Sie sind auf Seite 1von 14

Mario und der Zauberer - Inhalt und Deutung

In der Novelle,,Mario und der Zauberer" von Thomas Mann schildert ein Ich - Erzähler
einen Teil seines Urlaubs, den er mit seiner Frau und seinen Kindern in der italienischen
Kleinstadt Torre di Venere, die unmittelbar am Tyrrhenischen Meer liegt, verbringt.
Man erfährt, dass sich der Erzähler und seine Familie zur Zeit der Hochsaison in der
kleinen Küstenstadt befinden, in der sich Scharen von Touristen aus den verschiedensten
Ländern tummeln. So erscheint dem Erzähler der völlig überlaufene Strand auch nicht
besonders einladend. Weiterhin wird die ohnehin schon etwas getrübte Ferienlaune des
Erzählers durch den mehr oder weniger erzwungenen Wechsel der Unterkunft
beeinträchtigt, der vollzogen wird, da die Frau eines römischen Hochadligen den
abklingenden Keuchhusten der Kinder des Erzählers als eine ernsthafte Gefahr für die
Gesundheit ihrer Familie ansieht. Ein weiteres unliebsames Urlaubserlebnis wird dadurch
hervorgerufen, dass die achtjährige Tochter des Erzählers nach dem Spiel am Strand
ihren Badeanzug im Meerwasser auswäscht, wozu sie diesen natürlich ablegt. Die
Nacktheit des kleinen Mädchens ruft eine sofortige und sehr heftige Empörung der
Menschen am Strand hervor, die Behörden werden sogleich alarmiert, der Erzähler mit
einer Geldstrafe wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses belegt.
Aufgrund der durch die geschilderten Ereignisse anwachsenden Unbehaglichkeit
überlegen der Erzähler und seine Frau mehrfach abzureisen, entscheiden sich dann aber
zum weiteren Aufenthalt. Dieser soll nun durch den Besuch einer Vorführung des
Zauberers mit Namen Cipolla, den besonders die Kinder gerne sehen möchten,
aufgelockert werden.
Doch wird die Vorstellung Cipollas für den Erzähler und seine Frau eher zu einem
Schockerlebnis. Der Zauberer Cipolla, ein selbstgefälliger, stolzer und auch durchaus
boshaft zu nennender älterer Mann, entpuppt sich als ein Hypnotiseur, der mit gekonnter
Rhetorik und psychischer Brutalität Menschen gnadenlos beeinflusst, ihnen seinen Willen
aufzwingt, sie im wahrsten Sinne des Wortes zu Marionetten werden lässt.
Im zweiten Teil der Vorstellung geht Cipolla schließlich so weit, dass er seine bis dahin
nur spöttisch präsentierte Macht über die Menschen, anfängt auf übelste Weise zu
missbrauchen.
Dem Kellner Mario nimmt der Zauberer seine Menschenwürde und gibt ihn der
Lächerlichkeit preis, indem er ihm suggeriert, er, Cipolla, sei seine heimliche Angebetete.
Er zwingt Mario sogar dazu, ihn zu küssen. Nach dieser grotesken und beklemmenden
Situation erweckt Cipolla Mario aus seinem tranceartigem Zustand, dieser stürmt von der
Bühne in Richtung Ausgang. Dort zieht Mario plötzlich eine Waffe, zwei Schüsse fallen,
woraufhin der Zauberer getroffen zu Boden sackt. In der allgemeinen Aufregung treten
der Erzähler, den ein Gefühl der Bestürzung, aber auch der Befreiung überkommt, und
seine Familie den Rückweg an.
Betrachtet man nun die Novelle ,,Mario und der Zauberer" vor dem zeitlichen Hintergrund
des Erscheinungsjahres 1930, so wird augenscheinlich, dass Thomas Mann ein
aufmerksamer Beobachter seiner Zeit gewesen sein muss, der anscheinend ausgestattet
mit einem sensiblen Gespür für die politischen Strömungen, Vorahnungen hegte, die in
der Gestalt des dämonisch erscheinenden Hypnotiseurs Cipolla ihre Verkörperung finden.
Thomas Mann zeigt auf, wie ein diktatorischer Mensch mit den Mitteln der Rhetorik, der
Massenhypnose und der psychischen Gewalt eine derartige Manipulation von Menschen
durchführen kann, dass diese ihren eigenen Willen und ihre Individualität aufgeben, sich
dagegen willenlos der Macht der Verführung fügen.
Diese Macht Cipollas über die Menschen wird in der Novelle selber in mehreren
Situationen deutlich, von denen einige hier erwähnt werden sollten.
So lässt der Zauberer zu Beginn der Vorführung einen jungen Mann dem Publikum seine
Zunge herausstrecken, bringt einen anderen dazu, sich vor Schmerzen auf dem Boden zu
wälzen, was allerdings erst der Anfang seiner Massenhypnose darstellt. Erschreckend und
beklemmend ist das Ausmaß der Manipulation Cipollas dann aber anzusehen, als er
Signora Angiolieri mit seiner Willenskraft derart in seinen Bann zieht, dass sie völlig taub
wird für die Stimme ihres Mannes, taub für die Stimme von Tugend, Liebe und Vernunft,
die Macht der Verführung des Zauberers ist stärker, die Signora Angiolieri hätte in
diesem Moment wohl jeden Befehl des Zauberes ausgeführt.

1
Zu erwähnen ist noch, dass der Zauberer seine Macht zunächst ausschließlich an
Menschen aus den unteren Gesellschaftsschichten Torre di Veneres demonstriert. Als
Cipolla aber merkt, dass er jeglichen Widerstand dieser Menschen gebrochen hat, sie wie
Marionetten auf der Bühne ihre Gliedmaßen in wildem Tanz von sich werfen, sich völlig
dem Willen Cipollas untergeordnet haben, macht er sich daran, eine wahre ,,Willensfeste"
im Publikum zu brechen, die sich ihm in Gestalt eines Mannes aus Rom entgegenstellt,
der wohl aus gesellschaftlich höheren Kreisen stammt, der sich mit aller Gewalt der
Manipulation durch den Zauberer widersetzen will. Doch nach einiger Zeit einer zu
bewundernden Hartnäckigkeit des Herrn aus Rom, war auch dessen Willen gebrochen
und Cipollas Triumph auf dem Höhepunkt angelangt.
Der dämonische Zauberer scheint nun völlige Macht über sein Publikum zu besitzen, dies
gelang ihm unter Zuhilfenahme der Machtinstrumente des Diktators, einem
Erscheinungsbild, das doch recht deutliche Parallelen zu der Person des Zauberers Cipolla
aufweist.
Als ein eloquenter Redner weiß Cipolla die Menschen für sich einzunehmen, die Masse zu
begeistern, mit psychischer Manipulation zwingt er den Menschen seinen Willen auf,
macht sie sich mit seelischer Gewalt gefügig, wobei hier wohl auch als Symbol der
Gewaltausübung seiner Reitpeitsche mit Klauengriff eine entscheidende Bedeutung
zukommt, mit deren Knall die Menschen in den Zustand der Willenlosigkeit versetzt
werden. Auch der für Cipolla charakteristische Nationalstolz, der sich immer wieder in
seinen Äußerungen widerspiegelt, komplettiert das Bild des diktatorähnlichen Menschen,
den uns Thomas Mann präsentiert.
Zum Schluss möchte ich nun noch einmal auf den zeitlichen und politischen Bezug der
Novelle Thomas Manns zurückkommen.
Wie schon am Anfang erwähnt, schrieb Mann ,,Mario und der Zauberer" im Jahr 1930,
also zu einem Zeitpunkt, als in Italien die Faschisten unter Führung des Diktators
Mussolini die Macht inne hatten und ein Herrschaftssystem bestand, das auf Terror und
Gewalt basierte, welches aber eben auch von der Person Mussolinis lebte, der es
verstand, Menschen in seinen Bann zu ziehen, sie sozusagen zu hypnotisieren.
Diese innenpolitischen Verhältnisse in Italien dürften Thomas Mann mit größter
Wahrscheinlichkeit in literarischer Hinsicht beeinflusst haben. Dies zeigt sich, wie ich
meine, auch in der Novelle selbst, wobei natürlich die Darstellung Cipollas als ein
diktatorähnlicher, machtbesessener und manipulierender Mensch ein recht deutliches
Anzeichen dafür ist, das Mann Parallelen zur politischen Situation Italiens zieht.
Auf das Terrain der Spekulation begibt man sich allerdings, wenn man sich fragt,
inwieweit Thomas Manns Novelle sich auf mögliche politische Entwicklungen in
Deutschland bezieht, inwieweit der Autor das bevorstehende Unheil erahnen konnte, das
in Gestalt einer Person hereinbrach, die eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem
dämonischen Hypnotiseur Cipolla aufweist.
Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass Thomas Mann die Gefährlichkeit und die Macht von
Verführung und Massenhypnose darlegt, die erschreckende Erkenntnis aufzeigt, dass ein
Einzelner eine Vielzahl von Menschen zu nicht mehr selbstständig denkenden Sklaven
seines Willens machen kann und dass die Menschen nur in dem Moment die Freiheit ihres
Geistes wiedererlangen können, in dem sie selber den Tod des Hypnotiseurs
herbeiführen.

