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Lehrheft

Einführung in die
Wirtschaftswissenschaften

Betriebswirtschaftslehre

Autor: Dr. Michael Schenk


Lektor: Daniel Jurisch

Überarbeitete Ausgabe von 2022

Nur zum internen Gebrauch im Landesstudienkolleg Sachsen-Anhalt


Dr. Michael Schenk Einführung in die Wirtschaftswissenschaften 06.07.2022
Landesstudienkolleg Köthen Betriebswirtschaftslehre

Inhaltsverzeichnis:
INHALTSVERZEICHNIS: ...................................................................................................... 2
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................... 5
TABELLENVERZEICHNIS .................................................................................................... 7
FORMELVERZEICHNIS ........................................................................................................ 8
VORWORT ........................................................................................................................... 9
ERGÄNZENDE LITERATUR FÜR ALLE KAPITEL ...............................................................10
I. BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE ALS WISSENSCHAFT ...........................................11
1 GESCHICHTE DER BWL ALS WISSENSCHAFT ..................................................................12
2 GRUNDLAGEN DES WIRTSCHAFTENS..............................................................................15
2.1 Produktionsfaktoren nach Gutenberg ................................................................15
2.2 Ziele wirtschaftlichen Handelns.........................................................................16
2.3 Erfolgskennzahlen .............................................................................................16
2.4 Shareholderbasierter und stakeholderbasierter Ansatz der
Unternehmensführung .................................................................................................18
2.5 Nachhaltigkeit und Beachtung von Umweltprinzipien ........................................19
II. DIE UNTERNEHMUNG UND RECHTSFORMEN ........................................................21
1 DIE EINZELUNTERNEHMUNG .........................................................................................26
2 AUSGEWÄHLTE PERSONENGESELLSCHAFTEN .................................................................29
2.1 Die Offene Handelsgesellschaft OHG ...............................................................31
2.2 Die Kommanditgesellschaft KG .........................................................................35
3 KAPITALGESELLSCHAFTEN ............................................................................................37
3.1 Die Aktiengesellschaft AG.................................................................................38
3.2 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH ............................................43
4 GMBH & CO. KG ........................................................................................................47
5 GENOSSENSCHAFTEN ..................................................................................................49
6 UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSE ..........................................................................54
6.1. Wesen der Unternehmenszusammenschlüsse .................................................54
6.2 Formen .............................................................................................................56
7 PHASEN (GRÜNDUNG, ENTWICKLUNG, KRISE (SANIERUNG UND INSOLVENZ), LIQUIDATION) .59
III. MATERIALWIRTSCHAFT, BESCHAFFUNG UND LAGERWIRTSCHAFT ......................60
1 BEDARFSERMITTLUNG..................................................................................................62
2 PROBLEME DER LAGERHALTUNG ...................................................................................72
2.1 Wesen und Aufgaben der Lagerhaltung ............................................................73
2.2 Lageroptimierung mit Hilfe von Kennzahlen ......................................................77
IV. PERSONALWIRTSCHAFT .......................................................................................81
1 PERSONALBESCHAFFUNG .............................................................................................81

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2 PERSONALEINSATZ ......................................................................................................89
3 PERSONALFÜHRUNG ....................................................................................................90
4 PERSONALENTLOHNUNG ..............................................................................................94
4.1 Lohnformen ......................................................................................................94
4.2 Lohnberechnung (Brutto- und Nettolohn) ..........................................................99
5 PERSONALENTWICKLUNG ...........................................................................................102
6 PERSONALFREISETZUNG .............................................................................................104
7 BETEILIGUNGSFORMEN (MITBESTIMMUNG, TARIFVERTRÄGE, BETRIEBSVEREINBARUNGEN) 105
7.1 GEWINNBETEILIGUNG .............................................................................................105
7.2 KAPITALBETEILIGUNG DER ARBEITNEHMER ...............................................................106
V. PRODUKTION............................................................................................................107
1 ABLAUF DER FERTIGUNG ............................................................................................107
1.1 Fertigungsvorbereitung ...................................................................................107
1.2 Fertigungsdurchführung ..................................................................................109
1.3 Fertigungskontrolle .........................................................................................111
VI. ABSATZ UND MARKETING ..................................................................................113
1 MARKETING UND MARKTFORSCHUNG ..........................................................................113
2 WESEN DES ABSATZES ..............................................................................................118
3 ABSATZWEGE............................................................................................................121
4 ABSATZFORMEN ........................................................................................................122
5 ABSATZFÖRDERUNG ..................................................................................................123
VII. FINANZIERUNG .........................................................................................................128
1 FINANZIERUNGSARTEN ...............................................................................................128
1.1 Innenfinanzierung ............................................................................................128
1.2 Außenfinanzierung ..........................................................................................130
1.3 Finanzierungsähnliche Vorgänge .....................................................................131
2 KREDITFINANZIERUNG ................................................................................................132
3 WERTPAPIERE ...........................................................................................................135
3.1 Begriff .............................................................................................................135
3.2 Ausgewählte Formen ......................................................................................136
3.2.1 Schuldverschreibungen ...................................................................................136
3.2.2 Investmentzertifikate ......................................................................................137
3.2.3 Aktien..............................................................................................................137
3.2.4 Genussscheine ...............................................................................................137
3.2.5 Optionsscheine ...............................................................................................138
3.2.6 Sonderformen .................................................................................................138
VIII BETRIEBLICHES RECHNUNGSWESEN ................................................................139

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1 KOSTENRECHNUNG.........................................................................................................139
1 Kosten, Aufwand, Ausgaben ...............................................................................139
2 KOSTENARTEN-, KOSTENSTELLEN-, KOSTENTRÄGERRECHNUNG ...........................................142
2.4 Kostenrechnung ..............................................................................................142
3 BREAK EVEN ..................................................................................................................148
Kosten und Beschäftigung ..........................................................................................148
2.3 Gesetz der Massenproduktion ........................................................................152
4 INTERNES UND EXTERNES RECHNUNGSWESEN, INTERESSENTEN..........................................153
5 BILANZ, GEWINN- UND VERLUSTRECHNUNG, LAGEBERICHT.................................................153
6 WARENWIRTSCHAFT (FIFO, LIFO) .....................................................................................153
7 VOLL- UND TEILKOSTENRECHNUNGSSYSTEME ...................................................................153
IX RECHTLICHE GRUNDLAGEN DES WIRTSCHAFTENS ...........................................154
2 KAUFVERTRAG...........................................................................................................162
3 WICHTIGE VERTRAGSARTEN DES BGB .........................................................................176

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Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNG 1: STUDIERENDE NACH STUDIENRICHTUNG IN DEUTSCHLAND ............................................................. 11


ABBILDUNG 2: SCHEMATISCHER AUFBAU DER UNTERNEHMUNG............................................................................. 15
ABBILDUNG 3: RECHTSFORMEN NACH PRIVATRECHT ..............................................................................................22
ABBILDUNG 4: WEM GEHÖREN DIE AKTIEN IN DEUTSCHLAND? ............................................................................ 39
ABBILDUNG 5: ORGANE DER AKTIENGESELLSCHAFT............................................................................................... 40
ABBILDUNG 6: ORGANE DER GMBH....................................................................................................................... 44
ABBILDUNG 7: NETTO-BEDARFSRECHNUNG........................................................................................................... 63
ABBILDUNG 8: LIMIT-RECHNUNG .......................................................................................................................... 63
ABBILDUNG 9: GRAPHISCHE LÖSUNG ZUR OPTIMALEN BESTELLMENGE ................................................................. 64
ABBILDUNG 10: LIEFERANTEN MATRIX NACH GEWICHTETEM PUNKTEVERFAHREN ................................................ 67
ABBILDUNG 11: BEZUGS- UND VERKAUFSKALKULATION FÜR EIN BEISPIEL .............................................................. 68
ABBILDUNG 12:BERECHNUNG DES KALKULATIONSZUSCHLAGES, DER HANDELSSPANNE UND DES
KALKULATIONSFAKTORS ............................................................................................................................... 68
ABBILDUNG 13: BEISPIEL FÜR EINE ABC-ANALYSE IM EINKAUF ............................................................................... 71
ABBILDUNG 14: VERLAUF DES LAGERBESTANDES .................................................................................................... 78
ABBILDUNG 17: FREDERIK WINSLOW TAYLOR ..................................................................................................... 95
ABBILDUNG 18: ABLAUF DER FERTIGUNGSVORBEREITUNG .................................................................................... 109
ABBILDUNG 19: MÖGLICHE KONKURRENZSITUATIONEN ........................................................................................ 115
ABBILDUNG 20: INHALTE UND AUFGABEN DER MARKTFORSCHUNG ...................................................................... 116
ABBILDUNG 21: ABSATZFORMEN ........................................................................................................................... 122
ABBILDUNG 22: KOMMUNIKATIONSMODELL DER WERBUNG ................................................................................ 124
ABBILDUNG 23: AIDA-REGEL IN DER WERBUNG .................................................................................................. 124
ABBILDUNG 24: ÜBERSICHT ÜBER DIE WERBEMITTEL ........................................................................................... 125
ABBILDUNG 25: WIRKUNG DER WERBEMITTEL ..................................................................................................... 126
ABBILDUNG 26: FINANZIERUNGSARTEN ................................................................................................................ 128
ABBILDUNG 27: KOSTENARTEN ............................................................................................................................. 140
ABBILDUNG 28: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN AUSGABEN, AUFWAND UND KOSTEN ............................................. 142
ABBILDUNG 29: EINNAHMEN, ERTRAG UND LEISTUNGEN ..................................................................................... 142
ABBILDUNG 30: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN KOSTENARTEN, KOSTENSTELLEN UND KOSTENTRÄGER ................. 145
ABBILDUNG 31: KALKULATIONSSCHEMA IN DER ZUSCHLAGSKALKULATION........................................................... 146
ABBILDUNG 32: ABSOLUTE UND RELATIVE FIXKOSTEN ......................................................................................... 149
ABBILDUNG 33: PROPORTIONALE, PROGRESSIVE UND DEGRESSIVE VARIABLE KOSTEN......................................... 150
ABBILDUNG 34: VERHALTEN DER KOSTEN BEI ÄNDERUNG DER BESCHÄFTIGUNG .................................................. 151
ABBILDUNG 35: VERHALTEN DER STÜCKKOSTEN BEI ÄNDERUNG DER BESCHÄFTIGUNG........................................ 152
ABBILDUNG 36: KOSTEN, UMSATZERLÖSE UND GEWINN BEI STEIGENDER BESCHÄFTIGUNG ................................. 153
ABBILDUNG 37: RECHTSSUBJEKTE ......................................................................................................................... 155
ABBILDUNG 38: ÜBERSICHT ÜBER JURISTISCHE PERSONEN .................................................................................... 157

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ABBILDUNG 39: INCOTERMS (AUSWAHL) ......................................................................................................... 170

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Tabellenverzeichnis
TABELLE 1: VOR- UND NACHTEILE DER EINZELUNTERNEHMUNG ............................................................................27
TABELLE 2: MERKMALE VON PERSONEN- UND KAPITALGESELLSCHAFTEN ............................................................. 30
TABELLE 3: VORTEILE UND PROBLEME AUS DEM ZUSAMMENSCHLUSS VON UNTERNEHMEN................................... 55
TABELLE 4: WIRKUNG DER OPTIMIERUNG DES EINKAUFS AUF DEN GESCHÄFTSERFOLG ........................................ 60
TABELLE 5: AUSGANGSDATEN FÜR DIE ERMITTLUNG DER OPTIMALEN LOSGRÖßE.................................................. 64
TABELLE 6: BEISPIEL: ANGEBOTE FÜR DEN BEZUG EINER WARE ............................................................................. 66
TABELLE 7: BEZUGSKALKULATION FÜR DREI ANGEBOTE ........................................................................................ 66
TABELLE 8: ANTEIL DER VORRÄTE IM LAGER AM UMSATZ (LAGERANTEIL) NACH BRANCHEN................................ 76
TABELLE 11: VERGLEICH DER KREDITRATEN FÜR EIN DARLEHEN ÜBER 50.000 € MIT EINEM ZINSSATZ VON 6% UND
SEINER LAUFZEIT VON 10 JAHREN ..................................................................................................................133

TABELLE 10: ÄQUIVALENZKALKULATION BEIM WEIZENANBAU (BEISPIEL) ............................................................ 147


TABELLE 9: KOSTEN UND STÜCKKOSTEN BEI EINER BESCHÄFTIGUNG VON 20 BIS 100 ........................................... 150

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Formelverzeichnis

FORMEL 1: WIRTSCHAFTLICHKEIT IN DER FINANZBUCHHALTUNG ........................................................................... 17


FORMEL 2: WIRTSCHAFTLICHKEIT IN DER KOSTENRECHNUNG ............................................................................... 17
FORMEL 3: RENTABILITÄT ....................................................................................................................................... 17
FORMEL 4: PRODUKTIVITÄT.................................................................................................................................... 17
FORMEL 5: DURCHSCHNITTLICHER LAGERBESTAND ................................................................................................77
FORMEL 6: MELDEBESTAND ....................................................................................................................................77
FORMEL 7: MENGENMÄßIGE UMSCHLAGHÄUFIGKEIT ............................................................................................. 78
FORMEL 8: WERTMÄßIGE UMSCHLAGHÄUFIGKEIT ................................................................................................. 78
FORMEL 9: MITTLERE LAGERDAUER ....................................................................................................................... 79
FORMEL 10: LAGERZINSSATZ .................................................................................................................................. 80
FORMEL 11: BESCHÄFTIGUNGSGRAD ...................................................................................................................... 148

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Vorwort

Mit dem vorliegenden Lernmaterial sollen die bisher verwendeten verschiedenen Lehrbü-
cher der Betriebswirtschaftslehre abgelöst werden.

Es orientiert sich im Aufbau an der Gliederung des Stoffes, wie er im Unterricht am Landes-
studienkolleg Köthen behandelt wird.

Das Lernmaterial ist als Ergänzung und Nachschlagewerk gedacht, keinesfalls kann es den
Besuch der Lehrveranstaltungen ersetzen.

Das Lernmaterial ist nur zum internen Gebrauch im Landesstudienkolleg vorgesehen. Die
verwendeten Quellen sind in den Fußnoten gekennzeichnet.

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Ergänzende Literatur für alle Kapitel

1. BGB – „Bürgerliches Gesetzbuch; Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Be-


kanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch
Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Mai 2012 (BGBl. I S. 1084) geändert worden ist"
2. HGB – Handelsgesetzbuch; „Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III,
Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Ar-
tikel 2 Absatz 39 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert wor-
den ist“
3. HUGENBERG, H., WULF, T.: Grundlagen der Unternehmensführung; Springer-Verlag
Berlin Heidelberg, 2007
4. WÖHE, G; DÖRING, U.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre; Verlag
Franz Vahlen München 2010
5. ZIMMERMANN, H., HENKE, K.-D.: Einführung in die Finanzwissenschaft; Verlag Franz
Vahlen München, 1987

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I. Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft


Die Betriebswirtschaftslehre ist eine Einzelwirtschaftslehre. Sie beschäftigt sich mit der Un-
ternehmung als Subjekt in der Volkswirtschaft.
Das Studium der Betriebswirtschaftslehre ist das beliebteste Studium in Deutschland, über
175-Tausend Studenten sind in BWL-Studienrichtungen an Universitäten, Hochschulen und
Fachhochschulen in Deutschland eingeschrieben.

Abbildung 1: Studierende nach Studienrichtung in Deutschland 1


Das Erkenntnisobjekt der BWL ist die Unternehmung. Der Begriff Unternehmung ist ein
Oberbegriff. Er umfasst alle Subjekte, die in einer Volkswirtschaft wirtschaftlichen Aktivitä-
ten zur Herstellung von Gütern zur Befriedigung kollektiver oder individueller Bedürfnisse
nachgehen. Die wichtigste Form der Unternehmung ist das Unternehmen. Daneben kann
auch eine öffentliche Einrichtung als Unternehmung gelten, wenn diese Wirtschaftsleistun-
gen erbringt, wie zum Beispiel die öffentliche Müllabfuhr oder die Wasserversorgung.

1
Quelle: Wirtschaftswoche 2011

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Unternehmen
Konstitutive Merkmale des Unternehmens sind nach GUTENBERG2
- das erwerbswirtschaftliche Prinzip, d.h. das Streben nach Gewinnmaximierung,
- das Prinzip des Privateigentums und
- das Autonomieprinzip, d.h. die Selbstbestimmung des Wirtschaftsplans.
Neben diesen klassischen Unternehmen gibt es heute vermehrt sogenannte Non-Profit-Un-
ternehmen. Bei diesen gilt nicht das erwerbswirtschaftliche Prinzip, sie streben nicht nach
einem maximalen Gewinn. Das können soziale Unternehmen sein, wie Unternehmen zur
Beschäftigung behinderter Menschen, oder Kulturunternehmen wie freie Theatergruppen.
In der Umgangssprache werden die Begriffe Unternehmen, Unternehmung, Betrieb und
andere wie
- Fabrik, Werk (richtig: räumlich-technische Einheit, Produktionsstätte)
- Firma (richtig: juristischer Begriff, Name, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte
betreibt)
- Konzern (richtig: Zusammenschluss rechtlich selbständiger Unternehmen unter einer
einheitlichen wirtschaftlichen Leitung)
häufig nicht unterschieden und synonym gebraucht.

1 Geschichte der BWL als Wissenschaft


Die BWL ist eine junge Wissenschaft. Sie wurde als eigenständige wissenschaftliche Diszip-
lin erst vor ca. 100 Jahren entwickelt. Vorher wurden betriebswirtschaftliche Fragestellun-
gen entweder in der VWL (Nationalökonomie) am Rande mit behandelt oder als in kaufmän-
nischen Berufen wichtige Ansammlung von Grundsätzen und Regeln gesehen.
Die mittelalterlichen Anfänge der BWL in Europa gehen von Kaufleuten in den italienischen
Städten aus. Diese Städte am Mittelmeer wie Genua, Venedig, Padua und andere waren
wichtige Handelszentren. Hier kreuzten sich die Handelswege aus dem Süden (Arabien, Afri-
ka), aus dem Osten (China, Indien) mit denen aus dem Norden und Westen. Weiterhin wa-
ren im Hinterland der Städte wichtige handwerkliche Zentren entstanden, deren Waren von
den Kaufleuten vertrieben wurden. Erste schriftliche Aufzeichnungen über kaufmännische
Betriebsführung sind von PEGOLOTTI3 überliefert. Die Doppelte Buchführung (DOPPIK) als
Grundlage der wirtschaftlichen Buchhaltung und Kostenrechnung wurde ebenfalls in Italien
entwickelt. PACIOLI4 fertigte 1494 die erste vollständige Darstellung der doppelten Buchfüh-
rung an. Viele Begriffe in der Buchführung wie Bilanz, Bankrott und Saldo stammen aus der
italienischen Sprache. In Deutschland wurden die kaufmännischen Kenntnisse von Handels-
häusern übernommen, die geschäftliche Kontakte mit den italienischen Händlern hatten. So
verwendeten die FUGGER5 ab 1511 die Doppelte Buchführung und Bilanzen als kaufmänni-

2 Erich Gutenberg (13.12.1897 Herford bis 22.05.1984 Köln) war ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Er gilt
als Begründer der modernen deutschen Betriebswirtschaftslehre.
3 Francesco Balducci Pegolotti (1335 - 1355), Kaufmann aus Venedig
4 Luca Pacioli (um 1445 - 1515 oder 1517)
5 die FUGGER sind ein schwäbisches Kaufmannsgeschlecht, das seit 1367 in der Freien Reichsstadt Augsburg
ansässig war. Später stiegen sie als Reichsgrafen in den Hochadel auf. Nachdem sie zunächst als Weber arbeite-
ten, stiegen sie später in den Handel mit Stoffen ein und wurden sehr reich. Sie gründeten eine Bank, die es
heute noch als Privatbank gibt. Eine der größten und berühmtesten Investitionen Jakob Fuggers war 1519 die
Finanzierung der Königswahl Karls V. (vorher Karl I. von Spanien). Die Fugger brachten zur Bestechung der Kur-
fürsten des Reiches, die den Kaiser wählten, insgesamt 852.000 Gulden Kredit zusammen; zur Tilgung dieser
Schulden wurde 1521 beim Wormser Reichstag ein Vertrag abgeschlossen.

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sche Grundlage ihrer europaweiten Geschäfte. Von MEDER6 stammt aus dem Jahre 1558
das „Handels-Buch“ als handelstechnische Anleitung für Kaufleute. Diese Bücher waren
jedoch nicht für die Allgemeinheit bestimmt, sondern wurden als „Geheim-Bücher“ in den
Unternehmen zur Ausbildung und als Nachschlagewerk verwendet.
Die Entwicklung der BWL als eigenständige Wissenschaft setzte mit der Industrialisierung in
Deutschland ein. Eine wichtige Etappe war die Gründung von Handelshochschulen ab 1898.
Da die etablierten Universitäten die BWL als eigenständige Wissenschaft nicht anerkannten,
wurde von Kaufleuten und Unternehmern Handelshochschulen gegründet. Eine der ersten
Handelshochschulen wurde 1898 von der Leipziger Handelskammer gegründet. Die Han-
delshochschule Leipzig (HHL) ist heute eine der wichtigsten wirtschaftswissenschaftlichen
Hochschulen in Deutschland mit Promotions- und Habilitationsrecht.
Heute ist das Studium der BWL beliebter als das der VWL und wird auch an vielen Universi-
täten angeboten. So studierten im Wintersemester 2007/08 in Deutschland ca. 31.000 Stu-
dierende BWL gegenüber ca. 3.800, die sich für VWL entschieden haben.
Wichtige Vertreter der deutschen Betriebswirtschaftslehre waren
- Heinrich NICKLISCH (1876-1946), der 1912 das Buch „Allgemeine kaufmännische
Betriebslehre“ als erstes Grundlagenbuch der BWL veröffentlichte,
- Eugen SCHMALENBACH (1873-1955), der die Betriebswirtschaftlehre als auf die
kaufmännische Praxis ausgerichtete Kunstlehre definierte und vor allem die Kosten-
rechnung entscheidend weiterentwickelte,
- Wilhelm RIEGER (1871-1971), der 1928 das Standardwerk „Einführung in die Privat-
wirtschaftslehre“ veröffentlichte, welches heute noch verwendet wird, und
- Erich GUTENBERG (1894-1984), der 1951 in seinem dreibändigen Werk „Grundlagen
der BWL“ das Unternehmen in seiner Gesamtheit betrachtete und vor allem den er-
werbswirtschaftlichen Charakter des Betriebes in den Mittelpunkt stellte
- Günter WÖHE (1924-2007) veröffentlichte 1960 zum ersten Mal das – inzwischen als
Standardwerk anerkannte – Kompendium „Einführung in die Allgemeine Betriebs-
wirtschaftslehre“ (seit 2008 von Ulrich DÖRING weitergeführt).
In der BWL werden verschiedene Richtungen unterschieden, wie
- die empirisch-realistische Richtung, die die Ableitung allgemeingültiger, wertfreier
Theorien zur Nutzung in der betrieblichen Praxis fordert (SCHMALENBACH),
- die normativ-wertende Richtung, die das Setzen von Normen für das betriebliche
Handeln in den Mittelpunkt stellt (NICKLISCH) und
- die theoretische Richtung, die die systematische Erforschung der empirischen be-
trieblichen Prozesse ohne Handlungsanleitung, also die „Reine Theorie“ vertritt
(RIEGER).
Heute wird die BWL durch Einbeziehung von anderen Wissenschaften weiterentwickelt. So
gibt es unter anderen:
- den entscheidungsorientierten Ansatz, der das Treffen von (richtigen) Entscheidun-
gen in den Mittelpunkt stellt und hierzu die formale Entscheidungstheorie sowie die
Methoden des Operations Research entwickelt hat,
- den systemtheoretischen Ansatz, der den Betrieb als System, d.h. als geordnete
Gesamtheit von Elementen, zwischen denen Beziehungen bestehen und die Subsys-
teme sein können, sieht, und

6
Lorenz Meder, weitere Daten unbekannt, wahrscheinlich aus Nürnberg

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- den verhaltensorientierten Ansatz, der unter Einbeziehung verhaltenswissenschaft-


licher Aspekte aus der Soziologie und Psychologie die BWL entwickelt und die Be-
griffe „soft skills“ oder „emotionale Intelligenz“ geprägt hat.
Gegenstand der BWL ist die Unternehmung. Ein Unternehmen besteht aus verschiedenen
Funktionsbereichen (Abbildung 2). Dementsprechend lassen sich auch die Teilgebiete der
BWL ableiten.
- Die Lagerhaltung und Logistik beschäftigt sich mit den Prozessen der Bereit-
stellung von Material, Energie, Fertigteilen, Handelswaren und anderen Aus-
gangsprodukten für die Fertigung und den anderen Bereiches des Unterneh-
mens.
- In der Produktionswirtschaft wird über die rationelle und wirtschaftliche Durch-
führung der Produktionsprozesse geforscht.
- Die Rechtsabteilung bzw. der Justitiar eines Unternehmens ist für die rechtli-
chen Aspekte des Unternehmens zuständig. Dazu gehören die Prüfung sämtli-
cher Verträge, die vom Unternehmen abgeschlossen werden, die regelmäßige
Überprüfung und Anpassung der Rechtsform des Unternehmens sowie die Si-
cherung der Rechtsmäßigkeit aller betrieblichen Handlungen.
- In der Personalabteilung wird die Sicherstellung des Produktionsfaktors Arbeit
nach Quantität und Qualität für das Unternehmen gewährleistet. Dazu gehört in
Zusammenarbeit mit der Buchhaltung die Berechnung der Löhne und Gehälter.
- Im Absatz und Marketing wird der Absatz der Produkte des Unternehmens or-
ganisiert. Dazu gehören aber auch Aufgaben im Vorfeld der Produktion wie die
Marktforschung als auch die Einflussnahme auf sämtliche Prozesse im Unterneh-
men im Sinne der Markt- und Kundenorientierung.
- In der Buchhaltung erfolgt die Erfassung und Buchung sämtlicher Geschäftsfälle
im Unternehmen in der Finanzbuchhaltung. Aus dieser wird die Kostenrechnung
abgeleitet. Verknüpft man Buchhaltung und Kostenrechnung mit der laufenden
Planung und Überwachung des Unternehmens, spricht man vom Controlling.
- Die Leitung des Unternehmens (Vorstand oder Geschäftsführer) trägt die wirt-
schaftliche und rechtliche Gesamtverantwortung für das Unternehmen. Sie arbei-
tet an strategischen Aufgaben, d.h. an der mittel- bis langfristigen Entwicklung
des Unternehmens, und an der operativen Leitung und Verwaltung des Unter-
nehmens. Dazu gehören auch Fragen der Unternehmensorganisation.

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Abbildung 2: schematischer Aufbau der Unternehmung

2 Grundlagen des Wirtschaftens


2.1 Produktionsfaktoren nach Gutenberg
Produktionsfaktoren sind die Mittel und Kräfte, mit denen in der Produktion die Sachgüter
und Dienstleistungen erstellt werden. Im Gegensatz zu den volkswirtschaftlichen Produkti-
onsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital werden in der Betriebswirtschaftslehre die Produkti-
onsfaktoren anders strukturiert. In der BWL bezieht man die Produktionsfaktoren auf die Un-
ternehmung. Daraus werden verschiedene Ansätze der Unternehmensführung abgeleitet.
Weiterhin spiegelt sich die Einteilung im Rechnungswesen wieder, in dem jedem Produk-
tionsfaktor Ausgaben, Aufwand und Kosten zugeordnet werden. Nach Erich GUTENBERG
werden die Produktionsfaktoren in die Elementarfaktoren und die dispositiven Faktoren
strukturiert. Die Elementarfaktoren sind
 die Betriebsmittel, d.h. die Grundstücke, Gebäude und Maschinen,
 die Werkstoffe, das sind die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, und
 die ausführende Arbeit.
Die dispositiven Faktoren werden durch die Leitung und Verwaltung des Unternehmens be-
reitgestellt. Das sind:
 die Leitung,
 die Planung,
 die Organisation, und
 die Überwachung.
Der dispositive Faktor wird in der angloamerikanischen Literatur als Management zusam-
mengefasst.

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2.2 Ziele wirtschaftlichen Handelns


Das oberste Ziel des wirtschaftlichen Handelns ist immer der Gewinn. Nur bei Erwirtschaf-
tung eines Gewinnes können andere Ziele verfolgt werden. Sogenannte „Non-Profit-
Unternehmen“ wie gemeinnützige Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäf-
tigen, stellen zwar die Gewinnerwirtschaftung nicht in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit, aber
auch diese müssen wirtschaftlich arbeiten, um ihre primären Ziele (Gemeinnützigkeit) ver-
folgen zu können.
Neben der Gewinnerwirtschaftung als Hauptziel können Nebenziele verfolgt werden, die
entweder indirekt dem Erreichen des Hauptzieles dienen, wie Aufbau eines positiven
Images oder Streuung des Risikos, oder die als Hauptziel deklariert werden, wie Gemeinnüt-
zigkeit oder besonders ökologische Produktion. In Familienbetrieben kommt häufig noch die
langfristige Erhaltung und Entwicklung des Betriebes für die Familie hinzu, im Gegensatz zu
managementgeführten Unternehmen, die mehr oder weniger anonymen und wechselnden
Eigentümern gehören.
Als Unterziele und damit Mittel und Zweck zur Erreichung des Hauptzieles gehören solche
Ziele wie der möglichst wirtschaftliche (gewinnbringende) Einsatz der Produktionsfaktoren,
eine hohe Produktivität oder eine hohe Verzinsung des eingesetzten Kapitals.

2.3 Erfolgskennzahlen
Um den Erfolg des wirtschaftlichen Handelns im Unternehmen bestimmen zu können, wer-
den alle Aktivitäten und Zustände in Geld umgerechnet. Das erfolgt im betrieblichen Rech-
nungswesen als externes und internes Rechnungswesen. Hier werden im Ergebnis die Er-
folgskennzahlen für Wirtschaftsperioden (Wirtschaftsjahr, Quartal, Monat) berechnet.
Erfolgskennzahlen können als absolute und als relative Kennzahlen Auskunft geben über die
wirtschaftliche Situation des Unternehmens.
Absolute Erfolgskennzahlen sind der Gewinn und der Cash-Flow. Die Einheit ist immer die
Währung des Unternehmens, also in Deutschland €.
Der Gewinn ist die Differenz zwischen den Erlösen (Leistungen, Umsatz) und den Aufwen-
dungen (Kosten) in der Abrechnungsperiode. Dabei kann der Gewinn in der Finanzbuchhal-
tung des Unternehmens als Erlöse minus Aufwendungen bestimmt werden. Erlöse entste-
hen als
 Umsatzerlöse aus dem Verkauf von Produkten des Unternehmens,
 sonstige Erlöse wie zum Beispiel aus Zinsen, Subventionen oder aus anderen Quel-
len, und
 neutrale Erlöse aus außerordentlichen oder zeitraumfremden Gründen, wie Versiche-
rungsprämien oder Kursgewinnen von Wertpapieren.
Aufwendungen sind zum Beispiel Materialaufwand, Personalaufwand, Anlagenaufwand,
Finanzierungsaufwand oder Aufwendungen für Steuern, Versicherungen und Gebühren.
Wichtig ist die korrekte Ermittlung von Erlösen und Aufwendungen in der Finanz- und Be-
triebsbuchhaltung des Unternehmens. Die Zusammenstellung erfolgt als Gewinn- und Ver-
lustrechnung (GuV) im Rahmen des Jahresabschlusses. Der Jahresabschluss wird dann ex-
ternen Einrichtungen wie dem Finanzamt, den Gesellschaftern, der Bank oder dem Register
bereitgestellt.
Daneben wird der Gewinn in der Kosten- und Leistungsrechnung als Differenz zwischen den
Leistungen und den Kosten des Unternehmens ermittelt. Diese Ermittlung erfolgt intern für
die Unternehmensführung ist oft Firmengeheimnis. Damit trifft das Management wirtschaft-

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liche Entscheidungen wie die Gestaltung des Produktionsprogrammes, Investitionen oder


die Einstellung bzw. Entlassung von Personal.
Der Cash-Flow ist eine Liquiditätskennziffer und gibt die Differenz zwischen den Einzahlun-
gen (Geldzufluss) und den Auszahlungen (Geldabfluss) im Unternehmen an. Die Sicherung
der ständigen Zahlungsfähigkeit (Liquidität) ist die kurzfristig wichtigste Aufgabe des Mana-
gements. Wenn die Zahlungsfähigkeit gefährdet oder nicht mehr gegeben ist, muss das
Management Insolvenz anmelden, um eine Schädigung von Gläubigern wie Angestellten,
Lieferanten oder Sozialversicherungen zu verhindern.
Relative Kennziffern beschreiben die wirtschaftliche Situation des Unternehmens als Ver-
hältnis zwischen zwei Kennziffern. Deshalb ist die Einheit oft Prozent oder € pro Einheit.
Die Wirtschaftlichkeit ist das Verhältnis zwischen den Erlösen und dem Aufwand in der
Finanzbuchhaltung bzw. zwischen den Leistungen und den Kosten. Die Formeln sind:
𝐸𝑟𝑙ö𝑠𝑒
𝑊𝑖𝑟𝑡𝑠𝑐ℎ𝑎𝑓𝑙𝑖𝑐ℎ𝑘𝑒𝑖𝑡 =
𝐴𝑢𝑓𝑤𝑎𝑛𝑑
Formel 1: Wirtschaftlichkeit in der Finanzbuchhaltung
𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛
𝑊𝑖𝑟𝑡𝑠𝑐ℎ𝑎𝑓𝑡𝑙𝑖𝑐ℎ𝑘𝑒𝑖𝑡 =
𝐾𝑜𝑠𝑡𝑒𝑛
Formel 2: Wirtschaftlichkeit in der Kostenrechnung
Das Ergebnis ist eine dimensionslose Zahl größer als Null. Ist die Wirtschaftlichkeit kleiner
als 1, dann ist der Aufwand höher als die Erlöse und es wird ein Verlust erzielt. Ist die Wirt-
schaftlichkeit genau 1 sind Aufwand und Erlöse gleich hoch. Ist die Wirtschaftlichkeit größer
als 1 sind die Erlöse größer als der Aufwand, es wird ein Gewinn erwirtschaftet. Je höher
die Wirtschaftlichkeit ist, umso besser wirtschaftet das Unternehmen. Allerdings sagt die
Wirtschaftlichkeit nichts über die Größe des Unternehmens, die Höhe des Gewinnes und
die Rendite des eigesetzten Kapitals aus.
Das erfolgt mit der Rentabilität. Sie ist das Verhältnis zwischen dem Gewinn und dem ein-
gesetzten Kapital.
𝐺𝑒𝑤𝑖𝑛𝑛
𝑅𝑒𝑛𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡ä𝑡 = 𝑥 100%
𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙
Formel 3: Rentabilität
Ist die Rentabilität positiv wird Gewinn erwirtschaftet. Je größer die Rentabilität ist, desto
besser wird das Kapital eingesetzt. Bei einer negativen Rentabilität wird Verlust erwirtschaf-
tet.
Die Bezugsbasis Kapital kann das Gesamtkapital des Unternehmens sein, dann wird die Un-
ternehmens-Rentabilität oder Gesamtkapitalrentabilität bestimmt. Da im Gesamtkapital auch
das Fremdkapital enthalten ist (Kredite) und dieses bereits über Zinsen entlohnt wurde,
muss in diesem Fall der Zinsaufwand zum Gewinn wieder hinzugerechnet werden.
Bezieht sich das Kapital nur auf das Eigenkapital des Unternehmens, entsteht die Unter-
nehmer-Rentabilität oder Eigenkapitalrentabilität.
Bei anderen Bezugsbasen entstehen weitere Rentabilitätskennziffern, wie zum Beispiel die
Umsatzrentabilität.
Das Verhältnis zwischen der Menge an hergestellten Gütern und der eingesetzten Produkti-
onsfaktoren wird als Produktivität bezeichnet.
𝑃𝑟𝑜𝑑𝑢𝑘𝑡𝑖𝑜𝑛𝑠𝑚𝑒𝑛𝑔𝑒 (𝑂𝑢𝑡𝑝𝑢𝑡)
𝑃𝑟𝑜𝑑𝑢𝑘𝑡𝑖𝑣𝑖𝑡ä𝑡 =
𝑀𝑒𝑛𝑔𝑒 𝑎𝑛 𝑃𝑟𝑜𝑑𝑢𝑘𝑡𝑖𝑜𝑛𝑠𝑓𝑎𝑘𝑡𝑜𝑟𝑒𝑛 (𝐼𝑛𝑝𝑢𝑡)
Formel 4: Produktivität

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Die Einheit ergibt sich aus den Output und Inputkennzíffern. Werden zum Beispiel mehrere
Geschäfte eines Handelsunternehmens verglichen, kann man den Umsatz (verkaufte Pro-
dukte in €) durch die Geschäfte (€ pro Geschäft) oder die Verkaufsfläche (€ pro m²) oder die
Anzahl Verkäufer (€ pro Verkäufer) berechnen.
Der Output und der Input können grundsätzlich materiell und finanziell dargestellt werden.
Die Bezugsbasis ist immer die Menge an Produktionsfaktoren. Wird die Summe aller Pro-
duktionsfaktoren herangezogen entsteht eine Gesamtproduktivität. Bezieht sich die Produk-
tivität auf einen einzelnen Produktionsfaktor entstehen Teilproduktivitäten, die:
 Produktivität des Bodens, wie der Ertrag in der Landwirtschaft in t/ha oder der Um-
satz je m² im Handel.
 Arbeitsproduktivität, zum Beispiel in Stück pro Stunde oder in € Umsatz pro Arbeits-
kraft. Dabei ist die Arbeitsproduktivität die wichtigste Produktivitätskennziffer.
 Kapitalproduktivität, die materiell dargestellt werden kann, zum Beispiel als Teile pro
Maschinenstunde, oder finanziell (€ Umsatz je Geschäft).

2.4 Shareholderbasierter und stakeholderbasierter Ansatz der Unterneh-


mensführung
In der modernen Betriebswirtschaftslehre wird die Unternehmensführung unter dem Ge-
sichtspunkt der Interessen bestimmter Gruppen untersucht.
Dabei spielen zunächst die Anteileigner (englisch: Shareholder), also die Aktionäre, Gesell-
schafter, Investoren oder sonstigen Eigentümer des Unternehmens, eine wichtige Rolle. Die
Shareholder investieren ihr Kapital in Erwartung eines zukünftigen Gewinnes in Form von
Gewinnanteilen (Dividenden) oder steigenden Werten des Anteils (zum Beispiel Börsenkur-
se von Aktien) in das Unternehmen. Diese Aufgaben müssen durch das angestellte Ma-
nagement erfüllt werden, d.h. die Entscheidungen des Managements müssen immer be-
rücksichtigen, dass diese Erwartungen erfüllt werden. Und da Kapital sehr flüchtig ist, kön-
nen Investoren ihre Anteile am Unternehmen bei Nichterfüllung der Erwartungen auch
schnell wieder verkaufen. Der Shareholder Value (deutsch Aktionärswert) ist der Maßstab.
Er misst den Marktwert des Eigenkapitals eines Unternehmens zum Beispiel als Börsenwert
aus dem notierten Kurswert der Aktien des Unternehmens. Das Unternehmensgeschehen
wird als Reihe von Zahlungen (Cashflows) dargestellt und die Bewertung des Unternehmens
erfolgt aus den freien Cashflows. Der Shareholder Value ist der am Bewertungszeitpunkt
diskontierter freier Cashflow abzüglich des Marktwertes des Fremdkapitals. Der Vermö-
genswert des Anteilseigners (Aktionär, englisch shareholder) ist der Kurswert der entspre-
chenden Aktie multipliziert mit der Anzahl der gehaltenen Anteile. Dieses Konzept wurde
von Alfred RAPPAPORT7 entwickelt. Ziel der shareholderbasierten Unternehmenspolitik
sind kurzfristig die Steigerung des Aktienkurses und strategisch die langfristige Optimierung
der Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität des Unternehmens. Dabei preisen die am Kapi-
talmarkt gebildete Aktienkurse die Zukunftserwartungen der Marktteilnehmer ein.
Alle unternehmerischen Aktivitäten werden auf ihre Auswirkungen auf den freien Cashflow
zurückführt und über die Diskontierung des freien Cashflows den Zahlungszeitpunkt mitbe-
rücksichtigt. Damit erfolgt eine Verbindung der langfristigen Finanzplanung mit der operati-
ven Unternehmenssteuerung.

7
Alfred Rappaport (* 1932) ist ein US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler. Er lehrte 28 Jahre
an der J.L. Kellogg School of Management in Evanston, Illinois, Teil der Chicagoer Northwestern Uni-
versity und stand der Alcar Group Inc. vor. Er hat gemeinsam mit Joel Stern 1986 den Shareholder-
Value-Ansatz entwickelt und diverse Bücher zu diesem Thema verfasst. Er war Gastkolumnist des
Wallstreet Journal, der New York Times sowie von BusinessWeek und Unternehmensberater. Inzwi-
schen ist er emeritiert und lebt in La Jolla, Kalifornien.

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Allerdings wird die Fokussierung auf den Unternehmenswert kritisch gesehen, da die Eigen-
kapitalgeber nicht die einzige Anspruchsgruppe (Stakeholder) eines Unternehmens sind.
Deshalb müssen potenzielle Auswirkungen auf andere Stakeholder (Mitarbeiter, Kunden,
Öffentlichkeit, Umwelt) ebenfalls berücksichtigt werden. Deshalb wurden alternative Kon-
zepte wie das Ganzheitlichen Managementsystem (Balanced Scorecard) oder der stakehol-
derbasierte Ansatz der Unternehmensführung entwickelt.
Stakeholder sind alle Subjekte, dessen Einsatz auf dem Spiel stehen und die daher ein Inte-
resse an Wohl und Wehe dieses Einsatzes haben. Bezogen auf ein Unternehmen ist der
Einsatz das Unternehmen oder ein Projekt. Typische Stakeholder sind die Eigentümer
(Shareholder), die Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten sowie die Gläubiger und die Gesellschaft
insgesamt. Im weiteren Sinne jede Gruppe oder Einzelperson, die die Erreichung der Unter-
nehmensziele beeinflussen kann oder von dieser beeinflusst wird, also auch Konkurrenten,
Medien, Gewerkschaften, Behörden, kritische Interessengruppen, Kommunen, die Politik
usw.. Jede dieser Personen oder Gruppen hat ein Interesse am Unternehmen. Aufgabe des
Managements ist die Berücksichtigung und Wichtung der Interessen aller Stakeholder. Dazu
erfolgt der Aufbau von Netzwerken und die Lösung von Konflikten durch Koordination.
Grundlage ist die Vermeidung von Streit, also ein Harmoniemodell oder „Good Corporate
Citizenship“.
In Deutschland kann sich zum Beispiel ein Unternehmen, aber auch eine andere Einrichtung
(Hochschule, Universität) zertifizieren lassen als:
 Familienfreundliches Unternehmen
 Umweltfreundliches Unternehmen
 Schule ohne Angst
 Einrichtung ohne Diskriminierung

2.5 Nachhaltigkeit und Beachtung von Umweltprinzipien


Durch die wirtschaftliche Tätigkeit, aber auch den Konsum, nimmt der Mensch Einfluss auf
die Natur. Die Lehre vom Naturhaushalt, von den natürlichen Stoff- und Energiekreisläufen,
ist die Ökologie. Die Natur ist in Ökosysteme organisiert, das sind sich selbst regulierende,
sich regenerierende Systeme. Sie können menschliche Eingriffe begrenzt verarbeiten.
Werden diese Grenzen jedoch überschritten, bricht das System zusammen und verliert sei-
ne Regenerationsfähigkeit – der Boden (die Natur) fällt als Produktionsfaktor und als freies
Gut zur Bedürfnisbefriedigung aus.
Die Übernutzung der Umwelt verursacht dann Kosten, entweder direkte Kosten, wenn zum
Beispiel Wasser aufwendig aufbereitet werden muss, bevor es verwendet werden kann,
oder indirekte Kosten (Opportunitätskosten), wenn die Nutzung für einen Zweck die Nutzung
für andere Zwecke verhindert. Wenn zum Beispiel ein Fluss als Ableitung für giftige und
umweltschädliche Abwasser benutzt wird, kann er nicht mehr für das Baden, die Trinkwas-
sergewinnung oder die Fischzucht benutzt werden. Da der Verursacher der Schädigung die
Kosten (z.B. für die Wasseraufbereitung) nicht tragen muss, spielen sie in seinen Wirtschaft-
lichkeitsberechnungen keine Rolle. Man spricht von negativen externen Kosten.
Ziel der Umweltökonomik als Teilbereich der VWL ist es, diese Zusammenhänge zu unter-
suchen und Mittel zu entwickeln, mit denen diese Aspekte wirtschaftlich bewertet und in
wirtschaftliche Entscheidungen einbezogen werden. Ziel ist das nachhaltige Wirtschaften,
das vor allem durch die Schaffung von Stoff- und Energiekreisläufen erreicht werden kann.
Dabei müssen bei der Nachhaltigkeit immer alle drei Teilbereiche berücksichtigt werden,
die:

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 Ökologische Nachhaltigkeit, das heißt die Erhaltung, Wiederherstellung und Verbes-


serung der Umwelt,
 Ökonomische Nachhaltigkeit, d.h. die Erhaltung des Wohlstandes, sowie
 Soziale Nachhaltigkeit, d.h. die Verhinderung von sozialen Belastungen oder Unge-
rechtigkeiten.

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II. Die Unternehmung und Rechtsformen


Die Rechtsform definiert die gesetzlichen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft, die in ir-
gendeiner Form am Rechtsverkehr teilnimmt. Sie wird bei Unternehmen im Gesellschafts-
vertrag festgelegt. Die Rechtsformen sind gesetzlich definierte, mehr oder weniger verbind-
liche Grundmuster für die rechtliche Gestaltung eines Unternehmens. Sie vereinfachen den
Geschäftsverkehr, da viele Aspekte durch die Rechtsform vorbestimmt sind.
Die Rechtsform wirkt sich unter anderem auf Haftungsfragen der Gesellschafter und deren
Recht zur Geschäftsführung aus. Sie bestimmt zudem, ob die Gesellschaft eine eigene
Rechtspersönlichkeit besitzt (z. B. Aktiengesellschaft) oder ob ihre Gesellschafter als natürli-
che Personen handeln. Je nach Rechtsform sehen die gesetzlichen Normen unterschiedli-
che Anforderungen bei der Errichtung, dem Betrieb und der Liquidation bzw. der Umwand-
lung des Unternehmens vor. Insbesondere finden sich Regelungen hinsichtlich des Grundka-
pitals, der Anzahl und Verpflichtungen der Gesellschafter, der Geschäftsführungsbefugnisse
oder bestimmter Publizitätspflichten.
Die Rechtsformen unterscheiden sich nach der Rechtsgrundlage. Es gibt Rechtsformen
nach deutschem Recht, insbesondere Rechtsformen nach dem Handelsgesetzbuch (HGB),
nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und nach Spezialgesetzen wie dem Aktiengesetz
oder dem Genossenschaftsgesetz. Weiterhin sind im Zuge der europäischen Integration
auch Rechtsformen nach europäischem Recht zulässig sowie die Gründung eines Unter-
nehmens in der Rechtsform eines anderen Mitgliedsstaates der EU.
Man kann die Rechtsformen nach verschiedenen Kriterien strukturieren, zum Beispiel gibt
es nach der Anzahl der Gesellschafter und dem Zweck des Unternehmens Rechtsformen
mit
- einem Gesellschafter und mit Gewinnerzielungsabsicht,
- mehreren Gesellschaftern und Gewinnerzielungsabsicht, sowie
- mehreren Gesellschaftern und Förderabsicht.
Nach der Art des Rechtssubjektes unterscheidet man Personengesellschaften und Kapital-
gesellschaften. Neben den Rechtsformen nach Privatrecht, die für private Unternehmen
zulässig sind, gibt es noch Rechtsformen nach öffentlichem Recht für staatliche Unterneh-
men.
Eine typische Einteilung der Rechtsformen findet sich in der folgenden Abbildung 3.

Seite 21
Rechtsformen
nach Privatrecht

Einzelunternehmen Gesellschaftsunternhemen Genossenschaften

Personen- Unvollkommene Kapitalgesellschaften Mischformen


gesellschaften Gesellschaften

offene Handelsgesellschaft OHG Gesellschaft bürgerlichen Rechts GbR Aktiengesellschaft AG Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)
Kommanditgesellschaft KG Stille Gesellschaft Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH (Gesellschaft) & Co. KG
Freiberufliche Partnerschaftsgesellschaft

Abbildung 3: Rechtsformen nach Privatrecht


Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung einer Rechtsform ist die Kaufmannseigenschaft.
Kaufmann
Ein Kaufmann wird vom Rechtssystem anders behandelt als ein Bürger. Er hat besondere
Rechte und Pflichten. Für alle gilt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) als Grundlage. Für den
Kaufmann sind im Handelsgesetzbuch (HGB) weitergehende Bestimmungen enthalten. Un-
ter anderem regelt das HGB die kaufmännischen Rechtsformen.
Rechte eines Kaufmanns sich zum Beispiel nach HGB
- das Führen einer Firma für das Unternehmen,
- die Bestellung von Prokuristen als Vertreter, oder
- die Bestimmung eines Geschäftsjahres, das vom Kalenderjahr abweicht.
Besondere Pflichten des Kaufmanns nach HGB sind zum Beispiel
- die Pflicht zur Eintragung seiner Firma in ein Register, und
- die Pflicht zum Führen von Büchern.
Nach der Art der Entstehung der Kaufmannseigenschaft unterscheidet man
- den IST-Kaufmann. Er entsteht durch den kaufmännisch eingerichteten Geschäfts-
betrieb nach § 1 HGB. Ein kaufmännisch eingerichteter Geschäftsbetrieb bedeutet,
dass der Kaufmann umfangreiche Ein- und Verkäufe tätigt, dass er einer gewerbli-
chen Tätigkeit nachgeht, dass er seine Lieferanten und Kunden selbst auswählt, dass
er Werbung für sein Unternehmen macht, dass er Mitarbeiter beschäftigt und so
weiter. Eine kleine Gaststätte, ein Landwirt, ein Arzt, Rechtsanwalt oder eine Apo-
theke ist kein IST-Kaufmann.
- den Kann-Kaufmann. Dieser entsteht durch die freiwillige Eintragung des Unterneh-
mens als Firma in das Handelsregister nach den §§ 2, 3 HGB. Damit können Unter-
nehmen, die kein IST-Kaufmann sind, trotzdem zum Kaufmann werden, um die Vor-
teile der Kaufmannseigenschaft nutzen zu können. Allerdings müssen sie auch die
Pflichten eines Kaufmannes anerkennen.
- den Form-Kaufmann kraft Rechtsform nach § 6 HGB. Wählt ein Unternehmen eine
kaufmännische Rechtsform wie Aktiengesellschaft oder GmbH, so ist es immer
Kaufmann, egal was es macht oder wie groß es ist.
Firma
Die Firma8 ist der Name eines Kaufmann, unter dem er seine Handelsgeschäfte betreibt, die
Unterschrift abgibt, klagen und beklagt werden kann.
Zur Führung einer Firma sind nach deutschem Handelsrecht nur Kaufleute berechtigt. Ande-
re Gewerbetreibende können eine Geschäftsbezeichnung führen. Ein solches Handelsge-
werbe muss in das Handelsregister eingetragen werden. Die Eintragung hat für die Firma je-
doch lediglich deklaratorische, das heißt rechtsbezeugende Bedeutung. Die Firma muss als
Zusatz in jedem Fall die Rechtsform oder den Kaufmannszusatz beinhalten.
Bei Einzelunternehmen kann die Firma der Name des Kaufmannes sein, mit dem Zusatz
„Firma“ (Fa.), zum Beispiel „Firma Otto Müller“ oder „Fa. O. Müller“.
Die Arten der Firma und damit des Namens des Unternehmens sind
- die Personenfirma, wie „Dr. Oetker KGaA“ als Firma die von Dr. Oetker gegründet
wurde,

8
lat: firmare = beglaubigen, befestigen
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- die Sachfirma, wie „Deutsche Bank AG“ als große Bank in Deutschland,
- eine Phantasiefirma, wie „Infinion AG“, oder
- eine gemischte Firma aus Personen-, Sach- und Phantasienamen, wie „Baugesell-
schaft Willi Weber GmbH“.
Die Firma besteht immer aus einem Firmenkern und einem Firmenzusatz.
Der Firmenkern ist ein notwendiger Bestandteil der Firma. Er besteht aus dem Namen der
Firma und dem Zusatz, der das Gesellschaftsverhältnis anzeigt (Rechtsform). Beim Firmen-
kern bestehen die Grundsätze der Firmenwahrheit und der Firmenklarheit, d.h. der Firmen-
kern darf nicht irreführend oder täuschend sein. So darf nur eine Rechtsformbezeichnung
verwendet werden, die der tatsächlichen Rechtsform entspricht und der Firmenname muss
der Art, Größe und dem Geschäftszweck der Firma entsprechen. Zum Beispiel darf ich mei-
ne Firma nicht „Baugesellschaft Sachsen-Anhalt AG“ nennen, wenn ich nur Bauverträge ver-
mittle und ein kleines Ein-Mann-Unternehmen in der Rechtsform eines Einzelunternehmers
bin. Um das sicherzustellen, werden die Firmennamen von den Industrie- und Handelskam-
mern und den Registergerichten vor der Eintragung überprüft.
Der Firmenzusatz dient der eindeutigen Unterscheidung der Firma von anderen Firmen. Er
kann zum Beispiel aus einer Ortsangabe oder dem Namen eines Gesellschafters bestehen.
Weiterhin gilt der Grundsatz des Firmenmonopols: Ein in ein Register eingetragene Firma
kann nur von einem Unternehmen geführt werden. Jede neue Firma an demselben Ort
muss sich deutlich unterscheiden, z.B. durch Zusätze, Phantasienamen, den Geschäftszweig
etc. (§ 30 HGB).
Wechselt der Inhaber einer Firma, kann die Firma trotzdem weitergeführt werden. Das
nennt man Firmenbeständigkeit. Eventuell wird die Weitergabe der Firma mit Zusätzen
kenntlich gemacht, z.B. durch „ehemals“ oder „Nachfahren“. Der bisherige Inhaber muss
der Weitergabe der Firma zustimmen. Damit werden aber auch grundsätzlich alle bestehen-
den Schulden der alten Firma übernommen (§§ 21-27 HGB). Ausnahmen müssen vertraglich
vereinbart und veröffentlicht werden.
Handelsregister
Die Firmen unterliegen der Öffentlichkeit. Darunter versteht man die Pflicht der Eintragung
der Firma und aller Änderungen in das Handelsregister. Die Eintragungen werden veröffent-
licht (§§ 29, 31 HGB), früher in den Tageszeitungen, heute im Bundesanzeiger und im Inter-
net (Elektronisches Handelsregister unter www.handelsregister.de). Durch die Eintragung
im Handelsregister entsteht der Firmenschutz, d.h. der Schutz der Firma vor der Benutzung
einer gleichlautenden Firma am selben Ort (§ 37 HGB). Zusätzlich gibt es den Schutz vor un-
lauterem Wettbewerb durch Benutzung einer Firma mit ähnlichem Namen (§ 13 UWG).
Neben dem Handelsregister aller Firmen gibt es noch weitere Register für Unternehmen
anderer Rechtsform, die keine Firma sind, wie das Genossenschaftsregister, das Vereinsre-
gister, das Partnerschaftsgesellschaftsregister oder das Stiftungsregister.
Das Handelsregister ist ein amtliches Verzeichnis der Kaufleute in einem Amtsbezirk, das
vom Registergericht eines Amtsgerichtes geführt wird. Es ist in die Abteilungen A (Einzelun-
ternehmen, Personengesellschaften) und B (Kapitalgesellschaften) gegliedert.
Es informiert unter anderem über:
- Firma,
- Inhaber,
- Haftung,
- Geschäftssitz und

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- Geschäftsführer und Prokura.


Die Eintragungen im Handelsregister schaffen klare Rechtsverhältnisse. Die Eintragungen im
Handelsregister genießen öffentlichen Glauben, d.h., sie schützen den gutgläubigen Dritten.
Wenn also zum Beispiel ein Geschäftspartner im Handelsregister nachschaut, wer als Ge-
schäftsführer einer Firma berechtigt ist, diese zu vertreten, so kann er sich darauf verlassen,
dass die im Handelsregister eingetragenen die tatsächlichen Geschäftsführer sind. Eine Aus-
nahme gilt nur, wenn ihm abweichende Tatsachen nachweislich, zum Beispiel durch einen
Geschäftsbrief, bekannt gemacht worden (§ 15 HGB). Aus diesem Grund versuchen die Un-
ternehmen, die Eintragungen im Handelsregister immer aktuell zu halten und Änderungen
so schnell wie möglich eintragen zu lassen. Heute können die Unternehmen die Handelsre-
gistereintragungen elektronisch, d.h. über das Internet, im Amtsgericht anmelden.
Das elektronische Handelsregister kann unter www.unternehmensregister.de von allen Bür-
gern eingesehen werden.
Unterlässt ein Unternehmer eine Anmeldung, kann diese auch vom Amtsgericht erzwungen
werden oder eine Eintragung kann in Ausnahmefällen auch von Amts wegen erfolgen, zum
Beispiel bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (14 HGB).
Die Eintragungen in das Handelsregister können konstitutive Wirkung haben, d.h. sie er-
langen Rechtswirkung durch die Eintragung. Das gilt zum Beispiel für den Firmenschutz, den
Status des Kann-Kaufmannes, die Rechtsform der Kapitalgesellschaft und die beschränkte
Haftung der Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft. Andere Eintragungen haben le-
diglich deklatorische Wirkung, d.h. sie bestätigen lediglich die Rechtswirkung durch die
Eintragung. Das gilt zum Beispiel für den Status des IST-Kaufmannes, die Erteilung von Pro-
kura oder die Rechtsform der Personengesellschaft.

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1 Die Einzelunternehmung
Die Einzelunternehmung ist die „natürliche“ Form der Unternehmung. Das Unternehmen
gehört einer einzelnen Person. In der Praxis gehört das Unternehmen oft einer Familie, aber
aus rechtlichen Gründen ist ein Familienmitglied nach außen der Einzelunternehmer. Rechts-
grundlage des Einzelunternehmens ist das HGB.
Ein Einzelunternehmen ist immer eine Firma, wenn es einer gewerblichen Tätigkeit nach-
geht.
Gewerbe
Der Begriff der „gewerblichen“ Tätigkeit stammt aus dem Einkommensteuerrecht. Nach
dem Einkommensteuerrecht gibt es folgende Einkommensarten aus unternehmerischer
Tätigkeit:
1. Die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Dazu zählen alle wissenschaftlichen,
lehrenden, künstlerischen, beratenden und medizinischen Tätigkeiten. Ist ein
Mensch auf diesen Gebieten selbständig tätig, so hat er zwar ein Einzelunterneh-
men, aber keine Firma. Er ist auch kein Kaufmann. Damit hat er wesentliche Er-
leichterungen zum Beispiel in der Buchhaltung, im Steuerrecht und in den Veröf-
fentlichungspflichten.
2. Die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit einschließlich Fi-
scherei. Diese Familienbetriebe sind ebenfalls keine gewerblichen Unternehmen,
kein Kaufmann und haben keine Firma.
3. Die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit. Das sind verschiedene
spezielle Tätigkeiten wie Vermögensverwalter, Testamentsvollstrecker oder Auf-
sichtsratsmitglied sowie spezielle Einkünfte, z.B. aus der Veräußerung von Ver-
mögen.
4. Die Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit. Das sind alle anderen Tätigkeiten.
Merkmale für eine gewerbliche Tätigkeit sind
- Selbstständigkeit, d.h. Tätigkeit auf eigene Rechnung (eigenes Unternehmer-
risiko) und auf eigene Verantwortung (Unternehmerinitiative),
- Nachhaltigkeit, d.h. keine einmalige Tätigkeit, sondern Tätigkeit mit Wiederho-
lungsabsicht,
- Gewinnerzielungsabsicht, d.h. das Unternehmen soll langfristig ein Gewinn
ergeben, andernfalls wird Liebhaberei vermutet und
- Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, d.h. eine nachhaltige
Teilnahme des Unternehmens am Leistungs- und Güteraustausch.
Firma
Die Firma der Einzelunternehmung muss eindeutig sein. Ohne Eintragung des Einzelunter-
nehmens in das Handelsregister ist es immer der Name des Kaufmannes, z.B. „Fa. Willi
Weber“. Bei Eintragung im Handelsregister sind auch andere Namen zulässig, hier muss
dann der Zusatz „eingetragener Kaufmann“ bzw. „e.K.“ oder „e. Kfm“ verwendet werden,
z.B. „ Rote Apotheke - Inhaber: Apotheker Willi Weber e.K.“.
Haftung
Der Einzelunternehmer haftet immer mit seinem gesamten Vermögen. Das heißt, nicht nur
mit dem betrieblichen Vermögen des Einzelunternehmens, sondern auch mit seinem ge-
samten Privatvermögen. Deshalb ist die Rechtsform des Einzelunternehmens riskant, vor
allem, wenn das Unternehmen groß wird oder riskante Geschäfte betreibt. Andererseits

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zeigt diese Rechtsform z.B. gegenüber einer Bank, dass der Unternehmer risikobereit ist
und voll hinter seinem Unternehmen steht.
Geschäftsführung und Vertretung
Die Geschäftsführung und die Vertretung des Einzelunternehmens übernimmt grundsätzlich
immer der Kaufmann persönlich.
Unter Geschäftsführung versteht man die Leitung und Machtausübung in einem Unter-
nehmen nach innen. Dazu gehören die Organisation der Produktion, das Verhältnis zu ande-
ren Gesellschaftern, das Erteilen von Weisungen gegenüber Beschäftigten und die Planung
des Unternehmens.
Unter Vertretung versteht man die Berechtigung, das Unternehmen nach außen rechtwirk-
sam zu vertreten, Dazu gehört das Abschließen von Verträgen mit Lieferanten und Kunden,
das Eröffnen von Bankkonten und die Aufnahme von Krediten für das Unternehmen, die
Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern, die Abgabe von Steuererklärungen und die
Vertretung des Unternehmens vor Gericht als Kläger oder Beklagter.
Der Einzelunternehmer kann seine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis auch an
Dritte abgeben, allerdings nie vollständig. Die letztendliche Verantwortung behält immer der
Einzelunternehmer. So kann der einen Geschäftsführer oder Prokuristen bestellen, der für
ihn im Unternehmen die Geschäftsführung übernimmt; oder er kann sich vor Gericht von
einem Anwalt vertreten lassen; oder ein Verkäufer erhält die Befugnis, Kaufverträge im Na-
men des Unternehmens rechtswirksam abzuschließen.
Gründung
Die Gründung eines Einzelunternehmens erfolgt formlos, d.h. es ist kein Vertrag notwendig.
Das Einzelunternehmen beginnt mit der ersten Handlung, die der Einzelunternehmer im
Namen des Unternehmens durchführt. Um auch aus steuerlichen Gründen eine saubere
Trennung zwischen privaten und betrieblichen Handlungen zu erreichen, muss der Einzelun-
ternehmer immer darauf achten, unter welchem Namen und eventuell, bei unterschiedli-
chem Sitz von Firma und Wohnung, unter welcher Adresse er Handlungen erbringt. Als Pri-
vatperson unterschreibt er z.B. mit „Willi Weber“, als Einzelunternehmer mit „Fa. Willi We-
ber“.
Der Einzelunternehmer kann sich freiwillig ins Handelsregister eintragen, wenn er kein Kauf-
mann ist. Als Kaufmann ist er zur Eintragung verpflichtet und kann vom Amtsgericht zur Ein-
tragung gezwungen werden.
Kapitalaufbringung
Das Kapital für die Gründung des Unternehmens muss der Kaufmann aufbringen. Geben an-
dere Personen Kapital dazu, wird das als Kredit (bei Geld) oder Vermietung (bei Sachen) ge-
wertet. Geben andere Personen Kapital hinzu mit der vertraglichen Vereinbarung, Mitunter-
nehmer zu sein, ist es kein Einzelunternehmen mehr, es entsteht eine andere Rechtsform.
Damit ist die Kapitalkraft eines Einzelunternehmens in der Regel begrenzt. Darin liegt auch
einer der Nachteile der Rechtsform Einzelunternehmung.
Tabelle 1: Vor- und Nachteile der Einzelunternehmung
Vorteile Nachteile
Unternehmer hat die alleinige Entschei- Die Kapitalkraft ist begrenzt.
dungs- und Kontrollbefugnis.
Es gibt keine Haftungs- und Risikobegren-
Es ist kein Vertrag notwendig. zung.
Es gibt keine Gründungsformalitäten. Der Unternehmer muss Verluste allein tra-
gen.

