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3. Einteilung
Die Tuberkulose wird v.a. durch Mycobacterium tuberculosis (sensu stricto) ausgelöst.
Das eng verwandte Mycobacterium africanum kommt überwiegend bei Patienten in
West-, Zentral- und Ostafrika vor. Der Zoonoseerreger Mycobacterium bovis wird durch
nicht pasteurisierte
Milch übertragen und war früher ein häu ger Auslöser der Tuberkulose. 2015 war
Mycobacterium bovis noch für ca. 150.000 Fälle weltweit verantwortlich.[2]
Mycobacterium bovis ist typischerweise resistent gegenüber Pyrazinamid. Sehr selten
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werden andere Bakterien des Mycobacterium-tuberculosis-Komplexes isoliert, vor allem
bei Patienten mit Immunde zienz.
Mykobakterien besitzen eine speziell aufgebaute Zellwand die reich an Mykolsäure ist
und ihnen eine hohe Säurefestigkeit und Resistenz gegenüber den meisten Antibiotika
verleiht. Das Genom von Mycobacterium tuberculosis umfasst 4.043 Gene, die für
3.993 Proteine kodieren.
5. Epidemiologie
Vermutlich ist etwa ein Viertel der Weltbevölkerung mit Bakterien des Mycobacterium-
tuberculosis-Komplex in ziert.[3] Bei Immunkompetenz entwickeln hiervon etwa 5 bis
10 % eine behandlungsp ichtige Tuberkulose. Jährlich kommt es weltweit zu über 10
Millionen Neuerkrankungen.[1] Davon treten 95 % in Entwicklungsländern auf.[4] In
insgesamt acht Ländern treten zwei Drittel aller Neuerkrankungen auf: Indien,
Indonesien, China, den Philippinen, Pakistan, Nigeria, Bangladesch und Südafrika.[1]
Zwei Drittel der Fälle treten bei Männern auf.[5] Jedes Jahr erkranken zudem ungefähr 1
Millionen Kinder an Tuberkulose, wovon 230.000 an der Krankheit sterben.[6]
Die Anzahl der weltweiten jährlichen Todesfälle durch Tuberkulose wird mit etwa 1,5
Millionen beziffert, wobei ca. 25 % gleichzeitig mit HIV in ziert sind.[1][7] Damit gehört die
Tuberkulose in Entwicklungsländern, trotz existierender Therapie, noch vor HIV zu den
am häu gsten tödlich verlaufenden Infektionskrankheiten.[1] Armut, mangelnde
Gesundheitsversorgung, die HIV-Koinfektion und die Verbreitung von
Antibiotikaresistenzen sind entscheidende epidemiologische Faktoren der Tuberkulose.
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In Deutschland ist die Erkrankungsrate seit dem Anstieg 2015 und 2016 weiter
rückläu g. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 4.127 Tuberkulosefälle registriert. Das
entspricht einer Inzidenz von 5 pro 100.000 Einwohner.[8]In den Jahren 2021 und 2022
wurden in Deutschland 3.938 bzw. 4.076 Fälle gemeldet.[9]
6. Übertragung
7. Risikofaktoren
Die Pathogenese und der Verlauf nach einer Infektion mit Tuberkuloseerregern hängt im
Wesentlichen von der Anzahl und Virulenz der Erreger und der individuellen Abwehrlage
ab. Risikofaktoren für eine aktive Tuberkulose sind unter anderem:
• Alter
: Aus ungeklärten Gründen ndet sich weltweit unter den In zierten die höchste
Inzidenz im späten Jugendalter und im frühen Erwachsenenalter. Männer sind
zudem in allen Altersklassen häu ger betroffen als Frauen.[10] In Deutschland
steigt die Prävalenz mit dem Alter an. Der Gipfel im mittleren Alter fällt deutlich
kleiner aus. Zwischen dem 25. und 39. Lebensjahr sind Frauen häu ger
betroffen, im höheren Alter kehrt sich das Verhältnis wieder um.[8]
• Diabetes mellitus
• chronische Niereninsuf zienz
• Malnutrition
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• vorbestehende Pneumokoniosen (z.B. Silikose)
• Lymphome
• angeborene oder erworbene Immundefekte, insbesondere HIV-Infektion
• medikamentöse Immunsuppression (z.B. mit Glukokortikoiden, Ciclosporin,
Zytostatika, TNF-α-Blockern)
• Alkoholismus
• intravenöser Drogenabusus
• Tabakrauchen
• Gastrektomie
• jejunoilealer Bypass
• niedriger sozialer Status[1]
8. Manifestation
Entwickelt sich nach erfolgter Infektion eine Erkrankung, spricht man von einer
Primärtuberkulose. Sie wird v.a. bei Kindern in den ersten Lebensjahren sowie bei
abwehrgeschwächten Menschen beobachtet. Die primäre Tuberkulose kann schwer
und disseminiert verlaufen, ist im Allgemeinen jedoch nicht hoch infektiös.
