Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
RAINER MARTEN
Groß denken, groß irren?
Rasse, Volk und Geist: Bemerkungen zur politischen Philosophie Martin Heideggers
Originalbeitrag erschienen in:
Badische Zeitung 27. Jan. 1988 (= Nr. 21), S. 12 Groß denken, groß irren? Rasse, Volk und Geist: Bemerkungen zur politischen Philosophie Martin Heideggers ....... Nation ist gefragt, sondern die D Berichte und Besprechungen ZU I..../ Victor Farias' Heidegger-Buch ha- ben in diesem Blatt eine außerordent- Menschheit deutscher Nation. Die „edelsten Bestandteile unseres Volks- tums" gelten Hitler ganz selbstver- lich lebhafte Debatte ausgelöst. Kriti- ständlich als die „der ganzen Mensch- sche Stellungnahmen zum Beitrag des heit". Kraft, Blut, Rasse, Volk scheinen Freiburger Philosophen Rainer Marien zwar auf den ersten Blick biologische (Kulturseite vom 19./20. Dezember) ha- Kriterien bürgerlicher Selbstwert- ben wir kürzlich in reichlicher Zahl ab- schätzung zu sein, sind aber ihrer ideo- gedruckt. Hier erhält Marien Gelegen- logischen Wahrheit nach Kategorien heit zu einem Nachtrag. BZ des Geistes: In ihnen wird das neue all- gemein Menschheitsfähige angespro- chen, das vordem - aufklärerisch - in -Ein kurzer Nachtrag zum philoso- der Vernunft gesehen wurde. Kraft phischen Rassismus Martin Heideg- und Rasse als je eigene deutsche sind gers ist angezeigt, damit der Fall Hei- jetzt das wahrhaft Universelle, aus degger genau sein Fall bleibt und nicht dem all das, was anderen „eigen" ist, in einen Fall Farias umgemünzt wird. wesenhaft ausgeschlossen bleibt. Heidegger ist philosophischer Ras- Genau mit diesem ideologischen sist. Um das zu sein, muß er nicht not- Selbstverständnis des Nationalsozia- wendig von Rasse reden. Spätestens lismus geht Heidegger konform: 1933 seit dem Erscheinen des zweiten Bad und alle Zeit danach. In der Vorlesung des von Adolf Hitlers „Mein Kampf" des Sommersemesters 1933 führt er (1927) ist klar, daß es abendländisch in aus (erstmals bei Farias nachzulesen), der Übernahme des griechischen Gei- daß die nationalsozialistische deutsche stes um eine einzige wertvolle Rasse Revolution nicht zu vergeistigen sei, geht, die in der Gegenwart allein in ei- weil der Geist mit ihr bereits da ist. Es nem einzigen Volk ihre geistig-ge- gelte nur, aus der noch beschränkten schichtliche Wahrheit hat und haben Geltung dieses Geistes - in Ablösung kann: im deutschen. Hitler gebraucht der „sogenannten universellen Ver- in „Mein Kampf" Rasse und Volk nunft" - diesem deutschen Geist zu der arisch und deutsch gleichbedeutend. ihm geschichtlich bestimmten Univer- Von nicht zu überschätzender Bedeu- salität zu. verhelfen. Sobald die bürger- tung ist dabei, daß Hitler die rassische liehe Selbstwertschätzun g von und völkische Überlegenheit des Deut- und Volk als Ideologie des edelsten schen in seiner „geistigen Kraft" er- Geistes mit universellem Anspruch kennt, die allen nicht-deutschen Geist auftritt, werden Rasse und Volk pri- aussticht. Der Geist, wie er „im Blute" mär geistig und nicht mehr bloß biolo- liegt, kann zwar nur ein Volksgeist gisch verstanden. Freilich lebt der sein, ist aber als Geist notwendig ohne Deutsche, dem da auf vorzüglichste Grenzen. Der vollkommene und zur Weise die Gedanken von Volk und Herrschaft bestimmte Geist kann so- Blut, Erde und Sprache, Bodenständig- mit nur einer sein. keit und Verwurzelung zugeeignet werden, nicht vom Geist allein. Hei- Die geschichtliche Stunde degger in seiner Rektoratsrede (1933) wörtlich: „Die geistige Welt eines Vol- Das aber hat zur Konsequenz: Über- kes ist nicht der Überbau einer Kul- haupt nur ein Volk kann zu einer ge- tur ..., sondern sie ist die Macht der, schichtlichen Stunde ein geistiges, ge- tiefsten Bewahrung . seiner erd- und nauer: das geistige sein. Darum ver- bluthaften Kräfte." Der Geist, obwohl körpert auch das deutsche Volk nichts universell, gehört dem eigenen deut- weniger als die Menschheit. Nicht schen Blut, der eigenen deutschen Hei- mehr das Römische Reich deutscher mat. Die Deutschen verwalten in Heideg- und Sprechen aufzuheben, wie er es gers und auch schon in Hitlers Sicht