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Grundlagen Gliederung von Fachsprachen

Grundlagen: Gliederung von Fachsprachen

Inhalt
1. Einleitung .................................................................................................................. 2
2. Fachsprachliche Gliederung - allgemeine Übersicht ............................................... 3
3. Horizontale Gliederungen ......................................................................................... 4
4. Horizontale Verwandtschaft ...................................................................................... 5
5. Mischklassifikationen................................................................................................ 6
6. Gliederung nach Wirtschaftssektoren ....................................................................... 7
7. Vertikale Gliederungen ............................................................................................. 8
8. Wissenstransfer zwischen Experten und Laien ......................................................... 9
9. Literatur ................................................................................................................... 10

Fachkommunikation Deutsch| Thorsten Roelcke, Andreas Kraft


Grundlagen  Gliederung von Fachsprachen

1. Einleitung

Unabhängig davon, ob man Fachsprache aus eher kommunikativen, stilistischen oder


kognitiven Aspekten begegnet, wird man früher oder später zu der Erkenntnis gelangen,
dass vielerlei Fachsprachen sowie fachsprachliche Teilsysteme nebeneinander auftreten
können, deren Grenzen oftmals nicht ganz trennscharf sind. Über die Anzahl von
Fachsprachen können daher nur vage Vermutungen angestellt werden. Neben der noch
offenen Situation zur Bestimmung von Fachsprache, lässt die rasante Entwicklung in
Wissenschaft und Technik stets neue Fächer und Fachsprachen entstehen bzw. werden
aus bereits bekannten Fachsprachen heraus entwickelt, was eine Zählung zusätzlich
erschwert. Fluck nennt eine Anzahl von etwa 300 Fachsprachen (vgl. Fluck 1996:16).
Ob diese Schätzung den aktuellen Stand widerspiegelt, spielt eher eine untergeordnete
Rolle. Vielmehr gibt sie eine vage Vorstellung davon, wie breit Fachsprachen und
Fachbereiche aufgestellt sind. Die Erfassung der Gesamtheit der sprachlichen
Kommunikation erscheint dabei nahezu unmöglich (vgl. Hoffmann 1985:57).
Allerdings können im Rahmen fachsprachlicher Untersuchungen Fächer und ihre
Fachbereiche sowie kommunikative Ebenen der Fachkommunikation in eine
horizontale wie vertikale Gliederung strukturiert werden, um die komplexen
Beziehungen verschiedener als Fachsprachen analysierter sprachlicher Äußerungen
theoretisch abzubilden.
Im Folgenden werden daher ausgehend von einer allgemeinen Übersicht
fachsprachlicher Gliederung sowohl die horizontale als auch die vertikale Gliederung
von Fachsprachen näher beleuchtet. Abschließend wird die Kommunikation zwischen
Experten und Laien thematisiert, die in der jüngeren Fachsprachforschung bereits
Einzug gehalten hat.

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2. Fachsprachliche Gliederung - allgemeine Übersicht

Abb. 1: Fachsprachliche Gliederung nach Roelcke 2010

Die vorliegende, allgemeine fachsprachliche Gliederung fasst sowohl die horizontale als auch
die vertikale Gliederung (oder auch: Schichtung) von Fachsprachen innerhalb einer Abbildung
zusammen. Darüber hinaus wird zur Gliederung von Fachsprachen in fachsprachliche
Varietäten und Textsorten unterschieden. Die horizontale Gliederung richtet sich nach
Gliederung der Fächer und Fachbereiche, die vertikale Gliederung hingegen unterscheidet
verschiedene Abstraktionsebenen fachsprachlicher Kommunikation. Hell unterlegt sind
Abstraktionsebenen innerhalb verschiedener Fachbereiche im Rahmen varietätenlinguistischer
Ansätze. Dunkel unterlegt sind zudem Verwendungsarten binnen verschiedener Fachbereiche
sowie Abstraktionsebenen im Rahmen textlinguistischer Ansätze. Fachsprachliche Textsorten
lassen sich ferner inmitten fachsprachlicher Varietäten finden, welche sowohl innerhalb
verschiedener Fächer oder Fachbereiche (horizontal) als auch auf unterschiedlichen
Abstraktionsebenen (vertikal) lokalisiert werden.
Um die Ausführungen zu exemplifizieren, werden in den folgenden Kurzdarstellungen die
einzelnen Gliederungen (horizontal, vertikal) näher beleuchtet, um somit das Gesamtbild einer
fachsprachlichen Gliederung zu veranschaulichen.

