach \Vclcl1c11 Gesetzen
seine Elcrr1en te sic h vc rb,i ndcn und tre1111cn. l la t 1r1nn aber so den
allgcu1ei11stcr1 phys.il,Hlischcn unfl {J:-)'Cliolugiscl1e1.1 'fh c<Jricn eine
vollkon1tt1cu uubez,,•eifclba t·c 111et.a11hysi ·cl1c Oujck.tivität verschafft,

0191 lt ado por Goog e


- 573

so läßt . ic h diese i111c l1 loicht auf die sp ozicllcrc n natt1r\vi~senscl10ft-


lict1c.n Unters11cl1unge11 iibertrag<'n, die da, körper lic he oder das
sa ·li scl1e Dasei,1 ii1 ihrem Ohjekto 1nachcn. )·lüssen \Vi 1· also nicl1t
an die:-5et' n1etapt1 ysi:,ch.en Objektivität d er Begriffsbildungen streng
lesth altc r1 ~ enn obj ektiv e VVissensc llaft durc h s ie zu tanrle ){ommen
1

soll'?
Sehr ,,iclen mag os a ls selbstversländlicl1 eNcheinen, daß go
allein eins \Vescn d er ,11atur,vi~ c nsc l1aftlic hen \\i'uhrheit ricl1tig an-
gegebe n i:;t, ttnd höch. tens gege n clen Ausdruck der 11 metap-i1ysisc1'1en''
Objektiviltit \Vird mo.n sich vielleic11t sträuben. • oh.1r1ge n1an jedoc h
die ,,letzten Dinge'' oclcr die 11 , eeleneJe1n cnte" nicht cJc1· un111ittcl-
baren Erfal1rt1ng zugänglich gen1acht t1at, dürfte e.~ . icl1 docl1 e1r1-
pfchlcn, die A1·t ib1·es • ein ~ at1ch prinzipiell vo11 de r d e r beobacht-
baren er11piriscl1cn Wirl~lic hkeit Ztl scl1eid en , u11d <lal1er rnüssen \,·ir
j e d c A11sicl,t 111eta,ph,)1 ' isch neru1e11 1 die z\\·ci .>\.rl"'n clcs · ein I cirt
cn1piriscl1e und ein ab olutes vorau ·i,.c tzt, und <lcu1er1Lsprechet1d
vorl rnct.aph;•~i eher Objektivität. reden, \VCnn ,tic Geltung der ,vi:;J,en-
scl\aftlichen Begrifft"' davon abhär1g·ig sein soll, '<''io '"•,eit il1r Inhalt d a.
, 1ab~ol1ltc" eit1 ,,1c(lcrgibt. .Je<lcrrfalls aber sinrJ ,vir genötitrt, z-11
dern ar1gegebcnc11 Begriffe def. Erk.enr1cns l<.ri li$cl1 tcllu11g zu neh-
n1er1 , denn das Verhält11is <lcr Gcsc hicl1Lc z11r atur\~·issenscha ft wird
durcl1 ihn ,~on ncuo1n ein ga11z andercs 1 al es bisl1cr . c hien. Die prin-
zjpiell e Gleich\,·crtigk~it de r gesch ichtliche n Obje.k tivität mit ,ler
nA.Ll1nvisscnschaftlicl1cn 1 ciie sir t1 ai1f dem • tan<lp11nkte d er reinen Er-
fahru11g erga b, i t (lann ,vie<ler sel1r zu ungunst en der Geschichte
aufg,e hoben. Dringt nämlich die atul"\visser,sc1'l aft von der Er-
scl1einung zur Reolität vor, so bleibt im Gegen otz dazu die Ge chichte
mit ihren individualisieren,den B egriffs bildungen ausclrück]ich au f die
Erscheinungs\\·el t besct1ränkt. Das ,,1nr ja gerade der Charakter der
Ge chict1te a ls Erfal1ru ngs,vi:-;.'-enschaft 1 der diese Be chrä11ku11g be-
dingte. Z\var könnte n1nn sAgcn, daß Natt1r,vi:-senscl1a(t ur1d Ge c11icht.c
sich dann in die Erl(enntn i. de r W elt t e i I e n , inso fern es die eine
mit den1 da11er11dcn Sein, die anficre es mit dem e,vig ,verden,den und
sicl1 verünclcrndon Er~cheinungen zu tt1n hnt. Abct· di e Ge~cl.~icl1 ts-
\Vi "St:11scl1 a ft, stünde t1 nter dieser Vora u seLzuog in ih,rcr Objf•kLivitat
\\'eit hinte r d er atur,vis cnscl1aft zurü ck. Il1re B cg-riffc ,,·ä rcn cla nn
n t1 r Procluktc des un1.for111en,le11 unu heH rheilcr1den Subjt~kLes, untl
es gä be für ic kei11e R ealität, nac h der sie sielt ric hteu k611ntc. !\lögen
ihre leite11.den Gesichtspur1kle ulso 11och so allg<• u1eir1 a11erka nnt „cio,

D191, h,ado por Google


- 574 -
es fehlt ihnen eben docJ1 die Bczicl1t1ng ZlI ein urr1 ,,Gegenstande'' der
Erkenntnis, der absolut fest stellt. Die Geschicl1te ,vird der Natur-
,visscnscl1aft gegenüber zur bloßen Empirie im schlechten Si1tne des
Worte-, d . 11. zt1 einer Wis enscha!t 1 die nicl1t nur überh aupt an den
Erschei11ungen haften bleibt sondern zucrleich in1n1er n ur eine unvo]l-
ständige, auf einen !<.leinen Teil der Erschcinungs,\·eJt besch1'änkte
Kenntnis liefert. Sie bleibt bloße ,,Historie' ' als I{onstatierung v o11
,vertbeziehend angeordneten Tatsacl1en, \,1ährend die Natun, isscn- 1

scl1aft alles bloß Tatsächlicl1e und Histori ehe in jeder llinsic,h t weit,
hinter ich zul'ückläßt, u.n1 zum E"''igcn vo1·zudringen.
Doch es is t unter solchen Vora ussetzungen noch ~ine an.dcre An-
sicht denJmar. Vielleicht kann man närnlich sagc11, daß trotzdem auch
die Lage der Ge' cl1icl1t.e vom rl1ctapl1)1.Siscl1cn tandp11nkte mit Rück-
siclit auf die Objcktjvität nicl1t l1offn ur1gslos ist, denn dje angedeute-
ten K o11seql1enzc11 ergeben sicl1 nur, solange r11an an den1 von
uns dargelegten BcgriJC des ltistorischcn E rlten nen fc. th ält. Ist
aber dieser Begriff nicht vielleicht ebcr1so angreifbar \.vie die l\leinung,
da ß die Nat1.1n:\...jsnen chnft nur in einer U111f o1T1 1\1ng und B earbeitung
der crnpi.rischen WirkJich1teit be teht? W enn die natur,,•.isse11schaft.-
liche Begriffsbild1.1ng a n einetn absoluten Sein de11 resten l\taßstab
für il11·e Bestreb1.tngen ur1d die Grun(llage ih rer ,vi sensclioftliclteo
Bedeutung besitzt, ist es dann nicht rrlöglich, daß au ch die Geschichte
einer n1etaphysiscl1cr1 Objektivitä.L sich erfreut? E s scheint sicl1 in
der Ta t ein \\7eg zu ei-öffncn, auf dem J't1tu1·v.·issenscl1aft uncl Ge-
schicl\tc "'·icdttr at1f dicsclLe Sti1rc der \\'is. cr1scha[t,licl\c11 Objclctivität
zu st ellen. sind. 1\lt1n brt\ ucl1t nur 11acl1zu,,·cisc11, daß djo Geschic.l1tc
sicl1 cbcnf~1lls au r eitle }-[et.Ilp11)'sik st ützen k:1r1n in dem Sinne, ,vie die
Natun,·isscnschnft von <ler l{örper,\·elt sich auf djc 1\lcLaph}'Sik d e1·
Ato1ni;;tik s tützt, und z,var hätte mon iu zeigen, d nß die l(ult ur-
,,tcrte mit dein n1etapl1ysiscltcn \Vesen der \Veit so in \ 1~rbinclung
ste11en, daß die \' irklicl1keit sict1 nls ein E nt,,·icklungsprozcß auf-
fus en läßt, dl1rcl1 clen d.as \\7es;;en. der \Veit in clie E rscl1eir1ur1g tritt
oder sich a11 dein cn1pi1·i cl1et1 Sein vet'\virltlicl1t . Dann l1ätte auch die
Geschicl1tc a11 einer ab olute11 Rea1itilL den objektiven I\lußstab und
braucl1te <lcn Vergleich 1t1it. der NnLUJ'\\-iSRenschn! t nicht mehr zu
Rch,etron.
Derartige Ver:;uclte sind denn au cl1 ge111a.cht ,yordcn, t111d als
Typus k a 1111 1.rns hier ,vicdcr l-feg<-1 geltcsl, bei dern der I Geist'' in
der Gescl1icltle zu sich selh~t , d. 11. i.t1r Freillcit J<on1111t. Da Pri11zip

ü1g1taltzado por Goog e


- 575

zur A,us\-valll des \,Vesentlichc1\ scl1eir1t l1ior 1nit. dcn1 n1ctaphysiscl1en


\.Vesen der \iVirklicllkeit zu an1111cr1zu{allen , u11d a11 ::ieiner objektiven
Geltung ist , "\\'enn die e ~tetaphysik richti.g ein sollte, nicl1t zu 2,\vci-
feln . \i\1elche Bedeutung ei.ne soJche Philosophie fiir die gescl1ichtliche
Auffassung haben k ann, dara.uf ,viesen ,,rir scl1011 früher einmal hin .
Gelingt es also, sie ,vissenscl1aftlicl1 zu bogrü.n den , so schein t sielt in
absolut objektiver \tVeise die \VirkJicl1keit. mit Rücksicht auf das
n1etapll)'siscl1e Prinzip in eine Reil1e von Ent,vicklung stufen zu glie-
dern, von denen jede in ihrer Eigenart objektiv bedeutungsvoll ist..,
und auch das Einzelne und Individuelle ge\vinnt ein eminen t. ,vis~
se,1 chaft,licbes Interesse durclt die Stc-llt1r1g 1 clie es in clcr alln1äh-
)icl1en VenvirkJicht1ng des 1nctap'l.1ysischen W e.<:-ens in der Sinnen~
\.Yclt einnirnr11t . Ei11e gosclliclltlicbe Darst.clltlng der \.\7irl<.lichkcit
u nter diesen Gesicl1lspunk te11 ,vtire desl1alb jeder \Vil lkil r e11tzogoo,
\\'eil ihre leitenden Prjnzipien aufgehört hätten, bloß rne11Scl1licl1en
\.Vert...-;etzungen entnornmcn zt1 scin. ie \.\'Ürde den l\lcnscl1cn eben o
über sich selbst, zu erheben verr1\ögeo, ,\·ie die NitLtir,vi. e1Jschaft es
tut, ,,·o sie u11 das ab olut.c cir1 uc1d sciric C\vigc,1 Gc:,etz.e k c11nen
lel1rL. \Vird di e Gcschich philosopllie also 11ic lit versuchen 111ü sen 1
zurn in ner Len ,,, "Sen der , Veit durch die Erschei nung hindurch-
zudringen t1nd o objektive Gc~ichtR1, unkte für die historische Bcg riffs-
bilclu ng 1.u ge,,·innen ? \''ir sehen r.vnr bist1er l<.ci r1<'11 \Vcg, auf clcnl sie
dieses Zjcl errcichcr1 könnte. Aber das bc,veist nicli t, dH O rla~ Ziel

überhaupt unerreichbar ist, und \\.1ir . clioinen <l ahcr, ,, -,,.1111 ,vir zu ei11er
prinzipiellen EnL5cheiclu11g dieser Frage k.1'.►111111l·n ,\ollc11, vor rli e Auf-
gabe gostcllL, die Uncrreicl1barkeit d •!-i Zie lc.s zn tJc,vcL.;.t•n, ,t. l• . d nr-
zt1tt1n 1 claO es keine 1neta1)l1yi-icche Realität gi bt, ntif d.ic 1lic Ge..:.chirh~ -
,vis:;ensc11aft die Objel-tti,•ität ihrer leiterrclcn Prinziflien 11nrl il1rcr
Bcgrirfsbildun.g zu :-tilt1.en ver1r\ag. Ab+"'r auch d ic:-s i!l- t ror uns nicltl
aui;Fül1rbar. Z,var ,,,äre es viel leicht miiglich, zu z~i~en , daß die Ge-
sicl1tspunl(to, (lic die l1ist,orischen Oarst e.lluug,"n lcite1l ::;()llnr\, <l~sholb
nicl1t. au 111et.apl1ysischcn RealiLUte,1 i t1 ge,vi11 ft •n Riud , \.•rci l n1a n
d abei ,)n$ Bcknr1nt.c nu ~ de111 Unbcka1111 tcn ahlcitC'n. n1ilßtc. E s ließe
sic h eventuell n\1ch ,va l1rschcin licl1 r11aclien, d nß <i iP n1 P.tt1ph)•:-i ·chcn
V\fesenhc,i ten , die n:1 an gefu11d1~11 z.u l1 ubP1t glaubl, njch l.s an(icre~ als
r1lcta1, t1) Si.-ct1 'h )' ()Ostasierto \ Vertbegriffc in(l, tli,~ 1n~n schon h<'snß,
1

ehe man nn dcrt Aufbau der ~lct.aphy:,ik giug. un,d ll:,ß 1nitl1i11 eine
~lelnph)rsil<. höchste11 auf obje},ti,re \:''crLc gcsLüt.zt1 ni c1na l~ jcdo,~h
tttngekehrt. clic Ohjc){t,i vi.lä t df:" r \\; eri t' ;111:: eir1cr ~ let.a f)h ) 'Si k ht•rzu-

ü1g1taltzado por Goog e


- 676

Jciten ,väre. Aber, sobald rr1etaph.y i cllo 11calitätcn in FL·agc korn,ncn,


0

\fcrc1agcn alle clic l\litt.el1 die eine logi ehe od-er erke11nlnislhcoreti"che
U11t.ersucl1ur1g zur ' 'errurrung hat., gleichviel ob e. _ich u1n J>Ositi,•en
Aufbau oller urn 11cgali,e Argu,r•cnte handelt, ur1d auf J en Be,vci
dafüt\ r:laß es eine absolt1Le \Velt nicht geben k a n n , di e . ich i111
Lau-fe der Gescltichte in der ern piri!.chen • inr1P-n,:velt ver,,rirklicht,
,,·ird ger:1clc der verzichten 111üssc11 , cler die Konsequcr1z.cn rJes Gc-
clank.cns zicJ1t 1 daß ,vir \Venia-stcn. aur der11 B-0den der \Vissen c'ha fts.-
lel1 rc über a11ciere als ir1lrr1ancnLe cntpiriscl1e \iVirli.lichkcitcn rnil Si-
cJ1crl1eit. 11 i c h t s aussagerl liön nen .
Trotzclem brauchen \\'i.r at1cl1 tnit Rücksicltt auf dieses Proble·m
.nicht bei einem 1''1-.agezeicl1en stehen 1.u bll!iben, \venigst.ens so,veit
es ic,h dnbei nocl1 urn ein gc chjcht.-,philosophischc~ Problen1 l1nndell.
1

chn1en " '"ir ci11mal a.11 es g5bc z.,vei ,rer.scl1ie<Jcne \\ ' irklic hkcit e11,
1

eine absolute 1nctaphysiscJ1c R enliUit. und eitle c1npirischc 1 die n.ur


tleren Er c- hcinung ic;t, t 111,l \\'ir ,v-Oßlc11 ferner gel1au, ,,·orin cJa · \Vcson
der mct.ap~1ysiscl1en \1/elt bestcl1t. l( önnte11 \Vir uns d.inn ei ne \ \'' isscn•
schaft tiu ch nur d e 11 k e, n, 1nit deren Hilfe es rnögl.ich ,,·äre, der Ge-
schicl1t.s\,·is..5en schaft die ge ucllte Objektivität ZlJ v erleihen? Ver-
s t1cl1en \vir, t1r11 d ies z L1 cotscheidcn , dtis Bilrl einer solcltcn \Vissons l1art
zu ent,vcrfcct, so ist zl1 näct1st k l:.lr, <laß sie <in · \i\1esen llcr \:Vclt ui c}1t
in ein r sich c\vig glcichbleiben<lcn Realität >-chcn darf, ,,·ie das fast
a lle 1\leta1)hysik tut, der1n {iann t,cbt sie ja ge rade jede11 objektiven
Sinn der Geschichte auf.. D,a11n n1ac:ht. sie jede l1istoriscl1e individua-
lisierende Begrif(sbilcluug überflüssig. Das hilL bereits Schopen ha1ter
gesehen und daher von seine111 SLa11dpltnkte mit Recht der Gei-cl1ichtc
jerlc Bedeutung abgesprochctl. Die ~·f ct..apl1ysik n 1\lß vielrnel1r, um
der eir1rn~ligcr1. Er1t,vicklur1g des Ge chichtJictien gerecht zu \\1crde11,
selb t 11 e,•olutioni. tisc l1" sein , d. l1 . s.ic muß die Begriffe des \Verden:;
ur1d {lcr Vcrändel'ung ir1 das rncta11hysische Wesc11 der \ \ ' el t h·ineir1•
v erlegen. Fer11er dar( sie diese:; Bich cnt,vicl{clntle \ Vesen nicht gleicl>-
giiltig g~gen \ \ ' crl oder nwert denk_en, de1111 son. t ,~·ären aus ihm
keine Jeitenden Prinzipien ·für die hi lorischc Bcgri.ffsbildun<, Zll ge-
\\·innen. En.dlich ntu,ß sie,. t1nd das ist der cnt<:ch-,!irlc11<le Punk t, o-
,,.<lhl die 111ef.:tfJhy~i~c.he \\1elt als auch ihr Verhält11i~ zur cu1piriscl1e11
\Virl,:lichkeit. voll l<.on1rncn r a Li o n a I denJ,en, d. h . d as ollgemeine
Gesetz kc11ncr1, 1,ach dein das n,et.n11l1)rsiscl1e \Vesen sicl1 ent.,,vickelt
und i11 die Ers<: hei1rung tritt, d.enn so allein ,,·ä1·e e., n1öglich 1 die Er-
Ial1rungs,,·elt in eind~L1 tigc r \\'ei e auf die n1c:taph)t;;i~c hc ' i\' clt zu he-

0191 lt ado por Goog e


- 577

zjel1cn und das ''' ese11tlicbe vo111 Un,vc entJiche.n im gescllichtljc.hen


Lehen mit Sictierheit zu, trennen.
Denken ,rir uns n,u n diese .B edingungen crfüll.t und fragen,
"'·as eine solche l\lctaphysik der \.Vissenscl1aftlichcn Tätigkeit des
lli~torilcers bieten ,vürde, so ist die Ant,vort darauf nicht scll\\·er.
\\' ir bra.ucl1cn 1 utll in der unübersehbaren Erfahrungs,,·el·t das W esent-
liche , •0111 n,,re entlicl1en in allgc1neingültiger W eise zu scl1eid en t ein
Prinzip der Aus,vnl1l, mit Rucksicl1t au f das dev Inhalt der hi to-
riscl1en Begrif.fc s ich 7:u einer Einheit zl1san1menschließt, ,väl\r,e nd alles
anclere a ls u11,vcscnt)jc}1 beiseite b leibt. l{ann aber jemals ein B ngri ff
von dem mctapl1ysiscl1en \ \losen der Welt ein Aus\.valllprinzip bei der
Darstl'llung de r \Virkliclikeit sein, die ctie Erscl1einung jerles 111et.a-
ph)· iscl1cn \Vesens j~t , und deren Verhii ltn is zu diesen1 metaphy-
si chen \\'c~en ,vir begriffen und rational gcrrulcltt haben? H ebt
nicht vielmehr gerade die rationale Erkcrl11t11js des Vcrilältni~scs
z,vi ·cl1cc1 \\7escn u_nu Erscheinung diese l\1öglichkoit auf '? Sobald ,;i,•ir
" •tißLen, nach \\'elche m allgerneincn Gesetz. da \Ve. en ich ent,"·iclrelt
t111<l i,r, f„fiufc cler Erit,vicklung in die Ersclieinung t ritt, nlüßte ja
flir uns die g e. a tn t e empirische \Vi rkl ichkeit in gleicher 1'\i'eise zt1r
Ver\\'irküchung des \\'csC11s not,,·cnd ig sein, und dadurch v erlören
,vir sorort die 1\{öglicl1keit, ,~·ese•1tlicl1c l ndividuer1 v oo un,vescr1t•
liehen Jnclivid ttcn zu scl1eiden , also hist..orische Be"'riff c zu bifdcn .
.'\ rn dctitlichsten zeigt un s d ies ,viede1· die ]iegelsclle ~•l etapliysik,
die docl1 von allen metaphysischen S)•stcmen nocl1 a1n n., cistcn r11it
cir1cr gcscl1iclltlicl1cn Aufft1ssung vcreir1bar 1.u sein scheint, t1nd es
ist da l1er not,vcn<lig, da ß, n acl1dcrn wir früt1e1· ihre positi,,e Bedeutt.-1ng
für die Ge cl1icl1te hervorgehoben l1abcn 1 ,vir jetzt, aucl1 cine.n Blick
aur die Tendenz in ihr ,,rcrfen die einen total anlihisLoriscl1en Cl,ar-ak-
ter ge,vinnen ,vorde, ,venn man sie zu einer GcschicJ1tsmetaph ysik
in d em a ngedeuteten Sinne macl1en ,vollte. \Väre der Begrif.C,d er Frei-
heit mehr als oin \\'crt-bogriffI der das l1i~torisch , v esentliche v om
ü11,,·ese11tlicl1cn zu trcr1nen gcstatlct, dar111 111üßLe der viel umstrittene
Satz: 11,,·as vernünf tig ist , das ist \\r.irklicl1, u.nd \Vas ,virklicl1 ist ,
da~ ist vernü11ftigt( 1 in der Tat die Beciet1tung annehmen, daß auch
j<!dc ernpiri:-cl1e ''' irklicl1keit mit Riick!-icht auf die al11r1ähliche Ent-
,,ricltlung des Geistes g l e i c h. n o t '". e n d i g sei tt11cl doller die~
selbe Bedeutu11g habe. Sobalt.l ~her clics, ,,·as 1-lc!Yel ge,viß nic-l1t l1 aL
sagen ,,·ollen, behauptet ,vird, gjbt es l(eine Ges<·l1iellLe u1chr. E s ist
da nn a I l es in d r \\'elt in gleicher \Veise ge:;chi l1llich otler unge ·c.hicht-
R i ~ k e r l,. On!n1:e.n, 2. ,\ ufl, 37

ü1g1taltzado por Goog e


- 578 -
lieh, und alles Individuelle verliert seine e i g e n a r t i g e B edeu-
tung. Es ,vird zu·tll. gleichgültigen Excrnplar eines Gattungsbegriffe ,
der d as allgemeine \Vesc11 einer ge,visscn Stufe in der gesetzmäßigen
Ent,,,.iickluog des \1/eltgeist es darstellt. Der idealistisch-metaphysische
Fortschrittsbegriff ist demnacl·1 ebenso unhistorisct1 ,.,,ie der natura-
listische F ortschrit tsbegriff, den man aus dem Prinzip der natürlichen
Anpassung durclt Selektion zu ge,vitt11en versucht l1at. Wir l1aben
bereit.c:; früher ausfül1rlict1 gezeigt. 1 , daß F ort.schrittsgeset.ze die hist o-
riscl10 lodividualit.ä t nicht weniger vernichten als Naturgesetze 1 und
,vir brauchen daher 11ieratrf nicl1t näher einzugel1en. E s gen(lgt, dara\tf
hin zu,,,eisen , daß der B egriff einer metapl1ysjschen Realität, zu
dem die empirische \VirklichlteiL in ein rationales Vor1'1 ältnis gcbrac~1t
wird , gerade das nicl1t geben ka11n 1 ,vas die Gcschicl1te braucht:
ein Prinzip der Au s \\f a h l, Wir können also sagen: e,i11 nLetapt1)·-
siscl1et· Idealismu , der das allgemcin.e Ent,vicklungsgesetz der W elt.
zu kenn,en glaubti macl1t. den einmaligon \ Terlauf der Geschicl1tc genau
eben o sin11los und überrlüss.ig ,vie ein 111ctapl1y~iscl1er Naturalisn1us,
der die ab solu te \\'irklichk.eit für einen e\vigcn Kreis lauf hält. Die
Bedeutung, die H egel für die Gescl1ichls,vi::; enscl1aft besitzl, hat er
gcl1abt, ,,,,e il die Fr,eil1eit ihn1 ein absoluter W e rt ,var, und er ihre
Ent,vicklung im gcscl1icl1tlicl'1 cn ' 'erlauf ver[olgte, aber es k onnte il11n
nicht gelingen, das \Vese11 der Welt r es tlo s als gc ctzmä ßigen
Fortschritt zur Freibeil zu b egreife11, u11d grade clesllalb ließ siell
die auch für ihn i r r a t i o n a l gebliebene en1piriscl1e ,virl<lichkeit
durch Bezicht1ng at1f den a bsolt1 tc n \Vert der Freiheit in eine Reihe
von E .n t,vickluagssl adien gliedern, in der \.\'ei~o, in der jede go chicl1t.-
liche Darst.clluDg il1ren SLoff durch eine \ crtbezieltun.g glicder11 rr1u ß.
H ät te 1--Iegol je1nals mit <lern Gcd.ankcn Ernst gemachtt daß a 11 es
gescllicl1tlic h \1/irl<l;cl1e ,1verr1fillfLig 11· ist , da·nn hätte er ei110 Gcscl1icl1ts-
philo:;01>l1ie n icht scl1reiben könr1en. Gcscl1ichtsphilosophie gibt es
nur unt er der Vornuss<':t zung, daß die ejr1e Gestalturlg der Wirklich-
keit mehr ocler ,vcr1igcr bedeutungsvoll ist als die andere.
Aber grade dieser U r11sta,ucl legt. 11oclt einc11 a11dern Gedanken
11al1e. ' ' icllcicht bestcl1t die Un n1öglicl1k eit, eine Geschichtsphi loso-
phie Zll begründ en und dn1l1it ol1jck·tive Prinz-ipien für eine llistoriscl1e
Begriff bjldo ng zu geLen , nur für cirlo 1 ,rr1onistische" i1etapl1ysik,
die nur c i r1 P rin zip kcn rtt. Bietet ein dualist.iscbcs Systern, das
im l{anlpfc eines guten u11d eines bö~e11 Pri11ziJ)S das \Vese11 der W elt
1 \ ' gl. ob1•11 s. -1 11 rr.

0191 lt ado por Goog e


,
579
erblickt, de·r Gesehicllte nicht mehr? K ann die empirische \\7irklich-
keit dann nicl1t auf den l{a1npf der beiden Prinzipien bezogen ,verde:n?
Ist in ihr nicht das möglich, was in den monist ischen Gedanken-
gebilden nur zu Unrecht besteht? E s scheint ,voh.l so 1 aber auch dies
würde-....doch nur solange der Fall sein, als uns weder das Verhältnis
der beiden n1etapl1ysiscl1en Prinzipien zueinande:r1 n och ihr Verl1ält-
nis zur e1npirischen \-Virkliclikeit r a t. i o n a 1 geworden ist, d . h.
solange als wir die W elt eben noch nicht m et aphysisch begriffen
h.a ben . Dann aber ,väre es au,ch noch nicht möglic h, den einmaligen
Ablauf der Geschichte mit metaphysischer Objektivität darzustellen .
.
Sobald wir dagegen das allgernci11e Gesetz kennen, nach: d ein die bei-
den P1·inz.ipien 1nit einander kätnpf,en, und die Notwendigkeit, mit d er
das eine od er d as an,dere oder beide in die Erscheinung tret en, so \\rürde
sofort "\\ieder alles in d er W elt gleicl1 ,vesentlich sein , d. h . wir müßten
jecle beliebige \Virk lichkeit auf de11 m,etapl1ysiscl1en Gegensatz beziehen t
un<l die i\1öglichkeit d er historischen BegriffsbiJd,ung wäre aufgel1obcn.
Kurz, einer optimistischen Metaphysik wird alles wesentlich, eit1er
pessimistisclien alJes un,vesentlicl1, und filr eine dualistische, die den
I{ampf z,veier Prinzipien des Guten und des Bösen v oraussetzt, hat
ebenfalls a 11 es eine bcstimmt,e positive oder negative Bedeutung
für de·n 1nctapl1ysischer1 Wertgegensatz. Nur solange wir die \Velt
nicht 1:net aphysiscb begreifen und die empiriscl1e Wirklichkeit. in ein em
irrationalen Verh ältnis zu \1/erten stel1t, is t also Geschichto rnöglich.
Die für cJas theoretische Erkennen irrationale Wirklichkei t muß auch

mit Rücksicht auf ihr Verh ält.n .is zu W erten irratio11aJ bleiben. Selbs t-
verständlicl1 d arf das W ort „ irration al'' l1ier 11icht soviel ,vie rurti-
rational bedeuten sondern nur die I n d i f f e r e n z des Seienden
gegenüber dem Begriff und der11 \1/ert zu1n Ausdruck bringen ,vollen.
So verstanden aber vernichtet in der T at jede R.a tionalis ierung ,
n1ag sie nat11ralistisch oder iden1istiscl1 sein, die Bedeutung, welche
den Dingen durct1 il1r e Individualitüt zukornn1t. Das hist-0riscl1e
Denken ist ebenso " 'ie d as sitt.-licl1e W ollen a n clcu Widerstancl der
s tu m p f e n \Veit, an die Undurcbdringlicllkcit dor \Virklichkeit
1nit Rücksicht auf alJgen1eine Begriffe u nd mit Rücksicht auf \Vcrte
gc.bunde1l. Das t1at nucl1 die Philosophie über ehen , die so histo-
risch dacl1te \vie keine je zuvort die des dcutscl1cn Idealismus, und in
dieser Ii insicht müssen ,vir dal1er ihre11 Boden prinzipiell ,,,erlas en .
Doch l1abe1l '\\; r hier imrncr n ur die Art. vo11 Met a phys ik in1 Auge,
clic du.rauf 1\usgeht, auf l og i s c h e m Wege von der e1t1pirischcn
37 •

ürg,t~hzado por Goog e


- 580 -
\Virl<licl1keit zur absoluten Realität vorzudringen, denn da11.Jrn allein
l1andelt es sic.h , zu enL5cheiden, ob es eine der nattir,vissenschnft-
lichc11 Objel<tivität ebenbürtige metapl1ys.iscl1c Objektivibät. ft1r die
GcscJlicl1te gehen kar1n , und ,,·ir sind selbst.verst ändlich weit clavon
e11tfer11L, derr1 Glat-1.ben an eine ab. olt1te Re-alitiil jenseit aller E rfah-
rung übcrl1oupt j c J c s Recht ab. prechen z,1 ,-..·ollen, oder zu . agen,
dnß er rri,it einer ge ' ct1ict1tlicl1cn Auffassung uO\>'Orcinbar :ci. Es
könnte je1nand meinen, die bloße Annahrne einer not,,1cndigcn B(;.'-
zieht1ng der err1pirischcn \.Virk lichkeit au( unbedingt allgemeine
\\1erte, die ,vir al · \ 7oraussetzung ci11er ,,,i:-~enscl1aft]ichen Not,vendig-

kcit der Gescl1ichLe kennen gelernt habe11, und vollends die Ucber- 1
zc1.tgu11g! daß alle mcnscltlichc \<Verten aucl1 von1 \vissenschaftlichen
Standpu11kt au nicht als gleichgültig angcscl1en ,vcrdcn darf, sclalöße
t
'•
scho•n eine rneta1>l1ysische Ueberzeugung ei11, d e-n11 clas absolut \Vcrt-
vol•le könne zur c1npiriscl1cn \Virklicltkeit nur dann eine not,ve11di«e
Dcziel1u11g l1a.ben, ,vcnn aucl1 irgencl ein r e a I er Zusammenhang
z,vischcn beiden bcstcl1t, und dieser Zusamn1enl1ang ,värc der Erfo.11-
rung für imn)er e11.tzogen, n1(1ßte al o al rr1ctapl)ysisc he R ealitä t.
angescl1en ,verden. Doch ,vie dein aucl1 seir1 r11ag, clic Ucberleu-
gung von der Richtigkeit derartiger ~feinun gen knnn imJ11cr orst
e11tstel1e1t, wo die Geltung absolu t.er \Vcrtc nicl1t rncl1r bcz.,\·eifelt
,vir<l, ur1d ,n uß sich au f die Ueberzcugung von <lieser Geltung stützen .
Eine o be!:!Tünclete l\f etaph)•~ik ,vorde daher niemals geeignet sein,
dct' Gescl1icl1tc eine Stütze zu bicwn , da ja die l\letaphysik gerade erst
die Geltung der \.VcrLe fcstsLellct1 soll. 'ie ,,·ür<lc übcrl\aupt nicht zu
d er Art v on i\ilctaphysik gehören , clic au f eine Rationa.lisjerung des
\Veltganzen ausgcl1t, u11d nu1· die \Vertlosigkeit dieser Art v on !\'[ eta -
physi k füP die Geschichts,vis.scnschufL ,vollle11 ,vir hier dartun. Da,nit
sct,ton hot sieb jeder Vc1-s\1cl1; der Gescl1ichte ei11e glcict1 große 1n eta-
physischc Objclclivit.ät zu vcrlcih.er1 , ,,·ic die at ur-,vif:se nsch.a ft sie
angcbl.icl1 be itzt, als nussicl1tslos er,viese n, und so bleibt, um die Ob-
jeklivität beider \Vissen$cha(ten ,viecler au f de11selbe11 Boden zu
stellen, nu r n•ocl1 die ~löglicl,kcit übrig 1 daß aucl1 der Glaube an eine
111ct.a physiscl1e Objcktivitut der utur\\1 issc11schaft als Illusion darge-
l an ,,·ird. Haben ,vir ein Recl1t, clie irr1mancnte Welt überh aupt
...E rsc l1cinu11g" zu nennen un<l in cin etn pri11zipicll 1111crfal1rc11en
Scirt den. Gege11sta,r1d clcr Erkc11nt11is zu el'blickcn? Erst 11ac}1 Ent-
:-t:llci<lung dieser F rn ge ist eine Str.llungna.hn1c zu dcn1 \\!cscn der Ob- 1

jckti\1iLilt, \\'Clc.hc die ,vi:s:scr1scl1aftliche Bcgrif{s.bil<lung besitzt, 1r1öglicl1.

