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Von der Zukunft unseres Erkenntnis-

strebens. Hermann Esswein.


BildschmUCk: Hans Kurth. •*• •«•

ADÖLF~BRAND'S VERLAG
BERLIN - NEURAHNSDORF.
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DER EIGENE
s t r e b t einen geistigen Tummelplatz Kunst und Eigenart schätzen-
den Menschen zu bieten. Schönheit und Liebe, Wissenschaft,
Freiheit und Vaterland sind die Güter, um die er kämpft. —
Ein B a h n b r e c h e r „neuhellenischer" Kultur-Ideen, will er die
Lebensauffassung der Gedankenlosigkeit mit ihrer Elends- und
Mitleidsmoral, samt den Knechts-Idolen ihrer Gleichheitsflegelei,
durch eine selbstbewusste, zukunftsherrliche verdrängen helfen,
in d e r d a s offiziell Geaichte, d a s Herdenmässige, den einsamen
Eigencharakter nicht erdrückt. — Er fordert die freie, durch
keine Autorität gehemmte Bethätigung des Individuums, weil sie
die sicherste Garantie für den sozialen Fortschritt bietet, für die
entwickelungsmässige, gewaltlose Neuordnung der Dinge, .die
j e d e n in den Stand setzt, auf seine eigene Weise glücklich zu
sein. Sein Ziel ist s o : die grösstmögliehste Wohlfahrt Aller!

