Sie sind auf Seite 1von 124

Ökosystemforschung am Beispiel einer Insel

(La Gomera)

Exkursionsbericht
über die Exkursion des Masterstudiengangs
„Umwelt-, Hygiene- und Sicherheitstechnik“
(Wahlmodul 12860)
des Fachbereichs 04 KMUB
(Krankenhaus- und Medizintechnik, Umwelt- und Biotechnologie)
an der Fachhochschule Gießen-Friedberg
in der Zeit vom 13. bis 20. März 2010
Prof. Dr. Ulrich Kirschbaum
Teilnehmer:

Benner, Christian (Dipl. Ing.)


Beyer, Maik (Dipl. Ing.)
Deisenroth, Frank (Dipl. Ing.)
Eikelberg, Sabine (Dipl. Ing.)
Gonka, Monika (Dipl. Ing.)
Heck, Horst (Dipl. Ing.)
Herbert, Steffen (Dipl. Ing.)
Hofmann, Sascha (Dipl. Ing.)
Kirschbaum, Christel
Marcard von, Gisa (Dipl. Ing.)
Marcard von, Matthias
Pausch, Susanne (Dipl. Ing.)
Peter, Alexandra (Dipl. Ing.)
Platen, Harald (Prof. Dr.)
Platt, Jochen (Dipl. Ing.)
Plunksnyte, Ingrida
Windisch, Ute (Prof. Dr.)

Leitung:
Kirschbaum, Ulrich (Prof. Dr.)

Da es sich bei den Teilnehmern der Exkursion weder um Biologen noch um Geologen han-
delt, werden wissenschaftliche Sachverhalte in diesem Bericht gelegentlich stark vereinfacht
dargestellt, um sie verständlicher zu machen.
In Ergänzung zu den Abbildungen des Berichtes werden manche Sachverhalte zusätzlich in
Form von Power Point-Animationen demonstriert (siehe jeweilige Hinweise im Text).
Die Bilder, Diagramme und PP-Animationen stammen – soweit nicht gesondert vermerkt –
vom Verfasser.
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. H. Platen für technische Unterstützung bei der Herstellung des
Berichtes.
Zur Quelle des Bildes auf der Titelseite: siehe [5].
Der Bericht wurde fertig gestellt am: 21. Juni 2010.

2
Inhalt

Seite

1. Einleitung 4

2. Geographische Informationen 5

3. Entstehungsgeschichte (Geologie) 7

4. Besiedlungsgeschichte (Vegetation, Tierwelt) 25


Besonderheiten von Insel-Ökosystemen

5. Beziehung zwischen Klima und Vegetationsstufen 27

5.1 Anpassungsstrategien 30

5.2 Die Vegetationszonen La Gomeras 42

6. Besiedlungsgeschichte (Mensch) 59

7. Die wirtschaftliche Entwicklung 63

8. Tagesprotokolle 70

9. Literatur 124

3
1. Einleitung
Der Studiengang UHST an der FH Gießen Friedberg ist ausgesprochen interdisziplinär ausge-
richtet: Neben naturwissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen erhalten die Studierenden
vertiefte Einblicke in technische Aspekte in der Umwelt-, Hygiene- und Sicherheitstechnik.
Da technische Interventionen in unsere Umwelt auf diese verändernd einwirken, sind Einbli-
cke in die Auswirkungen solcher Eingriffe auf ökologische Systeme für Studierende der Um-
welt-, Hygiene- und Sicherheitstechnik unerlässlich, um die daraus resultierenden Gefährdun-
gen abschätzen zu können.
Derlei Kenntnisse über das Beziehungsgefüge in Ökosystemen werden exemplarisch in Vor-
lesungen und Praktika zur Allgemeinen Ökologie vermittelt. Um Anfänger mit der
Komplexizität der Materie nicht zu überfordern, wird dabei auf möglichst einfache und über-
schaubare Beispiele zurückgegriffen. Ein gut zu durchschauendes Beispiel bieten ökologische
Untersuchungen in naturnahen Wäldern. Im Hauptstudium von UHST wird die Beziehung
zwischen der geologischen Ausgangssituation, den daraus resultierenden Böden und der da-
von abhängigen Pflanzenwelt dargestellt (einwöchiges, ganztägiges Praktikum in Waldöko-
systemen am Edersee). Für die Masterstudierenden von UHST bot sich eine Vertie-
fung/Erweiterung der dabei gewonnenen Erkenntnisse an, in dem auf der Insel La Gomera das
Beziehungsgefüge zwischen Mikroklima (Trockenstress) und den daraus resultierenden An-
passungsstrategien der Pflanzenwelt erkundet werden sollte.
Mehrtägige Exkursionen sind an Fachhochschulen eher unüblich, ermöglichen aber über die
reine Wissensvermittlung hinaus noch die Möglichkeit, die soziale Kompetenz der Teilneh-
mer zu stärken – ein Aspekt, der bei dem stark durchorganisierten und zeitintensiven FH-
Studium meistens zu kurz kommt.

Die Exkursion wurde durch eine Vorlesung vorbereitet.


Die Lehrveranstaltung hatte folgende Aspekte zum Gegenstand:

Ökosystemanalyse am Beispiel einer Insel

 Ausgangssituation (Geologie – Topographie – Böden – Beziehungsgefüge zwischen


Vegetation und Klima)
 Eingriffe des Menschen (Erstbesiedlung durch die Altkanarier – Die zweite Sied-
lungswelle durch die Spanier)
 Einflüsse der Landwirtschaft (Erosionsgefahr, Terrassenbau, Monokultur)
 Einflüsse des Tourismus (Straßenbau, Zersiedelung, Auswirkungen auf das Wasser-
haushaltsregime, Landflucht, „sanfter Tourismus“)

Tages-Exkursionen: Erläuterungen zu den in der Vorlesung dargestellten Themen.

4
2. Geographische Informationen
La Gomera und gehört mit den restlichen Kanaren, den Azoren, dem Madeira-Archipel, den
Selvagens und den Kapverden zu den Mittelatlantischen Vulkaninseln. Wegen ihrer ähnlichen
geologischen Entstehungsgeschichte (Vulkaninseln) und der ähnlichen Vegetation werden
diese Inseln auch als Groß-Makaronesien bezeichnet. Der Begriff Makaronesien bedeutet im
Griechischen „Inseln der Glückseligen“ (Abb. 1).

Abb. 1: Lage der Kanarischen Inseln (aus [1]).

Der Kanaren-Archipel befindet sich zwischen etwa 27° 38' und 29° 30' nördlicher Breite und
13° 22' und 18° 11' westlicher Länge im östlichen Atlantik, westlich von Nordwestafrika (Ma-
rokko). Er ist der subtropischen Klimazone zuzuordnen. Die Inseln liegen auf gleicher Höhe
mit beispielsweise Florida, der Sahara und Kuwait.
Die Kanaren bestehen aus den sieben Hauptinseln Tenerife, Fuerteventura, Gran Canaria,
Lanzarote, La Palma, La Gomera und El Hierro (nach Größe geordnet; siehe Abb. 2).

5
Abb. 2: Der Kanaren-Archipel(aus [2]; verändert).

Politisch gehört der Archipel zu Spanien (Abb. 3).

Abb. 3: Politische Zuordnung der Kanarischen Inseln (aus [3]; verändert).

La Gomera ist etwa 350 km vom Festland (Marokko) entfernt. Mit 378 km² ist sie die zweit-
kleinste, bewohnte Kanareninsel. Die größte Nord-Süd-Ausdehnung beträgt ca. 22 km, die
größte West-Ost-Ausdehnung misst ca. 25 km. Höchster Berg von La Gomera ist der Alto de
Garajona mit 1.487 m, allerdings hebt sich seine Kuppe nur unwesentlich gegenüber der un-
mittelbaren Umgebung des Hochplateaus hervor.
Nach einer Volkszählung hatte die Insel 2007 22.622 Einwohner. Aufgrund der beispiellosen
Naturschätze, wurden der Nationalpark Garajonay, der ein Zehntel der Gesamtfläche umfasst,
1986 von der UNESCO zum Weltnaturerbe der Menschheit erklärt. Im September 2009 wur-
de die einzigartige Pfeifsprache El Silbo in die UNESCO-Liste der erhaltenswerten Kulturgü-
ter aufgenommen.

6
3. Entstehungsgeschichte (Geologie)

Die Kanaren sind vulkanischen Ursprungs, d.h. ebenso wie aktuell beim isländischen Vulkan
unter dem Eyjafjalla-Gletscher oder am süditalienischen Ätna ist Magma seit ca. 70 Millio-
nen Jahren (70 Ma) aus dem Erdinneren an der Oberfläche ausgetreten und hat dort stattliche
Vulkangebirge entstehen lassen. Dieser Prozess dauert bis heute an. Da der kanarische Vulka-
nismus überwiegend untermeerisch (submarin) stattgefunden hat, ist man sich im allgemeinen
der Mächtigkeit dieser Vulkane nicht bewusst, da sich nur der kleinere Teil über dem Meeres-
spiegel befindet (der Teide auf Tenerife liegt mit 3000 m, der Garajonay – als höchster Gipfel
La Gomeras – sogar nur 1500 m über dem Meeresspiegel). Es wird davon ausgegangen, dass
nur ca. 5% der gesamten kanarischen Magmenmasse über dem Meeresspiegel liegen.
Über die Entstehungsgeschichte des Kanaren-Archipels war man sich lange Zeit im Unklaren
– nach neueren Untersuchungen von [4] scheint der Sachverhalt jetzt weitgehend geklärt:

Vor 250-200 Ma existiert ein Großkontinent „Pangäa“, in dem fast alle heutigen Platten ver-
eint sind (siehe Abb. 4 und Animation01).

Abb. 4: Superkontinent Pangäa.

Angetrieben durch Konvektionskräfte im Erdinneren beginnt die Groß-Platte vor ca. 200 Ma
aufzureißen – dazwischen bildet sich neuer Meeresboden aus (Seafloor spreading). Die
Bruchstücke entfernen sich voneinander; es entstehen u.a. die Kontinente Eurasien und Afrika
(Abb. 5).

7
Abb. 5: Der Superkontinent Pangäa ist auseinander gebrochen.

Seit ca. 140 Ma kommt es zu einer Veränderung der Konvektionsbewegungen, die zur Folge
hat, dass sich Afrika wieder nordwärts (auf Europa zu) bewegt. Dieser Nordbewegung ver-
danken die Kanaren, die sich auf der überfluteten Westseite der afrikanischen Platte befinden,
ihre Bildung.

Nach der aktuellen Theorie entstanden die Kanaren als Resultat eines „Hot Spots“.
Hot Spot: Aufstieg heißen Materials aus dem Erdinneren in einem über 100 km breiten, über
Jahrmillionen ortsfesten, Kanal, westlich des afrikanischen Kontinents. Dieser durchstößt die
feste Erdkruste (Lithosphärenplatte) und bildet einen Vulkan aus. Geschieht dieser Vorgang
unter dem Meer und ist die geförderte Magmenmenge groß genug, kann der Vulkan die Was-
seroberfläche erreichen – eine Insel bildet sich (z.B. Gran Canaria; siehe Abb. 6 bzw. Anima-
tion02).

Abb. 6: Entstehung einer Insel über einem Hot Spot (Profilansicht).

8
Die Insel wächst, so lange der Magmenfluss anhält, d.h. so lange sich der Vulkan über dem
Hot Spot-Kanal befindet. Reißt die Verbindung durch Weiterwandern der Platte ab, erlischt
der Vulkan (siehe die Abb. 7).

Abb. 7: Die Vulkaninsel wird infolge Plattenwanderung vom Hot Spot gerissen.

Über dem Hot Spot entsteht ein neue Insel (im Beispiel La Gomera; siehe Abb. 8). Bei der
abgerissenen Insel (Gran Canaria) setzt Erosion (Abtragung) ein.

Abb. 8: Über dem Hot Spot entsteht eine neue Insel (im Beispiel La Gomera).

Durch Weiterwandern der afrikanischen Platte nach Nordosten wird so im Verlauf der Jahr-
millionen eine ganze Kette von Inseln gebildet. Die zuerst entstandenen (ältesten) verschwin-
den allmählich unter der Meeresoberfläche und sind nur noch als untermeerische Gebilde
existent (Abb. 9).

9
Abb. 9: Im Verlauf der Jahrmillionen entstehen viele Inseln; die ältesten verschwinden durch
Abtragung wieder unter der Meeresoberfläche.

Dieser Prozess setzt sich bis heute fort (Abb. 10): Nach der Bildung von La Gomera entstan-
den noch Tenerife, La Palma und El Hierro. Bei den letzteren ist bis in historische Zeit
Magmenfluss zu beobachten.

Abb. 10: Die weitere Entwicklung des Kanaren-Archipels.

10
Abb. 11 zeigt den vermutlichen Weg der Plattenwanderung und den daraus resultierenden
Verlauf der Insel-Entstehungen in Aufsicht (siehe auch Animation03): Die nördlichsten Inseln
sind bereits im Meer versunken

Abb. 11: Weg der westlichen afrikanischen Platte über dem Kanaren- Hot Spot (aus [4]; verändert).

Das Alter der submarinen und der obermeerischen Inseln ist in Abb. 12 und Animation04
dargestellt.

Abb. 12: Entstehungsalter der kanarischen Inseln (aus [4]; verändert).

Der aktive Vulkanismus auf La Palma und El Hierro stützt die aufgezeigte Hypothese; dage-
gen scheint der junge Vulkanismus auf Lanzarote (alte Insel) ihr zu widersprechen. Es konnte
aber nachgewiesen werden, dass es vom heutigen Hot Spot aus einen ca. 1000 km langen und
150 km breiten, unterirdischen (horizontalen) Magmagang bis in das marokkanische Atlasge-
birge gibt, der den aktuellen Vulkanismus von Lanzarote speist [4]; siehe Abb. 13.

11
Abb. 13: Der junge Vulkanismus der (alten) Insel Lanzarote speist sich aus einem Kanal, der vom
heutigen Ort des Hot Spots über die Insel nach Afrika verläuft (aus [4]; verändert).

Nachdem La Gomeras vulkanisch aktive Phase vor ca. 3 Ma zu Ende gegangen ist, hat die
Erosion ein Gebilde mit extrem stark ausgeprägtem Relief modelliert (Abb.14 und 15):

Abb. 14: Topographie von La Gomera (aus [5]; verändert).

12
Abb. 15: Höhenlinien von La Gomera (aus [5]; verändert).

Ausgehend von einer weitgehend ebenen zentralen Fläche um den Garajonay haben sich an-
nähernd sternförmig ca. 50 Schluchten (Barrancos) in das Gestein eingeschnitten. Im oberen
Teil sind sie klein und flach, nach unten hin werden die Wände immer steiler und sie können
bis zu 800 m tief sein (siehe die folgenden Abb. 16-20).

Abb. 16: Barranco de la Negra (Süden).

13
Abb. 17: Barranco de Guarimiar (Süden).

Abb. 18: Barranco de Benchijigua (Süden).

14
Abb. 19: Barranco de Taguluche (Nordwesten).

Abb. 20: Barranco de Valle Gran Rey (Westen).

Insgesamt ist La Gomera steil, steiler als selbst die Alpen: Hier geht es innerhalb von nur 10
Kilometern von 0 m auf 1500 m Höhe. Diese Steilheit, verbunden mit den tief eingeschnitte-
nen Tälern sind ein Alleinstellungsmerkmal von La Gomera innerhalb der Kanaren und mit
ein Grund für die langsame Entwicklung der Insel, worauf noch weiter unten eingegangen
werden wird.

15
Wie bei Vulkanismus üblich, der sich über lange Zeiträume erstreckt, wurden in unregelmä-
ßiger Wechselfolge dünnflüssiges Magma (Basalte, Phonolite, Trachyte) und durch Gasdruck
empor geschleudertes Feinmaterial (Asche, verdichtet sich zu Tuffgestein) nacheinander ab-
gelagert. An den fast senkrechten Wänden mancher Barrancos ist diese Abfolge durch die
Erosion wieder freigelegt worden – und somit sichtbar.
Die Millionen von Jahren andauernde vulkanische Aufbauphase mit eingeschalteten Zeiten
der Inaktivität (und damit verbundener Erosion) führte zu komplexen geologischen Erschei-
nungsformen. Entsprechend vielfältig stellt sich die geologische Karte La Gomeras dar (siehe
Profil – Abb. 21 – und Karte – Abb. 22).

Abb. 21: Geologisches Profil von La Gomera (aus [1]).

Abb. 22: Geologische Karte von La Gomera (aus [1]).

16
Die unterste (und älteste) Formation aus der submarinen Phase La Gomeras wird als Basal-
komplex bezeichnet (Alter der Gesteine: Zwischen 12 – 18 Ma). Er wurde im Zuge weiterer,
späterer vulkanischer Aktivitäten teilweise über den Meeresspiegel emporgehoben – zuweilen
mit marinen (kalkreichen) Sedimenten bedeckt.
Vor ca. 10 Ma wurden über den Basalkomplex erneut Schichten aus Lava ergossen – nun be-
reits oberhalb des Wasserspiegels. Der untere Teil dieser Schicht wird als Alte Basalte be-
zeichnet. Zwischen diese Schichten sind basaltische Vulkankegel eingedrungen. Diese Pro-
duktion endete vor ca. 6 Ma und wurde durch Auflagerungen vieler Schichten horizontaler
Basalte abgelöst (6 bis 2,8 Ma). Die erstarrende Lava ist oft in Form sechseckiger Säulen
geformt, die sich senkrecht zur Abkühlungsachse ausbildeten (Abb. 23).

Abb.23: Säulenbildung bei La Merica (Valle Gran Rey).

Die Dicke der Schichten liegt zwischen 2 – 20 m. In den „geologischen Fenstern“ der tief
eingeschnittenen Barrancowände kann man sie als terrassenartige Bildungen erkennen (siehe
Abb. 24).

17
Abb. 24: Horizontale Basaltschichten bei Arure.

Nach Ablagerungen der Schichten haben sich zwischen diesen neue Vulkanschlote
hindurchgedrängt (oder blieben auch in ihnen stecken; Abb. 25).

Abb. 25: Basaltschlot; von Tuff umgeben (unterhalb der Bar Epina, an der Straßenkreuzung).

18
Diese stecken gebliebenen, harten Schlotfüllungen wurden später infolge der Erosion der sie
umgebenden (oft weicheren) Schichten herauspräpariert und bilden heute als bis zu 200 m
hohe Felsnadeln eindrucksvolle Zeugnisse des alten Vulkanismus. Solche „Roques“ sind ein
weiteres, typisches Kennzeichen der Landschaft La Gomeras (siehe die Abbildungen 26-31).

Abb. 26: Roque Sombrero (westlich von San Sebastian; an der Straße TF-713 nach Westen).

Abb. 27: Roque Cano, bei Vallehermoso.

19
Abb. 28: Roque Agando (im Zentrum; an der TF-713; im Hintergrund der Teide); Foto J. Platt.

Abb. 29: Fortaleza (bei Chipude).

20
Abb. 30: Roque de los Organos (im NW der Insel; Foto M. Heining).

Abb. 31: Roques bei Imada (Süden).

21
Weitere Zeugnisse des vulkanischen Ursprungs der Insel sind oft unvermittelt in der Land-
schaft stehende „Mauern“ (siehe Abb. 32 und 33).

Abb. 32: Durch Erosion freigelegter – ehemals unterirdischer - Basaltgang (bei Alojera).

Abb. 33: Durch Erosion freigelegter – ehemals unterirdischer - Basaltgang (bei Taguluche).
22
Sie sind dadurch entstanden, dass Magma sich in senkrechten (oder auch anders orientierten)
Spalten unterirdischer Gesteinsmassen geschoben hat (Abb. 34).
Werden die umgebenden Massen erodiert, treten die harten Spaltenfüllungen im Gelände als
markante Gebilde in Erscheinung (s.o.).

Abb. 34: Teilweise herausgewitterte Spaltenfüllungen bei Alojera (Foto M. Gonka).

Die Vielfalt vulkanischer Erscheinungsformen lässt sich insbesondere im NW der Insel zwi-
schen der Ermita de Santa Clara und den verfallenen Häusern von Chigueré beobachten: Es
finden sich ausgedehnte Tufffelder unterschiedlicher Farbnuancen; vulkanische Auswürfe
(pyroklastische Bomben) von Kürbisgröße und darüber liegen verstreut dazwischen; Abb. 35.

Abb. 35: Tufffelder (bei der Ermita Ntr. Sra. de Comoto, nordwestlich von Vallehermoso).

23
An anderen Stellen sind diese Bomben im Tuffgestein eingeschlossen und verwittern dort
allmählich („Zwiebelschalenverwitterung“; Abb. 36):

Abb. 36: In Tuff eingeschlossene, vulkanische Bomben (nordwestlich von Vallehermoso).

Bei vulkanischen Gesteinen kommt es durch Abkühlung von außen nach innen und damit
verbundener Volumenverminderung zur Ausbildung feiner Trennfugen. Entlang dieser Fu-
gen findet später die oberflächenparallele Verwitterung statt (Abb. 37).

Abb. 37: Vulkanische Bombe  Schalenverwitterung (nordwestlich von Vallehermoso).

