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Tilman Hoppstock

Die Lautenwerke Bachs


aus der Sicht des Gitarristen

Vol. 1
Suiten BWV 995 / 996
Kommentar von Gustav Leonhardt

mit großem Interesse habe ich Ihre Arbeit über die Lautenwerke Bachs
gelesen. Ich wünsche Ihrer Publikation den verdienten Erfolg und hoffe,
dass viele Gitarristen sich mit dem Inhalt Ihres mit sovieler Akribie verfass-
ten Buches auseinandersetzen werden. Mit Bewunderung für Ihre sehr
seriöse Leistung und mit freundlichen Grüßen,

Ihr

Gustav Leonhardt
Amsterdam, 2. April 2009
4 INHALT

INHALTSVERZEICHNIS

Kommentar von Gustav Leonhardt .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3


Vorrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Kleiner Exkurs über die Verzierungen bei Bach .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Tempo-Relationen .................................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

SUITE BWV 995


Zur Entstehungsgeschichte - Allgemeines ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Die Vorlage: Cellofassung - Die Lautenfassung - Die Intavolierung -
Besetzung - Die Suite auf der Gitarre - Notenausgaben - Andere Bearbeitungen

Prélude (Einleitung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Übersicht - Die Bässe - Terzenschichtung - Bindungen oder Campanella - Welches Tempo -
Verzierung und rhythm. Notation - Pausen - Schlussakkord/Anfangsakkord?

Prélude (Trés Viste) ............................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62


Das Thema - Fuge oder Nichtfuge/Mehrstimmigkeit - Die Cellofassung -
Kurzanalyse - Versuch einer Fuge - Abweichende Rhythmik
Allemande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Charakter/Rhythmus/Cellofassung - Die Dramaturgie in Harmonie und Satz -
Allemande als Rezitativ - Polyphonie - Artikulation/Legatospiel - Bearbeitungsfragen

Courante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Die Harmonie - Melodie und Artikulation - Die Cellofassung -
Die Intavolierung - Charakter und Tempo - Verzierungen

Sarabande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Typus der Sarabande - Ein harmonischer Kosmos - Satzstruktur und Notation -
Dynamik und Legatospiel - Die Pausen - Artikulation - Fingersatz

Gavotte I & II .................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126


Allgemeines - Paarbildung - Charakter und Tempo -
Gavotte I . . . . . . ...................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Harmonie und Satz - Artikulation und Polyphonie - Die Cellofassung -
Bearbeitung und Lesarten - Verzierungen
Gavotte II . . . . . .................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Charakter - Satztechnik/Artikulation/Cellofassung - Harmonie -
Bearbeitung/Fingersatz - Verzierungen
Gigue . . . . . . . . . . ...................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
Harmonie und Gliederung - Die Cellofassung - Artikulation und Tempo -
Polyphonie - Die Intavolierung - Bearbeitung und Lesarten

Tempo-Relationen (BWV 995) ................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158


34 Verzierungen bei Bach

Vorschläge (Durchgänge) bei fallenden Terzen


In allen Lehrbüchern des Barock wird immer wieder deutlich auf die Möglichkeit hingewiesen, den
Zwischenraum bei fallenden Terzen oder Terzsequenzen durch Vorschläge auszufüllen. Auch verein-
zelte Terzintervalle darf man zur Intensivierung des Ausdrucks mit Zwischennoten versehen. Wie die
rhythmische Einpassung zu erfolgen hat, ist vom Kontext der Melodietöne abhängig. Ein wunderba-
res Beispiel für Bachs Fantasie und Flexibilität zeigt Paul Badura-Skoda in seinem Buch „Bach Inter-
pretation” (5, S. 438) anhand zweier Fassungen der bekannten Invention BWV 772:
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Invention C-Dur BWV 772 (frühe Fassung):
m
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# œœœœœ œ œ œ œ œ œ œ
c œœ œ œ
V
Ó ≈œœœœ œ œ œ œ Œ ≈ œœœœ œ œ œ
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Invention C-Dur BWV 772a (letzte Fassung): m
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V c œœ œœœœœœœœ œ
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Ó ≈œœœœœœœœœ œ Œ ≈
3 3
3 3

Die intavolierte Version der Suite BWV 997 weist in T. 23 der Sarabande eine ähnliche Variante auf:
(Abschrift Kirnberger + Agricola): (Intavolierung Weyrauch):

œ œœ œ œ œ œ œ œ œ œœœ œœœ
œ #œ #œ œ #œ œœ
œ œ #œ #œ œ #œ œ
Œ
œ œ œ œ œ œ œ
œ (8)
(8) (8)

In Gavotte en Rondeaux aus der Suite BWV 1006a schreibt der Komponist in Takt 91 statt einer
einfachen Fassung...

