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Enzo Mondello

finances
Theorie und Anwendungsbeispiele

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if nances

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Enzo Mondello

finances
Theorie und Anwendungsbeispiele

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Enzo Mondello
Risch, Schweiz

ISBN 978-3-658-13198-2 ISBN 978-3-658-13199-9 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-658-13199-9

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Vorwort

Die Finance bzw. die Finanzmar kttheorie befasst sich mit der Anlage und Beschaffung von
Kapital auf den Finanzmärkten. Sie hat als eigenständiges Fachgebiet ihren Ursprung in der
finanziellen Unternehmensführung (Corpor ate Finance), wo Fragen der Finanzierung und der
mit ihr verbundenen Investitionsents cheidungen betrachtet werden. Die Bedeu- tung der
Finance in der Kapitalanlage und somit in der Finanzanalyse sowie im Portfolio- und
Risikomanagement ist darauf zurückzuf ühren, dass an den Finanzmärkten große Ver- mögen
gemacht,aberauchvernichtetwerdenkönnen.Daheristeswichtig,dassdieMarktteilnehmerdie
fürdieAnlageentscheidungenerforderlichenfinanzmarkttheoreti-schenKonzeptekennenund
verstehen.

DasvorliegendeBuchdecktdieKonzeptederFinanceab,diefürdieKapitalanlagerelevant
sind.DabeibasiertdasBuchaufeinerReihevonGrundsätzen.1.Diefinanz-markttheoretischen
Konzeptewerdenverständlicherklärt,wobeinebenderTheorieauchdiepraktischeUmsetzung
gezeigtwird.2.DieFinance-Konzeptewerden,wannimmermöglich,ankonkretenBeispielen
desdeutschenunddesschweizerischenFinanzmarktsangewandt.Darüberhinausfindetsich
eineVielzahlvonAufgabenamEndederjewei-ligenKapitel,wasdenanwendungsorientierten
CharakterdesBuchesunterstreicht.3.DasBuchistweitestgehendmodularaufgebaut,sodass
derLeseraucheinzelneModel-lewieetwadasMarkowitz-Modell,dasCapitalAssetPricing
Model(CAPM)oderdasBlack/Scholes-Modellgezieltnachschlagenkann.

DieMotivationzumSchreibendiesesLehrbuchsistüberdieJahreimRahmenmeiner
langjährigenUnterrichtstätigkeitanUniversitäten,FachhochschulensowieindenVorbe-
reitungskursenzumCFA ®
(CharteredFinancialAnalyst)beiCfBSCenterforBusiness
Studiesentstanden.EsbereitetmirgroßeFreude,meinerarbeitetesWisseninderFinanz-
markttheorieinLehrbuchformzuübertragen.DasErgebnisdieserBestrebungenliegtinden
dreiBüchernFinance,AktienbewertungundPortfoliomanagementvor.

Das Buch richtet sich an Studierende der Wir tschaftswissenschaften, die sich in
den mittleren Semestern an Universitäten und Fachhochschulen befinden, an
Praktiker, die in den Bereichen Finanzanalyse und Portfoliomanagement arbeiten
oder eine solche beruf- liche Tätigkeit in der Finanzindustrie anstreben.
Gleichzeitig eignet sich das Lehrbuch für die Vorbereitung von Weiterbildungen,
die zur Zertifizierung von Finanzanalysten –wieCFA
®
oder Certified International Investment Analyst (CIIA® ) – und Finanzpla-
V
VI Vorwort

nern führen. Schließlich kann das vorliegende Werk auch in Weiterbildungslehrgängen an


Hochschuleneingesetztwerden.
DasBuchsetztgrundlegendeKenntnisseinMathematikundStatistikvoraus,diezum
BeispielineinemBachelorstudiumderWirtschaftswissenschaftenvermitteltwerden.Zielist
es,dasanwendungsorientierteVerständniszufördern.DennochistderEinsatzvonMathematik
fürdieBeschreibungderModelleerforderlich.SchließlichsolltebeimLeserauchein
elementaresVerständnisderWirtschaftswissenschaftenvorhandensein,umdievorgestellten
finanzmarkttheoretischenKonzepterichtigeinordnenundinihrerGesamt-heitverstehenzu
können.

DasLehrbuchsetztsichaussiebzehnKapitelnzusammen.JedesKapitelbestehtauseiner
Einleitung,demeigentlichenLehrinhalt,derZusammenfassung,denAufgabenso-wiedem
Literaturverzeichnis.DieLösungenzudenAufgabenbefindensichineinemseparatenBand.
DieindenAnwendungsbeispielenundAufgabenverwendetenAktien,Indizes,Anleihen,
Zinsen,WährungenundDerivatebeziehensichhauptsächlichaufdendeutschenundden
schweizerischenFinanzmarkt.

EsistmireingroßesAnliegen,alljenenzudanken,diemichbeiderErarbeitungund
VerfassungdesvorliegendenBuchesunterstützthaben.Insbesonderemöchteichmichfürdie
kritischeDurchsichtvonTeilendesManuskriptsunddieinteressantenFachdiskus-sionenbei
Dr.GeroldStuderbedanken.DarüberhinausgiltmeinbesondererDankdenzahlreichen
StudierendenmeinerLehrveranstaltungenanderUniversitätSt.Gallen,diemirwertvolle
Hinweisegegebenhaben.

Risch, im Juli 2017 Dr. Enzo Mondello


Inhaltsverzeichnis

Teil I Portfoliotheorie

1 Einführung in die Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3


1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Themenbereiche der Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.2 Portfoliotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.3 Bewertung von Finanzinstrumenten .... .... .... .... 6
1.2.4 Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.2.5 P o r t f o l i o m a n a g e m e n t ......................... 8
1.3 Zusammenfassung ................................ 9
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2 Rendite, Risiko und Markteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13


2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.2 Rendite ....................................... 13
2.2.1 Periodische Anlagerendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.2.2 Arithmetische Rendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.2.3 Geometrische Rendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.2.4 Geldgewichtete Rendite (Interner Zinsfuß) ............ 16
2.2.5 Reale Rendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2.6 Historische und erwartete Rendite ................. 21
2.3 Risiko ........................................ 22
2.3.1 Varianz und Standardabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.3.2 Downside-Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.3.3 Value at Risk .. .... .... .... .... .... .... .... 32
2.3.3.1 D e fi n i t i o n .......................... 32
2.3.3.2 B e r e c h n u n g ......................... 33
2.3.3.3 Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.4 We i t e r e Anlagecharakteristiken ........................ 40
2.4.1 Eigenschaften einer Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

VII
VIII Inhaltsverzeichnis

2.4.1.1 N o r m a l v e r t e i l u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.4.1.2 Schiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.4.1.3 K u r t o s i s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.4.2 M a r k t e i g e n s c h a f t e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.4.2.1 ....... 47
2.4.2.2 I n f o r m a t i o n s e f fi z i e n z d e r 51
Finanzmärkte Marktpreisanomalie n ...................
2.4.2.3 Behavioral Finance und Markteffizienz ........ 56
2.4.2.4 Marktliquidität und Handelskosten . . . . . . . . . . 57
2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

3 Optimales Portfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.2 Erwartete Rendite und Risiko einer risikobehafteten Anlage . . . . . . 70
3.3 Erwartete Rendite und Risiko eines Portfolios bestehend aus zwei
risikobehafteten Anlagen ............................ 74
3.4 Erwartete Rendite und Risiko eines Portfolios bestehend aus einer
Vielzahl von risikobehafteten Anlagen.................... 85
3.5 Strategische Asset-Allokation mit Corner-Portfolios . . . . . . . . . . . 93
3.6 Diversifikationseffekt von Long-Positionen . .... .... .... .... 96
3.7 Risikoaversion und optimales Portfolio ................... 100
3.7.1 E i n l e i t u n g ................................ 100
3.7.2 Das Konzept der Risikoaversion .................. 100
3.7.3 Nutzentheorie und Indifferenzkurven ............... 101
3.7.4 Das optimale risikobehaftete Portfolio .............. 109
3.8 Die risikolose Anlage: Kapitalallokationslinienmodell.......... 110
3.9 Kapitalallokation zwischen der risikobehafteten und der
risikolosen Anlage
....................................... 118
3.10 Homogene Erwartungen: Kapitalmarktlinienmodell ........... 123
3.11 Z u s a m m e n f a s s u n g ................................ 130
3.12 Aufgaben ..................................... 132
Literatur ........................................... 140

4 Einfaktormodelle .................................... 143


4.1 Einleitung ..................................... 143
4.2 Marktmodell ................................... 143
4.2.1 Konstruktion der Effizienzkurve mit historischen Daten.... 143
4.2.2 R e g r e s s i o n s g l e i c h u n g ......................... 146
4.2.3 Beispiel ................................. 151
4.2.4 Diversifikation von Long-Positionen ............... 158
4.2.5 Korrektur des Betas .......................... 161
Inhaltsverzeichnis IX

4.3 Instabilität der Effizienzkurve ......................... 162 Capital Asset


4.4 Pricing Model.......................... 167 4.4.1
Annahmen ............................... 168
4.4.2 Berechnung und Interpretation des Betas ............. 170
4.4.3 Die Wertpapiermarktlinie ...................... 176
4.4.4 Gleichgewichtsmodell ........................ 180
4.4.5 Empirische Relevanz des CAPM .................. 183
4.4.6 Auflösung der Annahmen ......................187
Performancemessung ......................... 190 4.4.7
4.5 Zusammenfassu ng ................................ 194
4.6 Aufgaben ..................................... 197
Literatur ........................................... 201

5 Multifaktorenmodelle ................................. 203


5.1 Einleitung ..................................... 203
5.2 Übersicht über Multifaktorenmodelle .................... 204
5.2.1 Einteilung der Multifaktorenmodelle ............... 204
5.2.2 Struktur von makroökonomischen Multifaktorenmodellen .. 205
5.2.3 Struktur von fundamentalen Multifaktorenmodellen ..... 211
5.3 Diversifikation anhand eines makroökonomischen
Multifaktorenmodells .............................. 213
5.4 Erwartete Rendite ................................ 215
5.5 Die Arbitragepreis-Theorie (APT) ...................... 217
5.5.1 Das APT-Modell .... .... .... .... .... .... .... 217
5.5.2 Risikoarbitrage und Kapitalmarktgleichgewicht ......... 220
5.5.3 APT versus CAPM .......................... 224
5.5.4 Empirische Relevanz ......................... 225
5.6 Multifaktorenmodelle in der Praxis ...................... 227
5.6.1 Makroökonomische Faktormodelle ................ 227
5.6.2 Fama/French-Modell ......................... 230
5.6.3 C a r h a r t - M o d e l l ............................. 233
5.7 Ausgewählte Anwendungen von Multifaktorenmodellen ........ 234
5.7.1 R e n d i t e a t t r i b u t i o n ........................... 234
5.7.2 R i s i k o a t t r i b u t i o n ............................ 238
5.7.3 Faktorportfolios ............................ 242
5.7.4 Tr a c k i n g p o r t f o l i o s ........................... 244
5.8 Anwendungen des APT-Modells ....................... 247
5.9 Zusammenfassu ng ................................ 251
5.10 Aufgaben ..................................... 253
Literatur ........................................... 256
X Inhaltsverzeichnis

TeilII Aktien

6 Aktienanalyse ....................................... 261


6.1 Einleitung ..................................... 261
6.2 Fundamentalanalyse ............................... 263
6.2.1 Bewertungsprozess .......................... 263
6.2.2 Verständnis des Unternehmensgeschäfts ............. 264
6.2.2.1 Makroökonomische Analyse .............. 264
6.2.2.2 Industrie- und Wettbewerbsanalyse .......... 268
6.2.2.3 Analyse von Finanzberichten .............. 275
6.2.3 Prognose der Unternehmensperformance ............. 277
6.2.4 Auswahl eines geeigneten Bewertungsmodells ......... 280
6.2.5 Umwandlung von Prognosen zum Aktienwert .......... 283
6.2.6 Anwendung des Bewertungsergebnisses ............. 284
6.3 Erwartetes Alp h a . .... .... .... .... .... .... .... .... 286
6.4 Technische Analyse ............................... 289
6.4.1 Grundlagen ............................... 289 Werkzeuge der
6.4.2 technischen Analyse................291 6.4.2.1
Übersicht .......................... 291
6.4.2.2 Tr e n d a n a l y s e ........................ 293
6.4.2.3 Chartmuster (Formationen) ... .... .... .... 296
6.4.2.4 Technische Indikatoren ................. 298
6.4.2.5 Z y k l e n ............................ 308
6.4.3 Elliott-Wellen-Theorie ........................ 309
6.5 Zusammenfassu ng ................................ 312
6.6 Aufgaben ..................................... 315
Literatur ........................................... 318

7 Aktienbewertung .................................... 319


7.1 Einleitung ..................................... 319
7.2 Innerer Wert und beizulegender Zeitwert einer Aktie .......... 320
7.3 Cashflow-Modelle ................................ 321
7.3.1 Übersicht ................................ 321
7.3.2 D i v i d e n d e n d i s k o n t i e r u n g s m o d e l l e . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2 2
7.3.2.1 Grundlagen ......................... 322
7.3.2.2 Angemessenheit von
Dividendendiskontierungsmodellen .......... 324
7.3.2.3 Wachstumsrate der Dividenden ............. 325
7.3.2.4 G o r d o n - G r o w t h - M o d e l l . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2 9
7.3.2.5 Zweistufiges Dividendendiskontierungsmodell ... 335
7.3.3 Free-Cash-Flow-to-Equity-Modelle ................ 342
7.3.3.1 G r u n d l a g e n ......................... 342
Inhaltsverzeichnis XI

7.3.3.2
Definition und Berechnung der FCEK ........ 343
7.3.3.3
Wachstumsrate der FCEK ................ 348
7.3.3.4
Einstufiges Bewertungsmodell . .... .... .... 352
7.3.3.5
Zweistufiges Bewertungsmodell .... .... .... 358
7.3.3.6
Free-Cash-Flow-to-Equity-Modelle versus
Dividendendiskontierungsmodelle ... .... ....365
7.3.4 Free-Cash-Flow-to-Firm-Modelle ................. 368
7.3.4.1 Definition und Berechnung der FCGK ........ 368
7.3.4.2 Wachstumsrate der FCGK ................ 370
7.3.4.3 Bewertungsmodell .................... 371
7.3.4.4 Vergleich zwischen FCEK- und FCGK-Modellen . 378
7.4 Wertschöpfungsmode lle ............................ 378
7.4.1 Residualgewinnmodelle ....................... 380
7.4.1.1 Definition und Berechnung des Residualgewinns.. 380
7.4.1.2 Bewertungsmodell .................... 383
7.4.2 Economic-Value-Added-Mode lle ................. 384
7.5 Multiplikatoren .................................. 387
7.6 Optionspreistheorie ............................... 390
7.7 Zusammenfassu ng ................................ 391
7.8 Aufgaben ..................................... 397
Literatur ........................................... 401

Teil III Anleihen

8 Anleihen: Grundlagen ................................. 405


8.1 Einleitung ..................................... 405
8.2 Grundlegende Merkmale einer Anleihe ................... 407
8.3 Größe und Bedeutung der Anleihemärkte .................. 409
8.4 Grundstruktur von festverzinslichen Anleihen ............... 412
8.5 Anleihebedingungen ............................... 417
8.6 Cashflow-Struktur einer Anleihe ....................... 417
8.6.1 N o m i n a l w e r t s t r u k t u r e n ........................ 418
8.6.2 K u p o n s t r u k t u r e n ............................ 421
8.6.2.1 Variabel verzinsliche Anleihen ............. 422
8.6.2.2 S t e p - u p - A n l e i h e n ..................... 425
8.6.2.3 Inflationsindexierte Anleihen .. .... .... .... 425
8.6.2.4 Weitere Kuponstrukturen ................ 430
8.7 Anleihen mit eingebetteten Optionen .................... 431
8.7.1 Callable Bonds . .... .... .... .... .... .... .... 431
8.7.2 Putable Bonds ............................. 434
8.7.3 Wandelanleihen ............................ 435
XII Inhaltsverzeichnis

8.8 Märkte
....................................... 444
8.8.1
Primärmarkt .............................. 444
8.8.2
We r t p a p i e r p r o s p e k t .......................... 446
8.8.3
Sekundärmarkt ............................ 447
8.8.4
Geldmarkt ................................ 448
8.8.4.1 Begriff des Geldmarktes und Geldmarktzinssätze . 448
8.8.4.2 G e l d m a r k t p a p i e r e ..................... 451
8.8.5 Märkte für Regierungsanleihen ................... 454
8.8.5.1 Eigenschaften von Regierungsanleihen ........ 454
8.8.5.2 Schuldverschreibungen der Bundesrepublik
Deutschland
........................ 458
8.8.5.3 Schuldverschreibungen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft .................... 461
8.8.6 Marktkonventionen .......................... 462
8.8.6.1 Übersicht über Marktkonventionen .......... 462
8.8.6.2 Preisstellung, Stückzinsen und Valutierung ..... 463
8.8.6.3 D a y - C o u n t - Ko nv e n t i o n e n . . . . . . . . . . . . . . . . 4 6 7
8.8.6.4 Kuponzahlungstermine und Day-Roll-Konventionen 473
8.9 Zusammenfassu ng ................................ 475
8.10 Aufgaben ..................................... 480
Literatur ........................................... 484

9 Preis- und Renditeberechnung von optionsfreien Anleihen 9.1 ......... 485


Einleitung ..................................... 485
9.2 Grundlagen der Preis- und Renditeberechnung .............. 486
9.2.1 Preisberechnung mit festem risikoadäquaten Diskontsatz... 486
9.2.2 Verfallrendite .............................. 488 Beziehung
9.2.3 zwischen Anleihepreis und risikoadäquatem Diskont
............................... 492
9.2.4 Preisberechnung mit laufzeitgerechten risikoadäquaten
Diskontsätzen ............................. 494
9.2.5 Preisberechnung zwischen zwei Kuponterminen ........ 496
9.2.6 Matrix-Pricing ............................. 499
9.2.7 Verschiedene Renditegrößen .................... 501
9.2.7.1 Renditegrößen für festverzinsliche optionsfreie
Anleihen .......................... 501
9.2.7.2 Rendite und Zinsänderungsrisiko ........... 506
9.2.7.3 Renditegrößen für festverzinsliche kündbare
Anleihen .......................... 508
9.3 Preisberechnung von optionsfreien Anleihen mit Zinsstrukturkurve
und Risikoprämie ................................ 511
9.3.1 Übersicht ................................ 511
Inhaltsverzeichnis XIII

9.3.2Risikolose Zinsstrukturkurve (Basiszinskurve) ......... 512


9.3.3Nullkuponsätze versus Verfallrendite ............... 518
9.3.4Preisberechnung mit Terminzinssätzen .............. 520
9.3.5Preisberechnung mit risikoloser Zinsstrukturkurve und
Rendite-Spreads ............................ 523
9.3.6 Preisberechnung mit Swapsatzkurve und Rendite-Spreads .. 528
9.3.6.1 I-Spread und Asset Swap Spread.... .... .... 528
9.3.6.2 Swapsatzkurve ..................... .. 5 29
9.3.6.3 Preisberechnung mit der Swapsatzkurve ....... 532
9.4 Preisberechnung von Nullkuponanleihen .................. 537
9.5 Preisberechnung von variabel verzinslichen Anleihen .......... 538
9.6 Interpretation einer Bloomberg-Maske für eine optionsfreie
festverzinsliche Anleihe ............................ 543
9.7 Zusammenfassu ng ................................ 546
9.8 Aufgaben ..................................... 550
Literatur ........................................... 555

10 Risikoanalyse von Anleihen .............................. 557


10.1 Einleitung ..................................... 557
10.2 Risikoanalyse anhand der Duration und Konvexität ............ 558 10.2.1
D u r a t i o n - Ko nv e x i t ä t s - A n s a t z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 8
10.2.2 D u r a t i o n ................................. 560
10.2.2.1 Modifizierte Duration und Macaulay-Duration ... 560
10.2.2.2 Eigenschaften der Duration .............. 567
10.2.2.3 Angenäherte modifizierte Duration .......... 571
10.2.2.4 Effektive Duration .................... 575
10.2.2.5 Duration eines Anleiheportfolios ........... 577
10.2.2.6 Key-Rate-Durationen .................. 579
10.2.2.7 Geld-Duration und Price Value of a Basis Point .. 581
10.2.3 Ko nv e x i t ä t ................................ 583
10.2.3.1 Anpassung der Duration mit der Konvexität .....583
10.2.3.2 Modifizierte Konvexität ................. 586
10.2.3.3 Angenäherte modifizierte Konvexität und effektive
Konvexität ......................... 589
10.2.4 Interpretation einer Bloomberg-Maske .............. 592
10.2.5 Effektive Duration und Konvexität von Callable und Putable
Bonds .................................. 594
10.2.5.1 Callable Bonds ...................... 595
10.2.5.2 Putable Bonds ... .... .... .... .... .... 597
10.2.6 Kredit- und Marktliquiditätsrisiko ................. 599
10.3 Grundlagen der Kreditanalyse ......................... 601
10.3.1 K r e d i t r i s i k o ............................... 601
XIV Inhaltsverzeichnis

10.3.2 Bonitätsrating ............................. 603


10.3.3 Traditionelle Kreditanalyse von Unternehmensanleihen.... 606
10.3.3.1 Grundlagen und Abgrenzung zur Aktienanalyse .. 606
10.3.3.2 Traditionelle Kreditanalyse ............... 607
10.3.4 ........ 611
10.3.5 Kreditrisiko versus Rendite:
Kreditrisikoprämie Kreditrisikomodelle .......................... 615
10.4 Analyse des Marktliquiditätsrisikos ..................... 616
10.5 Z u s a m m e n f a s s u n g ................................ 618
10.6 Aufgaben ..................................... 622
Literatur ........................................... 627

11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen11.1 ......... 629


Einleitung ..................................... 629
11.2 Bestandteile des binomialen Bewertungsmodells für Anleihen mit
eingebetteten Zinsoptionen ........................... 629
11.3 Zinsbaum und arbitragefreie Bewertung von optionsfreien Anleihen . 631
11.3.1 Bedeutung der arbitragefreien Anleihebewertung ........ 631
11.3.2 Binomialer Zinsbaum . .... .... .... .... .... .... 633
11.3.2.1 Struktur des Zinsbaums ................. 633
11.3.2.2 Zinssatzvolatilität ..................... 636
11.3.2.3 Konstruktion eines arbitragefreien
binomialen Zinsbaums
......................... 637
11.3.3 Preisberechnung einer optionsfreien risikobehafteten Anleihe 643
11.4 Bewertung und Analyse von Callable und Putable Bonds ........ 645
11.4.1 G r u n d l a g e n ............................... 645
11.4.2 Option Adjusted Spread ....................... 646
11.4.3 Preisberechnung und Analyse von Callable Bonds ....... 648
11.4.3.1 P r e i s b e r e c h n u n g ...................... 648
11.4.3.2 Effektive Duration und effektive Konvexität ..... 653
11.4.3.3 Einseitige Durationen .................. 657
11.4.4 Preisberechnung und Analyse von Putable Bonds ....... 658
11.4.4.1 P r e i s b e r e c h n u n g ...................... 658
11.4.4.2 Effektive Duration und effektive Konvexität ..... 661
11.4.5 Einfluss der Zinssatzvolatilität, des Zinsniveaus und der
Steigung der Zinsstrukturkurve auf Preise von Callable
und Putable Bonds
............................. 664
11.4.5.1 Z i n s s a t z v o l a t i l i t ä t ..................... 664
11.4.5.2 Zinsniveau und Steigung der Zinsstrukturkurve...
11.5 665 Preisberechnung von kündbaren Step-up-Anleihen............ 667
11.6 Preisberechnung von variabel verzinslichen Anleihen mit einem Cap und
einemFloor ................................. 668
11.7 Preisberechnung und Analyse von Wandelanleihen ............ 673
Inhaltsverzeichnis XV

11.7.1 P r e i s b e r e c h n u n g ............................ 673


11.7.2 Delta und Gamma ........................... 682
11.8 Z u s a m m e n f a s s u n g ................................ 684
11.9 Aufgaben ..................................... 688
Literatur ........................................... 694

Teil IV Finanzderivate und Risikomanagement

12 Finanzderivate: Grundlagen ............................. 697


12.1 Einleitung ..................................... 697
12.2 Börsengehandelte und außerbörs lich gehandelte Finanzderivate .... 699
12.3 Märkte für Finanzderivate ........................... 702
12.3.1 M a r k t g r ö ß e ............................... 702
12.3.2 Zweck von derivativen Märkten .................. 707
12.4 Einsatz von Finanzderivaten .......................... 708
12.5 Gewinn-Verlust-Profi le ............................. 711
12.5.1 Unbedingte Termingeschäfte .................... 711
12.5.1.1 Forwards/Futures ..................... 711
12.5.1.2 Swaps ............................ 714
12.5.2 Optionen ................................ 722
12.5.2.1 G r u n d l a g e n ......................... 722
12.5.2.2 C o v e r e d - C a l l - S t r a t e g i e . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2 7
12.5.2.3 Protective-Put-Strategie ................. 732
12.6 Die Terminbörse Eurex ............................. 736
12.6.1 Entstehung und Organisationsstruktur ............... 736
12.6.2 Überblick über Derivate an der Eurex ............... 737
12.6.3 Clearing-Stelle und risikobasiertes Margining-System..... 740
12.6.4 Margins für Optionen ......................... 742
12.6.5 Margins für Futures .......................... 745
12.7 Leverage-Effekt ................................. 751
12.8 Strukturierte Produkte .. .... .... .... .... .... .... .... 753
12.9 Z u s a m m e n f a s s u n g ................................ 755
12.10 Aufgaben ..................................... 758
Literatur ........................................... 761

13 Forwards und Futures ................................. 763


13.1 Einleitung ..................................... 763
13.2 Preisbestimmung von Forwards und Futures ................ 764 13.2.1
Preismodelle .............................. 764
13.2.2 ....... 765
13.2.3 Cost-of-Carry-Modell in vollkommenen Märkten
Cost-of-Carry-Modell in unvollkommenen Märkten ...... 767
XVI Inhaltsverzeichnis

13.2.4 E r w a r t u n g s m o d e l l ........................... 773


13.2.5 Terminpreis und Risikoaversion .................. 774
13.2.5.1 Normal Backwardation und Contango ........ 774
13.2.5.2 Capital Asset Pricing Model .............. 778
13.2.6 Forward-Preis versus Future-Preis ................. 779
13.3 Wertbestimmung von Forwards ........................ 780
13.4 Preis- und Wertbestimmung von Forwards auf verschiedene
Basiswerte ..................................... 782
13.4.1 Forwards auf Aktien ......................... 782
13.4.2 Forwards auf festverzinsliche Anleihen .............. 788
13.4.3 Forward Rate Agreements ...................... 791
13.4.4 Forwards auf Fremdwährungen ................... 797
13.5 Preisbestimmung von Eurex-Zins-Futures ................. 801
13.5.1 Fixed Income Futures ......................... 801
13.5.2 Geldmarkt-Futures .......................... 808
13.6 Absicherungsstrategien mit Forwards und Futures ............ 812
13.6.1 Management von Zinsänderungsrisiken .............. 813
13.6.1.1 Zinsänderungsrisikomanagement von variabel
verzin slich en Kred iten .. .... .... .... .... 813
Zinsänderungsrisikomanagement
13.6.1.2 von
festverzinslichen Anleiheportfolios Management .......... 818
von Aktienmarktpreisänderungsrisiken
13.6.2 ..... 824
13.6.3 Management von Währungsrisiken ................ 829
13.6.4 Gegenüberstellung von Forwards und Futures .......... 834
13.7 Z u s a m m e n f a s s u n g ................................ 837
13.8 Aufgaben ..................................... 840
Literatur ........................................... 844

14 Swaps ............................................ 845


14.1 Einleitung ..................................... 845
14.2 Z i n s s a t z s w a p s ................................... 846
14.2.1 Komparative Vorteile und Bonitätsrisiken ............ 846
14.2.2 Äquivalenz mit anderen Finanzinstrumenten ........... 851
14.2.3 Preisbestimmung ........................... 853
14.2.4 We r t b e s t i m m u n g ............................ 855
14.2.5 Risikomanagementstrategien .................... 862
14.2.5.1 Steuerung des Zinsänderungsrisikos durch
Transformation von Verbindlichkeiten und
Vermögenspositionen ................... 862
14.2.5.2 Steuerung des Zinsänderungsrisikos eines
Anleiheportfolios ..................... 863
14.3 Währungsswaps ................................. 867
Inhaltsverzeichnis XVII

14.3.1 Komparative Vorteile und Währungsrisiken ........... 867


14.3.2 Preis- und Wertbestimmung ..................... 870
14.3.3 Risikomanagementstrategien .................... 875
14.4 Equity Swaps ................................... 877
14.4.1 Preis- und Wertbestimmung ..................... 878
14.4.2 Änderung der Asset-Allokation ................... 883
14.5 Credit Default Swaps .............................. 887
14.5.1 Einleitung zum Kreditrisiko ..................... 887
14.5.2 Ausfallwahrscheinlichkeit en .................... 889
14.5.2.1 Implizite Ausfallwahrscheinlichkeiten
aus Anleihepreisen ....................... 889
14.5.2.2 Historische Ausfallwahrscheinlichkeiten ... .... 891
14.5.3 Eigenschaften von Credit Default Swaps ............. 894
14.5.4 Preis- und Wertbestimmung eines CDS ..............89714.5.5
ISDA-Rahmenvertrag und Definition des Kreditereignisses . 901
14.5.6 Risiken im Zusammenhang mit CDS ............... 903
14.5.7 Varianten von CDS .......................... 903
14.6 Z u s a m m e n f a s s u n g ................................ 905
14.7 Aufgaben ..................................... 910
Literatur ........................................... 915

15 Optionen .......................................... 917


15.1 Einleitung ..................................... 917
15.2 Optionspreis und Risikofaktoren ....................... 918
15.3 Preisobergrenze und -untergrenze ....................... 923
15.3.1 Preisobergrenze für europäische und amerikanische Optionen 923
15.3.2 Preisuntergrenze für europäische Optionen............924
Preisuntergrenze für amerikanische Optionen..........929 15.3.3
15.4 Put-Call-Parität .................................. 931
15.5 Zeitdiskretes Optionsbewertungsmodell: Das Binomialmodell..... 938
15.5.1 E i n l e i t u n g ................................ 938
15.5.2 Ein-Perioden-Binomialmodell ................... 939
15.5.3 Mehr-Perioden-Binomialmodell .................. 944
15.6 Zeitkontinuierliches Optionsbewertungsmodell: Das Black/
Scholes-Modell .................................. 952 15.6.1
Preisberechnung von europäischen Optionen .......... 952
15.6.2 Implizite Volatilität .......................... 958
15.7 Optionspreissensitivitäten und Absicherung von Optionsrisiken .... 961
15.7.1 Taylor-Reihenentwicklung und Optionspreissensitivitäten .. 961
15.7.2 D e l t a ................................... 963
15.7.3 Delta Hedging ............................. 970
15.7.4 Delta eines Optionsportfolios .................... 972
XVIII Inhaltsverzeichnis

15.7.5 Gamma ................................. 974


15.7.6 Delta und Gamma Hedging ..................... 980
15.7.7 Vega ................................... 981
15.7.8 Delta, Gamma und Vega Hedging ................. 984
15.7.9 R h o .................................... 986
15.7.10 Theta ... .... .... .... .... .... .... .... .... 987
15.8 Z u s a m m e n f a s s u n g ................................ 991
15.9 Aufgaben ..................................... 995
15.10 Anhang A: Standardnormalverteilungstabelle ...............1000
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 0 1

Teil V Portfoliomanagement

16 Portfoliomanagementprozess .............................1005
16.1 Einleitung .....................................1005
16.2 Planung ......................................1006
16.2.1 Anlageziele und Restriktionen ...................1006
16.2.1.1 Risikoziele .........................1006
16.2.1.2 Renditeziele ........................1010
16.2.1.3 Restriktionen .......................1011
16.2.2 A n l a g e p o l i t i k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 1 4
16.2.3 Kapitalmarkterwartungen ......................1015
16.2.4 Strateg isch e Asset-Allo k atio n .... .... .... .... ....1016
16.3 Ausführung ....................................1019 Feedback
16.4 ......................................1020 16.4.1
Überwachung der Anlagepolitik ..................1020
16.4.2 Überwachung der Kapitalmarkterwartungen ...........1026
16.4.3 Rebalancing des Portfolios .....................1026
16.4.4 Die Perold/Sharpe-Analyse von Rebalancing-Strategien ...1031
16.4.4.1 Buy-and-Hold-Strategien ................1032
16.4.4.2 C o n s t a n t - M i x - S t r a t e g i e n . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 3 4
16.4.4.3 Constant-Proportion-Strategien ............1038
16.4.4.4 Vergleich der Strategien .................1041
16.4.5 Transaktionsausführung bei Rebalancing-Strategien......1044
16.4.6 P e r f o r m a n c e e v a l u a t i o n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 4 7
16.5 Performance-Attribution eines aktiven Portfolios .............1050
16.6 Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 5 4
16.7 Aufgaben .....................................1057
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 6 0
Inhaltsverzeichnis XIX

17 Passives, aktives und semiaktives Portfoliomanagement ...........1063


17.1 Einleitung .....................................1063
17.2 Passives Portfoliomanagement ........................1064
17.3 Aktives Portfoliomanagement ..... .... .... .... .... ....1064
17.3.1 Rendite und Risiko ..........................1064
17.3.2 Das Grundgesetz des aktiven Portfoliomanagements......1075
17.3.2.1 Prognostizierte aktive Renditen und optimale aktive
GewichteimPortfolio ..................1075
17.3.2.2 Das elementare Grundgesetz ..............1081
17.3.2.3 Das vollständige Grundgesetz .............1084
17.3.2.4 VergleichvonaktivenAnlagestrategienmitundohne
Restriktionen ....................1088
17.3.2.5 Berücksichtigung von Timingprognosen.......1090
17.4 Semiaktives Portfoliomanagement: Das Treynor/Black-Modell ....1091
17.4.1 E i n l e i t u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 9 1
17.4.2 Konstruktion des optimalen Portfolios ..............1092
17.4.3 Beispiel .................................1097
17.4.4 Prognostizierte Alpha-Werte ....................1101
17.5 Anlagestrategien mit Aktien ..........................1103
17.5.1 Bedeutung von Aktien im Portfoliomanagement ........1103
17.5.2 Verschiedene Ansätze des Managements von
Aktienportfolios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 1 0 4
17.5.3 Passives Management eines Aktienportfolios ..........1105
17.5.4 Aktives Management eines Aktienportfolios ...........1109
17.5.4.1 A n l a g e s t i l e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 1 0 9
17.5.4.2 Techniken für die Identifikation eines Anlagestils . 1111
17.5.4.3 Long-Short-Strategien ..................1117
17.5.4.4 Preisineffizienzen bei Short-Positionen........1120
17.5.5 Semiaktives Management eines Aktienportfolios........1121
17.6 Anlagestrategien mit Anleihen ........................1123
17.6.1 Übersicht ................................1123
17.6.2 Anleiheportfolios mit der Benchmark Anleiheindex......1124
17.6.3 Anleiheportfolios mit der Benchmark Verbindlichkeiten ...1127
17.6.3.1 Strategien ..........................1127
Immunisierungsstrategien ................1127
17.6.3.2
17.7 Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 1 2 9
17.8 Aufgaben .....................................1134
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 1 3 9

Sachverzeichnis ..........................................1141
ÜberdenAutor

Enzo Mondello, Dr. oec. publ., CFA, FRM, CAIA, studierte Betriebswirtschaftslehre an der
UniversitätZürich,woer1995mitdemLizenziatabschloss.ImselbenJahrerwarberdasDiplom
für das Höhere Lehramt in Handelsfächern. Von 1995 bis 1998 war er bei
PricewaterhouseCoopers in Zürich tätig. Während dieser Zeit absolvierte er das Dokto-
randenstudium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich und
promovierte 1999 mit einer Dissertation zum Thema Bankenaufsichtsrechtliche Prüfung von
Risikomanagementund Modellverfahren. Von 1999 bis 2001 war er Dozent für Ban- king und
Finance und Projektleiter an derHochschule für Wirtschaft Luzern. Er hatte Lehraufträge unter
anderem an der Univers ität Zürich und an der Schweizerischen Aka- demie für
Wirtschaftsprüfung. Seit 2001 bietet er als Inhaber und Managing Director von CfBS Center for
BusinessStudiesAGliveundonlineVorbereitungskursefürdieZer-tifizierungzumCFA

®
(Chartered Financial Analyst), FRM® (Financial Risk Manager),
®
CAIA (Chartered Alternative Investment Analyst) und CMA (Certified Management
Accountant) an. Von 2003 bis 2011 entwickelte und leitete er als Fachleiter zwei Mas-
ter of Advanced Studies in Corporate Finance sowie im Bereich Banking und Finance an der
Fachhochschule Nordwestschweiz. Er hat im Verlag Springer Gabler die beiden Bücher
Portfoliomanagement (2. Auflage 2015) und Aktienbewertung (2. Auflage 2017)
veröffentlicht. Neben seiner Tätigkeit als Managing Director von CfBS Center for Busi- ness
Studies AG ist er derzeit auch Lehrbeauftra gter für Betriebswir tschaftslehre an der Universität
St.Gallen,woerimMasterstudiumdiebeidenVorlesungen„FinanziellesRisi-komanagement“
und „Ausgewählte Finance-Themen und ihre Anwendung“ hält. Darüber hinaus hält er eine
Vorlesung über „The Practice of Management Accounting“ im Master- studium an der
UniversitätBern.

XXI
Abkürzungsverzeichnis

ABS Asset Backed Securities


ANOVA Analysis of Variance (Varianzanalyse)
AG Aktiengesellschaft
APT Arbitragepreis-Theorie
ASW Asset Swap Spread
BIS Bank for International Settlements
BIZ Bank für internationalen Zahlungsausgleich
BMW Bayerische Motoren Werke
Bobl Bundesobligation der Bundesrepublik Deutschland
BuBills unverzinsliche Schatzanweis ungen der Bundesrepublik Deutschland
Bund Bundesanleihe der Bundesrepublik Deutschland
CAPM Capital Asset Pricing Model
CBOE Chicago Board Options Exchange
CCPs Central Counter Parties
CD Certificate of Deposit
CDOs Collateralized Debt Obligations
CDS Credit Default Swaps
CFA Chartered Financial Analyst
CFO Cash Flows from Operating Activities (Cashflows aus der betrieblichen Tä-
tigkeit)
CHF Schweizer Franken
CoCos Contingent Convertible Bonds
CPI Consumer Price Index
CPPI Constant Proportion Portfolio Insurance
CPs Commercial Papers
CTD Cheapest to Deliver
CUSIP Committee on Uniform Securities Identification Procedures
DAX DeutscherAktienindex
DBRS Dominion Bond Rating Service
DCF Discounted Cash Flow
XXIII
XXIV Abkürzungsverzeichnis

DCM Direct Clearing Member


DJIA Dow Jones Industrial Average
DRV Deutscher Rahmenvertrag
DTB Deutsche Terminbörse
EBIT Earnings Before Interest and Taxes
EBITDA Earnings Before Interest, Tax es, Depreciation and Amortization
EBT Earnings Before Taxes
ECPs Eurocommercial Papers
EG Europäische Gemeinschaft
EIB Europäische Investitionsbank
EMIR European Market Infrastructure Regulation
EOM End of Month
EONIA Euro Overnight Index Average
ESMA European Securities and Markets Authority
ESZB Euopäisches System der Zentralbanken
ETCs Exchange Traded Commodities
ETFs Exchange Traded Funds
EU Europäische Union
EUR Euro
Eurex European Exchange
EURIBOR European Interbank Offered Rate
EVA Economic Value Added
EWMA Exponentially Weighted Moving Average
EWR Europäischer Wirtschaftsraum
EZB Europäische Zentralbank
FCEK frei verfügbarer Cashflow für das Eigenkapital
FCGK frei verfügbarer Cashflow für das Gesamtkapital
FinfraG Finanzmarktinfrastrukturgesetz
FRA Forward Rate Agreement
FRABBA FRA on British Banker’s Association
FTSE Financial Times Stock Exchange
GARP Growth at a Reasonable Price
GBP Pfund Sterling (britisches Pfund)
GCM General Clearing Member
GMBF Geldmarktbuchforderungen
HVPI Harmonised Index of Consumer Prices (H armonisierter Verbraucherpreisin-
dex)
IBA ICE Benchmark Administration
iBobls inflationsindexierteBundeswertpapieremiteinerUrsprungslaufzeitvon5Jahren

iBunds inflationsindexierte Bundeswertpapiere mit einer Ursprungslaufzeit von


mehr als 10 Jahren
Abkürzungsverzeichnis XXV

ICMA International Capital Markets Association


IFRS International Financial Reporting Standards
ILB Inflationsindexierte Bundeswertpapiere
IPO Initial Public Offering
ISDA International Swaps and Derivatives Association
ISIN International Securities Identification Number
ISMA International Securities Market Association
ISO International Organization for Standardization
IWF Internationaler Währungsfonds
JPY Japanischer Yen
KGV Kurs-Gewinn-Verhältnis
LEPOs Low-Exercise-Price-Optionen
LIBOR London Interbank Offered Rate
LMA Loan Market Association
MACD Moving Average Convergence/Divergence Oscillator
MDAX Mid-Cap-DAX
MEZ Mitteleuropäische Zeit
MiFID Markets in Financial Instruments Directive
Mio. Million(en)
Mrd. Milliarde(n)
MSCI Morgan Stanley Capital Index
MVA Market Value Added
MVP Minimum-Varianz-Portfolio
NCM Non Clearing Member
NEOM Non End of Month
NL No Leap
NOPAT Net Operating Profit after Taxes
NUV Nettoumlaufvermögen
NYSE New York Stock Exchange
OAS Option Adjusted Spread
OAT Obligations Assimilables du Trésor
OIS Overnight Index Swap
OTC Over the Counter
PSCBI Prime Standard Corporate Bond Total Return Index
PVBP Price Value of a Basis Point
REXP Rentenperformance-Index f ür deutsche Bundesanleihen
RPI Retail Price Index
RSI Relative-Stärke-Index
SDAX Small-Cap-DAX
SEC Securities and Exchange Commission
SIX Swiss Infrastructure and Exchange
SLI Swiss Leader Index
XXVI Abkürzungsverzeichnis

SMI Swiss Market Index


SMIC Swiss Market Index Cum Dividend
SMI Mid Mid-Cap-SMI
SOFFEX SwissOptionsandFinancialFuturesExchange
SPI Swiss Performance Index
StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch
Strip Separate Trading of Registered Interest and Principal of Securities
S&P Standard&Poor’s
TIPS Treasury Inflation-Protected Securities
TOIS Tom/Next Overnight Index Swap
US United States (of America)
USD US-Dollar
VAR Value at Risk
v. Chr. vor Christus
VGDP Volumengewichteter Durchschnittspreis
vgl. vergleiche
WACC Weighted Average Cost of Capital
WKN Wertpapierkennnummer
WpHG Wertpapierhandelsgesetz
Xetra Exchange Electronic Trading
YEN Japanischer Yen
z. B. zum Beispiel
Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.1 Erwartete Rendite und Standardabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 28


Abb. 2.2 Gewinn-Verlust-Diagramm einer Protective-Put-Strategie bei Fälligkeit 30
Abb. 2.3 Konzept des Downside-Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Abb. 2.4 Maximaler und minimaler Value at Risk .................... 33
Abb. 2.5 Value at Risk von Long- und Short-Optionen ................. 38
Abb. 2.6 Links- und rechtsschiefe Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Abb. 2.7 Normalverteilung und Verteilung mit positiver und negativer
Excess- Kurtosis ........................................ 43
Abb. 2.8 Übersicht über Marktpreisanomalien .. .... .... .... .... .... 52
Abb. 3.1 Rendite und Risiko der Aktien A und B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Abb. 3.2 Rendite und Risiko von verschiedenen Anlagekombinationen der
Aktien A und B........................................ 82
Abb. 3.3 Portfoliokurven bei unterschiedlichen Korrelationen . . . . . . . . . . . . 84
Abb. 3.4 Effizienzkurve von Portfo lios bestehend aus Long-Positionen....... 86
Abb. 3.5 Effizienzkurve von Portfolios bestehend aus Long- und Short-Positionen 87
Abb. 3.6 Effizienzkurve für die fünf SMI-Aktien von Novartis, Roche, Nestlé,
ABB und Syngenta................................. 91
Abb. 3.7 Effizienzkurve mit Corner-Portfolios und strategischer Asset-Allokation 96
Abb. 3.8 Zusammenhang zwischen der Portfoliovarianz und der Anzahl
Long-Ak- tien in einem Portfolio (Diese Abbildung ist nur unter der
Annahme gültig, dass das Risiko nicht additiv ist bzw. der
Korrelationskoeffizient zwischen den Aktien unter
C1 liegt und damit ein Diversifikationseffekt
erreicht werden kann.) ... .... .... .... .... .... .... .... 98
Abb. 3.9 Indifferenzkurve ................................... 104
Abb. 3.10 Indifferenzkurven mit unterschiedlichem Nutzenniveau .......... 105
Abb. 3.11 Indifferenzkurven für Investoren mit unterschiedlichem Risikoverhalten 106
Abb. 3.12 Optimales risikobehaftetes Portfolio ...................... 110
Abb. 3.13 Kapitalallokationslinie ............................... 113
Abb. 3.14 Bestimmung der erwarteten Rendite eines Portfolios anhand der
effizientestenKapitalallokationslinie ...................... 114

XXVII
XXVIII Abbildungsverzeichnis

Abb. 3.15 Erwartete Rendite und Risiko von Anlagekombinationen auf der
effizientesten Kapitalallokationslinie (Um die Graphik anschaulich
darzustellen, sind die erwartete Rendite auf der Y-Achse und die
Standardabweichung auf der X-Achse unterschiedlich skaliert.)
..... 118
Abb. 3.16 Optimales Portfolio auf der effizientesten Kapitalallokationslinie (Um
die Graphik anschaulich darzustellen, sind die erwartete Rendite auf
der Y-Achse und die Standardabweichung auf der X-Achse
unterschiedlich skaliert.)
....................................... 121
Abb. 3.17 Kapitalmarktlinie .................................. 126 Geknickte
Abb. 3.18 Kapitalmarktlinie mit identischem Marktportfolio für die risiko
Geldanlage und -aufnahme ...................... 128
Abb. 3.19 Geknickte Kapitalmarktlinie mit zwei Tangentialportfolios für die
risikolose Geldanlage und -aufnahme...................... 130
Abb. 4.1 Regression zwischen den monatlichen Überschu
Novar- ............................... 152 tis-Aktie und
Abb. 4.2 Verdeutlichung des Determinationskoeffizienten ............... 154
Abb. 4.3 Effizienzkurven nach dem Marktmodell und dem Markowitz-Modell
(DiebeidenEffizienzkurvenbasierenaufmonatlichenRenditenvonAnfang
September2007bisEndeAugust2012(Optimierungsverfahren
mit Long- und Short-Positionen)) ........................ 157
Abb. 4.4 Diversifikationseffekt eines gleich gewichteten Portfolios anhand des
Marktmodells .................................... 160
Abb. 4.5 Effizienzkurven für unterschiedliche Zeitperioden (Optimierungsverfah-
ren mit Long- und Short-Positionen) ...................... 165
Abb. 4.6 Einfluss der Veränderung der Parameter auf die Effizienzkurve mit
historischenDaten ................................. 165
Abb. 4.7 Schätzung des historischen Betas ........................ 174
Abb. 4.8 Beta der Novartis-Aktien ............................. 175
Abb. 4.9 We r t p a p i e r m a r k t l i n i e ................................ 177
Abb. 4.10 CAPM als Gleichgewichtsmodell ........................ 181
Abb. 4.11 ............ 188
Abb. 4.12 Wertpapiermarktlinie mit einem Null-Beta-Portfolio
Wertpapiermarktlinie mit Transaktionskosten ................. 189
Abb. 4.13 Performanceevaluation mit dem Jensen’s Alpha ............... 194
Abb. 5.1 Rendite eines gut diversifizierten Portfolios mit einem Beta von 1 .... 210
Abb. 5.2 Rendite einer Aktie mit einem Beta von 1 ................... 211
Abb. 5.3 Arbitragemöglichkeit ............................... 223
Abb. 6.1 Bewertungsprozess ................................. 264
Abb. 6.5 Berechnungsweise des erwarteten Alphas ................... 287
Abb. 6.6 Anlageentscheidung mit der Fundamentalanalyse und der technischen
Analyse ........................................ 291
Abb. 6.7 KursentwicklungderDaimler-Aktievom24.August2013bis24.August
2016(Quelle:www.onvista.de) .................... 292
Abbildungsverzeichnis XXIX

Abb. 6.8 Trendanalyse:KursentwicklungderDaimler-Aktievom24.August2011


bis24.August2016(Quelle:www.onvista.de) ............ 294
Abb. 6.9 Kursentwicklung des DAX vom 25. August 2013 bis 25. August 2016
(Quelle: www.onvista.de) ............................. 295
Abb. 6.10 Ansteigendes Dreieck ............................... 297
Abb. 6.11 Absteigendes Dreieck ............................... 298
Abb. 6.12 Kursentwicklung der Linde-Aktie vom 1. März bis 26. August 2016 und
38- und 90-Tage-gleitende-Durchschnittslinien (Quelle: www.onvista.de) 300
Abb. 6.13 Kursentwicklung der Linde-Aktie vom 28. August 2015 bis 26. August
2016 und Bollinger-Bänder basierend auf den 20-Tage-gleitenden-
Durchschnitt plus/minus zwei Standardabweichungen (Quelle:
www.onvista.de)
.................................. 301
Abb. 6.14 Kursentwicklung der Linde-Aktie vom 28. August 2015 bis 26. August
2016 und Momentum (Quelle: www.onvista.de) ...............303Abb. 6.15
Kursentwicklung der Linde-Aktie vom 31. August 2015 bis 29. August 2016
und Relative-Stärke-Index (Quelle: www.onvista.de) ......... 305
Abb. 6.16 Kursentwicklung der Daimler-Aktie vom 31. August 2015 bis 29.
August 2016 und MACD (12, 26, 9) (Quelle: www.onvista.de) ...... 306
Abb. 6.17 Impulswellen und Korrekturwellen in einem Bullenmarkt.........311Abb. 7.1
Übersicht über Aktienbewertungsmodelle unter der Annahme der
Unternehmensfortführung ............................. 320
Abb. 7.2 Bestimmung des inneren Aktienwerts mit dem Dividendendiskontie-
rungsmodell ..................................... 323
Abb. 7.3 Zusammenhang zwischen innerem Aktienwert und Wachstumsrate ... 331
Abb. 7.4 Exponentielle Zunahme des inneren Aktienwerts bei Konvergenz der
erwartetenRenditeundderWachstumsrate .................. 332
Abb. 7.5 Verlauf der Wachstumsrate und Veränderung der Gewinnausschüttungs-
quote im zweistufigen Dividendendiskontierungsmodell .......... 337
Abb. 7.6 Berechnung des inneren Werts der Linde-Aktie mit dem zweistufigen
Dividendendiskontierungsmodell ........................ 340
Abb. 7.7 Grundkonzept der Aktienbewertung mit dem FCEK-Modell ....... 353
Abb. 7.8 Grundkonzept der Aktienbewertung mit dem FCGK-Modell ....... 373
Abb. 7.9 GegenüberstellungdesResidualgewinnmodellsunddesEVA-Modells . 386
Abb. 7.10 Bestimmung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses mit der Methode von
geschätzten Fundamentalwerten versus der Methode von
Vergleichsun- ternehmen
...................................... 391
Abb. 8.1 Finanzmarkt ..................................... 406
Abb. 8.2 Ausstehendes Volumen von Schuldverschreibungen des Geld- und
Anleihemarktes sowie von Aktien im Euroraum (Oktober 2015) (Quelle:
http://www.ecb.europa.eu)
............................ 410
Abb. 8.4 Überblick über verschiedene Arten von Anleihen .............. 413
Abb. 8.5 Cashflow-Ströme einer festverzinslichen Plain-Vanilla-Anleihe...... 413
XXX Abbildungsverzeichnis

Abb. 8.6 Callable Bonds versus Putable Bonds ...................... 436 Preisentwicklung
Abb. 8.7 einer Wandelanleihe in Abhängigkeit vom Aktienkurs 443
Abb. 8.9 Kursverlauf von Anfang 2010 bis Ende 2015 der Anleihe der Republik
Irland mit Kupon von 5 % und Laufzeit von Januar 2010 bis Oktober
2020 (Quelle: Bloomberg)
............................ 457
Abb. 8.10 Ausstehendes Nominalvolumen der handelbaren Bundeswertpapiere per
Ende 2015 (Quelle: http://www.deu tsche-finanzagentur.de) ........ 459
Abb. 8.11 Bestimmung der Stückzinsen ........................... 464
Abb. 9.1 Preisfunktionskurve ................................ 492
Abb. 9.2 Pull-to-Par-Effekt (konstante erwartete Rendite) ............... 493
Abb. 9.3 Preisverlauf einer 10-jährigen 5 %-Anleihe bei einer Veränderung der
erwartetenRendite ................................. 494
Abb. 9.4 Periodenberechnung für die Ermittlung des Full-Preises .......... 497
Abb. 9.5 ZinsstrukturkurvenfürStaatsanleihenderBundesrepublikDeutschland
undderSchweiz(Stichtag18.Februar2016)(Quelle:ThomsonReuters) 512Abb.
9.6 Unterschiedliche Verläufe der Zinsstrukturkurve ............... 518
Abb. 9.7 Spot-Zinsstrukturkurve versus Terminzinsstrukturkurve .......... 523
Abb. 9.8 Zusammensetzung der erwarteten Rendite (Diskontsatz) für optionsfreie
Anleihen ....................................... 524
Abb. 9.9 Gegenüberstellung von Verfallrendite (fester Diskontsatz mit G-Spread)
und Diskontsatzkurve (laufzeitgerechte Diskontsätze mit Z-Spread) am
Beispiel einer 10-jährigen Unternehmensanleihe ............... 526
Abb. 9.10 Spread-Entwicklung zwischen den 3-Monats-EURIBOR-Sätzen und
den 3-Monats-EONIA-Sätzen von 2007 bis 2015 (Quelle: Bloomberg
(monatliche Daten))
................................ 531
Abb. 9.11 Risikolose Zinsstrukturkurve und Swapsatzkurve für die Schweiz
(Stichtag 26. Februar 2016) (Quelle: Thomson Reuters) .......... 533
Abb. 9.12 Gegenüberstellung von Verfallrendite (fester Diskontsatz mit I-Spread)
und Diskontsatzkurve (laufzeitgerechte Diskontsätze mit Z-Spread) am
Beispiel einer 10-jährigen Unternehmensanleihe ............... 535
Abb. 9.13 Bloomberg-Maske für die 2,375 %-Anleihe der Daimler AG mit einer
Laufzeitvon2012bis2022(Quelle:Bloomberg) .............. 544
Abb. 10.1 Preisfunktionskurve der optionsfreien festverzinslichen 4,425-jährigen
4 %-Anleihe mit einer Tangente ......................... 566
Abb. 10.2 Macaulay-Duration zwischen zwei Kuponterminen und bei einer
konstanten Verfallrendite ............................. 568
Abb. 10.3 Beziehung zwischen Macaulay-Duration und Restlaufzeit der Anleihe . 568
Abb. 10.4 Angenäherte modifizierte Duration ....................... 572
Abb. 10.5 Anpassung der Duration mit der Konvexität .................. 585
Abb. 10.6 Zwei optionsfreie festverzinsliche Anleihen mit unterschiedlicher
Konvexität ...................................... 589
Abbildungsverzeichnis XXXI

Abb. 10.7 Bloomberg-Maske für die 2;375 %-Anleihe der Daimler AG mit einer
Laufzeit von 2012 bis 2022 (Quelle: Bloomberg) .............. 593
Abb. 10.8 Preisfunktionskurve eines Callable Bonds und einer vergleichbaren
optionsfreienAnleihe ............................... 595
Abb. 10.9 Effektive Duration des Callable Bonds und der optionsfreien Anleihe bei
einemunterschiedlichenRenditeniveau .................. 596
Abb. 10.10 Effektive negative und positive Konvexität eines Callable Bonds ..... 597
Abb. 10.11 Preisfunktionskurve eines Putable Bonds und einer vergleichbaren
optionsfreien Anleihe
............................... 598
Abb. 10.12 Effektive Duration und Konvexität des Putable Bonds und der options-
freien Anleihe bei einem unterschiedlichen Renditeniveau ......... 599
Abb. 11.1 Binomialer Zinsbaum ............................... 634
Abb. 11.2 4-jähriger binomialer Zinsbaum ......................... 637 Binomialer
Abb. 11.3 Zinsbaum mit Terminzinssätzen zentriert um den Basister-
minzinssatz und 2-jährige 1,2 %-Par-Kuponanleihe
............. 640
Abb. 11.4 Arbitragefreier binomialer Zinsbaum und 2-jährige 1,2 %-Par-Kuponan-
leihe .......................................... 641
Abb. 11.5 Arbitragefreier binomialer Zinsbaum und 3-jährige 1,25 %-Par-
Kuponanleihe .................................... 642
Abb. 11.6 Arbitragefreier binomialer Zinsbaum und optionsfreie 3-jährige 2 %-
Unternehmensanleihe ............................... 644
Abb. 11.7 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Callable Bonds anhand des
b in o mialen Zin sb au ms ... .... .... .... .... .... .... .... 651
Abb. 11.8 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Callable Bonds anhand des
binomialen Zinsbaums bei einer Verschiebung der Benchmarkkurve
um 35 Basispunkte nach unten
............................ 654
Abb. 11.9 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Callable Bonds anhand des
binomialenZinsbaumsbeieinerVerschiebungderBenchmarkkurveum
35 Basispunkte nach oben ............................. 655
Abb. 11.10 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Putable Bonds anhand des
b in o mialen Zin sb au ms ... .... .... .... .... .... .... .... 660
Abb. 11.11 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Putable Bonds anhand des
binomialen Zinsbaums bei einer Verschiebung der Benchmarkkurve um 35
Basispunktenachunten ............................ 662
Abb. 11.12 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Putable Bonds anhand des
binomialen Zinsbaums bei einer Verschiebung der Benchmarkkurve um
35 Basispunkte nach oben ............................. 663
Abb. 11.13 Preisberechnung der 3-jährigen C allable Multi-Step-up-Anleihe anhand des
binomialenZinsbaums ............................ 669
Abb. 11.14 Preisberechnung der 3-jährigen variabel verzinslichen Anleihe mit
einem Cap-Satz von 3,5 % anhand des binomialen Zinsbaums ...... 672
XXXII Abbildungsverzeichnis

Abb. 11.15 Preisberechnung der 3-jährigen variabel verzinslichen Anleihe mit


einem Floor-Satz von 3 % anhand des binomialen Zinsbaums.......673 Abb.
11.16 Aktienpreise im Fünf-Perioden-Binomialbaum................675 Abb. 11.17
Conversion Values im Fünf-Perioden-Binomialbaum............ 677 Abb. 11.18
Wandlungswahrscheinlichkeiten im Fünf-Perioden-Binomialbaum
... 678
Abb. 11.19 Risikoadäquate Diskontsätze im Fünf-Perioden-Binomialbaum ......679 Abb.
11.20 Zusammenhang zwischen Preiskurve der Wandelanleihe und risikoad-
äquaten Diskontsätzen ... .... .... .... .... .... .... .... 680
Abb. 11.21 Preisberechnung der 5-jährigen 2 %-Wandelanleihe anhand des Fünf-
Perioden-Binomialbaums ............................. 681
Abb. 11.22 Deltas der 5-jährigen 2 %-Wandelanleihe im Binomialbaum ....... 683
Abb. 11.23 Delta der Wandelanleihe entlang der Preisfunktionskurve ......... 683
Abb. 12.1 Systematisierung der derivativen Instrumente .................
Abb. 12.2 Vertragsparteien und Collatera l von Clearing-fähi gen OTC-D
................... 701 und bilateral gehandelten OTC-Derivaten
Abb. 12.5 Gewinn-Verlust-Profil von einem Long und Short Forward/Future .... 712
Abb. 12.6 Kombination von Anleiheemission und bilateral gehandelten
Währungs- swap .......................................... 718
Abb. 12.7 Umwandlung des Aktienportfolios mithilfe eines bilateral gehandelten
EquitySwapsineinefestverzinslichePosition ................ 721
Abb. 12.8 Positionen in Optionsgeschäften ......................... 723
Abb. 12.9 Gewinn-/Verlustdiagramm von Long-/Short-Call- und Put-Optionen
am Fälligkeitstag
.................................... 725
Abb. 12.10 Gewinn-/Verlustdiagramm der Covered-Call-Strategie ........... 730
Abb. 12.11 Gewinn-/Verlustdiagramm der Protective-Put-Strategie ........... 734
Abb. 13.1 Preis- und Wertbestimmung von unbedingten Termingeschäften ..... 764
Abb. 13.2 Konvergenz des Terminpreises zum erwarteten Basiswertpreis ...... 776
Abb. 13.3 Backwardation und Contango bei Rohstoffen mit einer Verfügbar-
keitsprämie ...................................... 777
Abb. 13.4 Zwei Szenarien für den Preis verlauf bei einem Future/Forward......779Abb.
13.5 Zeitdiagramm für die Berechnung des Terminpreises bei Vertragsab-
schluss ........................................ 790
Abb. 13.6 Zeitdiagramm für die Berechnung des Terminpreises in einem Jahr ... 791
Abb. 13.7 3-gegen-6-FRA mit Abschlusstag am 15. Juni ................ 792
Abb. 13.8 Gewinnberechnung des Long-9-gegen-12-FRA anhand des Gewinn-/
Verlustdiagramms .................................. 794
Abb. 13.9 Wechselkurs EUR/CHF (Mengennotierung) von 1999 bis 2014
(Quelle:Zeitreihen der Deutsche Bundesbank unter www.bundesbank.de) 798
Abb. 13.10 Standardisierung des Euro-Bund-Future-Kontrakts ............. 805
Abb. 13.11 Zeitdiagramm für die Berechnung der Stückzinsen ............. 808
Abb. 13.12 Zeitdiagramm des Long FRA und der Kreditaufnahme ........... 815
Abbildungsverzeichnis XXXIII

Abb. 13.13 Zeitdiagramm des Short FRA und der Kreditvergabe ............ 817 Abb. 14.1
Zinskosten aus der Kreditaufnahme kombiniert mit gecleartem Zins-
satzswap ....................................... 848
Abb. 14.2 Zinskosten aus der Kreditaufnahme kombiniert mit bilateral gehandel-
tem Zin ssatzswap .. .... .... .... .... .... .... .... .... 848
Abb. 14.3 Zinskosten aus der Kreditaufnahme kombiniert mit einem von einem
FinanzinstitutvermitteltenbilateralgehandeltenZinssatzswap ...... 850
Abb. 14.4 Cashflow-Replikation eines Payer Swaps mit einer festverzinslichen und
einer variabel verzinslichen Anleihe ...................... 852
Abb. 14.5 Cashflow-Replikation eines Receiver Swaps mit einer festverzinslichen
und einer variabel verzinslichen Anleihe....................853Abb. 14.6
Wertbestimmung eines Payer und eines Receiver Swaps mit einer
variabel verzinslichen und einer festverzinslichen Anleihe ......... 856
Abb. 14.7 Transformation einer variabel ve rzinslichen Anleihe in eine festverzins- liche
Schuldposition mithilfe eines Payer Swaps...............862
Abb. 14.8 TransformationeinervariabelverzinslichenAnleiheineinefestverzins-liche
VermögenspositionmithilfeeinesReceiverSwaps .......... 863
Abb. 14.9 Zinskosten aus der Kreditaufnahme kombiniert mit einem von einem
Finanzinstitut vermittelten bila teral gehandelten Währungsswap.....869
Abb. 14.10 Transformation einer Euro-Anleihe in eine Pfund-Verbindlichkeit
mithilfe eines Währungsswaps .......................... 875
Abb. 14.11 Asset-Währungsswap zur Absicherung von Währungsrisiken bei einem
festverzinslichen Anleiheportfolio .... .... .... .... .... .... 877
Abb. 14.12 Veränderung der Asset-Allokation eines Aktien- und Anleiheportfolios
mit einem bilateral gehandelten Equity/Total Return Swap ........ 886
Abb. 14.13 Struktur eines bilateral gehandelten Credit Default Swaps (Barausgleich) 896
Abb. 15.1 Zusammenhang zwischen Optionspreis und Risikofaktoren ........ 920
Abb. 15.2 Binomialbaum für eine Aktie (eine Periode) ................. 940
Abb. 15.3 Ein-Perioden-Binomialbaum für Aktie und Call-Option .......... 942
Abb. 15.4 Zwei-Perioden-Binomialbaum für Aktie und Call-Option ......... 945
Abb. 15.5 Fläche N .d1 / unter der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung . 954
Abb. 15.6 Fläche 1 N .d1 / unter der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung 955
Abb. 15.7 Preisfunktionskurve einer Call-Option ..................... 964
Abb. 15.8 Delta der Call-Option als Funktion des Aktienpreises............965Abb. 15.9
Preisfunktionskurve einer Put-Option ...................... 966
Abb. 15.10 Delta der Put-Option als Funktion des Aktienpreises ............ 967
Abb. 15.11 Zusammenhang zwischen Delta und Laufzeit bei einer Call-Option auf
eine Aktie ohne Dividenden ........................... 970
Abb. 15.12 Delta und Gamma einer Call-Option ...................... 975
Abb. 15.13 Delta und Gamma einer Put-Option ....................... 976 Abb. 15.14
Zusammenhang zwischen Gamma, Basiswertpreis und Restlaufzeit der
Option ......................................... 978
XXXIV Abbildungsverzeichnis

Abb. 15.15 Zusammenhang zwischen Vega, Basiswertpreis und Restlaufzeit der


Option ......................................... 982
Abb. 15.16 Zusammenhang zwischen Optionspreis und risikolosem Zinssatz bei
einer Aktie......................................988 Abb. 15.17 Zusammenhang
zwischen Optionspreis und Restlaufzeit der Option... 988 Abb. 15.18 Zusammenhang
zwischen dem Theta einer europäischen Call-Option
und dem Aktienpreis ................................ 990
Abb. 16.1 Portfoliomanagementprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 0 6
Abb. 16.3 Payoff-Diagramm der Kaufen-und-Halten-Strategie bei einem ursprüng-
lichenAnlagemixvon 70 %=30 % zwischen Aktien und risikoloser
Anlage ........................................1034
Abb. 16.4 Payoff-Diagramm der Kaufen-und-Halten-Strategie und der Constant-
Mix-Strategie bei einem ursprünglichen Anlagemix von 70 %=30 %
zwischen Aktien und risikoloser Anl age (auf- und abwärtstendierende
Aktienmärkte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 3 5
Abb. 16.5 Payoff-Diagramm der Kaufen-und-Halten-Strategie und der Constant-
Mix-StrategiebeieinemursprünglichenAnlagemixvon 70 %=30 %
zwischen Aktien und risikoloser Anlage (umkehrender Aktienmarkt)..1037
Abb. 16.6 Payoff-Diagramm der Kaufen-und-Halten-Strategie, der Constant-Mix-
StrategieundderCPPI-StrategiebeieinemursprünglichenAnlagemixvon
70 %=30 % zwischen Aktien und risikoloser Anlage (auf- und
abwärtstendierende Aktienmärkte) .......................1040
Abb. 16.7 Payoff-Diagramm der CPPI-Strategie, der Kaufen-und-Halten-Strategie
und der Constant-Mix-Strategie bei einem ursprünglichen Anlagemix
von 70 %=30 % zwischen Aktien und risikoloser Anlage (umkehrender
Aktienmarkt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 0 4 0
Abb. 17.1 Erwartete aktive Rendite und Risiko des Portfolios mit der höchsten Sharpe
Ratio (ohne Anlagerestriktionen) ....................1072
Abb. 17.2 Korrelationsdreieck zwischen den prognostizierten aktiven Renditen,
den realisierten aktiven Renditen und den aktiven Gewichten.......1076
Abb. 17.3 Optimales Portfolio bestehend aus aktivem Portfolio
und Marktportfolio ..... .... .... .... .... .... .... ....1094
Abb. 17.4 M2 -Statistik .....................................1100
Abb. 17.5 Marktneutrale Long-Short-Aktienstrategie ..................1118
Tabellenverzeichnis

Tab. 2.1 Arithmetische versus geometrische Rendite .................. 17


Tab. 2.2 Wa h r s c h e i n l i c h k e i t s v e r t e i l u n g v o n P o r t f o l i o r e n d i t e n ü b e r e i n e b e s t i m m -
.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . t e Z e i t p e r i o d e 34
Tab. 2.3 Value at Risk und Subadditivität ......................... 39
Tab. 3.1 Matrix zur Berechnung der Portfoliovarianz (2 Anlagen) .......... 77
Tab. 3.2 Matrix zur Berechnung der Portfoliovarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Tab. 3.3 Anzahl Varianzen und Ko varianzen in einem Portfolio . . . . . . . . . . . 89
Tab. 3.4 Verschiedene Nutzenwerte des Portfolios auf der Kapitalallokationslinie 119
Tab. 4.1 Standardabweichungen und Korrelationen für die Anlagen X, Y und Z . 145
Tab. 4.2 Statistiken zur Regression zwischen der Novartis-Aktie und dem SMI . 152
Tab. 4.3 Erwartete Renditen, Standardabweichungen und Korrelationen für fünf
SMI-Aktien ..................................... 164
Tab. 4.4 Gegenüberstellung von Sharpe Ratio, Treynor Ratio und Jensen’s Alpha 193
Tab. 5.1 Aus der Arbitragestrategie resultierende Cashflows und Risiko......224Tab.
5.2 Überschussrendite des S&P 500 ......................... 229 Anpassung der
Tab. 7.1 Bewertungsparameter beim zweistufigen Dividendendis-
kontierungsmodell
................................. 341
Tab. 7.2 Anpassung der Bewertungsparameter beim einstufigen FCEK-Modell . 358
Tab. 7.3 Anpassung der Bewertungsparameter beim zweistufigen FCEK-Modell 366
Tab. 7.4 FCEK-Modell versus Dividendendiskontierungsmodell .......... 367
Tab. 7.5 FCEK-Modelle versus FCGK-Modelle ..................... 379
Tab. 8.1 Stammdaten der 0,5 %-Anleihe der Bundesrepublik Deutschland mit
einer Laufzeit von 2015 bis 2025 ........................ 414
Tab. 8.2 Cashflows einer Annuitätenanleihe ....................... 419
Tab. 8.3 Cashflows einer Tilgungsanleihe mit einer teilweisen Amortisierung und
AbschlusszahlungamFälligkeitstag ...................... 419
Tab. 8.4 Beispiel einer Tilgungsfondsvereinbarung ................... 421
Tab. 8.5 Ratings von Commercial Papers ......................... 452
Tab. 8.6 USCPs versus ECPs ................................ 453
Tab. 9.1 Matrix gegliedert nach Kupons und Restlaufzeit ............... 500
Tab. 9.2 Benchmark und Spreads für optionsfreie festverzinsliche Anleihen ... 536

XXXV
XXXVI Tabellenverzeichnis

Tab. 9.3 Übersicht über Berechnungsweise von Spreads für optionsfreie


festverzinslicheAnleihen ............................. 536
Tab. 10.1 Modifizierte Duration und Konvexität einer 4 %-Anleihe mit einer
Verfallrendite von 5 % in Abhängigkeit zur Restlaufzeit .......... 587
Tab. 10.2 Einfluss der Restlaufzeit, des Kupons und der Verfallrendite auf die
Konvexität einer optionsfreien festver zinslichen Anleihe (Basisszenario:
Kupon D 4 %, Verfallrendite D 4 %, Restlaufzeit D 10 Jahre) ...... 588
Tab. 10.3 Langfristige Ratingklassifizie rung der drei größten Ratingagenturen .. 605
Tab. 10.4 Risikoprämien für den US-amerikanischen Industriesektor per 22.
Oktober2015(SpreadsinBasispunkten)(Quelle:Reuters) ........ 614
Tab. 11.1 Benchmark und Spreads für Anleihen mit eingebetteten Optionen .... 646
Tab. 11.2 Veränderung der effektiven Duration des 3-jährigen 4,5 %-Callable
Bonds und der 3-jährigen optionsfreien 4,5 %-Anleihe bei einer
ÄnderungderBenchmarkkurve ......................... 656
Tab. 11.3 Effektive Duration und einseitige Durationen bei einem 3-jährigen
4 %-Callable Bond, gegenwärtig kündbar zu 100 % ............. 658
Tab. 11.4 VeränderungdereffektivenDurationdes3-jährigen4,5%PutableBondsundder
3-jährigenoptionsfreien4,5%-AnleihebeieinerÄnderungderBenchmarkkurve
.................................. 663
Tab. 11.5 Einfluss der Zinssatzvolatilität auf den Preis des 3-jährigen 4 %-Callable
Bonds ......................................... 665
Tab. 11.6 Einfluss der Zinssatzvolatilität auf den Preis des 3-jährigen 4
%-Putable Bonds......................................... 665
Tab. 11.7 EinflussdesZinsniveausaufdenPreisdes3-jährigen4%-CallableBonds 665Tab.
11.8 Einfluss des Zinsniveaus auf den Preis des 3-jährigen 4 %-Putable Bonds 666
Tab. 12.1 Gegenüberstellungvonbörsengehandeltenundaußerbörslichgehandel-
ten Derivaten . .... .... .... .... .... .... .... .... .... 703
Tab. 12.2 Anzahl ausstehender Kontrakte und Nominalwerte von börsengehan-
delten Derivaten (Quelle: Quartalsberichte der Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich, www.bis.org/publ/regpubl.htm) ............. 704
Tab. 12.3 UnterschiedezwischenunbedingtenundbedingtenTermingeschäftenauf
AktienundAktienindizes .......................... 728
Tab. 13.1 Marktübliche Spezifikationen der FRA-Laufzeit und des FRA-Satzes .. 792
Tab. 13.3 Gegenüberstellung von Forwards und Futures ................ 836
Tab. 14.1 Zusammenhang zwischen Zinssatzänderung und Wert des Payer Swaps
und des Receiver Swaps .............................. 859
Tab. 14.2 Ratings und durchschnittliche kumulative
Ausfallwahrscheinlichkeiten (in %) sowie
Überlebenswahrscheinlichkeiten und unbedingte und bedingte Ausfallwahrscheinlichkeiten
A- und einem B-Rating(Quelle: Moody’s und eigene Berechnungen)..892
Tab. 15.1 Eurex-Call-Optionen auf Daimler-Aktie (in EUR) .............. 920
Tab. 15.2 Risikofaktoren und Preis von Aktienoptionen (Finanzoptionen) ..... 922
Tabellenverzeichnis XXXVII

Tab. 15.3 Preisobergrenzen und -untergrenzen für europäische und amerikanische


Optionen auf Aktien ohne Dividenden..................... 930
Tab. 15.4 Äquivalenz zwischen Call und synthetischem Call .............. 932
Tab. 15.5 Äquivalenz zwischen Put und synthetischem Put...............933
Tab. 15.6 Delta und Gamma von Long- und Short-Optionen .............. 976
Tab. 16.1 Risikobeurteilungsbogen .............................1007
Tab. 16.2 Beurteilung der Risikotoleranz anhand der Tragfähigkeit
und Bereitschaft ... .... .... .... .... .... .... .... ....1008
Tab. 16.3 WirkungeinzelnerFaktorenaufdieoptimaleBandbreitevonAnlage-klassen
........................................1029
Tab. 16.4 Vergleich der drei Rebalancing-Strategien ...................1042 Aktive
Tab. 16.5 Rendite: unterschiedliche Gewichte und Renditen zwischen Portfolio
und Benchmark
.............................1051
Tab. 17.1 Schema für Alphasignale .............................1076
Tab. 17.3 Reale Renditen von Aktienmärkten und Staatsanleihen von 1900 bis
2013 (arithmetisches Mittel) (Quelle: Credit Suisse Research
Institute 2014: Credit Suisse Global Investment Returns Sourcebook
2014, 12 ff.)
S. .......................................1105
Tab. 17.4 Charakteristiken der wert- und wachstumsorientierten Anlagestrategie . 1111
TeilI
Portfoliotheorie
EinführungindieFinance
1

1.1 Einleitung

DieFinancebzw.dieFinanzmarkttheorieisteinTeilgebietderWirtschaftswissenschaf-ten.Sie
umfasst Themenbereiche wie etwa die Finanzmärkte, die Anlageinstrumente, das Portfolio-
und Risikomanagement sowie d as Finanzmanagement eines Unternehmens (Corporate
Finance).

Im vorliegenden Buch werden die Themenbereiche der Finance aus der Sicht der Ka-
pitalanlage betrachtet. Die gleichen finanzmarkttheoretischen Konzepte finden sich auch
Analyse von Investi- in der Corporate Finance, bei der neben der Kapitalanlage (z. B.
tionsprojekten) auch die Kapitalbeschaffung (z. B. optimale Kapitalstruktur) im Vorder- grund
steht. Zum Beispiel sind Risiken, die der Kapitalgeber bzw. der Aktionär diver- sifizieren kann,
nicht vom Unternehmen zu e ntschädigen, sodass die erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber
(also der Eigenkapitalkostensatz) mit einem Einfaktormodell wie dem Capital AssetPricing
Model (CAPM) oder mit einem Multifaktorenmodell wie der Arbitragepreis-Theorie (APT)
bestimmt werden kann. Diese Modelle unterstellen, dass die Renditeerwartung vom
systematischen Risiko (Marktrisiko) abhängt, das sich in ei- nem gut diversifizierten Portfolio
vonLong-Aktiennichteliminierenlässt.

EinigeKonzeptederFinancewurdeninderCorporate-Finance-Theorieentwickelt.Hierzu
zählenzumBeispieldiegrundlegendenTheoremevonModiglianiundMillerzur
Kapitalstruktur-undDividendenirrelevanz. 1
Diesegehenvoneinemperfekten,frik-
tionslosenFinanzmarktaus,beidemdieFinanzierungsstrukturunddieHöhederDi-
videndenzahlungen(alsodieDividendenpolitik)fürdenUnternehmenswertundsomitfürdas
Aktionärsvermögenirrelevantsind.BesitzensowohldieAktionärealsauchdasUnternehmen
hinsichtlichInvestitionen,Diversifikation,FinanzierungundAbsicherung

1
Vgl.ModiglianiundMiller1958:TheCostofCapital,CorporationFinance,andtheTheoryof
Investment,S.261ff.sowieModiglianiundMiller1961:DividendPolicy,GrowthandtheValuation
of Shares, S. 411 ff.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 3


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_1
4 1 EinführungindieFinance

den gleichen Zugang zum Finanzmarkt und sind die Rahmenbedingungen wie Steuern,
Transaktionskosten und Informationen für alle Marktakteure gleich, so führen finanzielle
MaßnahmendesUnternehmenszukeinemAktionärsmehrwert.
DerErkenntnisfortschrittinderFinancehatindenvergangenenJahrzehntenstarkzu-
genommen,wasunteranderemdurchdenFortschrittinderModellierung,z.B.beider
RisikomessungundderOptionspreistheorie,unddaspraktischeUmsetzenvonModellen
erklärtwerdenkann.EinweitererwichtigerFaktoristdieEntwicklunginderInformati-
onstechnologie,welcheheuteRechenleistungenzulässt,mitdenenkomplexeAlgorithmenund
Simulationenimplementiertwerdenkönnen.AußerdemhatsichdieDatensituationaufgrund
deselektronischenHandelsbeiBörsenundPlattformensowieaufgrunddergrö-ßeren
ProduktevielfaltaufdenMärktenlaufendverbessert.

DieglobaleFinanzkrisevon2008führtezueinergroßenVerunsicherungunterden
Marktteilnehmern.SowurdenvermehrtdieRelevanzundAnwendbarkeitderFinance-Theorie
infragegestellt.Allerdingskannnichtausgeschlossenwerden,dassaufgrunddesBoomsaufden
FinanzmärktenundderdamiteinhergegangenenEuphoriediefi-nanzmarkttheoretischen
Konzeptefalschangewandtodersogargänzlichvernachlässigtwurden.Dierichtige
UmsetzungderKonzeptesollteesnämlichermöglichen,auchineinemschwierigen
MarktumfeldGewinnezuerzielenbzw.Verlustezubegrenzen.Ne-bendemhierfür
erforderlichenFinance-VerständnismüssendieMarktteilnehmerdiedenModellen
zugrundeliegendenAnnahmenverstehenundsichderAnwendungsgrenzenbe-wusstsein.

1.2 ThemenbereichederFinance

1.2.1 Übersicht

Das Buch stützt sich auf finanzmarkttheoretische Konzepte, die für die Kapitalanlage relevant
undsomitBestandteildesCFA ®
-Curriculums (Finanzanalyse und Portfolioma-
nagement) sind. Die entsprechenden Theme nbereiche lassen sich wie folgt aufteilen:

 Portfoliotheorie,
 Bewertung von Finanzinstrumenten wie Aktien, Anleihen und Derivaten,
 Risikomanagement und
 Portfoliomanagement.

Nachstehend werden diese Kern themen der Finance überblicksartig beschrieben, bevor in den
folgendenKapitelneinevertiefteDarstellungerfolgt.
1.2 ThemenbereichederFinance 5

1.2.2 Portfoliotheorie

Die moderne Portfoliotheorie entstand in den 1950er-Jahren und geht hauptsächlich auf die
Arbeiten von Harry Markowitz, James Tobin und William Sharpe zurück. So zeigt Markowitz
(1952),wiemithistorischenKapitalmarktdatenineinemRendite-Risiko-Diagramm
die Effizienzkurve anhand eines Optimierungsverfahrens erstellt werden
kann.2 AufderEffizienzkurveliegenPortfoliosausrisikobehaftetenAnlagen,dieinBe-zugauf
RenditeerwartungundRisikoameffizientestenbzw.amattraktivstensind.Dabei
wird das Risiko als Standardabweichung definiert, welche die dur chschnittliche Abwei- chung
der Renditen von ihrem Erwartungswert angibt. Je höher die Standardabweichung ist, desto
höher ist das Risiko und somit die erwartete Rendite eines risikoaversen Inves- tors. Das
Portfoliorisiko hängt neben der Standardabweichung einzelner Anlagen auch von der
Kovarianz bzw. von der Korrelation zwischen den Renditen von Anlagen ab. Das
Markowitz-Modell lässt sich mit Indifferenzkurvenerweitern, die den Anlegernutzen messen.
Zum optimalen Kundenportfolio gelangt man, wenn man die aus den Kapital- marktdaten
erstellteEffizienzkurvemitdenIndifferenzkurvenkombiniert.MithilfederIndifferenzkurven
fließt der Risikoaversionsgrad des Investors in die Portfoliokonstruk- tion ein. Der
Berührungspunkt zwischen der Effizienzkurve und der höchstmöglichen anlegerspezifischen
IndifferenzkurvestelltdasoptimalePortfoliorisikobehafteterAnla-gendar.

Tobin (1958) hat die risikolose Anlage mit dem Marktportfolio kombiniert, das als ef-
fizientes risikobehaftetes Portfolio auf der Effizienzkurve liegt.3 IneinemRendite-Risiko-
DiagrammbefindetsichdieeffizientesteAnlagekombinationbestehendauseinerrisiko-losen
AnlageunddemMarktportfolioaufderKapitalmarktlinie.DiesepassiveAnlage-strategielässt
sichbeispielsweisemitunverzinslichenSchatzanweisungenderBundesre-publik
DeutschlandalsrisikoloseAnlageundmitExchangeTradedFundsaufdenDAXals
ApproximationzumMarktportfolioumsetzen.Einepassiveistgegenübereinerakti-ven
Anlagestrategiezubevorzugen,wenndieFinanzmärkteeffizientsind,daineinemsolchen
MarktumfeldsämtlicheInformationenimAnlagepreisenthaltensind,sodasskei-ne
fehlbewertetenInvestmentsexistieren.DabeiunterscheidetFama(1970)jenachdeninden
PreisenvorhandenenInformationendreiunterschiedlicheGradederMarkteffizienz,nämlich
dieschwache,diehalbstrengeunddiestrengeForm.

4
InderstrengenFormder
InformationseffizienzhypothesesindnichtnurhistorischeundneueöffentlicheInforma-
tionen,sondernauchsämtlicheprivatenInformationenenthalten.
EineWeiterentwicklungderRendite-Risiko-Portfoliomodelleausden1950er-Jahren
erfolgtedurchGleichgewichtsmodellewieetwadasCapitalAssetPricingModel(CAPM) 5

2
Vgl. Markowitz 1952 : Portfolio Selection, S. 77 ff.
3
Vgl. Tobin 1958 : Liquidity Preference as Behavior Towards Risk, S. 65 ff.
4
Vgl. Fama 1970 : Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, S. 383 ff.
5
Vgl.Sharpe1964:CapitalAssetPrices:ATheoryofMarketEquilibriumUnderConditionsofRisk,S.
425ff.;Lintner1965:TheValuationofRiskAssetsandtheSelectionofRiskyInvestments
6 1 EinführungindieFinance

in den 1960er-Jahren und der Arbitragepreis-Theorie (APT)6 in den 1970er-Jahren. Das


CAPM ist das Kernstück der modernen Finanzmarkttheorie. Mit diesem Modell lässt
sicheinerisikogerechteerwarteteRenditebestimmen,wobeidasRisikomitdemBetagemessen
wird, das eine Größe für das Marktrisiko darstellt. Da das CAPM (gleich wie die APT) ein
Gleichgewichtsmodell ist, kann damit untersuchtwerden,ob die Anlagenrichtig bewertet sind.
Entspricht die erwartete Rendite der Anlage nicht der erwarteten CAPM-Rendite, also befindet
sich die Anlage nicht auf der Wertpapiermarktlinie, liegt eine Fehlbewertung vor. In einer
aktiven Strategie werden unterbewertete Investments gekauft und überbewertete Anlagen
verkauft. Darüber hinaus kann das CAPM für die Performancemessung eines Portfolios sowie
für die Bestimmung des Diskontsatzes bei einem Aktienbewertungsmodell wie etwa dem
Dividendendiskontierungsmodell und dem Free-Cash-Flow-to-Equity-Modell eingesetzt
werden. In der Corporate Finance kann das CAPM zudem für die Ermittlung des
Eigenkapitalkostensatzesverwendetwerden.

TreynorundBlack(1973)habenanhanddesRendite-Risiko-Portfoliomodellsvon
Markowitzdargelegt,wiesicheinoptimalesPortfolioauseinemMarktportfolioundeinemaktiven
Portfoliokonstruierenlässt. 7
DabeibestehtdasoptimalePortfolioauseiner
Kombinationvonunter-undüberbewertetenAnlagenunddemMarktportfolio.DasModell
unterstellt,dassdieMärktemehrheitlicheffizientsind.DieverbleibendenInef-fizienzenauf
demMarktkönnendurcheineaktiveStrategieausgenutztwerden,sodasseineimVergleichzum
MarktportfoliohöhererisikoadjustierteRenditeerzieltwerdenkann.DieAnwendungder
PortfoliotheorieaufdasaktivePortfoliomanagementwurdevonGrinold(1989)unddanachvon
Clarkeetal.(2002)weiterentwickelt.
8

1.2.3 BewertungvonFinanzinstrumenten

DieBewertungvonFinanzinstrumentenwieAktien,AnleihenundDerivatenstellteinwichtiges
Anwendungsgebiet der Finance dar. Dabei lassen sich Aktien und Anleihen grundsätzlich mit
einem Cashflow-Modell bewerten, während die Preis- und Wertbestim- mung von Derivaten
mit einem Replikationsan satz erfolgt, wobei der Preis von Optionen auch mit einem
risikoneutralenBewertungsverfahrenermitteltwerdenkann.

UnterderFortführungsannahme(Going-Concern-Prinzip)lässtsichderinnereAktien-wert
miteinemCashflow-Modellberechnen.HierzuwerdendieerwartetenCashflowsmitder
RenditeerwartungderKapitalgeberdiskontiert.KaufenInvestorendieAktiezudiesemPreis,
erzielensiedievonihnengeforderteAnlagerendite.DiesesbeidenCashflow-

in Stock Portfolios and Capital Budgets, S. 13 ff.; Mossin 1966 : Equilibrium in a Capital Asset Market, S.
768ff.
6
Vgl. Ross 1976 : The Arbitrage Theory of Capital Asset Pricing, S. 341 ff.
7
Vgl. Black und Treynor 1973 : How to Use Security Analysis to Improve Portfolio Selection, 66 ff.
S.
8
Vgl. Grinold 1989 : The Fundamental Law of Active Management, S. 30 ff. und Clarke et al. 2002 :
Portfolio Constraints and the Fundamental Law of Active Management, S. 48 ff.
1.2 ThemenbereichederFinance 7

basierten Modellen zugrundeliegende Bewert ungsprinzip wurde vo n John Williams Ende der
1930er-JahreanhanddesDividendendiskontierungsmodellsbeschrieben. 9
Erwartete
Cashflows lassen sich zum einen als Dividenden und zum anderen als frei verfügbare Cashflows
definieren, wobei Letztere potenzi ellausschüttbare Cashflows an die Kapital- geber darstellen.
EinweitereswichtigesBewertungsmodellsindWertschöpfungsmodelle,diesichimGegensatz
zu den Cashflow-Modellen nicht auf die Wertverteilung, sondern auf die Wertschöpfung
beziehen.ÜberdiegesamteLebensdauereinesUnternehmenshin-wegsinddieWertschöpfung
unddieWertverteilunggleichgroß,sodassbeikonsistenterAnwendungdieCashflow-Modelle
und die Werts chöpfungsmodelle den gleichen inneren Aktienwert liefern. Ein weiteres weit
verbreitetesBewertungsmodellsindMultiplikatoren,mitdenenderWerteinerAktierelativzum
WertandererBeteiligungspapierebestimmtwird,wobeivorausgesetztwird,dassvergleichbare
VermögenswerteeinenähnlichenPreisbesitzenmüssen.

DiePreisbewertungoptionsfreierAnleihenerfolgtebenfallsmitdemCashflow-Modell.
DabeiwerdendieerwartetenKuponzahlungenundderNominalwertamFälligkeitstagmitder
erwartetenRenditederInvestorendiskontiert.DieerwarteteRenditeergibtsichauseinem
Benchmarksatz(risikoloserZinssatzoderSwapsatz)undeinerRisikoprämie,dieeine
RenditeentschädigungfürdasKreditrisikounddasMarktliquiditätsrisikoderAn-leihe
darstellt.ImGegensatzzuoptionsfreienAnleihenistdieBewertungvonAnleihenmit
eingebettetenOptionenanspruchsvoller,dainfolgedermöglichenOptionsausübungdie
LaufzeitderAnleihenichtbekanntist,wasdenEinsatzeinesCashflow-Modellsver-unmöglicht.
SowerdenAnleihenmiteingebettetenKündigungsoptionen(CallableundPutableBonds)
sowieWandelanleihenmiteinemBinomialmodellbewertet.

DerivateumfassenForwards,Futures,SwapsundOptionen.DiePreis-undWertbe-stimmung
erfolgtfürsämtlicheDerivatedurcheinenReplikationsansatz,wobeihierauchdas
ArbitragekonzepteinewichtigeRollespielt.SoetwawirdderNicht-Arbitragepreisvon
ForwardsundFuturesmitdemCost-of-Carry-Modellermittelt,beidemdieKostenaufdem
Terminmarkt(alsoderPreisdesForwards/Futures)denKostendesKassamarktsentsprechen.
DieCashflowseinesSwapshingegenlassensichdurcheinefestverzinsli-cheundeinevariabel
verzinslicheAnleiheoderdurcheinPortfoliovonZinsterminge-schäften(ForwardRate
Agreements)nachbilden.ImGegensatzdazukannfürdieOpti-onsbewertungnebendem
Replikationsansatz(z.B.AktienkaufundGeldaufnahmezumrisikolosenZinssatzbeieiner
Call-Option)auchdasrisikoneutraleBewertungsverfahreneingesetztwerden.Der
entscheidendeDurchbruchinderOptionsbewertungfand1973mitdemBlack/Scholes-Modell
statt.KurznachderEröffnungderOptionsbörseinChicago(CBOE)

10
gelangesFischerBlackundMyronScholes,einegeschlosseneFormelfürdie
PreisbestimmungeuropäischerCall-Optionenzuentwickeln. 11 Ein weiteres Optionsbe-

9
Vgl. Williams 1938 : The Theory of Investment Value, S. 55 ff.
10
Der Handel mit Call-Optionen auf 16 US-amerikanische Basiswerte wurde im Jahre 1973 an der
Chicago Board Options Exchange (CBOE) aufgenommen. 11
Vgl. Black und Scholes 1973 : The Pricing of Options and Corporate Liabilities, S. 640 und Mer-
ton 1973 : Theory of Rational Option Pricing, S. 141 ff.
1 EinführungindieFinance

wertungsmodell stellt das Binomialmodell dar, das auf Cox, Ross und Rubinstein (1979)
zurückgeht.12 ImGegensatzzumBlack/Scholes-Modell,daseinzeitkontinuierlichesMo-dell
ist,handeltessichbeimBinomialmodellumeinzeitdiskretesBewertungsmodell.Außerdem
kanndasBinomialmodellnichtnurfürdiePreisberechnungeuropäischer,son-dernauch
amerikanischerOptioneneingesetztwerden.

1.2.4 Risikomanagement

Das Risikomanagement stellt einen Prozess dar, der aus der Identifikation, Messung, Steuerung
undBerichterstattungderRisikenbesteht.DiefinanziellenRisikeninderKapitalanlage
setzen sich aus Marktrisiken, und Marktliquiditätsrisi-
ken zusammen, wobei sich Marktrisiken in Kreditrisiken Zinsänderungs-,
Aktienpreisänderungs-,
Fremdwährungsänderungs- und Rohstoffpreisänderungsrisiken aufteilen lassen. Die
Risikomessung eines Portfolios erfolgt mit der Standardabweichung oder mit Downside-
Risikogrößen, etwa dem Value at Risk, der heute das Standardmodell in der Risikomes- sung
darstellt.FürdieSteuerungderfinanziellenRisikeneinesPortfolioswerdenDerivateeingesetzt.
So zum Beispiel wird das Risiko eines gut diversifizierten Aktienportfolios mit
Aktienindex-Futures abgesichert, indem das Beta des Aktienportfolios auf das gewünsch- te
Niveau gebracht wird. Das Zinsänderungsrisiko eines Anleiheportfolios hingegen wird mit
Fixed Income Futures gesteuert, während das Fremdwährungsrisiko eines Portfolios mit
Devisentermingeschäftenbegrenzt werden kann. Das Risiko eines Optionsportfolios wie etwa
das Delta-, Gamma- und Vegarisiko lässt sich durch den Kauf und Verkauf von Optionen
absichern. Darüber hinaus können Derivate auch für die temporäre Veränderung der
Asset-Allokation(taktischeAsset-Allokation)einesPortfolioseingesetztwerden.

1.2.5 Portfoliomanagement

Um ein auf die Kundenbedürfnisse abgestimmtes Portfolio zusammenzustellen, ist ein Prozess
erforderlich, der aus der Planung, der Ausführung und dem Feedback besteht. In der
Planungsphase werden die Finanzmärkte und die Kundenbedürfnisse analysiert, die
langfristige Anlagepolitik formuliert und die strategische Asset-Allokation festgelegt. In der
Ausführungsphase werden das Portfolio erstellt und die von der Anlagepolitik geforderten
Anlagen gekauft. Das Feedback schließt den Prozess ab und beinhaltet die Überwachung der
Anlagepolitik und der Kapita lmarkterwartungen, das Rebalancing und die Evaluation des
Portfolios.

Die strategische Asset-Allokation eines Po rtfolios wird in der Planungsphase erstellt.


Sie definiert die Anlageklassen (z. B. Aktien,AnleihenundImmobilien),diemitder
langfristigenAnlagepolitikinEinklangstehen,sodassdielangfristigenRendite-undRi-

12
Vgl. Cox et al. 1979 : Option Pricing: A Simplified Approach, S. 249.
1.3 Zusammenfassung 9

sikoziele des Investors unter Berücksichtigung der Anlagerestriktionen erreicht werden


können. Dabei bildet der Bericht zur langfris tigen Anlagepolitik das Kernstück des Port-
foliomanagementprozesses.
EinPortfoliokannentwederpassiv,semiaktivoderaktivgesteuertwerden.Einepassi-ve
AnlagestrategiewirdüblicherweisemiteinerIndexierung(ETFsoderAnlagefondsaufeinen
Index)odermiteinerKaufen-und-Halten-Strategieumgesetzt.Sieistimmerdannangebracht,
wenndieMärkteeffizientsind.IstdiesnichtderFall,kanneinesemiaktiveoderaktive
Anlagestrategieappliziertwerden.BeidersemiaktivenStrategiewirdver-sucht,zumeinenmit
eineraktivenStrategiedieBenchmarkzuschlagenundzumanderendasTracking-Risiko
(DifferenzzwischenPortfolio-undBenchmarkrisiko)sogeringwiemöglichzuhaltenbzw.
innerhalbeinervorgegebenenBandbreitezusteuern.Demgegen-überspieltbeieineraktiven
AnlagestrategiedasTracking-RisikokeineRolle.Vielmehrgiltes,anhandvonSelektions-und
AllokationsaktivitätensowiedesBenchmarktimingseineimVergleichzurBenchmarkhöhere
Renditezuerzielen.

1.3 Zusammenfassung

 Die Finance bzw. die Finanzmarkttheorie ist eine Teildisziplin der Wirtschaftswissen-
schaften. Sie bezieht sich auf finanzmark ttheoretische Konzepte der Kapitalanlage und
-beschaffung. Einige dieser Konzepte wurden in der Corporate-Finance-Theorie entwi-
ckelt.
 Im Zusammenhang mit der Kapitalanlage sin d die folgenden Themenbereiche der Fi- nance
von Bedeutung: Portfoliotheorie, Bewertung von Finanzinstrumenten, Risiko- und
Portfoliomanagement.
 Die moderne Portfoliotheorie befasst sich mit dem Erstellen eines optimalen Portfoli- os in
einem Rendite-Risiko-Diagramm. Wird von effizienten Märkten ausgegangen, so liegt das
optimale Portfolio bestehend aus einer risikolosen Anlage und dem Marktport- folio auf der
Kapitalmarktlinie. Mithilfe von Indifferenzkurven, die den Anlegernutzen messen, lässt
sich das optimale Kundenportfolio auf der Kapitalmarktlinie lokalisieren. Ebenfalls zur
modernen Portfoliotheorie zählen Gleichgewichtsmodelle wie das Capi- tal Asset Pricing
Model (CAPM) und die Arbitragepreis-Theorie (APT), mit denen eine risikogerechte
erwarteteRenditebestimmtwerdenkann.

 Die Bewertung von Aktien unter der Fortführungsprämisse erfolgt grundsätzlich mit
Cashflow-Modellen. Dazu gehören Dividendendiskontierungsmodelle und Free-Cash-
Flow-Modelle. Dabei werden die erwarteten Cashflows (Dividenden bzw. frei verfüg- bare
Cashflows) mit der Renditeerwartung der Kapitalgeber diskontiert. Wird die Aktie zum so
berechneten Preis gekauft, erzielt m an die geforderte Anlagerendite. Weitere
AktienbewertungsmodellesindWertschöpfungsmodelleundMultiplikatoren.

 DerPreisoptionsfreierAnleihenwirdmiteinemCashflow-Modellermittelt.Hierzuwerden
dieKuponsundderNominalwertamFälligkeitstagmitdererwartetenRenditederInvestoren
diskontiert.BeiAnleihenmiteingebettetenOptionenistdieBewertung
10 1 EinführungindieFinance

anspruchsvoller. Anleihen mit eingebetteten Kündigungsoptionen und Wandelanleihen


werdenmitdemBinomialmodellbewertet.
 Die Preisbestimmung von Derivaten (Forwards, Futures, Swaps und Optionen) basiert auf
dem Replikationsansatz, wobei das Arbitragekonzept eine wichtige Rolle spielt. Bei
OptionenkannaucheinrisikoneutralesBewertungsverfahrenverwendetwerden.
 Das Risikomanagement stellt einen Prozess dar, der sich aus der Identifikation, Mes- sung,
Steuerung und Berichterstattung der Risiken zusammensetzt. Dabei findet die Steuerung
finanziellerRisiken(alsoMarkt-undKreditrisiken)ineinemPortfoliomitDerivatenstatt.

 Der Portfoliomanagementprozess besteht aus den drei Phasen Planung, Ausführung und
Feedback. Die strategische Asset-Allokation eines Portfolios ist das Ergebnis der
Planungsphase. Hierzu sind die Finanzmärkte und die Kundenbedürfnisse zu analysie- ren
unddielangfristigeAnlagepolitikzuformulieren.

 Die Auswahl einer passiven oder aktiven St rategie im Portfoliomanagement hängt von der
Markteffizienz ab. Sindetwa die Finanzmärkte effizient, so ist eine passive gegen-über einer
aktiven Anlagestrategie die bessere Wahl, weil sämtliche Informationen im Anlagepreis
enthaltensindundsomitkeineüberdurchschnittlicheRenditeerzieltwer-denkann.

Literatur

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81 (3), 637–654 (1973)
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In:FinancialAnalystsJournal 58 (5), 48–66 (2002)
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Economics 7 (3), 229–263 (1979)
Fama, E. F.: Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, In: Journal of Finance
25 (2), 383–417 (1970)
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46 (1), 66–88 (1973)
Williams, J. B.: The Theory of Investment Value, Cambridge (1938)
Rendite,RisikoundMarkteffizienz
2

2.1 Einleitung

In der Portfoliotheorie wird die Beziehung zwischen der Rendite und dem Risiko von Anlagen
dargestellt.BeispielsweisewerdenfürdieBestimmungdesoptimalenPortfoli-osverschiedene
Faktoren und Anlagecharakteristiken berücksichtigt. Dabei spielen die
Rendite-Risiko-Eigenschaften von einzelne n Anlagen eine wichtige Rolle. In diesem Ka- pitel
werden zuerst die verschiedenen Rend itegrößen wie die periodische Anlagerendite, die
geldgewichtete Rendite und die erwartete Rendite vorgestellt und gewürdigt. Anschlie- ßend
findet eine Risikodiskussion statt. Die hierzu verwendeten Risikogrößen sind die Varianz bzw.
Standardabweichung und Downside-Risikogrößen wie der Value at Risk. Da die empirische
Renditeverteilung von Anlagen in der Regel nicht vollumfänglich durch die erwartete Rendite
und die Standardabweichung erklärt werden kann, werden auch höhere zentrale Momente der
Verteilung wie die Schi efe und die Kurtosis beschrieben. Darüber hinaus sind für die
Beurteilung von Anlagen auch deren Markteigenschaften wichtig. Der Wert von
Finanzprodukten wird durch die Informationseffizienz und die Liquidität der Märkte
beeinflusst.LetzterehateinenwesentlichenEinflussaufdieHöhederHandels-kosten.

2.2 Rendite

Die Rendite von finanziellen Anlagen setzt sich aus den folgenden zwei Komponenten
zusammen:

 Periodische Einnahmen wie Dividenden bei Aktien und Kupons bei Anleihen (ein-
schließlichZinserträgeauswiederangelegtenEinnahmen)sowie
 Kapitalgewinne und -verluste, die aufgrund von Preisänderungen entstehen.

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E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_2
14 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Einzelne finanzielle Anlagen weisen nur eine oder beide Renditekomponenten auf. Bei-
spielsweise werden bei einem Kursindex (Preisindex) nur die Aktienpreisänderungen für die
Ermittlung des Indexstandes berücksich tigt. Dividendenzahlungen fließen nicht in die
Berechnungein.
1
ImGegensatzdazuverwendeteinPerformanceindex(TotalReturn
Index)sowohldieAktienpreisänderungenalsauchdiebezahltenDividendenfürdieBe-
stimmungdesIndexstandes. 2
ÜblicherweisewerdenbedeutendeAktienindizeswiederSMI
(SwissMarketIndex)oderderDAX(DeutscherAktienindex)alsKurs-sowieauchals
Performanceindexberechnet. 3
DieindenMedienveröffentlichtenIndexständesindinder
RegelPerformanceindizes(z.B.DAX). 4

2.2.1 PeriodischeAnlagerendite

Renditen können entweder für eine oder für me hrere Perioden berechnet werden. Die pe-
riodischeAnlagerendite(HoldingPeriodReturn)stelltdieRenditeausdemHalteneinerAnlage
füreinebestimmteZeitperiodedar.DiePeriodekann1Tag,1Woche,1Monat,1Jahr,2Jahreoder
eine andere Zeitperiode sein. Kauft man heute, also zu Beginn der Periode t, eine Aktie für EUR
100 und verkauft diese später am Ende der Periode t zu ei- nem Preis von EUR 110, beträgt die
periodische Anlagerendite 10 %. Erhält man am Ende des Anlagehorizonts eine Dividende von
EUR5,beläuftsichdieRenditeauf15%.DieperiodischeAnlagerendite

.r/ , bestehend aus Kapital- und Dividendenrendite, berechnet


sich wie folgt:
.Pt  P0 / C Divt Pt  P0 Divt
rD D C
P0 P0 P0 (2.1)
D Kapitalrendite C Dividendenrendite
wobei:

P0 D Preis der Anlage zum Zeitpunkt 0 (zu Beginn der Periode t), Preis
Pt D derAnlageamEndederPeriodet,
Divt D Dividende am Ende der Periode t.

1
FallenDividendenan,soreduziertsichderAktienpreisentsprechend.BeieinemKursindexwirdnurdie
PreisänderungundnichtdieDividendenzahlungfürdieBerechnungdesIndexstandesver-
wendet.
2
Neben Preisänderungen und Dividendenzahlungen fließen auch sonstige Einnahmen aus dem Hal-
ten von Aktien wie etwa Bezugsrechtserlöse in die Berechnung des Indexstandes ein. 3
DerSMIbeinhaltetdie20liquidestenTitelderAktiengesellschaftenmitdergrößtenMarktkapitali-
sierungimSchweizerAktienmarkt.DerDAXhingegenumfasstdie30größtenundumsatzstärksten
Unternehmen,dieanderDeutschenBörseinFrankfurtnotiertsind.BeideAktienindizesbildendas
SegmentderBlueChipsinihrenLändernab.
4
Der in den Medien dargestellte SMI ist ein Kursindex. Als Performanceindex wird der SMIC (SMI
Cum Dividend) berechnet.
2.2 Rendite 15

Im Beispiel wurde die Dividende am Ende de r Periode t ausbezahlt. Würde man die Divi- dende
während der Anlagedauer erhalten (also zwischen Beginn und Ende der Periode), müsste man
für die Renditeberechnung die Zinseinnahmen aus den wieder angelegten Dividenden
berücksichtigen.

DieperiodischeAnlagerenditekannauchübermehrereTeilperiodenermitteltwerden.Die
RenditeübereinenAnlagehorizontvon4JahrenlässtsichmitvierjährlichenRenditenwiefolgt
bestimmen:

r.4/ D Œ.1 C r1 / .1 C r2 / .1 C r3 / .1 C r4 /  1; (2.2)

wobei:

r1 ; : : :; r4 D jährliche Renditen der Jahre 1 bis 4.

2.2.2 ArithmetischeRendite

Weisen Anlagen Renditen über mehrere Perioden auf, kann es für Vergleichs- oder Ver-
ständniszweckenützlichsein,einedurchschnittlicheRenditezuermitteln.DereinfachsteAnsatz,um
die durchschnittliche Rendite zu berechnen, ist, die Summe der periodischen Renditen durch die
AnzahlderPeriodenbzw.derRenditenzudividieren(arithmetischeRendite):

1X
T
r 1 C r2 C : : : C rT
rD D rt ; (2.3)
T T tD1

wobei:

r D durchschnittliche Rendite (arithmetisches Mittel),


r1 D Rendite für die Periode t D 1,
T D Anzahl Perioden bzw. Renditen.

Liegen drei jährliche Renditen von 40 %,25%und30%vor,beträgtdiearithmetische%


Rendite 5 %ŒD .40 % C 25 % C 30 /=3. Die arithmetische Rendite kann einfach
ermittelt werden und besitzt bekannte statistische Eigenschaften, die ermöglichen, die
Standardabweichung zu berechnen. Die Standardabweichung gibt an, wie weit die ein- zelnen
RenditenimDurchschnittvonderdurchschnittlichenbzw.erwartetenRenditeabweichen.
5

5
Vgl Abschn. 2.3.1 .
16 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

2.2.3 GeometrischeRendite

Die arithmetische Rendite stellt die durchschnittlich erzielte Rendite eines Finanzprodukts dar
undsetztvoraus,dassderangelegteBetragzuBeginnjederPeriodegleichbleibt.InWirklichkeit
verändert sich der Anlagebetrag durch die erzielte Rendite (Einnahmen sowie Kapitalgewinne
und -verluste) von Periode zu Periode. Die geometrische Rendite berücksichtigt den
Verzinsungseffekt der Renditen bzw. das Anwachsen des anfänglichen Anlagebetrags durch
dieerzieltenRenditen.

Unterstelltman,dasssichderursprünglicheInvestitionsbetragwährenddergesamten
Anlagedauernichtverändert,dannstelltdiegeometrischeRenditeaufgrunddesVerzin-
sungseffektseinebesserePerformancegrößeimVergleichzurarithmetischenRenditedar.Die
geometrischeRenditer
G lässt sich wie folgt ermitteln:

" #1=T
Y
T
1=T
rG D Œ.1 C r1 / .1 C r2 / : : : .1 C rT / 1D .1 C rt /  1: (2.4)
tD1

Liegen drei jährliche Renditen von 40 %,25%und30%vor,beträgtdiegeometrische 13


Rendite 0;84 %ŒD .0;60  1;25  1;30/ =  1.
Investiert man zum Beispiel EUR 100 für 3 Jahre und geht von jährlichen Renditen
von 40 %, 25 % und 30 % aus, dann ergibt das unter Berücksichtigung des Verzinsungs-
effekts einen Betrag von EUR 97,50 am Ende des 3. Jahres (siehe Tab. 2.1 ). Die Rendite
von 25 % im 2. Jahr erzielt man auf den Anfangsbetrag des 2. Jahres von EUR 60ŒD
EUR 100  .1  0;4/, woraus ein Endbetrag von EUR 75ŒD EUR 60  .1 C 0;25/ resul-
tiert. Im 3. Jahr wächst dieser Betrag um 30 % auf EUR 97;50ŒD EUR 75  .1 C 0;3/.
Nimmt man die arithmetische Rendite von 5 %, resultiert daraus ein Betrag am Ende des
3. Jahres von EUR 115;76ŒD EUR 100  .1;05/3 . Dieser Endbetrag von EUR 115,76 ist
größer als der tatsächlich erzielte Betrag von EUR 97,50. Je volatiler die jährlichen Anla-
gerenditen sind, desto höher fällt die arithme tische Rendite aus. In diesem Beispiel liegen
positivewieauchnegativeRenditenvor,waseinezuhohearithmetischeRenditezurFolgehat.

Die geometrische Rendite beträgt 0;84 %undistimVergleichzurarithmetischen


Rendite von 5 % niedriger. Wird die geometrische Rendite von 0;84 % zugrunde ge-
legt, erhält man den tatsächlich angefallenen Endbetrag von EUR 97,50. Aufgrund des
Verzinsungseffekts ist die geometrische Rendite immer niedriger oder gleich groß wie die
arithmetische Rendite. Sind die vorliegenden Renditen hingegen gleich groß, sind die
geometrischeunddiearithmetischeRenditeidentisch.

2.2.4 GeldgewichteteRendite(InternerZinsfuß)

Die oben beschriebenen Renditegrößen enthalten nicht die während des Anlagehorizonts
investiertenGeldbeträge.InvestierteinAnlegerbeispielsweiseEUR1000im1.Jahrund
2.2 Rendite 17

Tab.2.1 Arithmetische versus geometrische Rendite


Jahre Jährliche Jahresendbe- Jahresendbetrag anhand Jahresendbetrag anhand
Renditen trag arithmetischer Rendite geometrischer Rendite
(in%) von 5 % (in EUR) von
(in EUR) 100,00 0;84 % (in EUR)
0 100,00 100,00
1 40 60,00 105,00 99,16
2 25 75,00 110,25 98,33
3 30 97,50 115,76 97,50

jeweils EUR 100 im 2. und 3. Jahr, dann führt eine Rendite von 40 % im 1. Jahr zu einem
wesentlichen Vermögensrückgang. Legt hingegen ein Investor EUR 100 im 1. Jahr an, hat
die negative Rendite von 40 % einen weniger starken Vermögensschwund von EUR 40 anstatt
EUR400zurFolge.
DiegeldgewichteteRendite(MoneyWeightedRateofReturn)berücksichtigtunter-
schiedlichinvestierteGeldbeträgewährendderAnlagedauerundgibtdemInvestorAuf-schluss
überdietatsächlicherzielteRenditedeseingesetztenKapitals.InvestierteGeld-beträgestellen
ausderSichtdesInvestorseinenZahlungsausgangdar,währendKapi-talrückzahlungensowie
derEndbetragamEndedesAnlagehorizontsZahlungseingängesind.DieseZahlungsströme
werdenverwendet,umdeninternenZinsfuß(IRRbzw.In-ternalRateofReturn)zuberechnen.
DasnachfolgendeBeispielzeigtdieBerechnungdergeldgewichtetenRendite.

Beispiel
Berechnung der geldgewichteten Rendite
Zu Beginn des 1. Jahres legt ein Investor EUR 1000 in einen Anlagefonds an. Er in- vestiert
weitere EUR 2000 zu Beginn des 2. Jahres und zieht am Ende des 2. Jahres EUR 800 ab. Der
Anlagehorizont beträgt 3 Jahre unddie jährlichen Renditen des An- lagefonds belaufen sich
auf
 %,25%und30%.Wiehochistdiegeldgewichtete40
Rendite?

Lösung
Es fallen folgende Zahlungsströme an (in EUR):

Jahre 1 2 3
Betrag des Vorjahres 0 600 2450
Geldanlage zu Beginn des Jahres (Geldabfluss) 1000 2000 0
NettobetragzuBeginndesJahres 1000 2600 2450
Anlagegewinn bzw. -verlust 400 650 735
Geldrückzahlung am Ende des Jahres (Geldzufluss) 0 800 0
Betrag am Ende des Jahres 600 2450 3185
1 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

IstdieSummederdiskontiertenCashflowsEUR0,dannentsprichtderDiskontsatzdem
internenZinsfuß(IRR)bzw.derAnlagerendite,waszufolgenderFormelfürdieBerechnung
desIRRbzw.dergeldgewichtetenRenditeführt:

T
Cashflowst
Xt D 0: (2.5)
D0
.1 C IRR/t

Die Cashflows können sowohl positiv als auch negativ sein. Ein positiver Cashflow zeigt
einen Geldzufluss für den Investor, während ein negativer Cashflow einen Geld- abgang
widerspiegelt. Die Investitionssumme zu Beginn des Jahres entspricht einem Geldabfluss
vonEUR1000.DieGeldanlagezuBeginndes2.Jahresstellteinenweite-renGeldabgangvon
EUR 2000 dar. Demgegenüber sind die Geldentnahme des Inves- tors am Ende des 2. Jahres
von EUR 800 und der Betrag am Ende des 3. Jahres von EUR 3185 Geldzuflüsse.
ZusammengefasstlassensichdieZahlungsströmewiefolgtaufführen(inEUR):

Cashflow 0 D 1000,
Cashflow 1 D 2000,
Cashflow 2 D C800,
Cashflow 3 D C3185.

WirddieuntenstehendeGleichungnachdemDiskontsatzbzw.IRRaufgelöst,erhältmaneine
geldgewichteteRenditevon14,21%: 6

EUR 1000 EUR 2000 EUR 800 EUR 3185


EUR 0 D 0
C 1
C 2
C :
.1 C IRR/ .1 C IRR/ .1 C IRR/ .1 C IRR/3

Die geldgewichtete Rendite zeigt, wie viel der Investor durchschnittlich pro Jahr durch das
investierte Kapital verdient hat. Der Nach teil besteht darin, dass diese Rendite nicht mit den
Renditen anderer Investoren verglichen werden kann, weil die Geldabflüsse und -zuflüsse
beijedemeinzelnenInvestorunterschiedlichsind.

Beispiel
Berechnung und Gegenüberstellung von Renditen
Ein Portfoliomanager untersucht die Performance des Gamma-Anlagefonds. Er ist der
Meinung, dass eine Periode von 4 Jahren für die Analyse angemessen ist. Er hat für den
AnlagefondsfolgendeInformationenzusammengestellt:

6
Benutzt man zum Beispiel den für die CFA® -Prüfungen zugelassenen Taschenrechner Texas In-
strument BAII Plus, lässt sich die geldgewichtete Rendite wie folgt berechnen: CF, CF 0 D 1000, ˙,
ENTER, #, C01 D 2000, ˙, ENTER, #, #, C02 D 800, ENTER, #, #, C03 D 3185, ENTER, #, #,
IRR, CPT.
2.2 Rendite 19

Jahre Verwaltete Vermögen zu Beginn des Nettorendite (in %)


Jahres (in Mio. EUR)
1 50 12
2 65 10
3 45 8
4 52 5

Der Portfoliomanager möchte für Vergleichszwecke mit anderen Fondsanlagen fol-


gende Renditegrößen des Gamma-Anlagefonds berechnen:

1. Anlagerendite für den gesamten Investitionszeitraum von 4 Jahren,


2. arithmetischejährlicheRendite,
3. geometrische jährliche Rendite,
4. geldgewichtete jährliche Rendite.

Lösungzu1
Die Anlagerendite für die Zeitdau er von 4 Jahren beträgt 14,31 %:

Anlagerendite D .1;12/  .0;90/  .1;08/  .1;05/  1


D 0;1431 D 14;31 %:

Lösungzu2
0;12 C .0;10/ C 0;08 C 0;05
arithmetische jährliche Rendite D
4
D 0;0375 D 3;75 %

Lösungzu3
geometrische jährliche Rendite D Œ.1;12/  .0;90/  .1;08/  .1;05/1=4  1
D 0;03399 D 3;40 %

Lösungzu4
Es fallen folgende Cashflows an (in Mio. EUR):

Jahre 1 2 3 4
Betrag des Vorjahres 0,0 56,0 58,5 48,6
Geldanlage zu Beginn des Jahres (Geldabfluss) 50,0 9,0 0,0 3,4
GeldrückzahlungzuBeginndesJahres(Geldzufluss) 0,0 0,0 13;5 0,0
Nettobetrag zu Beginn des Jahres 50,0 65,0 45,0 52,0
Anlagegewinn bzw. -verlust 6,0 6;5 3,6 2,6
Betrag am Ende des Jahres 56,0 58,5 48,6 54,6
20 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Die Cashflows können demnach wie folgt zusammengefasst werden (in Mio. EUR):

Cashflow 0 D 50,
Cashflow 1 D 9,
Cashflow 2 D 13,5,
Cashflow 3 D 3;4,
Cashflow 4 D 54,6.

WirddiefolgendeGleichungnachdemIRRaufgelöst,erhältmaneinegeldgewichtetejährliche
Renditevon2,69%. 7

EUR 50 Mio. EUR 9 Mio. EUR 13;5 Mio.


EUR 0 D 0
C 1
C
.1 C IRR/ .1 C IRR/ .1 C IRR/2
EUR 3;4 Mio. EUR 54;6 Mio.
C 3
C :
.1 C IRR/ .1 C IRR/4

2.2.5 RealeRendite

Die nominale Rendite .r/ besteht aus drei Komponenten, nämlich dem realen risikolosen r
Zinssatz für den Aufschub des Konsums . /,derInflationalsEntschädigungfürdie
RFreal
verlorene Kaufkraft .INFL/ und einer Risikoprämie für das eingegangene Risiko .RP/.
Die nominale Rendite .r/ lässt sich demnach wie folgt berechnen:

r D .1 C rRFreal / .1 C INFL/ .1 C RP/  1: (2.6)

Demgegenüber besteht die reale Rendite (rreal ) aus dem realen risikolosen Zinssatz und
der Risikoprämie:
rreal D .1 C rRFreal / .1 C RP/  1 (2.7)
oder
.1 C r/
rreal D  1: (2.8)
.1 C INFL/
Verändern sich die Inflationsraten über die Zeit hinweg, erlaubt der Einsatz von realen
Renditen einen Performancevergleich der An lage. Darüber hinaus ist der Einbezug von realen
Renditen vorteilhaft, wennRenditen in verschiedenen Währungen vorliegen. Dies ermöglicht
es,RenditenvonLändernmitunterschiedlichhoherInflationmiteinanderzuvergleichen.

DiePerformanceeinerAnlagelässtsichdurchdierealeRenditenachSteuernmes-sen.Diese
RenditegrößestellteineEntschädigungfürdenaufgeschobenenKonsum,das

7
MitdemTexasInstrumentBAIIPluslässtsichdiegeldgewichteteRenditewiefolgtberechnen:D
CF, CF0 50, ˙, ENTER, #, C01 D 9, ˙, ENTER, #, #, C02 D 13,5, ENTER, #, #, C03 D 3,4,
˙, ENTER, #, #, C04 D 54,6, ENTER, #, #, IRR, CPT.
2.2 Rendite 21

eingegangene Risiko und die b ezahlten Steuern dar. Die reale Rendite nach Steuern ist eine
verlässliche Benchmark für die getätigten Anlageentscheidungen des Investors. In der
Portfoliotheorie wird die reale Rendite nach Steuern grundsätzlich nicht angewandt, da es nicht
möglich ist, für sämtliche Investoren einen einheitlichen Steuersatz zu bestim- men.
Beispielsweise hängt die Höhe der Steuern vom spezifischen Steuersatz des Investors (z. B.
durch Progression), von der Länge der Anlageperiode und vom Steuereffekt der An- lage
(steuerfreiodernormalbesteuert)ab.

Beispiel
Berechnung der realen Rendite nach Steuern
Ein Investor hat eine nominale Rendite von 10 % aus einer Anlage erzielt. Der Steu- ersatz
beträgt 30 %, während die Inflationsrate bei 3 % liegt. Wie hoch ist die reale Rendite nach
Steuern?

Lösung
Zuerst ist die nominale Rendite nach Steuern von 7 % zu berechnen, da die Steuern auf den
nominalenBetragbezahltwerden:

Nominale Rendite nach Steuern D 10 %  .1  0;30/ D 7 %:

Berücksichtigt man die Inflationsrate von 3 %, dann ergibt sich eine reale Rendite nach
Steuernvon3,88%:

1;07
Reale Rendite nach Steuern D  1 D 0;0388 D 3;88 %:
1;03

2.2.6 HistorischeunderwarteteRendite

Die erwartete Rendite ist eine nominale Rendite, die aus dem realen risikolosen Zinssatz, der
erwartetenInflationsrateE Œ .INFL/ und der erwarteten RisikoprämieŒE .RP/ besteht.
Der reale risikolose Zinssatz ist aufgrund des Konsumaufschubs in der Regel positiv. In ei-
nem inflationären Umfeld ist die erwartete Inflationsrate ebenfalls positiv. Liegt hingegen eine
Deflation vor, ist die Inflationsrate negativ. Da sich die Marktteilnehmer im Durch- schnitt
risikoavers verhalten, geht man von einer erwarteten Risikoprämie aus, die positiv ist. Je höher
das Risiko ist, desto höher ist die erwartete Rendite. Diese Zusammenhänge führen zur
folgendenGleichungfürdieBerechnungdererwartetenRendite
ŒE .r/:

E .r/ D .1 C rRFreal / Œ1 C E .INFL/Œ1 C E .RP/  1: (2.9)

DiehistorischeRenditespiegeltdieinderVergangenheittatsächlicherzielteRenditewi-der.Da
eine Anlage risikoreich ist, besteht keine Gewissheit, dass die tatsächlich angefal- lene
Durchschnittsrendite der erwarteten Rendite in der nächsten Periode entspricht. Liegt eine
genügend lange Zeitreihe vor (z. B. 50 oder 100 Jahre), kann man davon ausgehen, dass die
durchschnittlichehistorischeRenditeeinguterIndikatorfürdieerwarteteRendite
22 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

ist. Diese Annahme setzt allerdings stabile Renditen voraus. Sie wird in der Portfoliotheo- rie
üblicherweise verwendet, obwohl keine Gewissheit besteht, dass die durchschnittlich
historischeRenditedieerwarteteRenditeangemessenprognostiziert. 8

2.3 Risiko

WiebeidenRenditen,gibtesauchfürdasRisikounterschiedlicheGrößen.Esistschwie-rig,einen
allgemeinenKonsenszufinden,wiemandasRisikodefiniert.DieRisiko-wahrnehmungistbeiden
Finanzakteuren unterschiedlich und hängt unter anderem von der Zusammensetzung des
Portfolios, der Art des Investors (privater oder institutionel- ler Investor) und von der
Risikoeinstellung des Anlegers ab. Für eine Pensionskasse oder Versicherung beispielsweise
bestehtdasRisikodarin,dassdieVerbindlichkeitennichtdurchVermögenswertegedecktsind.
DasRisikoeinesAnlagefondsistdurchdieRen-diteabweichungdesAnlageportfoliosvoneiner
Benchmarkgekennzeichnet.EinprivaterInvestorhingegendefiniertRisikoalseinenmöglichen
Verlustbetrag aus seiner Anlage. In den folgenden Ausführungen werden verschiedene
Risikogrößenvor-undeinanderge-genübergestellt.

2.3.1 VarianzundStandardabweichung

Eine einfache Risikogröße stellt die durchschnittliche Abweichung der Renditen dar, die sich
fürdieGrundgesamtheitderhistorischenRenditedatenwiefolgtbestimmenlässt:

1X
T
Durchschnittliche Abweichung der Renditen D .rt  /; (2.10)
T tD1
wobei:

rt D Rendite für die Periode t,


 D erwartete Rendite der Grundgesamtheit.

Berechnet man die durchschnittliche Abweic hung der Renditen von der erwarteten Ren- dite,
heben sich positive und negative Abweichungen gegenseitig auf. Dies führt zu einer
durchschnittlichen Abweichung von null. Der Grund hierfür liegt in der Definition der
durchschnittlichen Rendite, welche die Mitte a ller möglichen Renditebeobachtungen ist,
sodasssichpositiveundnegativeAbweichungengegenseitigaufheben.UmdiesesPro-blemzu
lösen,kanndieabsolutedurchschnittlicheAbweichungderRenditenermitteltwerden:

1X
T
Absolute durchschnittliche Abweichung der Renditen D jrt  j: (2.11)
T tD1

8
Für den Schätzfehler der erwarteten Rendite vgl. Abschn. 4.2.1 über die Konstruktion der Effizi-
enzkurve mit historischen Daten.
2.3 Risiko 23

Der Begriff „absolut“, der durch di e vertikalen Betragsstriche in ( 2.11 ) gekennzeichnet ist,
bedeutet, dass negative Renditen als positive Größen in die Berechnung eingebunden werden.
Diese absolute durchschnittliche Rendite ist einfach zu berechnen und intuitiv. Allerdings
besitzen absolute Zahlen Eigenschaften, welche die statistische Analyse wie etwa die
Portfoliooptimierungerschweren.

Eine bekannte statistische Größe ist die Varianz, die das Problem der durchschnittlichen
Abweichung von null löst.9 SiestellteinestatistischeGrößedar,welchediedurchschnitt-
lichequadrierteAbweichungderRenditenvondererwartetenRendite(arithmetisches
Mittel) misst. Eine größere Varianz bedeutet eine größere Streubreite der Renditen und
demzufolgeeinegrößereVerlustgefahr.DieVarianz( ¢ 2 ) der Grundgesamtheit der Rendi-
tedaten kann wie folgt berechnet werden:

1X
T
2
¢ D .rt  /2 : (2.12)
T tD1

Eine Größe zu verwenden, die quadrierte Abweichungen benutzt, hat verschiedene Vor-
teile. Erstens heben sich positive und negative Abweichungen nicht gegenseitig auf, da alle
Abweichungen positiv sind. Zweitens führt die Quadrierung der Abweichungen zu einem
stärkeren Gewicht von großen Abweichungen. Dies ist mit dem Risikobegriff inso- fern
konsistent,alsgrößereAbweichungeneinehöhereVerlustgefahrdarstellen.Drittensbesitztdie
Varianz statistische Eigenschaften, die sich für die Portfoliooptimierung gut eignen. Daher
überrascht es nicht, dass die ersten Arbeiten in der Portfoliotheorie die Va- rianz als Risikomaß
verwendethaben.
10

DieVarianz(durchschnittlichequadrierteRenditeabweichung)hatnichtdiegleicheEinheit
wiedieRendite,dieinProzentangegebenwird.DaherrechnetmandieVarianzindie
Standardabweichungum,sodassmandiegleicheEinheit(Prozent)wiebeidenRenditenhat.Die
Standardabweichung(
¢ ) der Grundgesamtheit der Renditedaten lässt
sich wie folgt bestimmen (Wurzel der Varianz):
v
u
u1 X T
¢D t .rt  /2 : (2.13)
T tD1

Die Standardabweichung wird an den Finanzm ärkten als Volatilität bezeichnet und ist
dieammeistenverbreiteteKennzahlfürFinanzmarktrisiken.LiegteineStichprobeundnichtdie
GrundgesamtheitderRenditedatenvor,dividiertmaninderFormelderVarianz

9
DasQuadrierenistfürdieBerechnungderVarianzerforderlich,dadieAbweichungenvondererwarteten
Renditepositivodernegativseinkönnen,wasbeieinerAdditionderStreubreitenzuei-
ner Varianz von null führen kann. Werden hingegen die Streubreiten quadriert, erhält man positive Werte.
Beispiel: Die erwartete Rendite einer Anlage ist 10 %. Es treten Renditen von 20 %, 10 % und 0 % auf. Die
Streubreitenbetragendemnach10%,0%und
10 %, was zu einer Gesamtab-
weichung vom Erwartungswert von 0 % führt. Dies entspricht aber nicht den Schwankungen um
den Erwartungswert von C10 %, 0 % und 10 %. Werden hingegen die Streubreiten quadriert, er-
hält man positive Werte, die sich nach der gewichteten Addition durch die Wurzeloperation in die
Standardabweichung transformieren lassen.
10
Vgl. z. B. Markowitz 1959 : Portfolio Selection: Efficient Diversification of Investments, S. 72 ff.
24 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

bzw. der Standardabweichung durch T  1 und nicht durch T. Das führt zu folgender Q
Stichprobenvarianz (Q¢ 2 ) und -standardabweichung (¢ ):
v
u
1 XT u 1 X T
2
¢Q D .rt  r/ 2
und ¢Q D t .rt  r/2 ; (2.14)
T  1 tD1 T  1 tD1

wobei:

r D erwartete Rendite der Stichprobe.

DieStichprobenvarianzstellteineAnnäherungandieVarianzderGrundgesamtheitdar.Siewird
mit der erwarteten Rendite der Stichprobe und nicht mit der erwarteten Rendi- te der
GrundgesamtheitderDatenberechnet.DieStichprobenvarianzwirddurchT
1
und nicht durch T dividiert, was sicherstellt, dass die auf der Basis einer Stichprobe er- mittelte
Varianz im Durchschnitt (bei wiederholtem Ziehen von zufälligen Stichproben) der Varianz
derGrundgesamtheitentspricht.DieeinzelnenTerme
.rt  r/2 in ( 2.14 )für
die Stichprobenvarianz hängen vom Erwartungswert der Stichprobe und nicht vom Er-
wartungswert der Grundgesamtheit ab. Der Erwartungswert der Stichprobe wird durch die
einzelnenBeobachtungenderStichprober t ermittelt. Werden zufälligerweise kleine
r -Werte gezogen, so wird auch der Erwartungswert klein und damit die Terme t.rt  r/2 .
Dieser Effekt wird in der Formel für die Stichprobenvarianz durch die Division durch T  1
(anstatt durch das Dividieren durch T) korrigiert. Diese Vorgehensweise erlaubt es, eine
erwartungstreueSchätzungfürdieVarianzzubestimmen. 11
EinweitererAspektbeiderBerechnungderVarianzbzw.Standardabweichungstelltdie
VerwendungstetigerRenditen(r)dar,die
s
sichanhandeinfacher(diskreter)Rendi-
ten (r) mithilfe einer logarithmischen Transformation [rs D ln.1 C r/] ermitteln lassen. Da
man bei Anlagen wie etwa Aktien zum einem nicht mehr als deren Wert verlieren kann
und zum anderen keine Preisobergrenze besteht, bewegen sich die einfachen Renditen
zwischen  % und C1. DieRenditeverteilungistdemnachrechtsschief.Wirdunter-
stellt, dass 1100
plus die einfachen Renditen (1 C r) logarithmisch normalverteilt sind, dann
folgt daraus, dass die stetigen Renditen [r s D ln.1 C r/] normalverteilt sind. In der Finanz-
markttheorie wird vielfach von dieser Annahme ausgegangen. So werden beispielsweise
für die Berechnung von Korrelationen und Betas sowie für ökonometrische Analysen üb-
licherweise stetige Renditen benutzt, weil diese im Gegensatz zu einfachen Renditen eher
normalverteiltsind.
WirddieStandardabweichungmitstetigenRenditenbestimmt,solässtsichdieer-wartete
RenditealsarithmetischesMittelderstetigenRenditenberechnen,dadiesedieEigenschaftder
Addidivitätbesitzen.DieStandardabweichungmitstetigenRenditenlässtsichwiefolgt
bestimmen:
v
u
u 1 X
T
¢Q stetig Dt .rs ; t  r s /2 ; (2.15)
T  1 tD1

11
Die Quantität T  1 ist auch als die Anzahl Freiheitsgrade (Degree of Freedom) bekannt, die für
die Berechnung der Varianz der Stichprobe verwendet wird.
2.3 Risiko 25

wobei:
rs;t D stetigeRenditefürdiePeriodet,D
rs erwartete stetige Rendite.

Um die Standardabweichung einfacher Rendite n zu ermitteln, kann die Standardabwei- chung


derstetigenRenditenwiefolgtumgerechnetwerden:

¢Q D e¢Q stetig  1: (2.16)

Ferner sind die Wahl der historischen Zeitperiode und die Frequenz der beobachteten Da- ten für
die Volatilitätsbestimmung entscheidend. Es besteht ein Trade-off zwischen der Anzahl an
Renditebeobachtungen (T) und der Länge des historischen Zeitintervalls. Ist die Volatilität
stationär über die Zeit hinweg, dann sollte eine möglichst lange Zeitperi- ode mit einer großen
Anzahl Renditen genommen werden, um eine statistisch signifikante Standardabweichung zu
ermitteln. Ist hingege n die Volatilität nicht stationär, dann führt eine lange Zeitperiode zu einer
Standardabweichung,diedasaktuelleRisikoderAnla-genichtwiedergibt.IndiesemFallisteine
eher kurze Zeitperiode zu wählen, die zwar einerseits einen Strukturbruch in den Daten besser
berücksichtigt, aber andererseits eine Volatilitätsgröße produziert, die aufgrund der kleinen
AnzahlanRenditebeobachtungenstatistischnichtsignifikantseinkann.

12

Beispiel
Berechnung der Volatilität von Aktien
Für eine bestimmte Aktie liegen die folgenden monatlichen Preise und Renditen vor:

Monate Aktienpreise (in EUR) Einfache Renditen (in %)


Anfang Januar 100
Ende Januar 105 5,00
Ende Februar 112 6,67
Ende März 104 7;14
Ende April 98 5;77
Ende Mai 85 13;27
Ende Juni 100 17,65
Ende Juli 103 3,00
Ende August 105 1,94
Ende September 108 2,86
Ende Oktober 110 1,85
Ende November 112 1,82
Ende Dezember 114 1,79

Wie hoch ist die annualisierte Volatilität der stetigen und der einfachen Renditen
dieser Aktie?
12
Als Richtgröße gilt, dass die Volatilität mit nicht weniger als 24 Renditen zu rechnen ist, da sonst
die statistische Relevanz der Risikogröße nicht gegeben ist.
26 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Lösung
ZunächstsinddiestetigenRenditenzuermitteln.DiestetigeRenditers im Monat Ja-
nuarvon4,88%kannwiefolgtberechnetwerden:

EUR 100 ers 1 D EUR 105;


rs D ln .EUR 105= EUR 100/ D 0;0488 D 4;88%:

Die Summe der quadrierten monatlichen R enditeabweichungen von 0,0639 lässt sich wie
folgtermitteln:

Monate Monatliche stetige Renditen Quadrierte monatliche


h Rendi-
i
(rs ) teabweichungen .rs  rs /2
Anfang Januar
Ende Januar 0,0488 0,0014
Ende Februar 0,0645 0,0029
Ende März 0;0741 0,0072
Ende April 0;0594 0,0049
Ende Mai 0;1423 0,0235
Ende Juni 0,1625 0,0230
Ende Juli 0,0296 0,0003
Ende August 0,0192 0,0001
Ende September 0,0282 0,0003
Ende Oktober 0,0183 0,0001
Ende November 0,0180 0,0001
Ende Dezember 0,0177 0,00005
Summe 0,1310 0,0639
Durchschnitt (erwartete Ren- 0,0109
dite, rs )

Die Standardabweichung der monatlichen stetigen Renditen beträgt 7,62 %:


v
u r
u 1 X T
0;0639
¢Q stetig D t 2
.rs;t  rs / D D 0;0762 D 7;62%:
T  1 tD1 12  1

Wenn man davon ausgeht, dass die Renditen unabhängig voneinander anfallen (also nicht
miteinander korrelieren), dann lä sst sich die annualisierte Volatilität von 26,4 % durch die
MultiplikationmitderWurzelvon12Monatenwiefolgtermitteln:
p
¢Q stetige Rend iten annualisiert D 0;0762  12 D 0;2640 D 26;40%:

Die annualisierte Volatilität der stetigen Re nditen von 26,4 % kann in eine Standardab-
weichungdereinfachenRenditenvon30,21%folgendermaßenumgerechnetwerden:

¢Q D e¢Q stetig  1 D e0;2640  1 D 0;3021:


2.3 Risiko 27

DieimBeispielberechneteVolatilitätderstetigenRenditenvon26,4%basiertaufeinersehr
kleinenDatenreihevonnur12Renditebeobachtungen.UmeinelängereDaten-reihezu
erhalten,könnentäglicheAktienpreiseundRenditenüberdasletzteJahrhinwegverwendet
werden.Da1Jahrausrund250Handelstagenbesteht,lässtsicheinestatistischsignifikante
Volatilitätausrund250täglichenRenditenbestimmen.EineZeitperiodevon1Jahristinsofern
sinnvoll,daetwaigeStrukturbrücheindenDatenimVergleichzulän-gerenZeitintervallen
besserberücksichtigtwerdenkönnen.DarüberhinauskannmandenRenditeabweichungen
unterschiedlicheGewichtezuordnen.KürzlichangefalleneRendi-teabweichungenerhalten
einhöheresGewichtundhabensomiteinenstärkerenEinflussaufdieBerechnungder
Volatilität.DieaufdieseWeiseberechneteRisikogrößespiegeltdieaktuelleVerlustgefahrder
Aktiebesserwider.

13

Die Standardabweichung basiert auf dem statistischen Konzept der Normalverteilung


– auch bekannt als die Gauß‘sche Verteilung.14 Die Normalverteilung ist die am weitesten
verbreitete Verteilung. Sie besitzt die folgenden statistischen Eigenschaften:

 Sämtliche Normalverteilungen sind durch di e gleiche Verteilungsform gekennzeichnet.


DieVerteilungistglockenförmigundverfügtnurübereinen„Gipfel“(eingipflig)inderMitte
der Verteilung. Der Erwartungswert (arithmetisches Mittel), der Median (Mitte aller Werte)
undderModus(häufigsterWert)sindgleichgroßundbefindensichinderVerteilungsmitte.

 Die Normalverteilung ist symmetrisch um den Erwartungswert verteilt. Links und rechts
vomErwartungswertistdieVerteilungspiegelbildlichangeordnet.
 Die Normalverteilung fällt vom Erwartungswert in beide Richtungen leicht und asym-
ptotisch ab. Die Häufigkeiten der Beobachtungen werden immer kleiner, berühren aber die
X-Achsenie.FolglichistdieSpannbreitevonminusunendlichbisplusunendlich.
 68,3 % aller Renditebeobachtungen liegen innerhalb einer Spannbreite von plus/minus
einmal die Standardabweichung vom Erwartungswert, 95,5 % bei plus/minus zweimal die
Standardabweichung vom Erwartungswert und 99,7 % bei plus/minus dreimal die
StandardabweichungvomErwartungswert.