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ist jedoch auch die Angabe neuer Adressen stets erwünscht. Pr steht im Kahn. Sein schöner Leib erglüht,
Wie Marmor bebend, Purpur übergössen,
-Hs- -;£- •*- -M.- Unsere Freunde -*- -#- -#- -*- Vor knabenhafter Scheu. — Sein dunkles Auge sprüht
werden dringend gebeten, überall, wo sich Gelegenheit dazu Unmut und Liebe, Traurigkeit umflossen —
bietet, für die Verbreitung des Plattes besorgt zu sein und in
Und macht das Leben mir so weh w\d wund!
Restaurants, Cafes, Konditoreien, Buchhandlungen und bei den
Zeitungshändlern immer wieder den Eigenen zu verlangen. 4 4 l''-r Kip^ne. AMtvi-Ui-ri I''!"'.
— Er kämpft und ringt mit Scham und wacher Brunst,
Wie Koboldspuk im glühen Nebeldunst.
— iEr will versagen! — doch die Kraft entflieht,
Wie er mir tief und stumm ins Antlitz sieht.
Die Lenden zittern und es zuckt sein Mund —
Verzeihung schmeichelt seine weiche Hand — SONJA.
Die roten Lippen pressen sich auf meine —
Ich küsse seinen Nacken still und weine Die kleine Fürstin Sonja feierte ihre Hochzeit. —
Das ganze Palais war hell erleuchtet, und im grossen Saal
— Und traumverloren rudern wir ans Land.
fing man eben erst an zu tanzen. Sonja stand aber schon oben an
jfcdolf Brand.
der Treppe und nahm Abschied von ihrer Mutter, die sie umarmt
hielt und mit feierlicher Miene über ihrer Stirn ein Kreuz schlug
und Segensworte dazu sprach. — Die ganze Dienerschaft stand im
Hintergründe, weinte und wünschte Glück und Segen, und Marussja,
die alte Amme, die sie in ihrer Kindheit gewartet hatte, küsste ihr
weinend die Hände und machte ebenfalls das Zeichen des Kreuzes
über sie.
Dann ergriff ihr Gatte ihren Ann, führte sie die Treppe hin-
unter zum Schlitteu, der unten stand, und hob sie hinein. — Die
Pferde griffen aus und der Schlitten flog davon. —
Sonja sass ganz still in ihrem Pelz und den vielen Decken
da. — Manchmal sah sie den Mann, der da neben ihr sass, scheu
von der Seite an. Er hatte den Pelzkragen in die Höhe geschlagen
und sprach ebenfalls nichts; es war aber auch so kalt, dass der
Hauch am Munde gefror, und in den vielen Umhüllungen konnte
man sich fast gar nicht rühren. Zu Zärtlichkeiten war also jetzt
durchaus nicht der rechte Moment.
"Sonja schloss die Augen und vergrub das Naschen in den
weichen Pelz. Der Schnee knirschte unter den Schlittenkufen, die
Glöckchen klingelten lustig, und manchmal flog ihr ein wenig Schnee
ins Gesicht. — Das war alles so angenehm und so seltsam dabei
so ganz anders, wie eine gewöhnliche Schlittenfahrt.
— Und während der Schlitten dahinsauste, träumte die kleine
Sonja.
Sie träumte von der Liebe, jenem grossen Rätsel, dessen
Lösung sie nur dunkel ahnte. Ihr bangte vor dieser Lösung und
doch sehnte sie sie herbei. Es musste etwas Wunderbares sein,
Der Eigene. _ 71 — Augustheft 1899.
Der Eigene. - 70 — Augustheft 1899.
etwas Grosses, Hohes und dabei doch unendlich Süsses. Sie ahnte Sie liess sich von dem Menschenstrom in die Kirche schieben,
etwas davon . . . ja, sie wusste schon . . . wo die Messe schon begonnen hatte, und drückte sich dort möglichst
Diese kleine Sonja hatte ein Geheimnis, ein grosses Geheimnis. in eine Ecke. — Es war schön in der Kirche, so feierlich. Die
Und es war so gross, dass sie nicht einmal ihren besten Freundinnen Popen beteten mit singender Stimme, die Chorknaben sangen und
etwas davon erzählt hatte. der Weihrauch wallte in Wolken auf und stieg zur Decke empor.
Vor bald einem Jahre war es gewesen — gerade zu Ostern, Ob der Kaiser auch da war, konnte sie nicht sehen, denn wie sie
und sie war eben aus dem Institute nach Hause gekommen. — Ihre sich auch reckte und sich auf die Zehen hob: sie konnte nicht
Mutter sah sie selten, denn die Fürstin war wenig zu Hause und über die vielen Köpfe fortsehen.
Sonja durfte sie noch nirgendhin begleiten; sie wurde immer auf Allmählich wurde ihr aber unbehaglich zu Mute. Diese sich
den nächsten Winter vertröstet. Nur in die Isaakskirche sollte sie bekreuzigende Menge mit den Wachskerzen in den Händen, die
mitgehen, in der Osternacht. Darauf freute sie sich kindisch; denn nach Schweiss und Schmierstiefeln roch, der monotone Gesang, der
der Kaiser würde auch da sein und der ganze Hof und sie war Weihrauchduft — — alles das betäubte sie förmlich. —
noch niemals in der Osternacht in der Kirche gewesen! Dann kam der grosse Rundgang um die Kirche. — Voran
Gerade am Ostersonnabend fühlte sich die Fürstin aber so schritten die Popen, und das Yolk drängte nach. Sonja wurde mit-
leidend, dass sie zu Bett liegen bleiben musste. — Sonja musste gerissen. Ängstlich versuchte sie aus dem Gedränge herauszukommen,
also natürlich auch zu Hause bleiben. aber sie konnte es nicht mehr. Und so kam sie mit den anderen
Mit verweinten Augen sass sie in ihrem Zimmer und fühlte auch wieder zurück zum Eingange.
sich sehr unglücklich. Die Lampe hatte sie ausgelöscht; im Finstern Das Volk stürzte rücksichtslos herein; wer schwächer war,
konnte sie besser auf die Strasse sehen und das musste sie doch wurde bei Seite gestossen, und Sonja geriet in Gefahr, nieder-
wenigstens thun! geworfen zu werden. Sie schrie laut auf vor Angst.
Es war sehr hell da unten, und die Menschen strömten nur Da legte sich ein Arm um sie und sie wurde emporgehoben
so vorbei. Alle gingen sie zur Kirche, und nur sie musste zu auf den Vorsprung einer der mächtigen Säulen, die den gewaltigen
Hause bleiben. — Bau stützen. Halb ohnmächtig lehnte sie sich an ihren Beschützer.
Da kam ihr plötzlich ein toller Gedanke. — Sie hatte ihm nicht ins Gesicht gesehen; sie sah nur etwas
Wie, wenn sie auch hinging — heimlich — — allein! wie einen dunklen Bart. Das Gesicht war von einer Militärmütze
Die Isaakskirche war ja ganz nahe. — Alle Dienstboten waren halb verdeckt und die Hand, die ihren Arm stützte, schlank
fort, ausser dem Mädchen, das bei der Mutter war die Mutter und kräftig.
selbst schlief — niemand würde sie also jetzt suchen. Wenn sie Unten drängte und stiess die Menge, schimpfend undfluchend.—
sich ganz dicht verhüllte und die Schlüssel von der Hinterpforte Die Glocken der Kathedrale fingen mit einem Male dumpf-
nahm . . . . Sie wusste ja, wo sie hingen, und der Portier war dröhnend zu läuten an und die Glocken der anderen Kirchen ant-
auch in der Kirche . . . . worteten ihnen. Ein Meer von Tönen wogte plötzlich über Peters-
Unschlüssig starrte sie auf die Strasse. burg hin.
Niemand würde etwas merken niemand! — Es war zu Der Priester hatte soeben verkündet:
verlockend! „Christus ist auferstanden!"
Und Sonja schlüpfte in ihre Pelzstiefelchen, band ein dunkles Und die ungezählte Menschenmenge in der Kirche und auf der
Tuch um das lichte Haar, nahm einen langen Mantel um und Strasse jauchzte:
dann stand sie auf der Strasse, zum erstenmale allein. „Er ist wahrhaftig auferstanden!" Und alles fiel sich gegen-
Wie war das herrlich! seitig in die Arme und küsste sich. —•
Der Eigene. — 72 — Augustheft 1899. Der Eigene. — 73 — Augustheft 1809.
Zwei dunkle leuchtende Augen sah Sonja plötzlich in nächster Der Kutscher schnalzte mit der Zunge, knallte mit der Peitsche,
Nähe vor sich und ein bärtiger Mund drückte sich auf den ihren. — und lustig klingelten die Glocken. —
Dann wurde sie wieder freigegeben. — * *
Wie im Traume sah sie die Stufen vor sich, die auf die Strasse *
führten, und wie im Traume flog sie sie hinab und eilte nach Hause. Es war am andern Morgen.
Sonja erwachte nach einem kurzen unruhigen Halbschlummer
Dort war alles ruhig. Niemand hatte ihr Fortgehen bemerkt.
an der Seite ihres Gatten. —
Fiebernd entkleidete sie sich und legte sich schnell zu Bett. Sie
Mit einem beklemmenden Gefühl von Angst richtete sie sich
fühlte immer noch den weichen Druck der fremden Lippen, und ihr
auf. Wie fremd alles um sie her war: dieses prächtige Zimmer,
Herz klopfte heftig und ihre Wangen brannten. —
das von der kleinen Lampe vor dem Heiligenbilde schwach erleuchtet
Seit dieser Osternacht träumte die kleine Sonja von den Küssen
wurde. — - Sie fühlte jemand plötzlich neben sich und hätte fast
des Mannes und von der Liebe.
aufgeschrieen vor Schreck. Dann erinnerte sie sich, dass sie ja
Im Sommer ging die Fürstin mit ihrer Tochter in ein
verheiratet war. —
fashionables Bad und im Anfang der Wintersaison wurde Sonjas
Sie beugte sich vor und sah dem Manne neben sich ins
Verlobung mit dem Grafen Nikolai Ossipowitsch Eristow bekannt
Gesicht. —
gemacht. — Sie hatten sich im Bade kennen gelernt, d. h. die
Er schlief fest. — Der Kopf war ihr zugewandt und ein
Fürstin stellte den Grafen ihrer Tochter vor, und als er bald darauf
widerlicher Weingeruch kam aus seinem Munde. Er hatte viel ge-
um Sonjas Hand anhielt, wurde dieser gesagt, dass sie ihn zu
trunken am Abend vorher. — Das Hemd war aufgerissen und die
heiraten habe. Die Fürstin war es müde, eine erwachsene Tochter
Brust lag nackt da. Eine eingefallene Brust — die Haut gelb,
zu behüten; der Graf war eine passende Partie — also unisste sie
wie ledern und mit Finnen bedeckt.
ihn heiraten. —
Sonja starrte ihn an — entsetzt, mit weitgeöffneteu Augen.
Und Graf Eristow kam dann jeden Tag, brachte Sonja ein Sie fand ihn abscheulich. Wie konnte man nur diesem fremden,
Boukett, küsste ihr die Hand und unterhielt sich mit ihr eine halbe hässlichen Manne erlauben, sich neben sie zu legen?
Stunde in Gegenwart der Mutter. — Dann ging er wieder fort. Das also war die Liebe, von der sie so sehnend geträumt!
Und die arme kleine Sonja war immer so schüchtern und ver- . Schauder des Ekels schüttelten sie. — Ihr Kopf und ihr
legen, wenn er da war. Er war so viel älter wie sie — schon ganzer Körper thaten ihr weh. — In ihrem weissen Nachtkleide
35 Jahre und immer so ernst; sie wagte ihn kaum anzusehen. — stand sie auf. Ihre Arme hingen müde herab, wie die gebrochenen
Manchmal wurde sie sehr traurig, wenn sie daran dachte, dass sie Schwingen eines armen kleinen Vogels.
ihu heiraten müsse, und weinte. Einmal fragte sie ihre Mutter: Vor dem Heiligenbilde glitt sie nieder, mit der Stirne den
„Sag' mal, Mamuschka, muss man seinen Mann nicht lieben? Teppich berührend.
Ich weiss nicht, ob ich Nikolai Ossipowitsch liebe. Ich fürchte Und über die Dächer kroch langsam der graue Wintermorgen
mich fast vor ihm!" Petersburgs . . . .
Die Fürstin antwortete: „Wenn er erst dein Mann sein wird, budmilla von F^ehren.
wirst du ihn schon lieben."
Darauf wurde Sonja wieder ganz vergnügt. — Ja, ganz gewiss,
wenn er ihr Mann war und sie küssen durfte, würde sie ihn sicher
auch lieben und sich nicht mehr fürchten.
Und jetzt sass sie an seiner Seite und fuhr mit ihm fort —
zu ihm.
Der Eigene. — 75 — Augustheft 1899.
Der Eigene. — 74 — Augustheft 1899.
LIEBESLIED.
Ein seltsam Lied voll süsser Klage
S a n g mir mein Freund zur Harfe Spiel,
Als^ träumend vom entschwund'nen T a g e ,
Die Blume schlief, der T a u schon fiel.
W i r sassen in der Gartenlaube
Bei einer Ampel ros'gem Schein,
E s rankte rings die wilde Traube
Mit blassen Winden im Verein.
Mein Freund schlug wunderbar die Saiten
Und sang, das Lied unnennbar weich —
Ich fühlte meine Brust sich weiten
Und wähnte mich den Göttern gleich.
Die Saiten rauschten in Akkorden,
Melodisch flutete der Sang,
U n d mit den tiefempfund'nen Worten
Verschmolz sich süss der Harfe Klang. —
Beim letzten Ton schlang ich die Arme
U m meinen heissgeliebten Freund,
U n d presste ihn ans Herz, das warme,
Den schönen Sänger, meinen Freund!
Ich küsste ihm den Mund, die Augen,
E r schmiegte sich an meine Brust;
Aus seinen Blicken dürft' ich saugen '
D e r heil'geri Liebe reine L u s t !
— Die Harfe schwieg — im grünen Laube
Die Ampel losch — rings ward es Nacht
Die Winde schlang sich um die Traube
In einer warmen Sommernacht. K L A S S I S C H E NACHT.
Wann um Alabasterleiber
bouia f r a n c h e . Spielt ein weiches Wcihrauchschvvingen
l>nd aus blauen Nächteueiten
Sinkt ein märelicnschueres Klingen . .
Ferdinand Max Kurth.
Der Eigene. — 76 — Augusthaft 1890.
K L A S S I S C H E NACHT.
Warm um Alabasterleiber
Spielt ein weiclies Wuihrauchschwingcn
Und ans blauen Nächteweiten
Sinkt ein miirchcnsclnveres Ivlinsfen .
Ferdinand '/lax Kurth.
Und immer dieselbe Phrase: „Entschuldigt mich — aber
ich muss wirklich zur Schneiderin!" — „Verzeiht, Kinder, heut'
muss ich die Probebilder vom Photographen holen" ich
weiss nicht, was sie alles holen musste — ein leichtes Lächeln,
dann war sie zur Thüre hinaus.
LIEBE? Meist standen wir am Fenster und nickten ihr noch einmal zu.
A u s : „Briefe an Lili." V.
„Seid artig, Kinder," rief sie, „Mama kommt gleich wieder!"
Meine liebe Lili, Aber sie kam nie vor acht Uhr.
erinnerst du dich, dass du mich einmal auslachtest, als ich — Wir sprachen so wenig, Palomita und ich. Sie war so
dich bat, deine Füsse küssen zu dürfen? Da sagtest du mir: faul und langsam in jeder Bewegung, diese deutsche Südländerin,
„Geh', Hanns, du musst auch immer was Besonderes haben!" aber ihre Faulheit hatte etwas Göttliches, Souveränes. Oft kniete
Nun hab' ich wieder mal was Besonderes gehabt — und
sie vor mir, stützte die Ellenbogen auf meine Kniee, starrte mich
das will ich dir erzählen.
a n ; dann streichelte ich ihre Wangen oder las ihr meine Lieder vor.
Im Sommer, weisst du, war ich in Wiesbaden. Dort lernte
Oder sie sass am Klavier und spielte. Ein weiches, duftendes,
ich Palomita kennen; auch du kennst sie ja aus meinen Liedern.
zitterndes Spielen. — Dann kauerte ich an ihrer Seite. — Nahm
Sie war das Kind deutscher Eltern aus Buenos Ayres, war
auch wohl ihren Fuss, zog Schuh aus und Strumpf und bedeckte
nach Deutschland gekommen, ihre Verwandten zu besuchen. Ihr
den süssen, weissen Fuss mit glühenden Küssen.
Vetter war Landrichter in Wiesbaden, dort traf ich sie. Acht-
zehn Jahr war sie und war schlank und blond — so blond, wie Sie fand das ganz natürlich, * fand gar nichts (Besonderes'
darin, wie du, Lili!
du bist, Lili.
Eines Tages trug ich Blumen zu der Frau Landrichter. — Wir beiden liebten uns ja, Palomita und ich! Und ihre
Palomita war dort; sie trug ein helles, langschleppendes Morgen- junge, entzückende, erste Liebe schläferte mich ein, liess mich
kleid, mit bunten Blumen gemustert. Frau Klara Hess Sekt bringen, alles da draussen vergessen, in diesem roten Paradies, dessen
und wir tranken und futterten Erdbeeren und rauchten Cigaretten. schwere türkische Vorhänge kaum einen kleinen Sonnenstrahl
F r a u Klara schwatzte und lachte, sie huschte herum, sass am einliessen.
Flügel, blickte durchs Fenster — o so geschäftig und lebhaft! Das war das Glück, das mich wieder lachend in seine Arme
Aber Palomita rührte sich nicht, sprach kaum ein Wort. Sie schloss. Ich schrieb dir nichts davon, Lili?! — Hab' ich dir
hatte die Füsschen auf die Chaiselongue heraufgezogen, da sass jemals geschrieben, wenn ich glücklich war? —
sie, stippte' ein Cake in das spitze Glas und sah mich gross an Aber meinem Spezi erzählte ich davon, weisst du, dem
mit den blauen Augen. Als Frau Klara hinausging auf einen hübschen, kleinen Charles. Einem musste ich's sagen! Ich nahm
Augenblick, ging ich zu Palomita, nahm ihre Hände und küsste ihn auch einmal mit in die Schlossstrasse. Da stiessen wir vier
sie. — Sie liess mich ruhig gewähren. an, Frau Klara, Charles und wir beide — auf unsere Liebe! Und
Ich weiss nicht mehr, wann es uns zum Bewüsstsein kam, Palomita legte ihren Arm um meinen Hals:
dass wir zwei uns lieb hatten. — Jeden Nachmittag gegen 4 Uhr „ O mein Hanns, wie ich dich lieb habe!"
ging ich zu ihr. Dann war der Landrichter weg, aufs Gericht,
— — Nur zwei Monate — dann musste sie zurück übers
von da ging er stets zum Abendschoppen. So waren wir ungestört
Wasser. Und so bewog sie ihre Kousine, dass sie nichts ,mit-
bis gegen Acht. — Erst tranken wir T h e e zu dreien; dann ging
zumachen' brauchte, keine Tennispartie, kein Wettrennen, weder
Frau Klara aus, liess uns allein.
Konzerte noch Theater. Sie blieb zu Hause, — allein — —
Der Eigene. — 78 — Augustheft 1899.
Der Eigene. — 7a — Augustheft 1899.
Der Landrichter wunderte sich; meinte schliesslich, sie habe Seitdem habe ich Palomita kaum mehr wachend gesehen;
wohl eine unglückliche Liebe. war ich bei ihr, schläferte ich sie ein. Ein paar T a g e später
Aber sie hatte eine glückliche. befahl ich ihr:
— So ging ich wieder einmal hinauf, am-18. Juni war es. „Hörst du mich, Liebchen? Ich will, dass du heut' Nacht
Frau Klara war schon fort und Palomita lag, wie gewöhnlich, mich zu dir lässt. Du sollst trachten, den Hausschlüssel zu be-
lang gestreckt auf dem Sopha. Wir sagten uns guten T a g , kommen, ehe du auf dein Zimmer gehst. Hörst du? — Heute
küssten uns. Plötzlich, wie meine Hand über ihre Schläfen fuhr, Nacht um 12 Uhr nimmst du den Schlüssel, bindest ihn an eine
seufzte sie; sie schien einzuschlafen. Ich strich ihr noch ein lange Schnur, die lässt du zum Fenster hinaushängen. Du wirst
paarmal über die Stirne — wirklich sie schlief. Seit mehr als deine Thüre nicht verschliessen. Du wirst Licht brennen lassen,
zwei Jahren hatte ich nicht mehr hypnotisiert, seit München nicht. damit ich sehe, dass du mich erwartest. Hörst du, was ich dir
Du erinnerst dich, Lili, dort war es ja unser tägliches Spiel! befehle? — Du wirst — das — alles — thun!"
Palomita schlief. Leise löste ich ihre Haare, grub meinen Palomita zitterte, ihr nackter Leib bebte in meinen Armen.
Kopf ein in die weichen Locken meiner blonden Herrin — . „Hast du mich gehört? — Wirst du das thun?"
Dann schellte es. Frau Klara kam zurück, sie blieb heute Ihr „Ja!" klang widerwillig, gezwungen.
bei uns. Und nun hypnotisierte ich Palomita wieder und wieder; Aber ich achtete nicht darauf. — Um 12 Uhr eilte ich die
sie war ein prachtvolles Medium. Jeden Befehl führte sie sofort Schlossstrasse hinauf. Ich sah nach oben — ihre Fenster waren
.•ins, deklamierte, sang, spielte — wir hätten so auf die Bühne erleuchtet. Ich kletterte über das Gitter, sprang durch den Vor-
gehen können. Frau Klara war begeistert — — garten. Von ihrem Zimmer hinab hing der Schlüssel. Ich riss
Den folgenden T a g kam ich wieder; und als wir allein die Leine herunter, öffnete die Ilausthür, eilte die Treppen hinauf
waren — ein leichter Druck der Hand — „Schlafe, Liebchen!", bis zum zweiten Stock. Ihre Thüre war nicht verschlossen; sie
und sie lehnte sich zurück, schlummerte. Es war mir ein unbe- sass halb angekleidet auf dem Bette.
kanntes, unbeschreiblich süsses Gefühl, sie so schlafend in meinen Ihr Blick war seltsam, erschreckt und ungläubig. Sie schien
Armen zu wissen. zu glauben, dass sie träume mit offenen Augen.
Atemlos, unbeweglich lag sie da. Ich küsste ihre Locken, Und wohl um den Traum festzuhalten, schloss sie die Augen.
ihre Augen, den Mund, die Hände. Und dann — o ich wusste Rasch sprang ich auf sie zu, ein Wort, ein Hauch: sie schlief.
kaum, was ich that — riss ich ihr Kleid auf und bedeckte mit Ich aber hielt sie in meinen Armen, die ganze herrliche
Küssen ihre weissen Brüste. Nacht über.
Und jeden T a g nun Hess ich sie einschlafen; wenn wir eben Und die nächste Nacht und die übernächste — elf wunder-
allein waren, jeden T a g . bare, märchenschöne Nächte
Am 24. Juni glühte die Sonne am Himmel, o sie glühte. . Am 10. August sollte sie abreisen. Sie sollte in Baden-Baden
Und an dem T a g e jagte und pulste mein Blut, wie es nie gethan. Onkel und Tante treffen, die auch zurückfuhren. Dann nach
Ich kam zu Palomita. Frau Klara ging, und s i e schlief in meinen Genua und von dort in die Heimat mit der „Alster". — Sie wollte *
Armen. Da geschah es. Ich zog sie aus, Röcke und Hemd, nicht, dass ich mitfuhr nach Baden-Baden, wo sie noch zwei
alles nahm ich ihr weg. Sie rührte sich nicht. Und dann nahm T a g e bleiben sollte. So bat ich sie, flehte sie an, von dort noch
ich ihre süsse Unschuld — einmal zurückzukommen, auf einen T a g nur, auf ein paar Stunden.
Sie wehrte sich nicht, ihre Augen blieben geschlossen. Nur Schliesslich befahl ich es ihr in der Hypnose. Sie versprach es.
— O, ich fürchtete mich so vor ihrer Abreise. Dann war
ein kleiner Schrei drang aus ihren Lippen. Ein Schrei, wie ihn
ich allein, mit mir selbst, mit meinen — entsetzlichen Gedanken!
das Reh ausstiess, das meine Kugel einst traf im Kottenforste.
Der Eigene. — 81 — Augustheft 1899.
Der Eigene. Augusthelt 1899
Bis sieben Uhr morgens war ich bei ihr. Dann eilte ich — Dann sprang ich auf, aus dem Zimmer, nach Hause!
nach Hause, badete, kleidete mich um. U m neun Uhr fuhr sie, Und nun verlebte ich ein paar Stunden, o Lili, so fürchterlich,
ich brachte ihr Blumen zum Bahnhof. so entsetzlich weisst du, Lili, ich lernte da kennen,
„Auf "Wiederseh'n morgen abend!" rief sie. wie dem Mörder zu Mute ist, wenn ihm zum Bewusstsein kommt,
Dann war sie fort. Ich verabschiedete mich von dem Land- was er gethan! —
richter und seiner Frau, schlenderte durch die Strassen. Um zwei Uhr kam Charles. Ich bemerkte ihn erst, als er
U n d nun gleich fing es an. Es kletterte mir die Brust hinauf, mir die Hände auf die Schultern legte.
schnürte mir die Kehle zu. Es krampfte sich mit glühenden „Komm' mit," sagte er, „wir wollen ausfahren."
Fingern in meinem Hirn und liess mir die Augen in den I löhlen Er schleppte mich förmlich hinaus. Den Nachmittag nahm
brennen. Es quälte, marterte mich unglaublich. er mich aufs Land, den Abend irgendwo ins Tingeltangel, dann
„Mein Gott! mein Gott!" in die Kneipe.
Ich versuchte mich zu beruhigen. — „Pah — du — und Kein Wort sprach er ,davon'.
Gewissen!"
Er brachte mich nach Hause, blieb, bis ich zu Bette ging-
Aber es ging nicht.
Dann gab er mir ein starkes Schlafpulver. Ging erst, als ich
Ich musste jemand haben, der mich vor mir selbst in Schutz
schon eingeschlafen.
nahm. Ich sprang in die nächste Droschke, fuhr zu Charles.
Als ich aufwachte, sass er auf meinem Bett.
Der Spezi war zu Hause, Gott sei Dank! — Er lag noch
im Uett; ich setzte mich auf die Kante. „Endlich!" rief er, „ich warte schon eine geschlagene Stunde,
„Nun, Junge," rief er mich an, „du siehst ja gottsjämmerlich ob du aufwachen willst! Höre," fuhr er fort, „ich hab' mir die
Geschichte überlegt, für dich giebt's nur ein Mittel! Heute abend
a u s ! W a s ist denn los?"
kommt sie zurück, sagst du? — Also gehe hin und sage ihr alles!"
„ W e r d ' dir's schon sagen, Spezi, lass mich nur! — Du
weisst doch, dass ich sie liebe?" Ich bebte zurück vor diesem Gedanken, Aber ich fühlte,
„Wen denn?" dass er recht hatte.
„Schafskopf! — Palomita!" „Willst du es thun?" fragte er.
„Hm — ja, — es scheint so!" Ich versprach es ihm.
„Und du weisst auch, dass sie mich liebt?" — Um sechs Uhr war ich in der Schlossstrasse; sie war
„Hm — ja — schon möglich!" schon zurück und empfing mich mit heissen, glühenden Küssen;
U n d nun erzählte ich ihm alles, alles, keinen kleinen Um- kaum konnte ich mich losmachen aus ihren Umarmungen.
stand verschwieg ich ihm. Sagte, wie ich sie hypnotisierte; wie „-Palomita, lass mich, ich muss dir was sagen!"
ich sie im Schlafe verführte; wie ich Nacht für Nacht bei ihr . „So sprich!"
gewesen. Aber es ging nicht. Ich lief wie verrückt im Zimmer herum,
Als ich zu Ende war, stierte ich ihn an. Es war mir, als ich konnte es nicht sagen, konnte nicht. Meine Hände zitterten,
müsste mir von ihm mein Urteilsspruch kommen. wühlten in den Taschen herum. Auf dem Schreibtisch lag ein
E r räusperte sich. D a n n — langsam — : „Darauf steht — Brief, ich nahm ihn, riss ihn in viele Fetzen, steckte sie in die
Zuchthaus!" Tasche. Nahm Bleistifte, Federhalter — brach alles in kleine
„Pah — Zuchthaus — das schert mich den Teufel! Aber Stücke.
eins hast du vergessen, Spezi, ich tliat das alles, und ich — Palomita trat zu mir:
liebe sie! Und deshalb steht darauf— für mich — Wahnsinn!" „Mein lieber Junge!"
Der Eigene. - 82 - Augustholt 1899. Der Eigene. — 83 - Augustheft 1899.
Die Thränen stürzten mir aus den Augen, sie küsste sie nichts gemerkt haben; Hanns ging erst um sieben U h r fort
von der Wange weg, einzeln, Thräne für Thräne. Als sie auch und dabei knarrte die eine Treppenstufe noch so grässlich!
meinen M u n d küssen wollte, stiess ich sie weg. Wenn ich jetzt weggehe, Klärchen, so behalte mich nicht
„Lass mich, du weisst nicht, wen du küsst! -*— Lass mich — in zu schlechtem Andenken. Du hast mir ja so treu geholfen,
ich will dir's sagen alles!" wenn du mich auch oft genug ausschimpftest, Klärchen! Sieh',
Und ich erzählte ihr, was ich gethan, mit zusammen- ich war ja bodenlos leichtsinnig und habe mein Mädchentum
gebissenen Lippen, die Augen auf dem Boden. und meine Jugend verschenkt für das kurze Glück weniger
Ich war fertig, aber ich wagte nicht, sie anzusehen. Wochen! Aber ich liebte ihn doch so grenzenlos, so unaus-
Schliesslich hob ich doch den Blick — sprechlich! — Sei nicht allzu böse, liebes Klärchen!
Und da sah ich auf ihren Lippen ein Lächeln, so seltsam, Bis morgen Abend
so wunderlich — — oh, ein Lächeln — so teuflisch — so
Deine Palomita.
kokottenhaft —
p . s. Wenn du Hanns siehst, so küsse seine lieben A u g e n !
Keine Sekunde blieb ich im Zimmer. Sie rief mir nach:
„Hanns! Liebster! Hanns!", aber ich achtete es kaum. „Sie hat dich sehr geliebt!" sagte der Spezi.
Zu Hause erwartete mich Charles. Ich weiss nicht, was ich sagte.
„Nun?" fragte er.
„Ich that alles, wie du gewollt, sagte ihr alles, alles! Als
ich zu Ende war — — — lächelte sie!" — — — — L e b ' wohl, Lili!
„Und — ?" Hanns Heinz Ewers.

