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Kernenergie

Basiswissen
Kernenergie
Basiswissen

Martin Volkmer

3
Herausgeber:
DAtF
Deutsches Atomforum e.V.
Robert-Koch-Platz 4
10115 Berlin

info@
www. kernenergie.de

Wissenschaftliche Beratung:
Winfried Koelzer

November 2013

Alle Rechte vorbehalten.

4
Inhalt

1 Das Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 5 Kontrollierte Kernspaltung . . . . . . . . . 38


1.1 Chemische Elemente und 5.1 Aufbau eines Kernreaktors . . . . . . 39
ihre kleinsten Teilchen . . . . . . . . . 8 5.2 Spaltneutronen . . . . . . . . . . . . 39
1.2 Aufbau der Atomhülle und 5.3 Moderator . . . . . . . . . . . . . . 41
des Atomkerns . . . . . . . . . . . . . 9 5.4 Temperaturabhängigkeit
1.3 Eigenschaften der Kernkräfte . . . . . 12 des Moderatoreffekts . . . . . . . . . 42
1.4 Massendefekt und Bindungsenergie . 13 5.5 Steuerung der Kettenreaktion . . . . 43
5.6 Homogener und heterogener Reaktor 45
2 Kernumwandlungen 5.7 Verfahren zur Anreicherung
und Radioaktivität . . . . . . . . . . . . . 16 von U-235 . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.1 Alphastrahlen . . . . . . . . . . . . . 17 5.8 Naturreaktor von Oklo . . . . . . . . 47
2.2 Betastrahlen . . . . . . . . . . . . . 18
2.3 Gammastrahlen . . . . . . . . . . . . 19 6 Kernkraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.4 Der Elektroneneinfang . . . . . . . . 19 6.1 Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor
2.5 Protonen- und Neutronenstrahlen . . 20 Beispiel: Kernkraftwerk Gundrem­
2.6 Halbwertzeit . . . . . . . . . . . . . 21 mingen Block C . . . . . . . . . . . . 49
2.7 Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . 22 6.2 Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor
Beispiel: Kernkraftwerk Brokdorf . . . 50
3 Das Wesen der Energie . . . . . . . . . . . 24 6.3 Weitere Reaktortypen . . . . . . . . 51
3.1 Energiearten und Energie­ 6.3.1 Kernkraftwerk mit Schwer­
umwandlungen . . . . . . . . . . . . 25 wasser-Druckröhren-Reaktor
3.2 Energieumwandlungen bei Kohle­ (CANDU) . . . . . . . . . . . . 51
kraftwerk und Kernkraftwerk . . . . . 25 6.3.2 Kernkraftwerk mit graphit­
3.3 Beschreibung der Wärme moderiertem Druckröhren-
im Teilchenmodell . . . . . . . . . . 26 Siedewasserreaktor (RBMK) . . 52
3.4 Energieeinheit Elektronvolt . . . . . . 27 6.3.3 Kernkraftwerk mit graphit­
3.5 Energie der Teilchenstrahlung . . . . 28 moderiertem gasgekühltem
3.5.1 Alphateilchen . . . . . . . . . 28 Reaktor (AGR) . . . . . . . . . 52
3.5.2 Betateilchen . . . . . . . . . 28 6.3.4 Kernkraftwerk mit
3.5.3 Neutronen . . . . . . . . . . . 29 Hochtemperatur­reaktor . . . . 53
3.6 Energie und Wellenlänge 6.3.5 Kernkraftwerk mit
der Gammastrahlen . . . . . . . . . . 29 Schnellem Reaktor . . . . . . 54
3.7 Erzeugung von Wärme
durch radioaktive Stoffe . . . . . . . 29 7 Sicherheitseinrichtungen
bei Kernkraftwerken . . . . . . . . . . . . 55
4 Kernspaltung und 7.1 Strahlenquellen in einem
Kettenreaktion . . . . . . . . . . . . . . . 31 Kernkraftwerk . . . . . . . . . . . . . 56
4.1 Entdeckung der Kernspaltung . . . . 32 7.2 Grundlegendes Sicherheitskonzept . . 57
4.2 Kernspaltung und Spaltprodukte . . . 33 7.3 Sicherheitsbarrieren gegen
4.3 Energiebilanz bei der Kernspaltung . 34 das Austreten radioaktiver Stoffe . . 58
4.4 Kettenreaktion im Uran-235 . . . . . 36 7.3.1 Brennstab . . . . . . . . . . . 59
4.5 Erzeugung von Plutonium-239 7.3.2 Reaktordruckgefäß . . . . . . 59
und von Uran-233 . . . . . . . . . . . 37 7.3.3 Sicherheitsbehälter . . . . . . 60
7.3.4 Rückhalteeinrichtungen
für flüssige und gasförmige
radioaktive Stoffe (Beispiel für
einen Siedewasserreaktor) . . 61
7.3.5 Kontrollierte Abgabe
radioaktiver Stoffe . . . . . . 61
7.4 Druckdifferenz als
Sicherheitsbarriere . . . . . . . . . . 62
7.4.1 Unterdruckzonen . . . . . . . 62
7.4.2 Personenschleuse . . . . . . . 63
7.4.3 Wellendichtung und
Sperrmedium . . . . . . . . . 63
7.4.4 Kondensator . . . . . . . . . . 63
7.5 Notkühlsystem . . . . . . . . . . . . 64
7.6 Unfälle . . . . . . . . . . . . . . . . 66

5
8 Versorgung und Entsorgung 9 Strahlenmessung und
von Kernkraftwerken . . . . . . . . . . . . 67 die Strahlenexposition des Menschen . . . 78
8.1 Kraftwerke als Energiewandler und 9.1 Ionisationskammer . . . . . . . . . . 79
Stoffwandler . . . . . . . . . . . . . 68 9.2 Energiedosis . . . . . . . . . . . . . 79
8.2 Die Versorgung eines Kernkraftwerkes 9.3 Organdosis . . . . . . . . . . . . . . 80
mit Spaltstoff . . . . . . . . . . . . . 68 9.4 Effektive Dosis . . . . . . . . . . . . 81
8.2.1 Uranvorkommen . . . . . . . 68 9.5 Folgedosis . . . . . . . . . . . . . . . 81
8.2.2 Urangewinnung . . . . . . . . 69 9.6 Somatische und genetische
8.2.3 Anreicherung von Uran-235 . . 69 Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . 81
8.2.4 Herstellung von Brenn­ 9.7 Natürliche Strahlenexposition des Men-
elementen . . . . . . . . . . . 69 schen . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
8.3 Die Entsorgung von radioaktiven 9.7.1 Kosmische Strahlung und durch
­Abfällen aus Kernkraftwerken . . . . 70 sie erzeugte Radionuklide . . . 83
8.3.1 Entladen der Brennelemente 9.7.2 Terrestrische Strahlung . . . . 84
aus dem ­Reaktor und Zwischen- 9.7.3 Eigenstrahlung des Körpers . . 85
lagerung . . . . . . . . . . . 71 9.7.4 Gesamtbetrag der natürlichen
8.3.2 Direkte Endlagerung . . . . . 72 ­Strahlenexposition . . . . . . 85
8.3.3 Wiederaufarbeitung . . . . . 73 9.8 Zivilisatorisch bedingte Strahlen­
8.3.4 Konditionierung radioaktiver exposition des Menschen . . . . . . . 86
Abfälle . . . . . . . . . . . . . 73 9.8.1 Strahlenexposition durch
8.3.5 Endlagerung radioaktiver ­Anwendung ionisierender
Abfälle in Deutschland . . . . 74 ­Strahlen und radioaktiver
8.4 Transporte bei der Ver- und Stoffe in der Medizin . . . . . 86
Entsorgung . . . . . . . . . . . . . . 75 9.8.2 Strahlenexposition
8.5 Behandlung radioaktiver Betriebs­- durch Reaktorunfälle . . . . . 87
abfälle in einem Kernkraftwerk . . . . 76 9.8.3 Strahlenexposition
8.5.1 Behandlung gasförmiger durch Kernwaffentests . . . . 87
Reaktor­betriebsabfälle . . . . 76 9.8.4 Strahlenexposition d
8.5.2 Behandlung flüssiger Reaktor­ urch Flugverkehr . . . . . . . 88
betriebsabfälle . . . . . . . . 77 9.8.5 Strahlenexposition
8.5.3 Behandlung fester Reaktor­ durch Kernkraftwerke . . . . . 88
betriebsabfälle . . . . . . . . 77 9.9 Zusammenfassung
der Strahlenexposition . . . . . . . . 89

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 90

6
Das Atom 1
1.1 Chemische Elemente und ihre kleinsten Teilchen

Zurzeit sind 118 chemische Elemente (Tab. 1.01) In der Erdkruste einschließlich Wasser und Luft
bekannt. Alle Elemente mit der Ordnungszahl sind Sauerstoff (49,2 %), Silizium (25,7 %) und
95 und höher sind künstlich hergestellt. Einige Aluminium (7,5 %) die häufigsten Elemente. Der
­Elemente – Technetium, Promethium, Astat, Mensch besteht im Wesentlichen aus Sauerstoff
­Neptunium und Plutonium – wurden zuerst (65 %), Kohlenstoff (18 %) und Wasserstoff (10 %)
künstlich hergestellt und erst später auch ihr (alle Angaben in Gewichtsprozent).
­natürliches Vorkommen nachgewiesen.

Element Symbol OZ Element Symbol OZ Element Symbol OZ

Wasserstoff H 1 Niob Nb 41 Thallium Ti 81


Helium He 2 Molybdän Mo 42 Blei Pb 82
Lithium Li 3 Technetium Tc 43 Wismut Bi 83
Beryllium Be 4 Ruthenium Ru 44 Polonium Po 84
Bor B 5 Rhodium Rh 45 Astat At 85
Kohlenstoff C 6 Palladium Pd 46 Radon Rn 86
Stickstoff N 7 Silber Ag 47 Francium Fr 87
Sauerstoff O 8 Cadmium Cd 48 Radium Ra 88
Fluor F 9 Indium In 49 Actinium Ac 89
Neon Ne 10 Zinn Sn 50 Thorium Th 90
Natrium Na 11 Antimon Sb 51 Protactinium Pa 91
Magnesium Mg 12 Tellur Te 52 Uran U 92
Aluminium Al 13 Iod I 53 Neptunium Np 93
Silizium Si 14 Xenon Xe 54 Plutonium Pu 94
Phosphor P 15 Cäsium Cs 55 Americium Am 95
Schwefel S 16 Barium Ba 56 Curium Cm 96
Chlor Cl 17 Lanthan La 57 Berkelium Bk 97
Argon Ar 18 Cer Ce 58 Californium Cf 98
Kalium K 19 Praseodym Pr 59 Einsteinium Es 99
Calcium Ca 20 Neodym Nd 60 Fermium Fm 100
Scandium Sc 21 Promethium Pm 61 Mendelevium Md 101
Titan Ti 22 Samarium Sm 62 Nobelium No 102
Vanadium V 23 Europium Eu 63 Lawrencium Lw 103
Chrom Cr 24 Gadolinium Gd 64 Rutherfordium Rf 104
Mangan Mn 25 Terbium Tb 65 Dubnium Db 105
Eisen Fe 26 Dysprosium Dy 66 Seaborgium Sb 106
Kobalt Co 27 Holmium Ho 67 Bohrium Bh 107
Nickel Ni 28 Erbium Er 68 Hassium Hs 108
Kupfer Cu 29 Thulium Tm 69 Meitnerium Mt 109
Zink Zn 30 Ytterbium Yb 70 Darmstadtium Ds 110
Gallium Ga 31 Lutetium Lu 71 Roentgenium Rg 111
Germanium Ge 32 Hafnium Hf 72 Copernicium Ch 112
Arsen As 33 Tantal Ta 73 noch ohne Namen 113
Selen Se 34 Wolfram W 74 Flerovium Fl 114
Brom Br 35 Rhenium Re 75 noch ohne Namen 115
Krypton Kr 36 Osmium Os 76 Livermorium Lv 116
Rubidium Rb 37 Iridium Ir 77 noch ohne Namen 117
Tab. 1.01 Strontium Sr 38 Platin Pt 78 noch ohne Namen 118
Tabelle der chemischen Elemente, Yttrium Y 39 Gold Au 79
nach der Ordnungszahl (OZ)
(Protonenzahl) geordnet
Zirkonium Zr 40 Quecksilber Hg 80

8
Die kleinsten Teilchen der chemischen Elemente 20. ­Jahrhunderts entwickelten Modell besteht
werden Atome genannt. Die kleinsten Teilchen das Atom aus einem sehr kleinen Kern, in dem fast
des Wasserstoffs, Kohlenstoffs oder Urans, die die gesamte Masse vereinigt ist, und einer Hülle.
noch die charakteristischen Eigenschaften dieser
Elemente besitzen, nennt man also Wasserstoff­ Der Kern baut sich aus elektrisch positiv gela­
atome, Kohlenstoffatome bzw. Uranatome. de­nen Protonen (p+) und elektrisch neutralen
Neutronen (n) auf. Sie werden auch als Kern­
Der Durchmesser der Atome beträgt etwa teilchen oder Nukleonen bezeichnet. Die Atome
10–7 mm. Erst 10 Millionen Atome aneinander eines ­jeden Elements haben in ihren Kernen
­gereiht ergeben etwa 1 mm. Die Atome sind ­jeweils eine charakteristische Anzahl von Pro­
also für das menschliche Auge unsichtbar. Mit tonen (Tab. 1.01). Jedes Element wird also durch
speziellen ­Mikroskopen ist es aber gelungen, sie die Protonen­zahl eindeutig bestimmt. Bis zum
schemenhaft zu erkennen. In Abb. 1.01 zeigen Element ­Calcium (20 Protonen) stimmt die Pro-
die dunklen Flecken die Stellen an, an denen sich tonenzahl etwa mit der Neutronenzahl überein,
die einzelnen Atome eines größeren Moleküls von da ab überwiegt die Anzahl der Neutronen.
­befinden. Über den inneren Aufbau der Atome
gibt es keine mikroskopischen Aufnahmen. In der Atomhülle befinden sich in der Regel
­ebenso viel negativ geladene Elektronen (e–)
wie im Kern Protonen vorhanden sind. Da das
Elektron eine negative Elementarladung und
das Proton eine positive Elementarladung trägt,
­gleichen sich die Ladungen aus. Das Atom ist
dann nach außen elektrisch neutral. Verliert ein
Atom ein Elektron aus seiner Hülle, überwiegen
die positiven Ladungen im Kern (positives lon). Abb. 1.01
Nimmt ein Atom ein weiteres Elektron in seine Atome in einem
Hülle auf, überwiegen die negativen Ladungen Kupfer-Chlor-Phthalocyanin-Kristall
(negatives Ion) (Abb. 1.02). Quelle: Bergman/Schäfer, Lehrbuch der
Experimentalphysik, Band III, 8. Auflage,
Hülle Walter de Gruyter, 1987

Um dennoch eine Vorstellung über den inneren 7 e– 9 e–


Aufbau zu erhalten, hat man Modelle entwi-
ckelt. Es sind anschauliche Bilder, mit denen Be- 8p+ 8p+
obachtungen und Messergebnisse in übersicht­ 8n 8n
licher Weise beschrieben und gedeutet werden.
Dabei ist jedoch zu bedenken, dass Modelle Kern
immer nur einen Teil der Erfahrungstatsachen Abb. 1.02
Ladungsverhältnis bei einem Ladungsverhältnis bei einem
beschreiben können. Nach einem im Wesent- positiven Sauerstoffion negativen Sauerstoffion Ladungsverhältnisse bei Ionen
lichen von ­Rutherford und Bohr zu Anfang des (Kerne übertrieben groß dargestellt)

Aufbau der Atomhülle und des Atomkerns 1.2

Die in einem Kern vorhandenen Protonen ­müssten Kräfte wirksam sind. Sie sorgen dafür, dass Kern
sich eigentlich aufgrund ihrer positiven Ladun- und Hülle nicht aufeinander fallen.
gen gegenseitig abstoßen und dadurch den Kern
zum Zerplatzen bringen. Da aber stabile Atom- Um ein Elektron aus der Atomhülle ­abzutrennen,
kerne mit z.  T. recht vielen Protonen ­existieren, benötigt man Energie. Dabei zeigt sich, dass für die
kann daraus geschlossen werden, dass es andere einzelnen Elektronen einer Hülle ­unterschiedlich
­Kräfte geben muss, die die Kernteilchen anein­ viel Energie aufgewendet werden muss. Die Elek-
ander binden. Diese anziehenden Kernkräfte sind tronen sind also unterschiedlich fest an den Kern
stärker als die im Kern wirkenden abstoßenden gebunden bzw. sie besitzen gegenüber dem Atom-
elektrischen Kräfte. kern unterschiedliche Energie. Diese Energie­werte
der Elektronen unterscheiden sich aber nicht
In der Atomhülle befinden sich negativ ­geladene kontinuierlich, ­sondern stufenartig voneinander
Elektronen. Elektronen und Protonen müssten (Energiestufen). Um diese Tat­sache im Modell zu
sich aufgrund ihrer unterschiedlichen elek­ veranschaulichen, weist man den einzelnen Elek­
trischen Ladungen anziehen, die Hüllenelek­ tronen bestimmte Bahnen ­bzw. Schalen zu, die
tronen also auf den Kern fallen. Da das aber nicht um den Kern angeordnet sind (K-, L -, M-, N-, O-,
eintritt, ist anzunehmen, dass auch hier andere P- und Q-Schale, am Kern beginnend) (Abb. 1.03).

9
Abb. 1.03
Atome in vereinfachter Modelldarstel-
lung. Das Atom besteht aus dem
elektrisch positiv geladenen Kern und
der elektrisch negativ geladenen Hülle.

Bestandteile des Atomkerns:


Proton (+)
Neutron (0) Ausnahme: H–1 Vereinfachtes Modell Vereinfachtes Modell Vereinfachtes Modell
Bestandteile der Atomhülle: eines Wasserstoffatoms eines Heliumatoms eines Kohlenstoffatoms
Elektron (–)

Elektronen mit ­festerer Bindung an den Kern Proton und Neutron haben fast die gleiche
werden auf kernnahen Bahnen oder Schalen ­Masse. Die Masse des Elektrons beträgt aber nur
­gezeichnet, Elek­tronen weniger ­fester Bindung 1/1.836 der Masse des Protons. Das ist ein so
an den Kern auf kernferneren Bahnen oder ­geringer Betrag, dass man ihn bei Betrachtung
­Schalen. Diese Bahnen oder Schalen exis­tieren der Atommassen vernachlässigen kann. Praktisch
nicht wirklich. Es sind lediglich Hilfs­vorstellungen ist die gesamte Masse eines Atoms in seinem
zur Veran­schaulichung der unterschiedlichen Kern ­vereinigt (Tab. 1.02).
Energiestufen. Das Größenverhältnis von Atom-
hülle zu Atomkern ist bemerkenswert. Der Durch- Wenn man die Atome eines großen Ozean­
messer der Hülle beträgt etwa 10–10  m, der Durch- dampfers in Gedanken so zusammenpresst, dass
messer des Kerns etwa 10–14  m. Der Kern ist also sich die Elektronen dicht an den Atomkernen
etwa 10.000-mal kleiner als die Hülle. Zur Veran- ­befinden, erhielte man nur eine winzige Menge
schaulichung dieses Verhältnisses kann man das an Materie in der Größe eines ­Stecknadelkopfes.
Atom in Gedanken auf das 1012-fache vergrößern. Die Masse des Ozeandampfers würde aber
Die Hülle hätte dann einen ­Durchmesser von 100 ­erhalten bleiben.
m, der Kern wäre aber nur 1 cm groß (Abb. 1.04).
Die Massen von Proton und Neutron liegen
im ­Bereich von 10–27 kg. Da das Rechnen mit
so ­kleinen Werten ungünstig ist, gibt man zur
­Beschreibung der Masse eines Atomkerns ledig-
lich an, wie viele Protonen und Neutronen er ent-
hält. Das ist seine Massenzahl.
100 m
Neben der Masse ist die elektrische Ladung die
zweite wichtige Eigenschaft des Atomkerns. Je-
des Proton besitzt die kleinste bisher nachgewie-
Kirschkern sene positive Ladungsmenge, die deshalb auch
1 cm Elementarladung genannt wird. Die Anzahl der
Protonen ist also gleich der Anzahl der Elemen-
tarladungen. Das wird durch die Kernladungszahl
beschrieben. Sie entspricht der Ordnungszahl der
chemischen Elemente.

Zur Kennzeichnung des Kernaufbaus wird die


Abb. 1.04 Massenzahl (Anzahl der Protonen und Neutro-
Größenverhältnis in einem Atom nen) oben links, die Kernladungszahl (Anzahl
(Atomhülle zu Atomkern der Protonen) unten links neben das chemische
wie Kirchturm zu Kirschkern) ­Symbol gesetzt (Tab. 1.03 und Abb. 1.05).

Elementar- Masse (Ruhemasse) Ladung


teilchen
in kg in Elektronen­ in Coulomb in Elementar­
massen ladungen

Elektron 9,10938 · 10–31 1 -1,6022 · 10–19 -1

Proton 1,67262 · 10–27 1.836,15 1,6022 · 10–19 +1


Tab. 1.02
Masse und elektrische Ladung Neutron 1,67493 · 10–27 1.838,68 0 0
der drei wichtigsten Elementarteilchen

10
2 + 6 + 92 +
4 12 235
2 n 6 n 143 n

Abb. 1.05
4 12 235
2 He 6 C 92 U Aufbau der Atomkerne im Modell
Massenzahl:
Gesamtzahl der Protonen
Kern eines Kern eines Kern eines und Neutronen
Heliumatoms Kohlenstoffatoms Uranatoms
Kernladungszahl:
Anzahl der Protonen

Kern eines Kern eines Kern eines Im natürlichen Wasserstoff treten drei Isotope
Heliumatoms Kohlenstoff- Uranatoms auf (Abb. 1.06):
atoms

4 12 235
2 He 6 C 92 U Tab. 1.03
Kennzeichnung des Kernaufbaus
Proton Deuteron Triton
Massenzahl: 4 Massenzahl: 12 Massenzahl:235
Kernladungszahl: 2 Kernladungszahl: 6 Kernladungszahl: 92 1 2 3 Abb. 1.06
1H 1H 1H Die Kerne der Wasserstoffisotope
(Modelldarstellung)
Für die Elementarteilchen gilt:

99,989% 1 Wasserstoff,
1
1 p 1
0 n 0
-1 e 1 H leichter Wasserstoff
Proton Neutron Elektron Der Kern besteht aus einem Proton ( 11 p ).

0,011% 2 Schwerer Wasserstoff


Eine Atomart, die durch Protonenzahl und Neu- 1 H=D oder Deuterium (D)
tronenzahl charakterisiert ist, wird als Nuklid Der Kern besteht aus einem Proton und
­bezeichnet. einem Neutron.

Die Atome eines Elements können bei gleicher kleinste 3 Überschwerer Wasserstoff
Protonenzahl eine unterschiedliche Neutronen- Mengen 1 H=T oder Tritium (T)
zahl besitzen. Solche Atome mit gleicher Kern­ Der Kern besteht aus einem Proton und
ladungszahl (Ordnungszahl), aber mit unter- zwei Neutronen. Tritium wird in den oberen
schiedlicher Massenzahl, bezeichnet man als Schichten der Atmosphäre durch die kosmische
Isotope. Sie unterscheiden sich nicht in ihren ­Strahlung ständig neu gebildet und entsteht
­chemischen, wohl aber in ihren kernphysika­ auch in Kernkraftwerken. Tritium ist radioaktiv.
lischen Eigenschaften.

Da die 118 Elemente z. T. viele Isotope haben, Ein Wassermolekül, das z. B. die Wasserstoff­
existieren insgesamt etwa 3.850 ­Nuklide. Davon isotope H-1 und H-3 (T) enthält, wird deshalb HTO
sind 257 stabil, alle anderen zerfallen spontan, abgekürzt. Enthält das Molekül nur das Isotop
d. h. sie sind radioaktiv. Man nennt sie deshalb H-2, kürzt man es D2O ab.
Radionuklide.
Abb. 1.07 gibt für die ersten zehn Elemente des
Proton, Neutron und Elektron gehören zu den ­Periodensystems die Isotope an.
­Elementarteilchen. Es sind kleinste Teilchen,
aus denen sich die Materie aufbaut oder die Da die Kernladungszahl für jedes Element
beim radio­aktiven Zerfall entstehen, bei der ­festliegt, die Massenzahl aber verschieden sein
kos­mischen Strahlung auftreten bzw. durch kann, wird bei einer abgekürzten Schreibweise
­Kernreaktionen künstlich erzeugt werden ­können. ­lediglich die Massenzahl rechts neben den ­Namen
­Elementarteilchen stellen keine ­unwandelbaren oder das Symbol des betreffenden ­Elements
­Ge­bilde dar, sondern können auf ver­schiedene ­geschrieben, z. B.: H-3, He-4, C-12, U-235, U-238.
­Weise umgewandelt, erzeugt und vernichtet
­werden.

11
Anzahl der Protonen

Ne-16 Ne-17 Ne-18 Ne-19 Ne-20 Ne-21 Ne-22 Ne-23 Ne-24 Ne-25 Ne-26 Ne-27 Ne-28
10 2p β+ β+ β+ 90,48 % 0,27 % 9,25 % β– β– β– β– β– β–

F-15 F-16 F-17 F-18 F-19 F-20 F-21 F-22 F-23 F-24 F-25 F-26 F-27
9 p p β+ β+ 100 % β– β– β– β– β– β– β– β–

O-12 O-13 O-14 O-15 O-16 O-17 O-18 O-19 O-20 O-21 O-22 O-23 O-24 O-25
8 2p β+ β+ β+ 99,757 % 0,038 % 0,205 % β– β– β– β– β– β– n

N-10 N-11 N-12 N-13 N-14 N-15 N-16 N-17 N-18 N-19 N-20 N-21 N-22 N-23
7 p p β+ β+ 99,636 % 0,364 % β– β– β– β– β– β– β– β–

C-8 C-9 C-10 C-11 C-12 C-13 C-14 C-15 C-16 C-17 C-18 C-19 C-20 C-21 C-22
6 2p β+ β+ β+ 98,93 % 1,07 % β– β– β– β– β– β– β– n β–

B-7 B-8 B-9 B-10 B-11 B-12 B-13 B-14 B-15 B-16 B-17 B-18 B-19
5 2p β+ p 19,9 % 80,1% β– β– β– β– n β– n β–

Be-6 Be-7 Be-8 Be-9 Be-10 Be-11 Be-12 Be-13 Be-14


4 2p β+ α 100 % β– β– β– n β–

Li-4 Li-5 Li-6 Li-7 Li-8 Li-9 Li-10 Li-11 Li-12 Li-13 Stabiles Nuklid
3 p p 7,59 % 92,41% β– β– n β– n n Beta–-Zerfall (b–)
Beta+-Zerfall (b+);
He-3 He-4 He-5 He-6 He-7 He-8 He-9 He-10 Elektroneneinfang (e)
2 0,000134 % 99,999866 % n β– n β– n 2n
verschiedene Zerfallsarten
H-1 H-2 H-3 H-4 H-5 H-6 H-7 n: Neutron
1 99,98865 % 0,0115 % β– n 2n 3n 2n p: Proton
α: Alpha-Zerfall
n-1
β–

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Abb. 1.07 Anzahl der Neutronen


Die Isotope der Elemente mit den
Kernladungszahlen 1 bis 10
(Auszug aus der Karlsruher Nuklidkarte)

1.3 Eigenschaften der Kernkräfte

In den Atomkernen werden Protonen und Neutro-


nen auf kleinstem Raum zusammengehalten. Das
bewirken sehr starke Kernkräfte, die den absto-
ßenden Kräften zwischen den positiv geladenen 3
2 1 He
Protonen entgegenwirken.
1 He

Die Kernkräfte FK haben eine sehr geringe Reich-


weite. Erst wenn die Kernteilchen so dicht beiei-
nander liegen, dass sie sich fast berühren, begin- Deutron Triton
nen die Kräfte zu wirken. Es ist so ähnlich wie bei
klebrigen Bonbons, die erst aneinander haften,
wenn sie sich berühren.
3
2 He
Abb. 1.08 (links) (a)
Bei größerer Entfernung zwischen zwei
Protonen wirken nur die abstoßenden
elektrischen Kräfte (a).
Bei geringer Entfernung werden die
Kernkräfte wirksam (b). Sie sind stärker
als die elektrischen Kräfte. (b) 4
Fel: 2 He
FK:

Abb. 1.09
Kernkräfte können nur zwischen FK > Fel
­benachbarten Kernteilchen wirken

12
Die elektrischen Kräfte Fel, die zwischen den Pro-
tonen wirken, haben im Prinzip eine unendliche (a) (b)
Reichweite. Ihre Stärke nimmt jedoch mit der
­Entfernung r gemäß 1/r2 ab (Abb. 1.08).
x x
Abb. 1.10
Wegen der geringen Reichweite werden die
Kernkräfte ( ) und elektrische Kräfte
Kern­kräfte nur zwischen unmittelbar benach-
( ) sind nur für das mit (x) bezeich­
barten Kernteilchen wirksam. Das ist immer nur nete Proton angegeben. ­
­zwischen einer begrenzten Anzahl von Teilchen
„Anziehende“ Kernkräfte sind nur
der Fall. Besteht ein Atomkern aus nur einigen ­zwischen benach­barten Kernteilchen
wenigen Teilchen, ist jedes Teilchen mit jedem wirksam, „abstoßende“ elektrische
anderen in Kontakt, so dass die Kernkräfte wirk- Kräfte wirken auch über größere
sam werden können (Abb. 1.09). ­Entfernungen.

Ist die Teilchenzahl größer, kann nicht mehr ­jedes Eine weitere Eigenschaft der Kernkräfte ist, dass
Kernteilchen über Kernkräfte mit jedem ­anderen sie zwischen allen Teilchen wirken, ­unabhängig
in Wechselwirkung treten. Anders ist es bei den von ihrer Ladung. Die Kernkräfte haben also
im Kern auftretenden elektrischen ­Kräften. Sie ­gleiche Größe zwischen den Teilchenpaaren
stoßen sich alle untereinander ab, auch über Proton/Proton, Proton/Neutron und Neutron/
die Entfernung vieler Kernteilchen hinweg Neutron.
(Abb. 1.10).

Massendefekt und Bindungsenergie 1.4

Wie stark die Kernteilchen im Kern zusammen- Kern ein kleiner Teil ihrer Massen in ­Energie
gehalten werden, lässt sich berechnen. Das ist ­umgewandelt wird. Diese Energie wird in Form
am einfachsten am Kern des Heliumatoms darzu­ einer unsichtbaren energiereichen Lichtart (Gam­
stellen. Er besteht aus zwei Protonen und zwei ma­strahlung) abgegeben und tritt auch z. T. als
Neutronen. Die Masse des Kerns müsste sich Bewegungsenergie des ent­standenen Kerns auf.
­eigentlich aus zwei Protonenmassen und zwei Würde der Heliumkern wieder in ­seine Bestand-
Neutronenmassen ergeben: teile zerlegt werden, müsste genau die ­verloren
gegangene Energie dem Kern wieder zugeführt
2 · mp = 2 · 1,67262 · 10–27 kg = 3,34524 · 10–27 kg werden. Der Massenverlust (und damit die abge-
2 · mn = 2 · 1,67493 · 10–27 kg = 3,34986 · 10–27 kg gebene Energie) ist also für das Zusammen­halten
m2p + 2n = 6,69510 · 10–27 kg der Kernteilchen verantwortlich.

(a) (b)

Abb. 1.11 (links)


Bei der Entstehung eines Atomkerns aus
Nukleonen tritt ein Massenverlust auf
4
2 p+
2 He Ep1 Abb. 1.12
2n
Ep2 Zusammenfügen von Kugeln zu einer
stabileren Einheit durch Energieabgabe
6,69510 · 10   kg
–27
6,644656 · 10   kg
–27
(Vergleich zur Entstehung eines Atom-
kerns aus Kernteilchen)

Sehr genaue Massenbestimmungen des Helium­ Dass durch Energieabgabe Teilchen zu einer
kerns haben aber ergeben, dass seine Masse ­stabilen Einheit zusammengefügt werden
mHe = 6,644656 · 10–27  kg beträgt. Die Masse ­können, lässt sich anhand eines mechanischen
des Helium­kerns ist also um 0,050444 · 10–27 kg Modells veranschaulichen (Abb. 1.12).
­geringer als die Summe der Massen der einzeln
existierenden Teilchen. Dieser Verlust macht (a) Vier Kugeln liegen getrennt voneinander auf
etwa 0,8 % aus (Abb. 1.11). einer Ebene (indifferentes Gleichgewicht).
Sie haben gegenüber der unteren Ebene
Der Massenverlust (auch Massendefekt genannt) ­potenzielle Energie Ep1 („Höhenenergie“).
kommt dadurch zustande, dass beim Zusammen­ (Die vier Kugeln entsprechen den zwei Proto-
schluss von Protonen und Neutronen zu einem nen und den zwei Neutronen.)

13
(b) Fallen die vier Kugeln anschließend in die haben ergeben, dass die Bindungsenergie pro
Vertiefung, liegen sie dicht beiein­ander im Kern­teilchen bei den Kernen der einzelnen
­stabilen Gleichgewicht. Da sie nun gegen­ ­Elemente bzw. deren Isotopen unter­schiedlich ist
über der ursprünglichen Position ­niedriger (Tab. 1.04). Die Bindungsenergie je Nukleon ist in
liegen, haben sie potenzielle ­Energie Abb. 1.13 graphisch dargestellt.
(„Höhen­energie“) verloren bzw. abgegeben.
(Das entspricht der Energieabgabe beim Nuklid Gesamt- mittlere
­Auftreten der Kern­kräfte.) Bindungsenergie ­ indungsenergie
B
in MeV je Nukleon in MeV
Wie viel Energie einer bestimmten Masse ent-
spricht, kann nach dem von Einstein formulierten H-2 2,225 1,113
Gesetz berechnet werden:
He-3 7,7118 2,573

E = m · c2 He-4 28,296 7,074

(E: Energie; m: Masse; c: Lichtgeschwindigkeit). Li-7 39,244 5,606

So entspricht 1 kg Masse einer Energie von O-16 127,620 7,976


E = 9 · 1016 J. Stünde dieser Betrag als elektrische
Cl-35 298,20 8,520
Energie zur Verfügung, könnte damit die Stadt
Hamburg zwei Jahre lang mit elektrischer Energie
Fe-57 499,90 8,770
versorgt ­werden.
Ag-107 915,387 8,555
Beim Heliumkern ergibt sich aus dem Massen­
verlust von m = 0,050444 · 10–27 kg eine Energie Lu-176 1.418,40 8,059
von E = 0,4536 · 10–11 J = 28,3 MeV (eV: Elektron-
volt, 1 eV = 1,60 · 10–19 J). Dieser Energiebetrag Pb-208 1.636,455 7,868
wurde bei der Kernentstehung abgegeben. Auf
Tab. 1.04 jedes einzelne Kernteilchen entfällt dann rech­ U-235 1.783,889 7,591
Bindungsenergie bei einigen Nukliden nerisch eine Energie von E = 7,1 MeV.

Je größer bei einer Kernentstehung der Massen­ Abgesehen von den sehr leichten Atomkernen
verlust und damit die Energieabgabe ist, liegt die Bindungsenergie je Nukleon zwischen
­desto f­ester sind die Kernteilchen aneinander 7 MeV und fast 9 MeV. Die Energie, mit der die
­ge­bunden. Man nennt diese Energie deshalb ­äußeren Elektronen der Atomhülle gebunden
auch Bindungsenergie. Genaue Messungen sind, liegt dagegen nur bei 2 bis 3 eV.

4
8 2 He 94
36 Kr
139
56 Ba
7
Bindungsenergie je Nukleon in MeV

235
6 92 U
6
5 3 Li

3
3
2 He
2

2
1 1 H

Abb. 1.13 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240
Mittlere Bindungsenergie je Nukleon Massenzahl
in Abhängigkeit von der Massenzahl

14
Die mittlere Bindungsenergie je Nukleon hat bei Dass die Bindung der Nukleonen bei den schwe-
Kernen mit den Massenzahlen 40 bis 100 (z. B. ren Kernen lockerer wird, ist darauf zurückzufüh-
Fe-57, Kr-87) ihren höchsten Wert und nimmt zu ren, dass bei Vergrößerung der Nukleonenzahl
den leichteren und den schwereren Kernen hin die Kernkräfte insgesamt zwar zunehmen, aber
ab. Für die Nutzung der Kernbindungsenergie eben nur zwischen den benachbarten Teilchen
stehen also grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur wirken. Die abstoßenden Kräfte zwischen den
Verfügung: Protonen nehmen ebenfalls zu, sie wirken aber
zwischen allen Protonen. Dadurch wird der Zu-
• Es werden sehr leichte Kerne (z. B.  21 H  +  31 He
) sammenhalt zwischen den Kernteilchen wieder
miteinander verschmolzen. Daraus entstehen etwas gelockert. Von einer bestimmten Protonen-
dann schwerere Kerne, deren Kernteilchen zahl an sind die Kerne nicht mehr stabil, sondern
stärker aneinander gebunden sind. Das ist mit instabil (radioaktiv).
einem Massenverlust und somit einer Ener-
gieabgabe verbunden. Nach diesem Prinzip
arbeiten die Energiefreisetzung im Innern der
Sonne und der geplante Fusionsreaktor.

• Schwere Kerne werden in mittelschwere ge-


spalten. Da die Bindungsenergie je Nukleon
bei mittelschweren Kernen größer ist als bei
schweren Kernen, tritt auch dabei Massen-
verlust und damit Energiefreisetzung auf. Auf
diesem Prinzip beruht die Energiegewinnung
in Kernkraftwerken.

15
2 Kernumwandlungen und
Radioaktivität
1896 entdeckte der französische Physiker Bei den in der Natur vorkommenden Radio­
­Antoine Henri Becquerel, dass Uransalze eine nukliden spricht man von natürlicher Radio­
unsicht­bare Strahlung aussenden, die ­lichtdicht aktivität; bei den durch künstliche Kernum­
verpackte Fotoplatten schwärzte und ein wandlung ­erzeugten Radionukliden von
­geladenes Elektro­skop entladen konnte. Die künstlicher Radioaktivität. Von den bisher
Eheleute Marie und Pierre Curie untersuchten ­bekannten rund 3.850 verschiedenen ­Nukliden,
solche Strahlen aussen­denden Mineralien die Isotope der 118 chemischen Elemente
genauer. Dabei fanden sie 1898 die Elemente sind, sind nur 257 stabil, alle anderen zerfallen
Polonium und das sehr viel stärker strahlende ­spontan. Beim Zerfall wird eine „­Strahlung“
Radium. Im selben Jahr wurde die Strahlung von ausgesandt. Nach der Haupt­eigenschaft der
G. C. Schmidt auch bei Thorium nachgewiesen. Strahlung, Stoffe zu ionisieren, bezeichnet man
sie als ionisierende Strahlung. Die Strahlung
Die neu entdeckten Strahlen ließen sich durch entsteht dadurch, dass die Kerne radioaktiver
physikalische Einwirkungen auf den s­ trahlenden Atome Masse- und Energieportionen mit hoher
Stoff oder durch chemische Prozesse nicht Geschwindigkeit ausschleudern. ­Diesen Vorgang
­beein­flussen. Daraus schloss man, dass die nennt man radioaktiven Zerfall.
Strahlen­aussendung nicht durch chemische
­Vorgänge verursacht wird. Heute weiß man,
dass die ­Strahlen aus den Kernen instabiler
Atome ­ausgesandt werden. Diese Gesamt­
erscheinung wird Radioaktivität genannt. Die
Kerne radio­aktiver Atome heißen Radionuklide.