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3. Horizontale Gliederungen

Abb. 2: Horizontale Gliederung von Fachsprachen nach Roelcke 2010

Die horizontale Gliederung unterscheidet in Fächergliederungen und Fachbereichseinteilungen.


Eine eher allgemeine Gliederung unterscheidet zwischen der Sprache der Wissenschaft und der
Sprache des Handwerks, also zwischen Theorie- und Praxissprache.
Der hier verfolgte fachsprachenlinguistische Ansatz unterteilt Fachsprachen zudem
differenzierter in Wissenschafts-, Technik- und Institutionensprache (dunkel unterlegt). Theorie-
und Praxissprache werden in diesem Modell als Ergänzungen veranschaulicht. Mit der
Theoriesprache werden Theorien formuliert, die spezielle theoretische Termini einer
Wissenschaft bzw. wissenschaftlicher Fachbereiche umfassen. Theoriesprache wird oftmals
auch als Wissenschaftssprache bezeichnet. Als Techniksprache hingegen wird die
Kommunikation über die vom Menschen geschaffenen Gerätschaften und deren
zweckgerichteten Einsatz beschrieben. Sprachen, die innerhalb einer Organisation durch eine
festgelegte Struktur charakterisiert sind, werden allgemeinhin als Institutionensprache
verstanden. Neben der klassischen Dreiteilung erfährt die Abbildung eine weitere Gliederung in
Fachsprachen, die zueinander in horizontaler Beziehung stehen. So ist die Wissenschaftssprache
unterteilt in die Sprache der Natur- und Geisteswissenschaft, die Techniksprache in die Sprache
der Produktion und der Fertigung und die Institutionensprache in die Sprache des
Dienstleistungssektors. Eine noch differenziertere Unterteilung, welche ebenfalls im Modell
(Abb.2) Berücksichtigung findet, bietet Kalverkämper (1988) an, der zusätzlich die Sprachen
der Wirtschaft (Sprache und Kommunikation in den ökonomischen Tätigkeitsfeldern des
Handels und Verkehrs) und Konsumtion/Konsum (Sprache und Kommunikation zwischen
Anbietern und den Verbrauchern eines Produkts sowie unter den Verbrauchern selbst) aufführt.
Beispiele für Einzelfachsprachen:
- Wissenschaftliche Fachsprachen:
o Mathematik, Physik, Chemie, Biologie usw.
- Technische Fachsprachen:

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o Kraftfahrzeugtechnik, Elektrotechnik, Informatik usw.


- Institutionensprachen:
o Politische Fachsprache, Verwaltungssprache, juristische Fachsprache.
Weitere, ausführlich beschriebene Einzelfachsprachen lassen sich im Handbuch Fachsprachen
(1998-99) finden.

4. Horizontale Verwandtschaft

Abb. 3: Horizontale Fachsprachengliederung nach Hoffmann 1985

Die horizontale Verwandtschaft hat zum Ziel, Einzelfächer und deren Fachsprachen ihrer
Verwandtschaft nach einzuordnen. Ausgehend von künstlerischer Prosa werden einzelne Fächer
und Sprachen in eine lineare Abfolge gestellt. Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden
durch die Abstände zwischen den Einzelfachsprachen angegeben. Je mehr Abstand, umso mehr
Unterschiede und weniger Gemeinsamkeiten; je weniger Abstand, umso mehr
Gemeinsamkeiten und weniger Unterschiede. Solch Homogenisierungen sind nicht unkritisch
zu betrachten, zumal Fachsprachen unter verschiedenen sprachlichen Gesichtspunkten
unterschiedliche Verwandtschaftsgrade aufweisen können. Allerdings verdeutlicht der Ansatz
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einzelnen Fächern und ihren Sprachen, welche
variationslinguistisch greifbar und somit vergleichbar werden.