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Es gibt kein vorgeschriebenes Startkapital.


Der Unternehmer erhält den gesamten Ge-
winn.

Stille Gesellschaft
Eine Rechtsform, die der Einzelunternehmung sehr ähnlich ist, ist die stille Gesellschaft. Hier
treten in eine Einzelunternehmung ein oder mehrere stille Gesellschafter ein. Der oder die
stillen Gesellschafter bleiben verborgen, nur die Firma des Hauptgesellschafters ist öffent-
lich.
Die stillen Gesellschafter haften nur mit ihrer Einlage. Geschäftsführung und Vertretung
übernimmt der Einzelunternehmer. Die Einlagen der stillen Gesellschafter gehen in das Ver-
mögen des Kaufmanns über.
Die Gründung der stillen Gesellschaft ist formlos. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird je-
doch häufig ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen, der teilweise auch notariell beglaubigt
wird.
Ursprünglich war die stille Gesellschaft gedacht als Form der Gründung eines neuen Unter-
nehmens im Kreis der Familie, z.B. um einem weichenden Erben eine selbständige Existenz
als Unternehmer zu ermöglichen. In der Gegenwart wird die die stille Gesellschaft häufig
aus steuerlichen Gründen als sogenannte „Verlustgesellschaft“ gegründet, hier spricht man
auch von der „atypischen stillen Gesellschaft“.
Vorteile der stillen Gesellschaft sind für den Kaufmann, dass er selbständig bleibt und zu-
sätzliches Kapital gewinnt und für die stillen Gesellschafter, dass sie mehr Rechte als ein
Kreditgeber besitzen. Nachteilig sind häufig steuerliche Probleme.

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2 Ausgewählte Personengesellschaften
In der Einzelunternehmung ist, wie der Name schon sagt, der Unternehmer allein für das
Unternehmen verantwortlich. Das hat einige Vorteile, aber auch Nachteile. Deshalb werden
vor allem größere Unternehmen häufig als Gesellschaftsunternehmen von mehreren Unter-
nehmern gegründet. Gründe für die Errichtung eines Gesellschaftsunternehmens können
sein
- ein erhöhter Kapitalbedarf, der von einem einzelnen Unternehmer nicht mehr aufzu-
bringen ist,
- eine Verbesserung der Kreditbasis durch höhere Sicherheiten für den Kreditgeber,
- eine bessere Risikostreuung und Risikobegrenzung sowie
- die Verbesserung der Fertigkeiten und Fähigkeiten der Unternehmensleitung, indem
mehrere Gesellschafter oder externe Fachleute als Manager eingesetzt werden.
Die Gesellschaftsunternehmen werden grob in Personen- und Kapitalgesellschaften einge-
teilt. Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale sind in der Tabelle aufgeführt.

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Tabelle 2: Merkmale von Personen- und Kapitalgesellschaften


Merkmal Personengesellschaft Kapitalgesellschaft
Grundlage der Ge- Personen (Unternehmer, die zu- Kapital (Geld- oder Sachkapital,
sellschaft sammen ein Unternehmen führen das für die Gründung und den
wollen) Betrieb eines Unternehmens ge-
sammelt wird)
Stellung als Gesellschaft ist keine vollständig Ist eine eigenständige Rechtsper-
Rechtssubjekt eigene Rechtspersönlichkeit, hat sönlichkeit (eine juristische Per-
als Gesellschaft nur eingeschränk- son) mit allen Rechten und Pflich-
te Rechte und Pflichten ten, kann in eigenem Namen kla-
gen und verklagt werden
Existenzdauer Existenz der Gesellschaft ist von Ist von der Existenz der Gesell-
der Existenz der Gesellschafter schafter unabhängig, beginnt mit
abhängig, z.B. löst der Tod eines der Eintragung in ein Register
Gesellschafters die Gesellschaft (Gründung) und endet mit der
auf freiwilligen (Liquidation) oder
zwangsweisen (Insolvenz) Auflö-
sung
Vermögen der Vermögen der Gesellschafter Besitzt eigenes, abgegrenztes
Gesellschaft bleibt Privatvermögen, in der Ge- Vermögen, welches aus dem von
sellschaft entstehen Sonderbe- den Gesellschaftern übergebenen
triebsvermögen und Gesamt- und dem von der Gesellschaft
handvermögen selbst geschaffenen Vermögen
besteht
Wechsel der Ge- Mit jedem Wechsel eines unter- Ist unsterblich, Gesellschafter
sellschafter nehmerischen Gesellschafters können eintreten, ausscheiden
entsteht juristisch eine neue Ge- oder ausgetauscht werden
sellschaft

Teilnahme am Handelt durch geschäftsführende Handelt durch Organe


Wirtschaftsleben Gesellschafter

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2.1 Die Offene Handelsgesellschaft OHG


Eine offene Handelsgesellschaft (Abkürzung: OHG oder oHG) ist in Deutschland eine Perso-
nenhandelsgesellschaft, in der sich zwei oder mehr natürliche Personen und/oder juristische
Personen zusammengeschlossen haben, um unter einer gemeinsamen Firma ein Handels-
gewerbe zu betreiben. Rechtsgrundlage der OHG ist das HGB.
Firma
Die Firma einer OHG muss den Namen mindestens eines Gesellschafters sowie die Be-
zeichnung „offene Handelsgesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung hier-
für enthalten (§ 19 I Nr. 2 HGB). Ist kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche
Person, muss die Firma eine Bezeichnung erhalten, welche die Haftungsbeschränkung
kennzeichnet (§ 19 II HGB).
Haftung
In der OHG haften grundsätzlich alle Gesellschafter persönlich unbeschränkt, unmittelbar
und primär als Gesamtschuldner sowie mit dem Gesellschaftsvermögen.
Unbeschränkte Haftung bedeutet, dass jeder Gesellschafter mit seinem gesamten Privat-
vermögen nach außen haftet, es gibt keine „Einrede der Haftungsbeschränkung“. Im Innen-
verhältnis ist die Haftung beschränkbar.
Unmittelbare Haftung bedeutet, dass jeder Gläubiger sich an jeden beliebigen Gesellschaf-
ter wenden kann.
Primäre Haftung bedeutet, dass der Gläubiger nicht an einen anderen Gesellschafter ver-
wiesen werden kann, es fehlt das „Recht auf Einrede der Vorausklage“ in der OHG.
Gesamtschuldnerische Haftung bedeutet, dass alle Gesellschafter für die gesamten Schul-
den der Gesellschaft haften. Es gibt kein „Recht der Einrede der Haftungsteilung“, d.h. der
Gläubiger kann nicht auf andere Gesellschafter oder die Gesellschaft verwiesen werde. Im
Innenverhältnis der OHG können Regelungen zum Ausgleich getroffen werden.
Beim Eintritt in eine bestehende OHG übernimmt der neue Gesellschafter die vollständige
Haftung nach außen für alle zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schulden. Eine Haftungsbe-
schränkung oder ein Haftungsausschluss ist nur im Innenverhältnis möglich.
Bei der Gründung einer OHG durch Eintritt eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen
haftet dieser auch für alle Schulden des Einzelunternehmers. Diese rückwirkende Haftung
kann durch Eintragung im Handelsregister oder durch Mitteilung an alle Gläubiger ausge-
schlossen werden.
Beim Ausscheiden aus einer OHG gilt eine 5 Jahre andauernde Nachhaftung für alle zum
Zeitpunkt des Austritts bestehenden Schulden.
Geschäftsführung und Vertretung
Da die OHG der Zusammenschluss von zwei oder mehreren Unternehmern zu einem ge-
meinsamen Unternehmen ist, ist jeder Gesellschafter gesetzlich allein zur Geschäftsführung
und zur Vertretung berechtigt und verpflichtet. Im Innenverhältnis können die Geschäftsfüh-
rungs- und Vertretungsrechte auch geteilt und eingeschränkt werden, z.B. sind ein Gesell-
schafter nur für den Einlauf und ein anderer nur für den Verkauf zuständig. Auch kann ein
Gesellschafter auf sein Recht auf Geschäftsführung und Vertretung vertraglich verzichten,
hier erhält er aber häufig einen höheren oder sicheren Gewinnanteil.
Gründung
Die Gründung einer OHG erfolgt durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages zwischen
mindestens zwei natürlichen oder juristischen Personen. Dieser Vertrag ist grundsätzlich
formfrei, d.h. er kann auch mündlich oder sogar nur durch konkludentes (schlüssiges) Han-

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delns zustande kommen. Grundsätzlich notwendig zur Gründung einer OHG ist also nur der
erklärte Wille der Gesellschafter, unter einer gemeinsamen Firma ein Handelsgewerbe zu
betreiben.
Unabhängig hiervon sind Formalitäten (Gewerbeanmeldung bei der Gewerbeaufsicht, Eintra-
gung im Handelsregister) zu beachten. Die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages ist hier-
von unberührt. Auch ist die Eintragung kein Gründungserfordernis, sondern lediglich der Ab-
schluss eines Gesellschaftervertrages und die Aufnahme der Geschäftstätigkeit.
Werden in die Gesellschaft Grundstücke eingebracht, ist eine notarielle Beurkundung des
Gesellschaftsvertrags notwendig (§ 311b BGB).
Die OHG beginnt nach innen mit dem Abschluss des Vertrages und nach außen mit der ers-
ten Willenserklärung, die im Namen der OHG ausgesprochen wird.
Kapitalaufbringung
Die Kapitalaufbringung zur Gründung und später erfolgt durch die Gesellschafter. Das einge-
brachte Kapital bleibt Privatvermögen der Gesellschafter, wird aber in der OHG als Sonder-
betriebsvermögen geführt. Von der OHG erwirtschaftetes Kapital wird Gesamthandvermö-
gen. Zur Gründung der OHG ist keine Mindestkapitalhöhe vorgeschrieben.
Rechte der Gesellschafter
Jeder Gesellschafter der OHG hat grundsätzlich die folgenden Rechte:
- Recht auf Geschäftsführung und Vertretung. Jeder Gesellschafter hat Einzelvertre-
tungsbefugnis nach HGB. Das kann vertraglich anders geregelt werden. Bei außerge-
wöhnlichen Geschäften gilt Gesamtvertretungsbefugnis, z.B. bei der Erteilung von
Prokura. Der Entzug der Geschäftsführung kann zwangsweise wegen grober Pflicht-
verletzung oder Unfähigkeit auf Antrag der restlichen Gesellschafter per Gericht voll-
zogen werden.
- Recht auf Kontrolle. Jeder Gesellschafter, auch ein von der Geschäftsführung aus-
geschlossener, kann sich über die Geschäftslage unterrichten und jederzeit alle Bü-
cher einsehen.
- Recht auf Ersatz von Aufwendungen. Jeder Gesellschafter hat das Recht, Aufwen-
dungen aus der Ausübung der Geschäftsführung von der OHG erstattet zu bekom-
men. Dazu zählen auch Zinsen und die Übernahme von Verlusten durch die Aus-
übung der Geschäftsführung.
- Recht auf Anteil am Gewinn. Im HGB wird der Gewinn zunächst als Verzinsung der
Kapitalanteile mit 4 % verteilt, ein entstehender Rest nach Köpfen. Die Gewinnvertei-
lung kann vertraglich anders geregelt werden. Der Gewinnanteil wird dem Kapital-
konto des Gesellschafters gutgeschrieben und auf Verlangen ausgezahlt.
- Recht auf Kapitalentnahme. Bis zu 4% seines zu Beginn des Geschäftsjahres vor-
handenen Kapitalanteils kann jeder Gesellschafter unabhängig von der Gewinnsitua-
tion der OHG entnehmen. Höhere Entnahmen bedürfen der Zustimmung aller Ge-
sellschafter.
- Recht auf Kündigung. Jeder Gesellschafter kann zum Schluss des Geschäftsjahres
mit einer Frist von mindestens 6 Monaten kündigen. Die Frist kann vertraglich bis auf
5 Jahre ausgedehnt werden. Am Ende des Geschäftsjahres, zu dem der Gesellschaf-
ter gekündigt hat, wird der Kapitalanteil des Gesellschafters in einer Vermögensaus-
einandersetzungsbilanz bestimmt und diesem ausgezahlt. Für die Auszahlung kön-
nen vertragliche Regelungen getroffen werden, z.B. die Umwandlung in einen Kredit.
- Recht auf Anteil am Liquidationserlös. Wird die OHG liquidiert, so wird der Liquida-
tionserlös im Verhältnis der Kapitalanteile auf die Gesellschafter verteilt.

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Pflichten der Gesellschafter


Wo Rechte sind, da sind auch Pflichten. Jeder OHG-Gesellschafter hat die folgenden Pflich-
ten
- Pflicht zur Leistung der vereinbarten Kapitaleinlage. Die Kapitaleinlage kann vom
Gesellschafter in bar, in Sach- bzw. Rechtswerten oder als Dienstleitung erbracht
werden. Bei nicht rechtzeitiger Leistung wird der Gesellschafter zins-und schadener-
satzpflichtig. Die eingebrachten Kapitaleinlagen werden Gesamthandvermögen.
- Pflicht zur Geschäftsführung und zur persönlichen Leistung von Diensten. Wenn
ein Gesellschafter dieser Pflicht nicht nachkommen kann oder will, die anderen Ge-
sellschafter aber darauf bestehen, kann er einen Vertreter beauftragen, dessen Kos-
ten er jedoch selbst tragen muss.
- Treuepflicht, insbesondere Pflicht zum Wettbewerbsverbot. Voraussetzung für ei-
ne fruchtbare Zusammenarbeit der Gesellschafter in der OHG ist ein gegenseitiges
Vertrauens- und Treueverhältnis. Es besteht deshalb eine allgemeine Treuepflicht der
Gesellschafter (§ 242 BGB). Eine besondere Ausformung dieser Treuepflicht ist das
Wettbewerbsverbot. Ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter darf ein Gesell-
schafter keine Geschäfte auf eigene Rechnung im Betrieb des Handelsgewerbes
durchführen oder sich als persönlich haftender Gesellschafter an einer gleichartigen,
d. h. branchengleichen Unternehmung, beteiligen (§§ 112, 113 HGB). Bei Verstoß ge-
gen das Wettbewerbsverbot kann die OHG Schadenersatz verlangen oder von einem
Eintrittsrecht Gebrauch machen, d. h. die OHG kann die Geschäftsergebnisse an sich
ziehen. Wenn die übrigen Gesellschafter das verlangen, kann es sogar zur Auflösung
der Gesellschaft kommen (§ 133 II HGB).
- Pflicht zur Beteiligung an Verlusten. Erwirtschaftet die OHG Verluste, sind diese
von allen Gesellschaftern zu tragen. Die Aufteilung der Verluste erfolgt nach Köpfen.
Die Vorteile der OHG gegenüber der Einzelunternehmung sind die höhere Kapitalaufbrin-
gung und die mögliche Risiko- und Arbeitsteilung. Nachteilig ist weiterhin die fehlende Haf-
tungsbeschränkung. Zur Zusammenarbeit in einer OHG ist ein hohes Vertrauen zwischen
den Gesellschaftern erforderlich, deshalb sind OHG häufig Gesellschaften zwischen Famili-
enmitgliedern.
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Die OHG ist immer ein kaufmännisches Handelsunternehmen und damit eine Firma sowie
steuerrechtlich gewerblich. Das kann nachteilig sein, wenn nichtgewerbliche Unternehmer
wie Landwirte oder Freiberufler in einem Gesellschaftsunternehmen zusammenarbeiten
wollen. Für diese Zwecke wurde die „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (GbR) entwickelt.
Rechtsgrundlage der GbR ist nicht das HGB, sondern das BGB, deshalb wird sie manchmal
auch als BGB-Gesellschaft bezeichnet.
Die GbR ist keine Firma, sondern eine Vereinigung von Personen zur Erreichung eines ge-
meinsamen Zieles. Dieses Ziel kann ein Freizeitziel sein, wie gemeinsam zu einem Konzert
fahren, oder ein geschäftliches Ziel, wie gemeinschaftlich Acker zu bewirtschaften und Nutz-
tiere zu halten. Auch kann das Ziel endlich sein (Konzertbesuch) oder ohne festes Ende
(Landwirtschaft).
In der GbR haften alle Gesellschafter persönlich, im Zweifel als Gesamtschuldner. Damit ist
die Haftung ähnlich wie in der OHG.
Die Geschäftsführung und Vertretung wird in der GbR nach BGB gemeinschaftlich übernom-
men. D.h. immer alle Gesellschafter zusammen. In Ausnahmefällen kann die Vertretung von
einem Gesellschafter mit Vollmacht aller anderen Gesellschafter übernommen werden.

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Gewinne und Verluste werden in der GbR grundsätzlich nach Köpfen verteilt (BGB). Vertrag-
lich können andere Regelungen getroffen werden.
Die Gründung der GbR ist formlos. Sie wird in kein Register eingetragen. Die Kapitalaufbrin-
gung erfolgt durch die Gesellschafter, es entsteht Gesamthandvermögen und bei geschäftli-
chen GbR Sonderbetriebsvermögen.
Vorteile der GbR sind die einfache Gründung und die Möglichkeit der freien Gestaltung der
Gesellschaft. Die Nachteile sind ähnlich wie in der OHG. Eine GbR ist eine typische „Schön-
wettergesellschaft“.
Da in den letzten Jahren immer mehr geschäftliche GbR gegründet wurden (vor allem in der
Landwirtschaft), hat sich die Rechtsprechung zur GbR, insbesondere zu ihrer Rechts- und
Parteifähigkeit, gewandelt. Als Außen-GbR kann eine GbR Rechts- und Parteifähig erlangen
für eigene Rechte und Pflichten, die sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr erwirbt. Sie ist
im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig und wird zunehmende wie eine OHG behandelt.
Sie kann inzwischen bewegliches Eigentum erwerben, z.B. Fahrzeuge, und Konten bei Kre-
ditinstituten führen. Die Grundbuchfähigkeit ist noch nicht möglich, d.h. eine GbR kann keine
Grundstücke erwerben und unter ihrem Namen ein Grundbuch führen.
Freiberufliche Partnerschaftsgesellschaft
Für Vertreter freier Berufe ist die GbR keine ideale Rechtsform, da z.B. die gegenseitige Haf-
tung und die Verteilung des Gewinnes nach Köpfen nicht den berufsrechtlichen Vorschriften
entsprechen. Deshalb wurde in Deutschland mit dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
vom 25. Juli 1994 die Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft geschaffen.
Die Partnerschaft ist nach § 1 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) eine Gesellschaft,
in der sich Angehörige freier Berufe zur Ausübung ihrer Berufe zusammenschließen. Sie übt
kein Handelsgewerbe aus. Angehörige einer Partnerschaft können nur natürliche Personen
sein, eine bloße Kapitalbeteiligung ist nicht zulässig.
Zur Gründung ist ein schriftlicher Vertrag erforderlich und die Eintragung in das Partner-
schaftsregister. Die Kapitalaufbringung erfolgt durch die Gesellschafter. Die Partnerschafts-
gesellschaft entsteht nach außen mit der Eintragung im Partnerschaftsregister.
Der Name der Partnerschaftsgesellschaft muss aus dem Namen mindestens eines Gesell-
schafters, den Berufsbezeichnungen aller Gesellschafter und dem Zusatz „Partnerschafts-
gesellschaft“ oder einer eindeutigen Abkürzung davon bestehen. Im Namen der Gesell-
schaft darf weder ein unbeteiligter Dritter noch ein irreführender Zusatz erscheinen. Beispiel:
„Müller & Partner Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Partnerschaftsge-
sellschaft“.
Die Haftung in der Partnerschaftsgesellschaft ist nach innen beschränkt als persönliche Haf-
tung der Partner für die Schäden, die aus ihrer Berufsausübung entstehen. Häufig in den
Verträgen der Abschluss von Haftpflichtversicherungen verlangt, um das Risiko für die ande-
ren Partner zu verringern. Eine gemeinschaftliche Haftung entsteht nur für Geschäfte, die
die Partner gemeinsam außerhalb ihrer engeren Berufsausübung vollziehen, z.B. für die Mie-
te der Büros oder die Beschäftigung gemeinsamen Personals.
Ein Partner kann aus der Gesellschaft ausscheiden durch Tod, Insolvenzverfahren oder Aus-
tritt. Die Beteiligung ist nicht vererblich, die Gesellschaft wird von den übrigen Gesellschaf-
tern weitergeführt. Bei Tod des namensgebenden Gesellschafters kann die Gesellschaft mit
dem Namen weitergeführt werden, es gelten die firmenrechtlichen Vorschriften des HGB.
Geschäftsführung und Vertretung wird von jedem Partner in Alleinvertretung übernommen.

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2.2 Die Kommanditgesellschaft KG


In der OHG sowie den verwandten Rechtsformen haben alle Gesellschafter grundsätzlich
die gleichen Rechte und Pflichten. Soll eine Personengesellschaft gebildet werden, in der
die Rechte und Pflichten unterschiedlich stark verteilt sind, so biete sich die Kommanditge-
sellschaft KG nach HGB an.
Eine Kommanditgesellschaft (KG) ist eine Personengesellschaft, in der sich zwei oder mehr
natürliche Personen oder juristische Personen zusammengeschlossen haben, um unter ei-
ner gemeinsamen Firma ein Handelsgewerbe zu betreiben, wobei mindestens ein Gesell-
schafter ein Kommanditist und ein weiterer Komplementär ist.
Der Komplementär ist der Vollhafter. Er hat im Wesentlichen die gleichen Rechte und
Pflichten wie ein OHG-Gesellschafter. In der Regel gibt es nur einen Komplementär, dieser
kann eine natürliche (echte KG) oder juristische Person (Misch-Rechtsform) sein.
Der oder die Kommanditisten sind lediglich Teilhafter. Sie haben geringere Rechte und
Pflichten als der Komplementär.
Firma
Die KG ist immer Kaufmann und damit Firma. Der Name der Firma besteht aus der Firmen-
bezeichnung, die eine Personen-, Sach- oder Fantasiefirma sein kann, und dem Zusatz
„Kommanditgesellschaft“ bzw. „KG“. Häufig wird die Firma des Komplementärs vollständig
oder teilweise in der Firma der KG wiederholt.
Haftung
Der Komplementär haftet wie in der OHG unbeschränkt, unmittelbar und primär. Der Kom-
manditist haftet als Teilhafter nur mit seiner Einlage. Die Höhe der Einlage vertraglich ver-
einbart und im Handelsregister veröffentlicht.
Geschäftsführung und Vertretung
Die Geschäftsführung und die Vertretung werden grundsätzlich durch den Komplementär
übernommen. Vertraglich können auch allen oder einzelnen Kommanditisten Geschäftsfüh-
rungs-- und Vertretungsrechte zugestanden werden.
Gründung
Die Gründung setzt im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern den Abschluss eines
Gesellschaftvertrages zwischen mindestens einem Komplementär und einem Kommanditis-
ten voraus. Der Vertrag ist formfrei. Im Außenverhältnis besteht die KG bereits mit Aufnah-
me der Geschäfte. Unabhängig hiervon sind weiterführende Formalitäten (Gewerbeanmel-
dung bei der Gewerbeaufsicht, Eintragung im Handelsregister) durchzuführen. Die Wirksam-
keit des Gesellschaftsvertrages ist hiervon unberührt. Auch ist die Eintragung kein Grün-
dungserfordernis, sondern lediglich der Abschluss eines Gesellschaftervertrages und die
Aufnahme der Geschäftstätigkeit zum Betreiben eines Handelsgewerbes. Die beschränkte
Haftung der Kommanditisten beginnt nach außen jedoch erst mit Eintragung im Handelsre-
gister.
Die Kapitalaufbringung zur Gründung und später erfolgt durch den Komplementär und die
Kommanditeinlagen der Kommanditisten.
Rechte und Pflichten der Kommanditisten
Die Rechte und Pflichten des Komplementärs sind gleich denen eines OHG-Gesellschafters,
die Rechte der Kommanditisten sind:
- Das Recht auf Widerspruch gegen Handlungen, die über den gewöhnlichen Ge-
schäftsbetrieb hinausgehen.

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- Das Recht auf Kontrolle. Der Kommanditist hat das Recht auf Einsicht in alle Unter-
lagen, die zum letzten Jahresabschluss führten. In laufende Bücher oder andere Un-
terlagen hat der Kommanditist kein Kontrollrecht.
- Recht auf einen Anteil am Gewinn der KG. Dieser besteht nach HGB aus einer Ver-
zinsung in Höhe von 4% auf den Kommanditanteil und einem angemessenen Anteil
am Restgewinn. Vertraglich können abweichende Regelungen getroffen werden.
- Das Recht auf Verwendung des Gewinnes. Der Kommanditist kann die sofortige
Auszahlung seines Gewinnanteiles verlangen. Buchhalterisch wird der Gewinnanteil
der Kommanditisten als „Verbindlichkeit der Gesellschaft gegen Gesellschafter“ ge-
bucht, damit aus dem nicht ausgezahlten Gewinnanteil kein haftendes Eigenkapital
wird. Alternativ kann der Kommanditist auch seinen Gewinnanteil verwenden, um die
Höhe seiner Kommanditeinlage zu erhöhen. Das muss dann jedoch im Handelsregis-
ter eingetragen werden.
- Recht auf Kündigung zum Ende des Geschäftsjahres mit einer dreimonatigen bis
fünfjährigen Frist. Zum Termin des Austrittes des Kommanditisten erhält er seinen
Kommanditanteil zuzüglich eines noch nicht ausgezahlten Gewinnes bzw. abzüglich
von Verlustanteilen ausbezahlt.
Die Pflichten der Kommanditisten sind
- Die Pflicht zur Leistung der vereinbarten Einlage als bar- oder Sacheinlage. Ist die
Einlage zum Termin nicht oder nicht vollständig geleistet, entsteht eine Forderung
der Gesellschaft gegen den Kommanditisten. Er haftet schon mit der ausstehenden
Einlage. Diese kann auch verzinst werden.
- Die Pflicht zur Haftung in Höhe der Einlage, die im Handelsregister eingetragen ist.
- Die Pflicht zur Beteiligung an Verlusten der KG in angemessener Höhe. Die konkre-
te Bestimmung der Verlustbeteiligung der Kommanditisten muss vertraglich geregelt
werden. Es kann auch vereinbart werden, da Verluste allein der Komplementär zu tra-
gen hat. Verlustanteile werden in der Buchhaltung als „Forderung der Gesellschaft
gegen Gesellschafter“ gebucht. Der Kommanditist kann diese Forderung der Gesell-
schaft durch Einzahlung in Höhe seines Verlustanteils begleichen oder der Verlustan-
teil wird mit zukünftigen Gewinnen verrechnet.
Vorteile der Kommanditgesellschaft sind die höhere Kapitalaufbringung, die teilweise Haf-
tungsbeschränkung und die Möglichkeit, eine straffe Leitung durch den Komplementär zu in-
stallieren. Nachteile sind aus Sicht des Komplementärs vor allem die Vollhaftung und aus
Sicht der Kommanditisten die eingeschränkten Rechte.

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3 Kapitalgesellschaften
Die Kapitalgesellschaft ist eine private, auf einem Gesellschaftsvertrag beruhende Körper-
schaft, deren Mitglieder einen gemeinsamen, meist wirtschaftlichen, Zweck verfolgen.
Kapitalgesellschaften zeichnen sich durch folgende gemeinsame Merkmale aus:
- Kapitalgesellschaften sind juristische Personen mit Rechtsfähigkeit und Parteifähig-
keit. Der Bestand der Kapitalgesellschaft ist unabhängig von ihren Mitgliedern.
- Zur Gründung einer Kapitalgesellschaft ist ein mehrstufiger Gründungsvorgang
notwendig, bestehend aus
o Abschluss des Gesellschaftsvertrags bzw. Aufstellung der Satzung,
o Feststellung des Vertrages bzw. der Satzung durch notarielle Beurkundung
o Aufbringen des Gründungskapitals durch die Gründer und
o Eintragung in ein Handelsregister.
- Es gibt gesetzliche Kapitalaufbringungs- und Erhaltungsvorschriften für das Stamm-
oder Grundkapital.
- Die Vertretung und Geschäftsführung kann durch Nichtgesellschafter (Fremdorgan-
schaft) erfolgen.
- Die Willensbildung folgt dem Mehrheitsprinzip nach Maßgabe der Kapitalanteile.
- Es gibt keine unmittelbare Haftung der Mitglieder gegenüber Gesellschaftsgläubigern
und keine oder nur sehr eingeschränkte (z. B. im Gründungsvorgang) mittelbare
Durchgriffshaftung bei voller Haftung der Gesellschaft mit ihrem gesamten Gesell-
schaftsvermögen (Trennungsprinzip).
In der Regel ist eine Kapitalgesellschaft nach Leistung der Einlage an der Person ihrer Mit-
glieder (Gesellschafter, Anteilseigner) nicht mehr interessiert, da die Gesellschafter für Ge-
sellschaftsverbindlichkeiten weder mit ihrem Vermögen einzustehen haben, noch irgend-
welche Dienste gegenüber der Gesellschaft zu erbringen haben.
Nach den gesetzlichen Regelungen gibt es in Deutschland vier Arten von Kapitalgesellschaf-
ten:
- die Aktiengesellschaft (AG) mit der besonderen Form der Europäischen Gesellschaft,
- die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA),
- die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und
- die Genossenschaft.

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3.1 Die Aktiengesellschaft AG


Eine Aktiengesellschaft (AG) ist eine privatrechtliche Vereinigung. Es handelt sich um eine
Kapitalgesellschaft, bei der das Grundkapital in Aktien zerlegt ist. Die Aktiengesellschaft ist
eine international bedeutsame Unternehmensform. Rechtliche Grundlage ist in Deutschland
das Aktiengesetz (AktG) in Verbindung mit dem Handelsgesetzbuch (HGB).
Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaftsform, die in der Regel den Betrieb eines Unter-
nehmens zum Gegenstand hat. Sie gilt als typische Unternehmensform von Wirtschaftsun-
ternehmen mit großem Kapitalbedarf. Bei der Aktiengesellschaft stellt sich die kapitalgesell-
schaftliche Konzeption, die auf Vermögensvereinigung und Vermögensmehrung gerichtete
Zielsetzung am deutlichsten dar.
Die Aktiengesellschaft zeichnet sich insbesondere durch folgende Eigenschaften aus:
- Sie ist eine Körperschaft, also eine auf Mitgliedschaft beruhende, aber als Vereini-
gung selbständig rechtsfähige rechtliche Einheit, die selbst als Träger von Rechten
und Pflichten auftritt und vor Gericht klagen und verklagt werden kann (juristische
Person).
- Sie ist eine Kapitalgesellschaft, also auf ein bestimmtes Grundkapital gestützt. Die
Haftung der Mitglieder, also der Aktionäre, ist auf dieses Kapital beschränkt.
- Das Grundkapital ist in Aktien zerlegt. Diese sind heute selten in Aktienurkunden ver-
brieft. Börsennotierte AGs verbriefen ihre Aktien oft nur in einer Globalurkunde, die
bei der Clearstream International S.A. hinterlegt wird.
- Im Regelfall sind die Aktien übertragbar (fungibel). Es gehört allerdings nicht zu den
notwendigen Wesensmerkmalen einer Aktiengesellschaft, dass die Aktien an einer
Börse gehandelt werden.
- Die Aktiengesellschaft vereint in der Regel eine große Anzahl von (vielfach passiven)
Aktionären, die ihr Kapital in die Unternehmung investiert haben, um Erträge zu er-
wirtschaften. Die Aktionäre nehmen ihre mitgliedschaftlichen Rechte in der Regel in
Aktionärsversammlungen durch Ausübung ihres Stimmrechts war. Die Geschäfte der
Gesellschaft werden aber von besonderen Organen geführt, wobei die Details je
nach Land unterschiedlich sind.
Die Aktiengesellschaft ist aus dem heutigen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken.
Deshalb kommt ihr auch eine wichtige Bedeutung zu.
Aktiengesellschaften können sich durch Ausgabe neuer Aktien oder durch die Begebung von
Anleihen leichter neues Kapital beschaffen, als dies bei vielen anderen Unternehmensfor-
men der Fall ist, vor allem dann, wenn die Gesellschaft an der Börse gehandelt wird. Des-
halb ist die Aktiengesellschaft die Unternehmensform der Wahl für Großunternehmen, aber
auch für Unternehmen, die schnell wachsen, etwa in neuen Wirtschaftszweigen.
Der Bestand des Unternehmens wird von seinen Eigentümern unabhängig, anders als etwa
bei einer Einzelunternehmung oder OHG. Damit wird die Existenz dauerhafter.
Vor allem bei börsennotierten Unternehmen oder bei Mitarbeiterbeteiligungen besteht die
Möglichkeit, dass sich auch Kleinanleger beteiligen und somit am Unternehmenserfolg teil-
haben. Bei Misserfolg des Unternehmens besteht das Risiko des Totalverlustes des einge-
setzten Kapitals, jedoch in der Regel keine darüber hinausgehende Nachschusspflicht.
Die Aktiengesellschaft ist immer Kaufmann (Formkaufmann). Die Firma der Aktiengesell-
schaft besteht aus dem Namen und dem Zusatz Aktiengesellschaft oder einer Abkürzung
davon.

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Gründung
Die Gründung der Aktiengesellschaft erfolgt in Etappen.
Zunächst wird ein notarieller Vertrag aufgestellt, die Satzung der Aktiengesellschaft. In die-
sem Vertrag ist unter anderem die Höhe des Grundkapitals der Aktiengesellschaft (mindes-
tens 50.000 €) und dessen Aufteilung auf Anteilsscheine (Aktien) geregelt.
Dann übernehmen der oder die Gründer sämtliche Aktien gegen Leistung von Bar- oder
Sacheinlagen. Häufig wird dabei ein Aufgeld (Agio) aufgeschlagen, um die Gründungskosten
nicht aus dem Grundkapital bezahlen zu müssen und am Anfang der Unternehmung Rückla-
gen zu besitzen.
Der notarielle Vertrag und die Verteilung der Aktien werden von einem Wirtschaftsprüfer
kontrolliert und testiert.
Ist alles nach den gesetzlichen Vorschriften abgelaufen, erfolgt die Eintragung der Aktienge-
sellschaft im Handelsregister. Die Eintragung und Veröffentlichung im Handelsregister hat
rechtserzeugende (konstitutive) Wirkung, d.h. die Aktiengesellschaft besteht erst mit der
Veröffentlichung. Vor Veröffentlichung besteht eine Vorgesellschaft in Rechtsform der GbR,
d.h. mit voller Haftung der Gesellschafter.
Aktien
Die Aktie ist das in einer Urkunde verbriefte Anteilsrecht an einer Aktiengesellschaft. Es gibt
verschiedene Arten von Aktien.
Nach der Übertragbarkeit unterscheidet man Inhaberaktien (gehören immer dem aktuellen
Inhaber) und Namensaktien (gehören dem im Aktienbuch der Aktiengesellschaft verzeich-
netem Inhaber). Eine besondere Form sind vinkulierte (gebundene) Namensaktien, bei de-
nen mit dem Aktienanteil weitere Rechte verbunden sind, z.B. Liefer- oder Bezugsrechte.
Nach dem Umfang der mit den Aktien verbundenen Rechten unterscheidet man Stammak-
tien mit allen Rechten und Vorzugsaktien mit eingeschränkten Rechten. Vorzugsaktien
haben zum Beispiel keine Stimmrechte auf der Hauptversammlung. Als Ausgleich werden
sie jedoch häufig bevorzugt bei der Gewinnverteilung.
Abbildung 4: Wem gehören die Aktien in Deutschland?

Anteile am Aktienbesitz Privatpersonen


incl.
Organisationen
Fondgesellschaft 14,1%
en
4,4%

Versicherungen
5,1%
Unternehmen
Staat 45,6%
5,8%

Banken
7,5%
Ausländische
Aktionäre
17,5%

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Nach dem Zeitpunkt der Ausgabe der Aktien unterscheidet man alte Aktien, die schon länger
als ein Wirtschaftsjahr bestehen, und junge Aktien, die erst im laufenden Wirtschaftsjahr
ausgegeben wurden und häufig noch keine Dividendenberechtigung haben.
In Deutschland ist der Besitz von Aktien als Form des Sparens und der Altersvorsorge wenig
ausgeprägt, den meisten Menschen sind Aktien unverständlich und zu riskant. Nur etwa
14% der Aktien gehören Privatpersonen, die Mehrheit der Aktien ist im Besitz von Unter-
nehmen und des Staates (siehe Abbildung).
Organe
Die Organe der Aktiengesellschaft sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die
Hauptversammlung.

Abbildung 5: Organe der Aktiengesellschaft

Vorstand
Der Vorstand der Aktiengesellschaft ist das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan. Er
besteht aus einer oder mehreren Personen, die nach dem AktG gemeinschaftlich die Ge-
schäftsführung und Vertretung wahrnehmen. In der Satzung der Aktiengesellschaft können
auch andere Modelle wie die Einzelvertretung oder die Vertretung durch zwei Vorstände
bzw. einem Vorstand zusammen mit einem Prokuristen vorgesehen werden. Beschlüsse
werden vom Vorstand einstimmig gefasst oder mit Mehrheit, wobei der Vorsitzende in der
Regel zwei Stimmen hat.
Der Vorstand wird vom Aufsichtsrat für eine Höchstdauer von 5 Jahren bestellt. Die Vor-
stände erhalten einen zeitlich befristeten Dienstvertrag und werden in das Handelsregister
als Vorstände eingetragen. Sie wählen aus ihrer Mitte einen Vorstandsvorsitzenden bzw.

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Sprecher des Vorstandes. Die Namen aller Vorstände und des Vorstandsvorsitzenden sind
auf den Geschäftsbriefen der Aktiengesellschaft aufzuführen. In Aktiengesellschaften, die
den Mitbestimmungsgesetzen unterliegen, wird ein Vorstand (der Arbeitsdirektor) von den
Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat allein bestimmt.
Die Aufgaben und Pflichten des Vorstandes sind:
- die Leitung und Verwaltung des Unternehmens,
- die Berichterstattung an den Aufsichtsrat regelmäßig, mindestens alle 3 Monate,
- die Erstellung des Jahresabschlusses innerhalb von 3 Monaten nach Ende des Wirt-
schaftsjahres, sowie
- die Anmeldung des Insolvenzverfahrens bei Überschuldung oder drohender Zah-
lungsunfähigkeit der Aktiengesellschaft.
Die Vorstände erhalten ein Gehalt plus Tantiemen. Tantiemen sind variable ergebnisabhän-
gige Vergütungen. Sie können in bar oder als Beteiligung an der Aktiengesellschaft in Form
von Aktien oder Aktienoptionen ausgezahlt werden. Die Höhe der Tantiemen bemessen sich
als Anteil am Umsatz oder am Gewinn der Aktiengesellschaft oder werden vom Erreichen
anderer Leistungs- oder Ergebnis-Kriterien abhängig gemacht.
Aufsichtsrat
Der Aufsichtsrat ist das Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft. Er ist ab 500 Mitarbei-
ter gesetzlich vorgeschrieben.
Der Aufsichtsrat besteht aus mindestens 3 Mitgliedern, die nicht Aktionäre sein müssen.
Die Höchstzahl richtet sich nach dem Grundkapital und beträgt maximal 21. Die Mitglieder
müssen unbeschränkt geschäftsfähige natürliche Personen sein. Eine Person darf maximal
10 Aufsichtsrats-Mandate übernehmen und es darf keine unzulässigen Verflechtungen zwi-
schen dem Hauptberuf der Person und dem Aufsichtsratsmandat geben. Die Wahl der Auf-
sichtsräte erfolgt von der Hauptversammlung für höchstens 4 Jahre. Bei mehr als 2.000
Mitarbeitern werden 1/3 der Mitglieder des Aufsichtsrates von den Arbeitnehmern gewählt
(Mitbestimmungsrecht).
Die Aufgaben des Aufsichtsrates sind:
- die Bestellung des Vorstandes,
- die Überwachung und Beratung des Vorstandes,
- die Wahrung der Rechte der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand,
- die Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichtes und des Vorschlages des Vor-
standes zur Gewinnverteilung, sowie
- die Berichterstattung an die Hauptversammlung.
Hauptversammlung
Die Hauptversammlung ist das Beschlussorgan der Aktiengesellschaft.
Sie besteht aus den Aktionären oder deren Vertretern wie den Banken mit Depotstimm-
recht.
Mindestens einmal jährlich ist eine ordentliche Hauptversammlung innerhalb der ersten 8
Monate des Geschäftsjahres durchzuführen. Außerordentliche HV können auf Forderung
von Aktionären mit mindestens 5 % des Grundkapitals einberufen werden. Der Vorstand
bzw. der Aufsichtsrat muss eine außerordentliche Hauptversammlung in besonderen Situa-
tionen einberufen, z.B. wenn ein Verlust in Höhe des Grundkapitals erreicht wurde oder
wenn Kapitalerhöhungen oder –herabsetzungen geplant sind.

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Die Abstimmung auf der Hauptversammlung erfolgt nach Aktiennennwerten. In manchen


Aktiengesellschaften gibt es auch stimmrechtslose Aktien (Vorzugsaktien), diese dürfen
nicht mit abstimmen. Sofern in der Satzung der Aktiengesellschaft nichts anderes vorgese-
hen oder durch ein Gesetz geregelt ist, gilt für Abstimmungen die einfache Mehrheit. Für
einige Beschlüsse, wie beispielsweise eine Satzungsänderung oder die Liquidation der Ge-
sellschaft, ist die Zustimmung von mindestens drei Viertel des auf der Hauptversammlung
vertretenen Gesellschaftskapitals nötig. Damit reicht zur Verhinderung dieser Beschlüsse die
so genannte Sperrminorität von 25% plus eine Aktie.
Die Aufgaben der Hauptversammlung sind:
- Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre,
- die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat,
- die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinnes,
- die Bestellung der Abschlussprüfer, sowie
- Beschlussfassungen über Satzungsänderungen oder die Auflösung der Gesellschaft.
Jahresabschluss der Aktiengesellschaft
Der Jahresabschluss der Aktiengesellschaft besteht aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlust-
rechnung (GuV) sowie dem Anhang mit dem Lagebericht.
Der Jahresabschluss muss vom Vorstand innerhalb von 3 Monaten (große und mittelgroße
Kapitalgesellschaften) bzw. von 6 Monaten angefertigt werden. Bei großen und mittelgro-
ßen Kapitalgesellschaften ist die Prüfung des Jahresabschlusses durch einen Abschlussprü-
fer (vereidigter Wirtschaftsprüfer) vorgeschrieben.
Der Jahresabschluss und der Bericht der Abschlussprüfer werden vom Vorstand dem Auf-
sichtsrat vorgelegt, dieser oder die Hauptversammlung kann ihn feststellen.
Der Jahresabschluss wird im Handelsregister und bei großen Kapitalgesellschaften zuerst im
Bundesanzeiger veröffentlicht.
Gewinnverwendung
Der Bilanzgewinn der Aktiengesellschaft wird nach einem gesetzlich vorgeschriebenen Ab-
laufschema verteilt.
- Zunächst erfolgt der Ausgleich eines eventuellen Verlustvortrages aus dem Vorjahr.
- Dann wird die gesetzliche Rücklage in Höhe von 10% des Grundkapitals lt. Gesetz
oder höher lt. Satzung mit mindestens 5% des Jahresüberschusses durchgeführt.
- Anschließend kann die Bildung freier (satzungsmäßiger) Rücklagen in Höhe von ma-
ximal 50% des verbleibenden Überschusses durch Vorstand und Aufsichtsrat oder
durch die Hauptversammlung mit oder ohne Zweckbindung erfolgen.
- Der Rest ist der Bilanzgewinn, dieser kann als Dividende ausgeschüttet und/oder als
Gewinnvortrag auf neue Rechnung übernommen werden.
Verluste der Aktiengesellschaft werden zunächst aus den Rücklagen (umgekehrte Reihen-
folge) ausgeglichen. Reicht das nicht aus, wird ein Verlustvortrag gebildet. Übersteigt der
Verlustvortrag das gezeichnete Kapital, ist die Aktiengesellschaft überschuldet und der Vor-
stand muss Insolvenz anmelden.

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3.2 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH


Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist eine juristische Person des Privat-
rechts, an der sich andere juristische oder natürliche Personen mit einer Kapitaleinlage betei-
ligen. Sie gehört zur Gruppe der Kapitalgesellschaften. Als juristische Person ist die GmbH
selbstständige Trägerin von Rechten und Pflichten: Sie kann Eigentum erwerben, Verträge
abschließen und vor Gericht klagen und verklagt werden. Wie schon in der Bezeichnung zu
erkennen, haftet die GmbH grundsätzlich nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen, während
die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich nicht haften.
Die gesetzlichen Grundlagen der GmbH sind im GmbH-Gesetz und im HGB geregelt.
Firma
Die GmbH ist immer eine Firma (Formkaufmann). Die Firma besteht aus dem Namen der
GmbH und dem Zusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder einer Abkürzung da-
von.
Haftung
Die GmbH haftet mit dem Kapital der juristischen Person. Die Gesellschafter haften nicht.
Vertraglich lässt sich allerdings eine beschränkte oder unbeschränkte Nachschusspflicht
vereinbaren.
Gründung
Zur Gründung der GmbH ist ein notariell beurkundeter Vertrag (der Gesellschaftsvertrag oder
GmbH-Vertrag) notwendig. Diese Verträge gibt es auch als vereinfachtes Musterprotokoll.
Nach Unterzeichnung des Vertrages durch den oder die Gründer erfolgt die Kapitalaufbrin-
gung. Die GmbH verfügt über ein Stammkapital von mindestens 25.000 €. Dieses wird in
Stammeinlagen zu mindestens 1€ auf die Gesellschafter aufgeteilt. Jeder Gründer muss an-
schließend seine Stammeinlage mindestens zur Hälfte in bar oder in Sachwerten leisten.
Der Rest muss spätestens nach Aufforderung der Gesellschafterversammlung oder der Ge-
schäftsführung erbracht werden.
Der Notar prüft den Vertrag und die Kapitalaufbringung und bringt die GmbH zur Eintragung
in das Handelsregister. Die Eintragung hat rechtserzeugende Wirkung, die GmbH beginnt
mit der Veröffentlichung.
Organe
Die Organe der GmbH sind grundsätzlich die Geschäftsführung und die Gesellschafterver-
sammlung.
Ein Aufsichtsrat oder Beirat muss nach Aktiengesetz ab 500 Mitarbeitern eingerichtet wer-
den oder freiwillig.

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Abbildung 6: Organe der GmbH

Geschäftsführer
Die GmbH muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben.
Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer ist dabei nach GmbH-Gesetz organschaftlich aus-
gestaltet, d.h. alle Geschäftsführer handeln gemeinsam. Daneben besteht auch die Möglich-
keit der gemischten Gesamtvertretung. Bei dieser erfolgt die Vertretung der Gesellschaft
entweder durch die Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in
Gemeinschaft mit einem Prokuristen als rechtsgeschäftlichen Vertreter. Darüber hinaus be-
steht auch die Möglichkeit der Erteilung einer Generalhandlungsvollmacht, das heißt die Be-
stellung eines rechtsgeschäftlichen Vertreters der Gesellschaft, ohne Erteilung einer Proku-
ra.
Geschäftsführer können nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen sein. Die
Geschäftsführer führen die Geschäfte der GmbH nach den Weisungen der Gesellschafter-
versammlung und im Rahmen von Gesetz und Satzung. Die Geschäftsführer vertreten die
GmbH gerichtlich und außergerichtlich gegenüber Dritten. Die Vertretungsmacht der Ge-
schäftsführer ist Dritten gegenüber unbeschränkt und unbeschränkbar. Die Geschäftsführer
haben in Angelegenheiten der GmbH die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes an-
zuwenden.
Die Aufgabenteilung zwischen Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung ist nicht
wie bei der Aktiengesellschaft detailliert im Gesetz geregelt, sondern wird durch den Vertrag
bzw. die Beschlüsse der Gesellschaftsversammlung bestimmt. So gibt es GmbH, in der die
Geschäftsführer das Unternehmen weitestgehend selbständig führen und nur einmal jährlich
der Gesellschafterversammlung Bericht erstatten. In anderen GmbH treffen sich die Gesell-

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schafter regelmäßig in kurzen Abständen (täglich, wöchentlich) und erteilen den Geschäfts-
führern konkrete Anweisungen.
Insichgeschäfte sind nur zulässig, wenn sie im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschaf-
terbeschluss ausdrücklich gestattet sind.
Gesellschafterversammlung
Oberstes beschließendes Organ der GmbH ist die Gesellschafterversammlung, in der die
Gesamtheit der Gesellschafter repräsentiert ist. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich - soweit
nicht Gesetz oder Satzung etwas anderes bestimmen - auf alle Angelegenheiten der GmbH.
Die Gesellschafter fassen ihre Beschlüsse in der Versammlung, bei Einverständnis aller Ge-
sellschafter ist schriftliche Abstimmung ohne Abhalten einer Versammlung zulässig.
Aufsichtsrat bzw. Beirat
Der Aufsichtsrat oder Beirat muss bei mehr als 500 Mitarbeitern eingerichtet werden oder er
wird freiwillig im GmbH-Vertrag verankert. Für die GmbH gilt Mitbestimmungsrecht, d.h. bei
mehr als 2.000 Mitarbeitern müssen im Aufsichtsrat Mandate für die Vertreter der Arbeit-
nehmer vorgesehen werden.
Die Aufgabe des Aufsichtsrats besteht vorwiegend in der Überwachung und Beratung der
Geschäftsführung. Die Gesellschafterversammlung kann einzelne Rechte auf den Aufsichts-
rat übertragen. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Gesellschafterversammlung sehr
groß ist oder nur schwierig einberufen werden kann.
Unternehmergesellschaft oder Mini-GmbH
Seit der Reform des GmbH-Gesetzes von 2008 sind sogenannte Mini-GmbH in Deutschland
möglich. Damit reagierte der Gesetzgeber darauf, dass immer mehr Unternehmensgründer
keine GmbH gründeten, weil ihnen das zu umständlich und zu teuer ist, sondern lieber aus-
ländische Rechtsformen wie die britische Limited wählten.
Die Mini-GmbH heißt im Gesetz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder ab-
gekürzt „UG (haftungsbeschränkt)“. Sie darf nur neu von Existenzgründern gegründet wer-
den. Das Mindestkapital beträgt bei der Gründung ein Euro. Nach der Gründung müssen in
jedem Wirtschaftsjahr 25% des Gewinnes in eine Gewinnrücklage eingebracht werden, bis
eine Mindeststammeinlage von 25.000 € erreicht ist. Dann wird die Unternehmergesell-
schaft in eine GmbH umgewandelt.
Limited
Die Limited ist eine Rechtsform nach britischem Recht. Sie ist auf der Grundlage von EU-
Recht seit 1999 in Deutschland zulässig.
Dem Wesen nach ist es eine kleine Aktiengesellschaft, im englischen als „Private Limited
Company By Shares“ (Private beschränkte Gesellschaft auf Aktien) bezeichnet. Die Abkür-
zung ist „Ltd.“. Die Aktien der Limited werden privat gehalten und nicht öffentlich gehan-
delt, im Unterschied zur Public Limited Company (PLC), deren Aktien werden öffentlich ge-
handelt.
Die Limited wird von einem deutschen Unternehmer als britisches Unternehmen gegründet
und im britischen Handelsregister (Companies House) angemeldet. Das Companies House
ist anders als in Deutschland nicht ein Gericht, sondern eine dem Wirtschaftsministerium
unterstellte Verwaltungsbehörde mit Hauptsitz in Cardiff und Filialen in London und Edin-
burgh.
Die Organe der Limited sind:
- der Shareholder als Gesellschafter bzw. Aktionär, das kann auch eine einzelne Person
sein.

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- der Director als Geschäftsführer. Mindestens ein Director muss vorhanden sein und
es kann die gleiche Person sein wie der Shareholder.
- ein Secretary als Schriftführer. Der Secretary ist für die Überwachung des Unter-
nehmens, insbesondere des Directors, zuständig und für alle Meldungen an das
Handelsregister. Der Secretary darf nicht gleichzeitig Director sein.
Die Vorteile der Limited sind:
- Es gibt kein Mindeststartkapital, das Unternehmen kann mit einem britischen Pfund
gegründet werden.
- Es gibt nur geringe Gründungsformalitäten.
- Bei einem Aktionär ist kein Vertrag notwendig.
- Die Anmeldung im britischen Handelsregister geht sehr schnell und ohne große Prü-
fung. Bei Zahlung einer Gebühr erfolgt die Eintragung innerhalb eines Werktages.
- Änderungen in der Gesellschaft wie Gesellschafterwechsel oder Änderung des
Stammkapitals werden dem Handelsregister nur gemeldet und ohne Prüfung einge-
tragen.
Die Limited hat allerdings auch Nachteile, die auf dem britischen Rechtsverständnis und
Rechtssystem beruhen:
- Die Publizitätspflichten sind strenger als in Deutschland. Im Handelsregister müssen
mehr Informationen innerhalb kurzer Fristen eingetragen werden.
- Das britische Handelsregister verhängt sofort Bußgelder, wenn Meldungen nicht o-
der zu spät eingereicht werden.
- Die Publizität muss in englischer Sprache erfolgen.
- Es ist ein zusätzlicher Jahresabschluss nach britischem Recht erforderlich, neben
dem Jahresabschluss nach deutschem Recht für das deutsche Finanzamt.
- Ein Secretary in einem registered Office ist notwendig. Das ist häufig ein spezialisier-
ter Anwalt in Deutschland oder U.K., der auch zusätzliche Aufgaben übernehmen
kann wie die Übersetzung von Meldungen. Das kostet allerdings jedes Jahr Gebüh-
ren.
- Das deutsche Unternehmen muss als Niederlassung im Handelsregister eingetragen
werden.

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4 GmbH & Co. KG


Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft (GmbH &
Co. KG) ist im deutschen Recht eine Sonderform der Kommanditgesellschaft (KG) und somit
eine Personengesellschaft. Anders als bei einer typischen Kommanditgesellschaft ist der
persönlich haftende Gesellschafter (Komplementär) keine natürliche Person, sondern eine
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Ziel dieser gesellschaftsrechtlichen Kon-
struktion ist es, Haftungsrisiken für die hinter der Gesellschaft stehenden Personen auszu-
schließen oder zu begrenzen.
Firma
Die Firma ist eine Kommanditgesellschaft mit einer GmbH als Komplementär. Die Rechts-
form „GmbH & Co. KG“ muss erkennbar sein. Häufig wird die Firma des Komplementärs
Bestandteil der Firma der Kommanditgesellschaft.
Haftung
Der Vorteil der GmbH & Co. KG ist die beschränkte Haftung aller Gesellschafter nur mit ih-
ren Einlagen, entweder als Kommanditeinlagen oder als Stammeinlagen an der GmbH.
Geschäftsführung und Vertretung
Die Geschäftsführung und Vertretung wird durch die GmbH als Komplementär übernommen
und damit auch durch außenstehende Fachleute als Geschäftsführer der GmbH.
Gründung
Die Gründung der KG ist formlos, für die Gründung der Komplementär-GmbH gelten die Vor-
schriften für GmbH. Die Kapitalaufbringung erfolgt wie in einer einfachen Kommanditgesell-
schaft. Die GmbH kann Kapital in die Kommanditgesellschaft einbringen, muss das aber
nicht. Es reicht aus, dass sie die Vollhaftung sowie Geschäftsführung und Vertretung über-
nimmt.
Vorteile
- In der GmbH & Co. KG wird die Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters von
der GmbH übernommen. Die Haftung der hinter der GmbH stehenden Gesellschafter
beschränkt sich auf ihre Stammeinlagen bei der Komplementär-GmbH bzw. auf ihre
Kommanditeinlagen bei der KG. Damit wird eine volle Haftungsbeschränkung er-
reicht.
- Eine flexible Eigenkapitalbeschaffung ist über Kommanditeinlagen möglich, ohne
dass die Kapitalgeber Mitbestimmungsrechte bei üblichen laufenden Geschäften er-
halten.
- Die GmbH & Co. KG ermöglicht eine Geschäftsführung und Vertretung durch Dritte,
die GmbH-Geschäftsführer.
- Eventuell gibt es Vorteile im Mitbestimmungsrecht, so ist bei einer klein gehaltenen
GmbH kein Aufsichtsrat notwendig.
- Durch die GmbH als Komplementär wird die Kommanditgesellschaft „unsterblich“.
Nachteile
- Der Aufwand für die Buchführung ist entsprechend hoch, da sowohl für die KG als
auch für die GmbH die Bücher zu führen und Abschlüsse zu erstellen sind. Allerdings
lassen sich durch gestalterische Maßnahmen die Buchungsbewegungen bei der
Komplementär-GmbH sehr stark reduzieren, so dass bei geschickter Gestaltung der
Aufwand nicht sonderlich ins Gewicht fällt.

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- Die Kreditwürdigkeit ist eingeschränkt, da die Bank (relativ) wenig Sicherheiten gebo-
ten bekommt (nur das Gesamtkapital der GmbH und des Kommanditisten), da keine
natürlichen Personen uneingeschränkt persönlich haften.
- Die Geschäftsführervergütung der GmbH ist bei der KG steuerlich keine Betriebs-
ausgabe, sie mindert nicht den Gewinn der KG.
Ausprägungen
Für die GmbH & Co. KG gibt es zwei typische Ausprägungen, das Familienunternehmen und
das Filialunternehmen.
Bei der GmbH & Co. KG als Familienunternehmen werden die Familienmitglieder, die nicht
aktiv im Unternehmen mitarbeiten wollen oder können, als Kommanditisten am Familien-
vermögen beteiligt und erhalten als solche regelmäßige Gewinnanteile. Die unternehmeri-
schen Familienmitglieder sind an der GmbH beteiligt und arbeiten in dieser aktiv mit, z.B. als
Geschäftsführer.
Beim Filialunternehmen geht es darum, das ein Unternehmen über Filialen Produkte oder
Dienstleistungen in ganz Deutschland verkaufen möchte. Würde das Unternehmen überall
Niederlassungen gründen, hätte es einen hohen Buchhaltungs- und Kontrollaufwand, außer-
dem wären die Niederlassungsleiter lediglich Angestellte und dementsprechend motiviert.
Als GmbH & Co. KG gründet das Unternehmen überall Gesellschaften, an denen es als Kom-
manditist oder als Komplementär beteiligt ist. Der oder die anderen Gesellschafter der ört-
lichen Unternehmen sind ortsansässige Unternehmer und führen die örtlichen GmbH & Co.
KG in eigener Verantwortung. Damit entsteht eine unmittelbare Verantwortung und Motiva-
tion in den Filialen und der Buchhaltungsaufwand verteilt sich auf die örtlichen Unterneh-
men.
Ähnliche Rechtsformen
An Stelle der GmbH können auch andere Kapitalgesellschaften bzw. Rechtsformen in die
Kommanditgesellschaft als Komplementär eintreten.
Ist der Komplementär eine Aktiengesellschaft, entsteht eine AG & Co. KG. Bekannte Unter-
nehmen dieser Rechtsform sind z.B. die Remondis AG & Co. KG (Abfallentsorgung) oder der
Verlag Gruner & Jahr AG & Co. KG.
Auch eine ausländische Rechtsform wie die Limited kann Komplementär sein, dann entsteht
eine Ltd. & Co. KG. Die Drogeriekette Müller firmiert unter Müller Ltd. & Co. KG.
Eine relativ seltene Rechtsform für ein Unternehmen ist die privatrechtliche Stiftung. Tritt
die Stiftung in eine Kommanditgesellschaft als Komplementär ein, entsteht die Stiftung &
Co. KG. Ein bekanntes Beispiel ist die Lidl Stiftung & Co. KG.