„Sie lächelte, sag' ich dir! — U n d in diesem Lächeln sagte


sie mir, dass sie alles gewusst, dass sie mich betrogen, so infam
belogen und betrogen, wie nie ein Weib einen Mann betrogen hat!!"
Ich ballte die Fäuste in den Taschen . . . — D a zog ich
einen Papierfetzen heraus; las darauf ihre Schrift. — Ich setzte
mich hin und legte sorgsam die Fetzen zusammen, Kouvert und
Bogen.
Es war ein Brief Palomitas an Frau Klara, den sie von
Baden-Baden gestern abend geschrieben.
„Du sollst mitlesen, Spezi."
Wir lasen:
Liebes Klärchen,
ich muss dir rasch eine freudige
Mitteilung machen. E s ist endlich d a ! Als ich heute morgen
T a n t e und Onkel eben begrüsst hatte und so rasch dieTreppen
hinauflief, fühlte ich plötzlich einen heftigen Schmerz. Auf
meinem Zimmer bemerkte ich, dass ich ganz voll Blut war.
So sind die Befürchtungen der letzten acht T a g e gottlob
unnütz gewesen! — Hoffentlich wird heute morgen dein Mann

Der Eigeno. — 84 - Augustheft 1809.


Der Eigene. - 85 - Aujustheft 1899.
NONNENMESSE.
Evangelium am 27. Sonntag nach Trinitatis.

Glockengeläute . . .
Jetzt gehen sie beten.
Verschlafen treten
die thörichten Bräute
Durchs hohe Portal,
Um Gnade zu betteln.
vor Gottes Thüren -—.
G a b er euch Kraft,
sie zu verzetteln
In trotzigen Schwüren? —
Wahrlich ich sage euch:
D e r Gott, der euch erschafft,
ist Liebe!
Derselbe Gott, der euch bethört
zu Liebe!
Derselbe Gott, der euch zerstört
in Liebe!
Liebet!
so habt ihr Gott.
Liebet!
so hat euch Gott.
Liebt diesen Gott!
doch bettelt nicht:
E r g a b euch alles!
W u c h e r t mit seinem Schatz! —
. . Ihr sollt ihn nicht verstecken
In schweren Kutten und in engen Röcken.
Soll sich für euch der Gott noch regen,
So geht mit vollen L a m p e n ihm entgegen!
*J^
<*$*~hs
Theodor Etzel.

Der Eigene. — 86 — Anguatheft 1899.


