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Hochschule xxxx
2022
Eingereicht von…
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen.............................................................................................. X
Abbildungsverzeichnis...............................................................................XI
1 Einleitung.........................................................................................- 1 -
1.1 Methode und Zielsetzung..........................................................- 2 -
2 Theoretisch-Systematischer Bereich...............................................- 4 -
2.1 Phraseologie – Überblick..........................................................- 4 -
2.2 Definitionsmerkmale..................................................................- 6 -
2.2.1 Polylexikalität....................................................................- 9 -
2.2.2 Idiomatizität.....................................................................- 10 -
2.2.3 Festigkeit – (relative) Stabilität........................................- 12 -
2.2.4 Reproduzierbarkeit..........................................................- 15 -
2.2.5 Gebräuchlichkeit.............................................................- 16 -
2.2.6 Irregularitäten..................................................................- 16 -
2.2.7 Restriktionen...................................................................- 16 -
2.2.8 Motiviertheit – Idiomatizität..............................................- 17 -
2.3 Klassifizierungsversuche.........................................................- 18 -
2.3.1 Mischklassifikation nach Burger, 2015............................- 19 -
3 Kontrastive Phraseologie...............................................................- 23 -
3.1 Äquivalenzen...........................................................................- 24 -
3.2 Somatismen in idiomatischen Redensarten............................- 27 -
3.2.1 Kopf – testa.....................................................................- 29 -
3.2.2 Auge – occhio.................................................................- 30 -
3.2.3 Nase –naso.....................................................................- 31 -
3.2.4 Ohr – orecchio................................................................- 32 -
3.2.5 Mund – bocca.................................................................- 33 -
3.3 Falsche Freunde.....................................................................- 33 -
4 Korpusbezogener Anwendungsbereich.........................................- 37 -
4.1 Kopf.........................................................................................- 37 -
4.2 Auge........................................................................................- 39 -
4.3 Nase........................................................................................- 40 -
4.4 Ohr.......................................................................................... - 41 -
4.5 Mund.......................................................................................- 42 -
5 Fazit...............................................................................................- 44 -
6 Literaturverzeichnis........................................................................- 46 -
Abkürzungen
d.h.…………………………………………………………………………das heißt
dt ……………………………………………………………………………deutsch
fig…...…………….……………………………………………………………………figurativ
it…............…….…………….………………………………………………………italienisch
jdm…..............…….……….………………………………………………………jemandem
jds…..............…….…………………………………………………………………jemandes
PE..………………………………………………………phraseologische Einheiten
poet.…................…….………………………………………………………………poetisch
qc.…..................…….………………………………………………………………qualcosa
qdt.….................…….………………………………………………………………qualcuno
R... .Röhrich: Das gr. Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Freiburg i.B. 1991/2
resp.………………………………………..……………….…respektive/beziehungsweise
s…………………………………………………………………………………………….sich
ugs...…................…….…………………………………………………umgangssprachlich
wörtl.................................................................................................... wörtlich
……………………………………………………………………………...in
etwa
X
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Form-Semantik (Quelle: Smirnova 2022).........................................................- 10 -
XI
1 Einleitung
Wie jede Sprache ist auch das Italienische reich an idiomatischen Redewendungen
und Sprichwörtern. Diese alltagssprachliche Bezeichnung für phraseologische
Einheiten (PE) bzw. Phraseme und Phraseologismen sind
Untersuchungsgegenstand der Linguistik. Die Phraseologie („Lehre von den
Phraseologismen, d.h. festen, ohne Bedeutungsverlust nicht in ihre Einzelteile
zerlegbaren Wortgruppen“) (Bruns 2013: 77) als wissenschaftliche Teildisziplin
innerhalb der Lexikologie ist noch relativ jung, spielt aber beim Erlernen einer
Sprache eine sehr wichtige Rolle.
Anhand einer Gegenüberstellung von Phrasemen aus dem Bereich des Körpers –
hier eingegrenzt auf Kopf, Auge, Nase, Ohr und Mund – des Italienischen mit dem
Deutschen sollen Äquivalenzen, Konvergenzen und Divergenzen festgestellt werden.
Die Schwierigkeiten und Abstufungen des Transfers in die andere Sprache ergeben
sich sowohl auf syntaktischer, lexikalischer, semantischer und morphologischer
Ebene. Ein Versuch einer anschaulichen Kategorisierung wird angestrebt: So werden
in einem Abschnitt (Parallelitäten) deutsche Redensarten, die eine Entsprechung mit
demselben Körperteil im Italienischen haben (z.B. s. etw. aus dem Kopf schlagen:
levarsi dalla testa qc.) aufgelistet. Ein weiterer Abschnitt (Ähnlichkeiten) befasst sich
mit solchen deutschen Wendungen, die im Italienischen entweder mit einem anderen
Körperteil oder durch eine völlig andere PE wiedergegeben werden. Italienische
Phraseme ohne Entsprechung im Deutschen und deutsche Phraseme, wofür es im
Italienischen kein Äquivalent gibt, vervollständigen in dieser Arbeit die
Untersuchungen (Nulläquivalenzen).
Eine weitere Strukturierung der PE ist durch die Definitionsmerkmale von Phrasemen
gegeben, wie sie Polylexikalität, Idiomatizität und Festigkeit bieten. Hier lassen sich
je nach Deckungsgleichheit in den beiden Sprachen Kategorien bilden, die
Parallelität und Ähnlichkeit als Unterscheidungsmerkmale definieren. Auf das
Phänomen der ‚Falsche Freunde‘ wird ebenfalls eingegangen.
1
Die Selektion von somatischen Phrasemen hat ihre Motivation dadurch, dass
Sprache immer auch Körpersprache ist. In der Literatur, allen voran die Bibel, ist
diese bildhafte Redensweise das geeignete Stilmittel, um Eingang in das
Kollektivbewusstsein zu finden. Neben freien syntaktischen Wortverbindungen bilden
verbale Idiome, die sogenannten Redewendungen, das Kernstück der Phraseologie.
Ihr bildhafter Charakter mündet in Euphemismen oder erlaubt groteske und
unmögliche Sachverhalte, deren Bedeutung nicht aus ihren Komponenten
erschließbar ist. Das ursprüngliche Bild ist meist verblasst oder durch die
kulturhistorische Entwicklung unverständlich geworden. Obwohl ihre Bedeutung
regelrecht gelernt werden muss, sind sie im Wortschatz fest verankert.
Der theoretische Teil der Arbeit widmet sich notwendigen Begriffsdefinitionen zur
Phraseologie: Was wird unter Phraseologie verstanden? Welche Ober- und
Unterbegriffe werden diskutiert? Wie und nach welchen Kriterien erfolgen
Einteilungen und Zuordnungen innerhalb der Begrifflichkeiten? Kapitel drei behandelt
die Terminologien der kontrastiven Phraseologie mit den in der Literatur üblichen
Äquivalenztypen (Monoäquivalenz, Polyäquivalenz, Nulläquivalenz bzw.
Volläquivalenz, Teiläquivalenz, Scheinäquivalenz).
Der empirische Teil der Arbeit bietet eine Gegenüberstellung von italienisch-
deutschen Phrasemen und dient der vergleichenden Veranschaulichung.
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Röhrich, Lutz, Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Freiburg im
Breisgrau 1991, 1992 und Forconi, Augusta, Le parole del corpo, Milano 1987.
Das primäre Ziel der Arbeit ist es, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden
Sprachen hinsichtlich der somatischen Phraseme mit Fokus auf den Kopf,
herauszuarbeiten.
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2 Theoretisch-Systematischer Bereich
Dieses Teilgebiet der Linguistik abzugrenzen, bietet eine Fülle von Schwierigkeiten.
