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DER EIGENE

MOTTO:
EIN BLATT FÜR MÄNNLICHE KULTUR
Der Freunü sei Euch (ins Fest der Enlcl
l-RIEDRICH NIETZSCHE.

KUNST UND LITTERATUR

JUNI 1903

CHARLOTTENBURG
BUCH- UND KUNST-HANDLUNG
DER EIGENE
ADOLF BRAND & CO.
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EIN BLATT FÜR MÄNNLICHE KULTURJKUNST


asusuiOiusGü UND LITTERATUR UDISDISDISDISDISD
HERAUSGEBER: ADOLF BRAN D o CHARLOTTENBURO.

JUNI 1903

! INHALT:
i
Atoll« von Friedrieh Nirl7*chc o Seite .102 o .Antinous", Kopl, nach einer Reproduktion
\ der .Neuen l'hnlographischcn Gcscllschalt" in Steglitz o Seite 365 o „Antinous", Stand-
| liild vom Kapitol, Gedicht von t-'rido Lindcinann o Seite 3tifi o .Antinous" Skizze von
l'eler Mille o Seite .107 o .Sophokles" — .Michel Angeln" — .William Shakespeare"
von l'eler llllle o Seile 308 o .Aul einen schonen Knaben", Gedicht von Frido Lindcinann
o Seile 370 o .Fischcrknahc", Kunstblatt, nach einer Statue des dänischen Bildhauers
Wilhelm Bissen o Seite 371 o .Freuiidschallsweihc", Erzählung von H. C. Andersen,
deutsch von Otto Weiter o Seite 373 o .Hirtenknabe", Kunstblatt, nach einer Statue
von Wilhelm Bissen o Seite 381 o .Unterwegs", Gedicht von Wull Schwerdtlcger o
Seite 383 o .Schlußakknrd", Gedicht von Wull Schwerdtlcger o Seile 384 o .Herder
über die Schamhaltigkcit der Griechen und Virgils" o Seite 385,o .Speerwerfer", Schluß-
i Vignette von Fidus, mit Erlaubnis der modernen Sportzeitschrill .Krall und Schönheil*
o Seile 300 o .Achilleus", Kunstblatt, nach einer Statue von Wilhelm Bissen o Seite
301 o .Frauenbewegung" und männliche Kultur", Aulsatz von Edwin Bab o Seite 393 o
.Lanier", Schlulivignetle von Fidus, mit Erlaubnis der modernen Sportzeitschrilt
.Krall und Schönheit" o Seile 407 o .Schwarze Nachte", Gedicht von Max Mayer o
Seile '108 o .Der Liebling des Spartacus", Kunstblatt, Gruppe des französischen Bild-
hauers Itarrias o Seite 400 o .Ist es notig ?", Novelle von Diogen o Seite 4 t I o .Tanzer",
Kunstblatt von Fidus o Seile 417 o .Fidus", Essay von Dr. Hans Bethge o Seite 419
o .Im Strudel der Hauptstadt verloren", Gedicht von Amand Ernesti o Seite 424 o
.In Sanssouci", Gedicht von Orestes o Seile 425 o .Friedrich der Große", Schlußvignette,
nach einer alten Zeichnung o Seite 427 o .Bergnacht", Gedicht von Adolf Brand o
Seile 428 o .Bücher und Menschen" o Seite 420 o .Die Gemeinschaft der Eigenen",
Vereiusnachricliten o Seite 431 o Inserate o Seite 432 o

jahres-Abonnemcnts nehmen alle Buchhandlungen entgegen zum Preise von 12 Mark


Ihr die zwöll Monals-Heltc, deren Gesamtinhalt 50 Druckbogen unilassen wird, pe^y
Einzelnummern sind Ihr 1.50 Mark zu beziehen. c^Se*^3r^c^3r*z3c*s3t*z3e<z$i^3

ADOLF BRAND <£ CO.


BUCH- UND KUNST-HANDLUNG
DER EIGENE
Charlottenburg, Wilhclmplatz l a .
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ANTINOUS
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L / u sprichst von Nächten, d;i wir sehnend bebten
Im matten f fauch des niotttlheglilnztcn Hügels,
Mit langen Blicken durch die Taler schwellten,
Den weichen Glanz des nahen Wasserspiegels

, n ^ ^ ^ . . Und durch vei lockend kühle Wolkenweitcn,


Die wir in Ncheldünsten ahnen konnten)

a Du sprichst von jenen imvcrgcssncfl Zeiten,


Da wir uns südlich auf den Hügeln sonnten,
Von jenen leisen füllten und Palästen,
Wo schöne Prauen sich in Sehnsucht härmten,
«t^* Und von den Pracht- und Sic^cs-stolzcn Pesten,
Da wir im Pausche durch die Nächte schwärmtenI —

?^Ä«1 Du sprichst von dein Geliebten, und Du denkst,


Wie er Dein Haupt, das Du erinnernd senkst,
Umwand im abendlichen kühlen l'ächelu
Des leisen Windes mit dem Lorbeerkranz — —
Daher auf Deinem Mund das sülJvcrklärle Lächeln,
In Deinen Gliedern dieser Glanz —
Antinousl
PBUXI I.INDliMANN

ANTINONUS i
STANDBILD VOM KAPITOL
ANTINOUS 368 c o DEK EIGENE

I
m großen Reich die ferne, dumpfe Provinz. Am Welthof der Cäsaren,
die Seele bei der Sklavenmutter, der Sklavenschwester.
Wie drückend die es haben mögen?
Und Hadrian wehrt so verdrießlich ab die mehr mit den Augen
und um den Mund, als mit den Lippen flehenden Wünsche: die Heimat
hierher zu bekommen! SOPHOKLES
Er will keine eigene Welt um den Knaben, der ihm eine Welt
Der Areopag lauscht.
sein soll!
Und das große Römcrrcich, wie weit es hält; und der Gram mit f Kristallklar klingen die edelwuchtigen Tetrameter. Wie Vögel des
dem Griinilichcn; die frischfremde Ehrfurcht vor dem Eigenen, Feinen, f Zeus und des weissagenden Apollo flattern die Chöre auf, die groß
Tiefen; unbefriedigt ein alle Künste und Wunder durchblätterndes Härmen; i wie ein Schicksal sich lösen und binden.
alle Die,die zu dem zärtlichlaunischcn Machthaber wollen und seelisch nicht f Und so wiegt sich der lesende Greis stark und gelind auf der
zugelassen werden; dieses Welken von dem feierlichen, feindselig ver- tragenden Anmut seines großen Werkes.
schlossenen Welken, dieses Entsetzen vor der mildschrillen Stimme — Sogar der Atem des Lebens wartet in der fühlenden Brust, um
und wie er nach Mädchen verlangt und wie diese .kichernd wie vor was nicht zu stören den friederauschenden Lösesang des ödipus von
Koionos.
Unreinem vor ihm fliehen! verächtlich weitereilend, nicht lockend ver-
sagend — wie er selbst sich so sonderbar ist, so einzig! . . . . und ' Weihe der Andacht im Richtsaale des Areopags.
bald dann nimmt auch er ab und wird nicht mehr sein oder was [ Sophokles hat geendet.
ganz Häßliches, wie verbrauchter Hausrat Fortgeworfenes. So, das Alles | „Hier, ihr Richter, meine Verteidigung! —
ohne es zu wissen, in sich, schreitet er wie eine Elegie, wie ein erlesenes ; Ist das Werk besonnen oder ist es das Toreuwerk eines Mannes,
Gedicht, wie ein verhaltener Tanz sich wiegend auf Hüften, die von i der von Sinnen ist, der der Verwaltung seines, Vermögens enthoben
zögernder Trauer einer Vollendung gewölbt sind und die sinnend des [ und entmündigt werden mußte?"
Vergänglichen innc ist, so elegisch schreitet Antinous in den wärmlich | Nun wandte der Sprecher sein ätherhelles, weltüberhobenes Auge
schwellenden, befruchtend bebenden Nil, den Fluß geheimnisvollen zu der Stelle, wo vier schwarze Augen scheu den Boden suchten.
Quells, der sich als Meer sieht und keimend als Erde fühlt; so| Deutend frei hob sich sein Arm aus schneeweißer Chlamys; denn
schreitet der Jüngling, der verwirrt sich als Weib findet, in dem ztu seine Brust hatte nichts zu verbergen. Auch das Alter nicht. Seine
große Schönheit Kampf hat, in den Nill J Glieder waren hell und frisch und wie fernes Feuer blühte sein
mächtiges Haupt durch das feiugekräuselte Haar, das wie Asche auf
Nah dem Sphinx bringt er dem Flusse ein Rätsel, das er nicht«
klarer Glut war.
lösen kann: seinen Leib!
Und röter und röter wand sich die schauernde Fläche wie von Blut, .Und gab ich dem Knaben, der mir den Becher einschenkte, ein
Antinous sank, die Sonne steigt! — — Talent, so waren seine Lippen mir junge Rosen, so habe ich von
PETER HILLE seinen Lippen nur Schönes und Liebes gehabt.
Was aber erhielt ich Freundliches von euch, die ihr Alles haben
wolltet, was mein ist?
Kg) Was gabt ihr mir, meine Söhne?
Vielleicht, daß ich hier bin?"
Der Älteste der Richter erhob sich:
Wie konnten wir uns wohl erkühnen, über dich zu Gericht zu sitzen?
Wir sagen nun: wir sind nicht würdig, dich frei zu sprechen,
Vortrefflicher!
o o älil'lluKI.US. o o
3üU

Aber verzeihe uns, u Freund der Götter, wir handelten nach dem
heimischen Numus, nach der Vater Satzung, die auch dir heilig ist."
In früher Würde und Klarem Jüiiglingsfeuer allcrgosscncu Geistes
gab der Greis zurück:
„Gern ihr Männer, willfahr ich euch. /
AUF EINEN SCHÖNEN KNABEN
Selig die Stadt, die sich Richter weiß, denen die erhabene Dichtung
Beweis wird."
W i e gerne ruhn meine Blicke auf dir,
Der Richter aber erhob die Rechte: „Seht; der Achtzigjährige, der
du Knabe mit deinem verwirrten Haar
ein Höchstes schrieb und sprach wie erl Solange du weilst, Vor-
und mit deinem träumenden Augenpaar —
trefflicher, kann es der Stadt nicht fehlen, deren Sohn du bist. Denn
so lange ist sie der Liehe der hehren Athene sicher. So möge denn wo bist du gewesen die lange Nacht?
Zeus", betend hob er und mit ihm alle betend die Arme, „so möge was hast du geträumt? ich träumte von dir,
denn Zeus dein Leben schonen, unseres Ruhmes Edelsten!" und du hast gewiß nicht an mich gedacht! —
Du schöner Knabe, o gingst du mit mir,
zu spinnen mit mir verzauberte Träume:
MICHEL ANGELO wir gingen langsam durch blumige Räume,
So laß mich mit dir ruhen, du kulturherber Stein, du Leib der und Märchenprinzesschen kämen gegangen
Starke, der du türmst und walzest alle Wucht des Leibes und der und pflückten Blumen und schenkten sie dir,
Seele, auf dem starken Nacken Tempel trägst zu Ehren des All- mit leisem Lächeln auf lieblichen Wangen I
mächtigen! Und flögen fort durch die leuchtende Luft —
da blinkt es am Himmel wie Feiertag
und glänzte wie Gold in dem klaren Bach,
WILLIAM SHAKESPEARE und wir — wir träumten, wir liebten uns,
„Was er mit dem Jungen nur hat?
und träumten von Farben, von Glanz und Duft
Es ist nicht mehr richtig mit ihm!"
und träumten im Traume, wir liebten uns!
Ja, der frische, dumme Tom, der Aufwarler im „goldnen Apfelbaum",
er war dem, forschend ins Entfliehende starrenden Auge das wankende Du kennst mich nicht und beachtest mich nicht,
Wcltgebaudc, mit stark und groll und unvermeidlich sich austuenden dp Knabe mit deinem verwirrten Haar
Menschen, und der Schauder vor der vornehmen Seele des Freundes, und mit deinem träumenden Augenpaar —
da er sein Volk da drinnen dichtete! du kennst nicht mein kostbares Glück, dich zu sehen;
PETER HILLE du ahnst auch die heimlichen Gluteu nicht,
und antwortest kalt meiner Blicke Flehen I
FRIDO LINDEMANN
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L
I'ISCIIKKKNAIH-:
WlUtHLM JÜSStCN
374 o o DER EIGENE o o

tümlichen Brauch soll der Hirt vom Berge uns berichten: Von der
Freunschaftsweihe.
Aus Lehm war unsre Hütte zusammengekleistert; doch gerippte
Säulen, dort gefunden, wo man das Haus baute, rahmten die Türe ein.
Das Dach, fast bis zur Erde geneigt, war nun baulich und altersgebräunt;
doch blühender Oleander und frische Lorbeerzweige von jenseits der
Berge deckten es, da man es errichtete. Eng war es um unsre Hütte;
steil, nackt und schwarz strebten die Felswände empor, und oft hingen
Wolken wie weiße lebende Gestalten auf ihren Gipfeln. Nie hörte ich
da Vögel singen; nie tanzten hier Männer zu den Tönen der Sackpfeife;
aber heilig war die Stätte von Alters her; noch kündet der Name da-
von: Delphi heißt sie jal Schneebedeckt lagen die fiusteru, ernsten
FREUNDSCHAFTSWEIHE Bergriesen, und der höchste, der am längsten in der roten Abendsonne

V UII einer kleinen Reise eben zurückgekehrt, wuchst schon unser


Verlangen nach einer größeren. Aber wohin? Nach Sparta?
— Aiyeene! — Delphi! Hundert und hundert Orte gibt es ja,
deren Namen das Herz vor Reiselust pochen machen. Da geht e,s hoch
erglühte, war der Parnaß. Den Bach, geheiligt einst auch er, der nahe
bei unsrer Hütte vorbeischoß, trüben nun der Esel Hufe; doch er eilt
weiter und bald ist er wieder klar. 0 , wie entsinne ich mich jedes
Flecks und seiner heiligen, tiefen Einsamkeit I Mitten in der Hütte wurde
/u RuIJ die Bergsleige hinan, über Strauch und Busch, und wie eine das Feuer angezündet, und wenn die heiße Asche hoch und glühend
Karavnne reist da ein Einzelner. Er selbst an der Spitze mit seinem zurück blieb, darin das Brot gebacken. Lag aber der Schnee rund um
Argüjat; ein Lastpferd nagt Koffer, Zelt und Proviant und einige unsre Hütte, daß sie beinahe darin vergraben war, dann erschien mir
Soldaten folgen zu seinem Schulz. Kein Wirtshaus mit molligem Bett meine Mutter am frühesten. Dann nahm sie mein Haupt zwischen beide
empfangt ihn nach der mühevollen Tagereise. Da ist ein Stück Lein- Hände, küßte mir die Stirne und sang Lieder, die sie sonst nie sang,
wand sein einzig Dach inmitten der groben, wilden Natur; der Argojat denn die Türken, unsre Herren, mochten sie nicht leiden. Und sie sang:
kocht den Pilaf zum Abendmahl; unzählige Mücken umsumsen das .Auf dem Gipfel des Olymps, im niedern Fichtenwald, saß ein
kleine Zelt, das der Reisende nach unruhiger Nacht wieder verläßt, um alter Hirsch. Seine Augen waren schwer von Tränen, von roten, ja
morgens früh seinen Weg durch hochgeschwollene Flüsse fortzusetzen! grünen und blaßblauen Tränen, die er weinte. Kam vorbei ein Reh-
Heil Nun sitze fest auf deinem l'ferd, da 15 dich die Flut nicht fortspühle. bock: . . W a s ist dir doch, daß du so weinest, weinest rote, grüne,
Und welcher Lohn für diese Besenwerden? Ja, der grüßte — herr- ja blattblaue Tränen?"* . . D e r Türke ist kommen in unser Dorf;
lichste! Hier offenbart sich die Natur in ihrer ganzen Macht; jeder uuJ^ H.::tv:«r .*ut if z-r JJ^J. eisen gewzlti^ta riJUJia.** . .!:r. ;i^c 3 .e
Fleck Erde ist historisch; — mii dem Auge genießt der sinnende Ver- über die Inseln"", sprach der junge Rehbock; ..ich jage sie über die
stand. Wohl kann der Dichter davon singen, der Maler in reichen Inseln in die tiefe See"". Aber ehe der Abend niedersank, war der
Bildern es wiederspiegeln, aber der Dult der Wirklichkeit, der für Rehbock getötet, und ehe die Nacht kam, lag der Hirsch gejagt und tot".
immer eindringt in die Gedankenwelt des Beschauers, den vermögen Und wenn meine Mutter so sang, feuchteten sich ihre Augen und
beide nicht wiederzugeben. eine Träne hing in den langen Augenwimpern. Doch sie verbarg sie
Der einsame llirte drüben im Felscngcbirgc konnte vielleicht besser und wandte unser schwarzes Brod in der Asche. Dann ballte ich wohl
als alle Reisebesehreibungcn durch eine einfache Frzahlung aus seinem die Hände und sagte: .Tot schlagen wollen wir den Türken!" Sie aber
Leben dir die Augen öffnen und dich das Land der Hellenen mit sang wieder den Schluß der Weise: .Ich jage sie über die Inseln in
einzelnen, schlichten Strichen M.hauen lassen. die tiefe See. Aber ehe der Abend niedersank, war der Kehbock ge-
So möge er reden! Von einem Brauche, einem schönen eigen- tötet, und ehe die Nacht kam, lag der Hirsch gejagt und tot".
o o IkiaiNDSCIlAhTSWLIIIi; o o
375
376 o o DER EIGENE o o

