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ARNO HOLZ

PHANTASUS
VERKLEINERTER
FAKSIMILEDRUCK
DER ERSTF ASSUNG

HERAUSGEGEBEN
VON GERHARD SCHULZ

PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART


.Ber\iq 1898 Jl Sassenbac~
Universal-Bibliothek Nr. 8549 [2]
Alle Rechte vorbehalten. © 1968 Philipp Reclam jun., Stuttgart
Bibliographisch ergänzte Ausgabe 1984 -
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Printed in Germany 1984 €rs!e5 tief!
ISBN 3-15-008549-7
)'fachl.
j)er J.horr1 vor meinefll fensler rausch!,
von seinen ]3\ätlern junkelt der rhau ins Gras,
und mein ljerz
schläg!.
)'lach!.
{iq Jiund .. be\\l, . eiq ,?weig , .. knickt, - still!
Still!!
j)u? ... j)u?
J.h. deine ljand ! Wie kalt, wie kalt!
ünd ... deine J.ugen ... gebrochen!
Gebrocheq ! !
7"eiq ! }'/ein! j)u darjst es nicht sehr,,
dass die .S:ippeq mir zucken,
und auch die thränen nicht, die ich kindisch Ufll dich vergiesse --·
j)u armes Weib 1
J.lso nachts.
nachts nur noch wagst du dich,
schüchtern,
aus deinefll Sarg ?
Üfll dich au/ ,?eheq zu mir zu schleichen?
J.rmes Weib 1

[5]
Verbbht
die l\ränze, die du gewunden.
verweht
die .,1:ieder, die du gesungen.
und ir1 deineq fjaareq, in deinen schöneq fjaaren.
klebt nuq die
€rde.
t'ot. tol. tot
ünd deine flügel. deine armen flügel !
ünbarrnherzig heruniErges chni tten
vor, cleq schimmerndeq Schulterr, ah. weine nicht 1 Durch die friedrichstrasse
'weine nicht!
fjier ! fjier ! ,Zu mir sollst du dich setzeq, die raternen brennen nur noch halb,
nächtlich, allnäch:lich, der trübe Wintermorgeq dämmert schoq -
bis der ,Morgeq bummle ich nach fjause.
graut, J11 mir, langsam, steigt eiq )3ild auf.
bis die Sonne
scheint, €iq grüner 'wiesenplaq,
und die 'weit. eiq lachender f rühlingshimmel,
die kluge 'weit, wieder gleichgültig über dein Grab rollt eiq weisses Schloss mit weisseq Nympheq.
fjorch ! Davor eiq riesiger l\aslanienbaum,
der seine roten )3lütenkerzeq
Der .)\horn vor meinem fensler rauscht. iq einem stillen Wasser spiegelt!
der rhau trop/1,
und mein fjerz
schlägt.
j''1achl, Nacht. Nacht

[6] [7]
,Zwischer, Gräben und gr;;uen Jiecken,
Jcli liege noch irn l3ell und habe eben r(ajfee getrunken. den T(ockkragen hoch, die tjände in den raschen.
!Jas f euer irn Ofen knattert schon, schlendre ich durch den frühe11 /l!ärzmorgen.
durchs fens!er,
das ganze Stübchen füllend, falbes Gras. blinkende .S:achen und schwarzes .Brachland
Schneelicht. so weit ich sehn kann.
Jch lese. Dazwischcq,
mitten in den weissen tjorizont hinein,
Jiuysmans. .ü l3as. wie ers1arrt.
... .)'dors, eine \veidenreihe.
en sa, blanche splendeur, Jch bleibe slehn.
l'ame du Jvfoyen J.ge rayonna dans cette salle ..
)'/irgends e,n .S:aul. )'loch nirgends ..1:eber,.
j?lötzlich, )'/ur die .l:u/t und die .l:andscha/t.
irgendwo tiefer irn Jiause,
ein r(anarienvogel. Gnd sonnen los, wie den tjimmel, fühl ich mein lierz !
!)ie schönsten .S:äufe ! Plötzlich ein }'(lang,
Jch lasse das l3uch sinken. Jch starre in die \volkeq.
!)ie J.ugen schliessen sich mir, Geber mir,
ich füge wieder da, den r(opf in die r(issen jubelnd,
durch immer heiler werdendes .l:icht,
die erste .l:erche !