Die Phraseologie umfasst sprachliche Ausdrücke, die eigentlich unauffällig und
dennoch „in aller Munde sind“ (Schafroth 2019) Ohne sich ihrer bewusst zu sein, sind
phraseologische Einheiten in dem alltäglichen Sprachgebrauch (parole) infiltriert. Sie
sind speziell genug, um sie zumeist intuitiv zu erkennen. Unabhängig davon, ob es
sich um eine gesprochene oder geschriebene Sprachverwendung handelt, stellen
Phraseologismen einen konstituierenden Bestandteil von Sprache dar. Ein wichtiges
Kriterium liegt darin, dass sie nicht frei bildbar und nicht vorhersagbar sind.
Ausgehend vom Begriff des sprachlichen Zeichens mit einer Form und einer
Inhaltsseite bzw. Bedeutungsseite, also einer Verbindung von Form und Bedeutung,
wird von einem Phrasem dann gesprochen, wenn mehr als ein Wort in einer festen
Verbindung vorkommt. Dies betrifft die Formseite. Auf der semantischen Seite
kommt die eigene Bedeutung dieser Wortkonstellation zum Ausdruck, dass das
‚Ganze mehr als seine Teile ist‘ und im übertragenen Sinn zu verstehen ist. Sowohl
auf formaler als auch auf der Inhaltsseite gibt es bestimmte Merkmale, die Phraseme
auszeichnen.
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sowohl als Ober- als auch als Unterbegriff hat ihren Ursprung in der russischen
Phraseologie, die als Pionierin auf diesem Gebiet gilt. Der Begriff ‚Phrasem‘ wurde in
Analogie zu den in der Linguistik gebräuchlichen Begrifflichen ‚Phonem‘, Morphem‘
und ‚Lexem‘ konstruiert. Der Begriff ‚Idiom‘ leitet sich vom griechischen ‚idioma‘
(ιδίωμα) ab und bezeichnet etwas Besonderes, Eigentümliches, etwas Irreguläres
(Smirnova 2022).
Inwieweit Sprichwörter zur Phraseologie gezählt werden, ist von der jeweiligen
linguistischen Schule abhängig. Sprichwörter sind Mikrotexte, beinhalten zumeist
moralische Aussagen und sind kulturspezifisch. (Schafroth: 2019).
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Eine wichtige Überlegung ist auch, ob Phraseme in das Lexikon gehören. Kann
ihnen der Status eines Wortes zugeschrieben werden, obwohl sie aus mehreren
Wörtern bestehen?
Laut Harald Burger1 (2007: 11ff) müssen Phraseologismen zwingend zwei Merkmale
aufweisen: die syntaktische Fügung muss mehr als ein Wort beinhalten und die
Wörter müssen in einer bestimmten Konstellation aneinandergereiht werden. Möglich
ist auch eine ähnliche Variante einer zusammengestellten Kombination von mehr als
einem Lexem. Dies bedeutet, dass die Phraseologie sich nicht darum bemüht, wie
gemäß des „Open Choice Principle“ (Schafroth: 2019) mittels semantisch-
lexikalischer grammatischer Regeln größere Einheiten in einer Sprache gebildet
werden können. Das dem Sprecher zur Verfügung stehende Inventar einer Sprache
ist grundsätzlich frei wählbar, wird gemäß den Regeln kombiniert und ergibt in
Addition betrachtet die Gesamtbedeutung des Syntagmas.
Anders bei Phraseologismen, hier greift das „Idiom Principle“ (Schafroth: 2019). Es
wird auf fertige, respektive halbfertige Produkte einer Sprache zurückgegriffen. Diese
werden repetitiv verwendet. Sie sind von einer festen Bedeutung und nicht mehr
wörtlich zu verstehen bzw. können sie Elemente enthalten, die nicht über das open
choice principle generierbar sind. Ein deutschsprachiges Beispiel für das idiom
principle ist ‚sich keinen Kopf wegen etwas machen‘. Im Vergleich hierzu unterliegt
das Syntagma ‚einen runden/kleinen/roten Kopf haben‘ dem open choice principle.
2.2 Definitionsmerkmale
„Die Menge derjenigen Phraseme , die die folgenden zwei Eigenschaften aufweisen,
bildet den Bereich der Phraseologie im weiteren Sinne:
(1) Polylexikalität – das Phrasem besteht aus mehr als einem Wort.
1
Burger bezeichnet die lexikalischen Bestandteile als Komponenten. (Burger 2007:11ff).
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(2) Festigkeit – wir kennen das Phrasem in genau dieser (oder einer sehr ähnlichen)
Kombination von Wörtern, und es ist in der Sprachgemeinschaft – ähnlich wie ein
Wort – gebräuchlich.
Von Phraseologie im engeren Sinne sprechen wir, wenn zu den beiden ersten
Eigenschaften noch eine dritte hinzukommt:
(3) Idiomatizität.
Damit ist gemeint, dass die Komponenten eine durch die synaktischen und
semantischen Regularitäten der Verknüpfung nicht voll erklärbare Einheit bilden. Die
Teilklasse von Phrasemen, die auch dieses Kriterium erfüllen, bildet den Bereich der
Idiome.“ Idiome sind sozusagen der ‚Prototyp‘ von Phrasemen.
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Einzelsprachen hinweg auftretendes Phänomen erachtet, wofür in den
unterschiedlichen Sprachen vergleichbare Regularitäten gelten. Dies bedeutet, dass
„Phraseologismen aller Sprachen in ihren Struktureigenschaften und
Benennungsinhalten vergleichbare Eigenschaften aufweisen“ (Kotb, zit. n. Kahl
2015: 13).
Eine weitere in Kahl erwähnte Theorie von Piirainen (1995: 270, zit. n. Kahl 2015: 13)
besagt, dass Sprachen sich nicht nur durch verschiedene Zeichen zur Benennung
der Welt unterscheiden, sondern auch in ihrer unterschiedlichen Gliederung und
Interpretation derselben-. Dies manifestiere sich in der Phraseologie der einzelnen
Sprache. Phraseologie wird als ein identitätsstiftender Bestandteil einer Sprache
angesehen und dennoch sind Differenzierungen je nach Kulturraum gegeben.
Dadurch ergeben sich Berührungspunkte mit anderen Wissenschaften, wie der
Psychologie, Ethik, Volkskunde und Sprachphilosophie.
Kahl (2015: 18) weist darauf hin, dass bei einem Vergleich der deutschen und
italienischen Forschungsliteratur die unterschiedliche Reichweite des Begriffs der
Phraseologie augenscheinlich wird. Die italienischen Linguisten umfassen mit dem
Begriff ‚fraseologia‘ einerseits die Sammlung von Phraseologismen und andererseits
wird darunter auch die gesamte Spracheigentümlichkeit eines Autors oder eines
Werks verstanden. Insgesamt lässt sich hinsichtlich der italienischen Forschung
sagen, dass die Filosofia del linguaggio, Linguistica und Critica letteraria sich
zunehmend in die „harte Linguistikszene“ (Kahl 2015: 18) ausdehnen. Die
italienische Phraseologie hat im Gegensatz zur deutschen keinen eigenständigen
Status als linguistische Teildisziplin und ihre Stellung im linguistischen Fächerkanon
ist umstritten.
