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ALTTESTAMENTLICHE ABHANDLUNGEN
HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. j. NIKEL, llRESLAU.
IH. BAND. 1. H eft.


,


-

••



EIN BEITRAG
,
ZUR

APOLOGIE DES BIBLISCHEN GOTTESBEGRIFFES.
. r


VON '

ALOYS KIRCHNER, •

PRIESTER DER DIÖZESE PADERBORN .

• •

• ••

MÜNSTER i. W. 1910.

VERLAG DER ASCHENDORFFSCl-IEN BUCHHANDLUNG .





( [ t; L (;
• •



Pr:JC . fr I
2)

IMPRIMATUR.
Monasterii, die 20. Julii l!H O. •


F. de Hartmann,
Vic. Rppi Genlis.

No. 6289 .

I


-

Druc k der Asch e n do rffsch en Bu ch d ru c ke r e i.


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Inhaltsübersicht.
Seite
1. Der biblische Schöpfungsbericht und die moderne
Religionswissenschaft. . . . . . . . 1 4
II. Kritik der Theorie von dem babylonischen Ursprunge

des biblischen Sellöpfungsberichtes.
§ 1. Widerlegung der Theorie von der babylonischen Herkunft
• des biblischen Schöpfungsberichtes aus dem Gegensatze
der Welhmsebauungell von Elluma elis und Gn 1 • • 5-27
§ 2. Widerlegung der neueren Auffassung von den aU Drachen-
und Urmeertraditionen • • • • • • • 27 45
§ 3. Kritische Würdigung der angeblichen Übereinstimmungs-
momente von Enuma elis und Gn 1 . • • • • • 45-51 •

IU. Pos i ti ver B ewe i s ge gen die T h e 0 r i e vom b a b y Ion i s cb e n


Ursprunge des biblischen Schöpfungsberichtes.
§ 1. Die Grundlagen von Gn 1 in der Religion des Alten

Testamentes. , . . . . . . . . 51 59
§ 2. Der Kampf zwischen der babylonischen und biblischen
Weltentstehungslehre • • • • • • • • 59-76




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Vorwort.

Vorliegende Abhandlung ist hervorgegangen aus ein er ur-


sprünglich religionsphilosophischen Studie zum biblischen Schöp-
fun gsberichte. Al s sich die Unter s~lChung weiterhin zu ein er
religionsvergleichenden gestaltete, blieb, auch für die Auffassung
der babylonischen Kosmogonie der religionsphilosophische Gesichts-
punkt maßgebend und entscheidend. Das R echt dieser Methode
möge die Abhandlung selbst er"veisen. Hier sei darauf hingewiesen,
daß die relig'ionsvergleichende Forsehung ihrer Aufgabe nicht da-
durch gerecht wird, daß sie die f 0 I' m e 11 e n Übereinstimmungen .


und Analogien der R eligion en in den Gesichtskreis dei' Unter-
suchung rückt. Die Aufgabe liegt höher, und es gilt, auch der
Ge dankenw e lt der R eligionen vö.lli g gerecht zu werden. Es

darf seitens der R eligions wissenschaft nicht übersehen ,verden, daß
die Menschheit in und durch die Religionen wenn auch oft in

nur unvollkommener und ungenügender W eise - - Stellung nahm


zu den groß ~n Fragen nach einem hinreichenden Erkl ärungsgrund e
der W elt und nach einem befriedigenden Inhalte de::. Lebens.
Den hoclnvürdigen Herren Prof. Dr. Engl e rt und Prof. Dr.
F eldm a nn sage ich für das wohlwollende Interesse, mit dem sie
die Vollendung der Abhandlung geförd ert haben , auch an dieser
Stelle meinen herzlichen Dank.

Bonn a. Rh. , im Juli 1910.



Der V erfasseF .




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Erstes Kapitel.

Der biblische Schöpfungsbericht und die moderne




Religionswissenschaft.


Von grundlegender Bedeutung für qie Stellungnahme der


modernen Religions\vissenschaft zum biblischen Schöpfungsberichte.

war die Entdeckung von Bruchstücken des babylonischen Epos


Enuma elis in den Ruinen VOll Ninive . . War Gn 1 zuvor mit
verschiedenen aUßerisraelitischen Kosmogonien in vergleichende Be-
trachtung gezogen worden, so 'wurde nunmehr die von dem keil-
inschriftlichen Funde dargebotene Kosmogonie als Quelle und Aus-
gangspunkt des biblischen Berichtes seitens der vergleichenden'
Religionswissenschaft geltend gemacht. Von einer zunächst mit ·
Zurückhaltung aufgestellten Hypothese schritt die Kritik fort his •

zum schließlichen Ausbau einer völlig systematisch durchgeführten


Theorie von der babylonischen Herkunft der biblischen Schöpfungs-


geschichte, und dieselbe wird gegenwärtig, bei ablehnender Sonder...,
stellung einiger Forscher, fast von der gesamten neueren Religions- •

wissenschaft vertreten.

Noch mit Beobachtung großer Reserve sprach Budde 1) im '
Jahre 1883 von der chaldäischen Vorlage des biblischen Schöpfungs-
berichtes; er war sich der Unsicherheit des Stoffes im vorliegenden
• Falle vollkommen beWUßt. Budd e war der Annahme, daß die
babylonische Erzählung, wie sie allen Stöff und die grundlegenden
Gedanken von Gn 1 aufweise, dies alles auch in ' \.vesentlich der-
selben Reihen- und Stufenfolge aufführte. Gegenüber der etwaigen
Bestreitung dieser Hypothese hielt Budde immerhin eine solclle
Anzahl von Berührungspunkten für gegeben, daEJ die Möglichkeit

einer starken Anlehnung des biblischen Schöpfungsberichtes an •

J) Die biblische Ul'geschichte, Gießen 1883, 4.85.


Alltest. Abhand!. 111, 1. K i ... h n e r, Die babyl. Kosmogonie. 1



2 1. Der biblische Sc höptun gsbel'i c!1t •

ein en a sy risch-babylonischen bi s zm Entlehnung des äUßeren Auf-


baues desselben schwe rli ch bestrilten werden könn e.
Schon weit en tschi edener nls 13 u d d e behauptete J en se n I) .
einen zwi sch en der ' babylonisch en Kosmogonie und de m hibli:ch en
Sech sta gewe rke bestehend e n ZLl sn mm enhan g. Nach J e n sen bilden
der Schluß der vierten und die Fl'n gme nte der fünften und . iebenten
Tafel zusa mm en mit dem Anfang der e rs ten T a fel des babyloni-
schen Epos ga nz unfrngli ch das Prototyp des bibJi. che n Berich~e .
Den Beweis für seine Behauptung sah J e n se n da r-in gelegen, daß
die R eihenfol ge . der Ereigni sse in den beiden Erzühlun gen absolut
• dieselbe sei. Auch die Ad, wie die biblische Schöpfun gsgeschichte
entstanden sei. suchte J e n se n zu bes timmen: die Bibel ha be di e
babylonischen Schöpfungslegenden aufgenolllmen, indem sie das

spezifisch Babyloni sche untel'drückt uno das Myt.hologische und

Polyth eistische in Monotheisti sch es ulll!:; esetzt habe.


• Die Frage nach de m Verhültni.' de r biblische n und babyloni-
schen Kos mogoni e systematisch zu· behandeln, stelli e sich Gun k e 1 2)
zur Aufgabe. Auf breitester Gl'llndlage und in eitl em groß an-
gelegten Beweisgange versuchte Gunkel, Babylonien als die Heimat-
stätte von Gn 1 aufzuzeigen. Au sgangspunkt seiner Untersuchung
is t die Betra chtun g des biblischen Schöpfungsberichtes selbst.
Di ese ergibt für Gu n k e l, daß G n 1 alte mythologisch e Zü ge ent-
halte und mithin auf eine ältere Vorla ge zUl'ückgehe. Beso n-
ders hebt Gunkel zwei Mom ent e des Berichtes hervor: n ä mli ch
das " Wir " bei der Men sch enschöpfung und elie Schilderung des
Chaos :l). Das erste Mom ent. läßt Gunkel vermuten, daß die Er-

zählung einmal polytheistisch gew'esen und mithin zum Volke Israp.I


einst aus der Fre mde gekommen se i. Ebendahin führ e aber auch clie

Schilderung des Chaos sowi e di e Erzählun g von der Entstehung deo


Lichtes und der T eilung der vVasser nach oben und unten bei Beginn
dee SchöpfulJg. Nach Gu n k e l stellt sich nümlich jedes Kultun ·olk
Chaos und Schöpfung nach Analogie der Jahreszeiten '01' , die e
auf sein em Boden erlebt, und darnach mUß, so schließt Gunkel
weiter, die Tradition vom Chaos in ein em Lande ent tanden sein ,

• 1) Kosmologie der Babyionier, Stl'aßbUl'g 1890, 306 .


2) Schöpfung und Chaos in Urzeit tllld Endzeit, Göttingen 1895, 1·-170;
• Genesis:\ Göttingen 1909, 101 131.
• :1) Die Annahm e, zwisch en Vers 2 und 3 bestehe eine Lü cke, wo wobl
einmal di e Th cogo ni e gestanden haben möge, hat Gunkel in deI' 3. Auflage

seines GCIlesiskoll1ment81'S fall en gelassen. '.




-

und di e mod erne Rol igionsw tt.

wo im Winter, in der fin tel'en Jahreszeit, überall Wasser herr. cht,


im Frühling' al er, wenn da' neue Licht entsteht, die \iVasse r n:J.ch
oben und unten zerteilt werden, Demnach sei auf ein Land zu
·hli i3en, wo d8L' 'iVinterl'ege n das Klima bestimme, Ein solches
,

Land aber 'ei ni cht Kanaan, sondem Babylonien.


Den msprüngli ch mythologischen Charakter von Gn 1 find et
Gu n k e I be~ tätigt durch "Varianten der Sehöpfungserzählung" im
AT, EI' glaubt eine z\\'eifache Reihe von Varianten unterscheiden
zu können: die eine setze einen vor der Schöpfung stattfindenden
Kampf Jahves mit dem Urm eere voraus, (leI' anderen liege ein
Kampf Gottes mit dem Drachenungetüm der Urzeit z~ Grunde.
Die Varianten bezeugen nach Gunkel eine sehr archaistisch~ Re-
zension des Stoffes von Gn 1, die noch in spätester . Zeit . als
, poetisches Prachtstück von den Dichtern gebraucht w·orden sei.

Die al1S Gn 1 gewonnenen Schlüsse führt. Gunkel ,,,reiter
durch die Vergleichung des Berichtes mit der babylonischen Kos-
moo'onie. EI' hebt besonders hervor, daß der biblische Bericht
mit dem babylonischen in dem charakteristische~l Punkte überein-
stimme, daß die 'iV eH durch die Zerteilung' des U rmeeres in zwei
Teile entstehe. Und in dieser Übereinstimmung . im Zusarnmen-

,
balt mit der Unmöglichkeit, daß jene Vorstellung aus denl kanaa":'

näischen Klima sich erkläre erblickt Gunkel den Beweis, daß


die hebrflische Tradition von der babylonischen abhflngig ist. Dazu
sieht der genannte Autor diese Behauptung bestätigt (lurch die
poetischen Varianten von Gn 1, indem er geltend macht, daß die
Varianten nach Form und Inhalt viel stärker mit dem ' babyloni-
schen Mythus übereinstimmen und wenigstens zum Teil die Mittel-
glieder zwischen der babylonischen und biblischen Kosmogonie
,
dar t ellen. Endlich bietet nach Gunkel die babylonische Parallele

die Erklärung für verschiedene archaistische Züge in der biblischen


Schöpfungserzählung. •

Abschließend gelangt Gun ke I zu folgendem Geschichtsbilde: •

"Gewisse "reile des uralten babylonischen Mythus von der W'elt-


chöp[ung sind nebst manchen anderen Stücken babylonischer
Kultur in vorisraelitischer Zeit auch nach Kanaan gekommen.
Andere fre mdartige oder ein heimische Elemente (Weltdei, ~;"'T~J ~:;M)
waren hinzugetreten. Als Israel in Kanaans Kultur einwuchs . •

bat ·es auch diese Geschichte neben anderen Urmythen kenn en


O'elern1. .. , Israel aber _ .. und dies ist für uns das "vichtigste in
dem ganzell Bilde hat den Mythus aufs tÜl'kste sich und sein er
1 *
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4 1. ])el' bibl. Sch{\pfuugsberi cht lind di e model'n e Reli gJonswissellschatt.

R eli gion am a lgiert. Es hat da ' My thol ogi eh , das 'einer R eligion
so sehr widers trebte, zuers t gedämpft (.'0 in den poeUs ·h en Va-
ri anten) und schließlich bis auf gerin ge Res te ganz a usgetri eben.
• •

Zuletzt is t der Stoff n och dmch eli e energische Bearbeitun g des


P hindurchgegangen. Der m sprün gli ch hochpoeti ehe Stoff i t so
immer prosaischer ge"w orden; aber er ist erfüllt worden m it de n
Gedanken der Jahve reli gion. " (Genesis H 129 f.)
In engel' Mitarbeit mit Gun k e I h ält auch Z i m m e rn den
babylonischen Ursprung von Gn 1 für e rwi esen 1). Und nach
Fri e dr. D e li tz sc h 2) endli ch gehört der biblisch e S chöpfw1g -

bericht in eine ganze R eihe biblischer Erzä hlungen, die aus der


Nacht d el~ babylonischen Schatzhügel auf einmal in reinerer und
ursprün glicherer Form an s Li cht getreten sind. Di e Erschaffung

oder besser: die Bildung der Welt aus einem vorausgesetzten •



fin steren und v,rässeri gen Chaos n a mens Tih a mat und dessen Schei-
dung in Himmel und Erde ist nach D e litz sc h ein babylonischer
Gedanke, den der Verfasse)' der "elohisti schen " Schöpfungserzäl1lung,
ohne zu fr agen, \'\'oh er denn das Chaos stamm e, übe moLYImcn
• habe, sieb darauf beschränkend, das babyloni sche Gedicht in eine
Erzählun g umzusetzen und das Ganze zu monotheisiel'en, letzter es

ähnlich w ie schon im babylonischen \ Veltschö,&fun gsepos Marduk •

als der e in e W eltbildner erscheine.


D e litz sc h zi eht aus der Theorie von dem babylonischen
Ursprunge des bibli schen Schöpfungsberi chtes auch die praktische
Konsequenz, indem er geltend m acht, da ß derselbe für unsern
Glaubell schlechterdin gs ohn e Bedeutqng sei und ,,,'edel' in Kir'ehe
noch Sehule irgendwelehe unser Glauben lmd " Vissen bindende
Geltun g beanspruchen könne. D e li tz s e h weist es mit voller
Energie zurück, daß der b abyloniseh- "heidni sch e" Kern von Gn 1,
• der trotz der Umgestaltun g völlig intakt gebli eben ei denIloch
als offenbarte W ahrheit geglaubt w erde n solle .

') Vgl. S c hl'ad e r, Di e ICeilinscbriften und das AT :1, Berlin 1903, 506ff.
2) Babel und Bibel, Leipzi g 1D02, 35 .



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II. Kritik der ThcoJ"ie von dcm babylonischen Ursprunge usw. .)

Zweites Kapitel.

. Kritik der Theorie von dem babylonischen Ursprunge des biblischen


. Schöpfungsberichtes.

§ I. Widerlegung der Theorie von der babylonischen


Herkunft des bibI. Schöpfungsberichtes aus dem Gegensatze


der Weltanschauungen von Enuma elis und Gn I.
L. Trieb- und Beweiskraft der religionswissenschaft1ichen
Theorie vom babylonisehen Urspl'Unge des biblischen Schöpfungs-
berichtes ist der ' E n t wie k I u n g s g e dan k e. Durch Ent-
wicKlung ist der Mardukmythus von Babel zum Jahve-Tehom-
Mythus in Israel geworden, lautet die Behauptung der Kritik 1),
und der Einfluß des bereits zuvor in deL' Religionswissenschaft

herrsehend gewordenen . Evolutionsgedankens ist nicht zu ver-



kennen, wenn die polytheistische und mythologische Vor-
stellungswelt der BabyIonier als Ausgangspunkt von Gn 1 geltend

gemacht wmde. Mit dieser gmndlegenden Bedeutung der Ent-


wicklungsidee ist naturgemäß von s8lbst das wesentlichste und
wichtigste K ri ter i um des 'iV ahr heitsrech te s der religions-
wissenschaftlichen Theorie gegeben. Wenn Gn 1 auf langem '\Verde-
gange aus Enuma eli5 entstanden sein soll, so ergibt sich als
Grundforderung, daEl beide Kosmogonien sich ' wirklich als Aus-
gangs- und Endpunkt odel' wenigstens als Glieder ein und der-
selben Entwicklungsreihe erweisen lassen. Nichts liegt näm-
lich der Kritik ferner als die Annahme, daß im Lr..ufe des be-
haupteten Entwicklungsprozesses irgend ein Faktor zur Geltung

gelangt sei, der den seitherigen Werdegang etwa in eine ganz neue
Richtung drängte. Die kritische Religionswissenschaft behauptet
vielmehr die geradlinige Fortbildung des ursprünglich gegebenen

Stoffes, die herbeigefühl't wird durch Modifikationen, die das Wesen
des Stoffes unberührt lassen; der Kern des babylonischen Erbgutes
bleibt nach ihrer Theorie auch in Israel erhalten. Und wenn die

religionsgeschichtliche Theologie mit Nachdruck hervorhebt, daß
die babylonische Erzählung in Israel mit den Gedanken der Jahve-

religion erfüllt worden sei, so ""iU sie dennoch Gn 1 nicht als eine

J) Vgl. Gunkel, Schöpfung und Chaos 120; ders., Genesis :) 120. •





,

ß II. Kritik dcr Tll co l'i e von dem babyl oni schen Ursprun gc

,vesent.li ch neue Kos mogonie gegenüber der babyloni.'chen ) e-


haupten. Nicht ein inn erer Gegensatz bes teht nach ihr zwischen
·den beiden Beri chten, sond ern nur ein e große Ve r schi ede nh e it , •

di e durch die lan gen Zeiträum e der Entwicklun g ihre hinreichende


Erkl ärung fi ndet.
Die Entscheidun g der Frage, ob ein durch Entwicklun g be-
grl'mc1etes Abhängigkeit 'verhältnis zwischen der biblischen und ba-
bylonischen Kosmogonie besteht , kann nur auf Grund ein er um-
fassenden und allseitigen Vergleichung getroffen werden.

Bei
äUßeren Analogien darf die vergleic.hende Untersuchung ni cht stehen
bleiben. Eine Vergleichung insbesondere, welche die einzelnen

vVeltgegenstände und Vorgänge, von denen in den . Kosmogonien
die R ede ist, zusammenstellt, ist als eine einseitige abzulehnen.
Aus der Sache selbst erklärt es sich, wenn z\,vei W eltentstehungs-
berichte die großen, in die uninittelbare ,rv ahrnehmung fallenden
W eltteile gemeinsam ins Auge fa ssen und ihre Entstehung a uf
Grund gemeinsamer Anschauungen vom W eltbau in analoger W eise

darstellen. Übereinstimmungs momente wie das Auftreten des •

Lichtes, die Bildung von Himmel und Erde, die Hervorbringung


der Pflanzen, die Herstellung der Sterne oder di e Ersc.haffun g der
Menschen bilden daher von vornherein keinen eigentli ch en Beweis •

für den Ursprung einer Kosmogonie aus einer anderen. Einen



solchen zu erbringen , ist vielmehr nur jene vergleichende Betrach-
tun g imstande, die sich über die Momente äUßerer Natur hinaus
erstreckt und au ch den inneren Charakter der Kosmogonien
würdigt. Jene äUßeren Momente, welche letzthin in dei' äUßeren
Erfahrung gründen, haben für die Kosmogonien nur formale Be-
deutung, 'während da s W esen der Kosmogonien durch einen ge- •

wissen Kompl ex voh Ideen bestimmt ,'V ird. Die Gedankenwelt der •

Kosmogonien ri chtig festzustellen , ist daher für die vergleichende


Untersuchung von entseheidender Bedeutung.
Für ' die Erkenntnis des vVesens der Kosmogonien kommt '01'

allem die Stellung in Betracht, welche dieselben überhaupt in der


Antike einnehm en. Die antiken Kosmogonien gehören durchaus d e m

Ge bi e t e d e r R eli g io'n an. Denn so offenkundig auch jene eine
Darstellung von der W eltentstebun g geben woll en, so erfüll en .. ie ihre
Aufgabe oder Absicht doch nur in der ganz bestimmten Art. und
'W eise, wie sie der R eli gion eigen ist. Die R e li gion ist we 'entli eh
zunächst nichts anderes als W elterklärung, ni cht im Sinne der Er-
klärung des Einze1znsammenh ~n ges im vVellall , ondern vielm ehr •



dos biblisohon Schöpfung ·bel'ichtcs. 7

al' Erkltirung de r gesamten ed'ahrungsllläßigen Wirkli.chkeit durch


die Zur'ückfühmng derselben auf' ihren letzten Grund sowie durch
die Bestimmung ihre höchsten und letzten Z,,'eckes 1). Und mit
diesem innersten \Vesensmomente der Religion stehen die antiken •

Kosmogonien, soweit sie irgendwie vollkommen vorliegen, in der


eng ten Beziehung. Indem dieselben die Entstehung der vVelt

darstellen, leiten sie diese in ausführlicher Schilderung von ihrem


letzten Seinsgrunde her und bestimmen ihr höchstes Ziel,
"ie beide von der jeweiligen Religion, der sie angehören, aufge-
faßt wurden. Das Interesse der antiken Kosmogonien am Welt-
entstehungsprozesse ist nicht ein naturwissenschaftliches, sondern
vielmehr ein metaphysisches. Vom Standpunkte einer religiösen
vVeltanschauung aus entwerfen sie ihr Bild von der \Veltentstehung,
und es kann nicht verkannt werden, daß gerade in ihnen die
Weltanschauungen der Religionen am vollkommensten
zur Darstellung und zum Ausdruck gelangt sind. Für die •

Vergleichung zweier Kosmogonien miteinander ergibt sich aber somit


die Forderung, daß in erster Linie die Weltanschauungen der-
selben herausgestellt und gewürdigt werden müssen. Die mytholo-
gische Darstellungsform einer Kosmogonie, wie etwa der babylo-
nischen, schließt natürlich nicht aus, daß derselben dennoch ein
spekulativer 'Vert zukommt, und von Bedeutung ist in dieser
Hinsicht die Tatsache, daß ein Aristoteles die Mythen der Antike
,

als Zeugen von der vVeisheit der Vorzeit schätzte 2). "Den Tiefsinn,
der die Mythen geschaffen, hält Aristoteles für verwandt mit der
staunenden Vertiefung in die 'Velträtsel, in welcher er mit Platon
den Anfang · der Spekulation erblickt: Der Philosoph ist in ge-
wissem Sinne ein. Verehrer der Mythen, denn der Mythus ist aus
Wundern gewebt (Met. I, 2, 16)." Das Hindernis aber, welches für

uns in der Sprache des Orients liegt, mUß überwunden und die
in der mythologischen Hülle verborgene Idee ergründet werden .

Das Denken der Urzeit war aktualistisch, und die mythologisC'he


Sprachform, nämlich der Ausdruck eines Gedankens mittels Dar-
stellung lebhafter Handlungen und Spannungen, lag mithin nahe.
2. Die vVeltanschauung der babylonischen Kosmogonie ge-
~angt bereits im Eingange derselben zum klaren Ausdruck. "Als
Himmel und Erde noch nicht bestanden, mischten", wie das Epos
J) Vgl. Schell, Religion und Offenbarung 2, Paderborn 1002, 78.
2) 0 tt 0 Will mann, Geschichte des IdeaIismus 2 I (Braunschweig
1907) 461 f.

• •

8 11. Kritik der Th eo ri e von de m babylonisch en Ul'spl'unge

Enuma elis den Vorgang' dar t ellt, "Ap.·u, der alles erzeugende

Urvater, und Tiamat, di e alles gebärende Mutter, ihre \Vas. er in


.ein s." Vereint mit Apsu-Tiamal erscheint MUJI1mLl, ihr Sohn I).

Das \Va .. ser odel' "Meer" ist mithin nach babylonischei' An-
sc hauung das U I'w ese n, personifizi ert gedacht als Apsu uncl
• Tiamat und durch di eselben in 'männlicher und weiblicher Form
vorgestellt. Apsu-Tiamat ist da s Urprinzip, aus dem die jetzige
\Vell ein. t. hervorgehen soll. Di ese Bestimmung des Ul;we. ens

.bringt der babylonische Bericht zu besonderem Ausdruck durch
die Gestalt Mlllnrnus, die er mit Apsu-Tiamat verbindet. "MummLl"
bedeutet \Vissen, W eisheit 2), Form 3). In der Verbindung mit
l\psu-Tiamat stellt die Person Mummus die Form d. h. oas Ur-
bild der "Velt dar .J), welche aus dem Chaos in der Zukunft er-
stehen wird.
• •
In der ewigen, nie entstandenen und nie beviril'kten Materie
erblickt also Babels Kosmogonie das letzte grof3e Prinzip der \\Telt.
Das All gründet nach babylonischer Auffassung in sich selbst; es
ist nicht die \Virkung einer von ihm verschiedenen Ursache, son-
dern besteht als Materie von E-wig:keit her in eigener Kraft. Die
vVeltanschauung der babylonischen Kosmogonie stellt sich c:omit
bereits aufs bestimmteste dar als Monismus der 'Velt, näherhin
als naturalistisch er Pantheismu s .

In der naluralis tisch:-monistischen Grundanschauung gründet


unmittelbar die Vorstellung der Kosmogonie von dem ersten Sta-
dium der \Veltentwicklung. Aus dem MuUerschof3e Tiamats, in
dem alles andere seinen Ursprung besitzt, geht zunächst und vor
allem auch das Höchste im All hervor, nämlich di e Welt der
Götter. Zwar spricht das Epos Enuma elis, "vie es zurzeit vor-
li.egt, nicht unmittelbar die Entstehung der Götter aus der Materie
aus, zeigt aher seine AnschallUng deutlich an, ,,,,enn es die Gott-
h eiten als Söhne Apsus und Tiamats bezeichnet. Die Zeit ihres
vVerdens faf3t das Epos nähel'hin als lange Entwicklungsperioden.
Die hohe Bedeutung aber, ,velche die Th eogonie besitzt, i t darin
gelegen, c1af3 sie eine durchaus we se ntliche Phase der Kos-

J) Vgl. Je I' e m i a s, Das Alte Testament im Lichte des Alten Orients 2,



Leipzig 1906, 132, A. 3:
2) Vgl. Jeremias, ebcl. 6 f.
:J) Vgl. Schrader, ICeilinscbriftliche Bi'bliothek VI 302f.
4) Vgl. Damascii Phil. Quaestiones de primis principiis, ed. J . Kopp,
c. 125, 384.


,

des biblisuhen Sc höpfungsberi chte , 9


m ogo ni e , ein integrierendes S tadiulll des vVelt\\ el'depl'ozes, es


b il det. Die Th eogonie, die Bil d ung der Götten ve lt, i t ni chts a l1-
deres al' die Ents lehung des zweiten de L' beiden großen Faktoren,

au' deren Widerspi el nach babyl oni,'cher A nscha uun g sdlli ef3li ch
di e jetzt best ehende vVeltordnung' resultieL't. •

Für die Bestimmung des inneren W esens der bnbyl oni 'ehen
Go ttheiten kOll1mt die Th eogonie in erster Lini e in Betracht. In-
dem die GöUer von der Materie herge leitel werden, el'ha lten si.e
,

grund ützlich ihre Stellung i 11 n e I' halb d e I' \V e I t. Die Gottheit


sta mmt aus der \ iVelt und gehört mithin zur vVelt. Ebt:'l1so führen
die sonstigen Beziehungen, die der Ba byI oni er den Göttern zu-
p/'icht, ni cht übel' die VI eH hinaus, 1st die Bedeutung des er sten
Götterpaal'es Lachmu-Lachamu bislang überh aupt zweifelh aft ge-
blieben, so wird das innerweltliche W esen von Ansar und Kisar
schon durch ihre Nam en ausgesprochen und geoffenbart: Ansar
i 't R epräsentant und Herrscher der oberen, Ki sar der Herrscher
der lmt eren vVelt. Ebenso klar ist die Bedeutung der Göttertrias
• •

Anu , Bel und Eu: Anu ist Herr des Himmels! Bel der Herr der
Erde und Ea der König der \iVasse rtiefe. Und auch Marduk, mag
er erklä
-
rt werden al s Gott der
. Frühjahrssonne oder der Frühsonne

od er al s Lichtgottheit schl echthin , ersch
,
eint immer al s innen velt-
liehe Größe. Insgesamt sind also die babylonischen Götter w e lt-'

ge bund e n e Mächte. Sie üben durchau s keine w eltfreie Funktion


aus. Sie gehören zum All und sind Be s tandt e ile d ess elb e n 1).
Was indessen dem BabyIonier die Gottheiten im ti efsten
Grunde sind und bedeuten, bringt gerade die Kosmogonie in poe-
tischer Art zur Darstellun g. Nach dem Berichte über di e Ent- • •


stehung der GöUer erztihlt das Epos, daß Apsu seinen Boten
Mum mu berief und zu ibm sprach:
nMummu, Diener, der mein Herz erfreut, komme, zu Tiamat
wollen wir (gehen). "
Sie begaben sich zu Tiam at, lagerten sich vor ihr und über-
legten bezü glich der Götter.
nApsu öffnete seinen Mund, und zu Ti umat der glänzenden
sprach er: .
Ihr W eg ... •

Bei T ag beruhige ich mi ch nicht, n achts (kann ich nicht ruhen) ,


ich will verni chten ihren W eg, ich wHl ...