Aufbau des Referates


1.Inhaltsangabe
2.Interpretationsansätze
3.Informationen zum Autor Thomas Mann
4.In wie fern handelt es sich um eine Novelle?
5.Persönliche Bewertung
6.Die Verfilmung von Mario und der Zauberer

1. Inhaltsangabe

Die 1930 erschienene Novelle ,,Mario und der Zauberer", von Thomas Mann geschrieben,
handelt vom Urlaub einer vierköpfigen deutschen Familie in Italien und den sich dort

2
ereignenden Geschehnissen.
Die Novelle ist in zwei große Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt, der ungefähr ein
Viertel der Geschichte einnimmt, schildert der Ich-Erzähler von seinen Eindrücken und
Erlebnissen im Urlaubsort Torre di Venere. Der Ort ist monatelang von Touristen überfüllt
und die Familie des Erzählers findet, dass sie zu früh angereist sind, denn die ,,
italienische Saison stand noch im vollem Flor; das ist für Fremde der rechte Augenblick
nicht."
Der in Italien aufkeimende Nationalstolz und Faschismus sorgen von Anfang an für eine
unangenehme Spannung. Die Familie hat sich im Grand Hotel einquartiert, darf aber
nicht am gewünschten Tisch sitzen, da dieser nur für die römische und florentinische
Gesellschaft vorgesehen ist. Der Erzähler kommt sich Augenblicksweise wie ein Gast
zweiten Ranges vor.
Auch römischer Hochadel, der ein Zimmer weiter wohnt, gehört zu den Gästen. Die
Fürstin bekommt mit, dass der Sohn des Erzählers einen Rest Keuchhusten hat.
Daraufhin befürchtet sie, dass Ansteckungsgefahr bestehe. Der Familie wird angeordnet
in den Nebenbau umzuziehen, doch sie entscheidet sich für eine Umquartierung in die
Pensione Eleonora.
Am Strand bekommen auch die beiden Kinder die gereizte Lage zu spüren, denn sie
werden von italienischen Kindern zurückgewiesen. Die Nacktheit der achtjährigen Tochter
wird als ,,Missbrauch der Gastfreundschaft" und als Verletzung der Ehre Italiens
gewertet. Schließlich müssen sie ein Bußgeld von 50 Lire bezahlen.
Trotz dieser Ereignisse reist die Familie nicht ab. Bald kündigt sich der Taschenspieler
und Zauberer Cipolla an. Auf Wunsch der Kinder hin, besucht die Familie die Vorstellung,
bei der ganz Torre di Venere anwesend ist.
Mit dem Auftreten Cipollas, das sich um eine halbe Stunde verzögert, beginnt der zweite
Teil der Novelle. Cipolla ist ,, ein Mann schwer bestimmbaren Alters, aber keineswegs
mehr jung, mit scharf, zerrüttetem Gesicht, stechenden Augen, faltig verschlossenem
Munde, kleinem, schwarz gewichsten Schnurrbärtchen und einer sogenannten Fliege in
der Vertiefung zwischen Unterlippe und Kinn. Er trägt einen weiten schwarzen ärmellosen
Radmantel mit Samtkragen, weiße Handschuhe, einen schwarzen Schaal und einen
Zylinderhut. An ihm fällt außerdem ein Gesäßbuckel auf, der bewirkt das die Kleidung
falsch gestrafft ist. Zu seinen Requisiten gehören Zigaretten, eine Flasche Cognac und
eine Reitpeitsche. ,,Von persönlicher Scherzhaftigkeit oder gar Clownerie in seiner
Haltung, seinen Mienen, seinem Benehmen" ist nichts zu spüren. Sein erstes Kunststück
demonstriert Cipolla an einem vorlauten Besucher, den er gegen seinen Willen dazu
bringt die Zunge rauszustrecken. Schon bald wird deutlich, dass es sich bei dem
Zauberer Cipolla um einen Hypnotiseur handelt. Er wendet sich an das Publikum und
berichtet, dass er wegen seines Buckels nicht am Krieg für die Größe des Vaterlandes
habe teilnehmen können. Während der Vorstellung äußert er sich immer wieder
faschistoid.
Die nächsten Kunststücke sind arithmetische Zauberereien und Kartenspiele. Cipolla
sucht sich immer wieder Personen aus dem Publikum. Bei zwei ,,Helfern" stellt sich
heraus, dass diese nicht schreiben können. Cipolla sagt darauf hin das jeder in diesem
Land schreiben kann und er spottet über Torre di Venere. Der junge Mann, der gegen
seinen Willen die Zunge rausgestreckt hat, wehrt sich gegen die Witze über Torre di
Venere. Cipolla redet so lange auf ihn ein, bis er eine Leibeskolik hat und sich vor
Schmerzen krümmt.
Beim nächsten Kunststück kann Cipolla Signora Angiolieri, die Leiterin der Pension in der,
der Erzähler mit seiner Familie wohnt, gleich ansehen, dass sie früher im Umkreis der
Eleonora Duse, einer italienischen Schauspielerin, gelebt hat. Darauf folgt eine Pause.
Auch jetzt entscheidet der Erzähler sich nicht zu gehen, da die Kinder, die wieder
aufgewacht sind, ihn bitten noch zu bleiben.
Nach der Pause besteht sein Programm ausschließlich aus Hypnose. Er versetzt einen
jungen Menschen in den Tiefschlaf und legt seinen Nacken und seine Füße auf zwei
Stuhllehnen. Schließlich setzt er sich auf seinen Körper ohne dass dieser nachgibt.
Singora Angiolieri lässt er nachtwandlerisch durch den Saal schreiten ohne dass sie die
Rufe ihres Mannes wahrnimmt. Einige junge Männer bringt er zum Tanzen, denen
schließt sich auch der Mann aus Rom an, der sich zuerst weigert zu tanzen. Zum Schluss

3
ruft er den Kellner Mario auf die Bühne, den die Familie von den Besuchen im Cafe
Esquisito kennt. Mario ist ein junger Mann von etwa zwanzig Jahren mit kurzgeschorenen
Haaren, einer niedrigen Stirn und einer eingedrückten Nase.
Cipolla erfährt schnell, dass Mario in eine Frau Namens Silvestra verliebt ist. Er redet
Mario ein, dass er Silvestra sei und Mario solle ihn auf die Wange küssen. Dies geschieht
auch, aber als Mario aus seiner Hypnose erwacht und den Irrtum erkennt, erschießt er
Cipolla. Der Ich-Erzähler empfindet das Ende mit Schrecken dennoch befreiend. Die
Familie verlässt darauf den Saal.