Alphastrahlen 2.1

Die beim radioaktiven Zerfall von Atom­kernen von denen hier nur eine dargestellt ist. Der Kern
ausgesandten Heliumkerne (2 Protonen, schleudert einen Heliumkern heraus, wodurch
2 Neu­tronen) werden Alphateilchen genannt die Kernladungszahl um 2, die Massenzahl um 4
(Abb. 2.01). Als Teilchenstrom bilden sie die sinkt. Es entsteht das neue Element Radon (Rn).
­Alphastrahlen. Die Anfangsgeschwindigkeit Dieser Vorgang wird auch Alphazerfall genannt.
der austretenden Alphateilchen liegt zwischen
15.000 und 20.000 km/s. Er kann durch eine Kernreaktionsgleichung
­beschrieben werden:

226 222 4
88 Ra 86 Rn + 2 He

226 In der Gleichung wird links vom Reaktionspfeil


88 Ra der Kernaufbau des Ausgangsatoms, rechts ­davon
das Ergebnis des Zerfalls geschrieben. Dabei
müssen auf beiden Seiten die Summe der Kern­
222 ladungszahlen (88 = 86 + 2) und die Summe der
86 Rn Massenzahlen (226 = 222 + 4) überein­stimmen.
Das beim Zerfall entstandene Radon-222 ist
ebenfalls radioaktiv und zerfällt weiter. Das ent­
standene Radon gibt zwei Hüllenelektronen an die
Umgebung ab. Die ausgesandten Alpha­teilchen
nehmen aus der Umgebung zwei ­Elektronen auf,
wodurch Helium­atome entstehen.
4 Abb. 2.01
2 He
Bei alphastrahlenden Substanzen, die sich Alphazerfall in Modelldarstellung
in ­geschlossenen Behältern befinden, kann
Der Kern des Radium-226 hat 88 Protonen und ­deshalb nach einiger Zeit Heliumgas nach­
138 Neutronen. Seine Kernladungszahl beträgt gewiesen ­werden. 1 g Radium und seine Folge­
demnach 88, seine Massenzahl 226. Der Kern ist produkte erzeugen in einem Jahr insgesamt
nicht stabil, da die Kernkräfte die ­abstoßenden 0,156 cm3 Heliumgas (Angaben bezogen auf
Kräfte der Protonen untereinander nicht voll­ 0 °C und Atmosphären­druck). Das entspricht etwa
ständig aufheben können. Der Kern hat deshalb 4,29 · 1018 Heliumatomen.
das Bestreben, in einen stabileren Zustand über-
zugehen. Das geschieht in mehreren Stufen,

17
2.2 Betastrahlen

Beim Betazerfall wird aus dem Kern eines Bei manchen natürlichen und künstlich herge-
Radio­nuklids ein Elektron abgegeben. Seine stellten Radionukliden tritt eine Strahlung auf,
Geschwindig­keit kann zwischen Null und ­nahezu bei der Teilchen von der Masse eines Elektrons,
Lichtgeschwindigkeit liegen. Diese Elektronen aber mit einer positiven Ladung ­ausgeschleudert
­bilden dann die Betastrahlen (Abb. 2.02). Das werden. Es sind Positronen. Die Strahlung
ausgeschleuderte Elektron stammt nicht aus wird deshalb Positronenstrahlung oder Beta+-
der Atomhülle! Es entsteht, wenn sich im Kern Strahlung genannt (Abb. 2.03). Das Positron
ein Neutron in ein Proton und ein Elektron um­ ­entsteht im Kern, wenn sich ein Proton in ein
wandelt. Neutron und ein Positron umwandelt.

137 22
55 Cs
22
11 Na 10 Ne
137
56 Ba

Abb. 2.02 (links)


n
Modell zur Entstehung e+
der ­Beta–-Strahlen e– p+ Beta+-Teilchen
e+
Abb. 2.03 Beta–-Teilchen (Positron) p+
Modell zur Entstehung
(Elektron)
e–
der ­Beta+-Strahlen n
Reaktionsgleichung:

Reaktionsgleichung: 1 1 0
1 p 0 n + +1 e
1 1 0
0 n 1 p + -1 e Beispiel eines Beta+-Zerfalls:

Beispiel eines Beta–-Zerfalls: 22 22 0


11 Na 10 Ne + +1 e
137 137 0
55 Cs 56 Ba + -1 e Natrium-22 wandelt sich unter Aussenden eines
Positrons in Neon-22 um.
Cäsium-137 wandelt sich unter Aussenden eines
Elektrons in Barium-137 um. Beim Beta+-Zerfall nimmt die Kernladungszahl
um eine Einheit ab, während sich die Massenzahl
Da die Elektronen je eine negative Elementar- nicht verändert.
ladung tragen, werden die Strahlen auch als
­Beta–-Strahlen bezeichnet. Beim Betazerfall wird außerdem ein weiteres
­Teilchen ausgesandt, das eine sehr, sehr kleine
Da nach dem Aussenden eines Betateilchens Ruhemasse (2 eV oder weniger) und keine elek­
­(eines Elektrons) der Kern ein Proton mehr trische Ladung besitzt. Bei der Umwandlung des
­besitzt, muss auch die Kernladungszahl des Neutrons in ein Proton und ein Elektron entsteht
neu ent­standenen Elements um eins höher zusätzlich ein Antineutrino, bei der Umwandlung
liegen. Die Anzahl der Kernteilchen hat sich des Protons in ein Neutron und ein Positron ent-
­jedoch ­insgesamt nicht verändert, wodurch die steht ein Neutrino. Neutrinos und Antineutrinos
ursprüng­liche Massenzahl erhalten bleibt. Beta–- besitzen ein großes Durchdringungsvermögen,
Strahlen bilden einen Elektronenstrom, der die weil sie mit Materie kaum in Wechselwirkung
gleichen Eigenschaften zeigt wie der elektrische ­treten. Sie sind deshalb schwer nachzuweisen.
Strom in metallischen Leitern. So erzeugen z. B. (Bei den Kernreaktionsgleichungen werden hier
beide ein Magnetfeld, das in konzentrischen aus Gründen der Vereinfachung Neutrino oder
­Kreisen um den Elektronenstrom liegt. Antineutrino nicht mit ­angegeben.)

18
Gammastrahlen 2.3

Bei den Kernumwandlungen kann eine energie­ Die Gammaquanten bewegen sich mit einer
reiche Strahlung auftreten, die die gleiche Natur ­konstanten Geschwindigkeit c0 = 299.792.458 m/s
wie das sichtbare Licht hat, nur energiereicher als (Vakuumlichtgeschwindigkeit). Gammastrahlen
dieses ist. Sie trägt den Namen Gamma­strahlung. treten häufig bei Alpha- oder Betazerfall auf.
Abgesehen von der Art des Entstehens ist sie Nach dem Ausschleudern eines Alpha- oder Beta­
praktisch identisch mit der Röntgenstrahlung. teilchens gibt der Atomkern noch vor­handene
Die Gammastrahlung wird – wie auch das sicht- überschüssige Energie in Form eines oder
bare Licht – in einzelnen „Portionen“ (Quanten, ­mehrerer Gammaquanten ab. Durch den Gamma-
Photonen) abgegeben (Abb. 2.04). zerfall ändert sich der Energieinhalt des Kerns,
nicht jedoch dessen Kernladungs- und Massen-
zahl.

Beispiel:

137m 137
137m
56 Ba 56 Ba + γ
56 Ba 137
56 Ba
Ein energiereicherer, angeregter (metastabiler)
Bariumkern gibt ein Gammaquant ab und geht
dadurch in einen niedrigeren und gleichzeitig
­stabileren Energiezustand über.
Abb. 2.04
Gammaquant Gammaquanten treten außer bei Kernum­ Emission eines Gamma-Quants
(Photon) wandlungen auch noch bei anderen Reaktionen aus einem angeregten Kern in Modell-
­zwischen Elementarteilchen auf. darstellung

Der Elektroneneinfang 2.4

Bei natürlichen und künstlich erzeugten Radio­ Der Kern eines neutronenarmen Atoms fängt
nukliden kann noch eine weitere Umwandlungs­ meist aus der innersten Schale der Elektronen­
art auftreten, der so genannte Elektronen­einfang. hülle – der K-Schale, daher auch der Name
K-Einfang – ein Elektron ein, wodurch sich ein
Proton in ein Neutron umwandelt (Abb. 2.05).
Der in der Atomhülle frei gewordene Platz wird
p+ von einem äußeren Elektron wieder aufgefüllt.
Dabei entsteht eine charakteristische Röntgen-
strahlung.
e–
n Reaktionsgleichung:

e– 1
p + 0
e 1
n
1 -1 0
Ein Hüllenelektron
­vereinigt sich mit
einem Proton des Kerns Beispiel:
40
19 K zu einem Neutron
40 0 40
19 K + -1 e 18 Ar

Das in der Natur vorkommende Isotop Kalium-40


wandelt sich zum Teil unter Elektroneneinfang in
das Isotop Argon-40 um. Beim Elektronen­einfang
nimmt die Kernladungszahl um eine Einheit ab,
während die Massenzahl unverändert bleibt.
40
18 Ar Der Elektroneneinfang führt also zu dem gleichen
Ergebnis wie die Abgabe eines Positrons. Abb. 2.05
K-Einfang (Einfang eines Hüllenelektrons)
in Modelldarstellung

19
2.5 Protonen- und Neutronenstrahlen

Die erste künstliche Kernumwandlung wurde Nach der Kernreaktion erfolgt ein Elektronen­
in einer mit Stickstoff gefüllten Nebelkammer ausgleich, d. h. es werden aus der Umgebung so
­beobachtet. Aus den Untersuchungen ergab sich viele Elektronen aufgenommen (oder in anderen
folgende Erklärung: Ein Alphateilchen (Helium- Fällen an sie abgegeben), dass die beteiligten
kern) dringt in den Kern eines Stickstoffatoms ein Atome wieder elektrisch neutral sind.
und verschmilzt mit ihm für kurze Zeit zu einem
hochangeregten Zwischenkern des Elements Werden Neutronen aus einem Atomkern heraus-
­Fluor. Der Fluorkern zerfällt in einen Sauerstoff- geschlagen oder herausgeschleudert, entsteht
kern und ein Proton (Abb. 2.06). dadurch eine Neutronenstrahlung. Das kann
z. B. in den oberen Schichten der Atmosphäre
durch Zusammenprall der kosmischen Primär-
teilchen mit den Luftmolekülen geschehen oder
bei Kernspaltungen in einem Kernkraftwerk. Der
Nachweis freier Neutronen gelang erstmals dem
Engländer Chadwick 1932 beim Beschuss von
4 ­Beryllium mit Alphateilchen (Abb. 2.07).
2 He

14
7N
4
2 He

9
18 4 Be
9F

13
6C
17
8O
1
1p
Abb. 2.06 (links)
Nachweis freier Protonen durch
Rutherford (1919) in Modelldarstellung

Kernreaktionsgleichung: 12
6C
1
4 14 18 17 1 0n
Abb. 2.07
2 He + 7 N 9 F 8 O + 1 p
Nachweis freier Neutronen durch
Chadwick (1932) in Modelldarstellung
Bei Kernreaktionen wird auch die folgende abge-
kürzte Schreibweise benutzt: Kernreaktionsgleichung:

9
14
7 N (α, p) 178 O 4 Be + 42 He 13
6 C 12
6 C + 10 n + γ

Ausgangskern | Geschoss | ausgesandtes | Endkern Ein freies Neutron ist radioaktiv. Es zerfällt in ein
Teilchen
Proton und ein Elektron sowie ein Antineutrino
(in der Reaktionsgleichung weggelassen).

Reaktionsgleichung:

1 1 0
0 n 1 p + -1 e

20
Halbwertzeit 2.6

Bei einem einzelnen radioaktiven Atomkern kann Bei einer angenommenen Anzahl von 12.000.000
man nicht vorhersagen, zu welchem Zeitpunkt er radioaktiven Atomkernen kann man sich den
zerfallen wird. Er kann in der nächsten Sekunde ­Ablauf des Zerfalls anhand einer Auflistung
oder erst in Tausenden von Jahren zerfallen. Bei (Tab. 2.03) deutlich machen. Als Radionuklid
einer großen Anzahl von Atomen lässt sich aber ist auch hier wieder Wasserstoff-3 (Tritium) ge-
eine Wahrscheinlichkeitsaussage über den Ablauf wählt worden. Es zerfällt mit einer Halbwertzeit
des Zerfalls machen. Es zerfallen zum ­Beispiel von etwa 12,3 Jahren unter Aussenden eines
von einer Menge Wasserstoff-3 (Tritium) in Beta­teilchens zu dem nicht mehr radioaktiven
ca. 12,3 Jahren die Hälfte der Atome, nach Helium­isotop He-3 (Abb. 2.09).
­weiteren 12,3 Jahren ist von dem Rest wiederum
die Hälfte zerfallen usw. (Abb. 2.08). Anzahl
der Atomkerne
Anzahl der radioaktiven Atome
in %
12 · 106
100

50
H-3
3
2 He
25

12,5
Abb. 2.08 (links)
6,25
3,125 Abklingen der Aktivität bei
6 · 106
0 Heute in 12,3 in 24,6 in 36,9 in 49,2 in 61,5 Tritium (Wasserstoff-3)
Jahren Jahren Jahren Jahren Jahren radioaktiv
nicht radioaktiv

Die Zeit, nach der die Hälfte einer ­bestimmten 3


H
1
­Anzahl von Atomkernen zerfallen ist, wird Halb­
wertzeit (T1/2) genannt. Sie ist für ­jedes Radio­
nuklid eine charakteristische Größe.

Die Halbwertzeiten liegen zwischen vielen Abb. 2.09


­Milliarden Jahren und Sekundenbruchteilen
Anzahl radioaktiver Ausgangs-
­(siehe Tab. 2.01 und Tab. 2.02). Eine sehr große kerne (H-3) und nicht mehr
Halbwertzeit besitzt beispielsweise Tellur-128 mit 0 12,3 24,6 36,9 49,2 61,5 73,8 86,1 ­radioaktiver Tochterkerne
7,7 · 1024 Jahren, während für Radium-216m die Zeit in a (He-3) in Abhängigkeit von
Halbwertzeit nur 7 · 10–9 Sekunden ­beträgt. der Zeit

Radionulkid Halbwertzeit Zerfallsart Radionulkid Halbwertzeit Zerfallsart

H-3 12,33 a Beta-Minus N-16 7,13 s Beta-Minus


C-14 5.730 a Beta-Minus Kr -85 10,756 a Beta-Minus
K-40 1,277 · 10 a
9 Beta-Minus, K-Einfang Sr -90 28,79 a Beta-Minus
Te-128 7,2 · 10 a
24
Beta-Minus Te-132 3,204 d Beta-Minus
Bi-214 19,9 min Alpha, Beta-Minus I-131 8,0207 d Beta-Minus
Po-210 138,376 d Alpha Cs-134 2,0648 a Beta-Minus
Po-214 1,643 · 10–4 s Alpha Cs-135 2,3 · 106 a Beta-Minus Tab. 2.01 (links)
Rn-222 3,8235 d Alpha Cs-137 30,08 a Beta-Minus Beispiele für natürliche Radionuklide
und ihre Halbwertzeiten
Ra-226 1,6 · 10 a
3 Alpha Ba-140 12,752 d Beta-Minus
Th-232 1,405 · 10 a10
Alpha La-147 4,015 s Beta-Minus Tab. 2.02
U-235 7,038 · 10 a
8
Alpha Pu-239 24.110 a Alpha Beispiele für künstlich erzeugte Radio­
nuklide und ihre Halbwertzeiten
U-238 4,468 · 109 a Alpha Cm-242 162,8 d Alpha
a: Jahr; d: Tag; min: Minute; s: Sekunde

21
Zeit Anzahl der abgelaufenen Anzahl der Anzahl der nicht mehr
in Jahren Halbwertzeiten radioaktiven Kerne radioaktiven Tochterkerne

0 0 12.000.000 (100 %) 0 (0 %)
12,3 1 6.000.000 (50 %) 6.000.000 (50 %)
24,6 2 3.000.000 (25 %) 9.000.000 (75 %)
36,9 3 1.500.000 (12,5 %) 10.500.000 (87,5 %)
49,2 4 750.000 (6,25 %) 11.250.000 (93,75 %)
61,5 5 375.000 (ca 3,12 %) 11.625.000 (96,88 %)
73,8 6 187.500 (ca. 1,56 %) 11.812.500 (98,44 %)
86,1 7 93.750 (ca. 0,78 %) 11.906.250 (99,22 %)
98,4 8 46.875 (ca. 0,39 %) 11.953.125 (99,61 %)
Tab. 2.03 110,7 9 23.438 (ca. 0,20 %) 11.976.562 (99,80 %)
Zahlenmäßige Beschreibung
123 10 11.719 (ca. 0,10 %) 11.988.281 (99,90 %)
des radioaktiven Zerfalls bei H-3

Die Auflistung (Tab. 2.03) lässt Folgendes 12.000.000 12.000.000 12.000.000


­erkennen: Nt = = = = 46.875
298,4/12,3 28 256

• In jeder Halbwertzeit wandelt sich stets die


Hälfte der jeweils zu Beginn noch vor­handenen Neben der Halbwertszeit T1/2 wird häufig auch
radioaktiven Atomkerne um. die Zerfallskonstante λ (bezeichnet mit dem
• Die Anzahl der radioaktiven Kerne nimmt erst ­griechischen Kleinbuchstaben Lambda) benutzt.
schnell, dann immer langsamer ab. Die Anzahl Zwischen der Halbwertszeit und der Zerfalls­
der nicht mehr radioaktiven Kerne nimmt erst konstanten besteht die Beziehung:
schnell, dann immer langsamer zu.
• Nach vier Halbwertzeiten ist das Radionuklid ln2
zu mehr als 90 % zerfallen, nach zehn Halb- T1/2 =
λ
wertzeiten zu mehr als 99,9 %.

Wird die Anzahl der zu Beginn eines Zerfalls Damit lässt sich die Zerfallsgleichung umformen
vorhandenen radioaktiven Kerne mit N0, die am zu:
Ende der Abklingzeit t noch vorhandenen Kerne
mit Nt und die Halbwertzeit mit T1⁄2 bezeichnet, N0
so ­ergibt sich die Anzahl dann noch radioaktiver Nt = = N0 · 2 –t/T = N0 · 2 –λt/ln2
1/2

2 t/T1/2
Kerne nach der Gleichung:

((
t/T1/2 Unter Berücksichtigung von 2 = eln2 folgt:
1 N0
Nt = N0 · =
2 2 t/T1/2
Nt = N0 (eln2)–λt /ln2 = N0 e–λt
Rechenbeispiel: Wie viele radioaktive Kerne
des Wasserstoff-3 sind nach 98,4 Jahren (acht
Halbwertszeiten) noch vorhanden, wenn es am
­Anfang 12.000.000 waren?

2.7 Aktivität

Die Zeit, in der die Hälfte einer großen Anzahl von (z. B. in 1 Sekunde). Beim Vergleich mehrerer
radioaktiven Atomkernen sich umwandelt, wird ­Substanzen weiß man dann, welche Substanz
Halbwertzeit genannt. Sie hat für jedes Radio­ ­stärker ­aktiv ist, d. h. in welcher Substanz mehr
nuklid einen charakteristischen Wert. Für den Kernumwandlungen pro Zeiteinheit statt­finden.
­Umgang mit radioaktiven Substanzen ist es aber Zur Beschreibung dieses Sachverhaltes hat
wichtiger zu wissen, wie viele radioaktive Atom- man die Aktivität oder Zerfallsrate festgelegt.
kerne sich in einer bestimmten Zeit um­wandeln

22
Sie gibt die Anzahl der Kernumwandlungen pro Bei zehn Kernumwandlungen pro Sekunde ergibt
Zeit­einheit an: sich eine Aktivität von 10 Bq, bei 1.000 Kern­
umwandlungen pro Sekunde eine Aktivität von
Anzahl der Kernumwandlungen 1.000 Bq = 1 kBq.
Aktivität =
Zeit
Viele Radionuklide bilden nach ihrer Umwand-
lung Tochterkerne, die wiederum radioaktiv sind.
Die Anzahl der Kernumwandlungen wird als Zah- So wandelt sich z. B. Ra-226 in das radioaktive
lenwert ohne Einheit angegeben. Für die Zeit Edelgas Rn-222 um. Aktivitätsangaben für ein
wird als Einheit die Sekunde gewählt. Die Einheit Radionuklid beziehen sich aber immer auf die
der Aktivität ist also 1/s = s–1 (reziproke Sekunde). Ausgangssubstanz, nicht auf die angesammelten
Als besonderer Einheitenname für die Aktivität Folgeprodukte.
wurde das Becquerel (Bq) eingeführt:
Hinweis
Abgeleitete Aktivitätseinheiten:
„Aktivität“ ist eine physikalische Größe
1 Bq = 1 · s–1 und beschreibt die ­Zerfallsrate eines
• Spezifische Aktivität (Bq/kg, Bq/g usw.) radioaktiven Stoffs. Mit „Radio­aktivität“
(Tab. 2.04) bezeichnet man die Eigen­schaft der
Die Zahlenangabe in Becquerel gibt also die spontanen Umwandlung instabiler
­Anzahl der Kernumwandlungen pro Sekunde an. • Aktivitätskonzentration (Bq/m3, Bq/l usw.) Atomkerne in andere Atomkerne.
In Abb. 2.10 wird davon ausgegangen, dass in
­einer bestimmten Menge radioaktiver Atome (nur • Flächenaktivität (Bq/m2, Bq/cm2 usw.)
die Atomkerne sind in der Abbildung dar­gestellt)
in vier Sekunden vier Kernum­wandlungen statt- • Aktivitätsrate: Bildung, Zufuhr oder Abgabe
finden. Die Aktivität beträgt dann: von Aktivität pro Zeitintervall (Bq/a, Bq/h,
Bq/s usw.)
4 1
A = = = 1 · s–1 = 1 Bq Eine veraltete Einheit der Aktivität ist das Curie,
4s 1s
Einheitenzeichen Ci. Für die Umrechnung gilt:

1 Ci = 3,7 · 1010 Bq

Radionuklid Spezifische Aktivität in Bq/g

H-3 3,6 · 1014

30 C-14 1,7 · 1011


25

K-nat 3,1 · 101


10
20

15
Fe-59 1,8 · 1015

Kernumwandlungen Zeit Co-60 4,1 · 1013


Δn=4 Δt=4s
Kr-85 1,4 · 1013

Anzahl der Kernumwandlungen Sr-90 5,3 · 1012


Aktivität =
Zeit
I-131 4,6 · 1015
Δn 4
A= = = 1 · s–1 = 1 Bq Xe-133 6,8 · 1015 Abb. 2.10
Δt 4s
Definition der Aktivität
Cs-134 4,8 · 1013

Cs-137 3,2 · 1012

U-nat 2,5 · 104 Tab. 2.04

Pu-239 2,3 · 109 Spezifische Aktivität einiger Radionuklide


(gerundet)

23
3 Das Wesen der Energie
Energiearten und Energieumwandlungen 3.1

Um Lasten hochzuheben, Maschinen anzu­treiben, allgemein, dass Energie nicht ­vernichtet und
Werkstücke zu verformen, elektrische Geräte zu nicht neu geschaffen werden kann. Man ­vermag
betreiben sowie zum Erwärmen und Beleuchten lediglich eine Energieform in eine ­andere um­
benötigt man Energie. Sie muss den Geräten und zuwandeln. Dabei entstehen aber stets ­Verluste.
Maschinen zugeführt werden, wenn sie die ge- Nur ein Teil wird in eine neue, nutzbare Energie­
wünschten Arbeiten verrichten sollen. Energie form, ein anderer Teil in eine nicht oder nur
kommt in verschiedenen Formen vor, als Bewe- schwer nutzbare Energieform umgewandelt.
gungsenergie, potenzielle Energie (Lageenergie, Zum Beispiel wandelt ein Elektromotor die zuge­
Spannenergie), Wärmeenergie, Lichtenergie, führte elektrische Energie nicht nur in nutzbare
elektrische Energie, chemische ­Energie und Kern- Bewegungs­energie, sondern zu einem kleinen
energie. So wird z. B. zum Antrieb ­eines Autos die Teil auch in nicht nutzbare Wärmeenergie um.
chemische Energie des Treibstoffs ­eingesetzt, bei Man merkt es daran, dass sich der Motor beim
einem Wasserkraftwerk die potenzielle Energie Betrieb erwärmt.
des gestauten Wassers, bei einem Windkraftwerk
die Bewegungsenergie der Luft, beim Generator Wie groß bei Energieumwandlungen der Anteil
eines Kernkraftwerks die Kernenergie und zum nutzbarer Energie ist, wird durch den Wirkungs-
Erwärmen einer Kochplatte elektrische Energie. grad η ausgedrückt (η: griechischer Buchstabe
„eta“). Der Wirkungsgrad ist stets kleiner als 1.
Wenn mit Hilfe von Energie eine Arbeit verrichtet
wird, wandelt sich immer die zugeführte Energie nutzbare Energie E2
in eine andere Energieform um. Es gilt nämlich Wirkungsgrad = η =
angewendete Energie E1

Energieumwandlungen bei Kohlekraftwerk und Kernkraftwerk 3.2

Bei großen technischen Anlagen finden meist • Im Brenner wird die zu Staub zermahlene ­Kohle
mehrere Energieumwandlungen statt, so dass verbrannt und dabei die chemische ­Energie
sich eine Umwandlungsreihe bzw. Umwand- der Kohle in Wärmeenergie umgewandelt.
lungskette ergibt. Zwischen Ausgangs- und
­Endenergie treten dann weitere Energiefor- • Im Kessel führt die Wärme zum ­Verdampfen
men auf. Bei ­einem Kohlekraftwerk sind es des Wassers. Da der Dampf unter hohem
vier Energie­umwandlungsstufen (Abb. 3.01): Druck gehalten wird, ist die Wärmeenergie
in ­potenzielle Energie des hochgespannten
Dampfes umgewandelt worden.

chemische Wärme- Kessel,


Energie Brenner Rohr- potentielle Turbine Bewegungs- Generator elektrische
energie
leitungen Energie energie Energie

WE WE WE WE

Rauchgaskanal

Frischdampf Turbine Generator

Speisewasser
Vorwärmanlage

Kondensator
Kühlwasser Abb. 3.01
Fluss Energieumwandlungen
Brenner Pumpe bei einem Kohlekraftwerk
Brennkammer
(WE: Wärmeenergieverluste)

25
• Lässt man den hochgespannten Dampf aus In Kernkraftwerken finden ebenfalls vier Ener-
den Düsen gegen die Schaufeln der Dampf- gieumwandlungen statt (Abb. 3.02). Dabei ist
turbine strömen, wandelt sich die potenzielle lediglich die erste Energieumwandlung anders
Energie in Bewegungsenergie um. als in Kohlekraftwerken. In den Brennelementen
werden die Kerne bestimmter Uranatome gespal-
• Die letzte Energieumwandlung findet im ten, wodurch sich die Brenn­elemente erhitzen.
­Generator statt, der an die Dampfturbine Es findet also eine ­Umwandlung von Kernenergie
­gekoppelt ist. Bewegungsenergie wird in in Wärmeenergie statt. Alle anderen Energieum-
­elektrische Energie umgewandelt. wandlungsstufen stimmen mit denen der Koh-
lekraftwerke überein. Der Gesamtwirkungsgrad
Bei fast jeder Umwandlungsstufe wird Wärme- eines Kernkraftwerks beträgt etwa 0,34.
energie ungenutzt an die Umgebung abgegeben.
Diese Verluste führen dazu, dass der Gesamt­
wirkungsgrad von Kohlekraftwerken heute bei
maximal 0,46 liegt.

Kern- Wärme- Reaktor-


energie Brenn- potentielle Bewegungs-
druck- Turbine Generator elektrische
elemente energie gefäß Energie energie Energie

WE WE WE WE

Reaktor-
druck-
gefäß Frischdampf Turbine Generator

Speisewasser

Vorwärmanlage

Kondensator
Brenn-
element Kühlwasser
Abb. 3.02
Umwälz- Fluss
Energieumwandlungen Steuerstab pumpe Pumpe
bei einem Kernkraftwerk
(hier mit Siedewasserreaktor)

3.3 Beschreibung der Wärme im Teilchenmodell

Sowohl bei Kohlekraftwerken als auch bei Kern- Je heftiger sich die Teilchen bewegen (je ­größer
kraftwerken wird durch eine erste Energie­ ihre mittlere Geschwindigkeit ist), desto ­höher
umwandlung Wärme erzeugt. Damit lässt sich ist die Temperatur des Stoffs. Bei ­festen
die Temperatur des Wassers erhöhen und Wasser- ­Stoffen führen die Teilchen Schwingungen
dampf erzeugen. Diese Vorgänge können mit dem um ihre Position im Kristallgitter aus ­(siehe
Teilchenmodell genauer beschrieben werden: Abb. 3.03). Kommen die Teilchen zur Ruhe, ist
die tiefstmögliche Temperatur erreicht. Das ist
• Alle festen, flüssigen und gasförmigen ­Stoffe der absolute Nullpunkt von -273,15 °C.
sind aus kleinsten Teilchen aufgebaut. Es
­können Moleküle, Atome oder Ionen sein. • Die Geschwindigkeit der Teilchen kann auf
Wasser besteht z. B. aus Wassermolekülen, zweierlei Weise erhöht werden:
Eisen aus Eisenatomen und Kochsalz aus −− Durch mechanische Arbeit (Reibung) steigt
­Natrium- und Chloridionen. die mittlere Geschwindigkeit der ­Teilchen.
Die mechanische Energie ist dann in
• Oberhalb des absoluten Nullpunktes ­Bewegungs­energie der Teilchen umge­
(-273,15 °C) befinden sich die Teilchen in wandelt worden. Die Energie, die in Form
­dauernder ungeordneter Bewegung. der Teilchenbewegung vorliegt, wird innere
Energie genannt.

26
Bei einem Kohlekraftwerk sind die heißen Ver-
brennungsgase in Kontakt mit den kälteren
Rohrleitungen des Kessels und diese wiederum
in Kontakt mit dem Wasser. Die Energieüber­
tragung erfolgt von den schnelleren Gasteilchen
zu den langsameren Eisen- bzw. Wasserteilchen.
­Besitzen die Wasserteilchen eine genügend
-273,15 ºC ­große Geschwindigkeit, können sie die Flüssigkeit
verlassen, d. h. Wasser verdampft.

Bei einem Kernkraftwerk werden Kerne des


Uran-235 gespalten. Die Spaltprodukte fliegen
mit großer Geschwindigkeit auseinander und ver-
setzen die umgebenden UO2-Moleküle im Brenn-
stab in ­heftigere Schwingungen. Die Temperatur
steigt daraufhin im Zentralbereich des Brenn-
-100 ºC stabs bis auf etwa 800 °C an. Die Bewegungs­
energie der UO2-Moleküle wird dann durch Stöße
auf die Atome der Brennstabhülle und letztlich
auf die Wassermoleküle übertragen (Abb. 3.04).
Daraufhin steigt die Wassertemperatur an, und
es entsteht Dampf.

+50 ºC Abb. 3.03 (links)

Energiefluss Teilchenmodell eines festen Körpers


Energiefluss
bei unterschiedlichen Temperaturen

−− Ein Körper höherer Temperatur hat ­Kontakt


mit einem Körper niedrigerer Temperatur.
Es stoßen dann die schnelleren ­Teilchen des
heißen Körpers die langsameren ­Teilchen
des kälteren Körpers an. Dadurch ­werden Abb. 3.04
die schnelleren Teilchen langsamer und Darstellung eines Brennstabes
die langsamen Teilchen schneller. Die im Teilchenmodell
­innere Energie des einen Körpers wird ­dabei UO2-Molekül
­erniedrigt und die des anderen Körpers Metallatom (Zirkaloy-Hülle)
­erhöht. Wassermolekül

Energieeinheit Elektronvolt 3.4

Als Energieeinheiten werden das Newtonmeter Für Umrechnungen gilt:


(Nm), das Joule (J) und die Wattsekunde (Ws) ver- Abb. 3.05
wendet. Dabei gilt: 1 eV = 1,602 · 10–19 J Veranschaulichung der
1J = 6,242 · 1018 eV Energieeinheit Elektronvolt
1 Nm = 1 J = 1 Ws

Bei einzelnen Kernumwandlungen treten sehr


viel kleinere Energiewerte auf. Deshalb ist
Elektron Elektron
­zusätzlich die Einheit Elektronvolt (eV) festgelegt
worden. 1 eV ist die Energie, die ein Elektron auf-
nimmt, wenn es beim freien Durchlaufen einer 1 eV 1000 eV
Spannung von 1 V beschleunigt wird (Abb. 3.05).

Vielfache von 1 eV:

1 Kiloelektronvolt (keV) = 103 eV


1V 1000 V
1 Megaelektronvolt (MeV) = 106 eV
1 Gigaelektronvolt (GeV) = 109 eV

27
3.5 Energie der Teilchenstrahlung

3.5.1 Alphateilchen
relative
Die von einem radioaktiven Atomkern ausgesand- Häufigkeit häufigste Energie
ten Alphateilchen besitzen alle dieselbe Energie
100
oder beim Zerfall in mehrere Gruppen unter-
schiedliche Energien. Die Alphateilchen einer 80
Gruppe haben aber immer dieselbe Energie. 60

Beispiel für einen Gruppenzerfall: 40 maximale


Energie
20
226
88 Ra 4
2 He + 222
86 Rn + γ (5,5 %)
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8
Abb. 3.06 4,601 MeV 0,186 MeV
Energie in MeV
Energieverteilung beim
Beta–-Zerfall des P-32
226 4 222
88 Ra 2 He + 86 Rn (94,4 %)
4,784 MeV Beta+-Zerfall:

22 22 0 0
11 Na 10 Ne + +1 e + 0 νe
Hat das ausgesandte Alphateilchen die Maximal­
energie erhalten, ist der Kern in den Grund­
zustand übergegangen. Ist die Energie des Alpha- Neutrinos und Antineutrinos sind elektrisch neu-
teilchens kleiner, befindet sich der Kern noch in trale Elementarteilchen und besitzen nach dem
einem angeregten Zustand (metastabil). Die rest- Standardmodell der Teilchenphysik keine Masse.
liche Energie des angeregten Kerns wird in Form Sie stellen also eine Portion besonderer Energie
eines Gammaquants abgegeben. dar. Da sie kaum mit Materie wechselwirken,
besitzen sie ein außerordentlich hohes Durch-
Die Tab. 3.01 zeigt Beispiele für die Energie von dringungsvermögen und lassen sich deshalb nur
Alphateilchen einiger Radionuklide: schwer nachweisen.

Radionuklid Energie der Alphateilchen Die frei werdende Zerfallsenergie verteilt sich
in MeV in der Reihenfolge dann nach Zufall in beliebigen Bruchteilen der
abnehmender Häufigkeit Maximalenergie auf die beiden Elementar­
teilchen. Wird durch Elektron und Antineutrino
Rn-222 5,48952; ... bzw. Positron und Neutrino nicht die gesamte
Tab. 3.01 Zerfallsenergie verbraucht, entstehen zusätzlich
Ra-226 4,78434; 4,601; ... noch ein Gammaquant oder mehrere Gamma-
Beispiele für Energien der Alphateilchen
einiger Alphazerfälle quanten.
U-238 4,198; 4,151; ...
(Die Punkte hinter den Energiewerten
weisen auf weitere Alphateilchen hin, Pu-239 5,1566; 5,1443; ... Die Tab. 3.02 gibt Beispiele für die maximale
die mit geringerer Häufigkeit auftreten.) ­Energie von Beta-Teilchen einiger Radionuklide.
In Kernreaktionsgleichungen und Tabellen wird
3.5.2 Betateilchen nur die Maximalenergie angegeben. Beispiel:

Die beim Betazerfall auftretenden Elektronen 32 0 32


und Positronen besitzen alle unterschiedliche 15 P -1 e + 16 S
­Energien. Sie können zwischen Null und einem 1,7 MeV
Maximalwert liegen, wobei die größte Häufigkeit
etwa bei einem Drittel der Maximalenergie liegt
(Abb. 3.06). Radionuklid Maximalenergie von
Beta––Teilchen in MeV
Die kontinuierliche Energieverteilung rührt ­daher,
dass beim Betazerfall außer dem ­Elektron ein Anti­
neutrino bzw. außer dem Positron ein ­Neutrino H-3 0,0186
entsteht (ν: griechischer Buchstabe „nü“).
Co-60 0,3; 1,5
Beta -Zerfall:

Pb-210 0,02; 0,06
Tab. 3.02
137 137 0 0
Maximale Beta–-Energie
55 Cs 56 Ba + -1 e + 0 νe Bi-214 1,5; 3,3; ...
einiger Radionuklide

28
3.5.3 Neutronen

Abhängig von der Entstehungsart haben die bei Ihre mittlere Energie beträgt etwa 1,5 MeV. Zur
Kernprozessen erzeugten Neutronen eine einheit- Spaltung weiterer Kerne des Uran-235 werden
liche Energie oder ihre Energie liegt zwischen fast aber Neutronen mit einer Energie von etwa
Null und einem Höchstwert. 0,025 eV benötigt. Das entspricht etwa einer
­Geschwindigkeit von 2.200 m/s. Die Tab. 3.03
Die bei Kernspaltungen entstehenden Neutronen gibt die Neutronengeschwindigkeiten für ver-
besitzen eine kontinuierliche ­Energieverteilung. schiedene Neutronenenergien an.