J) Vgl. Schell, Kleinere Schriften, Paderborn 1908, 430 f .


,10 11. Kl'itik dCl' Th eo rie von de m b a by loni sc hen Ul" spnlll ge
• •

'Vehegesthrei möge s i ~h ein teIl en; wir aber wollen uns zur

R uh e legen.
- Als Ti amat di es hörte, ergrimmte sie hefti g un d redete ""ider ... •

sie wütete ... •

einen Flu ch stieß sie aus und sprach:




vVas sollen wir tun ?
Ihr 'iVeg soll beschwerli ch werden, wir woll en (\vieder ruhen).
lVlummu antw ortete (ul1l1 beri et) APSll , ..

Auf! mächt.ig ist ihr ' Veg, du sollst (ihn) zerstören, .


bei '"rag sollst du dich bemhigen, bei Nacht soll st du Ruhe
finden.
(Es hörte) ihn Apsu und sein Antlitz erglänzte,
weil er (Mummu) Böses sann gegen die Götter , sein e Söhne. "
• Die Götter stehen also zu Apsu-Tiamat, der Materie, in un-
mittelbarem Gegensatze. Ihr "W eg " bedeutet für A psu die völli ge
Störung seiner Gewohnh eit und einen Eingriff in sein ganzes Sein .
. Der "W eg " der Götter ist nämlich ni chts anderes als jene Tätig-
keit, welche die Gottheiten noch imm erfort vollziehen, und besteht
in der Flmktion des Ordnens, Gestaltens und Belebens gegenüber
und an der ges taltlosen, ruhenden •Materie 1). Di e babylonische
Gottheit selbst erscheint somit als die inn e rw e ltli che W e i s -

' h eit s m ac ht, deren vVirksamkeit gegen di e Gewalten des Chaos

und Mechanismu s gerichtet ist. .


So gewiß aber auch di e Babyloni er unter "Gott " eine in der
vVelt Leben und Ordnung schaffende Größe versta nden, so fest
steht es andererseits, du,ß bei ihn en derselbe Begriff au ch solche
• Vvesen urnfaßte, di e durchaus unh e ilvoll e n und e thi sc h-

sc hl ec ht e n Char a kt e r s sind. Den Naehweis für diesen •

Sachverhalt bietet wi ederum die Kos mogoni e, Das Epos erzählt


nämlich, daß Zll Ti amat, welch e gege n ihre vVidersac:her Kampf
beschli eßt, ein e Anz ahl von Göttern abfällt:
"Sie verfluchen den Tag und erheben sich Tiam at zur Seite,
zürnen, planen, ni cht ruh end T ag und Nacht,
nehm en auf den Kamp f, wüten , r asen,
rotten sich zusammen , be reiten F eindseli gkeiten, "


Und wohl in bezug auf di ese Abtrünnigen bittet sp ~lter die
bedrohte Götterschar ihren R ächer Marduk:
,,0 I-Ien , ein Gott, der B ös e s d a e h t e, gieß a us sein Leben, "

I) Vg l. He hn, Sünde lind Erl ösung , L eip ;>;i g 1D03, 2.



- •

d es bi b Iischen Srhöpfu ng3bcri eh tes. 11

Der babylonische Gottesbegl'iff birgt mithin zwei unmittel-


bare Gegensätze in sich. Der Dualismus \'on L ebe ns- und
Tode s ma cht gehört auch fler Götterwelt Babels an.
Aus dem Charakter. der babylonischen Gotthei.t, soweit sie
dEm inn erweltlithen Logos darstellt, und aus dem \Vesen APSll-
Tiamats andrerseits .ergibt sich die Bedeutung des gewaltigen
• Kamp~es , der' zwischen den beiden Mächten nach der au sführlieh en
Schilderung von Enuma elis sich entwickelt und zum Austrag
kommt; es ist der Kampf, der in der AUßenwelt zwischen den
elementaren Gewalten des Mechanismus und den Ordnung schaffen- •

den Kräften sich abspielt und besonders zur Zeit des endenden
\Vinters die ganze Natur durchzieht und spaltet. Die unheilvolle,
finstere Macht des Mechanismus wird von der Kosmogonie an
,
erster Stelle in scharfem Umriß gezeichnet. Tiamat. das Urbild •

aller chaotischen Gewalt, umgibt sich, abgesehen von dem Anhange


aus der Göttcrwelt, mit noch weiteren furchtbaren Mächten.
"Die Mutter des Nordens, die alles bildete ...
gebar Riesenschlangen,
spitz sind die Zähne, schonungslos ... mit Gift wie mit Blut

erfüllt sie ihren Leib.
Grimmige Ungeheuer bekleidete sie mit Schrecken .

Glanz ließ sie (darauf) ruhen, hochragend gestaltete sie (sie),



ihr Beschauer sollte (Schauder empfinden),
, .

ihr Leib sollte sich bäumen, ihre Brust unerschütterlich sein.



Sie stellte hin (Nattern), wütende Schlangen und Lachamus,
Riesen-ümus; tolle Hunde und Skorpionmenschen,
... Fischmenschen und Widder, die schonungslose Waffen
trugen, die Schlacht nicht fürchteten."
Der Eindruck, den die Macht Tiarnats auf die Göttenvelt

ausübt, ist niederschmetternd. Ea, der zuerst die drohende Gefahr


wahrriimmt, wird betrübt und sitzt in Bedrängnis ·da. Auch An-
sar, durch Ea benachrichtigt, gerät in Erregung und Schmerz.
Anu und Ea, die der Tiarnat entgegenzutreten versuchen, ver-
mögen ihr nicht zu widerstehen. Marduk, der jüngste der Götter,
wird schli eßlich von AnsEl], um Hilfe gebeten, und gegen den Preis
der unbeschränkten W eltherrschafl erklärt er sich bereit, den Kampf
mit Tiamat aufzunehmen.
Der furchtbaren feindlichen Gewalt stellt Marduk eine eben-
falls bedeutende Macht gegenüber. Die Schilderung, die El1Ullla
elis von Marduks Bogen, ·Wurfspieß, Keule und Köcher bi etet,


12 11. Kritik dei' Th eo ri e vo n dem babyl oni schcn Ur 'prun gc

di ent nur zu!' Vermittlun g ein es a nsc.:h au lich en lebh a ften Bilde.
JIII Sinne ein er eigentlichen Kampfesa us l'ü .' tung sind dagegen ge-
daeht und ge meint Mal'duks Bli.tz, di e zu ckende Fl amme, die sein en
Körper füllt, di e manni gfachen "\iVinde s~:)\vi e die Sturmflut.
Mit Allm acht vermag Ma rduk dem Feinde ni cht entgegenzu-
treten. Das ,, 'Wort ", über das er verfügt, i ..t k ein allm'äch-

ti ges. Auch das Sprel:hen Marduks, das in der Kleidszene eine
so große Roll e spi elt, trägt nicht den . Chnrakter einer vorilUS-

se tzungslosen Ursüchli<.:hkeil. Di e Bedeutung desselben ist darin

gelegen, daf.3 es üb e rh a upt e r s t einen B e w e i s für di e Ma e ht
Marduk s erbrin gt, die von vornherein und an sich selbst für die
alten Götter ni cht feststeht. Die Götter übertragen zwar Marduk
für die Bereitwilligkeit, ihr Rächer zu sein, in der Versammlung
das Königtum über di e gesamte 'Velt. Darauf aber legen sie vor
sich ein Gewand hin und ermuntern ihren Erstgeborenen, seine
Macht an den Tag zu legen. Und das von Marduk vollführte
W erk ist den Göttern der glücklich erbrachte Beweis der Mac.:ht
ihres Rächers : "Da solche Macht seines 'iVortes sahen die Götter,
da freuten sie sidl." vVas aber den Inhalt des von Marduk ver-
langten vVerkes angeht, so' wird zun ächst kein voraussetzun gsloses
Hervorbringen gefordert; Marduk soll seine Macht. betätigen an

einem vorliegenden, bereits bestehenden Gegenstande. Marduk '011


das Kleid vergehen lassen und wiederherstellen 1) und zwar dun.: h


I) Jcn se n (Keilinschriftliche Bibliothek VI) üb el'setzt Tafcl IV: 20 Sie



sprachen zu Marduk, ihrem Erstgeb or enen: 21 "Dein Schicksal steh' vor


"

(d em) der Götter. 22 Vel'l1ichten (a-ba-tu) und schaffen (ba-nu-u) befiehl, so


soll es werd en! 2 J Wenn dcin Mund sich auftut, soll das Kleid vergeben
(li-' -abit)! 2·1 Befiehl ibm wieder, so soll das Kl eid (wieder) ganz sein (li-is-
lim)!" J e nsen b emerkt im Komm entar, ebd. 326: " salämu (I) eig. ,heil,
ganz sein', hier doc h wobl soviel wi e ,ganz da sein'. Es müßte denn na' butll
in Z. 23 nicbt ,ganz vergehen, RO daß mall nichts mehr siebt', sondern nur
,z e rtört w e rd e n' heißen und damach in Z. 22 ab ätu nllr ,zerstören' und
. banlt nur ,c ine Gest alt ge b e n'. Aber das entspricht doc h ni cht dem Zu-
samm enhang. Oder ist Marduk nicht auch Schöpfer, sondern nur Bildner,"
lVIarduk ist ind esse n ohn e Zweifel nur Demiurg; er setzt ein gegebenes Material
bei seiner Tätigkeit voraus. Zudem geht au ch ans der sy mb o li sc h e n Be-
deutung, welch e di e Kleidszene besitzt, klar " hervor, daß Enuma elis durch
die Erzählung jenes Vor ga nges keineswegs die SchöpferOlacht von IVlarduk
aussagen will. Indem Mal'<.luk üb er das "Kl eid", das Symbol "des uächt-

li chen Sternenhimm els, der im Morgenli cht verschwindet und mit der sinken-
den Nach t wieder erschei11 t", sei ne Mach t (durch das Zauberwort) dartut, e1'-

des biblischen Schöpfungsbcl'ichtes, 13

das Wort 'eine Mundes. Der Charakter diesel' geforrlel'ten Tat


ist nicht zu , erkennen. Mal'duk soll ein e be ,timmte \Virkung •

durch ein Mittel hervorbringen, welches zu jener in kein er Be-


ziehung s teht , zur Erreichung des Zieles also völlig unzulänglich
i t. "Vas im Geschehen der Dinge nm infolge Eintrittes ein es
geeigneten Mittel erfolgt, soll hier dmch das Auftuen des Mundes,
durch den Befehl des Mundes, durch di e Ma cht des ausgesp roche-
nen Wortes herbeigeführt werden. Das n Wort" ist allerdings an
sich der Ausdruck des \iVissens und ,~reiterhin gleichbedeutend mit
"Macht ", indem das 'Wissen von einem Dinge auch die Macht
über dasselbe verleiht oder wenigstens zu vermitteln vermag. Und
die bnbylonische Kosmogonie selbst kennt eine zwischen dem
"Wissen und dem Worte Marcluks bestehende Beziehung, wenn sie
Ansu r zu seinem Sohne sagen läßt: n Mein Sohn, der alles 'Vissen
beherrscht, die Tiamat bringe zur Ruhe mit deinem reinen "Vorte. "
Der wahr'e Zusammenhang zwischen Wissen, Wort und Macht
erscbeint indessen in Enuma elis bereits verdunkelt. Das Epos
erkennt, besonders auch in der Erzählung der Kleidszene, der
Kundgabe des "Wissens nach aUßen, dem Sprechen, clie Bedeutung
ursächlicher Macht zu. Das "Sprechen" erhält daher unmittelbar
Zaubercharakter, und da s "Wort" Marduks ist mithin in letzter

Hinsicht. nichts anderes als Zauberspruch.


Mardu k tritt der Tiamat., so ergibt sich aus allen Aussagen
. '

von Enuma elis, durchaus nicht als absolut überlegenes \iV esen
,

gegenüber und bedeutet einen Partner, dessen Sieg über den Geg-
ner keineswegs gewiß ist. Tiamats Triumph ist an sich ebenso
möglich wie der glückliche Erfolg Marduks. Die \Vaffen, welche ,

die zu Tiamat übergetretenen Götter erhalten, gelten als ul1wicler-


, stehli ch; ebenso auch die elf Ungeheuer, die die Allgebärerin auf-
stellt. Zudem ist Tiamat im Besitze der- Schicksalstafeln d. h. der
W eltherrschaft. Die 'iVeltmacht des Mechanismus ist also im ,

• ,

'Regimente, und die vVeltmacht des Geistes ist gezwungen, zur


Erlangung der Herrschaft einen Kampf zu bestehen. Das aus-
schlaggebende Moment aber, welches im Ringen der beiden Mächte
die Entscheidung herbeiführ't, ist die' Klu g heit Marduks. Schon

Ansar hebt deutlich Marcluks W eisheit hervor, da er denselben


,

weist er sicb lediglich als der Weltenherrscher, zu dem er von den alten
Göttern proklamiert worden ist. Vgl. Eisle!', Weltenmantel und Himmelszelt,
München 1910, 288 ff.
,

,

14 H. ICl'itik de r Th eo ri e vo n d elll bnbyl o ni sc hen lTrsprun gc

ZUIl1 Stre ite gegen Tiamat auffo rdert. Und rli ganze Kampfesi1l't,
di e M:lL"duk de m Gegne r gegenübe r anw ende t und entwick elt, el:-
sche int denn au<:h al " das l~luge ulld berechnete Arrangement von
Mitteln und Krüften; um die günzli ehc Vern ic.:1ltung des Feindes
hel'beizufüh I'en. J\lI::1l'rlllk sieg t, w eiI e l' das Wi ssen besitzt.
Ers t nach de rn S iege übe r Tialll ::tl, nach der Unte rwe rfun g der .
mechani schen \ I'leltkrüfte, ist gelllüf.~ babyloni sehe r Denkart di e All -
gestaltun g deI' M:lleri e wr j etzi gen vVeH lTlögli e.h geword en. Marduk
. tritt nach der Besiegun g Tiamats al vVeltbildner auf; ni cht YOI'- •

a ussetzungslos vertll ag er di e \ V" elt herzustell en, sondern ist a n


den gegebenen Stoff gebunden. Di ese letzte Tätigkeit Marduks
läßt von neuem erk ennen, daß di e Gestalt der Hauptgotth eit Bab els
ganz nach Art der erfahrungsmäß igen \iVil'kli cllkeit mit all ihrer
Beschränktheit und Bedingtheit vorgestellt. und geda c11t is t.
Über die Bestimmung endlich, welche die\Velt nach Auf-
fa s's ung der babylOliischen Kosmogonie besitzt, kann keil1 Zweifel
bestehen . Das 'Weltall dient' den Gottheiten als \ V"ohnung. Au s-

drü ckli ch werden Himm el, Er<le und Meer- den Göltel'l1 Anu, Bel
und Ea al s vVohnsU'ttten zuge wiesen; fern er wird el'zillJlt, daß
M:1rduk für die großen Götter die Standörter hereitete. Der pan-
thei s ti sc h e Grundgedanke ist mit di eser An schauung , on der

babylonischen Kosmogo nie fol ge ri c hti g dur c h ge führt. \ iVelt


und Gotth eit geh ören zu samm en und bilde n e ine Einh eit. Di e.~e
Einheit schli eßt a uch (las Men schengeschlecht lli c:ht aus; das Leben
der Men schheit ist. n:1ch dem Be ricllte des Berosus Leben vo n der
Gotth eit. Andre rseits ist der Zweck des Men schen, wie ihn Babels

Kos mogoni e auffaßt, der Bes timmun g des großen sichtbaren \i\Telt-
all s · a nal og. Wi e di eses soll der Mensch, wenn au<:h in and erer
Form, dem \lVohnungsinteresse der Gottheiten diene n: "Auferl egt
sei ihm der Dienst der Götter, di ese seien [in ihren] Götterkam -
mem. " Dieser T ext von Enuma eli 5 find e t seine näh ere Erklärung •


durch die Aussage eines anderen vVelt ~nt s tehun gsb e l'i cht e ': "Da.mit ·
die Götter in Wohlb e ha ge n auf der Erde wohnen .ollten, 'chuf •

Marduk Menschen." Der Götterku lt im T e mp e l ist mithin di e


hö c h s t e Aufga b e der Me n sc hheit. .
3. Wie clie ' l-!abylonische Kosmogoni e brin gt auch der bibli 'che
Schöpfungsbericht so fort zu Eingang d ie ihm zu Grunde li egend e
Weltanschauung zum Ausdruck. Der eIbe faßt zunächst v. 1

elen Anfang und Ul'l:us t::mcl de r \iVelt in Auge, um .. odann \. 2


den U rzu stand nüh el' zu beschreiben und zu \ era n ('haulich n:

des bi bUschen Schöpl'uugsbel'ichtes. 15

"Im Anfange er chuf Golt den Himmel und die Erde. Die Erde
aber war \\ üst und lee r und Finsternis übe r c1em Ul'mecre." 'Venn
man einwemlet , daß der Terminus "Himmel und Erde" v. 1
nicht das Chaos. sondern vielmehr c1ie org::misiel'le "Vell bezeichn e,
o übel'::.ieht man den besc11l'Ünkten Umfang j enes Begriffes. Der
bibli. ehe Sprachgebrauch unterscheiriet ausdrücklich zwisch en
"Himmel und Erde " und dem, "was in ihnen ist". Der Schöpfungs-
bericht selbst spricht im c1 eut.lichen Unterschiec1 zum Eingang (v. 1)
a11\ SchlUß seiner Darstellung (Gn 2, 1) von "Himmel und Erde"
und "il11'em I-Teere", und der Bericht bietet so lmmittelbar seine
Bezeichnung für das gesamte All. Somit ergibt sich aber, daß
der Terminus "Himmel und Erde" nicht die Welt mit der Fülle
ihrer' lebenden und leblosen Wesen, sondern nur die bei den grol3en
· Gr'undbeslandteile des "\YeHalls bezeichnet. Und in dieser seiner •

Bedeutung ist der Begriff zm Bezeichnung des Anfangsstadiums



der "Velt durchaus geeignet 1). Zuc1em wird die gegebene Er-
klärung ' hinsichtlich des Terminus "Erde" (v. 1) vom Schöpfungs-
• berichte selbst bezeugt, indem im Versteil 2 a, der von v. 1 infolge •

der syntaktischen Ver'bindung nieht getrennt werden kann, die


"Erde" ausdrücklich "wüst und leer" genannt wird, . nämlich leer
von a11 der Fülle 2), mit der sie im weiteren Verlaufe des Schöpfungs-
werkes ausgestattet wird. "Vas den Begriff "Himmel" v. 1 nähe\'-
hin angeht, so ist allerdings zu beachten, dal3 v. 8 der Terminus
"Himmel" Bezeichnung der Feste ist. Doch kommt er der letzte-

ren nicht in ausschließlichem Sinne zu, da v. 14, 17 und 20 von
der "Feste des Himmels" die Rede ist. Die Feste erscheint an
den angeführten Stellen nur als ein Teil des "Himmels", und zu

diesem gehört mithin auch der weitere' Bestandteil c1er oberen


"Velt, nämlich das obere Ge\Vässer, Und als Bezeichnung des
letzteren, wohl c1es H:luptbestandteiles der Oberwelt, findet der
Begriff "Himmel," v. 1 seine volle Erklärung fl), und ist mithin im
. - -- - - , - -- -

. I) Auch andm'e antike Völker, besonders die Ägypter, verstanden unter


"Chaos" die vereinten Massen von "Himmel und Erde". Vgl. Gunlu)l,
Genesis:J, 107; Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des A. 0. 2 7 A. 1 •

und 153.
2) Es sei hiermit festgestellt, daß der Terminus ~:'1M, als Prädil{at ausgesagt,
nie die Nichtexistenz eines Gegenstandes, sondern nur einen Mangel bezeich-
net, an dem ein Wesen leidet. Vgl. Jer 4,23: "Ich scbaue flic Erde au, lind
siebe sie ist wüst und leer".
~) Vgl. Gunkel, Genesis:l 107: "Das himmlische Meer ist Ul'sprünglich
der Himmel selbst, den man sich als: ein spiegelldares, dort oben wundel'bal'
hängendes Gewä6ser vorstellte."




16 H. Kritik der 'l'heorie von dem babylonischen Ul'sprunge

Verein mit dem Terminus "Erde" geeignet zur Kennzeichnung des


Urzustandes der W' eH, beziehungsweise des Urstoffes, den "Himmel •

und Erde" als ungetrennte Massen darstellen. .


Über die Herkunft des Urstoffes bringt der bibli sche Schöpfungs-
bericht deutli ch seine Anschauung zum Ausdruck, indem er den -
selben auf Gott als die hervorbringende Ursache zurückführt; durch
einen Schöpfungsakt Gottes i::;t die Urmasse ilts Dasein ge-
treten. Die Kritik findet allerdings den Gedanken von der .
Schöpfung des Chaos in sich widerspruchsvoll und wunderlich, da
"Chaos" die ' '''elt vor der Schöpfung sei, und sie glaubt daher

jene Idee dem Schöpfungsberichte absprechen zu müssen. Doch


liegt dem Einwanne nichts anderes als Verkennung der Eigenart

der atl Religion gegenüber allen anderen zu Grunde. Den heid-

nischen Religionen gilt das Chaos als der in Dasein und Wesen
selbstündige Urstoff. Einen solchen schli eßt aber die Heligion des
AT unmittelbar aus, indem nach ihr Gott schlechthin die Ursache •

der vVelt ist. Ferner ist einigen neueren Exegeten gegenüber her-
vorzuheben, daß für Gn 1 mit der Idee von der Erschaffung des •

Urstoffes auch der Gedanke der creat i o ex nihilo feststeht. Gilt


die ' Velt auch der Materie nach als hervorgebracht, so ist der
• Schöpfungsbegriff viresentlich gegeben; die ausdrückliche Negation
einer gegebenen Voraussetzung ex nihilo bedelltet keine
Vertiefung und Weiterbildung des Begriffes, sondern nur eine nähere
Explikation desselben.
Die Behauptung des biblischen Schöpfungsberichtes über die •

Herkunft des Urstoffes offenbart die von ihm vertretene Welt-



anschauung. Die 'Velt .hat nach Gn 1 nicht in sich selbst Bestand, •

sondern ist nach jeder Beziehung hin bewirkt. Das letzte Prinzip
des Seins ist Gott, und die biblische Kosmogonie verlritt somit
die Weltanschauung des Theismus im Sinne des Schöpfungs-
• glaubens. . .
Der theistische Gottesbegriff selbst kommt im Schöpfung -
berichte zur klaren Darstellung. Zunü chst ist es die überwelt-

liche Tran s ze ndenz Gottes, die zum Ausdruck gelangt. Gott
ist der Schöpfer der Welt. Er hat dieselbe nicht blOß aebi ldel, •

sondern auch voraussetzungslos hervol'gehmeht. Somit i t Gott



der Welt gegenüber völlig selbstündig iLl1 D:Jsein und 'Virken. In
kein er Hinsich l gehört er zm WeH, sonrlern ist absolut weltel'haben
oder übenveHlieh. .



, des biblischen Schöpfun gsberi chtes. 17

Mit der Tran zendenz Gottes verbiodet Gn 1 a ufs bestimm-


tes te llie Imm a n e nz , die Gegenwarl Go ttes in der \\TeIL Nach-
dem der Bericht ä ott als den welterhabenen Schöpfer des Chaos
geltend gemacht ha t, fü gt er v. 2 hinzu: "Und Goltes Geist brütete
über den ' Vassern. " Go tt s leht also der Schöpfun g, di e e r her-
vo rbrachte, nicht fern, ist ihr vielmehr aufs inni gste gegenwürtig
und geht einer belebenden T tUigkeit nach in d ieselbe ein. Dieser

Sinn des von Gn 1 gebra uchten Bildes kann nicht in Frage gestellt
,\ erden. "Brüten " bedeutet ni chts anderes al s eine ges t a lt e nd e
und Leb e n s p e nd e nd e Funktion. Eine sol che wird dem Geiste
Goltes zu geschrieben gegenüber und an der gestaltlosen, leeren
und in Finsterni s gehüllten Urmated e. Das Bild des Schöpfungs-
berichtes ist somit in sich vollst.ändi g und aus sich selbst heraus
,er ländlich: der Hauch, der Geist Gottes ,;vird durch dasselbe
dargestellt als das Prinzip, das die einförmige, starre Masse des .

Chaos von innen heraus erweckt zum R eichtum der Formen. zur •

Fülle der Wesen und zum Mutterboden mannigfachen Lebens. •

W elln die Gegner finden, daß die Anschauung vom Gottes-


geiste al s dem imman e nt e n Prinzipe der 'Veltentwicklung in
Gn 1 nicht kon sequent durchgeführt ,yorden sei, da an die Stelle
desselben v. 3 das Befehl swort des tr a n s ze nd e nten Schöpfers
trete, so verkennen sie die Bedeutung des "Sprechens" , das von
Gott ausgesagt wil'd. ' Venn nämlich auch bei der Lichtschöpfun g
die Entstehung des neuen Elementes unmittelbar mit dem Sprechen
-
Gottes verknüpft erscheint, so ist andererseits zu beachten , da ß
bei der Mehrzahl der Schöpfun gswerke das göttliche Wor t wolll •

au ch als schöpferi sches Prinzip gilt, aber nicht' allein für sich ,
sondern in Verbindung mit einer Tat Gottes,' di e das "Gesproch ene"
zur Verwirklichung brin gt (v. Ci u. 7; 14, 15 u. 16; 20 u. 21 ; 24
u. 25; 26 u. 27). Diese Unterscheidung des göttlichen Sprechens
un d Vol1brin g:ens bedarf naturgemäß der Erkl ärung. Die Unter-
suchung ergibt, da ß v. 26 das "Sprechen" ledi gli ch ein en R a tschluß
Gottes bezeichnet: "Lasset uns Menschen machen nach un serem •

Bilde und nach unserem Gleichnisse." Der T erminu s .,r.l1$ ist a n


dieser Stelle Bezeichnung eines Vorganges des inneren Geisteslebens
und bedeutet mithin das im Innern sich vollziehende "Spreehcn "
oder das "Denken". Dieselbe Bedeutung von ;~I$ komm t wei ter-
hin für di.e Verse Ci , 14, 20 u. 24 in Betracht, da der Termillu s an
di esen Stell en ebenfalls nur den Schöpfun gswill en Go ttes bezeich-
net, der sodann dur-ch die göttli che T a t zur Ausfühnm g geb racht
AlLtest. Abha ndl. ur, 1. Kir c lln o r, Dio ba byl. K o~m ogo lli o . 2


18 Ir. l(l'itik der' , 'th eo ri e Von dem ba by loni schen lJrsprUilge

wird. So mit ergibt sich, dan das "S ) r ec h e n " Go tt e '



g öttli ch e D e nk e n zu erkl ären i l. Da nn j t ~b er auch offenbar,
da ß das göttliche" VVort " und der belebend e Gottesgeist sich kein -
,

wegs. au sschli eßen. "\Venn nämli ch der Geist GoUes zu AnfanD'


des Schöpfungsbel'i chtes al s das den Urst off gesta.ltende un d be-
lebend e Prinzip geltend gemacht wird, so verli ert er di ese Bedeu-
tung du rchaus nicht, "\venn die weiteren A usfühmn gen von Gn 1
di e Au sgestaltung des Chaos zur jetzi gen Vvelt al. die Verwirk-
li chun g göttlicher ScböpflJngsratschlü sse darstell en, ind em für di e ,
R ealisierung der göttlichen Rat.schlüs e dei'.. Geist Gottes al s Wir k-
prinzip in Betracht bleibt und zwar in Uberein.tirnmllng mit der
son st bezeugten An schauung des A T, derzufolge Gott nach aUßen
durch seinen Geist belebend und gestaltend ' wir·kt (Ps 103, 30;
Job 33 , 4).
,
Die r e ine Ge i s tigk e it des Gottesbegriffes kann endlich für
Gn 1 nicht in Z'weifel gezogen "\verdeo. "\Veon von eini gen Forschern
im Berich te der Nachklang einer früh er en sinnlichen Auffassung der
Gottheit gefunden 'wird , so kann diese Ann ahme aus der, Gott-
ebenbildlichkeit, 'welche dem Menschen zugesprochen "\'1 ird, nicht

hergeleitet werden. Gott wird von Gn 1 als die sc höpfe ri s ch e


,

Wei s heit und Ma cht gedacht. Dieser gleicht der Mensch einzi g
dureh elie Kräfte sein es Geistes, welche mithin die menschliche
Gottebenbildlichkeit begründen und kon stituieren. Die Körperlich-
keit steht allerdin gs zum Gei stesleben des Menschen in engster
Beziehung al s Grundlage und Voraussetzun g. Nach semitischer
Auffassung ist insbesondere das BI L1 t der Träger des Lebens und ,

zwar auch des geisti gen. "\Vird Menschenblut vergossen, so li eot


daher ein Vergehen gegen den Geist des Menschen und mithin
nach biblischer An sch auung gegen das Ebenbild Gottes "\ 01': ",,,,rer
Menschenblut ver gießt, durch Menschen soll sein Blut vergos. en
werden. Denn zum Ebenbilde Gottes hat er den Menschen ge-
macht" (Gn 9, ß). W enn man aber auf dieselb ~ Stell e sich be-
ruft, um die Gottebenbildlichkeit fi es Menschen auf dessen äUßere
Gestalt zu beziehen, so ist h ervorzuheben , daß da.s Vergieß en de
Blutes nicht eine äUßere Verletzun g oder Verstümm elung, sonflern
vielm ehr die Verni chtun g des leiblü.: hen Lebens bedeutet, die
wiederum mit dem Tode geahndet w erden soll.
Die An sch a uun g des biblischen Schöpfun g berichtes über den
Zweck der ' Velt ist klar Dn d bestimmt zum Ausd ruck gelanot.
Der unmittelba re Zweck der "Welt ist der Me n sc h. Auf ihn i. t

,

des biblischen Schöpfu ngsbel'ichtes. 19

alles andere in der 'Velt hingeordnet, und durch Kulturarheit soll


er sich die ge 'amte NatUl" unterwerfen. Des Menschen höhere
Bestimmung spricht Gn 1 im Sabbatsgedanken aus. Diese m zu-
folge soll der Mensch Gott ähnlich sein (Ex' 20, 9 11) und die
Gemeinschaft mit seinem Schöpfer pflegen. Die gottähnliche
und gottgeeinte Per s önlichkeit erscheint somit als Endzweck
der gesamten Schöpfung. .
4. Die gnmdlegende Bedeutung, welche sowohl für die ba-
bylonische \vie für die biblische Kosmogonie die jeweilige Welt-
anschauung besitzt, kann nicht verkannt \verden; für jeden der
. Berichte bildet die \Veltanschauung das aufbauende und das in-
nerste 'Vesen bestimmende Prinzip. Für die Vergleichung der

Kosmogonien kommen daher ihre Weltanschauungen an erster


Stelle in Betracht, und ohne Berücksichtigung derselben kann be-
sonders auch die Frage, ob ein Abhängigkeitsverhältnis des bi-
blischen Schöpfungsberichtes zur babylonischen Kosmogonie besteht.,
nicht entschieden werden .

