Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
MOTTO:
EIN BLATT FÜR MÄNNLICHE KULTUR
Der Freunü sei Euch (ins Fest der Enlcl
l-RIEDRICH NIETZSCHE.
JUNI 1903
CHARLOTTENBURG
BUCH- UND KUNST-HANDLUNG
DER EIGENE
ADOLF BRAND & CO.
J-^l—A\ L - l V J L - i AA_*
JUNI 1903
•
! INHALT:
i
Atoll« von Friedrieh Nirl7*chc o Seite .102 o .Antinous", Kopl, nach einer Reproduktion
\ der .Neuen l'hnlographischcn Gcscllschalt" in Steglitz o Seite 365 o „Antinous", Stand-
| liild vom Kapitol, Gedicht von t-'rido Lindcinann o Seite 3tifi o .Antinous" Skizze von
l'eler Mille o Seite .107 o .Sophokles" — .Michel Angeln" — .William Shakespeare"
von l'eler llllle o Seile 308 o .Aul einen schonen Knaben", Gedicht von Frido Lindcinann
o Seile 370 o .Fischcrknahc", Kunstblatt, nach einer Statue des dänischen Bildhauers
Wilhelm Bissen o Seite 371 o .Freuiidschallsweihc", Erzählung von H. C. Andersen,
deutsch von Otto Weiter o Seite 373 o .Hirtenknabe", Kunstblatt, nach einer Statue
von Wilhelm Bissen o Seite 381 o .Unterwegs", Gedicht von Wull Schwerdtlcger o
Seite 383 o .Schlußakknrd", Gedicht von Wull Schwerdtlcger o Seile 384 o .Herder
über die Schamhaltigkcit der Griechen und Virgils" o Seite 385,o .Speerwerfer", Schluß-
i Vignette von Fidus, mit Erlaubnis der modernen Sportzeitschrill .Krall und Schönheil*
o Seile 300 o .Achilleus", Kunstblatt, nach einer Statue von Wilhelm Bissen o Seite
301 o .Frauenbewegung" und männliche Kultur", Aulsatz von Edwin Bab o Seite 393 o
.Lanier", Schlulivignetle von Fidus, mit Erlaubnis der modernen Sportzeitschrilt
.Krall und Schönheit" o Seile 407 o .Schwarze Nachte", Gedicht von Max Mayer o
Seile '108 o .Der Liebling des Spartacus", Kunstblatt, Gruppe des französischen Bild-
hauers Itarrias o Seite 400 o .Ist es notig ?", Novelle von Diogen o Seite 4 t I o .Tanzer",
Kunstblatt von Fidus o Seile 417 o .Fidus", Essay von Dr. Hans Bethge o Seite 419
o .Im Strudel der Hauptstadt verloren", Gedicht von Amand Ernesti o Seite 424 o
.In Sanssouci", Gedicht von Orestes o Seile 425 o .Friedrich der Große", Schlußvignette,
nach einer alten Zeichnung o Seite 427 o .Bergnacht", Gedicht von Adolf Brand o
Seile 428 o .Bücher und Menschen" o Seite 420 o .Die Gemeinschaft der Eigenen",
Vereiusnachricliten o Seite 431 o Inserate o Seite 432 o
\
~———ii i—•—••««••—«••^iiiiiiaiini »in•nn—üiiiiiii IIIIIIHüMiiiiiiMni•iimniMi—mm11
!•*
• " ' • • ' - r - •;•'•» ".'•••v*'>- ' ;':.i..'rA..
ANTINOUS
."••..•«ff 1 . .'•"*•%•;. * T « | STANDBILD VOM KAPITOL
.•: i ->3ti,*!&' f»L3fi .3
> • ,
L / u sprichst von Nächten, d;i wir sehnend bebten
Im matten f fauch des niotttlheglilnztcn Hügels,
Mit langen Blicken durch die Taler schwellten,
Den weichen Glanz des nahen Wasserspiegels
ANTINONUS i
STANDBILD VOM KAPITOL
ANTINOUS 368 c o DEK EIGENE
I
m großen Reich die ferne, dumpfe Provinz. Am Welthof der Cäsaren,
die Seele bei der Sklavenmutter, der Sklavenschwester.
Wie drückend die es haben mögen?
Und Hadrian wehrt so verdrießlich ab die mehr mit den Augen
und um den Mund, als mit den Lippen flehenden Wünsche: die Heimat
hierher zu bekommen! SOPHOKLES
Er will keine eigene Welt um den Knaben, der ihm eine Welt
Der Areopag lauscht.
sein soll!
Und das große Römcrrcich, wie weit es hält; und der Gram mit f Kristallklar klingen die edelwuchtigen Tetrameter. Wie Vögel des
dem Griinilichcn; die frischfremde Ehrfurcht vor dem Eigenen, Feinen, f Zeus und des weissagenden Apollo flattern die Chöre auf, die groß
Tiefen; unbefriedigt ein alle Künste und Wunder durchblätterndes Härmen; i wie ein Schicksal sich lösen und binden.
alle Die,die zu dem zärtlichlaunischcn Machthaber wollen und seelisch nicht f Und so wiegt sich der lesende Greis stark und gelind auf der
zugelassen werden; dieses Welken von dem feierlichen, feindselig ver- tragenden Anmut seines großen Werkes.
schlossenen Welken, dieses Entsetzen vor der mildschrillen Stimme — Sogar der Atem des Lebens wartet in der fühlenden Brust, um
und wie er nach Mädchen verlangt und wie diese .kichernd wie vor was nicht zu stören den friederauschenden Lösesang des ödipus von
Koionos.
Unreinem vor ihm fliehen! verächtlich weitereilend, nicht lockend ver-
sagend — wie er selbst sich so sonderbar ist, so einzig! . . . . und ' Weihe der Andacht im Richtsaale des Areopags.
bald dann nimmt auch er ab und wird nicht mehr sein oder was [ Sophokles hat geendet.
ganz Häßliches, wie verbrauchter Hausrat Fortgeworfenes. So, das Alles | „Hier, ihr Richter, meine Verteidigung! —
ohne es zu wissen, in sich, schreitet er wie eine Elegie, wie ein erlesenes ; Ist das Werk besonnen oder ist es das Toreuwerk eines Mannes,
Gedicht, wie ein verhaltener Tanz sich wiegend auf Hüften, die von i der von Sinnen ist, der der Verwaltung seines, Vermögens enthoben
zögernder Trauer einer Vollendung gewölbt sind und die sinnend des [ und entmündigt werden mußte?"
Vergänglichen innc ist, so elegisch schreitet Antinous in den wärmlich | Nun wandte der Sprecher sein ätherhelles, weltüberhobenes Auge
schwellenden, befruchtend bebenden Nil, den Fluß geheimnisvollen zu der Stelle, wo vier schwarze Augen scheu den Boden suchten.
Quells, der sich als Meer sieht und keimend als Erde fühlt; so| Deutend frei hob sich sein Arm aus schneeweißer Chlamys; denn
schreitet der Jüngling, der verwirrt sich als Weib findet, in dem ztu seine Brust hatte nichts zu verbergen. Auch das Alter nicht. Seine
große Schönheit Kampf hat, in den Nill J Glieder waren hell und frisch und wie fernes Feuer blühte sein
mächtiges Haupt durch das feiugekräuselte Haar, das wie Asche auf
Nah dem Sphinx bringt er dem Flusse ein Rätsel, das er nicht«
klarer Glut war.
lösen kann: seinen Leib!
Und röter und röter wand sich die schauernde Fläche wie von Blut, .Und gab ich dem Knaben, der mir den Becher einschenkte, ein
Antinous sank, die Sonne steigt! — — Talent, so waren seine Lippen mir junge Rosen, so habe ich von
PETER HILLE seinen Lippen nur Schönes und Liebes gehabt.
Was aber erhielt ich Freundliches von euch, die ihr Alles haben
wolltet, was mein ist?
Kg) Was gabt ihr mir, meine Söhne?
Vielleicht, daß ich hier bin?"
Der Älteste der Richter erhob sich:
Wie konnten wir uns wohl erkühnen, über dich zu Gericht zu sitzen?
Wir sagen nun: wir sind nicht würdig, dich frei zu sprechen,
Vortrefflicher!
o o älil'lluKI.US. o o
3üU
Aber verzeihe uns, u Freund der Götter, wir handelten nach dem
heimischen Numus, nach der Vater Satzung, die auch dir heilig ist."