Gemäß den unterschiedlichen Linguisten Burger (2007: 14 ff) und Palm (1995: 1ff)
wird von einer Phraseologie im engen und im weiteren Sinne gesprochen (Huber
2014: 4ff)
Zusammenfassend kann festgestellt, dass die Definition von Burger (2015) nach wie
vor die maßgebende Lehrmeinung ist. Somit gilt im Allgemeinen, dass im Sinne einer
weiten Auffassung von Phraseologie die Merkmale Polylexikalität und Festigkeit
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(Reproduzierbarkeit) als zwingend vorgesetzt werden. Dies ist quasi der minimale
Konsens. Bei der Auffassung von Phraseologie im engeren Sinne kommt die dritte
Eigenschaft der Idiomatizität hinzu (Burger 2015).
2.2.1 Polylexikalität
Die Mehrgliedrigkeit gilt als wichtigste Voraussetzung für einen Phraseologimus. Es
muss sich um eine feste Wortverbindung von mindestens zwei Wörtern bzw. Lexeme
handeln. Erschwerend kommt hier allerdings hinzu, dass nicht immer dasselbe unter
einem ‚Wort‘ verstanden wird. Diese Minimalstruktur gilt als unterste Grenze. (z.B.
‚auf Anhieb‘). Die maximale Ausdehnung eines Phraseologismus ist syntaktisch
festgelegt und hier wird der Satz als oberste Grenze erachtet.
Da auch syntaktische Strukturen wie ‚toi toi toi‘ oder ‚ich und geizig‘ zu den
Phrasemen gezählt werden, wird das Charakteristikum der Polylexikalität auf eine
Polymorphematizität spezifiziert, also auf die Mehrgliedrigkeit. Damit wird der
Minimalanforderung nach mindestens zwei freien Morphemen, um als Phrasem
klassifiziert zu werden, nachgekommen. Es treten folgende Varianten auf:
Die meisten Phraseme enthalten allerdings mehr als zwei freie Morpheme und
besonders häufig sind zwei Lexeme und ein oder mehrere Funktionswörter in einem
Phrasem vereint: ‚den Vogel abschießen‘, ‚jemanden auf den Wecker gehen‘.
(Schafroth: 2022)
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Polylexikalität kann anhand eines graduellen Spektrums analysiert werden,
ausgehend von zwei Wörtern, wobei zwischen Funktionswort (Synsemantika) und
Inhaltswort (Autosemantika) unterschieden wird. Das oben genannte Phrasem ‚auf
Anhieb‘ ist ein Beispiel für die Kombination von einem Funktionswort (‚auf‘) und
einem Inhaltswort (‚Anhieb‘). Ein Beispiel für drei Wörter mit zwei Funktionswörtern
und einem Inhaltswort ist ‚bis zum Hals‘. Während also Polylexikalität die Formseite
des Phrasems umfasst, betrifft die folgende Eigenschaft, die Idiomatizität, die
Semantik der Wortverbindung.
2.2.2 Idiomatizität
Ein semantisches Kriterium ist die Nicht-Kompositionalität, auch Idiomatizität
genannt. Es handelt sich um ein Phänomen der semantischen Transformation, worin
die Komponenten im Zuge ihrer Idiomatisierung von ihrer literalen zur idiomatischen
Bedeutung einer anderen Lesart unterliegen.
Es beschreibt Undurchsichtigkeit und eine
Nichtmotivierbarkeit.
Die Spannweite der Intensität der Idiomatizität reicht von schwach idiomatischen
Phrasemen bzw. nicht-idiomatischen (z.B.: ‘sich die Zähne putzen‘) über teil-
idiomatischen (‘Blut und Wasser schwitzen‘) bis hin zu stark idiomatischen oder nur
‘idiomatisch‘ bzw. vollidiomatisch systematisiert (z.B. ‚jemanden einen Korb geben‘)
(Smirnova 2022)
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andere als die wörtliche Bedeutung evoziert (‚jemanden zeigen, wo der Hammer
hängt‘/ ‚far vedere come si fa‘). Zumeist handelt es sich um figurative,
metamorphische Bedeutungen wie sie auch in Sprichwörtern zuweilen auftreten. (‚es
ist noch kein Meister vom Himmel gefallen‘ / nessuno nasce maestro) Schafroth, E.
(Phraseologie-Tutorial, IV) nennt in diesem Zusammenhang den Ausdruck ‚den
Computer hochfahren‘: das Verb ‚hochfahren‘ ist nicht idiomatisch und hat in diesem
Kontext die Bedeutung von ‚starten‘ erhalten. Es handelt sich um ein ‚idiom principle‘,
welches erlernt werden muss. Diese Nicht-Vorhersagbarkeit einhergehend mit einer
Nicht-Herleitbarkeit wird idiosynkratisch genannt.
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Abbildung 2 Grade der Idiomatizität (Quelle: Smirnova, Lektion 3 Phraseologie)
12
Ein Beispiel für ein Entrenchment ist im Deutschen das Token 2: ‚Wie x ist das denn‘.
Das Muster verbreitete sich und es entstand ein Type, wobei für ‚x‘ ein Adjektiv
eingesetzt wird. ‚Wie cool/krass/arg ist das denn‘. Der Type als idiomatische Phrase
findet Eingang in das Phraseolexikon einer Sprache, es handelt sich um eine
Lexikalisierung (Palm 1995: 36, zit.n. Huber 2014:6). Dies bedeutet, dass
Muttersprachlern die Phrase bekannt ist, aber dennoch erlernt werden muss.
Ein italienisches Beispiel: ‚Da‘ + Substantiv oder Verb, wobei die Verbalphrase
bereits ein Type-Entrenchment hat, weil seine Struktur modellhaft ist und mehrere
Tokens nach sich gezogen hat.
b) semantisch-pragmatische Festigkeit:
2
Token-type: Die type-token Unterscheidung wurde von Ch.S.Peirce geprägt und fand so Einzug in
die analytische Sprachphilosophie und in weiterer Folge in die sprachwissenschaftlichen
Forschungen. ‚token‘ = Vorkommnis, die konkrete sprachliche Äußerung (parole) die materiale
Realisation/Instantiierung eines types (langue).
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Anders als freie Wortverbindungen sind phraseologische Wortverbindungen nicht
völlig frei erweiterbar, sodass einzelne Konstituenten nicht beliebig substituierbar
sind. Veränderungen am Phrasem, die morphosyntaktischer und/oder lexikalischer
Natur sind, können dessen Gesamtbedeutung sinnlos machen. Diese Restriktionen
der Formveränderlichkeiten sind graduell abgestuft und so wird auch bei Kahl (2015:
30) eine Skala vorgeschlagen. Kahl bezeichnet das Definitionsmerkmal der
Festigkeit allerdings als ‚Stabilität‘. So funktioniert der Phraseologismus ‚jd.kommt
mit einem blauen Auge davon‘ nicht, wenn anstelle ‚blau‘ eine andere Farbe
verwendet wird: ‚jd. kommt mit eine *rosa* Auge davon.‘ Das Merkmal der Festigkeit
respektive der Stabilität hängt mit dem Merkmal der Lexikalisierung/
Reproduzierbarkeit zusammen. Viele Phraseologismen beinhalten aber Varianten
und sind variabel. Stabilität und Variabilität können laut Burger et al (1982: 67 zit.n.
Kahl 2014: 29) als komplementäre Kategorien betrachtet werden. Fest, im Sinne von
unveränderbar, seien nur wenige phraseologische Einheiten.
Von „petrifzierten Phrasemen“ wie ‚klipp und klar‘, ‚an jemanden einen Narren
gefressen haben‘ ist dann die Rede, wenn kein Spielraum für Substitutionen
vorhanden ist oder auch keine Konstituente weglassbar ist. So ist es beispielsweise
nicht möglich zu sagen: ‚er fraß einen Narren an ihr‘. Diese petrifzierten Phraseme
sind zwar flektierbar und besitzen morphologisch variable Leerstellen, sind aber sehr
fest, versteinert eben.