. Werden zunächst die Anschauungen der beiden Berichte über


den letzten Grund der vVelt verglichen, so ergibt sich ein un-
mittelbarer Gegensatz. Enüma elis macht, den Stoff als 'Velt-
grund geltend, Gn 1 dagegen den Schöpfergeist. Dort ist die
vVelt e\1 ig und nie bewirkt, hier in der Zeit entstanden und durch
Gott hervorgebracht.
Eine besondere Notwendigkeit besteht, die Gotte s'begri ffe der
Kosmogonien im Lichte ihrer Weltanschauungen zu vergleichen,
'da jene in und durch die Weltanschauungen der Berichte ihren
ganz bestimmten Inhalt erhalten und besitzen. Die Vergleichung

ergibt, daß die Gottesvorstellungen der Berichte wiederum nur als
Gegensätze verstanden werden können. Der biblische Bericht
kennt lediglich den schlechthin überweltlichen Gott, der nichts oer . •

vVelt verdankt und vielmehr das Weltall nach jeglicher Beziehung


verursacht und beherrscht. Im Gegensatze zu dieser Anschauung setzt
die babylonische Kosmogonie die Gottheiten schon bezüglich ihrer
Exi ·tenz in Abhängigkeit von der Welt, indem sie dieselben aus
der Mate['ie he['vorgehen läßt. Und in ihrem Leben und Schicksal
ist die babylonische Gottheit ebenfalls mi t der 'Velt aufs engste
verknüpft und verbunden. Von den Mächten des Chaos droht
ihr unmittelbar Gefahr, und ein Kampf um Leben und Herr-
sc haft ist ihr aufgezwungen. Der Sieg aber, den der babylonische
Gott da von trügt, ist kein völlig en tscheidender und III uß mi l jedem

2*


• •

20 H. Kritik der 'theo rie von dem babyl on ischen t1rsprung~

Jahresan fan ge imrn el' wieder von neuem errun gen würd en. Die
Anschauungen der Kosrnogoni en über' die Gotth eit sind mithin
'wesentli ch verschi eden. Die Kluft, die zwi sch en ihnen besteht,
vermag ni e ausgeglichen zu werden, und ein e Entwicklung in sbe-
sondere von der babylonischen Gotte vorstellung zum Gottesbegriffe
von Gn 1 ist in jeder Hinsicht au sgeschlossen. Unt er. cheiden aber
di e Gegner die heiden Go ttesid een als Polyth e is mu s und Mono-
thei s mu s , und finden sie also zwi schen ihn en nur den Unter-
schi ed der ZabI, der durch Enhvi cklun g überwund en werden kann 1),
so wird von ihnen in folgensclnverem Irrtum übersehen, daß die
Gottesbegriffe der Kosmogonien in let z t er und e n t s e h e i - .
d e n d e r Hin s i c ht üb e rhaupt ni c ht als Parallel e n
erscheinen und aufgefaf-H werden können. Denn Gott bedeutet in
Gn 1 elie eine und einzi ge Ursache der gesamten erfahrullgsmäßigen

vVirkli ehkeit. Letzter U rgnnid des Seins ist hingegen nach baby:-
Ionisch er Anschauung Apsu-Ti:unat, die Materi e, welche von der
aU3 ihr hervorgegangenen Gottheit nur gestaltet und gebildet

• wird. Hiermit ist offenbar, daß dem Schöpfergott von Gn 1. in
höchster Beziehung nur Apsu-Tiamat in der babylonischen Kos-
mogo nie entspricht, lll1d keineswegs die VVelt der Götter. vVa
'aber (Ue Vi e I z a h 1 der letzteren angeht, so entspri cht sie der
Manni g faltigk e it , die in d e r .\V e lt sich vorfindet. Die Einzi g -
k e it des biblischen Gottes bedeutet hingegen die Einh e it d es
W e lt g ru nd es. Babylonischer Polytheismus und biblischer Mono-
thei smus sind also völlig di s parat e Größen, die sich vonein-
ander nicht ableiten lassen, am wenigsten aber auf dem \Vege
der Subtraktion auseinander sich entwickeln können .

In Gn 1 die Spur ein es früh e ren Polyth e i sm u s nachzu- •

weisen, ist die .. Kritik nicht imstande, da sie das ,,"Vif" \. 26


• kein eswegs als Uberrest aus einer polytheistischen Vorlage zu er- •

klären vermag. Die Kritik nimmt nämlich für die Ausmerzung


und Entfernung des Polyth eistischen aus dem überkomm enen
Mythus das Wid e rstr e be n des i s ra eli ti sehen Geis te s gege n
allen Polyth e i sm u s als Erkläi'lmgsgrund an uncl ist weiterhin der

Ansicht, daß cler aus Babylonien übernommene Stoff zuletzt noch


durch die energisch e Bearbeitung des P hindurchgegangen sei und
von di esem den Stempel des strengen supernaturali tischen Juden-
tums und des priesterli chen Geistes erhalten habe. Bei Annahme
dieser wirkenden Faktoren ergibt sich aber gerad ezu die U nm ö g -
- - - - - - - -- •

I) Vgl. Gunkel, Genesis " 120; Schöpfung und Chaos 120. .


des biblischen Schöpfungsberichtes. 21

li .hk e it, daß irgend ein Rest aus de r polytheistischen Vorlage


übrigbleiben konnte. Eine be ondere Schwierigkeit hätte zudem
die Stelle von Gn 1, 26 für die Ausmerzllng ni cht bereitet; viel-
mehr hätte gerade sie für eine Umbi egun g in den monotheisti:chen
Anschauungskreis die günstigste Voraussetzung geboten.
Auf eine Entwicklung· vorn Polytheismus zum alttestalnenl··
lichen Monotheismus,. die durch "'l'atsachen der Geschi chte bezeugt
ist, vermögen sich die in Betracht kommenden Forscher für ihre
Th eo['ie ebenfalls nicht zu berufen. Der grundlegende Irrtum der-
selben besteht darin, daß sie das \Vesen jeglichen geschichtlichen
Polytheismus verkennen. In der gesamten Antike stellt sich der
Polytheismus im Grunde als Moni sm us der W e lt dar, demzufolge
die Götter nur innerweltliche Faktoren sind. Vom Monismus führt
aber keine Entwicklung, sondern nur Preisgabe und Abkehr zum

Monotheismus der Bibel.


Wenn näherhin die neuere kritische Religionswissen-
schaft in der älteren Religion Israels selbst den Glaüben an
mehrere Götter, nicht nm' an Jahve, findet, so . entgeht ihr
der durch die aU Literatur bezeugte Unterschied zwischen der
prophetischen Jahvereligion und der Volksreligion Israels. Das
religiöse Leben Israels vollzog sich nämlich nach dem Zeug- •

nisse der aU Geschichtsm,zählung durchaus nicht in einem ein-


heitlichen, gleichmäßigen Strome, sondern be wegte si eh in zwei
verschiedenen Ri c htungen 1), welche zu Zeiten allerdings· im

äUßeren Gottesnamen übereinstimmten. Die große Menge des
Volkes fühlte ausgesprochenermaßen stets eine Hinneignng zur
naturalistisch-polytheistischen Gottesauffassung und Gottesverehrung
der anderen Völker. Ihr gegenüber standen mit jeweilig größerem
oder geringerem Anhange die Propheten, welche Jahve als den

ein en wahren Gott und Schöpfer verkündigten und verehrten, und
ihr Leben war ein beständiger Kampf gegen die Verirrungen des
Volkes, welches seinen wahren Herrn verließ und fremden Götzen
nachging. Sobald diese Eigenart des religiösen Lebens Israels er-
kannt ist, kann die israelitische Religion nich tals Ul'sprünglicher
Polytheismus behauptet werden, aus dem der Monotheismus später
hervorging. Denn di e Aufäerungen und Gebräuche, aus denen ein .
früh erer Polytheismus Israels erschlossen wird, kommen keinesv,regs

') Vgl. Jeremias, Das Alte Testament im Liebte des Alten Orients
338; He h n I in der Orientalistischen Literatllrzeitllng (1 !l09) 538 .

• I


,

22 11. Kritik del' Theorie von dem babylonischen UrspJ'ungc


,

den 'Trtigern der prophetisch en Jahvereli gion ZL1. Scbon Jephthe,


der Jahve mit Kamoseh vergleicht 1), komrnt als Vertreter des Pro-
phetismus nicht in ' Betracht. Der Ausspru<.:h Davids 1 Sm 26, 19
kann nm' für die Feinde desselben den Glauben an fremde GöLter
beweisen; David selbst verflllcht geradezu diej enigen, welche ibn
in elen Dienst anderer Götter zvvingen wollen. Der Monotheismus
Davids ist zudem glänzend bezeugt, da von ihm in dankbarer
Freude ausgerufen wird: "Ja, wer ist Gott auEler Jahve?" (2 Sm
22, 32). Ferner kann kein Z"veifel bestehen, da(l Jesaias die
fremden Götzen nicht als göttli<.:he Realitäten eraehtet bat. Die-
selben sind nach ihm Werke von Menschenhand, gemacht von den
Fingern der Menschen (2,8) llnd werden an dem Tage Jahves
von ihren seiV1erigen Verehrern den Maulwürfen und Mäusen nach-
,
geworfen (2, 20). Und wenn • Jesaias die Götzenbilder Ägyptens
gleich den Bewohnern des Landes vor der Ankunft Ja~1Ves erbeben

läßt (19, 1), so erkennt er jenen nicht den Charakter göttlicher


,
'Vesen zu, sondern spricht ihnen denselben vom Standpunkte seiner
eigenen Gottesvorstellung aus unmittelbar ab.
'Vie der biblische Monotheismus nicht aus dem Polytheismus
hergeleitet 'w erden kann, so ist auch der Ve.rsuch unmöglich, ge-
'wisse monotheistische Strömungen in Babylonien als Aus-
gangspunkt des israel itischen Monotheismus nachzuweisen 2) . Mal'-
duk, so wird von seiten der Assyriologie behauptet, stell e für den
Kreis der'Vissenden elie Gesamtheit der Götter und den Inbegriff

aller in der N atm sich offenbarenden göttlichen Kräfte dar; ebenso

seien bezüglich des Mondgottes Sin in Ur und Harran monotheistische


Tendenzen vorbande11 gewesen. Nach Winckler 3) setzt aber die
bibl ische Tradition selbst die Religion Israels durch die Abrahams-
erzü.hlung zur Religion Babyloniens in Beziehung. Einen Unter-
schied zwischen der babylonischen und bibliscben Gottesanschauung
bildet nach ' iVinckler nur die Stellungnahme zum Bilderkulte.
Indessen ist bei der Frage, ob die babylonische Religion
überhaupt zu einer monotheistischen Ans<.:hauung gelangt .ist, vor
allem der volle Umfang des babylonischen Gottesbegriffes nicht
außer acht zu lassen. Unter elen Begriff "Gott" fallen dem Ba-
bylonier Wesen gegensätzlicher Art, Mächte des Lebens und •

J) 1dc 11, 24.


2) Vgl. Winclder in: Die Keilinsehl'iften und, das Alte Test.ament ",
Berlin 1903, 208 fI.
") Abraham als BabylOllier, Joseph als Ägypter, Leipzig 1903, 25f. ,


des biblischen Schöpl'ungsbel'ichtes .

23

de Tode , der Ober- und Unter"volt. Zu beaclJlen ist ferner', daß


die . "bösen" Götter nicht nm' zu den Men·. ehen im Gegensatze
'tehen, ondern auch den übrigen Gottheiten gegenüber als feind-
liche vVe en erscheinen. Und in di ese m Sachverhalte liegt für
die assyriologi 'ehe Theorie eine unüberwindliche Schwierigkeit, in-
dem die Killft in der habylonischen Götterwelt nie auszugleichen
"ar und mithin ein inneres Hindernis für die Ausgestaltung eines
monotheistischen Gottesbegriffes ·bilden mußte. Eine Anzahl ba-

bylonischer Göttergestalten mochte wohl zusarnmengefaßt werden,


"ie auch eine weitere Tatsache aus den urkundlichen Belegen
nicht er;:,chlos.~en werden kann 1); aber stets blieb eine Gegenpartei
von Gottheiten als völlig unvereinbare Größe auf der anderen

Seite bestehen.
Hätten die BabyIonier aber auch wirklich in Mal'duk oder
Sin den Inbegriff aller göttlichen Mächte erblickt, so würde ihre

Vorstellungswelt immer noch keinen Ausgangspunkt für die mono-

thei tische Gottesidee Israels bedeuten können. Denn Marrluk •

und Sin, ' auch als Einheit aller göttlichen Kräfte gedacht, sind und •

bleiben immer nur innerweltlü:he Größen, während Jahve oder


Elohün stets der wellerhabene Gott ist, dem der Charakter der
Einzigkeit seinem vVesen' nach zu eigen ist. vVird aber ange-
nommen, die biblische Geschichtser'zählung selbst deute einen
zwischen dem habylonischen und israelitischen Gottesbegriffe be-
stehenden Zllsammenhang an; indem sie Abraham vor seinem
vVegzuge nach Kanaan an den 1110notheisierenden Kultstätten
von Ur und Harran weilen lasse, so ist darauf zu verweisen, daß

nach deutlicher atl Darstellung in der Heimat Abrahams der


Polytheismus herrschte und lediglich im Widerspruche zu diesem -
der israelitische Stammvater sein Land verließ: "Jenseits des
Stromes wohnten ehedem eure Väter, 'Therah, der Vater Abra-
hams und der Vater Nahors; und ' dienten anderen Göttern. Da
nahm ich ellern Vater Abraham von jenseits des Stromes und

führte ihn in das ganze Land Kanaan" (Jos 24, 2 t'.) .
vVird der Unterschied zwischen der babylonischen und bi-
blischen Gottesauffassll11g nur darin gefunden, daß der Bilderkult •

') Bezüglich des neubabylonischen Textes 81 11 3, 111 (Bl'it. Mus.


vgl. indessen Jastrow, Die Religion Babyloniens und Assyricns I (Gießen •

1905) 203, Anm. 1; Nikel, Genesis und Keilschriftfol'schung, Freibul'g


1903, 251 ff.

• •


24 II. !üitik der Theorie von dcm babylonischen



Urspl'unge

von der ersteren zugelassen, von der letzteren aber verboten werde, .
'0 wird auf ein Moment hingewiesen, das wiederum nm · den
Gegensa tz der beid en GottesbegriEfe offenbart. Der Bilderkult steht
nämlich bei den BabyIoniern wie bei allen heidnischen Völkern in
engster Verknüpfung mit der pantheisti.::>ehen Gottesidee. Die Gott-
heit ist derselben zufolge aufs innigste mit der Natur verbunden.
Grundsätzlich besitzt daher die heidnische Gottheit eine körperliche
Seite, und sie tritt durch die gesamte Naturwelt unmittelbar in
die Erscheinung. Jeder Naturkörper ist die Erscheinungsform der
Gottheit selb er, und die Nachahmung oder Darstellung eines Natur-
:'wesens durch die Kunst ist mithin unmittelbar das Bild der Gott-,

heit, durch welches man sich derselben im Kulte zu nähern ver-


mag. Im Gegensatze zu der pantheü=tisch-heidnisehen Anschauung
besitzt nach alttestamentlicher Auffassung Gott keine sinnlich
• •

wahrnehmbare Gestalt. Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß die


••

Israeliten keine Gestalt Jahves geschaut haben (Dt 4, 15), und selbst •

das Feuer, aus dem Jahve zum Volke sprach, gilt nicht als eine

Erscheinungsform Gottes. Der tiefste Grund dieser Auffassung ist
im Gottesbegriffe »Jahve: Ich bin, der ic.h bin « gelegen . Gott
ist demselben zufolge der Absolute, der nichts anderes ist als
eigene Macht, eigenes Leben, nur eigene' Persönlichkeit. Die Trag-


\veile des Begriffes ergibt sich, sobald derselbe mit der ägyptischen
Gottesidee verglichen wird. Bezüglich des Gottes Rä führt ein
Hymnus aus: "Preis dir, Rä, Erhabener, Mächtiger! Herr der •

verborgenen Abgründe, der da herbeiführt das Geschaffene, der


sieh vereinigt mit dem Geheimnisse und Gestalt annimmt als
• •

vVeltganzes" 1). Isis-Neith aber sagt von sich aus: "Ich bin
alles, was war, ist und sein wird. Niemand hat den Schleier

gehoben, der mich verhüllt. Die Fmcht, die ich geboren habe,
ist zur Sonne geworden" 2) . Die ägyptische Gottheit ist also der
Inbegriff des gesamten ·vVeltgeschehens, die "All wirklichkeit durch
Raum und Zeit" 3). Jahve hingegen hat mit der 'iVelt nicht~ ge-

mein und schließt di eselbe von sich aus, wenn er sagt : "Ich bin,
der ich bin". Gehört aber die Vi! eIt nieht als 'Vesensbestandteil
zu Gott, so tritt Gott durch dieselbe auch nieht in die Erseheinung
und vermag mithin durch die kün stliche Nachbildung irgend eines
- - -- - _._ -
1) v. Strauß-Torney, Die altägyptischen Götter und Göttersagen
(1889) 297.
2) PI u tarch, De Iside, cap. 9.
:1) S c bc1l, Jahwe und Christus, Paderbol'll 1905, 26. •


• • •

dos biblisohen Sohöpfungsberiohtes. 25

vVeltbestandteiles nicht dargestellt zu werd en. Der Bilderkult steht


daher irn Widerspruch zu Gottes innerstem W esen uno kann HIs
schweres Vergehen nicht gestattet sein. Hiermit ergibt sich aber,
daß Bilderkult und Bild e rv e rbot Zeugen von w ese ntl .ich
ver sc hied en ·e n Gottesideen sind und daher auch für Babel
• •

und Bibel nicht einen bloßen Unterschied, sondern einen Gegen-


satz begründen.
Endlich zeigt die Vergleiclll.mg der Anschauungen, welche
.Enuma elis und Gn 1 über den Zweck und das Ziel der Welt
vertreten, ebenfalls nur völlig voneinander abweichende Gedanken-
·kreise auf. Die Welt erscheint in der babylonischen Kosmogonie
im Dienste der Gottheit selbst. Die gesamte Natur wird von den
Göttern in Besitz genommen und ist das Herrschaftsgebiet der-
selben; die einzelnen groElen Weltbestandteile sind die Stätten ihrer
vVohnung und Wirksamkeit. . Auch das Menschengeschlecht gilt

lediglich als ein Mittel, das dem persönlichen Interesse der Gott-
heit zu dienen bestimmt ist. Im ausgeprägten Gegensatze zu
diesem babylonischen Anschauungskreise steht die vom biblischen
Schöpfungsberichte vertretene Teleologie. Die sinnfällige Welt be-
sitzt nach Gn 1 keine unmittelbare Zweckbeziehung zu Gott. Die
"vVelt hat ihre ZielbestimlTIung zunächst · völlig in sich selbst: die
großen Welträume dienen lediglich ~er Aufnahme geschöpflicher
vVesen, deren verschiedene Reiche wieder unter sich und zuein- •

ander in Zweckbeziehung stehen. Erst durch die et.hische Ordnung,


welche den freien Menschen zur Gottähnlichkeit und zur Sabbat-

ruhe in Gott verpflichtet und beruft, erhält die Kreatur eine un-
. . mittelbare Beziehung zu ihrem Schöpfer, die aber keine Beein-
trächtigung, sondern die Vollendung ihrer vVürde bedeutet.
Die n"ähere Vergleichung zeigt, daEl der Stellung, welche in
Enuma elis der Gottheit zuerkannt wird, dem wesentlichen Grund-
gedanken nach in Gn 1 die Stellung des Mensehen entspricht.
Wird in der babylonischen I~osmogonie die Herrschaft über die
Natur und der Gebra uch derselben der Götterwelt zugesprochen,
so in Gn 1 dem Menschen, und die Gottheit Babels ist. letzt.hin
ni chts anderes al ~ der ins GroEle gedachte Mensch des biblischen
Schöpfungsberiehtes.
Babylonische und biblische Lehre über das Menschh eitsziel
schließen sich geradezu aus. Nach j ener stellt sich die Mensch-
heitsaufgabe als rein äuElere Dienstleistung dar, die dem W ohl-
behagen der Götter gewidmet ist; der reichen geistigen und körper-


• •


• •
I

26 H. Kritik der Th.eoric · V OIj. dcm uabyloni C IICIl Ursprungc

lichen N::üuranlage des Men schen wird di babylonische Kosmogonie


v
ni cht im entferntesten gerecht. 8rscheint also in EnultJa eli. der ,

Mensch in völli g untergeordn eter Stc'llun g, so hingegen in Gn 1


als Köni g und I-l en. Die gesamte ::: ichtbare \ iVelt j t deill bi-
blischen Berichte zufol ge für den Menschen bes timmt; vom Grunde
des Meeres bis zu . den Höh en des Firmamentes steht alle in
Zweckbes till1l11ung zu ihm. Was sein er Herrschaft ni cht unmittel-
bar untersteht, soll er sich unterwerfen. Di e KulturD.r beit wird
hiermit vom biblischen Beri chte dem Menschen als Aufgabe zu-
gewi esen. Und auch in dieser Hinsicht steht Gn 1 zu Enum a elis
in keiner Übereinstimmung. Die babylonische Erzählung kennt
keine Kulturaufgabe der Menschheit. Da.' Epos nimmt zur
Frage der Kultur lediglich in der \iV eise Stellung, daß es Marduk
als den Ge b e r der Kulturgüter geltend macht, und zu beach ten
ist, daß diese Stellungnahme von Enull1a elis mit der sonst be-
zeugten Anschauung der babylonischen R eli gion im Einklang steht.
Die Religion Babels vertritt nämlich in der Oanneslegende 1) be-

züglich der mit den Bestrebungen der Kulturarbeit notwendig ver-
bundenel1' \ iV isse n sc haften und Kün s te die Auffassung, da~
dieselben nicht durch menschliche Anstrengung errungene Erkennt-
ni sse und Fertigkeiten sind, sondern vielmehr auf göttlicher 0 ffe n-


b aru n g beruhen. Dem St~ndpu[]kte von Gn 1 entspricht es aber
andererseits wi eder, \venn die biblische Religion ausdrücklich die
Erforschung des W eltalls dem Menschengei.. te als ein e Aufgabe
• zuspl'icht 2) und wenn die atl Urgeschichte von den Gründern des
Stadtlebens und des geregelten Nomrrdenwesen .. berichtet sowie Er-
·finder von Kün sten und technischen Fertigkeiten anführt :l) .
Von der hö chsten Zweckbestimmun g des Menschen endli ch,
wi e sie vom biblischen Berichte im Sabbatsgedanken zum Ausdruck
gebracht wird, fehlt in der babylonischen Erzählung jegliche An-
schauung. Enunia eli!3 vermag der Bestimmung des Menschen- •

geschlechtes, auf Gruncl der ihm vediehenen Gottebenbildlichkeit


durch freie selbs tbestimmte Tat zur Gottähnlichkeit emporzu t eigen
sowi e die Gemeinschalt mit Gott zu pflege n, wi ederum nur die
Aufgabe eines rein äUßeren Kultusd ienstes gegeuüberzllstellen.
Die Vergleichung der babylonischen und bibli 'ehen Kosmo-
goni e im Li chte ihrer \iVeltanschauungen ergibt so mit da He-

I) S. J e l' c mia s , Das Alte Testall1 ent i 111 Lichte des Alten Orient s ~ 44.
~ ) Pl'd 3, 11. :I) Gn 4.


des biblischon Schöpfungsberichtes. 27

sultnt, daß in den bei den Beri<.:hten zvvei Gedankenwelten


von we entlieh ver 'chiedener Art sich ausgewirkt haben.
Pantheislllu' und Schöpfungsglnube bestimm en das innerste
vVe 'en der beiden Ko mogonien. Diese selbst stehen sich daher
al' unmittelbare Gegensätze gegenüber. Und die Kluft, die zwischen
. ihnen dur'h die Weltanschauungen gebildet wird, ist unüber-
brückbar. Eine Entwicklung mögen in ihr auch die mannig-
fachsten Faktoren sich geltend machen vermag die babylonische
und biblische Kosmogonie ni<.:ht zu verbinden. 'iVie der Pantheis-
mus aus ich nie zum Glauhen an den einen allmä<.:htigen Schöpfer-

gott fortschreiten kann! ebensowenig vermag Enuma eli5 sich zu •

Gn 1 zu entwickeln.

§ 2. Widerlegung der neueren Auffassung von den


atl Drachen- und Urmeertraditionen .

Neben der Entwicklung vom Polytheismus zum Monotheismus •

kommt · neueren Vertretern der Religionswissenschaft zufolge als


zweiter großer Faktor, der die Umgestaltung der babylonischen
Kosmogonie zum biblischen Schöpfungsberichte herbeiführte, ein
Läuterqngsprozeß in Betracht, in dem Enurna eli5 seiner mytholo-
gischen Begriffe und Anschauungen bis auf geringe Reste entkleidet

wurde. Die betreffenden Fmscher glauben nämlich auf Grund der


atl Literatur, von Gn 1 ganz abgesehen, den Nachweis erbringen zu
können, daß der babylonische Mythus vom Drachenkampfe Marduks
in Israel auf Jahve übertragen worden sei und daselbst eine reiche
Entwicklungsgeschichte erlebt habe, in der das Mythologische immer
mehr zurückgetreten sei. Zunächst habe man von einem Siege
Jahves über den Drachen der Urzeit erzählt; später sei der Drache •

verschwunden und nur der Kampf mit dem Urmeere geblieben.


In Gn 1 ab~r liege der babylonische Mythus in sehr abgeblaßter
Gestalt vor. •

Zu beachten ist indessen, was Gunkel und seine Anhän-


ger selbst als das Resultat ihrer Untersuchung angeben. Die-
selben finden, daß in der atl Literatur selbst durchaus nicht von
einem Kampfe Jahves mit rlem Drachen der Urzeit erzählt werde t) .

Die Behauptung der in Betracht kommenden Forscher geht viel-


mehr nur dahin, daß an verschiedenen Stellen des AT ein Drachen-
kampf Jahves vorausgesetzt sei, und daß die Erklärung jener
Stellen notwendig die Bezugnahme auf den babylonischen Mal'duk-
J) Vgl. Gunkel, Schöpfung und Chaos 88.

• •
,

28 H, Kritik der Theo rie von dem babyloni sc hen Ursprunge , ,

mythus fordere. Man meint, deI' babyloni sche Mythus sei den
hetreffenden all Ausführungen zu Grunde gelegt, und rnan hült
,

nunm ehr die Existenz der babylonischen Erzählung im Volke Israel


rür erwiesen. Aus dieser Sachlage ergibt sich jeGoch von . elb t, •

daß die Th eo ri e von der aU Drachentradition in ihrem \Valu-heits-


rechte letzthin durch die Richtig-keit der von Gen betreffenden'
-
Forschern gegebenen Exegese bedingt ist.
1. Den Versuch, die Existenz des babylonischen Drachell-
mythus im Volke Israel nachzmveisen, knüpfen die in Betracht kom-
menden Forscher zunächst an atl St.ellen, an denen von "Rahab "
die Rede ist. Gun k e 1, der am <;)ingehendsten die Theorie aus-
,

gestaltete, zieht an erster Stelle zum Beweise heran Js 51, 9f.:


D Auf, auf, wappne dich mit Kraft, Jahves Arm!