Ferner spricht für die Verwendung der Normalverteilung, dass eine Verteilung bei ei- ner
genügendgroßenAnzahlanunabhängigenundzufälligenBeobachtungenzueiner

13
ZumBeispielkanndieVolatilitätmitderexponentiellgeglättetenMittelwertmethodebzw.dem
ExponentiallyWeightedMovingAverageModel(EWMA)berechnetwerden.DabeiwirdeinZer-
fallsfaktor, der zwischen 0 und 1 liegt, verwendet. Dieser Faktor ist für die Zuordnung der Gewichte
verantwortlich und nimmt ab, je älter die Renditebeobachtung ist. Im Modell fallen die Gewichte
exponentiell.
14
DieNormalverteilungisteinestetigeZufallsverteilung.DerBegriffder„Normalverteilung“wur-de
vomGöttingerMathematikerundAstronomenCarlFriedrichGauss(1777–1827)geprägt.Daherwirdfür
dieseVerteilungimdeutschsprachigenRaumoftderBegriff„Gauß‘scheVerteilung“ver-wendet.
2 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

(Häufig-
keit)

68,3%

95,5%
99,7%

–21,77 –14,15 –6,53 8,71 16,33 23,95


erwartete (Renditen in %)
Rendite von
1,09%

Abb.2.1 Erwartete Rendite und Standardabweichung

Normalverteilung konvergiert. Diese Approximationseigenschaft wird als zentraler


Grenzwertsatz bezeichnet. Daher ist es be i einer großen Anzahl an unabhängigen und
zufälligen Renditen sinnvoll, eine Normalverteilung zu unterstellen, auch wenn die Ren-
diteverteilung eines Portfolios nicht exakt normalverteilt ist. In einem solchen Fall könnenalle
statistischen Eigenschaf ten der Normalverteilung für die Rendite- und Risikoanalyse einer
Investitioneingesetztwerden.

EinemonatlicherwarteteRenditevon1,09%undeineStandardabweichungdermo-
natlichenRenditenvon7,62%bedeutet,dassmiteinerWahrscheinlichkeitvon68,3%die
RenditenineinerBandbreitevon
6;53 % und 8,71 % liegen. Mit einer Wahrscheinlich-
keit von 95,5 % fallen die Renditen innerhalb einer Spannbreite von zwei Standardabwei-
chungen um den Erwartungswert an, was zu einer Renditebandbreite von 14;15 % und
16,33 % führt. Des Weiteren beträgt die Wahrscheinlichkeit 99,7 %, dass die Renditen
drei Standardabweichungen um den Erwartungswert zu liegen kommen (also zwischen
%und23,95%).Abb. 2.1zeigtdenZusammenhangzwischenerwarteterRendite21;77
und Standardabweichung.

2.3.2 Downside-Risiko

Intuitivbetrachtet,stelltdieStandardabweichungeineattraktiveRisikogrößedar.Sieisteinfach
zu berechnen, basiert auf bekannten statistischen Konzepten wie etwa der Normal- verteilung
und ist einfach zu interpretieren. Die Standardabweichung weist als Risikogrö- ße auch
Nachteileauf.ErstensmisstsiedieAbweichungderRenditenvondererwarteten
2.3 Risiko 29

Rendite und setzt voraus, dass die Renditen normalverteilt und unabhängig sind. Positi- ve wie
auch negative Abweichungen von der erwarteten Rendite fallen gleichmäßig an. In der Regel
sind die meisten Renditeverteilungen nicht normal und weisen auch keine symmetrische
Verteilung auf. So können zwei Anlagen über die gleiche erwartete Ren- dite und Volatilität
verfügen, aber unterschiedlich hohe zentrale Momente der Verteilung aufweisen wie die
SchiefederVerteilung(Skewness)unddieKurtosis.
15

AußerdemstelltsichdieFrage,obdieInvestorendasRisikoalsAbweichungvoneiner
erwartetenRenditedefinieren.VieleInvestorennehmendasRisikoalsdasNichterrei-cheneiner
bestimmtenangestrebtenRenditewahr,wieetwadasErreichendesrisikolo-senZinssatzesoder
eineranderenBenchmarkrendite.EinePensionskassebeispielsweisemusseinebestimmte
RenditemitdemverwaltetenVermögenerzielen,damitsiekeineUnterdeckungaufweistund
dieEinlagenerhöhtwerdenmüssen.DabeiwirddieVerlust-gefahralseinenegative
AbweichungvondergewünschtenRendite(undnichtalspositiveAbweichung)verstanden.
DarüberhinaussindBehavioral-Finance-AspektebeiprivatenInvestorenzuberücksichtigen.
PrivateInvestorenbesitzeneinehoheAversiongegenüberVerlusten.Verluste(negative
Abweichungen)habeneinehöhereBedeutungalsGewinne(positiveAbweichungen).Daher
müsstemanbeiderBerechnungderVolatilitätnegativeAbweichungenimVergleichzu
positivenAbweichungenstärkergewichten.DieStandard-abweichungalsRisikogrößenimmt
dieseUnterscheidungnichtvor.

DieseAusführungenzeigen,dassdieRisikobeurteilungeinerAnlageanhandderStan-
dardabweichungkritischistundzufalschenSchlussfolgerungenführenkann.Nimmtman
beispielsweiseeineProtective-Put-Strategie,bestehendauseinerAktieundeineramGeld
liegendenLong-Put-Option
16
,dannistdieRenditeverteilungpositivschiefver-
teilt.DasDownside-RisikoistaufdiebezahlteOptionsprämiebeschränkt,währenddas
Gewinnpotential unbegrenzt ist (Zunahme des Aktienpreises reduziert um die bezahlte
Optionsprämie). Da der Verlust auf die bezahlte Optionsprämie begrenzt ist, wird die Stan-
dardabweichung durch die höheren Schwankungen der Gewinne beeinflusst. Die höheren
GewinnabweichungenführenzueinergrößerenUnsicherheitüberdiezuerzielendenGe-winne,
währenddermaximaleVerlustdurchdiebezahlteOptionsprämiegegebenist.Abb. 2.2zeigtdas
Gewinn-Verlust-Diagramm einer Protective-Put-Strategie bei Fällig- keit. Betragen zum
BeispieldieOptionsprämiefürdenLongPutEUR4undderAkti-

15
Für die Schiefe der Verteilung vgl. Abschn. 2.4.1.2 und für die Kurtosis der Verteilung vgl. Ab-
schn. 2.4.1.3 .
16
FürdieProtective-Put-Strategievgl.Abschn. 12.5.2.3.EineLong-Put-OptionstellteineVerkaufs-
optiondar.DerInhaberdergekauftenPut-OptionhatdasRecht,denzugrundeliegendenBasiswert
(z.B.Aktie)zumAusübungspreiszuverkaufen.DiePut-OptionistimGeld(in-the-money),wennderPreis
des Basiswertes unterhalb des Ausübungspreises liegt und es sich lohnt, die Option aus- zuüben. Sind der
Preis des Basiswerts und der Ausübungspreis gleich, befindet sich die Option am Geld (at-the-money).
Eine Put-Option ist aus dem Geld (out-of-the-money), wenn der Preis des Ba- siswertes höher als der
Ausübungspreis ist. Bei Fälligkeit werden nur Optionen ausgeübt, die im Geld sind (ohne
Berücksichtigung von Handelskosten), weil sie den Verlust der b ezahlten Options- prämie reduzieren
odereinenGewinnabwerfen.Vgl.Abschn. 12.5.2.1.
30 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

(Gewinn/
Long-Aktie
Verlust)
Protective
Long Put (am Geld) Put
+

unbegrenztes
Gewinnpotential
EUR 0
(Aktienpreis)
bezahlte
Options-
prämie
(EUR 4)
Ausübungs-
– preis =
Aktienkurs (EUR 100)
Verlustpotential
beschränkt auf bezahlte
Optionsprämie

Abb.2.2 Gewinn-Verlust-Diagramm einer Protective-Put-Strategie bei Fälligkeit

enpreis EUR 100, dann kann der Wert dieser Absicherungsstrategie nicht unter EUR 96 fallen.
Im Gegensatz dazu reduziert sichdas unbeschränkte Gewinnpotentialder Aktie umdie bezahlte
OptionsprämievonEUR4. 17

EineWeiterentwicklungderStandardabweichung,diedenaufgeführtenPunktenRech-nung
trägt,stellenDownside-RisikogrößenwiedieSemi-VarianzundderValueatRiskdar.Im
GegensatzzurStandardabweichungberücksichtigtdasDownside-Risikonurnega-tive
Abweichungen,alsonurRenditen,dieunterhalbeinerbestimmtenZielrenditezulie-gen
kommen.Renditen,dieoberhalbeinerZielrenditeanfallen,werdenalsGewinnchanceundnicht
alsVerlustgefahrbetrachtet.DemzufolgerichtetsichderFokusimRisikoma-nagementaufdie
SteuerungdesDownside-RisikosundnichtderStandardabweichung.Abb. 2.3gibtdasKonzept
desDownside-Risikoswieder.

UmdasDownside-Risikozuberechnen,werdenfürdiejenigenRenditenauseinerDa-
tenreihe,diekleineralsdieZielrenditesind,dienegativenRenditeabweichungeneruiert,
währendAbweichungenfürRenditenoberhalbderZielrenditeaufnullgesetztwerden.

17
FälltzumBeispielderAktienpreisvonEUR100aufEUR90(EUR70),resultiertdarauseinVer-lustvon
EUR10(EUR30).DerVerlustausderAktienpositionwirddurchdenGewinnvonEUR6
(EUR 26) bei der Long-Put-Option teilweise aufgefangen und beträgt EUR 4. Unabhängig davon, um wie
viel der Aktienpreis fällt, der Verlust wird nie größer als EUR 4 sein und der minimale Wert der Strategie
beträgtmindestensEUR96.SteigthingegenderAktienkursaufEUR110(EUR130),resultierteinGewinn
vonEUR10(EUR30).DadieLong-Put-OptionausdemGeldliegt,istsiezumFälligkeitszeitpunktwertlos
und wird nicht ausgeübt. Daher reduziert sich der Gewinn von EUR 10 (EUR 30) um die bezahlte
OptionsprämievonEUR4aufEUR6(EUR26).
2.3 Risiko 31

(Häufig-
keit)

Renditen, die
unterhalb der
Zielrendite
liegen, werden in
die
Risikobetrachtun
g einbezogen.

Zielrendite (Renditen)
erwartete
Rendite

Abb.2.3 Konzept des Downside-Risikos

Das Downside-Risiko lässt sich wie folgt bestimmen:


v
u
u 1 X 2
T
Downside-Risiko D t Z; (2.17)
T  1 tD1 t

wobei:
( )
rt  r wenn rt < r
Zt D ;
0 wenn rt > r
T D Anzahl Renditen,
r D Zielrendite.

Die Wahl der Zielrendite hat einen wesentlichen Einfluss auf die Risikogröße. Die Ziel- rendite
kann als erwartete historische Rendite, risikoloser Zinssatz, null Prozent oder als eine andere
Benchmarkrenditedefiniert werden.WirdalsZielrenditedie erwartetehisto-rischeRenditein(
2.17)eingesetzt,lässtsichdiesogenannteSemi-Standardabweichungberechnen.
18
DieseistproportionalzurStandardabweichungundführtimVergleichzur
NormalverteilungnichtzugrößerenErkenntnisseninderRisikobetrachtungeinerAnlage
bzw. eines Portfolios. Nimmt man hingegen als Zielrendite null Prozent, bestimmt man die

18
MarkowitzstelltinseinerArbeitüberdiePortfoliotheoriedieSemi-Varianzvor,umeineAlterna-tivezur
VarianzalsRisikogrößeaufzuzeigen.AllerdingsverwendeterinseinerPortfoliotheoriedie
VarianzundnichtdieSemi-Varianz,weildieseeinfacherzuberechnenistundfürdiePortfolioop-timierung
geeignete statistische Eigen schaften aufweist. Vgl. Markowitz 1959 : Portfolio Selection: Efficient
DiversificationofInvestments,S.188ff.
32 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

VariabilitätvonnegativenRenditen(alsoVerlusten).DieseRisikogrößestelltfürrisiko-averseprivate
InvestoreneingeeignetesVerlustmaßdar.DesWeiterenkanndieZielrenditeauchalsrisikoloser
Zinssatz oder als Marktrendite definiert werden. Vor allem institu- tionelle Investoren wie ein
Anlagefonds, der beispielsweise eine passive Aktienstrategie verfolgt, können einen
AktienmarktindexalsBenchmarkeinsetzenunddieVerlustgefahralsnegativeAbweichungenvom
Marktindexmessen.

Downside-RisikogrößenermöglicheneinbesseresVerständnisdesAnlagerisikos.Al-
lerdingsbasierenmehreredieserRisikogrößenaufderNormalverteilung.Siedrückendie
VerlustgefahrproportionalzurVolatilitätausundbietendarüberhinauskeinezusätzlichen
Risikoinformationen.Außerdemisteswichtig,dassmandieBerechnungsweiseversteht,weil
unterschiedlicheAnnahmendieVergleichbarkeitvonDownside-Risikogrößener-schweren
bzw.unmöglichmachen.

EineweitereDownside-RisikogrößeistdiesogenannteShortfallProbability,welchedie
Wahrscheinlichkeitangibt,dassRenditenuntereinerZielrenditezuliegenkommen.Die
ZielrenditekannnullProzent,derrisikoloseZinssatz,dieMarktrenditeodereinean-dere
Zielgrößesein.DieShortfallProbabilitygibtnurdieWahrscheinlichkeitan,dassRenditenunter
dieZielrenditefallen,abernichtdenmöglichenVerlustbetrag.Istbeispiels-weisedie
ZielrenditenullProzentundsind40von100Renditennegativ,dannbeträgtdieShortfall
Probability40%(

D 40=100).

2.3.3 ValueatRisk

DerValueatRisk(VAR)isteinerelativjungeRisikogrößeundhatsichinden1990er-Jahrenalsdas
wichtigste Konzept der Risikomessung in der Finanzindustrie etabliert. Er wird vor allem
eingesetzt,umPortfolioverluste,resultierendausdemMarktrisiko,zuberechnen.
19
DerVARkannauchverwendetwerden,umVerlusteausdemKreditrisi-kound
operationellenRisikozumessen. 20
IndiesemAbschnittwerdendieDefinition,die
BerechnungsweiseanhandderVarianz-Kovarianz-MethodefüreineAnlagesowiedie
Problematik der Verwendung des VAR als Risikogröße beschrieben.

2.3.3.1 De nition
Der Value at Risk gibt den Verlustbetrag einer Anlage an, den man mit einer bestimmten
Wahrscheinlichkeit über eine vordefinierte Zeitperiode hinweg unter normalen Marktver-
hältnissen verlieren kann. Diese potentielle Verlustgröße ist durch die zwei Parameter
WahrscheinlichkeitundZeitperiodegekennzeichnet.DerVARkannsowohlalseinema-

19
UnterMarktrisikoverstehtmanVerluste,dieaufgrundvonÄnderungenderAktienpreise,Zinssät-ze,
FremdwährungenundRohstoffpreiseentstehen.Besitztmanbeispielsweiseeinefestverzinsliche
Anleihe, dann führt ein Zinssatzanstieg zu einem Preisrückgang der Anleihe bzw. zu einem Verlust. Vgl.
Abschn.9.2.3.
20
Die VAR-Berechnung für das Kreditrisiko und operationelle Risiko ist unter anderem aufgrund
der Datenverfügbarkeit schwieriger als die Ermittlung des VAR für das Marktrisiko.
2.3 Risiko 33

(Häufig-
keit)

maximaler VAR
(95 %-VAR)

minimaler VAR
(5 %-VAR)

95 %
5%

VAR von (Marktwert-


EUR 1 Mio. veränderungen
des Portfolios)

Abb.2.4 Maximaler und minimaler Value at Risk

ximale als auch eine minimale Verlustgröße interpretiert werden. Beispielsweise lässt sich der
VAReinesAnlageportfolioswiefolgtumschreiben:

 Maximaler VAR: „Der Value at Risk eines Portfolios beträgt EUR 1 Mio. für 1 Tag mit einer
Wahrscheinlichkeit von 95 %.“ Diese Aussage lässt sich wie folgt interpretieren: Mit einer
Wahrscheinlichkeitvon95%istderVerlustamEndedesnächstenTagesnichtgrößeralsEUR
1Mio.

 Minimaler VAR: „Der Value at Risk eines Portfolios beträgt EUR 1 Mio. für 1 Tag mit einer
Wahrscheinlichkeit von 5 %.“ Dies bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeitvon 5 % der
VerlustamEndedesnächstenTagesgrößeralsEUR1Mio.ist.

Es ist mit dem VAR nicht möglich, die Höhe des maximalen Verlustes vorauszusagen. Mit
absoluter Sicherheit weiß mannur, dass man nicht mehr alsdenWer teines Portfolios be- stehend
aus Long-Positionen (ohne Leverage) verlieren kann. Insbesondere sagt der VAR nichts über
den möglichen Verlust aus, der mit einer bestimmten Restwahrscheinlichkeit anfällt. Abb. 2.4
zeigt den maximalen und minimalen Value at Risk unter der Annahme, dass die
MarktwertveränderungendesPortfoliosnormalverteiltsind.

Ausgedrückt mit der Wahrsch einlichkeitstheorie, ist d er VAR bei einem p %-Konfi-
/
denzniveau das  p%Quantil derVerteilungderMarktwertveränderungendesPortfo-.1
lios. Bei einem VAR mit einem Konfidenzniveau von 95 % ist das Quantil der Verteilung
5 %.D 1  95 %/.

2.3.3.2 Berechnung
Die Berechnung des Value at Risk hängt von einer Vielzahl von Entscheidungen wie etwa der
WahlderWahrscheinlichkeitundderZeitperiodeab.BeiderMessungdesMarktrisi-
34 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Tab.2.2 Wahrscheinlichkeitsverteilung von Portfo liorenditen über eine bestimmte Zeitperiode


Portfoliorenditen Wahrscheinlichkeit Kumulierte Wahrscheinlichkeiten
weniger als 30 % 0,01 0,01
30 % bis 25 % 0,02 0,03
25 % bis 18 % 0,02 0,05
18 % bis 10 % 0,05 0,10
10 % bis 5 % 0,10 0,20
5 % bis 2 % 0,13 0,33
2 % bis 0 % 0,17 0,50
0 % bis 2 % 0,17 0,67
2 % bis 5 % 0,13 0,80
5 % bis 10 % 0,10 0,90
10 % bis 18 % 0,05 0,95
18 % bis 25 % 0,02 0,97
25 % bis 30 % 0,02 0,99
mehr als 30 % 0,01 1,00
1,00

kos werden üblicherweise Wahrscheinlichkeiten von 1 %, 2,5 % oder 5 % verwendet. Eine


kleinere Wahrscheinlichkeit (z. B. 1 % im Vergleich zu 5 %) führt zu einem größeren (kon-
servativeren) VAR-Wert. Die Wahl der Zeitp eriode hat ebenfalls einen Einfluss auf den
Verlustbetrag. Je länger das gewählte Zeitintervall, desto höher der VAR. Über eine länge- re
ZeitperiodehinwegkannmaneinengrößerenVerlusterleidenalsübereinenkürzerenZeitraum.
FinanzinstituteberechnenüblicherweisedenVAReinesHandelsportfoliosmit einer Zeitdauer
von1Tagund/oder10TagensowiemiteinerWahrscheinlichkeitvon1%,2,5%und/oder5%.

UmVergleichezwischenverschiedenenVAR-Größenzuerleichtern,wirdderVARvielfach
inProzent(alsRenditegröße)undnichtineinemabsolutenVerlustbetragange-geben.DerVAR
lässtsichauseinerWahrscheinlichkeitsverteilungderPortfoliorenditenbestimmen.Nimmtman
dieDatenausTab. 2.2,dannbeträgtderprozentualeVARmiteiner5%-Wahrscheinlichkeit

18 %. Um diesen Verlustbetrag von 18 % zu erhalten,


werden die Wahrscheinlichkeiten addiert, bis man zu einer kumulierten Wahrscheinlich-
keitvon5%gelangt.EsbestehteineWahrscheinlichkeitvon1%,dassderWertdesPortfoliosum
mindestens  %fällt.DieWahrscheinlichkeitist2%,dassdieWertmin-30
derung zwischen 30 % und 25 % ausfällt. Ein Wertrückgang des Portfolios zwischen
25 % und 18 % fällt mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 % an. Folglich beträgt der
prozentuale 5 %-VAR 18 %.UmdenabsolutenVARzubestimmen,kannder5%-VARvon
18 % mit dem Marktwert des Portfolios multipliziert werden. Wird ein Marktwert
des Portfolios von EUR 1 Mio. unterstellt, beträgt der absolute 5 %-VAR EUR 180:000.D
0;18  EUR 1:000:000).
2.3 Risiko 35

NachdemmandieWahrscheinlichkeitunddieZeitperiodedefinierthat,istdieBe-
rechnungsmethodefürdenVARfestzulegen.DiedreiBerechnungsmethodensinddie
analytischeoderVarianz-Kovarianz-Methode,diehistorischeSimulationunddieMonte-
Carlo-Simulation.DiebeidenletztgenanntenVAR-Berechnungsmethodenbestimmendie
MarktwertveränderungendurchNeubewertungendesPortfolios.BeiderhistorischenSi-
mulationsmethodewirddasPortfoliofürdieinderVergangenheiteingetretenenSzenarienneu
bewertet(derSimulationspfadistdurchdieVergangenheitgegeben).ImGegensatzdazu
werdenbeiderMonte-Carlo-SimulationmeistenszehntausendRunsmiteinemZu-
fallszahlengeneratordurchgeführt,umfürjedeseinzelneSzenariodiePortfoliowertebzw.die
darausabgeleitetenMarktwertveränderungenzuermitteln.

DieVarianz-Kovarianz-MethodeberuhtaufderAnnahme,dassdieMarktwertverände-
rungenbzw.dieRenditendesPortfoliosnormalverteiltsind.DieFormelnfürdieBerech-nungdes
ValueatRiskanhanddiesesparametrischenAnsatzes 21
lauten wie folgt:

VARabsolut D E .r/ V C z’ ¢V; (2.18)


VARin % D E .r/ C z’ ¢; (2.19)

wobei:

E.r/ D erwartete Rendite des Portfolios,


V D Marktwert des Portfolios,
z’ D Standardnormalvariable beim linken Quantil ’ der Verteilung,
¢ D Standardabweichung der Portfoliorenditen.

Eine Standardnormalverteilung ist durch einen erwarteten Wert von 0 und eine Standard-
abweichung von 1 definiert. Ein Wert aus einer nicht standardisierten Normalverteilung kann in
eine Standardnormalvariable überführt werden, indem vom Wert der erwartete Wert
subtrahiertundanschließenddurchdieStandardabweichungdividiertwird.
22
Bei
einer Standardnormalverteilung liegen 5 % aller möglichen Werte unterhalb der Standard-
normalvariablenvon  . Dahernimmtmanfürden5%-VAReineStandardnormalva-
riable von 1;65. 1;65

21
EinparametrischerAnsatzunterstelltbeiderBerechnungdesVAReinebestimmteVerteilungder
MarktwertveränderungendesPortfolios(z.B.dieNormalverteilungbeiderVarianz-Kovarianz-
Methode).
22
ZumBeispiel:EineVerteilunghateineerwarteteRenditevon7%undeineStandardabweichungvon30
%.MöchtemandieWahrscheinlichkeit(ShortfallProbability)bestimmen,dassmaneineRenditevon
wenigerals10%erhält,dannistdieStandardnormalvariableanhanddererwartetenRenditevon7%undder
Standardabweichungvon30%zuberechnen.DieStandardnormalvaria-bleist0,10[

D .0;10  0;07/=0;30]. Nimmt man eine Standardnormalverteilungstabelle oder eine


Spreadsheet-Funktion von Microsoft Excel [STANDNORMVERT(0,10)], erhält man eine Wahr-
scheinlichkeitvon0,5398.DemzufolgebeträgtdieWahrscheinlichkeit53,98%,dassdieRenditeweniger
als10%ist.
36 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Vielfach wird der Value at Risk mit einer erwarteten Rendite von 0 % gerechnet, weil
man von einer zufälligen Veränderung des Portfoliowertes ausgeht (Random Walk).23 Ein
zufällig veränderter Wert besitzt über eine s ehr kurze Zeitperiode einen Erwartungswert von
annäherungsweisenull,dazufälligauftretendepositiveundnegativeWertveränderun-gensich
gegenseitigaufheben.DerVARlässtsichdannanhandderfolgendenFormelnberechnen:

VARabsolut D z’ ¢V; (2.20)


VARin % D z’ ¢: (2.21)

Beispiel
Berechnung des Value at Risk von einer Anlage
Ein Portfolio hat einen Marktwert von EUR 1 Mio. Die erwartete jährliche Portfolio- rendite
beträgt 10 %, während die annualisierte Volatilität der Renditen bei 30 % liegt. Folgende
FragensindanhandderVarianz-Kovarianz-Methodezubeantworten:

1. Wie hoch ist der absolute 5 %-VAR für 1 Jahr?


2. Wie hoch ist der absolute 1 %-VAR für 1 Jahr?
Wie hoch ist der absolute 5 %-VAR für 1 Monat?
3. Wie hoch ist der absolute 1 %-VAR für 1 Woche?
4.

Lösungzu1
5 %-VARabsolut D 0;10  EUR 1:000:000 C .1;65/  0;30  EUR 1:000:000
D EUR 395:000
MiteinerWahrscheinlichkeitvon5%wirdfürdasnächsteJahreinenhöherenVerlustalsEUR
395:000 erwartet.

Lösungzu2
Bei einer Standardnormalverteilung liegt 1 % aller möglichen Werte unterhalb der Stan-
dardnormalvariablenvon 2;33. Daher beträgt die Standardnormalvariable für die Be-
rechnung des 1 %-VAR 2;33.

1 %-VARabsolut D 0;10  EUR 1:000:000 C .2;33/  0;30  EUR 1:000:000


D EUR 599:000

FürdasnächsteJahrerwartetmanmiteinerWahrscheinlichkeitvon1%einenhöherenVerlus ta
lsEUR 599:000.
23
BeieffizientenMärktensindsämtlicheInformationenindenAnlagepreisenenthalten,sodasssichdie
PreiselediglichaufgrundneuerInformationenverändern.DabewertungsrelevanteInformatio-
nen rein zufällig auftreten, folgen die Anlagepreise einer Zufallsbewegung (Random Walk).
2.3 Risiko 37

Lösungzu3
Zuerst sind die jährliche erwartete Re ndite und die annualisierte Volatilität in mo- natliche
Werteumzurechnen.Dabeigilteszubeachten,dassdieVarianz-Kovarianz-Methodeaufder
Annahme beruht, dass die Renditen normalverteilt sind und unab- hängig voneinander
anfallen, sodass die e rwartete Rendite proportional zur Zeit und die Volatilität proportional
zurWurzelderZeit(dieVarianzistproportionalzurZeit)stehen.

24

0;10
Erwartete monatliche Rendite D D 0;0083
12 Monate
0;30
Volatilität der monatlichen Renditen D p D 0;0866
12 Monate
5 %-VARabsolut D 0;0083  EUR 1:000:000 C .1;65/  0;0866  EUR 1:000:000
D EUR 134:590

Mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 % erwartet man einen höheren Verlust als EUR
134:590 über 1 Monat hinweg.

Lösungzu4
Zunächst sind die jährliche erwartete R endite und die annualisierte Volatilität in wö-
chentlicheWerteumzurechnen:
0;10
Erwartete wöchentliche Rendite D D 0;0019;
52Wochen
0;30
Volatilität der wöchentlichen Renditen D p D 0;0416:
52Wochen
Der wöchentliche 1 %-VAR von EUR 95:028 berechnet sich wie folgt:

1 %-VARabsolut D 0;0019  EUR 1:000:000 C .2;33/  0;0416  EUR 1:000:000


D EUR 95:028:

Für die nächste Woche erwartet man mit ei ner Wahrscheinlichkeit von 1 % einen hö- heren
VerlustalsEUR 95:028.

2.3.3.3 Problematik
Sind die Marktwertveränderungen des Portfolios nicht normalverteilt, dann führt die
Varianz-Kovarianz-MethodezueinemVAR-Wert,derentwederdasPortfoliorisikoüber-oder
unterschätzt.BesitzteinPortfolioOptionenoderFinanzwertemiteingebetteten

24
DieSkalierungdesVARmitderWurzelausderZeit(z.B.Tage,Wochen,Monate)undnichtmitder
eigentlichenZeitlässtsichausderStatistikherleiten.InjedemProzess(wiederGeometric
Brownian Motion), bei dem die Ereignisse normalverteilt sind und unabhängig voneinander anfal- len,
nimmt die Varianz proportional zur Anzahl derEreignisse zu. Da die Standardabweichung ausder Wurzel
derVarianzbestimmtwird,erfolgtdieAnpassungderHaltedauermitderWurzelausderZeit.
3 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

(Häufigkeit) Long-Optionen

Value at Risk

(Marktwertveränderungen
des Optionsportfolios)

(Häufigkeit)
Short-Optionen

Value at Risk

(Marktwertveränderungen
des Optionsportfolios)

Abb.2.5 Value at Risk von Long- und Short-Optionen

Optionen wie beispielsweise Wandelanleihen oder kündbare Anleihen, ist die Verteilung der
Marktwertveränderungen nicht mehr normal. Ein Portfolio, das aus Long-Call- und
Put-Optionen besteht, verfügt über eine rechtsschiefe Verteilung. Den maximalen Ver- lust
stellen die bezahlten Op tionsprämien dar. Der maximale Gewinn hingegen ist bei den
Long-Call-Optionenunbeschränkt und beid en Long-Put-Optionen auf die Differenzzwischen
Ausübungspreis und Preis desBasiswerts von null begrenzt. Berechnet man denVAR anhand
der Varianz-Kovarianz-Methode, würde man den potentiellen Verlust von Long-Optionen
überschätzen. Besteht das Portfolio hingegen aus Short-Optionen, ist die Verteilung
linksschief, weil Verlu ste im Vergleich zu Gewinnen (begrenzt auf erhalteneOptionsprämien)
mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eintreten. Der Einsatz der Varianz-Kovarianz-Methode
unterschätztdieVerlustgefahr.Abb. 2.5zeigtdiesenZusammenhang.

BeinichtnormalenVerteilungenmüssenfürdieBerechnungdesVARNeubewer-
tungsansätzewiediehistorischeSimulationsmethodeoderdieMonte-Carlo-Simulation
eingesetztwerden.ImVergleichzurVarianz-Kovarianz-MethodeistbeidenNeubewer-
tungsansätzendieAnnahmederNormalverteilungnichterforderlich.

DesWeiterenkannderValueatRiskdieEigenschaftderSubadditivitätverletzen,so-dassdie
SummevonzweiVAR-PositionenkleinerausfallenkannalsderVARdieserbeidenPositionen
kombiniertineinemPortfolio.DieSubadditivitätstellteinewichtigeEigenschaftfürein
Risikomaßdar.WirdeinPortfoliomitAnlagenerstellt,soistdieSum-
2.3 Risiko 39

Tab.2.3 Value at Risk und Subadditivität


Szenario Verlust Anlage A Verlust Anlage B Ve r l u s t AC B
(P ortfolio)
1 0 0 0
2 0 0 0
3 0 0 0
4 0 0 0
5 0 0 0
6 0 0 0
7 0 0 0
8 0 0 0
9 0 2 2
10 2 0 2
VAR95 % 2 2 2
VAR84 % 0 0 2

me der Risiken der einzelnen Anlagen größer oder gleich dem Risiko des Portfolios:25

VAR.A/ C VAR .B/  VAR .A C B/ : (2.22)

Die Eigenschaft der Subadditivität kann bei der Ermittlung des Value at Risk durch Neu-
bewertungsansätze verletzt werden, die den VAR-Wert über das Ablesen des Quantils einer
Verteilung bestimmen. Wird hingegen für die Berechnung des VAR die Varianz-
Kovarianz-Methode verwendet, ist die Eigenschaft der Subadditivität erfüllt. Unterstellt man
einenKorrelationskoeffizientenvonkleinerals
C1, ist die Standardabweichung ei-
nes Portfolios kleiner als die Summe der Standardabweichungen der einzelnen Anlagen.26
Tab.2.3zeigtdieVerlustevonzweiAnlagenAundBund10möglicheSzenarien.Die
Verlusteder10SzenarienmüssenfürdieeinzelnenAnlagenzuerstvomgrößtenzum
kleinstenVerlustgeordnetwerden
Œ2;0;0;:::;0 . Wird diese Verlustverteilung bei ei-
nem Konfidenzniveau von zum Beispiel 95 % abgeschnitten, erhält man jeweils einen
VA R v o n 2 für die einzelnen Anlagen A und B. Wird hingegen ein Konfidenzniveau
von 84 % angewandt, resultiert für jede einzelne Anlage ein VAR von 0. Bildet man mit
den beiden Anlagen A und B ein Portfolio, weisen die Szenarien 9 und 10 jeweils einen Verlust
von 2 auf. Bei einem Konfidenzniveau von 84 % ergibt sich ein Portfolio-VAR
von 2. Folglich ist der VAR des Portfolios größer als die Summe des VAR der beiden ein-
zelnen Anlagen A und B. In diesem Beispiel verletzt der VAR bei einem Konfidenzniveau
von 84 % die Eigenschaft der Subadditivität. Dies führt zu einem Anreiz, das Portfolio

25
EinekohärentesRisikomaßmussdiefolgendenEigenschaftenaufweisen:Monotonie,Transla-
tionsinvarianz,positiveHomogenitätundSubadditivität.AufgrundderverletztenEigenschaftder
Subadditivität ist der Value at Risk kein kohärentes Risikomaß. Vgl. diesbezüglich Artzner et al. 1999 :
CoherentMeasuresofRisk,S.203ff.
26
Für den Diversifikationseffekt vgl. Abschn. 3.6 .
40 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

bestehendauszweiAnlageninzweieinzelneAnlagenaufzuteilen,umdasRisikozure-duzieren.
AufgrundderfehlendenEigenschaftderSubadditivitätistderEinsatzdesVARzumBeispielfür
die Portfoliooptimierung, die interne Kapitalallokation und für risikoad- justierte
Entschädigungsprogrammeproblematisch.

DerValueatRiskgibtdenmöglichenVerlustbetragunternormalenMarktverhältnis-sen
wieder.VerlusteausextremenMarktbewegungenwerdenimVARnichtabgebildet.Daheristder
VARimRahmendesRisikomanagementsimmerzusammenmiteinemWorst-Case-Verlust
anzugeben.StresssimulationenerlaubendemManager,dasPortfo-liounterbestimmten
risikoreichenWorst-Case-Szenarienzuanalysieren.DieKorrelationunterdenMärktenistin
Krisenzeitensehrhoch,weildieFinanzmärkterundumdenGlo-busengmiteinanderverflochten
sind,waszueinerbedeutendenAnsteckungsgefahrführt(Contagion-Effekt).FälltzumBeispiel
dieBörseinNewYork,sindandereinternatio-naleBörsenplätzewieetwaTokio,London,
FrankfurtundZürichdavonmöglicherweiseauchbetroffenunderleidenebenfallsVerluste.
MöglicheExtremszenarienmüssensolcheglobalenAnsteckungseffekteberücksichtigen.Die
Szenarienkönnensowohlaushypothe-tischenEreignissen(z.B.Terrorangriffmitbiologischen
WaffenineinemFinanzzentrumwieLondonodereinerneuterGolfkrieg)oderauchaus
vergangenenKrisenwiedemOktober-CrashimJahre1987bestehen.

27
Ferneristesmöglich,einzelnebedeutendeRi-
sikofaktorenineinemöglichstungünstigeRichtungzuverändern,sodasseinextremer
Portfolioverlustentsteht.

2.4 WeitereAnlagecharakteristiken

WerdenAnlagenmitdemErwartungswert(erwarteteRendite)undderVarianz(Risiko)analysiert,
unterstelltmanzweiwichtigeAnnahmen.Erstens,dieRenditensindnormal-verteiltundkönnen
durch die ersten beiden zentralen Momente der Verteilung – Erwar- tungswert und Varianz –
vollständigbeschriebenwerden.Zweitens,dieFinanzmärktesindsowohlinformationseffizientals
auchoperationelleffizient.
28
Treffen die Annahmen
der Normalverteilung und der Markteffizienz nicht zu, müssen weitere Verteilungs- und
Markteigenschaften einbezogen werden, um die Anlage beurteilen zu können.

27
Am19.Oktober1987(„SchwarzerMontag“)verlorderDow-Jones-Index22,6%seinesWertes,was
denstärkstenprozentualenTagesrückgangseitdemerstenWeltkriegdarstellte,alsdieNew
YorkerBörsenachKriegsbeginnfürMonategeschlossenwarundbeiWiedereröffnungüber24%nachgab.
AngestecktdurchdenDow-Jones-IndexbrachenauchandereBörsenaufderWeltein.Soverlorderdamalige
SwissindexamMontagdes19.Oktober198711,3%undamDienstagaufgrundderversetztenHandelszeitenmitden
USAweitere3,7%,währendsichdieKurseanderWallStreetbereitswiederleichterholten.

28
Der Finanzmarkt besteht aus dem Geldmarkt und dem Kapitalmarkt. Vgl. Abschn. 8.1 .
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 41

2.4.1 EigenschafteneinerVerteilung

2.4.1.1 Normalverteilung
DieAnnahmederNormalverteilungistsehrverlockend,dadiestatistischenEigenschaf-tender
Verteilungbekanntsind. 29
MitdererwartetenRenditeundderVarianzlässtsichdie
Anlagebeurteilen.AllerdingssinddieRenditenoftnichtnormalverteilt.Einerseits
können die Renditen schiefverteilt sein. Das heißt, sie fallen nicht mehr symmetrisch um den
Erwartungswert an. Andererseits kann die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen im
Vergleich zur Normalverteilung größer oder kleiner sein. Empirisch betrachtet, fallen größere
Marktbewegungen auf den Finanzmärkten häufiger an, als man dies aufgrund der
Normalverteilungerwartenwürde.

2.4.1.2 Schiefe
Die Schiefe (Skewness) ist das dritte zentrale Moment einer Verteilung.30 Siemisstden
SymmetriegradderRenditenumdenErwartungswert.EineSchiefevonnullbedeutetei-ne
symmetrischeVerteilung.SinddieRenditenrechtsschiefverteilt,sosinddieVerlustekleinund
häufig,währenddieGewinneextremhochundwenigerhäufigsind.Einelinks-schiefe
VerteilunghingegenistdurchmehrkleineGewinnesowiedurchwenigeextremhoheVerluste
gekennzeichnet.EineInvestitionineinesolcheAnlageistnichtattraktiv.
31

Abb. 2.6 zeigt eine links- und eine rechtsschiefe Verteilung.


DieFormelfürdieBerechnungderSchiefebeinhaltetdiedurchschnittlicheAbwei-chung
derRenditenvondererwartetenRenditehochdreidividiertdurchdieStandardab-weichungder
Renditenhochdrei.DieSchiefederVerteilungeinerStichprobelässtsichwiefolgtermitteln:

  PT
T tD1 .rt  r/3
Schiefe D ; (2.23)
.T  1/. T  2/ ¢Q 3

wobei:

T D Anzahl an Renditebeobachtungen in der Stichprobe,


rt D Rendite für die Periode t,
r D erwartete Rendite,
¢Q D Standardabweichung der Renditen.

DieSchiefederVerteilungbesitztkeineEinheit,aberkannsowohlpositivwieauchne-gativ
sein.Diesdeshalb,weildieSchiefe(siehe( 2.23))mitderAbweichungderRenditen

29
Vgl. Abschn. 2.3.1 .
30
DasersteMomenteinerVerteilungistderErwartungswert,währenddaszweitezentraleMomentdurch
dieVarianzgegebenist.HöherezentraleMomentesinddieSchiefeunddieKurtosisderVerteilung.

31
Investoren bevorzugen Anlagen mit einer hohen erwarteten Rendite, mit niedriger Varianz, posi-
tiver Schiefe und niedriger Kurtosis.
42 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

linksschiefe rechtsschiefe
Verteilung Verteilung

(Renditen)

Abb.2.6 Links- und rechtsschiefe Verteilungen

von der erwarteten Rendite mit einem Exponenten von drei berechnet wird, sodass das
Vorzeichen der Abweichung erhalten bleibt. Das Ergebnis ist ein numerischer Wert für die
Ausdehnung der Verteilung in die eine oder andere Richtung. Eine Normalverteilung ist
symmetrisch und verfügt über eine Schiefe von null. Eine rechtsschiefe Verteilung hat eine
positiveSchiefe,währendeinelinksschiefeVerteilungeinenegativeSchiefebesitzt.

2.4.1.3 Kurtosis
DieKurtosisistdasviertezentraleMomentderVerteilung.SiemisstdenGradderSteil-heitinder
Verteilungsmitte und den Grad der Ausbuchtungen an den beiden Enden der Verteilung. Bei
einer Normalverteilung liegt die Kurstosis bei 3 (mesokurtisch). Eine Verteilung weist eine
Kurtosis von größer als 3 auf (leptokurtisch), wenn mehr Extrembe- obachtungen im Vergleich
zu einer Normalverteilung vorliegen. Graphisch gesehen, ist die Verteilung steil in der Mitte
(steilgipflig)undverfügtübergrößereAusbuchtungen.DieVerteilungbesitzteineKurtosisvon
kleiner als 3 (platykurtisch), wenn die Renditen dicht um die Mitte der Verteilung
zusammengedrängtsind.GrafischgesehenistdieVerteilunginderMitteflach(flachgipflig)und
dieAusbuchtungensindwenigerstarkausgeprägt.

VielfachwirdinderPraxisdiesogenannteExcess-KurtosisberechnetundvonderKurtosisdie
Zahl3abgezogen.DieBerechnungderKurtosisbeinhaltetdiedurchschnitt-licheAbweichungder
RenditenvondererwartetenRenditehochvierdividiertdurchdieStandardabweichungderRenditen
hochvier.MathematischlässtsichdieExcess-KurtosiseinerStichprobewiefolgtbestimmen:

PT !
T .T C 1/ tD1 .rt  r/4
Excess-Kurtosis D
.T  1/. T  2/. T  3/ ¢Q 4
3 .T  1/2
 : (2.24)
.T  2/. T  3/

DieKurtosisisteinheitsfrei.EineNormalverteilungbesitzteineExcess-Kurtosisvonnull.Istdie
Excess-Kurtosisgrößeralsnull,sprichtmanvoneinerpositivenKurtosis,ansonsten
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 43

Normal-
verteilung
(mesokurtisch) Verteilung mit
positiver Excess-
Kurtosis (leptokurtisch)

Verteilung mit
negativer Excess-
Kurtosis (platykurtisch)

(Renditen)

Abb.2.7 Normalverteilung und Verteilung mit positiver und negativer Excess-Kurtosis

von einer negativen Kurtosis (kleiner als null).32 Abb. 2.7 zeigt die Normalverteilung im
Vergleich zu einer Verteilung mit einer positiven und einer negativen Excess-Kurtosis.
DieNormalverteilungbesitzteineSchiefevonnullundeineExcess-Kurtosisvonnull.Daher
istsiedurchdieerstenbeidenMomentederVerteilung–ErwartungswertundVari-anz–definiert.
Verteilungen,dienichtnormalverteiltsind,verfügenüberhöherezentraleMomentewiedie
SchiefeunddieKurtosis.Folglichisteswichtig,dassmandieAnalysebeiVerteilungen,dievon
derNormalverteilungabweichen,umdiesebeidenKennzahlenerweitert.

Beispiel
Berechnung der erwarteten Rendite, Standardabweichung, Schiefe und Excess-
KurtosiseinerRenditeverteilung
Für ein Portfolio liegen die zehn jährliche Renditen von 2008 bis 2017 vor:

Jahre Renditen (in %)


2008 7,40
2009 2,25
2010 16,65
2011 10,15
2012 14,40
2013 4,60
2014 1,90
2015 6,55
2016 0,80
2017 6;50

32
Ibbotson und einige statistische Softwarelösungen wie etwa Microsoft Excel verwenden die
Excess-Kurtosis (Kurtosis  3). Bei einer Normalverteilung ist die Excess-Kurtosis 0 (D 3  3).
44 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

1. Wie hoch ist die erwartete Rendite?


2. Wie hoch ist die Standardabweichung?
3. Wie hoch ist die Schiefe der Verteilung?
4. Wie hoch ist die Excess-Kurtosis der Verteilung?
5. Wie lässt sich die Renditeverteilung a nhand der berechneten Momente interpretie- ren?

Lösungzu1
DieerwarteteRenditervon5,82%lässtsichalsDurchschnittswert(arithmetischesMittel)der
historischenRenditenwiefolgtberechnen(in%):

7;4 C 2;25 C 16;65 C 10;15 C 14;40 C 4;60 C 1;90 C 6;55 C 0;80 C .6;50/
rD
10
D 5;82:

Lösungzu2

Jahre Renditen (in %) rt  r .rt  r/2


2008 7,40 1,58 2,496
2009 2,25 3;57 12,745
2010 16,65 10,83 117,289
2011 10,15 4,33 18,749
2012 14,40 8,58 73,616
2013 4,60 1;22 1,488
2014 1,90 3;92 15,366
2015 6,55 0,73 0,533
2016 0,80 5;02 25,2
2017 6;50 12;32 151,782
Summe 419,264

Die Standardabweichung der jährlichen Renditen von 6,825 % kann wie folgt bestimmt
werden(in%):

v
u r
u 1 X
T
419;264
¢Q D t .rt  r/2 D D 6;825:
T  1 tD1 10  1
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 45

Lösungzu3

Jahre Renditen (in %) rt  r .rt  r/3


2008 7,40 1,58 3,944
2009 2,25 3;57 
45;499
1270,239
2010 16,65 10,83
2011 10,15 4,33 81,183
2012 14,40 8,58 631,629
2013 4,60 1;22 1;816
2014 1,90 3;92 60;236
2015 6,55 0,73 0,389
2016 0,80 5;02 126;506
2017 6;50 12;32 1869;959
Summe 116;632

Die Schiefe der Verteilung von 0;051 lässt sich folgendermaßen ermitteln:
  PT 3
T tD1 .rt  r/
Schiefe D
.T  1/. T  2/ ¢Q 3
   
10 116;632
D 
.10  1/  .10  2/ .6;825/3
D 0;051:

Das Portfolio weist jeweils 5 positive und 5 negative Abweichungen auf. Zwei große positive
Abweichungen sind in den Jahren 2010(10,83 %) und2012 (8,58 %) aufgetre- ten, die durch
diebeidennegativenAbweichungenindenJahren2017(
12;32%) und
2016 (5;02%) ungefähr kompensiert wurden. Negative und positive Abweichungen
treten mit gleicher Frequenz auf und große positive wie negative Abweichungen heben sich
ungefähr gegenseitig auf. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Portfolio- renditen
approximativsymmetrischsind(leichtschiefverteilt).
46 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Lösungzu4

Jahre Renditen (in %) rt  r .rt  r/4


2008 7,40 1,58 6,232
2009 2,25 3;57 162,432
2010 16,65 10,83 13.756,686
2011 10,15 4,33 351,521
2012 14,40 8,58 5419,374
2013 4,60 1;22 2,215
2014 1,90 3;92 236,126
2015 6,55 0,73 0,284
2016 0,80 5;02 635,06
2017 6;50 12;32 23.037,897
Summe 43.607,827

Die Excess-Kurtosis der Verteilung von 0,047 lässt sich wie folgt berechnen:
PT !
4
T .T C 1/ tD1 .rt  r/ 3 .T  1/2
Excess-Kurtosis D 
.T  1/. T  2/. T  3/ ¢Q 4 .T  2/. T  3/
 
10  .10 C 1/ 43:607;827
D 
.10  1/  .10  2/  .10  3/ .6;825/4
3  .10  1/2

.10  2/  .10  3/
D 0;047:

Eine Excess-Kurtosis nahe bei 0 (0,047) bedeutet, dass die Verteilung annäherungswei- se
normalist.

Lösungzu5
Sowohl die Schiefe als auch die Excess-Kurtosis der Verteilung liegen ungefähr bei 0. Die
Renditen des Portfolios sind über die untersuchte Periode von 10 Jahren annähernd
normalverteilt.

MithilfederSchiefeundderKurtosisderVerteilungistesmöglich,dieAnnahmeder
NormalverteilungmitstatistischenTestszuüberprüfen.EinerderbekanntestenTestsistder
Jarque-Bera-Test. 33
DabeihandeltessichumeinenHypothesentest.DieNullhypo-these
besagt,dassdieeigentlichenRenditennormalverteiltsind.DieAlternativhypothese
hingegen geht davon aus, dass die Renditen nicht normalverteilt sind. Eine Normalvertei- lung
impliziert,dassdieSchiefeunddieExcess-KurtosisderStichprobenverteilungnahe

33
Vgl. Jarque und Bera 1987 : A Test for Normality of Observations and Regression Residuals, 163 ff.
S.
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 47

bei 0 liegen. Der Jarque-Bera-Test überführt die Schiefe und die Excess-Kurtosis in ei- ne
statistische Kennzahl, um zu überprüfen, ob die gerechnete Kennzahl signifikant vom
Erwartungswertabweicht.DieJarque-Bera-Statistikistwiefolgtdefiniert: 34

" #
T 2 .Excess-Kurtosis/2
Jarque-Bera-Statistik D  .Schiefe/ C ; (2.25)
6 4

wobei:

T D Anzahl Renditen in der Stichprobe.

DieJarque-Bera-StatistikbasiertaufeinerChiquadratverteilungmitzweiFreiheitsgraden.Sind
dieRenditenungefährnormalverteilt,soergibtsichausderFormelinfolgedergerin-genSchiefe
und Excess-Kurtosis ein niedriger Wert für die Jarque-Bera-Statistik. Ist die von einer
Stichprobe berechnete Jarque-Bera- Statistik größer als der kritische Wert, wird die
Nullhypothese der Normalv erteilung abgelehnt. Der relevante kritische Wert hängt vom
gewünschtenSignifikanzniveauab.BeispielsweisebeträgtbeieinemSignifikanzni-veauvon5
%bzw.1%derkritischeWert5,99bzw.9,21.

BeimJarque-Bera-TesthandeltessichumeinenasymptotischenTest,derfürkleine
Stichprobennichtgeeignetist.ImobenaufgeführtenBeispielmachtesaufgrundderklei-nen
Stichprobevonnur10RenditenkeinenSinn,denJarque-Bera-Testanzuwenden.Die
Stichprobesolltemindestens30Renditebeobachtungenenthalten.
35

Geht man beispielsweise von einer genügend großen Stichprobe von 250 Renditen aus,
deren Verteilung eine Schiefe von 0;051 und eine Excess-Kurtosis von 0,047 besitzt, so
beträgt die Jarque-Bera-Statistik 0,13:
" #
250 2 .0;047/2
Jarque-Bera-Statistik D  .0;051/ C D 0;13: (2.26)
6 4

Bei einem Signifikanzniveau von 5 % liegt der kritische Wert bei 5,99. Da die Jarque-Bera-
Statistik von 0,13 kleiner als der kritische Wert von 5,99 ist, kann die Nullhypothese, dass die
Renditennormalverteiltsind,nichtabgelehntwerden.

2.4.2 Markteigenschaften

2.4.2.1 InformationseffizienzderFinanzmärkte
In einem informationseffizienten Markt reagieren die Anlagepreise rasch und rational auf neue
Informationen.DemzufolgesindindenPreisensämtlichevergangenenundgegen-

34
InderFormelwerdendieSchiefeunddieExcess-Kurtosisquadriert,wasdazuführt,dassdie
Jarque-Bera-StatistikimmereinepositiveZahlist.WürdemandieSchiefeunddieExcess-Kurtosis
nicht quadrieren, könnte etwa eine negative Schiefe eine positive Excess-Kurtosis in der Formel
auf- heben, sodass die Jarque-Bera-Statistik fälschlicherweise eine Normalverteilung anzeigen
würde. 35
Vgl. z. B. DeFusco et al. 2004 : Quantitative Methods for Investment Analysis, S. 153.
4 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

wärtigen Informationen verarbeitet. Konsistente höhere risikoadjustierte Renditen sind in


einemeffizientenMarktnichtmöglich. 36 EinepassiveAnlagestrategiegeneriertdieglei-che
RenditewieeineaktiveAnlagestrategie,aberweistimVergleichniedrigereKostenwieetwa
Transaktions-undAnalysekostenauf.IstderMarkthingegenineffizient,dannenthaltendie
PreisenichtsämtlicheInformationen,sodassesmiteineraktivenAnlagestra-tegiemöglichist,
Marktineffizienzenauszunutzenundüberdurchschnittliche(abnormale)Renditenzuerzielen.
IneinemineffizientenMarktkanneineaktiveInvestitionsstrategiegegenübereinerpassiven
AnlagestrategiezueinerhöherenRenditeführen.Daheristeswichtig,dassFinanzakteuredie
EigenschaftenvoneffizientenMärktenverstehenundinderLagesind,denEffizienzgradder
Märktezubeurteilen.

Fama (1970) unterscheidet in Abhängigkeit von den in den Preisen vorhandenen Infor-
mationen drei unterschiedliche Grade der Markteffizienz:37

 Schwache (weak) Form,


 halbstrenge (semi-strong) Form,
 strenge (strong) Form.

In der schwachen Form der Informationseffizienz weisen die Preise alle verfügbaren his-
torischen Informationen auf. Da die gegenwär tigen Preise alle vergangenen Handelsdaten
beinhalten, ist es nicht möglich, historische P reise zu extrapolieren und einen Preistrend
vorauszusagen. Preise bewegen sich nur aufgrund von neuen und nicht aufgrund von al- ten
Informationen,weildiesebereitsindenPreisenverarbeitetsind.Zwaruntersuchtdietechnische
Analyse vergangene Preisbewegungen, um einen zukünftigen Preistrend bzw. ein Kauf oder
Verkaufssignalzubestimmen.
38
IstderMarktjedochinderschwachenForm
informationseffizient,sosindmitdieserStrategiekeineüberdurchschnittlichenRen-
diten möglich. Empirische Untersuchungen gelangen zu der Schlussfolgerung, dass in
entwickelten Märkten mithilfe der technischen Analyse keine erhöhten risikoadjustierten
Renditenerzieltwerdenkönnen. 39
In Schwellenländern hingegen, etwa in Ungarn, Bang- 40
ladesch und der Türkei, sind überdurchschnittliche Renditen möglich.
IneinemMarkt,indemdiehalbstrengeFormderInformationseffizienzvorherrscht,re-
flektierendiePreisenichtnurvergangene,sondernauchneueöffentlicheInformationen.

36
EinehöhererisikoadjustierteoderüberdurchschnittlicheRenditebedeutet,dassdieerzielteRendi-te
größeristalsdieaufgrunddesRisikosderAnlageerwarteteRendite.Dierisikogerechteerwartete
Rendite kann zum Beispiel mit dem Capital Asset Pricing Model (Einfaktormodell) oder mit dem
Fama/French-Modell (Multifaktorenmodell) berechnet werden. Die so ermittelte überdurchschnitt-
licheRenditestelltdassogenannteAlphadar.
37
Vgl. Fama 1970 : Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, S. 383 ff.
38
FürdietechnischeAnalysevgl.Abschn. 6.4.39
Vgl.z.B.BessembinderundChan 1998:MarketEffficiencyandtheReturnstoTechnicalAna-lysis,S.5
ff.,undFifieldetal. 2005:AnAnalysisofTradingStrategiesinElevenEuropeanStockMarkets,S.531ff.

40
Vgl.Fifieldetal.2005:AnAnalysisofTradingStrategiesinElevenEuropeanStockMarkets,531ff.
S.
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 49

Beispiele von öffentlich zur Verfügung stehenden Informationen sind Daten aus den Jah-
resrechnungen und Medienmitteilungen (z. B. Di videnden, operative Cashflows, Gewinne,
ÄnderungenimManagementundinderStrategiedesUnternehmens)sowieFinanzmarkt-daten
(z. B. Anzahl gehandelter Aktien). In einem solchen Markt ist es nicht möglich, über- oder
unterbewertete Titel anhand öffentlich zugänglicher Informationen zu identi- fizieren, weil
diese Informationen bereits inden Preisen verarbeitet sind. Ein einzelner Investor hat keinen
Zugang zu öffentlichen Informationen, die ein anderer Anleger nicht bereits besitzt. Daher
können auf der Grundl age von öffentlich zur Verfügung stehenden Daten keine
überdurchschnittlichen Renditen erzielt werden. Gelangen neue öffentliche Nachrichten auf
den Markt, so verändern sich die Preise schnell und reflektieren den neuen Informationsstand.
Gibt ein Unternehmen einen nicht erwarteten hohen Gewinn bekannt, dann reagieren die
Marktteilnehmerauf diese Nachricht, sodass die neue Information schnell in den Preis einfließt.
In einem informationseffizienten Markt der halbstrengen Form sind überdurchsc hnittliche
GewinneaufderGrundlagesolcherNachrichtendahernichtmöglich.

InderRegelwerdenEreignisstudieneingesetzt,umempirischzuprüfen,obdieIn-
formationseffizienzaufeinemMarkthalbstrengist.ZuerstmussdasEreignisdefiniertwerden,
wieetwaeinnichterwarteterhoheroderniedrigerUnternehmensgewinn. 41
In
einemzweitenSchrittlegtmaneinebestimmteZeitperiodefestundidentifiziertUnter-nehmen,
dienichterwarteteGewinnewährenddieserZeitperiodeveröffentlichthaben.Fürjedeeinzelne
AktiewirddieerwarteteRendite amTagderGewinnveröffentlichungberechnet.Die erwartete
AktienrenditekannanhandverschiedenerFaktormodellewiedemCapitalAssetPricingModel
(Einfaktormodell)unddemFama/French-Modell(Mul-tifaktorenmodell)bestimmtwerden.

42
DieDifferenzzwischenderbeimEreignisrealisier-ten
RenditeunddererwartetenRenditestelltdieabnormalebzw.überdurchschnittliche
Rendite dar. Ein Hypothesentest gibt Aufsc hluss, ob die überdur chschnittliche Rendite
statistisch von null abweicht. In einem informationseffizienten Markt der halbstrengen Form
reagiert der Aktienpreis schnell und angemessen auf die neue öffentliche Infor- mation. Liegt
eine überdurchschnittliche Rendite am Gewinnveröffentlichungstag vor, ist das ein Indiz für
eineninformationseffizientenMarktderhalbstrengenForm,weilderPreisdieneueInformation
rasch absorbiert hat. Demgegenüber ist die Annahme der halb- strengen
Marktinformationseffizienz verletzt, wenn beispielsweise abnormale Renditen Tage nach der
Gewinnveröffentlichung vorliegen. In wissenschaftlichen Arbeiten werden verschiedene
Ereignisstudien durchgeführt und unternehmensspezifische Informationen wie Fusionen,
Änderungen der Dividende, Aktiensplits und unerwartete Gewinne sowie weltweit
ökonomisch relevante Ereignisse wie Gesetzes- und Steueränderungen unter- sucht. Die
empirischenErgebnissezeigenmehrheitlichundaufkonsistenterBasis,dass

41
EinnichterwarteterüberraschendhoherGewinnstellteineguteNachrichtdar,sodassderAkti-enkurs
steigt.EinüberraschendniedrigerGewinnodereinunerwarteterVerlustwirdhingegenals
eine schlechte Nachricht wahrgenommen und der Preis der Aktie fällt. 42
Vgl. Abschn. 4.4 für das Capital Asset Pricing Model und Abschn. 5.6.2 für das Fama/French-
Modell.
50 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

in entwickelten Ländern eine halbstrenge Informationseffizienz der Märkte besteht. In


Schwellenländern hingegen zeigen die Forschungsergebnisse, dass die Märkte grundsätz- lich
nichtinhalbstrengerForminformationseffizientsind. 43

IneineminformationseffizientenMarktderstrengenFormsindsämtlichehistorischen,
öffentlichenundprivatenInformationenindenPreisenverarbeitet.PerDefinitionistein
informationseffizienterMarktderstrengenFormsowohlinderschwachenalsauchinder
halbstrengenForminformationseffizient.MitprivatenInformationenistesineinemsolchen
Marktnichtmöglich,überdurchschnittlicheRenditenzugenerieren.DiePreisespiegeln
privateInformationwider,etwadasWissendesManagementsüberdiefinan-zielleLageseines
Unternehmens,dasnichtöffentlichverbreitetwurde.LiegteinMarktmitstrenger
Informationseffizienzvor,führenprivateInformationenwieInsiderwissennichtzu
überdurchschnittlichenRenditen,weildieseInformationenbereitsindenPreisenenthalten
sind.EmpirischeTestszeigen,dassüberdurchschnittlicheRenditenmitpriva-ten(alsonicht
öffentlichen)Informationenerzieltwerdenkönnen.DaherexistierenkeineFinanzmärkteinder
strengenForm.

44

DerGradderMarkteffizienzistfürdieMarktteilnehmerinsofernwichtig,alsdieserdenWert
vonAnlagenbeeinflusst.DieFinanzmärkte(Wertpapiermärkte)entwickelterLänderweisen
hinsichtlichihrerInformationseffizienzgrundsätzlichfolgendeEigenschaftenauf:

 Die Finanzmärkte besitzen eine schwache For m der Informationseffizienz. Investoren


können auf der Basis historischer Preise und deren Extrapolation in die Zukunft keine
überdurchschnittlichenRenditenerwirtschaften.
 Die Finanzmärkte sind halbstreng informationseffizient. Investoren und Analysten müssen
inihrerAnlageentscheidungberücksichtigen,obneueöffentlicheInformatio-nenbereitsim
PreisenthaltensindundwieneueInformationendenWertbeeinflussen.
 Die Finanzmärkte sind nicht in der strengen Form informationseffizient. Private Infor-
mationen sind in der Regel nicht öffen tlich zugänglich und können somit nicht allen
Investoren bekannt sein. Allerdings schützen Insidergesetze die Anleger davor, dass
Marktteilnehmer aufgrund von privaten Informationen (Insiderwissen) handeln und sich
einenVorteilverschaffen.

Sind die Märkte halbstreng informationseffizient, so können mit historischen und neuen
öffentlichen Informationen keine überdurchschnittlichen Renditen erzielt werden. In ei- nem
solchen Marktumfeld ist eine passive Anlagestrategie grundsätzlich rentabler als eine aktive
Strategie.EineempirischeUntersuchungvonMalkiel(1995)zeigt,dassAnlage-fondsmiteiner
aktivenStrategiedenGesamtmarktimDurchschnittaufrisikoadjustierter

43
Vgl.z.B.Ganetal.2005:RevisitingShareMarketEfficiency:EvidencefromtheNewZealand
Australia,USandJapanStockIndices,S.996ff.,undRajaetal. 2009:TestingtheSemi-Strong
Form Efficiency of Indian Stock Market with Resp ect to Information Content of Stock Split An-
nouncements–AStudyofITIndustry,S.7ff.
44
Vgl. z. B. Rozeff und Zaman 1988 : Market Efficiency and Insider Trading: New Evidence, 25 ff.
S.
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 51

Basis nicht schlagen.45 AnlagefondsweisenvordemEinbezugvonManagementgebühren


undanderemAufwandimDurchschnittdiegleicheRenditewiederMarktauf,während
nach Abzug der Managementgebühren und de s anderen Aufwands die Rendite im Durch-
schnitttieferliegt.

2.4.2.2 Marktpreisanomalien
Grundsätzlich sind die Märkte in entwickelten Ländern informationseffizient in halbstren- ger
Form. Dennoch zeigen empirische Studien, dass eine Reihe von Marktineffizienzen bzw.
-anomalien bestehen, die fehlbewertete Anlagen zur Folge haben. Anhaltende Markt-
preisanomalien stellen Ausnahmen der Marktinformationseffizienz dar. Eine Marktpreis-
anomalie liegt immer dann vor, wenn der Preis einer Anlage nicht durch die zur Verfügung
stehendenInformationengerechtfertigtist.

EinePreisanomaliemussübereinelängereZeitperiodebestehen,ansonstenistsieein
ZufallsprodukteinerarbiträrgewähltenZeitperiode.DasAuffindengewinnbringen-der
MarktineffizienzenkanneinErgebnisderDatengewinnung(Data-Mining)sein.JemehrDaten
mitunterschiedlichenstatistischenMethodenuntersuchtwerden,destoeherfindetsichdas
gewünschteResultatbzw.eineprofitableAnomalie.Dahersolltemanzu-nächstdieHypothese
einermöglichenMarktineffizienzaufgrundrationalökonomischerÜberlegungendefinieren
understineinemzweitenSchrittanhandempirischerDatenüberprüfen.Dabeigilteszu
beachten,dassmithistorischenDateneineAnomalieentdecktwerdenkann,diezuGewinnenin
derVergangenheitgeführthat.WendetmanfürdieseMarktineffizienzeineHandelsstrategiean,
bedeutetdiesnichtzwingend,dasseineüber-durchschnittlicheRenditeanfällt.Esistdurchaus
möglich,dasseinevergangeneMarktin-effizienzheutenichtmehrvorliegt,weildiesedurch
Marktteilnehmerbereitsausgenutztwurde.IneineminformationseffizientenMarktistes
schwierig,dasseineAnlagestra-tegieaufkonsistenterBasiszukünftigeüberdurchschnittliche
Renditenabwirft.VielmehrwirdeineentdeckteMarktineffizienzsofortmiteinerStrategie
gewinnbringendumgesetzt,sodassderMarktindiesemTeilbereichwiedereffizientwirdund
überschüssigeGewin-nenichtmehrmöglichsind.

46
FernersindbeijederAnlagestrategiezumAusnutzenvon
MarktanomaliendasjeweiligeRisikounddieHandelskostenzuberücksichtigen.
EsgibteineVielzahlentdeckterPreisanomalien.Dieselassensichabhängigvonder
untersuchtenMethodeindreiKategorieneinteilen.DieersteKategorievonMarktinef-
fizienzenwieKalender-undMomentumanomalienistdurchdieAnalysevonMusternin
Renditezeitreihengegeben.AnhaltendeQuerschnittsmusterinRenditen,diesichauf
unterschiedlicheMerkmalewiezumBeispielGröße,WertundKurs-Gewinn-Verhältnis
stützen,stellendiezweiteKlassifizierungdar.AndereAnomalienwerdendurchunter-
schiedlicheMethoden,etwaEreignisstudien,bestimmt.Abb. 2.8gibteinenÜberblicküber
Preisanomalien,wobeidieseListenichtabschließendist.EinigedieserAnomalienwerden
nachfolgendbeschrieben.

45
Vgl. z. B. Malkiel 1995 : Returns from Investing in Equity Mutual Funds 1971 to 1991, S. 549 ff.
46
Vgl. Bodie et al. 2009 : Investments, S. 350.
52 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Abb.2.8 Übersicht über Marktpreisanomalien

Zeitreihenanomalien
Mit Kalenderstudien versucht man, anhalte nde Zeitreihenmuster von Renditen während des
Kalenderjahreszufinden.EinsolchesRenditemusterstelltbeispielsweisederJanuar-effektdar,
der in den 1970er- und 1980er-Jahren in mehreren wissenschaftlichen Studien festgehalten
wurde.
47
AktienrenditensindimJanuarverglichenmitdenrestlichenMona-ten
imJahrwesentlichgrößer.DabeifallenüberdurchschnittlicheRenditenvorallemin
den ersten fünf Handelstagen im Januar an. Der Januareffekt verletzt die Hypothese infor-
mationseffizienter Märkte, weil die überdurchschnittlichen Renditen im Januar nicht auf
relevante neue Informationen zurückzuführen sind. Das Auftreten dieser Marktineffizienz
kannaufmehrerenGründenberuhen,dienachstehendaufgeführtsind.

InvestorenneigenausSteuerüberlegungendazu,VerlusteausAktienamEndedesJahreszu
realisieren.DerKapitalverlustausdenverkauftenPapierenvermindertdieSteu-erlastausden
Kapitalgewinnen.AmAnfangdesfolgendenJahreswerdenentwederdieverkauftenPapiereoder
neueattraktiveTitelgekauft.DiesesVerhaltenderInvestorenführtzufallendenAktienmärkten
EndeNovemberundimDezemberundzueinemAnstei-genderPreiseimJanuar.

48
EineweitereErklärungstelltdieSchönfärbereidesPortfolios
bzw.dasWindowDressingdurchPortfoliomanagerdar,dierisikoreicheWertpapiereamEnde
desJahresverkaufen.AufdieseWeisebesitztdasPortfoliofürdieBerichterstattung

47
Vgl. z. B. Dyl 1977 : Capital Gains Taxation and Year-End Stock Market Behavior, S. 165 ff., und
Roll 1983 : Vas Ist Das?, S. 18 ff.
48
DieverkauftenTitelsindmehrheitlichAktienvongeringerMarktkapitalisierungundmithoher
Volatilität.EbenfallsliegteinJanuareffektbeiAnleihenvor.DieserEffektistbeiAnleihenmiteinem
niedrigen Rating am größten.
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 53

am 31. Dezember weniger Risiken. Am Anfang des folgenden Jahres kaufen Portfolio-
manager, mit der Absicht, höhere Renditen z u erzielen, Anlagen mit höheren Risiken. Studien
jüngeren Datums zeigen, dassder Januareffekt bei Aktien und Anleihen nicht an- haltend ist und
folglich keine Marktpreisanomalie darstellt. Nimmt man eine angemessene Korrektur des
Risikos vor, sind überdurchschnittliche Renditen durch das Ausnutzen des Januareffekts nicht
möglich.

AndereKalendereffektesindderMonatsübergang,TagderWoche,dasWochenendeund
Ferien.BeimMonatsübergangseffektsinddieRenditenamletztenHandelstagdesMonatsim
VergleichzudenerstendreiHandelstagendesfolgendenMonatsgrößer.Beim
Tag-der-Woche-EffektistdieRenditeamMontagimDurchschnittnegativundkleinerver-
glichenmitdenRenditenderanderenvierWochentage,dieallesamtpositivsind.Beim
WochenendeffektsinddieRenditenamWochenendekleiner.DerFerieneffektistgekenn-
zeichnetdurchhoheRenditenvordenHandelsferien.

DieMomentum-MarktpreisanomalienbeziehensichaufkurzfristigePreisbewegungenvon
Aktien.SohandelnInvestorenbeiderVeröffentlichungvonnichterwartetenIn-formationen
überstürzt.BeigutenNachrichtensteigendiePreiseübermäßig,währendsiebeischlechten
Neuigkeitenzustarkfallen.ÜberträgtmandiesenEffektderÜber-reaktionineine
gewinnbringendeStrategie,mussman„Verlierer“-Anlagenkaufenund„Gewinner“-Anlagen
verkaufen.FindetimFolgendeneinePreiskorrekturaufdenMärk-tenstatt,realisiertmaneine
überdurchschnittlicheRendite.

Querschnittsanomalien
Geht man von einem effizienten Markt aus, liegen sämtliche Anlagen auf der Wertpa-
piermarktlinie, die für einzelne Titel die erwartete Rendite in Beziehung zum systemati- schen
Risikowiedergibt. 49
AlleAnlagenverfügenübereineaufderWertpapiermarktlinie
liegenderisikoadjustierteRendite,weildiePreisesämtlicherelevantenöffentlichenIn-
formationen,welchedieVerlustgefahrbeeinflussen,widerspiegeln.Querschnittsstudien
untersuchen,obesmitöffentlichenInformationenmöglichist,diezukünftigeVerteilungvon
risikoadjustiertenRenditeneinerAnlagezuermitteln.Findetmanunter-oderüberbe-wertete
Titel,liegteinePreisanomalievor.
50

EineStudievonFamaundFrench(1998)zeigt,dassAktienmiteinerWertorientierung
(Value-Aktien)imVergleichzuAktienmiteinerWachstumsorientierung(Growth-Aktien)
konsistenthöhererisikoadjustierteRenditenüberlängereZeitperiodenaufweisen. 51
Ak-
tien mit Wertorientierung sind durch unterdurchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnisse und
Kurs-Buchwert-Verhältnisse sowie durch überdurchschnittliche Dividendenrendi-
ten gekennzeichnet. Diese Anomalie bei Value-Aktien verletzt die halbstrenge Form der

49
Für die Wertpapiermarktlinie vgl. Abschn. 4.4.3 .
50
DieempirischenQuerschnittstestszeigen,obrisikoadjustierteRenditeninderZukunftvorausge-sagt
werdenkönnen.DieErgebnissekönnenentwederaufdieMarktineffizienz(Preisanomalie)oderaufdas
verwendetefinanzmarkttheoretischeModellzurückgeführtwerden.EinModell,welchesdasRisiko
falschmisst,führtzufehlerhaftenrisikoadjustiertenRenditen.
51
Vgl. z. B. Fama und French 1998 : Value versus Growth: The International Evidence, S. 1975 ff.
54 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Markteffizienz, weil die Informationen zur Klassifizierung von Value- und Growth-Aktien
öffentlichzurVerfügungstehen.
Unternehmensgröße Sie gelangen zu dem Schluss, den dass
Einfluss
Aktien
Banz
mit
dergeringer Marktkapita
lisierungund
(1981) im Vergleich
Reinganum zu (1981)
Titeln mit
haben
großer
(Marktkapitalisierung)
Marktkapitalisierung konsistent
52 höhere
auf risikoadjustierte
risikoadjustierte Renditen
Renditen
aufweisen.
untersucht.
In nachfol- genden Studien konnte dieser
Größeneffekt nicht mehr eindeutig nachgewiesen werden.
53

Ebenfalls zeigen Untersuchungen von Brown, Kleidon und Marsh (1983), dass sich der
GrößeneffektüberdieZeithinwegnichtstabilverhält.IneinigenZeitperioden(z.B.von1967bis
1975) haben Aktien mit großer Marktkapitalisierung verglichen mit Titeln von geringer
MarktkapitalisierunghöhererisikoadjustierteRenditenerzielt.
54

AndereAnomalien
Ein geschlossener Investmentfonds gibt eine bestimmte Anzahl an Anteilsscheinen aus, die
nach der Emission auf dem Aktienmarkt (Sekundärmarkt) gehandelt werden. Die Prei- se der
Anteilsscheine auf dem Markt werden durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Der Wert der
Papiere entspricht dem Nettovermöge nswert, der aus der Differenz zwischen dem
Vermögenswert abzüglich Verbindlichkeiten dividiert durch die Anzahl ausstehender An-
teilsscheine besteht. Eine Studie von Dimson und Minio-Kozerski (1983) zeigt, dass die Titel
miteinemPreisabschlagzumNettovermögenswertgehandeltwerden.DerPreisab-schlagliegt
imDurchschnittzwischen4%und10%.

55
Diese Abschläge können unter
anderem durch Managementgebühren, erwar tete Performanceauszahlungen an Manager,
Steuerverbindlichkeiten aufgrund von nicht realisierten Kapitalgewinnen und -verlusten,
Marktliquidität und Fehlern bei der Berechnung des Nettovermögenswerts erklärt werden.
Berücksichtigt man die Transaktionskosten, lohnt sich das Ausnutzen dieser Preisanoma- lie
nicht.
56

EsexistierenauchEreignisstudien,wieetwaUntersuchungenüberdieBekanntgabevon
Gewinnüberraschungen,welchediehalbstrengeFormderMarktinformationseffizienzinfrage
stellen.DerunerwarteteTeildesUnternehmensgewinnsistbeieineminformati-onseffizienten
MarktnichtimAktienpreisenthalten.DaherfindeteinePreiskorrekturstatt,wenneinunerwartet
hoherodertieferGewinnbekanntgegebenwird.Positive(negative)Gewinnüberraschungen
führenbeiderVeröffentlichungzueinemhöheren(niedrigeren)

52
Vgl.Banz1981:TheRelationshipbetweenReturnandMarketValueofCommonStocks,S.3ff.,und
Reinganum1981:MisspecificationofCapitalAssetPricing:EmpiricalAnomaliesBasedon
Earnings’ Yields and Market Values, S. 19 ff. 53
Vgl.FamaundFrench2008:DissectingAnomalies,S.1653ff.DerGrößeneffektliegtnurbeiAktien
miteinerMikrokapitalisierungvor.BeiAktienmitkleinerundgroßerMarktkapitalisierungbestehtkeine
Preisanomalie.
54
Vgl.Brownetal. 1983:NewEvidenceontheNatureofSize-RelatedAnomaliesinStockPrices,33ff.
S.
55
Vgl. Dimson und Minio-Kozerski 1999 : Closed-End Funds: A Survey, S. 1 ff.
56
Vgl. Pontiff 1995 : Closed-End Fund Premia and Returns Implications for Financial Market Equi-
librium, S. 341 ff.
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 55

Aktienpreis. Empirische Studien zeigen, dass sich die neue Information in den Preisen
niederschlägt, wobei die Preisanpassung allerdings nicht immer effizient ist. Bei einer
GewinnüberraschungerfolgtdiePreiskorrekturvor,währendundauchnachderBekannt-gabe.
57
DieselangsamePreisanpassungermöglichtes,nachderVeröffentlichungmitdem
Kaufbzw.VerkaufderAktieneineüberdurchschnittlicheRenditezuerzielen.Be-rücksichtigt
manTransaktionskostenunddieRisikenderStrategie,reduziertsichdasGewinnpotentialaus
dieserPreisanomalieallerdingserheblich.

BeieinemInitialPublicOffering(IPO)bieteteinUnternehmenzumerstenMaleinenTeil
seinerAktienanderBörsean.DerBörsengangwirddurcheineInvestmentbankun-terstützt,die
beiderPreisbestimmungundVermarktungderPapierehilft.DabeistelltdieFestlegungeines
angemessenenAktienpreiseseinschwierigesUnterfangendar,weilkeinMarktpreisfürdie
Titelvorhandenist.AufgrunddieserUnsicherheiterstauntesnicht,dassderEmissionspreiszu
niedrigangesetztwirdundderAktienpreisamEndedeserstenHandelstagesdeutlichhöherist.
EineStudievonHanley(1993)zeigt,dassInvestorenbeieinemIPOimDurchschnittabnormale
Renditenerzielen,wennsiediePa-pierezumEmissionspreiskaufen.

58
ZumBeispielstiegendieAktienpreiseetwawährendder
Hightech-Blasevon1995bis2000beieinerVielzahlvonBörsengängenamEndedesersten
Handelstagesumrund100%.DiesePerformanceistjedochnichtimmerzubeobachten.Esist
auchmöglich,dassderEmissionspreiszuhochangesetztwirdundderPreisdesWertpapiersam
EndedeserstenHandelstagesniedrigerist.
59
Fernerbe-
stätigteineStudievonRitter(1991),dassderAktienkaufnachdemBörsengangkeine
überdurchschnittlichenGewinneabwirft,weilderMarktpreisraschdeninnerenWertderAktie
widerspiegelt.AuchdieseErkenntnissescheinenzuzeigen,dassdieFinanzmärktevonder
halbstrengenFormderInformationseffizienzgeprägtsind.
60

DasAusnutzenderbeschriebenenMarktpreisanomalienistinderPraxisnichteinfach.
EmpirischeStudienargumentieren,dassAnomaliendieMarktinformationseffizienznicht
verwerfen,weilsiedasResultatvonverwendetenstatistischenMethodensind.Korrigiertman
diesenEffekt,verschwindendiemeistenPreisanomalien.AußerdemkönnenMarkt-akteure
beimEintreffenneuerInformationenüber-oderunterreagieren,waswiederumdazuführt,dass
dieFinanzmärkteimDurchschnitteffizientsind.
61

57
Vgl. Jones et al. 1984 : Stock Returns and SUEs During the 1970’s, S. 18 ff.
58
Vgl.z.B.Hanley1993:TheUnderpricingofInitialPublicOfferingsandthePartialAdjustment
Phenomenon,S.231ff.,undIbbotsonetal.1994:TheMarket’sProblemswiththePricingofInitialPublic
Offerings,S.66ff.
59
EinBeispieleineszuhohenAusgabepreisesistdieEmissionderFacebook-Aktienvom18.Mai2012.In
denerstendreiHandelstagenistdieAktievonUSD38aufUSD31,12gefallen,waseinen
Preisrückgang von rund 18 % darstellt.
60
Vgl. Ritter 1991 : The Long-Run Performance of Initial Public Offerings, S. 3 ff.
61
Über- und Unterreaktionen heben sich gegenseitig auf. Vgl. Fama 1998 : Market Efficiency, Long-
Term Returns, and Behavioral Finance, S. 283 ff.
56 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

2.4.2.3 BehavioralFinanceundMarkteffizienz
Die Denkweise und das Verhalten von Marktteilnehmern beeinflussen die Preise auf den
Finanzmärkten. Die Behavioral-Finance-Theorie versucht zu erklären, ob die Anlageent-
scheidungenvonIndividuenrationaloderirrationalsind. 62
DabeiliegtderSchwerpunkt
aufdenkognitivenVerzerrungenbeidenInvestitionsentscheidungen.DieMarkteffizienzund
diemeistenBewertungsmodellesetzenvoraus,dassderMarktrationalundinforma-
tionseffizientist.Daheristessinnvollzuuntersuchen,obdasVerhaltenderMarktakteureeinen
EinflussaufdieMarkteffizienzunddieAnlagepreisehat.

DiemeistenfinanzmarkttheoretischenModelleberuhenaufderAnnahme,dassdie
Marktteilnehmerrisikoaverssind.Risikoaversionbedeutet,dassAnlegerfüreinehöhe-re
VerlustgefahrmiteinerhöherenerwartetenRenditeangemessenkompensiertwerdenmöchten.
WirddasRisikoindenModellenmitderStandardabweichunggemessen,füh-rensowohl
positivealsauchnegativeAbweichungenvondererwartetenRenditezueinerErhöhungdes
Anlagerisikos.TatsächlichnehmenIndividuendasRisikoeinerAnlageal-lerdings
asymmetrischwahr.SoreagierensiestärkeraufVerlustealsaufGewinne.Sieverhaltensich
demnachverlust-undnichtrisikoavers,weilsiegroßeVerlustängstehaben.BeiVerlustenfindet
eineÜberreaktionstattunddiePositionenwerdeninderHoffnunggehalten,dasssichderPreis
wiedererholt.DemgegenüberwerdenAnlagenmitGewin-nenoftvielzuschnellveräußert.Es
wirdmehrZeitundEnergieindieVermeidungvonVerlustenalsindieErzielungvonGewinnen
eingesetzt.

EineweitereVerhaltenseigenschaftstelltdasübermäßigeVertrauenindieeigenenFä-
higkeitenbeiderAuswahlvonAnlagendar.WirddaseigeneVerständnisüberschätzt,istman
nichtinderLage,Informationensachgerechtzuverarbeiten.DiesführtzuFehl-entscheidungen
undfolglichbeieinemMassenverhaltenzuFehlbewertungenaufdenMärkten.

BeimsogenanntenTrugschlussdesSpielers(Gambler’sFallacy)bestehtdiefalsche
Vorstellung,dasseinzufälligesEreigniswahrscheinlicherwird,jelängeresnichteinge-treten
ist.DieserDenkfehlerhateinefalscheEinschätzungvonWahrscheinlichkeitenund
InvestitionsentscheidungenzurFolge(derZufallhatkeinGedächtnis).

DasPrinzipdermentalenBuchhaltung(MentalAccounting)kannbeiAnlegernbe-obachtet
werden,dieverschiedenePositionen,welcheGewinneundVerlusteaufweisen,gedanklichin
separateEinheitenaufteilen.DieseDenkweiseverhindert,dassdieAnlagenausderPortfolio-
unddamitausderDiversifikationsperspektivebetrachtetwerden,waszusuboptimalen
Anlageentscheidungenführt.

KognitiveVerzerrungenwiezumBeispielmentaleBuchhaltungundVerlustaversionkönnen
zueinemHerdenverhaltenodereinerInformationskaskadeführen.DiesozialeIn-teraktionunddie
darausresultierendeAnsteckungmitVerhaltensmusternsindwichtigeFaktoren,um
Preisänderungenzuerklären,dienichtaufneuerelevanteInformationenzu-

62
BehavioralFinancebeschäftigtsichmitdemVerhaltenvonIndividueninwirtschaftlichenSitua-tionen.
DabeiwerdenVerhaltensweisenuntersucht,dieimWiderspruchzudenModellannahmen
wie etwa Risikoaversion stehen.
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 57

rückzuführen sind. Marktweite Preisanomalien können nur durch kognitive Verzerrungen


entstehen,wennvieleIndividuendiesesunvernünftigeVerhaltenannehmen.
DasHerdenverhaltenistcharakterisiertdurchInvestoren,dieirrationalundgetriebendurch
Emotionen,wieGierundVerlustängste,einemPreistrendnacheifern.Sowerdenetwaaufgrund
vonGewinnmöglichkeitenbeieinerMarktblaseAktiengekauft,währenddiesebeieinem
BörsencrashausAngstvorVerlustenveräußertwerden.DasHandelnderMarktteilnehmermuss
sichentsprechendnichtaufdieVerarbeitungvonInformationenstützen.Beider
InformationskaskadehingegenkaufenundverkaufenInvestorenwegenandererAnleger,die
zuerstgehandelthaben.DabeiwerdendieAnlageentscheidungenvonanderenbeobachtetund
dannunabhängigvondeneigenenPräferenzenimitiert.DiesesVerhaltenkannzu
gleichgerichtetenAktienrenditenführenundentsprichtderPreisano-malieauseiner
ÜberreaktionderMarktteilnehmer.ObdasAnlageverhaltendurchdieInformationskaskade
rationalist,hängtvondenMarktteilnehmernab,diezuerstgekauftbzw.verkaufthaben.Agieren
diesevernünftigundsindsiegutinformiert,dannkönnendieKäufebzw.Verkäufedernicht
informiertenNachahmermitrationalemMarktverhal-tengleichgesetztwerden.Ineinem
solchenFallhelfendienichtinformiertenInvestoren,dierelevantenInformationenindiePreise
einfließenzulassen,wasdieMarkteffizienzerhöht.

DieBehavioral-Finance-Theorievermagzuerklären,wieMärktefunktionierenundPreise
bestimmtwerden.DabeibleibtdieFrageoffen,obdasunvernünftigeVerhaltenvonInvestoren
Preisanomaliengeneriert.Grundsätzlichistzwischenindividuellemundgesellschaftlichem
irrationalenVerhaltenzuunterscheiden.ErstereskanndurchdenMarktausgeglichenwerden,
währenddasZweitedenMarktineffizientmachtunddiePreisevonihreminnerenWertentfernt.

DieAnnahmederMarkteffizienzkannnichtaufrechterhaltenwerden,wennInvestoren
rationalhandelnmüssen,damitdieMärkteeffizientsind.Esbestehenzuvielekogniti-ve
Verzerrungen,dieeinirrationalesVerhaltenderIndividuenzurFolgehaben.Demist
entgegenzuhalten,dassempirischeStudienmehrheitlichzudemSchlussgelangen,dassdie
MärkteinentwickeltenLänderngrundsätzlichinderhalbstrengenForminformations-effizient
sind.MithistorischenundneuenöffentlichenInformationenkönnendemnachrisikobereinigt
keineüberdurchschnittlichenRenditenerzieltwerden.

2.4.2.4 MarktliquiditätundHandelskosten
Die vorherrschende Marktliquidität beeinflusst den Wert von Anlagen. Finanzwerte mit
geringer Liquidität weisen eine große Geld-Brief-Spanne bzw. Bid Ask Spread auf. Die
Geld-Brief-Spanne bestehtausderDifferenzzwischen demKauf-und Verkaufspreis.Je größer
dieser Differenzbetrag ist, desto höher sind die Handelskosten. In einem quotege- steuerten
Markt
63
werden die Kauf- und Verkaufspreise von Händlern gestellt. Für den

63
DerHandelfindetgrundsätzlichauffolgendenMärktenstatt:quotegesteuerterMarkt,auftragsge-
steuerterMarktundBroker-Markt.IneinemquotegesteuertenMarkthandelnInvestorendirektmit
den Händlern, während in einem auftragsgesteuerten Markt der Handel zwischen den Investoren
5 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Händler stellt der Bid-Preis den Ankaufspreis für eine bestimmte Anzahl an Wertschriften dar,
während der Ask-Preis den Verkaufspreis widerspiegelt. Dabei ist der Ask-Preis höher als der
Bid-Preis. Aus der Perspektive eines Investors ist die Ausführungeines Kaufauf- trags zu einem
niedrigen Ask-Preis vorteilhaf t. Bei einem Verkaufsauftrag hingegen wird ein hoher Bid-Preis
angestrebt.

Beispiel
Bid Ask Spread
Ein Portfoliomanager einer Bank übermittelt der eigenen Handelsabteilung einen Kauf-
auftrag für 500 Aktien. Die Aktien werden in einem quotegesteuerten Markt gehandelt. Der
MarktfürdieseAktienwirddurchdiedreiHändlerX,YundZgemacht.DieHandelsabteilung
sieht um 09.23 Uhr auf dem Bildschirm die folgenden von den drei Händlern eingegebenen
Preisangebote(inEUR):

 Händler X: Bid von 55,85 für 300 Aktien und Ask von 55,95 für 600 Aktien,
 Händler Y: Bid von 55,82 für 400 Aktien und Ask von 55,98 für 300 Aktien,
 Händler Z: Bid von 55,80 für 300 Aktien und Ask von 55,90 für 400 Aktien.

Nachstehend sind die Bid-Preise vom höchsten bis niedrigsten Preis angeordnet, wäh- rend
die Ask-Preise vom niedrigsten bis höchsten Preis aufgeführt sind. Diese Reihen- folge
berücksichtigt den besten Kauf- und Verkaufspreis für die Handelsabteilung der Bank
(höchsterBid-bzw.niedrigsterAsk-Preis).

Bid Ask
Händler Zeit der Preis Quantität Händler Zeit der Preis Quantität
Eingabe (in EUR) Eingabe (in EUR)
X 09.22 55,85 300 Z 09.20 55,90 400
Y 09.21 55,82 400 X 09.22 55,95 600
Z 09.18 55,80 300 Y 09.18 55,98 300

Zu welchen Preisen kann die Handelsabteilung der Bank diesen Auftrag ausführen?

Lösung
DieHandelsabteilungderBankkauft400AktienvonHändlerZzueinemPreisvonEUR55,90
und100AktienvonHändlerXzueinemPreisvonEUR55,95proAktie.

Im Beispiel beträgt die Markt-Geld-Brie f-Spanne EUR 0,05 und berechnet sich aus der
Differenz zwischen tiefstem Ask-Preis und höchstem Bid-Preis (EUR 55;90EUR 55;85).
Die Markt-Geld-Brief- Spanne ist niedriger als die Bid Ask Spreads der einzelnen Händ-
ler.HändlerX,YundZhabenSpreadsvonEUR0,10,EUR0,16undEUR0,10,dieallesamtgrößer
alsdieMarkt-Geld-Brief-SpannevonEUR0,05sind.

(ohne Intermediation von Händlern) abgewickelt wird. In einem Broker-Markt hingegen stützt sich der
HändleraufeinenBroker,umeineGegenparteifürdenHandelzufinden.
2.4 WeitereAnlagecharakteristiken 59

WeistzumBeispieleineAktie,diezuEUR100gehandeltwird,einenBidAskSpreadvonEUR0,20
auf,beträgtderSpreadimVerhältniszumAktienpreis0,2%.EineAktiehingegen,dieeinenPreisvon
EUR10unddengleichenSpreadvonEUR0,20aufweist,besitzteineGeld-Brief-SpanneimVerhältnis
zumPreisvon2%.DemzufolgeverfügtdiezweiteAktiemiteinemhöherenSpread-Preis-Verhältnis
von2%überhöhereHandels-kosten.

DieHandelskostenbestehenausexplizitenundimplizitenKosten.DieexplizitenKos-ten
setzensichausdendirektenHandelskostenzusammenwieetwaKommissionenfürBroker,
SteuernundbezahlteGebührenfürdieBörse.DerHändlerbzw.InvestorerhältfürdieseKosten
eineRechnung.ImpliziteHandelskostenhingegenweisenkeineRech-nungaufundsetzensich
ausdenfolgendenKostenzusammen:

 Geld-Brief-Spanne.
 Auswirkung eines Handelsauftrags auf den Preis der Transaktion. Ein Händler bei-
spielsweiseteiltdenKaufvon800AnleiheninzweigleichgroßeAufträgevonje400Anleihen
auf.DieGeld-Brief-Spannebeträgt98,355zu98,675. 64
DerersteKaufauf-
tragvon400AnleihenerfolgtzueinemAsk-Preisvon98,675.NachdieserTransaktion
verändertsichdieGeld-Brief-Spanneauf98,371zu98,732.DerzweiteAuftragzumKauf
von400AnleihenwirdzueinemAsk-Preisvon98,732abgewickelt.DieersteTransaktion
hatzueinemPreisanstiegaufdemMarktgeführt,sodassdiezweiteTrans-aktionzueinem
höherenPreisvon
0;057.D 98;732  98;675/ durchgeführt wurde.
Beträgt der Nominalwert einer Anleihe EUR 5000, dann hat dies höhere Transaktions-
kosten von EUR 1140.D EUR 5000  0;00057  400/ zur Folge.
 Opportunitätskosten entstehen aus einem nicht ausgeführten Kauf- bzw. Verkaufsauf-
trag.ZumBeispielgibteinHändlereinenlimitiertenKaufauftragfürAnleihenzueinemPreis
von 102,500 oder besser gut für 1 Tag in das System ein. Die Markt- Geld-Brief-Spanne
beträgt zu diesem Zeitpunkt 102,505 zu 102,846. Nach 1 Tagist der Auftrag nicht ausgeführt
worden und der Markt-Bid-Ask-Spread ist 102,524 zu 103,106. Die Differenz von 0,26
zwischen den beiden Markt-Ask-Preisen von 103,106 und 102,846 entspricht den
OpportunitätskostenfürdennichtdurchgeführtenKaufauf-trag.

 Wartekosten entstehen, weil es nicht möglich ist, den Kauf- bzw. Verkaufsauftrag wäh-
rend der gewünschten Zeitdauer durchzuführen. Aufgrund der Größe des Auftrags und der
nicht gegebenen Marktliquidität kann d er Auftrag nur über eine längere Zeitperi- ode
abgewickelt werden. Während dieser Zeit dringen Informationen auf den Markt, die den
PreisbeeinflussenkönnenundsomithöhereimpliziteHandelskostenzurFolgehaben.

Einen Ansatz, um die expliziten wie auch impliziten Handelskosten auszurechnen, stellt der
AnsatzdesvolumengewichtetenDurchschnittspreises(VolumeWeightedAverage

64
Preise von Anleihen werden in Prozent des Nominalwerts gehandelt. Zum Beispiel bedeutet ein
Bid-Preis von 98,355 einen Preis von 98,355 % des Nominalwerts. Vgl. Abschn. 8.2 .
60 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Price) dar. Der volumengewichtete Durchschnittspreis (VGDP) eines Wertpapiers ist sein
Durchschnittspreis während des Handelstages, der als Summe der volumengewichteten
Auftragspreise berechnet wird. So zum Beispiel werden während eines Handelstages zu
unterschiedlichen Zeitpunkten Aktien von Delta gekauft: 500 Aktienzu einem Titelpreis von
EUR 100, 600 Aktien zu einem Titelpreis von EUR 101 und 900 Aktienzu einem Titelpreis von
EUR103.DerVGDPvonEUR101,65lässtsichwiefolgtbestimmen:

500  EUR 100 C 600  EUR 101 C 900  EUR 103


VGDP D D EUR 101;65:
2000

Werden die 900 Aktien zu einem Preis von EUR 103 pro Titel gekauft, betragen die impli- ziten
HandelskostenEUR 1215ŒD .EUR 103  EUR 101;65/  900. Der Nachteil dieses
Ansatzes besteht darin, dass der Händler den Zeitpunkt seiner Kauf- und Verkaufsaufträ-
ge mit der Höhe des VGDP abstimmen und so die impliziten Handelskosten beeinflussen kann.
Darüber hinaus werden die berechneten i mpliziten Handelskosten nicht weiter auf- geteilt,
sodass die Auswirkungen des Handelsau ftrags auf den Preis der Transaktion, die Wartekosten
und die Opportunitätskosten nicht bekannt sind. Ein besserer Ansatz, um die expliziten und
impliziten Handelskosten auszurechnen, stellt die Implementation Short- fall dar, die von
Händlern weniger gut manipuliert werden kann und auch die Herkunft der impliziten
Handelskostenwiedergibt.
65

2.5 Zusammenfassung

 Die Rendite einer Finanzanlage besteht aus den Einnahmen (Dividenden bei Aktien
und Kupons bei Anleihen) und den Preisänderungen (Kapitalgewinne und -verluste). Die
periodischeAnlagerenditekannübereineodermehrerePeriodenermitteltwerden.
 VergleichtmanunterschiedlicheAnlagenübermehrerePeriodenhinweg,lässtsicheinsolcher
VergleichmitderdurchschnittlichenRenditeanhanddesarithmetischenunddesgeometrischen
Mittelsdurchführen.DiearithmetischeRenditeisteinfachzube-rechnenundverfügtüberbekannte
statistische Eigenschaften. Die geometrische Ren- dite hingegen berücksichtigt den
Verzinsungseffekt und stellt bei einem sich nicht verändernden Anlagebetrag die bessere
PerformancegrößeimVergleichzurarithme-tischenRenditedar.VerändertsichderimPortfolio
investierteGeldbetragüberdieAnlagedauer,istdiegeldgewichteteRenditezuermitteln.

 Die reale Rendite wird ohne Einbezug der Inflation als Entschädigung für die verlo- rene
Kaufkraftberechnet.SiebestehtausdemrealenrisikolosenZinssatz,dereineEntschädigung
für den Aufschub des Konsums darstellt, und einer Risikoprämie. Die reale Rendite nach
Steuern ist eine verläss liche Benchmark für die getätigten Anlage- entscheidungen eines
Investors.

65
Für die Implementation Shortfall vgl. Mondello 2015 : Portfoliomanagement: Theorie und An-
wendungsbeispiele, S. 50 ff.
2.5 Zusammenfassung 61

 Die erwartete Rendite wird in der Portfoliotheorie vielfach auf der Basis von histori-
schen Renditen ermittelt. Dabei wird unterstellt, dass sich die Zukunft gleich verhält wie die
Vergangenheitbzw.dieRenditenstabilsind.
 Das Risiko einer Anlage lässt sich durch eine Vielzahl von Größen wie etwa die Varianz bzw.
Standardabweichung, Semi-Varianz, Shortfall Probability und den Value at Risk
bestimmen.
 Die Standardabweichung berechnet sich als Wurzel der durchschnittlich quadrierten
Renditeabweichungen. Je größer die Renditeabweichungen sind, desto größer ist die
Standardabweichung. Die Standardabweichung weist sowohl positive als auch negative
Abweichungen von einer erwarteten Größe auf. Positive Abweichungen stellen eine
Gewinnchance,negativeAbweichungeneineVerlustgefahrdar.

 Das Downside-Risiko berücksichtigt hingegen nur negative Abweichungen von einer


Zielrendite und verkörpert das Risiko bzw. die Verlustgefahr besser als die Standard-
abweichung.
 DerValueatRiskspiegeltdenVerlustbetrageinerAnlageunternormalenMarktver-hältnissen
wider, den man mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit über eine gewisse Zeitperiode
hinwegverlierenkann.DieseVerlustgrößekannsowohlalsmaximalerwieauchalsminimaler
VAR definiert werden. Es gibt verschiedene Berechnungsmetho- den für den VAR wie die
analytischeoderVarianz-Kovarianz-Methode,diehistori-scheSimulationsmethodeunddie
Monte-Carlo-Simulation. Verfügt beispielsweise das Portfolio über Optionen, sind die
Marktwertveränderungen nicht normalverteilt. Die Berechnung des VAR eines solchen
PortfolioserfolgtmitderhistorischenSimulati-onsmethodeoderMonte-Carlo-Simulation.
Zusätzlich kann der VAR die Eigenschaft der Subadditivität verletzen. Da der VAR unt er
normalenMarktverhältnissenberech-netwird,gibterbeiextremenMarktbewegungenbzw.
beieinemCrashkeineAuskunftüberdenmöglichenVerlustbetrag.

 Neben der erwarteten Rendite und dem Risiko sind weitere Anlageeigenschaften wie die
Schiefe und die Kurtosis einer Renditeverteilung, aber auch die Informationseffizi- enz der
MärkteundderenLiquiditätzuberücksichtigen.
 DieSchiefederVerteilungmisstdenSymmetriegradderRenditenumdenErwartungs-wert.
Eine Normalverteilung weist eine Schiefe von null auf. Bei einer rechtsschiefen Verteilung
sinddieVerlustekleinundhäufig,währenddieGewinneextremhochundwenigerhäufigsind.
Eine linksschiefeVerteilung hingegen ist durch mehr kleine Ge- winne sowie durch wenige
extremhoheVerlustegekennzeichnet.

 Die Kurtosis misst den Grad der Steilheit in der Verteilungsmitte und den Grad der
Ausbuchtungen an den beiden Verteilungsenden. Eine Normalverteilung besitzt eine
Kurtosis von 3, während die Excess-Kurtosis bei 0 liegt. Sind die Renditen nicht nor-
malverteilt, muss die Analyse durch den E inbezug von höheren zentralen Momenten der
VerteilungwiedieSchiefeundKurtosiserweitertwerden.

 Der Grad der Informationseffizienz eines Marktes hat einen Einfluss auf den Wert von
Anlagen.FamaunterscheidetdreiFormenderMarkteffizienz:schwach,halbstreng
62 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

und streng. Die Informationseffizienz eines Marktes ist schwach, wenn nur historische
Informationen im Preis enthalten sind. Marktteilnehmer sind nicht in der Lage, über-
durchschnittliche Renditen zu erzielen, wenn sie aus historischen Preisen Trends ex-
trapolieren. Bei einer halbstrengen Form der Informationseffizienz spiegeln die Markt-
preise sowohl historische als auch neue öffentliche Informationen wider. Öffentliche
Informationen bestehen aus Jahresrechnungs- und Finanzmarktdaten. Werden öffent- lich
zur Verfügung stehende Informationen verwendet, sind in einem informationseffi- zienten
Markt der halbstrengen Form keine überdurchschnittlichen Renditen möglich. In der
strengen Form der Informationseffizienz sind sämtliche historischen, öffentli- chen und
privaten Informationen in den Prei sen verarbeitet. In einem solchen Markt ist es sogar
unmöglich,überdurchschnittlicheRenditenmitprivatenInformationen(Insi-derwissen)zu
erzielen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass entwickelte Länder eine halbstrenge
Form der Markteffizienz aufweisen, während in Schwellenländern Fi- nanzmärktemiteiner
schwachenFormderInformationseffizienzdieRegelsind.

 Es gibt eine Vielzahl von Marktpreisanomalien, die sich durch die untersuchten
Methoden in drei Kategorien einteilen lassen: Zeitreihen (z. B. Januareffekt), Quer-
schnitte (z. B. Größe und Wert-Effekt, Kurs-Gewinn-Verhältnis sowie Kurs-Buchwert-
Verhältnis) und andere (z. B. Gewinnüberraschung und IPO). Das Auffindenvon
Anomalienistnichteinfach.KorrigiertmandiefürdieIdentifikationderMarktineffizi-enzen
eingesetztenstatistischenMethoden,verschwindendiemeistenPreisanomalien.Ferner
findetbeimEintreffenneueröffentlicherInformationenentwedereineÜber-oder
UnterreaktionderInvestorenaufdemMarktstatt,wasdazuführt,dasssichdiegegenläufigen
ReaktionenaufhebenunddieMärkteimDurchschnitteffizientsind.

 Da die Analyse von öffentlichen Informationen in einem informationseffizienten Markt der


halbstrengen Form zu keinen überdurchschnittlichen Renditen führt, ist eine passi- ve
AnlagestrategiegegenübereineraktivenStrategievonVorteil.
 Die vorherrschende Liquidität beeinflusst die Preise der Anlagen auf dem Markt. Die
Handelskosten setzen sich aus expliziten und impliziten Kosten zusammen. Zu den
impliziten Handelskosten gehören die Auswirkung des Handelsauftrags auf den Preis der
Transaktion,dieWartekostenunddieOpportunitätskosten.

2.6 Aufgaben

Aufgabe1
Ein Investor hat am Anfang des Quartals 200 Aktien für einen Preis von EUR 25 pro Titel
gekauft.AmEndedesQuartalserhältereineDividendevonEUR5proAktieundderPreisdes
PapiersbeträgtEUR30.WiehochistdieAnlagerenditefürdasQuartal?
2.6 Aufgaben 63

Aufgabe2
Es liegen folgende jährliche Renditen einer Aktie vor:

Jahre Jährliche Renditen


2013 12 %
2014 24 %
2015 35 %
2016 10 %

a) WiehochistdieAnlagerenditeüberden4-jährigenZeitraumvon2013bis2016?Wiehoch
b) istdiejährlichearithmetischeRendite?
c) Wie hoch ist die jährliche geometrische Rendite?

Aufgabe3
Es liegen die folgenden Renditen von vier Anlagefonds vor:

Anlagefonds Zeitdauer nach Fondsauflegung Rendite seit Fondsauflegung


Delta 78 Tage 3;52 %
Gamma 136 Tage 4;58 %
Vega 18 Wochen 4;81 %
Rho 14 Monate 20,44 %

Welche der vier Anlagefonds verfügt über die höchste jährliche Rendite?

Aufgabe4
Für vier Anlageklassen sind die folgenden Renditen bekannt:

Anlageklassen Renditen
Aktien 9,5 %
Unternehmensanleihen 4,4 %
Unverzinsliche Schatzanweisungen (risikolos) 2,1 %
Inflation 1,3 %

a) Wie hoch ist die reale Rendite bei Aktien und Unternehmensanleihen?
b) Wie hoch ist die Risikoprämie bei Aktien und Unternehmensanleihen?
c) Der Steuersatz beträgt 30 %. Wie hoch s ind die realen Renditen nach Steuern für Aktien
undUnternehmensanleihen?
64 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Aufgabe5
Ein Portfoliomanager hat von einem Kunden CHF 1 Mio. erhalten, die er in einem gut
diversifiziertenAktienportfolioanlegt.Nach1JahristderWertderAnlageum8%gestiegen.
Der Kunde ist mit dem Portfoliomanager zufrieden und übergibt ihm am Ende des 1. Jahres
nochmalsCHF
1 Mio.zurVerwaltung.Im2.JahrnimmtderWertder
Anlagekombinationum12%zu.Im3.JahrfälltderPortfoliowertum4%undder
Kunde zieht CHF 500:000 ab.Im4.,5.und6.JahrverändertsichderMarktwertder%und12
Anlage um 16 %, 8 %.AmEndedes6.JahreszahltderKundewiederum
CHF 1 Mio. ein. Im 7. und 8. Jahr verändert sich der Wert der Anlagekombination um
4 % und 8 %.

a) Wie hoch sind die geldgewichtete Rendite und die geometrische Rendite dieser Anlage?

b) Welches sind die Unterschiede zwischen der geldgewichteten Rendite und der geo-
metrischenRendite?

Aufgabe6
Esliegenfolgendejährliche,stetigeRenditeneinerAktievor(Annahme:Grundge-samtheit
derRenditedaten):

Jahre Jährliche Anlagerenditen


2013 12 %
2014 24 %
2015 35 %
2016 10 %

a) Wie hoch ist die durchschnittliche Abweichung der stetigen Renditen?


b) Wie hoch ist die absolute durchschn ittliche Abweichung der stetigen Renditen? Wie
c) hochistdieStandardabweichungderstetigenunddereinfachenRenditen?

Aufgabe7
EineBankhatimGeschäftsberichtfürdasHandelsportfolioeinentäglichenValueatRiskvon
EUR 25 Mio. mit einem Konfidenzniveau von 95 % veröffentlicht. Wie lässt sich diese
Risikogrößeinterpretieren?
2.6 Aufgaben 65

Aufgabe
Es liegt die folgende Wahrscheinlichkeitsverteilung von jährlichen Portfoliorenditen vor:

Portfoliorenditen Wahrscheinlichkeit
weniger als 25 % 0,01
25 % bis 20 % 0,02
20 % bis 12 % 0,02
12 % bis 5 % 0,05
5 % bis 0 % 0,20
0 % bis 5 % 0,15
5 % bis 12 % 0,15
12 % bis 16 % 0,15
16 % bis 22 % 0,10
22 % bis 25 % 0,10
mehr als 25 % 0,05
1,00

Der Marktwert des Portfolios beträgt EUR 25 Mio.

a) Wiehochistderabsolute1%-VARfüreineZeitperiodevon1Jahr?Wiehoch
b) istderabsolute5%-VARfüreineZeitperiodevon1Jahr?

Aufgabe9
Ein Portfolio weist einen Marktwert von CHF 2 Mio. auf. Die erwartete jährliche Port-
foliorendite beläuft sich auf 8 %, während die annualisierte Volatilität bei 25 % liegt. Die
normalverteilten Renditen des Portfolios fallen unabhängig voneinander an und sind
demnachnichtmiteinanderkorreliert.

a) Wie hoch ist der absolute 5 %-VAR für 1 Jahr?


b) Wie hoch ist der absolute 5 %-VAR für 1 Monat?
c) Wie hoch ist der absolute 2,5 %-VAR für 1 Woche?
d) Wie hoch ist der absolute 1 %-VAR für 1 Tag (250 Handelstage pro Jahr)?
66 2 Rendite,RisikoundMarkteffizienz

Aufgabe10
DieTabellezeigtdenjeweiligenSchlussstanddesSMIunddiejährlichenRenditenvon2001
bis2011.

Jahre Schlussstand des SMI Veränderung Jährliche Renditen


2001 6417,84
2002 4630,75 1787;09 27;85 %
2003 5487,81 857,06 18;51 %
2004 5693,17 205,36 3;74 %
2005 7583,93 1890,76 33;21 %
2006 8785,74 1201,81 15;85 %
2007 8484,46 301;28 3;43 %
2008 5534,53 2949;93 34;77 %
2009 6545,91 1011,38 18;27 %
2010 6436,04 109;87 1;68 %
2011 5936,23 499;81 7;77 %

Die Analyse der Renditeverteilung des SMI erfolgt über die ersten vier Momente
der Verteilung: Zentraltendenz, Dispersion, Schiefe und Kurtosis.

a) Um die Zentraltendenz der Renditeverteilung zu beschreiben, müssen für die Ren- diten
in der Stichprobe der arithmetische Mittelwert, der Modalwert und der Me- dianwert
ermitteltwerden.WiehochsinddiearithmetischeRenditeunddieMedi-anrendite?

b) Um die Breite bzw. Dispersion der Renditeverteilung zu analysieren, können die


absolute durchschnittliche Abweichung, die Standardabweichung und die Semi-
Varianz berechnet werden. Wie hoch ist die Standardabweichung der Renditen?
Um das Ausmaß der Abweichung der Renditeverteilung von der Normalverteilung
c) zu beurteilen, sind die Schiefe und die Kurtosis zu bestimmen. Wie hoch sind die
Schiefe und die Excess-Kurtosis für den SMI und wie können diese Größen inter-
pretiert werden?

Aufgabe11
Es liegen folgende Aussagen über die Informationseffizienz der Märkte vor:

1. Es besteht eine halbstrenge Form der Informationseffizienz, wenn Anlagepreise his-


torischeundneueöffentlicheInformationenwiderspiegeln.
2. Informationseffiziente Märkte in der halbstrengen Form sind nicht unbedingt
schwach informationseffizient.
3. In einem halbstrengen informationseffizienten Markt generiert man mit einer pas- siven
Anlagestrategie gegenüber einer aktiven Strategie in der Regel eine höhere Renditenach
Transaktionskosten.
Literatur 67

4. Mit der Fundamentalanalyse lässt sich in einem informationseffizienten Markt der


halbstrengenFormeineüberdurchschnittlicheRenditeerzielen.
5. Wenn ein Markt schwach informationseffizient ist, kann man mit einer aktiven Anla-
gestrategie, die auf der Fundamentalanal yse beruht, überdurch schnittliche Renditen
generieren.
6. Eine Anlagestrategie, die basierend auf historischen Preisdiagrammen abnormale
Renditen abwirft, verletzt die Informationseffizienz der halbstrengen Form.
Empirische Studien zeigen, dass Value-Aktien im Vergleich zu Growth-Aktien an-
7. haltend höhere risikoadjustierte Renditen aufweisen. Um diese Marktpreisanomalie
auszunutzen, kann man Aktien mit einer Wertorientierung kaufen, die über über-
durchschnittlich hohe Di videndenrenditen und unterdur chschnittlich niedrige Kurs-
Gewinn-Verhältnisse und Kurs-Buchwert-Verhältnisse verfügen.

8. Die Januaranomalie kann unt er anderem durch den steuerlich motivierten Verkauf von
AktienunddurchWindowDressingvonPortfolioserklärtwerden.

Sind diese Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?

Aufgabe12
Frau Meier hat in der Zeitung gelesen, dass Novartis einen Gewinn bekannt gegeben hat, der
über den Erwartungen der Analysten liegt (Gewinnüberraschung). 2 Tage nach diesem
Ereignis ruft sie ihren Kundenberater an und gibt einen Kaufauftrag für 100Novartis-Aktien
durch. Mit dieser Transaktion erzielt sie eine überdurchschnittliche Rendite. Welche Form
derInformationseffizienzhypotheseistverletzt?

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OptimalesPortfolio
3

3.1 Einleitung

DasZusammenstelleneinesoptimalenPortfoliossetztnichtnurdieKombinationvonAn-lagen
zu einem Portfolio voraus, welches die angestrebten Rendite-Risiko-Eigenschaften aufweist.
VielmehristfürdasErreichenderAnlagezielezusätzlichzudenRendite-Risiko-Eigenschaften
derAnlagenauchdieRisikoeinstellungdesInvestorszuberücksichtigen.IndiesemKapitelwird
die Portfoliotheorie von Markowitz vorgestellt, bei der die in Bezug auf Rendite und Risiko
effizientestenrisikobehaftetenPortfoliosaufderEffizienz-kurveliegen.

1
WirddieEffizienzkurvemitdeninvestorenspezifischenIndifferenzkurven
kombiniert,gelangtmanzumoptimalenPortfolio.DieEffizienzkurvewirdanhandvon
historischen Kapitalmarktdaten mit der erwarteten Rendite und der Standardabweichung von
einzelnen Anlagen sowie der Kovarianz b zw. Korrelation zwischen den Renditen von
Finanzprodukten erstellt. Die Indifferenz kurven hingegen messen den Nutzen des An- legers,
derausdemHaltendesPortfoliosentsteht.DabeiwirdnebenderRenditeunddemRisikoderGrad
der Risikoaversion ein es einzelnen Investo rs bestimmt. Der Be- rührungspunkt zwischen der
Effizienzkurve und der höchstmöglichen anlegerspezifischen Indifferenzkurve stellt das
optimale Portfo lio von risikobehafteten Anlagen dar. Wird die risikolose Anlage in die
Portfoliokonstruktion eingebunden, liegt das optimale Portfo- lio auf der effizientesten
Kapitalallokationslinie. Dabei hängt der Anteil der risikolosen Anlage im Gesamtportfolio von
derNutzenfunktiondes Investorsab. Unterstelltman identische (homogene) Erwartungenaller
Teilnehmer auf dem Markt, dann investieren sämtliche Anleger in das gleiche risikobehaftete
Portfolio bzw. in das Marktportfolio. Sämtliche Anlagekombinationen zwischen der
risikolosenAnlageunddemMarktport-folioliegenaufderKapitalmarktlinie.

1
Vgl. Markowitz 1952 : Portfolio Selection, S. 77 ff. und Markowitz 1959 : Portfolio Selection:
Efficient Diversification of Investments, S. 1 ff.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 69


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_3
70 3 OptimalesPortfolio

Die Portfoliotheorie von Markowitz beruht hinsichtlich des Investorenverhaltens auf


den folgenden Annahmen:

 Die Anlagealternativen sind durch eine Vert eilung der erwarteten Renditen gegeben, die
übereinePeriodeanfallen.
 Investoren maximieren den erwarteten Nutzen über eine Periode hinweg, wobei die
Indifferenzkurven (Nutzenfunktionen) durch einen abnehmenden Grenznutzen charak-
terisiertsind.
 Die Anleger nehmen das Portfoliorisiko als Schwankungen der erwarteten Renditen
(Varianz bzw. Standardabweichung) wahr.
 DieAnlageentscheidungenstützensichaufdieerwarteteRenditeunddasRisiko,so-dassdie
Indifferenzkurven unter anderem eine Funktion der erwarteten Rendite und des Risikos
(Varianzbzw.Standardabweichung)darstellen.
 Bei einem gegebenen Risiko bevorzugen Investoren eine höhere und nicht eine niedri- gere
Rendite oder bei einer gegebenen Rendite wird diejenige Anlage ausgewählt, die über ein
niedrigeres(undnichthöheres)Risikoverfügt.DieMarktakteureverhaltensichrisikoavers.

3.2 ErwarteteRenditeundRisikoeinerrisikobehaftetenAnlage

Die erwartete Rendite stellt eine erwartete Größe dar und kann von der tatsächlich ein-
getroffenen Rendite abweichen. Die Ein schätzung über die zukünftige Höhe der Rendite kann
einerseits auf vergangenen Werten oder a ndererseits auf einer prospektiven Szena- rioanalyse
beruhen.DieerwarteteRendite
ŒE. r/ aufgrund von historischen Werten lässt
sich wie folgt berechnen:
1X
T
E .r/ D rt ; (3.1)
T tD1

wobei:

T D Anzahl Perioden bzw. vergangener Renditen,


rt D Rendite einer einzelnen Anlage für die Periode t.

Die erwartete Rendite kann auch anhand einer prospektiven Szenarioanalyse ermittelt werden.
Dabei stellt die erwartete Rendite die Summe der wahrscheinlichkeitsgewichteten
Szenariorenditendarundlässtsichwiefolgtbestimmen:

X
n
E .r/ D Pi ri ; (3.2)
iD1
3.2 ErwarteteRenditeundRisikoeinerrisikobehaftetenAnlage 71

wobei:

Pi D Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Szenarios i,


ri D Rendite für das Szenario i,
n D Anzahl Szenarien.

Bei der prospektiven Szenario analyse identifiziert man rele vante Szenarien und bestimmt die
RenditenwieauchdieEintrittswahrscheinlichkeitendereinzelnenSzenarien.Demge-genüber
beruhen historische Renditen auf Zeitr eihen von in der Vergangenheit erzielten Renditen. Aus
dieserbegrenztenDatenreihewirdeineWahrscheinlichkeitsverteilungkon-struiert.Liegteine
Normalverteilung vor, wird sie durch die erwartete Rendite und die Standardabweichung
beschrieben. Dabei unt erstellt man, dass jede Renditebeobachtung mit der gleichen
Wahrscheinlichkeitanfällt.DieWahrscheinlichkeitPvon( 3.2)lässtsich

i
bei T Renditebeobachtungen mit T ersetzen.2 DaherlässtsichdieerwarteteRenditeals1=
arithmetisches Mittel der Renditen aus einer Stichprobe wie folgt ermitteln:

X
n
1X
T
E .r/ D Pi ri D ri : (3.3)
iD1
T iD1

DieFormelzeigt,dassderarithmetischeDurchschnittswertderhistorischenRenditeneinegute
Approximation für die erwartete Rendite darstellt. Dies setzt allerdings voraus, dass die
vergangenen Renditen durch die unterstellte Wahrscheinlichkeitsverteilung angemes- sen
beschriebenwerden.

Um die Volatilität bzw. die Schwankungen von Wertschriftenrenditen zu ermitteln, gibt


es verschiedene Möglichkeiten.3 EinedermeistbenutztenKennzahlenistdieVarianzbzw.die
Standardabweichung.DieVarianzmisstdiedurchschnittlichequadratischeAbwei-chungder
einzelnenRenditenvondererwartetenRendite.DieStandardabweichungistdieWurzelausder
VarianzundstellteinestandardisierteVersionderVarianzdar.Unter-stelltman
WahrscheinlichkeitenundRenditenfürjedeseinzelneSzenario,lässtsichdieVarianz(

¢ 2 ) folgendermaßen berechnen:

X
n
2
¢ D Pi Œri  E .r/2 ; (3.4)
iD1

wobei:

E .r/ D erwartete Rendite gerechnet als Summe de r wahrscheinlichkeitsgewichteten Sze-


nariorenditen (siehe ( 3.2 )).

2
BestehtbeispielsweiseeineStichprobeaus100Renditen,dannfälltjedeRenditemiteinergleichen%
Wahrscheinlichkeit von 1 .D 1=100/ an. Die Wahrscheinlichkeit (Pi) von 0,01 ist gleich 1=T bzw.
1=100.
3
Für das Risiko von Anlagen vgl. Abschn. 2.3 .
72 3 OptimalesPortfolio

Nimmt man historische Renditen, die mit einer gleichen Wahrscheinlichkeit von 1=T an-
fallen, lassen sich die Varianz und die Standardabweichung einer Stichprobe wie folgt
bestimmen:

1 X
T
2
¢ D Œri  E .r/2 ; (3.5)
T  1 iD1
v
u
u 1 X T
¢ Dt Œri  E .r/2 ; (3.6)
T  1 iD1

wobei:

E .r/ D erwartete Rendite gerechnet als arithmetischer Durchschnittswert der Renditen


aus der Stichprobe (siehe ( 3.1 )),
T D Anzahl Perioden bzw. Renditen, die mit eine r gleichen Wahrscheinlichkeit auftre-
ten.

Je größer die Varianz bzw. Standardabweichung, desto größer die Renditeschwankun- gen um
dieerwarteteRenditeunddestogrößerdieUnsicherheitbzw.dasRisikoderAnlage.

Beispiel
Berechnung der erwarteten Rendite und Standardabweichung
Finanzanalysten einer Bank gelangen aufgrund ihrer Arbeit zu dem Schluss, dass sich der
Konjunkturzyklus in der nächsten Periode mit jeweils gleicher Wahrscheinlich- keit auf die
folgendenvierPhasenverteilt:Hochkonjunktur,Stagnation,RezessionundDepression.Die
Analystenerwarten, dass die Renditen der Aktie A dem Konjunk- turzyklusfolgen,während
die Renditender Aktie B von der Konjunktur unabhängig anfallen. Die Renditeerwartungen
fürdiebeidenAktienlautenwiefolgt:

Konjunkturphasen Renditen der Aktie A Renditen der Aktie B


Hochkonjunktur 30 % 10 %
Stagnation 15 % 15 %
Rezession 5% 20 %
Depression 10 % 10 %

1. Wie hoch sind die erwarteten Renditen der Aktien A und B?


2. Wie hoch sind die Standardabweichungen der Renditen der Aktien A und B?
3.2 ErwarteteRenditeundRisikoeinerrisikobehaftetenAnlage 73

Lösungzu1
Die erwarteten Renditen der beiden Aktien A und B lassen sich wie folgt bestimmen:

E .r/AktieA D 0;25  30 % C 0;25  15 % C 0;25  5 % C 0;25  .10 %/ D 10 %;


E .r/AktieB D 0;25  10 % C 0;25  .15 %/ C 0;25  20 % C 0;25  10 % D 6;25 %:

Lösungzu2
DieStandardabweichungenderAktienAundBlassensichfolgendermaßenermitteln:Aktie
A:

Konjunkturphasen Renditen: ri Streubreite um erwartete Rendite: Quadrat der Streubrei-


[ri  E .r/] te: Œri  E .r/2
Hochkonjunktur 0,30 0,201/ 0,042/
Stagnation 0,15 0,05 0,0025
Rezession 0,05 0;05 0,0025
Depression 0;10 0;20 0,04
1/
0;30  0;10 D 0;20
2/
0;202 D 0;04
2
¢AktieA D 0;25  0;04 C 0;25  0;0025 C 0;25  0;0025 C 0;25  0;04
D 0;02125;
p
¢AktieA D 0;02125 D 0;1458 D 14;58 %:

Aktie B:

Konjunkturphasen Renditen: ri Streubreite um erwartete Rendite: Quadrat der Streubrei-


[ri  E .r/] te: Œri  E .r/2
Hochkonjunktur 0,10 0,0375 0,001406
Stagnation 0;15 0;2125 0,045156
Rezession 0,20 0,1375 0,018906
Depression 0,10 0,0375 0,001406
2
¢AktieB D 0;25  0;001406 C 0;25  0;045156 C 0;25  0;018906 C 0;25  0;001406
D 0;016719;
p
¢AktieB D 0;016719 D 0;1293 D 12;93 %:
74 3 OptimalesPortfolio

3.3 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfoliosbestehendaus
zweirisikobehaftetenAnlagen

Zunächst werden die Grundprinzipien der Rendite-Risiko-Berechnung am Beispiel von zwei


risikobehaftetenAnlagenaufgezeigt.Diesbietetsichan,dasichdiesogefundenenErkenntnisse
auf ein Portfolio mit einer Vielzahl von Wertpapieren übertragen lassen. Die
Portfoliokonstruktion basiert auf dem Grundgedanken der effizienten Diversifikation. Da- bei
werden risikobehaftete Portfolios aus zwei oder mehreren Anlagen zusammengestellt, wobei
nur dasjenige Portfolio hinsichtlich Rendite und Risiko effizient ist, das für eine bestimmte
erwartete Rendite das niedrigste Risiko bzw. für ein bestimmtes Risiko die höchste erwartete
Renditebesitzt.

Die erwartete Rendite eines Portfolios E – .rP / bestehend aus zwei risikobehafteten An-
lagen 1 und 2 lässt sich mit folgender Formel berechnen:

E .rP / D w1 E .r1 / C w2 E .r2 / ; (3.7)

wobei:

w1 D prozentualerAnteilderAnlage1imPortfolio,r
E . / D erwarteteRenditederAnlage1,diemit(3.1)oder(3.2)gerechnetwird.1

WerdenzweiAktienbetrachtet,diejeübereineRenditevon15%verfügen,dannbeträgt–unabhängig
vonderanteilsmäßigenZusammensetzungdesPortfolios–dieerwarte-tePortfoliorenditeebenfalls
15%.Dieszeigt,dasssichdieGesamtrenditeaufgrundderKombinationvonverschiedenenAnlagen
gleicherRenditenichtändert.

DasPortfoliorisikowirdnicht–wiedieerwartetePortfoliorendite–alsdieSum-meder
gewichtetenStandardabweichungenderRenditenberechnet.Vielmehrhängtdas
PortfoliorisikonebendenGewichtenunddemEinzelrisikoderbeidenAnlagen(alsoder
Standardabweichung)auchvonderKovarianzbzw.Korrelationab,welchedieBeziehung
zwischendenRenditenvonzweiWertpapierenmisst.

EinepositiveKovarianzbedeutet,dasssichübereinegewisseZeitspannedieRenditenvon
zweiAnlagenmehrheitlichindieselbeRichtungwieihreerwartetenRenditenbewe-gen.
DemgegenüberzeigteinenegativeKovarianz,dasssichzweiRenditeninBezugaufihre
erwartetenRenditeningegensätzlicheRichtungbewegen.DieHöhederKovarianzhängtvon
denStreubreitenderRenditenabundlässtsichmitprospektivenSzenarienwiefolgtberechnen:

X
n
Cov1;2 D Pi Œri;1  E .r1 /Œ ri;2  E .r2 /; (3.8)
iD1

wobei:

Cov1;2 D Kovarianz zwischen den Renditen der Anlagen 1 und 2,


Pi D WahrscheinlichkeitfürdasEintreteneinesSzenariosi,
3.3 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfolioszweierrisikobehafteteAnlagen 75

ri;1 D Rendite der Anlage 1 für das Szenario i,


r ;2 D RenditederAnlage2fürdasSzenarioi.i

Die Kovarianz aus einer Stichprobe von historischen Renditen kann folgendermaßen er- mittelt
werden:
T
1
Cov1;2 D Xi Œri;1  E .r1 /Œ ri;2  E .r2 /: (3.9)
T  1 D1
Die Kovarianz der Stichprobe ist der Durchschnitt aus dem Produkt der Renditeabwei-
chungen zweier Anlagen von deren erwarteten Stichprobenrenditen. Die Einheit der Ko-
varianzistRenditenzumQuadrat. 4 Die Kovarianz wird durch T  1 und nicht durch T
dividiert, um den Schätzfehler der Stichprobe im Vergleich zur Grundgesamtheit der Da- ten zu
korrigieren. 5

DieKovarianzistpositiv,1)wenndieRenditenderAktieAimmerdannüberihrererwarteten
Renditeliegen,wennsichdieRenditenderAktieBauchüberihremErwar-tungswertbefindenund
2)wenndieRenditenderAktieAimmerdannunterdererwartetenRenditeliegen,wenndiesauch
beiBderFallist.LässtsicheinsolchergleichgerichteterZusammenhangfeststellen,istdie
Kovarianzpositiv.DieKovarianzisthingegenimmerdannnegativ,wenndieRenditenderAktieA
konsistentüber(unter)ihrererwartetenRen-diteliegen,wennsichdieRenditenvonBunter(über)
ihremErwartungswertbefinden.

WenndieKovarianznullbeträgt,bestehtkeinZusammenhangzwischendenRenditenbeider
Aktien.IneinemsolchenFallkönnenbeispielsweisekeineRückschlüsseaufdieRenditenvonB
gezogenwerden,wenndieRenditenvonAüberoderunterihrererwarte-tenRenditeliegen.

Beispiel
Berechnung der Kovarianz
Wie hoch ist die Kovarianz der Renditen von den Aktien A und B, wenn die Daten aus dem
vorangegangenenBeispielgenommenwerden?

Lösung
Die Kovarianz von 0;004375 kann aufgrund der erwarteten Renditen der Aktie A von
10 % und der Aktie B von 6,25 % folgendermaßen bestimmt werden:

Konjunktur- Streubreite um er- Streubreite um er- Produkt der Streubrei-


phasen wartete Rendite wartete Rendite tenderAktienAundB–
der Aktie A der Aktie B
ŒrA;i  E .rA / ŒrB;i  E .rB / rA;i  E .rA /Œ rB;i  E .rB /
Hochkonjunktur 0,20 0,0375 0,0075
Stagnation 0,05 0;2125 0;010625
Rezession 0;05 0,1375 0;006875
Depression 0;20 0,0375 0;0075

4
Sind die Zufallsvariablen Renditen, dann ist die Einheit der Kovarianz Renditen zum Quadrat.
5
Für die Varianz und Standardabweichung vgl. Abschn. 2.3.1 .
76 3 OptimalesPortfolio

CovA;B D 0;25  0;0075 C 0;25  .0;010625/ C 0;25  .0;006875/


C 0;25  .0;0075/
D  0;004375

Die berechnete Kovarianz ist 0;004375. Eine negative Kovarianz bedeutet, dass die
Rendite der einen Anlage mehrheitlich über ( unter) dem Erwartungswert liegt, während
sich die Rendite der anderen Anlage unter (übe r) ihrer erwarteten Rendite befindet. Aller- dings
ist die Höhe der Kovarianz schwierig zu interpretieren, denn sie verkörpert wie die Varianz das
QuadratderAbweichungen.DieKovarianzhängtvonderRenditevariabilitätderbeidenAktien
ab.IstdieBeziehungderRenditenvonzweiAktienstabil,liegtbeieinergegen0konvergierenden
Kovarianzvon
0;004375 eine schwache negative Bezie-
hung zwischen den Renditen vor. Sind die Renditen hingegen volatil, also liegen sie weit
voneinander entfernt, kann die Beziehung stark oder schwach sein. Um die Stärke des
Zusammenhangs zu bestimmen, muss die Kovarianz durch den Einbezug der Standardab-
weichung standardisiert werden. Dabei wird die Kovarianz durch die Standardabweichung der
beidenAktiendividiert.DiestandardisierteKovarianzbzw.derKorrelationskoeffizi-ent(

¡1;2 ) lässt sich wie folgt berechnen:

Cov1;2
¡1;2 D ; (3.10)
¢1 ¢2

wobei:

Cov1;2 D Kovarianz zwischen den Renditen der Anlagen 1 und 2,


¢1 D StandardabweichungderRenditenvonAnlage1,
¢2 D Standardabweichung der Renditen von Anlage 2.

Beispiel
Berechnung der Korrelation
WiehochistderKorrelationskoeffizientzwischendenRenditenderAktienAundBanhandder
DatenausdemvorangegangenenBeispiel?

Lösung
Der Korrelationskoeffizient lässt sich mithilfe der Standardabweichungen der Aktie A von
14,58%undderAktieBvon12,93%folgendermaßenberechnen:

0;004375
¡A;B D D 0;232:
0;1458  0;1293

Die Korrelation von 0;232 zwischen den Renditen der beiden Aktien ist relativ nied-
rig, weil die beiden Aktien dem Konjunkturzyklus unterschiedlich ausgesetzt sind. Dies
ist für Aktien von unterschiedlichen Industrien nicht unüblich.
3.3 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfolioszweierrisikobehafteteAnlagen 77

Tab.3.1 Matrix zur Berechnung der Portfoliovarianz (2 Anlagen)


Anlagen 1 2
1 w21 ¢12 w1 w2 Cov1;2
2 w2 w1 Cov2;1 w22 ¢22

Das Vorzeichen des Korrelationskoeffizient en hängt vom Vorzeichen der Kovarianz ab, da die
Standardabweichungender beiden Aktien immer positiv sind. Die Korrelationen bewegen sich
immerineinerBandbreitevon
C1 und 1. Eine Korrelation von C1 be-
deutet, dass sich die Renditen vollständig in dieselbe Richtung bewegen, während eine
Korrelation von 1 eine vollständig gegensätzliche Bewegungsrichtung der Renditen im-
pliziert. Wenn die Korrelation 0 beträgt, besteht kein linearer Zusammenhang zwischen
den Renditen und die Renditen von zwei Anlagen sind demnach statistisch unkorreliert.
FürdieBestimmungdesRisikoseinesPortfolios,dasauszweiAnlagenbesteht,kanndie
PortfoliovarianzindieeinzelnenRisikofaktorenaufgeteiltwerden.Dabeierhältmaneine
Matrix,dieausdengewichtetenVarianzenunddergewichtetenKovarianzderbeidenAnlagen
besteht.Tab.3.1zeigtdiesenZusammenhang.

Die Summe dieser Risikokomponenten führt zur Varianz des Portfolios:

¢P2 D w21 ¢12 C w22 ¢22 C w1 w2 Cov1;2 C w2 w1 Cov2;1


(3.11)
D w21 ¢12 C w22 ¢22 C 2w1 w2 Cov1;2 :

Nimmt man die Wurzel der Portfoliovarianz, erhält man folgende Formel für die Berech-
nung des Portfoliorisikos (¢P ):
q
¢P D w21 ¢12 C w22 ¢22 C 2w1 w2 Cov1;2 : (3.12)

Die Formel zeigt, dass die Standardabweichung der Portfoliorenditen eine Funktion der
quadratisch gewichteten Varianzen der einzel nen Anlagen und der gewichteten Kovarianz der
beiden Anlagen im Portfolio ist. Demnach ist die Standardabweichung der Portfolio- renditen
von den Varianzen der einzelnen Instrumente und der Kovarianz zwischen den Anlagen
abhängig. Eine positive Kovarianz führt bei gegebenen Varianzen im Vergleich zu einer
negativen Kovarianz zu einer höheren Standardabweichung des Portfolios. Steigt die Rendite
der einen Anlage, während die Rendite der anderen Anlage fällt, besteht ein negativer
Zusammenhang (bzw. negative Kovarianz) zwischen den Renditen. In einem sol- chen Fall
reduziert sich das Risiko im Portfolio, weil sich die Veränderungen der Renditen teilweise
gegenseitigaufheben.

Beispiel
BerechnungdererwartetenRenditeunddesRisikoseinesPortfoliosbestehendauszwei
Anlagen
Aus den vorangegangenen Beispielen sind die folgenden Daten der Aktien A und B bekannt:
7 3 OptimalesPortfolio

 Erwartete Rendite von A: 0,10 bzw. 10 %,


 erwarteteRenditevonB:0,0625bzw.6,25%,
Varianz von A: 0,02125,
 Varianz von B: 0,016719,
 Standardabweichung von A: 0,1458 bzw. 14,58 %,
 Standardabweichung von B: 0,1293 bzw. 12,93 %,
 Kovarianz zwischen A und B: 0;004375,
 Korrelation zwischen A und B: 0;232.

Das Portfolio weist einen Marktwert der Aktien A in der Höhe von EUR 100:000 auf,
während die Aktien von B einen Wert von EUR 300:000 haben.

1. Wie hoch ist die erwartete Portfoliorendite?


2. WiehochistdasPortfoliorisiko?

Lösungzu1
UmdieerwartetePortfoliorenditezubestimmen,sindzunächstdieprozentualenAntei-leder
beiden Aktien im Portfolio zu ermitteln. Die prozentualen Anteile im Verhältnis zum
GesamtportfoliovonEUR
sind0,25fürAund0,75fürB.Dieerwartete
Portfoliorendite beläuft sich auf 400:000
7,188 %:

E .rP / D 0;25  10 % C 0;75  6;25 % D 7;188 %:

Lösungzu2
Das Risiko bzw. die Standardabweichung des Aktienportfolios beträgt 9,54 % und lässt sich
wiefolgtberechnen:
p
¢P D 0;252  0;14582 C 0;752  0;12932 C 2  0;25  0;75  .0;004375/
D 0;0954 D 9;54 %:

WirddieStandardabweichungdesPortfoliosvon9,54%mitdenStandardabweichun-gender
beidenAktienvon14,58%und12,93%verglichen,stelltmanfest,dassdieStandardabweichung
bzw.dasRisikodurchdieKombinationderbeidenAktiengesunkenist.DieseRisikominderung
wirdinderPortfoliotheoriealsDiversifikationseffektbezeich-net.

Im Beispiel weisen die beiden Aktien eine negative Kovarianz von 0;004375 auf. Der
Diversifikationseffekt fällt bei einer positiven Kovarianz im Vergleich zu einer negativen
Kovarianzgeringeraus,daderdritteTermrechtsdesGleichheitszeichensin(3.12)(also2wwCov
2 1;2 ) positivistundvergleichsweiseeinhöheresPortfoliorisikozurFolgehat. 1
Die Frage ist nun, wie hoch darf die positive Kovarianz sein, damit noch ein Diversifika-
tionseffekt bzw. eine Risikoreduktion besteht. Um diese Frage zu beantworten, stellt die
3.3 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfolioszweierrisikobehafteteAnlagen 79

Kovarianz eine ungeeignete Größe dar, da deren Höhe schwer zu interpretieren ist. Daher ist die
Kovarianz zu standardisieren und in den Korrelationskoeffizienten umzuwandeln. Der
Korrelationskoeffizient misst den Grad der Beziehungen zwischen den Renditen von zwei
Anlagen.NimmtmanfürdenKorrelationskoeffizienten( 3.10)undlöstdieseGlei-chungnachder
Kovarianzauf,erhältmanfolgendeFormelfürdieKovarianz:

Cov1;2 D ¡1;2 ¢1 ¢2 ; (3.13)

wobei:

¡1;2 D Korrelationskoeffizient zwischen den Renditen von Anlage 1 und 2.

Wird die Kovarianz (Cov1;2 )in (3.12)durchdasProduktausdemKorrelationskoeffizi-ersetzt,kann


enten und den Standardabweichungen der einzelnen Anlagen (¡1;2 ¢1 ¢2 ) das
Portfoliorisiko folgendermaßen bestimmt werden:
q
¢P D w21 ¢12 C w22 ¢22 C 2w1 w2 ¡1;2 ¢1 ¢2 : (3.14)

Bleibt alles andere unverändert, dann führt ein höherer Korrelationskoeffizient zu einem
höherenPortfoliorisiko.LiegteinKorrelationskoeffizientvon C1 vor – also perfekt positiv
korrelierte Renditen –, vereinfacht sich die Berechnung des Portfoliorisikos wie folgt:6

¢P D w1 ¢1 C w2 ¢2 : (3.15)

Folglich entspricht das Portfoliorisiko bei einem Korrelationskoeffizienten von C1 der


Summe der gewichteten Standardabweichungen der einzelnen Anlagen. Die Kombinati- on
solcherAnlagenineinemPortfolioführtzukeinerReduktiondesPortfoliorisikosundsomitliegt
kein Diversifikationseffekt vor. Allgemein formuliert lässt sich das Portofolio- risiko von N
AnlagenalsdieSummedergewichtetenStandardabweichungenfolgender-maßenbestimmen:

N
¢P D Xi wi ¢i ; (3.16)
D1

wobei:

N D Anzahl risikobehafteter Anlagen im Portfolio.