Energie in eV 100.000 100 0,1 0,025 Tab. 3.03


Energie und Geschwindigkeit
Geschwindigkeit in m/s 4,4 · 106 1,4 · 105 4,4 · 103 2,2 · 103
von Neutronen

Energie und Wellenlänge der Gammastrahlen 3.6

Alphateilchen, Betateilchen, Protonen und Die Abb. 3.08 zeigt, dass die Energie der Gamma-
Neu­tronen, die bei Kernumwandlungen ausge­ quanten bis zu 107-mal so groß sein kann wie die
schleudert werden, ergeben eine Teilchen­ Energie der Lichtquanten.
strahlung. Ausgeschleuderte Gammaquanten
bilden eine elektromagnetische Wellenstrahlung. Gammaquanten werden u. a. nach einem Alpha-
Sie hat dieselbe Natur wie z. B. die Rundfunk­ oder Betazerfall von einem Kern abgestrahlt,
wellen, das sichtbare Licht oder die Röntgen- wenn dieser noch überschüssige Energie ­besitzt.
strahlen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit Das kann in einer oder in mehreren ­Stufen
elektro­magnetischer Wellen beträgt im ­Vakuum ­geschehen. Die Quanten einer ­bestimmten ­Stufe
c0 = 299.792.458 m/s ≈ 300.000 km/s. Sie ist haben alle dieselbe Energie. Die Anzahl der aus-
unab­hängig von der Energie der einzelnen gesandten Quanten kann also größer sein als
Gamma­quanten (Photonen). die Anzahl der umgewandelten Atomkerne.
Die Tab. 3.04 gibt Beispiele für die Energie von
Die Energie eines einzelnen Quants ist nur Gamma­quanten einiger Radionuklide.
von ­seiner Wellenlänge bzw. seiner Frequenz
­abhängig. Je kleiner die Wellenlänge (bzw. je Radio- Umwand- Energie
­größer die Frequenz) eines Quants, desto größer nuklid lungsart der häufigsten
ist auch seine Energie (Abb. 3.07). Gammaquanten
in MeV
Gammaquant Gammaquant
niedrigerer höherer Be-7 K-Einfang 0,478
Energie Energie
N-16 Beta-Minus 6,129; 7,115; ...
Abb. 3.07
Na-22 Beta-Plus 1,275
Wellenlänge oder Frequenz eines Quants
bestimmen seine Energie
Ba-137m Gamma 0,662
Tab. 3.04
U-235 Alpha 0,186; 0,144; ...
Gammaenergie einiger Radionuklide

Erzeugung von Wärme durch radioaktive Stoffe 3.7

Alpha- und Betateilchen, die aus radioaktiven Ausgesandte Teilchen und Rückstoßkerne
Atomkernen ausgeschleudert werden, besitzen ­stoßen mit den in unmittelbarer Umgebung vor­
aufgrund ihrer Masse und ihrer Geschwindig­ handenen Atomen zusammen und ver­setzen die-
keit Bewegungsenergie. Je größer Masse und se in heftigere Bewegungen. Das macht sich als
­Geschwindigkeit sind, desto größer ist die Temperaturerhöhung bemerkbar.
Bewegungs­energie. Da der radioaktive Atom-
kern beim Ausschleudern eines Teilchens einen
­Rückstoß erfährt, besitzt er ebenfalls Bewegungs­
energie.

29
Strahlenart Frequenz Wellenlänge Energie
in s–1 in m in eV in J
3 · 100 108 1,24 · 10–14 1,99 · 10–33
3 · 10 1
10 7
1,24 · 10 –13
1,99 · 10–32
3 · 102 106 1,24 · 10–12 1,99 · 10–31
3 · 103 105 1,24 · 10–11 1,99 · 10–30
3 · 104 104 1,24 · 10–10 1,99 · 10–29
3 · 10 5
10 3
1,24 · 10 –9
1,99 · 10–28
3 · 106 102 1,24 · 10–8 1,99 · 10–27
3 · 107 10 1,24 · 10–7 1,99 · 10–26
3 · 108 1 1,24 · 10–6 1,99 · 10–25
3 · 10 9
10 –1
1,24 · 10 –5
1,99 · 10–24
3 · 1010 10–2 1,24 · 10–4 1,99 · 10–23
3 · 1011 10–3 1,24 · 10–3 1,99 · 10–22
3 · 1012 10–4 1,24 · 10–2 1,99 · 10–21
3 · 1013 10–5 1,24 · 10–1 1,99 · 10–20
3 · 1014 10 –6 1,24 · 10 0 1,99 · 10–19
3 · 1015 10–7 1,24 · 101 1,99 · 10–18
3 · 1016 10–8 1,24 · 102 1,99 · 10–17
3 · 1017 10–9 1,24 · 103 1,99 · 10–16
3 · 1018 10–10 1,24 · 10 4 1,99 · 10–15
3 · 1019 10–11 1,24 · 105 1,99 · 10–14
3 · 1020 10–12 1,24 · 106 1,99 · 10–13
3 · 1021 10–13 1,24 · 107 1,99 · 10–12
Abb. 3.08 3 · 1022
10–14
1,24 · 10 8
1,99 · 10–11
Beziehung zwischen Frequenz, 3 · 1023 10–15 1,24 · 109 1,99 · 10–10
Wellenlänge und Energie
3 · 1024 10–16 1,24 · 1010 1,99 · 10–9
elektromagnetischer Wellen

1 g Radium einschließlich aller radioaktiver Folge-


produkte gibt in jeder Stunde etwa 711,8 J an die
Umgebung ab. Dabei wird der bei weitem über-
wiegende Anteil der Energie von den Alphateil-
chen abgegeben. Dieser je Stunde abgegebene
Energiebetrag würde ausreichen, die Temperatur
von etwa 1,7 g Wasser von 0 °C auf 100 °C zu
erhöhen.

Bei größeren Massen radioaktiver Stoffe, ­deren


spezifische Aktivität sehr hoch ist, kann die
­Erwärmung so stark sein, dass sich der Stoff
bis zum Glühen erhitzt. Die Abb. 3.09 zeigt eine
­glühende Säule aus Curiumoxid. Das Radionuklid
Abb. 3.09 ist Cm-242, das Alphateilchen mit recht hohen
„Selbsterhitzung“ eines Zylinders Anfangsenergien von 6,113 MeV und 6,069 MeV
aus Curiumoxid. Die Wärmeleistung aussendet. Auch die bei Kernkraftwerken in den
dieser Probe beträgt etwa 300 W. Brennstäben anfallenden radioaktiven Spalt­
(Quelle: Oak Ridge National Laboratory, produkte erwärmen die Brennstäbe so stark,
Tennessee, USA) dass diese nach Entnahme aus dem Reaktor zur
­ständigen Kühlung in einem Wasserbecken auf-
bewahrt werden müssen. Die Wärmeproduktion
klingt im Laufe der Zeit ab.

30
Kernspaltung und Kettenreaktion 4
4.1 Entdeckung der Kernspaltung

Im Jahr 1932 gelang dem Engländer Chadwick, die In Berlin waren die Chemiker Otto Hahn und
sehr durchdringenden Strahlen richtig zu ­deuten, Fritz Straßmann (bis 1938 zusammen mit der
die beim Beschuss von Beryllium mit Alpha­ Phy­sikerin Lise Meitner) damit beschäftigt,
teilchen neben der Gammastrahlung entstehen. die ­geringen Mengen der erzeugten Isotope
zu ­identi­fizieren. Chemische Untersuchungen
4
2 He + 9
4 Be 12
6 C + 1
0 n +γ ­legten die Annahme nahe, dass beim Beschuss
von Uran mit Neu­tronen Radiumisotope ent­
standen ­seien. In einem Aufsatz, den Otto Hahn
Die dabei auftretenden Teilchen nannte er wegen und Fritz ­Straßmann am 22. Dezember 1938 der
ihres elektrisch neutralen Charakters Neutronen. Zeitschrift „Naturwissenschaften“ zur Publi­ka­tion
ein­gereicht hatten und der am 6. Januar 1939
Nachdem das Proton bereits 1919 durch ­erschien, heißt es:
­Rutherford entdeckt worden war, konnte man
nun endlich den Aufbau der Atomkerne aus „Unsere ‚Radiumisotope‘ haben die ­Eigenschaften
­Protonen und Neutronen erklären. des ­Bariums; als Chemiker ­müßten wir eigentlich
­sagen, bei den neuen Körpern ­handelt es sich
Gleichzeitig hatte man ein Teilchen zur Ver­ nicht um Radium, sondern um Barium; denn
fügung, das sich relativ leicht in andere Atom­ ­andere Elemente als Radium oder Barium kom-
kerne einbauen ließ, da ein Neutron von den men nicht in Frage.“
­posi­tiven ­Ladungen der Protonen nicht abge­
stoßen wird, weil es ungeladen ist. Die freien Durch Gedankenaustausch mit anderen For-
Neutronen ­wurden zunächst zur Erzeugung schern, vor allem mit der nach Schweden
künstlicher Isotope benutzt. ­emigrierten Lise Meitner, festigte sich die Über-
zeugung, dass beim Beschuss von Uran mit
Beispiel einer Isotopenerzeugung mit stabilem Neu­tronen tatsächlich radioaktives Barium ent­
Endkern: standen war. Das konnte dann aber nichts ­anderes
bedeuten, als dass Urankerne „­zerplatzten“, wie
1 1 2
1 H + 0 n 1 H + γ Hahn es ­nannte. Eine zweite Arbeit von Hahn und
­Straßmann, die im Januar 1939 zur Veröffent­
lichung eingereicht worden war, trägt ­bereits den
Beispiel einer Isotopenerzeugung mit radio­ Titel: „Nachweis der Entstehung ­aktiver Barium-
aktivem Endkern: isotope aus Uran und Thorium durch Neutronen-
bestrahlung; Nachweis weiterer aktiver Bruch­
19
9 F + 10 n 20
9 F (Aktivierung) stücke bei der Uranspaltung“.

In dieser am 28. Januar 1939 eingereichten Ver­


20 20 0 öffentlichung wird erstmals für diese Reaktion
9 F 10 Ne + e-1 (Zerfall)
das Wort Spaltung benutzt. Lise Meitner und ihr
T1/2 = 11,0 s
­Neffe Otto Robert Frisch hatten bereits in einer
am 16. Januar 1939 bei der Zeitschrift „Nature“
Beim Beschuss von Uran und Thorium mit Neu- ­eingereichten (englischsprachigen) Mitteilung
tronen wurde 1934 erstmals die Vermutung eine erste physikalisch-theoretische Deutung
­geäußert, es könnten Elemente mit einer Kern­ dieser von ihnen „fission“ genannten Kern­­
ladungszahl über 92 entstehen (Transurane). reaktion gegeben und die dabei freige­setzte
Energie mit 200 MeV schon recht genau abge-
Gleichzeitig tauchte im selben Jahr die Vermu- schätzt.
tung auf, dass bei der Beschießung schwerer
Kerne mit Neutronen die Kerne in mehrere Bruch- In beiden Veröffentlichungen wird auch ­darauf
stücke zerfallen könnten. Diese Annahme wurde hingewiesen, dass durch die Neutronen­
aber nicht weiter überprüft. bestrahlung nicht nur über den Spaltprozess
­neben Barium auch radioaktive Isotope von
Krypton, Rubidium, Strontium und Yttrium ent­
standen waren, sondern dass auch aus U-238
durch Neu­troneneinfang U-239 entsteht, das
sich über ­einen Betazerfall in das Transuran
­Eka-Rhenium – heute Neptunium genant – um-
wandelt.

32
Kernspaltung und Spaltprodukte 4.2

Grundsätzlich können alle Atomkerne (Ausnah- Bei den in Deutschland ­betriebenen Kernkraft­
me H-1) gespalten werden. Bei ­bestimmten Uran- werken werden Kerne des Uran-235 (und z. T. auch
und Plutoniumisotopen ist aber die Spaltung mit des ­Plutonium-239) ­gespalten. Dafür braucht das
Hilfe von Neutronen beson­ders leicht durchzu- Uran nicht als ­Element vorzuliegen. Es ist auch
führen. Außerdem wird bei der Spaltung dieser in Form ­chemischer Verbindungen (z. B. als UO2)
Kerne mehr Energie frei als dafür aufgewendet spaltbar. Eine Kernspaltung lässt sich durch eine
werden muss (exotherme Reaktion). In der Natur ­Kernreaktionsgleichung beschreiben.
kommen drei Uran­isotope vor, U-234, U-235 und
235
U-238. Sie sind Alphastrahler mit unterschied­
92 U + 10 n 236
92 U 89
36 Kr +144 1
56 Ba + 3 0 n + γ
lichen Halbwertzeiten (Tab. 4.01).

Trifft ein langsames (thermisches) Neutron auf


Isotop Halbwertzeit Isotopenhäufigkeit ­einen Atomkern des Uran-235, wird es in den Kern
aufgenommen (Abb. 4.01). Es entsteht ein hoch-
U-234 2,455 · 105 a 0,0054 % angeregter Zwischenkern des Isotops ­Uran-236.
Seine Lebensdauer beträgt nur etwa 10–14 s. Der
U-235 7,038 · 108 a 0,7204 % neue Kern versucht, seine Anregungsenergie
abzu­geben. In etwa sechs von sieben Fällen tritt Tab. 4.01
U-238 4,468 · 109 a 99,2742 %
eine Spaltung ein, in einem Fall geht der Atom- Die natürlichen Uranisotope
kern durch Aussenden eines Gammaquants in das
Alle drei Uranisotope haben zusätzlich die Eigen­ langlebige Isotop Uran-236 über (Alphastrahler,
schaft (wie die meisten Transurane auch), sich T1/2 = 2,342 · 107 a).
spontan zu spalten. Die Spontanspaltung ergibt
sich aus der Tatsache, dass bei ­schweren Atom­ Die Spaltung kann man sich im Modell so vor-
kernen die Abstoßung zwischen den Protonen stellen, dass nach dem Einfang des Neutrons der
etwa so groß ist wie die zusammen­haltenden Urankern zu schwingen beginnt, sich ellipsenför-
Kernkräfte. Die Stabilität solcher Kerne ist ­dadurch mig verformt, hantelförmig einschnürt und letzt-
sehr geschwächt. Da Spontan­spaltungen bei Uran lich in zwei mittelschwere Trümmerkerne sowie
sehr selten vorkommen, spielen sie für die Kern- in zwei bis drei Neutronen zerfällt. An der Stelle
technik praktisch keine Rolle. Es ­werden deshalb der Einschnürung berühren sich nur wenige Nuk-
hier nur Kern­spaltungen ­beschrieben, die durch leonen, so dass nur noch geringe Kernkräfte für
Neutronenbeschuss künstlich ausgelöst werden. den Zusammenhalt zur Verfügung stehen. Die
Dabei verhalten sich die Uranisotope ­gegenüber abstoßenden elektrischen Kräfte zwischen den
Neutronen­beschuss ­unterschiedlich. Bei ­Uran-238 Protonen werden zwar mit zunehmender Entfer-
wird eine ­Spaltung nur selten erreicht und dann nung etwas kleiner, sie bleiben aber insgesamt
nur bei hoher ­Energie (­Geschwindigkeit) der bestehen. Von einer bestimmten Einschnürung
Neutronen. Die Kerne des Uran-235 lassen sich ab überwiegen sie schließlich und treiben die
­dagegen sehr viel leichter sowohl durch schnelle beiden Teile des Kerns auseinander. Außerdem
als auch durch thermische (­langsame) Neutronen überwiegt die Tendenz der Kernteilchen, sich zu
spalten. Mit langsamen Neutronen gelingt die kleineren Kernen zusammenzuballen, weil das
Spaltung aber besonders leicht. Uran-234 spielt energetisch günstiger ist.
für Kern­spaltungen ­wegen seines geringen Vor-
kommens in der Natur p ­ raktisch ­keine Rolle.

A B C D

1
n 1
0n
89
0 36 Kr

1
0n
1
0n
144
56 Ba
235 236 236
92 U 92 U 92 U
Abb. 4.01
Vier-Phasen-Modell zur Kernspaltung

33
Die Spaltung eines Uran-235-Kerns kann ver­ Ausbeute in %
schiedene Trümmerkerne (Spaltprodukte)
­ergeben. Dabei muss die Summe der Kern­ 10
ladungszahlen der Spaltprodukte gleich der
Kernladungszahl des Urans sein. Die Summe der 1
Massenzahlen der Trümmerkerne und der frei
­gewordenen Neutronen betragen stets 236.
0,1
Die Massenzahlen der Spaltprodukte liegen
­zwischen 64 und 170 sowie den Massenzahlen 0,01
1 bis 21 im Fall der ternären Spaltung (Spaltung
des Urankerns in drei Bruchstücke). Ein Maxi-
mum liegt bei der Massenzahl 95, ein zweites 0,001
­Maximum bei der Massenzahl 140. Die Massen-
Abb. 4.02 zahlen liegen am häufigsten im Verhältnis 2 : 3 0,0001
Häufigkeitsverteilung der zueinander. 60 80 100 120 140 160
bei der Spaltung von Uran-235 Massenzahl
­entstehenden Spaltprodukte Abb. 4.02 zeigt die Häufigkeitsverteilung der
bei der Spaltung von Uran-235 entstehenden
Spaltprodukte. Man kennt heute fast 1.000 ver­ Neben den Spaltprodukten entstehen durch
schiedene Spaltprodukte des Uran-235, die sich Neu­troneneinfang im Uran Plutonium und
auf 53 verschiedene Elemente beziehen, von ­andere ­Actinoide (Actinoide ist eine Bezeichnung
Mangan bis Thulium; hinzu kommen noch einige für die Elemente mit den Kernladungs­zahlen
Elemente im Bereich Wasserstoff bis Neon, die 89 [­Actinium] bis 103). Die Tab. 4.02 gibt die
bei der ­ternären Spaltung entstehen. Zusammen­setzung von Kernbrennstoff vor und
nach dem Reaktoreinsatz bei einem ­Abbrand von
Beispiele: 45.000 MWd/t an. Ein Abbrand von 45.000 MWd/t
bedeutet, dass der Kernbrenn­stoff so lange im
235
U + 01 n 236
U 147 87
La + 35 Br + 2 01 n ­Reaktor eingesetzt war, dass pro ­Tonne Kernbrenn-
92 92 57
stoff eine Energie von 45.000 MWd ­gewonnen
235 wurden (1 MWd = 24.000 kWh).
92 U +01 n 236
92 U 89
36 Kr + 144 1
56 Ba + 3 0 n

235 99,30 % U-238


92 U + 01 n 236
92 U 103
42 Mo +131 1
50 Sn + 2 0 n Natururan
0,70 % U-235
235
92 U + 01 n 236
92 U 137
53 I+ 96
39 Y + 3 01 n
Kernbrennstoff
96,70 % U-238
235
+ 01 236 143 90 1 vor dem
92 U n 92 U 54 Xe + 38 Sr + 3 n
0
Reaktoreinsatz
3,30 % U-235

235
92 U + 01 n 236
92 U 137
55
96
Cs + 37 Rb + 3 01 n
93,30 % U-238
Kernbrennstoff
Aufgrund des Neutronenüberschusses sind 0,45 % U-236
nach dem
die Spaltprodukte zum großen Teil radioaktiv. 0,48 % U-235
Reaktoreinsatz
4,64 % Spaltprodukte
Sie wandeln sich unter Aussenden von Beta­ (Abbrand
1,03 % Pu
Tab. 4.02 strahlen in stabile Kerne um. Dabei werden ganze­ 45.000 MWd/t)
0,10 % übrige Actinoide
Radionuklide im Kernbrennstoff Zerfallsreihen durchlaufen. Es ist aber auch
vor und nach dem Einsatz im Reaktor Neu­tronenemission möglich.

4.3 Energiebilanz bei der Kernspaltung

Im Urankern sind die Nukleonen (Protonen und von 235 · 0,9 MeV, also rund 210 MeV, der sich
Neutronen) mit einer mittleren Energie von etwa aus mehreren Teilbeiträgen zusammensetzt
7,6 MeV pro Nukleon gebunden. In den kleineren (Tab. 4.03).
Spaltproduktkernen mit Massenzahlen zwischen
80 und 150 beträgt die mittlere Bindungsenergie Von dem Energiebetrag 210 MeV können in ­einem
je Nukleon aber etwa 8,5 MeV. Die Differenz von Kernreaktor nur etwa 190 MeV = 1,9 · 108 eV
0,9 MeV je Nukleon wird bei der Kernspaltung frei- ­genutzt werden, das sind rund 90 %, da die
gesetzt. Da der Urankern 235 Nukleonen besitzt, ­Energie der Gammastrahlen nur z. T. im Innern
ergibt sich bei jeder Spaltung ein ­Energiebetrag des Reaktors absorbiert und die Zerfallsenergie

34
Art der Energie Energie • Umrechnung der Einheit J in die Einheit eV
(1 J = 6,242 · 1018 eV):
Bewegungsenergie
175 MeV
der Spaltprodukte Eth = 10,8 · 1016 J
= 6,242 · 1018 eV · 10,8 · 1016
Bewegungsenergie der Neutronen 5 MeV
≈ 6,74 · 1035 eV
Bei der Kernspaltung auftretende
7 MeV
Gammastrahlung
Für den gesamten Energiebetrag von
Energie aus dem Betazerfall 6,74 · 1035 eV ergibt sich eine sehr große
7 MeV ­Anzahl N von Kernspaltungen:
der Spaltprodukte

Energie der Gammaquanten 6,74 · 1035 eV


6 MeV N = ≈ 3,6 · 1027
der Spaltprodukte
1,9 · 108 eV
Energie der Neutrinos 10 MeV
Es bedeutet also, dass in einem Kernkraft- Tab. 4.03
Summe 210 MeV
werk N = 3,6 · 1027 Urankerne gespalten wer- Energiefreisetzung bei der Kernspaltung
den müssen, um eine Wärmeenergie von
der Spaltprodukte z. T. erst im radioaktiven ­Abfall Eth = 10,8 · 1016 J zu erhalten, die dann zu 34 %
außerhalb des Reaktors frei wird. Die Energie in Eel = 3,6 · 1016 Ws = 10 · 109 kWh elektrische
der Neutrinos kann praktisch gar nicht genutzt Energie umgewandelt wird.
­werden, da sie mit Materie kaum wechsel­wirken.
Die pro Kernspaltung nutzbare Energie von • Die N = 3,6 · 1027 gespaltenen Atomkerne
1,9 · 108 eV ist ein sehr kleiner Betrag. Um 1 J ­haben vor der Spaltung eine bestimmte
­Wärme zu erzeugen, müssen rund 33 Mrd. Uran- ­Masse. Sie kann über die Loschmidtsche Zahl
kerne gespalten werden: berechnet werden.

1 J = 6,242 · 1018 eV 6,023 · 1023 U-235-Atome haben eine Masse


von 235 g. 3,6 · 1027 Uranatome haben eine
Masse m:
6,242 · 1018 eV
N = = 3,3 · 1010 = 33 Mrd.
1,9 · 108 eV 3,6 · 1027 · 235 g
m = = 1,39 · 106 g
6,023 · 1023
Um bei 1 kg Wasser die Temperatur von 0 °C auf = 1,39 t
100 °C zu erhöhen, sind Eth = 4,2 · 105 J erforder-
lich. Um diese Wärmemenge aus Kern­energie
zu erzeugen, wären N = 4,2 · 105 · 3,3 · 1010 = Da die Dichte von Uran ρ = 19 g/cm3
1,4 · 1016 Kerne des Uran-235 zu spalten. Das ­ eträgt, ­hätten 1,39 t Uran ein Volumen von
b
­entspricht einer Masse an reinem Uran-235 von V = 73.158 cm3. Das entspräche einem Würfel
etwa m = 5,5 µg. mit der Kantenlänge von etwas weniger als
0,42 m.
Wie viele Urankerne gespalten werden müssten,
wenn der Jahresbedarf an elektrischer ­Energie • Würde man dieselbe Menge an Wärmeenergie
­einer europäischen Stadt mit 1,5 Mio. Ein­ Eth = 10,8 · 1016 J durch Verfeuern von Stein­
wohnern vollständig aus Kernenergie gedeckt kohle erzeugen wollen, wäre eine Masse von
werden sollte, zeigt folgende Rechnung: m = 3,4 · 106 t erforderlich (das 2,5 Millionen-
fache des Urans). Der Heizwert von Stein­kohle
• Angenommener Jahresbedarf an elektrischer beträgt Eh = 31,8 · 106 J/kg. ­Daraus errechnet
Energie: sich:

Eel = 1010 kWh = 3,6 · 1016 Ws 10,8 · 1016 J · kg


m = ≈ 3,4 · 109 kg
31,8 · 106 J
• Da der Wirkungsgrad von Kernkraftwerken = 3,4 · 106 t
etwa 0,34 ist, muss im Kraftwerk zunächst rund
dreimal so viel Wärmeenergie erzeugt werden:
Da die Schüttdichte von Steinkohle ρ = 1 ­kg/dm3
Eth = 3 · 3,6 · 10 Ws
16 beträgt, hätte der Kohleberg ein Volumen von
= 10,8 · 1016 Ws = 10,8 · 1016 J V = 3,4 · 109 dm3 = 3,4 · 106 m3. Das entspräche
­einem Würfel mit der Kantenlänge von etwas
mehr als 150 m.

35
4.4 Kettenreaktion im Uran-235

Hahn und Straßmann äußerten bereits in ihren und Energie einander äquivalent. Es sind zwei
beiden ersten Aufsätzen über die Kernspaltung Formen eines und desselben Phänomens. Masse
die Vermutung, dass neben den beiden Spaltpro- lässt sich in Energie und Energie in Masse über-
dukten noch einige Neutronen entstehen müss- führen. Das Gesetz lautet:
ten. Dies wurde von Forschern in Frankreich im
März 1939 experimentell bestätigt. Damit hatte E = m · c2
man die Möglichkeit erkannt, einen sich selbst
(E: Energie, m: Masse, c: Lichtgeschwindigkeit)
erhaltenden Kernspaltungsprozess ablaufen zu
lassen. Unter geeigneten Bedingungen können
nämlich die freigesetzten Neutronen sofort wei- Bei einer vollständigen Spaltung von 1 kg
tere Uranatome spalten, so dass ein lawinenartig Uran-235 tritt ein Massenverlust von 1 g auf.
ablaufender Spaltprozess entsteht. Er wird allge- Die Spaltprodukte und sekundären Neutronen
mein als Kettenreaktion bezeichnet. ­haben nur noch eine Masse von 999 g. Die Masse
von 1 g erscheint dann in Form von Energie:
Abb. 4.03 zeigt den Beginn einer solchen Ketten-
reaktion im Modell. Geht man davon aus, dass 1 g = 10–3 kg c ≈ 300.000 km/s = 3 · 108 m/s
nach jeder Spaltung zwei freie Neutronen zur Ver-
fügung stehen (tatsächlich sind es im Mittel 2,4),
sind es in den weiteren Schritten 4, 8, 16, 32, 64, m2
E = 10–3 kg · (3 · 108)2
128 usw. Wenn genügend Urankerne vorhanden s2
sind, keine Neutronen nach außen verloren ge-
hen oder von Fremdatomen eingefangen werden, kg m2
E = 9 · 1013
verdoppelt sich die Anzahl der Kernspaltungen s2
von Neutronengeneration zu Neutronengenerati-
on, der gesamte Vorgang läuft lawinenartig ab. Es gilt:
Dabei werden ungeheure Mengen an Energie in
kürzester Zeit frei. 1 kg · m 1 N · s2
1N = 1 kg =
s2 m
Wenn man die Masse der Kernteilchen des
Uran-235 und des primären Neutrons mit der Daraus folgt:
Summe der Massen der Spaltprodukte und der
sekundären Neutronen vergleicht, so ist nach der N · s2 · m2
E = 9 · 1013
Kernspaltung ein geringer Massen­verlust fest­ m · s2
zustellen. Dieser Verlust entspricht der bei der
Spaltung frei werdenden Energie. Nach ­einem E = 9 · 1013 N m = 9 · 1013 J
von Einstein 1905 formulierten Gesetz sind ­Masse

Abb. 4.03
1. Neutronengeneration 2. Neutronengeneration 3. Neutronengeneration
Kettenreaktion im Uran-235

36
Erzeugung von Plutonium-239 und von Uran-233 4.5

Uran-235 wird am effektivsten von 1 1


langsamen Neutronen gespalten. 0n 0n

Neutronen mittlerer ­sowie höhe-


rer Geschwindigkeit können aber
auch von Uran-238 aufgenommen
werden. Dabei tritt ­keine Kernspal-
tung, sondern eine Umwandlung
238 232
in das Uran-Isotop U-239 ein. Es 92 U 90 Th
wandelt sich in zwei Schritten
­unter Aussenden von Betateil-
chen zu Pu-239 um (Abb. 4.04).
Pu-239 ist ein Alpha­strahler und
zerfällt mit einer Halbwertzeit von
24.110 Jahren. Pu-239 ist durch
langsame und schnelle Neutronen
spaltbar und daher als Kernbrenn- 239
92 U
233
90 Th
stoff für den Einsatz in Reaktoren
geeignet. HWZ
0
HWZ
0
23,5 min -1 e 22,3 min -1 e

Durch Aufnahme weiterer Neutro-


nen bilden sich aus Pu-239 weitere
Plutonium-Isotope: Pu-240, Pu-241,
Pu-242 und Pu-243. Je länger die
Uran-Brennelemente im Reaktor
239 233
verbleiben, desto mehr ­Plutonium 93 Np 91 Pa
bildet sich. Bei der üblichen Ein­
HWZ HWZ
satz­dauer der Brennelemente sind 2,355 d 0
-1 e 27,0 d 0
-1 e
das etwa 10 g Plutonium pro 1 kg
Uran.

Plutonium ist das einzige künst-


liche Element, das in ­größeren
Mengen erzeugt wird. In ­einem 239 233
94 Pu 92 U
Leicht­wasserreaktor mit ­einer elek-
trischen ­Leistung von 1.300 MW
entstehen jährlich ins­ge­samt etwa
313 kg Plutonium. Davon sind
176 kg Pu-239, 74 kg Pu-240, 46 kg Pu-241 Das in der Natur vorkommende Element Abb. 4.04 (links)
und 17 kg Pu-242. Die Isotope Pu-239 und ­Thorium-232 kann durch einen ähnlichen Entstehung von Pu-239 aus U-238
Pu-241 sind durch thermische Neutronen ­Umwandlungsprozess in Uran-233 ver­wandelt
leicht spaltbar. Das nicht im Reaktor selbst werden, welches durch langsame ­Neutronen Abb. 4.05
gespaltene Plutonium kann durch Wieder­ ­spaltbar ist. Ein Thoriumkern absorbiert ein Neu­ Entstehung von U-233 aus Th-232
aufarbeitung der Brennelemente isoliert und tron, so dass das Thoriumisotop-233 entsteht
in Brennelementen erneut eingesetzt werden. (T1/2 = 22,3 min). Dieses geht unter ­Aussenden ­eines
In den so genannten Mischoxid-Brennelementen ­Betateilchens in das ­Element ­Protaktinium-233
wird neben UO2 bis zu 5 % PuO2 verwendet. über (T1/2 = 27,0 d). Durch eine weitere Beta-
Emission wandelt sich ­Protaktinium-233 in
Plutonium kommt in extrem kleinen Mengen ­Uran-233 um (Abb. 4.05). Uran-233 ist ein Alpha­
auch in der Natur vor. In Uranerzlagern findet strahler und zerfällt mit einer Halbwertzeit
man Spuren von Pu-239, das durch die Neu­ von 1,592 · 105 Jahren in Thorium-229.
tronen der kosmischen Strahlung ständig neu
gebildet wird. Es kann auch durch Neutronen Die gezielte Gewinnung von Plutonium-239
­erzeugt werden, die bei der Spontanspaltung von und Uran-233 bezeichnet man allgemein als
U-238 oder U-235 entstehen. Spuren von Pu-244 „­breeding“ (Brüten). Auf diesem Vorgang beruht
(T1/2 = 8,26 · 107 a) stammen wahrscheinlich aus die Funktion eines so genannten Brutreaktors.
der ­Entstehungszeit der Erde. In 1 g natürlichem
Uran sind 10–11 bis 10–12 g Plutonium enthalten.
Dies bedeutet, dass für die Gewinnung von 1 mg
natürlichem Plutonium 1.000 t natürliches Uran
chemisch aufgearbeitet werden müssten.

37
5 Kontrollierte Kernspaltung
Aufbau eines Kernreaktors 5.1

Anlagen, bei denen Kettenreaktionen kontrolliert


spaltbares Uran
ablaufen, bezeichnet man als Kernreaktoren oder Steuerstäbe
kurz als Reaktoren. Sie bestehen im Prinzip aus (Neutronenfänger) Moderator
(Bremsmittel)
fünf Komponenten (Abb. 5.01):

• Ausreichende Masse an spaltbarem Material,

• Stoff zur Abbremsung der Neutronen (Mode­ niedrige höhere


Temperatur Temperatur
rator), Ausnahme: Schneller Brutreaktor,

• Vorrichtungen zum Einfang von Neutronen


(Steuer - bzw. Regelstäbe),

• Medium zur Wärmeabführung,

• Barrieren für den Strahlenschutz und die Rück-


haltung radioaktiver Stoffe.
Wärmeabführung
Nach dem Verwendungszweck können folgende (z.B. Wasser) Strahlenschutzbarriere Abb. 5.01
Reaktortypen unterschieden werden: Prinzip eines Kernreaktors

• Forschungsreaktoren dienen der wissenschaft- • Leistungsreaktoren werden zur Erzeugung


lichen Forschung sowie für Unterrichtszwecke. elektrischer Energie und als Brutreaktoren
Dabei ist häufig nur die Neutronenstrahlung ­zusätzlich zur Erzeugung des Spaltstoffs ­Pu-239
von Interesse. aus U-238 verwendet.

Spaltneutronen 5.2

Eine kontrollierte Kettenreaktion lässt sich nur Zur Charakterisierung der Neutronen nach ­ihrer
entwickeln, wenn eine ausreichende Anzahl von Energie bzw. ihrer Geschwindigkeit wird die
Neutronen zur Verfügung steht. Bei der Spaltung Einteilung nach Tab. 5.01 verwendet. Die ange­
eines Kerns U-235 entstehen zwei mittelschwere gebenen Energiebeträge stellen Richtwerte dar,
Trümmerkerne sowie zwei bis drei Neutronen. die Übergänge sind fließend. Die bei der ­Spaltung
Diese Spaltneutronen haben unterschiedliche von U-235-Kernen auftretenden Neu­tronen
Energien (Geschwindigkeiten). Am häufigsten ­gehören also praktisch ausschließlich zu den
tritt der Wert von 0,7 MeV auf, im Mittel liegt schnellen Neutronen (E > 0,1 MeV).
ihre Energie bei etwa 1,5 MeV (Abb. 5.02).

relative Häufigkeit Bezeichnung Energie

1,0
0,025 eV
0,9 thermische Neutronen
(bei 300 K)
0,8
langsame Neutronen < 10 eV
0,7
0,6 mittelschnelle
10 eV bis
0,5 (epithermische oder inter­
0,1 MeV
mediäre) Neutronen
0,4 Tab. 5.01
0,3 schnelle Neutronen > 0,1 MeV Einteilung der Neutronen nach ihrer
kinetischen Energie
0,2
0,1 In einem Reaktor kann mit den Spaltneutronen
grundsätzlich Folgendes geschehen: Abb. 5.02
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Energieverteilung der Neutronen,
Energie in MeV • Sie verlassen die Spaltzone und gehen dadurch die bei der Spaltung von U-235 durch
für weitere Spaltungen verloren. thermische Neutronen entstehen

39
• Sie werden von U-238, von den für die Reaktor­ langsameres
funktionen notwendigen Materialien oder Neutron, E2
von stets vorhandenen Verunreinigungen
aufgenommen, wodurch künstliche Isotope schnelles
­entstehen. Neutron, E1
Rückstoßkern, E3
Sauerstoff-16, im Kühlmittel von Druck- und
Siedewasserreaktoren enthalten, wandelt sich E1 = E2 + E3
z. T. durch Neutroneneinfang in Stickstoff-16
Abb. 5.04 um. E1, E2, E3: Bewegungsenergien
Elastischer Stoß
16 1 16 1
8 O + 0 n 7 N + 1 p
langsameres
Neutron, E2
Stickstoff-16 ist radioaktiv (T½ = 7,13 s) und zer- schnelles
fällt unter Aussendung eines Betateilchens zu Neutron, E1
Sauerstoff-16. Gleichzeitig werden zwei ener-
giereiche Gammaquanten abgegeben. Quant

16
7 N 16
8 O + 0
-1 e + γ1 + γ2 E3
T1/2 = 7,13 s 6,129 MeV 7,115 MeV E1 > E2 + E3
Abb. 5.05 E1, E2, E3: Bewegungsenergien
Unelastischer Stoß Der Gesamtverlauf von Aktivierung und Zerfall
zeigt die Abb. 5.03.
angeregt, der die Anregungsenergie in Form
1
0n eines Gammaquants wieder abgibt (Abb. 5.05).

16
8O
16
7N
16
8O
• Neutronen werden von Kernen des U-235
aufge­nommen und lösen dadurch weitere
Kernspaltungen aus. Wenn in einem Reaktor
eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion
­abläuft, sagt man, der Reaktor ist kritisch.
γ Was dann im Einzelnen mit einer Neutronen­
Abb. 5.03 1 0 generation geschieht, lässt sich in verein­
1p -1 e
Aktivierung von Sauerstoff durch ein fachter Form zahlenmäßig angeben. Dabei
Neutron und radioaktiver Zerfall des radioaktiver Zerfall
wird hier von 2,4 Neutronen pro Spaltung aus-
entstandenen Stickstoff gegangen (Tab. 5.02).