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syntaktisch fest sind, nicht aber lexikalisch. Sie sind somit unspezifischer,
schematischer und lexikalisch offen. Es handelt sich hier um einen bloßen
Satzrahmen, der mit Lexemen zu füllen ist.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm! Guten Appetit!, Prost
(a) jd. ist ein schlimmer Finger <‚jd. ist ein böse/gefährlicher Mensch‘>
Das Merkmal der Festigkeit wird auch als Oberbegriff gehandelt, worunter mehrere
Perspektiven und Facetten zusammengefasst werden. Genannt werden hier
Abstufungen im Spektrum von freien syntaktischen Wortverbindungen bis hin zu
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festen syntaktischen Wortverbindungen. Die Eigenschaften der Reproduzierbarkeit,
Gebräuchlichkeit, Irregularitäten (strukturelle Festigkeit betreffend), Restriktionen
(strukturelle Festigkeit betreffend) sowie Motiviertheit (Idiomatizität) unterliegen im
Rahmen dieser Graduierungen, die vom Oberbegriff der Festigkeit vorgegeben wird,
ebenfalls diesen Abstufungen.
2.2.4 Reproduzierbarkeit
Die Reproduzierbarkeit betrifft die psychologische Festigkeit und bezeichnet eine
Facette von Festigkeit auf psycholinguistischem Niveau. Das Spektrum reicht hier
von der Freiheit des ‚open-choice‘ Begriffs, als analytische Fähigkeit, wo in einer
Wortverbindung jedes einzelne Wort rezipiert wird, hin zu einem holistischen
Aufnahmeverständnis, das die Wortverbindung als Ganzes handhabt.
2.2.5 Gebräuchlichkeit
Diese Facette der Festigkeit ist kein sicheres Zeichen für Phraseme. Damit ist die
wiederholte – frequente – Verwendung der Wortverbindung gemeint. Allerdings
bestimmt kaum die Häufigkeit des Gebrauchs einer bestimmten Wortverbindung, ob
es sich um eine Phrasem handelt oder nicht. Eine Korpusanalyse mag zeigen, dass
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im Deutschen z.B. die Verbindung ‚er + geht‘ – mit all seinen Flektionen – weitaus
häufiger vorkommt als das Phrasem ‚blinder Passagier‘.
2.2.6 Irregularitäten
Darunter fallen bestimmte morphologische, syntaktische, lexikalische oder
semantische Anomalien, die nur das Phrasem betreffen und sonst nicht im
sprachlichen System gelten für freie syntaktische Verbindungen.
Irregularitäten erstrecken sich auf einem Spektrum zwischen dem regulären Pol (‚auf
gutes Wetter‘ mit einem Flexionsmorphem) und dem irregulären (‚auf gut Glück!‘:
unflektiert, weil es sich um ein Phrasem handelt).
2.2.7 Restriktionen
Die Restriktionen hingegen, – quasi die konträre Seite zu den Irregularitäten –
zeigen, dass bestimmte morphologische oder syntaktische Modifikationen nicht
möglich sind, ohne dass die phraseologische Bedeutung darunter leiden würde. An
diesen Restriktionen ist sehr gut die Grenze zwischen freien syntaktischen
Verbindungen und Phrasemen ersichtlich. Auf syntaktischer Ebene ist das oft zitierte
Beispiel ‚Das ist kalter Kaffee‘ zu nennen. In seiner phraseologischen Bedeutung
meint es ‚uninteressant‘. In der wörtlichen Bedeutung würde von einem kalt
gewordenen Kaffee gesprochen werden. In einer Rekombination wie beispielsweise:
‚Das ist Kaffee, der kalt ist‘ geht die phraseologische Bedeutung vollständig verloren.
Ein Beispiel für eine lexikalische Restriktion ist ‚Die Flinte ins Korn werfen‘ im Sinne
von ‚kapitulieren‘. Wird ‚Flinte‘ substituiert durch ‚Gewehr‘, dem Wortfeld
entstammend, so verschwindet die phraseologische Bedeutung: ‚Das Gewehr ins
Korn werfen‘ / ‚in den Hafer werfen‘.
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Bespiele für opake Verbindungen: ‚das Handtuch werfen‘, ‚jem. einen Korb geben‘:
Das Wort ‚Korb‘ hat nichts mit dem wörtlich verstanden ‚Korb‘ zu tun.
Hingegen ist ‚das fünfte Rad am Wagen sein‘ motivierter, also opaker. Die
Bedeutung ist motivierbar um das Wissen, dass ein fünftes Rad am Wagen
überflüssig ist.
‚Die Ohren spitzen‘: dieses Verhalten aus dem Tierreich ist motivierter und kann eine
metaphorische Verbindung herstellen.
2.2.8.1 Unikale
Unikale Komponenten kommen nur und exklusiv in Phrasemen vor und sind nicht im
Wörterbuch als Lexeme notiert. Sie sind ein Charakteristikum von Irregularitäten, von
einer oder mehreren Anomalien, die nur Phraseme betreffen und sonst nicht im
sprachlichen System gelten für freie synaktische Verbindungen (Smirnova 2022: 3).
Kahl weist an dieser Stelle auch darauf hin, dass die Existenz von „unikalen
Komponenten“ im direkten Zusammenhang stehe mit der absoluten Stabilität, sodass
die „phraseologische Gesamtbedeutung nicht mehr aus der Einzelbedeutung der
Lexeme ableitbar“ sei. Diese Unikalia oder „phraseologische gebundene Formative“
(Kahl 2014: 31) existieren nicht mehr selbständig und tragen einerseits zur Festigkeit
von Phraseologismen bei und erhöhen so die Idiomatizität. Es handelt sich hier um
das bereits bei Schafroth erwähnte Token/Type – Prinzip.
Unikale Komponenten werden von Čermak auch als „zero sign“ bezeichnet. (Kahl
2014:33). Sie setzen eine „überindividuelle, sozial wirksame Konzeption der Sprache
voraus.“ Unikalia werden gemäß Gendadieva 2006:125, zit.n. Kahl 2014: 33)
aufgrund eines semantischen Strukturverlust gebildet und gelten gleichzeitig als
Endpunkt der Lexikalisierung.
Ein Beispiel für einen Somatismus mit einer unikalen Komponente (Kahl 2014: 31)
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2.3 Klassifizierungsversuche
Als Basis einer Klassifikation dienen immer Kategorien, die eine unabdingbare
kognitive Funktion innehaben. Simpel ausgedrückt gilt, dass der Mensch in
Kategorien denkt, um sich selbst und seine Umwelt interaktiv wahrzunehmen und zu
optimieren. Kategorisierungsprozesse sind zentral für die menschliche
Informationsverarbeitung. Es werden Gruppierungen anhand von Ähnlichkeiten und
Gemeinsamkeiten gebildet, neue Erfahrungen und Objekte werden mit bestehenden
verknüpft. Die Zuordnung zu einer Klasse ähnlicher Sachverhalte erlaubt einen
ökonomisch-pragmatischen Umgang. Für die Forschung und Entwicklung von
Wissenschaften sind Kategorisierungen und Taxonomien ein wichtiger Schritt, die
eine Hypothesen- und Theoriebildung überhaupt erst ermöglichen. Das logische
Denken beruht auf deduktiven und induktiven Schlüssen. Gemeinsame Kategorien
des repräsentierten Wissens ermöglichen die menschliche Kommunikation. Die
Differenzierung zwischen Kategorien, die sich auf Klassen in der Welt beziehen, und
Konzepten, die die mentale Repräsentation dieser Klassen bezeichnen, ist letztlich
ein Thema der Sprachphilosophie.
