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Energiewende ganzheitlich denken

Handlungsempfehlungen des BDI für ein


­zukunftsfähiges Marktdesign
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Energiewende ganzheitlich denken 3
Handlungsempfehlungen des BDI für ein
­zukunftsfähiges Marktdesign

Vorwort
Die Energiewende und die Energiepolitik in Deutsch- den, hat der BDI gemeinsam mit seinen Mitgliedern ein
land haben einen fundamentalen Einfluss auf die Ener- Konzept zum Strommarktdesign erarbeitet. Die Breite
giemärkte, das Zusammenspiel der Akteure und die der deutschen Industrie steht hinter diesem Konzept, das
entstehenden Kosten für alle Verbraucher. Neben der der- durchaus als Grundsatzpapier verstanden werden darf. Es
zeit vorherrschenden Unsicherheit über den zukünftigen zeigt die zusammenhängenden unterschiedlichen Heraus-
Rechtsrahmen, infolge derer die Marktteilnehmer kurzfris- forderungen, die eine Weiterentwicklung des deutschen
tiger planen und handeln, bringt es vor allem der momen- Energiesystems notwendig machen, auf und diskutiert den
tan steigende Anteil volatiler erneuerbarer Energien mit möglichen Lösungsraum. Wir benennen klare Anforde-
sich, dass die Gesamtsystemkosten deutlich anwachsen. rungen für ein neues Marktdesign, an denen die Politik
ihre Gestaltung ausrichten muss. Nicht zuletzt kommt es
Daneben ist trotz einer fortschreitenden europäischen In- dabei auch auf das richtige Timing an.
tegration der Energiemärkte wieder ein Trend zu einer ver-
stärkt nationalen Energiepolitik erkennbar. Im Fokus der Mit den vorliegenden politischen Handlungsempfehlun-
Diskussionen um ein Gelingen der Energiewende müssen gen beziehen wir Stellung zu den relevanten Fragen des
daher vor allem drei Fragen stehen: Wie sollte der Strom- Strommarktdesigns. Maßstab und Leitbild für den BDI
markt der Zukunft gestaltet sein? Wie sind die erneuer- sind dabei eine marktwirtschaftliche und zugleich euro-
baren Energien in diesen Markt zu integrieren, um die päisch ausgerichtete nachhaltige Energiepolitik. Für uns
Kosten ihres Ausbaus für die Verbraucher zu begrenzen? steht fest: Es existieren verschiedene, aber nicht vonein-
Und wie ist zugleich die Versorgungssicherheit zu jedem ander zu trennende Handlungsfelder, die es zu bearbeiten
Zeitpunkt zu gewährleisten? gilt. Daher kann nur eine ganzheitliche Betrachtung zu ei-
nem zukunftsfähigen Strommarkt führen. Alle Beteiligten
Der Bundesverband der Deutschen Industrie beteiligt müssen endlich die „Energiewende ganzheitlich denken“!
sich intensiv an dieser Debatte. Ausgehend von der „Kom-
petenzinitiative Energie“, in der die Grundlagen für die
Diskussion um den Strommarkt der Zukunft gelegt wur-

Dr. Markus Kerber Dr. Christopher Grünewald


Hauptgeschäftsführer und Vorsitzender des Ausschusses
Mitglied des Präsidiums Energie- und Klimapolitik
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
4 Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Energiewende ganzheitlich denken
Handlungsempfehlungen des BDI für ein
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Vorschläge des BDI für die Gestaltung eines zukünftigen


Marktdesigns

Marktdesign ist vielfältig und umfassend Gegen die übereilte Einführung eines dauerhaften
Die Neugestaltung des Marktdesigns der Zukunft fin- Subventionsmechanismus – Versorgungssicherheit
det auf verschiedenen Handlungsfeldern statt. Neben schrittweise gewährleisten
der Wirtschaftlichkeit von Kraftwerken zur Gewähr- Um die Versorgungssicherheit in Form von Vorhal-
leistung der Versorgungssicherheit stehen die Markt- tung gesicherter Leistung in ausreichender Höhe zu
integration und Kosteneffizienz für erneuerbare gewährleisten, ist die Wirtschaftlichkeit von auch
Energien, die Investitionsanreize für den Klima- weiterhin notwendigen konventionellen Kraftwer-
schutz, die Zukunftsfähigkeit der Finanzierung der ken sicherzustellen. Dies geschieht vorzugsweise über
Stromnetze sowie die notwendigen Flexibilisierungs- die Ertüchtigung des Energy-Only-Marktes, der mo-
optionen. mentan diese Anforderung nicht mehr erfüllt, sowie
über das Zusammenwachsen der nationalen Märkte
Man springt zu kurz, wenn man eines der Handlungs- in Europa. Übergangsweise kann die Option einer
felder ausklammert. Nur eine ganzheitliche Betrach- Strategischen Reserve hilfreich sein. Wenn trotz die-
tung führt zu einem optimalen Ergebnis. ser Maßnahmen und einer Reform der Förderung er-
neuerbarer Energien keine Bereitstellung ausreichend
fester Erzeugungskapazitäten sichergestellt werden
Ordnungspolitische Leitplanken sind notwendig kann, können Ergänzungszahlungen zum Wholesale-
und hilfreich Markt zulässig sein. Diese dürfen nur solange beste-
Bei der Entscheidungsfindung in den einzelnen Hand- hen, bis sichergestellt ist, dass dauerhaft ausreichend
lungsfeldern müssen grundsätzliche Prinzipien fest- gesicherte Leistung bereitgestellt werden kann. Vor-
stehen, damit ein schlüssiges zukünftiges Marktdesign aussetzung ist eine europäische Einbindung im Rah-
entstehen und bestehen kann. Es muss gelten: men des Market-Coupling.

• Wettbewerb vor Regulierung!


• Ein Ziel - ein Leitinstrument! Erneuerbare Energien in den Markt integrieren
Die Förderung der erneuerbaren Energien über Ein-
speisetarife hat in der Vergangenheit dazu beigetragen,
Europäische Lösungen gehen vor nationalen den Ausbau voranzutreiben und die Technologien in
Alleingängen Richtung Marktreife weiter zu entwickeln. Bei einem
Die Energiewende kann nur europäisch gelingen. Die Anteil der erneuerbaren Energien von mittlerweile
deutsche Energiepolitik muss daher mit der europä- rund einem Fünftel an der Bruttostromerzeugung
ischen Energiestrategie und unseren Nachbarländern kann über diesen Mechanismus jedoch keine bedarfs-
koordiniert werden. Ein möglicher zweistufiger Weg gerechte Stromerzeugung mit Angebots- und Nach-
der Umsetzung besteht in anfänglichen Kooperatio- fragestrukturen mehr gewährleistet werden. Daher
nen auf regionalen, grenzüberschreitenden Märkten, müssen die erneuerbaren Energien über die Direkt-
die schließlich zusammengeführt werden in einen effi- vermarktung integriert werden. Die Förderung findet
zient funktionierenden europäischen Strommarkt. hierbei über eine Marktprämie statt, die für Techno-
logien in einem frühen Stadium ihres Lebenszyklus
technologiespezifisch zu gestalten ist.
Kosteneffizienz und Wettbewerbsfähigkeit sind
elementare Ziele
Die Belastungsgrenze für die Stromverbraucher – pri-
vate und Unternehmen – durch die Kosten der Ener-
giewende ist bereits überschritten. Die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie ist in
Gefahr. Daher müssen die Gesamtkosten der Ener-
giewende mithilfe eines effizienten neuen Marktde-
signs zum entscheidenden Maßstab für den Erfolg der
Energiewende gemacht werden.
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Klimaschutz durch Fokussierung stärken Netzausbau verursachungsgerecht finanzieren