Bei einer später im Leben erworbenen Infektion ist die Chance größer, dass die
Infektion (zumindest vorübergehend) vom Immunsystem kontrolliert werden kann.
Allerdings können die Erreger jahrelang persistieren und sich schließlich reaktivieren.
Insgesamt entwickeln ca. 5 bis 10 % der immunkompetenten in zierten Personen im
weiteren Leben eine aktive Tuberkulose. Die Wahrscheinlichkeit aus einer latenten
Infektion heraus zu erkranken, ist in den ersten beiden Jahren am höchsten.[1] Das
Risiko ist bei HIV-Infektion deutlich erhöht. Auch Reinfektionen
bei bereits in zierten Personen, insbesondere in Gebieten mit hohen
Übertragungsraten, können die Ausbildung einer aktiven Tuberkulose begünstigen.
9. Pathogenese
Die Tuberkulose löst nur eine relativ geringe Immunreaktion des Wirts aus, da die
Wachse und Lipide der äußeren Zellwand der Bakterien nur schwach immunogen sind.
Die Erreger bilden auch keine Toxine, die als Antigen wirken könnten. Durch die
Wachshülle und seine geringe Stoffwechselaktivität "maskiert" sich der Erreger
gegenüber dem Immunsystem. Als Folge dieser Anpassung an das menschliche
Immunsystem wachsen Mykobakterien allerdings vergleichsweise langsam.
9.1. Initialstadium
Nur weniger als 10 % der inhalierten, erregerhaltigen Tröpfchen erreicht die Alveolen,
wo die Phagozytose durch Alveolarmakrophagen erfolgt. Auf verschiedenen Wegen
verhindern die Erreger ihren Abbau (z.B. Hemmung der Phagolysosom -Bildung,
Blockade der Autophagie). Anschließend beginnt die Replikation, die zur Ruptur der
Makrophagen und zur Freisetzung des bakteriellen Inhalts führen kann. Nicht in zierte
Phagozyten, die absterbende Makrophagen aufnehmen, werden selbst in ziert und
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tragen zur Ausbreitung der Infektion bei. Im Initialstadium breitet sich Mycobacterium
tuberculosis über die regionalen (z.B. hilären und mediastinalen) Lymphknoten
aus. Vor dort aus kann es nach Eintritt ins Blut zur hämatogenen Streuung in weitere
Bereiche der Lunge oder andere Organe kommen. In diesem Stadium ndet ein starkes
Wachstum in naiven, nicht aktivierten Makrophagen statt. Zugang zum Parenchym
erhält der Erreger vermutlich über Infektion von Epithelzellen oder indem Makrophagen
das Epithel durchqueren. Dann beginnen in zierte dendritische Zellen oder Monozyten
damit, das Mykobakterium in das Lymphsystem zu transportieren. Diese Zellen
migrieren in die drainierenden Lymphknoten und präsentieren dort den T-Zellen die
mykobakteriellen Antigene. Zu diesem Zeitpunkt werden die zellvermittelte und die
humorale Immunität initiiert. Diese Initialphase der Infektion ist i.d.R. asymptomatisch.
9.2. Spezi sche Immunreaktion
Etwa 2 bis 4 Wochen nach Infektion bilden sich zwei verschiedene Formen der
Immunreaktion aus:
• T-Zell-vermittelte Aktivierung von Makrophagen
• Hypersensitivitätsreaktion vom verzögerten Typ
gegenüber mykobakteriellen Antigenen
Beide Mechanismen können das Wachstum der Mykobakterien hemmen. Mit
Ausbildung der spezi schen Immunität und Anhäufung von aktivierten Makrophagen am
Ort der Primärinfektion entstehen Granulome bzw. Tuberkulome. Diese bestehen aus
Lymphozyten und aktivierten Makrophagen, die sich zu Epitheloidzellen und Langhans-
Riesenzellen differenzieren. Im Zentrum entsteht eine verkäsende Nekrose. Durch den
geringen Sauerstoffgehalt und niedrigen pH-Wert in der Nekrose wird das
Erregerwachstum gehemmt. Einige der Läsionen können zu diesem Zeitpunkt durch
Fibrosierung abheilen und anschließend verkalken.
Eine latente Tuberkulose entwickelt sich aus einem dynamischen Gleichgewicht
zwischen Mikroorganismus und Wirt. Latente Infektion und manifeste Erkrankung
stellen ein Kontinuum dar. Bisher (2022) existieren keine systemischen Biomarker, die
es erlauben vorherzusagen, bei welchen Patienten eine Progression auftreten wird.