Problematisch werden Klassifizierungsversuche dann, wenn die Kategorie zu eng
oder zu weit gesteckt ist. Falsche oder zu umfassende Kategorien übertreiben
möglicherweise eine Ähnlichkeit oder Verschiedenheit von Sachverhalten und
Abstrakta und verzerren die Wirklichkeit. (Vgl. Müsseler 2016: 5ff)
Die Phraseologie bedingt eine Vielzahl an Gruppierungsmöglichkeiten.
Fleischer (2015: 110f) trifft eine formale Unterscheidung und schlägt eine
Klassifizierung in Phraseolexeme (wortähnlichen Gebilden), Phraseoschablonen und
der größten Einheit, den Nominationssterotypen. Im Vergleich hierzu gibt Burger
(2015) eine Klassifikation an, die eher auf semantisch-funktionaler Ebene aufbaut
und somit die Funktion von Phrasemen v.a. hinterfragt. Er unterscheidet zwischen
referenziellen, strukturellen und kommunikativen Merkmalen, anhand deren er die
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Phraseme einstuft. Die Möglichkeiten der Klassifizierung von Phrasemen ist nach wie
vor ein aktuell diskutiertes Thema in der Forschung.
In einem ersten Schritt erfolgt die Unterscheidung gemäß der Zeichenfunktion des
Phrasems. Die referenzielle Funktion des Phrasems zeugt vom Bezug auf Objekte,
Vorgänge oder Sachverhalte in der Außenwelt. Aufgabe der strukturellen Funktion ist
es, syntaktische Relationen herzustellen. Hier geht es um die Organisation von
beispielsweise komplexen Präpositionen oder polylexikalische Verbindungen
‚sowohl…als auch‘, die als Konjunktion fungiert. Die kommunikative Funktion des
Phrasems auf Ebene des Zeichens kommt an bestimmten Stellen in der
3
Es wird also nicht nur ein einziges Unterscheidungskriterium (z.B. nur eine semantisches) verwendet.
20
zwischenmenschlichen Kommunikation zum Ausdruck. z.B.: ‚Guten Morgen‘, ‚gern
geschehen‘
In einem vierten Schritt wird die Ebene der propositionalen Phraseme unter
pragmatischem Gesichtspunkt analysiert. Diese Gruppe von Phrasemen umfasst
ganze Satzaussagen. Es betrifft feste Phraseme und topische Formeln, rhetorische
Redewendungen. Ausschlaggebend ist hier die Kontextgebundenheit, ein
definitorisches Merkmal von Phrasemen. Bedingt durch die Situation werden
‚reflexartig‘ Phraseme ausgelöst, es sind vorgefertigte Antworten, die phraseologisch
sind. Feste Phraseme haben einen hohen Grad an Kontextgebundenheit, sind
satzwertig. ‚Das ist ja die Höhe!‘ ‚Hier geht die Post ab.‘ Topische Formeln hingegen
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sind satzwertige Formulierungen ohne Verankerung in einem spezifischen Kontext.
‚Was sein muss, muss sein.‘
In einem fünften und laut Diagramm (siehe Abb. 2) letzten Schritt erfolgt eine weitere
Differenzierung innerhalb der topischen Formeln nach pragmatischem
Gesichtspunkt: in Sprichwörter und Gemeinplätze. Sprichwörter sind satzwertige
Formulierungen und erfüllen oft eine soziale Funktion. Sie sind häufig von
moralischer Natur. Allgemeine Wahrheiten werden in solch eine Form verpackt. Als
Gemeinplätze werden ebenfalls satzwertige Formulierungen definiert, die als
Bewertungen und Rechtfertigung von Handlungen fungieren. Gemeinplätze enthalten
keine zusätzliche Information, sie beschreiben lediglich die Situation und wiederholen
sozusagen den Sachverhalt.
Ein weiteres, nicht bei Burger 2015 erwähntes Kriterium zur Klassifizierung zur
Unterscheidung ist das der Motiviertheit. Smirnova erwähnt hier Korhonen 2002, in
Typologien von Phraseologismen. Motiviertheit ist ein semantisches Kriterium und
wird graduell differenziert in unmotiviert (‚ins Bockshorn jagen‘) – motivierbar
(metaphorisch wie: ‚das fünfte Rad am Wagen‘) – teil-motivierbar (‚klipp und klar‘) –
direkt motivierbar (‚Hilfe leisten‘). Der Aspekt der Motiviertheit gibt den Grad der
möglichen Erschließung der Bedeutung an. Ihr Gegenpol ist Opakheit, worunter
verstanden wird, dass eine opake Wortverbindung unmotiviert ist und ihre Bedeutung
weder wörtlich noch auf direktem Wege ethymologisch bzw. kulturell erschließbar ist.
Beispielsweise ist das Phrasem ‚jemanden ins Bockshorn jagen‘ sehr unmotiviert und
opak: weder hat der Sachverhalt, dass jemand verärgert wird, etwas mit einem
Bockshorn noch mit jagen zu tun.
In der neueren Phraseologieforschung liegt ein Fokus der Klassifizierungen auf den
strukturellen Kritierien. Phraseoschablonen bzw. Muster dienen hier als produktive
Schemata, in deren Leerstellen (X) durch Auffüllen wieder weitere Phraseme gebildet
werden können. Es ist eine Bildung von Phrasemen nach regelhaftem Muster.
22
[X um X] -> Stein um Stein, Glas um Glas
Auch komparative Phraseme sind ein Beispiel für Phraseoschablonen. Das Konzept
der Phraseoschablonen ist insofern auch gut zu untersuchen, weil es die Frage
aufwirft, wie weit die Variabilität der Austauschbarkeit reicht.
3 Kontrastive Phraseologie
Seit Mitte der 60er Jahre ist die kontrastive Phraseologie ein beliebtes
Forschungsgebiet, wobei ältere Studien ihren Schwerpunkt vorwiegend auf
Sprichwörter4 legen. Die kontrastive Phraseologie will Gemeinsamkeiten und
Unterschiede sprachlicher Erscheinungen zweier oder mehrerer Sprachen aufzeigen,
wobei auch die Relation an sich, in dem die vergleichenden Spracheinheiten stehen,
untersucht wird. (Vgl. Huber, 2014: 8ff). Grundsätzlich wird von einer Zweiteilung in
ein intralinguales und ein interlinguales Beschreibungsverfahren ausgegangen. Das
intralinguale Beschreibungsverfahren vergleicht Phraseme innerhalb einer Sprache.
Es untersucht den Kontrast der Spezifika der Phraseologie in Dialekt und
Standardsprache, wobei sowohl auf synchronischer als auch auf diachronischer
Ebene verglichen wird. Das interlinguale Beschreibungsverfahren, das in dieser
Arbeit zum Tragen kommt, vergleicht mindestens zwei Sprachen mittels
Äquivalenzen und arbeitet Ähnlichkeiten und Unterschiede heraus. Gegenstand der
4
Unterschied zwischen Redensart und Sprichwort: Ein Sprichwort ist formal betrachtet ein
allgemeingültiger, abgeschlossener Satz, der oftmals auch einen Reim enthält und sich auf eine
Erfahrung, Beurteilung, Vorschrift, Empfehlung des täglichen Lebens stützt. Redensarten hingegen
haben keine feste Prägung, müssen erst in einen Satz eingefügt werden, sind nach Zeit/Person
veränderlich und wertfrei. Gemeinsam ist beiden, dass sie in ihrem Wortlaut eingängig sind und ein
festgefügtes Bild transferieren. Redensarten entwickelten sich oft auch aus literarischen Wendungen
bzw. Zitaten und zählen durchaus zum Kollektivgut. Ihre Bildhaftigkeit neigt sowohl zu Übertreibungen
als auch zu Euphemismen (Scherr 1993).
