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Dossier 797
Importierte Erkrankungen
Gerd Burchard
Immer mehr Menschen reisen in die Tropen und Subtropen, um dort ihren Urlaub zu verbringen.
Zudem kommen aus diesen Regionen Menschen nach Europa, um hier zu arbeiten oder Asyl zu
suchen. Jeder Arzt muss daher damit rechnen, in der Klinik oder Praxis Patienten mit importierten
Erkrankungen zu begegnen. Dieser Beitrag zeigt, was hinter den Symtomen stecken kann.
▶▶ Urinstatus
scher Diathese oder ungeklärten Schock und
▶▶ bei jedem Patienten mit Fieber und passenden
▶▶ Serologische Untersuchungen gehören nicht zur Basisdiagnostik, allerdings ist es
epidemiologischen Hinweisen (▶ Tab. 3).
oft sinnvoll, eine Serumprobe für spätere Untersuchungen einzufrieren.
Tab. 2 Basisdiagnostik bei monosymptomatischem Fieber. Bei Verdachtsfällen muss der Patient soweit
möglich vor Ort isoliert und das zuständige
Gesundheitsamt informiert werden.
Wichtig sind Fragen nach Medikamenteneinnah-
me und zu vorbestehenden Krankheiten.
Malaria | Die Malaria tropica wird häufig impor-
Die weitere Abklärung orientiert sich Lebensbedrohlich: Malaria tropica | Wenn die
einerseits an zusätzlichen Leitsymptomen, Diagnose nicht schnell genug gestellt wird,
andererseits an den Häufigkeiten der importierten nimmt die Parasitenzahl rasch zu und es treten
Erkrankungen. Komplikationen auf:
▶▶ zerebrale Ausfälle
▶▶ akutes Nierenversagen
Darüber hinaus ist eine Kenntnis der Prävalen- ▶▶ ARDS
zen wichtig, um aus den Ergebnissen der diag- Typische Laborbefunde sind Thrombozytopenie,
nostischen Tests den positiven prädiktiven Bilirubinerhöhung und hohe LDH. Diagnostisch
Wert (PPV) abzuleiten. Das sollte auch dazu entscheidend ist der direkte mikroskopische
führen, dass ungezielte diagnostische Unter Nachweis der Plasmodien im Blutausstrich
suchungen nach der „Schrotschussmethode“ und / oder im Dicken Tropfen oder ein immuno-
unterbleiben: Der PPV einer Chagas-Serologie logischer Antigennachweis.
bei Fieber nach Südamerika-Aufenthalt ist z. B.
praktisch Null. Cave Bei Hinweisen auf Organkomplikationen ist
eine Malaria tropica als lebensbedrohlich
Virale hämorrhagische Fieber (VHF) | Sie kön- anzusehen, und der Patient muss sofort auf eine
nen lebensbedrohliche Verläufe nehmen, einige Intensivstation verlegt werden [8].
sind hochkontagiös und somit eine Gefahr für
das medizinische Personal und die weitere
Umwelt – wie die Ebola-Epidemie 2014 gezeigt Ämobenleberabszess | Bei unklarem Fieber müs-
hat. sen Sie immer einen Amöbenleberabszess mit
Lassa
▶▶ Patient hat in Westafrika gewohnt oder gearbeitet in Behausungen, zu denen Ratten Zugang hatten
▶▶ Patient hat Lebensmittel gegessen, die möglicherweise durch Rattenkot oder -urin kontaminert waren
▶▶ Patient hat Kontakt mit möglichen Lassa-Patienten gehabt (also insbesondere medizinisches Personal in
Krankenhäusern in Westafrika)
Ebola / Marburg
▶▶ Patient hatte in Zentral- oder Westafrika Kontakt mit toten Menschenaffen
▶▶ Patient war in Höhlen oder Behausungen, in denen Fledermäuse nisten
▶▶ Patient hatte Kontakt mit möglichen Ebola-Patienten (insbesondere medizinisches Personal in Kranken-
häusern in Zentral- oder Westafrika)
Krim-Kongo hämorrhagisches Fieber (CCHF)
▶▶ Kontakt mit Zecken im Endemiegebiet (Südost-Europa, Afrika, Mittlerer Osten, Zentralasien)
▶▶ Teilnahme an Tierschlachtungen im Endemiegebiet
▶▶ Kontakt zu möglichen CCHF-Patienten im Endemiegebiet
bildgebenden Verfahren (am einfachsten sono- Bakterielle Infektionen | Auch bakterielle Infekti-
Die wichtigste Differenzialdiagnose bei Migranten Tab. 6 Diagnostik bei akuter Reisediarrhö.
ist die Lymphknoten-Tuberkulose.
Typisch: Chikungunya-Fieber | Zunächst sollte Wichtige Ursachen einer Enzephalitis, an die man
eine pyogene Arthritis ausgeschlossen werden. immer denken muss, sind
Fieber und häufig lang anhaltende Gelenkschmer- ▶▶ Tollwut [11] und
zen sind charakteristisch bei Chikungunya-Fieber, ▶▶ zerebrale Malaria.
das neuerdings nicht nur in den Ländern um dem
Indischen Ozean herum auftritt, sondern auch in
der Karibik und in Zentralamerika sowie im Pazi- Ferner kommen folgende Ursachen in Betracht:
fik [52]. ▶▶ bei Herkunft aus Afrika
▶▶ Bei Einreise aus Australien, Neuseeland oder ▶▶West-Nil-Fieber
Ozeanien ist auch an Ross-River-Fieber zu den- ▶▶Schlafkrankheit
ken ▶▶ bei Herkunft aus Australien
▶▶ Fieber und Gelenkschmerzen sind auch Symp- ▶▶Murray-Valley-Enzephalitis
tome der Zikavirus-Infektion, die in Afrika, ▶▶ bei Herkunft aus SO-Asien und China:
Asien und im Pazifik vorkommt. ▶▶Japanische Enzephalitis
▶▶Hand-Fuß-Mund-Krankheit (Enterovirus 71)
▶▶Nipah-Viren und
Meningitis und Enzephalitis ▶▶enzephalitische Verläufe bei Dengue oder
Chikungunya.