0191 lt ado por Goog e j


- 581

\Vc11n ,vir uns vorläufig ,vieder nt1r an die \Visse11schaft.er1 von der
Körper,vclt halten, so denkt bei vielen ihrer Begriffe ge,"iß nic111a11d
daran, sie als Abbil'dcr einer .m et.a ph;ysischen R ealitä t zu betrachten,,
o-n dern jeder ist über-zeugt, daß der einer l\1eltrl1eit von Dingen gc-
n1einsamc Bcgriffsinl1alt nur an ei nzel11on uncl i11divicJuellen Erfa hrungs-
objekteo ,virklich ex_istiert. \\' ir konnten scho1l froher darau.r l1in-
,,·eisen, daß der Inha lt, der \Vortbedeutungen selbst keine Realitä t
besitzt, ,vcdcr eine physiscl1e nocl1 eine psy,cl1ische. Es gibt keine
,,Pflanze'' außer den individuellen Pflanzen, die an be timmten St.eilen
der ernpirischen \Vil'klich-keiL ,,,acl1sen. Es gibt kein 11 Licl1t' 1 außer in
be timmten hi er und dort in (ler Erfa hrt1ngs~,·elt befindl icl1en Mengen .
Dürfen ,,•ir also clie Bildut1g eines Begriffes vorn Pt1y. ischec1 Oberl1aupt
oder eines Begriffes ,,letzter Dinge'' nicl1t nur als den Ab s c h 1 u ß
des Pro-zcs, es verstel',cn , in dem das menschliche Denken alln1ä l1licl1
zu imrner un1fassenderco uncl a1)ge1n eineren Begriffen aufsteigt?
Soll vielmehr, ,vcnn der Begriff gebildet ist , unter den icl1 al les
körperliche . ei11 untcrordnc11 läßt, plötzlicl1 scioerr1 lnl1a llc eine andere
Wirkl ichkeit als die Erfa l1run !!S,velt enLsprecl)en? Soll er das Abbild
ei11er metaphysischen Realität sein ?
Die J\nsicht, daß (')ie rein quanti tative 1nccl1a r1iscbc Natura u(~
fassu11g aucl1 in einer rein quanLitative11 körperlichen \>Virklichkcit ihr
l{orrelat habe, \\1elches ie, so \\'lC es ist , \\'icder piegelt, vollstän<lig
Zll verdrängen, ,vird nicht leicht sein, denn viele sind nr1 dieses rneta-
physi ·ehe Dog111a so gc"vöt1r1,t1 daß sie mciner1 , falls man oinc11 l{örper
nur imme:r ,veiter ir1 seine B cstandt<:ile ze1·legcn l,cönnte, so ,\·ürde 111i1n
sc}1ließLicl1 a uch nuf die .1\- Lorr1e i111 . trc11gcn 1 d . l1. logis.cl1en S-innc des
Wortes treffen , und nur unsere inne seien nicht scharf und u11sere
Instru ,ncntc .nicht fein ll'Cnug, u1l1 <len Prozeß dcl' 'f cilu ng zu Ende zu
fülircn. Trolzuem sollte 11100 tloch cir11rlal ,rcr' t1cl1c,n., den 111etaphy-
iscbe1\ Begri(fsrea lisn1us 1 cler in diesen Gerlar1ken st.ecl,t, auch i11 der a-
tnr,,·is. enscliaft !ollen zu la sen 1 und in dein ra un,er(üllendcn ubstrat,
das 11 ur nocl1 quar1tit..-1 liv bestimn1l ist, oicht ein Objekt dor Erkennt..,
ni in <lt:rr1 ir11le seheJ1, i11 ti en1 er11 piriscl1e \Virklicl1kcit,er1, die ,,·jr u11-
mittclbar ,vahrnch1nen,1 Objekte clcr Erkeuntni~ sind, sondern begrei-
fen , daß jener Ge.Jank.c an eine rein '-1uar1 tita tiv bcsli1111nte .1-\ t o1r1,\'i•lt,
in clr r es nur noch ei11facl1e Dinge und ihr Be,vegun gen, clic sie}\ ver-
ä,11der11, crilJL, nichts nnrlerc SPin cJarf als dl!r G,cda.nli.c eines 1•tzlt•n
Zieles, ei11er 1 ,Jdee" i1Tt l{a uti ·chcn Sin11e, ei1ter den, crl-ter1nertclt•11
?tJcr1scl1cn 11ot,,·end ig g,1s lelllc11 Au Cg ob c. )l an sollte v cr Ntehcn,

ürg,t~hzado por Goog e


'••

- 582 -

daO überall dort, wo die Natun,risscn cliaft von 11 Atomeo 11 als vVirk-
lichkeiten redet, sie nicht Atorne im logiscbe11 Si11ne, d. h . rein quan-
ti t.ativ bestimmte Gebilde n1einen kann. Dann \\1lrde man sich dar-
übe'r klar ,-.·erden, daß wir zwar die Wirklichkeit, um sie zu begreifen,
als bestehend aus Atorncn denk o n mü"Sen, ,veil nur so eine abso-
lut aUgenleine 'fheorie der K örpcn,-elt zustande ko1nmt, daß die
Wirk.licl1keit dnrltm aber nicl1t ,virklic h so aus Atomen be liel1t \\1ie ein
Sandbaufcn a\1S l{örnern, sondern daß K örper stets das sind , als ,vas
,\'ir sie sehen, tast en , scl1mecken usw. , und daß sie dies bleiben mi.iss.cn ,
mit ,vel,cl1e1n Sys tem von Begriffen ,-.,ir sie aucl1 UnIBpinr1en rnögcn.
~(an ,vürdc dann fe rner begreifen, d a ß , ,venn u nsere Sin,n e auch noch,
t-O scharf u11d unsere Instrt1tnente noch so fein ,,.,ärer1, ,vir doch bei
einem nocl1 so weit fort.gesetzten P 11ozeß cl.er Teilu11g den rei11 qi1anti- 1
tativ bc-Stimmtcn Atomen auch nicht um einen Schritt nöher korun-1en
sondern stets nur auf qualit,ati\'e Vorgän ge Loßen \Yürdcn, die sic h in1
l
Pr ii n z ip nic ht von den Vorgängen der Erfahrungs,velt unterscheiden.
Denk·e n ,vir die r c i Il n1ccl1a1liscl1e Atomeni.\relt als eine R enlität,
so schließt das die Behauptung ein, daß es in \\'irklicl1koit keine Qt1a.:
litäten gibt, tind diese sonderbare ~fetophysik sollte docl1 a ucl1 in de11
Krei-en der ratur,•ti~ser1scl1a,ft i111 111~ r rr1ehr an Boden verlieren .
Zum Teil ist das auch bereits der l•'all. ~tit Freuden sind die \Vortc
zu begrüßen, die Osl<,a r l-Iert,..·ig 1 at1sget procl1en hat.: ,.Der . .. .. l
Naturfor:-chcr \\'ird s ich bc,vußt bleiben, daß die Erklärung der \ Veit 1
a ls eines 1\Jec hanisrnus sich stoßender Atonie nur au f einer Fiktion
b eruht, ,vele he zur Darstellt111g mancher Verhiiltnisse nützlich sein
n1ag, 3ber d och nicl1t der \'\i.-irklichl(ci L selbst ei1tspricl1t . U11d so ,vird
i hm aucl1 die eigcn:;chaftglos gewordene \\' olt. . . . . . . im Vergleic h
zur ,virklic her1 \Veit, die mit ihren. uncndlicl1cn Eigenschaften durc h alle
seine Sinne zu ihm spricht, .als ein nichtiges Schatt.eogcbilcle erscl1einc11,
,•crglcic}ibar clen Scl1e,nen clcr U11ter,v·elt, welcl1e d crn Arm des Odys-
seus, als e r nach ihne11 greifen wollte, ,vie Nebel c11L,vicben 11 • Abgc-
sch('n ,ron dem et\\1as b edenklic hen , 1 ,p rn.gmati:.tiscl1en'' Kla ng, der in
,Iie~er1 Sätzen sl,eckt, ist ,die ihnen iugr11ndc liegende Ansic!l,t durcll-
aus zutreffend. Die eigen ' Cll::t flslos ge\vorder1c Weil d er rci11or1 1\fecha-
nik ist keine \Virklicltkl'!it n,chr. l-'I ai mnn aber das eingesch.en, dann
J~a1111 rna11 aucl1 r1jcl1t d aran z,voifeln, daß , ,011 der \Virl<licl1keit urll

~o ,ver1igcr in den lnllalt der Begrjffe eir1gel1t,, je unlfas:;cnd cr und


i1n natl1r,, issenschartlichcn Sinne volllco1l1rl1e11er die e B egriffe sin d ,
1

1 UclJer d ie EllL\\·ickluug der B iolotic 1111 10. JaltrhunJcrt.

0191 lt ado por Goog e


- 583

und daß die Objektivität der natunvissenscl1aftlicl1en Begriffs-


bildung nicht von der Uebereinst in1mung ihres Inhal tes mit einer
absoluten Re"8lität abliüngig gemacht ,"\lerd,e n darf. Auf jede meta-
physische Objektivität wird inan dann in den K örper,vissenscbaften
v erzichten.
Eine an.aloge B etrachtung ließe sic l1 leicht für clie Tl1e:orien der
Psychologie durct1führen. Sie ,vürde darauf hinauslaufen, daß aucll
t1ier den Begriffen des ,,Einfact1cn" keine Wirklichkeit. entspricht,
und daß dal1er die psychiscl1cn Ele1no1lt.c, ebenso wie d ie Atome, nicht
wirklict1e Gegen tfindc sondern .1\ufgabe11 der Erker,ntnis sind,
Ziele, nach denen das Erkennen hins trebt, oh11e sie jemals erreichen zu
kön nen. Doch ,vir verfolgen diese Betrachtungen nicht weiter, denn
ein strenger Be,ve:i · da filr, daß es eine n1etap~1ysische Wirklicl1keit
nicl1t geben k a n n. die dem Inhalte der allgemeinsten körpcr\vis-
ser1schaft lichen ,o der psyc}1ologischen Theoriei1 ent.spricht, iet nicl1t
zu füh1·er1. \Vir be cl1ränl<cn uns also ai1cb hier auf die Frage, ob
e . 1nöglich ist, ein absolutes Sein je1nals zum ~t a ß s t. a b für die
Objektivität der natu nvi~sen chaftljct\en .Begri(t bildu11g zu 1nacl1en
tind au! Grund dieses !\ilaßstabe-s für die Natur\visse11scbaft dann eine
l1öhcro Objektivität in Ansprucl1 zu ,nchtncn als Cür die \Vi-~senschaf-
tcr1, dc11en ein solcl1es Sein als l\laO~ta b fei1lt.
Net1men ,1•v<ir ein111al ao, die l'-örpcr bc Uir1den \,·irklich at1s Ato-
n1e11 i,n logischen Sinne, so ko,mo1cn ,vir docl1 zum Atom b e g r i f I
i111r11or nur a uf den, \Vege der Bearbeitu11g der er11pirischen \Virklich-
kcit, tJnd ,vi1· rnüsscn daher die Geltung der Gesjchtsp,1nkte, die uns
zt1r Bildur1g des Atom begriffes gcfül1rt haber,, bereits v o r a u €--
s e t z e n , ehe ..,,·ir eine Uebereinsti1nrnu11g u11sereg Denkens 111it. cter
absol uten \Virklichkeit behat1pten. obald ,vir clie aber tun, verl iert
es jeden Sinn, die Geltung u.nserer Erkenn tn is prinzipien auf die Exi-
stenz clefls('n zt1 stütze1t, dcssc11 Begriff alleio nur Grund dieser Prin-
zipier1 zu bil<l,e n i t. \Vollte11 ,,,ir tl'ot.zue,n eine11 Zusantrnenhang
z,visnl1cn ejnen1 n1.eta pl1ysiscl1en Sein und clen leitenden Gesichts-
punkte1t der B cgrifl.sJ,ildt1ng ar1 r1el1mcrlt so müßten ,\'ir an eir1e prä-
stabilier-t.c l lar1r1onie z,vischcn u1tsern Begriffen u11d der absolut-er1
\V.irklich'l<nit glat1ben. Aber diese Voraus~ctzung Y.'\lrde doch gc,,·iO
nic ht (lazu brauchbar sein , die Objektivität der natur,vis:Senscl1nft-
Jicl1en Brgriff:.ll ilcl11ng zu begrür1den. Die Geltt1ng der Begriffe bliebe
dunn vicln,chr ger1au o probl,c1r11\tisch \vi e tlie Annal1n1e einer prä ta-
bilicrten Hnrrnonie. Jo, ,,·ir könne11 nocl1 ntehr sagen.. Die \ ' oraus-

D1911 11,ado por Goc,gle


- 584

setzung, daß die N atur\\·issenscbaft durch U1llbildu11g d e:;; gegcbc11cn


Seins das ,.,vahre'' Sein zu erkenn en l1ab-e, ,vorde ihr überh a upt. d ie ~lög-
licl1kcit r1el11ne11, zu irgend ein er Objektivitä t ilit·er Begrifro zu gela r1gc n,
d enn s ie bliebe dar1n von ihre n1 Ziel imme r durc h eine unüberbrückbare
Kluft getre11nt . Die )lögüehkcit ei11er 11atunvil)scnscl1aftlicl1en E.r-
ke,mtnis gibt es für llns nur, ,ve1111 ,vir j erte antlct·e \1/clt , c1ic die Natur-
Y.rissenschnft a ngeLlich zu reproduzie ren l1at, als eine hcgri{flicl1e
"''elt ocler cir1c \i\' elt des logischen ,>Sin11es'', j ed en fa lls a lso n icht als
R cali Lät a11Sel1cn, und diese un\virklicbe W elt, gilt es nun nicht
abz.uSJ)iegcl c1 oder zu ,viederl1oleo 1 sondern sie ,,rird erst clurc h d.en
Prozeß des n a tur\vissenscl1artticl1e n Erl{e nncns zum Bc,vußtscin ge-
br-aebt .
B ei dieser Auffassung v crscl1,vinde1, dann aucl1 alle die
Unmöglicl1keitc11, init dene1.t gerade die abscl1ließcnde11 Begriffe der
Nat.unvi:tSc11schaft bel1a! tet zu sein scl1einen. Als Abbild einer Realität
enth ält z. B. der ALo1nbegrif{ einen Widersprucl1, denn jedes Ding,
das ,,rir ke11nen, ist Einl,cit eixleS Manrligfaltigcn, 11nd ,vir h<tbcn da-
her keine11 Gruud, anzuncl1111cn, daß es eit1fache Dir1gc gib t. Hah~n
,vir d agegen eingesche11, daß der ::sinn d er Natur,visser1scl1aft n icl1 t
in einer R eproduktion einer "-'irk.Jictlkcit sondern in d er Produktio11
einer Bcgriffs,velt b estcl1t , die i1n Gege11sat.z zur un·n bersehbaren
Wirklichkeit übersehbar sein muß, so v er~tel1e.n ,vir, ,.,raru1n die Natur-
wis$en c haft den Begriff eines S eins bra uc ht, d as icl1 von a llen Dingen,
die ,,,ir k enn en , prinzipiell untersct,eidet. \\1i,· könncI\ in der enlpi•
riscl1er1 \Virklicl1keit u1it dc1r1 Proz.cß <.l er 'f cilu11g 1 d er zu1n Ei11-
Cachen vor<ltrngc11 soll , Ilicrna l zu Ende ko1n111c111 ur1<l ,vcil ·, vir
J en Bcgrirr von et,,·ns b ruuc hc n , das icl1 arn End e der Rcil,e
v on 'r eiluugen. er-geben ,,..ürde, so bet rachten ,,·ir die Rei he, a 1 s o b
:;ic zu Ende gefüh rt ,vürc, ttntJ gc,\'inaen so dctl B~grif( lies .'-\ tc>o1s ,
u.in 11ut seiner 1-Iilfc ci11c reitl q uant,itativc, alle kürperlicl1e ~-lnn nig-
faltigkcit veroinfachcr1<le Tl1eorie zu b ilcle n . Da . t<>n1 in1 strengen ,
logi. c hen -. iilDC cJc3 \\'orl,c:s i:-.l d a nn a ber k.ei11c ' '' irlilicli li.cil , onclcrn ,
,vie ~chon ga:iagL, auc h unte r cliesc111 GesichL.;11unkt ,,·icde r eine " ldcc" ,
d. h . e.-, ist r, i ' n1als als Rca lit,ü.t gcgcb •11 su11(lcr11 i1 11111cr aufg<'gehcn,
es cxisticrL 11icl1L so11'dcrrt 11gift '' als Jetzles, r~k.ti:;cl, n ie zu c·rreic l1c11lics
Erlienntu i ziel. l )uO cl icse 1-\ n.sicl1 L zu j rgcn u ,,·clc lac11 relolivisti ·c)1en
oder prngn1 nti~ti:-chcr1 , ~I o ~kcp tischcn f.\onsccp1cnzen iri .be7.ug auf (tie
l ~l1corie11 der Nnt ur,vit1::iensch:lft füht·L, br,ru c ht 1nt1 n ni cht zu fürcl1tcr1.
J eder Z,Yeifcl an tler G o I t t1 n g de~ .A.ton1b1•griffes als einer not-
,vc11<lige11 bc-grifflichcr1 \ 'ornll~1'lctzung clcr rein quantitati,,cn oder

ürg,t~hzado por Goog e


- 585 -
111echa11i::;chen BcLrucl1tung (lcr \Vclt ist ja gera4J c 11nt t1 un~crc11 , ,orau!;-
setzungen ausge. cl1lo scn. Auf di ese Gcltu11g a llcir1 aber k ornr1lt es
für die ObjektiviLät der natun\•is~enschn ftlic})en Begriffsbildung an.
Das Voru ,teil ,,,oJlcn ,vir bescitigc!rt, <l aß d ic \ \•'i ·et1:;chnft „icl1 at1f das
st el.s problematische ,,absolute" ein ei11es \.Virklichcn stützen n1üs:se.
\1/ertn \vir daher a ucl1 nictlt zugcbc11 könn.c11 , daß Alon,c i1.11 st 1·euge11 1
logischen Sin11c noch a ls \Virklich.keitcn betrachlct ,,,erden clürfer\,
so l1at dicso Arisicl1t c11it der Bckätn pfung der t\ ton1islik, ,,·ie sie z. B .
v o11 ~1acl1 vorgenorrt1ne11 ist , trotz<le111 r, ur ,ve11ig gc111cin. Das ist \Jrn
so 1l1ehr hervorzuheben 1 al mun rlic ttier vorgcLragencr1 Ai1~ichlcr1,
rillt den en l\Facl1s „in n1ancl1er 1-Iini-icht nahe ver,va r1dt.' 1 bczcjchnet.
hat. 1 • Gemein sanl illt u11s 111it )lach n u r die Ablet1nung der m ta-
pb~sischcn Deutu11g r1a tut"\\'i~.:;ens1:haftlichcr l(örperhcgrifre a ls Ab-
bilder t ra11szendc11ter flcalitätcn , aber diese .i\ blchnung erfolgt b ei
uns ouf Grund ei11or Erl<cnnt11i tlicorie, djc in ih re1n '\Vc~c11 d er ,•on
~'l a.cl1 ,,crtretonen gcrudczu entgcgr.:ngc. e tzt ist . Ja, ,,•ir s.che11 in ~Iaclts
Deutung der \:Veit nls ei.r,es En1 pfind ungskur11plexcs eine ebenso u11~
gcrecl1tforLi.g tc rnct.uphysische 'J'l1coric ,vic i11 clcr rnctaphysii-chcn
Atorni~tik, (len11 die ~1achsc hc11 ,tE111JJfir1du11gcn" J1,Jbcn ~llc logischeti
}.'cJ1Jcr der a ls \Virklichkciten gc.~etzLen logi:-,chcn Ato1r1c. ''io kö1111cr1
cher1so \Venig als absolt1Le Rcalilü lcn ge<ln<: l1t ,vcrde11 \,·ic die c.i11 fachen
J(or1,er •ocle>r die „let1.ler1 Dinge''.
l10 Ob rigcrl gilt es hicl' ·ü bel'hattp~ 11u1-, llic t..ra11szcndcntcrt

n realistischen '' Al1nahn1eu , die zur Si,c hcrung cler Ohjel,ti"•il.ät 11nLu r-

'\Yi.ii:;cnschafLl icl,er Begriffsbildu·ngcn herangezogen ,,·er(lcn.1 zu be:;ei-


Ligcn , un <l cier Neuba,1, 111it 1-lilfc dc:,sc n ,Ja nn die Gcllt111g p.ositiv zu
bcgrü11de11 \\'ä re 1 brau cht u11s il1 dieso1n Zusa10111e11ha11gc r1oc h 11icltt
zu k ün11 ncrrl. l )en11 sul<l 11ur ein111al <l ie rilctaJ)h ysisclten Dog1l1cn
zerstört, und llaber1 ,vir i,1 ~beflo11dcre die 11 leLzten DiRgc" der ·atur-
,vi ·;, nscha fL al i, Irh~on' ' vers taruJ cn, ,lic gl' ll,en. oh110 sei11 zu rnü ..~n ,
<lann versch\,,iad ct, auch. das ß c(iür(r1is r1 ach cjr,cr rnctaph ysischen Stütze
für Jic OLj ~kti, 1 it,ät, der G c s c h ic II t c, un<l clarau r allein li.0111111L es hier
.:11>. Diese \\'isse11~ch<1 (t befi ntlf•t :-ich jet zt d•·r . 1at,1r,vi;;i-ti1)schnft ge-

genü ber eben. o,,·c11ig: in einer ungii nstigt.~re11 Lagf', \\:ic (l ies bcin1 Ver-
stich einer rein c1npirischcn Bl'grün,:l'ung ihre r Objcli.Livi t5t der l7 rtl l
,vn.r. Die cntgcgengcselztc ~I ... i11 u·n g beruht lc,liglich at1( <len1 \ 1ur-
urtf'i l, <laß r11a11 ein grö ßcr,cs Rec ht habe, ,Jie III h„1lte c.ler n ;1 lu r,,·is::;cn-
- - ---
1 g l. H . J{ 1 o i n p o t, c r im 1\rc hiv fOr sy s tema l i ehe P hilosophie, V l,
S. 87 und in der Beilage 1 u ·r allgemeincu Zeitung lUOJ, ~OG.

ürg,t~hzado por Goog e


586 -
schaftlicl1en Allg~111cinbcgrif(e zu J'llotapl1ysischon \.Vcscnl1ciLen zu
hyposta ·icren als clie Begriffsinhalt.e, ,,•elche durch die historisct1e
Darstellung cnt ·teh,er1. Tatsä·cl1licl1 ist die Objektivität bei<ler ~ 'issen-
schaften unter de111 Gcsichtspt111kte d,es Ideals einer meta.ph)·siscl1cn
Objektivität gleicl1 gering, d. 11. es kann v,o n einer Uebercinstim111ung
il1rcs Inl1altes mit einer v on jeder Begriffsbildung unabh~i11gig exi-
st,icrondcn \Virklichkeit btc, i beidcr1 nicht die Rede sein. Der Bcgrirt
einer \Vi!\~eMcl1af~licl1cn Ohjcl<.Livität, <ier a.uf eiern Bcgri!f eine die
t,"·abre Realitiit 1 ' abbi lde.ncfen Erkenne11s beruht, ist in jeder Hin icht
at1fzuge.bc11. Das orke11nt nistl1eoretische Ideal, d.:is in einer platoni-
sieret1deo Ver\\'andlung von gültigen \.'\ferten in transzendente \Virk-
lichkeiten \\'Urzeit, erv.~eist sich überall als prinzip•ielJ unerreichbar,
und es k rlnn daher !-O\Vo hl in d er Ge.r.;ch.icht.e als a11ch in der Natur-
,vjssc.nscl1a{t nur zurtt • kep t izis1i11,1· fül1re11 .

n·.
D ie O bjek t iv i t ä t d c r W o r t c.
Ist nun aber \\'cdcr die C11lpirische \\ irltlicl1koit nocl1 ci11e mf"ta-
pll)'sische Realität gerignet clcr f1.atur,vi:sscr1stllafLliclie11 t1rld cl(':r hi-
storischen Begriffsbildung Objektivität zu verleihen, \velc hcr \Veg
hloibt dnn11 noch fibrig. auf dein s ieb die Grt1ndlage11 einer ,,·is coschaf.t-
Iichc n Geltung der Begriffo verstellen la~ en ? Ei11e vollst ändige Be-
antwortung diesor 11 ragc geht $Clbsl\'Crt- tändlicl1 ,vieder über den Ral1-
n1en unserer ntcrsuc h111lgen ,vcit hinaus. \v'ir anül'-scn \ JDS 11ncl1 \.\·ic

"·or auf cla \:erhültn.i~, in clcrn die gc ctti cl1tlicl1e ObjeJ<.tivität zur natur-
\\'is~enschaftlic hen sl,<-l1t, b e~c hränkcn. Doct1 ist, urn aucll nur dieses
Vertlältnis l{la1·zul l'rr('n, diP Andcutting einiger Grt1ndbegriC[e, die
11nscre 1\ t1ffa~!7ung v orn \\'c~cr1 alles Er.k cnnc11!- überhA11pt h<'stimmen 1 '
h.ier uncnLbcl1rlicl1.
'

Es ist zu cr,varl..cn 1 ,J:1ß n1a11 naGh den vora11gega ogeoen Au füh-


rungen u11scr11 erkenntnisth eoreti ·chen Standpunk.t als ,~· ubjekti,·is-
1t'l11s11 in1 ta<leln(len • inne bczeich11c11 \\·ir(f , t111d i11 clc,· Tnt, ,venn 11)011

das, ,vor1acl1 d:is begriffliche Erkcr111t:J1 ~icl1 zu richt.en hat, tim ,,ob-
jektiv" zu :ein . nls rla:'l- 1 .0l1j ekt" <l er Erke.nntni. bcz<'ichnet , , o kennen
\vir, da dieses Obj()l(t ,\·<>dr r 111it einl'm ab. olut<'n ein t noch rtlit der
e111 piri.-.c hen \\' irk 1ich r~,•it gleic lig1•sPt.zt ,,·erden k a11t1 1 ,,·irkli che orlcr
11
scicndn " Obj:cktc tlt•r 11ut t1r,,·i:-:--cn::;cl1aftlicltcn ur11.l de r llistoriscl,et1
Begriffe ni <.~ht. \\"irklich. h;L für 1tns al lein da Tat, ::i:chen111.a terjaJ, uns ·
i,n Begriff u111gef(1rrnt ,vird. Die G~'llung rl,:,r B <"gri ff~ k:[1nn clahcr nur

D191, h,ado por Google


- 587 -
vor1 der Art der Tätigkeit abl1ö.ngcn, die das erkcn.ncnde ubj cl{t
b ei il1rer Bildut1g ausübt , und die ir1 d er Natt1r,,·issenschaft so gut y,•ie
ir1 der Gescbicl1te für die Gestaltung des Stoffes mnßgcbe11d i t. {Jeber-
all handeli es sich ja u1n die Sc}1eidung de \\'e::ientljchen vorn Un-
\.\.·~sc}ntlicl1c11, und diese ScJ1eidung ,,•ird st ets von dem erkennen.den
Subjekte vorgenomn1en . Insofern haben \\'ir 11ns also in der Tat aur
einen 11subjektivistiscl1en" Standpunkt ge tellt, u.n d ,vi r ,vollen uns
zunächst nocl1 einn1al ausdrücklicli klar machen, in ,velcl1em Grade
die Erkenntnistl1eorie in dieserr1 Sinne „subjektivistisch'• sein muß.
Wir versuchen zu diesen1 z,vecke, clie verschiedenen s:ubjektivistischen
Faktoren des begrifflichen Erken.ne11s, denen ,:vir z11m Teil boreits hier
und da begegnet sind, syste matisch, anzuordnen.
Dabei lassen sich Z\\'ei Arten von Subjcktivis m11s unterscheiden,
,vc1tn n-.an auf die , ror:;cJ1iedeoen Arten des \ferl1altens reflektiet·l , die
das erkennende St1bjekt uns zeigt. \.\'ir können von ihn1 sagen, d.aO
es cnt,vedcr r1ur anscl1aut ocfer .,vorsLellt1' , cl. l1. etwas Gegeben.es
lediglich hir1nim111t, ur2d außer<lcrr1 1 <laß es zu <lern vor1 ih1n Ange: chau-
tcn oder Vorgest ellten oder l-Iingeno11lrnc11en Stcllu.ng nirnmt. Dc11t
1
1 ,Vorstellcn ' im ,,·eitestcr1 i11ne haber1 ,,·ir rnit andern \Vorte11 ein
\V e r t e 11 entgegenzu elzcn, und cle1ncntsprf'chend ist cvc11Lt1cll die
,vissenscl1a ftlicl1c Erk nntni:'I nich t 11ur von ejnern vorst ~llcr1den 'ub-
j ekL abhängig. sor1clf'rn es 111uß außerdP.n 1 noch die .~l1ängigkcit von
ci11c1n ,vorte1ulcr1 Su.bjckte ko1tstaliert \vorcien t ,vorin rnan ,Ja11n
eiucn n<>ch 1 ,subjcl<.tivercn'' ubjcktivis,nlts ztt scJ1en hat. Es .ist f •rner
so fort lcla r, '\\'ic diese Evcntu ,tlitä l 1nit rJcr Frage nach dem Vcrl tiilt-
nis d r 11aLur,vi ·senschaftlict1en zur gr;;chichtli chcn Objektivität zu-
nn1r11cnhängL. Die Gc::.chich t::-\.\.ris f?n::.chnfl cl1cint, da Werte il1re lei-
t en<len GesjchL~punkte :-ind, nic ht nur " ·0111 vors tcl1cnrJcn (Jn <lcrn
at1ch vor11 '"·ertenden ubjekt abt1i,ingig zu sei.n, und es \•,äre ubo ,viedcr
v ori , ro,rr1chcrein clie Ohjekti,,itii t cle r Gc$chicl1t c i.n noct1 höhr rcrn
-
)la Oe irl Fr~1gc gr~stclll als liie d er Nalt1r,vi:,s~nschaft. Ger ade uc:-l,alh
j doch ,vollen ,,·ir 111il der .i\.u.f7.eigun.g <lcr ,•crsc:h if'dcn,en subjcklivi-
s ti:-cl1cn F al(to rcn d e. bc•grifflic hcn Erkc11ner1s J e11 acl,,,·eis vcrbi11<JC'tt,
<laß <lie ·a tt11·,,·isi-enscharL ebenfalls nicht 11ur vo111 . vorst ellr n(l('n
·-
, onclcrrt auc h \·on1 ,,·ert rn(lcn SubjekLc ,1 bl1ängig gcflacl1t ,,·erden t11 uß ,
cl. h. ,,·ir zif) hen zunächst ci11 n1at clie Natur,,·i~~e11sc h,1 ft ganz nuf~dtis
stibjrlitivi:-tisclie Nivealt der G~ chichte 11 e r a b , 11n1 so zu sehr11,
-
,va~ rit1f rl c1r1 Boden dic~es crken11tnisthcoret iscllc11 • t1}1jeklivi:; n1t1s
clif' ,vi~sC'nsc hnft.liclte 01,ji:.kti,·il ät allriu r1ocl1 b,•dct1te11 kann , u11cl ,,·ic

D1911 11,ado por Goc,gle


- 588 -
·icl1 dann die Geltung der J\atur,vis:,cnsc.:ha(tlicl1c11 zu1· Geltung de r
historiscl1ct1 Begriff ·bildung verh ält.. Gerade at1f die~ern \:V ge \,,-i rd
sicl1 zeigen las cn, daß die Objektivität der Natunvissenschaft in1
Prin.z ip nicht. größ er ist als die Objektivität. der hisL01·iscl1en Beg riffe.
d . h . claß ol1ne die •.\nerken11u11g v on gült igen \\ 'crte11 ei11e Objek-
tivität der ,vissenscl1aftlicl1en B egri(fsbildung überha upt nicht bestel1t.
Um. ei11en L1eberblick tiber aJle ubjelttivistisct1en Ele, nentc z:t1
gc,vir1r1e11 1 clie in jecle1n ,,,i ·sen ct1o(tlichen Erkennen dt1rcl1 Begri ffe
stecken, unterscheiden ,vir n11ßer dem '-'Or , tcllondcn 11nd <.lcn1 ,ver-
tcndcn ubjekt ausdrücklich aucl1 die subjeli.tivc11 Faktoren, die in
cler Erkenntnis d•es ~{ a t c r i a l s er1tl1altcr1 sind, v o11 dcr1e11, die in
der ,\li~scnschaftlichen Erkcr1r1lni s oder i11 der bcgrifflicl1-e11 U 111 b i 1-
d u n g des l\,faterials <lurclt bcstiltln1te F o r 1n e n der B egrirr~bil-
<lt1ng stec kCil. Da r111 ~rgeben sich v i e r verschiedene ~föglic.h keite11.
E s gcl1örl. crste1ls das vor s t e 11 e nd c Subjekt not,vencljg zt1r For11\ der
\\ii~senscha[t, Z\\leiLens gel1ört es z111r1 1\•l at.eriHI un d zu r Form , dritt.cns
gehört auclt <las ,v c r t. e n cl e Subjekt zur For1r1 der \\1 issenscl,1Jft,
und viertens kann endlich ,vcder Form n oc h i1aterial der Erl{et1r1t-
nis oltne Bezicl1ung auch zu ei11cn1 ,vert.cn<len Subj •kt gcdHcht ,ve rd cn .
Diese vjer :\lögli chkeitc11 stcller1 so geord11et ejnc l{cihe cJat'1 in der die
. ubj cktivcn Faktore11 1 die in der \\ fissenschaft lecken , i1r1ttlcr mehr zu-
neh n1cn , so daß schließHcl1 der d er1kb:tr höchste Grad von Subjcktivis-
1nus d er Erk.e11ntnis erreic}1l, ,vird.
Da ß die Forn1cn dcl' ,vissen chn!Lli.cl1cn Bcgrifrsbildung zum min-
<lc tc11 zu einem vor:;tellen(len Subj ek te in Beziehung stche11 1 '-Vird 11acl1
unseren vorangegangenen i\ usführungea nicl1t bez\veif,clt ,verdcn.
\iVenn ,v-ir ais t\la terial tler \\l i!<scnscl1a ft n\1.r die ernpirischc Rea.l ität 1
1
voraussct.ze11, diese aber ei11c u11iihcr:5c}lbaro :\1a11nigfaltigltcit bildet , '
1
J eren h,Joß tals[ichliche l{on taticrung nict1 1als Wissenschaft geben 1

ka11n, da11n vcrst el-1t es ilictl von selbs t, daß erst d11rch die vom S ubjekt
vorgm10111mc11e Ur11[orr11w1g \\'isscnscl1art zustantle kon11r1t 1 t1n d eb en-
so ,vü,sc11 wir, daß ol1ne die \ '01·au~selzung ei11es rnct.aph)rsisclicn eins
auch clas i'Vlatcria1clcr ernJliri che11 \-Vi ssert~chaCt en in :;ei11er bloßet11'at -
sä.cblichk.eit au f ein vo1·stcllcncle-::; Su bjcl( t bezognr1 ,,·crcJe,1 111 uß, clenn
es gibt dano. 11ur clic eine, dem v orstellenden 11bjcktc gegebene ocler
,tic „ i1 n111ancntc'' \\'irklic hl(cit. \' 'ir brauchen t111:-1 a lso bei ein er
nähcre11 Begrünuu11g de " l:,ndpur1kt<•~, filr tlcrt 1~ur111 u11d I1lllalt der
,P11111iri:-chcr1 \\"issc11~c haft ir1 gleicher \ Vei~c auf tla~ vor:;Leflc11de .~ub-
jckt zu b eziehen .;;in<J 1 1aich t ,,·citcr aurzuhalteu.. r

0191 lt ado por Goog e 1


1
- 589 -
\\'oh l o.ber bedarf die B ezie hung de r Erkenntni s auf ein ,,·ertl'nd cs
Subjeltt der ausdrOcklic hen Erörterung. v\1a
zt1näcl1st die For1n de r
Beg-rifrsbildur1g betri fft, so . cl1cint,, ,,·ie sch,on nr1gedcutct., <las ,ver-
te n<le ubj ekt z\Va.r (ü r d ie Geschic hte, nicht aber It1r die Natur,,·i. scn-
schart v on ent cl1ciden clcr Bedeutung zu sein, donn die 1\ b tr;i ktion
v or, a llen \Verten . die a n den Obje1, ten haflen, ha ben ,vir ja ger adcz11
als 11ot,ve11dige \ 1ora ussetzung der i atu1,,·issen -cJ1afL erkar1nt. Soll
t1·otzdert1 die Foren der Natunvisse11scha{t auch_ a11{ eir1 ,vcrteodes
Sul>j ekt bezogen ,vcr<lcr1 ? D je.,;; lä ßt. sicl1 in de r T at als not,,,endig
nach,,·eisen. Z,var bleibt es selhs tvc r.-t ä n<llic h d a bPi, daß n \1r (lie hi-
storischen Objekte durc}1 theoretische \Vertbczic hi1ng unter ein en hi-
st ori. chen Begriff gebracl1t \\'erden, ,vährend das \\lesen der Natur-
wissensf;ha,ft die Abi;traktior1 at1eh v on. d c111 th orcti~chcn B~izichcn de r
O·bj ekte a11f \'Ve rte er.forciert . Es rolgt aber hie ra us n icl1t, daß clie na-
tttt'\\'issenscl1nft.liche Begr iffsbildung i11 j e ,J e r H insicl, t ohne ein ,Yer-
t e n<lcs ''t1bjcl<t bestehen kan n. j a '"ir ha b en den Punkt, a u f <len es d a-
b ei ankor111n t , sci1on frül1er berü hrt• . Von dcrn für a J I e ,visscnsch afL-
lichc Begriffsbiidt1ng ur1011tbcb rlichen \:\'crter1 sah.en ,vir bishct· r1ur
dest1alb ah , u111 d as de r Gcschiclrtc allein cigc11Lü mlir he theorc Li ·cl1e
B ezie hen a t1( \Vert e mögli chst clcu tlic l1 l\er-vortrel,cn zta lassen . .Jetzt
aber \Vird es a uc h \\ ich tig, kl a r zau s telle n , ir1\\'ie fcr11 j e d e ,,.·is~c.n-
1

schAftlichc BcgrifI~bildung ,vc r Len d ist , orlor in,viefcr11 jcllcs crllcnnoncle


ulJjcl~t zu \Vcrtcn Stellung neh,men 1nuß 1 Lind <Ja läßt sich nun zeig"n:
clie Obj e k t c clc r Natur,visl$c11scharten "'·erden 1.,var , •o n de r tt1eorel i-
scl1 n \ ·ertbe1Jchung ebcn:iO ,vie von der praktischc_n , v erLt1ng Jos-
gelösl , aber die For111en , ITl i t denen tlie ·att1r,vi:;::;ens<'l1:i f t d iesc Ob-
j ekte einem ys tem von nllgcmcinc11 Begriffe11 t1nte.rorclr1ct , sind not-
,ve11dig, ,venn · aLur,vjss.ens.cl,~ft zusta ude ko1t1,nen s.oll , vo11 eine,n
. ubj ckl als gültige \\'crte anerka nnt, dcn11 nur n1it Rücksic ht at1f diese
a rlerkann tei1 '~'erte k a nn <los Subj ekt ,las \Vc-scntliclle vom n,vese11t-
Jichen ~cl1ciden. Es 111uO also die Forn1 jccler err1pirb;chcn \\1isscn cha ft
in lctztci- l·:li11sicl1t aucl.1 "Von einem \V'ertc anerl{enne11tlen ubjckt
ge,vcrtct geciach.t ,vcrrlcrl . J a, ,vir k önnen ge radezu sagen: selbst, d ie
Ab:-,tra kLi on v on aller1 an den individt1ellen Objekten l1a[te11dcn \.Vert- 1..

bczie hungcn , die n1it Rf1ckfiicl\t a uf d as Generalisiercr1 d er Natur,vis~cn-


. ctla (t no•t \vendig i~t, läßt sich nur als Al<t eitle:,. die F<,ru1cn der r1.1Lur-
,vi~scr1~ch~ftlicl1en B(~griffsbilclu.1ig wertc ncle11 Subjrktcs \·ersl ('hcn .
- - ---
1 Vgl. oben s. 32 7 r.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 590 -
~ cblicßl ic l1 ble ibt r1och die vierte ~löglic hkei t
1
.zu erörtern, ob nicl1t
nur die F orrr1 sondern a uch d a · ~Iaterial de r \ Visscnscha ft i·ni Sinne
d.es bloßen ,,l 'atsac her1mntcrials" a u.f ein \\/Crle11des ·ubjc kt bezogell
,ver1.lcn ,nuß. Oder: ,,1 nr diese )tögl icl1keit nur der s}·s-t c1natiscllcn
Vollständigkeit '"·egen ntit gen ::innt? E. sc heint sot ·den11 ,vas soll das
heißen , .:Jaß die bloOcrt ·ratsachc11 o<lct die e1r1 piriscl1en \i\' irklicllkeiten,
u,rt1 crka11nt zu werden, not,ventlig r11 it einer W ertung v erknüpft s in<I ?
Da111it kornmen ,vir zu dcn1Pu11kte 1 \' On d cssc11 Verl:S tä1idn·i die Ein-
sich t in die l{ot1scquenz des f ulgenden Gedankenganges abhtingt.
Doch i5t auch, hier für lJ11sern speziellen Z,vcck nur das a usclrücklic b
darzustellen, ,vas schon \,·iedcrt1olt berührt ,vurde 1 • E ine 1'at.sac lle
ko111n1t {ur die \,\iissen chaft 1:1ur insofern in Betrac.h t, a l:; ie erka11nt
ist , d. h. als däs Urteil, \.vclchcc:i sie als Tatsacl1c ko11stat.icr t , für v.· a h r
gelLcr1 darf. \ fon derr1 Begriffe eines ,va hret1 U r te ils nber il-\l der Gedanke,
daß das u,vahr'• gen,1nnte das ist , ,,·as für das erkc.n11cnde St1hj ek t
tlicoretischcn \ Vert l1at 1 i'n keir1cn'l Fa lle )o zu lö en, und so sclilicOt die
J<on:-ta Lierung einer jeden Ta t sa che in eine1n l lrteilet tlas a uf \\l'ahr-
hcit, Anspruch 111achL, b ereits die telluugnahinc zu1n \'\!aJ1rl1cit.s,,·erte t
ur1d seiot A.11erl<e11t1ung durcl1 das •e rke1l11e11do Subjeli L als r1ot,vcr1dige
Vorau setzung e in. Der ,. ·u bj ekti,,isrnus cles Erkenne11 reicl1t a lso
in de r 'f a t 50 ,,·ci~, daß nicl1t nur die Forn1cn sondern ouch das ;)taleria l
a ller \ Vii5-sc11scl.1~1ft, nä,nli eh die für \val1r g•c haltencn 1·a.tsact1e11 1 au!
1
ei.n ,\·ortendes Subjekt bezogen ,,•erden mü scn. oll ct,vns mi t l1ccl1t
l
als ,,·irk lich bc,zeicl111ct ,-vcrd cn 1 so 1nuß es not ,v e 11 cJ i g sein, daß •

das erl<cr111•cn(lc 'ubjck t ej nen Jnl1alt ,,·irklich ncn.r1L oder illn1 die
F orm der Wil'lclichkeit beilegt, unci die Not,vendig·keit, ur1\ die es sicl1
dabei li a11dclt1 k c1110 11ur die at,,·e11digl{eit eine lhcorc·tischen W cr tcs
sein . .Es gibt al. o überhaupt .k eine E rkenn tnis, die nicl1t v on einc1t1 , e r-
tcn1icn , <lic Zu ·a1nrncn g e h ö r i g k e i t van Forrn u11d lnl1alt an-
erkem1(•11tlc11 • ul.,jekte v olJzoge11 ,vird. Da ß }1ierdurch der prir1zipie lle •
Uoterscl1icci z,visc.l1r.n \.\·crtfrcicr nnt11r,,,i e11. c hnftlic hcr und ,,·ert-
bczichr.ndcr historischer ß egrirfsbil(lung nic ltt ct,va \\'icdcr in Frage
gcslcllt \Yircl I braucht ,,·olil 11icli t au:;!ührlic b b f grüti,let. zu ,vcrdcr1.
Zu 11fic hbt. lJIPibt ja die Inrl i,•irf 11a li t tit der zu c rl~rnnen<l<'n Obj eltle in
der 1 ll tur,,·i~:f"'nscha rt , ·on j('d(!1' Dczi "l1uug aur,,1.c rLe fr ·i, d . h. r,ur
i11p;o re rn ist rl [tl'I U.t tu i-,,·i~~ en~c ha (11 ir.]1 crken nc>r1,J.c :'11bjckt ,vert.01,d,
.i ls bei rl1>r B<'grif fs t>ilcl1tng ,ier \\' crt cll!r \-\' a} 1rh~it , dt•n scirte Ll rtei le

Die .-ingoht, ru.te Eut" ·ickJung des hier zugrunde gelegten Begriffes vo1n
J 1
Erkennen giut ffi{'inc SchrirL: J)cr (;t•gcns tand dc-r Ert<enu t nis.