Viele Nächte und Tage waren wir allein geblieben in der Hütte;
da kam der Vater. Sonst brachte er mir Muscheln vom Golf von Schwester Anastasia, die ich, eingenäht in ein Ziegenfell, auf meinem
Lepantu oder gar ein Messer scltarf und gleißend mit; diesmal brachte Rücken trug. Einer der fränkischen Herren stellte mich gegen eine
er uns ein Kind, ein klein nackend Mädchen, das er unter seinem Schaf- Felswand, zeichnete mich und sie, so lebendig, gerade so wir dort
pelz trug. In Kelle war es gewickeil und Alles, was es besatt, da es standen, daß wir aussahen wie ein einzig Wesen. Und wahrhaftig —
von diesen entblüüt in meiner Mutter Schott lag, waren drei in sein bisher hatte ich nie darüber nachgedacht — Anastasia und ich waren
schwarzes Haar eingebundene Silbcrmünzcu. Und Vater erzählte von ja auch nur eins. Immer lag sie auf meinem Schoß, oder hing auf
den Türken, die des Kindes Kitern erschlagen; so viel erzählte er uns, meinem Rucken, und träumte ich, war sie in meinen Träumen.
datt ich die ganze Nacht davon träumte. Der Vater selbst war ver- Zwei Nächte darauf kam ander Volk in unsre Hütte, bewaffnet
wundet; die Mutler verband seinen Arm; die Wunde war tief. Der mit Messern und Gewehren. Es waren Albancser, tollkühne Männer,
Pelz des dichten Schaffelles war steif von gefrorenem Blut. Das kleine wie meine Mutter sagte. Nur kurze Zeit verweilten sie, aber als sie
Mädchen sollte ineine Schwester sein. Sie war so lieblich, so strahlend weiterzogen, hatte Anastasia, die auf des einen Schoß gesessen, zwei
rein; meiner Mutter Augen leuchteten nicht sanfter als die ihren. und nicht drei Silbermünzen im Haar. Sic legten Tabak in Papier-
Auastasia, so hiett sie, .sollte meine Schwester sein, weil ihr Vater streifen und rauchten davon. Der Älteste sprach vom Wege, den sie
meinem Vater angetraut war, ziigeweiht nach einem alten Brauch, den einschlagen müttten und war in Ungewißheit darum. „Spucke ich auf-
wir auch jetzt noch halten. In ihren Jüugliugsjuhrcii halten sie Brüder- wärts", sagte er, „so fällt es mir in's Gesicht, spucke ich abwärts, so
schaft geschlossen, und die schönste, tugeiuheichsie Jungfrau der ganzen
fällt es in meinen Bart". Ein Weg wurde am Ende doch gewählt und
Gegend halle ihren Krcmidschnlishimd geweiht. Oft hörte ich da von
mein Vater folgte ihnen. Bald darauf fielen Schusse und wieder und
diesem schonen und eigenen Brauch.
wieder knatterte es. Dann kamen Soldaten in die Hütte, ergriffen meine
§o war die Kleine nun meine Schwester. Sie satt auf meinem Mutter, mich und Anastasia; die Räuber hätten Zuflucht bei uns ge-
Scholl; ich brachte ihr Siräuüe von den Keltern der Bergvögel; wir funden, sagten sie, mein Vater sei ihnen gefolgt, deshalb müttten wir
tranken zusammen von den Wassern des Parnaß; wir schliefen Kopf fort. Ich sah der Räuber Leichen, und sah Vaters Leiche und weinte,
au Kopf unter der Hülle Lorlicerdach, und viele Winter noch saug bis ich darüber einschlief. Als ich erwachte, waren wir im Gefängnis,
meine Muller von den rolen, grünen und den blattblauen Tränen; aber in einem Raum, nicht schlechter als der in unsrer eigenen Hütte, und
noch begriff ich nicht, dall mein eigenes Volk es war, dessen tausendfache ich bekam Zwiebeln und harzigen Wein, der aus geteerten Schläuchen
Leiden sich in diesen Tränen widerspiegelten gegossen wurde. Besser hatten wir's ja daheim auch nicht.
Eines Tages kamen drei fränkische Männer in fremder Kleidung. Wie lange wir so gefangen saßen, weiß ich nicht; wohl viele
Ihre Bellen und Zelte hallen sie auf Plerdiu, und iiulir als zwanzig Nächte und Tage mögen hingegangen sein. Gerade am heiligen Oster-
feste kamen wir heraus. Ich trug Anastasia auf dem Rücken, denn
waren freunde des Pascha, ausgerüstet mit dessen Geleitsbriefen. Sie meine Mutter war krank, und langsam nur kamen wir vorwärts, bis wir
kamen einzig und allein um uiisre Berge zu sehn, in Schnee und Nebel Lepanto's Golf, das Meer erreichten. Wir betraten eine Kirche. Wie
den Parnatt zu besteigen und die seltsamen, schwarzen, schroffen Kelsen erglänzte die im Schmuck der Bilder auf goldnem Grunde! Engel waren
rings um unsre Hülle zu betrachten. Sie konnten in dieser nicht Platz es, oh so herrlich schön! Und doch! — Mir schien klein Anastasia
finden, auch ertrugen sie den Iv'aucli nicht, der inner dein Dache hin- nicht minder schön, wie sie. Mitten auf dem Kirchenboden stand ein
und durch die niedere Türe herauszog. Aul dein schmalen Platz vor Sarg mit Rosen gefüllt. Das war unser Herr Jesus Christus, der da
unsrer Hülle spannten sie ihre Zelte aus, brieten Lämmer und Vögel, lag, sagte meine Mutter, die allerheiligste Blume. Und als der Priester
und schenkten süße, starke Weine, von denen die Türken aber nicht
verkündete: „Christ ist erstanden", küßte sich alles Volk, einer den
trinken durften.
andern und alle hielten brennende Kerzen in den Händen. Auch ich
Als sie fortzogen, folgte ich ihnen ein Stück Weges, mit meiner erhielt eine und die kleine Schwester eine. Die Sackpfeifeu erklangen
und Hand in Hand tanzten die Männer von der Kirche weg, vor welcher
o o Ikl-UNIWCIIAnSWKIlll: o o 377
37g o o DER EIGENE o o

diu Frauen das Üstcrlamin brieten. Audi wir wurden dazu eingeladen
die so leuchtete, war es der Sterne Strahlen, daß wir so deutlich die
und als ich beim Feuer sali, faßte ein Knabe, etwas alter als ich,
Umrisse der Berge gewahren konnten. Meine Mutter machte Feuer,
mich tun den Hals, küßte mich und sprach: „Christ ist erstanden!" —
briet die mitgebrachten Zwiebeln und ich schlief mit lieb Schwesterchen
So begegneten wir uns das erste Mal, Aphianides und ich.
im Thymian ohne Furcht vor dem gräulichen, feuerspeienden Smidraki,
Meine Mutter konnte Fischcrneizc stricken, was ihr hier an der
vor Wölfen oder Schakalen; unsre Mutter wachte ja bei uns! War
Bucht guten Verdienst einbrachte, um\ wir blieben lange Zeit am Meer.
dies nicht genug?
— An dem herrlichen Meer, das wie Trauen schmeckte und mit seinen
Unsre Heimstatt lag in Trümmern. Eine neue Hütte mußte gebaut
Farben an den weinenden Husch aus Mutter's Lied gemahnte; bald
werden. Meiner Mutter halfen einige Weiber und in wenig Tagen
war es ja rot, bald grün, und dann auch wieder blau.
standen die Mauern, auf welche ein neues Dach von Oleander gelegt
Aphtanides konnte Scliilte lenken, und ich saü mit meiner kleinen wurde. Aus Rinden und Häuten flocht meine Mutter Flaschenhälsen;
Anastasia im Boot, das aul dein Wasser dahinglitt, wie eine Wolke in ich hütete die kleine Herde der Priester. Anastasia und die kleinen
den Lüften schwebt. Da sank die Sonne und blauer und blauer wurden Schildkröten waren meine Spielgenossen.
die Berge; ein Felskamm guckte iiber den andern hinweg, am weitesten
Eines Tages erhielten wir Besuch von dem teuern Aphtanides; er
weg aber stand sclinecgckront der Parnaß. Sein Gipfel leuchtete in
hätte sich so sehr nach uns gesehnt, sagte er, und blieb ganze zwei
der Abendsonne wie glühendes Eisen; aus seinem Innern heraus schien
Tage bei uns.
das Licht zu strahlen, denn lange, lange nach Sonnenuntergang glänzte
Einen Monat darauf kam er wiederum, um uns ein Lebewohl zu
er noch in der blausclüllcrndcu Luft. Allein die weißen Seevögel
sagen, denn er sollte mit einem Schiff nach Corfu und Patras segeln.
schlugen mit ihren Schwingen den Wasserspiegel, sonst war es so stille
Meiner Mutter brachte er auch einen großen Fisch. Gar viel wußte
hier.wie in Delphi zwischen den schwarzen Felsen. Ich lag rücklings
er zu berichten, nicht allein von den Fischern unten am üolf von
im Boot, Anastasia an meiner Brust. Über uns schienen die Sterne
Lepanto, sondern auch von Königen und Helden, die einstmals Griechen-
heller als die Leuchter in unsrer Kirche, — die gleichen Sterne, ganz
land beherrscht hatten, wie jetzt die Türken.
an derselben Stelle, wie ich sie wohl in Delphi sah, wenn ich abends
vor der Hütte gesessen, und mir war auch zuletzt, als säße ich noch Oft sah ich den Rosenbaum Knopsen ansetzen und diese in Tagen
dort. — Da — es platschte etwas in's Wasser — das Boot schwankte und Wochen zu entfalteten Blumen werden; bevor es mir aber
heftig — ich schrie laut aul: Anastasia war iiber Bord gefallen! Aber klar wurde, wie groß, schön und leuchtend rot sie waren, standen sie
hurtig und flink sprang ihr Aphtanides nach und reichte sie hinauf zu da in voller Biüte. So war es auch mit Anastasia; ein prächtig ge-
mir. Wir zogen ihr die Kleider aus und kleideten sie, nachdem diese wachsenes Mädchen war sie, ich aber ein kräftiger Bengel. Die Wolfs-
ausgerungen waren, wieder an. Desgleichen tat Aphtanides und wir felle auf den Betten der Mutter und Anastasia's hatte ich selbst den
blieben draußen, bis das Zeug wieder trocken ward. So wußte niemand Wildtieren, die meiner Büchse fielen, abgezogen. — — So gingen
um unsre Angst um die kleine Pflegeschwester, an deren Leben nun Jahre dahin.
ja auch Aphtanides sein Teil hatte. Da kam eines Abends Aphtanides, schlank wie ein Rohr, kraftvoll
und gebräunt. Er küßte uns alle und wußte viel zu erzählen vom
Der Sommer kam. Heiß brannte die Sonne und die Laubbaume
ewigen Meer, von Maltas Festungswerken und Ägyptens seltsamen
welkten. Ich dachte an unsie kühlen Berge und ihre frischen Wasser.
Grabstätten. Wunderbar klang das; wie Legenden der Priester. Und
Auch meine Mutter sehnte sich nach ihnen und eines Abends wanderten
mit einer gewissen Ehrfurcht sah ich zu ihm auf.
wir zurück. Wie stille, wie ruhig war es doch! Über hohen Thymian,
der noch duftete, obschou die Sonne seine Blatter ausgedörrt hatte, .Wieviel du doch weißt", sagte ich, .und wie schön du erzählst!"
wandelten wir. Kein einziger Hirte begegnete uns, keine Hütte lag an .Doch das allerbeste hast ja du mir einst erzahlt", antwortete er,
imserm Weg; nur die Sternschnuppe allein sagte uns, daß etwas lebte, .nie ist es aus meinen Gedanken geschwunden. Weißt du noch von
dort oben im Himmel. Ich weiß nicht, war es die reine blaue Luft, dem schönen, alten Brauch der Freundschafts weihe? Oh dieser Braucht
Wie drängt es auch mich ihm zu folgen. Bruder! — Komm, laß uns
26
380 o o DER EIGENE o o
o o rRUUNUSCHAI-TSWLIIIK o o 37g