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5. Mischklassifikationen

Abb. 4: Sprache und Kommunikation in den Wissenschaften (Beispiele) nach Roelcke 2014

Die klassische Dreiteilung fachlicher Sprachen und Kommunikation kann weiterhin in


theoretische und angewandte Wissenschaft differenziert werden. Am Beispiel der
Wissenschaftssprache mit der Unterscheidung in Natur- und Geisteswissenschaft kann
zusätzlich in theoretische und angewandte Wissenschaft unterteilt werden. Der Grad der
Selbständigkeit der angewandten gegenüber der ihr zugestellten theoretischen Wissenschaft
entscheidet über die Zuordnung zur horizontalen oder vertikalen Gliederung.

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6. Gliederung nach Wirtschaftssektoren

Abb. 5: Sprache und Kommunikation nach Wirtschaftssektoren (Beispiele) nach Roelcke 2014

Unterschieden werden vier Sektoren einer Volkswirtschaft, die die Grundlage einer horizontalen
Typologie deutscher Fachsprachen bildet. Die Sektorenhypothese geht zurück auf die
Ökonomen Fisher (1935) und Clark (1940), die zunächst die Volkswirtschaft eines Landes in
drei Sektoren (primär, sekundär und tertiär) aufteilt. Durch die Entstehung Neuer Medien und
die damit verbundene elektronische Informationsverarbeitung wird ein weiterer, quartärer
Sektor definiert, zu dem u.a. die Kommunikationstechnologie oder das Beratungswesen gezählt
werden können. Aus wirtschaftlicher Perspektive heraus trennt sich der quartäre Sektor nicht
scharf von den anderen Sektoren ab, im Gegenteil, so ist es die Informationsverarbeitung, die
mittlerweile in allen Sektoren von großer Bedeutung ist. Aus linguistischer Perspektive
hingegen scheint der quartäre Sektor vor allem durch medien- und
kommunikationswissenschaftliche Forschungen und Errungenschaften begründet zu sein, die
für eine horizontale Fachsprachengliederung nach wirtschaftlichen Sektoren sprechen. Im
Einzelnen umfassen die Sektoren folgende Sprachen: Der Primärsektor oder Agrarsektor
beinhaltet die Handwerkssprachen und teilweise Sprachen der Technik. Der sekundäre Sektor,
auch industrieller Sektor, unterscheidet Sprachen der Technik und teilweise die der
angewandten Wissenschaften. Dem tertiären Sektor oder auch Dienstleistungssektor werden
Sprachen in Institutionen, Sprachen der theoretischen Wissenschaften sowie partiell Sprachen
der Neuen Medien zugeordnet. Dem Informationssektor als quartärer Sektor gehören Sprachen
der angewandten Wissenschaften, der Technik, Institutionen aber auch die der Neuen Medien
an.

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7. Vertikale Gliederungen

Abb. 6: Vertikale Fachsprachengliederung nach Hoffmann 1985

Unter der Voraussetzung, dass verschiedene Bereiche der Kommunikation innerhalb einzelner
Fächer existieren, beschreibt die vertikale Gliederung kommunikative Ebenen einzelner Fächer.
Unterschieden werden im Allgemeinen höhere fachliche (abstrakt, theoretisch) und niedrigere
fachliche Ebenen (konkret, praktisch) der Fachkommunikation. Heinz Ischreyt (1965)
unterscheidet in seinem Modell zur vertikalen Fachsprachengliederung drei Abstraktionsebenen:
Die obere Abstraktionsebene der Wissenschaftssprache, die mittlere Abstraktionsebene der
fachlichen Umgangssprache und die unterste Abstraktionsebene der Werkstattsprache. Eine
differenzierte Unterscheidung in fünf Abstraktionsebenen stellt das in der Abbildung
dargestellte Modell der vertikalen Fachsprachengliederung nach Hoffmann (1985) dar. Die
einzelnen Abstraktionsstufen (Schicht, A-E) werden sowohl in ihren semiotischen (äußere
Sprachform) als auch in ihren kommunikativen (Kommunikationsträger) Erscheinungen
unterschieden und beschrieben. Mit Milieu hingegen wird die fachlich-sprachliche Ebene
dargestellt. Anzumerken ist, dass nicht alle Abstraktionsstufen besetzt werden müssen (je nach
Fachsprache).
Ischreyts und Hoffmanns Ansätze der vertikalen Fachsprachengliederung haben durchaus ihre
Berechtigung, allerdings sollte hinterfragt werden, ob für alle in der horizontalen Ebene zu
unterscheidenden Fachsprachen eine allgemeingültige vertikale Gliederung angenommen
werden kann, oder ob diese je nach Fachsprache variieren sollte oder sogar müsste.
Kommunikative Abstraktionsebenen, Distanzen und Handlungsweisen liegen als Kriterien bei
der vertikalen Fachsprachengliederung bei Walther von Hahn (1983) vor. So unterscheidet er in
vier adressatenbezogene Abstraktionsebenen (Wissenschaft, Technologien, Vermittlung,
Nutzung) denen er kommunikative Eigenheiten (Kommunikationsdistanz – Grad der physischen