Herodot (Buch II cap. /8), dass in Ägypten bei der Tafel die Figur eines
skelettartigen Menschen herumgereicht wurde. Das bedeutete a b e r : „Iss, trink'
und unterhalt' dich, denn wenn du stirbst, so bist du diesem Abbild ähnlich."
Echt die Auffassung eines Sinnesepikureers. Nirgend weisen die ersten zwölf
Jahrhunderte nach Christi den Tod als Knochenmann auf. Auch die anatomische
Unkenntnis des innern Baues des Menschen bis dahin hat wohl dazu beigetragen.
Erst die Gnostiker, jene eigentümlichen Sekten, die sich das Recht nahmen,
in allerlei Sächelchen Dinge hineinzudeuten, die andere unmöglich aus ihnen
R E I G E N DER T O T E N T A N Z E . herausfinden konnten, gaben eine skelettförmige Darstellung des Todes. Aber
ihre Ausdehnung und ihr Einlluss war doch zu gering, als dass sie dieser Auf-
JL O D ! Ein W o r t , kurz und k n a p p , scharf und gewaltig, wie ein fassung des Todes hätten Geltung verschaffen können. D a s „Popularisieren 1 '
furchtbarer aufschreiender Donner nach einem gieren Blitz, der gezündet hat. — wenn man so will — blieb erst einem Orden vorbehalten, der sich um das
Tod. Das ewige ragende Fragezeichen des Wesens, Lebens, Seins. Zuletzt — dreizehnte Jahrhundert bildete und sich die „Heiligen P a u l u s - E r e m i t e n " oder
über a l l e m : Tod. Kein Gaukelspiel einer einzelnen bauenden Phantasie. — „Brüder des Todes" nannte. Seine Mönche trugen auf ihren Gewändern
Ein Dasein. Aber wesenlos. Jedem fühlbar — keinem sichtbar. Mehr als Abbildungen von Totenköpfen und Gebeinen, und die gemeinsamen Tafeln
geahnte Überkraft, weniger als bewusste knechtende Allmacht . . . schmückten Menschenschädel, welche an die blitzartige Vergänglichkeit alles
* * Irdischen gemahnen sollten. Der Orden wurde im siebzehnten Jahrhundert
von Urban VIII. aufgehoben.
Die Menschen lebten. Lebten lustig — traurig. Sie bildeten in Gruppen Anfang des vierzehnten Jahrhunderts entstand der T r i u m p h d e s T o d e s .
Kreise, die durch Familien-, Verwnndtschafts- und Freundesbeziehungen ge- Jenes Werk, welches man lange Zeit dem florentinischen Meister A n d r e a
schlossen wurden. Da kam in die und jene dieser Gemeinschaften Einer. C i o n e — nach seinem Tode gewöhnlich O r c a g n a genannt — zugeschrieben
Einer — der keiner war. ü a war er. — Ein geliebter Mensch wurde gewaltsam hatte. Das Bild, welches in seiner etwas zerrissenen Komposition verwirrend
aus einem Zirkel herausgerissen. Rücksichtslos. Unbarmherzig. — Kr starb. wirkt, h a t einen hohen sittlichen Gehalt. — Ein Fürst m a g gemordet sein.
Jeder fühlte: da war Einer gewesen, hatte mit frecher Hand die Kette ihres Sein früheres Weib hat den elenden Verräter jenes Mannes geheiratet. Um
freudigen Lebens durchschlagen. Der Verstorbene machte oft schreckliche den Schein im Volke zu wahren, entschliesst man sich, mit grossem Gefolge
Wandlungen des Ausseren durch. Die Gesichtsfarbe verblasste ins Gelblich- die Gräber des Entschlafenen und seiner Vorfahren zu besuchen. Eine Leiche
weisse, die Augen sanken tief in die Höhlen zurück. Spitz traten Kinn, ist schon bis aufs Gerippe ausgefressen worden. Schlangen winden sich aus
Backenknochen und Schläfen hervor. Etwas Grinsendes, Höhnisches legte sich den Totentruhen heraus. Entsetzt richtet der Feigling die starren Augen auf
in die Züge. Die Haut schlaffte sich über dem Brustkorb, den Hand- und dies Werk der Zerstörung — auf den Triumph des Todes . . . Abseits steht
Beinknochen, legte sich an Rippen und Glieder schlaff an, da die Fettschicht ein Eremit; er hält dem Kaiser die Beichttafeln hin und fordert auf, Busse
geschwunden war. Schaurig sahen die Lebenden den fürchterlichen Verfall zu thun. Den oberen linken Teil des Gemäldes nimmt eine Einsiedelei mit
ihres toten Genossen. Das, was da ausgestreckt auf der Bahre lag, hatte stillem Winkelfrieden ein. Verschlafen träumt eine kleine Kapelle, frommes
nichts Lebendiges mehr in sich, nichts von Lebendem mehr an sich, war tot — Getier belebt die Gegend. Hier wird der Tod ein lieber Gast sein. Auch den
war ihnen d e r Tod. Lahmen, Blinden, Krüppeln, Greisen wird seine Einkehr Erlösung bedeuten.
So kamen Künstler und Bildner darauf, d e n Tod als abgemagerten Nicht so in dem Kreise junger, anmutiger, liebreizender, lebenslustiger Frauen,
zerfallenen Menschen darzustellen. Aber den Uranfang, die dumpfe Gewalt die sich durch Lautenspiel zu ergötzen trachten. Da schwebt das alte, häss-
des Todes sinnlich und bildlich zu verkörpern, bedeutet das nicht. liche, beflügelte Weib, welches wir oben bereits kennen lernten, heran und
Wir bewahren aus dem Altertum Vasen auf, deren Umschmuck — be- schwingt die Sense. Der nächste Augenblick wird in die fröhliche Runde
flügeltes Weib — unzweifelhaft das grosse Ende — den T o d symbolisieren. bitteren Schmerz bringen. Den Himmelsraum des Bildes bevölkern viele Höllen-
Die Lemuren der Römer, der Germanen Walküren, die Erinnyen, Harpyien, geister, Teufelchen mit lüsternen Tiger- und Geierfratzen, langen Piken mit
Sirenen, die Nemesis, der Hades — früher persönlich, später örtlich auf- Widerhaken und Fledermausfiügeln, Friedensgestalten, Engel mit weissen Tauben-
gefasst — das Toten- oder Höllenpferd, welches sich zuweilen in einen Adler fittichen und Stangen, an deren Enden sich Kreuze befinden. Hier zwängen
oder Delphin verwandelt, bedeuten immer im letzten Sinn eine Allegorie der Teufel nackte Menschlein in offene Flammengräber, da streiten Engel und Geist
furchtbaren unbekannten Macht, die schliesslich alles zermürbt. Auch die Vor- um die Herrschaft über ein Seelchen. Lustig tragen Bediente Beelzebubs an
stellung der Schicksalsfrauen Holda, Behrta, Abundia gehört hierzu. Den Tod den Füssen zusammengeschnürte Körper in Händen und angereiht auf ihren
als S k e l e t t aufgefasst, suchen wir zu jener Zeit vergeblich. Zwar erzählt Spiessen zur Hölle. Auf einem Haufen geschichtet liegen wie ruhend König

Der Eigene. - 88 — Jlugustheft 1899. Der Eigene. 89 - Augustheft 1899.


Bischof, Arzt, Hirt, Nonne zum Zeichen, dass der Todesschlaf alle Standes- scheinen — und drittens ist über diesen Gegenstand — als F o r s c h u n g s -
unterschiede ausgleicht. Das Werk, in seiner Gesamtheit betrachtet, ist wohl gebiet — eine ungeheure eingehende Litteratur geschaffen worden; ich erinnere
angethan, dem naiven Volkssinn den Triumph des Todes zu verdeutlichen. nur an die bekanntesten Bücher von Massniann, Wackernagel und Seelmann.
Die Neigung, sich durch Bilder des Todes, nach einer Seite, auf das Um einen Begriff dieser gemalten Totentänze in Kirchen und Klöstern
schnelle Vergehen und Verblühen des Lebens aufmerksam zu machen, nach zu geben, will ich mich mit einem Hauptvertreter dieser Gattung beschäftigen,
der andern Seite, sich zu vergegenwärtigen, dass man die Genüsse des kurzen der uns besonders interessieren wird: ich meine den in der B e r l i n e r M a r i e n -
Seins voll auskosten müsse, hatte weitere und weitere Verbreitung gefunden. k i r c h e . Um so mehr, als dieses Kunstwerk lange Zeit hindurch unsern Blicken
S o weite, dass man bei feierlichen Gelegenheiten sogenannte „ T o t e n t ä n z e " durch Tünche entzogen war, die wenigstens das Gute im Gefolge gehabt hat, dass
veranstaltete, d. h. Schauspiele, in welchen den Zuschauern eine Dichtung vor- die Bilder vor schlechten und verschlechternden Restauratoren verschont geblieben
geführt wurde mit vielen Hundert Mitwirkender, deren Einer als Acteur d e n sind und uns so fast noch in ihren Originalfassungen überliefert worden sind,
T o d vorstellte. — Ein Fest dieser Art, von welchem wir Nachricht haben, hat was sich von ähnlichen Werken in anderen Städten nicht gerade behaupten lässt.
1453 in Besancon stattgefunden. Auch in Brügge hat das Jahr 1449 einen Im Jahr 1860 gelang es dem Oberbaurat S t ü l e r , das Gemälde an der
solchen T a n z (Danse Macabre) gesehen. — Es scheint natürlich, dass Künstler Wand des Turmes der Marienkirche zu entdecken. Nach jahrhundertelanger
Gefallen an solchen Spielen fanden und sie bildlich festzuhalten versuchten. Versunkenheit unter der alles verschlingenden kalten Tünche, wusste er den
S o entstand der erste Totentanz im Minoritenkloster aux Innocents. Es ist Cyklus wieder an das Licht zu fördern. Weshalb und durch wen das Bild
diese Bilderreihe die älteste ihrer Art, welche wir kennen. Zwar glaubten den Blicken der Menge entzogen worden, ist nicht mit Sicherheit festzustellen
w i r bisher, dass in Kleinbasel das Jahr 1312 schon einen solchen Cvklus her- gewesen. Anzunehmen ist jedoch, dass das siebzehnte Jahrhundert die Hand
vorgebracht hätte. D a s hat jedoch B u r c k h a r t - B i e d e r m a n n als falsch be- zur Zerstörung ganzer Kunstwerke und zu Verschleierungen derselben geboten
wiesen, indem man irrtümlich die Jahreszahl 1512 für 1812 gelesen hatte. hat, vielleicht in allzu fanatischem Eifer, Neuem, Kommendem die Wege zu
Es kann im engen Rahmen dieses Büchelchens, das nicht l e h r e n , nur bahnen. Über den Erschaffer des Werkes fehlt, wie bei so vielen Schöpfungen,
anregen will, natürlich nicht meine Aufgabe sein, die geschichtliche Ent- jeder Anhalt. Sogar über den Baupunkt der K i r c h e selbst schwebt einiges
wickehmg des Totentanzes in allen bekannten Punkten festzulegen. Ich muss Dunkel. Erst das J a h r 1294 hinterlässt uns eine Urkunde, aus deren Inhalt
mich vielmehr beschränken, die Hauptgrundzüge zu skizzieren. Wer eine wir auf das Vorhandensein der Marienkirche schliessen können. Sie war zu jener
F o r s c h e r a r b e i t über das Thema lesen will, dem empfehle ich: „Alexander Zeit völlig anders eingerichtet als heute und hat viele Veränderungen, Ver-
G o e t t e ; Holbeins Totentanz und seine Vorbilder; in Strassburg bei K . J . Trübner, besserungen über sich ergehen lassen müssen. In unserer Geschichte ist sie
1897." Etwas engherzig ist der Verfasser gewesen, wenn er bei der Betrach- hinlänglich dadurch bekannt geworden, dass 1327 der Propst Nicolaus von
tung, dass erst Holbeins Totentanz in seiner Loslösung vom Textlichen den Bernau aus dem Schiff von einer blind erregten Menge hinausgetrieben wurde
W e r t des selbständigen Kunstwerks erstrebe, schrieb: „Dieses durch Holbein und in der Nähe des Haupteinganges jählings erschlagen wurde. Noch jetzt
erreichte Ziel ist der Höhepunkt und eigentliche Abschluss in der Entwickelung erinnert das Kreuz links vom Portal an jene Mordthat. Die Gemeinde wurde
des Totentanzes; es folgen nur noch N a c h a h m u n g e n mit sich stetig ab- mit ihrer Kirche in Acht und Bann gethan und erst endgültig im Jahr 1347
schwächendem Erfolg; und wenn unser Jahrhundert mit neuem Interesse diesen daraus befreit. Vom grossen Brande der Stadt Berlin (1380) wurde das Gottes-
Gegenstand verfolgt, so geschieht es nur noch in kultur- und kunsthistorischcr haus nicht verschont, sondern vollständig eingeäschert. 1405 schenkte ein
Richtung. Als lebendiges Zeugnis der Zeit gehört der Totentanz hauptsächlich Bischof, Johann von Lebus, der Kirche mehrere Reliquien, woraus zu ersehen
dem Mittelalter an." Nun, ich werde später klarzulegen versuchen, dass gerade ist, dass sie schon in den Hauptzügen wieder aufgeführt sein musste. Mitte
in den letzten fünfzig Jahren Künstler wie Geniessende „den Gegenstand als des fünfzehnten Jahrhunderts wurde dann wohl der Turm gebaut, so dass der
Zeugnis der Zeit" mit neuer Liebe und neuen Gedanken zu pflegen und zu Ausführung des Bildwerkes nichts mehr im Wege stand. Man veränderte
fördern trachteten. später Einiges an der Vorhalle und zerstörte dadurch leider teilweise etliche
A n dieser Stelle würde es sich — bei flüchtiger Betrachtung — viel- Figuren des Totentanzes. In dieser Turmhalle, welche, die nördliche Seite des
leicht nicht übel und ungelehrt ausnehmen, eine Chronik aller Totentänze in Hauses einnimmt, erstreckt sich, an der linken Innenseite des Hauptportals
K i r c h e n , Klöstern, auf Friedhofmauern, Glocken, Skulpturen, Altardecken, beginnend, sich bis zum Anfang des Schiffes, welches von unserm Raum durch
Teppichen, von denen wir Kunde haben, einzufügen. Ich könnte die circa eine Mauer getrennt ist, hinziehend, der ungefähr 23 Meter lange und gegen
sechzig Darstellungen dieser Art, welche bis jetzt bekannt geworden sind, in 2 Meter hohe Totentanz. Ziemlich hübsch vom Düsseldorfer F i s c h b a c h auf-
trockener Reihenfolge mit Angaben des Entstehungs-, Wiederauffindungs- und gefrischt, hat h e u t das Gemälde auf den Beschauer eine treffliche, ernste
Zerstörungsjahres u. m. hierhersetzen. Wirkung. Es geht ein leiser Zug künstlerischen Formengefühls durch die
Reihe, das bemüht ist, jeder einzelnen Gestalt ihre Prägung zu geben, Im
Erstens wäre eine solche Massnahme gegen Zweck und Charakter dieses
Gegensatz zur sonst üblichen puppenhaften und hölzernen Schabionisierung der
Werkchens gerichtet — zweitens würde sie dem Leser interesselos und ermüdend

Der Eigene. — 60 — Augustheft 1890. Der Eigene. - 91 - Augustheft 189».