einzigartig selbst versucht und ver- einzig den anfänglichen griechischen steht. Die unveröffentlichten Schriften Geist. Der geistlose Neger und der gei- Heideggers, die wir uns Anfang der stig wurzellöse Jude mit seiner „boden- 50er Jahre zu viert vorlasen, darunter losen Philosophie" haben für Heideg- die „Beiträge zur Philosophie" ger unmöglich Eigenes, das zur ge- (1936-38), werden bei Erscheinen die schichtlich-geistigen Existenz berech- Leitidee Heideggers, daß die geschicht- tigte. Diese Sicht zu revidieren, hätte liche Existenz eine philosophische, al- von ihm die Aufgabe seiner Seinsphi- lein dem deutschen Volkstum und der losophie verlangt. deutschen Sprache vorbehaltene sei, Heideggers Philosophieren entbehrt nicht korrigieren. Durch alle Schriften nicht der lebensgeschichtlichen hindurch geistert ihre Unsinnigkeit, Grundlage. Selbstbekennerisch gchlimmer noch: ihre Unmenschlich- schreibt er im Jahre 1921 an Löwith: keit. „Ich mache lediglich, was ich muß und Die „Bewegung" läutern? was ich für nötig halte, und mache es so, wie ich es kann - ich frisiere meine ' Besonders erschreckend ist das üb- philosophische Arbeit nicht auf Kul- rigens in den von beklemmender Un- turaufgaben für ein allgemeines Heu- einsichtigkeit gekennzeichneten Auf- te. Ich habe auch nicht die Tendenz zeichnungen Heideggers aus dem Jah- Kierkegaards. Ich arbeite aus meinem re 1945 nachzulesen, die er einem Sohn ,ich • bin' und meiner geistigen, über- als zu gegebeher Zeit zu veröffentli- haupt faktischen Herkunft. Mit dieser chende Selbstrechtfertigung seines na- Faktizität wütet das Existieren." tionalsozialistischen Engagements übergeben hat. Da ist zum Beispiel zu Meister im Werten lesen: „Aber die Frage darf doch ge- Nicht zuletzt dank dieser Existenz- stellt werden: Was wäre geschehen wut hat sich Heidegger als ein Meister und was wäre verhütet worden, wenn im Werten erwiesen. Ich meine damit um 1933 alle vermögenden Kräfte sich nicht seine Art, gerne mit eigenen Vor- aufgemacht hätten, um langsam in ge- urteilen in geselliger Runde aufzuwar- heimem Zusammenhalt die 'an die ten, um etwa die Kaiserstühler gegen- Macht gekommene ,Bewegung' zu läu- über den Schwarzwäldern abzuwerten. tern und zu mäßigen." Was aus der Es geht um sein - neues - philosophi- Sicht von 1945 seinen „Einsatz" für das Regime 1933 bedenklich macht, sind sches Werten. Die alte Wertphiloso- allein, wie wir an anderer Stelle dieser phie bedeutet ihm nur die „Vergötzung Aufzeichnungen lesen, die „Unzuläng- eines boden- und machtlosen Den- lichkeiten und Grobheiten" der „Bewe- kens" (Rektoratsrede), die Werte als gung". „Vorhandenes" vorstellt und damit ein Heidegger schätzt sich selbst für „Höchstmaß an Verwirrung und Ent- groß ein: „Wer groß denkt, muß groß ir- wurzelung" bezeugt (1935). Die neue ren" („Aus der Erfahrung des Den- und authentische deutsche Philoso- kens", 1954). Das besagt für ihn, daß phie verlangt als solche das Ursprüng- die anderen zu klein gedacht und klein liche und Bodenständige, das Hohe geirrt (sich im Dunkel der Seinsnacht und Große: Das deuts( he Dasein ist als nicht auf die wahre Spur gewagt) hät- einzigartig geistiges i in einzigartig ho- ten. Es ist ein Selbstlob, zugleich eine hes. Das hohe Sag :n und Denken Anklage ins Ungefähre, in nichts eine kann nur ein deutsches sein. Der gei- Entschuldigung. RAINER MARTEN stigen Höhe des Dei 4schen entspricht die Größe seiner ge ichichtlichen Exi- stenz und Bestimmung. Diese Größe hat Heidegger in den Hitler-Jahren an die Größe der natio- nalsozialistischen Bewegung gehängt. Doch die Hitler-Leute konnten seinem philosophischen Rassismus nicht fol- gen. Er sah sich gezwungen, die Größe der deutschen Bestimmung, wie sie in Sprache, Boden, Blut und Volkstum ih- ren Grund finde, ganz in das Denken
Mein, Dein UND Seyn: Christum ducem habere.: Die beiläufige Rezeption des Phänomenologen, Existentialanalytikers und Hermeneutikers Martin Heidegger im Werk von Joseph Ratzinger/ PP Benedikt XVI.
Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie: Kritik der Religion (Opium des Volkes) und die Kritik der Politik (Das Handeln der Klasse des Proletariats)