24
4. Besiedlungsgeschichte (Vegetation, Tierwelt):
Besonderheiten von Inselökosystemen

Neu entstandene Lebensräume (Biotope) werden in erstaunlich kurzer Zeit von Pflanzen und
Tieren besiedelt, selbst wenn ihr ursprüngliches Areal weit entfernt davon liegt. Scheinbar
ortsfeste Populationen verändern allmählich ihr Areal: Neue Gebiete werden erobert, alte auf-
gegeben. Manche Populationen führen - zumindest zeitweise - ein Nomadendasein (Zugvö-
gel), andere führen Massenwanderungen durch (Lemminge, Heuschrecken). All diesen Er-
scheinungen liegt das Vermögen zugrunde, sich auszubreiten.
Die Fähigkeit, sich auszubreiten ist an Ausbreitungsmechanismen gekoppelt. Bei Tieren wird
die Ausbreitung normalerweise durch die Eigenbewegung ermöglicht. Aber auch bei sessilen
Pflanzen und Tieren gibt es Ausbreitungsmechanismen, die entweder an Kleinstadien gebun-
den sind, oder aber es erfolgt die Ausbreitung durch Ausnutzung von Luft- oder Wasserströ-
mungen. Auch die Ausbildung fressbarer Früchte bei Pflanzen dient der Populations-
ausbreitung mit Hilfe beweglicher Tiere.
Durch Emigranten oder Ausbreitungsstadien gelangen einige Individuen immer weit über die
Grenze des Populations-Areals hinaus. Durch ständige Ausbreitung von Individuen über das
Populations-Areal hinweg wird die Möglichkeit der Expansion bei sich verändernden Um-
weltbedingungen in der Umgebung des Stammareals aufrechterhalten (Beispiel: Kahlschlag
Ausbreitung von Pionierpflanzen).
Ob eine Neugründung erfolgreich ist, hängt einerseits von der Anzahl der Kolonisten (Größe
des Genpools), anderseits aber auch von den Umweltbedingungen im Gründungsareal ab. Da
in der Regel günstige Umweltbedingungen für eine Population relativ weit entfernt vom Mut-
terareal auftreten, werden meistens wenige Individuen an einer Neugründung beteiligt sein.
Dies wiederum birgt die Gefahr einer vorzeitigen Extinktion (Auslöschung) in sich.
Dennoch hängt - auf lange Sicht gesehen - die Überlebensfähigkeit einer Population von ihrer
Fähigkeit, neue Kolonien zu gründen, ab. Dies ist besonders einleuchtend bei solchen Orga-
nismen, deren Stammareal stark wechselnden Umweltbedingungen ausgesetzt ist (z.B. Einzel-
ler in temporären Pfützen). Auch bei Arten, die kein festes Siedlungsgebiet haben, ist dauern-
de Kolonisierung obligatorisch. Arten, die keine neuen Kolonien errichten, sind auf lange
Sicht zum Aussterben verurteilt, weil es keine Dauerhaftigkeit der Umweltbedingungen im
Stamm-Areal gibt (z.B. war das Areal zwischen England und der deutschen Küste noch bis
vor 15.000 Jahren Festland, heute aber ist es ein Gewässerökosystem).

Die Eroberung eines Insel-Populations-Areals ist für Pflanzen und Tiere ein Problem, weil
aktives Wandern für die meisten unmöglich ist. Folglich bleiben nur folgende Möglichkeiten
[6]:
 Passives Verdriften mit dem Wind (Bakterien, Einzeller, Sporen, Samen, Insekten,
Spinnen, Landvögel, Fledermäuse)
 Passives Verdriften mit Meeresströmungen (Samen, Tiere auf Treibholz. Vorausset-
zungen dafür: Fähigkeit zu langem Hungern, Salzresistenz)
 Passives Verschleppen durch Vögel, Fledermäuse (Mikroorganismen, Eier – z.B. von
Schnecken – im Schlamm an Vogelbeinen, Samen im Darm, Klett- und Klebfrüchte,
Insekten, Spinnen, Parasiten)
 Aktives Fliegen (Schmetterlinge, Seevögel, Zugvögel, Fledermäuse)
 Aktives Schwimmen (Robben, Aale)
 Einschleppung durch Menschen (alle Arten).

Damit ist klar:


Die Auswahl der Ausreisenden ist zufällig, doch wer ankommt, das hängt von der
ökologischen Potenz, der Physiologie und Ausdauer ab.
25
Weitere Probleme, die auftreten können:
 Man muss die Insel im Meer treffen (äußerst unwahrscheinlich)
 Man muss ein geeignetes Klima vorfinden (unwahrscheinlich)
 Man muss geeigneten Boden vorfinden (unwahrscheinlich)
 Man muss Fortpflanzungspartner vorfinden (höchst unwahrscheinlich)
 Als Tier muss man geeignete Nahrung finden (unwahrscheinlich)
 Man darf im neuen Areal auf keine überlegenen Konkurrenten oder Fressfeinde treffen
(ziemlich unwahrscheinlich)

Eines der größten Probleme besteht darin, dass eine Neubesiedlung in aller Regel durch sehr
wenige Individuen geschieht (manchmal nur eines). Dies hat zur Folge, dass nur ein kleiner
Teil der genetischen Information einer Art mit reist. Dadurch sind „Antworten“ auf Anforde-
rungen, die für das Überleben am neuen Existenzraum erforderlich wären, oft nicht möglich
(zu kleiner Genpool). Der kleine Genpool führt auch häufig zur schnellen Gendrift – und da-
mit zur Aufspaltung in neue Arten; Inseln sind bekannt für dieses Phänomen.

Die ursprüngliche Tierwelt La Gomeras ist – im Vergleich zur Vegetation – außerordentlich artenarm:
Es fehlen v.a. Amphibien, Reptilien (lediglich mehrere Eidechsenarten, Blindschleiche, Geckos; es
gibt aber keine Schlangen) und sämtliche Säugetiere außer Fledermäusen. Reichhaltig vertreten sind
dagegen Insekten, Mollusken (Schnecken) und Spinnen, sowie Vögel.
Schon die Altkanarier haben Haustiere mitgebracht (Schweine, Ziegen, Schafe). Von den Spaniern
kamen dann noch Esel, Pferde, Rinder, Kaninchen und Hühner hinzu.

Eine Besonderheit in der Tierwelt ist das Gomerische Hanghuhn (Galina ladera gomeriensis). Laut
einem Artikel im “Valleboten” (dem Klatsch- und Tratschblatt der Insel) leben Gomerische Hanghüh-
ner an den Hängen der Berge La Gomeras – daher der Name. Die Tiere haben sich ihrer Umwelt im
Verlauf der Evolution perfekt angepasst. So entwickelte das gomerische Hanghuhn ein (kürzeres)
Berg- und ein (längeres) Talbein. In der einheimischen Gastronomie spielt das Hanghuhn seit je eine
wichtige Rolle. Während der unwissende Gast gern mit dem (kleinen und dünnen) Bergbein abge-
speist wird, besteht der Kenner auf „Muslo del Valle“ - also dem Talbein, welches sehr viel größer
und fleischiger ist. Auch das Einfangen der gomerischen Hanghühner erfolgt nach einer inselspezifi-
schen Methode, dem „Silbo gallinero“ - wörtlich übersetzt dem „Hühnerpfiff“. Wird dieser Pfiff, den
nur noch wenige ältere Männer der Kanareninsel beherrschen, hinter einem äsenden Hanghuhn un-
vermutet ausgestoßen, so dreht sich das Huhn sofort erschreckt um. Bergbein wird zu Talbein und -
zack - fällt das Huhn um.

Den Teilnehmern an der Exkursion war die unglaubliche Ähnlichkeit dieser Species mit dem vom
Verfasser in der Biologie-Vorlesung beschriebenen Europäischen Hanghuhn (Turnis sylvatica ssp.
inaequopes [Hanghuhn]) sofort ins Auge gefallen. Versuche, es in den steilen Bergen der Insel ausfin-
dig zu machen, scheiterten allerdings an der Kürze der Zeit und der bekannten Heimlichkeit der Hang-
hühner.

Abgesehen von dieser Besonderheit kann die Beschreibung der gomerischen Tierwelt hiermit als ab-
geschlossen angesehen werden.
Die Pflanzenwelt der Insel ist hingegen sehr vielfältig (war es auch schon vor Neuansiedlun-
gen durch den Menschen) und wird daher in einem besonderen Kapitel behandelt.

26
5. Beziehungen zwischen Klima und Vegetationsstufen
Die Kanaren befinden sich, klimatisch gesehen, im Bereich der Subtropen, die durch den re-
gelmäßig wehenden Nordostpassat beeinflusst werden: Der Meeresoberfläche nahe Luftmas-
sen bewegen sich über den Atlantik hinweg auf die Inseln zu und nehmen dabei Feuchtigkeit
auf. Stoßen sie dabei auf ein Hindernis (z.B. die Nordostseiten der Inseln), so steigen sie auf
und kühlen sich dabei ab  die relative Luftfeuchte steigt, weil kühlere Luft weniger Was-
serdampf aufnehmen kann. Dadurch kommt es zur Auskondensation von Nebel und Wolken.
Dieser Prozess spielt sich in Höhen von 600-1600 m über dem Meeresspiegel ab. Die flachen
Ostinseln Lanzarote und Fuerteventura bleiben unter dieser Wolkenschicht und haben daher
ein extrem trockenes Klima mit entsprechend angepasster Vegetation (Abb. 38).

Abb. 38: Zusammenhang zwischen Passat und Vegetationszonen (aus [5]; verändert).

Das sehr hohe Tenerife ragt dagegen mit seiner Gipfelzone weit über den Einflussbereich der
Passatwolke hinaus und entwickelt dort eine eigenständige Vegetation.
Das folgende Bild zeigt eine Situation, bei der die Gipfelregion La Gomeras gerade noch über
den Wolken herausragt (Fotografenstandort am Garajonay), von Tenerife aber der Teide samt
Anaga-Gebirge weit darüber liegt (Abb. 39). Es handelt sich hierbei um eine eher seltene Si-
tuation, weil La Gomeras höchster Berg häufig in der Passatwolke steckt.

Abb. 39: Blick vom Garajonay (La Gomera) auf Tenerife; beide über der Passatwolke.

27
Das von uns besuchte La Gomera profitiert in seiner Gipfelregion noch von der Passatfeuch-
tigkeit, leidet aber im Bereich darunter unter den extrem trockenen Klimaverhältnissen. Da
die Passatwinde an der Nordseite der Insel aufsteigen, regnen sie sich auch dort ab. Hat die
Luft die Insel überquert, fällt sie wieder nach unten, erwärmt sich dabei und könnte wieder
mehr Feuchtigkeit aufnehmen  Föhnwirkung, kein Niederschlag. Es herrscht also im Jah-
resmittel eine extreme Asymmetrie zwischen dem wolkenreichen, feuchten Norden und dem
sonnig-heißen Süden der Insel.
Abb. 40 zeigt diesen Sachverhalt auf: Die Südseite erhält bis 700 m ü.NN lediglich 150-300
mm Jahresniederschlag und bis 1000 m ü. NN 300-600 mm. Erst darüber treten Nieder-
schlagsmengen auf, die der von Gießen in Mittelhessen vergleichbar sind. Zieht man nun
noch die Temperaturwerte hinzu, wird das Ausmaß des Wasserhaushaltsdefizites für die Ve-
getation vollends offenkundig. Bei Jahresmitteltemperaturen von 18-21 °C haben wir im Be-
reich bis 700 m ü. NN ein extrem arides Klima (arid: Der Wasserstrom im Boden ist nach
oben gerichtet, weil im Jahresmittel pro m2 Fläche mehr Wasser verdunstet als Niederschlag
fällt). Auch bis 1000 m ü. NN ist dieser Zustand infolge der Mitteltemperaturen von 15-18 °C
noch gegeben. In Gießen liegt die Jahresmitteltemperatur dagegen bei nur 9,5 °C, was dazu
führt, dass wir dort ein humides Klima haben (humid: Wasserstrom im Boden nach unten ge-
richtet, weil pro Fläche mehr Niederschlag fällt, als verdunstet  Anreicherung im Grund-
wasser). Selbst in Höhen über 1000 m gibt es in La Gomera wegen der mittleren Temperatu-
ren von 12-15 °C noch Wasserhaushaltsprobleme für die Pflanzenwelt.

Abb. 40: Die klimatische Situation La Gomeras (aus [5]; verändert).

Wegen der oben beschriebenen Asymmetrie sind auf der Nordseite der Insel die beschriebe-
nen Klimazonen jeweils um mehrere 100 m nach unten verschoben, aber ebenfalls existent.
Als Folge davon ist die Nordseite der Insel wesentlich grüner als der trockene Süden (siehe
Abb. 41).

28
Abb. 41: Aufsteigende Passatwolken auf der Nordseite, bei Vallehermoso .

Eine räumliche Vorstellung von der Verteilung der großen Klimazonen vermittelt Abb. 42.

Abb. 42: Klimazonen La Gomeras (aus [5]; verändert).

Die Wasserhaushaltsprobleme werden aber nicht nur durch die hohen Temperaturen und den
geringen Niederschlag verursacht – zusätzlich führt auch der häufig und stark wehende Pas-
satwind zu erhöhter Transpirations- und damit Austrocknungsgefahr. Pflanzen in Küstennähe
sehen sich noch der Salzgischt als osmotischem Stressfaktor ausgesetzt: Befinden sich in der
Bodenwasserlösung Salzionen im Übermaß, so können die betroffenen Pflanzen das Wasser
nicht aufnehmen; im Gegenteil wird ihnen noch Wasser entzogen und in den Boden abgeführt
 zusätzliche Austrocknungsgefahr.
Neben dem Wassermangel gefährdet auch die intensive Sonneneinstrahlung das Überleben
der Pflanzen: Die energiereichen UV-Strahlen dringen in die Zellen ein und richten dort –
genau wie bei uns Menschen beim Sonnenbrand – z.T. irreparable Schäden an der Erbsub-
stanz an: Die betroffenen Zellen sterben ab.

29
5.1 Anpassungsstrategien
Jeder Neuankömmling unter den Pflanzen musste sich dieser besonderen klimatischen und
den Wasserhaushalt berührenden Situation ebenso anpassen, wie der harten UV-Strahlung.
Einige dieser Anpassungsstrategien sollen im Folgenden erläutert werden; sie waren auch
zentraler Gegenstand unserer Betrachtungen bei den durchgeführten Exkursionen.

Mit intensiver Sonneneinwirkung (energiereiche UV-Strahlung) verbundene Probleme:

„Sonnenbrand“, DNA-Schädigung

Ökologische Anpassungsstrategien:

 Ausbildung (weißer) Haare (Abb. 43): Sie reflektieren das Sonnenlicht und vermin-
dern dadurch die Gefahr von Schäden an der Zelle (insbesondere der Erbsubstanz, der
DNA).

Abb. 43: Kanarisches Aschenkraut (Andryala canariensis), nordwestlich von Vallehermoso.

 Herstellung und Ausstoß ätherischer Öle: Diese Öle reduzieren durch Absorption, Re-
flexion oder Streuung die in die Zellen eindringende UV-Strahlungsmenge und schüt-
zen damit vor deren schädlicher Wirkung (Prinzip unserer Sonnencremes). Häufig
werden die Öle in speziellen Drüsen in der Epidermis (oberste Zellschicht) gebildet
und nach außen abgegeben (siehe z.B. mikroskopische Beobachtung von Drüsenzellen
bei Pelargonium zonale – Geranie – im Biologiepraktikum II). Die beiden Arten der
folgenden Abb. 44 rufen wegen der von ihnen erzeugten ätherischen Öle einen charak-
teristischen Duft in ihrer Umgebung hervor.

30
Abb. 44: Zistrose (Cistus monspel.; Foto M. v. Marcard); Beifuß (Artemisia canar.; Foto M. Gonka).

 Einlagerung von Farbstoffen (z.B. das violette Anthocyan): Sie absorbieren bestimm-
te Wellenlängen, wodurch eine Schädigung der Proteine in der Zelle und der DNA in
den Zellkernen verhindert wird (Abb. 45).

Abb. 45: Stierkopf-Ampfer (Rumex bucephalophorus) mit Anthocyan (Foto M. v. Marcard).

31
Mit hoher Temperatur und geringen Niederschlägen verbundene Probleme:
Hydraturprobleme (Austrocknungsgefahr)
Ökologische Anpassungsstrategien:
1. Blattsukkulenz: Eine Vielzahl von Arten bildet fleischig verdickte Blätter aus, in denen
Wasser als Reserve für die Trockenperioden gespeichert wird (Abb. 46).

Abb. 46: Gomera-Aeonium (Aeonium gomerense); Felstrauben-Monanthes (Monanthes microbothrys)

2. Sprosssukkulenz: Speicherung von Wasser ist auch im fleischig verdickten Spross mög-
lich (Abb. 47):

Abb. 47: Kandelaber- oder Säulen-Wolfsmilch (Euphorbia canariensis), nördlich von Santiago.

32
3. Abwerfen der Blätter zu Beginn der trockenen Jahreszeit: Um Transpirationsverluste
zu vermindern, werfen viele Wolfsmilchgewächse (und auch die Kleinie; siehe Abb. 48)
ihre Blätter zu Beginn der trockenen Jahreszeit im Mai ab. Sie sehen dann aus, wie abge-
storben, belauben sich aber mit Beginn der feuchteren Periode im Winterhalbjahr erneut.

Abb. 48: Kleinie (Kleinia neriifolia) mit verwelkten Blättern, südlich von Imada, bei El Azadoe.

4. Oberflächenverkleinerung: Bei dieser Art von Strategie gegen Wasserverluste wird gänz-
lich auf die Ausbildung von Blättern verzichtet; der grüne Spross (meist noch sukkulent)
übernimmt die Photosynthesefunktion (Abb. 49).

Abb. 49: Blattlose Wolfsmilch (Euphorbia aphylla), nordwestlich von Vallehermoso; Foto M. Gonka.

33
5. Verkleinerung der Blattoberfläche (Abb. 50)

Abb. 50: Kanaren-Wacholder (Juniperus canariensis), nordwestlich von Vallehermoso.

6. Niedriger Wuchs: Unter Wasserstress stehende Arten neigen zur Ausbildung von dem
Boden eng anliegenden Rosetten bzw. zur Annäherung an die Kugelform (Abb. 51).

Abb. 51: Kanaren-Margerite (Argyranthemum frutescens), nordwestlich von Vallehermoso.

34
7. Verdickung der wasserundurchlässigen Wachsschicht (Cuticula; s. Abb. 52)

Abb. 52: Kanaren-Lorbeer (Laurus azorica), im Lorbeerwald nördlich von Las Hayas.

8. Kryptophyten-Strategie: Manche Arten bauen zu Beginn der Trockenzeit alle oberirdi-


schen Organe ab und ziehen sich in Form von Knollen oder Zwiebeln in den (feuchteren)
Boden zurück (Abb. 53).

Abb.53: Kleinfrüchtiger Affodill (Asphodelus microcarpus); Gladiole (Gladiolus italicus); südlich


von Chipude.

35
9. Auskämmen von Wasser aus den Wolken: In der nebelreichen Zone haben sich viele
Arten darauf spezialisiert, mit Hilfe langer Nadeln oder anderer Auswüchse das Wasser aus
den Wolken „auszukämmen“ (s. Abb. 54).

Abb. 54: Kanarenkiefer (Pinus canariensis), nördlich von Imada.

10. Parasitismus: Einige Arten verzichten auf die Ausbildung eines großen (Wasser verbrau-
chenden) Körpers und beziehen als Schmarotzer Wasser und energiereiche Verbindungen
von ihrem Wirt. Sie selbst bauen nur noch Fortpflanzungsorgane auf (Abb. 55-57).

Abb. 55: Blütenknospen des Zistrosenwürgers (Cytinus hypocystis) auf Zistrose, bei Arure.

36
Abb. 56: Seide (Cuscuta spec.) auf Nymphendolde; bei Alojera (Foto M. Gonka).

Abb. 57: Ästige Sommerwurz (Orobanche ramosa); Wurzelschmarotzer, bei Alojera.

37
11. Ausbildung von Haaren als Transpirationsschutz (Animation05): Die Diffusionsge-
schwindigkeit von Wasser folgt dem Konzentrationsgefälle. Existiert im Inneren einer
Pflanze eine Luftfeuchtigkeit von 100%, außen aber sind es 40% (wie in La Gomera im
Sommer durchaus üblich), so wird über die Spaltöffnungen zwangsläufig viel Wasser
nach außen diffundieren, weil der Wind ständig die feuchte Luft aus der Grenzschicht an
der Blattaußenseite hinwegführt und durch neue Luft mit 40% Feuchte ersetzt. Werden
jedoch Haare ausgebildet, so entsteht folgender Konzentrationsgradient: Im Blattinneren
100%, an der Grenzschicht z.B. 70% und weiter außen 40%. Durch die Haare entsteht
jetzt eine windstille Zone, die das Hinwegführen der 70% Feuchtigkeit enthaltenden Luft
erschwert. Infolgedessen wird nun – wegen geringeren Konzentrationsgefälles – weniger
Wasser aus dem Blattinneren diffundieren (Abb. 58). Ein weiterer Vorteil eines weißen
Haarbesatzes liegt in der Selbstabschattung und in der Reflektion des Sonnenlichtes. Da-
durch werden die Pflanzen nicht so stark erhitzt, was wiederum die Wasserabgabe verrin-
gert.

Abb. 58: Wegerichblättriger Natternkopf (Echium plantaginetum); südlich Chipude.

38
Mit hoher Temperatur, geringen Niederschlägen und salziger Umgebung (Meeresnähe)
verbundene Probleme:
Hydraturprobleme (Austrocknungsgefahr)
Ökologische Anpassungsstrategien:

 Salzsukkulenz: Ein Überleben unter dem in Küstennähe auftretendem Stress, erweist sich
als besonders schwierig. Zusätzlich zum „normalen“ Wasserstress des sommerlichen La
Gomeras (s.o.) kommt in Küstennähe noch folgendes Problem hinzu: Durch Meeresgischt
ist der Boden versalzen – somit auch das Bodenwasser. Wasser diffundiert in lebenden
Zellen immer zum Ort der höher konzentrierten Lösung. Unter normalen Bedingungen
herrscht in Pflanzen ein Konzentrationsgradient: Die höchsten Ionenkonzentrationen fin-
den sich in den Blättern, die geringsten in den Wurzeln. Da die Konzentration in den
Wurzelzellen jedoch höher als die der Bodenlösung ist, wird Wasser auf osmotischem
Weg aus dem Boden in die Wurzeln und von dort nach oben transportiert (passiver Stoff-
transport). Ist das Bodenwasser nun versalzen, droht eine Umkehr des Wassertransportes;
hinaus aus der Pflanze und hinein in den Boden. Dieser tödlichen Gefahr entgehen einige,
angepasste Pflanzen durch folgende Strategie: Salze werden – entgegen dem Konzentrati-
onsgradienten – aktiv in Speicherzellen aufgenommen. Dadurch bleibt das osmotische
Gefälle erhalten und die Pflanzen nehmen weiterhin Wasser aus dem Boden (und auch der
Luft) auf. Anpassungspreis einer hohen Salzkonzentration in Pflanzenzellen: Veränderun-
gen von Membranpotentialen und Enzymeigenschaften mit der Folge, dass das Wachstum
der Pflanzen zurückbleibt und zu stark salzhaltige Pflanzenteile absterben [7]. Da es an
solch extremen Standorten aber keine Konkurrenz „normaler“ Pflanzen gibt, spielt dieser
Nachteil keine Rolle. Während unserer Exkursion konnten wir uns vom stark salzhaltigen
Geschmack dieser „Halophyten“ überzeugen (Abb. 59-60).