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5 Genossenschaften
Die Genossenschaft ist eine besondere Rechtsform. Sie ist kein Unternehmen mit dem un-
mittelbaren Ziel, Gewinne zu erzielen. Die Genossenschaft ist eine Gesellschaft zur Förde-
rung des Erwerbs oder der Wirtschaft der Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäfts-
betriebs.
Sie wird im Wirtschaftsleben wie eine Kapitalgesellschaft behandelt. Die Genossenschaft
hat viele Gemeinsamkeiten mit der Aktiengesellschaft. Allerdings wird der Förderzweck der
Genossenschaft in bestimmten Regelungen berücksichtigt. So hat die Genossenschaft
steuerliche Vorteile gegenüber der Aktiengesellschaft.
Die Bildung von Genossenschaften zum gemeinsamen Übernehmen von Wirtschaftsaufga-
ben ist schon sehr alt. So gab es schon im Mittelalter in Europa
- Berggenossenschaften, in denen die Mitglieder gemeinsam Bergbau und Metallurgie
betrieben haben,
- Alpgenossenschaften, in denen die Bergbauern in den Alpen gemeinsam das Wei-
den der Tiere auf die Almen im Sommer sowie die Herstellung und Vermarktung von
Käse übernahmen,
- Markgenossenschaften in den Dörfern, in denen die Bauern gemeinsam das Weide-
land und den Wald bewirtschaftet haben, und
- Deichgenossenschaften an den Küsten und großen Flüssen, um gemeinsam Deiche
zum Hochwasserschutz zu bauen und zu unterhalten.
Mit der Bildung von modernen Genossenschaften zu anderen wirtschaftlichen oder sozialen
Zwecken wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern Europas begonnen.
So gründete der Unternehmer Robert OWEN in England Genossenschaften für seine Arbei-
ter, um diese mit Wohnungen und Lebensmitteln zu versorgen. In Deutschland waren die
Väter der Genossenschaftsbewegung Friedrich Wilhelm RAIFFEISEN (1818-1888) und Her-
mann SCHULZE-DELITZSCH (1808-1883).
RAIFFEISEN gründete im Schwarzwald Hilfsvereine zur Unterstützung der Not leidenden
ländlichen Bevölkerung. 1862 gründete er den „Heddesdorfer Darlehnskassenverein“, der
heute als erste Genossenschaft im Raiffeisenschen Sinne gilt.
SCHULZE-DELITZSCH startete in Delitzsch bei Leipzig eine Hilfsaktion, die den in Not gera-
tenen Handwerkern zugutekommen sollte. Nach den Grundsätzen der Selbsthilfe, Selbstver-
waltung und Selbstverantwortung gründete er 1847 die erste „Rohstoffassoziation“ für
Tischler und Schuhmacher und 1850 den ersten „Vorschussverein“ − den Vorläufer der heu-
tigen Volksbanken.
Auch im Einzelhandel etablierte sich schnell das Genossenschaftsprinzip. So schufen im
Jahr 1850 Handwerker und Arbeiter der sächsischen Kleinstadt Eilenburg die „Lebensmittel-
association“, die erste richtige Konsumgenossenschaft in Deutschland.
Heute gibt es z.B. Genossenschaften als
- Einkaufgenossenschaften, die über den gemeinsamen Einkauf für ihre Mitglieder,
z.B. Handwerker, Vorteile erwirtschaften,
- Kreditgenossenschaften, die Bankgeschäfte für ihre Mitglieder abwickeln und Kredite
vergeben,
- Warengenossenschaften, die den Bezug, den Absatz und die Verwertung landwirt-
schaftlicher Produkte für ihre Mitglieder übernehmen, diese heißen häufig „Raiffei-
sen-Warengenossenschaft eG“,

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- Teilproduktionsgenossenschaften, die Teilproduktionsaufgaben für ihre Mitglieder


übernehmen, wie die Verarbeitung von Milch (Molkereigenossenschaft) oder die
Herstellung und den Verkauf von Wein (Winzergenossenschaft) oder die Program-
mierung von Software und andere Leistungen für Steuerberater (DATEV e.G.),
- Produktivgenossenschaften, die eine gemeinsame Produktion organisieren, wie die
landwirtschaftlichen Agrargenossenschaften in den Neuen Bundesländern,
- Konsumgenossenschaften, die in den Bereichen Großeinkauf und Fertigung sowie
Verkauf an Verbraucher arbeiten, wie die EDEKA, und
- Baugenossenschaften, die Wohnhäuser bauen und an die Mitglieder vermieten.
Teilweise gibt es auch Zwangsgenossenschaften, wie die Jagdgenossenschaften, in denen
alle Waldbesitzer eines Jagdbezirkes zwangsweise vereinigt sind.
Firma
Die Genossenschaft ist eine Firma und damit eine juristische Person. Sie ist ein Formkauf-
mann. Die Firma besteht aus dem Namen der Genossenschaft und dem Zusatz „eingetra-
gene Genossenschaft“ oder einer Abkürzung davon, wie „e.G.“ oder „eG“.
Gründung
Zur Gründung einer Genossenschaft sind mindestens 3 Personen erforderlich (früher 7). Da-
rin zeigt sich wieder der Förderzweck: die Gründer wollen sich gegenseitig unterstützen. Die
Gründer können natürliche Personen sein oder juristische Personen.
Der weitere Ablauf der Gründung ist wieder ähnlich wie bei einer Aktiengesellschaft.
Zunächst müssen die Gründer ein Statut aufstellen, manchmal auch als Satzung bezeichnet.
Dann wählen die Gründer den Vorstand und den Aufsichtsrat. Das Statut sowie der Ablauf
der Gründung wird durch einen Prüfungsverband kontrolliert und die Ordnungsmäßigkeit
testiert. Anschließend erfolgt die Eintragung in das Genossenschaftsregister.
Mitgliedschaft in einer Genossenschaft
Mitglieder einer Genossenschaft können natürliche und juristische Personen werden.
Der Eintritt in die Genossenschaft erfolgt durch eine schriftliche Beitrittserklärung. Der Ein-
tritt wird mit Eintragung in die Liste der Genossen wirksam. Die Liste wird von der Genos-
senschaft geführt und an das Genossenschaftsregister gemeldet. Die Genossenschaft kann
im Statut Bedingungen für den Eintritt festlegen sowie die Möglichkeit, das über den Eintritt
von Personen im Vorstand oder auf der Generalversammlung abgestimmt wird.
Mit dem Eintritt zeichnet das zukünftige Mitglied einen oder mehrere Genossenschaftsantei-
le (auch Geschäftsanteile genannt). Nach der Aufnahme müssen diese dann eingezahlt wer-
den.
Aus einer Genossenschaft kann ein Mitglied ausscheiden:
- durch Austritt zum Ende eines Geschäftsjahres durch schriftliche Kündigung mit ei-
ner Frist von mindestens 3 Monaten, diese kann im Statut bis auf 5 Jahre verlängert
werden.
- durch Tod des Mitgliedes bei natürlichen Personen bzw. Liquidation bei juristischen
Personen. Die Erben bzw. die juristische Personen i.L. bleiben bis zum Schluss des
Geschäftsjahres Mitglied. Im Statut können auch längere Fristen festgelegt sein oder
eine automatische Übernahme der Mitgliedschaft durch Rechtsnachfolger wie Erben.
- durch Übertragung des Geschäftsguthabens auf einen anderen Genossen. Diese Art
des Ausscheidens muss im Statut der Genossenschaft vorgesehen sein.

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- durch Ausschluss aus der Genossenschaft bei schweren oder wiederholten Verstö-
ßen gegen die Interessen oder Statuten der Genossenschaft.
Geschäftsanteil und Geschäftsguthaben
Ein Geschäftsanteil ist der Betrag, mit dem sich ein Genosse an der Genossenschaft beteili-
gen kann. Die Höhe des Geschäftsanteils wird im Statut bestimmt.
Es ist auch möglich, mehrere Geschäftsanteile zu kaufen. In manchen Genossenschaften ist
auch die Teilung eines Geschäftsanteils möglich.
Zu Erwerb des Geschäftsanteils muss das Mitglied eine Mindesteinlage leisten. Das ist der
Betrag, den das Mitglied pro Geschäftsanteil mindestens einzahlen muss. Die Höhe der
Mindesteinlage wird im Statut bestimmt und beträgt mindestens 10% des Geschäftsanteils.
Sie kann auch 100% betragen, dann muss das Mitglied den Anteil sofort in voller Höhe leis-
ten. In einigen Genossenschaften wird zusätzlich noch ein Eintrittsgeld verlangt, welches in
die Rücklagen der Genossenschaft fließt und dem Mitglied beim Austritt nicht zurückgezahlt
wird.
Die Summe der eingezahlten Mittel eines Genossen ist sein Geschäftsguthaben. Damit ist
das Geschäftsguthaben der Betrag, mit dem der Genosse tatsächlich beteiligt ist. Er ergibt
sich aus der Summe der Einzahlungen plus seiner Gewinnanteile minus eventueller Verlust-
anteile. Das Geschäftsguthaben darf maximal der Höhe der Geschäftsanteil entsprechen.
Solange der Genosse seinen Geschäftsanteil nicht in voller Höhe geleistet hat, bekommt er
keine Gewinnanteile ausgezahlt, diese werden zur Erhöhung des Geschäftsguthabens ver-
wendet.
Die Summe der Geschäftsguthaben aller Mitglieder ist das Geschäftsguthaben in der Bilanz
der Genossenschaft als wichtigste Position es Eigenkapitals.
Haftung
Die Mitglieder der Genossenschaft haften grundsätzlich nur beschränkt mit ihrem Ge-
schäftsanteil. Im Statut kann eine erweiterte Haftung durch eine Nachschussleistung vorge-
sehen sein. Diese Nachschussleistung kann beschränkt sein, z.B. auf die Höhe der Anteile,
oder unbeschränkt.
Rechte und Pflichten der Genossen
Mit der Mitgliedschaft in einer Genossenschaft sind die folgenden Pflichten verbunden:
- Pflicht zur Leistung der Einzahlung auf den Geschäftsanteil nach dem Statut,
- eventuell eine beschränkte oder unbeschränkte Nachschusspflicht nach dem Statut,
und
- die Pflicht zur Beachtung der Bestimmungen des Statuts und der Beschlüsse der Ge-
neralversammlungen.
Die Rechte der Genossen sind:
- Das Recht auf die Benutzung der Einrichtungen der Genossenschaft.
- Das Recht auf die Teilnahme an der Generalversammlung.
- Das Recht auf die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung, wenn
mindestens 10% der Genossen das wollen.
- Das Recht auf einen Anteil am Gewinn. Der Gewinn wird in der Genossenschaft ähn-
lich wie in der Aktiengesellschaft berechnet und über die Geschäftsguthaben als Ver-
zinsung auf die Mitglieder verteilt.
- Das Recht auf Kündigung der Mitgliedschaft.

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- Das Recht auf die Rückzahlung des Geschäftsguthabens beim Austritt aus der Ge-
nossenschaft. Beim Austritt aus einer Genossenschaft erhält ein Mitglied nur sein
Geschäftsguthaben ausgezahlt. Ein eventuell durch die Genossenschaft erarbeitetes
Vermögen in Form offener Rücklagen (Gewinn- und Kapitalrücklagen) oder versteck-
ter Rücklagen (unterbewertete Vermögensgegenstände und immaterielles Vermö-
gen) bleibt in der Genossenschaft und wird nicht verteilt. Nach der Novelle des Ge-
nossenschaftsgesetzes vom 18.08.2006 kann in der Genossenschaft ein Reserve-
fond angelegt werden, aus dem ausscheidende Mitglieder Vermögensanteile ausbe-
zahlt bekommen können.
- Das Recht auf einen Anteil am Liquidationserlös. Wird die Genossenschaft ausgelöst,
wird ein Liquidationserlös im Verhältnis der Geschäftsguthaben unter den Genossen
aufgeteilt.
Prüfung
Die Genossenschaft unterliegt der Prüfungspflicht. Dazu muss sich jede Genossenschaft
einem Fachprüfverband anschließen und sich von diesem mindestens alle zwei Jahre prüfen
lassen. Die genossenschaftlichen Fachprüfverbände leisten darüber hinaus häufig auch Bera-
tungsdienste und übernehmen die Lobbyarbeit für die Genossenschaften.
Diese Prüfpflicht entspricht wieder dem Wesen der Genossenschaft. Viele Mitglieder
schließen sich zu einer Genossenschaft zusammen, um gemeinsam Vorteile zu erhalten. Da
aber die Mitglieder häufig kein ausreichendes Wissen und auch keine Zeit haben, die Lei-
tung der Genossenschaft zu überwachen, übernimmt das der Prüfverband.
Organe der Genossenschaft
Die Organe der Genossenschaft entsprechen denen der Aktiengesellschaft: Generalver-
sammlung, Aufsichtsrat und Vorstand.
Die Generalversammlung ist das Beschlussorgan der Genossenschaft. Sie wählt den Auf-
sichtsrat und den Vorstand, beschließt den Jahresabschluss und trifft alle Beschlüsse, die
das Statut der Genossenschaft betreffen.
An der Generalversammlung können alle Mitglieder der Genossenschaft teilnehmen. Die Ab-
stimmung in der Generalversammlung erfolgt grundsätzlich nach Köpfen, unabhängig vom
Geschäftsanteil. Im Statut können Ausnahmen festgelegt sein, die bis zum dreifachen Mehr-
fachstimmrecht (ein Mitglied mit drei oder mehr Geschäftsanteilen hat drei Stimmen) gehen.
Die Generalversammlung kann durch eine Vertreterversammlung ersetzt werden, wenn
mehr als 1.500 Genossen vorhanden sind.
Die Beschlüsse der Generalversammlung werden schriftlich dokumentiert, die Niederschrift
der Beschlüsse wird im Genossenschaftsregister hinterlegt.
Der Aufsichtsrat der Genossenschaft besteht aus mindestens 3 Genossen. Bei kleinen Ge-
nossenschaften bis 20 Mitglieder kann der Aufsichtsrat entfallen und durch die Generalver-
sammlung ersetzt werden. Bei großen Genossenschaften gilt Mitbestimmungsrecht, d.h. ab
500 Arbeitnehmern werden ein Drittel und ab 2.000 Arbeitnehmern die Hälfte der Aufsichts-
ratsmandate an Arbeitnehmervertreter vergeben. Der Aufsichtsrat ist das Kontroll- und Bera-
tungsorgan der Genossenschaft.
Der Vorstand der Genossenschaft besteht aus mindestens 2 Mitgliedern, in kleinen Genos-
senschaften kann er auch aus nur einem Mitglied bestehen. Der Vorstand hat die Gesamt-
befugnis für Geschäftsführung und Vertretung, die Rechte des Vorstandes können im Statut
auch abweichend bestimmt werden. Er wird von der Generalversammlung oder dem Auf-
sichtsrat gewählt.

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Ähnliche Rechtsformen
Auch die Rechtsform der Genossenschaft ist in der Europäischen Union harmonisiert wor-
den, im Ergebnis entstand die Europäische Genossenschaft. Weiterhin haben sich bestimm-
te Versicherungsgesellschaften in die Rechtsform „Versicherungsverein auf Gegenseitig-
keit“ entwickelt, die der Genossenschaft ähnlich ist.
Die Europäische Genossenschaft, auch Societas Cooperativa Europaea, kurz SCE, ist eine
Genossenschaft nach EU-Recht. Wesentliche Unterschiede zur deutschen Genossenschaft
sind:
- Der Organaufbau kann wie in Deutschland nach dem dualistischem System mit Vor-
stand und Aufsichtsrat erfolgen oder nach dem monistischem System mit Verwal-
tungsrat und Geschäftsführenden Direktoren, wie zum Beispiel in Niederlanden üb-
lich.
- Die Mitgliederzahl muss mindestens fünf natürliche oder juristische Personen betra-
ge,
- Das Gründungskapital muss mindestens 30.000 € betragen.
Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) ist eine spezielle Rechtsform für
Versicherungsunternehmen. Mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages wird der Ver-
sicherungsnehmer automatisch Mitglied der VVaG. Notwendige Leistungen der Versiche-
rung an geschädigte Mitglieder werden aus den Versicherungsbeiträgen gezahlt, verbleiben-
de Überschüsse werden verteilt. Reichen die Mitgliedsbeiträge nicht aus, können Fehlbeträ-
ge durch Beitragserhöhungen aufgebracht werden. Mit der Beendigung des Versicherungs-
vertrages endet auch die Mitgliedschaft in der VVaG, diese ist regelmäßig entschädigungs-
los. Die Organe der VVaG sind wie in der Genossenschaft aufgebaut. Ziel der VVaG ist nicht
die Erreichung eines hohen Gewinnes, sondern die gegenseitige Unterstützung bei auftre-
tenden, unverschuldeten Schäden. Typische Risiken, gegen die sich Mitglieder in VVaG ge-
genseitig versichern, sind Hagelschäden in der Landwirtschaft.

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6 Unternehmenszusammenschlüsse
6.1. Wesen der Unternehmenszusammenschlüsse
In der realen Wirtschaft arbeiten die Unternehmen nicht völlig autark, sondern mit anderen
Unternehmen zeitweilig oder dauerhaft zusammen.
Das Ziel der Unternehmenszusammenschlüsse ist primär immer die Erhöhung und Stabili-
sierung des Gewinnes, dieses Hauptziel wird untersetzt durch die verschiedenen Teil-
Zielstellungen, wie:
- die Sicherung der Beschaffungs- und Absatzbasis durch gemeinsamen Einkauf
oder gemeinsamen Absatz. Beispielsweise arbeiten Erdölunternehmen aus unter-
schiedlichen Ländern zusammen bei der Ausbeutung von großen Ölfeldern oder dem
Betrieb von Öltrassen. Oder ausländische Märkte werden von Unternehmen ge-
meinsam erschlossen.
- die Durchführung gemeinsamer Werbung. Werbung ist aufwendig, insbesondere
wenn große Kundengruppen angesprochen werden sollen. Deshalb schließen sich
Unternehmen manchmal zusammen, um gemeinsame Werbekampagnen durchzu-
führen. Oder die gemeinsame Werbung ist Bestandteil des Geschäftsmodells, zum
Beispiel bei Franchiseunternehmen. So sind viele McDonalds-Restaurants selbständi-
ge Unternehmen, die Werbung wird jedoch gemeinsam vom Franchisegeber McDo-
nalds durchgeführt. Auch gemeinsame Imagekampagnen zählen dazu, wenn z.B. ein
Industrieverband Imagewerbung für seine Mitglieder macht, wie die aktuelle Kam-
pagne der „forschenden Pharmaunternehmen“.
- höhere Erträge durch Beschränkung oder Ausschaltung des Wettbewerbs. Durch
die Zusammenarbeit kann es zu einer Verminderung des Wettbewerbes kommen,
wenn sich die Unternehmen auf Preise, Mengen oder Absatzgebiete einigen. Es ent-
steht ein Kollektivmonopol. Da das häufig negativ für die Verbraucher und die Volks-
wirtschaft insgesamt ist, werden solche Formen der Zusammenarbeit streng über-
wacht und meistens verboten.
- die Sicherung der Beschäftigung durch Übernahme von Aufträgen, die die Kapazi-
tät des einzelnen Unternehmens übersteigen. Insbesondere bei großen Projekten
wie dem Bau einen Flughafens oder einer Autobahn schließen sich kleine und mittle-
re Unternehmen zusammen, um gemeinsam das Projekt zu übernehmen. Damit wird
die Wettbewerbsfähigkeit der Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) ge-
stärkt und verhindert, das nur die wenigen großen Unternehmen lukrative Aufträge
erhalten und damit zu viel wirtschaftliche Macht.
- gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Die Forschung und die Ent-
wicklung neuer Produkte erfordern häufig einen großen Kapitaleinsatz über einen län-
geren Zeitraum und sind mit hohen Risiken verbunden. Deshalb schließen sich Un-
ternehmen zusammen, um diese Aufgaben gemeinsam zu übernehmen. Beispiels-
weise bei der Entwicklung neuer Medikamente arbeiten die Pharmaunternehmen
häufig zusammen. Da auch hier KMU häufig benachteiligt sind (geringe Kapitalkraft,
kaum eigene Forschungskapazitäten), fördert der Staat solche Projekte regelmäßig.
- die Rationalisierung von Fertigungsverfahren, der Fertigungsgegenstände und der
Sortimentsgestaltung. Die Entwicklung neuer Fertigungsverfahren sowie neuer Ma-
schinen und Werkzeuge ist ebenfalls langfristig sowie kapitalaufwendig und überfor-
dert häufig Unternehmen. Deshalb werden auch auf diesem Gebiet Gemein-
schaftsprojekte durchgeführt und vom Staat gefördert. Bei der Rationalisierung der
Sortimente vereinbaren Unternehmen, einen bestimmten Teil ihrer Produktpalette
nicht mehr selbst zu produzieren, sondern vom Kooperationspartner zu beziehen und

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unter eigenem Namen zu verkaufen. Damit kann jedes Unternehmen das komplette
Sortiment anbieten, aber sich in der Produktion auf einzelne Produkte spezialisieren.
- die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber ausländischen Unternehmen.
Trifft massive ausländische Konkurrenz auf einen Markt, auf dem bisher mehrere ein-
heimische Unternehmen im Wettbewerb stehen, kann es zur Bildung einer gemein-
samen Abwehr gegen die neue Konkurrenz kommen. Das ist typisch für den Wett-
bewerb im Oligopol (siehe VWL). Manchmal greift auch der Staat ein und zwingt die
Unternehmen zu Zusammenarbeit, wie im Beispiel der deutschen Steinkohleberg-
werke, die zur Ruhrkohle AG zusammengeschlossen wurden, um die Konkurrenzfä-
higkeit gegen importierte Steinkohle zu verbessern bzw. den geordneten und sozial-
verträglichen Ausstieg aus der Steinkohlenförderung in Deutschland zu gestalten.
- die gemeinsame Ausbildung und Personalentwicklung. Die Ausbildung von zu-
künftigen Mitarbeitern z.B. im Rahmen der Berufsausbildung oder von berufsbeglei-
tenden Studiengängen überfordert auch viele kleine und mittelständische Unterneh-
men. Ebenso die Weiterbildung und Personalentwicklung. Deshalb gibt es auch hier
eine Zusammenarbeit der Unternehmen, z.B. über die Verbände wie die Industrie-
und Handelskammern, die für die Unternehmen Berufsschulen betreiben und die
Prüfungen abnehmen. Oder die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hoch-
schulen in dualen Studiengängen.
Wie aus den Zielen der Zusammenarbeit bereits erkennbar wird, gibt es in der Zusammen-
arbeit neben den Vorteilen für die Unternehmen, die Kunden und die Volkswirtschaft insge-
samt auch Probleme. In der folgenden Tabelle sind die Vorteile und die Probleme aus der
Zusammenarbeit gegenübergestellt.
Tabelle 3: Vorteile und Probleme aus dem Zusammenschluss von Unternehmen
Vorteile Probleme
Sinkende Preise, z.B. durch Rationalisie- Steigende Preise durch Monopolbildung
rung, bessere Produktionsverfahren, For-
schung und Entwicklung
Verbesserung der Versorgung und Erhö- Verminderung der Angebotsvielfalt
hung der Markttransparenz, z.B. durch
neue Produkte, höhere Produktionsmengen
oder Verringerung der Anzahl der Anbieter
Erhaltung gefährdeter Unternehmen und Gefährdung und Abbau von Arbeitsplät-
Arbeitsplätze, z.B. durch gemeinsame zen, z.B. durch Wegfall doppelter Arbeits-
Übernahme von Großaufträgen oder Abwehr stellen beim Zusammenschluss von Unter-
ausländischer Konkurrenz nehmen
Beschleunigung des wissenschaftlich- Hemmung des wissenschaftlich-
technischen Fortschrittes, z.B. durch ge- technischen Fortschritts durch Monopolbil-
meinsame Forschung und Entwicklung bzw. dung und Abschottung des Marktes
durch gemeinsame Rationalisierung
Bessere außenwirtschaftliche Wettbewerbs- Hemmung des Strukturwandels durch
fähigkeit künstlichen Erhalt unwirtschaftlicher Struktu-
ren
Sicherung des Wirtschaftswachstums und Gefahr des politischen Missbrauchs der
des Sozialproduktes wirtschaftlichen Macht

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Deutlich wird, dass der Zusammenschluss der Unternehmen auf ein und denselben Aspekt,
wie z.B. den Preisen, positive und negative Wirkungen haben kann. Deshalb ist es eine
wichtige Aufgabe des Staates, Unternehmenszusammenschlüsse zu überwachen und regu-
lierend einzugreifen, wenn negative Wirkungen drohen. Diese Aufgabe wird in Europa und in
Deutschland von den Wettbewerbsbehörden wahrgenommen.

6.2 Formen
Kooperation und Konzentration
Zusammenschlüsse zwischen Unternehmen können in der Form der Kooperation oder der
Konzentration erfolgen.
In der Kooperation arbeiten wirtschaftlich und rechtlich weitgehend selbständige Un-
ternehmen zeitweise und/oder projektbezogen zusammen. Typische Formen der Ko-
operation sind:
- Interessengemeinschaften,
- Kartelle,
- Arbeitsgemeinschaften,
- Verbände und
- Konsortien.
Bei der Konzentration geben die Unternehmen ihre wirtschaftliche Selbständigkeit auf und
unterstellen sich einer umfassenden zentralen Leitung. Das erfolgt in der Form des Konzer-
nes oder des Trusts.
Erscheinungsformen
Unternehmenszusammenschlüsse weisen verschiedene Erscheinungsformen auf, die nach
wirtschaftlichen und rechtlichen Kriterien strukturiert werden können.
Aus wirtschaftlicher Sicht unterscheidet man
- horizontale Zusammenschlüsse von Unternehmen auf der gleichen Produktions-
oder Handelsstufe, wie der VW-Konzern als Zusammenschluss der Autobauer VW,
Audi, Skoda, Seat und Porsche.
- vertikale Zusammenschlüsse von Unternehmen aus aufeinanderfolgenden Produkti-
ons- oder Handelsstufen, wie der BP-Konzern, der beginnend mit der Förderung von
Erdöl über die Verarbeitung bis zum Verkauf des Benzins an Tankstellen die gesamte
Wertschöpfungskette beherrscht.
- anorganische Zusammenschlüsse von branchenfremden Unternehmen. Diese
nennt man auch Mischkonzerne oder Konglomerate. Beispielsweise der Oetker-
Konzern, der Lebensmittel und Backzutaten herstellt, Bier braut, im Rüstungsge-
schäft tätig ist und als Dienstleister ein Rechenzentrum für andere Unternehmen be-
treibt.
Aus rechtlicher Sicht gibt es die folgenden Stufen der Zusammenarbeit.
- mündliche oder schriftliche Vereinbarungen bzw. Abreden, die nur eine geringe
rechtliche Relevanz aufweisen und häufig nur zeitweilig gelten und nicht veröffent-
licht werden,
- die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) oder eines Konsortiums zur ge-
meinsamen Übernahme eines Projektes. Hier werden schriftliche Verträge ausgehan-
delt, die detailliert die Rechte und Pflichten der beteiligten Unternehmen regeln.

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Rechtlich sind diese Formen der Zusammenarbeit Gesellschaften bürgerlichen


Rechts (GbR).
- die gegenseitige Kapitalbeteiligung bzw. Kapitalverflechtung. Jedes Unterneh-
men erwirbt Kapitalanteile am anderen, ohne es vollständig zu beherrschen. Die Un-
ternehmen bleiben weitestgehend wirtschaftlich und rechtlich selbständig, können
sich aber zum Beispiel über die Besetzung von Aufsichtsratsmandaten gegenseitig
kontrollieren. In Deutschland ist das häufig zwischen Banken und Industrieunter-
nehmen der Fall. Beispielsweise besitzt die Deutsche Bank AG10% der Aktien der
Allianz AG, diese wiederum 6,9 % der Aktien der Deutschen Bank.
- die höchste Stufe des Zusammenschlusses ist die Verschmelzung mehrerer Unter-
nehmen, die Fusion. Hier geben die beteiligten Unternehmen ihre wirtschaftliche und
rechtliche Selbständigkeit vollständig auf.
Im Folgenden werden die wichtigsten Formen des Zusammenschlusses näher erläutert.
Interessengemeinschaft/ Arbeitsgemeinschaft
Die Interessengemeinschaft und die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) sind Formen der zeitlich
befristeten Zusammenarbeit rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Unternehmen unter
einer gemeinschaftlichen Führung. In der Interessengemeinschaft geht es um die Durchset-
zung eines gemeinsamen Interesses, z.B. die Einflussnahme auf ein gesetzgebungsverfah-
ren (Lobbyismus). In der Arbeitsgemeinschaft steht die Erlangung und Erledigung eines Auf-
trages bzw. eines Projektes im Mittelpunkt. Rechtlich handelt es sich um Gesellschaften
bürgerlichen Rechts (GbR).
Konsortium
Auch im Konsortium erfolgt eine zeitlich befristete Zusammenarbeit rechtlich und wirtschaft-
lich selbständiger Unternehmen, allerdings unter Leitung des Konsortionalführers. Konsorti-
en sind verbreitet bei großen Bauprojekten, in denen ein Generalauftragnehmer mit Hilfe
weiterer Konsortionalunternehmen das Projekt übernimmt, sowie im Bankenbereich bei der
Emission von Wertpapieren.
Kartell
Ein Kartell ist die vertragliche Absprache von Unternehmen über bestimmte Verhaltenswei-
sen. Die Unternehmen bleiben rechtlich vollständig und wirtschaftlich überwiegend selb-
ständig, die wirtschaftliche Handlungsweise wird durch den Vertrag koordiniert.
Da Kartelle versteckte Zusammenschlüsse sind und die Gefahr des Missbrauchs hoch ist,
sind sie grundsätzlich verboten. Ausnahmen sind anmeldepflichtige und erlaubnispflichtige
Kartelle.
Anmeldepflichtige Kartelle müssen den Kartellbehörden angezeigt werden, dieses über-
wacht das Kartell anschließend. Zulässige Formen sind:
- das Konditionenkartell, in dem einheitliche Grundsätze über Zahlungen (Zahlungs-
ziele, Zahlungsarten), Lieferungen (Verpackung, Kosten), oder Leistungen (Garantie-
leistungen) vereinbart werden. Da diese Vereinbarungen eher Vorteile für die Kunden
und die Volkswirtschaft bringen, sind solche Kartelle erlaubt.
- das Rationalisierungskartell, in dem die einheitliche Durchführung betrieblicher Ra-
tionalisierung, z.B. durch die Anwendung gemeinsamer Normen, Typen oder durch
Spezialisierung vereinbart wird.
- das Exportkartell zur Sicherung und Förderung des Exports durch Absprachen (kei-
ne gegenseitige Konkurrenz auf dem Weltmarkt).

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Beim erlaubnispflichtigen Kartelle muss die beabsichtige Gründung eines Kartells bean-
tragt werden. Erst wenn die Erlaubnis vorliegt, darf der Vertrag geschlossen werden. For-
men sind z.B.:
- das Krisenkartell zur gemeinsamen Überwindung einer Krise, z.B. durch gleichmä-
ßige Mengenbeschränkungen wie im Steinkohlebergbau in Deutschland.
- das Syndikat als gemeinsame Verkaufsstelle in eigener Rechtsform zum gemein-
schaftlichen Verkauf von Produkten.
Andere Kartelle sind grundsätzlich nicht zulässig. Ausnahmen werden mit Erlaubnis des
Wirtschaftsministers in Deutschland oder des Wettbewerbskommissars in der EU meist
zeitlich befristet erteilt. Verbotene Kartellformen sind z.B.:
- das Preiskartell, in dem einheitliche Preise oder Mindestpreise festgelegt oder
Preisabsprachen bei Ausschreibungen vorgenommen werden.
- das Produktions- oder Zuteilungskartell, in dem durch die Zuteilung von Produkti-
onsquoten und damit die künstliche Verknappung der Ware höhere Preise durchge-
setzt werden. Ein Beispiel ist die OPEC.
- das Gebietskartell, indem die Verhinderung gegenseitigen Wettbewerbs durch Zu-
teilung fester Verkaufsgebiete erreicht wird, beispielsweise in der Wasserversorgung
und –entsorgung.
Konzern
Ein Konzern ist ein Zusammenschluss von rechtlich selbständigen Unternehmen, die ihre
wirtschaftliche Selbständigkeit aufgeben, unter einer einheitlichen Leitung. Konzerne können
ausgeprägt sein als:
- Unterordnungskonzern, in dem die Unterordnung der Tochtergesellschaften unter
eine Muttergesellschaft erfolgt.
- Gleichordnungskonzern, indem die Konzernunternehmen gleichberechtigt sind und
sich durch den wechselseitigen Austausch von Aktien gegenseitig beherrschen.
- Holding, das ist ein Konzern mit einer Obergesellschaft, die nicht selbst produziert
und verkauft, sondern lediglich Finanzierungs- und Verwaltungsaufgaben wahrnimmt.
Die Verknüpfung erfolgt durch Aktientausch, Personalverflechtungen und Verträge.
(Beispiel: VW-Konzern als Holding mit den Produktionsunternehmen VW AG, Audi
AG, Skoda AG, Seat AG und Porsche AG).
Trust
Der Trust oder das Vereinigte Unternehmen ist die Verschmelzung von Unternehmen unter
Aufgabe der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbständigkeit. Vom Trust spricht man nur,
wenn das neue Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Er kann gebildet
werden durch:
- die Übernahme einer Gesellschaft durch eine andere Gesellschaft, z.B. die Übernah-
me der Mannesmann Mobilfunk AG durch die Vodafon AG. Kennzeichen ist häufig,
das der Name des übernehmenden Unternehmens weitergeführt wird und der des
übernommenen Unternehmens verschwindet oder lediglich als Markenname weiter
verwendet wird.
- die Verschmelzung der Gesellschaften und die Bildung einer neuen Gesellschaft.
Hier wird häufig ein neuer Name als Verbindung der alten Namen (z.B. PSA Citroen
Peugeot aus der Verschmelzung von Citroen und Peugeot) oder ein Kunstwort ver-
wendet (z.B. die Novartis AG, die aus der Ciba-Geigy AG und der Sandoz AG ent-
standen ist).

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Kartell- und Wettbewerbsrecht


Die Überwachung der Kartelle sowie der Bildung von Konzernen und Trusts (Fusionskontrol-
le) wird vom Kartell- und Wettbewerbsrecht geregelt. Zuständige Einrichtungen für die
Durchsetzung des Rechts sind in der EU die Europäische Kommission in Gestalt des Wett-
bewerbskommissars und in Deutschland das Bundeskartellamt und der Bundeswirtschafts-
minister.
Die Aufgaben des Bundeskartellamts sind:
- die Überwachung und Durchsetzung des Kartellverbotes,
- die Genehmigung von genehmigungspflichtigen Kartellen,
- die Fusionskontrolle,
- die Missbrauchsaufsicht sowie
- die Organisation und Koordination der Zusammenarbeit mit der EU und anderen Län-
dern.

7 Phasen (Gründung, Entwicklung, Krise (Sanierung und


Insolvenz), Liquidation)

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III. Materialwirtschaft, Beschaffung und Lagerwirtschaft


Am Beginn jeder realen wirtschaftlichen Tätigkeit steht die Beschaffung von Rohstoffen,
Material, Einbauteilen und Waren.
In Deutschland gibt es die alte Kaufmannsweisheit „Im Einkauf liegt der Gewinn!“.
In der Tabelle wird das an einem einfachen Beispiel demonstriert. Einem Händler gelingt die
Reduzierung des Einkaufspreises einer Ware von 75 € um 1 € auf 74 €. Das entspricht einer
Verringerung um 1,3%. Ohne weitere Änderungen verbessert sich der Gewinn des Händlers
um 11,1%, also um fast das 9fache (Variante 1). Gibt der Händler den Einkaufsvorteil an sei-
ne Kunden weiter (Variante 2), indem er den Verkaufspreis auch um 1 € senkt, bleibt sein ab-
soluter Gewinn zwar gleich, aber die Umsatzrendite steigt an. Gelingt es ihm, durch die
Preissenkung den Umsatz zu erhöhen, zum Beispiel um 5% (Variante 3), steigen sowohl der
absolute Gewinn als auch die Umsatzrendite.

Tabelle 4: Wirkung der Optimierung des Einkaufs auf den Geschäftserfolg

Wirkungen der Optimierung des Einkaufes auf den Geschäftserfolg

Position Ausgang Variante 1 Variante 2 Variante 3


Einkaufspreis 75,00 € 74,00 € 74,00 € 74,00 €
Umsatzmenge 500 500 500 525
Einkaufsaufwand 37.500,00 € 37.000,00 € 37.000,00 € 38.850,00 €
+ sonst. Aufwand 8.000,00 € 8.000,00 € 8.000,00 € 8.000,00 €
Gesamtaufwand 45.500,00 € 45.000,00 € 45.000,00 € 46.850,00 €

Verkaufspreis 100,00 € 100,00 € 99,00 € 99,00 €


Umsatz 50.000,00 € 50.000,00 € 49.500,00 € 51.975,00 €

Gewinn 4.500,00 € 5.000,00 € 4.500,00 € 5.125,00 €

Umsatzrendite 9,0% 10,0% 9,1% 9,9%


Einkaufspreisänderung -1,3% -1,3% -1,3%
Gewinnänderung 11,1% 0,0% 13,9%

Zur Beschaffung gehören die Teiltätigkeiten


- Bedarfsermittlung,
- Bezugsquellenermittlung,
- Vertragsabschluss und
- Lieferungsüberwachung.
Diese werden in den folgenden Kapiteln behandelt. Dabei wird von einem produzierenden
Unternehmen ausgegangen. Für Handelsunternehmen, Dienstleistungsunternehmen und
Banken gelten teilweise andere und besondere Regeln und Prämissen.

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Weiterhin wird die Lagerhaltung im Zusammenhang mit dem Einkauf behandelt. Die Lager-
haltung spielt jedoch auch im Absatz eine wichtige Rolle, jedoch sind die Probleme und Fra-
gestellungen ähnlich.
In den Unternehmen und in der BWL werden die Fragen des Einkaufs, des Absatzes und der
Lagerhaltung häufig als Logistik zusammengefasst und behandelt.

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1 Bedarfsermittlung
In der Bedarfsermittlung geht es um die Ermittlung der zu beschaffenden Waren. Dazu ist
der erwartete Absatz an Produkten im Produktionsunternehmen bzw. an Waren im Han-
delsunternehmen unter Einbeziehung der Lagerbestände Ausgangspunkt.
Der geplante Absatz wird von der Absatz- und Marketingeinheit des Unternehmens zur Ver-
fügung gestellt. Daraus wird der Bedarf an einzukaufenden Rohstoffen, Materialien, Teilpro-
dukten und Waren abgeleitet. Wie das genau vollzogen wird, wird im Kapitel V Punkt 1 „Ab-
lauf der Fertigung“ dargestellt.
Die Feststellung der Lagerbestände erfolgt durch die Lagerverwaltung. Diese arbeitet ma-
nuell zum Beispiel mit Karteikarten oder mit Hilfe von Rechentechnik. In modernen Unter-
nehmen erfolgt das ständig automatisch mit einem Warenwirtschaftssystem.
Zur Einkaufsplanung gehören die Bestandteile
 Sortimentsplanung,
 Mengenplanung,
 Zeitplanung und
 Preisplanung.
Sortimentsplanung
In der Sortimentsplanung geht es um die Fragestellung „Was soll gekauft werden?“.
Das ergibt sich im:
Einzelhandel aus der Bestimmung aus der Sortimentsstruktur. Diese Aufgabe wird
im Marketing unter Beachtung der Kundenwünsche erledigt.
Großhandel durch Reisende und Handelsvertreter, diese erkunden den Bedarf der
Kunden auf ihren Besuchen. Teilweise gibt es hier auch schon computergestützte
Systeme, in denen im Einzelhandel automatische Bestelllisten erzeugt und an den
Großhandel per Datenfernübertragung übermittelt werden. Diese Systeme nennt
man „Supply-Chain-Management“-Systeme.
Fertigungsbetrieb aus dem Produktionsprogramm. Das Produktionsprogramm ent-
scheidet über die Art und die Zusammensetzung des Bedarfs.
Mengenplanung
Die Aufgabe der Mengenplanung ist die Sicherstellung der ständigen Lieferfähigkeit des
Unternehmens. Grundlagen für Mengenplanung bilden statistische Angaben aus dem eige-
nen Unternehmen wie der tatsächliche Absatz in den vergangenen Perioden und Prognosen
zur Änderung des Absatzes in der Zukunft. Diese werden im Marketing getroffen und resul-
tieren zum Beispiel aus
dem Verlauf der Jahreszeit und der Witterung,
der Wirtschaftslage und daraus abgeleitet des Preisniveaus und der Kaufkraft,
Mode und Trends,
Zoll- und Steuermaßnahmen,
politische Ereignisse mit Einfluss auf das Kaufverhalten,
Änderungen im Kundenkreis,
Änderungen am Standort und in der Verkehrsanbindung,
örtliche Veranstaltungen oder

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Änderungen im Wettbewerb (Hinzukommen oder Aufgabe von Konkurrenten).


Für die konkrete Mengenplanung werden verschiedene Verfahren angewendet, wie die Net-
to-Bedarfsrechnung oder die Limit-Rechnung.

Abbildung 7: Netto-Bedarfsrechnung
Bei der Netto-Bedarfsrechnung wird aus dem Bruttobedarf unter Einbeziehung von Lager-
kennzahlen der Nettobedarf ermittelt, d.h. die tatsächlich zu bestellende Menge für jeden
Artikel.

Abbildung 8: Limit-Rechnung
In der Limit-Rechnung wird über alle Artikel oder für einzelne Artikelgruppen ein finanzielles
Einkaufslimit ermittelt.
Optimale Losgröße
Ein besonderes Problem in der Mengenplanung stellt die Ermittlung der optimalen Losgröße
jeder Bestellung dar.
Große Lose bzw. Bestellmengen haben folgende Vorteile:
hohe Lieferfähigkeit durch umfangreichen Lagerbestand,
günstige Netto-Einkaufspreise, z.B. durch Ausnutzung von Mengenrabatte und gerin-
gere Transportkosten je Mengeneinheit,
bessere Zahlungsbedingungen (Großkunde) und
weniger Bestellvorgänge und damit weniger Handlungs-Kosten.

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Allerdings erfordern große Lose auch ein großes Lager.


Kleine Bestellmengen bzw. Lose bedeuten
ein flexibleres Reagieren auf verändertes Kundenverhalten,
geringere Lagerkosten und
eine kürzere Lagerdauer und damit ein geringeres Lagerrisiko.
Ziel ist es, die optimale Bestellmenge zu ermitteln. Diese ist erreicht, wenn die Summe aus
Beschaffungs- und Lagerhaltungskosten am geringsten ist. Am folgenden Beispiel wird das
verdeutlicht. Die Ausgangsgrößen der Optimierung sind in der Tabelle gegeben.
Tabelle 5: Ausgangsdaten für die Ermittlung der optimalen Losgröße

Bestimmung der optimalen Bestellmenge

Aufwand pro Bestellung: 50,00 €


kleinste Bestellmenge/Chargengröße: 360 Stk.
täglicher Verbrauch 10 Stk.
jährlicher Verbrauch 3600 Stk.
Lagerkostensatz 5%
Bezugspreis 5,00 € / Stk.

Durch Berechnung der Beschaffungs- und Lagerkosten für 1 Los (360 Stück), 2 Lose usw.
kann jetzt die Optimierung durchgeführt werden. In der Abbildung ist die graphische Lösung
dargestellt.

Graphische Ermittlung der optimalen Bestellmenge

600 €
500 €
400 €
300 €
200 €
100 €
- €
0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000

Beschaffungskosten Lagerhaltungskosten Summe Beschaffungs- und Lagerkosten

Abbildung 9: Graphische Lösung zur optimalen Bestellmenge

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Zeitplanung
Ziel der Zeitplanung ist die Absicherung, dass neu gekaufte Güter bereit liegen müssen, be-
vor die alten Güter vollständig verbraucht bzw. verkauft sind. Dazu sind die Beschaffungs-
und Absatztermine aufeinander abzustimmen.
Der optimale Beschaffungszeitpunkt hängt ab von:
der Beschaffungsdauer und der Umsatzgeschwindigkeit der Waren. Waren, die kurz-
fristig beschafft werden können oder die langsam abfließen, müssen erst kurz vor
dem Erreichen des Mindestbestandes bestellt werden.
der Lagerfähigkeit der Ware. Ware mit kurzer Lagerfähigkeit muss immer kurzfristig
beschafft werden, um die Verluste aus Verderb der Ware zu minimieren.
der Größe und Eignung des Lagerraumes. Bei kleiner Lagerkapazität oder weniger
gut geeigneten Lagerräumen sind ebenfalls kurze Fristen anzustreben.
der erwarteten Preisentwicklung. Bei steigenden Preisen ist es oft vorteilhaft, sich
frühzeitig mit genügend Ware einzudecken. Umgekehrt sollten bei fallenden Preisen
die Lagerbestände minimiert werden (Geschäftsmodell DELL).
dem Zeitpunkt des Warenangebotes. Manche Waren fallen nur saisonal an (z.B.
Landwirtschaftsprodukte), hier richtet sich der Beschaffungszeitpunkt nach dem
Zeitpunkt des Anfalls der Waren.
Die sichere Festlegung der Beschaffungszeitpunkte erfordert:
eine langfristige Auftragserteilung durch die Kunden (Aufgabe des Marketings),
eine Festlegung von kurzen, fest datierten Lieferfristen und Lieferterminen im Kauf-
vertrag und
die gezielte Festlegung von Mindest- und Meldebeständen in der Lagerwirtschaft.
Preisplanung
Die Bedeutung des möglichst geringen Einkaufspreises für den wirtschaftlichen Erfolg ist im
Eingangsbeispiel bereits erläutert worden.
In der Preisplanung werden im Einkauf folgende Ziele verfolgt:
Bestimmung der günstigsten Bezugsquelle durch die Einstandspreis- oder Be-
zugskalkulation und
Bestimmung der höchsten aufzuwendenden Einkaufspreise durch Retrogradkalkula-
tion (Verkaufspreis minus Handelsspanne).
In der Bezugskalkulation wird der Bezugspreis der gekauften Waren kalkuliert. Neben dem
eigentlichen Kaufpreis für eine Ware fallen in der Regel noch zusätzliche Kosten an (Trans-
portkosten, Versicherungen, Zölle etc.), aber auch Ermäßigungen wie Rabatte und Skonti.
Insbesondere beim Vergleich verschiedener Lieferanten muss deshalb der Bezugspreis je-
des Lieferanten kalkuliert und verglichen werden. Dazu dient die Bezugskalkulation.
Beispiel: Ein Kaufmann erhält für den Einkauf einer Ware drei Angebote (Tabelle)

Position Angebot 1 Angebot 2 Angebot 3

Listenpreis 12.000,00 € 13.999,00 13.500,00

Rabatt 5% 20% 10%

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Skonto bei Bezahlung inner-


2% 3% 3%
halb von 7 Tagen

Versand, Versicherung, Ver-


1.500,00 € 2.000,00 € inklusive
packung

Tabelle 6: Beispiel: Angebote für den Bezug einer Ware

Mit der Bezugskalkulation werden nun die Angebote miteinander verglichen (Tabelle).

Position Angebot 1 Angebot 2 Angebot 3


Listenpreis 12.000,00 € 13.999,00 13.500,00
minus Rabatt 600,00 € 2.799,80 € 1.350,00 €
Zieleinkaufspreis 11.400,00 € 11.199,20 € 12.150,00 €
minus Skonto 228,00 € 335,98 € 364,50 €
Bareinkaufspreis 11.172,00 € 10.863,22 € 11.785,50 €
Bezugskosten 1.500,00 € 2.000,00 € inklusive
Einstandspreis 12.672,00 € 12.863,22 € 11.785,50 €
Tabelle 7: Bezugskalkulation für drei Angebote

Im Ergebnis wird deutlich, dass das Angebot 3 zwar nicht am billigsten ist, aber den gerings-
ten Bezugspreis hat und deshalb aus Kostengründen auszuwählen ist.
Wird die Kalkulation retrograd durchgeführt, kann man ausgehend vom angestrebten Ein-
standspreis den maximalen Listenpreis ermitteln bzw. die angestrebten Konditionen wie
Rabatthöhe oder Bezugskosten. Diese Kalkulationen werden in Vorbereitung von Verhand-
lungen mit den Lieferanten durchgeführt, um Zielvorstellungen und „Schmerzgrenzen“ vor-
her auszuloten.
Erschwerend für die Kalkulationen ist jedoch, dass die notwendigen Informationen oft nicht
als absolute oder relative Zahlenwerte vorliegen, sondern in kaufmännischen Formulierun-
gen bzw. in ICOM-Terms enthalten sind oder das sie sich nur auf konkrete Umstände bezie-
hen. Diese Feinheiten werden im Punkt 2 „Kaufvertrag“ behandelt.
Beachtet werden muss weiterhin, das bei der Auswahl eines Lieferanten neben dem Preis
auch andere Faktoren berücksichtigt werden müssen, wie Qualität der Ware, Lieferschnel-
ligkeit, Zuverlässigkeit des Lieferanten, Kulanz und Service sowie strategische Überlegun-
gen. Die Entscheidung für einen Lieferanten erfolgt dann nach betriebswirtschaftlichen Ent-
scheidungsregeln oder auch subjektiv. So lässt sich über ein gewichtetes Punkteverfahren
ein Vergleich von Lieferanten anstellen (Abbildung Lieferanten-Matrix).

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Lieferanten-Matrix

Liefer- Zuver-
Kriterium Preis Qualität bedingungen Kulanz Service lässigkeit Summe
Lieferant Wichtung 5 3 1 1 1 2 13
aktuell GmbH 3 3 2 3 3 4 40
IMPO GmbH 2 4 2 4 3 4 39
Lollipopp AG 3 3 3 3 4 3 40
Matrix OHG 4 1 3 4 4 4 42
W. von Siemens 3 2 3 1 2 2 31

1 = sehr gut ..... 5 = Sehr schlecht


Abbildung 10: Lieferanten Matrix nach gewichtetem Punkteverfahren

Ausgehend von der Bezugskalkulation wird in der Verkaufskalkulation der Nettoverkaufs-


preis (Angebots- oder Listenpreis) für die angebotenen Waren ermittelt.
Im Beispiel kauft ein Tankstellenbesitzer von einem Großhändler Autoreifen für 135 € pro
Stück. Der Großhändler gewährt 7% Rabatt und 3% Skonto. Weiterhin verlangt er pro Rei-
fen 19 € Bezugskosten für Transport, Versicherung und Altreifenentsorgung.
In der Bezugskalkulation ermittelt der Tankstellenbesitzer einen Einstandspreis von 140,78 €
pro Reifen.
In der Verkaufskalkulation berechnet der Tankstellenbesitzer dann, zu welchem Preis er die
Reifen anbieten muss, um sie mit Gewinn weiterverkaufen zu können.
Dazu benötigt er zunächst seine Handlungskosten. Das sind die Kosten für die Bereitstellung
der Verkaufsfläche (Verkaufsraum und Regal), die Kosten für Personal, für Steuern und Ver-
sicherungen und so weiter. Diese Kosten hat er aus dem letzten Jahresabschluss ermittelt.
Sie betragen auf die Einstandspreise bezogen im Mittel 20%. Damit verursacht ein verkauf-
ter Reifen Selbstkosten in Höhe von 168,94 €. Bei einer angestrebten Gewinnspanne von
5% auf den Umsatz (Umsatzrendite) muss jeder Reifen einen Geldbetrag von 177,39 € in die
Kasse der Tankstelle erbringen, das ist der Barverkaufspreis. Kalkuliert der Tankstellenbesit-
zer jetzt noch Skonto und Rabatt hinzu, die er seinen Kunden anbietet, erhält er den Netto-
verkaufspreis, der als Listenpreis in der Verkaufsliste eingetragen oder als Angebotspreis in
der Werbung verwendet wird. Beachtet werden muss jedoch, dass hier noch die Umsatz-
steuer hinzugerechnet werden muss (z.Z. 19% für Reifen in Deutschland).

Verkaufspreis des Lieferers 135,00 €


Rabatt 7% 9,45 €
Zieleinkaufspreis 125,55 €
Skonto 3% 3,77 €
Bareinkaufspreis 121,78 €
Bezugskosten 19,00 €
Einstandspreis 140,78 €
Handlungskosten 20% 28,16 €

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Selbstkosten 168,94 €
Gewinnspanne 5% 8,45 €
Barverkaufspreis 177,39 €
Kundenskonto 2% 3,62 €
Zielverkaufspreis 181,01 €
Kundenrabatt 5% 9,53 €
Nettoverkaufspreis 190,53 €
Abbildung 11: Bezugs- und Verkaufskalkulation für ein Beispiel

In Handelsbetrieben verwendet man häufig eine vereinfachte Kalkulation. Da es aufwändig


ist, für sehr viele Waren jeweils eine vollständige Kalkulation durchzuführen, wird pauschal
mit
einem Kalkulationszuschlag als Rohgewinn in Prozent des Bezugspreises,
einer Handelsspanne als Rohgewinn in Prozent des Nettoverkaufspreises oder
einem Kalkulationsfaktor als Faktor zur Bestimmung des Nettoverkaufspreises aus
dem Bezugspreis
gearbeitet.
Der Rohgewinn ist die Differenz aus Umsatz-Erlösen und Einkaufsaufwand bzw., auf eine
einzelne Ware bezogen, aus Nettoverkaufspreis und Bezugspreis. Aus dem Rohgewinn
werden alle anderen Kosten bezahlt (Raumkosten, Personalkosten, Versicherungen und
Steuern usw.) und er enthält den Gewinn (Abbildung).

Abbildung 12:Berechnung des Kalkulationszuschlages, der Handelsspanne und des Kalkulati-


onsfaktors

Diese pauschalen Kalkulationshilfen werden in der Buchhaltung an Hand der vergangenen


Abrechnungsperioden ermittelt oder aus Musterkalkulationen. Dabei wird manchmal eine

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Gruppierung der Waren in Warengruppen durchgeführt, um die Besonderheiten der Waren


in der Kalkulation zu berücksichtigen. So verursachen Waren, die gekühlt werden müssen,
höhere Handlungskosten als z.B. Konserven.
Kalkulierter Preis und Marktpreis
In der Regel werden die Güter am Markt nicht zu dem aus Kosten und Rohgewinn kalkulier-
tem Preis angeboten (kostenorientierte Preise), sondern der Preis bestimmt sich auf dem
Markt nach Angebot und Nachfrage.
Weiterhin können Preise durch Preisbindungen vorgegeben sein, zum Beispiel als:
Behördliche Preisbindung als Fest-, Höchst-, Mindestpreise,
Horizontale Preisbindung im Kartell, grundsätzlich verboten, aber in Ausnahmen er-
laubt,
Vertikale Preisbindung als Preisbindungen aus zweiter Hand, grundsätzlich verboten,
aber in Ausnahmen erlaubt, wie z.B. in Deutschland bei Büchern, Zeitschriften, Ziga-
retten, Medikamenten etc., aber: Abgrenzung zu „unverbindlichen Preisempfehlun-
gen“.
Die Preisbildung in einer Marktwirtschaft wurde in der VWL behandelt. Für den Unterneh-
mer bedeutet das, das sein betriebswirtschaftlich kalkulierter Preis auf dem Markt auf den
volkswirtschaftlichen Marktpreis trifft. Dabei können grundsätzlich zwei Möglichkeiten ent-
stehen:
Der Marktpreis liegt über dem kalkulierten Angebotspreis: Damit erhöht sich der Un-
ternehmergewinn, ein Verdrängungswettbewerb durch mögliche Preissenkungen
wird möglich, der Unternehmer kann Reserven ansparen für „Schlechte Zeiten“ oder
es sind Mittel für Expansion vorhanden.
Der Marktpreis liegt unter dem kalkulierten Angebotspreis: Dadurch wird der kalku-
lierte Rohgewinn wird nicht erzielt und das Unternehmen erwirtschaftet eventuell ei-
nen Verlust, die Reserven werden aufgebraucht, eine Quersubventionierung durch
andere Produkte ist erforderlich und der Unternehmer ist gezwungen, die Kosten zu
senken oder die Produktion einzustellen.
Preisangabe
Klare und wahre Preisangaben sind wesentliches Element einer funktionierenden marktwirt-
schaftlichen Ordnung. Durch diese kommt es zu
einer Erhöhung der Markttransparenz,
einer Verschärfung des Wettbewerbes, und
zum Schutz des Verbrauchers.
In Deutschland geregelt ist die Preisauszeichnung in der Preisangabenverordnung (PAngV)
vom 14. März 1985, mit mehreren Änderungen. Die Einhaltung der Vorschriften wird be-
hördlich und verbandsseitig überwacht. Missachtet ein Unternehmer die Regelungen, wird
er zunächst abgemahnt (mit hohen Mahngebühren), bei wiederholten Verstößen verklagt.
Grundsätzlich sind die Preise für den Endverbraucher als Bruttopreise (mit Umsatzsteuer)
und mit den üblichen Verkaufs- oder Leistungseinheiten und der Gütebezeichnung anzuge-
ben. Für einzelne Branchen gibt es Sonderregelungen, wie
im Einzelhandel kann die Preisauszeichnung durch Auszeichnung der Waren durch
Preisschilder, an den Behältnissen oder Regalen oder mit Preisverzeichnissen bzw.,
in Musterbüchern erfolgen.

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in Katalogen oder Warenlisten neben den Beschreibungen oder in Preisverzeichnis-


sen.
in Dienstleistungsbetrieben durch ein öffentliches Preisverzeichnis über die wesentli-
chen Leistungen (Beispiele: Gaststätte, Hotel, Friseur).
in kreditgewährende Betrieben (Banken) durch Angabe der jährlichen Gesamtkosten
des Kredites als „effektiver Jahreszins“.
an Tankstellen und Parkplätzen: Durch deutlich lesbare Anzeige der Kraftstoff- bzw.
Parkpreise für heran- oder einfahrende Kraftfahrer.
Die Preisauszeichnung erfolgt
Manuell:
handschriftlich
mit Auszeichnungsgeräten
Automatisch:
EAN-Code (Bild)
OCR-Code
Bei der automatischen Preisauszeichnung werden neben den gesetzlich vorgeschriebenen
Angaben häufig weitere, betriebsinterne Angaben aufgeführt, z.T. verschlüsselt. Weiterhin
wird die Preisauszeichnung mit dem Warenwirtschaftssystem und dem Diebstahlschutz
gekoppelt.
ABC-Analyse
Die ABC-Analyse ist eine einfache betriebswirtschaftliche Methode zur Klassifizierung von
Objekten nach deren Wichtigkeit. Häufige Anwendungsgebiete sind die Optimierung des
Einkaufs sowie die Klassifizierung von Kunden, Marktfeldern, Produkten oder Maschinen.
Dabei wird wie im Beispiel für Einkaufmaterialien wie folgt vorgegangen:
Berechnung des Klassifizierungsmerkmals (z.B. Einkaufsaufwand) absolut und relativ
zur Summe,
Bildung einer absteigenden Rangfolge nach dem Klassifizierungsmerkmal,
Bildung von Klassen (A/B/C) nach dem kumulativem Anteil, dabei sind
A-Klasse: die ersten 60%,
B-Klasse: die nächsten 30% und
C-Klasse: die letzten 10%.
Beispiel: Eine Werbeagentur benötigt verschiedene Materialien zur Herstellung von Postern,
Tafeln, Briefpapieren und anderen Werbeartikeln für ihre Kunden. Diese Materialen wurden
sortiert nach ihrem Einkaufswert im Quartal in der Tabelle dargestellt. Im Ergebnis wurde
festgestellt:
die ersten drei Materialen (A-Gruppe, grün) machen fast 70% des Einkaufswertes
aus. Hier sollte mit den Lieferanten über bessere Preise verhandelt werden. Gelingt
es, die Einkaufspreise zu senken, so ist der Aufwand dafür (z.B. 3 Stunden Verhand-
lung) geringer als die Einsparung bei Materialkauf.
die C-Gruppe (Nr. 8 bis 14) verursachen weniger als 10% der Materialkosten. Hier
lohnt sich der Aufwand für Verhandlungen nicht. Wichtiger ist es hier, den Einkaufs-
aufwand zu minimieren, z.B. durch Konzentration auf einen Lieferanten und Einfüh-
rung eines kostengünstigen Bestellsystems, z.B. über das Internet.

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die B-Gruppe liegt dazwischen, hier wird im Einzelfall entschieden, ob über den Preis
verhandelt wird (z.B. Positionen 4 und 7, vom gleichen Lieferanten wie Position 3)
oder über die kostengünstige Bestellung (Positionen 5 und 6).

Werbeagentur CREATIV Bernburg

Materialeinsatz
Liste: im Jahr

gekaufte mittl. Anteil am


Nr. Position ME Menge Preis/ME Aufwand Aufwand kumulativ
Klebefolie, 11.960,00
1 farbig Rolle mit 3 m² 40 299,00 € € 29,3% 29,3%
Tintenpatronen 10.395,00
2 für Plotter Stk. 105 99,00 € € 25,5% 54,8%
Tafeln, Sper- 6.000,00
3 rholz 6mm m² 100 60,00 € € 14,7% 69,5%
5.000,00
4 Tafeln, Alu m² 40 125,00 € € 12,3% 81,7%
1.400,00
5 T-Shirt, weiß Stk. 700 2,00 € € 3,4% 85,2%
1.062,00
6 Papier, farbig Karton 2.500 Blatt 45 23,60 € € 2,6% 87,8%
Tafeln, Stahl, 1.056,00
7 lackiert m² 12 88,00 € € 2,6% 90,3%
1.053,00
8 Plotterpapier Rolle mit 10 m² 9 117,00 € € 2,6% 92,9%
Stoffbeutel, 980,00
9 weiß Stk. 1400 0,70 € € 2,4% 95,3%
transparente 904,80
10 Folie, farbig Rolle mit 3 m² 12 75,40 € € 2,2% 97,5%
Druckpapier 562,50
11 80g Karton 2.500 Blatt 45 12,50 € € 1,4% 98,9%
Druckpapier 251,40
12 100g Karton 2.500 Blatt 12 20,95 € € 0,6% 99,5%
100,00
13 Buntlack Büchse 8 12,50 € € 0,2% 99,8%
Druckpapier 86,97
14 120g Karton 2.500 Blatt 3 28,99 € € 0,2% 100,0%
40.811,67
SUMME € 100,0%
Abbildung 13: Beispiel für eine ABC-Analyse im Einkauf

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Bezugsquellenermittlung
Das ständige Ermitteln neuer Bezugsquellen gehört zu den grundlegenden Aufgaben des
Einkaufes. Dazu werden
bestehende geschäftliche Kontakte verwendet,
Messen besucht,
Werbematerial, Prospekte und Kataloge der Anbieter studiert,
Vertreter empfangen,
spezielle Bücher wie „Wer-liefert-was?“ auf Papier und auf CD/DVD bzw. im Internet
verwendet, sowie
Fachzeitschriften und andere Quellen genutzt.
Die Informationen über bestehende Geschäftsbeziehungen und neue Kontakte werden in
Bezugsquellendateien verwaltet und gepflegt.
Lieferungsüberwachung
Mit der Bestellung der einzukaufenden Waren ist die Arbeit des Einkaufs nicht zu Ende,
sondern es muss auch überwacht werden, ob die ausgelösten Vorgänge im Unternehmen
richtig und wie geplant erledigt werden.
Zur Lieferungsüberwachung gehören folgende Tätigkeiten:
Überwachung der Liefertermine (kommt die Ware zu vereinbarten Termin?),
Mahnungen bei Nichteinhaltung des Liefertermins, um den Lieferer in Verzug zu set-
zen (Kaufvertragsrecht!),
Abnahme der Ware, dabei erste Überprüfung (Tatbestandsaufnahme),
Auspacken und Prüfen der Ware, bei Mängeln Anfertigen einer Mängelrüge,
Prüfung der Rechnung auf sachliche und rechnerische Richtigkeit und
Buchung des Wareneinganges.
Supply-Chain-Management
Mit der Notwendigkeit, den Einkauf ständig zu optimieren einerseits und den Möglichkeiten
der modernen Technik, wie Computer, Vernetzung, automatische Identifizierung und Lokali-
sierung der Waren, andererseits wurden neue Technologien im Einkauf entwickelt, wie zum
Beispiel das Supply-Chain-Management.
Im Supply-Chain-Management werden die Einkaufs- und Lieferprozesse entlang einer wert-
schöpfungskette miteinander verknüpft und automatisiert.
Beispiel:
Eine Handelskette verkauft Milch, verpackt in Tetra-Packs. Die verkaufte Milchmenge wird
über die Scanner-Kassen in jedem Geschäft registriert und über Datenverbindungen (Inter-
net) an den Großhändler weitergeleitet. Dieser erkennt automatisch, in welchem Geschäft
demnächst die Milch ausverkauft ist und bereitet die Lieferung vor. Gleichzeitig werden die
vom Großhändler benötigten Milchmengen an die Molkerei weitergebenen, die die Herstel-
lung und Verpackung der Trinkmilch aus der von den Landwirten angelieferten Rohmilch in
der benötigten Menge und den Qualitäten aufnimmt.