2. Interpretationsansätze

Thomas Mann schreibt die Novelle aus der Erinnerung heraus. 1926 verbrachte er seinen
Badeaufenthalt in Forte, wo sich die Geschichte ungefähr so zutrug, bis auf die
Ermordung Cipollas. Die Novelle entstand im August 1929 und erschien im April 1930.
Durch seine Andeutungen auf weitere Geschehnisse der Novelle, (zum Schluss kam der
Schock mit diesem schrecklichen Cipolla) wird die Spannung erhöht und der Leser merkt,
dass der Erzähler auf den Urlaub zurück blickt. Die Vorfälle während des Urlaubes sind in
einer spannungssteigernden Reihenfolge angeordnet. Der Erzähler berichtet die
Geschichte aus seiner Sicht (Ich-Erzähler). Dadurch erfährt der Leser nur die
Informationen, die der Erzähler hat. Es könnte sein, dass die Novelle sich in erster Linie
an jemanden richtet, der die Familie kennt, da er kein Familienmitglied vorstellt, oder es
soll die Wirkung eines privaten Ferienberichtes haben. In seiner Novelle finden sich viele
Kommentare und er wendet sich häufig an den Leser (Aber rechnen Sie hier mit unserem
bösen Willen,... Mögen sie das?).Immer wieder tauchen italienische Begriffe auf wie z.B.
pronti oder frutti di mare, dadurch vermittelt der Erzähler italienische Atmosphäre.
Zu der Zeit herrschte schon die Partei Mussolinis und dies bekam die Familie des Ich-
Erzählers zu spüren, da die italienische Gesellschaft eine faschistoide Haltung
angenommen hatte. Schon zu Anfang der Geschichte berichtet der Erzähler, dass Ärger,
Gereiztheit und Überspannung in der Luft lagen.
Am Strand von Torre di Venere lassen die italienischen Kinder die Kinder des Erzählers
nicht mitspielen. Der Erzähler versucht ihnen die politische Lage und damit das Verhalten
der Einheimischen folgendermaßen zu erklären: ,,Diese Leute (...) machen soeben etwas
durch, so einen Zustand, etwas wie eine Krankheit, wenn sie wollten, nicht sehr
angenehm, aber wohl notwendig."
Die Familie besucht die Vorstellung Cipollas, der in der Lage ist, den Willen eines
Menschen zu beeinflussen und den ,,Opfern", die er sich aus dem Publikum sucht, das
Bewusstsein und die Beherrschung des eigenen Körpers zu nehmen, so dass der Körper
auf die Anweisungen des Cipollas reagiert. Ihm gelingt die Unterwerfung der Masse ohne
Gewalt.
Doch was seltsam erscheint ist, dass der Erzähler keine Angst hat auch in diese Situation
zu kommen. Zwar nimmt Cipolla meist Personen von den Stehplätzen und er hütet den
vornehmeren Teil des Publikums, aber Signora Angiolieri ist ein Beispiel dafür, dass es
auch anderes sein kann.
In der Pause entscheidet der Erzähler sich dazu den Saal nicht zu verlassen. Er selbst
sagt ,, Das richtigste wäre die Frage, warum wir jetzt nicht gingen, mit der anderen zu
beantworten warum wir vorher Torre nicht verlassen hatten."
Ein Symbol für Brutalität ist die Reitpeitsche, die während der Vorstellung sehr oft zum
Einsatz kommt genauso wie der Cognac den er häufig trinkt. Mit dem Knall der
Reitpeitsche versetzt er die Menschen in einen Zustand der Willenlosigkeit. Das Symbol
der Reitpeitsche, taucht nur im letzten Teil der Novelle auf. In der ganzen Novelle ist
immer eine unangenehme Grundstimmung vorhanden.
Man kann Cipolla nicht mit Mussolini gleichsetzten, er hat aber typische Merkmale eines
Diktators, denn er demonstriert nicht nur das Wesen der Macht, sondern auch deren
Missbrauch. Auch der für Cipolla charakteristische Nationalstolz, der sich immer wieder in
seinen Äußerungen wiederspiegelt, komplettiert das Bild des diktatorähnlichen Menschen.

Das Publikum könnte das ,,Volk" darstellen, das aus verschiedenen Gesichtern besteht,

4
wo von drei besonders hervortreten. Zum einen der Mann, der sich Cipolla widersetzt,
doch schließlich klein beigeben muss, denn er streckt gegen seinen Willen die Zunge raus
und der Mann aus Rom, der gegen seinen Willen tanzt. Dann gibt es die breite Masse, die
sich Cipolla nicht widersetzt, und damit das Bild des Mitläufers wiedergibt. Mario ist das
dritte Gesicht, denn nachdem er erkennt, was Cipolla mit ihm angestellt hat, wird er aktiv
und erschießt ihn. Mario wird aber keineswegs als brutal beschrieben, sondern im
Gegenteil als träumerisch. Die Erniedrigung durch Cipolla macht die Reaktion Marios
verständlich. In der Novelle sagt der Erzähler mal: ,,Wir hatten von jeher etwas übrig
gehabt für Mario." Es trifft gerade den unschuldigen Mario, der bis zum Äußersten
erniedrigt wird.
Der Ich- Erzähler selbst findet das Ende befreiend, da sich die Spannung, die sich immer
mehr zugespitzt hat, durch die Ermordung Cipollas auflöst.
Der Erzähler verlässt schnell den Saal, damit die Kinder, die bisher alles als Schauspiel
wahrgenommen haben und durch mangelnde Sprachkenntnisse nichts verstanden haben,
in ihrem Glauben bleiben. Der Tumult im Saal ist groß und einige entwaffnen Mario. Aus
dem Ende lässt sich schließen, dass nicht alle das Ende als befreiend empfunden haben.
Thomas Mann lehnt eine politische Deutung erst ab, bevor er 1940 in ,,On myself"
beschreibt, dass es sich bei ,,Mario und der Zauberer" um eine Warnung vor der
Vergewaltigung durch das diktatorische Wesen handele.
Der Titel umfasst zwei sehr unterschiedliche Personen Mario und Cipolla, doch sind beide
sehr wichtig für den Ausgang der Novelle. Der Untertitel ,,Ein tragisches Reiseerlebnis"
macht deutlich, dass es sich um eine oder mehrere Personen handelt, die sich nicht in
ihrer Heimat befinden und etwas Erschütterndes erleben.

3. Informationen zum Autor

Thomas Mann wurde am 6. Juni 1875 in Lübeck geboren. Sein Vater war Kaufmann und
später Senator. Seine Mutter kam aus Südafrika. Thomas Manns Bruder Heinrich war
auch ein berühmter deutscher Autor. Insgesamt hatte er vier Geschwister.
1894 ging er von der Schule ab und schrieb heimlich seine erste Novelle (Gefallen)
nieder. 1898 erschien die erste Buchvorstellung ,,Der kleine Herr Friedemann". 1901
erschien Buddenbrooks für die er 1929 den Nobelpreis der Literatur bekam. Zuvor
heirate er 1905 Katherina Pringsheim mit der er 6 Kinder hatte. 1933 zog er in die
Schweiz, nachdem er von den neuen Machthabern heftig kritisiert wurde. 1936 wurde
ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. 1944 erwarb er die amerikanische
Staatsbürgerschaft. Nach Kriegsende wurde er wegen seiner scharfen politischen
Äußerungen als deutschfeindlich missverstanden. 1949 lebte er für kurze Zeit wieder in
Deutschland, er siedelte aber 1952 nach Zürich über. Nachdem er zahlreiche Werke
geschrieben hatte, starb er 1955 im Alter von 80 Jahren in Zürich.

4. In wie fern handelt es sich um eine Novelle?

Die Novelle ,,Mario und der Zauberer" hat nur wenige Hauptfiguren, den Erzähler mit
seiner Familie, Cipolla und am Ende der Novelle Mario. Die Novelle beruht auf einer
wahren Begebenheit, da Thomas Mann die Geschichte selbst erlebt hat, bis auf das Ende,
auf das ihn seine Tochter Erika brachte. Durch die Ermordung Cipollas entsteht erst ein
Wendepunkt in der Novelle, da sich die Spannung, die sich immer mehr zugespitzt hat,
auflöst. Doch ist es zu bezweifeln, ob es realistisch ist, dass man Menschen in einem so
kurzen Zeitraum und gegen ihren Willen in Hypnose versetzten kann. Ein richtiges
Symbol ist nicht vorhanden, zwar könnte die Reitpeitsche Brutalität verkörpern, sie
kommt aber nur während der Vorstellung vor und nicht am Schluss und somit am
Wendepunkt der Novelle. Die Novelle besteht nur aus einer Haupthandlung, die für
Novellen charakteristisch ist.