23
Untersuchung sind sowohl lexikalische, strukturell-syntaktische als auch semantische
Aspekte. Häufig werden hier Probleme bei der Übersetzung von Phraseologismen
sichtbar, denn grundsätzlich gilt festzulegen, wie die Phraseologismen interpretiert
werden, als
„[…] konkrete Realisationen oder als abstrakte Formenkomplexe […]. Ersteres bezieht sich
auf die Ebene der Parole und besitzt für das Übersetzungswesen Relevanz. Letzteres
wiederum hat Bezug auf die Ebene der Langue und beinhaltet, dass bei der
Gegenüberstellung die morphosyntaktische und lexikalische Variantenbildung berücksichtigt
werden […]“ (Korhonen, 2007: 575, zit. n. Kahl, 2015: 88f).
Földes (1996: 12) stellt drei Ansätze in der kontrastiven Phraseologieforschung fest:
Erstens den interkulturell-kognitiven, zweitens den strukturell-typologischen und
drittens die Ermittlung von Äquivalenztypen. Des Weiteren nennt Földes (1996: 15)
fünf Voraussetzungen für die Durchführung einer kontrastiven Phraseologie: die zu
vergleichenden Sprachen/Sprachvarietäten müssen Übereinstimmungen,
Ähnlichkeiten und Divergenzen aufweisen; eine innersprachliche Beschreibung muss
sowohl qualitativ als auch quantitativ vorgenommen werden; die Vergleichbarkeit an
sich; die Ermittlung einer Bezugsgröße, i.e. eines Parameters, von der aus die
Unterschiede respektive Ähnlichkeiten beurteilt werden können und der Einsatz
eines einheitlichen theoretischen Konzepts für die Interpretation der Erscheinungen
in den kontrastierten Sprachen/Sprachvarietäten.
3.1 Äquivalenzen
24
handelt sich somit um eine morphosyntaktische-lexikalische Äquivalenz. Bei der
semantischen Überstimmung (Ausgangspunkt ist die Bedeutung) wird auf
denotativer Ebene die Vergleichsbasis (Tertium Comparationis) bestimmt.
Äquivalenz steht also „für relationale Sachverhaltsbeschreibungen auf der Form- und
Inhaltsseite eines sprachlichen Zeichens“ (Kahl 2015: 89).
Die quantitative Äquivalenz fungiert auf der Ebene der Langue und gliedert sich nach
der Zahl der Äquivalente des jeweiligen Phrasems in der Zielsprache:
Monoäquivalenz (1:1), z.B. dt. ‚das Auge des Gesetzes‘/ it. ‚l’occhio della
legge‘;
Bei der qualitativen Äquivalenz werden ebenfalls grob drei Typen unterschieden,
wobei innerhalb dieser Einteilung weitere Differenzierungen (Subklassen)
vorzunehmen sind:
25
unterschiedlich sind. Unterschiede hinsichtlich Konnotationen sind dabei kaum
festzustellen. Es handelt sich hier um ‚weitgehende‘ Ähnlichkeiten (im
Unterschied zu Parallelitäten), deren geringe Abweichungen dennoch in die
Kategorie der Volläquivalenz eingeordnet werden.
26
Missverständnissen, weil die einzelnen Lexeme des Phrasems in ihrer
Einzelbedeutung zwar ident sind, aber dennoch eine andere phraseologische
Bedeutung aufweisen.
(z.B: dt: ‘Mit Bleifuß fahren‘ <schnell fahren, rasen>/ it.: ‚andare/andarci von
i/coi piedi di piombo‘ <mit Bleifüßen gehen, mit großer Vorsicht>)
Der Begriff der Äquivalenz und die darauf aufbauenden Strukturierungen, v.a. im
Kontext der Phraseologie, sind komplex und stellen nach wie vor ein
Forschungsdesiderat dar. Mussner weist in ihrer Dissertation „Jedem Tierchen sein
Pläsierchen. Phraseme mit Tierbezeichnungen im Komponentenbestand im
Vergleich zwischen den Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch“ (2010:
186ff) auf Korhonen (2007) hin, der ein relativ ausdifferenziertes Modell anbietet; er
gehe auf die Vergleichsparameter denotative Bedeutung, Bedeutungsumfang,
Idiomatizität, Bildhaftigkeit, Morphosyntax, Lexik, Stabilität, Konnotation, Valenz und
Stil sowie auf die unterschiedlichen Möglichkeiten von Übereinstimmungen und
Abweichungen im Detail ein. Mussner sieht die Dreiteilung der Äquivalenzmodelle
der kontrastiven Phraseologie für die Sprachpraxis als nicht sinnvoll an, weil die
Unterscheidung in totale und partielle Äquivalenz auf funktionaler Ebene wenig
bewirkt. Sie plädiert für ein Modell, das nach funktionalen Kriterien vorgeht und
Aspekte wie Geläufigkeit, Gebrauchsbedingungen, Pragmatik miteinbezieht.
Die Eingrenzung der Untersuchung von Phraseologien auf den Bereich der
Somatismen begründet sich nicht zuletzt aus dem sehr repräsentativen Ausschnitt
aus dem Gesamtbestand des quantitativ erfassten und zugänglichen Materials.
Dabei wird der Blick darauf gerichtet, wie weit Kopf, Mund, Auge, Nase, Ohr als
Basiskomponenten der phraseologischen Einheiten für die Konstituierung der
phraseologischen Bedeutung eine Rolle spielen, welche Bilder dabei erzeugt
werden, wie die Unterschiede in den beiden Sprachen gelagert sind und wieweit eine
Metaphorisierung gegeben ist. Gilt als Charakteristikum des Phraseologismus
allgemein, dass seine Bedeutung nicht die Summe der Bedeutungen derjenigen
27
Wörter ist, die ihn ausmachen, so gilt es stets, die Motivation dahinter zu erkunden,
i.e. die Idiomatizität. Denn je stärker eine phraseologische Einheit motiviert ist, desto
schwächer ist ihre Idiomatizität, also die Bildlichkeit. Motivation meint die Beziehung
zwischen Signifikant und Signifikat resp. Denotatum und Denotation, die für
Muttersprachler durchschaubar ist. Zu unterscheiden sind hier auf intralinguistischer
Ebene eine phonetisch-phonologische Motivation, i.e. die direkte Beziehung
zwischen Lautkomplex und Bedeutung, die morphologisch-morphematischen
Motivation, i.e. die Beziehung zwischen Wortbildungskonstruktionen und ihren
unmittelbaren Konstituenten und die semantische Motivation, die für die
Phraseologie relevant ist. Die semantische Motivation ist so zu verstehen, als dass
die semantischen Merkmale des Phraseologismus „durch ihr Vorhandensein in den
Sememen der Lexeme der freien Wortverbindung motiviert sind“ (Steffen, 1986: 56)
Der semantische Transfer freier Wortverbindungen in einen Phraseologismus ist
nicht nur vollidiomatischen, sondern auch nicht-bildhaften Phrasemen eigen. Es sind
durchaus auch schwach idiomatische Phraseme zu finden, wobei die Transparenz
zum Teil sehr individuell ist.
28
Kultur und Sprache, wie sie bei Kahl (2015: 86) in Anlehnung an Földes betont wird,
wird offensichtlich. Sprachen ähnlicher Kulturkreise weisen somit auch eine
Konvergenz im Gebrauch von Somatismen auf. Allerdings wird dieser universelle
Charakter prägnant relativiert durch die zum Teil doch wesentlichen Divergenzen der
Phraseologismen mit Körperbezeichnungen. Davon sind nicht nur Unterschiede in
der strukturellen Beschaffenheit betroffen, sondern auch auf semantischer Ebene.