Figuren. D a s giebt uns die Berechtigung, den Zeitpunkt der Entstehung dieses Originalfassung.
Tanzes nach 1450 anzunehmen, in welcher Epoche sich die Kunst bemühte, Hob }Um «flrjt.
vom Typischen zum Individuellen, vom blutlosen feststehenden zum kraftvoll Ijer boctor, meyfler in ber arfljebye,
aufbauenden und sich zerstörenden Leben zu gelangen. Die Bilderreihe stellt 3f tiebbe jn> rebe gbeefdjrt tuol bryge,
sich weniger als Tanz, denn mehr als Reigen dar. Und zwar die lebhaftere Hod; meyue 9Y l*Y&*r lenger to leueii
Bewegung sehen wir bei den Todesgestalten — halb skelett-, halb menschen- Dube willen ja) iiidjt tbti gäbe guten.
artigen Wesen. Die Personen aller Stände, welche mit den Todesgestalten £egge( wea) bat glaß mibe fdjeybet barixiii
— banal, aber immerhin charakterisierend gesagt — bunte Reihe bilden, gehen Dnbe feet, um wol if ia> uorbantjen Fanl
nur ungern, widerwillig in den aufgezwungenen Reigentakt ein.
Die Reihe zerfällt in zwei Teile. Sie wird durch eine Jesusgruppe mit
Maria und Johannes halbiert. Zur Linken die geistlichen Körperschaften, zur ©d; almedjtige gob, gef bit my HU ralb,,
Rechten die Vertreter des weltlichen Reiches. Jene Abteilung besteht aus lUente bat watet is utermateu quatl
vierzehn Personen, und auch diese würde sich wohl aus ebenso vielen zusammen- 2>t folbe a>ol iip bij abbeteFen gbait,
setzen, wenn nicht, wie bereits oben gesagt wurde, durch Umbau Bilder zer- [lUente ifj fie ben bot barbe cor Hin (tan;
stört worden wären. Die geistliche Hälfte wird durch einen von der Kanzel [Dar jegen] tpnffet Feyn frut in ben gatben.
herab über das Vergängliche predigenden Franziskaner eingeleitet. Am Fusse [Ejer 3t!*]f"> niolbeftu ninner warbeitl
des Verkündungsstuhles kauern zwei Fratzen mit Krallenpfoten, deren einer Wortgetreue Übersetzung.
sündige Weisen auf einem Dudelsack bläst, und welche den Teufel und seine Tod zum Arzt.
Verführungskünste symbolisieren sollen. Der Küster mit seinem Schlüsselbund Herr Doktor, Meister in der Arzenei,
eröffnet die Kette, ihm schliesst sich der Kapellan an. Es folgt der geistliche Ich habe euch bereits gefordert wohl drei (Mal).
Richter, dessen Würde durch sein rotes Gewand hervorgehoben wird. Nach-
Noch meinet ihr leider länger zu leben
einander kommen Augustiner, Prediger, Kirchherr, der Kalthäuser mit der
Und wollt euch nicht zu Gott begeben.
Kapuze über dem Kopf und der Doktor, welcher mit zu diesem Stande ge-
Leget weg das Glas und scheidet davon
rechnet wird und bedenklich sein Glas prüft, das Aufschluss über das Befinden
Und seht, wie wohl ich euch vortanzen kannl
eines zu untersuchenden kranken Menschen geben soll. Ahnungslos wird der
Arzt selbst zum Reigen des Todes abberufen. Mönch, Domherr, Abt, Bischof, Arzt.
Kardinal setzen die Reihe fort, welche mit dem höchsten Würdenträger, dem Acht allmächtiger Gott, gieb du mir nun Rat,
Papst, abschliesst, den der Tod höhnisch angreift, welcher hier als einzige Aus- Denn das Wasser ist ausser Maassen schlecht!
nahme ohne Grabtuch erscheint. Durch das Christusbild von jenem getrennt, Ich sollte wohl auf die Apotheke geh'n,
beginnt der Reihen der Weltlichen, welcher durch den Kaiser eingeleitet wird Denn ich seh' den Tod hart vor mir s t e h ' n ;
und sich in der Kaiserin, dem König, dem völlig geharnischten Herzog, dem Dagegen wächst kein Kraut in dem Garten.
Ritter, dem Wucherer mit der Geldtasche am Gürtel, Bürgermeister weiter- Herr Jesul wolltest du meiner warten!
spinnt. Es folgen Junker, Kaufmann, Handwerker und endlich ein mit plumpen
Holzschuhen angethanener Bauer. Den Beschluss bildet der Narr, dessen Füsse Als Szenerie ist für unsern Totentanz ein Wiesenplan angenommen, der
der Restaurator unglücklicherweise i n die Pauke, statt h i n t e r dieselbe gesetzt sich rm Hintergrunde in bewaldeten Höhenzügen verliert. —
hatte. D e m Architekten T h e o d o r P r ü f e r ist es zu danken, dass in einer Häufig findet man im Anschluss an Totentanzbilder oder als einzelne
späteren Ausbesserung dieser Irrtum seine Berichtigung fand. Zwischen den Darstellung: „ D i e F a b e l v o n d e n d r e i T o t e n u n d d e n d r e i L e b e n d e n . "
Versen des Bauern und Narren haben die der Schankwirtin Platz gefunden Immer drei Menschen, meist aus wohlhabendem Stande (Ritter, vornehme junge
welche Prüfer fälschlich dem Betrüger zuschrieb. An vielen Stellen ist der Männer), werden von drei Gespenstern Abgeschiedener angehalten und ein-
Text vollständig unentzifferbar geworden. Er ist so angeordnet, dass unter dringlich auf ihr ausgelassenes frivoles Leben aufmerksam gemacht. Es soll
dem Franziskaner als Einleitung vierzehn Zeilen, unter jeder anderen Person in diesen Legenden nicht die e i n g r e i f e n d e Macht des Todes, als vielmehr
ein G e m a h n e n an das Jenseits versinnbildlicht werden. —
zwölf Zeilen stehen, von denen immer je sechs der Mensch und je sechs der
Tod sprechen. Um auch hier eine Probe zu geben, setze ich den Vers des Waren zu Holbeins Lebzeiten (149/ —1543) Totentänze nichts Unbekanntes
Doktors im Urtext mit geringen Ergänzungen, dieselben sind durch [ | kenntlich und Fremdes mehr, so war er doch der Erste, welcher sich ans Werk machte,
gemacht, und in der Lesart von W. S e e l n i a n n (Jahrbuch des Vereins für einen Tanz in e i n z e l n e n Zeichnungen Tür den Holzschnitt zu liefern. Zwar
niederdeutsche Sprachforschung, 1895, XXI) hierher. wissen wir, dass bereits 1485 bei Guy Marchant in Paris eine Buchausgabe

Der Eigeno. — 93 — Aoguotheft 1899.


Der Eigene. - 93 — Augastheft 1899.
mit fünfzehn Holzschnitten erschien, die jedoch einen Totentanz in R e i g e n - 2s. Der Kaufmann. 33. Die Greßnn.
form zum Inhalt hatte. Der Pariser Verleger Anthoine Verard gab später 26. Der Krämer. 34. Die Edelfra-ui.
eine ähnliche heraus. Meistens handelt es sich um Kopieen nach vorhandenen 11. Der Schiffmann. 35. Die Azttszinn.
Gemälden, doch soll nach W. L. Schreiber auch das umgekehrte Verfahren 2S. Der Ackermann. 36. Die IVitnne.
stattgefunden haben. — Matthias Bienenvater (Apiarius), durch welchen als 29. Der Alt mann. 3 / . Dasz Alt iveyb.
Ersten sich die Segnungen der Buchdruckerkunst in Bern entfalteten, soll bereits 30. Die Keyferinn. 38. Dasz Jung hint.
im J a h r e 1525 des Nikolaus Manuel Totentanz an der Gartenmauer des Berner 31. Die Küniginn. 39. Dasz Jüngß gericht.
Dominikanerklosters — gedruckt haben. — 32. Die Uerlzoginn. 40. Die tuafen desz Thotsz.
Vielleicht hat der Holzschneider H a n s L ü t z e l b u r g e r — Freund Hol- 1526 starb Lützelburger, und die Holzschnitte, welche man in seinem
beins — einen Einfiuss auf die Fertigung der Bildchen ausgeübt, denn wir Nachlasse vorfand, erhielt der Buchdrucker M e l c h i o r T r e c h s e l in Lyon, der
• wissen, dass der Totentanz während des gemeinsamen Aufenthaltes der Freunde im Jahre 1538 in Gemeinschaft mit seinem Bruder C a s p a r die erste Heraus-
in Basel (1522—1526) entstanden ist. Aus v i e r z i g winzigen Blättchen von gabe des Holbeinschen Totentanzes in Buchform veranstaltete. Sie gaben dem
der Hand Holbeins, in Holz geschnitten in congenialer Weise von Lützelburger, Bande einen französischen Text bei, der aus Bibelstellen und Versen, die sich
setzte sich ursprünglich der Tanz zusammen. — In späteren Ausgaben finden auf den Tod beziehen, und frommen Betrachtungen bestand. Dieser Ausgabe
wir bis achtundfünfzig Bildchen; das erklärt sich daher, dass Lützelburger sind viele, viele — über hundert — gefolgt. Erwähnen will ich die Nach-
V o r Zeichnungen Holbeins als unfertige Holzschnitte hinterlassen hat, die von bildung des Druckes im Berliner Kupferstichkabinett; herausgegeben von
fremden Händen vollendet worden sind. Solche Nachbildungen stehen weit Friedrich Lippmann; bei Ernst Wasmuth, Berlin 18/8/79, und die Faksimile-
hinter den Originalen zurück. — In wahrhaft monumentaler Art wird hier Reproduktion der oben genannten ersten Ausgabe; bei Georg Hirth; München,
das unerwartete unabwendbare Eingreifen des Todes in alle Verhältnisse des 1884. Ausser dem grossen Totentanz hat Holbein ein Totentanzalphabet, und
Lebens geschildert. Aber mehr. In galliger Bitternis treffen die Bilder gleich einen Entwurf für eine Dolchscheide gezeichnet, denen dasselbe Motiv von
prasselnden Gcissclhieben die Kultur der Mitzeit eines 1 lolbcin. Was in diesen der Allgewalt des Todes zu (»runde liegt.
kleinen Zeichnungen an Ironie, Satire, Hohn, Verabscheuung aufgespeichert ist, Wenn Holbein in seinen Werken viele Arten und Situationen, in denen
das konnte nur der geniale Geist eines Schöpfers zusammentragen. Nichts der Tod sein einziges grausames „Ausl" brüllt, verewigt hat, so ist er doch an
wird verschont. Von allem wird der Vorhang fortgerissen: kirchlich, sozial der Schilderung eines Bildes vorübergegangen: — d i e P e s t . Im Jahre 1543
und politisch. Die besten Drucke, die wir vom Holbeinschen Totentanz schlich diese Buhlerin mit dem Todesodem an sein ärmliches elendes Lager
besitzen, sind die sogenannten „ P r o b e d r u c k e " , deren einen das Kupferstich- und vergiftete mit ihren fieberheissen Küssen den vergänglichen Körper des
kabinett zu Berlin aufbewahrt. Sie sind wahrscheinlich von Lützelburger unsterblichen Meisters und Malers — Holbein.
selbst abgezogen worden und tragen in Kursivschrift über jedem Bilde dessen Sein Zeitgenosse A l b r e c h t D ü r e r , welcher der Kulturepoche um 1500
' Erklärung. den unauslöschlichen Stempel seines genialischen Geistes an die Stirn geprägt
Ich verzichte darauf, eine Beschreibung der einzelnen Bilder dieses Tanzes hat, greift nicht sehr gern in seinen Blättern das düstere Thema auf. Bemerkens-
zu geben, da selbiger der Allgemeinheit hinreichend bekannt ist — dem Un- wert ist jedoch, dass einer seiner frühesten Kupferstiche — wenn nicht der
kundigen aber Gelegenheit geboten ist, in jeder grösseren Stadt in Kupferstich- früheste, jedenfalls schon vor 1497 entstanden — in seinem Gedankeninhalt
sammlungen, öffentlichen Bibliotheken das Werk kostenlos einzusehen. jenem Stoffgebiet entnommen w u r d e : D e r T o d m i t d e m W e i b e . Auf der
Die Bezeichnungen sind: Höhe seines Könnens, im Besitze einer bis zum äussersten Grade verfeinerten
1. Die schöfffung aller Ding. 13. Der Münch. TechniR,- setzt er seinen Griffel 1513 auf die Platte, um noch einmal mit den
2. Adam Eua im ParadyJS. 14. Der Artzet. Mächten jener Überwelt in seelische Verbindung zu treten. So entsteht sein
3. VJJiribung Ade Eue. 15. Der KeyJ~er. später weit und breit berühmt gewordener Stich: R i t t e r m i t T o d u n d
4. Adam baivgt die erden. 16. Der Künig. T e u f e l . Ein herrlich geschirrter Edler reitet, die Lanze auf der Schulter, in
5. Gcbeyn aller menschen. 17. Der Herzog. die Schlacht. Sein Begleiter, ebenfalls zu Ross, ist der T o d ; er hält jenem
6. Der Bapst. 18. Der Groß. die Sanduhr vor und mahnt, dass des Ritters Zeit bald abgelaufen sei. Der
bocksbeinige Teufel mit dem Stierschädel und der Pike folgt, um eine so
7- Der Cardinal. 19. Der Ritter.
kostbare Seele sofort nach der Katastrophe für sich zu erbeuten. — D e r Tod
8. Der Bischoff. 20. Der Edelmann.
ist auf diesem Blatt als alter Mann mit einer Schlangenkrone im Haar dar-
9. Der Thümhcrr. 2 1 . Der Ratszlicrr.
gestellt, während diese bei dem Tode in den a p o k a l y p t i s c h e n R e i t e r n
10. Der Aft. 22. Der Richter.
Dürers fehlt. Schon bei seinem Schüler B a r t h e i B e h a m finden wir den Tod,
11. Der Pharrherr. 23. Der Eürs/räch.
statt als G r e i s , als S k e l e t t dargestellt, wie uns das sein Blatt A d a m u n d
12. Der Predicant. 24. Der Rych mann.