[8] [9]
fern liegt ein .S:and !
)ilitten au/ d1n1 }'lalz,
wo die l\ind,r lärmen, J n dunklen )'/ächten
bleib ich slehn. rauschten schwermütig seine €ich1n.
Weiche flocken deckten mein Grab.
Jungens,
die sich Ufl\ eine )ilurmel zanken, Jetzt blühn die Primeln,
ein kleines )ilädchen, das i\eifen spielt ... die Drossel singt,
und über grüne Wiesen, Ufl\ den blauen See
Jim Goll, f rühling ! !reibt der Schäfer seine Schafe.
und nichts, nichts hab ich gesehn ! Weisse Wölkchen gleiten.
J\us allen :ßüschen Du süsse Welt!
brechen ja schon die J\nospen ! j\u/ deinen glänzendsten Stern
hast du ein ]ierz, das dich liebt, gmtlet !

[10] [11]
.)'.us weissen Wolken
baut sich ein Schloss.
Schönes, grünes, weiches Gras. Spiegelnde Seeen, selige Wiesen,
Drin liege ich. singende :Brunnen aus tief stell\ Smaragd!
/Yiillen zwischen :Butterblumen!
Jn seinen schimmernden !}allen
üeber mir, wohnen
warfl\, die alten Götter.
der fiimmel:
ein weites, zitterndes Weiss, ]'loch immer,
das mir die .)'.ugen langsafl\, ganz langsafl\ abends,
schliesst. wenn die. Sonne purpurn sinkt,
glühn seine Gärten,
Wehende .l:uft, ... ein zartes Summen. vor ihren Wundern bebt mein !}erz
und lange ... steh ich.
]'lun bin ich fern
von jeder Welt, Sehnsüchtig!
ein sanftes il_oth erfüllt mich ganz,
und deutlich spür ich, Dann naht die ]'lacht,
wie die Sonne mir durchs :Blut rinnt - die .l:uft verlischt,
minutenlang. wie zitterndes Silber blinkt das Meer,
und über die ganze Welt hin
Versunken .)'.lies. ]'lur noch ich. weht ein Duft
wie von il_osen.
Selig.

[12] [13]
Jch bin der reichste }v!ann der Welt!
}v!eine silbernen Yachten
schwimmen auf allen }v!emn.
Goldne Villen glitzern durch meine Wälder in japan,
in himmelhohen .)l.lpensmn spiegeln sich meine Schlösser,
Jn eineni Garten au/ tausend Jnseln hängen meine purpurnen Gärten.
unter dunklen :Bäumen
erwarlen wir die f rühlingsnach!. Jch beachte sie kauni.
]'loch glänzt kein Stern. J.n ihren aus :Bronze gewundenen Schlangengittern
geh ich vorbei,
J.us eineni f enster, über meine Diamantgruben
schwellend, lass ich die .S::ämmer grasen.
die t'öne einer Geige ....
J)ie Sonne scheint,
Der Goldregen blinkt, ein Vogel singt,
der flieder duftet, ich bücke mich
in unsern ijerzen geht der t,1ond auf! und pfiücke eine kleine Wiesenblume.
Ond plötzlich weiss ich: ich bin der ärmste :Bettler 1
€in ]'lichts ist meine ganze terrlichkeit
vor dieseni t'hautrop en,
der in der Sonne fun eil.

[14] [15]
ferq auj der Jnsel ]'lurapu
blüht der j3aum j3o.
Jq seineq Wurzelq singt die See,
durch seine ,Zweige ziehq die Sterne.
;Auj einrn1 langeq J,s!, meiq Gott: die ljir!iq und der--Schornsteinf eger?
Die niedlicheq kleineq Schuhe, der goldne lju!,
die schwarze feiler, der ljirlenslab ...
Vor meinem fenster Jhr hab! also doch nicht zurückge/undiq?
singt eiq Vogel.
Still hör ich zu; meiq ljerz vergeht. J\ch Gott, ja:
wenq maq aus j,'orzellaq ist!
€r singt, Das alle S!übcheq mit dem Spiegel!ischcheq,
was ich als ~ind besass das verschnörkelt, Spind aus J,!ahagoniholz,
und danq - vergesseq.
der blaue, gemütliche ~achelo/eq !
Grossmutters [ulpeq !
Das wareq noch ,:Zeiteq !
ljier ruft keine ~ukuksuhr,
hier du/lel keiq .l:awendel!opf;
hier braust die See,
hier ~iehq die Sterne.
CTnd ich sitze und weine bitterlich 1