Abb. 59: Meerestrauben (Zygophyllum fontanesii); nordwestlich von Alojera; Foto M. v. Marcard.

39
Abb. 60: Sparriger Bocksdorn (Lycium intricatum); nordwestlich von Alojera; Foto M. v. Marcard.

1. Diurnaler Säurerhythmus (Animation06): Bei den Pflanzen mit extremem Wasserstress


können zwei Regelkreise in Konflikt geraten: Der für den Wasserhaushalt zuständige Re-
gelkreis wird tagsüber ein Öffnen der Spaltöffnungen (Stomata) „verbieten“, um das we-
nige Wasser nicht noch zu verlieren. Dem steht der Anspruch des Photosynthese-
Regelkreises entgegen, der tagsüber ein Öffnen der Stomata „fordert“, um Kohlendioxid
für die Herstellung energiereicher, organischer Kohlenstoffverbindungen (Zucker) auf-
nehmen zu können. Der geniale Kompromiss, den u.a. die an den Küstenstandorten vor-
kommende Kristall-Mittagsblume (Mesembryanthemum crystallinum; Abb. 61) be-
herrscht, sieht folgendermaßen aus: Nachts – bei geringer Transpirationsgefahr – werden
die Stomata geöffnet und das gasförmige CO2 kann aufgenommen werden. Dieses wird
nun in Äpfelsäure (Malat) umgewandelt – und kann damit in den Vakuolen der Pflanzen-
zellen gespeichert werden. Tagsüber werden die Spalten geschlossen, das Malat wird wie-
der in gasförmiges Kohlendioxid zurückverwandelt und die (lichtabhängige) Photosynthe-
se kann dennoch ablaufen. Auf diese Weise wird der Wasserverlust um bis zu 90% ver-
mindert.

40
Abb. 61: Kristall-Mittagsblume (Mesembryanthemum crystallinum); nordwestlich von Alojera.

Zusätzlich hat diese Pflanze noch weitere Schutzmechanismen gegen den Wasserstress entwi-
ckelt: Auf der Oberfläche befinden sich 1-2 mm große Blasenzellen (Abb. 62).

Abb. 62: Blasenzellen der Kristall-Mittagsblume (Mesembryanthemum crystallinum); Foto aus [8].

In deren Vakuolen wird Wasser gespeichert  Sukkulenz. Die Wasseraufnahme wird zusätz-
lich durch Einlagerung von Säuren und Salzen – v.a. Natrium und Magnesium – begünstigt
(s.o.). Die Blasenzellen ähneln etwas Eiskristallen, was der Pflanze im Volksmund den Na-
men „Eiskraut“ eingebracht hat. Weiterhin reflektieren die Blasenzellen das Sonnenlicht und
verhindern dadurch eine Überhitzung und bewirken zudem einen Schutz gegen schädliche
UV-Strahlen. Zusätzlich können noch Betacyane in die Vakuolen eingelagert werden. Sie
verleihen der Oberfläche ein rot-violettes Aussehen und absorbieren ebenfalls UV-Licht.

41
5.2 Die Vegetationszonen La Gomeras
Da sich die angesprochenen Stressfaktoren in den oben beschriebenen Klimazonen unter-
schiedlich stark auswirken, haben sich in jeder Zone Spezialisten herausgebildet/angesiedelt,
die der jeweiligen Situation am besten angepasst sind. Entsprechend den Klimazonen gibt es
also Vegetationszonen mit charakteristischen Arten, die als Anzeiger (Zeigerarten) der ent-
sprechenden Situation bezeichnet werden können. Da La Gomera eine kleine Insel mit steilem
topographischem Gradienten ist, kann man die verschiedenen Vegetationsstufen innerhalb
eines Tages leicht durchwandern.

Beginnen wir mit den wolkenreichen, feuchten Hochlagen:

Hier ist der Stress (mit Ausnahme der teilweise heftigen Stürme) für die Pflanzenwelt am ge-
ringsten. Infolgedessen hat sich ab ca. 1000 m ü. NN ein Wald ausgebildet. Er besteht über-
wiegend aus immergrünen Hartlaubgehölzen mit einer dicken Cuticula (Wachsschicht) auf
den Blättern. Diese dient einerseits als Transpirationsschutz, weil sie wasserundurchlässig ist
andererseits können auf der Wachsschicht die Nebeltropfen ablaufen, zu Boden fallen und
dadurch den Wurzeln zusätzliches Wasser zuführen. Die Mehrzahl der hier anzutreffenden
Baumarten gehört zur Gattung der Lorbeergewächse, folglich wird dieser Wald in der wissen-
schaftlichen Literatur auch als Laurisilva (Lorbeerwald) bezeichnet. (Zur Verbreitung dieses
Vegetationstyps siehe die Abbildungen 63-64 sowie die Kurzbeschreibung wichtiger Bäume
und Sträucher in Animation07).

Abb. 63: Vegetationszonen La Gomeras im Höhenprofil (aus [5]; verändert).

42
Abb. 64: Vegetationszonen La Gomeras (aus [1]).

(Wegen der geringen Ausdehnung der Küstenvegetation auf La Gomera ist diese auf der Karte nicht dargestellt.
Die Landwirtschafts- und Trockenzone entspricht weitgehend dem Sukkulentenbusch).

Charakteristisch sind weiterhin Überzüge von Moosen und Flechten, die das Wasser aus den
Wolken regelrecht auskämmen (Abb. 65-67). Das von ihnen nicht selbst genutzte Nass tropft
ebenfalls auf den Boden und trägt so zu einer Verbesserung des Wasserangebotes für die Hö-
heren Pflanzen bei.

43
Abb. 65: Mit Moos bewachsener Lorbeerbaum im Laurisilva (Foto M. v. Marcard).

Abb. 66: Mit Flechten (Usnea) bewachsener Lorbeerbaum im Laurisilva, bei Chorros de Epina.

44
Abb. 67: Es tropft aus einer mit Wasser gesättigten Bartflechte (Gattung Usnea).

Dort, wo das Wasserangebot etwas geringer ist, oder auch dort, wo der Lorbeerwald abge-
holzt wurde, tritt an seine Stelle eine Ersatzgesellschaft mit weniger hohen Wasseransprü-
chen. Diese Vegetationszone wird vom (lorbeerähnlichen) Gagelbaum (Myrica faja) und der
Baumheide (Erica arborea) dominiert; letztere heißt auf spanisch Brezo, weshalb dieser Vege-
tationsformation als Fayal-Brezal-Formation bezeichnet wird (Abb. 63-64). Während der
Gagelbaum und die ebenfalls häufige Kanarische Stechpalme auf die Cuticula-Strategie der
Lorbeerarten zurückgreifen, wirken die feinen Nadeln der Baumheide wie ein Kamm, der die
Feuchtigkeit erfolgreich aus den Wolken kämmt (Abb. 68).

45
Abb. 68: Die Baumheide (Erica arborea) kämmt mit ihren Nadelblättern das Wasser aus den Wolken;
linkes Foto U. Windisch.

An die Fayal-Brezal-Zone schließen sich nach unten die Thermophilen Buschwälder an


(Abb. 63-64). Diese Vegetationszone liegt unterhalb der Einflusszone der Passatwolken und
ist daher stärkerem Wasserstress ausgesetzt. Eine charakteristische Art dieser Zone ist der
Kanarische Wacholder (Juniperus canariensis), der mit Hilfe eng anliegender kleiner Blätt-
chen und „windschnittiger“ Gestalt die Transpirationsverluste minimiert (Abb. 69).

Abb. 69: Kanaren-Wacholder (Juniperus turbinata ssp. canariensis), bei Vallehermoso.

46
Weiterhin findet sich hier die König-Juba-Wolfsmilch (Euphorbia regis-jubae), mit über 2 m
Höhe die größte der Wolfsmilcharten (Abb. 70). Wie die anderen Euphorbien des
Sukkulentenbusches (s.u.) wirft sie mit Beginn der trocken-heißen Jahreszeit (Mai) ihre ohne-
hin schmalen Blätter ab, kann daher während der Sommermonate auch keine Photosynthese
durchführen, umgeht aber auf diese Weise die Gefahr tödlicher Austrocknung. Die Pflanzen
sehen dann wie abgestorben aus, belauben sich aber mit Beginn der feuchteren Jahreszeit aufs
Neue. Wie andere Wolfsmilcharten schützen sie sich vor Viehfraß durch giftigen Milchsaft.

Abb. 70: Kanaren-Wacholder, nordwestlich von Vallehermoso.

Weitere, ursprünglich vorhandene Bäume und Sträucher, wie z.B. Ölbaum (Olea europaea),
die Pistazie (Pistacia atlantica), Kanaren-Maytenus (Maytenus canariensis; Abb. 71), der
Kanaren-Jasmin (Jasminum odoratissimum; Abb. 72) und das Kanaren-Johanniskraut
(Hypericum canariense; Abb. 73) sind wegen der intensiven menschlichen Nutzung der
Buschwaldflächen als Weideflächen, nur noch selten anzutreffen.

Abb. 71: Kanaren-Maytenus (Maytenus canariensis); östlich von Vallehermoso (beim Roque Cano).

47
Abb. 72: Kanaren-Jasmin (Jasminum odoratissimum), nordwestlich von Vallehermoso.

Abb. 73: Kanaren-Johanniskraut (Hypericum canariense), südlich von Vallehermoso.

48
Lediglich die Kanarische Dattelpalme (Phoenix canariensis; Abb. 74) wurde vom Menschen
vielfältig genutzt (siehe Kapitel Wirtschaft) und dadurch überproportional verbreitet.

Abb. 74: Kanarische Dattelpalme (Phoenix canariensis), nordwestlich von Vallehermoso.

Die nächste Vegetationsstufe unterhalb des Thermophilen Buschwaldes ist der


Sukkulentenbusch, auch als Trockenbusch bezeichnet. Er nimmt von allen Zonen auf La
Gomera die größte Fläche ein (s. Abb. 63-64), ist allerdings durch menschliche Nutzung auch
am stärksten verändert. Seit dem Rückgang der Landwirtschaft infolge des zunehmenden
Tourismus (siehe weiter unten), erobert er sich brachliegende Felder und Weideflächen all-
mählich zurück und kann daher heute an vielen Stellen – wenn auch degeneriert – beobachtet
werden. Charakterisiert wird er durch intensive Sonneneinstrahlung, verbunden mit extremer
sommerlicher Trockenheit. Die hier existierenden Pflanzen mussten sich auf diese außerge-
wöhnlichen Bedingungen durch verschiedene Anpassungsstrategien einstellen (s.o.). Zu den
Charakterarten dieser Vegetationsstufe gehören (Auswahl):
Eine Reihe von Wolfsmilcharten; z.B.
 Bitterwolfsmilch (Euphorbia obtusifolia), Abb. 75.
 Süße (weil ungiftige) Wolfsmilch (Euphorbia balsamifera), Abb. 76.
Dazu die ähnlich aussehende Oleanderblättrige Kleinie (Kleinia neriifolia), Abb. 77.
Alle drei regelmäßig verzweigten Büsche haben verholzte, sukkulente Sprosse und werfen in
der trockenen Jahreszeit ihre Blätter ab. Im Frühjahr fallen die Büsche wegen ihrer hellgrü-
nen, schmalen Blätter und den endständigen, gelbgrünen Blüten jedem Wanderer ins Auge.

49
Abb. 75: Stumpfblättrige Bitterwolfsmilch (Euphorbia obtusifolia); bei El Azadoe (Imada).

Abb. 75: Süßwolfsmilch (Euphorbia balsamifera); bei El Azadoe (Imada).

50
Abb. 77: Oleanderblättrige Kleinie (Kleinia neriifolia); nordwestl. von Vallehermoso; Foto M. Gonka.

Auch der Mond-Ampfer (Rumex lunaria) gehört zu den auffälligen Gebüschen dieser Zone
(Abb. 78). Als eine der wenigen Pflanzen ist er weder giftig, noch besitzt er Dornen, so dass
er als Viehfutter verwendet werden kann.
Zu den häufig anzutreffenden Pflanzen des Sukkulentenbusches gehört auch der Stachelige
Natternkopf (Echium aculeatum; Abb. 79).
51
Abb. 78: Mond-Ampfer (Rumex lunaria); südöstlich von Imada, bei El Azadoe.

Abb. 79: Stachelige Natternkopf (Echium aculeatum); bei Imada.

52
Weitere Sträucher, wie der Strauchige Krapp (Rubia fruticosa; Abb. 80) und der Staubige
Zeiland (Neomachelaea pulverulenta; Abb. 81) und die Hörnerranke (Periploca laevigata;
Abb. 82) finden sich in den trockensten Bereichen.

Abb. 80: Strauchiger Krapp (Rubia fruticosa); südlich von Imada, bei El Azadoe.

Abb. 81: Staubiger Zeiland (Neomachelaea pulverulenta); nordwestlich von Vallehermoso.

53
Abb. 82: Hörnerranke (Periploca laevigata); südlich von Imada, bei El Azadoe .

Ursprünglich nicht auf den Kanaren heimisch, aber vom Menschen eingeführt und oft
aspektbeherrschend sind die Opuntien (Opuntia ficus-indica; Abb. 83) und Agaven (Agave
americana; Abb. 84).

Abb. 83: Opuntien (Opuntia ficus-indica); überall verbreitet.

54
Abb. 84: Agave (Agave americana), mit Fruchtstand; südlich von Chipude; Foto H. Heck.

Ebenso eingeführt und überwiegend (und häufig) im Trockenbusch anzutreffen sind der
Wegerichblättrige Natternkopf (Echium plantaginetum; Abb.85), sowie die Montpellier-
Zistrose (Cistus monspeliensis; Abb. 86); am Übergang zum Thermophilen Buschwald.

Abb. 85: Wegerichblättriger Natternkopf (Echium plantaginetum), südlich von Chipude; Foto J. Platt.

55
Abb. 86: Montpellier-Zistrose (Cistus monspeliensis), bei der Fortaleza.

Während der Sukkulentenbusch auf La Gomera sowohl von seiner Ausdehnung als auch von
der Artenvielfalt her bedeutsam ist, nimmt die letzte Vegetationszone, die Küsten- und Dü-
nenzone nur sehr kleine Areale ein und wird – wegen der extremen Umweltbedingungen –
auch nur von wenigen Spezialisten besiedelt. Hierhin gehören, die bereits weiter oben be-
schriebene und im Bild gezeigte Kristall-Mittagsblume (Mesembryanthemum crystallinum; s.
Abb. 87), sowie die nahe verwandte Knotenblütige Mittagsblume (Mesembryanthemum
nodiflorum; Abb. 88).

Abb. 87: Kristall-Mittagsblume (Mesembryanthemum crystallinum); nw. Alojera (Foto M. Gonka).

56
Abb. 88: Knotenblütige Mittagsblume (Mesembryanthemum nodiflorum); nw. Alojera, Foto H. Heck.

Weitere, charakteristische Arten der Küstenvegetation sind: Nymphendolde (Astydamia


latifolia; Abb. 89), Meertrauben (Zygophyllum fontanesii; Abb. 90) und Kanaren-Margerite
(Argyranthemum frutescens; Abb. 91).

Abb. 89: Nymphendolde (Astydamia latifolia); nordwestlich von Alojera, Punta del Trigo.

57
Abb. 90: Meertrauben (Zygophyllum fontanesii); nordwestlich von Alojera (Foto M. Gonka).

Abb. 91: Kanaren-Margerite (Argyranthemum frutescens); nordwestlich von Vallehermoso.

58
6. Besiedlungsgeschichte (Mensch)

 Um 1000 v. Chr.: Phönizier (Punier, Karthager) besuchen vermutlich die Kanaren von
Cadiz (heutiges Spanien) aus. Ihr Interesse könnte den hier häufigen Färberflechten gegol-
ten haben, aus denen in der Antike Purpurfarben gewonnen wurden.
 Ca. 500 v. Chr.: Nach der am weitesten verbreiteten Theorie kommen Berber aus Nord-
westafrika als erste Siedler auf die Kanaren (Altkanarier, Guanchen). Es wird vermutet,
dass sie der sich ausbreitenden Sahara weichen mussten. Wahrscheinlich hat es mehrere
Einwanderungswellen von unterschiedlichen Volksgruppen gegeben, wofür spricht, dass
erste spanische Beschreibungen der Einheimischen u.a. von groß gewachsenen, athleti-
schen, teilweise blonden und blauäugigen Menschen sprechen. Skelettfunde belegen, dass
die Ureinwohner mit ca. 1,70 m annähernd 10 cm größer waren als die mittelalterlichen
Spanier. Ihre Lebensweise wird als steinzeitlich eingestuft. Sie wohnten in einfachen
Steinhütten bzw. in Höhlen (Abb. 92).

Abb. 92: Höhlenwohnungen der Altkanarier; bei Gerian.

Die Verwendung von Metallen war ihnen ebenso unbekannt, wie das Rad. Ihre Keramik
war sehr einfach; sie benutzten keine Töpferscheibe. Eine Vorstellung von der ehemaligen
Keramikherstellung vermitteln heute noch Töpferinnen in El Cercado, die nach den alten
Vorbildern ihre Ware herstellen.
Man kann sich ihre Lebensweise als Übergang vom Jäger- und Sammlerdasein hin zur
Sesshaftigkeit, verbunden mit Tierzucht (v.a. Ziegen) und Landwirtschaft (Getreide- und
Gemüseanbau) vorstellen. Auf anderen Inseln hat man z.B. in den Bergen große Mengen
von Muschelschalen und Fischgräten gefunden – Überreste altkanarischer Mahlzeiten
(Abb. 93).

59
Abb. 93: Reste der Muschelmahlzeiten von Altkanariern; El Hierro.

Ihre Kleidung bestand überwiegend aus Ziegenfellen.


Als Waffen verwendeten sie hölzerne Speere und Streitkolben, auch rohe Steinäxte waren
im Gebrauch. Besonders geübt waren sie im Steinwurf, der bei den Spaniern während der
Konquista (Eroberung) gefürchtet war.
Die altkanarische Sprache ging mit der spanischen Besetzung fast vollständig verloren;
erhalten gebliebene Fragmente enthalten berberische Elemente. Es wird vermutet, dass die
heute als Weltkulturerbe geehrte Pfeifsprache „El Silbo“ von den Altkanariern erfunden
wurde. Sie besaßen keine Schrift, es wurden aber auf verschiedenen Inseln Felszeichnun-
gen gefunden, deren Bedeutung bisher nicht entschlüsselt werden konnte (Abb. 94). Man-
che Elemente erinnern an ähnliche Gravuren in Nordwestafrika.

Abb. 94: Felsgravuren von Altkanariern; El Hierro.

60
Nach allem, was man darüber noch weiß, muss das Sozialverhalten der Altkanarier hoch ent-
wickelt gewesen sein. Frauen waren den Männern sowohl kulturell wie auch in wirtschaftli-
cher Hinsicht gleichgestellt; ein sozialer Aufstieg war auch ihnen möglich. In gesellschaftli-
cher Hinsicht war die Insel in mehrere Häuptlingsreiche unterteilt. Die Religion war mono-
theistisch; ihr Totenkult muss sehr intensiv gewesen sein (hochgestellte Tote wurden mit Hil-
fe von Salz, Kräutern und dem Saft des Drachenbaumes mumifiziert. Auf welcher kulturellen
Stufe dagegen die spanischen Eroberer standen, mag man daran ermessen, dass sie diese
Mumien zu Pulver zerrieben und als Medizin verkauften). Bekannt sind weiterhin ihre Kult-
plätze (z.B. Fortaleza; dieser wurde letztmals gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von „Eso-
terikern“ verunstaltet bzw. zerstört).

 Um Christi Geburt: Auf den Inseln landet eine Expedition von König Juba von Libyen
und Mauretanien.
 Die geographische Lage La Gomeras wie aller Kanarischen Inseln war also früh bekannt.
Bereits um 100 n. Chr. wurde sie durch den Mathematiker und Geographen Ptolemäus
exakt bestimmt. Danach gerieten die „Insulae Fortunatae“ jedoch in Vergessenheit.
 13. Jahrh.: Italienische, mallorquinische und portugiesische Händler interessieren sich für
die Kanaren auf der Suche nach Sklaven und Naturfarbstoffen.
 1384: Nach einem gescheiterten Versuch Portugals, La Gomera zu erobern, bleiben Mis-
sionare auf der Insel. Die Christianisierung der Ureinwohner beginnt.
 1404: Der Normanne Jean de Bethencourt läuft zwei Jahre nach der Eroberung von Lan-
zarote im Auftrag des spanischen Königshauses auch La Gomera an. Sein Angriff wird
jedoch abgewehrt.
 1406: Bethencourt gelingt es, zwei der vier Guanchen-Stämme La Gomeras zu unterwer-
fen. Die übrigen Ureinwohner bleiben noch jahrzehntelang unabhängig ( Beginn der
Konquista).
 1477: Hernan Peraza der Jüngere übernimmt, zusammen mit seiner Frau Beatriz de Boba-
dilla, die Herrschaft und verkauft einen Großteil der Bevölkerung als Sklaven nach Spani-
en oder Nordafrika ( grausame Schreckensherrschaft).
 1488: Es wird überliefert, dass Hernan Peraza bei einem Schäferstündchen mit der
Guanchenprinzessin Yballa von deren Mann, Hautacuperche, getötet wird. Diesem Wi-
derstand der Altkanarier gegen die Willkürherrschaft der Spanier wurde kürzlich ein
Denkmal gewidmet. (Abb. 95).

