'Distanz' verweist auf ein Grundproblem aller sprachlichen Kommunikation wie auch der reflektierten Interpretation: Das was verstanden bzw. gedeutetwerden soll, ist zunachst fremd bzw. distanziert, und muss erst im Verstehens- bzw. Deutungsakt 'angeeignet' werden.
Wie schon der Philosoph Schleiermacher bemerkte, ist bei
· "Wettergespriichen" in der Regel keine Hermeneutik notig (die Differenz gleich Null). Am anderen Extrem ist keine Hermeneutik moglich, wo die Differenz unendlich wird: etwa bei einer AuBerung in einer mir vollig unbekannten Sprache. Hermeneutik findet demnach, einer beriihmten Formulierung von Hans-Georg Gadamer folgend, "zwi- sche-n Fremdheit und Vertrautheit" statt: "In diesem Zwi- schen ist der wahre Ort der Hermeneutik." In literaturwissenschaftHcher Sicht sind drei verschiedene Varianten der hermeneutischen Differenz von besonderem Bedeutung:
1. Die linguistische Differenz: Verstehen und Auslegung
setzen die Zugehorigkeit zur Sprachgemeinschaft der je- weiligen AuBerung bzw. die spezifische Sprachkompetenz voraus. Deshalb ist die Obersetzung von Werken in eine andere Sprache einerseits Voraussetzung der Interpretation, aber auch selbst schon ein interpretierender Akt.
2. Die historische Differenz: Sie gerlt oft als erste in den
Blick und bringt erhebliche Schwierigkeiten fur Textver- standnis und Interpretation: Jeder einmal fixierte Text altert unaufhaltsam - die historische Differenz zwischen ihm und dem (gegenwartigen) Ioterpreten wachst _also. Verst~ndnisschwierigkeiten entstehen in sprachlicher Hin- sicht (z.B. vcrnltete Worter und Ausdrucksformen, Bedeu- <>
tungsveranderungen) wie in sach/icher (z.:B. erklarungs-
bedOrftige Fakten , Namen, Zusanunenhltnge).
3. lnsbesondere fur die literaturwissenschaftliche :Henne-
neutik relevant ist die poetologisch/rhetorische Differenz: hierbei handelt es sich um die Tatsache, dass besonders I .
(aber nicht nur) dichterische Texte 'kilnstliche' Ausdrucks• i
formen, z.B. rhetorische Mitteln benutzen. Deren Funktion und Bedeutungspotential muss erkennen, wer den Text ver- stehen und angemessen :interpretieren wiJI.
Seit Hans-Georg Gadamer hat sich eine Auffassung du:rch-
gesetzt, den "Abstand der Zeit als eine positive und pro- duklive Moglichkeit des Verstehens" nutzbar zu machen und "immer auch [ .. } die geschichtliche Situation des ln- terpreten" zu reflektieren. Die Einsicht in diese historische I. Gebundenheit nicht nur des zu verstehenden Textes~ son- dem auch des jeweiligen Verstehens selbst offnet - Ga- darner zufolge - die Dimension der Wirkungsgeschichte.
"Es war einmal eine Zeit, da es noch Festungen zu erobern gab.": Melancholie als Disposition der Erkenntnis in den Werken Walter Benjamins und des späten Jean-Luc Godard
Deutsche Zeitschrift Für Philosophie Volume 60 Issue 5 2012 (Doi 10.1524/dzph.2012.0057) Vendrell Ferran, Íngrid Wille, Katrin - Form Und Inhalt. Möglichkeiten Der Briefform Für
CROATTO, J. Severino (1989), Die Bibel Gehört Den Armen. Perspektiven Einer Befreiungstheologischen Hermeneutik. Aus D. Span. Übers. Von Christoph SCHROEDER. München, Chr. Kaiser Verlag