Inkonsistenzen und Überlagerungen bei der Ener- Wer Kosten für den Netzausbau verursacht, muss
gie- und Klimapolitik zeigen es: weniger ist manch- diese auch mittragen. Daher müssen für Erzeuger
mal mehr. Das EU-Zertifikatesystem EU-ETS ist ein von Strom aus erneuerbaren Energien bei der Über-
effektives und marktorientiertes Instrument, um die nahme der Anschlusskosten die gleichen Bedin-
europäisch gesteckten Klimaziele kosteneffizient zu gungen gelten wie für konventionelle Anlagen. Die
erreichen. Deswegen muss das EU-ETS als Leitinstru- weniger über die elektrische Arbeit als vielmehr stark
ment der europäischen und deutschen Klimapolitik fixkostenbasierten Netze müssen außerdem über
für den Zeitraum ab dem Jahr 2020 etabliert werden eine stärkere leistungsbasierte Komponente bei den
und mit anderen Instrumenten, insbesondere der För- Netzentgelten abrechenbar sein.
derung von erneuerbaren Energien und der Regulie-
rung beim Thema Energieeffizienz, kostenseitig aktiv
verknüpft werden. Das bedeutet, dass sowohl die Ziele Flexibilitätsoptionen entlang der Versorgungskette
als auch die Instrumente zum Klimaschutz so zu erschließen
koordinieren sind, dass die Gesamtkostenbelastung Flexibilitätsoptionen stellen einen wesentlichen Bei-
nicht weiter steigt. EU ETS, Erneuerbaren-Ausbau und trag zur Versorgungssicherheit dar. Neben Speichern
Energieeffizienzsteigerungen müssen in eine kohä- und flexiblen Kraftwerken kann hier vor allem die
rente energie- und klimapolitische Gesamtstrategie in- Nachfrageflexibilisierung unterstützend eingrei-
tegriert werden. fen. Um diese marktbasiert zu steigern, müssen die
Präqualifikationsbedingungen von Verbrauchern
zur Teilnahme am Regelenergie- und Regelleistungs-
markt erleichtert werden.
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Ausgangssituation und Handlungsfelder


Die Energiewende in Deutschland stellt einen großange- Einfluss der Stromproduktion durch PV auf die
legten, langfristigen und umfassenden Infrastrukturaus- Mittel- und Spitzenlastkraftwerke
bau dar. Sie ist grundsätzlich machbar und eröffnet die Deutsche Stundenkontrakte
Chance, Deutschland zu Wachstum, Beschäftigung, Tech- PV-Stromproduktion [ MW] [€/MWh]
nologieführerschaft und neuen Märkten zu verhelfen. Vor 20.000 140
allem der Strombereich ist momentan in der öffentlichen Einsatz Mittel-und 130
Spitzenlastkraftwerke 120
Diskussion besonders präsent. Er wird nach der Umset-
110
zung der Energiewende ein anderer sein als heute: er wird 15.000
100
dezentraler, komplexer, CO2-ärmer und weiterhin kapital- 90
intensiv sein. An vielen Stellen des heutigen Energiesys- 80
tems bringt die vielfältige Umsetzung der Energiewende 10.000 70
60
daher neue Herausforderungen mit sich. So hat beispiels-
50
weise der Ausbau der erneuerbaren Energien deutliche 40
5.000
Auswirkungen auf den täglichen Strompreisverlauf am 30
Großhandelsmarkt. Durch ihren Einspeisevorrang und 20
10
ihre fluktuierende Erzeugung fließen zum Teil nur schwer
0 0
prognostizierbare und zeitlich nicht steuerbare erneuer-
0

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bare Strommengen ins deutsche Stromnetz. Dies führt zu
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04

06

08

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12

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20

22

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verschiedenen Herausforderungen, die sich mit dem wei- EPEX 15.05.2008 EPEX 16.05.2012
teren Ausbau in der Zukunft noch verstärken werden: Stromproduktion 15.05.2012

Quelle: EEX, RWE


• Das heutige Marktdesign aus Grenzkostenpreisbildung
und der Förderung erneuerbarer Energien erzeugten
ein Paradoxon: Obwohl die Produktionskosten steigen,
gehen die Marktpreise zurück. So senken erneuerbare • Die Systemsicherheit des Stromnetzes auf verschiede-
Energien zu ihren Peak-Einspeisezeiten vor allem die nen Spannungsebenen wird durch die zeitlich, mengen-
kurzfristigen Großhandelspreise an der Strombörse mäßig und regional stark schwankende Einspeisung der
(Spotmarkt) und führen an immer weniger Zeitpunk- erneuerbaren Energien vor Herausforderungen gestellt;
ten zu einer Nachfrage nach konventionell erzeugter, um die Spannung und Frequenzen aufrecht erhalten zu
steuerbarer Elektrizität; durch erneuerbare Energien können, werden die Netzbetreiber durch die Fluktua-
erzeugter Strom setzt somit auch hocheffiziente und fle- tionen zu einer stark gestiegenen Zahl an notwendigen
xible Kohle- und Gaskraftwerke finanziell unter Druck, Netzeingriffen veranlasst; die Folgen sind einerseits
die aufgrund ihrer kürzeren Einsatzzeiten und der ge- eine Kostenerhöhung und andererseits die erhöhte
sunkenen kurzfristigen Preise dann oftmals nicht mehr Wahrscheinlichkeit regionaler Engpässe.
wirtschaftlich betrieben werden können; sie werden • Durch ihre lokal verteilten und zeitlich unregelmäßi-
aber langfristig weiterhin gebraucht, um in Zeiten, in gen Einspeisungen, die derzeit nicht gesteuert werden,
denen die erneuerbaren Energien nicht ins Netz ein- sondern einerseits vom Zubau und andererseits von den
speisen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. jeweiligen Wetterbedingungen getrieben sind, ist nicht
Neben diesem generellen Phänomen entstehen zusätz- gewährleistet, dass der Strom immer dort erzeugt wird,
liche regional spezifische Herausforderungen durch wo er auch gerade benötigt wird. Das heißt, die Ener-
das politisch vereinbarte sukzessive Abschalten der gie muss oftmals erst noch über weite Strecken an den
Kernkraftwerke. Hierdurch können lokale Unterver- Abnahmeort transportiert werden. Hierdurch erfahren
sorgungssituationen entstehen, wenn nicht alternative vor allem die Übertragungsnetze eine zusätzliche Be-
Erzeugungskapazitäten in ausreichender Menge zur lastung, da sie bisher für diesen zusätzlich benötigten
Verfügung stehen oder Stromnetze ausgebaut werden. Elektrizitätstransport nicht ausgelegt sind. In der Folge
An einigen Tagen im Jahr lässt sich aufgrund der in- wird immer mehr subventionierter erneuerbarer Strom
stallierten Kapazität theoretisch bereits die gesamte ins Ausland exportiert oder Erneuerbare-Anlagen auf
Stromnachfrage durch erneuerbare Energien decken, Kosten der Letztverbraucher ganz abgeriegelt. Aber
während an anderen Tagen die erneuerbaren wegen der auch die Verteilnetze werden durch die dezentrale Ein-
Witterungsbedingungen in nahezu keiner Weise zur speisung der erneuerbaren Energien stark beansprucht.
Deckung der Stromnachfrage beitragen (sogenannte Darüber hinaus sind erhöhte Regelenergiebedarfe not-
„dunkle Flaute“). wendig.
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• Die Energiewende ist eine politisch gewollte Entschei- die Belastung der Netze gemindert werden kann. Auch
dung zum Umbau der Energieversorgung. Hierbei sind hier ist eine Antwort auf die Frage nach einer marktwirt-
die entsprechenden politischen Zielsetzungen sowie schaftlichen Form der Finanzierung zu finden. Hinzu
Gesetze, Verordnungen und Leitlinien maßgebend. Un- kommen die Organisation des Klimaschutzes sowie die
terschiedliche Maßnahmen zur Erreichung verschie- Einbeziehung der Nachfrageseite. Die Neuordnung zur
dener Ziele haben jedoch Einfluss aufeinander und Lösung der Herausforderungen über die Kombination der
konterkarieren sich zum Teil (z.B. ETS, Ausbauziele für verschiedenen Gestaltungsoptionen wird dabei als Strom-
erneuerbare Energien, Steigerung der Energieeffizienz). marktdesign bezeichnet.
Dies führt zu kostspieligen Ineffizienzen im Gesamtsys-
tem und gefährdet die Bezahlbarkeit von Energie und Das derzeitige deutsche Strommarktdesign lässt sich ent-
den Industriestandort Deutschland. lang der handelbaren Produkte Energie und Leistung,
sowie der verschiedenen Netz-, Erzeugungs- und Nach-
Um diesen vielfältigen und komplexen Herausforderun- fragesegmente mit zwei Marktbereichen (Energy-Only-
gen zu begegnen, existieren für die Entscheidungsträger in Wholesale-Markt und Regelenergiemarkt) beschreiben.
der Politik unterschiedliche Ansätze. Technisch sind die Daneben bestehen die Elemente Erneuerbare-Energien-
möglichen Lösungswege bisher größtenteils beherrschbar, Gesetz (EEG), welches wahlweise eine fixe Einspeise-
jedoch jeweils verbunden mit spezifischen Umsetzungs- vergütung oder eine Marktprämie für die Einspeisung
aufwendungen, die sich wiederum gegenseitig beeinflussen erneuerbarer Energien anbietet, sowie zusätzlich der euro-
können. Auf der einen Seite stehen vor allem die kosten- päische CO2-Zertifikatemarkt.
effiziente Organisation des Ausbaus der erneuerbaren
Energien sowie der Mechanismus, über den erneuerbare Langfristig bestehen fünf wesentliche Handlungsfelder für
Energien den Börsenpreis derzeit beeinflussen. Es gilt also die Weiterentwicklung des heutigen Marktdesigns:
die Frage zu beantworten: Wie sollen zukünftig die Fix-
kosten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen 1. Die Versorgungssicherheit kann durch eine wirtschaft-
finanziert werden? Auf der anderen Seite steht die Ertüch- lich motivierte Stilllegung von Gas- und Kohlekraftwer-
tigung und der Ausbau der Stromnetze bzw. die Frage, wie ken sowie fehlender notwendiger Investitionen in neue