Wie frohmütig waren nun die nächsten Tage in unsrer kleinen


zwei, wie eins! dein und Anastasia's Vater taten, zur Kirche gelin und Hütte und an D'elphi's Quellen. Am Abend vor seiner Abreise saßen
Anastasia, das schönste, unschuldigste Mädchen, — die Schwester, — Aphtanides und ich am Rande des Felsen's. Um meine Lenden
sull uns einander weihen. Kein Volk hat doch herrlichere Gebrauche, schlang er seinen Arm und ich den meinen um seinen Hals. Von
als wir Griechen!" Griechenlands Not sprachen wir und von Männern, deren es bedurfte.
Hut wie ein frisches Rosenblatt ward da Anastasia und meine Jeder Gedanke in unsern Seelen lag klar vor uns Beiden, Da ergriff
Mutter küßte Aphtanides. ich seine Hand:
Kine Wegstunde von uii.sier Hülle entfernt, dort wo die Felsen „Etwas muß ich dir noch sagen; etwas, das bis zu dieser Stunde
l-'riichtcrde tragen und Itiiuiiie Schatten spenden, lag die kleine Kirche. außer mir nur Gott weiß. Meine ganze Seele ist Liebe; Liebe mächtiger
Eine Silberampel hing vor dem Altar. als die zur Mutter, stärker als zu dir".
Ich trug meinen Sonntagsstaat. Die weißen Postanellen fielen in .Und wen liebst du?" frug Aphtanides, bis auf den Hals hinab errötend.
reichen hallen über die Hüften herab; das rote, enge Wams umschloß .Ich liebe Anastasia!" sagte ich. — Wie eine Leiche wurde er so
knapp die Urust; Silber vv.u in die Mtitzeiupuiste eingeflochten und weiß und seine Hand zitterte in der meinigen.
Messer und Pistolen ruhten im Gürtel. Aphianides war in der blauen Ich sah dies — und begriff! Ich glaube, daß auch meine Hand
Tracht der griechischen Seeleute. Auf seiner Urust hing eine Silber- bebte. Ich beugte mich über ihn, küßte seine Stime und flüsterte: „Ge-
platte mit dem Mullergoltesbild; sein Leibgurt aber war kostbar, wie sagt habe ich es ihr noch nie. — Vielleicht liebt sie nicht mich! BruderI
reiche Herren nur ihn tragen können. So konnte man wohl sehen, Bruder! So denke doch, wie sie aufgewachsen ist an meiner Seite,
daß wir zur Hochzeit gingen. In der kleinen Kirche, durch deren Türe hineingewachsen in meine Seele!"
die Abendsonne auf die ewige Lampe und die bunten, goldgrundigen
.Und dein soll sie sein!" rief er, „dein. Nicht will ich dich be-
Heiligenbilder fiel, knieten wir an den Stufen zum Altare nieder. lügen; auch ich liebe sie. Aber morgen reise ich weg; —und in einem
Anastasia stellte sich vor uns hin. Kin langes, weißes Gewand umkoste Jahr sehen wir uns wieder. Ich habe einiges Geld; dein sei es; nimm
los und leicht ihre schonen Glieder; den weißen Hals und die Brust esl — Du mußt es nehmen!" Schweigsam wanderten wir dann durch
bedeckte ein aus alten und neuen Münzen zusammengefügtes Gewirk, die Berge und erst am Abend standen wir vor meiner Mutter Hütte.
und auf dem Haupte, zu einem einzigen Knoten verschlungen, ruhte ihr Anastasia hielt uns die Lampe entgegen, als wir eintraten; meine
langes schwarzes Haar, gehalten von einer kleinen Haube alten Gold- und Mutter war fort. Wunderbar wehmütig blickte Anastasia auf Aphtanides.
Silbermünzeu. Reizenderen Schmuck trug wohl kein griechisches Mad- .Morgen ziehst du von uns fori; wie sehr betrübt mich dasl"
chen. Ihr Antlitz glänzte; zwei Sterne waren ihre Augen. .Betrübt dich das!" wiederholte Aphtanides, und mir schien darin
Zuerst sprachen wir alle drei ein stilles Gebet; dann frug sie uns: ein Schmerz, groß wie meiner zu liegen. Ich konnte nicht sprechen.
„Wollt ihr Fremde sein auf Leben und auf TodV" Da nahm er ihre Hand und sagte: .Unser Bruder liebt dich! Hast auch
Wir antworteten: Ja! du ihn lieb? Gerade aus seinem Schweigen spricht seine Liebe!"
„Wollt ihr in jeder Lebenslage immer dessen gedenken: Mein Anastasia zitterte und brach in Tränen aus. Und ich sah nur sie,
Haider ist meinerselbst ein Teil; mein Geheimnis ist sein Geheimnis schlug den Arm um ihren Leib und sagte: „Ja, ich liebe dich!" Da
und mein Glück das seine! Wie für das Heil der eigenen Seele will drückte sie ihre Lippen auf meinen Mund, schlang die Arme um meinen
ich alles opfern, alles ertragen für das Heil der Seele meines Bruders." Hals; — die Lampe aber war zu Boden gefallen und finster war es
Und wieder antworteten wir: „Jal" um uns, finster wie im Herzen des armen Aphtanides.
Da legte sie uusre Ilaude ineinander, küble uns beide auf die Vor Tages Anbruch erhob er sich, küßte uns alle zum Abschied
Stime und wieder verweilten wir in stillem Gebet. Da trat der Priester und zog fort, nachdem er meiner Mutter all sein Geld für uns gegeben
aus des Altars Pforte und segnete uns alle drei, dann erklang der Ge- hatte. — Anastasia ward meine Braut und einige Tage darauf meine Gattin.
sang der allerheiligsten Herren hinter den Altarwänden hervor. — Der H. C ANDERSEN |Evciityr OK Hitturu-r I.]
ewige Freundschaf tsbuiul war geschlossen! — Als wir uns erhoben, sali Aus dem Dänischen übertrugen vun Ott» Weiter.
ich meine Mutter aniKirchenpoilal stehen; sie weinte mit tiefer Innerlichkeil
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UNTERWEGS
p i n stilles Hätscl warst Du, das ich fand,
SCHLUSSAKKORD
Noch ungelöst — Dir selber unbekannt; (Jeber einem Beet von welken Astern
Schaukelt wie ein Tropfen heißen Bluts
Im Hoheitlich! geworden und gereift —
Eine dunkelrote Georgine
Ein Reis, das nuch kein Schicksalsturm gestreift.
Das reizte mich, drum nahm ich Dich gefangen. Durch die Dämmerung der Gräberreihen
Blind bist Du in mein Netz hineingegangen! Leuchtet matt ein weißes Marmorkreuz
Im Abendrot
Dann kam der Tag, da ich Dich nackend sah,
Da ich die Losung Deiner katsel fand — Wie ein kleiner, müdgewordner Falter
Der Tag, da mein Du warst, und es geschah, Schweben durch die Luft verwehte Klänge
Dali ich als Dein Gebieter vor Dir stand. Eines letzten Liedes •'. .
Klingen . . . und . . verglühn . . . .
Die Seele trieb ich Dir aus Deinen Hohn
WULF SCHWHKDTI-EGER
In meine Tiefen! -• Dort ging sie verloren,
Um rot und stark aufs Neue zu erstellte
Aus Erdcnscligkcit und Blut geboren!
WUI.I SUIWKKDTFEUKR

ra
386 o ° DER EIGENE o o

Menge so einfaltig unschuldiger Liebesgemälde, kein Zeit-


punkt der Politur vielleicht die Urbanität auf den Simpeln
und feinen Weltgenuß zurückgeführt, als der aoitia/w;
der Griechen. Die Liebeschilderungen ihrer Poeten, die
Menschheitsgesetze ihrer besten Philosophen, die historischen
Gemälde ihrer Lebensart in den besten Zeiten, sind so sehr
HERDER in den Schranken der schönen, unschuldig einfältigen Natur,
ÜBER DIE SCHAMHAFTIGKEfT DER GRIECHEN UND als sie von unserer heutigen Galanterie und Politesse und
VIRGILS Hofartigkeit entfernt sein mögen! Ich wünsche dem Schrift-

N icht alle Klimata und Nationen setzen selbst den Vor-


stellungen und Ausdrücken der Liebe einerlei Schranken.
Die hitzigen Morgenländer, die in ihren Gesetzen fast
eine Belohnung auf den setzten, der in den ersten Zeiten der
steller griechisches Gefühl, der über die Schamhaftigkeit
Homers schreiben will!
Und in der Tat, wenn die feine jonische Wollust nicht
dem poetischen Geiste der Griechen Charakter gegeben
Wildheit ein einsames Frauenzimmer ehrbar gelassen, waren hätte — wie viel schöne Kinder der Poesie von Homer und
auch in Bildern dieser Art beinahe unbändig. — Je mehr Anakreon und Sappho an, bis auf Theokrit und Moschus zu,
sie ihre Schönheiten verschlossen und iiberschleierten, desto würden Embryonen der idealistischen Wollust geblieben sein!
weniger erröteten sie, Werke und Glieder der Liebe, Und wer, nach dem Klosterzwange unserer Zeit, eine be-
insonderheit in der Sprache der Leidenschaft, ücr Eifersucht, urteilen, uns e i n e rauben will, der raube uns lieber die
des strafenden Zornes zu nennen. Man nenne ihre Frei- Mutter mit allen Kindern! alle üppigen Bilder griechischer
heiten aber nicht Freiheiten der Natur, sondern einer Wollust!
entarteten Natur, eines despotisch orientalischen Weiber- Der zweite Punkt griechischer Freiheit betrifft das
umganges! . . . Nackende ihrer Bilder, und so auch ihrer Ausdrücke des
Bei den Römern findet sich, nur auf eine andere Weise, Nackenden in der Sprache! — Wer kennt hier nicht die
eine Unterdrückung dieser Sittlichkeit, die ich aus ihrem griechische Freiheit? Allein, wer sie kennet, wird er sie
von jeher rohen Charakter erklare: aus dem Kriegerischen, verdammen?
das ihnen zur Natur ward, und aus der männlichen Harte, •Einem Lehrer der Kunst müssen Worte erlaubt sein,
die eine so zarte Empfindung leicht etwas ersticken konnte. die keinem Anderen, und einem Griechen, die keinem
In den meisten ihrer Dichter, und fast auch ihrer Schriftsteller Barbaren erlaubt sind! Nicht nur, daß die herrlichsten
überhaupt, herrscht eine solche männliche Schamlosigkeit. Denkmale der Kunst vor ihren Augen nackend, bloß standen,
Auch hier hielten die Griechen eine gewisse schöne und ihre Kunst überhaupt weder das schöne Nackte, als
Mitte zwischen Morgenländern und Römern. Die asiatische das züchtig Verhüllte liebte; auch in der Natur selbst bildete
Hitze, in Etwas abgekühlt durch die europäische Mäßigkeit, sich hier eine Art von eigener nationalgriechischer Scham-
bestimmte aber den Ton einer warmen Liebe, einer sanften haftigkeit des Auges, die Niemanden fremd dünken kann,
Wollust, welcher Materien dieser Art bei ihnen durchgängig als wer unter ihnen noch kein Grieche geworden!
zu charakterisieren scheint. Vielleicht hat keine Sprache der Nackte Ringer, nackte Kämpfer, nackte olympische
Welt ein so süßes Wörterbuch der Liebe, keine Nation eine Sieger, nackte badende Schönen, nackte Tänze, nackte Spiele,
o o IIEUUEK o o 387 388 o o DER EIGENE o o

nackte Feste, halbnackte Trachten — und ihre Dichtkunst So wenig ich diese Freiheiten zum Privilegium unserer
sollte einpressende Klusterlumpeii dulden V Ihre besten Zeit, statt einer uralten deutschen Bescheidenheit, haben kann,
Schriftsteller sollten eine Noniienehrbarkeit sich einander so wenig will ichs den Griechen in der Morgenröte ihrer
eingestehen, die das Auge des ganzen üriechenlandes, und Sittlichkeit angestritten haben!
die Zunge der Ältesten, Ehrwürdigsten und Feinsten des
Ich will vielmehr mit der Unschuld, mit der Plato seinen
Publikums sich nicht eingestand? — die sich selbst die
Greisen erlaubt, die Spiele der munteren Jugend anzusehen,
Philosophen in ihren Sittenstunden nicht eingestanden?
aus meinem greisen Zeitalter hinaustreten, und die Freuden
In einem Punkte, wo es so sehr auf Gewohnheit der
griechischerjugend, und die Natursprache griechischer Dichter,
Augen ankommt, sollte man, denke ich, eben diese An-
und das nackend Schöne der griechischen Kunst, und die
gewohnheit doch wohl bei einem Volke zu Rate ziehen, das
Philosophie der Liebe bei einem Sokrates so betrachten,
sich in ihr so sehr auszeichnet! — Noch jetzt ist das Ge-
als wenn ich mich selbst in die muntere Unschuld dieser
fühl der Italiener über diesen Punkt von dem Gefühle nörd-
Weltjugend zurückversetze, und zu einem griechischen Ge-
licher Europäer sehr verschieden. Und sie sind doch, dem
fühle zurück verjüngt würde. Dann erst kann ich Griechen
einem Teile nach, selbst ja nördliche Europaer! Und sie
lesen!
sind doch, dem anderen Teile nach, noch keine Griechen an
Natur! Und sie wohnen doch nur unter zertrümmerten Von der eigentlichen Anständigkeit unserer Zeit, von
Resten griechischer Kunst! Und sie haben doch eine Re- der Hofpolitesse unseres Wohlstandes, haben die Griechen
ligion, die so sehr die Verhüllung liebet! Und sie sind schon Nichts gewußt; ganz und gar Nichts gewußt!
in einer Lebensart, die vom bürgerlichen Wohlstande und „Schade genug für sie!"
der Politesse gebildet wird!
Immerhin Schade! nur noch mehr Schade um den ehr-
Wie? und die Griechen, zum Gefühle, der Wollust ge- baren Tadel unserer Kunstrichter, die etwas in Griechenland
boren, von Jugend auf unter den Schönheiten der offenen suchen, worauf kein Grieche Anspruch machen will — und
Natur erwachsen, zur Lust und Freude bei ihren Spielen Das nicht zu schützen wissen, was sich an freiem edlem
eingeweihet, und noch nicht zum sklavischen Puppenwohl- Gefühle unter den Griechen findet!
stande verdammt, sie sollten nicht eine eigene Sittlichkeit
des Nackenden haben dürfen? — Sie sollten wir verdammen, 0, daß eine Muse, eine der Charitinnen selbst aus
wenn sie nicht nach Nonnentraehten ihre Zeit schildern? Griechenland auflebte, um uns ihre Lieblingsfreundin, die
Sie sollten sich nicht der Jugend der Welt, der Unschuld g r i e c h i s c h e Schamhaftigkeit zu zeigen, nur daß diese keine
ihres Zeitalters erfreuen dürfen, von unseren züchtigen Ver- Kloster- und Hofpuppe sei!
hüllungen frei zu sein? Sie sollen verschleierte persianische Virgils Schamhaftigkeit kann zweierlei bedeuten: die
Figuren, Chineserscliönheiten mit verhüllten Fingerspilzen Züchtigkeit seines persönlichen Charakters, oder seine Ehrbar-
werden? Und ihre Dichter eine Briseis mit schönen Knieen, keit als Schriftsteller. Beide sind ganz verschiedene Sachen.
eine Spartanerin mit schönen Hüften, eine Venus Anadyomene,
Wer weiß es nicht, daß die feinsten Zweideutigkeiten
einen Bacchus mit schönem Bauche, einen Bathyllus, wie ihn
bloß auf dem schlüpfrigen Witze einiger Zeitgenossen, auf
Anakreon sehen will, nicht unschuldig züchtig nennen dürfen,
dem wandelbaren Eigensinne eines üppigen Sprachgebrauchs
da ganz Griechenland sie so sieht?
oder Sprachmißbrauchs beruhen? . . .
390 o o DfcK EIGENE o o
o o nnuw.u o o ^gg
ein brennender Liebesgesang? Wer könnte die, Flamme noch
Wer weiß nicht, daß eben ein archaisierender Schrift- entschuldigen? — Ich bins, der sie entschuldigt.»
steller, wofür Virgil bekannt ist, am ersten Gefahr lauft, den Ich stelle mir den hübschen Jungen des Pollio und das
Neulingen der Sprache obscön zu werden? schamhafte Jungfrauengesicht, den züchtigen Virgil, vor, wie
Wer weiß nicht, daß ein Dichter immer lieber einen er nach ihm schielet; wie er sein Auge an ihm weidet, ihn
hohen, alten, starken Ausdruck sancte et religiöse setzen, als lobet, ihn liebkoset! Pollio macht die Sache zum Spaße:
daß er ihn für die Ohren einiger Zuchtkrämer auslassen sein Freund soll erst ein Corydon werden, soll erst um
wird? . . . Alexis werben! — Virgil wird Corydon! Er verwandelt sich
Und welch ein unwürdiger Begriff ist es doch, einem in einen poetischen Schäfer, ahmt Theokriten nach und ver-
Dichter zuerst und vornehmlich zu solchem Ehrbarkeits- setzt sich nach Sizilien mit seinem Alexis. Da klaget er den
pedanten zu machen? . . . Waldern ungefühlte Leiden; da flehzt er über seine un-
Virgil kann immer ein schamhaftes Gesicht — anständig empfundene Verzweiflung; da seufzt er über seine Ver-
gesprochen: immer eine fromme, edle Seele und eine an- achtung, über die Sprödigkeit seines Lieblings — da wird
ständige Lebensart bewiesen und doch schöne, Knaben seine zweite Ekloge! — — Ein feines Lobgedicht auf
geliebt, und doch die Motia llieria gekannt haben! Alexis, eine schöne poetische Liebeswerbung — wert eines
Ich sehe Nichts, daß sich aufhebe, und daß sich insonder- schönen Knaben, wert eines Alexis!!!
heit zu den Zeiten Mäcenas hätte aufheben dürfen!
Ists denn so widersprechend, daß ein Mensch, zur
i
sanften Wollust geboren, auch dieses Sanfte in seiner Miene
zeigt? — daß Das, was in der weiblichen Miene schmachtend,
ein Liebreiz der Venus wäre, in einem männlichen Gesichte
eine Art von Unschuld, von jungfräulicher Bescheidenheit,
von schamhafter Frömmigkeit werde?
Muß ferner Der, der schöne Knaben liebt, damit aller
bürgerlichen Ehrbarkeii, und, der sie unschuldig liebt, aller
Tugend der Seele entsagen? . . .
War es denn Schamlosigkeit, einen Alexis von Mäcenas
zum Geschenk zu nehmen, ihn lieben, sich an ihm, als Mund-
schenken, bei der Tafel zu erfreuen ? schöne Leute und, nach
römischer Wirtschaft, schöne Knaben um sich zu sehen?
Ich weiß nicht, welcher Ehrbare nicht an der Stelle
Virgils, in seiner Gunst Mäcenas, in seiner feinen Art, diese
Gunst zu genießen, sein könnte!? . . .
Ich mag keine neue Verteidigung ticr Somatischen Liebe
übernehmen, da schon mehr als einer sie verteidigt hat. Aber
ich betrachte Virgil nicht als Somatischen Liebhaber seines
Alexis, sondern als den Liebessänger desselben. Und welch
BISSEN
ACIIILLEUS
394 o o DER EIGENE o o