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und sozialen Distanz der Kommunizierenden; kommunikative Handlungsweisen – Organisation,


Information, Instruktion) zuschreibt.
Die jüngere Fachsprachenforschung hingegen konzentriert sich mehr auf den Wissenstransfer
zwischen Experten und Laien und weniger auf eine vertikale Fachsprachengliederung.

8. Wissenstransfer zwischen Experten und Laien

Abb. 7: Kommunikationstypen zwischen Experten und Laien nach Roelcke 2016

Eine weitere Möglichkeit, Fachsprachen zu gliedern, stellt die Differenzierung zwischen der
Kommunikation von Experten und Laien dar. Im Rahmen dessen rückt der Wissenstransfer
zwischen Vertretern einzelner Fächer und zwischen Fachvertretern und Alltagspersonen als
Forschungsgegenstand ins Zentrum der jüngeren Fachsprachenforschung. Im Mittelpunkt der
Untersuchungen steht die Analyse der Vermittlung von Fachwissen und fachlichen Fähigkeiten
zwischen Experten und Laien. Dabei ist der Wissenstransfer als reziproker, wechselseitiger
Vorgang zwischen Experten und Laien zu verstehen.

Die in der Abbildung dargestellten horizontalen Pfeile stellen die Kommunikation zwischen
Experten und die der Laien auf einer bestimmten Fachebene dar. Die vertikalen Pfeile
signalisieren die Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen eines Fachbereiches.
Handlungs- und Kommunikationsbereiche sind in Fachebenen zusammengefasst. Die obersten
Fachebenen sind dabei theoriebezogen, die mittleren anwendungsbezogen und die unterste
Ebene laienbezogen. Die grau unterlegten Bereiche stehen für die Kommunikation zwischen
Experten eines bestimmten Fachbereichs.

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9. Literatur

Primärliteratur:

Hoffmann, Lothar (1985): Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung. 2., völlig neu
bearb. Tübingen: Narr (Forum für Fachsprachen-Forschung, Bd. 1).

Kniffka, Gabriele; Roelcke, Thorsten (2016): Fachsprachenvermittlung im Unterricht.


Paderborn, Stuttgart: Schöningh; UTB (StandardWissen Lehramt, 4094).
Roelcke, Thorsten (2010): Fachsprachen. 3., neu bearb. Aufl. Berlin: Schmidt (Grundlagen der
Germanistik, 37).

Roelcke, Thorsten (2014): Zur Gliederung von Fachsprache und Fachkommunikation. In:
Fachsprache - International journal of specialized communication (37), S. 154–178.

Sekundärliteratur:

Clark, Colin Grant (1940): The conditions of economic progress. London: Macmillian.

Fisher, Allan George Barnard (1935): The Clash of progress and security. London: Macmillan.

Fluck, Hans-Rüdiger (1996): Fachsprachen. Einführung und Bibliographie. 5., überarb. und
erw. Aufl. Tübingen: Francke (Uni-Taschenbücher, 483 : Germanistik, Linguistik).

Hahn, Walther von (1983): Fachkommunikation. Entwicklung, linguistische Konzepte,


betriebliche Beispiele. Berlin: de Gruyter (Sammlung Göschen, 2223). S.76-83.
Ischreyt, Heinz (1965): Studien zum Verhältnis von Sprache und Technik. 1. Aufl. Düsseldorf:
Pädagogischer Verlag.
Hoffmann, Lothar (Hg.) (1998-99): Fachsprachen. Ein internationales Handbuch zur
Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft = Languages for special purposes.
Berlin: de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft), S. 1020-1402.

Kalverkämper, Hartwig (1988): Die Fachwelt in der allgemeinen einsprachigen Lexikographie


(deutsch – englisch – französisch – italienisch). In: Fachsprache 10, S. 98-123.

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