2 Probleme der Lagerhaltung


Mit der zunehmenden Spezialisierung und Arbeitsteilung sowie dem sich daraus ergeben-
den Austausch von Waren und Dienstleistungen gewinnen die Lagerhaltung sowie alle da-

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mit verbundenen Prozesse (heute als „Warenwirtschaft und Logistik“ bezeichnet) eine im-
mer höhere Bedeutung. In vielen Branchen und Unternehmen sind die Logistik-Kosten heute
eine bedeutende Kostenposition, niedrige Logistikaufwendungen sind ein entscheidender
Wettbewerbsvorteil. Das erkennt man zum Beispiel an der Bedeutung der Verkehrsanbin-
dungen bei der Standortwahl von Unternehmen.
Dabei hat sich das Bild der Lagerhaltung in den letzten Jahren nachhaltig geändert: Während
früher große Lagergebäude für Rohstoffe, Zwischenprodukte und Fertigprodukte das Aus-
sehen vieler Unternehmen geprägt haben, sind die Logistikprozesse heute sehr viel stärker
mit der Produktion und dem Absatz in den Unternehmen verzahnt und damit scheinbar klei-
ner, aber dafür bedeutender. Dazu gehört die Entwicklung neuer Organisationsformen wie
„Just-In-Time-Produktion“ oder „Supply-Chain-Management“ und der Einsatz modernster
Technologien wie integrierte IT-Warenwirtschaftssysteme wie SAP oder automatische Wa-
renerkennungssysteme auf Basis von Scannercodes oder RFID9.

2.1 Wesen und Aufgaben der Lagerhaltung


Die Lagerhaltung erfüllt in den Unternehmen wichtige Aufgaben und besitzt folgende Funk-
tionen:
Zeitüberbrückungsfunktion: Zeitliche Überbrückung von Angebots-, Nachfrage- und
Preisschwankungen. Dazu gehört z.B. die Überbrückung von Unregelmäßigkeiten auf
den Beschaffungsmärkten, wie bei landwirtschaftlichen Produkten, die nur in be-
stimmten Zeiten geerntet, aber das ganze Jahr benötigt werden. Oder die Herstel-
lung von Produkten auf Vorrat für Saisonverkäufe, z.B. im Weihnachtsgeschäft.
Preisausgleichsfunktion: Kauf der Waren bei niedrigen Preisen und Ausgleich von
Preisschwankungen (Mischpreiskalkulation
Reifungsfunktion: Erreichung einer technischen Bearbeitungsmöglichkeit oder Er-
höhung der Qualität durch Reifung im Lager. So müssen z.B. Lebensmittel wie Käse,
Schinken, Wein oder Whisky eine gewisse Zeit unter bestimmten Bedingungen ge-
lagert werden, um den Herstellungsprozess abzuschließen bzw. eine Weiterverarbei-
tung zu ermöglichen.
Sortimentsfunktion: Bereithalten eines ausreichenden Sortiments für die Abnehmer
Sicherungsfunktion: Sicherung einer reibungslosen, kostengünstigen und gleich-
mäßigen Produktion durch Anlegen von Reserven. Dazu gehört auch die Verbesse-
rung der Produktionsorganisation durch Lagerung.
Kostensenkungsfunktion: Ausnutzung von Größenvorteilen im Einkauf (Mengenra-
batt) und im Verkauf sowie Einsparung von Transportkosten durch größere Lose.
Umweltschutzfunktion: Rücknahme und Sammlung von Verpackungen und Altpro-
dukten zur Wiederverwendung sowie sichere Lagerung gefährlicher Güter.
Lager nach den Besitzverhältnissen
Ein Lager kann vom Unternehmer selbst betrieben werden (Eigenlager) oder von einem ex-
ternen Dienstleister (Fremdlager).
Im Eigenlager gehören die Räume und Einrichtungen dem Eigentümer der Güter. Zur Be-
wirtschaftung des Lagers wird eigenes Personal eingesetzt. Die Vorteile des Eigenlagers
sind die volle Kontrolle über die Lagerbestände sowie der schnellere Zugriff auf die Bestän-

9
RFID: Radio Frequency Identifikation Device – aktive oder passive Chips, die bei Anruf ein vereinbar-
tes Signal aussenden, werden zur Identifizierung und Lokalisierung von Objekten verwendet

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de. Das Eigenlager ist kostengünstiger bei großen Beständen und bei gleichmäßiger Auslas-
tung des Lagers.
Beim Fremdlager wird das Lager wird durch einen gewerblichen Lagerhalter bewirtschaftet.
Die Vorteile liegen in der Spezialisierung des Dienstleisters (Kerngeschäft). Das Fremdlager
ist kostengünstiger bei kleinen Lagermengen sowie bei schwankenden Mengen.
Häufig wird in den Unternehmen auch eine Kombination aus Eigen- und Fremdlager ge-
wählt: Ständig und gleichmäßig benötigte Lagerkapazitäten werden als Eigenlager ausge-
führt, zusätzlicher Lagerraum für Einkaufs- und Absatzschwankungen wird als Fremdlager
angemietet. Zur Entscheidungsfindung für ein Eigen- und Fremdlager kann eine Break-Even-
Rechnung durchgeführt werden: Ab welcher Lagermenge lohnt sich ein eigenes Lager?
Lager nach dem Standort bzw. dem Zentralisierungsgrad
Bei der Wahl des Lagerstandortes muss entschieden werden, ob das Lager zentral oder de-
zentral geführt wird. Bei der Entscheidung über den Zentralisationsgrad ist häufig der räumli-
che Aspekt ausschlaggebend:
Zentrale Lagerhaltung bedeutet die räumliche Zusammenfassung aller Lagerhaltungsfunk-
tionen und aller Lagergüter unter einheitlicher Leitung. Die Vorteile, die sich aus der zentra-
len Lagerung ergeben, sind eine Erleichterung der Warenannahme, Pflege, Erhaltung, Be-
standsermittlung und –prüfung. Weitere Punkte sind die geringe Kapitalbindung des Umlauf-
vermögens, geringere Vorräte und geringere Raumkosten.
Bei der dezentralen Lagerhaltung werden die Einsatzstoffe am Ort des Bedarfsträgers in
Form von Zwischenlager (Pufferlager) gelagert. Die wesentlichen Vorteile dieser Lagerme-
thode sind die höhere Flexibilität, die genauere Disposition der einzelnen Materialien in den
Fertigungsbereichen und die kürzeren Transportwege. Weiterhin können bei dezentraler
Lagerhaltung kleinere Anlieferungspartien gesammelt und zu großen Partien kombiniert
werden.
Lager nach der Lagermethode bzw. dem Lagergut
Ein Lager kann auf verschiedene Weise baulich angelegt sein. Dabei ergibt sich Lagerme-
thode in der Regel aus dem Lagergut. So stellen Gase, Flüssigkeiten, Schüttgüter und
Stückgüter jeweils andere Anforderungen an das Lager. Wichtige Lagermethoden sind:
Der Gasspeicher als Lager für Gase.
Der Druckbehälter oder der Wasserturm als Lager für Flüssigkeiten.
Das Silo als Lager für Schüttgut in der Ausführung als Horizontalsilo oder als Hochsil-
o.
Das Blocklager z. B. für Container oder stapelbare Kisten.
Das Hochregallager bzw. automatische Kleinteilelager.
Das Freilager für kurze Lagerzeiten von nichtverderblichen Gütern, wie Kies oder
Kohle.
Das Etagenlager, z.B. In der Malzfabrik.
Das Bodenlager, z. B. für Schwergüter.
Das Wabenlager für Langgut oder für Flachgut, z.B. für Bretter oder Stahlträger.
Das Handlager für Bedarfsgut, z.B. für Putzmittel oder für Kleinteile wie Schrauben.

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Lager nach dem Lagerplan


Für die Lagerung von Gütern ist ein Lagerplan erforderlich. Ohne Lagerplan würde man die
eingelagerten Güter nur durch Suchen und damit zeit- und kostenintensiv wiederfinden.
Nach dem Lagerplan unterscheidet man das geordnete Lager und das chaotische bzw. dy-
namisch Lager.
Im geordneten Lager herrscht eine feste Lagerordnung. Jedes Lagergut hat seinen vorher-
bestimmten und festen Lagerplatz bzw. -bereich. Die Vorteile des geordneten Lagers sind,
dass es auch ohne spezielle Technik realisierbar ist sowie dass eine sortimentsgerechte La-
gerung einfacher möglich ist.
Im chaotischen oder dynamischen Lager erfolgt die Lagerung ohne ein festes System. Bei
der Einlagerung wird der nächste freie Platz belegt. Die Vorteile sind, dass das Lager kleiner
ausfallen kann, da weniger freie Plätze vorhanden sind, und die mögliche Automatisierung
des Lagers. Voraussetzung sind Lagergüter mit etwa gleichen Abmessungen und Anforde-
rungen sowie ein zuverlässiges Lagerverwaltungssystem bzw. Warenwirtschaftssystem.
Lagerarbeiten
Zur Bewirtschaftung eines Lagers müssen verschiedene Arbeiten erledigt werden.
Bei der Warenannahme und Einordnung erfolgt die Prüfung der Anlieferung (Abgleich der
Warenlieferung mit dem Lieferschein bzw. der Bestellung) sowie das Auspacken und Prüfen
der Ware. Anschließend werden die Waren an ihren konkreten Lagerort gebracht und einge-
lagert.
In der Warenpflege werden das Lager instand gehalten sowie die Waren gepflegt: Dazu
gehören auch die teilweise Bearbeitung der Waren sowie das Aussortieren verdorbener Wa-
ren.
In der Warenausgabe werden die Waren gegen Beleg ausgegeben.
Zur Lagerkontrolle gehören die
Qualitätskontrolle als Kontrolle der Lagerbedingungen und der Lagergüter,
Mengen- und Wertkontrolle durch Führen der Lagerfachkarten und die Lagerbuchhal-
tung, das Lagereingangsbuch und Lagerausgangsbuch sowie die Durchführung von
Bestandsaufnahmen (Inventur).
Wirtschaftlichkeitskontrolle. In der Wirtschaftlichkeitskontrolle werden die Kosten der
Lagerung erfasst und ausgewertet. Ziel ist die Optimierung der Lagerkosten.
Kosten der Lagerung
Die Lagerung verursacht in den Unternehmen zunächst einmal nur Kosten. Die Leistungen
der Lagerhaltung lassen sich nur schwer ermitteln und werden bei der Wirtschaftlichkeits-
kontrolle vernachlässigt. Ziel der Optimierung ist es, die volle Funktionsfähigkeit der Lage-
rung bei minimalen Kosten zu realisieren, damit ist die Lageroptimierung ein typisches Bei-
spiel für das Minimalprinzip.

Kosten der Lagerung sind:


Die Kosten der Lagerräume sind die Abschreibung für die Gebäude und die Einrich-
tung, Zinsen für investiertes Kapital sowie Heizung, Strom, Instandhaltung und Versi-
cherung der Lagerräume.
Die Kosten der Lagerverwaltung bestehen aus den Personalkosten der Mitarbeiter
sowie für den Werkschutz und für spezielle Versicherungen.

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Die Kosten der Lagerbestände setzen sich zusammen aus den Zinsen für investiertes
Kapital und den Abschreibungen auf die Lagerbestände.
Die Kosten für Arbeiten mit und am Lager, wie die Kosten der Transporteinrichtun-
gen, die Kosten für Veränderungen des Lagergutes (Mischen, Aufteilen, Herrichten)
sowie die Kosten für den Erhalt des Lagergutes (Kühlung, Pflege, Schadensbehe-
bung).
Die Kosten der Lagerhaltung gehören zu verschiedenen Kostenarten wie Materialkosten,
Personalkosten, Zinsaufwand und Abschreibungen. Dabei verhält sich jede Kostenart an-
ders, wenn sich die Lagergröße ändert oder die Intensität der Lagerbewirtschaftung. Das
erschwert die Optimierung und erfordert eine ständige Kontrolle und Anpassung. Zur Opti-
mierung der Lagerhaltung werden Lager-Kennzahlen verwendet, die in 4.2 behandelt wer-
den.
Die Lagerhaltung im Einzelnen und vor allem im Zusammenhang mit den anderen Transport-
, Umschlags- und Lagerprozessen (TUL), die heute zur Logistik zusammengefasst werden,
ist ein wichtiger Teilbereich im Unternehmen. Der Anteil der Logistikkosten an den Gesamt-
kosten des Unternehmens ist in manchen Branchen sehr hoch, damit ist die Optimierung
der Logistik ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sowie eine bedeutende Aufgabe in den Un-
ternehmen. Dabei ist die Tendenz festzustellen, dass die Lagerbestände immer weiter ver-
ringert werden und die Lagerung immer stärker in die eigentlichen Produktionsprozesse ein-
bezogen wird. Damit steigt die Intensität der Lagerbewirtschaftung. Gründe für die Verringe-
rung der Lagerbestände sind unter anderem:
Die Anzahl der verwendeten Teile ist zu groß, es ist wirtschaftlich nicht vertretbar, al-
le Einzelteile auf Lager zu halten.
Die Erneuerung der Produktion und der Produktionsprozesse wird immer schneller,
Stückzahlen nehmen ab.
Kürzere Durchlaufzeiten und geringere Lagerbestände erfordern logistische Funktio-
nen der Lagerhaltung (Just-In-Time-Produktion).

Tabelle 8: Anteil der Vorräte im Lager am Umsatz (Lageranteil) nach Branchen 10

Branche Lageranteil
Maschinenbau 24,70 %
Elektrotechnik 19,70 %
Verarbeitende Industrie gesamt 19,30 %
Textilgewerbe 18,90 %
Metallerzeugnisse 18,10 %
Chemische Industrie 12,20 %
Baugewerbe 10,40 %
Fahrzeugtechnik 8,60 %

10
Quelle: HARTMANN, H.: Bestandsmanagement und –controlling, Gernsbach: Dt. Betriebswirte
Verlag GmbH 1999

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2.2 Lageroptimierung mit Hilfe von Kennzahlen


Die Optimierung der Lagerhaltung erfolgt mit Hilfe von Kennzahlen. Dabei werden Kennzah-
len der Bestände, des Umsatzes und der Wirtschaftlichkeit unterschieden.
Lagerkennzahlen der Bestände
Die Kennzahlen des Lagerbestandes beschreiben die Menge an Gütern, die gelagert wer-
den. Sie sind vor allem zur Bewirtschaftung des Lagers notwendig und hier wichtige Steuer-
größen.
Der durchschnittliche Lagerbestand beschreibt, wie viele Güter im Lager im Durchschnitt
eines Jahrs vorhanden sind. Er kann für einzelne Güter materiell und finanziell berechnet
werden oder für alle Güter im Lager finanziell. Dazu benötigt man den Anfangsbestand und
den oder die Endbestände, je nachdem, wie oft diese im Jahr ermittelt werden (Jahr n=1,
Quartal n=4, Monat n=12).
Formel 5: durchschnittlicher Lagerbestand

Anfangsbestand + n Endbestände
Durchschnittlicher Lagerbestand = -----------------------------------------------
(n + 1)

Der Mindestbestand ist der Bestand an Gütern, der mindestens im Lager sein muss. Er
wird auch als eiserne Reserve oder eiserner Bestand bezeichnet. Die Berechnung des Min-
destbestandes erfolgt unter Beachtung der täglichen Entnahme im Mittel und im Maximum
sowie der Dauer der Neubeschaffung von Gütern. Dabei besteht ein Zielkonflikt:
Einerseits soll der Mindestbestand möglichst klein sein, um die Größe des Lagers und damit
die Lagerkosten zu minimieren.
Andererseits muss der Mindestbestand so groß sein, das es zu keiner Unterbrechung der
Güterversorgung kommt, die daraus entstehenden Kosten sind in der Regel viel höher.
Der Höchstbestand ist der Bestand nach dem Eingang der bestellten Waren. Die maximale
Lagerkapazität muss auf den Höchstbestand ausgerichtet sein.
Der Meldebestand ist der Bestand, bei dem die Bestellung ausgelöst werden muss. Er wird
nach der folgenden Formel bestimmt:

Formel 6: Meldebestand

Meldebestand = (Tagesbedarf * Lieferzeit in Tagen) + Mindestbestand

In der Praxis wird der Meldebestand regelmäßig überprüft und neu berechnet, da sich Lie-
ferzeit, Tagesbedarf und auch der Mindestbestand ändern können. Die Auslösung der Be-
stellung bei Erreichen des Meldebestandes erfolgt von Hand oder automatisch.
Mindestbestand, Meldebestand und Höchstbestand stehen in einem engen Verhältnis. Der
tatsächliche Lagerbestand pendelt zwischen Mindestbestand und Höchstbestand, wie in der
Abbildung dargestellt.

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Verlauf des Lagerbestandes

300
250
200
Stück

150
100
50
0
1

11

13

15

17

19

21

23

25

27

29
Woche

Zugang Abgang Melde-Bestand


Mindest-Bestand Höchst-Bestand Bestand

Abbildung 14: Verlauf des Lagerbestandes


Lagerkennzahlen des Umschlages
Die Lagerkennzahlen des Umschlages beschreiben die Intensität der Lagernutzung. Die
wichtigsten sind die Umschlaghäufigkeit und die durchschnittliche Lagerdauer.
Die Umschlaghäufigkeit kann als mengenmäßige Umschlaghäufigkeit und als wertmäßige
Umschlaghäufigkeit berechnet werden. Die mengenmäßige Umschlaghäufigkeit wird dabei
für einzelne Lagergüter ermittelt, die wertmäßige Umschlaghäufigkeit vor allem für den gan-
zen Lagerbestand oder einzelne Lagersortimente.

Warenabsatz (mengenmäßig)
Umschlaghäufigkeit (mengenmäßig) = ----------------------------------------------------------------
Durchschnittlicher Lagerbestand (mengenmäßig)

Formel 7: mengenmäßige Umschlaghäufigkeit

Wareneinsatz zu Einstandspreisen
Umschlaghäufigkeit (wertmäßig) = -----------------------------------------------------------
Durchschnittlicher Lagerbestand (wertmäßig)

Formel 8: wertmäßige Umschlaghäufigkeit

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Eine Reduzierung der Umschlaghäufigkeit würde anzeigen, dass die Lagerhaltung und damit
die Kapitalbindung zugenommen haben: dies ist negativ zu bewerten. Ziel ist es also, eine
möglichst hohe Umschlaghäufigkeit zu erzielen. (Das Lager soll sich oft „erneuern”.)
Eine Erhöhung der Umschlaghäufigkeit bewirkt eine Verkürzung der Lagerdauer. Das
führt zu einer Senkung der Lagerkosten sowie des Kapitaleinsatzes durch Kapitalbindung.
Maßnahmen zur Erhöhung der Umschlagshäufigkeit sind z. B. eine Reduzierung des Sicher-
heitsbestands, eine Verkürzung der Beschaffungszeiten, eine Optimierung des Sortiments
(attraktiveres Angebot für Kunden), etc.
Die Betrachtung der Lagerumschlagshäufigkeit sollte nicht nur pauschal für das gesamt La-
ger durchgeführt werden, sondern auch pro Materialgruppe oder auch Materialposition. Eine
Faustregel, die oftmals vorgeschlagen wird, lautet: „Vorräte mit einer Lagerumschlagshäu-
figkeit von LU < 0,5 sollten aus dem Lagerbestand entfernen werden”. Diese Bereinigung
führt dazu, dass z. B. Lagerflächen frei werden und im Lager gebundenes Kapital ebenfalls
frei wird (Verbesserung der Liquidität).
Allerdings kann es auch Gründe geben, weshalb man Material mit niedriger Lagerum-
schlagshäufigkeit dennoch im Lager behält: z. B. ein wichtiges Ersatzteil für eine Produkti-
onsmaschine, das eine lange Lieferzeit hat oder nur sehr schwer wiederbeschafft werden
könnte. Würde dieses Ersatzteil nicht immer vorrätig sein, so könnten die ganze Produktion
zum stehen kommen (Fehlmengenkosten). Ein weiterer Grund könnte sein, dass bestimmte
Materialien aus spekulativen Gründen, z. B. in Erwartung einer Preiserhöhung, oder für Rei-
feprozesse (z. B. Wein) gelagert werden - eine Betrachtung der Umschlagshäufigkeit ist in
solchen Fällen oftmals nicht sinnvoll.
Die mittlere Lagerdauer kann aus der Umschlaghäufigkeit errechnet werden.

360
Mittlere Lagerdauer = ------------------------------------------------
Umschlaghäufigkeit

Formel 9: mittlere Lagerdauer

Die mittlere (oder durchschnittliche) Lagerdauer gibt Auskunft über die Situation im Lager
bzw. die Entwicklung der Kapitalbindung im Lager. Sie zeigt also auf, wie lange die Vorräte -
und damit natürlich auch das dafür benötigte Kapital durchschnittlich im Lager gebunden
sind. Gleichzeitig kann man an dieser Kennzahl auch ablesen, wie viele Verbrauchsperioden
ein durchschnittlicher Lagerbestand abdeckt.
Durch eine Reduzierung der Lagerdauer würde auch die Kapitalbindung niedriger werden,
was dann die Folge hätte, dass die Wirtschaftlichkeit verbessert würde. Eine kürzere Lager-
dauer bedeutet also, dass die eingelagerten Materialien schneller wieder in liquide Mittel
umgewandelt werden.
Beim Computerhersteller Dell liegt der Lagerumschlag bei ca. 4 Tagen, bei Compaq bei ca.
54 Tagen und bei Hewlett-Packard lag er sogar bei 91 Tagen.11
Lagerzinsen
Die Lagerzinsen bzw. der Lagerzinssatz sind eine kalkulatorische Kostenart. Sie sagen aus,
wie hoch die Zinsbelastung aus dem im Lager gebundenen Kapital ist.

11
Quelle: SCHEUSS 2004

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Durchschnittliche Lagerdauer x Marktzinssatz


Lagerzinssatz = -----------------------------------------------------------------
360

Formel 10: Lagerzinssatz

Je höher der kalkulatorische Lagerzins ist, umso höher müssen die Einstandspreise in der
nachfolgenden Stufe (Produktion) berechnet werden.

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IV. Personalwirtschaft
Das Personal (oder die Arbeitskräfte bzw. die Arbeitnehmer) sind in den Unternehmen der
wichtigste Produktionsfaktor. Die Qualität der Arbeitnehmer, d.h. ihr Qualifikation und Moti-
vation, sowie die ausreichende Anzahl von Arbeitnehmern sind einerseits der wichtigste
Wettbewerbsvorteil für ein Unternehmen. Die für das Unternehmen erbrachten Arbeitsleis-
tungen werden entlohnt: Andererseits sind die Kosten des Produktionsfaktors Arbeit die am
schnellsten wachsende Kostenposition in Unternehmen und müssen deshalb ständig über-
wacht und überprüft werden.

1 Personalbeschaffung
Die Personalbeschaffung (englisch recruitment, recruiting) ist Teil der Personalwirtschaft und
befasst sich mit der Deckung eines zuvor definierten Personalbedarfs.
Ihre grundsätzliche Aufgabe besteht darin, das Unternehmen bedarfsgerecht und kosten-
günstig mit potenziell qualitativen Arbeitskräften zu versorgen.
1.1 Methoden der Personalbeschaffung
Grundlage der Personalbeschaffung ist die Bestimmung des Personalbedarfs. Dieser hat
verschiedene Dimensionen (siehe Abbildung 15.

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Quantitativer
Personalbedarf

Dimensionen
Lokaler Qualitativer
Personalbedarf
des Personal- Personalbedarf
bedarfes

Zeitlicher
Personalbedarf

Abbildung 15: Dimensionen des Personalbedarfes

In der quantitativen Dimension des Personalbedarfes wird die Frage beantwortet: „Wie viele
Mitarbeiter werden benötigt?“ In der qualitativen Dimension die Frage: „Welche Qualifikati-
onen müssen die potentiellen Mitarbeiter erfüllen?“, während die zeitliche Dimension die
Frage beantwortet: „Zu welchem Zeitpunkt werden die Mitarbeiter benötigt?“. Schließlich
wird in der räumlichen Dimension gefragt: „Wo werden die Mitarbeiter benötigt?“. Die Kurz-
formel lautet: M.A.Z.O. -> richtiger Mitarbeiter, richtige Anzahl, richtige Zeit, richtiger Ort!
Bei der Berechnung des quantitativen Personalbedarfs erfolgt ein Abgleich zwischen den
vorhandenen Kapazitäten mit dem konkreten Bedarf an Personal. Als Hilfsmittel können die
Kennzahlmethode oder die Stellenplanmethode verwendet werden.
Die Stellenbeschreibung dient der qualitativen Beschreibung des Bedarfs.
Die Personalbeschaffung kann als unternehmensinterne oder unternehmensexterne Perso-
nalbeschaffung erfolgen.

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1.1 Interne Personalbeschaffung


Die interne Personalbeschaffung ist die Beschaffung von Personal innerhalb des Unterneh-
mens. Methoden sind:
- Personalentwicklung. D.h. die Mitarbeiter werden gezielt für die entsprechenden
Aufgaben geschult und vorbereitet, ggf. in einem Coaching;
- Versetzung oder Inplacement, die Mitarbeiter werden bei entsprechender Qualifikati-
on an eine andere Stelle versetzt
- Innerbetriebliche Stellenausschreibung, die die Mitarbeiter werden aufgefordert, sich
um die zu besetzenden Stellen zu bewerben.
Als Teilbereiche der internen Personalbeschaffung gelten die:
 Bedarfsdeckung ohne Personalbewegung. Das bedeutet für das vorhandene Perso-
nal eine erhöhte Arbeitsbelastung. Das kann erfolgen durch:
o Anordnung von Überstunden
o Strukturanpassungen in der Aufbauorganisation
o Prozessregelungen in der Ablauforganisation
o Durchführung größerer Rationalisierungsmaßnahmen
o Personalentwicklung für einen Stelleninhaber
 Bedarfsdeckung mit Personalbewegung durch die Umbesetzung von Stellen durch
Jobenrichment und Jobenlargement durch interne Ausschreibungen, Personalent-
wicklung mit Beförderung oder Stellenclearing (Stellenreorganisation).
- Aktive Personalbeschaffung innerhalb des Unternehmens durch Ansprechen
von Bewerbern für eine definierte Stelle. Hierbei fungiert die Human-
Resources-Abteilung als Informationsstelle oder Vermittler. Da kann erfolgen
durch das Einstellen der Angebote in Jobbörsen und Recruiting-Börsen oder
durch die Stellenausschreibung durch Annoncen (Intranet, Mitarbeiterzeit-
schrift oder Hauszeitung).
Die interne Personalbeschaffung hat folgende Vorteile:
- Eröffnung von Aufstiegschancen des eigenen Personals
- stärkere Bindung des Mitarbeiters an den Betrieb
- geringere Beschaffungskosten
- gute Kenntnis der Qualifikationen
- Einhaltung des betrieblichen Lohnniveaus, da sich der Mitarbeiter am betrieb-
lichen Lohnniveau orientiert
- schnellere Stellenbesetzungsmöglichkeit
- Einstiegsmöglichkeiten für Nachwuchskräfte werden frei
- Motivation der Mitarbeiter
- geringere Einarbeitungszeit
- gezielte Förderungsmöglichkeit
- transparente Personalpolitik
- Unternehmensimage verbessert sich

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Probleme sind:
- weniger Auswahlmöglichkeiten z. B. bei der Mitarbeiterauswahl
- Enttäuschung von Kollegen, besonders beim Aufrücken in Vorgesetztenposi-
tionen, eventuell auch Spannungen und Rivalität (Neid oder Demotivation)
- zu starke kollegiale Bindungen (Sachentscheidungen werden „kumpelhaft“)
- Versetzung löst den Bedarf quantitativ nicht; die interne Rekrutierung zieht
meistens eine Außenrekrutierung nach sich
- auch kommen durch diese Methode kaum neue Arbeitskräfte in das Unter-
nehmen
- Förderung der sogenannten „Betriebsblindheit“, Fehler bleiben unerkannt
- nachlassende Mitarbeiter-Aktivität wegen "Beförderungsautomatisierung"
1.2 Externe Personalbeschaffung
Hier steht die Stellenausschreibung bzw. Mitarbeitersuche außerhalb des Unternehmens in
Mittelpunkt.
Die externe Personalbeschaffung kann als passive oder aktive Personalbeschaffung ausge-
führt werden.
Bei der passiven Personalbeschaffung werden die eingehenden Initiativ- bzw. Blindbewer-
bungen bearbeitet und archiviert. Dabei ist die Werbung als Mittel zur Verbesserung der Re-
putation des Unternehmens als Arbeitgeber (sog. Employer Branding) wichtig. Babei erfolgt
keine konkrete Publikation des Personalbedarfs. Weitere Möglichkeiten sind die Nutzung
vorhandener Bewerberdatenbanken im Internet oder der Agentur für Arbeit. Für den zeit-
weisen Einsatz zur Überbrückung arbeitsintensiver Zeiträume oder als zeitweiligen Ersatz für
ausgefallene Arbeitskräfte (Krankheit, Weiterbildung, Elternzeit) können auch das Perso-
nalleasing bzw. Zeitarbeit genutzt werden.
Bei der aktiven Personalbeschaffung werden Bewerbern für eine definierte Stelle oder für
einen Karrierepfad gezielt angesprochen. Das erfolgt bedarfsbezogen auf verschiedene Me-
dien oder durch das Einschalten von Vermittlern. Maßnahmen können sein:
- Angebote in Jobbörsen und Recruiting-Börsen
- Nutzung der Recruiter-Funktionen und Sympathiewerbung in den neuen so-
zialen Medien
- Beauftragung von Personalvermittlern, Executive-Search-Unternehmen (Di-
rektsuche) oder einer staatlichen Organisation wie in Deutschland dem örtli-
chen Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit
- Stellenausschreibung durch Annoncen (Internet, Zeitung, Rundfunk)
- Informationsveranstaltungen bei Bildungsträgern und (Fach-)Hochschulen
- Unternehmenskontaktmessen an (Fach-)Hochschulen
- Recruiting-Veranstaltungen, Hochschulmarketing vornehmlich zur Rekrutie-
rung von Berufsanfängern nach dem Studium (College-Recruiting).
Die externe Personalbeschaffung hat die folgenden Vorteile:
- großes Auswahlspektrum
- Verminderung von Betriebsblindheit

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- Möglichkeiten des Vergleichs der Qualifikationen interner und externer Mitar-


beiter
- geringe Fortbildungskosten (Auswahl der zukünftigen Mitarbeiter erfolgt zuge-
schnitten auf die ausgeschriebene Stelle)
- Vermeiden des Kettenreaktionseffekts (Neubesetzung der innerbetrieblich frei
gewordenen Stelle)
- Einbringen von neuen Impulsen in den Betrieb.
Probleme sind
- Höhere Beschaffungskosten durch Auswahl und Vergleich oder Einschaltung
von Dienstleistern
- Risiko einer Fehlbesetzung höher als bei der internen Personalbeschaffung
- Eingliederungsschwierigkeiten
- Höhere Entgelte von Neueinsteigern gegenüber internen Kandidaten
- Mögliche Demotivation qualifizierter interner Mitarbeiter
1.3 Stellenbeschreibung, Arbeitsplatzbeschreibung, Anforderungsprofil
Voraussetzung für die erfolgreiche Besetzung einer Stelle ist eine Stellenbeschreibung. Sie
enthält eine verbindliche und in einheitlicher Form abgefasste Festlegung von:
- Eingliederung einer Stelle in den Organisationsaufbau
- Erfassung der Ziele, Aufgaben und Kompetenzen
- Darstellung der wichtigsten Beziehungen zu anderen Stellen
Stellenbeschreibungen müssen vor allem knapp und eindeutig sein und sollten regelmäßig
überprüft werden. Mit der Erarbeitung von Stellenbeschreibungen werden folgende Ziele
verfolgt:
- Verbesserung der Transparenz im Unternehmen: Wer macht was?
- Verbesserung der Organisationsstrukturen (Vermeidung von Doppelfunktio-
nen, Verkürzung von Informations- und Entscheidungswegen etc.)
- Erleichterung der Kontrolle und Beurteilung der Arbeitnehmer.
Stellenbeschreibungen haben folgende Vorteile:
- Vorbeugen von Missverständnissen.
- Verhindern von Kompetenzschwierigkeiten.
- Nachgeordnete und Vorgesetzte sind bekannt.
- Reibungsloses Einarbeiten neuer Mitarbeiter.
Aber sie können auch Probleme bereiten, wie:
- Fixierung auf beschriebene Tätigkeiten (die Motivation für die Übernahme er-
weiterter oder zusätzlicher Aufgaben sinkt)
- Zeit- und Organisationsaufwendig.
- Regelmäßige Überarbeitung notwendig.
Die Arbeitsplatzbeschreibung ist dagegen die schriftliche Darstellung der Tätigkeiten, die
an einem Arbeitsplatz durchzuführen sind. Inhalt ist die systematische, klare und möglichst

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objektive Beschreibung des Ist-Zustandes des Arbeitsplatzes. Dazu sollten die folgenden
Fragen beantwortet werden:
- Wer?
- Wie?
- Was?
- Zu welchem Zweck?
- Mit welcher Verantwortung?
Die Arbeitsplatzbeschreibung liefert Informationen über die wesentlichen Aufgabenbereiche
des Arbeitsplatzes und charakterisiert die organisatorische Umgebung. Die wichtigsten
Hauptaufgaben auf der Stelle werden hervorgehoben.
Das Anforderungsprofil ist die Zusammenfassung von Stellenbeschreibung und Arbeits-
platzbeschreibung. Es beschreibt die vorausgesetzten oder gewünschten Eigenschaften
eines Stelleninhabers. Dazu gehören Qualifikationen, Kompetenzen und Erfahrungen. Sie
kann in Form einer tabellarischen Anordnung von bestimmten Anforderungen des Betriebes
an Bewerber, Auszubildende oder Mitarbeiter angefertigt werden. Ziel ist die Wichtung der
Bedeutung jedes einzelnen Anforderungsmerkmals für den Betrieb und bestimmte Tätigkei-
ten mit dem Ziel der Stellenausschreibung.
1.4 Stellenausschreibung
Die Stellenausschreibung definiert die Anforderungen an eine neu zu besetzende Stelle in
einem Unternehmen. Die Detailliertheit ist geringer als die einer Stellenbeschreibung,
Schwerpunkte sind die sozialen und fachlichen Kompetenzanforderungen und Arbeitsziele.
Notwendige Informationen sind:
- Die Stellenbezeichnung,
- Eine Kurzbeschreibung der Tätigkeit,
- Die Zugehörigkeit zur Abteilung/Filiale/Gruppe
- Die erwarteten Arbeitszeiten,
- Die erforderlichen Qualifikationen,
- Die vorgesehene Vergütung (nicht immer!)
- Der vorgesehene Einsatzort.
Medien für die Veröffentlichung der Stellenausschreibung sind regionale und überregionale
Tageszeitungen, Verbandszeitschriften, Fachpresse für Führungskräfte und Online-Medien
(E-Recruiting).
Im nächsten Schritt treffen die Bewerbungen im Unternehmen ein. In der Regel werden die
Bewerbungen in Form einer Bewerbungsmappe eingereicht, die enthält:
- Ein Anschreiben;
- Lebenslauf in tabellarischer Form, eventuell mit einem Bewerbungsfoto;
- Arbeitszeugnisse;
- Schulzeugnisse bzw. Abschlüsse;
- Sonstige Kompetenznachweise (Fremdsprachen, Hobbys und Freizeitaktivitä-
ten, IT-Kenntnisse, Veröffentlichungen, bisherige Projekte).
Die Sichtung der Bewerbungsunterlagen übernimmt die Personalabteilung. Schwerpunk-
te sind:

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- Die Passfähigkeit der Bewerber auf die im Anforderungsprofil gesetzten Prio-


ritäten (in Form einer Synopse),
- Die Festlegung von Wunsch- und Musskriterien für die Auswahl,
- Eine Sichtung der Zeugnisse (Noten, Schwerpunkte, Alter, Echtheit etc.)
- Der optische Eindruck
- Vollständigkeit der Unterlagen (eventuell Nachforderung)
- Das Anschreiben.
Ziel ist die Auswahl der Bewerber für ein Vorstellungsgespräch. Hierzu werden oft die zu-
künftigen Vorgesetzten oder Kollegen hinzugezogen. Gibt es im Unternehmen einen Be-
triebs- oder Personalrat, ist dieser ebenfalls einzubeziehen, gleichfalls ein Gleichstellungs-
oder Antidiskriminierungsbeauftragter.
Das Anschreiben ist bei einer Bewerbung die wichtigste Unterlage: wird zuerst gelesen und
zur Vorsortierung verwendet. Kriterien herbei sind:
- Das Erscheinungsbild: Ist es sauber, klar, ohne Fehler geschrieben und ohne
Verwendung von Textbausteinen?
- Geht der Bewerber auf die Stellenanzeige ein? Damit drückt er seine Ernst-
haftigkeit aus und die Individualität des Bewerbers kann dargestellt werden.
- Enthält es eine persönliche Ansprache? Wer sich ernsthaft um eine Stelle
bewirbt sollte die Namen der Verantwortlichen ermitteln können, soweit sie
in der Stellenausschreibung nicht genannt werden.
- Findet eine gezielte Auseinandersetzung mit dem Unternehmen statt? Weiß
der Bewerber, was das Unternehmen produziert, wie groß es ist, etwas aus
der Geschichte des Unternehmens?
- Findet eine gezielte Auseinandersetzung mit der Arbeit statt? Hat der Bewer-
ber Vorstellungen von seinen zukünftigen Aufgaben, seiner Verantwortung
und den notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten?
- Ist die Motivation deutlich erkennbar?
- Wird aktuelle Beschäftigung erwähnt?
- Ist die Sprache klar und verständlich? Wenn nicht, warum?
- Ist der Grund für die Bewerbung glaubhaft und nachvollziehbar?
- Wird ein möglicher Eintrittstermin genannt?
- Wurde in die Bewerbung Zeit und Mühe investiert?
- Ist das Anschreiben logisch aufgebaut?
Der Bewerber sollte bei seiner Bewerbung das AIDA-Modell aus dem Marketing berücksich-
tigen:
1. Attention: Aufmerksamkeit erwecken (Form, Einleitungssatz)
2. Interest: Wecken des Interesses des potentiellen Arbeitgebers (interessante Darstel-
lung der eigenen Person und des bisherigen Werdegangs, schlüssige Darstellung der
Motivation für die Bewerbung)
3. Desire: Verlangen wecken werden, mehr über den Bewerber zu erfahren
4. Action: Einladung zum Vorstellungsgespräch oder in ein Assessment-Center.

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Ausgewählte Bewerber werden zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Ziel des Bewer-


bungsgespräches ist das Erhalten eines persönlichen Eindrucks vom Interessenten sowie
die Klärung von Fragen, wie dem Beginn der Tätigkeit, das Entgelt und andere.
Die Kosten des Bewerbungsgespräches (Reisekosten etc.) werden in der Regel vom Unter-
nehmen getragen. Sollte das nicht der Fall sein, ist das schon in der Stellenanzeige oder spä-
testens bei der Einladung zum Bewerbungsgespräch dem Bewerber mitzuteilen. Um Kosten
zu sparen, werden heute Bewerbungsgespräche oft auch unter Nutzung von Medien wie
Skype durchgeführt. Im Bewerbungsgespräch gilt die Wahrheitspflicht, d.h. der Bewerber
muss ehrlich auf diese Fragen antworten. Bei unwahren Angaben kann es später zu einer
fristlosen Kündigung führen, auch Jahre später, und eventuell in schwerwiegenden Fällen zu
Schadensersatzforderungen. Dabei sind folgende Fragen üblich:
- Fragen zur Berufsausbildung, zu Erfahrungen und zum jetzigen bzw. früheren
Arbeitgeber. Dabei dürfen keine Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers verra-
ten werden. Auch sehr schlechtes Reden über diesen ist ungünstig.
- Fragen zu Vorstrafen müssen nur beantwortet werden, wenn sie einschlägig
für die zukünftige Stelle sind. Bei laufenden Ermittlungen können die Bewer-
ber schweigen, es gilt die Unschuldsvermutung.
- Fragen zu Krankheiten müssen ebenfalls nur wahrheitsgemäß beantwortet
werden, wenn sie relevant für die Stelle sind Dazu gehören Krankheiten, die
zu einer Einschränkung der Einsatzfähigkeit führen oder die mit einer Anste-
ckungsgefahr für Kollegen verbunden sind die zu einer absehbaren Arbeitsun-
fähigkeit führen.
- Fragen zu einer Behinderung, insbesondere Schwerbehinderung sind nur zu-
lässig, wenn sie Auswirkungen auf die künftige Arbeitsleistung haben.
- Fragen zu persönlichen Dingen wie Schwangerschaft, Familienstand, Religion
oder sexuelle Vorlieben sind nur in Ausnahmefällen zulässig.
- Bestimmte Standardfragen werden häufig verwendet, hierauf kann man sich
als Bewerber vorbereiten. Das sind zum Beispiel:
 Was sind ihre größten Stärken / Schwächen?
 Wenn sie drei Wünsche frei hätten, was würden sie sich wünschen?
 Was gefällt ihnen an unserem Unternehmen / der ausgeschriebenen
Stelle am besten / gar nicht?
Zusätzlich oder im Anschluss an ein Bewerbungsgespräch kann ein Einstellungstest durch-
geführt werden. Hier werden abstrakte Aufgaben gestellt wie das Vorspielen einer Ver-
kaufssituation. Werden dazu mehrere Bewerber gleichzeitig eingeladen und müssen ge-
meinsam Aufgaben lösen, spricht man von einem Assessment-Center. Hierauf sollte man
sich als Bewerber gut vorbereiten.
Am Ende des Bewerbungsgespräches wird ein Auswertungsbogen für jeden Bewerber
angefertigt. Auf der Basis der Auswertungsbögen wird eine Rangfolge gebildet und die Ent-
scheidung über die Einstellung getroffen. Bei Führungskräften müssen die Auswertungsbö-
gen sehr sorgfältig ausgefüllt und bewertet werden, damit bei einer Konkurrentenklage ei-
nes nicht ausgewählten Bewerbers gerichtsfest die Auswahl begründet werden kann.
Die ausgewählten Bewerber erhalten eine schriftliche Zusage über die Einstellung. Bei
Nichteinstellung ist ebenfalls eine schriftliche Absage notwendig, diese sollte aber wegen
der Klagemöglichkeit des abgelehnten Bewerbers sehr allgemein, höflich und sorgfältig for-
muliert werden.

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In Vorbereitung einer Einstellung kann auch eine Probearbeit vereinbart werden. Diese ist
für einen bestimmten Zeitraum von wenigen Tagen bis zwei Wochen und kann bezahlt oder
unbezahlt sein. Oft wird sie auch als Praktikum bezeichnet.
Zu Beginn einer Tätigkeit gilt zunächst eine Probezeit von bis zu 6 Monaten. Diese dient
dem gegenseitigen Testen und Kennenlernen. Während der Probezeit gelten erleichterte
Kündigungsmöglichkeiten, einen Kündigung des Arbeitsvertrages kann jederzeit fristlos und
von beiden Seiten ohne Angabe von Gründen erfolgen. In der Probezeit wird auch häufig ein
geringeres Entgelt gezahlt. Weiterhin wird der neue Arbeitnehmer zu Trainings geschickt
und regelmäßig Bewertungen unterzogen.
1.5 Sonderformen der Personalbeschaffung
Neben der klassischen Personalbeschaffung auf der Basis von Stellenausschreibungen gibt
es noch einige Sonderformen.
Beim Trainee wird eine zukünftige Führungs- oder Fachkraft zunächst mit einem befristeten
Arbeitsvertrag von 6 bis 24 Monaten im Unternehmen angestellt. Während des Trainee
durchläuft der Kandidat viele (möglichst alle) Stationen im Unternehmen. Das Traineepro-
gramm dient zum Kennenlernen des Unternehmens für den Kandidaten und der Stärken und
Schwächen des Bewerbers für das Unternehmen. Zum Abschluss kommt es zur endgülti-
gen Einstellung auf eine konkrete Stelle im Unternehmen oder der Trainee verlässt das Un-
ternehmen.
Gerade bei Führungskräften wird der Tätigkeitsbeginn im Unternehmen als Assistentin/
Assistent einer Führungskraft gestaltet. Auch hier dient die Beschäftigung dem Kennenler-
nen des Aufgabengebietes und der Strukturen sowie Personen im Unternehmen. Der Assis-
tent hat keine Führungsverantwortung und Weisungsberechtigung, er arbeitet in einer Stab-
stelle, nicht in der Linie. Dadurch bleibt er relativ unabhängig und neutral, was ihn für zukünf-
tige Führungsaufgaben im Unternehmen qualifiziert. Während der Anstellung ist das Knüp-
fen von Netzwerken ein wichtiger Vorteil für den Assistenten. Die Tätigkeit ist aber sehr an-
spruchsvoll und mit einer hohen Arbeitsbelastung und ständigen Einsatzbereitschaft verbun-
den. Der Assistent begleitet die Führungskraft auf Meetings und Dienstreisen und muss
sich ständig in neue Themen einarbeiten. Dabei bleibt er im Hintergrund, die Ergebnisse und
Erfolge werden vom Vorgesetzten präsentiert.

2 Personaleinsatz
Beim Personaleinsatz geht es um die Zuordnung des Personals zu den verfügbaren Stellen
oder Arbeitsplätzen in qualitativer, quantitativer, zeitlicher und örtlicher Hinsicht. Der Perso-
naleinsatz ist ein wichtiger Faktor im Personalmanagement. Ziel ist der Einsatz des Perso-
nals nach Bedarf und Eignung. Der Einsatz erfolgt in Arbeitssystemen als Zusammenfassung
von Personal und Betriebsmittel. Dabei ist die Ablauforganisation ein zentrales Element zur
Aufrechterhaltung und Optimierung des Leistungsprozesses. Der Personaleinsatz schließt
sich an den Prozess der Personalbeschaffung an und wird von der Personalwirtschaftskon-
trolle begleitet.
Prozesse des Personaleinsatzes sind der Personalzugang, der Personalhaupteinsatz und der
Personalabgang.
Der Personalzugang beginnt mit der Einstellung und endet mit der Probezeit. Schwerpunkt
ist die Einweisung und Einarbeitung des Personals. Dabei hat sich die Vier-Stufen-Methode
bewährt:
1. Vorbereitung -> 2. Vormachen -> 3. Nachmachen -> 4. Üben

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Der eigentliche Personaleinsatz, der Personalhaupteinsatz, beginnt nach Ablauf der Probe-
zeit. Jetzt muss das Personal muss seine Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft zei-
gen. Die Phase kann viele Jahre umfassen, aber auch relativ schnell beendet sein.
Am Ende der Zugehörigkeit des Personals zum Unternehmen steht der Personalabgang.
Gründe für den Abgang können sein:
- Pensionierung zum gesetzlichen/tariflichen/vertraglichen Termin oder vorzeitig
(Vorruhestandsreglungen, Krankheit/Unfall)
- Vertragsablauf bei befristeten Verträgen. Hier sind wichtige Regelungen zu
beachten.
- Kündigung durch den Arbeitgeber. Die Kündigung kann fristgemäß oder frist-
los erfolgen. Hier sind gesetzliche Regelungen zu Fristen, Gründen, Einbezie-
hung des Betriebs- oder Personalrat u.v.m. zu beachten.
- Kündigung durch den Arbeitnehmer.
Damit ist die Dauer der Phase auch sehr stark abhängig vom Anlass des Personalabgangs.

3 Personalführung
Die Personalführung ist die zielorientierte Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte in
die Aufgaben des Unternehmens und Teil der Unternehmensführung. Bestandteile und
Elemente sind:
- Die Unternehmenskultur,
- Führungsstil und Managementmodelle,
- Das Verhältnis zwischen Führung und Motivation,
- Der Einsatz von Führungsinstrumenten,
- Individualführung und Teamführung,
- Vorschlagswesen und Ideenmanagement,
- Entgeltstruktur und Anreizsysteme,
- Die Aufbauorganisation, insbesondere die Führungsspanne, sowie
- Führungspsychologie und Führungsforschung.
3.1 Personalplanung
Die Ermittlung und Planung des künftigen Personalbedarfs ist als Teil der Unternehmenspla-
nung ein wichtiger Teilbereich der Personalführung. Unter Berücksichtigung der Unterneh-
mensentwicklung und -strategie sowie der Bevölkerungsentwicklung und der Veränderung
der Belegschaft werden kurz- bis langfristige Personalpläne aufgestellt. Bestandteile sind:
- Die Personalplanung für einzelne Mitarbeiter (Laufbahnplanung, Karrierepla-
nung, Nachfolgeplanung, Besetzungsplanung)
- Die Kollektive Personalplanung (Personalbestandplanung, Personalbedarfspla-
nung, kollektive Personaleinsatzplanung und Personalkostenplanung, Planung
der zukünftigen (strategischen) Personalkosten)
Das Ziel der Personalplanung ist die Bestimmung der personellen Kapazitäten, die zur Si-
cherstellung der Erfüllung der betrieblichen Funktionen aktuell und in Zukunft erforderlich
sind.

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3.2 Personalentwicklung (PE)


Unter Personalentwicklung versteht man Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der
Qualifikation der Mitarbeiter. Bestandteile sind Ausbildung, Weiterbildung, Umschulung,
Training, Supervision und Coaching mit dem Ziel der Entwicklung von Fachkompetenz, Sozi-
alkompetenz, Führungskompetenz, Schlüsselqualifikationen. Die Personalentwicklung wird
zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.
Voraussetzungen einer erfolgreichen Personalentwicklung sind die kontinuierliche Standort-
bestimmung, die Personalbeurteilung zum Beispiel durch Assessment-Center, die Durchfüh-
rung von 360-Grad-Feedback-Bewertungen, der Aufbau einer Qualifikationsdatenbank, Mit-
arbeiterbefragungen, Survey-Feedback sowie das Anfertigen von Arbeitszeugnissen.
Methoden der Personalentwicklung sind:
- Einarbeitung neuer Mitarbeiter,
- Die Installation und Betreuung von Patenschafts- und Mentorensystemen,
- Coaching-Programme,
- Maßnahmen zur Fortbildung und Weiterbildung, Erlangen von Zertifikaten
- Der regelmäßige Wechsel der Arbeitsplätze (Job-Rotation)
- Die schrittweise Erweiterung der Aufgaben einer Stelle (Job-Enlargement),
- Die planmäßige Qualifikation auf eine höhere Stelle (Job-Enrichment),
- Die Mitarbeit in Projekten und die Übertragung von Projektverantwortung,
- Maßnahmen zur Teamentwicklung,
- Führen auf Zeit,
- Praktika und Auslandsaufenthalte,
- Der Einsatz als Ausbilder (Lernen durch Lehren),
- Die Unterstützung bei Zusatz- und Aufbaustudien.
3.2 Personalkommunikation
Die Personalkommunikation ist ein Teil der Betriebskommunikation. Sie besteht aus der in-
ternen und externen Betriebskommunikation.
Zur internen Personalkommunikation gehören ein Informations- und Wissensmanagement,
das Intranet, die Betriebszeitung, die Einrichtung eines Schwarzen Brettes, die regelmäßige
Durchführung von Betriebsversammlungen, der Aufbau eines Firmen-Wiki`s oder die Gestal-
tung von Pausentreffs als Meeting Point und der Kantine.
Zur externen Kommunikation gehören Kontakte zu Personalberatern, Arbeitsagenturen, Per-
sonalvermittlern, Zeitarbeitsfirmen, Universitäten, Schulen, Handwerkskammern und Ver-
bänden.
Die Zusammenarbeit mit dem Betriebs- oder Personalrat gehört ebenfalls zur Personalkom-
munikation.
3.3 Personalverwaltung
In der Personalverwaltung erfolgt das Abwickeln administrativer und umfassender informati-
oneller Aufgaben des Personalwesens. Inhalte sind:
- Die Einrichtung und Betreuung von Personalinformationssystemen,
- Das Anlegen von Personalakten,

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- Abrechnungs- und Informationsaufgaben


- Meldungen an Arbeitsagenturen bzw. Berufsgenossenschaften
- Datenschutz und Schriftverkehr.
3.4 Personalwirtschaftskontrolle und -controlling
Die Personalwirtschaftskontrolle dient der Überwachung und Untersuchung des Gesche-
hens im Personalwesen mit den Zielen der Senkung der Personalkosten, der Senkung der
Fluktuation und der Fehlzeiten und der Steigerung der Arbeitsproduktivität bzw. der Arbeits-
leistungen.
Das Personalcontrolling ist eine Koordinationsfunktion zur Verbindung der Planung, Kontrolle
und Steuerung mit der Informationsversorgung. Sie überlagert die personalwirtschaftlichen
Prozesse und unterstützt die Personalmanager bei der Aufgabenerfüllung.
3.5 Personalorganisation
Die Personalorganisation dient der Strukturierung statischer, exponentieller und dynamischer
Beziehungszusammenhänge in der Personalwirtschaft. Bestandteile der Personalorganisati-
on sind:
- Die Aufbauorganisation (Aufgabenstrukturen, Zuständigkeits- bzw. Verantwor-
tungsbereiche, Organigramme der Personalabteilung und Stellenbeschrei-
bungen)
- Prozessorganisation (Personalplanungs-, Personalbeschaffungs-, Personalein-
satz- und Personalkontrollprozesse)
- Projektorganisation mit speziellen Problemen der Personalwirtschaft (Perso-
nalmanagement in Projekten).
Dabei werden Methoden aus organisationstheoretischen Ansätze aus der Organisationsso-
ziologie und –psychologie verwendet.
3.6 Entgeltmanagement
Das Entgeltmanagement übernimmt die Abwicklungsfunktion für alle geldlichen Leistungen
des Unternehmens an das Personal.
3.7 Personalbetreuung und -politik
Die Personalbetreuung ist eine umfassende Servicefunktion und umfasst Einrichtungen,
Maßnahmen und Leistungen, die dem Personal über das vereinbarte Entgelt hinaus zu-
kommen. Bestandteile sind das Sozialrecht, das Sozialwesen und Sozialmaßnahmen.
In der Personalpolitik werden Grundsatzentscheidungen zur Ausrichtung des Personalmana-
gements bzw. der Personalarbeit ausgearbeitet und politische Prozesse legitimierter und
nicht legitimierter Akteure zur Durchführung ihrer Interessen koordiniert.
3.8 Führungsspanne und Leitungsspanne
Unter Leitungsspanne /oder Führungsspanne oder Lenkungsspanne versteht man die Anzahl
der einer Leitungsstelle unmittelbar unterstellten Mitarbeiter. Dabei ist die optimale Größe
der Leitungsspanne nicht zu bestimmen. Allgemein geht man von einer optimalen Leitungs-
spanne von 8–10 aus, für stark bürokratische Unternehmen liegt sie oft bei 4–10. Die Füh-
rungsspanne kann innerhalb und zwischen Organisationen stark schwanken. Sie ist stark
abhängig von der Qualität des Vorgesetzten, der Qualität und Motivation der unterstellten
Mitarbeiter und der Art der Arbeitsaufgaben.

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Dabei muss ein Vorgesetzter immer kontrollieren und koordinieren können (maximale Grö-
ße) eine zu große Leitungsspanne führt zu einer Überlastung des Vorgesetzten, womit die
Qualität der Arbeit in der gesamten Abteilung leidet.

Abbildung 16: Leitungsspanne in verschiedenen Ländern


Eine wichtige Aufgabe der Personalführung besteht in der ständigen Überprüfung und An-
passung der Leitungsspanne. Dabei wird versucht, Synergien durch Veränderung der Lei-
tungsspanne zu nutzen. Durch eine Erweiterung der Führungsspanne ergeben sich Möglich-
keit von Einsparungen und Nutzen von Synergien in der größeren Gruppe, da die Mitarbeiter,
die bisher getrennt gearbeitet haben, nun zu einem Team gehören. Aber das bedeutet auch
eine Mehrbelastung der Führungskraft. Deshalb ist eine Gegenüberstellung der Vorteile
durch Synergien mit dem gestiegenen Organisationsaufwand notwendig.
Die Vergrößerung der Führungsspanne auf unteren Führungsebenen führen aus Sicht der
darüber liegenden Führungsebene zur Verringerung der Komplexität; jedoch steigt die Kom-
plexität in der unteren Führungsebene. Das ist ein typischer Konflikt zwischen Zentralisie-
rung und Dezentralisierung.
Wichtig ist hierbei der Zusammenhang zwischen der Leitungsspanne und Leitungstiefe mit
der Leitungsintensität. Die Leitungstiefe zeigt die Anzahl der hierarchischen Leitungsebe-
nen. Viele Hierarchieebenen bedeuten eine steile Struktur und erfordert viele Führungskräf-
te. Bei wenigen Hierarchieebenen entsteht eine flache Struktur, man spricht vom Lean Ma-
nagement.
Die Leitungsintensität beschreibt das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Leitungsstellen
(inklusive Stabsstellen und Assistenzstellen) und den Ausführungsstellen. Sie wird genutzt
für die Beurteilung der Effizienz von Organisationsstrukturen. Einflussgrößensind:
- Die quantitative Leistungskapazität des Vorgesetzten (zeitliche Rahmen für
Leitungsaufgaben)

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- Die Qualitative Leitungskapazität: persönliche Erledigung der Aufgaben


- Intensität der Nutzung der Leitungsbeziehungen (Häufigkeit und Dauer der di-
rekten Führung und Leitung der einzelnen Mitarbeiter).
Eine große Leitungsspanne führt schnell zur Überforderung des Vorgesetzten, setzt moti-
vierte und qualifizierte Mitarbeiter voraus und erfordert eine Delegation von Kompetenzen
auf untere Ebenen, einschließlich der Teilverantwortung.
Eine kleine Leitungsspanne bewirkt, dass die Vorgesetzten ihre Koordinations- und Kontroll-
aufgaben gut wahrnehmen können und ermöglicht eine qualitativ hochwertige Erledigung
der Arbeiten. Allerdings führt die große Gliederungstiefe zu einem langsamen und manipu-
lierten Informationsfluss, es entsteht eine Filterfunktion: Informationen werden gefiltert,
abgeändert oder verfälscht, bevor sie im oberen Management ankommen.
Der Trend geht international zur Entwicklung einer hohen Leitungsspanne dem Lean Ma-
nagement. Vorteile sind die Schnelligkeit bei der Entscheidungsfindung durch einen raschen
und unverfälschten Informationsaustausch. Kontrollorganisationen werden zu Vertrauensor-
ganisationen, die Koordination und Selbstabstimmung der Mitarbeiter steigt an und die Stel-
len werden autonom. Probleme dieser Entwicklung sind:
- Weniger Karrierechancen, die Möglichkeiten eines beruflichen Aufstiegs sind
bei flachen Hierarchien geringer.
- Sinkende Motivation der Mitarbeiter durch Überforderung. Durch die Selbstor-
ganisation der einzelnen Mitarbeiter ist der Koordinationsaufwand gewach-
sen.
- Desorientierung der Mitarbeiter durch große Aufgabenvielfalt.
- Gefahr des innerbetrieblichen Betrugs durch abgebaute Kontrollinstanzen.

4 Personalentlohnung
Die Im Unternehmen geleistete Arbeit der wird entlohnt:
Für den Eigentümerunternehmer (Einzelunternehmer und mitarbeitende Gesell-
schafter von Personengesellschaften) als Anteil am Gewinn
Für den Arbeitnehmer als Lohn bzw. Gehalt und soziale Leistungen. Diese sind für
den Arbeitnehmer Einkommen, für den Arbeitgeber Kosten. Lohn ist in der Regel
Geldlohn, Naturallohn ist nur als Ergänzung zulässig
Für den Auftragsunternehmer (Vorstand bzw. Geschäftsführer von Kapitalgesell-
schaften und Genossenschaften) als Gehalt, soziale Leistungen und Gewinnanteile
(Tantiemen).
Mit der Entlohnung der Arbeitnehmer beschäftigen sich die folgenden Ausführungen.