Auf wie in den Tagen der Vorzeit, Gen Geschlechtern


, der Urzeit!
Bist du' s nicht, der Rahab zerschmetterte,
, Den Drachen schündete? 1)
,

10 Bist du's nicht, der das Meer austrocknete,


,

Die \Vasser der großen Flut?


I Der Meerestiefen zum \"1 ege maehte, ' ,

DUß hindurchzogen die Erlösten?


Gunkel setzt die in der Urzeit von Jahve vollbrachte Tat
zum Durchzuge der Ismeliten durch das Rote Meer in Beziehung,
\Nie auch Gie Rücksicht auf 10 b nicht anders zuläßt. --In Ger Vor- ,

aussetzung aber, daR! 9 b der Untergang Pharaos ins Auge gefaR!t


ist, wü'ft G 11 n k e I die Frage auf, wie der Untergang Pharaos
als Vertilgung eines groRlen Ungeheuers geschildert werden könne,
und stellt sodann die prinzipielle Behauptung auf, daR! solche
Bilder nicht 'willkürlich erfunden werden, sondern nur als eine
naehträgliche UmdentLlng und Aneignung der Tradition auftreten.
,

DaRl di eser GrLlndsatz für Js G1, 9 Geltung besitze, hält Gunkel


,

für um so sicherer, als das Bild von Rahabs Zerschmetterung nicht


als eine deutliche, vom Dichter erfundene Allegorie begriffen '" erden
könne. Es steht daher für den ge nannten Forscher fest, daß in
J s 51,9 ein Mythus von Rahabs Überwindung in der Urzeit voraus-
gesetzt sei, mit dessen Farben Pharaos Untergang ausgemalt werde.
Der Beweisgang Gunkels ist indessen hinfälJig ~ \\ eil er seine
,
Basis in einer u miehti gen Fragestellung, beziehungsweise Voraus-
- - -- - - - -
1) s, G u~nke), Chaos und Schöpfung 31 A11111. 4. ,


des bibli ehcn Sel.öptungsbel'iehles. 29

s tzung be ·itzt. Wenn n~imli ch fe:;t ·teht, daß di e Tat Jahves (v. 9)
auf den Untergang Pharaos (oder besser: Ägyptens) sich bezi eht,
so i. t 'die Frage tellung unberechtigt, "wie hi er der Untergang
Pharao. fils die Vertilgung' ein es großen Ungeheuers geschildert
u
\\ erden könne , und die Annahme, daß -diA Anwendung eines

Bilde vorliege, ist unbegründet. Der Text spricht lediglich von
der Zel'schmetterung Rahabs. "Rahn.b" ist aber, wie fluch Gunk e l
bemerkt, ein Name, und zwar nach Js 30, 7 ein Name für Ägypten.
Die em Namen unmittelbar die Bedeutung eine' großen Ungeheuers
beizulegen, entbehrt jeglicher Begründung. Die Problemstellung
kann für' die Exegese nur -dahin lauten: vVoher rührt die Be-
zeichnung Ägyptens mit dem Namen Rahn.b? Zur Lösung dieser
einzig berechtigten Frage bietet aber der babylonische Marduk-
mythu nicht den geringsten Anhaltspunkt.
"Venn Gunkel dje Zerschmetterung Rahabs v.9 und die

Austrocknung des Meeres v. 10 als Parallelen auffaßt und so zu
dem Schlusse gelangt, daß die ZerschmeUerung Rahabs die Aus-
trocknung der \iVasser des großen "Ozeans" sei, so ist jene An-
nahme eines gegebenen synonymen Parallelismus unhaltbar. Denn
elie Zerschmetterung Rahabs ist nichts anderes als die Vernichtung
••
Agyptens. Die "Austroeknung des Meeres" aber, welche im Zu-
sammenhange mit dem Durchzuge Israels durch das Rote Meer
steht, bedeutet jene Tat Gottes, durch welche den Erlösten die
Meerestiere zum \i\T ege bereitet wmde. - -Die Austrockmmg der
"großen Flut" als einen Vorgang bei der Weltschöpfung auf-
zufassen, ist unmöglich. Zunächst bedeutet nämlich 01;'J;l an sich
lediglich das Meer, das nicht nur ' unter der Erde sich befindet,
sondern dieselbe auch rings umgibt und mithin auch das "Hote
Meer" als Teil um faßt. Sodann findet im Verlau Ce der Welt-
bildung wohl ein Zurückweichen der Flut VOI11 Festlande statt
(Gn t und Ps 104), aber keine Austrocknung inmitten der 'iVasser,
:::0 daß Meerestiefen zum Wege werden.

Gunkel findet eine Nachwirkung des babylonischen Mythus


fern er in Ps 89, 10 fL .
10 Du bleibst Herrscher, wenn das Meer sich empört, .
Wenn sei ne Wogen tosen, du beschwiehtigst sie .
. 1t Du hast geschändet wie ein Aas Rahab, •

Mit starkem Arm deine Feinde zerstreut.


I:! Dein ist der I-:limm el, dein die Erde,

Den Erdkreis und seine Fülle- hast du gegründet.


-



30 II. Kritik der 'fheo l'i e von dcm babylonischcn U I'3pl'lIngc


Hl Nord und Süd, du hast sie geschaffen,


Thabol' und Hermon jubeln dein em Namen.
1-1 Dein ist der Arm, dein die Macht, •

Deine I-land ist stark, deine Rechte erhaben!


15 Auf Gerechtigkeit und Recht gründet sich dein . Thron ,

Gnade und Treue gehen dir voraus.


In der Erklärung der Stelle faßt Gunkel R ahab und Meer
als Parallelen und somit als identisch auf. Gegen diese Ex egese
gilt jedoch, daß das "Meer" v. 10 das Meer der Gegen wart be-
deutet, demgegenüber immerfort Gottes Herrschaft sich betätigt,
Rahab aber v. 11 als eine geschichtli che Größe erscheint, an der
Gottes Macht in der Vergangenheit sich gezeigt hat. Rahab ferner
mit der Weltschöpfung in Bezi ehung zu setzen, ist dU/'eh die rein
äUßere Aufeinanderfolge, in welcher von beiden die R ede ist, nicht
gerechtfert.igt. "Rahab" als Bezeichnung Ägypten~ zu verstehen,
ist dagegen durchaus begründet. Denn die gänzliche Vernichtung
Ägyptens ist in gleich er vVeise wie das W erk der Schöpfung ein
Be'weis der unvergleichlichen Macht Gottes, welche der Psalmist

v. 9 - "Jahve, Gott der Heerscharen, wer ist dir gleich? mächtig ,


bist du, J ahve!" - - behauptet und sodarm in v. 10 ·14 aus den
Taten Gottes erweisen will.
Der Versuch Gunk el s, für di e Psalmstelle eine mythologische
Grundlage nachzuweisen, ist unmöglich, da das W'alten Gottes in
der Gegenwart (v. 10) nie als die Voraussetzung ein er in der Ver-
gangenheit zurückliegenden, völlig in sich abgeschlossenen T at

Gottes (v. 11) aufgefaflt werden kann. Die Interpretation, daß di e
tosenden \Vogen des Meeres (v. lOb) das Land einnehmen wollen,
ist durch keinen Anhaltspunkt nahegelegt. Die" Feinde " JaIT\ es
aber sind keine anderen als die Feinde des ausenvählten und dem
göttlichen vVillen ergebenen israelitischen Volkes, wie aus Ex 23,22
deutlich hervorgeht: "Tust du alles, was i('. h sage, so " er.de ich
Feind sein dein en F einden, und schlagen die, welche dich schlagen. "
Gunkel glaubt seine Auffassung von Ps 89 bestü.ti gt zu finden
durch Job 26, 12 f.: .
J2 Mit seinel' Macht hat er das Meer berLlhi gt, I)

. Mi t seinem Verstande Rahah zerseh mettert.


. VI Durch seinen I-lauch wird der Himm el heiter;

Seine Band schändete di e flü chti ge Schlan g .

'). S. G un k c l, Schöpfung lind Cha os 3G A11m. 2. •



des bib1isc hon Schöpt'ungsberichtes. 3L

"Meer " und Rahab werden von Gunkel als identi sch erklürt.
B i die er Exeg e '~ ird indessen über ehen, daß die Ver teil e 12 a
und J2 b kein e n ynonymen P arullelisl1lu' darstell en, da die
B setl\\ ichtigung' de Meeres nie als eine Zel'schm etterung' desselben •

gelten kann. Die Anschauung von der Beschwichtigung des Meeres


i t zudem im AT eine fest ausgeprägte, indem dieselbe ni chts
. -
anderes besagt als die Uberführung der tosenden Flut in den
Zustand der Ruhe (Ps 65, 7 j Sir 43, 23). Dazu kommt weiler,
daß die Vorstellung des Buches J o·b über das Verhältnis Gottes
zum Urmeere unmittelbar zum Ausdruck gelangt ist. Mit poetischel:'
Anschaulichkeit v\ ird Job 38, 8 ff. ausgeführt j ,,'Ver schlOß das
Meer mit Türen ein, als es, den Muttersehoß durchbrechend,
hervorkam? Wo warest du, als ich Ge"wölk gab zu seinem Ge-
wande und Wolkendunkel zu seiner Windel? Als ich ihm rings-
um zumaß meine Gl'enze, und Riegel setzte und Türen, und sprach:
Bis hierher komme und nicht weiter j hier sull brechen deiner
Wogen Trotz!" Eine Bekämpfung oder Zerschmetterung des Meeres

dur h Gott ist also dem Buche Job unbekannt j der "Trotz der
Wogen" wird nach ihm in der Urzeit nicht anders gebrochen \vie
noch immer in der Gegenwart. . •


WelID Gott nach Job 26,13 die Schlange schändete, so kann
für die Erklärung <lieser Aussage der babylQnische Mardukmythus
nicht in Betracht kommen. Der Begriff "sehänden " ist bezüglich
des überwältigten Gegners ein ganz bestimmter und besagt, daß
der getötete Feind keine ehrenvolle Bestattung erfährt, sondern
vielmehr auf dem freien Felde als Beute der Tiere liegen bleibt. •

Eine solche Vorstellung wird aber hinsichtlich Tiamats nicht geltend •

gemacht. Auch die Spaltung derselben in zwei Teile kann aus


der Auffassung der Antike heraus keinesvlegs als eine schmach-
volle Behandlung erwiesen werden j die Teilung des Chaos be- •


deutet lediglich einen Akt, weIther der Herstellung von Himmel

und Erde dient.


Da .Job 26, 12 "Meer" und "Rahab" nicht identisch sind,
fehlt auch jede Grundlage, die "Helfer Rahabs " , von denen .Tob 9, 13
spricht, mit den "Helfern Tiamats" zu identifizieren. Dazu sind
die Aussagen von Enuma eli8 und Job 9, 13 voneinander verschieden.
Die Anschauung, daß sich Tiamats Helfer unter Marduk "krünmlten",
fehlt dem babyloni. chen Epos. In demselben ist vielmehr die Rede
davon , daß die Helfer Tiarnats sich zurückzogen, entwichen und
ihr Lepen zu retten suchten j aber umgeben vom Schlachtgetümmel, .


- ,

32 H. Kritik der Theorie VOll dem babylonischen Ursprunge

konnten sie ni cht enHli ehen , ge ri ele n in s Netz und "vUTden schließ-
lich gefe seIt. In Enllllla eli s wird also von einer Üben\ :1.1tigung
der "Helfer" gesprochen, nicht aber wi e Job 9,13 von eih el' Unter-
• werfung, die von den "Helfem" selb t vollzogen \'vird .
Einen Nachklan g des babylonischen Mythu .. s erblickt Gun k e 1
ferner in dem Namen, welchen Jesaias Agypten beilegt, indem

er dasselbe l"1~tptf;::T :J;::T:J nenn t (30, 7). Gunkel find et, df1ß das von
Jesaias gebrauchte
,
'\Tort von Rahab dasselbe aus. age, was Ps 89. 10
und Job 26, 12 vom Meere erzählt Vi/erde, und daß mithin der
Ausspruch des Pro'pheten auf der Voraussetzung beruhe, daß das
in der Urzeit von Jahve überwundene Rahab damals ni cht abgetan
worden sei, sondern vielmehr noch gegenvvürtig existiere, freilich
"0
o'esch,veiot"
tl·

Gegen diese Erkliirung Gunkels ist geltend zu maehen, daß


der Name, elen der Prophet Ägypte n gibt, lediglich aus de'lll Zu-
,

stande der Ge gen wart hergeleitet wi rd : "Sie (die Israeliten)


bringen auf dem Rücken der Saumtiere ihren Reichtum und auf der
,

Kamele Höcker ihre Schät.ze zn einern Volke, das ihnen lli cht zn
nützen vermag. Denn Ägyptens Hülfe ist nichtig und vergeblich.
Darum nenne ich eS : l"1~tp~,:r ~,:r'J". AllS dem bestimmt gegebenen
. Zusammenhange ergibt sich für das Partizip die Bedeutung des
Priisens, und Ägypten wird mithin als Rahab bezeichnet, das
zum Schweigen, zur Ruhe gebracht wird, so daß es also keine
Hülfe zu bringen vermag. Die Ursaehe ' dieses Zustandes ist Gott
selbst. Jahve widersetzt sich der Hülfe der Übelt.äter (Js 32, 2);
er streckt. seine Hand aus, und es stürzt, der da helfen wollte (31, 3).
Sodann ist auch die Frage aufzuwerfen, auf welchen Grund
hin Ägypten das ZLl rn Schweigen gebrachte Rahab hätte genannt
werd'en könn en. Jesaias selbst deutet keinen an; aus der Lage
der Dinge ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt. Agypten steht
als das große, starke Volk mit ROß, Wagen und Hei, igen in der
• "Velt
.. (.Js 31, i). Mit, dem übenvundenen ChaosungetüllJ kann
Agypten ni cht verglichen werden, da es in durchaus ung'ebrochener ,
,
und voller Kraft existi ert. V,Tohl aber untersteht die Rie 'enmacht
zu jeder Zeit. der Allmacht Gottes. Und Gott, so will der Pro-
- phet geltend machen, wirl ersteht der lVlaeht Ägypten.. Jahve
,
bringt dieselbe zum Schweigen d. h. er Urat ie ich nicht zur
Tätigkeit entfalten.
I~ndljch verwei t Gunkel auf Ps 40.5:

"
- ,


des biblischen Schöpfungsberichtes. 33

Heil dem Mann, der macht •

.Tahve zu einer Zuvel' 'i cht


Und sich nicht Vi endet zu den Rehabim
Und den zur Lüge Abgefallenen.
Gunkel faßt "Rehabim" als einen Gölzennamen auf. In-
des en ist für diese Annahme deI' Gegensatz: Jahve vertrauen, den
Rehabim sich zm;.; enden nicht beweiskräftig, da der Terminus
'K :-1JEl kaum als technischer Ausdruck für den Gottesdienst gelten
kann, diepe Bedeutung $icher aber nicht in ausschließlichem Sinne
besitzt, was hier entscheidend ist. Dagegen steht nichts im ' ,Vege,
• mit Rücksicht auf Js 30, 7 "Rehabiin" als Bezeichnung der Ägyp-

tel' zu erklären 1). Im Volke Israel bestand zu Zeiten die Neigung,
bei den Ägyptern gegen drohende Gefahren Schutz zu suchen.
. Von den Propheten wurde· hingegen auf Gott als die einzige Ret-
tung hingewiesen und vor dem Anschlusse ' an Ägypten ge·w arnt.
In einer Stl'afweissagung spricht Ezechiel aus, daß Ägypten den
Israeliten ein Rohrstab war, der zerbrach, wenn sie ihn in die
Hand nahmen, und zerknickte, wenn sie sich auf ihn lehnten (29,6 f.);

in der Zukunft aber soll Ägypten für Israel nicht mehr ein Gegen-
stand des Vertrauens sein, 'und Ägypten soll sich an den Frevel
erinnern, daß das Jahvevolk nach ihm sich umsah (v. 16). Dem-
selben prophetischen Gedankenkreise gehört auch Ps 40, 5 an.
Nicht von den Ägyptern kommt Heil, sondern von Gott, welcher
auch in der Vergangenheit an seinem Volke Großes getan hat (v. 6). •

2. Die z'w eite Gruppe atl Stellen, welche die obengenannten


Forscher als Beweis für die Existenz des babylonischen Marduk-
mythus im Volke Israel behaupten, bezieht sich auf ein Ungeheuer
. namens L~viathan. :Man erblickt in demselben ein mytholo-
gisches Wasserungetüm und tritt so in W"iderspruch zu der her-
kömmlichen Auffassung der Exegese, welche Leviathan als das
Nilkrokodil erklärt. . .
Von entscheidender Bedeutung gegen die Richtigkeit der von
Gunkel u. a. gegebenen neuen Erklärung ist die eingehende Dar-
. stelhmg, welche Job 40 · und 41 von Leviathan gegeben wird .
Levia1han ist derselben zufolge ein Tier der Gegenwart. Näherhin

gehöI1 dasselbe dem Wahrnehmungskreise des Men sch en an, ein


Moment, das bei mythologischen Wesen nicht zutrifft: schon beim
Anblick des Ungeheuers stürzt man nieder (Job 40, 28). Die Be-

!) Vgl. Olshausen, Die Psalmen, Leipzig 185.3, 183 .

AlLlest. Abhand\. ur, 1. K i T C h n 0 r, Die baby!. Kosmogo nie. 3




34 n. !Cl'itik der Th eo l'i e von dem babyloni schen Ursprun ge

schreibung !~ 'Il 3 8 lä ßt .. ich nur auf das Krokod il Äo-yptens be- ·


zieh en. Au ch die Schil de run g 4 L, 9 13 kommt a'ls Bevleis für
elen myth ologischen Chal'akter Leviatll a l1 s niellt in Betracht. Denn
del' Blitz, den das Niesen Leviathan s aufleuchten lä ßt, di e F lamm en,
die all s Leviathan s Hachen schi eßen, di e Feu el'funke n ~ cti e aus illlll
hervorspriih en, der Hau ch, der aus sein en Nüstern wirbelt, sin d
insgesa mt nichts and eres als Bilder für di e sprühenden, hellglän-
zenden Wasserstrahlen, di e mit elementarer Gewalt von dem Kro-
kodil e ausgeworfen werden. Zur n äh eren Erklärung der Bilder
dürfte nicht einmal die Bezu gnahme auf das Sonnenli cht, welch es
di e Wasserstrahlen im Glanze ersch einen läßt, notwendi g sein, da .
bei all en derartigen Schilderungen das lebhafte und äußerst in-
tensive Auffassungsvermögen des Ori entalen
-. in bezug auf die Vor-
.
gänge der Außenwelt zu berücksichtigen ist. Daß aber in der
•••

Beschreibun g des Krokodiles Job 41 überhaupt eine Anwendung


von Bildern stattfindet, geht deutlich aus v. 22 f. h ervor: "Levi athan

macht . .;vie einen Topf die Ti efe sieden, . .vandelt wie zur Salbe
das Meer. Hinter sich her m acht 'er glänzen die Bahn; man hält

die Flut für graues Haar. "


F erner ist au ch für Job 40, 20 24 irgend eine mythologische
-
Grundlage abzulehnen. vVenn es v. 20f. heist: "Ziebst du Leviath an
an der An gel herauf, und bindes t du mit der Schnur seine Zunge ?
Legst du ein Binsenseil in dessen Na se, durchbohrst du mit dem

:Ringe seine Wange?" ! so ist der Sinn, daß Leviathan mit keinem
Mittel in men sc hli c h e Gew alt gebracht zu werden vermag.
Diesel' Gedanke Ivird im folge nden nur fortgesetzt und \"ireiter-
geführt. Wie nä mlich Leviathan vom Melisch en nicht üben välti gt
w errlen kann, so wird er auch ni emals als Besiegter den Mensch eli .
um Barmherzigkeit anflehen und nie zu demselben in dienende
Stellun g tret en: "Wird er wohl viele Bitten an di ch richten ,
Schmeichelworte zu dir sprechen? Wird er · einen Bund mit dir
eingehen, daß dLl ihn für immer zunl Knechte bekommst ?" Dn
Bild vöm "Knechte " wird v. 24 durch ein weiter es überboten, dn s
den Sitten des orientalisch en Kinderl ebens entlehnt ist: "Wir t du
mit ihm spielen wi.e mit einem Vogel, und ihn anbinden filr

deine Mädch en?"


Der von Gunk e l zur Erklärun g des T extes an genonunene
Mythus steht im "\iViderspruche zu der S tellun g, welch e Le, ia Lhan

ein erseits Gott gegenüber , a ndrerseits innerhalb der \iV elt vom •

Bllche Job zugesprochen wird. Go tt gegenüber ist Leviathan wie





des bibli ehen Schöpfullgsbel'ichtes.

alle anderen W esen fi el' vVelt nichts andercs als G esc höpf (!~1, 24.)
und ·teht nl '0 schon gemäß sein es Ursprunges ganz in der Herr-
schnrt Gotte... Fem el' ist Gott der AllmüchLige (3n, 32) und ist
al' olehel' ni ht gez\·, un gen, crst mit den Hilfsmitteln von "Angel
und Schnur" 'eine Geschöpfe in Botmäßigkeit zu bringen. Auf
der St.elle wirft er die Bösen nieder (40, 7), und nlles, was unter
dem Himmel ist, ist sein! (41,2). Die Stellung andrerseits, die
Gott Leviathan in der 'iVelt zugewiesen hat, ist eine souveräne
und schließt die Vorstellung aus, "es halte Gott das Ungetüm des
Meeres an dem Ringe fest, den er ihm in der Urzeit in die Nase
gelegt habe"; den direkten Gegensatz zu dieser Auffassung be-
deutet die Ausführung 41, 24 f.: "Auf Erden ist seinesgleichen
nicht; er ist geschaffen, ohne Furcht zu sein. Auf alles Hohe
blickt er nieder; er ist der König über alle Stolzeskinder. "
Ferner macht auch der Zweck der ganzen Darstellung, die das
Buch Job, om Leviathan gibt, die Annahme unmöglich, das Ungeheuer
sei emstens von Gott gefangen worden. Die ausführliche Schilderung
Leviathans und seiner Überlegenheit über die menschliche Kraft
dient nämlich einzig dern Ziele, die Ohnmacht und Schwäche des
Menschen gegenüber der Allmacht Gottes in helles Licht zu setzen. •

Der Gedankengang ist folgender: Niemand vermag den Leviathan


zu unterwerfen (40, 20· 26); einen Kampfesmutigen wird schon
der Anblick Leviathans niederstrecken (27 f.); niemand ist so kühn,
ihn zu reizen, und wer so lautet in Frageform die SchlUß- •

folgerung ist der, der Gott, welcher niemandem etwas verdankt


und dem alles unter dem Himmel gehört, ins Angesicht sich wider-
setzt? Die Macht Gottes soll also keineswegs durch ein Beispiel
• •
vom Fange Leviathans illustriert 'rverden, wie Gunkel annimmt;
dieselbe ist durchaus ni cht zweifelhaft und ist schlechthin die A 11-

macht, wie das ganze Buch Job bezeugt. Zuderil wird die oben
dargelegte Auffassung vom Zwecke, auf den die Schilderung Levia-
thans hinzielt, bestätigt durch die Analogie von Job 39, 9 12;
auch die Schilderung des Nashorns und seiner Gewalt dient zu)'
Vermittlung der den Kläger Job überführenden Frage: "Mit dem
Allmächtigen will rechten der TacHer?"
Der Vel'such~ Leviathan als das personifizierte Chaos nach-
. zm\! eisen, ist unmöglich. Tehöm. das Meer der Gegenwart, ist
nach Job 41, 22 und zwar in Übereinstimmung mit P s 104, 26
ledigli ch das Hen'schaftsgebiet Leviathans. Ferner erscheint Levi-
athan auch Job 3, 8 keineswegs als Chaosunge türn, da di e T ext-
3 ,~


3~ Ir. Kritik der Theorie von dem babylonischen tJrsprung~

veründel'lmg. auf welche Gu n k e I die gegenteilige Anschauung


stützt, ni cht begründet ist. W enn Gunkel nä.mlich glaubt, daß
.Tagesvedlucher zur Verfluchung der Empfängnis nach t nicht ge-
eignet sind: und dah er eine Em endation von oi' in. o~ ,ollziehen
will, so verkennt er den Sinn der Stelle. In v. 9 kommt deutli ch
zum Ausdruck, was unter der 'Verwünschung der Nacht verstand en
- wird, nämli ch di e Verfinstenmg der Abendsterne sowie die Fel'l1-
haltung jeglich en Lichtes samt der Morgenröte von der Nacht.
Die Tagesverflucher sollen also an der Empfängnisnacht Job.·, die
nicht als Finsternis vorgestellt ist, lediglich dieselbe Wirksamkeit
vollziehen, die sie dem Tage gegenüber ausüben, indem sie wie
letzteren auch jene Nacht in völli g'es Dunkel hüllen sollen.
Gunkel erbliekt in Leviathan das Chaosungeheuer auch aut'
Grund von Ps 74, 12--19:
12 Du, Jahve, bist doch mein König von jeher,
Der Heilstaten tut mitten auf Erden!
13 Du hast gespalten machtvoll das Meer;

Hast zerbrochen die Häupter der Drachen im Wasser.


1·1 Du hast zerschlagen die Häupter Leviathans,
Gabst ihn zum Fralil dem Volke der vVüstenbewolmer.
,
15 Du hast aufgerissen Quelle und Bach;

Du hast vertrocknet nie versiegende Ströme .
1(j Dein ist der Tag, und dein die Nacht;
Du hast bereitet Mond und Sonne.