D1911 11,ado por Goc,gle l


L
- 591

t1abcn 1 i111plizjtc anerkt,nnt sein 111uß, und a ußerde n1 ist diese An.c rkcn-
nung von derr1 ge ·cl1icl1tlichen Beziclte11 der Objekte au f \1/crte ut1d
der Biltlt1ng ,,on In -dividuen chon de halb prinzipiel.l \'erschiedcn >
,veil sie lcci11e bJo.ßc W crtbczichut1g s.011dcri1 ei,1c direkte \i\1crtung
von sciten de,, • ubjekles, eine Anerkennung des Zusammengchörens
von Form und h1halt darsteJlt. Dies kann ge11f1gcn, un1 zu zeigen ,
da.ß in jeder Erkenntnis der Gcdanl,c eines ,,·crtenclcn ubjcktcs not-
,ven<Jjg entluilte11 ist.
Hat 1r1an . ich dies aber klor ge.macl1t, ._ o ,,·jssen ,vir auch, ,vorin
unter erkenntnistl1eorctischcn Gesichtspunkten allein noch die F'rage
r,ac h der Objckti"·ität. <ler ,vissc11 cha ftli cl1cn Bcgriffsbildur1g best ehen
kanr1. ie h511gt au~!'chließljch von der G e 1 tu rl g der \V c r t e
ab, zi1 dcr1cn rJas erken nende. Subjekt bein1 Erkcn.Der, Stcllur)g ni111rnt.
F alls diese \\'crte gültig sind , .llabcu aucl1 tJic B egriffe, <lie i-r,it Rück-
. icht a uf . ie gchilrlct \Verden, ,vis. cnscl1aftlic he Objektivität, und Z\\' a r .1
<lio hclchstc Objektivität, die .n\ ~,n v on ihn11n vcrl a ngo11 kann . .~ur dc111
Bo<Jen jedes 11 1"'.\ealisrnus'' ,,·i1'd di<' " freilich parndox erscheinen, und •
\,·ir behaupten etb~.t vorsländlich auch nicht, dnß dem Einzel(orscl1er
die Gcltt1n.g seiner Begriffe oder clie Notv,end igkeit sci11cr Urte ile
jcn1als als. ·ot,rcndigk.eil und Geltung ei11cs \ Vertcs zurr1 ausdrü cklichen
Be,~·ußt.sein kotn,ut. Er '"ircl sich i1t der e1r1pir.ische11 \c\1is~cn~cl1a ft
leicht n1it den1 Gedan l{en abfi nd en , dt.t ß , . öflig unabllängig vo.m er•
kenncnt1cn ubj ekt es \VirJ<licl1 so ,.isL4 ' , ,.,..ie gcurtei.l t ,vird. 111 der
Erk-c11r1tni theorie aber können '"ir diese· Vorau::;setzung n,icl1t durch- 1

(iihren. \\,.ir ,vürdcn n1it ihrer llilfe nicn1a ls v ersteticn, ,,·as Obj ckti-
,,itüL der ,vissc11schaftlichcn Erkc1111t11is bedeutet , denn eine ,,,virklicl1e11
\Veit, die vo11 detn u1l1alt unserer Begriffe so, ,,·ic sie ist, reproduziert
.
,,·ird , gibt es eben nicht, oder ,vir , vis. eo ,venigstens nicl1ts von ihr.
oltte al:;o eine I·ü r sicl1 b cstcher1dc \\1 irklicl1keit cler ~t aß:;lab für die
\\·is~c11~eha ftli-c hc Begriffllbildung sein, so ,,·ürde gera de dies, ,,•ic ,vi r
schc>n g<>$el1 11 haben , uns zt1 sk:cptischc11 J( or1sc-c1ue-11zen treihcrl , u11d
,\·ir müßten <lie Ohjck.t.ivitüt jc(lcr ,\·i::sensc hafllicher1 B egrirf;-;hildung
in }◄'rage stellen. Sie lüUL sicll 11ur au·f eine Ge ltung clcr \\' crw , niema ls

nu r d ic Exh.ilcnz ci11cr· \\'irk lir hki!i t stützen. I~'rei licl1 ist d ic Geltung
,lcr \\"crtc zu bez,,·cifclr1, ,•on ·d1; ncr1 ,vir 1.eigf'n kön,uc.:n, daß ua~erkcn-
11c11dc ··uhjekt sie in1111r.r ,tncrkcr1nt, \\"cun es ct,,·as ;1 ln ,vnhr .bchnuptf"t.
;.\ her eitl so lcher z,,·eirel ,\·Ordc, l(uns<Jc(u · 11t für a I t c \\'crtc cl·u rcb-
g„f-ührt, den B<•grirf clcr , , ·nl1l'hei t Ctb rrh:'lt1f ► L a11(lic•b011, u1tcl dnn1 iL
kt 1n1•n ,,·ir zu ei11cr logi:;chen .~b~urdilüt . \\ .ir ,,·i::~rn, ,Ynru 1n j e d c s

D191, h,ado por Google


- 592 - '
Urteil, rlas den ,\ nsprucl, crl1ebcn dnrf, ,,·nhr zu sein; dje absolute Gel-
tu ng des \\'ahrl1eits,vcrtes vora11. setzen n1nß, 11nd dan1it, ist, die An-
erkc11uu11g der Geltung i r g l'.! 11 d ,,·clcl1cr \Vcrtc u,ntor keinen l 1n-
sti111den zu vcr111eidc11. An<.lcrcrseits n1uß n1an jcdocl1 aucl1 zugeben,
cJa ß ,vir d;,i rr1i t n,u1· da::- nllg<'n1ci11c P rjnzi p gc,,·01\ncn babcn, d. h.
nor- h nicht ,vi1- cne \\"elehc bcso11cleren \\"erte nut1als gOltig v oraus-
grsetzt ,,·crcicn dürfen. Wir können in diesem Zusam1n.-•n h ange aucl1
nich t daran clenJirn, ei n S)':--tcn1 <Jcr Lh corcLi. c}1cn \\' ürte zu ent"vic keln
un d zt1 b t~<rrün,Ic,1 , a11f tlcrcn (.cit,ung die Olljck t ivität der ,v,i~senschaft-

liehen B('grifrsbildur1g bcrul1 L. Aber a11 cincrn Beispiel \,·ollen ,,·i.r d och
das Prinzip, 11li t 1-Jil(e cl..-~scn n,nn au fzeigen knnn 1 in,\.·icfern die Gcl-
tu r1g gc,vi. :-er \ r,lr:J 11s. etzt1ng<>11 ttn,1n1gänglicl1 not,"'"nrlig is t j uns
klar rnachcn.
\ ·er · alurgf'.se-tzc sucht,, setzt vora11 , daO ir►g 0 nd ,vclc he, un be-
clingL allgP1r1einen U.rLeile gellc11, und diese l~orn\ der ur1bc<Jingt,cn All-
gerncinhei't ist clal1er für il1n not,vei:1dig ein gültiger thoo1·etischcr \,\i ert.
N nn kön nte 111a n z,va r cv ntu cll sagen: unbc•lingt a llgemein e rlcile
g~ll.«!n nicl1t, un<.l clas scheint, da nn r1oc h k-ei11cn \\l idrr::-pru ch in <len1
, inr1e einzusch ließen, ,vie dies b ei <lecr1 rLcil, das die unbedingte
Geltung v on allen Ll1co,retiscl1cn \\!crten überhaupt b cslrcit ct , der
Fall i t. Aber es kon1mt d.och clarnu.r an, '"'·clcl1en Sinn ,,·ir n1it der
Beha u ptu11g : u11b,,tlingt allg ~n1rir1c Urteilc gelteu 11 icl1t,r v orbinde1l .

Soll sie ntrr für ei nen bcst in1rnt cr1 Fall gelten, also s::tgcn 1 claß dies
bü. tin1rntc individuelle Erken1, Ln issubjekt :.in dieser bcstin11r1ten Lelle
cle Ra uinc-s un<l der Zeit über dies b estimm te Erkenntnismalerial

kein unbc,lingt Hl lgf'rncincs Urteil bilrlcn kann , :-o isL gr.cg~n sie a ller-
clings nicl1l.s cin zu,ve11de11 1 abet' sie tritt c1an11 a ucl, noch gar nicl1L in
ei neu \ \ ' id crspru eh z1.1 der erl,cr1ntnistheorct,isc her, \ ' oratts..:.etzung,
, ron der rJic Ol, jekti\·iU-it <lcr nal,ut·v:i~l-l<'n~cl1HfLlichc11 Bcgriffs}Jildung
abhängt, S<jr1<lcrn sie er1tl1ält r1ut· cir1c rein. wtsü.cldiche FestsLcllur1g,
die für die l>rl►blen1c dc1· E1·l\c1111tL1istl1e:orie l<cinc Bcde,u tung haben
ka nn , und sclbst,·eri;t:intllicl1 ,vü rde at1ch die H fiufur1g olcl1er rci11
Lats~-icl1ljchcr Fe. t st el hrugPn t1ns prinzipi<'II 11jcl1t eir1er1 Schrit t, ,,,eiter
fii hren. Erst ,,1cnn ,lic unbcdir1gt. a llgcrr1eir1e Geltung a 1 J e r Natur-
gr-setzc und die ~Jliglichkcit. irgcn(l,Yclche unbcdingtu]lgcn1einen Urteile
z.u füllen , b~::-Lrit.ten ,\'ird, liegt Oberh.iu11t ,Jer V e r s u c h ·vor, das
zu leugnen , ,va~ f<1 rrna lc )ogisr 11e \ 1 orA 11 ~Eicf,z.u11g dC' r na tu r\vi:-~cnschaft-
liche11 Gesetzesbegriffe i~t 1 nl~o i,1,1cl1 uls tl1co tclise ht i- Wert gelten muß,
unfl dieser \ ' cr~uch h:1l not.,,·cn,lig selbst die Ge., u\ll ei11es ur1bcdingL

0191 lt ado por Goog e


- 593 -
allgP-n1einen, Urteils. Er schließt also die Anerkennung der formalen
\ foru11:-sctzt111g, clie er lct1g11c1l 111öchLe, l>ercits ein, d . h. er gibt ,·or ,
dns bestreiten zu ,,·ollcn 1 ,,,orauf seine eige1te GelLung beruht, und er
t11ull sicl1 n1i,t,hin selbst uls logi~ch ,,ridcrsio11ig aufheben. Freilich pflo-
gen die ' 'erlrct.cr cles radikalen E,npirismus dcrnrtigc Argumentationen
a ls ,,sophistisch~ ' zu h ezcicl1r1011. Doch liegt dabei eine kleine Ver,,'echs-
lung vor I denn in Platon l)ialogcn '\\'Crden gerade die sophi~tischcz.1
Thcuricr1 in der \Veise zurü cl,ge,,•iesen , die n1ar1 heute . opl1ist iscl1 z.u
n c t111e11 beliebt. l\Ian sollte claher 1nit dern Vor,vt1.rf der • ophistik in
diesen Fä llen et,vas vorsichtiger sein t1nd nicht rnit tcincn ,verfen ,
,vcn1, r11,1n irn Glashaus clcs Itclativismus sitzt. Der ab. olut c RefaLivis-
n1us d er opl1islcn und d er moderr1e11 Ernpiris tcn kann nur durlt1rch
zurückgc\vicscn ,vcrden , daß ma11 sci11e ir111cren \\1it.Jcrsprüchc au f-
zeigt. u11d ilirl durcl1 seine eigenen K on~equcnzeJ1 ad ab. urcJum flihrt.
n•d ers las cn sicl1 dio Vora ussctz:uugcn, clie allem E rkennen zugrt1nde
liegen, Obcrh.a.upt nicht. c.lart.un. '?.lru1 ,nuß sicl1 k'tar macl1e11 1 <laß rJcr
Angriff nu( ihre Geltung zu einem ZirJ(el führt, \vei l der Angreifer sicl1
a11f clas , ,,·as er ar1greifc11 ,rnöchte, selbst stülzer> n1uß, um liicinon Be-
,vci:; (ül1rcn zu l{önrlen. Des·halb gerät ouch jeder Ps)·chologisrnt1s
r1ot.,venc.lig ir1 diesen Zirltel1 soba ld er durch eine nalur,vi,scnscl1nft.lic}1e
Erl{1lätu11g clcl" Erkenn t11 isvorgänge zuglcicl1 zu ·rteilen i.iber die Ge!-
t t lllg der Erl{cnntnisvornus, ctiungen zu liOtl'arnen sucht. Die Analysen
H11n1cs z. B. 1 clie im Prittzip bis heute noch nicht übcrtroffc11 . jn<l,.
enth.:tlten viele dcrnrtige erkenntnisth eoreti sche Uebergriffe u11d sind
<lalier vor1 eiern ang..-g •Lcnc11 Zirkel ebenfalls ni cht frei. ''' ie ,venig
\\'Ürrle uns clie Erltlärung der En tst ehung <.les K ausalbegriffs snger1,
,,,enn lf t1rnc nicht r,berall die Geltu1ig de l(a usaliLät.sprir1zipe:. u.nd
clcr l{atisalgcset.zc c lior1 vornt1. setzte. ur n1iL HiJfe des l{ausa l-
b cgri {fes gelingt es illn1 ja, zu z.eigen , '"je die \viederholte ukzessio11
11ol\\'cndig in n 11 c n Füllen j er1 e Idcc11;,1s ·ozintio11 b e ,v i r kt , au f
,v-elchcr rla1111 {lcr l{aut:-a lbcgrilf erst bcruhc11 soll. Dctartige Theorjen
kvn11cn also z,,•ar scl1r ,vcrtvoll sein, falls sie u11s nur v er ·t-!:incllich
rn::1cl1en sollen, -.vie allrn tih]icl1 die Ueberzeugung , 1 on dc1· Riclat.igkeit
d er ror1nalcn Erkert11tnisvorat1sse Lzl1ngen ZU!'; t<,nd e ko1111-n.L. Aber sie
v erntögen u,1- nien1al:; et,vas über clic Geltung dieser \ 7orat1s etzu11ge,1
als thcorct.iscl1 cr \ Vcrtc zu sagr n.
l\ä he1· llltf tlas f->roblcn1 <.ler OLjel<ti,,itüt <l,cr 11atur,,·isscn. chafL-
liclten Begriff; hildu1lg einzt1gchcn, liegt 11icht i11 unserm l'latl . Fulls
cl.ic Geltung il1rer \ forau set zunge11 c1ur tlt1rcl1 sulct1c Sätze bcslritlcr1
•.JO
R I c k e r r , Or-cni~n. !!. A11fl . t>0

0191 lt ado por Goog e


- 594

\Verden kann , ,vclcl1e diese Voraussetztangen selbst schon ein chljcße111


darf der U1nstat1d , daß das et·kennende . ubjckt al lein es ist 1 das aul
Grund dieser Vorau. set:zungcn den Erkcrtntnissl off form t . jedenfalls
kein Einwanel 1nclu· gegen d ie Objektivität der n aturn:isscnscha ftl ict1en
B egriff bj ldung sein, un<l im übrigen inf,crcssiert uns jetzt nur noch
die Frage, in ,velcl1e111 Verhältnis die Objektivität der historiscl1en B e-
griffsbil<:lung zu der der n.at unvissenscha ftlichcn steht, ,venn auch das
Gcn cralisiere11 und dns Aufstellen von GC'sct.zcn ohrle 1\11erli'.enn\1ng
von gü '1 tige n \ Verten nj cf1t auskor1l1r1t.
\.\1ir \Vi sscn bereits, doß in einer Hin~icht die 11istorische Darstel-
lu ng dem J{onstaticren von bloßen TttLsachen näher liegt als die 1a-
tt1r,J."i sensc11aft . l(ann rnan doch scl1on die rein t atsächliche E rkerlnt-
n is eine in1 ,vciLe::-iLen "'inne des \\'orte~ historische n e11nen. In ofe rn
aJ~o scheint die Gescl1ich.t.s,,-is~en:-chnft "''en iger \ 'oraussetz1cin gen als
die ~ ntur,,·is:-cru:;cha rt zu machen. Aber clics bezieht :iich nur a11f d c n
Beg riff der Geschichte, den ,vi r irr1 dritten l{apitcl a ls eir1 Pr o b l c n1
df'r i\Ictl1odenlchrc gev,onncn hatte11, und d C'. halb bleibt die ,vi~scn -
scl1aftl iche Objektivität der historischen Begrifrsbildung, die mcltr ri ls
rein cmpiriscl1sein ,vill, at1cl1 jetzt noch proble111atisch. Die Gcschichis-
\Vi!-sen ·cllaft rr1uß, ,vic \\·ir gcschctl habc111 ar1neltnle11 dürfen. d aß die
einr11alige EnL,.,-icklung d er \v'elt in ,einer n ot,i.·endigen Beziehung zu
irgen d welchen unbedir1gt allge111ein gültigen '\Verlen steht. I. t a uc h
die. c , roraussctzung vo11 der Art 1 d,rß sie die Objektivi tät der Gc~chichlc
i11 keine r \Vci c unter da iveau der natt1nvi~en. c11aftlichcn Obj ekti-
vitiit herabclrückt? Rcflckti~r>n ,,·ir, u1r1 cJiP.~e Frage Zll be;1,nt,,·ortcn ,
nocl1 a11f eine an<lcrc al ' die bisl1cr h erücl{s icl1tigte cite der \Vissen-
schaft. Da :-ie ol1r1e Begriffe nicht auslto1n1t1cn kar1n, ist ihr jede ar1-
chauliche oder 11 int11iti,re' ' E rkenntnis v crs.ugt . • ie n1uß 1 ,,1ie man auc l\
sagt, stets tldi . kur iv 1 ' V<!rra lircn , und da rnit ist zugleict1 not.,,·cndig
,·crlt11ü~1ft 1 daß das ,,·irklicl\e Erltcnnen ei11c bc~tir(Jnttc Zeit..str·eckc
ausfüllt 01lcr nur durch ci11c Reihe ,ra n \ 1ertinderungen 1'1inclurch sein
Ziel 1.11 errcic:hcn , ,crr 11~1g. \ \1ei I d if!s Ziel f<'rncr für (la. erkcnn,c ntlc
:'ubjck L ci11c11 absolu lc:r1 \\·eri bc~itzt 1 i:iL es aucl1 UJ1ver11lcidlich, die
zur Erkc11ntn is l•in fii hrcnllc \ 1.c rii n<lcrungsrcihe si 1. eine \:\·crtbezogcuc •
Ent",·icklung in (lc111 friil1er angl'gr bPncn Sin ne des an vjert-er Stelle
ge11ann t cn Er1t,~·iGkl u11g:-.Lt·grifre · at1 fzu rnssf~n ', u r1tl da er1cllicl1 d •r 1
\ VcrL, a uf d en djc Ent,vick!ung bezogen ,,·irr! , in die~ctn F alle ein ttn-
b edingl ullg<'n1eir1t' r \ \ 'C'rL ist , so scl1t•11 ,vi r LcreiL,; l1 icrdurch irn .Prini:ip •

1 \ 'g.l. oben s. 419 rr.

0191 lt ado por Goog e


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1
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alle die Vo-rausse·t zttngen erfüllt, die \\1 ir als Bedingung einer objekt.ive11
hi torischen Begriffsbildt1og kennen gele1nt haben , d . h. sobald
,vir den ,virklicl1en Erkcnntnisprozeß selbst zurrt Erkcnn.tnis o b j c k t
n1achen 1 können ,,rir ih1l nie1nals nur natun, 1 isseoscllaftl icl11 sonder·n
müssc11 ,vir ihn auch historiscl1 betrachten, und da det· Bcgri!I der
historisc h-,vertbezogenen Entwicklt1ng die andern Forl'nen des gesc hicht -
lichen Denkens einschließt, so l1aben '"'ir damit im Prinzip schon Alle
gewonnen , ,vas \v.ir brauellen. J eder ne11e ,virklicl1e Erkcr1ntnisakt
".\'ird mit Ilücks icht auf den \.Vcrt der Erkenntnis zu einetn historiscbcu
In-dividuu1n . Die Gcsan1Ll1eit. der Etkennt11i akte schließt sich zu
einer bist orjschcn Ent\vicklung zusamn1en, und wcil diese Ent,vicklu.ng
not,vendig ein Glied in dem allgen1einsten 1 d. h. urr1fasse11dsten \Vil'k-
licl1kcitsga11zcn ist, so überträgt sicJ1 auch der \1/e1·t.gesi.ct1tspunkt,
der nicl1t a ls rein individuell und willkürliclt angesehen " 'erden kann.,
not,vendig auf den historischer1 Zusarn1nc11hang, d. h. dieser scll>:st
ni111t1tt die Gestalt einer lli:i•toriscl>en \vertbczogon.e n Ent\vick-
lung an .
Kurz, \\<it· können schon jetzt in keiner \:\feise mehr darau z,vci-
(eln, daß auch die Auffa sung der \<Virklichkeit a ls Geschichte in den
angegebenen F orrn.en , ,venigstens '"'·enn es sich um den ,virklict1en
Erkenntnisprozeß handelt, eine überindividuclle oder obje ktive Gel-
t tJng besitzt. Die F or1non, auf denen diese Objektivität beruht, lassen
sicl1 aus de,n \\ 'cscn deis Erken11en s, das zur Erreichung seines Zieles
nur auf dc1n Wege ei11er Verä11dcrungsr-ej}1e ko1.nn1en ka·111t, als n.o.t-
,vcndig b 'greiJcu. , u11d ie sind da l1er . elb:;t, nicht ,,·enigcr objektiv ,vie
die Voraussct.zungc11, die fllr das 't1ch.en 11ach unbedingt a llgenlcin-
gultigen l'\alurgesetzen bestehen. Damit obe1· ist der Naturalisn1u s im
Pr i 11 z i p bereits durchbrochen. Auch für den ~lann der Natur-
\\'i~senschaft existiert ,Jas, ,voran er arbeitet, als Realität nur in der1
GcrJankl'n ci11zelr1cr Ir1dividucn, die er1t,,·cdcr die natur,vis~enschaft-
lichcn Be.griffe a.u::-gcbildet ode·r sie verstanden l1aben. Aus ci.o t;rrl
Zu;;.u111d c 1 in llc1l1 Ni ·rnand nalun\ isscnschaftliche BelracbLw1ger1
0

nr,stellte,. ist allrnär, liclt durch die Arbeit einzelner Nl en chen ei1,e nat11r-
\vissc11scl1aftliche ErC01 ·.chtJng cfer \Vclt ge,vorden , t1nd d.iesc ein111.nlige
Ent,vicklung$rei he tT1t1ß n,it ,vis. enschaftlic hcr o.t ~·cr\c.Jigl~cit so d nr-
ge!<tefl t ,vcrden 1 da ß man sie in ihrer Individua lität in cir1e Dcziohung
1.u eiern l(ultur,vcrt clcr Natur,,·is:ic11schart 'CLzt. Dieser l(ultur\vert.
o.bcr, der die Beg-rif(sbilclung lcitel 1 ist a11cl1 von jcdcn1 a.turali~ten
als unbedingt gültig anzuerkennen und ,\•eil die gesc hicl1 tlic he E11t.-
38 •

ürg,t~hzado por Goog e


'
1

- 596 -
,,ickluog cler Natu n,·i~:-cn:;cl1a ft sich 11ich L isol ieren lüß t ~onrlcrn in
eincrn historischen kausalen Zusat11lllcnl1,1ngr. rnit cler gr:-arr1tcn l{u!Lur-
ent,\'icklung clcr 1\1cn sr.hhcit steht, ja . diese Gesarr1Lent,vicl'"Ju ng in
ihrer Eige nart. aucl1 v on ,,·e c11,tl ichen1 Einfluß au f clie Eige11arl, clcr
Ent\Yieklt1ng der Nntur,vissensc hart g ,,.,·c~en ~ei11 1r1uß, ·o ,,·ircl n.ot-
,,·en<lige r,vci::e die objekti,•e \\ 'e.rtbcz.ichung au( die Gc~.imt.ent,,·i.ck~
lung ◄1cr rt 1cnscl,1liclie11 l\ultur übe rtrrigr n.
El'keont aber rler -~turali:-r11us die allg •11leinsLc \ 'orous~e ti11r1g
an. at1f der tlic \\:is ·cns(·h.aft.li r he Objektivität der Dar:-tellung ci11es cin-
n1nligcn ittdi, riduellen Ent,vicklung::;ga11gPs beruht, so bleibt ihn1 at1cl1
11icht ~ nnrlcrc:- ilbrig, als ~l •n~c hcn u11d n1c.n ~c hli chcs Tun '".i"<lcr in -rla::.
Z c n t r u in der g,~,ch ichtlieh<'n \ \ ' irklichl{cit 1.u et1.er1 1 ,,·ie e r a ucl1
über ihre r1.\t11nlichc • t cllung irn \v'cllall tle1,k.cn 11,:ig. d . 11. au r h •~l'
n111 ß , soba l<l er ar, sciue eigene Gesch icllte cJcnl{tt clcn I lai f lori;;;c h c11
Stn n <;l pun '"te 5eino volle "'·is~ensch af tl ich c Bercch t igu11g zuge:-: t, •l1c11 .
1\I · sinnlos er:1clif'it1l jetzt in~beso nd ere jene frf1h er ungedc\1Let c tincl
so bclicht.c Botr,1chtur1g 1 daß z,var viellcicl1t für die antike u11u 1r1iLtel-
allerHehe \\ fe it, die ~lcn1'chcng,:;chic ltte eine ''"i~
"en :,;rh~fllirhe Bedeu-
tung g •laa bt habe, {loß aber . eit de r \ 'erlrgung ,lcs SchauJ)Jatzes a ller
Gc..,.chichte aus eiern rät11nlichcn Zeotrurn i11 e•i11en bcliel)igen \Vi11kcl
dP.s \Veltalls :1ucl1 der objckLi,re \\ 'ert. a ller rnen:-:.ch licl1cn ZiclseLzu11gPn
Cür <lio \\' i:ssc11sf"ha ft versch,vunden !-Ci. \\t'cr hat tlcnn jeuc fr,1h ere11
\ Vcltan ~cha.uung" n zer::.lört, nac h ller clie Errle als cl1,tuplatz (li?r
\\'cltgC'schichLe den :\1itlclpunkt cl "r \Ve it bi ldrte? DHs hat doch. die
~ atu r,viss •nsc hnrt getan, 11 nd ,,·as ist sie ir1 .i hrer \\,.irl, J:i chkeit a1l<lc••5 1

als ein \\ rcrk ~•on :\lenschc11. die auf eine n1 bedcutu ng1-lo:-cn tüubchc n
tle::i \\7cltalls leben ? Soll ,,.·irklich ,\·egen der l'\le.int1eiL der Erde alles
:\lc11sc.hcn",·crl-. vo1n ,ri~scn cha ftl icli c,1 Staildpun l~t nus cles objekt.i,·en
Sinnes u 11tl der oot,,1endigcn \.\ 1erlbt>z.iel}ung entbehren ? \\iaru r11
leg,•n ,,·ir denn der r11cnschli clt cn Ent.d.e-ckung. dnß die Er(le nicht der j
:\litt<>lpu11li.t d er \\'cl t, jst. 1 i1·gcnc1 einen objckt,ivcn \\l'l!r-t. b ei '? :\ian
bra ucl1t, 11ur so lcl1c Fragen z11 stc1lr n. tind e i '• t l,lo r: n1il cler Ablel1-
n ung jcdrs hislori.-clie11 Ge$icl1t:-})t1nl,tcs aL cin<:s. objektiv ,v.issen cha ft,-
lichcn ,,•(irtle <lcr nat11ralist.iichc ,,·ic jeder tlll<lcre phil<>:-ophi~che
't..an,lpunkt sich ::-clh t, aufheb(•n. 1n ge,,·i:-srn1 ' ir111c ko1r1 rl1cr1 ,vir
grrade 11,it. cler \\-'is:;e,1srhaft njc n1als ül)rr d ie Ge$chichte l1inau.s .
1)iej:cnigrn cl<'nken d:1lac1· vorHusselzung:;Jo~, (lic be,,·,1ß t. gcschi chtl icl1
d<-nlic11. Nirht eiu111al ein radik a ler ..,.kc11tizi~1nus i~t clurr ltzurul1reu,
sobald der „ l{r 11tikcr 3it h ct.,ra uf cinlüßl , .:tu f tli Gr•:--c hi r htc d r in- 1

ü1g1taltzado por Goog e


597

tc llclilucll c1, Ent,,·icklung zu rf'flckLi<~ren unrl ,las skept,ii;c hc Verl1altc1t


n1iL (len\ DenI-.,e n un<l<'rcr Zeiten u11d )l ·nscl1ct1 zu ·vcrglcicl,en , u111 es
il,111 als <l a. her chligterc g...genüherzu teilen .
.Ja, ,vir 111üi-~Cn schließlich nocl1 einen chrilt \VeiLcr gr.l1c1l. IJie
allge1nei11~Le \ toruu::-scLzt1ng. ;luf der eine objektive geschict1ls,vis;,cn-
scliaftliche Al1ffa~s1111g clcr \\.' ·lt bcr11ht, cnLhälL ~ogar ,ve11iger a11 übcr-
cn1piri~ch<'n Elc111cr1Le11 aJ~ <Jic \ 'o raus·etzungc11 der Natl1r,vissenscliaft 1
\1nd sio 111uO zugleicl1 als die u111fa~S,Crtdere gelten. \Ver n un1lich gc-
~chichllich tlenkt, brnurht nur anzunch1l1cn, daß die , virklichkeit .in
ihrer zeit,liche11 Ent,,·ickl1111g ztt i r g e 11 tl ,velcheo, ih111 e,•eratucll
, röllig unbck.a1l11te11, nl,~olut giiltige11 '' 'erlen in Bezicll uug st eht.
[Jic Nat.ur,vissc,1 ~' haft <lng~g<' Il rnu O f.iie viel spez.iPllcre \ 'orau:-:ctz.ung
g1• lt,en la~scn, (laß clic 1\ t1f~t.(•llung vor1 u11bccJir1gt allge1ncinc11 rtcilcn
otlc1· · aturge:;et:zcu c incn :ibsolu t.e.11 theoreli ~ehe,1 \\' crL ·verkörpert,
un•I dnß eine A11n1.tl\cruug a11 ,tie \ 1er\.\'irklicltung dieses besontleren,
inhaltlic l\ bc$Li1n1t1Lc1, \ \'erl<'s (lt1rc:: h die \\fissenschaft in1 Lat1fe Jer
get-cl1ich tlicli<'n En t,\·icklt111g 1nüglicl1 ist. U11t,cr <licserr1 Gcsic h Lspunk t
stellt sich also da.-; ,,a priol'i'~ der Natur,vissenschafl al ein pezicll<'r
Fall des l1istoris ·hcr1 a priori dar, unll det· ge5.c hichtliche \\'ertbeziel1cncle
St.a11tlpun kt er\\'eisl sich da rnit a I. der dcn1 r1a Lur,visser1scl1„1 (tlichen
\VCrtfrcien tHr1 (l[>u11kt ü1)crgco rtJnctc 1 d. h. rnan ka11u z,va1· Ocschicl1te
.
I
Lrr iber1 , oh11c <.lie üb •rc111piri~chc11 \ roraussetzungcr1 der atur\,·i:;s n-
~cllafL zu ntachcn 1 abe r die . ·ot.ur,,,i:;;sen::-chnrt verliert oh11e die über-
c111piri:i-c.hc \ "ora.ui,;:;.ctiung der Geschicl1te ihren Sinn, denn jeder, der
natur,vi.;sensc hHftli(· h arbeitet , h;)t i111plizite ein e ei11n1~lige E11t,\ ick-
lu11g in Bezie hung auf einer, \\'ert gnsetzt, •lcr absolut gilt ..Tcdenf:\II~,
so gc,v iß ,vir (ihcrhHupt ,vi:-Scn~cha[t.lichc Erker1ntnis ,vo lhin , f-0 ge,riß
1i1ii:-s{.~n ,,·ir au,·h ei ne oLjcli.tivc hi ~to rist·l1e \Vcrtbczichc11dc Drgriff:;-
hild1111g al ,·, ültig anerkennen, clic die Geschicht~ d •r Erkennt11is da r-
,t,~llt, un e,I Jala cr der l,ultur überhaupt eine objektive Bedeutung zu-
~1; h1'e ib1~n. Unter phi,Jo:,;(1fl laiscl1en Gei,ichtspunkten i:,;t die „ rnlur''
~clll,:;t, cl. h . <lie J\ uff,1ssl1ng ,ler \ Virklic hkcit n1it flü,·ksirht auf dus
1\ llgc1neinc o,lcr d Pcl nat urgc:;et.zlicher) Zusa rnn1crtha11g 1 ja nur t!in
Erg(•llnis 111c11sr hl icl1er l{ullur;:i rl>ciL. 111,l Priniit• i.:-l al:-o un. erc Fr;ige
11(tf..: li tle111 Verl1ii ltnis v o 1l Gc:-clticl1t lc tlltt l 1 t1lur\\ is;o;e,nsc: liart }1 'l'•.!ils
~11Lschie,len. LJ j,, gc:-.cliic li tliclic Objck.ti,·ilät ist 11icl1t allei n lcr nntu r-
,vi:;se11~l'hH[Llirl1f•11 v111lkon111le11 c,b cnbürlig, son,Jern <Jic ~ :l tHr\,·i;-.~en-
:cl1afL 1r1ac.hl :;.oga1\ ,,·cn1) _ie übcrhau1-.t, a uf ihre Ol·•j 1•kti,,it üL r(lfl,•k-
liert•n ,vilt , i111p Iizilc ' r~te11i- al lc ,l ie , , Ol'tl lls~el iur,g<:n, auf rl <>nc'11 t'i nc
~

ü1g1taltzado por Goog e


- 598

obj ektiv gültige ir1dividualisiere11de Begt·iffsbildurtg berul1t 1 u11d sie


fOgt außerdem zu il1r1en nocl1 besor1dere Voraussetzungen Ober inhalL-
licl1 be~timmtc tl1coret,ische \.\1ertgcltur1gen hinzll.
Aber gerade dieser Um tand \\'eist anderef"5cits auch dara.tif l1in ,
claß \.Vir bei diesem Ergebnis trotzdem noch nicht s tehen bloibcn dürfen .
,vir haben u11ser Resultat auf rei11 logisclaem W ege erreicht ttnd dadurch
scheinbar teuer erkau(L. 111 einer Hi11. icht ist freilic}1 sogar mcl1r ge-
,vo nr1cn1 a ls \vir brauchen. \Vir kö11nen dc11 lcilencler1 \\'erl. 1 dessen
O.berint.livi<J.uellc und unbedi11gL a llgcn1eir1e Geltu11g außer Z\,·ei{el
s teht, auch in b ezug auf seinen In h .a lt, närn ljch als \Vert der
natur\vi„:Sen chaftlichen \Val1rheit o(le1· Erker1ntnis , besti11ln1en . Zu-
glcict1 aber sieht es infolgeclesser, so at1::;, t~ ls ob \vir ,vcr1igcr crrcicl,t
hättc11, a ls für \losere Z\.,·ccke not\vcnd ig is t . \\' ir konnten ja 11 u t
.a uf die jotellelltuellc \ ol lkom rr1cr1 l1eit der nalur\vis~enschaftlichen Be-
griffe als unbedingt, allgc111cine11 \Vert hinvveisen, ltnd ila111it ,cheinen
,vir n,in gerade zti der von uns [riil1er a bgelt!hn t.en Ü<'schicl1tspl1ilo-
opl1ic zu korn111cn 1 t.1ie sict1 auf p:-cu<lona t t1rnli:"!ti~cl1•~111 Bod~11 ergibt,
\ven n zurrt t1istoriscl1er1 11E nt\viclilu11gagc:;clz1 ' <.lie nll111ll hliche Vcr,rol1-
kommnung des lntelleli:tos oder gar die in itn rncr llöhercm ll aßc vcr-
,virklict1tc Alleinherrsc haft der natur,vissenscl1a.ftlichen ~1ct11odc ge-
mncht ,vird. \Vir sin c:1 also 1nit Ullscrer Arl)cit norl1 nicht fertig, ob-
\\·ohl im allge1ncinen die ·cbcrlcgcr1h.e it <lcs lustorisct1c11 ,vei-Lbeziehen-
clen über den genernlisieren<lc11 St a11clpu11kt bereits fcststel1t . E s
. ct1eint1 a Js ciürfe die Gescl1ichte des I11t ellekt.es einen l1öl•rren An-
. prucl1 au{ Objektivität rr1achen a ls d.ie der übrigen K11 lt u1,1orgürtge 1
und dns jst um so bedet1l,licher, ~1ls es 111.it dcn1 \~1c„ en un orer Be,vci:,-
fUl1rur1g not,vend ig zustlm n1 Jlhilngt . \ Vir n1t1ßtcn uns au f die Jogb-chcn
\\.:crte bei unserer Dc<luktion bcscl1rä1tlren, uncl dic!'e Bcvorzugu1tg
ei nes bostin1n1ten l(ultur\\·erte~, der clic übrigcrt herabJrückt1 ,väre
r1icht 11ur unter allgc1neinc11 11hilosop hi cl1en Ge. i.rhl~pt1nkter1 unbe-
friedigend, sonde t11 sie stiiridc aucl1 nicht irn Eink lang rnit der ,,·irk-
licl1 vorhanclenen Ge chichts,,·issBn. <'ha ft. \.\' ir ,verden •
daher nocl1
zu zeige11 lia.bcn, aus \\'elch<:n GriinJcn ira l'i11e r J)hilosophisc.hot\ 11Lcr-
su, ·hung <Je1· cllcin einer Bev()rzugung <ler inLC'llcktu ali~tiscl1cn Auf-
fai-sung der Gc.--1chichte ent~Lclt,;n 1n_ußt.e, tincl tiann , ,,-ic l>ei genaueren\
Zu sr- lu::n d ie i11tcllcklucllt!11 \\1ert,e sich trotzd < !r11 cJc1t übrigc11 l{ullur-
,,·erten :so koorJjn icrcn la~sc11, tlaß der \\ti<lcr:!ipruch I ir, d.ert ,vir n1it
rl<'r tn L,ärh li ~h vorhan• lc11cn Gcscltich ts,,·is~cnsclt nft geraten si11d,
,vic,lcr , ,ersc h,,·i11det. \ \ 'ir gr!be11 (la 11111, :;rl bstv er:-l il11d lir h v o 11 d e 111 bi -