4.1 Lohnformen
Zur Festlegung und Differenzierung der Löhne ist eine Bewertung der Arbeit notwendig. Die
Bewertung der Arbeit ergibt sich aus der objektiven Arbeitsschwierigkeit, dem Arbeitswert,
und der erbrachten subjektiven Arbeitsleistung, dem Leistungsgrad.
Arbeitswert
Der Arbeitswert beschreibt die objektive Arbeitsschwierigkeit. Das ist die Summe der An-
forderungen, die eine Arbeitsaufgabe an den Arbeitnehmer stellt. Die Anforderungen können
körperlicher Art sein, so ist die Arbeit eines Bergmannes unter Tage wesentlich schwerer als
die Arbeit eines Pförtners und wird deshalb auch besser bezahlt. Die Anforderungen können

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sich aber auch in ihren Qualifikationsanforderungen unterscheiden, einfache, ungelernte Ar-


beiten wie Erntehelfer in der Landwirtschaft werden schlechter bezahlt als Tätigkeiten, die
eine hohe Qualifikation verlangen wie ein Arzt oder Rechtsanwalt. Ein weiterer Aspekt ist
die Verantwortung, die der Arbeitnehmer trägt. Ein Geschäftsführer ist für viele Menschen
verantwortlich sowie für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens und wird
deshalb auch besser bezahlt als z.B. ein Arbeiter, der eine Maschine bedient und nur dafür
verantwortlich ist.
Da alle Arbeiten sowohl körperliche als auch geistige Anforderungen stellen, ist eine genaue
Bewertung und damit Festlegung der Lohnhöhe schwierig. Als Methoden werden verwen-
det:
Summarische Verfahren, bei denen die Arbeitsaufgabe als Ganzes bewertet wird,
das führt zur Festlegung von Lohngruppen; oder
Analytische Verfahren, bei denen die Arbeitsaufgaben nach bestimmten Anforde-
rungskriterien untersucht werden, diese werden mit Punkten bewertet und über die
Bildung von Merkmalsgruppen erfolgt eine Einstufung der Arbeit.
Weiterhin ist die Lohnhöhe abhängig vom Arbeitsmarkt. In einer Marktwirtschaft regelt sich
der Preis des Produktionsfaktors Arbeit und damit die Lohnhöhe im Markt nach Angebot und
Nachfrage. Gibt es ein hohes Angebot an Arbeitnehmern für bestimmte Arbeiten bei gleich-
zeitig begrenzter Nachfrage, dann ist die Lohnhöhe gering, dagegen werden gesuchte Spe-
zialisten gut bezahlt. Das sollte ein junger Mensch auch bei der Auswahl seines Berufes
bzw. seines Studienfaches berücksichtigen. So ist in Deutschland die Nachfrage nach Inge-
nieuren, Naturwissenschaftlern und Betriebswirten mit Spezialisierung auf bestimmte Ge-
biete hoch und damit die Chance auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz, während es für Sozi-
alwissenschaftler, Architekten und andere Berufe nur weniger Arbeitsplätze als Absolventen
gibt, so dass viele arbeitslos sind bzw. einen Arbeitsplatz mit geringeren Qualifikationsanfor-
derungen und damit Lohn erhalten (der berühmte „Philosoph als Taxifahrer“).
Leistungsgrad
Der Leistungsgrad beschreibt die subjektive Arbeits-
leistung des Arbeitnehmers. Darunter versteht man
den Grad der Erfüllung der Arbeitsaufgaben durch den
Arbeitnehmer. Der Leistungsgrad ist abhängig vom
Können und der Motivation des Arbeitnehmers. Die
Messung des Leistungsrades erfolgt durch den Ab-
gleich der Ist-Leistung mit der Normal-Leistung. Dabei
gibt es folgende Probleme:
Die Normal-Leistung muss festgelegt werden (Ar-
beitsnormung). Wird die Normleistung zu niedrig an-
gesetzt, dann erreichen und überbieten fast alle Ar-
beitnehmer die Normleistung. Damit entfällt die moti-
vierende Wirkung und die Arbeitnehmer werden nicht
zu Höchstleitungen angeregt. Ist die Normleistung zu
hoch, dann erreicht kaum ein Arbeitnehmer diese,
auch das wirkt demotivierend. Weiterhin ist die Norm-
leistung abhängig von äußeren Umständen, die sich
auch ändern können. Damit muss die Norm regelmä-
ßig überprüft und angepasst werden.
Abbildung 17: Frederik Winslow TAYLOR12

12
Quelle: wikipedia

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Die Ist-Leistung der Arbeitnehmer muss gemessen und ausgewertet werden. Das
verursacht Kosten. Außerdem bekommen die Arbeitnehmer das Gefühl, überwacht
zu werden, was ebenfalls demotivierend wirken kann.
Die Ist-Leistung muss durch den Arbeitnehmer beeinflussbar sein. Wird die Ist-
Leistung nicht erreicht, weil z.B. der Materialfluss stockt oder technische Probleme
auftreten, dann kann dafür nicht der Arbeitnehmer bestraft werden.
Mit der Messung des Arbeitswertes und des Leistungsrades beschäftigen sich spezialisierte
Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure seitdem es bezahlte Lohnarbeit gibt. Als einer
der Begründer der modernen Arbeitswissenschaften gilt TAYLOR.
Scientific Management oder Taylorismus
Frederik Winslow TAYLOR (1865 – 1915) war ein amerikanischer Ingenieur. Er entwickelte
neue Methoden zur Arbeitsvorbereitung und –organisation nach wissenschaftlichen Prin-
zipen, die als Scientific Management oder Taylorismus bekannt wurden. Unter anderem
machte er Zeitstudien zur Arbeitsausführung einzelner Produktionsschritte. Dazu zerlegte er
die Arbeiten in Elementarbewegungen und maß im Experiment, wie lange der geschickteste
Arbeiter dafür braucht. Weiterhin versuchte er, alle überflüssigen Bewegungen auszuschal-
ten, indem er z.B. die Werkzeuge und Werkstücke so anordnete, das sie sofort erreichbar
sind. Die Elementarbewegungen und Arbeitsschritte zur Erledigung einer Aufgabe setzte er
zu Arbeitsaufgaben zusammen und errechnete die Zeitvorgabe dafür. Für bestimmte un-
vermeidliche Zeitverluste bestimmte er Zuschläge (z.B. Verteilzeiten), weiterhin legte er Ein-
arbeitungszeiten und Erholungszeiten fest.
Grundlage der Anwendung der so geschaffenen Normen war die Herstellung optimaler Ar-
beitsbedingungen. Dazu wurden die Anordnung der Werkzeuge und Maschinen sowie die
Gestaltung der Arbeitsplätze optimiert.
TAYLOR trennte die Arbeiten in Hand- und Kopfarbeit auf. Arbeitsbüros, in denen vor allem
Ingenieure arbeiten, organisierten die Arbeit, machten Zeitstudien und legten Normen fest.
Diese Trennung findet man teilweise noch heute, dort heißen diese Stellen „Arbeitsvorbe-
reitung“. Die eigentlichen Arbeiten wurden dann von angelernten Arbeitskräften erledigt, die
genau überwacht und nach Normerfüllung bezahlt wurden.
Fordismus
Der erste Unternehmer, der die Ergebnisse der Arbeiten TAYLORs konsequent umsetzte,
war Henry FORD. Seine Grundsätze in der Gestaltung der Produktion waren:
Ordne Werkzeuge und Arbeiter in der Reihenfolge der Verrichtungen an!
Nutze Gleitbahnen oder andere Transportmittel!
Nutze Montagebahnen zum Antransport der Teile, die zusammenzusetzen sind!
Voraussetzung war die Typisierung des Produkts und die anschließende Massenfertigung.
FORD beute ein Automobil (Ford-T) in einer Ausführung. Die Typisierung ging soweit, dass
es anfangs nur eine Farbe gab: schwarz. Zur Umsetzung schuf FORD eigene Maschinen-
bauabteilungen, die die notwendigen Spezialmaschinen entwickelte und baute. Weiterhin
achtete er auf die Austauschbarkeit der Teile und eine präzise Fertigung. In der Konsequenz
wurde die Koordination der Fertigung in das Fließband hineinprogrammiert.
Im Ergebnis konnte FORD die Produktionszeit für ein Auto von 12,5 Stunden auf 93 Minuten
senken. Weiterhin konnte er eine Verdoppelung der Löhne sowie eine Verkürzung der Ar-
beitszeit auf 8 Stunden in seiner Fabrik durchführen und trotzdem hochprofitabel arbeiten.
REFA
Der REFA hieß ursprünglich „Reichsausschuss für Arbeitsstudien“ und wurde 1924 gegrün-
det. Seit 1995 nennt er sich „REFA-Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und

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Unternehmensentwicklung e.V.“. Er führt in Deutschland unter anderem Arbeiten zur Ar-


beitsnormung durch und legt für Unternehmen als Beratungsleistung die Normalleistung und
die Normalzeit für Arbeiten fest. Ihm gehören ca. 24.000 Mitglieder, vor allem Ingenieure,
an. Dazu entwickelt er Methoden zur Arbeitsgliederung und zur Berechnung von Zeitnor-
men. Die vom REFA entwickelten Methoden und Normen sind teilweise verallgemeinert
worden und finden sich in gesetzlichen Normen (DIN-ISO) wieder.
Der REFA definiert die Auftragszeit für eine Aufgabe als Rüstzeit plus Ausführungszeit. Die
Arbeitszeit wird aufgegliedert in Grundzeit, Erholungszeit und Verteilzeit.
4.1.1 Zeitlohn
Beim Zeitlohn ist der Maßstab für die Berechnung der Lohnhöhe die im Betrieb zugebrachte
Arbeitszeit. Nach dem Berechnungszeitraum unterscheidet man in Stundenlohn, Wochen-
lohn und Monatslohn.
Für die Berechnung der Lohnhöhe muss die Arbeitszeit erfasst werden. Das geschieht häu-
fig mit Arbeitszeiterfassungsgeräten, z.B. den sogenannten Stechuhren. Die Arbeitszeiter-
fassung kann als positive oder negative Erfassung ausgeführt werden.
Bei der positiven Arbeitszeiterfassung wird die Arbeitszeit bei null beginnend für jede Ab-
rechnungsperiode kumulativ erfasst. Das kann in Papierform (Stundenabrechnungen etc.)
oder technisch (Stechuhren, Zugangskontrollsysteme) erfolgen. Die Lohnhöhe richtet sich
dann nach der erfassten Arbeitszeit.
Bei der negativen Arbeitszeiterfassung ist der Ausgangspunkt die Normarbeitszeit für eine
Abrechnungsperiode, z.B. 40 Stunden pro Woche. Es werden nur die nicht geleisteten Zei-
ten erfasst, wie Krankheit, Freistellungen und andere. Die Erfassung erfolgt in Papierform
(z.B. Krankenschein) oder technisch. Die Bezahlung erfolgt nach der Normzeit (= festes Ge-
halt) unter Abzug der Fehlstunden.
Der Zeitlohn ist anwendbar vor allem bei Arbeiten:
die Aufmerksamkeit, Sorgfalt und geistige Tätigkeit erfordern,
bei denen das Arbeitstempo durch den Arbeitsgang bestimmt wird (z.B. am Fließ-
band),
in der Einarbeitungsphase, wenn der Arbeitnehmer noch nicht die Normleistung er-
bringt, sowie
wenn die Festsetzung von Normen und Leistungseinheiten schwierig ist (z.B. Lager-,
Entwicklungs-, Reparatur-, Kontroll- und Büroarbeiten).
Die Vorteile des Zeitlohnes sind:
Die einfache Lohnberechnung erspart Kontroll- und Verwaltungsaufwand im Unter-
nehmen.
Die Arbeitnehmer können ruhig arbeiten ohne Zeitdruck, was sich in einer besseren
Qualität zeigt.
Die Arbeitnehmer können hohe Leistungen auf Dauer erbringen, da sie sich nicht in
kurzer Zeit verausgaben.
Durch die Vermeidung von Hast und Hetze kommt es zu weniger Arbeitsunfällen, ge-
fährliche und verantwortungsvolle Arbeiten sind möglich.
Für die Arbeitnehmer ist ein festes, planbares Einkommen von Vorteil.
Die Nachteile des Zeitlohnes lassen sich wie folgt zusammenfassen:

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Es gibt keinen direkten, materiellen Anreiz zur Beschleunigung des Arbeitstempos.


Das Arbeitstempo muss deshalb entweder technisch vorgegeben werden (Fließ-
band) oder die Arbeitnehmer müssen motiviert werden.
Die Arbeitnehmer müssen kontrolliert werden, was unangenehm ist und Kontrollkos-
ten verursacht.
Der Betrieb ist abhängig vom Arbeitswillen einzelner und der Belegschaft.
Das Risiko zu langsamer Arbeit trägt allein der Arbeitgeber.
4.1.2 Leistungslohn (Stücklohn)
Maßstab für die Lohnhöhe ist die geleistete Arbeit in Mengeneinheiten (Stück, m, kg, t, ha,
etc.).
Ausgangspunkt für die Berechnung ist ein Stundenlohnsatz, z.B. nach Tarifvertrag. Dieser
wird mit der Normalleistung in einen Lohnansatz je ME umgerechnet, das Ergebnis ist der
Akkordsatz. Aus dem Akkordsatz wird dann der Stückgeldakkord als Lohn je ME (z.B. € /
Stück) oder der Stückzeitakkord als Auftragszeit je ME (z.B. min / Stück) abgeleitet. Der
Stückgeldakkord wird häufiger verwendet, da bei Änderungen der Tariflöhne die Akkordta-
bellen nicht geändert werden müssen.
Weiterhin findet man häufig eine Kombination mit einem Zeitlohn als Mindestlohn.
Eine Besonderheit ist der Gruppenakkord. Hier gilt der Akkordsatz für eine Arbeitsgruppe,
der Lohn wird über einen Schlüssel oder durch die Arbeitnehmer selbst auf die Gruppenmit-
glieder verteilt.
Der Leistungslohn ist anwendbar bei gleichartigen, abgrenzbaren und regelmäßig wieder-
kehrenden messbaren Tätigkeiten.
Die Vorteile des Stücklohnes sind:
In den Tarifverträgen sind häufig höhere Stundenlohnsätze für Akkordlöhne verein-
bart, so dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmer auf einen höheren Lohn kommt.
Durch den direkten Zusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Lohnhöhe gilt bei
der Entlohnung das Leistungsprinzip.
Für den Unternehmer sind die Lohnkosten je Stück konstant, damit entsteht eine gu-
te Kalkulationsgrundlage für den Betrieb.
Beim Gruppenakkord kommt es zur Förderung des Teamgeistes.
Probleme, die durch den Stücklohn entstehen können, sind vor allem:
Durch einen übertriebenen Arbeitseinsatz können bei den Arbeitnehmern gesund-
heitliche Probleme auftreten.
Durch zu niedrige Akkordsätze besteht die Gefahr der Ausnutzung der Arbeiter, wei-
terhin werden Risiken in der Arbeitsdurchführung auf die Arbeitnehmer abgewälzt.
Der Akkordlohn ist auch oft Anlass zu Streit unter den Arbeitern.
Durch den einseitigen Anreiz zum schnellen Arbeiten steigt die Gefahr von Unfällen,
von Qualitätsmängeln, von Mehrverbrauch von Material und von übermäßigem Ma-
schinenverschleiß.
Zur Festlegung der Akkordsätze sind zeitaufwändige und schwierige Vorarbeiten
notwendig.

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4.1.3 Prämienlohn
Beim Prämienlohn wird versucht, die Vorteile des Akkordlohnes, vor allem der Anreiz zum
fleißigen und schnellen arbeiten, zu verbinden mit weiteren Anreizen. Dazu werden zu ei-
nem Grundlohn (Zeitlohn, Prämienausgangslohn) Zuschläge als Prämie bei Erreichung bzw.
Überschreitung einer Normalleistung ausgelobt.
Übliche Prämien sind z.B.:
Mengen- und Zeitersparnisprämien, die gezahlt werden, wenn mehr geschafft wird
oder wenn eine Arbeit schneller erledigt wird als die Norm vorsieht,
Nutzungsprämien z.B. für hohe Maschinenlaufzeiten und wenig Standzeiten,
Sonderprämien, z.B. für Materialeinsparungen, für die Vermeidung von Ausschuss
und Arbeitsunfällen, für Pünktlichkeit, Verbesserungsvorschläge oder hohe Qualität,
und
Gruppenprämien als Prämierung von Gruppenleistungen.
Der Prämienlohn ist weit verbreitet und wird angewendet, wenn ein reiner Leistungslohn
nicht mehr anwendbar ist, wie z.B. bei komplizierten Arbeiten oder am Fließband.
4.1.4 Soziallohn
Der Soziallohn ist eine spezielle Lohnform, bei der die Lohnhöhe ganz oder teilweise von
den Lebensbedingungen des Arbeitnehmers, wie das Alter, der Familienstand und die Dauer
der Betriebszugehörigkeit, abhängig ist.
Der Soziallohn wird sozialpolitisch und sittlich begründet und dient dem Schutz der Familie in
sozialer Hinsicht.
In Reinform wird der Soziallohn in Deutschland selten angewendet, als Komponente findet
man ihn z.B.:
bei staatlich geförderten Arbeitsplätzen, wie in der Beschäftigung Behinderter oder in
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, oder
in der Bezahlung im öffentlichen Dienst.

4.2 Lohnberechnung (Brutto- und Nettolohn)


Zur Auszahlung der Entlohnung an die Arbeitnehmer werden von der Lohnbuchhaltung im
Unternehmen oder von externen Dienstleistern Lohn- und Gehaltslisten angefertigt.
Das Lohnbüro errechnet die Bruttolöhne sowie die Abzüge, die Arbeitnehmerbeiträge, sons-
tigen Beträge sowie den Nettolohn und den Auszahlungsbetrag. Anschließend erfolgt die
Auszahlung, meist in Form der Überweisung,
der Lohn- und Kirchensteuer sowie des Solidaritätszuschlages an das Finanzamt,
der Sozialversicherungsbeiträge an die Krankenkasse,
der sonstigen Zahlungen an den entsprechenden Empfänger, z.B. an Fondgesell-
schaften bei vermögenswirksamen Leistungen oder an Pfändungsberechtigte, sowie
des Auszahlungsbetrages an den Arbeitnehmer.
Der Bruttolohn ist der je nach Lohnform für den Abrechnungszeitraum (meist Monat) er-
rechnete Lohn. Der Nettolohn ist der Lohn nach Berücksichtigung von steuerlichen und ver-
sicherungstechnischen Abzügen. Zu den Abzügen gehören die Sozialversicherungsbeiträge
Sozialversicherungsbeiträge

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Die Sozialversicherungsbeiträge sind für Arbeitnehmer Abzüge vom Lohn und für den Ar-
beitgeber Teil der Personalkosten. Ein Unternehmer ist meistens nicht Pflichtmitglied in den
Sozialversicherungskassen, für diesen sind eventuelle Beiträge Privatentnahmen.
Die Berechnung der Beiträge erfolgt i.d.R. als prozentualer Betrag vom sozialversicherungs-
pflichtigen Bruttolohn. Für die Zahlungen gibt es einen Höchstbetrag entsprechend der Bei-
tragsbemessungsgrenzen, die jährlich angepasst werden. Bei freiwillig Versicherten gibt es
zusätzlich einen Mindestbetrag, den diese zahlen müssen.
Die folgenden Angaben beziehen sich auf das Jahr 2022, hier gibt es regelmäßig Anpassun-
gen.
Die Beitragshöhe besteht bei der Krankenversicherung bundeseinheitlich 14,6%. Zusätz-
lich können die Krankenkassen einen Sonderbeitrag festlegen, der beträgt im Durchschnitt
1,1%. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 4.837,50 Euro. Da die Ausgaben der Kran-
kenversicherungen ständig ansteigen, z.B. wegen höherer Kosten für Ärzte, Krankenhäuser
und Medikamente sowie dem Anstieg des Durchschnittsalters der Menschen, wird zukünf-
tig mit steigenden Beiträgen gerechnet-
In der Pflegeversicherung richtet sich der Beitrag danach, ob der Versicherte Kinder hat. Er
beträgt 3,05% bzw. 3,4% (mit/ohne Kinder), die Beitragsbemessungsgrenze beträgt eben-
falls 4.837,50 Euro. Auch hier verursachen steigende Ausgaben einen Druck, den Beitrags-
satz zu erhöhen.
Der Beitragssatz zur Rentenversicherung beträgt 18,6%, hier ist die Beitragsbemessungs-
grenze differenziert in 7.050,00 Euro (West) bzw. 6.750,00 Euro (Ost). Der Beitragssatz zur
Rentenversicherung lag von 2007 bis 2011 schon mal bei 19,9%. Durch Anhebung des Ren-
teneintrittsalters auf 67 Jahre und Verringerung der Rentenhöhe ist es gelungen, den Bei-
tragssatz zu verringern. Allerdings hat die gesetzliche Rente damit auch an Wert verloren.
Mit dem demographischen Wandel und dem weiteren Ansteigen des Sterbealters ist der
Effekt dieser Maßnahmen in einigen kompensiert, so dass dann neu über die Zukunft der
gesetzlichen Rentenversicherung diskutiert werden muss.
Für die Arbeitslosenversicherung werden 2,4% bis zur Beitragsbemessungsgrenze wie in
der Rentenversicherung erhoben. Das ist die einzige Sozialversicherung, deren Beitragssatz
gesunken ist. Bis 2006 lag er noch bei 6,5%. Hier wirkt sich die stark gesunkene Arbeitslo-
sigkeit in Deutschland positiv aus.
Die Berechnung des Beitrages erfolgt vom sozialversicherungspflichtigen Bruttolohn unter
Beachtung der Beitragsbemessungsgrenzen. Der Beitrag wird zwischen Arbeitnehmer und
Arbeitgeber aufgeteilt. Der Arbeitnehmer bezahlt die halben Regel-Beiträge, diese werden
vom Lohn abgezogen. Der Arbeitgeber bezahlt den halben Regelbeitrag dazu, diese erhöhen
die Personalkosten.
Die Abführung erfolgt an die Krankenkasse des Arbeitnehmers, diese verteilt die Beiträge
weiter an die anderen Kassen. Zusätzlich erfolgt eine Meldung per Internet. Für den Arbeit-
nehmer werden die Beträge auf dem Lohn- oder Gehaltszettel dargestellt.
Für sehr gut verdienene Arbeitnehmer (dauerhaft über der Beitragsbemessungsgrenze) be-
steht die Möglichkeit, sich privat zu versichern in der Krankenversicherung. In diesem Fall
trägt er die Beiträge selbst, der Arbeitgeber zahlt einen aber einen Zuschuss an Stelle des
Arbeitgeberbeitrages bei der gesetzlichen Krankenversicherung bis zu einer Maximalgrenze
von monatlich 268,28 Euro (2009).
Steuerliche Abzüge
Zusätzlich zu den Sozialversicherungsabzügen werden dem Arbeitnehmer bei der Lohnbe-
rechnung noch Steuern vom Bruttolohn abgezogen.

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Die Lohnsteuer ist eine Vorauszahlung auf die wahrscheinliche Jahres-Einkommensteuer.


Sie wird nach amtlichen Tabellen berechnet. Der Steuersatz als prozentualer Anteil vom
steuerpflichtigen Bruttolohn bestimmt sich nach:
der Lohngruppe, sie zeigt den sozialen Status der Arbeitnehmers,
I für unverheiratete Arbeitnehmer ohne Kind,
II für unverheiratete Arbeitnehmer mit Kind,
III, IV und V für verheiratete Arbeitnehmer und
VI für zusätzliche Arbeitsverhältnisse, sowie
der Anzahl der Kinder wegen der Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen.
Der Solidaritätszuschlag ist ursprünglich als zeitweiliger Zuschlag zur Einkommensteuer
zur Finanzierung der Kosten der deutschen Einheit eingeführt worden. Er wird mit den glei-
chen Tabellen wie die Lohnsteuer berechnet.
Die Kirchensteuer wird für in der katholischen oder evangelischen Kirche konfessionell ge-
bundene Arbeitnehmer erhoben. Das erfolgt vom Staat (Finanzamt) in Dienstleistung für die
Kirchen.
Die Berechnung der Steuern erfolgt im Lohnbüro für jeden Arbeitnehmer mit den amtlichen
Tabellen. Die Abführung erfolgt durch den Arbeitgeber an das Finanzamt inklusive einer
Meldung über das Internet per ELSTER (Elektronische Steuererklärung).
Nicht alle Lohnbestandteile und sonstigen Bezüge der Arbeitnehmer sind steuerpflichtig, es
gibt auch vollständig oder bis zu einer Grenze steuerfreie Bezüge. Steuerpflichtige Bezüge
sind die Löhne und Gehälter sowie Zulagen wie Schmutz-, Schlechtwetter-, Gefahren-,
Gruppenleiter- bzw. andere Zuschlagen, Überstundenzuschläge, Nacht-, Feiertags- und
Sonntagszuschläge über bestimmte Grenzen hinaus sowie Gratifikationen wie Urlaubs- und
Weihnachtsgeld.
Steuerfreie Bezüge sind zum Beispiel (Stand 2010):
 Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit bis zu Obergrenzen,
 Notstandsbeihilfen bis 600 € (z.B. bei Unfall oder Krankheit des Arbeitnehmers),
 Beihilfen für Gesundheitsvorsorge (max. 500 €) und Familienerholung (max. 156 € + 104
€ + 52 €),
 Umzugsbeihilfen,
 Heirats- und Geburtsbeihilfen bis 358 €,
 Sachbezüge bis 44 €/monatlich, wie z.B. kostenloses oder verbilligtes Mittagessen oder
Tankgutscheine,
 Personalrabatte bis 1.224 €,
 Fahrkostenzuschüsse, und
 Mankogeld bis 16 €/monatlich.
Sonderfälle
Neben den üblichen sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Abzügen müssen im
Einzelfall noch besondere Faktoren in der Lohnberechnung berücksichtigt werden. Dazu ge-
hören geldwerte Vorteile, vermögenswirksame Leistungen, sonstige Abzüge, steuer- und
sozialversicherungsfreie Zuschläge und Direktversicherungen.
Werden einem Arbeitnehmer dienstliche Einrichtungen für die Privatnutzung überlassen, hat
er gegenüber einem Arbeitnehmer ohne dieses einen geldwerten Vorteil. Das kann z.B.

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die private Nutzung eines Dienstwagens oder eines Mobiltelefons sein. Dieser geldwerte
Vorteil ist sozialversicherungs- und einkommenssteuerpflichtig sowie umsatzsteuerpflichtig.
Deshalb wird er bei der Berechnung der steuerlichen und Sozialversicherungs-Abzüge auf
den Bruttolohn addiert und vor der Auszahlung des Nettolohns wieder abgezogen.
Bei vermögenswirksamen Leistungen zahlt der Arbeitnehmer Beiträge in eine geförderte
Form der Vermögensbildung ein, wie ein Investmentfond, ein Bausparvertrag oder eine di-
rekte Beteiligung am Produktivkapital z.B. als Kommanditeinlage. Diese Vermögensbildung
wird vom Staat durch die Zahlung von Zuschüssen (10% oder 20%) bis zu einer Höchst-
grenze unterstützt Die Einzahlung wird vom Arbeitgeber direkt an die Gesellschaft abgeführt
und dem Arbeitnehmer vom Nettolohn abgezogen. Häufig übernimmt auch der Arbeitgeber
einen Teil der Zahlung (Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag), diese Zuzahlung ist sozialversiche-
rungs- und steuerpflichtig.
Die Direktversicherung ist eine geförderte Form der Altersvorsorge. Der Arbeitnehmer
zahlt Teile seines Lohnes (max. 4%) in eine Versorgungskasse ein, das ist eine kapitalbil-
dende Lebensversicherung mit Rentenzahlung. Diese Zahlung ist sozialversicherungs- und
steuerfrei, wird also bei der Berechnung der Beiträge nicht berücksichtigt. Die Versorgungs-
kasse zieht den Betrag direkt vom Konto des Arbeitgebers ein. Der Arbeitgeber muss dazu
in die Versorgungskasse eintreten, daraus entstehen Folgekosten wie ein Mitgliedsbeitrag
oder Versicherungsbeiträge trägt dieser.
Weiterer Personalaufwand
Neben den mit den Lohn- und Gehaltszahlungen zusammenhängenden Aufwendungen ent-
stehen für das Unternehmen weitere Aufwendungen aus dem Einsatz des Produktionsfak-
tors Personal. Dazu gehören die Beiträge zur Betrieblichen Unfallversicherung, Aufwendun-
gen für die Unterstützung z.B. bei Krankheit (Lohnfortzahlung) sowie Aufwendungen für
Sachmittel, wie Arbeitskleidung, Arbeitsschutzeinrichtungen, Hygieneartikel etc.
Die betriebliche Unfallversicherung wird von den Berufsgenossenschaften übernommen.
Die Beitragshöhe richtet sich nach sachlichen Kriterien (Gefährdungsklasse) und prozentual
nach der Lohnsumme. Versichert sind die Arbeitnehmer und der/die Unternehmer für Unfäl-
le im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit, dazu gehören auch der Arbeitsweg
oder Dienstreisen, Teilnahme an einer Weiterbildung oder Arbeit in der Selbstverwaltung.
Bei einer notwendigen ärztlichen Behandlung wird der Versicherte bevorzugt behandelt, da
die Ärzte nach Privatpatienten-Tarif abrechnen können.
Personalaufwand gesamt
Durch Addition aller mit dem Personaleinsatz verbundenen Aufwendungen kann der Perso-
nalaufwand insgesamt berechnet werden. Wird dieser ins Verhältnis gesetzt zu den tatsäch-
lich geleisteten Arbeitsstunden (vertragliche Arbeitszeit minus Urlaub, Feiertage, Krankheit,
sonstige Fehltage) ergibt sich der reale Personalaufwand je Arbeitskraftstunde (Akh).

5 Personalentwicklung
Der Begriff „Personalentwicklung“ hat verschiedene Dimensionen. In der engen Begriffs-
fassung versteht man darunter lediglich die Aus- und Weiterbildung des vorhandenen Per-
sonals im Unternehmen. In einer weiten Definition die Förderung der Unternehmensent-
wicklung durch zielgerichtete Gestaltung von Lern-, Entwicklungs- und Veränderungsprozes-
sen in den Bereich betrieblicher Personalentwicklung.
Die Personalentwicklung erfolgt in der Regel in Bezug auf Klientelgruppen, wie Führungs-
kräfte, Nachwuchsführungskräfte, unteres Management oder Produktionsarbeiter.
Unter der strategischen Personalentwicklung versteht man planerische Aktivitäten, die da-
rauf zielen, die Kompetenzen der Mitarbeiter auf die künftigen Anforderungen des Unter-
nehmens vorzubereiten, die aus der Unternehmensstrategie und der Unternehmensvision

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abgeleitet werden. Hier ist also die Personalentwicklung in die strategische Unternehmens-
führung eingebettet.
5.1 Ziele der Personalentwicklung
Ziele der Personalentwicklung sind aus Unternehmenssicht:
 Die Sicherung des notwendigen Fach- und Führungskräftebestandes und Deckung
des zusätzlichen Bedarfs,
 Die Entwicklung geeigneter Rekrutierungsinstrumente und Karriereangebote,
 Das Erkennen und Vorbereiten von Nachwuchsführungskräften und Spezialisten,
 Die Anpassung an technologische und marktliche Erfordernisse,
 Eine größere Unabhängigkeit von externen Arbeitsmärkten,
 Die Verbesserung und Aufrechterhaltung der fachlichen und persönlichen Qualifikati-
onen des Personalbestandes,
 Die Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit und die Verbesserung der Leistungs-
motivation,
 Das Aufdecken von Fehlbesetzungen und Defiziten,
 Die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen,
 Die Erhöhung der Bereitschaft, Änderungen zu akzeptieren,
 Die Senkung der Fluktuation, und
 Die Verbesserung der innerbetrieblichen Kooperation und Kommunikation.
Aus Mitarbeitersicht dient die betriebliche Personalentwicklung:
 Der Verbesserung und Aufrechterhaltung der fachlichen und persönlichen Qualifikati-
on,
 Der Aktivierung bisher ungenutzter Potenziale und Fähigkeiten,
 Der Übertragung neuer/erweiterter Aufgaben und verbesserte Karriere- und Lauf-
bahnmöglichkeiten,
 Die Minderung des Risikos des Arbeitsplatzverlustes,
 Die Steigerung der individuellen Mobilität auf dem internen und externen Arbeits-
markt,
 Die Verbesserung der Selbstverwirklichungschancen und Entfaltung der Persönlich-
keit,
 Die Erhöhung des persönlichen Prestiges,
 Die Ermöglichung einer eignungs- und neigungsgerechten Aufgabenzuweisung, und
 Insgesamt der Einkommensverbesserung.
5.2 Erfolgskontrolle
Der Erfolg von Maßnahmen der Personalentwicklung kann nur indirekt erfolgen.
Eine wichtige Kennziffer ist die Fluktuationsquote, d.h. der prozentuale Anteil der Mitarbei-
ter, die im Laufe eines Jahres das Unternehmen verlassen. Die Änderung der Fluktuations-
quote über mehrere Jahre oder der Vergleich mit anderen ähnlichen Unternehmen zeigt den
Erfolg der Personalentwicklung. Allerdings gibt es auch Einflussfaktoren auf die Fluktuation,

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die nicht vom Unternehmen beeinflusst werden können, wie die allgemeine Arbeitsmarktla-
ge.
Eine Möglichkeit der Erfolgsmessung sind jährliche Mitarbeiterbefragungen. Hier kann zum
Beispiel die Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen gemessen werden, zum Beispiel
durch Fragen wie: „Empfehlen Sie das Unternehmen als Arbeitgeber weiter?“. Ebenso kann
die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit einzelnen Personalentwicklungsmaßnahmen gemessen
werden, zum Beispiel im Anschluss an Seminare / Workshops mit Hilfe von Bewertungsbö-
gen.
Weitere Kennziffern, aus denen der Erfolg der Maßnahmen der Personalentwicklung abge-
leitet werden kann, sind zum Beispiel:
- die „Back-Up Quote“, die die Nachfolgeplanung im Unternehmen charakterisiert (für
welche Schlüsselpositionen wurden bereits Nachfolger identifiziert?)
- die „Verbleibs-Quote“ von Potenzialträgern im Unternehmen,
- die „On-Board-Quote“, die den Verbleib von Neuzugängen misst
Die ausgewogene Alters- und Geschlechterstruktur wichtiger Zielgruppen gibt ebenfalls eine
wichtige Aussage zum Stand der Personalentwicklung. Der Vergleich der Entgeltkosten von
durch gezielte Entwicklung interner Mitarbeiter zu Führungskräften im Vergleich zu extern
eingekauften Führungskräften sollte minimiert werden. Auch der Krankenstand im Unter-
nehmen bzw. die Krankenkosten geben einen Hinweis auf die Zufriedenheit des Personals.
Der Human Capital Index HCI (nach Watson Wyatt) stellt die Korrelation zwischen Human-
kapital und Unternehmenswert dar.
Über eine regelmäßige Einschätzung der Mitarbeiter durch ihre Führungskräfte kann die Ab-
weichung zwischen dem Ist- und der Soll-Kompetenzstand der Mitarbeiter gemessen wer-
den.
Eine indirekte Methode ist die Erfassung der Kundenzufriedenheit, zum Beispiel über Kun-
denbefragungen oder Testeinkäufe.
Auch sogenannte Service-Level-Kennzahlen wie zum Beispiel der Zeitraum von einer Stellen-
ausschreibung bis zu einer erfolgreichen Einstellung oder in der Personalentwicklung oder
der Zeitraum von einer Weiterbildungsanfrage aus einem operativen Bereich bis hin zur er-
folgreichen Durchführung der Maßnahme gibt Auskunft über die Effektivität der Personal-
entwicklung.

6 Personalfreisetzung
Auch die Entlassung von Arbeitnehmern (Freisetzung) gehört zu den Aufgaben der Personal-
abteilung. Je nach Vertrag und Dauer der Betriebszugehörigkeit sind bei einer ordentlichen
Kündigung Fristen einzuhalten, die bis zu 9 Monate betragen können. Auch ist bei Kündi-
gungen eine sogenannte Sozialauswahl durchzuführen, d.h. der Arbeitnehmer muss bei der
Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer soziale Kriterien wie Alter des Arbeitnehmers
und Anzahl Kinder im Haushalt berücksichtigen.
In zeitlich befristeten Arbeitsverträgen muss nicht gekündigt werden, diese laufen zum fest-
gelegten Termin aus. Wird der Arbeitnehmer nach dieser Frist einfach weiter beschäftigt,
geht der Arbeitsvertrag in einen unbefristeten Vertrag über.
Unter bestimmten Umständen kann ein Arbeitnehmer auch fristlos, d.h. mit sofortiger Wir-
kung gekündigt werden. Das wird zum Beispiel bei schweren Vergehen des Arbeitnehmers
wie Diebstahl von Gegenständen des Unternehmens oder anderer Arbeitnehmer, Beleidi-
gungen oder andere Straftatbestände angewendet. Bei leichten Vergehen wie Zuspätkom-
men, Rauchen trotz Rauchverbot, Alkoholgenuss oder Nichterledigen von Aufgaben muss

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vorher eine Abmahnung ausgesprochen werden. Erst wenn der Arbeitnehmer trotz Abmah-
nung noch einmal das Vergehen nachgewiesen wird kann fristlos gekündigt werden.
Arbeitnehmer, denen gekündigt wird, können sich an ein Arbeitsgericht wenden und gegen
die Kündigung klagen. Hier gibt es in der ersten Instanz keinen Anwaltszwang, d.h. der Ar-
beitnehmer kann sich auch von z.B. einem Gewerkschafter vertreten lassen. Da die Gerichte
in der Regel sehr arbeitnehmerfreundlich entscheiden sind die Erfolgsaussichten groß,
Recht zu bekommen. Arbeitnehmer sprechen deshalb oft eine zweite, ordentliche Kündi-
gung aus und bieten dem Arbeitnehmer eine Abfindung an. Diese kann üblicherweise 3 bis
12 Monatsgehälter umfassen. Die Abfindung ist ein außergerichtlicher Vergleich, d.h. mit
Annahme der Abfindung verliert der Arbeitnehmer sein Klagerecht.

7 Beteiligungsformen (Mitbestimmung, Tarifverträge,


Betriebsvereinbarungen)
Kernelement des Konzeptes der Sozialen Marktwirtschaft ist die Gewinnbeteiligung der Ar-
beitnehmer, um zu verhindern, dass wenige Unternehmer immer reicher werden, während
die Masse der Menschen als Arbeitnehmer arm bleibt und am geschaffenen Wohlstand we-
nig Anteil erhält. Die Erfolgsbeteiligung kann erfolgen, indem die Arbeitnehmer am Gewinn
oder am Kapital des Unternehmens beteiligt werden.

7.1 Gewinnbeteiligung
Die Gewinnbeteiligung wird unterschieden wird in eine generelle oder eine individuelle Ge-
winnbeteiligung.
Bei der generellen Gewinnbeteiligung wird vom Unternehmen ein Teil des Gewinnes für
soziale Zwecke zu Gunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familien eingesetzt. Das können z.B.
sein
die teilweise oder vollständige Finanzierung von Sozialeinrichtungen im Unternehmen
wie Kindergärten, Sportklubs, Kantinen oder anderen Freizeiteinrichtungen,
die Einrichtung von Pensionsfonds und Zahlung von Betriebsrenten, oder
Unterstützungskassen für in Not geratene Arbeitnehmern, z.B. nach Krankheit oder
Unfall.
Der Staat unterstützt die generelle Gewinnbeteiligung in Deutschland häufig durch steuerli-
che Vorteile für das Unternehmen.
Da alle Arbeitnehmer im Unternehmen unabhängig von ihrer Leistung, Qualifikation oder
Betriebszugehörigkeit von der generellen Gewinnbeteiligung profitieren können, ist sie häu-
fig nicht sehr motivationswirksam. Die Leistungen werden als selbstverständlich hinge-
nommen. Außerdem verstehen z.B. Arbeitnehmer ohne Kinder nicht, warum das Unter-
nehmen die Kinderbetreuung finanziert, sie haben davon (noch) keinen eigenen Vorteil. Oder
die lange Frist bis zum Wirksamwerden der Gewinnbeteiligung (Betriebsrenten) wirkt nicht
motivierend.
Bei der individuellen Gewinnbeteiligung wird ein Teil des Gewinnes des Unternehmens
individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer nach bestimmten Kriterien verteilt. Maßstab
können z.B. sein der Bruttoverdienst oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Gewinn-
beteiligung wird in bar an den Arbeitnehmer ausgezahlt oder auf einem Sparkonto für den
Arbeitnehmern festgelegt.
Nachteilig für das Unternehmen ist, das die Auszahlungen mindern die Liquidität des Unter-
nehmens mindern. Weiterhin kann die differenzierte Bemessung der Gewinnbeteiligung zu
Unzufriedenheit zwischen den Arbeitnehmern führen und vor allem bei nicht oder wenig

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beteiligten Arbeitnehmern zur Demotivation führen („Die da oben stecken sich noch mehr
Geld in die eigene Tasche, wir machen die Arbeit und gehen leer aus“).

7.2 Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer


Verbleibt der Gewinnanteil vollständig oder teilweise im Unternehmen oder wird den Arbeit-
nehmern die Möglichkeit eingeräumt, einen Teil vom Lohn in das Unternehmen zu investie-
ren, entsteht eine Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer werden
Teilhaber am Unternehmen. Dadurch werden die Arbeitnehmer Mitgesellschafter.
Das findet man häufig in Aktiengesellschaften in Form von Aktienoptionsprogram-
men oder in der Ausgabe von Belegschaftsaktien.
Gläubiger des Unternehmens. Der Arbeitnehmer wird Darlehensgeber und erhält
zukünftig Zinsen auf seinen Kredit sowie eventuell direkt oder indirekt eine Rückzah-
lung (Tilgung) des Kreditbetrages. Diese Art der Kapitalbeteiligung wird in Form von
Urkunden (Schuldscheine, Zertifikate) dokumentiert und verbrieft.
Eine Sonderform der Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer ist der Investivlohn. Hier
wird ein Teil des Lohnes im Unternehmen investiert, der Arbeitnehmer erhält im Ge-
genzug Kapitalenteile als Aktien, Kommanditanteile oder Anleihen. Für diese Anteile
gilt eine beschränkte Kündigungsmöglichkeit.
Vorteile der Kapitalbeteiligung sind
das Kapital bleibt zumindest zeitweilig im Unternehmen, das Unternehmen schont
seine Liquidität und kann Investitionen ohne Fremdkapital von Banken finanzieren,
die Motivation zu guter Arbeit steigt, da damit der Wert der Anteile erhalten bleibt
oder sogar ansteigen kann, und
volkswirtschaftlich und sozial gesehen wird das Vermögen in der Gesellschaft breiter
verteilt, es entsteht ein sozialer Ausgleich.
Nachteilig ist die feste Bindung des Arbeitnehmers an sein Unternehmen sowie die Gefahr
kurzfristigen Erfolgsdenkens bei nur zeitweilig beschäftigten Arbeitnehmern (Vorstand).

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V. Produktion
Der Hauptzweck eines Unternehmens ist die Produktion von Waren und Dienstleistungen.
Der Teilbereich der Betriebswirtschaftslehre, der sich damit beschäftigt, ist die Produkti-
onswirtschaft.

1 Ablauf der Fertigung


1.1 Fertigungsvorbereitung
Bevor mit der Fertigung eines Erzeugnisses begonnen werden kann, muss die Fertigungs-
vorbereitung erfolgen. Dazu sind verschiedene Aufgaben zu lösen. Der spätere wirtschaftli-
che Erfolg der Fertigung hängt wesentlich von der Qualität der Fertigungsvorbereitung ab.
Während des Produktionsprozesses erfolgt eine ständige Überprüfung und Verbesserung
der Fertigung, auch das ist eine Aufgabe in der Fertigungsvorbereitung.
Wichtige Aspekte der Fertigungsvorbereitung sind:
die Planung des Fertigungsprogramms,
die Bedarfsplanung,
die Festlegung der Fertigungsverfahren,
die Ablaufplanung,
die Planung und Durchführung der Gütekontrollen, sowie
die ständige Rationalisierung der Fertigung.
Planung des Fertigungsprogrammes
Die Steuerung eines Unternehmens erfolgt vom Markt her. Der Unternehmer muss offenen
und latenten Bedarf auf den Absatzmärkten erkennen und die Fertigung darauf ausrichten.
Das gehört zu den Aufgaben das Marketing. Die Absatzplanung wird aus der Marketingpla-
nung abgeleitet, daraus dann die Fertigungsplanung.
Grundsätzlich unterscheidet man in der Fertigungsplanung die Order-Fertigung als Fertigung
nach Auftrag und die Vorrats-Fertigung als Fertigung auch ohne Auftrag.
Zeitebenen der Fertigungsplanung sind die
Strategische Planung für die nächsten Jahre, vor allem für Forschung und Entwick-
lung sowie für Investitionen,
das mittelfristige Fertigungsprogramm für die nächsten Monate, hier vor allem die
Beschaffung vom Material und die Bereitstellung von Personal, sowie die
das kurzfristige Programm, d.h. die tägliche und wöchentliche Organisation der Ferti-
gung.
Zur Fertigungsvorbereitung gehören die Festlegung des Umfangs des Fertigungspro-
gramms, die Gestaltung der Erzeugnisse sowie die Ermittlung eines optimalen Produktions-
programmes.
Im Umfang des Produktionsprogrammes geht es um die Breite und Tiefe der Fertigung.
In der Breite des Produktionsprogramms gibt es einen klassischen Konflikt zwischen dem
Verkauf und Marketing, das ein breites Produktprogramm wünscht zur Befriedigung mög-
lichst vieler Kundenwünsche und der Produktion, in der ein enge Produktionsprogramm die
Fertigung einfacher und billiger gestalten lässt. Die grundsätzlichen Strategien liegen in der
Spezialisierung, d.h. Verringerung der Fertigungsbreite, und der

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Diversifikation, d.h. der horizontalen, vertikalen, oder lateralen Erhöhung des Ferti-
gungsumfanges.
Die Tiefe des Produktionsprogramms beschreibt, welche Aufgaben und Fertigungsschritte
im eigenen Unternehmen übernommen werden und welche in andere Unternehmen ausge-
lagert und zugekauft werden (Outsourcing). Grundsätzlich unterscheidet man in Eigenferti-
gung und Zukauf.
Bei der Gestaltung der Erzeugnisse geht es darum, die Produkte und Fertigungsverfahren
so zu gestalten, das sie sich einerseits gut verkaufen und andererseits einfach und billig pro-
duzieren lassen. Elemente sind
die Wertanalyse zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Erzeugnisse und Ferti-
gungsverfahren. Verbesserungen können entstehen durch den Austausch von Mate-
rial oder Fertigungsverfahren, durch die Anpassung der technischen und wirtschaftli-
chen Lebensdauer der Maschinen oder die Verringerung der Funktionen des Erzeug-
nisses.
die Ermittlung des wirtschaftlichen Nutzens des Produktes für das Unternehmen. das
erfolgt in der Kosten- und Leistungsrechnung. Hier werden für die Erzeugnisse De-
ckungsbeiträge und Gewinnbeiträge errechnet.
die Ermittlung des Nutzwertes des Erzeugnisses für den Abnehmer als Gebrauchs-
wert und Geltungswert.
Ein Modell zur Einordnung der Produkte eines Unternehmens und zur Ableitung von Strate-
gien ist das Lebenszyklus-Modell. nach diesem Modell durchläuft jedes Produkt nacheinan-
der verschiedene Phasen:
Einführungsphase
Wachstumsphase
Reifephase
Sättigungsphase
Verfallsphase
Je nach Phase gibt es andere Aufgaben und Marketing-Schwerpunkte für das Erzeugnis im
Unternehmen.
Bei der Festlegung des optimalen Produktionsprogrammes geht es um die Bestimmung
der Kombination von Erzeugnissen, mit denen der höchste Gewinn erwirtschaftet werden
kann. Dazu werden die Ergebnisse der Kostenrechnung (Vollkostenrechnung oder Teilkos-
tenrechnung) benötigt. Eine weit verbreitete Methode ist die Lineare Programmierung.

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Abbildung 18: Ablauf der Fertigungsvorbereitung

Nach der Festlegung des Fertigungsprogrammes erfolgt die Erstellung der Konstruktions-
zeichnung für das Produkt.
Aus der Konstruktionszeichnung wird die Gesamtstückliste abgeleitet. Hier werden alle Roh-
, Hilfs- und Betriebsstoffe aufgelistet, die für die Fertigung des Erzeugnisses benötigt wer-
den. Aus der Gesamtstückliste werden die Einzelstücklisten abgeleitet. Diese sind die Basis
für den Materialeinkauf bzw. die Lagerung. Auf den Materialbegleitkarten wird dann für je-
des Material verzeichnet, wann es in welcher Menge und wo für die Fertigung benötigt
wird.
Der Arbeitsplan für die Produktion, die sogenannte Laufkarte, zeichnet den Ablauf der Ferti-
gung auf. Über den Einzellohnschein erfolgt dann die Dokumentation und Abrechnung der
fertigungsschritte.
Während früher diese Aufgaben über schriftliche Dokumente und Karteikarten erledigt wur-
den, setzt man heute in den Unternehmen Produktions-Planungs- und Steuerungssoftware
(PPS) wie RS/3 der Firma SAP ein.

1.2 Fertigungsdurchführung
Die optimale Art und Weise der Fertigungsdurchführung hängt von vielen Faktoren ab, die
im Folgenden beschreiben werden.
Fertigungstypen
Die Fertigungstypen werden nach der Anzahl der Produkte, die in einem Fertigungsdurchlauf
produziert werden, beschrieben. Man unterscheidet die
Einzelfertigung, in der jedes Produkt einzeln hergestellt wird. Beispiele sind der
Schiffbau, der Bau von Gebäuden oder Spezialmaschinen.

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Variantenfertigung. In dieser werden mehrere Produkte hergestellt. Nach der Art


der Produkte wird die Variantenfertigung weiter unterteilt in die
Sortenfertigung, in der ein Produkt wird in verschiedenen Sorten hergestellt wird,
wie z.B. in der Brauerei oder der Brotfabrik, und die
Serienfertigung, in der verschiedene Produkte in Serien hergestellt werden, wie im
Automobilbau oder bei Haushaltsgeräten.
Massenfertigung. Hier wird ein Produkt massenhaft hergestellt, wie Strom, Erdöl
oder Zement.
Aus dem Fertigungstyp ergeben sich weitere Entscheidungen, z.B. über die Organisation
der Fertigung und die Kalkulationsmethode in der Kosten- und Leistungsrechnung.
In modernen Unternehmen verschwinden die Unterschiede zwischen den Fertigungstypen
immer mehr, mit softwaregestützter Produktionssteuerung sowie flexiblen Maschinen und
Robotern ist es z.B. möglich, im Automobilbau eine Serienfertigung verschiedener Modelle
in einer Fabrik aufzubauen, die Elemente der Sortenfertigung enthält wie mehrere Ausstat-
tungsvarianten für jedes Modell und Elemente der Einzelfertigung wie individuelle, käufer-
bestimmte Farbe und Ausstattung des Autos.
Fertigungsverfahren
Nach der verwendeten Technik in der Fertigung kann man die folgenden Fertigungsverfah-
ren unterscheiden:
In der manuellen Fertigung erfolgt die Fertigung von Hand mit Werkzeugen und
einfachen Maschinen. Dazu sind gut ausgebildete und erfahrene Facharbeiter erfor-
derlich. Dieses Fertigungsverfahren ist typisch im Handwerk und in Manufakturen.
In der maschinellen Fertigung werden Maschinen in der Produktion eingesetzt.
Diese Maschinen sind überwiegend Universalmaschinen, wie Drehmaschine oder
Presse, die vor Beginn der Fertigung sorgfältig eingestellt und während der Fertigung
überwacht werden müssen. In der Produktion ist ein teilweiser Einsatz von angelern-
ten Arbeitern möglich.
Die halbautomatische Fertigung verwendet automatische Maschinen, die die ei-
gentliche Fertigung automatisch erledigen. Die Vor- und Nachbereitung der Maschi-
nen und Werkstücke, der Transport von Maschine zu Maschine sowie andere Arbei-
ten erfolgen noch manuell oder mit einfachen Maschinen.
Die vollautomatische Fertigung erfolgt komplett automatisch durch Maschinen,
Automaten und Roboter, die Führung der Werkstücke durch die Fertigung erfolgt
ebenfalls automatisch. Die Arbeitnehmer sind für die Programmierung der Maschi-
nen, für die Überwachung der Herstellungsprozesse sowie für Reparaturen und Um-
bauten zuständig. Alle Maschinen und Anlagen sind über Rechnernetze miteinander
verbunden.
Nach der Organisation der Fertigung unterscheidet man:
die Werkstattfertigung, in der das Werkstück zentral in der Werkstatt liegt und die
Produktionsmittel zum Werkstück kommen. Alle Arbeiten werden in der Werkstatt
erledigt. Ähnlich ist die Baustellenfertigung.
die Zentrenfertigung oder Gruppenfertigung. Hier werden alle Arbeiten mit ähnli-
chen Anforderungen in Bearbeitungs-Zentren konzentriert, die Werkstücke werden in
den Zentren bearbeitet (wie in der Werkstatt) und dann an das nächste Zentrum wei-
tergegeben.

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die Fließfertigung, in der die Produktionsmittel sind fest installiert sind und die
Werkstücke die Fertigung durchlaufen. Typische Fließfertigungsverfahren findet man
am Fließband, in der chemischen Industrie und der Nahrungsmittelindustrie.

1.3 Fertigungskontrolle
Die Fertigung muss in einem Unternehmen ständig kontrolliert und verbessert werden. Das
wird in der Fertigungskontrolle Erledigt.
Bestandteile der Fertigungskontrolle sind:
die rechtliche Kontrolle auf Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorschriften. Da
sich diese ständig ändern können, ist eine ständige Überwachung notwendig.
die wirtschaftliche Kontrolle, vor allem als Kostenkontrolle.
die technische Kontrolle der Fertigung und der gefertigten Produkte. Dabei werden
die Produkte auf
Funktionsfähigkeit,
Fehlerhaftigkeit und
Einhaltung der Qualitätsanforderungen
überprüft.
Nach dem Zeitpunkt der Kontrolle in der Fertigung unterscheidet man die Fertigungskontrol-
le:
vor der Produktion, also die Kontrolle der Roh- und Hilfsstoffe, der Betriebsmittel und
der Arbeitskräfte,
während der Produktion, also der Zwischenerzeugnisse und der Betriebsmittel, so-
wie
nach der Produktion als Kontrolle des Endproduktes sowie der Kosten und Leistun-
gen.
Die Fertigungskontrolle kann als Vollprobe ausgeführt werden (alle Objekte und Prozesse)
oder als Stichprobe (zufällig ausgewählte Objekte und Prozesse unter Beachtung der Wahr-
scheinlichkeitsrechnung).
Qualitätssicherung
Unter Qualitätssicherung versteht man die gezielte Steuerung der Fertigung hoher Qualitä-
ten. Sie ist wesentlicher Bestandteil des Qualitätsmanagement. In modernen Volkswirt-
schaften ist die Qualität ein wesentliches Instrument im Konkurrenzkampf. Zu niedrige Qua-
litäten führen dazu, dass die Kunden das Produkt nicht mehr kaufen wollen bzw. nur zu sehr
niedrigen Preisen. Zu hohe Qualitäten verteuern den Produktionsprozess, ohne das die Kun-
den bereit sind, dafür den entsprechenden kostendeckenden Preis zu zahlen.
Qualitätssicherung bzw. Qualitätsmanagement geht über die Kontrolle der Qualität hinaus.
Der Qualitätsgedanke muss integraler Bestandteil des gesamten Produktionsprozesses
werden, von der Marktforschung und Entwicklung (Welche Qualität wollen die Kunden?)
über die Produktion (Wie kann die Qualität kostengünstig produziert werden?) bis zum Ver-
kauf (Wie kann dem Kunden die Qualität deutlich gemacht werden, wie muss er nach dem
Kauf betreut werden?).
Für die Qualitätssicherung wurden verschiedene Konzepte bzw. Standards entwickelt, z.B.:
das TQM (Total Quality Management) als Konzept zur durchgängigen Betonung der
Qualität über alle Unternehmensstufen und zur Einbeziehung aller Mitarbeiter, der
Lieferanten und Kunden in die Qualitätssicherung.

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Die Norm ISO 9000 – 9004 zur Zertifizierung innerbetrieblicher Qualitätssicherungs-


systeme,
Das Kaizen (japanisch) als permanente, schrittweise Verbesserung der Arbeitsqualität
durch Initiative aller Mitarbeiter, in Deutschland als KVP (Kontinuierlicher Verbesse-
rungsprozess) durchgesetzt.

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VI. Absatz und Marketing


Der Begriff „Marketing“ ist aus dem angelsächsischen Raum (USA, Großbritannien) in
Deutschland in den 60-ziger Jahren des 20. Jahrhunderts eingeführt worden. Grund der Be-
schäftigung mit der Förderung des Absatzes war der Übergang zum Käufermarkt in dieser
Zeit: die Käufer bestimmen, ob und bei wem sie Produkte kaufen.
Der Marketingbegriff ist jedoch unscharf, er bezeichnet
Eine Unternehmensphilosophie, in der marktbezogenes Denken und Handeln im Un-
ternehmen auf allen Stufen und in allen Herstellungsetappen im Mittelpunkt steht.
Bereits bei der Entwicklung neuer Erzeugnisse werden die Interessen und Anforde-
rungen der zukünftigen Kunden berücksichtigt.
Die Summe der Einzelmaßnahmen im Unternehmen zur Absatzsicherung, das soge-
nannte Marketing-Mix.
Ein Instrumentarium zur Marktgestaltung, im engeren Sinne auch als Werbung be-
zeichnet.

1 Marketing und Marktforschung


Ausgangspunkt des Marketings ist die Marktforschung. Um ein Unternehmen auf den Markt
auszurichten, um geeignete Maßnahmen zur Marktbeeinflussung zu planen und um die
Werbung zu gestalten, ist die Kenntnis des Marktes und des Verhaltens der Käufer notwen-
dig.
Käuferverhalten
Das Verhalten der Käufer steht im Mittelpunkt der Marktforschung. Das Unternehmen muss
wissen, wie viele Menschen das Produkt kaufen bzw. kaufen wollen, warum sie es kaufen
bzw. nicht kaufen, welchen Preis sie bereit sind dafür zu bezahlen u.v.m..
Für die Bestimmung des Käuferverhaltens gibt es zwei grundlegende Theorien, nach denen
der Käufer entweder als rational und ökonomisch handelnder Mensch (homo economicus)
oder als emotionale, leicht beeinflussbare Marionette (Konsumidiot) angesehen wird.
Der Homo economicus handelt vor allem innengeleitet. Er trifft streng wirtschaftli-
che, rationale und verstandesgemäße Entscheidungen und handelt danach. Im Mar-
keting erreicht man diese Menschen mit Fakten, Zahlen und Vergleichen.
Die Marionette oder der Konsumidiot handelt außengeleitet. Die Entscheidungen und
Handlungen werden gefühlsmäßige vorbereitet und ausgeführt. Diese Käufer erreicht
man mit Überredung, Nachahmungsdrang, Idolen oder Schmeichelwerbung.
In der Praxis gibt es eine Mischung zwischen diesen Käufertypen. Welche Richtung stärker
ausgeprägt ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab wie:
Bedeutung der Kaufentscheidung (bei teuren, langlebigen Gütern wie Haus, Auto
handelt man eher rational, bei preiswerten, sofortigen Genuss versprechenden Gü-
tern wie Eis, Bonbons eher emotional),
Bildung des Käufers (Käufer mit geringer Bildung lassen sich leichter „überreden“),
Augenblickliche Lage und Stimmung des Käufers (in Notsituationen kauft man andere
Dinge als im Alltag, oder mit Hunger im Supermarkt kauft man mehr Lebensmittel als
satt),
Kulturkreis (Nordeuropäer handeln eher rational, Südeuropäer eher emotional).

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Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, wie sich die Käufer vor einer Entscheidung in-
formieren und welche Informationsquellen bei Kaufentscheidungen eine große Rolle spielen.
Wichtige Quellen sind:
Tipps von Bekannten und deren Erfahrungen. Dabei werden schlechte Erfahrungen
dreimal häufiger weitergegeben als gute Erfahrungen. Weiterhin glauben Menschen
eher den Berichten bekannter Menschen als anonymen Berichten oder Statistiken.
Beratung im Fachhandel. Allerdings wird der beratungsintensive Fachhandel zuneh-
mend durch Discounter und Internethandel verdrängt.
Berichte in Fachzeitschriften.
Besuch von Ausstellungen.
Beratung durch Verbraucherzentralen u.ä.
Warentests in Verbraucherzeitschriften
Informationen aus Prospekten der Hersteller und Händler
Informationen aus der Werbung.
Ökonomische Nachfragetheorie
Das in der Volkswirtschaftslehre entwickelte Marktmodell wird in der Marktforschung als
ökonomische Nachfragetheorie eingesetzt. Hierbei erfolgt eine Reduzierung der Bestim-
mungsfaktoren für die Nachfrage von Haushalten auf zwei Faktoren:
Einkommen,
Güterpreise.
Alle anderen Faktoren werden als kurzfristig konstant angesehen und nicht berücksichtigt,
sie werden als Bedarfsstruktur erfasst. Mittelfristig werden Veränderungen in der Bedarfs-
struktur berücksichtigt, dabei wird eine Verschiebung prognostiziert nach:
Quantifizierbare Kriterien aus der Statistik wie Haushaltsgröße, Zusammensetzung
der Haushalte nach Alter und Geschlecht u.a., und
Qualifizierbare Kriterien wie der sozialen Stellung der Bezugsperson, soziale Abhän-
gigkeiten und das individuelles Konsumverhalten (Käuferpaneele).
Erklärungshypothesen zum Verbraucherverhalten
In der Summe erfolgt eine Einteilung der Konsumentscheidung in mehrere Typen, für die
gezielt Marketingmaßnahmen entwickelt werden müssen:
Echte Entscheidungen im Sinne von ökonomischem Rationalverhalten, v.a. bei grö-
ßeren Anschaffungen.
Impuls- und Affektverhalten, welches zu spontanen Käufen führt, v.a. bei Gütern, die
nur geringe Ausgaben verursachen.
Sozialabhängiges Verhalten bei repräsentativen Gütern.
Gewohnheitsverhalten, d.h. Wiederholungskäufe ohne erneute Entscheidungssitua-
tion v.a. bei häufig gekauften Ge- und Verbrauchsgütern.
Konkurrenzanalyse
Der Verbraucher hat die Wahl zwischen Produkten mehrerer Hersteller. Deshalb muss das
Unternehmen nicht nur die Wünsche der Kunden kennen, sondern auch das Angebot der
Konkurrenz. Dazu werden in der Konkurrenzanalyse verschiedene Fragestellungen behan-
delt, wie:
Wie ist die Beschaffenheit des Konkurrenzproduktes?

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Welche Marktanteile werden gesamt und nach Teilmärkten erreicht?


Welche Vertriebssysteme nutzt die Konkurrenz?
Kommen neue Konkurrenten dazu?
Welche Marketingmaßnahmen planen bzw. realisieren die Konkurrenz?
Bei der Konkurrenzanalyse sind drei Szenarien denkbar:
Direkte Konkurrenz bedeutet, das Unternehmen das gleiche Produkt auf dem glei-
chen Markt anbieten und bewerben.
Indirekte Konkurrenz entsteht, wenn ähnliche Produkte angeboten werden, die dem
von eigenen Unternehmen angebotenen Produkt Käufer entziehen können. Indirekte
Konkurrenz entsteht oft durch technische Entwicklungen. So führte die Weiterent-
wicklung der Mobiltelefone zu einem Absatzrückgang bei einfachen Digitalkameras,
Navigationssystemen und MP3-Playern, da diese Funktionen vom Mobiltelefon über-
nommen werden können.
Zu erwartende Konkurrenz entsteht, wenn neue Produkte entwickelt und eventuell
schon auf Nachbarmärkten angeboten werden, womit zukünftig ein Abwandern der
Käufer und damit ein Absatzrückgang zu erwarten ist. Deshalb analysieren die Unter-
nehmen auch sehr stark die Forschungs- und Entwicklungsarbeit in den Konkurrenz-
unternehmen.
Eine Übersicht über die möglichen Konkurrenzsituationen wird in der folgenden Abbildung
vorgestellt.

Konkurrenzsituation

Direkte Konkurrenz Indirekte Konkurrenz zu erwartende Konkurrenz

gleiches Produkt ähnliches Produkt neues Produkt

auf demselben Markt auf Nachbarmärkten

Abbildung 19: Mögliche Konkurrenzsituationen

Marktforschung
Die Marktforschung ist die systematische Untersuchung des Marktes mit wissenschaftli-
chen Methoden (folgende Abbildung). Sie besteht aus der
Marktanalyse als Untersuchung der augenblicklichen Marktsituation,
Marktbeobachtung zur langfristigen Beobachtung des Marktes, und
Marktprognose zur Einschätzung der zukünftigen Entwicklungen und des Marktver-
haltens.
Die Marktforschung wird in den Unternehmen in den Marketingabteilungen durchgeführt,
zusätzlich werden häufig externe spezialisierte Dienstleister mit Teilaufgaben bzw. der kom-
pletten Marktforschung betreut, um Verfälschungen durch Betriebsblindheit bzw. das Aus-
nutzen der Marktforschung für unternehmensinterne Machtkämpfe zu verhindern.