œ #œ œ ‹œ œ œ #œ œ ‹œ œ 3 3

œ œ œ #œ œ œ œ œ œ
œ ˙ œ Œ #œ ˙
j ...eine Triolisierung j

Œ œ Œ #œ
˙
der Terzen: Œ œ ˙
Die Takte 1 bis 8 (also das Rondeaux-Thema) werden - teilweise leicht verändert - sechs mal zitiert.
Warum sollte man hier nicht ein wenig Fantasie entwickeln?
œœ œ œ œ œ œ
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Gavotte en Rondeaux aus BWV 1006a, Takt 3 (Autograph):
˙ œ ˙
Mögliche Varianten:
3 3
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œ œ œ œ œ œ œ œ œ
˙ œ ˙ œ ˙ œ
BWV 995 - Allemande 91

Um nicht missverstanden zu werden: Das vorige Beispiel dient nicht als Verbesserungsvorschlag,
um dem Lautensatz eine im Prinzip überflüssige Stimmenerweiterung aufzudrängen. Der Zweck
dieses Experiments liegt darin, den Sinn für andere Interpretationsstandpunkte zu schärfen. Da die
Musik von Bach (im Gegensatz zu den meisten anderen Komponisten) nun einmal sehr stark in
einen linearen kontrapunktischen Kontext eingebunden ist, hilft eine solche Vorgehensweise oft-
mals, eine neue innere Struktur und somit auch eine zusätzliche Aussage der Musik offen zu legen.
Im Grunde geht es nur darum, alte Standpunkte immer wieder zu hinterfragen und die eigene
Sichtweise zu erweitern. Der Gitarrist Paul Galbraith konzentriert sich in seiner Schallplattenein-
spielung ebenso auf die Linearität der Allemande und setzt zur Unterstützung dieses Gedankens eini-
ge Töne hinzu, um das Stück sozusagen im Fluss zu halten.
Ein vielleicht noch besseres Anschauungsobjekt für diese Vorgehensweise ist die Allemande aus
der Partita Nr. 1 für Violine solo BWV 1002.

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Version 1: Original:
Ÿ
# # c œ œœ .. œ œœ .. œ œ œœ .. œ œ œ . œ œœ .. œ œ œ . œ œ . œ œ œ œ
23 V J œ . J œ. œœ .. # œ . œ œ . œ œ. œ.
œ. #œ. œ nœ.
J J J
Version 2: Lineare Bearbeitung als 2-stimmiger Satz mit Beibehaltung der Melodie:
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V   #œ œ nœ ˙ # œœ œ œ œ œœ œ œ œ
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24

Version 3: Lineare Bearbeitung, 3-stimmig auskomponiert:


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V  œ . œ œ  œ œ œ œ œ œ œ œ # œœ . œ œ œœ œœ . œ œ
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25

Schauen wir uns an, wie der Komponist selber diese ouvertürenhafte Allemande für einen linearen
Verlauf eingeebnet hat:
Version 4: Originale Doublefassung Bachs:
## c œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œœœœœœœ œ
V J #œ œ n œ œ #œ œ œ œ œ œ œ
œ
26
m

Version 5: Doublefassung Bachs in polyphoner Notation:



# # c œ œœ œ œ œ œœ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ. œ œ œ œ
V  # œ œ n
œ œœ œ. #œ œ œ œ
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114 BWV 995 - Sarabande

Sarabande ohne Vorhalte (in 4er-Takt transfomiert):

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Für eine noch bessere Verständlichkeit werden nun die ursprünglichen Überlagerungen in ihrer
Grundordnung „zurechtgerückt” und das ganze Stück in eine „getanzte” Fassung eingedampft.
Durch Berücksichtigung des vertikal-akkordischen Aspekts lassen sich die Harmonieabfolgen
noch besser heraushören. Der Einfachheit halber wurden einige typische Bach-Dissonanzen ein
wenig reduziert. Das Ergebnis klingt dann eher nach Händel oder Telemann als nach Bach.
Sarabande aus BWV 995, als harmonisch „übersetzte” Fassung:

Bereich a-moll ➞ Bereich C-Dur➞


j œ œ œ. j j
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V 4 œ # œœ œ. œ
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39
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a-moll F-Dur d-moll E-Dur - - - - - - - - a-moll - - - - - - F-Dur

(Bereich C-Dur ➞) Bereich d-moll ➞


j
6
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V ˙. œœ œœ œ œœ œ ˙˙ ...
˙˙ .
˙. œ œ ˙ bœ œ ˙
G-Dur - - - C-Dur F-Dur G-Dur C-Dur - - - - - - - - - g-moll - - - - -

(Bereich d-moll ➞) Bereich a-moll ➞


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V #œ ˙ ˙
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A-Dur - - - - d-moll - - - - D-Dur - - - - E-Dur - - - - a-moll d-moll -

(Bereich a-moll ➞) j j
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16
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V œ œ #˙ #˙ œ œ œ œ˙ . œ œ .
˙
E-Dur - - - a-moll H-Dur - - E-Dur - - - - - d-moll E-Dur a-moll
116 BWV 995 - Sarabande