Hochachtung begegnet unsere Gesellschaft dem Manne, der


möglichst viele ehrbare Frauen hohnlachend ihrer Unschuld
beraubt und vielleicht dem Dirnentume in die Arme geführt
hat, wie sie Mißachtung hat für die unglücklichen Opfer
seiner Genußsucht.
im engsten Zusammenhange mit dieser zwiefach ver-
kehrten, einerseits bevorrechteten, andrerseits rechtlosen Stel-
lung der Frau in unserer heutigen Gesellschaftsordnung steht
FRAUENBEWEGUNG UND MÄNNLICHE KULTUR das brennende Erfordernis einer befriedigenden Lösung des
geschlechtlichen Problems. Unter dem geschlechtlichen Pro-

M an hört vielfach sagen, die Kultur der Menschheit


steige auf einer Schraubenlinie empor. Die Mensch-
heit kehrt scheinbar immer wieder an die alte Stelle
blem versteht man gemeinhin die Frage, in welcher Weise
der junge Mann seinem Geschlechtstriebe Befriedigung ver-
schaffen kann und soll. Der einfachste und natürlichste Weg
zurück, in der Tat ist sie aber eine Schraubenwindung höher wäre es natürlich, wenn er möglichst jung eine Ehe ein-
gestiegen. Die Richtigkeit dieses Satzes laßt sich auf zahl- gehen könnte. Das ist ihm aber in unserer heutigen Gesell-
reichen Gebieten nachweisen. Wir wullen uns heute mit schaftsordnung geradezu unmöglich gemacht. Denn durch
der Stellung der Frau zu verschiedenen Zeiten befassen, so- die Heirat übernimmt er die Verpflichtung, nicht nur für sich,
wie mit der durch die Stellung der Frau bedingten zu ver- sondern auch noch für seine Gattin und seine Kinder zu
schiedenen Zeiten gegebenen Lösung des geschlechtlichen sorgen. Das kann aber ein junger Mann von einundzwanzig
Problems. Jahren heutzuiage nur in den allerseltensten Füllen, ganz abge-
Die Stellung der Frau in der heutigen Zeit ist durch die sehen davon, daß der Geschlechtstrieb normalerweise bereits
schroffsten Widersprüche gekennzeichnet. Erscheint die Frau in weit früheren Jahren sein Recht verlangt, ohne daß die
einmal als die Beherrscherin des Mannes, der er sklavisch Gesetze vorher gestatteten, eine Ehe einzugehen:
jeden Wunsch erfüllt, erscheint sie gelegentlich als sein So ist der junge Mann heute genötigt, durchschnittlich
Dämon, der ihn zu allen möglichen Torheiten oder gar fünfzehn Jahre lang, nämlich vom fünfzehnten bis zum drei-
zu Verbrechen treibt, ohne daß er sich ihrem teuflischen Ein- ßigsten Lebensjahre nach einem anderen Auswege zu suchen.
flüsse zu entziehen vermöchte, su ist sie anderseits> wieder Solcher Auswege gibt es hauptsachlich drei:
des Mannes entrechtete Dienerin, die sich von ihm ihre Ge- Der eine ist der Verkehr mit der Prostitution. — Die
setze vorschreiben lassen muß, ohne daß ihr Einfluß irgend- Gefahren dieses Auswegs sind leider trotz aller Aufklürungs-
wie in das Gewicht zu fallen vermöchte. Ist einerseits die versuche noch nicht genügend bekannt, so daß man immer
Frau als Mutter, als Schwester, als Gattin, als Tochter, dem wieder genötigt ist, auf sie hinzuweisen. Die Prostitution
Manne der Gegenstand höchster Verehrung, der mit allen ist ein Herd zahlreicher ansteckender Krankheiten, von denen
Mitteln vor jedem Angriffe geschützt werden muß, so ist zwei, die Gonorrhoe und die Syphilis, bereits den Charakter
ihm anderseits die ferneistehende Frau nur der Gegenstand schwerster Volkskrankheiten angenommen haben. Alle Ver-
seiner sinnlichen Leidenschaft, den er mit allen Mitteln sei- suche, eine Gesundung der Prostitution herbeizuführen, vor
ner Lust dienstbar zu machen sucht. Und mit ebensoviel allem die berüchtigte polizeiliche Reglementierung der Prosti-
27
o o KRAUÜNHEWUUlNti UNO AUNNI.ICUi: KULTUR o o
396 o ° DER EIGENE o c
tutiun, die sich auf den § 3GI, ü*) des Reichsstrafgcsetz-
buclics stützt, und die geradezu alle Frauen Deutschlands nur für selbstverständlich, sondern sogar für lobenswert
einein zu Mißgriffen herausfordernden Ausnahmegesetz über- gehalten wird. Wenn sich später die Folgen der gedankenlos
liefert, — ich sage, alle diese Versuche sind bisher völlig er- verträumten seligen Stunden zeigen, dann wäre vielleicht auch
folglos geblieben. Der junge Mann, der demnach unter so manches junge Herrchen glücklich, wenn es seine Tat unge-
den obwaltenden Umstanden mit einer Dirne geschlechtlichen schehen machen könnte. Droht ihm doch heute die gefürchtete
Umgang hat, setzt sieh mit großer Wahrscheinlichkeit der Zahlung der Alimente, — nebenbei bemerkt läßt der Staat den
Gefahr einer Ansteckung aus. Und dadurch schädigt er nicht Mann einen recht geringen Anteil an der Buße tragen, während
nur sich selbst, sondern er wird nunmehr zu einer Giftquelle er dem sicherlich nicht schuldigeren Weibe neben den Qualen
für seine gesamte Umgebung. Man geht deshalb nicht zu und der Schande auch noch den größeren Teil der Kosten
weit, wenn man den Verkehr eines jungen Mannes mit einer aufgebürdet hat. Nicht selten wird der Versuch gemacht,
Dirne für leichtsinnig oder verbrecherisch erklart. Leichtsinnig, durch Fruchtabtreibung die Tat samt den Folgen aus der Welt
wenn er die Tragweile und die Gefahren seines Handelns zu schaffen, doch abgesehen davon, daß eine nicht vom Arzte
nicht kennt, verbrecherisch, wenn er über die möglichen geleitete Fruchtabtreibung kaum ohne schwere Gefahren für
Folgen seines Schrittes hinreichend aufgeklart gewesen ist. die Mutter verlaufen wird, droht hier eine Strafbestimmung,
Und dieses harte Urteil kann auch nicht deshalb gemildert deren Berechtigung oft genug angezweifelt wurde und die
werden, weil die Zahl der jungen Leute eine so große ist, schon unsägliches Unheil geschaffen hat. In anderen Fällen
die sich in verbrecherischer Weise an der Volksgesundheit ist der junge Mann von vornherein schlauer gewesen: ergab
vergehen. Vielmehr zeigt diese traurige Tatsache nur, wie dem unglückseligen Mädchen eine falsche Adresse und einen
bei diesen schreienden Mißständen dringend Abhilfe geschaffen falschen Namen an; ist sie schwanger geworden, so bleibt
;
werden muß. er aus, und alle Bemühungen seines Opfers, ihn zu finden,
Eine große Anzahl anderer junger Manner suchen nach bleiben vergeblich. Ich leugne nicht, daß es Ausnahmefälle
einem anderen, dem zweiten Auswege — und sie veranstalten gibt, wo die Verhältnisse zwischen Mann und Weib nicht in
eine förmliche Jagd auf ehrbare junge Mädchen. Welche Ver- so scharfer Weise verurteilt werden dürfen, wie es hier ge-
antwortung der junge Mann gemeinhin auf sich nimmt, wenn J schehen ist. Ich erinnere an die „freien Ehen", die, wenn
er solch ein unverdorbenes keusches Geschöpf auf dein Sie von beiden Teilen ernst genommen werden, durchaus
Altare seiner Wollust opfert, dessen ist er sich nur in den als Ehen betrachtet werden müssen. Im allgemeinen aber
seltensten Fällen bewußt. Und wenn er dieses Bewußtsein treibt der Mann, der ein anständiges Mädchen verführt, ein
!
besitzt, so wird es ihn doch kaum abhalten, eine Handlung gar nicht entschieden genug zu brandmarkendes, frevles Spiel
zu begehen, die nach unseren heutigen Anschauungen nicht gerade mit demjenigen Wesen, das ihm das heiligste auf der
Welt sein sollte, mit dem Gegenstande seiner Liebe. Wie
*) Mit Haft wird bestraf!: eine Weibsperson, welche wegen gewerbs- I oft wird solch unglückliches Geschöpf schließlich, voji Eltern,
mäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in Verwandten und Freunden verstoßen, hilflos mit der lebenden
dieser Hinsicht zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung
und des öffentlichen Auslandes erlasseneu polizeilichen Vorschriften zu-
Frucht des Fehltritts herumirrend, von Stufe zu Stufe sinkend,
widerhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu ! der Prostitution in die Arme getrieben! Man wende nicht
sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt. ' zu Gunsten des Verführers ein, das Mädchen sei eben so
schuldig, oder, wer sich verführen lasse, sei nicht besser, als
c o l'KAUI:Nlii:\Vi:(iUN(i UNI) MÄNNLICHE KULTUR o 0 397 398 o o DER EIGENE o o

wer verführe, und was dergleichen mehr ist. Bei einem so gungen ruft sie einzig und allein dadurch hervor, daß sie zu
ungleichen Spiele, bei dem der Alaun beinahe nichts, das einem, hier wie überall, unheilvollen Übermaße verführt.
Mädchen nahezu alles verlieren kann, ist und bleibt der Mann Wir sehen also, daß jede nur mögliche Art der Be-
der Schuldige. Und wenn sich das Mädchen ihm anbietet, friedigung des Geschlechtstriebs für den jungen Mann oder
und wenn sie ihn verführt, sollte er (im allgemeinen!) die sogar für Staat und Gesellschaft schwere Gefahren mit sich
moralische Kraft haben, im Hinblick auf das kommende Un- bringt. Das sahen auch denkende Frauen bereits seit
heil, das angebotene oder aufgedrängte Opfer abzulehnen! längerer Zeit und sie versprachen sich Abhilfe von der Gleich-
Wenn man sich die hier geschilderten Verhaltnisse ein- berechtigung der Frau im öffentlichen und privaten Leben.
mal klar gemacht hat und dann sieht, wie sich Staat und Es entstand die Frauenbewegung, die, nicht zuletzt, auch
Gesellschaft ihnen gegenüber verhalten, so kann man eine Lösung der geschlechtlichen Frage zu geben versucht.
sich eines Schauders nicht erwehren. Der Staat, der den Wenn die Frau, ebenso wie der Mann, von Jugend auf Be-
Geschlechtsverkehr des Mannes mit dein Manne ohne jeden rufsarbeit leistet und nicht mehr vom Manne als ihrem Er-
erweislichen Grund mit entehrender Strafe bedroht, verbietet nährer abhängig ist, so wird auch sie an der Ernährung der
die Verführung eines Mädchens über sechzehn Jahren durch Familie zu ihrem Teile mitwirken können und so wird der
keinerlei Strafbestimmuug, und die Gesellschaft prämiiert sie Mann bereits in jüngeren Jahren in die Lage kommen, durch
sogar nicht nur durch die Hochachtung, die sie dem Ver- seine Verheiratung die einfachste Lösung der geschlechtlichen
führer zollt, sondern obendrein dadurch, daß sie den Homo- Frage herbeizuführen.
sexuellen, der nicht die geringste Zuneigung zu einem Weibe Eine Anzahl aufgeklärter Frauen ging noch weiter. Sie
verspürt, geradezu zwingt, die Verführerrolle zu übernehmen. verlangen Achtung auch für das, hauptsächlich durch die
Kann doch der der Homosexualität „Verdächtigte" im allge- Schuld der Männer gefallene Weib. Sie sehen auch in der
meinen nur dadurch die öffentliche Achtung wiedererwerben, Prostituierten, in der feilen Dirne noch die Mitschwester, die
daß er ein unschuldiges Weib durch Verführerkniffe in die man wieder emporheben muß, statt sie durch die allgemeine
Schande zu treiben versucht! Und so etwas nennt sich Verachtung immer tiefer in den Sumpf hinabzustoßen. Sie
Sittlichkeit! empfanden besonders in der polizeilichen Reglementierung
Der dritte Ausweg ist die Befriedigung des Geschlechts- der Prostitution eine ungeheure Entwürdigung der gesamten
triebes durch Masturbation. Nahezu alle jungen Männer Frauenwelt. Und so entstand die gerade von Frauen vielfach
masturbieren gelegentlich, viele kennen gar keine andere Art vertretene a b o l i t i o n i s t i s c h e Bewegung, die mit der poli-
geschlechtlicher Betätigung. Und damit bilden sie wenigstens zeilichen Reglementierung auch die Prostitution selbst aus der
keine Gefahr für die Gesellschaft. Einer desto größeren Ge- Welt schaffen möchte. Die Mittel hierzu können natürlich
fahr setzen sie sich aber selbst aus. Denn für die Mastur- durch eine Änderung in der Stellung der Frau gewonnen
bation gibt es keine Schranke außer der, leider so oft ver- werden. Ob aber die Frauenbewegung allein ausreichen wird,
sagenden, Willensenergie. Und so finden wir gerade bei um eine durchgreifende Änderung und Besserung herbeizu-
Onanisten am häufigsten die schweren Schädigungen sexueller führen, das erscheint allerdings im höchsten Grade fraglich.
Ausschweifungen. Wir wissen zwar heute, daß die Mastur-
bation an sich keine Gefahren mit sich bringt, es sei denn, Verlassen wir jetzt einmal die Gegenwart und betrachten
daß sie auf gewaltsame Weise betrieben wird. Ihre Schädi- die Stellung der Frau und den Stand der geschlechtlichen
o o KRAUENHI-WClillNO UNI» MÄNNLICHE KULTUR o o
400 o o DER EIGENE o o