6
Ist der Korrelationskoeffizient C1,dannlässtsich(3.14)alsPortfoliovarianzwiefolgtschreiben:Die
¢P2 D w21 ¢12 Cw22 ¢22 C 2w1 w2 ¢1 ¢2 . Portfoliovarianzkannmanmithilfeder1.binomischenFormel
wie folgt umwandeln: ¢P2 D .w1 ¢1 C w2 ¢2 /2 . NimmtmandieWurzelausderPortfoliovarianz,
gelangtmanzu( 3.15).
0 3 OptimalesPortfolio

Setzt man für das vorangegangene Beispiel in ( 3.14 ) einen Korrelationskoeffizienten von C
1 ein, ergibt sich für das Portfoliorisiko ein Wert von 13,34 %:
p
¢P D 0;252  0;14582 C 0;752  0;12932 C 2  0;25  0;75  1  0;1458  0;1293
D 13;34 %:

Wird für die Berechnung des Portfoliorisikos ( 3.15 ) angewandt, erhält man ebenfalls 13,34 %:

¢P D 0;25  14;58 % C 0;75  12;93 % D 13;34 %:


Die Formeln ( 3.14) und ( 3.15) führen zum selben Ergebnis von 13,34 % für das Port- foliorisiko.
FolglichistbeieinemKorrelationskoeffizientenvon C1 das Risiko additiv.
Nimmt man hingegen einen niedrigeren Korrelationskoeffizienten als C1, verringert sich
in Anlehnung an ( 3.14 ) das Portfoliorisiko. Demzufolge besteht immer dann ein Diversi-
fikationseffekt bzw. eine Reduktion des Portfoliorisikos, wenn der Korrelationskoeffizient
zwischendenRenditenderbeidenAnlagenunter C1 liegt.
Das niedrigste Portfoliorisiko ergibt sich bei einem Korrelationskoeffizienten von 1
bzw. bei perfekt negativ korrelierten Renditen von zwei Anlagen. Die Varianz und die
Standardabweichung eines Portfolios bestehend aus zwei Anlagen bei einem Korrelati-
onskoeffizientenvon 1 berechnen sich wie folgt:7

¢P2 D .w1 ¢1  w2 ¢2 /2 ; (3.17)


¢P D jw1 ¢1  w2 ¢2 j: (3.18)

Bei einem Korrelationskoeffizienten von 1 kann das Portfoliorisiko vollständig elimi-


niert werden und ( 3.18 ) lässt sich wie folgt schreiben: 0 D w1 ¢1  w2 ¢2 . Die Gewichte
der beiden Anlagen, die zu einem risikolosen Portfolio führen, können folgendermaßen
bestimmt werden:8
¢2 ¢1
w1 D und w2 D D 1  w1 : (3.19)
¢1 C ¢2 ¢1 C ¢2

7
Ist der Korrelationskoeffizient 1, führt dies zu folgender Portfoliovarianz: ¢P2 D w21 ¢12 C w22 ¢22 
2w1 w2 ¢1 ¢2 . Die Portfoliovarianz kann wie folgt umgewandelt werden: ¢P2 D .w1 ¢1  w2 ¢2 /2 . Die
vertikalen Betragsstriche in ( 3.18 ) bedeuten, dass das Portfoliorisiko nicht unter 0 fallen kann.
8
Das Gewicht der Anlage 1 (w )in (3.19 ) lässt sich wie folgt herleiten: Das Gewicht der Anlage 1
2 ist w2 D 1  w1, da die Summe der Gewichte 1 ist. Setzt man in ( 3.18 ) 1  w1 für w2 ein und
setzt die Gleichung gleich 0, so erhält man: w1 ¢1  .1  w1 /¢2 D 0. Wird diese Gleichung nach w1
aufgelöst, resultiert daraus ( 3.19 ).
3.3 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfolioszweierrisikobehafteteAnlagen 1

Beispiel
Berechnung der erwarteten Rendite eines risikolosen Zwei-Anlagen-Portfolios Aktie A hat
eine erwartete Rendite von 10 % und eine Standardabweichung von 14,58 %, während
Aktie B eine erwartete Rendite von 6,25 % und eine Standardab- weichung von 12,93 %
aufweist. Angenommen die Renditen der beiden Aktien sind vollständig negativ korreliert,
dann beträgt der Korrelationskoeffizient
1.
Wie hoch ist die erwartete Rendite des Portfolios bei einer Standardabweichung der
Portfoliorenditen von 0 %?

Lösung
Zuerst ist das Gewicht der Aktie A von 0,47 anhand ( 3.19 ) zu berechnen:
¢B 0;1293
wA D D D 0;47:
¢A C ¢B 0;1458 C 0;1293
Das Gewicht der Aktie B ist demnach 0;53.D 1  0;47/. Werden die Gewichte der
beiden Aktien von 47 % und 53 % in ( 3.14 ) für das Portfoliorisiko eingesetzt, so erhält
man für die Standardabweichung der Portfoliorenditen 0 %:
p
¢P D 0;472  0;14582 C 0;532  0;12932 C 2  0;47  0;53  . 1/  0;1458  0;1293
D 0:

DieerwarteteRenditediesesrisikolosenPortfoliosliegtbei8,0125%:D

E .rP / 0;47  10 % C 0;53  6;25 % D 8;0125 %:

Abb.3.1bildetineinemRendite-Risiko-DiagrammdieerwartetenRenditenunddie
StandardabweichungenderAktienAundBausdemBeispielab.DieAnlageAverfügtim
VergleichzuBübereinehöhereRenditeerwartungundStandardabweichung. 9
Außerdem
zeigt die Abbildung die erwartete Rendite von 7,19 % und die Standardabweichung von 9,54 %
(beieinerKorrelationvon 0;232) des Portfolios, das aus 25 % Aktien A und 75 %
Aktien B besteht.
EinPortfoliokannausbeliebigenAnteilen(Gewichte)derAktienAundBzusammen-
gesetztwerden.Abb.3.2zeigteinePortfoliokurve,aufderallemöglichenKombinationenvonA
undBliegen.DiesePortfoliosbasierenaufderzuvorberechnetenKorrelationzwi-schenden
Renditenvon
 . Portfolio1bestehtaus10%AktienAund90%Aktien0;232
B. DieseKombination,diesichpraktischvollständigausPapierenvonBzusammensetzt,liegt
aufderPortfoliokurvenahebeimRendite-Risiko-PunktB.Portfolio2,dasaus90%AktienAund
10%AktienBbesteht,befindetsichhingegennahebeimRendite-Risiko-PunktA.

9
DiePortfoliotheorievonMarkowitzberuhtaufderAnnahme,dasssichdieMarktteilnehmerrisi-koavers
verhalten.DieAktieAbesitztimVergleichzuBaufgrundderhöherenStandardabweichung
von 14,58 % (B: 12,93 %) eine höhere erwartete Rendite von 10 % (B: 6,25 %).
2 3 OptimalesPortfolio

(erwartete
Rendite)

A
10%

Portfolio
7, 19%
B
6,25%

0%
0% 9,54% 12,93% 14,58%
(Standardabweichung der Renditen)

Abb.3.1 Rendite und Risiko der Aktien A und B

(erwartete
Rendite)
Effizienzkurve
zwischen MVP und A

2 A
10%
3
MVP
7, 94%
3’ 1 1’
6,25%
B

0%
0% 8,48% 9,54% 12,93% 14,58%
(Standardabweichung der Renditen)

Abb.3.2 Rendite und Risiko von verschiedenen Anlagekombinationen der Aktien A und B

Ein Diversifikationseffekt besteht immer dann, wenn die Korrelation zwischen den
Renditen zweier Anlagen kleiner C1 ist. Die Korrelation zwischen den Renditen von A
und B beträgt 0;232. Wenn man die Gerade zwischen den Rendite-Risiko-Punkten A und
B mit der Portfoliokurve B  MVP  A vergleicht, lässt sich der Diversifikationseffekt
zeigen. Nimmt man an, dass die Korrelation zwischen den Renditen der Anlagen A und B
C1 anstatt 0;232 beträgt, dann befinden sich sämtliche Kombinationen der beiden Akti-
en auf der Geraden zwischen den Rendite-Risiko-Punkten A und B. Ein Beispiel dazu ist
3.3 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfolioszweierrisikobehafteteAnlagen 3

das Portfolio 1’ (mit einer Korrelation von C1),dasaus10%AktienAund90%AktienB


besteht.DemgegenüberliegensämtlicheKombinationenderAnlagenAundBmiteinem
Korrelationskoeffizienten von 0;232 auf der Portfoliokurve B  MVP  A. Vergleicht
man nun in Abb. 3.2 die beiden Portfolios 1 und 1’ miteinander, so stellt man fest, dass
beide über die gleiche erwartete Portfoliorendite verfügen, während die Standardabwei- chung
vonPortfolio1aufgrundderunter C1 liegenden Korrelation von 0;232 geringer
ist.
DerRendite-Risiko-PunktMVPinAbb. 3.2stelltdasMinimum-Varianz-Portfoliodar.
DiesesPortfolioverfügtüberdieniedrigsteStandardabweichungausallenmöglichen
KombinationenzwischendenAktienAundB. 10
DerAnteilderAktieAimMinimum-11
Varianz-Portfolio kann mit folgender Formel berechnet werden:

¢B2  CovA;B
wA D : (3.20)
¢A2 C ¢B2  2CovA;B

Der Anteil der Aktie A im Minimum-Varianz-Portfolio beträgt 45,14 % und lässt sich wie folgt
bestimmen:

0;12932  .0;004375/
wA D D 0;4514:
0;14582 C 0;12932  2  .0;004375/

Das Gewicht der Aktie B ist demnach 54;86 %.D 1  0;4514/. Das Minimum-Varianz-
Portfolio weist eine erwartete Rendite von 7,94 % und eine Standardabweichung der Ren-
diten von 8,48 % auf:

E .rMVP / D 0;4514  10 % C 0;5486  6;25 % D 7;94 %;


q
¢MVP D 0;45142  0;14582 C 0;54862  0;12932 C 2  0;4514  0;5486  .0;004375/
D 0;0848:

Ein Anleger, der in Aktien A und B investiert, kann durch die Veränderung der Gewichte der
beidenAnlagenjedenbeliebigenRendite-Risiko-PunktaufderPortfoliokurveB 
MVP  A erreichen. Demgegenüber ist es nicht möglich, dass er einen Rendite-Risiko-
Punkt über oder unter der Kurve erzielt. Ist der Anleger eher risikofreudig, wählt er Anla-
genmiteinerhohenRenditeerwartungundStandardabweichungwiebeispielsweisePort-folio
2.Isterhingegeneherrisikoscheu,bevorzugtereinPortfoliovonAktien,dasüber

10
Eigentlich müsste man diesen Rendite-Risiko-Punkt als Minimum-Standardabweichung-
Portfolio bezeichnen, da die Standardabweic hung und nicht die Varianz ins Verhältnis zur Rendite
gesetzt wird.
11
Gl. ( 3.20 ) kann wie folgt hergeleitet werden: Zuerst wird die Formel für die Portfoliovarianz
genommen ¢P2 D w2A ¢A2 C w2B ¢B2 C 2wA wB ¡A;B ¢A ¢B und die Variable wB mit .1  wA / ersetzt.
Danach wird die Gleichung nach wA abgeleitet und diese gleich 0 gesetzt. Wird die Gleichung nach
wA aufgelöst, erhält man den Ausdruck in ( 3.20 ).
4 3 OptimalesPortfolio

(erwartete
Portfolio- ρ = –1
rendite)
ρ = –0,5
ρ=0
ρ = 0,5
ρ=1

0%
0% (Standardabweichung
der Portfoliorenditen)

Abb.3.3 Portfoliokurven bei unterschiedlichen Korrelationen

eine niedrigere Standardabweichung verfügt wie etwa Portfolio 3. Strebt ein Investor das
kleinstmögliche Risiko aus seinen Anlagen an, wählt er das Minimum-Varianz-Portfolio.
KombinationenderAktienAundB,diezueinemRendite-Risiko-PunktaufderPortfolio-kurve
unterhalb des Minimum-Varianz-Portfolios führen, sind in Bezug auf Rendite undRisiko nicht
vorteilhaft. Solche Portfolios weisen im Vergleich zum Minimum-Varianz- Portfolio eine
niedrigere Renditeerwartung und eine höhere Standardabweichung auf. Den Kurvenabschnitt
zwischen den Rendite-Risiko-Punkten MVP und A nennt man Effizi- enzkurve. Rational
handelndeMarktteilnehmer,dierisikoavers

12
sind, investieren nur in
13
Portfolios, die auf dieser Effizienzkurve liegen.
BeinichtperfektpositivodernegativkorreliertenAnlagenistderAnteilderPortfo-liokurve,
derüberdemMinimum-Varianz-Portfolioliegt,konkav.InAbb. 3.2stelltderkonkave
AbschnittderPortfoliokurvedieEffizienzkurvedar(MVP
 A).ImGegensatz
dazuverläuftderAbschnittderPortfoliokurveunterhalbdesMinimum-Varianz-Portfolios
konvex(B
 MVP).14

12
Für das Konzept der Risikoaversion vgl. Abschn. 3.7.2 .
13
Im Vergleich zu Portfolio 3 ist die Anlagekombination 30 inAbb. 3.2nichteffizientundliegt
demnachnichtaufderEffizienzkurve,weilbeieinemgleichenRisikovon9,54%dieerwartete
Rendite von Portfolio 3 größer ist.
14
EinekonkaveKurveistimmerdanngegeben,wenneineGeradedurchzweibeliebigePunkte,diesich
aufderKurvebefinden,unterhalbderKurveverläuft.EinkonvexerVerlaufhingegenistdurcheineGerade
zwischenzweiPunktengekennzeichnet,dieoberhalbderKurveliegt.Einlinearer
Rendite-Risiko-ZusammenhangzwischenzweiAnlagen,alsoeinKorrelationskoeffizientvon
1
und C1, ist sowohl konkav als auch konvex.
3.4 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfoliosrisikobehafteterAnlagen 5

Abb.3.3zeigtverschiedenePortfoliokurvenfürunterschiedlicheKorrelationen.Jeniedriger
derKorrelationskoeffizientzwischendenRenditenvonzweiAnlagenist,des-togrößeristder
Diversifikationseffekt.DiePortfoliokurvebewegtsichaufgrunddesniedrigeren
PortfoliorisikosnachlinksentlangderX-Achse.ImExtremfall,beieinem
Korrelationskoeffizientenvon
1,lässtsicheinPortfoliomiteinerStandardabweichungder
Renditenvon0%konstruieren.DabeikönnendieFormeln( 3.19)verwendetwerden,
um die Anteile der beiden Aktien im Portfolio zu berechnen. Dieser Fall ist eher theore- tisch,
denn auf den Finanzmärkten weisen die m eisten Aktienrenditen Korrelationen auf, die
zumindestgrößerals
1 sind, regelmäßig sogar im positiven Bereich liegen.

3.4 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfoliosbestehendaus
einerVielzahlvonrisikobehaftetenAnlagen

Bisher wurde lediglich ein Portfolio, das aus zwei risikobehafteten Anlagen besteht, be-
trachtet. In der Regel halten die Anleger mehr als zwei Anlagen in ihren Depots. Zum Beispiel
kann die Anlageliste einer Bank aus 100 Wertpapieren bestehen. Aus diesen 100 Anlagen lässt
sich durch die Variation der Anzahl und der Gewichtungen eine Vielzahl von Portfolios bilden.
In Abb. 3.4 kann der Rendite-Risiko-Punkt 1 ein Portfolio von 50 Wertpapieren darstellen,
während Rendite-Risiko-Punkt 2 aus einer Anlagekombination von 70 Papieren besteht.
Rendite-Risiko-Punkt 3 hingegen beinhaltet ein anderes Portfo- lio bestehend aus 70 Anlagen
oder denselben 70 Papieren wie im Rendite-Risiko-Punkt 2, aber mit unterschiedlicher
prozentualer Zusammensetzung. Ein Portfolio mit den 100 Wertpapieren aus der Anlageliste
zu konstruieren, dessen erwartete Rendite und Standard- abweichung außerhalb der Fläche
liegen,istnichtmöglich.

BestehteinPortfolionurauszweiWertpapieren,liegenallemöglichenKombinatio-nenauf
einerPortfoliokurve.WirdhingegeneinPortfoliomitmehrerenLong-Anlagenerstellt,
befindensichsämtlicheKombinationeninnerhalbeinerFlächewieAbb.3.4ver-deutlicht.Ein
risikoaverserInvestorwirdlediglichdiejenigenAnlagenauswählen,dieaufderkonkaven
KurvezwischendemMinimum-Varianz-PortfolioMVPundXliegen.DiesePortfoliokurve
stelltdieEffizienzkurvefüreinPortfoliobestehendauseinerVielzahlvonrisikobehafteten
Long-Anlagendar.JedesPortfoliounterhalbderEffizienzkurvebesitztentwedereine
niedrigereerwarteteRenditebeigleichemRisikoodereinegleicheerwar-teteRenditebei
höheremRisikoimVergleichzueinemPortfolioaufderEffizienzkurve.PortfolioB
beispielsweiseverfügtimVergleichzurAnlagekombinationAübereinenied-rigereerwartete
RenditebeigleichemRisiko.DaherbevorzugteinrisikoaverserAnlegerdasPortfolioA,dasauf
derEffizienzkurveliegt.

AufderEffizienzkurveliegendiejenigenPortfolios,welchediemaximaleerwarte-te
RenditefürjedeeinzelneRisikoeinheitaufweisen.Umgekehrtbefindensichaufder
EffizienzkurvelediglichPortfolios,dieeinminimalesRisikofürjedeeinzelneRendite-größe
haben.AufgrunddesDiversifikationseffektskannmandavonausgehen,dasssichdie
EffizienzkurveausPortfoliosundnichtauseinzelnenAnlagenzusammensetzt.Eine
6 3 OptimalesPortfolio

(erwartete
Portfolio-
rendite)
Effizienzkurve
zwischen MVP und X X

A
B 2
MVP 3
1

0%
0% (Standardabweichung
der Portfoliorenditen)

Abb.3.4 Effizienzkurve von Portfolios bestehend aus Long-Positionen

Ausnahme stellt bei einem Portfolio best ehend aus Long-Positionen der Endpunkt der Ef-
fizienzkurvedar,welchedieAnlagemitderhöchstmöglichenRenditeerwartungenthält. 15

AufdenFinanzmärkten–insbesondereaufdenAktienmärkten–habenMarktteilneh-merdie
Möglichkeit,Anlagenzuverkaufen,diesienichtbesitzen(sogenannteLeerver-käufe).Fälltder
PreisderAnlagen,resultiertausdiesenShort-PositioneneinGewinn. 16

Erwarten die Marktakteure eine negative Rendite, lässt sich demnach mit Short-Positionen ein
Gewinn erzielen. Ebenfalls lohnt es sich, Leerverkäufe bei positiven Renditeerwartun- gen zu
tätigen, falls mit dem Verkaufserlös Anlagen mit einer höheren erwarteten Rendite gekauft
werden können. Abb. 3.5 zeigt die Effizienzkurve von Anlagekombinationen mit Long- und
Short-Positionen, die wie bei einem Portfolio bestehend aus Long-Positionen einen konkaven
Verlaufaufweist.DieEffizienzkurvebeginntmitdemMinimum-Varianz-Portfolio(MVP)und
besitzt im Gegensatz zu einem Long-Portfolio keinen bestimmten Endpunkt. Die fehlende
Obergrenze bei der Effizienzkurve ist auf die Kombinationsmög- lichkeit von Long- und
Short-Positionen zurückzuführen. Mit Long- und Short-Positionen können Portfolios mit
unbegrenzthohenerwartetenRenditenundRisikenkonstruiert

15
DieAnlagemitderhöchstenerwartetenRenditeliegtaufderEffizienzkurve.MöchtemandieseRendite
ineinemLong-Portfolio(alsoohnedieMöglichkeit,Short-Positioneneinzugehen)erzielen,
ist dies nur mit einer einzelnen Anlage realisierbar, die unter allen Finanzprodukten über die höchste
erwarteteRenditeverfügt.
16
ZumBeispiel:VerkauftmaneineAktiefürEUR100leerundkauftdasPapierzueinemspäteren
ZeitpunktaufdemMarktfürEUR90,ergibtsicheinGewinnvonEUR10.Fälltwährendderoffenen
Short-Position eine Dividende von EUR 2 an, reduziert sich der Gewinn auf EUR 8 (D EUR 10 
EUR 2). Um die Short-Position zu schließen, wird di e für EUR 90 gekaufte Aktie der Gegenpartei
der Short-Transaktion übergeben. In der Regel handelt es sich bei der Gegenpartei um einen Broker.
3.4 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfoliosrisikobehafteterAnlagen 7

(erwartete
Portfolio-
rendite)
keine Obergrenze

Effizienzkurve

MVP
0%
0% (Standardabweichung
der Portfoliorenditen)

Abb.3.5 Effizienzkurve von Portfolios beste hend aus Long- und Short-Positionen

werden. Das folgende Beispiel zeigt die Auswirkungen einer Long-Short-Strategie im


Vergleich zu einer Long-Strategie auf die erwartete Rendite und das Risiko:Ein Investor verfügt
überEUR100,dieerindieAktienAundBanlegenmöchte.AktieAhateineer-warteteRenditevon
4 % und eine Standardabweichung von 20 %, während die erwartete Rendite und
Standardabweichung von B bei 12 % respektive 30 % liegen. Der Korrelati- onskoeffizient
zwischen den beiden Anlagen ist 0,5. Der Investor kann mit den EUR 100 die Anlage Berwerben
und eine Rendite von 12 % erzielen (Long-Strategie). Eine al- ternative Strategie besteht darin,
Aktien von A für EUR 1000 leer zu verkaufen und für EUR 1100 Aktien von B zu kaufen
(Long-Short-Strategie).DieerwartetenEinnahmenderAnlageBbetragenEUR132(

D EUR  0;12),währendsichderVerlustbeiAauf1100
EUR 40 (D EUR 1000  0;04) beläuft. Insgesamt resultiert aus der Long-Short-Strategie
– ohne Transaktionskosten – ein Gewinn von EUR 92, was einer Rendite von 92 % auf
demeingesetztenKapitalvonEUR100entspricht.Hierzugilteszubeachten,dasszwareinerseits
die erwartete Rendite von 12 % au f 92 % gestiegen ist, aber andererseits das Risiko von 30 % auf
287,92% 17
zugenommen hat. Die erwartete Rendite und das Risiko
lassen sich durch die Zunahme der Short- und Long-Gewichte beliebig erhöhen.
DieBerechnungdererwartetenPortfoliorenditeundStandardabweichungvonmehre-ren
AnlagenerweistsichimVergleichzumZwei-Anlagen-Portfolioalsaufwendiger.Dieerwartete
RenditeeinesPortfolios,dassichausNrisikobehaftetenAnlagenzusammen-

17
Das Gewicht der Short-Position A beträgt 1000 %, während das Gewicht der Long-
Position B bei 1100 % liegt. Die Summe der Gewichte ist 100 % (D 1000 % C
1100 %). Das Portfoliorisiko von 287,92 % lässt sich wie folgt berechnen: ¢p D
p
.10/2  0;22 C 112  0;32 C 2  .10/  11  0;5  0;2  0;3 D 287;92 %.
3 OptimalesPortfolio

Tab.3.2 Matrix zur Berechnung der Portfoliovarianz


Aktien 1 2 3 ::: N
1 w21 ¢12 w1 w2 Cov1;2 w1 w3 Cov1;3 w1 wN Cov1;N
2 w2 w1 Cov2;1 w22 ¢22 w2 w3 Cov2;3 w2 wN Cov2;N
3 w3 w1 Cov3;1 w3 w2 Cov3;2 w23 ¢32 w3 wN Cov3;N
:::
N wN w1 CovN;1 wN w2 CovN;2 wN w3 CovN;3 w2N ¢N2

setzt, kann als Summe der gewichteten Renditen wie folgt bestimmt werden:

N
E .rP / D Xi wi E .ri / ; (3.21)
D1

wobei:

N D Anzahl Anlagen im Portfolio,


wi D prozentualer Anteil der Anlage i im Portfolio,
E .ri / D erwartete Rendite der Anlage i,
PN
iD1 wi D 1.

Das Portfoliorisiko ist nicht einfach die Summe der gewichteten Standardabweichungen der
einzelnen Anlagen,weil die Verlustgefahreiner Anlagekombinationauch durchdie Kovarianz
bzw. Korrelation beeinflusst wird. Die Standardabweichung eines Portfolios bestehend aus
einerVielzahlrisikobehafteterAnlagenlässtsichmitfolgenderFormelberechnen:

v
u N
uX X
N1 X
N
¢P D t w2i ¢i2 C 2 wi wj Covi;j ; (3.22)
iD1 iD1 jDiC1

wobei:
Covi;j D ¡i;j ¢i ¢j :
In der Formel besitzen Long-Positionen ein positives Gewicht (wi > 0), während Short-
Positionen ein negatives Gewicht aufweisen (wi < 0). Die Summe der Gewichte ergibt 1.
DasPortfoliorisikoentsprichtderSummedergewichtetenVarianzendereinzelnenAn-
lagenplusderSummedergewichtetenKovarianzenzwischenallenAnlagenimPortfolio.Die
DarstellungineinerMatrix(sieheTab. 3.2)hilft,dieBerechnungdesPortfoliorisikosanhand(
3.22)zuverstehen.EinPortfolioweistNAktienauf.Aufderhorizontalenwieaufdervertikalen
AchsekönnendieAktienvon1bisNdurchnummeriertwerden.AufdieseWeiseerhältmaneineN

 N D N2 -Matrix.
Auf der Diagonale liegen die Varianzen der einzelnen Aktien. Zum Beispiel ist ¢12 die
Varianz der ersten Aktie im Port folio. Jede Kovarianz eines Ak tienpaars erscheint zweimal
in der Tab. 3.2 , und zwar einmal unterhalb und einmal oberhalb der Diagonale.
3.4 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfoliosrisikobehafteterAnlagen 9

Tab.3.3 Anzahl Varianzen und Kovarianzen in einem Portfolio


Anzahl Aktien Anzahl Terme Anzahl Varianzterme (auf der Anzahl Kovarianzterme (un-
im Portfolio in der Matrix Diagonale in der Matrix) terhalb und oberhalb der
Diagonale in der Matrix)
1 1 1 0
2 4 2 2
3 9 3 6
10 100 10 90
100 10.000 100 9900
... ... ... ...
... ... ... ...
... ... ... ...
N N2 N N2  N

DieAnzahlderdiagonalenTerme–alsodieVarianzen–entsprichtimmerderSummederN
Aktien,dieineinemPortfolioenthaltensind.UnterhalbundoberhalbderDia-gonalebefinden
sichdieKovarianzterme,derenAnzahlimVergleichzudenVarianzen
überproportional steigt. Insgesamt enthält die Matrix N2 Terme. Auf der Diagonale liegen
die N Varianzen. Zieht man von den N2 Termen die N Varianzen ab, erhält man N2  N
bzw. N .N  1/ Kovarianzterme. Da oberhalb und unterhalb der Diagonalen die gleichen
Kovarianzen liegen, reduziert sich die A nzahl benötigter Kovarianzen auf N .N  1/=2 .
Beispielsweise benötigt man für die Berechnung des Portfoliorisikos von 100 Aktien 100
Varianzen und 4950 Kovarianzen.18 DiesesZahlenbeispielzeigt,dassdieKovarianzenund
nichtdieVarianzendieHöhedesPortfoliorisikosbeeinflussen.IneinemPortfoliovon100
Aktien setzt sich das Risiko aus 4950 Kovarianzen und nur aus 100 Varianzen zusammen. Der
primäreRisikotreiberistdieKovarianzbzw.dieKorrelationundnichtdieVarianz.Tab. 3.3zeigt,
wie bei einer Zunahme von Aktien in einem Portfolio die Anzahl der zu ermittelnden
Kovarianzenüberproportionalsteigt.

Um die Effizienzkurve aus N risikobehafteten Anlagen zu erstellen, sind zunächst mi-


nimale und maximale erwartete Renditen – also E .r/min und E .r/max – festzulegen.19
Danach müssen die Gewichte der einzelnen Anlagen im Portfolio ermittelt werden, die
das Portfoliorisiko für die erwarteten Renditen zwischen E .r/min und E .r/max minimieren.
Mathematisch betrachtet, muss folgendes Problem für die Z-Werte (erwartete Portfolio-
renditen), die zwischen E .r/min und E .r/max liegen, gelöst werden:

18
Anzahl Kovarianzen D 100  .100  1/=2 D 4950.
19
E.r/max ist für ein Portfolio mit Long- und Short-Po sitionen unbegrenzt. Demzufolge muss die
höchsteerwarteteRenditearbiträrgewähltwerden.ImGegensatzdazubesitzteinPortfoliobeste-hendaus
Long-Positionen eine maximale erwartete Rendite, die durch die risikobehaftete Anlage mit der höchsten
erwartetenRenditegegebenist.
90 3 OptimalesPortfolio

Zielfunktion:

Minimiere ¢P2
N X
N1 X N
D Xi w2i ¢i2 C 2 wi wj ¡i;j ¢i ¢j ; (3.23)
durch Veränderung von w D1 iD1 jDi C1

unterliegt folgenden Nebenbedingungen:


N N
E .rP / D Xi wi E .ri / D Z und Xi wi D 1:
D1 D1

Mit diesem Optimierungsproblem werden die Portfoliogewichte 1 (w 2 ,w3,w , ..., wN )


derart ermittelt, dass die Varianzen der Renditen für jede gegebene Größe der erwar-
teten Portfoliorendite Z minimiert werden, wobei die Summe der Gewichte 1 ergibt. Die
Gewichte definieren die Anlagekombination mit dem niedrigsten Risiko für jede erwartete
Renditegröße. Dadurch erhält man für jeden erwarteten Renditewert Z das va- rianzminimale
Portfolio. Dieses Portfolio entspricht einem Rendite-Risiko-Punkt auf der Effizienzkurve.
Wiederholt man dies für alle möglichen Werte von Z, erhält man eine Schar von
Rendite-Risiko-Punkten, welche die gesamte Effizienzkurve repräsentieren. Gl. ( 3.23 ) zeigt
den einfachsten Fall, bei dem die Summe der Gewichte 1 ergibt. Dabei sind nicht nur Long-
sondern auch Short-Positione n in Anlagen erlaubt. Sind Short-Positionen aufgrund der
Anlagepolitik nicht zugelassen, liegt eine weitere Einschränkung vor, näm- lich dass die
Gewichtepositivseinmüssen(w

 0, i D 1, . . . , N). Die Effizienzkurve


i
wird ausgehend von der niedrigsten bis zur höchsten erwarteten Rendite erstellt. Die Be-
rechnung des optimalen Portfoliogewichts beginnt mit der minimalen erwarteten Rendite [E
.r min ]alsZ-Wert.IneinemnächstenSchritterhöhtmanbeispielsweisedenZ-Wert/
um5Basispunkte(also0,0005)undlöst( 3.23)nachdemoptimalenPortfoliogewichtauf.Diesen
Schrittwiederholtmansooft,bismanzumZ-WertmitdermaximalerwartetenRendite[Z
D E .r max ]gelangt.ÜblicherweisewirddiesesOptimierungsproblemmitei-/
nem Computerprogramm gelöst, das sich auf Algorithmen stützt, welche die Zielfunktion und
Nebenbedingungen von ( 3.23 ) enthalten und diese anhand der Lagrange-Methode in
Gleichungssystemeverarbeiten. 20
Spreadsheet-ProgrammewieetwaMicrosoftExcelent-
haltensogenannteSolver,welchedieausderOptimierunghervorgehendenGleichungs-
systemenummerischlösen.AllerdingskönnendieseSpreadsheet-Programmelediglichfür
einegeringeAnzahlAnlagenverwendetwerden.Ebenfallsistesetwasaufwendig,dieInverse
derKovarianzmatrixzubestimmen.

20
Rendite-Risiko-Optimierungsverfahren,dieaufLong-Positionenbeschränktsind,verwendenne-ben
derLagrange-MethodedenKuhn-Tucker-Ansatz,umdiezusätzlicheNebenbedingungvon
positiven Anlagegewichten (wi  0) indenAlgorithmenzuverarbeiten.FürmöglicheAlgorithmenzur
BerechnungderEffizienzkurvevgl.Markowitz 1959:PortfolioSelection:EfficientDiversifica-
tion of Investments, S. 309 ff. Bei der Entwicklung der Portfoliotheorie besteht der Hauptverdienst von
Markowitz in der Bestimmung der Effizienzkurve anhand von Renditeerwartungen, Stan-
dardabweichungen und Korrelationskoeffizienten (Diversifikation) sowie in der Berechnung der
EffizienzkurvemitAlgorithmen.
3.4 ErwarteteRenditeundRisikoeinesPortfoliosrisikobehafteterAnlagen 91

(erwartete Rendite)

40%

30%

20% Effizienzkurve

10%

0%
0% 10% 20% 30%
(Standardabweichung der Renditen)

Abb.3.6 Effizienzkurve für die fünf SMI-Aktien von Novartis, Roche, Nestlé, ABB und Syngenta

Abb.3.6zeigtdieEffizienzkurvefürdiefünfSMI-AktienvonNovartis,Roche,Nestlé,ABB
undSyngenta,diemitMicrosoftExcelerstelltwurde.DieEffizienzkurvewurdeanhandvon(
3.23)berechnetundbeinhaltetsowohlLong-alsauchShort-Positionen.Diedabeiverwendeten
DatenbasierenaufmonatlichenRenditenvonAnfangSeptember2007bisEndeAugust2012.
21

SindzweiPortfolios(Rendite-Risiko-Punkte)aufderEffizienzkurvebekannt,könnenalle
andereneffizientenPortfoliosdurchKombinationderzweibekannteneffizientenPort-folios
ermitteltwerden.DemnachlässtsichdieGleichungderEffizienzkurvedurchdie
Renditeerwartungen,StandardabweichungenunddenKorrelationskoeffizientenvonzwei
effizientenAnlagekombinationenanalytischbestimmen.
22

ZumBeispielsinddieRenditeerwartungen,StandardabweichungenundderKorrela-
tionskoeffizientvonzweieffizientenPortfoliosAundBbekannt.DiefünfParametersindE
.rA /,E .rB /, ¢A , ¢B und ¡A;B , wobei vorausgesetzt wird, dass E .rA / < E .rB / und
0 < ¢ A < ¢B .
UmdieGleichungderEffizienzkurvezuvereinfachen,werdendiefünfGrößena,b,c,dunde
eingeführt,welchediefünfParameterderbeideneffizientenPortfolioswiefolgt

21
Für die Erstellung der Effizienzkurve mit Microsoft Excel 2010 vgl. z. B. Mondello 2015 : Portfo-
liomanagement: Theorie und Anwendungsbeispiele, S. 361 ff.
22
Vgl. z. B. Merton 1972 : An Analytic Derivation of the Efficient Portfolio Frontier, S. 1858 und
Spremann 2000 : Portfoliomanagement, S. 153 ff.
92 3 OptimalesPortfolio

enthalten:
a D E .rA / ;
b D E .rB /  E .rA / ;
c D ¢A2 ;
d D 2.¢ A¢ B ¡A;B  ¢A2 / und
e D ¢A2 C ¢B2  2¢A¢B ¡A;B :
Die Gleichung der Effizienzkurve, auf der neben den beiden Portfolios A und B auch alle
anderen effizienten Portfolios P liegen, lautet:
s   
ad a2 e d 2ae e
¢P D c C 2 C  2 E .rP / C 2 E .rP /2 : (3.24)
b b b b b

DesWeiterenistesmöglich,dieAnlagegewichtevoneffizientenPortfolios,diesichausLong-und
Short-Positionenzusammensetzen,zuermitteln.SinddieAnlagegewichtevonzweieffizienten
Portfolios bestehend au s Long- und Short-Positionen bekannt, können durch eine lineare
Kombination der Anlagegewichte sämtliche auf der Effizienzkurve lie- genden Portfolios
bestimmt werden. Folglich werden lediglich die Gewichte von zwei effizienten Portfolios
benötigt, um die Gewichte von allen anderen auf der Effizienzkurve liegenden
Anlagekombinationenfestzulegen.
23

ZumBeispielweisteineffizientesPortfolio,miteinererwartetenRenditevon8,5%und
bestehendausdreiAnlagen,GewichtungenfürdieeinzelnenAnlagenvon60%,30%und10%
auf.EinzweitesPortfoliomiteinererwartetenRenditevon6,1%,dasebenfallsaufder
Effizienzkurveliegt,besitztAnlagegewichtevon40%,30%und30%.Umdieprozentualen
AnteileeineseffizientenPortfoliosmiteinererwartetenRenditevonbeispielsweise12%zu
bestimmen,kannfolgendeGleichungaufgestelltwerden:

12 % D 8;5 %  w C 6;1 %  .1  w/ :

In der Gleichung stellt w das Gewicht des Portfolios mit einer erwarteten Rendite von 8,5 % dar,
während  wderprozentualeAnteilderAnlagekombinationmiteinerer-1
warteten Rendite von 6,1 % ist. Wird die Gleichung nach w aufgelöst, erhält man für die beiden
PortfoliosGewichtevonw D 245;8 % und 1  w D 145;8 %. Die prozentualen
Anteile der drei Anlagen im Portfolio mit einer erwarteten Rendite von 12 % können mit
den berechneten Gewichten von 245,8 % und 145;8 % wie folgt ermittelt werden:

Gewicht der Anlage 1 D 2;458  60 % C .1;458/  40 % D 89;16 %;


Gewicht der Anlage 2 D 2;458  30 % C .1;458/  30 % D 30;00 %;
Gewicht der Anlage 3 D 2;458  10 % C .1;458/  30 % D 19;16 %:

23
Für den mathematischen Beweis vgl. Black 1972 : Capital Market Equilibrium with Restricted
Borrowing, S. 447 ff.
3.5 StrategischeAsset-AllokationmitCorner-Portfolios 93

Für ein effizientes Portfolio mit einer erwart eten Rendite von 12 % betragen die Gewichte der
dreiAnlagen89,16%,30%und  %,wobeidieSummederGewichte1ergibt
[(D 89;16 % C 30 % C .19;16 %/]. 19;16 Die Anlagen 1 und 2 stellen Long-Positionen im
Portfolio dar, während die Anlage 3 eine Short-Position verkörpert.

3.5 StrategischeAsset-AllokationmitCorner-Portfolios

In der strategischen Asset-Allokation weisen die Anlageklassen wie Aktien Inland, Akti- en
Auslandusw.einpositivesGewichtauf. 24
DaherwerdendieAnlageklassenmiteinem
Rendite-Risiko-Optimierungsverfahrenbestimmt,dasaufLong-Positionenbeschränktist,
wobeidieSummederGewichte1ergibt.IneinemeffizientenPortfolioistdasGewichteiner
bestimmtenAnlageklasseentwederpositivoder0.BeieineraufderEffizienzkurveliegenden
AnlagekombinationkanneineAnlageklasseeinGewichtvon0besitzen,wäh-renddieselbe
AnlageklassebeieinemandereneffizientenPortfolioeinpositivesGewichtaufweist.Dieser
ZusammenhangführtzumKonzeptderCorner-Portfolios.

Corner-PortfoliosliegenaufderEffizienzkurveundentstehenimmerdann,wennei-ne
AnlageklasseentwederinseffizientePortfolioaufgenommenoderfallengelassenwirdbzw.das
GewichtderAnlageklassevon0zupositivodervonpositivzu0geht.Dem-zufolgegibtes
lediglicheinebegrenzteAnzahlvonCorner-Portfolios.DasMinimum-Varianz-Portfolioist
unabhängigvondenGewichtungenimmeralsCorner-Portfoliozubetrachten.

ZweinebeneinanderliegendeCorner-PortfoliosbegrenzeneinenAbschnittaufderEf-
fizienzkurve,beiderdieeffizientenPortfoliosdiegleichenAnlagenaufweisenunddie
VeränderungsratederGewichtevoneinemPortfoliozumnächstenkonstantbleibt.Die
GewichtevonAnlageklasseneineseffizientenPortfolioslassensichdurcheinelineare
KombinationderentsprechendenGewichtevondenzweibenachbartenCorner-Portfolios
ermitteln,wobeidieGewichteimmerzwischen0und1liegenmüssen.SinddieCorner-
PortfoliosunddieentsprechendenAnlagegewichtebekannt,könnensämtlichePortfoliosauf
derEffizienzkurvekonstruiertwerden.

25

ZumBeispielweisteinCorner-Portfolio,miteinererwartetenRenditevon8,5%und
bestehendausdreiAnlageklassen,GewichtefürdieeinzelnenAnlageklassenvon60%,0%und
40%auf.EinzweitesangrenzendesCorner-PortfoliomiteinererwartetenRen-ditevon6,1%
besitztAnlagegewichtevon45%,55%und0%.UmdieprozentualenAn-teileeineseffizienten
PortfoliosmiteinererwartetenRenditezubestimmen,diezwischendenRenditewertender
beidenCorner-Portfoliosliegt,alsobeispielsweise7%beträgt,

24
Allerdings sind innerhalb einer Anlageklasse auch Short-Positionen möglich, wobei der Wert der
Long-Positionen den Wert der Short-Anla gen übersteigt (Netto-Long-Position).
25
Die zwischen den zwei Corner-Portfolios liegende n effizienten Portfolios stellen lineare Kombi-
nationen der beiden Corner-Portfolios dar.
94 3 OptimalesPortfolio

kann folgende Gleichung aufgestellt werden:

7 % D 8;5 %  w C 6;1 %  .1  w/ :

InderGleichungstelltwdasGewichtdesCorner-PortfoliosmiteinererwartetenRenditevon
8,5%dar,während  wderprozentualeAnteilderAnlagekombinationmiteiner1
erwarteten Rendite von 6,1 % ist. Da 7 % zwischen 6,1 % und 8,5 % liegt (6;1 % < 7 % <
8;5 %), ist sichergestellt, dass w in einer Bandbreite von 0 bis 1 anfällt (0 < w < 1). Wird
die Gleichung nach w aufgelöst, erhält man für die beiden Corner-Portfolios Gewichte
von w D 37;5 % und 1  w D 62;5 %. Die prozentualen Anteile der drei Anlageklassen
im Portfolio mit einer erwarteten Rendite von 7 % können mit den berechneten Gewichten
von37,5%und62,5%wiefolgtermitteltwerden:D

Gewicht der Anlageklasse 1 0;375  60 % C 0;625  45 % D 50;625 %;


Gewicht der Anlageklasse 2 D 0;375  0 % C 0;625  55 % D 34;375 %;
Gewicht der Anlageklasse 3 D 0;375  40 % C 0;625  0 % D 15 %:

Für ein effizientes Portfolio mit einer erwa rteten Rendite von 7 % betragen die Gewichte der drei
Anlageklassen50,625%,34,375%und15%,wobeidieSummederGewichte1ergibt(
D 50;625 % C 34;375 % C 15 %).

Beispiel
Strategische Asset-Allokation mit Corner-Portfolios
Für die Bestimmung der strategischen Asset-Allokation verwendet ein Portfolioma- nager
Corner-Portfolios. Die Effizienzkurve besitzt 8 Corner-Portfolios(inklusive
Minimum-Varianz-Portfolio),diefolgende6Anlageklassenenthalten:AktienInland,
AktienAusland,mittelfristigeAnleihenInland,langfristigeAnleihenInland,Anleihen
AuslandundImmobilien.DerrisikoloseZinssatzliegtbei2%.DieerwarteteRendite,das
RisikosowiedieSharpeRatioderCorner-Portfolioslautenwiefolgt:

Corner-Portfolios Jährliche erwartete Standardabweichung der Sharpe Ratio


Rendite jährlichen Renditen
1 10,9 % 16,3 % 0,546
2 10,7 % 14,7 % 0,592
3 10,5 % 13,7 % 0,620
4 9;4 % 10,1 % 0,733
5 8;8 % 8;6 % 0,791
6 8;2 % 7;3 % 0,849
7 6;9 % 5;3 % 0,925
8 6;4 % 4;9 % 0,898

Die Gewichte der Anlageklassen für die Corner-Portfolios sind nachstehend aufge-
führt:
3.5 StrategischeAsset-AllokationmitCorner-Portfolios 95

Corner- Aktien Aktien Mittelfristige Langfristige Anleihen Immobilien


Portfolios Inland Ausland Anleihen Inland Anleihen Inland Ausland
1 100,0 % 0;0 % 0;0 % 0;0 % 0;0 % 0;0 %
2 82;4 % 0;0 % 0;0 % 0;0 % 0;0 % 17,6 %
3 74;1 % 4;0 % 0;0 % 0;0 % 0;0 % 21,9 %
4 33;7 % 12,0 % 36,7 % 0;0 % 0;0 % 17,6 %
5 31;4 % 12,0 % 26,7 % 13,0 % 0;0 % 16,9 %
6 25;0 % 11,8 % 0;0 % 45,3 % 3;4 % 14,5 %
7 0;0 % 13,7 % 0;0 % 53,0 % 27,1 % 6;2 %
8 0;0 % 11,2 % 0;0 % 53,0 % 31,5 % 4;3 %

DerPortfoliomanagerbestimmtdielangfristigeAnlagepolitikfüreinenKundenundhält
darineineerwarteteRenditevon9%fest.AuswelchenGewichtenderAnlageklas-sensetzt
sichdiestrategischeAsset-AllokationdesKundenportfolioszusammen?

Lösung
Um eine erwartete Rendite von 9 % zu erzielen, sind die beiden auf der Effizienzkurve
benachbarten Corner-Portfolios 4 und 5 auszuwählen, die erwartete Renditen von 9,4 % und
8,8 % aufweisen. Die prozentualen Anteile eines effizienten Portfolios mit einer erwarteten
Rendite von 9 % können anhand einer linearen Kombination der beiden angrenzenden
Corner-Portfolioswiefolgtberechnetwerden:

9 % D 9;4 %  w C 8;8 %  .1  w/ :

In der Gleichung stellt w das Gewicht des Corner-Portfolios 4 dar, während 1  w das
GewichtdesCorner-Portfolios5widerspiegelt.WirddieGleichungnachwaufgelöst,gelangt
manzuw D 0;333 und 1  w D 1  0;333 D 0;667. Demnach liegen die
Gewichte der beiden Corner-Portfolios 4 und 5 bei 33,3 % und 66,7 %.
Die Gewichte der Anlageklassen für die strategische Asset-Allokation können mit
den Gewichten der beiden Corner-Portfolios folgendermaßen ermittelt werden:

Aktien Inland D 0;333  33;7 % C 0;667  31;4 % D 32;17 %;


Aktien Ausland D 0;333  12;0 % C 0;667  12;0 % D 12;00 %;
mittelfristige Anleihen Inland D 0;333  36;7 % C 0;667  26;7 % D 30;03 %;
langfristige Anleihen Inland D 0;333  0;0 % C 0;667  13;0 % D 8;67 %;
Anleihen Ausland D 0;333  0;0 % C 0;667  0;0 % D 0;0 %;
Immobilien D 0;333  17;6 % C 0;667  16;9 % D 17;13 %:

Die Summe der Gewichte ergibt 1 (D 32;17 % C 12;00 % C 30;03 %C8;67 % C 0;0 %C
17;13 %). Die für den Kunden ausgewählte strategische Asset-Allokation weist eine
erwartete Rendite von 9 % auf und liegt auf der Effizienzkurve zwischen den Corner-
Portfolios4und5.Abb. 3.7verdeutlichtdiesenZusammenhang.
96 3 OptimalesPortfolio

(erwartete
Rendite)
12%
strategische Asset-
11% Allokation mit Effizienzkurve
erwarteter Rendite von 9%
10%

9%
Corner-Portfolio 4
8%
Corner-Portfolio 5
7%

6%
Minimum-Varianz-Portfolio
5%

4%
0% 5% 10% 15% 20%
(Standardabweichung
der Renditen)

Abb.3.7 Effizienzkurve mit Corner-Portfolios und strategischer Asset-Allokation

3.6 Diversi kationseffektvonLong-Positionen

Der Diversifikationseffekt eines Portfolios bestehend aus Long-Positionen lässt sich am besten
mit folgendem Beispiel zeigen: Ein Portfolio enthält Aktien, die alle über dieselbe
durchschnittlicheVarianz  2   
¢ und Kovarianz Cov verfügen. Darüber hinaus weisen alle
Aktien den gleichen prozentu alen Anteil im Portfolio auf. Unter diesen Annahmen sind
 in Anlehnung an die Matrix zur Berechnung der Portfoliovarianz (siehe Tab. 3.2)–
sämtliche Terme auf derDiagonale (die Vari anzen)unddieTermeoberhalbund unterhalb
der Diagonale (die Kovarianzen) jeweils gleich groß. Demnach berechnet sich die Varianz des
PortfoliosausderSummederTermeinderMatrixwiefolgt:
   
1 2 1
¢P2 DN ¢ C N .N  1/ Cov: (3.25)
N2 N2

Die Portfoliovarianz besteht aus der Summe der gewichteten Varianzen und Kovarian-  
zen. Wenn man die Anzahl Varianzen .N/ durch die Anzahl Terme in der Matrix N2
dividiert, erhält man den prozentualen Ante il der Varianzen im Port folio. Der prozentua-
le Anteil der Kovarianzen hingegen berechne t sich mit der Anzahl der Kovarianzen von N
.N  1/ dividiert durch die Anzahl der Terme in der Matrix von N2 .
Wird ( 3.25 ) ausmultipliziert, gelangt man zu folgender Gleichung für die Portfoliova-
rianz:    
2 1 2 N1
¢P D ¢ C Cov: (3.26)
N N
3.6 DiversifikationseffektvonLong-Positionen 97

Gl. ( 3.26 ) drückt die Varianz dieses speziellen Portfolios als die gewichtete Summe der
durchschnittlichenVarianzundKovarianzdereinzelnenAktienaus.ErhöhtmannundieN
Anzahl Aktien . / im Portfolio gegen unendlich, strebt die Portfoliovarianz gegen die 26

durchschnittliche Kovarianz. DiesesBeispiellässtfolgendeSchlussfolgerungzu:Die


VarianzendereinzelnenAktienlassensichdurchDiversifikationeliminieren,währendder
TermderKovarianzbestehenbleibtundsichsomitnichtbeseitigenlässt.Ausdiesen
ÜberlegungenherauslässtsichdiePortfoliovarianzwiefolgtdarstellen:

 
¢P2 D Cov C ¢P2  Cov ; (3.27)

wobei:

¢P2 D Gesamtrisiko im Portfolio,


Cov D systematisches oder nicht di versifizierbares Risiko,
.¢P2  Cov/ D unsystematisches oder diver sifizierbares Risiko.
 
Die durchschnittliche Kovarianz Cov ist das Risiko, das einem Anleger verbleibt, wenn
er sein Portfolio vollständig mit Long-Positionen diversifiziert hat. Diese Verlustgefahr
wird als Marktrisiko, systematisches oder nicht diversifizierbares Risiko bezeichnet.
Im Gegensatz dazu lässt sich das unternehmensspezifische oder unsystematische Risi-
ko ¢P2  Cov in einem genügend großen Portfolio durch Diversifikation eliminieren.
Abb. 3.8 zeigt den Zusammenhang zwischen der Portfoliovarianz und der Anzahl Long-
Aktien in einem Portfolio.
FüreinenInvestor,derübereingutdiversifiziertesPortfolioverfügt,istnichtwichtig,wie
hochdasRisiko(dieVarianz)dereinzelnenAktienist.VielmehristvonBedeutung,umwieviel
eineneueAktiedasPortfoliorisikoreduziertbzw.wievieldieserKaufzurDiversifikation
beiträgt.DasRisikoeinesAnlegerslässtsichineinemsolchenFallalsderBeitragderAktiezum
RisikodesGesamtportfoliosdefinierenundhängtvonderKovari-anzbzw.KorrelationderAktie
zudenAnlagenimPortfolioab.

EinezentraleFragestellungimRahmendesPortfoliomanagementsbeschäftigtsichmitder
AnzahlanAktien,diefüreingutdiversifiziertesPortfolioerforderlichist.UmdieseFragezu
beantworten,wirddiedurchschnittlicheKovarianzin( 3.26)durchdasProduktausdem
durchschnittlichenKorrelationskoeffizientenundderdurchschnittlichenVarianz
27
ersetzt, was zu folgender Gleichung für die Portfoliovarianz führt:
   
1 N1
¢P2 D ¢2 C ¡¢ 2 ; (3.28)
N N

26
Strebt N gegen unendlich, dann geht der erste Term der Gl. ( 3.26 )von .1=N/¢ 2 gegen 0, wäh-
rend der zweite Term von N  1/=NCovgegendiedurchschnittlicheKovarianzstrebt.Folglich–.
entspricht bei einer großen Anzahl Aktien die Portfoliovarianz der durchschnittlichen Kovarianz.
27
DieKovarianzvonzweiZufallsvariablenistderKorrelationskoeffizientmultipliziertmitden
StandardabweichungenderzweiVariablen.DieAnnahmeist,dassalleAktiendiegleicheStan-
dardabweichung der Renditen besitzen, sodass die durchschnittliche Kovarianz mit dem Korrelati-
onskoeffizientenwiefolgtberechnetwird:Cov D ¡¢ 2 .
9 3 OptimalesPortfolio

(Varianz
der
Portfolio-
renditen)

σ P2 unternehmensspezifisches
Risiko, unsystematisches Risiko
oder diversifizierbares Risiko

Cov

Marktrisiko,
systematisches Risiko oder
nicht diversifizierbares Risiko

0 (Anzahl Aktien)

Abb.3.8 ZusammenhangzwischenderPortfoliovarianzundderAnzahlLong-AktienineinemPortfolio
(DieseAbbildungistnurunterderAnnahmegültig,dassdasRisikonichtadditivistbzw.
der Korrelationskoeffizient zwischen den Aktien unter C1 liegt und damit ein Diversifikationseffekt
erreicht werden kann.)

wobei:

¢ D alleAktienverfügenüberdiegleicheStandardabweichungderRenditen,¡
D gleicher Korrelationskoeffiz ient zwischen den Aktien.

Wird die oben stehende Formel ausmultiplizie rt, gelangt man zu fol gender Gleichung für die
Portfoliovarianz: 28  
1¡
¢P2 D ¢ 2 C¡ : (3.29)
N
BestehtdasPortfolionurauseinerAktie,entsprichtdiePortfoliovarianzderdurchschnitt-lichen
VarianzdereinzelnenAktie( ¢ 2 ). Erhöht sich die Anzahl Aktien .N/, fällt die
Portfoliovarianz. Nimmt man beispielsweise einen durchschnittlichen Korrelationskoef-
fizienten von 0,3 und eine für alle Aktien gleiche Standardabweichung der Renditen von 20 %,
dannbeträgtdiePortfoliovarianzfür1Aktie0,04,für2Aktien0,026,für10Ak-tien0,0148,für30
Aktien 0,0129, für 100 Aktien 0,01228 und für 1000 Aktien 0,01203. Dieses Zahlenbeispiel
zeigt, dass ein Großteil des Diversifikationseffekts mit 30 Aktien er-reicht werden kann. Nimmt
die Anzahl Aktien im Portfolio von 30 auf 1000 zu, lässt sich die Portfoliovarianz nur noch um
rund 6,8 % reduzieren, während das Reduktionspotential der Portfoliovarianz bei einer
Anlagekombination von 30 Aktien (im Vergleich zu einer Aktie) rund 67,8 % beträgt. Des
Weiteren zeigt das Beispiel, dass die Portfoliovarianz bei einer Zunahme der Aktien gegen die
durchschnittlicheKovarianzvon

0;012.D 0;30;22 /
strebt.
       
1 C .N  1/¡ 1 C N¡  ¡ 1¡ N¡ 1¡
28
¢p2 D ¢ 2 D ¢2 D ¢2 C D ¢2 C¡ .
N N N N N
3.6 DiversifikationseffektvonLong-Positionen 99

DieAnzahlvonerforderlichenAktienfürdieDiversifikationeinesPortfolioshängtvonder
durchschnittlichenKorrelationzwischendenAktienrenditenab.JehöherdieKor-relationist,
destomehrAktienwerdenfüreinengewünschtenDiversifikationseffektimPortfoliobenötigt.
EmpirischeStudienzeigeninAbhängigkeitvonderUntersuchungs-periodeundder
vorherrschendendurchschnittlichenKorrelationundVolatilitätaufdenKapitalmärkten,dass
zwischen20und50Aktiengenügen,umeineoptimaleDiversifika-tionderAnlagenzu
erreichen.
29
Zusätzlichistzubeachten,dassdasDiversifiziereneines 30
Portfolios nicht kostenlos erfolgt. Beim Aktienkauf entstehen Handelskosten , die dem
Nutzen aus der Diversifikation gegenübergestellt werden müssen.

Beispiel
Diversifikationseffekt
Auf einem Aktienmarkt betrage die durchschnittliche Standardabweichung der Akti-
enrenditen 20 %, während die durchschnittliche Kovarianz zwischen den Aktien bei 0,016
liege.

1. Wie hoch ist die jeweilige Portfoliovarianz bei 1, bei 30 und bei 1000 Aktien?
2. Welche Aussagen zum Diversifikationseffekt lassen sich aus Teilaufgabe 1 ablei-
ten?

Lösungzu1
Zunächst wird der durchschnittliche Korrelationskoeffizient von 0,4 mit der Standard-
abweichungundderKovarianzwiefolgtberechnet:

Cov 0;016
¡D 2
D D 0;4:
¢ 0;20  0;20
Mit ( 3.29 ) kann entsprechend die Portfoliovarianz für 1, für 30 und für 1000 Aktien
folgendermaßen bestimmt werden:
 
2 2 1  0;4
¢P;1Aktie D 0;2  C 0;4 D 0;04;
1
 
2 2 1  0;4
¢P;30Aktien D 0;2  C 0;4 D 0;0168;
30
 
2 2 1  0;4
¢P;1000Aktien D 0;2  C 0;4 D 0;01602:
1000

Lösungzu2
Nimmt die Anzahl Aktien im Portfolio um 29 Anlagen zu (von 1 auf 30 Aktien), so sinkt die
Portfoliovarianz um mehr als die Hälfte (58 %). Ein weiterer Anstieg auf 1000 Aktien führt
lediglichzueinerReduktionderPortfoliovarianzvonrund4,6%.

29
Vgl. DeFusco et al. 2004 : Quantitative Methods for Investment Analysis, S. 607 ff.
30
Vgl. Abschn. 2.4.2.4 .
100 3 OptimalesPortfolio

Nimmt die Anzahl Aktien zu, so strebt die Portfoliovarianz gegen die durchschnittliche
Kovarianzvon0,016.
EinenGroßteildesDiversifikationseffektserreichtmanmit30Aktien.DieseAnzahl
reichtdannaus,wennaufeinemKapitalmarktdiedurchschnittlicheAktienvolatilitätbei20
%unddieKorrelationzwischendenAktienrenditenbei0,4liegt.

3.7 RisikoaversionundoptimalesPortfolio

3.7.1 Einleitung

Verschiedene Anlagen wie Aktien, Anleihen und risikolose Geldanlagen verfügen über
unterschiedlicheRisiken.AktienkönnenfürdeneinenInvestoralsAnlageinstrumentan-gemessen
sein,währendeinandererInvestornichtbereitist,dashöhereRisikovonAktieneinzugehen.Vielmehr
legterdasGeldrelativrisikoloszumBeispielinStaatsanleihenmiteinererstklassigenBonitätan.Bisher
wurdendieRendite-Risiko-EigenschaftenvonAn-lagenbeschrieben.IndiesemAbschnittwirddie
RisikoneigungderInvestorenuntersucht.DabeiwerdenzuerstdasKonzeptderRisikoaversionunddie
Nutzentheorie vorgestellt, bevor das optimale Portfolio mithilfe der Effizienzkurve und der
Indifferenzkurveerstelltwird.

3.7.2 DasKonzeptderRisikoaversion

Der Grad der Risikoaversion eines Individuums hängt von seinem Verhalten in
unsicheren Situationen ab. Ein Investor beispielsweise verfügt über die zwei folgenden
Alternativen: Er erhält EUR 100 sicher oder 2) er willigt in ein Spiel ein, wobei eine
1)
Wahrscheinlich- keit von je 50 % besteht, dass er EUR 200 oder EUR 0 bekommt. Der
erwartete Wert ist in beiden Fällen – unter Sicherheit wie unter Unsicherheit – EUR 100.
31
Der Investor hat
insgesamt drei Möglichkeiten. Entweder wählt er das Spiel oder er nimmt die EUR 100
oder aber er ist indifferent zwischen den beiden Möglichkeiten. Das Verhalten des Indivi- duums
lässt eine Klassifikation seines Risi koverhaltens zu, wobei festzuhalten ist, dass es sich hier um
ein veranschaulichendes Beispiel handelt. Eine einzelne Entscheidung genügt in der Regel
nicht,umdasRisikoverhalteneinesInvestorsabschließendzubestimmen.

EinrisikofreudigerInvestorwähltdasSpielaus.DasSpielweistzwareinunsicheresErgebnis
auf,abereshatdengleichenerwartetenWertwiediesichereWahlmöglichkeitvonEUR100.Ein
risikofreudigerInvestorwürdeaucheinenerwartetenWertvonweni-geralsEUR100
akzeptieren(z.B.EUR75),solangeerdieMöglichkeithat,mehralsdiegarantiertenEUR100zu
erhalten.RisikofreudigesVerhaltenlässtsichetwaindenLot-

31
DerErwartungswertunterUnsicherheitberechnetsichalsSummederwahrscheinlichkeitsge-
wichteten Auszahlungen wie folgt: 0;5 EUR 200 C 0;5  EUR 0 D EUR 100.
3.7 RisikoaversionundoptimalesPortfolio 101

tospielen oder im Spielcasino beobachten. Be ispielsweise kaufen Me nschen Lotterielose,


obwohldererwarteteGewinnniedrigeralsderfürdieLosebezahltePreisist.
EinrisikoneutralerInvestoristindifferenthinsichtlichderbeidenWahlmöglichkeiten.
Risikoneutralitätbedeutet,dassfüreinenAnlegernurdieerwarteteRenditerelevantist,
währenddasRisikobelanglosist.DaherwerdenAnlagenmiteinerhöherenerwartetenRendite
unabhängigvonihremRisikobevorzugt.RisikoneutralesVerhaltenlässtsichbe-obachten,
wenndieInvestitionsanlagelediglicheinenkleinenTeildesGesamtvermögensausmacht.Zum
BeispielisteinsehrwohlhabenderInvestorzwischendergarantiertenAus-zahlungvonEUR
100oderdemSpielindifferent.

EinrisikoaverserInvestorhingegenentscheidetsichfürdiegarantierteAuszahlung,weiler
nichtbereitist,dasRisikoeinzugehen,amEndekeineAuszahlungzuerhalten.Ab-hängigvom
GradderRisikoaversionakzeptierteinsolcherInvestorsogareineAuszahlungvonEUR80
anstattdemerwartetenWertdesSpielsvonEUR100.Grundsätzlichneigenrisikoaverse
Investorendazu,AnlagenmiteinemgeringerenRisikoundeinergarantier-tenRenditezu
tätigen.SiebevorzugenAnlagen,dieübereinegeringereVerlustgefahrbeigleicherRendite
bzw.übereinehöhereRenditebeigleichemRisikoverfügen.Demgegen-übermaximiertein
risikoneutralerInvestordieRenditeunabhängigvomRisiko,währendeinrisikofreudiger
AnlegersowohldieRenditealsauchdasRisikomaximiert.

Zahlreiche empirische Studien mit historischen Datenreihen von Anlagen deuten dar-
auf hin, dass eine positive Beziehung zwischen Rendite und Risiko besteht.32 Jehöher
dasRisiko,destohöherdieRenditederAnlagen.DiesepositivenRisikoprämienbedeu-ten,dass
sichMarktteilnehmerrisikoaversverhalten.EinIndizfürrisikoaversesVerhaltenist
beispielsweisederbeobachtbareKaufvonVersicherungen.DerKaufvonVersiche-rungenwie
zumBeispielfürdasAutooderdieGesundheitstellteineAbsicherungfürzukünftigeRisikenwie
etwaeinenAutounfallodereineKrankheitdar.DiebezahlteVer-sicherungsprämieschützt
gegendiezukünftigeUnsicherheit,dasseingroßerGeldbetragfürdieBezahlungeinessolchen
Ereignissesnotwendigwird.EinehöhereVerfallren-ditebeieinemhöherenKreditrisikodes
EmittentenisteinweitererHinweis,dasssichMarktakteurerisikoaversverhalten.Soweisen
AnleihenmiteinemhöherenKreditrisikohöhereVerfallrenditenauf.

33
InderFinanzmarkttheoriewirdaufgrunddieserBeobach-
tungengrundsätzlichunterstellt,dasssichdieMarktteilnehmerrisikoaversverhaltenundfür
dasEingeheneineshöherenRisikoseinehöhereRenditeerwarten.

3.7.3 NutzentheorieundIndifferenzkurven

Ein risikoaverser Investor bevorzugt die garantierte Auszahlung von EUR 100 gegenüber der
Unsicherheit der erwarteten Auszahlung von EUR 100 beim Spiel. Demzufolge ist der Nutzen
bzw.dieBefriedigungüberdiezugesicherteAuszahlunghöher.Allgemeinausge-

32
Vgl. Reilly und Brown 2000 : Investment Analysis and Portfoliomanagement, S. 259.
33
Vgl. Abschn. 9.3.5 .
102 3 OptimalesPortfolio

drückt, stellt der Nutzen ein Maß der relativen Befriedigung aus dem Konsum von Gütern und
Dienstleistungen dar. Überträgt man d iese mikroökonomische Definition auf die An-
lagetätigkeit, dann entsteht der Nutzen eines Investors aus dem Halten von verschiedenen
Portfolios.
34

InvestorenhabenunterschiedlichePräferenzenhinsichtlichRenditeundRisiko.Daherfällt
dieRangfolgevonAnlagenunterrisikoaversenInvestorenunterschiedlichaus.Alle
risikoaversenAnlegerbevorzugendiegarantierteAuszahlungvonEUR100gegenüberdem
Spiel.IstbeispielsweisediegarantierteAuszahlunglediglichEUR60,alsounterdemerwarteten
WertdesSpielsvonEUR100,dannistesnichtmehrklar,oballerisikoaversenInvestorender
garantiertenAuszahlunggegenüberdemSpieldenVorzuggeben.

DieKlassifizierungvonAnlagenbzw.derenNutzenisthöher,wenndieRenditegrö-ßerist,
unddieRangfolgebzw.derNutzenistkleiner,wenndasRisikohöherist.WenndasRisikomitder
Renditesteigt,dannistdieKlassifizierungderAnlagenhingegennichtmehreindeutig.Die
erwarteteRenditedesSpielsistEUR100,währenddiegarantierteAuszahlungEUR60beträgt.
DasSpielhateinehöhereRenditeundeinRisikogegen-überdergarantiertenAuszahlung.Der
Trade-offzwischenRenditeundRisikolässtsichüberNutzenfunktionenmessen.Dabei
erhaltenPortfoliosmiteinerhöherenRenditeeinenhöherenNutzen,währendAnlagekombinati
onenmiteinemhöherenRisikozueinemge-ringerenNutzenführen.EineNutzenfunktion,diein
derPortfoliotheorieundauchvomCFAInstituteverwendetwird,berücksichtigtdieerwartete
Rendite

ŒE .r/ und die Varianz


der Renditen (¢ 2 ), um den Nutzen .U/ von Anlagen bzw. Portfolios zu messen:35

1
U D E .r/  A¢ 2 ; (3.30)
2
wobei:

U D Nutzen einer Anlage,


A D Grad der Risikoaversion (Risikoaversionskoeffizient).

Gemäß oben stehender Formel führt eine höhe re erwartete Rendite zu einem größeren Nutzen.
Ein höheres Risiko hingegen hat einen geringeren Nutzen zur Folge. Diese Ei- genschaften
bildendasKonzeptderRisikoaversionab.WiegroßderEinflussderVarianzaufdenNutzeneiner
Anlage ist, hängt vom G rad der Risikoaversion (A) ab. Der Grad der Risikoaversion stellt die
zusätzlich erwartete Rendite eines Investors dar, die verlangt wird, um eine zusätzliche
Risikoeinheitzuakzeptieren.EinehöhereRisikoaversionistdurcheinenhöherenKoeffizienten
A gekennzeichnet. Investoren, die über eine hohe Risi- koaversion verfügen, geben
risikoreichen Anlagen mehr Gewicht und daher resultiert ein geringerer Nutzen im Vergleich
zumNutzenwenigerrisikoaverserInvestoren.

34
Zu einer mikroökonomischen Diskussion der Nutzenfunktionskurven im Portfoliomanagement
vgl. z. B. Lhabitant 2008 : Hedge Funds: Quantitative Insights, S. 268 ff.
35
Für die Berechnung des Nutzens sind die erwartete Rendite und die Standardabweichung der
Renditen in Dezimalstellen und nicht in Prozenten in die Formel einzugeben.
3.7 RisikoaversionundoptimalesPortfolio 103

RisikoaversionundRisikotoleranzstehenineinementgegengesetztenVerhältniszuein-
ander.Einehohe(niedrige)Risikoaversionimplizierteineniedrige(hohe)Risikotoleranz.Die
Risikoaversionbzw.-toleranzeinesInvestorskannaufgrundvondessenBereitschaftund
Tragfähigkeit,Verlusteeinzugehen,alsunterdurchschnittlich(niedrig),durchschnitt-lich
(mittel)oderüberdurchschnittlich(hoch)beurteiltwerden.DieRisikoaversionkanndurchein
InterviewodereinenFragebogenbestimmtwerden,inwelchemderInvestorAuskunftüberseine
Anlage-undRisikopräferenzengibt.
36
Um eine ungefähre Richtgrö-
ße zu definieren, wird für eine hohe bzw. über durchschnittlic he Risikoaversion (niedrige
Risikotoleranz) ein Risikoaversionskoeffizient A von 6 bis 8 gewählt. Eine mittlere bzw.
durchschnittliche Risikoaversion ist durch einen Koeffizienten A von 3 bis 5 gegeben, während
ein Investor mit einer niedrigen bzw. unterdurchschnittlichen Risikoaversion ein A von1 bis 2
aufweist.

Gl.(3.30)kannnurverwendetwerden,umeineRangfolgeverschiedenerAnlagekom-
binationenzuerstellen.DieZufriedenheitdesInvestorskannmitderNutzenfunktionnicht
gemessenwerden.ZumBeispielbedeuteteinzweifachhöhererNutzen(etwaeinNutzenvon6
verglichenmit3)nicht,dasseinInvestormitdemNutzenvon6zweimalzufrie-deneristalsmit
demNutzenvon3.VielmehrgibtdieNutzenfunktionan,dasseineAnlagekombinationmit
einemhöherenNutzen(z.B.6)gegenübereinemPortfoliomiteinemgeringerenNutzen(z.B.3)
bevorzugtwird.AnlegerwählendasPortfoliomitdemhöherenNutzenaus.Fernerlassensich
dieNutzenfunktionenverschiedenerInvestorennichtvergleichenundauchnichtfürdenGes
amtmarktaggregieren.Nutzenfunktionensindgrundsätzlichinvestorenspezifisch.

BeirisikoaversenInvestorenliegtderRisikoaversionskoeffizient(A)zwischen1und8und
istpositiv.EineZunahmedesRisikosführtzueinemgeringerenNutzen.Beieinem
risikoneutralenInvestorhingegenbeträgtderRisikoaversionskoeffizient0(A
D 0).Eine
VeränderungdesRisikosbeeinträchtigtdenNutzensomitnicht.ImGegensatzdazube-sitztein
risikofreudigerAnlegereinenKoeffizientenA,derkleinerals0bzw.negativist(A
< 0). Ein höheres Risiko hat entsprechend einen größeren Nutzen zur Folge. Es ist zu
beachten, dass eine risikolose Anlage (¢ 2 D 0) für alle drei Investorentypen den gleichen
Nutzen ergibt. Je höher die erwartete Rendite, desto größer der Nutzen.

Beispiel
Berechnung des Nutzens
Eine Anlage besitzt eine erwartete Rendite von 20 % und eine Standardabweichung der
Renditen von 30 %. Der Risikoaversionskoeffizient für einen Investor mit einer
durchschnittlichenRisikoaversionbeträgt4.

1. Wie hoch ist der Nutzen dieser Anlage?


2. Wie hoch muss der risikolose Zinssatz mindestens sein, um den gleichen Nutzen aus der
Anlagezuerzielen?

36
Für ein Beispiel eines Risikobeurteilungsbogens vgl. Abschn. 16.2.1.1 .
104 3 OptimalesPortfolio

Lösungzu1
U D 0;20  0;5  4  0;302 D 0;02

Lösungzu2
Eine risikolose Anlage besitzt ein Risiko von 0 (¢ 2 D 0). Daher beträgt der zweite Term
rechts des Gleichheitszeichens 0 (D 0;5  4  02 ). Damit der gleiche Nutzen von 0,02
erreicht wird, muss der risikolose Zinssatz bei 2 % liegen. Eine risikobehaftete Anlage
mit einer erwarteten Rendite von 20 % und einer Standardabweichung von 30 % weist den
gleichen Nutzen wie eine risikolose Anlage mit einem risikolosen Zinssatz von 2 % auf, wenn
derRisikoaversionskoeffizientdesInvestors4beträgt.

IndifferenzkurvenzeigenRendite-Risiko-KombinationenvonAnlagen,diefüreinen
bestimmtenInvestordengleichenNutzenaufweisen.EinInvestoristindifferent,wenndie
PortfoliosaufdergleichenIndifferenzkurveliegen,dadieseüberdengleichenNutzenver-fügen.
DaherwerdenIndifferenzkurvenüberdenTrade-offzwischenerwarteterRenditeundRisiko
definiert.Abb.3.9zeigteineIndifferenzkurvemiteinemRisikoaversionsgradvon3,aufderalle
PortfoliosdengleichenNutzenvon0,04besitzen.AusgehendvonPunktAhateinegrößere
StandardabweichungeinengeringerenNutzenzurFolge.Diesergerin-gereNutzenmussdurch
einehöhereerwarteteRenditekompensiertwerden.PunktB,derebenfallsaufder
Indifferenzkurveliegt,weistimVergleichzuAeinegrößereStandardab-weichungundeine
höhereerwarteteRenditeauf.PortfoliosmitgleichemNutzenbesitzen

(erwartete
Rendite)

20% Indifferenzkurve
18% mit A = 3 und U = 0,04
16%
14%
12%
B
E(rB) 10%
8%
A
E(rA) 6%
4%
2%
0%
0% 10% 20% 30%
σA σB (Standardabweichung
der Renditen)

Abb.3.9 Indifferenzkurve
3.7 RisikoaversionundoptimalesPortfolio 105

(erwartete großer
Rendite) Nutzen mittlerer
Nutzen
1 2 3 geringer
B Nutzen
E(rB )
E(rA ) A C Indifferenzkurven
E(rC )

0%
0% σA σB = σC
(Standardabweichung
der Renditen)

Abb.3.10 Indifferenzkurven mit unterschiedlichem Nutzenniveau

eine höhere Renditeerwartung und ein höheres Risiko im Vergleich zu Anlagekombinatio- nen
mit niedrigerer Renditeerwartung und Risiko. Indifferenzkurven sind stetig zwischen allen
Rendite-Risiko-Punkten, da unendlich viele Portfolios existieren, die denselben Nut- zen für
einenInvestoraufweisen.

IndifferenzkurvenkönnenmitdemRisikoaversionskoeffizienten,dererwartetenRen-dite
undderVarianzerstelltwerden.ZumBeispielverfügteinInvestorübereinenRi-
sikoaversionskoeffizientenvon3undhatseinGeldineinerisikoloseAnlagezueinemZinssatz
von4%angelegt.Gemäß( 3.30)beträgtderNutzendiesesInvestments0,04(

D 0;04  0;5  3  02 ). Um die Indifferenzkurve zu kons truieren, müssen die erwarteten


Renditen von risikobehafteten Anlagekombin ationen bestimmt werden, deren Nutzen von
0,04 und Risiko gegeben sind. Wird ( 3.30 ) nach der erwarteten Rendite aufgelöst, erhält man
folgendeGleichung:
1
E .r/ D U C A¢ 2 : (3.31)
2
Bei einer Standardabweichung von 1 % (¢ D 0;01) beträgt die erwartete Rendite
4,015 %37 , während diese bei einem Risiko von 2 % (¢ D 0;02) bei 4,06 % liegt. Wird
diese Berechnung für eine Vielzahl von ansteigenden Standardabweichungen wiederholt, so
erhält man die entsprechenden Renditegr ößen. Trägt man diese Werte in ein Rendite-
Risiko-Diagramm ein und verbindet die Punkte miteinander, resultiert die in Abb. 3.9
dargestellteIndifferenzkurvemiteinemNutzenvon0,04.

Abb.3.10zeigtIndifferenzkurvenmitunterschiedlichhohemNutzen.EinInvestorist
indifferentzwischendenRendite-Risiko-PunktenAundB,dasieaufderselbenIndiffe-
renzkurveliegenundsomitdengleichenNutzenfürdenInvestorstiften.Vergleichtmanden
Rendite-Risiko-PunktC,deraufderIndifferenzkurve2liegt,mitdemRendite-Risiko-PunktB,
dannbesitzenbeideAnlagendiegleicheStandardabweichung,dieerwartete

1
37
E.r/ D 0;04 C  3  0;012 D 0;04015.
2
106 3 OptimalesPortfolio

hohe Risiko- mittlere


(erwartete aversion Risiko-
Rendite) (A von 6 – 8) aversion (A niedrige
von 3 – 5) Risiko-
aversion (A
1 2 3 von 1 – 2 )

4
risikoneutral
(A = 0)
5

risikofreudig
0% (A < 0)
0% (Standardabweichung
der Renditen)

Abb.3.11 Indifferenzkurven für Investoren mit unterschiedlichem Risikoverhalten

Rendite von B ist jedoch höher. Risikoaverse Investoren bevorzugen Portfolio B, weil bei
gleichem Risiko die erwartete Rendite größer ist. Daher verfügt die Indifferenzkurve 1 im
Vergleich zur Kurve 2 über einen höheren Nutzen. Der Nutzen von risikoaversen Investoren
nimmt bei steigender Renditeerwartung und niedrigerer Standardabweichung zu. In einem
Rendite-Risiko-Diagramm lässt sich dieser Zusammenhang durch eine nord- westliche
Verschiebung der Indifferenzkurve darstellen. Portfolios, die auf einer höheren
Indifferenzkurve liegen, besitzen eine höhere erwartete Rendite für jede gegebene Risi-
koeinheitundweisendahereinengrößerenNutzenfürdenInvestorauf.

DieIndifferenzkurvenverlaufenkonvex,weileinabnehmenderGrenznutzenzwischender
ErhöhungdesRisikosundderRenditebesteht.NimmtdieVerlustgefahrzu,verlan-gendie
risikoaversenInvestoreneinehöhereRendite.DabeisteigtdieRenditeüberpro-portionalan,
womitdieIndifferenzkurvesteilerwird.FüreinezusätzlicheRisikoeinheiterwartendie
InvestoreneineüberdurchschnittlichansteigendeRendite.

EineZunahmederRisikoaversionführtzueinersteilerenIndifferenzkurve,weilderInvestor
einhöheresRisikonurdannakzeptiert,wennerentsprechendeinenochhöhereRenditeerhält.In
Abb.3.11sindIndifferenzkurvenfürverschiedeneRisikoaversionsgradeaufgeführt.Stark
risikoaverseInvestorenweisensehrsteileIndifferenzkurvenauf.Weni-gerrisikoaverse
AnlegerhingegenverfügenüberflachereIndifferenzkurven,weilsiebeieinemAnstiegdes
RisikoseinewenigerhoheRenditeverlangen.RisikofreudigeInvesto-renbesitzen
IndifferenzkurvenmiteinernegativenSteigung.NimmtmanzumBeispieldie
Indifferenzkurve5vonAbb. 3.11,bestehteinnegativerZusammenhangzwischenerwar-teter
RenditeundStandardabweichung.EntlangderIndifferenzkurve5bleibtderNutzeneines
risikofreudigenInvestorsunverändert,wenndieerwarteteRenditefällt(steigt)unddie
Standardabweichungsteigt(fällt).ImGegensatzdazuhabenrisikoneutraleInvestorenflache
Indifferenzkurven,weildasRisikokeinenEinflussaufdenAnlegernutzenhat.
3.7 RisikoaversionundoptimalesPortfolio 107

Beispiel
Berechnung des Nutzens für verschiedene Anlagen
Ein Portfoliomanager hält vier Anlagen, die über die folgenden erwarteten Renditen und
Volatilitätenverfügen:

Anlagen Erwartete Rendite Standardabweichung


1 8% 24 %
2 12 % 30 %
3 16 % 36 %
4 20 % 42 %

1. Welche Anlage wählt ein durchschnittlich risikoaverser Investor mit einem Risiko-
aversionskoeffizientenvon5aus?
2. Welche Anlage sucht ein unterdurchschnittlich risikoaverser Investor mit einem Ri-
sikoaversionskoeffizientenvon2aus?
3. Welche Anlage wird von einem risikoneutralen Investor getätigt?
4. WelcheAnlagebevorzugteinrisikofreudigerInvestor?

Lösungenzu1und2
Für jede einzelne Anlage wird mit ( 3.30 ) der Nutzen ausgerechnet. Beispielsweise be-
rechnet sich der Nutzen der ersten Anlage bei einem durchschnittlich risikoaversen Investor
miteinemRisikoaversionskoeffizientenvon5wiefolgt:

1
U D 0;08   5  0;242 D 0;064:
2
Wiederholt man diese Berechnung für sämtliche Anlagen mit den Koeffizienten von 2
und 5, ergeben sich folgende Nutzenwerte:

Anlagen Erwartete Rendite Standardabweichung Nutzen A D 2 Nutzen A D 5


1 8% 24 % 0,0224 0;064
2 12 % 30 % 0,0300 0;105
3 16 % 36 % 0,0304 0;164
4 20 % 42 % 0,0236 0;241

DerdurchschnittlichrisikoaverseInvestormiteinemRisikoaversionskoeffizientvon5
wähltdieAnlage1aus,währendderunterdurchschnittlichrisikoaverseAnlegermitdem
Koeffizientenvon2dasInvestment3bevorzugt.

Lösungzu3
Ein risikoneutraler Investor berücksichtigt das Risiko in seinem Anlageentscheid nicht.
Daher legt er sein Geld in Anlage 4 an, welche über die größte erwartete Rendite von 20 %
verfügt.
10 3 OptimalesPortfolio

Lösungzu4
Ein risikofreudiger Investor wählt Anlagen mit einer hohen erwarteten Rendite und ei- ner
hohenStandardabweichungaus,daereinennegativenRisikoaversionskoeffizientenbesitzt.
DengrößtenNutzenfüreinensolchenInvestorweistAnlage4auf.

Beispiel
Strategische Asset-Allokation
Ein Anlageberater betreut einen Kunden im Alter von 35 Jahren, der vor kurzem von seinen
Eltern EUR 4 Mio. geerbt hat und nach Einschätzung des Beraters eine über-
durchschnittlicheRisikotoleranz(A
D 2) aufweist. Um einen angenehmen Ruhestand
zu finanzieren, möchte der Kunde eine über der Inflation liegende langfristige Anlage-
rendite erzielen. Der Kunde möchte in den nächsten 12 Monaten seine Hypothek von EUR
abzahlen,ohnedengeerbtenKapitalbetragvonEUR4Mio.anzutasten.
200:000
Für die Anlage des geerbten Vermögens schlägt der Anlageberater die drei folgenden
AlternativenzurstrategischenAsset-Allokationvor:

Strategische Asset- Erwartete Rendite Standardabweichung


Allokationen der Renditen
A 9,0 % 18 %
B 7,8 % 14,29 %
C 5,2 % 7%

1. Welche der drei vorgeschlagenen strategischen Asset-Allokationen weist für den


Kunden mit einem Risikoaversionskoeffizienten von 2 den höchsten Nutzen auf?
Wie hoch ist die über 1 Jahr zu erzielende Mindestrendite, ohne dass der geerbte
2. Kapitalbetrag von EUR 4 Mio. unterschritten wird?

3. Wie sieht der Anlageentscheid aus, wen n zusätzlich zu den Nutzenfunktionen eine
über der Mindestrendite liegende risikoadjustierte Rendite von ŒE.rP / 
Mindestrendite=¢P verwendet wird?

Lösungzu1
Die drei strategischen Asset-Allokatione n weisen den folgenden Nutzen für den Kun- den
auf:
1
UA D 0;09   2  0;182 D 0;0576;
2
1
UB D 0;078   2  0;14292 D 0;0576;
2
1
UC D 0;052   2  0;072 D 0;0471:
2
Der Kunde ist zwischen den beiden Varianten A und B indifferent, weil beide denselben
Nutzen von 0,0576 stiften.
3.7 RisikoaversionundoptimalesPortfolio 109

Lösungzu2
Damit der ursprünglich geerbte Kapitalbetrag von EUR 4 Mio. nicht vermindert wird, muss
im1.JahreineMindestrenditevon5%erzieltwerden:
EUR 200:000
Mindestrendite D D 5 %:
EUR 4:000:000

Lösungzu3
DiedreistrategischenAnlagenverteilungenbesitzendiefolgendenüberderMindest-rendite
von5%liegendenrisikoadjustiertenRenditen:

0;09  0;05
risikoadjustierte Rendite für A D D 0;222;
0;18
0;078  0;05
risikoadjustierte Rendite für B D D 0;196;
0;1429
0;052  0;05
risikoadjustierte Rendite für C D D 0;029:
0;07
Die strategische Asset-Allokation A verfügt aufgrund der höchsten risikoadjustierten
Rendite von 0,222 über die niedrigste Wahrscheinlichkeit von rund 41 %38 , dass die
Mindestrendite von 5 % nicht erreicht werden kann. Daher ist der strategischen Anla-
genverteilung A gegenüber B der Vorzug zu geben, obwohl beide Asset-Allokationen den
gleichenNutzenvon0,0576aufweisen.

3.7.4 DasoptimalerisikobehaftetePortfolio

DieKonstruktionderEffizienzkurveerfolgtmitKapitalmarktdatenwiedererwartetenRendite,
derStandardabweichungundderKovarianzbzw.derKorrelation.AufdieserKurveliegendiein
Bezug auf Rendite und Risiko effizientesten Anlagekombinationen. Effiziente Portfolios
weisen im Vergleich zu allen anderen Portfolios für das gleiche Risi- ko die höchste Rendite auf
oderhaben die gleicheRendite bei niedrigster Standardabwei- chung. Bei der Konstruktion der
Effizienzkurve wird unterstellt, dass sich die Investoren risikoavers verhalten. Die
Indifferenzkurve n hingegen zeigen den Nutzen aus Anlagekom- binationen in Abhängigkeit
vomRisikoverhaltendesInvestors.SiestelleneinenTrade-offzwischendererwartetenRendite
und dem Ris iko dar. Verbindet man die Effizienzkurve mit den investorenspezifischen
Indifferenzkurven,soerhältmandasoptimalePortfolio.

Abb.3.12zeigtdasoptimalePortfoliofürzweiAnlegermitunterschiedlicherRisikoaver-
sion.AnlegerA,derstärkerrisikoaversist,hatentsprechendsteilereIndifferenzkurven

38
UnterderAnnahmederNormalverteilungbeträgtdieWahrscheinlichkeit,dassdieMindestrenditevon
5%beiAsset-AllokationAnichterreichtwird,rund41%.BeidenAnlagenverteilungenBund
C sind die entsprechenden Wahrscheinlichkeite n 42 % und 49 %. Für die Shortfall Probability vgl.
Abschnitt2.3.2überdasDownside-Risiko.
110 3 OptimalesPortfolio

B6
(erwartete B5
Rendite) B4

X
E(rX ) Effizienzkurve

P
E(rP )
A3
A2
A1

0%
0% σP σX (Standardabweichung
der Renditen)

Abb.3.12 Optimales risikobehaftetes Portfolio

A1, A2 und A3. Für eine zusätzliche Risikoeinheit erwartet Anleger A eine höhere Rendi- te als
Investor B, der weniger steile Indifferenzkurven B4, B5 und B6 besitzt. Das optimale Portfolio
liegt auf der Effizienzkurve und weist für einen Anleger den größten möglichen Nutzen auf. Es
liegt also auf dem Berührungspunkt zwischen der Effizienzkurve und der Indifferenzkurve mit
dem höchsten erreichbaren Nutzen. Anleger A wählt das Portfolio P auf der Effizienzkurve aus,
bei der die Indifferenzkurve A2 die Effizienzkurve berührt. Investor B hingegen, der weniger
risikoaversist,legtseinGeldin PortfolioX an, daseinehöhere erwartete Rendite undeinhöheres
Risiko im Vergleich zur Anlagekombination P aufweist. Die Indifferenzkurven A3 und B6
können nicht erreicht werden, da für diese Nutzenfunktionen keine Portfolios gebildet werden
können.

3.8 DierisikoloseAnlage:Kapitalallokationslinienmodell

Eine risikobehaftete Anlage besitzt unsichere zukünftige Renditen. Diese Unsicherheit lässt
sichmitderVarianzbzw.StandardabweichungderRenditenmessen.ImGegen-satzdazuistdie
erwarteteRendite einer ris ikolosen kurzfristigen Anlage sicher. DamiteineAnlage risikolosist
und somit eine sichere Rendite abwirft, darf sie nicht über ein Kredit-, Zinsänderungs-,
Inflations- und Wiederanlagerisiko verfügen. Staatsanleihen mit einer erstklassigen Bonität
wie etwa die deutschen Bundesanleihen und die Anleihen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft weisen grundsätzlich kein bzw. lediglich ein ge- ringfügiges Kreditrisiko
auf. Sie gelten in normalen Zeiten als eine sichere Geldanlage. Staatsanleihen sind dem
Preisänderungsrisiko infolge von Zinsänderungen ausgesetzt, wenn die Anlagedauer nicht der
Laufzeit der An leihe entspricht. Steigen die Zinssätze, fallen die Anleihepreise. Das
Zinsänderungsrisiko nimmt bei längeren Laufzeiten zu. Ein Ansteigen der Inflation führt zu
einemhöherennominalenZinssatzunddementsprechend
3. DierisikoloseAnlage:Kapitalallokationslinienmodell 111

zu einem Preisrückgang der Anleihe. Es gibt Staatsanleihen mit erstklassiger Bonität, die einen
Inflationsschutz gewähren. Inflationsgeschützte Staatsanleihen findet man beispiels- weise in
denUSA,GroßbritannienundDeutschland. 39
Das Wiederanlagerisiko stellt ein
weiteres Risiko einer Kuponanleihe dar. Beträgt zum Beispiel die Anlagedauer und die
Laufzeit der Anleihe 10 Jahre , dann müssen die während d er Laufzeit der Anleihe er- haltenen
Kupons angelegt werden. Dabei ist der Zinssatz für die Anlage der Kupons heute nicht bekannt,
sodass die Rendite der A nleihe nicht mit Sicherheit bestimmt wer- den kann. Das
Wiederanlagerisiko lässt si ch mit Nullkuponpapieren beseitigen, weil diese Anlagen keine
Kupons bezahlen und folglich kein W iederanlagerisiko besteht. Beispiels- weise besitzen
unverzinslicheSchatzanweisungenderBundesrepublikDeutschland
40
und
Geldmarktbuchforderungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft41 keinen Kupon und
somit auch kein Wiederanlagerisiko. Allerdings können diese Papiere lediglich von insti-
tutionellen Investoren wie etwa Banken gekauft werden.
EineAnlagekanngrundsätzlichdannalsrisikolosbezeichnetwerden,wennsieüberkein
Kreditrisiko-undZinsänderungsrisikoverfügt,inflationsgeschütztistundkeinWie-
deranlagerisikobesitzt.ÜblicherweisewerdenkurzfristigerisikoloseStaatspapierewie
unverzinslicheSchatzanweisungenderBundesrepublikDeutschlandmitLaufzeitenvon6und
12MonatenundGeldmarktbuchforderungenderSchweizerischenBundestresoreriemit
Laufzeitenvon3,6und12MonatenalsrisikoloseAnlagenbetrachtet.Aufgrundderkurzen
Laufzeitenvonmaximal1JahristdasZinsänderungsrisikorelativgering.Siebe-sitzen
grundsätzlichkeinKreditrisikounddiekurzfristigeLaufzeitdecktsichinderRegelmitdervom
InvestorvorgegebenenAnlagedauer.DiesePapieredesGeldmarktsegmentswerdenzueinem
Diskontpreis(unterdemNominalwertvon100%)emittiertundzumNominalwertvon100%
zurückbezahlt.DecktsichdieLaufzeitdieserrisikolosenPapie-remitderAnlagedauer,kann
derInvestoreinesichereRenditeerzielen(vorausgesetztdieInflationistüberdiesenZeitraum
vernachlässigbar).DasRisikobzw.dieStandardab-weichungderRenditeneinerrisikolosen
Anlagebeträgt0%(

¢ D 0), weil die erwartete


Rendite über die Laufzeit der Anlage sicher ist.
Die erwartete Rendite eines Portfolios ŒE .rGP /, das aus einer risikolosen Anlage
und einem risikobehafteten Portfolio besteht, berechnet sich in Anlehnung an ein Zwei-
Anlagen-Portfolio wie folgt:

E .rGP / D wF rF C wP E .rP / ; (3.32)


wobei:

wF D prozentualer Anteil der risikolosen Anlage im Gesamtportfolio,


wP D prozentualerAnteildesrisikobehaftetenPortfoliosimGesamtportfolio,
rF D risikoloser Zinssatz,
E.rP / D erwartete Rendite des risikobehafteten Portfolios.

39
Vgl. Abschn. 8.6.2.3 .
40
Vgl. Abschn. 8.8.5.2 .
41
Vgl. Abschn. 8.8.5.3 .
112 3 OptimalesPortfolio

2
Die Varianz eines Portfolios (¢GP ),dassichausdenzweiInvestitionenindierisikolose
AnlageundindasrisikobehaftetePortfoliozusammensetzt,lässtsichfolgendermaßen
ermitteln:
2
¢GP D w2F ¢F2 C w2P ¢P2 C 2wF wP ¡F;P ¢F ¢P ; (3.33)
wobei:

¢F D Standardabweichung der Renditen der risikolosen Anlage,


P D StandardabweichungderRenditendesrisikobehaftetenPortfolios,¢
¡F;P D Korrelationskoeffizient zwischen den Renditen der risikolosen Anlage und des ri-
sikobehafteten Portfolios.

Die Standardabweichung der Renditen einer kurzfristigen, risikolosen Anlage beträgt 0 % (


F D 0).EntsprechendentfallenrechtsdesGleichheitszeichensderersteundderdritte¢
Term aus (3.33 ), 42 was zu folgender Formel für die Varianz des Portfolios führt:

2
¢GP D w2P ¢P2 : (3.34)

Die Standardabweichung der Renditen des Portfolios beträgt demnach:


q
¢GP D w2P ¢P2 D wP ¢P : (3.35)

Die Standardabweichung des Portfolios (¢GP ),dasauseinerKombinationausderrisiko-


losenAnlageundeinemrisikobehaftetenPortfoliobesteht,istdiegewichteteStandardab-
weichung des risikobehafteten Portfolios. Der Einbezug einer risikolosen Anlage in ein
risikobehaftetesPortfolioverändertderenRendite-Risiko-Eigenschaften.
DieerwarteteRenditeunddieStandardabweichungeinessolchenPortfolioskönnenmit
linearenGleichungen(sieheFormeln( 3.32)und(3.35))berechnetwerden.Überträgtmandiese
BeziehungineinRendite-Risiko-Diagramm,solassensichdieerwarteteRen-diteunddasRisiko
desPortfoliosmiteinerGeradenzwischenderrisikolosenAnlageunddemrisikobehafteten
Portfoliodarstellen.Abb. 3.13zeigtdieinBezugaufRenditeundRisikoeffizienteste
Kapitalallokationslinie.SiestellteineKombinationzwischeneinerrisikolosenAnlageund
einemaufderEffizienzkurveliegendenrisikobehaftetenPortfo-liodar.Dieeffizienteste
KapitalallokationslinielässtsichalsTangenteausgehendvomrisikolosenZinssatzr

F an die Effizienzkurve zeichnen. Das Portfolio TP stellt das Tan-


gentialportfolio dar.
DerRendite-Risiko-Punkt1liegtaufdereffizientestenKapitalallokationslinieundsetztsich
auseinerKombinationausderrisikolosenAnlageunddemTangentialportfolioTPzusammen.
DasPortfolio2hingegenbefindetsichaufeinerwenigeffizientenKapitalal-

42
DerKorrelationskoeffizientzwischendenRenditenderrisikolosenAnlageunddesrisikobehafte-ten
Portfoliosistebenfalls0,weilbeiderrisikolosenAnlagekeineRenditeschwankungenvorliegen,
während das Portfolio von risikobehafteten Anlagen volatile Renditen aufweist.
3. DierisikoloseAnlage:Kapitalallokationslinienmodell 113

effizienteste
(erwartete Kapitalallokationslinie
Rendite)
Tangential-
Effizienzkurve
portfolio TP
E(rTP )
Kapitalallokationslinie
1 für Anlagen rF und X
E(r1)
E(r2 ) X
rF 2

0%
0% σ1 = σ2 σTP (Standardabweichung
der Renditen)

Abb.3.13 Kapitalallokationslinie

lokationslinie und besteht aus der risikolosen Anlage sowie aus dem risikoreichen Port- folio X,
dasaufderEffizienzkurveliegt.BeideAnlagekombinationen1und2besitzendasgleicheRisiko,
aber die erwartete Rendite von Portfolio 1, das auf der effizientesten Kapitalallokationslinie
liegt,istgrößer.RisikoaverseMarktteilnehmerwählendasPortfo-lio1aus,weilesimVergleich
zurAnlagekombination2beigleichemRisikoeinehöhereerwarteteRenditeaufweist.

Die Kapitalallokationslinie ist eine Gerade und damit durch die folgende lineare Funk-
tion gegeben:
Y D a C bX; (3.36)
wobei:
a D Konstante der Geraden,
b D Steigung der Geraden, die durch die Veränderung der abhängigen Variablen Y di-
vidiert durch die Veränderung der unabhängigen Variablen X berechnet wird (b D
Y=X).

Abb. 3.14 zeigt, dass die Konstante der effizientesten Kapitalallokationslinie (a) dem
risikolosen Zinssatz rF entspricht. Die Steigung der Geraden (b) lässt sich durch die Dif-
ferenz zwischen der erwarteten Rendite des Tangentialportfolios und dem risikolosen Zinssatz
dividiert durch die Standardabweichung der Renditen des Tangentialportfolios bestimmen.
DiesführtzufolgenderFormelfürdieBerechnungdererwartetenRenditeei-nesPortfoliosE
Π.rGP /, das sich aus einer risikolosen Anlage und dem Tangentialportfolio
zusammensetzt:  
E .rTP /  rF
E .rGP / D rF C ¢GP ; (3.37)
¢TP
114 3 OptimalesPortfolio

effizienteste
(erwartete Kapitalallokationslinie
Rendite)
(Y)
Tangential-
Effizienzkurve
portfolio TP
E(rTP )

ΔY = E(rTP ) − rF
a = rF
rF
ΔY E(rTP ) − rF
b= =
a ΔX = σ TP − 0 ΔX σ TP
0%
0% σTP (Standardabweichung
der Renditen)
(X)

Abb.3.14 Bestimmung der erwarteten Rendite eines Portfolios anhand der effizientesten Kapital-
allokationslinie

wobei:

E .rTP / D erwartete Rendite des Tangentialportfolios,


¢TP D Standardabweichung der Renditen des Tangentialportfolios,
¢GP D Standardabweichung des Gesamtportfolios (¢GP D wP ¢P ).

Die Steigung der effizientesten Kapitalallokationslinie entspricht der Sharpe Ratio des
Tangentialportfolios. Die Sharpe Ratio zeigt den Anteil der Rendite über dem risikolosen
ZinssatzfüreineEinheitdeseingegangenenGesamtrisikos,alsomitanderenWorten,wievieldie
Überschussrenditesteigt,wenndieStandardabweichungumeineEinheit(z.B.1%)zunimmt.

UmdasTangentialportfolio(TP)zubestimmen,isteinOptimierungsproblemzulösen.Die
ZielfunktionistdieMaximierungderSharpeRatio,währenddieNebenbedingungerfülltsein
muss,dassdieSummederGewichte1ergibt:
Zielfunktion:
Maximiere Sharpe Ratio E .rTP /  rF
D ; (3.38)
durch Veränderung von w ¢TP
unterliegt folgender Nebenbedingung:

N
Xi wi D 1:
D1

Mithilfe der Differentialrechnung lässt sich dieses nicht-lineare Problem lösen. Für ein
Zwei-Anlagen-Portfolio(AundB)kanndasGewichtderAnlageAmitfolgenderGlei-
3. DierisikoloseAnlage:Kapitalallokationslinienmodell 115

chung ermittelt werden:43

ŒE .rA /  rF  ¢B2  ŒE .rB /  rF  CovA;B


wA D : (3.39)
ŒE .rA /  rF  ¢B2 C ŒE .rB /  rF  ¢A2  ŒE .rA /  rF C E .rB /  rF  CovA;B

Beispiel
Tangentialportfolio mit zwei risikobehafteten Anlagen A und B
Ein Portfolio besteht aus den beiden Aktien A und B. Der Portfoliomanager erwartet die
folgendenRenditenundStandardabweichungenfürdiebeidenAnlagen:

Erwartete Rendite Standardabweichung


Aktie A 10 % 30 %
Aktie B 20 % 50 %

Der Korrelationskoeffizient zwischen den beiden risikobehafteten Wertpapieren


liegt bei 0,01. Der risikolose Zinssatz beträgt 2 %.

1. Aus welchen prozentualen Anteilen der beiden risikobehafteten Anlagen A und B setzt
sichdasTangentialportfoliozusammen?
2. Wie hoch sind die erwartete Rendite und das Risiko des Tangentialportfolios?
3. WiehochistdieSharpeRatiodesTangentialportfoliosbzw.dieSteigungdereffi-zientesten
Kapitalallokationslinie?

Lösungzu1
Die Kovarianz zwischen den beiden Aktien A und B kann wie folgt bestimmt werden:

CovA;B D ¡A;B ¢A ¢B D 0;01  0;3  0;5 D 0;0015:

Das Gewicht der Aktie A von 55,1 % im Tangentialportfolio lässt sich mit ( 3.39 )fol-
gendermaßenberechnen:

.0;10  0;02/  0;502  .0;20  0;02/  0;0015


wA D
.0;10  0;02/  0;502 C .0;20  0;02/  0;302  .0;10  0;02 C 0;20  0;02/  0;0015
D 0;551:

Das Gewicht der Aktie B im Tangentialportfolio beläuft sich auf 44,9 %:

wB D 1  0;551 D 0;449:
43
Die Gleichung für das optimale Gewicht der Anlage A kann wie folgt hergeleitet werden: In die E r
Gleichung der Sharpe Ratio werden für dasq Tangentialportfolio die erwartete Rendite w A . A / C
.1  wA /E.rB / und die Standardabweichung w2A ¢A2 C .1  wA /2 ¢B2 C 2wA .1  wA /¡A;B ¢A ¢B ein-
gesetzt. Die Sharpe Ratio wird nach dem Gewicht der Anlage A (wA ) abgeleitet, gleich 0 gesetzt
und nach wA aufgelöst.
116 3 OptimalesPortfolio

Das Tangentialportfolio besteht zu 55,1 % aus Aktie A und zu 44,9 % aus Aktie B.

Lösungzu2
Die erwartete Rendite von 14,49 % und die Standardabweichung von 28,01 % des Tan-
gentialportfolios(TP)könnenwiefolgtbestimmtwerden:

E .rTP / D 0;551  10 % C 0;449  20 % D 14;49 %;


p
¢TP D 0;5512  0;302 C 0;4492  0;502 C 2  0;551  0;449  0;0015
D 0;28011 D 28;01 %:

Lösungzu3
Die Steigung der effizientesten Kapitalallokationslinie ist durch die Sharpe Ratio des
Tangentialportfolios .SR / gegeben und beträgt 0,446:
TP

14;49 %  2 %
SRTP D D 0;446:
28;01 %
Das Tangentialportfolio liegt auf der effizientesten Kapitalallokationslinie. Die Stei- gung
dieser Kapitalallokationslinie ist höher als die Steigung jeder anderen Kapitalal-
lokationsliniezwischeneinemanderenPortfolioaufderEffizienzkurveundderrisiko-losen
Anlage.

NimmtderInvestorGeldzumrisikolosenZinssatzauf,sokannermehrals100%seines
KapitalsindasTangentialportfolioanlegen.IneinemsolchenFallliegtdasoptima-lePortfolio
rechtsvomTangentialportfolioaufdereffizientestenKapitalallokationslinie.Daszusätzlich
mitFremdkapitalfinanziertePortfolioweistimVergleichzumTangential-portfolioeinehöhere
erwarteteRendite,aberaucheinhöheresRisikoauf.

Beispiel
Erwartete Rendite und Risiko eines Portfolios auf der effizientesten Kapitalallo-
kationslinie
Ein Portfoliomanager hat mit einer Anlageliste von 100 Aktien die Effizienzkurve kon-
struiert.ErstelltfürzweiKunden,diejeeinVermögenvonEUR 100:000 besitzen, ein
Portfolio aus einer risikolose n Anlage und einem risikobehafteten effizienten Portfolio
zusammen. Um die effizienteste Anlagekombination für seine Kunden zur Verfügung zu
stellen, bestimmt er das Tangentialportfolio, das auf der effizientesten Kapitalallo-
kationslinie liegt. Das Tangentialportfolio besitzt eine erwartete Rendite von 10 % und eine
Standardabweichungvon30%.DerZinssatzfürrisikoloseAnlagenbeträgt3%.

1. Für den ersten Kunden entscheidet der Portfoliomanager, EUR 60:000 in eine ri-
sikolose Anlage und EUR 40:000 in das Tangentialportfolio anzulegen. Wie hoch
sind die erwartete Rendite und das Risiko dieser Anlagekombination?
3. DierisikoloseAnlage:Kapitalallokationslinienmodell 117

2. Der zweite Kunde ist weniger risikoavers und hat den Wunsch geäußert, eine er- wartete
Rendite von mehr als 10 % zu erzielen. Um dieser Renditeforderung nach- zukommen,
nimmtderPortfoliomanagerEUR
40:000 zum risikolosen Zinssatz auf
und investiert EUR 140:000 in das Tangentialportfolio. Wie hoch sind die erwartete
Rendite und das Risiko dieser Anlage?

Lösungzu1
Gemäß ( 3.32 ) beträgt die erwartete Rendite 5,8 %:

E .r1 / D 0;60  3 % C 0;40  10 % D 5;8 %:

Mit ( 3.35 ) lässt sich die Standardabweichung der Renditen von 12 % wie folgt berech- nen:

¢1 D 0;40  30 % D 12 %:
Wendet man ( 3.37 ) an, so erhält man wiederum eine erwartete Rendite von 5,8 %:
 
0;10  0;03
E .r1 / D 0;03 C  0;12 D 0;058:
0;30

Das Portfolio, das zu 60 % aus der risikolosen Anlage und zu 40 % aus dem Tangen-
tialportfoliobesteht,weisteineerwarteteRenditevon5,8%undeinRisikovon12%auf.

Lösungzu2
Um die erwartete Rendite zu bestimmen, sind die Zinskosten für das aufgenommene Geld zu
berücksichtigen.140%vonEUR 100:000 sind in dem Tangentialportfolio an-
gelegt, indem 40 % von EUR 100:000 zum risikolosen Zinssatz aufgenommen werden.
Die erwartete Rendite von 12,8 % kann wie folgt berechnet werden:

E .r2 / D 1;40  10 % C .0;40/  3 % D 12;8 %:

DasRisikovon42%dieses,mitFremdkapitalfinanzierten,Portfolioskannfolgender-maßen
bestimmtwerden:

¢2 D 1;40  30 % D 42 %:

Mit ( 3.37 ) lässt sich die erwartete Rendite von 12,8 % auch wie folgt berechnen:
 
0;10 0;03
E .r2 / D 0;03 C  0;42 D 0;128:
0;30

Das mit Fremdkapital finanzierte Portfolio verfügt über eine erwartete Rendite von 12,8 %
undübereinRisikovon42%.DieerwarteteRenditevon12,8%isthöheralsdie
11 3 OptimalesPortfolio

effizienteste
(erwartete Kapitalallokationslinie
Rendite)
Tangential-
2
E(r2 ) = 12,8% portfolio TP Effizienzkurve

E(rTP ) = 10%

1
E(r1) = 5,8%

rF

0%
0% σTP = 30% (Standardabweichung
σ1 = 12% σ2 = 42% der Renditen)

Abb.3.15 ErwarteteRenditeundRisikovonAnlagekombinationenaufdereffizientestenKapi-
talallokationslinie(UmdieGraphikanschaulichdarzustellen,sinddieerwarteteRenditeaufder
Y-Achse und die Standardabweichung auf der X-Achse unterschiedlich skaliert.)

vomKundengeforderteRenditevon10%.AllerdingsbesitztdieseAnlageeinRisikovon42%,
während das Tangentialportfolio, dessen erwartete Rendite 10 % beträgt, lediglich eine
Volatilitätvon30%aufweist.Abb. 3.15zeigtdenZusammenhangdieserAnlagenauf.

3.9 Kapitalallokationzwischenderrisikobehaftetenundder
risikolosenAnlage

DieAuswahldesoptimalenPortfoliosaufdereffizientestenKapitalallokationsliniestellteinen
Trade-offzwischendererwartetenRenditeunddemRisikodar.Wenigerrisikoaver-seAnleger
halten einen höheren Anteil des Tangentialportfolios im optimalen Portfolio. Im Gegensatz
dazu bevorzugen Investoren mit einer höheren Risikoaversion eine kleine- re Allokation ihres
Geldes in das Tangentialportfolio und investieren entsprechend einen höheren Anteil des
GesamtportfoliosinrisikoloseAnlagen.

DieoptimaleKapitalallokationzwischenTangentialportfolioundrisikoloserAnlageliegt
dort,wodermaximaleNutzenfürdenInvestorerzieltwerdenkann.MitderFormelU
D E .r/  0;5A¢ 2 lässt sich der Nutzen von einzelnen Anlegern quantifizieren. Nimmt
der Anteil des Tangentialportfolios im Gesamtportfolio zu, so steigt sowohl die erwartete
Rendite als auch die Volatilität, was zu einer Veränderung des Nutzens führt. Tab. 3.4 zeigt bei
einer Änderung des Tangentialportfolios und beieinem Risikoaversionskoeffizientenvon 2 die
VeränderungdesNutzens.InAnlehnungandasvorangegangeneBeispielbetra-
3.9 KapitalallokationzwischenderrisikobehaftetenundderrisikolosenAnlage 119

Tab.3.4 Verschiedene Nutzenwerte des Portfolios auf der Kapitalallokationslinie


Prozentualer Anteil des Erwartete Rendite des Risiko des Portfolios: Nutzen bei A D 2:
Tangentialportfolios im Portfolios: E .rGP / D ¢GP D wTP ¢TP U D E .rGP / 
2
Portfolio: wTP wF rF C wTP E .rTP / 0:5A¢GP
0% 0,030 0,00 0,0300
10 % 0,037 0,03 0,0361
20 % 0,044 0,06 0,0404
30 % 0,051 0,09 0,0429
40 % 0,058 0,12 0,0436
50 % 0,065 0,15 0,0425
60 % 0,072 0,18 0,0396
70 % 0,079 0,21 0,0349
80 % 0,086 0,24 0,0284
90 % 0,093 0,27 0,0201
100 % 0,100 0,30 0,0100

gendieerwarteteRenditeunddieStandardabweichungdesTangentialportfolios10%und30%.
DerrisikoloseZinssatzliegtbei3%.
DergrößteNutzenvon0,0436entstehtbeieinerKapitalallokationvon40%indas
Tangentialportfoliound60%indierisikoloseAnlage(sieheTab. 3.4).IstderprozentualeAnteil
desTangentialportfoliosimGesamtportfoliokleinerals40%,sowerdenInves-torendasRisiko
erhöhen,waszueinerhöherenerwartetenRenditeundeinemhöherenNutzenniveauführt.
UmgekehrtwerdensiebeieinemAnteilvonmehrals40%desTan-gentialportfoliosdasRisiko
reduzieren,wasindiesemFallzwareineniedrigereerwarteteRendite,abereinengrößeren
NutzenzurFolgehat.DieAufteilungzwischenTangential-portfolioundrisikoloserAnlageist
derartfestzulegen,dassderNutzenfürdenInvestormaximiertwird.Einesolche
AnlagekombinationstelltdasoptimalePortfoliofüreinenInvestordar.

Mathematisch lässt sich das Problem der Nutzenmaximierung wie folgt beschreiben:

1 2
Max U D E .rGP /  A¢GP : (3.40)
2

Werden in der oben stehenden Formel die erwartete Portfoliorendite E .rGP / mit rF C
2
wTP ŒE .rTP /  rF 44 und die Portfoliovarianz ¢GP mit w2TP ¢TP
2
ersetzt, so erhält man fol-
gende Gleichung für die Nutzenmaximierung:

1
Max U D rF C wTP ŒE .rTP /  rF   Aw2TP ¢TP
2
: (3.41)
2
44
Multipliziert man diese Gleichung für d ie Portfoliorendite aus, erhält man r F C wTP E.rTP / 
wTP rF D .1  wTP /rF C wTP E.rTP / . Dabei ist wF D 1  wTP , weil die Summe der Gewichte 1 ist.
Somit entspricht dieser Ausdruck der erwarteten Portfoliorendite gemäß ( 3.32 ).
120 3 OptimalesPortfolio

UmdasMaximierungsproblemzulösen,mussdieFormelabgeleitetundgleich0gesetztwerden.
45
WirddieseGleichungnachdemprozentualenAnteildesTangentialportfolios(w
TP ) aufgelöst, resultiert folgende Formel für das optimale bzw. nutzenmaximierende
Gewicht der risikobehafteten Anlage im Portfolio:

E .rTP /  rF
wTP D 2
; (3.42)
A¢TP

wobei:

wTP D optimales Gewicht des Tangentialportfolios im gesamten Portfolio, das den Nutzen
für den Anleger maximiert.

Gl.(3.42)zeigt,dasssichdieoptimaleAllokationderrisikobehaftetenAnlagepropor-tionalzur
Risikoprämie (Rendite bereinigt um den risikolosen Zinssatz) und umgekehrt proportionalzur
RisikoaversiondesInvestorsunddesRisikosverhält.

Beispiel
Berechnung der Kapitalallokation
In Anlehnung an das vorangegangene Beispiel betragen die erwartete Rendite und die
Standardabweichung des Tangentialportfolios 10 % und 30 %. Der risikolose Zinssatz liegt
bei3%.DerInvestorbesitzteinenRisikoaversionskoeffizientenvon2.

1. Aus welchen Anteilen des Tangentialportfolios und der risikolosen Anlage setzt sich das
optimalePortfoliozusammen,wennderNutzendesInvestorsmaximiertwird?

2. Wie hoch sind die erwartete Rendite und das Risiko des optimalen Portfolios? Wie
3. hochistdieSharpeRatiodesoptimalenPortfolios?

Lösungzu1
Der optimale prozentuale Anteil des Tangentialportfolios beträgt 38,89 %:

0;10  0;03
wTP D D 0;3889:
2  .0;30/2

Demnach besteht das optimale Portfolio zu 38,89 % aus dem Tangentialportfolio und zu
61,11 % aus der risikolosen Anlage. Dieses Portfolio weist für den Investor den höchsten
Nutzenauf.

45
Leitet man ( 3.41 ) nach wTP ab und setzt diese Gleichung gleich 0, gelangt man zu folgender A
2
Gleichung: 0 D E.rTP /  rF  wTP ¢TP . Wird diese Gleichung nach wTP aufgelöst, resultiert daraus
(3.42).
3.9 KapitalallokationzwischenderrisikobehaftetenundderrisikolosenAnlage 121

effizienteste
(erwartete Kapitalallokationslinie
Rendite) Tangential-
portfolio TP
Effizienzkurve
optimales
Portfolio OP
E(rTP ) = 10%

E(rOP ) = 5,72%
Indifferenzkurven
rF

0%
0% σTP = 30% (Standardabweichung
σOP = 11,67% der Renditen)

Abb.3.16 OptimalesPortfolioaufdereffizientestenKapitalallokationslinie(UmdieGraphikan-
schaulichdarzustellen,sinddieerwarteteRenditeaufderY-AchseunddieStandardabweichungauf
der X-Achse unterschiedlich skaliert.)

Lösungzu2
Die erwartete Rendite des optimalen Portfolios liegt bei 5,72 %:

E .rOP / D 0;3889  10 % C 0;6111  3 % D 5;72 %:

Das Risiko des optimalen Portfolios von 11,67 % kann wie folgt berechnet werden:

¢OP D 0;3889  0;30 D 0;1167 D 11;67 %:

Abb. 3.16 zeigt das optimale Portfolio mit einer erwarteten Rendite von 5,72 % und einer
Standardabweichung der Renditen von 11,67 %, das auf der effizientesten Kapi-
talallokationslinieundaufderhöchstmöglichenIndifferenzkurveliegt.

Lösungzu3
Die Sharpe Ratio des optimalen Portfolios beläuft sich auf 0,2331:
0;0572  0;03
SROP D D 0;2331:
0;1167
Die Sharpe Ratio entspricht der Steigung der Kapitalallokationslinie. Je steiler die
Steigung, desto höher ist die Zunahme der Differenz zwischen der Rendite und dem
risikolosen Zinssatz (Risikoprämie) bei einem Anstieg des Risikos. Portfolios, die auf der
effizientesten Kapitalallokationslinie liegen, verfügen im Vergleich zu allen ande- ren
möglichenAnlagekombinationenübereinehöhereSharpeRatioundsinddaherinBezugauf
RenditeundRisikoattraktiver.
122 3 OptimalesPortfolio

EineneuerisikobehafteteAnlagewirdnurdannzueinembestehendenPortfoliohinzu-
gefügt,wenndieneueAnlagekombinationübereinehöhererisikoadjustierteRenditeim
VergleichzumbestehendenPortfolioverfügt.DabeiistdieAufnahmeeinerneuenAnlageinein
Portfoliooptimal,wenndiefolgendeBedingungerfülltist:
46

 
E .rneu /  rF E .rP /  rF
> ¡Rneu ;P ; (3.43)
¢neu ¢P
wobei:

E .rneu / D erwartete Rendite der neuen Anlage,


¢neu D Standardabweichung der Renditen der neuen Anlage,
¡Rneu ;P D Korrelationskoeffizient zwischen den Renditen der neuen Anlage und dem be-
stehenden Portfolio.

Um eine höhere Sharpe Ratio durch das Hinzufügen einer neuen Anlage zu erhalten, muss die
Sharpe Ratio der neuen Anlage größer sein als das Produkt aus der Sharpe Ra- tio des Portfolios
und dem Korrelationskoeffizienten zwischen den Renditen der neuen Anlage und dem
bestehenden Portfolio. Die neue Anlagekombination befindet sich auf einer übergeordneten
Effizienzkurve, was ein Tangentialportfolio zur Folge hat, das ei- ne höhere Sharpe Ratio
aufweist. Gl. ( 3.43 ) zeigt lediglich, dass man mit einer neuen Anlage im Portfolio die
Effizienzkurve verbessern kann. Die Formel sagt jedoch nichts über die erforderliche
GewichtungderneuenAnlageimPortfolioaus.DieoptimalenPortfoliogewichte,diezurneuen
Effizienzkurve führen, lassen sich durch das Rendite- Risiko-Optimierungsverfahren gemäß (
3.23)bestimmen.

Beispiel
Hinzufügen einer risikobehafteten Anlage zu einem bestehenden Portfolio
Ein Portfoliomanager einer schweizerischen Pensionskasse hat in Schweizer Aktien,
Schweizer Anleihen, Liegenschaften in der Schweiz und in deutsche Aktien investiert. Das
PortfolioweisteineSharpeRatiovon0,30auf.DasAnlagekomiteederPensi-onskasseprüft,
einederbeidenfolgendenalternativenAnlageklassenindasPortfolioaufzunehmen:

 Private Equity: geschätzte Sharpe Ratio von 0,12 und geschätzte Korrelation zum
bestehendenPortfoliovon0,45,
 Hedgefonds: geschätzte Sharpe Ratio von 0,35 und geschätzte Korrelation zum be-
stehendenPortfoliovon0,70.

Welche der beiden alternativen Anlageklassen muss das Anlagekomitee in das be- stehende
Portfolioaufnehmen,umdieSharpeRatiodesbestehendenPortfolioszuerhöhen?

46
Für die Herleitung der Formel vgl. Elton et al. 1987 : Professionally Managed, Publicly Traded
Commodity Funds, S. 198.
3.10 HomogeneErwartungen:Kapitalmarktlinienmodell 123

Lösung
Private Equity: Die Sharpe Ratio des bestehenden Portfolios multipliziert mit dem
Korrelationskoeffizienten zwischen Private Equity und bestehender Anlagekombina- tion
ergibteinenWertvon0,135(
D  0;45).DaderWertvon0,135höherist0;30
als die geschätzte Private Equity Sharpe Ratio von 0,12, wird das Anlagekomitee diese
AnlageklassenichtindasbestehendePortfolioaufnehmen.
Hedgefonds:DasProduktausderSharpeRatioderbestehendenAnlagekombinationund
demKorrelationskoeffizientenzwischenHedgefondsunddembestehendenPort-folioführt
zueinemWertvon0,21(
D  0;70).DadiegeschätzteSharpeRatioder
0;30
Hedgefonds von 0,35 höher ist als 0,21, wird das Anlagekomitee diese Anlageklasse
dem bestehenden Portfolio hinzufügen.

3.10 HomogeneErwartungen:Kapitalmarktlinienmodell

Unterstellt man, dass sämtliche Investoren identische (homogene) Erwartungen in Bezug auf
Preise, Cashflows und andere Anlagecharakteristiken haben, so führen alle Anleger die
gleichen Berechnungen durch und gelangen entsprechend zum gleichen optimalen ri-
sikobehafteten Portfolio. Unter der Annahme homogener Erwartungen besteht lediglich ein
optimales risikobehaftetes Portfolio. Haben Investoren hingegen unterschiedliche (he-
terogene)Erwartungen,soexistierenverschiedeneoptimalerisikoreichePortfolios.

Der innere Wert bzw. der Preis einer Aktie lässt sich mit einem Free-Cash-Flow-to-
Equity-Modell folgendermaßen bestimmen:47
1X t FCFEt
P0;Aktie D ; (3.44)
D1
Œ1 C E .r/t

wobei:
FCFEt D frei verfügbare Equity-Cashflows in der Periode t,
E .r/ D erwarteteRenditederAktionärebzw.Investoren.

Um den inneren Wert einer Aktie zu ermitteln, werden die für die Aktionäre frei verfüg- baren
Cashflows mit der erwarteten Rendite diskontiert. Da eine Aktie unter der Fortfüh-
rungsannahme (Going Concern) eine unbegrenzte Laufzeit aufweist, werden die Cash- flows
über einen unendlich langen Zeitraum diskontiert. Zum Beispiel ist die Aktie der Novartis AG
unteranderemanderSchweizerBörsenotiert.
48
Damit der innere Wert
der Novartis-Aktie bestimmt werden kann, sind die zukünftigen frei verfügbaren Equity-
Cashflows sowie die erwartete Rendite zu schätzen. Die prognostizierten Cashflows hän-

47
Vgl. Abschn. 7.3.3 .
48
Die Aktien der Novartis AG (Pharmakonzern) sind an der Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange)
sowie als Novartis American Depository Shares an der New York Stock Exchange notiert.
124 3 OptimalesPortfolio

gen vom zukünftigen Geschäftserfolg von Novartis ab. Je günstiger die Geschäftsentwick- lung
eingestuft wird, desto höher sind die Cashflows und somit der Aktienwert. Die erwar- tete
Rendite setzt sich aus dem risikolosen Zinssatz und einer Risikoprämie zusammen. Ein
gestiegenes Unternehmensrisiko hat eine höhere Risikoprämie und demnach eine hö- here
erwartete Rendite zur Folge, was zu einem niedrigeren inneren Aktienwert führt. Der
Geschäftserfolg und das Unternehmensrisiko von Novartis werden von Analysten und
Investoren unterschiedlich eingestuft, sodass sie zu unterschiedlich hohen Erwartun- gen
bezüglich der frei verfügbaren Equity-Cashflows und der erwarteten Renditen und
entsprechendauchdesAktienwertsgelangen.

Am2.April2015betrugderSchlusskursderNovartis-AktieCHF96,10.Marktteil-nehmer
könnenaufgrundihrerErwartungenderAuffassungsein,dassderAktienkursgeraderichtig,zu
hochoderzuniedrigist.BeieinerrichtigbewertetenAktieentsprichtdergehandelteAktienkurs
deminnerenWert.Anleger,dieglauben,dassderAktienkursüber-bewertetist,werdendas
Wertpapiernichtkaufenbzw.denAnteilvonNovartis-PapierenimPortfolioreduzieren.Istdas
Beteiligungspapierhingegenunterbewertet,werdendieInvestoreneinenKauftätigenbzw.den
AktienbestandinihremPortfolioerhöhen.

AnlegergelangenaufgrundihrerAnalyseundErwartungenzuverschiedenenAktien-
werten,wasunterschiedlicheAnlagegewichteimPortfoliozurFolgehat.Daherexistiertin
AbhängigkeitvondengetätigtenBerechnungsannahmeneineVielzahloptimalerri-
sikobehafteterAnlagekombinationen.UnterstelltmanhingegenhomogeneErwartungen,
investierensämtlicheAnlegeraufgrundderidentischenBerechnungenindasgleicheop-timale
risikobehaftetePortfolio.DieseAnlagekombination,dievonsämtlichenMarkt-teilnehmern
ausgewähltwird,wirdalsMarktportfoliobezeichnet.KonstruiertmandasMarktportfolio,
entsprichtbeispielsweisederprozentualeAnteilvonNovartis-AktienimPortfolioder
MarktkapitalisierungdesBeteiligungspapiersdividiertdurchdenMarktwertsämtlicher
risikobehafteterAnlagenimMarktportfolio.

SinddieMärkteinformationseffizient,reflektiertderAktienkursvonCHF96,10deninneren
WertdesWertpapiers,derdenBarwertallerzukünftigenfreiverfügbarenEquity-Cashflows
darstellt.DerAktienkursvonNovartisspiegeltallezurVerfügungstehendenInformationen
widerundMarkteilnehmerkönnenkeineüberdurchschnittlicheRenditemitdieserAnlage
erzielen.BeiinformationseffizientenMärktensindüberdurchschnittlicheRenditennicht
möglichunddaherbringtdieAktienanalysekeinenMehrwert.DiefürdieBestimmungderfrei
verfügbarenEquity-CashflowsunddererwartetenRenditenaufge-wendetenAnalysekosten
führenzukeinerüberdemMarktliegendenRendite.

IneineminformationseffizientenMarktstütztmansichaufdiePreiseimMarktundbildetein
passivesPortfolio.PassivePortfoliosbasierenaufMarktindizeswieetwainderSchweizdem
SMIunddemSPI(SwissPerformanceIndex) 49
und in Deutschland dem

49
DerSMIumfasstdie20AktienaufdemSchweizerAktienmarktmitdergrößtenLiquiditätund
Marktkapitalisierung.ImGegensatzdazubeinhaltetderSPIgrundsätzlichallebörsennotierten
schweizerischen Aktiengesellschaften und spiegelt den Gesamtmarktindex für den schweizerischen
Aktienmarktwider.
3.10 HomogeneErwartungen:Kapitalmarktlinienmodell 125

DAX und dem HDAX.50 Investoren können beispielsweise Anteilsscheine eines Aktien- 51
indexfonds oder über die Börse Anteilsscheine eines Exchange Traded Fund (ETFs) und
Tracker-Zertifikate52 inAktienindizeserwerben.DieseProduktebesitzenimVergleichzu
aktivenPortfoliosniedrigeKosten,weilwederZeitnochGeldfürdiespezifischeTitelse-
lektion verwendet werden muss.
TheoretischumfasstdasMarktportfolioallerisikobehaftetenAnlagenwieetwaAkti-en,
Anleihen,Liegenschaften,RohstoffeundsogarHumankapital.DasProblembeidieser
DefinitiondesMarktportfoliosliegtdarin,dassnichtalleAnlagenhandelbarsindundge-kauft
werdenkönnen.BeispielsweiseistdasBundeskanzleramtinBerlineineAnlage,dienicht
gehandeltwerdenkann.DesWeiterenwerdenzumBeispielinChinaAktienge-handelt,dievon
ausländischenInvestorennichterworbenwerdenkönnen.DahermussdasMarktportfolio
möglichstalleAnlagenenthalten,diehandelbarsindundindieinves-tiertwerdenkann.Ein
solchesMarktportfoliolässtsichdurchdieweltweitgroßeAnzahlvonhandelbarenund
investierbarenAnlagennichtineinemeinzigenIndexnachbilden.AusdiesemGrundwird
vielfacheinbestimmterAktienindexalsApproximationfürdasMarktportfolioeingesetzt,der
einemöglichsthoheMarktkapitalisierungimVergleichzumGesamtmarktaufweist.DerS&P
500

53
beispielsweisestelltrund80%derAkti-
enmarktkapitalisierungindenUSAundetwa32%desglobalenAktienmarktesdar.Der
SMI reflektiert ungefähr 85 % bis 90 % der Gesamtkapitalisierung des schweizerischen
Aktienmarktes, während der DAXrund 80 % desinDeutschlandzugelassenenBörsenka- pitals
repräsentiert. In den nachstehenden Ausführungen wird für das Marktportfolio diese
Approximationsdefinitionverwendet,wobeisicheinalsGesamtmarktgewählterAktien-index
mitanderenhandelbarenAnlagenproblemloserweiternlässt.

EinpassivesPortfolioführtzueinerAnlagekombination,dieaufderKapitalmarktlinieliegt.
WirdeinerisikoloseAnlagemitdemMarktportfoliokombiniert,befindetsichdieinBezugauf
RenditeundRisikoeffizientesteAnlagekombinationaufderKapitalmarktli-nie.
54
Abb. 3.17 zeigt die Kapitalmarktlinie, die ausgehend vom risikolosen Zinssatz eine

50
DerDAXenthältdie30hinsichtlichBörsenumsatzundMarktkapitalisierunggrößtenUnter-Deutschen
nehmen der Börse in Frankfurt. Im Gegensatz dazu umfasst der HDAX alle 110
Unternehmen, die im DAX, MDAX (50 mittelgroße deutsche Aktiengesellschaften) und TecDAX (30
größte Technologieunternehmen) enthalten sind. Dieser Index reflektiert rund 95 % der Aktien-
marktkapitalisierungundstelltdemnachdieBenchmarkfürdendeutschenAktienmarktdar.
51
ETFssindFonds,dieaneinerBörsenotiertsindundeinenbestimmtenausgewähltenIndexwiedenSMI
unddenDAXabbilden.AnderSIXSwissExchangewerdenbeispielsweiseETFsaufdenSMI,SPI,SLI
undSMIMsowieauchaufandereBasiswertewieetwaGoldgehandelt.DerinnereWerteines
Anteilsscheinswirdberechnet,indemdasFondsvermögendurchdieAnzahlderumlaufenden
Anteilsscheinedividiertwird.SteigtderWertdesFondsvermögens,erhöhtsichauchderinnereWertdes
Anteilsscheinsundumgekehrt.

52
Tracker-Zertifikate sind strukturierte Produkte, welche etwa den Kursverlauf eines Aktienindex
genau nachbilden.
53
Der S&P 500 (Standard & Poor’s 500) umfasst die 500 Aktien der gemessen an der Marktkapita-
lisierung größten Unternehmen in den USA. 54
Vgl. Tobin 1958 : Liquidity Preference as Behavior Towards Risk, S. 65 ff.
126 3 OptimalesPortfolio

Indifferenzkurve
(erwartete
optimales
Rendite)
Portfolio OP Kapitalmarktlinie
(Y)

E(rOP )
Markt- Effizienzkurve
portfolio MP
E(rMP )

ΔY = E(rMP) – rF

rF a = rF
ΔY E r(MP ) − rF
a b= =
ΔX = σMP – 0 ΔX σMP
0%
0% σMP σOP (Standardabweichung
der Renditen)
(X)

Abb.3.17 Kapitalmarktlinie

TangentezurEffizienzkurvedarstellt.WerdendieinvestorenspezifischenIndifferenzkur-venin
das Rendite-Risiko-Diagramm eingefügt, gelangt man zum optimalen Portfolio, das aus der
risikolosen Anlage und dem Marktportfolio besteht. Ein optimales Portfolio auf der
Kapitalmarktlinie mi t einer höheren erwarteten Rendite und Standardabweichung als das
Marktportfoliolässtsichnurerreichen,wennmanGeldzumrisikolosenZinssatzaufnimmtundmehr
als100%indasMarktportfolioinvestiert.

Da die Kapitalmarktlinie eine Gerade ist, lässt sich die erwartete Rendite als abhängige
Variable .Y/ mit einer linearen Funktion Y D a C bX bestimmen. Der Koordinatenach-
senabschnitt (a) stellt in Abb. 3.17 den risikolosen Zinssatz (r ) dar, während die Steigung F
(b) durch die Sharpe Ratio des Marktportfolios Œ.E .rMP /  rF / =¢MP  gegeben ist. Daher
lässt sich die erwartete Rendite des optimalen Portfolios bestehend aus dem risikolosen
Zinssatz und dem Marktportfolio wie folgt berechnen:
 
E .rMP /  rF
E .rOP / D rF C ¢OP ; (3.45)
¢MP

wobei:

¢OP D wMP ¢MP .

PassiveInvestorenallozierenihrGeldaufderKapitalmarktlinieinAbhängigkeitvonihrer
Risikoaversion.DerprozentualeAnteildesMarktportfoliosinderoptimalenAnla-
gekombinationlässtsichmit( 3.42)berechnen[w  2 
MP D .E .rMP /  rF / = A¢MP ].
3.10 HomogeneErwartungen:Kapitalmarktlinienmodell 127

Beispiel
Berechnung der Kapitalallokation, der erwarteten Rendite und des Risikos im
Kapitalmarktlinienmodell
Ein institutioneller Investor erstellt ein Portfolio bestehend aus unverzinslichen Schatz-
anweisungen der Bundesrepublik Deutschland (BuBills) und einem Exchange Traded Fund
auf den DAX. Die unverzinslichen Schatzanweisungen weisen eine Rendite von 2 % auf,
währenddie erwartete Rendite und die Standardabweichung des ETFs bei15 % respektive 30
%liegen.DerInvestorverfügtübereinenRisikoaversionskoeffizi-entenvon3.

1. Aus welchen Anteilen des Marktportfolios (DAX ETFs) und der risikolosen An- lage
(BuBills) setzt sich das optimale Portfolio zusammen, wenn der Nutzen des Investors
maximiertwird?
2. Wie hoch sind die erwartete Rendite und die Standardabweichung der Renditen des
optimalenPortfoliosaufderKapitalmarktlinie?
3. Wie hoch ist der Nutzen des Investors?

Lösungzu1
Gemäß ( 3.42 ) beträgt der prozentuale Anteil des Ma rktportfolios im optimalen Portfo- lio
48,15%:
0;15  0;02
wMP D D 0;4815:
3  .0;30/2
Ein Investor mit einem Risikoaversionskoeffizienten von 3 stellt ein Portfolio zusam-
men, das 48,15 % aus ETFs auf den DAX und 51,85 % aus BuBills besteht. Dieses Portfolio
weistfüreinenpassivenAnlegerdenhöchstenNutzenauf.

Lösungzu2
Die erwartete Rendite und die Standardabweichung des optimalen Portfolios können
folgendermaßenermitteltwerden:

E .rOP / D 0;4815  15 % C 0;5185  2 % D 8;26 %;


¢OP D 0;4815  30 % D 14;45 %:

Die erwartete Rendite des optimalen Portfolios von 8,26 % lässt sich auch wie folgt
berechnen:
 
0;15  0;02
E .rOP / D 0;02 C  0;1445 D 0;0826 D 8;26 %:
0;30

Lösungzu3
Der Nutzen des institutionellen Investors liegt bei 0,05128:

U D 0;0826  0;5  3  0;14452 D 0;05128:


12 3 OptimalesPortfolio

(erwartete
Rendite) Markt-
geknickte
portfolio MP
Kapitalmarktlinie

Effizienzkurve
Geldanlage
E(rMP )
Geldaufnahme

rB
rF

0%
0% σMP (Standardabweichung
der Renditen)

Abb.3.18 Geknickte Kapitalmarktlinie mit identischem Marktportfolio für die risikolose Geldan-
lage und -aufnahme

DieAnnahme,dassMarktteilnehmerzumgleichenrisikolosenZinssatzwieeinStaatGeld
aufnehmenkönnen,istnichtrealistisch.VielmehrmüssenMarktakteurefürdasAufnehmen
vonGeldüblicherweiseeinenhöherenZinssatzalsderStaatbezahlen.Mitunterschiedlichen
ZinssätzenfürdasAnlegenundAufnehmendesGeldesverwandeltsichdieKapitalmarktlinie
ineinegeknickteLinie.DabeiistdieSteigungderKapitalmarktli-niezwischenrisikolosem
ZinssatzundMarktportfoliogrößer[E
. .rMP /  rF / =¢MP ] als
die Steigung der Linie rechts vom Marktportfolio [.E .rMP /  rB / =¢MP ], weil der Zinssatz
für die Geldaufnahme (rB ) im Vergleich zur Geldanlage (rF) größer ist. Abb. 3.18 zeigt
diegeknickteKapitalmarktlinieunterderAnnahme,dassdasTangentialportfolio(gleich
Marktportfolio)fürdieGeldanlageund-aufnahmezumrisikolosenZinssatzidentischist.Die
erwarteteRenditedesoptimalenPortfolios,beidemderInvestorGeldzumZins-
satz (rB ) aufnimmt, kann mit folgender Formel berechnet werden:
 
E .rMP /  rB
E .rOP / D rB C ¢OP : (3.46)
¢MP

Beispiel
Kapitalallokation, erwartete Rendite und Risiko bei Geldaufnahme im Kapital-
marktlinienmodell
Ein Portfoliomanager setzt für einen Investor ein Portfolio zusammen, das auf der
Kapitalmarktlinie liegt. Die unverzinslichen Schatzanweisungen der Bundesrepublik
Deutschland (BuBills) weisen eine Rendite von 2 % auf, während die erwartete Ren- dite und
dieStandardabweichungdesETFsaufdenHDAXbei15%respektive30%
3.10 HomogeneErwartungen:Kapitalmarktlinienmodell 129

liegt. Geld kann zu einem Zinssatz von 2,5 % aufgenommen werden. Der Portfolio- manager
stuft den Investor als unterdurchschnittlich risikoavers ein und teilt ihm einen
Risikoaversionskoeffizientenvon1zu.

1. Aus welchen Anteilen des Marktportfolios (HDAX ETFs) und der risikolosen Anla- ge
(BuBills oder Geldaufnahme) muss der Portfoliomanager das optimale Portfolio
zusammensetzen,damitderNutzendesInvestorsmaximiertwird?
2. Wie hoch sind die erwartete Rendite und die Standardabweichung der Renditen des
optimalenPortfoliosaufderKapitalmarktlinie?

Lösungzu1
Gemäß ( 3.42 ) beträgt der prozentuale Anteil des Ma rktportfolios im optimalen Portfo- lio
138,89%:
0;15  0;025
wMP D D 1;3889:
1  0;302
Der Portfoliomanager erstellt für einen Investor mit einem Risikoaversionskoeffi-
zientenvon1einPortfolio,daszu138,89%ausETFsaufdenHDAXundeinerGeldaufnahme
von 38,89 % zu einem Zinssatz von 2,5 % besteht. Stehen beispiels- weise dem
PortfoliomanagerEUR
100:000 für diese Anlagekombination zur Verfü-
gung, dann nimmt er EUR 38:890 zu einem Zinssatz von 2,5 % auf und investiert
EUR 138:890 in ETFs auf den HDAX. Dieses Portfolio weist für einen passiven Anle-
ger mit einem Risikoaversionskoeffizienten von 1 den höchsten Nutzen auf.

Lösungzu2
Die erwartete Rendite und die Standardabweichung des optimalen Portfolios können
folgendermaßenbestimmtwerden:

E .rOP / D 1;3889  15 % C .0;3889/  2;5 % D 19;86 %;


¢OP D 1;3889  30 % D 41;67 %:

Die erwartete Rendite des optimalen Portfolios von 19,86 % lässt sich auch mit ( 3.45 )
berechnen:
 
0;15  0;025
E .rOP / D 0;025 C  0;4167 D 0;1986 D 19;86 %:
0;30

LiegenzweirisikoloseZinssätzefürdieGeldanlageund-aufnahmevor,gelangtmanzuzwei
TangentialportfoliosaufderEffizienzkurve.InAbb. 3.19stehtLfürdasPortfoliovon
risikobehaftetenAnlagen,dieInvestorenkaufen,wennsiezumrisikolosenZinssatzGeld
anlegen.DasTangentialportfolioBhingegenzeigtdierisikobehafteteAnlagekombi-nationbei
derGeldaufnahmezumrisikolosenZinssatz.DasMarktportfoliomussaufder
130 3 OptimalesPortfolio

geknickte
(erwartete
Markt- Kapitalmarktlinie
Rendite)
portfolio MP G

B
L Effizienzkurve
E(r )
MP

rB

rF

0%
0% σMP (Standardabweichung
der Renditen)

Abb.3.19 Geknickte Kapitalmarktlinie mit zwei Tangentia lportfolios für die risikolose Geldanlage
und -aufnahme

Effizienzkurve zwischen den beiden Tangentialportfolios L und B liegen. Dies deshalb, weil die
InvestorennurrisikobehaftetePortfolioshalten,diesichaufderEffizienzkur-vezwischenLund
B befinden. Die Rendite des Marktportfolios ist die durchschnittliche Rendite von den beiden
Portfolios L und B sowie allen anderen risikobehafteten Anla- gekombinationen, die auf der
EffizienzkurvezwischenLundBsind.DasMarktportfoliomusssichalsoaufderEffizienzkurve
zwischen den beiden Tangentialportfolios L und B befinden. Abb. 3.19 zeigt die geknickte
Kapitalmarktlinie unter der realistischen Annah- me, dass die Tangentialportfolios für die
Geldanlage und -aufnahme nicht gleich sind. Die geknickte Kapitalmarktlinie geht durch die
Punkter

F L  MP  B  G.