In früher Würde und Klarem Jüiiglingsfeuer allcrgosscncu Geistes
gab der Greis zurück:
„Gern ihr Männer, willfahr ich euch. /
AUF EINEN SCHÖNEN KNABEN
Selig die Stadt, die sich Richter weiß, denen die erhabene Dichtung
Beweis wird."
W i e gerne ruhn meine Blicke auf dir,
Der Richter aber erhob die Rechte: „Seht; der Achtzigjährige, der
du Knabe mit deinem verwirrten Haar
ein Höchstes schrieb und sprach wie erl Solange du weilst, Vor-
und mit deinem träumenden Augenpaar —
trefflicher, kann es der Stadt nicht fehlen, deren Sohn du bist. Denn
so lange ist sie der Liehe der hehren Athene sicher. So möge denn wo bist du gewesen die lange Nacht?
Zeus", betend hob er und mit ihm alle betend die Arme, „so möge was hast du geträumt? ich träumte von dir,
denn Zeus dein Leben schonen, unseres Ruhmes Edelsten!" und du hast gewiß nicht an mich gedacht! —
Du schöner Knabe, o gingst du mit mir,
zu spinnen mit mir verzauberte Träume:
MICHEL ANGELO wir gingen langsam durch blumige Räume,
So laß mich mit dir ruhen, du kulturherber Stein, du Leib der und Märchenprinzesschen kämen gegangen
Starke, der du türmst und walzest alle Wucht des Leibes und der und pflückten Blumen und schenkten sie dir,
Seele, auf dem starken Nacken Tempel trägst zu Ehren des All- mit leisem Lächeln auf lieblichen Wangen I
mächtigen! Und flögen fort durch die leuchtende Luft —
da blinkt es am Himmel wie Feiertag
und glänzte wie Gold in dem klaren Bach,
WILLIAM SHAKESPEARE und wir — wir träumten, wir liebten uns,
„Was er mit dem Jungen nur hat?
und träumten von Farben, von Glanz und Duft
Es ist nicht mehr richtig mit ihm!"
und träumten im Traume, wir liebten uns!
Ja, der frische, dumme Tom, der Aufwarler im „goldnen Apfelbaum",
er war dem, forschend ins Entfliehende starrenden Auge das wankende Du kennst mich nicht und beachtest mich nicht,
Wcltgebaudc, mit stark und groll und unvermeidlich sich austuenden dp Knabe mit deinem verwirrten Haar
Menschen, und der Schauder vor der vornehmen Seele des Freundes, und mit deinem träumenden Augenpaar —
da er sein Volk da drinnen dichtete! du kennst nicht mein kostbares Glück, dich zu sehen;
PETER HILLE du ahnst auch die heimlichen Gluteu nicht,
und antwortest kalt meiner Blicke Flehen I
FRIDO LINDEMANN
I
I
I S • • • • " " . ' . •
(.•>•. ••.'{
u \.
I \
L
I'ISCIIKKKNAIH-:
WlUtHLM JÜSStCN
374 o o DER EIGENE o o
tümlichen Brauch soll der Hirt vom Berge uns berichten: Von der
Freunschaftsweihe.
Aus Lehm war unsre Hütte zusammengekleistert; doch gerippte
Säulen, dort gefunden, wo man das Haus baute, rahmten die Türe ein.
Das Dach, fast bis zur Erde geneigt, war nun baulich und altersgebräunt;
doch blühender Oleander und frische Lorbeerzweige von jenseits der
Berge deckten es, da man es errichtete. Eng war es um unsre Hütte;
steil, nackt und schwarz strebten die Felswände empor, und oft hingen
Wolken wie weiße lebende Gestalten auf ihren Gipfeln. Nie hörte ich
da Vögel singen; nie tanzten hier Männer zu den Tönen der Sackpfeife;
aber heilig war die Stätte von Alters her; noch kündet der Name da-
von: Delphi heißt sie jal Schneebedeckt lagen die fiusteru, ernsten
FREUNDSCHAFTSWEIHE Bergriesen, und der höchste, der am längsten in der roten Abendsonne
Viele Nächte und Tage waren wir allein geblieben in der Hütte;
da kam der Vater. Sonst brachte er mir Muscheln vom Golf von Schwester Anastasia, die ich, eingenäht in ein Ziegenfell, auf meinem
Lepantu oder gar ein Messer scltarf und gleißend mit; diesmal brachte Rücken trug. Einer der fränkischen Herren stellte mich gegen eine
er uns ein Kind, ein klein nackend Mädchen, das er unter seinem Schaf- Felswand, zeichnete mich und sie, so lebendig, gerade so wir dort
pelz trug. In Kelle war es gewickeil und Alles, was es besatt, da es standen, daß wir aussahen wie ein einzig Wesen. Und wahrhaftig —
von diesen entblüüt in meiner Mutter Schott lag, waren drei in sein bisher hatte ich nie darüber nachgedacht — Anastasia und ich waren
schwarzes Haar eingebundene Silbcrmünzcu. Und Vater erzählte von ja auch nur eins. Immer lag sie auf meinem Schoß, oder hing auf
den Türken, die des Kindes Kitern erschlagen; so viel erzählte er uns, meinem Rucken, und träumte ich, war sie in meinen Träumen.
datt ich die ganze Nacht davon träumte. Der Vater selbst war ver- Zwei Nächte darauf kam ander Volk in unsre Hütte, bewaffnet
wundet; die Mutler verband seinen Arm; die Wunde war tief. Der mit Messern und Gewehren. Es waren Albancser, tollkühne Männer,
Pelz des dichten Schaffelles war steif von gefrorenem Blut. Das kleine wie meine Mutter sagte. Nur kurze Zeit verweilten sie, aber als sie
Mädchen sollte ineine Schwester sein. Sie war so lieblich, so strahlend weiterzogen, hatte Anastasia, die auf des einen Schoß gesessen, zwei
rein; meiner Mutter Augen leuchteten nicht sanfter als die ihren. und nicht drei Silbermünzen im Haar. Sic legten Tabak in Papier-
Auastasia, so hiett sie, .sollte meine Schwester sein, weil ihr Vater streifen und rauchten davon. Der Älteste sprach vom Wege, den sie
meinem Vater angetraut war, ziigeweiht nach einem alten Brauch, den einschlagen müttten und war in Ungewißheit darum. „Spucke ich auf-
wir auch jetzt noch halten. In ihren Jüugliugsjuhrcii halten sie Brüder- wärts", sagte er, „so fällt es mir in's Gesicht, spucke ich abwärts, so
schaft geschlossen, und die schönste, tugeiuheichsie Jungfrau der ganzen
fällt es in meinen Bart". Ein Weg wurde am Ende doch gewählt und
Gegend halle ihren Krcmidschnlishimd geweiht. Oft hörte ich da von
mein Vater folgte ihnen. Bald darauf fielen Schusse und wieder und
diesem schonen und eigenen Brauch.
wieder knatterte es. Dann kamen Soldaten in die Hütte, ergriffen meine
§o war die Kleine nun meine Schwester. Sie satt auf meinem Mutter, mich und Anastasia; die Räuber hätten Zuflucht bei uns ge-
Scholl; ich brachte ihr Siräuüe von den Keltern der Bergvögel; wir funden, sagten sie, mein Vater sei ihnen gefolgt, deshalb müttten wir
tranken zusammen von den Wassern des Parnaß; wir schliefen Kopf fort. Ich sah der Räuber Leichen, und sah Vaters Leiche und weinte,
au Kopf unter der Hülle Lorlicerdach, und viele Winter noch saug bis ich darüber einschlief. Als ich erwachte, waren wir im Gefängnis,
meine Muller von den rolen, grünen und den blattblauen Tränen; aber in einem Raum, nicht schlechter als der in unsrer eigenen Hütte, und
noch begriff ich nicht, dall mein eigenes Volk es war, dessen tausendfache ich bekam Zwiebeln und harzigen Wein, der aus geteerten Schläuchen
Leiden sich in diesen Tränen widerspiegelten gegossen wurde. Besser hatten wir's ja daheim auch nicht.