Die Wahrscheinlichkeit für einen Neutronen­


1. Neutronen-Generation
einfang ist von der Bewegungsenergie der 100 thermische Neutronen sind vorhanden.
Neu­tronen abhängig. Sie ist meist desto
­größer, je langsamer die Neutronen sind. Das
Neutron kann dann längere Zeit in Kernnähe 100 thermische Neutronen spalten 100 U-235-Kerne.
verweilen, wodurch die Wahrscheinlichkeit Es entstehen Spaltproduktkerne und
240 schnelle Neutronen.
für eine Einfangreaktion größer wird. Daneben
gibt es noch den so genannten Resonanzein-
fang, bei dem Neutronen ganz bestimmter 25 schnelle Neutronen entweichen aus dem Reaktorkern*.
Energie ­bevorzugt eingefangen werden. 45 schnelle Neutronen werden von U-238 absorbiert.
170 thermische Neutronen entstehen durch Moderation.
• Es finden elastische oder unelastische
Zusammen­stöße mit Atomkernen statt,
­wodurch die Neutronen Energie verlieren. 20 thermische Neutronen entweichen aus dem Reaktorkern*.
Ihre Geschwindigkeit wird dadurch verringert. 30 thermische Neutronen werden von U-238 absorbiert.
20 thermische Neutronen werden vom Moderator, von
Elastische Zusammenstöße finden im Energie- Strukturmaterialien oder von den Spaltprodukten absorbiert.
bereich 10 keV bis 1 MeV statt. Die Summe der 100 thermische Neutronen sind verfügbar.
Bewegungsenergien der Stoßpartner vor und
nach dem Stoß ist dann gleich (Abb. 5.04).
Tab. 5.02 Zu unelastischen Zusammenstößen kommt 2. Neutronen-Generation
Neutronen in einem kritischen Reaktor es vorwiegend im Energiebereich zwischen 100 thermische Neutronen sind vorhanden.
* Neutronenabschirmungen 1 MeV und 10 MeV. Dabei ist die Summe der
um das Reaktorgefäß verhindern, dass Bewegungs­energien vor und nach dem Stoß usw.
Neutronen nach außen austreten. nicht gleich. Das Neutron hat den Atomkern

40
Moderator 5.3

Neutronen, die bei der Spaltung von Kernen des Moderator Mittlere Neigung
U-235 freigesetzt werden, haben eine ­relativ Stoßzahl für zum Einfang
hohe Geschwindigkeit. Damit ist die Wahr- eine thermischer
scheinlichkeit, dass sie weitere Kernspaltungen Abbremsung Neutronen
von in relativen
hervor­rufen, sehr gering. Wenn dennoch mit 1,75 MeV Einheiten
den schnellen Neutronen eine Kettenreaktion auf 0,025 eV
in Gang gehalten werden soll, muss man eine
hohe ­U-235-Konzentration wählen und eine
auf­wendige Reaktortechnik anwenden. Man Wasserstoff H-1 18 650
­beschreitet diesen Weg ausschließlich, wenn
nicht nur U-235-Kerne gespalten, sondern aus Deuterium H-2 25 1
nicht spaltbarem Material mit Hilfe von schnellen
Neutronen neuer Spaltstoff erzeugt werden soll. Beryllium Be-9 86 7

Langsame Neutronen führen mit sehr viel­ Kohlenstoff C-12 114 10


größerer Wahrscheinlichkeit im U-235 zu Tab. 5.03
­Spaltungen. Die bei jeder Kernspaltung ent­ Uran U-238 2.172 5.601 Eigenschaften verschiedener
stehenden schnellen Neutronen müssen ­deshalb Moderatorstoffe, Uran zum Vergleich
durch geeignete Substanzen auf ­niedrige
­Geschwindigkeiten abgebremst werden. Das wie viele Zusammenstöße ­zwischen Neu­tronen
geschieht mit Hilfe so genannter Moderatoren und Atomkernen im ­Mittel notwendig sind,
(Bremsmittel). Die Neutronen werden an den um schnelle Neutronen (E = 1,75 MeV) auf
Kernen des Moderators durch Stöße abgebremst langsame Geschwindigkeiten (E = 0,025 eV)
(Abb. 5.06). Beim Einsatz eines Moderators abzubremsen.
kommt man mit niedrigen Spaltstoffkonzen­
trationen aus. Im Prinzip reicht dann der im • Der Moderator darf nur eine geringe ­Neigung
­natürlichen Uran vorhandene Anteil von etwa zum Einfang von Neutronen besitzen, denn
0,7 % U-235. vom Moderator absorbierte Neutronen
­gehen für weitere Kernspaltungen verloren.
Gute Moderatoren müssen zwei Bedingungen In Tab. 5.03 ist die Neigung zum Einfang
­erfüllen: ­thermischer Neutronen in relativen Einheiten
angegeben ­worden. Für Deuterium wurde der
• Die schnellen Neutronen sollen möglichst Wert 1 fest­gelegt. Beryllium hat dann eine
schnell durch wenige Stöße ihre ­Energie ver­ siebenmal so große Neigung, Wasserstoff
lieren und so abgebremst werden. ­Dadurch eine 650-mal so große Neigung, Neutronen
kommen sie in großer Zahl über den in die Atomkerne aufzunehmen. ­Deuterium
Geschwindig­keitsbereich hinweg, bei dem sie in Form von Schwerem Wasser (D2O) ist der
verstärkt von U-238 absorbiert werden. Diese beste ­Moderator, ­seine Herstellung ist ­jedoch
Bedingung ist dann erfüllt, wenn die Masse sehr teuer. (Natürliches Wasser enthält ein
der Atomkerne des Moderators etwa so groß ­H-2-Atom auf 6.420 H-1-Atome.) Als ­Moderator
ist wie die Masse des Neutrons. Tab. 5.03 zeigt, wird vielfach auch Graphit (reiner Kohlenstoff)

Moderator
(z.B. Wasser)

große Neutronen- geringe Neutronen-


geschwindigkeit geschwindigkeit Abb. 5.06
Abbremsung schneller Neutronen
durch einen Moderator im Modell

41
eingesetzt, da es gute mecha­nische und ther- Die absorbierten Neutronen gehen für ­weitere
mische Eigenschaften besitzt. Für eine Verwen- Kernspaltungen verloren. Andererseits ist
dung im Reaktor muss es ­jedoch absolut rein Wasser (H2O) preiswert und besitzt zusätzlich
sein. Wasserstoff in Form von Leichtem Wasser günstige Eigenschaften, die die Sicherheit des
(H2O) ist zwar das ­beste Bremsmittel, es hat Reaktors betreffen. Bei Verwendung von Was-
jedoch eine sehr große Neigung zum Einfang ser als Moderator muss der Neutronenverlust
von Neutronen. Dabei entsteht Deuterium: ausgeglichen werden. Dazu erhöht man den
Anteil von U-235 von 0,7 % auf 3 bis 5 %. Man
1 1 2
1 H + 0 n 1 H + γ erhält dann mehr Spaltungen sowie mehr
Neutronen. Uran mit einem über 0,7 % liegen-
den Anteil von U-235 nennt man angereicher-
tes Uran.

5.4 Temperaturabhängigkeit des Moderatoreffekts

Die Temperatur in den Brennstäben eines ­Reaktors koeffizient ist hier also negativ. Bei dieser Art
schwankt in Abhängigkeit von der verlangten von Selbstabili­sierung spricht man ­deshalb von
Reaktor­leistung. Sie liegt bei Volllast im Innern ­inhärenter (inne­wohnender) Stabilität.
der Brennstäbe bei etwa 800 °C. Die Temperatur
hat Einfluss auf die Wirksamkeit des Moderators. Bei dem Reaktor vom Typ Tschernobyl sind der
Ein Vergleich zwischen den Moderatoren Graphit Moderator (Graphit) und das Kühlmittel (­Wasser)
und Wasser macht das deutlich. unterschiedliche Stoffe. Wenn die ­Anzahl
der Ketten­reaktionen und damit die Leistung
In den Leichtwasserreaktoren ist das Wasser ­ansteigen, entstehen im Kühlmittel Wasser mehr
Kühlmittel und Moderator. Steigt die Anzahl der Dampfblasen.
Kern­spaltungen und damit auch die Leistung an,
erhöht sich z. B. in einem Siedewasserreaktor der Da Wasserdampf pro Volumen weniger ­Moleküle
­Dampfblasenanteil. Da das Wasser aber gleich­ enthält als Wasser, werden weniger Neutronen
zeitig Moderator ist, ­bedeuten mehr Dampf­ absorbiert. Am Moderator Graphit kann nun
blasen eine „Verdünnung“ des Mode­rators. Es eine höhere Anzahl von Neutronen abgebremst
werden jetzt zwar ­weniger Neu­tronen absorbiert, ­werden, so dass auch die Anzahl der Kern­
noch ­weniger aber ­abgebremst (­Moderatoreffekt spaltungen steigt.
ist von größerem Gewicht als der Absorptions­
effekt) (Abb. 5.07). Dadurch sinkt die Anzahl der Durch eine erhöhte Anzahl von Kernspaltungen
Kern­spaltungen von selbst. Der Dampfblasen­ steigt dann aber auch die Leistung an, die zu

Tiefere Temperatur des Moderators


Moderator Die Wassermoleküle sind dichter
(z.B. Wasser) ­gepackt. Es finden viele Zusammen-
Weg eines stöße der Neutronen mit Wasser­
Neutrons stoff statt (gute Abbremsung, mehr
Kernspaltungen).

Höhere Temperatur des Moderators


Moderator Die Wassermoleküle sind nicht mehr
(z.B. Wasser) so dicht gepackt. Die Neutronen ­stoßen
weniger häufig mit Wasserstoffatomen
zusammen (geringere ­Abbremsung,
weniger Kernspaltungen).
Weg eines
Neutrons

Abb. 5.07
Bei Wasser ist die Moderation
von der Temperatur abhängig

42
noch mehr Dampfblasen führt usw. Man sagt,
der Dampfblasenkoeffizient des Moderators ist spezifische Leistung
­positiv. Nur durch geeignete Sicherheitsein­ in W/cm3
richtungen wird verhindert, dass der Leistungs- 20
anstieg außer Kontrolle gerät.

Abb. 5.08 gibt für einen Reaktor vom Tschernobyl-


15 positiver
Typ und einen Siedewasserreaktor an, welche Dampfblasenkoeffizient
Wärme­leistung sich ergeben würde, wenn die bei einem Reaktor
Hauptkühlmittelpumpen nach dem Abschalten vom Typ Tschernobyl
ausliefen (Rotation klingt ab) und die Wärme von 10
den Brennstäben nicht mehr abgeführt würde.
negativer
Unabhängig vom verwendeten Moderator gilt Dampfblasenkoeffizient
5 bei einem Siedewasser-
für alle Reaktortypen, dass das U-238 bei ­hoher reaktor
­Temperatur mehr, bei niedriger Temperatur Abb. 5.08
­weniger Neutronen absorbiert. Dieser ­Effekt Leistungsentwicklung bei Reaktoren
wirkt einem Anstieg der Anzahl freier Neu­tronen 0 mit positivem bzw. negativem
und damit einem Anstieg der Kern­spaltungen 0 4 8 12 16 20 24 28 Dampfblasenkoeffizient
entgegen. Kleine Leistungs­änderungen werden Zeit in s
(angenommenes Szenario: Ausdrehen
dadurch selbsttätig aus­geglichen. der Hauptkühlmittelpumpe)

Zum anderen bedeutet grundsätzlich eine Moderatormoleküle zunimmt. Sie überträgt sich
­Erhöhung der Moderatortemperatur, dass die dann auch auf die Neutronen, die nun nicht mehr
Bewegungsenergie der Moderatoratome bzw. so wirkungsvoll abgebremst werden.

Steuerung der Kettenreaktion 5.5

In einem Reaktor wird die Kettenreaktion dadurch


gesteuert, dass man in den Neu­tronenhaushalt
eingreift. Das geschieht mit Hilfe von Stoffen,
die eine große Neigung zur Absorption von 7
3 Li
Neu­tronen besitzen (z. B. Bor, Indium, Silber,
­Cadmium). ­Werden diese Stoffe tief in die Spalt- 10
1 5B
0n
zone ­geschoben, absorbieren sie viele Neu­
tronen. Zieht man sie wieder heraus, ist die
­Neu­tronenabsorption entsprechend geringer. γ
So kann z. B. eine 6,5 mm starke Schicht aus
Boral (Legierung aus Aluminium und Borcarbid)
die ­Anzahl freier Neutronen um den Faktor 1010 4
verringern. Der Einfang von Neutronen durch 2 He Abb. 5.09
Bor oder Cadmium geschieht durch eine Kern­ Kernreaktion bei Neutroneneinfang
reaktion, bei der eine Sekundärstrahlung aus­ mittels Bor in den Steuerstäben eines
gesandt wird (Abb. 5.09). Reaktors

10
5 B + 1
0 n 7
3 Li + 4
2 He + γ der Druckaufbau begrenzen die Lebensdauer der
Steuerstäbe. Der Austauschrhythmus beträgt
etwa sechs Jahre.
113
48 Cd + 1
0 n 114
48 Cd + γ Der Zustand eines Reaktors kann durch den Mul-
tiplikationsfaktor k beschrieben werden. Er gibt
Das entstehende Lithium gelangt zum Teil in das das Verhältnis der Anzahl der Spaltungen einer
Kühlmittel des Reaktors und wird – ­zusammen Neutronengeneration zur Anzahl der Spaltungen
mit anderen Verunreinigungen – durch die der vorhergehenden Neutronengenerationen an:
­Kühlmittelreinigungsanlage fortlaufend entfernt.
Die Alphateilchen wandeln sich durch ­Aufnahme Zahl der Spaltungen
von Elektronen in Helium um, das in den ­Röhrchen einer Neutronengeneration
k =
der Steuerstäbe einen beachtlichen Gasdruck Zahl der Spaltungen
der vorhergehenden Neutroneneneration
­erzeugt. Die Abnahme der Borkonzentration und

43
Beispiel für ein sehr kleines Volumen der Bei der Inbetriebnahme eines Reaktors oder der
­Spaltzone: Steigerung seiner Leistung wäre eine Steuerung
mit mechanischen Vorrichtungen nicht möglich,
1. Neutronengeneration: 3.750 Spaltungen weil sie viel zu langsam wären.

2. Neutronengeneration: 3.773 Spaltungen Der Ablauf des Spaltungsvorganges selbst kommt


den Menschen aber zu Hilfe. Etwa 0,75 % der bei
3.773 der Spaltung frei werdenden Neutronen werden
k = ≈ 1,006 erst mit einer Verzögerung von durchschnittlich
3.750
10 bis 20 s durch die Spaltprodukte abgegeben.

Beim so genannten Anfahren eines Reaktors 87 87 0


35 Br 36 Kr + -1 e
muss der Multiplikationsfaktor größer als 1 sein
(k > 1, überkritischer Reaktor), damit die Anzahl
der Kettenreaktionen ansteigt. Ist ein bestimm- 87 86 1
36 Kr 36 Kr + 0 n
tes Leistungsniveau erreicht, wird dafür gesorgt,
dass k = 1 gilt (kritischer Reaktor).
Stellt man bei einer Leistungserhöhung den
Bei der Leistungsverringerung oder dem Abschal- ­Reaktor so ein, dass sich die Neutronen von
ten eines Reaktors werden die Steuerstäbe zur ­Generation zu Generation nicht mehr als um
Absorption der Neutronen zwischen die Brenn­ 0,75 % vermehren, wird der Zuwachs nur durch
stäbe eingefahren. diese verzögerten Neutronen bewirkt. Die Zeit
von 20 s reicht aus, um neutronen­absorbierende
Die Kettenreaktion nimmt ab bzw. hört ganz auf Steuerstäbe zwischen die Uran-Brennstäbe zu
(k < 1, unterkritischer Reaktor) (Abb. 5.10). schieben.

Bei starken Abweichungen vom normalen Wie verzögerte Neutronen für die Reaktor­
Reaktor­betrieb oder bei Störfällen kann der steuerung genutzt werden können, lässt sich
­Reaktor durch schnelles Einfahren der Absorber- durch eine Analogie veranschaulichen (Abb. 5.11
stäbe inner­halb weniger Sekunden abgeschaltet und Tab. 5.04). Das wird hier für den Fall der
­werden. ­Leistungserhöhung des Reaktors erklärt.

Dieser „Schnellschuss“ wird automatisch ausge- Ein Wasserbehälter hat einen Zu- und einen Ab-
löst, kann aber auch durch Betätigen eines Not- lauf. Der Zulauf besteht aus einem Rohr mit gro-
schalters herbeigeführt werden. ßem und einem Rohr mit kleinem Querschnitt.
Der Abfluss kann durch Betätigen eines Schiebers
Bei einer Kettenreaktion tritt die Neutronen­ geöffnet werden, so dass sich der Behälter sehr
vermehrung in Bruchteilen von Sekunden auf. schnell entleert.

Steuerstab Steuerstab
z. B. B4C z. B. B4C

Abb. 5.10
Stellung der Steuerstäbe Moderator Brennstab Moderator Brennstab
beim Anfahren und beim (z.B. Wasser) (z.B. Wasser)
Abfahren eines Reaktors

44
Kontrollierte Kettenreaktion Wassermodell
Zulauf
Prompte Neutronen (99,25 %) Zufluss einer großen Wassermenge
durch das große Rohr
Verzögerte Neutronen (0,75 %) Zufluss einer kleinen Wassermenge
durch das kleine Rohr
Sollwert
Neutronenfluss im Reaktor Wasserstand im Behälter
Anfahren des Reaktors, Langsamer Anstieg des Wassers
Vermehrung der Neutronen entsprechend dem Wasserzulauf
von Generation zu Generation durch das kleine Rohr
um maximal 0,75 %
Schieber
Der Reaktor hat sein Der Wasserstand erreicht
Leistungsniveau erreicht. einen Sollwert.
Vollständiges Einfahren der Vollständiges Herausziehen des
Regelstäbe, Neutronenabsorption, Schiebers, das Wasser fließt in
Erlöschen der Kettenreaktion kürzester Zeit aus dem Behälter
Abfluss
Dazu muss der Schieber so weit geöffnet werden, Tab. 5.04
dass soviel Wasser abfließt, wie durch das große Vergleich der Steuerung einer Ketten­
Rohr zufließt. Der Wasserstand steigt dann nur reaktion mit einem Wassermodell
Es soll nun erreicht werden, dass sich der Wasser- langsam entsprechend dem Zufluss durch das
stand nur in dem Maße erhöht, wie Wasser durch kleine Rohr an und kann durch Verstellen des Abb. 5.11
das Rohr mit dem kleinen Querschnitt zufließt. Schiebers leicht gesteuert werden. Wassermodell zur Erklärung der Reaktor­
steuerung mit Hilfe der verzögerten
Neutronen

Homogener und heterogener Reaktor 5.6

Uran und Moderator lassen sich entweder mit­ U-238 eingefangen, wenn Uran und Moderator
einander mischen (homogener Reaktor) oder getrennt angeordnet sind, der Moderator also
räumlich getrennt voneinander anordnen das Uran umgibt (heterogener Reaktor). Dann
(hetero­gener Reaktor). gelingt es auch, mit Natururan und Graphit als
Moderator einen Neutronenvermehrungsfaktor
Bei einer homogenen Mischung beider Stoffe gibt k > 1 zu erreichen.
es ein optimales Verhältnis, bei dem der Moderator
seine maximale Wirkung hat. Der Multiplikations­ Der erste Reaktor, der von Enrico Fermi 1942
faktor (Neutronenvermehrungsfaktor) k ist dann in Chicago (USA) gebaut wurde, hatte diesen
am größten. Tab. 5.05 gibt für optimale homo­ Aufbau. Dazu wurden rund 400 t Graphit sowie
gene Mischungen von Natururan und Moderator 36 t Natururan benötigt. Bei Verwendung von
den maximal erreichbaren Wert für k an. ­Schwerem Wasser hätten bereits 3 t Natururan
ausgereicht.
Moderator Maximaler
Multiplikationsfaktor Bei einem Kernreaktor setzt die ­Kettenreaktion
nur ein, wenn eine Mindestmenge an U-235
Wasser (H2O) 0,62
(oder Pu-239) vorhanden ist. Da während des
Beryllium (Be) 0,66 ­Reaktorbetriebs der Anteil an U-235 ständig Tab. 5.05
Graphit (C) 0,84 ­geringer wird und der größer werdende Anteil an Maximaler Multiplikationsfaktor
Spalt­produkten immer mehr Neutronen absor- für Natururan und verschiedene
Schweres Wasser (D2O) 1,33
biert, muss der Reaktor mit einem Überschuss an Moderatoren (Homogene Mischung)
spaltbarem U-235 betrieben werden. Dieser Über-
Bei einem homogenen Reaktor, der mit Natur­uran schuss darf jedoch nicht zu groß sein, weil sonst
(0,7 % U-235) betrieben wird, ist also eine Ketten­ die Reaktorsteuerung sehr schwierig wird.
reaktion nur bei Verwendung von ­Schwerem ­Wasser
möglich. Nur dann kann der Multiplikations­faktor Nach etwa einem Jahr sind die zusätzlichen Reser­
k > 1 sein. Das ist der Grund, weshalb heute in ven an U-235 aufgebraucht. Das U-235 ist dann
Uranerzlagerstätten mit Hilfe von Regen­wasser zwar noch nicht vollständig gespalten, im ­Reaktor
keine Kettenreaktion entstehen kann. Das wäre kann aber keine Kettenreaktion mehr herbei­
erst bei einem höheren Anteil an U-235 möglich. geführt werden. Der Reaktor wird deshalb abge-
schaltet und nach einer Abkühlzeit ­geöffnet, um
Die bei Kernspaltungen entstehenden Neutronen neue Brennelemente einzusetzen bzw. die ­bereits
werden in einem geringeren Maß von Kernen des benutzten in andere Positionen umzu­setzen.

45
5.7 Verfahren zur Anreicherung von U-235

Im natürlichen Uran befinden sich etwa 99,3 % Da der Gasdurchsatz einer Zentrifuge sehr
U-238 und etwa 0,7 % U-235. Dieses Natururan ist gering ist, müssen viele Zentrifugen parallel
für Leichtwasserreaktoren nicht geeignet. Es wird geschaltet werden, um eine genügend ­große
Uran mit einem Gehalt an U-235 von mindestens Kapazität zur Verfügung zu haben. ­Insgesamt
2 % benötigt. sind dann etwa 150.000 Zentrifugen im
­Einsatz.
Die Anreicherung geschieht in Uranan­reiche­
rungs­anlagen. Für alle Anreicherungsverfahren Das an U-235 angereicherte Uranhexafluorid
muss das Uran in Form von Uranhexafluorid ­besteht z. B. aus 4 % 235UF6 und aus 96 % 238UF6.
(UF6) vorliegen. Diese chemische Verbindung Es wird anschließend in UO2-Pulver umge­
verdampft bereits bei 56 °C, so dass also in wandelt, das dann zu Tabletten verarbeitet wird
den ­Anlagen ­Gasanteile voneinander getrennt (UO2-Pellets). Sie bilden den so genannten
­werden: Kernbrennstoff. (Dieser Name ist eigentlich irre­
führend, denn in einem Reaktor findet keine
niedriger Druck Verbrennung statt. Der exaktere Ausdruck wäre
Membran an U-235 Spaltstoff.)
angereicherter
Gasstrom
an U-235
angereichertes
Uran
UF6
Einspeisung an U-235
von UF6 abgereichertes
Uran
Abb. 5.12 (links) an U-235
Prinzip des Gasdiffusionsverfahrens abgereicherter
hoher Druck Gasstrom
238
UF6
mittlerer Druck
235UF6 Vakuum

• Beim Gasdiffusionsverfahren (Abb. 5.12) wird


die Tatsache ausgenutzt, dass leichtere Atome Rotor
oder Moleküle schneller durch eine poröse
Wand (Porendurchmesser etwa 10–5 mm) wan-
dern als schwerere.

Es müssen bis zu 2.500 Stufen hintereinander


Abb. 5.13
elektr.
geschaltet werden, um eine Anreicherung von Antrieb
Prinzip des Zentrifugenverfahrens bis zu 4 % zu erreichen. Da das Gas nach jeder
Trennstufe erneut komprimiert werden muss,
ist der Energieaufwand sehr hoch.

• Das Zentrifugen-Trennverfahren nutzt die Tat­


sache aus, dass die schwereren ­Moleküle be-
vorzugt an die Außenwand ­getrieben ­werden,
während sich die leichteren ­Moleküle in der
Nähe der Rotorachse auf­halten (Abb. 5.13).
Die Geschwindigkeit an der ­Peripherie solcher
Zentri­fugen beträgt bis zu 700 m/s. Durch Hei-
zen im unteren Teil der Zentrifuge wird der
Trenneffekt verbessert.

Bei diesem Verfahren müssen 10 bis 30 Trenn-


stufen hintereinander geschaltet werden, um
die gewünschte Anreicherung zu erhalten.
Zentrifugenanlagen benötigen deutlich weni-
ger Energie als Gasdiffusionsanlagen.

46
Naturreaktor von Oklo 5.8

In Gabun (Westafrika) gibt es ergiebige Uranerz- Wie konnte es aber in der Natur zu einer
vorkommen, die seit Ende der 1960er Jahre abge- ­kontrollierten Kettenreaktion kommen? Damit
baut werden. Zur Qualitätskontrolle wird ständig eine Kettenreaktion in Gang kommt, müssen
die Zusammensetzung des gewonnenen Erzes drei Bedingungen erfüllt sein. Es müssen eine
­sowie vor allem der Anteil an Uran-235 ­bestimmt. hohe Urankonzentration mit einem genügend
großen Anteil an U-235 vorliegen, ein Moderator
Bei der Analyse einer solchen ­Probe aus dem Tage­ zur ­Abbremsung der Neutronen zur Verfügung
bau Oklo stellte man im Mai 1972 fest, dass der stehen und Stoffe fehlen, die zu viel Neutronen
Uran-235-Gehalt nicht wie üblich 0,7202 Atom- einfangen.
prozent, ­sondern nur 0,7171 Atomprozent be-
trug. Das waren 0,003  ­Atomprozent weniger als Die Urankonzentration beträgt in Oklo an ­einigen
sonst bei allen anderen Uranerz­vorkommen auf Stellen bis über 60 Gewichtsprozent. Solche
der Welt festgestellt worden war. ­besonders uranreiche Zonen sind etwa 0,6 bis 1 m
dick und wenige Meter breit. Da die Uranerzlager-
Bei der Untersuchung weiterer Proben stellte man stätte etwa 1,8 Milliarden ­Jahre alt ist, lag zur Zeit
Abreicherungen bis herab zu 0,296 Atom­prozent ihres Entstehens auch der ­Gehalt an U-235 höher,
fest. Dabei zeigte sich, dass die ­Abreicherung und zwar über 3 % (U-235: T1/2 = ca. 0,7 · 109 a).
desto größer war, je mehr Uran das Erz enthielt, Unter diesen ­Bedingungen konnte dann auch
d. h. je höher die Gesamt-Urankonzentration lag. Wasser ein ­geeigneter Moderator sein.
Bei Urangehalten unter etwa 1 % waren dagegen
die Anteile von U-238 und U-235 wie sonst üblich Die Kettenreaktion hielt sich vermutlich ­mehrere
verteilt. hunderttausend Jahre selbst in Gang. Dabei
­traten Temperaturen zwischen etwa 180 °C und
Im August 1972 wurde erstmals die Hypo­these etwa 450 °C auf. Wie es über so lange Zeit zu
formuliert, dass in der Erzlagerstätte in Oklo ­einer kontrollierten Ketten­reaktion kommen
ein natürlicher Reaktor in Betrieb gewesen sein konnte, ist noch nicht bekannt.
­könnte. Der Gehalt an U-235 wäre dann durch
Kernspaltungen bzw. eine längere Zeit in Gang Man nimmt an, dass zwei unterschiedliche
gehaltene Kettenreaktion verringert ­worden. ­ ­Kon­trollmechanismen wirksam waren:

Einen eindeutigen Beweis für die stattge­fundene • Geringe Beimengungen von Li-6, B-10 und
Ketten­reaktion erhielt man durch den Nach- ­Cd-113 sowie die entstandenen Spaltprodukte
weis der dabei entstandenen Spaltprodukte. haben gerade so viel Neutronen eingefangen,
Die Tab. 5.06 zeigt als Beispiel die Werte für das dass die Kettenreaktion nicht lawinenartig
Edelgas Xenon, von dem sich noch etwa 1 % ­ablief.
der ­ursprünglich entstandenen Menge im Erz
­befindet. Da die Erz­lagerstätte sehr alt ist, sind • Das als Moderator wirkende Wasser bildete
die relativ kurz­lebigen Spaltprodukte nicht mehr ­einen zweiten Regelmechanismus. Je nach-
vorhanden, wohl aber die stabilen Endglieder dem, ob Regenwasser in das Uran eindrang
­ihrer Zerfalls­reihen. oder aus ihm verdampfte, nahm die Anzahl
der Kernspaltungen zu oder ab. Verdampfte
An insgesamt 13 Stellen fand man ­­dadurch ­Wasser aus dem Erdreich, konnten die Neu­
­Hinweise auf prähistorische ­Reaktortätigkeit. tronen nicht mehr ausreichend abgebremst
werden. Die Anzahl der Kernspaltungen ging
zurück und die Temperatur sank. Sickerte
­Wasser ein, stieg die Anzahl der Kernspaltun-
gen wieder usw.

Herkunft Massenzahl

124 126 128 129 130 131 132 134 136

natürl. Xe 0,10 0,09 1,9 26,4 3,3 21,2 27,0 10,5 8,9

Xe-Gehalt
0,00017 3,07 0,0015 13,08 19,45 35,45 28,95 Tab. 5.06
in Atomprozent Spalt-Xe
bei Isotopenzusammensetzung von Xenon
aus natürlichen Vorkommen,
Oklo 0,0028 3,46 0,0346 12,38 20,35 35,38 28,48 als Spaltprodukt in Kernkraftwerken
und einer Probe aus Oklo

47
6 Kernkraftwerke
Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor 6.1
Beispiel: Kernkraftwerk Gundremmingen Block C

Die Brennelemente, die das Urandioxid ent­ Kernbrennstoff UO2/MOX


halten, befinden sich in dem zu etwa zwei ­Drittel Spaltbarer Anteil
mit Wasser gefüllten Druckbehälter. Das Wasser
Uran-Brennelemente (U) 3,13 – 4,6 Gew. %
strömt von unten nach oben durch den Reaktor-
kern und führt die in den Brennstäben ent­wickelte MOX-Brennelemente (U+Pu) 3,27 – 5,47 Gew. %
Wärme ab. Ein Teil des Wassers verdampft. Nach Kernbrennstoffmenge 136 t
einer Dampf-Wasser-Trennung im oberen Teil des Anzahl der Brennelemente 784
Druckbehälters wird dieser Sattdampf mit einer
Anzahl der Brennstäbe
Temperatur von 286 °C und einem Druck von ca. je Brennelement
80 bis 96
69,6 bar direkt der Turbine zugeführt. Die Dampf-
Brennelementlänge 4.470 mm
menge beträgt bis zu 7.477 t Dampf pro Stunde.
Die Turbine ist mit einem Drehstrom­generator Anzahl der Steuerstäbe 193
­gekoppelt, der eine Leistung von 1.344 Mega­ Absorbermaterial Bor und Hafnium
watt (Wirkleistung) bei einer Spannung von 27 kV
Kühlmittel und Moderator H2O
­liefert. Die Frequenz beträgt 50 Hz.
thermische Reaktorleistung 3.840 MW
Das im Druckbehälter nicht verdampfte Wasser elektrische Bruttoleistung 1.344 MW
fließt in dem Ringraum zwischen ­Druckbehälter elektrische Nettoleistung 1.288 MW Tab. 6.01
und Reaktorkern wieder nach unten, wobei Technische Daten zum Kernkraftwerk
es sich mit dem aus dem Kondensator zurück­ Bruttowirkungsgrad 35 % Gundremmingen Block C
gepumpten Speisewasser vermischt. Die im
Druckbehälter vorhandenen Pumpen wälzen das Die Steuerstäbe, die das neutronen­absor­bierende
Kühlmittel um. Durch eine Veränderung der Dreh- Material enthalten, werden elektromotorisch
zahl dieser Pumpen kann die Umwälzmenge des (Normalantrieb) oder hydraulisch (Schnellab-
Kühlmittels geändert und dadurch die Reaktor- schaltung) von unten in den Reaktorkern einge-
leistung gesteuert werden. Bei der Nennleistung fahren oder wieder heraus­gezogen.
des Reaktors strömen pro Stunde rund 51.480 t
Kühlmittel durch seinen Kern. Aus dem Sicherheitsbehälter führen die Rohr­
leitungen nach außen in das Maschinenhaus.
Der aus der Turbine austretende Dampf wird im Da der Dampf nicht frei von radioaktiven Ver­
Kondensator verflüssigt. Dazu sind pro Stunde unreinigungen ist, muss auch das Maschinenhaus
etwa 160.000 m3 Kühlwasser erforderlich, die in eine Sicherheitsabschirmung einbezogen sein.
über einen Kühlturm gekühlt werden. Das Speise­ Außerdem sind eine Reihe weiterer Sicherheits-
wasser wird durch Vorwärmanlagen auf eine vorrichtungen eingebaut, um bei einer Störung
Temperatur von 215 °C gebracht und dem Reak- eine sofortige Unterbrechung des Dampfstromes
tor wieder ­zugeführt. zum Maschinenhaus zu erreichen.

1 6 7 8 9

2
13
3
12 10

11
4
16
15 14
5
Fluss oder
Kühlturm

1 Reaktordruckbehälter 6 Frischdampf 11 Speisewasserpumpe


2 Brennelemente 7 Hochdruckteil der Turbine 12 Vorwärmanlage
3 Steuerstäbe 8 Niederdruckteil der Turbine 13 Speisewasser
4 Umwälzpumpen 9 Generator 14 Kühlwasser
5 Steuerstabantriebe 10 Kondensator 15 Kühlwasserpumpe Abb. 6.01
16 Betonabschirmung Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor
(vereinfachte Schemazeichnung)

49
Das Reaktordruckgefäß mit den Brenn­elementen
ist ein zylindrischer Stahlbehälter. Er ist mit
­einem Betonschild abgeschirmt und befindet sich
zusammen mit einer Reihe weiterer Anlagenteile
und Sicherheitseinrichtungen in einem Sicher-
heitsbehälter, der in der Abbildung jedoch nicht
dargestellt ist.

6.2 Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor


Beispiel: Kernkraftwerk Brokdorf

Durch das Wasser wird die in den Brennele­ ­ rehstrom-Synchrongenerator gekoppelt ist. Der
D
menten erzeugte Wärme abgeführt. Um ein Generator liefert an den Klemmen eine Leistung
Sieden zu verhindern, wird der Betriebsdruck im von 1.480 Megawatt (Wirkleistung) bei einer
Hauptkühlkreis auf 157 bar herauf­gesetzt und Spannung von 27 kV. Die Frequenz beträgt 50 Hz.
durch einen Druckhalter geregelt. Das Kühlmit-
tel tritt mit einer Temperatur von 291 °C in den Kernbrennstoff UO2/MOX
­Reaktor ein und verlässt ihn mit einer Temperatur
Anreicherung an U-235 bis zu 4 %
von 326 °C. Etwa 67.680 t Kühlmittel werden je
Stunde durch den Reaktor bewegt. Kernbrennstoffmenge 103 t
Anzahl der Brennelemente 193
Das erhitzte Wasser gibt seine Wärme in vier
Anzahl der Brennstäbe
Dampferzeugern (davon nur einer in Abb. 6.02 je Brennelement
236
dargestellt) an das Wasser eines ­Sekundärkreises
ab. Aufgrund der hohen Temperatur und des nied­ Brennstablänge 4,83 m
rigeren Druckes verdampft es im Sekundärkreis Anzahl der Steuerstäbe 61
und liefert pro Sekunde 2,14 t Sattdampf von
Absorbermaterial In, Ag, Cd
283,8 °C und einem Druck von 67 bar. Durch ein
solches Zweikreissystem wird erreicht, dass die Kühlmittel und Moderator H2O
im Reaktorkühlmittel auftretenden radio­aktiven thermische Reaktorleistung 3.900 MW
Stoffe auf den ersten Kühlkreislauf ­beschränkt
bleiben und nicht in die Turbine und den elektrische Bruttoleistung 1.480 MW
Tab. 6.02 Konden­sator gelangen. Mit Hilfe des ­erzeugten elektrische Nettoleistung 1.410 MW
Technische Daten Dampfes wird eine Turbine (Hochdruckteil,
Bruttowirkungsgrad 38 %
zum Kernkraftwerk Brokdorf ­Niederdruckteil) betrieben, die direkt mit einem

9 10 11
5
4

15
6
3

2 14 12

1
7
16
17
Fluss oder
18 13 Kühlturm

1 Reaktordruckbehälter 7 Kühlmittelpumpe 13 Speisewasserpumpe


2 Uranbrennelemente 8 Frischdampf 14 Vorwärmanlage
3 Steuerstäbe 9 Hochdruckteil der Turbine 15 Speisewasser
4 Steuerstabantriebe 10 Niederdruckteil der Turbine 16 Kühlwasser
Abb. 6.02 5 Druckhalter 11 Generator 17 Kühlwasserpumpe
Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor 6 Dampferzeuger 12 Kondensator 18 Betonabschirmung
(vereinfachte Schemazeichnung)

50
Im Kondensator wird der aus der Turbine aus­ vor­gänge können die Steuerstäbe ganz oder
tretende Dampf wieder verflüssigt. Dazu sind teil­weise in den Reaktor eingefahren und wieder
etwa 208.000 m3 Kühlwasser pro Stunde erforder­ heraus gezogen werden. Für langsame oder lang-
lich, die der Elbe entnommen werden. Das Kon- fristige Regelvorgänge wird Borsäure als Neutro-
densat wird durch eine Vorwärmanlage zuge- nenabsorber dem Reaktorkühlwasser zugesetzt.
führt, auf 218 °C vorgewärmt und anschließend
in den Dampferzeuger zurückgeleitet. Die Brennelemente befinden sich in einem Druck-
behälter aus Spezialstahl (Wandstärke 25 cm),
Für die Steuerstäbe des Reaktors wird eine Legie­ der zusammen mit dem Primärkreislauf in einem
rung aus Silber, Indium und Cadmium als Ab­ doppelwandigen Sicherheitsbehälter unterge-
sor­bersubstanz verwendet. Für schnelle Steuer­ bracht ist.

Weitere Reaktortypen 6.3

Weltweit werden in Kernkraftwerken überwiegend Durch einen fast drucklosen, mit Schwerem
Leichtwasserreaktoren vom Typ der Druck- und ­Wasser (D2O) gefüllten Moderatortank verlaufen
Siede­wasserreaktoren eingesetzt. Mit knapp 90 % horizontal Druckrohre, die die Brennelemente
der installierten elektrischen Nettoleistung ­haben enthalten und die von D2O als primärem Kühl-
sie den größten Anteil an allen Kraftwerksreak­ mittel zur Abführung der bei der Kernspaltung
toren. Rund 6 % der installierten Leistung entfällt entstandenen Wärme durchströmt werden. Um
auf mit Schwerem Wasser (D2O) moderierte und ein Sieden zu verhindern steht dieses primäre
gekühlte Druckröhren-Reaktoren (­CANDU), der rest­ Kühlmittel unter einem Druck von etwa 100 bar.
liche Anteil auf graphitmoderierte, wassergekühlte Das erhitzte Schwerwasser überträgt seine Wär-
Druckröhren-Siedewasserreaktoren (RBMK) und me in Dampferzeugern an den Sekundärkreislauf,
graphitmoderierte, gasgekühlte Reaktoren (AGR). in dem Wasser – H2O – verdampft und über eine
Turbine den Generator antreibt (Abb. 6.03).
6.3.1 Kernkraftwerk mit Schwerwasser-Druck-
röhren-Reaktor (CANDU) Durch die Nutzung von D2O als Moderator ist prin-
zipiell die Verwendung von Natururan, also Uran
Dieser Schwerwasser-Drückröhrenreaktor – ­häufig mit dem natürlichen Anteil von nur rund 0,7 % des
auch CANDU-Reaktor (CANada Deuterium Uranium) spaltbaren Isotops Uran-235 möglich. Allerdings
genannt – ist ein von einem kanadischen Unter­ wird heute üblicherweise auf bis zu 2 % an U-235
nehmen entwickelter Reaktortyp, der überwie- angereichertes Uran verwendet. Die Verwendung
gend in Kanada und Indien genutzt wird. Auch im von Druckröhren an Stelle eines großvolumigen
Kernkraftwerk Cernavodă in Rumänien sind zwei Druckbehälters wie bei Druckwasserreaktoren
CANDU-Reaktoren im Betrieb. führt zu eine technisch einfacheren Fertigung.