Abb. 95: Denkmal des Hautacuperche; Valle Gran Rey.


61
 Der folgende Aufstand schlägt fehl, weil sich Beatriz im zuvor erbauten Torre del Conde
verschanzt (Abb. 96) und von Gran Canaria aus gerettet wird. Anschließend werden viele
Männer über 15 getötet, Frauen und Kinder versklavt.

Abb. 96: Torre del Conde; San Sebastian.

 1492: Christoph Kolumbus macht auf seiner ersten Reise in die neue Welt Station auf La
Gomera.
 Nach der Konquista  starke Verluste (ursprünglich ca. 2000 Einwohner); dann fast spu-
renloses Aufgehen in der spanischen Bevölkerung. Neuerdings wird allerdings die fast
vollständige Auslöschung der Urbevölkerung angezweifelt: In der kanarischen Bevölke-
rung scheint es noch eine erhebliche genetische Komponente aus der Guanchenzeit zu ge-
ben.
 Ab 1500: Gleichstellung der Urbevölkerung und Vermischung mit den Spaniern (Sprache
und Kultur gehen verloren).
 Ab 1550: Weil die Kanaren als Zwischenstation der spanischen Amerika-Fahrer dienen,
macht sich ein bescheidener Wohlstand breit; auch der Weinanbau bringt Geld auf die In-
seln. Als Folge davon kommt es bis 1800 immer wieder zu Piratenüberfällen.
 1837: Nach der Abschaffung der Feudalherrschaft wird La Gomera direkt der spanischen
Krone unterstellt.
 Ca. 1900: Beginn des Bananen- und Tomatenanbaus auf La Gomera durch britische Un-
ternehmen und wenig später auch durch die norwegische Reederei Olsen.
 1982: Die Kanarischen Inseln erhalten den Status einer autonomen Region.

62
7. Die wirtschaftliche Entwicklung
(Im wirtschaftlichen Abseits durch eine Abfolge von Monokulturen [1])

1. Flechtenfarbstoffe (Antike): Den Flechten (Abb. 97-98) wird Urin (NH3) und Soda oder
Pottasche hinzugefügt. Es bildet sich daraus ein pupurroter Farbstoff (Orseille, die „Farbe der
Könige“). In der Antike war dies eine höchst begehrte (und sehr wertvolle) Handelsware.

Abb. 97: Färberflechte (Rocella tuberculata); südlich von Chipude.

Abb. 98: Färberflechte (Ochrolechia parella); bei Arure.

Die Beschaffung der Flechten, die überwiegend an küstennahen, steilen (überhängenden) Fel-
sen wachsen, war eine gefährliche Tätigkeit; manch wagemutiger Sammler verlor dabei durch
Absturz sein Leben. Ab ca. 1850 kam es zum Bedeutungsverlust durch Erfindung syntheti-
scher Farbstoffe. Noch heute werden diese Flechten jedoch zur Herstellung von Lackmus
verwendet. Harris Tweed aus Schottland wird ebenfalls bis heute mit Flechtenfarbstoff einge-
färbt.

63
2. Zuckerrohr (nach der Konquista: 15. Jahrhundert): Zucker war im 15. Jahrhundert ein sel-
tener und begehrter Stoff; er wurde ausschließlich aus Zuckerrohr hergestellt. Da es in La
Gomera gut wuchs, wurde die Landwirtschaft der Insel vollständig auf diese Monokultur um-
gestellt. Folge: Starke Entwaldung der Insel. Im 16. Jahrhundert erfolgte der Niedergang
wegen (nationaler) Konkurrenz aus den spanischen Übersee-Provinzen in der Karibik.

3. Wein (bis zur Reblauskatastrophe; 19. Jahrhundert): Nach dem Rückgang der Zuckerpro-
duktion stellte man sich ab dem 16. Jahrhundert auf Weinbau um. Die Weine waren – wegen
ihrer Süße – ein Exportschlager; v.a. nach England (nachweislich hat Shakespeare gern Mal-
vasier getrunken): Dieser Exportschlager boomte ca. 100 Jahre lang.
Mit der Einwanderung von Mehltau und der Reblaus aus Amerika (ca. 1870) kam in ganz
Europa die Weinproduktion praktisch zum Erliegen: In La Gomera gab es daraufhin eine
Auswanderungswelle, weil kein wirtschaftliches Ausweichen möglich war.
Von der Reblauskatastophe und der Konkurrenz der (besseren) Weine aus Madeira, La Palma,
Lanzarote und Tenerife hat sich die gomerische Weinherstellung nie mehr erholt; heute gibt
es nur noch Anbau für die Eigenproduktion.

4. Cochenillen-Rot: Auf den Blättern der eingeführten Opuntien wurden Cochenillen-


Schildläuse kultiviert, die einen intensiv roten Farbstoff enthalten (Karmin; siehe Abb. 99).

Abb. 99: Blatt der Opuntie mit Cochenillen-Läusen und – zerdrückt – den Farbstoff zeigend; nord-
westlich von Vallehermoso (Kleines Foto M. v. Marcard).

Der rote Farbstoff wurde in der Textilindustrie verwendet (v.a. England) und noch heute ist er
in der Kosmetikindustrie in Gebrauch. Um 1850 boomte das Geschäft. Wegen der damit ver-
bundenen Anhebung des Wohlstandes wuchs die Bevölkerung um 1850 um ein Viertel. Mit
der Erfindung synthetischer Farbstoffe (Badische Anilin) gab es einen erneuten Niedergang
und Auswanderung großer Bevölkerungsgruppen.

64
5. Fischerei (20. Jahrhundert): Der Aufschwung erfolgte im 20. Jahrhundert: Die Fischgründe
im Kanarenarchipel sind sehr ertragreich (gewesen). Damals gab es vier Fischkonservenfabri-
ken auf La Gomera (v.a. Makrele und Thunfisch). Die letzte Fabrik wurde 1984 geschlossen.
Gründe des Niederganges: Konkurrenzschwäche der überalterten und kleinen Flotte. Heute
reicht der Fang nicht einmal mehr für den Eigenbedarf der Insel.

6. Landwirtschaft: Bananen (bis 1992): Infolge der Konkurrenz billigerer (wenn auch nicht so
wohlschmeckender) mittelamerikanischer Bananen, des Wegfalls der Schutzstatuten für kana-
rische Bananen (1992) und der zunehmenden Bautätigkeit ist der Anbau dieser Früchte stark
zurückgegangen (Abb. 100).

Abb. 100: Rückgang der Bananenplantagen in La Playa 2002 (linkes Foto) und 2009 (rechtes Foto).

Nachteil: Wegfall von Arbeitsplätzen.


Vorteile: Verbesserung der ökologischen Situation auf der Insel: Der Anbau von Bananen ist
sehr wasserintensiv (die Produktion von 1 kg der Früchte erfordert bis zu 1000 l Wasser);
weil Bananen Starkzehrer sind, ist der Einsatz von Kunstdüngern notwendig; auch ein inten-
siver Einsatz von Pestiziden ist erforderlich.

7. Landwirtschaft: Getreide, Kartoffeln, Tomaten, Palmen, Mittagsblume, Avocados, Ananas:


Vor allem im Inselsüden wurde früher im Trockenfeldbau Getreide kultiviert. Riesige Flächen
wurden dafür terrassiert. Wegen des geringen Ertrages kam dieser Wirtschaftszweig jedoch
bald wieder zum Erliegen (Abb. 101).

Abb. 101: Fast der gesamte (terrassierte) Süden La Gomeras liegt heute brach; bei Gerian.
65
La Gomera produziert sehr wohlschmeckende Kartoffeln („Papas arrugadas“). Wegen der
Kleinheit der Terrassen und der schwierigen Transportbedingungen wird jedoch lediglich für
den Eigenbedarf produziert. Ähnliches gilt für die Tomaten.
La Gomera gilt als Palmeninsel: Es gibt ca. 100000 Kanarische Dattelpalmen (mehr als auf
allen übrigen Kanaren-Inseln zusammen; Abb. 102).

Abb. 102: Dattelpalmen (Phoenix canariensis) mit braunen Fruchtständen; bei Alojera (Foto H.
Heck).

Sie stehen unter Schutz. Die Früchte dienen als Viehfutter, die Wedel werden in der Korb-
und Mattenflechterei verwendet. Außerdem spielen die Bäume bei der Gewinnung von
„Palmhonig“ eine Rolle: Dazu wird ihr Vegetationspunkt angeschnitten, der austretende, süße
Saft in Gefäßen aufgefangen und zu einem Sirup eingekocht. Um den (ebenfalls am Saft inte-

66
ressierten) Ratten den Aufstieg zum Vegetationspunkt zu erschweren, wurden den Bäumen
früher Blechmanschetten angelegt (Abb. 102).
Die Kristall-Mittagsblume (Eisblume; Mesembryanthemum crystallinum; siehe Abb. 61/87)
akkumuliert in ihren Vakuolen viele Ionen und wurde daher für die Soda-Gewinnung genutzt
(Natriumcarbonat ist ein wichtiger Rohstoff bzw. ein wichtiges Hilfsmittel bei der Herstellung
von Glas, Bleichmitteln, Waschmitteln, Farbmitteln und Gerbereiprodukten). Des Weiteren
wurden andere Inhaltsstoffe bei der Seifenherstellung verwendet. Da die Pflanze auf La Go-
mera nur in einem schmalen Küstensaum vorkommt, konnte für eine industrielle Nutzung
nicht genug Biomasse erzeugt werden.
Neuerdings versucht man sich in kleinem Maßstab in der Kultur von Avocados und Ananas.

8. Tourismus: La Gomera hat bisher vom Tourismusboom der Kanaren wenig profitiert: Von
den jährlich 10 Mill. Urlaubern kommen lediglich ca. 120.000 auf die Insel; von Massentou-
rismus kann also nicht die Rede sein.
Gründe: In den 70er Jahren war die Insel als Aussteigerparadies verrufen; es gibt keine direk-
te Flugverbindung; die Infrastruktur ist nicht auf dem Stand der großen kanarischen Touris-
teninseln: Es gibt nur ca. 7000 Betten, das Straßen- und das Busnetz sind dürftig; weiterhin
sind kaum Sandstrände vorhanden (Abb. 103).

Abb. 103: Einer der wenigen Badestrände der Insel: Valle Gran Rey.

Bisher setzt die Inselregierung daher überwiegend auf Alternativurlauber und naturverbunde-
ne Bergwanderer. Diese kommen allerdings voll auf ihre Kosten: Es gibt eine Vielzahl von
wunderschönen Wanderwegen in einer traumhaften Landschaft (Abb. 104-105); vor allem im
zeitigen Frühling erfreut sich der Naturliebhaber an einer farbenfrohen und vielfältigen Blü-
tenpracht und dem Duft der von ihnen ausgehenden ätherischen Öle. Wegen der Steilheit der
Insel ist gute Wanderausrüstung nötig; gewandert wird in kleinen Gruppen oder individuell.

67
Abb. 104: Wandern südöstlich von Alojera (Galionsberge bei Taguluche).

Abb. 105: Wanderweg bei Arure.

68
Die Bevölkerungsdichte ist im Verlauf der Geschichte auf La Gomera starken Schwankungen
ausgesetzt gewesen: Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwunges mit starkem Bevölkerungs-
wachstum standen immer auch Zeiten von Auswanderungswellen gegenüber, wenn wieder
einmal eine der Monokulturen im Niedergang begriffen war. Zeugen davon finden sich al-
lenthalben auf der Insel: Verlassene Einzelgehöfte wird der Wanderer genauso entdecken, wie
ganze aufgelassene Dörfer (siehe Abb. 106-107 – El Azadoe – südwestlich von Imada).

Abb. 106 und 107: Das verlassene Dorf El Azadoe, südöstlich von Imada (Fotos M. v. Marcard).

69
8. Tagesprotokolle
Für Exkursionen standen insgesamt 6 Tage zur Verfügung. Wegen der Ungewissheit hinsicht-
lich der Witterungsverhältnisse wurden die Wanderungen nicht unter didaktischen Gesichts-
punkten (den Vegetationszonen folgend) durchgeführt, sondern ± zufällig ausgewählt. Daher
sind in diesem Bericht die Tagesprotokolle dergestalt umgeordnet, dass der Trockenstress
zunimmt (Abb. 108):
1. Der Laurisilva (Lorbeerwaldzone); nördlich von Las Hayas
2. Die Fayal-Brezal-Zone (degradierte Lorbeerwaldvegetation); östlich des Garajonay
3. Der Thermophile Buschwald und der küstennahe Trockenbusch; nw von Vallehermoso
4. Die Trockenbusch-Zone in etwas feuchterer Ausprägung; südwestlich von Chipude
5. Sukkulentenbusch in trockener Ausprägung; südöstlich von Imada, bei El Azadoe
6. Die Küstenvegetation (trocken, windig und salzbeeinflusst), nordwestlich von Alojera

Als Bestimmungsliteratur und zur Beschreibung der Arten wurden vorwiegend [9, 10, 11, 12,
13] verwendet. Dargestellt sind die angesprochenen (also häufigen) Arten.

Abb. 108: Exkursionen auf La Gomera (grün).

70
Protokoll vom 14.03.2010
Protokollant: Ingrida Plunksnyte

Vegetationszone: Laurisilva (Lorbeerwald) und Faya-Brezal (Baumheide-Buschwald)

Wandergebiet: Östlich des Garajonay, östl. der Straße nach Santiago.


Wegstrecke: Ca. 7 km.
Höhenmeter: Nicht nennenswert.
Wetter: Weitgehend sonnig.

Baumheide (Erica arborea) (Abb. 109)


Familie: Heidekrautgewächse (Ericaceae)

Habitus: Die Baumheide ist ein Charakterbaum des Lorbeerwalds. Der Baum hat hohe,
meist in sich verdrehte Stämme, nadelartige Blätter, weiße Blüten und kann, im
Gegensatz zu dem uns bekannten Heidekraut, eine Höhe von bis zu 20 Metern
erreichen. Die Äste werden für Stützen oder für Zäune in der Landwirtschaft
und die Zweige zur Herstellung von Besen genutzt.
Blätter: Die Blätter sind nadelartig, etwa 6 – 8 mm lang, stehen in Quirlen zu 3–4; der
umgerollte Rand bedeckt die Unterseite vollständig.
Blüten: Weiß, radiärsymmetrisch (vierzipfelige Glöckchen); blüht von März bis Mai.
Vorkommen: Namensgebend für den Baumheide–Buschwald. Sie ist auch in trockeneren Be-
reichen der Lorbeerwälder anzutreffen, im Unterwuchs feuchter, nordexponier-
ter Kiefernwälder, im Mittelmeergebiet bis zum Schwarzen Meer und in den
Gebirgen Ostafrikas.
Bemerkenswertes: Das Holz ist hell- bis rotbraun, häufig schön gemasert und aufgrund mine-
ralischer Ablagerungen sehr hart und hitzeresistent. Die Wurzel wird zur Her-
stellung von Tabakspfeifen genutzt.
Anpassungsstrategie: Die Baumheide ist an die verhältnismäßig geringen Wassermengen
durch die Ausbildung sehr langer Nadeln, mit der die Baumheide die Feuchtigkeit aus den
Wolken der Passatwinde herauskämmt, angepasst. Die Nadelform (eingerolltes Blatt) sowie
die dicke Cuticula sind Einrichtungen, die die Transpiration hemmen.

Abb. 109: Baumheide (Erica arborea); bei Epina.

71
Kanarische Stechpalme (Ilex canariensis) (Abb. 110)
Familie: Stechpalmengewächse (Aquifoliaceae)

Habitus: Die Kanarische Stechpalme ist ein immergrüner Strauch bzw. ein kleiner Baum
(10-15 m) mit grauer, glatter, nur wenig schuppiger Borke. Die Blütezeit dauert
von April bis Juli.
Blätter: Die gestielten, glänzenden Blätter sind eiförmig bis länglich-eiförmig, am Rand
etwas umgerollt und ganzrandig; mit dicker Wachsschicht.
Blüte: Die weißen Blüten besitzen 4, manchmal auch 5 Kronlappen; sie zeigen sich
einzeln oder in kleinen Trugdolden. Blüht von April bis Mai.
Frucht: Die Früchte sind kugelig, etwa 1 cm groß und von leuchtend roter, zuletzt fast
schwarzer Färbung.
Vorkommen: Die Kanarische Stechpalme ist im Baumheide–Buschwald und im Lorbeerwald,
gebietsweise bis in die Höhenlage der Kieferwälder, verbreitet. Die Art ist auf
den Kanaren endemisch.
Anpassungsstrategie: Die Blätter der immergrünen Stechpalme besitzen eine glatte Oberflä-
che, somit kann das aus den Wolken kondensierte Wasser schnell zum Boden abtropfen. Tau
auf der glatten Blattoberfläche wird zum Stamm hin abgeleitet. Durch die dicke Cuticula wird
zudem die Transpiration minimiert.

Abb. 110: Kanaren-Stechpalme (Ilex canariensis); bei Las Creces (nördlich von Las Hayas).

72
Kanaren-Schneeball (Viburnum tinus ssp. rigidum) (Abb. 111)
Familie: Geißblattgewächse (Caprifoliaceae)

Habitus: Der Kanaren-Schneeball ist ein bis 5 m hoher und immergrüner Strauch. Die
jungen Zweigen und Blattstiele sind dicht behaart. Sein Wuchs erinnert an den
heimischen Holunder.
Blätter: Die Blätter sind grün, matt, eiförmig-elliptisch mit zugespitzter Blattspitze und
ganzrandigem Blattrand. Die Blätter sind vergleichsweise groß, da der Schnee-
ball oftmals unterhalb der Baumkrone der Bäume zu finden ist und daher viel
Blattfläche für die Photosynthese benötigt wird.
Blüte: Die weißen Blütendolden haben das Aussehen eines aufgespannten Regen-
schirmes; die Einzelblüten sind etwa 7 mm breit. Die Blütezeit dauert von Feb-
ruar bis Mai.
Frucht: Die Früchte sind von metallisch schwarzblauer Farbe.
Vorkommen: Diese Pflanze ist typisch für den Lorbeerwald.
Anpassungsstrategie: Als immergrüne Pflanze ist sie auch in den Wintermonaten zur Photo-
synthese befähigt. Durch die Behaarung entsteht eine luftberuhigte Zone, die transpirations-
hemmende Wirkungen entfaltet. Die großen Blätter sichern die Überschreitung des Kompen-
sationspunktes auch im schattigen Wald.

Abb. 111: Kanaren-Schneeball (Viburnum tinus ssp. rigidum); bei Los Barranquillos, nördlich Arure.

73
Hierro-Gänsedistel, Strauch-Gänsedistel (Sonchus hierrensis) (Abb. 112)
Familie: Korbblütler (Compositae)

Habitus: Die verholzte Pflanze wird 30 bis 100 cm hoch. Bei älteren Pflanzen verholzt
der untere Teil der Blattstiele zu einer Art Stamm. Keine Stacheln vorhanden.
Blätter: Die jungen Blätter sind weißlich behaart, ältere unbehaart, gefiedert, am Rand
spitz gezähnt.
Blüte: Die geöffneten, gelben Blütenköpfe sind 4–5 cm breit. Blüte März bis August.
Vorkommen: Die Art ist ein Kanaren-Endemit. Die Gänsedistel kommt bevorzugt in
Waldgebieten vor.
Anpassungsstrategie: Durch die Härchen der Blätter entsteht eine luftberuhigte Zone, die
transpirationshemmende Wirkungen entfaltet. Die breiten und dünnen Blätter sorgen für eine
große Oberfläche, um an schattigen Standorten ausreichend Photosynthese betreiben zu kön-
nen. Nur an Standorten mit ausreichender Wasserversorgung.

Abb. 112: Hierro-Gänsedistel (Sonchus hierrensis); südöstlich von Pajarito (Foto M. v. Marcard).

74
Gagelbaum (Myrica faya) (Abb. 113)
Familie: Gagelstrauchgewächse (Myricaceae)

Habitus: Der Gagelbaum ist zweihäusig (es gibt Bäume mit weiblichem und andere mit
männlichem Geschlechtsorgan  Blüte). Immergrüner Baum oder Baum-
strauch, bis 15 m hoch. Seine jungen Zweige sind mit kleinen, rostfarbenen
Schildhaaren bedeckt.
Blätter: Die aromatischen, wechselständigen, lederigen, frisch- bis dunkelgrünen Blät-
ter haben eine länglich–lanzettliche, am Ende spitz bis stumpfliche, Form. Der
Rand ist etwas umgerollt, wellig, schwach und unregelmäßig gekerbt.
Blüte: In der Regel sind die Blütenstände verzweigt. Der männliche Baum hat rote
Blüten (Staubbeutel). Die Blütezeit dauert von März bis April.
Frucht: Die 4 – 8 mm großen, kugeligen, leicht fleischigen Früchte sind schwarz.
Vorkommen: Der Gagelbaum ist verbreitet im Baumheide–Buschwald und im Lorbeerwald.
Besonders auf El Hierro ist er in Beständen mit kräftigen, alten Bäumen zu fin-
den. Endemisch auf den Kanaren, auf Madeira und den Azoren.
Anpassungsstrategie: Seine Anpassung an den Standort zeigt sich durch seine immergrüne,
auch in den Wintermonaten zur Photosynthese befähigte, Ausbildung. Als transpirations-
hemmende Einrichtungen sind zu nennen, die lederartige Ausbildung der Blätter, die glän-
zende mit Wachs überzogene Blattoberfläche (Cuticula), die die Sonnenstrahlen reflektiert
sowie die leicht umgerollten Blattränder. Ätherische Öle können durch Brechung die Einwir-
kung der Sonnenstrahlen reduzieren und wirken daher transpirationshemmend.

Abb.113: Gagelbaum, männlich (Myrica faja); östlich von Pajarito.