Eines Tages kamen drei fränkische Männer in fremder Kleidung. Wie lange wir so gefangen saßen, weiß ich nicht; wohl viele
Ihre Bellen und Zelte hallen sie auf Plerdiu, und iiulir als zwanzig Nächte und Tage mögen hingegangen sein. Gerade am heiligen Oster-
feste kamen wir heraus. Ich trug Anastasia auf dem Rücken, denn
waren freunde des Pascha, ausgerüstet mit dessen Geleitsbriefen. Sie meine Mutter war krank, und langsam nur kamen wir vorwärts, bis wir
kamen einzig und allein um uiisre Berge zu sehn, in Schnee und Nebel Lepanto's Golf, das Meer erreichten. Wir betraten eine Kirche. Wie
den Parnatt zu besteigen und die seltsamen, schwarzen, schroffen Kelsen erglänzte die im Schmuck der Bilder auf goldnem Grunde! Engel waren
rings um unsre Hülle zu betrachten. Sie konnten in dieser nicht Platz es, oh so herrlich schön! Und doch! — Mir schien klein Anastasia
finden, auch ertrugen sie den Iv'aucli nicht, der inner dein Dache hin- nicht minder schön, wie sie. Mitten auf dem Kirchenboden stand ein
und durch die niedere Türe herauszog. Aul dein schmalen Platz vor Sarg mit Rosen gefüllt. Das war unser Herr Jesus Christus, der da
unsrer Hülle spannten sie ihre Zelte aus, brieten Lämmer und Vögel, lag, sagte meine Mutter, die allerheiligste Blume. Und als der Priester
und schenkten süße, starke Weine, von denen die Türken aber nicht
verkündete: „Christ ist erstanden", küßte sich alles Volk, einer den
trinken durften.
andern und alle hielten brennende Kerzen in den Händen. Auch ich
Als sie fortzogen, folgte ich ihnen ein Stück Weges, mit meiner erhielt eine und die kleine Schwester eine. Die Sackpfeifeu erklangen
und Hand in Hand tanzten die Männer von der Kirche weg, vor welcher
o o Ikl-UNIWCIIAnSWKIlll: o o 377
37g o o DER EIGENE o o
diu Frauen das Üstcrlamin brieten. Audi wir wurden dazu eingeladen
die so leuchtete, war es der Sterne Strahlen, daß wir so deutlich die
und als ich beim Feuer sali, faßte ein Knabe, etwas alter als ich,
Umrisse der Berge gewahren konnten. Meine Mutter machte Feuer,
mich tun den Hals, küßte mich und sprach: „Christ ist erstanden!" —
briet die mitgebrachten Zwiebeln und ich schlief mit lieb Schwesterchen
So begegneten wir uns das erste Mal, Aphianides und ich.
im Thymian ohne Furcht vor dem gräulichen, feuerspeienden Smidraki,
Meine Mutter konnte Fischcrneizc stricken, was ihr hier an der
vor Wölfen oder Schakalen; unsre Mutter wachte ja bei uns! War
Bucht guten Verdienst einbrachte, um\ wir blieben lange Zeit am Meer.
dies nicht genug?
— An dem herrlichen Meer, das wie Trauen schmeckte und mit seinen
Unsre Heimstatt lag in Trümmern. Eine neue Hütte mußte gebaut
Farben an den weinenden Husch aus Mutter's Lied gemahnte; bald
werden. Meiner Mutter halfen einige Weiber und in wenig Tagen
war es ja rot, bald grün, und dann auch wieder blau.
standen die Mauern, auf welche ein neues Dach von Oleander gelegt
Aphtanides konnte Scliilte lenken, und ich saü mit meiner kleinen wurde. Aus Rinden und Häuten flocht meine Mutter Flaschenhälsen;
Anastasia im Boot, das aul dein Wasser dahinglitt, wie eine Wolke in ich hütete die kleine Herde der Priester. Anastasia und die kleinen
den Lüften schwebt. Da sank die Sonne und blauer und blauer wurden Schildkröten waren meine Spielgenossen.
die Berge; ein Felskamm guckte iiber den andern hinweg, am weitesten
Eines Tages erhielten wir Besuch von dem teuern Aphtanides; er
weg aber stand sclinecgckront der Parnaß. Sein Gipfel leuchtete in
hätte sich so sehr nach uns gesehnt, sagte er, und blieb ganze zwei
der Abendsonne wie glühendes Eisen; aus seinem Innern heraus schien
Tage bei uns.
das Licht zu strahlen, denn lange, lange nach Sonnenuntergang glänzte
Einen Monat darauf kam er wiederum, um uns ein Lebewohl zu
er noch in der blausclüllcrndcu Luft. Allein die weißen Seevögel
sagen, denn er sollte mit einem Schiff nach Corfu und Patras segeln.
schlugen mit ihren Schwingen den Wasserspiegel, sonst war es so stille
Meiner Mutter brachte er auch einen großen Fisch. Gar viel wußte
hier.wie in Delphi zwischen den schwarzen Felsen. Ich lag rücklings
er zu berichten, nicht allein von den Fischern unten am üolf von
im Boot, Anastasia an meiner Brust. Über uns schienen die Sterne
Lepanto, sondern auch von Königen und Helden, die einstmals Griechen-
heller als die Leuchter in unsrer Kirche, — die gleichen Sterne, ganz
land beherrscht hatten, wie jetzt die Türken.
an derselben Stelle, wie ich sie wohl in Delphi sah, wenn ich abends
vor der Hütte gesessen, und mir war auch zuletzt, als säße ich noch Oft sah ich den Rosenbaum Knopsen ansetzen und diese in Tagen
dort. — Da — es platschte etwas in's Wasser — das Boot schwankte und Wochen zu entfalteten Blumen werden; bevor es mir aber
heftig — ich schrie laut aul: Anastasia war iiber Bord gefallen! Aber klar wurde, wie groß, schön und leuchtend rot sie waren, standen sie
hurtig und flink sprang ihr Aphtanides nach und reichte sie hinauf zu da in voller Biüte. So war es auch mit Anastasia; ein prächtig ge-
mir. Wir zogen ihr die Kleider aus und kleideten sie, nachdem diese wachsenes Mädchen war sie, ich aber ein kräftiger Bengel. Die Wolfs-
ausgerungen waren, wieder an. Desgleichen tat Aphtanides und wir felle auf den Betten der Mutter und Anastasia's hatte ich selbst den
blieben draußen, bis das Zeug wieder trocken ward. So wußte niemand Wildtieren, die meiner Büchse fielen, abgezogen. — — So gingen
um unsre Angst um die kleine Pflegeschwester, an deren Leben nun Jahre dahin.
ja auch Aphtanides sein Teil hatte. Da kam eines Abends Aphtanides, schlank wie ein Rohr, kraftvoll
und gebräunt. Er küßte uns alle und wußte viel zu erzählen vom
Der Sommer kam. Heiß brannte die Sonne und die Laubbaume
ewigen Meer, von Maltas Festungswerken und Ägyptens seltsamen
welkten. Ich dachte an unsie kühlen Berge und ihre frischen Wasser.
Grabstätten. Wunderbar klang das; wie Legenden der Priester. Und
Auch meine Mutter sehnte sich nach ihnen und eines Abends wanderten
mit einer gewissen Ehrfurcht sah ich zu ihm auf.
wir zurück. Wie stille, wie ruhig war es doch! Über hohen Thymian,
der noch duftete, obschou die Sonne seine Blatter ausgedörrt hatte, .Wieviel du doch weißt", sagte ich, .und wie schön du erzählst!"
wandelten wir. Kein einziger Hirte begegnete uns, keine Hütte lag an .Doch das allerbeste hast ja du mir einst erzahlt", antwortete er,
imserm Weg; nur die Sternschnuppe allein sagte uns, daß etwas lebte, .nie ist es aus meinen Gedanken geschwunden. Weißt du noch von
dort oben im Himmel. Ich weiß nicht, war es die reine blaue Luft, dem schönen, alten Brauch der Freundschafts weihe? Oh dieser Braucht
Wie drängt es auch mich ihm zu folgen. Bruder! — Komm, laß uns
26
380 o o DER EIGENE o o
o o rRUUNUSCHAI-TSWLIIIK o o 37g
<i j? »-.
V/t
n-'W ':
UNTERWEGS
p i n stilles Hätscl warst Du, das ich fand,
SCHLUSSAKKORD
Noch ungelöst — Dir selber unbekannt; (Jeber einem Beet von welken Astern
Schaukelt wie ein Tropfen heißen Bluts
Im Hoheitlich! geworden und gereift —
Eine dunkelrote Georgine
Ein Reis, das nuch kein Schicksalsturm gestreift.
Das reizte mich, drum nahm ich Dich gefangen. Durch die Dämmerung der Gräberreihen
Blind bist Du in mein Netz hineingegangen! Leuchtet matt ein weißes Marmorkreuz
Im Abendrot
Dann kam der Tag, da ich Dich nackend sah,
Da ich die Losung Deiner katsel fand — Wie ein kleiner, müdgewordner Falter
Der Tag, da mein Du warst, und es geschah, Schweben durch die Luft verwehte Klänge
Dali ich als Dein Gebieter vor Dir stand. Eines letzten Liedes •'. .