Der Eigene. — 94 — Augustheft 1899. Der Eigene. _ 95 — Augustheft 1899.


E v a zeigt. Hier ist das Gerippe als Baum der Versuchung angenommen, um
den sich die Schlange, welche Eva den Apfel darreicht, windet. Es ist in
dem Stich ein ausgezeichneter tiefer Sinn enthalten, den dieser Meister der
Kleinkunst in grossmeisterlicher Weise zum Ausdruck gebracht hat. —
. . . Dann kamen Leute, die a u c h Totentänze bezw. Bilder des Todes
zeichneten, a u c h , wie jener Grösste auf diesem Gebiete, für den Ilolzstock,
a u c h als Persiflage von'Zeitgenössischem. Aber allen fehlte — Ursprüng-
lichkeit. . . . D a s waren meistens glatte und leere Nachahmungen des Einen —
des Grossen. Ging doch die Naivität dieser Künstler so weit, dass ein Herr
J. R. S c h e l l e n b u r g im Jahre 1/85 zu Winterthur einen Totentanz unter dem
Titel herausbrachte: „Freund Heins Erscheinungen; in H o l b e i n s e h er Manier!?*
Aber auch der bedeutende D a n i e l C h o d o w i c k i entwarf für den Lüneburger
Kalender vom Jahre 1792 zwölf Blatt Totentanz, die doch nicht im stände
waren, allgemein zu interessieren. Das blieb erst wieder einem viel späteren
Cyklus vorbehalten, der von einem geistreichen Schöpfer aus einer stürmischen
Epoche herausgeboren %vurde. — Es scheint also, dass Zeiten, deren Stagnation
durch einen gewaltsamen Umschwung gelöst werden muss, das erfolgreiche
Hervorbringen solcher Werke bevorzugen. Und wenn in unsern Tagen sich in
dieser Beziehung wieder Erscheinungen vom Hintergrunde deutlich abheben,
so haben wir die Erklärung, dass das Schaffen jedes Einzelnen von uns ein
Partikelchen der g e i s t i g e n Umwälzung bedeutet, die das Ende des neun-
zehnten Jahrhunderts in den Anfang des zwanzigsten hinüberleitet.
Der zeitlichen Hergehörigkeit wegen will ich das Gemälde P. v. C o r -
n e l i u s ' „ D i e a p o k a l y p t i s c h e n R e i t e r " erwähnen, das jedoch in der
Komposition .Dürers gleichnamiger Arbeit nahe verwandt erscheint, und
G; v. R o s e n s „ M a l e r s T o d " , in welchem der Künstler, der soeben ein Bild
vom Leben schaffen wollte, an seiner Staffelei vom Sensenmann abberufen wird.*)
- •;• Ferdinand Max Kurth.

JOSEPH SATTLER
DER W U R M S T I C H .

ZU KBRD. MAX K U R T H : REIGEN DER TOTENTÄNZE.


*) Im nächsten Heft folgt eine weitere Veröffentlichung.
D. H

Der Eigen». — 98 — Augustheft 181)9.


Von der Zukunft unseres Erkenntnisstrebens.
M o t t o : Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immerdar am schalen Zeuge klebt,
Mit gier'ger Hand nach Schätzen gräbt
Und froh ist, nenn er Regenwürmer findet!
Faust.

H aben wir eine Wissenschaft? — Ich bringe es nicht fertig die


Frage mit einem unbedingten Ja zu beantworten, so sehr ich
auch dadurch Gefahr laufe, tausend Köpfen vor die Stirn zu
stossen und mit dem consensus omnium in einen heiklen Konflikt
zu geraten. Also: Ja und Nein!
Wir sehen heute die volle Blüte dessen, was mir als die
Vorstufe derjenigen geistigen Bestrebung erscheint, die für nach-
kommende Geschlechter Wissenschaft heissen wird, aber diese Vor-
stufe ist für mich noch nicht die Höhe selbst! Das, was heute
allgemein Wissenschaft genannt wird, hat für mich und andere, denn
ich glaube damit nicht durchaus allein zu stehen, keineswegs die
hohe Bedeutung dessen, was man in zwei- bis dreihundert Jahren
vielleicht so nennen wird. —
Wir leben in einer Art Vorbereitungszeit, wo man anfängt,
die verfügbaren Kräfte zu überschauen, von allen Seiten Rohmaterial
herbei zu schleppen und die Werkzeuge zu prüfen. Leider ist man
aber noch in dem Wahn befangen, all dies Vorbereitende sei schon
die Arbeit selbst. Man nimmt für Wissenschaft und Kultur das
Chaos", aus dem Wissenschaft und Kultur erst werden sollen!
Was ich da ausspreche, sind kühne Behauptungen, geboren
aus einem Impulse, einem instinktiven Sich-Auflehnen gegen den
Kollektivgeist, der, mit einem Bilde aus der Chemie, vor lauter
Freude über die nützlichen Nebenprodukte die Beobachtung und
Leitung der Vorgänge ausser acht lässt, die das vielleicht praktisch
unnütze, wissenschaftlich aber hochinteressante und wertvolle Haupt-
produkt liefern sollen.
Stellen wir nun die Frage, was soll uns die Wissenschaft,
warum betreiben wir sie, was ist der Sinn dieses Strebens, so liegt
Der Eigene. — 99 — Aagustheft 1899.
die Antwort auf der Hand: „Sicherlich nicht das Streben selbst!" hat! Je nun, das werden Sie sich schon noch abgewöhnen! Werden
Denn das Hantieren mit Büchern und Instrumenten, der äusserliche Sie nur mal älter! Aber einstweilen, hier —"
Apparat, befriedigt wohl den Knaben und den Jüngling, von dem Und er langt eine neue Puppe.
sich der Mann dadurch unterscheidet, dass er sich Ziele setzt, die „Der da? — Nu, stellen Sie man Ihren aschgrauen Katheder-
er aus klaren Augen anschaut und auf die er mit starken Schritten Metaphysikus ruhig wieder in den Schrank! Wissen Sie, was
losgeht. Ihm ist der Apparat nur Mittel zum Zweck. — Heinrich Heine zu dem Fall meinte?
Und nun frage ich, sind sie Männer oder kleine Jungen, jene „Zu fragmentarisch ist Welt und Leben,
Ich. will mich zum deutschen Professor begeben.
Philologen, die mit textkritiscken Balgereien um Interpunktions- Der weiss das Leben zusammenzusetzen,
zeichen ihr Leben hinbringen? Sind sie in Wahrheit Männer der Und er macht ein verständlich System daraus,
Wissenschaft, jene traurigen Scharen von Spezialisten, die, auf eine Mit seinen Nachtmützen und Schlafrockfetzen
bestimmte Materie eingeschossen, in ihrem eugen Göpelwerke zwar Stopft er die Lücken des Weltenbaus!"
die zierlichsten Sprünge, die geistreichsten Kapriolen zu machen Seien Sie überzeugt, die H i n t e r weit ist noch lange nicht die
verstehen, aber nie, nie in ihrem ganzen langen Leben auch nur Überwelt!" —
ahnen, wozu sie eigentlich im Kreise herumlaufen, was die Mühle Nun wird der Spezialist wild und fängt an zu schimpfen:
mahlt, die sie betreiben helfen. „Ei Sie unwissenschaftlicher Kopf, Sie! So gehen Sie doch zum
„Aber ich bitte Sie," antwortet mir der wissenschaftliche Klein- Teufel! — Pardon, ich wollte sagen zum Pfaffen oder zum Künstler,
krämer, „verkennen Sie doch nicht unser ehrliches Bestreben! Bau- lassen Sie sich einen Fetisch anmessen, wenn Sie ohne das nicht
meister können doch nicht alle sein, und damit ein Haus zustande- existieren können, wenn Sie den Gedanken nicht zu tragen vermögen,
komme, bedarf es der Maurer und der Mörteljungen. Es ist die dass die absolute Erkenntnis eine Unmöglichkeit ist!" —
Aufgabe des Philosophen, die Einzel-Resultate, die unsere Arbeit Aha! — Schön, nun haben wir, gottlob, eine reinliche Scheidung
zu Tage wühlt, herzunehmen und daraus ein Gesamt-Eesultat zu der Parteien! Also: Hie Wissenschaft — hie Kunst! (Eeligion als
schweissen, ein System " deren im Absterben begriffene Vorform.)
„Ganz richtig! — Des Philosophen Aber bitte schön, Hie Wissen — hie Glaube,
^ zeigt mir ihn, dass ich ihn sehe von Angesicht zu Angesicht, vor Hie Leben — hie Geist,
ihm niederfalle und ihn anbete! Dieser??? — Bitte, das ist ein Hie Talent — hie Genie.
P s y c h o l o g , einer euresgleichen, ein Spezialist, ein Detailmensch, Der Unterschied wird wohl klar sein, die Kluft grell beleuchtet
ein Pontius Pilatus, der sich die Hände in der Milch seiner lauteren vor uns aufgähnen. Im folgenden wird versucht, sie mittels einer
Denkart wäscht und spricht: „Es giebt kein ,Ding an sich' und Hypothese zu überbrücken. Denn mehr als subjektive Ansicht wird
die Seele hat man sich nicht etwa als Atom einer immateriellen man auf diesem Gebiete erst dann geben können, wenn die Wissen-
Substanz zu denken, sondern sie ist aufzufassen als die Gesamtheit schaftler und die Künstler ausgestorben sind und an ihre Stelle eine
neue Form getreten ist, die Synthese aus beiden, der E r k e n n t n i s -
der psychischen Vorgänge, welche wir erstens " Herr! —
arbeiter. — — — — — — — — — — — —
, Was habe ich davon! Was hilft es mir, wenn ich Ihr Buch aus
der Hand lege, Iliren Hörsaal verlasse und mir nicht sagen kann: Spricht die moderne Wissenschaft zu ihrem Jünger: „Lieber
„So, nun w e i s s t du, nun bist du befriedigt, e r l ö s t , weil du Sohn, vom Transcendenten lässt sich nichts aussagen, bleiben wir
e r k a n n t hast!"" daher im Immanenten und entschlagen wir uns aller Metaphysik!
Mein Mitunterredner, der Spezialist, lächelt herablassend: „Ah, Unsere metaphysischen Bedürfnisse können wir ja, soweit wir über-
junger Mann, nun weiss ich, was Ihnen fehlt! Sie sind noch auf haupt noch mit dergleichen erblich belastet sind, so nebenher be-
jener Entwickelungsstufe, wo man metaphysische Bedürfnisse friedigen, wie jeder andere Biedermann. Wozu hat denn sonst der

Der Eigene. 101 — Auguatheft 1899.