Diagnostik | Bei Meningitis sollte die übliche
Diagnostik mittels Bildgebung und Liquorpunk-
tion durchgeführt werden. Reisediarrhö
Parasitologische Stuhluntersuchung auf Dientamoeba fragilis und Blastocystis Eine Abklärung ist erforderlich bei Diarrhö mit
hominis: Fieber, bei schweren Verläufen mit Dehydratation,
▶▶ zwei- bis dreimal Stuhlmikroskopie nach Anreicherung, wenn positiv: bei Blut oder Schleim im Stuhl (▶ Tab. 6) und bei
Therapieversuch (da diese Erreger nicht obligat pathogen sind) persistierenden oder rezidivierenden Diarrhöen
(▶ Tab. 7).
Koloskopie
Zusätzlich bei bekanntem Immundefekt:
Cave Auch eine Malaria kann mit einer gastro
▶▶ Parasitologische Stuhluntersuchung auf Isopora belli
intestinalen Symptomatik einhergehen!
▶▶ PCR-Untersuchung des Stuhls auf Mikrosporidien
▶▶ Karbunkel,
Symptome / Befunde Ursachen
▶▶ Phlegmone und
▶▶ Abszesse.
Fieber Katayama-Syndrom, akute Fasciola
hepatica-Infektion, Trichinose
Kutane Leishmaniasis | Bei der Orientbeule bildet Abdominelle Beschwerden Verschiedene Darmnematoden, intestinale
sich nach langer Inkubationszeit von mehreren Bandwürmer, intestinale Egel, Toxocariasis,
Monaten an der Stichstelle ein Hautknoten mit Echinokokken
erythematöser Umgebung, der später ulzeriert Muskelschmerzen Trichinose, Gnathostomiasis*
(▶ Abb. 1).
Periorbitales Ödem Trichinose
▶▶ Die unkomplizierte Orientbeule der Alten Welt
heilt meist spontan innerhalb weniger Monate Urtikaria Schistosomiasis, Strongyloidiasis, Filariasis
unter Narbenbildung ab. Pruritus Onchocerciasis
▶▶ Bei einer kutanen Leishmaniasis aus der Neuen Wandernde subkutane Schwellungen Gnathostomiasis, Loiasis, Strongyloidiasis,
Welt sollte eine Spezies-Differenzierung erfol- Paragonimiasis
gen: Infektionen mit L. braziliensis und L. pana-
Wandernder Wurm subkonjunktival Loiasis
mensis müssen systemisch behandelt werden,
um eine spätere mukokutane Leishmaniasis Pulmonale Infiltrate Ascariasis, Hakenwurmbefall, Strongyloi-
mit Destruktionen z. B. der Nasenscheidewand diasis, Toxocariasis, Paragonimiasis
zu verhindern [49, 63]. Eosinophilie im Liquor (eosinophile Gnathostomiasis, Schistosomiasis,
Meningitis) Zystizerkose, Angiostrongylus cantonensis-
Ursache ist ein direkter Hautkontakt mit Weiterhin kann man Infektionen durch erwach-
larvenkontaminierten Böden, z. B. beim sene Würmer und durch Wurmlarven unter-
Barfußlaufen. scheiden.
Eosinophilie
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Fernreisen und Migration nehmen kontinuierlich zu. Das Ziel sind immer häufiger auch Regionen, in
denen Infektionskrankheiten verbreitet sind, die in Europa selten oder gar nicht vorkommen. Durch
gezielte Präventionsmaßnahmen lassen sich zahlreiche Gesundheitsrisiken vermeiden – oder
zumindest erheblich reduzieren. Genau das ist die Aufgabe der reisemedizinischen Beratung, die
rechtzeitig vor Aufenthalten in Risikogebieten erfolgen sollte.
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806 Dossier
Indikationsimpfungen | Neben vorgeschriebenen möglichst bald nach Ankunft vor Ort geeimpft
Impfungen können zudem bestimmte Indikations- werden.
impfungen angezeigt sein. Diese richten sich nach
▶▶ Ziel, Art und Dauer der Reise, Auf der Nord- und Südhalbkugel tritt die
▶▶ Expositionsrisiken und Influenza im jeweiligen Winter auf, in den Tropen
▶▶ Vorerkrankungen des Reisenden. hingegen ganzjährig.
Aktuelle Hinweise dazu finden sich u. a. in den
„Hinweisen und Empfehlungen zu Reiseimpfun-
gen“ der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedi- Personalisierte Empfehlungen | Bei bestimm-
zin und Internationale Gesundheit (DTG e. V.), die ten Personen und Risikogruppen sollten auch
jährlich aktualisiert werden [6]. weitere in Deutschland indizierte Impfungen
besprochen und ggf. durchgeführt werden [19],
z. B. gegen
Standardimpfungen ▶▶ Varizellen,
▶▶ Hepatitis B,
Tetanus und Diphterie | Grundsätzlich wird ein ▶▶ humane Papillomviren (HPV).
aktueller Schutz gegen Tetanus und Diphtherie Eine Impfung gegen die Frühsommer-Menin-
empfohlen. Eine fehlende oder unvollständige goenzephalitis (FSME) schützt auch gegen die
Grundimmunisierung ist nachzuholen bzw. zu fernöstliche und sibirische Virusvariante. Deshalb
komplettieren. Liegt die letzte Impfung bei voll- kann eine FSME-Impfung auch für Reisende nach
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Dossier 807
Wer sollte geimpft werden? | Alle Reisenden Hepatitis B | Die STIKO rät, grundsätzlich alle
nach Afrika und Asien sollten einen aktuellen Kinder und Jugendliche gegen Hepatitis B zu
Schutz aufweisen. Dies gilt auch für Asylbewer- impfen. Hierfür sind gut verträgliche rekom
ber und Flüchtlinge aus diesen Gebieten sowie für binante Totimpfstoffe verfügbar. Jugendliche
betreuendes Personal in Deutschland [19]. Bei und Erwachsene werden mit drei Impfungen (0,
Einreise aus Gebieten mit Poliofällen oder Wild- ≥ 1 und ≥ 6 Monate) grundimmunisiert. Bei Anti-
virusnachweis wird von einzelnen Ländern (der- HBs-Werten ≥ 100 IE / l ist nach den aktuellen
zeit Saudi-Arabien und Indien) sogar eine Imp- STIKO-Empfehlungen keine Auffrischung erfor-
fung bei Einreise verlangt, die nicht länger als 1 derlich. Ausnahmen hierfür sind:
Jahr zurückliegt und mind. 6 Wochen vorher er- ▶▶ Patienten mit humoraler Immundefizienz
folgt sein muss [2]. ▶▶ Personen mit hohem individuellen Expositi-
onsrisiko
Virushepatitis Reicht die Zeit vor der Ausreise nicht aus, ist eine
Schnellimmunisierung mit einem Hepatitis-B- oder
Hepatitis A | Von der Impfung profitieren viele Hepatitis-A / B-Impfstoff möglich (Impfung an Tag
Reisende, auch bei Zielen im Mittelmeerraum 0, 7, 21 sowie zusätzlich nach 12 Monaten).