Klingen . . . und . . verglühn . . . .
Die Seele trieb ich Dir aus Deinen Hohn
WULF SCHWHKDTI-EGER
In meine Tiefen! -• Dort ging sie verloren,
Um rot und stark aufs Neue zu erstellte
Aus Erdcnscligkcit und Blut geboren!
WUI.I SUIWKKDTFEUKR
ra
386 o ° DER EIGENE o o
nackte Feste, halbnackte Trachten — und ihre Dichtkunst So wenig ich diese Freiheiten zum Privilegium unserer
sollte einpressende Klusterlumpeii dulden V Ihre besten Zeit, statt einer uralten deutschen Bescheidenheit, haben kann,
Schriftsteller sollten eine Noniienehrbarkeit sich einander so wenig will ichs den Griechen in der Morgenröte ihrer
eingestehen, die das Auge des ganzen üriechenlandes, und Sittlichkeit angestritten haben!
die Zunge der Ältesten, Ehrwürdigsten und Feinsten des
Ich will vielmehr mit der Unschuld, mit der Plato seinen
Publikums sich nicht eingestand? — die sich selbst die
Greisen erlaubt, die Spiele der munteren Jugend anzusehen,
Philosophen in ihren Sittenstunden nicht eingestanden?
aus meinem greisen Zeitalter hinaustreten, und die Freuden
In einem Punkte, wo es so sehr auf Gewohnheit der
griechischerjugend, und die Natursprache griechischer Dichter,
Augen ankommt, sollte man, denke ich, eben diese An-
und das nackend Schöne der griechischen Kunst, und die
gewohnheit doch wohl bei einem Volke zu Rate ziehen, das
Philosophie der Liebe bei einem Sokrates so betrachten,
sich in ihr so sehr auszeichnet! — Noch jetzt ist das Ge-
als wenn ich mich selbst in die muntere Unschuld dieser
fühl der Italiener über diesen Punkt von dem Gefühle nörd-
Weltjugend zurückversetze, und zu einem griechischen Ge-
licher Europäer sehr verschieden. Und sie sind doch, dem
fühle zurück verjüngt würde. Dann erst kann ich Griechen
einem Teile nach, selbst ja nördliche Europaer! Und sie
lesen!
sind doch, dem anderen Teile nach, noch keine Griechen an
Natur! Und sie wohnen doch nur unter zertrümmerten Von der eigentlichen Anständigkeit unserer Zeit, von
Resten griechischer Kunst! Und sie haben doch eine Re- der Hofpolitesse unseres Wohlstandes, haben die Griechen
ligion, die so sehr die Verhüllung liebet! Und sie sind schon Nichts gewußt; ganz und gar Nichts gewußt!
in einer Lebensart, die vom bürgerlichen Wohlstande und „Schade genug für sie!"
der Politesse gebildet wird!
Immerhin Schade! nur noch mehr Schade um den ehr-
Wie? und die Griechen, zum Gefühle, der Wollust ge- baren Tadel unserer Kunstrichter, die etwas in Griechenland
boren, von Jugend auf unter den Schönheiten der offenen suchen, worauf kein Grieche Anspruch machen will — und
Natur erwachsen, zur Lust und Freude bei ihren Spielen Das nicht zu schützen wissen, was sich an freiem edlem
eingeweihet, und noch nicht zum sklavischen Puppenwohl- Gefühle unter den Griechen findet!
stande verdammt, sie sollten nicht eine eigene Sittlichkeit
des Nackenden haben dürfen? — Sie sollten wir verdammen, 0, daß eine Muse, eine der Charitinnen selbst aus
wenn sie nicht nach Nonnentraehten ihre Zeit schildern? Griechenland auflebte, um uns ihre Lieblingsfreundin, die
Sie sollten sich nicht der Jugend der Welt, der Unschuld g r i e c h i s c h e Schamhaftigkeit zu zeigen, nur daß diese keine
ihres Zeitalters erfreuen dürfen, von unseren züchtigen Ver- Kloster- und Hofpuppe sei!
hüllungen frei zu sein? Sie sollen verschleierte persianische Virgils Schamhaftigkeit kann zweierlei bedeuten: die
Figuren, Chineserscliönheiten mit verhüllten Fingerspilzen Züchtigkeit seines persönlichen Charakters, oder seine Ehrbar-
werden? Und ihre Dichter eine Briseis mit schönen Knieen, keit als Schriftsteller. Beide sind ganz verschiedene Sachen.
eine Spartanerin mit schönen Hüften, eine Venus Anadyomene,
Wer weiß es nicht, daß die feinsten Zweideutigkeiten
einen Bacchus mit schönem Bauche, einen Bathyllus, wie ihn
bloß auf dem schlüpfrigen Witze einiger Zeitgenossen, auf
Anakreon sehen will, nicht unschuldig züchtig nennen dürfen,
dem wandelbaren Eigensinne eines üppigen Sprachgebrauchs
da ganz Griechenland sie so sieht?
oder Sprachmißbrauchs beruhen? . . .
390 o o DfcK EIGENE o o
o o nnuw.u o o ^gg
ein brennender Liebesgesang? Wer könnte die, Flamme noch
Wer weiß nicht, daß eben ein archaisierender Schrift- entschuldigen? — Ich bins, der sie entschuldigt.»
steller, wofür Virgil bekannt ist, am ersten Gefahr lauft, den Ich stelle mir den hübschen Jungen des Pollio und das
Neulingen der Sprache obscön zu werden? schamhafte Jungfrauengesicht, den züchtigen Virgil, vor, wie
Wer weiß nicht, daß ein Dichter immer lieber einen er nach ihm schielet; wie er sein Auge an ihm weidet, ihn
hohen, alten, starken Ausdruck sancte et religiöse setzen, als lobet, ihn liebkoset! Pollio macht die Sache zum Spaße:
daß er ihn für die Ohren einiger Zuchtkrämer auslassen sein Freund soll erst ein Corydon werden, soll erst um
wird? . . . Alexis werben! — Virgil wird Corydon! Er verwandelt sich
Und welch ein unwürdiger Begriff ist es doch, einem in einen poetischen Schäfer, ahmt Theokriten nach und ver-
Dichter zuerst und vornehmlich zu solchem Ehrbarkeits- setzt sich nach Sizilien mit seinem Alexis. Da klaget er den
pedanten zu machen? . . . Waldern ungefühlte Leiden; da flehzt er über seine un-
Virgil kann immer ein schamhaftes Gesicht — anständig empfundene Verzweiflung; da seufzt er über seine Ver-
gesprochen: immer eine fromme, edle Seele und eine an- achtung, über die Sprödigkeit seines Lieblings — da wird
ständige Lebensart bewiesen und doch schöne, Knaben seine zweite Ekloge! — — Ein feines Lobgedicht auf
geliebt, und doch die Motia llieria gekannt haben! Alexis, eine schöne poetische Liebeswerbung — wert eines
Ich sehe Nichts, daß sich aufhebe, und daß sich insonder- schönen Knaben, wert eines Alexis!!!
heit zu den Zeiten Mäcenas hätte aufheben dürfen!
Ists denn so widersprechend, daß ein Mensch, zur
i
sanften Wollust geboren, auch dieses Sanfte in seiner Miene
zeigt? — daß Das, was in der weiblichen Miene schmachtend,
ein Liebreiz der Venus wäre, in einem männlichen Gesichte
eine Art von Unschuld, von jungfräulicher Bescheidenheit,
von schamhafter Frömmigkeit werde?
Muß ferner Der, der schöne Knaben liebt, damit aller
bürgerlichen Ehrbarkeii, und, der sie unschuldig liebt, aller
Tugend der Seele entsagen? . . .
War es denn Schamlosigkeit, einen Alexis von Mäcenas
zum Geschenk zu nehmen, ihn lieben, sich an ihm, als Mund-
schenken, bei der Tafel zu erfreuen ? schöne Leute und, nach
römischer Wirtschaft, schöne Knaben um sich zu sehen?
Ich weiß nicht, welcher Ehrbare nicht an der Stelle
Virgils, in seiner Gunst Mäcenas, in seiner feinen Art, diese
Gunst zu genießen, sein könnte!? . . .