9 10 11

5 6

15

1
2
14 12
3

4 7 17

16
18 13
Fluss oder
Kühlturm

1 Moderatortank 7 Kühlmittelpumpen 13 Speisewasserpumpe


2 Druckröhren 8 Frischdampf 14 Vorwärmanlage
3 Uranbrennelemente 9 Hochdruckteil der Turbine 15 Speisewasser
4 Schwerwasser-Moderator 10 Niederdruckteil der Turbine 16 Kühlwasser Abb. 6.03
5 Steuerstäbe 11 Generator 17 Kühlwasserpumpe Kernkraftwerk mit Schwerwasser-
6 Dampferzeuger 12 Kondensator 18 Betonabschirmung Druckröhren­reaktor (CANDU)
(vereinfachte Schemazeichnung)

51
Ermöglicht wird dadurch auch ein Wechsel der Die Vorteile dieses in der ehemaligen UdSSR ent-
Brennelemente während des Reaktorbetriebs, in- wickelten Reaktortyps lagen in
dem einzelne Druckröhren abgeschaltet werden, • der einfacheren Fertigung von Druckröhren
um die Brennelemente zu wechseln. ­gegenüber großvolumigen Druckbehältern,
• der leichter möglichen Entwicklung von Reak­
6.3.2 Kernkraftwerk mit graphitmoderiertem toren größerer Leistung, da gleichartige
Druckröhren-Siedewasserreaktor (RBMK) Kompo­nenten lediglich in ihrer Anzahl ver-
mehrt zu werden brauchten,
RBMK ist die Abkürzung der russischen Bezeich- • einem Brennelementwechsel während des
nung für einen graphitmoderierten, wasserge- ­Anlagenbetriebs ohne Stillstandzeiten.
kühlten Druckröhren-Siedewasserreaktor.
Nachteilig ist die wegen des sehr großen Reaktor-
Der Reaktorkern besteht aus etwa 1.700 t Graphit­ kerns aufwendige, komplizierte und träge Steue-
ziegeln, die zu einem zylindrischen Block von 7 m rung der Kettenreaktion.
Höhe und 12 m Durchmesser aufgeschichtet sind.
Das Volumen des Reaktorkerns ist mehr als ­10-mal 6.3.3 Kernkraftwerk mit graphitmoderiertem
größer als bei einem typischen Siedewasser­ gasgekühltem Reaktor (AGR)
reaktor. Im Graphitblock befinden sich senkrechte
­Bohrungen für die 1.693 Druckröhren, die je ein Der AGR – Advanced Gas-cooled Reactor – ist
Brennelement mit zwei hintereinander angeord- ein in Großbritannien gebauter und betriebener
neten Brennstabbündeln aus jeweils 18 Brenn- graphitmoderierter, CO2-gekühlter Reaktor. Er
stäben enthalten. Jedes Brennstabbündel ist ist eine Weiterentwicklung des Reaktortyps, mit
3,65 m lang und enthält 64,8 kg Urandioxid mit dem das weltweit erste kommerzielle Kernkraft-
einem Anteil von 2,4 % U-235. Insgesamt enthält werk – Calder Hall, England – am 27. August 1956
der Reaktor rund 193 t Uran. Weitere Bohrungen Strom in das öffentliche Netz lieferte.
im Graphitblock enthalten die 191 Regel- und Ab-
schaltstäbe. Die in den Brennelementen durch Im AGR wird auf bis zu 2,7 % angereichertes Uran
Kernspaltungen erzeugte Wärme wird vom um- eingesetzt. Die Temperatur des Kühlmittels CO2
gebenden Wasser in den Druckröhren aufgenom- beträgt etwa 650 °C und die Wasserdampftempe-
men, das dadurch z. T. verdampft. Das Wasser- ratur beim Turbineneintritt 566 °C. Dadurch wird
Dampf-Gemisch gelangt aus den Druckröhren zu ein hoher Wirkungsgrad der Anlage von 41,6 % er-
Dampfabscheidern, in denen eine Trennung von reicht. Diesem Vorteil steht allerdings nachteilig
Wasser und Dampf herbeigeführt wird. Der Dampf gegenüber, dass die Ausnutzung des Uran-Brenn-
strömt zu zwei Turbinen, das Wasser wird wieder stoffs (der sogenannte Abbrand) deutlich geringer
in den Reaktor zurückgepumpt (Abb. 6.04). ist als bei Druck- und Siedewasserreaktoren.

2 4 6 7
9 10 11

8
17
5

18

21 19

1 12

20
3
13
22
14
23
16 15

Fluss oder
Kühlturm

1 Uran-Brennelemente 9 Hochdruckteil der Dampfturbine 16 Vorwärmanlage


2 Brennelement-Druckrohr 10 Niederdruckteil 17 Kondensat (Wasser)
3 Graphit-Moderator der Dampfturbine 18 Wasserrücklauf
4 Steuerstäbe 11 Generator 19 Umwälzpumpe
5 Schutzgas (N2/He) 12 Kondensator 20 Wasser-Verteiler
Abb. 6.04 6 Dampf/Wasser 13 Kühlwasserpumpe 21 Reaktor-Stahlbehälter
Kernkraftwerk mit graphitmoderiertem 7 Dampfabscheider 14 Kühlwasser 22 Betonabschirmung
Siedewasser-Druckröhrenreaktor (RBMK 8 Dampf zur Turbine 15 Speisewasserpumpe 23 Reaktorgebäude
1000) (vereinfachte Schemazeichnung)

52
5
9 10 11
1 8

3 12
15 14

17

4 7
16
13
18 Fluss oder
Kühlturm

1 Druckbehälter 7 Umwälzpumpe 12 Kondensator


2 Graphit-Moderator für Primärkühlmittel 13 Speisewasserpumpe
3 Uranbrennelemente 8 Frischdampf 14 Vorwärmanlage
4 Primärkühlmittel (CO2) 9 Hochdruckteil der Turbine 15 Speisewasser
Abb. 6.05
5 Steuerstäbe 10 Niederdruckteil der Turbine 16 Kühlwasser
6 Dampferzeuger 11 Generator 17 Kühlwasserpumpe Kernkraftwerk mit graphitmoderiertem
18 Betonabschirmung gasgekühltem Reaktor, AGR
(vereinfachte Schemazeichnung)

6.3.4 Kernkraftwerk mit Hochtemperatur­


reaktor In Deutschland wurden zwei Versuchskraft­werke
mit Hochtemperaturreaktor betrieben, um tech-
Während Leichtwasserreaktoren Kühl­mittel­tem­ nische Erfahrungen zu ­gewinnen. Die Brenn­
pe­ra­turen bis etwa 330 °C erreichen, liegt bei elemente in diesen Hochtemperatur­reak­toren
Hochtemperaturreaktoren die Kühl­mittel­tem­pe­ waren Graphitkugeln mit ­einem Durchmesser
ratur bei 750 °C und darüber. Es kann dann nicht von 6 cm. Sie enthielten als Spaltstoff etwa 1 g
nur Dampf zum Antrieb von Turbinen, sondern Uran-235 und als Brutstoff 10 g ­Thorium-232.
auch Prozesswärme, z. B. zur Kohlevergasung Durch die Spaltung von Uran-235 wird die Ketten­
oder zur Gewinnung von Wasserstoff, erzeugt reaktion aufrechterhalten. Ein Teil der bei der
werden. Spaltung freigesetzten Neutronen wird vom

5 8 7 3 5

12 13 14 15

16
1
18
19

20
6 17

Fluss oder
4 2 9 10 11 4 Kühlturm

1 Reaktorkern (Kugelhaufen) 8 Kugelzugaberohr 15 Generator


2 Neutronenreflektor (Graphit) 9 Kugelabzugrohr 16 Kondensator
3 Schild aus Eisen 10 Kühlgas (Helium) 17 Speisewasserpumpe
4 Dampferzeuger 11 Dichthaut aus Stahl 18 Vorwärmanlage
5 Kühlgasgebläse 12 Frischdampf 19 Kühlwasserpumpe Abb. 6.06
6 Spannbetonbehälter 13 Hochdruckteil der Turbine 20 Kühlwasser Kernkraftwerk mit gasgekühltem
7 Steuerstäbe 14 Niederdruckteil der Turbine ­Hochtemperaturreaktor
(vereinfachte Schemazeichnung)

53
Th-232 eingefangen. Das ­entstehende Th-233 zer- „Schnellen Reaktor“ oder auch wegen der Mög-
fällt in ­Protactinium-233, aus dem durch weiteren lichkeit des Zugewinns an Spaltstoff „Schneller
Betazerfall das ebenfalls durch langsame Neu­ Brutreaktor“.
tronen spaltbare ­U-233 entsteht (s. Abb. 4.05,
S. 37). Während des ­Betriebs erzeugte dieser Da solche Reaktoren nur mit schnellen Neu­tronen
­Reaktor also einen Teil des Spaltstoffs selbst. betrieben werden können, darf kein Moderator
Als Moderator wurde Graphit verwendet. Die im vorhanden sein. Als Kühlmittel ist deshalb Was-
­Reaktor erzeugte Wärme wurde durch bis auf ser ungeeignet, da es die Neutronen auf geringe
750 °C erhitztes Helium nach außen geführt. In Geschwindigkeiten abbremst (moderiert). Als
Dampferzeugern gab das Helium seine Wärme an Kühlmittel wird deshalb z. B. flüssiges Natrium
einen Wasser-Dampf-Kreislauf ab (Abb. 6.06). verwendet. Sein Schmelzpunkt liegt bei 98 °C,
sein Siedepunkt bei 883 °C. Im Reaktorkern wird
6.3.5 Kernkraftwerk mit Schnellem Reaktor das Kühlmittel Natrium auf etwa 550 °C erhitzt.
Da das Natrium dabei nicht siedet, ist auch der
In Siede- und Druckwasserreaktoren kann von entstehende Druck relativ niedrig. Im Primär-
den in der Natur vorhandenen Uranisotopen kreislauf liegt er bei etwa 10 bar.
nur das U-235 gespalten werden. Der Prozess
kann aber in einem speziellen Reaktortyp so Das Natrium, das durch den Reaktorkern strömt,
­gesteuert werden, dass auch das U-238 genutzt wird durch die Neutronenstrahlung radioaktiv.
wird. U-238 nimmt dabei ein Neutron auf und es Aus Sicherheitsgründen gibt das Natrium des
entsteht U-239, das sich über Neptunium-239 in Primär­kreislaufs seine Wärme in einem Wärme-
spaltbares Pu-239 umwandelt (s. Kap.4.5). Durch tauscher an das Natrium eines Sekundärkreislaufs
diesen Vorgang lässt sich mehr spaltbares Mate- ab. Das Natrium in diesem sekundären Kreislauf ist
rial erzeugen als durch Kernspaltungen für den dann nicht mehr radioaktiv. Im Dampfer­zeuger des
Reaktorbetrieb verbraucht wird. Da in einem sol- dritten, des Wasser-Dampf-Kreislaufs, wird schließ-
chen Reaktor schnelle Neu­tronen für den Prozess lich Wasserdampf von rund 500 °C erzeugt, der
genutzt werden, nennt man ­diesen Reaktortyp einer Dampfturbine zugeführt wird (Abb. 6.07).

11 14 15 16 17

8
13
3

2 18
1

4 12 22
5 10
21
6 7 23 20 19

Fluss oder
Kühlturm

1 Brennelemente (Spaltzone) 8 Schutzgasatmosphäre (Argon) 16 Niederdruckteil der Turbine


2 Brennelemente (Brutzone) 9 Reaktorkuppel 17 Generator
3 Steuerstäbe 10 Zwischenwärmetauscher 18 Kondensator
4 Primärnatriumpumpe 11 Dampferzeuger 19 Speisewasserpumpe
5 Primärnatrium 12 Sekundärnatriumpumpe 20 Vorwärmanlage
Abb. 6.07 für Primärnatriumkreislauf 13 Sekundärnatriumkreislauf 21 Kühlwasser
Kernkraftwerk mit natriumgekühlten 6 Reaktortank 14 Frischdampf 22 Kühlwasserpumpe
Schnellen Reaktor 7 Sicherheitstank 15 Hochdruckteil der Turbine 23 Reaktorgebäude
(vereinfachte Schemazeichnung)

54
Sicherheitseinrichtungen 7
bei Kernkraftwerken
7.1 Strahlenquellen in einem Kernkraftwerk

Die von einem Kernreaktor ausgehende Strah- etwa 1.000 verschiedene Spalt-Radionuklide,
lung hat verschiedene Ursachen: die sich auf 53 verschiedene Elemente ver­teilen
(vom Mangan mit der Kernladungszahl 25
• Bei der Spaltung der Kerne des U-235 mit Hilfe bis zum Thulium mit der Kernladungszahl 69
langsamer Neutronen tritt eine Neutronen- sowie die bei einer Spaltung in drei Bruch­
und Gammastrahlung auf. Beispiel: stücke entstehenden Elemente vom Wasser-
stoff bis zum Neon).
235
92 U + 10 n 236
92 U 131
53 I +102 1
39 Y + 3 0 n + γ
Viele Spaltprodukte wandeln sich unter Aus­
senden von Betastrahlen in stabile Kerne um.
Beide Strahlenarten haben ein hohes Durch- Dabei werden zum Teil Zerfallsreihen durch-
dringungsvermögen. Sie müssen deshalb laufen (Abb. 7.01 und Abb. 7.02). Es ist aber
durch eine Reihe von Barrieren abgeschirmt auch Neutronenemission möglich. Radio­
Abb. 7.01 (links) werden. aktive Isotope eines bestimmten Elements
Radioaktiver Zerfall des Sn-131 (z. B. radioaktives Iod) können direkt bei der
• Die bei der Kernspaltung entstehenden Spalt- Kernspaltung oder beim nachträglichen Zerfall
Abb. 7.02 produkte sind aufgrund ihres Neutronenüber- eines Spaltproduktes entstehen.
Radioaktiver Zerfall des I-137 schusses meist radioaktiv. Man kennt heute
• Eine weitere Quelle bilden die Aktivierungs-
produkte. Zunächst inaktive Nuklide können
sich durch Aufnahme eines freien Neutrons in
Radionuklide umwandeln. Hier zwei Beispiele:
131 137
50 Sn 53 I
58
26 Fe + 10 n 59
26 Fe (Aktivierung)
HWZ HWZ
56 s 0 24,2 s 0
-1 e -1 e
59 59
26 Fe 27 Co + -10 e + γ (radioaktiver
T1/2 = 44,5 d
Zerfall)

131 137
51 Sb 54 Xe
59
27 Co+ 10 n 60
27 Co (Aktivierung)
HWZ HWZ
23 min 0 3,83 min 0
-1 e -1 e
60 60
27 Co 28 Ni + -10 e + γ (radioaktiver
T1/2 = 5,272 a
Zerfall)

131 137
52 Te 55 Cs
Materialien im Bereich der Neutronen­
HWZ HWZ strahlung, wie z. B. das Kühlmittel Wasser,
25 min 0
-1 e
30,17 a 0
-1 e
der Beton, Stahl und seine Legierungsbestand­
teile, Korrosionsprodukte oder die Luft können
auf diese Weise radioaktiv werden und dann
über eine mehr oder weniger lange Zeit Strah-
131 137m
lung aussenden.
53 I 56 Ba

HWZ HWZ • Neben den Spalt- und Aktivierungs­produkten


8,02 d 0
-1 e
2,55 min entstehen durch Neutroneneinfang im
U-238 das Plutonium-Isotop Pu-239 und in
­geringerem Umfang weitere Plutonium- und
γ
Trans­plutonium-Isotope (siehe Kap. 4.5).
131m 137
­Pu-239 ist auch durch langsame Neutronen
56 Ba
(stabil)
54 Xe spaltbar und trägt insofern zu den Kern­
HWZ
spaltungsprozessen im Reaktor bei.
11,9 d
• Einen gegenüber diesen Strahlenquellen nur
sehr geringen Beitrag liefert die Aktivität der
γ Ba: Barium Cs: Cäsium I: Jod als Kernbrennstoff verwendeten Uranisotope
Sb: Antimon Sn: Zinn Te: Tellur U-235 und U-238. Insofern liegt auch vor der
131
54 Xe
(stabil) Xe: Xenon
Inbetriebnahme eines Reaktors bereits eine
Strahlenquelle vor.

56
Grundlegendes Sicherheitskonzept 7.2

Bei Kernspaltungen und beim Zerfall von Radio- in der Umgebung des Kernkraftwerks keine
nukliden werden ionisierende Strahlen ausge- Schäden verursacht.
sandt. Sie stellen für Lebe­wesen eine Gefahr dar.
In Kernkraftwerken ­werden ­deshalb die Strah- Die Spaltprodukte sind radioaktiv und erzeu-
len abgeschirmt und die strahlen­aussendenden gen auch nach dem Abschalten des Reaktors
Radio­nuklide sicher ein­geschlossen. Diese grund- große Wärmemengen. Diese so genannte
legenden Anforderungen müssen sowohl bei Nachwärme beträgt unmittelbar nach dem
­normalem Reaktor­betrieb als auch im Störfall Abschalten 6,5 % der Ausgangsleistung und
erfüllt sein: nimmt nach einem Tag auf 0,8 % ab. Bei einem
Kraftwerk mit einer thermischen Leistung von
• Ein störungsfreier Normalbetrieb erfordert 3.000 MW wären das 24 MW. Bei fehlender
die Verwendung qualitativ hochwertiger Kom- Wärme­abfuhr würde die Temperatur bis weit
ponenten und Anlagenteile (­optimale Werk- über das Schmelzen der Brennstäbe hinaus
stoffe, gewissenhafte ­Fertigung und deren ansteigen. Radioaktive Spaltprodukte könnten
Prüfung – Beispiel s. Abb. 7.03, umfassende dann freigesetzt werden. Es muss also in jeder
Kontrollen und Wieder­holungs­prüfungen wäh- Situation sichergestellt sein, dass die Nach-
rend der gesamten Lebens­dauer der Anlage), wärme abgeführt wird.
die Einplanung hoher Sicherheitsreserven,
eine schonende Betriebsweise und den Einsatz Die künstlich erzeugten Radionuklide (Spalt-
fachkundigen Betriebspersonals. produkte, Aktivierungsprodukte, Actinoide)
werden durch mehrere, gestaffelt hinter­
einander angeordnete Schutzbarrieren einge-
Schweißnaht Film schlossen. Die Radionuklide dürfen niemals
unkontrolliert und in unzulässigen Mengen in
Strahlenquelle
die Biosphäre gelangen. Die Barrierenfunktion
muss unter allen Störfallbedingungen auf-
recht erhalten werden. Der Einschluss der in
den Brennstäben vorhandenen Spaltprodukte
ist oberstes Ziel der Reaktorsicherheitstechnik.

• Das umfassende Reaktorsicherheitssystem


(Abb. 7.04) macht einen Unfall, bei dem
radio­aktive Stoffe unkontrolliert in größeren
­Mengen austreten, sehr unwahrscheinlich. Abb. 7.03
fehlerfrei fehlerhaft Er ist aber nicht grundsätzlich auszuschließen, Prüfung einer Schweißnaht
denn bei Kernkraftwerken kann man – wie bei mit Hilfe von Gammastrahlen
allen anderen technischen Systemen auch –
• Um Betriebsstörungen (z. B. geringer Druck- niemals eine 100%ige Sicherheit erreichen.
anstieg in den Kühlmittelleitungen über
den Regelbereich hinaus) feststellen und be- Für solche theoretisch nicht auszu­schließen­
herrschen zu können, sind Störungs­melder den, aber höchst unwahrscheinlichen Ereig­
und ­Begrenzungseinrichtungen vorhan- nisse werden für das einzelne Kernkraftwerk
den. ­Werden bestimmte Grenzwerte über- zusätzliche Notfallschutzmaßnahmen geplant.
schritten, wird automatisch eine Korrektur Ihr Ziel ist es, Kernschäden zu ­verhindern und
­vorgenommen, damit es nicht zu einem Stör- die Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Um-
fall kommt. Leichtwasserreaktoren besitzen gebung soweit wie ­möglich zu begrenzen.
zusätzlich ein selbstabilisierendes Betriebs­ Risikountersuchungen haben ­gezeigt, dass
verhalten. in deutschen Leichtwasser­reaktoren einige
Stunden bis einige ­Tage vergehen würden,
• Auslegungsstörfälle (z. B. Bruch einer Haupt- bis aus einem Auslegungsstörfall bei ange-
kühlmittelleitung) sind zwar aufgrund der nommenem Versagen von Schutz- und Sicher­
vielen sicherheitstechnischen Vorkehrungen heitseinrichtungen ein Unfall mit der Gefahr
unwahrscheinlich, können im Prinzip aber einer Aktivitätsfrei­setzung wird. Diese Zeit
dennoch eintreten. Sie müssen dann sicher reicht aber aus, um die anlageninternen Not-
beherrscht werden. Bei einem Auslegungs- fallschutzmaßnahmen einzuleiten. Das sind
störfall garantiert das Reaktorschutzsystem im Wesentlichen die Wiederherstellung der
ein Abschalten des Reaktors, die Abfuhr der Kernkühlung, die Bereitstellung weiterer Was-
Nachwärme und den sicheren Einschluss des serreserven zur Kühlung und die gefilterte
radioaktiven Inventars. Die Schäden in der ­Druckentlastung des Sicherheitsbehälters.
Reaktor­anlage werden dadurch begrenzt und

57
Qualitätssicherung
Bei der Auswahl der Werkstoffe
und ihrer Verarbeitung werden
eine Vielzahl von Kontrollen
vor­genommen. Während des
Reaktorbetriebes sind laufende Diversität
Redundanz Kontrollen vorgeschrieben. [diversitas (lat.) = Verschiedenheit]
[redundantia (lat.) = Überfülle] Da auch mehrfach vorhandene gleich­
Wichtige Sicherheitssysteme werden artige Sicherheitssysteme aus der
mehrfach (redundant) angeordnet. gleichen Ursache (z. B. Konstruktions­
Es sind mindestens zwei Systeme fehler) versagen können, werden für
mehr vorhanden (n + 2), als für den gleichen Zweck technisch unter-
die eigentliche Funktion benötigt schiedliche Einrichtungen vorgesehen.
werden.
Fail-Safe
Entmaschung [fail (engl.) = versagen,
Damit ein ausfallendes Sicher­­ safe (engl.) = sicher, gefahrlos]
heitssystem das Nachbarsystem Sicherheit Soweit eine technische Reali-
nicht beeinträchtigt, besitzen sierung möglich ist, wird die
sie keine gemeinsamen Kompo- Reaktoranlage bei Ausfällen
nenten. Außerdem werden sie automatisch in einen sicheren
räumlich getrennt und ­baulich Zustand überführt („fehlerver-
besonders geschützt angeordnet. zeihendes“ Sicherheitssystem).

Automatische Leittechnik Konservative Auslegung


Bei einer auftretenden Störung arbeitet das An vielen Stellen der gesamten Reaktor­
Reaktorsicherheitssystem selbständig und anlage sind so genannte Auslegungsreserven
lässt sich durch eine möglicherweise falsches vorgesehen.
Abb. 7.04
Verhalten des Betriebspersonals nicht stören.
Technische Grundsätze zur Erhöhung Das Sicherheitssystem kontrolliert sich selbst.
der Sicherheit eines Kernkraftwerks

Um die Sicherheit von Kernkraftwerken weiter zu technischen Zugriff des Menschen entziehen.
verbessern, wird eine umfassende Sicherheits- So kann man z. B. gegen den Einschlag ­eines
forschung betrieben. Man versucht, einzelne ­großen ­Meteoriten keine Sicherheitsein­
Komponenten zu verbessern, vorhandene Sicher- richtungen ­schaffen. Für solche Fälle muss
heitsreserven zu bestimmen, einzelne Schutz- ­ermittelt werden, ob die Eintrittswahrschein­
und Sicherheitssysteme in ihrem Zusammenspiel lichkeit so groß und die Auswirkungen so
unter immer neuen Bedingungen zu beurteilen ­katastrophal sind, dass ein ­Risiko nicht mehr
sowie den Ablauf möglicher bzw. hypo­thetischer ­akzeptiert werden kann.
Störfälle zu analysieren. Die dabei ­gewonnenen
Erkenntnisse können zur Ver­besserung der In den folgenden Abschnitten werden beispiel-
­bestehenden Sicherheitssysteme beitragen.­ haft einige besonders wichtige Sicherheitsein-
Neben den technisch denkbaren Störfällen sind richtungen vorgestellt.
auch solche Fälle vorstellbar, die sich einem

7.3 Sicherheitsbarrieren gegen das Austreten radioaktiver Stoffe

Kernkraftwerke besitzen eine Reihe von ­Barrieren,


die zwei Funktionen erfüllen: Sie schirmen die
Direkt­strahlung ab und sie verhindern wirksam
Abb. 7.05 das Austreten radioaktiver Stoffe (Abb. 7.05).
Sicherheitsbarrieren gegen das Austreten
radioaktiver Stoffe Alpha- und Betastrahlen werden durch das Kühl-
1 Brennstoff-Kristallgitter 1 wasser vollständig abgeschirmt. Das Reaktor­
2 Brennstabhülle 2 druckgefäß verringert die Intensität der Gamma-
3
strahlung auf den 100.000sten Teil der Strahlung
3 Reaktordruckbehälter
4 5
im Reaktor­kern. Eine fast vollständige Abschir-
4 Biologischer Schild
mung der verbleibenden Gammastrahlung und
5 Sicherheitsbehälter U
St der Neutronen­strahlung geschieht durch einen
mit Dichthaut
2 m dicken Schild aus Stahlbeton, der das Reak-
6 Reaktorgebäude 6 tordruckgefäß umgibt. Sicherheitsbehälter und
St Steuerstäbe Reaktor­gebäude bilden weitere Barrieren, so dass
U Umwälzpumpen außerhalb des Reaktors kaum direkte Strahlung

58
aus dem ­Reaktor auftritt. Das Reaktorgebäude In Abb. 7.06 ist der Aufbau zylinderförmiger
übernimmt gleichzeitig den Schutz des Reaktors Brennstäbe im Längsschnitt wiedergegeben. Die
gegen ­äußere Einwirkungen (z. B. Erdbeben, Flug- Stäbe haben z. B. bei einem der heute üblichen
zeugabsturz, Druckwellen). Siedewasserreaktoren eine Länge von 4,17 m
und einen äußeren Durchmesser von ca. 11 mm.
Einige der Barrieren zur Strahlenabschirmung Die Umhüllung besteht aus Zirkaloy (Zirkonium-
sind gleichzeitig Sicherheitsbarrieren gegen das Legierung) mit einer Wandstärke von 0,65 mm.
Austreten radioaktiver Stoffe. Sie sind bei Siede- Das Material der Brennstäbe soll den Kernbrenn-
wasser- und bei Druckwasserreaktoren vorhan- stoff von dem Kühlmittel des Primärkreislaufes
den. Im Einzelnen sind dies: trennen und außerdem verhindern, dass die bei
der Kernspaltung entstehenden Spaltprodukte in
• das Kristallgitter des Brennstoffs selbst, das Kühlmittel gelangen. Weitere Anforde­rungen
sind mechanische Festigkeit, Korrosions- und
• die Brennstabhülle, Hitze­beständigkeit sowie eine geringe Neigung
zur Neutronenabsorption.
• das Reaktordruckgefäß mit dem angeschlos­
senen Rohrsystem des Primärkühlkreises, Die aus Urandioxid (UO2) gepressten, ­gesinterten
(durch Erhitzen zusammengebackenen) und
• der Sicherheitsbehälter mit Dichthaut, ­geschliffenen Pellets werden in das mit End­
kappen verschlossene Rohr eingebracht. Eine
• Rückhalteeinrichtungen für flüssige und Druckfeder drückt von oben auf die Pellets und
­gasförmige radioaktive Stoffe. hält sie in einer Säule fest zusammen. Dadurch
wird gleichzeitig oberhalb des Kernbrennstoffs ein
Im Folgenden werden die Barrieren, die das Raum für die bei der Kernspaltung entstehenden
­sichere Einschließen der radioaktiven Stoffe Edelgase und die leicht flüchtigen Spaltprodukte
­garantieren, näher beschrieben. geschaffen. Der Spaltgasraum verhindert somit
ein unzulässiges Anwachsen des Gasdruckes im
7.3.1 Brennstab Brennstoff bei der sehr starken Erwärmung.

Für die Kernspaltung in Leichtwasserreaktoren Eine größere Anzahl von Brennstäben wird zu
wird heute fast ausschließlich Uran-235 ver­ ­einem Brennelement mit Hilfe von Abstand­
wendet. Es ist in dem in der Natur vorkommen- haltern zusammengefasst (Abb. 7.07). Das als
den Uran mit einem Anteil von etwa 0,7 % ent- Kühlmittel und Moderator dienende Wasser
halten. Dieser Anteil wird in dem so genannten strömt von unten an den durch die Kernspaltung
Kernbrennstoff auf 3 bis 5 % angereichert. erhitzten Brenn­stäben vorbei und führt somit die
Wärme ab.

7.3.2 Reaktordruckgefäß
Stabhalteplatte
Das Reaktordruckgefäß mit dem angeschlos-
senen Rohrsystem für das Kühlmittel bildet
die dritte Barriere. Das Reaktordruckgefäß des
Druckfeder
Druckwasser­reaktors des Kernkraftwerks Neckar 2
Spaltgasraum
ist ein zylindrischer Stahlbehälter mit einer Höhe
von 12 m und einem Innendurchmesser von 5 m.
Seine Wandstärke beträgt 25 cm und sein Leer­
Isoliertablette
Al2O3
gewicht rund 520 t. Die Abb. 7.08 zeigt das etwas
kleinere Reaktordruckgefäß des Kernkraftwerks
4,17 m

UO2 Biblis A.
Tablette

Abstandhalter
Typbedingt ist das Reaktordruckgefäß eines
­Siede­wasserreaktors größer als das eines Druck-
Kühlmittel wasserreaktors. Beim Kernkraftwerk Gund­
H2O remmingen Block C beträgt die lichte Höhe des
Reaktordruck­gefäßes 22,35 m, der Innendurch-
Isoliertablette
Al2O3 messer 6,62 m, die Wand­stärke 17,1 cm und das
gasdichte
Leergewicht 785 t. Das Druckgefäß steht in einer
Zirkaloyhülle Betonkammer (mit besonderer Kühlung), die die
Stützhülse
Funktion einer Strahlenabschirmung hat (biolo­
gischer Schild).
Endkappe Abb. 7.06
Bei der Vielzahl der Brennstäbe, die in einem Längsschnitt durch einen Brennstab
ca. 11 mm
Kernreaktor enthalten sind, können ­vereinzelte (Prinzipdarstellung)

59
Abb. 7.07 Undichtigkeiten nicht ausgeschlossen ­werden. 7.3.3 Sicherheitsbehälter
Fertigung eines Brennelementes Ein geringer Anteil der im Brennstoff ent­
für einen Siedewasserreaktor standenen radioaktiven Substanzen kann so in Der Sicherheitsbehälter mit den ­dazugehörigen
das Kühlmittel gelangen. Außerdem befinden Einrichtungen, wie z. B. schnellschließende
sich im Wasser z. T. durch Neutronen aktivierte ­Arma­turen in den aus dem Sicherheitsbehälter
Korrosions­produkte. Ein Austreten dieser radio- herausführenden Rohrleitungen, stellt die vierte
aktiven Stoffe wird durch das Reaktordruckgefäß Sicherheitsbarriere in einem Kernkraftwerk dar.
und die Wandungen des Kühlmittelkreises ver- Sie umschließt das Reaktordruckgefäß und den
hindert. Darüber hinaus wird dem Reaktorkühl- unmittelbar daran anschließenden Teil des Kühl-
kreislauf fortlaufend Wasser entnommen, von mittelkreislaufes.
Korrosions- und Spaltprodukten befreit und dann
gereinigt dem Kreislauf wieder zugeführt. Bei Siedewasserreaktoren wird ein Sicherheits-
behälter mit Druckabbausystem verwendet.
Die einzelnen Teile des Kühlmittelkreises sind im ­Dadurch wird erreicht, dass der Behälter für
Allgemeinen durch Schweißnähte miteinander ­einen niedrigeren Druck, als er sich beim ­völligen
verbunden. Ihre Dichtigkeit wird durch ­besondere Ausdampfen des Kühlmittels ergeben würde,
Prüfverfahren (Ultraschall, Röntgenstrahlen) ausgelegt bzw. kleiner ausgeführt werden kann.
in regelmäßigen Zeitabständen nachgewiesen. Dies wird dadurch ermöglicht, dass der z. B. aus
Sind an einzelnen Stellen des Kühlmittelkreis- einem Leck möglicherweise austretende Dampf
laufes Durchführungen nach außen erforderlich, über Rohrleitungen in Wasserbecken geleitet
z. B. für Pumpen, Ventile, Absperrschieber oder wird und dort kondensiert. Neben dem Sicher-
Turbinen­wellen, so werden geeignete technische heitsbehälter mit Druckabbausystem gibt es den
Maßnahmen vorgesehen, damit das Kühlmittel Volldrucksicherheitsbehälter. Er hält dem Druck
nicht austreten kann. Hierzu gehört beispiels­ stand, der beim völligen Ausdampfen des Kühl-
weise die Verwendung spezieller Stopfbuchsen. mittels entsteht.

Der Sicherheitsbehälter des Kernkraftwerks


­Brokdorf hat die Form einer Kugel mit einem
Innendurchmesser von 56 m. Da Behälter von
solcher Größe nicht absolut gasdicht hergestellt
werden können, befindet sich meist in einigen
Zentimeter Abstand von der Außenwand des
Sicherheits­behälters noch eine Dichthaut aus
Stahl von etwa 4 mm Wandstärke.

Der Zwischenraum wird durch Absaugung ­ständig


auf Unterdruck gehalten. Dadurch wird eine
­unkontrollierte Abgabe radioaktiver Stoffe ver­
hindert. Damit bei einem Unfall die Innenwand
des Sicherheitsbehälters durch das Platzen druck-
Abb. 7.08 führender Anlagenteile nicht beschädigt werden
Reaktordruckgefäß kann, sind diese Komponenten innerhalb des
eines Druckwasserreaktors ­Behälters noch besonders gesichert.

60
7.3.4 Rückhalteeinrichtungen für flüssige und
gasförmige radioaktive Stoffe Aktivkohle
(Beispiel für einen Siedewasserreaktor)

Beim Normalbetrieb eines Kernkraftwerks fallen


gasförmige, flüssige und feste radioaktive Stoffe
an. Für die Beseitigung dieser Materialien sind
eine Reihe von Maßnahmen und Verfahren ent-
wickelt worden, von denen hier zunächst nur die
Rückhalteeinrichtungen beschrieben ­werden,
die vor der zulässigen Abgabe ­bestimmter gas­
förmiger, leichtflüchtiger und flüssiger radio­
aktiver Stoffe an die Umgebung eingesetzt
­werden.
Aktivkohleteilchen
Unter den bei der Kernspaltung entstehenden vergrößert
rund 1.000 verschiedenen Spaltprodukten befin- Abb. 7.10
den sich auch Edelgase. Weitere radioaktive Gase Aktivkohlefilter
entstehen durch Neutronenbestrahlung der Luft
im Raum zwischen dem Reaktordruckgefäß und Die radioaktiven Gase und leichtflüchtigen
dem biologischen Schild. Leicht flüchtig sind ­Substanzen aus dem Primärkühlkreis können
außerdem Iod, Rubidium und Cäsium. Ihr Anteil durch Undichtigkeiten der Rohrleitungssysteme
an der Gesamt­aktivität der Abluft ist zwar relativ in die Gebäude des Kernkraftwerks gelangen.
gering, doch können diese Substanzen im Gegen- Die Raumluft kann deshalb ebenfalls radio­aktive
satz zu den Edelgasen chemische Verbindungen Substanzen in Form von Gasen und Aerosolen
ein­gehen und sich deshalb im menschlichen Kör- enthalten. Auch sie wird nach weitgehendem
per einlagern. Abbau ihrer Aktivität kontrolliert über den Kamin
­abgeführt.
Bei einem Siedewasserreaktor strömen die
im Reaktor­wasser gelösten Gase und leicht­ Für das in Kernkraftwerken anfallende Abwasser
flüchtigen Substanzen mit dem Dampf über die gibt es Sammel- und Aufbereitungsanlagen. Zur
Turbine in die Kondensatoren. Von dort führt Beseitigung zu hoher Konzentrationen radio­
man sie einer Abgasaufbereitungsanlage zu. Dort aktiver Substanzen werden physikalische und
werden die Gase über eine Verzögerungsleitung chemische Reinigungsverfahren angewandt, z. B.
(Sandfilter), eine Aktivkohle-Verzögerungsanlage Filtern, Eindampfen, Fällen, Einsatz von Ionen-
und einen Absolutfilter (Abb. 7.09) geleitet, ehe austauschern. Nach Anwendung dieser ­Verfahren
sie zusammen mit der Gebäudeluft über den wird das aufbereitete Wasser zum ­größten Teil in
­Kamin abgegeben werden. den Primärkühlkreis zurückgepumpt, ­während
das überschüssige gereinigte Abwasser von Zeit
ungefilterte Luft gefilterte Luft zu Zeit und nach vorheriger mehrfacher Unter­
suchung zusammen mit dem Kondensator­
kühlwasser in den Vorfluter (Fluss) geleitet wird.