oder Osteuropa [13, 22]. Daher sollten alle nicht-
immunen Personen vor Reisen in Endemiege
biete geimpft werden. Eine einmalige Immuni- Hepatitis-B-Indikationsimpfung | Geimpft wer-
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808 Dossier
Bei Fernreisen können zudem zusätzliche, nicht grund des zoonotischen Reservoirs ist eine voll-
immer vorhersehbare Risiken vorkommen, wie ständige Eradikation in den Endemiegebieten
▶▶ ungeschützte Sexualkontakte oder unwahrscheinlich. So kann es auch Jahrzehnte
▶▶ medizinische Eingriffe bei ungenügenden nach dem letzten menschlichen Gelbfieberfall
hygienischen Bedingungen [13, 22]. erneut zu Ausbrüchen kommen. In Asien sind
zwar geeignete Vektoren vorhanden, dennoch
Kontrolle des Impferfolgs | Bei Indikationsimp- traten bislang keine autochthonen Gelbfieber
fungen sollte der Impferfolg serologisch 4–8 Wo- fälle auf.
chen nach der Grundimmunisierung kontrolliert
werden. Hierbei muss das individuelle Exposi Bei einem Teil der Patienten kommt es im
tionsrisiko bzw. das Risiko eines Impfversagens Krankheitsverlauf zu hämorrhagischem Fieber
berücksichtigt werden, z. B. bei mit Multiorganversagen (Letalität stationär
▶▶ älteren Reisenden, behandelter Fälle 5–10 %).
▶▶ Personen mit Grunderkrankungen.
Bei unzureichendem Ansprechen sollten weitere
Impfungen und Kontrollen entsprechend den Immunisierung | In Deutschland ist ein Lebend
STIKO-Empfehlungen erfolgen [19]. Für Non-Re- impfstoff verfügbar, der auf dem attenuierten
sponder und Personen mit bekannt schlechtem 17D-Impfvirusstamm basiert (▶ Tab. 2). Pflicht ist
Ansprechen (z. B. Dialysepatienten) sind Hepati- eine im internationalen Impfpass dokumentierte
tis-B-Impfstoffe mit besonders wirksamen Adju- Immunisierung
Abb. 1 Verbreitungsgebiete des Gelbfiebers in Afrika (A) und Südamerika (B). Quelle: WHO [29].
Bei Reisen in die rot markierten Gebiete wird die Gelbfieberimpfung empfohlen. Bei Reisen in
die rot schraffierten Gebiete, in denen die Gefahr einer Gelbfieber-Exposition eher gering ist,
B
wird die Impfung nicht allgemein empfohlen, aber es gibt eine kleine Gruppe von Reisenden,
bei denen das Expositionsrisiko erhöht ist: insbesondere bei längeren Reisen, bei ausgeprägter
Exposition gegenüber Stechmücken oder wenn Mückenstiche nicht vermieden werden können.
Die Entscheidung für oder gegen eine Gelbfieberimpfung muss das Infektionsrisiko, die
Einreisebestimmungen und das individuelle Risiko schwerer Nebenwirkungen einbeziehen.
A
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810 Dossier
▶▶ Affen,
Grundsätzlich gegen Meningokokken-Meningitis
▶▶ Fledermäuse und
geimpft werden sollten:
▶▶ andere Säugetiere.
▶▶ Reisende in Endemie- / Epidemiegebiete
Die reisemedizinische Beratung vor Aufenthalten
▶▶ medizinisches Personal
in Risikogebieten sollte folgende Punkte umfassen:
▶▶ Personen mit intensivem Kontakt zur
▶▶ Hinweis auf das Tollwutrisiko bei Tierkontakten
Bevölkerung (z. B. soziale Berufe, Entwicklungs-
▶▶Tierkontakte möglichst vermeiden!
helfer)
▶▶ Präventionsmöglichkeiten
▶▶ Postexpositionelle Behandlung (PEP) nach Risi-
kokontakten
Typhus abdominalis
Impfstoffe | In Deutschlang gibt es zwei moderne
Risikogebiet Südasien | Die Typhus-Erkrankung ist Zellkulturimpfstoffe zur prä- und postexpositio-
v. a. in Ländern mit schlechten hygienischen und sa- nellen Impfung (▶ Tab. 2). Sie können gegeneinan-
nitären Verhältnissen endemisch. Insbesondere in der ausgetauscht werden und unterliegen keiner
Indien und Nepal ist das Risiko erhöht. Die Erkran- Altersbeschränkung. Rabipur® ist bei Hühnerei-
kung wird durch Salmonella enterica Serovar Typhi weißallergie kontraindiziert. Alternativ kann Toll-
(S. typhi) hervorgerufen und fäkal-oral oder durch wut HDC® (gezüchtet auf humanen diploiden
kontaminierte Lebensmittel übertragen. Im Gegen- Zellkulturen) verwendet werden. Die Indikation
satz zu Salmonellosen reicht bereits eine Keimzahl für eine präventive Impfung ist abhängig von
Risiko nicht zu unterschätzen | Die Tollwut verläuft Risikogebiet Asien | Die Japanische Enzephalitis
immer letal und ist eine oft vernachlässigte Gefahr ist eine in weiten Teilen Asiens endemische Flavi-
für Reisende. In Deutschland gibt es seit 2008 keine virus-Erkrankung (▶ Abb. 3). Sie wird durch
terrestrische Wildtollwut mehr, eine Ansteckung ist Stechmücken übertragen (z. B. Culex tritaenio-
aber weiterhin über Fledermäuse und importierte rhynchus und C. vishnui), Virusreservoir sind v. a.
infizierte Tiere möglich [18]. Man infiziert sich Wasservögel und Schweine. Deshalb ist das Infek-
über Bisse, Kratzer und Speichelkontakt mit Wun- tionsrisiko bei Reisen in ländliche Regionen er-
den / Schleimhäuten. Überträger sind weltweit höht, insbesondere während und nach der Mon-
▶▶ hauptsächlich Hunde, sunzeit. In Endemiegebieten sind hauptsächlich
▶▶ seltener Katzen, Kinder betroffen.