D191, h,ado por Google


- 599

l1er Erreicllle11 prinzipiel l nichts auf, der1n ein gc,vis e r B egriff der
"''ertbezichc11der1 i ncli~1 itiualisierendcn Begriffsbiltlung ist st llon jetzt
übel' jeden z,,·eifel an seir1er Objektivitä t erhaben. Aber d er Begriff
der Gcsc.hichtc 1 den ,vir auf diese \Veise ge\vonnen haben, eN·eist s ich
als z11 0 11g, tind er mtlß clal1er n ocl1 die n ötige Er\veiter1ing erfal1 rcnt
ohne daß dadurcll dje historiscl1e ObjektiviUit. geringer ,vird .
Zunäcbst ist klar, \\1arurr1 \.\'lr auf dem bisher eiragc cJ1lagerton \Vege
zu einen1 n11dercn Resulta t als de1n erreichten nicht kommen konn-
t en . \'Vir mußten rein logisch vorgehen, und das einzige derl Intellekt,
absolut z,vingende Kriterium, das ,vir bei dem Versuch einer logischen
Deduktion der (iberempirischcn \\"issenschaftlichcn Vor-ausset.zungen
l1abe11 1 ist die Aufzcigurtg des Widerspruct1~, der in jeder L eugnung
d.ieser , 3oraussetzungen s teckt. Dal1cr scl1ei nt, ,vct1n es sielt un1 die
tl1eoretiscl1e Begründung absoluter Werte handelt, ein z:\.vingendcs
J(t•iterium nur für den Nact1\\~cis logi eher \\1crtc , ·oriaanden zu sej111
d. 11. das , ,,,as nicl1t b ez\\'Oifelt \Verde11 kann, ,,~i1·d {ür llen rein theo•
reLischen 1\Icn~claen nicl1t allein zun1 llöchst en sondern auch zt1m
einzigen absolut wertvollen Gut. So in der Tat mt1ß es sein, und
in geY.·isser Hinsicl1t liommen ,vir mit einer logischen U11Lcr~uchung
darüber njemals hinaus. Nur die Le,1gnung der logiscl1on WorLe läßt
sicl1 als logisch ,vidersprucl1svoll dartun. Sobald ,vir dies eingcsel1cn
haben, v erstehen ,vir at1ch, ,va ru1n so viele philosopl1i ehe S)·ste1Tie,
die nicht. nut· die lct.zlen Prin.zipien d,cs Seins zu ge'\vinnen sondeni
zugleich a\1 ch den Sin1l des Lebens fest.zustellen ,fcrsuc.ben, den In-
t el}ekt zu rn \Veltprin zip gemucl1t und in der in tellcktuellor1 \ 1oll-
korr1n1c11hcit dct1 absoluten \Vert gesehen habcr11 ,rieben dem alle
anderen \:\ler l:.e dann sek.und är ,vurd-on oclcr in ihrer Geltung ganz.
versch\.\1anden. \.Ver \-\1isi;enscl1a rt treibt, Jtan11 Z\va r <lie Geltung
nnclercr Werte bcz,,·cifoln t niertlals aber die GclLung c!c \\'orte der
\iViss-cnschafL. Die Welt der Wisseu _cl1aft ""·jrd da licr zti ei ner Y,,·is„cn-
scha(t.licl1on \Velt, ur1<l z,,,ar nicht nur in dem Sinne, daß sie \\'issen-
scl\nftlichc F o r r11 e n a1ulim1n t, denn dag-egen ,värc nichts zu sagcn 1
sondern cla ß sie auch einen rein \visscnscl1aflliclle11 In h a 1 t erl1ält.
E s ist. niclit der 1\Iatcrialisrnu s aJlcin, d er die 11lcLl1odischen Prinzipien
der Bcarhcitu11g der Körpet'\vclt, die a-uf Quantifizierung hin a us la ufen,
zur \,·ahrcn '1\'irklichkeit macht, und der so den At<1111is1r1us alö n1cta-
ph)·sische H ypost a ierung des logiscl'len Begriffsappara t.es enl.stel1co
läßt . Für Pla ton ,vird eben Calls der allg~1ncinc B e g-r i ff, der

Logos, zu111 ,,,a l1rhaft. eicndcn , ur1d der allgcn1oinsLe B egriff, den1

D1911 11,ado por Goc,gle


l

- 600 -
sich Alle.s unterord11e11 l.üßt, ,,·jrcl zttn1 Inhf'grirf nicllt nur des \\' irk-
lichen "ondern auch tle" Guten. o fä llt <lcr eth ische \Vcrt ,nit den1
log ischer\ \\1crt 2.u nmn1er1 1 und d a.s ,\·ürde noc: t1 v iel deutlicher zutnge
treten, ,vcnn der logische '''ert bei Plato11 1licl1t von vorn11ore in eine
stark ästl1cti:1,c lie F ä rbutlg zeigte. Fnr ArisLotctes setzt sicl1 <la ·
höc hste Jdco l der ,,·isP-enscl13ftli chen Erkcr1nlnis in rlcn Begriff der
Guttlicit und der eirt1.igc11 ,1ollkon1n1encr1 Rca 1ität un1,, o daß die
Dinge ei11 tu tenrei ch bilrlcn und un1 so realer \Verden, je n1cttr J a.
Erke1,11t.i-1ispri11zip, die l0Kiscl1e Forn.1, de11 eigentlich nich t ,,,irklicllcn
· toff durcl 1dr11ngc.n hat. Für Spinoza ist der Sinn der , v-clt, <lcr arnor
intellt•i!lu a)is dei, der ,vicLlerurn n1it dem l1öch:::ten Erker1nlnisideale

der cogni lio inti,iLiva zu~:'ln\rr1en fül lt., u11<l c.l er !\•1ct1sch. k art11 da her
nichts besseres t u11, als ~ich in clas reine ,\ nschauen Gottes, clc.. tlcnli-
bar ur11fassendsw11 1\ llgc1nci11bcgriffcs, zu versenken. Sogar für I{a11t,
der sor,sl. ,vcit Ober de11 Intellcl, tualisn1us hj.nnu:,:.g...scl1,ritt.en i. t, ,vir<l
eins rein problerna tisc hc Gcgcr1stück c:lcr höclt~tc·n i11t.clleh:tuellen
\ 'ollko111111c11hei t oder deR- intcJlectus arct1et)·pus, da noumenon, zun1
Ding a n :a-icl1,. und alles 111enschlichc t.rcben schci r1t.1 , ,1e11igst-cns hin
und ,,,ieder, auel1 bei d icsc1n Denker unvol lkorr1men 1 ,veil es r1icl1t
d,u rch Erkcn11Lnis jc11cs rein proble111ati ·cl1cn EL,vas den Sinn cJer
,, eil zu erfassen vcrnlag.
I{u., t, ,,·ir sehen bai vielen PhiJosO[Jl1c11 die in t.cllcl<tucllcn \Vc1~tc ,
a ls sei dies selbstverstfmcllich , an die pi Lze aller W crlc ges tclll, u11cl
die größten c!t,vicrigkritc11 rr1üssr.n dHher e11tstcl1en, so bal<l den
andcrc11 Seilell des ~•fcn chcn un·d den anderen '''cru.-·n in den philo-
sophischen S)·:.Lcn1cn eben ral ls il1r R echt. ,Ycr,Jc-n oll. Das religiöse,
ethisc he oder fulthclische Lcl"len und die \\terl c, a\1 ( denen es berul1L 1
,verdcn ent,,.-edcr l1crnhgcsclzt oder so scl1r intcllcl<lunlisierL, daß
sie ihre cige113rtige Bedeulur1g Zlt \'Crli cre,1 drol1cn. Besun<l,e r~ 1.,"'·i ·chcr1
d c lt1 „prnkli:-;c•hen" I\Jcn:.chcn, der '"' i 11, uncJ d en1 thcorcti5chen
f\lcn clic11, der crl<•e11r1l, e11uteh L ein \\' idcr~Lrci l., und Jie Pt1ilo:iophie,
die nls Wissenscha ft un,\·illk01·1ich da1.11 k C'.H11nl t, die logischen , v crtc
zu bc,·orzugcr1, i:;t dann 1nei<st ge11cigt, uc11 trci l zugunsLcn des
thcorcLi:-ch~n ~f cr1schcn 1.0 sc hlichLcn ur1<l so das Rrr.ht des pra l<-
Liscl1t'rl l\,Jcnsc ht 11 zu \'erl,ü1111ncr11.
Js t, es citle Eigen Lü 111 li,_.tiJ,1•i L, rlie df'r P hilosophic 11.-.t,,\·en d ig :111-
h ~ fLct , d:tß f-ie (lic ir1tell<'l, luellt: r ite des ~Tc11sch •11 , 1on ·( i1lcn un<leren
1

Bct üligu11gcr1 {ll>lrc1tu l tlH(l ~ ic cl un11 ,,·f•gen i hrcr l11gi ·chcn l)urcl1-
sic h l igkei t bevorzugt? L\Iuß ,lic Philo:ophrc in jhrcr Eigcn~rho.ft His

D191, h,ado por Google


- 601

'fh corie i1n111er clic theoreti. che11 Werte a.lle11 au.<lere11 übcrordne11
t.1nd die übrigen \\'crte ihnca gcgen'i.ibcr zu vollstündigcr Bedcutu11gs-
losigk,eit herabdrück,e11? Oder gibt es ein l\littel, aucl't die nicht in-
Le)lckt\1cllen Seiten des ~le1.1 cl1en und die niclit Olll' logischen v\'erto
in einer umfa:;sc11den \VclLanscl1al1ur1g zu iflrc1n Rechte kom1l1e11
zu )assent d. l1. d.as Gebiet der alogj:chen \\'crte den in t.ellcktucller1
zu koorcliniercn oder zum Teil viellcict1t sogar überzuordnen? Von
der Ant,,·ort auf diese Frage hü.ngt es ab 1 ob ,,·i1· auch die Objektivität
einer umCa.s enden Ge ·chichts,vissenscha(t verstehen können.
Ein 11Volt1nlaris rnus" irn Gegensatz Zll n'I lnlellektualis11lus ist
licutc an der Tage 'Ordnt11\g, d. h . 111.a 11 hebt hervor, ,vie itn prak-
tischen L eben überall. der \Vil le dns au::;scl1laggcbende )1omcnt sei,
und 1ncint, daß ihn1 dah.cr auch 11icht das Recht bestritle[1 ,verden
ltön11e, un ere Ueberzeugungen v o 111 Ganzen der \Velt und \.1on dem
Sin11 des Lebens zu h<tei11rl,utsser1. Durch di(..-scn Vf1lt1r1larisn1us st;l1eint
sieb dann aucl1 eine Bevorzu.gw1g der inLelJektt1elle11 \Verte und der
,,1 sen chartlicl1cn Vollkorn111enheit über\\'inden zu las~eo. oll es
sicl1 j edoch dabei tim unsere \V i s s c n s c h a r t l i c h ·C n Ueber-
zcugungcn handcln 1 so crschcir1t d i c s e 1\rt von 1 ,Uebc1'\,•indt1ng''
de' IntelJektualisn,us ,doch sel1r bedcnk.licl1 1 clenn (la111it ist in, Prinzi1>
alle11 vVürlschcn u11d aller \\' i!lkür das T<,r gcörf11c,t , und das 1nuß
clen \,\fidcrspruch d es ,,·issc11schaitlicl1er1 )lcnsc hcn hervorrufen. Eine
"'' jsscnscl1oftlich begründe te \\reJtan chnuung kart11 imr11er n.ul' dt11'eh
logi!$ches D enk en aur rein th.eoretischc111 \Vcge zusta11de ko1c1n1cn,
und daher \\'erden, solange n1<tn cl:)s tt1eoretischc Dc11kcn so nt1Cfaßt,
d:iß es in j,cdcr rfir1sicht in ci11e1r1 11rir1zipiellc11 Gege11$atz zurn \Volle n
un tl Fühlen teb t, die l<>giscl1er1 \\ ~ertc auch irrl111cr Anspruc l1 auf
dcu Pritnat gegc11iibcr den anclcrn '''cl'tcn erheben, u11d die Pt1ilo-
so1lhie ,vird ni•cl1t in der Lage ·ein, irgc11d ,vclclte a11dcre ,·~lertgellung
de r thcorctisel1c11 a ls glcicl1bcrecbtigt gegeniiber zt1 st.cll<!n. Die
pt·a.ktische uncl die lheoreti ·che ei te cl.c:; ~fcnscli cn hleibe11 J a nu
aber auch a<>t.,vcn<lig in, Ka1npf. Der ll1ooreLischc 1\1en!-ich ,eir1erscit s
,vird nllc 1\r1sprüche des \\'illens oder de· Geffth ls aur anrlcre \\tcrL-
gcltur1gen als u11bcrechtigt. ub,veiscn, t1r1d nndcrcr~cits ,,·erdet\ 11icht
nur die \iVfll ns- und Gcrühl:.mcnschen di e ,\rr·prüclt•e der \\1issensc11aft
als eine Vc1~ge,,·nltigu ng crnpfind cn , so11dcro es rno~scn auch die \\'ir-scn-
scl1a(ten1 in dcuc11 die ni chL-intcllclll uellen \Vel'le cirtc nt:-ch('i<lcnt.le
R olle spjclc1l, ,vie die bei di;n n.1eis-te11 hi~Lorisch<:-tl \1'i~scnschaftcn
<l cr Fnll ist, ihren rein thcoretischo11 u11d du. 11,cißL un,111 auc h ihren

D1911 11,ado por Goc,gle


- 602 -
rein ,vissenscl1aft.licl1,r n Charakter zta v erlieren scbeine11. Au( d e m
\1/cge a l o, da ß \\·ir den Prirna t des \ Villens auf Grund seiner quall-
tit.at iven Ueberlegenhcit im pr.al<tisc11en Leben proklamieren 1 d. h. de11
\Villen n icht mit H ilfe von logischen GJ'ündcn sond ern durcl1 einen
Willensakt, der i1 11 G egensa tze zutn Jogischer1 Denken stol1t, an erste
Slellc zu setzen ve.rsuclaen , ,,·e1·dcr1 ,,·ir ,visscnschartlich nicl1t vor•
\\ä1ts kon1r11en . I ,n Geger1teil, ,vir ,vürtien da rnit nur ,,·icdcr die Gel-
1

tu11g d,e r t,lteoreliscl1en \\icrl:.c in Frage stellen un<-f so ullcs ~111f d 'n
B oden eines uferlosen R elativisn1us ocle r Skept.izis,nus horabzie he11.
\Vohl aber gibt uns die rein logisch vcrla.l1ren,d e Erkenntni -
theo rie die ]\f öglic hkei t , den G"gcnsntz der intellektuellen und der
11icl1t in tellcktueller1 \ Verte zu ü.h •r,viudcn vder ,ve11iE,r:,tens so\\·eit
auszugleicl1cn, d:1 ß gerade un tcr de n voraussctzu n.gsloscstcn crken,1 tnis-
thcorctischon Ge ichtspuokte11 der cllein einer ·ebcrlcgenl1cit der
ir1 tcllel{Lualistiscl1e,1 Gescl1icl1Lsr,hilosopltie 1nit. Rüeksiclit a.uf ih,,e
,,·issen~chaftlichc Obj ck tivilftt versch,.vi.ndct,, u11d u111 dies zu Ztc~igcn ,
bra uchen ,vir 11ur n och eine l{on cqu enz ausdrUcltlicl1 zu ziel1cn t
die sich aus de111 iiber das \\Tcse11 nllcs ,virl<l icl1cn Erke11nens und
insb esondere al les ,,Tirkliclien Urteilens Oberhat1pt Festgestel ltc11 er-
gibt. In jeder urtei lenden Erke11ntnis - u·n d ntJr diese kon11l1t b ei
d er ,,-isseo ·cha(tlicl1en B cgri[rs bi lclung ir1 B et rac ht - gcl1ören Ob-
j cl<.t und ubjek.t not'-,·endig zu~an1n1en~ d. h . d er Begriff des E r-
ke1anens \l'erlie1·t sein.eo i11n, ,venr1 oi(~ ht einerseits ei n ,,Gegcnstancl''
u 1:- \Vert ~1 rlgl!1101n n1cr1 ''"i rcl, d er u n;:ll>hängig vor\ ,d e n, wirklic hen
Erl{Cf'l rat.nisaltte gilt, zuglcicl1 al)er a,n(lercrseit.s a uch ein Erkcnotni5-ak t
vor-au s.gesetzt ,,·ircl, der sich \VCrtcnt.l (licsc;; GcgerisLan<lcs bc11,äclrt,igt.
Von <lcr 11 objeliti,·cr1" eitc clcs Erlienn'Lt1isbcgriffes sel1en ,,·ir jetzt
einn1al ,,olJst ä11clig ab. \ Vir können sie begrifflich lo~lösen, und ,vir
1nüssc11 c.s in d ie~en1 Zu~an1111c11hang. denn , so lange es sicl1 nur un1
cli e Geltuug d es theoretischen \\'ertc3 l1 a11tlelt , si11d ,,ir bei ihr a l
clcn1 letzLen ~lng"ln11gt un rl clClrrcn 11icht hotfcr1, v<)n hier at1s den
Urr1kreis cles Gültigen zt1 er,\·e,i le rn . Jrl~ Gcge·n tcil, den Lheo retisclien
v\·ert haben ,,·ir in seiner [-{"ir1l1eit als in s ich ruhcnclcn \.Vert sorg-
fältig aurrccht zu erha.lten! nn<l so f:1nge es sicl1 t11n clic Cclt11ng der
\ 1/erte al solc he r hnnll lt, bleibt clcr J)hilosophie gar riic hts n11deres
übrig, al:; 111ügl ich::- t sc.: har f die Grc11zcn z,visclae1t clcr1 ,rcr-scl1icdcr1e1t
lA' <'rlg<'biel<'n zu ziehün. .\ uc h liegen et ieF:c ,,.rer tc als _olche in ihrer
Geltung au(Jcrlialb d'c.s ~latl'ri~d - der Ge:;chicht.e 1 die es ja irr11ner
1T1it \\'irl\l icl1k.eil(' n zu t un hnt. Aber ,vie "' lclat es, ,ve11n ,,·ir nun

0191 lt ado por Goog e


- 603 -
gcratl•e nicht ~•u f cJic \\'crtg , ltung :-und crn 1\ur uuf den \\'irklicl1cn
Akt des ubjokLen ach ten , der ich des g ülligtlf\ \\1erlc be,nächtig t ?
Dieser Akt gehört a uch nOt\.vendig z u m Begri ff ,d es ,vi rkl ic hen Er-
ken1lcns1 j a, ,-.·c,m es sicli um dio Gcscl1ich t c der inlcllcktucllo11 \ 'oll-
korr1nlenJ1cit ha11delt, lcommen sogar nur die \Vir-klicl1en Erke1111lnisakte 1
in denen die Ent,,·icklung d er ,vi~scnschnfLli chcn Bcgri(fRbildung
sich vol,lzicht, in ß ct.racl1t. Sie sind die uncrtt.bcllr1ichcn llcrlingt1ngcn
für die Ren li ie1'ung der Wissen ~cJ1a fL in iJ1rcn1 allrnähliche11 historh~chcn
Verlauf, uncl da sie, ,v-ie ,vir früher gesehen haben , at1s \Vertungen
bestel1cn 1 so ~c}dicßl die Realisierung d,cr W is. ~n. cl1aft not,,·endig
den Begriff eines \\'Crtcnd.en Erkcn.nlaissu.bjckle.s oirt.
Dies erk cnncnrlc Subjekt aber n111ß als Bedingung aller gcscl1icht-
licl1cn \ fer,,·irkli ·hung tlcr Wahrh eit unser l ntere~~e er,vccken. Es
b elin (let ~ir h , io~ofcrn es sicl1 nach \\'erlen zu .ricl1tcn tlat, ,ven11 es
erkenr1c11 ,vill , cir1c111 ollen ge.g cnülJer ocler einem l r11pet·ativ 1 der
Ancrken11u1ig fordert, und z,,·ar nicl1t relative oder 11hypot hetische"
so11dcrn ab o'lute Anerk.ennt1r1g, cla es siele j,a ur11 die Ancrkcn nurlg
ei nes .\hsolut gültigen \\' ert~ hnndelt. \\'ir k ön11en claher sngen ,
d "r tl1corcLischc \Vcrt Lritt für das erkcnnrndc Subj ekt ul s 1 ,kote-
gori5cJ1cr•1 ln1pernliv a uf, und das läßt oich danrl so a.us<lrückcn, doß
auf dein vorou~ ctzung ~l.o ·csLcn . tandpunkt, dcra giht 1 ola.nge
d ie gc::;ch ichtlichc r: ni,,·icklung clcr \\'nhrl1eit oder (ler ,,,isse.n. chaft~
liehen Vcrvol.ko1nrn11u11g ir1 BetruchL gezogen \Vir<l, es aucl1 für den
n t1r nacl1 \Val1rhcit streber1dcrt ~l,e nschert unLcr al le11 UJn sliinde11 eine
o bj cl~Li"· gültige Pr I i c h t, gibt.. l)ics \\rort b rau chen ,,·ir hier
:elbst\.·ers lün<llicl1 in <:l er dc1tk.bur \,·r ilrst.en Bcfleutung, d . 11. ,vir ,vollen
da111it lc{liglicl, clie Art chnr rtl{t.cri sje1·en , in tl cr norLll:t ti,, allger1icine
\\'crt.e dein \\ 'illen ct~s ~11.b jekts gegenüber treten, oder \Vir sp re(~llcir1
v on Pf lieh tLe,rti(Jlse•in , ,,·o ,vir ci11c11 \\ rcrt ledigl icl1 1 ,vei l er cirt \:\rcrl
ist, ~ncrkcnnr.n , t1nrl su<>hen nttn zu z.cige n 1 daß eine so lche „aulono1nc''
oder nfreic" Arierkcnnung \ 1 vn \ Verten durct1 ein f'flichtbe,,·ußtscin,
in (ler ,\·ir sonst nur d~ls ,,rcsen ,lcs sittlic h ,,·oll<'ndcn oricr r)rakLisc hcn
~lcnschen zu sehen g,,,,·ol111t :;intl, auch dann Jlichl forlgr·dacl1t ,verde11
kann , \\·eun e~ eine E11t,,,ick lung cler ,,·i:;se1i.,chafLlicllcn \ \'ahrhcit
du rcl1 crkcnrl(:nrll' ~ 11bj c k lc gt•hcrt SlJ ll. J ed ~111 belieh igcn \\"i rklic lten
Erkcn11tnisnkt g ·h L 1n i•t u1\dcrn \\ ·orte11 ci 11 \\'il lc , ·ora11 1 d er· ,, i Il,
,va~ er ,,·ollc11 sotl 1 eiu 1 .aulon oincr" \ \"illc, Ller nt1r dt~ ''ollc11 ,,·egen
,,·ill.
'obalrl di e:; a hcr l„lar ist 1 l<.ün 11crl ,, ir clt•n ,vollcncl(~i, i,1111 er-

ü1g1taltzado por Goog e


- 604

kennenclen ~lenscl1cn in d "r Geschi <;l1tc auch llic h~ 111chr i11 cincr1
s.olcl1cn Gegcnsi_~ lz bringen , ,l ls ob hoi(Je gar uichts 11,itcina11dcr gc-
1nein h:jtt.•ri. sond ern <lie z,vci eiten des ~l ensc hcr1 1 uie theol'cliscl1c
uu<l die pralt Lisc hc, erscheinen 11un a ls z,vei ver ~c)1i cde1te ,<\rLen , in
de11cn .sich ein lJ(licl1tbc,,.·t10tsein oder ein autonon.1er \:Vi1le äußert,
uncl dcsl'lulb z,,·i1tgt uns eine rei11 ll1coretische Untel'suchung de Er-
ker1n o[1s, ,vie es sich in der G sc hichte all.rnöhlich entwickelt, in eiern
ein Sollt tl un cr)<.cnncnrl c11 \'' illcn da. zu 5ct1c11 , ,,·orirt die f-lcali;,;;ierunt:;
aucl1 de r \Va l1rhciLs,,•erLc in ll•~r \tVissct1sc haft seine Vorc1u s:;-etzu11g lia t,
d . h. ,,,ir l1a ben im pflicl1tbc,vußten, frei,,·illig und au.tonon.1 \\'crLe
an rkcnncn<Jw ,vollcurlo11 S11bjokt, \Ver10 der J\11:-iclru r,k gestat tet j st,
eine üb c r 1 o g i s c 11 c B a~i · für die Ve r,,·irl<.lic hur,g a ucl1 rl.er
logisc hen \\'orte in der gc:-ichichtlichcn Ent,vicl<lung anzuerke11ocr1.
Uas ,vir(I j,c Lzt r1icht 11v olu11ta l'i~t.iscl1' ' 1nißver~tanclcr1 ,vcrdcn . \\1 ir
lagt,en darnit die SelLs tiincligkcit (les 1~1hcoretischen, ,,·ic c.s f (lr sicl1
gilt, il1 keiner \Veisc a n. \\tjr ngten ja schon so la11ge '"ir nur bei
de11 logi~chcn \v'erLf'n elb t bleiben , können, ja Jn ii:,sen \Vil' v on
jode111 Willen ab:;chen 1 (lcr zu il11u~n „ tellung 11ir11n1t , unil in. ofcrn ist es
richtig, d itß d.or ' '' illo oder ga r rlC'r Prin1nt ,fe5 \,\'illcns fiir llie r~i11 e
Logik nicht best eht 1 • l{or11n1t nbcr die "''crtver,\'irklichung, cl . 11.
d:1s rcnle Entstcl1c11 der \'7 i~::.c11scha ft dt1rch erk ennende ,_. ubj C'kte
in Fi-.:igc, dsi na ,vi rtl der B\~griff ein es nicl1t 111cl1r logischen sond ern •

iiberlogischo11 \v.illerlS, de1· clie~c \\tcrto als \Vcl'Le ancrlic11nt 1 zur


not,vc11digcn \ 'orau::.~ct zung. \ ficllcich,t kling t das zunücl1st paraclox.
a ber die P a radoxie, die dcn1 nur logi, chen1 \\1rgc g c,vo nnen en B e-
g riffe d,:.-; cbcrlogisct1c11 a11l1a ftct r ist 11ur scheinba r. Das logi-chc
Denken, rr1 it 1 Iilre de -~eo ,vir zu uicscr11 übcrlogi~cher, Gut e ,·or-
<lri11gen , \virtl s ich lecli.glicl1 1Jc:--i--en bc,\'u.Ut t tla U rei.nc \.Vcrtg~l t ung
1
clcs 'fit ' Orct iscllen 11oel1 11icl1t Ven,virkliclt1Jng cles \\,"er-Lei; in einc111
Gute ist , u111J d aß es cla hcr cin,es \\1iflen al<-tcs bed arf, urn d ie \ ter-
\virklichung a ucl1 des thcor tischon \Verl:.es in d~,n Gute clcr \Vissen-
. chi1ft zu l.nn de zu bringc11 . Sie ku1111 r111r tl\1rch einen \ Villen zt1r
\\'a hrh cit ent.~L<-h c11, ur1iJ <lie~c r \\'illc ist J rinn nicht 111chr logiscl1er
sonderr1 (ibel'lugischcr Art. Nicht <lcr ,,·crt <Jcr V\..ah rhcitt \vohl aber
clie \ Vissc.11 ·c ha ft bcrulit al!:\0 1 d a <lit \\1al1 rhcit, ei11 A11crk.cnr1u ng
fortJe1·11d(•r \\!crt. j~L1 auf ei11cn1 \\-'illcn, <lel' \\'ertc üll rhau})t ,,·ill,
1 \ 'g l. h ic-l~l u E. L a k • Gib t e~ einen P rimn t der prak t i~chl'n Ve.rnun.f t
in uer Logik? Dcrichl Oller den l 11. intc1·nu tionulcn l, ongrt'ß für P h ilosophie
zu 1-lcidclbc-rg 1909, S. 67 1 lf.

ü1g1taltzado por Goog e


- 605

t1ncl rle;:;,,·ege,, können 1vir er::.t in c_lem dns .~ol lcr1 t1111 seiner sei h: t.
,,·il lcn nncrkcnncn.cl<'n \\1illcn eins letzte J."'unt)an1cr1L, 11icht -.lcr \~1ert-
gellur1g, \\ öh l aber d~r ,,irklic hcn E rkcnnLnis se lten , fü r cla:; ltcinc
,,·eiter • B~<Trü11dung ntchr 11 1örrlielt ist . Der pflich lbc,,·ußLe orte t' ,.p,rak-
t ,i ,cl1e'' \\"illc geh t rnit a11dcreo \\'orten :1,1ch ,1 •r thc<Jrct i~clten \\'crt-
v c1·,virk.lic hu ng durc h die '''issenschnft in (ic•r gc:,..chicltl.licl1c11 Eut-
,,·ick.lu1lg r1-o ch vo ra n . Da · trc bcr1 nac h \\.a hrheit setzt dus Streben
vorau~, · ·i11e !_)flicht zu lur1, ja, da lj1·teile11 1 <las im Dienst e ilcr
,,·is..;cnschn fLI iclton El'kc11n Lni:; steh t., ist ur,ter cticse111 Ge5ir ht.-=pun ktc
selL:-:t eine be:-ontlere .A rt cles 1>flir hlgen1iißen 1 lan<lcl11s 1 t1nd hicra\JS
ergibt !-1-i(.:11 nun ,Jie ob~olul.e ,,rertu og lies p(lic hlb ,Yußler1 \\' illcns
a ,1 cl1 rilr cl cn thcorctisch('n :\lcnsrhcn o l~ ci r1e Not,,·en cligkcit. Die
A11crke11r1u11g tlc r '"·irli lic 11 betr1 eb~ncn ~ ' is:;c11sc ha ft als ei nes t1n-
betli11gL ,vcrtvolh.>11 Gt1te hat liic Ancrkeu11ung de p{Jichlbc,,,1ßLen
\\'.illens a l · cinc"S ehe11fnll~ tr11bccli11gt wert ollt~r1 Gt1 tc,s zur V<,.rau;,.-
srLzu rtg. , o kön nen ,,·ir zflig{'n, ,iaß ein pflic ht.t>c,\ ußter autono1·ner
1

\Villc, der ,vill , ,vas er ,vol len soll, ei n Cut isL, d <•~scrt \\'crL gcracle
~·0111 log i. eben • La,n (IJ)Ufl kt :.ius nic1na I· in z,,·eiC e! gPZ(1ger1 ,v rd"n
darf. IJn s th eoretische Dcnke11, (las Erke1)11t11ii- ,,·jll , hat als pe7.ia l-
fnll (les p,·n kti~c hen Strcbet-i ztt gel Len, da - '~'crte überht-111 ~')t in
Oilt cro vcr\,-irl<licht . Aue h cler na lu:•I iegcncie l~in,,·and, der In tel lclt-
tua li:-.rn u. 1--ci tr-otz<.lcrn noch i111111cr n icl1t, ülJCl'\Vunden, tlct) l\ der
'W'illc er~cbe·i11c in c.J icsc1n Zu~a 11.1n1er1laat1g lediglich als ci11 intcll<'kl11C"ll
,,·crlvo!Jcs Gut1 d . h. er ~e i 11ur in s o r er 11 u11bcd ingl ,,·crtvoll,
als er· die \ 'o raussc tzung der logischen Gtitcr oder <l<'r ,,·isscn:$cl1aft-
lichen Erken11tn is bildet, i t n ic ht. st ichhaltig. Freilich (lringcu ,,·ir i1n
1

La ure der l fntcrsucliung von der logischer1 nbcz.,vcifr lharkcit de"'


\\'erLes au s, der a ,1 rle r \Vissensc haft hi~ ftrt, dnzu \ tOr 1 ,laO ,vir auc h
d c11 tl1<:orctiscltcn ~l cnscl1cn z"·ingcn, <lcn pflicl1lbe,vußlen \\~i ll r~n
a .1 :- ab$c•lut ,vertvol l auzuerk. •11 11c n , u11d \veg •rt di •ser in ein •r logi~chcn
11l 'r~lt ·h uug unvc1·1i1ehllichen A11ordnu11g uuscrer Gedanken k:i11n
es dann o ·cltei11on, a ls o b ,vir den t1nbc<.li11glen \Vert d es :1ul onon1<•r1
\\"illcn:3 erst at1f dcr1 unbedingt~,1 \ \ 'ert 1 clcr· an dc111 Gut.e cler \\Ti~sc11-
scha[L haftcl, gl'gliitzt hätten. Aber (liri.er • ch"in cnt slt-hL a llcjz1 dt11·el1
ilf'.'rl Gt111g der t: nter~••chung. Der obsolule i,1 crl d,·~ Jlflichtbc,\'t1ßlen
\\"il lcus beru hl rlarrt uf, clnO er die \ "orc1 u~:-etzung j cllcr bcliebig-,·n
, .er,vi rk lieh ung uubcd i nglPr \ \ 'crlc ist , Ul1d Illll' deshalb n1u ßtr.n ,,·ir
vt>n1 Logi~chc11 au~gelict1 1 u111 zu zeigen. tlaß r1uch clcr r,•in tl1Po rcli:-<e hc

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- 606 -
l\lenscl, d e11 u.nbedinglen \\1ert die es "'' illens als gültig anzuerkennen
h at.
\Vas ist nu11 aber l1ierdurcb für ciie Frage 11ach d er Obj ektjvitä.t
der GeLc hichtswisscnscJlaft gc,vonnen? Zur in h a I t l i c h e n Be-
stimmung der \Verte , die ,vir als absolut gültig vorau setzen dürfen,
}1abon wir nicl1ts l1inzugefügt sondern nur gezeigt, daß aucl1 der
\Vert des autonomcn 1 \:\tcrte u,m ihrer selbst ,viJlen anerken nenden
~ 1illens iibcr jedc11 z ,,·eifcl crl1abcn i t.. Datnit ist doch lediglich ein
Gut ge,,'onncn, des...en \Vcrl nocl1 formaler und in.(olgedesscn zu-
gleich 11och inha lt.~är111er ist aJs der W ert, den ,,,ir b ereits hntt.cn.
it1d ,vir t1lso jotit ct.,va vor die Aurgt1be gc Lellt, eit1c Reit1e vo·r1
be!,Or1dere11 l{u ltur\\·erten durch rlähcre inhaltliche Be,s;t,i1nmung zu
ge,vinr,.en, die sich zu de.m allge111ein len for1nalen \,\' crte des pflicht-
bo,v-ußtc11 \iVillcns ebenso vert1alten 1 "'·ie d er \ Vert d er \Vahrt1eit un.d
der \\ 'ert der \,\fissc11scbaft sich Zll il1m verhalter1, und llabcn ,vi r dann
'
ihre Objekti-...·it üt und ihre AIIgen1ci11:gültigkcit aucll rl1it Rück~icbt.
auf ihren Inhalt so aufzuzeigen, dnß sie clen ,vissenschaftlichen Werten
in jecJcr lfinsicht 1nit Rückl)icht au[ ihre Gel tung gleicllgestellt und
koordiniert ,verden l{üllilCil?
Die Ant,vort. nur diese Frage ergjbt sicl\ aus <len früh•cren Aus-
füh rung"n von seihst. Sollte die ge. cl1ichtliche Ent",·icl<lung nicht
r1 ur tl1eorctiscl1 ,,·crthcziehend dnrge teilt sondern aucl1 pr-,,kti cl1
positiv oder negativ ge\vertct ,verdc11 1 da11n ,värc a Ucrdir1gs ci11e •
Ableit.trng besonderer l{ultur,verte not,vctldig, die zutll ~laOst.1b
der \\ 1ert ung di „ncrt. Ebe11so ,vürde eine Gescltichf.sp,hilo:-ophie, die
den cinl1 itlicl,en 11 Si11n" der gcsarnten l\lcnsehl1oitsc11t.,\'icklung in-
haltlich be~ti n1111er1 uncl glied ern ,vil l, ohne i11haltlicl1 bO$timn1te
\"\i' crte nicht at1skornrn en . Ja, auch ei11e Universal- oder \\' ellge-
sehichtc l<ann e i n h c i t l i c h iaur rnit JJ ilfe ein,es yste111 • von
Kultur,verten gesc hrieben ,vcr<le11 u11d setzt in.sofcr11 eine n1aterialc
Gcsr-hicht~philoso1l hi e vorau ~ 1. 1111 übrigen ist j crloct1 für die Frage
,
1 Es i~l unter dic.sem. GtJsic htspunkl chorakte r isti e h, daß I{ u r l 13 r e y -
s i g seiner „ Kulturgcschichle tlcr 'ruzcil", dio latsdchllch Liino ,,,\.'ctlgcsehichto·'
gc.bcn ,vilt, einen Oand v orau ~gcschickt. hat, in ör1n er nich t uur von dcrr Auf-
gabe einer allgerr,einen Geschich l ~chreibung sou<l(•rrt auch von ihre11 ,, ~laO-
slfi ben" handelt. .F'rel lich is t i1 r o y s i g sich nich t dor ot.,cr ktnr geworden,
daß Pt· mil diescu „ :'l la Oi.- Lfiben" tllc K u l l u r ,,, c r t o fc-.!.lzus t l.!llen s u cht, die
ihn bei seiner Our tellung lei t ~n, un(l dall er al~o durchaus \\'Cttbezi · hcnd ge-
sellicl, l.:,phi tosoplt ii-eh vcr(ährl. A her gern de ,\"eil auch bei elnern G,cgncr Jedt~
\ crlgei~ichl ~punkts in der Gc!'.>chichlc d .i<'~o logische Struktur ~einer .A.n sicb l en
sich nnc h,,·t:oli;cn Jii ß t, lril~l sie b ~ ndt•rs zur Bt•stfil igung un~erer Theorie b ei.