5. Persönliche Bewertung

5
Die Novelle ,,Mario und der Zauberer" ist ohne den geschichtlichen Hintergrund zuerst
nicht so gut nachvollziehbar. Im ersten Teil wird die faschistische Stimmung gut
übermittelt. Dadurch, dass die Novelle aus der Sicht des Ich-Erzählers geschrieben ist, ist
es leichter sich in die Novelle rein zu versetzten, da der Erzähler am Geschehen beteiligt
ist, entsteht nicht die Distanz, aus der ein Er-Erzähler die Handlung schreibt. Der zweite
Teil der Novelle ist etwas langatmig, da die Vorstellung von circa drei Stunden auf 30
Seiten verteilt ist. Man kann sagen das
Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit kehrt sich um. Zwar werden die Vorfälle
oder Ereignisse immer gravierender, aber durch die Kommentare des Erzählers wird
diese Spannung immer wieder unterbrochen.
Auch wenn die Novelle um 1930 spielt weicht sie nicht sehr von den heutigen
Verhältnissen ab, das wird bei der Erziehung von den Kindern des Ich-Erzählers deutlich,
die genauso wie Kinder heute erzogen werden und nicht so streng wie es damals üblich
war. Die Sprache ist gut zu verstehen und durch die italienischen Wörter im Text, kommt
die italienische Stimmung gut rüber. Trotz des zu lang geratenen zweiten Teils, wird im
Buch deutlich wie sich die Politik Italiens auf die Menschen auswirkt und wie es möglich
ist Menschen zu manipulieren. Auch die Anzahl der Mitläufer sehr groß, die einem
Menschen erst die Möglichkeit geben so viel Macht zu erlangen. Insgesamt finde ich die
Novelle von der Idee her gut, aber der Schreibstil sagt mir nicht so zu.

6. Die Verfilmung von Mario und der Zauberer

Der 2 Stunden lange Film ist von und mit Klaus Maria Brandauer, der im Film den Cipolla
verkörpert. Der größte Teil ist aus dem Buch übernommen, doch einige Stellen sind auch
frei dazuerfunden, z.B. dass am Tag der Ankunft ein Kellnerwettrennen stattfindet, an
dem Mario teilnimmt oder dass der Ich-Erzähler im Kultusministerium eine Rede hält. Im
Film taucht Mario schon viel früher auf, nicht erst am Ende der Novelle. Auch Silvestra,
bei der man im Buch nicht weiß, ob sie im Publikum sitzt, kommt im Film häufiger vor.
Die Vorstellung Cipollas ist in zwei Abschnitte gegliedert, der erste Abschnitt findet auf
der Straße statt, wo er Werbung für seine Vorstellung macht. Der zweite Abschnitt findet
in einem Saal statt, indem sich auch das Ende zuträgt, dass im Film ganz anders
aussieht. Silvestra, bei der man im Buch noch nicht einmal weiß ob sie im Saal anwesend
ist, trägt mit zum Ausgang der Novelle bei. Nachdem sie auf die Bühne geholt wurde,
küsst sie statt Mario Cipolla und erschießt schließlich Mario. Im Film findet von der Länge
her eine Umkehrfunktion der zwei Novellenteile statt.

Inhalt:

Die Novelle ,,Mario und der Zauberer" ist eine Reiseerzählung mit autobiographischem
Hintergrund. Der Ich-Erzähler reist mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern nach
Italien in einen kleinen Badeort, Torre di Venere. Der Ich-Erzähler beschreibt die
unfreundliche Haltung der Italiener gegenüber den ausländischen Touristen und den
übersteigerten Nationalismus der Italiener. So hat die Tochter zum Beispiel einen leichten
Keuschhusten, was in dem Hotel eine Lärmbelästigung sei und weswegen sie ihr Zimmer
verlassen sollten.
Eine Woche vor ihrer Abfahrt kommt ein Zauberer, Cavaliere Cippola, in den Ort und gibt
eine Vorstellung. Dort erleben sie ein kleines, häßlich verstelltes Männlein, der den
ganzen Saal zu hypnotisieren versteht. Er läßt die Menschen mit Hilfe seiner Peitsche
völlig willenlos werden, um sie dann tanzen, springen oder sonstige Sachen nach seinem
Willen machen zu lassen.
Am Ende seiner Vorstellung bittet er Mario, einen jungen Kellner, der mit den Kindern
des Ich-Erzählers befreundet ist, nach vor auf die Bühne. Dort hypnotisiert ihn Cippola
und bringt Mario dazu ihn zu küssen, im Glauben Cippola sei Marios Geliebte. Als aber
Mario nach dem Erwachen den demütigenden Irrtum bemerkt zieht er seinen Revolver
und erschießt den Hypnotiseur.

Zum Inhalt:

6
Thomas Mann will mit der Novelle "Mario und der Zauberer" aufzeigen, wie ein
machtbesessener, diktatorischer Mensch zum Ziel kommen kann, indem er auf Kosten
Einzelner die Masse, oder besser die Mitläufer, mobilisiert und die Machtinstrumente
eines Diktators einsetzt:
Rhetorik, um die Masse zu begeistern, Rabulistik, um Augenwischerei zu betreiben,
Massenhypnose, um die Psyche der Einzelnen zu beeinflussen und Brutalität, um sich
Respekt zu verschaffen. Das Element der Brutalität ist bei Cipolla seine Reitpeitsche, die
er immer wieder bedrohlich durch die Luft zischen läßt. Er bricht den Willen und den Stolz
jedes einzelnen. Um leichtes Spiel zu haben redet er den Leuten mit wortverdreherischen
Methoden ein, es würde ein Wohlgefühl eintreten, wenn sie willenlos seien. Das Leben ist
schließlich viel einfacher, wenn man nichts zu entscheiden braucht.
Thomas Mann zeigt uns hier aber auch noch etwas anderes: Er erzählt, daß die Familie
während der Pause darüber nachgedacht hat, die Vorstellung zu verlassen. Und nach der
Pause, so berichtet er weiter, legt Cipolla erst richtig los, er ist sozusagen nicht mehr
aufzuhalten. Diese Pause kann man sehr gut auf die politische Situation Italiens
übertragen, die man bei seinem Roman unbedingt beachten muß. Wenn Cipollas
Publikum größtenteils die Vorstellung während der Pause verlassen hätte, hätte sich die
Lage nie so zugespitzt. Auf Italien übertragen: Hätte man sich damals in Italien zur
Revolution gegen Mussolini durchgerungen, wäre es wohl nie zur Gleichsetzung von
Faschismus und Staat in Italien gekommen. Ohne es vorherwissen zu können hat Mann
auch einen Bezug zur deutschen Geschichte geschaffen. Wenn die Bevölkerung sich 1935
der möglichen Folgen besonnen hätte, würden sie, genau wie die Besucher von Cipollas
Show, zu diesem Zeitpunkt, noch etwas bewirken können.

Personen:

Mario: - Kellner im Esquisito


- ein wenig verträumt, schwermütig aber höflich
- 20 Jahre
- stammt aus einfachen Verhältnissen

Cipolla: - Hypnotiseur, seiner Ansicht nach Zauberer, von einigen als Scharlatan
betrachtet
- sehr selbstgefällig und stolz, beeinflusst das Publikum psychisch
- Buckel und schiefe Beine, schon älter
- trägt den Titel ,,Cavaliere"

Das Publikum: - größtenteils Bewohner Torres


- aus allen sozialen Schichten
- die meisten lassen sich von Cipolla begeistern
- 3 Personen am wichtigsten:

- ein Heer aus Rom der sich versucht gegen


Cipollas Art zu wehren
ein Jüngling der sich immer wieder freiwillig meldet Mario

Seiten 1 und 2 - Arbeitsblätter zum austeilen


Seiten 4 und 5 - Arbeitsblätter zum vortragenInhalt

Die Novelle "Mario und der Zauberer" von Thomas Mann spielt in Italien am
Tyrrhenischen Meer - genauer gesagt in Torre di Venere - und handelt von einer
vierköpfigen, deutschsprachigen Familie, die im Italien der 20er Jahre unseres
Jahrhunderts ihren Sommerurlaub verlebt und die eine als Zauberveranstalltung
deklarierte Show, die ein gewisser Cavaliere Cipolla leitet, der sich selbst Illusionista
(Zauberkünstler) nennt, besucht.
Eine vierköpfige Familie, deren Vater der Erzähler (bzw. der Sprecher) ist macht Urlaub