7.3.5 Kontrollierte Abgabe radioaktiver Stoffe

Bei der Freisetzung von Radionukliden mit ­Abluft


und Abwasser unterscheidet man zwischen
­Genehmigungswerten und Abgabewerten. Die
Genehmigungs­werte legt die Aufsichts­behörde
fest. Sie dürfen auch unter ­ungünstigen Ver­ Abb. 7.09
Teilchen z.B. Glasfasermatten-Filter
hält­nissen nicht überschritten werden. Die Feinstfilter
G­enehmigungs­werte garantieren, dass die
Die Aktivkohle-Verzögerungsanlage besteht aus ­Bevölkerung keiner unzulässigen Strahlen­
mehreren hintereinander geschalteten, tief­ exposition ausgesetzt ist. Der Genehmigungs-
gekühlten Aktivkohlefiltern. Die Gase werden wert wird aufgrund von Betriebs­erfahrungen bei
­zunächst in der ersten Filterschicht adsorbiert. anderen Kernkraft­werken und von Berechnungen
Im Laufe der Zeit bewegen sie sich durch Aus- festgelegt.
tausch langsam durch die Kohlefilterstrecke
(Abb. 7.10). Der überwiegende Teil der radio­ Welche Mengen radioaktiver Stoffe letztlich
aktiven Substanzen zerfällt innerhalb der an die Umgebung abgegeben werden, ist vom
Verzögerungs­strecken, z. B. Xenon-133 bei einer ­Reaktortyp, der Reaktorleistung und der Betriebs­
Ver­zögerungszeit von 40 bis 60 Tagen auf 0,1 % weise abhängig. Die tatsächlichen Abgabe­werte,
der ursprüng­lichen Aktivität. die während des Betriebs ­ermittelt ­werden,

61
e­ rgeben meist nur wenige Prozent der Geneh- Tritium entsteht dabei über folgende Reaktionen:
migungswerte (Tab. 7.01). Die Pfade Abluft und
10
­Ab­wasser sind separat ausgewiesen.
5 B (n, 2α) 31 H (mit schnellen Neutronen)

Die gasförmigen und leichtflüchtigen Radio­


nuklide gelangen kontrolliert über den Abluft­ 10 7
5 B (n, α) 3 Li (mit thermischen Neutronen)
kamin ins Freie. Welche Radionuklid­konzentration
7
am Boden auftritt, hängt von mehreren Faktoren
ab: freigesetzte Menge, Höhe des Abluftkamins, 3 Li (n, α +n) 31 H
Entfernung zum Kraftwerk, Wetterbedingungen
und Art der Ablagerung (trockene oder nasse Die Radionuklidkonzentration, die im Fluss­
­Ablagerung). wasser auftritt, ist von der abgegebenen Radio­
nuklidmenge, der Wasserführung des Flusses, der
Das Konzentrationsmaximum der Ablagerung auf Fließgeschwindigkeit sowie von Sedimentations­
dem Boden liegt etwa 1 bis 2 km in Hauptwind- vorgängen abhängig.
richtung vom Kernkraftwerk entfernt. Dort ist
auch die Strahlenexposition am größten. Sie darf Radionuklid­ Genehmigungs- Abgabewert
jedoch die Maximalwerte, die die Strahlenschutz- gruppe wert in Bq/a in Prozent des
verordnung festlegt, nicht überschreiten. Genehmigungs-
wertes
Abwässer werden in großen Behältern ­gesammelt Abluft:
und die Gesamtaktivität sowie die Aktivität
­einzelner Radionuklide bestimmt. Wenn die Edelgase 1 · 1015 0,097
Messwerte festgelegte Werte nicht überschrei- Radioaktive unterhalb
ten, wird der Abfluss freigegeben. Bei Überschrei- Aerosole 1 · 1010 der Erkennungs-
ten der ­zulässigen Werte schließt sich der Abfluss (ohne I-131) grenze
automatisch. Beim Druckwasserreaktor wird die
­Tritiumabgabe mit dem Abwasser insbesondere Iod-131 6 · 109 0,102
durch Borsäure ver­ursacht, die dem Kühlmittel
des Reaktors zur Langzeitregelung zugesetzt ist. Abwasser:

Tritium 3,5 · 1013 40


Tab. 7.01
Sonstige
Genehmigungs- und Abgabewerte, 5,55 · 1010 0,005
­Radionuklide
Druckwasserreaktor Brokdorf, 2011

7.4 Druckdifferenz als Sicherheitsbarriere

Bei der großen Anzahl von Brennstäben treten zonen eingerichtet (Abb. 7.11). Da Luft immer
vereinzelt Undichtigkeiten auf. Man geht ­heute von der Stelle mit höherem Druck zur Stelle mit
davon aus, dass jeder 100.000ste Brennstab ­niedrigerem Druck strömt, kann erreicht ­werden,
­feinste Haarrisse oder Poren aufweist, durch die dass bei normalem Betrieb Luft immer nur von
vor allem gasförmige und leicht flüchtige Radio- weniger aktiven zu stärker aktiven Räumen
nuklide in das umgebende Wasser gelangen. Das strömt (also von außen nach innen).
Kühlmittel und die in ihm vorhandenen Stoffe
werden durch die Neutronenstrahlung z. T. akti- Der Luftdruck im Reaktorgebäude ist etwa 1 hPa
viert und dadurch radioaktiv. Auf diese Weise ent- (1 mbar) geringer als außerhalb des Gebäudes.
stehen z. B. Fe-59 und Co-60. In dem häufig vorhandenen Ringspalt zwischen
Sicherheitsbehälter und Dichthaut herrscht
Durch kleinste Undichtigkeiten an verschiedenen ein um 10 hPa (10 mbar) geringerer Druck. Im
Stellen des Kühlmittelkreises (z. B. bei ­Dichtungen Sicher­heitsbehälter selbst schwankt der Druck
von Pumpen, Ventilen oder von ­Durchführungen in Abhängig­keit von verschiedenen Betriebs­
der Turbinenwelle) treten geringe Mengen bedingungen.
radioa­ktiver Stoffe aus und befinden sich dann im
­Reaktorgebäude. Radioaktive Stoffe, die sich im Reaktorgebäude
befinden, gelangen mit der Luft in die Unter-
7.4.1 Unterdruckzonen druckzonen bzw. die Absaugvorrichtungen. Dort
können sie kontrolliert weiterbehandelt werden.
Damit die Spalt- und Aktivierungsprodukte das Bei Störungen in der Reaktoranlage wird die Luft
­Reaktorgebäude auf keinen Fall unkontrolliert aus den Unterdruckzonen in den Sicherheits­
verlassen, werden verschiedene Unterdruck­ behälter zurückgepumpt.

62
Ein Medium kann nur von der Stelle
mit höherem Druck zur Stelle
mit niedrigerem Druck strömen.
Atmosphärischer Luftdruck
(z.B. 1.013 hPa)

Luftdruck um Ringspalt Im Ringspalt


ca. 1 hPa Luftdruck um
geringer ca. 10 hPa
geringer

Abb. 7.11 (links)


Unterdruck im Reaktorgebäude
und Ringspalt
Sicherheits- Dichthaut
behälter Abb. 7.12
Personenschleuse
in einem Kernkraftwerk

Reaktorgebäude Flüssigkeit) in die einzelnen Kammern oder durch


Absaugen der Kammern. Beide Verfahren lassen
sich auch, wie die Abbildung zeigt, mit­einander
7.4.2 Personenschleuse kombinieren. Der Druck des Sperr­mediums ist
­dabei höher als der Druck des Dampfes in der
Für das Begehen des Sicherheitsbehälters und das Turbine. Ein Ent­weichen des Kühlmittels wird
Ein- und Ausbringen von Betriebsmaterial sind ­dadurch verhindert. Auch das Sperrmedium
besondere Personen- und Materialschleusen vor- kann nicht austreten, da weiter außerhalb eine
gesehen (Abb. 7.12). Die Schleusen ­garantieren, ­weitere Kammer liegt, die fortlaufend abgesaugt
dass beim Betrieb des Reaktors keine direkten wird (Unterdruck).
Verbindungen zwischen dem Innenraum des
Sicher­heitsbehälters und den äußeren Räumen
der Anlage bestehen. Die Tore der Schleusen Absaugung Gehäuse
sind dicht abschließend und halten den bei ­einer Sperrmedium Sperrmedium
­möglichen Störung auftretenden maximalen
Druckbelastungen stand. Die Schleusen stellen
darüber hinaus sicher, dass die Unterdruckzonen
auch beim Begehen des Sicherheitsbehälters auf-
recht erhalten bleiben. Beim Betrieb der Schleuse
findet zunächst ein Druckausgleich zwischen dem
Inneren der Schleuse und der Umgebung statt,
von der aus eine Person die Schleuse betreten
will. Dann wird eine der Türen geöffnet.

7.4.3 Wellendichtung und Sperrmedium


Abb. 7.13
Bei einem Siedewasserreaktor wird der im ­Reaktor Wellendichtung mit Sperrmedium
erzeugte Dampf, der immer auch Radionuklide ­(Gehäuse aufgeschnitten)
enthält, direkt der Turbine zugeführt. Die aus dem
Turbinengehäuse heraustretende Welle muss 7.4.4 Kondensator
deshalb an der Durchführungs­stelle ­besonders
abgedichtet sein, damit der radio­aktive Dampf Unterdruckzonen treten auch bei einem Konden­
nicht in die Maschinenhalle ent­weichen kann. sator auf, in dem über einen Wärmetauscher
Unabhängig von der jeweiligen Praxis wird hier Energie an die Umgebung abgegeben wird
folgende Konstruktion ­beschrieben (Abb. 7.13): (Abb. 7.14). Das Kühlwasser, das beispielsweise
einem Fluss entnommen wird, steht unter ­einem
Eine erste Abdichtung wird erreicht, indem der Druck > 1.000 hPa (> 1.000 mbar), während im
Raum um die Welle in seiner Längsrichtung Kondensator ein Unterdruck von nur 40 hPa
in mehrere kleine Kammern unterteilt wird, (40 mbar) herrscht. Bei einem angenommenen
in ­denen sich Spezialdichtungen befinden. Riss im Wärmetauscher kann zwar Flusswasser
Die vollständige Abdichtung geschieht durch die in den Kondensator, aber niemals radioaktiver
­Zuführung eines Sperrmediums (Dampf oder eine Dampf in das Flusswasser gelangen.

63
Frischdampf Dampf
6,67 MPa = 66,7 bar 1,03 MPa = 10,3 bar

Turbine Turbine Generator


(Hochdruckteil) (Niederdruckteil)

Kondensatordruck
40 hPa = 40 mbar
Austritt
zur Dampfstrahl-Vakuumpumpe 1.170 hPa = 1.170 mbar

Kühlwasser

Kondensator Eintritt
1.500 hPa = 1.500 mbar
zum Vorwärmer und zum Dampferzeuger
Abb. 7.14
Beispiel für typische Druckverhältnisse
in Turbine und Kondensator

7.5 Notkühlsystem

In einem Kernkraftwerk sind Störfälle und Defekte


denkbar, deren Auswirkungen sicher beherrscht a)
werden müssen. Das Kraftwerk muss sicherheits- Ventil
Rohrleitung
technisch dafür ausgelegt sein. Bei solchen Stör-
fällen spricht man von Auslegungsstörfällen.

Als ein schwerwiegender Störfall bei einem


Leichtwasserreaktor gilt der Bruch einer Haupt- b)
kühlmittelleitung innerhalb des Sicherheitsbe- Ventil
hälters. Wasser und Dampf treten dann aus der Rohrleitung
Bruchstelle aus. Der Druckabfall wird vom Reak-
torschutzsystem erkannt und führt dazu, dass die
Steuer- und Abschaltstäbe automatisch in den Re-
Abb. 7.15 aktor „geschossen“ werden, so dass die Ketten-
Redundanz in der Schließfunktion a) und reaktion zum Erliegen kommt. Durch redundante
in der Öffnungsfunktion b) Schnellschlussventile werden die aus dem Sicher-
„Schließen“ (Fall a) oder „Öffnen“ heitsbehälter herausführenden Dampfleitungen
(Fall b) der Rohrleitung ist gewährleistet, abgesperrt. Für diesen Zweck sind mehrere Venti-
wenn nur eines der Ventile funktioniert. le in Reihe angeordnet, damit beim Versagen von
einem oder zwei Ventilen das dritte Absperrventil
die jeweilige Leitung sicher schließt (Abb. 7.15). der Dampfdruck deshalb nur geringfügig an. Der
Die Auswirkungen des Störfalls bleiben so auf Behälter kann für einen niedrigeren Druck ausge-
den Sicherheitsbehälter beschränkt. Gleichzeitig legt sein, als er sich beim völligen Ausdampfen
ist der Reaktor nun aber von dem Kühlkreis über des Kühlmittels ergeben würde. In einem Siede­
Turbine und Kondensator abgetrennt. wasserreaktor ist die Kondensationskammer ring-
förmig um das Reaktordruckgefäß angelegt. Sie
Bei Druckwasserreaktoren wird ein Volldrucksi- ist teilweise mit Wasser gefüllt, in das eine Viel-
cherheitsbehälter verwendet. Er hält dem Druck zahl von Rohren hineinragt.
stand, der beim völligen Ausdampfen des Kühl-
mittels entsteht. Bei Siedewasserreaktoren ver- Die entscheidende sicherheitstechnische Maß-
wendet man dagegen einen Sicherheitsbehälter nahme besteht nun darin, die Nachzerfalls­
mit Druckabbausystem. Austretender Dampf wird wärme abzuführen, damit sich die Brennstäbe
über Rohrleitungen in Wasserbecken geleitet, nicht überhitzen und dadurch möglicherweise
wo er kondensiert. Im Sicherheitsbehälter steigt zerstört werden. Das Reaktorsicherheitssystem

64
sieht ­dafür Notkühlsysteme vor. Sie bestehen im Die Notkühlsysteme sind mehrfach ­vorhanden.
­Prinzip aus drei Komponenten: Jedes einzelne System besitzt ­mehrere paral-
lel angeordnete Pumpen bzw. Ventile. Auch die
• Es sind ausreichende Wasservorräte sowohl Stromversorgung ist mehrfach sichergestellt. Die
innerhalb als auch außerhalb des Sicherheits- Notkühlungen laufen automatisch, d. h. unab-
behälters vorhanden. Mit Hilfe von Rohr­ hängig vom Betriebs­personal, an. Zur ­weiteren
leitungen, Pumpen und Ventilen wird das Erhöhung der Sicherheit können ­zusätzliche Not-
Wasser in den Reaktordruckbehälter gepumpt. kühlsysteme auch von Hand in ­Betrieb gesetzt
werden.
• Wasser, das aus der Bruchstelle austritt und
in den so genannten Sumpf des Sicherheits­ Die Notkühlsysteme für einen Siedewasser- und
behälters gelangt, wird in das Reaktordruck­ einen Druckwasserreaktor sind in den Abb. 7.16
gefäß oder eines der Wasserreservoirs und Abb. 7.17 in stark vereinfachter Form
zurückgepumpt. Dadurch entstehen Notkühl- ­dargestellt. Anlagenteile und Komponenten sind
kreisläufe. nur einfach eingezeichnet worden, um die Über-
sichtlichkeit der Abbildungen zu erhalten.
• Die Nachzerfallswärme, die das Wasser auf-
nimmt, kann über einen Wärmetauscher an
die Umgebung abgeführt werden. Dadurch
ist eine langfristige Kühlung des Reaktors
­möglich.

1 Bruch einer Kühlmittelleitung


2 Reaktorschnellabschaltung
Kondensations- 3 Wassereinspeisung aus der
kammer Frischdampf Kondensationskammer
zur Turbine 4 Rückführung des Sumpfwassers
in die Kondensationskammer
1
oder direkt in das Reaktordruckgefäß
5 Einspeisung von Wasser aus
externen Vorratsbehältern und
langfristige Kühlung
Speisewasser
vom Kondensator
Nachkühlsystem

2 Vorrats-
3 behälter

Sumpf
Abb. 7.16
Pumpe
5 Funktion der Notkühlsysteme beim
4 Bruch einer Hauptkühlmittelleitung
Ventil in einem Siedewasserreaktor
(Notkühlsysteme stark vereinfacht
und ohne Redundanz dargestellt)

Niederdruck- Dampferzeuger
Vorratsbehälter Gas
unter Druck Pumpe
3
Frischdampf
zur Turbine
Hochdruck- Ventil
Vorrats- 2
Speisewasser
behälter vom Kondensator

4 1 Bruch einer Kühlmittelleitung


5
2 Reaktorschnellabschaltung
3 Wassereinspeisung aus den
Hochdruck-Vorratsbehältern
Nachkühlsystem
4 Wassereinspeisung aus den
Niederdruck-Vorratsbehältern Abb. 7.17
sowohl von oben als auch von unten
(in der Abbildung nur eine Funktion der Notkühlsysteme beim
seitliche Einspeisung gezeichnet) Bruch einer Hauptkühlmittelleitung
5 Einspeisung von Sumpfwasser in einem Druckwasserreaktor
und langfristige Kühlung (Notkühlsysteme stark vereinfacht
und ohne Redundanz dargestellt)

65
7.6 Unfälle

Obwohl bei den Reaktoren in Deutschland ein Bei ­Arbeiten im ­Sicherheitsbehälter beseitigt man
gleichzeitiges Versagen aller Notkühlsysteme den ­erhöhten ­Stickstoffanteil wieder, so dass der
praktisch ausgeschlossen werden kann, besteht Behälter ­gefahrlos betreten werden kann.
theoretisch dennoch die Möglichkeit für den
Eintritt eines solchen Ereignisses. Aber auch bei Durch Absaugen des Dampf-Gas-Gemisches, das
einem Unfall lässt sich eine Freisetzung größe- bei einem solchen Störfall anfiele, ließe sich der
rer Spaltproduktmengen verhindern. ­Dabei ist Druck im Sicherheitsbehälter verringern. Das
von ­entscheidender Bedeutung, dass die Bar­rie­ ­geschieht automatisch beim Überschreiten des
ren­funk­tion des Sicher­heitsbehälters erhalten Auslegungsdruckes. Der Entlastungs-Gasstrom
bleibt, d. h. der Sicher­heitsbehälter nicht durch würde dann über eine Gaswäsche und Filter
Überdruck zerstört wird. weitest­gehend von radioaktiven Stoffen gerei-
nigt. Nach der Reinigung kann der Gasstrom über
Ein Druckaufbau im Sicherheitsbehälter über den Abluftkamin kontrolliert an die Umgebung
den Auslegungsdruck hinaus (bei Siedewasser­ abgegeben werden.
reaktoren etwa 3,5 bar) wäre möglich, wenn die
Nachzerfallswärme nicht aus dem Sicherheits­ Bei gleichzeitigem Ausfall aller Notkühlsys­
behälter abgeführt werden kann oder wenn die teme käme es nicht nur zu einem Druckanstieg
Wassereinspeisung aller Notkühlsysteme ver- im Sicherheitsbehälter, sondern auch zu einem
sagt. Im letztgenannten Fall käme es nicht nur Temperaturanstieg im Reaktorkern. Nach ­kurzer
zu einem Anstieg des Dampfdruckes, sondern Zeit wäre die Schmelztemperatur der Brenn­
auch zur Entstehung von Wasserstoff aufgrund elementhüllrohre erreicht (ca. 1.900 °C). Der
einer chemischen Reaktion zwischen schmelzen- geschmolzene Reaktorkern befände sich dann
dem Hüllrohrmetall und Wasser. Der Druck wür- im unteren Teil des Reaktordruckbehälters, wo
de verstärkt, wenn es zu einer Ver­brennung des er sich bis auf 2.400 °C aufheizen könnte. Da
Wasserstoffs mit dem Sauerstoff der Atmosphäre Stahl bereits bei 1.700 °C schmilzt, würde – wenn
käme. Um den Sicherheits­behälter zu schützen, ­keines der ausgefallenen Notkühlsysteme wieder
müssen also eine Verbrennung des entstande- aktiviert werden könnte – der Boden des Reaktor­
nen Wasserstoffs verhindert und die Möglichkeit druckbehälters durchschmelzen. Anschließend
zu einer Druckentlastung geschaffen werden. In könnte es auch zum Schmelzen des Betons
Kernkraftwerken mit Siedewasser­reaktor sind ­kommen (Schmelztemperatur ca. 1.400 °C). Je
­dafür eine Stickstofffüllung und eine gefilterte mehr Beton aber geschmolzen würde, desto
Druckent­lastung vorgesehen (Abb. 7.18). niedriger läge die Temperatur der Schmelze, da
sich nun die Nachzerfallswärme auf eine ­größere
Wasserstoff kann nur verbrennen, wenn Sauer­ Masse mit größerer Oberfläche verteilte. ­Unter
stoff zugegen ist. Der Sauerstoffgehalt im der Annahme, dass die Schmelze sich selbst
­Sicherheitsbehälter wird deshalb während des überlassen wäre, würde es Monate dauern, bis
normalen Kraftwerkbetriebs von 20 % auf < 5 % das 5 m ­starke Betonfundament zerstört wäre.
verringert. Ein Verbrennungsvorgang, gleich Wahrscheinlich käme es aber zum Erstarren der
welcher Art, ist dann nicht mehr möglich. Schmelze im ­Fundament.

Reaktordruckgefäß
Zum
Abluftkamin

Frischdampfleitung

Klappe

fein Metallfaserfilter
grob

Wasser

Konden-
Gaswäscher
sations- Speisewasser-
kammer leitung
Abb. 7.18
Stickstofffüllung des Sicherheits­behälters Behälter mit Sicherheitsbehälter
und gefilterte Druckentlastung bei einem Stickstofffüllung Pumpe Ventil
Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor.

66
Versorgung und Entsorgung 8
von Kernkraftwerken
8.1 Kraftwerke als Energiewandler und Stoffwandler

Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen erzeug­ Die Verbrennung von Kohle und die Spaltung
ten 2012 etwa 60% der elektrischen Energie in des Urans führen dazu, dass in Kohle- und
Deutschland mit Kohle- und Kernkraftwerken. In ­Kernkraftwerken neue Stoffe entstehen. Diese
Kohlekraftwerken wird Kohlestaub verbrannt und Kraftwerke sind also nicht nur Energiewandler,
dabei die chemische Energie des Brennstoffs zum sondern auch Stoffwandler (Abb. 8.01 und 8.02).
Teil in elektrische Energie umgewandelt. In Kern- Wasserkraftwerke, Windkraftwerke oder Solar-
kraftwerken werden Kerne des U-235 gespalten, kraftwerke sind dagegen reine Energiewandler.
wodurch Kernenergie frei wird, die dann zu einem
Teil in elektrische Energie umgewandelt werden Zum Betrieb eines Kernkraftwerkes müssen lau-
kann. fend Uran in geeigneter Form bereitgestellt und
die durch Kernspaltungen neu entstandenen
Stoffe weiter behandelt werden. Das verlangt
umfangreiche Maßnahmen zur Versorgung und
Entsorgung von Kernkraftwerken.

elektrische elektrische
chemische Kohlekraftwerk Energie Kernkraftwerk Energie
Energie des als Kernenergie als
Brennstoffes Energiewandler Wärme- Energiewandler Wärme-
energie energie

U-238
CO2

U-235
Kohle H2O
Abb. 8.01 (links) Kohlekraftwerk U-238 Kernkraftwerk U-236
als SO2 als
Kohlekraftwerk als Energie- und Stoffwandler U-235
Luft Stoffwandler Spaltprodukte
Stoffwandler NOx
Transurane

Abb. 8.02 Asche, Schlacke


Plutonium
Kernkraftwerk als Energie- und
­Stoffwandler

8.2 Die Versorgung eines Kernkraftwerkes mit Spaltstoff

Zur Versorgung eines Kernkraftwerkes ­gehören


die Suche und der Abbau von Uranerz im Tage­bau
oder Untertagebau, die Gewinnung des Urans
aus den Erzen, die Anreicherung von U-235, die
Herstellung von Brennelementen und ihr Trans-
port zu den Kernkraftwerken.

8.2.1 Uranvorkommen

Die Erdrinde enthält in 1 t Gestein im Mittel


Abb. 8.03 etwa 3 g Uran. Damit ist das Element Uran etwa
Uranerztagebau 100 Mal häufiger in der Erdrinde anzutreffen als
Silber oder Gold. Heute werden Erze wirtschaftlich
genutzt, die mindestens zwischen 0,1 und 0,5 % Das geschieht z. B. in Südafrika und in ­Australien.
Uran enthalten. Solche Lagerstätten (Abb. 8.03) Die derzeit gesicherten Uran-Vorkommen betra-
finden sich in Kasachstan, Kanada, ­Mittel- und gen 3,7 Millionen t Uran bezogen auf die Kosten­
Südafrika, Russland, USA und China. Tritt Uran kategorie < 80 US $/kg Uran, 5,4 Milli­onen t
im Verbund mit anderen Metallen auf (z. B. Uran in der Kostenkategorie < 130 US $/kg Uran
Gold, Kupfer oder Vanadium), lassen sich auch und 6,3 Millionen t Uran in der Kostenkate­
an Uran ärmere Erze wirtschaftlich ­verwerten. gorie < 260 US $/kg Uran. Bei einem derzeitigen

68
­ eltweiten Jahresverbrauch von rund 68.000 t
w 8.2.3 Anreicherung von Uran-235
Uran ist auf der Grundlage dieser Vorkommen
eine Versorgung für über 200 Jahre gesichert. Das Produkt „Yellow Cake“ besitzt nur technische
­Neben diesem bergtechnisch gewinnbaren Natur­ Reinheit. Außerdem liegt darin das Uran in seiner
uran stehen weltweit etwa 1,8 Millionen t Uran natürlichen Isotopenzusammensetzung vor (ca.
aus Lagerbeständen des Kernbrennstoffkreislaufs 99,3 % U-238, ca. 0,7 % U-235). Um das Uran in
und der militärischen Abrüstung zur Verfügung. heute am meisten verbreiteten Kernkraftwerken
Etwa 4 Milliarden t Uran sind im Meerwasser mit Leichtwasserreaktoren einsetzen zu können,
­gelöst; die Gewinnung von Uran aus Meerwasser muss der Anteil von U-235 von 0,7 % auf 3 bis 5 %
ist aber derzeit nicht wirtschaftlich. erhöht werden, und es ist eine wesentlich höhere
Reinheit erforderlich. Verunreinigungen würden
8.2.2 Urangewinnung zu einer erhöhten Neutronenabsorption und zu
störenden Reaktionen mit dem Hüllrohrmaterial
Das im Erz vorhandene Uran wird durch phy­si­ der Brennstäbe führen.
kalische und chemische Verfahren vom übrigen
Gestein getrennt. Dazu wird das Erz gebrochen, Zur Anreicherung und weiteren Reinigung wird
fein zermahlen und mit Säure oder Lauge ­unter das „Yellow Cake“ in die gasförmige Verbindung
Anwesenheit eines Oxidationsmittels (z. B. Uranhexafluorid UF6 umgewandelt (­Konversion).
MnO2 oder Na2CIO3) ausgelaugt. Die Oxidation Dazu sind eine Reihe chemischer Reaktionen
ist ­notwendig, um das Uran von der im Erz vor­ ­erforderlich, bei denen gleichzeitig Reinigungs-
liegenden vierwertigen, schlecht löslichen Form prozesse ablaufen. Uranhexafluorid ist eine farb-
in eine sechswertige, gut lösliche Form zu über- lose, kristalline Substanz. Bei Normaldruck geht
führen. sie bei einer Temperatur von 56,5 °C von der
­festen Phase in die Gasphase über (­Sublimation).
Als Gas lässt sich UF6 durch Filter von noch ent­
UO2 +H2SO4 + ½O2 UO2 (SO4) + H2O haltenen Feststoffen und durch Ausfrieren von
(vierwertig) (sechswertig) anderen Gasen befreien. Mit einer Reinheit von
mindestens 99,5 % wird es in Stahlbehältern
ge­lagert bzw. zur Anreicherungsanlage trans-
Die chemische Verbindung UO2(SO4) trägt den portiert. Als Anreicherungsverfahren dominiert
­Namen Uranylsulfat. heute das Zentrifugenverfahren; anfangs wurde
ausschließlich das Diffusionsverfahren ange-
Durch Herauslösen mit Hilfe von Säure kann bis wandt. Ein Laserverfahren ist in der Entwicklung.
zu 90 % des Urans aus dem Erz gewonnen wer-
den. Das Uranylsulfat enthält jedoch eine Reihe 8.2.4 Herstellung von Brennelementen
von Begleitstoffen, die in weiteren Reinigungs-
prozessen entfernt werden. Durch Zugabe von In der Brennelementfabrik wird das an U-235
MnO, NaOH oder NH3 wird das Uran aus der uran- ange­reicherte UF6 in UO2 umgewandelt. Dazu
haltigen Flüssikeit abgeschieden. Beim Einsatz verwendet man ein nass-chemisches Verfahren.
von NH3 ergibt sich Ammonium­uranat, das meist Das UF6 lässt man in einem Behälter mit ­Wasser,
in Form von Ammoniumdi­uranat (NH4)2 U2O7 vor- ­Ammoniak und Kohlenstoffdioxid reagieren. Es
liegt. Es wird eingedickt, gefiltert, ­gewaschen entsteht dann Ammonium-Uranyl-Carbonat (AUC):
und getrocknet. Wegen seiner gelben Farbe hat
es den Namen „Yellow Cake“ erhalten. Das in mo- UF6 + 2 H2O UO2F2 + 4 HF
dernen Anlagen gewonnene Konzentrat besteht
zu rund 80 % aus U3O8 und ist braun/schwarz.

In zunehmendem Maße wird Uran auch durch


UO2F2 + 6 NH3 + 8 CO2 + 3 H2O
Lösungs­bergbau (englisch: in-situ leaching) (NH4)4[UO2(CO3)3]+ 2 NH4F
­gewonnen. Das Verfahren eignet sich für uran­
haltiges Gestein, das eine gewisse Durchlässig-
keit besitzt, z. B. Sandstein. Über Injektions- Das gelbe AUC fällt aus der Lösung aus und kann
bohrungen wird eine oxidierende Flüssigkeit, durch Filter abgetrennt werden. Durch Erhitzen
meist verdünnte Schwefelsäure, in den ­Erzkörper wird es in Ammoniak, Kohlenstoffdioxid, Fluor­
­eingeleitet. Das Uran wird dadurch gelöst und wasserstoff und Urantrioxid (UO3) getrennt.
kann durch Produktionsbohrungen aus dem Anschließend reduziert man es in einer Wasser-
Erzkörper abgezogen werden. Das uranhaltige stoffatmosphäre bei hohen Temperaturen zu
­Gestein muss nicht abgebaut und transportiert Urandioxid (UO2).
werden, und es entsteht kein Abraum.
Das UO2 liegt zunächst als graues Pulver vor.
Für Leichtwasserreaktoren presst man es zu
­Tabletten, die anschließend in einer Wasserstoff­
atmosphäre bei 1.700 °C gesintert und dadurch

69
weiter verdichtet werden. Da die ­UO2-Tabletten z­ wischen Kernbrennstoff und Hüllrohr mit ­Helium
(engl. UO2-Pellets) sehr maßgenau sein müssen, geflutet (1 bis 30 bar) und durch Aufschweißen
werden sie noch geschliffen. An­schließend füllt der Endkappen gasdicht verschlossen. Dadurch
man sie in Hüllrohre aus Zirkaloy. Diese werden entsteht ein Brennstab. Mehrere zu ­einem
dann zur Verbesserung des ­Wärmeübergangs ­Bündel zusammengefasste Brennstäbe bilden ein
Brennelement.

8.3 Die Entsorgung von radioaktiven Abfällen aus Kernkraftwerken

Nach dem Einsatz im Reaktor werden die ver- Die Alternative ist die Wiederaufarbeitung der
brauchten Brennelemente aus dem Reaktor ent- verbrauchten Brennelemente. Dabei werden die
nommen und müssen zunächst im Abklingbecken Brennelemente geöffnet und Uran, Plutonium,
abkühlen. Danach stehen grundsätzlich zwei Transurane sowie Spaltprodukte nass-chemisch
Entsorgungswege zur Verfügung: Die Wieder­ voneinander getrennt. Uran und Plutonium ­lassen
aufarbeitung oder die direkte Endlagerung. Bis sich erneut in Reaktoren einsetzen und einige
ein geeignetes Endlager für hochaktive Stoffe Transurane sowie Spaltprodukte in Forschung,
zur Verfügung steht, müssen die verbrauchten Technik und Medizin verwenden. Daher bezeich-
Brennelemente und die Wiederaufarbeitungs­ net man diesen Weg als „geschlossenen Brenn-
abfälle in Transport- und Lagerbehälter verpackt stoffkreislauf“. Nur die Spaltprodukte, die je nach
in Zwischenlagern aufbewahrt werden. Je nach Abbrand etwa 3 bis 5 % der ursprüng­lichen Brenn-
späterem Endlagerkonzept kann es erforderlich stoffmenge ausmachen, und die ­metallischen
sein, die Abfälle und Reststoffe vor der Abgabe Strukturteile der Brennelemente müssen als
an ein Endlager noch entsprechend zu behandeln radio­aktive Abfälle endgelagert werden.
und zu verpacken.
Die Wahl zwischen den beiden Lösungen ist vor
Beim Konzept der direkten Endlagerung wer- allem eine politische Entscheidung. Für den
den die verbrauchten Brennelemente komplett offenen Brennstoffkreislauf spricht die Vermei-
als radioaktiver Abfall betrachtet (sogenannter dung der aufwändigen Wiederaufarbeitung mit
„­offener Brennstoffkreislauf“). Nach einer aus- der Aufkonzentrierung hochaktiver Abfallstoffe.
reichend langen Zwischenlagerung von z. B. Infolge des Verzichts auf die Rezyklierung von
30 bis 40 Jahren zum weitgehenden Abklingen Uran und Plutonium steigt andererseits aber der
von Wärme­erzeugung und Aktivität werden sie Uranverbrauch. Und durch die Endlagerung der
in endlagergerechte Behälter verpackt und in ein kompletten Brennelemente nimmt das Volumen
Endlager verbracht. an hochaktivem Abfall stark zu, das Inventar an

Kernkraftwerk Zwischenlagerung

Fertigung von
Uran-Brennelementen

Konditionierung
Fertigung von Mischoxid-
(MOX-)Brennelementen

Urananreicherung

Wiederaufarbeitung

Uranabbau

Abb. 8.04
Offener und geschlossener Endlager
Brennstoffkreislauf
Quelle: AREVA GmbH

70
radioaktiven Stoffen im Endlager ist insgesamt
höher und deren Aktivität klingt langsamer ab.

Die Strom aus Kernenergie erzeugenden Staa-


ten haben sich unterschiedlich entschieden. Die
Mehr­zahl verfolgt die direkte End­lagerung, wäh-
rend beispielsweise Frankreich, Großbritannien
und Japan an der Wiederaufarbeitung fest­halten.
In Deutschland schrieb das Atomgesetz bis 1994
für kommer­zielle Reaktoren die „schadlose Ver-
wertung der Reststoffe“, also Wiederaufarbeitung
und Rezyklie­rung von Uran und Pluto­nium vor. Ab
1994 waren die Betreiber frei in ihrer Wahl. Seit
Juli 2005 dürfen Brennele­mente aus deutschen
Kernkraftwerken nicht mehr zur Wiederaufar­
beitung transportiert werden.

8.3.1 Entladen der Brennelemente aus dem Abb. 8.05


­Reaktor und Zwischenlagerung Entladen abgebrannter Brennelemente
aus einem Kernreaktor
Brennelemente werden meist über einen Zeit-
raum von drei bis fünf Jahren im Reaktor ein- • Der Spaltstoff U-235 wird z. T. durch Kern­
gesetzt. In dieser Zeit werden sie innerhalb des spaltungen, z. T. durch Umwandlung in U-236
Reaktors nach einem genau festgelegten Plan verbraucht. Die bei den Kernspaltungen ent­
mehrfach in andere Positionen gebracht, um stehenden Spaltprodukte sind radioaktiv. Dieser
einen möglichst hohen Abbrand zu erreichen. Verbrauch an Spaltstoff wird Abbrand ­genannt
Wegen der Abnahme des Spaltstoffs und der Zu- (obwohl im Reaktor keine Verbrennung statt­
nahme Neutronen absorbierender Spaltprodukte findet). Der Grad des Abbrandes wird in erzeug-
müssen die Brennelemente nach mehrjährigem ter thermischer Energie pro Masse Brennstoff
Einsatz ausgetauscht werden. Daher werden angegeben. Bei Leichtwasser­reaktoren ­werden
beim jährlichen Brennelementwechsel solche mittlere Abbrandwerte von 45 MWd/kg Uran
Brennelemente entnommen, in einem Wasser- erreicht (1 MWd = 24.000 kWh).
becken außerhalb des Reaktors zwischen­gelagert
und dafür dann neue Brennelemente in den • Durch Neutroneneinfang entsteht aus U-238
­Reaktor eingesetzt (Abb. 8.05). das Plutoniumisotop Pu-239 (sowie in gerin-
gem Umfang weitere Plutonium- und Trans­
Nach dem Einsatz der Brennelemente in einem plutoniumisotope). Pu-239 wird durch lang­
Reaktor hat sich die Zusammensetzung der Uran- same Neutronen gespalten oder es wandelt
Tabletten geändert (Abb. 8.06): sich zu verschiedenen Actinoiden um.