75
Gomera-Greiskraut (Pericallis gomerae syn. P. steetzii) (Abb. 114)
Familie: Korbblütler (Compositae)

Habitus: Das Gomera-Greiskraut kommt bevorzugt im Wald vor. Das Greiskraut ist eine
einjährige Pflanze bis 50 cm Höhe. Die Pflanze ist im oberen Bereich ver-
zweigt.
Blätter: Die unteren Blätter sind gestielt und eiförmig, tief eingeschnitten mit eng anei-
nander liegenden, nach vorne gerichteten Lappen, kahl bis spinnwebig behaart.
Blüte: Die Blüte besteht aus radiärsymmetrischen Köpfchen mit 7–11 teils weiß oder
pink blühenden Zungenblüten, Die Hüll- und Außenhüllblätter enden in einer
schwarzen Spitze. Die Blütezeit dauert von Februar bis Mai.
Frucht: Die Früchte sind 3–3,5 mm lang.
Vorkommen: Das Gomera-Greiskraut ist vorwiegend im Lorbeerwaldbereich anzutreffen und
auf der Insel endemisch.
Anpassungsstrategie: Breite, dünne, unterseits behaarte Blätter sorgen für eine große Oberflä-
che (Photosynthese), um an schattigen Standorten wachsen zu können; die Behaarung schützt
vor übermäßiger Transpiration. Nur an Standorten mit ausreichender Wasserversorgung.

Abb. 114: Gomera-Greiskraut (Pericallis gomerae); nordwestlich Vallehermoso (Foto M. Gonka).

76
Gomera-Strauchmargerite (Argyranthemum gomerensis) (Abb. 115)
Familie: Korbblütler (Compositae)

Habitus: Bis 1 m hoch werdende Pflanze.


Blätter: Die Strauchmargerite hat kurz gestielte, gefiederte Blätter.
Blüte: Ihre Blüte ist radiärsymmetrisch. Die Kronblätter sind weiß und die Körbchen
gelb. Die Blütenköpfchen sitzen auf langen, kahlen Stielen. Blüht von Februar
bis Oktober
Vorkommen: Vor allem im Lorbeerwald. Die Strauchmargerite ist ein Kanaren–Endemit.
Anpassungsstrategie: Die großen, dünnen Blätter mit schwach ausgebildeter Cuticula erlau-
ben auch in schattiger Umgebung eine Überschreitung des Kompensationspunktes (Photosyn-
these überwiegt Zellatmung). Nur bei hoher Luftfeuchtigkeit überlebensfähig.

Abb. 115: Gomera-Strauchmargerite (Argyranthemum gomerensis); östlich von Vallehermoso.

77
Kanaren-Storchschnabel (Geranium canariense) (Abb. 116)
Familie: Storchschnabelgewächse (Geraniaceae)

Habitus: Es ist das einzige endemische Storchschnabelgewächs der Kanaren. Die ver-
holzende Staude ist mehrjährig und wird ca. 30-50 cm hoch.
Blätter: Die Blätter bilden eine große Rosette, sind lang gestielt und höchstens auf der
Blattunterseite entlang der Blattnerven behaart. Die Blattspreiten sind bis zum
Grund fünflappig mit fiederschnittigen, gekerbt-gesägten Abschnitten
Blüte: Die Blüten sind rosa, 2–3 cm breit, mit außen weißlichen Kronblättern und
behaarten Kelchblättern. Sie stehen auf stark abstehend behaarten Stielen.
Blüht von März bis August.
Vorkommen: Lorbeerwälder. Kanaren–Endemit.
Anpassungsstrategie: Die großen, dünnen Blätter mit schwach ausgebildeter Cuticula erlau-
ben auch in schattiger Umgebung eine Überschreitung des Kompensationspunktes (Photosyn-
these überwiegt Zellatmung). Nur bei hoher Luftfeuchtigkeit überlebensfähig.

Abb. 116: Kanaren Storchschnabel (Geranium canariense); bei Los Barranquillos (nördl. Arure)

78
Kanaren-Hahnenfuß (Ranunculus cortusifolius) (Abb. 117)
Familie: Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)

Habitus: Die Pflanze erreicht eine Höhe von 0,5-1 m. Die Staude ist kräftig und behaart.
Blätter: Die Grundblätter sind rundlich-herzförmig, 3-7lappig, mit breiten Abschnitten,
mit einem Durchmesser von 15 bis 30 cm.
Blüte: Die goldgelben, glänzenden Blüten sind bis 5 cm breit. Die Kelchblätter stehen
zur Blütezeit waagerecht. Blüht von Januar bis April.
Frucht: Zur Reifezeit sind die Früchte schwarz, kahl, glatt und geschnäbelt.
Vorkommen: Der Kanaren-Hahnenfuß ist im Lorbeer- und Kieferwald, an feuchten, bei aus-
reichender Bodenfeuchte auch felsigen Standorten zu finden. Die Art ist auf
den Kanaren, Azoren und Madeira endemisch.
Anpassungsstrategie: Die großen, dünnen Blätter mit schwach ausgebildeter Cuticula erlau-
ben auch in schattiger Umgebung eine Überschreitung des Kompensationspunktes (Photosyn-
these überwiegt Zellatmung). Nur bei hoher Luftfeuchtigkeit überlebensfähig.

Abb. 117: Kanaren-Hahnenfuß (Ranunculus cortusifolius); zwischen Pajarito und der Olsen-Hütte.

79
Kanaren-Kiefer (Pinus canariensis) (Abb. 118)
Familie: Kieferngewächse (Pinaceae)

Habitus: Die Stämme von Kiefern sind feuerresistent, mit rötlichbrauner, rissiger, sich
schuppig ablösender, Borke. Die Kanaren-Kiefer hat 3 zusammengehörige,
lange, silbrig glänzende Nadeln ausgebildet. Sie kann eine Höhe von 25 m er-
reichen.
Nadeln: Die Nadeln sind 1 bis 3 Jahre ausdauernd. Sie sitzen jeweils zu Dritt in einer
10–20 mm langen Scheide. Diese sind spitz und oft hängend. Die Nadeln der
Jungpflanzen haben eine auffällig blaugrüne Farbe. Sie sind bis zu 8 cm lang.
Frucht: Die Zapfen hängen paarweise oder einzeln; sie sind sitzend oder bis 2 cm ge-
stielt. Nach dem Öffnen sind die Zapfen breit eiförmig und glänzen in nuss-
brauner Farbe.
Vorkommen: Die Kanaren-Kiefer ist ein Endemit. Zwischen 800 und 2200 Höhenmeter ist
die Kiefer waldbildend; auf La Gomera gibt es allerdings keinen zusammen-
hängenden Wald.
Anpassungsstrategie: Die runden, mit einer Wachsschicht überzogenen Nadeln sind perfekt
an trockene Standorte angepasst. Die Kanaren-Kiefer zeigt ihre Besonderheit in der Ausbil-
dung langer Nadeln, die sie befähigt, die Feuchtigkeit der Passatwolken zu nutzen und kon-
densierten Wasserdampf auf den Waldboden abzutropfen.

Abb. 118: Kanaren-Kiefer (Pinus canariensis); südöstlich von Pajarito (Foto M. Gonka).

80
Protokoll vom 19.03.2010
Protokollant: Steffen Herbert

Vegetationszone: Laurisilva (Lorbeerwald) und Faya-Brezal (Baumheide-Buschwald)

Wandergebiet: Nördlich der Ortschaft Las Hayas nach Las Creces.


Wegstrecke: Ca. 5 km.
Höhe ü. NN: Von 1000 auf 1100 m.
Wetter: Seit dem Vortag hat der Calima eingesetzt. Dies ist ein
von der Sahara kommender Wind, der warme Luft und
oft feinen Sandstaub bringt.

Arten, die bereits früher gefunden und beschrieben worden sind (s.o.):

Baumheide (Erica arborea)


Familie: Heidekrautgewächse (Ericaceae)

Gagelbaum (Myrica faya)


Familie: Gagelstrauchgewächse (Myricaceae)

Kanaren Stechpalme (Ilex canariensis)


Familie: Stechpalmengewächse (Aquifoliaceae)

Gänsedistel (Sonchus hierrensis)


Familie: Korbblütler (Compositae)

Gomera-Greiskraut (Pericallis stetzii)


Familie: Korbblütler (Compositae)

Kanaren Storchschnabel (Geranium canariense)


Familie: Storchschnabelgewächse (Geraniaceae)

81
Rivins-Veilchen (Viola riviniana) (Abb. 119)
Familie: Veilchengewächse (Violaceae)

Wuchshöhe: Ca. 10 bis 20 cm


Blätter: Am Rand gekerbte, dünne Blätter. Die Blätter sind herzförmig und stark ge-
ädert.
Blüte: 14 bis 22 mm lange, meist hellviolett gefärbte Blüten. Die Kronblätter überde-
cken sich häufig und das unterste Kronblatt ist deutlich geadert. Die unteren
drei Kronblätter sind nach unten abstehend, die oberen zwei stehen aufrecht.
Der weißliche Sporn ist dick und an der Spitze leicht gerandet. Blüht im März-
April.
Vorkommen: Weit verbreitet, meist in Laubwäldern, bzw. an schattigen Standorten.
Anpassungs-Strategie: Breite, dünne Blätter sorgen für eine große Oberfläche (Photosynthe-
se), um an schattigen Standorten wachsen zu können. Nur an Standorten mit ausreichender
Wasserversorgung.

Abb. 119: Rivins-Veilchen (Viola riviniana); südöstlich von Pajarito.

Mittagspause am Rastplatz Las Creces nahe der Carretera Dorsal.


Abschlussbesprechung.
Gesangsdarbietung von Frank und Harald („Nach dieser Erde wäre da keine"; Friedenskanon.
Text und Musik im Original von Don Mc Lean).

Gefundene Arten auf dem Rückweg zum Ausgangspunkt:

82
Kanaren-Lorbeer (Laurus azorica) (Abb. 120-121)
Familie: Lorbeergewächse (Lauraceae)

Wuchshöhe: 15 bis 25 m.
Blätter: Die Blätter werden etwa 12-15 × 4-5 Zentimeter groß. Junge Blätter sind an
der Unterseite etwas filzig. Ausgewachsene Blätter sind am Rand glatt oder
schwach gewellt. Entlang der Mittelrippe befinden sich in den meisten Achseln
der Seitennerven kleine Drüsen (Domatien; Abb.120): Erkennungsmerkmal!
Blüte: Zwittrig, weißlich und rispig an den Zweigenden angeordnet. Blüht von Febru-
ar bis Mai.
Frucht: Beeren olivenförmig, zunächst grün dann zur Reife schwarz, ca. 1-2 cm groß.
Vorkommen: Azoren, Kanarischen Inseln, Madeira und in Marokko.
Anpassungs-Strategie: Ausbildung einer dicken Cuticula (wachsartig) zur Verringerung der
Verdunstungsverluste und zum Schutz vor UV-Schädigung.

Abb. 120: Kanaren-Lorbeer (Laurus azorica); filzige Domatien in den Achseln der Seitennerven.

Abb. 121: Kanaren-Lorbeer (Laurus azorica); blühend; bei Las Creces.


83
Indischer Lorbeer (Persea indica) (Abb. 122)
Familie: Lorbeergewächse (Lauraceae)

Wuchshöhe: Bis zu 30 m.
Blätter: Blattgröße: 8 bis 20 × 3 bis 8 Zentimeter. Breit länglich-lanzettlich, stumpflich,
ohne Drüsen (Domatien) und auf der Unterseite mit einem stark hervortreten-
den Mittelnerv sowie zahlreichen, regelmäßigen Seitennerven. Vor dem Abfal-
len sind die Blätter intensiv rot gefärbt: Erkennungsmerkmal!
Blüte: Zwittrig, gelbgrün und rispig an den Zweigenden angeordnet. Die Blütenhülle
ist sechsteilig. Blütezeit: März bis September.
Frucht: Ist 2 Zentimeter groß, olivenförmig, fleischig und färbt sich zur Reifezeit blau-
schwarz.
Vorkommen: Kanaren, Madeira, Azoren; endemisch.
Anpassungs-Strategie: Ausbildung einer dicken Cuticula (wachsartig) zur Verringerung der
Verdunstungsverluste.

Abb. 122: Indischer Lorbeer (Persea indica) mit unreifen Früchten und roten Blättern; bei Las Creces.

84
Protokoll vom 16.03.2010
Protokollant: Sabine Eickelberg

Vegetationszone: Thermophiler Buschwald und Küstennaher Trockenbusch

Wandergebiet: Vallehermoso – Chiguere – Vallehermoso.


Wegstrecke: Ca. 9 km.
Höhe ü. NN: Von 200 auf 700, dann Abstieg auf 50 m.
Wetter: Sonnig bis bewölkt.

Vegetationszone: Thermophiler Buschwald (Bosque Termófilo)

Kanaren-Wacholder (Juniperus phoenicea ssp. canariensis) (Abb. 50/69)


Familie: Zypressengewächse (Cupressaceae)

Spanische Bezeichnung: sabinar (Gebüsche, lockere Baumbestände des Wacholders)

Habitus: Der Wacholder ist eine 2-6 m hohe Holzpflanze von strauch- oder baumförmi-
ger Gestalt mit dunkler, längsrissiger Rinde. Die Blütezeit dauert von Februar
bis März.
Blätter: Die graugrünen Blättchen sind gegenständig angeordnet, schuppig, abgerundet,
auch nadelförmig und etwa 1-1,5 mm lang. Sie liegen den Zweigen eng an.
Blüte: Die gelben, männlichen Blüten haben eine Länge von etwa 3 mm. Die weibli-
chen sind unscheinbar. Die Pflanze ist einhäusig.
Frucht: Die Früchte sind rund, etwa 8-15 mm dick und von rotbrauner Färbung.
Vorkommen: Im Mittelmeergebiet und auf den Kanarischen Inseln ist der Wacholder hei-
misch. Er ist im Norden und Westen der Insel Gomera unterhalb des
Gagelbaum-Heidebuschwaldes (Fayal-Brezal) anzutreffen. Je nach Standort er-
reicht er fast nur die Höhe eines Strauches. Wächst er in Küstennähe auf felsi-
gem Grund, so zeigt er die für die dort vorherrschende Windrichtung typische
Windschur.
Unterscheide: Endemit; oberhalb des Sukkulentenbusches war er früher bestandsbildend.
Historie: Vor Eroberung durch die Spanier war die Zone des thermophilen Buschwaldes
von Wacholder bewachsen. Zur Gewinnung von Ackerfläche und von Holz,
wurden diese Wälder von den neuen Einwohnern fast zur Gänze abgeholzt.
Anpassungsstrategie: Zu den Transpiration hemmenden Einrichtungen sind die kleinen,
schuppigen, nadelförmigen und eng an den Zweigen liegenden Blättchen zu zählen. Zum
Schutz vor übermäßiger Transpiration sind sie mit einer Wachsschicht überzogen. Werden die
Blättchen in der Hand verrieben, so werden die harzigen, aromatischen Bestandteile frei (die
ätherischen Öle schützen vor schädlicher UV-Strahlung). Durch die Blättchenform wird das
Abtropfen kondensierten Wasserdampfes auf den Boden ermöglicht.

85
Staubiger Zeiland (Neochamaelea pulverulenta) (Abb. 123)
Familie: Zwergölbaumgewächse (Cneoraceae)

Habitus: Der Staubige Zeiland ist ein 0,5-1,5 m hoher, verholzender Strauch.
Blätter: Seine lanzettlichen, bis 6 cm langen, sitzenden Blättchen sind dicht filzig be-
haart und erscheinen silbergrau oder graugrün.
Blüte: Die gelben Blüten entwickeln sich rispig aus den Blattachseln. Blüht von Janu-
ar bis Mai.
Frucht: Die runden Früchte sind bis 1 cm breit, ebenfalls behaart und werden bei Reife
violett.
Vorkommen: Der Staubige Zeiland kommt als Endemit auf allen Kanarischen Inseln, außer
auf den beiden östlichsten (Lanzarote und Fuerteventura) vor. Er ist eine Pflan-
ze des Sukkulentenbusches. Im Thermophilen Buschwald ist er auch anzutref-
fen, wenn ihm ein trockener Standort zugewiesen ist.
Unterscheide: Unterscheidbar zum Kanaren-Beifuß ist er wegen des fehlenden Geruchs und
an Hand seiner gelben kleinen Blüten sowie der kugeligen Früchte.
Anpassungsstrategie: Seine durch die Härchen silbrig-helle Einfärbung bewirkt die Reflektion
der Sonnenstrahlen, insbesondere des schädlichen UV-Anteils. Die Härchen selbst schützen
den Zeiland durch die entstehende luftberuhigte Zone vor übermäßigem Dampfdruckgefälle
und vor Transpiration. Eine weitere Einrichtung mit verdunstungshemmender und Tau sam-
melnder Wirkung dürfte der sitzende Blattansatz sein. Zur Blütezeit unterstützt die gelbe Far-
be der Blüten die Reflektion der Sonnenstrahlen.

Abb. 123: Staubiger Zeiland (Neochamaelea pulverulenta); Nordküste bei Vallehermoso.

86
König-Juba-Wolfsmilch (Euphorbia regis-jubae) (Abb. 124)
Familie: Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae)

Habitus: König-Juba-Wolfsmilch ist ein 0,5 m und (bei hinreichender Bodenfeuchte bis
zu 2,5 m hohes) verholzendes, strauchiges Bäumchen mit einem nackten und
grauen Stamm.
Blätter: Die Blätter sind zur optimalen Photosynthese auf einer Höhe ausgebildet. Sie
sind schmal-lanzettlich und 5-8 cm lang. Der Austrieb der Blätter beginnt im
Januar; bereits im Mai werden sie allerdings wegen Trockenheit abgeworfen.
Blüte: Die Scheinblüte (Cyathium) besteht aus mehreren blassgrünen Hochblättern.
Sie bilden eine becherartige Blütenhülle, auf deren Grund die Blüte mit
Fruchtknoten und Griffel, umgeben von Staubfäden, zu erkennen ist. Zusätzli-
che Blättchen am Blütenstängel zeichnen die Art aus. Blüht von Februar bis
Mai.
Frucht: Die 5 mm breiten und kahlen Frucht-Kapseln zeigen eine hellbraune bis rötli-
che Färbung.
Vorkommen: König-Juba-Wolfsmilch kommt auf den westlichen Inseln der Kanaren, ausge-
nommen auf El Hierro und auf Gran Canaria und in Marokko, vor. Sie ist be-
standsbildend im Sukkulentenbusch und gedeiht in trockeneren Bereichen bis
in die Höhenlagen der Kiefernwälder hinein. Aber auch in aufgelassenem Kul-
turland ist sie vereinzelt anzutreffen.

Abb. 124: König-Juba-Wolfsmilch (Euphorbia regis-jubae); nordwestlich von Vallehermoso.

87
Historie: Die Pflanze ist benannt nach König-Juba II. von Mauretanien. Nach der Nie-
derlage seines Vaters in der Schlacht bei Thapsus (46 v. Chr.) gegen Gaius
Iulius Caesar wuchs er in Rom auf, erhielt eine sehr gute Erziehung und das
Römische Bürgerrecht. Er betätigte sich schriftstellerisch. In seinem Werk über
Afrika dürfte er seine Erfahrungen über eine Seereise zu den Kanaren be-
schrieben haben. Plinius der Ältere beruft sich in seiner Naturalis Historiae auf
Jubas Werke. Juba war mit der Tochter Kleopatras und des Marcus Antonius,
Kleopatra Selene, verheiratet. Er ließ, so heißt es, die Kanarischen Inseln zum
Bezug der Flechte Roccella, aus der der begehrte und gewinnbringende Purpur-
farbstoff extrahierbar ist, anlaufen.
Anpassungsstrategie: Einrichtungen zur Minimierung der Transpiration sind die schmalen
lanzettlichen in Büscheln sitzenden und sich stützenden Blätter und ihr Abwurf zu Beginn der
Hitzeperiode im Mai. Obwohl keine verwandtschaftlichen Beziehungen zur Oleanderblättri-
gen Kleinie, einem Korbblütler, bestehen, sind unter den gleichartigen klimatischen Bedin-
gungen sehr ähnliche Strukturen entstanden.

Flechtenbewuchs: Die gelb-orangefarbene Flechte Xanthoria parietina (Abb. 125), die den
gleichnamigen Farbstoff Parietin einlagert, zeigt sich oft auf den
Stämmchen der König-Juba-Wolfsmilch. Die orangefarbene Farbe der
Flechte beruht auf sekundären Inhaltsstoffen in oder unterhalb der Rin-
denschicht, die ausschließlich vom Pilz gebildet werden. Für Parietin ist
gezeigt worden, dass es den Photosyntheseapparat vor einem Übermaß
an Sonneneinstrahlung einschließlich des UV-Anteils schützt.

Abb. 125: Gelbflechte (Xanthoria parietina).

88
Oleanderblättrige Kleinie (Kleinia neriifolia) (Abb. 126)
Familie: Korbblütler (Compositae)

Habitus: Die Kleinie ist ein 0,5-3 m hoher, verholzender Strauch. Ihre runden, graugrü-
nen aufragenden fleischig sukkulenten Äste sind regelmäßig verzweigt.
Blätter: Die oleanderähnlichen 1-1,5 cm breiten und bis zu 12 cm langen Blätter sind
von gleicher, graugrüner Farbgebung wie der Spross. Sie sind etwas breiter als
die der König-Juba-Wolfsmilch. Zu Beginn der trockenen Monate, bereits im
Mai, wirft die Kleinie ihre Blätter ab. An den Ästen sind dann die Narben der
Ansatzstellen deutlich zu sehen: Erkennungsmerkmal!
Blüte: Im Spätsommer erscheinen die Blüten an den Enden der Äste, zuweilen auch
vor den Blättern. Diese Wuchsform wird auch als Federbuschstrauch bezeich-
net. Sie wird auf den Kanaren von vielen Pflanzenfamilien bevorzugt. 7-9 weiß
blühende Röhrenblüten mit gelben Staubblättern sitzen auf Trugdolden. Blüht
von August bis November.
Frucht: Die kleinen Früchte sind mit einem Haarkranz (Pappus) ausgestattet. Als
Korbblütler übergibt die Kleinie ihre Samen, wie der Löwenzahn, dem Wind
zur Verbreitung.
Vorkommen: Die Kleinie kommt endemisch auf allen Kanarischen Inseln vor. Sie besiedelt
Stein-und Felswände, die gleichen Standorte wie die strauchigen Wolfsmilch-
arten. Die Vegetationsklasse wird denn auch als Kleinio-Euphorbietea genannt;
sie ist kennzeichnend für den Sukkulentenbusch.
Anpassungsstrategie: Die Kleinie besitzt auf den Blättern eine dicke Cuticula (Transpirations-
schutz), wirft die Blätter zusätzlich während der heißen Sommermonate ab und blüht erst im
Spätsommer. Als Korbblütler verfolgt sie im Pflanzenaufbau die gleiche Strategie wie die
meisten Wolfsmilch-Arten.