Ich mag keine neue Verteidigung ticr Somatischen Liebe
übernehmen, da schon mehr als einer sie verteidigt hat. Aber
ich betrachte Virgil nicht als Somatischen Liebhaber seines
Alexis, sondern als den Liebessänger desselben. Und welch
BISSEN
ACIIILLEUS
394 o o DER EIGENE o o
wer verführe, und was dergleichen mehr ist. Bei einem so gungen ruft sie einzig und allein dadurch hervor, daß sie zu
ungleichen Spiele, bei dem der Alaun beinahe nichts, das einem, hier wie überall, unheilvollen Übermaße verführt.
Mädchen nahezu alles verlieren kann, ist und bleibt der Mann Wir sehen also, daß jede nur mögliche Art der Be-
der Schuldige. Und wenn sich das Mädchen ihm anbietet, friedigung des Geschlechtstriebs für den jungen Mann oder
und wenn sie ihn verführt, sollte er (im allgemeinen!) die sogar für Staat und Gesellschaft schwere Gefahren mit sich
moralische Kraft haben, im Hinblick auf das kommende Un- bringt. Das sahen auch denkende Frauen bereits seit
heil, das angebotene oder aufgedrängte Opfer abzulehnen! längerer Zeit und sie versprachen sich Abhilfe von der Gleich-
Wenn man sich die hier geschilderten Verhaltnisse ein- berechtigung der Frau im öffentlichen und privaten Leben.
mal klar gemacht hat und dann sieht, wie sich Staat und Es entstand die Frauenbewegung, die, nicht zuletzt, auch
Gesellschaft ihnen gegenüber verhalten, so kann man eine Lösung der geschlechtlichen Frage zu geben versucht.
sich eines Schauders nicht erwehren. Der Staat, der den Wenn die Frau, ebenso wie der Mann, von Jugend auf Be-
Geschlechtsverkehr des Mannes mit dein Manne ohne jeden rufsarbeit leistet und nicht mehr vom Manne als ihrem Er-
erweislichen Grund mit entehrender Strafe bedroht, verbietet nährer abhängig ist, so wird auch sie an der Ernährung der
die Verführung eines Mädchens über sechzehn Jahren durch Familie zu ihrem Teile mitwirken können und so wird der
keinerlei Strafbestimmuug, und die Gesellschaft prämiiert sie Mann bereits in jüngeren Jahren in die Lage kommen, durch
sogar nicht nur durch die Hochachtung, die sie dem Ver- seine Verheiratung die einfachste Lösung der geschlechtlichen
führer zollt, sondern obendrein dadurch, daß sie den Homo- Frage herbeizuführen.
sexuellen, der nicht die geringste Zuneigung zu einem Weibe Eine Anzahl aufgeklärter Frauen ging noch weiter. Sie
verspürt, geradezu zwingt, die Verführerrolle zu übernehmen. verlangen Achtung auch für das, hauptsächlich durch die
Kann doch der der Homosexualität „Verdächtigte" im allge- Schuld der Männer gefallene Weib. Sie sehen auch in der
meinen nur dadurch die öffentliche Achtung wiedererwerben, Prostituierten, in der feilen Dirne noch die Mitschwester, die
daß er ein unschuldiges Weib durch Verführerkniffe in die man wieder emporheben muß, statt sie durch die allgemeine
Schande zu treiben versucht! Und so etwas nennt sich Verachtung immer tiefer in den Sumpf hinabzustoßen. Sie
Sittlichkeit! empfanden besonders in der polizeilichen Reglementierung
Der dritte Ausweg ist die Befriedigung des Geschlechts- der Prostitution eine ungeheure Entwürdigung der gesamten
triebes durch Masturbation. Nahezu alle jungen Männer Frauenwelt. Und so entstand die gerade von Frauen vielfach
masturbieren gelegentlich, viele kennen gar keine andere Art vertretene a b o l i t i o n i s t i s c h e Bewegung, die mit der poli-
geschlechtlicher Betätigung. Und damit bilden sie wenigstens zeilichen Reglementierung auch die Prostitution selbst aus der
keine Gefahr für die Gesellschaft. Einer desto größeren Ge- Welt schaffen möchte. Die Mittel hierzu können natürlich
fahr setzen sie sich aber selbst aus. Denn für die Mastur- durch eine Änderung in der Stellung der Frau gewonnen
bation gibt es keine Schranke außer der, leider so oft ver- werden. Ob aber die Frauenbewegung allein ausreichen wird,
sagenden, Willensenergie. Und so finden wir gerade bei um eine durchgreifende Änderung und Besserung herbeizu-
Onanisten am häufigsten die schweren Schädigungen sexueller führen, das erscheint allerdings im höchsten Grade fraglich.
Ausschweifungen. Wir wissen zwar heute, daß die Mastur-
bation an sich keine Gefahren mit sich bringt, es sei denn, Verlassen wir jetzt einmal die Gegenwart und betrachten
daß sie auf gewaltsame Weise betrieben wird. Ihre Schädi- die Stellung der Frau und den Stand der geschlechtlichen
o o KRAUENHI-WClillNO UNI» MÄNNLICHE KULTUR o o
400 o o DER EIGENE o o
II
Ruhelos ist meine Seele
Und sie spannt die Flügel weit
Und ihr dehnt sich jede Stunde
Endlos wie die Ewigkeit.
III
Selten laß ich einen Tag versinken
In des Abends grabesstille Bucht
ix^^rzjrzA-zjs-zjrzjsn Ohne, daß ich glaubig es versucht,
Aus dem Born des goldnen Lichts zu trinken.
J n einer steilen Bachriuiie, die von dem mächtigen Firn bis herunter
in das urbare Tal gehl, mäht schon seit Sonnenaufgang ein junger
Mensch das spärliche Ulerheu. Es ist eine Arbeit, bei der man sich
tummeln muH, wenn sie Inline« soll. Oer schlanke und geschmeidige
Bursche ist flink und geschickt genug, Lr fangt mit der Sense das
„Schön?" Der junge Mensch erglühte wieder unter dem Leuchten
der großen, blauen Augen. „Sie sind schön, ich nicht."
„Ich?" machte der Fremde eigentümlich überrascht. „Gefall ich Dir?"
Der Bursche nickte zur Antwort. Den Manu abermals anzusehen,
fürchtete er sich. Seltsamerweise bäumte sich die Natur des un-
bischen Uriin /wischen den l'clstiüiniiiein zusammen, bald mit einem
Fuß auf einer Steinspitze balancierend, bald wieder in dem tosenden befangenen Jungen nicht gegen sein Gefühl der Scham und hilflosen
Eiswasser stehend. Mancher stärkere Mann würde in der pfeilschnell Ergebenheit auf. Es hatte ihm noch nie etwas so geschmeichelt, als
daß ihn der Fremde schön fand, dessen ganzes Wesen ihn in wunder-
abschiebenden Flut nur schwer stehen können, aber der junge
sam wonnige Fesseln schlug. Er verstand sich weder in diesen Augen-
Malier spreizt nur ganz leicht die nackten schönen Keine und wiegt
blicken, noch wollte er sich verstehen. Er fürchtete nur, daß der
sich noch mit feiner Animii in den I lullen, wenn er einmal von
Mann fortgehen könnte.
seinem Staude aus einen ordentlichen Sensenzug machen kann, jetzt,
zur Mittagszeit, darf er schon auf seine Leistung stolz sein. Die junge „Wie heißt Du?" fragte jener nach einer Weile mit weichem
geizige Bergbauerin, bei welcher er im Dienste steht, will nicht so bald Stimmklang.
etwas ein gehöriges Tagcwcik nennen. Wie er nun gerade wieder „Berti."
ins Wasser hüpft, tönt ein lachender Schrei vom Ufer her; „Brrrl „Und was bist Du?"
Zimperlich bist Du nicht I" „Knecht bei einer Bergbäuerin."
Die grollen, frommen Augen des Burschen sehen etwas scheu, „Knecht? Das ist nichts für Dich. Oder wenn schon, dann
dann allmählich mit immer größerer Bewunderung auf den Mann mein Knecht. Möchtest Du das sein?"
vor ihm. Dann schiebt plötzlich eine starke Röte in das reizende, Dem Burschen war wie im Traume. Er brauchte nicht viel zu
frische Jiinglingsaiitlilz. In der nächsten Sekunde sitzt der Bursche überlegen, um innig „Ja" sagen zu können.
bis an die Schultern im Wasser. „Ja? Dann mußt Du gleich mitkommen.»
„Gehen Sie doch weiter, Herr! Es steigt sonst selten jemand da „Wohin?"
herauf. Ich wollte mir die Kleider nicht uaU machen. Gehen Sie!" „Weit hinaus in die Welt. Aber das ist egal. Du bist in gutem
Das klang wie höfliche Bitte und Entschuldigung. Schutz. Glaubst Du das?"