Heutiges deutsches Strommarktdesign – Teilmärkte und Anreizmechanismen im Überblick

Kfr. 4 5
Ab-
Leistung

Regelenergiemarkt schalt
VO

1
Gehandeltes Produkt

Lfr.
Strat.
Res.

2 3
CO2- Einspeise-
Energy vergütung
Zert.- Only Wholesale
Energie

markt (EEX)
EE-Markt-/
Mgt.prämie
Redispatch

Netze Konv. Speicher Regelb. Flukt. Nachfrage


Erzeugung Erneuerbare Energien

(Teilnehmende) Kapazitäten
Märkte/Mechanismen mit hohem Anteil an Gesamtaktivität Flankierende Märkte/Anreizmechanismen

Quelle: BCG
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Kraftwerke in Gefahr geraten. Daher ist die Wirtschaft- Selbstversorgung fraglich. Die Finanzierung von Kos-
lichkeit von konventionellen Kraftwerken in ausrei- ten, die durch das EEG entstehen sowie für den Ausbau
chender Anzahl und Verteilung durch Preissignale und Erhalt des Stromnetzes anfallen, ist neu zu kon-
unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu gewähr- zipieren. Um die Belastungen für Haushalte, Gewerbe
leisten. Neben der Erzeugungskapazität wird durch die und Industrie zu begrenzen und mittel- bis langfristig
Stromeinspeisung konventioneller Kraftwerke auch die effektiv zu reduzieren, muss die Förderung der erneuer-
Bereitstellung für den Netzbetrieb notwendiger Sys- baren Energien kosteneffizienter ausgestaltet werden.
temdienstleistungen gewährleistet (Redispatch, Span- Eine Diskussion, die sich auf die Frage der Verteilung
nungshaltung, Frequenzhaltung, Kurzschlussfestigkeit), der Kosten beschränkt, greift erheblich zu kurz.
welche gegenwärtig durch erneuerbare Energien in der
erforderlichen Quantität und Qualität nicht erbracht 5. Heute bilden sich die Preise auf dem Markt für Energie
werden können. Die aktuelle Reservekraftwerksverord- und Leistung nach dem auf wettbewerblichen Märkten
nung gilt bis 2017 und ist allenfalls als kurzfristiges Not- üblichen Grenzkostenprinzip. Die Grenzkosten des An-
instrument hilfreich. bieters, dessen Produktion gerade zur Bedienung der
Nachfrage benötigt wird, bestimmen den Marktpreis. In
2. Langfristige und international bindende CO2-Reduk- einem Stromsystem mit einer großen Kapazität äußerst
tionsziele können über geeignete Instrumente markt- geringer Grenzkosten, kann dieses Prinzip zu Proble-
basierte Anreize für Klimaschutz setzen. Außerdem men führen. Bisher agieren nur geringe Teile der Strom-
müssen durch die aktuelle Doppelregelung im Bereich nachfrage in ihrem Verbrauchsverhalten preisgesteuert.
Klimaschutz durch erneuerbare Energien- und CO2-Re- Die marktbasierte Flexibilität der Stromnachfrage
gime sich überlagernde Effekte beseitigt werden. muss daher gesteigert werden. Außerdem sind die Kos-
ten von Flexibilitätsoptionen (d. h. Kraftwerke, Speicher
3. Das EEG mit seinen garantierten Einspeisetarifen und und Lastmanagement) zu berücksichtigen. Die Märkte
der Vorrangregelung für erneuerbare Energien ist nicht und Produkte hierfür sind bereits vorhanden. Deren
in der Lage, eine bedarfsgerechte Stromerzeugung mit Zugänge müssen jedoch erleichtert und weiterent­
Angebots- und Nachfragestrukturen zu unterstützen. wickelt werden, so dass Investitionsanreize entstehen.
Hohe Systemkosten sind die Folge, da eine effiziente
Allokation der Ausbaumengen hinsichtlich lokaler Ver-
teilung, Bedarfen und Stromnetztopologie mithilfe des
derzeitigen Förderregimes nicht möglich ist. Daher
sind die erneuerbaren Energien in den Markt zu inte-
grieren. Die fehlende Steuerung im EEG zur örtlichen
Verteilung der Erzeugungsanlagen sowie die fehlende
Kopplung an die Stromnachfrage müssen adressiert
werden. Daneben sind die Mechanismen zur Anpas-
sung der Vergütungssätze zu überarbeiten.