Abb. 126: Oleanderblättrige Kleinie (Kleinia neriifolia); südöstlich von Imada; bei El Azadoe.

89
Wilde Gladiole, Siegwurz (Gladiolus italicus) (Abb. 127)
Familie: Schwertliliengewächse (Iridaceae)

Habitus: Die Wilde Gladiole ist als Zwiebelgewächs ausdauernd, sie erreicht eine Höhe
von 20-60 cm.
Blätter: Sie besitzt lanzettliche, etwa 10-40 cm lange und 5-12 mm breite Blätter. Das
oberhalb der normalen Laubblätter stehende und von diesen in Form abwei-
chende Blatt (unteres Hochblatt) überragt die Blüte.
Blüte: Ihre Blüten sind hellrosa bis purpurfarben, sie sitzen zu 3-10 in
einseitswändigen Ähren. Die Staubbeutel sind länger als die Staubfäden. Sie
blüht von März bis April.
Frucht: Die Früchte entwickeln sich in Kapseln, die Samen sind nicht geflügelt.
Vorkommen: Südliches und westliches Europa, Kleinasien. Auf den Kanarischen Inseln ist
sie eingeführt. Sie kommt in Talsohlen und bei günstigen Bedingungen auch in
Felsfluren, so auch im kanarischen Sukkulentenbusch, vor.
Anpassungsstrategie: Als Kryptophyt, wie die frühblühenden anderen Zwiebelgewächse,
Krokus, Amaryllis und wilde Feueriris, nutzt die Gladiole die für sie günstigen klimatischen
Bedingungen auch am Hang und zeigt im März Spross, Blatt und Blüte. Nur wenig später bei
weniger günstigen klimatischen Bedingungen – die bereits im April für sie auf den Kanari-
schen Inseln beginnen – deponiert sie Kohlenhydrate und andere Nährstoffe in der Zwiebel
und stirbt über der vollständig ab (daher die Bezeichnung Kryptophyt: „Im Verborgenen le-
bend“). Eine dicke Cuticula dient der Verminderung der Transpiration.

Abb. 127: Gladiole, Siegwurz (Gladiolus italicus); nordwestlich von Vallehermoso (Foto H. Heck).

90
Kanarisches Aschenkraut (Andryala canariensis); Fiederspaltige Andryala (Andryala
pinnatifida) (Abb. 128)
Familie: Korbblütler (Compositae)

Habitus: Die ausdauernde, zur Verholzung neigende Pflanze erreicht eine Höhe von 0,2
bis 0,6 m und vermag, in Abhängigkeit von Vegetationszone und Zugang zu
Bodenwasser, über das ganze Jahr hindurch ihre gelben Korbblüten zu zeigen.
Blätter: Andryala zeigt eiförmige, buchtig gelappte, weißlich-grüne, weiche flauschige
Blätter. Ihre Unterseite ist schwach graufilzig. Die Blätter scheinen von Asche
eingestaubt zu sein und sind so Namensgeber der deutschen Bezeichnung.
Blüte: Die Hüllblätter (Involucralblätter), die den Korb umgeben, sind ebenfalls grau-
filzig und können mit schwarzen Drüsenhaaren bedacht sein. Die hübschen
zahlreichen gelben Blüten zeigen bis zu 3 cm lange gestielte Zungenblüten.
Vorkommen: Auf allen Kanarischen Inseln und auf dem nordwestafrikanischen Kontinent
vorkommende Art. Sie besiedelt felsige Gebiete und Wegränder, ist aber auch
mit ausgebildetem Stämmchen im Lorbeerwald anzutreffen.
Unterscheide: Andryala webbii mit schwach gelappten oder gezähnten Blättern kommt ende-
misch auf Gomera und La Palma vor.
Anpassungsstrategie: Die filzig behaarten hellen Blätter reflektieren die Sonnenstrahlen. Sie
bieten dadurch Schutz vor einer zu starken UV-Strahlen-Belastung. Die Härchen selbst schüt-
zen durch die luftberuhigte Zone vor übermäßigem Dampfdruckgefälle und dadurch vor Tran-
spiration. Die gelben Blüten unterstützen die Reflektion der Sonnenstrahlen.

Abb. 128: Kanarisches Aschenkraut (Andryala canariensis); nordwestlich von Vallehermoso,


Teselinde-Massiv (Foto C. Benner).

91
Stierkopf-Ampfer (Rumex bucephalophorus) (Abb. 129)
Familie: Knöterichgewächs (Polygonaceae)

Habitus: Die einjährige bis zu 40 cm hohe krautige Pflanze zeichnet sich durch einzelne
kräftige oder dünne, aufsteigende Stängel und rot überlaufende Blütenstände
aus.
Blätter: Die 1-2 cm langen gestielten, grünen Blätter sind wechselständig angeordnet,
spatelig oder eiförmig-lanzettlich. Sie schmecken säuerlich, da Oxalsäure ein
Inhaltsstoff ist.
Blüte: Die Blütezeit der kleinen, unscheinbaren Blüten dauert von Dezember bis Mai.
Die Blüten sind ährenartig angeordnet und ebenso wie der Fruchtstiel rot über-
laufen.
Frucht: Die Nuss wird während der Reifezeit durch die drei vergrößerten inneren Blü-
tenhüllblätter (Valven) umschlossen. Die Valven zeigen eine kleine, harte
knotigartige Verdickung. Die Form ähnelt einem Stierkopf  Name.
Vorkommen: Im Mittelmeergebiet und auf den Kanaren, so auch auf der Insel La Gomera.
Die endemisch vorkommende Art ist R. bucephalophorus ssp. canariensis.
Rumex bucephalophorus ist verwandt mit unseren heimischen Arten. Bevor-
zugt werden nicht ganz trockene Standorte.
Unterscheide: Rumex maderensis, Madeira-Ampfer, der dort und außer auf Fuertaventura und
Lanzarote auf den anderen Kanarischen Inseln vorkommt.
Anpassungsstrategie: Die rote Färbung im Zellsaft der äußeren Pflanzenschichten wird verur-
sacht durch den eingelagerten Farbstoff Anthocyan. Gesteuert wird er über chemische Boten-
stoffe. Anthocyan absorbiert bestimmte Wellenlängen des Lichtes, insbesondere der UV-
Strahlen und verhindert so die Schädigung der Proteine in den Zellen und der DNA im Zell-
kern. Bei oxidativem Stress bindet Anthocyan auch freie Radikale. Die Blätter sind mit einer
feinen Wachsschicht zum Schutz vor Transpiration überzogen.

Abb. 129: Stierkopf-Ampfer (Rumex bucephalophorus); nordwestlich von Vallehermoso (St. Clara).

92
Kanaren-Margerite (Argyranthemum frutescens) (Abb. 130)
Familie: Korbblütler (Compositae, Compositae)

Habitus: Die strauchige, kugelbuschartige Kanarenmargerite erreicht, je nach den


Wachstums-Bedingungen des Standortes, eine Höhe von 0,2 bis 0,8 m.
Blätter: Ihre etwas fleischig verdickten, grünen fiederteiligen Blätter sind an der Unter-
seite behaart. Die einzelnen kleinen, schmalen Blättchen zeigen eine lanzettli-
che, angespitzte oder auch stumpfe fast nadelartige Form.
Blüte: Die Traubendolde mit 4 bis 30 Blütenköpfen sitzt auf einem kahlen, langen
Stängel. Die weißen Zungenblüten weisen eine Länge von 4–15 mm auf; die
Hülle ist 6–22 mm breit. Sie blüht ganzjährig.
Frucht: Ihre äußeren Früchte sind 3flügelig, die inneren besitzen lediglich einen Flügel.
Vorkommen: Auf allen Kanarischen Inseln, außer auf Fuerteventura, kommt sie endemisch
vor. Anzutreffen ist sie in der Küstenvegetation und im Sukkulentenbusch.
Unterscheide: A. lemsii und A. sundingii, beide Arten sind auf Tenerife zu finden. Die 20 auf
den Kanaren endemisch vorkommenden Arten unterscheiden sich vor allem
durch ihren strauchigen, kugeligen Wuchs. Argyranthemum ist mit den Chry-
santhemum-Arten des Mittelmeeres verwandt.
Anpassungsstrategie: Zur Vermeidung von Transpiration sind die Blättchen ausgesprochen
klein, fast nadelartig, dickblättrig (leicht sukkulent) und an der Unterseite behaart. Der weiß-
gelbe Korb unterstützt durch seine Farben die Reflektion der Sonnenstrahlen. Die Kugelform
unterstützt die ökologische Anpassungsstrategie.

Abb. 130: Kanaren-Margerite (Argyranthemum frutescens); nordwestlich von Vallehermoso (Ermita


de Santa Clara)

93
Kanaren-Beifuß (Artemisia thuscula, syn. A. canariensis) (Abb. 131)
Familie: Korbblütler (Compositae, Compositae)

Habitus: Der Kanaren-Beifuß ist ein krautiger, verzweigter und verholzender Strauch
von 0,4 bis 1 m Höhe. Das am meisten auffallende Merkmal ist, wie bei allen
Artemisia Arten, der nach Wermut riechender Duft:  Erkennungsmerkmal!
Blätter: Die fiederteiligen Blätter des Beifußes sind 3-7 cm lang und 2-3 cm breit, wäh-
rend die Oberseite grün ist, weist die Unterseite eine silberfarbene Behaarung
auf.
Blüte: Die Blütenköpfe sind rundlich, haben einen Durchmesser von etwa 3-4 mm
und sind auf rispigen Blütenständen angeordnet. Die Röhrenblüten sind gold-
gelb bis bräunlich, etwa 1-3 mm lang, auf den unscheinbaren Blütenkörbchen,
angeordnet. Die filzig behaarten Hüllblätter am Rand sind gezähnt. Seine Blü-
tezeit dauert von Mai bis August.
Frucht: Ein Pappus wird von der nussigen Frucht nicht ausgebildet.
Vorkommen: A. thuscula kommt, bis auf den beiden nordöstlich liegenden Inseln Fuerteven-
tura und Lanzarote, auf allen Kanarischen Inseln, bevorzugt im
Sukkulentenbusch und auf aufgelassenen Kulturflächen, vor.
Anpassungsstrategie: Die auf der Unterseite der Blättchen sitzenden Härchen schützen den
Beifuß vor zu starker Luftströmung und somit vor übermäßiger Transpiration. Die kleinen
Blättchen tragen zur Anpassung an den Standort bei. Die ätherischen Öle, u. a. Kampfer, aber
auch das giftige Thujon, vermögen durch Brechung und Reflektion die Einwirkung der UV-
Strahlen zu minimieren. Die goldgelben Blüten unterstützen durch ihre Farben die Reflektion
der Sonnenstrahlen.

Abb. 131: Kanaren-Beifuß (Artemisia canariensis); nordwestlich von Vallehermoso (Santa Clara).

94
Mond-Ampfer (Rumex lunaria) (Abb. 132)
Familie: Knöterichgewächse (Polygonaceae)

Habitus: Der Mond- oder Kanarenampfer ist ein verholzender Strauch von 1 bis 3 m
Höhe.
Blätter: Der immergrüne, mit seinem dichten Blattwerk für einen Ampfer riesige,
Strauch mit dickem, festem Stamm bildet fleischige, feste, mondförmige,
wechselständig angeordnete und gestielte Blätter aus. Die Blattspreite ist oft
mehr breit als lang mit den Maßen 2,5-5 x 2,5-6 cm. Das Blatt ist ganzrandig.
Blüte: Die Blütenstände sind rispig, grün bis rostigbraun. Seine Blüten zeigt er von
Dezember bis Mai.
Frucht: Die Früchte sind 5-9 mm lang. Die rötlichbraunen inneren Blütenhüllblätter
(Valven) zeigen eine kleine harte knotigartige Verdickung (Schwiele).
Vorkommen: Der Kanaren-Ampfer ist endemisch auf allen Kanarischen Inseln zu Hause. Er
bevorzugt den Sukkulentenbusch und ist so auch an Felswänden, an Steilwän-
den der Barrancos, auch bis zu einer Höhe von 700 m, anzutreffen.
Anpassungsstrategie: Als Transpiration hemmende Einrichtungen sind zu nennen, die flei-
schige, lederartige Ausbildung der Blätter, ihre glänzende mit Wachs überzogene Blattober-
fläche, die durch die Reflektion der Sonnenstrahlen zugleich die Transpiration minimiert. Die
leicht rötlichen Blattränder zeigen einen höheren Anthocyangehalt an. Anthocyan absorbiert
bestimmte Wellenlängen des Lichtes, insbesondere der UV Strahlen, und verhindert so die
Schädigung der Proteine in den Zellen und der DNA im Zellkern. Bei oxidativem Stress bin-
det Anthocyan auch freie Radikale. Als immergrüne Pflanze ist sie auch im Winter zur Photo-
synthese in der Lage.

Abb. 132: Mond-Ampfer (Rumex lunaria); weit verbreitet.

95
Mittwoch, d. 17.03.2010
Protokollant: Sabine Eickelberg

Vegetationszone: Sukkulentenbuschgebiet

Wandergebiet: Chipude – La Matanza – El Cercado - Chipude


Wegstrecke: Ca. 7 km.
Höhenmeter(m ü. NN): Von 1000 auf 600 wieder auf 1000 m.
Wetter: Sonnig.

Wegerichblättriger Natternkopf (Echium plantagineum) (Abb. 133)


Familie: Raublattgewächse (Boraginaceae)

Habitus: Der ein- oder mehrjährige in großer Anzahl, im Mittelmeergebiet von April bis
Juni, auf den Kanaren bereits im März blau bis rot blühende, krautige
Wegerichblättrige Natternkopf erreicht eine Höhe von 0,2-0,6 m.
Blätter: Stängel und Blätter sind wie der Familienname anzeigt, behaart, jedoch nicht
rau, sondern mit weichen Härchen ausgestattet. Der Sprossaufbau ist aufrecht,
meist verzweigt. Die Blätter der Grundrosette sind wegerichblättrig, 5-14 cm
lang, gestielt, schmal-eiförmig ausgebildet. Die lanzettlichen Stängelblätter
umfassen den kantigen Stängel nur halb.
Blüte: Die Blütenkrone ist weit trichterförmig, 18-30 mm lang. Die Kronblätter sind
blau, später rot. Zwei der fünf Staubblätter überragen die Kronblätter.
Frucht: Die Nüsschen sind warzig.
Vorkommen: Der Wegerichblättrige Natternkopf ist eine Pflanze des Mittelmeergebietes,
Westeuropas, der Azoren und Madeiras. Auf den Kanarischen Inseln, außer auf
den beiden östlichen, ist er die einzige mediterrane neben 23 endemisch vor-
kommenden Arten. Er ist auf sandigen Standorten, im Brach- oder Kulturland
und an Wegrändern sehr häufig anzutreffen.
Anpassungsstrategie: Die Behaarung von Stängeln und Blättern zeigt seine Anpassung an
sonnige Standorte. Sie dient als Verdunstungsschutz, indem sie millimeterbreite, windstille,
wasserreichere Zonen an der Pflanzenaußenseite schafft. Der den Stängel halbumfassende
Blattansatz erleichtert die Bewässerung der Wurzel, die lanzettliche Blattform minimiert
durch ihre Oberflächenverkleinerung die Transpiration.

Abb. 133: Wegerichblättriger Natternkopf (Echium plantagineum); bei Chipude (Foto C. Benner).

96
Echter Feigenkaktus (Opuntia ficus-indica) (Abb. 134)
Familie: Kakteen (Cactaceae)

Habitus: Der Feigenkaktus ist ein 2-5 m hoher, verzweigter und verholzender, von April
bis Juli gelb blühender, Strauch.
Glieder: Die grau-grünen, fleischig verdickten und flachen, 20-60 cm langen und 10-30
cm breiten, verkehrt eiförmigen stacheligen Stängelglieder setzen, wie auch die
gelben Blüten, jeweils an den oberen Rändern anderer Stängelglieder an.
Pfriemliche, vergängliche Blättchen sitzen neben mit Widerhaken besetzten
Borsten und weißlichen, bis 2,5 cm langen, Dornen.
Blüte: Die trichterförmigen Blüten sind 6-10 cm breit und besitzen zahlreiche Blüten-
und Staubblätter.
Frucht: Das Fruchtfleisch der mit büscheligen kleinen Stacheln bewehrten, 5-9 cm di-
cken, leuchtend gelben oder rötlichen Früchte ist als Obst essbar.
Vorkommen: Im Mittelmeergebiet und auf allen Kanarischen Inseln; vorzugsweise im
Sukkulentenbusch.
Historie: Aus Mittelamerika von den Spaniern eingeführt, wird die Opuntie als Kultur-
pflanze wegen ihrer essbaren Früchte und seit Beginn des 19. Jahrhunderts zur
Zucht der Cochenille-Schildläuse (Dactylopius coccus) genutzt. Die Schildläu-
se sind an dem weißen Belag leicht erkennbar. Aus der Schildlaus ist der Farb-
stoff Karmin extrahierbar. Zur Gewinnung des Farbstoffes werden auf Lanza-
rote einige Bestände der Opuntia noch heute genutzt. Der Farbstoff E 120 wird
in Lebensmitteln, z. B. für Campari und als Lippenstiftfarbe verwendet. Mit der
Entdeckung der Anilinfarben verlor auch dieser natürliche Farbstoff, wie auch
der der Purpurschnecken Hexaplex trunculus und Bolinus brandaris, sowie der
Flechte Roccella, seine in der Antike ehemalige große wirtschaftliche Bedeu-
tung als Luxusgut. Purpurfärbereien entstanden in Griechenland an verschiede-
nen Orten entlang der Küste, wo Purpurschnecken gesammelt werden konnten.
Anpassungsstrategie: Als sukkulente Pflanze speichert der Feigenkaktus Wasser in großen
Mengen im Spross; der Verzicht auf Ausbildung von Blättern schränkt die Transpiration ein;
nur der grüne Spross übernimmt die Photosynthesefunktion. Zur Verminderung der Wasser-
dampfabgabe ist eine dicke Cuticula ausgebildet. Die Wurzeln sind zur Aufnahme von Was-
ser um die Pflanze herum weit ausgebreitet.

Abb. 134: Echter Feigenkaktus (Opuntia ficus-indica); linkes Foto H. Heck.

97
Milchfleckdistel (Galactites tomentosa) (Abb. 135)
Familie: Korbblütler (Compositae)

Habitus: Die Milchfleckdistel ist eine ein- bis zweijährige, aufrecht wachsende, 0,1-1m
hohe, distelartige Pflanze.
Blätter: Stängel und Blattunterseite sind filzig. Die Blatteroberseite ist weiß gefleckt
(panaschiert) und geädert. Ihre unteren Blätter sind rosettig, lanzettlich oder
gesägt, die oberen fiederteilig. Ihre Ränder sind mit 1,5-6 mm langen Dornen
bewehrt.
Blüte: Die rosa-violetten, in seltenen Fällen auch weißlichen Blüten sind röhrenför-
mig, etwa 1-1,5 cm breit. Die am Rande sitzenden unfruchtbaren intensiv ge-
färbten Blüten dienen der Anlockung von Insekten. Die Hüllblätter sind drei-
eckig, etwa 1 cm lang und zeigen am oberen Ende eine grünliche Stachelspitze.
Frucht: Die sich aus dem unterständigen Fruchtknoten gebildete Nuss (Achäne) ist eine
Schließfrucht und typische Form der Compositae, sie ist 3-5 mm groß und ihr
Haarkranz etwa 9-20 mm lang.
Vorkommen: Die Milchfleckdistel ist eine Pflanze des Mittelmeergebietes. Auf den Kanari-
schen Inseln kommt sie auf den westlichen Inseln einschließlich Gran Canarias
vor. Sie bevorzugt trockene Standorte von Wegrändern, Brachland und
Ruderalflächen.
Anpassungsstrategie: Die panaschierte und behaarte Ausbildung zeigt die Anpassung der
Pflanze an sonnenreiche und warme Standorte. Durch den geringeren Chlorophyllgehalt, er-
kennbar an den weißen Flecken, wird das Sonnenlicht mit den schädlichen UV-Strahlen re-
flektiert. Der geringere Chlorophyllgehalt weist außerdem auf die hinreichende Lichteinwir-
kung für die Photosyntheseleistung der Pflanze hin. Die Behaarung von Stängel und Blatt
reduziert die Transpiration: Das Mikroklima für die Pflanze wird durch windstille Räume
optimiert. Die lanzettliche, fiederteilige Form der mit Dornen ausgestatteten Blätter reduziert
die Oberfläche und damit die Transpiration; die Dornen bieten Fraßschutz.

Abb. 135: Milchfleckdistel (Galactites tomentosa); südwestlich von Chipude; bei La Matanza.
98
Eibischblättrige Winde (Convolvulus althaeoides) (Abb. 136)
Familie: Windengewächse (Convolvulaceae)

Habitus: Wie der Name anzeigt, ist dies eine sich windende, auch niederliegende, krauti-
ge Pflanze mit bräunlichen, behaarten bis zu 1 m langen Stängeln. Im Mittel-
meergebiet blüht sie von April bis Juni. Auf den Kanaren bereits im März.
Blätter: Die gestielten Blätter sind wechselständig und etwa 2-3 cm lang. Die unteren
Blätter weisen eiförmige auch herzförmige, gelappte Formen auf, die oberen
sind dagegen, je nach Unterart, unregelmäßig leicht bis tief (subspecies
tenuissimus) gelappt.
Blüte: Die zu einer breiten Trichterblüte verwachsenen Kronblätter sind 2,5-4 cm
lang, rosa mit einem dunkleren Trichtergrund. Sie sitzen bis zu dritt an blatt-
achselständigen bis zu 6 cm langen Stielen. Die Kelchblätter sind 8-10 mm
lang.
Frucht: Die Kapsel ist behaart.
Vorkommen: Die Eibischblättrige Winde ist eine Pflanze des Mittelmeergebietes. Sie kommt
an Wegesrändern, im Brach- und Kulturland an trockenen Standorten vor. Auf
den Kanaren ist sie sehr häufig anzutreffen.
Anpassungsstrategie: Wie die Behaarung des Stängels anzeigt, akzeptiert die Pflanze sonnige
Standorte.