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Abbildung 20: Inhalte und Aufgaben der Marktforschung

Datengrundlage
Wichtige Grundlage in der Marktforschung sind die verwendeten Informationen und Daten.
Datengrundlage kann sein:
Makroökonomische Daten, z.B. Stand und Entwicklung des BIP, der Kaufkraft, de-
mografische Entwicklungen etc.
Mikroökonomische Daten, wie Preisentwicklungen, Absatzmengen u.a. Marktdaten,
Unternehmensinterne Daten, wie Absatzzahlen, Reklamationszahlen, erzielbare Prei-
se etc.
Die Marktforschung wird auch als
indirekte Marktforschung mit Daten, die ursprünglich nicht für diesen Zweck erhoben
werden wie Wirtschaftsstatistiken, und
direkte Marktforschung mit speziell dafür erhobenen Daten.
Weiterhin unterscheidet man in die
quantitative Marktforschung mit Statistiken und anderen Zahlen, und
qualitative Marktforschung mit Meinungen, Einschätzungen, Wünschen und Kritiken,
Prognosen etc.
In der Primärforschung wird gezielt nach Informationen und Daten gesucht. Formen sind:
die Befragung
das Panel

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die Beobachtung
der Testmarkt
Methoden zur Primärforschung sind z.B.:
Gespräch
Assoziationstest
Polaritätsprofil
Die Sekundärforschung nutzt Daten, die für andere Zwecke erhoben wurden. Dazu gehören
z.B.:
Eigene Vertreterberichte und Umsatzstatistiken,
Prospekte und Preislisten der Konkurrenz,
Fachzeitschriften,
Testberichte,
Informationen der Kammern,
Statistische Materialien (z.B. Jahrbücher, Auswertungen).
Marktanalyse
In der Marktanalyse wird der Markt im gegenwärtigen Zeitraum analysiert. Wichtiger Aspekt
ist dabei die Untersuchung von räumlichen und nach Warengruppen abgegrenzten Teilaus-
schnitten des Marktes mit dem Ziel, die Aufnahmefähigkeit des Marktes festzustellen. Die-
se Kapazitätsanalyse beantwortet folgende Fragen:
Wie hoch ist die Anzahl der als Abnehmer in Frage kommenden Kunden im Untersu-
chungsgebiet?
Welche Kaufkraft haben die Kunden?
Wie sind die Verkehrsverhältnisse?
Wie ist die bisherige Ausstattung der Haushalte mit den Produkten, liegt also Erst-
oder Ersatzbedarf vor?
Welche Ansprüche haben die Käufer an die Güte und die Aufmachung der Waren?
Weiterhin gehören dazu die Konkurrenzanalyse und der Vergleich der Konkurrenzdaten mit
der eigenen Leistungsfähigkeit.
Marktbeobachtung
Die Marktbeobachtung ist ein laufender Prozess. Sie baut auf den Ergebnissen der Markt-
analyse auf und versucht, Änderungen auf den Märkten zu erfassen und zu verstehen. Än-
derungen ergeben sich z.B. durch:
Modeeinflüsse und Geschmackswandel,
Aufkommen neuer Produkte,
Veränderungen der Kaufkraft, und
Auswirkungen staatlicher Maßnahmen.
Marktprognose
Die Marktprognose baut auf den Ergebnissen der Marktanalyse und der Marktbeobachtung
auf. Sie verfolgt das Ziel, zukünftige Entwicklung des Marktes vorausbestimmen bzw. abzu-
schätzen. Hierbei werden 3 grundsätzliche Methoden unterschieden:

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Tatsachenforschung: Welcher Käuferkreis kommt in Frage?


Meinungsforschung: Meinungen des Kunden über die Ware, Konsumgewohnheiten,
Wünsche, Einteilung des Einkommens, Sparverhalten etc.
Motivforschung: Was beeinflusst die Kaufentscheidung des Kunden?

2 Wesen des Absatzes


Für die Systematisierung des Marketings gibt es in der Betriebswirtschaftslehre verschiede-
ne Ansätze, weit verbreitet ist die Einteilung in die „4 P des Marketing“:
1. die Distributionspolitik (engl.: placement)
2. die Produkt- und Programmpolitik (engl.: product)
3. die Kontrahierungspolitik oder auch Entgeltpolitik (engl.: price)
4. die Kommunikationspolitik (engl.: promotion).
Distributionspolitik
Die Distributionspolitik beschreibt, wie die Produkte des Unternehmens und die potentiellen
Käufer zusammenkommen können. Dazu gehören Fragen:
Zum Standort: Wo wird produziert, wo wird verkauft?
Zu Absatzwegen und Absatzformen, d.h. erfolgt der Absatz direkt an den Kunden o-
der indirekt über Mittler und wird der Verkauf durch unternehmenseigene oder frem-
de Verkäufer bzw. Unternehmen durchgeführt?
Zur Logistik, z.B. Absatz als Direktabsatz, über Großhandel und Cash-and-Carry, als
Sofort-Auslieferung aus Vorräten oder Bestellung und Auslieferung nach erfolgter
Produktion (Order-Produktion).
Produktpolitik
Die Produkt- und Programmpolitik untersucht alle Fragen zum Produkt und zum Sortiment.
Aspekte sind z.B.:
Gestaltung der Produkt(e) und des Sortiments,
Qualität der Produkte und Varianten,
Name des Produktes, Aufbau einer Marke (Brand-Management),
Gestaltung der Verpackung,
Design und Styling, sowie
Nachkauf-Betreuung durch den Kundendienst oder Garantieleistungen.
Sortimentspolitik
Eine wichtige unternehmerische Entscheidung ist die Festlegung des Sortimentes. Dabei
unterscheidet man nach dem Umfang des Sortiments in
Sortimentsbreite: Wie viele verschiedene Produkte werden hergestellt bzw. Angebo-
ten?
Sortimentstiefe: Wie viele Varianten eines Produktes werden angeboten.
Eine hohe Sortimentsbreite und Sortimentstiefe bietet dem Unternehmen die Möglichkeit,
viele Kundenwünsche zu befriedigen und der Konkurrenz keinen Raum auf dem Markt zu
geben. Allerdings verursacht ein großes Sortiment auch höhere Produktions- und Logistik-
kosten.

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Nach der Bedeutung unterscheidet man in das Kernsortiment, das den eigentlichen Leis-
tungsumfang des Unternehmens darstellt, und das Randsortiment, das zur Ergänzung und
Abrundung des Angebotes dient und häufig nicht selbst produziert, sondern zugekauft wird.
In der Sortimentspolitik überprüft das Unternehmen regelmäßig sein Sortiment und passt es
an geänderte Bedingungen auf den Absatzmärkten oder im Produktionsbereich an. Maß-
nahmen der Sortimentspolitik sind:
Die Sortimentserweiterung zur Erhöhung der Sortimentsbreite.
Die Sortimentsvertiefung als Entwicklung immer neuer Varianten eines Produktes,
um alle Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen.
Die Sortimentsbereinigung zum Entfernen aller nicht profitablen oder nicht mehr zum
Image des Unternehmens passenden Produkte. Um diese zu identifizieren und die
Folgen der Sortimentsbereinigung zu prognostizieren gibt es verschiedene Methoden
und Verfahren.
Die Sortimentsdiversifikation zur Ausdehnung des Sortiments auf bisher noch nicht
angebotene Produkte und Dienstleistungen.
Marken oder Brand-Management
Der Aufbau einer Marke ist ein bewährtes Marketinginstrument zur Hervorhebung der Pro-
dukte des Unternehmens aus dem Markt und damit zur Verbesserung des Absatzes. Aller-
dings ist der Aufbau einer Marke auch teuer, nur langfristig zu realisieren und birgt Risiken.
Ziel ist die Verbindung der Produkte mit einer Marke zur festen Positionierung im Markt und
im Bewusstsein der Kunden. Inhalte einer Marke sind:
Der Markenname, das Markenzeichen oder Symbol als Wiedererkennungsfaktor.
Eine einheitliche Aufmachung (Design, Verpackung) bzw. die nur vorsichtige Weiter-
entwicklung. So ist z.B. der aktuelle VW Golf sofort erkennbar, da sein Design im
Grundzug aus dem ersten VW Golf abgeleitet wurde.
Eine gleichbleibende Qualität, um eine hohe Kundenzufriedenheit und damit eine
Weiterempfehlung und eine hohe Wiederkaufrate zu realisieren.
Die zentrale Durchführung der Werbung, um mit zentralen Inhalten und Werbeaus-
sagen ein Markenimage für das Produkt aufzubauen.
Eine hohe Erhältlichkeit der Produkte. Allerdings wird manchmal eine künstliche Ver-
knappung als Marketinginstrument eingesetzt, um einen Hype auf das Produkt aus-
zulösen. Beispiel: Einführung neuer Produkte von apple.
Ein unverbindlicher Richtpreis. Zu starke Preisschwankungen bzw. schnell sinkende
Preise können das Image einer Marke schnell zerstören, das Produkt wird zur
„Lockware“ oder Ramschware“.
Der Vorteil einer Marke für das Unternehmen lässt sich wie folgt beschreiben:
Marken schaffen Präferenzen beim Käufer. Bei einem großen Angebot greift der
Kunde gern und vorwiegend zu bekannten Produkten und Namen.
Marken schaffen Spielraum in der Preispolitik. Bei einer positiv positionierten Marke
lassen sich höhere Preise am Markt durchsetzen.
Marken bringen insgesamt Wettbewerbsvorteile.
Preispolitik oder Kontrahierungspolitik
Unter der Preispolitik versteht man die Festlegung des Preises bzw. der Preise für die Pro-
dukte, die Preisdifferenzierung nach verschiedenen Kriterien sowie alle Festlegungen zur
Abwicklung der Bezahlung, wie

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Prämien und Rabatte,


die Liefer- und Zahlungsbedingungen,
die Verwendung von Aktionspreisen zu besonderen Anlässen, oder
die Kreditgewährung.
Insbesondere die Festlegung des Preises für ein Produkt ist eine schwierige, aber für den
Betriebserfolg wichtige Entscheidung. Bei einem zu niedrigen Preis verschenkt das Unter-
nehmen Umsatz und damit Gewinne, bei einem zu hohen Preis kaufen nur wenige Kunden
das Produkt und der Umsatz ist ebenfalls niedriger als geplant.
Auf die Höhe des Preises haben betriebliche und außerbetriebliche Faktoren Einfluss. Zu
den betrieblichen Faktoren zählen die Herstellungskosten sowie der Umfang der Produkti-
onsmöglichkeiten (Kapazität) des Unternehmens. Die außerbetrieblichen Faktoren sind die
vorhandene und potentielle Nachfrage auf dem Markt, die Konkurrenzsituation sowie der
Nutzen, den die Kunden aus dem Produkt ziehen können.
Kostenorientierte Preise werden aus den Herstellungskosten abgeleitet. Durch eine Kos-
tenkalkulation mit abschließendem Gewinnzuschlag wird ein Preis ermittelt, der notwendig
ist, um alle Kosten zu decken und Gewinn zu erwirtschaften. Allerdings gilt dieser Preis nur
für eine kalkulierte Absatzmenge (Beschäftigung) und berücksichtigt nicht die Marktsituati-
on. Deshalb wird das nur selten eingesetzt, so z.B. in Monopolsituationen wie beim Preis für
Wasser/Abwasser in einer Stadt, oder bei Produkten, bei denen der Preis keine Rolle spielt,
wie Designergebäuden.
Nachfrageorientierte Preise sind theoretisch nach dem volkswirtschaftlichen Marktmodell
die beste Form der Preisfindung. Da allerdings die realen Märkte keine vollkommenen Märk-
te im Sinne des Marktmodells sind und es auch technisch schwer ist, Angebot und Nachfra-
ge zeitgleich nach Preis und Menge in Übereinstimmung zu bringen, gibt es das in der Praxis
kaum. Nahe an dieses Modell kommen Märkte als funktionierende Börsen, hier bestimmen
Angebot und Nachfrage den Preis.
Um einen nachfrageorientierten Preis für ein Produkt zu bestimmen, verwenden die Unter-
nehmen verschiedene Methoden, wie:
den Preisschätzungstest, in dem Probanden den Preis eines Produktes schätzen
müssen,
den Preis-Kaufbereitschaftstest, bei dem die Probanden gefragt werden, ob sie das
Produkt bei einem vorgegeben Preis kaufen würden, und
den Preisklassentest, bei dem die Probanden den Maximalpreis und den Mindest-
preis (Qualitätsaspekt) angeben müssen, zu dem sie das Produkt kaufen würden.
Bei nutzenorientierten Preisen bestimmen die Wertvorstellungen und Nutzenerwartungen
der Nachfrager den Preis. Allerdings besteht hier das Problem der Messung der Nutzenbe-
wertung des Produktes durch den Nachfrager. In der Praxis gibt es hierfür zwei Verfahren:
die Preisbestimmung nach Leistungsmerkmalen. Der Erfüllungsgrad von Nutzenkrite-
rien der Nachfrager wird als Verhältniszahlen dargestellt und in einen Preis umge-
rechnet. So gibt es für Motoren Richtpreise in € pro kW.
die Preisbestimmung nach ökonomischen Größen, bei dem der Mehrerlös des Nach-
fragers mit dem Produkt des Anbieters den Preis bestimmt.
Ein besonderes Problem stellt die Preisfestlegung für neue Produkte dar, für die es noch
keinen Markt und keine Vergleiche gibt. Hier gibt es grundsätzlich zwei Preisstrategien:
Die Verwendung von Penetrationspreisen, das sind relativ niedrige Einführungsprei-
se. Das Unternehmen verfolgt damit das Ziel, schnell einen hohen Marktanteil zu

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schaffen und Konkurrenten abzuschrecken bzw. hohe Markteintrittshürden aufzu-


bauen. Wenn der Markt besetzt ist erfolgen sukzessive Preiserhöhungen.
Der Markteintritt mit Abschöpfungspreisen. Das sind relativ hohe Preise in der Ein-
führungsphase des Produktes, um Gewinn abzuschöpfen und die noch geringen Pro-
duktionskapazitäten nicht zu überfordern. Mit zunehmender Erschließung des Mark-
tes und bei Aufkommen von Konkurrenz erfolgt eine schrittweise Senkung des Prei-
ses.
reisdifferenzierung
Die Preisdifferenzierung ist die Verwendung unterschiedlicher Preise für ein Produkt. Mit der
Preisdifferenzierung verfolgen die Unternehmen das Ziel, das Produkt auch an Kundengrup-
pen zu verkaufen, die es zum „normalen“ Preis nicht kaufen würden. Die Preisdifferenzie-
rung erfolgt nach verschiedenen Kriterien, die wichtigsten sind:
Zeitliche Preisdifferenzierungen, z.B. in Form von Saisonpreisen, Schlussverkäufen,
Sonderangebotspreisen oder einer „Happy Hour“,
Räumliche Preisdifferenzierungen, z.B. nach Ländern/Gebieten/Filialen, nach der Ein-
kommensstruktur oder nach Absatzwegen.
persönliche Preisdifferenzierungen nach dem Kundenstatus (Stammkunden, Gele-
genheitskunden, Neukunden etc.),
mengenmäßige Preisdifferenzierungen, wie Mengenrabatte bei großen Absatzmen-
gen oder Mindermengenaufschläge bei kleinen Mengen.

3 Absatzwege
Ein Unternehmen kann seine Produkte direkt an die Kunden verkaufen (direkter Absatzweg)
oder über Absatzhelfer (indirekter Absatz).
Direkter Absatzweg
Beim direkten Absatzweg verkauft der Hersteller direkt an den Verbraucher. Die Vorteile des
direkten Absatzweges sind:
die völlige Kontrolle des Absatzes und damit auch die Möglichkeit der direkten Markt-
forschung bei den Kunden, und
das Wegfallen von Handelsspannen und Provisionen für Absatzhelfer, damit werden
höhere Preise realisiert.
Nachteile des direkten Absatzes sind:
höhere Vertriebskosten durch die Einstellung und Bezahlung eigener Verkäufer und
die Einrichtung von Vertriebsabteilungen, sowie
eine Kostenstruktur mit mehr Fixkosten, was insbesondere bei zurückgehenden Um-
sätzen zu Liquiditätsproblemen führen kann.
Indirekter Absatzweg
Beim indirekten Absatz verkauft der Hersteller über den Handel oder über andere Absatzhel-
fer wie Makler und Handelsvertreter. Die Vorteile des indirekten Absatzes sind:
die Möglichkeit des Ausnutzens von Erfahrungen, der Marktmacht und spezieller Ein-
richtungen des Absatzhelfers. Insbesondere bei der Erschließung neuer, unbekannter
Märkte (Außenhandel), sowie
die Einordnung der Produkte in ein Gesamtsortiment und damit das Erreichen größe-
rer Kundengruppen.

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Allerdings treten beim indirekten Absatz auch Nachteile auf, wie:


die Anhängigkeit vom Handel bzw. den Absatzhelfern, sowie
geringere Preise, die erzielt werden können.
Kriterien für die Wahl des Absatzweges sind:
das Absatzgebiet, also z.B. im Inland oder im unbekannten Ausland,
die Art des Produktes, z.B. ist es ein Investitionsgut oder ein Konsumgut, ist das
Produkt Erklärungsbedürftig und welcher Kundendienst wird vom Käufer erwartet,
die Art und Anzahl der Abnehmer (Unternehmen, Staat, Haushalte; hohe oder gerin-
ge Mengen)
spezifische unternehmensinterne Kriterien, wie die Branche oder die Größe des Un-
ternehmens, sowie
das Kontakt- und Informationsbedürfnis und das Kontrollbedürfnis.
Häufig verwenden Unternehmen verschiedene Absatzwege, z.BV. im Inland den direkten
Absatz und im Ausland den indirekten Absatz.

4 Absatzformen
Unter Absatzformen versteht man die konkrete Durchführung des Verkaufs. Dabei können
betriebseigene oder betriebsfremde Spezialisten eingesetzt werden. In der folgenden Abbil-
dung wird eine Übersicht zu den Absatzwegen gegeben.

Abbildung 21: Absatzformen

Reisender

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Ein Reisender ist ein kaufmännischer Angestellter des Unternehmens, häufig auch als Au-
ßendienstmitarbeiter bezeichnet. Der Reisende besitzt umfangreiche Handlungsvollmachten
beim Vertrieb der Produkte, wie:
die Annahme von Bestellungen und den Abschluss von Kaufverträgen,
die Entgegennahme von Zahlungen und der Abschluss von Kreditvereinbarungen,
sowie
die Bearbeitung von Reklamationen.
Der Reisende erhält ein Entgelt in Form eines festen Gehaltes und zusätzlich Umsatzprovisi-
on als Prämien. Häufig kommt es auch zur Überlassung von Firmeneinrichtungen zum priva-
ten Gebrauch, wie ein Auto, Telefon oder Computer.
Handelsvertreter
Dagegen ist ein Handelsvertreter ein rechtlich selbständiger Unternehmer, der im Auftrag
des Unternehmens handelt. Er erhält per Vertrag Handlungsvollmachten, die denen eines
Reisenden entsprechen können. Als Entgelt erhält der Handelsvertreter Provisionen. Wei-
terhin stellt das Unternehmen Muster bzw. Unterlagen zu den Produkten für den Handels-
vertreter bereit. Der Handelsvertreter muss seine Kosten selbst tragen, wie die Kosten für
Auto, Telefon, Computer, Büro und Übernachtungen etc.
Kommissionär
Ein Kommissionär ist ebenfalls ein selbständiger Unternehmer, allerdings übernimmt die zu
verkaufenden Waren in Kommission und versucht diese dann zu verkaufen. Die Ware bleibt
rechtlich Eigentum des Herstellers oder Großhändlers, der Kommissionär verkauft die Pro-
dukte im Namen des Herstellers. Der Kommissionär erhält eine häufig feste Vergütung so-
wie eventuell variable Anteile am Verkaufserlös. Nicht verkaufte Ware kann der Kommissio-
när an den Hersteller zurückschicken. Beispiele für Kommissionäre sind:
Baumärkte, insbesondere bei Saisonwaren,
Tankstellen, diese verkaufen den Kraftstoff in Kommission für das Ölunternehmen
und erhalten 0,01-0,02 € pro Liter.
Die Entscheidung für eine Absatzform kann aus rein kostenrechnerischen Gründen getroffen
werden. Bei hohen Mengen sind häufig Reisende günstiger, während bei geringen oder
stark schwankenden Mengen Handelsvertreter und Kommissionäre billiger sind. Allerdings
sollten andere Aspekte wie direkter Kontakt zum Kunden oder Wahrung von Unterneh-
mensgeheimnissen zusätzlich berücksichtigt werden.

5 Absatzförderung
Unter Absatzförderung versteht man alle Maßnahmen, die den Bekanntheitsgrad des Unter-
nehmens und seiner Produkte erhöhen sowie damit den Absatz steigern helfen. Dazu gehö-
ren solche Aspekte wie:
Art der Werbung, genutzte Werbeträger und Werbemittel,
die verwendete Werbebotschaft,
Maßnahmen und Aktionen zur Verkaufsförderung,
die Öffentlichkeitsarbeit (Public Relation oder PR) der Unternehmen, und das
Corporatet Design, d.h. das interne und externe Selbstbild des Unternehmens.
Die Absatzförderung ist das Kernstück der Kommunikationspolitik.

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Im Kommunikationsmodell der Werbung wird die Verbindung zwischen dem Produzenten


als Verkäufer und dem Konsumenten als Käufer dargestellt. Der Produzent versucht, über
die Werbebotschaft einen Brückenschlag zum Konsumenten herzustellen, um diesem das
Produkt bekannt zu machen und ihm zum Kaufen anzuregen.

Abbildung 22: Kommunikationsmodell der Werbung


Werbung
Unter Werbung versteht man den Einsatz von Kommunikationsmitteln mit dem Ziel, den
Kunden (Zielgruppe) zum beabsichtigten Kaufverhalten zu bewegen und damit das Unter-
nehmensziel zu erreichen. Für die Planung und Durchführung von Werbemaßnahmen gibt es
verschiedene Grundregel, eine davon ist die AIDA-Regel.

A attention Aufmerksamkeit
I interest Interesse
D disere Wunsch
A action Aktion (Kauf)
Abbildung 23: AIDA-Regel in der Werbung
Werbeformen
Die Werbung kann sich gezielt an einzelne Kunden (Einzelwerbung) oder anonym an viele
Kunden wenden (Massenwerbung).
Die Einzelwerbung wendet sich gezielt an den einzelnen Kunden. Formen sind z.B.:
das Verkaufsgespräch,
den adressierten Werbebrief, und
der angemeldete Kundenbesuch.
Die Vorteile der Einzelwerbung sind die größere Wirksamkeit durch eine höhere Intensität
beim einzelnen Kunden sowie weniger Streuverluste, da gezielt potentielle Kunden ange-

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sprochen werden. Allerdings ist sie teurer, da die potentiellen Kunden ausgemacht werden
müssen und ein hoher Personalaufwand für die Kundenbesuche erforderlich ist.
In der Massenwerbung wendet sich der Produzent über Massenmedien an die anonyme
Masse der Kunden. Formen sind z.B.:
Printwerbung in Zeitungen und Zeitschriften, auf Plakaten und zunehmend im Inter-
net, sowie
Werbung in Rundfunk, Fernsehen und im Kino.
Vorteile der Massenwerbung sind die große Breitenwirkung und die geringeren Kosten.
Nachteilig sind die großen Streuverluste, da auch nicht potentielle Kunden beworben wer-
den.
Der Überträger der Werbebotschaft sind die Werbemittel. Diese beziehen sich auf die Sin-
nesorgane des Menschen, über die die Werbebotschaft übertragen wird. Häufig werden die
Werbemittel auch in Kombination miteinander verwendet. Weiterhin werden zunehmend
auch andere Sinne, wie Geruch oder Gefühl verwendet, um den Kunden zu erreichen.

Abbildung 24: Übersicht über die Werbemittel


Werbeträger
Die Werbeträger sind die Übermittler der Werbebotschaft. Typische Werbeträger sind:
Anzeigen,
Plakate und Bandenwerbung,
Rundfunk und Fernsehen,
das Internet,
Werbebriefe,
Kundenzeitschrift,
product placement,
Personen als Werbeträger sowie das
Sponsoring.
Dabei zeigen die verschiedenen Werbemittel eine unterschiedliche Werbewirkung, wie in
der Abbildung dargestellt.

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Werbe-Wirkung

im Internet 16%
an Verkehrsmitteln, z.B. an Bussen 19%
beim Sport (Bandenw erbung) 20%
auf Plakaten an Straßen 24%
durch persönliche Werbebriefe 28%
im Radio 28%
im Kino 29%
in Beilagen von Zeitschriften 31%
in Anzeigenblättern 33%
in Beilagen von Anzeigenblättern 34%
in Zeitschriften 37%
in Tageszeitungen 37%
in Beilagen der Tageszeitung 38%
vor Geschäften 38%
in Prospekten von Warenhäusern 39%
in Geschäften 43%
im Fernsehen 52%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%


Anteil mit min. "überzeugend"

Abbildung 25: Wirkung der Werbemittel13


Verkaufsförderung (Sales Promotion)
Ein weiterer Bereich der Kommunikationspolitik sind Maßnahmen zur Unterstützung des
Absatzes im eigenen Unternehmen und in den Kundenbetrieben. Typische Beispiele für die
Verkaufsförderung sind:
die günstige Platzierung der Waren
die Bereitstellung von Displays und Werbematerial am Ort des Verkaufs (POP)
der Einsatz von Verkaufspropagandisten,
die Beratung und Schulung der Händler und VerkäuferInnen, und
Verkaufswettbewerbe und die Prämienauslobung.
Marketing-Mix
Die Maßnahmen und Elemente der Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspoli-
tik müssen aufeinander abgestimmt eingesetzt werden, um den gewünschten Erfolg mit
möglichst geringem Aufwand zu erreichen. Diese optimale Kombination und Abfolge der
absatzpolitischen Instrumente in Bezug auf die Marktsegmente und Produkte des Unter-
nehmens wird als Marketing-Mix bezeichnet.
Die Gestaltung des Marketing-Mix ist die Aufgabe der Marketing-Abteilungen der Unter-
nehmen, häufig in Zusammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistungsunternehmen (Wer-
beagenturen). Einflussgrößen auf die Gestaltung des Marketing-Mix sind u.a.:
die Marktlage,
die Zielsetzung und Unternehmensstrategie,
der Lebenszyklus des Produktes,

13
Quelle: mitteldeutsche wirtschaft 05/4 S. 18

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der Zeitaspekt: Welche Maßnahmen werden wann, in welcher Reihenfolge und wie
lange durchgeführt?
der Raumaspekt: Wo werden die Maßnahmen realisiert?
die Organisation der Rückkopplung: Wie wirken die Marketingmaßnahmen?
Unternehmensstrategie und Marketing
Einen engen Zusammenhang gibt es auch zwischen der Unternehmensstrategie und dem
Marketing. Nach PORTER gibt es drei grundsätzliche Unternehmensstrategien:
die Kostenführerschaft, in der das Marketing über den Preis und die allgemeine Ver-
fügbarkeit des Produktes orientiert wird,
die Tempoführerschaft mit einem Marketing über das Design, die Exklusivität oder
den Neuwert des Produktes, und
die Differenzierungsstrategie, hier wird das Marketing über die differenzierten Kun-
denanforderungen und den Sondernutzen geführt.

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VII. Finanzierung
Die Finanzierung umfasst alle betrieblichen Prozesse zur Bereitstellung und Rückzahlung der
finanziellen Mittel, die für die laufende Produktion und für Investitionen benötigt werden.
Darunter fallen alle Maßnahmen von der Beschaffung bis zur Rückzahlung finanzieller Mittel
sowie die damit verbundene Gestaltung der Zahlungs-, Informations-, Mitbestimmungs-,
Kontroll- und Sicherungsbeziehungen zwischen Unternehmen und Kapitalgebern. Dabei
können die finanziellen Mittel innerhalb des Unternehmens freigesetzt werden (Innenfinan-
zierung) oder von außerhalb des Unternehmens stammen (Außenfinanzierung). Zusätzlich
wurden in den letzten Jahren weitere Instrumentarien entwickelt, mit denen ein Unterneh-
men Finanzmittel einwerben kann. Eine Übersicht befindet sich in der folgenden Abbildung.
Finanzierungsarten

Innenfinanzierung Außenfinanzierung finanzierungsähnliche


Vorgänge

Selbstfinanzierung Beteiligungsfinanzierung Leasing

Finanzierung aus Kreditfinanzierung Factoring


Abschreibungen

Finanzierung aus Subventionen


Rückstellungen

Finanzierung durch
Vermögensumschichtung

Abbildung 26: Finanzierungsarten

1 Finanzierungsarten
1.1 Innenfinanzierung
Bei der Innenfinanzierung stammt das zusätzliche Kapital aus dem unternehmenseigenen
Umsatz.
Selbstfinanzierung
Unter der Selbstfinanzierung versteht man die Finanzierung durch die Nichtausschüttung
von Gewinnen. Die Gewinne entstehen, wenn der Umsatz höher ist als der Aufwand. Nor-
malerweise wird der Gewinn verwendet, um externe Kapitalgeber auszuzahlen (Tilgung)
bzw. am Gewinn zu beteiligen (Ausschüttung). Bei der Selbstfinanzierung werden verschie-
dene Varianten unterschieden:
Bei der offenen Selbstfinanzierung wird der Gewinn wird offen in der Bilanz ausge-
wiesen, verbleibt aber vollständig oder teilweise im Unternehmen.
Wird der ausgewiesene Gewinn durch die Bildung von stillen Reserven gemindert,
spricht man von einer stillen Selbstfinanzierung.
Eine temporäre Selbstfinanzierung entsteht, wenn im Zeitraum zwischen der Ge-
winnentstehung und der Gewinnausschüttung der Gewinn dem Unternehmen zur
Verfügung steht und eingesetzt wird.
Die Vorteile der Selbstfinanzierung bestehen vor allem darin, dass die Finanzmittel dem Un-
ternehmen ohne Bürokratie, Verpflichtungen und Zinsen zur Verfügung stehen. Vorausset-

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zung für die Selbstfinanzierung ist die Erwirtschaftung von Gewinn. Weiterhin müssen die
Gesellschafter damit einverstanden sein, das keine vollständige Ausschüttung des Gewin-
nes erfolgt.
Offene Selbstfinanzierung
Die Art der Durchführung der offenen Selbstfinanzierung ist abhängig von der Rechtsform
des Unternehmens. In Einzelunternehmen und Personengesellschaften verzichten die Ge-
sellschafter auf die Entnahme von Gewinn, dadurch erhöht sich ihr Kapitalanteil bzw. es ent-
steht ein Kredit (z.B. Kommanditist). In Kapitalgesellschaften werden gesetzliche, vertragli-
che oder per Beschluss der Gesellschafterversammlung Gewinnrücklagen gebildet, weiter-
hin erfolgt ein Gewinnvortrag auf das folgende Geschäftsjahr.
Stille Selbstfinanzierung
Die stille Selbstfinanzierung wird bewusst gebildet durch die Unterbewertung von Vermö-
gen und die Überbewertung von Schulden. Dieses Vorgehen ergibt sich aus dem in
Deutschland geltenden Prinzip des „Vorsichtigen Kaufmanns“, welches in verschiedenen
Gesetzen (HGB, Steuergesetze) verankert ist. Manchmal entstehen stille Reserven jedoch
auch unbewusst durch Schätzfehler und Preisschwankungen.
Finanzierung aus Abschreibungen
Abschreibungen entstehen im Unternehmen nur buchhalterisch, es findet tatsächlich kein
Geldabfluss statt. Am Ende der Nutzungsdauer steht der Geldbetrag für den Kauf einer neu-
en Maschine zur Verfügung (Ersatzinvestition). Da die Abschreibungsbeträge erst am Ende
der Nutzungsdauer benötigt werden, stehen sie in der Zwischenzeit für Finanzierungen zur
Verfügung, das nennt man den Kapitalfreisetzungseffekt. Voraussetzung auch für die Finan-
zierung aus Abschreibungen ist, dass im Unternehmen Gewinn erwirtschaftet wird, ein Teil
der Umsatzerlöse steht als Geldzufluss zur Verfügung.
Durch den sofortigen Einsatz der durch Abschreibungen freiwerdenden Mittel zur Finanzie-
rung neuer Maschinen (Investitionen) wird die Kapazität des Unternehmens erweitert, die-
ses nennt man den Kapazitätserweiterungseffekt. Der Kapazitätserweiterungsfaktor gibt an,
wie hoch der Kapazitätserweiterungseffekt ist. Voraussetzungen für die Wirksamkeit sind,
dass die Kapazitätserweiterung zu steigenden Umsätzen und damit Gewinnen führt und das
sich die Nutzungsdauer und Beschaffungspreise der Maschinen und Anlagen nicht stark
ändern.
Finanzierung aus Rückstellungen
Rückstellungen werden für zukünftige Ausgaben gebildet, deren Höhe und/oder Fälligkeit
noch nicht genau bekannt ist. Sie werden buchhalterisch sofort als Aufwand gebucht und
mindern damit den Gewinn und die Ertragssteuern, führen aber nicht zu einem Abfluss von
Geld. Damit können die Mittel zwischenzeitlich zur Finanzierung eingesetzt werden.
Das wird vor allem bei Rückstellungen für Auszahlungen, die weit in der Zukunft liegen, wie
Pensionsrückstellungen oder Rückstellungen für den Rückbau der Produktionsanlagen (Berg-
bau, Atomkraftwerk), wirksam und von den Unternehmen genutzt.
Allerdings besteht die Gefahr, dass das Unternehmen in Liquiditätsprobleme kommt, wenn
die Auszahlungen tatsächlich wirksam werden. Deshalb werden die Bildung von Rückstel-
lungen und deren Verwendung vom Staat überprüft und Sicherungsinstrumente gefordert,
wie eine Konkursausfallversicherung für Pensionsrückstellungen.
Finanzierung durch Vermögensumschichtungen
Durch Umschichtungen von Vermögen in den Aktiva des Unternehmens lassen sich eben-
falls Finanzierungsmittel freisetzen. Das erfolgt, indem

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nicht betriebsnotwendiges Vermögen wie Grundstücke, Gebäude, Maschinen und


Anlagen oder Wertpapiere, Patente und Lizenzen verkauft wird. Häufig erfolgt das im
Rahmen von Umstrukturierungen und Rationalisierungsmaßnahmen.
die Lagerbestände reduziert werden, z.B. durch die Einführung von lean- production,
just-in-time-production oder supply-chain-management.
offene Forderungen durch eine Verkürzung der Zahlungsziele und die Intensivierung
des Debitorenmanagements schneller eingetrieben werden.

1.2 Außenfinanzierung
Bei der Außenfinanzierung wird dem Unternehmen zusätzliches Kapital von außen zuge-
führt, man nennt sie auch externe Finanzierung. Je nachdem, welche Beziehung der Finan-
zier zum Unternehmen aufbaut, unterscheidet man zwischen Beteiligungsfinanzierung und
Kreditfinanzierung, wobei es heute auch Sonderformen der Finanzierung gibt, die Elemente
beider Formen enthalten.
Beteiligungsfinanzierung
Bei der Beteiligungsfinanzierung erfolgt eine Bereitstellung von zusätzlichem Eigenkapital
durch bisherige oder neue Gesellschafter. Die konkrete Form hängt von der Rechtsform des
Unternehmens ab:
in Einzelunternehmen und Personengesellschafter leisten die bisherigen Gesellschaf-
ter eine Privateinlage oder neue Gesellschafter werden aufgenommen, die eine Ein-
lage leisten müssen.
in der GmbH wird die Stammeinlage erhöht, auch hier können die erhöhten Einlagen
durch die bisherigen Gesellschafter aufgebracht werden, diese haben nach GmbH-
Gesetz sogar ein Vorrecht darauf, oder neue Gesellschafter übernehmen die Einla-
gen.
In der Aktiengesellschaft erfolgt eine Kapitalerhöhung durch Herausgabe neuer Ak-
tien oder von Genussscheinen, die dann über die Börse oder über Makler verkauft
werden.
Allerdings können Gesellschafter auch ihre Beteiligung kündigen, das führt dann nach Ablauf
einer gesetzlich oder vertraglich festgelegten Frist zum Kapitalabfluss (außer bei AG).
Kreditfinanzierung
Unter der Kreditfinanzierung versteht man die zeitlich befristete Überlassung von Kapital
gegen Zinsen. Der Finanzier wird nicht Gesellschafter im Unternehmen und hat damit weni-
ger Mitbestimmungsrechte, wird allerdings bei einer Insolvenz bessergestellt als Gesell-
schafter und die Rückzahlungen sind gewinnunabhängig.
Der Begriff Kredit kommt aus dem lateinischen: creditere = Vertrauen.
Je nach dem, in welcher Form das Kapital dem Unternehmen überlassen wird, unterschei-
det man verschiedene Kr4editformen:
Bei Geld-Krediten oder Darlehen erhält das Unternehmen eine feste Summe Geld zur
freien oder zweckgebundenen Verwendung.
Bei Schuldverschreibungen, Anleihen und Obligationen erhält der Finanzier gegen ei-
nen Geldbetrag ein Wertpapier, das er weiterverkaufen kann. Auf das Wertpapier
werden eventuell Zinsen gezahlt, weiterhin schwankt der Wert, so dass der Finanzier
einen zusätzlichen Gewinn durch Kurssteigerungen, aber auch einen Verlust durch
Kursverluste erleiden kann.

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Zusätzlich gibt es noch verschiedene Sonderformen, wie Wandelanleihen, Optionsan-


leihen, Gewinnschuldverschreibungen, Zero-Bond-Anleihen, Floating-Rate-Anleihen
und Schuldscheindarlehen.

1.3 Finanzierungsähnliche Vorgänge


Finanzierungsähnliche Vorgänge sind Instrumente, die in den Unternehmen eingesetzt wer-
den, um die Liquidität zu verbessern und damit Finanzierungen zu ermöglichen, die jedoch
auch andere betriebswirtschaftloche oder volkswirtschaftliche Effekte haben, so dass sie
keine reinen Finanzierungen sind. Dazu gehören das Leasing, das Factoring sowie Subven-
tionen.
Leasing
Unter Leasing versteht man eine Form des Mietkaufes. Ein Leasingnehmer mietet ein Wirt-
schaftsgut von einem Leasinggeber, um es später eventuell zu kaufen. Der Leasinggeber
kauft das Wirtschaftsgut und vermietet es an den Leasingnehmer. Vorteile des Leasings
sind:
Der Leasingnehmer schont seine Kreditlinie, da die Leasingverträge in der Bilanz im
Passiva nicht bzw. nicht vollständig als Schulden auftauchen.
Der Leasingnehmer hat regelmäßige Zahlungen, damit schont er seine Liquidität, da
er die Leasingzahlungen mit dem Leasinggut erwirtschaften kann. Weiterhin sind die
Zahlungen vollständig Aufwand, was steuerliche Vorteile bringt.
Das Wirtschaftsgut wird nicht aktiviert und erscheint damit auch nicht im Aktiva in
der Bilanz. Weiterhin können Wettbewerber damit nur eingeschränkten Einblick in
die Anlagenausstattung des Unternehmens erhalten.
Da die Leasingverträge meistens kürzere Laufzeiten haben als die betriebsübliche
oder steuerliche Nutzungsdauer des Anlagegutes, kann der Leasingnehmer regelmä-
ßig die neueste Technik verwenden, ohne steuerliche oder finanzierungstechnische
Nachteile zu haben. Deshalb wird Leasing häufig bei Anlagegütern mit schnellem
technischen Fortschritt wie Verkehrsmittel (PKW, LKW, Flugzeuge, Schiffe) oder bei
Maschinen wie Computeranlagen verwendet.
Durch die kürzeren Laufzeiten der Leasingverträge ist das Unternehmen auch flexib-
ler und kann auf geänderte Marktbedingungen mit einem schnellen Auf- oder Abbau
von Kapazitäten reagieren.
Der Nachteil des Leasings ist vor allem der höhere Zinssatz als beim Kreditkauf, da der Lea-
singgeber das Leasinggut regelmäßig auf Kredit erwirbt und seine Kosten und Gewinnan-
spruch in die Höhe der Leasingraten einrechnet. Allerdings können Leasinggeber als Groß-
einkäufer häufig bessere Konditionen im Einkauf aushandeln, so dass das Leasinggut häufig
für den Leasingnehmer nicht teurer ist als selbst ein auf Kredit gekauftes Anlagegut.
Der Übergang zwischen Kreditkauf und Leasing ist schwimmend, deshalb müssen wegen
der unterschiedlichen buchhalterischen und steuerlichen Behandlung die Verträge und Ab-
rechnungen sehr sorgfältig gestaltet werden.
Im Leasing wird unterschieden in
Das Operate – Leasing. Nach deutschem Recht sind das normale Mietverträge im
Sinne des BGB. Anwendung findet diese Form bei sofort wieder vermietbaren Wirt-
schaftsgütern, wie Fahrzeugen oder Geschäftsräumen.
Das Finance – Leasing. Diese Verträge sind während einer Grundlaufzeit unkündbar,
für die Zeit danach gibt es verschiedene Modelle:

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ohne Optionen, d.h. der Vertrag läuft aus, der Leasingnehmer muss das Wirtschafts-
gut im vereinbarten Zustand an den Leasinggeber zurückgeben.
mit Kaufoption, d.h. der Leasingnehmer kann das Leasinggut am Ende des Leasing-
vertrages zu einem vorher festgelegten Preis kaufen. Nach deutschem Recht sind
das Kaufverträge mit Kreditfinanzierung, deshalb wird das nur bei privaten Leasing-
verträgen eingesetzt.
mit Verlängerungsoption, d.h. der Leasingvertrag wird noch einmal verlängert. Da der
Leasinggeber den größten Teil seiner Kosten und seinen Gewinn schon in der Grund-
laufzeit erwirtschaftet hat, sind hier die Leasingraten häufig niedriger als in der Grund-
laufzeit.
Factoring
Factoring bedeutet, dass der Unternehmer seine offenen Forderungen an ein anderes Un-
ternehmen, den Factor, verkauft. Damit gegen die Forderung sofort und im vollen Umfang
auf den Factor über, dieser treibt die Forderungen ein.
Vorteile des Factorings sind für den Unternehmer, dass die Lieferungen an seine Kunden
sofort erlöswirksam werden und er keinen keinen Debitoren-Aufwand hat. Nachteilig ist,
dass:
der Verkäufer zunächst nur eine Abschlagsrate von 50-80% der Forderung erhält, die
Restzahlung erfolgt später, denn der Kunde des Unternehmers die Rechnung an den
Factor bezahlt hat.
Factoring-Gebühren in Höhe von 0,8 bis 2,5% plus Zinsen anfallen können, und
eine Ausfallversicherung abgeschlossen werden muss, deren Kosten der Unterneh-
mer trägt.
Subventionen
Subventionen sind Kapitalzuflüsse an das Unternehmen vom Staat. Für die Staaten sind
Subventionen ein wichtiges Instrument in der Wirtschaftspolitik, mit Subventionen können
neue Technologien gefördert werden, die allein noch nicht konkurrenzfähig sind, z.B.
Subventionen für Anlagen zur Erzeugung umweltfreundlicher Energie wie Solaranla-
gen oder Windräder,
die Ansiedlung von Unternehmen in strukturschwachen Regionen unterstützt wer-
den, z.B. in Deutschland bei Investitionen in den neuen Bundesländern,
die

2 Kreditfinanzierung
Unter einem Kredit versteht man die Überlassung von Kapital. Dazu müssen Kreditnehmer
und Kreditgeber einen Kreditvertrag abschließen.
Es gibt unzählige Formen von Krediten, die nach bestimmten Kriterien eingeteilt werden
können, wie:
 nach der Laufzeit in kurz-, mittel- und langfristige Kredite,
 nach der Art der Tilgung,
 nach der Absicherung als schuldrechtliche Absicherung oder sachenrechtliche Sicherung,
 nach dem Kreditgeber (Bankkredit, Lieferantenkredit, Kundenkredit, öffentliche und pri-
vate Kredite), und
 nach dem Gegenstand der Übertragung (Sachkredite, Geldkredite, Kreditleihe).

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Kredite nach der Laufzeit


Die Laufzeit eines Kredites ist der Zeitraum, in dem der Kredit an den Kreditgeber zurückge-
zahlt werden muss. In der Regel wird er fest vereinbart, es gibt aber auch unbefristete Kre-
dite, die bis auf Widerruf eingeräumt werden, z.B. als Überziehungskredit auf privaten Giro-
konten oder als Kontokorrentkredit für Unternehmen. Die übliche Abgrenzung ist:
kurzfristige Kredite sind innerhalb eines Jahres zurückzuzahlen,
mittelfristige Kredite haben eine Laufzeit von höchstens 4 Jahren, und
alle Kredite mit einer Laufzeit ab 5 Jahren zählen als langfristige Kredite.
Die Einteilung der Kredite nach der Laufzeit hat Bedeutung für die buchhalterische Behand-
lung sowie teilweise Auswirkungen auf die steuerliche Wirkung.
Kredite nach der Art der Tilgung
Der Kreditnehmer muss dem Kreditgeber das geliehene Kapital zurückgeben, bei vertretba-
ren Dingen wie Geld oder Material in gleicher Art und Menge, bei nichtvertretbaren Dingen
das gleiche Objekt. Zusätzlich fallen meistens noch Zinsen an. Die Rückzahlung des Kredi-
tes, die Tilgung, und die Zahlung der Zinsen kann gemeinsam erfolgen, dann spricht man
von einer Kapitaldienstrate oder Kreditrate. Dabei kann die Aufteilung von Zinsen und Tilgung
auf die Raten unterschiedlich gestaltet werden, danach unterscheidet man:
den Ratenkredit, bei dem die Tilgungsraten gleich hoch sind, die Zinszahlungen sich
jedoch mit der Tilgung verringern, da immer weniger Kapital offen ist,
den Annuitätenkredit, bei dem die Kapitaldienstraten gleich sind, jedoch der Til-
gungsanteil zunimmt und der Zinsanteil abnimmt.
das endfällige Darlehen, bei dem während der Laufzeit nur Zinszahlungen erfolgen
und die Tilgung des Kredites zum Ende in einer Summe vorgenommen wird.
Im Beispiel wird ein Kredit über 50.000 €, einem Zinssatz von 6% und mit einer Laufzeit von
10 Jahren mit jährlicher Ratenzahlung miteinander verglichen.

Tabelle 9: Vergleich der Kreditraten für ein Darlehen über 50.000 € mit einem Zinssatz von 6%
und seiner Laufzeit von 10 Jahren

Vergleich der Tilgungsarten

Kapitaldienst offener Kredit


Jahr Annuität Raten Endfälligkeit Annuität Raten Endfälligkeit
0 - € - € - € 50.000,00 € 50.000,00 € 50.000,00 €
1 6.793,40 € 8.000,00 € 3.000,00 € 46.206,60 € 45.000,00 € 50.000,00 €
2 6.793,40 € 7.700,00 € 3.000,00 € 42.185,60 € 40.000,00 € 50.000,00 €
3 6.793,40 € 7.400,00 € 3.000,00 € 37.923,34 € 35.000,00 € 50.000,00 €
4 6.793,40 € 7.100,00 € 3.000,00 € 33.405,34 € 30.000,00 € 50.000,00 €
5 6.793,40 € 6.800,00 € 3.000,00 € 28.616,26 € 25.000,00 € 50.000,00 €
6 6.793,40 € 6.500,00 € 3.000,00 € 23.539,84 € 20.000,00 € 50.000,00 €
7 6.793,40 € 6.200,00 € 3.000,00 € 18.158,83 € 15.000,00 € 50.000,00 €
8 6.793,40 € 5.900,00 € 3.000,00 € 12.454,97 € 10.000,00 € 50.000,00 €
9 6.793,40 € 5.600,00 € 3.000,00 € 6.408,87 € 5.000,00 € 50.000,00 €
10 6.793,40 € 5.300,00 € 53.000,00 € - 0,00 € - € - €

Deutlich wird, das beim Annuitätenkredit immer die gleiche Summe von 6.793,40 € gezahlt
werden muss. Damit lassen sich die Kreditraten gut planen, deshalb wird diese Kreditform
vor allem im Privatbereich verwendet, z.B. bei einer Hypothek zum Kauf eines Hauses oder

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bei einem Kredit zum Kauf eines Autos. Problematisch ist der unterschiedliche Zins- und
Tilgungsanteil in jeder Kreditrate, Da Zinsen Unternehmensaufwand sind, während die Til-
gung lediglich eine Kapitalumschichtung darstellt, ist diese Kreditform in Unternehmen aus
buchhalterischer Sicht schwierig.
Beim Ratenkredit werden mit jeder Rate 5.000 € getilgt, die Zinszahlung verringert sich mit
jeder Zahlung, so dass die Ratenhöhe abnimmt. Das ist aus unternehmerischer Sicht vorteil-
haft, da z.B. eine Maschine, die mit dem Kredit finanziert wird, am Anfang mehr Gewinn
erwirtschaftet und deshalb die höheren Raten auch finanzieren kann.
Beim endfälligen Darlehen erfolgen während der Kreditlaufzeit nur Zinszahlungen, die Rück-
zahlung des Kredites erfolgt in einem Betrag. Damit werden anfangs nur geringe Zahlungen
fällig, jedoch am Ende der Laufzeit eine sehr hohe Zahlung. Diese Kreditform ist eher selten,
sie wird teilweise verwendet, wenn z.B. die Rückzahlung des Kredites aus einem Sparver-
trag oder einer Lebensversicherung erfolgt, bei der der Rückzahlungstermin und die Auszah-
lung des Sparbetrages zusammenfallen.
Kredite nach der Absicherung
Für die Abtretung des Kapitals an den Kreditnehmer verlangen die Kreditgeber Sicherheiten,
die sie in Anspruch nehmen können, wenn der Kreditnehmer die Zahlung von Zinsen und
Tilgungen nicht mehr leisten kann. Dabei wird unterschieden in eine schuldrechtliche und
eine sachenrechtliche Absicherung.
Bei der schuldrechtliche Sicherung wird als Sicherheit ein Schuldtitel vereinbart. Typische
Formen sind:
der Avalkredit, bei dem als Sicherheit eine Bürgschaft oder Garantie eines anderen,
kreditwürdigen Wirtschaftssubjektes vereinbart wird. Typische Beispiele sind Export-
kredite, bei denen der Staat die Bürgschaft übernimmt und dem Exporteur den Kredit
zurückzahlt, wenn der Importeuer nicht mehr zahlen kann. Auch im Privatbereich wird
gern mit dem Avalkredit gearbeitet, wenn z.B. ein Student ein Auto auf Kredit kaufen
möchte, dann bürgen die Eltern oder Großeltern für den Studenten.
die Forderungsabtretung, bei der das Unternehmen eine sichere Forderung als Si-
cherheit an den Kreditgeber abtritt. Fällt der Kreditnehmer aus, kann der Kreditgeber
die Forderung einlösen und daraus die Rückzahlung des Kreditbetrages inklusive Zin-
sen und Kosten vornehmen. Sichere Forderungen können z.B. offene Rechnungen
sein (Zessionskredit), Wechsel (Diskontkredit), die Tiere im Stall bzw. die Ernte auf
dem Acker (Erntewechsel) oder staatliche Zahlungen wie Subventionen.
der Personenkredit, bei dem die Sicherheit allein in der Person bzw. der Firma des
Kreditnehmers liegt. Dieser wird auch Blankokredit genannt.
Bei der sachenrechtlichen Sicherung werden konkrete Gegenstände als Sicherheit für die
Kreditsumme beim Kreditgeber hinterlegt. Typische Fälle sind:
Grundpfandrechte als Grundschuld oder Hypothek. Hier sichert ein oder mehrere
Grundstücke die Rückzahlung des Kredites. Die Grundschuld bzw. Hypothek wird da-
zu im Grundbuch des Grundstückes vermerkt. Fällt der Kreditnehmer aus, kann der
Kreditgeber das Grundstück bzw. die Grundstücke verkaufen und daraus die Kre-
dittilgung inklusive Zinsen und Kosten vornehmen.
der Lombardkredit, bei dem bewegliche Gegenstände (Schmuck, Gold) und Pfand-
rechte wie Wertpapiere oder Bankguthaben als Sicherheit verwendet werden. Die
Pfandleihe gehört zu den Lombardkrediten.
die Sicherungsübereignung, bei der der Kreditgeber für die Laufzeit des Kredites
Eigentümer des mit dem Kredit gekauften Vermögensgegenstandes wird. Das wird

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z.B. bei Fahrzeugen verwendet, wo der Fahrzeugbrief als Eigentumsnachweis beim


Kreditgeber verbleibt, bis der Kredit zurückgezahlt ist.
der Eigentumsvorbehalt, bei dem der Kreditgeber erklärt, dass er bis zur vollständi-
gen Rückzahlung des Kredites Eigentümer des Gegenstandes bleibt und diesen bei
Ausfall von Zahlungen zurückholen kann. Das wird gern bei Lieferantenkrediten ver-
wendet, bei denen ein Käufer Waren auf Rechnung erwirbt, also erst nach einer Frist
bezahlen wird. In dieser Frist existiert ein Kreditvertrag zwischen Verkäufer (Kredit-
geber) und Käufer (Kreditnehmer).
Kredite nach dem Kreditgeber
Kreditgeber kann jede natürliche oder juristische Person sein. Allerdings unterscheiden sich
die gesetzlichen Bestimmungen für die Kreditvergabe für einzelne Kreditgeber, insbesonde-
re die Formvorschriften. So sind Kredite zwischen natürlichen Personen als Privatkredite
nicht an Formvorschriften gebunden, während andere Kreditverträge, z.B. zwischen Banken
und natürlichen Personen, umfangreichen Vorschriften unterliegen, die vor allem zum Schutz
des Kreditnehmers dienen. Kreditgeber können z.B. sein:
Banken und Sparkassen, die Darlehen vergeben oder auf dem laufenden Konto (Giro-
konto) einen Kontokorrent einräumen,
Versicherungen, die Kredite auf Versicherungsverträge einräumen,
Privatpersonen, die privatrechtliche Kredite als Darlehen oder Schuldscheine einräu-
men,
Lieferanten, die eine Kaufpreisstundung gewähren,
Kunden, die eine Anzahlung leisten, und
Der Staat, der öffentliche Kredite z.B. im Rahmen von Förderprogrammen vergibt.
Kredite nach der Art der übertragenen Sache
Nach der Art der übertragenen Sache unterscheidet man:
Barkredit oder Darlehen, bei denen Geld verleihen wird,
Warenkredit, bei denen eine vertretbare Ware Kreditgegenstand ist, und die
Kreditleihe, bei der die Kreditwürdigkeit als Bürgschaft auf einen anderen übertragen
wird.

3 Wertpapiere
3.1 Begriff
Ein Wertpapier ist im weitesten Sinne eine Urkunde, die ein privates Recht verbrieft. Dabei
kann der Rechteinhaber das Recht aus der Urkunde gegenüber dem Schuldner nur geltend
machen, wenn der Inhaber der Urkunde diese dem Schuldner vorlegt. Die Urkunde dient der
Sichtbarmachung und als Nachweis eines Rechtes. Ohne den Besitz der Urkunde kann das
darin verbriefte Recht nicht geltend gemacht werden.
Wertpapiere sind im Zeitalter der computergestützten Buchführung veraltet und es gibt sie
nur noch wegen der historisch gewachsenen Rechtsgrundlage. Immer mehr wird dazu
übergegangen, Wertpapiere abzuschaffen und durch Buchungsposten zu ersetzen.
Nur noch in sehr seltenen Fällen werden Wertpapiere tatsächlich als Urkunde in Umlauf ge-
bracht, das nennt man dann Tafelgeschäft. Tafelgeschäfte sind in Verruf geraten, weil die
anonyme Verwahrbarkeit und die Übertragbarkeit ohne Datenspuren zumeist mit illegalem
Hintergrund geschieht (z.B. Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Verdunklung von Vermögen,

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Schwarzgeld), während legitime Belange (z.B. Werbemaßnahme, Schmuck- und Jubiläums-


wertpapier) die Ausnahme sind.
Nach der wirtschaftlichen Bedeutung unterscheidet man Wertpapiere in:
Geldwertpapiere, die eine kurzfristige Geldforderung verbriefen, wie Banknoten,
Schecks und Wechsel.
Warenwertpapiere, die eine Warenschuld bzw. das Verfügungsrecht über eine Wa-
re verbriefen. Das sind z.B. das Konnossement, der Ladeschein und der Lagerschein.
Kapitalwertpapiere, die als langfristiges Schuldverhältnis zur langfristigen Finanzie-
rung und Kapitalanlage geeignet sind. Diese werden überwiegend an der Wertpa-
pierbörse gehandelt und als Effekten bezeichnet.
Nach der Person des Berechtigten und der Form der Übertragung des Rechtes unterschei-
det man:
Inhaberpapiere, die das Recht immer dem Inhaber des Wertpapieres garantieren
und die formlos übertragen werden können. Dau gehören (namenlose) Aktien,
Schuldverschreibungen, Rentenpapiere und viele andere mehr.
Namenswertpapiere, die auf den Namen des Inhabers ausgeschrieben sind und nur
unter Berücksichtigung bestimmter Formvorschriften übertragen werden können.
Diese Wertpapiere werden auch Rektapapiere14 genannt. Ein Beispiel sind Namens-
aktien.
Orderwertpapiere, die auf den Namen eines Inhabers und auf dessen Order lauten,
d.h. der Inhaber kann diese Papiere durch schriftliche Abtretungserklärung auf dem
Papier (Indossament) und Übergabe auf einen anderen übertragen. Dazu gehören
z.B. Wechsel oder Schecks.
Nach der Art des verbrieften Vermögenswertes unterscheidet man in
Nicht vertretbare Wertpapiere und
Vertretbare (fungible) Wertpapiere (Effekten), wie
Schuldverschreibungen
Investmentzertifikate
Aktien
Genussscheine
Optionsscheine

3.2 Ausgewählte Formen


3.2.1 Schuldverschreibungen
Mit der Schuldverschreibung sind Forderungsrechte auf Rückzahlung und Zinszahlung ver-
bunden. Emittenten von Schuldverschreibungen können aus dem Inland oder dem Ausland
kommen und
Staaten als öffentliche Emittenten,
Banken, oder
Unternehmen sein.

14
vom lateinischen recta (via) = auf geradem Weg; das heißt, der Verpflichtete soll direkt leisten

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Die Verzinsung von Schuldverschreibungen kann Variabel, z.B. an Index gebunden, gestaltet
werden, oder als Festverzinsung. Es gibt auch unverzinste Schuldverschreibungen, die wäh-
rend der Laufzeit keine Zinszahlungen leisten, hier liegt der Gewinn für die Käufer in der
Kursdifferenz zwischen Ausgabekurs und Rückkaufkurs.
Nach der Laufzeit unterschiedet man in Schuldverschreibungen mit einer festen Laufzeit als
kurz-, mittel- oder langfristige Schuldverschreibungen, oder solche mit variabler Laufzeit.
Teilweise erfolgt die Rückzahlung der Schuldverschreibungen als Verlosung.
Die Rückzahlung der Schuldverschreibungen erfolgt als gesamte Summe oder als Tilgung in
festen oder variablen Raten. Es gibt auch sogenannte ewige Anleihen, bei denen keine
Rückzahlung vorgesehen ist.

3.2.2 Investmentzertifikate
Mit einem Investmentzertifikat erwirbt ein Kapitalanleger ein Miteigentum an einem Sonder-
vermögen einer Kapitalanlagegesellschaft. Auch hier gibt es viele Formen und Varianten.
So unterscheiden sich die Fonds nach der Art der Kapitalbeschaffung in:
offene Fonds, bei der jederzeit neue Anteile erworben und wieder verkauft werden
können, und
geschlossene Fonds, die nach dem Erreichen einer bestimmten Summe, z.B. für den
Bau einer Gewerbeimmobilie, geschlossen werden und bei denen der Handel mit
den Anteilen beschränkt ist.
Nach der Art der Anlagewerte, in die der Fond ausschließlich oder überwiegend investiert,
unterscheidet man
Rentenfonds, die Geldmarktpapiere wie Staatsanleihen oder öffentliche Schuldver-
schreibungen kaufen,
Aktienfonds, die in Aktien investieren, und
Immobilienfonds, die sich an Grundstücken und Gebäude beteiligen.
Es gibt auch gemischte Fonds, die unterschiedliche Investments innerhalb festgelegter
Grenzen tätigen können. Innerhalb dieser Fondsgruppen gibt es noch viele Spezialisierungen
und Varianten.
Nach dem Anlegerkreis kann man in öffentliche Fonds oder Publikumsfonds unterschieden,
an denen sich jede natürliche oder juristische Person beteiligen kann, und Spezialfonds für
bestimmte Anleger, wie Pensionsfonds, die Pensionsrücklagen für Staaten oder Unterneh-
men verwalten.

3.2.3 Aktien
Aktien sind Wertpapiere, die ein Teilhaberecht an einer Aktiengesellschaft verbriefen. Nach
dem Umfang des verbrieften Rechtes unterscheidet man in Stammaktien und Vorzugsak-
tien, nach der Übertragbarkeit in Inhaberaktien, Namensaktien und vinkulierte Namensak-
tien. Näheres im Kapitel II „Rechtsformen der Unternehmung“ im Punkt 3.1 „Aktiengesell-
schaft“.

3.2.4 Genussscheine
Genussscheine sind schuldrechtliche Beteiligungsrechte. Sie gibt es in sehr vielfältigen Aus-
gestaltungsmöglichkeiten und haben oft eine feste Grundverzinsung und ein Rückzahlungs-
versprechen.

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3.2.5 Optionsscheine
Optionsscheine verbriefen das Recht, eine bestimmte Menge eines Wertpapieres (der Ba-
siswert) zu einem bestimmten Preis (der Basispreis) innerhalb einer bestimmten Frist zu
kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). Optionsscheine gibt es auf:
Aktien,
Indexe wie den DAX (Deutscher Aktien-Index) oder dem Dow Jones in New York
Zinsen,
Devisen (Währungsoptionen),
Waren (mineralische oder landwirtschaftliche Rohstoffe), oder auf
Schulden.
Optionsscheine werden als Absicherung für reale Geschäfte verwendet oder als Spekulati-
onsobjekt, da die Kursentwicklung der Optionsscheine wesentlich stärker verläuft als die
des Basiswertes.

Beispiel:
Eine Mühle möchte in 6 Monaten Weizen vermahlen und sicherstellen, dass sie zu
diesem Zeitpunkt den Weizen nicht teurer als für 150 €/t einkaufen muss. Also
kauft sie an der Warenterminbörse, z.B. der MATIF Paris, einen Weizencall über 100
t Weizen zu 145 €/t. Ist der Weizenpreis auf dem Markt zum Kaufzeitpunkt niedriger
als 145 €/t, lässt die Mühle der Call verfallen und kauft den Weizen billiger auf dem
freien Markt. Ist der Weizenpreis höher, so übt die Mühle das Kaufrecht aus und er-
wirbt den Weizen vom Emittenten für 145 €/t.

Vom Grundsatz her sind Optionsscheine Wetten: zwei Marktteilnehmer wetten darauf, wie
sich der Preis eines Objektes ändern wird.

3.2.6 Sonderformen
Im Laufe der Entwicklung wurden viele neue Formen von Wertpapieren entwickelt, die an
Börsen oder unter Unternehmen gehandelt werden. Alle Wertpapiere beinhalten Chancen,
vor allem auf Wertentwicklung und Zinsen bei den Käufern bzw. auf eine preiswerte Finan-
zierung von Investitionen bei den Emittenten, aber auch Risiken wie Wertverluste bis hin
zum Totalausfall. Sonderformen von Wertpapieren sind z.B.:
Wandelanleihen, bei denen eine Umwandlung der Anleihe zum Laufzeitende in eine
Aktie des emittierenden Unternehmens erfolgt,
Optionsanleihen, bei denen die Anleihe ein Bezugsrecht (Option) für Aktien des Un-
ternehmens zu einem festen Preis enthält,
Gewinnschuldverschreibungen mit einem zusätzlich zur Verzinsung bestehenden An-
spruch auf einen Gewinnanteil,
Zero-Bond-Anleihen, die nicht verzinst werden, sondern die Ausgabe zu einem abge-
zinsten Ausgabekurs erfolgt,
Floating-Anleihen mit einem variablem (floatenden) Zinssatz,
und viele mehr.