7
im italienischen Seebad Torre di Venere, das um diese hochsommerliche Zeit vor allem
von italienischen Badegästen gut besucht ist. Das Treiben in Torre kann man nach den
Erzählungen des Vaters als recht hektisch einstufen.
Zuerst ist die Familie, der neben Vater und Mutter noch eine achtjähriges Mädchen und
ein kleiner Jung angehören, im "Grand Hotel" einquartiert. Da um diese Jahreszeit fast
ausschließlich Italiener in diesem Hotel wohnen, kommt sich die deutschsprachige Familie
wie ein Gast zweiter Klasse vor. Als das Hotelmanagement dann auch noch die Bitte an
sie heranträgt, in einem anderen Hoteltrakt umzuziehen, da eine (italienische) Adlige
durch den abklingenden Keuchhusten der zwei kleineren Familienmitglieder ihre eigenen
Kinder in Gefahr sieht, obwohl ein Arzt versichert hat, daß der Husten der Kinder nicht
ansteckend sie, zieht die Familie in eine kleine Pension, die sie daher kennen, das die vier
dort schon vermehrt gespeist haben.
Die Familie bekommst immer wieder den Nationalstolz der Italiener zu spüren. Kleine
Spitzen seitens der italienischen Strandbevölkerung lassen den Familienvater am eigenen
Leib erfahren, daß er kein Italiener ist, sondern ein Fremder. Aus diesem Grunde kann
sich bei ihm kein richtiges Wohlgefühl einstellen.
Die Tatsache, daß die achtjährige Tochter nackt am Strand kniet, um ihren Badeanzug
auszuwaschen, löst bei den italienischen Badegästen enorme Empörung aus. Es kommt
sogar soweit, daß ein Mann, der in diesem Handeln einen Angriff auf die Gastfreundschaft
Italiens sieht, die Polizei ruft. Nachdem die Polizei dieses Vergehen als relativ
schwerwiegend eingestuft hat müssen 50 Lire Sühnegeld bezahlt werden. Es kommen
Gedanken seitens der Familie auf abzureisen, die dann allerdings verworfen werden.
Eine wohltuende Veränderung tritt ein, als mehr und mehr internationale Gäste anreisen,
denn die Hochsaison für die italienischen Urlauber neigt sich mittlerweile dem Ende zu.
Den mit der Zeit überall hängenden Plakaten ist zu entnehmen, daß ein Zauberkünstler
namens Cavaliere Cipolla bald Station in Torre die Venere machen wird. Die zwei Kinder
sind sofort von der Sache angetan, und so kommt es, daß die vier kurze Zeit später der
Vorstellung bewohnen.
Ziemlich schnell wird klar, daß es sich hier nicht um eine Zaubervorstellung handelt. Der
verkrüppelte Cipolla zeigt deutlich, daß man mit richtig angewendeter Rhetorik und
gekonnter Hypnose die Psyche einzelner Zuhörer, sowie der ganzen Zuhörer- schaft
beeinflussen kann. Mit Hilfe dieser Mittel sowie einer Reitpeitsche, die er durch die Luft
schnalzen läßt, zieht er die Hörerschaft in eine Art Bann und nutzt diesen, um einige
imponierende und interessante Darbietungen aufzuführen. Dies allerdings immer auf
Kosten von Teilen des Publikums.
Während der zehnminütigen Pause überlegt die Familie zu gehen, zumal es schon sehr
spät ist und die Kinder müde sind; da die Kinder aber nicht vorzeitig die Vorstellung
verlassen wollen, entschließt man sich noch zu bleiben.
Nach der Pause legt Cipolla erst richtig los. Immer wieder macht er Scherze, auf Kosten
einzelner Besucher, die er fast peinlich vor allen Zuschauern bloßstellt. Schließlich läßt er
einige Personen aus dem Publikum anfangen zu tanzen. Er hat eigentlich leichtes Spiel
mit der Zuhörerschaft, was die psychische Beeinflussung angeht. Allerdings stößt er bei
einem Herrn, der sich nicht beeinflussen lassen will auf vehementen Widerstand. Es
kostet der Rhetoriker Cipolla einige Bemühungen, diese Opposition auszuschalten und
den Widerstand zu brechen.
Nun wird Mario, der der Familie als Kellner bekannt ist auf die Bühne gebeten. Durch
geschickte Kombination von Hypnose, Einredungskünsten und der Reitpeitsche entlockt
Cipolla dem jungen Mann die intimsten Wünsche, die er vor der gesamten Zuhörerschaft
preisgibt. Der Illusionista gaukelt Mario vor, er sei das Mädchen Silvestra, wegen dem
Mario Liebeskummer hat, und treibt ihn sogar soweit, daß dieser ihn küßt. Unter
schallendem Gelächter verläßt Mario die Bühne. Getrieben von Pein zieht er eine Waffe
und erschießt Cipolla. Wie erleichtert und befreit verläßt die Familie fluchtartig den
Schauplatz des Geschehens.

MARIO

Soweit dem Text zu entnehmen ist, würde ich sagen, daß man Mario in die Kategorie der
Träumer einordnen könnte. Mario ist 20 Jahre alt. Durch sein Auftreten und sein Äußeres

8
wirkt er schwermütig, keinesfalls aber brutal, was für seine spätere - man möchte ja fast
sagen Wandlung - von enormer Bedeutung ist. Mario ist untersetzt gebaut, besitzt eine
niedrige Stirn mit schweren Lidern über den Augen, welche grau sind, aber grün- und
gelbliche Einschläge haben. Seine leicht eingedrückte Nase wird von einigen
Sommersprossen geziert. Außerdem verfügt er über dickliche fast wulstige Lippen. Mario
hat schmale feine Hände, die in Italien als besonders nobel gelten. Sein Haar trägt er
kurzgeschoren. Wenn Mario nicht gerade seine Dienstkleidung, also seine Kellneruniform
anhat, die ihm übrigens gut steht, trägt er eher einfache Kleidung. Zur Vorstellung
kleidet ihn ein verschlossenes Complet von Jacke und Hose, dazu ziert ein Seidentuch
seinen Hals. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, sein Vater ist ein kleiner Schreiber
im "Municipio", während seine Mutter einfache Wäscherin ist. Er selbst hat früher einmal
in Portoclemente gearbeitet, ist aber nun als Kellner im "Esquisito" tätig. Er wird als
manchmal leicht geistesabwesend beschrieben. Er hat eine ernste, aber träumerische
Art, manchmal sieht man ihn zerstreut melancholisch lächeln, allerdings besitzt er eine
besondere Dienstfertigkeit im Beruf. Er verzichtet auf Liebenswürdigkeiten, die nur
darauf abzielen, zu gefallen. In der Damenwelt scheint er nicht so richtig Erfolg zu haben.
Mario ist ein höflicher Mensch. Als er von Cipolla auf die Bühne geholt wird, was ihm nicht
so recht paßt bedankt er sich bei all denen, die ihm den Weg zur Bühne frei machen. Daß
dieser Mensch nur wenig später einen Mord begeht, kann man eigentlich gar nicht
glauben, aber Mario kann die Pein, die der Virtuose Cipolla ihm zugefügt hat, indem er
ihn gnadenlos bloßgestellt hat, nicht ertragen. Die Tatsache, daß Mario eine Waffe trägt,
läßt darauf schließen, daß er doch etwas gefährlicher zu sein scheint, als man am Anfang
annimmt.