Abb. 136: Eibischblättrige Winde (Convolvulus althaeoides); südwestl. von Chipude; bei La Matanza.

99
Kleinfrüchtiger Affodill (Asphodelus microcarpus) (Abb. 137)
Familie: Affodillgewächse (Asphodelaceae, Liliaceae)

Habitus: Der Affodill ist eine ausdauernde 0,5-1,5 m hohe Pflanze. Ein meist unterirdi-
sches oder dicht über dem Boden liegendes Sprossachsensystem (Rhizom)
wird ausgebildet. Die Wurzeln der monokotylen (einkeimblättrigen) Pflanze
sind zu Knollen verdickt.
Blätter: Seine flachen 1-4 cm breit schwertförmigen und gekielten, aufrechten Blätter
sind in grundständiger Rosette angeordnet und erreichen eine Länge bis zu 1 m.
Blüte: Die Blüten sitzen bis zu zehnt auf, in pyramidaler Form von einem blattlosen
kräftigen Stängel abstehenden, 10-30 cm langen, unverzweigten Ästen. Die
sechs 10-16 mm langen Blütenhüllblätter sind weiß mit rosa bis rotbraunem
Mittelnerv. Das in seiner Blattachsel die Blüte tragende 10-15 m lange Trag-
blatt (Braktee) ist grünlich-weiß bis bräunlich. Blüte von März bis Mai.
Frucht: Die grauen Samen sind bis zu 8 mm lang und 4 mm breit. Die von Blütenhüll-
blättern umgebenen Kapseln sind bis zu 13 mm lang und bis 10 mm breit. Die
Pflanze ist giftig.
Vorkommen: Im Mittelmeergebiet; das Vorkommen reicht aber vom Iran bis zu den Kanari-
schen Inseln. Anzutreffen ist er insbesondere auf hohen Berghängen zwischen
Stein und Gras, auch in lichten Kiefernwäldern.
Historie: „Asphodelus ramosus wurde 1753 von Carl von Linné in „Species Plantarum“
erstbeschrieben. Der Ästige Affodill wurde bereits im achten vorchristlichen
Jahrhundert von Hesiod erwähnt. (Als Persephone geweihte Totenblume
Asphodele spielt sie eine besondere Rolle in der griechischen Mythologie. Sie
wächst im Hades und ist die Nahrung des Todes. Deshalb wurde diese Art oder
nahe verwandte Arten in der Nähe von Gräbern angepflanzt. Bei Homer wird
sie allerdings als beste Nahrung für Menschen bezeichnet).
Anpassungsstrategie: Affodillgewächse sind Kryptophyten: Bei ungünstiger Witterungslage
und nach der Blütezeit ziehen sie ihre Nährstoffe in die spindelförmigen Knollen zurück und
überstehen auf diese Weise die schwierige – weil trockene – Jahreszeit unter der Erde.

Abb. 137: Kleinfrüchtiger Affodill (Asphodelus microcarpus); südöstlich von Chipude (Foto J. Platt).

100
Stumpfblättrige Wolfsmilch (Euphorbia obtusifolia) (Abb. 138)
Familie: Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae)

Habitus: Die Stumpfblättrige Wolfsmilch ist ein angenähert kugelförmiger, buschiger,


verholzender, wenig verzweigter Strauch. Er erreicht eine Höhe von 0,3-2 m.
Seine gelblich-grünen „blühenden“ Hochblätter zeigt er von Februar bis Juli.
Blätter: Die grünen, länglichen, an den Enden stumpfen Blätter erreichen eine Länge
von 5-8 cm. Sie sitzen in schopfigen Büscheln den bräunlich-rötlichen Asten-
den auf. Während der heißen Sommermonate werden sie oft abgeworfen.
Blüte: Das Cyathium, die Scheinblüte der Wolfsmilchgewächse, zeigt noch zur Zeit
der Fruchtbildung ihre großen, von den normalen Laubblättern abweichenden,
hellen, grüngelben Hochblätter. Auf dem Grund dieser Umhüllung, des
Involucrums, stehen die weibliche und die männlichen Blüten.
Frucht: Die kahlen Samenkapseln zeigen eine helle bräunliche oder auch rötliche Fär-
bung. Die Samen sind wulstig gestielt. Der weiße Saft ist – wie bei den meisten
Wolfsmilcharten (Ausnahme: Honiggebende Wolfsmilch) – giftig.
Vorkommen: Die Stumpfblättrige Wolfsmilch kommt außer auf La Palma auf allen Kanari-
schen Inseln endemisch vor; sie wächst noch bis zu einer Höhe von 1000. In
großer Zahl das Landschaftsbild im Sukkulentenbuschgebiet der Kanaren prä-
gend, werden sie im Spanischen auch Tabaibales genannt.
Unterscheide: E. berthelotii, endemisch auf La Gomera vorkommend, mit blaugrünen Blät-
tern, verzweigtem, scheindoldenartigen Blütenstand (Unterscheidungsmerk-
mal!) und rötlichem, grauem Stamm.
Anpassungsstrategie: Die langen und schmalen Blätter, der Abwurf der Blätter während der
Hitzeperiode, die sich gegenseitig in Büscheln schützenden Blätter sowie die nur gering ver-
zweigte Strauchform zeigen die Anpassung an die besonderen ökologischen Gegebenheiten.
Obwohl keine verwandtschaftlichen Beziehungen zur Oleanderblättrigen Kleinie, einem
Korbblütler, bestehen, sind unter den gleichartigen klimatischen Bedingungen sehr ähnliche
Lebensformen entstanden.

Abb. 138: Stumpfblättrige Wolfsmilch (Euphorbia obtusifolia); Foto M. Gonka.


101
Montpellier-Zistrose (Cistus monspeliensis) (Abb. 139)
Familie: Zistrosengewächse (Cistaceae)

Habitus: Die Zistrose ist ein etwa 1 m hoher, aromatisch nach Weihrauch duftender,
drüsig-klebriger Strauch. Ihr immergrünes Erscheinungsbild ist auf das schnel-
le Nachwachsen der Blätter zurückzuführen.
Blätter: Die Oberseite der länglichen, runzeligen, 1,5-5 cm langen, gering behaarten
Blätter ist dunkelgrün, die Unterseite durch die filzige Behaarung heller. Die
Blattstellung ist gegenständig, sitzend. Die Blätter sind an ihren Rändern zur
Unterseite gebogen. Im Sommer tendiert die grüne Farbe durch die Sonnenein-
strahlung zu bräunlich.
Blüte: Die Kronblätter sind reinweiß, knitterig, in ihrer Mitte leuchten die zahlrei-
chen, gelben Staubblätter. Die Blüte ist 2-3 cm breit. Die fünf Kelchblätter mit
unterschiedlicher Größe zeigen eine rote Aderung. Der Griffel ist kurz. Nicht
nur die Stiele der Blüten verströmen den typischen macchiagleichen Duft, son-
dern auch das an den Zweigen sitzende Harz. Sie blüht von März bis Juni.
Frucht: Die Zistrose bildet eine fünffächrige Kapsel als Frucht aus.
Vorkommen: Im Mittelmeergebiet bis nach Zypern, auf den Kanarischen Inseln und Madei-
ra. Auf nicht ganz trockenen Standorten; im Übergangsbereich vom Wachol-
derareal im Thermophilen Buschwald zum Sukkulentenbusch.
Anpassungsstrategie: Die Ausbildung zu schmalen, länglichen und an den Ästen sitzenden
sowie behaarten und an den Rändern gebogenen Blättern, zeigt ihre Zugehörigkeit und An-
passung an sonnige Standorte. Die Verdunstungsrate wird reduziert durch die geringere Ober-
fläche der lanzettlichen, runzligen Blätter. Die Behaarung dient als Verdunstungsschutz, in-
dem sie windstille, wasserreichere Zonen als die in der weiteren Umgebung schafft. Die äthe-
rischen Öle dienen der Lichtbrechung und so der Minimierung der schädlichen UV-Einwir-
kung. Die Photosynthese ist, da immergrün, das ganze Jahr hindurch gewährleistet.

Abb. 139: Montpellier-Zistrose (Cistus monspeliensis); südwestl. von Chipude (Foto M. v. Marcard).

102
Süße/bittere Mandel (Prunus amygdalus dulcis/ amara) (Abb. 140)
Familie: Rosengewächse (Rosaceae)

Habitus: Die Kulturpflanze erreicht eine Höhe von 8-10 m.


Blätter: Die wechselständig angeordneten, auch in der Sommerhitze grün bleibenden
Blätter von 7-12 cm Länge, zeigen eine breit lanzettliche, gesägte Form.
Blüte: Die Blüten sind weißlich rosa, glockig geformt, im Glockengrund von dunkle-
rem Rosa und einer Breite von 3-3,5 cm. Mandelbäume blühen vor allen ande-
ren Obstarten, im Januar/Februar.
Frucht: Die grünlichen, an den Bäumen hängenden Mandeln sind 3-6 cm lang und
samtweich behaart. Der mit einer dicken, harten, beigefarbenen Schale umge-
bene nussartige Samen ist flach, an den Rändern leicht abgerundet. Der Same,
eine Steinfrucht, ist mit einer zimtfarbenen Hülle umgeben. Der Samen ist, je
nach var. amygdalus dulcis oder amara, essbar oder bitter und giftig. Bittere
Mandeln enthalten Amygdalin, ein blausäureerzeugendes Glykosid; zum Ver-
zehr sind sie daher nicht geeignet.
Vorkommen: Im Mittelmeergebiet, auf den Kanaren, in Mittel- und Vorderasien, auch im
südlichen wärmeren Mitteleuropa an geschützten Standorten. Der Mandelbaum
wird seit etwa 4000 Jahren kultiviert.
Anpassungsstrategie: Durch die länglichen, lanzettförmigen Blätter ist die Oberfläche und
somit die Verdunstungsrate reduziert. Die weißen bis rosa blühenden Blüten reflektieren die
Sonnenstrahlen. Die grünlichen Früchte sind zum Schutz vor Austrocknung samtartig behaart.
Die das Fruchtfleisch umgebende Schale ist trocken und lederartig. Die Fruchtbildung beginnt
zur Vermeidung der sommerlichen Temperaturen auf den Kanaren bereits Ende Februar.

Abb. 140: Bittere Mandel (Prunus amygdalus amara); südwestlich von Chipude (Foto M. Gonka).

103
Wilde Artischocke, Kardone, Cardy (Cynara cardunculus) (Abb. 141)
Korbblütler (Compositae)

Habitus: Die Artischocke ist eine distelartige, zweijährige, 0,2 bis zu 2 m hohe Staude.
Blätter: Der Sprossaufbau zeigt eine Grundrosette. Die bis zu 50 cm langen und 35 cm
breiten Blätter sind fiederig gespalten. An den Spitzen der an Ober- und Unter-
seite behaarten Abschnitte sitzen 15-35 mm lange, gelbliche Dornen. Zeigt die
Oberseite der Blätter ein kräftiges Grün, so ist deren Unterseite durch die Be-
haarung weißfilzig.
Blüte: Die 4,5 bis 6 cm langen und 4-5,5 cm breiten Blütenköpfe treten zu mehreren
auf. Die Röhrenblüten zeigen die Farben Lila, Blau oder Weiß. Die lanzettför-
migen, speziellen, den Korb umgebenden Hochblätter (Hüllblätter) tragen an
ihren Spitzen Dornen. Blüht von Mai bis August.
Frucht: Es werden 6-8 mm lange Schließfrüchte (Achänen), mit 2,5-4 mm langen
Haarkränzen (Pappusborsten) gebildet.
Vorkommen: Im Mittelmeergebiet und auf allen Inseln der Kanaren. Im Sukkulentenbusch
und an Wegesrändern. Essbar sind die fleischigen, gebleichten Stiele.
Historie: Die Kultivierung der Artischocke scheint im 1. Jahrhundert nach Christus zu
beginnen. Plinius gibt erste Berichte über die Artischocke. Der Pflanzenname
leitet sich vom arabischen al-haršuf ab. Sie wurde durch den neapolitanischen
Händler Filippo Strozzi Anfang des 15. Jahrhunderts aus Sizilien importiert
und war bis zur französischen Revolution dem Adel vorbehalten. Seit 1953
wird in Padua aus Kräutern und der Artischocke der Aperitif Cynar hergestellt.
Anpassungsstrategie: Die behaarten, fiederig gespaltenen Blätter zeigen ihre Anpassung an
sonnige Standorte. Die Transpiration der Pflanze wird durch die Behaarung gemindert. Das
fiederig unterteilte Blatt mit lanzettlich geformten Abschnitten reduziert insgesamt die Ober-
fläche. Die oberen, sitzend ausgebildeten, Blätter vermögen über den Stängel der Wurzel den
kondensierten Tau zuzuführen.

Abb. 141: Wilde Artischocke, Cardy (Cynara cardunculus); sw Chipude (Foto M. v. Marcard).
104
Gefundene Arten aus in zuvor betrachteten Vegetationszonen:
Greiskraut (Pericallis gomerensis) und Kanaren-Hahnenfuß (Ranunculus cortusifolius)
sind Pflanzen des Nebelwaldes mit Gagelbaum- und Erikabusch (Fayal-Brezal).
An schattigen Plätzen mit ausreichender Bodenfeuchtigkeit zeigen sie sich im März, z. B. am
Fuße von nordexponierten Felsformationen im Sukkulentenbusch.

Lackmusflechte, Orseilleflechte (Roccella tinctoria, R. fuciformis) (Abb. 142)


Familie: Flechten (Lichenes)

Habitus: Flechten sind Doppellebewesen aus einem Pilz und einem zur Photosynthese
befähigten Partner (Alge), die in Symbiose miteinander leben. Der
Flechtenkörper der Roccellen ist verästelt, flach oder stielrund, buschig, bräun-
lich und lederartig ; er wird bis 20 cm lang.
Vorkommen: Im Mittelmeergebiet, den Kanarischen Inseln, Madeira, Azoren, den Kapver-
den und der Westküste Südamerikas ist die Flechte an überhängenden Felsen
im Spritzwasserbereich der Küsten anzutreffen (bis ca. 400 m ü. NN).
Historie: Roccella tinctoria wurde bereits in der Antike als Färbemittel verwendet. Sie
sei als frisch gelöster Farbstoff schöner als der der Purpurschnecke, so berichtet
der griechische Botaniker Theophrastus, ein Schüler des Aristoteles. Er be-
schreibt erstmals in seinem Werk „Geschichte der Pflanzen“ auch die auf Küs-
tenfelsen gedeihende Rocella. Flechtenfarben ergeben besonders warme und
tiefe Farbtöne. Italien war im Mittelalter für Textilfärbungen berühmt. Die
Herstellung des Farbstoffes (Orseille) wurde denn auch durch die Florentiner
geheim gehalten. Allerdings war er nicht lichtecht und wurde seit der Mitte des
19. Jahrhunderts durch die Anilinfarben verdrängt [14].
Anpassungsstrategie: Die Flechten sind – als wechselfeuchte Organismen – in der Lage, völ-
lige Austrocknung bis zu einem Jahr zu überstehen.

Abb. 142: Färberflechte (Roccella fuciformis) an überhängenden Felsen; südwestlich von Chipude.
105
Amerikanische Agave (Agave americana) (Abb. 143)
Familie: Agavengewächse (Agavaceae)

Habitus: Die Agave ist eine bis zu 2 m hohe, sukkulente Pflanze. Sie entwickelt nach 8-
15 Lebensjahren Nachkommen (Früchte).
Blätter: Eine Grundrosette kennzeichnet den Sprossaufbau. Die blaugrünen, dicken,
sukkulenten Blätter sind 1-2 m lang und 15-25 cm breit. Ihre Spitzen sind mit
2-3 cm langen Dornen bewehrt. Die Blattränder sind dornig gezähnt.
Blüte: Bei passender Witterung entwickelt die Agave einen bis zu 8 m hoch aufragen-
den mit stängelumfassenden Hochblättern besetzten Spross. Er trägt den Blü-
tenstand mit den rechtwinklig vom Spross abstehenden rispenartigen Ästen
mit 7-9 cm langen, duftenden, grüngelblichen Blüten. Blüte: Juni bis August.
Frucht: Die Agave stirbt nach Aussaat der aus den 5 cm langen Kapseln entlassenen
Samen.
Vorkommen: Im Mittelmeergebiet und auf den Kanarischen Inseln in den trockenen Gebie-
ten des Sukkulentenbusches.
Historie: Die Agave ist keine auf den Kanarischen Inseln ursprünglich beheimatete
Pflanze. Sie wurde durch die Spanier seit dem 16. Jahrhundert aus Mexiko ein-
geführt. Sie diente den Bauern entstachelt, fein gehackt und eingeweicht als
Schweinefutter.
Anpassungsstrategie: Als sukkulente Pflanze speichert die Agave große Mengen Wasser. Zur
Verminderung der Wasserdampfabgabe ist eine dicke Cuticula vorhanden. Die wächserne,
glatte Blattoberfläche reflektiert die Sonnenstrahlen und reduziert dadurch die Transpiration.

Abb. 143: Agave (Agave americana) mit jungem Fruchtstand; bei Taguluche.

106
Protokoll vom 18.03.2010
Protokollant: Steffen Herbert

Vegetationszone: Thermophiler Trockenbusch

Wandergebiet: Las Paredes – Imada – El Azadoe – Casa Olsen


Wegstrecke: Ca. 15 km
Höhenmeter: Ca. 600 m ca. 700 m
Wetter: Sonnig.

Gefundene Arten auf dem Abstieg von Las Paredes nach Imada

Zwergginster (Chamaecytisus proliferus) (Abb. 144)


Familie: Schmetterlingsblütengewächse (Fabaceae)

Habitus: Halbstrauch, 50 bis 500 cm.


Blätter: Dunkelgrün, dreiteilig und gestielt; lineal-lanzettlich bis verkehrt-eiförmig;
spitz oder stumpf. Blättchen sind auf der Unterseite dicht silbrig behaart.
Blüte: Weiß, zuletzt gelblich, zu 3 bis 7 in den oberen Blattachseln, zweiseitig sym-
metrisch. Blüht von Januar bis Juni.
Frucht: Behaarte und leicht gebogene Hülsenfrucht, wird zwischen 3 und 7,5 cm groß,
zur Reifezeit schwärzlich.
Vorkommen: Nur auf den Kanarischen Inseln (endemisch), mit Ausnahme von Lanzarote
und Fuerteventura.
Anpassungs-Strategie: Durch die silbrige dichte Behaarung auf der Blattunterseite werden die
Transpirationsverluste verringert (Erzeugung einer windstillen Zone an der Blattaußenseite,
dadurch fällt der Konzentrationsgradient des Wasserüberganges zur Umgebungsluft).

Abb. 144: Zwergginster (Chamaecytisus proliferus); an der Fortaleza.

107
Bitumen- / Asphaltklee (Psoralea bituminosa) (Abb. 145)
Familie: Schmetterlingsblütengewächse (Fabaceae)

Habitus: Krautige Pflanze, 20 bis 100 cm


Blätter: Dreizählige Laubblätter, lang gestielt und behaart. Die einzelnen Fiedern wer-
den ein bis sechs Zentimeter lang und zwischen 0,5 und drei Zentimeter breit.
Sie sind ganzrandig, von eiförmiger bis elliptischer Form, drüsig.
Blüte: Rötlich-blau, bis zu 3,5 cm große köpfchenförmige Blüten in zehn- bis
dreißigblütigen Blütenständen. Diese blattachselständigen Köpfchen sind 10
bis 30 cm lang gestielt. An der Basis befinden sich zwei- bis dreizähnige
Hochblätter. Der Kelch wird zwischen 12 und 18 Millimeter lang und ist be-
haart. Die Krone ist blau- bis schmutzig-violett, die Fahne ist länger als Flügel
und Schiffchen; zweiseitig symmetrisch. Blüht von März bis August.
Vorkommen: Mittelmeergebiet, Kanaren. Die gesamte Pflanze riecht intensiv nach Teer (da-
her der Name). Der Geruch verstärkt sich beim Zerreiben von Blättern oder
Stängeln. Die Pflanze wird in der Region als Viehfutter (Ziegen) verwendet.
Anpassungs-Strategie: Durch die silbrige dichte Behaarung werden die Transpirationsverluste
verringert (Erzeugung einer windstillen Zone an der Blattaußenseite, dadurch fällt der Kon-
zentrationsgradient des Wasserüberganges zur Umgebungsluft). Wächst im Schatten von Fel-
sen und anderen Pflanzen.

Abb. 145: Bitumen- / Asphaltklee (Psoralea bituminosa); südöstlich von Imada, bei El Azadoe.
108
Hahnensporn (Dicheranthus plocamoides) (Abb. 146)
Familie: Nelkengewächse (Caryophyllaceae)

Habitus: Graugrünes Sträuchlein, ca. 20 cm.


Blätter: Lineale, sitzende Blätter, nadelförmig, fleischig, in älteren Pflanzenteilen ist
roter Farbstoff eingelagert (Anthocyan).
Blüte: Flach und doldenförmig, 3 Blüten auf einem Stiel, Kelchblätter gräulich rosa.
Blütezeit: April bis Oktober.
Vorkommen: Auf den Kanarischen Inseln Tenerife und La Gomera; bevorzugt an sehr tro-
ckenen Standorten.
Anpassungs-Strategie: Ausbildung von walzenförmig gerundeten Blättern mit verkleinerten
Spaltöffnungen und einer Wachsschicht (Cuticula) auf dem Blattkörper zur Verringerung der
Verdunstungsverluste. Fleischig dicke Blätter zum Einlagern von Wasser (sukkulent). Einla-
gerung von Anthocyan als Schutz vor dem starken UV-Licht der Sonne (Absorption einer
bestimmte Wellenlängen; dadurch wird eine Schädigung der Proteine in der Zelle und der
DNA in den Zellkernen verhindert).