4. Mittlerweile hat der Zubau der erneuerbaren Ener-


gien eine Größenordnung erreicht, der die für die Eta-
blierungsphase positiven Eigenschaften des EEG ins
Gegenteil verkehrt: Diese erste Phase ist für einige re-
generative Stromerzeugungstechnologien annähernd
abgeschlossen – erneuerbare Energien machen bereits
rund ein Viertel der jährlichen Bruttostromerzeugung
in Deutschland aus. Dadurch ist die Gesamthöhe der
EEG-Vergütungen, die auf die Stromverbraucher umge-
legt werden, mittlerweile auf rund 20 Milliarden Euro
im Jahr 2012 angewachsen. Die Zukunftsfähigkeit der
mengenbasierten Umlagefinanzierung ist aufgrund der
begrenzten Belastbarkeit der Letztverbraucher in Folge
der steigenden Höhe sowie der zunehmenden teilweisen
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Probleme angehen – der Lösungsraum


Für jedes der Handlungsfelder besteht eine Reihe von Ge- Hohe Priorität hat es, die erneuerbaren Energien näher an
staltungsoptionen für die Implementierung eines neuen den Markt heranzuführen und ihre Kosteneffizienz zu ver-
Marktdesigns – und jede Gestaltungsoption umfasst wie- bessern, um die Belastungen für die Verbraucher zu begren-
derum eine Vielzahl von im Detail unterschiedlichen Vari- zen. Der Anlageninvestor von erneuerbaren Energien muss
anten; jedoch ist für die erfolgreiche Umsetzung der Ener- hier schrittweise mehr in die unternehmerische Verantwor-
giewende eine gesamthafte Betrachtung erforderlich, die tung genommen werden, indem er in die Vermarktung seines
langfristig eine volkswirtschaftlich effiziente Lösung zum Produktes stärker eingebunden wird. Das bedeutet auch, dass
Ziel hat. Ein zukünftiges Marktdesign muss die formulier- die Entschädigung für Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen
ten Ausbauziele für erneuerbare Energien berücksichtigen für Strom, der aufgrund von Netzengpässen nicht eingespeist
und die Balance zwischen Versorgungssicherheit, Kosten- werden kann („Wegwerfstrom“), für Neuanlagen gestrichen
effizienz und Umweltverträglichkeit gewährleisten. Dies wird.
beinhaltet insbesondere bezahlbare und im internationa-
len Vergleich wettbewerbsfähige Strompreise. Kurzfristig Außerdem ist die Versorgungssicherheit in Form von aus-
sind für einzelne Handlungsfelder Übergangslösungen reichenden regelbaren Kraftwerken zu gewährleisten.
möglich und zum Teil auch notwendig, das heißt ein lang- Derzeit bestehen im konventionellen Kraftwerkspark in
fristig tragfähiges Marktdesign wird nur auf einem Trans- Summe Überkapazitäten. Nach aktuellen Prognosen der
formationspfad erreicht werden können. Bundesnetzagentur ergibt sich für Ende 2018 bundesweit

Übersicht potenzieller regulatorischer Gestaltungsoptionen für Handlungsfelder


Handlungsfelder Heutiges Marktdesign in D Gestaltungsoptionen1

1 Vorhaltung Keine direkten Kapazitäts- Strategische Reserve Kapazitätsmarkt Absicherungsquoten


gesicherter Leistung mechanismen Bilaterale Verträge Gesicherte Kapazität für fluktuierende EE
Energy-Only-Markt (EEX) zwischen Regulator/ von Erzeugern wird Verpflichtende
ohne explizite langfristige System Operator und offengelegt und Absicherung
Kapazitätssicherung Erzeugern über bepreist2 EE-Erzeugung mit
Vorhaltung einzelner gesicherter Kapazität
Kraftwerke

2 Marktgetriebene CO2-Zertifikatemarkt/ CO2-Steuer CO2-Emissions- Keine direkte


Investitionsanreize CO2-Quote standards Internalisierung von
für Klimaschutz auf Europäisches Handelssys- Festlegung maxima- CO2-Kosten
Basis langfristiger tem für CO2-Zertikfikate ler Emissionen
und international (E-ETS), europäische neuer/alter Kraft-
bindender CO2-Re- CO2-Quote werke pro kWh/für
duktionsziele Zeitraum

3 Marktintegration Einspeisevergütung EE-Marktprämie EE-Zertifikatemarkt/ Technologiespezifi- Keine spezifische


und Kosteneffizienz (& Markt-/ Mgt.prämie) Ersatz mengenbasierter EE-Quote sche Ausschrei- EE-Förderung
erneuerbare EEG-Einspeisevergütung bung EE-Projekte
Energien & alternativer Markt-
/Mgt.prämie durch
Marktprämie (ohne
Einspeisevorrang)

4 Zukunftsfähigkeit Mengenbasierte Umlage- Mengenbasierte Leistungsbasierte


der mengenbasier- finanzierung (ct/kWh) Umlagefinanzierung Umlagefinanzierung
ten Umlagefinanzie- unter Einbeziehung (ct/kW)
rung Eigenverbrauch
(ct/kWh)

5 Flexibilitäts- Minimale Flexibilisierung Anpassung Zulas- Flächendeckende


optionen der Nachfrage sung zur Ermögli- technische
chung Teilnahme Erschließung
Nachfrage an Nachfrage zur
Leistungs- und Teilnahme
Energiemärkten am Markt

Zunehmende Veränderung im Vergleich zu heutigem Design

Quelle: BCG
1. Jede Gestaltungsoption umfasst eine Vielzahl von im Detail unterschiedlichen Varianten
2. Stärkung der Bilanzkreisverantwortlichkeit durch Versorgungssicherheitsverträge
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ein positiver Saldo von angekündigten Stilllegungen und Hierzu zählt vor allem der Abbau von Flexibilitätshemm-
Kraftwerksneubauten von 1.003 Megawatt und in Süd- nissen, die die Fähigkeit der Nachfrageseite beschränken,
deutschland ein negativer Saldo von ca. 5.600 Megawatt. auf Preissignale zu reagieren. Denn einen Kapazitätsme-
Somit wären bis Ende 2018 ausreichend regelbare Kraft- chanismus benötigt man vor allem dann, wenn Angebot
werke in Betrieb, um die Spitzenlast – bei bundesweiter und Nachfrage auf dem Strommarkt nur schwierig in Ein-
Betrachtung einer angenommenen »Kupferplatte« und bei klang zu bringen sind. Dies kann bei unflexibler Nachfrage
annähernd konstantem Stromverbrauch – zu decken. Mit- geschehen. Verneint die Politik diese Frage, so betrachtet
tel- bis langfristig können sich Investitionsanreize in Form sie die Versorgungssicherheit als öffentlich bereitzustellen-
entsprechender Preissignale am Terminmarkt für neue des Gut und hat somit die Versorgungssicherheit selbst zu
konventionelle Kraftwerke ergeben. gewährleisten, indem sie einen Kapazitätsmechanismus
etabliert. Dieser kann entweder als marktferner Ansatz
Allerdings kann durch Verzögerungen beim geplanten (wie zum Beispiel die bestehende Netzreserve) ausgestaltet
Netzausbau ein regionaler Bedarf für einzelne Kraftwerks- sein, oder Leistung als bepreisbares und handelbares Pro-
neubauten entstehen. Daneben besteht die Gefahr der dukt definieren. Hier unterscheidet man weiter zwischen
beschleunigten Stilllegung alter Kraftwerke, aufgrund feh- Modellen, bei denen die Nachfrage nach gesicherter Leis-
lender Wirtschaftlichkeit. Unter den aktuellen Marktbe- tung zentral festgelegt wird, und Modellen mit dezentraler
dingungen ist offen, ob der Energy-Only-Markt rechtzeitig Nachfrage, die in der Regel über ein Zertifikatesystem ope-
die notwendigen Signale für den notwendigen Bestand- rieren.
serhalt oder den Neubau von Kraftwerken anzeigt. Daher
muss geprüft werden, ob in Zukunft nicht nur das Erzeu- Grundsätzlich muss die Frage beantwortet werden, wie die
gen von elektrischer Arbeit, sondern gegebenenfalls auch Preisbildung für Strom im zukünftigen System marktwirt-
das Vorhalten gesicherter Leistung angemessen entlohnt schaftlich gestaltet werden kann. Die sehr hohe Kapital-
werden sollte. Um hier zu einer effektiven Lösung zu ge- intensität stellt in Verbindung mit geringen Grenzkosten
langen, muss zuvor eine politische Grundsatzfrage beant- die Grenzkostenpreisbildung für elektrische Arbeit (Kilo-
wortet werden: Kann der Markt die gesicherte Vorhaltung wattstunden) in Frage. In Anlehnung an die Preismodelle
von benötigter Leistung zu jeder Zeit gewährleisten? anderer Branchen, z. B. der Telekommunikation, gilt zu
prüfen, ob zukünftig die Menge der zu einem Zeitpunkt
Beantwortet die Politik diese Frage mit „ja“, dann wird und Ort angebotenen bzw. abgerufenen Leistung (Kilo-
Versorgungssicherheit als privates Gut angesehen. Der watt) gehandelt wird. Damit verknüpft ist die Anforde-
Staat muss dann lediglich die geeigneten Rahmenbedin- rung, Investitionen sowie Angebot und Nachfrage auf dem
gungen für einen Marktplatz für elektrische Energie set- Strommarkt nach marktwirtschaftlichen Prinzipien zu or-
zen, der Investitionen in Leistung unverzerrt anreizt. ganisieren. Andernfalls drohen hohe Systemkosten. Sollte