17 Du hast . alle Grenzen der Erde gesetzt;


Sommer und Winter, du hast sie gebildet.
18 Gedenke dessen: der Feind schmähet J ahve.
Das töricht.e Volle lästert deinen Namen. •

. 1!1 Gib nicht preis der Bestie die Seele deiner Taube;
Das Leben deiner Armen vergifl nicht auf immer!
Gunkel lehnt die herkömmliche Exegese, welche v. 13 15
auf die 'Wunder des Allszuges aus Ägypten bezieht, deshalb ab,
weil die Drachenüberwindung im Zusammenhange mit der Welt-
schöpfung stehe. Indessen ist der SchlUß Gunkels au der rein
äUßeren A ufei nan derfolge der Gedanken auf deren in ner e n
Zusamm e nhang in keiner 'iVeise beweiskräftig.
Im einzelnen gilt folgend es : Wohl die Spaltung des Meere
anläßlich (les Auszuges ISl'::tels aus Ägypten trügt den Charakter


des bilJlischcll Sc höpfun gsberichles. 37

einer Heil stat I), \\ ie eine olehe äh n Iich fü l' die Gegell Wi.lrt in dem
citiel'ten P 'alme erfleht wiL'd; der Spaltung' 'l'iarnats aber, von der im
babylonischen MyU1Us erzählt wird, fehlt jene Bedeutung in jeder
Bez.iehung. Will man irgend einer Tat Marduks Heilscharakter
zuschreiben, 'so kann nur die Überwältigung de'!, furchtbaren Macht
Tiamats , von der dem Leben der Götter Gefahr droht, in Betracht
'

kommeli. Die Spaltung Tiamats bedeutet im babylonischen Epos


,

nur einen Akt im Verlaufe der 'YV'eltbildung. ,

,
Wenn Gunkel die Natur Leviathans (v. 14) erst auf dem
vVege einer Schlußfolgerung zu erkennen sucht, so ist darauf zu
verweisen, daß "Leviathan" nach Job 40 und 41 schlechthin .
die
Bezeichnung des ägyptischen Krokodiles ist, die von diesem, wie
Js UJ7, 1 bezeugt, auf das Volk Ägyptens übertragen worden ist.
Somit findet aber Ps 74, 14 seine volle Erklärung, indem unter
den "Häuptern Leviathans" die Ägypter zu verstehen sind, welche
bei der Verfolgung der Israeliten im Roten Meere ihren Unter-
gang fanden. . ,

, Erblickt Gunkel außer in Leviathai1 auch in Behemoth ein


Ungetüm der Urzeit, so bietet die Aussage Job 40, 19: "Behernoth
i t der Erstling der W" ege Gottes" keinen Anhaltspunkt für das ur-
sprünglich mythische vVesen des unter dem Namen "Behemoth" ,

erscheinenden Tieres. Die von Gun k e 1 angefü.hrte Stelle besagt


nichts weiteres, als daß Behemoth, nämlich das Nilpferd, im Anfange ,

der Zeiten von Gott geschaffen worden ist 2). Der Nachklang einer
älteren Vorstellung, nach der Behemoth einst vor den Jahveschöpfun-
gen schon existiert habe, läßt sich für Job 40, 19 nicht liachweisen.
,

3. Wie in Rahab und Leviathan erblickt man endlich auch


in der Gestalt des "D l' ach en", die an verschiedenen Stellen des
AT auftritt, das Ungeheuer der Urzeit wieder, von weh.:hem die
BabyIonier einstens erzählten. Man setzt sich mit dieser Auffas-
sung wiederum in Gegensatz zur .herkömmlichen Erklärung, welche
den "Drachen" als das Krokodil geltend macht.
Im allgemeinen ist darauf hinzuweisen, daß der "Drache"
im AT bestimmt ein Geschöpf Gottes ist und nie etwa ein my-
thologisches "Wesen darstellt, welches Jahve im ' Sein und Wirken
selbständig gegenübersteht. Gn t, 21 wird unmittelbar die Er-

I) Vgl. Ex 14, 16: Jahve sprach zu Moses : .... "Erhebe dein en Stab
und strecke deine Hand aus über das Meer und spalte es; und die Söhne
Israels werd en mitten durch das Meer im Trockenen gehen."
2) Vgl. Ni k el, Genesis und Keilsebriftforschung 96.
,

-


38 II, Kritik der Theori e v on dem baby loni scben Ursprunge

."chaflun g der Drachen dnn:h Galt ausgesprochen. Ferner er:cheinen


sie auch in der grol3en I eib e der Kreaturen, wie clje..:elbe P s 148
aufgezühlt wird.
Die Drachen werden Ps 14·8, 7 im Verein m it den Meeres-

fluten angeführt, und ebenso treten Job 7, 12 Dmche und Meer


nebenein ander aut'. Der Versuch aber, den Drachen al: di e I er-
son ifikation des Meeres zn erweisen, ist exegetisch unhaltba r. 'Wie
in Ps 148 werd en Meer und Drache auch Job 7,12 unterschi eden

und auseinanctergehalten : "Bin ich das Meer oder der Drache, da&
du 'rVache wideL' mi ch aufstellst?" Ir-gend ein e mythische N atur-
anschauung, derzufolge das Meer' als ein feindliches Y'l esen von
Gott bewacht wird, li egt dem Ausspru che Jobs ni cht zu Grunde.
Die Becleutllng der Frage Jobs geht aus der unmittelbar folgenden
Ausfühnmg klar hervor. Dieselbe läfit zunächst erkennen, daß
J ob unter der ' iV ache, mit der er von Gott umgeben vvird, die
Schrecken des Traumlebens in der Nacht und an die Heim-
suchlmgen und Prüfungen ' am '-rage versteht: "Wenn ich gesagt : •

Trösten wird mich mein Bett, mittragen wird es meine Klage, so


schreckst du mich auf durch Träume und machst durch Erschei-
nungen mich schaudern . , .. Vvanllll suchst du den Menschen
heim bei des Morgens Frühe und prüfst ihn jeden Augenblick ?"
Jobs 'iVunsch geht dahin, da& Gott von ihm ablassen möge, und
er begründet seine Bitte mit dem Hin-weis: "Ein Hauch sind meine
Tage. V,Tas ist der Mensch, dal3 ihn so hoch du achtest? oder
wozu richtest du auf ihn dein Herz?" J ob ist also der Meinung,
dal3 die Heimsuchungen und Leiden, mit denen er von Gott um-
geben "vird, des hinreichenden Grundes entbehren, da er nur ein
rasch vergängli ches vVesen und ein geringes Menschengeschöpf sei.
Aus dieser Auffassung .Tobs erg'ibt sieh aber unmittelbar die Er-
klärung für seinen Ausspruch v; 12. Indem sich Job den grofien
Gewalten des Meeres und des Drachen (scl. Krokodiles) gegenüber-
stellt, hebt er sein e eigene Schwäche und Ohnmacht scharf hervor
und zwar in der T end'enz, die Zwecklosigkeit der gegen ihn aus-
gestellten vVache darzutun. So ergibt sich aber, dafi auf ein e
Bewathung des Meeres oder rles Drachen dureh Gott aus Job 7, 12
ni cht geschlossen werden kann.
" Tenn Gunkel weiter auf Ps 44!, 20 Bezug nimmt, so bringt
die Stelle, fall s die Textemendalion Gunkels zu Recht bes teht,
nur denselben Gedanken zum Ausdruck, der bel'eit5 v. 10 au sg -
sprochen wird. Vvenn Jilhve zu anderen Zeiten] Tael Feind e im •
,

clcs bibli sc hen Scltöpfullg'sbel'i c hlcs. 39

Kampfe unterliegen IÜßt und Zll Schand en macht (v. 8), so trifft

für die Gegen\\ ad nach v. 10 der umgekehrte Fall zu: Jahve 1Iat
sein Volk verstoßen und zu Schanden gemacht. Und so kehrt
nur der 'elbe Gedanke mit näherer Bezeichnung des obsiegenden •

F eindes wieder, wenn es v. 20 heißt: "Du hast uns geschündet


an taU des Drachen und uns gehüllt in Todesschatten "1). Unter
dem Bilde des "Drachen " erscheint Ez 29, 3 '- 6 und 32, 2 ff. der
Pharao von Ägypten. Als solcher kommt für Ps 44, 20 N ech 0
in Betracht, der in der Schlacht bei Megiddo über Israels König.
JO's ias den Sieg davontrug. Die Stimmung des Beters, welche im
P salme zum Ausdru ck gelangt; entspricht völlig der damaligen

Zeitlage, da trotz der Frömmigkeit des Königs Josias Gott das


Gericht batte hereinbrechen lasseu, wenn auch nicht zu Unrecht,
sondern zur Strafe fj;r die früheren Vergehen Judas (4 Rg 23, 26).
Ferner verweist Gunkel auf Ez 29,3 6a und 32,2 ' 8:
• 29, 3 So spricht Jahve: Siehe! ich bin wider dich, Pharao,
König von Agypten, du großer Drache, der inmitten seiner Ströme

liegt, und spricht: Mein ist der Strom, ich habe ihn gemacht.
'1 Ich will Haken in deine Kiefer legen und die Fische deiner


Ströme an deine Schuppen sich hängen lassen. Und ich will dich
herausziehen aus der Mitte deiner Ströme und alle Fische deiner
Ströme, die an deinen Schuppen hängen.

5 Ich werde dich werfen in die Wüste und alle Fische deiner
• •

Ströme; aufs freie Feld sollst du fallen, wirst nicht bestattet, noch
begraben. Den Tieren der Erde und den Vögeln des Himll1els
will ich dich zum Fraße geben, .
6 und alle Bewohner Ägyptens sollen erkennen, daß ich
Jahve bin. .
32, 2 Menschensohn, hebe ein Klagelied an über Pharao, den
König von Ägypten, und sprich zu ihm: Dem jungen Löwen
wurdest du gleich unter den Nationen. Du warst wie der Drache
im Meere, sprudeltest auf in deinen Strömen, trübtest das vVasser
mit deinen Füßen .und wühltest seme Ströme auf.

3 So sp ricbt Jahve: Ich werde mein Netz über dich aus-

breiten in der Versammlung vieler Völker und dich herausziehen


in meinem Garne.
'1 Und ich werde dich hinwerfen ans Land, auf das freie Feld

dich schleudern; und ich werde alle Vögel des Himm els auf dir
sich setzen und die Tiere der ganzen Erde an dir sich sättigen lassen.
I) Vgl. Olshausen, Die Psalmen 198 .



40 II. Kri tik der Theorie v on dem b aby loni scben Ursprunge

j Dein Flei. ·h will ieh auf die Berge werfen, m it deinem


Aase die Täler füll en.
I; Und ich werde trE lnken die E rde tnit deinem Blute bis a n

die Berge, und die Bäch e soll en voll w erden von dir.

. 7 Ich verhüll e bei deinem Erl öschen den Hi mmel, u nd kl eide

eine St erne in Dunkel. Di e Sonne verhüll e ich m it Gewölk, und


der Mond soll sein Lidü ni cht le uchten lassen.
Gunk e l gibt zw ar zu , da ß der Drache di e Gest alt eine.
. Krokodil es h at , b ezweifelt jedoch andererseits, daß derselbe ein
einfaches Krokodil sei. W enn er indessen den Einw an d erhebt,

weder das Krokodil n och Phar ;:to 'k önne als der Schöpfer des Nils •

hinges tellt w erden, so verkennt er den Sinn von Ez 20, 3. Die


Anm aßung der Schöpfermacht wird dem Phar ao, welcher unter
dem Bilde des Krokodil es vorges tellt wird, keineswegs zugeschrieben .

' Venn ihm die vVol'te in den Mund gelegt 'w erden: "Mein ist der
,

Strom, ich h abe ihn gem acht", so wird der Nilfluß in einem ganz
besonderen Sinne verstanden, n ä mlich als die alles bedeutende
Grundlage und Voraussetzung des gesamten ägyptischen W ohl-
standes. Den Strom in den Dienst des Landes gezwun gen zu
h aben , ihn zu dem F aktor gem acht zu h aben, den. er für Ägypten
'

bedeutet, dieser Errungensch aft. r ühmt sich Pharao, indem er gleich-


zeiti g w ie Assur (Ez 3 1, 10) Gott die Anerkennung versagt. Dieser
Schuld en tspricht denn auch das Strafgericht, das eintreten süll:
"Das Land Ägypten soll zur Wüste und Einöde werd en, und sie
soll en erfahren , daß ich Jahve bin , weil er gesagt: Mein ist der
Strom , ich h abe ihn gemacht. Sieh e ! deswegen bin ich wider
dich und wider deine Ströme, und ich will das Land Ägypten
mach en zU!' gänzli ch en Einöde" (Ez 20, 9f.); "die vVasserström e
will ich trocken m achen " (30, 12). '
F em el' gilt gegen Gunk e ] , daß die Erklärung von Ez 32,2

bei Annahme einer vom Propheten selbst kon struierten Allegorie


• durch aus keine Schwierigkeit bietet. Phar ao vi/ird dem Krokodile
vergli chen. vVie di eses h at au ch er den Strom in der Gewalt
und beh errscht denselben bis in die innersten Tiefen. Aus dieser
Herrsch aft soll Phar ao nach v. 3 gestürzt wer den , gleich wie ein
Drache, der mit Netz un d Garn gefangen und odann auf dem
freien Gefilde dem Untergange preisgegeben wird. Agyp ten soll
vierzig Jahre unbewohnt bl eiben (2D, 11), und die Fluten de Niles
soll en, du rch "der Menschen Füße und der Tier e Klauen ni cht
getrübt " (32, 13), wie Öl dahingleiten (32, 14). \Veru1 aber


des biblischen Schöpfungsberichtes. 41

Gunkel e auffällig finelet, daß der Leichnanl el es Drachen Berge


und Täler füllt und von eine m Blute die Bäche fli efien, so kommt


abgesehen von der poeti ehen Dat'slellung der Umstand in Be tracht,
daß Pharao und sei n V 0 I k "der Drache und elie J! ische seiner
Ströme" dem Untergange unel einem schmachvollen Ende ge-
weiht werden sollen: "So spricht Jahve: durch NebLlkadnezar, den
König von Babel, will ich die Volksschar Ägyptens aufreihen lasse n.
Er und sein Volk mit ibm, ·die Gewaltigsten unter den Nationen,
sollen herbeigeführt 'werden, um das Land zu verwüsten; und sie
sollen ihre Schwet'ter zücken wider Ägypten und das Land mit
Erschlagenen füllen" (Ez 30, t 0 f.). . .
Als Beweisstelle für die Existenz der' babylonischen Drachen-

erzählung im Volke Israel führt Gun k el auch Am n, 21'. an:


2 Wenn sie sich in die Unterwelt durchzwängten, holt sie

von 'dort mein Arm; und wenn sie zum Himmel hinaufführen,
stürze ich sie von dort herab.
;; vVenn sie sich auf dem Haupte des Karmel verbergen,
spüre ich sie dort auf und hole sie. \Venn sie sich vor meinen
Augen versteckten im Meeresgrunde, dort befehle ich der Schlange,
sie zu beifiell. -
Gunkel erblickt in der "Schlange" das personifizierte Meer. •

Indessen ist der Meeresgrund v. 3 deutlich nur der Aufenthalts- •

ort der Schlange. Dieselbe erscheint J~ 27, 1 in Apposition zu


Leviathan. Die "Schlange" Am n, 3 ebenfalls als Leviathan auf-
zufassen, steht nichts im Wege, zumal auch nach Ps t 04 das Meer

der ' Aufenthaltsort Leviathans ist. .


4. Gunkel und seine Anhänger finden das Eindringen des
babylonischen Mardukmythus in den israelitischen Gedankenkreis
endlich auch erwiesen dnrch eine Heihe atl Stellen, die von dem
Urmeere handeln . . Von Gunkel werden folgende Texte angefülut:

Ps 104,5 9:
5 Der die Erde feststellte auf ihre Fundamente, •

Sie wanket. nicht in alle Ewigkeit.


.(; Einst hielt L) die Flut wie ein Gewand sie bedeckt,
Auf den Bergen standen die vVasser;
1 Vor . deinem Schelten flohen sie,

Durch den Schall deines Donners wurden sie verjagt.


- -- _ ._ - --
') Vgl. Gunkel, Schöpfung und Chaos 91 A.4.
• •



-

42 11. IÜ'itik deI' Th co ri e von dcUJ babyloni sch en Ul'sprunge •

;., Aur sti egen die Berge, ni eder die Täl er,
Zur Stätte, die du ihnen bestiI}.1lnte ·t;
!I Eine Grenze setztest du ihn en, di_ e sie ni cht überseh['eiten,
Nimm er soll en sie wi eder di e Erde bedecken.
Job :38 , 8 tl:
~ 'Ver 'ehloL1 das Meer mit Türen ein, al. es, den Multer-
-
schoß dUl'clJbl'echend, hervorkam r
!J WO warest du, als ich Gewö lk gab zu seinem Gewande
und vVolkendunk el zu seiner '\linde1?
10 Als ich ihm ringsum zumaß meine Grenze, und Biegel
-
• setzte und Türen,
11 und sprach : Bis hierher komme und nicht weiter; hier

soll brechen deiner Wogen Trotz!


- 8.• 22 31 :
Pl'V .
22 Jahve hat mich bereitet als Erstling seines \\leges, vor
-
seinen "Verken, vor der Jetztzeit. -
23 Von Ewigkeit her bin ich eingesetzt, von der Urzeit an,

vor dem Ursprung der Erde. -


2,] Noch waren keine Ti efen, und ich war schon empfangen;

noch waren die Vvasserquellen nicht ~ ervorgebl'o ch en.


2-5 Noch waren keine Berge gegründet, vor den Hügeln ward
- -
ich geboren .
26 Noch hatte er die Erde nicht gemacht. und die Flüsse und

die An geln des Erdkreises.


2 ; Als er den Himmel bereitete, \var ich dabei, als er den
-
Kreis zog oben auf der Flut. .
28 Als er die " rolken droben befestigte, die Quellen der Flut
bestimmte ;
2D als er dem Meere sein Gesetz gab, daß die ' \lasser sein

Gebot nicht übertreten; als er ei-nsetzte die Grundfesten der Erde,


öO da war ich bei ihm, all es ordnend, und ich fr eute mich

- an jedem Tage, spielte vor ihm alle Zeit:


ö l spielte auf dem Erdenkreise und haUe meine Freud e an
den Menschenkindern. -
Jer 5, 22 b:
-
Der ich Sand dem Meere zur Grenze setzte, -zur ewigen
Schranke, die es ni cht übel"' chreitet; es wogt zwar heran , aber
verm ag gege n sie ni chts, sein e "Vellen tosen zwar, aber üb l'-
sehreiten sie nicht.
- -
,

des biblischen Scböpfungsbel'icbtes. 43

Jer 31,35:
,

So spricht Jahve, der die Sonne bestimmt hat zum Lichte


am Tage, den Mond und die Sterne lLlIll Lichle in der Nacht, der
das 'Meer' 'bewegt, daß seine ""ellen braLlsen, Jahve Sebaoth ist.
sein Name.
Ps 33, 6 8 :
ij Durch JullVes 'Vort sind die Himmel geschaffen,

Durch den Hallch seines 'Mllndes all ihr Heer;


7 Er sammelt die \,\7 asser des Meeres wie Garben, ,
,

Legt in Vorratskammern die Fluten.


8 Vor Jahve fürchtet sich die ganze Erde,

Alle Be"vohner der "VeH erbeben vor ihm.


, Ps 65, 7 f. : ,

7 Der die Berge in seiner Kraft hingestellt hat,


U mgürt.E)t ist mit Macht, , ,

l) Der das Tosen des Meeres beschwichtigt hat,


Das Brausen seiner Wogen.
Sir 43 (25) 23 :

Durch seine Vveisheit hat er die Tiefe zur Rllhe gebracht
und Inseln hineingepflanzt. . .
,

01'. Manasse
- 2-4: ,

, -
2 Der Himmel und Erde geschaffen' hat.,
Samt' all ihrem Schmucke;
3 Der das Meer gefesselt hat
Mit seinem gebietenden Worte; , ,

Der den Abgrund verschlossen und versiegelt hat


,
,
,

Mit seinem furchtbaren Namen;


.j Daß alles erbebt und erzittert
V01' seiner Majestät.
,

All diese Schilderungen setzen nach der Anschauung Gunkels


mehr oder weniger delltlich voraus, daß der Sehöpfung der "Velt
eine Bändigllng des Meeres durch Jahve vorangegangen sei, und
daß Jahve die Ordnung, die er damals begründet habe, noch gegen-
wärtig gegen das zur Rebellion aufgelegte Meer machtvoll auf-
recht erhalte.
Indessen fehlt jeglicher Anhaltspunkt, daß den von Gllnkel
,

angeführten atl Stellen eine Ansehauung von einem Kampfe Gottes


mit den "Vassern der Urzeit Zll Grunde liegt. Die Vorslellung der
,



44 Ir. Kritik der Theorie von dem babyl onisch en Ul'sprunge


Texte geh l vielmehr nur dalJin, dnfi cl as Ur m ee l' durch Gott


von d e r Ob e rflüc.:ll e d e r Erd e e ntre rnt wurde, he%i hungs"\vei. e
se in en b es timmt en Baum im All zu e rt e ilt e rhi elt. ' Venn
nach P s 1O!~, 7 di e ' ''asser vo r dem S<.:helten Golte '. flohen, '0
o'ilt, daß das Sch elt e n Jahv e ' ledigli e;h den Unwi ll e n GoUes
bezeichnet, wi e Js 51, 20 klar bezeugt: "Dein e Kinder sind hinaus-
gestoßen, . . . voll vom Zorn des Herrn, vom Schelten deine.
Gottes." Schon di e Hücksicht auf deli aU Sprachgebrauch macht

es al so unmögli ch, die Scheltr e de MardLlks mit dem "Schelten "
Jahves in Parallele zu stellen. F erner ist zu beachten, daß durch
die Hede des babylonischen Gottes nur eine Bestürzung des li'eind es
eintritt, während das Schelten Jalnres das Entweichen der W' a. e1'-
fluten zur Folge hat. Vor allem ist aber hervorzuheben, . daß die
Situationen, welche in der babylonischen Kosmogonie und im
biblischen Schöpfungshymnus vorausgesetzt sind, völlig verschied en
sind. Nach Enuma eli5 hatte die Scheltrede Marduks in der Feind-
schaft Tiam ats gegen elie Götter ~hre Veranlassung. N ach Ps 104
hielten die Fluten der Urzeit die Oberfläche der Erde bedeckt;

selbst auf den Bergen standen die Wasser. Gegen diesen Zustand
war der Unwille Jahves gerichtet, so daß nun die Fluten von den
Bergen zu Tal hinabflohen, an den Ort, den ihnen Gott verordnete;
auch wurde ihnen nunmehr eine Grenze gesetzt, die sie nicht
überschreiten, "daß sie nkht nochmals-die Erde bedecken". Ps 104
hat also einen Vorgang bei der Ausgestaltung des Chaos zur
jetzigen '''eH im Auge, einen Vorgang näherhin, der dem baby-
lonischen Anschauung, krei se völlig unbekannt ist. ' Venn aber •

die Urwasse r von dem Donnerhall Gottes verscheucht "\, erden,


so liegt dieser Aussage die Anschauung vom Gewitterphänomen
zu Grunde, indem der Eintritt von Blitz und Donner als Ursache
des Verschwindens der dunklen '\Vassermassen gedacht ist.
Von einer Feindsch aft oder einem 'Vider:stande des Unneeres

gegenüber Jahve ist an keiner atl Stelle die Hede. Gott tritt stets mit
völlig absoluter Macht auf und erscheint nm al s der Gebieter, dessen
Befehl vom Urwasser ohne Wid e l'~treben vollzogen wird. ,~ enn
das Meer der Urzeit al s tosendes und brausendes Element gilt,
so kann diesem Zu ge der Charakter der Hebellion ni cht beigelegt
,,,,erden; die Anschauun g find.et ihre Erklärung aus der , .yahr-
nehmung und. Erfahrung, die der Bewohner oet' Kü, te noch im-
merfort macht 1). Von der Ni ederwerfung und Vernichtung eines
J) Vgl. Nikel, Genesis und Keilschriftfol'scllUng 105. •



des biblischen Schöpfungsberichtes. 45

trotzigen, i'ebelli 'chen vVese ns wie im Mardukmythus isl in dem


AT niemals die Sprache. Das tosende Url1l eer wird nach der
bibli ehen Dars tellung ledi o'lich in den Zustand der Huhe überge-
führt und in Grenzen und Schranken eingeschlossen, an die es für
,

alle Zeiten gebunden sein soll.


AI, H es ullat ergibt sich, daß den von der Kritik ange-
führten atl Stellen nichts mit dem babylonischen Drachenmythus
gemeinsam ist. Eine Erzählung vom Chaosungetüm, mit dem
Jah,e in der Urzeit gekämpft hat, kann für- Israel überhaupt ,

nicht nachgewiesen werden; exegetisch ist es unmöglich" eine


Drachentradition als die Voraussetzung aU Ausführmigen darzutun.
Stellt aber das AT Gott in seiner Stellung zum Urmeere dar, so
sind seine Schilderungen vorn babylonischen Mythus wesentlich
verschieden. Nach Enuma eli5 ist der Kampf mit dem Ul'meere

eine Notwendigkeit für die Gottheit, weil sie von jenem in ihrem

Leben bedr'oht ist; sie mUß kämpfen, und erst durch den Kampr
gelangt sie zur Herrschaft. Dies(? Anschauung fehlt dem AT
gänzlich. Jahve ist der Allherrscher und der Allmächtige.
Alles ist ihm untenvorfen; seine Herrschaft steht niemals in Frage.
Somit sind (lie Darstellungen, die Babel und Bibel über die Be-
ziehung der Gottheit zum Urmeere geben, durch die Kluft zweier
,

geg ensätzlicher Gottesbegl'iffe geschieden. Dort wird die Ge-


bundenheit und Beschränkung der Gottheit durch die Natur ' an- ,
o

genommen, hier dagegen wird die Allmacht und die absolute


,

NaLurerhabenheit des Schöpfers behauptet.

§ 3. Kritische Würdigung der angeblichen


Übereinstimmungsmomente von Enuma elis und Gn I.

Sieht die n.euer:e Bibelforschung dUfCh die von ihr angenommene



aU Drachentradition die Existenz der babylonischen Koslllogonie im
Volke Israel erwiesen, so gelanbrt sie durch die Vergleichung des
biblischen und babylonischen Vveltentstehungsberichtes zu dem Er-
gebnis, daß Gn 1 letzthin aus Enuma eli5 hervorgegangen sei. Die
in Betracht kommenden Forsch~' finden nämlich für den biblischen
Bericht eine Reihe von Übereinstimmungsmomenten mit dee ba-
bylonischen Kosmogonie gegeben und glauben diese Erscheinung
durch eine Entlehnung seitens Israels erklären zn müssen.
A 15 erste charakteristische Übereinsti m mungz wisch en elen
beiden Kosmogonien machen einige Forscher die Vorstellung
,
,

,

48 H. lCdtik der Theorie von dem uabjrLoniscllCn Ursprunge

geltend, daß die \V~lt zu Anfang aus \Va sse l' bestehe. Man
behauptet, daß jene Anschauung aus dem Klima Bnbyloniens hel'zu-
leiten sei. Zud em en tsp reche der T erminu s" T eh6m u (Gn 1,2) dem
Namen "Tiamat", mit weIchem Enuma elis das Chaos bezeichnet.
Indessen gilt zunächst, daß nieht nur di~ Kosmogonien Ba-
hels und :r sraels, so ndern auch die \;V eltentstehungsberi ch te der
übrigen antiken. Völker, welche zu Enuma elis in keiner Beziehung
stehen, das \iVasser als Anfan g der Welt betrachten 1). Die Er-
klärung dieser allgemeinen Erseheinung bietet aber das der Anti.ke
gemeinsame vVeltbild. Diesem zufolge wird sowohl die Himmels-

feste als auch die Erde von Gevlrässern umgeben und eingeschlossen.
Das vVasser erschien daher oer antiken Auffassung in erster Linie
- nämli ch im Vergleich zur festen Materie als der VV el t stoff
und mUßte daher auch notwendig als Urstoff gedacht werden .

Die .Selbständigkeit der kosmogonischen Grundanschauung


von Gn 1 gegenüber Enuma eli5 zeigt sich dadurch, daß der bi-
blische Bericht aUßer den "G.ewässern" auch bereits die "Erde"

d. h. di e feste Masse als Urelement geltend macht (v. 1 und 2a) .


\iVird nach babylonischer Vorstellung die Erde erst im Verlaufe


der Weltbildung hergestellt, so wird nach Gn 1 (in wesentlicher
Übereinstimmung mit Ps 104) die schon im Anfange geschaffene
feste Masse später nur von c1en Gewässer'n des "Meeres" abge-

sondert, und die "Erde" tritt am dritten Schöpfungstage lediglich
in die "Erscheinung" (Gn 1,8).
Hebt man ferner hervor, daf3 die Bezei chnungen des Ur-
meeres in der babylonischen und biblischen Kosmogonie identisch •

seien, so kommt von vornherein in Betracht, daß das hebräische


wie das babylonische Idiom ein und derselben Spraehfamilie an-
gehört 2). Die Fernininendllng fehlt aber bereits ,Ii ieder dem he- •

bräischen Terminus "Teh6m" 3), und die Artikellosigkeit desselben


läßt keinen SchlUß auf eine ursprünglich mythologische Bedeutung
zu. "Zunächsl ist der Artikel an sich . nicht immer ein Kriterium

dafür, ob ein Wort ein nomen proprium ist oder ni cht; Eigen-
. namen wie Libanon, Jordan und Karmel u. a. sind sehr hü.ufig •

im AT mit c1 em Artikel verbunden Andererseits fehlt der Artikel


-
1) Vgl. Nikel, Genesis und Keilschriftforscllllng 121.
2) Vgl. Nikel, Das Alte Testament im Lichte der aItorientalischen For-
schungen, Münster 1909 (BibI. Zeitfr. II, 3), 1G.

1I) E d. K ö n i g, "Altol'ientalische Welt::mschnuung" und Altes Testa-


ment, GI'. Lichtcl'fclc1e-Berlin 1 D05, 38. •


-

des biblischen Schöprungsbel'iehtes. 47

öfters, wo \\ il' ihn erwarten würd en. K e il machl mit R echl


darauf' aufmerk am, daß di es be 'onders ort in c1i chtel-ischel' Sprach e
ge chehe; tehölII sei aber ein eminent di chtef'i sches \iVort I). Übl'i-
gen:::. isl au ch tehöm zweimal mit dem Artikel ver'bunden, nämlich
Js G3, 13 und P 106, H" 2).
vVenn man ferner eine Übereinstimmung r:l er babylonisch en
und hibljschen Kosmogoni e in der Anschauung findet, daß
Himmel und Erde durch eine Scheidung des Urstoffes in zwei
T e i I e entstehen, so ist zunächst wieder zu beachten, daß die-
selbe Vorstellung auch anderen antiken Völkern, den Agyptern,
Phönizier'n und Indern, angehört H). Die Erklärung dieser kosmo-
gonischen Anschauung' bietet ebenfalls wieder das von der Antike
vertretene Weltbild 4). Diesem zufolge besteht das All aus zwei
-großen sichtbaren Hauptbestandteilen, und die Bildung der \Velt
aus der Masse des Urstoffes bedingt mithin eine Scheidung des-
selben in zwei Teile. Auch die babylonische Vorstellung von der
Spaltung Tiamats vermag ohne Bezugnahme auf das Vveltbild
nicht erklärt zu werden und kann mit der neueren Kritik keineswegs

aus den zu Frühjahrsbeginn auf dem babylonischen Boden sich
abspielenden . Naturvorgängen hergeleitet werden. Zunächst •
ist die
Spaltung des Chaos in zvvei Hälften mit der Zertrennung der
Winterwasser in die man n igfachsten Tei le und der Zerstreuung
derselben nach den verschiedensten Richtungen hin in keiner
Wei se identisch. Sodann stellt die eine von Marduk in die Höhe
erhobene Tiamathälfte- nicht die Region der \Volken dar, sondel'll
vielmehr das Himmelsmeer der Antike, wie aus den Vorstellungen
von der Schranke und den Wächtern, mit denen Marduk die
-
oberen Wasser Tiamats versieht, unzweideutig hervorgeht.
vVenn aber Gn 1 und Enuma eli5 auch in dem Weltbilde
überein stimmen, so wii'd andrerseits ihre völlige Unabhängigkeit
voneinauder gerade durch den Umstand bewiesen, daß ihre Schil-
derungen, welche das Weltbild voraussetzen oder an dasselbe an-
knüpfen. durchaus selbständig gedacht und durchgeführt sind. Die
Spaltung Tiamats durch lVJarduk und die Scheidung des Urmeeres
in die oberen und unteren Gewässer (Gn 1) können in keiner

-

I) Pastor bonus XV. Jllhrg. 3. Heft 109.


