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Brief an die Politik

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Zehn politische
Handlungsempfehlungen
zum Green Deal
Industrial Plan
Die Stahlindustrie in Deutschland begrüßt, dass die Europäische Kom-
mission mit dem „Green Deal Industrial Plan for the Net-Zero Age“ die
Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Europa nachhaltig stärken 1. Transformationsförderung vereinfachen
will. Die Mitteilung erkennt richtigerweise die zentrale Rolle der Industrie und beschleunigen.
auf dem Weg zur Klimaneutralität an. Es gilt, eine wirkungsvolle Initiative 2. Stahl als strategische Schlüsselindustrie
in einer sich verändernden Welt sowie eine europäische Antwort auf definieren.
den U.S. Inflation Reduction Act (IRA) auf den Weg zu bringen. 3. Grüne Leitmärkte schnellstmöglich auf
europäischer Ebene einführen.
Angesichts der enormen geopolitischen und ökonomischen Heraus- 4. Beihilferechtliche Spielräume für die
forderungen braucht es eine unterstützende Industriepolitik in stra- Förderung industrieller Transformations­
tegischen Schlüsselindustrien, zu denen auch in der Transformation projekte und Klimaschutzverträge
stehende Grundstoff­industrien wie der Stahl gehören. Das Ziel muss verbessern.
sein, europäische Wertschöpfung zu fördern, die auf den Grundsätzen 5. System für wettbewerbsfähige Indus­
von Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft (Circularity) und strategischer triestrom- und Gaspreise schaffen.
Autonomie beruht. Die von der Kommission vorgeschlagenen vier 6. Europäischen Rahmen für die Wasser-
Säulen, Regulierung (regulatory environment), Finanzierung (financing), stoff-Infrastruktur auf den Weg bringen.
Qualifikationen von Fachkräften (skills) und Handel (trade), sind mit kon- 7. Transformation durch konsequenten
kreten Maßnahmen unter einem ganzheitlichen Ansatz zu untermauern. Handelsschutz und Fortsetzung der
EU-Safeguards absichern.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Indus- 8. Sektorales Abkommen mit den USA
trie zu sichern, strategische Autonomie zu bewahren und die Klima- zur vertieften Kooperation im Bereich
ziele zu erreichen, ist ein Maßnahmenpaket erforderlich, das noch in Handels- und Klimaschutz abschließen.
diesem Jahr beschlossen werden sollte. Die industrielle Transformation 9. Carbon-Leakage-Schutz vervoll­­stän­
zur Klima­neutralität unter dem Erhalt der internationalen Wettbewerbs- digen.
fähigkeit muss hierbei im Zentrum stehen. In unserem Brief an die Politik 10. Planungs- und Genehmigungs­
zeigen wir hierfür zehn konkrete industriepolitische Handlungsempfeh- verfahren beschleunigen.
lungen auf. Wir freuen uns auf einen konstruktiven Dialog.