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VIII Betriebliches Rechnungswesen


Für die Kostenkontrolle ist im Unternehmen das Rechnungswesen verantwortlich. In der
Buchhaltung werden alle Geschäftsfälle erfasst und gebucht, anschließend erfolgt die Auf-
bereitung der Informationen für alle Ebenen und Bereiche des Unternehmens. Im Rech-
nungswesen unterscheidet man drei Systeme:
In der Finanzbuchhaltung (FIBU) werden alle Geschäftsfälle primär erfasst und ge-
bucht. Dabei werden Erträge und Aufwendungen gebucht, Ertrag minus Aufwand ist
der Gewinn. Die Finanzbuchhaltung erfolgt zeitraumbezogen auf das Wirtschaftsjahr
des Unternehmens, sie ist gesetzlich vorgeschrieben, d.h. jedes Unternehmen muss
sie durchführen, weiterhin sind Form und Inhalt gesetzlich geregelt.
Die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) ist eine interne, freiwillige Form des
Rechnungswesens. Hier werden die Leistungen des Unternehmens sowie die Kos-
ten ermittelt, die Differenz ist ebenfalls der Gewinn. Die KLR ist projektbezogen, d.h.
sie wird für beliebige Zeiträume (Monat, Quartal, Kalenderjahr, Wirtschaftsjahr)
durchgeführt sowie für Produkte, Maschinen, Anlagen und Werke, Investitionsvorha-
ben oder andere Bezugsbasen. Sie ist eine wichtige Kalkulationsgrundlage im Unter-
nehmen.
Die Cash-Flow-Rechnung dient zur Kontrolle, Planung und Sicherung der Liquidität
des Unternehmens. Hier werden die Einnahmen und Ausgaben und damit der Geld-
überschuss bzw. der Cash-Flow berechnet.

1 Kostenrechnung
1 Kosten, Aufwand, Ausgaben
Kosten, Aufwand und Ausgaben sind drei Kategorien im Rechnungswesen, die aus jeweils
einem Rechnungssystem stammen und vom Unternehmen gesteuert werden müssen.
Kosten
Kosten sind der in Geld bewertete Verzehr von Produktionsfaktoren und Dienstleistungen,
die zur Erstellung und Verwertung der betrieblichen Leistungen sowie zur Aufrechterhaltung
der Betriebsbereitschaft erforderlich sind.
Merkmale der Kosten sind:
Es liegt ein Güterverbrauch vor.
Der Güterverbrauch ist leistungsbezogen.
Der Güterverbrauch wird durch Multiplikation der verbrauchten Menge mit einem
Geldbetrag je Mengeneinheit (Preis) bewertet.
Kosten müssen von Aufwand und Ausgaben abgegrenzt werden: Manche Kosten sind eben-
falls Aufwand und Ausgaben, andere nicht.
Die Kosten werden in Kostenarten eingeteilt.

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Produktionsfaktoren (Leistungsfaktoren) Kostenarten


menschliche Leistungsfaktoren Personalkosten (Löhne, Gehälter, Lohnnebenkosten)
freiwillige Sozialleistungen
kalkulatorischer Unternehmerlohn
materielle Leistungsfaktoren (Gebäude, Betriebsmittel, Zinskosten für das investierte betriebsnotwendige Kapital
Werkstoffe)
Abschreibungskosten, Unterhaltskosten
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffkosten
immaterielle Leistungsfaktoren Lizenzkosten, Kosten für Patente und Gebrauchsmuster
Leistungen fremder Unternehmen Versicherungskosten
Reparaturkosten
Frachtkosten
Honorare für Rechtsanwalt, Steuerberater,
Unternehmensberater
Leistungen der Gesellschaft Zölle
Steuerkosten
Gebühren und Beiträge an die öffentliche Hand

Abbildung 27: Kostenarten


Aufwand
Der Aufwand ist der in der Finanzbuchhaltung erfasste Wert sämtlicher in einem Geschäfts-
jahr verbrauchten Güter und Dienstleistungen ohne Rücksicht auf den betrieblichen Zweck.
Er wird in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) dem Ertrag gegenübergestellt.
Nach der Art der verbrauchten Güter und Dienstleistungen werden die Aufwandsarten be-
stimmt, diese sind als Konten in der Finanzbuchhaltung erkennbar.
Der Aufwand wird aufgeteilt in:
Den betrieblicher Aufwand oder Zweckaufwand, der zur betrieblichen Leistungser-
stellung notwendig ist. Dieser Zweckaufwand wird in der KLR zu Kosten.
Den neutralen Aufwand, der ohne direkten Zusammenhang mit der betrieblichen
Leistungserstellung entsteht. Neutrale Aufwendungen werden in der FIBU erfasst
als:
Betriebsfremde Aufwendungen: Aufwendungen, die keinen Zusammenhang mit der
Leistungserstellung haben, wie z.B. Strafzahlungen oder Lohnzahlungen, Material-
aufwand oder Mieten für nicht betriebsnotwendige Prozesse.
Periodenfremde Aufwendungen: Aufwendungen, die im laufenden Wirtschaftsjahr
gebucht werden, aber ihre Ursache in anderen, zurückliegenden Wirtschaftsjahren
haben.
Außerordentliche Aufwendungen, die zufällig und einmalig entstanden sind, wie z.B.
Aufwendungen aus Unfällen.
Ausgaben
Ausgaben sind die im Rechnungswesen erfassten baren und bargeldlosen Auszahlungen als
Abfluss an liquiden Mitteln sowie die Schuldzugänge, die durch erhaltene Rechnungen ent-
stehen und zu einem Anwachsen der Verbindlichkeiten führen. Das Gegenteil sind Einnah-
men und Einzahlungen. Die Ausgaben werden für die Cash-Flow-Rechnungen bzw. Liquidi-
tätsrechnungen verwendet.
Aufwand und Ausgaben

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Im Vergleich zwischen Aufwand und Ausgaben lassen sich drei Grundfälle unterscheiden:
Der Aufwand ist gleich der Ausgabe. Das sind die Mehrzahl der Ausgaben, z.B. Per-
sonalausgaben, Materialausgaben.
Aufwand ohne Ausgaben, d.h. der Aufwand führt nicht zur Auszahlung, z.B. bei Ab-
schreibungen.
Ausgaben ohne Aufwand, d.h. die Auszahlungen erfolgen, ohne das Aufwand ent-
steht, z.B. Privatentnahmen der Unternehmer, Körperschafts- und Einkommensteuer,
Tilgung von Krediten, Durchführung von Investitionen.
Aufwand und Kosten
Aufwand, aber keine Kosten verursacht, wird als neutraler Aufwand bezeichnet. Alle ande-
ren Aufwendungen sind Kosten, dabei unterscheidet man zwischen
Grundkosten, bei denen Aufwand und Kosten identisch sind (Menge und Wert
stimmen überein), z.B. Lohnaufwand für Produktionspersonal, Materialaufwand, und
Anderkosten, bei dem der Aufwand mengenmäßig übernommen, aber mit neuen
Preisen bzw. Werten zu Kosten umgerechnet wird, wie z.B. Abschreibungen, Zinsen
für Kredite u.ä.
Weiterhin entstehen Zusatzkosten oder kalkulatorische Kosten. Das sind Kosten oh-
ne Aufwand, diese werden zusätzlich berechnet, wie z.B. der Lohnansatz für den Un-
ternehmer, die Pacht/Miete eigener Sachanlagen, oder die Zinsen für Eigenkapital.
Diese werden auch als Opportunitätskosten bezeichnet.
Der Zusammenhang zwischen Ausgaben, Aufwand und Kosten wird in der folgenden Abbil-
dung grafisch dargestellt.

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Abbildung 28: Zusammenhang zwischen Ausgaben, Aufwand und Kosten


Einnahmen, Ertrag und Leistungen
Das Gegenstück zu den Ausgaben, dem Aufwand und den Kosten sind die Einnahmen, der
Ertrag und die Leistungen. Auch hier zeigt die folgende Abbildung den Zusammenhang.

Abbildung 29: Einnahmen, Ertrag und Leistungen

2 Kostenarten-, Kostenstellen-, Kostenträgerrechnung


2.4 Kostenrechnung
Die Kostenrechnung oder Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) ist ein Teilbereich des
Rechnungswesens, in dem Kosten erfasst, gespeichert, den speziellen Bezugsgrößen zuge-
ordnet und für spezielle Zwecke ausgewertet werden.
Bestandteile der Kostenrechnung sind:
Die Kostenartenrechnung
Die Kostenstellenrechnung
Die Kostenträgerrechnung
2.4.1 Aufgaben der Kostenrechnung
Mit der Ermittlung der Kosten und deren Zuordnung sowie Auswertung werden im Unter-
nehmen verschiedene Ziele verfolgt, aus denen sich die Aufgaben der Kostenrechnung ab-
leiten lassen:

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Die erste Aufgabe besteht in der Ermittlung des Erfolges des Wirtschaftens. Dazu
wird der Gewinn des Unternehmens für verschiedene Perioden (Monat, Quartal,
Jahr) als Differenz zwischen Leistung und Kosten ermittelt.
Die Feststellung der Selbstkosten der Herstellung eines Erzeugnisses oder einer
Leistung ist eine wichtige Grundlage für Preisfestlegungen sowie für lang- und kurz-
fristige Absatzentscheidungen.
Die Kostenrechnung dient auch zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit des Unterneh-
mensprozesses. Dazu werden die Kosten auf Produkte, Maschinen und Anlagen,
Fabriken und Werke, Investitionen u.a. aufgeschlüsselt und ausgewertet. Damit las-
sen sich die Unternehmensprozesse optimieren.
Die Ergebnisse der Kostenrechnung sind eine wichtige Kalkulationsgrundlage für un-
ternehmerische Entscheidungen, wie z.B. über das Produktionsprogramm, über In-
vestitionen, einzelne Maßnahmen oder die Ausschreibungen Beteiligung an Aus-
schreibungen.
2.4.2 Kostenarten, Kostenstellen, Kostenträger
Kostenartenrechnung
Die Kostenartenrechnung beantwortet die Frage, welche Kosten sind im Produktionsprozess
entstanden sind. Dazu werden die Kosten als Kostenarten erfasst und ausgewertet. Grunds-
ätze bei der Definition der Kostenarten sind:
Die klare Definition der Kostenarten. Die Kostenarten müssen eindeutig sein, z.B. ist
„Zinsen“ nicht eindeutig, da es „Zinserträge“ (erhaltene Zinsen) und „Zinsaufwen-
dungen“ (gezahlte Zinsen) gibt.
Die eindeutige Zuordnung der Kosten zu den Kostenarten. Die anfallenden Kosten
müssen sich überschneidungsfrei einer Kostenart zuordnen lassen. Um eine Zuord-
nung unklarer oder nicht eindeutiger Kosten während der Buchung auf eine Kostenart
zu ermöglichen, wird oft die Kostenart „Sonstige Kosten“ gebildet. Sind allerdings
auf dieser Kostenposition hohe Werte gebucht, ist das oft ein Zeichen für einer nicht
optimale Aufstellung der Kostenarten.
Jeder Kostenbetrag muss einer Kostenart zugeordnet werden können. Die Kostenar-
ten müssen alle Vorgänge im Unternehmen erfassen, es gilt das Prinzip der Vollstän-
digkeit.
Die praktische Realisierung erfolgt in der Finanzbuchhaltung, in dem die Kostenarten in Kon-
ten erfasst werden. Die Konten diese sind in Kontenrahmen organisiert. Die Kontenrahmen
dienen der Rationalisierung der Buchhaltung. Im Kontenrahmen werden die benötigten Kon-
ten systematisch geordnet und die Kontenbezeichnungen durch Kontonummern ersetzt. Um
die Buchhaltung verschiedener Unternehmen vergleichbar zu gestalten, werden von den
Unternehmen einheitliche Standard-Kontenrahmen als Ordnungssysteme verwendet. Diese
Kontenrahmen sind z.B.
vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) als Industriekontenrahmen (IKR),
der Genossenschaft der Steuerberater DATEV (DATEV-Kontenrahmen), oder von
anderen Organisationen wie dem Bundesministerium für Landwirtschaft (BML-
Kontenrahmen)
entwickelt worden und werden von diesen gepflegt.
Die Verwendung einheitlicher Kontenrahmen mit Kontonummern ist auch eine Grundvo-
raussetzung für die EDV-Buchhaltung. Zu Ausbildungszwecken werden vereinfachte Konten-
rahmen verwendet, die Schulkontenrahmen.

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Im Kontenrahmen werden die Kontobezeichnungen durch vier- bis fünfstellige Kontonum-


mer ersetzt. In der EDV-Buchhaltung sind Sachkonten häufig vierstellig und Personenkonten
häufig fünfstellig. Im folgenden Beispiel wird das Konto „2801“ erläutert.

Die Kontonummer „2801“ “bedeutet:


2 Kontenklasse 2 Umlaufvermögen und ARA
28 Kontengruppe 28 flüssige Mittel
280 Kontenart 280 Guthaben bei Kreditinstituten
2801 Konto 2801 Geschäftskonto bei der Deutschen Bank

Kostenstellenrechnung
In der Kostenstellenrechnung wird die Frage beantwortet, an welcher Stelle die Kosten ent-
standen sind.
Dazu erfolgt eine Erfassung der Kosten in den Teilbereichen des Unternehmens, indem die-
se mit einer Kostenstelle belegt werden, die bei jeder Buchung erfasst wird.
Nach der Bedeutung im Unternehmen werden folgende Arten von Kostenstellen unter-
scheiden:
Hauptkostenstellen: die Hauptgeschäftsbereiche des Unternehmens sind die Haupt-
kostenstellen. Die klassische Einteilung für Fertigungsunternehmen ist
Material,
Fertigung,
Vertrieb,
Verwaltung.
Nebenkostenstellen: Bereiche des Unternehmens, die nicht direkt mit der Produktion
und Vermarktung beschäftigt sind werden als Nebenkostenstellen bezeichnet, die
z.B. Wachschutz oder Feuerwehr.
Hilfskostenstellen: Hilfskostenstellen sind Geschäftsbereiche des Unternehmens, die
zwar in der Leistungserstellung benötigt werden, aber für verschiedene oder alle
Hauptkostenstellen arbeiten, wie die Werkstatt oder die Konstruktion.
In großen Unternehmen mit vielen Produkten und Niederlassungen wird eine sehr viel feine-
re Unterteilung in Kostenstellen unternommen. So wird die Fertigung in Fertigungshauptstel-
len, die unmittelbar am Produkt arbeiten, und Fertigungshilfsstellen, die nicht direkt an der
Fertigung mitwirken, aufgeteilt. Weiterhin sind häufig große Maschinen und Anlagen eine
eigene Kostenstelle, die Aufteilung der Kosten, die die Maschine oder Anlage verursacht,
auf Produktionsprozesse und Erzeugnisse erfolgt über Maschinenlaufzeiten.
Kostenträgerrechnung
Die Kostenträgerrechnung beantwortet die Frage, welches Produkt welche Kosten zu tragen
hat.
Dazu werden die Kosten werden
direkt als Einzelkosten oder
indirekt als Gemeinkosten

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auf die Produkte aufgeteilt.


Die Kostenträgerrechnung kann als Kostenträgerstückrechnung und Kostenträgerzeitrech-
nung durchgeführt werden.
Die Art des Kostenträgers richtet sich nach dem Fertigungsverfahren:
in der Einzelfertigung erfolgt die Fertigung eines Erzeugnisses in einer Einheit. Der
Kostenträger ist dieses einzelne Erzeugnis.
In der Serienfertigung erfolgt die Fertigung unterschiedlicher Erzeugnisse mit den
gleichen Produktionsanlagen in mehreren Einheiten (Serien). Kostenträger ist jede
Serie.
In der Sortenfertigung erfolgt die Fertigung sehr ähnlicher Erzeugnisse (Sorten) aus
dem gleichen Ausgangsmaterial in mehreren Einheiten. Kostenträger ist jede Sorte.
In der Massenfertigung erfolgt die Fertigung eines Erzeugnisses in hoher Stückzahl.
Als Kostenträger wird das Erzeugnis in einem Zeitabschnitt verwendet.
Der Zusammenhang zwischen der Kostenartenrechnung, Kostenstellenrechnung und Kos-
tenträgerrechnung wird in der folgenden Abbildung dargestellt.

Abbildung 30: Zusammenhang zwischen Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträger


Aus dem Fertigungsverfahren lässt sich auch das bevorzugte Kalkulationsverfahren ableiten.
So können in der:
Einzelfertigung alle Kosten eindeutig einem Kostenträger (Projekt) zugeordnet wer-
den. Als Kalkulationsmethode kann die Zuschlagskalkulation eingesetzt werden.
Serienfertigung nur die Einzelkosten direkt zugeordnet werden, die Gemeinkosten
werden indirekt über die Kostenstellen zugeordnet. Auch hier wird die Zuschlagskal-
kulation als geeignetes Verfahren verwendet.
Sortenfertigung die Kosten wie bei Serienfertigung zugeordnet werden, als Methode
kann aber auch die Äquivalenzkalkulation eingesetzt werden.
Massenfertigung alle Kosten in einem Zeitabschnitt dem Kostenträger zugeordnet
und in der Divisionskalkulation verrechnet.

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Zuschlagskalkulation
Ausgangspunkt der Zuschlagskalkulation sind die direkt zuordenbaren Einzelkosten (Direkt-
kosten) jeder Hauptkostenstelle. Dazu werden schrittweise die Gemeinkosten über Ge-
meinkostenzuschlagssätze hinzugerechnet. Grundlage ist die korrekte Ermittlung der Zu-
schlagssätze, das erfolgt im Betriebsabrechnungsbogen (BAB).
In der folgenden Abbildung ist das Kalkulationsschema an einem einfachen Beispiel mit den
Kostenstellen Material, Fertigung, Verwaltung und Vertrieb dargestellt.

Abbildung 31: Kalkulationsschema in der Zuschlagskalkulation


Erklärung:
Zur Herstellung des Produktes wird Material im Wert von 400 € benötigt. Zum Ein-
kauf, zur Lagerung und zum innerbetrieblichen Transport des Materials wird ein Zu-
schlag von 5% aus dem Betriebsabrechnungsbogen berechnet, das sind im Beispiel
20 €. Damit betragen die Materialkosten 420 €.
Die Fertigung verursacht Direktkosten als Fertigungslöhne von 150 €. Die Gemein-
kosten in der Fertigung (Kosten der Maschinen, Energiekosten, Einrichtung und Re-
paratur der Maschinen, Gebäude der Fertigung u.a.m.) betragen 150%, das sind 225
€. Damit betragen die Fertigungskosten 375 €.
Die Summe aus Materialkosten und Fertigungskosten sind die Herstellkosten oder
Herstellungskosten. Im Beispiel sind das 795 €.
Die Verwaltungsgemeinkosten, als die Kosten für Buchhaltung und Controlling, Per-
sonalmanagement, Betriebsführung u.a. sind 20% der Herstellkosten, das sind 159
€.
Die Vertriebsgemeinkosten, also die Personalkosten des Vertriebsabteilung, die Kos-
ten für Werbung u.a. sind 5% der Herstellkosten, das sind 39,75 €.
Herstell-, Verwaltungsgemein- und Vertriebsgemeinkosten sind in der Summe die
Selbstkosten für das Produkt, im Beispiel sind es 993,75 €. Wird das Produkt zu die-
sem Preis verkauft, decken die Erlöse genau die Kosten. Ist der Verkaufspreis niedri-
ger entsteht ein Verlust, bei einem höheren Verlaufspreis wird Gewinn erwirtschaf-
tet.
Die Zuschlagskalkulation kann eingesetzt werden als:

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Angebotskalkulation mit Normalkosten. Dazu wird zu den Selbstkosten ein Ge-


winnzuschlag hinzugenommen. Bei der Kalkulation von Angeboten sind Kundenskon-
to und Rabatte zu berücksichtigen.
Nachkalkulation mit den IST-Kosten und den tatsächlichen Zuschlägen. Durch den
Vergleich mit der Angebotskalkulation kann der tatsächliche Gewinn berechnet und
die Abweichungen analysiert werden.
Äquivalenzkalkulation
Die Äquivalenzkalkulation wird bei der Sortenfertigung angewendet. Voraussetzungen zur
Verwendung sind:
Die Erzeugnisse sind artgleich und werden aus den gleichen Ausgangsstoffen produ-
ziert.
Sie unterscheiden sich lediglich geringfügig, z.B. in der Qualität.
Man kann ein festes Kostenverhältnis zwischen den Erzeugnissen bestimmen, z.B.
durch Musterkalkulationen mit technischen/verfahrenstechnischen Werten.
Beispiele für die Anwendung der Äquivalenzkalkulation sind das Brauen von Bier, das Ba-
cken von Brot oder der Anbau von Weizen verschiedener Qualität in einem Landwirtschafts-
betrieb, wie in folgender Kalkulation.

Ein Landwirtschaftsbetrieb produziert Weizen in Elite, Aufmisch, Back- und Futterqualität


(E/A/B/C).

Aus Musterkalkulationen wird folgendes Kostenverhältnis ermittelt:


C= 0,9 (90%)
B= 1,0 (100%)
A= 1,1 (110%)
E= 1,25 (125%)

Die Gesamtkosten der Weizenproduktion von 800.000 € werden nun im Verhältnis der
Absatzmengen unter Berücksichtigung der Kostenverhältnisse zwischen den Sorten ver-
teilt. So kostet die Herstellung der 1.800 t des C-Weizens insgesamt 177.230,77 €, die
Stückkosten betragen 88,62 € pro t.

Tabelle 10: Äquivalenzkalkulation beim Weizenanbau (Beispiel)


Weizen- Äquivalenz- produzierte Äquivalenz- Kosten Kosten je
qualität ziffer Menge menge gesamt ME
t t € €/t
C 0,9 2000 1800 177.230,77 € 88,62 €
B 1 3500 3500 344.615,38 € 98,46 €
A 1,1 2000 2200 216.615,38 € 108,31 €
E 1,25 500 625 61.538,46 € 123,08 €
Summe 8000 8125 800.000,00 € 98,46 €

Divisionskalkulation

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In der Divisionskalkulation erfolgt eine Division der Gesamtkosten einer Abrechnungsperiode


durch die Produktionsmenge dieser Periode. Beispiele sind z.B. Kraftwerke und Zementwer-
ke. Je nachdem, ob die produzierten Produkte sofort abgesetzt werden (Kraftwerk) oder
gelagert werden können (Zementwerk) kann man unterscheiden in
Die einfache Divisionskalkulation, bei der die produzierte und abgesetzte Menge
übereinstimmen, und
Die mehrfache Divisionskalkulation mit unterschiedlich hohen Lagerbeständen an fer-
tigen Erzeugnissen, wobei eine Teilung der Kosten in Herstellungskosten und Ver-
triebskosten erfolgt und die Selbstkosten die Summe der Herstellungskosten pro
Produktionsmenge und der Vertriebskosten pro Absatzmenge bestimmt werden.

3 Break Even
Kosten und Beschäftigung
Die Kosten eines Unternehmens sind in ständiger Veränderung. Aufgabe des Unternehmers
ist es, diese Veränderungen zu verstehen, vorherzusehen und zu steuern.
Eine Änderung der Kosten ergibt sich, wenn sich die Beschäftigung im Unternehmen ändert.
Dabei zeigen die Kosten ein unterschiedliches Verhalten.
Beschäftigung
Unter Beschäftigung versteht man das qualitative und quantitative Ausnutzen der betriebli-
chen Kapazität als mengenmäßiges Leistungsvermögen der betrieblichen Produktionsfakto-
ren. Die Beschäftigung ist abhängig von der Marktlage bzw. der Erwartungen an den Markt
Mit dem Beschäftigungsgrad beschreibt man das Verhältnis der tatsächlichen Beschäfti-
gung zur betrieblichen Kapazität oder das Verhältnis der tatsächlichen Produktion zur mögli-
chen Produktionsmenge.
Formel 11: Beschäftigungsgrad

Tatsächliche Produktionsmenge * 100


Beschäftigungsgrad = ----------------------------------------------------------------
Mögliche Produktionsmenge (Kapazität)

Nach dem Verhalten der Kosten bei Änderung der Beschäftigung unterscheidet man:
Wenn die Kosten gleich (konstant, fix) bleiben die fixen Kosten, und
Wenn sich die Kosten ändern (variabel sind) die variablen Kosten.
Die Gesamtkosten der Herstellung sind die Summe aus variablen und fixen Kosten.
Fixe Kosten
Fixe Kosten bleiben konstant bei einer Änderung des Beschäftigungsgrades. Im Wesentli-
chen sind das die Kosten der Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft. Feiner unterteilt
man in:
Absolut fixen Kosten, die über den gesamten Bereich konstant bleiben, wie die Kos-
ten für die Feuerversicherung, und
Relativ fixen Kosten, die nur in einem Abschnitt der Beschäftigung konstant sind und
sich danach sprunghafte ändern, zum Beispiel wegen der Anschaffung einer weite-
ren Maschine.

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In der Praxis rechnet man vereinfachend mit absolut fixen Kosten und gibt dabei an, in wel-
chem Bereich der Beschäftigung die Berechnung gilt.
In der folgenden Abbildung wird dieser Zusammenhang grafisch dargestellt.

absolute und relative Fixkosten

12000,0 €

10000,0 €

8000,0 €
Kosten

6000,0 €

4000,0 €

2000,0 €

- €
0% 20% 40% 60% 80% 100% 120%

Beschäftigungsgrad

absolute Fixkosten Sprungkosten

Abbildung 32: Absolute und Relative Fixkosten


Variable Kosten
Die variablen Kosten ändern sich bei einer Änderung des Beschäftigungsgrades. Dabei un-
terscheidet man in:
Linear oder Proportional Variablen Kosten, die sich im gleichen Maße ändern wie die
Beschäftigung, wie z.B. Materialverbrauch und Fertigungslöhne,
Degressiv oder Unterproportional Variablen Kosten, die sich langsamer Erhöhen als
die Beschäftigung, wie z.B. die Instandhaltungskosten und die Energiekosten, und
Progressiv oder Unterproportional Variablen Kosten, die sich schneller Erhöhen als
die Beschäftigung, wie z.B. Aushilfslöhne und Krankenkosten.
In der Praxis rechnet man meistens vereinfachend mit Proportional Variablen Kosten.
In der folgenden Abbildung wird der Zusammenhang grafisch dargestellt.

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variable Kosten

160000,0 €

140000,0 €

120000,0 €
Kosten

100000,0 €

80000,0 €

60000,0 €

40000,0 €

20000,0 €

- €
0% 20% 40% 60% 80% 100% 120%

Beschäftigungsgrad

proportionale progressive degressive

Abbildung 33: Proportionale, Progressive und Degressive Variable Kosten


Stückosten
Durch Division der Kosten in einer Produktionsperiode durch die Stückmenge in dieser erhält
man die Stückkosten. Dabei ändert sich das Verhalten der Fixen und Variablen Kosten, die
Fixen Stückkosten fallen mit steigender Beschäftigung, das betrifft sowohl die Abso-
luten als auch die Relativen Stückkosten,
Variable Stückkosten verhalten sich unterschiedlich, die
Proportional Variable Stückkosten bleiben konstant (fix!),
Degressiv Variablen Stückkosten fallen langsam (verhalten sich degressiv), und
Progressiv Variablen Stückkosten steigen langsam (verhalten sich progressiv).
Beispiel
In einer Produktionslinie beträgt die Kapazität 100 Stück pro Tag. Die Variablen Stückkosten
sind 10 € pro Stück. Die fixen Kosten belaufen sich auf 1.000 € pro Tag.
In der folgenden Tabelle werden die Kosten und die Stückkosten für verschiedene Beschäfti-
gungen von 20 bis 100 berechnet. Deutlich wird, das sich die Kosten mit steigender Be-
schäftigung erhöhen, was an den Variablen Kosten liegt. Demgegenüber verringern sich die
Stückkosten mit steigender Beschäftigung, was aus den fallenden Fixen Stückkosten resul-
tiert.
Tabelle 11: Kosten und Stückkosten bei einer Beschäftigung von 20 bis 100

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Kosten und Beschäftigung

Kapazität Stück 100 100 100 100 100


Produktionsmenge (Beschäftigung) Stück 20 40 60 80 100
Beschäftgungsgrad % 20,0% 40,0% 60,0% 80,0% 100,0%
variable Kosten (10 €/Stk.) € 200,00 € 400,00 € 600,00 € 800,00 € 1.000,00 €
fixe Kosten € 1.000,00 € 1.000,00 € 1.000,00 € 1.000,00 € 1.000,00 €
Gesamtkosten € 1.200,00 € 1.400,00 € 1.600,00 € 1.800,00 € 2.000,00 €
variable Stückkosten €/Stk. 10,00 € 10,00 € 10,00 € 10,00 € 10,00 €
fixe Stückkosten €/Stk. 50,00 € 25,00 € 16,67 € 12,50 € 10,00 €
Stückkosten gesamt €/Stk. 60,00 € 35,00 € 26,67 € 22,50 € 20,00 €

Das Verhalten der Kosten bei Änderung der Beschäftigung wird in der folgenden Grafik deut-
lich.

Beschäftigung und Kosten

2500,000 €

2000,000 €

1500,000 €
Kosten

1000,000 €

500,000 €

- €
00% 20% 40% 60% 80% 100% 120%
Beschäftigungsgrad
variable Kosten (10 €/Stk.) € fixe Kosten € Gesamtkosten €

Abbildung 34: Verhalten der Kosten bei Änderung der Beschäftigung

Die fallenden Fixen und Gesamt-Stückkosten bei steigender Beschäftigung werden in der
folgenden Abbildung grafisch dargestellt.

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Stückkosten und Beschäftigung

70,000 €

60,000 €

50,000 €

40,000 €
Stückkosten

30,000 €

20,000 €

10,000 €

- €
00% 20% 40% 60% 80% 100% 120%
Beschäftigungsgrad
variable Stückkosten €/Stk. fixe Stückkosten €/Stk. Stückkosten gesamt €/Stk.

Abbildung 35: Verhalten der Stückkosten bei Änderung der Beschäftigung

2.3 Gesetz der Massenproduktion


Aus den fallenden Stückkosten bei steigender Produktionsmenge lässt sich das Gesetz der
Massenproduktion ableiten.
Je höher die Kapazitätsauslastung und die Ausbringungsmenge bei der Herstellung von
Massengütern ist, desto geringer werden die fixen Kosten pro Stück (fixen Stückkosten) und
umso niedriger werden damit die gesamten Stückkosten.
Da die Verkaufspreise im Wesentlichen vom Markt bestimmt werden und relativ konstant
sind, können folgende Effekte beobachtet werden:
An der Kapazitätsgrenze (Beschäftigungsgrad ist 100%) wird das Gewinnmaximum
erreicht. Der Abstand zwischen Summe der Kosten (Variable plus fixe Kosten) und
Umsatzerlöse (Produkt aus Verkaufspreis und verkaufte Produktmenge) ist maximal.
Bei einer bestimmten Beschäftigung sind die Umsatzerlöse gleich den Kosten, die-
sen Punkt nennt man Break-Even-Point oder Gewinnschwelle.
Links von der Gewinnschwelle ist die Verlustzone, hier sind die Kosten höher als die
Umsatzerlöse.
Rechts von der Gewinnschwelle beginnt die Gewinnzone, die Umsatzerlöse über-
steigen die Kosten.

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Gesetz der Massenproduktion


3.000 €

2.000 €

1.000 €

-€

-1.000 €
0% 20% 40% 60%
Abbildung 36: Kosten, Umsatzerlöse und Gewinn bei steigender Beschäftigung
80%
variable Kosten (10 €/Stk.) €
Beschäftigungsgrad fixe Kosten €
Gesamtkosten
Da auf gesättigten Märkten €
ein Verdrängungswettbewerb herrscht, bei dem die Erlöse gesamt
Unterneh- €
men, die ein Massenprodukt mit den niedrigsten Stückkosten herstellen können, wachsen,
Gewinn/Verlust
ergeben sich daraus verschiedene €
Auswirkungen, wie z.B.:
Die Massenfertigung setzt sich als Fertigungsverfahren durch. Durch moderne Tech-
nologien wird dabei versucht, trotzdem im begrenzten Umfang die Produkte zu modi-
fizieren, um breite Käuferschichten anzusprechen.
Die Produktionseinheiten (Werke) werden immer größer.
Es müssen immer größere Märkte von einer Produktionseinheit bedient werden.
Damit steigt die Bedeutung des internationalen Handels, im Endeffekt spricht man
von der Globalisierung.

4 Internes und Externes Rechnungswesen, Interessenten


5 Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Lagebericht
6 Warenwirtschaft (Fifo, Lifo)
7 Voll- und Teilkostenrechnungssysteme

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IX Rechtliche Grundlagen des Wirtschaftens


Das Wirtschaften der Unternehmen, aber auch der Haushalte und des Staates, findet einem
rechtlichen Rahmen statt.
Die allgemeinen Rahmenbedingungen werden durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)
gesetzt. Hier sind definiert:
- Die Rechtsubjekte mit ihren Rechten und Pflichten,
- Die Rechtsobjekte sowie die Fragen von Eigentum und Besitz sowie dem Übergang
dieser auf andere Rechtssubjekte, sowie
- Die Beziehungen zwischen Rechtsubjekten, wie Rechtsgeschäfte und Verträge.
Für die Wirtschaft gibt es auf das BGB aufbauende spezielle Rahmenbedingungen im Han-
delsgesetzbuch (HGB). Hier sind Fragen geregelt wie:
- Die Rechtsformen, die ein Unternehmen wählen kann (Kapitel II),
- Die Gründung und Auflösung eines Unternehmens, sowie
- Spezifische Regelungen für Verträge zwischen Unternehmen.
Ergänzt werden das BGB und das HGB durch Spezialgesetze, wie
- Zu speziellen Rechtsformen: GmbH, Aktien, Genossenschaft,
- Zur Umwandlung eines Unternehmens in eine andere Rechtsform (Umwandlungs-
gesetz) und
- Als Buchführungsvorschriften in Steuergesetzen.
Rechtssubjekte
Rechtssubjekte sind die im Recht handelnden Personen. Man unterscheidet in natürliche
Personen und juristische Personen.
Natürliche Personen sind grundsätzlich alle Menschen solange sie leben. Daraus ergeben
sich die Fragen:
- Ab wann lebt ein Mensch?
- Bis wann lebt ein Mensch?
Natürliche Personen haben grundsätzlich uneingeschränkte und volle Geschäftsfähigkeit.
Unter Geschäftsfähigkeit versteht man die Fähigkeit, rechtsgeschäftliche Willenserklärun-
gen abzugeben und anzunehmen.
Allerdings kann diese nicht von jedem Menschen voll wahrgenommen werden, zum Beispiel
weil sie noch Kinder sind oder dauerhaft geistig dazu nicht in der Lage sind. Deshalb besteht
nach (§ 104 BGB) Geschäftsunfähigkeit für Kinder bis zum vollendeten 7. Lebensjahr und für
dauerhaft Geisteskranke. Willenserklärungen dieser Rechtssubjekte sind nichtig (§ 105
BGB). Sie handeln durch gesetzliche Vertreter wie die Eltern, einen Vormund oder einen
Rechtspfleger.

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Rechtssubjekte

Natürliche Juristische
Personen Personen

Abbildung 37: Rechtssubjekte


Personen vom vollendeten 7 bis 18 Lebensjahr haben nach § 106 BGB eine beschränkte
Geschäftsfähigkeit. Willenserklärungen bedürfen in der Regel der Zustimmung des gesetz-
lichen Vertreters (§ 107 BGB), diese kann als
- Einwilligung, also vorherige Zustimmung, oder
- Genehmigung als nachträglich erteilte Zustimmung
Erfolgen. Rechtsgeschäften ohne Zustimmung sind solange schwebende unwirksam, d.h.
sie können vom gesetzlichen Vertreter für nichtig erklärt werden. Allerdings gibt es eine vol-
le Wirksamkeit bei bestimmten Geschäften:
1. Willenserklärungen, die nur Vorteile bringen, z.B. Annahme einer Schenkung, sind auch
ohne Zustimmung wirksam.
2. Verträge, die mit eigenen Mitteln erfüllt werden können, kann der beschränkt Geschäfts-
fähige ebenfalls ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters rechtskräftig abschließen.
Diese Regelung nennt man „Taschengeldparagraph“.
3. Bei der Handelsmündigkeit wird der Minderjährige vom gesetzlichen Vertreter mit Ge-
nehmigung des Vormundschaftsgerichtes ermächtigt, ein Erwerbsgeschäft selbständig
zu betreiben. Dann sind alle Geschäfte, die ein solches Gewerbe mit sich bringt, voll
wirksam, auch wenn der Unternehmer nur beschränkt geschäftsfähig ist.
4. Rechtsgeschäfte, die sich aus einem mit Genehmigung des gesetzlichen Vertreters ab-
geschlossenen Arbeitsvertrag ergeben, sind ebenfalls rechtskräftig. Wenn also ein 16-
jähriger Schulabgänger einen Ausbildungsvertrag abschließt, benötigt er dazu noch die
Unterschrift des gesetzlichen Vertreters, meistens der Eltern. Alle anderen, sich daraus
ergebenden Regelungen wie Arbeitszeit, Lohn, Urlaub und Kündigung kann er dann selb-
ständig rechtkräftig abschließen. Das gilt dann auch für alle weiteren Arbeits- oder
Dienstverträge.
Alle Personen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr sind grundsätzlich unbeschränkt ge-
schäftsfähig. Eine Sonderregelung ist die Ernennung eines ersatzweisen Betreuers bei na-
türlichen Personen nach § 1896 BGB. Dieser handelt für den Betreuten in Bereichen, die die-

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ser aus körperlichen oder geistigen Gründen nicht selbst regeln kann. Der Betreute bleibt da-
bei jedoch unbeschränkt geschäftsfähig.
Juristische Personen sind Personenvereinigungen oder Vermögensmassen. Die Merkmale
einer juristischen Person sind:
- Sie handeln durch Organe, die meistens aus Menschen bestehen.
- Sie tragen einen rechtlich geschützten Namen, d.h. es gibt Register, in denen sie re-
gistriert werden.
- Sie haften mit dem eigenen Vermögen.
- Ihr Bestand ist grundsätzlich von der Mitgliederbewegung abhängig, d.h. wenn eine
Mindestmitgliederanzahl unterschritten wird, wird die juristische Person durch das
zuständige Amtsgericht aufgelöst.
Eine Übersicht über die Arten von juristischen Personen ist in der Abbildung 38.
Die juristischen Personen handeln durch die lt. Gesetz und/oder Satzung bestimmten Orga-
ne. Sie sind voll geschäftsfähig von ihrer rechtskräftigen Gründung bis zu ihrer Auflösung.
Auch hier kann die eigenständige Geschäftsfähigkeit eingeschränkt werden, so wird in ei-
nem Insolvenzverfahren die Geschäftsfähigkeit durch einen vom Amtsgericht bestellten In-
solvenzverwalter übernommen, die eigentlich nach dem Gesetz oder der Satzung zuständi-
gen Organe werden in ihren Rechten beschnitten.

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Juristische Personen

des privaten Rechts des öffentlichen Rechts

Vereine private Stiftungen Körperschaften Anstalten staatliche Stiftungen

idelle Vereine wirtschaftliche Vereine Gebietskörperschaften Personenkörperschaften selbständige unselbständige


eingetragene Vereine Aktiengesellschaft
GmbH
Genossenschaft

Abbildung 38: Übersicht über juristische Personen


Eine weitere Eigenschaft von Rechtssubjekten ist ihre Rechtsfähigkeit. Darunter versteht
man die Fähigkeit von Rechtssubjekten, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Natürli-
che Personen sind von Geburt bis Tod rechtsfähig, juristische Personen sind von Gründung
bis Auflösung rechtsfähig. Die Verleihung der Rechtsfähigkeit erfolgt durch Gesetze.
Rechtsobjekte
Rechtsobjekte sind die Dinge, die zwischen den Rechtssubjekten geregelt werden müssen.
Das sind Sachen sowie Rechte und Forderungen.
Sachen sind körperliche Gegenstände wie Mobilien, Immobilien, Tiere (eingeschränkt) und
Waren. Tiere sind eigentlich keine Sachen, jedoch gelten die Vorschriften des BGB für Sa-
chen auch für Tiere unter Beachtung besonderer Schutzvorschriften. Waren sind umsatzfä-
hige bewegliche Sachen und spielen im Wirtschaftsleben eine große Rolle.
Rechte und Forderungen sind demgegenüber nichtmaterielle Rechtswerte, wie
- dingliche Rechte, die gegenüber jedermann wirken und von einer Sache (einem Ding)
absolut ausgehen, wie Eigentumsrechte oder Besitzrechte.
- Persönlichkeitsrechte, die ein Bündel von Rechten sind, das dem Schutz der Persön-
lichkeit vor Eingriffen in deren Lebens- und Freiheitsbereich dient. Dazu gehören das
Recht auf Selbstbestimmung oder das Recht auf eigenes Vermögen.
- Forderungen aus Schuldverhältnissen. Das Schuldverhältnis ist die Beziehung zwi-
schen dem Gläubiger und dem Schuldner aus einer schuldrechtlichen Forderung. So
entsteht bei einem Kaufvertrag ein doppeltes Schuldverhältnis: Der Verkäufer schul-
det die Ware (der Käufer hat einen Warenforderung), der Käufer schuldet den Kauf-
preis (der Verkäufer hat eine Geldforderung).
Eigentum und Besitz
Unter Eigentum versteht man nach § 903 BGB die rechtliche Herrschaft über ein Rechtsob-
jekt. Der Eigentümer hat das volle Verfügungsrecht über die Sache im Rahmen der gelten-
den Gesetze. So darf z.B. nur der Eigentümer einer Sache diese verkaufen, verschenken,
verleihen oder beleihen.
Unter Besitz versteht man nach § 854 BGB die tatsächliche Gewalt über ein Rechtsobjekt.
Der Besitzer benutzt die Sache.
Im Allgemeinen ist der Eigentümer auch der Besitzer eines Rechtsobjektes (§ 872 BGB).
Ausnahmen sind z.B.:
- eine Mietwohnung: der Vermieter der Wohnung ist der Eigentümer, ihm gehört die
Wohnung. Der Mieter ist der Besitzer, er benutzt die Wohnung.
- Ein aus der Bibliothek geliehenes Buch: Die Bibliothek ist der Eigentümer des Bu-
ches, der Leser der Besitzer.
- Ein gestohlener Gegenstand: der Dieb ist zwar der aktuelle Besitzer und benutzt den
Gegenstand, aber der Eigentümer bleibt der Bestohlene. So darf der Dieb den Ge-
genstand nicht rechtskräftig verkaufen.
Eigentum und Besitz sind gesetzlich geschützt (Eigentumsgarantie). So hat der Eigentümer
das Recht auf:
- Klage auf Herausgabe bei widerrechtlichem Entzug (§ 985 BGB), d.h. er kann jeman-
den, der sich sein Eigentum wiederrechtlich angeeignet hat, auf Herausgabe verkla-
gen. Das gilt auch gegenüber dem Staat.
- Beseitigung der Störung bei Beeinträchtigung. Wenn jemand das Eigentum stört, so
dass es beeinträchtigt ist, kann der Eigentümer dagegen klagen. Wird z.B. ein Haus-
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eigentümer durch ein anderes Grundstück so gestört, das die Nutzung des eigenen
Grundstückes beeinträchtigt ist, kann er den anderen verklagen.
- Unterlassung (§ 1004 BGB). Unterlassung ist eine Klage auf die Zukunft. Der Verklag-
te wird verurteilt, in Zukunft einen Entzug oder eine Störung zu unterlassen, anson-
sten werden ihm zusätzliche Strafen angedroht.
Auch ein Besitzer hat Rechte, wie das:
- Recht auf Selbsthilfe bei Entzug (§ 859 BGB), d.h. wenn der Besitzer jemanden auf
frischer Tat ertappt, der ihm seinen Besitz entziehen möchte, kann er mit angemes-
senen Mitteln zur Selbsthilfe greifen.
- Recht auf gerichtlichen Besitzschutz (§§ 861, 862 BGB). Der Besitzer kann seinen
Besitz durch Gerichtsurteil gegen andere schützen, auch z.B. gegen den Eigentümer.
Manchmal treffen die Rechte eines Eigentümers und eines Besitzers der gleichen Sache
auch aufeinander. So kann es passieren, dass der Eigentümer einer vermieteten Wohnung
diese selbst bewohnen möchte. Dann entscheidet oft das Gericht, ob das Recht des Eigen-
tümers oder das Besitzrecht des Mieters stärker wirkt.
Wichtige gesetzliche Regelungen betreffen den Übergang des Eigentums von einem Eigen-
tümer auf einen Anderen. Bei beweglichen Sachen gibt es folgende Möglichkeiten:
1. Einigung und Übergabe (§ 929 BGB): Die Einigung über den Eigentumsübergang und die
Übergabe der Sache erfolgen in einem Zug. Das ist z.B. im Supermarkt der Fall.
2. Einigung und Abtretung (§ 931 BGB): Die Sache befindet sich woanders und der neue
Eigentümer bekommt sie erst später in volles Eigentum. Der Eigentumsübergang und
die Abtretung werden dokumentiert durch eine Zession15 oder durch die Übergabe einer
kaufmännischen Anweisung, eines Lagerscheines, einer Ladeanweisung oder eines Kon-
nosements.
3. Einigung bei vorheriger Übergabe (§ 929 (2) BGB): Die Sache befindet sich schon beim
Erwerber, z.B. beim Kauf auf Probe.
4. Einigung und Vereinbarung zur Besitzüberlassung (§ 930 BGB): Der Verkäufer bleibt Be-
sitzer (Besitzkonstitut), z.B. beim Kauf von Aktien bei einer Bank. Der Käufer wird Eigen-
tümer der Aktien, sie bleiben aber in der Bank und die Bank wird Besitzer.
Bei Immobilien ist der Eigentumsübergang wesentlich umständlicher gestaltet, da Immobi-
lien häufig hohe Werte haben, Immobilien mit starken Rechten und Pflichten ausgestattet
sind und die meisten Menschen das sehr selten machen und deshalb über wenig Erfahrung
verfügen. Die Eigentumsrechte bei Immobilien sind stark rechtlich geschützt. Der Eigen-
tumsübergang erfolgt bei Immobilien durch:
1. Einigung, d.h. Abschluss einen notariell beurkundeten Vertrages,
2. Auflassung. Die Auflassung ist der Ausdruck der Einigung zwischen Verkäufer und Käu-
fer, dass das Eigentum an der Immobilie übergehen soll. Sie wird in das Grundbuch ein-
getragen und überbrückt den Zeitraum, bis alle notwendigen Genehmigungen eingeholt
sind und sonstigen Schritte wie die Kaufpreiszahlung erfolgt sind..
3. und Eintragung ins Grundbuch (§§ 873, 925 BGB). Die Eintragung des neuen Eigentü-
mers in das Grundbuch ist das äußere Zeichen des Eigentumsüberganges.

15
Zession: Eine Zession bzw. Abtretung bezeichnet eine Übertragung einer Forderung von dem ur-
sprünglichen Gläubiger durch Vertrag auf einen anderen. So wird bei einem Autokauf das Eigentum
am Auto vom Käufer auf die Bank abgetreten, solange der Käufer den Kredit nicht vollständig zurück-
gezahlt hat.

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Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass der Käufer eine Sache im guten Glauben er-
wirbt, dass der Verkäufer auch der Eigentümer ist und damit zum Verkauf berechtigt (gut-
gläubiger Erwerb). Damit wird der Kauf rechtskräftig und der Erwerber wird Eigentümer. (§
932 BGB). Das gilt auch beim Erwerb bzw. bei Pfändung von einem Kaufmann, wenn dieser
für verfügungsberechtigt gehalten werden kann. Das sind sogenannte Kommissionsgeschäf-
te. Der Verkäufer ist nicht Eigentümer der Sachen, sondern nur der Kommissionär (§ 366
HGB). Das ist im Handel weit verbreitet, so gehören die Waren im Kaufhaus oder Super-
markt häufig noch dem Hersteller oder Importeur, das Kaufhaus oder der Supermarkt ist
Kommissionär. Obwohl sie nicht Eigentümer sind, wird ein Kaufvertrag trotzdem rechtskräf-
tig.
Ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich bei gestohlenen, verlorengegangenen oder abhan-
den gekommenen Sachen (§ 935 BGB).
Rechtsgeschäfte
Rechtsgeschäfte sind Geschäfte, aus denen sich Rechtsfolgen ergeben. Dazu ist es notwen-
dig, dass das Rechtssubjekt seinen Willen äußert (Willenserklärung): Willenserklärungen
können abgegeben werden:
- Mündlich, auch fernmündlich am Telefon, z.B. durch Sätze wie „Ich möchte diese
Ware kaufen“, aber auch durch einfaches „ja“ oder „nein“.
- Schriftlich, auch per Fax. Die Abgabe von Willenserklärungen per SMS oder e-mail ist
rechtlich nicht zulässig, da hier leicht betrogen werden kann. Eine Ausnahme sind ge-
schützte Dienste wie der e-Brief oder wenn es so üblich ist, z.B. zwischen Ge-
schäftspartnern.
- durch schlüssiges Handeln, d.h. wenn man durch sein Handeln einen Willen zeigt.
Dazu gehören Kopfbewegungen (Nicken, Schütteln), aber auch komplexe Handlun-
gen wie das Legen von Ware im Supermarkt in einen Einkaufswagen. Dadurch er-
klärt man, dass man die Waren kaufen möchte. Durch das Kassieren erklärt der Ver-
käufer, dass er die Waren verkaufen möchte. Damit sind zwei rechtskräftige Willens-
erklärungen entstanden.
Die Begründung, Änderung und Aufhebung von Rechtsgeschäften erfolgt durch das Abge-
ben von Willenserklärungen.
Rechtsgeschäfte können
1. einseitige empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte,
2. einseitige nicht empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte oder
3. mehrseitige Rechtsgeschäfte sein.
Einseitige Rechtsgeschäfte entstehen durch die Willenserklärung einer Person.
Dabei müssen empfangsbedürftige Willenserklärungen in den Herrschaftsbereich des Emp-
fängers gelangen, um rechtskräftig zu werden. Zum Beispiel wird eine Kündigung eines
Mietvertrages, Telefonvertrages oder Arbeitsvertrages erst wirksam, wenn der Vertrags-
partner diese auch erhält.
Einseitige nichtempfangsbedürftige Willenserklärungen werden bereits mit der Abgabe
rechtswirksam. Zum Beispiel gelten ein Testament oder eine Schenkung sofort, ohne das
die Erbe oder der Beschenkte davon Kenntnis erhalten haben muss.
Mehrseitige Rechtsgeschäfte kommen durch wechselseitig übereinstimmende Willenserklä-
rungen von zwei oder mehreren Personen zustande. Die zuerst abgegebene Willenserklä-
rung heißt Antrag, die zustimmende Willenserklärung heißt Annahme. Ein Vertrag ist mit der
Annahme des Antrages ohne Änderungen oder Zusätze abgeschlossen. Es gibt einseitig ver-

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pflichtende Verträge wie eine Bürgschaft und mehrseitig verpflichtende Verträge wie Kauf-
vertrag, Mietvertrag, Pachtvertrag und Gesellschaftsvertrag.
Formfreiheit und Formzwang
Ein Rechtsgeschäft kann grundsätzlich in jeder beliebigen Form abgeschlossen werden. Al-
lerdings kann durch ein Gesetz oder durch den Vertrag selbst ein Formzwang (§ 125 BGB)
vorliegen. Das dient dem Schutz des Einzelnen oder der Gemeinschaft. Erzwungene Formen
sind:
1. die Schriftform (§ 126 BGB): Die Willenserklärung wird schriftlich formuliert. Durch die
Namensunterschrift unter der Urkunde (bei einer Urkunde von beiden, bei mehreren Ur-
kunden reicht die Unterschrift unter dem Exemplar des anderen) wird die Willenserklä-
rung gültig. Bei einem Privattestament muss die Urkunde vollständig handschriftlich vor-
liegen, ansonsten reicht Maschinenschrift. Beispiele für den Schriftformzwang sind
Bürgschaftserklärungen von Nichtkaufleuten, Mietverträge über ein Jahr, Pachtverträge,
Arbeitsverträge und Kündigungen. Durch den Passus „Für den Vertrag wird die Schrift-
form vereinbart, mündliche Nebenabreden haben keine Wirksamkeit“ kann die Schrift-
form auch für jeden anderen Vertrag vereinbart werden. Achtung: Ein Vertragspartner,
z.B. Verkäufer, kann also mündlich alles versprechen, am Ende gilt nur das, was im Ver-
trag schriftlich festgehalten wurde.
2. Öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB): Die Echtheit der Unterschrift(en) wird durch
einen Notar oder einem dienstsiegelberechtigten Beamten beglaubigt. Der Inhalt wird
nicht beurkundet. Beispiele sind Anmeldungen und Anträge zum Handelsregister, zum
Grundbuch oder eine Identitätskontrolle wie bei der Eröffnung eines Bankkontos not-
wendig.
3. Öffentliche Beurkundung (§ 128 BGB): Bei der öffentlichen Beurkundung wird die Wil-
lenserklärung vom Notar protokollarisch aufgenommen. Die Beurkundung bestätigt die
Echtheit der Unterschrift(en) und den Inhalt der Willenserklärung. Beispiele sind der
Grundstückskaufvertrag oder ein Schenkungsversprechen.
Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn die vorgeschriebene oder vereinbarte Form nicht be-
achtet wurde.
Nichtigkeit von Willenserklärungen
Willenserklärungen können nachträglich unwirksam, d.h. nichtig, werden, wenn bestimmte
Voraussetzungen vorliegen. Das sind:
- Willenserklärungen von Geschäftsunfähigen (§ 105 BGB). Geschäftsunfähig sind ne-
ben Kindern bis 7 Jahre auch dauerhaft Geisteskranke oder vorübergehend Ge-
schäftsunfähige wegen Bewusstlosigkeit oder Störungen der Geistestätigkeit wie ein
Rausch. Deshalb sind betrunken abgeschlossene Verträge ungültig.
- Willenserklärungen, die zum Schein abgegeben werden (§ 117 BGB). Zum Schein
kann aus Spaß sein oder aus betrügerischer Absicht.
- Rechtsgeschäfte mit beschränkt Geschäftsfähigen ohne Zustimmung (§108 BGB).
- Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen (§ 134 BGB). Das
sind z.B. Rauschgiftgeschäfte oder andere illegale Geschäfte wie Menschenhandel.
- Sittenwidrige Rechtsgeschäfte (§ 138 BGB). Sittenwidrig bedeutet, das Geschäft
weicht stark von den normalen Geschäften ab. Das betrifft z.B. viel zu hohe (mehr als
doppelte) Preise, zu hohe Zinsen bei Krediten, zu geringe Stundenlöhne bei Arbeits-
verträgen (generell unter 3 €/Std., bei bestimmten Berufen höher) und anderes. Was
sittenwidrig ist, wird nicht von einem Gesetz bestimmt, sondern durch gerichtliche
Urteile und kann sich auch ändern.

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- Rechtsgeschäfte, die Formvorschriften missachten (§ 125 BGB).


Anfechtung von Rechtsgeschäften und Willenserklärungen
Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte können auch nachträglich durch Anfechtung rück-
wirkend nichtig werden.
Anfechtungsgründe sind:
1. Irrtum (§§ 119-122 BGB). Gab es in der Willenserklärung einen Irrtum, den der Er-
klärende nicht vertreten muss, kann er die Willenserklärung anfechten. Irrtümer
entstehen:
- in der Willenserklärung selbst, z.B. hat man ein Kreuz im Formular vergessen
oder statt einer 1 eine 11 eingeschrieben und dadurch zu viel bestellt.
- in der Übermittlung der Willenserklärung, z.B. ist ein Fax schlecht lesbar und
deshalb falsch angekommen oder der andere Partner hat sich am Telefon ver-
hört oder es liegt eine schlechte und falsche Übersetzung aus einer anderen
Sprache vor.
- über wesentliche Eigenschaften. Zum Beispiel glaubte man eine neue Ware
zu kaufen und bei der Lieferung stellt sich heraus, es ist gebrauchte Ware.
Hat der Käufer das nicht gewusst, liegt also ein Irrtum vor, kann er den Ver-
trag anfechten.
Nicht angefochten werden kann bei einem Irrtum im Motiv der Willenserklärung sowie bei
schuldhafter Unkenntnis. Anfechtungsberechtigt ist, wer sich geirrt hat. Die Anfechtung
muss unverzüglich nach Entdeckung des Irrtums erfolgen.
2. Arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung (§§ 123, 124 BGB). Kommt
eine Willenserklärung unter arglistiger Täuschung zu Stande, verschweigt z.B. der
Autoverkäufer wichtige Schäden am Auto, oder unter widerrechtlicher Drohung,
z.B. unter Erpressung, dann kann die Willenserklärung ebenfalls angefochten
werden. Bei arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung hat die Anfech-
tung innerhalb eines Jahres nach Entdeckung der Täuschung oder Wegfall der
Drohung zu erfolgen.