Extrapulmonale Läsionen durchlaufen die gleichen Reaktionsphasen wie in der Lunge,
die meisten heilen allerdings ab. Bei Kleinkindern mit einer noch nicht voll
ausgebildeten natürlichen Immunabwehr kann die hämatogene Aussaat z.B. zu einer
Miliartuberkulose oder einer tuberkulösen Meningitis führen.
9.2.1. Makrophagenaktivierung
Makrophagen, welche die bakteriellen Antigene prozessiert haben, stimulieren T-
Lymphozyten zur Produktion von Lymphokinen. Nur durch T-Lymphozyten bzw.
Zytokine (IFN-γ,TNF-α) stimulierte Makrophagen können phagozytierte Mykobakterien
abtöten.Während die Makrophagen und T-Zellen (v.a.CD4-T-Zellen) die entscheidende
Funktion bei der Abwehr von Mycobacterium tuberculosis ausüben, spielt die humorale
Abwehr nur eine untergeordnete Rolle. Die von Alveolarmakrophagen ausgeschütteten
Zytokine sind neben der Granulombildung auch für viele systemische Effekte
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(Fieber,Gewichtsverlust) verantwortlich. CD8-T-Zellen unterstützen zudem die
spezi sche Immunantwort durch Lyse der in zierten Makrophagen und Abtötung der
Bakterien.
9.2.2. Verzögerte Hypersensitivitätsreaktion
Bei ausgeprägter, verzögerter Hypersensitivitätsreaktion kommt es zu einer Zerstörung
des umliegenden Lungengewebes. Bronchialwände und Blutgefäße werden in ltriert
und zerstört, sodass Kavernen entstehen, in denen Mykobakterien gut wachsen
können. Das ver üssigte, erregerreiche Material wird über das Bronchialsystem
drainiert. Die verzögerte Hypersensitivitätsreaktion ist die Grundlage für den Tuberkulin-
Hauttest (s.u.). Sie induziert zwar eine protektive Immunität, ermöglicht aber keinen
sicheren Schutz vor einer Reaktivierung. Patienten, die bereits wegen einer aktiven
Tuberkulose behandelt wurden, können durch einen neuen Mycobacterium-
tuberculosis-Stamm rein ziert werden.
10. Genetik
Genetische
Faktoren spielen eine wichtige Rolle in der angeborenen, unspezi schen Resistenz
gegenüber einer Infektion bzw. der Entwicklung einer aktiven Tuberkulose.
Insbesondere NRAMP1 auf Chromosom 2 reguliert die Resistenz bzw. Emp ndlichkeit
gegenüber Mykobakterien. Weitere Polymorphismen betreffen verschiedene Allele von
MHC, IFN-γ, Vitamin-D-Rezeptor und IL-1. Weiterhin spielt das Chemokin MCP-1
(Makrophagen-Chemoattraktorprotein-1) eine Schlüsselrolle. Personen mit bestimmten
genetisch bedingten MCP-1-Varianten – kodiert auf dem Genlokus 17q11.2 – erkranken
fünfmal so häu g wie Personen mit der Normalvariante. Die Mutation des MCP-1-Gens
führt dazu, dass der Körper zu viel MCP-1 bildet. Das wiederum blockiert in den
Monozyten die Produktion von Interleukin-12p40. Durch das Fehlen dieser Zytokin-
Untereinheit kann sich die Infektion leichter ausbreiten.
11. Klinik
11.1. Symptome
Bei Erstinfektion kommt es nach einer Inkubationszeit von 6 bis 8 Wochen zu
unspezi schen Symptomen wie:
• B-Symptomatik
◦ Fieber
◦ Nachtschweiß
◦ Gewichtsverlust (daher die Bezeichnung "Schwindsucht")
• Inappetenz
• Erythema nodosum
• Thoraxschmerzen
• Pleuritis exsudativa
• Konjunktivitis phlyctaenulosa
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Die Erstinfektion kann jedoch auch asymptomatisch verlaufen, was die
Diagnosestellung erschwert.
Bei Ausbildung eines tuberkulösen Primärkomplexes (Ghon-Komplex) oder bei primär
pulmonalem Verlauf können hinzutreten:
• Husten
• Hämoptyse
• lokale Lymphknotenschwellungen
• Dyspnoe
11.2. Verlaufsformen
Bis zu einer messbaren Infektion mittels Immuntests dauert es meist sechs bis acht
Wochen.[1] Eine offene Lungentuberkulose tritt ungefähr sechs Monate nach einer
Infektion auf. Reaktivierungen latenter Herde können noch nach Jahrzehnten auftreten.