Ihre Wirtschaftsvereinigung Stahl


Zehn politische Handlungsempfehlungen für
eine erfolgreiche Transformation
1. Transformationsförderung Ansatz die gesamten Wertschöpfungsketten in den Blick
vereinfachen und genommen werden und dabei insbesondere auch die
Stahlindustrie als strategisch wichtiger Grundstofflieferant
beschleunigen
definiert werden. Stahl gehört zu den Branchen, deren
Transformation in besonderem Maß zu den Zielen des
› Um im globalen Standortwettbewerb zu bestehen, ist in
Green Deal beiträgt und sollte entsprechend berücksich-
der EU ein Paradigmenwechsel erforderlich – weg von
tigt werden:
Detailregulierung und Nachweisbürokratie, hin zu einem
pragmatischen Ansatz. Es geht darum, industrielle Trans-
Stahl ist Ausgangspunkt nahezu aller maßgeblichen
formationsprojekte und Investitionen in die erneuer­baren
industriellen Wertschöpfungsketten und trägt entschei-
Energien und Wasserstoff-Infrastrukturprojekte mit der
dend dazu bei, die Versorgungsabhängigkeit der EU zu
nötigen Förderung schnell, einfach und berechenbar auf
reduzieren, ihre strategische Resilienz zu sichern und
den Weg zu bringen. Der Fokus muss darauf gerichtet
den Umbau zu einer klimaneutralen Energieversorgung
sein, regulatorische Rahmenbedingungen zu vereinfa-
voranzubringen. Insbesondere ist er auch für den Aus-
chen. Das gilt insbesondere für Planungs- und Geneh-
bau der „Net-Zero-Sektoren“ essenziell notwendig.
migungsverfahren sowie den Zugang zu Förderpro-
grammen. Antragsverfahren sollten stark vereinfacht und
Eine erfolgreiche Transformation der Stahlindustrie
beschleunigt werden. Zu prüfen ist ein Instrument der
leistet bereits kurzfristig durch große CO2-Minderun-
Steuerrabatte nach dem Vorbild des IRA.
gen einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen der
Klimaziele. Mit dem Umstieg auf wasserstoffbasierte
Stahlherstellungsprozesse ist die Stahlindustrie Motor
2. Stahl als strategische für den schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.
Schlüsselindustrie
definieren Eine erfolgreiche Transformation der Stahlindustrie in
Deutschland und Europa kann eine weltweite Vorbild-
› Die Kommission will einen „Net-Zero Industry Act“ vor- wirkung für den Klimaschutz entfalten, trägt entschei-
legen, welcher für 2030 Kapazitätsziele und einen dend zur Dekarbonisierung der gesamten industriellen
vereinfachten Regulierungsrahmen für Technologien vor- Kette bei und ermöglicht der EU, sich als führender
sieht, die für die Erreichung der Klimaneutralität entschei- Standort für grüne Technologien im internationalen
dend sind. Grundsätzlich sollten in einem ganzheitlichen Wettbewerb zu behaupten.

Stützt die industrielle Sichert die strategische


Wertschöpfung Resilienz
Mehr als 50 % des Umsatzes des Erneuerbare Energien und Leitungs­
Verarbeitenden Gewerbes und 2/3 der infrastrukturen benötigen Stahl.
Industriearbeitsplätze entfallen auf So besteht eine Windkraftanlage zu
stahlintensive Branchen. durchschnittlich etwa 80 % aus Stahl.

- CO2
Stahl ist eine strategische
Schlüsselindustrie.
Beschleunigt den Trägt entscheidend
Wasserstoffhochlauf zum Klimaschutz bei
90 % der Wasserstoffnachfrage Bis 2030 lassen sich mehr als 20 Mio. t CO2
im Industriesektor bis 2030 in der Stahlindustrie einsparen –
entfallen auf die Stahlindustrie. bis 2045 sind dies 55 Mio. t.
3. Grüne Leitmärkte standortes. Das Energiepreisniveau ist im Vergleich zu
anderen Ländern außerhalb der EU (wie beispielsweise
schnellst­möglich auf euro­
in den USA oder Ländern des Mittleren Ostens) zu hoch
päischer Ebene einführen und darf nicht das neue „Normal“ darstellen. Es bedarf
eines kurzfristigen europäischen Rahmens für wett-
› Um die Nachfrage nach „Net-Zero-Produkten“ zu stimu-
bewerbsfähige Industriestrom- und Gaspreise. Dieses
lieren, will die EU-Kommission auf öffentliche Beschaffung
zentrale Thema wird im Green Deal Industrial Plan und
und Anreize auf der Verwenderseite setzen. Dies ist ziel-
auch in der Konsultation zum Strommarktdesign jedoch
führend und zu unterstützen. Eine entsprechende Initia-
kaum thematisiert. Es muss im Rahmen einer europä­
tive muss rasch auf den Weg gebracht und konkretisiert
ischen Industriestrategie dringend in den Fokus genom-
werden. Perspektivisch müssen sich klimaneutrale Grund-
men werden.
stoffe am Markt durchsetzen. Zur Etablierung grüner Leit-
märkte müssen für Verarbeiter und in der öffentlichen
Beschaffung verbindliche Anreize und Regeln zur Verwen- 6. Europäischen Rahmen für
dung grüner Grundstoffe geschaffen, in der Produktpoli-
die Wasserstoffinfrastruktur
tik verankert, sowie in internationale Handelsabkommen,
Klima­clubs und Klimaallianzen aufgenommen werden. auf den Weg bringen