[16 J [17]
üeber die Welt hin ziehen die Wolken.
Vergeben? Jch? Dir? Grün durch die Wälder
..l:ängst, ~iesst ihr .S::icht.
Jch thats, noch eh ichs wusste. !ierz, vergiss !
Jlber vergessen? Vergessen? ... ,Ylch, wenn ichs könnte r Jn stiller Sonne
Oft, webt linderndster ,Zauber,
mitten im hellsten Sonnenschein, unter wehenden !)turnen blüht tausend t rost.
wenn ich fröhlich bin und „an nichts denke", Vergiss I Vergiss!
plötzlich,
da, Jlus fernem Grund pfeift, horch, ein Vogel. ...
grau hockt es vor mir, €r singt sein .S::ied.
... wie eine !\röte!
Das .S::ied vom Glück!
Ond ,Yllles, ,Yllles scheint mir wieder schaal. Sehaal und trostlos.
Das ganze .S::eben. Vorn Glück,
Ond ich bin traurig. traurig über dich ... und mich.

[18] [19]
°[\ote j)ächer!
;\us den Schornsteinen, hier und da, °[\auch,
oben, hoch, in sonniger .S:u/1, ab und zu, Z:auben.
-Es ist j'lachmittag.
;\us J,'lohdrickers Garlen her gackert eine ijenne,
die ganze Stadl riecht nach J\af/ee.
Jch bin ein kleiner, achtjähriger Junge
und liege, das l\in~ in beide fäuste,
platt au/ defll j3auch
ijinter blühenden J.p/elbaumzweigen und kucke durch die j3odenluke.
steigt der J,'lond au/. Clnter mir, steil, der ijof,
hinter mir, weggeworfen, ein i3uch.
,Zarte 11.anken, franz ijoffmann. j)ie Sclavenjäger.
blasse Schalten
zackt sein Schimmer in den l;ies . Wie still das isl !
•fau\105 fiiegt ein f alter. j'lur drüben in l\norrs 'f\egenrinne
zwei Spatzen, die sich Ufll einen Strohhalfll zanken,
Jch strecke mich selig ins silberne Gras ein J,'lann, der sägt,
und liege da und dazwischen, deutlich von der l\irche her,
das ijm ifll ijimmel ! in kurzen Pausen, regelmässig, hämmernd,
der J\upferschmied Lhiel.
Wenn ich un:en runtersehe,
sehe ich gradq a':f ,Mutters i3lumenbrelt:
ein Z:opf Goldlack, zwei (.öp/e .S:evkoyen, eine Gmnie
und mittendrin, zierlich in einefll Cigarrenkistchen,
ein ijümpelchen 'f\eseda.
Wie das riecht? i)is zu mir rau/!
Clnd die farben 1
Jetzt I Wie der Wind drüber weht 1
j)ie wunder, wunderschönen farben !
Jch schliesse die ;\ug2i]. Jch sehe sie noch immer.

[20] [21 J
1:

,Zwischen !Jergen im Sonnenschein


liegt am fluss das Städtchen.
!jier oben von meinem ,Meilenstein seh ich über atle Dächer.
Jn einen brennenden J.bendhimmel,
aus Staub und Dunkel, l\mengrade steigt der 'R.auch.
steigt der Dom. j)urch einen blühenden 15ollunderbusch
Die Glocken läuten. unterscheide ich deutlich,
unter der aller1 Grünspankuppel,
Die kleinen .l::inden stehen schwarz, die thurmuhr.
vor ihren thüren sitzen alte .i::eutc.
€in himmelblaues ,Zifferblatt mit weimn ,Zahlen.
feierabend!
Noch drei kleine Striche,
Die Gassen schweigen. und die gesammte !Jürgerschaft
setzt sich pünktlich zu ,Mittag.
Die Gluth erlischt,
am !jimmel ,Zwölf!
leise
ziehn die ewigen Sterne auf. €5 isl heute Sonnabend, es giebt also überalt €ierkuchen.
Jch köpfe vergnügt eine Distel
und wandre weiter.