2) Ni k e 1, Genesis und KeHseh-riitforschung 70.
~ Vgl. Gunkel, Genesis" 107 .
.1) Ni k e I, Genesis und Keilsehriftforsehung 75 .

• •


-

48 H. Kritik der Th eori e von dem ba by loniscben Ursp ru nge


W eise als P arallelen erscheirien, und di e n ähere Vergleichung zeigt,


daß die in Frage stellenden Vorgänge ni cht iden tisch sind. Die •

Anschauung der babylonischen Kosmogonie geht dahin, daß Ma r-


duk das besiegte Chaos in zwei Teile zet'schl ägt, die ein e Hälfte
aufstellt, also in die Höhe empo rh ebt, dieselbe weiterhin mit
. Schranke un d W ächtern urn gibt un d a uf diese V\Tei. e den Himmel
herstellt. Von ein em solchen Vorgange ist in Gn 1 durch aus nicht
die R ede. Hi er geht die Vorstellun g dahin, daß inmitten d e. U r-
·w asse r s e in e F es t e von Gott gebildet virird, welche di e oberen und
unteren Gewässer voneinander trennt, und daß so die Ober- und
Unterwelt entstehen. Die Teilung des Urmeeres bedeutet mithin
in der babylonischen Kosmogonie einen Akt d es Weltbildn e r s ,
welcher für die Erreichung des eigentlichen Ziel es, l'lämli ch für die
Bildung von Himmel lmd Erde, lediglich einen vorbereitenden
Charakter besitzt. Nach Gn 1 aber ist di e Scheidun g der Ge-
. wässer nur die Funktion e in es n e u e r sc haffe nen ' iVe lU eil es 1),
welcher dieselbe bei der Schöpfung erstmalig vollzieht und sodann
auch in den fern eren Zeiten immerfort ausüben soll :l
Gun k e I vergleicht ferner das "Sprechen" Gottes (Gn 1)
und das "Wort" Marduks, und er findet, dafi auch im bab)-
Ionischen Mythus di e Wirksamkeit des göttlichen Wortes stark •

hervorgehoben werde. Es gilt indessen, dafi zwischen dem Zaub e r-



s pru c h e Marduks und dem Sprechen d. h. dem Denk e n Gottes


in keiner vVeise ein Zusammenh ang angenommen werden kann .
' iV enn weiterhin von Gun k e I geltend gemacht \vird, daß in
beiden Beri chten bei der Schöpfun g der Landtiere dieselbe Klassi-
filmtion sich finde, so ist darauf zu ven veisen, daß in Enuma elis,
soweit uns das Epos bekannt ist, von einer Hervorbringung von
Landtieren überhaupt nicht erzählt viTird. Das Fragment 3), auf
welches G unk el Bezug nimmt, gehört nicht zu ,Enuma eli: und

bietet auch nur auf Grund einer nicht fes tstehenden R ekonstruk-
tion die von G unk e l angeführte Kl assifikation.
Bu d d e und J e n se n erbli ckten einen Be\veis für die Ab-
hängi·gkeit des biblischen Berichtes von der babylonischen Erzäh-

1) Gn 1,7: "Gott machte di e F este, und s i e schi ed das Wasser." Vgl.
P e t e r s , Glallben und Wi ssen im erstell biblischen Schöpfun gsberi cht (Pad er-
b orn 1907), ß7 sowi e 71 A. 3: "Die F este", ni cht Gott ist Subjekt, wie V. G zeigt.
2) Gn . 1, 6 : Gott sprach: "Es soll · eine F este sein inmitten des Wassers,
und sie soll ein e Scheidewand sein 7.wisehen dem Wassel' und dem '~asser! "
") Schöpfung und Chaos 415.


des biblischen Schöpfungsberichtes . 49


lung in dem Umstande, daß in beiden Kosmogonien


Reihenfolge der Schöpfungswerke sich zeige. Aber bereits von
Gun ke 1\\ mde diese Behauptung wieder zurückgewiesen. Und •

in ' iVil'kli 'hkeit enthält das babylonische Epos, wie es uns zur
Zeit vorliegt, überhaupt keine Darstellung von der Bildung der
Erde und \'on der Hervorbringung der Pflanzen und Tiere. •
Gunkel findet endlich, daß verschiedene Züge des biblischen
Berichtes "erst aus der babylonischen Parallele recht verständlich
wEfrden " 1). Er glaubt zun ächst den lJmstand, daß in Gn 1

die Bestimmung der Himmelskörper für die Regelung und Fest-
stellung der Zeiten stark hervorgehoben wird, aus der babylonischen
Sternl'eligion erklären zu können. Doch vermag auch naeh dieser'
Richtu,ng hin der Gegensatz zwischen. der biblischen und baby-
lonischen Religion nicht verkannt zu werden. Für beide gilt aller-
dings, daß aus ihrem 'iV esen die Auffassung vom Zwecke der Ge-
stirne, die Zeiten zu regeln, ni eh t hergeleitet werden kann. Denn
jene Zweckbestimmung beruht auf keiner irgendwie religiösen Lehre,
sondern entspricht nur der Funktion, welche die Gestirne ausüben,
indem sie tatsächlich die Zeiten normieren. Wenn daher in An-
erkennung' dieser vorliegenden Tatsache die biblische und baby-
lonische Anschauung übereinstimmen, so ist kein besonderer Er-
klärungsgrund erforderlich. Ein fundamentaler Unterschied ist
dagegen darin gelegen: daß die biblische Religion in den Gestirnen

nur Geschöpfe mit rein innerweltli cher Zweckbe s timmung

erblickt, indem sie ihnen, besonders im Schöpfungsberichte, nur


die Aufgabe zuweist, die Zeiten zu regeln und Licht auf der Erde
zu spenden, während hingegen die babylonische Religion die Ge-
stirne an erster Stelle als die vorzügJi c hsten Ers cheinungs- •

formen der Gottheit auffaßt und dieselben mithin zum gött- I

lichen Wesen s elbst in Beziehung setzt. .


. Ähnliches ist geltend zu machen, wenn Gunk e l das Auf-

treten des Lichtes vor der Erschaffung der Gestirne für den •

biblischen Bericht aus der babylonischen polytheistischen An-


schauung herleitet, nach welcher das Licht bereits zum Wesen der

oberen Götter gehört. Es ist nämlich darauf zu verweisen, daß
die gesamte Antike das Licht zunächst als eine von •
. den Gestirnen
unabhängige Substanz .und sodann vor allem gemäß der täg-
lichen Erfahrung - als die ' Bedingung alles "Verdens und aller
• •


1) Schöpfung und Chaos 116.
Altl es t. AlJhandl. 111 , 1. Kir c hn e r, Di e LaLyl. Kos mog oni\'. 4


• •
• •

50 11. Kritik dei' Theorie von dem babylonischen Ursprunge usw.



Ordnung in der Natur auffaßte. Gerade die letztere Anschauung


von der Bedeutung des Lichtes kommt in ve1'schiedenen Ko mo-
• goni en der Antike zu besond erer Geltung, indem von ihnen mit
dem Auftreten des Li eh tes der ' Eintritt von Leben und Ordnung
in der Welt verknüpft wird. Indessen liegt der große Gegensatz
zwi schen den heidnisch en Kos1l1 0goni en und dem biblisch en Schöp-
fun gsbe1'ichte wieder darin, daß in jenen da s Li cht als ·W e se n s -
eIe m e n t c1 e L' Go tth e i t erscheint, durch welches die.'elbe ihre
Tütigkeit vollzieht, ,;v ährenc1 in Gn 1 das Li cht ein Geschöpf
Gottes bedeutet, das r e in inn e n ve ltli cher N a tur ist. •

·Gunkel findet endli ch auch, daß das Wort, Gott habe alle

·von ihm h ervorgebrachten Schöpfungen für gut befund en, durch


den Vergleich mit dem Babylonisch en ein en charakteristischen Sinn


erhalte. Es preise nämli ch auch der babylonische Hymnus die



Gnade des Gottes, der da s höse Ungehener eri"-ichl agen und die
gute W elt ersch affen habe .
. Aber auch die Vergleichung der beiden . Kosmogonien nach
jenen von Gun k e l hervorgehobenen Momenten läI~t in ,Virklich-
keit die Verschiedenheit der Beri chte ni cht verkennen. " 7enn auch

in Enum a eli8 Marduk wege n der Fülle a11 des Guten, das in der
Vllelt sich vorfindet, gepri esen wird, so wird doch die ,Velt selbst
nicht schlechthin als eine gute erklärt. Diese ist gemäß baby- .
Ionischer Denka rt trotz des Sieges, den Marduk errungen hat,

voh der Macht Tiamats ·ni cht völlig befreit, und von dem Ungeheuer

droht immer noch Gefahr. Daher fl eht auch die GöUerschar in


ihrem Hymnus ausdrücklich zu Marduk: "Tianmts Leben überwältige,

kürze und verkürze er!" Di e unh e ilvoll e Ma cht d es Chaos



und Meehanismus ist al so ni cht gänzlich ge bro ch e n und
besteht trotz der erlitt enen schweren Niederl age noch fort. In
On 1 hingegen wird die zur Vollendung gebrachte V,TeIt als se hr
g u t erklärt. Eine pessimi stisch e Stimmung, wi e sie von Ennma
• eH8 in gewissem Maße vertreten wird, findet ' sich im hiblischen
Berichte nicht. Das Problem des Ühels erfährt. wie nicht üher-

• seh en werden darf, in der b abylonisch en und biblischen Religion


eine völlig verschiedene Beurteilung und Lösung. Das Übel haftet •

nach der Anschauung Babels der ,;Y eIt seit der Urzeit an und
"val' stets mit ihr verbunden. Nach der Lehre der Bibel hingegen
ist erst die verkehrte Selbstbestimmung des Menschen di e Quelle
••


allel' Ubel geworden. Die Welt ist n ach Gn 1 und 2 aus der
I-land Gottes als sehr oo·ute hervoro·eo'ano'en·
I:> I:> 0 , erst die Sünde hat

,
-
IH. Positiver Beweis gegen die Theorie vom bahyl. Ursprunge usw. 51
"

das Übel nach " ich g'ezogen . Nach babylonisehel' Auffassung ist
das Ul'wesen auch das Ul'böse und das Ul'übel.
So ergibt sieh, daß die Vergleichung der babylonischen und
biblisehen Ko mogonie in bezug "auf Einzelmomente ebenfalls keine
Anhalt:punkte bietet, aus denen auf ein Abhängigkeitsverhältnis
von Gn 1 zu Enuma elis geschlossen werden kann. Fimlen sich
in den Berichten z\vei analoge, auf dem gemeinsamen antiken
V.f eltbilde beruhende Vorstellungen, so beweist gerade die charak-
teristisehe Eio-enart
o derselben , daß die Beriehte selbst voneinander
" "

unabhängig sind. Die Vergleichung anderer Momente aber zeigt,


daß die beiden Kosmogonien durch die verschi~denen Weltan-
schauungen' auf denen sie aufgebaut sind, bis ins Einzelne und
selbst in den äUßeren Strukturen sich als unmittelbare G eg en- "

sä tz e gegenüberstehen, die niemals Glieder einer Entwicklungs-


reihe sein können.
- "

"
"

Drittes Kapitel.
Positiver Beweis gegen die Theorie v babylonischen Ursprunge
des biblischen Schöpfungsberichtes.
§ I. Die Grundlagen von Gn I in der Religion
des Alten Testamentes. "

1. Wenn neuere Forscher den babylonischen Ursprung


des biblischen Schöpfungsberichtes behaupten, so sind sie doch
der Ansehauung, daß Israel vermöge seines religiösen Gedan-
kenkreises durchaus fähig war, eine Erzählung von der Er-
schaffung des Himmels " und der Erde zu verstehen und aufzu-
nehmen. Im Unterschiede zu jener religionsgeschichtlichen Auf-
fassung, welche den Schöpfungsgedanken erst von Deuterojesaias
herleitet, gelangte besonders Gu n k e l zu dem Resultate, daß dem
alten Israel die Schöpfungsidee nicht schlechthin abgesprochen
werden könne. Indem Gunkel darauf hinweist, daß Altisrael
nach dem Ursprunge der verschiedensten Dinge und Erscheinungen
fragte, hält er auch Israels Frage nach dem U I'sprunge der ge-
samten Wirklichkeit durchaus für inöglich. Auf eine solche Frage
aber, führt Gunkel weiter aus, konnte im alten Israel keine
andere Antwort gegeben werden, als diese, daß Jahve "dies Alles"
gebildet habe. Diese Anhvort liege zudem von dem sonstigen
- 4*

,
52
,
IH. Positiver Beweis gegen di e Theorie vom baby!. Ursprunge

Denken des alten Israeliten d urch au s nicht weit ab; denn "Jahve
w a r es, der übel' Sonn e, Mond und S terne gebo t; er ließ die
'Winde wehen, er li eß es donn ern , blitzen und regnen und ver-
schlof.! den Himmel, wenn es ihm belieb te" _
Im Nähe ren findet G unk e l die Exi stenz des Schöpfungs-
o'edanken'
o erwi
" esen für die proph eti sche Zeit durch Jer 27 und für
die vorpropheti sche durch Gn 2, 4 und den T e mpelweih"pl1uch
,

I Hg 8, '12. ,
'W eicht so Gu n k e I von der gewöhnlichen l'e'ligionsgeschicbt-
li chen Auffa ssung betreffs de r Entwi cklung des atl Schöpfungs- und
Gottesbegriffes ab, so will er zu d81'selben dennoch nicht in Gegen-
satz treten und m acht geltend, daß der israelitische Schöpfungs-
,

gedanke für die alte Zeit ni cht allzu hoch eingesch ätzt v,7erden
dürfe. "Das alte Volk, dessen Interesse ganz wesentlich auf Ka-
,
naan und seine nächste N achb ars~haft heschränkt war, dac.hte,
,
wenn es von der Schöpfung ,on ,Himmel und Land' hörte, zu-
nächst an das Land Kanaan und an Kana ans Himmel; die Sonne,
,
,

die Jahve an den Himmel gestellt h at, ist die Sonne, die unsere
Fluren bescheint. . .. Daß Jahve, der Schöpfer Himmels und der
Erden, unei1dlich viel m ehr sei als Jah,'e, der Gott ' Israels, war
der Antike nicht ,deutli ch " l). Und in Übereinstimmung mit W e ll-
hau se 11 ist Gunkel der Meinung, da f.! erst dmch den Zusammen-
,

stOß mit der Grof.!macht im Osten für Israel di e 'Velt sich auf-
,
getan hat.
,
, Ein e national und t e rritorial beschränkte Fassung' des
Schöpfungsgedankens ist ind essen für Israel zu bestreiten. Nach
dem Einzuge in Kanaan konnten für Israe l die Begriffe "Erde"
,
, und "Land Kanaan" schon auf' Grund der von ihm erlebten Ge- ,

schkhte nicht zusamm enfallen. Di e lsraeliten hatten Kanaan als


,
ein fremdes Land er st erobern und mit Gewalt in Besitz nehmen
mü~se n. Zuvor ha tte Israel lange Zeiten hindurch in de r V\füste
Aufenthalt genomme n, nachdem es schon Jahrhunderte lang im
L~nde Ägypten verweilt und auch des~en Nachbarschaft kennen
gelernt hatte. Di e Erinn erun g aber an seine Geschichte in jenen
(}ebieten wal' in Israel zu jeder Zeit lebendig. Dazu kommt ferner,
daß Israel selbst sich keineswegs n.ls autochthones Volk gewuf.!t
hat. Sein Stammvater ist nicht aus Kanaan h ervorgegangen,
sondern aus B,a bylonien, und -el ie Beziehungen zu cUesem ' immer-
,

, I) Schöpfung und Chaos 159. ,


des biblischen Schöpfungsberichtes.

hin fernen Lande wmden durch Abrahams Familie nicht abge-


brochen, sondern vielmehr aufrecht erhalten.
Gegen einen engen kanaanäischen Gesichtskreis Israels sprechen
weiter die vom israelitischen Volke gepflegten uralten Traditionen, die
von Ereignissen und von Taten Jahves auf aUßer kanaanäischem
Boden erzählen. So wird schon das Paradies nicht nach Kanaan
verlegt, sondem es befand sich in dem Zweistromlande. In der
Sinttluterzählung wird ausdrücklich der Ararat in Armenien als
der Berg bezeichnet, auf dem die Arche Noahs sich niederließ.
Im Lande Sinear findet der Stadt- und Turmbau der bislang
durch die Sprache geeinten Menschheit statt, und von Babel aus
zerstreut Jahve die Völker über die ganze Erde. Will aber die
Kritik jene alten Traditionen IS['aels als fremde, auf Jahve über-
tragene Göttersagen erklären, so ist ihr die Durchführung ihres
Versuches schon aus dem Grunde nicht möglich, weil . sie für
Israel die beschränkte Vorstellung eines Nationalgottes behauptet •

Israel hätte nämlich zufolge des ihm von der Kritik zugeschriebe-
nen Gottesbegriffes, nach welehem Jahve aussehließlich der Gott
des israelitischen Volkes und nur der Herr Kanaans war, seinen •

Gott stets aufs bestimmteste von anderen fremden Göttern unter-


scheiden müssen, und eine solche Unterscheidung hätte sodann


notwendig einer Verschmelzung anderer Gottheiten mit Jahve und
-
einer Ubertragung fremder Göttersagen auf den israelitischen Na-
tionalgott hindernd im Wege gestanden. Durch die at 1 Geschichts-
erzählung wird 'z udem bezeugt, daß das Volk IS1'ael seinen Gott •

zu fremden Göttern in eine ganz andere Beziehung gesetzt hat,


als die in Betracht kommenden Forscher in ihrer Theorie an-
nehmen. Das israelitische Volk wandte sich in Wirklichkeit ft'emden
Göttern zu, wie die Verehrung des goldenen Kalbes schon für eine
frühe Zeit beweist. Fiel aber so das Volk auch wirklich von Jahve
ab, so wollte es doch nicht immer zu seinem wahren Herm jegliche
Beziehung lösen und verehrte, was gegen einige neuer'e Forscher
hervorzuheben ist, un tel' dem Namen J ah ves den Gott der
Fremde. Geschichtlich ist also nur die Tatsache bezeugt, daß Jahve

zur fremden Gottheit in Beziehung gesetzt wmde und zwar in der


Weise, daß er selbst in der anderen Göttergestalt unterging.

Endlich ist darauf zu verweisen, daß das Bild, welches man


früher von dem antiken Völkerleben und seinen wechsel seitigen
Beziehungen entworfen und der Bestimmung des altisraelitischen
Gottesbegriffes zugrunde gelegt hat, inrnanchen Punkten durch


54 IH. Positiver Beweis gegen di e Theo rie vom baby!. Ursprunge

d'ie Keilschriftforschung als unrichtig erwi esen worden ist. Letz-


,

tere hat dargetan, daL3 die antiken Nati onen keineswegs durch
absc;hli eßende Sc;hranken und Grenzen getrennt , sondern dUI'c;h
Verkehr miteina nder verbunden waren. Und so steht es mit dem
Hesultate jener Forsdmn g völlig im Einkl ang, 'wenn nach dem
Zeugni sse des AT Israel sich nie als isoliertes Volk gewußt hat,
sondern stets in engel' Beziehun g zum großen Völkermeere der
,

Erde sich fühlte, indem sein P a rtikul a ri s m u s nur in dem 13e-


,~v
, ußt se in und d e m A n s pru ch e bestand, das aus den Nationen
erwählte Volk de s W elt e n g ott es zu sein.
, 2,. Ist der Schöpfungsgedanke in uneingeschränktem Sinne
zu jeder Zeit das Besitztum Israels gmvesen, so ist in demselben
die vorzü gli chste Grundlage des biblischen Schöpfungsberichtes
gegeben und aufgezeigt. Gn 1 ist nämli ch zunächst nichts anderes
al s die große Anwendung und Durchführung der israelitischen oder
;:ttl Schöpfungsidee in bezug auf die gesamte erfahrungsmäßige
,

:\iVirklichkei t. Daß die "V eH und ihre Bestandteile von Gott als der
schöpferi schen Ursache herstammen, ist der Grundgedanke von Gn 1.
Indem von der biblischen Kosmogonie das gesamte All in
das Licht des Schöpfnngsgedankens gerückt wird , fließen in die
Darstellung des Berichtes die Grundzüge des in der Antike herr-
schenden W eltbildes ein 1). Indessen findet eine Verknüpfung des
vVeltbildes mit der Schöpfungslehre selbst in keiner vVeise statt,
und der VVahrheitsgehalt des Berichtes ,vird durch die Verwendung
des antiken W eltbildes nicht berührt. Dieser Sachverhalt ergibt
sich , sobald W esen und T endenz von Gn 1 als einer antiken
Kosmogonie gevvürdigt werden, zum al in Vergleichung mit der
Kant-Laplaceschen \Veltentstehungstheorie. Ausgangspunkt der
letzteren bilden das W eltsystem, ,,,ie es durch Kopernikus aufge-
stellt wurde, sowie elie bestimmte Auffassung der Natur und ihrer
Kräfte, zu welcher die Wissenschaft auf Grund der empirischen
Forschun g gelangte. Von m e t a ph ys isc h e n Gesichtspunkten sieht
di e Kant-Laplacesche Theorie ausdrücklich ab, und sie will nur
den ä u ß e r e n V e rl auf der vVeltentstehun g zur Darstellung bringen.
Demgegenüber j st Ausgangspunkt jeder antiken Kos mogonie die
m e t a ph ys i sc h e '\i\Te lt a n sc h a uun g ; das W eltbild aber und die
Anschauun g vom äUßeren Verlaufe der \~leltentwicklun g hat für

1) Vgl. P e ters, Glauben und Wissen im ersten biblischen Scböpfungs-'


b eri cbt 33,
,



des biblischeu Sc böpfungsbel'i chtes. 55


sie keine we 'entliche Bedeut un g. \.lI eed ings kann di e a ntike Kos-
mogonie, inde m 'ie den Hel'vo rgang der Welt aus ihrelll letzten
Grunde darstellt, auf' ein Bild von der AUßenseite der vVeltent-
stehung nicht, erzichten, da der vVerdeprozeß der 'Welt stets so

gedacht \\ erden mUß, daß sein Hesultat, nämli ch die bes tehend e
vVeltordn ung, dem System oder Bilde entspricht, nach dem das
All jeweilig aufgefaßt und vorgestel1t wird. Das W eltbild ' ist so
in form a l e r H in s ic ht für die Kosmogonie von Einfluß. Wie
dasselbe aber überh aupt nur di e Auffass un g der AUßenseite der
vVell, nämlich di e Vorstellun g von der Zusanunensetzun g und dem
Aufbau des ' tVeltalls berührt, so ha t es auch in de r a ntiken Kos-
mogonie nm Bezug auf di e Vorstellung vom ä l1ßeren Verl aufe der
vVeltbildung. Es gilt nun a ber, daß di e T end enz der Antike über-
haupt nicht auf die Bestimmung oder Feststellun g des äUßeren
Weltbildlmgsprozesses geri chtet ist. Sobald nämlich di e gesamten
kosmogonischen Ausführun gen und Berichte einer einzelnen antiken
J3,eligion miteinander vergli chen werden, so ergibt sich, daß die-
selben bei voller Übereinstimmung in den metaphysischen Ansichten
kein einheitliches Bild von dem äUßeren Verlaufe der W eltent-
stehung vertreten. Bezüglich der AUßenseite der Weltentstehung
werden also von der Antike abweichende Vorstellungen l1eben-
einander geduldet, und dieselbe läßt somit erkennen , daß sie ihre
Kosmogonien nicht als Beschreibun gen des Weltwerd eproz8sses im
modern-naturwissenschaftli chen Sinne ve I~steht und darbietet 1).
• Aus dieser Sachlage folgt von selbst, daß bezüglich der
biblischen Kosmogonie die Frage na ch dem 'Vahrheitsgehalte gänz-

li eh anders zu lösen ist als hinsichtlich der Kant-Laplaceschen


Vveltentst ehungstheorie. Letztere steht und fällt mit der Hichtig-
keit ihrer von der empirischen Forschung übernomm enen Vor-
aussetzungen über vVeltbau und Natur. Was hingegen di e biblische
Kosmogonie ihrem y..,r esen und ihrer T endenz nach bezüglich des
Ursprunges der Wrelt lehrt und behauptet, li eg t aUßerhalb des
• Forschungsgebietes der Naturwi ssenschaft und ist erh aben über

allen vVechsel der Forschung. Bringt die Wissensch aft auch im-
merfort die Schönh eit und Herrli chkeit des YReltalls glänzender
zur Darstellung, als dieselbe im a ntiken ' Veltbil de zum Ausdruc.k
gelangt, so erstrahlt auch zu gleicher Zeit in um so hell erem Li chte

1) Vgl. H o lzhey, Schöpfung, Bibel und Inspiration, 2. Au sg., Mel'ge:ut-


heim, 36; Peters, Glauben und Wissen im · ersten biblischen SclI i;ipfungs-
bericht 39 42.



56 III. Positiver Beweis gegen die Theorie vom babyl. Ursprunge •

die 'Vahrh eit der Fundamentallehl'e von Gn 1, daß nämlich ein •

Schöpfer existiert, dessen 'Veisheit, Wille und Macht die gesamte


" relt aus dem Nichts hervorgebracht haben .

3. Ist im Schöpfungsgedanken die erste Quelle von Gn 1 ge-


geben, so stellt die teleologisch e Weltauffassung der atl Reli- •

gion die zweite große Grundlage des Berichtes dar. Die Welt
besitzt 'dem atl Zweckgedanken zufolge ihr Ziel zunächst in sich
• selbst, und der unmittelbare Zweck des Alls ist in diesem selbst
gelegen. Am bestimmtesten kommt diese Idee zum Ausdruck in

der Lehre von der Stellung und Würde des Menschen, der schlecht-
hin als der Herr der Erde gilt. Adam, dem ersten Mensehen,
wird das Paradies als Besitz zugeviTiesen. Durch Kultural'beit soll
er die Natur in seinen Dienst stellen. Den Tieren der Erde ver-
leiht er ihre Namen und erscheint somit als Herr derselben. Dem
zweiten Stammvater der Menschheit, No a h, wird gleichfalls von
Gott die unumschränkte Herrschaft über die Welt zugesprochen.
Was aber die in der Natur bestehenden Zweckbeziehungen angeht,
so erfahren dieselben besonders im Schöpfungshymnus Ps 104 eine
herrliche Darstellung:

10 Du bist's, der die Quellen in den Tälern emporsendet,
Daß [die Wasser] einherfließen zwischen den Bergen j
11 Sie tränken alle Tiere des Feldes,
Die Wildesel löschen ihren Durst j
12 An ihnen sitzen die Vögel des Himmels,

• Lassen zwischen den Zweigen die Stimme erschallen .

13 Er tränkt die Berge aus seinen Söllern,
Von der Frucht deiner Werke wird satt die Erde j
1-1 Er läßt Gras hervorsprossen für das Vieh,
Und Pflanzen für der Menschen Arbeit,

Um Korn hervorzubringen aus der Erde,


15 Und daß der Wein des Menschen Herz erfreue,
Daß von Fett das Antlitz glänze

Und das Korn das Herz des Menschen stärke.
16 Satt werden die Bäume [des Feldes]
Die Zedern des Libanon, 'die er gepflanzt hat,

1i Wo die Vöglein nisten,
Der Storch , dessen Haus auf den WTipfeln steht;
18 Die hohen Berge sind für die Steinböcke, '

, Die Felsen eine Zuflu cht für die Klippdächse.




ddS biblischen Schöpfungsbel'ichtes. • 57

H) Er machte den Mond für die Festzeiten,


Die Sonne kennt ihren Unlergangsort;
20 Du mach t die Finsternis, und es wiro Nacht,

In ihr schleichen umher alle Tiere deo Walde.;
:lL Die jungen Löwen brüllen [beim Rauben]
Und indem sie ihre Speise fordern von Gott.
22 Die Sonne geht auf, sie ziehn "sich zurück
Und lagern sich in ihren Schlupfvvinkeln.
2<1 Der Mensch zieht aus zu seiner Arbeit
Und ' zu seinem Tagevirerk bis zum Abend" 1).
Was encUich das höchste und letzte Ziel der Welt betrifH, '
· so liegt dasselbe dem AT zufoJge über die Schöpfung hinaus,
wie insbesondere die Verpflichtung des Menschen zur Gottähn-

lichkeit (Ex 20,9 ·11; Lv 19,2) beweist. Gott . selbst ist das
höchste Ziel der Schöpfung.
In Gn 1 kommt die atl Lehre von der Zweckbestimmung der
Welt unverkennbar zur Geltung. An erster Stelle kommt in Be-
tracht die Lehre des Berichtes über die Stellung des Menschen
im Weltall. Dieselbe 'wird mit wesentlich denselben Worten
zum Ausdruck gebracht, mit oenen Noah die Herrscherwürde zu-
gesprochen wird, wenn auch nicht in der für Gn 9 charakteri-
stischen archaif?lischen Prägung. Auch durch die Bestimmung der •

Tiere als Nahrung für' oie Menschen' unterscheidet sich Gn 9 nicht


vom Schöpfungsberichte, da Gn 1 einerseits die Fleischnahrung
nicht ausschließt und andrerseits dem Menschen die unbesclU'änkte
· Herrschaft über die Tierwelt zuspricht. Die Zweckbestimmung,
welche die einzelnen .W eltteile nach Gn 1 besitzen, ist innerweltlich.
Das Licht wird von Gott zum Tage bestimmt, die Finsternis zur
Nacht. Die Himmelsfeste dient als Scheidewand der Gewässer,
und die großen Welträume, die von Got.t gebildet werden, haben
nur den Zweck, den mannigfachsten vVesen Stätte und Wohnung
zu bieten. Die Pflanzen werden den Menschen und der '1'ierweIt
als Nahrung zugesprochen. Für Sonne und .
Mond wird - beso nders
die Bestimmung hervorgehoben, Leuchtkörper für die Erde zu
seil1~ ferner sollen sie zur Fest.stellung der Zeiten und als Zeichen

di enen. Die Tierwelt v.rird wie die gesamte übrige Natur der
I4errschaft des Menschen unter 'teIlt. Wenn endlich der Schöpfungs-

J) Nach Peters, Glauben und Wissen im ersten biblischen Schöpfungs-


• bericht 74 f .