› Ein schneller Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ist ent-


4. Beihilferechtliche Spielräume scheidend für die Transformation hin zu einer klimaneu-
tralen Industrie. Das Gas- und Wasserstoffpaket muss
für die Förderung industrieller schnell zum Abschluss gebracht werden, um die Grund-
Transformationsprojekte und lagen für den Aufbau der erforderlichen H2-Transport­
Klimaschutzverträge verbessern infrastruktur zu schaffen. Die angekündigte europäische
Wasserstoff-Bank sollte die europäische Produktion und
› In ihrer Mitteilung kündigt die Kommission an, den Mit- den Import von erneuerbarem Wasserstoff in die EU stär-
gliedstaaten mehr Flexibilität bei staatlichen Beihilfen für ken und könnte sich dabei an dem deutschen Instrument
erneuerbare Energien und Investitionen in Projekte mit H2Global orientieren. Beim Gas- und Wasserstoff­paket
strategischen „Net-Zero-Technologien“ zu gewähren. wie auch der Wasserstoffbank sollte ein besonderer
Der angepasste vorübergehende Krisen- und Transfor- Fokus auf den prioritären Zugang für energieintensive
mationsbeihilferahmen („TCTF“) bleibt jedoch hinter den Industrien gelegt werden, die für ihre Transformation auf
Erwartungen deutlich zurück. Weder werden die Voraus- Wasserstoff angewiesen sind.
setzungen für die Inanspruchnahme der Strom- und Gas-
preisbremsen für die energieintensiven Industrien (Aufhe-
bung der Obergrenzen, Verzicht auf die Voraussetzung 7. Transformation durch
eines EBITDA-Rückgangs) geschaffen, noch bietet der konsequenten Handels­
TCTF eine geeignete Grundlage für eine effektivere För-
schutz und Fortsetzung der
derung zur Transformation CO2-intensiver Grundstoff­
industrien. Von besseren Zugängen und mehr Tempo bei
EU-Safeguards absichern
staatlichen Beihilfen sollten nicht nur wenige ausgewählte
› Gerade in der aktuellen Übergangszeit zur CO2-Neutralität
„Net-Zero-Sektoren“ profitieren, sondern gerade auch
brauchen die Unternehmen ein Höchstmaß an Planungs-
Grundstoffindustrien in der Transformation, wie die Stahl­
sicherheit und somit eine wirkungsvolle Absicherung vor
industrie. Insbesondere für das Instrument der Klima­
außergewöhnlichen Importsteigerungen. Die EU-Safe-
schutzverträge sollten verbesserte und damit ausrei-
guard-Maßnahmen haben sich als wichtiges Instrument
chende Bedingungen geschaffen werden – etwa in Form
erwiesen, die heimische Stahlproduktion zu schützen
höherer Beihilfeintensitäten, beschleunigter Verfahren und
und die Resilienz der europäischen Wertschöpfungs-
erleichterter Voraussetzungen.
ketten zu steigern. Es ist dringend erforderlich, dass die
Maßnahmen mindestens – wie vorgesehen – bis Som-
mer 2024 fortgesetzt werden, da auch die Faktoren, die
5. System für wettbewerbs­
zu der notwendigen Einführung der Safeguards geführt
fähige Industriestrompreise haben, weiterhin bestehen bzw. sich teilweise noch ver-
und Gaspreise schaffen schlechtert haben. Zudem ist ein konsequenter Schutz
vor unfairem Marktverhalten wie Preisdumping wichtiger
› Global wettbewerbsfähige Preise für Strom, Gas und denn je. Zu begrüßen ist, dass die Kommission die Not-
Wasserstoff sind eine fundamentale Voraussetzung für wendigkeit fairer Wettbewerbsbedingungen anspricht
die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Industrie­ und „robuste“ Antworten vor allem im Bereich solcher
U.S. Inflation Reduction Act (IRA): Die wichtigsten Anreize pro Sektor