3.11 Zusammenfassung

 Die erwartete Rendite und das Risiko von einzelnen Anlagen lässt sich mit historischen
Renditen oder mit wahrscheinlichkeitsgewichteten Szenariorenditen berechnen.
 Die erwartete Portfoliorendite bestimmt sich aus dem gewichteten Durchschnitt der
einzelnen Aktienrenditen, während die Varianz des Portfolios von den Varianzen der
einzelnen Aktien und von der Kovarianz bzw. Korrelation zwischen den Renditen von
Aktienpaarenabhängt.DerprimäreRisikotreiberineinemPortfoliovonNrisikobe-hafteten
AnlagenistdieKovarianzbzw.dieKorrelationundnichtdieVarianz.Bestehtbeispielsweise
ein Portfolio aus 100 Aktien, dann berechnet sich die Portfoliovarianz (ohne
BerücksichtigungderGewichte)ausderSummevon100Varianzenund9900Kovarianzen.
3.11 Zusammenfassung 131

 Es besteht in einem Portfolio immer dann ein Diversifikationseffekt, wenn der Korre-
lationskoeffizient zwischen den einzelnen Anlagen unter C1 liegt.
 In einem breit diversifizierten Portfolio bestehend aus Long-Positionen können die Va-
rianzendereinzelnenAktien,nichtaberdieKovarianzeneliminiertwerden.Daherbleibtdas
Marktrisiko im Portfolio bestehen, während die unternehmensspezifischen Risiken
wegfallen.
 Empirische Studien zeigen, dass in Abhängigkeit von der durchschnittlichen Volatilität und
Korrelation auf den Märkten rund 20 bis 50 Aktien genügen, um eine optimale
DiversifikationderLong-Anlagenzuerreichen.
 Wird ein Portfolio mit mehreren risikobehafteten Anlagen konstruiert, liegen diejeni- gen
Anlagekombinationen mit der höchsten erwarteten Rendite und der niedrigsten
Standardabweichung auf der Effizienzkurve. Die Berechnung der Effizienzkurve stellt ein
Optimierungsproblem dar. Die Portfoliogewichte werden derart festgelegt, dass die
Portfoliovarianzen für die jeweiligen erwarteten Renditen minimiert werden, wobei die
Summe der Gewichte 1 ist. In der Regel wird dieses Optimierungsproblem mit einem
Computerprogramm gelöst, das sich auf Algorithmen stützt. Der im Computer- programm
enthalteneSolverlöstdieAlgorithmennummerisch.

 Corner-Portfolios liegen auf der Effizienzkurve und entstehen immer dann, wenn ei- ne
Anlage entweder ins effiziente Portfolio aufgenommen oder fallen gelassen wird bzw. das
GewichtderAnlagevon null zu positivoder von positivzu null geht. Dem-zufolge lassen sich
die Gewichte von Anlag en eines effizienten Portfolios durch eine lineare Kombination der
entsprechendenGewichtevondenzweibenachbartenCorner-Portfoliosermitteln.DasKon
zept der Corner-Portfolios, das auf Long-Positionen be- schränkt ist, kann für die
BestimmungderstrategischenAsset-Allokationeingesetztwerden.

 In der Finanzmarkttheorie wird üblicherwei se unterstellt, dass sich die Marktteilneh- mer
risikoavers verhalten und für ein höheres Risiko eine höhere erwartete Rendite verlangen.
DieNutzenfunktioneinesAnlegersspiegeltdiesenTrade-offzwischener-warteterRendite
und Risiko wider. Dabei hat eine höhere erwartete Rendite einen höheren Nutzen zur Folge,
während ein höheres Risiko zu einem geringeren Nutzen bei einem risikoaversen Investor
führt. Je mehr risikoavers ein Anleger ist, desto höher ist der Risikoaversionskoeffizient, der
in der Nutzenfunktion eingesetzt wird. Investo- ren mit einer höheren Risikoaversion geben
risikoreichen Anlagen mehr Gewicht, was zu einem geringeren Nutzen im Vergleich zu
wenigerrisikoaversenAnlegernführt.

 DerNutzenwirddurchIndifferenzkurvenineinemRendite-Risiko-Diagrammdarge-stellt.
Dabei ist ein Investor indifferent g egenüber Anlagekombinationen, die auf der gleichen
Indifferenzkurve liegen, da diese über den gleichen Nutzen verfügen. Je risi- koaverser die
Investoren,destosteilerdieIndifferenzkurvenundumgekehrt.

 Der Berührungspunkt zwischen der Effizienzkurve und der investorenspezifischen In-


differenzkurve mit dem höchsten erreichbaren Nutzen stellt das optimale Portfolio dar. Die
Effizienzkurve wird anhand von Kapitalmarktdaten mit der erwarteten Rendite,
StandardabweichungundKovarianzbzw.Korrelationbestimmt,währenddieIndif-
132 3 OptimalesPortfolio

ferenzkurven zusätzlich zur erwarteten Rendite und zum Risiko den Grad der Risi-
koaversion des einzelnen Investors berücksichtigen. Ein Anleger, der über eine hohe
Risikoaversion verfügt, wählt im Vergleich zu einem weniger risikoaversen Investor ein
optimales Portfolio auf der Effizienzkurve mit einer niedrigeren erwarteten Rendite und
Risikoaus.

 Ergänzt man das Anlageuniversum um die Möglichkeit, das Geld risikolos anzulegen und
aufzunehmen, befindet sich die in Bezug auf Renditeerwartung und Risiko attrak- tivste
Kombination zwischen der risikolosen Geldanlage und -aufnahme und einem effizienten
risikobehafteten Portfolio (Tangentialportfolio) auf der effizientesten Ka-
pitalallokationslinie. Da sämtliche Invest oren über heterogene Erwartungen in Bezug auf
erwartete Rendite, Standardabweichung und Kovarianz verfügen, konstruieren sie
unterschiedliche Effizienzkurven, was verschiedene Kapitalallokationslinien zur Folge
hat.

 Besitzen sämtliche Anleger homogene Erwartungen, gelangen sie zur gleichen Effi-
zienzkurve. Mit dem Einbezug der risikolosen Geldanlage und -aufnahme investieren sie
daher in das gleiche risikobehaftete Tangentialportfolio bzw. Marktportfolio. Das
Marktportfolio liegt auf der Kapitalmarktlinie, die durch eine Tangente vom risikolo- sen
ZinssatzzurEffizienzkurveerstelltwird.

 In Abhängigkeit von der Risikotoleranz können die Investoren verschiedene Anlage-


kombinationenaufderKapitalmarktlinietätigen.Sindsieeherrisikoavers,werdensieneben
dem Marktportfolio auch risikolose Anlagen erwerben. Weniger risikoaverse In- vestoren
hingegen werden zusätzliches Geld zum risikolosen Zinssatz aufnehmen und in dem
Marktportfolioanlegen.

 Liegen zwei risikolose Zinssätze für die Geldanlage und -aufnahme vor, gelangt man zu zwei
Tangentialportfolios auf der Effizienzkurve. Das Marktportfolio liegt auf der Effi-
zienzkurve zwischen den beiden Tangentialportfolios. Die Rendite des Marktportfolios
ergibt sich aus dem Durchschnittswert der Renditen der beiden Tangentialportfolios. Die
KapitalmarktlinieweistinfolgederzweiTangentialportfoliosunddesdazwischenliegenden
MarktportfolioseinengeknicktenVerlaufauf.

3.12 Aufgaben

Aufgabe1
EinInvestorbesitztdiebeidenAktienXundY.ErerwartetfürdieAktieninAbhän-gigkeitzur
WirtschaftsentwicklungfolgendeRenditen:

Konjunkturphasen Erwartete Rendite Erwartete Rendite


von X von Y
Hochkonjunktur 8;0 % 3;0 %
Stagnation 6;0 % 4;0 %
Rezession 2;0 % 8;0 %
3.12 Aufgaben 133

Die drei Konjunkturphasen – Hochkonjunktur, Stagnation und Rezession – treffen


jeweils mit gleicher Wahrscheinlichkeit ein.

a) Wie hoch sind die erwarteten Renditen der Aktien X und Y?


b) Wie hoch sind die Standardabweichungen der Renditen der Aktien X und Y?
c) WiehochsinddieKovarianzundderKorrelationskoeffizientzwischendenRendi-tender
beidenAktienXundY?

Aufgabe2
EinAnlegerbeurteiltdieAktienderGesellschaftenAundB.ErerwartetfürdiebeidenAktien
inAbhängigkeitvonderKonjunkturfolgendeRenditen:

Konjunkturphasen Wahrscheinlichkeit Erwartete Rendite von A Erwartete Rendite von B


Hochkonjunktur 30 % 16,5 % 8,5 %
Stagnation 60 % 10,2 % 8,2 %
Rezession 10 % 3;5 % 5,0 %

a) Wie hoch sind die erwarteten Renditen der Aktien A und B?


b) Wie hoch sind die Standardabweichungen der Renditen von Aktien A und B?
c) WiehochsinddieKovarianzundderKorrelationskoeffizientzwischendenRendi-tender
beidenAktienAundB?
d) WiehochsinddieerwarteteRenditeunddieStandardabweichungeinesPortfolios,daszu40
%ausAktienAundzu60%ausAktienBbesteht?

Aufgabe3
Eine Aktie X verfügt über eine erwartete Rendite von 10 % und eine Standardabwei- chung
von 8 %. Die Aktie Y hingegen hat eine erwartete Rendite von 16 % und eine
Standardabweichungvon25%.

a) WiehochistdieerwarteteRenditeeinesPortfolios,daszu40%ausAktieXundzu60%aus
AktieYbesteht?
b) Wie hoch ist die Standardabweichung des Portfolios, wenn der Korrelationskoeffi- zient
zwischendenRenditenderAktienXundYbei0,3liegt?

Aufgabe4
Ein Anleger besitzt 100 Aktien der Gesellschaft A und 400 Aktien des Unternehmens
Die
B. Aktie A wird auf dem Markt zu einem Preis von EUR 50 gehandelt, während der
Preis von B bei EUR 25 liegt. Die erwartete Rendite und die Standardabweichung von
Aktie A beträgt 14 % respektive 10 %. Demgegenüber besitzt Aktie B eine erwartete
Rendite von 20 % und eine Standardabweichung von 22 %. Der
Korrelationskoeffizient der Renditen der beiden Aktien beläuft sich auf 0,28.
134 3 OptimalesPortfolio

a) Wie hoch sind die erwartete Rendite und die Standardabweichung des Portfolios?
b) Der Anleger verkauft 300 Aktien von B. Wie hoch sind die erwartete Rendite und
die Standardabweichung des neuen Portfolios?

Aufgabe5
Die erwartete Rendite des Tangentialportfolios beträgt 12 %, während dessen Stan-
dardabweichung bei 20 % liegt. Das Anlegen und Aufnehmen von Geld erfolgt zum
risikolosenZinssatzvon4%.

a) WiehochistdieerwarteteRenditeeinesPortfoliosmiteinerStandardabweichungvon30%,
dassichaufdereffizientestenKapitalallokationsliniebefindet?
b) Aus welchen Teilen des Tangentialportfolios und der risikolosen Geldanlage oder
-aufnahmesetztsichdiesesPortfoliozusammen?

Aufgabe6
Die erwartete Marktrendite liegt bei 8 % und der risikolose Zinssatz beträgt 2 %. Ein Investor
miteinemVermögenvonEUR 1:800:000 möchte mit einem Portfolio, das
aus einer risikolosen Geldanlage/Geldau fnahme und dem Marktportfolio besteht, eine
Rendite von 10 % erzielen. Wie viel Geld muss der Investor zum risikolosen Zinssatz
aufnehmen,damiterseinRenditezielvon10%erreichenkann?

Aufgabe7
Die Aktien der Gesellschaften Z und X weisen je eine erwartete Rendite von 15 % und je eine
Standardabweichung der Renditen von 30% auf.Der Korrelationskoeffizientzwischen den
RenditenderbeidenAktienbeträgt
1. Die Renditen der beiden Aktien
sind demnach vollständig negativ korreliert.
Wie hoch ist die erwartete Rendite der Anlagekombination bei einer Standardab-
weichung der Portfoliorenditen von 0 %?

Aufgabe
Ein Portfolio bestehend aus gleich gewichteten Aktien weist eine identische Korrelati- on
von 0,4 zwischen allen Aktienpaaren auf. Jede Aktie besitzt die gleiche Varianz von 625
(Renditeprozente im Quadrat). Wie hoch ist die Standardabweichung des Port- folios, wenn
die Anlagekombination aus 30 Aktien, aus 100 Aktien und aus einer unlimitierten Anzahl
Aktienbesteht?

Aufgabe9
Für die folgenden vier Portfolios sind die erwarteten Renditen und Standardabweichun- gen
gegeben:
3.12 Aufgaben 135

Portfolio Erwartete Rendite Standardabweichung


A 8% 12 %
B 9% 16 %
C 10 % 18 %
D 11 % 21 %

Der risikolose Zinssatz beträgt 4 %. Welches der vier Portfolios liegt nicht auf der
Kapitalmarktlinie?

Aufgabe10
Peter Müller, CFA, ist ein Portfoliomanager einer schweizerischen Anlagestiftung. Das
PortfolioderAnlagestiftungbestehtausAnleihenderSchweizerischenEidgenossen-schaft,
SMI-AktienundDAX-Aktien.DieSharpeRatiodesPortfoliosbeträgt0,13.Müllerüberlegt,
ob er US-Aktienmit großer Marktkapitalisierung kaufen soll. Die ausgewählten US-Aktien
besitzen eine geschätzte Sharpe Ratio von 0,12 und weisen einen erwarteten
Korrelationskoeffizienten von 0,25 zum Portfolio der Anlagestiftung auf. Wie wirkt sich der
KaufvonUS-AktienaufdieSharpeRatiodesPortfoliosaus?

Aufgabe11
Ein Portfoliomanager einer Pensionskasse evaluiert drei Anlagefonds: einen risiko- losen
Geldmarktfonds mit einer erwarteten Rendite von 2 %, einen Aktienfonds und einen Fonds
mit Unternehmensanleihen. Die erwarteten Renditen und Standardabwei- chungen der
beidenrisikobehaftetenFondsbetragen:

Erwartete Rendite Standardabweichung


Aktienfonds 15 % 28 %
Anleihefonds 10 % 14 %

Der Korrelationskoeffizient zwischen den beiden risikobehafteten Fonds liegt bei


0,2.

a) Aus welchen prozentualen Anteilen der beiden risikobehafteten Fonds besteht das
Minimum-Varianz-Portfolio und wie hoch sind die erwartete Rendite und das Risi- ko
diesesPortfolios?
b) Aus welchen prozentualen Anteilen der beiden risikobehafteten Fonds setzt sich das
optimale Portfolio (Tangentialportfolio) zusammen und wie hoch sind die erwartete
RenditeunddasRisikodieserAnlagekombination?
c) WiehochistdieSteigungdereffizientestenKapitalallokationslinie,diedurchdasoptimale
Portfolio(Tangentialportfolio)geht?
d) Der Portfoliomanager strebt mit dem Portfolio auf der effizientesten Kapitalalloka-
tionslinieeineerwarteteRenditevon11%an.WiehochistdieStandardabweichung
136 3 OptimalesPortfolio

dieses Portfolios und aus welchen prozentualen Anteilen der drei Fonds besteht die- se
Anlagekombination?

Aufgabe12
Aktien besitzen eine erwartete Rendite von 14 % und eine Standardabweichung von 30 %.
Palladium hingegen verfügt über eine erwartete Rendite von 10 % und eine Stan-
dardabweichungvon40%.

a) WirdPalladiumaufgrundderniedrigerenerwartetenRenditeunddeshöherenRi-sikosim
VergleichzuAktienineinemeffizientenPortfoliogehalten?
b) Wie hoch ist die Allokation von Palladium in einem effizienten Portfolio, wenn der
Korrelationskoeffizient C1 beträgt?

Aufgabe13
Ein Portfolio besteht aus den folgenden drei Aktien:

Aktien Erwartete Rendite Standardabweichung


A 12 % 25 %
B 10 % 30 %
C 15 % 35 %

Für die drei Aktien ist die folgende Korrelationsmatrix gegeben:

Aktien A B C
A 1,00 0,40 0,60
B 0,40 1,00 0,80
C 0,60 0,80 1,00

Die Marktwerte der Aktien A, B, und C betragen EUR 40:000, EUR 30:000 und
EUR 30:000. Wie hoch sind die erwartete Rendite und die Standardabweichung des
Portfolios?

Aufgabe14
Ein Mitarbeiter einer Bank berät einen Kunden, der eine Erbschaft von CHF 2:000:000
erhalten hat. Gemäß einem standardisierten Fragebogen der Bank beträgt der Risiko-
aversionskoeffizientdesKunden2(A D 2),waseinerüberdurchschnittlichhohen
Risikotoleranzentspricht.DaderKundejungist,bestehtdaslangfristigeAnlageziel
darin, eine über der Inflation liegende Rendite zu erzielen, die einen realen Vermögens-
zuwachs ermöglicht. Für die Tilgung der Hypothek auf der Liegenschaft benötigtder Kunde
CHF
80:000 in12Monaten.FürdenKundenisteswichtig,dassdieTilgungs-in1Jahr
zahlung von CHF 80:000dieursprünglicheKapitalbasisvonCHF 2:000:000
nicht vermindert. Für die Vermögensanlage stehen die drei folgenden strategischen
Asset-Allokationen zur Verfügung:
3.12 Aufgaben 137

Asset-Allokation Erwartete Rendite Standardabweichung


A 10 % 20,00 %
B 8% 14,14 %
C 5% 7;58 %

a) Welche der drei Asset-Allokationen ist aufgrund der Nutzenfunktion zu wählen?


b) Welche der drei Asset-Allokationen ist zu wählen, wenn der Kundenwunsch der
Vermögenserhaltung berücksichtigt wird?

Aufgabe15
Ein Portfoliomanager erwartet für vier Anla gen die folgenden Renditen und Standard-
abweichungen:

Anlagen Erwartete Rendite Standardabweichung


1 9% 4%
2 10 % 16 %
3 12 % 30 %
4 9% 50 %

a) WelchedervierAnlagenwählteinrisikoneutralerInvestoraufgrundderNutzen-funktionaus?

b) Welche der vier Anlagen sucht ein risikofreudiger Investor mit einem Risikoaversi-
onskoeffizientenvon 3 aufgrund der Nutzenfunktion aus?
c) Welche der vier Anlagen zieht ein durchschnittlich risikoaverser Investor mit einem
Risikoaversionskoeffizientenvon3aufgrundderNutzenfunktionvor?
d) Für welche der vier Anlagen entscheidet sich ein überdurchschnittlich risikoaverser
InvestormiteinemRisikoaversionskoeffizientenvon6aufgrundderNutzenfunkti-on?

Aufgabe16
Ein Portfoliomanager möchte eine Anlagekombination mit einer Standardabweichung von
25%konstruieren.DabeistehenihmunverzinslicheSchatzanweisungen(BuBills)miteiner
Laufzeit von 1 Jahr und einer erwarteten Rendite von 2 % sowie eine Ak- tie mit einer
erwarteten Rendite von 20 % und einer Standardabweichung von 40 % zur Verfügung. Wie
hochistdieerwarteteRenditederAnlagekombinationmiteinerStandardabweichungvon25
%?

Aufgabe17
Das Tangentialportfolio, das auf der effizientesten Kapitalallokationslinie liegt, weist eine
erwartete Rendite von 12 % und eine Standardabweichung von 30 % auf. Die Ren- dite von
unverzinslichen Schatzanweisungen (BuBills) beträgt 2 %. Der Investor besitzt einen
Risikoaversionskoeffizientenvon4.
13 3 OptimalesPortfolio

a) Aus welchen Anteilen des Tangentialportfolios und der BuBills besteht das optima-
le Portfolio des Kunden, das auf der effizientesten Kapitalallokationslinie liegt?
Wie hoch sind die erwartete Rendite und die Standardabweichung des optimalen
b) Portfolios?

c) WiehochistdieSharpeRatiodesoptimalenPortfoliosbzw.dieSteigungdereffi-zientesten
Kapitalallokationslinie?

Aufgabe1
Ein Portfoliomanager evaluiert zwei Anlagestrategien. Die erste Strategie besteht aus
Exchange Traded Funds auf den HDAX mit einer erwarteten Rendite von 10 % und einer
Standardabweichung von 22 %. Der HDAX reflektiert das Marktportfolio. Die zweite
Anlagestrategiehingegenistaktiv.DasaktivePortfoliobesitzteineerwarteteRenditevon16
%undeineStandardabweichungvon30%.DieRenditevonBuBillsbeträgt2%.

a) Wie hoch ist die Sharpe Ratio des Marktportfolios (HDAX) bzw. die Steigung der
Kapitalmarktlinie?
b) Wie hoch ist die Sharpe Ratio des aktiven Portfolios bzw. die Steigung der Kapital-
allokationslinie?
c) Wie hoch müssen die Managementgebühren der aktiven Strategie sein, damit beide
Anlagestrategien (passiv und aktiv) gleich attraktiv sind? (Annahme: Management-
gebührenwerdenamEndederPeriodeabgezogen.)

Aufgabe19
Peter Friedrich ist 55 Jahre alt und arbeitet als Facharzt in einer Privatklinik. Er plant in 10
Jahren in den Ruhestand zu treten. Seine drei Kinder sind bereits ausgezogen und finanziell
unabhängig. Die Hypothekauf dem Wohnhaus ist amortisiert und das jährliche Salär beläuft
sichaufEUR
180:000. Friedrich besitzt ein Reinvermögen von
EUR 2,5 Mio., das aus Ersparnissen, Anlagetätigkeiten und einer Erbschaft stammt.
Er betrachtet sich als finanziell abgesichert. In 3 Monaten möchte er einer Stiftung für
krebskrankeKindereinenGeldbetragvonEUR 200:000 spenden. Das Reinvermö-
gen von EUR 2,5 Mio. beinhaltet das Wohnhaus von Friedrich, das einen Wert von EUR
250:000 hat. Eine etwaige Anlageklasse I mmobilien soll den Wert des Wohnhau-
enthalten.
ses von EUR 250:000
EinPortfoliomanagerstellteinelangfristigeAnlagepolitikfürFriedrichzusammen.Im
GesprächmitdemPortfoliomanagergibtFriedrichan,dassergerneinAnlagenmiteiner
höherenerwartetenRenditeundRisikoinvestierenmöchte.Zudemisterop-timistischüber
seinefinanzielleZukunft.InderVergangenheithatFriedrichbereitsGeldinAktienangelegt
unddamitguteErfahrungengemacht.DerrisikoloseZinssatzliegtbei2%.Friedrichkanndas
GeldaufeinemBankkontofürdienächsten3Mona-tezueinemZinssatzvon4%anlegen.Die
langfristigeAnlagepolitikkannwiefolgtzusammengefasstwerden:
3.12 Aufgaben 139

 Renditeziele: Im Durchschn itt wird eine erwartete jährliche Rendite von 8,2 % an-
gestrebt.
 Risikoziele: Die Risikotoleranz ist übe rdurchschnittlich, weil einerseits eine hohe
Tragfähigkeit und Risikobereitschaft vorliegt und andererseits die Anlagedauer bis zum
Ruhestand (10 Jahre) relativ lange ist. Die Standardabweichung der Portfolio- renditen
beträgtmaximal16%.

 Liquidität: Die unmittelbaren Liquiditätserfordernisse umfassen die geplante Schen-


kungvonEUR 200:000 in 3 Monaten.
 Anlagehorizont: Die Anlagedauer besteht aus zwei Phasen. Die erste Phase dauert
10 Jahre und endet mit der Aufgabe der Berufstätigkeit. Die zweite Phase beginnt mit dem
RuhestandimAltervon65Jahren(ungefähr15bis20Jahre).
 Steuern: Das Erwerbseinkommen und die Kapitalerträge und -gewinne werden be-
steuert.

Friedrich gibt an, dass er kein Geld aufnehmen möchte, um risikobehaftete Anlagen zu
kaufen. Es liegen keine weiteren besonderen Gegebenheiten vor, welche die Anlagetä-
tigkeiteinschränkenwürden.
DerPortfoliomanagerschätztdielangfristigenKapitalmarkterwartungenfürdieAn-
lageklassenAktienInland,AktienAusland,mittelfristigeAnleihenInland,langfristige
AnleihenInland,AnleihenAuslandundImmobilienwiefolgt:

Erwartete Standardab- Korrelationen


Anlageklassen Rendite weichung
1 2 3 4 5 6
Aktien Inland 12 % 24 % 1,0
Aktien Ausland 10 % 20 % 0,8 1,0
Mittelfristige 5% 9% 0,4 0,1 1,0
Anleihen
Langfristige 4% 8% 0,5 0,3 0,9 1,0
Anleihen
Anleihen Aus- 6% 11 % 0,2 0,4 0,6 0,5 1,0
land
Immobilien 8% 16 % 0,4 0,3 0,1 0,1 0,1 1,0

MitdenlangfristigenKapitalmarktdatenunddemRendite-Risiko-Optimierungsver-
fahren(beschränktaufLong-Positionen)resultierenfolgende8Corner-Portfolios,dieauf
derEffizienzkurveliegen:
140 3 OptimalesPortfolio

Corner-Portfolios Erwartete Rendite Standardabweichung Sharpe Ratio


1 10,9 % 20,0 % 0,445
2 10,1 % 16,8 % 0,482
3 9;7 % 15,6 % 0,494
4 7;9 % 11,0 % 0,536
5 6;5 % 8;2 % 0,549
6 5;7 % 7;1 % 0,521
7 5;4 % 6;7 % 0,507
8 4;8 % 6;2 % 0,452

Corner- Aktien Aktien Mittelfristige Langfristige Anleihen Immobilien


Portfolios Inland Ausland Anleihen Inland Anleihen Inland Ausland
1 100,0 % 0,0 % 0;0 % 0;0 % 0;0 % 0;0 %
2 77;4 % 0;0 % 0;0 % 0;0 % 0;0 % 22,6 %
3 63;6 % 6;3 % 0;0 % 0;0 % 0;0 % 30,1 %
4 36;2 % 4;1 % 0;0 % 0;0 % 30,4 % 29,3 %
5 11;3 % 8;3 % 0;0 % 31,2 % 22,7 % 26,5 %
6 0;0 % 17,6 % 40,6 % 12,0 % 6;8 % 23,0 %
7 0;0 % 16,2 % 60,8 % 0;0 % 3;5 % 19,5 %
8 0;0 % 8;3 % 77,0 % 0;0 % 1;2 % 13,5 %

a) Aus welchen Gewichtungen der Anlageklassen setzt sich die strategische Asset-
AllokationfürFriedrichzusammen?
b) WiehochistderBetrag,derneuindieAnlageklasseImmobilienzuinvestierenist?Welches
c) Corner-Portfolio stellt am ehesten das Tangentialportfolio dar? Ist dieses Portfolio
angemessenfürdiestrategischeAsset-AllokationvonFriedrich?
d) Der Portfoliomanager bestimmt für Friedrich aufgrund eines Risikobeurteilungs-
bogens einen Risikoaversionskoeffizienten von 3. Welches Corner-Portfolio ergibt für
Friedrich den größten Nutzen? Ist dieses Portfolio aufgrund der Anlagepolitik
angemessen?

Literatur

Black, F: Capital Market Equilibrium with Restricted Borrowing. In: Journal of Business 45, 444–
455 (1972)
DeFusco,R.A.,McLeavy,D.W.,Pinto,J.E.,Runkle,D.E.:QuantitativeMethodsforInvestmentAnalysis,
2.Auflage,Charlottesville(2004)
Elton,E.J.,Gruber,M.J.,Rentzler,J.C.:ProfessionallyManaged,PubliclyTradedCommodityFunds.In:
JournalofBusiness 60 (2), 175–199 (1987)
Lhabitant, F. S.: Hedge Funds: Quantitative Insights, Chichester, (2008)
Markowitz,H.:PortfolioSelection.In:JournalofFinance 7 (1), 77–91 (1952)
Markowitz, H.: Portfolio Selection: Efficient Diversification of Investments, New York (1959)
Literatur 141

Merton, R. C.: An Analytic Derivation of the Efficient Portfolio Frontier. In: The Journal of Finan- cial and
QuantitativeAnalysis 7 (4), 1850–1872 (1972)
Mondello, E.: Portfoliomanagement: Theorie und Anwendungsbeispiele, 2. Auflage, Wiesbaden (2015)

Reilly, F. K., Brown, K. C.: Investment Analysis and Portfoliomanagement, 6. Auflage, Jefferson City
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Spremann, K.: Portfoliomanagement, München/Wien (2000)
Tobin, J.: Liquidity Preference as Behavior Towards Risk. In: Review of Economic Studies 25 (2),
65–86 (1958)
Einfaktormodelle
4

4.1 Einleitung

In diesem Kapitel wird zunächst das Marktmodell vorgestellt, das den Regressionszu-
sammenhangzwischendererwartetenRenditeeinerrisikobehaftetenAnlageunddenRenditen
desMarktportfoliosbeschreibt.MitdemMarktmodell,daseinEinfaktormo-dell darstellt,lässt
sich – wie mit der Portfoliotheorie von Markowitz – die Effizienzkurve erstellen. Der
Hauptunterschied besteht dar in, dass beim Marktmodell wesentlich weni- ger Parameter
benötigt werden. Danach wird das Capital Asset Pricing Model (CAPM) erläutert. Das CAPM
ist das Kernstück der F inanzmarkttheorie. Mit dem Modell lässt sich eine risikogerechte
erwartete Rendite bestimmen. Da das CAPM ein Gleichgewichts- modell ist, kann damit
untersucht werden, ob die Anlagen richtig bewertet sind. In einer aktiven Strategie werden
unterbewertete Investments gekauft und überbewertete Anlagen verkauft. Darüber hinaus
kann das CAPM fü r die Performancemessung und die Bestim- mung des Diskontsatzes in der
Aktien- und Unternehmensbewertung sowie in der Analyse von Investitionsprojekten
(Corporate Finance) eingesetzt werden. Obwohl das CAPM em- pirischen Tests nicht
vollständig standhält, ist es in der Praxis weit verbreitet. Die hohe Akzeptanz ist auf die klare
Aussage des Mode lls, auf die angemessenen Ergebnisse bei wichtigen Fragestellungen und
nichtzuletztaufdieEinfachheitbeiderAnwendungzu-rückzuführen.

4.2 Marktmodell

4.2.1 KonstruktionderEffizienzkurvemithistorischenDaten

MitderPortfoliotheorievonMarkowitzwirddieEffizienzkurvemithistorischenRen-ditender
im Portfolio enthaltenen Anlagen erstellt. Dabei werden die erwarteten Ren- diten, Varianzen
undKorrelationenaufgrundhistorischerDatenberechnet.Diesesim

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 143


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_4
144 4 Einfaktormodelle

Markowitz-Modell gewählte Vorgehen erfordert eine hohe Anzahl an Parametern, um die


EffizienzkurveeinesPortfoliosbestehendausrisikobehaftetenAnlagenzubestimmen.Daherist
dieser Ansatz zwar für die Allokation von Anlageklassen, nicht jedoch unbe- dingt für ein
Portfoliogeeignet,dasaussehrvielenAnlagenbesteht.
1

DieAnzahlderParameter,dieeinPortfoliomanagerbenötigt,hängtvonderAnzahl
risikobehafteterAnlagenimPortfolioab.UmdieEffizienzkurveeinerAnlagekombi-nation
vonNAktienzubestimmen,sindNParameterfürdieerwartetenRenditen,NParameterfürdie
VarianzenundN
.N  ParameterfürdieKovarianzenbzw.Kor-
relationskoeffizienten erforderlich.2 Setzt 1/=2
sich das Portfolio beispielsweise aus 80 Aktien
zusammen, sind 80 erwartete Renditen, 80 Varianzen und 3160 Kovarianzen bzw. Kor-
relationskoeffizientennotwendig.DasTotalderbenötigtenParameterbeläuftsichauf
3320 (oder N2 =2 C 3N=2). Wird die Anzahl Aktien auf 160 verdoppelt, sind insgesamt
13.040 Parameter, also ungefähr die vierfache A nzahl, erforderlich. Dies verdeutlicht das
überproportionale Ansteigen der für die Konstruktion der Effizienzkurve notwendigen Pa-
rametermiteinersteigendenAnzahlvonAktien.
Neben der Anzahl benötigter Parameter be steht ein weiteres Problem in der Quali-
tät der historischen We rte für die Schätzung  insbesondere der erwarteten Rendite und
Kovarianz  der einzelnen Anlagen. Empirische Studien zeigen, dass der Schätzfehler bei 3
der Bestimmung zukünftiger Varianzen ein eher geringes Problem darstellt. Renditewerte
hingegen verfügen in der Regel über einen substantiellen Schätzfehler, weil die Variabi- lität der
historischen risikobehafteten Re nditen im Vergleich zum Erwartungswert hoch ist.Dies lässt
sich auch mit der Erhöhung der Stichprobe nicht lösen. Ein Schätzfehler besteht auch bei der
Bestimmung der Kovarianz aus einer historischen Stichprobe. Em- pirische Arbeitenbelegen,
dass die Korrelation zwischen vergangenen und zukünftigen Stichprobe-Kovarianzenrelativ
geringausfällt.
4
DahersinddieaushistorischenStichpro-
bengewonnenenKovarianzenunderwartetenRenditenzuadjustieren,umeinebessere
Voraussagetreffenzukönnen.
BeiderErstellungderEffizienzkurvewirdüblicherweisediehistorischeKovarianzma-trix
ausderStichprobekorrigiert.BetragenbeispielsweisedieVarianzdermonatlichen
Aktienrenditen0,045unddiedurchschnittlicheVarianzdermonatlichenAktienrenditen0,022,
dannwirddieVarianzdermonatlichenRenditenvon0,045aufdenniedrigerenEr-

1
Ein Portfolio, das sich aus traditionellen Anlagen zusammensetzt, besitzt drei Anlageklassen:
Geld, Aktien und Anleihen. Vgl. Abschn. 16.2.4 .
2
Vgl. Abschn. 3.4 .
3
Vgl.Chanetal.1999:OnPortfolioOptimization:ForecastingCovariancesandChoosingtheRisk
Model,S.937ff.DiezukünftigenVarianzenkönnenmithistorischenVarianzengutgeschätztwer-den.
DiesistbeiderSchätzungzukünftigerKovarianzenaufgrundvonvergangenenDatennichtderFall.

4
Vgl.Chanetal.1999:OnPortfolioOptimization:ForecastingCovariancesandChoosingtheRisk
Model,S.937ff.UntersuchtwurdenmonatlicheRenditenvonUS-AktienwährendderZeitperiodevon
1973bis1997.DieStudiezeigt,dassdieKorrelationzwischenvergangenenundzukünftigen
Stichprobe-Kovarianzenbei0,34übereineZeitdauervon36Monatenliegt,währenddieKorrelation
lediglichbei0,18übereineZeitspannevon12Monatenist.
4.2 Marktmodell 145

Tab.4.1 Standardabweichungen und Korrelationen für die Anlagen X, Y und Z


Anlagen Standardabweichungen Korrelationsmatrix
X Y Z
X 0,15 1,00 0,80 0,80
Y 0,15 0,80 1,00 0,00
Z 0,15 0,80 0,00 1,00

wartungswert von 0,022 korrigiert. Passt man die Werte in Richtung des Erwartungswerts an,
reduziertmandieVariabilitätdergeschätztenWerte,diezumSchätzfehlergeführthaben.
5

ErwarteteRenditen,dieaushistorischenWertenberechnetwurden,könnenbeispiels-weise
durchdenEinbezugdergegenwärtigenMarktverhältnisseunddurchdiegewonneneErfahrung
ausdenKapitalmärktenkorrigiertwerden.DazuwerdenvielfachBewertungs-modelle,dieauf
zukünftigenCashflowsbasieren,oderGleichgewichtsmodellewieetwadasCapitalAsset
PricingModel(CAPM)verwendet.DerEinsatzdieserMethodenfürdieBestimmungder
erwartetenRenditelöstdasProblemdesSchätzfehlersundberücksich-tigtdieTatsache,dassdie
VergangenheitkeinguterMaßstabfürVorhersagenhinsichtlichzukünftigerEntwicklungen
ist.

BeiderKonstruktionderEffizienzkurvemithistorischenDatenkönnenauchFehlerinder
BeurteilungderKorrelationskoeffizientenauftreten,diezueinemnichtplausiblenErgebniswie
etwazueinernegativenPortfoliovarianzführen.EinesolcheisteineFolgevon
Korrelationskoeffizienten,dieuntereinandernichtkonsistentsind.Tab. 4.1enthält
StandardabweichungenundKorrelationskoeffizientenfürdiedreiAnlagenX,YundZ,die
Inkonsistenzenaufweisen.

Angenommen die Anlagen X, Y und Z weisen Gewichte von 1;00, 1,00 und 1,00 im
Portfolio auf, dann beträgt die Varianz dieser Anlagekombination 0;0045. Diese lässt
sich folgendermaßen ermitteln:

¢P2 D .1/2  0;152 C 12  0;152 C 12  0;152 C 2  . 1/  1  0;8  0;152


C 2  . 1/  1  0;8  0;152 C 2  1  1  0  0;152
D  0;0045:

Die Portfoliovarianz von 0;0045 resultiertausdergeschätztenKorrelationsmatrix,dieD


nicht konsistent ist. Die Anlage X korreliert stark positiv mit Y und Z (¡X;Y 0;8 und
¡X;Z D 0;8). Gleichzeitig sind die Anlagen Y und Z unkorreliert (¡Y;Z D 0). Eine solche
Konstellation ist nicht möglich. Korrelieren Y und Z stark positiv mit X, müssen sie auch
untereinander positiv korrelieren. Für eine positive Portfoliovarianz muss die Korrelati-
onsmatrixkonsistentbzw.„positivdefinit“sein.

5
Für diesen Ansatz zur Verminderung des Schätzfehlers (Shrinkage Estimator) vgl. z. B. Michaud
2008 : Efficient Asset Management, S. 74 ff.
146 4 Einfaktormodelle

DieAusführungenzeigen,dassdieKonstruktionderEffizienzkurveaushistorischenDaten
miteinigenSchwierigkeitenwieetwadergroßenAnzahlbenötigterParameter,den
resultierendenSchätzfehlernundFehlernbeiderBeurteilungderKorrelationsmatrixbe-haftet
ist.DaherdrängtsicheinModellauf,dassichleichteranwendenlässt.Einsolchesstelltdas
Marktmodelldar,dasindieKategoriederEinfaktormodelleeinzuordnenist.Da-beiwirddie
RenditeeinerAnlageauseinemeinzigenFaktor,derMarktrendite,geschätzt.

4.2.2 Regressionsgleichung

Ein im Vergleich zu der Ermittlung aus historischen Daten (Markowitz-Modell) einfache- rer
Weg, um Varianzen und Kovarianzen von Anlagerenditen zu berechnen, beruht auf der
Erkenntnis, dass die Renditen von Anlagen miteinander durch eine bestimmte Anzahl an
Variablen oder Faktoren korreliert sind. Das bekannteste Modell ist das Marktmodell, das den
linearenRegressionszusammenhangzwischendenRenditeneinerAnlageunddenRenditendes
Marktportfoliosbeschreibt.DabeiwerdendieüberdemrisikolosenZinssatzliegendenRenditen
derAnlage(R

i D ri  rF) und dem Marktportfolio (RM D rM  rF ),


die sogenannten Überschussrenditen, in die Regression einbezogen. Die Regressionsglei-
chung lautet wie folgt (einfache lineare Regressionsanalyse):

Ri;t D ’i C “i RM;t C ©i;t ; (4.1)

wobei:

Ri;t D Überschussrendite der Anlage i für die Periode t,


RM;t D ÜberschussrenditedesMarktportfoliosfürdiePeriodet,
’i D KonstantederRegressionsgleichung,welchedieüberdemrisikolosenZinssatzlie-gende
durchschnittliche(erwartete)RenditederAnlageiunabhängigvonderMarkt-
rendite angibt,
i D SteigungderRegressionsgleichung,welchedieSensitivitätzwischenderRendite•
der Anlage i und der Rendite des Marktportfolios wiedergibt, D
i;t Fehlertermbzw.residualeRenditefürdiePeriodetmiteinemErwartungswertvon©
0; der Renditeanteil für das unternehmen sspezifische Risiko besteht aus der Summe der
erwartetenRendite .’i / und des Fehlerterms .©i;t /.

Die Konstante der Regressionsgleichung .’i / entsprichtderRenditederAnlage,korrigiert


umdenrisikolosenZinssatz,wenndieÜberschussrenditedesMarktessowiederFehler-
term 0 sind. Die Steigung der Geradengleichung .“i / stelltdasBetaderAnlagedar.Das
BetaisteineSensitivitätsgrößeundgibtan,wievielsichdieRenditederAnlagebeiei-
ner Änderung der Marktrendite verändert. Ein Beta von zum Beispiel 1,2 bedeutet, dass, wenn
dieMarktrenditeum2%steigt,dieRenditederAnlageum2,4%zunimmt.DerFehlerterm
.©i / hat einen Erwartungswert von 0 und spiegelt eine Renditeentschädigung
für das unternehmensspezifisch e Risiko der Anlage wider.
4.2 Marktmodell 147

Das Marktmodell beruht auf den folgenden Annahmen hinsichtlich der Variablen in
(4.1):

 Der erwartete Wert des Fehlerterms ist 0 [E .©i / D 0]. Der Fehlerterm ist normalverteilt
und die Varianz des Fehlerterms ist nicht identisch unter den Anlagen.
 Die Überschussrendite des Marktportfolios .RM / ist mit dem Fehlerterm .©i / nicht
korreliert [Cov .RM ;©/i D 0]. Der Fehlerterm reflektiert das unternehmensspezifische
Risiko und ist daher von Risikofaktoren, die den Gesamtmarkt beeinflussen, unabhän-
gig (unkorreliert).
 Der Fehlerterm .©i / ist zwischen den Anlagen nicht korreliert. Zum Beispiel ist der
Fehlerterm der Anlage i nicht mit dem Fehlerterm der Anlage j korreliert.

Die erwartete Überschussrendite der Anlage i ŒE .Ri / hängt von der erwarteten Über-
schussrendite des Marktes ŒE .RM /, von der Sensitivität zwischen der Anlage- und Markt-
rendite .“i / und vom Renditeanteil der Anlage i .’i /, der von den Marktrenditen unabhän-
gig ist, ab:
E .Ri / D ’i C “i E .RM / : (4.2)
Da der erwartete Wert des Fehlerterms 0 beträgt, wird er in der Berechnung der erwarteten
Rendite der Anlagei in ( 4.2 ) nicht berücksichtigt. Die Marktrisikoprämie (Differenzzwi- schen
dererwartetenRenditedesMarktesunddemrisikolosenZinssatz)wirdmitdemBe-taderAnlage
multipliziert.DieserTerm[also
“i E .RM /] stellt die Renditeentschädigung
der Anlage für das systematische Risiko dar. Das Alpha ( ’) verkörpert die unternehmens-
spezifische Risikoprämie, die nicht durch das Marktrisiko beeinflusst wird. Ein positives
Alpha bedeutet, dass die Anlage unterbewertet ist und eine attraktive erwartete Rendite bietet.
Ein negatives Alpha hingegen charakterisiert eine überbewertete Anlage. Sind die
Anlagepreise richtig bewertet, so liegen keine attraktiven Anlagemöglichkeiten vor, das Alpha
bewegt sich gegen 0. Bei der Titelauswahl besteht die Zielsetzung darin, Anlagen zu finden, die
einpositivesodernegativesAlphabesitzenbzw.unter-oderüberbewertetsind.

Die Konstante der Regressionsgleichung .’i / trägtnichtzurVariationderRenditebeiund


wirddahernichtindieBerechnungdesRisikosderAnlageeinbezogen.DieVarianz
 2
der Renditen der Anlage i hängt von
 2 der Varianz der Marktrenditen ¢M und der Varianz
der Renditen des Fehlerterms ¢©;i ab. Demnach lautet die Varianz der Anlage i: ¢i2 D
“2i ¢M
2 2
C ¢©;i C 2Cov .rM ;©/i . Da die Marktrendite mit dem Fehlerterm nicht korreliert,
entfällt der Kovarianzterm, was zu folgender Formel für die Varianz der Renditen der
Anlage i führt:
¢i2 D “2i ¢M
2 2
C ¢©;i : (4.3)
 2 2
Der erste Term “i ¢M rechtsdesGleichheitszeichensverkörpertdasMarktrisikobzw.das
2
systematische Risiko der Anla ge i, während der zweite Term ¢©;i das unternehmensspe-

6
Vgl. Abschn. 4.4.4 .
14 4 Einfaktormodelle

zifische bzw. unsystematische Risiko reflektiert. Demnach besteht das Gesamtrisiko der
Anlage i aus der Summe des Marktrisikos und des unternehmensspezifischen Risikos.
Die Kovarianz [Cov  
Ri ; Rj ]zwischendenRenditenderAnlageniundjlässtsichausund
dem Produkt der Sensitivitäten i “j multipliziertmitderVarianzderMarktrenditen•
wie folgt berechnen:   2
Cov Ri ; Rj D “i “j ¢M : (4.4)
 
Der Korrelationskoeffizient ¡i;j stelltdiestandardisierteKovarianzdar,mitdemdieStär-ke
desZusammenhangszwischendenRenditenderbeidenAnlageniundjgemessenwird.
Er lässt sich mit folgender Formel bestimmen:

2
Covi;j “i “j ¢M
¡i;j D D  h i1=2 : (4.5)
¢i ¢j 2 2 2 1=2 2 2 2
“i ¢M C ¢©;i “j ¢M C ¢©;j

Beispiel
Berechnung der Standardabweichung, Kovarianz und Korrelation anhand des
Marktmodells
Ein Portfoliomanager wendet für die beiden Aktien A und B das Marktmodell an. Das
Ergebnis der linearen Regression zwischen den Überschussrenditen der Aktien und des
Markteslautetwiefolgt(einfachelineareRegressionsanalyse):

RA;t D 0;04 C 0;8  RM;t C ©A;t ;


RB;t D 0;03 C 1;3  RM;t C ©B;t ;

wobei:
¢©;A D 20 % und ¢©;B D 30 %:
Der Portfoliomanager schätzt die Volatilität des Aktienmarktes auf 25 %.

1. Wie hoch sind die Standardabweichungen der Renditen beider Aktien?


2. Aus welchen Varianzen des Marktrisikos und unternehmensspezifischen Risikos
bestehtdieVarianzderAktieA?
3. WiehochsinddieKovarianzundderKorrelationskoeffizientzwischendenRendi-tender
beidenAktien?

Lösungzu1
Die Standardabweichungen der beiden Aktien A und B können wie folgt berechnet werden:
p
¢A D 0;802  0;252 C 0;202 D 28;28%;
p
¢B D 1;302  0;252 C 0;302 D 44;23%:
4.2 Marktmodell 149

Lösungzu2
Die Varianz der Renditen der Aktie A ist 0,08 und kann folgendermaßen ermittelt wer- den:

¢A2 D 0;802  0;252 C 0;202 D 0;08:


Das Marktrisiko gemessen als Varianz beläuft sich auf 0,04 ( D 0;802 0;252 ), während
das unternehmensspezifische Risiko von 0,04 das Quadrat der Standardabweichung der
residualen Renditen von 20 % darstellt.

Portfoliovarianz D Marktrisiko C unternehmensspezifisches Risiko


0;08 D 0;04 C 0;04

Lösungzu3
Die Kovarianz zwischen den Renditen der Aktien A und B liegt bei 0,065:

Cov .RA ; RB / D 0;80  1;30  0;252 D 0;065:

Der Korrelationskoeffizient von 0,52, der die Stärke des Zusammenhangs zwischen den
RenditenderbeidenAktienwiedergibt,kannfolgendermaßenbestimmtwerden:

0;065
¡A;B D D 0;52:
0;2828  0;4423

FürdasErstellenderEffizienzkurvemitdemMarktmodellwerdenimVergleichzum
Markowitz-ModellwesentlichwenigerParameterbenötigt.DieParameterimMarktmo-dell
setzensichfüreineeinzelneAnlageausderKonstanten
 2 .’i /, der Steigung .“i / und
 2  ¢©;i sowie aus der Marktrisikoprämie .RM / und der Vari-
der Varianz des Fehlerterms
anz der Marktrenditen ¢M zusammen. Für die Konstruktion der Effizienzkurve von N
Anlagen sind die folgende n Parameter erforderlich:7

 N Parameter für die über die Marktrend ite erwarteten Über schussrenditen ’i ,
 N Parameter für die Regressionskoeffizienten “i ,
2
 N Parameter für die unterne hmensspezifischen Varianzen ¢©;i ,
 1 Parameter für die Marktrisikoprämie RM ,
2
 1 Parameter für die Varianz des Marktrisikos ¢M .

Im Marktmodell werden insgesamt 3N C 2 Parameter zur Konstruktion der Effizienz-


kurve benötigt. Das sind für die erwarteten Renditen, Varianzen und Kovarianzen weit

7
UmdieEffizienzkurvezuerstellen,benötigtmandieerwartetenRenditen(4.2)undStandard-
abweichungen(4.3)dereinzelnenAnlagensowiedieKovarianzen(4.4)bzw.Korrelationen(4.5)
zwischen den Renditen von jeweils zwei Anlagen.
150 4 Einfaktormodelle

weniger geschätzte Werte al s zur Bestimmung der Effizienzkurve mit dem Markowitz- Modell.
Erstellt man beispielsweise die Effizienzkurve für 200 Anlagen, dann brauchen Berechnungen
mithilfe des Marktmodells 602 Parameter, während das Markowitz-Modell 20.300
Schätzungenbenötigt.

EinNachteildesMarktmodellsbestehtdarin,dassdieVerlustgefahrrisikobehafteter
AnlagenlediglichinzweiBestandteilezerlegtwird,nämlichindasMarktrisikounddas
unternehmensspezifischeRisiko.DiesezweidimensionaleRisikobetrachtungschließtdie
AbhängigkeitderAktienrenditenvonanderenRisikofaktorenaus.ZumBeispielwerden
spezifischeEreignisse,dielediglicheinebestimmteIndustriebetreffenundkeinewesent-lichen
AuswirkungenaufdenGesamtmarkthaben,nichtberücksichtigt.

DasMarktmodellberuhtaufderAnnahme,dassdieFehlertermederAnlagen(residua-le
Renditen)nichtmiteinanderkorrelieren.SelbstfürAktien,diedergleichenIndustrieangehören,
wieetwaTitelderUnternehmenNovartisundRoche(Pharmaindustrie),wirdeineKorrelation
von0angenommen.DasMarkowitz-Modellhingegen,dasdievolleKo-varianzzwischenden
AktienrenditenvonNovartisundRocheeinbezieht,übernimmtbeiderMinimierungder
PortfoliovarianzautomatischdieKorrelationderresidualenRendi-ten.BestehteinPortfolio
auswenigenAnlagen,soführenbeideModellezuzweiun-terschiedlichenoptimalenPortfolios.
ImMarkowitz-ModellerhaltenimVergleichzumMarktmodelldiebeidenAktienvonNovartis
undRocheeinkleineresGewicht,dasichdieKorrelationvonAktiendergleichenIndustrie
üblicherweisepositivverhält,keineswegsjedoch0fürdieresidualenRenditenbeträgt,wieim
Marktmodellunterstellt.DaheristdasGewichtdieserbeidenAktienimMarktmodellverglichen
mitdemMarkowitz-Modellhöher,waseinanderesoptimalesPortfoliozurFolgehat.Besitzen
AktienkorrelierteRe-sidualrenditen,einhohesAlphaundmacheneinenGroßteildesPortfolios
aus,dannistdasoptimalePortfolioresultierendausdemMarktmodellimVergleichzum
Markowitz-ModellwenigereffizientinBezugaufRenditeundRisiko.IneinemsolchenFallist
fürdiePortfoliokonstruktionanstelledesMarktmodellseinMultifaktorenmodell,dasmehre-re
RisikofaktorenundnichtnureinenFaktorfürdieErklärungderRenditeveränderungen
verwendet,einzusetzen.

DieParameterdesMarktmodellssindnichtbekanntundmüssendemnachmiteinerlinearen
RegressionzwischendenhistorischenRenditendesMarktesundjedereinzelnenAnlage
berechnetwerden.FürjedeeinzelneAnlagewirddas
’i und “i durch eine sepa-
rate lineare Regression bestimmt. Es ist üblich, dass 60 monatliche Renditen (also eine
Zeitreihe von 5 Jahren) für die lineare Regression im Marktmodell eingesetzt werden. Diese
Datenreihe genügt, um die erwarteten Renditen, Varianzen und Kovarianzen für die
KonstruktionderEffizienzkurvezuermitteln.

8
Multifaktorenmodelle werden in Kap. 5 beschrieben.
4.2 Marktmodell 151

4.2.3 Beispiel

Mithilfe der Methode der kleinsten Quadrate9 wirdzunächsteinelineareRegressionzwi-


schendenmonatlichenÜberschussrenditenderAktievonNovartisunddesSMIdurchge-
führt. Für die Regression wird eine Zeitdauer von 5 Jahren – zwischen Anfang September 2007
und Ende August 2012 – verwendet, was z u 60 monatlichen Überschussrenditen führt. Um die
monatlichen Überschussrenditen zu berechnen, wird als risikoloser Zins- satz der
Tom/Next-Overnight-Index-Swap(TOIS)verwendet.
10
Gemäß(4.1)ergibtsich
folgendeRegressionsgleichungfürdieNovartis-Aktie(einfachelineareRegressionsana-
lyse):
RNovartis;t D 0;0841 % C 0;741  RSMI;t C ©Novartis;t ;
Die 60 monatlichen Überschussrenditen der Novartis-Aktie und des SMI (t D 1; : : :; 60)
wurden wie folgt berechnet:11
 
PNovartis;t
RNovartis;t D  1  TOISt ;
PNovartis;t1
 
PSMI;t
RSMI;t D  1  TOISt ;
PSMI;t1
wobei:

PNovartis;t D Preis der Novartis-Aktie am Ende des Monats t,


SMIt D StanddesSMIamEndedesMonatst,
TOISt D Rendite des TOIS für den Monat t.

Die Regressionsgleichung beschreibt die lineare Abhängigkeit der Überschussrenditen von


Novartis-AktienzudenVeränderungendesGesamtmarkts,derdurchdenSMIdar-gestelltwird.
DieRegressionsgerade,diemithilfederMethodederkleinstenQuadrateerstelltwurde,istdurch
dieKonstantevon
 %unddieSteigungvon0,741gege-
ben. Abb. 4.1 zeigt die Regressionsgerade, die 0;0841
mit Microsoft Excel anhand der Methode der
kleinstenQuadratebestimmtwurde. 12

9
Bei der Methode der kleinsten Quadrate werden die vertikalen Abstandsquadrate zwischen
beobachteten Werten und P den diesbezüglichen Werten auf der Regressionsgeraden, d. h. die Re-
siduenabweichungen ( ©2i ), minimiert.
10
Bei einem Overnight Index Swap handelt es sich um einen Zinssatzswap, bei dem ein fester
Zinssatz periodisch (z. B. monatlich, quartalsweise, jährlich) gegen einen geometrischen Durch- schnitt
von Tagesgeldzinssätzen (Overnight Ra tes) getauscht wird. Der OIS-Swapsatz stellt im Vergleich zum
LIBOR-SwapsatzeinebessereApproximationdesrisikolosenZinssatzesdar.Vgl.Abschn. 9.3.6.2.Beim
TOIS werden die Zinssätze für ungesicherte Ausleihungen an erstklassige Kreditinstitute an jedem
Geschäftstag in Zürich d er Cosmorex AG gemeldet, die dann den durch- schnittlichen Tagesgeldzinssatz
anhanddesarithmetischenMittelsbestimmt.

11
Für die Regressionsanalyse kann man auch stetige Renditen verwenden. Vgl. Abschn.2.3.1 .
12
Für die Konstruktion der Regressionsgerade mit Microsoft Excel 2010 vgl. Mondello 2015: Port-
foliomanagement: Theorie und Anwendungsbeispiele, S. 371 ff.
152 4 Einfaktormodelle

(Überschussrenditen 10
Novartis in %)
8 Regressionsgerade

0
-10 -5 0 5 10
-2
(Überschussrenditen
-4 SMI in %)
-6

-8

-10

Abb.4.1 Regression zwischen den monatlichen Übersc hussrenditen der Novartis-Aktie und des
SMI

Tab.4.2 Statistiken zur Regression zwisch en der Novartis-Aktie und dem SMI
Regressionsstatistik
Multipler Korrelationskoeffizient 0,6521
Determinationskoeffizient (R2 ) 0,4253
Adjustierter Determinationskoeffizient 0,4154
Standardfehler (SEE) 0,04096
Beobachtungen 60
Varianzanalyse (ANOVA bzw. Analysis of Variance)
df (Freiheits- SS (Quadrat- MS (Mittlere Qua- F (Prüf- F krit
grade) summen) dratsummen) größe)
Regression 1 0,72027 0,72027 42,9286 0,0000
Residuen 58 0,97314 0,0016778
Total 59 1,69341
Koeffizienten Standardfehler t-Statistik P-Wert
Konstante 0;000841 0,005357 0;1570 0,8758
X Variable 1 0,7410 0,001131 6,5520 0,0000

InTab. 4.2sindinAnlehnunganden„SummaryOutput“vonMicrosoftExceldieEr-gebnisse
derRegressionzusammengefasst.WirdzunächstdieRegressionsstatistik(obererTeilvonTab.
4.2)betrachtet,sobeträgtderKorrelationskoeffizientzwischendenÜber-schussrenditenvon
NovartisunddemSMI0,6521.EinKorrelationskoeffizientvon0,6521bedeutet,dasseinstark
positiverZusammenhangzwischendenRenditeveränderungenvonNovartisunddemSMI
besteht.DerDeterminationskoeffizientvon0,4253entspricht
4.2 Marktmodell 153

dem quadrierten Korrelationskoeffizienten (0;65212 ). Er gibt an, dass die Renditeverän-


derungen des SMI rund 43 % der Renditestreuungen der Novartis-Aktien erklären. Der
adjustierte Determinationskoeffizient von 0,4154 korrigiert den nach oben verzerrten De-
terminationskoeffizienten von 0,4253, weil in der Regression die angepassten und nicht die
tatsächlichen (und nicht beobachtbaren) Werte fürdie Berechnung der Konstanten (Alpha) und
der Steigung (Beta) verwendet werden. Bei 60 Renditebeobachtungen ist dieser Fehler beim
Determinationskoeffizienten relativ klein. Da die beobachteten Über- schussrenditewerte
nichtaufderRegressionsgeradenliegen,ergibtsichein„FehlerderSchätzung“

 
, der durch die Standardabweichung der Residuen ©t D Yt  Y0t berech-
13

net wird. Der Standardfehler der Schätzung .SEE/ kann mit folgender Formel bestimmt
werden: s
PT 0 2
tD1 .Yt  Yt /
SEE D ; (4.6)
T2
wobei:

Yt D jeweiliger Y-Wert einer beobachteten Überschussrendite von Novartis und des SMI
für die Periode t,
Y0t D durch die Regressionsgerade vorausgesagte Überschussrendite von Novartis bei ei-
ner gegebenen Überschussrendite des SMI für die Periode t,
T D Anzahl beobachtete Üb erschussrenditen.

Der Standardfehler der Schätzung misst die (durchschnittliche) Stre uung der Renditen um die
Regressionsgerade.DerZählerin(4.6)wirddurchT  2 dividiert, weil die Regres-
sionsgerade zwei Parameter aufweist, nämlich die Konstante (Alpha) und die Steigung (Beta),
und diese grundsätzlich nicht bekannt sind. Der Standardfehler der Schätzung beträgt 4,096 %
undzeigt,wiestarkdiejeweiligenY-WertevonNovartisumdieRe-gressionsgeradeschwanken.

Der untere Teil der Tab. 4.2 zeigt die Varianzanalyse (ANOVA) für die Regressions-
gerade. Die mittlere Quadratsu mme der Residuenabweichungen .MS/ von 0,0016778
stellt den Anteil der Varianz der Überschussrenditen von Novartis dar, der vom Markt-
index unabhängig
p ist. Nimmt man die Wurzel aus der mittleren Quadratsumme der
Residuen MS , resultiert daraus der Standardfehler der Schätzung von 4,096 %
p
(D 0;0016778).
Die Quadratsumme der Regressionsabweichungen .SSR/ von 0,7202714 entspricht
dem Anteil der Varianz der abhängigen Variablen (Überschussrendite von Novartis), der
durch die unabhängige Variable (Überschussrendite des SMI) erklärt wird und durch den
Ausdruck “2Novartis ¢SMI
2
gegeben ist.15 Mithilfe des Determinationskoeffizienten kann

13
Der „Fehler der Schätzung“ wäre 0, wenn die Regressionsgerade genau durch die beobachteten
Y-Werte verlaufen würde.
14
Die Quadratsumme der Regressionsabweichungen kann mit folgender Formel berechnet werden:
P  2
SSR D TtD1 Y0t  Y .
2
15
Totale Varianz von Novartis D ¢Novartis D “2Novartis ¢SMI
2 2
C ¢©;Norvatis
154 4 Einfaktormodelle

(Y) erklärte Varianz unerklärte Varianz


R2 = = 1−
totale Varianz totale Varianz
= α + βX
'Y

Yt
unerklärte Differenz
Differenz total Yt' von Y: Yt –Y't

von Y: Yt –Y
erklärte Differenz
von Y: Yt ' –Y

(X)

Abb.4.2 Verdeutlichung des Determinationskoeffizienten

ausgesagtwerden,wievielProzentderRenditestreuungderNovartis-AktiendurchdieVariation
derSMI-Renditen erklärtwerden kann. Abb. 4.2 zeigt die AbweichungdesY- Wertes undzerlegt
dieseanhandderRegressionsgeradenunddesarithmetischenMittelsallerY-Werte
 
ineinenerklärtenundeinenunerklärtenTeil.MitderQuadratsummeY
der Regressionsabweichungen (also der erklärten Varianz) und mit der Quadratsumme der
Totalabweichungen(alsodertotalenVarianz)lässtsichderDeterminationskoeffizient
R2 von 0,4253 bestimmen:

erklärte VarianzNovartis “2Novartis ¢SMI


2
R2 D D 2 2 2
totale VarianzNovartis “Novartis ¢SMI C ¢©;Novartis
SSR
(4.7)
T1 SSR 0;72027
D D D D 0;4253;
SST SST 1;69341
T1
wobei:

SSR D Quadratsumme der Regressionsabweichungen,


SST D Quadratsumme der Totalabweichungen .SST D SSR C SSE/ :
 
Alternativ kann der Determinationskoeffizient R2 auch wie folgt ermittelt werden:
2
unerklärte VarianzNovartis ¢©;Novartis
R2 D 1  D1 2 2 2
totale VarianzNovartis “Novartis ¢SMI C ¢©;Novartis
(4.8)
SSE 0;97314
D1 D1 D 0;4253;
SST 1;69341
4.2 Marktmodell 155

wobei:

SSE D Quadratsumme der Residuenabweichungen.

Wird das Total der Quadratsummen aus der Regression und den Residuen .SST/ von
1,69341 durch T  1 bzw. 59 Freiheitsgraden dividiert, erhält man die Varianz der abhän-
gigen Variablen von 0,0287. Daraus resultie rt eine monatliche
 Standardabweichung der
Novartis-Überschussrenditenvon16,94% p
D 0;0287 . Annualisiert beträgt die Stan-
p
dardabweichung der Novartis-Aktien 58,68 % D 0;1694  12 .
Außerdem zeigt die Varianzanalyse (ANOVA) in Tab. 4.2 die statistische Signifikanz
der Konstanten bzw. des Achsenabschnitts .’/ und der Steigung .“/ für die Stichpro-
be der monatlichen Überschussrenditen. Die Konstante beträgt 0;0841 % pro Monat
1;0092 %proJahr.UmdiestatistischeSignifikanzderKonstantezubeurteilen,bzw.
sind in der Tabelle der Standardfehler, die t-Statistik (bzw. Test-Statistik) und der P-Wert
aufgeführt. Der Standardfehler für die Konstante liegt bei 0,005357. Je größer der Stan-
dardfehler,destogrößeristdieBandbreiteeinesmöglichenSchätzfehlers.Diet-Statistikvon
0;1570 entspricht dem Regressionsparameter d ividiert durch den Standardfehler der
„geschätzten“ Konstanten. Die standardisierte Prüfgröße bzw. die t-Statistik bezüglich ei-
ner t-Verteilung mit 58 Freiheitsgraden (T  2) kann für den „wahren“ Achsenabschnitt a
(der Grundgesamtheit) wie folgt bestimmt werden:

t-StatistikT2 für a D ; (4.9)
s’
wobei:

a D „wahre“ Konstante (der Grundgesamtheit),


’ D „geschätzte“ Konstante der Regressionsgleichung, r PT
X2t
s’ D Standardfehler der „geschätzten“ Konstante ’ bzw. s’ D SEE PT
tD1
2 ,
T tD1 .Xt X/

X D arithmetisches Mittel der X-Werte, r


PT 2
.Yt Y0t /
SEE D Standardfehler der Schätzung bzw. SEE D tD1
T2
.

Für die „wahre“ Konstante wird ein Hypothesentest durchgeführt. Die Nullhypothese lau- tet,
dassagleich0ist(a D 0). Im Gegensatz dazu lautet die Alternativhypothese, dass
a ungleich 0 ist (a¤0). Bei diesem zweiseitigen Test wird die Nullhypothese verworfen
bzw.dieAlternativhypotheseangenommen,wenndiein( 4.9)berechnetet-Statistikgrö-ßeralsder
kritischeWertist.IneinemsolchenFallistdieermittelteKonstantenichtreinzufälligentstanden
undunterscheidetsichdemzufolgesignifikantvon0.Derkritischet-WertbeiT
 2 bzw. 58 Freiheitsgraden und einem Signifikanzniveau von 5 % liegt un-
gefähr bei 2.16 Bei einer t-Statistik von 0;1570 wird die Nullhypothese angenommen.

16
BeieinemeinseitigenTestentsprichtderkritischet-Wertvon2einemSignifikanzniveauvon2,5%(bei
ungefähr60Freiheitsgraden).BeieinemzweiseitigenTestundeinemSignfikanzniveau
von 5 % beträgt der kritische t-Wert ebenfalls 2.
156 4 Einfaktormodelle

Folglich unterscheidet sich der durch die Regression geschätzte Achsenabschnitt nicht si-
gnifikantvon0.ZurgleichenSchlussfolgerunggelangtman,wennderP-Wertbetrachtetwird.Der
P-Wert von 0,8758 gibt an, dass beim Vorliegen einer „wahren“ Konstanten von 0, die
Wahrscheinlichkeit87,58%beträgt,dasseinWertvon
0;1570 mit einem gege-
benen Standardfehler (s’) von 0,005357 erreicht wird. Demzufolge unterscheidet sich die
Konstante nicht von 0 und ist statistisch nicht signifikant, um die Überschussrendite der
Novartis-Aktiezuerklären.
DieSteigungderRegressionsgeradenbeläuftsichauf0,7410undweisteinenrelativkleinen
Standardfehlervon0,001131auf.Diet-Statistikfürdie„wahre“Steigungblässtsichmit
folgenderFormelberechnen:


t-StatistikT2 für b D ; (4.10)
s“

wobei:

b D „wahre“ Steigung (der Grundgesamtheit),


“ D „geschätzte“ Steigung der Regressionsgleichung,
SEE
s“ D Standardfehler der Steigung “ bzw. s“ D q 2 .
PT 
tD1 Xt  X

Diet-Statistikvon6,552liegtüberdemkritischent-Wertvon2(bei58Freiheitsgradenundeinem
Signifikanzniveauvon5%).DementsprechendliegtderP-Wertnahebei0.Folglichkannmandie
Nullhypothese verwerfen, dass die „wahre“ Steigung 0 beträgt. Das Beta ist statistisch
signifikant und kann für die Erklärung der Überschussrendite der Novartis-Aktien eingesetzt
werden.
17

DiebeidengeschätztenRegressionsparameter–KonstanteundSteigung–sindnichtgenaue
Parameter,weilpraktischjedeRegressionsgeradeeinenStandardfehlerderSchät-zung
aufweist. Daher ist es üblich, dass für die beiden geschätzten Parameter ein
Konfidenz- bzw. Vertrauensintervall berechnet wird. Beispielsweise wird das Vertrau-
ensintervall für die „wahre“ Steigung (Beta) bei einer gegebenen Wahrscheinlichkeit
annäherungsweisewiefolgtermittelt:geschätzteSteigung
.“/ plus/minus das Produkt
aus dem kritischen Wert der t-Statistik und dem Standardfehler s“ .18 Bei einem Signifi-
kanzniveau von 5 % und 58 Freiheitsgraden liegt die entsprechende t-Statistik bei 2, was zu einer
ungefährenBandbreitedesBetasvon0,739zu0,743( D 0;741˙2  0;001131)
führt.
InAbb. 4.3sindfürfünfSMI-Aktien–Novartis,Roche,Nestlé,ABBundSyngen-ta–die
EffizienzkurvennachdemMarktmodellunddemMarkowitz-Modellaufgeführt(ohne
Short-Restriktionen).DasMarktmodellunterstellt,dassdieFehlerterme(Residuen)

17
Um die Nullhypothese zu verwerfen, müssen sich die Regressionsparameter signifikant von 0
unterscheiden, die t-Statistik muss möglichst g roß und der P-Wert muss möglichst klein sein.
18
Vertrauensintervall für b D “ ˙ tT2 s“ .
4.2 Marktmodell 157

(erwartete
Rendite)

30%
Effizienzkurve nach dem
Markowitz-Modell

20%

10%

Effizienzkurve nach
dem Marktmodell
0%
0% 10% 20% 30%
(Standardabweichung der Renditen)

Abb.4.3 EffizienzkurvennachdemMarktmodellunddemMarkowitz-Modell(DiebeidenEffizi-
enzkurvenbasierenaufmonatlichenRenditenvonAnfangSeptember2007bisEndeAugust2012
(Optimierungsverfahren mit Long- und Short-Positionen))

nicht miteinander korrelieren, während das Markowitz-Modell beim Erstellen der Effizi-
enzkurve die volle Kovarianz zwischen den Aktienrenditen einbezieht. Im Portfolio sind die
Aktien von Novartis und Roche enthalten, die beide der Pharmaindustrie angehören und daher
miteinander positiv korreliert sind. Da das Marktmodell von unkorellierten Re- sidualrenditen
ausgeht, sind die beiden Aktien aus der Pharmaindustrie in den effizienten Portfolios im
Vergleich zum Markowitz-Modell übervertreten, was zu einer entsprechend niedrigeren
Effizienzkurveführt.
19

DerNachteildesMarkowitz-ModellsbeiderKonstruktionderEffizienzkurveistne-bender
hohenAnzahlerforderlicherParameterfürdieKovarianzenderFehler,derausderSchätzung
dervollenKovarianz-Matrixresultiert.Esistdurchausmöglich,dassdieentsprechenden
SchätzfehlerzueinemPortfolioführen,dasimVergleichzumMarktmo-dellwenigereffizient
ist,obwohldasMarktmodellvonunkorreliertenResiduenausgehtundebenfallsSchätzfehlern
beiderRegressionausgesetztist.DerVorteildesMarktmo-dellsgegenüberdem
Markowitz-ModellliegtinsbesondereinderAufteilungdesRisikosineinensystematischen
undeinenunsystematischenTeil,wasdielogischeDenkweiseinderPortfoliotheorie
widerspiegelt.

19
Für die Konstruktion der Effizienzkurve nach dem Marktmodell in Microsoft Excel 2010 vgl.
Mondello 2015 : Portfoliomanagement: Theorie und Anwendungsbeispiele, S. 379 ff.
15 4 Einfaktormodelle

4.2.4 Diversi kationvonLong-Positionen

Mit dem Marktmodell lässt sich – wie im Markowitz-Modell – der Diversifikationseffekt eines
PortfoliosbestehendausLong-Positionenzeigen. 20
Dabeiwirdunterstellt,dassalle
risikobehaftetenAnlagendengleichenprozentualenAnteilimPortfolioaufweisen.Die
RenditedesPortfoliosüberdemrisikolosenZinssatzbzw.dieÜberschussrenditekannmit
folgenderFormelberechnetwerden:

RP D ’P C “P RM C ©P : (4.11)

Nimmt die Anzahl risikobehafteter Anlagen im Portfolio zu, so reduziert sich der unsyste-
matische Teil des Portfoliorisikos. Die syste matische Verlustgefahr bleibt in der Anlage-
kombination bestehen, während das unternehmensspezifische Risiko eliminiert wird. Um
diesen Diversifikationseffekt zu demonstriere n, wird zunächst die Überschussrendite einer zu
gleichenAnteilenzusammengesetztenAnlagekombinationwiefolgtbestimmt:

N N N
1 1
RP D Xi wi Ri D Xi Ri D Xi .’i C “i RM C ©i /; (4.12)
D1
N D1 N D1

wobei:

wi D 1=N, das Portfolio setzt sich aus gleich gewichteten Anlagen zusammen.

Die Formel kann in einen systematischen und einen unsystematischen Anteil der Rendite
aufgeteiltwerden:

N N
! N
1 1 1
RP D Xi ’i C Xi “i RM C Xi ©i : (4.13)
N D1 N D1 N D1

VergleichtmandieFormeln(4.11)und(4.13)miteinander,könnendiefolgendenSchlüs-seinBezugaufdas
Beta,dasAlphaunddenFehlertermgezogenwerden.DasBetadesPortfolios
.“P / reflektiert die Sensitivität der Anlagekombination gegenüber dem Gesamt-
markt und ist als Summe der gewichteten Betas der einzelnen Anlagen gegeben:

N
1
“P D Xi “i : (4.14)
N D1

20
FürdenDiversifikationseffektmitdemMarkowitz-Modellvgl.Abschn. 3.6.DieerstenArbeitenzum
MarktmodellundentsprechendenDiversifikationseffektwurdenvonWilliamSharpepubliziert.
Vgl. Sharpe 1963 : A Simplified Model for Portfolio Analysis, S. 277 ff.
4.2 Marktmodell 159

Das Alpha des Portfolios .’P / stellt die vom Markt unabhängige Überschussrendite der
Anlagekombination dar. Dieser Teil der Portfoliorendite lässt sich als Summe der gewich-
teten Alphas der einzelnen Anlagen wie folgt ermitteln:
N
1
’P D Xi ’i : (4.15)
N D1

Der Anteil der Überschussrendite des Portfolios, der durch das unternehmensspezifische
Risiko erklärt wird, kann als Summe der gewichteten Residualrenditen berechnet werden:
N
1
©P D Xi ©i : (4.16)
N D1

Die Portfoliovarianz kann durch folgenden Ausdruck bestimmt werden:

¢P2 D “2P ¢M
2 2
C ¢©;P : (4.17)
 2 2
Derjenige Anteil der Portfoliovari anz, der das systematische Risiko “P ¢M wiedergibt,

2
hängt vom Beta des Portfolios .“P / und von der Varianz der Marktrenditen ¢M ab. Theo-
retisch ist es möglich, ein Portfolio mit einem Beta von null zu erstellen. Dabei würden
Anlagen mit positiven und negativen Betas verwendet. Praktisch stößt ein solches Vor- haben
jedoch schnell an seine Grenzen, da d ie große Mehrheit der verfügbaren Anlagen ein positives
Beta aufweist, weilsich diemeisten Titelin die gleiche Richtung wie der Gesamtmarkt bewegen.
Daher weist ein gut diversifiziertes Portfolio mit einer großen An- zahl an Anlagenin aller Regel
ein positives s ystematisches Risiko auf, das sich durch Diversifikation nicht eliminieren lässt.
DerjenigeAnteildesPortfoliorisikoshingegen,derdasunsystematischeRisiko

2
 
¢©;P verkörpert,lässtsichimRahmenderPortfoliobildung
beseitigen. Die residualen Renditen (©i ) fallenunabhängigvoneinanderan,sindentspre-
chend unkorreliert und weisen einen erwarteten Wert von null auf. Nimmt die Anzahl
der Anlagen zu, strebt das unternehmensspezi fische Risiko der Anlagekombination ge- gen
null. Dieser Zusammenhang kann mit folgender Formel verdeutlicht werden, die den
unternehmensspezifischenAnteilderVarianzeinesgleichgewichtetenPortfolioswieder-gibt:
21
N  2
1 1
2
¢©;P D Xi 2
¢©;i D ¢ 2© ; (4.18)
D1
N N
wobei:

¢ 2© D durchschnittliche Varianz der residualen Renditen, die von der Anzahl Anlagen .N/
unabhängig ist.

Erhöht man die Anzahl Anlagen .N/ im Portfolio, so strebt auch die Varianz der residualen
Renditen gegen null.

21
Für die Herleitung der Varianz eines gleich gewichteten Portfolios vgl. Abschn. 3.6 .
160 4 Einfaktormodelle

(Varianz
der
Portfolio-
renditen)
unternehmensspezifisches
Risiko, unsystematisches Risiko
oder diversifizierbares Risiko
σ P2
1 2
σ 2ε ,P = σε
N

β P2 σ M
2

Marktrisiko,
systematisches Risiko oder
nicht diversifizierbares Risiko

0 (Anzahl Aktien)

Abb.4.4 Diversifikationseffekt eines gleich gewichteten Portfolios anhand des Marktmodells

DieseAusführungenzeigen,dassderDiversifikationseffektnuraufdenunternehmens-
spezifischenAnteildesPortfoliorisikosbeschränktist,währenddasMarktrisikounabhän-gig
vonderAnzahlAnlagenbestehenbleibt.AlleAnlagensinddenGesamtmarktbewe-gungen
ausgesetzt,waszueinerVeränderungderRenditeführtunddahernichtdurchDiversifikationzu
eliminierenist.Abb.4.4zeigtanhanddesMarktmodellsdenDiversifi-kationseffektbeieinem
PortfoliobestehendausgleichgewichtetenLong-Positionen.
22

EingutdiversifiziertesPortfolioistlediglichdemMarktrisikoausgesetzt,dadasun-
ternehmensspezifischeRisikobeseitigtist.GemäßdemMarktmodellbeträgtdemnachdie
VerlustgefahreinesgutdiversifiziertenPortfolios
“P ¢M .23 Wird im Kapitalmarktlinienmo-
dell das Portfoliorisiko ¢P durch “P ¢M ersetzt, lässt sich die Überschussrendite wie folgt
24

bestimmen:

ŒE .rM /  rF  ŒE .rM /  rF 
E .rP /  rF D ¢P D “P ¢M D ŒE .rM /  rF “ P : (4.19)
¢M ¢M

Die Formel zeigt, dass das Kapitalmarktlinienmodell aufgrund des gut diversifizierten
Marktportfolios mit dem Marktmodell konsiste nt ist. Die erwartete Rendite des Portfolios
entsprichtdemrisikolosenZinssatzpluseinerRisikoprämie,dieausderMarktrisikoprä-

22
DerDiversifikationseffektmitdemMarkowitz-ModellwurdeinKap.3inderAbb. 3.8dargestellt.Ein
VergleichmitAbb.4.4zeigt,dassdieErgebnissederDiversifikationausdemMarkowitz-Modell
mit dem Marktmodell konsistent sind.
23
Ein gut diversifiziertes Portfolio verfügt über kein unternehmensspezifisches Risiko, sodass die
2
Varianz der Residualrenditen null beträgt (¢©;i D 0). Das Risiko einer gut diversifizierten Anlage-
q
2 2
kombination ist demnach: ¢P D “P ¢M D “P ¢M .
24
Für das Kapitalmarktlinienmodell vgl. Abschn. 3.10 .
4.2 Marktmodell 161

mie ŒE .rM /  rF  multipliziert mit dem Beta der Anlagekombination .“P / besteht:

E .rP / D rF C ŒE .rM /  rF “ P :

4.2.5 KorrekturdesBetas

FürdieKonstruktionderEffizienzkurvewerdendieParameterwieetwadieerwartetenRenditen
und Varianzen dereinzelnenAnlag ensowie die Kovarianzen zwischenden Ti- teln im Portfolio
geschätzt. Dies erfolgt im Marktmodell durch Regressionen zwischen den Renditen der
einzelnen Anlagen und den Renditen des Marktportfolios. Die für die Bestimmung der
Effizienzkurve benötigten P arameter hängen unter anderem von der An- nahme ab, dass das
historische Beta einer bestimmten Anlage auch das zukünftige Beta widerspiegelt. Verändert
sich das Beta jedoch über die Zeit, so ist die Annahme, dass die Vergangenheit ein guter
Gradmesser für die Zukunft ist, nicht angemessen. Daher wird das historische Beta
üblicherweisekorrigiert.

Wirddavonausgegangen,dassdasBetaeinemRandomWalk,alsoeinerZufallsbewe-gung,
folgt,bestehtfolgendeBeziehungzwischendemBetaeinerAktieiamEndederPeriodetunddem
BetaamEndedernächstenPeriodet
C 1:

“i;tC1 D “i;t C ©i;tC1 ; (4.20)

wobei:

©i;tC1 D Fehlerterm mit einem Erwartungswert von 0.

Gemäß dieser Annahme ist das heutige Beta .“i;t / diebesteSchätzungfürdasBetaam,weil


Ende der nächsten Periode .“i;tC1 /derFehlertermeinenErwartungswertvon0auf-
weist. In einem solchen Fall muss das Beta nic ht korrigiert werden. Empirisch betrachtet,
folgendieBetakoeffizientenvonAktienüberdieZeitallerdingskeinemRandomWalk,sondern
bewegensichimDurchschnittgegenihrenErwartungswertvon1. 25
Ökonomisch
lässtsichdieserZusammenhangwiefolgterklären:BeiderGründungeinesUnterneh-menswird
in der Regel lediglich ein Produkt bzw. eine Dienstleistung angeboten. Über die Zeit wächst die
GesellschaftundweistofteinediversifizierteProduktpaletteauf,wo-beisiezunächstinähnliche
Produkteexpandiert,bevoreineDiversifikationdesAngebotsstattfindet.MitderZeitgleichtdas
Untern ehmen dem Gesamtmarkt, sodass der Betako- effizient der Aktie nahe bei 1 liegt. Eine
andere Erklärung dieser statistischen Eigenschaft ist, dass das durchschnittliche Beta aller
Aktien auf dem Markt 1 ist. Aus diesem Grund stellt die beste Schätzung des Betas einer Aktie
diesen Durchschnittswert von 1 dar. Wird das Beta aus einer Stichprobe (z. B. über die letzten 5
Jahre mit monatlichen Renditen) berechnet, unterliegt der Regressionskoeffizient einem
statistischenSchätzfehler.Jemehr

25
Vgl. z. B. Klemkosky und Martin 1975 : The Adjustment of Beta Forecasts, S. 1123 ff.
162 4 Einfaktormodelle

das Beta von 1 abweicht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines in seiner Relevanz
bedeutenden Schätzfehlers. D aher wird das historische Beta gegen 1 angepasst. Eine in der
Praxis übliche Methode, das historische Beta gegen den erwarteten Wert von 1 zu korrigieren,
stelltdiefolgendeFormeldar:
26

Adjustiertes Beta D a C b  historisches Beta; (4.21)

wobei:

a D 0;333,
b D 0;667.

BeträgtdashistorischeBetabeispielsweise1,4,führtdieobenstehendeFormelzueinemgegen1
korrigiertenBetavon1,267( D 0;333 C 0;667  1;4). Ist das historische Beta
hingegen 0,8, beläuft sich das adjustierte Beta auf 0,867 ( D 0;333 C 0;667  0;8).
Obwohl in der Praxis das adjustierte Beta oft mit den Koeffizienten a D 0;333 und
b D 0;667 berechnet wird, ist es empirisch nicht bewiesen, dass diese beiden Koeffizien-
ten für die Korrektur des Betas die besten Werte darstellen. Vielfach werden in der Praxis
auch sogenannte Fundamental Betas verwende t. Dabei werden fundamentale Daten eines
Unternehmens wie das Kurs-Gewinn-Verhä ltnis, die Gewinnwachstumsrate, die Markt-
kapitalisierung und das Fremdkapital-Gesamtkapital-Verhältnis benutzt, um das Beta zu
bestimmen.

4.3 InstabilitätderEffizienzkurve

Die Konstruktion der Effizienzkurve mit dem Rendite-Risiko-Optimierungsverfahren


stellt eine gängige Methode im Portfoliomanagement dar.27 AllerdingsistdiesesVerfah-
renmitProblemenbehaftet.WerdenbeispielsweisekleineÄnderungenderParameterwieetwa
fürdieerwarteteRendite,dieVarianzunddieKovarianzunterstellt,dannführtdieszu
bedeutendenÄnderungeninderDarstellungderEffizienzkurve.DieseInstabilitätder
Rendite-Risiko-KurvestelltinderPraxiseinebedeutendeHerausforderungdar.

WerdenfürdieKonstruktionderEffizienzkurvezumBeispielhistorischeDatenaus
verschiedenenZeitperiodenverwendet,sogelangtmanmitdemOptimierungsverfahrenzu
unterschiedlichenRendite-Risiko-Kurven.EinGrundfürdiefehlendeStabilitätist,dassdie
geschätztenParameterderRenditeverteilungenfürdieverschiedenenzeitlichenStichproben
unterschiedlichsind.DieInstabilitätderEffizienzkurvekannjedochaucheinErgebnisder
ZufallsbewegungdererwartetenRenditen,VarianzenundKovarianzenderStichprobesein,wobei
sichdieentsprechendenzugrundeliegendenParameternichtveränderthaben.

26
Vgl. Blume 1971 : On the Assessment of Risk, S. 8 ff.
27
Für das Rendite-Risiko-Optimierungsverfahren vgl. Abschn. 3.4 .
4.3 InstabilitätderEffizienzkurve 163

Tab.4.3zeigtfürdiefünfSMI-AktienvonAdecco,CreditSuisse,Nestlé,Novartisund
UBS diejährlichenRenditen,StandardabweichungenundKorrelationenbasierendauf
monatlichenRenditenfürvierunterschiedlicheZeitperiodenvonjeweils5Jahrenzwi-
schen1990und2009.
28

GemäßTab. 4.3sinddieerwartetenRenditen,StandardabweichungenundKorrelatio-nenfür
diejeweiligenZeitperioden(Stichproben)unterschiedlich.DabeisindvorallemdieRenditender
fünfSMI-Aktiennichtstabil.ZumBeispielvariiertdiejährlicheRenditevonAdeccoüberalle5
Jahresperiodenstark(
22;17 %, 49,99 %, 4;01 % und 4,22 %).
Demgegenüber unterliegen die Standardabweichungen weniger starken Schwankun-
gen. Beispielsweise betragen die Sta ndardabweichungen bei Adecco 34,48 %, 47,85 %,
29,40 % und 51,30 %. Die Periode von 1995 bis 1999 weist für die fünf SMI-Aktien die größten
Renditen auf, während in dieser Zeitspanne die Standardabweichungen der Aktien von Nestlé,
Novartis und UBS am niedrigsten sind. Betrachtet man die Korre- lationsmatrix, erkennt man,
dass die Korrela tionen über die vier Zeitperioden teilweise nicht stabil sind. Zum Beispiel
verändern si ch die Korrelationskoeffizienten zwischen den Aktien von Adecco und Nestlé
zwischen der erstenund der letzten Zeitperiode von 0,497, 0,347, 0,072auf 0,126. Im Gegensatz
dazusinddieKorrelationskoeffizientenzwischendenbeidenBankaktienvonCreditSuisseund
UBS relativ stabil (0,648, 0,793, 0,689 und 0,643). Abb. 4.5 zeigt für die fünf SMI-Aktien die
Effizienzkurven für die vier unterschiedlichen Zeitperioden von jeweils 5 Jahren zwischen
1990 und 2009. Die Graphik verdeutlicht die Instabilität der Ef fizienzkurven, wenn
unterschiedlichezeitlicheStichprobenbenutztwerden.

EineempirischeStudievonZiemba(2003)mithistorischenDatenzeigt,dassder
SchätzfehlerbeidererwartetenRenditeungefährzehnmalgrößeristalsbeiderVarianzundetwa
zwanzigmalgrößerausfälltalsbeiderKovarianz. 29
Den wichtigsten Parameter
für die Rendite-Risiko-Optimierung stellt demnach die erwartete Rendite dar, da auf-
grund der oft starken Korrelationen zwischen den Renditen kleine Änderungen eine große
Auswirkung auf die Zusammensetzung des Portfolios haben können. Die optimierte Port-
folioallokation wird oft mit extrem hohen bzw. extrem niedrigen Anteilen von Anlagen
angezeigt. Die erwartete Rendite ist lediglic h eine Schätzung des Erwartungswertes der
Grundgesamtheit der Daten, wobei eine angeme ssene Schätzung der erwarteten Rendite sehr
schwierig ist. Abb. 4.6 visualisiert den Zusammenhang zwischen der Veränderung der
ParameterundderEffizienzkurve.

DasRendite-Risiko-OptimierungsverfahrennutztdieDifferenzenzwischendenAnla-gen
maximalaus.SinddieseDifferenzenstatistisch(undauchökonomisch)nichtrelevant(z.B.weil
dieParametereinerZufallsbewegungunterliegen),istdieerstellteEffizienzkur-ve
unbrauchbar.Rendite-Risiko-OptimierungsverfahrenführenzueinerÜberanpassung

28
Für die Konstruktion der Effizienzkurve wurden die monatlichen Renditen in jährliche Renditen
umgerechnet.
29
Vgl.Ziemba2003:TheStochasticProgrammingApproachtoAsset,Liability,andWealthMa-
nagement,S.12.Vgl.auchAbschn.4.2.1fürdenSchätzfehlerbeidererwartetenRenditemit
historischen Daten.
164 4 Einfaktormodelle

Tab.4.3 Erwartete Renditen, Standardabweichungen und Korrelationen für fünf SMI-Aktien


Periode Adecco Credit Suisse Nestlé Novartis UBS
Jährliche Renditen (in %)
1990–1994 22;17 6,20 10,29 13,53 9,49
1995–1999 49,99 32,71 20,65 32,88 20,36
2000–2004 4;01 2;88 1,46 1,34 8,90
2005–2009 4,22 5,84 12,21 1,03 9;80
Standardabweichungen der jährlichen Renditen (in %)
1990–1994 34,48 37,81 18,90 22,72 37,05
1995–1999 47,85 38,58 14,63 15,37 23,89
2000–2004 29,40 29,76 14,79 16,20 43,58
2005–2009 51,30 25,88 20,21 23,23 22,10
Korrelationsmatrizen
1990–1994
Adecco 1
CS 0,414 1
Nestlé 0,497 0,520 1
Novartis 0,428 0,554 0,639 1
UBS 0,400 0,648 0,583 0,617 1
1995–1999
Adecco 1
CS 0,430 1
Nestlé 0,347 0,346 1
Novartis 0,260 0,219 0,442 1
UBS 0,482 0,793 0,341 0,416 1
2000–2004
Adecco 1
CS 0,577 1
Nestlé 0,072 0,261 1
Novartis 0,131 0,205 0,417 1
UBS 0,564 0,689 0,214 0,334 1
2005–2009
Adecco 1
CS 0,575 1
Nestlé 0,126 0,193 1
Novartis 0,118 0,316 0,387 1
UBS 0,599 0,643 0,143 0,314 1
4.3 InstabilitätderEffizienzkurve 165

(erwartete
Rendite) 80%

70%

60%

50%
2005–2009
40% 2000 – 2004
1995 –1999
30% 1990 –1994

20%

10%

0%
0% 10% 20% 30%
(Standardabweichung
der Renditen)

Abb.4.5 Effizienzkurven für unterschiedliche Zeitperioden (Optimierungsverfahren mit Long- und


Short-Positionen)

(erwartete
Rendite)
„richtige“
Effizienzkurve

Fläche, in der mögliche


Effizienzkurven liegen,
basierend auf
verschiedenen Stichproben und Parametern

(Standardabweichung
der Renditen)

Abb.4.6 Einfluss der Veränderung der Parameter auf die Effizienzkurve mit historischen Daten
166 4 Einfaktormodelle

der Daten, weil statistisch unbedeutende Differenzen übermäßig angepasst werden. Be- stehen
keine Restriktionen für Short-Positionen, können diese wegen der Eigenschaft der
Risikominimierung mit Long-Po sitionen ein großes negatives Gewicht imPortfolio erhal- ten,
wasdasProblemderübermäßigenAnpassungderDatenwiderspiegelt.
30
Außerdem
können kleine Veränderungen der Parameter eine Vielzahl von Portfolioumschichtungen zur
Folgehaben,waswiederumsehrteuerist(hoheTransaktionskosten).
Mögliche Maßnahmen, um gegen die Instabilität der Effizienzkurve vorzugehen, bein-
halten:

 Beschränkungen gegen Short-Positionen, sodass alle Gewichte im Optimierungsver-


fahrenpositivseinmüssen(w i  0, für die Anlagen i D 1;2;3;:::; N).
 Verbesserung der statistischen Qualität der Parameter für die Optimierung.31
 Sensitivitätsanalyse: Die Rendite-Risiko-Optimierung wird mehrmals durchgeführt,
wobei die Parameter um deren geschätzten Fehler verändert werden. Der Schwerpunkt der
Analyse sollte auf der erwarteten Rendite liegen, weil dieser Wert den größten Ein- fluss auf
dieEffizienzkurveausübt.DieSensitivitätsanalysestellteinAd-hoc-Verfahrendar.

 Simulierte effiziente Portfolios:32 Eswirdunterstellt,dassdieerwartetenRenditen,Va-


rianzenundKovarianzenauseinerStichprobediewahrenParameterfürdieGrundge-
samtheitderDatendarstellen.EinSzenariostelltdieParamater–basierendaufeinemzufällig
gewähltenhistorischenZeitfenster–dar.FürdasjeweiligeSzenariowerdendurchdas
OptimierungsverfahrenPortfoliogewichteproduziertunddieentsprechende
Effizienzkurvegeneriert.DiesimulierteneffizientenPortfolioswerdenfürjedesSzena-rio
vonderniedrigstenzurhöchstenRenditegeordnet.ZumBeispielbeträgtdieviert-höchste
RenditeeinesSimulationspfads5,7%.EineffizientesPortfolio(ResampledEfficient
Portfolio)einesbestimmtenRenditerangs(z.B.vierthöchsterRang)setztsichausden
durchschnittlichenGewichtendereinzelnenAnlagenvonden,fürjedesSzena-rio
simulierten,effizientenPortfoliosdesgleichenRangs(z.B.vierthöchsterRang)zusammen.
DieBerechnungderdurchschnittlichenGewichtestelltsicher,dassdieSummederGewichte
1ergibt.DieeffizientenPortfoliosaufderResampledEfficientFrontiersindbesser
diversifiziertundüberdieZeitstabileralsAnlagekombinationen

30
PortfoliosmiteinerbedeutendenShort-PositionsindfürdiemeistenInvestorennichtumsetzbar,weil
einerseitsRestriktioneninderAnlagepolitiksolchePositionenverbietenkönnenundanderer-
seits ein unlimitiertes Verlustpotential beste ht, da keine Preisobergrenze existiert. 31
InsbesonderewirdderstatistischeSchätzfehlerdererwartetenRenditekorrigiert.DieParameter
könnenmiteinemaufdemBayes’schenTheorembasierendenAnsatzangepasstwerden.Vgl.hierzudas
Black/Litterman-Modell.
32
Vgl.Michaud2008:EfficientAssetManagement,S.42ff.ZumBeispielkannmaneineRegionvon
effizientenPortfoliosdefinieren,diebeieinemgegebenenKonfidenzniveaustatistischäquiva-
lent sind. Fällt ein Portfolio in diese Region, ist es effizient und muss nicht umgeschichtet werden.
4.4 CapitalAssetPricingModel 167

aufderklassischenEffizienzkurve,dielediglichübereinOptimierungsverfahrenbe-stimmt
wurden. 33

 Black/Litterman-Modell:34 DiesesModellstellteinVerfahrenfüreinestabileAnlage-
allokationohneRestriktionendar.DieerwarteteRenditewirdmiteinemBayes’schen
Verfahren (benannt nach Thomas Bayes) be rechnet. Der Grundgedanke besteht darin, dass
Kombinationen zwischen Gleichgewichtsrenditen (implizite Renditen aus Bewer-
tungsmodellenundbeobachtetenDaten)unddenRenditeprognosenzueinereffizi-entenund
stabilenAllokationderAnlagenführen.DiesesModellerlaubtdenPort-foliomanagern,neue
PrognosenaufgrundvonMarktinformationenindasPortfolioeinzubeziehen.DiePrognosen
werdenimModelldurcheineÄnderungdererwarte-tenAnlagerenditenineinembestimmten
Konfidenzintervall angegeben. Sie werden mit verschiedenen Parametern modelliert, was
mithilfeeinesBayes’schenstatistischenModellseineneueerwarteteRenditegeneriert.Sollteder
Portfoliomanagerüberkei-nePrognoseverfügen,bleibtdieimpliziteRenditeunverändert.Ineinem
Fall,indemderManagerüberbestimmtePrognosenverfügt,werdendieerwartetenRenditendurch
dieKombinationderimplizitenRenditemitdenentsprechendenPrognosenneuberech-net,waszu
einerneuenZusammensetzungdesPortfoliosführt.ImVergleichzudenanderenModellenwerden
fürdieKonstruktionderEffizienzkurveRenditeprognoseneingesetzt,waseinerealistischere
UmsetzungderAnlageallokationdarstellt.

4.4 CapitalAssetPricingModel

Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) stellt eine der wichtigsten Innovationen in der
Finanzmarkttheoriedar. 35 DasModellistinseinerNachvollziehbarkeitundAnwendung
unkompliziertundintuitiv,dalediglicheinFaktoreingesetztwird,umdieerwarteteRen-dite
einerAnlagebzw.einesPortfolioszubestimmen.DabeiistdieBeziehungzwischender
erwartetenRenditeunddemRisikolinear.DasCAPMunterstellt,dassdieerwarteteRendite
einerAnlageausschließlichvomsystematischenRisiko–gemessendurchdasBetaderAnlage–
undnichtvomgesamtenRisikoabhängigist.InvestorenkönnenihrPortfoliodiversifizieren,
sodassdasunsystematischebzw.unternehmensspezifischeRisi-

33
Da es sich bei der Methode der simulierten effizienten Portfolios um einen Prozess der
Durchschnittsbildung handelt (Resampled Efficient Portfolios), ist die daraus hervorgehende Ef-
fizienzkurve stabil. Kleine Änderungen der Parameter führen lediglich zu kleinen Änderungen der
effizientenPortfolios.
34
Vgl. Black und Litterman 1992 : Global Portfolio Optimization, S. 28 ff.
35
Das Portfoliomodell von Markowitz aus dem Jahr 1952 hat den Grundstein zur modernen Portfo-
liotheorie gelegt. Rund 12 Jahre später wurde die Theorie durch die Arbeiten von Wiliam Sharpe,
John Lintner und Jan Mossin zum Capital Asset Pricing Model (CAPM) weiterentwickelt. Vgl.
Sharpe 1964 : Capital Asset Prices: A Theory of Market Equilibrium Under Conditions of Risk, 425
ff.; Lintner 1965 : The Valuation of Risk Assets and the Selection of Risky Investments in Stock
Portfolios
S. and Capital Budgets, S. 13 ff.; Mossin 1966 : Equilibrium in a Capital Asset Market, 768
ff.
S.
16 4 Einfaktormodelle

ko für die Renditeberechnung nicht mehr maßge bend ist. Daher verfügen beispielsweise zwei
Anlagen mit identischem Beta über die gleiche erwartete Rendite, weil sie das glei- che
Marktrisikoaufweisen.

4.4.1 Annahmen

Das CAPM stützt sich – wie andere Modelle auch – auf vereinfachende Annahmen und ignoriert
weitestgehend die Komplexität, welc he den Charakter der Finanzmärkte prägt. Diese
simplifizierten Annahmen ermöglichen es, erste Einblicke in die Preisfindung von Anlagen zu
erhalten.Ist dasModellmit seinen Annahmen definiert,kannman einzelne Annahmen auflösen
und die Auswirkungen auf das Modell in einem der Realität näher- stehenden Umfeld
untersuchen.DieAnnahmen,diezurBasisversiondesCAPMführen,lautenwiefolgt:

1. Investoren sind rationale Individuen, die sich risikoavers verhalten und ihren Nutzen
maximieren.
 RisikoaverseInvestorenwollenfürdasEingeheneineshöherenRisikosmiteinerhöheren
Rendite entschädigt werden. Anleger weisen in Abhängigkeit zu ihrer Risi- koneigung
unterschiedlicheGradederRisikoaversionauf.DieNutzenmaximierungimpliziert,dass
Investoren höhere und nicht niedrigere Renditen anstreben bzw. ihr Vermögen laufend
erhöhenundniezufriedensind.DasrationaleVerhaltenderIn-vestorenbedeutet,dassdie
für die Anlageentscheidung zur Verfügung stehenden Informationen sachgerecht
analysiertwerden.

 Risikoaversion und Nutzenmaximierung stellen realistische Annahmen über das


Verhalten von Investoren dar. Demgegenüber kann das rationale Verhalten von An-
legerninfrage gestellt werden, weil Individuen wegenihrer persönlichen Einstel- lungen
und Erfahrungen Investitionsentscheidungen treffen, die in Bezug auf Ren- dite und
Risikonichtoptimalsein können (Behavioral Finance).Trotzdem ist es möglich, dassdas
ErgebnisdesModellsBestandhatundAnlagepreisedurchdasirrationaleVerhaltennicht
wesentlich beeinflusst werden (z. B. weil sich der Kauf und Verkauf von Anlagen durch
irrationale Investoren gegenseitig aufhebt oder vom Handel durch rational denkende
Investorendominiertwird).

2. DieMärktesindfriktionslos(reibungslos)undesgibtkeineTransaktionskostenundSteuern.

 Reibungslose Märkte bedeuten, dass die Beziehung zwischen Rendite und Risi- ko einer
Anlage zum Beispiel nicht durch das Handelsvolumen an der Börse oder durch die
Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreisen beeinflusst wird. Frikti- onsloseMärkte
verfügen über keine Transaktionskosten, Steuern oder andere Kos- ten wie etwa
Restriktionen für Leerverkäufe (Short Selling). Außerdem wird davon ausgegangen,
dassmanzumrisikolosenZinssatzGeldanlegenundaufnehmenkann.
4.4 CapitalAssetPricingModel 169

 In der Realität bezahlen private wie auch institutionelle Investoren Steuern. Teilwei-
se gibt es institutionelle Investoren wie P ensionskassen und geme innützige Stiftun- gen
unter bestimmten Voraussetzungen, die keine Steuern zu entrichten haben. Die Steuern
sind unterschiedlich hoch und hängen von der Art der erzielten Erträge ab (Zinsen,
Dividenden und Kapitalgewinne). Ferner entstehen beim Handel Kosten, die
beispielsweise durch die Größe der Transaktion, die Liquidität der Märkte und die
Reputation des Investors beeinflusst werden. Die Validität des CAPM ist durch
Transaktionskosten, Steuern und die Unmöglichkeit, zum risikolosen Zinssatz Geld
aufzunehmen (dies ist nur einem Staat vorbehalten), grundsätzlich nicht gefährdet.
Allerdings führen Restriktionen von Leerverkäufen zu überbewerteten Preisen von
Anlagen,diedasCAPMalsGleichgewichtsmodellinfragestellen.

3. Alle Investoren planen für d ie gleiche Anlageperiode.


DasCAPMisteinEin-Perioden-Modell.Dasbedeutet,dasssämtlicheInvestorenaufder
Basis einereinzigen Periode ents cheiden. DieseAnnahmevereinfachtdieAnalyse,weil
derEinbezugvonmehrerenPeriodeneinkomplexeresModellzurFolgehabenwürde.

 Die Unterstellung lediglich einer Periode für die Anlageentscheidungen ignoriert


sämtliche Ereignisse, die nach dem Ende der Periode anfallen. Zum Beispiel erlaubt ein
Modell,dassichnuraufeinePeriodestützt,keineLehrenausdenAnlageent-scheidungen
indiePlanungeinzubeziehen.DarüberhinaussindfürdieNutzenma-ximierungamEnde
von mehreren Perioden Entscheidungen in gewissen Perioden erforderlich, die bei der
BetrachtungvonnureinerPeriodenichtoptimalsind.

4. Alle Investoren haben homogene Erwartungen.


 Sämtliche Investoren analysieren die Anlagen auf die gleiche Weise und teilen dieselben
ökonomischen Ansichten über die Welt. Daher stützen sie sich auf die gleichen
Wahrscheinlichkeitsverteilungen der zukünftigen Cashflows der Anlagen und
berechnen für die Konstruktion der Effizienzkurve dieselben Parameter wie etwa
erwartete Renditen, Varianzen und Ko varianzen. Da es sich um rationale In- vestoren
handelt, gelangen sie zu den jeweils identischen Anlageentscheidungen und investieren
somit in dasgleiche optimale risikobehaftete Portfolio. DieseAn- lagekombination, die
vonsämtlichenMarktteilnehmernausgewähltwird,stelltdasMarktportfoliodar.

 Die Annahme einer strengen Form der Informationseffizienz kann auf den Märkten nicht
nachgewiesenwerden. 36
AllerdingslässtsichdieseAnnahmeauflösen,solange
keinewesentlichenUnterschiedezwischendenvonverschiedenenInvestoren
ausgewähltenoptimalenPortfoliosbestehen.

36
Vgl.Abschn.2.4.2.1.EmpirischeStudienzeigen,dassentwickelteLändereinehalbstrengeFormder
Informationseffizienzaufweisen(undnichteinestrengeForm),dievonMarktpreisanomalien
geprägt wird.
170 4 Einfaktormodelle

5. Alle Anlagen sind unendlich teilbar und handelbar.


Diese Annahme bedeutet, dass ein Anleger exakt so viel Geld investiert, wie er möchte.
Dies ermöglicht es, dass sich das CAPM auf kontinuierliche Funktionen und nicht auf
diskreteSprungfunktionenstützt.
 Die Anlagen beschränken sich auf gehandelte Finanzanlagen wie Aktien, Anleihen und
die Möglichkeit, zum risikolosen Zinssatz Geld anzulegen oder aufzunehmen. Nicht
handelbare Anlagen wie zum Beispiel das Humankapital, das Bundeskanz- leramt in
BerlinunddasBundeshausinBernsindnichtBestandteildesAnlageuni-versums.

6. Investoren sind Preisnehmer (Price Taker).


 Das CAPM unterstellt, dass es eine Vielzahl von Investoren gibt und dass kein Anle- ger
einen genügend hohen Einfluss hat, umdi e Preise auf dem Markt zu verändern. Demnach
sind Investoren Preisnehmer und derHandel von Anlagen hat keinen Ein- fluss auf deren
Preise.

 BeidieserAnnahmehandeltessichumdasausderMikroökonomiebekannteKon-strukt
des perfekten Wettbewerbs. Diese Annahme ist mit Ausnahme von Aktien kleiner
Marktkapitalisierung, die eine geringe Auswirkung auf die Preisbewegun- gen des
Gesamtmarktshaben,grundsätzlichwirklichkeitsnah.

Die Zielsetzung dieser Annahmen besteht darin, einen Investor zu definieren, der ein
bestimmtes, in Bezug auf Rendite und Risiko effizientes Portfolio auswählt. Marktinef-
fizienzen, die aus operationellen (Transaktionskosten, Steuern usw.) und informations-
spezifischen Ineffizienzen entstehen,we rden im CAPM ausgeklammert. Obwohl einige dieser
Annahmen unrealistisch sind, führt deren Auflösung nur zu kleinen Veränderun- gen der
AussagekraftdesModells.
37
DasCAPMhatsichinderPraxistrotzderteilweise
unrealistischenAnnahmendurchgesetzt.DasModellbietetimPortfoliomanagementeine
Orientierungsgröße,umRenditenzuermittelnundfürBewertungszweckemiteinanderzu
vergleichen.

4.4.2 BerechnungundInterpretationdesBetas

MitdemMarktmodelllässtsichdieÜberschussrenditeeinerAnlage(Abweichungvom
risikolosenZinssatz)durcheineRegressionzwischendenÜberschussrenditenderAnlager
. i  rF / und des Marktes .rM  rF / wie folgt bestimmen (einfache lineare Regressions-
analyse):
ri  rF D ’i C “i .rM  rF / C ©i : (4.22)
Wird hingegen eine Regression zwischen den Aktienrenditen .ri / und den Marktrenditen
.rM / durchgeführt, so erhält man folgende Glei chung für die Rendite der Anlage i (einfa-

37
Für die Auflösung der Annahmen im CAPM vgl. Abschn. 4.4.6 .
4.4 CapitalAssetPricingModel 171

che lineare Regressionsanalyse):

ri D ’i C “i rM C ©i : (4.23)

Addiert man in ( 4.22 ) auf beiden Seiten der Gleichung den risikolosen Zinssatz .rF / und
multipliziert den Formelausdruck rM  rF / aus, kann die Formel für die Rendite
der • . werden:
Anlage i folgendermaßen umgeschrieben

ri D rF C ’i C “i rM  “i rF C ©i D ’i C rF .1  “i / C “i rM C ©i : (4.24)

VergleichtmandieFormeln(4.23)und(4.24)miteinanderundunterstellt,dassderrisiko-loseZinssatz
.rF / eine Konstante ist, dann weisen beide Gleichungen dieselbe unabhängi-
ge Variable .rM / und denselben Fehlerterm .©i / auf. Demnach ist die Höhe der Steigung 38
.“i / bei beiden Regressionsgleichungen identisch.
Die Konstante der Regression in ( 4.24 ) ist durch ’i C rF .1  “i / gegeben. Ist das Be-
ta nicht gleich 1 .“i ¤ 1/, dann ist die Konstante der Regressionsgleichung ( 4.24 )nicht
gleich derjenigen von ( 4.22 ). Das CAPM ist ein Gleichgewichtsmodell und geht davon
aus, dass die Anlagen richtig bewertet sind. Aus diesem Grund beträgt das Alpha der An- lage i 0
i D 0/,waszufolgenderGleichungfürdieBerechnungderRenditederAnlage.•
i führt:
ri D rF .1  “i / C “rM C ©i : (4.25)
Das systematische Risiko hängt von der Korrelation zwischen den Renditen der Anlage
und denen des Marktes ab. Daher lässt sich das Marktrisiko aus der Kovarianz zwischen den
RenditenderAnlage .ri / und des Marktes .rM / wie folgt herleiten:

2
Cov .ri ; rM / D Cov .“i rM C ©i ; rM / D “i Cov .rM ; rM / C Cov .©i ; rM / D “i ¢M C 0: (4.26)

Der risikolose Zinssatz ist eine Konstante und entfällt bei der Berechnung der Kovari- anz.
DemzufolgewirdinderKovarianzdieRenditederAnlagei .ri / mit dem Ausdruck
.“i rM C ©i / von ( 4.25 ) ersetzt. Die Kovarianz entspricht der Summe aus “i Cov .rM ; rM /
und Cov .©i ; rM / . Dabei stellt der erste Term von “i Cov.rM; rM / das Produkt aus dem
2
Beta .“/ multipliziert mit der Varianz der Marktrenditen ¢M dar. Der zweite Term von
Cov .©i ; rM / hingegen beträgt 0, weil der Fehlerterm mit dem Markt nicht korreliert. Wird
( 4.26 ) nach dem Beta der Anlage aufgelöst, erhält man folgende Gleichung: 39

Cov .ri ; rM / ¡i;M ¢i ¢M ¡i;M ¢i


“i D 2
D 2
D ; (4.27)
¢M ¢M ¢M

38
DieBewegungendesrisikolosenZinssatzeswährendderPeriodederStichprobefallenimVer-gleichzu
denVariationenderMarktrenditensehrgeringaus.DaherhatdieVolatilitätdesrisikolosen
ZinssatzesnureinengeringenEinflussaufdengeschätztenWertderSteigung().•
39
Das Beta lässt sich aus Stichproben mit historischen Daten berechnen. Dabei werden die Kovari-
anz bzw. Korrelation und die Standardabweichungen mithilfe der Formeln aus Kap. 3 ermittelt.
172 4 Einfaktormodelle

wobei:
Cov .ri ; rM / D ¡i;M ¢i ¢M :
Das Beta stellt somit eine Sensitivitätsgröße dar. Es misst, wie stark sich die Aktienrendite
bei einer Änderung der Marktrendite verändert. Ist das Beta einer Aktie beispielsweise 1,2 und
steigtdieMarktrenditeum2%,dannerhöhtsichdieRenditederAktieum2,4%(
D 1;2  2 %). Das Beta reflektiert das systematische Risiko der Aktie bzw. denjenigen
Anteil des Risikos, der sich durch die Diversifikation nicht eliminieren lässt.
EinpositivesBetabedeutet,dasssichdieAktienrenditenindiegleicheRichtungwieder
Marktbewegen.EinnegativesBetahingegenimpliziert,dasssichdieRenditenderAnlagenin
dievomMarktentgegengesetzteRichtungverändern.EinerisikoloseAnlagebesitzteinBeta
von0,weildieKovarianzmitanderenAnlagenbzw.mitdemMarkt0ist.Demgegenüberliegtdas
BetadesMarktesbei1
.“M D 1/. Ersetzt man im Zähler von
( 4.27 ) die Standardabweichung der Anlage i .¢i / mit derjenigen des Marktes .¢M / und
berücksichtigt, dass die Korrelation des Marktes zu sich selbst 1 beträgt .¡M;M D 1/, lässt
sich ein Beta für den Markt von 1 zeigen:
¡i;M ¢i ¢M ¡M;M ¢M
“M D 2
D D 1: (4.28)
¢M ¢M

Das Beta des Marktes von 1 lässt sich auch dadurch erklären, dass der Durchschnitt sämtlicher
Betas der auf dem Markt gehandelten Anlagen 1 beträgt. Eine Mehrheit der gehandelten Aktien
weist ein positives Beta auf, weil sich deren Renditen in die gleiche Richtung wie der
Gesamtmarktbewegen.AktienmiteinemnegativenBetastelleneherdieAusnahmedar.

Beispiel
Berechnung des Betas
Die Volatilität (Standardabweichung) des Mar ktes beträgt 30 %. Ein Analyst möchte für die
folgendenAnlagendasBetaausrechnen:

1. BuBills,
2. Gold mit einer Volatilität von 35 % und einer Korrelation zum Gesamtmarkt von
0;2,
3. eine Aktie mit einer Volatilität von 40 % und einer Korrelation zum Gesamtmarkt
von 0,6.

Lösungzu1
BuBillsbzw.unverzinslicheSchatzanweisungenderBundesrepublikDeutschlandwei-sen
perdefinitionemquasieinRisikovon0auf. 40
Die Rendite dieser Anlagen verändert
sich nicht, sodass die Standardabweichung und die Korrelation zum Gesamtmarkt 0
sind. Daher ist auch das Beta von BuBills 0.
40
Vgl. Abschn. 3.8 .
4.4 CapitalAssetPricingModel 173

Lösungzu2
Das Beta von Gold beläuft sich auf 0;233:

0;20  0;35
“Gold D D 0;233:
0;30

Fällt der Gesamtmarkt beispielsweise um 5 %, dann nimmt die Rendite des Goldes um rund
1,165%[ D .0;233/  .5 %/ ] zu.

Lösungzu3
Das Beta der Aktie liegt bei 0,8:

0;60  0;40
“Aktie D D 0;8:
0;30

Eine alternative und praktikablere Methode, um das Beta zu berechnen, erfolgt mit
der Steigung der Regressionsgeraden im Marktmodell.41 Die Regressionsgleichung
.ri;t D ’i C “i rM;t C ©i;t / misstdenZusammenhangzwischenderabhängigenVariablen).Die
(Aktienrendite ri ) und der unabhängigen Variablen (Marktrendite rM Steigungder
Regressionsgeraden entspricht dem Beta der Aktie, das die Veränderung der Aktienrendite
hinsichtlich einer Veränderung der Marktrendite misst. Demnach ist das Beta ein Maß für das
Marktrisiko bzw. dassystematische Risiko einer Aktie. Abb. 4.7 zeigt die Schätzung des Betas
anhanddereinfachenlinearenRegressionsanalyse.
DieRegressionsgeradewirddurchdieMethodederkleinstenQuadratebestimmt.Beidieser
MethodewerdendievertikalenAbstandsquadratezwischendenbeobachtetenAk-tienrenditen
 
.ri;t / und den diesbezüglichen Werten auf der Regressionsgeraden r0i;t bzw.
die Residuenabweichungen .©i;t / minimiert.42

X
T X
T
 2
©2i;t D ri;t  r0i;t ) minimieren (4.29)
tD1 tD1

DieSteigungderRegressionsgeradenstelltdasBetaderAktiedarundkannmit( 4.27)berechnet
werden. 43

41
FürdasMarktmodellvgl.Abschn. 4.2.ImCAPMwirddieBerechnungdesBetasmitderRegres-sion
zwischendenRenditenundnichtmitdenüberdemrisikolosenZinssatzliegendenRenditen
der Aktie und des Marktes durchgeführt. 42
Für die Methode der kleinsten Quadrate vgl. Abschn. 4.2.3 .
43
DieRegressionsgeradeverläuftnachderMethodederkleinstenQuadratedurchdasarithmeti-sche
MittelderX-Werte(X)unddasarithmetischeMittelderY-Werte(Y).DerX-Wertentspricht
der unabhängigen Variablen (rM ),währendderY-WertdieabhängigeVariable(r)reflektiert.Die i
Funktion der Regressionsgeraden ist: Y0 D a C bx. Der Regressionskoeffizient b lässt sich wie folgt
P
Œ.XX/.YY/ CovX;Y
berechnen: b D P 2 D .
.X X/ ¢X2
174 4 Einfaktormodelle

(Aktienrenditen r)
i

Regressionsgerade

Δ ri Δ ri
Steigung = = Beta
Δ rM Δ rM

ri,1
εi,1
ri,1‘ (Marktrenditen rM)

Abb.4.7 Schätzung des historischen Betas

Der Determinationskoeffizient bzw. das R2 zeigt, wie gut die unabhängige Variable
(die Marktrendite) die abhängige Variable (die Aktienrendite) erklärt. Diese Kennzahl il-
lustriert den Anteil des Aktienrisikos, der auf das Marktrisiko zurückgeführt werden kann.
DemnachbeschreibtderAusdruck 1  R2  das titelspezifische bzw. unsystematische Ri-
siko.44
Abb.4.8zeigtdieeinfachelineareRegressionsanalysefürdieSchätzungdesBetasvon0,734
derNovartis-Aktie.Dabeiwurden60monatlicheRenditenübereineZeitdauervon5Jahren–
zwischenEndeSeptember2007undEndeAugust2012–verwendet. 45
Wird
das Beta gegen den langfristigen erwarteten Wert von 1 korrigiert, ergibt sich ein Beta der
Novartis-Aktievon0,823( D 0;333 C 0;667  0;734).
Es gibt verschiedene Finanzinformationsdi enstleister – wie Bloomberg, Barra, Facti-
va, Standard and Poor’s und Value Line –, die das Beta verschiedener Aktien berechnen und
veröffentlichen. Die Betas werden aufgrund einer Regression mit historischen Da- ten ermittelt
unddannmitbestimmtenVerfahrenangepasst,damitdaszukünftigeRisikobesserreflektiertist.
46
DiemeistenFinanzinformationsdienstleistergebennichtan,wiesie
dasBetaadjustieren.DarüberhinausmachensieüblicherweiseauchkeineAngabenüberdas
verwendeteMarktportfolio,denZeithorizontderRegressionunddieFrequenzderhistorischen
Renditen(täglich,wöchentlich,monatlichoderjährlich).

44
DasBetabesitztwiejedeanderestatistischgeschätzteGrößeaucheinenstatistischenFehler.Die
AbweichungdesBetasvomwahrenWertkannübereinKonfidenzintervallangegebenwerden.Vgl.
Abschn. 4.2.3 .
45
DerDeterminationskoeffizientliegtbei0,3789.DemnachwerdendurchdieVeränderungdesSMIrund
38%derRenditestreuungderNovartis-Aktienerklärt.DieSteigungderRegressionsgeradenweisteine
t-Statistikvon5,948aufundistdaherstatistischsignifikant.Vgl.Abschn. 4.2.3.
46
Vgl. Abschn. 4.2.5 .
4.4 CapitalAssetPricingModel 175

(Renditen 10
Novartis in %) 8 Regressionsgerade

6
4
2
0
-10 -5 -2 0 5 10
(Renditen SMI in %)
-4
-6
-8
-10

Abb.4.8 Beta der Novartis-Aktien

DashistorischeBeta,dasfürdieErmittlungdererwartetenRenditeeingesetztwird,beruht
aufderAnnahme,dassdieVergangenheitderbesteIndikatorfürdieZukunftist.Verändertsich
dieRisikolageeinesUnternehmensjedoch,sotrifftdieseAnnahmenichtmehrzu.Umdiese
Veränderungenzuberücksichtigen,mussdemnachdasBetaangepasstwerden.

Grundsätzlich müssen bei einer Regression die folgenden drei Entscheide getroffen
werden:

 Länge der Zeitperiode für die Regression,


 Renditeintervalle,
 Wahl des Marktindexes.

Die Mehrheit der Finanzinformationsdienstleister, deren methodische Ansätze in Teilen


bekannt sind, verwendet einen Zeithorizont für die Regression der Renditen von 5Jahren mit 60
monatlichen Renditen (so z. B. Morni ngstar/Ibbotson, Merrill Lynch und Com- pustat). Im
Gegensatz dazu benutzt zum BeispielBloombergstandardmäßig einePeri- ode von 2Jahren mit
wöchentlichen Renditedaten, diederBenutzerwahlweise ändern kann. JelängerdieDatenreihe
ist, desto mehr Daten stehen zur Verfügung. Dies führt zu einem kleineren statistischen Fehler.
Allerdings kann sich die Risikosituation eines Unternehmens auch verändern (z. B. durch eine
Veränderung des Geschäftsmodells, eine Akquisition oder einen höheren operativenund/oder
finanziellen Leverage), sodass lange Zeitreihen das aktuelle Risiko ni cht mehr korrekt
wiedergeben.
176 4 Einfaktormodelle

Aktienrenditen sind erhältlich auf Jahres-, Monats-, Wochen-, Tages- und Intra-
Tagesbasis. Bei Tages- oder Intra-Tagesrenditen erhöht sich zwar die Anzahl an Be-
obachtungen in der Regression, dies kann allerdings zu einem falschen Beta führen, da es Tage
oderStundengibt,andenendieAktienichtgehandeltwird. 47
Insbesondereklei-
neUnternehmenkönnenvoneinemnichterfolgtenAktienhandelbetroffensein,wenntägliche
RenditeninderRegressionbenutztwerden.
InderRegelwähltmandenjenigenMarktindexdesHeimatlandes,andemdieAktie
gehandeltwird.BeispielsweisewirdfürbritischeAktienderFTSE(FinancialTimesStock
Exchange),fürjapanischeAktienderNikkei,fürdeutscheAktienderDAXundfürUS-Aktien
derNYSEComposite(NewYorkStockExchange)oderderS&P500verwendet.
48

Dieses Vorgehen führt zu einem angemessenen Beta für die im Heimatmarkt domizilierten
Investoren,währenddiesfürausländischeAnlegernichtderbesteAnsatzist.Vielmehrsollteman
beiderBerechnungfürimAuslandansässigeInvestoreneineninternationalenIndexwieetwaden
MSCI(Morgan-Stanley-Capital-Index)benutzen.

FinanzinformationsdienstleisterveröffentlichenaufgrundunterschiedlicherBetrach-
tungsperioden,Renditeintervalle,MarktindizesundAdjustierungsmethodenfürdasBeta
verschiedenhoheBetasfürdieselbeAktie. 49

4.4.3 DieWertpapiermarktlinie

Die Wertpapiermarktlinie (Security Market Line) ist eine graphische Darstellung des CAPM,
wobeisich das Beta als Risikogröße auf der X-Achse und die erwartete Rendite auf der Y-Achse
befinden. Die Beziehung zwischen der erwarteten Rendite und dem Ri- siko ist im CAPM linear.
Ist man in der Lage zwei Rendite-Risiko-Punkte zu definieren, kann die Wertpapiermarktlinie
bestimmtwerden.EinederAnnahmenimCAPMlautet,

47
DieserNicht-Handel-Fehlerergibtsich,weildieAktienrenditen0%sind,wennsienichtgehan-delt
werden.DemgegenüberhatsichderAktienmarktindieserZeitverändert,daAktienaufdem
Markt gekauft und verkauft wurden. Eine solche Datenreihe führt zu einem niedrigeren Korrelati-
onskoeffizientenzwischendenAktien-unddenMarktrenditen,waseinniedrigeresBetazurFolgehat.

48
EsgibtAktienindizes,dievoneinigenwenigenAktiendominiertwerden.Sowirdbeispielsweiseder
DAXvonden8AktienBayer,Siemens,Daimler,SAP,BASF,Allianz,DeutscheTelekomundBMW
beherrscht,dieAnfangJanuar2015rund59%desIndexesausmachten.Dierestlichen41%verteiltensich
aufdieübrigen22DAX-Titel.DerSMIwirdlediglichvonden3AktienNovartis,NestléundRoche
dominiert,diezusammenrund60%desIndexwertsbilden.Dieübrigen17TitelimSMImachenrund40%
derMarktkapitalisierungaus.WirdeinAktienindexnurdurchwenigeAktiengeprägt,sostellendie
berechnetenBetaseineschlechteMarktrisikogrößedar.DiejenigenAktien,diedenIndexbeherrschen,
weiseneinBetavongegen1auf.AlleübrigenBeteiligungspa-pierebesitzenstarkvariierendeBetas.Die
SummedergewichtetenBetasvonsämtlichenAktienimIndexist1.

49
So kann beispielsweise ein Beta, das mit täglichen Renditen berechnet wird, wesentlich von einem
Beta abweichen, das von wöchentlichen oder monatlichen Kursbewegungen abgeleitet wird.
4.4 CapitalAssetPricingModel 177

(erwartete Wertpapiermarktlinie
Rendite)
(Y)

M
E(rM )

ΔY = E(r ) − r
M F

rF
ΔY E(r ) − r
Steigung = = M
= E(r ) − r
F

a ΔX 1− 0
M F

ΔX = 1 – 0
0%
0 βM =1 (Beta)
(X)

Abb.4.9 Wertpapiermarktlinie

dass man Geld zu einem identischen risikolo sen Zinssatz anlegen und aufnehmen kann. Dies
führtzumerstenRendite-Risiko-Punktvonr inAbb.4.9.EineweitereAnnahmeF
des CAPM ist, dass Investoren über homoge ne Erwartungen verfügen und demnach in das
gleiche risikobehaftete optimale Portfolio investieren. Dieses Marktportfolio (M) weist ein
Betavon1aufundbesitzteineerwarteteRendite
ŒE .rM /. Die Wertpapiermarktlinie
geht durch die beiden Rendite-Risiko-Punkte rF und M und ist in Abb. 4.9 aufgeführt.
Die Wertpapiermarktlin ie ist eine Gerade, die durch die Gleichung Y D a C bX ge-
geben ist. Die abhängige Variable Y umfasst die erwartete Rendite der Anlage i, während
die unabhängige Variable X das Beta der Anlage i widerspiegelt. In Abb. 4.9 stellt der
Achsenabschnitt(a)denrisikolosenZinssatz .r / dar,währenddieSteigungderWertpa- F
piermarktlinie (b) durch die Differenz zwischen der erwarteten Rendite des Marktportfo- lios
und dem risikolosen Zinssatz gegeben ist. Dieser Zusammenhang führt zu folgender Formel für
dieerwarteteRenditeeinerAnlagei:

E .ri / D rF C ŒE .rM /  rF “:i (4.30)

DasCAPMzeigt,dassderprimäreEinflussfaktordererwartetenRenditeeinerAnla-gedas
Betaistbzw.dasMaßfürdieFrage,wiestarkdieRenditenderAnlagemitdenMarktrenditen
korrelieren.EsbestehteinpositiverZusammenhangzwischendererwar-tetenRenditeunddem
Beta.AnlagenmiteinemBetagrößerals1verfügenübereineerwarteteRendite,diehöherals
diejenigedesMarktesist.DemgegenüberbesitzenAktienmiteinemBetaunter1eineim
VergleichzumMarktniedrigereerwarteteRendite.WeistdieAktieeinnegativesBetaauf,kann
dieszueinererwartetenRenditeführen,dieunterdemrisikolosenZinssatzliegt.

DieKapitalmarktlinieunddieKapitalallokationsliniespiegelndieerwarteteRenditeund
dasRisikoeineseffizientenPortfolioswider,dassichausderrisikolosenAnlageund
17 4 Einfaktormodelle

einer auf der Effizienzkurve liegenden risikobehafteten Anlagekombination zusammen- setzt.


Die Wertpapiermarktlinie hingegen k ann für die Berechnung der erwarteten Rendite und des
Risikos von einzelnen Anlagen oder Portfolios angewandt werden. Ein weiterer wichtiger
Unterschied liegt in der verwendeten Risikogröße. Die Kapitalallokationslinie und die
Kapitalmarktlinie definieren das Risiko über die Standardabweichung, die das Gesamtrisiko
des Portfolios wiedergibt. Die effizienten Portfolios in den beiden Modellen sind gut
diversifiziert, sodass das Gesamtris iko dem nicht diversifiz ierbaren systemati- schen Risiko
entspricht. Im Gegensatz dazu ist das Risiko im CAPM durch das Beta gegeben, das eine
Marktrisikogrößedarstellt.

Beispiel
Berechnung der erwarteten CAPM-Rendite
Das Marktportfolio weist eine erwartete Rendite von 12 % und eine Standardabwei- chung
von30%auf.DerrisikoloseZinssatzbeträgt2%.

1. Eine Aktie besitzt eine Standardabweichung der Renditen von 40 %. Die Korrela- tion
zwischen den Aktien- und Marktrenditen beträgt 0. Wie hoch ist die erwartete
CAPM-RenditederAktie?
2. Eine weitere Aktie verfügt über eine Standardabweichung der Renditen von 40 %, wobei
sich der Korrelationskoeffizient zwischen den Aktien- und Marktrenditen auf 0,7
beläuft.WiehochistdieerwarteteCAPM-RenditederAktie?

Lösungzu1
Das Beta der Aktie von 0 kann wie folgt berechnet werden:

¡i;M ¢i 0  0;40
“Aktie D D D 0:
¢M 0;30

Die erwartete CAPM-Rendite der Aktie beträgt 2 %:

E .rAktie / D 2% C .12%  2%/  0 D 2%:

Da die Aktie kein Marktrisiko besitzt, ist die Risikoprämie – also die Marktrisiko- prämie
multipliziertmitdemBeta– 0 %. Die erwartete CAPM-Rendite der Aktie
entspricht somit dem risikolosen Zinssatz von 2 %.

Lösungzu2

¡i;M ¢i 0;70  0;40


“Aktie D D D 0;933
¢M 0;30
E .rAktie / D 2% C .12%  2%/  0;933 D 11;33%
4.4 CapitalAssetPricingModel 179

Im Vergleich zum Markt .“ D 1/ ist das Beta der Aktie von 0,933 kleiner, was zu einer
erwarteten CAPM-Rendite von 11,33 % führt, die niedriger als die erwartete Marktren-
dite von 12 % ist.

DieWertpapiermarktliniekannsowohlfürdieBerechnungdererwartetenRenditevon
einzelnenAktienalsauchfüreinAktienportfolioeingesetztwerden.ZumBeispielverfügtein
PortfolioüberzweiAnlagen.DieerwarteteRenditediesesZwei-Anlagen-PortfoliosE
Œ .rP / lässt sich wie folgt ermitteln:
 
E rp D w1 E .r1 / C w2 E .r2 / ; (4.31)

wobei:

w1 D prozentualerAnteilderAnlage1imPortfolio,r
E . 1 / D erwartete Rendite der Anlage 1.

WirdinderobenstehendenFormeldieerwarteteRenditedereinzelnenAnlagenmit( 4.30)ersetzt,
gelangtmanzufolgenderGleichungfürdieerwartetePortfoliorendite: 50

E .rP / D w1 rF C w1 “1 ŒE .rM /  rF  C w2 rF C w2 “2 ŒE .rM /  rF 


(4.32)
D rF C .w1 “1 C w2 “2 /ŒE . rM /  rF  :

Die Formel zeigt, dass das Beta des Zwei-Anlagen-Portfolios .“P / aus der Summe der
gewichteten Betas der beiden Anlagen besteht .“P D w1 “1 C w2 “2 /. Demnach kann das
Portfoliobeta als Summe der gewichteten Einzelbetas berechnet werden:

N
“P D Xi wi “i ; (4.33)
D1

wobei:
PN
iD1 wi D 1.

Die erwartete Portfoliorendite lässt sich gemäß CAPM wie folgt bestimmen:

E .rP / D rF C ŒE .rM /  rF “ P : (4.34)

Es besteht eine lineare Beziehung zwischen der erwarteten Portfoliorendite und dem Port-
foliobetabzw.demMarktrisiko.

50
w1 rF C w2 rF D rF .w1 C w2 / D rF ; weil w1 C w2 D 1.
1 0 4 Einfaktormodelle

Beispiel
Erwartete CAPM-Rendite und Beta eines Portfolios
Ein Portfoliomanager hat EUR 500:000 in BuBills angelegt, die eine erwartete Rendite
von 2 % aufweisen. Des Weiteren besteht das Portfolio aus Exchange Traded Funds
auf den HDAX (das Marktportfo lio) mit einem Marktwert von EUR 1:000:000. Die er-
wartete Rendite und die Standardabweichung der ETFs auf den HDAX liegen bei 15 %
respektive 30 %. Im Portfolio befinden sich auch Aktien der Linde AG mit einem Beta von
0,82.DerMarktwertderAktienpositionvonLindebeläuftsichaufEUR 1:000:000.
Wie hoch ist die erwartete Rendite dieses Portfolios anhand des CAPM?

Lösung
Zunächst ist das Portfoliobeta zu berechnen. Die BuBills weisen ein Beta von 0 auf, während
die ETFs auf den HDAX ein Beta von 1 besitzen. Das Portfoliobeta von 0,728 kann
folgendermaßenberechnetwerden:

“P D w1 “1 C w2 “2 C w3 “3 D 0;2  0 C 0;4  1 C 0;4  0;82 D 0;728:

Die erwartete CAPM-Rendite des Portfolios beträgt 11,46 %:

E .rP / D rF C ŒE .rM /  rF  “P D 2% C .15%  2%/  0;728 D 11;46%:

Alternativ könnte man zunächst die erwarteten Renditen der einzelnen Anlagen nach dem
CAPMausrechnen.DieerwartetePortfoliorenditeergibtsichineinemzweitenSchrittausder
SummedergewichtetenEinzelrenditen.

E .rBuBills / D 2% C .15%  2%/  0 D 2%


E .rETF HDAX / D 2% C .15%  2%/  1 D 15%
E .rLinde / D 2% C .15%  2%/  0;82 D 12;66%
E .rP / D 0;2  2% C 0;4  15% C 0;4  12;66% D 11;46%

Die erwartete Portfoliorendite beträgt ebenfalls 11,46 %.

4.4.4 Gleichgewichtsmodell

Das CAPM unterstellt, dass die Investore n homogene Erwartungen haben und sich ra- tional,
risikoavers und nutzenmaximierend verhalten. Diese Annahmen führen dazu, dass sämtliche
Investoren identische Werte für die einzelnen Anlagen berechnen und demzu- folge das gleiche
risikobehaftete optimale Portfolio – das Marktportfolio – konstruieren. Werden die
zukünftigen Cashflows einer Anlagemit der erwarteten Rendite diskontiert, lässt sich der Preis
(innere Wert) einer Anlage bestimmen. Verfügen sämtliche Investoren über die gleichen
ErwartungenhinsichtlichderzukünftigenCashflowsunddererwarteten
4.4 CapitalAssetPricingModel 1 1

(erwartete
Rendite) Wertpapiermarktlinie
A
E(rA )

E(rA, CAPM ) positives Alpha,


M Titel ist unterbewertet
E(rM )
E(rB, CAPM )
negatives Alpha,
E(rB )
Titel ist überbewertet
rF B

0 βB = 0,8 βM =1 βA = 1,4 (Beta)

Abb.4.10 CAPM als Gleichgewichtsmodell

Rendite, gelangen sie zum gleichen Wert der Anlage. Die im CAPM aufgeführte Annah- me der
strengen Informationseffizienz der Märkte (homogene Erwartungen) hat zur Folge, dass alle
AnlagenrichtigbewertetsindunddaheraufderWertpapiermarktlinieliegen.
ImGleichgewichtliegenalleAnlagenundPortfoliosaufderWertpapiermarktlinie.Ei-ne
Aktieistunterbewertet,wennderenMarktpreisniedrigeralsderinnereWertist.Derzuniedrige
Aktienpreiskommtzustande,weildieerwarteteRenditeimVergleichzumMarktrisikozuhoch
ist.JedeAnlagemiteinererwartetenRendite,dieüberderjenigenderWertpapiermarktlinie
liegt,istunterbewertet.DemgegenüberisteineAktieüberbewertet,wenndieerwarteteRendite
unterderWertpapiermarktlinieist.SindTitelunterbewertet,werdensievonden
Marktteilnehmerngekauft,waszueinemhöherenPreisundzueinerniedrigerenerwarteten
Renditeführt.DiePreiskorrekturaufdemMarktfindetsolangestatt,bisdieAnlageim
Gleichgewichtistbzw.sichdieerwarteteRenditeaufderWert-papiermarktliniebefindet.Ist
eineAktiehingegenüberbewertet,wirdsieverkauft.DashateinenniedrigerenPreisundeine
höhereerwarteteRenditezurFolge.HatsichdurchdieVerkäufedasGleichgewichtwieder
eingestellt,liegtdieerwarteteRenditedesBetei-ligungspapiersaufderWertpapiermarktlinie.
Abb.4.10zeigtdiesenZusammenhang.

InAbb. 4.10istdieAnlageAunterbewertet,weildieerwarteteRenditedesWert-papiershöher
istalsdiejenige,diesichmittelsdesCAPMermittelnlässt.DasAlpha,welchesdurchden
vertikalenAbstandzwischendemRendite-Risiko-PunktAbzw.Bundder
Wertpapiermarktliniegegebenist,istimFalleeinerunterbewertetenAnlageposi-tiv,während
einüberbewerteterTiteleinnegativesAlphaaufweist.DerPortfoliomanagerkannmithilfeder
Wertpapieranalyse(Fundamentalanalyse)dieerwarteteRenditeeinerAktiedurchden
prognostiziertenKapitalgewinnbzw.-verlustunddieDividendenrenditebestimmen.

51
Das Alpha der Anlage stellt die Differenz zwischen der erwarteten Rendite

51
Vgl. Abschn. 6.3 .
1 2 4 Einfaktormodelle

und der gemäß CAPM von den Investoren verlangten Rendite dar:
 
.P1  P0 / Div1
Alpha D C  .rF C ŒE .rM /  rF  “/ ; (4.35)
P0 P0

wobei:

P0 D Preis der Aktie zu Beginn der Periode,


P1 D PreisderAktieamEndederPeriode,
Div1 D Dividende der Aktie, die am Ende der Periode anfällt.

KaufendieMarktteilnehmerdieunterbewerteteAktieA,steigtderenPreis.Setztmanindieoben
stehendeFormeleinenhöherenPreisfürP 0 ein, fällt die erwartete Rendite,
was zu einem niedrigeren Alpha führt. Dieser Kaufprozess dauert so lange, bis das Alpha 0 % ist
bzw.dieAktierichtigbewertetist(Marktpreis D innerer Wert). Das CAPM ist
ein Gleichgewichtsmodell. Sind einzelne Aktien auf dem Markt unter- oder überbewertet,
findet eine Preiskorrektur statt, bis sich diese Anlagen wieder auf der Wertpapiermarktlinie
befinden.
IstderMarktinformationseffizient,liegensämtlicheAnlagenaufderWertpapiermarkt-
linie,weilallezurVerfügungstehendenInformationenindenPreisenenthaltensindund
demnachkeineFehlbewertungenvorliegen.BeieinemMarkt,dernichtvollständig
informationseffizientist,gibtesunter-undüberbewerteteAnlagen,weilnichtalleMarkt-
teilnehmerüberdiepreisrelevantenInformationenverfügen.IsteinInvestorinderLage,
fehlbewerteteAnlagenzuidentifizieren,kannerimVergleichzueinemdurchschnittlichen
AnlegereinehöhereRenditeerzielen(Alpha).

Beispiel
Unter- und überbewertete Anlagen
Ein Analyst bei einer Bank untersucht die drei Aktien der Unternehmen Delta, Gamma und
Vega. Mithilfe der Fundamentalanalyse bestimmt er für die drei Aktien folgende erwartete
PreiseundDividendenin1Jahr:

Aktien Aktuelle Preise (P0 ) Erwartete Preise (P1 ) Erwartete Dividenden (Div1 )
Delta EUR 50 EUR 52 EUR 2,00
Gamma EUR 90 EUR 99 EUR 0,90
Vega EUR 70 EUR 80 EUR 1,50

DerAnalystberechnetmiteinereinfachenlinearenRegressionsanalysedieBetasderdrei
Aktien.DasBetavonDeltabeträgt1,2,währenddieBetasvonGammaundVegabei1,5
respektivebei1,6liegen.UnverzinslicheSchatzanweisungenderBundes-republik
Deutschland(BuBills)miteinerLaufzeitvon1JahrweiseneineRenditevon2%auf.Beim
DAXwirdeineRenditevon8%erwartet.
4.4 CapitalAssetPricingModel 1 3

1. Wie hoch ist das Alpha der Delta-Aktie und wie lautet der Anlageentscheid?
2. Wie hoch ist das Alpha der Gamma-Aktie und wie lautet der Anlageentscheid?
Wie hoch ist das Alpha der Vega-Aktie und wie lautet der Anlageentscheid?
3.

Lösungzu1

.EUR 52  EUR 50/ C EUR 2
AlphaDelta D  Œ0;02 C .0;08  0;02/  1;2
EUR 50
D 0;012
Die Delta-Aktie weist ein negatives Alpha von 0,012 auf. Die Aktie ist überbewertet und der
AnalystwirdeineVerkaufsempfehlungherausgeben.