[22] [23]
lachend iq die Siegesallee
schwenkt ein }Y1ädchenpensiona!.
Donnerwetter, sind die chic!
v)ippe~de, grünblau schillernde Changeantschirme,
lange, buttergelbe schwedische fiandschuhe,
sich bauschende, silbergraue, von roten 'Culpen durchfiammle Velvetb\ousen.
Jm 'Chiergar\en. au/ einer j3ank, sitz ich und rauche; Drei junge .S:eulnants drehn ihre Schnurrbärte.
und /reue mich über die schöne Vormitlagssor,ne.
}Y1onoc\e5.
Vor mir, glitzernd, der }(anal:
den fiimmel spiegelnd, beide IJ/er leise schaukelnd. j)ie }(avalkade amüsiert sich.
IJeber die j3rücke, langsam Schrill, reitet ein .S:eutnan!. fünfzig braune, \rappelnde Strandschuhe,
jünjundzwanzig klingelnde j3elle\armbänder.
IJnter ihm,
zwischen den dunklen, schwimmenden }(astanienkronin, links,
pjrop/enzieherartig ins Wasser gedreht, hinter ihnen drein.
-- deq }(rageq siegellackrot - die j31icke kohlschwarz,
seiq Spiegelbild. ihr J)rache.
Wehe!
€in }(ukuk
ru/1. 'die die Sonne durch die j3äume goldne }(ringe\ wir/\ ...
.)\eh was!
Und ich kriege die Schönste, die sich nicht sträubt, UIT\ die 'Caille,
- die ganze Gesellschaft stiebt kreischend auseinander,
)iuuch ! die alte .)\nslandsglucke /ä\11 in Ohnmacht - ·
und rufe:
Mädcheq, enlgürlel euch und tanzt nackt zwischen Schwertm\ 1

[24 J [25]
Jn meiner!\ glühendsten tulpenbauIT\
lausend ]3lülen !
€ine süsse Stimme singt:
,.]31aue flügel aus }'erlmut!er,
a\5 Jjochzeitsbett ein .l:ilienblatl,
Jch möchte alle Geheimnisse wissen 1 eine ganz kleine Prinzessin 1
J,lle Sterne, über die }{iem rollen, schöpf ich mit meiner fiand. !\einer kennt mich.
Jn meine '[ räume )'/iemand weis5,
drehn sich Wellen, wo mein Jjaus steht.
und mich entzückt das kleinste )'lest,
das iIT\ Sommer ein Schwalbenpaar Sieben 'R,egenbogenbrücken
an meine[!\ Giebel baut. funkeln zu ihr!\ durch meinen Garten.
Das leiseste ,Zwitschern draus Wenn in deine Seile die Sonne scheint,
rührt an mein Jjerz ! besuch mich mal.
Jjörsi du?"
Starr,
aus Schlangen gewunden,
steht der !)au[!\.
€in Windsloss rüttelt,
wii tanzende flammen wehn sein, ]3liite~.

[26] [27]
r
See, See, sonnig~!! See, soweit du siehst!
üeber die rollenden Wasser hin, jauchzend, tausend tritonen.
;\uf ihren Schultern,
muschelempor,
hoch,
ein Weib.
Jhre )'lacktheit
in die Sonne.
ünter ihr,
triefend,
die blendenden 'Perlmullerwände immer wieder von )'leueni hoch,
dick, /eist, verliebt,
wie !\röten,
sieben alte, glamsrige ,Meertaper.

Jch liege zwischen dunklen Spiegelwänden. Die Gesichter! Das Gestöhn und das Gepruste!

Grüne, glimmende Seesterne, Da,


;\ugen, die glotzen, plötzlich,
ein riesiger 'R,ochen reisst sein Maul au/. wütend aus der tie/e,
]'leptun.
€in Druck, und sie leuchten!
Sein ]3art
Durch einen roten l\orallenwald segell ein silberner )vfondfisch ! blitzt.
Jch liege und rauche aus meiner Wasserpfeife. ,,fja\lunken !"
ünd, plitschplatsch, sein Dreizack den sieben Schlappschwänzen Ull\ die Glatzen.
j)it brüllen 1
Jann, schnell,
hier noch ein paar latschen, dort noch ein !Jauch ~-
weg sind sie.
Die Schöne
lächelt.
)'leptun
verbeugt sich.
,,,Madani ?"