• •

,

58 UI. POi:iitiver Beweis gegen di e Th eori e vom babyJ. Ursprunge


,

bericht sein e Scllildernng von det' W eHentstehun g mit dem Sabbats-


geda nk en verbin det und sein e DarsteUun g in di eser Idee ihren
Gipfelpunkt finden läßt, so schli eßt er sid1 mit der atl Lehre von
dem letzten Z",,,ecke der v"eIt unrnitlelbar zusamm en. Dem Sab-
batsgedanken zufolge soll di e weltschöple rische '1'äti gkeit Gottes
von dem Menschen durch die seebstägige Arbeit nachgeahmt
werden; di e Feier des Sabbats wird ebenfall. ' im Hinbli ck auf das
Vorbild des Schöpfers gefordert 1). Die Sabbats['eier selbst bedeutet
die W eihe des siebenten Tages an Jahve (Ex 16,23), die H11h e
, des Geistes in Gott. vVi e die P eriode der 'Woche mit. dem siebent en
T age ihren Abschluß find et 2), so soll die Arbeit des Menschen mit
der Sabbatsruhe in Gott zur Voll endun g gelangen. Somit ergibt
sich aber, da ß nach Gn 1 di e W elt in und durch den Menschen
eine unmittelbare Zielbestiml1lun g für Gott besitzt. Auch dem
Schöpfungsberichte zufolge ist Gott der höchste Endzweck der W elt.
4. Sind im Schöpfungsbegriffe und in der teleologischen Welt-
auffassun g des AT die Grundlagen von Gn 1 gegeben, so ist durch
dieselben zugleieh der l e tzt e Ur sprun g des Berichtes aufgezeigt:
die üb e rn a tüdi c h e Offe nb a run g Gottes an di e Men;:;chheit.
,Die aU W eItanschauung, auf der Gn 1 aufgebaut ist, vermag aus
irgend einer natürli chen Vorau ssetzun g nicht hergeleitet zu werden.
Aus der geisti gen Ei genart Israels kann zunächst der Monotheis-
,
mus im Sinne des Schöpfun gsglaubens nicht erkliirt werden. Aus
der Masse des Volkes ist er nicht hervorgegangen; diese neigte
vielmehr stets dem naturalistischen Polytheismu s zu. Die Träger
des Monotheismus aber, die Propheten, nehmen ihren Gottesbegriff •
ni cht als eigene Errun genschaft in Anspruch, und tatsächlich kann

auch di e atl Gottesid ee angesichts der einzigartigen Fülle von Vor-


zügen, die ihr eigen ist, sowie besonders wegen ihres trinitarischen
Charakters nie als das Hesultat des menschli chen spekulativen
Forschens nachgewiesen werden 3). Die Lehre aber , welche das
AT über Ziel und Zweck der vVelt vertritt, ist ebenfall s durchaus
einzigartig. Dieselbe is t über die 'Zweckgedanken jeder anderen
Heligion und jeglicher Philosophie unendli ch erhaben und mUß
gleichfalls a uf die Offenbarung oder das Li cht derselb en zurü ck-

1) Vgl. I-I o lzh e y, Schöpfung, Bibel und Inspirati on 34.


2) I-I e hn, Siebenzahl und Sabbat, Leipzig 1907, 88, 121.
ll) S c h e ll, Jabve und Christu s 19,78; Nik e l, Genesis und Keil scbrift-
for schung 260 f.
, •

• ,


• •

des bibli ehen Schöpfungsbel:ichtes. 59

geführt werden. omit ergibt sieh aber die Nolwendigkeit, al


lelzten Quell- und \.usgang punkt des biblisehen Schöp fung be-
richte die übernatürliche Belehrun g der Men.. chh eil durch Gott
anzunehmen und zu behaupten. Jede andere . Erklärung- versagt.

§ 2. Der Kampf zwischen der babylonischen und


biblischen Weltentstehungslehre .

Indem der piblische Schöpfungsbericht seinem innersten W esen


nach in der atl Religion gründ et, i"t im Zusammenhange mit der
vollen Selb ·t[mdigkeit aller kosmogonischen Vorstellungen des Be-
richte. das Eigentumsrecht Israels an Gn"1 in vollem Umfange er-
wiesen und sichergestellt. Hieraus ergibt sich, daß die Annahme,
die biblische Kosmogonie sei ein in das israelitische Volk aus der
Fremde eingedrungener Stoff, schon an sich religionsgeschicht-
lich unmöglich ist. \V"enn aber neu~re Vertreter der Religions-
wissenschaft Gn 1 des Näheren mit der Kosmogonie Babyloniens

in Verbindung setzen wollen, so widerstreitet dieser Versuch in

noch höherem Maße dem religionsgeschichtlichen Tatbestande, •



indem das Geschichtsbild, welches jene Forscher i'Lber die Be-
ziehungen von Gn"1 zum babyloni schen Weltentstehungsepos ent-
werfen, zu dem wahren geschichtlichen Verhältnisse der beiden
Kosmogonien völlig im Widerspruche steht. ,
"Vie die Geschichte
der Gno s is und ihres Kampfes mit dem Christentume be-
weist, sind Gn 1 und Enuma eli5 wirkli ch in Beziehung zuein-
ander getreten. Diese Beziehung war indessen nur gegensätzlicher
und feindlicher- Art. Der Ausgang der geschichtlichen BerÜhrung
von Gn 1 und Enuma eli5 aber sollte, wie gegen die Kritik hervor-
zuheben ist , für die biblische Weltentstehungslehre den Sieg über
die Gedankenwelt der babylonischen Kosmogonie bedeuten.
1. Bereits von den Kirchenvätern wird scharf hervorgehoben, •

daß der Gnostizismus in seinen mannigfachen Bestandteilen nicht


als das selbständige Geistesprodukt seiner Vertreter gelten könne,
sondern vielmehr in letzter Hinsicht ein Erbgut aus alter Zeit dar-
stelle. Ir e n aeus nimmt als Qu elle der gnostischen Lehre wohl zu-
nächst die griechische Philosophie an, ist aber zugleich der Ansicht,
daß die Philosophie selbst ihre Gedanken aus der Überlieferung
erhalten h abe; di ese letztere näher zu bezeichnen, war ihm nicht
möglich. Die modern e Forschung gibt den Kirchenvätern insofern
Recht, als sie ebenfalls den nichtchrisllichen Ursprung des G110-


60 111. P ositiv er Beweis gegen di e Th eo ri e vom baby I. Ursprun ge



stizi smu s behauptet und näh erhin den Einfluß des Ori ents auf di e
Ausgestaltung der Gnosis nachge wi esen hat 1). Bei all el' Neuheit
der Form , in der di e Gnosis sich da rbietet, kann vor all em das
ba by loni sc h e Element in ihr ni cht verkannt werden. Ein au -
gesprochener Spiritualismus hat sich zwar an dem überkom menen
Stoffe hetätigt; aber gerade der Um stand, daß in un d aus dem
Spiritualismu s der Gno tiker verschiedene Bestandteile ihrer Lehre
keine Erklä rung finden, weist wieder darauf hin, daß der Gno-
stizismu s fretn de Gedankenkreise übernomm en h at.
vVas des Näheren die ko s mo g oni sc h e n Ideen der Gnostiker
angeht, so kann ein Zusamm enh ang derselben mit den babylonischen
Vorstellungen nieht in Zvveifel gezogen 'werden , und die eingehende
Untersuchung dürfte enge Beziehungen zwischen der babylonischen
und gnostischen Kosmogonie ergeben.
All den verschi edenen Formen und Systemen, in denen der
Gnostizismus seine Gedanken über die ,Veltentstehung zum Aus-
druck gebracht hat, ist zunächst ein Grundelement mit der baby-
lonischen Kosmogonie gemeinsam, nämli ch di e duali s ti sch e Auf- •

fassung nnd Bev..,ertung der W eit. Mag auch in einem gnosti schen
Systeme gleichwie in Enuma elis - - der Gedanke, daß die
Wirklichkeit letzthin ans einem einheiUiehen Urgrunde hervorgin g,
noch so sehr betont "verden, so gelangt doch das gnosti sche
Denken über ein en Zwi es p a lt in d e r b es t e h e n d e n vV elt nie-
mals hin aus. Dieselbe erscheint ihm zusammengesetzt aus einem
guten und bösen Prinzipe, au s Licht und ' Finsternis. Diese du a-
listische Idee ist aber wesentlich bab vloniseh und in den An-
"
schauun gen über Tiamat ein erseits und die Gö tter,,'elt andrers ~its
zum Ausdru ck gelangt.
Im Einzelnen zeigt zun ächst die Lehre der B a rb e lo gno s tik e r.
wie sie von Phil as t e r (Haer. 33) in wesentli cher Übereinstimmung
mit Epiph a niu s (Haer. XXV, c. 5) geschildert wird , eine enge
Anlehnung an die babylonisch e Kosmogonie. Phila s t e r berichtet:
Dicunt (gnosti ci) autem et dogmata ponentes ista : Ante erant
solum tenebrae et profundum et aqua, atque terrae [Var.: ex hi s]
divi sio facta est in medio, et spiritus separavit haec elementa .


J) V gl. An z, Ursprung des Gnostizi smus, in: Tex te und Untersu chungen,
hrsg. v on v. G cl;l hard t und Harna c k, XV 4. Heft (Leipzi g 189 7) ; B o u sse t,
H allptprobl eme der Gnos is, Göttin gen 1907, in: F orschungen zur Religion
lind Litel'atllr des Alten und Neuen Testamen ts, hrsg. VOll B o u sse t und
G unk e l, 10. Heft. .
• •


• •


des biblischen Schöpfungsbel'ichtes . 61


tune ergo tenebrae imuentes in sp iritum genuerunt quatuoI' Aeonas,


et is1i quatuor genu runt alios quatuor' Aeonas. hoc a utem : dextra
atque sinistra, lux , inqullnt, sllnt et tenebr·ae.
Die Lehre der Barbelognosis stimmt mit der babylonischen
Kosmogonie in jener Form , in der sie durch den Bericht des Bels-
prie tel'<:: Berosus I) (300 v. Chr.) überliefert worden ist, unmittel-
bar in der Anschauung vom Urwesen überein j wenn die Gnosis
annimmt, daß "vor Zeiten nur Finsternis, die Meeresti efe . und das
Wasser existiert en ", so liegt nichts anderes vo r als die von B e- .
ro s u s überlieferte babylonische Lehre: "Vor Zeiten war das AlL

Finsternis und Wasser." W enn ferner nach der Barbelognosis die


Urelemente durch den Geist "in der Mitte geteilt" werden, so ist
\\iederum dieselbe Vorstellung wie im Berichte des Bero s u s ge-

geben, demzufolge Bel das Chaos "mitten dur ch s paltete " . Auch '
die babylonische Anschauung von der Feindschaft Tiamats gegen
die Götterwelt find et sich bei den Gnostikern ausdrücklich ,vieder j
nach dem Berichte von Epiphanius "war die Finsternis dem
Geiste feindlich gesinnt und zürnte ihm " 2). Dieser Gegensatz führte
zum Konflikte. Auch bei Philaster ist vom Losstürzen der Finster- •

nis auf den Geist die Rede. Wie aber nach babylonischer Lehre
aus Tiamat die Göttenvelt hervorgeht, so entstehen nach der
Gnosis aus der Finsternis die Äonen. .
Auch der Bericht des Irenaeu s (adv., haer. I, 29) bezeugt für
die Barbelognosis die Vorstellung von dem Chaos (29, 4). Aber
im Unterschiede zur Darstellung Phi lasters gehen nach Irenaeu s
die Äonen nicht aus dem Stoffe hervor, sondern stammen von
einem unnennba ren Vater und einem jungfräulichen Geiste Barbelo .

Diese verschiedenen Auffassungen der Barbelognosis find en indessen


• ihre Erklärung auf Grund der gemeinsamen babylonischen Quelle,
auf der sie beruhen. Es entspricht nürllli ch der nnn ennbare "Vater"

durchaus Apsu, dem "alles erzeugenden Urvater" in Enuma elis,
und Barbelo, die "Mutter" (Iren. I, 29, 3), ist identi sch mit Tiamat ,
der "all es gebärenden Urmutter". Diese Identifizi erung kann um

so weniger in Zweifel gezogen werden, als der erste von der


BarbeJo hervorgebrachte Äon, Ennoia, der "Sohn " (29, 3) oder der
"Eingeborene" (29,4) ist und mithin Mumlllu. dem "Sohne Apsu's"
oder dem "eingeborenen Sohne" Apasons und der Thaute (nach
Damascius), entspricht. Der" Vater" und die BarbeJo stell en mit-

J) Eusebii Cbronicorum liber prior. Edidit Alfred Schoene, Bero- •

lini 1875. 2) Haer. XXV, c. 5.



62 IH. Positiver Beweis gegen die Theorie vom baby!. Ursprunge •



hin (in der Gnosis) nichts andere dar als elie P e r s onifikationen
d es Ch aos, \:vie sie von den Bahyloniel'l1 angenommen wurden,
und es bedeutet daher keinen Gegensatz, wenn di e Äonen nach
Phila s t e r aus dem Chaos hervorgehen, na ch h' e naeu s aber au
den P et' 'onen, welche das Chaos repräsentieren. Wenn aber in
der Lehre der Gnosis der "Vater" und Barbelo vom Chaos ge-
trennt erscheinen, so ljegt in dem kosmogonischen Berichte \ on
Bero su s eine analoge Anschauung vor, sofern in demselben Ti an'lat
in gewisser vVeise als selbständige Person gedacht und als Herr-

• scherin über die Chaosungeheuer vorgestellt wird .
Wie bei den Barbelognostikern ist auch bei den 0 phi te n
die kosmogonische Grundanschauung altbabylonisch. Allvater,
Sohn und erstes vVeib, die von den Ophiten angenommen werden,
sind mit Apsu-Murnmu-Tiamat identisch. Das Chaos wird von
ihnen als eigene Größe gedacht, über der sich zunächst das "erste
Wreib" befindet.
. Die babylonisehe Lehre vom Uranfange der Welt wird ferner •

von den N aa sse nern vertreten. Dieselben verehren nach Philo-



sophumena V, 6 als Prinzip aller Dinge den "Menschen" und den .
"Men schensohn" . Der "Mensch" gilt ihnen als Mann und Weib,
und es 'wird ihm ausdrücklich eine choische Seite zugeschrieben.
Worin näherhin die materielle Substanz des Un;vesens besteht,
ergibt sich aus Philosoph. V, 9; der Urgrund aller Dinge ist dieser
Stelle zufolge die "Schlange", und es wird von ihr ausdrücklich ge-
sagt, daß sie ,,1] -Vl'(}a. OVOla", die feuchte Materie sei.
Nach Philosoph. V, 26 nimmt auch Justinus drei Urprinzi-
pien an und zwar zwei männliche und ein \\leibliches. Das eine
männliche Prinzip, welches alles vorher weiß und ideell VOI'-
herbildet , ist identisch mit Mummu, dem "Wissen" und dem
geistigen Urbilde der Welt. Das andere männliche Prinzip, der
Vater, entspricht Apsu, während endlich das \veibliche Prinzip,
welches als jähzornig und doppelleihig, nämlich als Jungfrau und
Schlange, geschildert \vird, wi ederum mit Tiamat identisch ist,

welche dem BabyIonier als W eib und schlangenähnliches Ungeheuer


galt. Aus der Vel'bindung von Mann und 'Veib entstehen nach
Ju's tinus 24 Engel. Einer derselben trägt den Namen des baby-
lonischen Gottes "Bel".
Auch für das große kosmogonische System des Valentinia-

ni smus, wie es Ir e n ae us (adv. haer. 1,1 5) beschreibt, kann die
babyloni 'che Grllndlage ni cht bes tritten werden. Schon die Be-


- •

des biblisohen Sohöpfungsberiohtes. 63


zeichnung des Urwesens als "Urvnter" wei -t wieder hin auf Apsu,
den "alle erzeugenden Vater ", und cbs.'elbe gilt von dem Ter-
minus " BytJ10 ''', der mit "Ap. u" Meel'esti efe identi sc h i. LAuch
der ·tofflichen Seite entbehrt der Urvater ni cht, da unter der ovaia

desselben, in welche die SOlJhia beinahe aufgelöst worden wäre,
in Hin icht auf Iren. I, 2. 3 die Materie zu versteh en ist 1). Dem
Bytho steht in der .Sige ein weibli ches SYesen zur Seite, und er
erzeugt aus ihr den "Nous". Letzterer ist der "Eingeborene" und
der "Anfang von Allem" und mithin identisch mit Mmnmu, dem
"eingeborenen Sohne" Apasons und der Thaute und dem idealen
Urbilde des Kosmos.
Die Grundvorstellung des Valentinianismus von Urvater,
• •

Mutter und Sohn vermag mit keiner anderen als der babylonischen
Weltentstehungslehre in Parallele gestent zu werden. Der ägyp-
tischen Kosmogonie zufolge ist das Unvesen die Einheit von Ma-
terie und Urgeist 2). Das später entstehende Götterpaar Nun und

Nunet stellt wohl auch flas erzeugende und gebärende Unvesen


dar; aber Nun und Nunet bringen nicht das Idealbild der zu-
künftigen Welt, sondern vielmehr das WeItei hervor, aus v.reIchem
der Lichtgott Ra entsteht; die übrigen Götter des Kosmos treten
auf den Befehl Ra's ins Dasein 3). Dagegen entspricht es der ba-
bylonische!l Vorstellung vorn Ursprunge der Gottheiten aus Apsu-
Tiamat, wenn nach der gnosti'schen Lelu:e der Bythos und die
Sige den Ursprwlg einer langen Reihe von Äonen bilden.
Die Äonen entsprechen ihrem Wesen nach durchaus den

babylonischen Göttern. Wenn die Äonen nach Irenaeus I, 17


die Vorbilder sind, nach denen die jetzige Welt hergestellt ,·vorflen
ist., so gilt, daß auch die babylonischen Gottheiten vor der Bildung
des Kosmos ebenfalls die Idealbilder und Repräsentanten der ein- •

zelnen Weltbestandteile sind, wie denn auch bezüglich der Tier-


kreisgestirne ausdrücklich in Enuma elis gesagt wird, daß sie "gleich
wie die großen Götter", also nach deren Vorbilde hergestellt vmrden .

I) Vgl. Ca 1'1 Sc h m i d t, Gnostische Schriften in koptischer Sprache aus


dem Codex Brucianus, Leipzig 1892, 348: "Die Gnosis hat niemals das höclJste
Wesen als ein rein abstl'aletes Sein aufgefaßt, wie es in der gricchischen Philo-
sophie geschehen, sondern als konkrete Realität, in der schon keimartig die
gesamte Welt der Realitäten vorhanden war." In: Texte u. Untersuch., VIII, 1- 2.

2) Lu k a s, Die Grundbegriffe in den Kosmogonien der alten Völl,er,
Leipzig 1893. .
~) Vgl. A. Je re mi a s, Das Alte Testament im Lichte des Alten Orients 2
145 f.: "Er (Ra) befahl, und die Göttet' entstanden." "Die Götter entstanden

aus seinem Munde." •


64 ur. Pos itiver Be,veis gegen die Th eo l'i e vom babyl. Ul'l'prunge

Eine ge'vvisse Abwe iehung li egt ZVi'al' im Va1entini anismus


gegenüber det' babylonischen Auffassun g vor. Wenn nä.m1ich nach
Enum a e1is Apsu und 'Tiamat die R eprä 'entanten der Un\ eH
bedeuten, so sind nach gnostischer Anschauun g Bythos und Sige.

gleich den von ihnen ausgehenden Äonen, Urbilder von Einzel-
bestandteilen der jetzigen Welt. Apsu und Tiamat sind '0 im
Gnostizismus in gewissem Sinne "Gottheiten" geworden . DUß
• •
diese Erscheinung leicht eintreten konnte, ergibt sieh aus dem
Umstande, daß Apsu und Tiamat als Vater und Mutter der Götter
galten, und tatsächli ch läßt auch di e babylonische Kosmogonie in
jener Gestalt, in der sie durch den Bericht des Damas cius über-
liefert ist und in welcher sie wahrscheinlich bereits der Zeit des
• •

Hellenismus angehört hat, Apsu-Tiamat und die Götterwelt als •

Glieder e i n und d e r se I ben En t wi c kl un gsre ih e erscheinen.


Zudem erstreckt sich die Gleichstellung von Apsu-Tiamat und de1'
Götterwelt durch den Valentinianismus einzig in der angegebenen

Ri chtung. Im übrigen steht auch nach ihm besonders der Urvater


im Gegensatze zu seinen Söhnen, den "Eingeborenen" ausgenommen.
Der Bythos ist von dem übrigen Pleroma durch einen Grenzhüter
abgesondert, und der Gegensatz, der rein spiritualistisch aufgefaßt
ist, führt dazu, daß der letzte Äon auf den Urvater losstürzt.
. Entsprechen die Äonen ihrem ~Tesen nach den babylonischen
Gottheiten, so ist doch zu beachten~ daß sie nach Art des Deis-
mus in gewissem Maße als weltferne Mächte gelten. Sie sind die
himmlischen Vorbilder der irdischen Welt uud kommen mit dieser •

nur in vorübergehende Verbindung, um sodann immer wieder zum


Himmel zurückzukehren. Von der Äonenwelt gehen nur die großen
Inspirationen für di e Entwickelung

des irdischen Lebens aus, wie

besonders die Rolle der Sophia deutlich erkennen läßt. Die
sichtbare W eH selbst steht nach gnostischer Auffassung unter der
Herrschaft übel'iVollend er Götter, Engel, Dämonen, Geister oder
Archonten . All e di ese Mächte sind wesentlich identisch mit den
bösen "Sieben", welche nach babylonischer Aufüissung in der ' tVelt
ihr Unwesen treiben ' und die Menschen bedrohen t). Und wie in
Babel die Dämonen als Söhne der Götter (Anu und Bel) gelten ,
so stammen auch n ach der Gnosis di e Archonten von einem Ple-
romamitgli ecle ab. Die erste Stell e unter ihnen nimmt der 'i\ elt-

J) Den babylon ischen Planetengottheitcn entspr echen in der Gnosis jene


Äonen des Plerom as, nach deren Vorbild e d ie Planeten geb ildet wurden. Sonne
und Mond sind nach Iren. I, 17 Abbild er von Äonen, und für die übrigen
Planeten galt wohl die gleiche Vorstellung.

des biblischen Schöpfungsbel'ichtes. 65

bildner ein, de 'en Gestalt wieder dem babylonis~hen Demiurgen


entspricht. Wie Marduk der Herrs~he r des Alls ist, der die Welt
bildete, 0 ers~heint auch der gnostisehe Demiurg als König und
Gott aller Dinge, weil er dieselben gestaltet hat. Himmel und Erde
sind von ihm hergestellt worden, und de .. gleichen die Gestirnwelt.
In der Erzählung von der Bildung der Sterne stimmt die gnostische
Kosmogonie mit der' babyloni. ehen in einem ~harilktef'istischen
Punkte überein, indem in dem Grenzlwltel', der an der Wölbung
einen Druck ausübt und die Schnelligkeit der Tierkl'eisgeslit'lle
hemmt (Iren. C, 17), die Gestalt Nibinl s wiederkehrt, der in der IVlitle
(sc. dem Nordpunkte) steht und deri Tierkeeisbildern illre Grenze L)
bezeichnen soll.
Auch der Lobeshymnu ',welchen na eh Enuma eli5 die Götter
ihrem Rächer darbringen, dürfte im Gnostizismus nicht ohne Nach-
• wirkung geblieben sein. Wie Marduk wird auch der Urvater

seitens der Äonen mit hohem Lobe überhäuft. Und wie die ba- o

byloniscben Gottheiten die ganze Fülle ihres Seins ihrem Retter


zusprechen, so fügen analog die Äonen das Schönste und Herr-

lichste, was ihnen eigen ist, zu einem Erzeugnisse zusammen, um


den Urgrund zu ehren und zu verherrlichen. .
Die Beziehungen endlich, welche zwischen der Kosmogonie o

des Manichäismus 2), der Blüte . der Gnosis, und dem babylonischen •

Weltentstehungsberichte bestehen, sind sehr enge. Die Lehre Man i s


von den zwei großen Grundprinzipien entspri~ht den babylonischen

Anscbauungen von Apsu-Tiamat und der Götterwelt. Die "Finster-


nis", welche Mani als das eine Urwesen annimmt, ist ganz wie

Tiamat der Inb.egriff all der unheilvollen und verderblichen Mächte


in der Natur. Wenn aber nach Enurna eli?;; aus Timl1at Ungeheuer
der mannigfachsten Art hervorgehen, nach dem Berichte des Be-
rosus und den Darstellungen der babylonischen Kunst näher~lin
Miscbgestalten, die aus Bestandteilen der verschiedensten Lebe-
wesen zusammengesetzt sincl, so ist (lieser babylonische Vorstel-
lungskreis clie Quelle jener Schilderung, welche Mani vom Satan
bietet: "Aus der finsteren Erde entstand der Satan. nicht in der o

Weise, daß er an sich selbst anfangslos wäre, wohl aber waren


o

seine Bestandteile in den Elementen anfangslos. Diese Bestand-


teile also fügten sich von den Elementen her zusammen und ge-

J) Zimmern in Gunkels Schöpfung und Chaos 414.


2) Übersetzung bei Keßler, Mani I (Bel'lin 1889) 386 ff.