Frage im alten Griechenland, so finden wir zunächst, und


das muß uns am meisten auffallen, daß es dort eine ge- Oder sollen wir wirklich glauben, daß damals die ganze
schlechtliche Frage in unserm Sinne garnicht gab. Dort war kraftvolle, wie uns die Statuen zeigen, echt männliche Männer-
sie ganz einfach gelöst durch die gleichgeschlechtliche Liebe welt Griechenlands aus jenen Halbweibern bestanden habe,
der Männer. Es galt dort für ganz selbstverständlich, daß zu denen die lieblingminnenden Männer heute von gewissen
der junge Mann sich in inniger Freuudschft an einen älteren wissenschaftlichen Autoritäten gestempelt werden? Es gehört
anschloß, mit dem er auch geschlechtlichen Umgang hatte. schon eine gewaltige Menge von Einseitigkeit und Verbohrtheit
Niemand fand in solchen Verhältnissen damals — und es war dazu, um diese Frage zu bejahen. Man denke sich einen
gewiß keine Zeit der Degeneration, sondern eine Zeit höchster Alcibiades, einen Epaminondas als Urninge im Sinne eines
Blüte der Kultur — etwas Unsittliches oder gar „Wider- Ulrichs und seiner Nachfolger und schaudere über die Absur-
natürliches". Der ältere der beiden Freunde — die Verhält- dität solches Gedankens!
nisse bestanden meist zwischen Mann und Jüngling; eine War demgemäß die altgriechische Kultur unserer heutigen
„Knabenliebe" im deutschen Sinne des Wortes kannte man im Hinblick auf die Lösung der sexuellen Lage weit voraus, so
natürlich überhaupt nicht — pflegte einen überaus wert- steht sie hinter der unseren weit zurück, was die Stellung der
vollen erzieherischen Einfluß auf seinen Liebling auszuüben, Frau anlangt. Da mußte es denn auch in Alt-Griechenland
wie uns die Werke zahlreicher Dichter und Schriftsteller schon Strömungen geben, die mit unserer heutigen Frauen-
beweisen. Daß unter diesen Umständen einej geschlechtliche bewegung vergleichbar sind. Hierher gehört in erster Linie
Frage für den Jüngling, also eine geschlechtliche Frage in das Hetärentum. Die Hetäre wollte nicht warten, bis ihr ein
unserem Sinne, garnicht aufgeworfen werden konnte, ist klar. Mann die Gnade erwies, sie durch die Heirat zu seiner Sklavin
zu erniedrigen. Sie machte sich selbständig und trat dem
Wie aber war man zu dieser Lösung des uns so schwierig Manne frei gegenüber; auch war sie ihm an Bildung gewach-
erscheinenden Rätsels damals gekommenV Auch diese Frage sen oder überlegen. So konnte denn eine Aspasia als freie
kann unschwer beantwortet werden, wenn wir die Stellung Ehegenossin des Perikles in der Geschichte Athens eine
der Frau in damaliger Zeil etwas näher betrachten. Da größere Rolle spielen als alle ehrbaren Hausfrauen und
finden wir denn die Frau in einer noch weit rechtloseren Gattinnen zusammen genommen. Aber wenn auch das
Stellung als bei uns. Ganz abgesehen vom öffentlichen Hetärentum keine Prostitution im heutigen Sinne war, so
Leben, nicht einmal im privaten Leben spielte sie eine irgend dürfte doch die Hetäre niemals das Ideal der Frau darstellen,
wie beträchtliche Rolle. Selbst die Erziehung der Kinder da nur wenige dieser Frauen sich einem Manne an-
ist ihr nur in deren zartestem Alter anvertraut. schlössen, wie es die Frau ja schließlich immer wird tun
Was Wunder, wenn der Mann eine so verachtete Dienerin, müssen, solange die, Familie die Grundlage des Staates
die ihm sein Haus zu besorgen halle, seiner Liebe nicht bleibt.
würdigte, wenn er diese dem, gleich ihm, gebildeten Ge- Neben dem Hetärentum finden wir in Griechenland
schlechtsgenossen schenkte? auch die sapphische Liebe, die Liebe der Frauen zu ein-
Es war also Verachtung des Weibes, die die Liebling- ander. Ursprünglich handelte es sich dabei offenbar um
minne in Griechenland zu dieser heute den meisten Forschern eine Gegenströmung gegen die Lieblingminne der Männer,
unverständlichen Blüte brachte. eine Gegenströmung, die aber ebensowenig die Frau dauernd
dem Manne entzog, wie die Lieblingminne den Mann von
o o DER EIGENE o o
402
o o 1-RAUENIJKWIilJU.Nii UM) .UANNUUII: KUI.TUK o o
in Anspruch nehmen, und so die sexuelle Frage zugleich
der Heirat und der Gründung einer Familie hatte abhalten mit der Frauenfrage zu lösen versuchen.
können. Da der Mann es viellach vorzog, in den Annen * »
*
des Freundes statt in denen der Gattin zu ruhen, mußte
das Weib, das sich ja auch nicht frei von der Sinnlichkeit Eine Bewegung, die uns diesem Ziele näher bringen kann,
zu machen vermag, in den Armen der Freundin Ersatz zu nannte ich schon: es ist die Frauenbewegung. Indem sie
finden suchen. durch Selbständigmachung der Frau eine Eheschließung für
den Mann in jüngeren Jahren ermöglicht, bringt sie uns alt-
* *
* jüdischen Zuständen näher. Da aber der altjüdische Zustand
Das alte Judentum zeigt uns das Ideal des Familien- ein für die moderne Zeit unerreichbares Ideal darstellt, bedarf
lebens. Der Mann wurde zur Zeit der Pubertät, d. h. nach die Frauenbewegung einer Ergänzung, um eine vollkommene
vollendetem dreizehnten Lebensjahre, für volljährig erklärt Lösung der sexuellen Frage zu ermöglichen:
und heiratete dann möglichst bald. Das Mädchen wurde Und diese Ergänzung ist die noch ganz junge B e w e g u n g
in noch jüngeren Jahren vermählt, was geschehen konnte, für m ä n n l i c h e Kultur, die durch „Die Gemeinschaft
weil bei den orientalischen Völkern die Pubertät früher der Eigenen" und von deren Organ, die Kunstzeitschrift
eintritt als bei uns. Eine geschlechtliche Frage konnte unter „Der Eigene", vertreten wird.
diesen Umständen garnicht aufgeworfen werden. Und so Das Wesen beider Bewegungen ist bis heute allerdings
linden wir denn auch, im Gegensätze zu Griechenland, in nur einem kleinen Kreise verständlich geworden, während
Palaestina von der gleichgeschlechtlichen Liebe nur wenige die große Masse ihnen mit höhnischem Lächeln oder gar
Andeutungen. Im Talmud ist, wie mir ein Freund, ein gründ- mit Haß und Abscheu gegenüber steht. Dies gilt für die
licher Kenner des Talmud, sagte, von gleichgeschlechtlicher männliche Kultur-Bewegung in noch höherem Grade als für
Liebe überhaupt nichts zu finden, obgleich sonst dort das die Frauenbewegung. Doch auch diese hat noch genügend
Geschlechtsleben des Menschen mit wahrhaft herzerquicken- mit der allgemeinen Verständnislosigkeit zu kämpfen. Ich
der Offenherzigkeit besprochen wird, und gelegentlich, z. B. sehe ganz ab von der lächerlichen Phrase, die Frau gehöre
über die Masturbation, ganz modern klingende Ansichten ins Haus. Denn das heißt ja doch, eine jede Frau hat die
entwickelt werden. Pflicht, einfach weil sie als Weib geboren ist, den Beruf
Dieses Vorbild jüdischer Zustände neben der Sinnen- einer Köchin, Dienerin und Kinderfrau für den Ehemann zu
feindlichkeit des Christentums waren es, die die christliche wählen. Demgemäß müßte zunächst jede Frau, die in einem
Gesetzgebung in sexuellen Fragen beeinflußten. Heute können bestimmten Alter, sagen wir 25 Jahre alt, noch keinen Mann
uns aber altjüdische Zustände, so vollkommen sie auch gefunden hat, totgeschlagen werden, und femer müßte, da-
erscheinen mögen, nicht mehr maßgebend sein, da es bei mit dieses Schicksal nicht allzuvielen Frauen zu Teil wird, die
uns unmöglich erscheint, den Jüngling zu der Zeit der Vielweiberei eingeführt werden. Außerdem würije unsere
Pubertät schon heiraten zu lassen. Kultur der Frau als eines wesentlichen Faktors entbehren
müssen, veranlaßt einfach durch eine brutale Gewalttat der
Ebensowenig können wir die Wiedereinführung griechi- Männer. Die Frauen könnten ja, wenn sie die Macht dazu
schen Geschlechtslebens wünschen mit seiner Sklaven- hätten, mit gleichem Rechte vom Manne verlangen, daß er im
stellung der ehrbaren Frau und seinem Hetärentum. Wir Hause bleibe, während sie die Öffentlichkeit für sich in An-
müssen vielmehr Alles prüfen, von jedem das Beste für uns
o o l-RAUENUi;\VI:<iUNti UND MÄNNLICHE KULTUR o o 4Q3
404 c o DER EIGENE o o

spruch nähmen. Demgegenüber verlangt die Frauenbewegung


gleiches Recht für beide Geschlechter. Viel wesentlicher ist Kupffer verlangte in dieser geistvollen Arbeit neben der Eman-
der Einwand, daß die Frau nicht für alle Berufe passe. zipation des Weibes auch eine solche des Mannes: eine
Da heißt es aber abwarten. Es ist wohl ganz zweifellos, Emanzipation des Mannes von der Unterwerfung unter
daß Frauen auf die Dauer nur in Berufen tätig sein werden, weiblichen Geschmack und weibliche Schönheit. Aber er
die sie auszufüllen vermögen. Und schließlich kann man wandte sich gleichzeitig gegen die homosexuelle Be-
die Frauen so wenig wie die Männer über einen Kamm wegung, der er, sehr mit Recht!, Verzerrung der S p i t z e n
scheeren. So wenig, wie jeder Mann Arzt werden kann, unserer Menschheitsgeschichte vorwarf, so daß man
so wenig kann es jede Frau, aber manche Frau wird auch diese reichen Geister und Helden in ihren urnischen
diesen Beruf auszufüllen im Stande sein. Unterröckchen kaum wiedererkennen mag! Nur hätte
Was die Bewegung für männliche Kultur aber be- er deshalb der Wissenschaft, die sich hier allerdings
absichtigt, das ist bisher sogar vielen Lesern des „Eigenen" zu verrannt hat, indem sie einzelne Erfahrungen verall-
hoch gewesen. Die meisten verwechseln sie mit der Bewegung gemeinern will, nicht seinerseits verallgemeinernde Vorwürfe
zu Gunsten der Homosexuellen und der Abschaffung des machen sollen. Er forderte nun, daß man vor der Liebling-
§ 175. Diese Verwechselung hat keiner der beiden Bewe- minne nicht die Augen wie vor einein Laster zudrücken
gungen genützt. Daher ist eine Klarstellung dringend er- sondern vielmehr, daß man aus ihr Nutzen ziehen
forderlich. Die homosexuelle Bewegung geht von der An- und sich eine so wichtige Quelle der Kraft nicht entgehen
sicht aus, es gäbe einzelne Personen, Männer und Frauen, lassen solle. Kurz, Kupffer forderte entschieden wieder eine
die sich nur zu Angehörigen des eigenen Geschlechts hin- Annäherung an die griechische Kultur. Er suchte durch
gezogen fühlen. Ein Teil von diesen Personen finde seine berühmte Sammlung zu beweisen, daß sich die Liebling-
volle geschlechtliche Befriedigung nur durch Ausführung minne bei fast allen Großen der Weltgeschichte findet, ohne
von Handlungen, die heute nach dein § 175 des Reichsstraf- daß man in 'diesen Leuten „Homosexuelle" oder gar Halb-
gesctzbuch.es als widernatürliche Unzucht bestraft werden. weiber zu sehen braucht. Welche Bedeutung die männliche
Demgemäß wendet sich die homosexuelle Bewegung, organi- Kultur für die Lösung der sexuellen Frage besitzen muß,
siert im „wissenschaftlich-humanitären Comitc5" zu Charlotten- das hat allerdings weder Kupffer noch Eduard v. Meyer
burg, gegen den § 175 und sucht Aufklärung über die Existenz in seinem Artikel „Männliche Kultur" (Januarheft 1903 des
solcher Homosexuellen zu verbreiten. „Eigenen") hinreichend betont. Viel deutlicher sieht schon
Gotamo, der Verfasser des Aufsatzes„In die Zukunft" (das-
Anders die Bewegung für männliche Kultur. Als den
selbe Heft des „Eigenen"). Wir aber können nach dem
Beginn dieser Bewegung betrachten können wir das Erscheinen
vorher Dargelegten uns vollkommen scharf ausdrücken und
des Aufsatzes: „Die ethisch-politische Bedeutung der
sagen: Die Bewegung für männliche Kultur fordert
Lieblingminne" von Elisar v. Kupffer, der zuerst im
von dem Jünglinge, daß er sich in e n g s t e r Freund-
„Eigenen" 1. und 2. Oktoberheft 1899 (Neue Folge, L Jahrg.
schaft einem zu ihm passenden Manne anschließe,
Heft 6/7) veröffentlicht war, und der von Kupffer herausge-
daß er nicht der allgemein gestellten Forderung,
gebeneu Sammlung „Lieblingminne und Freundesliebe
er dürfe nur das Weib lieben, Folge leiste und seinen
in der Weltlittcratur" *) als Einleitung vorangesetzt ist.
gleichgeschlechtlichen Liebestrieb unterdrücke;
*) Jetzt: Verlag vuii Max Spohr in Leipzig. Preis 5 M. brosch. daß er nicht in den Armen einer feilen Dirne sich,
o c FRAUENBEWEGUNG U.MI) MÄNNLICHE KULTUR o o 4Q5

4Qg o o DER EIGENE o o


seine Familie und den Staat gefährde; daß er nicht
Jagd auf e h r b a r e Weiber mache; daß er auch nicht Schaftskultus im Sinne der alten Griechen wieder zu schaffen
durch maßlose Masturbation sich in frü her Jugend gedenkt, obendrein eine Kunstzeitschrift, niemals geschmack-
seiner w e r t v o l l s t e n Kräfte beraube und an der Dege- los genug sein, unzüchtige Handlungen, ganz gleich welcher
neration des Volkes arbeite. Art, verherrlichen zu wollen. So wenig, wie ein Liebes-
Gewiß wird durch die Bewegung für männliche Kultur gedicht eine Verherrlichung des Geschlechtsverkehrs sein
einer Verbreitung der noch vielfach für ein Lasier gehaltenen kann, so wenig „Der Eigene" eine solche „widernatürlicher
Lieblingminne das Wort geredet, aber gerade damit man Unzucht."
bald authört, in ihr ein Laster oder eine Krankheit zu Wünscht aber nicht auch die Bewegung für männliche
sehen! Keineswegs aber dürfte diese Bewegung eine* Ver- Kultur die Aufhebung des § 175?
mehrung der männlichen Prostitution zur Folge haben, wie von
kurzsichtigen Leuten törichterweise befürchtet wird. Nichts Gewiß wünscht sie auch diese; sie legt aber keinen
ist mehr geeignet, der Prostitution überhaupt, der Haupt wert auf diesen Wunsch. So lange die Straf-
männlichen w i e d e r weiblichen, ein Ende zumachen, bestimmung besteht, wird sie von den Anhängern männlicher
als ein Umsichgreifen der Lieblingminne! Denn wenn Kultur auch berücksichtigt werden müssen. Die Lieblingminne
die männliche Jugend ihre Befriedigung im Anschluß an den b r a u c h t nicht zu solchen Handlungen zu führen, wie sie
geliebten Freund finden wird, braucht sie das ekelhafte und nach der jetzigen Auslegung des § 175 durch das Reichsgericht
verächtliche Dirnentum nicht mehr. Und darin bildet die unter Strafe gestellt sind! Immerhin kann es gelegentlich
Bewegung für männliche Kultur eine wesentliche Ergänzung der Fall sein, und da man nicht aufhören wird, in der Liebling-
der Frauenbewegung und auch der abulitionistischen Be- minne ein Laster zu sehen, ehe der § 175 aufgehört hat zu
wegung. Eine männliche Prostitution mit ihrem Erpresser- existieren, darum muß auch vom Standpunkte der Bewegung
unwesen, mit ü^n Kneipen, die man als Kneipen mit Be- für männliche Kultur gegen sein Bestehen e n t s c h i e d e n e r
dienung von zarter männlicher Hand bezeichnen mochte, Einspruch erhoben werden.
und dergleichen mehr, konnte ja überhaupt nur entstehen, Wenn die Wiedereinsetzung der Lieblingminne in ihre
weil sich der Homosexuelle heute dem Freunde nicht zu altgriechischen Rechte, ebenso wie zu damaliger Zeit, auch
offenbaren wagt. Mit dem Siege der Bestrebungen für männ- ein Aufblühen der Liebe des Weibes zum Weibe zur Folge
liche Kultur ist die männliche Prostitution so gut wie die hat, so ist das kein Schade. Vermieden muß aber werden, daß
weibliche überflüssig geworden! die Lieblingminne eine der altgriechischen Stellung der Frau
Die bedauerliche Verwechselung der Bewegung für entsprechende Verachtung des Weibes nach sich zieht. Schon
männliche Kultur mit der homosexuellen Bewegung war es Kupffer betonte, ein wie bedeutender Faktor des Lebens die
wohl auch, die die Staatsanwaltschaft veranlagte, einige Mutter ist; er betonte, daß auch als Gattin, Freundin und
Hefte des „Eigenen" zu konfiszieren und gegen die Bestre- Mädchen das Weib eine Blüte sei, die wir nicht aus dem
bungen des „Eigenen" Stellung zu nehmen. Sonst hätte sie Garten des Lebens verbannt wissen möchten. Dafür zu sorgen,
ja doch in den Veröffentlichungen des „Eigenen" niemals in diesem Sinne zu wirken, ist die F r a u e n b e w e g u n g da.
eine Verherrlichung der „widernatürlichen Unzucht" erblicken Frauenbewegung und männliche Kultur, sie sind keine Gegen-
können. Kann doch ein Blatt, das einen idealen Freund- sätze, sie ergänzen sich naturnotwendig zu einer brauchbaren
Lösung des geschlechtlichen Problems.
o o l:KAUUNHliW|-:tiUNu UNK A1ANNI.ICIIL. KUI.TUK o o

Auf einer Schraubenlinie schreitet die Menschheit empor.