2 Kaufvertrag
Der Kaufvertrag ist einer der wichtigsten Vertragsarten, er ist im Rechtsleben das häufigste
Umsatzgeschäft.
Im Kaufvertrag geht es um den Austausch von Gegenständen gegen Geld. Die Grundform
eines solchen Geschäfts war der Tausch. Die Weiterentwicklung zum Kauf setzt Geld als
Zahlungsmittel voraus, das als jederzeit eintauschbare Verrechnungseinheit von feststehen-
dem Wert einen Güterumsatz in nennenswertem Umfang überhaupt erst ermöglicht. Die
enge Verwandtschaft zum Tausch zeigt § 480 BGB, wonach auf den Tausch die Vorschriften
über den Kauf entsprechend anzuwenden sind.
Der Kaufvertrag besteht nach deutschem Schuldrecht aus zwei auf einander bezogenen, in-
haltlich korrespondierenden Willenserklärungen (Angebot und Annahme), durch welche sich
der Verkäufer zur Übereignung (vgl. § 929 BGB) der Kaufsache durch Einigung über den Ei-
gentumsübergang und Übergabe der Kaufsache (auch „Lieferung“ genannt) und der Käufer
zur Bezahlung des Kaufpreises („Kaufsumme“) und zur Abnahme der Kaufsache verpflichtet
(vgl. § 433 BGB).
Zur Behandlung des Kaufvertrages beschäftigen wir uns mit
dem Zustandekommen des Kaufvertrages,

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dem Inhalt des Kaufvertrages und


den Störungen bei der Erfüllung des Kaufvertrages.
Vertrag
Der Vertrag ist eine wechselseitig übereinstimmende Übereinkunft zweier oder mehrerer
Personen, etwas zu tun oder zu unterlassen. Ein Vertrag entsteht durch wechselseitig über-
einstimmende Willenserklärungen der beiden Vertragspartner. Im Kaufvertrag erfolgt die
Willenserklärungen über den Austausch von Gütern und Leistungen zwischen Käufer und
Verkäufer. Verträge können nachträglich wirkungslos gestellt werden (Nichtigkeit). Sie be-
stehen aus
einem Verpflichtungsgeschäft (es entsteht ein Schuldverhältnis) und
einem Erfüllungsgeschäft (Schuldverhältnis wird aufgehoben.
Eine Willenserklärung16 ist die Äußerung eines Rechtsfolgewillens durch eine Person, also
die Erklärung einer Person, dass sie einen Rechtserfolg beabsichtigt. Dieser Erfolg soll nach
der Rechtsordnung eintreten, weil er gewollt ist. Verträge sind zwei- oder mehrseitige
Rechtsgeschäfte. Ein Vertrag im Rechtssinne ist also das Einig-Sein von zwei oder mehr
Vertragsparteien darüber, dass zwischen ihnen bestimmte Rechtsfolgen eintreten, insbe-
sondere Verpflichtungen entstehen oder Rechtsänderungen ergehen sollen.
Zustande kommt ein Vertrag im Einzelnen durch zwei mit Bezug aufeinander abgegebene,
inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen, wobei die zeitlich Erstere in der Regel als
Antrag oder Angebot und die darauffolgende als Annahme bezeichnet wird. Das Angebot
muss so detailliert bzw. mit Hilfe ergänzender gesetzlicher Bestimmungen auslegbar sein,
dass zur Annahme ein einfaches "Ja" genügt. Sowohl Angebot als auch Annahme sind
grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärungen, müssen also dem jeweils anderen
Teil zugehen, um wirksam zu werden.
Die Abgabe einer Willenserklärung ist grundsätzlich formfrei, d.h. sie kann mündlich, schrift-
lich oder durch schlüssiges (konkludentes17) Handeln erfolgen. Nur in Ausnahmefällen wird
gesetzlich eine Form vorgeschrieben (Formzwang), z.B. beim Testament. Schweigen gilt
nicht als Willenserklärung, da es nicht eindeutig ist. Auch der Kaufvertrag ist in der Regel
formfrei. Er kann also sowohl mündlich und schriftlich als auch durch konkludentes Handeln
abgeschlossen werden. Nur bei bestimmten Kaufverträgen schreibt der Gesetzgeber eine
besondere Form vor. Notarielle Beurkundung ist nach § 311b Abs. 1 BGB erforderlich beim
Kauf von Immobilien (Grundstücke, Wohnungseigentum), nach § 15 Abs. 4 GmbHG beim
Kauf eines GmbH-Anteils oder nach § 2371 BGB beim Erbschaftskauf. Große und teure Sa-
chen werden in der Praxis jedoch fast immer mit einem schriftlichen Vertrag verkauft (z. B.
Autos).
In Deutschland besteht der Grundsatz der Vertragsfreiheit, das heißt, jedem ist es freige-
stellt, ob und mit wem oder zu welchen Bedingungen er einen Vertrag eingehen will; dies
gilt nicht, wenn ein (gesetzliches) Verbot besteht (z.B. bei Sittenwidrigkeit). Die umgekehrte
Ausnahme vom Grundsatz ist der Kontrahierungszwang.
Werden Vertragsvereinbarungen von einer der Vertragspartei vorformuliert und der anderen
bei Vertragsschluss gestellt, so handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, an
deren Wirksamkeit besondere gesetzliche Anforderungen gestellt werden.
Ein Kaufvertrag kommt zustande durch Abgabe eines Antrages oder Angebotes und durch
die Annahme desselben ohne Änderungen oder Ergänzungen. Dabei können die konkreten

16
lat.: voluntatis declaratio
17
lat. concludere: „folgern“, „einen Schluss ziehen

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Willenserklärungen unter Umständen sowohl Antrag als auch Annahme sein, z.B. die Bestel-
lung des Käufers. Entscheidend ist die Reihenfolge der Abgabe der Willenserklärung. Typi-
sche Willenserklärungen im Kaufvertrag sind Anfrage, Angebot, Bestellung und Bestellan-
nahme.
Eine Anfrage ist eine rechtlich unverbindliche und formlose Bitte an ein Unternehmen, Infor-
mationen über Produkte, Leistungen, Preise, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen zu erhal-
ten. Durch eine Anfrage kommt kein Kaufvertrag zustande.
Ein Angebot ist rechtlich ein Antrag. Der Anbieter richtet sich an eine bestimmte Person
und erklärt dieser, unter welchen Bedingungen er bereit ist, Waren zu liefern oder eine
Dienstleistung auszuführen. Der Anbieter ist rechtlich grundsätzlich an sein Angebot gebun-
den. Das Angebot muss alle notwendigen Bedingungen und Bestandteile enthalten, die zum
Abschluss eines Kaufvertrages notwendig sind. Für die Annahme des Angebotes muss ein
einfaches „Ja“ ausreichen. Nach der Art des Angebotes unterscheidet man
ein allgemeines oder ein persönliches Angebot. Ein persönliches Angebot richtet sich
an einen konkreten Kaufinteressenten. Es gilt deshalb auch nur für diesen. Ein allge-
meines Angebot richtet sich dagegen an alle Kaufinteressenten. Zum Beispiel ist ein
Katalog oder das Ausstellen einer Ware in einem Regal ein allgemeines Angebot.
befristete und unbefristete Angebote. Angebote können befristet abgegeben wer-
den, mit einer Gültigkeitsdauer („gilt zwei Wochen“) oder einer Gültigkeitsfrist („gilt
bis zum 30.03.“). Unbefristete Angebote gelten nur im Augenblick der Abgabe. Da
sie empfangsbedürftige Willenserklärungen sind, gilt als Augenblick der Abgabe die
Kenntnisnahme des Empfängers. Das bedeutet, bei einer mündlichen Verhandlung
gelten Angebote nur solange, wie die Verhandlung dauert. Bei der Abgabe eines An-
gebotes für eine abwesende Partei gilt eine angemessene Frist (kaufmännische Re-
gel: Solange unter üblichen Umständen für den Versand und den Empfang des An-
gebotes notwendig ist).
Angebote mit Freizeichnungsklauseln, wie z.B.:
unverbindlich oder freibleibend: das Angebot gilt nur bei Annahme der Bestellung,
der Anbietende kann die Bindung an das Angebot vermeiden und durch unverzüg-
lichen Widerspruch das Zustandekommen eines Kaufvertrages verhindern.
Preise freibleibend: der im Angebot genannte Preis gilt nur bei Annahme der Be-
stellung, der Anbietende kann den Preis noch ändern.
so Lange die Menge (der Vorrat) reicht: das Angebot gilt nur für eine begrenzte Men-
ge, der Anbietende kann erklären, dass er nicht die bestellte Menge oder gar nicht
mehr liefern kann.
Die Bestellung ist die Aufforderung des Kaufinteressenten an den Anbietenden zur Bereit-
stellung des Produktes. Sie ist an keine Formvorschriften gebunden. Eine Bestellung wird
mit dem Zugang beim Empfänger wirksam (empfangsbedürftige Willenserklärung), der Be-
steller ist an die Bestellung gebunden. Die rechtlichen Wirkungen sind unterschiedlich:
Ist die Bestellung die erste Willenserklärung, kommt ein Kaufvertrag erst mit der An-
nahme der Bestellung durch den Verkäufer (Bestellannahme oder Auftragsbestäti-
gung) zustande. Der Besteller kann für die Annahme eine Frist setzen (befristeter An-
trag).
Erfolgt die Bestellung auf ein verbindliches Angebot ohne Änderungen und Ergänzun-
gen, kommt sofort ein Kaufvertrag zu Stande. Werden in der Bestellung Änderungen
oder Ergänzungen vorgenommen, so gilt diese wieder als erste Willenserklärung.
Die Bestellbestätigung (auch Auftragsbestätigung) ist rechtlich erforderlich, sofern ein
Kaufvertrag nicht schon durch Angebot und Bestellung zu Stande gekommen ist. Sie ist

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ebenfalls an keine Formvorschriften gebunden, kann also mündlich, schriftlich oder durch
schlüssiges Handeln (zum Beispiel durch Lieferung) erfolgen. Im Geschäftsverkehr sind
kaufmännische Bestätigungsschreiben üblich, durch sie wird ein mündlich vollzogener Ver-
tragsabschluss schriftlich bestätigt. Damit hat die Bestellbestätigung eine Zusammenfas-
sungs-, Festlegungs- und Beweisfunktion für den Inhalt des Kaufvertrages. Der Empfänger
einer Bestellbestätigung muss unmittelbar nach Erhalt widersprechen, wenn die Bestellbe-
stätigung nicht seiner Willenserklärung (Bestellung) entspricht, ansonsten wird die Bestell-
bestätigung beweiskräftiger Vertragsinhalt.
Damit gibt es viele verschiedene Möglichkeiten für das Zustandekommen eines Kaufvertra-
ges, z.B.:
Der Verkäufer macht ein Angebot, der Käufer bestellt rechtzeitig und ohne Änderun-
gen: ein Kaufvertrag ist zustande gekommen.
Der Verkäufer macht ein Angebot, der Käufer bestellt zu spät oder mit Änderungen:
Die Bestellung gilt als neuer Antrag, ein Kaufvertrag kommt erst mit der Annahme
der Bestellung durch den Verkäufer zustande. Macht der Verkäufer ein neues Ange-
bot, gilt dieser als 1. Willenserklärung.
Der Verkäufer macht ein freibleibendes Angebot, der Käufer bestellt: ein Kaufvertrag
kommt mit der Annahme der Bestellung (Bestellbestätigung) zustande.
Der Käufer bestellt ohne vorheriges Angebot, der Verkäufer nimmt die Bestellung an
(durch Bestätigung der Bestellung oder durch Lieferung): Der Kaufvertrag ist zustan-
de gekommen.
Der Käufer bestellt, der Verkäufer lehnt die Bestellung ab: Es ist kein Kaufvertrag zu-
stande gekommen. Macht der Verkäufer mit der Ablehnung ein neues Angebot, gilt
dieses als 1. Willenserklärung.
Der Verkäufer versendet unbestellte Ware: Die Lieferung gilt als Antrag, ein Kaufver-
trag kommt zustande, wenn der Käufer die Annahme erklärt, die Ware in Gebrauch
nimmt oder den Kaufpreis zahlt. Varianten:
Der Empfänger ist Kaufmann mit bestehenden Geschäftsbeziehungen und das Ver-
senden unbestellter Ware ist üblich: Stillschweigen des Empfängers gilt als An-
nahme. Will der Empfänger die Ware nicht annehmen, muss er sich unverzüglich
melden, die Ware aufbewahren und später zurücksenden.
Der Empfänger ist Kaufmann ohne bisherige Geschäftsbeziehung oder Privatperson,
so gilt Stillschweigen als Ablehnung. Der Empfänger ist zur Aufbewahrung, aber
nicht zur Bezahlung oder Rücksendung verpflichtet. Die Zusendung unbestellter Wa-
ren an Privatpersonen gilt als Verstoß gegen das UWG18.
Pflichten der Vertragspartner
Der Abschluss eines Kaufvertrages ist für Käufer und Verkäufer freiwillig, mit dem Abschluss
werden jedoch beide Vertragspartner verpflichtet, den Vertrag zu erfüllen. Damit ist der
Kaufvertrag zunächst ein verpflichtendes Rechtsgeschäft (Verpflichtungsgeschäft).
Mit dem Kaufvertrag entstehen zwei Schuldverhältnisse: Warenschuld und Geldschuld.
Die Schuldverhältnisse erlöschen, wenn die geschuldete Leistung bewirkt ist, das ist ein
Erfüllungsgeschäft.
Die Pflichten des Käufers bestehen in der rechtzeitigen Zahlung des vereinbarten Kaufprei-
ses und der Annahme des Kaufgegenstandes bzw. der Leistung.

18
UWG: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

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Die Pflichten des Verkäufers bestehen in der rechtzeitigen und mangelfreien Übergabe des
Kaufgegenstandes (Besitzübergang), in der Verschaffung des Eigentums des Käufers am
Kaufgegenstand (Eigentumsübergang) und der Annahme des Kaufpreises.
Der Vertrag ist nach den vertraglichen Abmachungen zu erfüllen. Sind diese nicht vorhanden
oder nicht eindeutig, gilt der kaufmännische Grundsatz: Alle Verträge sind so zu erfüllen, wie
Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei kommt es auf den
Sinn der Willenserklärungen, nicht auf die Buchstaben an. Bei zweiseitigen Handelsgeschäf-
ten gelten die Handelsbräuche als die im geschäftlichen Verkehr geltenden Handlungswei-
sen.
Von Bedeutung für die Einzelheiten bei der Erfüllung des Kaufvertrages, den notwendigen
Inhalt sowie die sich aus einem Kauvertrag ergebenden Rechte und Pflichten ist die Unter-
scheidung zwischen bürgerlichem Kauf und Handelskauf.
Sind beide Vertragspartner (Käufer und Verkäufer) keine Kaufleute, so handelt es sich um
einen bürgerlichen Kauf. Hier gilt lediglich das BGB19. Ist einer der Vertragspartner Kauf-
mann, so handelt es sich um einen Handelskauf. Sind beide Vertragspartner Kaufleute,
spricht man vom zweiseitigen Handelskauf. Im Handelskauf gelten für den Kaufmann zusätz-
lich noch besondere Vorschriften des HGB20 (§§ 373 -381 HGB). So muss ein Kaufmann die
Ware unverzüglich nach der Anlieferung untersuchen. Zeigt sich dabei ein Mangel, ist dieser
dem Verkäufer unverzüglich anzuzeigen, anderenfalls verliert der Käufer seine Gewährleis-
tungsansprüche. Dabei geht es immer um den konkreten Kaufvertrag. Kauft z.B. ein Kauf-
mann als Privatperson von einem Autohändler (Kaufmann) einen PKW, so ist das für ihn ein
bürgerlicher Kauf. Kauft er jedoch das Auto als Kaufmann für seine Firma, so handelt es sich
um einen Handelskauf.
Inhalt des Kaufvertrages
Im Kaufvertrag werden alle Aspekte des Überganges von Eigentum und Besitz an der Ware
vom Verkäufer auf den Käufer (Warenschuld) sowie zur Bezahlung des vereinbarten Kauf-
preises vom Käufer an den Verkäufer (Geldschuld) geregelt. Dabei gilt folgende Grundregel:
Zunächst gilt der Vertrag. Im Vertrag werden Vereinbarungen zur Erfüllung der
Schuldverhältnisse getroffen. Dabei gelten auch nicht direkt im Vertrag getroffene
Vereinbarungen als vereinbart, wenn auf diese hingewiesen wird (sogenannte AGB:
Allgemeine Geschäftsbedingungen).
Fehlen diese Vereinbarungen und lässt sich auch nicht aus den Umständen und der
Natur des einzelnen Geschäftes ein entsprechender Sinn erkennen, treten an ihre
Stelle die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen des BGB bzw. HGB.
Da im HBG nur grundsätzliche Bestimmungen enthalten sind, gilt oft „nach üblicher Sitte
und Brauch“.
Wichtige Inhalte eines Kaufvertrages sind:
Art sowie Güte und Beschaffenheit der Ware
Menge der Ware
Preis der Ware
Verpackung der Ware
Versand der Ware

19
BGB: Bürgerliches Gesetzbuch
20
HGB: Handelsgesetzbuch

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Lieferzeit
Zahlungsbedingungen
Erfüllungsort
Eigentumsübertragung
Die Art des Kaufgegenstandes wird durch seinen handelsüblichen Namen gekennzeichnet.
Die Beschaffenheit und die Güte können festgelegt werden durch:
Augenschein (Besicht): im Laden, auf Messen, bei Vertreterbesuchen,
Muster und Proben bei Gattungswaren (Qualitätsmuster, Formmuster und Modelle,
Proben),
Abbildungen und Beschreibungen z.B. in Katalogen und Prospekten,
ein Markenzeichen, Herstellermarken und Typbezeichnungen,
ein Gütezeichen (freiwillig geschaffene, gesetzlich überwachte Kollektivmarken, sind
ein Garantienachweis, werden vom RAL21 überwacht),
die gesetzlichen Güteklassen (Handelsklassen, Typen, Standards),
die Herkunft der Waren (Provenienz): z.B. Anbaugebiet (Bordeaux) oder Verschif-
fungshafen,
den Jahrgang z.B. bei Wein, bei Autos,
dem Gehalt an Inhaltsstoffen, wie dem Alkoholgehalt, dem Fettgehalt, dem Metall-
gehalt, dem Trockensubstanzgehalt, dem Wassergehalt,
einem Qualitätsgewicht, z.B. Hektolitergewicht bei Getreide oder m²-Gewicht bei Pa-
pier
der Farbe u.a.
Nach dem Gesetz gilt: Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Ware geschuldet, so ist
Ware mittlerer Art und Güte zu liefern. (§ 243 (1) BGB, § 360 HGB).
Nach der Art der Ware werden verschiedene Kaufvertragsarten unterscheiden, z.B.:
Stückkauf: der Kaufgegenstand ist eine einmalige Sache, die nicht noch einmal be-
schafft werden kann (z.B. Bild von Picasso).
Gattungskauf: der Kaufgegenstand ist eine Sache, die in mehreren gleichen Ausfer-
tigungen hergestellt und wieder beschafft werden kann (z.B. Weizen, Baumwoll-
stoff).
Kauf nach Probe oder nach Muster: Kauf auf Grund früher bezogener Sachen oder
nach einer vom Verkäufer erhaltenen oder ihm übergebenen Probe.
Kauf auf Probe oder auf Besicht: Kauf mit Rückgaberecht innerhalb einer vereinbar-
ten Frist. Beim Kauf im Internet gesetzlich vorgeschrieben mit 14-tägigem Rücktritts-
recht.
Kauf mit Umtauschrecht: Käufer kann an Stelle der gelieferten Ware eine andere
Ware gleichen Wertes verlangen.
Bestimmungskauf (Spezifikationskauf): Kaufvertrag über eine festgelegte Menge ei-
ner Gattungsware, der Käufer kann innerhalb einer festgelegten Frist die zu liefern-
den Waren nach Maß, Form oder Farbe näher bestimmen. Beispiel: eine Boutique

21
RAL = Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V.

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bestellt 200 Kleider aus der Sommerkollektion und ruft dann wöchentlich die konkre-
ten Farben und Größen ab.
Die Menge der Ware kann mit gesetzlichen oder handelsüblichen Einheiten bestimmt wer-
den.
Gesetzliche Einheiten sind.
Metrische Maßeinheiten wie m, m², m³, g, kg, dt, t, l, hl; und
Nichtmetrische Maßeinheiten wie inch, foot, yard, mile, quart, gallon, bushel, barrel,
ounce, pound, stone, quarter, ton.
Handelsübliche Bezeichnungen werden oft in traditionellen Geschäftsbeziehungen verwen-
det, wie z.B. Stück, Dutzend, Scheffel. Gros, Sack, Pack, Kiste, Ballen, Palette, Container,
Wagenladung (Fuhre) und andere. Hier muss man sich vorher genau erkunden, welche Men-
ge darunter verstanden wird, da das manchmal auch regional unterschiedlich ist.
Der Preis der Ware kann als Netto- oder Bruttopreis vereinbart werden.
Nettopreis bedeutet, dass der Verkäufer keinerlei Preisabschläge erlaubt. Typische Vertrags-
klauseln sind hier „Zahlbar netto Kasse“ und „Zahlbar ohne jeden Abzug“. Achtung: Nicht
mit Netto- und Bruttopreisen in Bezug auf die Umsatzsteuer verwechseln!
Sind Bruttopreise vereinbart, erlaubt der Verkäufer, dass vom Rechnungsbetrag nach ver-
traglicher oder üblicher Vereinbarung prozentuale Abzüge vorgenommen werden, wie:
Rabatte (Mengenrabatt, Treuerabatt, Wiederverkäuferrabatt, Sonderrabatt, Personal-
rabatt, Aktionsrabatt etc.),
Boni (nachträgliche Rabatte, oft umsatzabhängig), und
Skonti als Preisvergünstigung für die Zahlung des Kaufpreises innerhalb einer Frist.
Fast alle Waren müssen für die Lieferung verpackt werden. Die Verpackungskosten sind
Kosten der Abnahme und vom Käufer zu tragen (§ 448 BGB). Der Verkäufer muss die Ware
so verpacken, dass sie bei üblicher Behandlung nicht Schaden nimmt. Verlangt der Käufer
eine besondere Verpackung, muss er die Mehrkosten tragen (z.B. tropenfeste Verpackung
von Maschinen oder Display-Karton im Einzelhandel). Die Verpackung muss verschiedene
Funktionen erfüllen:
Schutzfunktion: Schutz der Ware selbst vor Umwelteinflüssen, Beschädigung, Ver-
unreinigung und Mengenverlust, Schutz der Menschen, der Transportmittel, der
Umwelt und der anderen Waren
Lagerfunktion: leichte, sichere und schnelle Lagerung.
Lade- und Transportfunktion: Verhinderung von übermäßigen Beanspruchungen der
Ware und Abstimmung auf die Logistik
Verkaufsfunktion: Werbung, Information, Präsentation, Dosierung, Entnahme.
Ist der Kaufpreis nach dem Gewicht der Ware zu berechnen, so ist das Verpackungsgewicht
abzuziehen (§ 380 HGB). Einen besonderen Zusammenhang gibt es noch zwischen Preis
und Verpackung. Ein vereinbarter Preis kann sich beziehen auf:
Das Reingewicht einschließlich der Verpackung. Der Preis wird vom Reingewicht der
Ware berechnet, die Verpackung ist im Preis inbegriffen und geht in das Eigentum
des Käufers über.
Das Reingewicht ausschließlich der Verpackung. Der Preis wird vom Reingewicht be-
rechnet, die Verpackung bleibt zunächst Eigentum des Verkäufers. Meist wird die
Verpackung dem Käufer zu Selbstkosten in Rechnung gestellt, bei Rückgabe erhält er
den Kaufpreis ganz oder teilweise erstattet.

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Das Rohgewicht einschließlich Verpackung (brutto für netto). Der Preis wird vom
Rohgewicht berechnet, das Verpackungsgewicht wird wie das Warengewicht be-
handelt.
Das Gewicht der Transportverpackung heißt Tara. Man unterscheidet:
die wirkliche Tara (Effektiv-Tara): Das Gewicht jeder Verpackung wird einzeln ermit-
telt und abgezogen.
die Durchschnittstara: Das Gewicht der Verpackung wird von einer Stichprobe ermit-
telt und über den Durchschnitt hochgerechnet.
die Handelsübliche Tara (Usotara): bei einer lange Zeit verwendeten üblichen Verpa-
ckung gilt ein handelsüblicher Satz.
die Zolltara: ist das Gewicht der Verpackung, dass der Zoll bei der Berechnung des
Zollgewichtes vom Bruttogewicht abzieht.
Der Versand der Ware kann persönlich, durch Boten, mit eigenem Fahrzeug oder durch ein
Transportunternehmen erfolgen. Dabei ist zu beachten, wer (Käufer oder Verkäufer) die Wa-
re überbringt oder abholt und wer die Versandkosten trägt. Das wird häufig vertraglich gere-
gelt. Übliche Varianten sind:
Der Käufer trägt alle Versandkosten, Formulierungen: „ab Werk“, „ab Lager“ etc.
Der Verkäufer trägt alle Versandkosten, Formulierungen: „frei Haus“, „frei Lager“,
„frei Werk“ etc.
Käufer und Verkäufer teilen sich die Versandkosten, der Verkäufer trägt:
die Kosten für Anfuhr bis zum Versandunternehmen (Bahn, Spedition, Schiff), Formu-
lierungen: „unfrei“, „ab hier“, „ab Bahnhof“ etc.
die Kosten für Anfuhr und Verladung (Hafen, Bahnhof), Formulierungen: „frei Wag-
gon“, „frei Schiff“ etc.
die Kosten für Anfuhr, Verladung und Fracht bis Übergabeort beim Empfänger, For-
mulierungen: „frei“, „frachtfrei“, „frei Bestimmungsbahnhof“, „frei Bordsteinkante“
etc.
Die gesetzliche Regelung nach § 448 GBG sagt: Ist vertraglich nichts vereinbart und besteht
kein besonderer Handelsbrauch, so sind:
die Kosten der Übergabe (Messen und Wiegen) vom Verkäufer zu tragen und
die Kosten für Abnahme und Versendung nach einem anderen Ort als dem Erfül-
lungsort vom Käufer zu tragen.
Im Außenhandel gibt es besondere Lieferbedingungen, die auch die Teilung der Versand-
kosten regeln, die sogenannten ICOTERMS. Das sind bei der Internationalen Handelskam-
mer in Paris hinterlegte Codes für die Kosten-und Risikoteilung im internationalen Handel.
Diese Codes regeln weltweit eindeutig die Versandbedingungen (Abbildung).
INCOTERM Bedeutung
EXW ex works ab Werk
FCA free carrier frei Frachtführer
FAS free alongside ship Frei Längsseite Schiff
FOB free on board frei an Bord
CFR cost and freight Kosten und Fracht bis zum Bestimmungshafen

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CIF cost, insurance and freight Kosten, Versicherung und Fracht


CIP carriage and insurance paid frachtfrei versichert
DAF delivered at frontier frei Grenze
DDP delivered duty paid geliefert verzollt
Abbildung 39: INCOTERMS (Auswahl)

Der Liefertermin kann als bestimmter Termin (z.B. 20.03.2011) oder als Frist (in 14 Tagen
ab Bestellung) vertraglich vereinbart werden. Die Lieferfrist kann sich auch aus einer still-
schweigenden Übernahme einer bisher üblichen Gepflogenheit oder aus den Umständen
der Bestellung ableiten. Wenn zum Beispiel eine Torte ausdrücklich als Hochzeitstorte be-
stellt wird, ist stillschweigend der Hochzeitstag als Liefertermin vereinbart.
Nach der gesetzlichen Regelung kann der Lieferer sofort liefern und der Käufer sofortige Lie-
ferung verlangen (§ 271 BGB), wenn die Lieferzeit weder vertraglich bestimmt noch aus den
Umständen zu entnehmen ist.
Nach dem Liefertermin unterscheidet man:
den Sofortkauf, bei dem der Liefertermin mit dem Termin des Kaufvertrages über-
einstimmt und der Käufer die Ware sofort mitnehmen kann. Typisch zum Beispiel
beim Einkauf im Supermarkt.
den Terminkauf, bei dem ein fester Liefertermin vereinbart wird. Liefert der Verkäu-
fer später oder früher, so muss der Käufer eine Mahnung aussprechen. Unter Um-
ständen ist der Verkäufer Schadensersatzpflichtig, der Kaufvertrag bleibt aber beste-
hen.
den Fixkauf. Hier wird ebenfalls ein fester Liefertermin vereinbart, allerdings wird der
Kaufvertrag nur bei termingerechter Lieferung wirksam. Das heißt, der Käufer kann
bei Verstreichen des Liefertermins sofort ohne Mahnung vom Kaufvertrag zurücktre-
ten und nach Information des Verkäufers Schadenersatz verlangen, z.B. für Mehrkos-
ten für eine Ersatzbeschaffung. Für den Fixkauf müssen objektive Gründe vorliegen,
d.h. die Ware muss für den Käufer nur zu diesem Termin verwendbar sein.
den Kauf auf Abruf. Hier wird ein Lieferzeitraum vereinbart, innerhalb derer der Käu-
fer die Ware abrufen kann. Der Verkäufer muss dann unverzüglich liefern. Beispiels-
weise werden für den Bau eines Hauses Dachziegel gekauft. Die Anlieferung soll
dann erfolgen, wenn der Dachstuhl fertiggestellt ist.
den Teillieferungskauf. Hier wird ebenfalls eine Ware gekauft, die später abgerufen
wird, jedoch in Teillieferungen. Zum Beispiel Ziegelsteine oder Beton für den Bau ei-
nes Hauses.
Unter Zahlungsbedingungen werden im Kaufvertrag vereinbart:
die Art und Weise der Zahlung als bare, halbbare, bargeldlose oder Wechselzahlung
und als Zahlung in einem Betrag oder Ratenzahlung.
die Übernahme der Kosten der Zahlung. Nach dem Gesetz sind Geldschulden Bring-
schulden, deshalb hat die Kosten der Zahlung der Käufer (der Schuldner) zu tragen,
wenn vertraglich nichts anderes vereinbart wurde. Das spielt dann eine Rolle, wenn
durch die Zahlung Kosten entstehen, z.B. bei Zahlungen aus dem Ausland (Wechsel-
gebühren, Scheckeinlösungsgebühren, besondere Kontoführungsgebühren etc.)
der Zeitpunkt der Zahlung. Hier unterscheidet man
Zahlung vor Lieferung: Anzahlung, Vorauszahlung,

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Zahlung bei Lieferung: Barkauf, Abwicklung „Zug-um-Zug“ oder „Geld gegen Ware“.
Eine Sonderform stellt die bargeldlose Bezahlung z.B. per Einzugsermächtigung oder
elektronischer Lastschrift bzw. die Zahlung mit Geldersatzmitteln wie Scheck oder
Kreditkarte dar. Hier wird die Zahlung sofort ausgelöst, der Geldeingang beim Verkäu-
fer ist jedoch in der Regel ein paar Tage später.
Zahlung nach Lieferung: Ziel- oder Kreditkauf, Kauf auf Rechnung.
Nach der gesetzlichen Regelung kann der Verkäufer die sofortige Zahlung verlangen. Dabei
bedeutet sofort das Abschicken des Geldbetrages am gleichen Tage, bei Samstag, Sonntag
oder Feiertag am nächsten Werktag bzw. am vereinbarten Fälligkeitstag.
Im Außenhandel gibt es besondere Zahlungsbedingungen und Instrumente.
Der Erfüllungsort ist der Ort, an dem der Schuldner (Verkäufer bei der Ware, Käufer beim
Geld) durch rechtzeitige und mangelfreie Leistung von seiner vertraglichen Verpflichtung frei
wird (Erfüllung und damit Erlöschen des Schuldverhältnisses). Aus dem Erfüllungsortes
werden verschiedene Aspekte abgeleitet, wie:
der Gerichtsstand und damit die sachliche und örtliche Zuständigkeit eines Gerich-
tes bei Streitigkeiten aus dem Vertrag,
der Gefahrübergang und damit das Tragen eines schuldhaft oder zufällig verursach-
ten Schadens und der Versicherungskosten, sowie
die Übernahme der Kosten zum Erfüllungsort, das gilt, wenn keine vertraglichen Re-
gelungen zu den Versandkosten bestehen.
Nach dem Erfüllungsort unterscheidet man:
den Versendungskauf, bei dem sich Käufer und Verkäufer an verschiedenen Orten
befinden. Erfüllungsort ist hier der Ort des Verkäufers, der die Ware jedoch auf Ver-
langen (und Kosten sowie Risiko) des Käufers an einen anderen Ort versendet.
der Fernkauf, auch hier befinden sich Käufer und Verkäufer an verschiedenen Orten,
aber als Erfüllungsort für die Übergabe der Ware ist ein anderer Ort als der Ort des
Verkäufers vereinbart z.B. ein Bahnhof oder ein Hafen.
der Platzkauf. Verkäufer und Käufer befinden sich an verschiedenen Stellen des glei-
chen Ortes und der Ausgangs- und Endpunkt der Lieferung sind so weit voneinander
entfernt, dass eine Versendung erforderlich ist. Zum Beispiel Kauf von Möbeln im
Möbelhaus im Ort und Anlieferung der Möbel durch den Verkäufer oder eine Spediti-
on.
der Handkauf, bei dem sich Käufer und Verkäufer am gleichen Ort befinden, z.B. im
Supermarkt.
Der Erfüllungsort wird für beide Schuldner meistens vertraglich im Angebot, im Bestell-
schein oder dem Bestätigungsschreiben bestimmt, d.h. angenommen und nicht widerspro-
chen. Teilweise finden sich diese Reglungen in den AGB. Die Festlegung einer Klausel zum
Bestimmungsort nachträglich z.B. in der Rechnung genügt nicht. Die übliche Formulierung
lautet: „Erfüllungsort für beide Teile ist ....“. Wenn der Erfüllungsort weder vereinbart noch
aus den Umständen zu entnehmen ist, gilt die gesetzliche Regelung: Erfüllungsort ist der
Wohnsitz bzw. die gewerbliche Niederlassung des Schuldners zum Zeitpunkt des Vertrags-
abschlusses.
Störungen bei der Erfüllung des Kaufvertrages
Bei der Erfüllung des Kaufvertrages können Störungen auftreten, so dass für eine oder beide
Seiten Probleme entstehen. Das sind insbesondere:

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der Sachmangel: Der Verkäufer liefert mangelhaft, zum Beispiel die falsche Qualität
oder die falsche Menge.
der Lieferungsverzug: Der Verkäufer liefert nicht rechtzeitig.
der Annahmeverzug: Der Käufer nimmt die Lieferung nicht oder nicht rechtzeitig an
oder der Verkäufer nimmt den vereinbarten Kaufpreis nicht oder nicht rechtzeitig an.
der Zahlungsverzug: Der Käufer zahlt den Kaufpreis nicht oder nicht rechtzeitig.
Sachmangel
Der Verkäufer geht gegenüber dem Käufer ein Schuldverhältnis ein: er schuldet dem Käufer
die Ware in der vereinbarten Qualität und Menge. Liefert er mangelhaft, liegt ein Sachman-
gel vor.
Dabei wird über der Beschreibung der Qualität im Kaufvertrag hinaus vom Verkäufer ver-
langt, dass er eine einwandfreie Ware liefert. Dabei unterscheidet man:
die Gewährleistung besagt, dass der Verkäufer verpflichtet ist, den Gegenstand so
zu übergeben, dass er nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglich-
keit zum bestimmungsgemäßen Gebrauch mindern oder aufheben (§ 459 BGB). Die
Gewährleistung ist zeitlich befristet und gesetzlich vorgeschrieben. Ist der Verkäufer
ein Kaufmann und der Käufer eine Privatperson, so beträgt die Gewährleistungsfrist
für neue Waren in Deutschland zwei Jahre (Regelfall). Sie kann unter Umständen ver-
traglich auch verkürzt (z.B. 6 Monate bei gebrauchten Sachen) oder sogar ausge-
schlossen (zwischen Nichtkaufleuten oder zwischen Kaufleuten sowie bei Versteige-
rungen, Regel: „gekauft wie besichtigt“) oder auf bis zu 30 Jahre verlängert werden.
Teilweise gelten auch andere gesetzliche Fristen, zum Beispiel bei Bauleistungen gel-
ten 5 Jahre. Stellt der Käufer in dieser Zeit einen Fehler an der Ware fest, hat er ver-
schiedene Rechte, die er wahrnehmen kann, um die ordnungsgemäße Erfüllung des
Kaufvertrages durch den Verkäufer durchzusetzen (Rechte des Käufers). Die Beweis-
last liegt in den ersten 6 Monaten beim Verkäufer (muss beweisen, dass das Produkt
beim Verkauf fehlerfrei war), danach beim Käufer (muss beweisen, dass der Mangel
schon beim Kauf vorlag).
die Garantie ist eine freiwillige zusätzliche Verpflichtung des Verkäufers. Sie ist häu-
fig länger als Gewährleistung, kann aber auch sachlich eingeschränkt werden (z.B.
nur bei Wartung in einer Fachwerkstatt oder nur auf bestimmte Teile).
die Produkthaftung ergibt sich aus dem Produkthaftungsrecht. Der Hersteller bzw.
der Verkäufer haften auch für Schäden, die durch das fehlerhafte Produkt an Perso-
nen und anderen Sachen entstehen. Sie ist ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben und
gilt z.B. auch für Schäden, die durch eine schlechte Bedienungsanleitung entstehen.
Insgesamt ist das Sachmangelrecht kompliziert, es gibt viele Besonderheiten und Ausnah-
men, so dass der Käufer häufig mit Unterstützung z.B. durch einen Anwalt oder eine Ver-
braucherschutzorganisation gerichtlich seine Rechte durchsetzen muss. Allerdings haben
viele Unternehmen erkannt, dass Probleme der Käufer mit dem Produkt eine schlechte
Werbung sind und versuchen deshalb, diese meist schnell und unauffällig zu lösen, das
nennt man Kulanz.
Lieferungsverzug
Ein Lieferungsverzug liegt vor, wenn der Verkäufer schuldhaft nicht oder nicht rechtzeitig
liefert. Nach BGB ist der Lieferungsverzug ein als Schuldnerverzug geregelter Leistungsver-
zug. Voraussetzungen für den Lieferungsverzug sind:

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Die Fälligkeit der Lieferung ist überschritten. Das ist bei einem kalendermäßigen Fäl-
ligkeitstermin sofort, ansonsten erst nach einer Mahnung mit Setzen einer angemes-
senen Frist.
Es liegt ein Verschulden des Lieferers vor. Das trifft bei grob fahrlässigem oder vor-
sätzlichem Verschulden immer zu. Bei Gattungswaren tritt der Lieferverzug auch oh-
ne Verschulden ein, wenn diese ohne Schwierigkeiten noch beschaffbar gewesen
wären.
Beim Lieferverzug kann der Käufer verschiedene Rechte in Anspruch nehmen, ähnlich wie
beim Sachmangel. Auch hier gibt es jedoch viele Regeln und Ausnahmen zu beachten.
Rechte des Käufers bei Sachmangel oder Lieferverzug
Liegt ein Sachmangel vor, hat der Käufer verschiedene Rechte. Grundsätzlich steht dem
Käufer dabei frei, selbst zu entscheiden, welches Recht er in Anspruch nimmt, allerdings
gibt es hier auch viele Regeln und Ausnahmen. Die Rechte sind
das Recht auf Nacherfüllung bzw. auf Ersatzlieferung. Der Verkäufer muss die
Ware nachbessern (reparieren zur Beseitigung des Mangels) oder eine mangelfreie
Ware als Ersatz liefern. Dieses Recht entfällt jedoch, wenn es für den Verkäufer un-
zumutbar ist (§§ 276, 280, 437 BGB), z.B. wenn es nur ein sehr kleiner Mangel ist
und die Reparatur bzw. Nachlieferung sehr aufwändig sind.
das Recht auf Wandlung, d.h. auf Rücktritt vom Vertrag. Damit wird der Kaufvertrag
nichtig und so getan, als hätte es ihn nicht gegeben. Voraussetzung für die Inan-
spruchnahme dieses Rechts ist die erfolglose Nachbesserung bzw. eine unzumutba-
re Nacherfüllung. Das gilt ebenfalls nicht bei geringfügigen Mängeln (§§ 440, 323).
Auch bei verspäteter Lieferung gilt dieses Recht, wenn der Käufer mit der verspätet
gelieferten Ware den beabsichtigten Zweck nicht mehr erfüllen kann (z.B. Hoch-
zeitstorte nach der Hochzeit).
das Recht auf Minderung des Kaufpreises. Hier bleibt der Kaufvertrag bestehen, le-
diglich der Kaufpreis wird herabgesetzt (§ 441). Hat der Käufer den Mangel jedoch
schon beim Kauf gekannt, so gilt das Recht nicht. Das trifft zum Beispiel zu, wenn in
einem Laden preisgeminderte Waren mit kleinen Mängeln verkauft werden.
das Recht auf Schadenersatz. Dieses Recht ist nur schwer durchsetzbar. Der Käu-
fer muss beweisen, dass er einen direkten und konkreten Schaden erlitten hat. Fol-
geschäden gelten nicht. Weiterhin ist subjektives Verschulden des Verkäufer (§§ 276,
280, 437) Voraussetzung, d.h. der Verkäufer hat vorsätzlich oder grob fahrlässig ge-
handelt. Auch die Erstattung vergeblicher Aufwendungen zählt hierunter. In Kaufver-
trägen zwischen Kaufleuten wird wegen der schweren Berechnung und Durchsetz-
barkeit des Schadensersatzes häufig vertraglich eine pauschale Schadensersatzklau-
sel vereinbart, z.B. „Für jeden Tag, den die Maschine durch Verschulden des Verkäu-
fers verspätet den Betrieb aufnimmt, wird eine Vertragsstrafe von 10.000 € verein-
bart“.
Annahmeverzug
Ein Annahmeverzug liegt vor, wenn der Käufer die gelieferte Ware nicht oder nicht rechtzei-
tig annimmt bzw. der Verkäufer den Kaufpreis. Da der Käufer Gläubiger für die Warenliefe-
rung ist, ist der Annahmeverzug nach BGB eine Form des Gläubigerverzuges. Die Voraus-
setzungen für den Annahmeverzug sind:
eine Fälligkeit der Lieferung oder Leistung. Die Fälligkeit ergibt sich aus dem Kaufver-
trag oder entsteht durch Ankündigung des Verkäufers, dass er liefern wird.

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das tatsächliche Anbieten der Lieferung. Erklärt der Käufer jedoch schon im vornhe-
rein, dass er die Ware nicht annimmt oder muss er sie abholen, genügt ein wörtli-
ches Anbieten der Leistung.
Der Annahmeverzug setzt kein Verschulden voraus.
Im Fall des Annahmeverzuges treten folgende Änderungen bei den Schuldverhältnissen ein:
Die Gefahr des zufälligen Unterganges geht mit dem Eintritt des Verzuges auf den
Gläubiger über.
Die Haftung des Schuldners wird eingeschränkt, sie erstreckt sich nur noch auf grobe
Fahrlässigkeit und Vorsatz.
Für eine verzinsliche Geldschuld sind vom Tage des Verzuges an keine weiteren Zin-
sen zu bezahlen.
Zahlungsverzug
Der Kaufvertrag verpflichtet den Käufer, den vereinbarten Kaufpreis fristgerecht zu zahlen.
Erfolgt das nicht oder nicht vollständig, liegt Zahlungsverzug vor. Da der Käufer die Zahlungs-
leistung schuldet, liegt nach BGB ein als Schuldnerverzug geregelter Leistungsverzug vor.
Voraussetzung für den Zahlungsverzug ist die Fälligkeit der Zahlung:
Bei kalendermäßiger Festsetzung der Fälligkeit kommt der Schuldner mit Eintritt der Fällig-
keit in Verzug. Das ist bei Zahlungen gegenüber dem Staat immer der Fall.
Ansonsten kommt der Schuldner spätestens 30 Tage bei öffentlichen Gläubigern und 60
Tage bei allen anderen Gläubigern nach Zugang der Rechnung in Verzug (§ 286 (4) BGB).
Verschulden spielt beim Zahlungsverzug keine Rolle, da Geldschulden Gattungsschulden
sind. Tritt der Zahlungsverzug ein, ist der Gläubiger (Verkäufer) berechtigt, dem Schuldner
(Käufer) Verzugszinsen zu berechnen. Die Verzugszinsen werden
nach vertraglicher Festlegung berechnet, oder
betragen nach dem BGB
5 Prozentpunkte (§ 288(1)) bzw.
8 (ab 2013: 9) Prozentpunkte im zweiseitigen Handelskauf (§288 (2))
über den Basiszinssatz der Bundesbank.
Die Bundesbank berechnet den Basiszinssatz aus dem Haupt-Refinanzierungszinssatz der
Europäischen Zentralbank (EZB), er wird im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Verzugszin-
sen werden vom Tage des Verzuges an tageweise berechnet. Weiterhin können unter Um-
ständen sonstige Kosten wie Mahnkosten und nachgewiesene höhere Zinsaufwendungen
geltend gemacht werden. Ab 2013 kann eine Inkassopauschale von 40 € ohne Nachweis
tatsächlicher Kosten erhoben werden.
Tritt Zahlungsverzug ein, kann der Verkäufer ein außergerichtliches oder eine gerichtliches
Mahnverfahren in Gang setzen. Weiterhin übergeben viele gewerbliche Verkäufer ihr
Mahnwesen an ein Inkasso-Unternehmen, das nennt man Factoring. Der Factor zahlt dem
Gläubiger einen Abschlag auf dessen Forderung gegenüber dem Schuldner und versucht
dann, auf eigenes Risiko die Schuld einzutreiben. Bei Erfolg erhält der Gläubiger häufig noch
eine Nachzahlung.
Mahnverfahren
Meistens versuchen die Verkäufer zunächst, über eine höfliche Erinnerung eine außerge-
richtliche Klärung herbeizuführen. Wichtig ist, dass die Kunden sofort gemahnt werden,
wenn deren Zahlungen säumig sind oder erscheinen. Dabei muss, vor allem im ersten
Schreiben, darauf geachtet werden, die Kunden nicht zu verletzen. Deshalb heißt das erste

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Schreiben häufig „Zahlungserinnerung“ oder „Kontenabgleich“ oder „Rechnungsduplikat“.


Die Mahnung kann mündlich (hoher Aufwand, erfahrenes Personal, aber höhere Erfolgsquo-
te) oder schriftlich erfolgen.
Üblich sind 2 bis 3 Mahnungen, dann erfolgt die Übergabe an ein Inkasso-Unternehmen oder
das gerichtliche Mahnverfahren.
Im gerichtlichen Mahnverfahren erfolgt die Mahnung des Schuldners auf Antrag des Gläu-
bigers durch das Amtsgericht am Sitz des Gläubigers (oder zentrales Amtsgericht) mittels
Mahnbescheid. Der Schuldner hat dann zwei Wochen Zeit (Widerspruchsfrist), zu handeln:
Er zahlt an den Gläubiger, damit ist das Verfahren beendet.
Er erhebt Widerspruch bei Gericht. Der Gläubiger wird über den Widerspruch infor-
miert. Der Gläubiger kann jetzt oder bereits auf dem Mahnbescheid ein gerichtliches
Streitverfahren beantragen.
Er unternimmt nichts. Innerhalb von 6 Monaten kann der Gläubiger den Antrag stel-
len, einen Vollstreckungsbescheid zu erlassen.
Der Vollstreckungsbescheid ist ein vom Amtsgericht ausgestellter vollstreckbarer Rechtsti-
tel. Er gestattet dem Gläubiger, eine Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu betrei-
ben. Der Vollstreckungsbescheid wird von Amts wegen durch das Gericht oder auf Antrag
des Gläubigers durch einen Gerichtsvollzieher dem Schuldner zugestellt. Der Gerichtsvoll-
zieher kann auch schon mit der Pfändung beauftragt werden.

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3 Wichtige Vertragsarten des BGB


Ein Vertrag ist eine wechselseitig übereinstimmende Übereinkunft zweier oder mehrerer
Personen, etwas zu tun oder zu unterlassen. Der Vertrag kommt durch die Abgabe von Wil-
lenserklärungen zustande (z.B. Angebot und Annahme). Die Willenserklärungen können er-
folgen:
durch konkludentes, schlüssiges Handeln oder auch Nichthandeln,
mündlich (direkt, fernmündlich), oder
schriftlich (direkt, fernschriftlich, öffentlich beglaubigt, notariell beurkundet).
Verträge können wegen Nichtigkeit nachträglich wirkungslos gestellt werden oder sind we-
gen unklarer Wirksamkeit schwebend unwirksam.
Sie bestehen aus einem Verpflichtungsgeschäft (es entstehen Schuldverhältnisse) und Erfül-
lungsgeschäften (die Schuldverhältnisse werden aufgehoben).
In Deutschland sind die meisten Vertragsarten im BGB verankert. Daneben gibt es aber auch
Vertragsarten, die (noch) nicht im BGB geregelt sind, die z.B. aus anderen Ländern über-
nommen wurden wie der Leasingvertrag. Hier gelten dann die Regeln des BGB sinngemäß,
zusätzliche Regelungen werden häufig in Spezialgesetzen getroffen.
Im Folgenden werden die wichtigsten Vertragsarten kurz erläutert.
3.1 Kaufvertrag
Der Kaufvertrag ist in den §§ 433-514 des BGB geregelt.
Inhalt des Kaufvertrages ist die Übertragung des Eigentums und des Besitzes an einer Ware
vom Verkäufer auf den Käufer (Vertragspartner).
Die Verpflichtungen des Käufers sind die Abnahme der Ware und die Zahlung von Geld. Die
Verpflichtungen des Verkäufers liegen in der Übergabe der Sache (Verschaffung des Besit-
zes), der Übertragung des Rechtes an der Sache (Verschaffung des Eigentums) und der An-
nahme des Geldes.
3.2 Schenkungsvertrag
Der Schenkungsvertrag ist ein Vertrag nach §§ 516-534 BGB, in dem sich der Schenker
verpflichtet, dem Beschenkten unentgeltlich einen Teil seines Vermögens zukommen zu
lassen. Vertragspartner sind der Schenker und der Beschenkte. Man unterscheidet zwi-
schen:
der Handschenkung, in der das Schenkungsversprechen und die Erfüllung zusam-
menfallen, und
die zukünftige Schenkung, welche lediglich ein Schenkungsversprechen darstellt, die
Erfüllung liegt in der Zukunft.
Der Schenkungsvertrag muss notariell beurkundet werden. Bei
nachträglicher Bedürftigkeit des Schenkers oder
grobem Undank des Beschenkten
kann der Schenkungsvertrag für nichtig erklärt werden, das verschenkte Gut fällt an den
Schenker zurück. Häufig werden Schenkungsverträge als vorweggenommene Testamente
ausgeführt, das zukünftige Erbe wird noch zu Lebzeiten der Vererber oder des Vererbers an
die oder den Erben übergeben. In diesem Fall wird der Vertrag steuerlich wie eine Erbschaft
behandelt, es fallen Erbschaftsteuern an. Die Steuerpflichtigkeit erlischt nach 10 Jahren.
Auch in den Hofübergabeverträgen für Landwirtschaftsbetriebe werden diese Regelungen

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verwendet, dazu gibt es aber Spezialgesetze (sogenannte Höfeordnungen in einzelnen Bun-


desländern).
3.3 Mietvertrag
Vertrag zwischen Vermieter und Mieter nach §§ 535-580 BGB zur entgeltlichen Überlassung
einer Sache zum Gebrauch.
Der Mieter darf die Sache lediglich nutzen, jedoch keinen eigenen Ertrag, z.B. durch Unter-
vermietung oder Nutzung als Gewerberaum ohne Zustimmung des Vermieters aus dem
Gebrauch ziehen (Fruchtziehung). Die Pflichten des Mieters bestehen in der pünktlichen und
vollständigen Zahlung des Mietzinses und der Rückgabe der Sache nach Ende des Vertrages
in vereinbartem Zustand.
Die Pflichten des Vermieters liegen in der Verschaffung des Besitzes an der Mietsache für
den Mieter und dem Erhalt der Sache in einem gebrauchsfähigen Zustand.
3.4 Pachtvertrag
Der Pachtvertrag ist ein Vertrag nach §§ 581-597 BGB zur vertraglichen Überlassung einer
Sache oder eines Rechts gegen Entgelt. Vertragspartner sind Verpächter und Pächter.
Der Pächter erwirbt mit dem Pachtzins auch das Recht auf Fruchtgenuss, d.h. die üblichen
Erträge aus dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Pachtobjektes gehören bei ordentli-
cher Wirtschaft dem Pächter. Der Pächter ist verpflichtet, einzelne Gegenstände der Pacht-
sache zu erhalten. Muss er die Pachtsache komplett erhalten, spricht man von der „Eiser-
nen Pacht“. Das findet bei der Verpachtung ganzer Unternehmen Anwendung.
Ansonsten gelten im Wesentlichen die Regeln des Mietrechtes.
3.5 Leihvertrag
Der Leihvertrag nach §§ 598-606 BGB regelt die unentgeltliche Überlassung einer Sache
vom Verleiher an den Entleiher.
Die Pflichten des Entleihers sind die Rückgabe der Sache (und keiner anderen!) nach Ablauf
der Leihfrist bzw. nach Aufforderung des Verleihers sowie die sorgfältige Behandlung der
Sache während des bestimmungsgemäßen Gebrauchs. Er hat kein Recht auf Weiterverlei-
hung. Der Entleiher muss auch keinen Ersatz für Abnutzungen und Verschlechterungen an
der Leihsache leisten, wenn diese aus dem vertragsgemäßen Gebrauch herrühren. Bei
Schäden durch nicht vertragsgemäßen Verbrauch richtet sich die Haftung nach dem allge-
meinen Schadensersatzrecht.
Der Verleiher hat hingegen gemäß § 599 BGB nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu ver-
treten. Weiterhin muss der Verleiher bei einem Schadenseintritt beim Entleiher für den
Schaden aufkommen, wenn er arglistig einen Mangel an der Sache verschwiegen hat (§ 600
BGB). Sofern für die Sache Unterhaltungskosten anfallen (z. B. bei einem Tier), trägt diese
gemäß § 601 BGB regelmäßig der Entleiher.
3.6 Darlehensvertrag
Der Darlehensvertrag ist ein Vertrag zur verzinslichen oder zinslosen Hingabe von Geld
(Gelddarlehen) oder anderen vertretbaren Sachen (Sachdarlehen) mit der Maßgabe, andere
Sachen gleicher Art, Menge und Güte nach Ablauf einer Frist zurückzugeben (§§ 607-610
BGB). Vertragspartner sind der Darlehensgeber (Kreditgeber) und der Darlehensnehmer
(Kreditnehmer).
In der Umgangssprache wird Darlehen oft mit einem langfristigen Kredit über Geld gleichge-
setzt, hierbei ist die vertretbare Sache Geld. Der Darlehensvertrag besteht aus dem Ver-
pflichtungsgeschäft, das Darlehensversprechen, und dem Erfüllungsgeschäft, der Übergabe
der Sache.

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Üblich ist die Vereinbarung eines Zinses als Bezahlung. Nach der Berechnung des Zinses
und der Art der Tilgung des Darlehens werden Annuitätendarlehen, Ratendarlehen und end-
fällige Darlehen unterschieden.
Die Ausgabe eines Darlehens setzt ein großes Vertrauen des Darlehensgebers voraus, das
der Darlehensnehmer das Darlehen und die Zinsen wie vereinbart zurückzahlen kann und
will. Daher auch die Bezeichnung Kredit, von creditere = lat. für vertrauen. Zur Sicherung des
Darlehens kann eine zusätzliche Sicherungsabrede getroffen werden. Sicherheiten können
reale Objekte sein (Grundschuld, Hypothek, Sicherungsübereignung, Bürgschaften, Abtre-
tungen oder die Person des Darlehensnehmers.
Da der Darlehensvertrag eine große Bedeutung in der Wirtschaft besitzt, gibt es hierzu viele
spezielle Bestimmungen und Sondergesetze.
3.7 Dienstvertrag
Im Dienstvertrag nach §§ 611-630 BGB vereinbaren die Vertragspartner die Erbringung eines
Dienstes gegen Entgelt. Die Vertragspartner sind der Dienstberechtigter (der Gläubiger der
Dienstleistung) und der Dienstverpflichteter (Schuldner). Geschuldet wird vom Dienstver-
pflichteten die Leistung als solche, nicht der Erfolg aus der Arbeitsleistung. Das Verpflich-
tungsgeschäft besteht im Versprechen der Erbringung der Arbeitsleistung, das Erfüllungs-
geschäft im tatsächlichen Erbringen der Arbeitsleistung.
Typische Dienstverträge sind
der Arztvertrag oder Krankenhausvertrag,
der Mandatsvertrag mit einem Rechtsanwalt oder Steuerberater,
der Unterrichtsvertrag, insbesondere im Fernunterricht,
das Anbieten einer Software bzw. die Übernahme von Rechenleistungen, sowie als
wichtigster Dienstvertrag,
der Arbeitsvertrag.
Der Arbeitsvertrag, auch Anstellungsvertrag, ist nach deutschem Recht ein Vertrag zur Be-
gründung eines privatrechtlichen Schuldverhältnisses über die entgeltliche und persönliche
Erbringung einer Dienstleistung. Im Unterschied zum freien Dienstverhältnis ist das durch
den Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnis von der persönlichen Abhängigkeit des Ar-
beitnehmers vom Arbeitgeber gekennzeichnet. Der Arbeitnehmer kann im Wesentlichen
nicht selbst seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen. Er ist vielmehr in die
Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert und unterliegt typischerweise den Wei-
sungen des Arbeitgebers über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit.
Aufgrund des Arbeitsvertrags ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die vertragsgemäße Arbeits-
leistung zu erbringen; der Arbeitgeber hat als Gegenleistung eine Vergütung zu gewähren.
Die Höhe der Vergütung richtet sich nach der Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder nach ei-
nem anzuwendenden Tarif. Ist keine Vergütung vereinbart, so ist die für vergleichbare Tätig-
keiten übliche Vergütung zu leisten. Daneben können im Arbeitsvertrag weitere Leistungs-
pflichten vereinbart werden. Soweit Inhalt, Zeit und Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag
nicht konkretisiert sind, unterliegt deren Bestimmung dem Direktionsrecht des Arbeitgebers,
das dieser nach billigem Ermessen ausüben kann.
Ein Arbeitsvertrag wird in der Regel auf unbestimmte Zeit geschlossen, unter bestimmten
Voraussetzungen ist aber auch ein befristetes Arbeitsverhältnis zulässig. Bei Neueinstellun-
gen wird zumeist eine Probezeit vereinbart.
Vielfach ergeben sich auch die weiteren Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien,
wie zum Beispiel Gewährung von Urlaub, Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Kündigungs-
fristen nicht aus dem Arbeitsvertrag selbst, sondern insbesondere aus arbeitsrechtlichen

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Gesetzen und Tarifverträgen. Im Ganzen wird das Arbeitsverhältnis von einem beträchtli-
chen arbeitsrechtlichen Regelwerk (Kündigungsschutz, Einschränkung von Befristungen,
Arbeitsschutz, Arbeitszeitgesetz, Betriebsverfassungsgesetz) flankiert und seine Gestaltung
damit teilweise der Disposition der Vertragsparteien entzogen. Dies ist Folge des strukturel-
len Machtungleichgewichts der Vertragsparteien und Ergebnis der sozialstaatlichen Intenti-
on, die darauf aufbaut, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung durch abhängige Arbeit
seinen Lebensunterhalt bestreitet.
Mit der Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitsvertrag entstehen sowohl
für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber Haupt- und Nebenpflichten bzw. sonstige
Pflichten. Dies sind insbesondere, für den Arbeitgeber, die Fürsorgepflicht (§ 242 BGB), Be-
schäftigungspflicht, Pflicht zur Urlaubsgewährung, Gleichbehandlungspflicht, Pflicht zum
Ersatz von Aufwendungen und Schäden des Arbeitnehmers an seinen bei der Arbeit benutz-
ten Sachen, Einblick in die Personalakte, Informationspflicht, Pflicht zur Zeugniserteilung.
Der Arbeitsvertrag wird in der Regel auf unbestimmte Zeit geschlossen; es gibt verschiede-
ne Möglichkeiten einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Eine Befristung ist nur ein-
geschränkt innerhalb bestimmter gesetzlicher Vorgaben zulässig. Das unbefristete Arbeits-
verhältnis endet regelmäßig durch Kündigung einer Partei oder durch Aufhebungsvertrag,
wobei jeweils Schriftform vorgeschrieben ist. Das Arbeitsverhältnis endet auch automatisch
bei Tod des Arbeitnehmers.
Die Beschäftigung eines Beamten ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet und wird daher nicht
über das Zivilrecht, sondern über das Beamtenrecht, einem Teilgebiet des Verwaltungsrech-
tes, gelöst.
3.8 Werkvertrag
Der Werkvertrag nach §§ 631-650 BGB ist ein Vertrag über die Herstellung eines Werkes
zwischen dem Unternehmer (Hersteller des Werkes) und dem Besteller.
Werke können sein:
die Herstellung einer Sache, z.B. der Bau eines Hauses oder die Anfertigung eines
Maßanzuges,
die Veränderung einer Sache, z.B. die Reparatur eines Gegenstandes oder das Ma-
lern einer Wohnung
ein Erfolg durch Erbringung einer Arbeit, z.B. das Schneiden der Haare, Einholen ei-
ner Baugenehmigung u.a.
Typisch für den Werkvertrag ist, dass ein abgeschlossenes, abrechenbares Werk vereinbart
wird.
Die Pflichten des Bestellers sind:
die Abnahme des Werkes nach Fertigstellung,
die Bezahlung des vereinbarten Werklohnes, und
eventuell Mitwirkungspflichten, z.B. Herausgabe von Unterlagen oder Modellsitzen
beim Maler.
Die Pflichten des Unternehmers sind die Herstellung und Übergabe des Werkes sowie die
Annahme des Werklohnes.
Für konkrete Werkverträge sind grundsätzlich die Vorschriften des Werkvertrags anwendbar,
aber häufig werden im Einzelfall stattdessen auch andere Vertragstypen wie Dienstvertrag,
Kaufvertrag mit Montagevereinbarung, Bauvertrag, Werklieferungsvertrag, Beförderungsver-
trag, Frachtvertrag, Reisevertrag, Geschäftsbesorgungsvertrag, Ingenieurwerkvertrag oder
andere gemischte Verträge in Betracht kommen.

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Der Unternehmer kann den Werkvertrag nur vorfristig kündigen bei grober Pflichtverletzung
des Bestellers, z.B. Unterlassung der Mitwirkung oder Nichtzahlung von vertraglich verein-
barten Abschlägen auf den Werklohn. Der Besteller kann den Werkvertrag jederzeit kündi-
gen, schuldet dem Unternehmer aber dann den vereinbarten Werklohn, vermindert um er-
sparte Aufwendungen und mögliche andere Gewinne.
3.9 Werkliefervertrag
Der Werkliefervertrag nach § 651 BGB ist ein Werkvertrag, bei dem das zur Herstellung des
Werkes notwendige Material vom Unternehmer geliefert wird. Für die Erstellung des Wer-
kes gelten die Reglungen des Werkvertrages, für die Lieferung des Materials die Regeln des
Kaufvertrages.
3.10 Geschäftsbesorgungsvertrag
Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist ein Vertrag nach § 675 BGB über die Besorgung von
Geschäften im Auftrag und im Namen eines anderen. Wichtige Formen sind:
der Geschäftsführervertrag: Führen der Geschäfte einer GmbH im Namen der GmbH,
die Berufung zum Vorstand einer Aktiengesellschaft, einer Genossenschaft oder ei-
ner Stiftung, und
der Vertrag als Bevollmächtigter bzw. Generalbevollmächtigter, z.B. für eine Erben-
gemeinschaft (Testamentsvollstrecker).
3.11 Gesellschaftsvertrag
Der Gesellschaftsvertrag ist ein Vertrag nach §§ 705-740 BGB zur Regelung der Rechtsver-
hältnisse in einer Gesellschaft und zwischen den Gesellschaftern. Die konkrete Ausgestal-
tung richtet sich nach den gesetzlichen Grundlagen der Rechtsform (BGB, HBG, AKtG,
GmbHG, GG).
3.12 Versicherungsvertrag
Im Versicherungsvertrag wird die teilweise oder vollständige Übernahme der Kosten aus
einem eingetretenen Risiko beim Versicherten (oder Versicherungsnehmer) durch den Ver-
sicherer vereinbart.
Die Pflichten des Versicherungsnehmers sind die Zahlung der vereinbarten Versicherungs-
prämie und die Wahrung der Sorgfalt zur Verhinderung von Schäden bzw. zur Verminderung
der Schadenshöhe.
Die Pflichten des Versicherungsebers bestehen in der Übernahme der Kosten aus Schäden
in vereinbarter Form und Höhe sowie die Unterstützung des Versicherungsnehmers bei der
Risikobegrenzung.
3.13 Leasingvertrag
Der Leasingvertrag wurde im angelsächsischen Wirtschaftsraum (vor allem USA) entwickelt
und ist nach deutschem Recht eine Kombination aus Mietvertrag und Kaufvertrag. Inhalt ist
die Überlassung einer Sache oder eines Rechtes zum Gebrauch durch den Leasinggeber an
den Leasingnehmer über eine vereinbarte Zeitdauer mit der Vereinbarung eines Restwertes
zum Ende des Vertrages. Der Leasingnehmer hat am Ende der Laufzeit des Vertrages die
Wahl:
Er gibt die Sache zurück.
Er least die Sache erneut.
Er erwirbt die Sache (Kauf zum vereinbarten Restwert).
Leasingverträge sind vor allem für Unternehmen günstig, aber auch im Privatbereich werden
heute immer mehr Leasingverträge eingesetzt, z.B. beim Erwerb von PKW.

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Leasingverträge haben für Unternehmen gegenüber dem Kauf auf Kredit folgende Vorteile:
es entsteht keine Verbindlichkeit in der Bilanz des Unternehmens, dadurch bleibt es
kreditwürdig und vermehrt sein Eigenkapital,
die regelmäßig anfallenden Leasingraten lassen sich gut kalkulieren und sind steuer-
lich besser absetzbar, oft sind sie auch niedriger als Kreditraten,
die geleasten Wirtschaftsgüter werden nicht Eigentum des Unternehmens, dadurch
wird es flexibler,
durch die ständige Erneuerung der Leasingverträge bekommt das Unternehmen im-
mer die neueste Technik und Technologie, z.B. beim Leasing von IT.
Allerdings haben Leasingverträge auch Nachteile, vor allem die Zinsen sind höher als bei
Kreditverträgen (der Leasinggeber möchte auch Gewinn machen) und der Leasingnehmer ist
unter Umständen eingeschränkt bei der Auswahl der Produkte (Firmenbindung).
3.14 Franchisevertrag
Der Franchisevertrag ist ein Vertrag über die Überlassung einer Lizenz des Franchisegebers
gegen eine Gebühr (einmalig und/oder laufend) an den Franchisenehmer. Der Franchiseneh-
mer wird verpflichtet, Produkte oder Dienstleistungen des Franchisegebers rechtlich und
wirtschaftlich selbständig original zu produzieren bzw. zu vertreiben.
Häufig bieten die Franchisegebers weitere Leistungen an, wie:
die Bereitstellung von Erfahrungen und Kenntnissen (Schulungen),
die Unterstützung beim Aufbau des Unternehmens,
die Übernahme des Marketing, z.B. zentrale Produktentwicklung, Werbung etc.,
die Überlassung von Bezugsquellen.
Ein großes und bekanntes Franchiseunternehmen ist z.B. McDonalds. Die McDonalds Corp.
als Franchisegeber entwickelt die Produkte, kauft die Rohstoffe, fertigt die Vorprodukte an
und gestaltet die Werbung. Die Franchisenehmer sind selbständige Unternehmer, die ein
Restaurant betreiben. Sie werden komplett von McDonalds beliefert und müssen ihr Res-
taurant nach den Vorgaben des Franchisegebers gestalten und organisieren.
3.15 Factoringvertrag
Der Factoringvertrag ist ein Vertrag, in dem ein Finanzierungsunternehmen (der Factor) die
Forderungen, die beim Verkauf von Waren oder Dienstleistungen des Vertragspartners anfal-
len, ankauft und das Ausfallrisiko übernimmt.
Die Vorteile für den Vertragspartner sind
die Erlöse aus dem Verkauf fließen schneller zurück, dadurch verbessert sich die Li-
quidität,
das Ausfallrisiko trägt weitestgehend der Factor, und
der Factor übernimmt weitere Dienstleistungen, z.B. das Forderungsmanagement
(Debitorenbuchhaltung), das Mahnwesen und die Überprüfung von Geschäftspart-
nern.
Im offenen Factoring werden die Kunden informiert und zahlen direkt an den Factor, im Ge-
gensatz zum stillen Factoring, bei dem der Kunde das Factoring nicht bemerkt.

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