Alllest. Abha.ndl. 1lI,1. Kircllllcr, Die baby I. Kosmogonie. 5


66 IH. P ositiv et' Bewei:3 gegen di e Th eu r ic V O I1l bnbyI. Ur. pl'llnge

taltet 11 siclt zum Satan . Sein Kopf wal' v"ie de r Kopf eines
Löwen, sein Humpf 'wie de r HLln~p(' eine' Dl'aC'hen, sein e Flügel ,
wie di e Flügel ein e, Vogels, sein . 'chw anz ",,,ie der Schwanz eines
g l'O~en Fi sches und sein e vie r Füße wi e die Füße der kriechende n
Ti e re. " \iVird abeL' von dem T eurel gesagt, daß e1' nach 'ein er
Entstehun g begann zu verschlingen und zu verderben, 'nach recht ,
wie link s einhe r zu fahr en, fortwähr end Verderben und Zer, törung
demj enigen brin ge nd , der ihn zu üb erwälti gen suchte, .0 entspricht
di ese Schilderun g der Dar t eIlung, welche in Enuma eli s von dem
ras tl os verfolgenden, karnpfessüchti gen, tobenden und wüte nden
Anhange Tia111<1ts gegeben 'wird. Wi e fem el' nach Enuma eli 5
Ea, dc L' Gott der 'W eish eit, zuerst von (l em geplanten Angriffe
Tiamats auf di e Götterwelt Kenntnis e rhält und di e Kumle w eiter- •

hin Ansar überbring t, so werden auch nac11 Man i "das Treiben


Satans und seine Absichten auf Angriff und Vernichtung" zun äch st •

von der V"l elt der Ein- sicht bemerkt und schließlich von de m Kö-
nige des Liehtparadi eses, w elch er nun gleicll\\7ie An sar darauf be-
dacht ist, den F eind zu überwälti gen. Und der Urmensch, den
der Lichtköni g zm Bekämpfung Satans aussend8t, entspricht durch-
aus Mal'duk, dem Hiü.:ll er de r babylonischen Götter. vVie in Enuma

eli s Martluks Au srüs tung zum Kampfe gen au beschri eben wird, so
\vil'd auch in der maniehäischen Kosmogonie die Bewaffnung des
Urmens(;hen näh er geschilde rt; wi e Marduk den Blitz, di e .. eine n
Körper füll e nde Flamme, nümlich das F euer, sodan n die vVinde
und di e StUfllll1ut al s '\IV affen an siclt nimnLt, so der Urm ensch
da s Li cht , das F eue r, den leisen Hau<.:h, de n ' Vind und da, "i\ asser.
Im Kampfe des Un llensthen mit dem Satan. unterliegt zwar
zunäch s t der e rs tere. Der Grund di eser mani c.häi schen Annahme

ist ind esse n (lureh sic:htig. Inde m die Finst emi s über da s Lieht-
wesen di e Oberhand ge winnt, ve rschlin gt sie T eil e de letzteren
in sich hin ein , und aus di ese m Vorgange leitet nun Mani die
verschi edenen vVirkun gen der N atl1i'körper her , ind em er ihre
schätlli chen aul' L1ie in ilm ell enth altene Finsternis, ihre guten
auf di e ihn eil a llh aftenden Lichtteile zurückführt. Erklärt si 'h
mitllin der Ullte l'schi ed I.wische n de r babylonischen und mani-
ehüischen Ko smogoni e aus ein er be ·timmten naturphilo oph i-
sehen T endenz der letzter en, so trägt aber auc:h l1a<.:h Mani die
vVelt des Li chte,' schließli ch den Sieg über die Finsternis davon.
Und wi e Marduk l1a(;h der Zerschlll e tterung Tiamats auf den Grund

des Ungeheuers tritt und de, sen Blutgefüß e zel'schn eidet , so steigt




des biblischen Schöp(ungsl1cl'ichte . 67


analoO'o der befreite Urmen eh auf den Grund der Tiefe hinunter
und chneidet die Wurzeln der fünf dunklen Geschlechter ab. Aus
den mit Lichtteilen verOli. cltten Stoffen der Finsternis wird schließ-
lich die gegenwärtige Welt gebildet. Die Aurra. sung der mani-
chäi eben Kosmogonie vom letzt.en Zwec ke des vVeltalls entspricht
ihrer naturphilosophisehen Anschauung vom W esen der Dinge .
..2. Die kosmogonischen Grundgedanken Babels, die vom Gno-

- stizismus und Mani chäismu,' übernommen und vertreten wurden,


ollten in dem Kampfe zwischen Kirche und Gnosis von der höch-
sten Bedeutung werden. Gerade die ,~r eltentstehungslehl'e der
Gnosis rief in erster Linie den . heftigen Streit mit dem Christen-
turne hervor. Der christliche Glaube wurde durch die kosmogo-
ni ehen Lehren der Gnosis in seiner Gmndlage gefährdet, und die
Kirche mUßte daher notwendig zu denselben Stellung nehmen .

vVas zllnächst den Kampf zwischen Kirche und Gnostizismus


angeht, so dienten die kosmogonischen Systeme des Gnostizismus den
Kirchenvätern an erster Stelle dazn, die gnostische Lehre selbst als
heidnische zu erweisen. Die Gefahr, welche voin Gnostizismus der jun-
gen Kirche drohte, "val' nicht zuletzt darin gelegen, daß die Gnostiker
als Christen sich behaupteten 1) und den Namen" Christen" rührten 2);
für ihre Lehren glaubten sie in der Hl. Schrift Zeugnisse zu finden,
und für ihre mannigfachen heidnischen Anschauungen suchten sie
sich sowohl auf die Propheten als aueh auf die Autorität Christi zu •

stützen. Aber die dem Christentum ' ch:ohende Gefahr wurde von
den Vätern alsbald erkannt, und sie überwanden dieselbe in erster

Linie dadurch, daß sie den Gnostizismus als Fremdkörper im
SchOße der Kirche entlarvten. Zu letzterem Zwecke war ihr Be-
mühen darauf gerichtet, die Al1Scl.lauungen der Gnostiker sclwrf
herauszustellen und · zur Darstellung zu bringen. Vor allem ,
aher
suchten die Väter die gnostischen Lehren über die Weltentstehung
aufzudecken, uno zwar mit vollem Recht, wie gegenüber der Be-

mängelung hervorzuheben ist, welche in neuerer Zeit den Da1'-


stellungen der Väter zuteil wurde 3). Durch die kosmogonischen


Anschauungen wurde der Gnostizismus in seinem Wesen grund-
legend bestimmt, und wenn geltend gemacht 'w orden ist, daß der
Gnostizismus bei den kirchlichen Häreseologen im Gegensatze zu

seinen eigenen Darstellungen nicht als eine Religion erscheine, in


. I) Philosoph. 5,9. 2) .Tustin, ApoJ. 1,26 .
!l) Harnack, Dogmengescbichte P (FreibuJ'g 18!)4) 222; Krüger in

der Realenzyklopädie von Hauck, Art. Gnosis 732.




• •



68 IU. Positiver Beweis gegen die Th eo l'i e vom baby!. Ursprunge


der der Mensch na ch Erlösung' gerungen habe, . «.:) ·wird übersehen,


in welchem engen Verhältni sse gerade die W eltentstehungslehre
zur Erlösungssehn sucht des Gnostikers steht. Der Gno.'tiker sucht
vor allem Erlösung von jenen Mächten, w elche zufolge seiner kos-
mogonischen Anschauung die Welt gebildet haben und nunm ehr
beherrschen. Aus der Gewalt der bösen Geister und Archonten
zu gelangen, ihrem Machtbereiche beim Aufsteigen zum Pl eroma •

nach dem Tode glücklich zu entkommen, ist das grOße Ziel: nach
dem der Gnostiker strebt. .
Durch die Vergleichung der gnostischen Kosmogonien mit den
heiclniscqen Anschauungen übel' den Anfang der Welt stellten di e
Kirchenväter den nichtchristlichen Charakter des Gnostizismus
aUßer jeden Zweifel; Irena e us hebt z. B. hervor, es sei einerlei,
als Ursprung aller Dinge mit Thales das Wasser anzunehmen oder
mit den Gnostikern den Bythos (adv. haer. II, 14, 2). Vor allem aber
brachten die Verteidiger der christlichen Wahrheit die alte biblische
Schöpfungslehre ihren Gegnern gegenüber mit aller Energie zur
Geltung. Der monotheistische Gottesgedanke in seiner tiefen und .
weittragenden Bedeutung wurde von den Vätern gegenüber der
falschen Lehre ins hellste Licht gestellt. Die Annahme eines Welt-
bildners wurde von ihnen scharf bekämpft, und imm er von neuem
wurde die biblische Lehre zui' Durchführung gebracht, daß Gott
selbst durch sein vVort und seinen Geist die Welt aus dem Nichts
erschaffen hat. .
o
Nicht minder wie für den Gnostizismus wurde auch für den
Manichäismus und seine Beziehungen zur Kirche die von Babel
übernommene Kosmogonie von Bedeutung. Die Lehre von Tia-
mat, der Finsternis und dem Inbegriff aller Übel, und von der
• Lichtgottheit, von welcher alles Gute und alle Ordnung in der
Welt herrührt, wurde geradezu das Hauptdogma des Mani chäis-
mus und sollte dessen Stelllmgnahme zum Christentume völlig be-
stimmen. Schon der in den Acta Archelai et Manetis dargestellte
Angriff des Manichüismus auf die Kirche geht von der Anschauung
aus, daß eine in sich böse Materie existiert, der andererseits ein
gutes Prinzip gegenübersteht. Der christlichen Lehre wird zum
Vorwurfe gema~ht, daß sie das Gute wie da.' Böse von ein und
demselben herleite und ein einzin'eso Prinzip einführe , ind em ie
weder das Licht von der Finsterni s, no ~h da.' Gute VOll delll Bö. en
unterscheide, sondern viellIlehr beide Illi Lein ander unaufhörlich ver-
mi sche 1I11l1 Gott als Quell e aller 'Ü bel hinstelle. Die Ein\\ änc1e


,

'des biblischen Schöpfungsberi chtes. 69


,

gegen die kirchliche Moral und Chri stologie waren von d e m selb~n
Gr'undgedanken getragen. Beso nders aLer ist herv orzuheben, dafil
der Manichäismu gemäß seiner von Babel übernomm enen kos-
mogoni ehen Ansch auungen zum AngrilI'e auf die Kos mogoni e der
Bibel überging, wie die Schrift des 111. Au g u s tinu s "De Ge nesi
contra Manichaeos" bezeugt. Bereits el em Einwand e gegen di e
Zeitlichkeit der ' iVelt, wie sie' Gn 1, 1 au sgesprochen wird , li egt
elie Vor te11ung von dem ewi gen, nie entstandenen Stoffe zu Grund e,
\\ ie sie von der babylonischen Kosmogonie vertreten wird. In
der Finsternis übel' der Urflut sowie in den Ge:wässern , welehe
Gn 1, 2 in der Beschreibun g des nach v. 1 im Anfange erschaffenen
Urstoffes genannt werden, . erblickt di e bn bylonisch - manichäi sche
Betrachtungsweise ewige ' iVesen. 'iV enn aber di e Mani chäel' in
der ErzüJllung von deI' Schöpfung der fruchtbringenden · und zur
Nahrung geeigneten Pflanzen die Angabe vermi ssen, von wem di e
giftigen und keine Fr-qcht bringenden Kräuter hef'rühl'en, so be-
,

absichtigen sie den Hinwei s auf ein böses Urprinzip, aus dem nach
ilu'er Annahm e all es Unheilvolle in der Welt herstammt.
'Vurzelten di e Angriffe des Mani chäismus auf das Christen-
tum letzthin in der 'iV eltanschauung der babylonischen Kosmogonie,
,
so hatte die Stellungnahme der Kir.<;:he jenem Gegner gegenüber
ebenso bestimmt in der vVeltentstehungslehre der Bibel ihre Grund-
lage. Die Lehre von dem Schöpfer, ,der alles ins Dasein rief,
, ,

wurde von den Vätern in den Vordergrund gestellt und in erster


Linie verteidigt. Andrerseits wurde aber auch di e Beschränktheit
und die Bedingtheit, die dem babylonisch-manichäischen Gottes-,
begriffe anhaftete, aufs schärfste h erausgestellt und bekämpft, so z. B.
wenn A ugu s tin u s fragte, wie überhaupt der gute Gott gezwungen
sein könne, .'ich in einen Kampf mit dem bösen Prinzipe einzu-
lassen. Gegen die Annahme von zwei wesentlich verschiedenen
Urprinzipien wurden manni gfache philosophische Argumente mit
offensichtlichem Erfolge ins Feld geführt. Das Prinzip des Seins •

wurde mit besonderem Nachdruck als ein einziges und einheit-


liches geltend gemacht. Der alten babylonischen An schauung vom
Urbösen aber setzte die Kirc;he die Lehre des biblisehen Schöpfungs-
berichtes gegenüber, daß Gott die Welt als eine seh[' gute er-
schaffen hat. Und der Verteidigung dieser Wahrh eit widmeten
die Väter die größte Sorgfalt. Eine Fülle von Gesichtspunkten
füh~ten sie gegen die Lehre vor, daß ein wesenhaftes Übel in der
Welt existiere, und sie hoben hervor, daß Sünde und Unh eil erst



70 III. Positiver Beweis gegen die Tbeori e vom baby!. Ursprunge

seit der Auflelmung des freien Menschen gegen den Schöpfer be-
stehen, der selbst in seiner unendlichen Güte alles sehr gut an-
geordnet hilt, "",enn vielleicht auch die beschränkte menschliche
Vernunft den Plan der unendli chen W eisheit nicht völlig zu er-

kennen und zu durcllschauen vermag. W enn aber von den Mani-


chäern auf die vermeintliche Nutzlosigkeit verschiedener Naturwesen .

hin gewi esen wurd e, so hoben di e Verteidiger des Christentums


hervor, daß das menschliche Nichtwissen noch keines wegs die
objektive Zweckmäßigkeit jener Dinge in Frllge stellen könne, ein
Gesichtspunkt, der dur~h die fort schreitende Naturerkenntnis seine
Bestätigung gefunden hat. Die Angriffe endlich, welche vom Mani-
chüislllUS unmittelbar gegen Gn 1 erhoben wurden, sollten nicht
ohne Er'widerung bleiben; der h1. Augu s tinus wandte <-lie Schärfe
und Kraft seines Geistes auf, um die Magna charta des Scltöpfungs-
glaubens zu wiederholten Malen zu verteidjgen.
3. Die Geschichte der Gnosis und ihrer Beziehungen zum •

Christentum läßt über das geschichtliche Verhältnis z\vischen der


ba bylonischen und biblischen Weltentstehungslehre keinen Zweifel
bestehen.
Im Lichte jene r Geschichte erscheint es zunächst durchaus
unmöglich, daß von Enuma eli5 nach Gn 1 ein Weg der Entwick-
lung hinüberführt; der geistige und religiöse Entwieklungsgang des
hl. Augustinus ist der historische Beweis, daß der im Gedanken-
kreise von Enuma eli5 befangene Menschengeist nur durch Bruch
mit der gesamten seitllerigen Weltanschauung zum Gottesglauben
. von Gn 1 gelangen kann. .
• Die Schilderung, die uns Augustinus von seinem Aufent-
halte in Rom bietet 1), lÜßt klar erkennen, daß er zu jener Zeit
trotz der Lockerung, welehe bereits in seinem Verhältnis~e zum
Manichäi smus eingetreten W::lr, doch noch völlig in der duali-
s ti s ehe n W eltauffassung der baby lonisch-manichäischen Kosmo-

gonie befangen war. Die alte Anschauung von Timuat und der
ihL' gegenüberstehenden Gottheit tritt bei A ugusti nus deutlich zu
Tage, ·w enn eL' seinen damaligen Glauben also darstellt: "Ich glaubte,

daß es 'eine Substan z des Bö se n gebe, eine häßli che und un-
. gestalte Masse ... Und weil mir nun meine Frömmigkeit, wie
gering sie auch war, zu glauben verbot, daß ein guter Gott ein
böses vVe'en geschaffen habe, so stellte ich di e zw e i Massen
[die Substanz des Bösen und Golt] e inand e r feindlich geg.e n-
,

') ConfeRsiones V, 10.




des biblischen Schöpfungsberichtes . 71

über .. , Von die em verpesteten Ausgange aus ergaben sich


mir weitere Gotte lästerungen " I).
. Zu beachten ist, daß deL' Gottesbegl'iff, den A u g u s ti n u s als
Manichäer vel'lritt, rn 0 not h e ist i sc h ist, u n~l es ergibt sich die
religionsgeschichtliche Tatsache, daß in der zweiten Hälfte des
derten Jahrhunderts der' abendländische M::michäismus eine In 0 n 0-

th e is ti e he Gottesidee vertrat, trotzdem er in der polythei-


ti sc h en Kosmogonie des alten Babel seine vorzüglichste Grund-
lage und Wurzel besaß. Indessen würde die Annahme, der baby-
lonische Polytheismus sei im Manichäi smus aus sieh selbst heraus
zum Monotheismus fortgeschr'itten, irrig sein und der geschicht-
lichen Wahrheit entbehren. Aus den Mitteilungen des "Fihrist",
welcher aus alten manich,'iischen Schriften selbst schöpfte, ergibt
ich, daß der ur'sprün g'liche Manichäisl11us polytheisti sc h war,
wie besonders aus der manichäi sch~n Kosmogonie, welche der
Fihrist überliefert hat, hervorgeht; die Vielzahl der Götter kann
trotz der Hypostasierung und engen Zusammenfassung derselben
in der Lehre Manis nicht verkannt werden 2). Auf welchem Um-
stande aber die Versclliedenheit des Gottesbegriffes im ursprüng-
lichen und späteren Manichäismus beruht, vermag nicht übersehen
zu "erden. In der Zeit seiner Entstehung blieb der Manichäis-
mus
, unberührt von dem Einflusse des Christentums 3), während er

spä ter mannigfachen Einwirkungen seitens der christlichen Religion


unterworfen 'w ar 4). Zu den vorzüglichsten Wirkungen, die die
Kirche auf die rnanichäische Lehre ausübte, ist auch die Um-
setzung oder Umwandlung der polytheistischen Gottes-
idee in die monotheistis che ' zu zählen. Nicht aus sich selbst
i t der orientalische Polytheismus bei den Manichäern zum Mono-
theismus geworden, sond~rn durch den Einfluß der biblis c h en
Gottesidee 5) , welche damals die W elt eroberte.
I) Confessiones, ebd. •

2) Vgl. Keßler, Mani I 389: "Da panzerte sich nun der Urmensch

aus mit den fünf ,Geschlechtern~, und das sind die fünf Götter"; Duchesne,
Histoil'e ancienne de l'Eglise I (Paris 1908) 563: Dans ses (de Mäni) person·
nages celestes, plus d'un trait "appelle les dieux et les heros babyl olliells,
Ea, Marduk, Gilgames etc. •

:J) Vgl. Keßler, ebd. 5f.; Duchesne, ebd. 563: La Bible a fourni •

beaucoup de n o ms ... Mäni n'a nul souci de l'Evangile.


~) Vgl. Duchesne, ebd. 565. .
5) Vgl. A u g u s tin u s, Confessiones V, 6: Die Lockspeise hatten sie
(die Manichäer) bereitet unter Beimischung deI' Buchstaben deines
Namens . •


72 IH. Positiver Beweis gegen die Th eori e vom babyl. Ursprunge

Wie sehr selbst der monotheistische Gottesbegriff der


Manichäel' nach \iV esen und Inhalt mit dem antiken Polythei.'mu
übereinstimmte und andrerseits zur biblischen Gottesideeim vollen
Gegensatze stand, z.eigt sich bei A u g ustin u s aufs deutlich te.
A u g us tin us vermochte sich Gott nur als kö rper li ch es un d .
ausgedehntes \i\Tesen vorzustellen 1). Daß in dieser Anschauung
eine N ach"\vil'kung des alten naturalistisch-pantheistischen Gotte'-
begriffes vorlag, unterliegt keinem Zweifel. Nach babylonischer
Denkart ist der Gottheit eine körperliche Seite zu eigen, und in der
babylonisch-manichäischen Kosmogoni e, wie sie im Fihrist enth alten
ist, tritt jene Auffassung aufs stärkste zu Tage, indem das Licht
geradezu mit der Gottheit in eins gesetzt wird 2) . .
Die naturalistische Seite seines Gottesbegriffes sollte Augusti-
nu s die größte Sch'wierigkeit bereiten, um zum Gottesglauben de.
Christentums zu gelangen. Wenn auch . bereits getrennt von der
Sekte der Manichäer und in Mailand mit einer gewissen Zuneigung
zur Kirche seiner Jugend erfüllt, · fand sich Augustinus bei dem
Versuche, Gott sich zu vergegenvvärtigen, immer wieder gezv;rungen,
etwas Körperliches und im Raum Ausgebreitetes zu denken 3) . Der
pan th ei s tis ch e Ch ar ak t el' die ser G ott esa uffa ss u n g tritt

klar hervor, wenn Augustinus dieselbe folgendermaßen darstellt:


"Ich dachte dich, Leben meines Lebens,groß durch unendliche
räumliche Ausbreitung, so daß du überallhin di e s e Ma sse der vVelt
dur chdr ä n ges t und auch aUßerhalb derselben grenzenlos dich ins
Unendliche erstrecktest und so mit Erd e und Himmel und über-
• h a upt a ll es dich in s i ch sc hlö sse und in dir seine Begrenzung
fände, du aber nirgen chvo. Wie aber dem Lichte der Sonne der
Körper der Luft keinen Widerstand entgegensetzt, dieses vielmehr
in die Luft, die oberhalb unserer Erde ist, eindringen und durch
sie hindurch dringen kann, ohne sie zu zerbrechen oder zu zer-
schlagen, so aber, daß es sie ganz erfüllt, so, dachte ich, sei für

clich nicht nur der Körper des Himmels und der Luft uhd de •

Meeres, sondern auch der der Erde zugäi1glich und in allen seinen

Teilen, den größten wie den kleinsten, durchdringlich~ so daß s ie


1) Vgl. Confession es V, 10.


. 2) Vgl. K e ßl e r, Mani I 387: "Das Li cht ist der erste Großmächtige,
nicht durch die Zahl beschränkt. Es .ist die Gottheit."
U) Confessiones VII, 1.


des biblisohen Schöpfungsberichtes. 73 •

di h aufnähll1en 1) und du ihnen gegenwärtig wäl'est und


durch deine verborgene ·Wirksamkeit innerlich und äUßerlidl alle
• deine Geschöpfe lenktest" 2) .
Die Opposition, in welche Augustinus gegen den babylonisch-
mani häischen Gottesbegriff trat, richtete sich zunüchst gegen den
Charakter der Bedingtheit und Beschränktheit., welcher jenem Be-
griffe anhaftet: ,,\Vas hätte dir, ich weiß nicht welches finstere
Ge chlecht anhaben können, das sie (die Manichäer) dir wie ein e
feindliche Masse gegenüberstellten, wenn du den Kampf
111 i t ihm ,enveigert hä ttest? Denn wen n man antwortete, es
'" ürde dich geschädigt haben, so wärest du ja damit verletzbar
und vergänglich geworden. Sagte man dagegen, es hätte dir nicht
schaden können, so war kein Grund zu kämpfen da" 3).
Ver", arf so A ugustin us bereits die alte babylonische An-
schauung ,om Kampfe zwischen der Gottheit und der finsteren
Macht des Mechanismus, so hatte er andererseits die babylonische

Vorstellung von einer ewigen, in sich bösen Materie noch nicht


ftberwunden. In seinem Forschen nach der Quelle des Übels
brachte sich jene Vorstellung mit aller Macht zur Geltung: ,,\"'10-
her das Übel? "Val' vielleicht eine böse Materie vorhanden,
aus der er (Gott) schuf, und hat er sie geformt und geordnet,
aber doch einen Rest zurückgelassen, den er nicht zum Guten·
umänderte? Und warmll dann dieses? Fehlte dem Allmächtigen
vielleicht die Macht, sie ganz zu 'w andeln und zu verändern, so

daß nichts Bösbs zurückgeblieben wäre? Und zuletzt, warum


wollte er etwas aus ihr machen und bewirkte nicht vielmehr seine
Allmacht, daß sie überhaupt nicht war? Oder konnte sie vielleicht
Bestand gewinnen gegen seinen Willen? Oder wenn sie von

Ewigkeit her vorhanden war, warum beließ er sie so durch un-


endliche Zeiträume der Vergangenheit und gefiel es ihm erst so
viel später, etwas aus ihr zu machen?" ,j)
Augustinus wurde von der Frage nach der Quelle des
••
Ubel: noch längere Zeit beunruhigt und fand keinen Ausweg.
Wenn er auch die Wahrheiten von der Existenz, der Unveränder-

') Vgl. Conlessiones VII, 5: Ich dachte mir deine endliche Schöpfung
erfüllt von dir. .
2) Confessiones VII, 1; Übersetzung nach v. Her tI in g, Die Bekennt-
nisse des h1. Augustinus, Frei bUl'g 1907, 263. .
3) Confessiones VII, 2; nach v. l1ertl i ng, ebd. 265.
4) Confessiones VII, 5; nach v. Hcrtlillg, ebd. 273 .


74 IH. P ositivc!' Beweis gegc n die Th eo rie vorn baby\. . Ursprunge

lichk eil, der Vorsehun g und dem Geri chte Gottes festhi elt, so
• wurde er durch das Problell1 des Übels noch immer im Zu tande
llOher Spannung erha lten. E.· bedurfte für den großen '\V'ahrh eits-
sllcher erst noch einer völli gen Umwälzung sei.ner ganzen Geistes-
welt, einer '\iViedergebul't des ganz en Denkens und Urteilens, um
das heiß erstrebte Ziel zu erreichen. •

In einem tiefgTeifenden Erlebnis erw achte Au g ns tinu s end-


lich au s dunkler Geistesnacht zum hellen Sonnenlicht der W ahrheit..
In unvergleichli cher Darstellun g hat er selbst uns jenen bedeut- •

samen vVenclepunkt seines Lebens geschildert: •

"Ich kehrte ein und sah, wi e blöde auch no ch das Auge


meiner Seele war, über eben diesem Auge meiner Seele und über
meinem Geist ein unveränderliches Licht. Es war nicht das ge-
wöhnliche Licht, \\.. ie es jedes leibliche Auge schaut, auch nicht
von derselben Art und nur größer. .. Das war es nicht, sondern
ein anderes und ganz anderes als alles dieses. Es war auch nicht
so über meine Seele, \\'ie ... der Himmel über der Erde sich '
ausspa nnt, höher war es, denn es ist ja d as , w as mi ch ge-
sc haffen ha t, und ich tiefer, weil ich von ihm ersch affen · bin.
'\Ver die '\Vahrheit kennt, der kennt es, und wer es kennt, kennt
die E-\\'igkeit. Auch kennt es die Liebe. 0 ewige '\iVahrheit und
wahre Liebe und geliebte Ewigkeit! Du bist es, mein Gott!
Als ich zuerst dich erkannte, da packtest du mich , damit
• •

i ch s äh e, es se i e twa s da, wa s ich se h e n s ollt e , ab e r ich •

se i no ch ni cht d e r, d e r zu se h e n v e rmö cht e. Von der Helle


deines Strahls geblendet, mUßte ich meinen Blick abwenden, und
ich bebte in Li ebe und Schrecken, denn ich fand, wi e w e it ich


von dir w egg e ga ng e n und wi e unähnli ch ich dir ge worden

war. Aber zugleich war mir, als hörte ich deine Stimme aus der
Höhe: ,Ich bin die Speise der Erwachsenen. " rachse und du •

wirst mich genießen .. .' Und [mit dem letzten Ansturm e des
Zweifels rin gend] sprach ich: ,Ist etw a die Wahrheit nichts, weil
sie ni cht a u s gebr eit e t ist, weder in endlichen noch in unend-
lichen Räum en? ' Du aber ri efst von ferne : )ch bin, d e r ich
bin.' Und ich ver'nahm es, aber so, \~T i e man mit dem Herzen
vernimmt, und mein Zweifel war zu Ende, und ich würde eher
daran gezweifelt haben, daß ' ich lebe, als daran, daß es e in e
Wahrh eit ge be , di e dur ch Ve rmittlun g d e r gesc haffe nen
Din ge im De nk e n e rfa ßt wird " J).
I) Confess iones VII, 10; nach v. H e l' tli 11 g, ebd. 290 H. •




,
,

des bfbli ehen Schöp{ungsbel'ichtes, 75

A u 0' U ~ tin u \.\ ar zur Erkenntnis des w e I t e rh ab e ne n


Go t t e . g langt, und ,on dem errungenen Standpunkte aus er-
'chien ihm nun die Welt in n e u e m Li c ht e :
"Dar'a uf richtete ich mein Augenmerk aLlf ni e Dinge. welche
unter' dir ind, und ich erkannt e, daß sie weder völlig sind noch
völlig nicht ind; s ie sind, weil ie von dir geschaffen s ind;
·je ind ni cht, weil si e n,i c ht s ind, was du bist" 1).
Die Weltanschauung von Enuma e li 5 war von dem großen
Gei 'te 'malme völlig überwunden; das düstere Problem des Übels
' chw and für ihn, und e r trat e in in das h ell s tr'ahl e nde
Wahrheitslicllt des bibli sc h e n S chöpfun gs b e richt es :
"Ich erkannte und es ,wurde mir deutlich, daß alles Gute
von dir geschaffen 1:,t und e s sc hle c ht er ding s kein e Din ge
g ib t , die du nicht geschaffen hast. Darin aber, daß dl1 sie Ul,l -
,
gleich geschaffen hast, liegt der Grund für die Existenz jede s
e inzelnen. Denn die einzelnen sind gut, und alle zusam-
m e n s ind s ehr gll t [Gn 1], weil unser Gott alles sehr gLlt ge-
macht hat " t). ,

Ist der geistige Entwicklungsgang des h1. Augustinu s der


historische Beweis, daß allS der Gedankenwelt der babylonischen
Ko 'mogo nie kein Fort sc hritt im Sinn e der Evolution zur
Weltanschauung des biblischen Schöpfungsberichtes hinüberführt,
,

so läßt die Geschichte des großen Kampfes zwischen Kirche und


Gnosis keinen Zweifel bestehen, daß das Verhältnis, in welches
Enurna eliS und Gn 1 zueinander getreten sind, sich lediglich als
Konflikt und "W iderstr e itet darstellt. ,
'
Die Gegensätze der Weltan schauungen~ welche die baby-
lonische und biblische Kosmogonie in sich bergen, nahmen in den
Tagen der Gnosis gesc hi c htli che Form an, indem sie sich aus-
,

voirkten in einem h efti gen un'd ge walti ge n Str e it e der Geister.


Babylonische und biblische Vvelta nschauung rangen damals um
ihre Existenz. Und Babels uralte Lehre wurde kein eswegs durch
Geister von gerin g zu seh5 tzender Bildung vertreten. Gnostiker
,
wie Manic:häer stellten durchaus Männe!" von Intelligenz (laI'. Aber
dennoeh so llte das Schicksal von Babels \Veisheit entschieden sein. ,

Der' Kraft, welche ihr in der Lehre der Bibel gegenübertrat, war ,

I) Confessiones VII, 11.


2) Confessiones V1I, 12 .

,

76 Ill. P ositiv cr Beweis gegen di e Th eo ric vom bab.Yl. Ursprunge usw .

.. ie unterl egen. Die babylonische W eisheit war den Widerlegungen,


die sie durch die Vertreter des Schöpfungsglauben . erfuhr, nicht
gewach 'en, und in der Disputation eines Augustinus und F elix
mußte sie sich selbst als besiegt erklären. Mit den gnos tischen
und manichäischen Schriften wurd e schli eßlich Babels Lehre dem
Feuer übergeben, ein Zeichen , daß sie di e Macht über die Gei t er-
welt verloren hatte. AI' Sieger ging au s dem Kampfe die Wei -
heit der Bibel hervor. Als Wahrh eit vom Himmel el'1'ang sie die
Herrschaft gegenüber dem Irrtum der Erde. Und das Buch des
Schöpfungsglaubens setzte seinen Triumphzug durch die W elt fOl't,
auf seinem ers ten Bl atte den Gott verkündend, der im Anfange
Himmel und Erde samt ihrem Heere erschaffen hat.

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