[28] [29]
r
I,1
,!

J.uf einem vergoldeten :Blumenschiff


Jn meinen grünen Steinwald mit €benholzmasten und purpursegeln
scheint d,r J,1 ond. schwimmen wir ins of/ne Meer,
Jn seinem .S:icht fiinter uns,
sitzt ein blasses Weib und singt. zwischen Wasserrosen,
schaukelt der ),!ond.
Von einem Sonnensee,
von blauen :Blumen, C::ausend bunte papierlaternen schillern an seidnen fäde~
von einem 1\ind, das Mutter ruft.
Jn runden Schalen kreist der Wein.
/vlüde
fällt die fiand ihr übers 1\nie, Die .S:auten klingen.
in ihrer stummen fiarfe J.us fernem Süd
glänzt der Jiiond. taucht blühend eine Jnsel ...
Die Jnsel - der Vergessenheit 1

[30] [31]
]'/achls Ufll meineQ tempelhaiQ
wacheQ siebzig jlronzekühe.
jYiich schuf l\orinth. ich sah das ]{teer.
'Causend bunle SleinlampeQ nimmerQ.
tausend Jahre
j\u/ eine111 roleQ throQ aus .S:ack unl er Schutt und tempeltrümmerQ
silz ich i111 j\llerheiligsteQ. lag ich in schwarzer €rde.
Geber mir, ,ZwischeQ ro\eQ Diste!Q i111 ;AbendscheiQ weide\eQ .ZiegeQ,
durch das Gebälk aus Sandelholz, über meiQ blühendes Grab blieseQ fiir!eQ.
i111 ausgestochneQ Viereck.
stehQ die Sterne. tausend Jahre war ich tot.
Jch blinzle. fieul scheint die Sonne, der fiimmel lachl, ich lebe!
\venQ ich jelzl au/stünde, J111 alteQ park
zerlrümmerteQ meine el/enbeinerneQ SchulterQ das Dach, steh ich nackl aus weisse111 Marmor.
und der eirunde Diamant vor meiner SlirQ
sliesse deQ Mond eiQ. j\uj meine SchullerQ
durch gezacktes .S:aub
Die dicken j,riesler dürjeQ ruhig schnarcheQ. ja\leQ zitternde t upjeQ.
Jch slehe nichl au/. Meine ;Au9eQ,
weil geö/jnet,
Jch sitze mil unlergeschlageneQ jleineQ slarreQ auj eiQ grünes Wasser.
und beschaue meineQ ]'labe!.
JQ breiten, überhängenden l\astanienblätterr\
Der isl eiQ blutender °f\ubiQ spiegdt sich und zuckl
iQ eine111 nackteQ jlaucr, aus Gold. seiQ .S:icht.

[32] [ 331
1:1:
iij
!

Musil(.
Durchs Schilf glotz! der j3ehemol.
sieben nackle Erzengel decken mich mil ih,q Schwertern.
ljeilig, heilig, heilig ist der ljerr!
Jn einefT\ alten Park ein Schlösschen.
Die Welt verßiessl,
lleber seinefT\ bemooslen Dach glänzt ein Sommerhimmel. mein silberner Wolkenbart durchßutet den ljimmel.
sieben verwilderte Laxusallmn
!reffen sich vor seiner '[hür. Jch schnarche.

Jch halle die ljand vor und sehe in ein fensler. Eine schwimmende Walfischheerde UIT\ Spitzbergei\;
ein wehendes Palmenbaumblalt auj ,Zanzibar,
]'lichts. eine Mücke in $urinal!\, die ihre flügel putzt ...
Dann, ]'lanu?
blinkend,
ein Goldrahmen, €il\ kleines Mädchen /in de siede
verschwimmende farben. - schwarze Strümpfe, gelbes Seidenkorse!! und lila ljösche,l.
jetzt, hinten das blitzende Schniepe\chen
deutlich: wupps, auf meine IT\ Schooss !