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- 607

nach der \vissensclia ftlichen Objektivität rein e11lpirisc hel' l'list orischer
Darstcllung,e n die l( enntnis ei nes \Vcrts)rst crns irr ~lc'\·anti und da.her
llaben \\•ir bereits jetzt, a lles ge\vonnen, \\·as zur Begründung der
l,istorischen Bcgriffsbildu.ng und il1rer Objektivit.ät not,vendig ist .
]) er l{ultur,..·crt cler \\i'isse11. cl1a(t bot ja d er Geschichte rn e 11 rt
als sie h rauclit 1 u11d dieses .\lel1r ist gerade das , ,vus ih.n vo11 dcr11
allgemeinst.e11t rein for111alen \\Terte clc p flicllthewußlen \\1ille.ris übcr-
J1aupt u11tcrscliciuet . Der \\i'ahrhcits,vert 1nucht eine direkte \\'ertend,e
Bet1rteilung der gesel1icht.liche11 \\"jflc11s\'Orgfu1ge rnöglich. Da aber
diese Beurteilung nich.t Au fgabe der Ge-:;chichle ist , un(l da ferner
de r Jl ist,oriker un i so objektiver v erfährt.., j e rnehr er cle11 1 n h a I t
seiner leite11dcn \\rertg:.sich'Lspunkt.e dcn1 hi~ torj, cher1 1'1.alc:rial .sel.bsl
entnirn111t, das er dar teilt, • o besteht clie (ibercn11)irische Voraus-
setzung der crr1piriscl1en Gcscldcht,s\,·i:.:sentichaft allci11 darin, daß
aucl1 v o1n rei n th.coret.ischen \,·is. c J1 chart.lichcn ' Landpunkt die Bc-
ziehu11g der ,virkl ichcn "'·ertenden und ,vollcntle11 ~ ubj ckLe au f i r-
g c n d ,velchc absoll1t gültig1'!·n \\ 'cr te not,,· •ndig bleillt. Es clo.r( mit
ar1<lcrn \ v'orl:.c11 at1cl1 von der \Vi~.--cnscl1aft das „ tcllungn.e hn1en der
~1ensc11en zu norn1"ativ allge111ei11er1 \Vert..en 11ien1a ls t\ls ct,,,·as bloß
Individuel les inne clcs \Villl,ürlichen be trnch Let ,verdcn, und
i 111

cJiese Vorau setzu ug ist berci~ llureh die unbcclingtc Geltung dcl'
\.\1ertes 1 clcn ein pflichtbc,\1.1ßt.er \\' illc hat, gesichert, (Ic on i;o nol-
\\·c11dig der dar<ln haft end e \\'crt gilt , so n ot.,,·cndig i t aucli die B e-
ziehung <lcr \Virkliclikeit auf ih11. \,\' ir dürfen clabei 11ur nicht ver-
gessen , in ,\·elcl1cnl inn ,,·ir hier d::t:,; \\fort ,,P flichtbc,vußtscin" gc-
bt·at1c hc n1 d. h. 11ic ht nleinrn 1 daß \\·ir da11lit Zll einer Go~chicht.-.philo-
sophie ko1.n111c11, die rnit 11ctl1i::;ch.en ,1aßst.ähen" ::irl)eitet. t\ t1c l1 der
d~nklJnr al lgcn,cin. t.e und urn [a ·sen<lstc Begriff J er I{ultur setzt, i11it
Rficl~sich t auf seine a lln1ü hl ichc \ rcr,,·irk ljch u11g in cler Ce:-;.cl1ich te
chun einen pflicJ1t.bc,v11/Jt,cn \Villen in der Bedcut\1ng des \.\ Fort.es
v oraus, die \\·ir hier i11l Auge haben , denn ,,·ir ,,·isscn , dnß es [(ult,1r
1111r in einer Gernei11s.chafl, gibt, dcre11 · Glic<Jer ge,vi:s?->e \\'et tc- aJ~
eine gcrncinsarr1e Angel„gcnhcit, d. h . nls norrr1._\tiv allgen,cine , v erLe
bet.rachtet1 u.ntl <Jahcr rniL ihrcr11 Pfli chtbe,,.·t1ßtscin zt1 il1nen Stellung
n c·hn,en . \\'ir sehc11 also : gcric1dc ucr rei n r o r 111 n I e \\ erll>cgriff,
llcn \\'ir aus <Jein Bewiff ei11cs \\rertc frei .a nerke11ne11<le11 ''' illcn.s gc-
,,·otLr1cn habrn 1 ist <la~, '"llS ,,·i.r brauchen. Der \\ 'i11lc r:.pruc h ur1 crcr
E rgclJn i;;sc 111i t. der vor,h ancl ' nt•11 Gc··c hicl1t:-,ri:-sc11:--cha rt l>c-ru l1Lc ttuf

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- 608 -
einer, ,\·ie es schien , 11ot,vc11digcn B evorzugung d.cr inte1lekluelle11
\Vcrte. J etzt llagr gcn cr~cllci11t die Beziel1ur1g der ei1,rnttligc11 und
inclividucllcn \\'irlclichkeit a uf a 11 e \\:crte 1 c]ic von pfli,chlllewußten
,voller1dcn :\ler1scl1cn flls nor1T1ativ a nerlta1111t ,,1c1·tler11 cbc11so uot,vcrud ig
,vie ctie Dczielt11ng auf dc11 \\' crt d er \\ii::.sc11:!cha ft,1 €1. b. überall ,vo
sozia le Inrlivicl11cn \\.'c rte alt1 eine gc11leinsat11c Angelegenheit bcLracl'1-
tcn, unrl ,vo ihr ir,,ti,,icluellc:; \Voll~11 t1r1d liar1<leln füt· die n ca li-
sicru.ng dieser so zi ulcn \\' crtc i11 K11It11rg ütcrn ,vcsenllicl1 ,vir<l , d a
gel1L ct,ras vo·r , rlc111 ,,·ir gcra,lc vo,n ,·oral,, setzung, losesLen Sta,1cl-
p\1nkt der ror111aJcn. \:Vcrtbcjahung des pflicl1Lbe,yußt.cr1 Willens ilher-
ba upL eine ohj cl"i:livc Bcdeutuug für <Jus ur1bcJj1tgt Gültige z.uS-chreiben
m ü~:-cn.
Nun ,,·isscn ,,·ir a ber ferner, daß ir11 Zcr1trur11 jeder l1istoriscl1cn
Dar~tellt1ng ,yollcn<lc 1\len!-che11 s tehen , dio Z\l (lcr1 n ormativ allgo-
n>cin.en \Vcrtc-n ih.rer Ge111eini-cl1uft tellung n cl1mcr11 ,111d \vir l1aben
claher geraclc die:;_ei1 hi t ori schen \\'illensakLcn in il1rcr lnrlividt1n1ität
eine objektive Dccleutung bcizul<>gcn. ic stcl1cn in einer n ot.,,·cndigen
Bczicl1l1ng zu dcn1 1 ,,·as u11berlingt sein S{Jll, gleichviel oll sie es fördern
oder )1cn1men, denn rlic \ :or ntlssctzung cles Lebens, daß jede solc he
H andlung dc1n1 ,,·as ge.tan ,,·erden soll, r1iiher oder ( ' rncr st eht, bleibt
at1cl1 für clic Jediglich betrn,cl,t.ende Bcziehttng d er "'' itklichkcit au f
\\' erte u11a1lgc'lo t.ct. Diese Bczie.hur1g ül)orlrägt sicl1 d ann a us ticn
a11g,cgcbcncn Grü11 1..ler• auf clie an,l,c rcn pri mär histori chcn. I ndividuen
u11d eben. o att! clc11 sekttndär his lorisehen Stoff, t1ncl die Darstellun g
des g:-\nze11 llistori-cheJt z u~n11l111e11hnrlges i11 absolut. odcf' reli-,Ljv
l1i:sLoriscl1cn Begriffen ist d,eshalb eine un bcclingt-e '"·isser1schaftlicl1e
Not,,,·c11digk.c:it. Freilii:l1 , ,,·ir \Yi~:;cn oicl1t , ,,,eichen inl1altlictl be-
sti1111nten Sinn die E nt\vi ck lung d e rnc1J~chlichcn J{u ltu r1cbcns hnt,
un d "'·ir ,,·cr,Jcn Cf;, cla ,,·ir in dieser H i11~icl1t Lets gcscllicl1tlicl1 l1e-
dingt.e \ Ve~erl blcil, cn , in absolt1tc r Vollständigl'- •it niernt.\l~ , vif:scr1 .

Aber dara1.1r kon1n1t e.s, solu11gc e_ -·icl1 11ur t11TI clic Objcl<tiv.itäL der
Ctltpiriscl1en G"':,;c- hi ch Ls,:visse11:;cha ft h andelt, nucl1 gar 11icht a.n . Der
I·listoriltcr \,·ir(1 j n von inhalt)ict1 b cst i1nrut on \Verlcn gclciLct 1 uic
et· i1n111e1· ntir clem histori ·chcn l(ultt1rlcber, selbBt entn eh111on kHnr1 .
Das al lci11 ist al~o ,yichLig, d aß (lie Eu t,\.·icl,l11ng d es rnen~ chlichet1
l{ullu rlcbc11~ überl1at1pt irgenll einen ohjekLi,·en inr1 liat, d . h. d.oß
irgc11d\velcl1e \\'crlc u11bc1lir1gt, g<.'lt.en, attf die sie bezogen ,,·cr,leu
1nuß. Des c11 aber li.ö11 11c 11 ,vi1· g._..,,,jß ~c ji1 1 ol>:ll<J der \Vcrt des pfliclit
1>c,,·u ßLcn \\'j IJen~, der \\rcrlc iu G'ü lern üoerl1au1„t rlln li$icre11 ,,·i U,

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- 609 -
feststeht. Und z,,·ar ist das logisch ge,viO, denn ,vir haben gcselien,
daß die Geltung dieses Wertes auch die Voraussetzung clcs ,virklicl1en
theoretiscl1en Erkennens ist. Bleibt da her aucl1 n\1r eine Bcziel1ung
der Wirklichkeit au f irgcnd\•r'elct1c unbedingt gültigen '\\7crte über-
haupt, und ist. also die ' ' orau.ssetzung 1 die ,vir n1acl1en dürfen, nucl1
rein for111al 1 so genügt sie doch, um die ge~chi chtliche Auffassung
d er vVclt cbc11so als n ot,vcndig z.u betrachten '\\'ie clic natunvi!iscn-
schattlicttc. Für die ,visscrLScl1 aftlicl1e Objel{t iv-itilt der Auf telJung
von Natt1rC'Te. ctzen brauchen ,,rir nur die formale Voraus" etzung,
<Jaß irrcnd,Yelcl1e u.nbcdingt. allgcrneincn Urt.eile ab olt1t gelten.
Aller Inh alt ist der Erfal1rur1g zu entnel1r11 cn. In der empiriscl1cn
Gcschicl1te können \,·ir eber1!alls bei der forrnalen Voraussetzung,

daß irgendv.-clcl1c '\Vcrte abso1ut gelten, stelien bleiben. Jeder in-
ll altlicl1 bcslimrntc norn\aliv all ge1aci nc Kultur,vcrt steht d ann ab-
solulc11 \-\7erteri 11äh.er oder ferner, tin.d jedes Kulturleben l1a·t dal1er
i11 seiner l n<lividualität z;u absoluten \Vertcn eine mehr als ,villltür-
licl1 Bczichur1g. Daß ·, ,,ir au cl1 d en Inhalt der ab.solutc,1 \Vcrtc kennen,
atif ,,,elcl1e die \Vi1·klichkcit. bezogen ,vcrden 111uO , urn ei ne objektive
Bedeutung in i11rcr gcschicl1tlicl1en Ent\\'icklung zu erha lten, ,vtir-e
ntir danr1 not,,rendig, ,,•e11n ,,~ir iiber uie cn1pirisclic Gescl1icJ1ts,,·issen-
schart hinntts zu cir1cr Gescliicht.sp.hilosophie \·ordringer1 wollten,
di-e den Si nn des gcschi-chtlicl1en l.ebcns inl1altlicl1 z-t1 det1ten unter~
ni1nn1t. \Voil das aber nicht Aufgabe der e,npirisc~1cn Gcschict1ts-
,,·isscn:;cha ft sein kann , deren Objektivität uns hier allein interessiert.,
so ist jetzt di.e Frage n :.:icl1 tler Objektivität -der Oesclu chts"·issenschnft.1
so"veit dies unter erkcnntnisthcorct-ischen Gesicltt.spunktcn mög}jcb
ist, bean t,vorLet . Es gibt. kcinc11 philo ophis-cl1en Sta11dpunkt tr1el1r,
or1 dem aus es noch gereclltfertjgt ,väre, zt1 sagen , die Bildu ng von
Begriffen, deren Bestandtei le sicl1 rnit Rücksicht auf ei11en n ormativ
a11(,c1r1cinc11 \\1 erL zu einer abso lut od'er relntiv individuellen ,vert-

bczoge11cn Einheit zu~ammcnscl11icDcn, und die in i}arcr Gcsan1theit
eine cin111ali,.,.c Ent,ricklung:;reihc darstcllcr1, J,1abe \\1e1liger Ansprucl1
auf den . a1ncr1 der \\'issenschaftlichl,eit als die Bildung von Begriffe111
d ie eins ein er ~Jchrh it von Dingnn und \ 'orgängcn Gcn1cin~a me cnt-
hnl Lcr1 oder unbedi ngt allge1n.cinc U l'te1lc über clic Wirl;.lit ltkcit in
Fo.f',n von •nturgesctzen zt11l1 Au!l.dru ck bring~n . Ei11e intclleJt-
tunJi ' tischc i11hnltlicl1e Bcstin1mung <lcr allg(•rr1ein gültigen ' ' ' erle
schließt nicht ct,,·a \\'r11igf'r so11dcr11 so<ra r n1chr \''orH11::sctzunge11
._~i r1, u11d sie t\nt sieli als ei11" ,·öll ig uugerech lferliglc, dog,natiscbo
RIck r t , Onin if!n. 2. A •dJ. 39

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- 610

Vcrengert111g des l1istorischen Gesichtskreises envieson . Gera-d e die


Leerheit cler alg gültig vorausgesetzten formalen \ Verte gibt. der Ge-
schichte die not\ver1dlge Freiheit bei der inhaltlichen Bestimmung
ihrer leitenden Gesichtspunkte.

V.
G e . c 11 i c h t e u n d W c l t a n s c h a u u n g.
Das in cler Einleitung djescr Schrift gestell te Problern der \1/i ·scn-
scliaft.slehre ist jetzt gelö t. Doc~1 hatten ,,,.ir gleicl1 arn Anfang bc-
111crktt daß der letzte Z\1!'eck di ese!' Arbei t, ,,·ic der jeder pl1ilosopl1i-
chen U11Lcrsucl1ur1g, darin bestel1t1 eir1c11 Beitrag zur Klttrun g der
soge.uannten W elta.n cl1auun gsf rag-cn zu liefern . Unsere A\1sführun gcn
• über die :t\Vei vcrsct1icdenen Arten der BegriCisl>ildt1r1g sollte11 d tts Feld
frei 1nacl1en r1icl1t a llcit1 für die Ge cl1 ichts\:visseoscl1aft selbst - diese
0

,vürdc auch ohne die \Vissen~clta ft leh re fcrlig \Verden - so11de.t n


vor allen1 fiir eine Ph.ilosopl1ie, die Ricl1 von n a tttr,vissenschaftlichen
\ 'ort1rtci le11 und Einseiligkeiten fern hält un.d dal1er das gcschicl1tlicl1e
Leben so,,·ohJ zu ,v(lrtligen als auclt aus ihrrl für il1rc Prohle111c zu

lernen verstct1t. Das, \vas sicll aus der Logik -d er Gescl1icl1te für die
Fragen der Welta11~cliauur\g übcrl1aupt -e rgibt, ljcßc sich nt1n . elbsl-
versiftndlich nur in ei,r1c1r1 System der Pl1ilosopl1ie crscl1öpf~nd klar
legen , 1111d vo11 jedc1· Andeutung ei11cs ~olcl1cn S 'st cr11s llabcn ,,·ir
hier abzu el1en. Nachden1 aber die logisc:l1e Arbeit getan ist, \.,•ollru1
,vir doch zunl Schlt1ß ,,·enjgstens noch nncleut.en, ,,·as überhaupt, un ter
einer Berücksicl1tigung des Gcschicl1tlichen durch d ie Philosopl1ie
verstanden ,verdcn muß. ' ' on vor11hcrein "'~ic. cn \\·ir dnrauf l1io,
daß es eine „historiscl,e \ Vcltanscl1auu1,g 41 eben o,venig ,vie ein e
natur,viss.enscl,aftliche gebe11 kar1n. Die Geschiclrle ist, fil r sicl1 allei.r1
rtie in,st..andc, clie pl\ilosophischen P1·oblP,111c zu lö e 11 , und der Hi ' lori~-
nlus oder <la:, Lt>ckenblcil1cn im bloß Geschichtlichen steht sogar de111
Natur~lisu,u~ an philu ·ophisc}1cr B etlcu tu11g nac h. Nur u111 eine
Orienticrurlg der Pl1ilo!-<UJ>t1ic an dctrl l1islorische11 Deuken darf es
sict, lland-el11, und auch die~e braucht nicht fi1r alle Teile vot\ gleich
großc1· Be<lcuLung z.u sein. \,1clc·hcr1 inn . ie ,vc11ig::;te11s für einige
pl1ilosophii-;c he Di~ziptinen h:.L, u11d in,,·iefcrn die Pl1i1osophie dadurch
in Ge"'en:,aLz zu s<tl1~hcn liichLun l"rtln tritt, <lie J1cuLc viel fach die J1crr-
sehenden sincl, cl.1s . i1ch,•n ,,,ir irn }>rinzip, 1\och zu zeigen , damit ganz
allgorr,~in (lic Berccltligu11g klar ,vir(l, ci1le ·l\l e r-s uchurtg über die
Grenzen d ··r 11atur,vit!-~e11:ch3fLlichcn B"griFf ·hildung und ej1te logifc he

D191, h,ado por Google


- 61 1 -
Einleitung in di,e historiticl1e11 Wissc-nschaften als Bestandteil der
\Vcltanschauungslehre anzu ehen.
Zu diesem z,vecke ist eine Andeutung über die r\ufgaben der
Philosophie 11bcrhttupt not,vendig, die jedoch keinen Anspruch erhebt,
eine ,,'iss.enscbaftJiche Definition zu sein, d . h. wir wollen nicht den
Inhalt, des Begriffes Pl\iJosophic fe~·lstellen sondern nur auf ei.nen
Teil seines Un1(angs l1in,veisen , also a uf einige ,vissenscha!tliche
Disziplinen, die spezifiscl1 philosophisch z.u nennen sincl, und an1
besten gehen ,vir clabei in diesem Zusammenhang von <lern Urnstande
aus) daß es Problen-1e gibt, dje weder na.tunvissenschafllicl1 noch
tu Lori eh e1· cl1öpfeod zu beha11deln sind. So sehen '"ir, ,va für die
Philosophie heute noch an P roble1nen übrig bleibt. Bei einer Ueber•
sieht über die l-Jauplgruppcn \ 1 0 n Objekten, aus dener1 diese Pro-
blernc entstehen, schließen \\'1.r uns d er Gliederung an , die de.m Kan-
tischcn Denken eigentU,mlich ist , '-VObei Creiljc.h nt1r ihr Resultat,
ni cl1t auch dns Prinzip, das il1r zugrunde liegt, in Betracl1t komrat.
1
eben det· '\\lissenschaft, "velche die Logik zu fl-,rcm Gegen tan<le
n1-aci1t, i ~t es cfanacl1 vc>r alle111 das ,,praktische d. h. das sittliche
1
.',

L.,r bci1 i1.1 l-'a1 nilic, Recht, Staat us,,•., fen1cr da kijnstleriscl10 und
cn<lJic h das relig iöse Leben, ,vo raus die pl!.ilosophiscl1en Proble111e
envach-·en , und neben d en Begriff der \\' a,l1rheit treten dc~ e11t-
sprecl1end •die Begriffe des Guten, des Schön en und des Heiligen als
philosophjscl1c Zc11tralbegriffe. Aus den vorangega11goncn Ausfül1-
ruogcn \\"i sc11 ,vir bereits, daß ,,,ir \VissenscJ1aft 1 Sittlichkeit, Kun t
und R eligion , SO\veit sie im Kt1ltt1rleben ,virklich vorkommen, so,votll
gescl1icht.Jicl1 als attcl1 natunvissenschaJtlicl1 behar1deln, d . h. einer-~eits
i11<.-t i,,idualisierend clie ei11rnalige Ent\"\-'icklu.n,g die er Objekt e vcrfcJlgen,
andet·erseits nn.cb den a.llgemeinen Begriffen oder Gesetzen s ucben
können , unter die alles \Yis ens.cl1aftlicl1e F orscl1en, a1les sittlicbc
.. trebcn, alles künstlerische Schaffen und alles religiöse Leben fällt.
Aber, ,vcnn '"ir d ie hierbei en tstehenden Fragen d urch die Ein zel-
\\lisseuscl1aftcn auch alle bea11t,vortet dcr1ken , ·o bleiben docl1 noc h
irt11ner Probleme übrig, die ich nicht auf die \VirklicJ1l{eiL det· f{ultur·-
vorglinge so11dern au( den on il1nen haflenclen uncl begrif(lich ,,on
ihnen ablösbaren u inn'' beziehen, t1ncl die ,vir au ch a.Js \V e r t-
p r ob I e m e bez.cicl1nci1 können. Sie bilden das Arbeitsgebiet rlcr
Pl1ilo _opl1ic1 die ,vir hier in il1rcr Stellung zur Gesch.ichtc kennen lerrlcrt
,,·ollen. U11tcr \Verten vcrstel1en \Vir dabei c;1lso nicht d ie G·üter 1 an
1
de1ie11 \Vt:rte hait.en , und at1ch nicht die Akte des \\ crtcr1s, die zu
39 •

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- 612 -

\Vcrten Stellung nehmen, de11n die GüLer und die \VerLungen lassen
sielt generalisierend oder individualisierend von Einzeldisziplinen er-
f or~chen, sondern ,vir meinen nur die \Verte selbst , mit Rücksicht
auf \ve1che der Sinn der Kulturgüter best ehtt und behandeln sie, in-
sofern ~ie als "''crte gellen. \1/ir kön11cn daher das philosophische
Problern, für da , die Gc:Scl1ichte von Bedeutu11g v,ird, auch als das
der \\'erlgeltung oder der Geltung überhaupt bczeich11cn, da es nur
vVerte, nicht \\i'irklicbkciten sind, von denen man Geltu ng aus agerl
ka1m. Zv,ar hat sicl1 die Pl1ilosopl1ie nicl1 t imrncr auf diese Probleme
beschränkt, und sie tut es aucl1 ltcutc nicl1t in derrl S.i11ne, daß sie
11ur die \\'crLo behandelt, d. h . sich um die \\'irklicl1keite11 gar nicht
kü11lrnert. Doctlt ,,rie es sich damit aucl1 verJ1alLen 111öge 1 jede.nfalls
sind wahrt gutt schön, t1eilig Begriffe vorl Werter1, ,vas arn deutlicl1 te o
vi elleicht darin seinen Ausdruck (in.d et, daß die er1tsprec1'1enden Be-
griffspaare ,vahr u11d [alsch, gut und böse, scl1ön und htißlich, heilig
und u11heilig sich als \1/erlgegensätze darstellen, und es drä11gL sicl1
uns dalicr, ,ve11n \vir die angegebenen \ Vorlc überl1aupt gcbraucl1en
,,·ollcn t die Frage auf, was die~e \Verte als \\terte bedeut.cn t oder in,,·ic-
fern wir vou il1rer Geltung sprecl,en kö1111e11. Eine Bcant,vortung
dieser Fragen aber is.t nur 1r1iL rlilfe einer Bestimn1ung der \.Vert-
begriffe 111öglic11> die nichL dara uf ausgcl1 t 1 alle zu urnfas. en , ,,·a;;
,,·i\ltr, gut, scl'1ön und l1ei1ig genaru1t wird, sondcr11 die feststellen ,,·ill 1
,va allcir1 diese Nan1en verdientt oder ,vas als gültiger logi eher ,
si ttlicl1er, ä lhetischor und relig,iöser \.Vert zu v erst eheL1 ist,. So t,cbt
sicl1 ein bestim111tes Arbeitsgebiet l1eraus, das keine r1atur,visse11schaft -
licl1e oder J1istorischc Disziplin in Angriff nct1n1en lcann 1 uJ1d das
jetlenfalls der PJ1ilosopliic gcl1örl 1 gleichviel ob man dieser V\'issc11cl1aft
au.ß erdem nocl1 ar1dcrc Aufgabe,, tellen ,vill oder nicht.
z,"·ar ,vird oft in Abrede gestellt, daß derartige Aufgaben überhaupt
vo11 einer \\lisscnscl1aft ber1al1delt ,,,crdc11 kö1t11e11, aber dann meint
111an ,volil, die Pl1iloso1)hic ,volle es unternehmen, von sich aus Werte
er::.t zu erfinden, u1n für die Mcnscl1l1ei t eine Art. von \Vertgcsetzbuch
zu schreiben, 11ach d e 111 sie icl1 zu richten l1;1be. Ein solcl1er Versu ch
ginge in der 1'at über das hi11aus, \vas ,die Pl1ilosop}1ie als Wissenschaft
zu leisten in1Stande is t , und <lio Berechtigung dazu , in der R olle des
Ge ctzgcbcrs au fzutreLer1, ,,·irtl n1an de111 Pl1ilo opl1c11 1r1it Recl1t
absprecJ1en. Docl1 011, die Erfin,Jung von neuen \\1crt.er1 }1a11dcl t es
!:-icl1 in eiuer richtig vcl'sta,ldcncn Wcrt,,·is~cnschnft aucl'l durchaus
11icht. Die Philoso1)l1ie bat , ,icl111el,r , 1on C'lcr Tatsache auszugehen,

ü1g1taltzado por Goog e


- 613 -

dnß f3ktisch gc'\visScc \\T,ertungen. m it cle,11 Anspruch auftreten, <laß


die \Vcrl-e, zu denen rnan dabei Stellung nimmt, Geltting b esitzen,
urtd sie stellt sicl1 nun die Aufgabe, zu verst ehe11, \\'aS <iiese \\1cl't•

geltung bcdet1ten kann , u11d in,viefern daher die \'\lertungc11 gerecht-
fer t igt sind . J eder , der W orte \Vie \\1ahr, gutl schön 1 h ei lig gebraucl1t,

setzt fakti ·cb \\.'crt.o vora us und bel1aup t..et durch die bloße Bezeich-
nung i1n plizite 1 da ß sie gültig sind . \1/ir konnten zeigen , daß sogar
jede Kon statierung einer T atsacl1e die Anerke11nung eines \.Ver tes
un(I die Vorausse ti u ng einer \Vertgeltung einscl1ließt. Dal1er dürfen
,vir in dem Satze, daß a lles Bestreben ,. zu \\1ertbegriffen von a lJge~

rr1ei11er Geltung zu kornn1en 1 un,vi:-scnscltaftlicl1 sci, "''icder nur das
Zeicl1e11 eines lecre11 uud n egativen Dogrnatisrr1us sel1en 1 der seine
eigenen VorausseLzungen sieb nicht zum Be\.vußtsein gebracl1t l1at.
Scl1011 un~crc gan ze bisherige Untersuchung ist eine , lertpl1ilosophiscbe
1

jn dcn1 angegebenen Sinne ge,vcsc11 1 d . h. sie l1at <Jjc Geltung ge"visser



thcoretiscl1cr Werte, ohne '"·clche die generalisierende Begriffsbildung
der Na lur,vissenschaft und die individualisierende Begriffsbildung
der Gescl1icht e keinen logischen Sinn .h aben ,vürde11, a usdrücklich
fcsLzustellco und zum Be,vußtsein zu bringen ver ucht.
Docl1 erörtern ,,·ir das Verfuh ren. einer Pbilo. opllie der , verte i 111
f1llgc1neinen niclit näher, de11Lt, ,ver über die natur'\,·isscnscha.ftl.iche
und historische Behandlu11g der Di11ge nicl1t hi11atisgel1en und dal1cr
aucl1 \ Vertc nur ·o,vcit untcrs ucl1cn w i l l, als sie a11 Gütern ba rtc11
oder faktisch d urch Akte der Stellungnahme ancrkan11t ,verden , ·ict1
also " ·ie andere 'f atsachen empirisch konstatieren lassen, der ,vird
aucl1, falls er nur konsequent verfäl1rt. und ,,rirklich niemals et,,·as
über die Gclt11ng <ler WerLc aussagt, n.icht in e_iie F ehler einer cinseiti~
n a l.ttt'\VlS~en "chn(llich orientierten \Vertphilosophic verfallen . U11s
inLeres j ren hier allein d i e For1nen des philosop-hischen Denkens,
die ausdrücklich \\'ertbegriffe mit Rück icht au[ ihre Geltung .b ehan-
t1oln, und nur ,,,as für ie die ·Geschichte bedeutet , ,vollen ,,·ir ver-
s tehen. Zu diesem Zwecke besi1mcn ,,rir uns darauf, daß in jeder
philosophisc.b,e n Unt crsucl1u_ng ein formaler von eine1n 111aterialcn
1'ei) zu unterscheiden ist . z,var sind die B egriffe forrnal u11d 1na teri{l 1
relativ, aber für jeden besondere11 Fall ist dje Scheidun.g doch ein.-
deutig. In der allgemeinen Logi k z. B. r·echnen ,,i 1· zu1n forrnnlen
T eil alles, ,vas in k c in e m au f \Val1 rheit überhaupt 1\ nsprucl1
1na.c llct1de11 Urteil fel1len da1·f1 und dc111gegenüher ist tltt1111 die Lehre
v on der wi sse n s e h a f t l i ch e :n \\' nhrheit schon 11:aaterial. \ Vir

D1911 11,ado por Goc,gle


- 6 14 -

kön11on aber aucl1 eineu forn,a len ' \i'ertbegriff der \v:isse11 cl1aftliche11
\Vahrl1eit bilden, der das enthält, ,vas zt1 jedem beliebige.11 ,\·issenschaft-
lichen Urteil gellörtt und diesem Begriff gcgeni1ber \,iirden dann
erst die Begriffe der n a t u r ,v i s s e n s c l1 a. f t I i c h e n u11d der
h i s t o r i s c 11 e n \Vahrhcit n1aterial sein. Scltlicßlich kann rnan
jedoch auch das zt1rn forr11alen 'feil rcchncr1, \\.·as in je<ier beliebigen
natun\'isse.n chaftlicllcn Untcrsucl1ung unc1 ir1 je{ler ge,scl1icl1ts,-vi~sen-
scl1artlichc11 Darslellu11g an logiscl1er1 , vertvorausseLzu11ger1 Leckt,
und der maLeriale T eil besteht. im Gegensatz hierzu dann aus den1,
,vas ~ich erst nt1s d.eo j n h a 1 t I i c h e 11 Be tin1111ungcn der Objekte
g,c,,,in nen läßt, mit d.e nen os die ve.n-chiedcnen ~ ~i5t:-enschafte11 zu
tun haben . Ebenso ist cler al lgemeinste Begriff des praktischen ~cler
sit.llicl1cn Wertes formal im Vcrglcicl1 1.u clen \.\'crtbegriffen der ~foral
irn (!11gercn Sinne, cl. }1. Zll den ctl1i~cl1 n \Verten, die in der Ehet in
,ter F'ainiJic, im R echt, i1n Sti1at , in der ation us,,·. st ecken. Aber
es gibt aucll fot·111ale \\1ert.begrirrc , die da~ cntlia1lcn, ,,·as in jede1n
sext1al-ethi ~cl1-en 1 jeclem juristis lleo, jecic111 nat.ionale11 Lebe11 er1t-
'\i,
halten ist, und \vas gegenüber der11 allgenlci11sten 7ertbcgrif[ cl.~s
Sittlicl1cn überhaupt bereits JTIOlel'iale .Besti11lmunge11 zeigt. Auf diese
\Veise hSl.ben ,vir schon in u nseren fr üheren Au füh1·ungen die [orn1aleu
t1ncl die mtlterjalen Bestanrlteilc von einander getrennt, t1nd ebenso
,,·ertlc11 attcl, die Obrigcn pl1ilosor,hiscl1e11 DisziplineJ1 vc1·fil.hren müssen.
Da Geschichtliche hat, 11l1n uu ter rlicscrr1 Gcsicl1ts11uokt für die
pl'1ilosophisci1cn \ Vi senscl1arte11 ei ne cioppel~c Bedeutung. Ers tens
,,ird die Philo. opl1io sich nie, nals darnit beg1lügen kö11ne1l , n u r
formale \ ;Vcr t.bcgl'iffe aufzustellen. Bei dem Versttche, clies zu tu11,
'"·ü.ruc sie auf cir1igcn Gcl1ic~n mit ihrer ArlJeit ,,,ohl sehr bald fertig
s-cin . Sje 1nu ß viclntclll' die forr11alcn Begriffe in,mcr at1cl1 au f einen
l)e~li1rnnl,e11 Inhalt bcziel1e11, und die~•r i ·t in vielen Füllen rtttr ge-
schichtlichen , ro rgii11gcr1 zu cntncl1111en. Dif':- .P rir1zip 111acl\t • ich
sch9n bei rler Glie,lp1·ung der Philo C►J)hie gcll.en(l. Daß c: überhaupt
prinzip•icll , 1 on('inan(lcr vcJ'scldcden•e \''erle gi l)L, die 111it d em An-
~pruch au r allgcn1cinc Geltung auftret cJ1, t1rid ,,·clches die~e , •erschie-
(lcne11 \Verl,c s1 nd, läßt sii,;,h 11iclil ct,,·a durclt ci11c gcncrali~icrende
Tllcoric cler V\tertungcn so11dc-r11 allei11 rnit Rürksicl1t a,1f das ge-
schic·ht,lichc Ku lturlehen kon.~tnlic1·cn 1 in <lern ich voneinander pl·in-
zipicll vcrscl1ie(lcnc l~ulL11rgülcr cnt,vicl<clt haben. r\n dic~cn l{ultur-
gütcrn l1aflcn clie \\'crte, ,Jcrc11 Grlt.u11g zurn Prot1l,.. 111 der Pl1il0Rophie
,,·ird. 1 ur irrt gesc liic11 t,li chcr1 t ,ellc11 kü11n<' n ,,-ir d al1er tii e \\' cl·tc

ü1g1taltzado por Goog e


- 615 -

auffinden , auc h \Venn '\\-ir gla t1ben, d a ß die Bet.leutung von mancl1cn
\,reit über alle Geschichte und alle Kultur hir1aus,,•cist 1 ,vie das z. B.
jcdc11falls bei den religiösen und vielleicht auch noch bei andcre.n
\\' erte n der Fall ist. Ebenso läßt es sic h innerhalb der verschieclenen
\Vertgebietc nur aJ eine gescl1ichtliche Tatsache zum Be,vußt.sein
bringen , d a ß es v erschieden e Art.er1 v on \Vissc.n sclta (t, v erschied en e
Arten vo11 cth,iischcr1 F orderungen jn der Familiet itn J-tecl1t, irn Staat
u.S\V. gibt, daß , 1er~chi,odcne Arten von l{u11 t existieren, und daß
nuc h clas re ligiöse L.e ben in verschied en en gesc hi chLlicl1 ge,\'Ordcncn
F ormen seine n Attsdru,c k findet. Docli kommt die e Seite der Frage
r1ach !ler not,rendige·n t1ist<>rischen Orientierur1g der Pt1ilosophie hier
f.ilr u11. 1\icl1t sv ol>r in Betracht.. Wir 1,abe11 vielrnel1r vor aUom
i1n .J\tJ.gc, cl a ß , ubge ·ehe11 hiervon 1 auch clie . .\u(ste
. llung v on [ o r-
m a l e n W erten schon zu d em BegrifI des Gcscl1icl1tlicl:ter1 in ei11e
B eziel1ung zu seLzeri ist 1 und z\,·a r so, daß v on vorne he.rein bei der
Bi ld ung cler phjlo-ophiscl1en \Ve1·tbcgriff'c ihre An"·endbarkcit a uf
die g~sehichtliche \\1irklichkcit Oberh aupt beducl1t \.,•,cr<fcn muß.
Dies at)er li.a nn n t1r dann ge. chel1en 1 \"Venn d ie Philosopl1ic b er ei ts
i11 il1re11 forrn.a lcn Teilen zwar nicf1l auf ejnen be ondercn geschicht-

licl1en Inh alt, \\'OhJ abor auf clie a llgcrnein eo Forme11, der gesct1ic ht-
lic be11 Auffassung deJ' '\' irk1ich keit üb-erl1aupt Rück i;icht nin1mt.,
und ,,,as dies bedeutet , hoben ,vir un · kla r zu n1ache,11. Arn leiclitcRtcn
,,..ird d n. sein , ,ven11 \\riJ· dara uf achten, da ß sich a us den \iVertbegri Cfen,
,vc·lcJ1e die Philo~ophie als gfaltig vetslanden hat , Sätze ableiten las en,
die d•e n 1'1cnschen clar1n als Forclrrungen gegenübertreten, ,,·e il11 ¼-ir
also <len n orn1ativen Charak lcr der philosophischen Wis enschaft
v ora nstellen t der z,var von ih re111 ""'·e en als reiner W crllc l1re unab-
llär1gig ist, den $1C aber jederzeit annchrnen krinr1, sobald die gül t igen
W ert e auf den l\.1enschen und . ein H andeln a nge,,rendet ,~•erde n solle n .
L)ab ei rr1uO die Philosophie b cson<iers dara n de11ken , da ß der ~f cn:sct1,
attf (lc11 sie die \\ierte b ezie ht, ei11 goschic tltlicb gr,\·or<iener ~Jc.n ·cl1 ist..
Ganz ohne Rücksicht au( die F or111en einer spcziellc u Auffassung
der \>Virklicl1kci t ·incl di.e ph iloeophischen Disziplinen nie, l1nd sie
k önr1e n ~ n icht sein , denn n1it dem het erogenen l(ont.int1u1rt läßt
s ich so, ,vic \Vir e 1.1nrnitLclbar ,,.e rleben'', ,,·Lscnsclli,1(Llich nicJ1t.s
a11fangc,1. cJ1r häufi" m acht ~ic.h d eshalb un,,·iUki1rl'ich d ie Auf-
t as$u11g der '\i\' irklichkeit, al 1 ntur gclter1 (I, gobn lrl nach der ' 'erbin-
d11ng der \1/erte m it der \Virklichkei t gefragt \\·jrcJ, un d dies st eht
(lann not,,·enrlig tlo111 Ve rj,u c:h. d ie forr11nlcn \\'erte in ei ne fruch l brtrc