Lösungzu2

.EUR 99  EUR 90/ C EUR 0;90
AlphaGamma D  Œ0;02 C .0;08  0;02/  1;5
EUR 90
D0
Die Gamma-Aktie ist richtig bewertet und liegt demzufolge auf der Wertpapiermarkt- linie.
DieAnlageempfehlunglautetaufHalten.

Lösungzu3

.EUR 80  EUR 70/ C EUR 1;50
AlphaVega D  Œ0;02 C .0;08  0;02/  1;6
EUR 70
D 0;0483
Die Vega-Aktie besitzt ein positives Alpha von 0,0483 und ist demnach unterbewertet. Die
AktiewirdzumKaufempfohlen.

4.4.5 EmpirischeRelevanzdesCAPM

Das CAPM ist wie jedes Modell grundsätzlich d er Versuch, die Realität abzubilden. Durch die
realitätsfremden und vereinfachten Annahmen der zugrunde liegenden Theorie er- fasst es
jedoch nicht sämtliche Attribute der Wirklichkeitund ist nur schwer überprüfbar. Beim CAPM
werden entsprechend die Vorau ssagen des Modells überprüft. Dabei sind im CAPM einerseits
die Effizienz des Marktportfolios und andererseits die lineare Beziehung zwischen der
erwartetenRenditeunddemBetazuuntersuchen.

EinModellkanngrundsätzlichmitnormativenundpositivenTestverfahrenüberprüft
werden.NormativeTestsuntersuchendieAnnahmen,währendsichdiepositivenTestsmitden
Voraussagenauseinandersetzen.SinddieAnnahmeneinesModellsgültigundistdie
mathematischeHerleitungfehlerfrei,stimmendieVoraussagendesModells.DasCAPM
verfügtübervereinfachteAnnahmen,welchedieKomplexitätundVielfaltderRealitätnicht
wiedergeben.DahererscheinennormativeTestsdesCAPM,welchedieunrealisti-schen
Annahmenuntersuchen,nichtsinnvoll.IndiesemZusammenhangistzuerwähnen,
1 4 4 Einfaktormodelle

dass üblicherweise vereinfachte Annahmen unterstellt werden müssen, um ein Modell zu


entwickeln, das praktikabel und robust ist. Ei n Modell ist in Bezug auf die getroffenen An-
nahmen robust, wenn deren Voraussagen nicht zu stark von den unterstellten Annahmen
abhängen. Benutzt man Annahmen, welche die Robustheit des Modells nicht wesentlich
beeinflussen, sind die Voraussagen trotz der vorgenommenen Vereinfachungen angemes- sen.
Dabei beurteilen positive Tests das Modell hinsichtlich der empirischen Relevanz ihrer
Aussagen. Ein positiver Test überprüft die Robustheit des CAPM, weil die unrealis- tischen
AnnahmeneinennormativenTestunmöglichmachen.

DieVoraussagendesCAPMbeinhalten,dassdasMarktportfoliohinsichtlichRenditeund
RisikoeffizientistunddassdieWertpapiermarktliniedieerwarteteRenditeunddasRisikovon
richtigbewertetenAnlagenmiteinemAlphavonnullerklärt.DiezweiteVor-aussagelässtsichvon
dererstenableiten,sodassbeideVoraussagenvoneinemTestdeseffizientenMarktportfolios
abhängen.DasHauptproblemdiesespositivenTestsbestehtdarin,dassdasMarktportfolionicht
beobachtbarist.DasMarktportfolioumfasstallerisi-kobehaftetenAnlagen,dievonInvestoren
gekauftundverkauftwerdenkönnen.
52
EinAk-
tienindexwiebeispielsweisederDAXoderderHDAXbeinhaltetlediglicheinenBruchteilaller
handelbarenAnlagen. 53
NimmtmanimCAPMalsAnnäherungzumMarktportfolioden
HDAX,dannkönnendarauszweiFehlerentstehen.ErstenskanndasBetafalschsein,
weil der HDAX das systematische Risiko des wahren Marktportfolios nicht angemessen
widerspiegelt. Zweitens kann die Wertpapiermarktlinie falsch sein, weil sie durch den ri-
sikolosen Zinssatz und den HDAX und nicht durch das Marktportfolio verläuft. Bereits geringe
AbweichungenvonderEffizienzdes Marktportfolioskönnen zuwesentlichenVeränderungen
der Wertpapiermarktlinie bz w. der Beziehung zwischen der erwarteten Rendite und dem Beta
führen,wasdenpraktischenNutzendesCAPMinfragestellt.

DasTestendesCAPMbeschränktsichaufdieBeziehungzwischendererwartetenRenditeund
demBeta,weildasMarktportfolionichtbeobachtetwerdenkann.DabeiwirdalsAnnäherung
zumMarktportfolioeinAktienindexwiezumBeispielderS&P500ver-wendet.
54
DieempirischenTestsbeziehensicheinerseitsaufdieStabilitätdesBetasund
andererseitsaufdielineareBeziehungzwischendererwartetenRenditeunddemBeta.Umdie
Wertpapiermarktliniezuüberprüfen,werdenderAchsenabschnitt–derrisikoloseZinssatz–
unddieSteigungderGeraden–dieMarktrisikoprämie–untersucht.

EineVielzahlvonempirischenStudienhatdieStabilitätdesBetasanalysiert.DieStu-dien
kommengenerellzudemSchluss,dassdasBetaeinzelnerAktiennichtstabilist,währenddasBeta
vonAktienportfoliosweitestgehendstabilzuseinscheint. 55
Die Stabi-

52
DieKritikvonRoll(Roll’sCritique)zeigtdieSchwierigkeiten,diebeimTestendesCAPMent-stehen,
weildasMarktportfolionichtbeobachtetwerdenkann.Vgl.Roll 1977:ACritiqueofthe
Asset Pricing Theory’s Tests: Part I: On Past and Potential Testability of the Theory, S. 129 ff. 53
Das Marktportfolio umfasst alle handelbaren risikobehafteten Anlagen wie Liegenschaften, Edel-
metalle, Sammlungen von Briefmarken, Juwelen und andere werthaltige Anlagen. 54
Der S&P 500 stellt einen guten Indikator für die Entwicklung des gesamten US-Aktienmarktes
dar, weil der Index rund 80 % der Marktkapitalisierung von US-Aktien wiedergibt. 55
Vgl. z. B. Levy 1971 : On the Short-Term Stationarity of Beta Coefficients, S. 55 ff.
4.4 CapitalAssetPricingModel 1 5

lität des Betas eines Portfolios nimmt zu, je größer die Anzahl Aktien im Portfolio (z. B. mehr als
50 Aktien) und je länger die Zeitperiode (mehr als 26 Wochen) ist. Weiter zei- gen empirische
Studien,dassdasBetalangfristiggegen1geht. 56
Ein weiterer Faktor, der
die Stabilität des Betas beeinflusst, ist die gewählte historische Zeitperiode für die Be-
rechnung und das Testen des Betas. Empirische Studien gelangen zu dem Schluss, dass eine
längereZeitperiodeeinehöhereStabilitätindividuellerBetaszurFolgehat. 57
Zum
BeispielzeigteineStudievonRoenfeldt,GriepentrogundPflamm(1978),dasseinbe-rechnetes
Beta aus 48 Monaten das Beta für die nächsten 12 Monate unzureichend genau prognostiziert,
während dieSchätzungen fürdie Betasder nächsten24, 36 und48 Mo- nate alsdurchaus adäquat
beschriebenwerden.
58
EineweitereStudievonCarpenterund
Upton(1981)zeigt,dasseinumdasHandelsvolumenkorrigiertesBetazueinerbesseren
Voraussageführt. 59
DiewesentlicheFrageistjedoch,obdasCAPMfürdieSchätzungdererwartetenRen-dite
geeignetistbzw.obeinelineareBeziehungzwischendererwartetenRenditeunddem
systematischenRisikobesteht.ÄltereempirischeStudienunterstützenmehrheitlichdie
ValiditätdesCAPMundbeschreibeneinepositive,fastlineareBeziehungzwischender
erwartetenRenditeunddemRisiko.
60
DieStudienthematisierenauchdenAchsen-
abschnitt,derimVergleichzumrisikolosenZinssatzhöherist.DieseBeobachtungist
entwedermiteinemZero-Beta-ModellodermiteinemhöherenGeldaufnahmesatzkon-sistent.
Eine Studie von Fama und MacBeth (1973) gelangt zu dem Schluss, dass der Achsenabschnitt
dem risikolosen Zinssatz entspricht, der Koeffizient für das systemati- sche Risiko positiv und
signifikant ist, der Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko linear ist und das
unsystematische Risiko nicht signifikant ist. Damit unterstützen auch die empirischen
ErgebnissevonFamaundMacBethdasCAPM.
61

ImDurchschnittverfügenAktienmiteinemniedrigenBetaübereinpositivesAlpha(sind
unterbewertet),währendAktienmiteinemhohenBetaeinnegativesAlpha(sindüberbewertet)
aufweisen.UmdieseBeobachtungzuerklären,habenverschiedeneStudieneineweitere
Variable,nämlichdieSchiefederRenditeverteilung,berücksichtigt.Unter-stelltman,dass
InvestoreneinepositiveSchiefebevorzugen,sindsiefürdieseMöglichkeitmiteiner
niedrigerenRenditezufrieden.DieempirischenErgebnissebeschreibeneinenpositiven
ZusammenhangzwischenderpositivenSchiefeundderHöhedesBetas.
62
Dem-
zufolge bevorzugen Investoren Aktien mit einem hohen Risiko (bzw. Beta) und einer ho- hen
positivenSchiefederVerteilung,weildadurchdieMöglichkeitbesteht,hoheRenditen

56
Für die Korrektur des Betas im Marktmodell vgl. Abschn. 4.2.5 .
57
Vgl. z. B. Baesel 1974 : On the Assessment of Risk: Some Further Considerations, S. 1491 ff.
58
Vgl. Roenfeldt et al. 1978 : Further Evidence on the Stationarity of Beta Coefficients, S. 117 ff.
59
Vgl. Carpenter und Upton 1981 : Trading Volume and Beta Stability, S. 60 ff.
60
Vgl. z. B. Sharpe und Cooper 1972 : Risk-Return Classes of New York Stock Exchange Common
Stocks: 1931–1967, S. 46 ff.
61
Vgl. Fama und MacBeth 1973 : Risk, Return and Equilibrium: Empirical Tests, S. 453 ff.
62
Vgl. McEnally 1974 : A Note on the Return Behavior of High Risk Common Stocks, S. 199 ff.
1 6 4 Einfaktormodelle

zu erzielen. Für die positive Schiefe sind die Anleger bereit, einen höheren Preis zu be- zahlen,
waszueinerüberbewertetenAktiebzw.zueinemnegativenAlphaführt.
DieimRahmenderTheoriezurInformationseffizienzderMärktedurchgeführten
empirischenUntersuchungenzeigen,dassAnomalienhinsichtlichderGrößeeinesUnter-
nehmensunddesKurs-Gewinn-Verhältnissesbestehen. 63
Die erwartete Rendite wird
durch das Beta positiv beeinflusst, während ein negativer Zusammenhang zur Grö-
ße der Gesellschaft besteht. Anleger verlangen für relativ kleine Unternehmen nach
Berücksichtigung des Betas eine höhere Rendite. Besitzt die Aktie ein niedriges Kurs-
Gewinn-Verhältnis, erwarten die Investoren ebenfalls eine höhere Rendite. Eine Studie von
Bhandari(1988)gelangtzudemSchluss,dasszusätzlichzumBetaweitereFaktorenwieetwadas
Fremdkapital-Eigenkapital-VerhältnisdieerwarteteRenditeeinerAktieerklären.
64

Fama und French (1992) veröffentlichten ei ne Studie, die das CAPM infrage stellte.65
Dabei wurden der Einfluss des Betas, der Größe des Unternehmens, des Kurs-Gewinn-
Verhältnisses, des finanziellen Leverage und des Buchwert-Kurs-Verhältnisses auf die
durchschnittlichen Renditen von US-Aktien untersucht. Einige der älteren Studien wie etwa
diejenige von Fama und MacBeth (1973) haben einen statistisch signifikanten po- sitiven
Zusammenhang zwischen der Rendite und dem Beta gefunden. Im Gegensatz dazu zeigtedie
Studie von Fama und French aus dem Jahre 1992, dass von 1963 bis 1990 kein statistisch
signifikanter Zusammenhang zwischen der erwarteten Rendite und dem Beta bestand.
Vielmehr erklären andere Faktoren wie beispielsweise die Größe des Unternehmens, der
finanzielle Leverage, das Kurs-Gewinn-Verhältnis und das Buchwert- Kurs-Verhältnis die
durchschnittlichenRenditenvonUS-Aktien.DabeistellendieGrößedesUnternehmensunddas
Buchwert-Kurs-Verhältnis die dominanten erklärenden Varia- blen dar. Angesichts der
Wichtigkeit der Studie von Fama und French wurden nach 1992 mehrere empirische
Untersuchungendurchgeführt.DabeiunterstützeneinzelneStudiendieResultatevonFamaund
French,

66
währendanderewiederumzudemSchlussgelang-ten,
dasseinstatistischsignifikanterZusammenhangzwischendererwartetenRenditeund
dem Beta vorliegt.67

63
Vgl. Abschn. 2.4.2.2 .
64
Vgl. Bhandari 1988 : Debt/Equity Ratio and Expected Commo n Stock Returns: Empirical Evi-
dence, S. 507 ff.
65
Vgl. Fama und French 1992 : The Cross Section of Expected Stock Returns, S. 427 ff.
66
Vgl.Dennisetal.1995:TheEffectsofRebalancingonSizeandBook-to-MarketRatioPortfolio
Returns,S.47ff.DieseStudiezeigt,dassdieerwarteteAktienrenditevonderGrößedesUnterneh-
mens (Small Size Effect) und vom Buchwert-Kurs-Verhältnis abhängt. Dieser Zusammenhang ist nach
wie vor vorhanden, wenn Transaktionskosten von 1 % und eine jährliche Umschichtung der
Aktienportfoliosberücksichtigtwerden.
67
Vgl. z. B. Kothari et al. 1995 : Another Look at the Cross Section of Expected Stock Returns, 185
S. ff. Im Gegensatz zu Fama und French verwenden die Autoren dieser Studie jährliche und nicht
monatliche Renditen, um das Handelspr oblem zu umgehen. Sie finden einen statistisch
signifikanten Zusammenhang zwischen erwarteter Rendite und Beta. Der statistisch signifikante Zu-
4.4 CapitalAssetPricingModel 1 7

DieErgebnissederempirischenUntersuchungenhängenunteranderemvondenver-
wendetenRenditen(täglich,wöchentlich,monatlich,jährlich),derApproximationdes
Marktportfolios(S&P500,NewYorkStockExchangeusw.),derLängedergewählten
ZeitperiodeundvondenstatistischenMethodenab.TrotzdergemischtenResultateder
empirischenTestsistdasCAPMinderPraxisweitverbreitet.DafürgibtesmehrereGründe.
ErstensentsprichtdieAufteilungdesRisikosineinensystematischenundeinen
unsystematischenTeileinerlogischenDenkweiseinderPortfoliotheorie.Derzeitstelltdas
CAPMaufgrundseinerPraktikabilitätnochimmerdasbestmöglicheModellfürdie
BestimmungdererwartetenRenditendar.WerdeninZukunftweitereGleichgewichts-modelle
entwickeltundempirischverifiziert,sowerdendiesedasCAPMvermutlichverdrängen.
WeiterentwicklungendesCAPMsindMultifaktorenmodellewieetwadie
Arbitragepreis-Theorie(APT)

68
oderandereneuenochzuentwickelndeModelle.Zwei-tens
lässtsichdiezentraleSchlussfolgerungdesCAPM,dassdasMarktportfolioeffizientist,inder
Realitätbeobachten.EinepassiveStrategie,dieineinenMarktindexinvestiert,weistnach
AbzugvonTransaktions-undManagementkostenüblicherweiseeinehöhe-reRenditealseine
aktiveStrategieauf.
69
DemzufolgeisteinEinfaktormodellmiteinem
erwartetenAlphavonnulleinrealistischesEntscheidungsmodellinderPraxisderFinanz-
analyseunddesPortfoliomanagements.

4.4.6 AuflösungderAnnahmen

Das CAPM beruht auf mehreren Annahmen. In diesem Abschnitt werden die Annahmen
schrittweiseaufgelöstunddieAuswirkungenaufdasModellbeschrieben.
EinederAnnahmenimCAPMlautet,dassInvestorenzueinemidentischenrisikolosen
ZinssatzGeldanlegenundaufnehmenkönnen.MarktteilnehmerkönnenmitdemKaufvon
StaatspapierenwieetwaBuBillsGeldzumrisikolosenZinssatzanlegen.Demgegen-überistdas
BorgenvonGeldzumrisikolosenZinssatznureinemStaatmiteinwandfreierBonität
vorbehalten.DiemeistenMarktakteuremüsseneinenAufschlag(Risikoprämie)zum
risikolosenZinssatzbezahlen,damitsiesichvoneinerBankGeldausleihenkön-nen.Dieser
ZusammenhangführtzueinergeknicktenKapitalmarktliniebzw.Wertpapier-marktlinie.

70

Das von Black (1972) hergeleitete Zero-Beta-Modell benötigt für die Konstruktion der
Wertpapiermarktlinie den risikolosen Zinssatz nicht.71 EsexistierenmehrerePortfolios,
diemitdemMarktportfolionichtkorrelieren.DasBetadieserAnlagekombinationenmitdem
Marktportfolioistjeweilsnull.VondiesenPortfolioswirddasjenigeausgewählt,das

sammenhang zwischen erwarteter Rendite und Buchwert-Kurs-Verhältnis hingegen kann über eine
längerealszwischen1963und1990liegendeZeitperiodenichtbestätigtwerden.
68
Vgl. Abschn. 5.5 .
69
Vgl. z. B. Malkiel 1995 : Returns from Investing in Equity Mutual Funds 1971 to 1991, S. 549 ff.
70
Vgl. Abschn. 3.10 .
71
Vgl. Black 1972 : Capital Market Equilibrium with Restricted Borrowing, S. 444.
1 4 Einfaktormodelle

(erwartete Wertpapiermarktlinie
Rendite)

positive Alphas
mit niedrigem Beta Wertpapiermarktlinie
M mit Null-Beta-Portfolio
E(rM)

b negative Alphas
E(r0 Beta-) mit hohem Beta

rF
a

0%
0 βM =1 (Beta)

Abb.4.11 Wertpapiermarktlinie mit e inem Null-Beta-Portfolio

über die niedrigste Varianz verfügt. Obwohl diese Anlagekombination keine systemati- schen
Risiken besitzt, weist sie doch unsystematische Risiken auf. Die Kapitalmarkt- linie wird durch
dieses Null-Beta-Portfolio nicht beeinflusst, während sich der Verlauf der
Wertpapiermarktlinie verändert. Wie Abb. 4.11 zeigt, entspricht der Achsenabschnitt der
Wertpapiermarktlinie der erwarteten Re ndite des Null-Beta-Portfolios. Ähnlich wie beim
risikolosen Zinssatz besteht zwischen dem Portfolio mit einem Beta von null und dem
Marktportfolio eine lineare Rendite-Risiko-Beziehung, weil die Kovarianz zwischen den
beiden Anlagen null beträgt. Wenn man davon ausgeht, dass die erwartete Rendite des
Null-Beta-PortfoliosgrößeristalsderrisikoloseZinssatz,verfügtdieWertpapier-marktlinieim
Null-Beta-CAPMimVergleichzumklassischenCAPMübereinenhöherenAchsenabschnitt

ŒE .r0-Beta / > rF  und eine geringere Steigung bzw. Marktrisikoprämie


E .rM /  E .r0-Beta / < ŒE .rM /  rF /. DieerwarteteRenditeeinerAnlageimNull-Beta-.–
CAPM lässt sich wie folgt berechnen:

E .ri / D E .r0-Beta / C ŒE .rM /  E .r0-Beta /“ i ; (4.36)

wobei:

E .r0-Beta / D erwartete Rendite des Null-Beta-Portfolios.

DieobenstehendeFormelgibtdieerwarteteRenditeeinerAnlagewieder,wennInves-toren
SchwierigkeitenaufdemMarktbekunden,GeldzumrisikolosenZinssatzanzulegenbzw.
aufzunehmen.DadieerwarteteRenditedesNull-Beta-Portfoliosgrößeralsderrisi-kolose
Zinssatzist,erklärtdasModelldiepositivenAlphasfürAktienmiteinemniedrigenBetaunddie
negativenAlphasfürAktienmiteinemhohenBeta.
72
Die Gültigkeit des

72
Vgl. Abschn. 4.4.5 .
4.4 CapitalAssetPricingModel 1 9

(erwartete
Rendite) Wertpapier-
marktlinie

M
E(rM )
Transaktionskosten verhindern
die vollständige Preiskorrektur
der Anlagen.

rF

0%
0 βM =1 (Beta)

Abb.4.12 Wertpapiermarktlinie mit Transaktionskosten

Modells wurde durch verschiedene empirische Studien untersucht, die jedoch zu unter-
schiedlichen Ergebnissen gelangen. Studien von Gibbons (1982) und Shanken (1985)
verwerfendasModell, 73
während zum Beispiel eine Untersuchung von Stambaugh (1982) 74
das Null-Beta-CAPM unterstützt.
DasCAPMunterstellt,dassbeimKaufundVerkaufvonAnlagenkeineTransaktions-kosten
anfallen.DaherkaufenundverkaufenInvestorenfehlbewerteteAnlagenaufdemMarkt,bissie
wiederaufderWertpapiermarktlinieliegen.IstbeispielsweiseeineAk-tieüberbewertet,liegt
sieunterhalbderWertpapiermarktlinie.DieerwarteteRenditederAktieistniedrigeralsdie
gemäßCAPMzuerwartendeRendite.DieMarktteilnehmerverkaufendieAnlage,waszu
einemniedrigerenPreisundzueinerhöherenerwarte-tenRenditeführt.DieserVerk
aufsprozessdauertsolange,bissichdieAktiewiederaufderWertpapiermarktliniebefindet.
UnterEinbezugvonTransaktionskostenwerdendieMarktteilnehmerjedochnichtden
gesamtenUmfangderFehlbewertungkorrigieren.IstdermöglicheGewinnausder
FehlbewertungkleineralsdieTransaktionskosten,findetkeinePreiskorrekturderAnlageauf
demMarktstatt.DaherliegendieTitelsehrnaheanderWertpapiermarktlinie,abernichtgenau
aufderGeraden.Abb.4.12zeigt,dassdieWertpapiermarktliniedurcheinBandvonAnlagenund
nichtdurcheineeinzelneGeradegegebenist.DieBreitedesBandeshängtvonderHöheder
Transaktionskostenab.

EineweitereAnnahmeimCAPMstellendiehomogenenErwartungenderMarktteil-nehmer
dar.Gehtmandavonaus,dassdieMarktakteureheterogeneErwartungenhinsicht-lichRendite
undRisikobesitzen,gelangtjedereinzelneAnlegerzueinerindividuellenKapitalmarktlinie
und/oderWertpapiermarktlinie.UnterschiedlicheErwartungenführen

73
Vgl. Gibbons 1982 : Multivariate Tests of Financial Models: A New Approach, S. 3 ff. und Shan-
ken 1985 : Multivariate Tests of the Zero Beta CAPM, S. 327 ff.
74
Vgl. Stambaugh 1982 : On the Exclusion of Assets from Tests of the Two-Parameter Model: A
Sensitivity Analysis, S. 237 ff.
190 4 Einfaktormodelle

zu einer Vielzahl von Wertpapiermarktlinien. Allerdings reduziert sich die Bandbreite der
möglichen Wertpapiermarktlinien erheblich, wenn die Marktteilnehmer über ähnliche In-
formationenverfügen.
DasCAPMisteinEin-Perioden-Modell.WerdenunterschiedlichlangePeriodenver-
wendet,soerhältmanverschiedeneKapitalmarktlinienbzw.Wertpapiermarktlinien.Zum
BeispielführteinePlanungsperiodevon1Jahrverglichenmitder1Monatszueineran-deren
linearenRendite-Risiko-Beziehung.

DasCAPMunterstellt,dasskeineSteuernzuentrichtensind.DieimModellverwen-deten
RenditenberücksichtigenentsprechendkeinenAbzugvonSteuern.InderRealitätfallenjedoch
SteuernbeiKapitalgewinnensowiebeiDividendenundKuponsan.Dieer-warteteRendite
einerAnlage(Aktie)nachSteuernlässtsichfürdiemeistenInvestorenwiefolgtermitteln:

.P1  P0 / .1  SKG / Div .1  SEK /


E .ri;nach Steuern / D C ; (4.37)
P0 P0
wobei:
P1 D PreisderAktieamEndederPeriode,D
P0 Preis der Aktie zu Beginn der Periode,
SKG D Steuersatz für Kapitalgewinne und -verluste,
Div D Dividende,
SEK D Steuersatz für das Einkommen.

Die Steuerbelastung ist für private und institutionelle Investoren unterschiedlich. Für steu-
erbefreite institutionelle Investoren wie etw a Pensionskassen und ge meinnützige Stiftun- gen
unter bestimmten Voraussetzungen sind die im CAPM verwendeten Renditen vor Steuern
angemessen. Werden die Renditen nach Steuern berücksichtigt, gelangt man auf- grund der
unterschiedlich hohen Steuersätze zu einer Vielzahl von investorenspezifischen
KapitalmarktlinienundWertpapiermarktlinien.

4.4.7 Performancemessung

Die Treynor Ratio basiert auf dem CAPM und stellt eine risikoadjustierte Renditegröße dar, die
einen Performancevergleich zwischen Portfolios mit unterschiedlichem systema- tischen
Risikoermöglicht.DiesePerformancegrößekannwiefolgtermitteltwerden: 75

E .rP /  rF
TRP D ; (4.38)
“P
wobei:
E .rP / D erwartete Rendite des Portfolios,
rF D risikoloser Zinssatz,
“P D Beta des Portfolios.

75
Vgl. Treynor 1965 : How to Rate Management of Investment Funds, S. 63 ff.
4.4 CapitalAssetPricingModel 191

Die Treynor Ratio misst den risikobehafteten Anteil der Portfoliorendite ŒE .rP /  rF 
für eine zusätzliche Einheit des systematischen Risikos. Diese Kennzahl kann durch die
Rendite-Risiko-GleichungdesCAPMhergeleitetwerden: 76

E .rP /  rF
D E .rM /  rF : (4.39)
“P
Der Term links des Gleichheitszeichens stellt die Treynor Ratio für das Portfolio dar, wäh- rend
rechts desGleichheitszeichensdie TreynorRatio fürdas Marktportfolio steht, das ein Beta von 1
aufweist. Vergleicht man die Treynor Ratio des Portfolios mit derjenigen des Marktes,lässt sich
beurteilen,obdasRisikodesPortfoliosmiteinergenügendhohenRenditeentschädigtwird.Diese
Kennzahl kann lediglich bei einem gut diversifizierten Portfolio eingesetzt werden, da als
Risikogröße das Beta benutzt wird. Sind die Anlagen nicht gut diversifiziert – also besteht das
Portfoliorisikoausdemunternehmensspezifi-schenRisikounddemMarktrisiko–,istdieSharpe
Ratioeinzusetzen,dadieseKennzahldieStandardabweichungundnichtdasBetaverwendet.

Das Jensen’s Alpha stellt eine weitere Performancegröße dar, die sich auf das CAPM
stützt.77 In Anlehnung an das Marktmodell lässt sich die Überschussrendite des Portfolios
wie folgt berechnen:
E .rP /  rF D ’P C “P ŒE .rM /  rF  : (4.40)
Das Jensens’s Alpha .’P / lässt sich demnach als Differenz der Portfoliorendite und der
Rendite gemäß dem CAPM bestimmen:

’P D E .rP /  rF  “P ŒE .rM /  rF  : (4.41)

Der Term “P ŒE .rM /  rF  misstdenRenditeanteildesPortfoliosaufgrunddessystemati-


schen Risikos (CAPM). Demgegenüber spiegelt der Term ’P denjenigenAnteilderRendi-
te wider, der auf die Entscheidungen des Managers, also auf das aktive Portfoliomanage- ment,
zurückzuführen ist. Mit dem Jensen’s Alpha – im Gegensatz zur Treynor Ratio – können
Portfolios mit unterschiedlichem systematischen Risiko (bzw. Beta) nicht mitein- ander
verglichen werden. Um dennoch Portfolios mit unterschiedlichem systematischen Risiko
vergleichenzukönnen,wirddieBlack/TreynorRatioberechnet:

’P
Black=Treynor Ratio D : (4.42)
“P

Nimmt man ( 4.40 ) und dividiert die Gleichung durch das Beta des Portfolios (“P ), gelangt
man zum folgenden Formelausdruck:

E .rP /  rF ’P
D C ŒE .rM /  rF  : (4.43)
“P “P

76
Rendite-Risiko-Gleichung des CAPM: E.rP / D rF C ŒE.rM  rF /“ P . Subtrahiert man von dieser
Gleichung den risikolosen Zinssatz (rF) und dividiert die Gleichung durch das Beta des Portfolios
(“P ), gelangt man zu ( 4.39 ).
77
Vgl. Jensen 1968 : The Performance of Mutual Funds in the Period 1945–1964, S. 397.
192 4 Einfaktormodelle

Links des Gleichheitszeichens steht die Treynor Ratio des Portfolios. Demnach lässt sich
folgenderlinearerZusammenhangzwischenderTreynorRatiounddemJensen’sAlphazeigen:

’P
TRP D C ŒE .rM /  rF  : (4.44)
“P

Beispiel
Berechnung von Performancegrößen
Das Portfolio A verfügt über eine erwartete Rendite von 12 % und weist ein Beta von 1,2 auf.
Das Portfolio B hingegen besitzt eineerwartete Rendite von 14 % und ein Beta von1,5. Beide
Anlagekombinationen sind gut diversifiziert. Die erwartete Marktrendite beträgt 8 %,
währendderrisikoloseZinssatzbei2%liegt.

1. WelchesderbeidenPortfoliosweistgemäßderTreynorRatioeinehöherePerfor-manceauf?

2. Wie hoch ist das Jensen’s Alpha der Portfolios A und B?

Lösungzu1
Die beiden Portfolios A und B verfügen über eine Treynor Ratio von 0,0833 respektive von
0,08:
0;12  0;02
TRPortfolioA D D 0;0833;
1;2
0;14  0;02
TRPortfolioB D D 0;0800:
1;5
Die Performance des Portfolios A ist relativ betrachtet besser, weil es im Vergleich zu
B eine höhere Treynor Ratio von 0,0833 hat.

Lösungzu2
Das Jensen’s Alpha lässt sich für die Portfolios A und B wie folgt berechnen:

’PortfolioA D 12%  2%  1;2  .8%  2%/ D 2;8%;


’PortfolioB D 14%  2%  1;5  .8%  2%/ D 3;0%:

Das Jensen’s Alpha von Portfolio B (3 %) ist größer als dasjenige von Portfolio A (2,8 %).
Demnach haben die Entscheidungen des Managers zu einer höheren aktiven Rendite bei der
Anlagekombination B geführt. Ein Performancevergleich mithilfe der Rendite und des
Risikos ist mit dem Jensen’s Alpha nicht möglich, da die Betas der beiden Portfolios nicht
gleichgroßsind.VerwendetmandieBlack/TreynorRatio,er-gibtsichfürdasPortfolioAeine
relativ bessere Performance (0,0233 im Vergleich zu 0,02), was mit den Berechnungen der
TreynorRatioübereinstimmt.
4.4 CapitalAssetPricingModel 193

Tab.4.4 Gegenüberstellung von Sharpe Ratio, Treynor Ratio und Jensen’s Alpha
Performancegrößen Risikodefinition Finanzmarkt- Nutzungsmöglichkeiten
theoretisches
Modell
Sharpe Ratio Standardabwei- Markowitz Rangordnung von Portfolios mit
chung unterschiedlichem Risiko, das nicht
diversifiziert ist
Treynor Ratio Beta CAPM Rangordnung von Portfolios mit
unterschiedlichem Risiko, das diver-
sifiziert ist
Jensen’s Alpha Beta CAPM Rangordnung von Portfolios mit
demselben Beta

Tab.4.4fasstdieCharakteristikenderSharpeRatio,derTreynorRatiounddesJen-sen’s
Alphazusammen.JehöherdieentsprechendePerformancegröße,destoattraktiveristdie
AnlageinBezugaufRenditeundRisiko.DiesePerformanceindikatorenwerden
grundsätzlichbeiAktienportfolioseingesetzt.

DasJensen’sAlphawirdvielfachverwendet,umdieerzielteRenditedesAktienport-folios
(expost)ineinzelnerisikoadjustierteRenditekomponentenzuzerlegen.Gemäßder
WertpapiermarktliniekannmandieerwartetePortfoliorenditemitdemrisikolosenZinssatz,der
erwartetenMarktrenditeunddemBetadesPortfoliosermitteln.DasEx-post-Alphades
PortfoliosbestehtausderDifferenzzwischendererzieltenRenditeunddergemäßdemCAPM
erwartetenRenditefürdiePeriode.

Ex-post-Alpha D erzielte Portfoliorendite  erwartete CAPM-Rendite (4.45)

Die erzielte Portfoliorendite lässt sich für die Performanceevaluation in die folgenden
Komponenten–Markt,Benchmark,MarketTimingundTitelauswahl–zerlegen:

 Markteffekt: spiegelt die Rendite des Aktienmarktes (rM ) wider.


 Benchmarkeffekt: stellt die Renditedifferenz zwischen der Benchmark (rB ) und dem
Aktienmarkt (rM ) dar – strategische Risikoentscheidung.
 Market-Timing-Effekt: misst die Renditedifferenz zwischen dem Portfolio mit richtig
bewerteten Anlagen (r ) und der Benchmark (r TB ) – taktische Risikoentscheidung.
 Effekt der Titelauswahl: entspricht dem Ex-post-Alpha und berechnet sich als Rendi-
tedifferenz zwischen dem Portfolio (r ) und der Anlagekombination mit richtig bewer- P
teten Titeln auf der Wertpapiermarktlinie (r ). T

Abb.4.13zeigtdieAufteilungderPortfoliorenditeindievierKomponentenMarkt,Benchmark,
MarketTimingundTitelauswahl(Alpha).
194 4 Einfaktormodelle

(Rendite)
Wertpapiermarktlinie
P
rP
Alpha
T
Market rT
Timing B
rB
Bench- M
mark rM

Markt rF

0%
0 βM =1 βB βP (Beta)

Abb.4.13 Performanceevaluation mit dem Jensen’s Alpha

4.5 Zusammenfassung

 Die Effizienzkurve wird üblicherweise mit historischen Daten erstellt, wobei neben
dem Markowitz-Modell auch das Marktmodell (Einfaktormodell) eingesetzt wird. Um die
Stabilität der Effizienzkurve zu verbessern, können Verfahren wie etwa die Sen-
sitivitätsanalyse, simulierte effiziente Portfolios oder das Black/Litterman-Modell ver-
wendetwerden.

 Wird die Effizienzkurve mit dem Markowitz-Modell bestimmt, benötigt man für de- ren
Konstruktion im Vergleich zum Marktmodell eine wesentlich größere Anzahl von
Parametern.ZusätzlichbestehtbeidererwartetenRenditeundderKovarianzeinsub-stantieller
Schätzfehler,weilmiteinerStichprobehistorischerDatengearbeitetwerdenmuss.Dabeistellt
dieVergangenheitkeinengutenIndikatorfürdieZukunftdar.

 Das Marktmodell basiert auf der Erkenntnis, dass die Renditen von Anlagen durch eine
bestimmte Anzahl an Variablen oder Faktoren miteinander korrelieren. Im Mo- dell werden
die über dem risikolosen Zinssatz liegenden Renditen der Anlageund des Marktportfolios in
eine Regression (ein fache lineare Regressi onsanalyse) einbezo- gen. Die Steigung der
Regressionsgleichung verkörpert das Beta der Anlage und gibt an, in welchem Ausmaß sich
die Rendite des Titels bei einer Änderung der Markt- rendite verändert. Die Konstante der
Regressionsgleichunghingegen entsprichtder Anlagerendite,bereinigtum den risikolosen
Zinssatz, wenn die Differenz zwischen der Marktrendite und dem risikolosen Zinssatz null
beträgt. Dieser Teil der Anlagerendite umfasst die Risikoprämie, die nicht durch das
Marktrisikobeeinflusstwird.

 Die Varianz der Renditen einer Anlage wird durch das Marktrisiko und das unter-
nehmensspezifischeRisikobeeinflusst.DasMarktrisikobestehtausdemProduktdes
4.5 Zusammenfassung 195

quadrierten Betas und der Varianz der Marktrenditen, während die unternehmensspe-
zifische Verlustgefahr durchdie Varianz der Residualrenditen (Fehlerterme) gegeben ist.
Demgegenüber lässt sich dieKovarianz der Renditen von zwei Anlagen durch das Produkt
derBetasderbeidenTitelundderVarianzderMarktrenditenberechnen.

 Eine passive Anlagestrategie besteht aus einem Marktindexportfolio und einer risiko- losen
Geldanlage.EineaktiveStrategiedagegeninvestiertinfehlbewerteteAnlagen,mitdemZiel,
dieSharpeRatio(risikoadjustierteRendite)zumaximieren.
 Das CAPM stellt eine der wichtigsten Innovationen in der modernen Finanzmarkttheo- rie
dar. Das Modell basiert auf dem Marktmodell, weist aber folgende Unterschiede auf: 1. Das
CAPM richtet sich auf die Zukunft und erklärt die erwartete Rendite. 2. Es gibt keinen
Fehlerterm und das Alpha ist null, weil die erwartete Rendite vollständig durch das
Marktrisikoerklärtwird.

 Das CAPM unterstellt eine lineare Beziehung zwischen erwarteter Rendite und Risiko.
Investoren werden lediglich für das Marktrisiko mit einer Rendite entschädigt, weil sie das
unternehmensspezifische Risiko in einem Portfolio eliminieren können. Daher reflektiert
dieerwarteteRenditedassystematischeRisikoderAnlage,dasdurchdasBetagegebenist.

 Das CAPM basiert auf einfachen Annahmen: 1. Investoren sind rationale Individuen,
die sich risikoavers verhalten und ihren Nutzen maximieren. 2. Die Märkte sind frik-
tionslos und es gibt keine Transaktionskosten und Steuern. 3. Alle Investoren planen
für die gleiche Anlageperiode. 4. Sämtlic he Investoren haben homogene Erwartungen.
Alle Anlagen sind unendlich teilbar und handelbar. 6. Investoren sind Preisnehmer.
Obwohl
5. einige dieser Annahmen unrealistisch sind, führt deren Auflösung lediglich zu
kleinen Veränderungen der Aussagekraft des Modells.

 Die erwartete Rendite im CAPM besteht aus dem risikolosen Zinssatz und der Risi-
koprämie.DieRisikoprämielässtsichausdemProduktderMarktrisikoprämieunddesBetas
der Anlage berechnen. Das Beta verkörpert eine Sensitivitätsgröße und gibt an, wie viel sich
die Aktienrendite bei einer Änderung der Marktrendite verändert. Diese Risikogröße wird
durch eine Regression zwischen Aktien- und Marktrenditen bestimmt (einfache lineare
Regressionsanalyse).DasBetaentsprichtderSteigungderRegressionsgeraden.

 DasCAPMisteinGleichgewichtsmodell.AlleAnlagen,dierichtigbewertetsind,lie-genauf
derWertpapiermarktlinie.SindAktienüber-oderunterbewertet,befindensiesichunterhalb
respektive oberhalb der Wertpapiermarktlinie. Unterbewertete Aktien werden von den
Marktteilnehmerngekauft,waszueinemhöherenPreisundeinernied-rigerenRenditeführt.
Dieser Kaufprozess dauert so lange, bis die erwartete Rendite der Aktie so weit gefallen ist,
dass sie wieder auf der Wertpapiermarktlinie liegt. – Ist der Markt informationseffizient,
befinden sich sämtliche Anlagen auf der Wertpapier- marktlinie, weil alle zur Verfügung
stehende n Informationen in den Preisen enthalten sind. Folglich unterstellt das CAPM eine
strengeInformationseffizienzderMärkte.

 DieVoraussagendesCAPMlauten,dassdasMarktportfolioinBezugaufRenditeundRisiko
effizientistunddassdieWertpapiermarktliniedieerwarteteRenditeunddas
196 4 Einfaktormodelle

Risiko von richtig bewerteten Anlagen (also mit einem Alpha von null) erklärt. Die em-
pirische Überprüfung der ersten Aussage, nämlich der Effizienz des Marktportfolios, ist
nichtmöglich,weilkeinIndexexistiert,derdasMarktportfolioauchnurannäherndabbildet.
Daher beschränkt sich das empirische Testen des CAPM auf die Beziehung zwischen der
erwarteten Rendite und dem Beta. In den Untersuchungen wird als An- näherung zum
Marktportfolio ein Aktienindex wie etwa der S&P 500 verwendet. Die empirischen Tests
beziehen sich auf dieStabilität des Betas und die lineare Beziehung zwischen der erwarteten
RenditeunddemBeta.

 Empirische Studien zeigen, dass das Beta von einzelnen Aktien nicht stabil ist. Nimmt man
einelängerehistorischeZeitperiodefürdieBerechnungdesindividuellenBetas,führtdieszu
einer höheren Stabilität. Im Gegensatz dazu ist das Beta von Portfolios eher stabil. Die
Stabilität des Portfoliobetas nimmt zu, jegrößer die Anzahl Aktien im Portfolio und je länger
die Zeitperiode ist. Die Voraussage des Betas lässt sich verbes- sern, wenn es mit dem
Handelsvolumenkorrigiertwird.

 Die von Fama und MacBeth (1973) veröffentlichte Studie unterstützt die Voraussagen des
CAPM empirisch. Fama, ein bis dahin als Befürworter des CAPM bekannter Wis-
senschaftler, publizierte mit French 1992 eine Untersuchung, die das CAPM verwirft. Die
beiden Autoren gelangen zu dem Schluss, dass die erwartete Rendite einerAktie nicht vom
Beta, sondern primär von der Größe des Unternehmens (Small Size Effect) und vom
Buchwert-Kurs-Verhältnis abhängen. Einzelne darauf folgende Studien bestä- tigen die
Ergebnisse von Fama und French, wobei wiederum andere Untersuchungen denResultaten
widersprechen.

 Trotz der gemischten Ergebnisse der empirischen Tests ist das CAPM in der Praxis weit
verbreitet. DieAufteilung desRisikos ineinen systematischen und einen un- systematischen
TeilentsprichteinerlogischenDenkweiseinderPortfoliotheorie.DesWeiterenunterstelltdas
CAPM, dass das Marktportfolio effizient ist. DieseAussage lässt sich in der Praxis bei einer
passivenStrategiebeobachten.EinMarktindexportfo-lioweistimVergleichzueineraktiven
Stra tegie eine nach Abzug von Transaktions- undManagementkosten höhere Rendite auf.
Folglich stellt ein Einfaktormodell mit einem erwarteten Alpha von null ein realistisches
Entscheidungsmodelldar.

 Eine Weiterentwicklung des CAPM stellt ein Multifaktorenmodell wie die Arbitrage-
preis-Theorie (APT) dar, welche die erwarte te Rendite anhand mehrerer systematischer
Faktorenberechnet.
4.6 Aufgaben 197

4.6 Aufgaben

Aufgabe1
Ein Portfoliomanager möchte eine Effizienzkurve anhand von 50 Aktien konstruieren.

a) Wie viele Parameter für die erwarteten Renditen, Varianzen und Kovarianzen be-
nötigt er, um die Effizienzkurve mit dem Modell von Markowitz zu bestimmen?
Wie viele Parameter sind beim Marktmodell erforderlich?
b)

Aufgabe2
Die Aktie von Gamma besitzt ein Beta von 1,3, während die Vega-Aktie ein Beta von 0,6
aufweist. Die Standardabweichungen der Residualrenditen betragen für Gamma 20 % und
fürVega30%.DieStandardabweichungder Marktrenditenist15%. Wiehoch istgemäßdem
MarktmodellderKorrelationskoeffizientzwischendenbeidenAk-tien?

Aufgabe3
Ein Portfoliomanager hat für zwei Aktien die folgenden erwarteten Renditen, Regres-
sionskoeffizienten .“i / und Standardabweichungen der Residualrenditen anhand des
Marktmodells ermittelt:

Aktien Erwartete Beta .“i / Standardabweichungen der


Renditen Residualrenditen
X 14 % 0,9 25 %
Y 12 % 1,4 40 %

Die makroökonomische Analyse zeigt für das Marktportfolio eine erwartete Rendite
von 10 % und eine Standardabweichung von 25 %. Der risikolose Zinssatz beträgt 3 %.
Der Manager stellt ein Portfolio zu sammen, das 40 % aus der Aktie X, 35 % aus der
Aktie Y und 25 % aus der risikolosen Anlage besteht. Wie hoch sind die erwartete
Rendite und das Risiko dieses Portfolios?

Aufgabe4
Das Marktmodell hat für die beiden Aktien A und B folgende Ergebnisse aus der einfa- chen
linearenRegressionsanalysegeliefert(RenditenüberdemrisikolosenZinssatz):AktieA:

RA D 0;03 C 1;4RM ; wobei R2 D 0;489 und ¢©;A D 0;22;

Aktie B:

RB D 0;02 C 1;1RM ; wobei R2 D 0;642 und ¢©;B D 0;11:


19 4 Einfaktormodelle

a) Welche der beiden Aktien besitzt das höhere systematische Risiko und das höhere
unsystematischeRisiko?
b) Der risikolose Zinssatz ist konstant und beträgt 3 %. Wie hoch ist der Achsen- abschnitt
(Konstante) der Regressionsgeraden bei der Aktie B, wenn man eine Regression mit
Renditen anstatt mit Überschussrenditen durchführt (einfache li- neare
Regressionsanalyse)?

Aufgabe5
Für die Aktien von Delta und Rho sind die beiden folgenden Regressionsgeraden ge- geben:

Delta-Aktie Rho-Aktie

(rDelta –r)F (rRho –r)F


Regressionsgerade

(rM –r)F (rM –r)F

Regressionsgerade

a) Welche der beiden Aktien verfügt über das höhere systematische Risiko?
b) Welche der beiden Aktien weist ein höheres unsystematisches Risiko auf?
Welche Aktie besitzt den höheren Determinationskoeffizienten  2 
c) R ?
d) WelcheAktieverfügtüberdiehöhereKorrelationmitdemMarkt?Welche
e) AktiehateinhöheresAlpha?

Aufgabe6
Das Marktmodell hat für die beiden Aktien A und B folgende Ergebnisse aus der einfa- chen
linearenRegressionsanalysegeliefert(RenditenüberdemrisikolosenZinssatz):AktieA:

RA;t D 0;02 C 1;1RM;t C ©A;t ; wobei R2 D 0;35;

Aktie B:
RB;t D 0;06 C 1;6RM;t C ©B;t ; wobei R2 D 0;40:

Das Marktindexportfolio weist eine erwartete Rendite von 8 % und eine Standardab-
weichungvon25%auf.

a) Wie hoch sind die Standardabweichungen der beiden Aktien A und B?


4.6 Aufgaben 199

b) Die Varianz einer Aktie kann in einen systematischen und einen unsystematischen Teil
aufgeteiltwerden.WiehochistfürbeideAktiendersystematischeundderunsystematische
TeilderVarianz?
c) WiehochsinddieKovarianzundderKorrelationskoeffizientzwischendenbeidenAktien?

d) Das Portfolio besteht aus 45 % der Aktie A und 55 % der Aktie B. Wie hoch sind das Risiko
dieses Portfolios und der systematische und unsystematische Teil an der
Portfoliovarianz?

Aufgabe7
Das historische Beta aus einer Regression zwischen den Aktienrenditen und den Markt-
renditen beträgt 1,4 (einfache lineare Regre ssionsanalyse). Um das historische Beta gegen
denerwartetenWertvon1zukorrigieren,wirdfolgendeFormelverwendet:adjustiertesBeta
D 0;333 C 0;667  historisches Beta. Der risikolose Zinssatz ist 2 %
und die Marktrisikoprämie beläuft sich auf 6 %. Wie hoch ist die erwartete Rendite
der Aktie in Anlehnung an das CAPM, wenn das adjustierte Beta für die Berechnung
verwendetwird?

Aufgabe
Die erwartete Portfoliorendite aus einer risikolosen Anlage und dem Marktportfolio (beide
Anlagen liegen auf der Kapitalmarktlinie) beträgt 12 %. Diese erwartete Rendite wurde
aufgrundderfolgendenDatenermittelt:

 Risikoloser Zinssatz: 2 %,
 erwartete Rendite des Marktportfolios: 14 %,
 Standardabweichung des Marktportfolios: 18 %.

Wie hoch ist in diesem Marktumfeld die erwartete Rendite einer Aktie, die über einen
Korrelationskoeffizienten zum Marktportfolio von 0,4 und eine Standardabweichung der
Renditenvon36%verfügt?

Aufgabe9
DerrisikoloseZinssatzist2%.DieAktienderGesellschaftMondoAGweiseneinBetavon1,2
auf. Die Anleger erwarten eine Rendite von 14 %, die mit derjenigen des CAPM
übereinstimmt.

a) Wie hoch ist die Marktrisikoprämie?


b) Die Aktien der Waro AG besitzen ein Beta von 0,8. Wie hoch ist die erwartete Rendite
gemäßdemCAPM?
c) Ein Anleger hat CHF 100:000 inAktienderMondoAGundderWaroAGinvestiert.Das
PortfolioverfügtübereinBetavon1,1.AuswelchenAnteilenderbeidenAk-
tien setzt sich das Portfolio zusammen? Wie hoch ist die erwartete Rendite dieser
Anlagekombination?
200 4 Einfaktormodelle

Aufgabe10
Die Renditen der Aktie Z weisen eine Kovarianz zu den Marktrenditen von 0,0455 auf. Die
VarianzderMarktrenditenbeträgt0,0785.DieMarktrisikoprämieist7,5%undderrisikolose
Zinssatz beläuft sich auf 1,5 %. Wie hoch ist die erwartete Rendite der Aktie Z anhand des
CAPM?

Aufgabe11
Ein Finanzanalyst untersucht die Aktien X und Y. Er hat in Bezug auf die beiden Aktien
folgendeDatenzusammengestellt:

Aktien Beta Erwartete Rendite des Finanzanalysten


A 1,3 14 %
B 0,9 9%

DerrisikoloseZinssatzbeträgt2%,währenddieMarktrisikoprämiebei8%liegt.Sinddie
AktienAundBüber-oderunterbewertet,wennderAnalystfürseineAnlage-
entscheidungendasCAPMverwendet?

Aufgabe12
Ein Portfoliomanager einer Vermögensverwaltungsgesellschaft hat die folgenden Da- ten
überdieAktienGammaundVegazusammengestellt:

Gamma Vega
Beta 1,4 nicht bekannt
Kovarianz mit HDAX nicht bekannt 0,06

DieAnalyseabteilungderVermögensverwaltungsgesellschaftübermitteltdemPort-
foliomanagereineerwarteteRenditedesHDAXvon8%undeineStandardabweichungvon
20%.DieRenditevonBuBillsmiteinerLaufzeitvon1Jahrbeträgt2%.DerPortfoliomanager
konstruierteinPortfoliomiteinemMarktwertvonEUR
200:000. Er
investiert EUR 60:000 in Gamma-Aktien und EUR 140:000 in Vega-Aktien. Wie hoch
ist die erwartete Rendite des Portfolios?

Aufgabe13
DerAktienmarktweisteineerwarteteRenditevon10%undeineStandardabweichungvon27
% auf. Der risikolose Zinssatz beträgt 3 %. Eine Aktie besitzt eine Kovarianz von 0,075 mit
dem Aktienmarkt. Die Aktie wird zu einem Preis von EUR 200 gehan- delt. Die
Analyseabteilung einer Bank geht davon aus, dass der Aktienkurs am Ende der Periode bei
EUR 228 liegt. Zudem wird erwartet, dass am Ende der Periode eine Dividende von EUR 10
anfällt.WielautetdieAnlageentscheidunginAnlehnungandasCAPM?
Literatur 201

Aufgabe14
Ein Portfoliomanager investiert zu gleichen Anteilen in Aktie A, Aktie B, risikolose Anlage
und in das Marktportfolio. Das Beta der Aktie A beträgt 0,75, während sich dasBeta derAktie
Bauf1,4beläuft.WiehochistdasBetadesPortfolios?

Aufgabe15
Ein Portfoliomanager besitzt folgende Aktien in seinem Portfolio:

 500 Gamma-Aktien mit einem Beta von 1,2 und einem Aktienpreis von EUR 100. 200
 Delta-AktienmiteinemBetavon1,1undeinemAktienpreisvonEUR200.
 800 Rho-Aktien mit einem Beta von 0,6 und einem Aktienpreis EUR 50.
 1200 Vega-Aktien mit einem Beta von 1,4 und einem Aktienpreis von EUR 20.

Die erwartete Rendite des Aktienmarktes liegt 14 % über dem risikolosen Zinssatz. Um wie
viele Renditepunkte übersteigt die erwartete CAPM-Rendite des Portfolios den risikolosen
Zinssatz?

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Multifaktorenmodelle
5

5.1 Einleitung

Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) ist in den frühen 1960er-Jahren entstanden und stellt
ein Einfaktormodell dar. Eine Alternative zu diesem Finanzmarktmodell ist die
Arbitragepreis-Theorie(APT),dievonStephenRoss 1
in den 1970er-Jahren entwickelt
wurde. Beim APT-Modell werden die Aktienrenditen nicht lediglich von einem einzel-
nen Faktor, sondern von einer Vielzahl an Marktfaktoren determiniert. Dabei geht die
Risikodefinition des APT-Modells weiter als diejenige des CAPM, das die standardisier- te
Kovarianz bzw. das Beta einer Aktie zum Marktportfolio als Risiko bezeichnet. Beide
Finanzmarktmodelle –das CAPM und die APT – implizieren eine lineare Beziehung zwi- schen
dererwartetenRenditeunddemsystematischenRisiko.

IndiesemKapitelwirdzunächstdieStrukturvonmakroökonomischenundfunda-mentalen
Multifaktorenmodellenaufgezeigt.MakroökonomischeMultifaktorenmodellekönnen
eingesetztwerden,umsystematischeRisikofaktorenwieetwadasRisikovon
Konjunkturzyklen,EnergiepreisenundInflationzumessenundzusteuern.DieRenditebesteht
auseinemerwartetenundeinemunerwartetenTeil.DererwarteteTeilderRen-ditelässtsich
übereinGleichgewichtsmodellwiedasCAPModerdieAPTermitteln,währenddieunerwartete
RenditekomponentedurchvomMarktnichtvorweggenommeneVeränderungender
makroökonomischenFaktorenbestimmtwird.DieAPTunterstellt,dassdieMarktpreiseim
GleichgewichtsindundkeineArbitragemöglichkeitenbeste-hen.ImRahmendes
APT-ModellswerdendieBerechnungdererwartetenRenditemitsystematischen
RisikofaktorprämienunddasfüreinGleichgewichtsmodellwichtigeAr-bitrageprinzip
beschrieben.DanachwerdenBeispielevonmakroökonomischenMultifak-torenmodellen
sowievonModellenmitweitestgehendfundamentalenFaktorenwiedasFama/French-Modell
unddasCarhart-Modellaufgeführt.AnschließendwirdderEin-satzvon
MultifaktorenmodelleninderRendite-undRisikoattributiondargelegt,bevor

1
Vgl. Ross 1976 : The Arbitrage Theory of Capital Asset Pricing, S. 341 ff.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 203


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_5
204 5 Multifaktorenmodelle

Portfolios vorgestellt werden, die lediglich einem spezifischen Risikofaktor (Faktorport-


folios) oder einer bestimmten Gruppe von Risikofaktoren (z. B. die Risikofaktoren einer
Benchmark bei einem Trackingportfolio) ausgesetzt sind. Am Ende des Kapitels werden
möglicheAnwendungenderAPTimPortfoliomanagementvorgestellt.

5.2 ÜbersichtüberMultifaktorenmodelle

5.2.1 EinteilungderMultifaktorenmodelle

Das in Kapitel 4 beschriebene Marktmodell zerlegt das Risiko in eine systematische und eine
unsystematische Komponente. Unsystematische bzw. unternehmensspezifische Risi- ken
können in einem Portfolio durch Diversifikation eliminiert werden. Das systematische Risiko
wird im Marktmodell durch einen Faktor – das Marktportfolio – wiedergegeben. Das
Marktportfolio fasst die verschiedenen makroökonomischen Risikofaktoren zusam- men. Die
Rendite kann indessen auch über ein Multifaktorenmodell bestimmt werden, welches anstelle
des Marktportfolios eine ganze Gruppe von systematischen Risikofak- toren verwendet. Die
Aufteilung des systematischen Risikos in mehrere Faktoren erlaubt es, die Sensitivitäten von
unterschiedlichen A ktien zu den einzelnen Faktoren zu berech- nen. Dabei findet im Vergleich
zum Einfaktormodell eine Verfeinerung der Rendite- und Risikoanalyse statt, weil mehrere
Risikofaktoren für die Beschreibung der Aktienrenditen eingesetzt werden. Grundsätzlich
lassensichMultifaktorenmodelleindiefolgendendreiKategorieneinteilen:

 Makroökonomische Faktormodelle: Die Risiken stellen unerwartete Veränderungen von


makroökonomischenVariablen wie etwa das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts unddie
Veränderung der Inflationsrate dar, welche die Aktienrenditen wesentlich erklä- ren. Dabei
beeinflussen die Faktoren die zukünftigen Cashflows eines Unternehmens oder den für das
DiskontierenderCashflowsmaßgebendenrisikolosenZinssatz(TeildesDiskontsatzes).

 Fundamentale Faktormodelle: Die Risikofaktoren beschreiben die Eigenschaften von


Aktien und Unternehmen, die einen Einfluss auf die Aktienrendite haben. Die ak-
tienspezifischen Risikofaktoren spiegeln die Erwartungen der Investoren über den
zukünftigen Erfolg des Unternehmens wider . Dazu gehören Preismultiplikatoren wie das
Kurs-Gewinn-Verhältnis,dasBuchwert-Kurs-VerhältnisunddieDividendenren-dite,

aber auch die Marktkapitalisierung sowie aktienpreisbezogene Faktoren wie


Preismomentum und Aktienpreisvolatilität. Die unternehmensbezogenen Faktoren
hingegen beziehen sich auf die interne Unt ernehmensperformance. Sie setzen sich
beispielsweise aus dem finanziellen Leverage sowie aus dem Wachstum, der Volatilität und
demMomentumdesUnternehmensergebnisseszusammen.
 Statistische Faktormodelle: Anhand von statistischen Methoden können Faktoren aus
historischenRenditeneinerGruppevonFinanzanlagenextrahiertwerden,mitderen
5.2 ÜbersichtüberMultifaktorenmodelle 205

Hilfe der Renditeverlauf erklärt werden kann. In den statistischen Faktormodellen sind die
Faktoren durch ein Portfolio von Finanzanlagen der untersuchten Gesamtgruppe der
Anlagen gegeben und somit als Portfoliogewichte definiert. Die beiden wichtigsten
statistischen Faktormodelle stellen die Faktoranalyse und die Hauptkomponentenana- lyse
dar. Sie unterscheiden sich darin, dass die Faktoranalyse die historische Kovari- anz der
Portfoliorenditen und die Hauptkomponentenanalyse die historische Varianz der
Portfoliorenditen erklären bzw. reproduzieren. Ein Vorteil von statistischen Fak-
tormodellen ist, dass sie mit einer relativ geringen Zahl an Annahmen auskommen.
Allerdings ist die Interpretation statistischer Faktoren im Gegensatz zu makroökono-
mischen und fundamentalen Faktoren üblicherweise schwieriger. In den allermeisten
Fällen ist es nicht möglich, einen statistischen Faktor einem Faktor zuzuordnen, der eine
ökonomischeInterpretationzulässt.EineAusnahmestellteinstatistischerFaktorbestehend
aus einem Portfolio mit Gewichten dar, die denjenigen eines Marktindex gleichen. Ein
solcher Fakto r kann als Marktfaktor aufge fasst werden. Darüber hinaus sind statistische
Faktormodellemathematischrechtanspruchsvoll.

Es gibt auch Multifaktorenmodelle, die sich nicht eindeutig einer dieser drei Kategori- en
zuordnenlassen,weilsiemehrereEigenschafteninBezugaufdieModelleinteilungbesitzen.
2
NachfolgendwirddieStrukturvonmakroökonomischenundfundamentalen
Multifaktorenmodellenbeschrieben.DiestatistischenFaktormodellewerdenaufgrundder
oben erwähnten Nachteile nicht weiter ausgeführt.

5.2.2 StrukturvonmakroökonomischenMultifaktorenmodellen

Die Rendite einer gehandelten Aktie besteht aus einer erwarteten und einer unerwarte- ten
Komponente.Dieerwartetebzw.normaleAktienrenditeistdiejenigeKomponentederRendite,
welche die Marktteilnehmer prognostizieren. Sie hängt von den auf dem Markt verfügbaren
Informationenab.
3
FernerbestehtdieRenditeauseinemunsicherenoder
unerwartetenTeil,dervonüberraschendenNachrichtenbeeinflusstwird.Beispielesolcher
nichterwarteterInformationensindetwadieBekanntgabevonzuhohenArbeits-losenzahlen,
eineplötzlicheZinssatzerhöhungdurchdieNotenbankoderdieunerwartetePensionierungdes
GründersundVerwaltungsratspräsidenteneinerbörsennotiertenGe-sellschaft.

Die Rendite einer Anlage über eine Per iode t kann wie folgt bestimmt werden: 4

ri;t D E .ri;t / C ui;t ; (5.1)

2
EinBeispielistdasFama/French-Modell,dassowohleinenmakroökonomischenFaktor(Markt-
risikoprämie)alsauchzweifundamentaleFaktoren(MarktkapitalisierungundBuchwert-Kurs-
Verhältnis) verwendet. Vgl. Abschn. 5.6.2 .
3
Für die Informationseffizienz der Märkte vgl. Abschn. 2.4.2.1 .
4
Faktormodelle erklären die zufälligen Renditen einzelner Anlagen, also ganze Verteilungen. Dabei
entspricht der Erwartungswert dem erwarteten Teil der Rendite.
206 5 Multifaktorenmodelle

wobei:

ri;t D RenditederAnlageifürdiePeriodet,r
E . ; / D erwarteterTeilderRenditevonAnlageifürdiePeriodet, it
ui;t D unerwarteter Teil der Rendite von Anlage i für die Periode t.

Erwarten beispielsweise die Marktteilneh mer im nächsten Monat ein Wachstum des Brut-
toinlandsprodukts von 0,5 %, dann fließt diese Erwartung in einem effizienten Markt in den
Aktienpreis.WirdimnächstenMonateinAnstiegdesBruttoinlandsproduktsvon0,5%bekannt
gegeben, haben die Marktakteure diese Meldung in den Aktienkursen be- reits verarbeitet.
Entspricht die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts genau den Erwartun-gen, so verändert sich
derAktienkursbzw.dieRenditeaufgrunddieserNachrichtnicht.FallshingegeneineErhöhung
des Bruttoinlandsprodukts um 1,5 % angekündigt wird, sind die Erwartungen der
Marktteilnehmer um 1 % übertroffen worden, was in einem effizien- ten Markt zu einer
ÄnderungderAktienkursebzw.derRenditeführt.

Der erwartete Teil einer Nachricht spiegelt sich in der Höhe der erwarteten Rendite
ŒE .r/ wider. Die Überraschung ist derjenige Teil der Meldung, welchen die Marktteil-
nehmer nicht vorweggenommen bzw. erwartet haben. Dies schlägt sich im unerwarteten
Teil .u/ der Gesamtrendite .r/ nieder. Das eigentliche Risiko einer Anlage wird durch den
nicht erwarteten Teil der Rendite wiedergegeben, der auf eine überraschende Nachricht
und eine daraus resultierende Preisänderung zurückzuführen ist.
BeziehensichdienichterwartetenNachrichtenaufgenerelleMarktfaktorenwieetwadie
HöhederZinssätzeoderdasWachstumdesBruttoinlandsprodukts,istdasdarausher-
vorgehendeRisikosystematisch.SolcheNachrichtenbeeinflussensämtlicheAktienkurseauf
demMarkt.StammendieInformationenhingegenvoneinemeinzelnenUnternehmen,wie
beispielsweisedieunvorhergesehenePensionierungdesGründersundVerwaltungs-
ratspräsidenteneinerGesellschaft,wirdlediglichderAktienkursdesUnternehmensdavon
beeinflusst.EineauseinersolchenMeldunginduziertePreisänderungwirdalsunterneh-
mensspezifischesoderunsystematischesRisikobezeichnet.Zusammengefasstlässtsichdas
Risikowiefolgtdefinieren:

 AlssystematischesRisikowerdengenerelleÄnderungenderMarktfaktorenverstan-den,die
zueinerPreisänderungbeieinerVielzahlvonAnlagenführen.
 Unter unsystematischem Risiko versteht man Änderungen unternehmensspezifischer
Gegebenheiten, die eine Preisänderung ei ner einzelnen Anlage oder einer kleinen Gruppe
vonAnlagenzurFolgehaben. 5

5
Die Nachricht eines lokalen Streiks bei einem Autohersteller wird sehr wahrscheinlich den
Aktienkurs des Unternehmens beeinträchtigen. Ferner ist es möglich, dass Kurse von anderen
GesellschaftenderselbenIndustrievondieserMeldungtangiertwerden.Unwahrscheinlichisthin-gegen,
dasssichinfolgedeslokalenStreikssämtlicheAktienkurseaufdemMarktverändern.
5.2 ÜbersichtüberMultifaktorenmodelle 207

Der unerwartete Teil der Rendite .u/ lässt sich in eine systematische und eine unsystema-
tische Komponente aufteilen. Das führt zu folgender Rendite für eine Anlage:

ri;t D E .ri;t / C mi;t C ©i;t ; (5.2)

wobei:

mi;t D Renditeentschädigung für das systematische Risiko bzw. für das makroökonomi-
sche Risiko der Anlage i für die Periode t,
©i;t D Renditeentschädigung für das unsystematische Risiko bzw. für das nicht makro-
ökonomische Risiko der Anlage i für die Periode t.

Das systematische Risiko .m/ beeinflusstdieAktiensämtlicherGesellschaften.Wird


beispielsweiseeineüberraschendeInflationsmeldungveröffentlicht,sowirddieseinen
Einfluss auf fast alle Unternehmen haben. Korreliert die Inflation positiv mit dem Aktien- kurs,
dann wird sich bei einem Anstieg der Geldentwertung der Kurs ebenfalls erhöhen. Besteht
hingegen eine negative Korrelation, wird der Aktienpreis fallen. Sind die Aktien- kurse mit der
unerwartetenInflationshöheunkorreliert–wasinderRealitätjedocheherseltenderFallist–,übt
dieGeldentwertungkeineWirkungaufdenAktienpreisaus.

Das unsystematische Risiko .©/ ist unternehmensspezifisch und beeinträchtigt nicht


das spezifische Risiko anderer G esellschaften. Beispielsweise gibt es keine Wechselwir- kung
zwischendemunternehmensspezifischenRisikovonNestléundNovartis.MussetwaNestléein
hochrangigesMitglieddesManagementsaufgrundvonKorruptionsvorwürfenentlassen,dann
kanndieseunerwarteteNachrichtdenAktienpreisverändern.AufdenAktienpreisvonNovartis
hingegenwirddieseInformationkeinenEinflusshaben.DasunsystematischeRisikoderbeiden
Gesellschaftenistunabhängigvoneinanderbzw.nichtmiteinanderkorreliert.

DasmakroökonomischeMultifaktorenmodellunterstellt,dassdieRenditenmitden
unerwartetenMeldungenübermakroökonomischeVariablen–wieInflation,Bruttoin-
landsproduktundZinssätze,diedassystematischeRisikowiderspiegeln–korrelieren.Die
RenditeeinerAnlageiübereinePeriodetlässtsichmiteinemmakroökonomischenModellwie
folgtbestimmen(multiplelineareRegressionsanalyse):

ri;t D E .ri;t / C “i1 F1;t C “i2 F2;t C : : : C “iK FK;t C ©i;t ; (5.3)

wobei:

Fk;t D unerwartete Höhe (Überraschung) des systematischen Risikofaktors k, k D


1; 2; : : :; K,
“ik D Beta bzw. Faktorsensitivität zwischen Aktienrendite i und unerwartetem systemati-
schen Risikofaktor k, k D 1; 2; : : :; K,
i;t D FehlertermmiteinemErwartungswertvonnull,derdenAnteilderAktienrenditer© i
reflektiert, der nicht durch die systematischen Risikofaktoren erklärt wird und somit
auf das unsystematische Risiko zurückzuführen ist.
20 5 Multifaktorenmodelle

Die makroökonomischen Risikofaktoren .Fk / stellen systematische Faktoren des Ge-


samtmarktes dar. Diese Faktoren weisen einen erwarteten Wert von null auf und beschrei-
ben die unerwartete Veränderung und nicht die Höhe des Risikos. Das Beta .“ik / istein
Sensitivitätsfaktorundzeigt,wiestarkdieAktienrenditeaufdassystematischeRisikoreagiert.
EinpositivesBetabedeutet,dasssichdieAktienrenditeundbeispielweisederRisikofaktor
InflationindiegleicheRichtungbewegen.Demgegenüberverkörperteinne-gativesBetaeine
inverseBeziehungzwischenderRenditedesBeteiligungspapiersunddemRisikofaktor
Inflation.DerFehlerterm
i;t / erklärtdieunerwarteteRenditeausdem.©
unternehmensspezifischen Risiko.

Beispiel
BerechnungderAktienrenditemiteinemmakroökonomischenMultifaktorenmo-dell

DieerwarteteRenditeeinesinderComputertechnologietätigenUnternehmensliegtbei10%.
DieBeta-FaktorenderAktiezuunerwartetenVeränderungenderZinssät-ze,derInflationund
desBruttoinlandsproduktssindbekanntundbetragen
1;5, 2,0
und 0,75. Zu Beginn des Jahres erwartet man, dass sich die Zinssätze nicht verändern werden.
Demgegenüber prognostiziert man, dass die Inflation um 3 % und das Brutto- inlandsprodukt
um 1,2 % steigen werden. Am Ende des Jahres stellt man fest, dass die Zinssätze um 0,5 %, die
Inflation um 4 % und das Bruttoinlandsprodukt um 0,7 % ge- stiegen sind. Ferner beträgt die
unerwartete unternehmensspezifische Rendite 5 % für das Jahr. Wie hoch ist die Rendite der
Aktie,wenneinmakroökonomischesMultifak-torenmodellverwendetwird?

Lösung
Nachstehend sind die Renditen und Beta-Faktoren der makroökonomischen Variablen
aufgeführt:

Makroökonomische Variablen Total Erwartet Unerwartet .F/ Beta-Faktor .“/


Zinssätze 0,5 % 0,0 % 0;5 % 1;5
Inflation 4,0 % 3,0 % 1;0 % 2,0
Bruttoinlandsprodukt 0,7 % 1,2 % 0;5 % 0,75

Der unerwartete Teil der Rendite lässt sich für die einzelnen Risikofaktoren .Fk /
anhand der gesamten und erwarteten Rendite wie folgt berechnen: Zinssätze 0,5 % (
D 0;5 %  0;0 %), Inflation 1,0 % (D 4;0 %3;0 %) und Bruttoinlandsprodukt 0;5 %
(D 0;7 %1;2 %). Werden diese Risikofaktoren mi t den entsprechenden Beta-Faktoren
multipliziert, erhält man den Renditebeitrag von 0,875 % [D .1;5/0;5 %C 2  1 %C
0;75  .0;5 %/] der drei makroökonomischen Variablen zur Gesamtrendite. Die er-
wartete Rendite der Aktie ist 10 %, während die unerwartete unternehmensspezifische
Rendite bei 5 % liegt. Somit beläuft sich die Rendite der Aktie auf 15,875 %:

rAktie D 10% C .1;5/  0;5% C 2  1% C 0;75  .0;5%/ C 5% D 15;875%:


5.2 ÜbersichtüberMultifaktorenmodelle 209

Die Aktienrendite beträgt 15,875 % und setzt sich aus den folgenden Bestandteilen
zusammen:

 Erwartete Rendite: 10 %,
 unerwartete Rendite aus systematischen Risiken: 0,875 %,
 unerwartete Rendite aus unsystematischen Risiken: 5 %.

Beispiel
Berechnung der Portfoliorendite mit einem makroökonomischen Multifaktoren-
modell
EinPortfoliobestehtausdenAktienAundB.DieRenditenderbeidenAktienwerdenvonden
makroökonomischenRisikofaktorenInflation .F / und Bruttoinlandspro-
INFL
dukt .FBIP / beeinflusst. Der Portfoliomanager hat mithilfe einer multiplen linearen
RegressionsanalyseeinmakroökonomischesMultifaktorenmodellfürdiebeidenAkti-enA
undBaufgestellt:

RenditeA;t D 0;08  1;5  FINFL;t C 1;2  FBIP;t C ©A;t ; wobei: ©A;t D 0;05;
RenditeB;t D 0;14 C 3  FINFL;t C 4  FBIP;t C ©B;t ; wobei: ©B;t D 0;08:

DerPortfoliomanagerinvestiert25%desPortfoliosinAktienvonAund75%inAk-tienvonB.
Wie hoch ist die Rendite des Portfolios, wenn die unerwartete Veränderung der Inflation und
desBruttoinlandsprodukts1%respektive0,8%sind?

Lösung
Die Portfoliorendite von 24,27 % lässt sich als gewichteter Durchschnitt der beiden
Aktienrenditenwiefolgtberechnen:

rP D Œ.0;25  0;08/ C .0;75  0;14/ C Œ.0;25  .1;5// C .0;75  3/  FINFL


C Œ.0;25  1;2/ C .0;75  4/  FBIP C Œ0;25  ©A C 0;75  ©B  ;
rP D 0;125 C 1;875  FINFL C 3;3  FBIP C 0;25  ©A C 0;75  ©B ;
rP D 0;125 C 1;875  0;01 C 3;3  0;008 C 0;25  0;05 C 0;75  0;08 D 0;2427:

DieSensitivitätdesPortfolioshinsichtlicheinerunerwartetenVeränderungderIn-flation
ist1,875.SteigtdieInflationum1%höheralsprognostiziert,dannfälltdiePortfoliorendite
um1,875%höherausalserwartet.DerunsystematischeAnteilanderPortfoliorenditebeläuft
sichauf7,25%(
D 0;25  5 % C 0;75  8 %).
Die Portfoliorendite von 24,27 % setzt sich folgendermaßen zusammen:

 Erwartete Rendite: 12,5 %,


 unerwartete Rendite aus systematischen Risiken: 4,52 %,
 unerwartete Rendite aus unsystematischen Risiken: 7,25 %.
210 5 Multifaktorenmodelle

(Rendite)

8%

0 (Risikofaktor F)

Abb.5.1 Rendite eines gut diversifizierten Portfolios mit einem Beta von 1

IngutdiversifiziertenPortfoliosliegteineRisikoprämie(erwartetundunerwartet)nurfürdas
systematischeRisikovor.DieGeradeinAbb. 5.1zeigtdieRenditeeinesgutdiver-sifizierten
PortfoliosmiteinemBetavon1fürunterschiedlicheGrößendesRisikofaktorsF(unerwartete
VeränderungvonF).BeimSchnittpunktderGeradenmitderY-AchseistdieRenditedes
Portfolios8%,wasdererwartetenRenditebeieinemGleichgewichtsmo-dellwieetwaderAPT
entspricht.BeidiesemPunktistdersystematischeRisikofaktornull(F

D 0). Dies bedeutet, dass keine unerwartete Veränderung des Risikofaktors vorliegt.
Die erwartete Portfoliorendite lässt sich durch die erwartete Veränderung des Risikofak-
tors mithilfe eines Gleichgewichtsmodells berechnen. Ein positiver Risikofaktor (F > 0)
führt zu einer Rendite, die höher als 8 % ist. Umgekehrt hat ein negativer Risikofaktor (F
< 0) eine niedrigere Rendite als 8 % zur Folge. Daher lässt sich die Rendite des Port-
folios wie folgt ermitteln:

rP D E .rP / C “P F D 8% C 1  F: (5.4)

Abb.5.2zeigtdieRendite-Risikofaktor-BeziehungeinereinzelnenAktiemiteinemBetavon
1.DieAktieistsowohldemsystematischenalsauchdemunsystematischenRi-sikoausgesetzt.
DieserZusammenhangwirddurchdieStreuungderRendite-Risikofaktor-Punkteumdie
Geradeveranschaulicht.DieAktienrenditelässtsichdurcheinFaktormo-dellmit
systematischenRisikofaktorennichtvollständigbeschreiben,dadieAktienrenditeauchdurch
dasunsystematischeRisikobeeinflusstwird.ImGegensatzdazukanndieRenditeeinesgut
diversifiziertenPortfoliosdurcheinFaktormodellmitsystematischenRisikofaktoren
quantifiziertwerden.
5.2 ÜbersichtüberMultifaktorenmodelle 211

(Rendite)

8%

0 (Risikofaktor F)

Abb.5.2 Rendite einer Aktie mit einem Beta von 1

5.2.3 StrukturvonfundamentalenMultifaktorenmodellen

Die Rendite lässt sich anhand eines fundame ntalen Multifaktorenmodells gleich wie bei einem
makroökonomischenMultifaktorenmodellmitfolgenderFormelberechnen:

ri;t D ’i;t C “i1 F1;t C “i2 F2;t C : : : C “iK FK;t C ©i;t ; (5.5)

wobei:

’i;t D Konstante der linearen multiplen Regressionsgleichung,


Fk;t D fundamentaler Risikofaktor k, k D 1; 2; : : :; K (z. B. Kurs-Gewinn-Verhältnis,
Buchwert-Kurs-Verhältnis, Dividende nrendite und finanzieller Leverage),
“ik D Beta bzw. Faktorsensitivität zwischen Aktienrendite i und fundamentalem Risiko- D
faktor k, k 1; 2; : : :; K,
©i;t D Fehlerterm.

Allerdings verändert sich im Gegensatz zum makroökonomischen Multifaktorenmodell die


Bedeutung der Faktoren in der Gleichung. So werden die Faktoren als Renditen und nicht als
Renditeüberraschungen angegeben, wa s dazu führt, dass deren erwartete Werte nicht null sind.
Dieser Ansatz verändert die Bedeutung der Konstante, die nicht mehr als die erwartete Rendite
interpretiert werden kann. Darüber hinaus können in den meisten fundamentalen
Multifaktorenmodellen auch die Fa ktorsensitivitäten unterschiedlich aus- gelegt werden.
Dabei stellen die Faktorsensitivitäten standardisierte Größen wie etwa für das
Kurs-Gewinn-VerhältnisoderdieDividendenrenditeeinerAktiedar.Dasstandardi-
212 5 Multifaktorenmodelle

sierte Beta bzw. die standardisierte Faktorsen sitivität eines fundamentalen Multifaktoren-
modells lässt sich zum Beispiel anhand des Kurs-Gewinn-Verhältnisses einer Aktie i wie folgt
berechnen(ähnlichwiederz-WertbeieinerStandardnormalverteilung):

KGVi  KGV
“i;1 D ; (5.6)
¢KGV

wobei:

KGVi D Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktie i,


KGV D durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis der untersuchten Aktien,
¢KGV D Standardabweichung der Kurs-Gewinn-Verhältnisse der untersuchten Aktien.

Die standardisierte Faktorsensitivität gibt die Anzahl der Standardabweichungen des fun-
damentalen Faktors von dessen Durchschnitts wert bzw. Erwartungswert an. Hat beispiels-
weise eine Aktie ein standardisiertes Beta für das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 2, so liegt das
Kurs-Gewinn-VerhältnisdesBeteiligungspapierszweimaldieStandardabweichungüberdem
KGV-Durchschnittswert. Eine Aktie hingegen mit einer standardisierten Fak- torsensitivität
von
1 besitzt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis, das um eine Standardabwei-
chung den KGV-Durchschnittswert unterschreitet. Durch diese Standardisierung
können fundamentale Faktoren, die in unterschiedlichen Einheiten gemessen werden
(z. B. Kurs- Gewinn-Verhältnis in absoluten Zahlen und Dividendenrendite in
Prozent), ähnlich inter- pretiert werden. Eine Ausnahme bilden binäre Faktoren wie
die Zugehörigkeit zu einer Industrie. Diese sogenannten Dummy-Variablen weisen
entweder einen Wert von 0 oder 1auf.
6

Beispiel
Berechnung der standardisierten Faktorsensitivität in einem fundamentalen Mul-
tifaktorenmodell
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis einer Aktie liegt bei 16,5. Demgegenüber betragen für
sämtliche Aktien das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis 13,4 und die Stan-
dardabweichung der Kurs-Gewinn-Verhältnisse 6,1. Wie hoch ist die standardisierte
FaktorsensitivitätfürdenfundamentalenFaktorKurs-Gewinn-VerhältnisderAktie?

Lösung
Die standardisierte Faktorsensitivität für den fundamentalen Faktor Kurs-Gewinn-
Verhältnis von 0,508 kann folgendermaßen ermittelt werden:

16;5  13;4
“i;KGV D D 0;508:
6;1
6
Für die Benutzung von Dummy-Variablen in einer Regression vgl. z. B. DeFusco et al. 2004 :
Quantitative Methods for Investment Analysis, S. 458 ff.
5.3 Diversifikationanhandeinesmakroökonomischen Multifaktorenmodells 213

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktie von 16,5 ist um 0,508 Standardabweichungen höher
alsdasdurchschnittlicheKurs-Gewinn-Verhältnisvon13,4.

BeieinemmakroökonomischenModellwerdenzuerstdieRenditeüberraschungen(al-so
dieRisikofaktoren)bestimmt,bevoranhandeinerRegressiondieFaktorsensitivitäten
festgelegtwerden.DemgegenüberwerdenineinemfundamentalenMultifaktorenmodellin
einemerstenSchrittdieFaktorsensitivitäteneruiertunderstdanachdiefundamentalen
RenditefaktorenmithilfeeinerRegressionberechnet.DiefundamentalenFaktorenstellen
Renditendar,diesichbeispielsweiseausderRenditedifferenzzwischenAktienmiteinem
niedrigenundAktienmiteinemhohenKurs-Gewinn-Verhältnisergeben.

5.3 Diversi kationanhandeinesmakroökonomischen


Multifaktorenmodells

Die Rendite einer Anlage i kann mit einem makroökonomischen Einfaktormodell wie folgt
bestimmtwerden:
ri;t D E .ri;t / C “i Ft C ©i;t : (5.7)

Der Faktor für das systematische Risiko .F/ kann beispielsweise eine unerwartete Nach-
richt über die Höhe der Inflation sein.7 Das Beta .“i / ist eine Faktorsensitivität und be-
schreibt, wie stark das systematische Risiko die Gesamtrendite der Aktie beeinflusst.
NimmtmaneinPortfoliomitNAktienundbenutztfürjedeAktieeinEinfaktormo-dell,um
dassystematischeRisikozuerfassen,lässtsichdieRenditedesPortfoliosalsgewichteter
DurchschnittallerAktienrenditenwiefolgtberechnen:

rP D w1 ŒE .r1 / C “1 F C ©1  C w2 ŒE .r2 / C “2 F C ©2  C : : : C wN ŒE .rN / C “N F C ©N ;


(5.8)
wobei:

wi D Gewichte der einzelnen Aktien i im Portfolio.

Die Formel zeigt, dass die Rendite des Aktienportfolios von drei Einflussfaktoren be- stimmt
wird:

 Die erwartete Rendite jeder einzelnen Aktie ŒE .ri /,


 das Beta .“i / jedereinzelnenAktiemultipliziertmitdemsystematischenRisikofaktorF,
. /
 das unsystematische bzw. unternehmenssp ezifische Risiko jeder einzelnen Aktie .©i /.

7
AlsEinfaktormodellkannmanauchdasMarktmodellverwenden.IndiesemModellberechnetsichdas
systematischeRisikoFalsDifferenzzwischenderrealisiertenunddererwartetenMarktrendite.
214 5 Multifaktorenmodelle

TeiltmandiesedreiEinflussfaktorenaufdieGesamtrenditedesPortfoliosinihreBestand-teileauf,
lässtsich( 5.8)wiefolgtschreiben:

rP D w1 E .r1 / C w2 E .r2 / C : : : C wN E .rN /


(gewichteter Durchschnitt der erwarteten Renditen)
C .w1 “1 C w2 “2 C : : : C wN “N / F
(5.9)
(gewichteter Durchschnitt der Betas)  (systematischer Risikofaktor F)
C w1 ©1 C w2 ©2 C : : : C wN ©N
(gewichteter Durchschnitt unsystematischer Risiken):
Die erste Zeile der Formel – also der gewichtete Durchschnitt der erwarteten Renditen –
beinhaltet keine Risikokomponente, da die erwartete Rendite im Aktienkurs bereits ent- halten
ist. 8
DieVerlustgefahrwirdinderzweitenZeiledurchdenFaktorFbestimmt,derdas
systematischeRisikodarstellt.InderdrittenZeilewirddieUngewissheitdurchden
unsystematischen Risikofaktor ©i beschrieben.
WerdengutdiversifiziertePortfoliosbetrachtet,verändertsich( 5.9)dahingehend,dassdiedritte
Zeile,diedasunsystematischeRisikowiedergibt,entfällt.JedeAktieverfügtüberihreigenes
unsystematischesRisiko.DabeiführteineunerwarteteMeldungz.B.übereinen
unternehmensspezifischenStreiksehrwahrscheinlichzueinerAktienkursän-derungder
betroffenenGesellschaft,währendandereAktienvondieserNachrichtnichtbetroffensind.Wirdnur
einkleinerBetraginjedeeinzelneAktieinvestiert,konvergiertdergewichteteDurchschnittder
unsystematischenRisikenineinemgutdiversifiziertenPortfoliogegennull.

9
DerGrundliegtdarin,dassdieunternehmensspezifischenRisiken
unabhängigvoneinanderanfallen.DaherverstärktsichderDiversifikationseffekt,jegrö-
ßer die Anzahl Aktien in einem Portfolio ist. Im Gegensatz dazu bleibt die zweite Zeile von (5.9 )
unverändert,dasichdassystematischeRisiko .F/ nicht durch Diversifikation
eliminieren lässt.
DerDiversifikationseffektbeieinemPortfoliobestehendausLong-Positionenkannam
BeispieleinesmakroökonomischenEinfaktormodellsaufgezeigtwerden,wobeifolgende
Annahmengelten:

 Alle im Portfolio enthaltenen Aktien verfügen über die gleiche erwartete Rendite, zum
Beispiel 12 %. Diese Annahme führt dazu, dass die erste Zeile von (5.9 ) ebenfalls 12 % ist, da
dieersteZeiledengewichtetenDurchschnittallererwartetenAktienrenditendarstellt.

 Sämtliche Aktien besitzen ein Beta von 1. Dies führt innerhalb des Klammerausdrucks der
zweitenZeilevon(5.9)zueinemWertvon1,weildieSummederGewichte1ist.

8
UmdenPreisbzw.deninnerenWerteinerAktiezuermitteln,werdendiefreiverfügbarenCash-flowsmit
dererwartetenRendite(Diskontsatz)diskontiert.DaheristdieerwarteteRenditeim
Aktienpreis enthalten.
9
Wenn die Anzahl der in einem Portfolio gleich gewichteten Aktien gegen unendlich strebt, kon-
vergiert der gewichtete Durchschnitt aller unsystematischen Risiken gegen null.
5.4 ErwarteteRendite 215

Multipliziert man 1 mit F, resultiert ein systematisches Risiko für dieses Portfolio von F
D . D 1  F/.
 Jede Anlage ist zu gleichen Teilen im Portfolio vertreten. Der Anteil jeder einzelnen
Aktie im Portfolio beträgt demnach 1/N.

Die Rendite des Aktienportfolios lässt sich aufgrund dieser Annahmen wie folgt eruieren:
1 1 1
rP D 12% C F C ©1 C ©2 C : : : C ©N : (5.10)
N N N
Je mehr Aktien in das Portfolio aufgenommen werden, desto höher wird N, sodass die Terme
© gegennullstreben.Demzufolgelässtsich(5.10)füreingutdiversifiziertes 1
N i
Portfolio wie folgt schreiben:
rP D 12% C F: (5.11)
Dieses Ergebnis in Bezug auf den Diversifikationseffekt deckt sich mit ( 5.9 ), wo die dritte
Zeile, die das unsystematische Risiko beschreibt, entfällt. Die zweite Zeile hingegen, die das
systematische Risiko widerspiegelt, bleibt stehen. Das systematische Risiko, das durch die
Variation des Faktors F gegeben ist, lässt sich durch Diversifikation nicht reduzieren. Das
unsystematische Risiko hingegen lässt sich durch die Zunahme der Anzahl Aktien im Portfolio
durchDiversifikationeliminieren.

InKapitel3wurdederDiversifikationseffektbeieinemgleichgewichtetenPortfolio
bestehendausLong-Positionenebenfallsbeschrieben.DabeistrebtdasRisikobeieinemgut
diversifiziertenPortfoliogegendiedurchschnittlicheKovarianz  
Cov .10 Indiesem
KapitelhingegenwirddassystematischeRisikodurchdenFaktorFbeschrieben.Daein
gemeinsamerFaktorFzupositivenKovarianzenführt,sinddieArgumentehinsichtlichdes
DiversifikationseffektsinbeidenKapitelnkonsistent.

5.4 ErwarteteRendite

Die erwartete Rendite in einem makroökonom ischen Multifaktorenmodell wird durch ein
Gleichgewichtsmodell–kongruentzumCAPModerderAPT–berechnet.ImCAPMetwawird
die erwartete Rendite mit dem risikolosen Zinssatz und einer Risikoprämie ermittelt. Die
RisikoprämiebestehtausderMarktrisikoprämiemultipliziertmitdemBetaderAnlagebzw.des
Portfolios und stellt die Renditeentschädigung für das systematische Risiko dar. Die
CAPM-FormelfürdieBerechnungdererwartetenRenditeeinerAnlagelautet:

E .ri / D rF C RPM “i ; (5.12)


wobei:

RPM D Marktrisikoprämie (Differenz zwischen der erwarteten Marktrendite und dem ri-
sikolosen Zinssatz).
10
Für den Diversifikationseffekt vgl. Abschn. 3.6 .
216 5 Multifaktorenmodelle

Die erwartete Rendite im CAPM ist um so höher, je höher das systematische Risiko ist und
umgekehrt. Es wird unterstellt, dass im Gegensatz zum Marktmodell das Alpha null ist. Folglich
siehtdasCAPMkeineRenditeentschädigungfürdasunsystematischeRisikovor,dasdurchjeden
einzelnenInvestorineinemPortfoliodurchDiversifikationeliminiertwerdenkann.

DieerwarteteRenditekannauchübereinMultifaktorenmodellgeschätztwerden.Da-bei
wird–ähnlichwieimCAPM-angenommen,dassdasRisikonursystematischerNaturist.Im
GegensatzzumCAPM,daslediglichdenRisikofaktorMarktrisikoprämieverwen-det,werden
beieinemMultifaktorenmodellmehreresystematischeRisikofaktorenfürdieBerechnungder
erwartetenRenditeeingesetzt.Nimmtmanbeispielsweisediebeidenma-kroökonomischen
RisikofaktorenBruttoinlandsprodukt
.FBIP / und Inflation .FINFL /, kann
die erwartete Rendite einer Anlage wie folgt berechnet werden:

E .ri / D rF C “BIP FBIP C “INFL FINFL : (5.13)

Die Formel stellt eine Generalisierung der Wertpapiermarktlinie für die Bestimmung der
erwarteten Rendite dar, wobei anstatt nur eines Faktors (die Marktrisikoprämie) mehrere
systematischeFaktorenverwendetwerden.
GleichwiebeimCAPMlässtsichineinemMultifaktorenmodelldieRisikoprämieei-nes
FaktorsmiteinemBetavon1zudiesemFaktorundeinemBetavonnullzuallenanderenFaktoren
bestimmen.WirdbeimCAPMeinBetavon1unterstellt,dannsetztsichdieRisikoprämieeinzig
ausderMarktrisikoprämiezusammen.DieMarktrisikoprä-mieplusdemrisikolosenZinssatz
ergibtwiederumdieerwarteteRenditedereinzelnenAnlage.

Beispiel
Berechnung der erwarteten Rendite bei einem Multifaktorenmodell
Ein Gleichgewichtsmodell besitzt die beiden systematischen Risikofaktoren Bruttoin-
landsproduktundInflation.EineAnlagehateinBetafürdasBruttoinlandsproduktvon1,4und
einInflationsbetavon
0;8. Die erwartete Risikoprämie für das Bruttoinlands-
produkt beträgt 4 %, während die erwartete Risikoprämie für die Inflation bei 2 %
liegt. Der risikolose Zinssatz beläuft sich auf 2,5 %. Wie hoch ist die erwartete Rendite der
Anlage?

Lösung
Die erwartete Rendite setzt sich aus der Summe des risikolosen Zinssatzes und der erwarteten
Risikoprämiezusammen.DieRisikoprämiefürdasBruttoinlandsproduktist5,6%(
D  4 %)unddieRisikoprämiefürdieInflationbeläuftsichauf1,6%1;4
[D .0;8/  .2 %/]. Die erwartete Risikoprämie für die Anlage beträgt insgesamt
7,2 % (D 5;6 % C 1;6 %).DasführtzueinererwartetenRenditevon9,7%:D
 
E rAnlage 2;5% C 1;4  4% C .0;8/  .2%/ D 9;7%:
5.5 DieArbitragepreis-Theorie(APT) 217

5.5 DieArbitragepreis-Theorie(APT)

5.5.1 DasAPT-Modell

Die Arbitragepreis-Theorie (APT) beschreibt ähnlich wie das CAPM ein Kapitalmarkt-
gleichgewicht bzw. eine Wertpapiermark tlinie, welche durch eine lineare Beziehung zwi-
schen erwarteter Rendite und Risiko gekennzeichnet ist. Die APT kommt im Vergleich zum
CAPMjedoch mitwesentlichweniger Annahmenaus.Diedrei zugrundeliegendenAnnahmen
derAPTlautenwiefolgt:
11

 Ein Faktormodell erklärt die Aktienrenditen, wobei das Modell die Faktoren nicht spe-
zifiziert,welchedieerwartetePortfoliorenditebeeinflussen.
 Es gibt eine Vielzahl von Aktien, sodass die Investoren gut diversifizierte Portfolios halten, in
denendasaktienspezifischeRisikoeliminiertist.
 Aufgrund der informationseffizienten Märkte bestehen keine Arbitragemöglichkeiten
unterdengutdiversifiziertenPortfolios. 12

Die APT benötigt damit weit weniger Annahmen als das CAPM. Nicht erforderlich sind
insbesondere die folgenden Annahmen des CAP M: 1) Die Investoren verfügen über qua-
dratischeNutzenfunktionen, 13
2) dieAktienrenditensindnormalverteiltund3)esgibtein
Marktportfolio,dasaussämtlichenrisikobehaftetenAnlagenbestehtunddasinBezugauf
die Rendite und das Risiko effizient ist. – Sind die Annahmen der APT erfüllt, lässt sich die
erwartetePortfoliorenditewiefolgtberechnen:

E .rP / D rF C “P;1 F1 C “P;2 F2 C : : : C “P;n Fn ; (5.14)

wobei:

E .rP / D erwartete Rendite des Portfolios,


rF D risikoloser Zinssatz,
“P;i D Sensitivität des Portfolios gegenüber dem Risikofaktor i, i D 1; 2; : : :; n,
Fi D Prämie des Risikofaktors i, i D 1; 2; : : :; n.

Die Formel zeigt, dass die erwartete Rendite eines gut diversifizierten Portfolios aus ei- nem
risikolosen Zinssatz und einer Risikoprämie besteht. Die Risikoprämie stellt eine
Entschädigung für das systematische Risiko dar. Die Prämie für einen Risikofaktor (oder auch
Faktorpreis)F
i lässt sich mit einem Faktorportfolio bestimmen. Ein Faktorportfolio
ist ein gut diversifiziertes Portfolio, das ein Beta von 1 gegenüber einem bestimmten Ri-
sikofaktorundeineSensitivitätvon0gegenüberallenanderenRisikofaktorenaufweist.

11
Vgl. Ross 1976 : The Arbitrage Theory of Capital Asset Pricing, S. 341 ff.
12
Eine Arbitragemöglichkeit liegt dann vor, wenn ein Investor einen risikolosen Gewinn erzielt,
ohne dass er eine Nettoausgabe tätigen muss. 13
Für die Nutzentheorie und die Indifferenzkurven vgl. Abschn. 3.7.3 .
21 5 Multifaktorenmodelle

Die Rendite eines Faktorportfolios hängt von einem bestimmten makroökonomischen Ri-
sikofaktor ab. Alle anderen Risikofaktoren sind mit der Portfoliorendite unkorreliert und
besitzen demnach ein Beta von 0. Es ist möglich solche Faktorportfolios zusammenzu- stellen,
weil einerseits viele Anlagen für die Portfoliobildung zur Verfügung stehen und andererseits
relativwenigeRisikofaktorenvorhandensind.

Beispiel
Berechnung der Prämie für den Risikofaktor anhand eines Faktorportfolios
Ein Faktorportfolio verfügt über eine Sensitivität (Beta) von 1 hinsichtlich eines spezifi-
schenRisikofaktors .F1 / und eine Sensitivität von 0 gegenüber allen anderen Faktoren.
Die erwartete Portfoliorendite beträgt 10 %, während der risikolose Zinssatz bei 3 % liegt.
WiehochistdiePrämiefürdenRisikofaktorF? 1

Lösung
Die erwartete Portfoliorendite kann mit einem Einfaktor-APT-Modell wie folgt berech- net
werden:
E .rP / D rF C “P;1 F1 :

Wird die Gleichung nach der Risikoprämie F1 aufgelöst, so erhält man einen Wert von
0,07:
E .rP /  rF 0;1  0;03
F1 D D D 0;07:
“P;1 1
Die erwartete Rendite des Faktorportfolios beträgt 10 % und setzt sich aus einem risiko-
losenZinssatzvon3%undeinerRisikoprämievon7%zusammen.DieRisikoprämiebesteht
aus einem Beta von 1 und einer Prämie für den Risikofaktor von 7 %. Die Prä- mien für die
weiteren Risikofaktoren können mit einem Faktorportfolio in der gleichenWeise berechnet
werden.

Beispiel
Berechnung der erwarteten APT-Portfoliorendite
Die erwartete Rendite eines Portfolios wird mit folgendem Multifaktoren-APT-Modell
ermittelt:
E .rP / D rF C “P;1 F1 C “P;2 F2 :
Das Beta des ersten Risikofaktors .“P;1 / beträgt 0,3, während das Beta für den zweiten
Risikofaktor .“P;2 / bei0,92liegt.DieFaktorportfoliosfürdieBestimmungderbeidenundF
Risikofaktorprämien (F1 )weiseneineerwarteteRenditevon10%respektive
2
von 8 % auf. Der risikolose Zinssatz beläuft sich auf 2 %. Wie hoch ist die erwartete
PortfoliorenditegemäßdemAPT-Modell?
5.5 DieArbitragepreis-Theorie(APT) 219

Lösung
Zunächst sind die beiden Risikofaktorprämien F1 und F2 zu berechnen (ein Faktorport-
folio verfügt über ein Beta von 1):

E .rP /  rF 0;1  0;02


F1 D D D 0;08;
“P;1 1
E .rP /  rF 0;08  0;02
F2 D D D 0;06:
“P;2 1

WerdendieRisikofaktorprämienin(5.14)eingesetzt,erhältmaneineerwartetePort-foliorendite
von9,92%:

E .rP / D 0;02 C 0;3  0;08 C 0;92  0;06 D 0;0992:

WendetmandieAPTan,somüssenderenParametergeschätztwerden.DieParametersindder
risikoloseZinssatzunddiePrämienfürdieRisikofaktoren,welchedieerwar-teteRendite
beeinflussen.DieFaktorsensitivitäten(Betas)sindfürjedeeinzelneAnlageverschiedenundwerden
durcheinemultiplelineareRegressionbestimmt.

Beispiel
Bestimmung der APT-Parameter (risikoloser Zinssatz und Risikofaktorprämie) in
einemEinfaktormodell
Es liegen drei gut diversifizierte Portfolios mit Sensitivitäten gegenüber einem einzigen
Risikofaktor vor. Die gemäß APT-Modell erwarteten Portfoliorenditen und Faktorsen-
sitivitäten(Betas)lautenwiefolgt:

Portfolios Erwartete Portfoliorenditen Faktorsensitivitäten


ŒE .rP / .“P;1 /
A 0,08 0,5
B 0,16 2,1
C 0,06 0,1

Wie hoch sind der risikolose Zinssatz und die Prämie für den Risikofaktor F ? 1

Lösung
Um den risikolosen Zinssatz und die Risikofaktorprämie F1 zu berechnen, können bei-
spielsweise die ersten beiden Portfolios A und B ausgewählt werden:

E .rA / D 0;08 D rF C 0;5  F1

und
E .rB / D 0;16 D rF C 2;1  F1 :
220 5 Multifaktorenmodelle

Wird Portfolio A nach dem risikolosen Zinssatz rF aufgelöst, so erhält man folgende
Gleichung:
rF D 0;08  0;5  F1 :
Wird dieser Formelausdruck für rF in die Gleichung über die erwartete Rendite des
Portfolios B eingesetzt, gelangt man zu folgender Gleichung:

0;16 D 0;08  0;5  F1 C 2;1  F1 D 0;08 C 1;6  F1 :

Das führt zu einer Risikoprämie F1 von 0,05:

.0;16  0;08/
F1 D D 0;05:
1;6

Wird nun F1 in die Gleichung über die erwartete Rendite des Portfolios A eingesetzt, r
erhält man einen risikolosen Zinssatz . F / von 5,5 %:

0;08 D rF C 0;5  0;05 ) rF D 0;08  0;5  0;05 D 0;055:

DemnachbeträgtderrisikoloseZinssatz5,5%unddieRisikofaktorprämiebeläuftsichauf5
%.DieseAPT-ParameterführenzufolgenderAPT-Gleichung:

E .rP / D 0;055 C “P;1  0;05:

5.5.2 RisikoarbitrageundKapitalmarktgleichgewicht

Das APT-Modell setzt voraus, dass ein Kapitalmarktgleichgewicht vorliegt. Das heißt, dass bei
gutdiversifiziertenPortfolioskeineFehlbewertungenbzw.Arbitragemöglich-keitenbestehen.
Es ist nicht möglich, durch Transaktionen wie Kauf und Verkauf von Portfolios risikofreie
Gewinnezuerzielen.DasGesetzdeseinheitlichenPreisesgibtan,dassAnlagendengleichenPreis
besitzenmüssen,wennsieinBezugaufallerelevantenökonomischenAspektegleichwertigsind.
Das Gesetz des einheitlichen Preises wird durch Arbitrageure auf dem Markt u mgesetzt, die
unterbewertet e Anlagen kaufen und überbe- wertete Anlagen verkaufen. Di ese Transaktionen
führendazu,dasssichderKapitalmarktwiederimGleichgewichteinpendelt.

DasAPT-ModellbasiertaufderNicht-Arbitrage-Annahme.LiegteinUngleichgewichtvor,
gehenInvestorengroßeGeldpositionenein,umeinenrisikolosenArbitragegewinnzu
5.5 DieArbitragepreis-Theorie(APT) 221

erzielen. Folglich werden nur wenige Investoren benötigt, um das Gleichgewicht wie-
derherzustellen. Im Gegensatz dazu unterstellt das CAPM, dass Anleger bei einem Un-
gleichgewicht in Abhängigkeit von ihrem Risikoaversionsgrad nur limitierte Änderungen in
ihrem Portfolio vornehmen. Sie schichten ihr effizientes Portfolio von überbewerteten zu
unterbewerten Anlagen um. Das Gleichgewicht auf dem Markt wird durch eine große Anzahl
von Investoren erreicht, die einen rel ativ kleinen Geldbetrag für diese Umschich- tungen
verwenden. Die Annahme, dass alle Anleger risikoavers sind und hinsichtlich Rendite und
Risiko effiziente Portfolios halten, ist für das CAPM kritisch. Im Gegensatz dazu setzt die
Nicht-Arbitrage-Annahme i m APT voraus, dass wenige Marktteilnehmer genügen, um das
Gleichgewicht mit großen Geldbeträgen wiederherzustellen. Das nach- stehende Beispiel
illustriert die für die Arbitragepreis-Theorie wichtige Annahme des
Kapitalmarktgleichgewichts.

14

Beispiel
Testen von Arbitragemöglichkeite n: Kapitalmarktgleichgewicht
Das Einfaktor-APT-Modell aus dem vorangegangenen Beispiel beschreibt die erwarte- ten
Portfoliorenditenwiefolgt:

E .rP / D 0;055 C “P;1  0;05:

Die erwarteten Portfoliorenditen und die entsprechenden Faktorsensitivitäten der Port-


foliosA,B,CundDlautenwiefolgt:

Portfolios Erwartete Portfoliorenditen Faktorsensitivitäten


ŒE .rP / .“P;1 /
A 0,08 0,5
B 0,16 2,1
C 0,06 0,1
D 0,09 0,4

1. Welches der vier Portfolios ist aufgrund des APT-Modells fehlbewertet?


2. Wie hoch ist der risikolose Arbitragegewinn, wenn man für die Arbitragestra- tegie die
richtigbewertetenPortfoliosAundCsowieeinenKapitalbetragvonEUR
100:000 einsetzt?

14
InderPraxiswirdderBegriff„Arbitrage“sehrweitläufigverwendet.OftverstehtmanunterAr-bitrage
dasAuffindenfehlbewerteterAnlagenwiebeispielsweisebeiderMerger-Arbitragestrategie.
Bei dieser Hedgefondsstrategie werden die Aktien von der zu übernehmenden Gesellschaft gekauft,
während die Aktien des vermeintlichen Käufers verk auft werden. Diese Arbitragestrategie hat mit den
risikolosen Arbitragemöglichkeiten im APT nichts gemeinsam. Um die Arbitrage im APT von anderen
Strategienabzugrenzen,nenntmandieseauchRisikoarbitrage.
222 5 Multifaktorenmodelle

Lösungzu1
Umzutesten,obArbitragemöglichkeitenbestehen,wirddasEinfaktor-APT-Modellaufalle
vier Portfolios angewandt. Die erwarteten APT-Portfoliorenditen lassen sich wie folgt
bestimmen:

E .rA / D 0;055 C 0;5  0;05 D 0;08;


E .rB / D 0;055 C 2;1  0;05 D 0;16;
E .rC / D 0;055 C 0;1  0;05 D 0;06;
E .rD / D 0;055 C 0;4  0;05 D 0;075:

Die APT setzt voraus, dass sich der Kapitalmarkt im Gleichgewicht befindet, das heißt, dass
gut diversifizierte Portfolios weder über- noch unterbewertet sind. Dies trifft auf die
Portfolios A, B und C zu. Das Portfolio D hingegen verfügt gemäß APT über eine erwartete
Renditevon7,5%,dieimVergleichzurerwartetenRenditedesPortfoliosDvon9%zuniedrig
ist.DaheristdasPortfolioDunterbewertetundesbestehteineArbitragemöglichkeit.

15

Abb.5.3zeigt,dasssämtlicherichtigbewertetePortfoliosaufderWertpapiermarkt-linie
liegen,dievomrisikolosenZinssatzdurchalleRendite-Beta-PunktederAnlage-
kombinationengeht.DieGleichungdieserGeradenerklärtdieerwarteteRenditegut
diversifizierterPortfolios.PortfolioDweisteineerwarteteRenditevon9%auf.Esliegt
demnachoberhalbderRendite-Risiko-Geraden,diebeieinerFaktorsensitivitätvon0,4eine
erwarteteRenditevon7,5%vorsieht.FolglichistdieAnlagekombinati-onDunterbewertet.
AußerdemveranschaulichtdieAbbildung,dassdieRisikoprämieproportionalzumBeta
steht.DieRisikoprämieistdurchdieDifferenzzwischenderer-warteten
APT-PortfoliorenditeunddemrisikolosenZinssatzgegeben.BeieinemBetavon0liegtauch
dieRisikoprämiebei0,steigtaberbeieinemhöherenBetaproportionalan.

Lösungzu2
Es ist möglich, einen risikolosen Arbitragegewinn zu erzielen, indem man das unterbe-
wertetePortfolioDkauftundeineKombinationausdenrichtigbewertetenPortfoliosAundC
verkauft. Damit der Gewinn risikolos ist, muss die Faktorsensitivität der Long- und
Short-Positionen gleich sein. Das Beta des Portfolios D beträgt 0,4. Folglich muss die
Faktorsensitivität der verkauften Anlagekombination aus den Portfolios A und C ebenfalls
0,4 sein. Die Gewichte der Shor t-Position können als Durchschnitt der ge- wichteten
Faktorsensitivitäten der Portfolios A und C wie folgt berechnet werden (die Summe der
Gewichteist1):

0;4 D wA  0;5 C .1  wA /  0;1:

15
Eine höhere Renditeerwartung führt zu einem niedrigeren Marktwert des Portfolios, da die Cash-
flows aus den Anlagen mit einer höheren erwarteten Rendite diskontiert werden.
5.5 DieArbitragepreis-Theorie(APT) 223

(erwartete
Rendite)
Wertpapiermarktlinie
B
16%

Risikoprämie
D
9%
8% A
C
6%
rF = 5,55%

0%
0,1 0,4 0,5 2,1 (Beta)

Abb.5.3 Arbitragemöglichkeit

Wird diese Gleichung ausmultipliziert, e rhält man folgenden Formelausdruck:

0;4 D wA  0;5 C 0;1  wA  0;1:

Wird diese Gleichung nach dem Gewicht von A (w A ) aufgelöst, gelangt man zu einem
prozentualen Anteil des Portfolios A von 75 %:

0;3
0;3 D wA  0;4 ) wA D D 0;75:
0;4
Das Gewicht des Portfolios C beträgt demnach 25 % (D 1  0;75). Die Short-Position
bestehend aus 75 % von A und 25 % von C weist eine Faktorsensitivität von 0,4 auf.
Die erwartete Rendite dieser Anlagekombination ist 7,5 %:

E .rAundC / D 0;75  0;08 C 0;25  0;06 D 0;075:

Um den risikolosen Arbitragegewinn zu erzielen, kauft man die zu niedrig bewertete Anlage
DfürEUR undfinanziertdiesenKaufmiteinerShort-Positionausder
100:000
Portfoliokombination A und C für EUR 100:000. Die Cashflows aus dieser Arbitrage-
strategie können wie folgt berechnet werden:

 Die Portfoliokombination aus 75 % von A und 25 % von C wird zu einem Wert von EUR
leerverkauft,wasamEndederPeriodezueinererwartetenAusgabe
100:000
von EUR 107:500 (D EUR 100:000  1;075) führt.
 Das unterbewertete Portfolio D wird für EUR 100:000 gekauft. Die erwartete Ren-
dite auf dem Markt beträgt 9 %, sodass am Ende der Periode ein Portfoliowert von
EUR 109:000 (D EUR 100:000  1;09) anfällt.
224 5 Multifaktorenmodelle

Tab.5.1 Aus der Arbitragestrategie resultierende Cashflows und Risiko


Portfolios Cashflows zu Beginn Cashflows am Ende Faktorsensitivitäten
der Periode (in EUR) der Periode (in EUR)
Long D 100:000 109.000 0,4
Short A und C 100.000 107:500 0;4
Total 0 1500 0,0

Tab.5.1 zeigt, dass der Netto-Cas hflow zu Beginn der Arbitragetransaktionen EUR 0 ist.
Am Ende der Periode (nach erfolgter Preiskorrektur) weist die Kapitalanlage D einen
erwartetenWertvonEUR
109:000 auf, während die Portfoliokombination
von A und C eine erwartete Ausgabe – aus dem zu Beginn der Periode getätigten
Leerverkauf – von EUR 107:500 besitzt. Dies führt zu einem Gewinn von EUR 1500 ).
(D EUR 109:000  EUR 107:500
DieseArbitragestrategieweistkeinRisikoauf,dasichdieFaktorsensitivitätenderLong-
undShort-Positionengegenseitigaufheben.DaheristderArbitragegewinnvonEUR1500
risikolos.
DieMarktteilnehmerwerdendasunterbewertetePortfolioDkaufen,wasdazuführt,dass
derPreisdieserAnlagesteigtunddieRenditeerwartungsinkt.DiesePreiskorrek-turdauert
solange,bisderMarktwiederimGleichgewichtistundkeineÜber-undUnterbewertungen
mehrvorhandensind.IstderMarktimGleichgewicht,befindensichsämtlichePortfoliosauf
derWertpapiermarktlinie.

5.5.3 APTversusCAPM

Die APT kann in den gleichen Finanzmarkttheorieanwendungen wie das CAPM ver- wendet
werden. Die erwarteten Renditen werden als Richtgrößen unter anderem in der Auswahl von
unter-oderüberbewertetenAnlagen,PerformancemessungundAktienbe-wertungeingesetzt.
Beide Finanzmarktmodelle unterscheiden zwischen dem systemati- schen und dem
unsystematischen Risiko. Eine Renditeentschädigung besteht nur bei der systematischen
Verlustgefahr, weil das unternehmensspezifische Risiko im Rahmen der Portfoliobildung
durchDiversifikationeliminiertwerdenkann.

DasAPT-Modellunterstellt,dassderKapitalmarktimGleichgewichtistunddaherkeine
Arbitragemöglichkeitenvorhandensind.IstdieseAnnahmeverletzt,führenstarke
Arbitragekräftedazu,dassdasGleichgewichtwiederhergestelltunddieFehlbewer-tung
korrigiertwird.DazubrauchtesnureinelimitierteAnzahlvonInvestoren,diemitgroßen
GeldbeträgendieArbitragetransaktionendurchführen.DieerwarteteRendite-
Risiko-BeziehungimAPTbasiertaufgutdiversifiziertenPortfolios,dielediglichdem
systematischenRisikoausgesetztsindunddurcheineVielzahlvonAnlagenkonstruiertwerden
können.

DasCAPMhingegenwirddurchdasMarktportfoliohergeleitet(Kapitalmarktlinien-
modell),dassichaufdemMarktnichtbeobachtenlässt.DasModellunterstellt,dassdie
5.5 DieArbitragepreis-Theorie(APT) 225

Anlagen auf dem Markt in Bezug auf Rendite und Risiko effizient sind. Ist eine Anlage
hinsichtlich der Beziehung zwischen erwart eter Rendite und Beta unter- oder überbewer- tet,
findet eine Preiskorrektur durch eine große Anzahl von Investoren mit relativ kleinen
Geldbeträgen statt. Dabei werden die Portfolios von überbewerteten zu unterbewerteten Titeln
umgeschichtet,bissichdasGleichgewichtwiedereingestellthat.

TrotzdieserVorteilederAPTgegenüberdemCAPMbestehenwesentlicheNachtei-le.Die
APTgehtvongutdiversifiziertenPortfoliosausundstütztsichaufdieNicht-Arbitrage-Annahme.
DaherkannmanmitdemModellVerletzungenderBeziehungzwi-schendererwartetenRendite
unddemBeta,diebeieinzelnenAnlagenauftreten,nichtidentifizieren.Fernersinddie
RisikofaktorenimAPT-Modellnichtbekannt,währenddasCAPMdiesenFaktormitder
Marktrisikoprämiedefinierthat.AusdiesenGründenkanndasCAPMnichteinfachdurchdieAPT
ersetztwerden.

5.5.4 EmpirischeRelevanz

Das Hauptproblem beim Testen der APT besteht darin, dass die Risikofaktoren im Modell nicht
spezifiziert sind. Dahersetzt die empirische Untersuchung der APT voraus, dass man zuerst die
Risikofaktoren definiert. In einem zweiten Schritt müssen die Portfoli- os zusammengestellt
werden, die diesen Risikofaktoren ausgesetzt sind. In einem letzten Schritt ist der
ErklärungsgehaltderRisikofaktorenfürdieerwartetenPortfoliorenditenzuuntersuchen.

Roll und Ross (1980) überprüften das APT-Modell mit einem zweistufigen Verfah-
ren.16 ZuerstermitteltensiefüreinzelneAnlagendieerwartetenRenditenundFaktorsen-
sitivitätenaushistorischenDatenreihen.DanachuntersuchtendieAutorendieerwartete
Rendite-Risiko-BeziehungmitdiesengeschätztenParameternimAPT.ImSpeziellenana-
lysiertedieStudie,obdieerwartetenRenditenmitdenRisikofaktorenkonsistentwaren.Dabei
wurdedieRendite-Risikofaktoren-BeziehungmiteinemHypothesentestüberprüft.Die
Nullhypotheselautete,dassRisikofaktoren(F
i ; : : :; Fn ; für i D 1; 2; : : :; n) vorhanden
sind, die ungleich null sind, sodass:

E .r1 /  rF D “1 F1 C “2 F2 C : : : C “n Fn : (5.15)

Die Faktorsensitivitäten .“i / wurdenmithilfederFaktoranalysebestimmt.Diebetrachtete


ZeitreihevontäglichenRenditendecktediePeriodevonJuli1962bisDezember1972ab.
AktienwurdennachalphabetischerReihenfolgein42Portfolioszuje30Aktienaufge-teilt.Der
Test zeigte, dass mit einem risikolosen Zinssatz von 6 % mindestens drei, aber wahrscheinlich
nicht mehr als vier Risikofaktoren relevant sind. Ferner ist die Bedeutung der ersten beiden
Risikofaktorengroß,währenddieverbleibendenFaktoreneineunter-schiedlicheGewichtung
hinsichtlich deren Relevanz aufweisen. Wenn das Modell für die Bestimmung des risikolosen
Zinssatzes verwendet wird, sind nur noch zwei Risikofakto- ren signifikant. Dies stellt einen
Hinweisdar,dassdieursprünglicheSchätzungvondrei

16
Vgl. Roll und Ross 1980 : An Empirical Investigation of the Arbitrage Pricing Theory, S. 1073 ff.
226 5 Multifaktorenmodelle

Risikofaktoren nicht korrekt ist. Ein weitere r Test benutzte zusätzlich zu den identifizier- ten
Risikofaktoren die Standardabweichung der Anlagen. Die Standardabweichung sollte die
erwartete Rendite nicht beeinflussen, weil die APT unterstellt, dass die Risikofak- toren das
systematische Risiko wiedergeben und die unsystematische Verlustgefahr null beträgt. Die
ErgebnissedesTestszeigten,dassdieStandardabweichungderAnlagensta-tistischsignifikant
ist, was gegen die APT spricht. In der gleichen Studie korrigierten Roll und Ross die Ergebnisse
um die Schiefe (Skewness) und stellten fest, dass die Standard- abweichung statistisch nicht
signifikant ist, was das APT-Modell wiederum unterstützt. Außerdem wurde überprüft, ob die
gleichen Fa ktoren die verschiedenen Portfolios beein- flussen. Dabei wurde analysiert, ob der
Achsenabschnitt bzw. der risikolose Zinssatz bei allen Portfolios ungefähr gleich ist. Die
Ergebnisse zeigten, dass keine statistische Evidenz besteht, dass der Achsenabschnitt
unterschiedlich ist. Die Autoren der Studie gelangten zu dem Schluss, dass die APT durch die
empirischenTestsgrundsätzlichunterstütztwird.

Dhrymes,FriendundGultekin(1984)analysiertendiestatistischenMethodenvonvor-
angegangenenStudien.DieAutorenkonnteneineReihevonwesentlichenSchwachstellen
aufzeigen,welchedieAPTinfragestellen. 17
DieBildungvonPortfoliosmitzumBeispiel30
AktienwaraufgrundderbegrenztenComputerkapazitäteninälterenStudiennotwen-dig.Die
AutorenkonntenkeineRendite-Risikofaktoren-BeziehungzwischeneinemPort-folioaus30
AktienundeinerAnlagekombinationaus240Aktienfinden.DesWeiterenkonntensiekeine
bestimmteAnzahlRisikofaktorenfürunterschiedlichgroßePortfoli-osidentifizieren.Zum
Beispielkonnten15AnlagenmiteinemZweifaktorenmodell,30Anlagenmiteinem
Dreifaktorenmodell,45AnlagenmiteinemVierfaktorenmodell,60Anlagenmiteinem
Sechsfaktorenmodellund90AnlagenmiteinemNeunfaktorenmo-dellbeschriebenwerden.
Ebenfallswaresschwierig,mitmehrerenRisikofaktorenzubestimmen,welchederFaktoren
statistischsignifikantdieRenditenerklären.IneinerweiterenStudieimJahre1986wiederholten
dieAutorendievergangenenTestsmitgrö-ßerenAnlagekombinationen.

18
DiePortfoliosvonje30Aktienwurdenhierauf60und90
Aktienerhöht.DasResultatzeigte,dassdieAnzahlRisikofaktorenmitderZunahme
der Aktien steigt. Dabei handelte es sich nicht nur um systematische, sondern auch um
unsystematische Risikofaktoren. Zudem lassen sich die erwarteten Renditen auch durch die
Standardabweichungen beschreiben. Ferner beeinflusste die Portfoliogröße den Ach-
senabschnitt des Modells. Die empirischen Ergebnisse der Studie verwarfen die APT, weil die
Beziehung zwischen erwarteter Rendite und Risikofaktoren instabil ist und der im Mo- dell
implizierte risikolose Zinssatz von der Portfoliogröße und der Länge der historischen
Datenreiheabhängt.

WeitereempirischeStudienzeigtenebenfallsgemischteResultatehinsichtlichderVa-liditätder
APT.ÄhnlichwiedieKritikvonRollandemCAPMstellteShanken(1982)

17
Vgl. Dhrymes et al. 1984 : A Critical Re-Examination of the Empirical Evidence on the Arbitrage
Pricing Theory, S. 323 ff.
18
Vgl. Dhrymes et al. 1985 : New Tests of the APT and Their Implications, S. 659 ff.
5.6 MultifaktorenmodelleinderPraxis 227

die empirische Überprüfbarkeit der APT infrage.19 BevormandieAPTüberprüfenkann,


sinddierelevantenRisikofaktoren,welchedieRenditenbeeinflussen,zubestimmen.Da
diese nicht bekannt sind, kann das Modell nicht getestet werden.

5.6 MultifaktorenmodelleinderPraxis

5.6.1 MakroökonomischeFaktormodelle

Das Hauptproblem der Multifaktoren-APT besteht darin, dass die relevanten Risikofak- toren
imModellnichtgegebensind.UmdieRisikofaktorenzubestimmen,sindzweiGrundprinzipien
zu berücksichtigen. Erstens muss es sich um systematische (also makro- ökonomische)
Risikofaktoren handeln, die einen Einfluss auf die Renditen von Anlagen haben. Zweitens
müssendieInvestorenbereitsein,eineRisikoprämiefürdieseRisikofak-torenzuverlangen.

Chen, Roll und Ross (1986) entwickelten e in makroökonomisches Multifaktorenmo-


dell.20 SiewiesenfürUS-Aktienstatistischnach,dassdiefolgendenfünfmakroökonomi-schen
VariablendiedurchschnittlichenAktienrenditenerklären:

 Prozentuale Veränderung der Industrieproduktion .IP/,


 prozentuale Veränderung der erwarteten Inflation .EI/,
 prozentuale Veränderung der unerwarteten Inflation .UI/,
 Renditedifferenz zwischen langfristigen Unternehmensanleihen und langfristigen
Staatsanleihen .US/,
 Renditedifferenz zwischen langfristigen Staatsanleihen und Treasury Bills .ST/.

Die Bestimmung der Höhe jedes einzelnen Risikofaktors erfolgt aufgrund historischer Daten
von Aktienrenditen. Dabei genügt es nicht, einen statistischen Zusammenhang zwi- schen
einem makroökonomischen Faktor und den Aktienrenditen aufzuzeigen. Vielmehr muss die
ökonomische Interpretation plausibel sein. Beispielsweise beeinflusst die Infla- tion die
CashflowseinesUnternehmenssowiedenDiskontsatz.DieCashflowsundderDiskontsatzbzw.
die erwartete Rendite sind wichtige Größen für die Bestimmung eines inneren Aktienwerts.
Änderungen in der Industrieproduktion beeinflussen die erwirtschaf- teten Cashflows eines
Betriebes, was eine Aktienpreisänderung zur Folge haben kann. Das Multifaktorenmodell von
Chen et al. erklär t die Aktienrenditen mit fünf makroökonomi- schen Risikofaktoren für eine
Anlageperiodetwiefolgt:

ri;t D ’i C “i;IP IPt C “i;EI EIt C “i;UI UIt C “i;US USt C “i;ST STt C ©i;t : (5.16)

Bei der Formel handelt es sich um eine multiple lineare Regressionsgleichung mit fünf
unabhängigenVariablenbzw.makroökonomischenRisikofaktoren.MitderRegressions-

19
Vgl. Shanken 1982 : The Arbitrage Pricing Theory: Is It Testable?, S. 1129 ff.
20
Vgl. Chen et al. 1986 : Economic Forces and the Stock Market, S. 383 ff.
22 5 Multifaktorenmodelle

analyse werden die Betas bzw. Regressions koeffizienten bestimmt. Der Fehlerterm ©i;t
misst den Renditebeitrag aus dem unt ernehmensspezifischen Risiko.
Burmeister, Roll und Ross (1994) stellten ein makroökonomisches Multifaktorenmo-
dell vor, das die Renditen von US-Aktien aufgrund folgender fünf Variablen erklärt:21

 „Confidence Risk“ .CF/ : unerwartete Veränderung der Renditedifferenz zwischen risi-


kobehafteten Unternehmensanleihen und risi kolosen Staatsanleihen mit einer Laufzeit
von 20 Jahren. Ist das Vertrauen (Confidence) der Investoren groß – z. B. in einer
Hochkonjunkturphase –, dann fällt die Risikoprämie zwischen Unternehmens- und
Staatsanleihen. Die Anleger kaufen vermeh rt Unternehmensanleihen, was zu einem hö-
heren Preis und einer niedrigeren Rendite führt. Folglich nimmt die Renditedifferenz ab. In
schlechten Zeiten hingegen – z. B. in einer Rezession – sinkt das Vertrauen der Anleger. Es
findet ein Verkauf von Unternehmensanleihen statt, was einen niedrigeren Preis und eine
höhere Rendite zur Folge hat. Die Preise von Aktien, die dieser Verlust- gefahr positiv
ausgesetztsind(

i;CF > 0),steigen,waszueinerhöherenAktienrendite•


22
führt.
 „Time Horizon Risk“ .TR:unerwarteteVeränderungderRenditedifferenzzwischen/
20-jährigen Staatsanleihen und 30-tägigen Treasury Bills. Dieser Risikofaktor misst die
Veränderung der Zinsstrukturkurve und beschreibt die Bereitschaft der Investoren, in
langfristigePapiereanzulegen.EinpositiverRisikofaktor(TR
> 0) bedeutet, dass
die Preise langfristiger Anleihen im Vergleich zu den Preisen 30-tägiger Treasury Bills
gestiegen sind. Demzufolge erwarten Investoren für das Halten von langfristigen An- leihen
eine niedrigere Rendite. Je kleiner die Renditedifferenz ist, desto mehr wird langfristig
investiert.DiePreisevonAktien,diedieserVerlustgefahrpositivausgesetztsind(

i;TR > 0),steigen,waszueinerhöherenAktienrenditeführt.•


 „Inflation Risk“ .IR:unerwarteteVeränderungderInflation.VieleAktienpreisesind/
negativ zu diesem Faktor korreliert. Eine nicht vorweggenommene Zunahme der In- flation
(IR > 0) führt in der Regel zu einer niedrigeren Rendite aufgrund fallender
Aktienpreise und umgekehrt. Die Risikoexposition zur Inflation ist bei den meisten
Aktien negativ (“i;IR < 0). Industrien, die Luxusprodukte herstellen und vertreiben,
weisen die höchste Sensitivität gegenüber der Inflation auf. Nimmt das reale Einkom-
men aufgrund der Inflation ab, sinkt die Nachfrage nach Luxusgütern. Das führt zu
niedrigeren Gewinnen beispielsweise bei Einzelhändlern, Erbringern von Dienstleis-
tungen, Restaurants und Hotels. Demgegenüber sind Industrien, die tägliche Notwen-
digkeiten wie etwa Lebensmittel und Schuhe produzieren, weniger dem Inflationsrisiko
ausgesetzt.

 „Business Cycle Risk“ .BR : unerwartete Änderung der realen Geschäftsaktivitäten /


(reale Wachstumsrate der Wirtschaft). Eine Erhöhung des Risikofaktors (BR > 0) si-
gnalisiert ein Wirtschaftswachstum, was für eine zyklische Aktie (z. B. Autoindustrie) zu
einemhöherenPreisundeinerhöherenRenditeführt.

21
Vgl. Burmeister et al. 1994 : A Practitioner’s Guide to Arbitrage Pricing Theory, S. 1 ff.
22
Ein höherer Aktienpreis (P1) hat eine höhere Rendite zur Folge: Rendite D .P1  P0 /=P0 .
5.6 MultifaktorenmodelleinderPraxis 229

Tab.5.2 Überschussrendite des S&P 500


Risikofaktoren Faktorsensitivitäten des Risikoprämien Beitrag der Faktoren auf die
S&P 500 gegenüber den (in % pro Jahr) erwartete Rendite (in % pro
Risikofaktoren Jahr)
Confidence Risk 0,27 2,59 0,70 (D 0;27  2;59)
(CF)
Time Horizon 0,56 0;66 0;37 [D 0;56  .0;66/]
Risk (TR)
Inflation Risk (IR) 0;37 4;32 1,60 [D .0;37/  .4;32/]
Business Cycle 1,71 1,49 2,55 (D 1;71  1;49)
Risk (BR)
Market Timing 1,00 3,61 3,61 (D 1;00  3;61)
Risk (MR)
Erwartete Über- 8,09
schussrendite

 .MR/:DieserRisikofaktorbeschreibtdenjenigenRenditeanteil
„Market
des S&PTiming Risk“
500 (systematisches Gesamtrisiko), der nicht durch den Achsenabschnitt und die
ersten vier systematischen Faktoren erklärt wurde (wie etwa Naturkatastrophen, politische
Veränderungen und steigende oder fallende Aktienmärkte). Fast alle Aktien weisen einen
positivenZusammenhang(
“i;MR > 0) zu diesem Faktor auf. Der letzte
dieser fünf Risikofaktoren spiegelt die Unge wissheit wider, dass die ersten vier syste-
matischen Faktoren die Renditen nicht vollständig zu erklären vermögen.23

Diese fünf systematischen Risikofaktoren können eingesetzt werden, um die Renditen gut
diversifizierter Aktienportfolios zu erklären. Die Anwendung des Modells auf einzelne Aktien
bringtwenigerguteErgebnisse.Burmeister,RollundRoss(1994)verwendetendenS&P500als
Portfolio, um die Wirkung der fünf Risikofaktoren auf die Überschuss- renditen (Differenz
zwischen Portfoliorendite und dem risikolosen Zinssatz der Treasury Bill) von gut
diversifizierten US-Portfolios zu zeigen. Tab. 5.2 zeigt die Faktorsensitivi- täten des S&P 500
gegenüber den fünf systematischen Risikofaktoren und beschreibt die Berechnungsweise der
S&P-500-RenditeüberdemrisikolosenZinssatz.

Die erwartete APT-Rendite des S&P 500 lässt sich wie folgt ermitteln:

E .rS&P 500 / D rF C 0;27  CF C 0;56  TR C .0;37/  IR C 1;71  BR C 1;00  MR


D rF C 8;09%:
(5.17)
Gl. ( 5.17 ) und Tab. 5.2 zeigen, dass der S&P 500 – außer bei der Inflation – positive Fak-
torsensitivitätenbesitzt.DiebeidengrößtenBeiträgezurÜberschussrenditestammenvom

23
Eine Risikoexposition gegenüber den ersten vier systematischen Risikofaktoren von null (“i;CF D
i;BR D 0) führt dazu, dass das Market Timing Risk in einer proportionalen
Beziehung zurdes
Gesamtrendite 0;:::;•
S&P 500 steht. Liegen diese unrealistischen Bedingungen vor, entspricht die
Risikoexposition der Aktie gegenüber dem Market Timing Risk derjenigen des Betas im CAPM.
230 5 Multifaktorenmodelle

MarketTimingRisk(3,61%)undBusinessCycleRisk(2,55%).DieüberdemTreasury-Bill-Satz
erwarteteRenditebeträgt8,09%.LiegtderrisikoloseZinssatzbeispielsweisebei2%,dannergibt
sicheinejährlicheerwarteteRenditedesS&P500von10,09%(
D 2 % C 8;09 %).

5.6.2 Fama/French-Modell

Neben den makroökonomischen Modellen wer den in der Praxis auch Multifaktorenmo- delle
mit fundamentalen Faktoren benutzt. In solchen Modellen werden die Aktienren- diten durch
aktienbezogene und unternehmensspezifische Eigenschaften wie das Kurs-
Gewinn-Verhältnis, das Buchwert-Kurs-Verhältnis, die Unternehmensgröße und den fi-
nanziellen Leverage erklärt. Das von Fama und French (1996) entwickelte Dreifaktoren-
modellerklärtdieAktienrenditenanhandderAktienmarktrisikoprämie
.RM /, der Größe
des Unternehmens .SMB/ und dem Buchwert-Kurs-Verhältnis .HML/. Der erste Risiko-
faktor stellt einen Faktor für den Aktienmarkt dar, während die Unternehmensgröße und
das Buchwert-Kurs-Verhältnis fundamentale Faktoren sind. Mit dem Dreifaktorenmodell
kanndieüberschüssigeRenditefüreinePeriodeR i;t .Ri;t D ri;t  rF / folgendermaßen er-
mittelt werden:24

Ri;t D ’i C “i;M RM;t C “i;SMB SMBt C “i;HML HMLt C ©i;t ; (5.18)

wobei:

RM D RenditedifferenzzwischeneinemmarktgewichtetenAktienindexundeinerrisi-
kolosenAnlage(TreasuryBillmiteinerLaufzeitvon1Monat);dieserRisikofaktor
entspricht der Marktrisikoprämie im CAPM,
SMB D RenditedifferenzzwischendreiAktienportfoliosmitkleinerMarktkapitalisie-rung
unddreiAktienportfoliosbestehendausBeteiligungspapierenmitgroßer
Marktkapitalisierung;dieserRisikofaktorfürdieUnternehmensgrößestelltsomiteine
ÜberschussrenditefürAktiengeringerMarktkapitalisierungdar(SmallminusBig),

HML D RenditedifferenzzwischenzweiPortfoliosmitgroßemBuchwert-Kurs-Verhältnis
undzweiPortfoliosmitkleinemBuchwert-Kurs-Verhältnis;Aktienmiteinemho-
hen Buchwert-Kurs-Verhältnis (bzw. einem niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnis)

24
Vgl.FamaundFrench1996:MultifactorExplanationsofAssetPricingAnomalies,S.55ff.Das
Fama/French-ModellstelltstrenggenommenkeinfundamentalesMultifaktorenmodelldar,dazum
einen ein makroökonomischer Faktor (Marktrisikoprämie) verwendet wird und zum anderen die
Risikofaktoren als Überschussrenditen angegeben werden, sodass eine Standardisierung der Faktor-
sensitivitätennichterforderlichist.
5.6 MultifaktorenmodelleinderPraxis 231

besitzen eine Wertorientierung (Value Bias), während Aktien mit einem niedrigen
Buchwert-Kurs-VerhältnisübereineWachstumsorientierung(GrowthBias)verfü-gen;
dieserRisikofaktorspiegelteineÜberschussrenditefürdenzuniedrigenWerteinerAktie
mitgroßemBuchwert-Kurs-Verhältniswider(HighminusLow),

’i D erwartete Rendite aus unternehmenssp ezifischen Risiken (nicht SMB und HML).

Unterstellt man eine erwartete Rendite und einen Fehlerterm aus unternehmensspezi- fischen
Risikenvonnull( i D 0 und ©i;t D 0),solässtsichdieAktienrenditeim•
Fama/French-Modell wie folgt bestimmen:

ri;t D rF C “i;M RM;t C “i;SMB SMBt C “i;HML HMLt : (5.19)

Die drei Risikofaktoren – RM ,SMBundHML–könnenalsdurchschnittlicheRenditeeines


Long-Short-PortfoliosmiteinerNettoinvestitionvonnullbetrachtetwerden.Der
Faktor RM repräsentierteineShort-PositioninrisikoloseAnlagenundeineLong-Positionin
demMarktportfolio.DerFaktorSMBreflektiertdiedurchschnittlicheRenditeeiner
Short-Position in Aktien mit großer Marktkapitalisierung, wobei der Geldzufluss aus dem
LeerverkaufinWertpapieremitgeringerMarktkapitalisierunginvestiertwird.HMLhin-gegen
verkörpert die durchsc hnittliche Rendite aus einer S hort-Aktienposition mit einem niedrigen
Buchwert-Kurs-VerhältnisundeinerAnlagederdarausresultierendenGeldmit-telinPapieren
miteinemgroßenBuchwert-Kurs-Verhältnis.

ZusätzlichzurüberschüssigenMarktrenditewerdenimFama/French-ModelldieAkti-
enrenditendurchzweiweiterefundamentaleRisikofaktoren(SMBundHML)erklärt.Da-herist
dasBetafürdieMarktrisikoprämienichtidentischmitdemBetaausdemCAPM.Die
RisikofaktorenimModellkönnenwiefolgtinzweiGruppenaufgeteiltwerden:

 Ein Risikofaktor für den Aktienmarkt .RM /, der ähnlich wie beim CAPM das markt-
bezogene Risiko wiedergibt,
 zwei Risikofaktoren – Größe .SMB/ und Wert .HML/ –, welche fundamentale Eigen-
schaften des Unternehmens beschreiben.

Die beiden Risikofaktoren Größe und Wert wurden durch Fama und French aufgrund von
empirischen Ergebnissen ausgewählt, die zeigen, dass die beiden Faktoren die Ren-
diteabweichung vom CAPM zu erklären vermögen. Zum Beispiel sind Unternehmen mit
geringer Marktkapitalisierung der Gefahr aus gesetzt, dass sie keinen oder nur einen un-
genügenden Zugang zum privaten und öffentlic hen Kreditmarkt haben. Aktien mit ei- nem
hohen Buchwert-Kurs-Verhältnis können einen niedrigen Aktienpreis wegen unter-
nehmerischer Probleme aufweisen. Grundsätzlich haben Unternehmen mit einem hohen
Buchwert-Kurs-Verhältnis finanzielle Schwierigkeiten, während Gesellschaften mit gerin-
ger Marktkapitalisierung dann potentielle Probleme bekunden, wenn sich das geschäftli- che
Umfeld verändert. Folglich stellen die beiden Risikofaktoren Größe und Wert eine
RenditeentschädigungfürdieseVerlustgefahrendar.
232 5 Multifaktorenmodelle

Beispiel
Erwartete CAPM-Rendite und Fama/French-Modell
Ein Portfoliomanager möchte die erwartete Rendite der Gamma-Aktie mithilfe des CAPM
und des Fama/French-Modells bestimmen. Die einfache lineare Regressions- analyse
zwischen den überschüssigen Aktienr enditen und den Marktrenditen liefert für das CAPM
folgendesErgebnis:

 Beta D 1;24 (das Beta ist statistisch signifikant),


 R2 D 0;39.

Die Marktrisikoprämie beträgt 7,2 %, während der risikolose Zinssatz bei 2 % liegt.
Die multiple lineare Regressionsanalyse zwischen den überschüssigen Aktienrendi-
ten und den drei Risikofaktoren Markt .RM /, Größe .SMB/ und Wert .HML/ führt zu
folgenden Ergebnissen (Fama/French-Modell):

 Beta für die Marktrisikoprämie .RM / D 1;31,


 Beta für die Größe .SMB/ D 0;46,
 Beta für den Wert .HML/ D 0;57,
 die Regressionskoeffizienten (Betas) sind statistisch signifikant,
 ’i D 0,
 ©i;t D 0,
 R2 D 0;36.

Die Risikoprämie für die Größe und den Wert beläuft sich auf 3,5 % respektive auf 5,3 %.

Wie hoch ist die erwartete Rendite der Gamma-Aktien gemäß CAPM und Fama/
French-Modell?

Lösung
Die erwartete CAPM-Rendite von 10,928 % lässt sich wie folgt berechnen:

E .rGamma / D 2% C 1;24  7;2% D 10;928%:

Die erwartete Rendite gemäß dem Fama/French-Modell von 12,843 % lässt sich mit den drei
RisikofaktorenAktienmarkt .RM /, Größe .SMB/ und Wert .HML/ folgender-
maßen bestimmen:

E .rGamma / D 2% C 1;31  7;2% C .0;46/  3;5% C 0;57  5;3% D 12;843%:

Die erwartete Rendite von 12,843 % unterstellt, dass die unternehmensspezifische Ren-
ditekomponentenullbeträgt( ’i D 0 und ©i;t D 0). Ferner zeigt das Fama/French-
Modell, dass die Aktie von Gamma einen negativen erwarteten Renditebeitrag von
5.6 MultifaktorenmodelleinderPraxis 233

1,61 % [D .0;46/  3;5 %] zum Risikofaktor Größe au fweist, während der Faktor D
Wert einen positiven Renditebeitrag von 3,021 % ( 0;57  5;3 %) liefert.