Der Fremde stand eine Weile unschlüssig still. Der prachtvoll „Ja," lautete wieder die Autwort.
entwickelten Gestalt nach war er nicht viel liber dreißig Jahr alt, den „So, was sagt Dir, daß ich Dich gut schüizeu werde?"
markanten, edlen Zügen nach alter. Seinen vollen, sinnlichen Mund „Du — Sie sagen es und —"
umspielte ein etwas verlegenes Lachein, aber die groben, leuchtenden „Vielleicht gar Dein Herz?"
2ö*
o o IST ES NOTIU o o
413 414 o o DER EIGENE.
„Ja, Sie erraten es."
„Sag nur Du und Beruhard. Wie herrlich weich Üu bist. Junge) gefUnden habe Wi St D
Ist denn die Hingabe so ganz cchtV Sprich, sprich —.* Bernhard • V^ZJ" ^ ^ ' " " * * - Kuß
drängte mit Ungestüm.
„Ich weiU es nicht, Herr, ich weil! es nicht, was es ist, dall ich | n*ti£nen KUß?
" fr3ß,e Ber
" <>« — • — » M denn das
mir heute gar nicht helfen kann "
.Nein. Es ist nicht nötig. Du hast rech» »* • . • ..
„Hist wohl sonst ein recht liebstoller Kater, gelt?" forschte
Bernhard. Verzeihe mir u n d k o m n l j ZJl -JTS * """ " ^
„Gar nicht," behauptete Berti ehrlich. „Nicht einmal meine Bauerin
mag ich, die möchte mich heiraten, so arm ich bin." Berti war still und traumverloren mit in die Stadt gefahren, jedes
„Das glaube ich, die setzt Dir wohl tüchtig zu?« liebe Wort, jeden warmen Blick Bernhards erwiderte er zwar mit
„O ja," entgegnete Berti beklommen. „So — daß mich alle hinreichender Herzlichkeit, aber von selber trat er niemals aus sich
Weiber anekeln. Weil ich nicht willig bin, quält sie mich. Immer hervor. Und so blieb es dann auch in Bernhards vornehmem Jung-
redete ich mich aus; Ich will noch warten und —" gesellenheim. Berti schien seine meiste Seligkeit im Schweigen zu
„Und?" finden. Erst ließ ihn Bernhard gewähren mit immer reger werdenden
„Und — nein, da wollt ich was Sinnloses sagen." Interesse das Benehmen des neuen Lieblings beobachtend.
„Sags!"
Dieser war stark von der Erinnerung beeinflußt, daß er dem
„Nun, jetzt ists mir, als wüßt ichs, daß ich da auf Dich — Manne als Knecht folgte. Die fürsorglichste, zartbedachteste Hausfrau
auf Sie — aber das kann ja nicht sein. Ich bin närrisch geworden. hätte bald mit ihrer heißesten Mühe hinter dem zurück' bleiben müssen,
Mir träumt. Mir nuill träumen!"
was Berti in der Bedienung Bernhards aufbot. Der junge Mensch
„So träum nur," sagte Bernhard, seine Hände erfassend. „Träum wußte dabei wunderzart jeden Anschein, als ob er den Herrn hätscheln
nur. Und komm mit."
wolle, zu verbergen. Wo selbst das feinfühlendste Weib schon Dank
„Aber," sagte Berti zögernd. „Ich habe mich ja verdungen bis erheischt, fühlte er sich noch als Schuldner. Und das war richtig.
zu Weihnacht." Er schuldete doch Bernhard einen viel höheren Himmel als einen sol-
„Hast Du vielleicht Vorschuß vom Lohn genommen?" chen jemals ein Mann einem Weibe zaubern kann. Der Verkehr
zwischen den beiden Männern blieb lange harndos, kindisch, wie der
„Nein — so liederlich bin ich nicht. Jetzt bin ichs freilich, wo
Verlauf ihrer ersten Begegnung. Wenn einer mit der Aufrichtigkeit
ich so ohne weiteres Dir nachlaufen niöchl, aber hol mich der
Teufel? wenn —" zurückblieb, so war es Bernhard. Er fühlte unendlich leidenschaftlicher
für seinen Schatz als er dies scheinen ließ. Nur mit dem Aufwand
„Was?"
aller Selbstbeherrschung blieb er in den Schranken, die ihm das un-
„Wenn es eine Sünde ist, daß ich Dir nachlaufe, so fürchte ich drum die schuldsvolle Wesen Bertis setzte. Bald mußte er einsehen, daß er
Hölle nicht. Kommst dann gewiß auch hinein. Oder bist Du selber anfangs zwischen der Weichheit und Reinheit des Burschen zu schlecht
der Teufel." Es war ihm wirklich ein wenig ernst mit der letzten unterschied. Der gute Junge glühte für den alteren Freund und
Frage. fürchtete dabei jede Berührung desselben wie tötlichen Feuerbrand.
„Wenn ichs war?" (ragte Bernhard amüsiert. Schon bei einem Händedruck Bernhards zitterte er und hob, wie um
„Dann bitt ich Dich: Verwandle Dich nur nicht. Das war' das Leben flehend, die Augen. Bernhard beschloß zu warten, bis der
mein Tod. Nicht nur wegen des Schreckens mein Tod, sondern aus andere zutunlicher würde. Er hätte ein freiwilliges, zärtliches Entgegen-
Leid. Nicht wahr, Du bist wie Du bist, gilisl Dich nicht anders?» kommen Bertis als einen unbeschreiblichen Triumph empfunden. Aber
„Nein. Glaube mir." Bernhards Augen waren feucht geworden. das Warten dauerte ihm dann doch zu lange. Berti schien sich mit
den bestehenden Verhältnissen dauernd bescheiden zu wollen.
4J6 0 0 DER EIGENE o o
o o IST ES NÖTIG o o 4J5
wirklich freigeben. Bringst Du es nimmer dahin, Dich mir ganz zu
„Höre," sprach eines Abends nach einer ziemlich alltaglichen schenken. Ich liebe Dich ja über alles in der Welt!"
Unterhaltung Bernhard /u dein Burschen. „Ich will jetzt heiraten." Er schlang seine Arme um ihn. Aber weit mehr als Bertis leise
Kr log selbstverständlich. Aber er tat es mit der ernstesten Abwehr ließ ihn dessen Zittern von der Umarmung ablassen. Dieses
Miene, und beobachtete dann voll Vergnügen das Entsetzen des Zittern scheuchte ihn zurück. Es war ihm wie nach einem Frevel
Lieblings. Der arme Junge bemühte sich gar nicht, Schrecken und an etwas Heiligen. Die Hände sanken ihm herab, er schämte sich seiner
Enttäuschung zu verbergen, es wäre ja vergebens gewesen bei der Tat. Unter einem seltsamen Erblassen der Wangen sank er auf einen
Wucht dieser Empfindungen. Stuhl. Seine Augen glühten nicht mehr in heißer Leidenschaft, sondern
„Warum?" stammelte er, wobei auch schon seine Augen naß sahen ehrfürchtig bittend zu dem Burschen empor; .Verzeihe mir,
wurden. Berti. Ich sehe, Du bist zu gut, zu rein für mich!"
„Ach, das begreifst Du nicht? Ich brauche Liebe." Vollkommener Und dann geschah dem Mann so unendlich weh und leid. Er
hätte er den Burschen nicht kränken können. Dieser saß wie von legte den Kopf auf die übereinander gelegten Arme hin und weinte.
einein Keulenschlag taumelnd da. Erst nach einer Weile sagte er Aus Reue, daß er sich an Berti versündigen wollte, weinte er eigent-
scheinbar ruhig und ergeben: „Dann brauchst Du mich ja nicht mehr.* lich nicht, eher doch aus Schmerz, daß sein Liebling zu heilig, zu un-
Dabei erhob er sich auch schon. erreichbar für ihn war.