Die F r a u e n b e w e g u n g führt uns i n altj üdi sehen, die . SCHWARZE NÄCHTE
Bewegung für männliche Kultur zu al t griechischen l
Idealen zurück. Aber eine Schraubenwindung höher
werden wir gestiegen sein: beide Kulturen verschmelzen t u r e sagengrauen Schreckgestalten
sich zu einer höheren, vollkommeneren. Nicht mehr allein Und geheimnisbange Traumgewalten
das Weib wird den Geschmack des Mannes beherrschen Furcht ich gleich den allerschiimmsten Hollennächten,
und von ihm Liebe heischen; sie wird aber auch nicht mehr Denn ich weiß, sie kommen nur zu rechten
seine Sklavin sein, sondern die gleichberechtigte, ebenbürtige Mit den reueheißen Seelen.
üef.'ihrtin. So blüht uns durch Frauenemanzipation und Tauchen heimlich aus den schwarzen Fluten,
männliche Kultur einst, und hoffentlich in nicht allzuferner Qualen uns mit ihren Flamnienruten
Zeit eine wahrhaft menschliche Kultur. Nietzsclieaner All, die fühlen mußten ihre grimmen Hiebe,
mögen sagen, eine übermenschliche. Wissen, daß man nie den Gutt der Liebe
EDWIN BAß. Darf in schwarzen Nachten suchen I

II
Ruhelos ist meine Seele
Und sie spannt die Flügel weit
Und ihr dehnt sich jede Stunde
Endlos wie die Ewigkeit.

Ihre Heimat geht sie finden


Und wo mag die Heimat sein?
Da, wo alle Wünsche schlafen
Und die Götter gern verzeihn!

III
Selten laß ich einen Tag versinken
In des Abends grabesstille Bucht
ix^^rzjrzA-zjs-zjrzjsn Ohne, daß ich glaubig es versucht,
Aus dem Born des goldnen Lichts zu trinken.

Selten laß ich eine Nacht verrauschen ^


Die wie eine stumme Frage drängt,
Die Gedanken zu Gedanken zwängt,
Ohne ihre Seele zu belauschen!
MAX MAI Ll<
"AKRJAS

Olili UHHUNÜ ÜliS SfMRTACUS


o o DER EIGENE o o
412
Blauaugen wichen nicht von dem Burscheu. „Du bist ja doch ein
Junge. Komm nur heraus.*
„Ja, aber —" wendete der nackte Bursche schamhaft lachend ein.
„Schnell aus dem Eiswasser I" befahl der Manu nun sehr strenge.
„Das könnte ja Dein Tod sein. War schade um Dich."
Lediglich aus Folgsamkeit faßte der Bursche einen herzhaften Ent-
schluß. Er sprang empor und setzte sich am Ufer auf einen Stein.
Der Fremde setzte sich ohne seiner lichten Hosen zu achten gleich
neben ihn hin. Er legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn
IST ES NÖTIG? dann mit sonderbar fragenden Blicken an. „Weißt Du, daß Du sehr,
sehr schön bist?"

J n einer steilen Bachriuiie, die von dem mächtigen Firn bis herunter
in das urbare Tal gehl, mäht schon seit Sonnenaufgang ein junger
Mensch das spärliche Ulerheu. Es ist eine Arbeit, bei der man sich
tummeln muH, wenn sie Inline« soll. Oer schlanke und geschmeidige
Bursche ist flink und geschickt genug, Lr fangt mit der Sense das
„Schön?" Der junge Mensch erglühte wieder unter dem Leuchten
der großen, blauen Augen. „Sie sind schön, ich nicht."
„Ich?" machte der Fremde eigentümlich überrascht. „Gefall ich Dir?"
Der Bursche nickte zur Antwort. Den Manu abermals anzusehen,
fürchtete er sich. Seltsamerweise bäumte sich die Natur des un-
bischen Uriin /wischen den l'clstiüiniiiein zusammen, bald mit einem
Fuß auf einer Steinspitze balancierend, bald wieder in dem tosenden befangenen Jungen nicht gegen sein Gefühl der Scham und hilflosen
Eiswasser stehend. Mancher stärkere Mann würde in der pfeilschnell Ergebenheit auf. Es hatte ihm noch nie etwas so geschmeichelt, als
daß ihn der Fremde schön fand, dessen ganzes Wesen ihn in wunder-
abschiebenden Flut nur schwer stehen können, aber der junge
sam wonnige Fesseln schlug. Er verstand sich weder in diesen Augen-
Malier spreizt nur ganz leicht die nackten schönen Keine und wiegt
blicken, noch wollte er sich verstehen. Er fürchtete nur, daß der
sich noch mit feiner Animii in den I lullen, wenn er einmal von
Mann fortgehen könnte.
seinem Staude aus einen ordentlichen Sensenzug machen kann, jetzt,
zur Mittagszeit, darf er schon auf seine Leistung stolz sein. Die junge „Wie heißt Du?" fragte jener nach einer Weile mit weichem
geizige Bergbauerin, bei welcher er im Dienste steht, will nicht so bald Stimmklang.
etwas ein gehöriges Tagcwcik nennen. Wie er nun gerade wieder „Berti."
ins Wasser hüpft, tönt ein lachender Schrei vom Ufer her; „Brrrl „Und was bist Du?"
Zimperlich bist Du nicht I" „Knecht bei einer Bergbäuerin."
Die grollen, frommen Augen des Burschen sehen etwas scheu, „Knecht? Das ist nichts für Dich. Oder wenn schon, dann
dann allmählich mit immer größerer Bewunderung auf den Mann mein Knecht. Möchtest Du das sein?"
vor ihm. Dann schiebt plötzlich eine starke Röte in das reizende, Dem Burschen war wie im Traume. Er brauchte nicht viel zu
frische Jiinglingsaiitlilz. In der nächsten Sekunde sitzt der Bursche überlegen, um innig „Ja" sagen zu können.
bis an die Schultern im Wasser. „Ja? Dann mußt Du gleich mitkommen.»
„Gehen Sie doch weiter, Herr! Es steigt sonst selten jemand da „Wohin?"
herauf. Ich wollte mir die Kleider nicht uaU machen. Gehen Sie!" „Weit hinaus in die Welt. Aber das ist egal. Du bist in gutem
Das klang wie höfliche Bitte und Entschuldigung. Schutz. Glaubst Du das?"
Der Fremde stand eine Weile unschlüssig still. Der prachtvoll „Ja," lautete wieder die Autwort.
entwickelten Gestalt nach war er nicht viel liber dreißig Jahr alt, den „So, was sagt Dir, daß ich Dich gut schüizeu werde?"
markanten, edlen Zügen nach alter. Seinen vollen, sinnlichen Mund „Du — Sie sagen es und —"
umspielte ein etwas verlegenes Lachein, aber die groben, leuchtenden „Vielleicht gar Dein Herz?"
2ö*
o o IST ES NOTIU o o
413 414 o o DER EIGENE.
„Ja, Sie erraten es."
„Sag nur Du und Beruhard. Wie herrlich weich Üu bist. Junge) gefUnden habe Wi St D
Ist denn die Hingabe so ganz cchtV Sprich, sprich —.* Bernhard • V^ZJ" ^ ^ ' " " * * - Kuß
drängte mit Ungestüm.
„Ich weiU es nicht, Herr, ich weil! es nicht, was es ist, dall ich | n*ti£nen KUß?
" fr3ß,e Ber
" <>« — • — » M denn das
mir heute gar nicht helfen kann "
.Nein. Es ist nicht nötig. Du hast rech» »* • . • ..
„Hist wohl sonst ein recht liebstoller Kater, gelt?" forschte
Bernhard. Verzeihe mir u n d k o m n l j ZJl -JTS * """ " ^
„Gar nicht," behauptete Berti ehrlich. „Nicht einmal meine Bauerin
mag ich, die möchte mich heiraten, so arm ich bin." Berti war still und traumverloren mit in die Stadt gefahren, jedes
„Das glaube ich, die setzt Dir wohl tüchtig zu?« liebe Wort, jeden warmen Blick Bernhards erwiderte er zwar mit
„O ja," entgegnete Berti beklommen. „So — daß mich alle hinreichender Herzlichkeit, aber von selber trat er niemals aus sich
Weiber anekeln. Weil ich nicht willig bin, quält sie mich. Immer hervor. Und so blieb es dann auch in Bernhards vornehmem Jung-
redete ich mich aus; Ich will noch warten und —" gesellenheim. Berti schien seine meiste Seligkeit im Schweigen zu
„Und?" finden. Erst ließ ihn Bernhard gewähren mit immer reger werdenden
„Und — nein, da wollt ich was Sinnloses sagen." Interesse das Benehmen des neuen Lieblings beobachtend.
„Sags!"
Dieser war stark von der Erinnerung beeinflußt, daß er dem
„Nun, jetzt ists mir, als wüßt ichs, daß ich da auf Dich — Manne als Knecht folgte. Die fürsorglichste, zartbedachteste Hausfrau
auf Sie — aber das kann ja nicht sein. Ich bin närrisch geworden. hätte bald mit ihrer heißesten Mühe hinter dem zurück' bleiben müssen,
Mir träumt. Mir nuill träumen!"
was Berti in der Bedienung Bernhards aufbot. Der junge Mensch
„So träum nur," sagte Bernhard, seine Hände erfassend. „Träum wußte dabei wunderzart jeden Anschein, als ob er den Herrn hätscheln
nur. Und komm mit."
wolle, zu verbergen. Wo selbst das feinfühlendste Weib schon Dank
„Aber," sagte Berti zögernd. „Ich habe mich ja verdungen bis erheischt, fühlte er sich noch als Schuldner. Und das war richtig.
zu Weihnacht." Er schuldete doch Bernhard einen viel höheren Himmel als einen sol-
„Hast Du vielleicht Vorschuß vom Lohn genommen?" chen jemals ein Mann einem Weibe zaubern kann. Der Verkehr
zwischen den beiden Männern blieb lange harndos, kindisch, wie der
„Nein — so liederlich bin ich nicht. Jetzt bin ichs freilich, wo
Verlauf ihrer ersten Begegnung. Wenn einer mit der Aufrichtigkeit
ich so ohne weiteres Dir nachlaufen niöchl, aber hol mich der
Teufel? wenn —" zurückblieb, so war es Bernhard. Er fühlte unendlich leidenschaftlicher
für seinen Schatz als er dies scheinen ließ. Nur mit dem Aufwand
„Was?"
aller Selbstbeherrschung blieb er in den Schranken, die ihm das un-
„Wenn es eine Sünde ist, daß ich Dir nachlaufe, so fürchte ich drum die schuldsvolle Wesen Bertis setzte. Bald mußte er einsehen, daß er
Hölle nicht. Kommst dann gewiß auch hinein. Oder bist Du selber anfangs zwischen der Weichheit und Reinheit des Burschen zu schlecht
der Teufel." Es war ihm wirklich ein wenig ernst mit der letzten unterschied. Der gute Junge glühte für den alteren Freund und
Frage. fürchtete dabei jede Berührung desselben wie tötlichen Feuerbrand.
„Wenn ichs war?" (ragte Bernhard amüsiert. Schon bei einem Händedruck Bernhards zitterte er und hob, wie um
„Dann bitt ich Dich: Verwandle Dich nur nicht. Das war' das Leben flehend, die Augen. Bernhard beschloß zu warten, bis der
mein Tod. Nicht nur wegen des Schreckens mein Tod, sondern aus andere zutunlicher würde. Er hätte ein freiwilliges, zärtliches Entgegen-
Leid. Nicht wahr, Du bist wie Du bist, gilisl Dich nicht anders?» kommen Bertis als einen unbeschreiblichen Triumph empfunden. Aber
„Nein. Glaube mir." Bernhards Augen waren feucht geworden. das Warten dauerte ihm dann doch zu lange. Berti schien sich mit
den bestehenden Verhältnissen dauernd bescheiden zu wollen.
4J6 0 0 DER EIGENE o o
o o IST ES NÖTIG o o 4J5
wirklich freigeben. Bringst Du es nimmer dahin, Dich mir ganz zu
„Höre," sprach eines Abends nach einer ziemlich alltaglichen schenken. Ich liebe Dich ja über alles in der Welt!"
Unterhaltung Bernhard /u dein Burschen. „Ich will jetzt heiraten." Er schlang seine Arme um ihn. Aber weit mehr als Bertis leise
Kr log selbstverständlich. Aber er tat es mit der ernstesten Abwehr ließ ihn dessen Zittern von der Umarmung ablassen. Dieses
Miene, und beobachtete dann voll Vergnügen das Entsetzen des Zittern scheuchte ihn zurück. Es war ihm wie nach einem Frevel
Lieblings. Der arme Junge bemühte sich gar nicht, Schrecken und an etwas Heiligen. Die Hände sanken ihm herab, er schämte sich seiner
Enttäuschung zu verbergen, es wäre ja vergebens gewesen bei der Tat. Unter einem seltsamen Erblassen der Wangen sank er auf einen
Wucht dieser Empfindungen. Stuhl. Seine Augen glühten nicht mehr in heißer Leidenschaft, sondern
„Warum?" stammelte er, wobei auch schon seine Augen naß sahen ehrfürchtig bittend zu dem Burschen empor; .Verzeihe mir,
wurden. Berti. Ich sehe, Du bist zu gut, zu rein für mich!"
„Ach, das begreifst Du nicht? Ich brauche Liebe." Vollkommener Und dann geschah dem Mann so unendlich weh und leid. Er
hätte er den Burschen nicht kränken können. Dieser saß wie von legte den Kopf auf die übereinander gelegten Arme hin und weinte.
einein Keulenschlag taumelnd da. Erst nach einer Weile sagte er Aus Reue, daß er sich an Berti versündigen wollte, weinte er eigent-
scheinbar ruhig und ergeben: „Dann brauchst Du mich ja nicht mehr.* lich nicht, eher doch aus Schmerz, daß sein Liebling zu heilig, zu un-
Dabei erhob er sich auch schon. erreichbar für ihn war.
„Dich?" Bernhard heuchelte Überraschung. „Unser Verhältnis Berti staunte erst über den Freund, dann kam ein so übermächtiges
bleibt doch »las alte, wenn ich heirate." :' Mitleid, wie man es nur für geliebte Menschen empfindet, eine Rührung,
„Deine Frau würde sich bedanken, wenn ich im Hause bliebe." die alles Andere zerschmolz. Er streichelte erst des Mannes Haar,
„Warum? Was besteht Unrechtes zwischen uns?" •.., dann nahm er dessen Kopf in die Hände. Und dann lächelte er ihn
„Nichts? Du meinst nichts? Die Frau würde es bald merken.«, mit seinem liebreichsten Lächeln an und konnte sich nicht mehr halten,
„Nein Berti. Von mir aus besteht nichts Unrechtes zwischen uns." mußte ihm die Tränen trocknen mit heißen Küssen. Er zitterte nicht
„Das glaube ich Dir aufs Wort, Bernhard. Mich aber bringt diese mehr, viel eher bebte der Mann in den machtvoll überwältigenden
unrechte Liebe fast um." Armen des anderen; „Aber Berti, jetzt bist Du es ja, der — •
Bernhard lächelte. „Die rechte Liebe zu mir brächte Dich nicht - .Ja!" klang es mit von allen Bedenken erlösenden freiheitsseligen
um, Berti." i Jubel. .Jetzt bin ich es! Ich kann nicht mehr anders. Und ich fühl*:
Der Junge verstand ihn nicht. „Was wäre das für eine, die rechte?1 Es ist rechtI Es ist nötigt" DIOQKN.
Nein, die kann es zwischen uns nicht gehen "
„ü ja, Berti. Das ist diu ehrliche, unverborgene. Sobald Du
Dich ganz heraus traust mit ihr, ist sie recht und bringt Gluck wie
jede andere, die echt ist." PSgl
„Glaubst Du?" fragte Berti zaghaft. Aller dann fuhr er wieder
auf. „Du hast aber vom Heiraten geredet."
„Nun? Wenn Du mich dazu zwingst. Verstehst Du denn
noch nicht —"
Der Bursche lielJ liefe«rötend den Kopf sinken. „O ja," sagte er
leise. „Ich verstehe Dich jetzt, aber — heirate doch lieber! Ich
• 1

gehe wieder."
Jetzt war das Entsetzen an Bernhard. „Warum?" rief er und
dann brach er schier verzweifelnd los: „Berti! MuH ich Dich denn
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420 o o DER EIGENE o o

bei dem er eine Zeit lang weilte, da ihm dessen Kulturideen


mit den seinigen zu harmonieren schienen, darf man zwar
nicht vergessen, aber sie erscheinen doch ohne wesentliche
Bedeutung. Fidus stände heute ebenda, wo er steht, wenn
er Diefenbach nie gesehen hätte. Von ihm hat er den Namen
erhalten, unter dem er schafft. Sein Taufname ist Hugo
Höppener.
FIDUS* Er ist Norddeutscher und von Kindheit an gewöhnt,
das Meer und die weiten Haideflachen zu überblicken, das
r steht ganz abseits. Der Weg, der zu ihm führt, ist