0,48% U-235
3,3 % U-235 0,45% U-236
4,64%
0,45% umge- Spaltprodukte
2,82% U-235 wandelt in U-236
verbraucht 0,10%
Np, Am
1,03% Pu
2,37% gespalten

2,27%
gespalten

3,40% U-238 1,13 % verblei-


verbraucht bende Transurane
(Pu, Am, Np)
96,7 % U-238 93,30% U-238
Abb. 8.06
angereichertes Umwandlung im Reaktor abgebranntes Zusammensetzung des Kernbrennstoffs
Uran Uran (45 MWd/kg) bei Leichtwasserreaktoren vor und nach
dem Einsatz im Reaktor

71
Abklingen der spezifischen Wärmeleistung Abklingen der spezifischen Aktivität
bei bestrahltem Brennstoff bei bestrahltem Brennstoff
P in kW/t Asp in Bq/t
1.000 1018

100 1017

Spaltprodukte
10 1016
Spaltprodukte Actinoide

1 1015
Brennelementhüllen
(ohne Brennstoff)
Brennelementhüllen
(ohne Brennstoff)
Actinoide
0,1 1014

0 2 4 6 8 10 0 2 4 6 8 10
Zeit in Jahren Zeit in Jahren
Abb. 8.07
Anfangsanreicherung: 3,5% U-235
Abklingen von Wärmeleistung und
Abbrand: 30.000 MWd/t
­Aktivität bei bestrahltem Kernbrennstoff

Abgebrannte Brennelemente haben eine hohe 1990er- Jahren durchgeführten Forschungspro­


spezifische Aktivität und damit auch eine hohe jekten und 1:1- Großversuchen erbracht.
Wärmeproduktion. Daher lagert man die Brenn-
elemente zunächst in einem mit Wasser gefüll- Für die endlagergerechte Verpackung für das
ten Becken innerhalb des Kernkraftwerks. Das Wirtsgestein Salz wurden bzw. werden mehrere
Wasser schirmt die Strahlung fast vollständig ab Konzepte entwickelt:
und nimmt gleichzeitig die erzeugte Nachzerfalls­
wärme auf. Bei einer Lagerzeit von zwölf ­Monaten • Das Referenzkonzept „POLLUX-Konzept“ sieht
gehen die Aktivität und damit auch die Wärme- vor, dass in einer Konditionierungsanlage die
produktion auf etwa 0,1 % der Anfangswerte Brennstäbe von den Strukturteilen getrennt
­zurück (Abb. 8.07). und im Ganzen in Büchsen verpackt werden.
Mehrere solche Büchsen werden in Endlager-
Nach der Abklingphase werden die Brennelemen- behälter vom Typ POLLUX eingebracht, der
te in Transport- und Lagerbehälter – z.B. vom Deckel wird verschweißt. POLLUX-Behälter
Typ CASTOR – verpackt und in Zwischenlager am (Namensgebung nach dem Zwillingsbruder
Kraftwerksstandort verbracht. Diese Zwischenla- von Castor in der antiken Mythologie) sind,
ger wurden auf Grund der Atomgesetz-Novelle mit Rücksicht auf die damaligen Beschrän-
vom April 2002 geschaffen, mit der ab dem 1. kungen der Schachtförderung und die Hand­
Juli 2005 Transporte von bestrahlten Brennele- habung untertage, leichter und von kleinerem
menten in zentrale Zwischenlager und zur Wie- Durchmesser als CASTOR-Behälter. Eine Pilot-
deraufarbeitung verboten wurden. Die zwischen- Konditionierungsanlage wurde in Gorleben ge-
gelagerten Brennelemente sowie die verglasten baut, aber bisher nicht in Betrieb genommen.
Spaltprodukte aus der Wieder­aufarbeitung sollen POLLUX-Behälter werden in den untertägigen,
zu gegebener Zeit in ein noch zu schaffendes End- horizontalen Strecken eingelagert und mit
lager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle Salzgrus versetzt. Die Strukturteile der Brenn-
verbracht werden (siehe Abschnitt 8.3.5). elemente sind, in anderen Verpackungen,
auch als radioaktiver Abfall zu entsorgen.
8.3.2 Direkte Endlagerung
• Beim Alternativkonzept, der „Bohrlochlage-
Bei der direkten Endlagerung wird das gesamte rung“ in Brennstabkokillen, werden die Brenn-
abgebrannte Brennelement einschließlich der stäbe von 3 DWR bzw. 9 SWR-Brenn­elementen
darin noch verbliebenen Wertstoffe Uran und analog zum POLLUX-Konzept von den Struktur-
Plutonium nach einer Zwischenlagerung zum teilen getrennt und in etwa 5 m lange Kokil-
Zerfall der kurzlebigen Radionuklide und zur da- len verpackt. Diese sind von ­ihren Außenab­
mit verbundenen Reduzierung der Wärmeent- messungen (44 cm Durch­messer) ähnlich
wicklung als radioaktiver Abfall entsorgt. Der den Kokillen aus der Wiederaufarbeitung und
Nachweis der technischen Machbarkeit der direk- könnten mit der gleichen Einlagerungstechnik
ten Endlagerung in Steinsalz wurde für das soge- gehandhabt werden. Mehrere dieser Kokillen
nannte Referenzkonzept mit in den 1980er- und werden in bis zu ­mehrere ­hundert Meter tiefen,

72
s­ enkrechten Bohr­löchern, die jeweils aus un- Besondere Sicherheitsmaßnahmen sind bei der
tertägigen Strecken in ca. 800 m Tiefe erstellt Handhabung der Lösungen von Plutonium not-
werden, übereinander end­gelagert. ­Somit wendig. Denn es muss verhindert werden, dass
wird ein im Vergleich zum Referenz­konzept sie ein Volumen bzw. eine Konzentration errei-
schnellerer dichter Einschluss im Wirtsgestein chen, bei der selbständig eine Kettenreaktion
gewährleistet. einsetzen könnte. Zur Verhinderung dieser Kriti­
kalität ­werden nur ­geringe Mengen schwach
• Das jüngste Konzept ist die direkte Endlage- konzen­trierter Lösungen verarbeitet oder den
rung von unzerlegten Brennelementen in ­Lösungen so genannte Neutronengifte zur Neu­
­CASTOR-Behältern in kurzen, vertikalen Groß- tronen­absorption beigemengt. Außerdem lassen
bohrlöchern. Entsprechende Vorstudien zeigen sich die Behälter so formen, dass aufgrund der
die mögliche Machbarkeit der Schacht- und ­großen Oberfläche die Neutronenverluste stets
Streckenförderung auch für die schwereren sehr hoch sind und deshalb keine Ketten­reaktion
CASTOR-Behälter. Damit ließe sich die hand­ einsetzen kann.
habungs- und strahlenschutztechnisch auf-
wändige Zerlegung der Brennelemente ver- Da die abgebrannten Brennelemente hochaktiv
meiden. sind, muss man die Wiederaufarbeitung in Zellen
vornehmen, die durch dicke Betonwände abge-
Der größte Teil der bisherigen Entwicklungen in schirmt sind (so genannte Heiße Zellen, Wand-
Deutschland zu Endlagerbehältern und Endlager- stärke bis 2 m). Die Arbeiten werden mit Hilfe
konzepten bezieht sich auf Endlagerung in Stein- fernbedienter Werkzeuge (so genannter Tele­
salz. Die Anforderungen an die endlagergerechte manipulatoren) durchgeführt; sie können durch
Verpackung und an das Einlagerungskonzept ein Strahlenschutzfenster aus dickem Bleiglas
­hängen aber von dem gewählten Wirts­gestein, ­beobachtet werden.
insbesondere durch die unterschiedlichen Tem-
peraturleitfähigkeiten der Gesteine, ab. Soll­te Abgetrenntes Plutonium kann direkt als neuer
einmal die Entscheidung für ein anderes Wirts- Spaltstoff eingesetzt werden (U-Pu-Mischoxid-
gestein als Steinsalz fallen, wären wesentli- brennstäbe). Uran aus der Wiederaufarbeitung
che Anpassungen notwendig. Entsprechende kann dabei als Trägermaterial verwendet wer-
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten werden den. Die Wiederanreicherung dieses Urans wird
bisher insbeson­dere in den Ländern geleistet, kaum praktiziert, da sich auch das Neutronen
die die Endlagerung in den jeweiligen Wirtsge­ ­absorbierende Uran-236 mitanreichert.
steinen planen, z.B. für Granit in Schweden und
Finnland, für Ton in der Schweiz und in Frank- Die radioaktiven Spaltprodukte bzw. Actinoide
reich. Bei vielen dieser Forschungsarbeiten sind müssen verpackt und sicher endgelagert werden,
deutsche Wissenschaftler im Rahmen von Groß- damit sie auf Dauer aus der Biosphäre ausge-
projekten beteiligt. schlossen sind. Das Hüllrohrmaterial, das durch
Neutronenbestrahlung radioaktiv geworden ist,
8.3.3 Wiederaufarbeitung wird ebenfalls endgelagert.

In einer Wiederaufarbeitungsanlage wird der 8.3.4 Konditionierung radioaktiver Abfälle


Kernbrennstoff aufgelöst und eine Trennung in
drei Komponenten vorgenommen: Uran, Pluto- Aus Handhabungsgründen wurden radioaktive
nium, Spaltprodukte/Actinoide. Zur chemischen Abfälle in Deutschland in schwach-, mittel- und
Trennung dieser drei Komponenten setzt man das hochaktive Abfälle unterteilt. Insbesondere
so genannte PUREX-Verfahren ein (PUREX: Pluto- mittel- und hochaktive Abfälle erfordern für die
nium-Uranium-Recovery by Extraction). Handhabung und den Transport zusätzliche Ab-
schirmungen. Bei hochaktiven Abfällen muss
Zunächst werden die Brennstäbe in etwa 5 cm zusätzlich für eine sichere Ableitung der Wärme
­lange Stücke zerschnitten und ihr Inhalt in gesorgt werden. Aus der Sicht der Endlagerung
sieden­der Salpetersäure (HNO3) herausgelöst. ist eine Unterscheidung der radioaktiven Abfälle
Dabei entstehen Uranylnitrat UO2(NO3)2 und nach ihrer Wärmeentwicklung zweck­mäßiger:
­Plutonium-IV-Nitrat Pu(NO3)4 sowie die Nitrate
der Spaltprodukte und Actinoide. • Abfälle mit vernachlässigbarer Wärme-
entwicklung: Durch diese Abfälle wird das
Durch physikalisch-chemische Verfahren wird umgebende Wirtsgestein thermisch nur sehr
dann eine Trennung der drei Komponenten gering belastet.
Uran, Plutonium, Spaltprodukte/Actinoide
durchgeführt. Das geschieht mit Hilfe eines be- • Wärmeentwickelnde Abfälle: Die Wärme­
sonderen Extraktionsmittels, dem Tri-n-Butyl- abgabe pro Gebinde liegt, abhängig von der
Phosphat (C4H9O)3PO, das mit 70 % Kerosin Dauer der Zwischenlagerung, ggf. im Kilo-
(­Reinstpetroleum) verdünnt ist. Die Lösung trägt watt-Bereich. Das Gestein für die Endlagerung
die Bezeichnung TBP 30. muss daher insbesondere auch hinsichtlich

73
der Wärmeleitfähigkeit spezielle Bedingungen 8.3.5 Endlagerung radioaktiver Abfälle in
erfüllen. Die Begrenzung für die Außentempe- Deutschland
ratur des Endlagerbehälters liegt im Wirts­
gestein Salz bei ca. 200°C, im Tonstein bei Bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle muss
ca. 100°C. sichergestellt sein, dass sie auf Dauer von den
Stoffkreisläufen der Biosphäre isoliert sind.
Endlagergerecht konditionieren bedeutet, die
­anfallenden radioaktiven Rohabfälle in eine end- In Deutschland soll die Endlagerung radio­aktiver
lagerungsfähige Form zu überführen. Flüssige Abfälle in tiefen geologischen Strukturen vor-
­Abfälle werden eingedampft oder zementiert. genommen werden. Für radioaktive Abfälle
­Feste Abfälle werden zerkleinert, ­getrocknet, mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung ist
gegebenenfalls verbrannt, verpresst oder zemen­ ­dafür das ehemalige Eisenerzbergwerk Schacht
tiert. Die so vorbehandelten Abfälle werden ­Konrad bei Salzgitter vorgesehen. 2002 wurde
schließlich in standardisierte Behälter verpackt. die ­Genehmigung zur Errichtung des Endlagers
Dies können zylindrische Betonbehälter, zylin­ ­erteilt und 2007 abschließend höchstrichter-
drische Guss­behälter oder Container sein. lich bestätigt. Zurzeit laufen die Arbeiten zur
Her­richtung als Endlager. Das Bundesamt für
Container sind großvolumige quaderförmige Strahlen­schutz als verantwortlicher Betreiber des
Behälter aus Stahlblech, armiertem Beton oder Endlagers ­erwartet, dass das Endlager nicht vor
Gusswerkstoff. Der größte Container mit knapp 2019 in Betrieb genommen werden kann.
elf Kubikmetern nimmt bis zu 28 Zweihundert-
Liter-Fässer auf. Diesen Abfällen ist gemeinsam, Für die Endlagerung radioaktiver Abfälle aller
dass sie ohne zusätzliche Strahlenabschirmung Art einschließlich Wärme entwickelnder radio­
gehandhabt werden können und bei der Endlage- aktiver Abfälle wurde von 1979 bis 2000 der Salz-
rung das umgebende Gestein nur gering erwär- stock Gorleben auf seine Eignung untersucht.
men. Nach einem 10-jährigen Moratorium wurden die
­Erkundungsarbeiten im Oktober 2010 wieder auf-
Wärmeentwickelnde Abfälle fallen bei der genommen. Parallel dazu wurde eine vorläufige
­direkten Endlagerung von Brennelementen, aber Sicherheitsanalyse für den Standort Gorleben
auch bei der Wiederaufarbeitung ausgedienter ­erstellt. Seit November 2012 wurde die Erkun-
Brennelemente an. Während Uran und Plutonium dung des Salzstocks aus politischen Gründen
aus der Wiederaufarbeitung wieder der Brenn­ ­wieder unterbrochen, das Erkundungsbergwerk
elementherstellung zugeführt werden, lagert befindet sich seitdem im Offenhaltungsbetrieb.
die Lösung mit Spaltprodukten und Actinoiden Im Juli 2013 wurde mit dem Standortauswahl­
in ­gekühlten Edelstahl-tanks. Die konzentrierte gesetz eine neue Standortsuche beschlossen,
Spaltproduktlösung hat eine spezifische Aktivität die sich neben Steinsalz auch auf andere Wirts­
von etwa 4 · 1013 Bq/l. ge­steine erstrecken soll. Gorleben wird als mög­
licher Standort im Verfahren berücksichtigt.
Die entstehende Zerfallswärme muss deshalb
durch Kühlsysteme abgeführt werden. Nach Dass die geologische Stabilität von Steinsalz­
etwa fünfjähriger Abklingzeit kann eine Volumen­ lagerstätten den Abschluss radioaktiver Abfälle
verminderung und eine Überführung in eine über sehr lange Zeiträume sichern kann, geht aus
wasser­unlösliche Form durch Verglasung vor­ ihrer Geschichte hervor. Es ist bekannt, dass die
genommen werden. Salzformationen eine hohe geologische Stabilität
aufweisen. In seiner geologischen Entwicklung
Nach fünfjähriger Lagerzeit ist die spezifische von seiner Entstehung bis heute war der Salzstock
Wärmeleistung pro kg Spaltprodukt von 1 kW Gorleben überwiegend von Meerwasser ­bedeckt,
auf weniger als 0,06 kW abgesunken. Eine trotzdem existiert die Salzlagerstätte noch heute.
Überführung der Spaltproduktlösung in eine
end­lagerungsfähige Form ist dadurch besser Die vorläufige Sicherheitsanalyse Gorleben hat
­möglich. Dabei wird an den Endlagerkörper eine keine Erkenntnisse ergeben, die die Eignungs-
Reihe von Anforderungen gestellt: Gute mecha- höffigkeit des Standorts grundsätzlich in Frage
nische Festigkeit, hohe Resistenz gegenüber stellen.
­Auslaugung, gute Wärmebeständigkeit und
Wärme­leitfähigkeit, hohe Beständigkeit gegen-
über ionisierenden Strahlen.

Glas erfüllt diese Bedingungen am besten. Radio-


aktive Spaltprodukte mit starker Wärmeentwick-
lung werden deshalb mit glasbildenden Stoffen
gemischt und daraus Glasblöcke geschmolzen.
Zusätzlich mit Edelstahl umkleidet, lassen sie sich
dann transportieren.

74
8.4 Transporte bei der Ver- und Entsorgung

Zur Ver- und Entsorgung eines Kernkraftwerks • Der Transport von Brennelementen, die in ei-
werden verschiedene Arten von Transporten not- nem Reaktor eingesetzt worden sind, verlangt
wendig: hohe Sicherheitsvorkehrungen. Durch die in
den Brennstäben enthaltenen Spaltprodukte
• Der Transport des Uranerzes zur Erzauf­be­ sind die spezifische Aktivität und damit auch
rei­tungsanlage, die sich zur Minimierung die Wärmeproduktion außerordentlich hoch.
des Transportwegs in unmittelbarer Nähe Für den Transport von abgebrannten Brenn-
­befindet, erfolgt auf offenen Lastwagen. elementen kommen Transportbehälter vom
Typ CASTOR oder vergleichbare Behälter zum
• Das Urankonzentrat „Yellow Cake” wird zur Einsatz. Dies sind Guss- oder Stahlbehälter, die
Umwandlung in Uranhexafluorid (UF6) zur außen mit Kühlrippen versehen sind. Ihre Län-
­Konversionsanlage transportiert. Der Trans- ge beträgt 5 bis 7 m und ihr Durchmesser rund
port geschieht in handelsüblichen Stahl­ 2,5 m. Sie können bis zu 10 t Transportgut auf-
fässern von 200 oder 400 l Fassungsvermögen. nehmen. Das Gesamtgewicht beträgt bis zu
150 t (Abb. 8.08).
• Das Uranhexafluorid wird von der Konver­
sionsanlage zur Anreicherungsanlage ge- Die Anforderungen an einen Transportbe­
bracht. Da UF6 bei 56,5 °C gasförmig wird, hälter sind in Bezug auf mechanische Stabili-
muss das Material in Druckbehältern unter- tät, Dichtheit und Temperaturfestigkeit sehr
gebracht werden (Abb. 8.09). Die spezifische hoch. Selbst bei schwersten Verkehrsun­fällen
­Aktivität von UF6 ist gering, die chemische ­müssen sie einen sicheren Einschluss des
­Toxizität aber sehr hoch. Es muss deshalb radio­aktiven Materials garantieren. Transport-
sichergestellt sein, dass die Behälter beim behälter der Typ-B-Verpackung, wie sie für ab-
Transport und bei möglichen Unfällen dicht gebrannte Brennelemente eingesetzt werden,
bleiben. Nach der Anreicherung besitzt das müssen folgenden Prüfungen standhalten:
UF6 eine höhere U-235-Konzentration. Deshalb
müssen beim Transport und der Lagerung An- −− Freier Fall des Behälters aus 9 m Höhe auf
ordnungen gewählt werden, bei denen eine ein unnachgiebiges Fundament.
Kettenreaktion nicht von selbst in Gang kom-
men kann (unterkritische Anordnung). −− Freier Fall des Behälters aus 1 m Höhe auf
einen Stahldorn mit einem Durchmesser
• Die Umwandlung von UF6 in UO2 sowie die von 15 cm und einer Höhe von mindestens
Herstellung von Brennelementen sind jeweils 20 cm.
an einem Ort zusammengefasst, sodass keine
Transportwege außerhalb der Fabrikations­ −− Feuertest von 30 Minuten bei mindestens
räume entstehen. Die fertigen Brennelemente 800 °C.
werden in Transportbehältern auf Lastwagen
zum Kernkraftwerk transportiert. Besonder­ −− Eintauchen des Behälters in Wasser für
heiten bezüglich der Strahlenabschirmung 15 Stunden und einer Wassertiefe von 15 m
treten dabei nicht auf, da auch angereicher- oder bei Zulassung für besonders große
tes Uran nur eine geringe spezifische ­Aktivität ­Gesamtaktivität für 1 Stunde und einer
­besitzt. Wassertiefe von 200 m.

Abb. 8.08
Verladung eines CASTOR-Behälters
mit hochaktiven Abfällen
Quelle: GNS Gesellschaft für Nuklear-
Service mbH

75
• In den USA, Großbritannien und Deutschland • Bei der Wiederaufarbeitung fallen Spaltpro-
sind noch weitergehende Belastungstests dukte als radioaktive Abfälle sowie Uran und
durchgeführt worden, ohne dass dabei die Plutonium an. Für die Endlagerung kondi­
Behälter undicht wurden: Fall eines Behälters tionierte, in eine Glasmatrix gebundene Spalt-
aus 600 m Höhe auf harten Wüsten­boden, produkte werden in gleichartigen Transport-
­Zusammenprall von Brennelementtrans­por­ behältern befördert wie die ausgedienten
ter und Lokomotive (Relativgeschwindigkeit Brennelemente. Bei Plutoniumtransporten
130 km/h) und Aufprall eines tonnenschweren muss neben den Sicherheitsmaßnahmen auf-
Projektils mit einer Geschwindigkeit von fast grund der Radioaktivität auch das Eintreten
1.100 km/h auf den Behälter. einer Kritikalität durch eine spezifische Behäl-
terauslegung ausgeschlossen werden.

8.5 Behandlung radioaktiver Betriebsabfälle in einem Kernkraftwerk

In einem Kernkraftwerk mit einer elektrischen Beim Reaktorbetrieb entstehen durch Leckagen
Leistung von 1.300 MW fallen jährlich etwa 50 m3 und Neutronenaktivierung gasförmige, flüssige
konditionierte radioaktive Betriebsabfälle mit und feste Reaktorbetriebsabfälle, die soweit wie
vernachlässigbarer Wärmeentwicklung an, sowie möglich zurückgehalten werden. Um die Aktivität
Abfälle aus der Entsorgung der jährlichen Ent­ der Abluft und des Abwassers zu verringern, gibt
lademenge der abgebrannten Brennelemente, es zwei unterschiedliche Verfahren.
deren Mengen vom Entsorgungsweg abhängen:
Bei einer Wiederaufarbeitung entstehen 10 m3 • Verzögerte Abgabe, damit die Radioaktivität
­radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer von selbst abklingt.
Wärme­entwicklung und 3 m3 ­wärmeentwickelnde
Abfälle – die verglasten hochaktiven Spaltpro­ • Abtrennen der Radionuklide durch physika­
dukte. Bei der direkten Endlagerung der abge- lische sowie chemische Verfahren und End­
brannten Brennelemente fallen 45 m3 wärme­ lagerung dieser Radionuklide.
entwickelnde Abfälle an (Tab. 8.01).
8.5.1 Behandlung gasförmiger Reaktor­
Radioaktive Wärme- betriebsabfälle
Abfälle mit entwickelnde
vernachlässig- radioaktive Die wichtigsten gasförmigen und ­leichtflüchtigen
barer Wärme- Abfälle Radionuklide sind die Spaltprodukte Xe-133
entwicklung
und I-131. Xe-133 hat eine Halbwertzeit von
Betriebsabfälle Kernkraftwerk
5,25 ­Tagen. Es wird in einer Verzögerungsstrecke
bis zu 60 Tage zurückgehalten, die ursprüngliche
Aktivität ist dann auf weniger als 0,1 % abge­
klungen.

Verzögerungsstrecken bestehen z. B. aus Aktiv-
50 m3
kohlefiltern. Das Gas wird zunächst in der ersten
Entsorgung der abgebrannten Brennelemente ... Filterschicht adsorbiert (Gasmoleküle lagern sich
an der Oberfläche von Kohlenstoffpartikeln an).
Im Laufe der Zeit bewegen sie sich durch Aus-
Direkte tausch langsam durch die Kohlefilterstrecke bis

Endlagerung zum Abluftkamin.
Tab. 8.01 45 m3
Der Anteil des I-131 in der Gebäudeluft ist gering.
Jährliche konditionierte Volumina
Da dieses Element aber im Gegensatz zu den Edel-
radio­aktiver Abfälle am Beispiel eines
1.300-MWe-Kernkraftwerks Wieder­ gasen chemische Verbindungen eingehen kann,
(Betriebsabfälle und Abfälle aus aufarbeitung wird es durch mehrere hintereinander ange­
der Brennelemententsorgung je nach ordnete Filter zurückgehalten. Eine Rückhaltung
10 m3 3 m3
Entsorgungsvariante) von mehr als 99,9 % wird dadurch erreicht, dass
die Filter zusätzlich mit Silbernitrat getränkt sind.
Abhängig vom Aggregatzustand, der spezifischen Bei Kontakt mit Iod entsteht dann Silberiodid,
Aktivität, der Radiotoxizität (strahlenbedingte das in den Filtern verbleibt. In ähnlicher ­Weise
Gefährlichkeit) sowie der Wärmeentwicklung wird mit den Aerosolen verfahren, bei denen
werden zur Konditionierung unterschiedliche Ver- sich radioaktive Teilchen an Staubpartikel oder
fahren angewandt. Wasser­tröpfchen angelagert haben.

76
Abb. 8.09
Lagerung von verfestigten radioaktiven
Betriebsabfällen in Stahlfässern in einem
Kernkraftwerk

8.5.2 Behandlung flüssiger Reaktor­ 8.5.3 Behandlung fester Reaktor­


betriebsabfälle betriebsabfälle

Aus Undichtigkeiten des Kühlmittelkreises aus­ Radioaktive Reaktorbetriebsabfälle fallen in Form


tretendes Wasser sowie Wasser aus Labors, von Filtern, Ionenaustauschern, Putz­lappen,
­Dekontaminationsanlagen und Waschräumen kontaminierter Kleidung, Abfällen von Repa­
bilden die flüssigen Reaktorbetriebsabfälle. Auch raturen und Ähnlichem an. Sie werden – falls
bei der Abgabe von radioaktiven Flüssigkeiten erforderlich – verbrannt oder verdichtet, um ihr
an die Umgebung ist die Strahlenexposition Volumen zu verkleinern. Anschließend schließt
der Menschen so gering wie möglich zu halten. man sie in Behältern sicher ein (Abb. 8.09). Nach
Die wichtigste Maßnahme besteht darin, der Zwischen­lagerung im Kernkraftwerk ist für sie die
Flüssig­keit die radioaktiven Stoffe zu entziehen. Ver­bringung in ein Endlager vorgesehen. Menge
Das geschieht durch Eindampfen (Abdestillieren und Zusammen­setzung der Abfälle hängen u. a.
der Flüssigkeit), Ionenaustausch, Filtration oder vom Typ des Kernkraftwerks und der Betriebs­
chemische Fällung. Eine Sonderstellung nimmt weise ab. Bei einem Siedewasserreaktor mit einer
das Tritium (H-3) ein. Es entsteht bei einem ge- elek­trischen Leistung von 1.300 MW fallen pro
ringen Prozentsatz der Kernspaltungen als drittes ­Betriebsjahr etwa ­folgende Rohabfallmengen an:
Teilchen (außer den beiden Spaltprodukten) und
durch Neutronenbestrahlung des Kühlmittels • 250 m3 Festabfälle (Papier, Kunststoffe, konta-
­sowie anderer Materialien. minierte Arbeitskleidung, Bauschutt),

Das Tritium liegt im Wesentlichen als HTO vor • 20 m3 Verdampferkonzentrate aus der Ab­was­
(Wassermolekül, dessen Wasserstoffatome die ser­aufbereitung,
Isotope H-1 und H-3 = T sind). Wegen der ­relativ
langen Halbwertzeit von 12,323 ­Jahren können • 7 m3 Ionentauscherharze aus der Kühlmittel-
keine Verzögerungsstrecken eingesetzt ­werden. reinigung,
Da die maximale Energie der vom Tritium aus­
gesandten Betateilchen aber nur 0,02 MeV • 6 m3 Metallteile,
beträgt und keine Gammaquanten auf­treten,
entsteht durch die Abgabe des Tritium an die • 3 m3 Filterhilfsmittel, Schlämme, Öle.
­Umgebung nur eine geringe, weit unter den
­zugelassenen Werten liegende zusätzliche
Strahlen­exposition der Bevölkerung.

77
9 Strahlenmessung und die
Strahlenexposition des Menschen
Der Mensch besitzt kein Sinnesorgan für ioni­ nachweisbare Veränderung hervorruft, kann
sierende Strahlen. Sie lassen sich nur mit diese erfasst werden. Der Grad der Veränderung
Hilfe von Messinstrumenten nachweisen. ist dann ein Maß für die Intensität der verur­
Strahlenmessungen sind nur möglich, wenn sachenden Strahlung. Einige besonders wichtige
Wechsel­wirkungen der Strahlung mit Mate- Messverfahren werden hier in vereinfachter
rie statt­finden. Erst wenn die Strahlung eine Form vorgestellt.

Ionisationskammer 9.1

Eine Ionisationskammer besteht im einfachsten nicht so stark ist, dass durch Zusammenstöße
Fall aus einem luftgefüllten Behälter, in dem sich mit Luftmole­külen weitere Ionisationen aus­
zwei Elektroden befinden. Sie sind über einen gelöst ­werden. Die Stromstärke ist dann allein
Strommesser mit einer Gleichspannungs­quelle der ­Anzahl der primär erzeugten Ionen bzw.
verbunden. Gelangt Strahlung in das Innere, Elek­tronen proportional. Die Stromstärken
werden Ionen erzeugt, und die Luft zwischen ­werden an einem Messgerät angezeigt.
den Elektroden wird elektrisch leitend. Darauf-
hin kommt es zu einem Stromfluss, der durch ein Zum Nachweis von Alpha- und Betateilchen wer-
Messgerät angezeigt wird (Abb. 9.01). den die Wände der Ionisationskammer aus sehr
dünnem Material hergestellt, damit die Teilchen
möglichst ungehindert in das Innere gelangen
können. Bei Gammaquanten wählt man dage-
Strahlen- gen dickere Wände, damit die Gammaquanten
quelle
aus den Atomen der Kammerwand Elektronen
- - - - herauslösen, die dann in der Luft der Kammer
weitere Ionisationen hervorrufen. Soll die Kam-
+ + + +
A - mer näherungsweise den Verhältnissen in einem
­organischen Gewebe angepasst werden, verwen-
det man für den Aufbau spezielle Kunststoffe.
Ionisations-
kammer
- + Die durch Strahlung erzeugten Elektronen stellen
eine Ladungsmenge dar. Daraus wurde die früher
benutzte Größe der Ionendosis hergeleitet. Die
+ Ionen­dosis gibt die erzeugte Ladung pro Masse
[N2] + e-
Beispiel für die Entstehung
eines Ladungsträgerpaares: N2 der durchstrahlten Luft an. Wenn in 1 kg Luft Abb. 9.01
( Elektronenflussrichtung) durch ionisierende Strahlen so viele Ionen bzw. Prinzipieller Aufbau einer Ionisations-
freie Elektronen erzeugt werden, dass im ange- kammer
schlossenen Leiterkreis 1 Sekunde lang ein Strom
In der Ionisationskammer werden positives Ion von 1 A fließt, beträgt die Ionendosis 1 C/kg. Das
und herausgelöstes Elektron zur jeweils entge- entspricht 6,25 · 1018 Elektronen bzw. Ionen pro
gengesetzt geladenen Elektrode hin beschleu- 1 kg Luft. Für die Ionendosis wurde die Einheit
nigt. Die Spannung wird so gewählt, dass einer- Röntgen R verwendet. Für Umrechnungen gilt:
seits Ion und Elektron nicht mehr rekombinieren
(sich wieder vereinigen) können, andererseits 1 R = 2,58 · 10-4 C/kg.
aber die Beschleunigung zu den Elektroden

Energiedosis 9.2

In Luft wird zur Bildung eines Ladungsträger- ebenfalls als Maß für die physikalische Strahlen-
paares die Energie von 34 eV benötigt. Da der wirkung verwendet werden. Dafür ist die Energie­
­Quotient 1 C/1 kg Auskunft darüber gibt, wie dosis definiert worden. Die Energiedosis einer
viele Paare erzeugt worden sind, lässt sich auch ionisierenden Strahlung gibt die pro Masse eines
die Energie berechnen, die dafür notwendig war. durchstrahlten Stoffes absorbierte Energie an:
Statt die erzeugte Ladung oder die erzeugten
Ladungsträgerpaare anzugeben, kann man also absorbierte Strahlungsenergie
Energiedosis = ;
auch die Energie betrachten, die bei der Ionisa- Masse
tion auf die Luftmoleküle übertragen worden ist. E
D =
Die von einem Stoff aufgenommene Energie kann m

79
Der Quotient 1 J/1 kg wird als Einheit für die Die Energiedosis wurde früher in der Einheit
Energie­dosis verwendet. Der besondere Einhei- Rad (rd oder rad) angegeben. Das Wort Rad
tenname für die Energiedosis ist das Gray (Gy): ergibt sich aus der englischen Bezeichnung
„radiation absorbed dose“. Für Umrechnungen
1J gilt: 1 Gy = 100 Rad.
1 Gy =
1 kg

9.3 Organdosis

Mit der Energiedosis allein kann die biolo­gische Da die Strahlungs-Wichtungsfaktoren Zahlen­
Strahlenwirkung nicht beurteilt werden. Es werte ohne Einheit sind, ergibt sich als Einheit
zeigt sich nämlich, dass bei gleichen Energie­ der Organdosis der Quotient J/kg (dieselbe Ein-
dosen, aber unterschiedlichen Strahlenarten, heit wie für die Energiedosis). Als besonderer
die hervorgerufenen Effekte unterschiedlich sein ­Einheitenname für die Organdosis ist das Sievert
­können. Wird z. B. von zwei gleichen bio­logischen (Sv) festgelegt worden.
­Objekten das eine mit Alpha­strahlen, das ­andere
mit Betastrahlen bestrahlt und ­nehmen ­beide
Objekte gleich viel Energie auf, so sind die Strahlenart Strahlungs-
und Energiebereich Wichtungsfaktor wR
durch die Alphastrahlen hervorgerufenen bio­
logischen Strahlenwirkungen etwa 20-mal ­größer
(Abb. 9.02). Die größere biologische ­Wirkung von Photonen,
1
Alphastrahlen kann durch die ­größere ­Anzahl alle Energien
erzeug­ter ­Ionen oder Anregungen pro Weg­
länge erklärt werden. Eine dichtere Ionisierung Elektronen, Myonen,
1
in ­einem kleinen Bereich ist viel schädlicher als alle Energien
eine gleich große Anzahl von Ionisationen, die
auf e­ inen größeren Bereich verteilt sind. Neutronen
< 10 keV 5
10 keV bis 100 keV 10
> 100 keV bis 2 MeV 20
Tab. 9.01 > 2 MeV bis 20 MeV 10
Strahlungs-Wichtungsfaktoren > 20 MeV 5
nach Strahlenschutzverordnung
Protonen,
außer Rückstoßprotonen, 5
Abb. 9.02 Menschliches Gewebe Menschliches Gewebe Energie > 2 MeV
mit Betastrahlen be- mit Alphastrahlen be-
Bei gleicher Energiedosis rufen
strahlt. Angenommene strahlt. Angenommene
­Alphastrahlen eine größere biologische Energiedosis 0,1 Gy. Energiedosis 0,1 Gy. Alphateilchen,
Wirkung hervor als Betastrahlen Biologische Strahlen- Biologische Strahlen-
wirkung in relativen wirkung in relativen Spaltfragmente, 20
  intakte Zelle Einheiten: 1 Einheiten: 20 schwere Kerne
  geschädigte Zelle

Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen bio- Für die Organdosis wurde früher die Einheit Rem
R im Index stammt von der englischen logischen Wirkung der verschiedenen Strahlen- (rem = röntgen equivalent man) benutzt. Für
Bezeichnung radiation (Strahlung). arten wurde der Strahlungs-Wichtungsfaktor wR ­Umrechnungen gilt: 1 Sv = 100 rem.
eingeführt (Tab. 9.01). Das Produkt aus der über
das Gewebe oder Organ T gemittelten Energie­ Die so definierte Organdosis und deren ­Angabe
dosis DT,R, die durch die Strahlung R erzeugt wird, in der Einheit Sievert darf aufgrund der Her­
und dem Strahlungs-Wichtungsfaktor wR ist die leitung der Strahlungs-Wichtungsfaktoren streng
Organdosis HT,R. Besteht die Strahlung aus Arten ­genommen nur für Personen und Strahlendosen
und Energien mit unterschiedlichen Werten von bis in den Bereich von etwa 0,5 Sv ver­wendet
wR, so werden die einzelnen Beiträge addiert. Für werden. Die Energiedosis mit ihrer Einheit Gray
die Organdosis HT für das Gewebe oder Organ T kann dagegen für jede Dosis, jedes Lebewesen
gilt dann: und jeden Stoff genutzt werden. Bei medizinisch-
therapeutischen Strahlenanwendungen erfolgt
daher wegen der normalerweise sehr hohen
HT = Σw
R
R
· DT,R Dosiswerte die Dosisangabe in Gray.

80
Effektive Dosis 9.4

Gewebe oder Organe Gewebe- Da die Strahlenempfindlichkeit einzelner ­Organe


Wichtungsfaktor wT bzw. Gewebe z. T. erhebliche Unterschiede auf-
weist, liefern die jeweiligen Organdosen unter­
Gonaden 0,20 schiedliche Beiträge zum strahlenbedingten
Gesamt­risiko, also der Wahrscheinlichkeit für
Dickdarm 0,12
das Eintreten von Krebs oder Leukämie. Zur
Knochenmark (rot) 0,12 ­Berechnung der effektiven Dosis E, die ein Maß
für das gesamte Strahlenrisiko darstellt, wurden
Lunge 0,12
deshalb von der Internationalen Strahlenschutz­
Magen 0,12 kommission bezüglich der Strahlenspätschäden
für verschiedene Gewebe und Organe die Gewebe- T im Index stammt von der englischen
Blase 0,05
Wichtungsfaktoren wT (Tab. 9.02) eingeführt. Bezeichnung tissue (= Gewebe)
Brust 0,05
Die effektive Dosis E ist die Summe der mit dem
Leber 0,05
zugehörigen Gewebe-Wichtungsfaktor wT multi­
Schilddrüse 0,05 plizierten Organdosen HT. Dabei ist über alle in
Tab. 5.02 aufgeführte Organe und Gewebe zu
Speiseröhre 0,05
summieren. Die Einheit der effektiven Dosis ist
Haut 0,01 ebenfalls das Sievert (Einheitenzeichen: Sv):
Knochenoberfläche 0,01

andere Organe
oder Gewebe
0,05
E =
Σw H
T
T T
Tab. 9.02
Gewebe-Wichtungsfaktoren
nach Strahlenschutzverordnung

Folgedosis 9.5

Die Bestrahlung von Gewebe oder Organen durch Wird kein ­Integrationszeitraum t angegeben, ist
inkorporierte radioaktive Stoffe ist von der Verweil- für Erwachsene ein Zeitraum von 50 Jahren und
zeit der Radionuklide im jeweiligen Gewebe oder für Kinder ein Zeitraum vom jeweiligen Alter bis
Organ abhängig. Diese Ver­weilzeit ergibt sich aus zum Alter von 70 Jahren zu Grunde zu legen.
dem Zusammenwirken des radio­aktiven Zerfalls
einerseits und dem Ausscheiden des ­Stoffes aus t0 + τ
dem Körper aufgrund der Stoff­wechselvorgänge ·
andererseits. Die Organ-Folgedosis HT (t) bei einer
Inkorporation zum Zeitpunkt t0 ist das Zeit­integral
HT ( τ ) = ∫ HT (t)dt
t0
der Dosisleistung ḢT  (t) im Gewebe oder Organ T.