29
man tun soll (tramontana = Nordwind;
Norden Orientierung)
perdere il lume degli occhi außer sich sein, sich nicht mehr unter
Kontrolle haben <wörtl.: das Augenlicht
verlieren>
Ähnlichkeit
averne fin sopra la testa etwas bis an den Hals satt haben
Das Italienische nimmt hier auf den Kopf als Ganzes Bezug, das Deutsche reicht
nur bis an den Hals. Es handelt sich hier um eine Teiläquivalenz.
Das Bild des erhobenen Kopfes gilt als Zeichen des Stolzes und des
Selbstbewußtseins. Im Deutschen setzt sich die Wendung aus dem Verb tragen
und dem Akkusativobjekt den Kopf und dem adverbial gebrauchten Adjektiv hoch
zusammen. Im Italienischen wird das Verb andare <gehen> und die modale
Adverbialbestimmung a testa alta (etwa: mit erhobenen Kopf) verwendet (Scherr
1993: 19).
30
3.2.2 Auge – occhio
Parallelitäten
Deckungsgleichheit für Wendungen mit dem Auge gibt es in beiden Sprachen
zahlreiche, der grammatikalische Aufbau mit Verb + Akkusativobjekt +
Präpositionalobjekt ist ident.
Der deutschen Wendung: ‚die Augen auf jdn. (etw.) richten‘ entspricht dem
italienischen ‚volgere (drizarre) gli occhi verso qd. (qc.).
volgere (drizarre) gli occhi verso qd. die Augen auf jdn. (etw.) richten‘
(qc.)
piegare l’occhio su qc. Syn.it wörtl.: das Auge auf etw. biegen
Ähnlichkeit
umgekehrt:
essere l’occhio destro di qd. jds. Augentrost sein
Das rechte (italienische) Auge steht für das “Liebste, die einzige Freude”. (Scherr
1993 :24)
31
3.2.3 Nase –naso
Parallelitäten
Deckungsgleichheit besteht bei der Redensart ‚die Nase [über jdn. (etw.) rümpfen]‘
und ‘[s-] torcere (raggrinzare, arricciare) il naso [per qd. (qc.)]’, womit zum Ausdruck
gebracht wird, dass jemand sich über etwas/jemanden erhaben fühlt, nicht mag,
verächtlich herabblickt. Grammatikalisch setzen sich beide Wendungen aus Verb,
Akkusativobjekt und präpositionaler Fügung zusammen. Dem deutschen Verb
‚rümpfen‘ entspricht dabei am ehesten das italienische ‚arricciare‘ (kräuseln, ringeln)
und raggrinzare (runzeln).
Parallel sind auch: ‚jdn. an der Nase herumführen‘ mit ‚menare qd. per il naso‘, womit
gemeint ist, <jem. überlisten, täuschen, hintergehen.> Die grammatikalische
Konstruktion ist ident: Verb + Akkusativobjekt + präpositionale Fügung. Anstelle des
Verbs menare <führen, leiten> kann auch prendere <nehmen>, tirare <ziehen> und
portare <tragen, führen> verwendet werden.
Ähnlichkeit
Die deutschsprachige lange Nase wird im Italienischem mit tanto und dem
Teilungsgenitiv di…. wiedergegeben.
fare tanto (un palmo) di naso a qd. jdm. eine lange Nase machen
32
rizzare l’orecchio ‘die Ohren steifhalten’, wörtl. das Ohr
aufrichten
Vorsicht ist geboten bei der Übersetzung von ‚Halt die Ohren steif!‘, eine
umgangssprachliche Aufforderung, die im Italienischen durch ‚coraggio! non lasciarti
abbattere!‘ umschrieben wird. Zum Ausdruck gebracht wird definitionsgemäß nach
Wahrig (1991) <tapfer bleiben, sich nicht unterkriegen lassen.>, die Definition laut
Zingarelli (1991) <ascoltare attentamente>
Ähnlichkeit
Grammatikalisch gleich aufgebaut mit Verb + Subjekt + Dativobjekt ist die Wendung
jmd klingen die Ohren / it. zufolano gli orecchi a qd. Der Unterschied liegt in der
Verwendung eines anderes Verbs: zufolare bedeutet nicht klingen, sondern pfeifen.
(Scherr 1993: 30)
33
Ähnlichkeit
Die deutsche Redewendung Dem Tod sehr nahe sein wird auf italienisch
ausgedrückt mit stare con la bocca sulla bara <wörtl.: sich mit dem Mund auf dem
Sarg befinden>. Das Deutsche hat hierfür die Formulierung mit einem Bein im Grab
stehen, was der Übersetzung avere un piede nella bara <wörtl.: einen Fuß im Sarg
haben> ähnlich ist. (Scherr, 1993: 32)
Die Frage nach der Entstehung von Falschen Freunden, ihrem Ursprung, kann darin
als begründet angesehen werden, als dass lexikalisch identische Lexeme über
primäre und sekundäre Bedeutungen verfügen. Es gelten also zwei Lesarten: die
34
wörtliche und die phraseologische, die Interpretation erfolgt auf zwei verschiedenen
konzeptuellen Ebenen, wobei die wörtliche Bedeutung erst die phraseologische
Bedeutung evoziere (Mollica und Wilke 2019: 122, berufen sich hier auf
Dobrovol’skij/Piirainen). Die Bildlichkeit eines Idioms trägt zu seiner Motivation bei.
So steht Kopf im Deutschen für 1. den anatomischen obersten Körperteil und 2. für
den Verstand und die Vernunft. Dem deutschen ‚sich den Kopf zerbrechen‘
entspricht das italienische ‘rompersi la testa‘. Es handelt sich hier um eine
metaphorische Wendung, denn der Kopf steht hier metonymisch stellvertretend für
den Sitz des Intellekts, den Verstand. Im Italienischen hat die Wendung einen
weiteren Bedeutungsumfang und bezeichnet ganz allgemein sich am Kopf zu
verletzen. Es handelt sich hier um eine „asymmetrische Polysemie“ (Mollica und
Wilke 2019: 128), sodass in einer Sprache noch zusätzliche Bedeutungen auftreten.
Somit wird hier von ‚partiellen Falschen Freunden‘ gesprochen. Varianten dieses
Idioms sind ‚sich den Hals brechen‘/‚rompersi il collo‘ und ‚sich die Knochen
brechen/‘rompersi le ossa‘.
Mollica und Wilke (2019: 126) nennen als Beispiel für konzeptuelle Metaphern zwei
zentrale Modelle:
6
rich images = Bilder, die auf Metaphern der Basisebene beruhen, (Mollica und Wilke 2019: 137),
wobei Metaphern der Basisebene von konzeptuellen Metaphern (abstraktere Ebene) unterschieden
werden.
35
emotional intensivity is a temperatur (ebd.: 128), womit gemeint ist, dass der
Körper überhitzt durch die Intensität von Gefühlen wie Angst, Wut, Freude.
Das Idiompaar dt. ‚aus der Haut fahren‘ <sich aufregen, wütend werden, die
Beherrschung verlieren> und it. ‚non stare nella pelle‘ <wörtl.: nicht in der Haut
sein/stehen; ‚ungeduldig auf etwas Angenehmes warten‘> wird der Exklusion
zugeordnet, weil sie in der Semantik differieren. Die Idiome beruhen in beiden
Sprachen auf denselben oben erwähnten konzeptuellen Metaphern: die in der
deutschen Wendung ausgedrückte Wut bringt den Körper zum Kochen, die
italienische Wendung drückt heftige Erregung und Freude aus. In beiden Fällen wird
der Körper als Container (Body is a container) interpretiert, wo Gefühle im Inneren
aufgrund ihrer Intensität nach Außen überschwappen (Mollica und Wilke 2019: 126).