0191 lt ado por Goog e


616 -

Bezie hung zt1n1 geschicl1tlichcn L ehen zu. bringc11, hin,d eruJ in1 \ Vege.
Docl1 ist es bei dcrn U11Lernehrr1cn , dies näl1er zu erläutcr1>t not,,·e11dig,
die vorschicclenen Teile der Ph.ilos.ophie gesondert zu bctracJ1tc11,
,veil das Verh!i.ltnis, in dern die W erte un•d Normen zu111 gesch ieht.-
liehen Leben swhen, ni,cht in al len Fällen dasselbe ist.
W orauf es in tler Lheoretiscbcn Pltilo.sopbie oder in der \\(isscn-
schait.slet1re ankomn1t, \\'is ·cn ,vir sclton. Ihr ei11s •it.ig naturwi sscn-
sch aftlicl1cr und dcsl1alb unge ·chic:h tlich er C}1arakter l)estel1L, "'iie
,vir gcseher, l1a))e11-, darin, da ß, ,venn ,es gilt, die \\'ertbegriffe der
,,rissenschaftlichcn Wah1·hcit zu gc,•.-i11ncn 1 fast nicrnals unbefange11
1
die gescl1icl1t liclte l\1annigfaltigkeil. de3 wi se11scl1aftlicl1c11 Lehens
berücksicht.igt sondern v on vornel1erein die Bildung v on allgem einen 1
Gattung begriffen oder Na turgesetzen mit dem formHlen Tdcalc des 1
~'i&liicr1scl1aft)ichen Erkcru1ens überhaupt gleichge et.z.t., also ga.r n1cl1t
danach ge!r8gt \vird , ob es nich t noch andere Formen des ,\11ssen-
scl1aftlicl1en Erkc1ulc11s gibt. Daraus cr1t.stcl1L dann no.l\YC11dig eine
,,·eil.gehende Ueberschätzu11g der generalisierenden Begriff. bildt1ng
i11 d er ganzen th,corctiscl1en Philosophie, die in1 Prinzip zt1 dem 01it
Recl1t abgelcl1nten Versuch füh re11 111uß, das ,,ris enscl1aftlicl1c Leben
weniger verstehen als 1l1eistern zu wollen. Besondel's d•e utlich. tritt
dies in r11etaph ysischct1 Systcrnhildungen zutage. Die Naturkategorien
,verdcn Utlkri Liscl1 zu \i\1irklichkeitskategorien gen1acht, d . h. die Na-
t\1r ,vird 1nit der \Virklicl1kcit. Oberhaupt oder gar n1it dem \\Ieltall
ve1•,i,•echs:elt. Die theoretisclle PJ1ilosopbie kommt, ,venn sie nach
den1 W esen d es ~ ' irklichen fragt., dann dazt1, in a llgerneinen natur-
v.·isscnsclla{tlic hcn Begriffen das waltrha.ft Reale zu sehen und olles
u.rsprünglicl1e u.nd erlebte Sein zur bloßen ,,Erscl1ei11ung11 l1crabzu-
drüclten. Sogar ,\·enn 111an v on den intigehildcn unti d en \Verten,
also der \VelL c.les ,,Un,virklicllen" ga11z a i> ' icl1t, ge::;taltcn sicli die Be-
griffe viel zu eng •ur1<l spcz_iuli t.i el1. Die rnet.apt1ysiscl1en S)·ster11c, die
auf diese \\1eise cn t...;;;tchcn , sind nur für Köpfe crträglichr die vollkommen
, rcrgcsscn, ,\·as sie iu jede,n AugenblicJ;. Ut'\ unhez,veifclbarer Realität un-
mittelbar 1 ,erleben", u11d dies gilt nicl1t et,\'a nur {1ü r den l\faterialismus,
der u.ns glauben 1nachen ,vill, d uß es in \\' il'klicllkcit keine Quali-
tät.e:n gibt, sonclcrn aucli für jedc11 SJ)iritualisn:tuö, der die \1/eil als
cine11 Empfiuclungs.kon1p lex lJegreifen n1öchte, tind ebenso für den so-
gcnnnr1 tRn ~fonisn1us, der Jie ql1a11 t ifiziert.e K örpcr\\·elt und <las
Seelenleben einantler uparnllel'' set zt, um den ::1ngeblich tinha lt.baren
Begriff der r> ycl1opl1ysi::chel1 l{~u.saliiät zu bc~citigcn . Eine Theorie ,


0191 lt ado por Goog e
- 617 -

die das \ Vesen des Ganzen der Realität un, ra -~en ,,1ill 1 ka11n nur dann
zu irgenc.l,\ elcl1e11 ,vertvoller1 R esultaten l<o111111en , \\·erlll sie aucll
1

d i e Kategorien berücksichtigt , in denen ,vir (lic gese hichtliche ,\' irk:-


Jichkeit denken müssen, t11n sie (iberha upt. denken zu können, d. h. sie
,,ird sich an dor Gescllicl1te ebenso ,vic an der Naton,·isscnscl1aft. zu
ot·ientiere11 l1aben und zugleich versucl1e11, über die Einscitigkeiten
beider Betrachtung \\'Ci en hinau zul<.0111111cn. Doclt ,vir verfolgen
diese .schon friiher angedeutct.m.1 Gcdankert l1ie1· nicht ,,·eiter, denn
solan.ge ,,,ir bei der theoretische11 Philosopl1ie bleiben, ist erstens der
Begriff der 1'Jetaphy:ik problen1atiscli, und ferner kom111cn ,vir a,1cl1
über das bcreit.s gc,,-011ncnc Resul tat i1n P rir1zip r1icht hina us. Erst
an den Proble111e11 der Jlral-tti chf!n Pl1ilosopl1ie 1 z.t1n1al " 'e11n es sich
un1 dn_s soziale Kulturleben handelL, zeigt sicl1 die Eit1t$ejtigkeit des
natu1'\visscnsc haftlicl1en Denken~ tind die Notwend igkeit einer histo-
riscl1cn Oricnliening in i11rcr ganzen Bedeutung. Eine attsschJießli cl1.
a,n natur\\·issonschaftliclien Begriff orient ierte Logik ,vird n ämlich
z,var einseitig, aber da ruin docla nlcbt in a i l e n ihren Teilen ,vortJos ,
denn, ,,·enn sie aucl1 zu fal:scl,011 Ansicl1tcn über das Wesen der Ge--
sc11icl1tsv,isscn chnlt U11d d,c r Philosophie führt, so kann sie docl1
~ven igstens das ~ 7e en der Natun\·isse11_scl1a{t r.icl1tig vcrs·t.elten, und
ihre Ergebni..,. e bel1alter1 deshalb· dauernden \\' crt, sobald man nur
das, \.·Vas sie als allgetneine ,,•i senschaftliche Forme11 aufstellt, als
natun,·issc11scl1aftlichc Forn1e11 erkennt . Vo11 ganz anderer Bedeutung
,In.gegen muß es ,,,e1-<len, ,,•etlll die pllilosopllischen Diszip lin·c n, die
es 1nit den \\Terten des praktiscl1e11, beso11ders des sozialen Kultu1'-
1r1enschen zu tun haben, icl1 ebenfalls a uf eine Bcrücks.icl1tigur1g d·e r
als N:atur aufgefaßten Wirklicl1keit besclJrä11keu oder gar in i.hr die
\\lirklichkci t sclbsL crblic.k cn, dcn.n für - ie i t der Nalurbcg·riff ent-
,,·cdor von gar keiner oucr vo11 gan z u11t.crgcordneter 1 mel1r negativ
eirtschrnnkencler Bedeutung, u11d sie n1ü sscn dann not,vcndig in allen
il1ren Teilea in die Ir re gche11.
Dies l1nben \vir u.n s \'Or allein an d~t· Ethik klar zu 111achen. ' '' ir
fa::;sen diese "'' iss.enschaft. ihren1 umCassencl-t.en Begriffe nacl1 als
die Lehre von den \\1erten auf, so,vcit ...ic ((lr den ,vollcnclen und hnn-
delodon ~r en~chcn in Bct.racl1t ko1nn1en, und "'·ir setzen Corner v'oraus,
claß d:l. etl1i ·cl1c \.v'olle11 sei11(u11 al lge1r1 linsten B<•gri ff 11acl1 1n.i t dc111
p fl ichtbe,vußt.en Wollen zu identilizieret1 ist, d. b. der sittliche vVille
kann ntir gedacht ,verden oJs eit1 \\1illc, der dus ,,·i)I, ,vns er ,vollen
soll, oder als „au t.onorrier" \ Ville, der sicl1 elb·t uni <l •::s \Vcrtcs ,, ,ille1\

D191, h,ado por Google


- 618 -

bestirrm1t. J ede Etl1ik, die ühorliaupt allgcrnciogültige Norrner1 auf-


stellt, muß das Pflichtbe,,•ußtscin zum lctzter1 l(riterium des Sitt.lich.en
machen. .ie kann es z,,·ar ,vegen der Fü lle der sich in ,d en Vorder-
grund dränge11den materialen. Bcsti111mu11gon übersehen, aber .auch
der radikalste Ettdä1nonismus oder ei11e rein n1etaph)'siscl1c Etllik
,vir<l sct1lioßlicl1 sittlic hes Leben docl1 r1ur dort anerkcr111en, ,,10 dt n1
\\'ille11 die Beförderung des eigenen oder des allgcmei11•e11 ,r\-Vohles' 1
oder die R ea]isierttng eines rnewphysiscl1en Weltprinzips oder aucl1
d er Gehorsam gcgc11 den \Villen Gottes als P f I i c h t gegenüber-
tritt. Ol1ne <leri J=>flichtbegrirf i. t noch keine Etl1ik 1 die diesen Namen
verdierit, a u gekon1men 1 ja, selbs t dort, ,vo man den Pflict1Lhegriff
als ethi. chen Wertbegriff bekän1pfl l,at, \vird es den lcn eben zur
Pflicht. gemacht, kei1,e Pflicht ann1erkennen .
AnJererseit.s ergib t sielt freilich hieraus nucl1 \-vicder , daß die ·er
allgemein. Le e Lhische \Vcrt rein for1nal ist, d. b. d a ß j ede b eliebige
lla11dlung <len1 \\'illen a.Js eine gcsollte gegen,übertreten kann , ,vio
,vir das an dem rein t.lleoroti::cl1cn Slellungncl1mcn zunl \Vahrl1cils-
,vcrtc oder a11 de111 Urteiler1 gezeigt haben , das scl1einbar so V.'eit
vo1n ctl1iscben Gebiet abliegt. \Vir müs~en daher zt1näcl1st 1 damit
nich t <lic ganze J>hilosophic der ' '' crte un d \\'crtungen zur ELl1ik zu 1
i
,verdert scheint1 hervorheben, daß es sich beim sittlaclle1\ \Villen im
engererl Si11ne nur um die For111 cles Pflicl1tbe,vt1ßtseins hundelt, die 1
1

im Lt ben von ß ,c dcutung ,,·ircl1 v.'cnn ,.,rir au. drücklich aJ~ so z i a I e


\\'escn in Bet rach.t lco1n1ncn, cl. h . ,vcnn ,vir nicl1t nur Wcrton " ·ie
1
d en logj!;cl1en oder auc h dc11 ästllctiscl1c11 al · pflichthe,-.'Ußt.e \Vescn 1

ge.g enüberstehen, bei denen ,vir von den1 \ 7erkel1r mit ~1ndcrn l\ten chen r
ab chen könr1cr1 1 u11d (lie insofern a. oi.ialc \Vcrtc sind 1 so11dcrn ,venr1
u1iser WoJlen in, sozialen Verl(clir .selbst von Bedeutur1g ist uud sicll •
au drückJich at1f lJn:-er \ 'erl1ältnis zu andern P ersörtlichk.c iten ricl1tc.t,
,,·obci es sielt dann so,,·ohl um ctie \ 7erbindung 1nit der Gesellschaft
a ls aucJ, urn ci11e Absonderung von ihr in einer n1it Be,,•ußtsein ge-
such ten ozialen Einsa1nkeit !landein. l,nnn. Doc h bleibt auc}1 diese,·
erlgcre Begriff cter Pflich L uls c.ler sozi~len Pflic}1t noch so allgemei11
und forn1al, daß k eine Etf,ih: s ic h bei ihn1 begnügen \Vird. Sie mt1ß
das Woller1 11oc:l1 zu besondel'ert Tcile11 des sozialen Lebe11s als den
Objekt e11 seiner B,etüligung in Beiieht1ng selzcn, dnmit die etl1i e ben
\Verte einen l nt1alt ge,,·inr1en, und hierbei l{ommt dann, zumal bei
der JJo:;il.i,.-cu \ 'crhin{lu11g n1it u11<Jcre11 Personen, clie Berilcksichtigurrg
<! es Gesrhicl1 tlirhc11 iu Fra«e 1 cli·e "'·ir 1nci.11en. Sieht nä1nlich die


ü1g1taltzado por Goog e
- 619 -

E tl,ik d ie \i\'irklicl1l'-eit.1 au ,velcher der sitllicl1e \Ville sielt betätigt,


und der sie ihr l\lateria I zur Atisgestaltung «ier etl1i · eilen Normen
ent ni1nmt, als Nntur an, so ist von vorncliercin jede l\·1öglic11keit
a bgeschnitten, zu cir1er B0Lrachtur1g und \1/ürdigun.g des sittlichen
Wollens zu kornl11on , die 1nit de111 ,virklich vorhande11en sozialer1
L eben Fohlu11g besit.zt. Dafür sit1d ,,or aller11 z,,rei Grüncle rr1aßgebend,
die mjt der1 beic!en eitert des aturbcgrif(cs zu ammcnhängcn. Die
Nn.tlJr der Nat.1.1r,vissenscl1a(t is,t z1111äcl1 t ein rein t11coretiscl1or Be-
griff, und z~·ar i11 dern irtne, daß cir1e l,oOiiCquer1te Auffassung der
Wirklicl1l<cit als Natt1r <las Ab.eben von der Ge1tung aller \ \ 7crte,
die an tlen rea.len Objekte11 haCt.en, fordert. ln der N:1tt1r verliert daher
der Begriff der Pflicht, cJics zu tu11 und jenes zu las cn, jeclc1i1 Siru1,
t1nd nur d ie große , iicldcutigkcit dc-s W ortes atur tr1acllL es rnöglich,
da.ß die Absur<litäL des ' ' ersuct•es, d as 'ittl.icl1e aus cicn1 1 a t (:lrlichen
abzuleile11 , njcl1t scho11 <le,11 flilchtig5tcn Bliclie ~ich offc11bart. clbst-
ver~tä11dlictt ist es n icn1anden, der das ,,Natürliche" (ür das \Vcrt-
volle erklär t, vcrbot,cn, seine '1Vorte zu ,vät1lcn , \vie es ihm beliebt,
aber ,,·c-nl1 rnan die Bc◄Jcutur1g tlcs \Vortes Na tural ' eine Au.s druckcs
fü r eir1c11 \Vcrtbcgrifr i1icl1t aufgeben, ,\'ill, so „vird nlan sich auch
d arübet klar sein n1t,i •se11, daß ein solcher Naturbegriff mit clem d,er
a tttr,vis c11sch.oft nicht,.-, n1chr zu tun ha t, t1n1i daß es au □ c rdcm
nicht g11nz leicht i,Cin dürfte, il11r1 da un einen cindc,1tig<'n Ir1halt. zu
geben , der sci11c Venverf.u11g i11 ei11e1r1 ,vissc11scl1a (tlichen Zusar111ncn-
l1ange .ge5't attcl. In~be. onclere die Behat1ptu1ig, daß die ittcngcsctzc
„ alurgc etze" <.'i cn , isl cnt'\\·cdC'r vollkornn1cn nic.h i~sagcnd, \,·eil
ergt, bcsti1n ,n1l ,,·er<ie11 111118, \,·as clas \\fort. Natu rgc:;ctz bccleut.et,
,.,-en,1 rs 11 i c ll l den in n hober1 <l arf, {le11 die ·at.unvi sse11 cl1aft
<lnrnit c.rbin<lt•l, o<lf'r clcr •'atz enthiilt einen logischen Wid · r~rlru <;l1,
,v il di e Nnlurgrsetzo :-ngcn, \,·ns üheral t und i t1 al len Zeiten gesc hchc11
m tt ß, und ,l„1lier ili r Inl1alt geraclczu d as Einzjgc~ ist., '-\'äS niernal
clic Gt•st.al t ciner posi tivcn Pfl icl1t a r1zu11ch 1r1c11 verrn ag, cl~1\t1 ,vas
in1n,1cr i,-.L, lian11 für <le11 l\fcnscl1en, <lcr \veiO, cJa.ß es ci11 1nu ll, nicht
st'ir1 sollc11. Viel ,,ri,· h Liger für u11scrn Zusa 111111e11h il ng i t je<Jocl\ der
z,vcil.e Grt111c.i, der es v erhiete·t , clas Objekt der :;ittlichen Bet ä tigung
i11 cJ,~111 nls l\;alur 11.ufger.1 0tcn Da:-nin de r Ding<' zu se hen. Die a l ur
ist. ,,·ie \.\·ir ,vi!-:-f'TJ , die \\' irklicl1kc-it 111it Rüclu;ichL auf das 1\ llgc-
n1cinc. ' '' irfl d a hE'r der Versucll gP111a,·!1t, die ·ilt lic l1cn \\ierle au.
natur,,·i:-s"n~r ha.ft lichen Dcgrifrrn al;zuleitcn und d:\11r1 :ils a llgett1eu1
güll igc ~ o,·rnen nufzu,-:\ t<'llen , t-o l<:11111 <lie Ell,ik ,nie ,t:1zo h:c,nl111en,

ürg,t~hzado por Goog e


- 620 -

die Bedeutung der individuellen P ersönlichkeit zu verstehen. Der


Sjnn il1ret· Noro'lgebtlng ,vird dann konsequentcr\\'eise der, daß das
Individuun1 sich dem Sittengesetz unterzuordnen l1at ,vie das Gat-
tungsexe1nplar den1 allge.1neinen Gattungsbegriff. Da1nit aber ,,,orde
das lndi,1 idut1m aufhören, Individuum zu sein. Die etl1ischen Impera-
tive müßten es m.it ru1dern Worten jedem zur Pflicht machc11, ein
Durchscbn,itts1nens·cl1 zu werden 1 t1nd dann l1at, der etl1ische ,tln--
dividu.alismus'' gc~iß recl1t, ,,renn er sich gege11 die Aufstellung von
11
1 ,allgcmcinen Normen au! das En tschieden te ,,,ehrt. Eine mit
natt1r,vissen. cl1a rtlicJ1en Allgemeinbegriffen arbeitende Ethik müßte
in der T at da.r:a uf au:<gel1en, den Sinn des persönlichen L eben; u11d
damit der1 ir:1n des Lebens überhnupt zu zerst öre11.
\ Tollkomrnen anders dagegen gcsLalt.et ich die Alt!gabe dieser
Wissenscl1aft 1 sobald sie von vornebercin in Betracht ziel1t, d aß alles
\virk1ic~10 Leben ein gcschiclrtlicl1cr 1 d. 11 . cinn1aliger un,d indivicit1cller
Prozeß ist. Das hat zunäch.st, nocl1 gar nicl,ts n1it der selb tverstän<l~
lic}1cr1 und bi zu1t1 Ucbcrdruß \Vicderholten Bel1auptung zu tt1n,
daß alle siltlicllen Anscl1auungen von den besonderen Verhältnissen
einer gcscl1icl1llichen Lage abl1ängen 1 ,vo1·aus dann der gar nicht selbst-
vcrständliclle Schluß gezogen ,,,ir<.lt daß es gültige ethiscl1c \\'erte
überhaupt nicht geber1 .könne, 011dern es soll nur bedeuten , daß
auch bei der Aufstellung der für jedes denkbare sittliche Lebe11 gel-
t.enden f ,o r 01 a l e n Norn1er1 sLct.s berück. ichtigt '-\:'erden muß, daß
der ~f ensch nio1T1al~ .als Exornpla r eines Gattungsb.cgr.iifes unter
Gattungsexemplaren i5ondern irn111er nur als Indiviclu111n irt1 I11(lividucl-
le11 lebt, und daß dal1c.r a11cll <las sittliche l nflividuum nur a ls .,llistori-
scl1es11 Jn-dividulin, l1an(leln kann. Es ist nicht al lein jeder b'[onsch
von jedem ar1dcre11 ve1-sc}1icdcn, sondc1·n a ucl1 die \VirkJichkeit> die
ihn u1ngibt1 \1nd an der er sich sittlich betätigt., gleicl1t den Wirklicl1-
keiten, an dcn,cn andere ~1enscl1cn sicl1 hctätig<'n, nic111als vollko1nn1en,
und desh alb ,verdcrt aucll die sittlichen Aufgahe11 i111n1er individuell
verschiede"n scir1. Die oberste sitt licl1e Jl flicht des iien chen muß
dem nach darin bcsLel\cn, daß er seine Individua lität au sbildet , und
z,var so, da ß sie z.ur Erftl llu11g d er ir,t.lividuellcn sittlicl1en }\ufgaben,
die ihrn und ntrr ih1n gestellt si11d , geein-net ,,·ird. Sobald man also
den Versucli aufgibt> den l r1laalt der elhisct,cn Jl\orn1cn aus natur-
, issc11scllnrtliche1\ GatLung-sbcgrif(e11 zti gc,,·in11.en 1 eh ließen die all-
gc111ei11~üllige11 etl1ischc11 J11)J)erativc das Recht der individuellen
P er~ötllichlieit un cl il1rer nc onclcrhciL 11icht et,,·a u11s, soncle111 es \Vird

ürg,t~hzado por Goog e


- 621 -

i1n Gegenteil vom A-fenscl1en Individualität t1nd Besor1derheit als


Vorbedi11gu11g zur Erfüllt1ng seiner a'llgcn1einc11 siltlicl1e11 Pflicl1ten
g e f o rd e rt. \~fir wissen ja, ,vie allge,neiner \\i'ert u11d in,divid,uclle
Gestaltt1n.g not,vendig zt1 am mengehören: da t ,vorin die Gcschicl1Le
die Individ\1alitä t eines l\Iensctten erblickt, ist cler Inbegri ff de~so·n ,
,vas die~cs ei ne t1nd nur die~es eine In clividt1urn tnit RO.cksich.t auf
die aHger11ein.en I{ult11 r,verte geleistet hol. Die Forr11en also, in de11en
die Ge cl1icl1te die \ Virklicl1Jteit auffaßt, cl. h. die F orrnen des ,vert-
bezogeneo zusa1nrnenllängcnden Jn-dividut1ms und der ,vertbezogenen
historischen i11dividuellen Ent,,ricklung, ,verden zugleic h at1cl1 die
grundlcgcnde11 für die ethischen armen soin müssen, so\veit deren for-
n1aler 'inn in Bct.racbl kommt. Du sollst, ,vcnn d\J g\1t l1andoln
willst , durcl1 deine Individuali'Lät an <ier intlividucllcn Stelle der Wirk- •
l'icl1kcit, ar1 der d u stehst. das a11s{ühren 1 ,vas 11ur Du au sfü ltrer1 kru1nst,
cla kein a11dercr in der überall individuellc1l \Veit gc110.u dieselbe Auf-
gabe }1at \vie Du, und Du sollst Dein ganzes Leben ferner so gestalten,
daß e sict, .zu ei11er Ent,vicl<lung zusa111111enschließt, die in ih rer•
1'otalität als die Erfül1ung Deiner sich nien1als ,,•icderholc11den Lebens-
at1 {gabe angesehen ,vel'den kann. So allein dürfen dan.n dje atlge-
111cinsten Imperative der Ethik laut1en, und kein ethischer ,,Individualis-
nius .. ,,rird nocl1 bchau[)tcn können , claß diese al lgemeinerl Gebote
,ve<l'en ih rer Allgcrl1einl1eit. den inn des bcsonclercn l~eben und der
individ,uellen Persönlichkeit zu 1.erstöre11 drol1e11.
, elb tverstänclljch sind auch d iese ,,individu.alisti.sc'l1cn' ' allgc-

rncinen Normen rein forn1al und müssen e!- sein, t11n das. vv·esen j e d e r
Sittlichkeit zl1111 Ausdrttck zu bringen. Aber dar,1m gelten sie au,cl1
absolut allgemein. Die Forderung, daß der sitllic11 l\fensch ein ln-di-
v iduum ,verde11 solle, das sich <1t1rcb kein andere. lndi·viduun1 ersetzen
lä'ß t, i t jedc111 :\lenscl1en zuzu111uletl, rnag sei r1e pers.önlj ch.e Begabung
tt nd die individuelle La0 e, in der er sich befind et, seine Lebensauf-
gaben au r einen noch so e11gen Kreis bcsc}1ränkcn oder auf ein nocl1 o
wciLes Gebiet aosdchner1. Das klein te Glied hat in dem großen
l1i toJ'iscl1en Zusa n11ncr1har,ge der \Virklichl{cit ebenso sci11c indivi-
du elle Beslirnrnung ,vie die ülJerragende Persöaliclilitcil, die durch
ihre Individualität für J ahrhunderte den Gang der l{ulturenL,vick-
Jung l)ceiitflußt, und jedert stehe er noc h so hoch oder nocl1 so r1ie,lrig,
ka nn t:.icl1 als ,,·ertvoller Bestandteil in den umfns enden Ent\vick-
lungsgang der ?\-lcnscllheit ein.fügen lind soll es tun. So rorn1al und
allge1nei n jedoch der ethisclie l,nverativ sci1l utag, so läßt er doc lt

D1911 11,ado por Goc,gle


- 622 -
jedem seine l11dividualitüt 1 ,venn .n ur diese Individualität itn Dienste
der \ fer\\'; rklichung von Gütern sLeht1 an denen allge,ncine \Verte
41
haft.er1. Das ziel- -tmd planlose ,tSicl1ausleher1 j edes beliebigen Stock-
ci1cns ir1dividuellcr \Virklict,keit, das keir1e ,verthezogene Einheit
besiLzt, is t fr,e ilich sittJicl1 venverflich, u11d für bedeutungslose indivi-
cluelle L aunen hat eine an der geschichtlichen W elt orientiel"t.e indivi-
dualis tische Ethik keinen Platz. Die Ausbi ldung d er ,vertbezogenen
z1Jsam nJenhängendcn individ11cllen P c rsönlic l1keit dagegen kal1n ie
nicht nur nic l1t hen1n1en wollen, sondern sie is t not,,,endig il1r höchFile-s
Id al. o ""ird al o dio Ethik itit.lividuali ti scl1, nicht ob,vohl so11dern
gerad.c ,vcil sie al1ge111ein gillLig s-ei11 ,vill.
E s kam hie r allein da.rauf an , den Zu am111e11hang Z\visclien der\
For1nc11 der hisLoriscJ1en Auffassung un.d den GrundbC'b11,jf(en einer
Etttik ganz im allgemeinen anzudeuten, und der Ge danke jccler näheren
Au.sfül1rung liegt diesen Be1ncrkungcn fern . Nt1r a,1r \\'enigo ,,·eitere
Punkte sei nocl1 l1i.nge,vie5,en, ◄'ii c das allgcmei11c Prir1zip viel leic ht
dcutli cl1or rn.achcn .

Zunäcl1st braucht eine Etl1ik i11 dcrll angcgehe11e11 ilu1c nicl1t
d e11i Gat.tungs111äßigcn die sittliche BedeuLu11g überhaupt abzu pre-

cl1er1. Es können , \\11e ,,1ir gesel1e11 huben, aucl1 1T1it einer ~'l ebrl1eit
von Objekte11 '\1/erte so ve rlrnüplt ein, daß s ie an eiern Inl1alte de
Allgemeinbegriffes , cler nur das ih.nen allen Gen1einsamc en th ältr
haften blei bcnt tJnd dann fällt der Int1alt des Wertbegri[fes eventuell
mit de111 eines Naturbegriffes zusamn1e11. Zugleicl1 \\'tsscn wir aber
at1cl1 1 daß d er Begriff des l1i torischcn lndividuurn s nicht 1n it dein
der einzelnen P cr~önlic11licit identiscl1 ist., 01tclern daß c aucl1 relativ
llistoriscl1e Begriffe gibt, die d.os einer ~[ehrheit von Individuen
Ge1nejn arne enthalten. Daraus ersehen ,,rir , wie au-cl1 das Gattt1ngs-
n1äßige in einer individual istiscl1cn Etl1ik, ,velcl1c d ie For1r1m1 der
l1ist orischen Auffassung in ,ien et~1iscl1cn . o r11ie 11 bcrück.-,ichtigt,
sci11cr1 Platz Ii11den 1i1uß. Bt!ziet1en \vir 11ä111licb die For1n d es I'e la tiv
historiscl1en B egriffes au{ die 1\ u(gabc, ethi cl,e N ormbegriffe zu ge-
,,,ir1nc11, so erg ibt . ic h cle r Geclnnke, claß die E inschränk11rtg der ]nclivi 1

dunl i.tät zur sitLliehen Pfli-chL ,vcr,tcn kan11. - clbst"·erständlicl1 folgt,


z,var au ch hier 1.lic clhiscl1c ,\llgerr1cingülligl(eil. r1ie111Hls aus J.cr inltalt.-
lichc11 ;.\ llge1tlei11l1cit. d es Gat.tu11g::,rr1üfJio-e11, sor1der11 das Galtui-tgs-
r11äßigc erltäl~ nu r durcl1 (lic Bc:t.ieliung auf ci t1cu t crcils vorher fest-
st cl1cndcu cll1iscl1en \\'et·l seine Bc(leutu11g. Aber es gibt i11 der 'J'a l
sehr vir--le cthi:,r he Aufgaben, rli e 11ur du rch da Zus;\n1n1en,,·irken

ü1g1taltzado por Goog e


- 623 •

mehrerer fndividuen in der \\!'eise zu lösen sind, daß die verscl'1icdencn


i\len chen in manchen Beiiehttngen eina nder gleichen, und dann
erhalten auch solche Charaktereigenschal ten , die den1 Durch~~chni tt
der Glieder ei11er Gerneinschaft angehören, eine ethi ehe Bedelttung,
d. h. es \\'ird, ,venn ,vir die Etl1ik nortna tiv ,venden, zur Pflicht, ge-
,viss9 Durcl1schnitlseigenschaften auszt1bilden . J a, ,,rir können sogar
sagen, daß die Erfüllung der meis ten sozialethiscl1en Auff,,aben ein
Z11samme11,virken von Durchschnittseigcnschoftcn tind rein in divi-
dt1ellen Eiganscl1aften fordert. \V-o }1ierfür d.ie Grenze liegt, ist jedoch
aus formalc.n Gr011den ,viedcr nicht zt1 entschei,den, u11d nur dns sei
n<1cl1 l1crvorgel1oben, da ß, erst ens die Einschrftnkung nien.1als zu einer
vollständigen Untcrc.lrüclcung der lndivid,u aliläl rc1l1ren l,ann, und
<iaß z,veite11s, so ""·enig \vie alle hist orischen Begrif!c größerer Zt1sa.m-
mcn bänge Durchscl1nitt.sbegriCfe sind, so aucI1 durchaus nicht die
Zugcl1örigkoit. zu jeder beliebigen Ger11ei11 el,aft 5chon die Ausbildung
des Ot1rchscl1ui.ttscharakters diese1· Gemei11scl1n{t zur Pflicl1t 111acl1t,
dcrtn ,vir habon frül1er ge~ehe.n , daß je1nand z. B. ein sclir guter Deut-
scher scj11 kann, ol1ne ein Durchschnittsdeulscher zu scir1 , j a, daß die
b est en Dcu t.schc11 sehr e1·hehlicl1 von den1 allen Deut.sehen gemein-
sarncn Durch.scl1nit t.scl1arakLer ab,veiche11. Dor.l1 verfolgen ,vir dieses
Verl1ält11is cles Durchschnit tlichen zu m Individuellen llier 11icl1t ,veit.er.
Der bloße l-Iin,veis d arauf, in ,velcher ß c7Jeh ung auoh der Begriff
des rcJativ l1istori. cl1cn lndividuuins zur Aufslell,1ng vo1l ethischc11
ormcn stcl\t, l<ann gc110.gen.
Dagegen ,vcrfcn ,vir noch cir1en Blicl< auf eine andere Art des
Zusa111111e11}1a11ges z"viscl1en Acscl1icl1tlicltcn u.n,t ethischen P1'oble111cn,
auf die ,vir cbcnfa.lls durch <lcr1 Begriff der Gc111c.inscl1art .g<'führt.
\\·er<len, der jedes Individuutrt angehört. i tag aucl1 ()er Einzelne

bei der Einord nung itl seine Gcmcloscl1a!t genötigt sein , sie;}, in gc,visser
Hinsi·c hl ei11en1 Durcl1sclt11ittscl1araktcr anzupassen und w teilweise
dn Gattung:;mäßige als das Normative anztJerkenncn , so darf doch
die Gen1eio~cl1oft Rls Ganzo · \vioc'ler nicl1t n1it, den• Gattungsbegriff
venvochselt ,,-erden , ~011clcrn ,vir mü~sen sie stets als ,cincr.1 „histori 1

sch<'n Zt1sa rnn1rn l1n.ng'' ansclien. Sob:l.ld rlics aber gll.s<' hicht, hat si-c
au ch t1nler ethi~cher1 Gr!'lichts .p unktcn ,vieclcr d,lrch ihre l rHJividu~ li Lät
eine Bcdct1lt1ng, 11nd z,,·or aus d enselben Gr ilr1der1, a t1 ~ rl cn.cn das
ein:zelne lnclividuum 1 gera<le un1 seine Pflicht zu l t1n , nic11l n tlr nt1tononi
son(lero a uch ir1divicJuell s-ei rl n1uß. J)<1s ~itt.l ir he J ncli\'i{Iu u n·1 ordnet
sich ebrnso ,..·ie das hi::.tori:::ch·e sLe ts cinc1n incli,-iJucllcn G a 1t:Z(.•n

ürg,t~hzado por Goog e


624

ein, un,d es l1at die Pflicht die Individua li t.ät des Ganzen zu fördern.
1

Ja , rTtan kann ·agc11, daß es sci11c cige11c lndivjrlt1alität sehr oft nur
darl1m wird. beschrünl<.en rnüssen, clarnil tl ie Individualität der Gc-
meioschaCt m der e. gehört, um so mehr sich au präge, und d a ß
wir deshalb soziale \Vescn sein 1nü!<seo , damit die socictni::,, der '"ir
angch,ö rcn 1 zu einen, I11-djvicluu1n ,vcrdc, das seir1e Hittlicl1e Bcdett-
tu11g hal. Det· vielbehandelte Gegensa tz a lso von ct lliscl1e1n I11divi-
dualismu. un<J ethischen, oziali rntts oder l{.o llelttivi tnllS v erliert
.a uf diescrn Boden seine chiirfe tind kan n ebenso,venig als eine AILer-
native at1gesehen ,~·er(len ,., ie der \o"01t ir1:clividualistischer und kollclcti-
vistisc}1er Geschichts c·hreibt111g. \Ver ge~chichtlicl1 zu ctenl,e11 (Ye-

lernt hat, ,vciß 1 daß 0 11c l1 der sittlicl1e Verzicht au f pcrsönlicl1e Eigen-
art im Diens te der I n,Jivi(I 11alisitrl1ng des L clJens stel1 t. \Vir sind
sozial, un, inuivicltietl z·u ,,·irlccn. Daß das r1töglich. ist , kanr1 rnan
,,ri.ecler nt1r ver:;lcl1cn " ·enn man clas \\'escn des geschicl1tlic'11en
Lel1cns bf.'griffcr1 t1nt.
U111 die · an cinern Beispiele zu "'crdcutlicl1en 1 ,veisen v.:i1· <larau r

l1in, daß ic l, auf diesem \.Vcge auch ein Verslündnj für ein e der
,,·ichtigst en aller n1enschlicJ1en Gerncin scb~lften erorrner1 muß, närnlich.
für die ethisclle Bc<Jeu tung der N a t i o n . Es ist bekanr1t1 da ß die 1

meisle11 philosopl1iscl1e11 SysLeole 1rii t c!iesem Begriffe und vor allem


mit dem ethiscl1cn \Verte ei nes ausgeprägten 11atjone. len Charakters
scJ1 ltJcf1t fertig geworden i;ind . Als ej r,cn der ,,·cscntlichstcn Grü.nde
1
hierfür aber l1abe11 \Yir ,vicdcr die Gc,,,oli11l1eit zu belraclltcn, in natur-
,vi:-:senschatllict1en Begriffe11 zu denken, ttnd den ?.1angel an \ 'er-
tändoi. für die Formen , in denen die Ge-. chichtc das 1ne11schlic hc
Leben auffaßt. Die cthiscl1cr1 Gebote sollen, ~o sagt man , jeclen
~lc11schcn vcrpflicl1tc11. J rder l'\i.e11~ch aber, so dc11kt n1an ferner, i~t
den1 allgen1eincn nnt.t1r,Yis.-.;e11schnftlicl1ct1 B egri ffe <l e. ~lenscl1en
uu.terzu,orcincn. Der Gattung~b.-gri(f rlcs Allgc1r1cir1rncnschlicl1c1t cr-
schoi1tt dc,1111,tch, so ,\-·iru g · folgcrt , als \ Vcrt und · orm, und alles,
"''as die At1sprfigung der .,reinen ~Ie1l:schlichkeit' ' slö rt, ist daher 11ur
als ct,vus eth isch minJenverLiges zu betrachten. Auf diesem ß odcrt
eines oft sogcr1annlcn }Iun,an ität.."iitlcalcs 111,10 dann ein ausgeprägter
nationaler Cllaral{Ler als Br-sc hrä11kung lies höch Ler\ etbjsche11 \\tcrtes
t111d das Bcstrcben 1 zun t\cl1st Glied einer lation und tlann erst 11 l\ler1:~cl11 '
z·u sein , gerA{lezu a ls e ine Be. cl1ränl{theit crnpfunclcn \\'erden, \' On rler
es sich in1 ct.hi~chcr1 Intcre!;-se zu bcfrcic11 gilt. So cnlstetlcn etl1i ehe
l=\ic}1tur1ge11 1 in clc1tcr1 clie 'ch,,·nr111erei ftir tlas nllgemcin ~tenscl1li,chc

ürg,t~hzado por Goog e


- 625 -
dazu führt, d..iß jeder Zusammenl1ang mit dem ,,·irklichen sittlic11en
Leben und \1/il'lcen der Nlen chen v erloren geht! und die dal1er nur
clazu dierien können, d.a s \~lort 1 ,ethisct1' 1 in ~Iißkredit zu bri11gen.
Dcr1l, t inan dagegen an die F ormen der historischen \Virklichkeits•
au[fassung, so 1nuß klar sein, daß die ethische11 Gebote z,var für
Jcde11 ~lenscl1e11 gelte11, daß aber der sch.r allgemeine und daher sel1r
inbnltsarme B egri Cr des 1'i(enscl1cn ganz ungeeignet zur Be t,immung
clcl' ethischen ldea.le ist , und daß vielmehr ein a usgeprägter nationaler
Cha rakter als etl-linent er etl1ischer Wert gelten kann, S-olange der e·i n-
zelt1e i 1ens.cl1 einen T eil seiner Pflichten 11ur als Glied des l1istorischen
Zt1~am1ne11hange zu erfüllen verr11ag, den "''ir Nation 11enner1. ?tlan
kann dabei den B egriff der Notion \Veiter oder enger l assen, d. h.
m.a n l<ann z. B. die gemeinsame Sprache a ls das n ationale Band be-
tr-ach l en oder die Zugehörigl(eit zu einem nationalen Staate als clas
e11t cheidende l\lornent ansehen. Besonders irn letzteren F alle ""i rd
l1ervortreten, daß es sicl1 um Proble111e l1andelt 1 die im Zu nmmen-
l1ang mit der Frage stehen, ,vie weit die Geschict1tsschreibung poli-
tiscl1 sein, cl. 11. den nationalen Staat in dus Zentrum ihrer Darstellung
bringen muß. Hegel, der seine geschichtspl1ilosopl1iscl1en Gedanken
un1 den Staatsbegri(! sich drehen ließ, konnte auch die konkre te
'
·Sittlicl1kcit nur in1 'taate erblicken, und Z\Veifel.los steckt in H egels
politischer Gescl1ichtsa1.1f!ussung ebenso ,,rjc in seiner Gcgcnüber-
._tcllung der Sit,tlicl1kcit-, uncl der t\1oralitüt ein Stück tiefer 'VVal1rbeit.
Doct1, \,·ic dein aucl1 soi. imr11cr ge,vinnt da G,anze, dem der
Ei11zelnc als Glied a11gcl1ört.1 auch durch seine Inclividualität eine B e-
deutung, und e is t dal1cr so la.nge cthiscl1e Pflicl,t, Glied ei11cr Nation
zu sein, als \\i r die r11ei:5Lcn u11seror Pflict1ten 11ur als 11a t.ionaJo G1iecier
erfolle11 kö1rne11. \Vic der Eir1zelnc 1 , o liat auch jedes Volk , oder um
n1it Ficl1te zu rede11, ,,die Einzelheit im großen urtd ganzen'', stets
eir,c ir1dividuclle Aufgabe, die kein at1deres \ 'olk haben kann, und nur
d urch llcrausarbeiLung der nationalen Eigcr1art ist dah er in der \Vclt
ct,,·as zu leisten. Das gilt. ,venigslcns für die bei ,veitcm meist n
l{ulturgüter. Ja v iel unbefangener und rück.s icl1ls)oser als clus einzelne
Individuum \Vir<l ci1t Volk, das sic.t1 sci11or Aufgaben be\,-ußt is t, seine
lndividualif..ät durclt!l,et,zen d·Or(en, \\'eil hier die Grc.r1zc z\vi:sct1en

indi,riduelJer Laune, die unberechtigt i~t, ur1d c:ler Individ·u alität, die
et½1i cl.1 ,vert,,oll ist viel lcicl1tcr gezogen \\·erJen kann . \\i1er i111 DiensLe
c]er naLio11ale11 Eigenart a rbeitet , l1at immer p-0siti,, be-sti111r11.te Kultur-
ziele ,·or sich. \,\icr 1)11r t•~lc11sch. " sein ,\·ill , der ,vill et,vas, das er lä:11g~t
R I Ck e r t • Cn., ,., c~n. !i. A 1.a, 40