Davis, Fama und French (2000) testeten das Fama/French-Modell in ihrer Studie empi-
risch.25 SiegelangtenzudemSchluss,dassderAchsenabschnittausdermultiplenlinearen
Regressionsanalyse .’i / klein und grundsätzlich statistisch nicht signifikant ist. Der De-
terminationskoeffizient bei den untersuchten P ortfolios bestehend aus US-Aktien liegt bei
über 0,90. Darüber hinaus sind die Regressionskoeffizienten für die beiden Risikofaktoren
Größe und Wert statistisch signifikant mit hohen t-Statistiken. Diese Ergebnisse zeigten, dass
die Risikofaktoren im Modell die Renditen von Aktienportfolios gut erklären. Eine mögliche
Interpretation dieser empirischen Resultate besteht darin, dass Größe und Wert komplementär
zum CAPM die Verlustgefahren erfassen. Dieser Erklärungsansatz ist mit dem APT-Modell
konsistent und unterstellt,dass Größe undWert systematische Risiko- faktorendarstellen. Eine
andere Interpretation ist, dass diese Risikoprämien für Wert und Größe auf das irrationale
VerhaltenvonInvestorenzurückzuführensind(BehavioralBias).

5.6.3 Carhart-Modell

Das Vierfaktorenmodell von Carhart (1997) stellt eine Erweiterung des Fama/French- Modells
dar,daszusätzlichzudendreiFaktorenMarktrisikoprämie,GrößeundWerteinenFaktorfürdas
Momentumumfasst. 26
GemäßdemCarhart-ModellgibtesdreiGruppenvon
Aktien,mitdenenimVergleichzurAktienmarktexpositiontendenzielleinehöhere
Rendite erwirtschaftet werden kann:

 Aktien mit einer kleinen Marktkapitalisierung,


 Aktien mit einem hohen Buchwert-Kurs-Verhältnis und
 Aktien mit steigenden Preisen (Momentum).

Wird in Aktien mit steigenden Preisen investiert, kann man vom Momentum der Wertpa- piere
profitierenundsoeinehöhereRenditeerzielen.MitdemCarhart-Modellkanndieüberschüssige
RenditefüreinePeriode
.Ri;t D ri;t  rF / folgendermaßen berechnet wer-
den:

Ri;t D ’i C “i;M RM;t C “i;SMB SMBt C “i;HML HMLt C “i;WML WMLt C ©i;t ; (5.20)

wobei:

WML D RenditeeinesgleichgewichtetenAktienportfoliosmitdenGewinnerndesver-
gangenenJahres(30%derAktienmitderhöchstenRendite)abzüglichderRen-

25
Vgl. Davis et al. 2000 : Characteristics, Covariances, and Average Returns, 1929 to 1997, S. 389 ff.
26
Vgl. Carhart 1997 : On Persistence in Mutual Fund Performance, S. 57 ff.
234 5 Multifaktorenmodelle

dite eines gleich gewichteten Aktienportfolios mit den Verlierern des vergange- nen
Jahres (30 % der Aktien mit der niedrigsten Rendite); also die Renditedif- ferenz
zwischen einem Long-Aktienportfolio mit Gewinnern und einem Short-
AktienportfoliomitVerlierern(WinnersminusLosers).

Geht man von einer erwarteten Rendite und einem Fehlerterm aus unternehmensspezifi- schen
Risikenvonnullaus( i D 0 und ©i;t D 0),kanndieAktienrenditeimCarhart-•
Modell wie folgt ermittelt werden:

ri;t D rF C “i;M RM;t C “i;SMB SMBt C “i;HML HMLt C “i;WML WMLt : (5.21)

Im Carhart-Modell stellen Größe, Wert und Momentum fundamentale Risikofaktoren dar, für
die von den Marktteilnehmern eine Renditeentschädigung verlangt wird. Dabei werden die
Risikofaktoren als Renditedifferenzen angegeben. Diese drei fundamentalen Risiko-faktoren
sind für die Konstruktion von Aktienportfolios wichtig. Die Ausrichtung einer aktiven
Anlagestrategie auf diese drei Faktoren ermöglicht dem Portfoliomanager eine im Vergleich
zumMarktrisikoüberschüssigeRenditezuerwirtschaften.NebenderAk-tienauswahlkanndas
Carhart-Modell auch in der Performanceevaluation in Form einer Rendite- und
Risikoattributioneingesetztwerden.

5.7 AusgewählteAnwendungenvonMultifaktorenmodellen

Multifaktorenmodelle können in der Anlageanalyse und im Portfoliomanagement vielfäl- tig


eingesetzt werden. Im Folgenden werden die Renditeattribution, die Risikoattribution und die
Konstruktion eines Faktor- sowie Trackingportfolios beschrieben. Die Rendite- und
Risikoattribution erfolgt mit einem Multifaktorenmodell, das sich primär auf funda- mentale
Risikofaktoren stützt, da sich die Analyse auf die Rendite- und Risikodifferenz zwischen dem
Portfolio und der Benchmark bezieht. Dabei ist die Benchmark gut di- versifiziert oder spiegelt
einen bestimmten Anlagestil wider, sodass sie grundsätzlich den systematischen
Risikofaktoren ausgesetzt ist, während das Po rtfolio sowohl systematische als auch
unsystematische Risikokomponenten aufweist. MitFaktor- und Trackingportfo- lios lässtsich
mithilfe von makroökonomischen Multifaktorenmodellen eine gewünschte Risikoexposition
erreichen.

5.7.1 Renditeattribution

Der Einsatz von Multifaktorenmodellen ermög licht eine detaillierte A bweichungsanalyse


zwischendenRenditendes Portfolios und de r Benchmark. Dabei sp iegelt die Benchmarkeinen
passiven Anlagestil wider. Nachfolgend wird die Renditeattribution einfachheits- halber
anhandeinesPortfoliosbestehendausinländischenAktiengezeigt.DieRendite
5.7 AusgewählteAnwendungenvonMultifaktorenmodellen 235

eineraktivenAktienstrategiewirdmitderRenditeeinervordefiniertenBenchmarkver-glichen.
Damit ein Mehrwert im aktiven Aktienportfolio erzielt werden kann, werden die Gewichte der
Beteiligungspapiere des Portfolios gegenüber der Benchmark verändert. Unterbewertete
Aktien werden im Portfolio übergewichtet und überbewertete Papiere un- tergewichtet. Eine
Rendite zu erwirtschaften, die über der Rendite der Benchmark liegt, ist nur möglich, wenn die
vom Markt abweichenden Erwartungen des Portfoliomanagers auch eintreffen. Mithilfe von
Multifaktorenmodellen lässt sich die Herkunft der aktiven Renditegenerierung feststellen und
so eine Performanceevaluation durchführen, die eine Beurteilung ermöglicht, ob der
Portfoliomanager mit seiner aktiven Strategie im Vergleich zu einer passiven Strategie einen
Mehrwertgenerierthat.

Die aktive Rendite einer Anlagestrategie besteht aus der Portfoliorendite abzüglich der
Rendite der Benchmark:
r A D r P  rB ; (5.22)
wobei:

rA D Rendite der aktiven Strategie,


rP D Portfoliorendite,
rB D Benchmarkrendite.

Mithilfe eines Multifaktorenmodells lässt sich die aktive Rendite in die folgenden beiden
Renditekomponentenzerlegen:

 Rendite aus Faktorsensitivitäten: Die Faktorsensitivitäten des Portfolios weichen von


denjenigenderBenchmarkab.
 Rendite aus Aktienauswahl: Die Fähigkeit des Managers fehlbewertete Aktien zu iden-
tifizieren und die Gewichte im Portfolio entsprechend anzupassen. Dabei werden im
Vergleich zur Benchmark unterbewertete Papiere übergewichtet und überbewertete Ti- tel
untergewichtet.

Die aktive Rendite lässt sich anhand der abweichenden Faktorsensitivitäten zwischen dem
Portfolio und der Benchmark und der Aktienauswahlfähigkeit des Managers wie folgt
bestimmen(k
D 1; 2; : : :; K):
K
rA D X .“Pk  “Bk / Fk C rAW ; (5.23)
k
D1

wobei:

“PK D Faktorsensitivität k des Portfolios,


“Bk D Faktorsensitivität k der Benchmark,
Fk D Rendite des Risikofaktors k,
rAW D Rendite aus Aktienauswahl.
236 5 Multifaktorenmodelle

In der Renditeabweichungsanalyse werden üblicherweise Multifaktorenmodelle mit fun-


damentalenRisikofaktoreneingesetzt,weildiesedieverschiedenenAnlagestile(z.B.wert-und
wachstumsorientierte Strategie) und die Aktieneigenschaften besser abbilden. Im folgenden
BeispielerfolgtdieRenditeattributionmitdemCarhart-Modell.

Beispiel
Renditeattribution eines Aktienportfolios mit dem Carhart-Modell
EineVermögensverwaltungsgesellschaftbeurteilteinPortfolioeinesihrerAnlagema-nager,
bestehend aus Aktien mit einer großen und mittleren Marktkapitalisierung des deutschen
Aktienmarktes. Als Benchmark wird die Rendite eines Index verwendet, der 100 Aktien des
deutschen Aktienmarktes mit der größten Marktkapitalisierung bein- haltet. Der Manager
sieht seine Stärken in d er Auswahl von fehlbewerteten Aktien und weist auf seine
überdurchschnittliche Perfo rmance gegenüber der Benchmark hin, die sein Anlagemandat
widerspiegelt.DieZerlegungderaktivenRenditeinFaktorsensiti-vitätenundAktienauswahl
erfolgtmitdemCarhart-Modellundlautetwiefolgt:

Faktorsensitivitäten Beitrag zur aktiven Rendite


Portfolio Benchmark Unterschied Faktorrendite Absolut
Faktor (1) (2) .1/  .2/ D (4) .3/  .4/ In Prozent der
.3/ aktiven Rendite
RM 0,96 1,00 0;04 6,25 % 0;2500 % 8;38 %
SMB 1;04 1;00 0;04 3;75 % 0,1500 % 5;03 %
HML 0,50 0,00 0,50 6,84 % 3,4200 % 114;67 %
WML 0,04 0,02 0,02 8,45 % 0,1690 % 5;67 %
Rendite aus Faktorsensitivitäten D 3,4890 % 116;98 %
Rendite aus Aktienauswahl D 0;5065 % 16;98 %
Aktive Rendite des Portfolios D 2,9825 % 100 %

Die aktive Rendite aus den Unterschieden in den Faktorsensitivitäten beläuft sich
auf 3,489 %, während diejenige aus der Aktienauswahl 0;5065 % beträgt. Demnach
liegt die aktive Rendite des Portfolios bei 2,9825 % [D 3;489 % C .0;5065 %/].
Portfolios mit einer Wachstumsorientierung verfügen über eine positive Sensitivität
gegenüber dem Faktor Momentum .WML/. Demgegenüber besitzen Aktienportfolios
mit einer Wertorientierung in der Regel eine negative Sensitivität zu diesem Faktor, weil bei
unterbewerteten Aktien üblicherweise kein positives Preismomentum besteht. Daher wird
eine wertorientierte Anlagestrat egie auch alseineContrarian-Strategie be- zeichnet.Es sind
diefolgendenFragenzubeantworten:

1. Wie lauten das Anlagemandat des Managers und sein aktueller Anlagestil?
2. WelcheSchlüsselassensichausderaktivenRenditeattributionziehen?
5.7 AusgewählteAnwendungenvonMultifaktorenmodellen 237

Lösungzu1
Das Anlagemandat des Managers lässt sich beurteilen, indem die Risikocharakteristi- ken
bzw. die Faktorsensitivitäten der Benchmark untersucht werden. Die Benchmark hat eine
SensitivitätgegenüberderMarktrisikoprämieR
M von 1 und ist somit konsis-
tent mit einem breit abgestützten Aktienindex, der ein durchschnittliches Marktrisiko
aufweist.DieSensitivitätgegenüberdemFaktorGröße .SMB/ liegt bei 1, was darauf
hinweist, dass die Benchmark Aktien mit einer großen Marktkapitalisierung zum Ge-
genstand hat. Die Sensitivitäten gegenüber dem Faktor Wert .HML/ und dem Faktor
Momentum .WML/ sind 0 bzw. 0,02. Folglich lässt sich das Anlagemandat als Akti-
en mit einer großen Marktkapitalisierung ohne eine Wert- und Wachstumsorientierung
beschreiben.
BesitzenAktieneinüberdurchschnittlichhohesBuchwert-Kurs-Verhältnis,istdasein
Hinweis,dasssieunterbewertetsind.DasPortfoliohateinepositiveSensitivitätge-HML
genüber dem Faktor Wert . / von 0,5, sodass eine Wertorientierung vorliegt. Das
Portfolio besitzt eine sehr niedrige Sensitivität von 0,04 gegenüber dem Faktor Mo-
.WML/.DemnachistdasPortfoliogegenüberdiesemFaktorweitestgehend
mentum
neutral. Somit weist der Anlagestil des Portfolios eine große Marktkapitalisierung mit einer
Wertorientierungauf.

Lösungzu2
Der dominierende Faktor, der den größten Anteil der aktiven Rendite erklärt, ist der Faktor
Wert .HML/ mit einer Faktorsensitivität von 0,5, die deutlich über derjenigen
der Benchmark von 0 liegt. Diese aktive Entscheidung des Managers trägt 114,67 % zur
aktiven Rendite des Portfolios von 2,9825 % bei. Demgegenüber ist der aktive Ren-
ditebeitragausderMarktrisikoprämie(R M ) mit 0;25 % negativ. Des Weiteren sind
die Beiträge an der aktiven Rendite für die Faktoren Größe .SMB/ und Momentum
.WML/ positiv und betragen 0,15 % respektive 0,169 %. Allerdings sind die Abwei-
chungen der Faktorsensitivitäten gegenüber der Benchmark gering, sodass sie lediglich
einenkleinenTeilanderaktivenRenditedesPortfoliosvon2,9825%ausmachen.
DieAktienauswahlhatzueinernegativenaktivenRendite0,5065%geführt.Folg-lich
gehtderErfolgderAnlagestrategienichtaufdieAktienauswahlfähigkeitendesManagers
zurück.VielmehrlässtsichdiepositiveaktiveRenditevon2,9825%damiterklären,dassdie
RenditefürdenFaktorWert
.HML/ 6,84%indieserPeriodeistund
derManagereinepositiveSensitivitätvon0,5gegenüberdiesemFaktoraufgebaut
hat, während die Benchmark eine entsprechende Faktorsensitivität von 0 besitzt. Wäre die
Rendite für den Faktor Wert in der Periode negativ ausgefallen, hätte der Manager aufgrund
der schlechten Aktienauswahl eine weit geringere oder sogar eine negative aktive Rendite
erzielt.
23 5 Multifaktorenmodelle

5.7.2 Risikoattribution

MithilfeeinerRisikoattributionkanndieRisikoexpositioneinesPortfoliosuntersuchtwer-den.
Dabei werden gleich wie bei der Renditeattribution Multifaktorenmodelle mit mehr- heitlich
fundamentalenRisikofaktoreneingesetzt,welchedieHerkunftdesaktivenRisi-kosfreilegen.
27
BevordieRisikoattributionbeschriebenwird,werdenzunächstdasaktive
RisikounddieInformationRatiovorgestellt.
Das aktive Risiko, auch als Tracking Error b ekannt, lässt sich mit der Standardabwei-
chung der aktiven Renditen berechnen:
v
u
u 1 X
T
¢rA Dt .rA;t  rA /2 ; (5.24)
T  1 tD1

wobei:

rA;t D aktive Rendite für die Periode t .rA;t D rP;t  rB;t /,


rA D durchschnittliche (erwartete) aktive Rendite,
T D Anzahl Perioden bzw. aktive Renditen.

Das aktive Risiko einer gut implementierten passiven Aktienstrategie beläuft sich in der Regel
auf nicht mehr als 0,1 % pro Jahr. Demgegenüber kann eine aggressive aktive Ak- tienstrategie
ein Tracking Error zwischen 6 % und 10 % pro Jahr aufweisen. Mit dem Information Ratio lässt
sicheineumdasaktiveRisikoangepassteaktiveRenditedesPortfoliosermitteln.Diehistorische
oderEx-postInformation-Ratio
.IR/ kann wie folgt
bestimmt werden:
r P  rB
IR D ; (5.25)
¢rA
wobei:

rP D durchschnittliche Rendite des Portfolios,


rB D durchschnittliche Rendite der Benchmark.

Die Information Ratio stellt die aktive Rendite des Portfolios für eine Einheit des aktiven Risikos
dar. Dabei wird unterstellt, dass das systematische Risiko des Portfolios und der Benchmark
identisch sind, sodass die unterschiedliche Verlustgefahr und somit die aktive Rendite auf das
aktive bzw. unsystematische Risiko zurückgeführt werden kann. Betragen beispielsweise die
durchschnittlicheRenditedesPortfolios12%undderBenchmark9%

27
MultifaktorenmodellekönnennichtnurfürdieAttributiondesaktivenRisikoseingesetztwerden,
sondernauchfürdieZerlegungdesGesamtrisikos,dasausdemsystematischenunddemunsyste-
matischen (aktiven) Risiko besteht.
5.7 AusgewählteAnwendungenvonMultifaktorenmodellen 239

und liegt das aktive Risiko bei 6 %, so ergibt sich eine Information Ratio von 0,5:

12 %  9 %
IR D D 0;5:
6%

Um sicherzustellen, dass das Gesamtrisiko und die Anlagecharakteris tiken des Portfolios mit
dem Anlagestil übereinstimmen, können i n der Anlagepolitik Richtlinien festgelegt werden,
welche die maximale Höhe des aktiven Risikos definieren. So etwa können ein maximales
aktivesRisiko(z.B.2%gegenüberdemDAX)undaucheinminimalzuer-zielendesInformation
Ratio(z.B.0,2)vorgeschriebenwerden.

Multifaktorenmodellewerdeneingesetzt,umdieRisikoexpositiondesPortfoliosimDetail
offenzulegen.DieZerlegungdesaktivenRisikosermöglicht,dieHerkunftdesTrackingErrorzu
verstehen.DabeisindFragenzubeantwortenwieetwa:WelcheaktivenExpositionenhabenam
meistenzumTrackingErrordesPortfoliosbeigetragen?IstsichderPortfoliomanagerüberdie
eingegangenenaktivenRisikenbewusstundhaterhier-füreineErklärung?Istdieaktive
RisikoexpositionmitdervorgegebenenAnlagepolitikkonsistent?SinddieerzieltenRenditen
fürdieHöhedeseingegangenenaktivenRisikosangemessen?UmdieseFragenzubeantworten,
werdenüblicherweiseMultifaktorenmo-dellemitfundamentalenRisikofaktorenverwendet.

FürdieRisikoanalyseistdieVarianzbessergeeignetalsdieStandardabweichung,weilsich
dieVarianzalsSummedernichtkorreliertenVariablenberechnenlässt.ImFolgendenwirddie
VarianzdesaktivenRisikosalsaktivesRisikoimQuadratbezeichnet:

Aktives Risiko im Quadrat D ¢r2A : (5.26)

Das aktive Risiko eines Portfolios kann in die folgenden beiden Komponenten zerlegt werden,
dienichtmiteinanderkorreliertsind:

 Aktives Faktorrisiko: Unterschied zwis chen der Risikoexposition des Portfolios und der
Benchmark,dieausdenimMultifaktorenmodellspezifiziertenRisikofaktorenzu-rückgeht.

 Aktives spezifisches Risiko oder Aktienauswahlrisiko: Residuales aktives Risiko, das


nicht mit den Risikofaktoren des Multifaktorenmodells erklärt werden kann. Es resul- tiert
aus dem Versuch des Managers, eine positive Rendite aus der Auswahl von Aktien zu
erzielen.

Das aktive spezifische Risiko (gemessen als Varianz) bezieht sich auf die vom Mana- ger
ausgewählten Aktien bzw. auf die unterschiedlichen Aktiengewichte gegenüber der
Benchmark. Diese Risikogröße ergibt sich aus der Summe der aktiven Aktiengewichte im
Quadrat multipliziert mit dem entsprechende n Residualrisiko des Beteiligungspapiers im
Quadrat:

X
n
Aktives spezifisches Risiko D w2Ai ¢©2i ; (5.27)
iD1
240 5 Multifaktorenmodelle

wobei:

wAi D aktives Gewicht der Aktie i im Portfolio .wA;i D wP;i  wB;i /,


¢©2i D residuales Risiko der Aktie i im Portfolio gemessen als Varianz bzw. die Varianz
derRenditenderAktiei,diedurchdieRisikofaktorendesMultifaktorenmodellsun-erklärt
gebliebenist.

Das aktive Risiko im Quadrat des Portfolios besteht aus dem aktiven Faktorrisiko plus dem
aktivenspezifischen Risiko. Daher lässt sich das aktive Faktorrisiko(gemessenals Varianz) aus
derDifferenzzwischendemaktivenRisikoimQuadratunddemspezifischenRisikobestimmen:

X
n
Aktives Faktorrisiko D ¢r2A  w2Ai ¢©2i : (5.28)
iD1

Beispiel
Vergleich des aktiven Risikos von vier Aktienportfolios
Ein Analyst vergleicht das aktive Risiko von vier Aktienportfolios des deutschen Ak-
tienmarktes, welche die gleiche Benchmark haben. Dabei wird ein Multifaktorenmo- dell
eingesetzt,dasmehrerefundamentaleFaktorenwiedieMarktkapitalisierung,dieLiquidität,
denfinanziellenLeverageunddieDividendenrenditebeinhaltet.Darüberhinausumfasstdas
Modell auch Industriefaktoren, deren Faktoren mit Ausnahme der Industriezugehörigkeit
der Aktie für alle Industrien null sind. Nachstehend sind das aktive Faktorrisiko für die
IndustrieunddiefundamentalenFaktoren sowiedasaktive spezifische Risikound das aktive
RisikoimQuadratdervierAktienportfoliosaufge-führt:

Portfolio Industriefaktor Fundamentaler Aktives Fak- Aktives spezi- Aktives Risiko


Faktor torrisiko fisches Risiko im Quadrat
(1) (2) (1) C(2) D (3) (4) (3) C (4) D
(5)
A 16,00 28,80 44,80 19,20 64,00
B 1,80 23,40 25,20 10,80 36,00
C 1,80 27,00 28,80 7,20 36,00
D 0,02 0,48 0,50 0,50 1,00

Es sind die folgenden Fragen zu beantworten:

1. Welche Schlussfolgerungen lassen sich in Bezug auf die Risikoattribution zwischen den
PortfoliosAundBsowiedenPortfoliosBundCziehen?
2. Weist das Portfolio D einen passiven oder aktiven Anlagestil auf?
5.7 AusgewählteAnwendungenvonMultifaktorenmodellen 241

Lösungzu1
ZuerstwirddieobenstehendeRisikoattributionineineneueDarstellungüberführt,beiderdie
verschiedenen aktiven Risikoarte n in Prozent des aktiven Risikos im Quadrat ausgedrückt
werden. So macht zum Beispiel derIndustriefaktor des PortfoliosA 25 % des aktiven Risikos
imQuadrataus(
D 16 %=64 %). Darüber hinaus wird das aktive p
Risiko des Portfolios als Standardabweichung angegeben. Für das Portfolio A ergibt
sich etwa ein aktives Risiko bzw. ein Tracking Error von 8 % (D 64).

Portfolio Industriefaktor Fundamentaler Aktives Fak- Aktives spezi- Aktives Risiko


Faktor torrisiko fisches Risiko
A 25 % 45 % 70 % 30 % 8%
B 5% 65 % 70 % 30 % 6%
C 5% 75 % 80 % 20 % 6%
D 2% 48 % 50 % 50 % 1%

DasaktiveRisikodesPortfoliosAvon8%überschreitetdasjenigedesPortfoliosBvon6
%.BeideAnlagekombinationenverfügenüberdiegleicheprozentualeAuf-teilungdes
Faktorrisikosvon70%unddesspezifischenRisikosvon30%.Allerdingsbesitztdas
PortfolioAeinrelativhohesaktivesIndustrierisiko,währenddasPortfolioBimVergleich
zurBenchmarkgegenüberdiesemFaktorpraktischrisikoneutralist.Demgegenüberhatdie
AnlagekombinationBeinrelativhöheresspezifischesRisikoundweichtsomitimVergleich
zuPortfolioAhinsichtlichderunternehmerischenundaktienbezogenenCharakteristiken
stärkervonderBenchmarkab.

DieAnlagekombinationenBundCbesitzendasgleicheaktiveRisikovon6%.Den-noch
unterscheidensichdiebeidenPortfoliosinBezugaufdasaktiveFaktorrisikounddasaktive
spezifischeRisiko.DabeiweistdasPortfolioCeinrelativhöheresaktivesFaktorrisikovon80
%gegenüber70%derAnlagekombinationBauf,währenddasaktivespezifischeRisikobei
PortfolioBvon30%gegenüber20%derAnlagekombi-nationvonCgrößerist.

Lösungzu2
AufgrunddessehrniedrigenTrackingErrorsvon1%scheintdasPortfolioDpassivverwaltet
zuwerden.DasFaktorrisikoderAnlagekombinationDgemessenalsStan-dardabweichung
beläuftsichlediglichauf0,707%( p
D 0;5). Demnach liegen die
RisikoexpositionderfundamentalenFaktorenzwischendemPortfolioundderBench-mark
nahebeieinander.

DiehiervorgestellteRendite-undRisikoattributionvonAktienaufderBasisvon
MultifaktorenmodellenmitfundamentalenRisikofaktorenkannauchaufandereAnlage-
klassenübertragenwerden.SozumBeispiellässtsichdieRisikoattributionvonAnleihenmit
FaktorenwiederDurationundderKreditrisikoprämiedurchführen.
242 5 Multifaktorenmodelle

5.7.3 Faktorportfolios

Ein Faktorportfolio lässt sich über ein ma kroökonomisches Multifaktorenmodell kon-


struieren, wobei die Sensitivität (Beta) gegenüber einem spezifischen Risikofaktor – wie
etwadieInflation–1beträgtunddieSensitivitäten(Betas)gegenüber allen übrigen Ri-
sikofaktoren 0 sind. Demnach ist ein Faktorportfolio nur einem Risikofaktor ausgesetzt und
gegenüberdenunerwartetenVeränderungenalleranderensystematischenRisikenimmun.Für
Portfoliomanager ist dies insofern interessant, als sie ein bestimmtes makro- ökonomisches
Risiko zu Absicherungs- oder Spekulationszwecken verwenden können. Beispielsweise
können sie darauf spekulieren, dass die Zinssätze steigen, oder dass das Bruttoinlandsprodukt
entgegendenallgemeinenErwartungenfällt.

Beispiel
Faktorportfolio
Es liegen drei gut diversifizierte Portfolios X, Y und Z vor, deren Marktwerte von
unerwarteten Nachrichten über Inflation und Bruttoinlandsprodukt beeinflusst werden.
Nachfolgend sind für die drei diversifizie rten Portfolios die erwarteten Renditen und die
Sensitivitäten gegenüber unerwarteten Veränderungen der Inflation und des Brutto-
inlandsproduktsaufgeführt:

Portfolios Erwartete Ren- Faktorsensitivitäten gegen- Faktorsensitivitäten gegenüber


diten über der Inflation .INFL/ dem Bruttoinlandsprodukt .BIP/
X 0,14 1,5 1,0
Y 0,14 1,0 0,5
Z 0,12 2,0 2,5

Die Portfoliorenditen von X, Y und Z können mit einem Zweifaktorenmodell wie


folgt bestimmt werden:28

rX D 0;14 C 1;5  FINFL C 1;0  FBIP ;


rY D 0;14 C 1;0  FINFL C 0;5  FBIP ;
rZ D 0;12 C 2;0  FINFL C 2;5  FBIP :

DieKonstantenderdreiGleichungenbeschreibendieerwartetenPortfoliorenditen,während
dassystematischeRisikodurchdieFaktorsensitivitätenunddieRisikofak-torengegebenist.

WielässtsichausdendreiPortfoliosX,YundZeinFaktorportfoliozusammen-stellen,das
gegenüberderInflationeineFaktorsensitivitätvon1undeinesolchevon0gegenüberdem
Bruttoinlandsproduktaufweist?

28
DaessichumgutdiversifiziertePortfolioshandelt,bestehtkeinunsystematischesRisiko(alsostrebt
dergegen null). ©
Fehlerterm
5.7 AusgewählteAnwendungenvonMultifaktorenmodellen 243

Lösung
Um ein Faktorportfolio mit einem Beta von 1 gegenüber dem Inflationsrisiko zu kon-
struieren,sindzunächstdiedreifolgendenGleichungenzubestimmen:
1. Gleichung:DieSensitivitäteinesPortfoliosgegenübereinemspezifischenRisi-
kofaktoristdergewichteteDurchschnittderSensitivitätendereinzelnenAnlagenim
Portfolio.DabeiwerdendieGewichteaufgrundderMarktwertedereinzelnenAnlagenim
Gesamtportfolioberechnet.Diesführtdazu,dassdergewichteteDurchschnittder
SensitivitätengegenüberdemRisikofaktorInflationfürdiePortfoliosX,YundZ1ist.Das
ergibtfolgendeGleichung:

1;5wX C 1;0wY C 2;0wZ D 1:

2. Gleichung: Demgegenüber ist der gewichtete Durchschnitt der Sensitivitäten gegen-


über dem Faktor Bruttoinlandsprodukt 0, was zu folgender Notation führt:

1;0wX C 0;5wY C 2;5wZ D 0:

3. Gleichung: Die Summe der Portfoliogewichte ist 1:

wX C wY C wZ D 1:

UmdieGewichtederdreiPortfolioszuberechnen,löstmanzumBeispieldiedritteGleichung
nachw X auf:
wX D 1  wY wZ :
In einem zweiten Schritt setzt man zum Beispiel den Ausdruck für wX in die zweite
Gleichung ein:

1  .1  wY  wZ / C 0;5wY C 2;5wZ D 0;
1  wY  wZ C 0;5wY C 2;5wZ D 0;
1  0;5wY C 1;5wZ D 0;
wY D 2 C 3wZ :

Dieser Ausdruck für wY wird in die Gleichung für wX .wX D 1  wY  wZ / eingesetzt:

wX D 1  .2 C 3wZ /  wZ ;
wX D 1  4wZ :

Um die Gewichte von Portfolio Z zu bestimmen, werden die Ausdrücke für wY und wZ
in die erste Gleichung wie folgt eingebunden:

1;5  . 1  4wZ / C 1  .2 C 3wZ / C 2wZ D 1;


1;5  6wZ C 2 C 3wZ C 2wZ D 1;
wZ D 0;5:
244 5 Multifaktorenmodelle

Das ergibt folgende Gewichte für die Portfolios X und Y:

wX D 1  4 .0;5/ D 1;
wY D 2 C 3 .0;5/ D 0;5:
Zusammengefasst betragen die Gewichte der drei Portfolios: wX D 1;0; wY D 0;5 und
wZ D 0;5. Um ein Faktorportfolio zu erstellen, setzt man die einzelnen Portfolios
X,YundZaufgrundderberechnetenGewichtezusammen.DasführtzufolgenderGleichung
fürdieRenditedesFaktorportfolios:

rP D Œ0;14  1 C 0;14  0;5 C 0;12  .0;5/


C Œ1;5  1 C 1  0;5 C 2  .0;5/  FINFL
C Œ1  1 C 0;5  0;5 C 2;5  .0;5/  FBIP
D 0;15 C 1;0  FINFL C 0;0  FBIP :
SteigtdieInflationzumBeispielunerwartetum1%,nimmtdieRenditeebenfallsum1%zu,da
die Sensitivität des Faktorportfolios gegenüber der Inflation 1 ist. Fällt bei- spielsweise das
Bruttoinlandsproduktüberraschendum2%,dannhatdasaufgrundderFaktorsensitivitätvon
0keinenEinflussaufdiePortfoliorendite.DieerwarteteRenditehingegenbeträgt15%[

D 0;14  1;0 C 0;14  0;5 C 0;12  .0;5/] und ist von den
unerwarteten Veränderungen der Inflation nicht betroffen.

5.7.4 Trackingportfolios

Ein Trackingportfolio lässt si ch mithilfe eines makroökonom ischen Multifaktorenmodells


erstellen. Es ist einer gewissen Gruppe von Risikofaktoren mit den entsprechenden Fak-
torsensitivitäten ausgesetzt. Beispielsweise lassen sich die Faktorsensitivitäten derart zu-
sammensetzen, dass man die Risikoexposition eines Benchmark-Portfolios wie etwa den SMI
oderdenSPInachbildenkann.

BestehtdieAnlagestrategieeinesPortfoliomanagersdarin,inunterbewerteteAktienvon
kleinerundmittlererMarktkapitalisierungzuinvestieren,istdieGefahrvorhanden,dassdie
PortfoliorenditewesentlichvonderentsprechendenBenchmark–imFallvonschweizerischen
AktienkleinerundmittlererMarktkapitalisierung,demSPI-EXTRA
®
-
29
Index ,–abweicht.UmdiesesRisikozureduzieren,kannderManagermitdenaus-gewählten
AktieneinTrackingportfoliobilden,dasmitderRisikoexpositiondesSPI-EXTRA
®
-Index übereinstimmt. Der Erfolg bei der Umsetzung dieser Strategie besteht

29
Der SPI EXTRA® wird seit April 2004 veröffentlicht und umfasst sämtliche Titel aus dem SPI mit
Ausnahme der Schweizer Blue Chips, die im SMI enthalten sind. Per 31. Dezember 2016 setzt sich
der SPI-EXTRA® -Indexaus1AktiegroßerKapitalisierung,79AktienmittlererKapitalisierungund105
AktienkleinerKapitalisierungzusammen,dieanderSIXSwissExchangeprimärnotierte
Wertpapiere darstellen. Der Free Float des Index beträgt mindestens 20 %. Der Index enthält keine
Investmentgesellschaften.
5.7 AusgewählteAnwendungenvonMultifaktorenmodellen 245

darin, den richtigen Anteil von Aktien im Portfolio zu halten. Gelingt dies, kann der Ma- nager
einerseits das aktive Risiko seiner Anlagen steuern und andererseits eine überdurch-
schnittliche (aktive) Rendite infolge der richtigen Auswahl an unterbewerteten Papieren
erzielen.

EineweitereAnwendungvonTrackingportfoliosbestehtinderAbsicherungvonun-
erwünschtenRisiken.DabeiwerdendieFaktorsensitivitätenderartausgewählt,dassdie
RisikoexpositionderzugrundeliegendenAnlageneliminiertwird.

Beispiel
Trackingportfolio
Ein Portfoliomanager verfügt über die Portfolios X, Y und Z (dieselben wie im vor-
angegangenen Beispiel). Das Benchmark-Po rtfolio hat eine Sensitivität gegenüber un-
erwarteten Inflationsmeldungen von 2,0, während die Sensitivität gegenüber überra-
schenden Nachrichten hinsichtlich des Bru ttoinlandsprodukts bei 1,5 liegt. Die drei gut
diversifizierten Portfolios X, Y und Z verfügen über die folgenden erwarteten Renditen und
FaktorsensitivitätengegenüberderInflationunddemBruttoinlandsprodukt:

Portfolios Erwartete Ren- Faktorsensitivitäten gegen- Faktorsensitivitäten gegenüber


diten über der Inflation (INFL) dem Bruttoinlandsprodukt (BIP)
X 0,14 1,5 1,0
Y 0,14 1,0 0,5
Z 0,12 2,0 2,5

Die Renditen der Portfolios X, Y und Z können mit einem makroökonomischen


Zweifaktorenmodell wie folgt ermittelt werden:

rX D 0;14 C 1;5  FINFL C 1;0  FBIP ;


rY D 0;14 C 1;0  FINFL C 0;5  FBIP ;
rZ D 0;12 C 2;0  FINFL C 2;5  FBIP :

Wie hoch müssen die Anteile der Portfolios X, Y und Z sein, damit ein Tracking- portfolio
konstruiert werden kann, das die gleichen Faktorsensitivitäten gegenüber der Inflation und
demBruttoinlandsproduktwiedasBenchmark-Portfolioaufweist?

Lösung
Damit die Gewichte der drei Portfolios wX , wY und wZ für das Trackingportfolio be-
rechnet werden können, benötigt man die drei nachstehend aufgeführten Gleichungen.
1. Gleichung: Die Summe der Portfoliogewichte ist 1:

wX C wY C wZ D 1:

2. Gleichung:DiedurchschnittlichenGewichtederSensitivitätenvonX,YundZin
BezugaufunerwarteteInflationsmeldungenmüssenmitderentsprechendenSensiti-
246 5 Multifaktorenmodelle

vität des Referenzportfolios übereinstimmen. Diese Anforderung stellt sicher, dass das
TrackingportfolioüberdasselbeInflationsrisikowiedasBenchmark-Portfolioverfügt.

1;5wX C 1;0wY C 2;0wZ D 2

3. Gleichung:DiedurchschnittlichenGewichtederSensitivitätenvonX,YundZinBezug
aufüberraschendeNachrichtendesBruttoinlandsproduktsmüssenderSensitivi-tätdes
Referenzportfoliosentsprechen.Dasführtdazu,dassdasTrackingportfoliodie-selbe
VerlustgefahrhinsichtlichdesFaktorsBruttoinlandsproduktwiedasBenchmark-Portfolio
besitzt:

1;0wX C 0;5wY C 2;5wZ D 1;5:


Um die Gewichtungen der drei Portfolios zu bestimmen, wird zum Beispiel die erste
Gleichungnachw aufgelöst:
X

wX D 1  wY  wZ :

Danach wird der Ausdruck für wX in die zweite Gleichung eingesetzt:

1;5  .1  wY  wZ / C 1wY C 2wZ D 2;


1;5  1;5wY  1;5wZ C 1wY C 2wZ D 2;
0;5wY C 0;5wZ D 0;5;
wY D wZ  1:

Dieser Ausdruck für wY wird in die Gleichung für wX .wX D 1  wY  wZ / eingesetzt:

wX D 1  .wZ  1/  wZ D 2  2wZ :

Die Ausdrücke für wX und wY können nun in die dritte Glei chung wie folgt eingebun-
den werden:

1  .2  2wZ / C 0;5  .wZ  1/ C 2;5wZ D 1;5;


2  2wZ C 0;5wZ  0;5 C 2;5wZ D 1;5;
1;5 C wZ D 1;5;
wZ D 0:

Das ergibt folgende Gewichte für die Portfolios Y und X:

wY D 0  1 D1;
wX D 1  . 1/  0 D 2:
5. AnwendungendesAPT-Modells 247

Zusammengefasst sind die Gewichte der drei Portfolios: wX D 2, wY D 1 und wZ D


0. Die Gleichung für die Rendite des Trackingportfolios lautet:

rP D Œ0;14  2 C 0;14  . 1/ C 0;12  0


C Œ1;5  2 C 1 .1/ C 2  0  FINFL
C Œ1  2 C 0;5  .1/ C 2;5  0  FBIP
D 0;14 C 2;0  FINFL C 1;5  FBIP :

Die erwartete Rendite des Trackingportfolios beträgt 14 %. Das Trackingportfolio hat


dieselben erwarteten Renditen wie das Portfolio X und Y, aber es verfügt über die
FaktorsensitivitätendesBenchmark-Portfolios.

5.8 AnwendungendesAPT-Modells

Für Investoren und Portfoliomanager ist es nicht nur wichtig, über ein Grundverständnis des
APT-Modells (bzw. eines Multifaktorenmodells) zu verfügen.Es ist auch relevant,wie man die
Anlagerendite anhand des Modells verbessern kann. Mögliche Einsatzgebiete der APT im
RahmendesPortfoliomanagementssind:

1. Evaluation von makroökonomischen Risiken und der Portfoliorendite,


2. Trackingportfolios,
3. Faktorportfolios,
4. Performanceevaluation von Multi-Manager-Fonds,
5. optimale Risikokontrolle bei ausgewählten Aktien,
Long-Short-Anlagestrategien.
6.

1. Evaluation von makroökonomischen Risiken und der Rendite: Das Risikoprofil von
Portfolios hängt von deren Zusammenset zung bzw. von der Auswahl der Aktien ab. Dabei
kann das Portfoliorisiko mit einer a ngemessenen Benchmark verglichen werden. Verfolgt
der Manager beispielsweise eine Aktienstrategie, die eine Investition in Un- ternehmen
geringer Marktkapitalisierung vorsieht, dann kann untersucht werden, in- wieweit die
makroökonomischen Risiken des Aktienportfolios von einem Aktienindex mit geringer
Marktkapitalisierung abweichen. Sind die makroökonomischen Risiken zwischen
Portfolio und Index dieselben, lässt sich eine höhere Rendite des Aktienport- folios mit der
spezifischenAu swahl der Aktien erklären. Di e gekauften Papiereweisen imVergleich zum
eingegangenen Risiko eine höhere Rendite auf. Bestehen hingegen unterschiedliche
makroökonomische Risiken zwischen Portfolio und Benchmark, kön- nen die
Performanceunterschi ede einerseits auf die systematische Verlustgefahr und andererseits
auf die Titelauswahl zurüc kgeführt werden. Unabhängig vom Risikopro- fil kann das
APT-Modelleingesetztwerden,umdierealisierteEx-post-Renditewie
24 5 Multifaktorenmodelle

folgt aufzuteilen: i) erwartete Rendite, welche die Renditeentschädigung für die ein-
gegangenen systematischen Risiken widerspiegelt; ii) unerwartete Rendite aufgrund von
makroökonomischen Risiken wie etwa Spekulationen auf einzelne Faktoren und nicht
erwarteteVeränderungenvonsystematischenRisikofaktoren;iii)Alpha
.’/, das
den Anteil der Rendite durch die Aktienauswahl beschreibt und das unternehmens-
spezifische Risiko wiedergibt. Diese Re nditeanalyse ermöglicht es dem Manager zu
verstehen, aus welchen Renditeanteilen sich die aktuelle Portfolioperformance zusam-
mensetzt.

2. Trackingportfolios: Mit dem APT-Modell lässt sich die makroökonomische Risikoex-


positioneinesIndexportfoliosnachbilden. 30 Dabei verfügt das Trackingportfolio über
das gleiche Risikoprofil wie die Benchmark. Bei einem gut diversifizierten Portfolio
geht das Ex-post-Alpha gegen null. Demgegenüber ist es schwieriger, die Risikoexpo-
sition einer nichtdiversifizierten Benchm ark zu konstruieren, weil das Ex-post-Alpha nicht
nahe bei null liegt. In einem solchen Fall muss neben den makroökonomischen
RisikofaktorenauchdasAlphaübereinstimmen.

3. Faktorportfolios:31 DieAnalysederWirtschaftslagekannzuSchlussfolgerungenüberdie
VeränderungvonmakroökonomischenRisikofaktorenführen,dievomMarktnicht
erwartet werden. So zum Beispiel kann ein Portfoliomanager aufgrund seiner Analyse der
Meinung sein, dass sich die Wirtschaft von einer Rezession schneller erholt als allgemein
erwartet.NimmtmandasmakroökonomischeAPT-ModellvonBurmeis-ter,RollundRoss
(1994)
32
,dannwerdenAktienmiteinerhöherenFaktorsensitivität
gegenüberdemBusinessCycleRisk( “i;BR > 0) eine höhere Rendite erzielen. Die
Risikoexposition zum Business Cycle Risk w ird in der Anlagekombination erhöht.
Diese Anlagestrategie führt zu einer höheren Portfoliorendite, wenn sich die Wirt- schaft
schnelleralserwarteterholt.
4. Performanceevaluation von Multi-Manager-Fonds: Investmentfonds können mehrere
Portfoliomanager beschäftigen, die ihre ei genen Anlagestrategien verfolgen. Obwohl die
einzelnen Manager im Vergleich zu ihrer spezifischen Anlagebenchmark eine gu- te
Performance aufweisen, ist auf einer übergeordneten Ebene relevant, wie hoch die Rendite
und das Risiko des gesamten Fonds sind. Um dies zu analysieren, sind die Portfolios der
einzelnen Manager in ein gesamtes Fondsportfolio zu überführen. Dies ermöglicht es, mit
dem APT-Modell die Risikoexposition und die Rendite des ge- samten Fonds zu
untersuchen.Stimmt dasRisikoprofil mitder Anlagestrategie nicht überein, kann eine neue
Allokation des Fondsvermögens zu den einzelnen Managern erfolgen, sodass die
RisikoexpositiondesgesamtenFondsmitdenAnlagezielenwie-derinEinklangsteht.

5. Optimale Risikokontrolle bei ausgewählten Aktien: Eine Vielzahl von Managern be- sitzt
eineigenesVerfahrenzurAnalysevonAktienrenditen,wobeidieeingesetzten

30
Für die Konstruktion eines Trackingportfolios vgl. Abschn. 5.7.4 .
31
Für die Konstruktion eines Faktorportfolios vgl. Abschn. 5.7.3 .
32
Für das APT-Modell von Burmeister, Roll und Ross (1994) vgl. den Abschn. 5.6.1 .
5. AnwendungendesAPT-Modells 249

Methoden für die Risikobeurteilung verglichen mit der Renditeanalyse weit weniger
entwickelt sind. Ein Teil des APT-Modells ka nn für solche Manager ein wichtiges In-
strument sein. Vorstellbar ist beispielsweise, dass die Anlagestrategie darin besteht, bei
gleicherVolatilitäteinehöhereRenditealsderHDAXzuerzielen.DieTitelauswahl könnte
dann z. B. mittels einer Skala von 1 bis 8 erfolgen, wobei der 8. Rang denjeni- gen Aktien
zugeordnet wird, die aufgrund de r Analyse die höchste erwartete Rendite aufweisen. Das
Portfolio muss derart zusammengesetzt werden, dass die Gewichte der einzelnen
ausgewähltenAktien(w,w,...,w)einemaximaleerwarteteRenditebei

1 2 N
gleichem Risiko wie der HDAX ermöglichen. Die erwartete maximale Portfoliorendite
berechnet sich als Summe der gewichteten Aktienrenditen:

X
N
E .rP / D E.ri /wi : (5.29)
iD1
Die Bedingung ist, dass das Portfoliobeta dem Beta des HDAX entspricht:
X
N
“P D “i wi D “HDAX : (5.30)
iD1

Die Gewichte der einzelnen Aktien sind derart festzulegen, dass das Portfoliorisiko
dem Risiko des HDAX ähnlich ist, wobei die erwartete Rendite aufgrund der Titelaus- wahl
maximiert wird. Bei der Auswahl der Papiere werden für die Portfoliokonstrukti- on nur
Aktien mit einem hohen Rang berücksichtigt. Ein gut diversifiziertes Portfolio weist
dasselbe Risiko wie der HDAX auf. Daher ist für die Zusammensetzung der
Anlagekombination eine genügend große Anzahl Aktien erforderlich. Dieses Opti-
mierungsproblem – Zielfunktion: maximale erwartete Rendite und Nebenbedingung:
Portfoliorisiko

D Risiko des HDAX – kann mit der Methode der linearen Program-
mierung gelöst werden.
6. Eine Investmentstrategie besteht aus einem Long-
Long-Short-Anlagestrategien: und einem Short-Aktienportfolio mit
Aktienportfolio mit einer Rendite von r Long;t
einer Rendite von rShort;t . Beide Anlagekombinationen verfügen über den gleichen
Marktwert. Die Geldzuflüsse aus der Shor t-Position können zum risikolosen Zinssatz
.rF / angelegt werden, was zu folgender G esamtrendite der Strategie führt:
Rendite der Long-Short-Strategie D rLong;t  rShort;t C rF : (5.31)

DieerwartetenRenditenderLong-undShort-PositionensindbeiidentischemRisiko-profil
gleich.IneinemsolchenFallentsprichtdieGesamtrenditedemrisikolosenZinssatz.Wennman
annimmt,dassnichtdieselbenAktienindenbeidenLong-undShort-Portfoliosenthaltensind,
lässtsichdieVarianzderGesamtrenditendieserLong-Short-Strategiewiefolgtberechnen:
33

2 2
Varianz der Renditen D ¢©;Long C ¢©;Short C ¢r2F : (5.32)

33
StimmtdieLaufzeitderrisikolosenAnlagemitderAnlagedauernichtüberein,bestehteinZins-
änderungsrisikobeiderrisikolosenAnlage.DaherumfasstdieVarianzdertotalenRenditendie
250 5 Multifaktorenmodelle

Die Strategie weist verglichen mit der risikolosen Anlage eine größere Volatilität auf, wobei die
erwartete Rendite nicht größer als der risikolose Zinssatz ist. Daher ist die risikoadjustierte
Rendite dieser Anlage speziell unter Berücksichtigung von Transakti- onskosten nicht
attraktiv.

EineinBezugaufRenditeundRisikobessereAnlagestrategieverfügtüberAPT-Alphasder
Long-Position,diewesentlichgrößersindalsdieAPT-AlphasdesShort-Dabei
Portfolios. können zwei diversifizierte Long- und Short-Aktienportfolios mit
einem positiven Alpha für die Long-Position (’Long > 0) und einem negativen Alpha
für die Short-Position (’Short < 0) zusammengestellt werden, die keine gemeinsa-
men Aktien enthalten. Ist das systematische Risikoprofil der beiden Long- und Short-
Anlagekombinationen identisch, lässt sich eine Gesamtrendite von ’Long  ’Short C rF mit
einer Volatilität, die ungefähr derjenigen der risikolosen Anlage entspricht, erzielen. Der
Portfoliomanager kann das APT-Modell ei nsetzen, um die Long- und Short-Positionen mit
gleichem Risikoprofil zu konstruieren. Eine solche Anlagestrategie verfügt über prak- tisch
kein systematisches Risiko. Die Volatilität setzt sich primär aus dem verbleibenden
unternehmensspezifischen Risiko der Long- und Short-Positionen zusammen. Sind die beiden
Anlagekombinationen gut diversifiziert, ist die unternehmensspezifische Verlust- gefahr
dieserStrategierelativgering.

DieAnwendungdesAPT-ModellserlaubtdemManager,diesystematischeRisikoex-
positionderLong-undShort-Positionenrelativeffizientzueliminieren.Burmeister,Rollund
Ross(1994)stellteneinLong-Portfolio,bestehendausrund50AktienderNewYorkStock
Exchange(NYSE),diezwischenApril1986undMärz1992(Stichprobevon72mo-natlichen
Renditen)dasgrößteEx-post-Alphaaufgewiesenhatten,zusammen.Zusätzlichkonstruierten
dieAutoreneinShort-Portfolioausanderenrund50AktienmitgleichemRisikoprofilwiedie
Long-Position.DieGewichtederbeidenPortfolioswurdenmithilfeeines
Optimierungsverfahrensbestimmt.ZumBeispielbetrugdiejährlichedurchschnitt-liche
RenditedieserLong-Short-StrategiezwischenApril1991undMärz199230,04%,währenddie
Standardabweichungbei6,26%lag.DieAutorenstelltenfest,dassderS&P500indergleichen
ZeitspanneeineRenditevon11,57%undeineStandardabweichungvon18,08%erzielthatte.
DasimVergleichzumS&P500niedrigereRisikovon6,26%erklärtesichdurchein
systematischesRisikovonannäherndnull.DieverbleibendeVer-lustgefahrder
Long-Short-StrategiesetztesichausderVolatilitätderrisikolosenAnlageunddem
unternehmensspezifischenRisikozusammen.

34

VerlustgefahreinerrisikolosenAnlage.FürdieDiskussionderVerlustgefahrbeieinerrisikolosenAnlagevgl.
Abschn. 3.8 .
34
Vgl. Burmeister et al. 1994: A Practicioner’s Guide to Arbitrage Pricing Theory, S. 23.
5.9 Zusammenfassung 251

5.9 Zusammenfassung

 Multifaktorenmodelle beschreiben die Rendite eines Vermögenswerts (z. B. eine ein-


zelne Aktie oder ein Aktienportfolio) hinsichtlich einer Gruppe von Risikofaktoren. Sie
lassen sich grundsätzlich in makroökonomische und fundamentale Modelle unterteilen.
Diese Klassifizierung hängt von der Art der verwendeten Risikofaktoren ab. Makroöko-
nomische Multifaktorenmodelle beziehen sich auf Faktoren der Gesamtwirtschaft wie
beispielsweise eine überraschende Änderung der Inflation, der Zinssätze und des Brut-
toinlandsprodukts. Fundamentale Multifak torenmodelle hingegen benutzen unterneh-
mensspezifische und aktienbezogene (fundamentale) Risikoparameter wie die Unter-
nehmensgröße, das Kurs-Gewinn-Verhältnis und das Buchwert-Kurs-Verhältnis. Dar-
überhinausgibtesstatistischeMultifaktorenmodelle.

 In makroökonomischen Multifaktorenmodellen w erden die systematischen Risiken er-


fasst, welche die unerwarteten Meldungen von makroökonomischen Variablen wider-
spiegeln. Erwartete Nachrichten sind in einem effizienten Markt bereits in den Akti-
enkursen enthalten und stellen somit keine Verlustgefahr für die Marktteilnehmer dar.
Demgegenüber beeinflusst eine unerwartete Nachricht – wie etwa eine überraschende und
durchdenMarktnichtvorweggenommeneÄnderungderInflation–dieAktien-preise.Diese
unerwarteteMeldungverkörpertdaseigentlicheRisiko.

 In makroökonomischen Multifaktorenmodellen umfasst der Fehlerterm .©/ die unter-


nehmensspezifische Renditekomponente. Diese Variable reflektiert denjenigen Teil der
Rendite, der nicht durch die makroökonomischen Risikofaktoren erklärt wird. In einem gut
diversifizierten Portfolio ist die unternehmensspezifische Verlustgefahr durch die große
AnzahlvonAktienannäherungsweiseeliminiert.DaherkonvergiertderFehler-term
.©/ gegen null und die Portfoliorendite lässt sich neben dem risikolosen Zinssatz
durchdiesystematischenRisikofaktorenerklären.
Die Rendite eines makroökonomischen Multif aktorenmodells besteht aus einem erwar-
teten und einem unerwarteten Teil. Die erwartete Rendite lässt sich durch ein Gleich-
gewichtsmodellwiedasCAPModerdieAPTberechnen.
 Die Idee der Arbitragepreis-Theorie (APT) besteht darin, die erwartete Rendite eines
Portfolios mithilfe eines Multifaktorenmodells zu bestimmen. Die erwartete Portfolio-
renditewirddurcheineGruppevonsystematischenRisikofaktorenundderenSensiti-vitäten
ermittelt. Eine erhebliche Schwieri gkeit in der Anwendung besteht darin, dass die
eigentlichenRisikofaktorenundderenAnzahlnichtbekanntsind.Burmeister,RollundRoss
(1994) entwickelten ein APT-Modell mit fünf Risikofaktoren, die unerwar- tete
Veränderungen der folgenden ökonomischen Variablen umfassen: Vertrauen der
Investoren, Zinssätze, Inflation, reale Wach stumsrate der Wirtschaft und Aktienmarkt-
index.

 Das APT-Modell beschreibt wie das CAPM ei n Kapitalmarktgleichgewicht. Über- und


unterbewertete Portfolios werden durch Risikoarbitrage wieder ins Gleichgewicht (richtig
bewertet) überführt. Stimmt die erwartete APT-Rendite nicht mit derjenigen des Marktes
überein,soliegteineFehlbewertungvor,diedurchArbitragekräftekorri-
252 5 Multifaktorenmodelle

giert wird. Dabei wird die Fehlbewertung durch eine limitierte Anzahl von Investoren
korrigiert, die mit großen Geldbeträgen die Arbitragetransaktionen durchführen. Ein
Arbitrage-Portfolioistrisikolos(dieFaktorsensitivitätenderRisikofaktorenliegenbeinull)
und benötigt auch keine Nettoinvestition (die Einnahmen und Ausgaben aus der Verkaufs-
undKaufpositionhebensichgegenseitigauf).

 Das Fama/French-Modell stützt sich neben dem systematischen Risikofaktor Markt-


risikoprämie auf die beiden fundamentalen Risikofaktoren Marktkapitalisierung und
Buchwert-Kurs-Verhältnis. Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung bekunden
Schwierigkeiten, wenn sich das geschäftliche Umfeld verändert. Aktien von Gesell-
schaften, die mit einem hohen Buchwert-Kurs-Verhältnis gehandelt werden, weisen in der
Regelfinanzielle Schwierigkeiten auf. Folglich können die Aktienrenditen – zusätz-lich zur
Marktrisikoprämie des CAPM – mit den beiden fundamentalen Risikofaktoren Größe und
Werterklärtwerden.

 Das Carhart-Modell stellt eine Erweiterung des Fama/French-Modells dar, das zu- sätzlich
zu den drei Faktoren Marktrisikoprämie, Größe und Wert einen Faktor für das Momentum
umfasst.DerRisikofaktorMomentumergibtsichausderRendite-differenzzwischeneinem
Long-AktienportfoliomitGewinnernundeinemShort-Aktienportfoliomit

Verlierern. Die Ausrichtung einer aktiven Aktienstrategie auf


diedreifundamentalenFaktorenGröße,WertundMomentumermöglicht,eineimVergleich
zumMarktrisikoüberschüssigeRenditezuerzielen.
 Multifaktorenmodelle können beispielsweise i n der Rendite- und Risikoattribution so- wie
inderKonstruktionvonFaktor-undTrackingportfoliosangewandtwerden.
 Bei der Renditeattribution wird die Rendite einer aktiven Aktienstrategie mit der Ren- dite
einer vordefinierten Benchmark verglichen. Dabei wird die aktive Rendite des Portfolios
mithilfe ein es Multifaktorenmodells mit fundamentalen Risikofaktoren in die Rendite aus
denFaktorsensitivitätenundindieRenditeausderAktienauswahlzer-legt.

 Bei der Risikoattribution wird die Herkunft des aktiven Risikos untersucht. Analog
zur Renditeattribution wird das aktive Risiko anhand eines Multifaktorenmodells mit
fundamentalen Risikofaktoren in ein aktives Faktorrisiko und ein aktives spezifisches
Risiko(Aktienauswahlrisiko)aufgeteilt.
 Ein Faktorportfolio verfügt über eine Sensitivität von 1 gegenüber einem bestimmten
systematischen Risikofaktor wie etwa dem Bruttoinlandsprodukt, während die Sensi-
tivitäten gegenüber allen übrigen Risikofaktoren 0 betragen. Portfoliomanager können
mithilfe eines makroökonomisch en Multifaktorenmodells ein F aktorportfolio konstru-
ieren,umsichbeispielsweisegegeneinesystematischeVerlustgefahrabzusichern.

 EinTrackingportfoliobildetdieFaktorsensitivitäteneinerBenchmarkwiezumBei-spielden
DAX nach, was zu einem niedriger en Tracking Error führt. Ist der Manager in der Lage,
unterbewerteteDAX-Titelzukaufen,erzielter–beieinerPreiskorrekturderAktientitelinder
nächsten Periode – im Vergleich zum DAX eine höhere risikoad- justierte Rendite. Ein
Trackingportfolio lässt sich mithilfe eines makroökonomischen Multifaktorenmodells
erstellen.
5.10 Aufgaben 253

 Das APT-Modell kann im Rahmen des Portfoliomanagements vielfältig eingesetzt wer-


denwieetwabeiderEvaluationvonmakroökonomischenRisikenundderPortfolio-rendite,
bei der Zusammenstellung von Trackingportfolios und Faktorportfolios, bei der
PerformanceevaluationvonMulti-Manager-Fonds,beideroptimalenRisikokon-trollevon
AktiensowiebeiLong-Short-Anlagestrategien.

5.10 Aufgaben

Aufgabe1
ZweigutdiversifiziertePortfoliosAundBsinddensystematischenRisikofaktorenInflation
undBruttoinlandsproduktausgesetzt.DerrisikoloseZinssatzbeträgt3%.Esliegenfolgende
Datenvor:

 Risikofaktorprämie für die Inflation: FINFL D 0;04,


 Risikofaktorprämie für das Bruttoinlandsprodukt: FBIP D 0;03,
 die Faktorsensitivitäten für das Portfolio A : “A;INFL D 0;9 und “A;BIP D 1;5,
 die Faktorsensitivitäten für das Portfolio B: “B;INFL D 1;5 und “B;BIP D 2;2.

Wie hoch sind die erwarteten Renditen für die beiden Portfolios A und B gemäß dem
APT-Modell?

Aufgabe2
Es werden dieselben Daten in Bezug auf Risikofaktorprämien und Faktorsensitivitäten wie
inAufgabe1unterstellt.AnstattumgutdiversifiziertePortfolioshandeltessichindiesemFall
allerdings umAktien.Dabeiwird Aktie AzueinemPreisvon EUR45gehandelt,während der
Kurs von Aktie B bei EUR 30 liegt. Es wird erwartet, dass beide Aktien eine Dividende von
EUR1,50imnächstenJahrauszahlen.

Wie hoch ist der erwartete Aktienpreis in 1 Jahr gemäß dem APT-Modell? (Annah-
me: Der Fehlerterm ist null: ©t D 0.)

Aufgabe3
WelcheUnterschiedebestehenzwischendemCAPMundderAPT,undzwarhinsicht-lichder
eingesetztenParameterfürdieBerechnungdererwartetenRenditen?

Aufgabe4
Welches sind die konzeptionellen Unterschiede zwischen dem CAPM und der APT?

Aufgabe5
Die erwartete Rendite einer Aktie beträgt 8 %, während sich die unternehmensspe- zifische
Renditekomponenteauf2,5%beläuft.DesWeiterenliegenfürdiebeiden
254 5 Multifaktorenmodelle

systematischen Risikofaktoren Zinssätze und Bruttoinlandsprodukt die folgenden In-


formationenvor:

Risikofaktoren Ex-post-Wert Erwarteter Wert Faktorsensitivitäten


Änderung der Zinssätze 3,0 % 0,5 % 1;9
Wachstum des Bruttoin- 2,0 % 5,0 % 2;5
landsprodukts

Wie hoch ist gemäß einem makroökonomischen Multifaktorenmodell die Rendite


der Aktie?

Aufgabe6
Ein Portfoliomanager plant, eine Anlagekombination aus den Aktien A und B zu kon-
struieren.DiefolgendenGleichungenbeschreibendieRenditendieserbeidenAktien:

rA;t D 0;08  1;0  FINFL;t C 1;0  FBIP;t C ©A;t ;


rB;t D 0;11 C 2;0  FINFL;t C 5;0  FBIP;t C ©B;t :

Das Portfolio soll aus gleichen Anteilen von Aktie A und B bestehen. Um wie viel verändert
sichdiePortfoliorendite,wenndieInflationunerwartetum1%steigt?

Aufgabe7
Ein Portfoliomanager besitzt das Portfolio X. Er beabsichtigt das Portfolio Y einzuset- zen,
umdasInflationsrisikobeiderAnlagekombinationXabzusichern.Demzufolgesollenbeide
Portfolios eine Risikoexposition gegenüber dem Faktor Inflation von 0 aufweisen. Die
AnlagenXundYsindgutdiversifiziert,sodassdasunsystematischeRisikoignoriertwerden
kann
t D 0/. DiePortfoliorenditenvonXundYkönnenmit.©
einem makroökonomischen Multifaktore nmodell wie folgt aufgeführt werden:

rX;t D 0;10 C 1;0  FINFL;t C 0;5  FBIP;t ;


rY;t D 0;08 C 2;0  FINFL;t C 2;5  FBIP;t :

WiehochsinddieGewichtevonXundYimGesamtportfolio,wenndieSensitivitätgegenüber
derInflation0beträgt?

Aufgabe
Ein Portfoliomanager arbeitet mit dem APT-Modell von Burmeister, Roll und Ross (1994).
Nachstehend sind die Faktorsensitivitätenfür die Portfolios A und B sowie für den S&P 500
Aktienindexaufgeführt:
5.10 Aufgaben 255

Risikofaktoren Portfolio A: Portfolio B: S&P 500: Fak- Differenz der


Fak- Fak- torsensitivitäten Faktorsensitivi-
torsensitivitäten torsensitivitäten
gegenüber den Risikofaktoren gegenüber den
gegenüber den Risikofaktoren täten zwischen A
Risikofaktoren und S&P 500
Confidence Risk 0,27 0,27 0,27 0,00
Time Horizon 0,56 0,56 0,56 0,00
Risk
Inflation Risk 0;15 0;48 0;37 0,22
Business Cycle 2,11 1,51 1,71 0,40
Risk
Market Timing 1,00 1,00 1,00 0,00
Risk

Der S&P 500 Aktienindex ist das Referenzportfolio für die Anlagekombinationen
A und B.

a) Aus welchen Gewichten der Anlagekomb inationen A und B besteht ein Portfolio, das
eine identische Faktorsensitivität gegenüber dem Business Cycle Risk wie der S&P 500
aufweist?
b) Wie hoch ist die Faktorsensitivität des aus a) hervorgehenden Portfolios gegenüber dem
RisikofaktorInflation?

Aufgabe9
Es liegen zwei unabhängige systematische Risikofaktoren F1 und F2 vor. Der risikolose
Zinssatz beträgt 2 %. Für zwei gut diversifizierte Portfolios sind die folgenden Daten
bekannt:

Portfolios Beta von F1 Beta von F2 Erwartete Rendite


X 1,2 1,6 24 %
Y 1,8 0;6 16 %

Wie hoch sind die Risikoprämien der systematischen Risikofaktoren F1 und F2 ?

Aufgabe10
Die Portfolios A und B sind gut diversifiziert und deren erwartete Renditen lassen sich durch
einensystematischenRisikofaktorerklären(Einfaktormodell).DieerwarteteRenditevonA
beträgt 8 %, wobei das Beta bei 1,4 liegt. Demgegenüber weist Portfolio B eine erwartete
Renditevon3%undeinBetavon0auf.

PortfolioCistebenfallsgutdiversifiziertundbesitzteineerwarteteRenditevon7%bei
einemBetavon0,7.LiegteineArbitragemöglichkeitvor?Wennja,wiehochistder
Arbitragegewinn,wenndieArbitragetransaktionenmitEUR
100:000 durchgeführt
werden?
256 5 Multifaktorenmodelle

Aufgabe11
Es liegen drei systematische Risikofaktoren vor, welche die Aktienrenditen auf dem Markt
guterklären.

Risikofaktoren Risikoprämien
Wachstum des Bruttoinlandsprodukts .FB / 4%
Zinssätze .Fl / 1%
Vertrauen der Investoren .FC / 2%

Die Rendite einer Aktie lässt sich mit e inem makroökonomischen Multifaktorenmo-
dell wie folgt bestimmen: rAktie;t D 8% C 0;5  FB;t C 1;5  FI;t C .0;25/  FC;t C ©t :
Der risikolose Zinssatz beträgt 3 %. Wie hoch ist die erwartete Rendite gemäß dem
APT-Modell? Ist die Aktie unter- oder überbewertet?

Aufgabe12
Sämtliche Aktien auf dem Markt verfügen über ein Beta von 1 gegenüber dem Marktin- dex.
DieStandardabweichungderunternehmensspezifischenRenditenbeträgtfüralleAktien25
%.EinPortfoliomanageruntersucht40Aktien,wobei20TiteleinpositivesAlphavonjeweils
3 % und die anderen 20 Papiere ein negatives Alpha vonjeweils 1 % aufweisen. Der Manager
kaufteingleichgewichtetesPortfoliovonden20AktienmiteinempositivenAlphafürCHF

500:000: Gleichzeitig verkauft er leer ein gleich


gewichtetes Portfolio von den 20 Aktien mit einem negativen Alpha für CHF 500:000:
Der risikolose Zinssatz beträgt 2 %. Es wird angenommen, dass die Geldmittel aus dem
Leerverkauf zum risikolosen Zinssatz angelegt werden können. Die risikolose Anlage
besitzt kein Risiko. Wie hoch sind die erwartete Rendite und das Risiko (Standardab-
weichung)dieserLong-Short-Strategie?

Literatur

Burmeister, E., Roll, R., Ross, S. A.: A Practitioner’ s Guide to Arbitrage Pricing Theory. In: Peavy, (Hrsg):
APractitioner’s
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DeFusco,R.A.,McLeavy,D.W.,Pinto,J.E.,Runkle,D.E.:QuantitativeMethodsforInvestmentAnalysis,
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Dhrymes, P. J., Friend, I., Gultekin, N. B.: A Critical Re-Examination of the Empirical Evidence on the
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Finance 40 (3), 659–674 (1985)
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51 (1), 55–84 (1996)
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Ross, S. A.: The Arbitrage Theory of Capital Asset Pricing. In: Journal of Economic Theory 13 (3),
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Shanken, J.: The Arbitrage Pricing Theory: Is It Testable? In: Journal of Finance 37 (5), 1129–1140
(1982)
TeilII
Aktien
Aktienanalyse
6

6.1 Einleitung

Anlageentscheidungen beruhen auf Informationen, die von Marktakteuren gesammelt und


verarbeitet werden. Welche Informationen dies sind, hängt vom Zweck der Analyse ab. Als
Analysemethoden können die Fundamentalanalyse und die technische Analyse ein- gesetzt
werden.DieFundamentalanalysestütztsichaufInformationenüberdieGesamt-wirtschaft,die
Industrie und das Unternehm en, während in der technischen Analyse mit Angaben zum
AktienpreisundHandelsvolumengearbeitetwird,umdiezukünftigePreis-bewegungderAktie
vorhersagen zu können. Somit basiert die Anlageentscheidung in der technischen Analyse auf
der Richtung der prognostizierten Preisveränderung, die mithilfe von Chartbildern und
-mustern festgelegt wird. Im Gegensatz dazu werden in der Funda- mentalanalyse
wertbestimmendeInformationenwiebeispielsweisedieArbeitslosenquote,dasWachstumdes
Bruttoinlandsprodukts, das Industriewachstum sowie die Qualität und das Wachstum des
Unternehmensergebnisses benutzt, um mit einem Bewertungsmodell den inneren Wert der
Aktie zu berechnen, der anschließend mit dem Aktienkurs verglichen wird. Überschreitet
(unterschreitet) der innere Wert den Marktpreis, deutet dies darauf hin, dass die Aktie
unterbewertet(überbewertet)ist.

AlsBegründerderFundamentalanalyseunddesValueInvestinggiltBenjaminGraham
(1894–1976),einUS-WirtschaftswissenschaftlerundInvestor.ErvertratdieAnsicht,dasseine
Aktiezukaufenist,wennderenKursunterihremfundamentalenWertliegt.Umden
fundamentalenAktienwertfestzulegen,verwendeteerverschiedeneKennzahlenwiedas
Kurs-Gewinn-Verhältnis,dasKurs-Buchwert-Verhältnis,dieDividendenrenditeunddas
Gewinnwachstum.ImJahre1934veröffentlichteBenjaminGrahamzusammenmitDavid
DodddasBuch

Security Analysis, dass die Grundzüge der Fundamentalanalyse und der

1
FürdieAktienbewertungkönnennebendenCashflow-undgewinnbasiertenModellen,mitdenender
innereAktienwertbestimmtwird,auchMultiplikatoreneingesetztwerden,diesichaufdas
Gesetz des einheitlichen Preises beziehen. Vgl. Kap. 7 .

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 261


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_6
262 6 Aktienanalyse

wertorientierten Aktienauswahl (Value Investing) beinhaltet.2 Noch heute gilt das Buch
als das grundlegende Werk für Value-Investoren. Im Jahre 1949 erschien die Erstausgabe
von The Intelligent Investor, eine etwas populärwissenschaftliche Fassung von Securi-
3
ty Analysis,daszueinemmehrfachaufgelegtenBestsellerwurde. Darüber hinaus trug
GrahamzurEntwicklungderChartered-Financial-Analyst-(CFA ® )-Zertifizierung bei, die
heute den weltweiten Standard in der Wertpapieranalystenausbildung darstellt.
ImVergleichzurtechnischenAnalyseistdieFundamentalanalysewenigeralt,weil
verlässlicheundöffentlichzugänglicheFundamentaldatenbörsennotierterUnternehmenerstseit
dem20.Jahrhundertvorliegen.DieerstenAufzeichnungendertechnischenAna-lysestammen
hingegenbereitsausdem18.Jahrhundert,woinJapanderHandelaufdenReismärktenmitdieser
Methodeanalysiertwurde.DieinJapanentwickeltetechni-scheAnalysebestehtauseinerVielzahl
vonChartbildernund-mustern,dieerstinden1980er-JahrenübersetztundaußerhalbvonJapan
bekanntwurden.Dieerstenwegwei-sendenArbeitenzurtechnischenAnalyseinderwestlichen
WelterfolgtendurchdenUS-AmerikanerCharlesDow(1851–1902),derinden1890er-Jahren
auchderersteHer-ausgeberdesWallStreetJournalwar,woerseineTheorieüberdietechnische
AnalyseineinerReihevonArtikelnveröffentlichte.ZudieserZeitgabesfürbörsennotierteUnter-
nehmenkeineOffenlegungsvorschriftenfürfinanzielleDaten,auchnichtfürAktionäre.
Insiderhandelwarüblichundlegal.ImJahre1896kreierteDowdenDowJonesIndustri-alAverage
(DJIA)unddenDowJonesRailroadAverage(heutebekanntalsDowJonesTransportation
Average),umdenWirtschaftszustandinfolgefehlenderFundamentaldatenbeurteilenzukönnen.
ErwarderAuffassung,dasswennesderverarbeitendenIndustrieunddemTransportwesengut
geht,sichauchdieWirtschaftineinergutenVerfassungbe-finde.DerZustandderverarbeitenden
IndustrieunddesTransportwesensspiegeltsichindenAktienkursenundsomitindemvonihm
geschaffenenBörsenbarometerwider.DietechnischeAnalysesetzteDowein,umMarkttrends
besserdefinierenzukönnen.Ergingdavonaus,dassFinanzmärkteeinenzyklischenVerlaufmit
kurz-,mittel-undlangfristenWellenaufweisen.

ErstmitdenOffenlegungsvorschriftenfürfinanzielleDatenbörsennotierterUnterneh-men
warenJahresabschlüssederÖffentlichkeitzugänglich.IndenUSAerfolgtediesnachBeginn
derWeltwirtschaftskriseimJahr1929mitdemSecuritiesExchangeActvon1934.Mitder
VerfügbarkeitfundamentalerDatenundderfürdieFundamentalanalyseerforder-lichen
Theorie,die1934vonGrahamundDoddimBuch
Security Analysis veröffentlicht
wurde, nahm die Bedeutung der Fundamentalanalyse auf Kosten der technischen Analyse zu.
Die Akzeptanz der technischen Analyse ist vor allem in der Wissenschaft aufgrund der hiermit
verbundenen Subjektivität relativ gering und wird daher in der akademischen Welt
weitestgehend abgelehnt. Dennoch kann sie eine Hilfestellung zur Kursprognose bieten. So
setzen professionelle Marktteilnehmer neben fundamentalen regelmäßig auch techni- sche
FaktorenfürdieAktienauswahlein.

2
Vgl. Graham und Dodd 1934 : Security Analysis, S. 1 ff.
3
Vgl. Graham 1949 : The Intelligent Investor: A Book of Practical Counsel, S. 1 ff.
6.2 Fundamentalanalyse 263

ImFolgendenwerdendiebeidenAktienanalysemethodenderFundamentalanalyseundder
technischenAnalysevorgestellt.ImRahmenderFundamentalanalysewirdanhanddes
Top-down-AnsatzesderBewertungsprozessbeschrieben,derdasVerständnisdesUnter-
nehmensgeschäfts,diePrognosederUnternehmensperformance,dieAuswahldesgeeig-neten
Bewertungsmodells,dieUmwandlungvonPrognosenzuminnerenAktienwertunddie
AnwendungdesBewertungsergebnissesumfasst.WeichtdergehandelteAktienpreisvomso
berechneteninnerenAktienwertab,liegteineattraktiveAnlagemöglichkeitvor.ImAnschluss
andieFundamentalanalysewirddietechnischeAnalysebeschrieben,wobeinacheiner
GegenüberstellungmitderFundamentalanalysedieWerkzeugedertechnischenAnalysewie
ChartmusterundIndikatorenerläutertwerden.DasKapitelendetmitderAnalyseder
Kondratieff-ZyklenundderElliott-Wellen-Theorie,diefürdieKursprognoseeingesetzt
werdenkönnen.

6.2 Fundamentalanalyse

6.2.1 Bewertungsprozess

Das Kernstück der Fundamentalanalyse besteht aus der Analyse der bewertungsrelevanten
Faktoren wie etwa Ergebniswachstum und Risiko des Unternehmens. Letztendlich hängt der
Unternehmenserfolg von den Dividenden, die das Unternehmen ausschütten kann, sowie von
der Höhe des Aktienkurses ab. Da der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens von der
Verfassung der Gesamtwirtschaft und der Rentabilität der Industrie beeinflusst wird, sind
zusätzlichzumUnternehmendasmakroökonomischeUmfeldunddieIndustriezubeurteilen,in
der das Unternehmen tätig ist. In einem Top-down-Ansatz wird zunächst das wirtschaftliche
Umfeld untersucht und werd en Sektoren (Industrien) identifiziert, die im gegenwärtigen
wirtschaftlichen Umfeld prosperieren. Danach werden Unternehmen aus diesen attraktiven
Sektoren beurteilt. Schließlich wird mit einem Bewertungsmodell der innere Aktienwert
berechnet und anschließend mit dem Aktienkurs verglichen. Weicht der innere Wert vom
Marktpreisab,liegteineFehlbewertungvor.

Der in der Fundamentalanalyse von Analysten eingesetzte Bewertungsprozess besteht


aus den folgenden fünf Schritten:4

1. VerständnisdesUnternehmensgeschäfts:UmdiebetrieblicheTätigkeitunddasRisikoeines
Unternehmenszuverstehen,sindnebeneinermakroökonomischenAnalyseei-neIndustrie-und
Unternehmensanalyse durchzuführen. Für die Unternehmensanalyse sind die
GeschäftsberichteundweitereöffentlichzugänglicheInformationenzubeur-teilen,diesichzum
Beispiel auf derUnternehmenswebsitebefindenoderin Medien veröffentlicht wurden(z.B.
Pressekonferenzen).

2. Prognose der Unternehmensperformance: Der Umsatz, das Nachsteuerergebnis, die


Dividende, der Cashflow und weitere finanzielle Größen sind mithilfe einer Pro-
Forma-BilanzundeinerPro-Forma-Gewinn-undVerlustrechnungzuschätzen.

4
Vgl. Pinto et al. 2010 : Equity Asset Valuation, S. 7.
264 6 Aktienanalyse

• Verständnis des Unternehmensgeschäfts


1

• Prognose der Unternehmensperformance


2

• Auswahl eines geeigneten Bewertungsmodells


3

• Umwandlung der geschätzten


4 Bewertungsparameter in einem Aktienwert

• Anwendung des Bewertungsergebnisses


5

Abb.6.1 Bewertungsprozess

3. Auswahl eines geeigneten Bewertungsmodells: Die Festlegung des Bewertungsverfah-


rens hängt von den Eigenschaften des Unternehmens undvom Kontextder Bewertung (z. B.
Mehrheits-oderMinderheitsbeteiligung)ab.
4. Umwandlung der geschätzten Bewertungsparameter in einen Aktienwert: Die Bewer-
tungsparameter, die in ein Bewertungsmode ll einfließen, sind keine exakten Größen und
unterliegenbeiihrerSchätzungeinemErmessensspielraum.
5. Anwendung des Bewertungsergebnisses: In Abhängigkeit vom Bewertungszweck
wird der Analyst eine Kauf- oder Verkaufsempfehlung über eine bestimmte Aktie
abgeben, ein Gutachten über die Höhe eines Transaktionspreises erstellen oder den
ökonomischenNutzeneinerstrategischenAkquisitionbeurteilen.

Abb. 6.1 fasst die einzelnen Schritte des Bewertungsprozesses zusammen.

6.2.2 VerständnisdesUnternehmensgeschäfts

Damit die zukünftige Unternehmensperformance bzw. die bewertungsrelevanten Para- meter


geschätzt und schließlich der innere Aktienwert bestimmt werden können, sind zunächst die
wirtschaftlichen und industrie spezifischen Rahmenbedingungen, die Unter-
nehmensstrategie und die bisherigen Finanzergebnisse zu untersuchen. Eine Wirtschafts-,
Industrie- und Wettbewerbsanalyse, kombiniert mit einer Analyse der Geschäftsberichte,
bildetdieBasisfürdieSchätzungderzukünftigenUnternehmensperformance.

6.2.2.1 MakroökonomischeAnalyse
EineTop-down-AnalysebeginntmitderWeltwirtschaft,derenVerfassungeinenEinflussaufdie
zukünftigenUnternehmensexporteundsomitaufdenUnternehmensgewinnhat.Es
6.2 Fundamentalanalyse 265

istfürUnternehmenvieleinfacher,ineinerwachsendenalsineinerschrumpfendenWirt-schaft
erfolgreich tätig zu sein. Die internationaleWettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft eines Landes
hängtunteranderemvonderenHandelspolitikunddemfreienKapitalver-kehrab.Dabeinimmt
der Wechselkurs einen hohen Stellenwert ein. Eine Abwertung (Aufwertung) der heimischen
Währung beeinflusst kurzfristig die Exporttätigkeit posi- tiv (negativ), was bei
exportorientierten Unternehmen zu einer Zunahme (Abnahme) des Umsatzes führt. Darüber
hinaus spielt auch das politischeRisiko einewichtige Rolle. In der Vergangenheit haben immer
wieder politische Entwicklungen in einigen Ländern die globalen Wirtschaftsaussichten
verschlechtert. Beispiele sind die Asienkrise von 1997 und die darauffolgende Russlandkrise
von 1998, bei der nach der Abwertung des russischen Rubels und dem Ausfall eines Teils der
russischen Staatsanleihen die weltweiten Finanz- märkte in Turbulenzen gerieten. Um weite
ren Schaden an den US-amerikanischen und internationalen Finanzmärkten abzuwenden,
musste der große US-amerikanischeHedge Fund Long Term Capital Management durch einen
EingriffunterderFederführungderUS-amerikanischenFederalReservegerettetwerden.

DieAnalysederGesamtwirtschaftermöglichtdieVorgängezuverstehen,dieletzt-endlich
einenEinflussaufdieUnternehmensprofitabilitätundsomitaufdenAktienkurshaben.Ein
nützlichesVerfahren,umdiemakroökonomischeAnalysezustrukturieren,bestehtdarin,die
FaktorennachihremEinflussaufdieNachfrageunddasAngebotzudefinieren.Soetwaistein
NachfrageschockeinEreignis,dasdieNachfragenachGüternundDienstleistungen
beeinflusst.BeispieleeinespositivenNachfrageschocks,imSinneeinernachfrageorientierten
Wirtschaftspolitik,sindeineSteuerreduktion,eineErhöhungderGeldmengeodereine
ZunahmederStaatsausgaben.BeieinemAngebotsschockhin-gegenhandeltessichumein
Ereignis,dasdieProduktionskapazitätenunddieKostenbeeinträchtigt.Dazugehören
PreisveränderungenvonRohstoffenwieetwaErdölundSchädenanlandwirtschaftlichen
KultureninfolgevonFrost,ÜberschwemmungenoderDürre.

BeiNachfrageschocksverändernsichüblicherweisedasBruttoinlandsproduktsowiedie
ZinssätzeunddieInflationsrateindiegleicheRichtung.SozumBeispielführen–inAnlehnung
anKeynes–höhereStaatsausgabendazu,dassdieWirtschaftstimuliertwirdundsomitdas
Bruttoinlandsproduktsteigt.WenndieAusgabenmiteinerhöherenStaatsverschuldung
finanziertwerden,steigenunterbestimmtenBedingungenauchdieZinssätze.Diehöhere
StaatsnachfragenachGüternundDienstleistungenkannInvestitio-nendesprivatenSektors
auslösen,dieteilweisemitFremdkapitalfinanziertwerden,wasunterUmständenden
Zinsanstiegunterstützt.SchließlichkanndieInflationsratezuneh-men,wenndieNachfrage
nachGüternundDienstleistungeneinNiveauerreicht,dasdieProduktionskapazitätender
Wirtschaftübersteigt.DemgegenüberverändertsichbeiAn-gebotsschocksinderRegeldas
BruttoinlandsproduktgegenüberdenZinssätzenundderInflationsrateindieentgegengesetzte
Richtung.ZumBeispielnehmenbeieinemPreisan-stiegvonimportiertemErdöldie
Produktionskostenzu,waszuhöherenPreisenbeidenhergestelltenGüternführenkann.Die
höhereInflationsratekannkurzfristigeinenAn-stiegdernominalenZinssätzezurFolgehaben.
SomitverteuernsichdieInvestitionen,wassichnegativaufdieHöhedesBruttoinlandsprodukts
auswirkt.DesWeiterenwird
266 6 Aktienanalyse

die Produktionskapazität wegen der teureren Rohstoffe gedrosselt, weil die Nachfrage der
KonsumentenaufgrundderhöherenPreisezurückgeht.DieseEntwicklungenführendazu,dass
dasBruttoinlandsprodukttendenziellabnimmt.
AnhanddermakroökonomischenAnalyselassensichattraktiveSektorenidentifizie-ren.So
etwawirdeineAusdehnungderGeldmengesinkendeZinssätzezurFolgehaben,welcheunter
anderemdieAutomobilherstellerbegünstigen,dadieFinanzierungskostenzurückgehen.
Hierbeigiltesjedochzubeachten,dassmakroökonomischeVorhersagenvielfach
unzuverlässigsind.SiebasierenüblicherweiseauföffentlichenInformationen,sodasssichein
Anlageerfolgnurdanneinstellt,wennsichdasErgebnisderAnalysealsrichtigherausstellt.
ZudemmüssendieübrigenMarktakteureimDurchschnittmitihrerAnalysefalschliegen.

DerStaatkannentwederüberdieNachfrageoderdasAngebotindieWirtschaftein-greifen.
DieNachkriegszeitwarweitgehenddurcheinenachfrageorientiertePolitikge-kennzeichnet,
dieüberStaatsausgaben,SteueranpassungenundeinevomBretton-Woods-System(feste
Wechselkursbandbreiten)geprägteGeldpolitik,umgesetztwurde,umsodieNachfragenach
GüternundDienstleistungenzufördern.Seitden1980er-Jahrenwirdver-mehrtaucheine
angebotsorientierteWirtschaftspolitikalsInstrumenteingesetzt,welchedie
ProduktionskapazitätderWirtschaftverbessert.DazugehörenderAusbauderInfra-struktur
wieetwadieKommunikationunddasTransportwesen,eineVerbesserungdes
AusbildungssystemssowiedieUnterstützungderbetrieblichenForschungundEntwick-lung.

ZudenWerkzeugenderFiskalpolitikgehörendieStaatsausgabenunddieSteuern,wel-che
dieNachfragenachGüternundDienstleistungenbeeinflussen.MithilfederFiskalpo-litiklässt
sichdieWirtschaftgezieltstimulierenoderverlangsamen.SoführteineKürzungder
StaatsausgabenzueinemNachfragerückgangnachGüternundDienstleistungen.Eine
ErhöhungderSteuerquoteschmälertzwardasfürdenKonsumverfügbareEinkommender
privatenHaushalte,kannaberinfolgedesSteuermultiplikatorsdieGesamtnachfrageposi-tiv
beeinflussen.ObwohlfiskalpolitischeMaßnahmeneinenunmittelbarenEinflussaufdie
Wirtschafthaben,dauerteslange,bisdiesevonderPolitikformuliertundumgesetztwer-den.
DaheristdieFiskalpolitikfürdieFeinsteuerungderWirtschaftnichtgeeignet.Die
NettoauswirkungderFiskalpolitikaufdieWirtschaftkannanhanddesHaushaltsdefizitsoder
-überschussesbeurteiltwerden,derDifferenzalsozwischenStaatseinnahmenund-ausgaben.
EinHaushaltsdefizitbedeutet,dassdieStaatsausgabendieSteuereinnahmenübersteigen.Das
ErgebniseinersolchenFiskalpolitikisteineStimulierungderWirtschaft,daderNettoeffektauf
dieNachfragewegenderimVergleichzudenSteuereinnahmenhö-herenStaatsausgaben
positivist.

DieNachfragenachGüternundDienstleistungenkannauchmitderGeldpolitikgesteu-ert
werden,indemdieGeldmengeangepasstundsodasZinsniveauverändertwird.EineZunahme
derGeldmengeführtkurzfristigzueinemniedrigerenZinsniveau,wasunterbe-stimmten
UmständendieInvestitionstätigkeitunddenKonsumanregt.Allerdingsgehenviele
Ökonomendavonaus,dasseineZunahmederGeldmengemithoherWahrschein-lichkeit
langfristigeinhöheresPreisniveauzurFolgehat,wasdenkurzfristigenpositivenEffektaufdie
Wirtschaftaufhebt,dervomniedrigerenZinsniveauausgeht.DieserZiel-
6.2 Fundamentalanalyse 267

konflikt zwischen Wirtschaftsstimulation durch niedrige Zinsen und dem langfristigen


AnsteigenderInflationprägtdieDebatteüberdieGeldpolitik.
DieFormulierungundUmsetzungfiskalpolitischerMaßnahmenistaufgrunddeshier-für
notwendigenpolitischenProzesseslangwierig.AllerdingskanndieNachfrageüber
StaatsausgabenundSteuernunmittelbarbeeinflusstwerden.ImGegensatzdazukönnen
geldpolitischeMaßnahmenrascherumgesetztwerden,aberesdauertlängerbissichdieseaufdie
Nachfrageauswirken.
5

FürdieAnlagetätigkeitspieltdieGeldpolitikeinewichtigeRolle.BeieinerAuswei-tungder
GeldmengeundeinerdamiteinhergehendenZinssatzreduktionschichtendie
MarktteilnehmerihrePortfoliosum.AufgrunddesniedrigenZinsertragsreduzierensieihre
Cash-PositionenundkaufenWertpapierewieetwaAnleihen,wasderenPreiseer-höht.Bei
einembesondersniedrigenZinsniveausindAnleihensehrteuerundistdieVerfallrendite
entsprechendniedrig,sodassdieMarktakteureihreAktien-undImmobi-lienpositionenim
Portfolioaufstocken.DabeihatdieAnlagetätigkeitinImmobilienundinweiterenrealen
VermögenswerteneinendirektenEinflussaufdieKonsumnachfrage.VonderAusweitungder
GeldmengebiszumKaufrealerVermögenswertemiteinementsprechendenNachfrageimpuls
vergehtZeit.DemgegenüberkannmitfiskalpolitischenMaßnahmendasgewünschte
makroökonomischeErgebnisschnellererzieltwerden.

DerKonjunkturzykluskannebenfallseinenEffektaufdieRenditeeinerAnlagehaben.Erist
gekennzeichnetdurcheinenwiederkehrendenwellenförmigenVerlaufdergesamt-
wirtschaftlichenLeistung(realesBruttoinlandsprodukt),dervoneinerTiefphase,einer
anschließendenErholung(Expansion),einerHochkonjunktur(Boomphase),einemdar-
auffolgendenAbschwung(Rezession)biszurückzurTiefphasereicht.Derhöchsteundder
tiefstePunkteinesKonjunkturzyklusspiegelndieÜbergangsphasenwider.Nachdem
HöchstpunktfolgtderwirtschaftlicheAbschwung,währendnachdemTiefstpunktdie
wirtschaftlicheErholungbeginnt.DasErkennenderÜbergangspunkteistfürdieAktien-
auswahlentscheidend.SozumBeispielfindetnacheinemTiefpunkteinwirtschaftlicher
Aufschwungstatt,vondemzyklischeIndustrienwieetwaProduzentenvonGebrauchsgü-tern
(z.B.Automobilhersteller)überdurchschnittlichprofitieren,daAnschaffungenkost-spieliger
GebrauchsgüterwährendeinerRezessionüblicherweiseaufgeschobenwerden.Ebensoistdie
ProduktionvonInvestitionsgüternkonjunkturabhängig.Danebengibtesauch
konjunkturresistente(defensive)Industrien,dieGüterundDienstleistungenprodu-zieren,
welcheunabhängigvonderKonjunkturnachgefragtwerden.DazuzählenLe-
bensmittelindustrieundPharmaindustrie.DerAnlageentscheidfälltaufzyklischeAktien,wenn
einwirtschaftlicherAufschwungerwartetwird.Demgegenübersindbeieinemprog-
nostiziertenwirtschaftlichenAbschwungdefensiveAktiendiebessereWahl.Allerdingsistesin
derPraxisnichteinfach,dieÜbergangspunktedesKonjunkturzyklusrichtigzuprognostizieren.
InderRegelisteserstnachmehrerenMonatenklar,obeineeigentlichewirtschaftliche
Trendwendestattgefundenhat.

5
ZumBeispielsetztsichdasgeldpolitischeInstrumentariumderEuropäischenZentralbank(EZB)und
dernationalenZentralbankenderEuroländerausOffenmarktgeschäften,ständigenFazilitäten
und Mindestreservevorschriften zusammen. Vgl. Abschn. 8.8.4.1 .
26 6 Aktienanalyse

DerKonjunkturzykluskannbiszueinemgewissenGradmithilfevonökonomischen
Indikatorenprognostiziertwerden.Dabeiwerdenvorauseilende,gleichlaufendeundnach-
hinkendeIndikatoreneingesetzt.BeidenvorauseilendenIndikatorenhandeltessichumeine
GruppevonFaktoren,diesteigenoderfallen,bevoreineentsprechendeÄnderungder
Gesamtkonjunkturerfolgt.DemgegenüberbewegensichgleichlaufendeIndikatorenim
GleichschrittmitderKonjunktur,währendsichnachhinkendeIndikatorenerstimNach-hinein
verändern.ZudenvorauseilendenIndikatorengehörtbeispielsweisedieEntwick-lungder
AktienkurseundderAktienindizes,weilderAktienkursverlaufvomerwartetenErgebnisder
börsennotiertenUnternehmenbeeinflusstwird.EinweitererFrühindikatorstelltdie
VeränderungderGeldmengedar,dadiese,wieobenerwähnt,zeitversetztzuwirkenbeginnt.Des
WeiterenkönnenVeränderungenderAuftrags-undLagerbeständeherangezogenwerden,die
AufschlussüberdiezukünftigenGewinnaussichtenderUnter-nehmengeben.Deren
EinschätzungwirktsichwiederumaufdieAussichtendesArbeits-marktsaus.Wirdetwaein
Konjunkturaufschwungerwartet,planendieUnternehmenneueStellen,umdiezusätzliche
Nachfragebefriedigenzukönnen.SomitstelltdieVeränderungoffenerArbeitsstellenein
weitererFrühindikatordar.DarüberhinausistdieKonsumen-tenstimmungeinwichtiger
GradmesserfürdiezukünftigekonjunkturelleEntwicklung.SteigtetwadasVertrauender
KonsumentenineinepositivewirtschaftlicheEntwicklung,nimmtauchdieNachfragenach
GüternundDienstleistungenzu.AlsFrühindikatorkanneinveröffentlichterKonsumen
tenstimmungsindexfungieren.

6.2.2.2 Industrie-undWettbewerbsanalyse
Die Profitabilität eines Unternehmens hängt maßgeblich von der Rentabilität der Industrie ab.
Um die Industrierentabilität zu beurteile n, muss der Analyst die Industriestruktur – also die
wirtschaftlichen und technischen M erkmale einer Industrie – kennen und deren zukünftige
Entwicklung abschätzen. Porter (1985) hat fünf Faktoren bestimmt, welche die
Industriestruktur,indereinUnternehmentätigist,beschreiben.
7
Abb. 6.2 gibt einen
Überblick über die fünf Kräfte, die den Wettbewerb innerhalb einer Industrie prägen.
DasVerstehenderWettbewerbskräfteundderdiesenzugrundeliegendenUrsachener-
möglichtes,dieaktuelleRentabilitätderIndustrieaufzudecken.DarüberhinauszeigtdieAnalyse,
wiedasUnternehmenderKonkurrenzzuvorkommenunddenWettbewerbsowiedieRentabilität
imZeitablaufbeeinflussenkann.AußerdemkannsichdasUnternehmenmitdemWissenüberdie
Industriestrukturstrategischeffektivpositionieren.ImFolgendenwerdendiefünfFaktoren
beschrieben,welchedieProfitabilitätderIndustrieprägen:
8

1. Rivalität zwischen den Unternehmen einer Industrie: Der Wettbewerb um Kunden und
Marktanteile kann etwa mit Preisabschlägen, neuen Produkteinführungen, Werbekam-
pagnenundverbessertenServiceleistungenerfolgen.Einehohe(niedrige)Rivalität

6
ZumBeispielwirdinderSchweizdasKonsumentenvertrauenseit2003vomStaatssekretariatfür
WirtschaftSECOquartalsweiseerhobenundanhandeinesKonsumentenstimmungsindexpubliziert.
7
Vgl. Porter 1985 : The Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance,
S. 5.
8
Vgl. Porter 2008 : The Five Competitive Forces That Shape Strategy, S. 80 ff.
6.2 Fundamentalanalyse 269

2) Bedrohung
durch neue
Marktteilnehmer

1) Rivalität
zwischen
4) bestehenden 5)
Verhandlungs- Verhandlungs-
macht der Lieferanten Unternehme macht der Käufer
n in der
Industrie

3) Bedrohung
durch
Substitute

Abb.6.2 Die fünf beeinflussenden Faktoren der Wettbewerbsstruktur einer Industrie (Quelle: Por-
ter 1985 : The Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance, S. 5)

unter den Mitbewerbern führt zu einer Erosion (Zunahme) der Industrierentabilität. Das
Ausmaß des Profitabilitätsrückgangs hä ngt grundsätzlich von der Wettbewerbs- intensität
ab. Die Rivalität unter den Unternehmen ist am größten, wenn die Anzahl der
Konkurrenzunternehmen hoch ist oder d iese ungefähr über die gleiche Größe und Macht
verfügen,dasWachstumderIndustriegeringist,dieAustrittsbarrierenhochsindundsichdie
Unternehmen stark in der Industrie engagieren und die Marktführer- schaft anstreben.
Erfolgt der Wettbewerb nicht durch den Preis, sondern zum Beispiel durch
Produkteigenschaften, Serviceleistungen, Lieferfristen und/oder das Markenim- age, ist
einRückgangderRentabilitätwenigerwahrscheinlich,weilhöherePreisedenverbesserten
Kundennutzen rechtfertigen. Darüber hinaus ist es wichtig, ob die Un- ternehmen über das
gleiche Produktattribut (z. B. Lieferfrist oder Serviceleistungen) miteinander
konkurrieren.IneinemsolchenFallliegteinNullsummenspielvor(derMarktanteilsgewinn
des einen ist der Marktanteilsverlust des anderen) und die Renta- bilität der Industrie geht
zurück.

2. Bedrohung durch neue Marktteilnehmer: Neue Marktteilnehmer bringen neue Kapa-


zitäten und das Bestreben mit sich, neue Marktanteile zu gewinnen, was den Druck auf die
Preise, die Kosten und die erforderliche Investitionsquote erhöht. Wenn neue Teilnehmer
infolge einer Diversifikationsstrategie in den Markt eintreten, können sie ihre bestehenden
Kapazitäten und Cashflows nutzen, um die Konkurrenten zu be- drängen. So etwa ist
Microsoft von den Computerbetriebssystemen in den Markt von Internetbrowsern und
Apple in den Markt der Musikdistribution eingestiegen. Die Gefahr neuer Markteintritte
limitiertdasGewinnpotentialeinerIndustrie,dadiePrei-seniedriggehaltenwerdenoderdie
Investitionenansteigen,umneueKonkurrenten
270 6 Aktienanalyse

abzuschrecken. Zum Beispiel investiert Starbucks aggressiv in neue Läden sowie in


Getränke- und Speisekarten. Die Gefahr von Markteintritten hängt grundsätzlich von der
Höhe der Eintrittsbarrieren und von der zu erwartenden Reaktion der bestehenden
Marktteilnehmer ab. Sind die Barrieren niedrig und werden keine oder nur gerin- ge
Vergeltungsmaßnahmen seitens der etablierten Marktteilnehmer erwartet, ist die Gefahr
neuer Markteintritte groß, was einen dämpfenden Effekt auf die Rentabili- tät hat. Sind im
Gegensatz dazu die Kosten füreinen Markteintritt hoch (z. B. hohe Eintrittsbarrieren wegen
Skaleneffekten infolge der Betriebsgröße und des Netzwerk- effekts, Umstellungskosten
der Kunden, hohen Kapitalbedarfs, ungleichen Zugangs zu den Distributionskanälen und
restriktiver Regulierung), führt das zu weniger neuen Markteintritten und somit zu weniger
Wettbewerb,wasdieRentabilitätderIndustrieerhöht.

3. Bedrohung durch Substitute (P rodukte oder Dienstleistungen): Ein Substitut weist


gleiche oder ähnliche Eigenschaften wie das Industrieprodukt auf. So etwa ist Plas- tik
ein Ersatz für Aluminium und eine E-Mail ist ein Substitut für einen Expressbrief.
Existieren wenige Ersatzmöglichkeiten für die angebotenen Produkte und Dienstleis-
tungen, können für die Käufer die Umstell ungskosten auf ein Substitut relativ hoch
ausfallen. Somit können die Unternehmen einen höheren Preis für ihre Produkte und
Dienstleistungen verlangen, was sich auf die Industrieprofitabilität positiv auswirkt.
Verhandlungsmacht der Lieferanten: Gibt es eine Vielzahl von Lieferanten, von de- nen
die Unternehmen die benötigten Betrieb sstoffe beziehen, ist deren Preisgestal-
4. tungsmacht relativ gering, was die Rentabilitä t der Industrie steigert. Ist die Verhand-
lungsmacht der Lieferanten hingegen groß, äußert sich das in höheren Preisen, in einer
Einschränkung der Produktqualität oder e rbrachten Dienstleistungen oder in ei- ner
Umwälzung der Kosten auf die zu beliefernden Unternehmen der Industrie. Sind die
Unternehmen der Industrie nicht in der Lage, die höheren Kosten durch Preiserhö-
hungen an ihre Kunden weiterzugeben, nimmt di e Profitabilität ab. So zum Beispiel
hat Microsoft durch Preiserhöhungen seines Betriebssystems dazu beigetragen, dass die
Rentabilität der Herstellungsunternehmen von Personal Computers deutlich abgenom-
men hat. Die Verhandlungsmacht der Lieferanten ist stark, wenn die Konzentration der
Lieferanten größer ist als die zu beliefernde Industrie, der Umsatz der Zulieferer nicht
stark von der Industrie abhängt, die Umstellungskosten bei einem Lieferantenwechsel
hoch sind, die gelieferten Produkte differe nziert sind, keine Substitute bestehen und
die Gefahr einer Vorwärtsintegration in die Industrie besteht.

5. VerhandlungsmachtderKäufer:LiegteinMarktmiteinerVielzahlvonKäufernvor,istderenMacht,
niedrigere Preise zu verhandeln, gering. Dies hat wiederum einen positi- ven Einfluss auf die
WirtschaftlichkeitderIndustrie.DemgegenüberkönnenmächtigeKäufereinePreisreduktion
erzwingen sowie eine bessere Produktqualität und Dienst-leistung verlangen, indem sie die
Unternehmengegeneinanderausspielen,waszuei-nemRückgangderRentabilitätinderIndustrie
führt.DasVerhandlungsgewichtderKäuferistgroß,wenndieAnzahlderKäufergeringistoderein
Käufer ein großes Vo- lumen bei einem Unternehmen bezieht, die Produkte der Industrie
standardisiertoder
6.2 Fundamentalanalyse 271

undifferenziert sind, die Umstellungskosten bei einem Lieferantenwechsel gering sind und
dieGefahreinerRückwärtsintegrationvorliegt.

Die Industriestruktur, die durch die oben beschriebenen fünf Wettbewerbsfaktoren geprägt
wird, bestimmt das langfristige Profitabilitätspotential der Industrie. Sie zeigt, wie die von der
Industrie geschaffene wirtschaftliche Wertschöpfung zwischen den Unternehmen, den
Lieferanten und den Kunden aufgeteilt, dur ch Substitute begrenzt und durch potentielle neue
Marktteilnehmer eingeschränkt wird. Werden alle fünf Faktoren in die Industrie- und
Wettbewerbsanalyse eingebunden, wird die Gesamtstruktur der Industrie sichtbar, was die
Gesamtanalyse erleichtert. Dabei ist es wich tig, dass die folgenden Fehler in der Analyse
vermiedenwerden:

 Wachstumsrate der Industrie: Ein von Analysten häufig begangener Fehler ist, dass eine
wachstumsstarke Industrie in jedem Fall als attraktiv gilt. In einer von starkem Wachs- tum
geprägten Industrie nimmt die Rivalität z wischen den Unternehmen tendenziell ab, weil der
wachsendeMarkteineChancefüralleUnternehmenbietet.AllerdingskannschnellesWachstum
dazu führen, dass die Verhandlungsmacht der Lieferanten steigt und bei niedrigen
EintrittsbarrierenneueUnternehmenindenMarkteintreten.AuchohnedenMarkteintrittneuer
KonkurrentengewährleisteteinehoheWachstumsratenichtunbedingteinehoheProfitabilität,
weiletwadieKundeneinestarkeVerhand-lungsmachtbesitzenoderSubstituteattraktivsind.So
zumBeispielsindstarkwach-sendeBranchenwiePersonalComputersindenletztenJahrenwenig
rentabelgewesen.EinerderwichtigstenGründefürschlechteAnlageentscheidungenistderenge
FokusaufdasWachstum.

 TechnologieundInnovationen:FortgeschritteneTechnologienoderInnovationenge-nügen
alleinbetrachtetnicht,umeineIndustriealsattraktiveinzustufen.SoweisenIn-dustrienmiteinem
niedrigen Technologieniveau, preissensitiven Kunden, hohen Um- stellungskosten oder
hohen Eintrittsbarrier en infolge von Skaleneffekten eine höhere Rentabilität auf als
technologiestarkeIndustrienwieetwaSoftwareundInternet,dieneueKonkurrentenanziehen.

Darüber hinaus können Gesetze und Vorschri ften die Rentabilität einer Industrie ver- bessern
oder verschlechtern. Um zu verstehen, wie Regulierungen die Industriestruktur beeinflussen,
sind deren Effekte auf die fünf Wettbewerbsfaktoren zu untersuchen. So füh- ren Patente dazu,
dasssichdieEintrittsbarrierenerhöhen,waseinenpositivenEinflussaufdieProfitabilitäthat.Im
Gegensatz dazu ka nn eine Konkursgesetzgebung ermöglichen, dass ein insolventes
Unternehmen umgebaut wird. Die Folgen einer gelungenen Reorga- nisation sind
überschüssige Industriekapazitäten und eine Zunahme der Wettbewerbsin- tensität. Auch
komplementäre Produkte und Dienstleistungen haben einen Einfluss auf die
Industrierentabilität.SiewerdenzusammenmitdemIndustrieproduktverwendetund

9
Vgl. Porter 2008 : The Five Competitive Forces That Shape Strategy, S. 86 ff.
272 6 Aktienanalyse

tretenauf,wennderKundennutzenbeieinemkombiniertenProduktgrößeristalsdieSummeder
einzelnen Produkte. Zum Beispiel stellen Computerhardware und -software wertvolle
Produkte dar, wenn sie zusammen benutzt werden. Komplementäre Produk- te oder
Dienstleistungen beeinträchtigen die fünf Wettbewerbsfaktoren und haben somit einen
Einfluss auf die Rentabilität. Zum Beispiel kann ein Ergänzungsprodukt die Substi- tution
vereinfachen. So hat iTunes von Apple die Substitution von Compact Discs (CDs) durch
Digitalmusikbeschleunigt.

WeitereexterneFaktoren,diedasWachstum,dieProfitabilitätunddasRisikoderIndustrie
beeinflussen,sindmakroökonomischeFaktoren,demographischeEntwicklun-genundsoziale
Faktoren.DiemakroökonomischenFaktorenumfassenbeispielsweisedasWachstumdes
Bruttoinlandsprodukts,dieEntwicklungderZinssätzeundderIn-flationsowiedie
Kreditverfügbarkeit.DieseFaktorenhabeneinenwichtigenEinflussaufdieNachfragenachden
Industrieproduktenoder-dienstleistungen.DemographischeEntwicklungenwieetwadie
VeränderungderBevölkerungsgrößeunddieBevölkerungs-verteilungnachAlterundGeschlecht
übenebenfallseinenwichtigenEinflussaufdasWirtschaftswachstumundaufdieNachfrageaus.
SchließlichspielensozialeFaktorenwiedieEinstellungzurArbeitundzurFreizeitsowiedas
KonsumverhalteneinewichtigeRol-lebeimWirtschaftswachstum.

IndustrienverändernsichimZeitablaufundweisenüblicherweisewährendihresLe-
benszyklusunterschiedlicheWachstums-undProfitabilitätstratenauf.DieIndustrieana-lyse
istsomiteinkontinuierlicherProzess,derimLaufederZeitwiederholtwerdenmuss,damit
Veränderungenidentifiziertwerdenkönnen.DieAnalysederIndustrieent-wicklungerfolgt
anhandeinesLebenszyklusmodells,dasdieeinzelnenaufeinanderfol-gendenPhasen
identifiziert,dieeineIndustriedurchläuft.HillundJones(2008)habeninihrem
LebenszyklusmodelldiefolgendenfünfPhasendefiniert:embryonal(bzw.unaus-gereift),
Wachstum,Bereinigung,ReifeundNiedergang.

10
JedePhaseistdurchverschie-
deneChancenundGefahrengekennzeichnet.Abb.6.3veranschaulichtdasIndustriele-
benszyklusmodellvonHillundJones.
EineembryonaleIndustriehatsoebenmitihrerEntwicklungbegonnen.DiesePha-se
zeichnetsichdurcheinlangsamesWachstumundhohePreiseaus.DieKundensindmitdem
Produktnichtvertraut.DasVerkaufsvolumenreichtnichtaus,umBetriebsgrö-ßenersparnisse
zuerzielen.DieStrategiederUnternehmenistdaraufausgerichtet,denBekanntheitsgraddes
ProduktszusteigernunddieDistributionskanäleaufzubauen.HoheInvestitionensind
erforderlichunddasRisikoeinesMisserfolgsistgroß.DaherscheidetdieMehrzahlderStart-up-
UnternehmenindenerstenJahrenausdemMarktaus.

EineWachstumsindustrieistdurcheinerascheZunahmederNachfrage,verbesserte
Profitabilität,fallendePreiseundeinerelativgeringeKonkurrenzgeprägt.Infolgevon
BetriebsgrößenersparnissenkönnendiePreisegesenktwerden.Darüberhinauswerdendie
Distributionskanäleausgebaut.DieGefahrneuerMarktteilnehmeristindieserPhaseam
höchsten,weildieEintrittsbarrierenrelativniedrigsind.DesWeiterenistdieWettbe-

10
Vgl. Hill und Jones 2008 : Strategic Management: An Integrated Approach, S. 100.
6.2 Fundamentalanalyse 273

Wachstum
• Rasche
Zunahme
der Nach-
Reife
frage
• Ansteigen • Wenig oder kein
der Renta- Wachstum
bilität • Konsolidierung
• Preisrück- der Industrie
gang • Hohe Eintritts-
• Geringer barrieren
(Nachfrage)

Wettbewerb

Embryonisch Niedergang

• Langsames
Bereinigung • Negatives
Wachstum • Verlangsa- Wachstum
• Hohe Preise mtes • Über-
• Bedeutende Wachstum kapazitäten
Investitionen • Zunahme • Starker
• Hohes der Wettbe- Wettbewerb
Risiko werbsinten-
sität
• Rückgang
der Profi-
tabilität

(Zeit)

Abb.6.3 Industrielebenszyklus (Quelle: In Anlehnung an Hill und Jones 2008 : Strategic Manage-
ment: An Integrated Approach, S. 100)

werbsintensität relativ gering, da die Unternehmen aufgrund des stetigen Wachstums nicht
genötigtsind,denMarktanteilzuerhöhen.DieRentabilitätderIndustriesteigtindieserPhase.

DieBereinigungsphasegehtmiteinemwenigerstarkenWachstumeinher.DerWett-bewerb
nimmtanIntensitätzu,dadasUnternehmenswachstumvoneinerZunahmedesMarktanteils
abhängt.WährenddieserPhasewirddieSättigungdesMarkteserreicht.DieZunahmevonneuen
Kundengehtzurück.DieWachstumsratederInvestitionenüber-schreitetdie
Industriewachstumsrate,waszuüberschüssigenKapazitätenführt.Umdieseabzubauen,
senkendieUnternehmendiePreise,sodassdieRentabilitätzuschrumpfenbeginnt.Inder
BereinigungsphaseliegtderFokusderUnternehmensstrategieaufderRe-duktionderKosten
unddemAufbaueinerMarkenbindung.InderIndustriebeginnteinKonzentrationsprozess,der
sichdurchdasAusscheidenvonUnternehmenunddurchFu-sionenäußert.

DieReifephaseistdurchwenigoderkeinWachstum,durchdieKonsolidierungderIndustrie
undrelativhoheEintrittsbarrierengekennzeichnet.DaderMarktvollständiggesättigtist,
erfolgtdasIndustriewachstumaufgrunddesErsatzbedarfsunddesBevölke-rungszuwachses.
ReifeIndustriengehenoftdurcheinenKonsolidierungsprozess,derin
274 6 Aktienanalyse

einem Oligopol endet. Die überlebenden Unternehmen haben vielfach eine Markentreue
aufgebautunddieKostenstruktureffizientgestaltet,waszudeutlichhöherenEintritts-barrieren
führt. Ein Preiskampf findet nur noch sporadisch statt, wie etwa bei einem Rückgang der
Nachfrage, die durch einen wirtschaftlichen Abschwung ausgelöst wird. Unternehmen mit
höherwertigen Produkten oder Dienstleistungen sind in der Lage, den Marktanteil zu erhöhen,
underfahrensomitüberdurchschnittlichesWachstumundProfi-tabilität.

WährendderPhasedesNiedergangsistdasWachstumnegativ.EsherrschenÜber-
kapazitätenundderWettbewerbnimmtzu.DieNachfragenachdemIndustrieproduktgeht
zurück,waseineVielzahlvonGründenhabenkann,wieetwaeinetechnologischeSubstitution
(z.B.istdieZeitungsindustrieseitJahreneinemRückgangderNachfrageausgesetzt,dasichdie
KundenimInternetoderüberNachrichtensenderimFernseheninformieren),soziale
VeränderungenunddenglobalenWettbewerb.EineAbnahmederNachfragehat
ÜberkapazitätenzurFolge,welchedieUnternehmendazuveranlassen,diePreisezusenken.
OftfindeteinPreiskampfstatt.InderFolgescheidenUnternehmenausdemMarktaus,
fusionierenoderinvestiereninneueProdukteundMärkte.

NachderAnalysederIndustriestrukturfindetdieUnternehmensanalysestatt.Dieak-tuelle
HöhedesMarktanteilsunddessenerwarteteEntwicklungweisenaufdierelative
WettbewerbspositiondesUnternehmensinnerhalbderIndustriehin.Grundsätzlichgilt,dass
derUnternehmenswerthöherausfällt,wenndasUnternehmeneinenrelativenVorteil
gegenüberderKonkurrenzgeschaffenhatundaufrechterhaltenkann.DieUnternehmens-
analyseuntersucht,wiedasUnternehmenanhandvonWettbewerbsstrategienaufGefah-ren
undChancenderIndustriestrukturreagierenkann.Porter(1985)hatdreigenerische
Unternehmensstrategiendefiniert,dieesdemUnternehmenerlauben,eineüberdurch-
schnittlicheRenditezuerwirtschaften:

11

 Kostenführerschaft:DasUnternehmenistderkostengünstigsteProduzentinderIn-dustrieund
gleichzeitig in der Lage, ähnlic he Produkte oder Dienstleistungen wie die Konkurrenz
anzubieten. Das Ziel besteht darin, den Marktanteil zu erhöhen, indem Pro- dukte und
DienstleistungenzueinemimVergleichzurKonkurrenzniedrigerenPreisangebotenwerden.
Dabei werden immer noch ein Gewinn und eine aus dem höheren Umsatz resultierende
überdurchschnittlicheRenditeerzielt.

 Differenzierung: Das Unternehmen bietet einzigartige Produkte oder Dienstleistungen


bezüglich verschiedener Differenzierungsmerkmale an, welche für die Kunden einen Wert
verkörpern, sodass das Unternehmen einen Preisaufschlag verlangen kann. Um erfolgreich
zubleiben,mussderPreisaufschlagüberdenDifferenzierungskostenlie-gen.Darüberhinaus
mussdieDifferenzierungfürdieKundenattraktivundnachhaltigsein.

11
Vgl. Porter 1985 : The Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance, 11 ff.
S.
6.2 Fundamentalanalyse 275

 Fokus: Das Unternehmen verfügt über einen Wettbewerbsvorteil in einem bestimmten


Industriesegment, wobei der Strategiefokus entweder in der Kostenführerschaft oder in der
Differenzierungliegt.

Die generischen Strategien bestimmen das Geschäftsmodell, das aufzeigt, wie das Un-
ternehmen sein Geld verdient. So werden in ei nem Geschäftsmodell beispielsweise die
Zielkunden, die zu verkaufenden Produkte oder D ienstleistungen, die Distributionskanäle
sowie die Finanzierung der Geschäftsaktivitäten definiert. Der Unternehmenserfolg hängt von
den strategischen Entscheidungen und deren kompetenter Umsetzung seitens des
Managements ab. Die Analyse des Geschäftsberichts liefert eine Grundlage, um die Ge-
samtleistungdesUnternehmensmitdenstrategischgesetztenZielenzuvergleichenundsichein
Urteil über die zukünftige Unternehmensperformance zu bilden. Dabei werden
GeschäftsberichteübereinenlangenZeitraum(z.B.10Jahre)studiert,umErkenntnissedarüber
zu gewinnen, wie das Management in der Vergangenheit sowohl präventiv als auch reaktiv mit
HerausforderungenumgegangenistunddasGeschäftsmodellentspre-chendangepassthat.

12

DieUnternehmensanalysehatnebenquantitativenauchqualitativeFaktorenzuberück-
sichtigen.BeispielenichtnumerischerFaktorensinddieEigentümerstruktur,dasgeistigeund
immaterielleEigentumwieetwaLizenzenundFranchise-Vereinbarungensowiedie
potentiellenAuswirkungenvonRechtsstreitigkeitenoderanderenEventualverbindlich-
keiten.DarüberhinausistdashistorischeBetriebsergebnisnichteinfachzuextrapolieren,um
diezukünftigeUnternehmensperformanceeinzuschätzen,dasichdiezukünftigeIn-
dustriestrukturdeutlichvonderjenigeninderVergangenheitunterscheidenkann.Sozum
BeispielkanneinerfolgreichesUnternehmenunterDruckgeraten,weilneueWettbe-werberin
denMarktdrängen.UmgekehrtkanneinperformanceschwachesUnternehmenerfolgreich
umstrukturiertwerden,sodassdielangfristigeProfitabilitätverbessertwird.DesWeiterenwird
beilangfristigenWachstumsprognosendesUnternehmensergebnisses(z.B.nachder
Detailplanungsperiodevon10Jahren)vielfachangenommen,dassdasUn-
ternehmenswachstumgegendiedurchschnittlicheWachstumsratederGesamtwirtschaft
konvergiert.

6.2.2.3 AnalysevonFinanzberichten
Die bewertungsrelevanten Positionen eines Finanzberichts hängen von der spezifischen
strategischen Stoßrichtung des Unternehmens (bzw. der Industrie) ab. Für ein etablier- tes
Unternehmen können die mit Finanzkennzahlen ermittelten individuellen Treiber der
Profitabilität mit den strategischen Zielse tzungen verglichen werden. Ein Unternehmen etwa,
das einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil mithilfe eines hohen Markenbekannt- heitsgrades
aufbaut, weist hohe Werbeausgaben und relativ hohe Preise auf. Im Gegensatz zu einem
Unternehmen,dasdieKostenführerschaftanstrebt,verfügtdasMarkenunter-

12
Geschäfts- und Finanzberichte der letzten Jahre finden sich unter der Rubrik Investor Relations
auf der Website der meisten börsennotierten Gesellschaften.
276 6 Aktienanalyse

nehmen zum einen über höhere erwartete Bruttomargen und zum anderen über höhere
Werbeausgaben in Prozent des Gesamtumsatzes. Für neu gegründete Unternehmen oder
Unternehmenmit neuen ProduktenundMärkten,beidenen keinehistorischen Daten vorliegen,
lassen sich die Profitabilitätstreiber mit nicht finanziellen Größen messen. So können bei einem
Internetunternehmen die tägliche Anzahl der Besucher auf der Website oder die registrierten
UserHinweiseaufdiezukünftigeWirtschaftlichkeitgeben.

Bei der Beurteilung der vergangenen und zukünftigen Unternehmensperformance


stützen sich Fundamentalanalysten vielfach auf Rechnungslegungsinformationen. Dabei
spielt die Ergebnisqualität eine wichtige Rolle. Um diese abzuschätzen, sind sämtliche
Finanzaufstellungen im Geschäftsbericht wie die Bilanz und die Gewinn- und Ver-
lustrechnung eingehend zu untersuchen. Dabei ist unter anderem zu beurteilen, ob die
Unternehmensperformance nachhaltig ist. Nicht wiederkehrende Ereignisse mit einer
geringen Ergebnisqualität sind etwa Einnahmen aus einem abgeschlossenen Gerichtsver-
fahren, eine nicht dauerhafte Steuerreduktion oder ein Gewinn aus der Veräußerung eines nicht
betrieblichen Vermögenswerts. Hi ngegen verfügen Erträge und Aufwendungen aus dem
Kerngeschäft des Unternehmens über ein e höhere Ergebnisqualität. Darüber hinaus ist zu
prüfen, ob die im Finanzbericht ausgewiesenen Informationen die ökonomische Wirklichkeit
wiedergeben.

ZusätzlichzunichtwiederkehrendenEreignissenistzuuntersuchen,obgetroffene
RechnungslegungsentscheidungeneinenEinflussaufdieFortdauer(Persistenz)desEr-
gebnisseshaben.BeidieserAnalysewirddasErgebnismitdemCashflowverglichen.Ein
einfacherAnsatzbestehtdarin,dasNachsteuerergebnisineineCash-Komponente(kombi-
nierterCashflowausBetriebs-undInvestitionstätigkeit)undeineRechnungsabgrenzungs-
komponente(ErgebnisminusCash-Komponente)aufzuteilen.
13
BeträgtzumBeispieldas
versteuerteErgebnisEUR1000undliegendieCashflowsausderbetrieblichenTätigkeitbei
EUR1500unddienegativenCashflowsausderInvestitionstätigkeitbeiEUR800,soergeben
sicheineCash-KomponentevonEUR700[
D EUR 1500 C .EUR 800/] und
eine Rechnungsabgrenzungskomponente von EUR 300 (D EUR 1000  EUR 700). Eine
Studie von Sloan (1996) zeigt, dass die Cash-Komponente im Vergleich zum Rechnungs-
abgrenzungsteil des Ergebnisses persistente r ist, sodass Unternehmen mit einem höheren
Anteil von Rechnungsabgrenzungen im Ergebnis eine vergleichsweise niedrige Gesamt-
kapitalrenditeinderZukunftaufweisen. 14
–DemnachdeuteteinhoherCash-Anteilam
NachsteuerergebnisaufeinehoheErgebnisqualitäthin,währendumgekehrteinversteu-
ertesErgebnismiteinemhohenAnteilanRechnungsabgrenzungeneinHinweisaufeinegeringe
Ergebnisqualität(imSinnederErgebnisfortdauer)ist.

13
FürdieBerechnungderRechnungsabgrenzungskomponentewerdenvomNachsteuerergebnisdie
CashflowsausderbetrieblichenTätigkeitundausderInvestitionstätigkeitabgezogen.AusderPer-
spektive der Bewertung unterscheidet man zwischen betrieblicher und finanzieller Tätigkeit. Zur
betrieblichenTätigkeitgehörensowohldiebetrieblichenalsauchdieinvestitionsbezogenenCash-flows.

14
Vgl. Sloan 1996 : Do Stock Prices Fully Reflect Information in Accruals and Cash Flows About
Future Earnings?, S. 289 ff.
6.2 Fundamentalanalyse 277

6.2.3 PrognosederUnternehmensperformance

Der zweite Schritt im Bewertungsprozess ist die Prognose des Unternehmenserfolgs. Die
Vorhersage der Unternehmensleistung kann entweder aus Sicht des wirtschaftlichen Um- felds
erfolgen, in dem das Unternehmen tätig ist (Top-down-Ansatz), oder aus der Per- spektive des
Unternehmens, bei dem die betri ebliche und finanzielle Unternehmenstätig- keit den
AusgangspunktderAnalysebildet(Bottom-up-Ansatz).

DieTop-down-PrognosebeginntmitderVorhersageglobalerundländerspezifischer
makroökonomischerFaktorenundschreitetdannzuPrognosenderIndustrieunddesUn-
ternehmensfort.SoetwakanndieUmsatzprognoseeinesAutomobilherstellersmitden
prognostiziertenStückzahlenausdemAutomobilverkaufderIndustriebeginnen,dieim
GegenzugvonderVorhersagedesBruttoinlandsproduktsabhängen.Derprognostizierte
AutoverkaufdesUnternehmensentsprichtdengeschätztenAutoverkäufenderIndustrie
multipliziertmitdemerwartetenMarktanteildesAutomobilherstellers.Schließlichergibtsich
dieUmsatzprognoseausdenerwartetenAutomobilverkäufenmultipliziertmitden
entsprechendenVerkaufspreisen.

BeiderBottom-up-PrognoseaggregiertmandieVorhersagenvoneinerkleinräumigenzu
einergrößerangelegtenEbene.ZumBeispielkanneinEinzelhändlervonSportwaren,der
mehrereVerkaufslädenbesitzt,denUmsatzeinesneuenVerkaufsladensschätzen.Da-beikann
derEinzelhändlerdenUmsatzproQuadratmeterderbestehendenVerkaufsläden(eventuellaus
derAnfangszeit)verwenden,umdenUmsatzderneuenGeschäftslokalitätzuschätzen.Addiert
manzursoermitteltenUmsatzprognosedieerwartetenUmsätzederbestehendenLäden,erhält
mandenprognostiziertenUnternehmensumsatz.PrognosenzueinzelnenUnternehmen
könnenanschließendaufIndustrieebeneaggregiertwerden.

BeiderPrognoseunternehmensbezogenerPerformancegrößenwieetwaUmsatz,Er-
gebnisundCashflowwerdenErkenntnissederIndustrie-undUnternehmensanalysesowieder
AnalysedesFinanzberichtsherangezogen.FürdieVorhersagederBewertungsparame-ter
werdensowohlqualitativealsauchquantitativeFaktorenbenutzt.ZudenqualitativenFaktoren,
dieweitestgehendsubjektivbeurteiltwerden,gehörenzumBeispieldieunter-nehmerischen
FähigkeitenunddieIntegritätdesManagementssowiedieTransparenzundQualitätder
BuchführungspraktikendesUnternehmens.

DieBeurteilungdervergangenenUnternehmensperformancekanneineBasisfüreine
zukunftsgerichteteAnalysesein.FüreinneugegründetesUnternehmenodereinUnter-
nehmen,dasineinerIndustriemiteinerhohenVolatilitättätigist,stelltdieAnalysevergangener
PerformancedatenjedochkeinesolideGrundlagefürdieProjektionderwirt-schaftlichen
Unternehmensleistungdar.

Unter der Annahme der Unternehmensfortführung (Going-Concern-Prinzip) können


Aktienbewertungsmodelle in relative und absolute Modelle unterteilt werden.15 Dierela-
tivenBewertungsmodellebestehenausMultiplikatorenwiedemKurs-Gewinn-Verhältnisund
demEnterprise-Value-EBITDA-Verhältnis.DieabsolutenVerfahrenbeziehensich

15
Für eine detaillierte Umschreibung der einzelnen Bewertungsmodelle vgl. Kap. 7 .
27 6 Aktienanalyse

auf die Aktienbewertung mit erwarteten Cashflows, Übergewinnen und dem Ansatz der
Optionspreistheorie.
BeiderrelativenBewertungwirddiePerformanceübereinenkurzfristigenZeitraum(z.B.1
Quartaloder1Jahr)prognostiziert.SoetwawerdenfürdieBerechnungdes
Forward-Kurs-Gewinn-VerhältnissesdererwarteteUmsatzdesnächstenJahresunddie
Gewinnmargegeschätzt,umdenerwartetenGewinnjeAktiezubestimmen.Dabeiwen-den
AnalystenoftmalseinenTop-down-Ansatzan.ZuerstwirdderUmsatzderIndus-triemithilfe
derhistorischenBeziehungzueinemmakroökonomischenFaktorwieetwadem
Bruttoinlandsproduktgeschätzt.HierzuwirdvielfachdieRegressionsanalysebe-nutzt.
WeitereFaktoren,dieeinenEinflussaufdenUmsatzhabenundindieRegressions-analyse
eingebundenwerdenkönnen,sinddasEinkommenderKunden,technologische
EntwicklungenundetwaigeSubstitute.IneinemzweitenSchrittwirdderMarktanteildes
UnternehmensaufgrunddeshistorischenMarktanteilsundeinerzukunftsgerichte-ten
BeurteilungderWettbewerbspositionprognostiziert.DerUnternehmensumsatzergibtsichaus
demProduktdesMarktanteilsunddesIndustrieumsatzes.NachderFestlegungdes
UnternehmensumsatzeswirdderGewinnermittelt.Dabeikönnenaufgrundihrerhis-torischen
BeziehungzumUmsatzentwederAufwandspositionenoderErgebnismargenwiedie
Bruttogewinn-,Betriebsgewinn-oderNettogewinnmargebestimmtwerden.

16
Die
AufwandspositionenunddieErgebnismargenwerdeninProzentdesUmsatzesangege-ben.Im
Gegensatz zur Brutto- und Betriebsgewinnmarge wird die Nettogewinnmarge durch den
VerschuldungsgradunddieSteuernbeeinflusst.DieHöhedesVerschuldungs-gradeswirdvom
Management bestimmt, währe nd die Steuerlast unter anderem von den regulatorischen
Rahmenbedingungenabhängt.DahersindhistorischeDatenbedeutsamerfürdieProjektionder
Brutto- und Betriebsgewinnmarge und folglich weniger relevant für die Schätzung der
Nettogewinnmarge. Für die Schätzung der Aufwandspositionen sowie der Ergebnismargen
sind die historischen Daten anzupassen, wobei nicht wiederkehrende Erfolgspositionen
beseitigtwerden.

BeidenabsolutenAktienbewertungsmodellenwieetwadenCashflow-undWertschöp-
fungsmodellenwirddiePerformanceübermehrerePeriodengeschätzt.DerinnereAktien-wert
ergibtsichbeidenCashflow-ModellenausdemBarwertdererwartetenDividendenoderderfrei
verfügbarenCashflows.BeispielsweiselässtsichderfreiverfügbareCash-flowfürdas
EigenkapitalausgehendvomNachsteuerergebnisberechnen,zudemdienicht
zahlungswirksamenAufwendungen(z.B.AbschreibungenundWertminderungen)
hinzugezähltundvondemdienichtzahlungswirksamenErträge,dieInvestitionenins
NettoumlaufvermögenundinsAnlagevermögenabgezogensowiedieNettozunahmedes
zinstragendenFremdkapitalshinzugezähltwerden.

Beispiel
PrognosevonPerformancegrößenübermehrerePerioden Die
DeltaAGisteinHandelsunternehmen,dasmitEUR 100:000 Eigenkapital ge-
gründet wurde. Insgesamt sind 1000 Aktien ausstehend. Bei der Gründung werden

Bruttogewinnmarge D Bruttogewinn = Umsatz, Betriebsgewinnmarge D EBIT = Umsatz und


16

Nettogewinnmarge D Gewinn = Umsatz.


6.2 Fundamentalanalyse 279

EUR 82:000 des Eigenkapitals in flüssige Mittel und EUR 18:000 ins Nettoumlaufver-
mögen angelegt. Das Handelsunternehmen verfügt über keine Sachanlagen. Für die
Projektion der Unternehmensperformance liegen die folgenden Angaben vor:

Erwarteter Umsatz im 1. Jahr EUR 200:000


Jährlich erwartetes Umsatzwachstum 10 %
Kosten der verkauften Produkte = Umsatz 40 %
Betriebsaufwand = Umsatz 45 %
Zinssatz für die Anlage der flüssigen Mittel 2%
Ertragssteuersatz 30 %
Nettoumlaufvermögena = Umsatz 10 %
Dividenden keine
a
Das Nettoumlaufvermögen beinhaltet keine flüssigen Mittel.

1. Wie hoch sind die prognostizierten Unternehmensergebnisse in den nächsten 4 Jah- ren?

2. Wie hoch ist das Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnis zum Zeitpunkt der Gründung


(aufgrunddesprognostiziertenErgebnissesjeAktiein1Jahr)?
3. WiehochsinddiefreiverfügbarenCashflowsfürdasEigenkapital(FCEK)indennächsten4
Jahren?

Lösungzu1
Die Finanzplanung (Gewinn- und Verlustrechnung sowie Bilanz) für die nächsten 4 Jahre
lautetwiefolgt(inEUR):

Jahre 0 1 2 3 4
Gewinn- und Verlustrechnung
Umsatz 200.000 220.000 242.000 266.200
 Kosten der verkauften Produkte 80.000 88.000 96.800 106.480
 Betriebsaufwand 90.000 99.000 108.900 119.790
C Zinseinnahmen 1640 2043 2494 2993
D Ergebnis vor Steuern 31.640 35.043 38.794 42.923
 Steueraufwand 9492 10.513 11.638 12.877
D Ergebnis nach Steuern 22.148 24.530 27.156 30.046
Bilanz
Flüssige Mittel 82.000 102.148 124.678 149.634 177.260
C Nettoumlaufvermögen 18.000 20.000 22.000 24.200 26.620
D TotalAktiven 100.000 122.148 146.678 173.834 203.880
Fremdkapital 0 0 0 0 0
C Eigenkapital 100.000 122.148 146.678 173.834 203.880
D Total Passiven 100.000 122.148 146.678 173.834 203.880

DasUnternehmenschüttetkeineDividendenaus,sodassdasEigenkapitaljedesJahrum
dasversteuerteErgebniszunimmt.DasNettoumlaufvermögenmacht10%desUm-
2 0 6 Aktienanalyse

satzesaus.DieflüssigenMittelergebensichausderDifferenzzwischendenPassiven,dieaus
demEigenkapitalbestehen,unddemNettoumlaufvermögen.DieDeltaAGverfügtüberkein
Anlagevermögen. Die Zinseinnahmen resultieren aus den liquiden Mitteln zu Beginn der
PeriodemultipliziertmitdemZinssatzvon2%.

Lösungzu2
Der Aktienpreis beträgt zum Gründungszeitpunkt EUR 100 (D EUR 100:000=1000
Aktien). Das Ergebnis je Aktie liegt bei EUR 22,15 (D EUR 22:148=1000 Aktien).
Demnach beläuft sich das Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 4,51 (D EUR 100=
EUR 22;15).

Lösungzu3
Die frei verfügbaren Equity-Cashflows können für die nächsten 4 Jahre folgenderma- ßen
berechnetwerden(inEUR):

Jahre 1 2 3 4
Ergebnis nach Steuern 22.148 24.530 27.156 30.046
˙ Nicht zahlungswirksamer Aufwand = Ertrag 0 0 0 0
 Investitionen ins Nettoumlaufvermögen 2000 2000 2200 2420
 Investitionen ins Anlagevermögen 0 0 0 0
C Nettokreditzunahme 0 0 0 0
D FCEK 20.148 22.530 24.956 27.626

DasBeispielverdeutlicht,dassdieFinanzplanungPunktschätzungenderzukünftigen
ErgebnisseundderfreiverfügbarenCashflowsliefert.DaessichdabeiumgeschätzteGrößen
handelt,könnendiesewesentlichvondeninZukunftrealisiertenWertenab-weichen.Umdas
RisikovonAbweichungenzuquantifizieren,kannbeispielsweiseeineSzenarioanalyse
eingesetztwerden,beiderdieAnnahmendesBasisszenariosverändertwerden.Sokönnenbei
einemoptimistischerenSzenarioeinehöhereWachstumsratedesUmsatzesundniedrigere
Kostenunterstelltwerden.BeieinempessimistischerenSzenariohingegengehtmanvoneinem
niedrigerenUmsatzwachstumundhöherenKostenaus.

6.2.4 AuswahleinesgeeignetenBewertungsmodells

Der dritte Schritt im Bewertungsprozess besteht in der Auswahl des geeigneten Bewer-
tungsmodells. Dabei unterscheidet man unter der Prämisse der Unternehmensfortführung
zwischenabsolutenundrelativenBewertungsmodellen. 17
MitdenabsolutenVerfahrenlässtsichderinnereAktienwertbestimmen.Derermittel-te
innereAktienwertwirdmitdemMarktwertderAktieverglichen,umfestzustellen,ob

17
Für eine detaillierte Umschreibung der einzelnen Bewertungsmodelle vgl. Kap. 7 .
6.2 Fundamentalanalyse 2 1

dasPapierrichtigbewertetist.ZudenabsolutenBewertungsmodellenzählengrundsätz-lichdie
Cashflow-Modelle, die Wertschöpfungsmodelle und die Optionspreistheorie. Bei der
Anwendung der Bewertungsverfahren sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen.
Beispielsweise sind bei den Cashflow-Mode llen die Unsicherheiten bezüglich der erwar- teten
Cashflows und der Höhe de s Diskontsatzes zu beachten. Der Unsicherheit über die Höhe dieser
Bewertungsparameter kann mit einer Sensitivitätsanalyse begegnet werden, indem die
erwarteten Cashflows und der Diskontsatz variiert werden. Das Ergebnis der
Sensitivitätsanalyse ist eine Vielzahl von berechneten Aktienwerten, die innerhalb einer
Bandbreite zu liegen kommen. Mit dieser Analysemethode können diejenigen Variablen
identifiziertwerden,welchedieWertveränderungderAktieerheblichbeeinflussen.Zu-sätzlich
zurUnsicherheitderBewertungsparametersindauchanderebewertungsrelevanteAspektewie
etwa eine Kontrollprämie bei einer Mehrheitsbeteiligung und der Wert unge- nutzter
Vermögensanlagenzuberücksichtigen.

EinweiteresabsolutesBewertungsverfahrenstelltdievermögensbasierteBewertungbzw.
dieSubstanzwertmethodedar.BeidiesemVerfahrenwirdderUnternehmenswertmitden
geschätztenMarktwertenderAktivenoderanhanddervomUnternehmenkon-trollierten
Ressourcenbestimmt.ZumBeispielkannderUnternehmenswerteinesErdöl-produzentenmit
demMarktwertdersichinBesitzbefindendenErdölreservenabzüglichdergeschätzten
Extraktionskostenbestimmtwerden.DerMarktwertderErdölreservensetztsichausder
geschätztenErdölmenge,dieausdenReservengefördertwerdenkann,multipliziertmitdem
Erdölpreis,zusammen.

18

BeieinemrelativenBewertungsmodellhingegenwirdderWerteinerAnlagemitdemWert
eineranderenAnlage(bzw.Anlagen)verglichen.DieserBewertungsansatzberuhtaufdem
Grundsatz,dassvergleichbareVermögenswerteüberdenselbenPreisverfügen.MitPreis-oder
Wertmultiplikatorenkannsomitbeurteiltwerden,obdieAktie–imVer-gleichzuanderen
Anlagen–richtigbewertetist.Dabeiwirdvorausgesetzt,dassdieBenchmark-Anlagenrichtig
bewertetsind.RelativeBewertungsmodellekönneneinfachumgesetztwerdenundweisen
einenBezugzudenMarktpreisenauf.DarüberhinausstütztsichdasModellaufdasökonomisch
fundiertePrinzip,dassähnlicheVermögenswertezueinemähnlichenPreisgehandeltwerden.
Preis-undWertmultiplikatorensindunterdenMarktteilnehmernweitverbreitetundwerden
vonAnalystenzusammenmitdenabsolutenBewertungsverfahreneingesetzt,um
fehlbewerteteAnlagenzuidentifizieren.

EineAlternativezurBewertungdesUnternehmensalsGanzesist,dieWertederein-zelnen
vomUnternehmenunabhängigenGeschäftseinheitenunterderPrämissedesFort-
führungsprinzipszumessen.DieSummedergeschätztenWertederEinzelteile(Sumofthe
Parts)ergibtdenGesamtwert.BeieinemMischkonzern,dereineVielzahlvoneinander
unabhängigerGeschäftsbereichebetreibt,lässtsichbeimAktienpreishäufigeinKonglo-
meratsabschlagbeobachten.DabeiwirddieAktiedesMischkonzernsimVergleichzueinem
KonzernmiteinemengerenGeschäftsfokusaufdemMarktzueinemPreisabschlag

18
Unerschlossene Rohstoffreserven können mit der Optionspreistheorie bewertet werden. Vgl.
Mondello 2015 : Aktienbewertung: Theorie und Anwendungsbeispiele, S. 615 ff.
2 2 6 Aktienanalyse

gehandelt. Eine Korrektur dieses Preisabschlags kann auf dem Markt beobachtet werden, wenn
der Mischkonzern Geschäftseinheiten verkauft, die begrenzte Synergien zum Kern- geschäft
aufweisen. – Grundsätzlich kann das Management strategische Entscheidungen wie
beispielsweise eine Devestition oder ein en Spin-off (Abspaltung) treffen, wenn der
ZerschlagungswertdennichtadjustiertenFortführungswertdesUnternehmensüberschrei-tet.