Entscheidungsbaum Kapazitätsmechanismus
Fragestellung Varianten Charakteristika
1 • Versorgungssicherheit ist • Staat muss nur Rahmenbedingungen
Marktlösung
Politische Entscheidung: ein privates Gut für Marktplatz setzen
Kann der Markt die gesicherte
Vorhaltung von benötigter Leistung
vs.
zu jeder Zeit gewährleisten?
• Versorgungssicherheit ist • Staat muss Versorgungsicherheit
Staatliche Lösung ein Allmendegut gewährleisten

Marktmodelle Marktferne Ansätze


(Leistungspreise)
z.B. Netzreserve

2 • i.d.R. über Auktionierungs-


Zentralisierte Nachfrage
verfahren
Wie können Leistungspreis-
modelle ausgestaltet sein? vs.

• i.d.R. über Zertifikate-


Dezentralisierte Nachfrage system

Quelle: BDI, AG Marktdesign


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sich der Strompreis je Kilowattstunde im Wesentlichen nerseits detailliert hinsichtlich verschiedener Kriterien be-
nur aus Netzkosten und EEG-Umlage zusammensetzen, wertet und priorisiert werden. Da sich die Handlungsfelder
ginge auf der Angebotsseite jegliche Steuerungsfunktion auch gegenseitig beeinflussen, ist sowohl aus Kostengrün-
des Marktpreises verloren, weil die langfristigen Durch- den als auch aus Effektivitätsgründen eine zusätzliche
schnittkosten der Produktion keinen Einfluss mehr auf Gesamtbetrachtung notwendig. Daneben müssen anderer-
den Marktpreis hätten. seits vor allem die Fragen nach einer gerechten Kostenver-
teilung, dem optimalen Zeitablauf bei der Umsetzung der
Um der Vielzahl der Gestaltungsoptionen eines neuen Einzelmaßnahmen sowie der internationalen Einbettung
Strommarktdesigns gerecht zu werden, müssen diese ei- beantwortet werden.
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Zukunft zielgerichtet gestalten – Anforderungen an das neue


Strommarktdesign
Um die verschiedenen Gestaltungsoptionen zu bewerten Ganzheitlicher Ansatz notwendig
und zu priorisieren, bedarf es für die Entscheider klarer Ein zukünftiges Marktdesign muss die beschriebenen
Kriterien. Da die Kosten der Energiewende aus dem Ruder Herausforderungen in Summe angehen. Daher bedarf
laufen, muss ein zukünftiges Marktdesign vor allem effek- es eines holistischen Ansatzes – einer Gesamtsystem-
tiv und kosteneffizient sein. Um echte Investitionsanreize lösung, die auch die Interdependenzen zwischen den
zu setzen, muss es langfristig für alle Marktakteure Pla- einzelnen Handlungsfeldern berücksichtigt und schritt-
nungssicherheit bieten, indem es klare und verlässliche weise umgesetzt werden kann. Das zu entwickelnde neue
Rahmenbedingungen für die Angebots- und Nachfra- Marktdesign muss also unter der Beachtung des Klima-
geseite formuliert. Dazu tragen auch eine möglichst ge- schutzes eine Integration der erneuerbarer Energien in
ringe Komplexität sowie eine immanente Systemstabilität den Markt und ausreichende gesicherte Leistung ge-
bei. Der BDI sieht zehn relevante Kriterien für das Design währleisten sowie beide intelligent mit dem erforderli-
des zukünftigen Strommarktes. Diese Kriterien und deren chen und volkswirtschaftlich optimierten Netzausbau
Ausprägung adressieren die kritischen Punkte, die einer- zeitlich synchronisieren und lokal koordinieren. Flexi-
seits für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende bilitätsoptionen wie flexible Kraftwerke, Speicher und De-
essenziell sind und andererseits die wesentlichen Unter- mand-Side-Management müssen ebenfalls integriert sein.
schiede zwischen den jeweiligen Gestaltungsoptionen dar-
stellen.
Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sicherstellen
Da die Kriterien sich teilweise beeinflussen und kein zu- Die Transformation des Strom- und Energiesystems darf
künftiges Marktdesign alle Kriterien gleichermaßen er- nicht die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gefährden
füllen kann, ist vom politischen Entscheider in jedem und die Bürger überlasten. Ansonsten gerät die Akzeptanz
Handlungsfeld anhand einer relativen Gewichtung die der Energiewende ebenso in Gefahr wie der Industrie­
­Relevanz der einzelnen Kriterien abzuwägen. standort Deutschland. Aktuell befindet sich die Energie-
wende bei dem Punkt Bezahlbarkeit in einer Schieflage
– mit entsprechenden Schäden für die Unternehmen, den
privaten Verbrauchern und auch vielen Energieerzeugern.

Kriterien für ein zukünftiges Strommarktdesign


Das zukünftige Marktdesign soll im Idealfall …

Effektivität / Wirksamkeit … Lösungen für die wesentlichen Herausforderungen bieten.

Volkswirtschaftliche Kosteneffizienz … geringstmögliche zusätzliche Gesamtkosten verursachen.

Planungssicherheit … die Planungssicherheit für die Industrie unterstützen.

Komplexität / Sensitivität … technisch und methodisch beherrschbar und implementierbar sowie in sich stabil sein.

Politische Realisierbarkeit … politisch vollumfänglich realisierbar sein.

Transformationspfad … in seinen Details zeitlich differenzierbar sein und die zum jeweiligen Zeitpunkt passenden
Rahmenbedingungen setzen.

Internationalität … in den europäischen Kontext integrierbar sein und Aussicht auf Adaption anderer EU-Länder haben.

… bei Auslaufen seiner Wirksamkeit oder seiner Notwendigkeit in seinen Teilen ohne Reibungsverluste
Reversibilität
rücknehmbar sein.

Markteingriffsstärke … zu keinen Marktverzerrungen führen.

Anreizkompatibilität … keine Anreize zu strategischem Verhalten setzen.