CIPOLLA

Auf den Familienvater macht der Hypnotiseur Cipolla den Eindruck eines Scharlatans. Er
hat etwas von den "marktschreierischen Possenreißern" des 18. Jahrhunderts an sich.
Zu Cipollas Äußerem ist zu sagen, daß er dessen Alter, dessen Alter schwer bestimmbar,
der aber gewiß nicht mehr jung ist, ein scharfes, zerrüttetes Gesicht hat. Ferner wirkt
sein Mund stechend. Cipolla besitzt einen faltigen Mund und eine Vertiefung, genannt
"Fliege", zwischen Unterlippe und Kinn, sein kleiner Schnurrbart ist schwarz gewichst,
und seine Zähne sind splitterig. Seine Hände sowie sein Gesicht haben einen gelblichen
Teint. Cipolla ist verkrüppelt - er hat schiefe Beine und einen Buckel. Erinnerungen an
den Krieg fürs "Vaterland", wie er sagt.
Cipolla trägt einen weiten, ärmellosen schwarzen Radmantel sowie einen weißen Schal,
der zu seinen weißen Handschuhen paßt. Sein Kopf wird anfangs von einem Zylinder
geschmückt. Seine Kleidung sitzt, durch seine Verkrüppelung bedingt, falsch gestrafft
und fällt in grotesken Falten.
Über die soziale Situation dieses Mannes läßt sich nur sagen, daß er den Adelstitel
"Cavaliere" trägt. Unter dem Deckmantel des Zauberers übt er gnadenlose Beeinflussung
der Psyche seines Publikums aus. Cipolla, der während seiner Darbietung sehr viel raucht
und trinkt, zeichnet sich durch strenge Ernsthaftigkeit aus. Er lehnt "alles Humoristische"
ab. Er besitzt eine große Portion Selbstgefälligkeit sowie Stolz. Außerdem zeigt er dem
Zuschauer immer wieder seinen sehr stark ausgeprägten Nationalstolz. Cipolla hat Spaß
daran, andere Menschen bloßzustellen und seine Zuschauer gegen- einander
auszuspielen. Mit gekonnter Rhetorik, Massenhypnose, Rabulistik und Brutalität
(Reitpeitsche) kann er jeden Widerstand brechen. Dies sind im Übrigen die typischen
Merkmale eines Diktators. Als er merkt, daß sich jeglicher Widerstand aufgelöst hat
kommt Cipolla erst richtig in Fahrt und beginnt seine Macht, die er bislang nur spöttisch
präsentierte, nun auch zu mißbrauchen, und dringt in die innersten Regungen und gut
gehüteten Geheimnisse seiner "Opfer" ein. Bei Mario geht er sogar soweit, seine
Menschenwürde zu beleidigen, indem er ihn in höhnischster Weise lächerlich macht. Das
Geheimnis von Cipollas fragwürdigem Erfolg beruht zum Teil auf seiner stark
ausgeprägten Selbstsicherheit, mit der er das Publikum in seinen Bann zieht, dem keiner
entkommen kann. Thomas Mann präsentiert uns Cipolla als willenbrechenden,
diktatorähnlichen Menschen.

9
PUBLIKUM

Das Publikum besteht größtenteils aus den Bewohnern Torres, einige Gäste von
außerhalb sind auch dabei. Die einfachen Besucher befinden sich auf den Steh- plätzen,
während sich die "High Society" auf Stühlen niedergelassen hat. Das Publikum hat viele
Gesichter, von den drei wohl am auffälligsten sind: zum einen ein Herr aus Rom, der den
Widerstand verkörpert. Er stellt sich gegen die willensraubende Rhetorik Cipollas, muß
aber dann klein beigeben.
Zum anderen gibt es da den Jüngling, der sich immer wieder anbietet, das Versuchs-
objekt für Cipolla zu spielen, und alles mit sich machen läßt. Er verkörpert ganz ein-
deutig die breite Masse der Mitläufer.
Das dritte Gesicht ist das des Mario. Er tötet Cipolla, den Peiniger. Er ist zu denen zu
zählen, die erst nach der Erkenntnis zum "aktiven Widerstandskämpfer" werden.

Inhalt

Der Autor ist mit seiner Familie in einem kleinen, nicht so touristischen Ort, Namens
Torre. Sie sind Mitte August mit ihren Kindern in die Ferien gefahren, um der Flut der
Hauptsaison aus dem Wege zu gehen. Im Grand Hotel gibt es ein Missverständnis, denn
man möchte sie nicht auf der Veranda dinieren lasse, weil man sie für fremde hält. Des
weiteren möchte sie der Hoteldirektor umsiedeln, weil sich eine adelige Dame vor dem
abklingendem Keuchhusten der Kinder gefürchtet und beschwert hatte. Die Familie
verlässt das Hotel freiwillig und siedelt in die Pension Eleonora um. Das Wetter ist
wunderschön, heiss, wolkenloser Himmel, doch der Autor findet, dass ihm diese
Herrschaft der Sonne und die glühende Leere des Himmels zur Last fallen und ihm zu
schaffen machen. Die ganze Familie fühlt sich nicht so recht wohl, denn der Zwischenfall
mit dem Keuchhusten der Kinder, hatte doch Spuren hinterlassen. Ein Junge namens
Fuggièro stört den Autor besonders, denn dieser hatte ein riesiges Aufsehen erregt und
wurde mit einer Barre vom Strand getragen, obwohl er nur vom einem Krebs gezwickt
worden war. Am Strand kommt es unweigerlich zu einem Konflikt. Die Tochter des Autors
wäscht ihr Badetrikot im Wasser und ist für kurze Zeit unvermeidlich nackt am Strand,
was gegen die öffentliche, herrschende Moral verstösst und ein Aufruhr nach sich zieht.
Ein Mann empört sich und scheltet den Autor persönlich für diese Nachlässigkeit und
unverzeilichen Sittenverstoss, doch der Autor verzichtet auf Widerspruch und
entschuldigt sich für das Vorkommnis, was jedoch nichts nützte und nicht verhindern
konnte, dass die Behörden ins Spiel gebracht wurden. Der Autor muss eine Busse zahlen
und bereut im Nachhinein, nicht an Ort und Stelle abgereist zu sein.

Sie haben sich entschlossen zu bleiben, weil sie sich dem aussetzten wollen und dachten,
sie könnten etwas dabei lernen. Der Mann, der sie gescheltet hatte, war abgereist und
auch viele anderer Gäste waren heimgekehrt, denn die Nachsaison hatte eingesetzt. Das
Wetter schlägt um und es ist bedeckt, kühler und von Zeit zu Zeit regnet es. Cavaliere
Cipolla ist das nächste Übel.

Der Sohn des Erzählers möchte den Zauberkünstler unbedingt sehen und so kommt es,
dass sie in die Vorführung des Cavaliere Cipolla gehen. Die Kinder kommunizieren mit
dem einfachen Fischervolk auf den Stehplätzen und unter diesem Volk ist auch Mario,
den sie kennen, da er in einem Café serviert. Die Vorstellung verzögert sich ein wenig,
sehr zur Beunruhigung des Autors. Dann endlich der Auftritt des Künstlers, der nicht
mehr jung ist und in klassischer Zaubererkluft mit Zylinder und weissem Schal sich dem
Publikum präsentiert. Ein hübscher Junge meldet sich im Publikum und der Zauberer
benutzt den frechen Jungen, der die Darstellung des Zauberer unterbrochen hatte, für
eine Demonstration. Der Zauberer schaut den Jungen streng an, knallt mit der Peitsche
und der Junge streckt seine Zunge heraus, obwohl er beteuert hatte, dies nicht tun zu
wollen. Cipolla behauptet, dass er es gewesen sei, der den Junge dazu brachte, die
Zunge herauszustrecken. Daraufhin erzählt der Zauberer von seinen wichtigen Kontakte
und prahlt damit, dass er fast ausschliesslich gute Abende und Vorstellungen mache, um

10
dann darauf hinzuweisen, dass er aufgrund eines körperlichen Defektes nicht dem
Vaterlande dienen kann.

Der Zauberer fährt mit einem arithmetischen Trick fort, wobei er immer wieder Leute
vom Volk, keine Vornehmen, auf die Bühne holt, um ihm zu helfen und um sie
anzustacheln. Als zwei von ihnen sagen, dass sie nicht schreiben können, empört sich der
Künstler daran und schickt sie an ihre Plätze zurück. Daraufhin meldet sich der Junge
wieder zu Wort, der diese Beleidigung seines Volkes nicht auf sich sitzen lassen wollte.
Der Blick des Zauberers bringt den Jungen jedoch zur Kapitulation und er krümmt sich,
weil er glaubt, Schmerzen im Bauch zu haben.