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812 Dossier
ten zu Todesfällen. Bei der Malaria tertiana (Erre- ser kann das Risiko um bis zu 90 % reduzieren und
ger: P. vivax und P. ovale) sind Spätrezidive durch auch vor zahlreichen anderen Vektor-übertrage-
in der Leber persistierende Erregerformen (Hyp- nen Infektionen schützen (z. B. Denguefieber). Zur
nozoiten) möglich. Malaria quartana wird hin Expositionsprophylaxe gehören:
gegen durch P. malariae verursacht. In einigen ▶▶ Einreiben unbedeckter Hautstellen mit mü-
Gebieten Südostasiens wird bei Malariakranken ckenabweisenden Mitteln (Repellents),
zunehmend auch P. knowlesi nachgewiesen. Der ▶▶ Tragen von hautbedeckender, heller Kleidung
Erreger kommt üblicherweise bei Makaken vor, ▶▶ Schlafen unter Moskitonetzen
kann beim Menschen aber – ähnlich wie Malaria ▶▶ Aufenthalt in mückensicheren Räumen (Klima-
tropica – zu lebensbedrohlichen Verläufen führen anlage, Fliegengitter).
(s. Beitrag „Affenmalaria“ auf Seite 815). Als Repellents kommen vor allem DEET oder Ica-
ridin in Frage. Die zusätzlichen Verwendung von
Wesentlichen Schutzmaßnahmen vor Malaria sind Insektiziden (z. B. Pyrethroide) bietet weiteren
▶▶ Vermeidung von Stichen der Überträgermü- Schutz, z. B.
cken (Expositionsprophylaxe) ▶▶ als Spray,
▶▶ Prophylaktische Einnahme von Medikamenten ▶▶ in Verdampfern,
(Chemoprophylaxe) ▶▶ als Räucherspiralen („mosquito coils“),
▶▶ Mitnahme von Medikamenten für eine ▶▶ zur Imprägnierung von Moskitonetzen und
notfallmäßige Selbsttherapie (NST) Kleidungsstücken.
Alberer M, Löscher T. Reiseimpfungen und Malariaprophylaxe Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 805–814
Dossier 813
Alberer M, Löscher T. Reiseimpfungen und Malariaprophylaxe Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 805–814
814 Dossier
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letzter Zugriff 4.5.2015
Alberer M, Löscher T. Reiseimpfungen und Malariaprophylaxe Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 805–814
Endokrinologie 161
Reuter M, Fassnacht M. Hormontherapie im Wandel ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 161–164
162 Endokrinologie
Reuter M, Fassnacht M. Hormontherapie im Wandel ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 161–164
Endokrinologie 163
Reuter M, Fassnacht M. Hormontherapie im Wandel ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 161–164
164 Endokrinologie
in der WHI-Studie – führte zu einem besonders rolle im Vergleich zu Placebo. Die unter
hohen Risiko (RR 2,7 [2,3–3,2] vs. RR 1,9 [1,7–2,2] Hormontherapie gefürchteten thrombemboli-
bei anderen Gestagenen). sche Komplikationen waren seltene Ereignisse
(weniger als 1 pro 1000 Patientinnen). Auch die
Die transdermale Applikation von Estradiol, unter einer Östrogen- / Gestagentherapie be-
durch die der First-Pass-Effekt in der Leber um- kannte mammografisch sichtbare Verdichtung
gangen wird, verspricht ein geringeres Thrombo- des Brustgewebes wurde nicht beobachtet. Die
Miriam Reuter
ist Assistenzärztin an der serisiko als eine klassisch orale Hormontherapie Nachbeobachtungszeit in den SMART-Trials be-
Medizinischen Klinik und [6]. Hohe Erwartungen wurden in die KEEPS-Stu- trug allerdings maximal 2 Jahre, als Monothera-
Poliklinik I des Universitäts- die gesetzt [7]. Hier erhielten kardiovaskulär ge- pie bei Osteoporose 7 Jahre.
klinikums Würzburg. sunde frühmenopausale Frauen (6–36 Monate
reuter_m1@ukw.de nach der letzten Periodenblutung) randomisiert Klinische Relevanz
entweder niedrigdosiert konjugiertes Östrogen Mit dem neuen Medikament gibt es nun eine
oral, transdermales Estradiol oder Placebo. Pri- Alternative für Frauen mit intaktem Uterus, die
märer Endpunkt war die jährliche Veränderung keine Gestagen-Therapie wünschen oder diese
der Intima-Media-Dicke an der Carotis als kar- schlecht vertragen. Die bislang veröffentlichen
diovaskulärer Risikomarker. Während der vier- Daten zeigen ein akzeptables Nebenwirkungs-
jährigen Intervention fanden sich aber weder Un- profil – allerdings fehlen Langzeitdaten und es
terschiede in der Arterioskleroseprogression ist bislang nur über die internationale
noch in der Häufigkeit von Nebenwirkungen. Le- Apotheke aus der Schweiz zu beziehen.