Quelle: BDI, AG Marktdesign


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Handlungsempfehlungen des BDI für ein
­zukunftsfähiges Marktdesign

Dies bedeutet, es bedarf einer Senkung der Belastung für 3. Prüfung, ob unter strengen Nebenbedingungen Ergän-
Unternehmen, die bereits heute die Hälfte der Energie- zungen zum Energy-Only-Markt notwendig werden,
wendekosten schultern. Es ist daher zu prüfen, ob alterna- solange trotz der vorherigen Maßnahmen Knappheit an
tive Finanzierungsformen die Wettbewerbsfähigkeit der vorgehaltener gesicherter Leistung besteht.
Unternehmen besser erhalten und steigern können als die
derzeitigen vorwiegend umlagebasierten Ansätze. Über Kapazitätsmechanismen stellen einerseits eine erhebliche
die Gesamtkostenbelastung muss ein regelmäßiges Mo- Intervention in den Markt dar und können bei nicht sach-
nitoring durchgehend Transparenz herstellen. Nur eine gerechter Ausgestaltung zu einer Vielzahl von Marktver-
erfolgreiche Energiewende, aus der die Industrie gestärkt zerrungen führen. Dies kann mit Ineffizienzen, größerer
hervorgeht, wird im Ausland Nachahmer finden. Komplexität und damit zu höheren Kosten einhergehen,
die am Ende die Verbraucher zu tragen haben. Auf der
anderen Seite können sie zusätzliche erforderliche Inves-
Einbettung in Europa titionsanreize für Versorgungssicherheit liefern, die ein
Nur ein tatsächlich vernetztes internationales Energiesys- möglicherweise unzureichend funktionierender Whole-
tem trägt zur Diversifizierung und zur Versorgungssicher- sale-Markt nicht ausreichend erzeugt. Wenn sie richtig
heit bei. Eine nationale oder regionale „Energieautarkie“ ausgestaltet werden, müssen Kapazitätsmechanismen die
ist dagegen ineffizient und für die Versorgungssicherheit Gesamtkosten des Energiesystems im Vergleich zu einem
nicht zwingend notwendig. Die Vollendung des europä- funktionierenden Wholesale-Markt nicht zwangsläufig
ischen Energiebinnenmarktes, die von der Europäischen erhöhen, sondern diese werden im Idealfall nur in einen
Kommission bis 2014 vorgesehen ist, muss daher endlich Leistungspreis- und den Arbeitspreisbestandteil aufgeteilt.
zielführend vorangetrieben und angemessen umgesetzt Es ist zu prüfen, ob es trotz Verbesserungen des Energy-
werden. Only-Marktes und einer möglichen Einführung einer
Strategischen Reserve notwendig ist, den Energiemarkt
durch einen Leistungsmarkt zu ergänzen. Dieser darf nur
Innovationen stärken solange Kapazitätszahlungen vorsehen, bis sichergestellt
Der Umbau des Energiesystems kann trotz aller Heraus- ist, dass dauerhaft ausreichend gesicherte Leistung bereit-
forderungen die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- gestellt werden kann. Leistungsmärkte müssen mit einem
standortes Deutschland bewahren und stärken, wenn langfristig angelegten Konzept für eine nachhaltige und
die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Die Energie- binnenmarktkonforme Beseitigung der Engpässe ver-
wende bietet die Chance, in Deutschland Wachstum und bunden werden. Dies kann aber nur im Sinne einer Ultima
Beschäftigung zu sichern; durch sie entstehen neue Märkte Ratio geschehen, Marktmechanismen sind vorzuziehen.
und sie ist wichtiger Impulsgeber für Innovationen. Dafür Die Gesamtkosten dürfen auch bei möglichen Ergänzun-
sind Investitionsanreize für die Implementierung von In- gen gegenüber den Kosten eines funktionierenden Whole-
novationen in den für die Energiewende relevanten Tech- sale-Marktes nicht steigen.
nologien notwendig.
Kapazitätsmechanismen dürfen daher nur unter strengen
Voraussetzungen zugelassen werden, falls ein Marktversa-
Vorhaltung gesicherter Leistung gen vorliegt und keine alternativen Maßnahmen geeignet
Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit durch die sind, Abhilfe zu schaffen. Daher muss zuerst der Energy-
Bereitstellung von ausreichenden Kapazitäten werden Only-Markt ertüchtigt werden. Neue Produkte und ver-
unterschiedliche Ansätze diskutiert. Dem Kriterium der änderte Fristen im Ausgleichsenergie- bzw. Terminmarkt
möglichst geringen Markteingriffsstärke folgend ist hier sind hierbei zielführende Möglichkeiten. Maßnahmen, die
ein schrittweises Vorgehen zielführend. Die unterschiedli- das Zusammenwachsen der nationalen Märkte fördern
chen Maßnahmen sind sequenziell anzuwenden, wenn die (grenzüberschreitender Netzausbau) oder die Energie-
jeweils vorhergehende Stufe keine ausreichende Wirkung nachfrage flexibilisieren, müssen ebenfalls grundsätzlich
erzielen sollte: Vorrang vor Kapazitätsmechanismen haben, wenn hierbei
die Gesamtkosteneffizienz gewährleistet wird. Daneben
1. Höchste Priorität hat die Ertüchtigung des Energy- sollten das benötigte Kapazitätsniveau sowie das Design
Only-Marktes mit den angrenzenden Mitgliedsstaaten abgestimmt sein,
um Überkapazitäten und Marktverzerrung im Europä-
2. Als Übergangslösung kann eine Strategische Reserve ischen Binnenmarkt zu vermeiden.
zielführend sein
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Vor Schnellschüssen und Markteingriffen ist zu war- kriminierungsfrei sein und sollten so gestaltet werden,
nen, weil der Einfluss der relativen Brennstoffpreise auf dass sie einen effizienten Anreiz zur Bereitstellung jeg-
die Wirtschaftlichkeit von konventionellen Kraftwerken licher Art von gesicherter Leistung bieten (neu oder im
besonders stark ist. Bereits kleine Änderungen im Preis- Bestand, Gas oder Kohle, konventionell oder erneuerbar)
verhältnis von Erdgas zu Steinkohle und CO2 können und nicht auf Anbieter von Reservekapazitäten auf dem
Kraftwerksinvestitionen spürbar beeinflussen und zusätz- nationalen Markt beschränkt werden, sondern mindestens
liche Instrumente überflüssig machen. im Rahmen des Market-Couplings organisiert werden.
Grundsätzlich gilt: Kapazitätsmechanismen dienen allein
Für eine Übergangsphase kann die Option der Strategi- der Versorgungssicherheit in Zeiten knapper Kapazitäten
schen Reserve zielführend sein. Hierbei handelt es sich – und das möglichst effizient. Sie dürfen nicht als Instru-
um die Festlegung und Vergütung einer über Auktionie- ment für den Klimaschutz missbraucht werden.
rung zu beschaffenden Menge an Erzeugungskapazität,
die als Reserve zusätzlich zu den Kapazitäten am Energy-
Only-Markt zur Verfügung steht, jedoch nur in Engpass- Investitionsanreize für Klimaschutz