„Dich?" Bernhard heuchelte Überraschung. „Unser Verhältnis Berti staunte erst über den Freund, dann kam ein so übermächtiges
bleibt doch »las alte, wenn ich heirate." :' Mitleid, wie man es nur für geliebte Menschen empfindet, eine Rührung,
„Deine Frau würde sich bedanken, wenn ich im Hause bliebe." die alles Andere zerschmolz. Er streichelte erst des Mannes Haar,
„Warum? Was besteht Unrechtes zwischen uns?" •.., dann nahm er dessen Kopf in die Hände. Und dann lächelte er ihn
„Nichts? Du meinst nichts? Die Frau würde es bald merken.«, mit seinem liebreichsten Lächeln an und konnte sich nicht mehr halten,
„Nein Berti. Von mir aus besteht nichts Unrechtes zwischen uns." mußte ihm die Tränen trocknen mit heißen Küssen. Er zitterte nicht
„Das glaube ich Dir aufs Wort, Bernhard. Mich aber bringt diese mehr, viel eher bebte der Mann in den machtvoll überwältigenden
unrechte Liebe fast um." Armen des anderen; „Aber Berti, jetzt bist Du es ja, der — •
Bernhard lächelte. „Die rechte Liebe zu mir brächte Dich nicht - .Ja!" klang es mit von allen Bedenken erlösenden freiheitsseligen
um, Berti." i Jubel. .Jetzt bin ich es! Ich kann nicht mehr anders. Und ich fühl*:
Der Junge verstand ihn nicht. „Was wäre das für eine, die rechte?1 Es ist rechtI Es ist nötigt" DIOQKN.
Nein, die kann es zwischen uns nicht gehen "
„ü ja, Berti. Das ist diu ehrliche, unverborgene. Sobald Du
Dich ganz heraus traust mit ihr, ist sie recht und bringt Gluck wie
jede andere, die echt ist." PSgl
„Glaubst Du?" fragte Berti zaghaft. Aller dann fuhr er wieder
auf. „Du hast aber vom Heiraten geredet."
„Nun? Wenn Du mich dazu zwingst. Verstehst Du denn
noch nicht —"
Der Bursche lielJ liefe«rötend den Kopf sinken. „O ja," sagte er
leise. „Ich verstehe Dich jetzt, aber — heirate doch lieber! Ich
• 1
gehe wieder."
Jetzt war das Entsetzen an Bernhard. „Warum?" rief er und
dann brach er schier verzweifelnd los: „Berti! MuH ich Dich denn
-l? •#»:
*'*- .
* .;•••-•' . . • » ; - - - v / r - -
- '•'• -V'
U - ••!r.::-fv '
>
• - . 1 , , i ' I -- *: t
r
*">':•&*' - V.:; "«> ;.?»•.'#******«-*
-• • - . V . W . - ' •
. ' • -:T.iSt'V ,
•-. • £ ; * * ' ,v •
' J Wc.t
W-.VÜÖ vr«r.
TANZKR
flüUS
420 o o DER EIGENE o o
29»
430 o o DER EIGENE o o
sehen wir deutlich, daß der Grausamkcits- soll. So wenig, wie der Geschlechtstrieb
trieb am üppigsten n i c h t anstatt, in seinen Aeußerungen immer die Erhal-
sondern n e b e n d e m Geschlechts- tung der A n , die Fortpflanzung zur Folge
t r i e b e entwickelt ist. hat, so wenig braucht deshalb die einzelne
Aeußerung des Grausamkeilstrielies dem
eigentlichen Zwecke dieses Tretbes zu
Dieser eine Irrtum Raus ändert aber
dienen. W i e die B e t ä t i g u n g des G e -
nichts an der hervorragenden Bedeutung
der Schrift. Wenn wir bedenken, daü s c h l e c h t s t r i e b e s , so wird auch die
eine derartige zusammenfassende Arbeit des G r a u s a m k e i t s t r i e b e s dem ein-
über das Wesen und die Verbreitung der zelnen Menschen S e l b s t z w e c k .
Grausamkeit in der modernen Litteratur Da nun aber die Wirkungen des G r a u -
überhaupt noch nicht vorhanden war, so samkeilstriebes entschieden gesell-
haben wir erst das volle Verständnis für s c h a f t s w i d r i g e sind, muß die Gesell-
ihren Wert. Und dieser bestellt nicht nur schaft diesen Trieb auf jede Weise zu
in der Menge des zusammengetragenen unterdrucken suchen. Dies geschieht ein-
Materials, sondern auch in der Anordnung mal durch die Erziehung. Sodann aber
und Verarbeitung des Stoffes. V o n b e - muß man der Grausamkeit den Buden ent-
BÜCHER UND MENSCHEN s o n d e r e m W e r t e ist der N a c h w e i s , ziehen, auf dem sie sich allein entwickeln
dafi Ü b e r a l l da d e r O r a u s a m k e i t s - kann. Rau sagt dazu: . D a r u m fort mit den
trieb seine O r g i e n feiert, wo der letzten Resten der Grausamkeit in der
Hans Rau: .Die Grausamkell". seinem Sinne die Rede ist, d. lt.* einem Grausame aus irgend welchem Rechtspflege und in der Pädagogik, darum
Mit besonderer Bezugnahme Triebe, der den AleiisClteu veranlaßt, grau- Grunde geringere Furcht Vorstrafe eine gesetzliche, humane Regelung der
sam zu sein aus reiner Lust au der Grau- zu haben b r a u c h t . So züchtet der
auf sexuelle Faktoren. Mit zahl- samkeit. Hall es einen sulchcn Trieb gibt,
Dienstbotenfrage, die auch .der weißen
M i l i t a r i s m u s , besonders der K o l u - Sklaverei* ein Ende macht. Darum fürt
reichen Illustrationen. Berlin l'.MÜ hat Kau nun au unzähligen Beispielen iu n i a l d i e n s t , die a b s o l u t e F U r s t e n -
endlich mit dem Urheber der meisten Grau-
bei H. Barstiorf. Bröselt. -I Alk. seinem Ituciie bewiesen. h e r r s c h a f t , und vieles andere, geradezu
samkeiten und Greuel, dem Kriege."'
Dali Beziehungen zwischen dem Ge- Der Graiisauikcilstrieb äußert sich aktiv Grausamkeitsverbrechen. M a n denke nur
TIBER1US.
schlechtsleben dcsAlcnschcil und grausamen uder passiv, d. lt. der Grausame sucht an die S o l d a t e n m i ß h a n d l u n g e n , an
entweder andere uder sich selbst zu quälen. den sogenannten . T r o p e n k o l l e r " und
Handlungen bestehen, das weiß man seil
anderes. Rau betont, daB sich auch unter
Hans Rau: .Der Geschlechts-
Heide Formen des Grausamkeitslriebes
langer Zeit. Alan kannte den S a d i s m u s
den Herrscherfainilien Europas Mitglieder trieb und seine Verlrrungen".
kuuiiiieu aber last immer vereinigt vur und
und den AI a • u e li i s m u s , man wußte auch,
finden, die sich mancherlei haben zu Ein Beitrag zur Seelenkunde.
gehen in einander über. Der Sadist wird
daß j e d e r Liebende dazu geneigt ist, den
gelegentlich zum Alasucbisten, und der Schulden kommen lassen. Da aber .eine Berlin 1903 bei Hugo Steinitz.
Gegenstand seiner Liebe ein wellig zu In dieser Schrift sucht Rau nichts Neues
Alasuchist zum Sadisten. Daß der Grau- Zusammenstellung und Besprechung ge-
ipialcu uder sich VUII iliiu quälen zu lassen wisser Ereignisse nicht ohne Gefahr ist*, zu geben. Er will vielmehr die Resultate
samkeiisirieb nicht bei allen Alenschcn und
Alan preüt das geliebte Wesen Kern lest, macht Rau nur Über den türkischen Sultan einesKraffl-Khing, Atull, Sehreuck-Nnlziiig
beim Grausamen nicht zu jeder Zeit vor-
recht fest an sich und beim Kusse beißt Abdul Hamid nähere Angaben. In dessen und anderer verdienter Gelehrter den
handen ist, erklärt Kau dadurch, daß der
man wühl gelegentlich einmal. A u d i sagl Harem ist man auf bisher ganz unbekannte weiteren Kreisen des Volkes zugänglich
Geschlechtstrieb sich imitier da in den
ein alles Sprichwort: . W a s sich liebt, das Straftniltel verfallen. So werden dort machen, da deren Werke .zum T e i l wegen
Grausauikcilstiiiii verwandelt, wu der Ge-
neckt sielt" Nun sucht Haus Kau den z. B. die zartesten, empfindlichsten Teile ihres hohen Preises und zum T e i l auch
schlechtstrieb nicht auf normale Weise ge-
Nachweis zu erbringen, daß ganz allgemein nügend bvlricdigl werden kann. Ueber- des menschlichen Körpers stufenweise wegen ihrer allzu abstrakten Darstellung
d i e G r a u s a m k e i t in jeder ihrer Purinen heftiger und heftiger gequetscht, sodaß
liaupl sieht K.ui den lieweis fiir die Richtig- nicht über die gelehrten Kreise hinaus ge-
e i n e A c u ß c r u ng des G c s c l t l c c h t s - keit seiner Annahme vuii der sexuellen vielfach sofort der T o d eintritt. Oder man kommen sind."