Reuter M, Fassnacht M. Hormontherapie im Wandel ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 161–164
CME 353
Amoxicillin und Moxifloxacin | Aufgrund des un- Transösophageale Echokardiografie | Die transö-
klaren Fiebers behandelte die Hausärztin den Pa- sophageale Echokardiografie (TEE) zeigt, dass die
tienten 5 Tage lang mit 2 × 1000 mg Amoxicillin. Vegetation mit 12 mm Durchmesser erheblich grö-
Nach Entfieberung trat 3 Tage nach Absetzen des
Antibiotikums erneut Fieber auf. Es folgte eine Abb. 1 Transthorakale Echokardiografie (TTE): Die bikuspide Aortenklappe ist eine für eine
zweite antibiotische Behandlung mit 1 × 400 mg infektiöse Endokarditis prädisponierende Klappenläsion (A: Querschnitt, B: vergrößerter
Moxifloxacin über 5 Tage. Wieder entfieberte der Längsschnitt). An der dorsal gelegenen Tasche findet sich eine von transthorakal ca. 5 mm
Patient, fühlte sich aber schlapp und litt zuneh- messende, flottierende, knötchenförmige Läsion (Pfeile in A und B). Die Mitralklappe erscheint
per TTE nicht betroffen (Pfeilspitzen in B, D: Längsachse und in C: Vierkammerblick).
mend unter Luftnot. 3 Tage später erlitt er einen
LA, RA = linker bzw. rechter Vorhof; LV, RV = linker bzw. rechter Ventrikel; Ao = Aorta
Insult.
Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362
354 CME
Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362
CME 355
Ein neu aufgetretenes Geräusch infolge der Herz- Allgemein | Bei der Anamnese fragt man gezielt
klappeninsuffizienz ist diagnostisch verwertbar – nach
man muss es jedoch gegen systolische Geräusche ▶▶ der Dauer und dem Verlauf von Fieber,
bei Patienten mit akuten (erhöhtes Herzminuten- ▶▶ Unwohlsein,
Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362
356 CME
Mikrobiologische Befunde
.OLQLVFKHU9HUGDFKWDXI,QIHNWL|VH(QGRNDUGLWLV ,(
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CME 357
Therapiedauer | Eine unzureichende Therapie selbst dann erzielt, wenn der Erreger gegen Ami-
dauer erhöht die Gefahr von Rezidivinfektion. noglykoside allein wenig empfindlich ist.
Man soll deshalb auch bei unkomplizierten Enterokokken | In den letzten Jahren haben Ente-
Krankheitsverläufen eine 4-wöchige intravenöse rokokken (insbesondere E. faecalis) eine Toleranz
Therapie im Regelfall nicht unterschreiten. gegen zahlreiche zellwandaktive Antibiotika
(β-Laktam-Antibiotika und Vancomycin) erwor-
ben. Die MHK und die minimale bakterizide Kon-
Bei Prothesenendokarditiden sind meist 6-wöchi- zentration (MBK) unterscheiden sich meist um
ge Therapien erforderlich. Ist zur Behandlung ei- mehrere Titerstufen. Hohe Penicillindosen ver-
ner floriden Endokarditis ein dringlicher Herz- schlechtern die Bakterizidie oft (Eagle-Effekt).
klappenersatz erforderlich, zählt der Operations-
tag als Tag 1 der Antibiotikabehandlung [3]. Eine synergistisch wirksame Kombination z. B. von
Penicillin mit einem Aminoglykosid potenziert die
Antikoagulation | Antikoagulanzien und Heparin bakterizide Wirkung und verbessert die Heilungs-
haben keinen Einfluss auf die Inzidenz thrombo- aussichten.
embolischer Komplikationen. Klinisch und tierex-
perimentell gehen sie jedoch mit einer erhöhten
Rate von Blutungskomplikationen einher [1, 3]. Für die Auswahl des Aminoglykosids ist wesent-
lich, dass bei bis zu 80 % der E.-faecalis-Stämme
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358 CME
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CME 359
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360 CME
sind [1, 2, 3, 5] . In mehr als der Hälfte dieser Fälle Primär chirurgische Therapie
tritt innerhalb von 30 Tagen ein Embolierezidiv
auf. Bei folgenden Befunden bzw. Komplikationen
empfiehlt sich ein primär kombiniertes chirurgi-
Eine effektive Antikoagulation vermindert das sches und antimikrobielles Management [22]:
Embolierisiko bei florider Endokarditis nicht, ▶▶ progrediente therapierefraktäre Herzinsuffizi-
erhöht aber das Risiko für Blutungen erheblich enz bei schwerer Aortenklappeninsuffizienz
Prof. Dr. med. Cornelia Piper
ist stellvertr. Direktorin der – insbesondere für zerebrale Blutungen. Die ▶▶ progrediente therapierefraktäre Herzinsuffizi-
Klinik für Kardiologie des Antikoagulationsbehandlung ist deshalb bei enz bei schwerer Mitralklappeninsuffizienz
Herz- und Diabeteszentrum allen Patienten obsolet, die nicht aus anderen ▶▶ persistierende Sepsis über > 48 h trotz adäqua-
NRW der Ruhr-Universität Gründen (mechanischer Herzklappenersatz, ter antibiotischer Therapie
Bochum.
Vorhofflimmern, etc.) eine Indikation dazu ▶▶ nach Embolie weiterhin Nachweis einer großen
cpiper@hdz-nrw.de
haben [3]. (> 10 mm) flottierenden Vegetation
▶▶ große flottierende Vegetation (> 10 mm an der
Mitralklappe, > 15–20 mm an der Aortenklappe)
ZNS-Beteiligung bei IE | Sowohl bei Nativklappen- ▶▶ Abklatschvegetation an der Mitralklappe bei
als auch bei Prothesenendokarditiden treten in primärer Aortenklappen-IE
etwa einem Drittel der Krankheitsverläufe neuro- ▶▶ akutes Nierenversagen
logische Komplikationen auf. Dazu gehören z. B.: ▶▶ Polymerinfektion (Kunstklappenprothesen, Ka-
▶▶ intrakranielle, okkludierende Embolien theter, Schrittmacherkabel) durch Staphylokok-
Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362
CME
3 Habib G, Hoen B, Tornos P et al. Guidelines on the 15 Levine DP, Lamp KC. Daptomycin in the treatment of
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Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362
361
CME-Fragen
CME-Teilnahme
▶▶ Viel Erfolg bei Ihrer CME-Teilnahme unter http://cme.thieme.de
▶▶ Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate online für eine
CME-Teilnahme verfügbar.