... dann hätte sich im ersten Fall d-moll sehr geradlinig zu E-Dur entwickelt oder im zweiten Fall
wäre H-Dur (durch den Vorhalt e-dis) sehr deutlich zur Geltung gekommen. Bach jedoch schenkt
uns in seiner Version einer Anordnung von exakt 8 Tönen ein Wechselbad an Gefühlen: Momente
der Spannung, Andeutungen von Akkordauflösungen und im Grunde ein permanentes Schwanken
zwischen den Harmoniewelten, die uns - und das ist allerdings klar - in jedem Fall zu E-Dur füh-
ren. Aber auch diese rettende Insel ist mit Dissonanz zersetzt:

œ œ #œ œ œ #œ œ
#œ œ
‰ œ œ #œ œ #œ
œ
Sarabande, Takte 15/16:
Œ œ Œ œ Œ Œ
(8)

Das folgende Bild zeigt nun eine duale Harmonieinterpretation als eine Art Metamorphose der
Klangentwicklung. Durch die geringe Menge an Tonmaterial entsteht eine sphärische Schwebung
im Raum, in der harmonische Übergänge zeitlich versetzt vollzogen werden. Entscheiden Sie
selbst, wann und wie für Ihr Ohr die jeweiligen „Verwandlungen” stattfinden.
Sarabande, duale Harmonieanalyse:
a-moll d-moll E-Dur F-Dur
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œ Œ œ œ œ Œ
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V 34 œ # œ œ #œ
Œ Œ œ Œ Œ #œ Œ Œ œ Œ Œ œ œ Œ Œ
F-Dur E-Dur a-moll (8)

g-moll
A-Dur
6
‰ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ
∑ .. .. œ œ œ Œ
œ œ #œ œ Œ
V
œ Œ Œ œ œ œœ ˙. Œ Œ bœ Œ Œ œ
G-Dur C-Dur F-Dur G-Dur C-Dur C-Dur

(g-moll) d-moll
(A-Dur) j d-moll a-moll H-Dur 5b
11 bœ œ œ
‰ œ œ #œ œ Œ ‰ œ œ œ#œ ‰ œ œ œ œ#œ œ œ#œ œ
# œ œ œ œ
V
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(A-Dur) D-Dur E-Dur F-Dur

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H-Dur

œj E-Dur
H-Dur
j
16
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V # œ œ œ œ # œœ œ œ .
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œ Œ Œ Œ Œ #œ Œ Œ # œ
E-Dur a-moll d-moll a-moll d-moll E-Dur a-moll
180 BWV 996 - Preludio (Passaggio)

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248 BWV 996 - Sarabande

Polyphonie - Tonlängen

Der kontrapunktische Gedanke, also die Korrespondenz verschiedener Stimmen untereinander,


spielt bei Bach immer eine Rolle, selbst dann, wenn die Oberstimme zu dominieren scheint. Gilt
das auch durchgängig für die Sarabande aus Suite BWV 996? Hier ist die Variabilität der Polypho-
nie besonders augenscheinlich, da die Stimmenanzahl häufig wechselt (3-6). Im ersten Teil zeigt
sich der Satz (mit Ausnahme einiger Akkorde) überwiegend 3-stimmig-polyphon.

In den Takten 9 bis 11 Mitte (ab Beginn von Teil 2) scheint Bach dann tatsächlich für einen
Moment von diesem Konzept abzuweichen. Der Diskant wird nun mit Akkorden auf einzelnen
Taktschlägen unterlegt; aber nach dem gewaltigen verminderten 6-Klang auf Zählzeit eins von
Takt 11 (dem höchsten Punkt der Melodie) beginnen sich die einzelnen Töne wieder zu sortieren
und finden zurück in ihre Selbständigkeit als separate Stimmen. Kurzzeitig erklingt der Satz wie
ein ricercarartiges zweitaktiges Fragment...
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... um dann in den Takten 13 und 14 erneut die vorige Idee von Melodie und Akkordbegleitung auf-
zugreifen. Und wieder treten die Stimmen ab Takt 15 in nähere Korrespondenz zueinander:

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13
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In welchem anderen Werk Bachs begegnen wir noch einer solche Flexibilität in der Satzstruktur?

Besonders beeindruckend ist der Schluss (Takte 22 bis 24), der uns zurückführt in die Vokalpoly-
phonie der Spätrenaissance. Ob auf Laute, Gitarre oder Cembalo: Jeder Musiker wird auf seine Art
und Weise versuchen, das beeindruckende Satzgeflecht (ein wahrer Klangkosmos von vier im end-
los weiten Raum verteilten Stimmen) zum Klingen zu bringen. Um einen etwas anderen Hörein-
druck von dieser außergewöhnlichen Passage zu vermitteln, in der Bach jede einzelne Stimme so
gesanglich nachzeichnet, habe ich die Takte 21 bis 24 im Mehrspurverfahren mit dem Cello aufge-
nommen (das nachstehende Beispiel zeigt den Satz in seiner polyphonen Aufteilung).
280 BWV 996 - Faksimile Gerber

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