E ein seltsamer, und naclischaffeiul ist ihm bisher Keiner


darauf gefolgt. Fidus wird auch schwerlich Schule machen:
ans dem einfachen Grunde, weil sich seine Schüler nicht nur zu
Auge ins Grenzenlose schweifen zu lassen und sich träumend
dem Gefühl der Unendlichkeit und Ewigkeit hinzugeben. Es
ist gewiß kein leeres Wort, wenn man behauptet, daß Menschen
des tiefen, flachen Landes mit weitentlegenem Horizont sich
Schülern seiner Kunst, sondern vor Allem auch zu Schülern
nachhaltiger und mit größerem Bedürfnis in hohe geistige
seiner geistigen Anschauungen bekennen müßten, da Beides
Anschauungen hineinleben, als solche, deren Entwickcluug
bei ihm so untrennbar ist! Wer Fidus schaffend in den
sich in einem von der Natur eng begrenzten Distrikt voll-
Spuren seiner Kunst nachlulgen wollte, müßte auch Spuren
zieht, in dem alle Dinge eng aneinandergerückt erscheinen
seiner Seele haben, und zwar reiche Spuren, denn die Seele
und sowohl das Auge als den geistigen Flug beengen.
bedeutet bei ihm Alles. Lii sieht weniger mit den Augen,
als mit ihr! Er fühlt weniger mit dem Herzen, als mit ihr! Fidus stammt aus Lübeck. Sein Vater war Konditor.
Durch dessen kunstvolle Arbeiten hat er die ersten An-
Er steht dem Leben fein. Er ist ein Einsiedler, ein
regungen erfahren. Er genoß früh Zeichenunterricht und
stiller Mann für sich. Er mengt sich nicht gern unter die
war immer sehr arbeitsam. Seine eigentliche Ausbildung hat
Menschen und erlebt nach Außen hin nicht viel. Sein Innen-
er an der Münchener Akademie unter Gysis erhalten. Sein
leben ist Alles.
Zusammenleben mit Diefenbach, das sich auf zwei Jahre er-
Man kann ihn keiner Klasse zurechnen. Er ist ein
streckte, künstlerisch aber ziemlich ertraglos war, da Diefen-
Autodidakt. Die Anregungen, die er von Diefenbach erfahren,
bachs Interessen und Ideale nach einer ganz anderen Seite
* Im Verlag von I. C. C. Bruu's (Minden i. W.) sind drei bedeutungs-
hinneigten, erwähnten wir schon. Die erste große Ent-
volle Fidus-I'uhlikationcn erschienen: täuschung erlebte der junge Künstler, als die Miinchener
1) F I D U S von W i l h e l m S p o l i r . Das Werk enthalt über 200 Dar- Jahresausstellung von 1891 fünf seiner Kartons, auf die er
stellungen naeli Originalen von Fidus im Text, 27 ganzseitige Kunstblätter große Hoffnungen gesetzt hatte, zurückwies. Er schloß sich
als Beilagen in Dreifarbenlichldnick, Lichtdruck und Chromo-Fototypie,
nun an Dr. Hübbe-Schleiden an und ging mit diesem nach
unter Leitung des Künstlers reproduziert. Einband und Vorsatzpapier
von Fidus. Format 32x2-1 Clin. Kunstdiuekpapier. I'reis 30 Mark. Berlin, um dort für die von Hübbe gegründete Zeitschrift
2) T Ä N Z E . 11 ganzseitige T.ileln in ein- und mchrfarbigerLichtdnick- »Sphinx" zeichnerisch tätig zu sein. Es war eine fleißige
reproduktion. In künstlerischer Mappe. Formal -l'.l • 35 d m . I'reis 18 Mark. Zeit, die ihren Abschluß fand durch die Abreise Hübbe-
3) N A T U R K I N D E R . 10 ganze Tafeln, Reproduktion und Format Schleidens nach Indien. Die „Sphinx" ging ein. Fidus
wie Nr. 2. I'reis 18 Mark. wandte sich anderen illustrativen Arbeiten zu. Er ist heute
Die Reproduktion und die Ausstattung sind mustergültig zu nennen!
" u I HiüS o o 422 ° ° DER EIGENE o o
421
der Tätigsten einer, tlie wir auf diesem (lebtet haben. Seine eine reiche Natur, wie er, kann die Farbe doch nicht ent-
eigentlichen Pläne sind freilich anderer Art. Aber für große behren. Er selbst sagt es, daß sie nicht seine starke Seite
künstlerische Pläne hat die Welt kein Geld, und der Mensch ist. Aber wenn man die ziemlich zahlreichen, nur zu oft
will leben. Fricdriehshageii bei Merlin hat er sich dauernd freilich Skizzen gebliebenen ölsachen betrachtet, die sich
zum Wohnsitz gewählt. Wenn er aber liiiiausflieht aus der in seinem Atelier befinden, so muß man es bedauern, daß
Nähe der Weltstadt, wendet er sich dem Norden zu. Nor- er sich seit Jahren soviel wie ganz von der Farbe abgewendet
wegen lockt ihn am meisten. Italien hat er nie gesehen, es hat Es sind unter den ölskizzen manche, die durch die
zieht ihn nicht dort hinab. Das nordische Meer ist seine Intimität ihrer Farben frappieren. Besonders einige Motive
Liebe, in Verbindung mit den nordischen Hergen. Es lockt aus dem Gebiet der Mitternachtssonne habe ich im Sinn.
ihn, was der Süden entbehrt und der Norden so reichlich Und dann eine trübe märkische Landschaft, eine moorige
hat: Die stille Melancholie der Dämmerstimnuing, die Nebel, Wiesenfläche mit einem Kieferwald im Hintergrund, von
die über das Meer und über die Felder ziehen, das Rauschen bedeutendem Stimmungsgehalt, koloristisch vortrefflich. Einige
alter Kiefern- und Eschenwälder, die Poesie der Heide und Porträts in Pastell bezeugen ebenfalls sein Gefühl für Farbe.
tles Moores. Wenn man sich einmal klar macht, welches denn die
Fidus Weltanschauung kann man ebensowenig kategori- Grundelemente sind, die die Kunst Fidus beherrschen und
sieren wie die Äußerungen seiner Kunst. Er hat enge Bezieh- ihr Reiz verleihen, so kommt man leicht zu dem Resultat,
ungeji zu Pantheismus und Buddhismus. Ihm ist die Natur daß es die Sehnsucht und die Keuschheit sind. Sehnsucht
in ihren geringsten Erscheinungen Leben und Seele. Er ist birgt jede Linie, Keuschheit jeder Akt, den Fidus zeichnet.
ein Naturanbeter. Er sieht in allem Materiellen zugleich das Seine Menschen ringen nach dem Glück und verzehren
Geistige. Jede Landschaft und jedes Staubkorn in dieser Land- sich im Sehrren danach. Er zeichnet gern jugendliche Ge-
schaft ist ihm ein lebendiges Stück der unbegriffenen Gottheit. stalten mit flatterndem Haar, die verlangend auf die Spitze
Das Rauschen des Waldes, der Wind, tler durch die Gräser eines Berges stürmen und flehend die Hände zum Himmel
geht, das Ziehen der geslaltenreiehen Wolken, durch die recken und ihre heißen Wünsche nach Erkenntnis stammeln.
der Mond sein bleiches Silberlicht wirft, das Meeresrauschen Und diese Gestalten sind nackt. Aber die Nuditäten Fidus'
und die geheimnisvollen Klänge in der Luft — alles das sind jungfräulich keusch, wir spüren sie beinahe gar nicht als
sind ihm Zeichen mystischer, überirdischer, seelenbegabter Nuditäten. Sie sind ätherisch wie ein holder Duft — wie
Kräfte, vor tianen er sich beugt und die er mächtig auf sich der zarte Duft der Lilie. Wenn ich Zeichnungen von Fidus
wirken läßt. betrachte, muß ich immer au diese Blüte denken. Sie ist
Alles, was die Natur ihm an Empfinden schenkt, trägt die Lieblingsblüte des Künstlers. Unter den Bäumen bevor-
er nun in seine zarte Kunst hinein. Diese Kunst erzielt ihre zugt er die Palme. Unter den Jahreszeiten den Frühling.
Wirkungen fast einzig durch ihre Linien. Es ist eine ganz Unter den engeren Zeiten den Abend. Sein Empfinden ist
komplikationslose Technik. Es ist eine ganz einfache ganz deutsch und dem deutschesten Gefühl, dem Heimweh,
Zeichenmanier, nur Linien und wieder Linien, kaum daß hat er ergreifenden Ausdruck gegeben. Es zieht sich eigent-
der Wischer verwendet wird. lich durch seine ganze Kunst wie eine zarte Heimwehstim-
Als Zeichner kommt Fidus zunächst in Betracht. Nur mung, die ja auch nichts weiter als eine besondere Stim-
als solcher ist er weiteren Kreisen bisher bekannt. Aber mung der Sehnsucht ist.
o o nous o a 423

Fidus komponiert nicht viel. Er isoliert gern von allein


Beiwerk, um die einzelne Form, die bei ihm fast immer der
jugendliche Leib ist, allein durch sich wirken zu lassen. Der
nackte, jugendliche Leib lockt ihn immer am meisten. Seine
Akte, zumeist weibliche, sind von einem verklärenden Zauber
der Reinheit umflossen. Die Linien dieser Akte sind von fast
übernatürlicher Schlankheit, traumhaft verloren, wie in Duft
zerfließend, reich an Seele. Dabei verfügt er zugleich über
IM STRUDEL
Linien, die markig sind und fast, als seien sie ehern. Es DER HAUPTSTADT VERLOREN
sind die Linien des Kummers und der Nut. Sie gestalten
sich zu alten, verhärmten Mienen mit tiefen Furchen in der D e n ich nicht wiedersehen werde,
Stirn, mit eingefallenen Wanu.cn und hohlen Augen, aus denen Wie hat mein Herz für Dich gebrannt I
die Qual eines grausamen Daseins spricht, das ohne Er- Du bist der schönste Mann der Erde
Und mir so nah, so nah verwandt.
barmen war.
Aber diese Motive sind seltener. Es zieht ihn immer Dein Auge glänzt in stolzer Reinheit,
wieder zur Jugend zurück. Und so oft auch über die sich Es strotzt Dein Arm von Manneskraft,
sehnende Jugend hinaus zu dem noch ganz im Schlummer Bist nie versunken in Gemeinheit
Befangenen, Naiven, rein Kindlichen. Seine Kindermotive Und doch ein Sohn der Leidenschaft. —
dürfen wir nicht vergessen. Es sind rechte Friedens-, rechte O Gott, wie eng sind wir verbunden,
Nirwanabikler. Auch rein äußerlich rufen sie buddhistische Wie für einander auserwählt —
Ideen in uns wach. Die großäugigen Kinder mit den zarten Und haben einmal uns gefunden
Ärmchen und dem langen Maar ruhen auf den breiten Blät- Und dann auf ewig uns verfehlt. —
tern der Lotosblume und lächeln zum Himmel empor, der AMANO ERNESTI

ihre Heimat ist. Und zwischen ihnen treiben die weißen,


indischen, königlichen Blüten, um\ ihr Duft verklärt die süßen
Leiber mit einem stillen ülauz. Oder die Kinder spielen mit
Schlangen, deren Zähne noch kein üift verbergen, oder sie
reiten auf wilden Tieren, die die liebe Last fröhlich dulden,
oder sie tanzen auf Bliilensteiigeln oder lachen, im Reigen
sich windend, mit Jubeln in die Sonne hinein . . .
So ist Fidus. Ein religiöser Mensch ohne religiöses Be-
kenntnis. Eine grüblerische, nach außen hin Mille, urdet/tscht,
von stetem Sehnen erfüllte, ah-.r in sicJi au-.jL^üchene Satur.
Er ist noch jung, die Reifezeit seines Schaffens liegt noch
vor ihm. Möge sie ihm und uns reich an edlen Früchten
sein.
DR. H \*i? fiETHGE
DER
426 ° ° EIGENE o o

Da plötzlich wird die Stille um mich tiefer.


IN SANSSOUCI Mein Auge kehrt zum regungslosen Schluß.
Und dann vernehm ich helles Lachen, Plaudern.
Lin Spätherbsttag mit Laubfall, Wipfclrausehcn. Des Rundsaals große Doppelglastür öffnet
Mildhlau der Himmel. Letzte spate Lichter Geräuschlos sich.
Der liwgeu überschauen! Sanssouci. Am Arme eine Dame
Aus golducu Wipfeln, rot und gelben Zweigen, Mit Altlasstöckelschuhn und Turmfrisur,
Aus blauem Duft, im Abendscheine leuchtend, Auf rosgen Wangen Schönheitspflästerchen,
Uniglänzt von der Orangen fahlem Grün, Nahst Du, o Friedrich, jugendschön erstrahlend.
liebt sich Dein Wunderschluß, u Vielgeliebter! Du beugst — wer mag sie sein? — Dich zu ihr nieder,
In allen Scheiben brennt der lieh} Abend. Dem einzgen Weibe unter all den Freunden,
Die Statuen schimmern und die weißen Brunnen. Die hinter Dir den Speisesaal verlassen
Stramm vur dem Schloß ein junger, frischer Posten — Biche tollt in freudgen Sprüngen vor Euch her —
halt Wache. Und siehst sie an mit Deinen Adleraugen.
Sanssouci, o heiliger Name! Zur Treppe geht der Zug, an mir vorüber.
Ich steh berauscht von dieser Stunde Glück Nur eine Stufe steigst Du, küßt die kleine,
Und schau, begeistert wie in erster Jugend, Zierliche Hand. .Adieu, madamel" Entlassung.
Mit Macht versetzt in eine andere Zeit, Und zum Bassin bewegt der Schwärm sich nieder.
Auf halber Treppe an dem Marmor lehnend, „Au revoir, messieurs! Komm, Biche, allons!»
Herunter in den Park, hinan zum Schloß. Das Windspiel, das die Treppen vorgeeilt,
In langen Sätzen kehrt's zu Dir zurück.
0 Sanssouci! hier wolllst Du ohne Sorgen,
Dem eklen Tag eiitflohu, Du lidler, leben. Bei Dir allein bleibt der Marquis d'Argcns.
Umweht von Deiner Große Ewigkeif, Ein Antlitz, zart, mit schönen sanften Augen.
Fühl ich beglückt die Nähe Deines Geistes. Du nimmst den Arm des schwärmerischen Freundes
Ach, hier träumt alles von'Dir, liinzigeiuer, Und drückst ihn innig an die Freundesbrust.
Die grünen Lauben und die weißen Statuen, So wandelt schweigend ihr auf der Terrasse.
Uralte Baume, Freiiudschaftsmaler, alles. „Ich dachte heut an Jordan, eher marquis.
Der Ewiggroßen einer bist Du, dem sich Ach, daß er starb. O mort impitoyable!"
Anbetungsvoll das slolzste Herz muß neigen. Der eben noch so glücklich Lächelnde
Erhabner Geist, ich geh auf Deinen Spuren. Erschrickt. Wie eifersüchtig forscht er nun
Wie bin ichs wert zu immer einer solchen Zeit? In seines Freundes blauen Märchenaugen
Und spricht dann stille, windverwehte Worte.
Ich blicke auf die schweigenden Terrassen, Du Großer lächelst und drückst seinen Arm.
Auf eine sammetrote, spate Kose, Und dann entläßt Du ihn, um selbst zu folgen.
Dran trunken ganz ein blauer Falter hängt, Doch vorher bückst Du Dich zu einer Blume.
Auf Deine Wasserkunst, lierbslgelbe Wipfel, Sie ruht in Deiner schlanken Hand. Die Strahlen
Aufs sinkende Gestirn und letzte Uhuuen, Des jäh verlodernden Gestirns umwehen
Auf Deine Welt, Du unvergeßlich Großer. Mit einer weithin leuchtenden Gloriole
Dein königliches blondes Haupt.
o o IN SANSSOUCI o o 427