WerdenbeiderAktienbewertungmehrereModelleeingesetzt,könnenneueErkennt-nisseüber
deninnerenAktienwertgewonnenwerden.AllgemeineKriterienbeiderMo-dellauswahlsind,dass
dieBewertungsverfahren

 mit den Charakteristiken des zu bewertenden Unternehmens konsistent sind,


 aufgrundderVerfügbarkeitundQualitätderDatenangemessensindund
 mit dem Bewertungszweck übereinstimmen.19

Ein gutes Verständnis des Unternehmensgeschäfts – also der erste Schritt des Bewer-
tungsprozesses – erleichtert die Auswahl eines Bewertungsmodells, das mit den Charak-
teristikendes Unternehmens in Einklang steht. Ein profundes Unternehmenswissen hilft unter
anderem zu verstehen, welches die Vermögenswerte sind, die zu einer Wertschöp- fung
beitragen. So etwa bestehen die Aktiven einer Bank mehrheitlich aus marktfähigen
Vermögenswerten und Wertpapieren, sodass eine relative Bewertung basierend auf den
Aktiven (z. B. Kurs-Buchwert-Verhältnis) eine größere Bedeutung als bei anderen Dienst-
leistungsunternehmenmitwenigermarktfähigenVermögenswertenhat.

20

BeiderModellauswahlistdieVerfügbarkeitundQualitätderDateneinwichtigerFaktor.
ZumBeispielkanneinDividendendiskontierungsmodellnichteingesetztwerden,wenndas
UnternehmenkeineDividendenausschüttetoderkeineBeziehungzwischenderProfitabilität
desUnternehmensundderDividendenausschüttungbesteht.IneinemsolchenFallist
beispielsweiseaufeinFree-Cash-Flow-to-Equity-Modellauszuweichen.Ähnliche
ÜberlegungenspielenauchbeirelativenBewertungsverfahreneineRolle.Soetwaistdie
AnwendungdesKurs-Gewinn-Verhältnissesnichtangemessen,wenndasUn-ternehmen
VerlusteausweistoderdieVolatilitätderGewinnehochist.

DerBewertungszweckübtebenfallseinenEinflussaufdieModellauswahlaus.Erwirbtein
InvestorlediglicheinenkleinenAnteilderausstehendenAktien,soverfügterüberkeine
EntscheidungsgewalthinsichtlichderAuszahlungfreiverfügbarerCashflowsdes
Unternehmens.AusderSichtvonMinderheitsaktionärenistdiePreisbestimmungderAk-tiemit
Dividendendiskontierungsmodellengerechtfertigt,weildieMinderheitsaktionäredie
DividendenpolitikdesUnternehmensnichtfestlegenbzw.diesenichtentscheidend
beeinflussenkönnen.BeiderPreisberechnungausderSichteinesMehrheitsaktionärshin-

19
Vgl. Pinto et al. 2010 : Equity Asset Valuation, S. 24.
20
BeieinerBankentsprechendieBuchwertederAktivenungefährdenMarktwerten,weildieAktiven
hauptsächlichausliquidenVermögenswertenbestehen.DemnachstelltdasKurs-Buchwert-Verhältnis
einangemessenesBewertungsverfahrendar,dasmitdenUnternehmenscharakteristikenkonsistentist.
6.2 Fundamentalanalyse 2 3

gegensindnichtdieDividendenrelevant,sonderndiefreiverfügbarenEquity-Cashflows,dader
Mehrheitsaktionär die Unternehmenskontrolle ausübt und somit über die Ausschüt-
tungspolitik bestimmt. Bei diesem Bewertungszw eck stellt ein Free-Cash-Flow-to-Equity-
ModelldasgeeigneteBewertungsverfahrendar.

6.2.5 UmwandlungvonPrognosenzumAktienwert

In diesem Schritt des Bewertungsprozesses werden die geschätzten Bewertungsparameter wie


etwa Cashflows, Wachstumsrate und Diskontsatz in das Bewertungsmodell eingege- ben, um
den inneren Aktienwert zu bestimmen. Bei der Umwandlung von prognostizierten Parametern
zu einer Bewertungsgröße sind Sensitivitätsanalysen und bewertungsbedingte Anpassungen
erforderlich.

BeieinerSensitivitätsanalysewirddieAuswirkungeinerVeränderungderPrognoseaufden
Aktienwertuntersucht.SokannmandieAnnahmenüberdasUnternehmens-wachstum
verändern,indemmandasgeschätzteUmsatz-undGewinnwachstumändert.Dieneuen
WachstumsratenwerdenindasBewertungsmodelleingegeben,umzuunter-suchen,wie
sensitivderAktienpreisaufdiegeändertenWachstumsratenreagiert.Dar-überhinauslässtsich
eineSensitivitätsanalyseanhandeinesverändertenIndustrie-oderWettbewerbsumfelds
durchführen.BeispielsweisekannmandieAuswirkungeinesneuenbedeutenden
KonkurrentenaufdenAktienwertanalysieren.DabeikannderAnalysteineBasisprognose
definieren,wiedasUnternehmenaufdenneuenWettbewerberreagiert–etwadurch
Preisnachlässe,ZunahmederWerbungundVeränderungderProdukteigen-schaften–unddie
AuswirkungdieserGegenmaßnahmenaufdieBewertungsparameterundsomitaufden
Aktienwertschätzen.

BewertungsbezogeneAnpassungenderprognostiziertenParametersindbeieinerkon-
trollierendenMehrheitsposition,einerfehlendenMarktfähigkeitundeinerMarktilliqui-dität
erforderlich.EinekontrollierendeMehrheitspositiondesInvestors–zumBeispieldurchden
Besitzvonmehrals50%derausstehendenAktien–ermöglichtdieKontrol-leüberdie
UnternehmensleitungsowieüberdiestrategischenEntscheidungenwieetwaInvestitionenund
dieAusgestaltungderKapitalstruktur.DieseKontrollmöglichkeitäu-ßertsichbeiderAktiein
einemPreisaufschlagbzw.einerKontrollprämie,diedurcheingenerischesBewertungsmodell
nichterfasstwird.DarüberhinauserwartendieInvesto-reneinehöhereRenditeentschädigung,
wenndieAktieaufdemMarktnichtgehandeltwird.DaherreflektierendieAktiennichtbör
sennotierterUnternehmenimVergleichzubörsengehandeltenPapiereneinenPreisabschlag,
derineinemBewertungsmodelleben-fallsnichtexplizitberücksichtigtwird.Schließlich
könnenauchbörsennotierteAktieninfolgeeinerunzulänglichenMarkttiefemiteinem
Liquiditätsabschlaggehandeltwerden.EinLiquiditätsabschlagerfolgtauch,wenneinim
VergleichzumHandelsvolumengroßesAktienpaket(nichteinekontrollierende
Mehrheitsposition)veräußertwird.DerrealisierteVerkaufspreisliegtunterhalbdes
MarktpreisesausdemVerkaufeinerkleinerenAnzahlAktien.
2 4 6 Aktienanalyse

6.2.6 AnwendungdesBewertungsergebnisses

DerZweckunddieAdressatenderBewertungkönnenvariieren.DiesichtbarsteGruppevon
AnalystenistmitdemVermittlungsgeschäftvonWertpapieren(Brokerage)verbun-den.Mit
demBrokeragekanndasFinanzinstitutKommissionenausdemKaufundVer-kaufvon
Wertpapierenerwirtschaften.DieAktienberichtewerdenweiträumiganaktuelleund
potentielleprivateundinstitutionelleBrokerage-Kundenverteilt.DieseSell-Side-oder
Brokerage-AnalystensindbeimFinanzinstitutangestelltundsomitnichtunabhän- 21

gig. Im Gegensatz dazu verfassen Buy-Side-Analysten Aktienberichte für Portfolioma-


nager oder für einen Anlageausschuss eines Finanzinstituts. Außerdem arbeiten Analysten
auch bei Unternehmen, um zum Beispiel zusammen mit Analysten von Investmentbanken
einen Akquisitionskandidaten zu identifizieren. Ferner bieten Analysten unabhängiger Fi-
nanzinformationsdienstleister Bewertungs informationen und Meinungen zu den öffentlich
verbreitetenAktienberichtenan.

ImAktienberichtwerdendiewichtigstenAnnahmenundErwartungenfürdieBestim-mung
desinnerenAktienwertsaufgeführt.DerBerichtbeinhaltetinderRegeleineAktua-lisierungder
finanziellenundbetrieblichenUnternehmensergebnisse,eineBeschreibungder
gegenwärtigenmakroökonomischenLageundderIndustriesowieeineAnalyseundPrognose
derIndustrieunddesUnternehmens.Darüberhinauswerdenfürdieeigent-licheBewertungdie
wichtigstenBewertungsparameter,dasBewertungsmodellunddiebewertungsrelevanten
qualitativenFaktorenbeschrieben.DieAnlageempfehlungbasiertbeiabsoluten
BewertungsmodellenaufeinemVergleichdesinnerenWertsmitdemMarkt-preisderAktie.
ÜberschreitetderinnereWertdengehandeltenPreis,soerscheintdasPapierunterbewertetund
eswirdeineKaufempfehlungverabschiedet.LiegthingegenderinnereWertunterdem
Marktpreis,soistdieAktieüberbewertetundesfolgteineVer-kaufsempfehlung.Damiteine
Kauf-oderVerkaufsempfehlungausgegebenwird,mussderinnereAktienwertumeine
bestimmteAnzahlanProzentpunktenvomgehandeltenMarktwertabweichen.DesWeiteren
mussderAnalystzwischeneinem„gutenUnterneh-men“undeiner„gutenAnlage“
unterscheidenkönnen.DieRenditeeinerAnlagehängtvombezahltenPreisab.Sind
beispielsweisedieUnternehmensprognosengutunddieAk-tiewirdzueinemPreisgehandelt,
derwesentlichüberdeminnerenWertliegt,handeltessichumeineschlechteKaufgelegenheit,
obwohldasUnternehmenattraktivist.Dahersindnichtdiegutenoderschlechten
UnternehmensprognosenfürdieAnlagerenditeent-scheidend,sonderndervorliegende
MarktpreisunddieentsprechendeAbweichungzuminnerenWert.

21
DasInteressevonWertpapierhäusernistes,dieGeschäftsbeziehungenzuihrenbörsennotiertenKunden
nichtzugefährden.Dasäußertsichdarin,dassdieZahlderVerkaufsempfehlungendeut-
lich geringer ist als die der Kaufempfehlungen. Bereits die Herabstufung eines Papiers von Strong Buy auf
BuykannvoneinigenMarktteilnehmernalsverstecktesVerkaufssignalinterpretiertwer-den.Investoren
müssen davon ausgehen, dass die Analysten nicht unabhängig sind. Daher sind die verschiedenen
Analystenmeinungen eingehend zu studieren und die plausibelsten Anlageempfeh- lungen
auszuwählen.
6.2 Fundamentalanalyse 2 5

EingutgeschriebenerAktienberichtkanneineschlechteAnalysenichtwettmachen.
Umgekehrtgiltauch,dasseinschlechtgeschriebenerAktienberichtdieGlaubwürdigkeiteiner
herausragendenAnalyseuntergräbt.DamiteinAktienberichteffektivist,mussdie-ser:
22

 Zeitgerechte Informationen beinhalten,


 eine klare und prägnante Sprache aufweisen,
 objektiv und gut recherchiert sein,
 klar zwischen Fakten und Meinungen unterscheiden,
 konsistent hinsichtlich Analyse, Pr ognose, Bewertung und Empfehlung sein,
 genügend Informationen bei nhalten und so dem Leser eine Kritik der Bewertung er-
möglichen,
 die wichtigsten Risikofaktoren eines Aktienerwerbs aufführen,
 potentielle Interessenkonflikte des Analysten offenlegen.

Abb. 6.4 zeigt das Format des Aktienberichts, das aus dem Aufbau des Berichts, einer
ZusammenfassungundderAnlageentscheidung,einerUnternehmenszusammenfassung,den
Risiken, der Bewertung und aus historischen und Pro-Forma-Tabellen besteht. Der Abschnitt
mit der Zusammenfassung und Anlageentscheidung beschreibt die wichtigsten jüngsten
Entwicklungen,diePrognosedesErgebnisses,eineZusammenfassungderBe-wertungunddie
Anlageempfehlung. Die Unternehmenszusammenfassung beinhaltet eine Industrie- und
Wettbewerbsanalyse, die historische Performance und die finanziellen Vor- hersagen. Der
Abschnitt über die Risiken zeigt mögliche negative Entwicklungen der In- dustrie, der
regulatorischen Rahmenbedingungen und des Unternehmens, die Unsicherheit bei den
geschätzten Bewertungsparametern und weitere Risiken. Der Bewertungsabschnitt umfasst
die Beschreibung der verwendeten Bewertungsmodelle, eine Zusammenfassung der
BewertungsparameterunddieAnlageempfehlung.

AnalystenverbreitenUnternehmensinformationenundempfehlendenMarktteilneh-mern
denKaufoderVerkaufeinerAnlage.DasichdieEmpfehlungenaufeinebreiteundfundierte
Analysestützen,tragensiezurEffizienzderFinanzmärktebei.DieÜbernah-medieser
Anlageempfehlungenführtdazu,dassdieAnlagepreisedenzugrundeliegenden
fundamentalenWertwiderspiegeln.
23
AußerdemüberwachendieAnalystendiePerfor-
mancedesManagementsundhelfenso,dieEntscheidungendesManagementsbesserden
Interessen der Eigentümer anzugleichen.

22
Vgl. Pinto et al. 2010 : Equity Asset Valuation, S. 29.
23
EineStudievonGleasonet.al(2013)überdieQualitätdervonSell-Side-Aktienanalystenangegebenen
AktienpreisegelangtzudemSchluss,dassdiePerformancedesveröffentlichtenAk-tienrichtpreises
davonabhängt,wieakkuratdieGewinnprognosengeschätztwordensind.Darüberhinausspielenfürdie
QualitätdesermitteltenAktienwertsauchdieverwendetenBewertungsmodel-leeineRolle.Einebessere
ÜbereinstimmungmitdemEx-post-AktienwertkonntebeiBerechnungenmitdem
Residualgewinnmodellfestgestelltwerden.DasKurs-Gewinn-Wachstums-Verhältnishin-gegenführt
zuschlechterenPreisschätzungen.Vgl.Gleasonetal. 2013:ValuationModelUseandthePriceTarget
PerformanceofSell-SideEquityAnalysts,S.112.
2 6 6 Aktienanalyse

Format des Aktienberichts

• Aufbau des Berichts


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung und • Kommunikation des Gesamtergebnisses


Anlageentscheidung und der wichtigen Analyseergebnisse
• Handlungsempfehlung

Zusammenfassung des • Aufzeigen der Wirtschaftlichkeit und der


Unternehmens aktuellen Unternehmenssituation
• Erklären von spezifischen Prognosen

• Aufzeigen von Risikofaktoren, die bei


Risiken
einer Anlagetätigkeit auftreten

• Kommunikation einer klaren und über-


Bewertung
dachten Bewertung

historische und • Darstellung von Daten, um die Analyse


im Abschnitt Unternehmenszusammen-
Pro-Forma-Tabellen fassung zu unterstützen

Abb.6.4 Format des Aktienberichts (Quelle: In Anlehnung an Pinto et al. 2010 : Equity Asset
Valuation, S. 31 ff.)

6.3 ErwartetesAlpha

Das erwartete Alpha (Ex-ante-Alpha) einer Aktie i lässt sich für eine Periode t folgender- maßen
bestimmen: 24

’i;t D ri;t  E .ri;t / ; (6.1)

wobei:

’i;t D erwartetes Alpha der Aktie i für die Periode t,


ri;t D erwarteteRenditederAktieifürdiePeriodet,
E .ri;t / D erwartete (geforderte) CAPM-Rendite der Aktie i für die Periode t.

Abb. 6.5 zeigt die einzelnen Komponenten, die für die Berechnung des erwarteten Alphas
erforderlichsind.DabeiwirdderPreisderAktieiamEndederPeriodet(alsoP i;t ) anhand

24
DasAlphaistauchalsJensen’sAlphabekannt.Vgl.hierzuJensen 1968:ThePerformanceofMutual
FundsinthePeriod1945–1964,S.397.DasAlphalässtsichauchmiteinemMultifakto-
renmodell wie etwa dem Fama/French-Modell berechnen (vgl. Abschn. 5.6.2 ), was im Vergleich zum
CAPM den Vorteil hat, dass die geforderte Kapitalmarktrendite mit mehreren Risikofaktoren bestimmt
wird.
6.3 ErwartetesAlpha 2 7

erwartetes Alpha = erwartete Rendite – erwartete CAPM-Rendite

ri,t =
Pi,t − Pi, 0 Divi,t E(ri ) = rF + [E(rM ) − rF ] βi
+
Pi , 0 Pi, 0

Fundamentalanalyse
unter Einbezug von
Bewertungsmodellen

Abb.6.5 Berechnungsweise des erwarteten Alphas

der Fundamentalanalyse unter Einbezug von Bewertungsmodellen geschätzt. Das Alpha ist
null bzw. die Aktie ist richtig bewertet (Aktienpreis und innerer Wert stimmen über- ein), wenn
die erwartete und die geforderte Rendite gleich groß sind. Bei einem Alpha größer als null istdie
Aktie unterbewertet. In diesem Fall liegt die erwartete Rendite über der CAPM-Rendite bzw. ist
der gehandelte Aktienpreis im Vergleich zum inneren Wert niedriger. Ein negatives Alpha
hingegen impliziert, dass das Wertpapier überbewertet ist. Der Aktienkurs ist verglichen mit
deminnerenWertzuhoch.
25

Beispiel
Innerer Wert und Ex-ante-Alpha der Aktie der Linde AG
Ein Aktienanalyst hat die folgenden Infor mationen für die börsennotierte Aktie der Linde
AG(Branche:Roh-,Hilfs-undBetriebsstoffe)zusammengetragen:

 Der Schlusskurs der Linde-Aktie am 28. Juni 2013 beträgt EUR 143,50. Der vom
AnalystenberechneteinnereWertistEUR155.
 Die jährlich erwartete Dividende je Aktie ist EUR 2,70. Das
 (adjustierte)Betabeläuftsichauf0,833.
 Der1-jährigerisikoloseZinssatzliegtbei0,6%unddiegeschätzteMarktrisikoprä-miefür
dendeutschenAktienmarktbeträgt5,2%.

Der Analyst geht davon aus, dass über einen Zeitraum von 1 Jahr die Fehlbewertung auf dem
Markt korrigiert wird. Er schätzt aufgrund einer Wachstumsrate von 2,542 % einen inneren
WertderLinde-AktievonEUR158,94(
D EUR 1551;02542) in 1 Jahr.
Es sind die folgenden Fragen zu beantworten:

1. Ist die Linde-Aktie richtig bewertet?


2. Wie hoch ist das erwartete Alpha der Linde-Aktie? (Annahme: Die Einnahmen aus den
wiederangelegtenDividendensindnichtzuberücksichtigen.)

25
Vgl. Abschn. 4.4.4 .
2 6 Aktienanalyse

Lösungzu1
Für den Aktienanalysten ist die Linde-Aktie unterbewertet, da der innere Wert von EUR 155
überdemAktienkursvonEUR143,50liegt.

Lösungzu2
Zum einen gleicht sich über einen Zeitraum von 1 Jahr der Aktienkurs dem heuti- gen inneren
Wert von EUR 155 an und zum anderen erfolgt aufgrund des unterstellten Wachstums von
2,542 % eine Zunahme des Aktienkurses auf EUR 158,94. Die vom Analysten erwartete
Renditekanndemnachwiefolgtberechnetwerden:

.EUR 158;94  EUR 143;50/ C EUR 2;70


rt D D 12;641 % :
EUR 143;50

Gemäß CAPM ergibt sich für die Aktie eine erwartete Rendite von 4,932 %:

E .rt / D 0;6 % C 5;2 %  0;833 D 4;932 % :

Das Ex-ante-Alpha ist positiv und liegt bei 7,709 % (D 12;641 %  4;932 %). Ein
positives Alpha bedeutet, dass die Aktie unterbewertet ist.

WeichtderAktienpreisvominnerenWertab,kannmanerwarten,dasseinePreisanglei-chungzum
innerenWerterfolgt.Allerdingsweißmanheutenicht,wanndiePreiskorrekturaufdemMarkt
stattfindet.Daskannin1Tag,in1Woche,in1Monat,in1JahroderinmehrerenJahrengeschehen.Gehtman
davonaus,dasseinePreisangleichungindernächstenAnlageperiodestattfindet,setztsichdie
erwarteteRenditedesInvestorsausdenfolgendenzweiKomponentenzusammen:

 Geforderte risikogerechte Rendite (z. B. mit dem CAPM berechnet) und erwartete
 RenditeaufgrunddererwartetenPreisangleichung(Ex-ante-Alpha).

Demnach lässt sich die vom Analysten erwartete Anlagerendite für die Periode t annähe-
rungsweise wie folgt bestimmen (Annahme: Die Preisangleichung erfolgt am Ende der
Anlageperiode):
IW0  P0
rt  E .rt / C (6.2)
P0
wobei:

E .rt / D geforderte Rendite basierend auf einem Finanzmarktmodell (z. B. CAPM) für die
Periode t,
IW0 D innerer Wert zum Zeitpunkt 0 (zu Beginn der Periode t), Preis
P0 D derAktiezumZeitpunkt0(zuBeginnderPeriodet).
6.4 TechnischeAnalyse 2 9

Im vorangegangenen Beispiel beträgt die gemäß CAPM erwartete Rendite der Linde- Aktie
4,932 %. Der Aktienpreis der Linde AG liegt bei EUR 143,50, während der
innereWertaufEUR155geschätztwird.Gehtmandavonaus,dassderAktienpreisingenau1Jahr
zuminnerenWertvonEUR155konvergiert,ergibtsicheinEx-ante-Alpha
bzw. eine erwartete Rendite aufgrund der Preisangleichung von 8,014 % (D
EUR 155=EUR 143;50  1). Folglich entspricht die erwartete Rendite in 1 Jahr 12,946 %
(D 4;932 % C 8;014 %), was der im vorangegangenen Beispiel berechneten erwarteten
Rendite von 12,641 % relativ nahekommt. Nimmt man anstatt des CAPM die Wachstums-
rate des Aktienpreises von 2,542 % und die erwartete Dividendenrendite von 1,882 % (
D EUR EUR 143;50),soergibtsicheinegeforderteRenditevon4,424%,waszu2;70=
einer erwarteten jährlichen Rendite von 12,438 % (D 4;424 % C 8;014 %) führt.
Erwartet der Investor, dass die Preisangleichung zum inneren Wert von EUR 155 in 6
Monaten erfolgt, beträgt das Ex-ante-Alpha 8,014 %. Um die 6-monatige Anlagerendite zu
bestimmen, muss die gemäß dem CAPM jährliche erwartete Rendite von 4,932 % in ei- ne
halbjährlicheRenditegrößevon2,436%[
D .1;04932/0;5 1] umgerechnet werden. Die
für 6 Monate erwartete Anlagerendite liegt demnach bei 10,45 % (D 2;436 % C 8;014 %),
was zu einer annualisierten 6-monatigen Anlagerendite von 21,992 % [ D .1;1045/2  1]
führt. Konvergiert hingegen der Aktienpreis zum inneren Wert in 2 Jahren, ergibt sich eine
2-jährige erwartete Anlagerendite von 18,121 % [D ..1;04932/2  1/ C 8;014 %]. Wird die
2-jährige Rendite von 18,121 % für Vergleichszwecke in eine 1-jährige Anlagerendite um-
gerechnet, erhält man 8,683 %. Konvergiert der Aktienpreis in 1 Jahr zum inneren Wert, beträgt
die erwartete Rendite 12,946 %. Findet die Preisanpassung in 6 Monaten bzw. in 2 Jahren statt,
resultiert daraus eine höhere er wartete Rendite von 21,992 % pro Jahr re- spektive eine
niedrigere erwartete Rendite von 8,683 % pro Jahr. Demzufolge beeinflusst die Dauer der
Preisangleichung die erwartete Rendite. Je schneller die Preisanpassung zum inneren Wert
erfolgt, desto höher ist die erwartete Anlagerendite. Folglich kann der Erfolg einer aktiven
Anlagestrategiewiefolgtzusammengefasstwerden:

 Das Bewertungsmodell muss einen genauen inneren Wert generieren und


 der Marktwert muss sich nach dem Erkennen der Fehlbewertung rasch dem inneren Wert
angleichen.

6.4 TechnischeAnalyse

6.4.1 Grundlagen

Bei der technischen Analyse werden Aktien anhand von Preisen und dem Handelsvolu- men
untersucht. Umdie Entscheidungsfindung(Kauf oderVerkauf)zu erleichtern, werden in einem
zweidimensionalen Diagramm jeweils die Preise und das Handelsvolumen auf der Y-Achse
unddieZeitaufderX-Achseabgetragen.DabeimussderHandelinei-nemfreienMarkterfolgen,
beidemkaufwilligeKäuferundverkaufswilligeVerkäufer
290 6 Aktienanalyse

ohne externe Eingriffe oder Behinderungen die Aktien erwerben respektive veräußern können.
Die auf dem Markt gehandelten Preise ergeben sich in Echtzeit aus der Interak- tion zwischen
AngebotundNachfrage.DietechnischeAnalyseberuhtaufdenfolgendenGrundsätzen:

 Die Aktienpreise werden durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Alle Informationen für
dieKursprognosesindbereitsimAktienkursenthalten.
 VeränderungendesAngebotsundderNachfragehabenAktienpreisänderungenzurFolge,wobei
bestimmtePreismusterwiederkehrendsind.
 Die Aktienpreise lassen sich mit Chartbildern und -mustern sowie mit anderen techni- schen
Werkzeugenprognostizieren.

Aktien können mithilfe der technischen Analyse ohne detailliertes Wissen über die Fun-
damentaldaten des Unternehmens beurteilt werden. In einem freien Markt ohne externe
Eingriffe und Behinderungen muss der Analyst nicht einmal den Namender Aktie ken- nen, um
seineAnalysedurchführenzukönnen.
26
Darüberhinauskanndietechnische
AnalysefürjedenbeliebigenZeithorizontangewandtwerden.DieTrendbestimmunger-folgt
anhandkurz-bislangfristigerPreisbewegungen.
DieAktienbeurteilungmitderFundamentalanalyseistsehrzeitintensiv,sodassMarkt-
akteuremitwenigZeitfürdieAnlageentscheidung,wieetwaHändler,eherdietechnische
Analysebevorzugen.VielfachwirddieFundamentalanalysemitdertechnischenAnalyse
kombiniert.DabeiwirdmitderFundamentalanalysedieAnlageausgewählt(Titelselek-tion),
indemderinnereWertberechnetundanschließendmitdemMarktwertverglichenwird.Nach
erfolgterTitelauswahlwirddietechnischeAnalyseeingesetzt,umdenZeit-punkt(Timing)des
Aktienkaufsbzw.-verkaufszubestimmen.
27
Abb. 6.6 zeigt die Anla-
geentscheidung mit der Fundamentalanalyse und der technischen Analyse.
DieFundamentalanalysegehtvoneffizientenMärktenundvonweitestgehendratio-nalen
Marktteilnehmernaus,währenddietechnischeAnalysedasirrationaleVerhaltender
MarktakteureindenVordergrundstellt.DieMenschenhandelnoftmalsirrationalundemotional
undsietendierendazu,sichinähnlichenSituationengleichzuverhalten.Diesesirrationale
menschlicheVerhaltenspiegeltsichinMarkttrendsund-musternwider,dievondertechnischen
Analyseaufgenommenwerden,umdenzukünftigenAktienkursverlaufzuprognostizieren.Die
technischeAnalyseprofitiertsovomgesamtenWissensspektrumderMarktakteureundvon
derenkollektiverKauf-undVerkaufsentscheidung.DesWeiterenbestimmtderHandeldas
VolumenunddenPreisundnimmtvielfachdiefundamentaleEntwicklungkorrektvorweg.

26
Im Gegensatz zur Fundamentalanalyse stehen für die technische Analyse viel mehr Daten
kostenlos im Internet zur Verfügung. Daten zu den Kursen und Handelsvolumen sowie zu den
dazugehörenden technischen Indikatoren werden von Internetbanken kostenlos angeboten. Zu den
bekanntestendeutschenMarktadressenzählenonvista,Maxblue,Forexundcomdirect.
27
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 628.
6.4 TechnischeAnalyse 291

Wertpapieranalyse

Fundamentalanalyse technische Analyse


(Aktienauswahl) (Zeitpunkt Kauf/Verkauf)

Bewertungsprozess: Analyse von:


• Verständnis • Chartbild
Unternehmensgeschäft • Trend
• Prognose Unternehmens- • Formationen
performance • Technische Indikatoren
• Auswahl Bewertungsmodell • Zyklen
• Berechnung innerer Wert Ziel: Timing
Ziel: Selektion

Anlageentscheidung (Kauf, Verkauf oder Halten)

Abb.6.6 Anlageentscheidung mit der Fundamentalanalyse und der technischen Analyse

BeieinigenFinanzinstrumentenfallenCashflowsan.SozumBeispielwerdenbeieiner
festverzinslichenAnleiheKuponsundderNominalwertundbeiAktienDividendenaus-
bezahlt,mitdenenderinnereWertderWertpapieredurchdasDiskontierendererwarteten
CashflowsmitdergefordertenrisikoadäquatenRenditeermitteltwird.Demgegenüberbe-
sitzenandereVermögenswertewieWeizen,ErdölundGoldkeineCashflows,sodassein
BewertungsmodellfürdieBerechnungdesinnerenWertsnichteingesetztwerdenkann.Für
solcheVermögenswertekannlediglichdietechnischeAnalyseverwendetwerden.Folglich
wirddieFundamentalanalysevorwiegendbeiAnleihenundAktienunddietech-nische
AnalysebeiRohstoffenundWährungenbenutzt.

6.4.2 WerkzeugedertechnischenAnalyse

6.4.2.1 Übersicht
Die am meisten verbreiteten Werkzeuge der technischen Analyse sind Chartbilder und In-
dikatoren. Bei Chartbildern handelt es sich um eine graphische Darstellung, bei der auf der
Y-Achse der Aktienpreis und das Handelsvolumen und auf der X-Achse die Zeit abgetra- gen
werden. Abb. 6.7 zeigt die Kursentwicklung der Daimler-Aktie vom 24. August 2013 bis 24.
August2016.DerÜbergangvomChartbildzurAnlageentscheidungerfolgtmitdemEintragdes
200-Tage-gleitenden-Durchs chnitts (berechnet als arithmetisches Mit- tel aus den
vergangenen200Tageskursen)unddensichdarausergebendenKauf-und
292 6 Aktienanalyse

(Aktienpreis
Tageskurse in EUR)
90

200-Tage-gleitender- 80
Durchschnitt

70

60

Verkaufssignal
50
Kaufsignal
1,5 (Handels-
volumen
0 in Mio.
Dez 13 Apr 14 Aug 14 Dez 14 Apr 15 Aug 15 Dez 15 Apr 16
Stück)
(Zeitperiode)

Abb.6.7 Kursentwicklung der Daimler-Aktie vom 24. August 2013 bis 24. August 2016 (Quel-
le: www.onvista.d e )

Verkaufssignalen.28 WiedasBeispielderDaimler-AktiemitdemChartbildunddemglei-tenden
Durchschnittillustriert,werdendieChartbilderaufetwaigeTrends,Musterund
Zyklen untersucht. Die Zielsetzung besteht darin, eine Kauf- oder Verkaufsentscheidung
anhand desChartbildsunddesgefundenen T rends, Musters oder Zyklus treffenzu kön- nen. Mit
den technischen Indikatoren können die Informationen, die aus den Chartbildern hervorgehen,
ergänzt werden. Sie werden f ür die Prognose des Preistrends eingesetzt und beziehen sich auf
Preis, Marktstimmung und erwartete Geldströme, die Veränderungen des Angebots und der
NachfragezurFolgehaben.

DasHandelsvolumenisteinewichtigeGröße,dievielfachamunterenEndedesChart-bilds
aufgeführtwird.Eswirdbenutzt,umdiePreiseinschätzungderKäuferundVerkäu-ferzu
beurteilen.SoistinAbb. 6.7unterdenTageskursendastäglicheHandelsvolumender
Daimler-Aktieabgetragen.SteigenwährendeinerbestimmtenZeitdauersowohldas
HandelsvolumenalsauchderAktienpreis,wirddiesalspositivesZeichengewertet,weilsichdie
beidenIndikatorengegenseitigbestätigen.SomitkaufenimmermehrInvestorendieAktie,und
zwarzueinemimmerhöherenPreis.KlaffenhingegenderAktienpreisunddasHandelsvolumen
auseinander,alsonehmenbeispielsweisederAktienpreiszuunddas

28
HierbeihandeltessichumeinesimpleCharttheorie.ErfährtdieAktieeinenPreisabwärtstrend,kommt
dergleitendeDurchschnittüberdemAktienkurszuliegen.InfolgedesAbwärtstrendsistdas
Beteiligungspapier zu verkaufen. Bei einem Preisaufwärtstrend hingegen befindet sich der gleitende
DurchschnittunterdemAktienkurs.UmvomAufwärtstrendprofitierenzukönnen,istdieAktiezukaufen.
6.4 TechnischeAnalyse 293

Handelsvolumenab,sokaufenimmerwenigerMarktakteuredasPapierzueinemhöherenPreis.
DauertdieserfallendeVolumentrendan,wirdderständigePreisanstieginfolgedermangelnden
NachfragebaldeinEndehaben.
BeiderKonstruktionderChartbilderkönnenfürdiePreiseunddasHandelsvolumen
verschiedeneZeitintervallewieetwaTageoderWocheneingesetztwerden.Beimkurzfris-tigen
HandelsgeschäftkönnenChartbilderaufMinutenbasisoderkürzererstelltwerden,währendbei
einerlangfristigenAnlagetätigkeitdieZeitintervalleausWochen,MonatenoderJahren
bestehenkönnen.WirddasChartbildmitPreisenauslangfristigenZeitabstän-den(z.B.
wöchentlich)gezeichnet,liegenimVergleichzukurzfristigenZeitintervallen(z.B.täglich)
wenigerDatenpunktevor,sodasseinlängererZeitraumbetrachtetwerdenkann.Andererseits
könnenmitkürzerenZeitabständenmehrDetailserkanntwerden.Vie-leAnalystenerstellen
zunächsteinChartbildmitlängerenZeitabständen(z.B.WochenoderMonate),bevorPreis-und
VolumenbildermitkürzerenZeitintervallen(z.B.TageoderStunden)zurAnwendung
gelangen.

6.4.2.2 Trendanalyse
DieTrendanalysebasiertaufderBeobachtung,dassMarktteilnehmerdazutendieren,sichgleich
wiedieMassezuverhalten,unddassTrendsfüreinebestimmteZeitbestehenbleiben.
29
EineAktiekanneinenAufwärts-,Abwärts-oderSeitwärtstrendoderkeinen
erkennbarenTrenddurchlaufen.
EinAufwärtstrendfindetstatt,wennderPreisverlaufderAktiedurchhöhereHöchst-stände
undhöhereTiefstständegekennzeichnetist.NimmtderAktienkurszu,soistjedernachfolgende
Höchststandgrößeralsdervorangegangene,wobeizwischendenbeidenPreispunkteneine
UmkehrderPreisbewegungerfolgt,beiderderPreisrückganganei-nemhöherenTiefststandals
zuvorendet.DieAufwärtstrendlinielässtsichimChartbildeintragen,indemeineTrendlinie
entlangderTiefstständederPreiskurvegezogenwird.DurchbrichtdiePreiskurvedieTrendlinie
vonobennachuntenundliegtderneueAktien-kurszumBeispiel5%bis10%unterhalbdes
PreisesanderTrendlinie,sostelltdieseinenHinweisdar,dassderAufwärtstrendvorbeiistund
derAktienkursfallenwird.BeieinemgeringenDurchschlag(z.B.wenigerals5%),derkeine
eigentlicheTrendumkehrsignali-siert,kanndieTrendlinieimChartbildeinfachangepasst
werden.IneinemAufwärtstrendübersteigtdieNachfragedasAngebot,sodassdie
Marktteilnehmerbereitsind,immerhö-herePreisefürdieAktiezubezahlen.DiesesVerhalten
lässtsichdamiterklären,dassdieMarktteilnehmervoneinemAnsteigendesinneren
Aktienwertsausgehen.Abb. 6.8zeigtdieTrendanalysederDaimler-Aktie.Die
AufwärtstrendliniemitBeginnDezember2011wirdAnfangJanuar2016durchbrochen,was
sichintendenziellzurückgehendenAktienkursenäußert.

BeieinemAbwärtstrendübersteigtdasAngebotdieNachfrage.DerPreisverlaufderAktieist
durchniedrigereTiefstpreiseundniedrigereHöchstpreisegekennzeichnet.Dabei

29
Vgl. Heese und Riedel 2016 : Fundamentalanalyse versus Chartanalyse. Methoden der Aktienbe-
wertung im Vergleich, S. 128 ff.
294 6 Aktienanalyse

90 (Aktien-
Wochenkurse
preis
80 in EUR)

70

60

50

40
Trendlinie
30
3 (Handels-
volumen
0 in Mio.
Dez 11 Jun 12 Dez 13 Jun 13 Dez 13 Jun 14 Dez 14 Jun 15 Dez 15 Jun 16 Stück)

(Zeitperiode)

Abb.6.8 Trendanalyse: Kursentwicklung der Daimler-Aktie vom 24. August 2011 bis 24. August
2016 (Quelle: www.onvista.d e )

fällt jeder Höchststand kleiner aus als der vorangegangene Höchststand. Bei der Preisum- kehr
zwischen den beiden Höchstständen resultiert im Vergleich zur vorangegangenen Umkehr ein
niedrigerer Tiefststand. Um eine Abwärtstrendlinie zu zeichnen, sind die Höchststände der
Preiskurve miteinander zu v erbinden. Der Abwärtstrend wird durchbro- chen, wenn die
PreiskurvedieTrendlinievonuntennachobendurchbricht.DabeimussderAktienkursdenPreis
an der Trendlinie zum Beispiel um 5 % bis 10 % überschreiten. Ein solcher Durchschlag stellt
einen Hinweis dar, dass der Abwärtstrend beendet ist und sich der Aktienkurs erholen wird. Je
längerderAktienkursüberderTrendlinieliegt,destobedeutenderistderDurchbruch.

Der Preis einer Aktie kann sich auch seitwärts ohne große Auf- und Abwärts-
schwankungen bewegen. Ein solcher Preisverlauf deutet auf ein Gleichgewicht zwi-
schen Angebot und Nachfrage hin. Da kein Preistrend vorliegt, können mit Long- und
Short-Aktienpositionen keine Ge winne erzielt werden. Kurzfri stig ausgerichtete Markt-
teilnehmer können einen solchen Preisverlauf mit Optionsstrategien (z. B. Short Straddle)
ausnutzen.
30

30
Bei einem Short Straddle werden Calls und Puts mit gleicher Laufzeit, Basiswert und Aus- D
übungspreis verkauft. Enden die Optionen am Geld (Aktienkurs Ausübungspreis),erzieltman
denmaximalmöglichenGewinn,dersichausdenerhaltenenOptionsprämienausdemVerkaufderCall-
undPut-Optionenzusammensetzt.AufgrundderShort-Optionspositionenbestehteinerhebli-ches
Verlustrisiko.DieStrategiewirdüblicherweisebeieinerniedrigenVolatilitätderAktienpreise
angewandt.
6.4 TechnischeAnalyse 295

(Indexstand)
Tageskurse 12.000

11.000
Widerstandslinie

10.000

9000
Unterstützungslinie

400 (Handels-
200 volumen
0 in Mio.
Dez 13 Apr 14 Aug 14 Dez 14 Apr 15 Aug 15 Dez 15 Apr 16 Aug 16
Stück)
(Zeitperiode)

Abb.6.9 Kursentwicklung des DAX vom 25. August 2013 bis 25. August 2016 (Quelle: www.
onvista.de )

UnterstützungslinieundWiderstandsliniehängenmitdemKonzeptderTrendanalyse
zusammen.BeiderUnterstützungsliniehandeltessichumeinenniedrigenPreisbereich,beidem
dieKaufaktivitätderMarktteilnehmergenügendgroßist,damitderPreisrück-gangaufgehalten
werdenkann.ImGegensatzdazustelltdieWiderstandslinieeinenhohenPreisbereichdar,bei
demdieAktienverkäufesohochsind,dassderPreisanstiegderAktiegestopptwird.Diese
PreisbegrenzungenspiegelndenkollektivenKonsensderMarktak-teureüberdieHöhedes
Aktienpreiseswider.DieUnterstützungs-undWiderstandslinienkönnenausaufwärts-oder
abwärtsgeneigtenLinien(gleichwiedieTrendlinie)oderaushorizontalenLinienbestehen.

EinwichtigerGrundsatzbeiderBestimmungderUnterstützungs-undWiderstandslinieist
dersogenannteWechseldesPolaritätsprinzips.WirddieUnterstützungslinie(Wider-
standslinie)dauerhaftdurchbrochen,wirdsiezueinerWiderstandslinie(Unterstützungs-
linie).SteigtzumBeispielderPreiseinerAktieübereinelangeZeitperiodenichtüberEUR100
undfälltderAktienkursjedesMal,unmittelbarbevordiesesPreisniveauer-reichtwird,soliegt
eineWiderstandslinievor.ErfolgteinKursanstiegaufEUR115,wirddieWiderstandslinievon
EUR100um15%durchbrochen.BleibtdashoheKursniveaubestehen,wirddie
WiderstandsliniezueinerUnterstützungslinie.

FälltderAktienkursaufdasUnterstützungsniveau,wirddasPapiervondenMarkt-akteuren
alsattraktiveingestuft,obwohleinPreisrückgangstattgefundenhat.SteigtderAktienkurs
hingegenaufdasWiderstandsniveau,wirddasBeteiligungspapiertrotzPreis-anstiegverkauft.
DiesePreisgrenzenwerdenüblicherweisealsganzeZahlendefiniertund
296 6 Aktienanalyse

unterliegen einer subjektiven Einschätzung. Abb. 6.9 zeigt den Verlauf des DAX vom 25.
August 2013 bis 25. August 2016. Ab Mitte Januar 2015 durchschlug der DAX die
psychologische Marke von 10.000 Punkten, die bis zu diesem Zeitpunkt als Widerstands- linie
galt. In den darauffolgenden Monaten arbeitete sich der DAX bisam 10. April 2015 auf einen
Höchststand von 12.374 Punkten hoch, bis der Aktienindex am 17.September 2015 mit einem
Punktestand von 9916 erstmals wieder die neue Unterstützungslinie von 10.000 Punkten von
oben nach unten durchbrach. Ein zweiter Durchbruch erfolgte ab dem 16. Oktober 2015, der bis
zum 8. Januar 2016 dauerte. Vom 13. Juli bis zum 25. August 2016lag der DAX wieder über der
psychologischen Marke von 10.000 Punkten, die für diesen Zeitraum als Unterstützungslinie
betrachtetwerdenkann.

6.4.2.3 Chartmuster(Formationen)
BeieinemChartmusterhandeltessichumeineFormation,diesichineinemPreischartdurcheine
erkennbare Form manifestiert. Verbreitete Muster treten wiederholt auf und führen oftmals zu
ähnlichennachfolgendenPreisbewegungen.IndertechnischenAnalysesinddasErkennenund
die Analyse von Chart mustern eine gängige Methode, um Preise zu prognostizieren. Dabei
ergeben sich die Muster aus dem Verhalten der Marktteilnehmer und spiegeln eine graphische
Abbildung der kollektiven Marktpsychologie zu einem be- stimmten Zeitpunkt wider. Die
Voraussagekraft der Chartmuster basiert darauf, dass sich die Handelstätigkeit und
menschlicheVerhaltensweisenhäufigwiederholen.

ChartmustertreteninderFormvonUmkehrmusternundFortsetzungsmusternauf.Ein
UmkehrmustergibtdasEndeeinesTrendsan.DazugehörenKopf-undSchultermus-tersowie
doppelteunddreifacheKursspitzenundKursböden.Demgegenüberlässtsichmiteinem
FortsetzungsmusterdieWiederaufnahmeeinesMarkttrendserkennen,wieervorder
Formationstattgefundenhat.EntsprechendeerkennbareFormationenbestehenaus
dreieckigenundviereckigenMusternsowieausFlaggenundWimpeln.ImFolgen-denwerden
alsBeispieleinesMustersdieDreiecksformationenineinemChartbildnähererläutert.

31

DreiecksmusterleiteneinenFortführungstrendein.DieDreiecksformationenkönnen
ansteigend,absteigendodersymmetrischverlaufen.DieDreiecksformergibtsichausdem
fallendenAbstandzwischendenHöchst-undTiefstpreisen.Früherwurdesieals
Schraubenfederbezeichnet,weildiesebeimAufwickelnEnergiespeichert,dieabei-nem
bestimmtenPunktfreigesetztwird.BeieinemDreieckverbindeteineTrendliniedie
HöchstpreiseundeineandereTrendliniedieTiefstpreise.DasichderAbstandzwischenden
Höchst-undTiefstpreisenmitderZeitverringert,konvergierendiebeidenTrendlinien
gegeneinander,sodasseinDreiecksmusterentsteht.BeieinemChartbildmitTageskursenbildet
sicheineDreiecksformationübereineZeitspannevonmehrerenWochen.

31
Für eine Übersicht über Formationen vgl. z. B. Kestner 2003 : Quantitative Trading Strategies:
Harnessing the Power of Quantitative Techniques to Create a Winning Trading Program, S. 16 ff.
6.4 TechnischeAnalyse 297

(Aktienpreis)

Tageskurse

horizontale
Trendlinie

ansteigende
Trendlinie

(Zeitperiode)

Abb.6.10 Ansteigendes Dreieck

Abb.6.10zeigteinansteigendesDreieck.DieTrendliniebeidenHöchstpreisenver-läuft
horizontal,währenddiejenigebeidenTiefstpreiseneinemAufwärtstrendfolgt.Diehorizontale
Trendlinielässtsichdamiterklären,dassdieMarktakteureübereinenbe-stimmtenZeitraumdie
AktiezumgleichenHöchstpreisjeweilsverkaufenundsobeieinembestimmtenPreisniveaudie
Preisrallyaufhalten.DurchdenVerkaufsdruckgehtderAktienpreiszurück.Allerdingsendetd
erPreisrückgangjeweilsbeieinemhöherenTiefstpreis,bevorderPreiswiederzusteigen
beginnt,wasaufeinbullischesVerhaltenderMarktteilnehmerhinweistunddurchdie
ansteigendeTrendlinieinderAbbildungvi-sualisiertwird.DiehorizontaleTrendliniebeiden
HöchstpreisengibtdasPreisniveauan,beidemdieMarktakteureihreGewinnemitnehmen,weil
sieglauben,dassderinnereWertderAktiedurchdiesesPreisniveaugegebenist.Schließlichwird
diehorizontaleTrendlinievonuntennachobendurchbrochen,sodassderzwischenzeitlich
aufgehaltenePreisaufwärtstrendfortgesetztwird.DerneuePreistrendkanndamitbegründet
werden,dassderfundamentaleWertderAktiezunimmt.

Abb.6.11zeigteinabsteigendesDreieck,beidemjeweilsdiehorizontaleTrendli-niedurch
gleichhoheTiefstpreiseunddieabsteigendeTrendliniedurchzurückgehendeHöchstpreise
verlaufen.EinsolchesDreieckbildetsichineinemPreisabwärtstrend.Er-reichtderPreisdie
horizontaleTrendlinie,kaufendieMarktteilnehmerzudiesemTiefst-preisdieAktie,sodassder
Aktienkurswiederzusteigenbeginnt.AllerdingsendetderanschließendePreisanstiegbei
einemniedrigerenHöchstpreis.DiesePreisbewegungvongleichhohenTiefstpreisenund
immerweiterfallendenHöchstpreisenwirdbeieinem
29 6 Aktienanalyse

(Aktienpreis)
Tageskurse

absteigende
Trendlinie

horizontale
Trendlinie

(Zeitperiode)

Abb.6.11 Absteigendes Dreieck

Durchbruch der horizontalen Trendlinie von oben nach unten beendet, sodass der Preis-
abwärtstrendnachdemDreiecksmusterimChartbildfortgesetztwird.
Ein symmetrisches Dreiecksmuster ist dur ch eine ansteigende Trendlinie bei den
Tiefstpreisen und eine absteigende Trend linie bei den Höchstpreisen gegeben, wobei
die beiden Trendlinien im gleichen Winkel an- und absteigen. Diese Dreiecksformation gibt an,
dass Käufer zunehmend optimistischer (bullish) und Verkäufer entsprechend pessimistischer
(bearish) werden, sodass sie sich auf einen gemeinsamen Preispunkt hin bewegen. Da die
Verkäufer oftmals durch Marktteilnehmer mit Long-Aktienpositionen (und nicht mit
Short-Aktienpositionen, die bei einem Verkauf ausgebaut werden müssen) dominiert werden,
nimmt nach dem Abbau von deren Aktienbeständen der Verkaufsdruck ab, sodass der gleiche
Aktienpreisverlauf wie vor dem Dreiecksmuster fortgesetzt wird, der entweder ein Auf- oder
Abwärtstrendist.

6.4.2.4 TechnischeIndikatoren
In der technischen Analyse wird eine Vielzah l von technischen Indikatoren eingesetzt, welche
die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Studium der Chartbilder ergänzen. Mit- hilfe von
technischen Indikatoren können Preisänderungen prognostiziert werden. Sie stützen sich auf
Preise, Marktstimmung oder e rwartete Cashflows, die einen Einfluss auf das Angebot und die
Nachfrage nach Aktien haben. Nachfolgend werden preisbezogene Indikatoren,
Momentum-Oszillatoren, Marktstimmungsindikatore n und Flow-of-Funds- Indikatoren
beschrieben.
6.4 TechnischeAnalyse 299

PreisbezogeneIndikatoren
Preisbezogene Indikatoren beziehen sich auf a ktuelle und vergangene Preise. Nachfolgend
werdendergleitendeDurchschnittunddieBollinger-Bändervorgestellt.
EingleitenderDurchschnittstelltdenDurchschnittswertvonSchlusskursenübereinen
bestimmtenZeitraumdar.MitdieserGrößekönnendiekurzfristigenPreisfluktuationen
geglättetwerden,sodassderPreistrendbessererkanntwerdenkann.Vielfachwirdeineinfacher
odereinexponentiellgleitenderDurchschnittbeidertechnischenAnalyseein-gesetzt.Beider
BerechnungdeseinfachengleitendenDurchschnittswerdendieSchluss-kursezugleichen
Gewichtenberücksichtigt,währendbeiderErmittlungdesexponentiellgleitenden
DurchschnittsdieGewichtederSchlusskurseexponentiellabnehmen,jeältersiesind.Diefür
dieBestimmungdesgleitendenDurchschnittserforderlicheAnzahltägli-cherAktienkurse
hängtvomspezifischenVerwendungszweckab.Üblicherweisewirdeingleitender
Durchschnittmit20-oder60-täglichenSchlusskursenermittelt,wobeiimHan-delsgeschäft20
SchlusskurseeinemMonatentsprechen,während60SchlusskurserundeinQuartaldarstellen.
GleitendeDurchschnittekönnenimZusammenhangmiteinemPreistrendoderbeider
FestlegungvonUnterstützungs-undWiderstandslinienverwen-detwerden.

EinegleitendeDurchschnittslinieistwenigervolatilalsderPreisverlaufeinerAktie.Daher
isteswichtig,obderAktienkursüberoderunterdemgleitendenDurchschnittverläuft.DerPreis
einerAktiemiteinemAbwärtstrend(Aufwärtstrend)wirdunterhalb(oberhalb)desgleitenden
Durchschnittsliegen.DarüberhinausistauchderAbstandzwi-schendemVerlaufdes
gleitendenDurchschnittsunddesAktienpreisesrelevant.SobaldsichderAktienpreiswieder
gegendiehöherliegendegleitendeDurchschnittsliniebewegt,kannLetztereals
Widerstandsliniebetrachtetwerden.DasichdiePreisrallydemEndezu-neigt,beginnendie
MarktteilnehmerdasWertpapierzuverkaufen.

Abb.6.12zeigtdentäglichenKursverlaufderLinde-Aktievom1.Märzbis26.August2016.
EbenfallsinderAbbildungabgetragensinddiebeideneinfachen38-und90-Tage-
gleitenden-Durchschnittslinien.JemehrtäglicheSchlusskursefürdieBestimmungder
gleitendenDurchschnittsliniebenutztwerden,destoglatterundwenigervolatildieLinie.
SchneidensichdiebeidenLinien,entstehtamKreuzungspunkteinKauf-oderVerkaufssi-gnal.
DurchkreuztdiekurzfristigegleitendeDurchschnittslinievonuntennachoben(obennach
unten)dielangfristigegleitendeDurchschnittslinie,stelltderKreuzungspunkteinKaufsignal
(Verkaufssignal)dar.AnhanddesChartbildskönnenzweiKaufsignalzeitpunk-team11.April
und17.August2016sowieeinVerkaufssignalzeitpunktam23.Juni2016identifiziertwerden.

GleitendeDurchschnittslinien,mitdenensichKauf-undVerkaufssignaleableitenlas-sen,
könnenrelativeinfacherstelltwerden.MithilfevonComputernkönnenzumeinendieZeitdauer
dergleitendenDurchschnittslinienoptimiertundzumanderenFilterregeln(z.B.dasWarten
voneinigenTagennachdemSignalvorAbschlussdesHandelsgeschäfts)defi-niertund
automatischumgesetztwerden.SinddiegleitendenDurchschnittslinienineinemprofitablen
HandelssystemfüreinebestimmteAktieoptimiertworden,bedeutetdiesnicht,
300 6 Aktienanalyse

(Aktienpreis
in EUR)
155
Tageskurse
150

90-Tage-gleitender- 145
Durchschnitt Verkaufssignal
Kaufsignal 140

135

130

125
Kaufsignal
120
38-Tage-gleitender-
Durchschnitt 20 (Handels-
volumen
0 in Tsd.
7. Mär 28. Mär 18. Apr 9. Mai 30. Mai 20. Jun 11. Jul 1. Aug 22. Aug Stück)
(Zeitperiode)

Abb.6.12 Kursentwicklung der Linde-Aktie vom 1. März bis 26. August 2016 und 38- und 90-
Tage-gleitende-Durchschnittslinien (Quelle: www.onvista.d e )

dassdieentwickelteStrategieauchfürandereAktienrentabelist.Darüberhinauskönnensichdie
Marktbedingungenverändern,sodassdasoptimierteHandelssystemnichtmehrfunktioniert.

JohnBollingerhatseinWissenüberdietechnischeAnalysemitderStatistikkombi-niertund
soeinenneuenIndikatorgeschaffen,nämlichdieBollinger-Bänder(Bollinger32
Bands). Die Bollinger-Bänder bestehen aus einer gleitenden Durchschnittslinie und je
einer Linie darüber und darunter, die eine bestimmte Anzahl an Standardabweichungen
vondermittlerengleitendenDurchschnittslinieentferntsind.SozumBeispielstelltdiemittlere
Linie dengleitendenDurchschnitt der letzten 20Tagedar.Diedarüber- und dar-unterliegenden
Linien werden bestimmt, indem die Standardabweichung der Kurse der letzten 20 Tage vom
gleitenden Durchschn itt ermittelt und zu diesem hinzugezählt bzw. von ihm abgezogen wird.
Abb. 6.13 gibt die Bollinger-Bänder für die Linde-Aktie wieder, die sich auf den
20-Tage-gleitenden-Durchs chnitt plus/minus zwei Standardabweichun- gen beziehen. Eine
üblicheAnwendungergibtsichausderContrarian-Strategie.ErreichtderKursdasobere(untere)
Band, wird die Aktie verkauft (gekauft). Diese Strategie geht davon aus, dass der Aktienkurs
innerhalbderBollinger-Bänderliegenmuss.SomitdeuteteinAktienkursinderNähederoberen
oder unt eren Bandbreite darauf hin, dass sich der Trend in Richtung des mittleren gleitenden
Durchschnitts bewegt. Diese Strategie wird vermutlich eine Vielzahl von Handelsgeschäften
auslösen.AndererseitswirddasRisiko

32
Vgl. Bollinger 2016 : Bollinger-Bänder. Der einfache Weg, Kursverläufe zu bestimmen, S. 1 ff.
6.4 TechnischeAnalyse 301

(Aktienpreis
in EUR)
20-Tage-gleitender-Durchschnitt
plus 2 Standardabweichungen 180

170

160
20-Tage-gleitender-Durchschnitt
150

140

130

120

20-Tage-gleitender-Durchschnitt 30 (Handels-
minus 2 Standardabweichungen 20 volumen
10 in Tsd.
0 Stück)
Sept 15 Nov 15 Jan 16 Mär 16 Mai 16 Jul 16 Aug 16

(Zeitperiode)

Abb.6.13 KursentwicklungderLinde-Aktievom28.August2015bis26.August2016und
Bollinger-Bänderbasierendaufden20-Tage-gleitenden-Durchschnittplus/minuszweiStandard-
abweichungen (Quelle: www.onvista.d e )

eines Verlusts begrenzt. Die Abbildung zeigt, dass der Kurs der Linde-Aktie innerhalb der
Bollinger-Bänder verlief und beim Erreic hen der oberen oder unteren Bandbreite je- weils eine
Preisumkehr zum gleitenden Durchschnittswert erfolgte. Finden hingegen eine starke
Kursänderung und eine Trendumkehr st att, verliert man mit der auf den Bollinger- Bändern
basierten Contrarian-Strategie Geld. Bewegen sich die Bänder in Richtung des gleitenden
Durchschnitts, so ist eine starke Kursänderung zu erwarten. Erfolgt hingegen ein wesentlicher
AusbruchdurchdasobereBand(z.B.von5%bis10%)undverharrtderAktienkursfüreinigeTage
darüber, dann ist von einem fortgesetzten Preisaufwärtstrend auszugehen, sodass die Aktie
gekauftwird. Demgegenüber wird das Wertpapier bei einem signifikanten Ausbruch durch das
untere Band (z. B. von 5 % bis 10 %) verkauft. Solche Regeln können mit einem
Computerprogrammerfasstundgetestetwerden.

Momentum-Oszillatoren
Mit Preisindikatoren ist es schwierig, verä nderte Marktstimmungen zu erkennen, die un-
gewöhnlich sind. Hierfür können Momentum- Oszillatoren wie Momentum (bzw. Rate of
Change Oscillator), Relative-Stärke-Index und Moving Average Convergence/Divergence
Oscillator(MACD)eingesetztwerden.
33
SiewerdenzwarmithilfevonPreisdatenbe-
stimmt,schwankenaberzwischeneinemTiefst-undeinemHöchstwert(z.B.zwischen

33
Der Begriff Oszillation stammt aus der Physik (Elektrotechnik) und bedeutet Pendelbewegung
bzw. das regelmäßige Hin- und Herschwingen.
302 6 Aktienanalyse

0und100)oderbewegensichumeineZahl(z.B.0oder100).AufgrundderKon-struktionsweise
vonMomentum-OszillatorenkönnenextremeTiefst-undHöchstwerteleichtwahrgenommen
werden. Diese außergewöhnlichen Preisniveaus können als eine graphische Darstellung der
Marktstimmung aufgefasst werden, bei der die Kauf- und Verkaufstätigkeit wesentlich höher
ist als s onst üblich. Da die Momentum-Oszillatoren anhand von Aktienpreisen berechnet
werden, erfolgt die Preisanalyse mit den üblichen technischen Konzepten wie etwa Trend,
UnterstützungundWiderstand.

IndertechnischenAnalysewirdauchdieKonvergenzundDivergenzzwischenAkti-enpreis
undOszillatoruntersucht.ErreichtbeispielsweisederAktienkurseinneuesHoch,deutetdies
aufeinehoheKauftätigkeithin.NähertsichjedochderbenutzteMomentum-Oszillatornichtzur
gleichenZeiteinemneuenHöchstwert,liegteineDivergenzzwischendenbeidenGrößenvor.
DieskannalseinHinweisgelten,dassderPreisaufwärtstrendbaldendenwird.Oszillatoren
warneneinenHändlerdavor,obdieAktieaufdemMarktüber-kauftoderüberverkauftist.Istdies
derFall,istderbeobachtetePreistrenddesWertpapiersnichtnachhaltig.Außerdembestehtdie
MöglichkeiteinerTrendumkehr,wennderOszil-latorhistorischhoheoderniedrigeWerte
annimmt.DarüberhinauskönnenOszillatorenineinemMarktohneklarenPreistrendeingesetzt
werden,indemimkurzfristigenHan-delsgeschäftbeieinemüberkauften(überverkauften)
NiveauAktienverkauft(gekauft)werden.

DertechnischeIndikatorMomentum(M)ergibtsichausderDifferenzzwischendem
aktuellenKursundeinemVergangenheitskurs(z.B.demKursvor10Tagen),dermit100
multipliziertwird:
M D .P  Px /  100; (6.3)
wobei:

P D aktueller Schlusskurs der Aktie,


Px D Schlusskurs der Aktie vor x Tagen.

Als Indikator gibt das Momentum Aufschluss über die Stärke des Kurstrends. Kreuzt der
Indikator den Wert von null in der gleichen Richtung wie der Kurstrend, resultiert daraus ein
Kauf- oder Verkaufssignal. Überschreitet beispielsweise das Momentum den Wert von null
während eines Aufwärtstrends, so liegt ein Kaufsignal vor (positives Momentum). Ein
Verkaufssignal entsteht, wenn der Indikator den Wert von null während eines Abwärts- trends
unterschreitet(negativesMomentum).BestehthingegeneineDivergenzzwischenMomentum
und Kurstrend, wird diese nicht weiter untersucht, weil ein klarer Preistrend vorliegen muss,
bevor ein Oszillator eingesetzt werden kann. Abb. 6.14 zeigt den Kurs- verlauf der Linde-Aktie
vom28.August2015bis26.August2016.DasMomentumistinderAbbildunguntendargestellt.
DabeiwirdfürdieBerechnungdesIndikatorsvomjeweiligenAktienkursderKursvor10 Tagen
abgezogenundmit100multipliziert.DasMomentumsolltesichineinerBandbreitevon

15 bis 15 bewegen. Werte darunter oder


darüber sind näher zu betrachten. Am 30. November 2015 erreicht die Linde-Aktie einen
6.4 TechnischeAnalyse 303

(Aktien-
preis
in EUR)
160

150

140

130

120

30 (Handels-
20 volumen
in Tsd.
10 Stück)
Sept 15 Nov 15 Jan 16 Mär 16 Mai 16 Jul 16 Aug 16
0
30 (Momen-
tum-Oszil-
0
lator)
–30

Abb.6.14 Kursentwicklung der Linde-Aktie vom 28. August 2015 bis 26. August 2016 und Mo-
mentum (Quelle: www.onvista.d e )

Höchstwert von EUR 168 und fällt dann bis zum 2. Dezember 2015 auf ein Preisniveau von EUR
137,waseinMomentumvonrund  zurFolgehat.Biszum14.Dezem-17
ber 2015 fällt der Aktienkurs weiter auf EUR 129 und das Momentum steigt auf rund
23. Das negative Momentum gibt einen Abwärtstrend an, der beschleunigt wird, weil
der Indikator negativ und steigend ist. Der Abwärtstrend wird erst in den folgenden Ta-
gen gebremst, was sich in einem Momentum äußert, das wieder gegen den Wert von 0
zurückgeht.
BeimRelative-Stärke-Index(RSI)handeltessichumeinenMomentum-Oszillator,derüber
einerollendeZeitperiode(inderRegel14Tage)berechnetwird.Dabeiwerdengraphischdie
GewinnemitdenVerlustenübereineZeitperiodeverglichen.DerRelative-Stärke-Indexgibt
an,obdieAktieüberkauftoderüberverkauftist.DieGleichungfürdieBerechnungdes
Indikatorslautetwiefolgt:

100
RSI D 100  ; (6.4)
1 C RS

wobei:
P
PreisbewegungennachobenfüreinebestimmteZeitperiode
RS D P PreisbewegungennachuntenfüreinebestimmteZeitperiode :

So zum Beispiel lassen sich für die Linde-Aktie folgende Preisbewegungen nach oben und nach
untenfürdenMonatJuli2016festhalten:
304 6 Aktienanalyse

Datum Schlusskurse (in EUR) Preisbewegungen nach Preisbewegungen nach


oben (in EUR) unten (in EUR)
1. Juli 2016 128,50
4. Juli 2016 126,35 2;15
5. Juli 2016 123,75 2;60
6. Juli 2016 122,00 1;75
7. Juli 2016 120,65 1;35
8. Juli 2016 122,55 1,90
11. Juli 2016 124,60 2,05
12. Juli 2016 125,65 1,05
13. Juli 2016 125,05 0;60
14. Juli 2016 128,25 3,20
15. Juli 2016 128,40 0,15
18. Juli 2016 129,05 0,65
19. Juli 2016 127,05 2;00
20. Juli 2016 127,65 0,60
21. Juli 2016 128,35 0,70
22. Juli 2016 128,80 0,45
25. Juli 2016 129,15 0,35
26. Juli 2016 128,65 0;50
27. Juli 2016 131,20 2,55
28. Juli 2016 129,10 2;10
29. Juli 2016 128,70 0;40
Total 13,65 13;45

FürdenMonatJuliliegen21täglicheSchlusskurseund20täglichePreisänderungender
Linde-Aktievor.Esgibt11PreisbewegungennachobenvoninsgesamtEUR13,65und10
Preisbewegungennachuntenvoninsgesamt
EUR 13;45. Das Verhältnis der
beiden Preisbewegungen beläuft sich auf 1,015 (D EUR 13;65=EUR 13;45). Der Relative-
Stärke-Index für den Monat Juli beträgt demnach 50,37:

100
RSI D 100  D 50;37:
1 C 1;015

Der Relative-Stärke-Index liegt in einer Bandbreite von 0 bis 100. Grundsätzlich bedeutet ein
RSI von über 70, dass die Aktie überkauft ist, was ein Indiz dafür ist, dass der Kurs in der nächsten
Zeit fallen könnte. Ein RSI von unter 30 hingegen stellt einen Hinweis dar, dass das Papier
überverkauftistundsomitinnächsterZeiteineKurserholunganstehenkönnte.DieseBandbreite
von30bis70isteinegrobeFaustregel,dievonderVolatilitätderAktienpreiseabhängt.Soweisen
weniger volatile Aktien (z. B. des Versorgungssek- tors) üblicherweise eine engere Bandbreite
auf. Demgegenüber verfügen Aktien mit einer höheren Volatilität (z. B. Technologieaktien mit
ei ner geringen Marktkapitalisierung) über eine weitere Bandbreite. Abb. 6.15 zeigt den
KursverlaufderLinde-Aktievom31.August
6.4 TechnischeAnalyse 305

(Aktien-
preis
in EUR)
160

150

140

130

120

Sept 15 Nov 15 Jan 16 Mär 16 Mai 16 Jul 16 Aug 16


100 (Relative-
80
60
Stärke-
40 Index)
20

Abb.6.15 Kursentwicklung der Linde-Aktie vom 31. August 2015 bis 29. August 2016 und
Relative-Stärke-Index (Quelle: www.onvista.d e )

2015 bis 29. August 2016 sowie den Verlauf des Relative-Stärke-Index für einen Zeitraum von
14Tagen.Am1.Dezember2015lagderRSIbei22.AllerdingssetzteneineleichteKurserholung
und eine darauffolgende Seitwärtsbewegung erst ab dem 9. Februar 2016 ein. Am 16. August
2016 erreicht der RSI einen Höchststand von 83,04, was einen Hin- weis darstellt, dass die
Linde-AktieüberkauftistunddemnachinnächsterZeitfallenkönnte.

EinweitererMomentum-OszillatorstelltderMovingAverageConvergence/Divergence
Oscillator(MACD)dar,dereingesetztwird,umTrendssowieKauf-undVerkaufssignalezu
erkennen.DabeiwerdenbeiderBestimmungderMACD-Liniezweiexponentiellgewichtete
DurchschnittemitunterschiedlichenZeitperiodenvoninderRegel26und12Tagenermittelt
undanschließendvoneinandersubtrahiert.AußerdemwirdeineSignalli-nieberechnet,dieaus
dem9TageexponentiellgeglättetenDurchschnittderMACD-Liniebesteht.DiebeidenLinien
(MACD-LinieundSignallinie)oszillierenumdenWertnullundbesitzenkeineOber-oder
Untergrenze.Dabeiistdaraufzuachten,dasssichdasMACD-Niveauinnerhalbeinerfürdie
AktienormalenBandbreitebefindensollte.Einesteigende(sinkende)MACD-Linieistein
HinweisfüreinenAufwärtstrend(Abwärts-trend).HierbeikönnenTrendlinienbeimMACD-
Verlaufeingezeichnetwerden.TendiertderMACDindiegleicheRichtungwiederAktienpreis,
bestehteineKonvergenz.Verlau-fenderMACDundderAktienkursindieentgegengesetzte
Richtung,liegteineDivergenzvor.SchneidetdieMACD-LiniedieSignallinievonuntennach
oben,kanndiesalsKaufsignalinterpretiertwerden.EinVerkaufssignalentsteht,wenndie
MACD-LiniedieSignallinievonobennachuntendurchkreuzt.Abb. 6.16zeigtzumeinendie
tägliche
306 6 Aktienanalyse

(Aktien-
preis
in EUR)
80

75

70

65

60

55

Sept 15 Nov 15 Jan 16 Mär 16 Mai 16 Jul 16 Aug 16


3
MACD Trend 2
(MACD
1 12, 26, 9)
0
–1
–2
–3

MACD-Linie Signallinie

Abb.6.16 Kursentwicklung der Daimler-Aktie vom 31. August 2015 bis 29. August 2016 und
MACD (12, 26, 9) (Quelle: www.onvista.d e )

KursentwicklungderDaimler-Aktievom31.August2015bis29.August2016undzumanderen
dieMACD-Linie(12und26Tage)unddieSignallinie(9Tage).AnfangDe-zember2015setzteein
Abwärtstrend ein, d er bis ungefähr Mitte Februar 2016 dauerte. In dieser Zeitspanne ging der
AktienkursvonrundEUR85aufungefährEUR59zurück(Preisrückgangvonrund30%).Dabei
bewegten sich der Aktienkurs und der Oszillator in die gleiche Richtung nach unten. Das relativ
hohe MACD-Niveau im November 2015 diente als Warnsignal, dass ein Abwärtstrend
bevorstand. Dieser Abwärtstrend wurde mit dem Verkaufssignal vom 3. Dezember 2015
eingeleitet, bei dem die MACD-Linie die Signallinie von oben nach unten schnitt. Im
Februar/März2016erfolgteeineleich-teKurserholung,dieam12.FebruardurcheinKaufsignal
ausgelöst wurde, wobei die MACD-Linie die Signallinie von unten nach oben durchbrach. Die
KurserholungwurdeebenfallsdurchdasrelativhohenegativeMACD-Niveauangezeigt. Ende
März 2016 setz- te ein Abwärtstrendein, der sich bis Anfang Jul i fortsetzte (Tiefstpreis von rund
EUR 52), bevor wieder eine leichte Kurserholung stattfand. Der Aktienkurs und der MACD
verlie-fenfürdiegesamteZeitperiodeindiegleicheRichtung,wobeidieSchnittpunktezwischen
MACD-LinieundSignalliniedieentsprechendenKauf-undVerkaufssignalelieferten.

Marktstimmungsindikatoren
Mit Stimmungsindikatoren wie Meinungsumfragen und statistischen Indizes wird ver- sucht,
einen Hinweiszu erhalten, in welche Richtung sich die Stimmung der Investorenauf dem Markt
verändert.
6.4 TechnischeAnalyse 307

MeinungsumfragenrichtensichanprivateoderprofessionelleInvestoren.Dieausden
regelmäßigenBefragungengewonnenenDatenwerdengraphischdargestellt,was
StimmungsänderungenüberdieZeitdeutlichererkennenlässt.Dabeiwerdenvergangene
MarktaktivitätenmitStimmungshochsund-tiefsverglichensowieWendepunkteinder
Marktstimmunguntersucht,umdiezukünftigeMarktentwicklungbessereinschätzenzu
können.

StatistischeIndizeswerdenanhandvonMarktdatenberechnet.Diezweiamhäufigs-ten
verwendetenIndizessinddasPut-Call-VerhältnisundderVolatilitätsindex,diesichaufden
Optionsmarktbeziehen.DasPut-Call-VerhältnisergibtsichfüreineAktieausdemVolumen
dergehandeltenPut-OptionendividiertdurchdasVolumendergehan-deltenCall-Optionen.
DieKäufervonPut-OptionengehenvonfallendenAktienpreisenaus,währenddieKäufervon
Call-OptionensteigendePreiseerwarteten.DasPut-Call-Verhältnisistkleiner(größer)als1,
wenndasVolumenderCall-OptionendasjenigederPut-Optionenüberschreitet
(unterschreitet).EsistsomiteinContrarian-Indikator.Wertekleinerals1werdenalsbullishund
Wertegrößerals1alsbearisheingestuft.Umbeurtei-lenzukönnen,obdieAktieüberkauftoder
überverkauftist,mussdasPut-Call-VerhältnismitdenvergangenenVerhältniszahlen
verglichenwerden.LediglicheinaußergewöhnlichniedrigesPut-Call-Verhältnisdeutet
daraufhin,dassdieAktieüberkauftistundeineKurs-korrekturbevorstehenkann.Einextrem
hohesPut-Call-VerhältnishingegenisteinIndiz,dassdieAktieüberverkauftist,sodassein
Preisanstiegwahrscheinlichist.EinVolatili-tätsindexwieetwaderVDAX-Newmisstdie
impliziteVolatilitätdesDAXübereinenZeitraumvon30TagenundbasiertaufdenanderEurex
gehandeltenOptionen.EinVo-latilitätsindexsteigt,wenndieMarktteilnehmerdavon
ausgehen,dassbeispielsweiseeineKurskorrekturnachuntenbevorsteht.Ineinemsolchen
UmfeldkaufendieMarktakteurePut-Optionen,waseinehöhereVolatilitätdesIndexzurFolge
hat.

Flow-of-Funds-Indikatoren
In der technischen Analyse wird der Markt hinsichtlich des potentiellen Angebots und der
Nachfrage nach Aktien untersucht. Dabei kann die Aktiennachfrage von Anlage- fonds sowie
von anderen Gruppen mit große n Aktienpositionen wie Versicherungen und Pensionsfonds
beeinflusst werden.Je größerdie Geldpositionen dieser institutionellenIn- vestorensind,desto
höher fällt die potentielle Nachfrage nach Aktien aus. Demgegenüber liegt beim Angebot der
FokusdertechnischenAnalyseaufAktienemissionen.

BeziehtsichbeispielsweisederIndikatoraufdenhistorischendurchschnittlichenpro-
zentualenGeldbestandvonAnlagefonds,sodeuteteinniedrigerCash-Anteildaraufhin,dass
dieFondsmanagerbereitsAktiengekaufthabenundsomitdieNachfrageehergeringist.
BesitzendieAnlagefondshingegenimVergleichzurVergangenheithoheGeldposi-tionen,
kanndaszusteigendenAktienpreisenführen,wenndieFondsdamitbeginnen,
Beteiligungspapierezukaufen.

BeieinemerstenBörsengang(InitialPublicOffering)emittiertdasUnternehmenerst-mals
AktienaufdemMarkt.DabeiverkaufendieUnternehmenseigentümerüblicherweiseAktien
zueinemZeitpunkt,andemdieNachfrageundsomitdieAktienpreiseaufden
30 6 Aktienanalyse

Märktenhochsind.NimmtdieAnzahlanBörsengängenzu,sostelltdieseinenHin-weisdar,dass
der Aufwärtstrend bald ende n könnte. Darüber hinaus findet ein Angebot- Nachfrage-Effekt
statt. Das ständig ausgeweitete Angebot erhöht die Anzahl an Aktien, die Investoren auf dem
Markt kaufen können, während die für den Aktienkauf erfor- derliche Geldmenge beschränkt
ist.FernerhabenauchZweitemissionen(inderRegelKapitalerhöhungen)einenEinflussaufdas
Angebot.

6.4.2.5 Zyklen
Auf den Märkten finden verschiedene, sich wied erholende Zyklen statt, die unterschied- lich
lange dauern. Der längste der weithin anerkannten Zyklen wurde von Nikolai Kondra- tieff
(1892–1938) in den 1920er-Jahren entdeckt und 1926 in einem Artikel der Berliner Zeitschrift
ArchivfürSozialwissenschaftundSozialpolitikderFachöffentlichkeitvorge-stellt.
34
KondratieffwareinsowjetischerWirtschaftswissenschaftler.Ergelangtezudem
Schluss,dassdiewestlichenVolkswirtschaften(Deutschland,Frankreich,EnglandundUSA)
einen54-jährigenKonjunkturzyklusdurchlaufen,dersichauseinerlängerdauern-den
AufstiegsphaseundeineretwaskürzerenAbstiegsphasezusammensetzt.ZumZeit-punktder
VeröffentlichungseinerTheoriekonnteerzweieinhalblangeZyklenbestimmen.Daherginger
davonaus,dasssichderdritteZyklusEndeder1920er-JahreseinemEndezuneigenwürde,wasmit
demBörsenzusammenbruchundderWeltwirtschaftskriseauchtatsächlichgeschah.AlsUrsache
fürdielangenKonjunkturwellennannteKondratieffdieGesetzmäßigkeitendesKapitalismus
undnichtetwaneueTechnologien,dievielmehrdieFolgederlangenWellenderKonjunkturwaren.
DiewellenförmigenBewegungendereinzelnenZyklenzeichnensichdadurchaus,dassinden
AufschwungphasendieJahremitguterKonjunkturundindenAbschwungphasendieJahremit
Rezessionüberwiegen.DabeifindenimAbschwungwichtigeEntdeckungenundErfindungen
statt.Diesesoge-nanntenBasisinnovationentretenauf,umMangelerscheinungenzubeseitigen,
diemitProduktivitätssteigerungennichtmehrgedecktwerdenkönnen.Soetwaersetztenabca.
1840dieEisenbahnendiedamalsgängigenTransportmöglichkeitenwieetwadiePfer-
degespanneaufdenLandstraßen,dadiesenichtmehrausreichten,umdieindustriellgefertigten
GüteraufdenMärktenzuverteilen.DiefünfbekanntenKondratieff-Zyklenkönnenabca.1780wie
folgteingeteiltwerden:

35

1. Periode der Frühmechanisierung von ca. 1780 bis 1840 (Dampfmaschinen-Kondratieff).


Beginn der Industrialisierung in Deutschland. In England hat der Zyklus früher einge-
setzt.

34
Vgl. Kondratieff 1926 : Die langen Wellen der Konjunktur, S. 573 ff.
35
Joseph Schumpeter verwendete 1939 in seinem Werk über Konjunkturzyklen den Begriff
Kondratieff-Zyklen, um die langen Konjunkturwellen zu umschreiben, der sich fortan in der Fachli-
teraturdurchgesetzthat.Vgl.Schumpeter 1939:BusinessCycles.ATheoretical,HistoricalandStatistical
Analysis of the Capitalist Process, S. 172 ff. Neben Kondratieff beschrieben bereits 1913 die beiden
niederländischen Ökonomen Jacob von Gelderen und Samuel de Wolff die Existenz von
Konjunkturzyklen,diesichübereinenZeitraumvon50bis60Jahrenerstrecken.
6.4 TechnischeAnalyse 309

2. Periodevonca.1840bis1890,diedurchdenAusbauderEisenbahninfrastrukturge-prägtist
(Eisenbahn-Kondratieff).
3. Periode der Elektrotechnik und Schwermaschinen von ca. 1890 bis 1940.
4. Periode von ca. 1940 bis 1990. Zu den Basisinnovationen zählen zum Beispiel die
KernenergieundderComputer.
5. Periode der Informations- und Kommunikationstechnologie (Digitalisierung) sowie der
fortschreitendenAutomatisierung(RoboterübernehmenmanuelleTätigkeiten)ab1990.

KenntnisseüberdenzyklischenVerlaufderWirtschafthelfendenMarktteilnehmern,unter
anderemdenZeitpunktvonRezessionen,vonSpitzenandenBörsenundvonBör-sencrashszu
prognostizieren.

6.4.3 Elliott-Wellen-Theorie

DieTheoriederElliott-WellenentwickeltederUS-AmerikanerRalphNelsonElliott
(1871–1948).Ererkannte,dasssichdieMärkteregelmäßiginsichwiederholendenWel-len
oderZyklenbewegen.ElliottveröffentlichteseineErkenntnisse1938indemBuch36
. BeiderErarbeitungseinerTheorie,dasssichderMarktwellenför- The
Wave Principle
mig verändert, stützte sich Elliott auf d ie Arbeiten von Charle s Dow (1852–1902), der als
BegründerdertechnischenAnalyseinderwestlichenWeltgilt. 37

DieWellentheorievonElliottberuhtaufderAnnahme,dassdiekollektivenEmotionender
MarktteilnehmerzwischenOptimismusundPessimismusschwankenundfolglichein
Preismustererzeugen.InnerhalbeinesTrendsdurchlaufendiePreisefünfImpulswellen.Zum
BeispielweisteinBullenmarktdasfolgendeBewegungsmusterauf:1
D aufwärts,
2 D abwärts, 3 D aufwärts, 4 D abwärts und 5 D aufwärts.DieWellen1,3und5sind
sogenannteAntriebswellen,wobeidieWelle3alsHauptantriebswellegiltundineinem
klassischenTrenddielängsteWelledarstellt.DieWellen1und5sindüblicherweisegleichlang.
DemgegenüberspiegelndieWellen2und4KorrekturendesAufwärtstrendswider.Diedrei
AntriebswellengliedernsichwiederuminjeweilsfünfWellenunddiebeidenKorrekturwellen
injeweilsdreiWellen.DenfünfImpulswellenfolgendreiKorrekturwel-len,dieeinbestimmtes
Bewegungsmusterbesitzen:a

D abwärts, b D aufwärts und c D


abwärts. Auf diese Weise entsteht der zyklische und fraktale (selbstähnliche) Charakter der
Wellenmuster. 38 IneinemBärenmarktlaufendieWellenentsprechendindieentge-
gengesetzteRichtung.

36
Für eine vertiefte Darstellung der Elliott- Wellen-Theorie vgl. Prechter und Frost 2016 :Das
Elliott-Wellen-Prinzip. Der Schlüssel zu einem besseren Börsenverständnis, S. 1 ff.
37
Vgl. Abschn. 6.1 .
38
FraktalesindObjekte,dieausmehrerenverkleinertenKopienihrerselbstbestehen.Beispieleausder
NatursindetwaähnlicherAufbauvonSonnensystemundAtomstruktursowieeinBaumzweig,der
ungefährsoaussiehtwieeinverkleinerterBaum.
310 6 Aktienanalyse

InfolgederfraktalenNaturderWellenerstreckensichdieseübermehrereZeitperioden.Die
längsteWellewirdalsGrandSupercyclebezeichnetundfindetübereinenZeitraumvon
mehrerenJahrhundertenstatt.EinesolcheGrand-Supercycle-Wellekanninmehrere
Unterwellengegliedertwerden,diestandardmäßigwiefolgtdefiniertwerden:Supercy-cle(40
bis70Jahre),Cycle(1bis30Jahre),Primary(MonatebisJahre),Intermediate(Wochenoder
Monate),Minor(Wochen),Minute(Tage),Minuette(Stunden)undSubmi-nuette(Minuten).

EinwichtigerBestandteilderElliott-Wellen-Theorieist,dassWellenmitPreisbewe-
gungeneinhergehen,diemitVerhältniszahlenauseinerFibonacci-Folgeabgeleitetwerden
können.DieFibonacci-FolgewurdevondemitalienischenMathematikerLeonardodaPi-sa
(ca.1170–1240),genanntFibonacci(FiliusBonacci),begründet,derinderzweitenFassung
seines
Liber Abaci (BuchdesRechnens)vonca.1228dieseZahlenfolgeanhand
einesKaninchenzüchtersbeschrieb. 39 BeiderFibonacci-Folgehandeltessichumeine
unendlicheFolgenatürlicherZahlen,diemit0,1,1beginnt.JededarauffolgendeZahl
ergibt sich jeweils aus der Summe der zwei unmittelbar vorangegangenen Zahlen, was zu
folgender Zahlenfolge führt: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, . . . Das Interesse von Elliott galt den
Quotienten der Zahlen aus der Fibonacci-F olge, weil diese die Sequenzveränderun- gen der
Wellenreflektieren.DabeilautendiewichtigstenQuotientenwiefolgt:
1=2 D 0;5,
2=3 D 0;6667, 3=5 D 0;6, 5=8 D 0;625 und 8=13 D 0;6154. Insbesondere sind die Um-
kehrwerte der Quotienten relevant, weil diese gegen einen Wert von 1,618 konvergieren:
2=1 D 2, 3=2 D 1;5, 5=3 D 1;6667, 8=5 D 1;6 und 13=8 D 1;625. Der Wert von 1,618
wird als goldener Schnitt bezeichnet und fi ndet sich überall in der Natur wie etwa in der
Biologie und Botanik. Diese Zahl wird auch in der Kunst und in der Architektur verwen- det. So
habenbeispielsweisediealtenÄgypterdiePyramidenaufderBasisdieserZahlerbaut.

Die Märkte bewegen sich wellenförmig in einer 5-3-Sequenz. Abb. 6.17 zeigt die fünf
Impulswellen und die drei Korrekturwellen in einem Bullenmarkt.
Die Eigenschaften der fünf Impulswellen können wie folgt beschrieben werden:

 Die Welle 1 beginnt auf einem relativ nie drigen Preisniveau und zeichnet sich durch eine
Zunahme des Preises, des Handelsvolumens und der Markttiefe aus. Sie besteht aus fünf
kleinerenWellen.
 DieWelle2istdurcheinenPreisrückganggegeben,wobeieinTeildesPreisanstiegsderWelle1
zunichte gemacht wird. Der übliche prozentuale Rückgang erfolgt anhand der
Fibonacci-Verhältniszahlenvonbeispielsweise50%oder62%.DieWelle2setztsichausdrei
kleinerenWellenzusammen.

 DieWelle3endetüberdemHöchstwertderWelle1.SieistdurcheinengroßenPreis-anstieg,ein
großes Handelsvolumen und eine große Markttiefe gekennzeichnet. Die meisten
PreisbewegungenineinemBullenmarktfindenüblicherweiseinderWelle3

39
Die erste Fassung des Buches Liber Abaci von 1202 ist verlorengegangen. Die von Fibon acci be-
schriebene Zahlenfolge war bereits in der Antike sowohl in Griechenland als auch in Indien bekannt.
Die früheste dokumentierte Quelle findet sich in Indien, und zwar um 200 v. Chr.
6.4 TechnischeAnalyse 311

(Aktienpreis)
Impulsphase Korrekturphase

5
b

1 4

(Zeitperiode)

Abb.6.17 Impulswellen und Korrekturwellen in einem Bullenmarkt

statt. Diese gliedert sich in fünf kleinere Wellen. Sie führt oftmals zu einem Preis- anstieg, der
um1,68-malhöheralsdieLängederWelle1ist,waswiederumeineFibonacci-Verhältniszahl
darstellt.
 Die Welle 4 ist eine Korrekturwelle mit entsprechendem Preisrückgang, der durch ein
Fibonacci-Verhältnisangegebenwerdenkann.SieteiltsichindreikleinereWellenaufundes
gehenüblicherweiserund38%desGewinnsderWelle3verloren.
 DieWelle5istdieletztederfünfImpulswellen.SieistinderRegelwenigergroßalsdieWelle3,
außer wenn der Markt von einer Euphorie erfasst wird. In einem solchen Fall fällt der
PreisanstiegderWelle5höheraus.Welle5bestehtausfünfkleinerenWellen.

Nach den fünf Impulswellen folgt in einem Bullenmarkt die Korrekturphase mit drei Wel- len:

 Die Welle a stellt einen Preisrückgang mit drei kleineren Wellen dar.
 DieWellebreflektierteineAufwärtsbewegung,diesichinfünfkleinerenWellenauf-teilt.Der
Preisaufschwung hält nicht lange an. Daher wird diese Welle auch als eineBullenfalle (Bull
Trap)bezeichnet.
 Die Welle c leitet die endgültige Preiskorre ktur ein, wobei der Preisrückgang nicht unter das
AnfangsniveauderImpulswelle1fällt.SieumfasstdreikleinereWellen.

Nachdem die Wellen gezählt und bezeichnet w orden sind, werden Linien im Chartbild
eingezeichnet,diesichaufdieFibonacci-Verhältniszahlenstützen.AnhandderLinien
312 6 Aktienanalyse

können die Preisbewegungen prognostiziert werden. Positive Preisbewegungen in einem


Bullenmarkt erfolgen im Allgemeinen mit einem hohen Fibonacci-Verhältnis von bei-
spielsweise 1,5 oder 1,62, während Preisrückgänge üblicherweise mit einem Fibonacci-
VerhältnisvonzumBeispiel0,5oder0,667stattfinden.

DieAnwendungderElliott-Wave-TheoriebedarfvielÜbung.DieWellensindoftmalsnicht
sofortersichtlich,sodasssieimNachhineinaufderBasisdererfolgtenPreisbe-wegungneu
bezeichnetwerdenmüssen.TrotzdemistdieseTheorieindertechnischenAnalyseweit
verbreitetundwirdzusammenmitderDow-Theorie,mitChartmustern,Trendanalyseund
technischenIndikatoreneingesetzt.

6.5 Zusammenfassung

 Für die Anlageentscheidung können die Fundamentalanalyse und die technische Ana-
lyseeingesetztwerden.DabeistütztsichdieFundamentalanalyseaufInformationenüberdie
Gesamtwirtschaft,dieIndustrieunddasUnternehmen,währendindertech-nischenAnalyse
mit Angaben zum Aktienpreis und Handelsvolumen gearbeitet wird, um die zukünftige
PreisbewegungderAktievorhersagenzukönnen.

 Der Bewertungsprozess in der Fundamentalanalyse umfasst die folgenden fünf Schrit- te:
Verständnis des Unternehmensgeschäfts, Prognose der Unternehmensperformance,
Auswahl eines geeigneten Bewertungsmodells, Umwandlung der geschätzten Bewer-
tungsparameterineinenAktienwertundAnwendungdesBewertungsergebnisses.

 Das Verständnis des Unternehmensgeschäfts erlangt man, indem man eine Wirt-
schafts-, Industrie- und Wettbewerbsanalyse durchführt und in diesem Kontext die
Wettbewerbsposition und die Strategien des Unternehmens evaluiert. Dieser Bewer-
tungsschritt beinhaltet auch die Analyse von Finanzberichten inklusive der Beurteilung der
Ergebnisqualität(PersistenzdesErgebnisses).

 Die Unternehmensperformance kann entweder mit einem Top-down- oder Bottom-up-


Ansatzprognostiziert werden. Beim Top-down-Verfahrenbeginnt man mitder Analysedes
makroökonomischenUmfeldsundschreitetdannzurIndustrie-undUnterneh-mensanalyse
fort. Demgegenüber aggregiert man beim Bottom-up-Verfahren die ein- zelnen
Unternehmensprognosen zu Industrievorhersagen und diese anschließend zu
makroökonomischen Prognosen.BeieinerrelativenBewertungwirddie Performance(z.B.
das Ergebnis jeAktie) über eine kurzfristige Periodegeschätzt, während bei ei-ner absoluten
Bewertung die Performance über mehrere Perioden prognostiziert wird. Dabei verwenden
AnalystenoftmalseinTop-down-Verfahren.

 Bei den Bewertungsverfahren ist ein Modell auszuwählen, das mit den Charakteristiken des
zu bewertenden Unternehmens konsistent ist, hinsichtlich der Verfügbarkeit und Qualität
derDatenangemessenistundmitdemBewertungszweckübereinstimmt.
 Die Sensitivitätsanalyse und bewertungsbezogene Anpassungen sind zwei wichtige
Aspekte bei der Umwandlung prognostiziert er Größen zum Aktienwert. Die Sensiti-
vitätsanalyseuntersucht,welchenEinflusseineVeränderungderBewertungsparameter
6.5 Zusammenfassung 313

auf den Aktienwert hat. Bewertungsbezogene Anpassungen umfassen eine Prämie für eine
kontrollierendeMehrheitsposition,einenAbschlagfürdiefehlendeMarktfähig-keit (Aktie
wird auf dem Markt nicht gehandelt) und einen Abzug für die Marktilliqui- dität (z. B. wegen
mangelnderMarkttiefe).

 Die Anwendung des Bewertungsergebnisses stellt den letzten Schritt des Bewertungs-
prozesses dar. Abhängig vom Bewertungszweck wird der Analyst eine Kauf- oder
VerkaufsempfehlungübereinebestimmteAktieabgeben,einGutachtenüberdieHöheeines
Transaktionspreises erstellen oder den ökonomischen Nutzen einer strategischen
Akquisitionbeurteilen.

 Das erwartete Alpha (Ex-ante-Alpha) einer Aktie lässt sich mit der Differenz zwischen der
Renditeerwartung des Analysten und der gemäß einem Finanzmarktmodell (z. B. CAPM)
gefordertenRenditeberechnen.IstdasAlphanull,istdieAktierichtigbewer-tet.Deraufdem
Markt gehandelte Aktienpreis und der innere Wert sind gleich groß. Ein positives Alpha
bedeutet, dass die Aktie unterbewertet ist (gehandelter Aktienpreis < innerer Wert). Im
GegensatzdazustellteinnegativesAlphaeinenHinweisdar,dassdieAnlageüberbewertetist
(gehandelter Aktienpreis > innerer Wert). Der Erfolg einer aktiven Anlagestrategie hängt
zum einen vo n der Richtigkeit des berechneten inneren Werts und zum anderen von der
Zeitdauer de r Preisangleichung ab. Je schneller der Marktpreis gegen den inneren Wert
konvergiert, desto höher ist das erwartete Alpha und demnach der Erfolg der aktiven
Anlagestrategie.

 Bei der technischen Analyse werden Aktien anhand von Preisen und dem Handels- volumen
beurteilt. Um die Entscheidungsfi ndung (Kauf oder Verkauf) zu erleichtern, werden in
einem zweidimensionalen Diagramm jeweils die Preise und das Handels- volumen auf der
Y-Achse und die Zeit auf der X-Achse abgetragen. Die Chartbilder werden auf etwaige
Trends, Muster und Zyklen untersucht. Die Zielsetzung besteht darin, eine Kauf- oder
Verkaufsentsche idung anhand des Chartbilds und des gefun- denen Trends, Musters oder
Zyklus treffen zu können. Mit den technischen Indikato- ren können die Informationen, die
aus den Chartbildern hervorgehen, ergänzt werden. Sie werden für die Prognose des
Preistrends eingesetzt und beziehen sich auf Preis, Marktstimmung und erwartete
Geldströme,dieVeränderungendesAngebotsundderNachfragezurFolgehaben.

 Die Trendanalyse ist eine der wichtigsten Konzepte in der technischen Analyse. Dabei kann
eine Aktie einen Aufwärts-, Abwärts- oder Seitwärtstrend oder keinen erkennba- ren Trend
durchlaufen. Bei einem Aufwärtst rend erreicht der Preis fortwährend höhere Höchststände
und höhere Tiefststände. Die Aufwärtstrendlinie wird in einem Chartbild entlang der
Tiefststände eingetragen. Im Gegensatz dazu ist ein Abwärtstrend durch niedrigere
HöchstständeundniedrigereTiefstständegegeben.DieAbwärtstrendlinieergibtsich,indem
dieLinieentlangderHöchstständegezogenwird.

 Unterstützungslinie und Widerstandslinie hängen mit dem Konzept der Trendanalyse


zusammen.BeiderUnterstützungsliniehandeltessichumeinenniedrigenPreisbe-reich,bei
dem die Kaufaktivität der Marktteilnehmer genügend groß ist, um den Preis- rückgang
aufzuhalten.DemgegenüberstelltdieWiderstandslinieeinenhohenPreisbe-
314 6 Aktienanalyse

reich dar, bei dem die Aktienverkäufe so hoch sind, dass der Preisanstieg der Aktie gestoppt
wird.
 EinChartmusteristeineFormation,diesichineinemPreischartdurcheineerkenn-bareForm
manifestiert. Verbreitete Muster treten wiederholt auf und führen oftmals zu ähnlichen
nachfolgenden Preisbewegungen. Sie kommen in der Form von Um- kehrmustern und
Fortsetzungsmustern vor. Ein Umkehrmuster gibt das Ende eines Trends an. Dazu gehören
Kopf- und Schultermuster sowie doppelte und dreifache Kurs- spitzen und Kursböden.
Demgegenüber lässt sich mit einem Fortsetzungsmuster die Wiederaufnahme eines
Markttrends erkennen, wie er vor der Formation stattgefunden hat. Entsprechende
erkennbare Formationen bestehen aus dreieckigen und viereckigen Mustern sowie aus
FlaggenundWimpeln.

 PreisbezogeneIndikatorenbeziehensichaufaktuelleundvergangenePreise.Dazuge-hören
dergleitendeDurchschnittunddieBollingerBands.
 Mit Preisindikatoren ist es schwierig, veränderte Marktstimmungen zu erkennen, die
ungewöhnlichsind.HierfürkönnenMomentum-OszillatorenwieMomentum(bzw.Rate
of Change Oscillator), Relative-Stärke-Index und Moving Average Conver-
gence/Divergence Oscillator (MACD) eingesetzt werden. Sie werden zwar mithilfe von
Preisdaten bestimmt, schwanken aber zwischen einem Tiefst- und einem Höchst- wert.
Dabei können extreme Tiefst- und Höchstwerte leicht wahrgenommen werden. Diese
außergewöhnlichen Preisniveaus können als eine graphische Darstellung der
Marktstimmung aufgefasst werden, bei der die Kauf- und Verkaufstätigkeit wesentlich
höheristalssonstüblich.

 Mit Stimmungsindikatoren wie etwa Meinungsumfragen und statistischen Indizes


(z. B. Put-Call-Verhältnis und Volatilitätsindex) wird versucht, einen Hinweis zu erhal-
ten, in welche Richtung sich die Stimmung der Investoren auf dem Markt verändert.
 Kursprognosen können auch mithilfe von Flow-of-Funds-Indikatoren getätigt werden, die
potentielleVeränderungenvonAngebotundNachfragenachAktienerfassen.Diepotentielle
NachfragenachAktienkannbeispielsweisemitdemGeldbestandvonAn-lagefondsbeurteilt
werden. Je höher (niedri ger) die Cash-Bestände sind, desto höher (niedriger) wird die
NachfragenachAktienausfallen,wassichinsteigenden(sinken-den)Preisenniederschlagen
wird.

 In der technischen Analyse werden für die Kursvorhersage auch beobachtete Zyklen
verwendet. Der längste der weithin anerkannten Zyklen wurde von Nikolai Kondratieff in
den 1920er-Jahren entdeckt. Die westliche n Volkswirtschaften durchlaufen einen
54-jährigen Konjunkturzyklus, der sich aus einer länger andauernden Aufstiegsphase und
einer etwas kürzeren Abstiegsphase zusammensetzt. Die langen Konjunkturzyklen gehen
gemäß Kondratieff auf die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zurück. Dabei finden im
Abschwung wichtige Entdeckungen und Erfindungen (Basisinnovationen) statt, die einen
neuenlangenKonjunkturzykluszurFolgehaben.

 Die Elliott-Wellen-Theorie beruht auf der Annahme, dass sich die Preise auf dem Markt
wellenförmigbewegen. EinBullen-oder einBärenmarktbesteht auseinerImpuls-und einer
Korrekturphase.DieImpulsphasesetztsichausfünfWellenzusammen,während
6.6 Aufgaben 315

die nachfolgende Korrekturphase durch drei Wellen gegeben ist. Diese acht großen Wellen
lassen sich in eine Vielzahl kleinerer Wellen aufteilen. Die Höhenunterschiede entlang der
WellenlassensichoftmalsmitVerhältniszahlenausderFibonacci-Folgevoraussagen.

6.6 Aufgaben

Aufgabe1
Ein Finanzanalyst einer Investmentgesellsch aft untersucht den Einzelhandelsmarkt für
Sportbekleidung. Er gelangt zu dem Schluss, da ss die Markteintrittsbarrieren für neue
Wettbewerber niedrig sind und eine starke Rivalität zwischen den Marktteilnehmern
besteht. Darüber hinaus verfügt die Industrie über eine große Anzahl an Sportbeklei-
dungslieferanten. Wie beeinflussen diese Indus triecharakteristiken die Rentabilität des
EinzelhandelsmarktesfürSportbekleidung?

Aufgabe2
Die Gamma AG ist ein kleines Unternehmen, das in der Elektronikindustrie tätig ist. Das
UnternehmenhateinneuartigesSprachübersetzungsgerätentwickelt,dasdiebe-stehenden
Marktprodukte verdrängen wird. Ein Finanzanalyst untersucht die Aktien der Gamma AG.
Für die Industrie-undWettbewerbsanalyse verwendet erdiefünfWettbewerbsfaktoren von
Porter, welche die Industriestruktur zu erklären vermögen. Dabei trägt der Analyst die fol
gendenInformationenzusammen:

 Die Gamma AG besitzt ein Patent für eine neue Technologie, die für die Herstellung des
neuen Produkts relevant ist. Das Patent hat eine Laufzeit von 5 Jahren. Es er- möglicht der
GammaAG, innerhalbdernächsten 5 Jahre die Marktführerschaft für das neueProdukt zu
errichten,bevorneueMarktteilnehmermitähnlichenProduktenindenMarktvorstoßen.

 Für die Herstellung des neuartigen Übersetzungsgeräts sind verschiedene Rohstoffe


notwendig.DabeiwirdeinbestimmterRohstoff,derlediglichbegrenztvorhandenist,von
einemeinzigenLieferantenangeboten.DieübrigenRohstoffekönnenvoneinerVielzahl
vonLieferantenbezogenwerden.

 Bestehende Produkte können lediglich für eine bestimmte Sprachregion eingesetzt


werden, die im Herstellungsprozess vordefiniert werden müssen. Das Produkt der
Gamma AG ist diesbezüglich einzigartig, d a es in verschiedenen Sprachregionen auf der
Welt durch den Nutzer selbst angepasst werden kann. Es wird erwartet, dass am Ende der
5-jährigen Patentdauer andere Wettbewerber diese Funktionalität in die von ihnen
vertriebenenProdukteeinbauen.

Der Finanzanalyst hat zwei der fünf Wettbewerbsfaktoren von Porter – die Verhand-
lungsmachtderKäuferunddieVerhandlungsmachtderLieferanten–eingehendun-
316 6 Aktienanalyse

tersucht. Ist die Wettbewerbsposition der Gamma AG in der Industrie aufgrund der
verbleibenden drei Wettbewerbsfaktoren in 2 Jahren sowie auch in 7 Jahren stark oder
schwach?

Aufgabe3
Ein Aktienanalyst untersucht die Siemens-Aktie. Für die börsennotierte Aktie der Sie- mens
AGliegendiefolgendenDatenvor:

 Der Schlusskurs der Siemens-Aktie am 12. August 2013 liegt bei EUR 83,60.
 DashistorischeBetaderAktieist1,072.
Die jährlich erwartete Dividende je Aktie beläuft sich auf EUR 3. Der
 1-jährigerisikoloseZinssatzliegtbei0,6%.
 Die Marktrisikoprämie fü r Deutschland ist 5,2 %.

Der Analyst gelangt mit einem Aktienbewertungsmodell zu einem inneren Aktienwert von
EUR 86. Er geht davon aus, dass es 1 Jahr dauert, bis der Markt die Fehlbewertung korrigiert
hat. Die erwartete Wachstumsrate des Aktienpreises schätzt der Analyst auf 2,5 %.Wie hoch
istdasEx-ante-AlphaderSiemens-Aktie?

Aufgabe4
Es liegen die folgenden Aussagen zur technischen Analyse vor:

1. Eine wichtige Annahme der technischen Analyse ist, dass die Märkte effizient sind und
sichdieMenschenrationalverhalten.
2. EinNachteildertechnischenAnalyseist,dasseineTrendumkehrerstidentifiziertwerden
kann,wenndiesestattgefundenhat.
3. Für Rohstoffe und Währungen kann kein innerer Wert mit einem Bewertungsmodell
ermittelt werden. Daher wird für die Beurteilung solcher Anlagen die technische Analyse
eingesetzt.
4. Ein hohes oder steigendes Handelsvolumen in einem Chartbild stellt einen Hinweis dar,
dasssichderTrendbaldumkehrenwird.
5. Eine Abwärtstrendlinie lässt sich in einem Chartbild eintragen, indem die Höchst- und
Tiefstpreisemiteinanderverbundenwerden.
6. Der Wechsel des Polaritätsprinzips bedeutet, dass eine kurzfristig gleitende Durch-
schnittslinieeinelangfristiggleitendeDurchschnittsliniekreuzt.
7. Bollinger-Bänder werden mit einer MACD-Linie und einer Signallinie konstruiert. Die
8. Elliott-Wellen-Theorie beruht auf der Erkenntnis, dass sich die Aktienmärkte in
stochastischenWellenbewegen.

Sind diese Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?

Aufgabe5
Nachstehend ist der Tageskursverlauf der Adidas-Aktie vom 3. September 2011 bis 3.
September2014aufgeführt:
6.6 Aufgaben 317

(Aktienpreis
in EUR)
90

80

70

60

50

Dez 11 Apr 12 Aug 12 Dez 12 Apr 13 Aug 13 Dez 13 Apr 14 Aug 14

(Zeitperiode)

Bei ungefähr welchem Preisniveau endet der Aufwärtstrend?

Aufgabe6
Für die Bayer-Aktie liegt der folgende Tageskursverlauf vom 17. April bis 17. August 2015
vor:

(Aktien-
preis
140,00 in EUR)

137,50

135,00

132,50

130,00

127,50

125,00

4. Mai 18. Mai 8. Juni 22. Jun 6. Jul 20. Jul. 3. Aug 17. Aug

(Zeitperiode)

Auf ungefähr welchem Preisniveau befindet sich die Widerstandslinie?


31 6 Aktienanalyse

Literatur

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(2016)
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Sloan, R.: Do Stock Prices Fully Reflect Information in Accruals and Cash Flows About Future Earnings?
In:AccountingReview 71 (3), 289–315 (1996)
Aktienbewertung
7

7.1 Einleitung

Die Bewertung von Aktien erfolgt unter der Annahme der Unternehmensfortführung (Going
Concern)oderderLiquidation.DieAnnahmederFortführungunterstellt,dassdasUnternehmen
seine geschäftlichen Aktivitäten in absehbarer Zeit weiterführt. Das Unternehmen produziert
und verkauft Güter und Dienstleistungen und setzt das Vermö- gen sowie das zur Finanzierung
derGeschäftstätigkeitbenötigteKapitalwertsteigerndein.DievorliegendenAusführungenzur
Aktienbewertungbasieren auf dieser Annah- me. Weist die Gesellschaft hingegen betri ebliche
undfinanzielleSchwierigkeitenaufundistdieFortführungsprämissenichtmehrgewährleistet,
so erfolgt die Bewertung des Unternehmens zu Liquidationswerten. Dabei ergibt sich der
Unternehmenswert aus der Veräußerung der einzelnen Vermögenswerte. In der Regel ist der
Aktienwert unter der Annahme der Unternehmensfortführung im Vergleich zu
Liquidationswerten größer, weil mit den Vermögenswerten der Gesellschaft zukünftige
Cashflows erwirtschaftet werden, deren Barwerte die Summe der Veräußerungswerte der
einzelnen Aktiven übersteigen. Allerdings ist auch der umgekehrte Fall denkbar, dass ein
unprofitables Unternehmen bei einer Geschäftsaufgabe verglichen mit einer Weiterführung
einen höheren Wert aufweist. Die benötigte Zeitdauer für den Verkauf der Aktiven beeinflusst
den Liquidationswert ebenfalls. Üblicherweise führt ein schnellerer Verkauf von Aktiven im
Vergleich zu einer längeren Verkaufsperiode zu einem geringeren Erlös und dementsprechend
zueinemniedrigerenLiquidationswert.

AktienlassensichunterderAnnahmederUnternehmensfortführunggrundsätzlichmit
Cashflow-Modellen,Wertschöpfungsmodellen,MultiplikatorenundderOptionspreis-
theoriebewerten.Abb. 7.1zeigteineÜbersichtüberdieAktienbewertungsmodelleunterder
AnnahmedesGoing-Concern-Prinzips.

DieseBewertungsmodellekönneninabsoluteundrelativeModelleaufgeteiltwerden.Die
absolutenVerfahrenbeziehensichaufdieAktienbewertungmiterwartetenCash-flows,
ÜbergewinnenundmitdemAnsatzderOptionspreistheorie.DierelativenBewer-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 319


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_7
320 7 Aktienbewertung

Aktienbewertungsmodelle

Cashflow- Wert- Multipli- Optionspreis-


Modelle schöpfungs theorie
- modelle katoren

• Dividenden- • Residualgewinn- • Preismultipli- • Realoptionen


diskontierungs- modelle katoren: z. B.
modelle Kurs-Gewinn- • Call-Option auf
• Economic-Value- Verhältnis Unternehmens-
• Free-Cash-Flow- Added-Modelle aktiven
to-Equity-Modelle (EVA und MVA) • Wertmultipli-
katoren: z. B.
• Free-Cash-Flow- Enterprise-Value
- EBITDA-
to-Firm-Modelle Verhältnis

Abb.7.1 Übersicht über Aktienbewertungsmodelle unter der Annahme der Unternehmensfortfüh-


rung

tungsmodelle bestehen aus Multiplikatoren wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis und dem


Enterprise-Value-EBITDA-Verhältnis. Sie werden mit den entsprechenden Multiplikato- ren
einer Vergleichsgruppe verglichen. Dabei wird untersucht, ob die Aktie relativ zu den
Vergleichsunternehmenrichtigbewertetist.
1

DasKapitelbeginntmitderDefinitiondesinnerenWertsunddesbeizulegendenZeitwerts
einerAktie.AnschließendwerdendieCashflow-Modellebeschrieben,dieausden
Dividendendiskontierungsmodellen,Free-Cash-Flow-to-Equity-ModellenundFree-
Cash-Flow-to-Firm-Modellenbestehen.DanachwerdendasResidualgewinnmodellunddas
Economic-Value-Added-Modellvorgestellt,diezudenWertschöpfungsmodellenge-hören.
DasKapitelendetmitderAnwendungderPreis-undWertmultiplikatorensowieder
OptionspreistheorieinderAktienbewertung.

7.2 InnererWertundbeizulegenderZeitwerteinerAktie

Im Zusammenhang mit der Aktienbewertung unterscheidet man zusätzlich zum Fortfüh-


rungs-undLiquidationswertdiefolgendenDefinitionenvonWert:

 Den inneren Wert und


 den beizulegenden Zeitwert (Fair Value).

Der innere Wert einer Aktie lässt sich über eine Kombination von akkurat geschätzten
ParameternmiteinemBewertungsmodellbestimmen.DemzufolgesetztderinnereWert

1
Vgl. Lee 2013 : Choosing the Right Valuation Approach, S. 244.
7.3 Cashflow-Modelle 321

das vollständige Verständnis der Anlagecharakteristiken voraus. Vergleicht man den be-
rechneten inneren Wert mit dem Marktpreis d er Anlage, kann beurteilt werden, ob eine
Fehlbewertung besteht. Liegt der innere Wert über (unter) dem Marktpreis, ist die Ak- tie
unterbewertet (überbewertet). Stimmt hingegen der innereWert mitdem Marktwert überein, ist
dieAktierichtigbewertet.

FindetbeieinerAktieeinBesitzerwechselstatt,entsprichtderbeizulegendeZeitwertdem
Preis,deneinkaufwilliger,sachverständigerundunabhängigerKäuferohneZwangzuzahlen
bereitist.EbenfallsbeidiesemPreisisteinverkaufswilliger,sachverständigerund
unabhängigerVerkäuferbereit,ohneZwangzuverkaufen.
2

7.3 Cashflow-Modelle

7.3.1 Übersicht

Bei den Cashflow-Modellen stehen die erwart eten Geldflüsse (Cashflows) an die Eigenka-
pitalgeber im Vordergrund. Der Aktienwert ergibt sich aus dem Barwert der zukünftigen
Geldflüsse, wobei der ermittelte Wert mit den erwarteten Cashflows und der geforderten
Anlagerenditedes Investors übereinstimmen muss. Dabei werden fürdie Wertbestimmung die
zukünftigenCashflowsmitdererwartetenRenditediskontiert.

CashflowslassensichinDividendensowieinfreiverfügbareCashflowsfürdasEigen-und
Gesamtkapital(FreeCashFlowtoEquitybzw.FreeCashFlowtoFirm)aufteilen.Dividenden
stelleneineGewinnausschüttungdarundwerdenvomUnternehmendirektdenAktionären
(bzw.denEigenkapitalgebern)ausbezahlt.AnstattCashflowsalsDivi-dendenbzw.alsdirekte
GeldzuflüsseandieAktionärezudefinieren,kannmandieseauchalsfreiverfügbareCashflows
betrachten,diedenKapitalgebernpotentiellausbe-zahltwerdenkönnen.DieseDefinitiongeht
davonaus,dassmandurchdenAktienbesitzeinenAnspruchaufdievomUnternehmen
generiertenbetrieblichenCashflowsnachAb-zugdererforderlichenInvestitionenundZa
hlungenandieFremdkapitalgeberwieetwaZins-undNominalwertrückzahlungenhat.Diefrei
verfügbarenCashflowskönnenent-wedernachBezahlungderFremdkapitalgeberansprüche–
FreeCashFlowtoEquity–odervorderenBezahlung–FreeCashFlowtoFirm–bestimmtwerden.
DerVorteilvonCashflow-Modellenist,dasssiekonzeptionellsolidesindundfürdiemeisten
Aktienbe-wertungsanwendungeneingesetztwerdenkönnen.

2
Z. B. definiertIFRS13denbeizulegendenZeitwert(FairValue)wiefolgt:„DerbeizulegendeZeitwert
(FairValue)istderPreis,denmanineinergewöhnlichenTransaktionzwischenMarktteil-
nehmern am Bewertungsstichtag beim Verkauf eines Vermögenswerts erhalten würde oder bei der
ÜbertragungeinerSchuldzuzahlenhätte.“
322 7 Aktienbewertung

7.3.2 Dividendendiskontierungsmodelle

7.3.2.1 Grundlagen
DerWerteinerAktiehängtvomNutzenbzw.vondenerwartetenCashflowsab.DadieDividenden
inderZukunftanfallen,mussderZeitwerteffektberücksichtigtwerden.EinGeldbetrag,denman
in der Zukunft erhält, ist verglichen mit dem gleichen Geldbetrag heute weniger wert. Um den
Aktienwert zu berechnen, sind demnach die in Zukunft an- fallenden Dividenden auf den
Bewertungszeitpunkt zu diskontieren. Demzufolge setzen sich bei einem
Dividendendiskontierungsmodell die Bewertungsparameter aus den erwar- teten Cashflows
und dem Diskontsatz bzw. der erwarteten Rendite zusammen. Werden die Dividenden mit der
erwartetenRenditediskontiert,erhältmandeninnerenAktien-wert.KaufenInvestorendieAktie
zudiesemPreis,erzielensiedievonihnengeforderteAnlagerendite.

ErwirbtmaneineAktie,soerwartetmaneinerseitsDividendenübereinenbestimmten
AnlagezeitraumundandererseitseinenbestimmtenAktienpreisamEndederInvestiti-
onsperiode.DabeientsprichtdererwarteteVerkaufspreisderAktieamEndederAnlage-
periodeTdemBarwertallerinZukunfterwartetenDividenden.DerPreisderAktiebzw.der
innereWert
.P0 / lässt sich demzufolge wie folgt ermitteln:4
X
1
Divt
Div1 Div2 DivT tDTC1
Œ1 C E .r/t
P0 D 1
C 2
C:::C C ; (7.1)
Œ1 C E .r/ Œ1 C E .r/ Œ1 C E .r/T Œ1 C E .r/T
wobei:

Divt D erwartete Dividende je Aktie in der Periode t,


E .r/ D erwartete Rendite bzw. Diskontsatz,
T D Anlageperiode.

Die Formel zeigt die Berechnung des inneren Aktienwerts über einen endlichen Anlage-
horizont. Der innere Aktienwert ergibt sich zum einen aus den diskontierten Dividenden
während der Anlageperiode und zum anderen aus den diskontierten Dividenden nach dem
Verkauf der Aktie, da diese den Aktienwert am Ende der Halteperiode wiedergeben. Mit der
Basisformel des Dividendendiskontierungsmodells lässt sich demnach auch der innere Wert
einerAktie
.P0 / über einen unendlichen Anlagehorizont ermitteln:5
1X t Divt
P0 D : (7.2)
D1
Œ1 C E .r/t

3
DiesesbeidenCashflow-basiertenModellenzugrundeliegendeBewertungsprinzipwurdevonJohn
WilliamsEndeder1930er-Jahrebeschrieben.Vgl.Williams 1938 :TheTheoryofInvestment
Value,S.55ff.4
Vgl. Bodie et al. 2009 : Investments, S. 591.
5
Vgl. Barker 2001 : Determining Value: Valuation Models and Financial Statements, S. 19.
7.3 Cashflow-Modelle 323

Dividende 1 Dividende 2 Dividende 3 … Dividende ∞



0 1 2 3 Jahre


innerer Dividendent
=
t=1 (1 + erwartete Rendite )
t
Wert

Bewertungsaspekte:
• Schätzung der in Zukunft anfallenden Dividenden
• Schätzung der erwarteten Rendite
• unbegrenzte Laufzeit der Aktie (Going Concern)

Abb.7.2 Bestimmung des inneren Aktienwerts mit dem Dividendendiskontierungsmodell

Bei einer risikolosen Staatsanleihe sind die Bewertungsparameter bekannt. Die Cash- flows
bestehen ausden festenperiodischenKupons unddem Nominalwert bei Fälligkeit, während die
erwarteteRenditedurchdenrisikolosenZinssatzgegebenist.ImGegensatzdazusindbeiAktien
die Bewertungsparameter – Cashflows und erwartete Rendite – im Voraus nicht bekannt und
müssen geschätzt werden. Dabei können die in Zukunft erwar- teten Cashflows anhand von
Wachstumsannahmen bestimmt werden. Die Einbindung des Risikos bei der erwarteten
Rendite erfolgt über die Risikoprämie, die eine Renditeent- schädigung für das operative und
finanzielle Ri siko des Unternehmens darstellt. Darüber hinaus muss bei der Berechnung des
Barwerts berücksichtigt werden, dass die Dividen- den über einen unendlich langen Zeitraum
anfallen,dadieLebensdauerdesUnternehmensbzw.derAktiegrundsätzlichnichtbegrenztist.

6
Abb. 7.2 zeigt die Preisbestimmung von
Aktien mit dem Dividendendiskontierungsmodell und die sich daraus ergebenden Bewer-
tungsfragen.
DasBewertungsprinzipeinerAktiemiteinemCashflow-Modellistrelativeinfach.Dennoch
stelltdieAnwendungdesModellsinderBewertungspraxiseineHerausfor-derunghinsichtlich
derAuswahldesBewertungsmodellsundderSchätzungderBewer-tungsparameterdar.Umden
innerenAktienwertmiteinemCashflow-Modellzubestim-men,sinddiefolgendenSchritte
erforderlich:
7

 Schätzung der erwarteten Cashflows wie et wa Dividenden oder frei verfügbare Cash- flows
fürdasEigen-undGesamtkapital,
 Berechnung des risikoadjustierten Diskontsatzes bzw. der erwarteten Rendite, Auswahl
 einesBewertungsmodellsaufgrundderunterstelltenWachstumsannahmen.

6
Infolge des Going-Concern-Prinzips wird eine unbegrenzte Lebensdauer des Unternehmens unter-
stellt, da diese nicht bekannt ist.
7
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 378 ff.
324 7 Aktienbewertung

Beispiel
Berechnung des inneren Aktienwerts bei einer Unternehmensliquidation in 3 Jah- ren

EinUnternehmenplant,dieGeschäftstätigkeitin3Jahrenaufzugeben.Indenerstenbeiden
JahrenwirdeinejährlicheDividendevonjeweilsEUR10proAktieerwartet.DieDividenden
werdenamEndederentsprechendenJahreausbezahlt.AmEndedesJahresfällteine
LiquidationsdividendevonEUR200proAktiean.Dieerwartete
3.
Rendite beträgt 10 %. Wie hoch ist der innere Wert der Aktie?

Lösung
Der innere Wert der Aktie von EUR 167,62 kann mithilfe des Dividendendiskontie-
rungsmodellswiefolgtermitteltwerden:

EUR 10 EUR 10 EUR 200


P0 D 1
C 2
C D EUR 167;62:
.1;10/ .1;10/ .1;10/3

DiefolgendenAusführungenzeigen,beiwelchenUnternehmenDividendendiskontie-
rungsmodellefürdieAktienbewertunggeeignetsind,bevordieverschiedenenVerfahrenzur
SchätzungderWachstumsratenunddieBewertungsmodellebeschriebenwerden. 8

.3.2.2 AngemessenheitvonDividendendiskontierungsmodellen Dividenden


werden aus den Unternehmensg ewinnen ausbezahlt, die den
eigentlichen Werttreiber einer Aktie darstellen. Werden die vom
Unternehmen thesaurierten Gewin- ne für die Finanzierung von
rentablen Investitionen eingesetzt, führt dies zu höheren Gewinnen
und bei einer konstanten Gewinna usschüttungsquote zu höheren
Dividenden. Die höheren Dividenden aus den einbehalte nen und
wieder angelegten Gewinnen sind bei der Preisbestimmung mit einem
Dividendendiskontierungsmodell zu berücksichti- gen. Außerdem muss
ein Zusammenhang zwischen den Dividendenauszahlungen und der
Wertgenerierung aus der unternehmeris chen Tätigkeit besteh en.
Demnach ist eine konstante Ausschüttungsquote erforderlich, sodass
die Dividenden die Ertragskraft des Unternehmens widerspiegeln. Ist
diese Voraussetzung gegeben, besteht eine Verbindung zwischen der
Wertschöpfung und der Wertverteilung bzw. zwischen den erzielten Unter- nehm

Unternehmen,diekeineGewinneerwirtschaften,bezahleninderRegelauchkeine
Dividenden.JedochkönnenauchsehrrentableundwachstumsstarkeUnternehmenmithohen
GewinnenkeineDividendenausschütten,dadieerzieltenGewinneinlukrativeProjekte
reinvestiertundnichtdenAktionärenausbezahltwerden.MitderZeitwirddasUnternehmen

 infolge des höheren Wettbewerbs  in einem gesättigten Markt tätig

8
Für die verschiedenen Verfahren zur Schätzung der erwarteten Rendite (z. B. CAPM und APT)
vgl. Kap. 4 und Kap. 5 .
7.3 Cashflow-Modelle 325

sein,indemrentableInvestitionsmöglichkeitenseltenerwerden,sodassesmitderAus-zahlung
von Dividenden beginnt. Bei diesen Unternehmen ist es sehr schwierig, den Zeitpunkt der
beginnenden Dividendenauszahlung und deren Höhe zu schätzen, weil kei- ne Informationen
zu vergangenen Dividenden bzw. Details zu einer Dividendenpolitik vorliegen. In solchen
Fällen ist die Anwe ndung eines Dividendendiskontierungsmodells grundsätzlich möglich,
wobeidieSchätzungderParameteruntergroßerUnsicherheiter-folgt.

9
Alternative Bewertungsverfahren stellen unter anderem Free-Cashflow-Modelle
sowie Wertschöpfungsmodelle dar.
Grundsätzlich können Dividendendiskontierungsmodelle (bzw. Dividenden als Cash-
flows) bei folgenden Gegebenheiten eingesetzt werden:

 Das Unternehmen bezahlt Dividenden und es liegt eine historische Datenreihe vor, die eine
SchätzungderzukünftigenDividendenermöglicht.
 Die Unternehmensleitung hat eine Dividendenpolitik festgelegt, die sowohl verständ- lich
als auch im Zusammenhang mit der Rentabilität bzw. der Wertgenerierung des
Unternehmenssteht.
 Die Dividenden stimmen mit den frei ve rfügbaren Equity-Cashflows überein.

Darüber hinaus eignet sich das Dividendendiskontierungsmodell für die Wertbestimmung von
Aktien bei Minderheitsaktionären, da diese die Ausschüttung der frei verfügbaren Cashflows
nichtkontrollieren. 10

7.3.2.3 WachstumsratederDividenden
Bei einem Dividendendiskontierungsmodell stellen die geschätzten Wachstumsraten, die für
dieVoraussagederzukünftigenGewinnebzw.Dividendenverwendetwerden,einenkritischen
Bewertungsparameter dar. Grundsätzlich können die Wachstumsraten mithilfe der drei
folgendenVerfahrenbestimmtwerden:
11

1. Statistische Prognosemodelle auf der Basis von vergangenen Gewinnen


2. FundamentaldatenvonUnternehmen
3. Konsensprognosen von Analysten

1. Statistische Prognosemodelle stützen sich bei der Berechnung der Wachstumsrate auf
historischeUnternehmensgewinne.DiehistorischeWachstumsratewirdmithilfedes

9
Vgl. Buckley et al. 1998 : Corporate Finance Europe, S. 128.
10
ErwirbteinInvestorlediglicheinenkleinenAnteilderausstehendenAktien,soverfügterüberkei-ne
EntscheidungsgewalthinsichtlichderAuszahlungfreiverfügbarerCashflowsdesUnternehmens.Aus
derSichtvonMinderheitsaktionärenistdiePreisbestimmungderAktiemitDividenden-
diskontierungsmodellengerechtfertigt,weildieMinderheitsaktionäredieDividendenpolitikdes
Unternehmensnichtfestlegenbzw.diesenichtentscheidendbeeinflussenkönnen.
11
Vgl. Damodaran 2012 : Investment Valuation: Tools and Techniques for Determining the Value of
Any Asset, S. 272 ff.
326 7 Aktienbewertung

arithmetischen oder des geometrischen Mittels bestimmt. Darüber hinaus können Re-
gressionsmodelle oder Zeitreihenanalysen e ingesetzt werden. Statistische Prognose-
modelle sind für Unternehmen in der Reifephase angebracht, die in der Zukunft durch-
schnittlichgleichstarkwachsenwieinderjüngerenVergangenheit.Beiwachstums-starken
Unternehmen hingegen sind diese Modelle nicht geeignet, da das vergangene Wachstum
keinengutenIndikatorfürdieZukunftdarstellt.

2. DieWachstumsratelässtsichauchüberfundamentaleDatendesUnternehmensablei-ten.Die
auf Fundamentaldaten bezogene Wachstumsrate bzw. die endogene Wachs- tumsrate
spiegelt eine Gewinnwachstumsrate wider, die das Unternehmen bei einer gegebenen
Eigenkapitalrendite und Kapitalstruktur und ohne Emission von neuem Ei- genkapital
aufrechterhaltenkann.DieendogeneWachstumsrate(g)lässtsichwiefolgtermitteln:

12

g D b REK ; (7.3)
wobei:
b D Thesaurierungsrate des Gewinns,
REK D Eigenkapitalrendite.

Die Gewinnwachstumsrate steigt, je höher die Thesaurierungsrate und die Eigenkapi-


talrendite sind. Wird die Gewinnausschüttungsquote von 1 subtrahiert, gelangt man zur
Thesaurierungsrate. Die Ausschüttungsquote erhält man, wenn die Dividende durch den
Gewinndividiertwird.DieEigenkapitalrenditehingegenbestehtausdemGe-winndividiert
durch das Eigenkapital zu Beginn der Periode oder dividiert durch das durchschnittliche
Eigenkapital
13
. NachfolgendwirdfürdieBerechnungderEigenka-
pitalrenditedasEigenkapitalzuBeginnderPeriodeverwendet.Diesführtzufolgender
FormelfürdieBerechnungderendogenenWachstumsrate: 14

  
Div G
gD 1 ; (7.4)
G EK0

wobei:
Div D Dividende,
G D Gewinn,
EK0 D Eigenkapital zu Beginn der Periode.

Wird die Formel ausmultipliziert, erhält man folgende Gleichung für die Gewinn-
wachstumsrate,diedasWachstumalszurückbehaltenenGewinndividiertdurchdas

12
Vgl. z. B. Bodie et al. 2009 : Investments, S. 597.
13
Durchschnittliches Eigenkapital D (Eigenkapital zu Beginn der Periode C Eigenkapital am Ende
der Periode) = 2.
14
Vgl. z. B. Courtois et al. 2008 : Cost of Capital, S. 145.
7.3 Cashflow-Modelle 327

Eigenkapital bzw. als Wachstumsrate des Eigenkapitals durch thesaurierte Gewinne


ausdrückt:15
G  Div
gD : (7.5)
EK0
Die Eigenkapitalrendite kann weiter in die drei folgenden Finanzkennzahlen – Ge-
winnmarge, Kapitalumschlag und finanzi eller Leverage – aufgeteilt werden:
   
G U A0
REK D ; (7.6)
U A0 EK0

wobei:
U D Umsatz,
A0 D Aktiven zu Beginn der Periode.

Der erste Term rechts vom Gleichheitszeichen (also G U) spiegelt die Gewinnmarge =
des Unternehmens wider. Eine höhere Gewinnmarge führt zu einer höheren Eigen-
kapitalrendite.DerzweiteTerm(alsoUA)stellt = 0denKapitalumschlagdar,derdie
Umsatzeffizienzmisst.EinKapitalumschlagvon1bedeutet,dassdasUnternehmenbeieiner
Kapitalinvestition von EUR 1 einen Umsatz von EUR 1 erwirtschaftet. Je größer der
Kapitalumschlag ist, desto höher ist die operative Effizienz des Unternehmens und folglich
dieEigenkapitalrendite.DerletzteTerm(alsoA
0 =EK0) gibt den finanziellen
Leverage bzw. den Eigenkapitalmultiplikator wieder. Gl. ( 7.6 ) ist als DuPont-Modell16
bekannt und führt zu folgender Gleichung für die Berechnung der endogenen Gewinn-
wachstumsrate:      
G  Div G U A0
gD : (7.7)
G U A0 EK0
Demzufolge ist die endogene Wachstumsrate eine Funktion von Thesaurierungsrate,
Gewinnmarge, Kapitalumschlag und finan ziellem Leverage. Die Gewinnmarge und der
Kapitalumschlag geben den Renditebeitrag aus der Investitionstätigkeit wieder. Im
Gegensatz dazu sind die Thesaurierungsrate und der finanzielleLeverage ein Er- gebnis der
Finanzierungspolitik. Somit hä ngt die Höhe der Wachstumsrate von der Investitions- und
FinanzierungspolitikdesUnternehmensab.

Beispiel
Berechnung der endogenen Wachstumsrate am Beispiel der Aktie der Linde AG Für
die börsennotierte Aktie der Linde AG liegen für das Jahr 2012 folgende Daten vor (in
Mio.EUR): 17

G Div G G  Div
15
gD  D .
EK0 G EK0 EK0
16
Das DuPont-Modell, also die Aufteilung der Eigenkapitalrendite in Gewinnmarge, Kapitalum-
schlag und finanziellen Leverage, wurde von der E. I. du Pont de Nemours & Company entwickelt. 17
Vgl. Linde Group 2013 : Finanzbericht 2012, S. 106 ff.
32 7 Aktienbewertung

Ergebnis nach Steuerna 1250


Eigenkapital zu Beginn des Jahresa 11.604
Eigenkapital am Endes des Jahresa 13.094
Umsatz 15.280
Aktiven zu Beginn des Jahres 28.915
Aktiven am Ende des Jahres 33.477
Dividende 476
a
ohne Anteile anderer Gesellschafter (Minderheiten)

Wie hoch ist die endogene Gewinnwachstumsrate?

Lösung
Die Thesaurierungsrate des Gewinns von 61,92 % kann wie folgt bestimmt werden:

EUR 1250 Mio:  EUR 476 Mio:


bD D 0;6192:
EUR 1250 Mio:

Die Eigenkapitalrendite von 10,77 % kann folgendermaßen ermittelt werden:


     
EUR 1250 Mio: EUR 15:280 Mio: EUR 28:915 Mio:
REK D   D 0;1077
EUR 15:280 Mio: EUR 28:915 Mio: EUR 11:604 Mio:

oder
EUR 1250 Mio.
REK D D 0;1077:
EUR 11:604 Mio.
Die Thesaurierungsrate des Gewinns beträgt 61,92 %, während die Eigenkapitalrendite
bei 10,77 % liegt. Das führt zu einer endogenen Gewinnwachstumsrate von 6,67 %:

g D 0;6192  10;77 % D 6;67%:

Liegt das Wachstum des Unternehmens über 6,67 %, muss Geld auf dem Kapitalmarkt
aufgenommenwerden, um das überschüssi ge Wachstum zu finanzieren. Demnach kann das
Unternehmen durch zurückbehaltene Gewinne ein nachhaltiges Wachstum von 6,67 %
finanzieren.

3. Zukünftige Dividenden können auch mithilfe von Wachstumsraten geschätzt werden, die
aus Konsensprognosen von Analysten stammen. Zum Beispiel finden sich bei
Finanzinformationsdienstleistern wie Thomson Oneund Bloomberg Konsensprogno- sen
mit Gewinnwachstumsraten von 1 bis zu 5 Jahren.Die Gewinnschätzungen der Analysten
beruhen unteranderem auf statistischen Prognosemodellen und unterneh- mensbezogenen
Fundamentaldaten.
7.3 Cashflow-Modelle 329

7.3.2.4 Gordon-Growth-Modell
Das Gordon-Growth-Modell unterstellt, dass die Dividenden mit einer konstanten Rate über
einenunbegrenztenZeitraumzunehmen. 18
DieDividendefüreinePeriodetlässtsichmit
derindervorangegangenenPeriodeausbezahltenDividendeundmitderkonstanten
Wachstumsrate wie folgt berechnen:

Divt D Div0 .1 C g/t ; (7.8)

wobei:

Divt D Dividende in der Periode t,


Div D DividendeindervontvorangegangenenPeriode, 0
g D konstante Wachstumsrate.

Beträgt beispielsweise die Dividende je Aktie EUR 5 und liegt eine konstante Wachstums- rate
von5%vor,dannergibtsichin1JahreineDividendevonEUR5,25[ D EUR 5 
.1;05/]. In 2 Jahren beläuft sich die Dividende auf EUR 5,513 [D EUR 5  .1;05/2 ], in
3 Jahren auf EUR 5,788 [D EUR 5  .1;05/3 ] usw. Bei einer unbegrenzten Laufzeit der
Aktie (Going-Concern-Prinzip) gelangt man zu folgender Formel für die Berechnung des
inneren Aktienwerts:

Div0 .1 C g/ Div0 .1 C g/2 Div0 .1 C g/T


P0 D C C:::C C :::; (7.9)
Œ1 C E .r/1 Œ1 C E .r/2 Œ1 C E .r/T

wobei:

E .r/ D erwartete Rendite.

Diese Gleichung stellt eine geometrische Reihe dar, da jeder Term im Formelausdruck gleich
demvorangegangenenTermmultipliziertmiteinerKonstanteist.DieKonstantebeträgt
.1Cg/=.1CE.r//. DieseGleichungfürdieBerechnungdesinnerenAktienwerts– 19
auch bekannt als Gordon-Growth-Modell – kann kompakt wie folgt aufgeführt werden:

Div0 .1 C g/ Div1
P0 D D (7.10)
E .r/  g E .r/  g

wobei:

E .r/ > g.

18
Vgl. Gordon 1962 : The Investment, Financing, and Valuation of the Corporation, S. 1 ff.
19
Der erste Term einer unbegrenzten geometrischen Reihe ist gleich a und der Wachstumsfaktor ist
n, wobei jnj < 1. Die Summe von a C an C an2 C: : : ist gleich a=.1n/ .Wirdfür a D Div1 =Œ1CE.r/
und für n D .1 C g/=Œ1 C E.r/ eingesetzt, gelangt man zu ( 7.10 ) bzw. zum Gordon-Growth-Modell.
330 7 Aktienbewertung

ZumBeispielweisteinTitelindernächstenPeriodeeineerwarteteDividendejeAktievonEUR5
(Div D EUR 5),einelangfristigerwarteteRenditevon15%undeinekonstante 1
ewigeWachstumsratevon5%auf.MithilfedesGordon-Growth-Modellsergibtsicheininnerer
AktienwertvonEUR50:

EUR 5
P0 D D EUR 50:
0;15  0;05
Um den inneren Wert der Aktie zu berechnen, muss die erwartete Rendite größer als die
Wachstumsrate sein ŒE .r/> g. Ist die Renditeerwartung gleich groß wie die Wachstums-
rate ŒE .r/ D g, nehmen die Dividenden mit der gleichen Rate zu, mit der sie diskontiert
werden. Das führt zu einem unbegrenzt hohen Aktienwert, welcher der Summe aller nicht
diskontierten zukünftigen Dividenden entspricht. Ist die erwartete Rendite kleiner als die
Wachstumsrate E .r/< g,resultiertdarausmitdemModelleinnegativerAktienwert.–
UnbegrenzthoheundnegativeAktienwertemachenkeinenSinn,sodasseineerwarteteRendite
gleichoderunterhalbderWachstumsratenichtangemessenist. 20

MitdemGordon-Growth-ModelllässtsichauchderinnereAktienwertvonUnterneh-men
berechnen,dieeinenegativeWachstumsrateaufweisen.EinenegativeWachstums-rate
impliziert,dassderAktienwertabnimmt. 21
JehöherdienegativeWachstumsrate
geschätztwird,destoniedrigeristderinnereAktienwert.DiePrämisseeineslangfristi-gen
negativenWachstumsistbeiUnternehmengerechtfertigt,dieaufgrunddestechno-logischen
FortschrittsodergesellschaftlicherUmwälzungeneinemnachhaltigenNach-fragerückgang
ihrerProdukteundDienstleistungenausgesetztsind.Abb. 7.3zeigtbeieinerAktiemiteiner
DividendenzahlungvonEUR2,70undeinererwartetenRenditevon6,5%denZusammenhang
zwischendeminnerenAktienwertundderWachstumsrate[wobeiEr

. / > g].
DasGordon-Growth-ModellbasiertaufderFortführungsannahme(GoingConcern),
sodassdieDividendenübereinenunbegrenztenZeitraumanfallen.Demnachmüssendie
erwarteteRenditeunddieWachstumsratelangfristigeGrößensein.DieZuverlässigkeitdes
BewertungsmodellshängthauptsächlichvonderRenditeerwartungundderlangfris-tigen
Wachstumsrateab,dadieDividendedernächstenPeriodeinderRegelhinreichendgenau
geschätztwerdenkann.
22
DabeireagiertdermitdemModellberechneteAktienwert
sehrsensitivaufVeränderungenderRenditeerwartungundderWachstumsrate.Kleine
VeränderungenderParameterkönnenzueinerrelativgroßenÄnderungdesberechnetenAktienwerts
führen.AusdiesemGrundsindSensitivitätsanalysendurchzuführen,diezei-gen,wievielsichderWert
der Aktie bei einer Veränderung der beiden Parameter bewegt. Insbesondere ist eine
Sensitivitätsanalysegerechtfertigt,wennUnsicherheitenbezüglich

20
Vgl. Payne und Finch 1999 : Effective Teaching and Use of the Constant Growth Dividend Dis-
count Model, S. 284.
21
Beim Gordon-Growth-Modell nimmt zum einen der Zähler ab Div – 0 .1 C .g// und zum anderen
der Nenner ŒE. r/  .g/ zu, sodass der Aktienwert bei einer negativen Gewinnwachstumsrate im
Vergleich zu einem positiven Wachstum geringer ausfällt.
22
Vgl. Gehr 1992 : A Bias in Dividend Discount Models, S. 75 ff.
7.3 Cashflow-Modelle 331

(innerer Aktienwert)

EUR 160

EUR 140

EUR 120

EUR 100

EUR 80

EUR 60

EUR 40

EUR 20

EUR 0
4.50% 3.50% 2.50% 1.50% 0.50% –0.50% –1.50% –2.50%

(erwartete Wachstumsrate)

Abb.7.3 Zusammenhang zwischen innerem Aktienwert und Wachstumsrate

der Höhe der Bewertungsparameter bestehen.23 Betragen zum Beispiel die Dividende
je Aktie in der nächsten Periode EUR 5,25 (Div1 D EUR 5;25), die erwartete Rendite
10 % und die langfristige Wachstumsrate 5 %, dann ergibt sich ein innerer Aktienwert von
EUR 105 [D EUR 5;25=.0;10  0;05/]. Geht man davon aus, dass sich die erwartete Ren-
dite und die Wachstumsrate um je 0,5 % nach oben und nach unten verändern, gelangt
man mit dem Gordon-Growth-Modell zu folgenden Aktienwerten:

g D 4;5 % g D 5% g D 5;5 %
E .r/ D 9,5 % EUR 105,00 EUR 116,67 EUR 131,25
E .r/ D 10,0 % EUR 95;45 EUR 105,00 EUR 116,67
E .r/ D 10,5 % EUR 87;50 EUR 95;45 EUR 105,00

Die Sensitivitätsanalyse zeigt, dass bereits kleine Veränderungen der Parameter E .r/
und g einen erheblichen Einfluss auf den berechneten Aktienwert haben. Die berechne- ten
Aktienwerte liegen in einer Bandbreite zwischen EUR 87,50 und EUR 131,25. Der niedrigste
Aktienwert von EUR 87,50 geht auf die größte Differenz zwischen der erwar- teten Rendite und
der Wachstumsrate von 6 % zurück. Umgekehrt resultiert der höchste Aktienwert von EUR
131,25beiderniedrigstenDifferenzzwischendenbeidenBewer-tungsparameternE

.r/ undgvon4%.DerUnterschiedzwischendemhöchstenunddem
niedrigstenAktienwertliegtbeirund50%,währenddieAbweichungvomBasisszenario

23
Vgl. Payne und Finch 1999 : Effective Teaching and Use of the Constant Growth Dividend Dis-
count Model, S. 284 ff.
332 7 Aktienbewertung

(innerer
Aktienwert)
EUR 300

EUR 250

EUR 200

EUR 150

EUR 100

EUR 50

EUR 0
14% 12% 10% 8% 6% 4% 2%
(erwartete Rendite – Wachstumsrate)

Abb.7.4 Exponentielle Zunahme des inneren Aktienwerts bei Konvergenz der erwarteten Rendite
und der Wachstumsrate

von EUR 105 nach oben rund 25 % und nach unten rund 17 % beträgt. Nimmt die Dif- ferenz
zwischen der erwarteten Rendite und der Wachstumsrate ab, steigt der berechnete Aktienwert
exponentiellan, 24
was in Abb. 7.4 dargestellt ist.
DieerwarteteRenditeunddieWachstumsratekönneninAbhängigkeitvomgewählten
SchätzverfahrenunterschiedlicheWerteannehmen.SoetwakannfürdieBestimmungder
RenditeerwartungzumBeispieldasCAPModerdasFama/French-Modelleingesetztwer-den,
währendfürdieSchätzungderWachstumsratebeispielsweiseeinhistorischeroderein
fundamentalerAnsatzverwendetwerdenkann.DaheristderinnereAktienwertmiteinerReihe
vongeschätztenBewertungsparameternzuberechnen,sodassderAktienwertinnerhalbeiner
Bandbreitezuliegenkommt.