€ine rosenüberstreute '[apete, Die Musik verslummt,


ein blauer Divan, der j3ehemot grunzt,
eine nackte Dame /ültert einen ~akadu ! ihre züngelnden Schlangenschwerter ßammend wie fackeln.
dräuen die Erzengel.
Diese frechheit !
])as entzückende j3alg kilzel! mich mit einer Pf auen/eder .
.,Sie ... ,14.lterchen ... j3onbon gefällig?
€mmy! 1

[34] [ 35]
"•I:
1

J n mein eil\ schwarzen t" axuswald


singt ein ,Märchenvogel - Ull\ mein erleuchtetes Schloss wehn Cypressen.
die ganze }'facht.
Jch höre sie nicht. Jch fühle sie.
,Blumen blinken.
J.lle meine .l:ichter werden erlöschen.
unter Sternen, die sich spiegeln, der letzte Geigenion verklingt,
treibt mein ,Boot. durchs fenster
,Meine träumenden ljände in meinell\ brechenden j3\ick
tauchen in schwimmende Wasserrosen. spiegelt sich der ,Mond.
unten,
lautlos, die t"ief e.
fern die ufer! Das .l:ied...

[36] [37]
----

ünten im Dorf
i_.i_:·.·1:·'.,
11'1
;\us einem J\ornfeld, hinter der l\irchhofsmauer
i'
1.,,,,1
;1
schräg zum See,
hob sich die Iinde.
schläft der },1üller.
Die ]',1ühle steht still.
;\uf schmalem fussweg aq ihr vorbei,
jedeq )'/achmittag durch die Juliglut zum ,Baden, ..)\uf ihrem morscheq Gebälk kriecheq ]',1arieenkäferchen,
wir Jungens. über sie fiiegt eiq J\ukuk hiq.
Der blaue fiimmel, die tausend gelben ,Blüten, das .i3ienengesumm l ... J\ukuk ... J\ukuk ...
Gnd noch immer, ])eq slei\eq Weg durchs ll;orq her kommen l\inder,
wenn die ;Indern längst unten waren, lacheq, schwatzeq und slopfeq Gras durch die ititzen.
- aus dem Wasser klang ihr Iachen und Geschrei -
stand ich. €ins kuckt durch.
Gnd sah den fiimmel ... ll;ukuk ...
und hörle die _ilieneq
und sog den Duft. Jnneq:
Sonnenstrahlen und Schmel!erlinge !
'i;

,'i:

[38] [39]
'I,
'

Jch weiss.
Oft
wars nur ein J:a:hen, ein fianddruck von dir,
oder ein )iärchen, ein blosses fiärchen,
das dir der Wind ins Genick geweht.
und all mein j31ut
gährte gleich auf,
und all mein )ierz
schlug nach der. Dann losch das .Zieht,
und durch die Stille
Dich haben, dich haben, nur noch dein )ierzschlag ...
dich endlich mal haben.
ganz und nackt, ganz und nackt! Seligkeit!
Clnd heut, Jni Garten, frühauf, pfi/1 ein Vogel,
zuni ersten )lial, von lausend Gräsern lroj/ der thau,
unten ani See, glitzernd ini )liiltag, der ganze )iimmel stand in i\,osen.
sah ich dich so.
J:ieber ! J:iebe !
Ganz und nackt! Ganz und nackt! Clnd wieder: l\uss au/ l\uss ...
Clnd mein !im v.'as kann die \velt uns jetzt noch bieten!
stand still.
Vor Glück, vor Glück,
Clnd es war keine \vell meh,,
nichts, nichts, nichts,
li
es war nur noch Sonne, nur noch Sonne -
so schön warst du!

[ 40] [ 41]
....-

Jch trat in mein .Zimmer.


Die fenster standen weit auf, €in kleines fiaus mit grüner thür
draussen und fimen in den f ensterläden !
schien die Sonne.
J.bends,
Wie wunderbar, unter den Silberpappeln,
i\osen? sitzen wir mit unsern Jungens.
€in ganzer Strauss!
Weisse, gelbe und dunkelrote ... .,,Muller, ,Muller, der ,Mond is kaput !"
J.h, wie das duftete l Wie das wohl !hat 1 Der l\leinste kuckt auch.
llnd ich stellte das Glas wieder auf meinen Schreibtisch. .,!3iela!
]3ist du ein ,Maikäfer?"
Dort steht es und schimmerl nun,
und in J.lles, was ich schreibe, fällt sein schöner Schein. ,,Sa."
Du .l:iebe, du Gute!