So stehst Du ganz im Licht, dicht vor der Glastür,


Und wendest Dich noch einmal /u dem Park,
Zum Wipfelrauschen, zu der Wasserkunst,
Zu Sonnenuntergang, Orangen, Rosen.
Von ferne klingt das Glockenspiel herüber,
Und dann — ein Schauer geht durch mein Gebein —
Dann ruht Dein wunderbares Aug' in meinem.
OKtiSTES. BERGNACHT
I anze, mein Herz:
Dein Liebling wacht I
Leise singen die Sterne —
Leise flötet die Nachtigall —
Leise betet der Wasserfall —
Ein Jagdhorn klingt in der Ferne I
Juble, mein Herz:
Dein Liebling lacht I
Augen, still wie die Sterne —
Zähne, blitzend wie Schwerterschein —
Lippen, blühend wie alter Wein —
Junge, wie hab ich Dich gerne I . . . .
Ruhig, mein Herz,
Ganz sacht — ganz sacht:
Über uns träumen die Sternel
Rosen brennen auf Brust und Arm,
Wilderstickend des Abschieds Harm,
Leuchten wie purpurne Ferne I

29»
430 o o DER EIGENE o o

sehen wir deutlich, daß der Grausamkcits- soll. So wenig, wie der Geschlechtstrieb
trieb am üppigsten n i c h t anstatt, in seinen Aeußerungen immer die Erhal-
sondern n e b e n d e m Geschlechts- tung der A n , die Fortpflanzung zur Folge
t r i e b e entwickelt ist. hat, so wenig braucht deshalb die einzelne
Aeußerung des Grausamkeilstrielies dem
eigentlichen Zwecke dieses Tretbes zu
Dieser eine Irrtum Raus ändert aber
dienen. W i e die B e t ä t i g u n g des G e -
nichts an der hervorragenden Bedeutung
der Schrift. Wenn wir bedenken, daü s c h l e c h t s t r i e b e s , so wird auch die
eine derartige zusammenfassende Arbeit des G r a u s a m k e i t s t r i e b e s dem ein-
über das Wesen und die Verbreitung der zelnen Menschen S e l b s t z w e c k .
Grausamkeit in der modernen Litteratur Da nun aber die Wirkungen des G r a u -
überhaupt noch nicht vorhanden war, so samkeilstriebes entschieden gesell-
haben wir erst das volle Verständnis für s c h a f t s w i d r i g e sind, muß die Gesell-
ihren Wert. Und dieser bestellt nicht nur schaft diesen Trieb auf jede Weise zu
in der Menge des zusammengetragenen unterdrucken suchen. Dies geschieht ein-
Materials, sondern auch in der Anordnung mal durch die Erziehung. Sodann aber
und Verarbeitung des Stoffes. V o n b e - muß man der Grausamkeit den Buden ent-
BÜCHER UND MENSCHEN s o n d e r e m W e r t e ist der N a c h w e i s , ziehen, auf dem sie sich allein entwickeln
dafi Ü b e r a l l da d e r O r a u s a m k e i t s - kann. Rau sagt dazu: . D a r u m fort mit den
trieb seine O r g i e n feiert, wo der letzten Resten der Grausamkeit in der
Hans Rau: .Die Grausamkell". seinem Sinne die Rede ist, d. lt.* einem Grausame aus irgend welchem Rechtspflege und in der Pädagogik, darum
Mit besonderer Bezugnahme Triebe, der den AleiisClteu veranlaßt, grau- Grunde geringere Furcht Vorstrafe eine gesetzliche, humane Regelung der
sam zu sein aus reiner Lust au der Grau- zu haben b r a u c h t . So züchtet der
auf sexuelle Faktoren. Mit zahl- samkeit. Hall es einen sulchcn Trieb gibt,
Dienstbotenfrage, die auch .der weißen
M i l i t a r i s m u s , besonders der K o l u - Sklaverei* ein Ende macht. Darum fürt
reichen Illustrationen. Berlin l'.MÜ hat Kau nun au unzähligen Beispielen iu n i a l d i e n s t , die a b s o l u t e F U r s t e n -
endlich mit dem Urheber der meisten Grau-
bei H. Barstiorf. Bröselt. -I Alk. seinem Ituciie bewiesen. h e r r s c h a f t , und vieles andere, geradezu
samkeiten und Greuel, dem Kriege."'
Dali Beziehungen zwischen dem Ge- Der Graiisauikcilstrieb äußert sich aktiv Grausamkeitsverbrechen. M a n denke nur
TIBER1US.
schlechtsleben dcsAlcnschcil und grausamen uder passiv, d. lt. der Grausame sucht an die S o l d a t e n m i ß h a n d l u n g e n , an
entweder andere uder sich selbst zu quälen. den sogenannten . T r o p e n k o l l e r " und
Handlungen bestehen, das weiß man seil
anderes. Rau betont, daB sich auch unter
Hans Rau: .Der Geschlechts-
Heide Formen des Grausamkeitslriebes
langer Zeit. Alan kannte den S a d i s m u s
den Herrscherfainilien Europas Mitglieder trieb und seine Verlrrungen".
kuuiiiieu aber last immer vereinigt vur und
und den AI a • u e li i s m u s , man wußte auch,
finden, die sich mancherlei haben zu Ein Beitrag zur Seelenkunde.
gehen in einander über. Der Sadist wird
daß j e d e r Liebende dazu geneigt ist, den
gelegentlich zum Alasucbisten, und der Schulden kommen lassen. Da aber .eine Berlin 1903 bei Hugo Steinitz.
Gegenstand seiner Liebe ein wellig zu In dieser Schrift sucht Rau nichts Neues
Alasuchist zum Sadisten. Daß der Grau- Zusammenstellung und Besprechung ge-
ipialcu uder sich VUII iliiu quälen zu lassen wisser Ereignisse nicht ohne Gefahr ist*, zu geben. Er will vielmehr die Resultate
samkeiisirieb nicht bei allen Alenschcn und
Alan preüt das geliebte Wesen Kern lest, macht Rau nur Über den türkischen Sultan einesKraffl-Khing, Atull, Sehreuck-Nnlziiig
beim Grausamen nicht zu jeder Zeit vor-
recht fest an sich und beim Kusse beißt Abdul Hamid nähere Angaben. In dessen und anderer verdienter Gelehrter den
handen ist, erklärt Kau dadurch, daß der
man wühl gelegentlich einmal. A u d i sagl Harem ist man auf bisher ganz unbekannte weiteren Kreisen des Volkes zugänglich
Geschlechtstrieb sich imitier da in den
ein alles Sprichwort: . W a s sich liebt, das Straftniltel verfallen. So werden dort machen, da deren Werke .zum T e i l wegen
Grausauikcilstiiiii verwandelt, wu der Ge-
neckt sielt" Nun sucht Haus Kau den z. B. die zartesten, empfindlichsten Teile ihres hohen Preises und zum T e i l auch
schlechtstrieb nicht auf normale Weise ge-
Nachweis zu erbringen, daß ganz allgemein nügend bvlricdigl werden kann. Ueber- des menschlichen Körpers stufenweise wegen ihrer allzu abstrakten Darstellung
d i e G r a u s a m k e i t in jeder ihrer Purinen heftiger und heftiger gequetscht, sodaß
liaupl sieht K.ui den lieweis fiir die Richtig- nicht über die gelehrten Kreise hinaus ge-
e i n e A c u ß c r u ng des G c s c l t l c c h t s - keit seiner Annahme vuii der sexuellen vielfach sofort der T o d eintritt. Oder man kommen sind."
I n e u e s w.'ire. Er beschäftigt sich mit Gruiidt.ige der Gi.ius.imkcit iu dem viel- legt den unglücklichen Opfern bis zum
dem Auftreten der Grausamkeit zu allen lach tieubaclitcicu Umschlagen des uuhe- GlUhen erhitzte Eier in die Achselhöhlen. Kau bespricht zunächst den F e t i s c h i s -
Zeilen, von Altertum bis in die Gegen- Inedigten Geschlechtstriebes in den Grau- Eine Sklavin tütete der Sultan erwiesener- mus, S a d i s m u s und M a s o c h i s i n u s
wart, er verluigt sie in der Religion, in der saiukeitslrieb maßen in seinem Bette durch einen Re- an einer Reihe von geschickt gewählten
Rechtspflege, in der Sklaverei, in der lir- volverschuß. Beispielen. Es folgt eine Besprechung des
ziehung, im Kriege und im Volksleben. P y g iu a I i o ii i s iu u s, des E x li i b i t i u n i s-
l/eberall bciufihl er sieh, zu zeigen, d.ili Atir eisclieini die tirklaruiig Kuus unhalt- M i r scheinen alle diese Tatsachen zu i n U S , der N c k r o m a n i c , der K o p r o -
die Grausamkeit auf sexuellen Faktoten bar Alan denke nur z. l i . au die Persön- beweisen, daß der G r a u s a m k e i I s t r i e b l a g n i e und der S o d o m i e . Dabei erklärt
beruhe. lichkeit des Ataniuis de Sade. Dieser einem jeden M e n s e b e n i n n e w o h n t . Rau die statuenlicoeiiden Pygnialionisteu
Zunächst beschäftigt sich Kau mit den Alaun, der ja gerade ein typisches Beispiel Er ist nichts als eine besondere F o r m für verwandt mit den Nekroiiianun, d. lt.
alleren Erklärungsversuchen der Grausam- eines Grausamen abgibt, hat seinen ü e - des S e l b s t e r h a l t u n g s t r i e b s , die den Leuten, welche sich an Leichen vergehen.
keit. Dabei findet er, daü eigentlich nir- schlcclitstiich doch walirltaltig in der aus- Menschen im Kampfe ums Dasein schützen
Worin diese besondere Verwandtschaft
gends VUII einem Grausamkeitslrielie tu gibigsteit Weise belriedigt. Gerade bei ihm
o o BÜCHER UNtJ M E N S C H E N c, o
431
besieht, ist mir allerdings unklar. Ein Maria Janitschek: Mimikry.
Schluukapilel beschäftigt sich mit l l o m u -
s e x n a t i l ä l und K B d e r a s l i c . Die darin
Roman. Herrn. Seemann Nachf.,
entwickelten Auskitten sind aus den Leipzig, 250 S. Mk. 2.50.
Schrillen vuu U l r i c h s und seinen N a i l i - hu Mittelpunkt des interessanten Rumaiis
folgem G c r l i n g und M a g n u s H i r s c h -
l e i d zur Genüge bekannt — Nur hatte
mau die Ituiuusoiialitat nicht z. 1). mit
der Koprulagnic auf eine Stufe stellen
sieht ein junger Aiiliuuiis, vuu der .zarten
Schönheit eines St. Sebastian", in den
sich sein um wenige Jahre jüngerer Z ö g -
ling Lucieil ebensu verhehl, wie dessen
DER EIGENE
sullen. entartete Mutier, l-rau Kranen. Neben dem
Mau darf unter allen Umstünden, mag llauplheldcii Emil ist l.ucieu (.ein Knabe
tritt für die Wiedergeburt der Lieblingminne ein,
man sich zu den Ansichten Maus im Ein- von last überirdischer Schönheit" pag. I'J)
die Icsscludslc Gestalt des liuches, dieser
für ihre natürliche und sittliche Berechtigung im
zelnen stellen, wie mau w i l l , dem Ver-
fasser für die Vcrülfcnllichuug dieses all- erblich Belastete, an dem sich die ganze öffentlichen und privaten Leben. — Er erstrebt
gemein verständlichen Buches dankbar ürausaiiikeil einen unerhiitlicheu Geschicks
sein. Und sicherlich wird jcdcrcdcldcukcndc vollzieht. Mau ilait . M i m i k r y " nicht als die ästhetische und politische Pflege eines Freund-
Mensch fulgeude Sülze des Vorworts uiilei- Uuterhalltiugsh-kiuie bemessen, es ist ein
schreiheii: wertvoller Heilrag zur homuscxualcii l'rage. schaftskultus, wie er zur Blütezeit der Antike
Set hier nur noch die Adonisszeue (pag.
. W e r Anstuli an dem Thema dieses
Buches nehmen und sich dadurch in seinem 2UH) und der „Knahcncalc" (pag. U l i , ff) Sitte war. GüGiiaJGttGUGüGiiCUUSGUGciGüGUGU
sittlichen Empfinden verletzt fühlen sultte, erwähnt, in dem sich die Meinungsver-
schiedenheiten um die beiden Namen KratII-
D E R E I G E N E will in der körperlichen und
der lege es ruhig hei Seite. Ich schreibe
Ihr sittlich ernste l'ersuneu, nicht liir jene Ebing und Moli drehen. Die feinen psycho-
logischen Sihildeiuugeii zeugen von einer
geistigen Erziehung der männlichen Jugend zur
augenverdrehenden fruiiiuieludeii Eiferer,
die sich darhber ärgern, daü die Kinder eigeitaiugeii l'eisouliclikeil, die uns um Unabhängigkeit und zu persönlicher Hingabe an
nackt gehuren werden, und deren u n n i l c sü mehr InUicsse ahluiderl, als sie ganz
Phantasie seihst durch den Anblick einer ubjektiv, von der Warte des unvoreinge- Freund und Vaterland den schönsten und höch-
iioniineueu Beschauers aus, und dabei
göttlichen Venus von Milu erregi werden
kann." TIBERIUS. teiiiluhlig und warmherzig zu erzählen sten Kultus der Lieblingminne pflegen. — Er will
versieht SINCERUS.
in dem innigen Verhältnis von Jüngling zu Jüng-
ling', von Mann zu Jüngling, und von Mann
zu Mann dem Staate eine Quelle der Kraft er-
Die Gemeinschaft der E i g e n e n
Aufnahme jederzeit. Eintrittsgeld 'S M k . Mindestbeitrag 211 M k . pro anuu. schließen, die der persönlichen Freiheit ebenso
A u U e r o r d e n 11 i c h c M i t g l i e d e r - V e r s a m m l u n g : I r e i l a g , a m .'I. J u l i , a b e n d s
II'., U h r I m l . i i g e i i - k c s l a u i u m / II t h a i l o l l i i i l i u i g . ilt 111 u c i «I i a l l e I I I , sehr, wie der Kunst und dem gemeinen Wohle
E i n t r i l t n u r g e g e n Ali I g l i c d s k ar l e u . T a g e s o r d n u n g : I . S t a t u t e n ä n d e r u n g .
2. V o r t r a g : c a n d . m e d . H a l l i i b e r . 1 . i e b l i ng m I n t i e u n d Sittlichkeil."
dienen soll! Oi GU Gii os Gu Gii cu GU Gü GU OS GU
3. K i i n s t l e r i seil er T e i l . — — Die wöchentlichen zaisamiuciikunlic finden jeden
Freitag im Volkshause zu Charloiieiibuig, Rusiucuslr. 3, stall.
D E R E I G E N E will seine Anhänger zu einer
D e r V u r s t a n d : A t l o l i B r a n d , C h a r l o t i e u bu rg. einmütigen Phalanx sammeln, in der Alle für Einen
und Einer für Alle stehen: treu, opferfreudig und
kampfbereit! GüGUGUGUGUGüCUGUGciGcSGUGü

Verantwortlich Ihr Redaktion und Verlag:


Adolf B r a n d
CliarUittenhurg, Wilhcliuplatz I a
Druck von G. R e i c h a r d t , liroilzsch i. S.
Berlin NW. 23.

gleichgeschlechtliche Liebe
(Liebiingmirtne)

I™* T\ LIT" f 1 IV X T"\ /"""* E- C** t I *r*"v t 1

Preisausschreiben

• • • • • • • •
Kästch cii -1 nserate
Raum 5 Mark, bei 12maHger Aufnahme die I

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