Saubere Energie Produktion Transport Saubere Technologien

169 71 23 17
Mrd. US-$ Mrd. US-$ Mrd. US-$ Mrd. US-$

Steuergutschriften Anlagenfinanzierungen Schaffung von Anreizen für Anlagenfinanzierung und


z. B. für Solaranlagen und z. B. von sauberen Industrie­ den Kauf von E-Fahrzeugen, technologiespezifische Anreize
Energiespeicher, Erzeugung anlagen und Produktions­ Finanzierung der Lade­ z. B. für CCUS, sauberen Wasserstoff,
von Wind- und Kernenergie verfahren infrastruktur Finanzierung von H2-Hubs

Der IRA setzt milliardenschwere und unbürokratische Anreize für Klimaschutzinvestitionen und senkt die Kosten für
grüne Energie und Wasserstoff. Die EU muss darauf eine starke Antwort finden.

Sektoren ankündigt, die für die Erreichung der EU-Klima- 9. Carbon-Leakage-Schutz


ziele von Bedeutung sind. Nun gilt es, die Spielräume des vervollständigen
WTO-Rechts voll auszuschöpfen.
› Es ist dringend erforderlich, dass die Kommission bereits
kurzfristig einen Vorschlag für eine echte Entlastung
8. Sektorales Abkommen der Exporte von den CO2-Kosten vorlegt, der bisher im
mit den USA zur vertieften Grenz­ ausgleichsmechanismus (CBAM) fehlt. Nicht nur
die in einer Übergangszeit weiter notwendige konventio­
Kooperation im Bereich Handels- und
nelle Stahlproduktion, sondern auch die grünen Stahl-
Klimaschutz abschließen projekte wären auf Drittmärkten nicht wettbewerbsfähig,
wenn keine Lösung für Exporte gefunden wird.
› Die Stahlindustrie begrüßt das Ziel, mit den USA ein
gemeinsames Handelsabkommen im Stahlbereich abzu-
schließen. Gerade mit Blick auf die nach wie vor unge-
10. Planungs- und
löste Strukturkrise der globalen Stahlindustrie bietet das
Bündnis eine wichtige Chance, eine vertiefte Kooperation Genehmigungs­verfahren
zur Bekämpfung von globalen Überkapazitäten vor allem beschleunigen
im Bereich „grauer“ CO2-intensiver Produktionstechno-
logien einzugehen und gleichzeitig die globale Transfor- › Eine schnelle Transformation der Industrie und das Errei-
mation zu fördern. Allerdings muss das Abkommen so chen der Klimaziele sind nur möglich, wenn Planungs- und
ausgestaltet werden, dass es zu keinerlei Einschränkung Genehmigungsverfahren für Anlagen und Infrastrukturen
des EU-Carbon-Leakage-Schutzes kommt. Das sek- deutlich beschleunigt und vereinfacht werden. Insbeson-
torale Abkommen sollte zudem dazu genutzt werden, dere muss die Industrieemissionsrichtlinie stärker die Ent-
gemeinsame Definitionen für „grüne“ Grundstoffe wie scheidungsfindung für die Erteilung einer Genehmigung
Stahl voran­zutreiben und sich bei der Schaffung grüner im Blick haben, indem sie sowohl den Anlagenbetreiber
Leitmärkte abzustimmen. Das Abkommen bietet darü- als auch die zuständigen Behörden entlastet, Prüfverfah-
ber hinaus die Möglichkeit, den Zugang zum US-Markt ren vereinfacht und die Rechtsicherheit erhöht, um so das
sicherzustellen und Handelskonflikte zu vermeiden. Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.

Herausgeber

Wirtschaftsvereinigung Stahl www.linkedin.com/company/wirtschaftsvereinigung-stahl


Französische Straße 8 www.facebook.com/stahlonline
10117 Berlin info@wvstahl.de www.twitter.com/stahl_online
Telefon +49 30 232 5546-0 www.stahl-online.de www.youtube.com/stahlonline

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