Abb. 146: Hahnensporn (Dicheranthus plocamoides); südöstlich von Imada, bei El Azadoe.

109
Zierliches Aeonium (Hauswurz) (Aeonium decorum) (Abb. 147/148)
Familie: Dickblattgewächse (Crassulaceae)

Habitus: Strauch von ca. 50 cm Höhe. Breite: ca. 15 bis 30 cm.


Blätter: Dickfleischige, behaarte, außen bewimperte Rosettenblätter, grün und rot um-
randet (ältere Blätter oft auch gänzlich rot überlaufen).
Blüte: Radiärsymmetrisch, weiß, im Zentrum rosa. Blütezeit: April bis Juni.
Vorkommen: Im trockenen Sukkulentenbusch; oft an Felsen.
Anpassungs-Strategie: Ausbildung einer Wachsschicht (Cuticula) auf dem Blattkörper zur
Verringerung der Verdunstungsverluste. Fleischig dicke Blätter zum Einlagern von Wasser
(Blattsukkulenz). Behaarung vermindert die Transpirationsgefahr.

Abb. 147, 148: Zierliches Aeonium (Aeonium decorum); südöstlich von Imada, bei El Azadoe.

110
Lavendel (Lavandula multifida ssp. canariensis) (Abb. 149)
Familie: Lippenblütler (Labiatae)

Habitus: Ca. 20 bis 100 cm hoher Strauch.


Blätter: 1-2 fach fiederschnittig, grün und behaart, spatelförmig und ganzrandig, etwas
fleischig.
Blüte: Kelchförmige, zweiseitig symmetrische Blüte (mit zwei Lippen, blau, Blüten-
stiel lang, Blütenkrone 11-13 mm. Blütezeit: März bis Juni.
Vorkommen: Auf den Kanaren endemisch .
Anpassungs-Strategie: Leicht fleischige Blätter zum Einlagern von Wasser (sukkulent). Durch
die silbrige Behaarung werden zum einen die Transpirationsverluste verringert (Erzeugung
einer zirkulationsberuhigten Zone direkt an der Blattaußenseite, dadurch fällt der Konzentra-
tionsgradient des Wasserüberganges zur Umgebungsluft) und zum anderen erzeugt die silb-
rig- weiße Behaarung UV-Schutz (Reflektion zellschädigender Strahlung).

Abb. 149: Lavendel (Lavandula multifida ssp. canariensis); südöstlich von Imada; bei El Azadoe.

111
Strauchiger Krapp (Rubia fruticosa) (Abb. 150/151)
Familie: Rötegewächse (Rubiaceae)

Habitus: Stark verzweigter Strauch, ca. 100 bis 200 cm (je nach Umgebung), verholzt.
Blätter: Quirlständig, elliptisch, mit rückwärts gerichteten Zähnen.
Blüte: Radiärsymmetrische, grüne Blüte, kürzer als die Blätter, Fruchtknoten kugelig,
zwittrig. Blüht von Januar bis April.
Frucht: Beerenartig, durchscheinend, weißlich; im Süden auch schwarz.
Vorkommen: Auf den Kanaren endemisch.
Anpassungs-Strategie: Ausbildung einer dicken Cuticula zur Verringerung der Verdunstungs-
verluste.

Abb. 150, 151: Strauchiger Krapp (Rubia fruticosa); südöstlich von Imada; bei El Azadoe.

112
Lockerblättriges Aichryson (Haarige Hauswurz) (Aichryson laxum) (Abb. 152)
Familie: Dickblattgewächse (Crassulaceae)

Habitus: Krautige Pflanze, ca. 15 bis 30 cm hoch.


Blätter: Blätter sind locker und wechselständig angeordnet, fleischig, rhombisch. Die
ganze Pflanze ist weich, abstehend behaart, häufig rot überlaufen.
Blüte: 8 bis 12 gelbe Kronblätter. Blütezeit: April bis Juni.
Vorkommen: Auf den Kanaren endemisch.
Anpassungs-Strategie: Fleischig dicke Blätter zum Einlagern von Wasser (sukkulent). Einla-
gerung von Anthocyan als Schutz vor dem starken UV-Licht der Sonne. Absorption einer
bestimmte Wellenlängen, dadurch wird eine Schädigung der Proteine in der Zelle und der
DNA in den Zellkernen verhindert. Durch die silbrige Behaarung werden zum einen die
Transpirationsverluste verringert (Erzeugung einer zirkulationsberuhigten Zone direkt an der
Blattaußenseite, dadurch fällt der Konzentrationsgradient des Wasserüberganges zur Umge-
bungsluft). Andererseits kommt es auch zur Reflektion des zellschädigenden UV-Lichtes.

Abb. 152: Haarige Hauswurz (Aichryson laxum); südöstlich von Imada; bei El Azadoe.

113
Weitere Arten auf dem Weg, die bereits bei anderen Exkursionen eingehender betrach-
tet worden sind:

Deutscher Name Lateinischer Name


Agave Agave americana
Bittere Wolfsmilch Euphorbia obtusifolia
Bitter-Mandel Prunus amygdalus amara
Eibischblättrige Winde Convolvolus altheoides
Feige Ficus carica
Gladiole Gladiolus italicus
Kanaren-Margerite Argyranthemum frutescens
Kanaren-Wachholder Juniperus phoenica
Kleinie Kleinia nereifolia
Mond-Ampfer Rumex lunaria
Montpellier-Zistrose, Cistus monspeliensis
Opuntie (Feigenkaktus) Opuntia ficus-indica
Orange Citrus sinensis

114
Protokoll vom 15.03.2010
Protokollantin: Ingrida Plunksnyte

Vegetationszone: Küstenvegetation

Wandergebiet: Von Alojera an die Küste (Punta del Trigo) und zurück.
Anschließend Auto-Stopp kurz vor Alojeras Badestrand.
Wegstrecke: Ca. 6 km
Höhenunterschiede (m ü. NN): Von 200 auf 0 und wieder auf 200 m
Wetter: Sonnig.

Das Ökosystem der Küstenvegetation ist geprägt durch starken Windeinfluss, geringe Nieder-
schläge, salzige Luft und Salzböden. Die große Hitze und intensive Sonneneinstrahlung sor-
gen für extreme Lebensbedingungen. Für dieses aride Klima haben die Pflanzen verschiedene
Anpassungsstrategien entwickelt. Es dominieren Pflanzen, die Anpassungsstrategien wie
Sukkulenz, Blattabwurf, Violettfärbung, Verringerung der Blattoberfläche oder Haarbildung
aufweisen.

Kanarische Tamariske (Tamarix canariensis)


Familie: Tamariskengewächse (Tamaricaceae)

Habitus: Tamarisken sind gut verzweigte, häufig laubabwerfende Bäume oder Sträu-
cher. Die Wuchshöhen reichen von 2 bis 6 m Höhe. Es sind tief wurzelnde
Pflanzen. Die Zweige besitzen, so lang sie jung sind, eine glatte und je nach
Art unterschiedlich gefärbte, oft rötlich-braune bis schwärzlich-braune, Rinde.
Wenn sie altern, wird die Rinde bräunlich-purpurn und furchig-rau.
Blätter: Die ungestielten Blätter sind klein, schuppenförmig, unbehaart bis filzig be-
haart, oft grau-grün und 0,5 bis 7 mm lang. Die Blätter sind in der Lage, aus
punktförmigen Drüsen Salz auszuscheiden.
Blüte: Die Blütezeit reicht meist von April bis August. Endständig an jungen oder
älteren Zweigen sitzen einfache oder verzweigte, rispige Blütenstände. Die
weißen, rosa- bis purpurfarbenen Kronblätter sind bis 1,5 mm lang.
Vorkommen: Das Verbreitungsgebiet ist der westliche Mittelmeerraum. Die Hauptvorkom-
men liegen in Küstennähe und in den Flussläufen. Die Tamarisken sind neben
den Kanaren auch auf den Kapverden zu finden.
Anpassungsstrategie: Sie sind durch die Ausbildung punktförmiger Salz ausscheidender Drü-
sen widerstandsfähig gegenüber salzigen Böden. Sie vertragen auch alkalische Bodenverhält-
nisse. Angepasst an den trockenen Standort ist die Tamariske durch ihre tief in den Boden
reichenden Wurzeln und ihre Vorliebe, in Flussläufen zu gedeihen. Die Härchen auf den Blät-
tern bilden luftberuhigte Zonen und mindern so die Transpiration. Die geringe Größe der
schuppenförmigen, stiellosen Blätter wirkt ebenfalls transpirationshemmend.

115
Pendelstroh, Plocama; Balo (Plocama pendula) (Abb. 153)
Familie: Rötegewächse (Rubiaceae)

Habitus: Bis 4 m hoher Strauch mit überhängenden Zweigen (wie Trauerweide). Cha-
rakteristisch sind die im Wind sich ständig pendelartig bewegenden Zweige: 
Erkennungsmerkmal.
Blätter: Fadenförmig, hängend, bis 5 cm lang.
Früchte: Blüte unscheinbar (März bis Juli); Frucht weißlich (perlenartig), reif schwarz.
Vorkommen: Kanaren-Endemit. Küstenregionen.
Anpassungsstrategie: Die an Koniferennadeln erinnernden Blätter schützen vor unerwünsch-
ten Wasserverlusten.

Abb. 153: Plocama (Plocama pendula); zwischen Alojera und Punta del Trigo.

116
Strauch-Dornlattich (Launaea arborescens) (Abb. 154)
Familie: Korbblütler (Compositae)

Habitus: Ein mehrjähriger, ± kugeliger Strauch von ca. 50 cm Durchmesser; bedornt; die
Zweige zickzackförmig. Blätter normalerweise nicht vorhanden – die Photo-
synthese übernimmt der graugrüne Spross.
Blätter: Nur bei jungen Pflanzen entwickeln sich schmale Blättchen.
Blüte: Die Blütenköpfchen sind gestielt, die Zungenblüten gelb. Blüht von Januar bis
Juni.
Vorkommen: Von der Küste bis in die Stufe des Sukkulentenbusches. Häufige Art.
Anpassungsstrategie: Oberflächenverkleinerung durch Verzicht auf Blätter.

Abb. 154: Strauch-Dornlattich (Launaea arborescens); bei Alojera.

117
Blasen-Ampfer (Rumex vesicarius var. rhodophysa) (Abb. 155/156)
Familie: Knöterichgewächse (Polygonaceae)

Habitus: Krautige, einjährige Pflanze von ca. 30 cm Höhe mit auffälligem Blütenstand.
Blätter: Dreieckig, ganzrandig, ungeteilt; säuerlich schmeckend.
Blüte, Frucht: Blütenstiel nicht verdickt, Blütenstand gestreckt-rispig (entlang der Hauptachse
Seitenästchen mit endständigen Blüten). Fruchtklappen rundlich, 1-2 cm groß,
häutig, aufgeblasen, leuchtend rot.
Vorkommen: Kanarische Inseln, Westsahara.
Anpassungsstrategie: Durch die Rotfärbung vor intensiver Sonneneinstrahlung geschützt.

Abb. 155, 156: Blasen-Ampfer (Rumex vesicarius); Küste bei Alojera (unteres Foto M. Gonka).
118
Nymphendolde (Astydamia latifolia) (Abb. 157)
Familie: Doldenblütler (Umbelliferae)

Habitus: Die mehrjährige, krautige Pflanze erreicht Wuchshöhen von 0,1 bis 0,4 m.
Blätter: Die fleischigen Blätter sind kahl, am Grund verbreitert und halb stängelumfas-
send. Die Farbe ist grün, oft auch gelb-grün. Die Abschnitte der gefiederten
Blätter sind unregelmäßig eingeschnitten, gezähnt und einwärts gedreht.
Blüte: Die Blütendolden sind bis zu 15-strahlig und wachsen auf einem aufrechten,
grünen bis graugrünen Stiel. Die Dolde kann einen Durchmesser bis 15 cm er-
reichen. Sie hat zahlreiche Hüll- und Hüllchenblätter. Die Blüten sind gelb. Die
Blütezeit beginnt im Dezember und reicht bis April.
Frucht: Die hellbraunen Früchte sind seitlich verbreitert und haben jeweils 3 Rippen.
Vorkommen: Die Nymphendolde wächst häufig im Spritzwasserbereich der Felsküsten. Sie
ist heimisch auf den Kanaren und Marokko.
Anpassungsstrategie: Ihre frühe Blütezeit zeigt die Anpassung an den Standort. Die mit
Wachs überzogenen glatten und glänzenden Blätter schützen die Pflanze vor übermäßiger
Transpiration. Sie reflektieren durch ihren Glanz und die helle grünliche bis gelbliche Farbe
die Sonnenstrahlen und vermögen so die Wärmeeinwirkung etwas zu reduzieren. Die den
Stängel umfassenden Blätter sind in der Lage, morgendlichen Tau oder Spritzwasser aufzu-
fangen und der Wurzel zuzuführen. Salzsukkulenz ist möglich.

Abb. 157: Nymphendolde (Astydamia latifolia); nw Alojera; Punta del Trigo (Foto M. v. Marcard).

119
Sparriger Bocksdorn (Lycium intricatum) (Abb. 158)
Familie: Nachschattengewächse (Solanaceae)

Habitus: Der Bocksdorn ist eine typische Salzpflanze. Es ist ein sommergrüner Strauch,
der bis 2 m hoch werden kann.
Blätter: Fleischig verdickt (sukkulent); in der trockenen Jahreszeit abfallend.
Blüte: Der Blütenstand enthält eine oder mehrere fünfzählige, zwittrige Blüten, die
jeweils auf einem kurzen Stiel sitzen. Der Blütenkelch ist 4 bis 5 mm im
Durchmesser, glockenförmig und zweilappig. Die Blütenkrone ist violett und
trichterförmig, mit sich zu fünf Endzipfeln spreizenden Blütenblättern, die am
Rand fast unbehaart sind. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten (Bienen) oder
Selbstbestäubung. Die Blütezeit reicht von Januar bis Juli.
Frucht: Die leuchtend roten oder orange-gelben, länglichen bis eiförmigen, 0,4 bis 2
mm breiten und 5 bis 12 mm langen Früchte reifen von August bis Oktober
und verbreiten ihre Samen mithilfe der Tiere, von denen sie gefressen werden.
Vorkommen: Auf den Kanaren im Sukkulentenbusch, vor allem in Meeresnähe, auch im
westlichen Mittelmeergebiet, auf Sizilien und in Griechenland.
Anpassungsstrategie: Da der Bocksdorn zunächst sukkulente (Salzsukkulenz), im Sommer
aber keine Blätter hat und so seine Oberfläche klein hält, bedeutet dies eine gute Anpassungs-
strategie an die klimatischen Bedingungen eines ariden Klimas in salzhaltiger Umwelt.

Abb. 158: Bocksdorn (Lycium intricatum) mit Blüten u. Früchten; nw Alojera (Foto M. v. Marcard).

120
Meeresträubelchen (Zygophyllum fontanesii) (Abb. 159)
Familie: Jochblattgewächse (Zygophyllaceae)

Habitus: Das Meeresträubelchen hat durch die kugelförmigen Blätter das Aussehen von
Trauben.
Blätter: Die Blätter sind sukkulent und besitzen eine dicke Cutikula. Sie sind
abgerundet, eiförmig, um nicht so viel Wasser zu verlieren.
Frucht: Blütezeit Januar bis Juni (Blüten unscheinbar). Die Früchte sind rund und gelb
und haben so das Aussehen richtiger Trauben.
Vorkommen: Das Meeresträubelchen wächst in Sand- und Strandgebieten. Es kommt auch
an der afrikanischen Küste und auf den Kapverden vor.
Anpassungsstrategie: Die Pflanze hat die Fähigkeit, Wasser zu speichern, indem sie Salze
einlagert. (Wir konnten uns durch Aufbeißen eines Blattes davon überzeugen). Dadurch wird
– trotz salzhaltiger Umgebung – Wasser auf osmotischem Weg (also passiv) in die Pflanze
transportiert. Oberflächenverkleinerung durch kugelförmige Blätter vermindert die Transpira-
tion. Hellgrüne bis gelbe Blätter reflektieren die Sonnenstrahlen.

Abb. 159: Meertrauben (Zygophyllum fontanesii); nw Alojera, Punta del Trigo (Foto M. v. Marcard).

121
Knotenblütige Mittagsblume (Mesembryanthemum nodiflorum) (Abb. 160)
Familie: Eiskrautgewächse (Aizoaceae)

Habitus: Die Knotenblütige Mittagsblume ist eine einjährige sukkulente Pflanze. Sie
erreicht Wuchshöhen von 0,1 bis 0,2 m. Durch reiche Verzweigungen ist ihr
Wuchs kriechend bis aufsteigend. Die ganze Pflanze ist zur Trockenzeit oft röt-
lich überlaufen.
Blätter: Die fleischigen Blätter sind zylindrisch und mit kleinen Papillen besetzt. Die
unteren Blätter sind gegenständig, die oberen wechselständig angeordnet.
Blüte: Die Blüten erreichen einen Durchmesser bis zu 1,5 cm und haben weißliche bis
gelbliche Kronblätter, die kürzer als die Kelchblätter sind. Die Blütezeit reicht
von Januar bis Juli.
Vorkommen: Das Verbreitungsgebiet umfasst den Mittelmeerraum und Makaronesien.
Anpassungsstrategie: Ein Beispiel für eine evolutionäre Anpassung an extrem trockene, heiße
und salzhaltige Standorte stellt die Knotenblütige Mittagsblume dar: Sie hat zylindrische Blät-
ter (Verringerung der transpirierenden Oberfläche), ist sukkulent und salztolerant und produ-
ziert rote Farbstoffe, die UV-Licht absorbieren und freie Radikale binden.

Abb. 160: Knotenblütige Mittagsblume (Mesembryanth. nodiflorum); nw Alojera (Foto U. Windisch).

122
Kristall-Mittagsblume, Eiskraut (Mesembryanthemum crystallinum) (Abb. 161)
Familie: Eiskrautgewächse (Aizoaceae)

Habitus: Die Kristall-Mittagsblume ist eine ein- bis zweijährige, sukkulente Pflanze. Sie
erreicht Wuchshöhen um 0,2 m. Sie ist verzweigt und kriechend bis aufstei-
gend. Ältere Pflanzen sind oft rötlich überlaufen.
Blätter: Die fleischigen und randlich etwas gewellten Blätter sind spatelförmig und mit
kleinen Papillen besetzt. (Diese Papillen vermitteln den Eindruck von Eiskris-
tallen  Name „Eiskraut“). Die unteren Blätter sind gestielt und kreuzgegen-
ständig, die oberen ungestielt und wechselständig angeordnet.
Blüte: Die Blüten erreichen einen Durchmesser bis zu 3 cm; die Kronblätter sind
weißlich bis rosafarben und länger als die Kelchblätter. Die Blütezeit reicht
von Februar bis Juli.
Vorkommen: Das Verbreitungsgebiet umfasst den Mittelmeerraum und Makaronesien.
Anpassungsstrategie: Ein Beispiel für eine evolutionäre Anpassung an extrem trockene, heiße
und salzhaltige Standorte stellt die Kristall-Mittagsblume dar: Sie betreibt diurnalen Säure-
rhythmus (Animation06), der es ihr erlaubt, tagsüber die Spaltöffnungen geschlossen zu hal-
ten, ist sukkulent und salztolerant und produziert rote Farbstoffe, die UV-Licht absorbieren
und freie Radikale binden.

Abb. 161: Kristall-Mittagsblume (Mesembryanthemum crystallinum); nordwestlich von Alojera.

123
9. Literatur
[1] Goetz, R. (2008): La Gomera. Baden und Wandern auf der wildesten Kanaren-Insel.
pmv Peter Meyer Verlag, ISBN 978-3-89859-142-3, 18,95 Euro.
http://www.petermeyerverlag.de/la_gomera2.0.html

[2] http://www.online-reisefuehrer.com/europa/kanaren/karte.htm (aufgerufen am 27.5.2010).

[3] http://als.wikipedia.org/wiki/Datei:Mapa_territorios_Espa%C3%B1a_Canarias.svg (auf-


gerufen am 27.5.2010).

[4] Duggen, S., K.A. Hoernl, F. Hauff, A. Klügel, M. Bouabdellah, M.F. Thirlwall (2009):
Flow of Canary mantle plume material through a subcontinental lithospheric corridor beneath
Africa to the Mediterranean. Geology, 37; no. 3, 283–286.

[5] ICONA: Besucherzentrum Juego de Bolas, Agulo (Bilder abfotografiert und zu Dia-
grammen umgewandelt).

[6] Sziemer, P. (2000): Eine kurze Naturgeschichte Madeiras. Verlag Ribeiro & Filhos, Fun-
chal. ISBN 972-9177-30-9.

[7] Larcher, W. (2001): Ökophysiologie der Pflanzen. Ulmer, Stuttgart.

[8]http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1c/Mesembryanthemum_crystallinum_
1983-4.JPG (aufgerufen am 27.5.2010).

[9] Jager, E. (2007): Gomeras Pflanzenwelt. ISBN 3-00-014355-6.

[10] Schönfelder, P. und I. (1997): Die Kosmos Kanarenflora. Kosmos-Verlag, Stuttgart.

[11] Hohenester, A., W. Weiß (1993): Exkursionsflora für die Kanarischen Inseln. Ulmer,
Stuttgart.

[12] Schönfelder, I. und P. (1999): Die Kosmos Mittelmeerflora. Kosmos-Verlag, Stuttgart.

[13] Bärtels, A. (2003): Pflanzen des Mittelmeerraumes, Ulmer Naturführer, ISBN 3-8001-
3287-7.

[14] Maarsen, D. ( 2009): Färberpflanzen der Schweiz, Bachelor-Thesis, Bachelor-


Studiengang Umweltingenieurwesen, 6. Semester, Zürcher Hochschule für Ange-
wandte Wissenschaften (ZHAW) .

124

Das könnte Ihnen auch gefallen