Somatische und genetische Schäden 9.6

Bei den Schäden, die ionisierende Strahlen


an Organismen hervorrufen, unterscheidet Strahlenschäden
man ­zwischen somatischen und genetischen
(vererbbaren) Schäden. Somatische Schäden
(Körperschäden) treten nur beim bestrahlten somatische genetische
­Individuum, vererbbare Schäden (Erbschäden) Schäden Schäden
bei den Nachkommen auf. Davon sind aber
nicht nur die direkten Nachkommen, sondern somatische somatische
auch spätere ­Generationen betroffen. Die soma­ Spätschäden Frühschäden
tischen ­Schäden unterteilt man in Früh- und
Spät­schäden, ­letztere noch einmal in maligne
(bös­artig wuchernde) und nichtmaligne (nicht nicht maligne maligne
bösartig wuchernde) Spätschäden (Abb. 9.03). Spätschäden Spätschäden Abb. 9.03
Einteilung der Strahlenschäden

81
Für das Auftreten von Frühschäden muss Bei bösartigen Spätschäden (z. B. Leukämie,
der ­Organismus von einer Mindestmenge an Krebs) ist diese Mindestmenge an Strahlung
Strahlung getroffen werden. Diese Schwellen­ sehr klein oder es gibt überhaupt keine ­Schwelle
dosis für den Menschen liegt bei einmaliger (­Kurve A oder B in Abb. 9.05). Es würde dann
­Ganzkörperbestrahlung zwischen 200 und ­bedeuten, dass auch einzelne Strahlungsteilchen
300  mSv. Es zeigen sich z. B. kurzzeitige Ver­ oder Gamma­quanten Krebs auslösen können,
änderungen des Blutbildes. Je größer die Strah­ wenn z. B. die von der Strahlung getroffene ­Zelle
lungs­menge wird, desto gravierender sind auch die- bereits vorgeschädigt ist bzw. der Reparatur­
se Strahlenschäden. Frühschäden beim ­Men­schen mechanismus und das Immunsystem des Körpers
sind (außer Veränderungen des Blutbildes) zum geschwächt sind. Mit steigender Strahlungs­
Beispiel Unwohlsein, Erbrechen, Ent­zün­dungen menge nimmt aber nicht die ­Schwere der
der Schleimhäute und Fieber. Eine einmalige ­Erkrankung zu, ­sondern die Wahrschein­lichkeit
Ganzkörperbestrahlung mit einer Dosis von für eine ­Erkrankung. Das ist aber bei ­kleinen
7.000 mSv gilt als tödlich, wenn keine Therapie­ Strahlen­expositionen im Bereich von ­einigen zehn
maßnahmen durchgeführt werden (Abb. 9.04). Millisievert bisher ­weder ­experimentell nach-
gewiesen noch durch statistische ­Erhebungen
Somatische Spätschäden treten erst nach Jahren gesichert ermittelt. Diese Annahme ergibt sich
oder Jahrzehnten auf. Dabei hat sich der Schaden lediglich durch rückwärtige Verlängerungen der
in den Zellen unmittelbar nach der Bestrahlung Dosis-Wirkungs-Kurve für Strahlendosen ober-
ergeben. Die am Gesamtorganismus beobacht- halb von einigen hundert Millisievert (Kurve A in
baren Krankheitssymptome treten aber sehr viel Abb. 9.05).
später in Erscheinung.
Bei genetischen Schäden treten ­Veränderungen
Für das Auftreten eines Strahlenfrühschadens an den Chromosomen der Keimzellen auf. Sie
(Hautrötung, Haarausfall, Blutarmut) gibt es ­wirken sich erst bei den Nachkommen aus. Auch
eine Schwellendosis von etwa 500 mSv und bei genetischen Schäden ist eine Reparatur
mehr, die überschritten sein muss, damit Schä- ­möglich oder es kann die nach einem falschen
den ­dieser Art entstehen (Schwellendosis, Kurve genetischen Code aufgebaute Zelle, das daraus
C in Abb. 9.05.). Bleibt die Dosis unterhalb dieses entstandene Gewebe bzw. der nicht lebens­
Schwellenwerts, dann treten diese Erkrankungen fähige Embryo abgestoßen werden. Ein gene­
zwar nicht auf, die Entstehung von Spätschäden tischer Schaden würde dann nicht an die nächste
ist aber nicht ausgeschlossen. ­Generation weitergegeben.

0,01 mSv 3 Stunden Flug in 10 km Höhe


in mittleren geographischen Breiten

Grenzwert für die effektive Dosis der Bevölkerung


0,3 mSv/a durch radioaktive Ableitung aus kerntechnischen Anlagen
jeweils über Luft- und Wasserpfad

Mittlere Strahlenexposition
1,9 mSv/a durch medizinische Strahlenanwendung
in der Bundesrepublik Deutschland (effektive Dosis)

Mittlere natürliche Strahlenexposition


2,1 mSv/a in der Bundesrepublik Deutschland (effektive Dosis)

Grenzwert der effektiven Dosis


20 mSv/a für beruflich strahlenexponierte Personen

200 mSv/a Maximale natürliche Strahlenexposition


im Monazitbezirk Brasiliens

ca. 250 mSv Erste klinisch fassbare Bestrahlungseffekte


bei einmaliger Ganzkörperbestrahlung (Schwellendosis)

ca. 1.000 mSv Vorübergehende Strahlenkrankheit


bei einmaliger Ganzkörperbestrahlung („Strahlenkater“)

Abb. 9.04 Schwere Strahlenkrankheit


ca. 4.000 mSv bei einmaliger Ganzkörperbestrahlung, 50% Todesfälle
Beispiele für Körperdosis-Leistungen bei fehlenden medizinischen Therapiemaßnahmen
und Körperdosen (Die Angaben zu den
Werten 250 bis 7.000 mSv beschreiben Tödliche Dosis
somatische Strahlenfrühschäden. Aus ca. 7.000 mSv bei einmaliger Ganzkörperbestrahlung und
Gründen der besseren Lesbarkeit sind fehlenden medizinischen Therapiemaßnahmen
vereinfachend auch diese Dosen in der
Einheit Sievert statt Gray angegeben.)

82
Grundsätzlich sind Mutationen natürliche Ereig- Eintritts-
nisse, die bei Menschen, Tieren und Pflanzen häufigkeit
immer wieder vorkommen. Sie können spontan Bereich für den
auftreten oder gezielt durch chemische bzw. Effekte bekannt sind
physi­kalische Einflüsse herbeigeführt werden.
Dass auch ionisierende Strahlen Mutationen aus-
lösen, ist bereits 1927 nachgewiesen worden.
A
Die durch die natürliche Strahleneinwirkung
B Abb. 9.05
hervorgerufenen Mutationen sind zahlen-
C Genereller Verlauf der Extrapolations­
mäßig so gering, dass sie aus den zeitlichen
möglichkeiten aus dem Bereich
­Schwankungen der natürlichen Mutationsraten ­bekannter Dosis-Risiko-Beziehung
nicht hervor­treten. Erst eine Keimdrüsendo- (hohe Strahlendosen) in den Bereich
sis von etwa 10 mSv einer locker ionisierenden natürliche Inzidenz
kleiner Strahlendosen
Strahlung (Beta- oder Gammastrahlung) führt A: lineare Extrapolation
­unter 1 ­Million Neugeborenen zu der Spontan­ Dosis B: linear-quadratische Extrapolation
rate 0,006 % genetischer Schadensfälle. C: Risikokurve mit Schwellenwert

Natürliche Strahlenexposition des Menschen 9.7

Die natürliche ionisierende Strahlung lässt sich Die kosmische Strahlung wird von der Atmo­sphäre
auf vier verschiedene Quellen zurückführen: z. T. absorbiert. Bei einem Aufenthalt­santeil von
80 % in Häusern und 20 % im Freien und einer
• Aus dem Weltall trifft eine Teilchenstrahlung Abschirmung durch das Baumaterial der Häuser
und energiereiche Photonenstrahlung auf die von 20 % ergibt sich in Meereshöhe eine effektive
Erde (kosmische Strahlung). Jahresdosis von 0,3 mSv.

• In der Erdatmosphäre werden durch die Mit zunehmender Höhe über dem Meer steigt die
­kosmische Strahlung ständig Radionuklide Exposition durch kosmische Strahlung an (siehe
neu gebildet (kosmogene Radionuklide). Abb. 9.06). Unter den genannten Aufenthalts­
bedingungen beträgt die effektive Jahresdosis
• In der Erdmaterie wandeln sich natürliche in 1.000 m Höhe etwa 0,4 mSv und auf der Zug­
Radionuklide mit langer Halbwertszeit in nur spitze 1,7 mSv.
einem Zerfallsschritt in inaktive Nuklide um.
3,5
• In der Erdmaterie wandeln sich die natürlichen
Radionuklide Thorium und Uran mit langer 3,0
Halbwertszeit in mehreren Stufen zu inaktiven
effektive Jahresdosis, mSv

Nukliden um.
2,5
9.7.1 Kosmische Strahlung und durch sie
erzeugte Radionuklide 2,0
Zugspitze

Von der Sonne und anderen Sternen trifft eine 1,5


energiereiche Teilchenstrahlung auf die Lufthülle
unserer Erde. Diese Strahlung besteht im Wesent- 1,0
lichen aus Protonen, also aus Wasserstoffkernen.
Beim Zusammenprall mit den Molekülen der 0,5
Lufthülle werden Atomkerne zertrümmert. ­Dabei München
entstehen neue Kerne und Teilchen, die weiter- Hamburg
fliegen und z. T. weitere Kerne zertrümmern, bis 0 1 2 3 4 Abb. 9.06
ihre ursprüngliche Energie aufgebraucht ist. Am Höhe über dem Meer, km Dosisleistung durch kosmische
Erdboden ist nur die Strahlung zu beobachten, Strahlung für mittlere Breiten
die durch vielfältige Sekundärprozesse entsteht.
Sie besteht im Wesentlichen aus Gamma­quanten In den oberen Schichten der Atmosphäre werden
(Photonen), Elektronen, Positronen, ­Neutronen durch die sehr energiereiche kosmische Strah-
und überwiegend Myonen. Myonen sind Ele­men­ lung ständig radioaktive Isotope neu gebildet.
tar­teilchen, die dem Elektron ähnlich sind aber Dies sind u. a. der radioaktive Wasserstoff (H-3)
eine rund 200fach höhere Masse haben. und der radioaktive Kohlenstoff (C-14), die durch

83
Sedimentation, Konvektion oder Niederschläge
auf die Erdoberfläche gelangen und zur Strahlen­
exposition des Menschen beitragen. C-14 ent-
steht in den oberen Schichten der Atmosphäre α
über eine Kernreaktion mit Neutronen aus N-14:

14 1 14 1
7 N + 0 n 6 C + 1 p β¯

9.7.2 Terrestrische Strahlung β¯

Die terrestrische Strahlung wird durch die in


der Umgebung des Menschen vorhandenen α
natür­lichen Radionuklide hervorgerufen. Dabei
­handelt es sich vor allem um radioaktive ­Nuklide,
deren Halbwertzeiten größer als 109 Jahre sind α
oder um deren Folgeprodukte mit kürzeren
Halbwertzeiten. Die wichtigsten Radionuklide,
die in der Erde vorkommen, sind Thorium-232, α
Uran-238 und U-235. Sie zerfallen in mehreren
Stufen zu inaktiven Bleiisotopen (Tab. 9.03 und
Abb. 9.08). Das wichtigste Radionuklid ohne α
­Zerfallsreihe ist K-40, das sich zu 0,0117 % in jeder
Kaliumverbindung befindet (Abb. 9.07). α β¯

40 α
19 K β¯ β¯

11 %
89 %
K-Einfang β¯
α α
β¯
40m
18 Ar
β¯ α
40 α β¯
20 Ca
γ
α
β¯ β¯

Abb. 9.07 (links) 40


Zerfallsschema für K-40
18 Ar
β¯ α

Abb. 9.08
Uran-Radium-Zerfallsreihe In den drei Zerfallsreihen durchlaufen die Radio-
nuklide die Kernladungszahl 86. Es treten damit
verschiedene Radon-Isotope auf. Radon ist ein Die Bestrahlung des Menschen durch die terres­
Edelgas, das teilweise aus dem Erdboden und aus trische Strahlung ist vom geologischen Unter-
dem Mauerwerk von Gebäuden austritt und dann grund und den verwendeten Baumaterialien
in der Luft weiter zerfällt. Radon und seine Folge­ abhängig. Die Tab. 9.04 gibt die Mittelwerte
produkte führen vor allem zu einer ­erhöhten der terrestrischen Strahlenexposition bei einem
Strahlenexposition der Lunge. ­Aufenthalt im Freien für die Bundesländer wie-
der. Die mittlere effektive Jahresdosis in Deutsch-
Zerfallsreihe Beginn Ende land durch die terrestrische äußere Bestrahlung
einschließlich der Strahlenexposition durch das
Baumaterial unserer Häuser beträgt 0,4 mSv.
232 208
Thorium-Reihe 90 Th 82 Pb Es gibt Gebiete der Erde, in denen die terres­
trischen Strahlendosen weit über den höchsten
235 207 Werten der Bundesrepublik Deutschland liegen.
Uran-Actinium-Reihe 92 U 82 Pb Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen der
Boden oder das Gestein eine hohe Konzentration
238 206
an Thorium bzw. Uran und deren Folgeprodukten
Tab. 9.03 Uran-Radium-Reihe 92 U 82 Pb aufweist. Solche Gebiete finden sich in Brasilien,
Natürliche Radioaktivitätszerfallsreihen Indien und Iran (Tab. 9.05).

84
Bundesland Effektive Gebiet Mittlere effektive Max. Jahres-
Jahresdosis Jahres­dosis Ortsdosis
in mSv in mSv in mSv

Baden-Württemberg 0,38 Deutschland 0,4 5

Bayern 0,42 Indien:


Bereiche
in Kerala und
4,0 55
Berlin 0,19 Tamil Nadu

Brandenburg 0,18 Brasilien:


Bereiche
in Espirito
6,0 175
Bremen 0,26 Santo

Hamburg 0,35 Iran:


Bereiche Tab. 9.05
in der Stadt
6,0 1.200
Hessen 0,37 Ramsar Terrestrische Strahlung
in verschiedenen Gebieten
Mecklenburg-Vorpommern 0,22
Nuklid Aktivität
Niedersachsen 0,29 in Bq

Nordrhein-Westfalen 0,36 H-3 25

Rheinland-Pfalz 0,42 Be-7 25

Saarland 0,49 C-14 3.800

Sachsen 0,35 K-40 4.200

Sachsen-Anhalt 0,27 Rb-87 650

Schleswig-Holstein 0,32 U-238, Th-234, Pa-234m, U-234 4


Tab. 9.04 (links)
Thüringen 0,39 Th-230 0,4 Ländermittelwerte der terrestrischen
Strahlendosis im Freien

9.7.3 Eigenstrahlung des Körpers Ra-226 1

Das Trinkwasser, die pflanzliche und tierische kurzlebige Rn-222-Zerfallsprodukte 15


Nahrung sowie die Luft enthalten natürliche
Radio­nuklide, die vom Körper aufgenommen, Pb-210, Bi-210, Po-210 60
aber auch durch den Stoffwechsel wieder aus-
geschieden werden, so dass sich im Körper ein Th-232 0,1
Gleichgewicht einstellt.
Ra-228, Ac-228, Th-228, Ra-224 1,5
Die Gesamtaktivität des menschlichen ­Körpers Tab. 9.06
(Standardmensch) beträgt etwa 9.000 Bq kurzlebige Rn-220-Zerfallsprodukte 30 Natürliche radioaktive Stoffe
(Tab. 9.06). Das bedeutet, dass in 1 Sekunde etwa im Menschen
9.000 Kernumwandlungen stattfinden und ­dabei
Strahlungsteilchen oder Energie­quanten ausge- 9.7.4 Gesamtbetrag der natürlichen
sandt werden. Am Tag sind es über 750 ­Millionen. ­Strahlenexposition
Da sich die resorbierten Radio­nuklide an unter-
schiedlichen Stellen im Körper ablagern, ist die Für Einwohner der Bundesrepublik Deutsch-
Aktivität nicht gleichmäßig im Körper verteilt. land beträgt die natürliche Strahlenexposition
im ­Mittel 2,1 mSv im Jahr. Bei der natürlichen
Die Strahlenexposition von innen wird im Wesent­ Strahlen­exposition macht die äußere Bestrahlung
lichen durch das inkorporierte Kalium-40 und das des Menschen ein Drittel, die innere Bestrahlung
inhalierte Radon (einschließlich seiner Folge­ zwei Drittel aus. Dabei liefern das einge­atmete
produkte) verursacht. Die effektive Dosis beträgt Radon und seine Folgeprodukte den größten
im Jahr im Mittel 1,4 mSv. ­Beitrag (Tab. 9.07).

85
Exposition durch Effektive Jahresdosis in mSv

Bestrahlung von außen Bestrahlung von innen Gesamt

Kosmische Strahlung

in Meereshöhe: ionisierende Komponente 0,24


Neutronen 0,07 } 0,3
in 1.000 m Höhe: ionisierende Komponente 0,3
Neutronen 0,15 } 0,45
kosmogene Radionuklide 0,02 0,02

primordiale Radionuklide*
* Radionuklide, die seit der
Erdentstehung existieren K-40 0,15 0,17
Rb-87 0,006 } 0,3
U-238-Reihe: U-238 † Ra-226 0,02
Rn-222 † Po-214
Pb-210 † Po-210
} 0,12 1,1
0,05
} 1,3
Tab. 9.07
Th-232-Reihe: Th-232 † Ra-224 0,01
Mittlere natürliche Strahlenexpositon
Rn-220 † Tl-208 } 0,14 0,07 } 0,2
in Deutschland unter Berücksichtigung
einer Aufenthaltszeit von 20  % im Freien
Summe 0,7 1,4 2,1
und 80  % in Gebäuden.

9.8 Zivilisatorisch bedingte Strahlenexposition des Menschen

Außer der natürlichen Strahleneinwirkung sind Untersuchungsart Effektive Dosis


die Menschen einer zivilisatorisch bedingten in mSv
Strahleneinwirkung ausgesetzt. Sie kommt im
Wesentlichen durch folgende Anwendungen Computertomographie
­zustande: Bauchraum 8,8 – 16,4

• Strahleneinsatz in der Medizin, Lendenwirbelsäule 4,8   –  8,7


Brustkorb 4,2   –  6,7
• Reaktorunfälle,
Röntgen-Aufnahmen und Durchleuchtung
• Kernwaffenversuche, Herzkranzgefäße 6   –  16

• Anwendungen ionisierender Strahlen in Darm 5   –  12


­Wissen­schaft, Technik und Haushalt, Gallenblase 1   –  8

• Flugverkehr, Röntgen-Aufnahme
Lendenwirbelsäule 0,6 – 1,1
• Betrieb von Kernkraftwerken und anderen
kerntechnischen Anlagen. Mammographie
0,2 – 0,04
beidseits
Tab. 9.08 9.8.1 Strahlenexposition durch Anwendung Brustkorb 0,02 – 0,04
Gerundete Mittelwerte der effektiven ionisierender Strahlen und radioaktiver
Stoffe in der Medizin Zahn ≤ 0,01
Dosis für einige Röntgenuntersuchungen

Die Anwendung der Röntgenstrahlen in der Bei nuklearmedizinischen Untersuchungen wird


­medizinischen Diagnostik führt zu einer Strahlen­ dem Patienten eine radioaktive Substanz verab-
exposition des Menschen. Sie ist von der Art reicht, die vom Körper resorbiert und in bestimm-
und dem Umfang der durchgeführten Unter- te Organe transportiert wird. Da die Substanz
suchung abhängig. Tab. 9.08 gibt dafür einige Strahlen aussendet, ist ihr Weg im Körper und
­Orientierungswerte. In Deutschland werden im die Stellen erhöhter Konzentration von außen
Mittel etwa 1,7 Röntgenuntersuchungen pro gut zu verfolgen. Aus der Aufnahmegeschwindig-
­Person und Jahr durchgeführt. Daraus ist eine keit und der Konzentration im Organ oder Teilen
mittlere effektive Jahresdosis für den einzelnen davon lassen sich Rückschlüsse auf die Organ­
Einwohner von etwa 1,8 mSv errechnet worden. funktion ziehen oder auch Tumore erkennen.

86
Die verabreichten Substanzen enthalten radio- Nach dem Unfall im März 2011 in der japanischen
aktive Isotope, die eine möglichst kurze Halb- Kernkraftwerksanlage Fukushima Daiichi konnten
wertzeit besitzen, nicht zu lange im Körper ge- zwar in Deutschland Spuren der freigesetzten Ra-
speichert werden und deren Strahlung nicht zu dioaktivität gemessen werden. Eine Strahlendo-
energiereich ist. Dies setzt voraus, dass beson- sis durch die geringen Aktivitätskonzentrationen
ders empfindliche Messverfahren zur Verfügung ist allerdings nicht gegeben.
stehen.
9.8.3 Strahlenexposition durch Kernwaffen-
Der Dosisbeitrag durch die Nuklearmedizin für tests
die Bevölkerung beträgt mit 0,1 mSv pro Jahr nur
wenige Prozent des Wertes durch die Röntgen­ Kernwaffenexplosionen erzeugen sehr ­große
diagnostik. Radio­aktivitätsmengen an Spalt- und Akti­
vierungs­produkten. Neben diesen Spalt- und
9.8.2 Strahlenexposition durch Reaktorunfälle Aktivierungsprodukten haben für die Strahlen-
exposition auch noch die bei der Explosion aus
Aufgrund des Reaktorunfalls von Tschernobyl dem Uran-238 entstehenden Plutoniumisotope
am 26. April 1986 gelangten aus dem ­zerstörten Pu-239, Pu-240 und Pu-241 sowie der Teil des
­Reaktor große Mengen radioaktiver Stoffe ins ­ungespalten gebliebenen Bombenmaterials
Freie. Ein Großteil der Radionuklide hat zu einer ­Pu-239 eine Bedeutung.
hohen Kontamination der Umwelt in einer 30-km-
Zone um den Reaktor geführt. Als Folge des Bis heute wurden 543 Kernwaffen oberirdisch,
Brands des Reaktors wurden radioaktive Stoffe in d. h. mit einer Freisetzung der radioaktiven ­Stoffe
mehrere Kilometer Höhe transportiert und z. T. in die Atmosphäre, gezündet. Die nach Zahl und
über weite Gebiete verteilt. Sprengkraft größten Versuchsserien wurden
in den Jahren 1961/62 durch die USA und die
Durch meteorologische Einflüsse bedingt sind ­Sowjetunion mit 128 Explosionen durchgeführt.
die aus der radioaktiven Wolke abgelagerten
Aktivitäts­­mengen in den Regionen der Bundes­ Die Strahlenexposition der Bevölkerung durch
republik sehr unterschiedlich – im Norden und den radioaktiven Fallout folgt aus einer ­externen
­Westen deutlich geringer als im Süden und Bestrahlung durch die auf dem Boden abge­
­Südosten. Daher ist keine bundeseinheitliche lagerte Radioaktivität und durch die interne
­Dar­stellung hinsichtlich der resultierenden Strahlen­dosis infolge Inhalation oder den Verzehr
­Strahlendosis, die zudem noch stark von der von kontaminierten Nahrungsmitteln.
­individuellen Ernährungs­gewohnheit abhängt,
möglich. Für Personen in Mitteleuropa ergibt sich für
den Zeitraum von 1960 bis 2030 im Mittel eine
Berechnet man die Dosis für einen Zeitraum von ­effektive Dosis von rund 2 mSv; rund 80 % ­dieser
50 Jahren (1986 bis 2036), so ergibt sich ein Ge- Dosis sind in den Jahren von 1960 bis 1970
samtbetrag von 0,4 mSv im Norden und 2,3 mSv ­angefallen.
in den Voralpen. Für Einzelpersonen mit extre-
men Lebens- und Verzehrgewohnheiten können Die Abb. 9.09 zeigt die Ergebnisse von Messun-
sich Dosiswerte bis zum Zwei- oder Dreifachen gen des Cs-137-Gehaltes im Körper, die an einer
dieser Werte ergeben. Referenz­personengruppe mit dem Ganzkörper-
zähler des Karlsruher Instituts für Technologie
ermittelt wurden.

spezifische Aktivität der Körpermasse in Bq/kg


12
Kernwaffentest
in der Atmosphäre
10
Reaktorunfall
in Tschernobyl
8

0 Abb. 9.09
1960 1970 1980 1990 2000 2010 Jahr Cs-137-Körperaktivität der Karlsruher
Referenzgruppe

87
9.8.4 Strahlenexposition durch Flugverkehr 9.8.5 Strahlenexposition durch Kernkraftwerke

Eine erhöhte Strahlenexposition durch die kos­ Bei den in einem Kernkraftwerk arbeitenden
mische Strahlung tritt bei Flügen in größeren ­Personen kommt es im Wesentlichen zu einer
­Höhen auf. Dadurch erhöht sich die durch kos- äußeren Strahleneinwirkung. Für die übrige
mische Strahlung hervor­gerufene Exposition ­Bevölkerung ist praktisch nur die Strahlen­
der west­europäischen ­Bevölkerung im Mittel ein­wirkung von Bedeutung, die aufgrund
um 0,01 mSv im Jahr. Für ­einzelne Flugstrecken ­inkor­porierter Radionuklide aus radioaktiven
­können folgende Werte als Anhaltspunkt dienen: ­Ableitungen der Kernkraftwerke entsteht. Es
kommt also im Wesentlichen zu einer internen
Frankfurt – New York – Frankfurt Strahlenexposition.
0,1 Millisievert
Zum Schutz des Kraftwerkspersonals und der
Frankfurt – Singapur – Frankfurt ­Bevölkerung hat der Gesetzgeber in der Strahlen-
0,08 Millisievert schutzverordnung Dosisgrenzwerte festgelegt,
die nicht überschritten werden dürfen. Diese
Frankfurt – Palma de Mallorca – Frankfurt Grenzwerte schließen die natürliche und die
0,01 Millisievert ­medizinische Strahlenexposition nicht ein.

Die durch die erhöhte kosmische Strahlung Für beruflich strahlenexponierte Personen ­beträgt
verursachte Strahlenexposition des fliegen- der Grenzwert der effektiven Dosis ­20 ­Millisievert
den ­Personals wird durch amtlich zugelassene je Jahr. Für Personen, die außerhalb der Strahlen-
Rechen­programme ermittelt. Im Jahr 2011 wur- schutzbereiche eines Kernkraftwerks leben oder
den in Deutschland auf diese Weise rund 40.000 arbeiten, darf die effektive Körperdosis durch
Per­sonen überwacht. Die mittlere Jahresdosis die Ableitung radioaktiver Stoffe für jeden der
betrug 2,1 mSv. Das fliegende Personal ist damit Expositions­pfade Wasser und Luft den Wert von
eine der am höchsten strahlenexponierten Be- 0,3 mSv im Jahr nicht überschreiten.
rufsgruppen in Deutschland.
Die tatsächlich für die Bevölkerung durch den Be-
trieb der Kernkraftwerke in Deutschland auftre-
tenden Strahlenexpositionen (Abb. 9.10) liegen
deutlich unter diesen Grenzwerten.

Brokdorf
*

Emsland

Grafenheinfeld

Grohnde

Gundremmingen

Isar

Neckar
Abb. 9.10
Effektive Folgedosis an der ungüns­
Philippsburg
tigsten Einwirkungsstelle außerhalb von
* kleiner als 0,0001
*

Kernkraftwerken durch die Ableitung


radioaktiver Stoffe mit Abluft und
­Abwasser im Jahr 2011 0 0,001 0,002 0,003 0,004
Abluft
mSv
Abwasser

88
Zusammenfassung der Strahlenexposition 9.9

Die natürliche Strahlenexposition des Menschen effektive Dosis


setzt sich aus der externen Exposition durch die mSv/a
kosmische und terrestrische Strahlung und der 3,0
internen Exposition durch inkorporierte Radio­
nuklide zusammen.
Gesamt Gesamt
2,1 mSv/a 1,9 mSv/a
Die zivilisatorische Strahlenexposition wird fast
2,0 alle anderen: < 0,05
ausschließlich durch die Anwendung ionisieren-
der Strahlen und radioaktiver Stoffe in der Medi-
zin – überwiegend durch die Röntgen­diagnostik
– bestimmt.
Radon: 1,1 Medizin: 1,9
1,0
Weitere Beiträge stammen von nuklearen Un­ Nahrung: 0,3
fäl­len, Kernwaffentests, Flugreisen, beruflicher
Strahlenexposition, Kernkraftwerken, fossilen Boden: 0,4
Energieträgern und Industrieprodukten. Kosmos: 0,3 Abb. 9.11
0 Mittlere natürliche und zivilisatorische
Die effektive Jahresdosis aus allen natürlichen Natur Zivilisation Strahlenexposition in Deutschland
und künstlichen Strahlenquellen beträgt für
einen Einwohner in Deutschland im ­Mittel 4 mSv
(siehe Abb. 9.11 und Tab. 9.09). Diese Dosis
stammt etwa jeweils zur Hälfte aus der natür­
lichen und medizinischen Strahlen­exposition.

Gegenüber den Beiträgen zur Strahlendosis


durch natürliche Exposition und Medizin und
­insbesondere unter Berücksichtigung der nicht
unerheblichen Streuung dieser Dosiswerte
sind alle anderen Dosisbeiträge faktisch zu ver­
nachlässigen.

Ursache Effektive Jahresdosis in mSv


der Strahlendosis
Typischer Wert für Wertebereich für
die Bevölkerung exponierte Einzelpersonen

Natur kosmische Strahlung 0,3 0,3 bis 0,5

terrestrische Strahlung 0,4 0,2 bis 3

innere Bestrahlung 1,4 0,5 bis 8

Natur gesamt 2,1 1 bis 10

Zivilisation Medizin (Daten für 2010) 1,9 0,01 bis über 30

Flugreisen 0,01 0,01 bis 6

Tschernobyl-Unfall 0,005 0,002 bis 0,02

Kernwaffentests 0,005 0,002 bis 0,01

Industrieprodukte 0,001 < 0,001 bis 0,01

fossile Energieträger 0,001 < 0,001 bis 0,01

Kernkraftwerke 0,001 < 0,001 bis 0,01

Beruf 0,3* 0,1 bis 20 Tab. 9.09

Zivilisation gesamt 1,9 0,01 bis über 30 Strahlenexposition der Bevölkerung


in Deutschland, 2011
Gesamt 4 * Nur bezogen auf die beruflich
exponierten Personen

89
Sachwortverzeichnis

Abbrand . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 52, 70 Elementarladung . . . . . . . . . . . . . . . . 9


Abfälle, wärmeentwickelnde . . . . . . . . . . 76 Elementarteilchen . . . . . . . . . . . . . 10, 28
Abgabewerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Endlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Abluft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61, 76, 86 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Abwasser . . . . . . . . . . . . . . . . 61, 76, 86 Energie von
Actinoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 71 – Alphateilchen . . . . . . . . . . . . . . 28
AGR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 – Betateilchen . . . . . . . . . . . . . . . 28
Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 40 – Gammaquanten . . . . . . . . . . . . . 29
Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Neutronen . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Aktivität, spezifische . . . . . . . . . . . . . . 23 Energiebilanz bei der Kernspaltung . . . . . . 34
Aktivitätskonzentration . . . . . . . . . . . . 23 Energiedosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Aktivkohlefilter . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Energieumwandlungen . . . . . . . . . . . . 25
Alphastrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Entsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Alphateilchen . . . . . . . . . . . . . . . 17, 28
Alphazerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Fail safe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Anreicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 69 Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 76
Antineutrino . . . . . . . . . . . . . . 18, 20, 28 Flächenaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 7 Folgedosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Atomhülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Frühschäden . . . . . . . . . . . . . . . . 81, 82
Atomkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Fukushima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Atommasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Auslegungsstörfall . . . . . . . . . . . . . 57, 64 Gammaquant . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 28
Gammastrahlen . . . . . . . . . . . . . . 19, 29
Becquerel . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 23 Geschwindigkeit von
Beryllium . . . . . . . . . . . . 8, 20, 32, 41, 45 – Alphateilchen . . . . . . . . . . . . . . 17
Betastrahlen . . . . . . . . . . 18, 34, 56, 58, 80 – Betateilchen . . . . . . . . . . . . . . . 18
Betateilchen . . . . . . 18, 21, 28, 37, 40, 77, 79 – Gammaquanten . . . . . . . . . . . . . 19
Beta–-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . 12, 18, 28 – Neutronen . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Beta+-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . 2, 18, 28 Gewebe-Wichtungsfaktor . . . . . . . . . . . 81
Bindungsenergie . . . . . . . . . . 13, 14, 15, 34 Graphit . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 45, 52
Bor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 43, 49 Gray . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80, 82
Brennelement . . . . . 26, 37, 45, 49, 70, 73, 75 Größenverhältnis im Atom . . . . . . . . . . . 10
Brennelementwechsel . . . . . . . . . . . 52, 71
Brennstab . . . . . . . . . 27, 30, 52, 57, 59, 72 Halbwertzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Brennstabhülle . . . . . . . . . . . . . . . 27, 58 Helium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 54
Brennstoffkreislauf . . . . . . . . . . . . . . . 70 Hochtemperaturreaktor . . . . . . . . . . . . 53
Brutreaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 54
Ion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Cäsium . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 18, 56, 61 Ionisationskammer . . . . . . . . . . . . . . . 79
CANDU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Isotop . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 19, 33
Curie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 23
Joule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Dampfblasenkoeffizient . . . . . . . . . . . . 43
Dampferzeuger . . . . . . . . . . . . . 50, 53, 64 Kalium-40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 85
Deuterium . . . . . . . . . . . . . 11, 41, 42, 51 K-Einfang . . . . . . . . . . . . . . 19, 21, 29, 84
Deuteron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kernaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Diffusionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 69 Kernkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Diversität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Kernkraftwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Dosis, effektive . . . . . . . . . . . . . 81, 85, 89 Kernladungszahl . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Druckbehälter . . . . . . . . . . . . . 49, 51, 52 Kernspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 38
Druckdifferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Kernteilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 12
Druckentlastung, gefilterte . . . . . . . . . . 66 Kernumwandlung . . . . . . . . . . . . . 17, 20
Druckwasserreaktor . . . . . . . . . . . . . . 50 Kernwaffentest . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Durchmesser eines Atoms . . . . . . . . . . . . 9 Kettenreaktion . . . . . . . . . . . . . . . 31, 43
Kondensator . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 63
Elektron . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. 18, 27 Konditionierung radioaktiver Abfälle . . . . . 73
Elektroneneinfang . . . . . . . . . . . . . . . 19 Konversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Elektronenhülle . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Elektronvolt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Ladung, elektrische . . . . . . . . . . . . . . 10
Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 37

90
Massenverlust . . . . . . . . . . . . . . . 13, 36 Ringspalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Massenzahl . . . . . . . . . . . . . 10, 14, 17, 34 Röntgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
metastabil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Röntgenstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . 19
Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 41 Rückhalteeinrichtungen
MOX-Brennelement . . . . . . . . . . . . . . 49 für radioaktive Stoffe . . . . . . . . . . . . . . 61
Multiplikationsfaktor . . . . . . . . . . . . . 43 Rückstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Nachzerfallswärme . . . . . . . . . . . . . 64, 72 Schild, biologischer . . . . . . . . . . . . . . 58


Naturreaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Schutzbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Neutrino . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 28 Sicherheitsbarrieren . . . . . . . . . . . . . . 58
Neutron . . . . . . . . . . . . . . 10, 18, 37, 40 Sicherheitsbehälter . . . . . . . . 49, 58, 60, 66
Neutronen Sicherheitskonzept . . . . . . . . . . . . . . . 57
– langsame . . . . . . . . . . . . . . . 33, 40 Siedewasserreaktor . . . . . . . . . 26, 42,49, 65
– mittelschnelle Siedewasser-Druckröhrenreaktor . . . . . . . 52
(epithermische, intermediäre) . . . . . . 39 Sievert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
– schnelle . . . . . . . . . . . . . . . 40, 44 Spaltgasraum . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
– thermische . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Spaltneutronen . . . . . . . . . . . . . . . . 39
– verzögerte . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Spaltprodukte . . . . . . . 27, 33, 35, 47, 57, 74
Neutronenabsorption . . . . . . . 43, 45, 59, 69 Spaltproduktlösung, hochaktive . . . . . . . . 74
Neutroneneinfang . . . . . . . . 32, 34, 40,56, 71 Spätschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Neutronengeneration . . . . . . . . . 36, 40, 43 Sperrmedium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Neutronenreflektor . . . . . . . . . . . . . . 53 Spontanspaltung . . . . . . . . . . . . . . 33, 37
Neutronenstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . 20 Steuerstab . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 44
Neutronenzahl . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 11 Steuerung der Kettenreaktion . . . . . . . . . 43
Notfallschutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . 57 Störfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57, 64
Notkühlkreisläufe . . . . . . . . . . . . . . . 65 Stoß, elastischer . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Notkühlsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Stoß, unelastischer . . . . . . . . . . . . . . 40
Nukleon . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 34 Strahlenexposition, natürliche . . . . . . . . . 83
Nuklid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Strahlenexposition, zivilisatorische . . . . . . 86
Strahlenquellen im Kernkraftwerk . . . . . . . 56
Ordnungszahl . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 10 Strahlenschäden, genetische . . . . . . . . . 81
Organdosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Strahlenschäden, somatische . . . . . . . . . 81
Strahlenwirkung, biologische . . . . . . . . . 80
Pellets . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 59, 70 Strahlung, ionisierende . . . . . . . . 17, 57, 79
Personenschleuse . . . . . . . . . . . . . . . 63 Strahlung, kosmische . . . . . . . . . . . . . 83
Photon . . . . . . . . . . . . . . . 19, 29, 80, 83 Strahlung, terrestrische . . . . . . . . . . . . 84
Plutonium . . . . . . . . . . . . 8, 33, 37, 56, 70 Strahlungs-Wichtungsfaktor . . . . . . . . . . 80
Positron . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 28
Proton . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 18, 32 Teilchenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Protonenzahl . . . . . . . . . . . . . . 8, 11, 15 Thorium . . . . . . . . . . . . . . 17, 32, 37, 83
PUREX-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Transportbehälter . . . . . . . . . . . . . . . 75
Transurane . . . . . . . . . . . . . . . 32, 68, 70
Qualitätskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . 47 Tritium . . . . . . . . . . . . . . . 11, 21, 62, 77
Triton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Rad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Tschernobyl . . . . . . . . . . . . . . 42, 87, 89
Radioaktivität . . . . . . . . . 16, 23, 70, 76, 87
Radionuklid . . . . . . . . . . . . . . . 21, 28, 84 Uran . . . . . . . . . . . . . . 32, 37, 41, 69, 83
Radionuklide, künstliche . . . . . . . . . . . . 21 Urananreicherung . . . . . . . . . . . . . . . 70
Radionuklide, natürliche . . . . . . . . 21, 83, 85 Urangewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . 69
RBMK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Uranhexafluorid . . . . . . . . . . . . 46, 69, 75
Reaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 48 Uranisotope . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 56
Reaktor, überkritischer . . . . . . . . . . . . . 44 Uranvorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Reaktor, unterkritischer . . . . . . . . . . . . 44
Reaktorbetriebsabfälle . . . . . . . . . . . . . 76 Verglasung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Reaktordruckgefäß . . . . . . . . . . . . . 59, 64 Verzögerungsstrecke . . . . . . . . . . . . . . 76
Reaktorsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 44
Redundanz . . . . . . . . . . . . . . . . . 58, 64 Wasser, Schweres . . . . . . . . . . . . . . . 45
Reichweite von elektr Kräften . . . . . . . . . 13 Wasserstoff, natürlicher . . . . . . . . . . . . 11
Reichweite von Kernkräften . . . . . . . . . . 12 Wasserstoffisotope . . . . . . . . . . . . . . . 11
Rem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Wellendichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 63

91
Wellenlänge von Gammaquanten . . . . . . . 29
Wiederaufarbeitung . . . . . . . . . . 37, 70, 73
Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . 25, 35, 52

Xenon-133 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Yellow Cake . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 75

Zentrifugen-Verfahren . . . . . . . . . . . . . 46
Zerfall, radioaktiver . . . . . . . . . . . . . . 40
Zerfallsreihen . . . . . . . . . . . 34, 47, 56, 84
Zirkaloy . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 59, 70
Zwischenkern . . . . . . . . . . . . . . . 20, 33

92
Notizen

93
94
Herausgeber:
DAtF
Deutsches Atomforum e.V.
Robert-Koch-Platz 4
10115 Berlin

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