▶▶ Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, unter http://
cme.thieme.de/hilfe finden Sie eine ausführliche Anleitung.
1. Welche Erreger können keine infektiöse Endokarditis 7. Mit welcher antibiotischen Kombinationstherapie wird ein
verursachen? Patient mit penicillinempfindlicher (MHKPen 4 mg / L)
a. Candida albicans Enterococcus faecalis-Aortenklappen-IE über 4–6 Wochen
b. Staphylococcus aureus behandelt?
c. E. coli a. Metronidazol plus Gentamicin
d. Chlamydien b. Ampicillin oder Penicillin G plus Gentamicin
e. Adenoviren c. Imipenem plus Metronidazol
d. Avalox plus Ciprobay
e. Avalox plus Gentamicin
Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362
362
7. A B C D E
8. A B C D E
9. A B C D E
10. A B C D E Zertifizierungsfeld (wird durch die DMW ausgefüllt)
Ihr Ergebnis:
Ich versichere, dass ich die Beantwortung der Fragen selbst und ohne
Sie haben von 10 Fragen richtig beantwortet.
fremde Hilfe durchgeführt habe
Sie haben bestanden und 3 Punkte erworben
Ort, Datum:
nicht bestanden ungültig, weil:
Unterschrift:
Stuttgart, den Stempel/Unterschrift
Für die Teilnahme auf dem Postweg senden Sie den vollständig aus- gefüllten Evaluationsbogen mit dem Eintrag Ihrer Abonnement-Nummer
im Feld D und einen ausreichend frankierten und an Sie selbst adressierten Rückumschlag an:
Georg Thieme Verlag, DMW Stichwort „CME“, Postfach 301120, 70451 Stuttgart, Einsendeschluss: 29.02.2016 VNR 22760512015147121764
42 Kasuistik
Eine Hypertriglyzeridämie ist die dritthäufigste Ursache einer akuten Pankreatitis. Wir berichten
über zwei Patienten mit Hypertriglyzeridämie, deren klinische, laborchemische und radiologische
Aufnahmebefunde den ernsten Verlauf ihrer akuten Pankreatitis nicht voraussagten.
Abb. 1 Patient 1 bei Aufnahme und Beschwerdebe- Abb. 2 Patient 1, 19 Tage nach Beginn der Pankreatitis:
ginn: Umschriebene Pankreatitis und Nekrose im Ausgedehnte peripankreatische Flüssigkeitsstraßen. CT
Bereich des Pankreasschwanzes. CT mit Kontrastmittel, mit Kontrastmittel, venöse Phase, 5 mm Schicht,
venöse Phase, 5 mm Schicht, Somatom 64 Fa. Siemens. Somatom 64 Fa. Siemens.
Wild W et al. Akute Pankreatitis bei ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 42–45
Kasuistik 43
Tab. 1 Prognoseparameter
von Pankreatitis-Scores
schwanzhypodensität von 2,7 × 2,9 cm werten wir Verschlechterung und steigendem intraabdo
als beginnende Nekrose (▶ Abb. 1). Der Balthazar- minellem Druck intubiert. Bei zunehmender
Score beträgt damit 5 Punkte. Da das als Nekrose Besserung kann er am 12. Tag wieder extubiert
angesehene Areal im Pankreasschwanz weniger werden, benötigt aber am 19. Tag wegen eines
als 20 % des Organs ausmacht und der Balthazar- Pleuraergusses eine Thoraxdrainage (▶ Abb. 2).
Score erst ab einer Nekrose von 30 % des Pankreas 62 Tage nach der stationären Aufnahme wird der
ernsthafte Komplikationen vorhersagt, erwarten Patient entlassen.
wir einen einfachen Verlauf.
Wiederaufnahme | Im weiteren Verlauf wird der
Therapie | Der Patient wird auf unserer Inter Patient aufgrund von Schmerzen und nahrungs-
mediate Care Station aufgenommen und konserva- abhängigen Schwellungszuständen im Bereich
tiv therapiert (zentralvenöser Katheter, Volumen- der linken Flanke wieder stationär aufgenommen.
management, Hämodilution, Harndauerkatheter). Ikteruszeichen bestehen nicht. Während sonogra-
Wegen des vom Patienten angegebenen mehrfa- fisch eine Zyste oder ein Abszess ausgeschlossen
chen Erbrechens legen wir eine Magensonde. werden können, diagnostizieren wir endosko-
pisch eine Fistelöffnung im Magen. Diese behan-
Zustand verschlechtert sich | Das CRP war am deln wir konservativ und antibiotisch. Dadurch
Aufnahmetag mit einem Wert von 2,39 mg / dl heilt sie aus.
(Norm < 3) nicht relevant erhöht. Am 2. Tag steigt
es auf 26,7 und am 3. Tag auf 35,5. Wegen zuneh- Nach einem halben Jahr beschwerdefrei | 6 Mona-
mender klinischer Verschlechterung und neu te nach der intensivmedizinischen Behandlung ist
einsetzenden supraventrikulären Tachykardien der Patient unter der Pankreasenzymsubstitution
wird der Patient auf die interdisziplinäre mit Kreon® und der Lipidsenkungsbehandlung mit
Intensivstation verlegt. Am 4. Tag nach seiner Simvastatin beschwerdefrei. Bei normwertigem
Aufnahme klagt er über zunehmende Schmerzen HbA1c ist eine antidiabetische Behandlung nicht
im linken Arm, der stark angeschwollen war. notwendig. Das Gewicht ist stabil. Der Patient gibt
Sonografisch weisen wir eine Thrombose der V. keine Schmerzen, Fettstühle oder Flatulenz an
subclavia sowie der V. jugularis interna links und geht seiner Arbeit nach. Seine Ernährung hat
nach. Deshalb be ginnen wir mit einer thera er angepasst. Dabei achtet er auf eine fettmodi
peutischen Heparinisierung und umwickeln fizierte Nahrung. Zur ausreichenden Vitamin
den Arm mit einem Kompressionsverband. Am versorgung wird ihm ein Multivitaminpräparat
6. Tag wird der Patient bei respiratorischer gegeben.
Wild W et al. Akute Pankreatitis bei ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 42–45
44 Kasuistik
Wild W et al. Akute Pankreatitis bei ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 42–45
Kasuistik 45
Wild W et al. Akute Pankreatitis bei ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 42–45
Kasuistik
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Wild W et al. Akute Pankreatitis bei ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 42–45
1606 So wirdʼs gemacht
Bei Patienten mit akuten Bauchschmerzen sind die Anforderungen an den Notfall-Ultraschall
hoch: Der Untersucher muss rasch die Anzahl möglicher Differenzialdiagnosen reduzieren und im
Idealfall die richtige Diagnose stellen. Der Beitrag stellt die häufigsten Krankheitsbilder in der
Notfallsonografie vor und gibt praktische Tipps, die den Einstieg erleichtern.