Dem Autor fällt auf, dass die Augen des Zauberers doch sehr merkwürdig sind und eine
Dame bemerkt, dass der Zauberer, zu seinen zahlreichen Zigaretten, viel trinke. Der
Arithmetiktrick wird fortgesetzt mit einem, der Familie bekannten, Helfer, der diktierte
Zahlen des Zauberers, die dieser vom Publikum holte, aufschrieb. Die Zahlen werden
zusammengezählt, doch die Summe steht schon an der Tafel, unter einem Blatt, das der
Zauberer lüftet, geschrieben. Er hatte sie im Voraus niedergeschrieben, was ihm grossen
Respekt bringt.

Der Erzähler ist wenig beeindruckt und macht sich Sorgen darüber, wie er den Kindern
beibringen könnte, dass sie nun, des Schlafes wegen, gehen mussten. Ein Zuschauer
gesteht, dass der Zauberer gewisse Macht habe, denn als dieser vor ihm gestanden sei
und mit der Peitsche hantierte, sei ihm seine Zahl entfallen, um eine andere zu nennen,
die dann vorne auf der Tafel des Zauberers erschien. Der Erzähler erzählt von einer
gewissen Abneigung im Publikum, welche der Zauberer mit seiner Peitsche und der
allgemeinen Höflichkeit im Zaum halten konnte.

Der Zauberer geht von den Zahlentricks zu den Kartenwundern über. Der Zauberer
verkündet, dass je entschlossener jemand ist, eine eigene Karte zu ziehen, umso sicherer
wird er die ziehen, die der Zauberer sich wünscht. (,,Denn ein Wille, der sich auf seine
Freiheit richtet, stösst ins Leere.") Jetzt bemerkt auch der Autor, dass der Zauberer viel
trinkt. Der Zauberer erläutert, dass die Fähigkeit zu seinem Werkzeug zu werden, die
Kehrseite dazu sei, zu wollen und zu befehlen. Des weiteren beeindruck der Zauberer die
Leute, indem er hellseherische oder telepatische Fähigkeiten unter Beweis stellt. Er sagt,
dass die Wirtin der Familie, eine berühmte Künstlerin in der Familie gehabt habe, was
diese nur bestätigen kann.

Es ist nun eine Pause angesagt, doch der Autor nutzt diese nicht, um zu gehen, obwohl
er zuvor die Kinder ins Bett bringen wollte. Eine Erklärung dafür hat er jedoch nicht. Auf
Wunsch der Kinder, die während der Vorstellung eingeschlafen waren, bleibt die ganze
Familie doch noch. Der Autor entschuldigt sich für diese Nachlässigkeit, auf den Wunsch
der Kinder zu bleiben. Er Vergleicht es mit der Situation in ganz Torre. Sie hatten auch
entschieden nach dem Zwischenfall am Strand zu gehen, doch wie hier hielt sie etwas,
die Faszination am Merkwürdigen hatte sie erfasst.

Nach der Pause geht es mit unverschleierten hypnotischen Darbietungen weiter. Der
Erzähler sagt, dass dieser Mann der stärkste Hypnotiseur sei, den er je gesehen habe.
Zudem erklärt er, dass der Zauberer den Alkohol braucht, um seiner inneren Dämonie
einzuheizen und die Peitsche, um Respekt einzuflössen und die Kontrolle zu behalten. Der
Autor ist besorgt, dass der Zauberer die Leute zu etwas bewegen konnte, das sie gar
nicht wollten und dass deren Widerstreben nichts halft. Die Gastgeberin der Familie
(Sofronia Angiolieri) schwebt dem Zauberer nach einem seiner Peitschenknaller sogar
hinterher. Ein weiterer Ausdruck der Herrschaft des Künslters ist der Punkt, wo er das
Publikum zum Tanzen bringt, wobei diese Tanzorgie vom Jüngling eingeleitet wird, der
am Anfang solchen Widerstand geleistet hatte, doch gescheitert war und nun als
Musterbeispiel der Entseelung und Willenlosigkeit dient. Einem ganz hartnäckigen Fall
muss der Zauberer viel Aufmerksamkeit schenken, doch schliesslich tanzt auch dieser.

11
Der Autor versucht nochmals zu erklären, wieso er immer noch der Vorstellung beiwohnt
und die Kinder nicht nach Hause gebracht hatte. Er sagt, dass sie von der Nachtstunde
ergriffen waren.

Dann wird Mario vom Zauberer aufgefordert mitzumachen und dessen Name wissen
möchte. Um Marios Vertrauen zu gewinnen, sagt der Zauberer, dass Mario doch Kummer
habe, Liebeskummer. Mario verneint dies jedoch heftig, doch der Zauberer schafft es
schlussendlich, dass Mario ihn für seine geliebte Silvestra hält, sogar der Aufforderung
zum Kuss nachkommt. Dann erwacht er ab dem Peitschenknall. Mario erschiesst
daraufhin den Zauberer. Der Autor verlässt den Saal und erzählt, dass es ein befreiendes
Ende war.

Zum Aufbau der Novelle

Bei der Gliederung von Mario und der Zauberer nach Schauplätzen ergibt sich eine grobe
Zweiteilung der Novelle; den ersten Teil bildet die Handlung vor dem Auftritt des
Hypnotiseurs; sie spielt an mehreren Orten ( am Strand, im Hotel, im Urlaubsort Torre di
Venere ) und kontrastiert deutlich mit dem zweiten Teil, der im dunklen Kino spielt, wo
Cipolla seine Soirée abhält. Inhaltlich baut der erste Teil Spannung auf und bereitet
atmosphärisch den Auftritt des Hypnotiseurs vor; hier klingen bereits viele Motive an, die
dann im zweiten Teil konkretisiert werden ( Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus,
Faschismus).
=======================================================
=================
Der erste Akt stellt die Handlung vor dem Auftritt Cipollas dar; er bildet gleichsam eine
"Art Exposition", die durch zwei Höhepunkte gegliedert ist. Den ersten Höhepunkt bildet
der Eklat im Hotel; hier verwehrt die Hotelleitung den deutschen Gästen die Benutzung
der Veranda mit der Begründung, dieser Ort sei für Stammkundschaft reserviert, was für
eine erste Verstimmung der Gastfamilie sorgt. Das "Sittendelikt" der kleinen Tochter, die
am Strand mit nacktem Oberkörper ihre Badebekleidung reinigt, und der daraus folgende
Zusammenstoß mit der italienischen Bürokratie, repräsentieren laut Sautermeister den
zweiten Höhepunkt der Exposition, der gegenüber dem ersten eine Steigerung darstellt.
Der Erzähler ist darüber dermaßen verärgert, daß die Familie mit einem vorzeitigen
Abbruch des Urlaubes spekuliert.

Der zweite Akt beginnt mit dem Auftritt Cipollas; Sautermeister bezeichnet die allererste
hypnotische Demonstration, in der ein Dorfbursche von Cipolla gezwungen wird, seine
Zunge herauszustrecken, als "Vorgeplänkel". Auch dieser Akt hat zwei Höhepunkte: Den
ersten Höhepunkt bildet Cipollas Demonstration der Willensentziehung während der
Kartenkunststücke: Ein Herr, der mit "klarem Eigenwillen" eine Karte ziehen will, wird
durch Cipollas kalkulierte, bewußt verwirrende Reflexionen um seine
Entscheidungsfähigkeit gebracht:

"Die Freiheit existiert, und auch der Wille existiert; aber die Willensfreiheit existiert nicht,
denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtete, stößt ins Leere. Sie sind frei, zu ziehen
oder nicht zu ziehen. Ziehen Sie aber, so werden sie richtig ziehen, - desto sicherer, je
eigensinniger sie zu handeln versuchen."