D1911 11,ado por Goc,gle


626 -
ist , und das er dal1er nicht erst zu ,vollen b1·aucl1t. Auch das llurnani-
t ätsideal unserer Klassik.e r verlangt nicht et \\'a, daß '\\'ir 11ur ,,~le11-
schen„ im Siru1e d er Natunvisse11schaft sein sollen, d enn das sind wir
a lle, ohne es zu ,voller, , sondern es st ellt ebe11falls eine ganz besti1nmtc
Art von :\lenscl1cntum ur1d cla!:i l1eißl ein einn1aliges historisches Ge-
bilde als Ideal au f. So vermag uns das l1istorische Denken von etl1i-
schen l (icalcn zu bef1•eien, die für viele l1e\1le nocl1 einen großen Reiz
haben, und die sicll docl1 als armselig u11d ir1ha1tlos envci~en, soba ld
1
111an ihnen die F ülle des geschicl1tlicl1en Lebc11s gegcn {iberstellt.
Um o trauriger n1uß zugleicl1 der Anblick stimn1en, daß aucli in die
Ge chicl1ts\visscnsclia(t selbst eiJtc Ricl1tt1ng ihren Einzug liält, die
.alle großen Errungenschaften de gcscl1ichtlicl1.en Denl,ens ,vied,e r zt1
zerstören sL1ct1t, ir1dern ic aus der Geschichte eine generalisie rende
Nntur,vi:;;senscl1aft macl1er1 möcl1te ti nd in ,ragen .•.\llgcmeinbegriifen
den Reic.hLt1m des individtiellcn oailionalen Lebens , 1 erliert.
\\1ir köru1en sogar 11oc ~1 ei11en „ chritL weiter gel1en und sagen}
daß es geradezu t1r1mögl ich ist , im Allgcmein1nenschlicl1en ein ell1i-
scl1es Ideal zu sehen, sobald man mit dein Begriffe Ernst macht ur1d
das darun te1· ver tel1t, ,vas \\'irklicl1 a l l e ~lenschen im Sinne d es
11.aturwisscnschaitlichen Ga ttungsbegriffes u1J1.faßt. Die Behaup-

tung, der v on al len 11ationale11 Besonderheiten .freie ~f en„ch sei die
\\'ab1·e ethiscl1e Blüte, ist, n•och niemals l,or1sequent durchgeführt wor-
den, sondern .n1an. haL aucl1 dort einen n1ehr oder weniger ausgepriig.
ten n ationalen Typus a ls Ideal aufgestell t, wo 111an sicl1 für das Al l-
ge1Jleinmenschlict-le zu begeist.ern glaubte. Ei11 <lcutlicl1os Beispiel
d a for bildet wiederun1 d as llu n1a1Jitätsidea l 1 das sci110 inbaltlicl1en
Best.imtl1ungen durcl1auö be ondcrc11 historisCl\en Gebilden, zum Teil
dern Griecl1entt1tr1, ent11al11.n. Der nationale 1')rpus a ber, den man
hier clen1 1\lcnschhcilsidcale 1ln,villkürlict1 st1bstit\1iertc 1 '""ar sclbst-
vcrsländlicll 11icl1L ein J) urchsc;l1nittstypus sond ern ebenso ein abso-
lut bi Lorischcr T)>-pu , ,,·ie jeder 11ationa.le 1'ypus es ist , d. h. ei11
'l' ypus, in dem sielt v o r h i l d l i e h e Charal<.terzüge finden, die
vorl ci11cr ,1 crl1 äJt.nis n1äßig kleinen Anza hl v on Individuen sLamn1en,
ja von d c 11e l1 rn(lll(:hc r s<>g:tr 11ur a rl einzelnen .h istorischen Persö11licl1-
k citcn z.tJ kor1s·t utiercn ist. ?\-Jan 1nögc sicl1 a l o ei.n noch so kos1no-
poii tiscl1e lclenl zurcchttna:chen, es ,,·ird i 1111,1er Züge tragen., die seine
1-Jer'k unrt von n.ationalen Gebilden deutlicl1 v errawn. Bcacl1tct 1na11
dies aber nicht au. drüt klicl1 1 onder11 slclle11 sicl1 die nalio.nale11
Züge nur un,villkürli,c t1 ci111 o chcinf!n sie c.thiscl, gcwis ermaßen zu

ü1g1taltzado por Goog e


- 627

Un recl,t zu h es t-el1cn , und es kann dann aucl1 der B egriff der Humani-
tät nur venvirrcnd ,virken. Selbstverständlich is-t damit gegen e-in
am historiscJ1en Leben orientier tes Humanitätsideal nicht das Ge-
ringste gesagt, und insbe..., ondere darf es keiner Philosophie einfalle11,
die jetzt beste11enden Nationen und ihre Eigentümlichkeiten fü r alle
Zeiten festlegen zu v.rollen. .Das wäre Histori smus im übelsten Sinne
des W or t.es. Nur d as ist gcm,e int, d aß sicl1 unter keinen Umständct1
clic Eigenarten d er verscbiedene1l Nation en , in denen der Einzelne
als Glied lebt, übe1·springen lassen, und daß kein leerer Allgemein-
begriff des l\ote.nscbJichen überh aupt schon eine etlliscJ1e Bedeutung
gc,-vinnen kann . Als bloßes Exemplar der natur,vissenscfla(tlichen
Gattung ,,l\1e11sch 1 ' hört der r.,Jensch auf, ein Individuum zu sein. Er
,\·jrd ,\·ie durcl1 jede ge11era.lisierende Begriffsbildung dadurch a t omi-
siert und 111u ß den Sinn sein.es persönlichen etllischen Lebens ver-
lieren.
Doch, at1ch " 'enn wir von einer völligen Veränderung der geflchict1t~
licl1e11 Verhältnis~e in der Zukunft absct1.e.n und uns nur an die gegen-
wärtige hisLorische Situation halten, ist es selbstverst ändlich nict1 t
ausgescl1lo. sen, daß die Ethik auch über den B egriff der Nation tJndr
des nationalen SLaatcs ltlnausgc'h.t. Wir habe11 ge,viß Pflichten zu
erfüllen , die uns nicht n u r a l-i$ Gtieder einer Nation oder einer n och
e11geren Gemeinschaft betreffen . \\Forin sie bestehen , können ,vir in
clem rejn rormal geh a lten en Gedankengange nielrt andeut,cn. Allein
dnrat1! sei hingc\vie.sen, daß ,die Ett1ik a ucli bei der Be1,andl ung der
übernationalen Pflic~1ten imn1er die Stufenfolge berück ic ht iger1 rnuß ,
w der die hist.orischc Bct.racl1tung u11s nötigt, und das Uebem at.iotlale
kann dan11 noch immer nicht das i\Jensc bliche überhaupt sein. Die
materia len Bestirnmunge11 de.r ethischen Imperative sind vielmehr,
solange ie sicl1 auf die imtnanente \ Veit beziehen, dem Begriff der
Kultur1nenschl1eit. zu enlnehmen, und z,va r ihre111 historischen Be-
griff, nach dcnt sie ein individuell~s ab solut l1.ist orisc!1es Ganzes von
I{ullurvölkern bildet, so,vei t die der Geschichte bekannt ist. Diesem
Zu.ammenhang gliedern sich die nationalen Volk$individll ä.lj t äten
eben, o ein , ,vie clas ein zelne lndj,,id\1um sich der Nation cir1glied.ert.
Auf ma11chen l{ulturgebieten, ,vie z . B. der W issensci1aft , vermag
dann. cler Einzelne die Natio,n zum Teil ,vcnigstens zu überspringen
und seine Tätigkeit clirekt mit dem Leben ei11er Ober die NaLion l1inaus-
ragendcn Gemcinscl1aft in Vorbindur1g zu setzer1, ,vie es die Gemein-
cl1aft aller ,vissc11scha fllict1en J\,ler1 cl1-cn ist . Doch ind da vorläufig
4:0 •

0191 lt ado por Goog e


628
,venigstcns Au 11ahtnefälle, und ob ei11c solcl1e l\.1öglicltkeit ,•orliegt ,
kann mar1 imn1er nur auf Gr,1nd geschich tlicl1er Kennt11i~sc ,\>·is ·e t1,
J edenfalls clnrf auch der Begriff der Kulturmen chhoit nur als ei11
absolt1t l1istoriscller Begriff gefaßt ~·erde11. also n.i cl.1t als Begriff de·
Durcl1scl1nittskultur1nenscl1en sonclern als ein Begriff, der i11 an.aloger
\Vcise \\'ie der des nationalen Griec11en- oder Dcu·tschtums i11divi-
du alisiercnd .zu bilden ist. Das "''ürde selb t. dann 11icl1t aufgcl1oben
. ein, ,,,-eru1 alle l{ulturvölker s.ich zu eine111 einl1eitlichen J{ullun•oll<
z.t1::-an1r11cnge cblos en hätter1.
Ist aber die~er Begriff des lt1n fassendsten hist.orisc)1en Zentrun1s
,virklicl1 ,d er umfas:-:endstc inJ1a lt.Jich besti1nmte eth isclle Begriff, ocler
muß die Ethik nicht auch noch über ihn hin ou. gehen uncl so schlieC~
Jicl1 docl1 einen Seilritt ins Unla.isto ri ehe oder Ucbcrhi 'iOrischc rna~
chcn, d . 11. ist nicht jeder l\.fcns-cb al solcl1er 1 a,,1cl1 abgesol,en \ 'On
aller1 histol'ischen Zusamn1en\1änger1 1 in de11cn er sicl1 befu1det1 für
uns et\,·as et11isch absolut '\iVertvolles? In einem ge,vissen Sinne
m ii ~en ,,rir die Fr'«.tgo allerdings bojal\en. '\;Vir habon n äm.lich je-den
lrlenschen so zu betrachten, daß in it11ll dio R ealisierung ei11cs pflicl1t-
be,vußten aut onomen freict1 Wille11s m ö g l i c h ist 1 und a us diese1n
G ru11de hebt sicl1 in cler T at auch das rein ~·Ienschlicl,e aJs et,,ras
eth.i~cl1 Wertvolles aus der übrigc11 Wirklicltkeit her-a u . Zugleich aber
ist dabei folgendes zu beachten. Die ethiscl1e ''' ertting hat aucti
hier nicl1t du Geringste 1nit dem atu rbcgrif{ cles !\len1-cl1en zt1 tun,
und Z\var soll da noch nicl1t l\eißc11 , daß ,vir i111 Pflichtbc,vuß~cir1
et,,·a Uebc,·n otilrliches oder \\-'e1--ugstcru ej u c.11 I Iin,vei~ darauf cr-
blicl<en , sondern nur, daß f1ir t1l1s gar keine Veranlass u1lg besteht.,
r,ci der11 ell1i~cl1en \\i'er·L des l\·fe11 chen als des Trägers eines sittlicl1e11
\--Villcns nacl1 den1 Inhalte des Na turbegriffes vom l\feoschen zu
fragen und beide Begriffe mjtejnatlder in \ ' erbindu11g zt1 bringen.
Ja, ,,,ir können sogar bel1aupten, doß ein 11acl1 r1a tur\,rissenscl1a rtlicl1er
\\1i>ise gebildeter Begriff von1 l\le11~ohen den Begriff des pllicJ1tbe-
,,~ußlcn Willens nicl1t cntl1,tlten darf, '"'·eil fak ti eh durchaus weht
an alle11 ~J'enscl1en sjch die e Verfassung dc-r Freiheit und Aut-onon1ie
findet. \ Vir . tütz-<'n t1n beim ethischen Wert des J\fcnschlicl1en le-
diglich auf dcr1 U1nst-and 1 daß in jcden1 }lenschen ein siltlictler \Ville
eventuell or1Lstehe11 l{t11m, uud ,,·ir '"·ür-d en jede .:i11clere Wirklicl1kei t
eben fall als ethisch ,,·ertvoll bezeicl,nen müs, en, bei der ,vir ein Recl1t
hätter1, dies a11z,1neh1ne11. Sin-d ,>v·ir U11 aLer l1icrilber klar g ,,vorclen 1
~o zeigt sicl1 zt1glcich au ch ,,·icclcr, ,,·ie ,,·e11ig der Natt1talism11.s tind

ürg,t~hzado por Goog e


- 629

insbesonu ere clcr n.aturalis tiscl1e Evolutionisn1us fü r tlic Probleme der


f>hilosophie hcdeutet, und Z\Vnr sehen ,,,irt d aß nicl1 t. nur diejenige11
i111 Unrccl1t sind , die von der Einordnung des ~1er1scllen in die Reil1e
<ler ü brigen J~cbe,vesen ejne neue Gestaltung der ethischen Werte er-
hoffen, sondern daß auch dicjenige11 irre11, \vclche fürch.t en, d aß durt.:ll
diese Einordnung das Il1en schliche Lehen cttiisch ent,"·ertet ,verden
könnte. Daß der l\tensch sie}\ immer , 1höherj ' ent,\ickeln soll, \\1ie es
die Danvinistische Ethik, ohne c ' irgend,, ric begründen zu können,
lehrt, ,vußle n11an ,vohl cl1on, el1e man an die Abstar11n1ung von den
1'icren dacl1Le, und ejne etliische Ent,vertung cles lfcnschen durcl1
ein e Aufzeigung eines ZusammeTit1angcs n1it. dcu Tieren ist des,,·egen
ganz ausgcsct1lossen t \\'eil der ~fenscl1 a18 Gattungsexemplar eines
natu nvi~senscha ftlichen .B egriffes Obe rhaupt keinen -e thjschen \Vert
besitzt . Dies '\\'Ürde noch viel deutlicl,er zutage treten, ,,renn ,virklich
eine lückenlose Reihe von Uebergangsforme11 von Tier zu 1.-f ensch
vorh anden ,väJ'e, denn d.a nn müßte mar1 sofort einsehen , daß es eines
\Vcrt t11aOstabcs dafür bed arf, um zu e11t..i,cl1eiden , an ,,,,eJ.cher Ste lle
de1· ethi ehe Wert der Lebe,,,eson beginnt, tlnd daß dieser Wertmaß.
st ~b d-er sicll Jcontinuierlicl1 verän dernd en Natur selbst sieb nicJ1t
en.t ncl1n1cr1 läßt. tir ,vcil also z,,rischen iVJenscl1 un<l Tier eine l{luft
bestel1t, die rur die ethisct1en \ Verte sehr viel bedeutet , kann der ... chein
nufkon'1 1nen , <la ß mit dem natunvissen_cl1aft,licl1en Gattt1ng."bcgriff
des 1\lenscl1en auch scl1.on ein ctJuscl1er Wert gesetzt sei. Tatsllchlich 1

braucht eine Ethik, v.reJcl1e die Bed eutungslosigkeit nntun,•issen c}1aJt-


Jieher Allgemeinbegrif(e für die sittlicl10 Betirtcilung eingesehen l1at,
von der De zendcnztb.eorie ,veder et,vas zu t10Cfe11 noch et,vas z 11
fürcltt.en. Es is,t unter etbi chcr1 Ge.sichtspllnkten vollkon1111en g)eieJ, ..
gi.i'ltig, ,velcl1e Stellung der Naturbegriff ,,~iensc}1'' im ystem einer
11Att1r,,riiiscnscl1afllicl1en Auffassung der ~ 1elt einnimn1.t, und da die
r1ot,ven tligc Bczieh11ng eines f\..lenscl1en auf einen n1öglichcn ethi scllen
\\'illen der einzige Grund ist, dein l.\fen schlicl1en aJs „olcl1e111 einen
et hischen \Vert beizulegen, so k ann an der GelLtlt1g die:-cs \\fet tes
durch kein e natu1'\vissenscl1aftliche T heorie clcr Welt et,,ras cthiiicl1
Wesentlicl1cs gelindert werden .
\Vir sel1c11 also, es l1at. z,var der i\te11~cl1 als solcher aucl1 ci11en
etllischcn \Vert,. insofern 01· zu 111 freien n.titonon 1en p!lich tbe,V\1ßten
Individt1um ,vcrden kann, aber mit den1 Begriffe des Jensc hlichen
at? solcl1e111 ist in der Ethik nichts ,veiter ar1zufangen, denn d ieser
\,\'ert fäll t ir,1 Grun de rl1it dein Begri f[ tl s allgcn1cir1 t en ett1iscl1t-11

D1911 11,ado por Goc,gle


- 630 -
Prinzipes, d. h. mi t d em d es pflichtbe\\'U ßten "\iVillens z,1 amme11.
1
\\ enn ~fensch sein für d ie ELbik nicht..c, Hndores bedeutet als die ~1ög-
lichkeit für die ernpiriscl1e Rcalisict'ung des allgemeinsten ethischen
Gute , so kann un.s dieser Begriff über das rein rormn)e PrinziIJ
nicht einen Sct1ritt ltina.usführcn . Oh u11ter andern \Vertges icht -
punkten, z. B . unter religiö: ent jeclc einzelne 1\-f cn. cl1cn celc als s0Jc}1e
nocu ei nen audcr11 absoluter1 Wert vcrkörpertt bloiht 11atür1icb <lahin-
gcst eUt. E s kain hier nur d arauf an , zu zeigen, d a ß der ein zige absolut
unhi · t.r,rische Begriff, der ei11e1\ ethischen \\1ert dar t eilt, ihn nur
in ofen1 e11Lhält, ols er d en ,,,ertbcgriff des SittJicl,cn Oberh~upt
ei11scJ1lieOt. Dn" .allgemein tc etl1i cl1e Prir1zip n1uß ~clbst.verstä11cllil' h
unhist ori.:scl1 oder '\'ielmehr überl1isto risch sein und , 1 ollkorr11ne11 i,1
~icl1 selb~t r11l1en , ,veil siel1 nu rle1n Ge. cl1ichtlicl1en al:; . olchct11 eir,
\VerL cbcrtso,venig ableiten läßt ,,·ie a11s d<•r _ attir. Die Bcdeut11ng
<lc Ge:-cllich.tJiche11 für ,lie Ethik bcgi1111t erst bei d er näl1cren At1i--
ge ·taltu11g des allge111ci11sten formale11 ethiscl1cn \Vcrt.es, ,,·ird tl unn
aber aucla sehr groß und kann in k,einer \\'eise 111it tler Bedeult111g,
,,·eiche nalur,,ris en cl1aftliche Allge111einbPgriffe für die Ethik habert.
glcicl1gesetzt ,vercte.n .
U1n jcdocl1 jede1n l\lißver W.iodnis vorzt1bcugcn 1 sei au. drückl ich
11och be111~rkt, daß für <li e Etl1ik auch <li<> ]{~nnt.ni:1 tic1· 1nC'11~c:hli hPn
Na tu r unter Urr1;-:itär1der1 , 1on Becicut.ung \\'Cr ti et\ k ann. Di~ -a-
turgcsetze n än1 lich 1 tintc1· dcr,cn d er l\lcnscl1 teht, .;elze11 de11 ·tl,i-
"cllen lden ler1 in~ofern eir)e Grc11~e, a l~ das ethisch eventuell Wü11-
sct1en. ,vcrtc mit ihnen Ultvereinbnr ist, l111d es desha•lb kci11en in11 l1nt,
i, inc Ver\virklicl1ung in Gü tern zu \\'c, ll en. Doch l{ann clic Bedeut11.ng
<ler Naturbegriffe au,cl1 clann nur eine cin:-chrä11lie11de 1 also n c g a-
t i ,, • • ci 11, 11r1<l nie1nr1l. liiOt. sicl1 a11s il1r1er1 ~[atcrial zur positiven
Ausgestal tur1g eir1cs elhischc11 Jdca l ~s gc,,·i1111er1. ~Icrk,, Ordig is t.,
(laß gcrnde u11tea· derl ethi cl1c11 Natt1ralist.e11 sicl1 viele befinde11,
, ,,·eiche die de111 l\ie11..,chc1i du.rch seine a llgen1cine Natur gcset zll'n
~ chru11 l-c<:'n ,,·enig zu br~,c hlrn. gcucigL · ir11J. Bei 111ancl1e11 \ 1ertrct ero
dPr ,.nntiirlichcn Fratl('nn>cht,c'' z. B., ,,·ie ic imr11cr ,,·icder in der
Gcscl1ic:!1t.c rler Pl,il <>SOl>l1ic a11ftreict1 , ließe sic h <la!5 )l"icl1t konsta-
ti eren . Dic:,C R cclitc sin(I durcl1au.: nic;ht, ct,YU au dcrn ullgc1ncjuc11
l\ ~1tn rhrgri ff J cr Frau uL1.ulci tc11, so11<lcrr1 rr1a1tcl1c von il1rtcn clürftcn
:-i,·h g raclczu als ganz u11vcl'trüglich 111i l den Nat t1rge ctzcn en \'ci -cn,
<le r\,' h a ll<'s Fruucn lcl)c-n u11ter,,·orrcn i:::l. Frr ilir h ,,irJ 1nnn bei cler
Beurt cilu1lg irn einzelnen St'llr \'Ol' ·irl1tig sci11 1nü~5en, ,,·enn 11,atl

ü1g1taltzado por Goog e


- 631
feststellen ,,,ill, ,.vas \\-irklicl1 zt1 r gesetzmä ßigen not,vendiger1 Natur
de1· Frau gehört, und wie ,veit in dieser Hinsicl1t nu.r g<'-',cl1ict1tliche
vorüberget1end.e Modifikationen vorliegen. \Vir ,v0Jlcr1 ühcrhaupt.
in di esem Zus.an11ncnhange keine spezielJe F'rage der Etbik en tscheiden
sondern nur tcstslellen., '"•elctu~ Bedeutung die gc.schicl1tlicl1en Be-
tandteilc tind welct1c BccfctJtung die natunvissenschafLliclien Be-
griffe für sie haben köuocn. Der Umsta11d 1 d aß das a.türliche eve11-
tt1cll von r1cgativer Bedeutung ,,.•erden kru1n 1 hat mit dazu beigetragen,
de11 f f"rtum zu för<lcrn , a la bc:;äßc das Na tül'liche a ls ~olches bereits
einen po$itiven \Vert.
E s l·icgt uns, ,._·ic gc~agt , fern, (ür alle H a uJJtproblcme der Philo-
sopl1ic aucl1 .nu r a1azt1deutc11, ,vorin ihre Bc1.icl1ung zu den Fornicn
des hi ·t.ori ·cl1cn Denkens besteht. Der J-Tio\vei at,f die Etl1ik sollte
11ur als Bcii:ipicl dicnct1, t1nd ebenso haben at1c h die folgenden Bonicr-
1, unr,en lcdiglicr1 den z\\~eck, noch ei11ige \VCit ere B eispiele ltel'äJlZU~
ziehen. Vor1 de11 praktischen DisziJ)linen ncranen \vir l1ier nocl1 tlie
R echtsp hilosoph.ie 1 und d abei interessicrl uns besonders die 1:-rage
11acl1 clern -ogcnannten a tu r r e c h t. l lat dicsci· Begriff, der in
t..ler Jurisprud.enz noch in1rner n·icht. ganz ,,ersch\\'u.nde11 ist, einen
,,·is en ~cha(tlichen \\lert, tin,d \vie verhüll er sich zutn Begrif( des
l,istot·ischen Recl1tes ? Zt.1nächst 1 ,vas bedeutet d as Wort Naturrecht,
d. h. ,velcl1er Naturbegriff liegt hier zllgrunde? Das ius naturale
kann itn Gegensatz zum ius divinum slehen und insofern ein l{ampf-
bcgrift sein, der heule ,voltl keine \\•is enscl1a!Uicl1e Bedeutung mehr
l1nt . Soll eR rnit den1 Natu rLegriff <ler NaLt.tr\\.~issenschaft ir1 Verbin-
clLlng gebracht \\'Crden , so r11uß der Glaube an seine Gclturig der
l ' eberzcugung erat.stan1n1er1, daß ebenso \\'ie die aturwis ·enscl1a{t
mit den Gesetzesbegriffen zu.111 unbedingt All gor11einer1 vordrittgt und
in il11n da~ ,valrre \\iescn der Dinge findet, e~ aucll rr1üglicl1 sei, in dein
posiLivC!Jl gegebenen llistori chen Recl1te das Wesentliche v orl) Un-
\YC..~c11t.lichc11 durcl1 Bildung eines a llgemeinen B~grjffcs z.u scheid en
u11 c:l <Jn-clt1rcl1 zur allgen1eioe11 ,,l'\ at ur' ' des Recl1tes vorzu<lri11gen.
l\lti11 suc ht ,11so da1111 ein natür!icl1es R echt, rlr1s ,t.cfreit ist von den
i11cli\·iuuellen Bc-sonderheiLen de. gegebenen l=te ·l1tcs 1 d . h. es \,.,irt.l
clie Nalut· clts Rechtes in gen au dr. n1sclbcn 'ir1r1c ,fcsl.z,1„tclleo v er-
~ucht, " 'ie ,d ie Natur des Lichtes oder de: i\'lcn~chen , uncl clas nal tir-
liehc allgerneine Recht ist dann <las rnit dein allgern.cinen Begriff
cle::; l\len..,r l1licl1cn ocfer cler Na tur (ics ~lensc hcn not,,,,enrlig verknüpfte
Recht. Es ist ge,,·i~ f>r111:t ß('n cla~ Naturgf• ~elz clcr gc cllscl1ufLJicl1e11

ü1g1taltzado por Goog e


- 63'2 -

\Velt , und ,vir scl1e11 also 1 dnß in eine111 solche11 Gedanke11zusam111e11-


hange der Terminus ,tNaturrec ht'' seinen guten Sinn hat. Das \\'ort
Natur bedeutet darin dassel be ,,rie in dem Ausdruck Natun"\-is~en-
chaft. Das l1eißt, e~ bedeutet cJas be treffende Objekt unter dem
Ge ·ich ti;pm1ktc der Allgc,nci11l1ei t. [>ocb, ,vir kö1111en sognr den
Zusan1r11cnl1ang des Naturrechtes mit cle1n 11a turwissenschaftlicl1ert
Denken noel1 \Veit.er verfolgen. \i\' ird , ,vie die latu1"'visse11schart es
liellt , rl cr allgc1r1eine Begriff rnetaphysiscl1 hypostasicrt1 Rlso z11r ,,·a h~
rcn \\·' irklichl{eit gernachl, und erscheint dann d.a · a)lgenleinc \\,'esen
als R ealität, so muß das atu i-rccl,t auc11 zu111 ,va11rhart ,i.·irklichen
oder jeden! alls .z um ursprünglichen R echte ,vcrden, das in der ge~
sc hicl1tliel1cn Ent,vicklung ge,visserrnaßcn verdorben u nd get rü.bt
,vorden ist. Das gegebcr1c l1islorische Rccl1L gilt dann nicht n ur als
bloßes Gattu11g:;c.xerr1plar tJcs ollgc111cine11 Rccl1tcs, dcs-en inclivi-
(luellc Eigcnu rt un,vcser1tlicl1 isl , SOt\dern zugleich a11ci1 als die HüJle;
die da · NaLurre<.>ltL dc111 Auge genau in <lern clbcn Sinne verbirgt,
,,~je die qualitati,·e ,thist.o1·isclle'' ~.Ja1tr1igfaltigkeit de1· l{örper das ""'a11re
Sein cler Aton1e unseren Sinnen entzieh t. Es e.nt.stehl also die Auf-
gabe, mit demDenkc11 clu rcl1 die Erscheinung des Rechtes zum W esen
vorzudringen und so das Recht in seiner t1:rsprüng1icben Reinheit
,vicder herzustellen. Das individuelle gcschichtlicbe Recht is t Sache
der bloßen Er(al1r ungl ,,~ährend der Verst.' lnd at1s cler irrat ion alen
Fülle der individuellen juristiscllen I\fa11n.i gfnltigkeit das allgemeine
Naturrecht zugleich als t,Vcrnun(trecht'' herau shebt. So gehört
auch hier \vie liberal) der Rationalismt1s mit dem „aturali 1nt1s zt1-
satn1nen1 d . h. nur ein rationalistisches Denken kann an ein natürlicl1es
Recht in dein angcgcbe1len iru1e. g.lauben. Da1r1it soll 11icht behau.ptct
" :erd en, d aß die Gedanken cJer Na turrec htler dies Prinzip überall
in scinct vollen Reinheit e11tt1alten,, aber nul' au f dem angcgcbe11en
W ege ist dc~r Gedanke ei r1es Recht.es ,virltljcl1 zu hegrnnde11, das de11
~amc11 Naturrecht verdient. Ist dies ein11.1ul klar, so Yl'issen ,vi r
auch, \vais von den, ,vis enscl1aftlicl1cn \\'crtc des 1 aturrcchtcs in
d,e m angegebenen Sin11e zu halten is t t und zuglcicl1 zcjgt sicl1 hier,
,vo der · nterscJ1ied von Ph)·sisch lll ld Psyc.l1isch gar' 11icl1t in Frage
korr11r1 t , \\ E':lcl,cr Begriff alJeitl es ist, der in ei11en Gegc11satz z·u m a-
turrecbt gebracl1 l ,verclen kn11n. Nicl1l et,va ein geistiges Recht,
<lc11n geistig ist cJas l alurrech t aucl11 !iond crn allein das historjscl1e
Recht, das Produkt der geschichtli chen l(ulturcnt,vi (;klungt is,t das
,virl-clichc f\echt, uu11 ei n .Natu rrech t gibt es so \,·c11jg ,vie eine c1ua.nt..i-

0191 lt ado por Goog e


- 633 -
Lntive Atont,Yelt oder irgend ,velchc a1ldcr11 ,netaph)·s.iscl1 hy-post.a-
sicrten Allgcmeinbegrif[c. In cler Juri pruder1z i t also gcnuu ,vie
ir1 den andern \\Eissenscl1nftcn eine völlige Ab,,·endung ,·on1 rnLio-
nali tiscl1e11 t1nd r1aturalistiscl1c(l Dcul<on zt1g11nste11 des ge::-chicl1t-
1ichcn Denken not,vcrtdig, und diese 111kchr l1at sich l'.lucl1 hier Jängst
fa t durcl1wcg voll-zogen, ,vällrend · iat,u1'\\' issen chaft und Philo-
• sophie noch, vielfacl1 a11 den1 ratior1alis:tischen Bcgriffsrcalisrr1llS fc ~t-
halten. Der allgc,ncine, nach r1a Lur,,·ijse11 chaftliche.r l\f etl1ode ge-
bildete Begriff eine" Rechtes, ,Jer nur <las er1tllült, ,vas allen, Recht
gen1ein nn1 i t , dürfte so inhaltsu r:n1 nt1sfallen, d a ß ,v.i senscha(tlicll
,venig 1rtit ihm ar1zu fange.n ,värc.
Können '"ii· a1~o eir1en B •grirr d es 1 trLurrccl1tcs, in dem dos

"''ort Nalllr dieselbe Bedeutung l1aL ,vic in dc111 Auscfruclt Natur-
,,issenscha(t auch nicht v en\'enclen, so ist dar11it doc11 zuglcicl1 die
Frage, clie l1inter den Diskussionen über clie B edeutung des Natur-
rechtes sleckt, durcl1at1s nocl1 nicl1t erledigt, ja n1it ihr kon1n1en
,vir erst zu d ein rcchtsphiloso1J11iscl1cn Problem, das u11 s in diesen.1
Zt1sa111rt1enltar1ge interessiert. \1/en11 nän1lich l1c\1tc cinna,:h g fr~gt
,v1rd, ob es eir1 N aturrecl1t. gibt, so meir1t rt1a11 gar nicf,t das, ,,·as
allcitl diesen N a1r\e11 verdient, ondcrn 11tan ,vill ,vis ·cr1, ob es rnöglich
ist , <ler11 b]oß historischen Rechte, das fort,väl1re11d \VCchseft) eir1
allge111eir1gültiges oder 11 o r m a t i, \ "1" e s Recht gcg~uüberzu::Lellc11
it1 der \Vei ·e, , .ie n1un d en verscl1iedct1 en ,vcch clnden Sitten den
Begriff der gültigen. Sittliclikeil entgegensetzt. E s J1andelt sicl1 al:So
a1tch bei dern, ,vas 111a11 Na t,1rrccl1t ne1111t, laL1,äc}1licl1 t1n, <lcn \Vert-
bcgriff eir1c-s Recl1Les. cf1on Ficl\tcs ,iNatu rrcct1t'' ist kejn r:.tur-
recht 1nchr, ondorn hier ,vjr,d nur der Na111c bcibcl1alt.cn 1 ,d en ITHln
dor.t. allein d ein 11011r,ativen Rechte gebe11 sollte 1 ,vo man i11 der Natur
uucl, den l obe-griff der \Vcrtc sieht. 1\{(1ssen ,,rir also au cl1 das al t.e
Naturrecht aufgeben, . o brauchen ,vir docll 111it den\ Na111en 11ict1L die
Sacl1c, d. h. ein normatives R ccl1t überl1at1pt !allen zu la3sen oder
den Versucl1 oufzugehc11 1 einen gült..igc11 \Vc1Ttbcgrif( des Recl1t.es zu
bildc.n . ?\<t an .sollte sie b r1ur darüber lil:,r sein , d:iß ein 11orn,ali\·er
Rcct1t.sbcgrifI ebenf~1Jls bloß !or1r1al s.ei11 kan11 . Dar1n stt1l1t, das -r1or-
111at.ivc Rec ht. 11icht ir11 \.Vi<lersprucll zu111 his torisch •n ,vic d ns Natur•
rcclit, so11<lern e ergibt sicl1 vielinehr f(lr clio n ech.t.spl1ilosopl1jc <lic
not.,vcndige .~ufgabc 1 zu frager1 , ,,·a · allein den ~ a.111cn d es R echte!'.!
verdie nt. Dies Problc111 hat r1ut ucr Ann~h111c ei nt's N~turrecht rs
i111 an gr-gebenc11 eigentlic he n Sinne d es \\."ortes 11icht 1l1c h1.• viel zu

ü1g1taltzado por Goog e


- 634 -

tun, sondern die Rcchtsp}1ilosophie ist als die I...ebre vorn norm ativen
gültigen Recl1t ein Teil der praktiscl1cn Philosopl1ie, ,,re}c,ho die alJ-
gcn1cinstcn et,l1i~chen \\ferLc zu111 ß ecl1t,slcben in Bezicl1ur1g zu setzen
und ,ladurcl1 näl1er z.u bestin1n1en ersucht.. Sie ,vird nier11als de111
Phanlorn eines inhaltlich erfüllten Rechtes nachja,gen , das irge11d,vo
anders al in der gcscJ1icJ1tlicl1en \ Virklichkcit verkörpert ist, tind ie
"vir-d a11cl1 bei eiern Ver$ucl1 1 die torn,alcn norrnat.iven Recl1tsbegriffe
ausiugcstaltcr1, irnu1er scl1011 au f die f.'or1r1cn des lristoriscla4Jn Rechte ·
Rücksicht nehmen . Gegenüber der rein cmpiriscl1en gescl1ichtl1chec1
Rcchts,,rissenscl1a{t aber mt1ß 1:-ie im Prinzip eine ebenso selbständige
Au[g"bc haben, ,,·ie die Logik E.r-c.gcnübcr der GeschlchtC' des ,,,isscn-
schaftlichcn Leber1s und die Etliik gcger10ber der Gescl1ichte der
· Sitt.cn. Freilich sind auch die prinzipieller1 Unterschiede z,visc!1e1l den
vcrs<'hie<lenen philosopl1iscl1en Disziplinen nicht zu übersehen. :i\luß-
Len ,vir Cür die Ethik vor allern hervorheben , daß der Begr iff der Natur
u11geeignet ist , rlie siLtlicl1on 1'ormcr1 inhaltlich :zu bestimmen, so
,va r für die Rocl1tspt1ilosopllic der 1-Jin,veis darauf not,ve•n dig 1 tlaü
d er zur Bezcic. hnu11g <l~ n orrn ati\'Cii Recl1tcs beibehaltene unglück-
liche Aus,lruck „ Naturrecltt" 11icht die Problcn1e v·erdecke11 darf,
clie in d e 111 Geclanken eines forrnalen nor n1ativen Reehtsheg.riffes
stecken. I11t übrigen aber lieger1 {1ie Dinge für beide Di ziplincn doch
glcicl1: es gibt. natürl iches Recl1t so ,venig wie natürliche Sittlichkeit,
und d.c r ' 'erst1cl1 1 zu inhaltlicl1 erfül lten ethiscl1cr1 oder rccl1t]ichen
Norrne11 von allgcn1<'i11cr Geltu11g zt1 kon1rnc11, kann nur gelingen,
,,renn die geschicl1t.licbcn Gestaltungen <.lcr iLtc und des Rechtc-s
bC'rücksicl1Ligt ,,·er rl en , ,,:en11 n1an al o jede11 \ 'ersucl1 aufgibt, einen
allgen,eir,en nn<., 11 natunvis e11~chaft1i.cl1er l\1etl,ode gebildeten Gat-
tungsbegriff de.'- Rc<""l1Lcs zu bilclen.
Ir1de111 ,,·ir dan1it die pral\tiscl1c Pl1ilo ophie verlasscJl, erinnern
,vir nocl1 einmal dar-a n, daß nicl1ts diesen Be111erkungen ferne1· lie.g't
als der Gctlanke, clcr l\lcn eh sei. in jeder Hin. icht. dazu: , ,.erurteilt,
· itn bloß Historisclle11 ·tecl{cn zu bleiben-. Nur von dcn1 K11lturn1cn-
snl1~11 sprecl1e11 ,vir, un<l 111it bc\vußlcr Ei o s c i t i g k c i t lieben
,vir clie Not,vc1}<liglicit ei11cr Oricnlierur1g a1a Jljstoriscl1011 für einige
, ,on dE!rl 'l'cilen clc-l' Philosopliic hcn.ror , die e 111i t dec1 Wertprablemc11
cler l(ultur zu lu11 haben. ,\1ir verkennet) insbesondere nicht , ctaß
gcracle der historiscl1c Ent,,·icklu1lg~bcgriff ni,~n1a l:; zur All e in ~
hcrrsc)1;1ft gelnngcn clarr, fall:; es rr1öglich ~<'in soll, in einer umfas!-cr1-
tlcn \~lr llnns<'liauung clcn , i1111 ur1sercs gcsa1ntcn Lel>cns positiv ztl

0191 lt ado por Goog e


- 635 -

dcu.ten . A11 cl1 ,,·e11r1 ,vir , 1on cl r bloß l1istori eh ,vettLczichcnde11


zur ,vcrt p Li i I o s o 'p 11 i s c h c n Betrac\'1tu11gs,,·ei ·e Obergel",en un.d
<las Kulturl eben in dern frültor angegcbene11 Sinne als F o r t. · c h r i t t
zt1 ver tcl1cr1 s uchen, kornmcn ,vir ni cl1t zu einer befriedigenden Au!-
f assun·g in joder Hit1sicl1t. J a, gerade clann n1uß das Bedürfnis e11t-
stehe11, u11ser Dasein ouch r11it olchen Werte11 zu verl<.nüpfen, die es
zu 1r1e't1r al zu einem bloßen Gliede in der fortschreitenden, ihren
\1/ert steigernden Ent\\ricklungsreihe r11a-chen. Die Fortsct1.rittslinie
der Kultu r zeigt uns ruenlal einen Abschluß, und d amit ,vird j e d e
Stufe, die \\'lr erreicl1t haben, mag sie auch in1 Verhältnis ztir voran-
gegange11en al die 1 ,l,öl1ere" gelten kö11.ne11, doch der ihr folgcnclcn
gegenüber ,,·ieder zur bloßen Vorstufe h era b gesetzt, al:so il1res Eigen-
" ·crt,<>s beraubt. E s gibt . nur nocl1 ~fit.tel tind lceincn Z\V.!CI(. o not-
,v<!11dig es den1nacl1 aticlt ~ ein mag, daß ein l\tcnschc11 leben ir1 seiner
1'ot,., lität über sicl1 in die Zuk11nft hinat1l'1,vei:-,t , und so unentbeh rlicl,
<lnfür <ler Z11sammenhang n1it den gcs hichtlicl,cn J{ulturmäcl1ten ist ,
so l,ann docl1 a.n dcrer cits nicht alles dari.n al leir1 mit Rücksicht a tif ein,
tu1dercs gelten, da s '";ccl.er n11r in einem andcrer1 sci11er1 Be t ar1cl hat.
lrgoL1d e l\\·as r11,1ß scl1licßlicl1 u 111 seiner selbst ,vil le11 cia s ci1l. Ge-
stalt.et also die NaLt1r,,·i:-tsc.r1~cl1uft ur1ser Leben zu ei11cr11 si11n.lo::.en
l{rci:--lauf, so drolti tlie a u::.scl1licßlicl1 g,c. cl1icl'ltlicl1e Auf(a::-su11g ~cir1en
Gang zu einer Kull111·sC'hraube oltn En(iC zu rnacllen t1nd ihn1 damit
ebenfalls jc<lc1l Sirtn zu nellmcn. \Vir ,n üss_en w 1s aus dein E nt\,rick-
lun.gsprozeß der Kultur, der ~Lets for tschreitet, ge,vi scr111.tßen hernt1s~
zuh ebcn sucl1en i11 eir1e Sphäre, in der das Leben eine Ge. taltt1ng
findet, die ~ur ich rt1ht 1 in cler C$ ni cht nur ' 'orbcrcitung au f die
Zul~t1n'ft sotldcrn a11cl1 erfüllte Gegcn\\·art gi bt, in der ,vir nicl1t n,1r
ar, fa11gct1 u11d fort.setz.eil son{lerr1 auch vol]ende11 können I unll 1,nter
de,11 Geöic)tl:.spunl(t eine~ ..,olchcri Ideals der Voll-Enclung kann da11n
al le. Gc~ct,ichtlichc gerad.czu als der F eind crscl1einen , der uns nie zum
Ziel ko111rn.c n 1ö0t . Da. i~t rl<'r11 l1eute verbreiteten ForL':-cl1ri tLsj ul)el,
,Jcr de11 E nt\.,icklungsgc,la11krn n1ißbra u(•l1t gcrß<!e in einer Er-
örterung über <lic B,ed('utu11g der Gcscl1icl1 t.e ror die \\' cltansc hau u.11g
0l1f da ont.scl1icrlcnst c cntgcgcr,zuhaltcn. Aber so berechtigt ciicsc
1'er11lcuz zu111 Ucbctl1 ist<)rii-.chen :Sein n1ag 1 die der bisher allei n het"\'Or-
ge}1obenon \\·iderstrcitet., so l,lci bt e:; trotzdc,11 da,bci, dr1ß aucJ1 ci11c
PJ1ilosopl1ie des vollc11clcten un<l insofern übcrgc~chich tlichcr1 Lcbcr1„
die geschichtlichen ) Iächte nicl1t igrlo riercn darf so11dcrr1 sicl1 ttli l
ih nC'tl irger1cl,,·ic a u::ci11an,l('rzu~PtZ<'n h<\t , unrl insofcr11 ,.,·ird at1ch fiir

D1911 11,ado por Goc,gle


- 636 -

sie cino \Vürdigung des H istorischen zur u11vermeidlicl1e11 Aufgabe.