Der Eigene. — 100 — Auguatheft 1899.
Staat seine metaphysischen Bedürfnisanstalten? So streben wir
klären u. s. f. Was s o l l t e sie nicht, das arme Mädchen für alles!
nach dem Geiste, ohne uns deshalb mit dem allein selig- und allein Diese schönen Zeiten waren in dem Augenblicke vorbei, als die
sattmachendeu Leben entzweien zu müssen. So sind wir Männer Franzosen ihr keckes „l'art pour l'art" in die Welt schleuderten.
der Wissenschaft und gute, verheiratete Staatsbürger zugleich! Nun war Kunst Lebensäusserung besonders gearteter Individuen,
Utile cum dulei! —" etwas, das sich ergab, Accidenz einer seltenen Persönlichkeit,
Spass bei Seite! — Unsere gepriesene moderne Wissenschaft zwecklos wie ein Vogellied im Walde. —
hat aufgehört, geistige Werte zu schaffen. Gerade wie Industrie Die Ansicht ist noch die herrschende, und mit Recht! Denn
und Technik, in deren Diensten sie steht, soweit sie Naturwissen- im Grunde hat der Satz „l'art pour l'art" solange Geltung, als das
schaft ist, schaift sie ein Moment m a t e r i e l l e r Kultur nach dem Romantische, Zweckfremde das Künstlerische ist, also immer und
andern, und so fest ich davon überzeugt bin, dass sie uns über kurz ewig! Kulturgewissenhaften Menschen jedoch, wie meiner Wenigkeit,
oder lang das lenkbare Luftschiff bescheren und eine Verbindung mag man es nicht verübeln, wenn uns gelüstet, ein wenig über den
mit dem Mars herstellen wird, so. fest ist anderseits meine Über- Thatbestand. d. h. die Werke, hinauszublicken in die Zukunft und
zeugung, dass uns die Wissenschaft in ihrer heutigen Form auch uns nach dem Wozu? zu fragen! Also: Wozu Kunst?
um keinen einzigen Schritt dem letzten Ziele alles menschlichen Meine Antwort: Zwecks Förderung der Erkenntnis.
Strebens näher bringen wird, der absoluten E r k e n n t n i s ! Den echten, unbewusst-schaffenden Künstler muss es seltsam
Das Problem aller Wissenschaft, das Problem xax" s£oy;J]v, das berühren, wenn er sich so kurzer Hand zum Erkenntnisarbeiter
Ideal, das uns immer und immer vor Augen sein muss, sobald wir daran proklamiert sieht. Ihm fehlt, wie das schmerzhafte Thätigkeits-
arbeiten, das Herrschgebiet des Menschengeistes zu erweitern, es geiuhl beim Schaffen, so auch die Frage nach dem Wozu desselben.
i s t d a s Problem der E x i s t e n z , trivial gefasst: die Frage Leben und Schaffen sind ihm eine Einheit, sein Wahlspruch ist
nach Gott! — stets das oben citierte „l'art pour l'art". —
Heisst es nun ein Problem lösen, wenn mau den Kopf vor Aber wie viele „echte", unbewusst-schaffende Künstler haben
ihm in den Sand steckt?? — wir denn heute noch?? Kleine die Menge, Grosse kaum ein paar.
Diese wunderliche Vogel - Straussneigung ist eine spezifisch Von Malern fällt mir gerade Arnold Böcklin ein.
moderne Errungenschaft. Plato und Paracelsus wussten noch, zu Ich behaupte: Der Künstler in seiner alten Bedeutung, der
welchem Endzweck sie philosophierten, der moderne Katheder- unbewusst-schaffende, naive, instinktsichere ist eine aussterbende
Philosoph Professor X. weiss es absolut nicht. Vielleicht meint er Form. Dafür grassiert am Ende dieses Jahrhunderts der Cerebral-
gar naiv: „Ei, wovon sollen denn Frau und Kinder leben, wenn artist und wird im Anfange des nächsten noch viel ärger grassieren.
nicht ich mich jahraus jahrein um die Weisheit bemühe!" Der Immer deutlicher wird es, die Welt läuft darauf hinaus, sich selbst
dogmatische Materialismus war die Schule, in der man unseren zu begreifen, sich von sich selbst zu erlösen und sich damit zu
modernen „Denkern" das metaphysische Bedürfnis abgewöhnte, vernichten. Denn die absolute Erkenntnis ist — nun? — der Tod? —
gründlich abgewöhnte! Es bleibt dann immer noch die Frage offen, was denn der Tod sei!
Lassen wir nun einstweilen die Wissenschaft keine Wissen- Vielleicht ein L e b e n , reicher, bunter, wunderbarer, als es
schaft sein, fragen wir, wie es mit der Kunst steht. Was Kunst unser armes Hirn träumen kann. — — — — — — — —
ist, beginnt man heutzutage allmählich zu verstehen, es hat lange Aber da kommt jemand mit einem Einwand: „Wie? Die
genug gedauert. Kunst absolute Erkenntnis anstrebend? — Das thut die Wissen-
Man hatte früher dogmatische Kunst, eine Kunst mit katego- schaft, und da das Ziel im Unendlichen liegt, so haben es die
rischen Imperativen: Die Kunst soll den Menschen veredeln, die Wissenschaftler nie im Auge und schreiben ihre Kompendien nicht
Kunst soll das Leben erheitern, die Kunst soll den Alltag ver- gerade sub specie aeternitatis. Der Künstler hingegen, einerlei ob
Dsr Eigene. — 102 — Augustheft 1899.
Der Eigene. — 103 — Augustheft 1899.
er zielstrebig ist oder nicht, giebt mit jedem seiner Werke die Zum Schlüsse sei nun meine Hypothese, meine subjektive
relative Erkenntnis, für jeden einzelnen Geniessenden die Befriedigung Ansicht, mein Glaube noch einmal klarer formuliert:
s e i n e s metaphysischen Bedürfnisses. Absolute Erkenntnis wird Aus Kunst und Wissenschaft wird mit der Zeit ein Drittes,
nur eine potenzierte Wissenschaft geben können!" eine rein geistige E r k . e n n t n i s a r b e i t . Ein Zweig der „Über-
Schon recht! Aber es hiesse denn doch die Idee des Fort- wissenschaft": Experimental-Metaphysik im weitesten Umfange! —
schrittes arg kränken und die Manen des seligen Darwin gröblich Zukünftige Zeiten werden sich b e w u s s t Kulturen schaffen, die
beleidigen, wollte man den Künstler für ewig und alle Zeiten von voraufgegangenen stets zur Synthese von neuen benützend. Der
jeder Evolution ausscliliessen! Sehen wir doch einmal im Einzelnen Erkenntnisarbeiter der Zukunft wird weder Wissenschaftler noch
zu: Wir haben eine „neue Richtung", d. h. ein, zwei grosse, Künstler sein. Sein Ziel: die absolute Erkenntnis. Sein Problem:
knorrige Individualitäten, junge, romantisch-stürmische Künstler- das Absolute, das „Ding an sich". Es werden sich wundervolle
seelen, Gebende, und neben diesen so und so viele Nehmende, Nebenprodukte bei seiner Denkarbeit ergeben, und für das L e b e n ,
kleinere, die von dem Grossen zehren, wie die Mücken vom toten die materielle Kultur werden nicht mehr nur Brosamen vom Tische
Löwen. Der Grosse giebt kein Werk, den grossen, groben Fels- des Geistes fallen wie jetzt, sondern es wird Manna regnen! Und
blöcken, die er mit Titanenfäusten losreisst, fehlt die Form, er, der fort und fort immer neue Evolutionen, neue und neue Synthesen,
schaffende Gott, der Romantiker, giebt n u r Inhalt, n u r Geist, nur dem uralt-grauen Zwiespalte zum Trotz, bis einst als Schlussglied
Edelmetall! Den Teufel kümmert er sich darum, wie die Zwerge einer endlosen Kette von Entwickelungsmomenten der E r k e n n er
legieren, hämmern und Münzen prägen! Das grosse, schaffende gezeugt ist.
Genie ist wie der Allgeist selbst, der sich zerteilt und hingiebt in Der wird dann Gott von Angesicht zu Angesicht schauen und
tausend und tausend ewig wechselnde Formen, deren Gesamtheit dann herniedersteigen und zur Menschheit sprechen. Und es wird
das Sein ausmachen. Nacht sein. Oder? — Vielleicht wird dann erst die Sonne auf-
Die Kleinen schaffen den Stil. Jeder Einzelne verarbeitet den
überkommenen Inhalt weiter, die Form wird immer klarer, immer
geeigneter, Form für alle zu werden. Es kommt der Vollender, der Der geistige Kleinkrämer erschauert. — Dann spuckt er mir
> „Klassiker", der Mann, der die Kunst versteht, gerade zur richtigen in Gedanken auf den Kopf und lächelt überlegen. Er geht ins
Zeit geboren zu werden, es kommt Johann Wolfgang von Goethe, stille Kämmerlein zu seinem Fetisch. Er zieht das Uhrwerk auf,
drückt dem Ganzen sein Siegel auf und spricht den Segen. Siehe das im Bauche des Ungeheuers versteckt ist, und siehe, der Götze
da, wir haben eine „Zeit", ein Molekül Kultur! — thuet das breite Maul auf und gelassen spricht er das grosse Wort
Die Frage ist nun, war Goethe umsonst da oder nicht? Giebt aus: „Zwei mal zwei ist vier!" Der Kleinkrämer freut sich darob
man mir zu, dass Goethe ein Glied in einer geistigen Evolutions- und geht beruhigt zu Bett.
kette ist, das einfach nicht fehlen könnte, nun gut, dann ist man *
von der Tendenz zum Fortschritt im Gebiete des Geistes überzeugt. Thema für eine Fortsetzung dieses Essays jedem strebsamen
Kann man sich nun nicht ganz gut einen „Übergoethe" denken, will jungen Manne zum Ausschlachten empfohlen:
sagen, den Vollender unserer neuromantischen Epoche, wie Goethe „Schopenhauer, Nietzsche, Strindberg"
die frühere Romantik vollendete? als Vorformen des Erkenners, als Vorbereiter der Einheit aus KunBt
Sträubt man sich noch vor dem Gedanken an eine „Über- und Wissenschaft.
kuust", eine „Überwissenschaft"? Man sträube sich oder nicht, Quellenangabe in Gnaden erlassen, falls mir der Betreffende
unsere Nachkommen werden beurteilen können, ob unsere Träume
etwas borgt!
Wahrträume waren. jHermann Esawein.
Der Eigene. — IM — Augustheft 1899. Der Eigene. — 105 — Augustheft 1899.
noch gar in so künstlerisch feiner im Gegenteil den reizenden, jugend-
Weise, mit solch innerer Wärme, in frischen Walter liebt, aber, von wohl-
eindringlich knapper und satter Sprache, meinender Blindheit gedrängt, sich mit
wie in diesen realistischen Novellen, der untadligen, nüchtern Schwester
so kann man sich nicht genug darüber desselben verlobt. Welche Qualen leidet
KUNST UND LEBEN. freuen. nicht dies sich selbst rätselhafte Herz!
LYRIK. Ein Klagelied der geknechteten Wer hat ihm denn, ein Befreier, ge-
C ä s a r Flanschten: Von Alltag Persönlichkeit in mannigfacher Ab- sagt, dass seine Liebe etwas Grosses.
möchte : — und schneide immer weiter
u n d S o n n e . Gedichte in Prosa. — wechselung ist „ E h r l o s " . Die ersten Schönes ist? Er fürchtet sich vor sich
auf und lese, lese, lese.
Rondos. Lieder. Mönchguter Skizzen- Skizzen sind eine Reihe schmerzlichster selber, er weiss nicht aus noch ein,
Wahrlich: ein solches Buch von
buch. Lotte, eine Lebensidylle. Morgen- Momentbilder. Ihr Grundton klingt bis die kalte Kugel, barmherziger als
zwangloser Feierlichkeit habe ich lange
wanderung. Preis Mk. 3. 50 Exemplare voller in „Betrogen" weiter, der Ge- die empfindsamen Menschen, ihn aus
nicht genossen. Alles, was das Buch
auf Yeddo-Japan. Mit acht besonderen schichte des jungen Weibes, das ganz, der Welt der abgezirkelten, sinnlosen
giebt, ist unendlich einfach und liegt
Kunstbeilagen auf altem weissenBütten. voll und offen leben will, die weder Zweckmässigkeit rettet.
so ganz abseits von raffinierter Be-
Preis Mk. 10. Verlag von F . Fontane durch gemeinen Eigennutz sich ihr Und der „Nebenbuhler Gottes" ? Es
scheidenheit. Darum ist es aber auch
& Co. Berlin \V. Anrecht auf das Leben ihres Leibes ist der Mensch! Es ist hier ein junger,
ein Buch für wenige. Dieses Buch in
verkürzen lassen will, noch durch schöner Römer, den seine Braut ver-
Hier habe ich ein Buch, über welches die breitere, sogenannte gebildete Be-
Heuchelei, durch Heimlichkeit ihre freie, lässt, um in den düsteren Katakomben
ich berichten soll. Ich nehme dies völkerung gebracht, würde ein jämmer- mutige T h a t ins Unrecht setzen mag. vor einem Leichnam am Kreuz sich
Buch und schneide auf und lese. Und liches Fiasko in bezug auf die Gemüts- Besonders anregend ist die dritte und mit sich das frohe, gesunde Leben
ich schneide weiter auf und ich lese tiefe und Empfänglichkeit dieser Erzählung „Verlobt", weil sie die zu martern. In prächtiger Sprache,
weiter. Und ich schneide und lese — Schichten ergeben. F.s würde sich geschlechtliche Sklaverei unserer Zeit mit warmem Abendglanz tritt vor uns
schneide: lese — schneide; lese . . . zeigen, welche Geschraubtheit sich in beleuchtet. Da ist dieser feinsinnige, die Welt der schönen Menschlichkeit,
immer weiter, iveiter. die Massen genistet hat und wie voll- scheue junge Mann, den nichts zur die vergangen ist und — wieder-
ständig das naive Empfinden — welches üblichen Weiberveneration treibt, der
D e n n es ist Sommerszeit; und kommen wird.
zum Kunstverständnis Vorbedingung
draussen ist es schwül und hier drin ist — durch verbildende Lektüre, durch Dr. E d u a r d von M a y e r .
ebenfalls. Aber trotzdem atme ich Irreleiten des Genussgefühles erstickt
Rosenduft und gehe lachendes Sonnen- ist. Die andern aber, welche in diesem
licht und spüre Feiertagsruhe und ein
Buche das finden, was eine reife N a t u r
Gefühl schlichtester Erbauung über-
erfreuen und begeistern kann, werden
k o m m t mich, dass ich die Hände falten
dem Dichter für seine Gabe danken.
Ferdinand Max Kurth.