Mit der Demonstration der Einfühlungsfähigkeit des Hypnotiseurs ist gemäß


Sautermeister der zweite Höhepunkt erreicht. Cipolla sucht nun Gegenstände, die vom
Publikum verborgen worden sind. "Die Rollen schienen vertauscht, der Strom ging in
umgekehrte Richtung." Der Hypnotiseur vollzieht den "in der Luft liegenden
Gemeinschaftswillen" und begründet hierauf eine "Analogie zu dem politischen Verhältnis
zwischen Führer und Volk":

12
"Befehl und Gehorsam, sie bilden nur ein Prinzip, eine unauflösliche Einheit; wer zu
gehorchen wisse, der wisse auch zu befehlen, und ebenso umgekehrt; der eine Gedanke
sei in den anderen einbegriffen, wie Volk und Führer ineinander einbegriffen seien..."

Der dritte Akt setzt ein mit einer Reihe von Experimenten, die auf eine Demonstration
der "Willensentziehung und -aufnötigung" abzielen. ( Ein junger Mann wird in Tiefschlaf
versetzt / einer älteren Dame wird eine Indienreise suggeriert.) Auch dieser Akt enthält
gemäß Sautermeister zwei Höhepunkte; der erste ist erreicht, als Signora Angiolieri
Cipolla gegen den einkalkulierten Widerstand ihres Ehegatte folgt, der zweite, stärkere
Höhepunkt ist mit dem Sieg Cipollas über den resistenten Römer erreicht, der sich
weigert zu tanzen und dem der Hypnotiseur suggeriert, daß zu gehorchen ein höherer
Wert ist als Freiheit:

"Wer wird sich so quälen? Nennst du es Freiheit - diese Vergewaltigung deiner selbst?
Una ballatina! Es reißt dir ja in allen Gliedern. Wie gut wird es sein, ihnen endlich den
Willen zu lassen!"

Mit diesem zweiten Höhepunkt des "dritten Aktes" ist Cipolla auf dem Gipfel seines
"Triumphes" angelangt, der Widerstand des Publikums ist einer allgemeinen Euphorie
gewichen. Alle vorhergegangenen Experimente waren sich steigernde Stufen, an deren
Ende das Tanzexperiment steht.

Der vierte Akt beginnt mit dem Auftritt Marios und dem sich anschließenden "Frage- und
Antwortspiel" zwischen Mario und Cipolla und hat gemäß Sautermeister wie alle vorigen
Akte zwei Höhepunkte. Dieses Zwiegespräch zwischen Mario und Cipolla entpuppt sich im
nachhinein als ein tödlicher Fehler Cipollas; es leitet gleichsam die Katastrophe ein.
Sautermeister spekuliert über Motive, die Cipolla veranlassen, auf dem Höhepunkt seines
Triumphes nicht innezuhalten sondern noch einen Schritt darüber hinaus zu gehen:

"Läßt er (Cipolla) sich zu einer letzten Hypnose verführen, weil der Triumph über die
Masse eine eigene unstillbare Dynamik hat, die gewisse Zurückhaltung Marios ihn reizt?
Oder vermutet er in der primitiven Schwermut des Kellnerburschen einen Unglücklichen,
heimlich leidenden, Wahlverwandten? Der Erzähler drängt solche Fragen dem Leser auf,
versagt sich je jedoch eine eindeutige Erklärung."

Der erste Höhepunkt ist erreicht, als Mario den Hypnotiseur hingebungsvoll küßt in dem
Glauben, es sei Silvesrta:

"Die Ersatzlust, die sich der Gaukler verschafft, bildet den ersten Höhepunkt des Aktes."

Sautermeister sieht in dieser Szene nochmals eine qualitative Steigerung gegenüber den
vorherigen Experimenten, da es Cipolla gelingt, einen Mensch zur öffentlichen
Zurschaustellung seiner innersten Wünsche und Sehnsüchte zu bringenund ihn dadurch
aufs äußerste zu entwürdigen:

"Diese Demütigung zum Zwecke der Selbstbefriedigung stellt die äußerste Kehrseite der
angemaßten Würde Cipollas dar."

Die Tötung Cipollas schließlich bildet den zweiten und zugleich letzten Höhepunkt der
Novelle, wobei Mario dem Saalpublikum "nicht als Befreier sondern als Exekutor seines
Führers erscheint." Der Tod der Hypnotiseurs wird mit Bestürzung aufgenommen und
Mario wird wie ein terroristischer Verbrecher behandelt:

"Der Tumult war grenzenlos. Damen verbargen in Zuckungen das Gesicht an der Brust
ihrer Begleiter. Man warf sich im Gedränge auf Mario, um ihn zu entwaffnen. ..."

13
Die Erzählhaltung

Die Erzählhaltung von Mario und der Zauberer stellt verglichen mit anderen Werken
Thomas Manns eine Besonderheit dar: Im Gegensatz zu vielen früheren Erzählungen
fehlt in Mario und der Zauberer die für Thomas Mann typische ironische Erzähldistanz. An
vielen Stellen werden mißliche Ereignisse emotional kommentiert und somit bewertet:

"Der Schrei galt einem abscheulichen Jungen mit ekelerregender Sonnenbrandwunde


zwischen den Schultern, der Widerspenstigkeit, Unart und Bosheit das Äußerste zum
besten gab. ... Mit einem Worte, ein Greuel."

"Sofronia! rief Herr Angiolieri schon hier ... , und mit Recht begann er zu rufen, denn
jedermann sah, daß Gefahr im Verzuge war: seiner Gattin Antlitz blieb unverwandt gegen
den verfluchten Cavaliere gerichtet."

"Ja, das war ein Ende, ... ein Ende mit Schrecken, ein höchst fatales Ende. Und ein
befreiendes Ende dennoch, - ich kann nicht umhin, es so zu empfinden!

"Thomas Manns subjektive, unironische Erzählhaltung dient dazu, das Vertrauen des
Lesers zu gewinnen, ... . In der Erzählhaltung drückt sich ein klarer Wille zur moralisch-
politischen Einflußnahme auf den Leser aus."

Darüber hinaus hat Thomas Mann in "Mario und der Zauberer" der Erzählerfigur viele
persönliche, autobiographische Züge gegeben, wodurch er eine Annäherung von Autor
und Erzähler bewirkt. Spelsberg sieht in diesem Verfahren ebenfalls einen Versuch,
moralisierend auf den Leser einzuwirken, dadurch, daß der Leser im Erzähler den
prominenten Autor Thomas Mann vorbildhaft wiedererkennt.

Stilistische Besonderheiten

Neben dem für Thomas Mann charakteristischen hypotaktischen Satzbau zeigt der Autor
in "Mario und der Zauberer großes Einfühlungsvermögen in die Idiomatik der
italienischen Sprache. Viele italienische Wendungen werden als Einsprengsel unübersetzt
in den deutschen Kontext gestreut; sie haben die Aufgabe, mediterranes Kolorit zu
schaffen und etwas von der fremdländischen Atmosphäre einzufangen.(z.B. "Forzatore,
Illusionista, Prestigiatore"/"ha sciolto lo scilinguagnolo" / "Mario, una cioccilata e
biscotti!" ) Die Einfühlungsfähigkeit in die italienische Sprache geht sogar so weit, daß
Thomas Mann italienische Idiomatik wortgetreu ins Deutsche übersetzt: Wenn z.B.
Cipolla im Gespräch mit Mario die Fügung "sag ein bißchen" verwendet, so steht dahinter
das italienische Idiom "dimmi un po´"; ebenso ist das Adjektiv "stakkiert" eine
Wortschöpfung des Autors, die sich an das italienische Adjektiv "stakkato" ="gelöst"
anlehnt. Das Wort "Capannen" ist von italienisch "capanne" abgeleitet; Thomas Mann
verwendet es als Bezeichnung für Badehütten. Auch der fiktive Name des Badeortes
Torre di Venere geht auf die erotische Bedeutung von italienisch Venere = Venus zurück.
Laut Karl Pörnbacher beinhaltet der Name Venere eine Anspielung auf die vom
italienischen Faschismus favorisierte Antike:

Italien wurde gerne als unvollständig christianisiertes Land angesehen, in dem durch
Erwachen der antiken Göttin Venus verbotene Leidenschaften hervorbrechen. ... Zugleich
wird mit dem Hinweis auf die Wiedererweckung der Antike auf ein wichtiges Ziel des
Faschismus angespielt."

14

Das könnte Ihnen auch gefallen