Zu der Kategorie der semantischen Relation Inklusion zählen auch die beiden
folgenden lexikalischen Falschen Freunde: Das deutsche blaue Auge <mit einem
blauen Auge davonkommen: weniger Schaden nehmen als erwartet> und das
italienische occhio nero <schwarz> mit der Bedeutung ein Hämatom am Auge zu
haben.
Kulturell motiviert kann als lexikalische Falscher Freund das Sprichwort dt. aus den
Augen, aus dem Sinn im Unterschied zur italienischen Variante mit der Verwendung
des Herzes anstelle des Intellekts it. lontano dagli occhi, lontano dal cuore aufgefasst
werden. Die stereotype Vorstellung vom deutschen Verstandesmenschen und dem
südländischen Gefühlsmenschen wird hier genährt (Mollica und Wilke 2019: 131).
36
37
4 Korpusbezogener Anwendungsbereich
4.1 Kopf
s. über etw. den Kopf zerbrechen rompersi la testa per qc. <fig.>
<fig.>
38
s. sein Hirn zermartern (W.) Syn.dt. lambiccarsi (stillarsi) il cervello per
qc. Syn.it
den Kopf hoch tragen <fig.> andare (camminare) a (con la) testa
alta <fig.>
etwas bis an den Hals satt haben <fig., averne fin sopra la testa <fig.>
ugs.>
ganz und gar satthaben (W.) Def.dt. non riuscire più a sopportare qd. o qc.
39
(Z.) Def.it.
s. etw. aus dem Kopf schlagen <fig.> levarsi (togliersi) dalla testa qc.
4.2 Auge
die Augen auf jdn. (etw.) richten‘ volgere (drizarre) gli occhi verso qd.
(qc.)
jdn. (etw.) mit scheelen Augen ansehen guardare qd. con occhio (gli occhi) storto (-i)
auf jden. (etw.) neidisch sein (W.) Def.dt. provare rancore, malevolenza e cose
simili nei confronti di qd, (F.: 238) Def.it.
jds. Augentrost sein <fig., poet.> essere l’occhio destro di qd. <fig.>
40
jds. Liebstes, seine ganze, einzige Freude la persona che si ama di più (Z.) Def.it.
Def.dt.
jds. Augenstern sein <fig.> Syn.dt. essere la luce (il lume) degli occhi
Syn.it
4.3 Nase
die Nase [über jdn. (etw.) rümpfen] [s-] torcere (raggrinzare, arricciare) il
<fig.ugs.> naso [per qd. (qc.)]
jdn. nicht [mehr] mögen, mit etw. auf per esprimere noia e sdegno, provare
überhebliche Weise unzufrieden sein, sich contrarietà (Z) Def.it.
über etw. erhaben fühlen (W) Def.dt.
Jdn. nach eigenem Vergnügen lenken, seinen illudere qd., far credere cose non vere a qd.,
Scherz mit ihm treiben, ihm absichtlich falsche prendere in giro qd., raggiare, ingannare qd.
Hoffnungen machen (R.), jdn überlisten, mit (Z.) Def.it.
Worten hinhalten (W.)
jdm. eine [lange] Nase machen fare tanto (un palmo) di naso a qd.
<fig.ugs.> <ugs.>
ihn schadenfroh auslachen, verspotten, sich sventolare la palma aperta con il pollice
41
über ihn lustig machen, indem man den appoggiato al naso per esprimere
Daumen an die Nase hält u. mit gespreizten scherno e derisione (Z.) Def.it.
Fingern auf ihn zeigt (W.) Def.dt.
jdm. eine Nase drehen <fig.ugs.> Syn.dt. fare marameo a qd. Syn.it
4.4 Ohr
die Ohren steifhalten Syn.dt. [d-] rizzare l’orecchio (gli orecchi) Syn.it
42
Def.dt.
4.5 Mund
schweigsam, nicht redselig sein (R.) kein Non dire niente (Z.), tacere (F. :73) Def.it.
Wort sagen Def.dt
mit einem Bein im Grab stehen <fig.> stare con la bocca sulla bara
43
dem Tod sehr nah sein (W.) Def.dt. stare in grave e imminente pericolo di
vita (F.: 95) Def.it
44
5 Fazit
Kahl (2015) hat in ihrer Dissertation 1668 deutsche und 1575 italienische
Somatismen ausgewertet. Sie kommt anders als die von ihr referenzierten Linguisten
Burger (2007: 79), Fleischer (1997: 179, zit. n. Kahl 2015: 167), Palm (2009: 50, zit.
n. ebda.), die jenen Phraseologien, die Emotionen ausdrücken, den Vorrang erteilen,
zu dem Ergebnis, dass die Gliedmaßen die größte Gruppe ausmachen. Der Kopf
und seine Bestandteile stellen im Deutschen sowie im Italienischen die zweitgrößte
Gruppe dar (Kahl 2015: 171). Die Sinnesorgane (Augen, Nase, Ohren, Haut, Zunge)
sind elementare Rezeptoren für die externe Umwelt.
Der Bedeutungsumfang von Kopf reicht vom Kopf als Verstand, als Sitz des Intellekts
und der Vernunft bis hin zum Substitut (pars pro toto) für den ganzen Körper. Der
Mund steht für das Sprechen und Essen; mit Phrasemen, die das Auge als
dominanten Ausdruck beinhalten, wird nicht nur das Sehen, sondern auch Wissen
45
und der Spiegel der Seele ausgedrückt. Augen drücken auch etwas sehr Kostbares
aus, wie beispielsweise essere l’occhio destro di qd. <jds, Augentrost sein>. Die hier
ausgewählten Phraseme mit dem Substantiv Nase greifen das schelmische
Pinocchio-Moment dieses weitest vorstehenden Körperteils auf. Dass beim Lügen
die Nase juckt, wurde von Wissenschaftlern bestätigt (Schleich 2007), während die
Ohren vorwiegend für Aufmerksamkeit stehen.
Die kontrastive Analyse der deutschen und der italienischen somatischen Phraseme,
beschränkt auf den Kopf, will einen Einblick geben, wie einerseits die
Grundbedeutung eines Wortes sich im Kontext der phraseologischen Wendung
wandelt und oftmals nur noch figurativ zu verstehen ist. Die Zahl der Parallelitäten
und Ähnlichkeiten sind erwartungsgemäß bei beiden Sprachen sehr hoch. Kahl
(2015: 182) konnte anhand ihres Korpus belegen, dass im Deutschen mehr
Somatismen mit italienischen Entsprechungen belegt sind als ohne solche. Im
Italienischen existieren hingegen mehr Somatismen ohne Entsprechung.
Teiläquivalenzen treten am häufigsten auf, hier überwiegt gemäß Kahl (2015: 126 ff),
die eine Abstufung von sieben Subklassen vornimmt, der von ihr bezeichnete
Äquivalenztyp 2 c, das ist jene Gruppe, die Phraseologismen umfasst mit
unterschiedlicher syntaktischer Struktur sowie differierender wörtlicher Bedeutung
(Kahl, 2015: 127).
Am häufigsten sind somatische Phraseme mit Kopf, gefolgt von Auge, Herz, Ohr im
Deutschen, während im Italienischen das Auge (occhio) an führender Position liegt,
dicht gefolgt von Kopf (testa) und zuletzt Herz (cuore), Mund (bocca) (Kahl, 2015:
134ff).
46
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