I n e u e s w.'ire. Er beschäftigt sich mit Gruiidt.ige der Gi.ius.imkcit iu dem viel- legt den unglücklichen Opfern bis zum
dem Auftreten der Grausamkeit zu allen lach tieubaclitcicu Umschlagen des uuhe- GlUhen erhitzte Eier in die Achselhöhlen. Kau bespricht zunächst den F e t i s c h i s -
Zeilen, von Altertum bis in die Gegen- Inedigten Geschlechtstriebes in den Grau- Eine Sklavin tütete der Sultan erwiesener- mus, S a d i s m u s und M a s o c h i s i n u s
wart, er verluigt sie in der Religion, in der saiukeitslrieb maßen in seinem Bette durch einen Re- an einer Reihe von geschickt gewählten
Rechtspflege, in der Sklaverei, in der lir- volverschuß. Beispielen. Es folgt eine Besprechung des
ziehung, im Kriege und im Volksleben. P y g iu a I i o ii i s iu u s, des E x li i b i t i u n i s-
l/eberall bciufihl er sieh, zu zeigen, d.ili Atir eisclieini die tirklaruiig Kuus unhalt- M i r scheinen alle diese Tatsachen zu i n U S , der N c k r o m a n i c , der K o p r o -
die Grausamkeit auf sexuellen Faktoten bar Alan denke nur z. l i . au die Persön- beweisen, daß der G r a u s a m k e i I s t r i e b l a g n i e und der S o d o m i e . Dabei erklärt
beruhe. lichkeit des Ataniuis de Sade. Dieser einem jeden M e n s e b e n i n n e w o h n t . Rau die statuenlicoeiiden Pygnialionisteu
Zunächst beschäftigt sich Kau mit den Alaun, der ja gerade ein typisches Beispiel Er ist nichts als eine besondere F o r m für verwandt mit den Nekroiiianun, d. lt.
alleren Erklärungsversuchen der Grausam- eines Grausamen abgibt, hat seinen ü e - des S e l b s t e r h a l t u n g s t r i e b s , die den Leuten, welche sich an Leichen vergehen.
keit. Dabei findet er, daü eigentlich nir- schlcclitstiich doch walirltaltig in der aus- Menschen im Kampfe ums Dasein schützen
Worin diese besondere Verwandtschaft
gends VUII einem Grausamkeitslrielie tu gibigsteit Weise belriedigt. Gerade bei ihm
o o BÜCHER UNtJ M E N S C H E N c, o
431
besieht, ist mir allerdings unklar. Ein Maria Janitschek: Mimikry.
Schluukapilel beschäftigt sich mit l l o m u -
s e x n a t i l ä l und K B d e r a s l i c . Die darin
Roman. Herrn. Seemann Nachf.,
entwickelten Auskitten sind aus den Leipzig, 250 S. Mk. 2.50.
Schrillen vuu U l r i c h s und seinen N a i l i - hu Mittelpunkt des interessanten Rumaiis
folgem G c r l i n g und M a g n u s H i r s c h -
l e i d zur Genüge bekannt — Nur hatte
mau die Ituiuusoiialitat nicht z. 1). mit
der Koprulagnic auf eine Stufe stellen
sieht ein junger Aiiliuuiis, vuu der .zarten
Schönheit eines St. Sebastian", in den
sich sein um wenige Jahre jüngerer Z ö g -
ling Lucieil ebensu verhehl, wie dessen
DER EIGENE
sullen. entartete Mutier, l-rau Kranen. Neben dem
Mau darf unter allen Umstünden, mag llauplheldcii Emil ist l.ucieu (.ein Knabe
tritt für die Wiedergeburt der Lieblingminne ein,
man sich zu den Ansichten Maus im Ein- von last überirdischer Schönheit" pag. I'J)
die Icsscludslc Gestalt des liuches, dieser
für ihre natürliche und sittliche Berechtigung im
zelnen stellen, wie mau w i l l , dem Ver-
fasser für die Vcrülfcnllichuug dieses all- erblich Belastete, an dem sich die ganze öffentlichen und privaten Leben. — Er erstrebt
gemein verständlichen Buches dankbar ürausaiiikeil einen unerhiitlicheu Geschicks
sein. Und sicherlich wird jcdcrcdcldcukcndc vollzieht. Mau ilait . M i m i k r y " nicht als die ästhetische und politische Pflege eines Freund-
Mensch fulgeude Sülze des Vorworts uiilei- Uuterhalltiugsh-kiuie bemessen, es ist ein
schreiheii: wertvoller Heilrag zur homuscxualcii l'rage. schaftskultus, wie er zur Blütezeit der Antike
Set hier nur noch die Adonisszeue (pag.
. W e r Anstuli an dem Thema dieses
Buches nehmen und sich dadurch in seinem 2UH) und der „Knahcncalc" (pag. U l i , ff) Sitte war. GüGiiaJGttGUGüGiiCUUSGUGciGüGUGU
sittlichen Empfinden verletzt fühlen sultte, erwähnt, in dem sich die Meinungsver-
schiedenheiten um die beiden Namen KratII-
D E R E I G E N E will in der körperlichen und
der lege es ruhig hei Seite. Ich schreibe
Ihr sittlich ernste l'ersuneu, nicht liir jene Ebing und Moli drehen. Die feinen psycho-
logischen Sihildeiuugeii zeugen von einer
geistigen Erziehung der männlichen Jugend zur
augenverdrehenden fruiiiuieludeii Eiferer,
die sich darhber ärgern, daü die Kinder eigeitaiugeii l'eisouliclikeil, die uns um Unabhängigkeit und zu persönlicher Hingabe an
nackt gehuren werden, und deren u n n i l c sü mehr InUicsse ahluiderl, als sie ganz
Phantasie seihst durch den Anblick einer ubjektiv, von der Warte des unvoreinge- Freund und Vaterland den schönsten und höch-
iioniineueu Beschauers aus, und dabei
göttlichen Venus von Milu erregi werden
kann." TIBERIUS. teiiiluhlig und warmherzig zu erzählen sten Kultus der Lieblingminne pflegen. — Er will
versieht SINCERUS.
in dem innigen Verhältnis von Jüngling zu Jüng-
ling', von Mann zu Jüngling, und von Mann
zu Mann dem Staate eine Quelle der Kraft er-
Die Gemeinschaft der E i g e n e n
Aufnahme jederzeit. Eintrittsgeld 'S M k . Mindestbeitrag 211 M k . pro anuu. schließen, die der persönlichen Freiheit ebenso
A u U e r o r d e n 11 i c h c M i t g l i e d e r - V e r s a m m l u n g : I r e i l a g , a m .'I. J u l i , a b e n d s
II'., U h r I m l . i i g e i i - k c s l a u i u m / II t h a i l o l l i i i l i u i g . ilt 111 u c i «I i a l l e I I I , sehr, wie der Kunst und dem gemeinen Wohle
E i n t r i l t n u r g e g e n Ali I g l i c d s k ar l e u . T a g e s o r d n u n g : I . S t a t u t e n ä n d e r u n g .
2. V o r t r a g : c a n d . m e d . H a l l i i b e r . 1 . i e b l i ng m I n t i e u n d Sittlichkeil."
dienen soll! Oi GU Gii os Gu Gii cu GU Gü GU OS GU
3. K i i n s t l e r i seil er T e i l . — — Die wöchentlichen zaisamiuciikunlic finden jeden
Freitag im Volkshause zu Charloiieiibuig, Rusiucuslr. 3, stall.
D E R E I G E N E will seine Anhänger zu einer
D e r V u r s t a n d : A t l o l i B r a n d , C h a r l o t i e u bu rg. einmütigen Phalanx sammeln, in der Alle für Einen
und Einer für Alle stehen: treu, opferfreudig und
kampfbereit! GüGUGUGUGUGüCUGUGciGcSGUGü
gleichgeschlechtliche Liebe
(Liebiingmirtne)
Preisausschreiben
• • • • • • • •
Kästch cii -1 nserate
Raum 5 Mark, bei 12maHger Aufnahme die I
Gebildeter Herr a
:
: rten n i ;.'. .,
Weitgereister, aM
die Rv.. ....".:
Ehemaliger
TS.:I; ' t '.
gescniei
Stellung
. ;
S C tl i i!S! :
pertckte
Weitere