Eine Tuberkulose kann sich in den verschiedenen Stadien der Erkrankung auf
mannigfaltige Weise präsentieren. Mögliche Verlaufsformen in den einzelnen Phasen
sind:
• Primärtuberkulose: ca. sechs Wochen nach dem ersten Kontakt mit dem
Mykobakterium bildet sich ein (meist) symptomloser Primärkomplex (Primärherd
+ vergrößerte Hiluslymphknoten), der später oft als verkalkter Rundherd
(Tuberkulom) sichtbar ist.
◦ Lungentuberkulose (auch postprimär)
◦ Hiluslymphknoten-Tuberkulose
◦ Pleuritis exsudativa
◦ Miliartuberkulose
◦ Landouzy-Sepsis
• Postprimärtuberkulose: meist entzündliche Reaktionen im Bereich der
Lungenspitze, die oft einschmelzen, wodurch es zur Bildung einer Kaverne
kommt. Bei Anschluss an das Bronchialsystem ist der Patient infektiös ("offene"
Tuberkulose). Komplikationen sind Lungenblutung, Pleuritis, Pleuraempyem,
respiratorische Insuf zienz, Narbenkarzinom und Amyloidose
.
• Extrapulmonale Tuberkulose: Ausbreitung der Infektion auf andere Organe. Sie
tritt außer bei Immunschwäche in der Regel im Rahmen einer postprimären
Tuberkulose auf.
◦ Darmtuberkulose: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Temperaturerhöhung,
Bauchschmerzen, Gewichtsabnahme, Diarrhoe
◦ Urogenitaltuberkulose: Flankenschmerzen, Dysurie, sterile Pyurie,
Infertilität
◦ tuberkulöse Meningitis bzw. Enzephalitis: schleichender Beginn
◦ Hauttuberkulose
◦ Knochentuberkulose (Tuberkulöse Spondylitis): Leitsymptom unklarer
Wirbelsäulenschmerz
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◦ Gelenktuberkulose (Tuberkulöse Arthritis)
◦ Nierentuberkulose (Kittniere)
◦ Nebennierentuberkulose: Morbus Addison
◦ Pericarditis constrictiva
Eine Sonderform ist die Silikotuberkulose.
12. Diagnostik
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14. Therapie
Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt mit einer Mehrfachkombination von Antibiotika,
sogenannten Tuberkulostatika, über mehrere Monate. siehe Hauptartikel:
Medikamentöse Therapie der Tuberkulose.
Flankiert wird die Tuberkulosetherapie durch Mitbehandlung eventuell vorliegender
Begleiterkrankungen, die eine Immunde zienz bewirken. In die gleiche Richtung zielen
das Einstellen eines Nikotinabusus bzw. Alkoholismus.
15. Antibiotikaresistenz
Das vermehrte Auftreten von bakteriellen Antibiotikaresistenzen hat die Behandlung der
Tuberkulose in den letzten Jahren deutlich erschwert. Auslöser ist der falsche oder
unkontrollierte Einsatz der verfügbaren Tuberkulostatika. Auf dieser Basis hat man
Sonderformen der Tuberkulose de niert. Dazu zählen:
• Rifampicin-resistente Tuberkulose (RR-TB): 2016 weltweit ca. 100.000 Fälle
• Multiresistente Tuberkulose (MDR-Tb): mindestens gegen Isoniazid
und Rifampicin resistent. 2016 weltweit ca. 500.000 Fälle[11]
• Extrem arzneimittelresistente Tuberkulose (XDR-Tb): zusätzliche Resistenz
gegenüber Medikamenten der 2. Wahl (Fluorchinolone, Amikacin, Kanamycin,
Capreomycin).
Insgesamt ereignen sich 47 % der Fälle mit MDR-Tb in Indien, China und Russland.
Weltweit könnten etwa 6,2 % der MDR-TB-Fälle tatsächlich XDR-Fälle sein.[11] Die
überwiegende Zahl dieser Erkrankungen wird nicht diagnostiziert, da zuverlässige
Methoden zur Emp ndlichkeitstestung fehlen und die Laborkapazitäten ausgeschöpft
sind.
16. Prävention
Bei adäquater Behandlung ist eine Tuberkulose in den meisten Fällen heilbar.
Unbehandelt versterben ca. ein Drittel der Patienten innerhalb von einem Jahr nach
Diagnosestellung und 50 bis 65 % innerhalb von 5 Jahren. Von den nach 5 Jahren noch
lebenden, unbehandelten Patienten weisen ca. 60 % eine Spontanremission auf,
während die restlichen Personen weiterhin Bakterien ausscheiden.
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