lagen zum Einsatz kommt und ansonsten nicht am Markt Die künftige europäische Energie- und Klimapolitik muss
eingesetzt wird. Die Strategische Reserve stellt dabei eine auf eine sichere, wettbewerbsfähige und nachhaltige Ener-
Art Versicherung des Energy-Only-Marktes dar. gieversorgung ausgerichtet werden. Diese drei Kompo-
nenten des energiepolitischen Zieldreiecks müssen sich
Weitere marktbasierte Ergänzungen zum Energy-Only- in der politischen Zielsetzung wiederfinden. Bei der
Markt in Form von Kapazitätsmechanismen müssen dis- Umweltverträglichkeit muss sich die EU-Politik auf das
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eigentliche Ziel besinnen und sich auf das Ziel der Treib­ Marktintegration und Kosteneffizienz für erneuerbare
hausgasreduktion beschränken. Das Ambitionsniveau Energien
dieses Ziels muss die noch abzuschließenden internatio- Um die erneuerbaren Energien näher an den Markt he-
nalen Abkommen berücksichtigen. Nationale Alleingänge ranzuführen und ihre Kosteneffizienz zu verbessern, ist
sind nicht zielführend. Eine Aufschlüsselung des Oberziels die Weiterentwicklung des EEG zwingend notwendig,
der Treibhausgasreduktion auf untergeordnete Ziele kann mit dem Ziel, die Gesamtfördersumme mittelfristig zu
zusätzlich eine steuernde Wirkung entfalten. senken und die Förderung langfristig ganz auslaufen zu
lassen. Die Förderung erneuerbarer Energien ist für Tech-
Das EU-ETS erfüllt insoweit seinen Zweck, als das ge- nologien, die sich in einem frühen Stadium ihrer techno-
setzte Klimaschutzziel auf jeden Fall erreicht wird. Das logischen Entwicklung mit noch hohen Kosten befinden,
EU-ETS muss daher für den Zeitraum ab dem Jahr 2020 technologiespezifisch zu gestalten und danach stärker
als Leitinstrument einer langfristigen europäischen Kli- wettbewerblich zu orientieren. Eine flankierende F&E-
mapolitik etabliert werden. Für die Zukunft des Emis- Förderung von Technologien im Bereich erneuerbarer
sionshandels als akzeptiertes und marktwirtschaftlich Energien kann darüber hinaus auch langfristig weiter hilf-
orientiertes Klimaschutzinstrument sind strukturelle Re- reich sein.
formen in Form eindeutiger Rahmenbedingungen, eines
realistischen Reduktionsziels bis mindestens zum Jahr Eine systematische Überarbeitung der Förderung von er-
2030 und der Beteiligung möglichst vieler Staaten notwen- neuerbaren Energien muss Angebots- und Nachfrageme-
dig. Insbesondere muss aber auch ein nachhaltiger Modus chanismen enthalten. Dabei sind volatile erneuerbare
für die von Carbon Leakage bedrohten Industrien gefun- Kraftwerke und steuerbare Kraftwerke systemisch an
den werden. Dazu muss weiterhin eine kostenfreie Zutei- einer Stelle miteinander zu verbinden. Die entscheiden-
lung gewährt werden. den Kriterien für ein Gelingen sind hierbei die Effektivität
des Instruments, die volkswirtschaftliche Kosteneffizienz
Die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien, sowie eine geringe Markteingriffsstärke. Dies kann mit der
die heute über die EEG-Umlage finanziert werden, und die Direktvermarktung erfüllt werden: Betreiber von erneu-
Kosten, die für Verbraucher durch das CO2-Zertifkate- erbaren Energien-Anlagen verkaufen ihren Strom selbst-
Handelssystem entstehen, sind klimapolitisch zwei Sei- ständig oder mit Hilfe von Dienstleistern am Markt. Dabei
ten derselben Medaille. Mit der Förderung erneuerbarer müssen eingegangene Lieferzusagen eingehalten werden.
Energien und dem Emissionshandel stehen zwei Instru- Die Förderung findet über eine Marktprämie statt, die
mente nebeneinander – und wirken aufeinander – um die dem Investor einerseits eine relative Einkommenssicher-
europäischen Treibhausgasminderungsziele zu erreichen. heit garantiert, ihn aber dennoch in gewissem Maße am
Beide Systeme finden heute jedoch auf unterschiedlichen Marktrisiko beteiligt. Zu prüfen ist, ob diese Marktprä-
Märkten statt. Daher müssen sie aktiv miteinander ver- mie zukünftig über eine Ausschreibung quantifizierbar
knüpft sein und dürfen kostenseitig nicht additiv wirken, ist: Der Staat lobt dabei gewünschte Erneuerbaren-Strom-
das heißt, die Gesamtkostenbelastung darf nicht weiter mengen (bei jungen Technologien differenziert nach Er-
steigen. Die ungesteuerte Förderung der erneuerbaren zeugungsart) aus. Investoren bieten auf diese Mengen mit
Energien darf die Allokationsfunktion des EU-ETS für den jeweils für sie idealen Marktprämien.
Emissionsminderungen nicht weiter untergraben. Sonst
werden bei der Politik marktfremde Eingriffe ins ETS pro- Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss zwischen
voziert, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bund und Ländern (sowie ggf. auf europäischer Ebene)
unter den Handel fallenden energieintensiven Industrien koordiniert werden. Regionale Gegebenheiten müssen
gefährden. Auch bei der Förderung der erneuerbaren Ener- dabei einerseits eine stärkere Berücksichtigung finden –
gien selbst sind Effizienzanreize zu setzen. Nicht klimapo- andererseits darf die Energiewende nicht durch regionale
litisch orientierte Förderziele im Bereich der erneuerbaren Einzelinteressen verteuert oder gefährdet werden.
Energien sind klar zu benennen, von der Klimapolitik zu
trennen sowie vor weiteren Maßnahmen in ihren Folge-
kosten und -nutzen abzuschätzen. Darüber hinaus sind die Zukunftsfähigkeit der Finanzierung der Stromnetze
Klimavorsorge und eine nachhaltige Energieversorgung Grundsätzlich werden bereits heute leistungspreisbasierte
keine Sache allein des Stromsektors. Die „Energiewende Produkte durch die Netzbetreiber angeboten und in der
ganzheitlich denken“ bedeutet auch, den Wärme- und den Industrie (z. B. von Eigenerzeugern) auch zur Absicherung
Verkehrssektor angemessen einzubeziehen. von Volatilitäten genutzt. Sowohl Einspeiser von Erneu-
erbaren-Strom benötigen einen Netzanschluss als auch
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Flexibilisierungsoptionen
Zur Verfügung stehen im Wesentlichen drei Flexibili-
tätsoptionen, nämlich Flexibilisierung der Kraftwerke,
Demand-Side-Management und Speicher. Der Markt muss
für diese Optionen technologieneutral und diskrimi-
nierungsfrei gestaltet werden. Nicht jede Technologie ist
für alle Anwendungen (zeitlich/örtlich/Größenordnung)
gleich gut geeignet. Im Wettbewerb sollte sich daher die je-
weils bestgeeignete Technologie behaupten können.