NOVELLE.
E l i s a r von Kupffer: E h r l o s . wenigsten zur Einsicht, dass die Ge-
Novellen und Skizzen. — Verlag von sellschaft mit allem, was drum und
R. Ecksteins Nachf. Berlin 1898. dran, notwendig eine Herrschaft der
D a s s die Ehre — der soziale Wert Mittelmässigkeit ist und darum ver-
eines Menschen — ein wunderlich kümmern und verbannen muss, w a s
widerspruchsvolles Ding ist, wer will sich der breiten Heerstrasse des Ge-
das bezweifeln? Dass der anerkannte wohnten nicht fügt.
Sittlichkeitstarif seine argen Lücken Dank sei darum Dem, der aus-
h a t , w e r h ä t t e es nicht auch an sich spricht, was er im tief verwundeten
erfahren? Und doch kommen die Herzen miterlebt hat. Und geschieht's
DerEigene
- 106 - Augustheft 1899.
Der Eigene. — 107 — Augusthett 1899.
Notiz.
Die D e u t s c h e S h a k e s p e a r e - G e s e l l s c h a f t , die im Jahre 1864 in

i
Weimar gegründet wurde und sich seitdem durch ihre gediegenen Veröffent-
lichungen einen Weltruf erworben hat, bereitet eben den 85. Band ihres
Jahrbuches vor. Aus dem reichen Inhalte dieses Bandes, der von Professor
A. Brandl und Dr. Keller redigiert wird, ist als bemerkenswert hervor-
zuheben :
Ausgabe des verschollenen Dramas von Richard IL, das neben
w I
dem Shakespeareschen Stück gleichen Titels bestand; neue
Forschungen über Shakespeare und seine Zeitgenossen von Prof.
Koppel in Strassburg. Prof. Sarazin in Kiel, Prof. Schick in
JpPHL
München, Prof. Schröer in Freiburg, Prof. Stiefel in München, *i™i
Dr. v. Wurzbach in Wien u. a.; Berichte über die Shakespeare-
Leistungen der Bühnen, besonders der deutschen, im Jahre 1898;
Besprechung aller unser Wissen von Shakespeare fördernden Bücher
und Aufsätze des Jahres 1898.
an ttSBL
Das Jahrbuch ist im Laufe der Jahre zum Centrum der Shakespeare-
Studien in Deutschland geworden und daher das unentbehrlichste Organ
für jeden Shakespeare-Freund, -Darsteller und -Forscher. Die Mitglieder
der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft erhalten das Jahrbuch gegen Ent-
richtung des 10 M. betragenden Jahresbeitrages als Vereinspublikation porto-
frei geliefert. Der Eintritt in die Gesellschaft erfolgt ohne weiteres durch
Beitrittserklärung, zu deren Entgegennahme der Verlag des Jahrbuches, die
bekannte Langenscheidtsche Verlagsbuchhandlung (Prof. G. Langenscheidt),
Berlin SW. 46, befugt ist.

Der Bildschmuck
des ersten Heftes war von P a u l R a h d e n - W i e n , der des zweiten von
H a n s K u r t h - B e r l i n und J o h n J a c k Vrieslander-Düsseldorf. — Das
Gedicht „Der Freund" mit der Umrahmung von F i d u s auf Seite 87 dieser
Nummer ist dem von F . M. K u r t h herausgegebenen Cyclus „Dichtungen"
entnommen.

Die freiwilligen Unterstützungsbeiträge


die dem neuen Eigenen vor seinem Erscheinen zugingen, werden im
September-Hefte quittiert werden. — Der Kampf für unsere gute Sache er-
fordert Opfer. Möge darum jeder Freund derselben an seinem Platze thun,
was er vermag, und weder Widerwärtigkeiten noch Mühen scheuen, dem WMMM&
Eigenen und seinen Zielen neue Anhänger zu gewinnen. J e geschlossener
und grösser unser Kreis, je bewusster das Solidaritätsgefühl jedes Einzelnen,
um so sicherer unser Sieg!

Verantwortlicher Redakteur;
Adolf Brand-Neurahnsdorf.
Der Eigene. — 108 — Augusthelt 1899.
Moliz.
• • • ^ • ' • , • • Mitte Oktober erscheint: <J. ^
I'io l»"Mi t <.-h n S1i:i k«-«!|ir>HV("-'! P ü « l l p f l i : i Ct. d i - i m . I n l i t " | . ' ! i ! | i n
V.'ojntMi- s»"-i im.!>-l *yui<l" m i ' l s t - h i~'pil<lpni i l u r - l i i h i " ^ " d i " * _ ' " i i " i i VPI''"»IV-HI-
li.-|>Mtii--n - i n - n W e l i i M l
.l;i|il l ' l i ' l i ' " : v i -
«_''">V"t Ii*M! I w f . l i ' - t - i f d - l . p n il—n ;»."i. I!:in«l
A l i ' : i l - n i i « ' i . l i ' i i h l l ü i l t r illr':i"-' Ihnnl«":. d - t v n l'i •>!-••••••l
ibi"<;
LIEBLINGMINNE UND FREUNDESLIEBE
\ . I'unnll imil I »i-, K - I l " i rPiljVierr wild. i-:l ; I | K IMMIIOI l ; - t i « u P H h-i<."i-
•/HI,..I,»M :
IN DER WELTLITTERATUR * » 4 » « 4
/ \ i i " < j t i ' p i l " 1 ; v<->•-•ln.l)<"H'-n Mrjiiiü'S I M I l ü - l i i n . l I I . . dus IH-IMMI
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r.ilRillllliljl'll itl'-l Pli:ifc««ij>P!irf' l'll'l KCÜI».' / V ' i l u : - 1 l ' " : < : " l l vull I *»•« »f"
|. .'.|.|..| in Sl > - n w l i i t i j ; . l'i'oC. P'ii.i'/in in h i " l . lYol'. Sibi-I; in Eine Sammlung mit einer Einleitung
Muni-lir.ii. I'i-..l. S»'!|i">i-i- i n K|-i'il>nr<j. Pml". S l i - I - I in Müii-h-n,
l ' r . < Wni'<l>:>pli i n W i - n lt. :>.: P . - i i - h l p Rl»«-i- <|i- Kltn.bosp-.'iii'
ELISARION VON KUPFFER.
I 'MsfH|t.-»n i l " t l ! ' i l t i i " i i , l'Oc;t.|i(|pf5; d m d " i i l s " h » m . i m ,!;ihtp P-'!»'';
I!"f:|.i< " l i n n ; . :il|.'i IIIIPPI- Y V I ' W P I I voll Slnikir-'pcrii - l . ' m l p i t i ' l e n l ' i i - l n i
iu«l A n l s - H ^ " d-s- . I n l i r « ^ l^!W.
IVi<s . I f i l i r b n - h i-t i m l : m l " d " i . l ' i b i - r i n i t r c t i h i i n i »Im S n i p k - m . - p i p Kurzer Auszug des Inhaltes:
S'ii'|(°p?i in I'-iiK-hlfiml SHM-!»V(IPII n m l i?olmi il:"» m m n l lu-ln l i - l i - t - Orjj-tn
IUI j-.l-li p|.»l r"|T.MP-l i r n m l , I '•> I ?t " l l " l lllnl - I V i Kcll'T. I »!P M i'..I ii •ili'l Griechische Litteratur I'indar, Aeschylos, Sophokles, l'lato u. A.
•Im l>pnt*plii n W i n k - c p " I M - <!--.-<-|l.-.i-li'il> PI I m l l p i i d u - .Iciln l . u - l i - - - i - n I nl Römische „ Verj»il, Catull, Moraz u. A.
. i. I i l i t n . - .!.•:• 1*1 M. I • . > l i : i - r n . l - . i . t r . l n . - l . f i h ••".-'• : i l " \ " I r i n : | m l . l i l . : i l m n |...i |.. Persische , Malis, Sadi.
h o i • » • l i V i r t l . I V i l ' i n f i i l l in . I i " O-s-lls-rbiiH «>i I, •lj-1 . , | , m . r . - i i , : dtn-h Arabische „ Hin Chaldun, A t T u h i , Könif; Motamid.
l ' . - i t i i l l — l l - l n n m ; ; . ••II . l " i - n l;n f. •(•... "ii|l.-i|ini" ili-i- \ m l - m d"M .IJI I,. I.n.-l,.--. d i - I leliräinche „ Köni^ David, Christus.
l . , . | : . , „ n l " l.pcg-iie-lioMi«:,.!,« V " i l ' i ! ; n l . i i " l i l n i i i i l l i i n - ( P u d ' . ( ! . I .rins.i-iicrli-i.il ). Spanische „ (Jarzilaso de la Vega. Zorilla.
p-,i;„ s\v. i,:. Urtvert i«i. lin-lische „ Shakespeare, Hyron, Swinburue u. A.
Italienische r Michel Angelo u. A.
I »»r Dil<lsoltitiuc!t Kranzösische „ Montaigne, I'ierre Loti, Paul Verlaine u. A.
rl-<! <-n-l"n l| ( >||-.: r.Mi i m . l'nul I ! n Ii .1 - n W i - n . dm i|r« --••.-, r i l r n vmi Russische „ Michael von Lermontoff u. A.
I h . n n IC n i I Ii lirilin niil .Ich« .Inek Vr i f s l u n d pi H ü UI>M>-IT. (>:i'i Deutsche „ Goethe, Schiller, Hölderlin, Friedrich der Grosse,
<!p.IMir . . l i m l i p n n . 1 1 |uif i l " i I'Mi. nl|i.Mlli!T von l ' l ' . l n s : ' " ! H i ' i l - S | i|i(-.-i Graf Platen, Grillparzer, Winkelmanu, Lud « i g II.,
''"i •' i •> il'-m ','.ii F". M. K i n t l i lipiniiJ(r''.C"''"'i"ii C v l n « ..l'i-liluii-i-ii' Adolf von Wilbrandt, Heinrich Kulthaupt u. A.
-n|n..mnmi|.

Diese Htterari.-<ch-kulturhistorische Sammlung wir.l nach rein wissenschaftlichen un.l künst-


TMo Ireiwilligen U i i t P i s t i U r i i i i g ^ l i ^ i h nß» lerischen Grundsätzen zusammengestellt; sie soll daher weder fromme noch uniroinme
<Ii- il-in n"n ( .'ii iM'-mirn vm <;oiii"ni l'',ic-li"in"ii 7ii^iii;^"ii. ;voi'l-n im Sensationen bringen. Die ausgewählten Stücke sind sinngetreu und unverfälscht übertragen
und zwar zum grossen Teile vom Herausgeber selber. Einzelnes ist dem deutschen Publikum
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noch ganz fremd. Jeder Gebildete, jeder Kenner der Antike, jeder Kunst- und Litteraturfreund,
l'..i<I-it < ' | . | p i . M."..-" . I M I I U H j n l r i - r i " i i n d i l n Q - l l i " n fn> p - i n " m !"l;il7c< l l u m , jeder Bücherliebhaber wird an dem Werke seine Freude haben. XJOCZDOOCTZTDOOCZZXXX
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Der Herausgebor veröllontlichto bisher: „Leben und Lieben" (E. Pierson). — „Ehrlos"
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(H. Eckstein Nachf.) — „Der Herr der Welt" (E. Ehering). OC"."XXX"V"xX<."~JOt<^DC
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