Kaneko T, Heinz W. Notfallsonografie - Patient mit... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1606–1609
So wirdʼs gemacht 1607
A B C
Rechter Oberbauch
Freie Flüssigkeit kann Folge einer (seltenen)
Akute Cholezystitis | Der Klassiker bei akuten freien Perforation sein. Das wichtigste sonogra
rechtsseitigen Oberbauchschmerzen ist die akute fisch-klinische Zeichen ist das sogenannte Mur
Cholezystitis. Es gibt verschiedene Möglichkei phy-Zeichen: Unter sonografischer Sicht wird
ten, die Gallenblase darzustellen (▶ Abb. 3). Beim der Schallkopf direkt über der Gallenblase posi
Aufsuchen der Gallenblase ist es hilfreich, den Pa tioniert, um gezielt zu komprimieren. Führt dies
tienten tief einatmen zu lassen. So kann man den nicht zu Schmerzen, ist eine akute Cholezystitis
Schallkopf z. B. gut am Leberunterrand entlang unwahrscheinlich. Der Nachweis von Konkre
im Longitudinalschnitt von epigastrisch kom menten bei gleichzeitig sonografischem Mur
mend in Richtung Medioklavikularlinie verschie phy-Zeichen hat einen positiv prädiktiven Wert
ben, bis die Gallenblase in ca. 4–7 cm Tiefe er von 92,2 % für die Diagnose akute Cholezystitis
scheint (▶ Abb. 4). [2].
Kaneko T, Heinz W. Notfallsonografie - Patient mit... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1606–1609
1608 So wirdʼs gemacht
Kaneko T, Heinz W. Notfallsonografie - Patient mit... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1606–1609
So wirdʼs gemacht 1609
Kaneko T, Heinz W. Notfallsonografie - Patient mit... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1606–1609
Standpunkt 1543
Dietrich Garlichs
Am 18. Juni 2015 hat der Bundestag das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der
Prävention“ verabschiedet – nach über 10 Jahren parlamentarischer Debatte und mehrfachen
Versuchen unterschiedlicher Bundesregierungen gibt es nun also endlich ein Präventionsgesetz.
Ist dies tatsächlich der lang ersehnte erste Schritt zur erfolgreichen Eindämmung chronischer
Erkrankungen? Oder sind die Gesetzgeber „zu kurz gesprungen“?
Chronische Krankheiten auf dem Vormarsch | ▶▶ Ärzte sollen die Patienten verstärkt zur gesund-
Hintergrund für das „Präventionsgesetz – PrävG“ heitlichen Vorbeugung anhalten.
(BGBI. I S. 1368–1379) ist die erhebliche Zunahme Alles in allem ist dies ein Appell an die Vernunft
Gesundheitsziele
Präventionsgesetz: Diabetes mellitus Typ 2: Erkrankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen
Paradigmenwechsel notwendig und behandeln
Apell an die Vernunft des Einzelnen | Das jetzt ver- Brustkrebs: Mortalität vermindern, Lebensqualität erhöhen
abschiedete Gesetz versucht diesen dramatischen Tabakkonsum reduzieren
Entwicklungen mit verstärkten Präventionsange-
boten entgegenzutreten. Gesund Aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung
▶▶ Die Krankenkassen sollen ihre jährlichen Aus- Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Souveränität der Patientinnen und
gaben hierfür auf 7 € je Versicherten erhöhen, Patienten stärken
um damit Gesundheitskurse in den sogenann-
Depressive Erkrankungen: verhindern, früh erkennen, nachhaltig behandeln
ten Lebenswelten wie Kitas, Schulen und Be-
trieben anzubieten. Gesund älter werden
▶▶ Die Arbeit der Bundeszentrale für gesundheit-
Alkoholkonsum reduzieren
liche Aufklärung soll erweitert werden.
Garlichs D. Das neue Präventionsgesetz Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1543–1546
1544 Standpunkt
Garlichs D. Das neue Präventionsgesetz Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1543–1546
Standpunkt 1545
Wie erfolgreich Preissignale sein können, haben ges Gewicht zuzulegen [3, 4, 5]. Freiwillige Selbst-
auch die Erfahrungen mit den Tabaksteuererhö- verpflichtungen der Industrie haben sich als wir-
hungen in Deutschland gezeigt. Erst durch sie kungslos erwiesen [6, 7].
konnte der Anteil der rauchenden Jugendlichen in
den letzten 10 Jahren halbiert werden. Dagegen Vorteile des Vierpunkte-Programms | Das Pro-
haben die Informations- und Aufklärungspro- gramm der „Deutschen Allianz Nichtübertragbare
gramme an Schulen nach sorgfältiger Analyse des Krankheiten“ (DANK) [1] hat wesentliche Vorteile
Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg gegenüber dem verabschiedeten Gesetz:
kaum einen Effekt gehabt. Und „Alkopops“, die ▶▶ Es erreicht alle Bevölkerungsgruppen (nur in
rasch nach ihrem Aufkommen mit einer Steuer der Schule werden alle Kinder erreicht). Der
belegt wurden, sind vom Markt praktisch ver- Preismechanismus über die Zucker- / Fettsteu-
schwunden. er berücksichtigt, dass sozial schwächere
Gruppen, die von den chronischen Krankheiten
3. Verbindliche Qualitätsstandards für Kita- und übermäßig betroffen sind, besonders preissen-
Schulverpflegung | Das Essen in Kitas und Schu- sibel sind [8, 9].
len ist selten ausgewogen. Kindern wird zu viel ▶▶ Untere Einkommensgruppen werden, entgegen
Fleisch und zu wenig Obst und Gemüse angebo- häufiger Argumentation, durch die Zu-
ten. Eine repräsentative Erhebung der Bertels- cker- / Fettsteuer nicht besonders belastet, denn
mann-Stiftung zeigte: gesunde Lebensmittel würden steuerlich ent-
▶▶ Nur in 12 % der Kitas bekommen die Kinder ge- lastet – wenn politisch gewollt sogar überpro-
Garlichs D. Das neue Präventionsgesetz Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1543–1546
1546 Standpunkt
Interessenkonflikt
Der Autor gibt an, dass kein
Interessenkonflikt besteht.