Die Potenziale und Kosten für Demand-Side-Manage-


ment sind, abhängig von der jeweiligen Stromverbrau-
chergruppe, unterschiedlich hoch. Gleichzeitig benötigt
der zukünftige Strommarkt eine höhere Flexibilität. Damit
Verbraucher verstärkt die Möglichkeit haben, ihre Flexi-
bilität zu vermarkten, sind wettbewerbliche und markt-
basierte Preise notwendig, die den Wert für Flexibilität
unverzerrt anzeigen und Anreize für Innovationen setzen.
Dabei müssen vor allem regionale Netzrestriktionen be-
rücksichtigt werden.

Die für das Demand-Side-Management notwendige Tech-


nologie steht zur Verfügung, die Infrastruktur ist an vie-
len Stellen bereits vorhanden. Auszubauen sind vor allem
noch die Informations- und Kommunikationstechnik in
den Stromverteilnetzen. Änderungsbedarf besteht vor al-
lem hinsichtlich einer erleichterten Präqualifikation von
Verbrauchern zur Teilnahme am Regelenergie- und Re-
gelleistungsmarkt. Daneben muss eine flächendeckende
Transparenz über die Netzzustände hergestellt werden,
Eigenverbraucher, weil sie in Ausnahmesituationen auf damit diese sich in den Preisen widerspiegeln können.
Netzstrom angewiesen sind. Eine stärkere leistungspreis- Durch geeignete diskriminierungsfreie marktbasierte An-
basierte Ausrichtung der Netznutzungsentgelte würde reizregime, basierend auf freiwilligen Vereinbarungen
einem zunehmend fixkostengetriebenen System besser ge- zwischen Netzbetreibern und Letztverbrauchern, sind ins-
recht. Zu prüfen ist weiterhin, welchen Beitrag Erzeuger besondere die industrieseitigen Potenziale hinsichtlich ab-
von Erneuerbaren-Strom zur Netzstabilisierung leisten und zuschaltbarer sowie verschiebbarer Lasten zu heben
können. (Industrial Smart Grids).

Daneben sind die meisten Investitionen ins Netz für Kun- Stromspeicher stellen eine relevante Flexibilitätsop-
den notwendig, die sowohl Energie beziehen, als auch ihre tion dar. Ein zukünftiges Strommarktdesign muss daher
dezentral erzeugte Energie einspeisen. Deshalb ist es nicht die Möglichkeit, diese gemäß ihrer technologischen Leis-
angemessen, diese Investitionskosten lediglich auf den tungsfähigkeit und ihrer Wirtschaftlichkeit zu integrieren,
Verbrauch umzulegen. Vielmehr sind die Bedingungen bei berücksichtigen.
den Anschlusskosten für konventionelle und erneuer-
bare Anlagen anzugleichen, das heißt Sonderkonditionen
für erneuerbare Energien (z. B. bei den Baukostenzuschüs-
sen) müssen auslaufen, damit auch diese adäquat an der
Netzausbaufinanzierung beteiligt werden und bei ihren
Standortentscheidungen die Auswirkungen auf den Netz-
ausbau besser berücksichtigen.
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Maßnahmen richtig priorisieren – der Transformationspfad

Die richtige Kombination der Einzelmaßnahmen ist ent- der Ausbauziele zwischen Bund und Ländern ist längst
scheidend für die erfolgreiche Umsetzung der Energie- überfällig und muss ebenfalls schnellstmöglich angegan-
wende. Um vollständig ihre Wirkung entfalten zu können, gen werden. Die Versorgungssicherheit ist im deutschen
müssen diese aber nicht nur inhaltlich, sondern auch zeit- Stromsystem bisher nach wie vor gegeben. Um einer dro-
lich am richtigen Punkt ansetzen. Der BDI schlägt daher henden Verschlechterung einerseits zuvorzukommen
für die Implementierung ein mehrstufiges Vorgehen vor, und andererseits die Effizienz auf der Versorgungsseite
an dessen Ende ein neues, nachhaltig tragfähiges Marktde- zu erhöhen, ist die bis 2014 vorgesehene Vollendung des
sign steht, welches die oben genannten Anforderungen er- europäischen Energiebinnenmarktes deutlich zu beschleu-
füllt und das ab dem Jahr 2020 vollständig etabliert sein nigen. Die Ertüchtigung des Energy-Only-Marktes sollte
muss. Parallel zu allen Maßnahmen ist unverzüglich ein begleitend erfolgen. Falls es in den Folgejahren trotz der
Monitoring der Gesamtkostenbelastung und der Wettbe- vorher durchzuführenden Maßnahmen zu drohenden Ver-
werbsfähigkeit der Industrie einzuführen. sorgungsunsicherheiten kommen sollte, ist die temporäre
Einführung einer Strategischen Reserve zu prüfen. Mit
der Reservekraftwerksverordnung ist eine Vorstufe dazu
Handlungsempfehlungen im Zeitablauf in Deutschland bereits eingeführt. Spätestens mit ihrem
Der aktuelle Kostenanstieg bei der Förderung der erneu- Auslaufen Ende des Jahres 2017 ist über eine Überführung
erbaren Energien macht eine Reform des Erneuerbare- in eine marktorientiertere Strategische Reserve zu ent-
Energien-Gesetzes direkt nach der Bundestagswahl im scheiden. Gegebenenfalls wird die Einführung eines Ka-
September 2013 dringend notwendig. Eine Koordinierung pazitätsmarktes notwendig. Dies ist als letzte Option zur

Handlungsempfehlungen im Zeitablauf

Marktintegration und Kosteneffizienz für erneuerbare Energien


Direktvermarktung von erneuerbaren Energien

Koordinierung des Ausbaus

Förderung auslaufen lassen


Mögliche Konvergenz
Vorhaltung gesicherter Leistung in ein gemeinsames
Ertüchtigung des Energy-Only-Marktes EnWG

Vollendung des europäischen Energiebinnenmarktes

Prüfen Strategische Reserve

Prüfen Kapazitätsmarkt

Klimaschutz
Ausbalancierung des Zieldreiecks Inkrafttreten neuer Ziele

ETS als Leitinstrument

Finanzierung Netze
Bedingungen bei Anschlusskosten
von erneuerbaren und konventionellen
Energieträgern angleichen

Stärkere Ausrichtung der Netzentgelte auf Leistung

Flexibilisierungsoptionen
Erleichterte Präqualifikation von
Verbrauchern zur Teilnahme am
Regelenergie- und Regel-
leistungsmarkt

Monitoring über Gesamtkostenbelastung


2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020

Quelle: BDI, AG Marktdesign


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Gewährleistung der Vorhaltung gesicherter Leistung zu sonderer Bedeutung ist dabei die Festlegung langfristiger
prüfen. Zuvor ist allerdings die Flexibilisierung der Nach- Treibhausgasminderungsziele für 2030 und ggf. darüber
frage voranzutreiben, indem die Präqualifikationen von hinaus. Gleichzeitig treten nach Ablauf der 20/20/20-Ziele
Verbrauchern zur Teilnahme am Regelenergie- und Re- neue energie- und klimapolitische Ziele in Kraft, deren
gelleistungsmarkt erleichtert werden müssen. Im Hand- Definition in den nächsten Jahren erfolgen muss. Die Fi-
lungsfeld Klimaschutz bietet sich aktuell ein Zeitfenster nanzierung der Kosten für Netzinvestitionen und den
um die Neuausrichtung des Zieldreiecks auf europäischer Netzbetrieb über die derzeitige Art der Netzentgelte droht
Ebene für die Zeit nach dem Jahr 2020 zu justieren. 2014 mittelfristig ins Defizit zu laufen. Daher sind auch hier zu-
finden die Wahlen zum EU-Parlament statt und eine neue sammen mit der weiteren Planung für den Netzausbau ab
EU-Kommission wird gebildet, bevor spätestens 2015 dem Jahr 2015 die geeigneten Maßnahmen zu treffen, die
dann die Verhandlungen über ein neues internationa- die Planungssicherheit der Netzbetreiber und Kosten von
les Klimaschutzabkommen für die Zeit nach dem Ablauf Investitionen und Betrieb verursachungsgerecht zuord-
des Kyoto-Protokolls anstehen. Auf europäischer Ebene nen.
zu entscheiden ist bis dahin ebenfalls über die zukünf-
tige Ausgestaltung des Emissionshandelssystems. Von be-
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Handlungsempfehlungen des BDI für ein
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Impressum
Stand:
Oktober 2013

Herausgeber:
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)
Breite Straße 29
D-10178 Berlin
T: 030 2028-0
­www.­bdi.eu

Redaktion:
Dr. Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik
Dennis Rendschmidt, Referent Energie- und Klimapolitik

Kontaktdaten:
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)
Abteilung Energie- und Klimapolitik

Layout und Druck:


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