[42] [43]
,...-
111

i[I,
i,,:i
i li'II' J.m andern ,Morgen ist der !)iela krank.
Der arme !)iela !
-Er sitzt vergnügt im !Jett und pappt ~uchen.
1

!ll 1

€in mal noch,


Sein Bruder bevor wir schlafen gehn,
r,,
·1 . .,1.1
spielt. zu unsern Jungens!
,1!1
:i' .. Du - ,Mutter? Jn beide !)ettchen scheint der )vlond.
)vlein !)är is aucl\ krank!"
Der !)iela nocl\ im J.rm das Püppchen,
So? sein j3ruder um den ljals die Perlenkette ...
Jfa was fehlt ihm denn?
.l:eise,
,,]'/a, den hat docl\ n Schmetterling gebissen?" au/ Spitzzehen,
lasten wir in unser ,Zimmer.

[44] [45]
l\eiq .S:aul'
]'/ur die }'appe\q fiüsterq.
Der alte t'ümpel vor mir schwarz wie Z:inte,
urri mich, über mir, voq alleq Seiteq,
auf fledermausfiügelq,
die ]'lacht,
und nur drübeq noch,
1_i1:
zwischeq deq beideq \veidenstümpfeq,
II die sich irri Dunkelq wie Dracheq dehneq,
Du gingst. malt, fahl, verröche\nd,
i: eiq letzter Schwefelstreif.
Die j3\älter ... fa\\e~. j\uf ihrri, scharf, eine Silhouette: eiq fauq, der die flöte bläst.
i:lli:
J~ blaue Dämmrung sinkt das 'Chat. Jch sehe deutlich seine finger.
Jch starre i~ die steigende~ j'febeL Sie sind alle zierlich gespreizt
,'II'
,jl!: und die beideq kleinsteq sogar höchst kokett aufwärts gebogeq.
i,; Da, Das graziöse ~öhrcheq quer iq ihrer ,Mitte
I;,, einmal noch. aus der ferne, schwebt fast wagerecht über der \inkeq Schulter.
1.\:'
1,1 weht dei~ Z: uch. .)\uch die rechte sehe ich.
1l1 ]'/ur deq l\opf nicht. Der fehlt. Der ist run\ergekullert.
i1
Grüsse ! Grüsse' Der liegt seit hundert Jahreq schoq
unteq irri Z:ümpel.
l!ii Jch strecke sehnsüchtig die .)\rme ...
ii11

Vorbei. }'litsch! -? €iq frosch.


'I'
1i'.

.111
.)\us de~ Silberpappel~ schreieq die Staare i~ de~ Sonnenuntergang. Jch biq zusammengeschroc~eq.
!II,
Der Streif drübeq erlischt,
111'
ich fühle, wie das Wasser !\reise treibt,
:!1
und die uralte Steinbank, au/ der ich sitze,
schauert mir plötzlich ihre l\älte bis ins Genick hinauf.
..... ?
]'/eiq. ]'/ichts. ]'{ur die }'appelq.

[ 46] [ 47]
I"""
' 1,,I'
. 1'1
:1li
11

i'
il

i1 1

ij'
1~
~ Draussen die I)üne.
1
1.1 ;\us schwerefll Schlaf €insafll das 'fiaus.
eintönig,
\I~
ln -
plötzlich erwacht,
es ist noch ;\\\es dunkel, ich liege da - ans f enster,
!j
formt sich, in mir, langsafll, eine Strophe. der i\egen.
ii!I 'fiinter mir,
l
;,,11
l'lil
üeber den Sternen .. .
tictac,
eine uhr,
1~
üeber den Sternen .. .
1'1!: meine Stirn
l'ji' Geber den Sternen hängt eine 'fiarfe. gegen die Scheibe.
~
;jl Selig sitzt die )'facht und singt. Nichts.
1·, Singt, dass die zitternden 'fimen klopfen l
;\lles vorbei.
r.
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;\us den Saiten Sonnen tropfen.

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üeber den Sternen hängt eine 'fiarfe,
selig sitzt die )'lacht und singt!
Grau der 'fiimmel,
grau die See
und grau
1' das 'fim.
Die ;\ugen zu, die .Zähne zusammen,
i) dass ich nicht schluchze!
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