111 gewisser Hinsicht, kon1n1cn \\'11' vom Gescl1icl1tlichen doch .nie1nals
völlig los, aucl1 dort nicl1t, wo e für uns ztt dem wirdT ,va wir zu
überwinden haben.
Ein Hin,veis darauf sei schließlich ·""·enigstens für die phiioso-
phiscl1c Disziplir1 noc}, versucl1t 1 für die das Strcber1 nacl1 de111 Uebar--
gc cl1icl1tlicl1er1 sicl1 a111 stärksten i11 seiner Not,ve11digkeil aufdrängen
muß, für die R eligior1sphilosophie. Sie kann> u1n zunächst it1ren Be-
griff als Wert,•tissenschaft anzucleuten , ebenfalls von1 unbcdi.ngten
Sollen ausgehen, das "'On uoscr.m \\'ollen Anerkennung forciert, so-
bald ein für gültig gcl1altener Wer t uns gegenübertritt, oder vo m
pflicbtbe,vußten Willen in1 ,veitesten Sin11e des Wortes. \Vährend es
~ich aber in den andcrc11 philosophischen Di~zipline11 u1n die ~1 a c ht
die. es \Villens handelt, das \\fahre zu denken, das Gute zu ,vollen
ocler auclt das chöne anzuscl1auen, tritt. hier gorade die Ohr, 01 a c ll t
des i\icr1schcu in den \ ' ordergrund , der nicht kann , was er soll, und
clcr durch das Be,vu·Otsein diese~ Unver111ögc11!-li zugleicl1 Ober sich
selbst und über alle~ l\:lenschliclte binausge,vicsc11 ,,.,·ird. \\lir ver-
folgßn dies, cl1c ,yir ausclrücklicl1. au.f do.s Verbält1us zur Gescl1icl1tc
cingel1eo 1 nocl1 in z,,rei RichLungen, ohr1c jcdocl1 dabei oine Vol lstän-
digkeit der Gesichlspunkte anzustre.b en.
Zur1ächst ergibt !>ich als not,vendiger l(or1·elatbegrilf zu un. eretn
met1scblicl1en PfJichtbe\vußtsein , d as irr1 Kaa1p[e rnit der ,,Neigung''
liegt1 der Begriff eines \i\1ille11s, den wir Iicilig nennen können, als denk-
bar vollkommenstes \\!illensideal. lbrn gegenüber wird sicJ1 jedes
lnclividt1u1n :!!e-ines \i\i'i llens ois eines unvollk.omn1enen be,,·ußt, w1d
von hicL" aus lassen si ·h dann die Begriffe der Sündha[tigkeit t1nd des
Erlösungsbeclürfniss.es p}1ilosopl1isch behandeln. Doch dür[en wir
alle die e Begriffe nicht nur auf die Sittlichkeit im cngcrer1 Sinne
beziehen sondern müssen unter dein heiligen Willensideal das ~ 'ollen
aller unbedingt allgen1einen \Verte versteh,en 1 o daß die Religions-
p}lilo ·ophie 1nit allen anderen philo ·ophischen Disziplinen in Ver-
bindung tritt. Die ab oluto Geltung des religiösen I deals läßt sich
dan11 ,vieder rriiL Z\"~ingcnder logi cl1er t ot\vendigkei t ·z unächst für
die logischen \>Verte cl~\rtun , ,vie z. B. sclio•n Descartes aus dein Begriff
des ,,sündl1a(ter1' 1 irrcnclcn Inteltckt es den Begriff Gottes als d,en der
inLellckt\1cllen V<)llkornrncnhcit ge,-vcin11en liat. Von liier aus aber
linben ,,·j r dunr, nait llilfe de~ Prinzip~1 das den l1ltclJclitualisn1us
\ibf'l'h:,upt bc.,ciiigl , die 1·cligiö~e11 Begriffe auf clie ande1·en \VerLe

D191, h,ado por Google


- 637 -
zu übertr11 ge11, t11r1 so das religiö3e Leben im engeren Sinne z11 ver-
st ehen. Doch ·vei·rolgen ,vi r diese ~eile der Probleme hier nicl1t '"·eitcr.
Wir ,,1ollten nur den allgerneinen Begr-iff der f{eligio11sphilosophic
als de11 einer Wert,visse11schnft anclouter1.
l11 einer a11deren Richtung führt uns die folgende Geda11kenreihe •

über den bisher al lein beriicksichtigten l(rci von Proble1nen hi.na u .


\\' erte treten ·unser,n \-Villen nicl1t. nt1r insofern gegcnü.b er, als sie die
Art v on Zt1st imrnu11g oder Billi.gu11g rorclcrnt auf die ,,·ir uns bciin
logischen Denken und noch mch.r beirrt ästJ1eti~chcn chauen vietleicl1t,
be-schräukcn zu l\.önl'1en glauben, sori<lern sie v e rlangc,1 zuglcicl1 1 cJaß
,,•ir et,vas tu n . In be ondere für cla i:-it.tliche Soller1 i,n engeren
inne ,,·ird ma11 die ◄ nh.~ht, beZ\veifcln., ja, n1a11 kann den sittlicllc tl
\\'ert gerade dadurch zu definieren versuchen, doß er stets ein Hnn-
<lc111 "·om ~'f c11scl1e1t f or(lcrt,. Da nttr1 al>cr a 11 11r1sc r Hand eln in d r
c1r1piriscl\e r1 \Vit·klichkeit v or sicl1 gcl1t, so ,vird da<in rc lt eirte a ot-
,vcndige Boziel1ung d~ "'ring auf die Werte hergestellt von der Art,
d aß eine 11cali ieru11g i·n Gütern, an denen die \Verte hnfte11, u11be-
di11gt gefordert ist, uncl diese Fordert1ng z,,·i11gt u11~ ebentall ·, 11icl1t
bei der:n rein cthi~chen \Verte, der in den1 Gute des auLono1nen \Vil-
lens bereits ver,,,irklicl1 t ifil , st.ct1en zu b)eiben. E s k.inn n ö.111 licl1
un ter ethischen Gesicl1tspunktc1t im engeren ir)ne Hn einer Ha1ldlung
immor n u r <l as \Voll e n t1 nd nicht au clL il1r Erfolg als . it,tlic li
oder un~ittlich beurteilt \Verden. Ziehen \vir jcc.l ocl1 das Ga.n z einer
gcsollten Hand I u n g in Belracl1t, so ist es ur1ver1 ncidlicl1t 011c l1
nac)1 den1 \Verte zu fragen, d er an ihrem Erfolae l1är1gt . Indifferent
gegen \'' ert oder Unv.·crt dar( d er Erfolg nicht dein, der1n d ann bliebe
c tinverstäncllich, "'·arun, ,vir nicht nttr cll1i3c}1 v.·oller\ oridern auch
clie ·crn \\1i1Jc~n entsprechoncl ha.n(lelr1 sollen. Das Handeln bot ol.~o
nur einet, Sinn , \ \.'Cnr, aucl1 Z\viscl1en dem Erfolg und d em \Verte ein
not,,·c11digcr Zusar:nc1,c11ha11g besteht, den herzustellen gänzlich außer-
halb unserer ~1acl1t licgL. \Vir ver111ögen e i11e11 a bsolute11 \-Vcrt nur
u nserem i,uto11or11en \:Villen selbst zu verleihen, nie111als dagegen dc1T1 ,
,,·~s c1a(lt1rcl1 cnlstel1t, d. l1. \\'ir ind Z\\'ar jeden Augenbl ick imsL:1nde,
autonom zu ,vollen, i1bcr es h tingt nicht von un s a.b 1 so zt1 t1andeln,
daß, auch der Erfolg unserer Handlung \vertvo.H. ist., tind die,se 0}1n-
n1acl1t treibt uns n·ur1 nicht nur zu dcrn Ideal eines heiligen \<Villcns ,
der keine l{onflikte z·,\'i.scl1cn Pflicht t1nd Neigung kennt., sondern
führt uns z.,1gleich nocl1 it1 einet· ar1dcrcn Ricl1L11r1g über <lcn blo.ßc11
\.\i'iltcn hinuus. Da es schlecl1tllin u11vern1eirllich i~t, a11zuncll!l\<.'n,

D1911 11,ado por Goc,gle


~ -638 -

claß die unbedi11gt gcsolltcn H andlungen aucl1 einen Erfolg haben,


der ,vcrt.voll ist , so v erwa11delt sich für uns das absolute Ideal des
heiligen \\7 i l I e n s in eine hei lige M a c h t, die das verbl'l rgt 1 ,vas
\\'ir nicl1t vermögen, d. l1. die durch unsere H a n<llungen Güter ve1·-
,virklicht., an denen die ur1hedingt allger11einen \\i'crt.c ha rten. Das
Be,vußtsei11 unserer Ohnmacht gegenüber dein, ,vas sein soll, forclert
also, ,,,ie wir auch sagen könnent eine objektiv gute oder }1eilige R ea li-
tät . So ,verd e.n \vir über tias Gebiet des ethiscl1cn \Vollcr1s l1inau3-
getricben in eine Sphäl'c, d ie noch in einen1 ganz an deren Sinne als
die de r \VertgelLurig j enscit.s der e rupiri c hen \\/irklicl1l<.e.i t lici;rt.
?\[n11 v.-ird den Sinn dieses Gedanke11g-anges nicht mißverstel-1e11.
Un. erern ,vi~scn"5c11afLlicl1en B e g r e i f e n ist eine solcl1e R ealität
absolut, unz\_1gänglicb . Nllr durch u11ser Gc,vissen, llas u1:u; zu handeln
beficl1lt, ur1d dt1rcl1 das Be,vußt.<::,cin, daß "". j r gtrt allein ,vollen,
niclti auch gu t !tandeln köru1en., ist l1icr ct,vas gefordert, das \,•ir nio
zu erkennen v ern1ögen. Abe.r es ist zugleich ur1-hellingt geforde rt,
,vei l son st alle Handeln seinen Sinn , •erlierer, ~,.ü rde, u11d es i t aucl1
,viedcr ganz unn1ögticl1i von cincnt rein tl1eorelischcn Standpunkte
diese Forder ung als bloß ,11subj ektiv 1 ' zu betrachte11 oder zu sagen,
daß sie lediglic}1 den ,,rollenden, a ber nic ht den theoretis~J1en :\lcnscl1en
et,,•as angehe. Es läßt sich viel1ncl1r zc.igen t daß die F'or•derung aucl,
vo111 rein tl1eoretischen Standpunkte nich t angefochten ,verder1 kan11, 1
l
j a .sogar dessen Vora u. set zung bildet. Das logische Be,yußtsein ist,
'"'ic wir \Visscn , eine For1n des \ 1/crlho,vuOtseins und dan1it .zugleich 1

eine l~oro1 des P flichtbe,vußL.-;eins, denn aucl1 der theoretis-cl1e ~·l ensct1
bleibt nicl1t bei eine1n bloß p assiv ert \ ferho ltcn gegenüber dem '\i\'a hr-
1'1eits\'•crtc stel1en . Aucl1 un_ere Urt eile sind }Iandlur1gw1 in dem
'
1
'

Sinne, dnO sie zu \\1erten SteJlt1ng nehmen t1nd da , ,vas durch sie •
zt1st..ar1dc kon1ml., d . b. il1r Erfolg, der in dicsern Falle die \1/issenschart
ist , n1uß eben( alls unbedingt tbeoretiscl1 ,vcrtvoll ein. In ci11er gegen
'
die W ert.e vollkom1nen indiffer en ten , virk.l icl1keit oder in eine r !Or
die Realisierung der \\fisscnscha rt1 an ,velcllcr der \Val,rl1eits\vert
ha(lcl, u11gecig11clen \ Velt ,vür<le al:io au-c:h j edes Ur Lcile11 seinen Sinn
, ·e1·liere11. ·o • c]1ließ-t tlie \ ' oraus::,clzung, floß ,vir durcl1 unsel' Ur-
teilen den unbc(lingLcn \Vahrhcit:-,vcrt in eiern Gute der \ Vis:;cnsc}1art
realisieren können, s ~llon den GJai1ben nn eine ~facht ein, ,\·elche
diesen \\'erL dtJrrh unsere Urtei le vcnvirkliclrt,.1 und so \\ir<l auch der f
'i11n alle Erl(CTt11cr1$ vo n <icr Ueberzeugu11g abl)ängig, die 11icht nur
über alle · Logi:sche sonJcrn uurh (iber nlles Ethi:;;che hinnt1sgcht: 1

D191, h,ado por Google


639

die Welt ist so cingericlitct, daß in ihr das Ziol des Erkennens, die
\Vis cnscl1attt v en-virklicht ,,•erden kann .
\Venn inan ,vill, mag man dies ei11e n1elapllysiscl1e Ueberzeugung
nenf1en .1, und ,,,ir kon11ne11 hier in der Tat. auf die :,,Chon einmal be-
rührte Art von ~letaphysik l1inaus, die auf die unbetlingtc Geltung
von \Vcrten gc5tützt ist., aber ,vir ,verd en gtit t1111 1 clicse 111etapltysische
Ucberzeugung von aller rationalen ~letapl1ysik zu Lreilllen, da die
(iber:;innliche Realität nie zurn Gegenstande unserer Erkenntnis
,vcrden kann, ja ,,·ir sogar das \.Vorl „ Realität" h ier in eine1n Sinne
gebrauchen, den es in der \Vi sen chaft nicl1t hobe11 darf. Unter
logiscl1en Gesichtspunkte1l ist ,,RealitOL" immer nur Prädikat eines
Urteil , das eine:n Inhnlt real nennt, ,venn zu ihm die Fortn der Realität
gehört, und ,vcil dieser Inhalt, irgc11.d,vic " gcgcl)et1 11 • ein muß, kennt
die \Visse11scl1art 11ur irnmancnle 11ealiläton . Trotzdem vern1ag sie ..:ich
dessen be\vuJlt zu ,verde11, daß es el,vas jenseits aller \\'isscnscl1aft
Liegendes gibt, und sie l1at dann diesem Be,vußl.<rein, so gut ,vie sie
es kann, Ausdruck zt1 verlei he~. Es 1nuß das' logi$Cl1e Denken auch
hier ,vieder au{ et,,·as Uebel'logisches a ls seine Grenze i1nd ::;eine Voraus-
setzung hin,veisen. Konnt"°n ,,·ir früher zeigen, da ß zum Begriff des
Erkcnnc11s notwer1dig ein uberlogischer \\' ille gel1ört, der unbed,ingt
allg~meine thcorcliscl1e ,, ,crte a11crkcnnt., so is t es jetzt der Glaul>e
an eine objektive 'f\{acht die~er Werte, oh11e den auct1 de·r \;(/ille, das
Gesollte zu t un, seinen Sinn vo1·licren \\'ürd.e. Das \Viderstreitct dem
Satze, daß die Werte in sich rt1hen t1nd giiltig sind, ol,nc ei1ter Aner-
kennt1ng zu bedürfen, gewiß nicht, de11n 'hi,cr l1a11dell es ich eben
wieder nicht nur u.m dio Geltung der Worle ·011der11 urn ihre Ver-
,,,irklict)ung in Güterr1 , an denen sie haften , und diese ' 'envirkliehung
füh.rt. u11s in der thcoretiscl1er1 Ph.ilo ophie, ,,·o die ,,rirklicher1 Urteile
in Fra,,e kom11ten i. ebenso über die bloße \Vertgeltung hinaus, ,,,ic
in der prakti cheo Philo ophie, wo die siLll.ichcn Han<Jlt1r1gu11 ir1 Be-
tra cht zu ziel1e11 sind.
Doch ~vir ,vollten nur zeigen, ,vie \Veit sicl1 ein Glaube an eine
objck ti,,c \Veltmncl1t <les Guten, die nic1r1als Gegenstand unserer
Erkenntnis sein knr1r1 t philosophi:;ch als r1ot,,·e11dig durlun liißt 1 und
\ \10 clal1er <lur Ar1satzpu.11kt für ei11e Rcligio11 philQsophie nh; ,vcrt-
1'\' gl. hierzu die eingehende ur1d l~hrrelche I<rilik 1 d lc E . ·r r o c lt s c h in
seiner Abhandlung über ?.l oderne Oeschlchtsphirnsop hic (Thcologi$cho Rund$el\o.u,
Vt, 190a) diesen\ IJueho guwid1nct hat. Auch n1 it d esselben Autor Schril l
Ober die A t,solltlhc,iL de1> Chris leulums (1902) t.cigt d o F vlgcn dc rnnnche Oc-
r Oltruug~pu.n k te.

D1911 11,ado por Goc,gle


- 640 -
\,·i~sen~chaft liegt t ,,·clcl1e <lic 1'endcnz haben muß, mit der e111piriscl1en
\',\firklicllkeiL aueh alle l(ullur und alle Geschicl1te ,,·eit hinter sich
.
zu lassen. Ztlgleicl1 aber ist l1ervorzuheber1, daß der Begriff des reli-
giöse11 Glaubens, de11 ,,·ir auf die e \Veise ge,,rinnen, rein for1nal ist
und a lso de·m lcbcndige11 religiösen Bedürfni. noch nicht enlspricl1t.
E s gill daher, die for1nnle Bcstimmt1ng \\1eiter atiszugcstaltcn, u11c.l
damit komn1en '"ir dann ,vicdcr zu der Frage nacl1 <!cm Vorl1ällJ1is
der Religionsphil-o~opl1ic zur Gcscl1ichte, das gicl1 jetzt leicht vc1·-
tehen läßt. Freilicl1 rnÜS$en ,vir es dalu.ngesLellt scjn lassen, ob da~
folgende für a l 1e l"ormen des religiösen Lebens zutrifft. \\1o Religion
nur \Veltüber,vindung i t, da ""ird es bei einein religiösen ,.Erlebnis''
bleibe11 k önnen, das arm an empirischem Wirkli chltci tsinha.lt sein
\\' i l 1, und auch die Philosophie einer solcl1en Rcligior1 t11ag es d~nn
b ei leeren F orrnen be,,·endcn lassen ~ Doch nbgcsel1cn davon , ob es eine
solche Religion der Armut \1nd J.\ bgcscl1icdcnl1eit i 11 voller Rcin.l1eit
\\'irJ.tlicll gibt, so bestel1en rlocl1 claneb en jede11falJs andcr,o F ormen
(les Glaubens, für dio gerade eine \ 1erbindung n1it der e111piri cl1en
\\lirklichkeit, insb esond ere mit dein l(ulturleben unentbel1rlicl\ ist,,
t111d fOr sie muß da11n aucl1 von der Rel.igior1sphjlosophie k1anrei!tellt
\Yer(lcn 1 \Yoher al lein sie ihre Erfüllung ge,vin1le11 k.önnen.
Daß eine inl1altliche Bes tiu1mung des forrnalen Got tesbegriffes
nicht. dt1rc'h ~att1rbegrif(c im gc,\•ölmlicl1en Sinne des \\7ortc möglich
ist, bed arf freilich keine Be\veiscs, nhcr u1n so größer ,viru clie Neitru11g
sein , clic ge forderte Annal1me einer tran zen,lcntcn \ Veltn1acht durch
eine 11etapl1y·sik ,,·,oitor attszubnuen. \Vir clürfen jedoch 11ichL \.'er-
ge:-;;en , daß jede für uns <le·n.kbn1·e ~letapll)•sik sich in nllgen1.einen
Begriffen bc''""gcr1 m11ß 1 (1e1·cr1 Iogi:..c hc tl'uktur aJlen individuellen
l11halt und ()a1)1it zugl<}ic}1 jede Verknüpfung ·n tit der stets individuellen
c1npirischcr1 \\firklichkeit, i11 fler , vir lcbc11, ausscl,iicßt. DarA11 llaru1
at1ct1 durcl1 eine Bc1ilck.t:l iclltigu11g der For111en cles histori cl\c11 Den-
ken_ noch nict1 ts geändert ,vrrclen, denn in eine ~1ctaphysik "vürden
<1ie. e F ormen imnicr 11ur uls Forn1en eingehen und daher, ,\·eil ohtle
jeclen gescl1icl1t,li.cl1en I11hnlt, not,vendig eber1falls allge1nein bleiben.
Deshalb ,vird ,rino solche 1\-letapl1ysik cles Glaubens l1öcl1ste11!5 .111.iL
einer R eligion iri Verbindt1ng zu bring„n sein, die sich von al ler I{ultur
nlJ,vcndct , also gerRdt> d c n1 religiösen Lebcn 1 Iür dns auch das per-
~önlicl1e \ ' erhiiltni:, dni:; I nriivi<l11umR zu den rwtitmenschcn und die
gcn1einsa111e At·b · it. ar11 l rdisc h.eu von a.usschla gg,eberider Bedeutu:ng
• is t, nichl n äher z11 l"or111nen , 1 cr rnöger1 als <lcr rein fo1·male Begriff

D1911 11,ado por Goc,gle


- 641

ejncr heiligen \' 'eltnlacht. Ja, ,vil' n1üs ·en sogar sager1, daD, ' "enn die
Gleicl1sctzur1g des in1 ollgemeinen B egriff Erfa ßten mit det" '"·at1rcn
Realität eine Berechligung l1iitt.e, es über haupt nicht möglich ,.,.ärc,
<leo religiös·en Ueberzeu·g ungcn , die nocl1 et,vas anderes als \\'eltflucl1t
bcc.Jeuten, irgend eine Bcrccl1tigung neben derl '"issenscl1afLlicl1ert
zuzugestel1en . In einer rational ge,vorde r1eu \Veit gäbe es 11icht r1ur
keine Ge chicbte 11nd kcir1 sittliches "'' irken sondern aucl1 kei11e
Jleligion, die dieser '\'elt zug k ehrt is t . Eine Philosophie dagegen,
die so,vohl d en absolute.n \Vert, de r an d em pfliclltbe,,rußtcn a11tono1nc.n
Willer1 h a [lel, a ls aucl1 das \ Vescn der Gcschichts,visscnscliaft vcr-
.:-ui nd cn l1at, ,vird n.ich l nur den Glattben an eine objckti,,c \Velt111acl1t
de:; Guten a ls not,,,endig erk.en11en son dern zu.glcicl1 aucl1 einsehen,
daß 11äl1ere Be~ti1nmungen der rcligion. pJ1ilosopl1iscl1cn \\'crtbegriffe
nt1r tlem 1'1i torischen Leben zu cn tnel1·num ~ind, u11d ~ie ,vird dann
zug leich b egreifen, daß die g c s c h i c 11 t I j c h e ficligion die J.'orrn
ist, die das religiöse Leb en n ot,,1cndig l1nbc11 r11uß , sob ald es nach
irgend ,velc hen Beziehungen zu111 K ultu rleb en sucf'1t. lst ei11c ü.ber-
hi~torische l{e11ntn.is von de m inhaltlicl,cn Zusamme11bange Gotles
1r1 it d er cmpiriscl1cn l(ultu1"\virklicbkeit fijr d en ?.-lc11scl1c.rl unrnt,glic b,
so steht damit das R c c }1 t de r }1i~torisrf1en R c ligior1 1 die sich an
cin111nligc gescl1icl1tlicJ1c E1·c1gnisse l1ält und i11 il1nen die „O!fc1iba1·ung''
Gott e sieht, aucl1 vo1n \\ issc11scl1aftlichcr1 ·t,andpunkt au.ß cr Frage.
1

Das l1cißt 1 es k ann z,var niemal s durch die \,\ iisscn sclla ft ein e R e ligion
h crvorgcbrucl1l oder a uch nur b ewiesen "'·crdc11, aber es ]üßt . ich
cbcrtso,vct1ig leug11~l'l I d a ß u11sc1·e ,vi ~senschaftli•c l1e ~ ' cl t.."ln~cha1..1t1ng
eir1e Lücke zeigt, die nur durcl, eir1cn ,tn ein er l1istorischen R eligion
orientie rten Gla uben au~zu füll er1 i?1t. Die R eligion elhst bedarf frei- •
li cl1 solc hef' RcchLfcl'ligung nic ttt. Sie slcl1L von v orncl1crci11 über
;i llor \Vissen scbaft 1 lljc ilir nic ht d as G,c ri11gsle zu ge hen v erma g,
,\·as sie n icl1t bcreit..s hat. Für die n cligio11s p 11 i I o so p 11 i e d.agcgen
ist ci11(~ At1:;cir1ancl cr cLzur1g mit dc111 B egri ff der gescl1icl1llicl1en R cii-
gjun 11icl1t zu c11Lbehren, u11J dic.se ka11n nur auf Grt111d einer Einsicl1t
in d as "'' esen d es }1istoriscl1c11 Dc11licns erfolgen. ~n1 ebenso ,vie die
andern phil osophisc he11 Diszjpli~en ihren \\'erlb grirf zt1m gcscl1icl1t-
lic·h en Lebe1t i 11 Beziel1ung zu set~cn, }\at sie da her bereits in il1rom
forn1 tlle1t Teile auf die For111en der ge clii(!l1tlichc11 Auffn::-:ung der
\\"i rl{licbkcit R ticksicl1t zu ncl1111e.n .
Ahcr gerade b ei dcn1 Gedankr.n an da:; r l'ligiüsc L eben ,,·ird,
,vic schon angedeutet, das Bedc11J,en ~ich sltirkl.'.'r· als irgPnd,vo geltend
R I v k e r 1 , Or,nzen. 2. Aufl. 41

D1911 11,ado por Goc,gle


1

't
(
1
1
- 642 -
l
machen , das sjch schließlich gegen das gonze .P rinzip einer not\,·cr1-

digc11 gcscl1ic llllic he n Er{(illung pl1ilosopl1ischer F ormen richten ffiltß,
und auch a uf die. c l(chrseito der Botrachtu11g \\'Ollen wir daher, '
um den Geclnnkengang z-urr1 Ab cl1luß zu b1·ingon, noch n1iL eirte111 1

\Vort-e eingcl1en. Die Gcscbicl1lc gibt uns, so \Vird rr1ar1 sagen, gc,viß
de11 positive11 l nl1alt, den \\-':ir brauchen, und den ,vir a.us keiner ar1deren

Quelle scl1öpfen k.önnen. Zugleich aber ist sie doch auc l1 in u nauf-
hörlicher \!erändcrung begriffen, und \\'enn eine Befreiung vo1n
H istorisc hen nur mit rein rorn1nlen '\Vertbeg1·iffer1 gclingt 1 dann
~clacincn ,vir fü r alles L eb en im inhaltlich Erfüllten nicht nur in
die Sinnlosigkeit der unendlichen Fo1tschrittsreihe sondern a11ch in
die relat.ivistiscl1~0 und skeP,tiscl1en K o11scquenz.en t1ineingetriebcn
zu ,,erden , die man l1äufig aus dem c,,·igen \Vandel • alles tlDS be-
k an11te11 Dnseir1s gezogen hat, und die nicl1t nur zu ei11er Ergänzung
des flistorischcn durch d:.1s Ucbcrhistorisc.l1c sondern geraclezu zt1r
F eindschaft gegen alles Gl'scl1icl1tlicl1e fül1ren 1t1üsscn. Der E.nt,vi ck-
lungslJcgriff ist ja tatsäcl1 licl1 ei r1e beliebte Waffe gcra<Je für de n
R arlikalis mus ge,vorde111 der darr1iL die Ui1ver1rünftigkeit a lles Ge~

sc-l1ichtlicl1en zu l>e,,·cisen ~ucht. "'o cliloß sich schon an H era klit,
die Skepsis ttr1, und so giog aus lf~gcl die llcgclscho 11 Linl<c'' 11cr-
vor. die groß h.a.uptsäcl,lich i,n Zcr~Lörcn ,var. J\ ucli gcnügL gc\viß
eirl bloßer ] Ii11\\'Ci::1 au! die a11clcre Seite des E11t,vicklungsbegrif{es,
daß alles sicl1 11u1· ir1 a llrni1hl ic hcr u11d la11g3a1r1cr \ 7eriir1deru1lg b c•,
fi11clet , r1ichL, u111 cle111 Gedanker,1 an ,Jie Relativität und UnbcsW11-
1
diglteiL altes Hh;tori:.-icl1en eitlen SLac hel zu neh1nerl, denn ob die
\ 'e1·ändert1ng i n der Ges.chicl1te lan,gsun1 odC!r sc;h11ell vor sich gehL,
mncl1t 1\eincn priuzipic llc n Ur1tcrsr},icd, ,ve n-n dHs Relativität! prinzip
i11 Frage kornmt.

Dennoch brau<:lat. 111a11 a l1cl1 l1icr ,victlcr nur 11ut dc1t 1 Gcd,lnken
clor his t oriscl1cn Bcdir1frLhcit a 11 e i,; I(ulturlet,<~ns ernst zu 1nacl1en,
t1n1 rlcr1 skeptischen Arg,11ncot~Liuncr1 des Radikalistt\LlS, die sicl1
auf rlen \\'a11d ,1 jctles Seieud<!I1 ::stützen ur1d danlit allc11 l1ist ori ·chcn
~JächLerl tlcn Krieg er·J-.lärer1, irr1 Pri11iip \\'CJligsLe11s jed,en Boden ztt
enlzie!ten. Gegen ci11Cll absolute11 Relativis111us läßt sicl1 freilich nichts
rnacJ1e'll, clenn er füh rt. kon equer1Ler,veise zu1n ·ihilisnlus, u11d es
bleibt d n1111 nichls n1el1r tib rig, nn dn · 111nn noch anknüpfen könnte.
Aber er i:5L aucl1 nicht zu ft1rchte11 1 rla e r sicll j ed es Urteils enthalten
,nuß, ,,·et111 er sich nic1\t sc lb · t ,vider:-preclien ,vill. \Ve,r Eie h dngeg1311
auf eine B<.'u rtcil1111g ciult1 ßl u11rl clann das Ge~c hi chLli chc b loß rJcs-

D1911 11,ado por Goc,gle


- 643 -

wegen unbefriedigend find et , ,veiJ es sich ,rcr äodcrt, setzt d aboi implizite
immer schon vorat1s1 d a ß es ci,1en Sinn hat, nach einem völlig u11-

geschichtlichen L eben zu v erlangen und docl1 mit der l{ultu r in Ver-


bindung zu bleiben . Er hat nlso ,,erges~on, daß, v.1enn er eino gcscl1icl1t,..
licl1c Gestaltung verl ä ßt, ,veiJ sie nur gc~chicl1Uich ist , er zugleicl1
ilnrner wiccler, solange er l{l1lturrnenscl1 .b leibl, zu einer anderen
gcschicl1tlicl1.en Gestaltung kommt und so e,vig bei dem bellarrt,
dem er zu entfliel1cn sucl1t. \Ver sicl1 ciicser Gebundenheit der Kt1lt,11r
~n die Gesch icllt e be,v11ßt gc,vorden ist , ,vird nicrnals das gesclucht-
licl1e I„eben d es,,·egen gering scl1ät1.e1l I weil es gc:,chic l1tliohcs L ehen
is t , d,enn e. i. t ja d och imrocr wieder ein gcschicl1tlicl1 bedingter
Standpunkt, v on dem a11s er als l(ultur1nensc h dem Geschicht.liehen
die Gellt1ng abzl1sprccl1c.n verst1 cl1 t. l)a soll ge,1/iO niclit l1eißen,
daß alles Geschicl,t,licllc t,vern1in[tig'' ist, aber es soll zeigen 1 daß es
.
für (lcn Ku ltt1rroenscl1cn nur dan11 einen Sir1n ha t, ein gcschicl1tliel1es
Gebilde zum Objekt der Kritik zu machrn 1 ,ven n t,ereits n c u es
h i s t o r i s c h es Leben dn ist , n1i.L dem es vcrg1icl1c.n , und clurcl1
d:..s es als üher'\v,1r1cien angeseh en ,vcrder, k ann. Auch ,:vir leugnen
also nicl1t 1 daß ,vir mit der 1\1öglic11keit ei11er \ 'eränderung in den
inhaltlicl1cn Bestin,mungen aller \ Verte recl1nen .n1(isscn. Das H ervor„
l1eben dieser ~löglicl1keit haL aber für sicl\ a llein noch gar k ein Be-
deutung für irgend ein hc-Son<lercs Problem , und zumal (ler bloße
11ir1\,1cis auf die Verilr1derlichkeit alles gcscl1icl1Lliche11 Sci11s ist gänz-
Jicl1 nichts agend . E s bleibt da bei : ,vir können , ol.ange ,vir ni ch t
atas allen I{ultur.zu am1r1cnl1ängcn l1inausi-;treber1 1 die Ge chichte in1rl1er
. nur durch die Ge. chiclllo üher,vi11dcn, und das heißt : ,,1ir könnc,1
~1 ls I(ull u1·n1en!;chcn niemals die Ge. chichte {iberhaupt sondern imrner
nur ei11e ihrer hcso11deren Gcst.-1lt ungen übcn ,rincJe11 \\1ollen. \1/ir Jehnen
nlso z,, ·at au f d a ~Entstl1icdens tc , a11ct1 in bezug at1f die r .tigions·p hilo-
ROJ>hi~chen·1, roblc1nc I jcdcr1 lli~torisn1t1s ab , d . 11 . ,vir halten es nicht
für gerccl'1t,[ertigl, ,,·enn n1an V<>n irgcn.cl einer historisch ge,vo.rdcncn
R eligi on ~agt , daß sie nun fiir in1n1er di e einzige R eligion bleiben
rnii se. J eden Tag ka11n ein 11oucs histt>rii::chcs In di.vidt1t1n1 au ftreten
ti nct \Jns gnn z r1cue l1i~t.orische ) läch to t)ringcn, von dene11 "'·jr bi her
keine 1\ hnt1ng hatl<'n. Da.un nl::ig in ,1c!rT<tt .-,lies b i j,; h e ri g e Gesr hicl1L-
liche urnges t<Jßen sein. 1\ ber e ,ri r<l dclr,h cla11, it, ·e ben ,vicdcr n.ur eine
neue Gcst,al'lt1ng d.es gci;;('l1 icl,tlicl1cn Lebens zt1 t.:l.gc treten . Daß n1 1<-h
bei dieser An erkennung des Gcscl,icl1t.1'ichcn 11och ciitc Fülle vo11
Problrn1cn f1l1rig bJeibt, und ,laß insbc::c•r1dcrc firr clt>11 religiO cn

ürg,t~hzado por Goog e


- 644

Standpunkt d ie scJ1,vierigsten Fragen entstehen, braucl1t, nicht erst


ausdrücklich gesagt zu ,verdcn . A.ber das Verständnis des gcschicl1t-
Jicben Denkens zeigt uns doch ~·enigs te~s einen ,,reg, die,se Probleme
in, Angriff zu nehmen , während jeder ~aturali. rnus ihnen nicht nur
ratlos gegenübersteht so.n dern sie, ,vonn er konscqticnt <lenkt, nicht
einm31 als Fragen anerkennen ka11n.

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