DOI 10.1055/s-0041-104426
Dtsch Med Wochenschr
2015; 140: 1543–1546
© Georg Thieme Verlag KG ·
Stuttgart · New York ·
ISSN 0012-0472
Garlichs D. Das neue Präventionsgesetz Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1543–1546
1780 Kommunikation und Management
Klinischer Alltag | Frau Hermine G. ist eine ist als selbstreflektive Moral zu verstehen, die das
87-jährige Patientin, die seit einigen Jahren im Handeln anhand der Beurteilungsalternativen
Pflegeheim lebt und an einer zunehmenden De- von gut und schlecht auf seine Sittlichkeit über-
menz leidet. Ihr Allgemeinzustand hat sich ver- prüft. In dieser Betrachtungsweise müssen die
Heppner J, Singler K, Gosch M, Doviak P. Wann ist genug ... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1780–1782
Kommunikation und Management 1781
Heppner J, Singler K, Gosch M, Doviak P. Wann ist genug ... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1780–1782
1782 Kommunikation und Management
len Zeit und Informationen; Angehörige sind oft- Ethisches Handeln in der Notaufnahme | Es muss
mals für ein Gespräch nicht erreichbar (▶ Tab. 2). also zum Ziel werden, ethische Grundsatzfragen
Außerdem trägt ein Gespräch mit Angehörigen und Grundelemente in den Ausbildungsplan für
nicht immer zur Entscheidungsfindung bei, da die Notfall- und Akutversorgung fest zu imple-
diese unter Zeitdruck meist nicht entscheidungs- mentieren. Die Notärzte müssen sich in ihren Ent-
fähig sind [9]. Auch Patientenverfügungen, die auf scheidungen sicher fühlen und Kompetenzen er-
Basis der Patientenautonomie verfasst wurden, langen, die einen Konsens im Behandlungsteam
Prof. Dr. med. Hans Jürgen
Heppner sind in dieser Situation selten hilfreich: Sie liegen herbeiführen. Ethisches Handeln bedeutet in die-
ist Lehrstuhlinhaber der zum einen nur selten vor (s. DMW Heft 22 / 2015, sen Akutsituationen auch, feinfühlig und zielfüh-
Geriatrie an der Universität S. 1679 [17]). Und sie beziehen sich meist auf den rend zu kommunizieren.
Witten / Herdecke und Sterbevorgang und nicht auf eine potenziell rever-
Chefarzt der Klinik für
sible Situation [10].
Geriatrie, HELIOS Klinikum
Schwelm. Konsequenz für Klinik und Praxis
Hans.Heppner@uni-wh.de Schwierige Entscheidungsfindung | Eine Umfrage ▶▶ Der Behandler muss auch in Akutsituatio-
der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre nen erkennen, ob die Behandlung sinnvoll
PD Dr. med. Katrin Singler Notfall- und Akutmedizin (DGINA) in klinischen oder sinnlos ist. Es gilt immer, ein Thera-
ist Hochschullehrerin am Notaufnahmen mit dem Fokus auf Reanimation pieziel festzulegen und zu hinterfragen, ob
Institut für Biomedizin des
und Patientenverfügung zeigt die Problematik der dieses auch erreichbar ist.
Alterns, Friedrich-Alexander-
Universität Erlangen-Nürn- Entscheidungsfindung [11]: Es wurde deutlich, ▶▶ Alle Legitimationsvoraussetzungen für den
berg und Oberärztin an der dass Entscheidungshilfen nötig sind, aber selten Beginn einer Behandlung müssen erfüllt
Heppner J, Singler K, Gosch M, Doviak P. Wann ist genug ... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1780–1782
Kommunikation und Management
11 Padberg J, Esser A, Lomberg L, Trzeczak S.Ethische 15 Eichner E, Fischer J, Strauß M. Einführung eines
Probleme im Umgang mit Reanimation und ethischen Basis-Assessments in der Spezialisierten
Patientenverfügung in der Notaufnahme. Ambulanten Palliatvversorgung in Augsburg. Ethik
Ergebnisse einer Onlineumfrage unter den Med 2012; 24: 67–76
Mitgliedern der DGINA. Notfall Rettungsmed 16 Janssens U, Burchardi H, Duttge G. Therapiezielän-
2014; 6: 500–506 derung und Therapiebegrenzung in der Intensiv-
12 Laufenberg-Feldmann R, Weber M, Mohr M, Gerth medizin. DIVI 2012; 3: 103–107
M. PALMA (Patientenanweisung für lebenserhal- 17 Christ M, Liebeton J, Breker IM et al. Verfügbarkeit
tende Maßnahmen) – hilfreiches Kurzinstrument von Patientenverfügungen in einer interdisziplinä-
für die Notfallsituation. Palliativmedizin 2012; 13– ren Notaufnahme. Ergebnisse einer Patientenbe-
KT_18 fragung. Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1679
13 Schnell M, Schulz C, Hrsg. Basiswissen Palliativme-
dizin. Heidelberg: Springer; 2014
14 Augsburger Hospiz- und Palliativversorgung.
Ethisches Assessment bei Palliativpatienten. Im
Internet: http://www.ahpv.de/fileadmin/user_up-
load/files/APV_Ethikkonsil-V2012.pdf; letzter
Zugriff: 20.10.2015
Heppner J, Singler K, Gosch M, Doviak P. Wann ist genug ... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1780–1782