DieAnwendungdesGordon-Growth-ModellsistaufUnternehmenmiteinemkon-stanten
Wachstumbeschränkt.DasBewertungsmodellsetztvoraus,dassdieDividendenundsomitdie
GewinnemitdergleichenWachstumsrateewigzunehmen. 25
Steigen zum
Beispiel die Dividenden lediglich um 4 % jedes Jahr, während die Gewinne ein ewi-
ges Wachstum von 6 % pro Jahr verzeichnen, konvergiert die Gewinnausschüttungsquote
langfristiggegennull.LiegthingegendasWachstumderDividendenlangfristigüberdemjenigen
desGewinns,sowerdendieDividendeninderZukunftdasUnternehmens-ergebnisübertreffen,
waseineAusschüttungderUnternehmenssubstanzzurFolgehaben

24
Vgl. Payne und Finch 1999 : Effective Teaching and Use of the Constant Growth Dividend Dis-
count Model, S. 285 ff.
25
Vgl. Bodie et al. 2009 : Investments, S. 593.
7.3 Cashflow-Modelle 333

wird.DemnachmüssendieWachstumsratenderDividendenundderGewinneimModellgleich
großsein,damiteinplausiblerAktienwertermitteltwerdenkann.
DieHöhederkonstantenWachstumsrateimGordon-Growth-Modellsollteniedrigeroder
gleichderWachstumsratedesBruttoinlandsprodukts(oderapproximativdemnomi-nalen
risikolosenZinssatz)einesLandessein,indemdasUnternehmendenSchwerpunktseiner
Geschäftstätigkeithat.KeinUnternehmen,auchwennesnochsoerfolgreichist,kannaufewig
einehöhereWachstumsratealsdieGesamtwirtschafterzielen.
26
Dienach-
haltigekonstanteWachstumsrateberechnetsichanhandderDifferenzzwischen1undder
langfristigenAusschüttungsquotemultipliziertmitderlangfristigenEigenkapitalrendite.
SomitlässtsichdiekonstanteGewinnausschüttungsquote
• im Modell wie folgt festle-
gen:27
g
•D1 ; (7.11)
REK
wobei:

g D konstante endogene Wachstumsrate,


REK D langfristige Eigenkapitalrendite.

IstdiegewähltekonstanteWachstumsrategleichodergrößeralsdieerwarteteRendite,resultiert
daraus ein unbegrenzt hoher oder negativer Aktienwert. Zum einen lässt sich dieses Problem
lösen, indem eine konstanteWachstumsrate bestimmt wird, die unter dem risikolosen Zinssatz
liegt. Das führt dazu, das sdie Wachstumsrate niedriger als die erwar- tete Rendite (risikoloser
Zinssatz
C Risikoprämie)ist.Zumanderenkanndielangfristige
Gewinnausschüttungsquoteangepasstwerden,daeininverserZusammenhangzwischen
der Wachstumsrate und der Gewinnausschüttungsquote besteht (wenn alles andere gleich
bleibt). So führt eine höhere (niedrigere) Ausschüttungsquote zu einer niedrigeren (höhe-
ren) Thesaurierungsrate und entsprechend zu einer niedrigeren (höheren) Wachstumsrate.
Da das Gordon-Growth-Modell ein ewiges konstantes Wachstum unterstellt, ist es für
Unternehmen in der Reifephase mit einer gut etablierten Dividendenpolitik geeignet, die
über eine ähnliche Wachstumsrate wie die Gesamtwirtschaft verfügen. Mögliche Beispiele
sind Unternehmen aus der Energieversorgung und dem Lebensmitteleinzelhandel. Berech-
net man beispielsweise die erwartete Rendite mit dem CAPM, sollte das Beta in der Nähe
von 1 liegen. In Abhängigkeit vom Risiko kann ein Beta zwischen 0,8 und 1,2 gewählt
werden. Diese Bandbreite spiegelt das adjustierte Beta der meisten börsennotierten Un-
ternehmen wider.

28
EinBetavon1bedeutet,dassdasUnternehmendasgleicheRisikowieder
Gesamtmarktaufweist,wasfüreinUnternehmeninderReifephase,dasineinem
gesättigten Markt tätig ist, eine realistisch e Annahme darstellt. Demnach ist das Gordon-

26
Vgl. Parrino 2013 : Choosing the Right Valuation Approach, S. 271.
27
Die endogene Gewinnwachstumsrate kann mit der Ausschüttungsquote • wie folgt berechnet wer-
den: g D .1  •/REK . Wird diese Gleichung umgeformt, erhält man die Gewinnausschüttungsquote.
28
So etwa verfügen 63 % der DAX-Aktien und 70 % der SMI-Aktien über ein adjustiertes Beta, das
zwischen 0,8 und 1,2 liegt (Quelle: Thomson One; Stand Januar 2015).
334 7 Aktienbewertung

Growth-Modell für stabile und reife Unternehmen geeignet, die zum einen genügend hohe
Dividenden ausschütten und keine übermäßigen Geldreserven bilden, sodass sich die Divi-
denden und die frei verfügbaren Equity-Cashflows ungefähr entsprechen und zum anderen ein
Betavonrund1aufweisen.
29

Beispiel
Bewertung der Aktie der Linde AG mit dem Gordon-Growth-Modell
Für die börsennotierte Aktie der Linde AG liegen zu Beginn des Jahres 2013 die fol- genden
Datenvor:

Historisches Beta 0,833


Dividende je Aktie (für das Jahr 2012) EUR 2,70
Aktienpreis EUR 135

Eswirdangenommen,dassdasUnternehmendasgleichelangfristigenominale
WachstumwiediedeutscheGesamtwirtschaftaufweist.DielangfristigrealeZunah-medes
BruttoinlandsproduktsinDeutschlandwirdauf1,25%geschätzt,währendeinelangfristige
Inflationvon2,32%erwartetwird.DieVerfallrenditevon10-jährigenBun-desanleihen
beläuftsichauf1,7%.DieMarktrisikoprämiebeträgt5,2%.

1. WiehochistderinnereWertderLinde-AktiegemäßdemGordon-Growth-Modell?Istdie
2. AktiegemäßdemGordon-Growth-Modellrichtigbewertet?
3. Wie hoch ist die implizite Gewinnwachstumsrate?

Lösungzu1
WirddashistorischeBetavon0,833umdieRückkehrzumMittelwertvon1(MeanReversion)
korrigiert,gelangtmanzueinemadjustiertenBetavon0,889: 30

“adjustiert D 0;333 C 0;667  0;833 D 0;889:

Die erwartete CAPM-Rendite beträgt 6, 323 % und lässt sich wie folgt ermitteln:

E .r/ D 1;7 % C 5;2 %  0;889 D 6;323 %:

Die nominale Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von 3,6 % berechnet sich un- ter
Berücksichtigung des Verzinsungseffekts mit der realen Wachstumsrate des Brutto-
inlandsproduktsvon1,25%unddererwartetenInflationsratevon2,32%wiefolgt:

g D 1;0125  1;0232  1 D 0;036:

29
Vgl. Damodaran 2012 : Investment Valuation: Tools and Techniques for Determining the Value of
Any Asset, S. 324.
30
Vgl. Abschn. 4.2.5 .
7.3 Cashflow-Modelle 335

Setzt man für die Renditeerwartung 6,323 %, für die konstante Wachstumsrate 3,6 % und für
die letztbezahlte Dividende EUR 2,70 in das Gordon-Growth-Modell ein, erhält man einen
innerenWertderLinde-AktievonEUR102,72:

EUR 2;70  1;036


P0 D D EUR 102;72:
0;06323  0;036

Lösungzu2
In Anlehnung an das Gordon-Growth-Modell ist die Linde-Aktie um rund 31 % über-
bewertet,daderinnereWertvonEUR102,72unterdemgehandeltenPreisderAktievonEUR
135 liegt. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass es sich bei der Berechnung des inneren
Aktienwerts mit dem Gordon-Growth-Modell umeinen konservativen An- satz handelt,der
davonausgeht,dassdieLindeAGdasgleicheWachstumwiedieGesamtwirtschaftvon3,6%
aufweist.SoetwagehtderFinanzinformationsdienstleis-terThomsonOneBankervoneiner
Konsensprognose der jährlichenWachstumsrate für die nächsten 3 Jahre von 9,43 % aus. Fo
lglichisteineewigekonstanteWachstums-ratevon3,6%fürdieLindeAGzuniedrigbzw.die
Annahme eines ewigen konstanten Wachstums nicht angemessen. Außerdem ist das
Unternehmen in der Lage, höhere Dividenden auszubezahlen, da die frei ve rfügbaren
Equity-Cashflows größer als dieDividenden sind. Eine höhere Wachstumsrate – zumindest
über einen begrenzten Zeit- raum – und höhere Cashflows führen zu einem höheren inneren
Aktienwert.

Lösungzu3
Die implizite Wachstumsrate von 4,24 % lässt sich anhand des Gordon-Growth-
Modells wie folgt berechnen:
EUR 2;70  .1 C g/
EUR 135 D ! g D 4;24 %:
0;06323  g
Der im Vergleich zum inneren Wert höhere Marktpreis der Aktie von EUR 135 im-
pliziert eine höhere konstante Gewinnwachstumsrate von 4,24 % (anstatt 3,6 %). Eine im
VergleichhöhereimpliziteWachstumsrateistaufgrundderKonsensprognosevon9,43%für
die nächsten 3 Jahre gerechtfertig t. Für ein wachstumsstarkes Unternehmen wie die Linde
AGisteinmehrstufigesAktienbewertungsmodellgeeigneter.

7.3.2.5 Zweistu gesDividendendiskontierungsmodell


Für die meisten Unternehmen trifft die Annahme eines konstanten Wachstums nicht zu, weil sie
mehrere Wachstumsphasen durchlaufen, die durch unterschiedlich hohe Wachs- tumsraten
charakterisiert sind. Mehrphasenmodelle ermöglichen die Modellierung unter- schiedlicher
Wachstumsphasen. Dabei können die folgenden Wachstumsphasen – ver- gleichbar mit einem
Produkt-oderIndustrielebenszyklus
31
– unterschieden werden: Grün-
32
dung, Wachstum, Reife und Niedergang.

31
Für den Industrielebenszyklus vgl. Abschn. 6.2.2.2 .
32
Vgl. Koller et al. 2010 : Valuation: Measuring and Managing the Value of Companies, S. 89 ff.
336 7 Aktienbewertung

DiemehrstufigenBewertungsmodelleberuhenaufderAnnahme,dassdasUnterneh-men
übereinebegrenzteZeitperiodeeineErtragsentwicklungaufweist,dievomlangfris-tigen
Durchschnittabweicht.NacheinerbestimmtenAnzahlvonJahrenkehrtdasUnter-nehmenauf
denlangfristigenWachstumspfadzurück.BeimzweistufigenDividendendis-
kontierungsmodellwerdenzweiWachstumsphasenunterschieden.IndererstenPhase,die
zeitlichbegrenztist(z.B.5Jahre),nehmendieDividendenmiteinerbestimmtenWachstumsrate
zu.InderdarauffolgendenzweitenPhasewirdvoneinemewigenkon-stantenWachstum
ausgegangen.IndenmeistenFällenistdieWachstumsrateimerstenZeitabschnittgrößeralsin
derzweitenkonstantenPhase.EsgibtauchUnternehmen,dieaufgrundvonoperativenund/oder
finanziellenProblemenineinererstenStufeeinniedri-gesodernegativesWachstumaufweisen,
dasinderzweitenPhase–nachdemÜberwindenderSchwierigkeiten–durcheinhöheres
konstantesWachstumabgelöstwird.

BeimzweistufigenDividendendiskontierungsmodellwirdvoneinemabruptenEndeder
erstenWachstumsphaseausgegangen.DabeifälltdiehoheWachstumsrateamEndederersten
StufevonzumBeispiel15%schlagartigaufeineniedrigerekonstanteWachs-tumsratevon
beispielsweise4%.DerinnereAktienwertlässtsichmitdemzweistufigenBewertungsmodell
wiefolgtberechnen:
33

X
T
Divt PT
P0 D C ;
tD1
Œ1 C E .r1 /t Œ1 C E .r1 /T
(7.12)
kurzfristiges hohes langfristiges Wachstum auf
Wachstum einem niedrigeren konstanten Niveau

wobei:

Divt D erwartete Dividende in der Periode t,


E .r1 / D erwartete Aktienrendite in der ersten Wachstumsphase,
PT D Endwert (bzw. Terminal Value) der Aktie zum Zeitpunkt T (Wert der Aktie am
Ende der ersten Wachstumsphase).

Der erste Term rechts des Gleichheitszeichens gibt den inneren Wert der Aktie für die erste
Wachstumsstufe wieder. Der zweite Term rechts des Gleichheitszeichens beinhaltet den
EndwertderAktie
.PT / am Ende der ersten bzw. zu Beginn der zweiten Phase, der auf den
Bewertungszeitpunkt mit der erwarteten Rendite der ersten Wachstumsphase diskontiert
wird. Der Endwert der Aktie kann mit einem Preismultiplikator – wie etwa dem Kurs-
Gewinn-Verhältnis oder dem Kurs-Buchwert-Verhältnis – oder mit dem Gordon-Growth-
Modellwiefolgtermitteltwerden: 34

DivTC1
PT D ; (7.13)
E .r2 /  gT

33
Vgl. z. B. Parrino 2013 : Choosing the Right Valuation Approach, S. 273.
34
Vgl. Brigham und Houston 2001 : Fundamentals of Financial Management, S. 420.
7.3 Cashflow-Modelle 337

(Wachstums-
rate)
niedrigere Gewinn-
ausschüttungsquote

g
höhere Gewinn-
ausschüttungsquote

gT

(Jahre)

Phase mit hohem Phase mit ewigem


konstanten Wachstum konstanten Wachstum

Abb.7.5 Verlauf der Wachstumsrate und Veränderung der Gewinnausschüttungsquote im zweistu-


figen Dividendendiskontierungsmodell

wobei:

DivTC1 D erwartete Dividende in der ersten Periode der zweiten konstanten Wachstums-
phase,
E .r2 / D erwartete Aktienrendite in der zweiten konstanten Wachstumsphase,
gT D ewigekonstanteWachstumsrate.

Bei der Berechnung des Endwerts wird eine konstante Wachstumsrate gT verwendet, die
der nominalen Wachstumsrate der Gesamtwirtschaft (oder approximativ dem nominalen
risikolosen Zinssatz) entspricht. Darüber hinaus muss die Gewinnausschüttungsquote mit der
geschätzten Wachstumsrate konsistent sein. Ein hohes (niedriges) Wachstum impli- ziert eine
niedrige (hohe) Ausschüttungsquote. Bei hohem Wachstum wird der Gewinn reinvestiert und
nicht in Form von Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet, während bei einem niedrigeren
WachstumwenigerreinvestiertundeinhöhererTeildesGewinnsausbezahltwird.FälltdieWach
stumsrate nach der ersten Phase, so muss die Gewinnaus- schüttungsquote in der zweiten
konstanten Phase größer als in der ersten Phase sein. Die neue Ausschüttungsquote in der
konstantenWachstumsphasekannmit

1gT =REK;T (siehe


( 7.11 )) bestimmt werden. Abb. 7.5 zeigt den Zusammenhang zwischen der Wachstumsrate
und der Ausschüttungsquote im zweistufigen Dividendendiskontierungsmodell.
InderRegelistdieerwarteteRenditeindererstenWachstumsstufeaufgrunddeshöhe-ren
RisikosgrößeralsinderzweitenkonstantenPhase.Soetwaverfügenwachstumsstarke
UnternehmenalsFolgedesgrößerenRisikosübereinrelativhohesBeta.Dabeiistesnicht
33 7 Aktienbewertung

ungewöhnlich, dass stark wachsende Unternehmen wie Internet-, Telekommunikations- oder


Biotechnologieunternehmen ein Beta von rund 2 haben. In der zweiten konstanten
Wachstumsphase nimmt das Risiko des Unternehmens in der Regel ab. Für diese Stufe ist es
angemessen, ein Beta von etwa 1 (Bandbreite von 0,8 und 1,2) zu unterstellen, da sich das
Unternehmenin der Reifephasebefindetund somitdas gleicheRisikowie die Gesamtwirtschaft
aufweist.
35
EbensoistdieEigenkapitalrenditeinderwachstumsstarken
PhaseimVergleichzurkonstantenWachstumsphasegrößer,weildieProjekteinderers-ten
Phaserentablersind.FürdieBestimmungderEigenkapitalrenditeinderkonstantenPhasekann
diedurchschnittlicheEigenkapitalrenditederIndustrieoderderindieserPe-riodeerwartete
EigenkapitalkostensatzdesUnternehmensalsRichtgrößeherangezogenwerden.

36

Beispiel
Bewertung der Linde-Aktie mit dem zweistufigen Dividendendiskontierungsmo- dell

Für die börsennotierte Aktie der Linde AG liegen zu Beginn des Jahres 2013 (für das Jahr
2012)diefolgendenDatenvor:

Historisches Beta 0,833


Dividende je Aktie EUR 2,70
Aktienpreis EUR 135
Eigenkapitalrendite 10,04 %
Gewinnausschüttungsquote 38,24 %
Quelle: Thomson One Banker

Eswirdangenommen,dassdieGewinneunddieDividendenindennächsten5Jah-renmit
einerjährlichenWachstumsratevon6,2%zunehmen.DieWachstumsratevon6,2%ergibt
sichausdemProduktderThesaurierungsrateundderEigenkapitalrendi-te[
 0;3824/  10;04 %].InderkonstantenWachstumsphase,dienach5Jahren.1
beginnt, weist das Unternehmen ein ewiges konstantes Wachstum von 3,6 % auf, das
der erwarteten nominalen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Zu Be-
ginn der konstanten Wachstumsphase fällt die Eigenkapitalrendite von 10,04 % auf 8 %.
Außerdem wird angenommen, dass das Beta der Linde-Aktie in der konstanten
Wachstumsphase1beträgt.DieVerfallrenditevon10-jährigendeutschenBundesanlei-hen
beläuftsichauf1,7%,währenddieMarktrisikoprämiebei5,2%liegt.

35
DiemeistenbörsennotiertenAktienbesitzeneinadjustiertesBeta,dasineinerBandbreitezwi-schen0,8
und1,2liegt.DarüberhinausgibtesUnternehmen(z.B.inderRohstoffindustrie),die
übereinBetaverfügen,dasweitunterhalbvon1liegt.FürsolcheUnternehmenkannmandasnied-rigeBeta
in der Bewertung belassen. Geht man in der Reifephase hingegen von einer Diversifikation in andere
Geschäftsfelderaus,istfürdieseAktieneinhöheresBeta(z.B.von0,8)zuwählen.
36
Vgl. Damodaran 2012 : Investment Valuation: Tools and Techniques for Determining the Value of
Any Asset, S. 324.
7.3 Cashflow-Modelle 339

1. Wie hoch ist der innere Wert der Linde-A ktie gemäß dem zweistufigen Dividenden-
diskontierungsmodell?
2. Ist die Aktie gemäß dem zweistufigen Dividendendiskontierungsmodell richtig be-
wertet?

Lösungzu1
Das um die Rückkehr zum Mittelwert von 1 adjustierte Beta liegt bei 0,889:

“adjustiert D 0;333 C 0;667  0;833 D 0;889:

Die erwartete CAPM-Rendite für die erste Wachstumsphase beträgt 6,323 % und lässt sich
wiefolgtberechnen:

E .r/ D 1;7 % C 5;2 %  0;889 D 6;323 %:

In einem nächsten Schritt sind die Dividenden mit einer jährlichen Wachstumsrate von 6,2 %
fürdieerste5-jährigeWachstumsphasezuermitteln:

Div1 D EUR 2;70  .1;062/1 D EUR 2;867;


Div2 D EUR 2;70  .1;062/2 D EUR 3;045;
Div3 D EUR 2;70  .1;062/3 D EUR 3;234;
Div4 D EUR 2;70  .1;062/4 D EUR 3;434;
Div5 D EUR 2;70  .1;062/5 D EUR 3;647:

Um die Dividende am Ende des 1. Jahres der ewigen konstanten Wachstumsphase fest-
zulegen,istzunächstdieneueGewinnausschüttungsquote • von 0,55 zu bestimmen:

0;036
ıkonstante Phase D 1  D 0;55:
0;08

Bei einer Ausschüttungsquote von 38,24 % ergibt sich für das Jahr 2012 ein Ergebnis je Aktie
vonEUR7,06( D EUR ).DasErgebnisjeAktieim6.Jahrliegt
bei EUR 9,881: 2;70=0;3824

EUR 7;06  .1;062/5  .1;036/ D EUR 9;881:

Die Dividende am Ende des 1. Jahres der konstanten Wachstumsphase beträgt


EUR 5,435 (D EUR 9;8810;55). Die erwartete Rendite in der konstanten Wachstums-
phase wird mit einem Beta von 1 berechnet und liegt bei 6,9 % (D 1;7 % C 5;2 %  1).
340 7 Aktienbewertung

innerer Wert EUR 5 435,


=
zu Beginn der 0 069,− 0 036,
konstanten
Wachstumsphase
= 164EUR
697,

EUR EUR EUR EUR EUR EUR


2,867 3,045 3,234 3,434 3,647 5,435

0 1 2 3 5 4 6 Jahre

starke Wachstumsphase ewige konstante


Wachstumsphase

innerer EUR 2,867 EUR 3,045 EUR 3,234 EUR 3,434


= + + +
Wert (1,06323
) 1 1,06323
( ) 2 1,06323
( ) 3 1,06323
( )4
EUR 3,647 + EUR 164,697
+ = EUR 134,665
(1,06323 )5

Abb.7.6 Berechnung des inneren Werts der Linde-Aktie mit dem zweistufigen Dividendendiskon-
tierungsmodell

Der innere Wert der Linde-Aktie mit dem zweistufigen Dividendendiskontierungsmo- dell
lässtsichwiefolgtberechnen:

EUR 2;867 EUR 3;045 EUR 3;234 EUR 3;434


P0 D 1
C 2
C 3
C
.1;06323/ .1;06323/ .1;06323/ .1;06323/4
 
EUR 5;435
EUR 3;647 0;069  0;036
C C D EUR 134;665:
.1;06323/5 .1;06323/5
Der innere Wert beläuft sich auf EUR 134,665. Hierzu ist anzumerken, dass der auf den
Bewertungszeitpunkt diskontierte Endwert von EUR 121,213 rund 90 % des inneren
Aktienwerts und somit einen wesentlichen B estandteil des berechneten Aktienwerts
darstellt. Lediglich 10 % des inneren Werts gehen auf den Barwert der Dividenden in der
5-jährigenwachstumsstarkenZeitperiodezurück.Abb. 7.6veranschaulichtdieBerechnung
desinnerenWertsmitdemzweistufigenDividendendiskontierungsmodell.

Lösungzu2
Die Linde-Aktie ist gemäß dem zweistufigen Dividendendiskontierungsmodell richtig
bewertet,daderinnereWertvonEUR134,67sehrnaheamMarktpreisderAktievonEUR135
liegt. Ist der mit dem Modell berechnete Aktienwert viel zu hoch oder viel zu niedrig, können
dieBerechnungenanhandderVorgabenvonTab. 7.1angepasstwerden.
7.3 Cashflow-Modelle 341

Tab.7.1 Anpassung der Bewertungsparameter beim zweistufigen Dividendendiskontierungsmodell


Ursachen für einen viel zu hohen (zu niedrigen) Anpassungen
berechneten Aktienwert mit dem zweistufigen
Dividendendiskontierungsmodell
 Die Wachstumsrate in der konstanten Wachs-  Die Wachstumsrate ist nach unten (oben) zu
tumsphaseistzuhoch(zuniedrig) korrigieren und es ist sicherzustellen, dass
die Thesaurierungsrate bzw. die Ausschüt-
tungsquote konsistent ermittelt wurde

 Die Gewinnausschüttungsquote in der kon-  Verwendet man Fundamentaldaten des


stanten Wachstumsphase ist zu hoch (zu Unternehmens, ist eine niedrigere (höhe-
re) Eigenkapitalrendite zu wählen (
niedrig) • D
1  g=REK )
 Gegebenenfalls kann direkt eine niedrigere
(höhere) Gewinnausschüttungsquote in das
Bewertungsmodell eingesetzt werden
 Das Beta ist in der konstanten Wachstums-  Das Beta kann näher bei 1 angesetzt werden
phasezuniedrig(zuhoch) (Bandbreitevon0,8bis1,2)
 DaszweistufigeModellistnichtangemes-sen,  Wechsel zu einem dreistufigen Modell
daeinedritteWachstumsphasevorliegt

DaszweistufigeDividendendiskontierungsmodellistinalljenenFällengerechtfertigt,in
denendasUnternehmenfüreinigeJahreeineaußerordentlichhoheWachstumsphase
durchläuft,bevorsichdasWachstumwiederaufeinkonstantesNiveaueinpendelt.Außer-
ordentlichhoheWachstumsphasenkönnenaufgrundeinesPatents,einesUrheberrechts,hoher
rechtlicheroderinfrastrukturbezogenerEintrittsbarrieren,einesVorteilsalsErstan-bietereines
Produktsbzw.einerDienstleistungoderaufgrundeinesanderenFaktors,derzueinerführenden
Marktstellungbeiträgt,auftreten.DasindieserPeriodebeob-achtbarehoheWachstumist
üblicherweisenichtnachhaltig,weiletwaeinPatentabläuftoderMitbewerberindenMarkt
eintretenundMarktanteileerobern.NachAblaufderwachstumsstarkenZeitperiodefälltdie
GewinnwachstumsrateaufeinNiveauzurück,dasdemjenigenderGesamtwirtschaft
entspricht.

DieAnnahme,dassdiehoheWachstumsratenacheinerbestimmtenAnzahlanJahren
schlagartigaufeinniedrigereskonstantesNiveaufällt,stellteineAnwendungsbeschrän-kung
desModellsdar(z.B.beibefristetenLizenzenoderPatenten),daeskeineÜber-gangsphase
zwischenderhohenundderkonstantenWachstumsphasegibt.DaheristdasModellfür
Unternehmengeeignet,derenWachstumsratenindererstenwachstumsstarkenPhasenicht
wesentlichüberdenWachstumsratenderReifephaseliegen.EinBeispielsindWachstumsraten
von7%bis12%indererstenPhase,diedannaufeinekonstanteRatevonbeispielsweise2%bis5%
fallen.FürUnternehmen,dieeineaußerordentlichhoheWachstumsratevonzumBeispiel30%
haben,istdieAnnahmeeinesabruptenRückgangsaufeinevielniedrigerekonstanteRate
üblicherweisenichtrealistisch.VielmehrwäreeinSzenarioangemessen,dasvoneiner
schrittweisenAbnahmederWachstumsrateausgeht.
342 7 Aktienbewertung

SchließlichlässtsichdasModellvorallemfürUnternehmenanwenden,welcheDi-videnden
ausschütten,dieinihrerHöhedenfreienCashflowsfürdasEigenkapitalent-sprechen.Demnach
mussdieDividendenpolitikderartausgestaltetsein,dassdiefreiverfügbarenEquity-Cashflows
–nachdenInvestitionenunddenFremdkapitalzahlungen–alsDividendenausbezahltwerden,
wasdazuführt,dassdasUnternehmenkeineGeld-reservenaufbaut.

7.3.3 Free-Cash-Flow-to-Equity-Modelle

7.3.3.1 Grundlagen
DieDividendendiskontierungsmodelleberuhenaufderAnnahme,dassalleindiezukünf-tigen
Dividenden bewertungsrelevant sind. Mit den frei verfügbaren Cashflows für das Eigenkapital
(FCEK) hingegen werden sämtliche potentiellen Geldmittel für die Akti- enbewertung
berücksichtigt,diedasUnternehmenandieAktieninhaberentrichtenkann.Nurindenseltensten
FällenwerdendiefreiverfügbarenEquity-CashflowsvollständigalsDividendenausgeschüttet,
sodass Divi dendendiskontierungsmodelle und Free-Cash- Flow-to-Equity-Modelle
üblicherweiseunterschiedlicheErgebnisseliefern.
37

AndersalsDividendenmüssendieMarktteilnehmerdiefreiverfügbarenCashflowsausden
vorhandenenfinanziellenInformationendesUnternehmenszuerstnochermitteln,wasein
VerständnisderBerechnungsweiseundderfinanziellenRechnungslegungdesUn-ternehmens
erfordert.AußerdemmüssendieMarktakteuredieWachstumsratefestlegen,damitdie
zukünftigenCashflowsgeschätztwerdenkönnen.BewertungsmodelleaufderBasisfrei
verfügbarerCashflowskönnenindenfolgendenFälleneingesetztwerden:
38

 Das Unternehmen schüttet keine Dividenden aus.


 Das Unternehmen bezahlt zwar Dividenden, aber diese weichen erheblich von den frei
verfügbarenCashflowsab,diemandenEigenkapitalgebernausschüttenkann.
 Die frei verfügbaren Cashflows reflektiere n die Profitabilität und somit die Wertschöp- fung
desUnternehmens.
 Die Aktienbewertung erfolgt aus der Perspektive einer Mehrheitsbeteiligung, sodass eine
KontrollederfreiverfügbarenCashflowsbesteht. 39

37
Vgl.Bodieetal.2009:Investments,S.615. 38
Vgl. Damodaran 2012 : Investment Philosophies: Su ccessful Strategies and the Investors Who
Made Them Work, S. 106.
39
ÜbernimmteinInvestordurchdenKaufeinerMehrheitsbeteiligungdieKontrolleüberdasUn-
ternehmen,sokönnendieDividendenpolitikgeändertundhöhereDividendenausbezahltwerden,diein
ihrerHöhedenfreiverfügbarenCashflowsfürdasEigenkapitalentsprechen.Diefreiverfüg-baren
Equity-Cashflowskönnenaucheingesetztwerden,umgegebenenfallsdasFremdkapitalzubedienen,das
vomInvestorfürdenKaufdesUnternehmensaufgenommenwurde.
7.3 Cashflow-Modelle 343

7.3.3.2 De nitionundBerechnungderFCEK
DiefreiverfügbarenCashflowsfürdasEigenkapitalzeigen,wievielGelddasUnter-nehmenden
Eigenkapitalgebern in einer Periode (z. B. 1 Jahr) auszahlen kann, ohne dass die für die
Unternehmensfortführung erforderlichen Investitionen gefährdet werden. Um die FCEK zu
bestimmen, wird zum Nachsteuerergebnis der nicht zahlungswirksa- me Aufwand
hinzugezähltunddernichtzahlungswirksameErtragabgezogen.DasführtzudenCashflowsaus
der betrieblichen Tätigkeit (CFO) bzw. zu den Geldmitteln, die das Unternehmen aus der
Geschäftstätigkeit erwirtschaftet. Von den CFO werden die Investiti- onsausgaben in das
Anlagevermögen abgezogen, während zu den CFO die Nettozunahme des zinstragenden
Fremdkapitalsaddiertwird.

FCEK D Ergebnis nach Steuern


C nicht zahlungswirksamer Aufwand
 nicht zahlungswirksamer Ertrag (7.14)
 Investitionen ins Anlagevermögen
C Nettozunahme des zinstragenden Fremdkapitals

Diese Definition der FCEK basiert auf de r Rechnungslegung und erfordert nicht nur ein
Verständnis des Unternehmens, sondern auch profunde Kenntnisse der Jahresabschlüsse. Die
Veränderung des Nettoumlaufvermögens erfolgt über nicht zahlungswirksame Auf- wände
und Erträge. Wird eine investitionsbezogene Definition für die Veränderung des
Nettoumlaufvermögens verwendet, reflektiert eine Zunahme eine Investition bzw. einen
Geldabfluss, während eine Abnahme einen Geldzufluss darstellt, da weniger Geldmittel in
Vermögenswerten gebunden sind. Mit der in vestitionsbezogenen Definition für die Ver-
änderungdesNettoumlaufvermögenslassensichdieFCEKwiefolgtberechnen:

FCEK D Ergebnis nach Steuern


C nicht zahlungswirksame Aufwände
 nicht zahlungswirksame Erträge
(7.15)
 Investitionen ins Nettoumlaufvermögen
 Investitionen ins Anlagevermögen
C Nettozunahme des zinstragenden Fremdkapitals

Die Informationen zur Veränderung des Ne ttoumlaufvermögens finden sich in der Bi- lanz
und/oder in der Kapitalflussrechnung. Dabei schließt das Nettoumlaufvermögen die nicht
betriebsnotwendigen flüssigen Mittel und die marktfähigen Wertpapiere sowie die
kurzfristigen verzinslichen Finanzverbindlichkeiten wie etwa die Wechselverbindlichkei- ten
und den kurzfristigen Anteil der langfristigen Finanzverbindlichkeiten (z. B. Darlehen,
Leasingverbindlichkeit, Anleihen usw.) aus. Die kurzfristigen Finanzverbindlichkeiten
werden für die Veränderung des Nettoumlaufvermögens nicht benötigt, weil deren Ver-
änderungmiteinerGeldbewegungeinhergeht(CashflowsausderfinanziellenTätigkeit).
344 7 Aktienbewertung

DieZuteilungderflüssigenMittelzumNettoumlaufvermögenhängtdavonab,obsie
betrieblichgenutztwerden.DerjenigeTeilderflüssigenMittel,derzurAufrechterhaltungder
betrieblichenTätigkeiterforderlichist,wirddemNettoumlaufvermögenzugeordnet.Der
verbleibendeTeilderflüssigenMittel,derbetrieblichnichtnotwendigist(Geldreser-ve),
gehörtexplizitnichtzumNettoumlaufvermögen.FüreinenAußenstehendenistdieAufteilung
derflüssigenMittelineinenbetrieblichenundeinennichtbetrieblichenTeilohnezusätzliche
Informationenmeistnichtersichtlich.DaherwirdindenfolgendenBe-wertungsbeispielen
einfachheitshalberdavonausgegangen,dassdiegesamtenflüssigenMitteleines
Unternehmensnichtbetriebsnotwendigsind.SiesindnichtBestandteildes
NettoumlaufvermögensundfließensomitnichtindieBerechnungderfreiverfügbaren
Cashflowsein.DeshalbistderWertderflüssigenMittelzumberechnetenEigenkapi-talwert
(anhandeinesFree-Cashflow-Modells)hinzuzuzählen.Darüberhinaussindfürdie
BerechnungderFCEKdiesteuerangepasstenEinnahmenausdennichtbetriebsnot-wendigen
flüssigenMittelnvomNachsteuerergebnisabzuziehen,dadiefreiverfügbarenCashflowsaus
derbetrieblichenTätigkeiterwirtschaftetwerdenunddieflüssigenMittelnichtzum
betrieblichenVermögengehören.

Investitionen ins Anlagevermögen gewährleisten, dass das Unternehmen die Ge-


schäftstätigkeit aufrechterhalten und ausbauen kann. Das Anlagevermögen umfasst
Sachanlagen wie beispielsweise Maschinen und Anlagen, immaterielle Vermögens-
werte wie etwa Software, Patente und Handelsmarken und Beteiligungen an anderen
Gesellschaften, aber auch Finanzanlagen. Die Investitionen ins Anlagevermögen stel- len
Geldabflüsse dar, die nicht mehr für die Verteilung an die Eigenkapitalgeber zur Verfügung
stehen.
SchließlichsinddieVeränderungenderzinstragendenFinanzverbindlichkeitenzuer-
fassen.EineRückzahlungdesFremdkapitals(Tilgung)repräsentierteinenGeldabfluss,derdie
freiverfügbarenEquity-Cashflowsreduziert.ImGegensatzdazuerhöhteine
FremdkapitalaufnahmeinderBerichtsperiodediefreiverfügbarenEquity-Cashflows.Die
InformationenzurVeränderungdeszinstragendenFremdkapitalskönnenderBilanzund/oder
derKapitalflussrechnungentnommenwerden.DasfolgendeBeispielzeigtdieBerechnungder
FCEKanhandderBilanzundderGewinn-undVerlustrechnung.
7.3 Cashflow-Modelle 345

Beispiel
Berechnung der frei verfügbaren Cashflows für das Eigenkapital ausgehend vom
Nachsteuerergebnis(indirekteMethode)
Für die Vega AG liegen die folgenden Informationen zu den Jahresabschlüssen per Ende
Dezember2016und2017vor(inMio.EUR):

Bilanz 2017 2016


Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente 2108 2073
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 3630 2735
Warenvorräte 1112 1036
Sonstige Aktivena 7 –
Umlaufvermögen 6857 5844
Sachanlagen 11.173 9030
Sonstiges Anlagevermögenb 14.788 13.673
TotalAktiven 32.818 28.547
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 2806 2712
Kurzfristig verzinsliche Finanzverbindlichkeiten 1370 1290
Andere kurzfristige Verbindlichkeitenc 2768 2554
Langfristig verzinsliches Fremdkapital 9879 6806
Langfristig nicht verzinsliches Fremdkapital 3337 3041
Total Verbindlichkeiten 20.160 16.403
Eigenkapital 12.658 12.144
Total Passiven 32.818 28.547
a
Annahme: Diese Position umfasst nicht liquiditätswirksame Aktiven.
b
Annahme: Diese Position beinhaltet liquiditätswirksame Aktiven (Beteiligungen und immate-
rielle Vermögenswerte).
c
Annahme: nicht verzinslich
Die Bilanzposition „langfristig nicht verzinsliches Fremdkapital“ beinhaltet Rück-
stellungen und latente Steuerverbindlichkeiten.

Gewinn- und Verlustrechnung 2017 2016


EBITDA (Betriebsergebnis vor Abschreibungen 3878 3295
und Wertminderungen)
Abschreibungen und Wertminderungen 1538 1285
EBIT (Betriebsergebnis) 2340 2010
Zinsaufwand 653 391
EBT (Betriebsergebnis vor Steuern) 1687 1619
Steueraufwand 363 375
Ergebnis nach Steuern 1324 1244

Die Investitionen ins Anlagevermögen b etragen EUR 2906 Mio. für das Jahr 2016
und EUR 4796 Mio. für das Jahr 2017.
Wie hoch sind die frei verfügbaren Cashflows für das Eigenkapital (für das Jahr
2017)?
346 7 Aktienbewertung

Lösung
Die Veränderung (Investitionen) des Nettoumlaufvermögens kann wie folgt berechnet
werden(inMio.EUR):

2017 2016 Veränderungen


Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 3630 2735 895
C Warenvorräte 1112 1036 76
C Sonstige Aktiven 7 – 7
 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 2806 2712 94
 Andere kurzfristige Verbindlichkeiten 2768 2554 214
D Nettoumlaufvermögen 825 1495 670

Die Veränderung des zinstragenden Fremdka pitals lässt sich folgendermaßen ermit-
teln (in Mio. EUR):

2017 2016 Veränderungen


Kurzfristig verzinsliche Finanzverbindlichkeiten 1370 1290 80
C Langfristig verzinsliches Fremdkapital 9879 6806 3073
D Total verzinsliches Fremdkapital 11.249 8096 3153

Die Zunahme des langfristig nicht verzinslichen Fremdkapitals von EUR 296 Mio.
(D EUR Mio.  EUR 3041 Mio.)gehtaufeinenAnstiegderRückstellungenund
3337
der latenten Steuerverbindlichkeiten im Jahr 2017 zurück. Diese Veränderung stellt somit
einen nicht zahlungswirksamen Aufwand dar, der zum Nachsteuerergebnis hin- zugezählt
wird, um die Cashflows aus der betr ieblichen Tätigkeit bzw. die frei verfüg- baren Cashflows
zubestimmen.

Die frei verfügbaren Equity-Cashflows können wie folgt ermittelt werden (in Mio.
EUR):

Ergebnis nach Steuern 1324


C Abschreibungen und Wertminderungen 1538
 Investitionen ins Nettoumlaufvermögen 670
C Zunahme des langfristig nicht verzinslichen Fremdkapitals 296
 Investitionen ins Anlagevermögen 4796
C Zunahme des zinstragenden Fremdkapitals 3153
D Frei verfügbare Cashflows für das Eigenkapital 845

VielfachverwendenAktienanalystendieCashflowsausderbetrieblichenTätigkeit(CFO),die
siederKapitalflussrechnungentnehmenkönnen,umdiefreiverfügbarenCash-flowszuberechnen.
DieKapitalflussrechnungbestehtausdenCashflowsderbetrieblichenTätigkeitundden
GeldflüssenausderInvestitions-undFinanzierungstätigkeit.Vonden
7.3 Cashflow-Modelle 347

Cashflows aus der betrieblichen Tätigkeit werden die Nettoinvestitionsausgaben in das


Anlagevermögen – Sachanlagen, immaterie lle Vermögenswerte, Finanzanlagen und Be-
teiligungen – abgezogen, zu den CFO hinzugezäh lt wird dieNettozunahme des zinstra- genden
Fremdkapitals, was zu folgender For mel für die Bestimmung der frei verfügbaren
Equity-Cashflowsführt:

FCEK D Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit


 Investitionen ins Anlagevermögen (7.16)
C Nettozunahme des zinstragenden Fremdkapitals

Die Investitionen ins Nettoumlaufvermögen sind in der Formel nicht aufgeführt, weil diese
bereitsindenCashflowsausderbetrieblichenTätigkeitenthaltensind.

Beispiel
Berechnung der frei verfügbaren Cashflows für das Eigenkapital ausgehend von den
CashflowsausderbetrieblichenTätigkeit
FürdieVegaAGliegtdiefolgendeKapitalflussrechnungfürdasJahr2017vor(inMio.EUR):

2017
Ergebnis nach Steuern 1324
C Abschreibungen und Wertminderungen 1538
 Zunahme Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 895
 ZunahmeWarenvorräte 76
 Zunahme sonstige Aktiven 7
C Zunahme Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 94
C Zunahme andere kurzfristige Verbindlichkeiten 214
C Zunahme langfristig nicht verzinsliches Fremdkapital 296
D Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit 2488
 Nettoinvestitionen in Sachanlagen 2881
 Nettoinvestitionen in Beteiligungen 815
 Nettoinvestitionen in immaterielle Vermögenswerte 1100
D Cashflows aus Investitionstätigkeit 4796
 Dividenden 810
C Aufnahme von Krediten und Anleihen 4153
 Rückzahlung (Tilgung) von Krediten und Anleihen 1000
D Cashflows aus Finanzierungstätigkeit 2343
Nettoveränderung der Zahlungsmittel und -äquivalente 35
Anfangsbestand der Zahlungsmittel und -äquivalente 2073
Endbestand der Zahlungsmittel und -äquivalente 2108

Wie hoch sind die frei verfügbaren Cashflows für das Eigenkapital?
34 7 Aktienbewertung

Lösung
Die frei verfügbaren Equity-Cashflows von EUR 845 Mio. können anhand der Kapital-
flussrechnungwiefolgtermitteltwerden(inMio.EUR):

Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit 2488


 Nettoinvestitionen ins Anlagevermögen 4796
C Aufnahme von Krediten und Anleihen 4153
 Rückzahlung (Tilgung) von Krediten und Anleihen 1000
D Frei verfügbare Cashflows für das Eigenkapital 845

FreiverfügbareEquity-CashflowskönnenauchbeirentablenUnternehmennegativeWerte
annehmen,wenndieInvestitionendasNachsteuerergebnis,dieAbschreibungenunddie
NettozunahmedeszinstragendenFremdkapitalsübersteigen.VorallemjungeUn-ternehmen,
derenWachstumdurchexternesKapitalfinanziertwird,weisenindenerstenJahrenwegendes
GeschäftsaufbaushoheInvestitionenundfolglichnegativeFCEKauf.ImLaufederZeitgehtdas
hoheWachstumderAnfangsphaseinfolgemangelnderInves-titionsmöglichkeitenzurück,
sodassdieFCEKerstmalspositivwerden.Reinrechnerischbetrachtet,istder
UnternehmenswertinderAnfangsphasenegativ.DerpositiveAktien-wertlässtsichdurchden
RückgangderInvestitioneninderReifephasedesUnternehmensrechtfertigen.Demnachsetzt
sichderpositiveAktienwertausdemBarwertdernegativenFCEKausderAnfangsphaseund
einempositivenEndwertausderReifephasezusammen.

7.3.3.3 WachstumsratederFCEK
Die erwartete Wachstumsrate, die zur Er mittlung der zukünftigen frei verfügbaren Cash- flows
eingesetzt wird, lässt sich mit verschiedenen Verfahren bestimmen. So kann eine historische
Wachstumsrate ges chätzt werden, die sich auf vergangene Daten stützt. Dabei wird
angenommen, dass eine Beziehung zwischen den zukünftigen und den vergange- nen
Cashflows besteht. Stabile frei verfügbare Equity-Cashflows implizieren, dass sich die
zukünftigen FCEK von den vergangenen FCEK ableiten lassen. Bei reifen Unterneh- men stellt
dieseineplausibleAnnahmedar,währendbeiwachstumsstarkenUnternehmenoftkeinedirekte
Beziehung zwischen vergangenen und zukünftigen Cashflows vorliegt. Sind die FCEK nicht
stabil, kann die Wachstum srate beispielsweise mittels fundamentaler Unternehmensdaten
geschätzt werden. Dabei lässt sich die endogene Wachstumsrate aus dem Produkt der
InvestitionsquotedesEigenkapitalsundderEigenkapitalrenditeermit-teln.EinweitererAnsatz
bei nicht stabilen FCEK besteht darin, die Wachstumsraten für die einzelnen
Cashflow-Komponenten wie etwa das versteuerte Ergebnis, Abschreibun- gen, Investitionen
ins Nettoumlaufvermögen und Anlagevermögen sowie das zinstragende Fremdkapital zu
bestimmen.

40
Nachfolgendwirdgezeigt,wiedieendogeneWachstums-rate
ausFundamentaldatendesUnternehmensberechnetwerdenkann.

40
Vgl. Mondello 2015 : Aktienbewertung: Theorie und Anwendungsbeispiele, S. 238 ff.
7.3 Cashflow-Modelle 349

Die endogene Wachstumsrate der Dividenden bzw. Gewinne ergibt sich aus der The-
saurierungsrate multipliziert mit der Eigenkapitalrendite.41 DieseBerechnungderWachs-
tumsrateimDividendendiskontierungsmodellunterstellt,dassdienichtausgeschütteten
GewinneimUnternehmenreinvestiertwerden,sodassdasWachstumaufdiezurück-
behaltenenGewinnezurückgeht.ImGegensatzzuthesauriertenGewinnenstellenfrei
verfügbareEquity-CashflowsGeldmitteldar,diedenEigenkapitalgebernzustehenundsomit
nichtdirektfürdasWachstumverfügbarsind.DaheristdieThesaurierungsrateim
FCEK-ModelldurchdieInvestitionsquotedesEigenkapitalszuersetzen,diedenprozen-tualen
AnteildesEigenkapitalsamNachsteuerergebnismisst,derindasUnternehmeninvestiertwird:

EKreinv
IEK D ; (7.17)
E  EinCash
wobei:

IEK D Investitionsquote des Eigenkapitals,


EKreinv D betrieblich reinvestiertes Eigenkapital besteht aus den Investitionen ins Anla-
gevermögen (I AV) abzüglich der Abschreibungen des Anlagevermögens (A AV)
zuzüglich der Investitionen ins Nettoumlaufvermögen (I NUV) und abzüglich der
NettozunahmedeszinstragendenFremdkapitals(
FK): EKreinv D I AVA AVC
I NUV  FK,
E D Ergebnis nach Steuern,
EinCash D Einnahmen nach Steuern von nicht betriebsnotwendigen Zahlungsmitteln und
-äquivalenten (Liquiditätsreserven).

Die Investitionsquote des Eigenkapitals bezieh t sich auf das betrieblich reinvestierte Ei-
genkapital dividiert durch das betriebliche Ergebnis nach Steuern. Daher sind vom Nach-
steuerergebnis die Einnahmen aus den nicht betriebsnotwendigen Zahlungsmitteln und
-äquivalenten (Liquiditätsreserven) abzuziehen. Diese Anpassung kann wie folgt erklärt
werden: Das FCEK-Modell unterstellt, dass sä mtliche frei verfügbaren Cashflows den Ei-
genkapitalgebern zustehen bzw. an sie ausgeschüttet werden, sodass das Unternehmen in
Zukunft keinen Geldbestand aufbaut. Demnach erfolgt das zukünftige Wachstum aus dem
Ergebnis der betriebsnotwendigen Vermögenswerte und nicht aus den Einnahmen von
zusätzlichaufgebautenGeldmitteln,diebeispielsweiseinmarktfähigenWertpapierenangelegt
werdenundfolglichnichtbetriebsnotwendigsind.

UmdieendogeneWachstumsratezubestimmen,istnebenderInvestitionsquotedesEi-
genkapitalsauchdieEigenkapitalrenditeerforderlich.DabeiwirddieEigenkapitalrendite
angepasst,dadienichtbetriebsnotwendigenflüssigenMittelnichtimberechnetenEigen-
kapitalwertenthaltensind.UmdieEigenkapitalrenditezubestimmen,werdeneinerseitsvom
NachsteuerergebnisdiesteuerangepasstenEinnahmenausdenflüssigenMittelnsub-trahiert
undandererseitsvomBuchwertdesEigenkapitalsdieflüssigenMittelabgezogen.

41
Vgl. Abschn. 7.3.2.3 .
350 7 Aktienbewertung

Die so ermittelte Eigenkapitalrendite reflektiert die operative Investitionsrendite ohne den


BestandannichtbetriebsnotwendigenflüssigenMitteln: 42

E  EinCash
REK D ; (7.18)
BWEK;0  Cash0

wobei:

REK D Eigenkapitalrendite der betriebsnotwendigen Vermögenswerte,


E D Ergebnis nach Steuern,
EinCash D Einnahmen nach Steuern von nicht betriebsnotwendigen Zahlungsmitteln und
-äquivalenten (Liquiditätsreserven),
BWEK;0 D Buchwert des Eigenkapitals zu Beginn der Periode,
Cash0 D nicht betriebsnotwendige Zahlungsmittel und -äquivalente (Liquiditätsreser-
ven) zu Beginn der Periode.

Die endogene Wachstumsrate der frei verfügbaren Equity-Cashflows lässt sich anhand der
InvestitionsquoteundderEigenkapitalrenditewiefolgtberechnen:

g D IEK REK : (7.19)

Ein höheres Wachstum der FCEK lässt sich mit einer höheren Investitionsquote und/oder einer
höheren Eigenkapitalrendite erklär en. Allerdings bedeutet ein höheres Wachstum nicht
automatisch, dass der Eigenkapitalwert zunimmt. So etwa führt zwar eine höhere
Investitionsquote zu einem höheren Wachstum, a ber angesichts der höheren Investitionen
gehen die frei verfügbaren Cashflows zurück. Eine höhere Eigenkapitalrendite hat zwar eine
Zunahme des Wachstums zur Folge, wird aber die höhere Rendite auf Investitionen in
risikoreichere Geschäftsbereiche erzielt, steigen die Eigenkapitalkosten. Daher hat ei- ne
ZunahmederInvestitionsquoteundderEigenkapitalrenditenichtnureinenpositivenEffektauf
denEigenkapitalwertzurFolge.

Beispiel
Berechnung der endogenen Wachstumsrate der frei verfügbaren Cashflows für das
EigenkapitalderLinde-Aktie
Für die Linde Group liegen die folgenden Informationen zum Konzern-Jahresabschluss
2012vor(inMio.EUR): 43

42
DaesfüreinenAußenstehendenschwierigist,zwischenbetriebsnotwendigenundnichtbetriebs-
notwendigenflüssigenMittelnzuunterscheiden,wirdindenfolgendenBeispielendieCash-Position
als nicht operativ eingestuft. Darüber hinaus ist die Eigenkapitalrendite um etwaige weitere nicht
betriebsnotwendigeVermögenswerteanzupassen,diemitEigenkapitalfinanziertwurden.
43
Vgl. Linde Group 2013 : Finanzbericht 2012, S. 106 ff.
7.3 Cashflow-Modelle 351

Ergebnis nach Steuerna 1250


Eigenkapital per Ende Dezember 2012a 13.094
Eigenkapital per Ende Dezember 2011a 11.604
Investitionen ins Anlagevermögen 3813
Abschreibungen 1538
Investitionen ins Nettoumlaufvermögen 550
Aufnahme von Krediten und Kap italmarktverbindlichkeiten 6381
Tilgung von Krediten und Kapitalmarktverbindlichkeiten 4955
Zahlungsmittel und -äquivalente per Ende D ezember 2012b 1218
Zahlungsmittel und -äquivalente per Ende D ezember 2011b 1000
Erträge aus Zahlungsmittel und -äquivalente (Annahme) 20
a
ohne Anteile anderer Gesellschafter (Minderheiten)
b
Annahme: nicht betriebsnotwendig

Der effektive Ertragssteuersatz liegt bei 21,5 %. Wie hoch ist die endogene Wachs-
tumsrate der frei verfügbaren Equity-Cashflows der Linde-Aktie?

Lösung
Das reinvestierte Eigenkapital und die I nvestitionsquote für das Jahr 2012 können fol-
gendermaßenbestimmtwerden:

EKreinv D I AV  A AV C I NUVFK
D EUR 3813 Mio.  EUR 1538 Mio. C EUR 550 Mio.
 .EUR 6381 Mio.  EUR 4955 Mio./ D EUR 1399 Mio.;
EKreinv EUR 1399 Mio:
IEK D D D 1;133:
E  EinCash EUR 1250 Mio:  EUR 20 Mio:  .1  0;215/

Die Investitionsquote des Eigenkapitals be läuft sich auf 113,3 %. Diese hohe Inves-
titionsquote von über 100 % stammt nicht nur von Investitionen in Sachanlagen und
immaterielle Vermögenswerte, sondern geht auch auf externes Wachstum durch die
Akquisitionsausgaben für das US-amerikanische Homecare-Unternehmen Lincare und für
die kontinentaleuropäis chen Homecare-Akti vitäten von Air Products zurück. Die
Eigenkapitalrenditevon11,64%kannwiefolgtermitteltwerden:

E  EinCash EUR 1250 Mio:  EUR 20 Mio:  .1  0;215/


REK D D
BWEK;0  Cash0 EUR 11:604 Mio:  EUR 1000 Mio:
D 11;64%:

DieendogeneWachstumsratederfreiverfügbarenCashflowsfürdasEigenkapitalvon13,19
% lässt sich mit dem Produkt aus der Investitionsquote des Eigenkapitals von 1,133 und der
Eigenkapitalrenditevon11,64%berechnen:

g D 1;133  11;64% D 13;19%:


352 7 Aktienbewertung

Geht man davon aus, dass das Jahr 2012 ein repräsentatives Jahr für das in die be- trieblichen
Vermögenswerte reinvestierte Eigenkapital und das betriebliche Ergebnis nach Steuern ist
und die Beziehung zwischen historischen frei verfügbaren Cashflows und den
Fundamentaldaten in naher Zukunft gleich bleibt, kann die berechnete Wachs- tumsrate von
13,19 % in einer ersten Wachstumsphase bei einem mehrstufigen Free-
Cash-Flow-to-Equity-Modell eingesetzt werden. Ist hingegen das externe Wachstum des
Jahres 2012,das durchÜbernahmen verursacht wurde,nicht nachhaltig, soisteine endogene
Wachstumsrate ohneFusionen und Übernahmen zu schätzen.Fürdas Jahr 2012 betragen die
Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte (in- ternes Wachstum)
EUR 1952 Mio. Die Zunahme des zinstragenden Fremdkapitals geht teilweise auf die
FinanzierungderAkquisitionenzurück.DaherkanndieVeränderungdesFremdkapitalsmit
einem Durchschnittswert der letzten 4 Jahre normalisiert wer- den, was zu einer
durchschnittlichenZunahmedeszinstragendenFremdkapitalsvonEUR329Mio.führt.Das
reinvestierte Eige nkapital und die Investitionsquote (internes Wachstum) können nun wie
folgtermitteltwerden:

EKreinv D EUR 1952 Mio.  EUR 1538 Mio. C EUR 550 Mio.  EUR 329 Mio.
D EUR 635 Mio.;
EUR 635 Mio:
IEK D D 0;514:
EUR 1250 Mio:  EUR 20 Mio:  .1  0;215/

Ohne Akquisitionen bzw. ext ernes Wachstum liegt die Investitionsquote unterhalb von 100
% bei 51,4 %. Daraus ergibt sich eine endogene Wachstumsrate von 5,98 %, die deutlich
unterhalbderWachstumsratemitAkquisitionenvon13,19%liegt:

g D 0;514  11;64% D 5;98%:

7.3.3.4 Einstu gesBewertungsmodell


Bei einem einstufigen FCEK-Bewertungsmodell wird von einem ewigen konstanten
Wachstum der frei verfügbaren Equity-Cashflows ausgegangen. Die FCEK in jeder Pe-
riode sind gleich den FCEK aus der Vorperiode multipliziert mit 1 plus der konstanten
Wachstumsrate( C g).DerinnereWertdesEigenkapitalslässtsichmiteinemkonstanten1
Wachstumsmodell wie folgt berechnen ŒE .r/> g :44

FCEK0 .1 C g/ FCEK1
WertEK;0 D D ; (7.20)
E .r/  g E .r/  g

44
FürdieHerleitungdeseinstufigenBewertungsmodellsvgl.Abschn. 7.3.2.4.ZahlteinUnter-nehmenin
derReifephasesämtlicheFCEKalsDividendenaus,gelangtmanmitdemeinstufigen
FCEK-Modell zum gleichen inneren Aktienwert wie mit dem Gordon-Growth-Modell.
7.3 Cashflow-Modelle 353

Ergebnis nach erwartete EK-


Steuern* innerer Wert Rendite
+ Eigenkapital =

Abschreibungen FCEK 0 1(+ g) erwartete


E r() − g Wachstumsrate

+
Investitionen ins Marktwert der
NUV nicht operativen
= flüssigen Mittel
+
CFO
Marktwert des
− nicht operativen
Investitionen ins Vermögens
=
AV
+ angepasster Anzahl
in- nerer ausstehende
Nettozunahme Eigen- kapitalwert Aktien
Fremdkapital
= * betrieblichund
innerer ohne Anteile
FCEK Aktienwert Dritter (Minde
rhei
ten)

Abb.7.7 Grundkonzept der Aktienbewertung mit dem FCEK-Modell

wobei:

WertEK;0 D innerer Wert des Eigenkapitals zum Bewertungszeitpunkt,


E .r/ D erwarteteRenditederEigenkapitalgeber,
g D ewige konstante Wachstumsrate der frei verfügbaren Equity-Cashflows.

ZumermittelteninnerenEigenkapitalwertwirdzumBewertungszeitpunktderBestandannicht
betriebsnotwendigen flüssigen Mitteln sowie der Marktwert der weiteren nicht
betriebsnotwendigen Vermögensbestandteile (falls wesentlich und mit Eigenkapital finan-
ziert) hinzugezählt, da die zukünftigen FCEK lediglich mit den betrieblichen Vermögens-
werten erwirtschaftet werden. Um anschließend den inneren Wert der Aktie zu ermitteln, wird
der angepasste innere Eigenkapitalwert durch die Anzahl ausstehender Aktien (auf
verwässerterBasis)dividiert.
45
Abb. 7.7 zeigt das Grundkonzept der Bewertung mit dem
FCEK-Modell.

45
DieAnzahlausstehenderAktienumfasstdieausgegebenenAktien,alsodasGrundkapitaldi-vidiert
durchdenNennwertjeAktie,abzüglichdervomUnternehmengekauftenAktienaufder
Grundlage eines Rückkaufprogramms. In den folgenden Beispielen wird einfachheitshalber die An- zahl
ausstehender Aktien zum Bewertungszeitpunkt aus dem Geschäftsbericht des zu bewertenden
Unternehmensgenommen.HatdasUnternehmeninEigenkapitalwandelbareFinanzinstrumentewiez.B.
Wandelanleihen emittiert und sind Warrants aus Emissionen von Anleihen und Aktienop- tionen aus
Mitarbeiterprogrammen ausstehend, ist für die Ermittlung des inneren Aktienwerts die Anzahl
verwässerterAktienzuverwenden.
354 7 Aktienbewertung

DiekonstanteWachstumsratederFCEKsolltedienominaleWachstumsratedesBrutto-
inlandsproduktsdesLandes,indemdasUnternehmenoperativtätigist,nichtübersteigen.Die
AnnahmeeineslangfristigenkonstantenWachstumsistfürUnternehmeninderRei-fephase
geeignet,dieineinemgesättigtenMarktoperierenunddaherdasgleichedurch-schnittliche
WachstumwiedieGesamtwirtschaftaufweisen.
46
Bei reifen Unternehmen
mit konstantem ewigen Wachstum ist die Differenz zwischen Investitionen ins Anlagever-
mögen und Abschreibungen nicht übermäßig groß, weil der Bedarf an Erweiterungsinves-
titionen aufgrund des relativ niedrigen Wachstums eher gering ist. Außerdem spiegelt das
UnternehmensrisikodasdurchschnittlicheRisikoderGesamtwirtschaftwider,sodassdasBeta
derAktienahebei1zuliegenkommt.

DieInvestitionsquotedesEigenkapitals(betrieblichreinvestiertesEigenkapitaldivi-diert
durchBetriebsergebnisnachSteuern)einesreifenUnternehmenskannbeispiels-weiseüber
einedurchschnittlicheInvestitionsquotesämtlicherreifenGesellschaftendergleichen
IndustrieoderdurchFundamentaldatendesUnternehmensgeschätztwerden.Beider
VerwendungvonFundamentaldatenlässtsichdieInvestitionsquotedesEigenkapitalsmitder
erwartetenWachstumsratedividiertdurchdieEigenkapitalrenditeberechnen:

g
IEK D (7.21)
REK

Betragen zum Beispiel die konstante Wachstumsrate 3,6 % und die Eigenkapitalrendite 8 %,
werden45%desversteuertenErgebnissesindasAnlage-undNettoumlaufvermögeninvestiert.
Demnach liegt das Verhältnis zwischen den frei verfügbaren Equity-Cashflows und dem
betrieblichen ErgebnisnachSteuernbei55%.DasführtzufolgenderFormelfürdieBerechnung
derfreiverfügbarenCashflowsfürdasEigenkapital:
47

FCEK D E .1  IEK / : (7.22)

46
Vgl. Frykman und Tolleryd 2003 : Corporate Valuation: An Easy Guide to Measuring Value, S. 83.
47
FCEK D Betriebsergebnis nach Steuern  [1  (Investitionen ins Anlagevermögen  Abschrei-
bungen C Investitionen ins Nettoumlaufvermögen  Nettofremdkapitalzunahme) = Betriebser-
gebnis nach Steuern] D Betriebsergebnis nach Steuern  Investitionen ins Anlagevermögen C
Abschreibungen  Investitionen ins Nettoumlaufvermögen C Fremdkapitalzunahme.
7.3 Cashflow-Modelle 355

Beispiel
Berechnung des inneren Eigenkapitalwerts von BMW
Für die BMW Group liegen die folgenden Daten aus dem Geschäftsbericht 2012 vor (in Mio.
EUR): 48

2012 2011
Ergebnis nach Steuerna 5096 4881
Abschreibungen 3716 3654
b
Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente 8370 7776
Einnahmen aus Zahlungsmitteln und -äquivalenten (Annahme) 84 78
Eigenkapitalc 30.295 27.038
Veränderung des Nettoumlaufvermögens 1755 1615
Investitionen ins Anlagevermögen 5433 5499
Nettozunahme des zinstragenden Fremdkapitals 2551 1005
Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit 5076 5713
Wert der nicht betriebsnotwendigen Vermögensbestandteiled 4612 3751
Einnahmen aus nicht betriebsnotwendigen Vermögensbestand- 100 80
teilen (Annahme)
a
Ergebnis nach Steuern und Zinsen sowie ohne Anteile anderer Gesellschafter (Minderheiten)
b
Annahme: gesamter Bestand nicht betriebsnotwendig
c
ohne Anteile anderer Gesellschafter (Minderheiten)
d
DiesePositionumfasstFinanzforderungenwieetwaDerivatesowieWertpapiereundIn-
vestmentanteile,dieimWesentlichenausderErhöhungderstrategischenLiquiditätsreservestammen.
Annahme:mitEigenkapitalfinanziert.

Eswirdangenommen,dassdasUnternehmeneinewigeskonstantesWachstumbasierend
aufdenFundamentaldatendesJahres2012aufweist.Darüberhinauswirdunterstellt,dassdie
AbschreibungendieeinzigenichtzahlungswirksamePositioninderGewinn-und
Verlustrechnungdarstellen.Eswirderwartet,dassdiezukünftigenGewinnemitdem
durchschnittlichenUnternehmenssteuersatzinDeutschlandvon30%

49
besteuertwerden.DieAktienvonBMWsetzensichaus601.995.196Stamm-aktien
und53.994.217Vorzugsaktienzusammen.PerEndeDezember2012werdendie
StammaktienzuEUR72,93gehandelt,währenddieVorzugsaktieneinenMarktpreisvon
EUR48,76aufweisen.DashistorischeBetaderbeidenAktienkategorienbeläuftsichauf
1,18.DieVerfallrenditevon10-jährigendeutschenBundesanleihenliegtbei1,7%,während
dieMarktrisikoprämie5,2%beträgt.WiehochistderinnereWertdesEigenkapitalsvon
BMWmitdemeinstufigenFCEK-Modell?

48
Vgl. BMW Group 2013 : Geschäftsbericht 2012, S. 78 ff.
49
Vgl. KPMG 2014 : Corporate and Indirect Tax Rate Survey 2014, S. 31.
356 7 Aktienbewertung

Lösung
Um die endogene Wachstumsrate zu bestimmen, ist zuerst die um die nicht betriebsnot-
wendigen Vermögenspositionen angepasste Eig enkapitalrendite zu berechnen. Dabei sind
vom Nachsteuerergebnis die Einnahmen aus den flüssigen Mitteln und aus den nicht
betriebsnotwendigen Vermögensbestandteilen nach Steuern sowie vom Eigenka- pital die
Zahlungsmittel und -äquivalente und die nicht betriebsnotwendigen Vermö-
gensbestandteilezusubtrahieren.DieEigenkapitalrenditebeläuftsichauf32,02%:

EUR 5096 Mio:  EUR 84 Mio:  .1  0;3/  EUR 100 Mio:  .1  0;3/
REK D
EUR 27:038 Mio:  EUR 7776 Mio:  EUR 3751
D 32;02 %:

Das reinvestierte Eigenkapital beträgt EUR 921 Mio. (D EUR 5433 Mio 
EUR 3716 Mio C EUR 1755 Mio  EUR 2551 Mio). Das führt zu einer Investiti-
onsquote des Eigenkapitals von 18,54 %:

EUR 921 Mio:


IEK D
EUR 5096 Mio:  EUR 84 Mio:  .1  0;3/  EUR 100 Mio:  .1  0;3/
D 0;1854:

Die endogene Wachstumsrate liegt bei 5,94 %:

g D 0;1854  32;02% D 5;94%:

Die frei verfügbaren Equity-Cashflows v on EUR 4046 Mio. können mit dem Ergebnis nach
Steuern von EUR 5096 Mio., den steuerangepassten Einnahmen aus den nicht be-
triebsnotwendigenflüssigenMittelnvonEUR58,8Mio.[
D EUR 84 Mio. .1  0;3/]50 ,
den steuerangepassten Einnahmen aus den ni cht betriebsnotwendigen Vermögensbe-
standteilen von EUR 70 Mio. [D EUR 100 Mio.  .1  0;3/] und der Investitionsquote
des Eigenkapitals von 18,54 % folgendermaßen bestimmt werden:

FCEK D ŒEUR 5096 Mio:  EUR 84 Mio:  .1  0;3/  EUR 100 Mio.  .1  0;3/
 .1  0;1854/
D 4046 Mio.

Alternativ lassen sich die FCEK von EUR 4046 Mio. auch wie folgt ermitteln (in Mio. EUR):

50
DadieFCEKausdenbetrieblichenVermögenswertengeneriertwerdenundimBeispieldavon
ausgegangenwird,dassdieflüssigenMittelnichtbetriebsnotwendigsind,sinddiesteuerangepass-
ten Einnahmen aus den flüssigen Mitteln zusammen mit den steuerangepassten Einnahmen aus den nicht
betriebsnotwendigenVermögensbestandteilenvomNachsteuerergebnisabzuziehen.
7.3 Cashflow-Modelle 357

Ergebnis nach Steuern 5096


 Steuerangepasste Einnahmen aus nicht betriebsnotwendigen flüssi- 59
gen Mitteln [84  .1  0;3/]
 Steuerangepasste Einnahmen aus nicht betriebsnotwendigen Ver- 70
mögensbestandteilen [100  .1  0;3/]
C Abschreibungen 3716
 Investitionen ins NUV 1755
 Investitionen ins Anlagevermögen 5433
C Nettofremdkapitalzunahme 2551
D FCEK 4046

Das adjustierte Beta beläuft sich auf 1,12 (D 0;333 C 0;667  1;18). Die erwartete
CAPM-Rendite ist 7,52 % (D 1;7 % C 5;2 %  1;12). Mit dem einstufigen FCEK-
Modell resultiert ein innerer Eigenkapitalwert von EUR 271:287 Mio.:

EUR 4046 Mio:  1;0594


WertEK D D EUR 271:287 Mio:
0;0752  0;0594

Die Zahlungsmittel und -äquivalente von EUR 8370 Mio. und der Wert der nicht be-
triebsnotwendigen Vermögensbestandteile von EUR 4612 Mio. sindzu dem berech- neten
Eigenkapitalwertzuaddieren,waseinenWertvonEUR
284:269 Mio. ergibt.
Vergleicht man den berechneten Eigenkap italwert mit der Marktkapitalisierung der
Stamm- und Vorzugsaktien von EUR 46:537 Mio.,sozeigtsicheinedeutlicheUn-
terbewertungdesUnternehmens.AllerdingsweistdasUnternehmennebendenAb-
schreibungen weitere wesentliche nicht zah lungswirksame Aufwände und Erträge auf,
sodass die frei verfügbaren Cashflows für das Eigenkapital in diesem Beispiel viel zu hoch
sind. – Werden die frei verfügbaren Equity-Cashflows mithilfe der Cashflows aus der
betrieblichenTätigkeitvonEUR5076Mio.berechnet,gelangtmanzuFCEKvonEUR2194
Mio.(
D EUR 5076Mio.  EUR 5433Mio. C EUR 2551Mio.). Diese FCEK-
Größe enthält sämtliche nicht zahlungswirk samen Aufwände und Erträge und nicht nur
dieAbschreibungen(unddieVeränderungdesNettoumlaufvermögens).Gehtmanvoneiner
ewigen konstanten Wachstumsrate von 3,6 % (langfristige nominale Zunahme des
Bruttoinlandsprodukts)undeinererwartetenRenditevon7,52%aus,soresultierteininnerer
EigenkapitalwertvonEUR
57:984 Mio.:

EUR 2194 Mio:  1;036


WertEK D D EUR 57:984 Mio:
0;0752  0;036

WerdendieflüssigenMittelvonEUR8370Mio.undderWertdernichtbetriebs-notwendigen
Bestandteile von EUR 4612 Mi o. hinzugezählt, gelangtman zu einem adjustierten inneren
EigenkapitalwertvonEUR
70:966 Mio., der wesentlich näher an
der Marktkapitalisierung des Eigenkapitals von EUR 46:537 Mio. liegt (rund 34 % un-
terbewertet). Ist der mit dem Modell berechnete Aktienwert viel zu hoch oder viel zu
35 7 Aktienbewertung

Tab.7.2 Anpassung der Bewertungsparameter beim einstufigen FCEK-Modell


Ursachen für einen viel zu hohen (zu niedrigen) Anpassungen
berechneten Aktienwert mit dem einstufigen
FCEK-Modell
 Die Investitionen ins Anlagevermögen sind  Die Investitionen ins Anlagevermögen
im Vergleich zu den Abschreibungen zu sind zu erhöhen (zu vermindern) oder die
niedrig (zu hoch) Differenz zwischen Investitionen und Ab-
schreibungen ist zu normalisieren oder es ist
ein mehrstufiges FCEK-Modell zu wählen

 Das Nettoumlaufvermögen ist im Vergleich  Das Verhältnis zwischen Nettoumlaufvermö-


zum Umsatz zu niedrig (zu hoch) gen und Umsatz ist zu normalisieren,
indem
z. B. ein historischer Durchschnitt oder
ein durchschnittlicher Industriewert
verwendet wird

 Die FCEK sind zu hoch (zu niedrig), weil nicht  Die FCEK sind ausgehend vom CFO zu
sämtlichezahlungswirksamenErfolgs- berechnen
positionen enthalten sind
 Das Beta ist zu niedrig (zu hoch)  Das Beta kann näher bei 1 angesetzt werden
(Bandbreitevon0,8bis1,2)
 Die erwartete konstante Wachstumsrate ist zu  Eine zu hohe Wachstumsrate ist nach unten zu
hoch(zuniedrig)füreinreifesUnternehmen korrigieren, sodass sie nicht höher als das
nominale Wachstum des Bruttoinlandspro-
dukts(oderderrisikoloseZinssatz)ist

niedrig, können die Bewertungsparameter anhand der Vorgaben von Tab. 7.2 angepasst
werden.

Bei einer Zunahme der Fremdkapitalquote nehmen die frei verfügbaren Equity-
Cashflows zu, weil die erforderlichen Investitionen mit mehr Fremdkapital und weniger
Eigenkapital finanziert werden. Die dabei fre igesetzten Geldmittel können den Eigenkapi-
talgebern in Form von Dividendenoder Aktienrückkäufen ausbezahlt werden. Der Effekt einer
Fremdkapitalzunahme auf die frei ve rfügbaren Equity-Cashflows und somit auf den
Aktienwert ist positiv. Allerdings steigt durch die höhere Fremdkapitalquote das finan- zielle
Risiko des Unternehmens, sodass die erwartete Rendite (durch ein höheres Beta) bzw. der
Diskontsatzzunimmt,waseinennegativenEffektaufdenAktienwertzurFolgehat.Daherkann
der Einfluss einer höheren F remdkapitalquote auf den zu berechnenden Aktienwert nicht
eindeutigbestimmtwerden.

7.3.3.5 Zweistu gesBewertungsmodell


Die Basisvariante des zweistufigen FCEK-Modells geht von einem hohen konstanten
WachstumderfreiverfügbarenEquity-CashflowsfüreineersteZeitperiodevonbeispiels-weise
3bis10Jahrenaus,dievoneinerzweitenPeriodemiteinerkonstantenewigen
7.3 Cashflow-Modelle 359

WachstumsratederFCEKabgelöstwird.MitdemzweistufigenBewertungsmodelllässtsichder
innereWertdesEigenkapitalswiefolgtberechnen:

X
T
FCEKt WertEK;T
WertEK D C :
tD1
Œ1 C E .r1 /t Œ1 C E .r1 /T
(7.23)
kurzfristiges hohes langfristiges Wachstum auf
Wachstum einem niedrigeren konstanten Niveau

wobei:

FCEKt D frei verfügbare Cashflows für das Eigenkapital in der Periode t, erwartete
E .r1 / D RenditederEigenkapitalgeberindererstenWachstumsphase,
WertEK;T D Endwert (Terminal Value) des Eigenkapitals am Ende der Periode T (Wert
des Eigenkapitals am Ende der ersten Wachstumsphase).

Um den inneren Wert der Aktie zu bestimmen, wird der berechnete innere Wert des Eigen-
kapitals durch die Anzahl ausstehender Aktien dividiert. Der Endwert desEigenkapitals kann
miteinemPreismultiplikatorodermiteinemeinstufigenFCEK-Modellermitteltwerden.
51
BeieinemPreismultiplikatorlässtsichderTerminalValuebeispielsweisemitdem
ProduktausdemKurs-Gewinn-VerhältnisunddemprognostiziertenGewinnjeAktie
berechnen.MiteinemeinstufigenFCEK-ModellhingegenlässtsichderEndwertunterder
AnnahmeeineskonstantenewigenWachstumsfolgendermaßenbestimmen
ŒE .r2 / > gT :

FCEKTC1
WertEK;T D ; (7.24)
E .r2 /  gT

wobei:

FCEKTC1 D frei verfügbare Cashflows für das Eigenkapital am Ende der ersten Periode
der zweiten konstanten Wachstumsphase,
E .r2 / D erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber in der zweiten konstanten Wachs-
tumsphase,
gT D ewige konstante Wachstumsrate.

Für die Berechnung des Endwerts ist es wichtig, dass die frei verfügbaren Equity-
Cashflows mit der Stabilitätsannahme eines Unternehmens in der Reifephase überein-
stimmen.52 So ist der Bedarf an Erweiterungsinvestitionen, der durch die Differenz

51
Vgl.Bodieetal.2009:Investments,S.613. 52
Vgl. Frykman und Tolleryd 2003 : Corporate Valuation: An Easy Guide to Measuring Value, S. 83.
360 7 Aktienbewertung

zwischen den Investitionen ins Anlagevermögen und den Abschreibungen gegeben ist, in der
zweitenkonstantenWachstumsphasekleineralsindererstenwachstumsstarkenPeriode.Dabei
könnendieErweiterungsinvestitionenfürdiekonstanteWachstumspha-seentwedermiteinem
durchschnittlichen Investitionswert von reifen Unternehmen der Industrie oder mit
FundamentaldatendesUnternehmens
53
geschätzt werden. Darüber
hinaus ist es sinnvoll, ein Beta zu wählen, das nahe bei 1 liegt (Bandbreite von 0,8 bis
1,2), da das Unternehmen einem ähnlichen Risiko wie die Gesamtwirtschaft unterliegt. Auch
ist die Fremdkapitalquote zu korrigieren. So etwa kann ein Unternehmen zu Be- ginn der
Wachstumsphase einen hohen Verschuldungsgrad aufweisen, der im Zeitverlauf sukzessive
aufeinenindustrietypischenVerschuldungsgradabgebautwird.

Beispiel
Berechnung des Endwerts
Für die Kappa AG, die in der Uhrenindustrie tätig ist, wird in den nächsten 4 Jahren ein
jährliches Gewinnwachstum von 25 % unterstellt. Am Ende dieser wachstumsstar- ken
Periode fällt das Wachstum auf 3,6 % und verbleibt ewig auf diesem Niveau. Das Ergebnis
nach Steuern liegt bei EUR 5 Mio. Die Investitionen ins Anlagevermögen und die
Abschreibungen betragen EUR 4 Mio. respektive EUR 2,4 Mio. Die Inves- titionen ins
Nettoumlaufvermögen sind EUR 0,4 Mio. Das Unternehmen finanziert seine
Geschäftstätigkeit ausschließlich mit Eigenkapital. Es wird angenommen, dass in der
4-jährigen wachstumsstarken Phase die Investitionen und die Abschreibungen mit der
gleichen Wachstumsrate wie der G ewinn zunehmen. In der zweiten konstan- ten
Wachstumsphase gehen das Wachstum und die Erweiterungsinvestitionen zurück. Auch
fällt die Eigenkapitalrendite auf 10 % , was eine niedrigere Investitionsquote des
Eigenkapitals zur Folge hat. Das adjustierte Beta der Aktie beläuft sich in der ersten
wachstumsstarken 4-jährigen Periode auf 1,4. Für die zweite konstante Wachstums- phase
wirdeinBetavon1unterstellt.Essindinsgesamt1Mio.Aktienausstehend.DieVerfallrendite
von 10-jährigendeutschen Bundesanleihen liegt bei 1,7 %, während die Marktrisikoprämie
5,2 % ist. Wie hoch ist der Endwert für die Kappa-Aktie gemäß dem zweistufigen
FCEK-Modell, wenn die Investitionstätigkeit in der zweiten Wachs- tumsstufe angepasst
wird?

Lösung
Werden die FCEK in der ersten Periode der zweiten konstanten Wachstumsphase mit den
angegebenenWachstumsratenvon25%und3,6%berechnet,gelangtmanauf-grundeineshöheren
reinvestiertenEigenkapitalszueinemzuniedrigenWert.Nach-stehendistdieBerechnungder
FCEK für das 5. Jahr (also erste Periode der zweiten Wachstumsphase) mit den angegebenen
Wachstumsratenaufgeführt.HierzukönnendasNachsteuerergebnis,dieAbschreibungen,die
InvestitioneninsNettoumlaufvermö-

53
Investitionsquote Eigenkapital D endogene Wachstumsrate = Eigenkapitalrendite.
7.3 Cashflow-Modelle 361

gen, die Investitionen ins Anlagevermögen und der FCEK für das 4. Jahr wie folgt bestimmt
werden:

Ergebnis nach Steuern D EUR 5 Mio:  .1;25/4 D EUR 12;207 Mio:;


Abschreibungen D EUR 2;4 Mio:  .1;25/4 D EUR 5;859 Mio:;
Investitionen NUV D EUR 0;4 Mio:  .1;25/4 D EUR 0;977 Mio:;
Investitionen AV D EUR 4 Mio:  .1;25/4 D EUR 9;766 Mio:;
FCEK D EUR 12;207 Mio. C EUR 5;859 Mio.
 EUR 0;977 Mio.  EUR 9;766 Mio.
D EUR 7;323 Mio.

Wird mit einer konstanten Wachstumsrate von 3,6 % gerechnet und ignoriert man den
Rückgang der Erweiterungsinvestitionen bzw. des reinvestierten Eigenkapitals, so re-
sultierendarausFCEKim5.JahrvonEUR7,587Mio.(
D EUR 7;323 Mio:  1;036).
Allerdings fällt der mit diesen FCEK berechnete Endwert zu niedrig aus, da der Rück-
gang der Erweiterungsinvestitionen (Differ enz zwischen Investitionen und Abschrei-
bungen)inderzweitenkonstantenWachstumsphasenichtberücksichtigtwird.
MithilfevonFundamentaldatenlassensichdiefreiverfügbarenEquity-Cashflowsim5.
JahralsDifferenzzwischendemNachsteuerergebnisunddemreinvestiertenEi-genkapital
festlegen.DabeibestehtdasreinvestierteEigenkapitalvonEUR4,553Mio.ausdemProdukt
derInvestitionsquotedesEigenkapitalsvon0,36unddemNachsteuer-ergebnisdes5.Jahres
vonEUR12,646Mio.(
D EUR 12;207 Mio:  1;036):

g 3;6 %
IEK D D D 0;36;
REK 10 %
EKreinv D 0;36  EUR 12;646 Mio. D EUR 4;553 Mio.

Die frei verfügbaren Equity-Cashflows im 5. Jahr liegen bei EUR 8,093 Mio. (D
EUR Mio.  EUR 4;553 Mio.).54 DieerwarteteRenditeinderzweitenkonstan-
12;646
ten Wachstumsphase ist 6,9 % (D 1;7 % C 5;2 %  1), was zu folgendem Endwert am
Ende der wachstumsstarken 4-jährigen Periode führt:

EUR 8;093 Mio:


Endwert4 D D EUR 245;242 Mio:
0;069  0;036

54
Alternativ lassen sich die FCEK5 vonEUR8,093Mio.direktüberdasNachsteuerergebnisvonD
EUR 12,646 Mio. und die Investitionsquote des Eigenkapitals von 36 % berechnen: FCEK5
EUR 12;646 Mio.  .1  0;36/ D EUR 8;093 Mio.
362 7 Aktienbewertung

Die erwartete Rendite in der ersten wachstumsstarken Periode beläuft sich auf 8,98 % (
D % C 5;2 %  1;4).DerBarwertdesEndwertslässtsichwiefolgtermitteln:1;7

EUR 245;242 Mio:


Endwert0 D D EUR 173;863 Mio:
.1;0898/4

Wird der Endwert von EUR 173,863 Mio. durch die Anzahl ausstehender Aktien von 1 Mio.
dividiert,erhältmandenEndwertderAktievonEUR173,86.DiesesBeispielzeigt,dassbeieiner
NichtanpassungandieneueInvestitionstätigkeitinderzweitenkonstantenWachstumsphase
derAktienwertunterschätztwird,daaufgrunddergerin-gerenInvestitionstätigkeitpotentiell
mehrGeldandieEigenkapitalgeberausgeschüttetwerdenkann.

55

ÜblicherweisemachtderTerminalValueeinenhohenAnteilamgesamtenEigenka-
pitalwertaus.Anteilevon75%undmehrsindbeibörsennotiertenAktienderRegelfall.Junge
WachstumswertemitnegativenfreiverfügbarenEquity-CashflowsinderDetail-
planungsphaseverfügenübereinenEndwert,dersogarüber100%desberechnetenEi-
genkapitalwertsliegt.
56
BeijungenWachstumswertenreflektiertderhoheTerminalValue
positiveKapitalmarkterwartungenderInvestoren,diesichinAktienkurssteigerungennie-
derschlagen. Dividenden und Aktienrückkäufe spielen bei solchen Aktien lediglich eine
untergeordnete Rolle. Außerdem reagiert der Endwert sehr sensitiv auf Veränderungen der
Bewertungsparameter wie etwa der Wachstumsrate und der erwarteten Rendite. Mithilfe einer
Sensitivitätsanalyse lässt sich der Einfluss der Bewertungsparameter auf den be- rechneten
Aktienwert beurteilen. Erfolgt hingegen die Bewertung mit zu optimistischen Prognosen (z. B.
als Folge einesBullenmarkts), kann anhand einer Szenarioanalyse der zu hohe Terminal Value
nachuntenangepasstwerden.

DieBasisvariantedeszweistufigenFCEK-Modellsunterstelltindererstenwachstums-
starkenPeriodeeinekonstanteWachstumsrate,dieabruptaufeinkonstantesNiveauinder
darauffolgendenewigenWachstumsphasefällt.DasfolgendeBeispielzeigtfürdieDaim-ler
AGdieBerechnungdesinnerenAktienwertsmitdemzweistufigenBewertungsmodell,wobei
diezukünftigenfreiverfügbarenEquity-CashflowsmitderendogenenWachstums-rate
geschätztwerden.

55
OhneAnpassungderInvestitionstätigkeitinderzweitenkonstantenWachstumsphaseresultiertD
ein reinvestiertes Eigenkapital von EUR 4,884 Mio. ( EUR 9;766 Mio.  EUR 5;859 Mio. C
EUR 0;977 Mio.), das im Vergleich zu dem reinvestierten Eigenkapital basierend auf den Funda-
mentaldaten von EUR 4,553 Mio. zu hoch ist. Dementsprechend sind auch die FCEK zu niedrig, was zu
einemzuniedrigenEndwertführt.
56
Vgl. Koller et al. 2010 : Valuation: Measuring and Managing the Value of Companies, S. 214.
7.3 Cashflow-Modelle 363

Beispiel
Berechnung des inneren Aktienwerts der Daimler AG mithilfe des zweistufigen
FCEK-Modells
Für den Daimler-Konzern liegen die folgenden Daten aus dem Geschäftsbericht 2013 vor (in
Mio.EUR): 57

2013 2012
a
Ergebnis nach Steuern 4585 4236
Abschreibungen 4368 4067
Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalenteb 11.053 10.996
Eigenkapitalc 42.680 37.905
Veränderung des Nettoumlaufvermögensd 6761 10.135
Investitionen ins Anlagevermögen 6829 8864
Zunahme des zinstragenden Fremdkapitals 6460 14.246
Wert der nicht betriebsnotwendigen Vermögensbestandteile (einschließlich 14.021 11.972
Wertpapiere und mit der Equity-Methode bewertete Finanzinvestitionen)e
a
Betriebsergebnis nach Steuern und Zinsen sowie ohne Anteile anderer Gesellschafter (Minder-
heiten)
b
Annahme: gesamter Bestand nicht betriebsnotwendig
c
ohne Anteile anderer Gesellschafter (Minderheiten)
d
inklusive weiterer nicht zahlungswirksamer Aktiven und Passiven
e
Annahmen: 1) Einnahmen dieser Position sin d nicht im Betriebsergebnis nach Steuern und
Zinsen enthalten. 2) Die Position ist mit Eigenkapital finanziert.

PerEndeDezember2013hatDaimler1070Mio.Aktienausstehend.DieAktienwerdenzu
einemPreisvonEUR62,90gehandelt.DashistorischeBetaderAktiebe-trägt1,48.Die
Verfallrenditevon10-jährigendeutschenBundesanleihenbeläuftsichauf1,7%,während
dieMarktrisikoprämie5,2%ist.

Eswirddavonausgegangen,dassdiefreiverfügbarenEquity-Cashflowsindennächsten5
JahrenbasierendaufdenFundamentaldatenausdemJahre2013zunehmen,bevordas
WachstumabruptaufeinkonstantesNiveauvon3,6%fällt.InderzweitenstabilenPeriode
fälltdashistorischeBetaderAktieauf1,15.Dieumdienichtbetriebs-notwendigen
VermögenswerteangepassteEigenkapitalrenditebeträgt7,2%.Wiehochistderinnere
AktienwertderDaimlerAGgemäßdemzweistufigenFCEK-Modell?

Lösung
Die Investitionsquote des Eigenkapitals von 0 ,6024 kann wie folgt ermittelt werden:

EUR 6829 Mio:  EUR 4368 Mio: C EUR 6761 Mio:  EUR 6460 Mio:
IEK D
EUR 4585 Mio:
D 0;6024:

57
Vgl. Daimler 2014 : Geschäftsbericht 2013, S. 185 ff.
364 7 Aktienbewertung

Die Eigenkapitalrendite von 30,63 % kann folgendermaßen bestimmt werden:

EUR 4585 Mio:


REK D D 30;63%:
EUR 37:905 Mio:  EUR 10:966 Mio:  EUR 11:972 Mio:

Die endogene Wachstumsrate von 18,45 % ergibt sich aus der Multiplikation der Inves-
titionsquotedesEigenkapitalsmitderEigenkapitalrendite:

g D 0;6024  30;63 % D 18;45 %:

Die frei verfügbaren Cashflows für das Eigenkapital des Jahres 2013 von EUR 1823 Mio.
könnenwiefolgtberechnetwerden:

FCEK2013 D EUR 4585 Mio:  .1  0;6024/ D EUR 1823 Mio:

Die frei verfügbaren Equity-Cashflows nehmen in der ersten wachstumsstarken Periode


jährlichum18,45%zu,waszufolgendenFCEK-Wertenfürdieersten5Jahreführt:

FCEK2014 D EUR 1823 Mio:  .1;1845/1 D EUR 2159 Mio:;


FCEK2015 D EUR 1823 Mio:  .1;1845/2 D EUR 2558 Mio:;
FCEK2016 D EUR 1823 Mio:  .1;1845/3 D EUR 3030 Mio:;
FCEK2017 D EUR 1823 Mio:  .1;1845/4 D EUR 3589 Mio:;
FCEK2018 D EUR 1823 Mio:  .1;1845/5 D EUR 4251 Mio:

Um die erwartete Rendite in der 5-jährigen wachstumsstarken Periode zu bestimmen, ist


zunächstdasadjustierteBetavon1,32zuermitteln:

“adjustiert D 0;333 C 0;667  1;48 D 1;32:

Die erwartete CAPM-Rendite liegt in der ersten Wachstumsphase bei 8,56 % (D


% C 5;2 %  1;32),währendinderzweitenkonstantenWachstumsphaseauf-1;7
grund des unterstellten adjustierten Betas von 1,1 (D 0;333 C 0;667  1;15) eine
Renditeerwartung von 7,42 % (D 1;7 % C 5;2 %  1;1) vorliegt.
In der zweiten Wachstumsphase fällt die Investitionsquote des Eigenkapitals auf 0,5:

g 0;036
IEK D D D 0;5:
REK 0;072

Die frei verfügbaren Equity-Cashflows am Ende des 1. Jahres der zweiten Wachstums- stufe
betragenEUR5538Mio.:

FCEK2019 D EUR 4585 Mio:  .1;1845/5  .1;036/  .1  0;5/ D EUR 5538 Mio:
7.3 Cashflow-Modelle 365

Der Endwert zu Beginn der zweiten konstanten Wachstumsphase von EUR 144:974
Mio. kann wie folgt ermittelt werden:

EUR 5538 Mio:


WertEK;2018 D D EUR 144:974 Mio:
0;0742  0;036

Der innere Wert des Eigenkapitals beträgt EUR 108:079 Mio. und entspricht dem Bar-
wert aller zukünftigen FCEK (in Mio. EUR):

2159 2558 3030 3589 4251 C 144:974


WertEK;2013 D 1
C 2
C 3
C 4
C
.1;0856/ .1;0856/ .1;0856/ .1;0856/ .1;0856/5
D 108:079:

Mit dem Bestand an flüssigen Mitteln von EUR 11:053 Mio.unddemWertdernicht


betriebsnotwendigen Vermögensbestandteile von EUR 14:021 Mio.resultierteinan-
gepasster innerer Eigenkapitalwert von EUR 133:153 Mio. Dividiert man diesen Wert
durchdieAnzahlausstehenderAktienvon1070Mio.,ergibtsicheininnererAktien-wertvon
EUR 124,44. Im Vergleich zum gehandelten Aktienpreis von EUR 62,90 ist das Papier
aufgrund der vorliegenden Berechnungen um rund 49 % unterbewertet. Ist der mit dem
Modell berechnete Aktienwert v iel zu hoch oder viel zu niedrig, können die
BewertungsparameteranhandderVorgabenvonTab. 7.3angepasstwerden.

7.3.3.6 Free-Cash-Flow-to-Equity-Modelleversus
Dividendendiskontierungsmodelle
Für die Aktienbewertung können sowohl die FCEK-Modelle als auch die Dividendendis-
kontierungsmodelle eingesetzt werden. Man gelangt jedoch mit beiden Bewertungsmodel- len
nur dann zum gleichen inneren Aktienwert, wenn entweder die FCEK und die Divi- denden
gleich groß oder die FCEK größer als die Dividenden sind, aber die überschüssige Differenz in
Projekten mit einem Nettobarwert von null investiert wird. Allerdings re- sultiert bei der
AnwendungderbeidenBewertungsmodellevielfacheinunterschiedlicherinnererAktienwert.
DieseWertunterschiedekönnenwiefolgterklärtwerden:

 Sind die FCEK größer als die Dividenden und wird die überschüssige Differenz in Pro- jekten
mit einem positiven Nettobarwert angelegt, ergibt sich mit dem FCEK-Modell ein
vergleichsweise höherer Aktienwert. Investiert man hingegen die Differenz zwi- schen
FCEK und Dividenden in Projekte mit einem negativen Nettobarwert, ist der mit dem
FCEK-Modell berechnete Aktienwert niedriger. Oftmals häufen Unternehmungen große
Geldbestände an, weil sie die frei ve rfügbaren Geldmittel nicht an die Eigenkapi- talgeber
auszahlen. Finanzieren sie mit dem zurückbehaltenen Geld zum Beispiel nicht rentable
Akquisitionen, führt das zu einem Rückgang des Aktienwerts. Der Aktien- wert kann auch
fallen, wenn mit dem zurückbehaltenen Geld die Fremdkapitalquote reduziert wird und als
FolgedavonderGesamtkapitalkostensatzsteigt.
366 7 Aktienbewertung

Tab.7.3 Anpassung der Bewertungsparameter beim zweistufigen FCEK-Modell


Ursachen für einen viel zu hohen (zu niedrigen) Anpassungen
berechneten Aktienwert mit dem zweistufigen
FCEK-Modell
 DasNachsteuerergebnisistzuhoch(zunied-rig)  Das Nachsteuerergebnis ist zu normalisieren,
indem z. B. ein historischer Durchschnitt
benutzt wird
 Die Investitionen ins Anlagevermögen sind  Die Investitionen ins Anlagevermögen
im Vergleich zu den Abschreibungen in sind zu erhöhen (zu vermindern) oder die
bei- den Wachstumsphasen zu niedrig (zu hoch) Differenz zwischen Investitionen und Ab-
schreibungen ist zu normalisieren oder es ist
ein dreistufiges FCEK-Modell zu wählen

 Das Nettoumlaufvermögen ist im Vergleich  Das Verhältnis zwischen Nettoumlaufvermö-


zum Umsatz in beiden Wachstumsphasen zu gen und Umsatz ist zu normalisieren, indem
ein historischer Durchschnitt oder ein
niedrig (zu hoch) z. B.
durchschnittlicher Industriewert verwendet
wird

 Die Zunahme des zinstragenden Fremdkapi-  Die Veränderung des zinstragenden Fremd-
tals ist zu hoch (zu niedrig) kapitals ist zu normalisieren
 Die FCEK sind zu hoch (zu niedrig), weil  Die FCEK sind ausgehend vom CFO zu
nicht sämtliche zahlungswirksamen Erfolgs- berechnen
positionen enthalten sind
 Das Beta ist in der zweiten konstanten  Das Beta kann näher bei 1 angesetzt werden
Wachstumsphase zu niedrig (zu hoch) (Bandbreitevon0,8bis1,2)
 Die konstante Wachstumsrate ist in der zwei-  Eine zu hohe Wachstumsrate ist nach unten zu
ten Phase zu hoch (zu niedrig) korrigieren, sodass sie nicht höher als das
nominale Wachstum des Bruttoinlandspro-
dukts(oderderrisikoloseZinssatz)ist

 Sind die frei verfügbaren Equity-Cashflows niedriger als die Dividenden, muss das
Unternehmen die Dividendenzahlungen mit neuem Eigen- und/oder Fremdkapital fi-
nanzieren, was den Aktienwert negativ beeinflusst. Nicht nur Emissionskosten fallen an,
sondern bei einer etwaigen Finanzierungder Dividenden mit Fremdkapital erhöht sich auch
der Verschuldungsgrad, sodass das finanzielle Risiko steigt, was einen hö- heren
Kapitalkostensatz zur Folge haben kann. Auch gehen die Geldmittel für die
Investitionstätigkeit in rentable Projekte zurück, weil das Geld für die Auszahlung der
Dividendenbenötigtwird.

Außerdem wird der berechnete Aktienwert von den unterstellten Wachstumsannahmen


beeinträchtigt. So etwa sind die Wachstumsraten auf der Basis von Fundamentaldaten in den
beidenModellenunterschiedlich.BeimFCEK-ModellwirddieendogeneWachs-tumsratemit
derInvestitionsquotedesEigenkapitalsbestimmt,diebeiunterschiedlichho-
7.3 Cashflow-Modelle 367

Tab.7.4 FCEK-Modell versus Dividendendiskontierungsmodell


FCEK-Modell Dividendendiskontierungsmodell
Definition der FCEK stehen den Eigenkapitalgebern Dividenden werden den Eigenkapital-
Cashflows zur Verfügung gebern ausgeschüttet
Investitionsan- Die um die Abschreibungen Die zurückbehaltenen Gewinne wer-
nahmen angepassten Investitionen ins An- den in die Vermögenswerte inklusive
lagevermögen und die Ausgaben ins der flüssigen Mittel investiert
Nettoumlaufvermögen abzüglich der
Fremdkapitalzunahme werden als
Eigenkapital in die operativen Ver-
mögenswerte angelegt

Erwartetes Das Wachstum bezieht sich auf das Das Wachstum richtet sich auf das
Wachstum operativeVermögen Gesamtvermögen inklusive der flüssi-
gen Mittel
Zahlungsmittel Die endogene Wachstumsrate und Die Einnahmen aus den nicht be-
und -äquivalente die FCEK sind um die Einnahmen triebsnotwendigen flüssigen Mitteln
aus den nicht betriebsnotwendigen sind im Nachsteuerergebnis und so-
(flüssige Mittel) flüssigen Mitteln anzupassen. Der mit in den Dividenden enthalten,
Wert der nicht betriebsnotwendigen sodass der Wert der nicht operativen
flüssigen Mittel ist zum berechneten flüssigen Mittel im berechneten Ei-
Eigenkapitalwert zu addieren genkapitalwert bereits berücksichtigt
ist

Diskontsatz Erwartete Rendite der Eigenkapital- Erwartete Rendite der Eigenkapital-


geber geber

hen FCEK-Werten und Dividenden von der The saurierungsrate des Gewinns abweicht. 58
Ebenso gibt es einen Unterschied bei der Eigenkapitalrendite, da bei der Berechnung der
Wachstumsrate im FCEK-Modell die um die nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerte
angepasste Eigenkapitalrendite verwendet w ird. Sind die FCEK größer als die Dividenden
(bzw. ist die Investitionsquote des Eigenkapitals kleiner als die Thesaurierungsrate des
Gewinns), resultiert im Dividendendiskontie rungsmodell eine höhere erwartete Wachs-
tumsrate. Demgegenüber sinddie jährlichen FCEK-Werte vergleichsweise höher. Welche der
beiden Bewertungsmodelle zu einem höheren Aktienwert führt, muss im Einzelfall berechnet
werden.Tab.7.4stelltdiebeidenBewertungsmodellegegenüber.

EinewichtigeFrageinderAktienanalyseistdienachdemgeeignetenBewertungs-modell.
GrundsätzlichhängtdieAnwendungeinesFree-Cashflow-Modellsodereines
DividendendiskontierungsmodellsvonderMöglichkeitderUnternehmenskontrolleab.
BestehtdieMöglichkeit,dassdasUnternehmenübernommenwird,solltederAktienpreis

58
DieFCEKkönnenwiefolgtberechnetwerden(Annahme:Abschreibungenstellendieeinzi-D
ge nicht zahlungswirksame Erfolgsposition dar): FCEK Gewinn  (1  Investitionsquotedes
Eigenkapitals).ImGegensatzdazukönnendieDividendenfolgendermaßenermitteltwerden:Divi-
denden
D Gewinn  (1  Thesaurierungsrate).SinddieInvestitionsquotedesEigenkapitalsunddie
ThesaurierungsratedesGewinnsnichtgleichgroß,ergebensichunterschiedlicheFCEK-Werteund
Dividenden.
36 7 Aktienbewertung

mit einem FCEK-Modell berechnet werden. Sind hingegen Änderungen der Unterneh-
menskontrolle aufgrund der Unternehmensgröße und/oder aufgrund von rechtlichen Re-
striktionen oder Abwehrmaßnahmen des Man agements gegenüber einer „unfreundlichen“
Akquisition nicht möglich, kann für die Aktie nbewertung ein Dividendendiskontierungs-
modelleingesetztwerden.

7.3.4 Free-Cash-Flow-to-Firm-Modelle

7.3.4.1 De nitionundBerechnungderFCGK
Die frei verfügbaren Geldmittel des Unterneh mens, die den Fremd- und Eigenkapitalge- bern
zustehen, stellen die frei verfügbaren Cashflows für das Gesamtkapital (FCGK) dar. Sie
bestehen aus den Cashflows der betrieblichen Tätigkeit abzüglich der für die laufen- de
GeschäftstätigkeiterforderlichenInvestitioneninsAnlagevermögen.
59
Sie können den
Fremdkapitalgebern in Form von Zinszahlungen und Rückzahlungen des Fremdkapitals
unddenEigenkapitalgebernalsDividendenundimRahmeneinesAktienrückkaufpro-gramms
ausgeschüttet werden. Die FCGK können ausgehend von den frei verfügbaren
Equity-Cashflows, welche die potentiell ausschüttbaren Geldmittel an die Eigenkapitalge- ber
darstellen,wiefolgtberechnetwerden:

FCGK D FCEK
C Zinsaufwand  .1  Ertragssteuersatz/
(7.25)
C Fremdkapitalrückzahlung
 Fremdkapitalaufnahme:
Um die FCGK zu bestimmen, werden diese mit de n Fremdkapitalgeber ansprüchen – also dem
ZinsaufwandundderFremdkapitalveränderung–angepasst.Dabeisinddiesteuer-adjustierten
ZinszahlungenzudenFCEKhinzuzuzählen.DerZinsaufwandwirdmitderDifferenzzwischen
1 und dem Ertragssteuersatz multipliziert, weil die Zinsen steuerlich abzugsfähig sind und die
Anpassung des Zinsaufwands ausgehend vom Nachsteuerer- gebnis erfolgt. Eine andere
Möglichkeit, di e FCGK zu berechnen, besteht darin, die frei verfügbaren Geldmittel für das
GesamtkapitalohneBerücksichtigungderEigenkapital-geberansprüchedirektzuermitteln:

FCGK D Ergebnis nach Steuern


C Zinsaufwand  .1  Ertragssteuersatz/
C nicht zahlungswirksamer Aufwand
(7.26)
 nicht zahlungswirksamer Ertrag
 Investitionen ins Nettoumlaufvermögen
 Investitionen ins Anlagevermögen:

59
Vgl. Gilbert 2013 : Discounted-Cash-Flow-Approach to Valuation, S. 107.
7.3 Cashflow-Modelle 369

Unterstellt man, dass die Abschreibungen (und die Veränderung des Nettoumlaufvermö- gens)
die einzigen nicht zahlungswirksamen Erfolgspositionen sind, lassen sich die FCGK
folgendermaßenbestimmen: 60

FCGK D Ergebnis nach Steuern


C Zinsaufwand  .1  Ertragssteuersatz/
C Abschreibungen (7.27)
 Investitionen ins Nettoumlaufvermögen
 Investitionen ins Anlagevermögen:
Die FCGK werden vom Betriebsergebnis nach Steuern [EBIT  .1Ertragssteuersatz/]
und der Investitionsquote beeinflusst. Die Höhe des Betriebsergebnisses hängt vom Ge-
samtumsatz der Periode und der erzielten Ergebnismarge ab. Im Gegensatz dazu wird die
Investitionsquote von der Kapitalumschlagshä ufigkeit beeinträchtigt. Die FCGK und so-
mit der Unternehmenswert können gesteigert werden, wenn es dem Unternehmen gelingt,
einen dieser drei Treiber – Gesamtumsatz, Ergebnismarge und Kapitalumschlagshäufig-
keit – zu verbessern, ohne dass die übrigen zwei Faktoren negativ davon tangiert werden.
Die FCGK werden in der Regel ausgehend vom Ergebnis nach Steuern oder den Cash-
flows aus der betrieblichen Tätigkeit (CFO) bestimmt. Darüber hinaus ist es möglich, den
EBIT oder EBITDA zu benutzen, um die FCGK zu eruieren. Anhand des EBITDA lassen
sich die frei verfügbaren Firm-Cashflows wie folgt berechnen:

61

FCGK D EBITDA  .1  Ertragssteuersatz/


C Abschreibungen  Ertragssteuersatz
(7.28)
 Investitionen ins Nettoumlaufvermögen
 Investitionen ins Anlagevermögen:
Werden die FCGK ausgehend vom EBITDA bestimmt, sind viele Anpassungen nicht
zahlungswirksamerErfolgspositionenentbehrlich.UmdasErgebnisnachSteuernzuer-mitteln,
werdenvielenichtzahlungswirksameAufwändeundErträgevomEBITDAsub-trahiertbzw.zuihm
addiert, sodass diese bei der Bestimmung der FCGK basierend auf dem EBITDA nicht mehr
berücksichtigt werden müssen. Allerdings ist bei nicht zahlungs- wirksamen und steuerlich
abzugsfähigenErfolgspositionen–wieetwaAbschreibungen

60
Das Ergebnis nach Steuern C Zinsaufwand  (1  Ertragssteuersatz) ist gleich dem EBIT  (1 
Ertragssteuersatz). Der Vorteil für die Berechnung der FCGK anhand des EBIT ist, dass verschie-
denenichtzahlungswirksameErfolgspositionenerstunterhalbdesEBITanfallen.Dahersinddiesebeider
BestimmungderFCGKnichtmehrzuberücksichtigen.
61
Ersetzt man in (7.26) das Ergebnis nach Steuern mit (EBITDA  Abschreibungen 
Zinsaufwand)  (1  Ertragssteuersatz) D EBITDA  (1  Ertragssteuersatz)  Abschreibungen 
(1  Ertragssteuersatz)  Zinsaufwand  (1  Ertragssteuersatz), erhält man FCGK D [EBITDA 
(1  Ertragssteuersatz)  Abschreibungen C Abschreibungen  Ertragssteuersatz  Zinsaufwand 
Zinsaufwand  (1  Ertragssteuersatz)] C Zinsaufwand  (1  Ertragssteuersatz) C Abschreibun-
gen  Investitionen ins Nettoumlaufvermögen  Investitionen ins Anlagevermögen, was zu ( 7.28 )
führt.
370 7 Aktienbewertung

– ein nicht liquiditätswirksamer Steuereffekt in die Berechnung der FCGK einzubezie- hen und
zumEBITDA  .1  Ertragssteuersatz/ zu addieren (wie: Abschreibungen 
Ertragssteuersatz).
DieFCGKenthaltenkeineZahlungenandieFremdkapitalgeberundkönnensomitals
verschuldungsbereinigteCashflowsbetrachtetwerden.EbenfallsbeinhaltendieFCGKkeine
SteuervorteileausdenZinszahlungenfürdasFremdkapital,weildiesteuerliche
AbzugsfähigkeitderFremdkapitalzinsenbereitsimKapitalkostensatzberücksichtigtist,derim
BewertungsmodellfürdieDiskontierungderFCGKverwendetwird.AufdieseWeisewirdim
Free-Cash-Flow-to-Firm-ModellderSteuervorteildesFremdkapitalsnichtdoppeltindie
Berechnungeneinbezogen.

7.3.4.2 WachstumsratederFCGK
Bei stabilen frei verfügbaren Firm-Cashflows kann eine Wachstumsrate auf der Basis his-
torischer FCGK mithilfe von statistischen Verfahren wie dem geometrischen Mittel, der
Regressionsanalyse und der Zeitreihenanalyse ermitteltwerden. Bei nicht stabilen FCGK sind
dieeinzelnenCashflow-KomponentenwieetwaderEBIT
 .1  Ertragssteuersatz/,
die nicht zahlungswirksamen Erfolgspositione n, die Investitionen ins Nettoumlaufvermö-
gen und Anlagevermögen zu prognostizieren. Dabei kann der EBIT entweder direkt oder
indirekt über den erwarteten Umsatz oder über die historische oder erwartete EBIT-Marge
geschätzt werden. Auch lässt sich ein endogenes Wachstum mithilfe fundamentaler Un-
ternehmensdatenbestimmen.

Die endogene Wachstumsrate der FCGK bezieht sich auf die Wachstumsrate des Be-
triebsergebnisses nach Steuern [EBIT Ertragssteuersatz/],dadiesesErgebnisausder.1
Betriebstätigkeit sämtlichen Kapitalgeber n zur Verfügung steht. Im Gegensatz dazu stützt sich
die Wachstumsrate der FCEK auf das Nach steuerergebnis der betriebsnotwendigen
Vermögenswerte.62
Grundsätzlichkannmandavonausgehen,dassdieerwarteteWachs-
tumsratedessteueradjustiertenEBITniedrigeralsdieWachstumsratedesversteuerten
Ergebnissesist,weildieZunahmedesVerhältnisseszwischenFremdkapitalundEigenka-pital
einenpositivenEinflussaufdieEigenkapitalrenditeundsomitaufdieWachstumsratedes
Nachsteuerergebnissesausübt.DieserZusammenhanggiltnur,wenndieGesamtkapi-
talrenditegrößeralsderFremdkapitalzinssatznachSteuernist.
63
Die endogene Wachs-
tumsrate des steueradjustierten Betriebsergebnisses kann mit der Investitionsquote des
Gesamtkapitals .IGK / undderumdienichtbetriebsnotwendigenflüssigenMittelange-R
passten Gesamtkapitalrendite . GK / wie folgt berechnet werden:

g D IGK RGK ; (7.29)

wobei:
IGK D .I AV  A AV C INUV/ = ŒEBIT .1  s/;
RGK D EBIT .1  s/ = .EK0 C FK0  Cash0 /.

62
Vgl. Abschn. 7.3.3.3 .
63
Vgl. Mondello 2015 : Aktienbewertung: Theorie und Anwendungsbeispiele, S. 162.
7.3 Cashflow-Modelle 371

Die Wachstumsrate lässt sich demnach über e ine erhöhte Investitionsquote und/oder über eine
verbesserte Kapitalrendite (betriebliche Produktivität) steigern. Dabei bedeutet hö- heres
Wachstum nicht automatisch, dass der Unternehmenswert zunimmt. So etwa trägt eine höhere
Investitionsquote zu einem höhere n Wachstum bei, aber gleichzeitig fallen infolge der
InvestitionendieFCGK.WerdenhöhereKapitalrenditeninrisikoreicherenGeschäftsbereichen
erwirtschaftet, können trotz höherer Wachstumsrate die Kapitalkos- ten zunehmen, was einen
dämpfendenEffektaufdenUnternehmenswertzurFolgehat.

IneinerkonstantenewigenWachstumsphasekannerwartetwerden,dassdieWachs-
tumsratendesNachsteuerergebnissesunddesBetriebsergebnissesnachSteuerngleichgroß
sind.NehmenzumBeispielderUmsatzunddasBetriebsergebnisum4%proJahrzu,während
dasNachsteuerergebniseinjährlichesewigesWachstumvon6%aufweist,übersteigtdas
versteuerteErgebnisirgendwanninderZukunftnichtnurdenEBITnachSteuern,sondernauch
denUmsatz.AuchwenndieEigenkapitalrenditegrößeralsdieGesamtkapitalrenditeist,sinddie
erwartetenWachstumsratenfürdiebeidenErgebnisgrö-ßengleich,weildieAnpassungenim
ModellüberdieInvestitionsquotenstattfinden.IneinerewigenWachstumsphaseistfüreinmit
Fremd-undEigenkapitalfinanziertesUn-ternehmendieInvestitionsquotedesEigenkapitals
niedrigeralsdieInvestitionsquotedesGesamtkapitals.

BeiUnternehmenmitInvestitionsquotenvonmehrals100%gehteinTeildesWachs-tums
aufAkquisitionenzurück.FürdieBerechnungderlangfristigenendogenenWachs-tumsrate
sindFusionenundÜbernahmenausderErmittlungderNettoinvestitioneninsAnlagevermögen
auszuschließen.EinreifesUnternehmen,dasineinemgesättigtenMarkttätigist,weistkein
hohesexternesWachstumauf.EbensomusseinenegativeVeränderungdes
NettoumlaufvermögensbeiderFestlegungderInvestitionsquotebereinigtwerden,dadas
Nettoumlaufvermögenlangfristignichtunternullfallenkann.DabeikönnendieInves-titionen
normalisiertoderDurchschnittswertevonVergleichsunternehmenherangezogenwerden.

7.3.4.3 Bewertungsmodell
DieFCGKstehensämtlichenKapitalgebernzu.DaherwerdensiemitdererwartetenRenditeder
Gesamtkapitalgeberbzw.mitdemgewichtetendurchschnittlichenKapital-kostensatz
(WACC)diskontiert,umdenoperativenUnternehmenswertbzw.EnterpriseValuezu
berechnen.AbhängigvondenerwartetenCashflow-Musternkönnenein-odermehrstufige
VerfahrenfürdieAktienbewertungeingesetztwerden.NehmendieFCGKmiteinerkonstanten
Wachstumsrateewigzu,kannderoperativeUnternehmenswert(En-terpriseValue)zum
BewertungszeitpunktmiteinemeinstufigenModellermitteltwerdenWACC

. > g /:
FCGK1 FCGK0 .1 C g/
EV0 D D ; (7.30)
WACC g WACC g
wobei:
EV0 D Enterprise Value bzw. operativer Unternehmenswert zum Bewertungszeit-
punkt,
FCGK1 D frei verfügbare Cashflows für das Gesamtkapital in der Periode 1,
372 7 Aktienbewertung

WACC D gewichteter durchschnittlicher Kapitalkostensatz (Weighted Average Cost of


Capital),
g D ewige konstante Wachstumsrate der FCGK.

Der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz .WACC/ entspricht der Summe der


kapitalgewichteten Kostensätze für das Fremd- und Eigenkapital und kann wie folgt be-
rechnet werden:
WACCD wFK E .rFK / .1  s/ C wEK E .rEK / ; (7.31)
wobei:

wFK D Gewichtung des zinstragenden Fremdkapitals [FK=.FK C EK/] bzw. Fremdka-


pitalquote,
wEK D Gewichtung des Eigenkapitals [EK=.FK C EK/] bzw. Eigenkapitalquote,
E .rFK / D erwartete Rendite der Fremdkapitalgeber bzw. Fremdkapitalkostensatz,
s D Grenzertragsteuersatz,
E .rEK / D erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber bzw. Eigenkapitalkostensatz.

Die Berechnungen mit dem FCGK-Modell beziehen sich auf die operativen Vermögens- werte,
mit denen das Unternehmen die betrieb lichen Cashflows erwirtschaftet. Besitzt das
Unternehmen wesentliche nicht betriebsnotwendige Vermögenswerte – wie nicht betriebs-
notwendige flüssige Mittel, Immobilien, Landreserven oder Finanzanlagen in Aktien oder
Anleihen von nicht betriebsnotwendigen Tochtergesellschaften oder von anderen Unter-
nehmen–,sinddiesezumberechnetenoperativenVermögenswertzuaddieren:
64

Unternehmenswert0 D EV0 C NBV0 ; (7.32)

wobei:

NBV0 D Marktwert der nicht betriebsnotwendigen Vermögensbestandteile (einschließ-


lich nicht operativer flüssiger Mittel) zum Bewertungszeitpunkt.

Grundsätzlich gilt, dass Vermögenswerte, die keine betrieblichen Cashflows abwerfen und
somit zur Ermittlung der FCGK nicht berücksichtigt werden, zum Enterprise Value hin-
zugezähltwerden.DabeisindnichtbetriebsnotwendigeVermögenswertezumMarktwert(und
nichtzumBuchwert)indieBewertungeinzubeziehen.

DerUnternehmenswertentsprichtdemjenigenWert,deneinInvestorzahlenmüss-te,umdas
UnternehmenohneflüssigeMittelundFinanzschuldenzuerwerben.DamitderinnereWertdes
Eigenkapitalsermitteltwerdenkann,sindvomUnternehmenswertderMarktwertdes
zinstragendenFremdkapitals
.FK0 / sowie der Marktwert der Anteile

64
Vgl. Koller et al. 2010 : Valuation: Measuring and Managing the Value of Companies, S. 275.
7.3 Cashflow-Modelle 373

Ergebnis nach
operativer WACC
Steuern* Unternehmens
+ - wert (EV 0) =
Zinsaufwand x FCGK 0 1(+ )g erwartete
(1 – Steuersatz) Wachstumsrate
WACC − g
+
+
Abschreibungen nicht operatives
Vermögen

+
Investitionen ins nicht operative
NUV flüssige Mittel
= −
zinstragendes
CFO**
Fremdkapital
− −
Investitionen ins Anteile Dritter * betrieblich und
AV (Minderheiten) inklusive Anteile Dritter
= (Minderheiten)
=
innerer Wert des ** ohne steuerangepasste
FCGK Eigenkapitals Fremdkapitalzinsen

Abb.7.8 Grundkonzept der Aktienbewertung mit dem FCGK-Modell

andererGesellschafter(Min)–alsodieAnsprüchederMinderheitsgesellschafter–zu 0
subtrahieren .WACC > g/:

FCGK1
WertEK;0 D C NBV0  FK0  Min0 (7.33)
WACC g

Abb. 7.8 zeigt das Grundkonzept der Bewertung mit dem FCGK-Modell. Bei einem Kon- zern
werden die frei verfügbaren Firm-Cashflows ausgehend vom betrieblichen Nachsteu-
erergebnis einschließlich der Anteile anderer Gesellschafter (Minderheiten) bestimmt. Die so
ermittelten FCGK stehen sämtlichen Kapitalgebern – also auch den Minderheitsgesell-
schaftern–zu.DerinnereEigenkapitalwertergibtsichgemäß( 7.33).

DerAnspruchderFremdkapitalgeberwirddurchdaszinstragendekurz-undlang-fristige
Fremdkapitaldargestellt.DazuzählenUnternehmensanleihen,verzinslicheGe-
sellschafterdarlehenoderVerbindlichkeitengegenüberKreditinstituten,verbundenenUn-
ternehmenundUnternehmen,mitdeneneinBeteiligungsverhältnisbestehtodergegen-über
denenWechselverbindlichkeitenundVerbindlichkeitenausfinanziellemundoperati-vem
Leasingvorliegen.DarüberhinaussindPensionsrückstelllungen,dieVerpflichtungenausder
betrieblichenAltersversorgungeinesUnternehmensverkörpern,ebenfallsdemzinstragenden
Fremdkapitalzuzuordnen,sofernkeindeckungsgleicherAktivwertinderBilanz
gegenübersteht.

65
Die Bewertung der Pensionsrückstellungen erfolgt nach ver-

65
Vgl. Frykman und Tolleryd 2003 : Corporate Valuation: An Easy Guide to Measuring Value, S. 27.
374 7 Aktienbewertung

sicherungsmathematischen Grundsätzen.66 InDeutschlandwerdendiegebildetennicht


zahlungswirksamenPensionsrückstellungennichteinemexternenPensionsfondsüber-
wiesen, wie das in der Schweiz, in den USA oder in Großbritannien der Fall ist. Ein Teil des
Mitarbeitergehalts wird vom Unternehmen zurückbehalten und erst bei Pensionsantritt
inklusiveZinsenausbezahlt.DiePensionsansprüchederMitarbeiterwerdendiskontiertundals
Rückstellung auf der Passivseite der Bilanz aufgeführt. Demnach handelt es sich bei den
Pensionsrückstellungen um den Barwert zukünftiger Rentenzahlungen. Damit der
Eigenkapitalwert berechnet werden kann, ist diese zinsähnliche Verpflichtung vom Un-
ternehmenswert abzuziehen . Im Gegensatz dazu werden in der Schweiz die Beiträge den
Mitarbeitern vom Lohn abgezogen und zusamme n mit den Beiträgen des Arbeitgebers in eine
Pensionskasse einbezahlt, die dann das Geld anlegt. Eine etwaige Unterdeckung der
Pensionskasse–beieinerSanierungspflichtdesUnternehmens–istvomUnternehmens-wertin
Abzugzubringen.

SinddiezinstragendenFinanzverbindlichkeitenaneinerBörsenotiert(z.B.festver-
zinslicheAnleihen),entsprichtderMarktwertdemgehandeltenPreis.Allerdingssinddie
meistenFinanzverbindlichkeitennichtbörsennotiert,sodassderMarktwertmitdem
DiskontierenderZahlungsströmebestimmtwerdenkann.
67
Die Zahlungsströme der zins-
tragenden Verbindlichkeiten setzen sich aus Zinsen und Tilgungszahlungen zusammen,
die für die Berechnung des Barwerts mit der erwarteten Fremdkapitalrendite diskontiert
werden. In der Bewertungspraxis wird für das nicht börsennotierte Fremdkapital oft der
Buchwert genommen, da die bewertungsrelevanten Informationen zu den Cashflows und zum
DiskontsatzinderRegelnichtvorliegen.

DieBestimmungdesUnternehmenswertsmitdemeinstufigenFCGK-Modellunter-stellt,
dassdielangfristigeWachstumsratederFCGKnichtgrößeralsdieWachstumsrateder
Gesamtwirtschaftist.Außerdemsind–aufderBasisvonFundamentaldaten–die
InvestitionsquotedesGesamtkapitalsunddieWachstumsratederFCGKaufeinanderab-
zustimmen.DabeikanndieInvestitionsquotedesGesamtkapitalsmitdergewähltenlang-
fristigenWachstumsrateundderGesamtkapitalrenditewiefolgtfestgelegtwerden:

g
IGK D : (7.34)
RGK

Für die Berechnung der Investitionsquote ein es Unternehmens in der Reifephase sind
Investitionen ins Nettoumlaufvermögen und Anlagevermögen zu berücksichtigen, die in
einem gesättigten Markt erforderlich sind. Dabei kann man nicht von einer ewigen kon-stanten
Abnahme des Nettoumlaufvermögens ausgehen, weil sonst irgendwann in Zukunft das
Nettoumlaufvermögenunternullfällt.

BeiderFestlegungdesgewichtetendurchschnittlichenKapitalkostensatzesistdaraufzu
achten,dassfürdieBestimmungdesEigenkapitalkostensatzeseinBetavonungefähr

66
Um die Berechnung des Enterprise Value möglichst einfach zu halten, berücksichtigen die meisten
Finanzinformationsdienstleister wie etwa Bloomberg die Pensionsrückstellungen nicht.
67
Vgl. Koller et al. 2010 : Valuation: Measuring and Managing the Value of Companies, S. 282.
7.3 Cashflow-Modelle 375

1gewähltwird(alsRichtgrößegilteinBetazwischen0,8und1,2).Üblicherweiserefi-nanzieren
sich Unternehmen in der Reifephase mit mehr Fremdkapital als Eigenkapital, da Eigenkapital
aufgrunddesFehlensrentablerInvestitionsprojektedenUnternehmens-eignernzurückbezahlt
wird.

Beispiel
Berechnung des inneren Werts der Geberit-Aktie mit dem einstufigen FCGK- Modell

Für die Geberit Gruppe (Sanitärtechnik) liegen die folgenden Daten aus dem Geschäfts-
bericht2012vor(inMio.CHF): 68

2012 2011
Betriebsergebnis (EBIT) 462,3 449,2
Abschreibungen 80,1 82,8
Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalentea 455 586,6
Eigenkapital (Buchwert) 1431,3 1419,5
Fremdkapital (Buchwert) 576,1 703,2
Zinstragendes Fremdkapital (Buchwert)b 220,9 332,9
Veränderung des Nettoumlaufvermögens 16 7,6
Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit 494 493,1
Investitionen ins Anlagevermögen (inklusive wiederkehrender 97,1 101,1
Auszahlungen von langfristigen Rückstellungen)
a
Annahme: gesamter Bestand nicht betriebsnotwendig
b
einschließlich Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen (nicht gedeckt durch Aktiven)

Eswirdangenommen,dassdieAbschreibungen(unddieVeränderungdesNettoum-
laufvermögens)dieeinzigennichtzahlungswirksamenErfolgspositionensind.Darüber
hinauswirddavonausgegangen,dassdiezukünftigenGewinnedesUnternehmensmitdem
inderSchweizvorherrschendendurchschnittlichenUnternehmenssteuersatzvon18%
besteuertwerden.
69
DieGeberit-AktienwerdenEndeDezember2012zueinemPreis
vonCHF203,50anderSIXSwissExchangegehandelt.Insgesamtsind38,821
Mio. Aktien Ende Dezember 2012 ausstehend. Das adjustierte Beta der Aktie ist 0,91. Die
Kreditrisikoprämie beläuft sich auf 1,3 %. Des Weiteren wird angenommen, dass die
optimale Kapitalstruktur dem Verhältnis zwischen den Marktwerten des Fremd- und
Eigenkapitals aus dem Jahre 2012 entspricht, wobei der Marktwert und der Buch- wert des
zinstragenden Fremdkapitals gleich hoch sind (also CHF 220,9 Mio.). Die Verfallrendite
von 10-jährigen Anleihen der Schweizerischen Eidgenossenschaft be- trägt 1 %. Die
Marktrisikoprämie in der Schweiz liegt bei 4,6 %. Wie hoch ist der innere Wert der
Geberit-Aktie anhand des einstufigen FCGK-Modells, wenn sich das ewige konstante
WachstumaufdieFundamentaldatendesJahres2012bezieht?

68
Vgl. Geberit Gruppe 2013 : Geschäftsbericht 2012, S. 54 ff.
69
Vgl. KPMG 2014 : Corporate and Indirect Tax Rate Survey 2014, S. 48.
376 7 Aktienbewertung

Lösung
Um die endogene Wachstumsrate der FCGK zu bestimmen, ist zunächst die Investiti-
onsquotedesGesamtkapitalszuberechnen:

IAV  AAV C INUV CHF 97;1 Mio:  CHF 80;1 Mio: C CHF 16 Mio:
IGK D D
EBIT .1  s/ CHF 462;3 Mio:  .1  0;18/
D 0;0871:

Die Gesamtkapitalrendite wird mit dem Be triebsergebnis (EBIT) und mit den Buch- werten
des Fremdkapitals und des Eigenkap itals sowie mit den nicht betriebsnotwen- digen
flüssigenMittelnzuBeginndesJahres2012(bzw.Ende2011)wiefolgtermittelt:

EBIT2012 .1  s/
RGK D
FK2011 C EK2011  Cash2011
CHF 462;3 Mio:  .1  0;18/
D
CHF 703;2 Mio: C CHF 1419;5 Mio:  CHF 586;6 Mio:
D 24;68 %:

Die endogene Wachstumsrate beträgt 2,15 % (D 0;0871  24;68 %). Die frei verfügba-
ren Firm-Cashflows von CHF 346,09 Mio. können folgendermaßen bestimmt werden:

FCGK D CHF 462;3 Mio:   0;18/


.1 CHFC CHF 80;1 Mio:
 CHF 16 Mio:  97;1 Mio:
D CHF 346;09 Mio:

DerFremdkapitalkostensatzbeträgt2,3%undsetztsichausdemrisikolosenZinssatzvon1%
und der Kreditrisikoprämie von 1,3 % zusammen. Der Eigenkapitalkostensatz von 5,19 %
kannmitdemCAPMwiefolgtberechnetwerden:

E .rEK / D 1 % C 4;6 %  0;91 D 5;19 %:

Die Marktkapitalisierung der Aktien beläuft sich auf CHF 7900 Mio. (D CHF 203;50
38;821Mio. Aktien). Die Gewichte für das zinstragende Fremdkapital und Eigenkapital
können wie folgt festgelegt werden:
CHF 220;9 Mio:
wFK D D 2;72%;
CHF 220;9 Mio: C CHF 7900 Mio:
CHF 7900 Mio:
wEK D D 97;28%:
CHF 220;9 Mio: C CHF 7900 Mio:
Der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz von 5,1 % kann mithilfe der be-
rechneten Gewichte für das zinstragende Fremdkapital und Eigenkapital folgenderma- ßen
ermitteltwerden:

WACCD 0;0272  2;3%  .1  0;18/ C 0;9728  5;19% D 5;10%:


7.3 Cashflow-Modelle 377

Mit dem einstufigen FCGK-Modell resultiert ein operativer Unternehmenswert von CHF
11:984 Mio.:
CHF 346;09 Mio:  1;0215
EV2012 D D CHF 11:984 Mio:
0;051  0;0215

Subtrahiert man vom operativen Unternehm enswert den Marktwert des zinstragenden
Fremdkapitals von CHF 220,9 Mio. und addiert die nicht betriebsnotwendigen flüssi- gen
MittelvonCHF455Mio.,gelangtmanzuminnerenWertdesEigenkapitalsvonCHF
12:218;1 Mio.:

WertEK;2012 D CHF 11:984 Mio:  CHF 220;9 Mio: C CHF 455 Mio:
D CHF 12:218;1 Mio.

Wird der berechnete Wert des Eigenkapitals von CHF 12:218;1 Mio. durch die aus-
stehenden Aktien von 38,821 Mio. dividiert, ergibt sich ein innerer Aktienwert von
CHF 314,73. Demzufolge ist die Aktie nach den vorliegenden Berechnungen um rund 35 %
unterbewertet.

DermitdemeinstufigenFCGK-ModellberechneteWertreagiertsehrsensitivaufklei-ne
VeränderungendererwartetenWachstumsrateunddesgewichtetendurchschnittlichen
Kapitalkostensatzes.DabeiistdieDifferenzzwischendemgewichtetendurchschnittli-chen
KapitalkostensatzundderlangfristigenWachstumsrateimVergleichzumeinstufigen
FCEK-Modellniedriger,daderKapitalkostensatzunterdemEigenkapitalkostensatzliegt.Als
RichtgrößefürdieerwartetekonstanteWachstumsrategilt,dasssienichthöheralsdie
langfristigenominaleWachstumsratedesBruttoinlandsproduktsseinsollte.ZumBeispiel
beträgtimBewertungsbeispielvonGeberitdieendogeneWachstumsrate2,15%.Dieno-minale
langfristigeWachstumsratedesschweizerischenBruttoinlandsproduktshingegenliegtbei
2,64%(Bloomberg-KonsensschätzungvonEnde2012).

UmdenoperativenUnternehmenswertzubestimmen,istunteranderemdergewichtete
durchschnittlicheKapitalkostensatzfestzulegen,derausderSummederkapitalgewichte-ten
KostensätzedesEigen-undFremdkapitalsbesteht.DiedafürerforderlichenGewichtebasieren
vorzugsweiseaufeinervomUnternehmenbekanntgegebenenZielkapitalstruk-tur.Liegen
keineentsprechendenInformationenvor,könnendieGewichteanhandderaktuellen
KapitalstrukturmitdenMarktwertendesFremdkapitalsunddesEigenkapitals
(MarktkapitalisierungderAktien)bestimmtwerden.UmdenMarktwertdesEigenkapi-tals
auszurechnen,benötigtmandenAktienpreis,derwiederumimBewertungsmodelldurchdas
DiskontierenderFCGKberechnetwird.FolglichliegtbeidenBerechnun-genein
Zirkularitätsproblemvor,daderAktienpreisalsParameterfürdieBerechnungdesWACC
verwendetwird,deranschließendalsDiskontsatzbeiderUnternehmensbe-wertungeingesetzt
wird.EinmöglicherLösungsansatzbestehtdarin,dassmandenmitdemFCGK-Modell
berechnetenAktienwertbenutzt,umwiederumdenWACCauszu-rechnen.Mitdemneuen
gewichtetendurchschnittlichenKapitalkostensatzwirdderinnere
37 7 Aktienbewertung

Aktienwert ermittelt. Werden diese Berechnunge n mehrmals wiederholt, konvergiert der für
die Gewichtung eingesetzte Aktienpreis mit dem berechneten Aktienwert. Ferner kön- nen die
Gewichte für das Fremd-und Eigenkapital anhand der durchschnittlichen Kapi- talstruktur von
Vergleichsunternehmungen b estimmt werden. Dabei wird unterstellt, dass die
durchschnittliche Kapitalstruktur der Vergleichsgesellschaften der Zielkapitalstruktur des zu
bewertendenUnternehmensentspricht.

7.3.4.4 VergleichzwischenFCEK-undFCGK-Modellen
Mit den Dividendendiskontierungsmodellen und den FCEK-Modellen (Nettoverfahren) wird
der Wert des Eigenkapitals direkt ber echnet, während mit dem FCGK-Modell (Brut-
toverfahren) zuerst der Unternehmenswert bestimmt wird. Zum ermittelten operativen
Unternehmenswert wird der Marktwert der nicht betriebsnotwendigen Vermögenswer- te
hinzugezählt, der Marktwert des zinstrage nden Fremdkapitals wird davon abgezogen, um den
WertdesEigenkapitalszuermitteln.ImVergleichzudenDividendendiskontie-rungsmodellen
und den FCEK-Modellen ist die Ermittlung des Eigenkapitals mit dem FCGK-Modell
umständlicher. Dennoch wird das Bruttoverfahren bei einem Unterneh- men mit instabiler
Kapitalstruktur und hohem Verschuldungsgrad eingesetzt, da bei der Bestimmung der FCGK
(im Gegensatz zu den FCEK) keine Veränderungen des zinstra- genden Fremdkapitals zu
schätzen sind. Insb esondere kann es bei wesentlichen erwarteten Veränderungen des
Fremdkapitalssehrzeitaufwendigundkomplexsein,diezukünftigenFremdkapitaländerungen
zu prognostizieren. Allerdings sind beim FCGK-Modell das Ge- wicht des zinstragenden
Fremdkapitals und der Fremdkapitalkostensatz zu bestimmen, um den gewichteten
durchschnittlichen Kapitalk ostensatz berechnen zu können. Somit flie- ßen mit dem
BruttoverfahrenauchAnnahmenüberdasverzinslicheFremdkapitalindieWertermittlungein.

70
Tab. 7.5 stellt das FCEK-Modell de m FCGK-Modell gegenüber.

7.4 Wertschöpfungsmodelle

Im Gegensatz zu den Cashflow-Modellen fokussieren sich die Wertschöpfungsmodelle nicht


auf die Wertverteilung, sondern auf die Wertgenerierung. Die Wertschöpfungsmo- delle gehen
davon aus, dass das Unternehmen einen Übergewinn erwirtschaftet, wenn die Rentabilität über
den Kapitalkosten liegt bzw. das Unternehmensergebnis nachKapi- talkosten (einschließlich
Eigenkapitalkosten) positiv ist. Über die gesamte Lebensdauer eines Unternehmens hinweg
sinddieWertschöpfungunddie Wertverteilung gleich groß.Wirdder gesamte Lebensabschnitt
eines Unt ernehmens betrachte t, müssen die ausbezahl- ten Dividenden der Wertschöpfung
entsprechen. Es kann nicht mehr Geld verteilt werden, als von den Eigenkapitalgebern in das
Unte rnehmen einbezahlt und vom Unternehmen er- wirtschaftet wurde. Demnach kann der
Eigenkapitalwert anstatt mit erwarteten Cashflows mit dem Buchwert des Eigenkapitals
(Residualgewinnmodell)oderdemeingesetztenBe-triebskapital(EVA-Modell)zuzüglichder
erwartetenÜbergewinnegemessenwerden.

70
Vgl. Barker 2001 : Determining Value: Valuation Models and Financial Statements, S. 197.
7.4 Wertschöpfungsmodelle 379

Tab.7.5 FCEK-Modelle versus FCGK-Modelle


FCEK-Modell FCGK-Modell
Definition der FCEK stehen den Eigenkapitalgebern FCGK stehen den Fremd- und Eigen-
Cashflows zur Verfügung kapitalgebern zur Verfügung
Investitionsan- Die um die Abschreibungen Die Differenz zwischen den Inves-
nahmen angepassten Investitionen ins An- titionen ins Anlagevermögen und
lagevermögen und die Investitionen den Abschreibungen sowie die Inves-
ins Nettoumlaufvermögen abzüglich titionen ins Nettoumlaufvermögen
der Fremdkapitalzunahme spiegeln erhöhen die operativen Vermögens-
die Finanzierung der operativen werte. Diese Investitionen werden mit
Ver- mögenswerte mit Eigenkapital wider
Fremd- und Eigenkapital finanziert

Erwartetes Das Wachstum bezieht sich auf das Das Wachstum richtet sich auf das mit
Wachstum mit Eigenkapital finanzierte operative dem Gesamtkapital finanzierte
Vermögen. Es kann entweder mit his- operative Vermögen. Die Schätzungs-
torischen Daten, Fundamentaldaten verfahren sind die gleichen wie beim
oder durch die Schätzung der einzel- FCEK-Modell
nen Cashflow-Komponenten
ermittelt werden

Zahlungsmittel Die Einnahmen aus den nicht be- Die Einnahmen aus den nicht be-
und -äquivalente triebsnotwendigen flüssigen Mitteln triebsnotwendigen flüssigen Mitteln
sind nicht Bestandteil der frei sind nicht Bestandteil der frei
(flüssige Mittel) verfüg- baren Firm-Cashflows.
verfüg- baren Equity-Cashflows.
Daher ist der Wert der nicht Folglich ist der Wert der nicht
betriebsnotwendi- gen flüssigen betriebsnotwendi- gen flüssigen
Mittel
Mittel zum berechneten Eigenkapitalwert zum berechneten Unternehmenswert hinzuzuzäh
zu addieren
a

Diskontsatz Erwartete Rendite der Eigenkapital- Erwartete Rendite der Gesamtkapital-


geber (Eigenkapitalkostensatz) geber (gewichteter durchschnittlicher
Kapitalkostensatz)
Anwendung Wird von einer stabilen zukünftigen Sind Veränderungen der Kapital-
Kapitalstruktur ausgegangen, können struktur zu erwarten und liegt eine
die zukünftigen Veränderungen des hohe Fremdkapitalquote vor, ist es
Fremdkapitals und somit die FCEK vergleichsweise einfach, die FCGK
gut geschätzt werden. Das Eigen- zu prognostizieren. Allerdings sind
kapital kann mit dem Modell direkt für die Berechnung des gewichteten
ermittelt werden (Nettoverfahren) durchschnittlichen Kapitalkostensat-
zes die zukünftige Kapitalstruktur
und der Fremdkapitalkostensatz fest-
zulegen

a
DadieFCGKausgehendvomBetriebsergebnis(EBIT)berechnetwerdenunddieEinnahmenausden
nichtbetriebsnotwendigenflüssigenMittelnnichtimBetriebsergebnisenthaltensind,bedarf
eskeinerKorrekturderFCGKumdiesenichtoperativenEinnahmen.ImGegensatzdazuwerdendieFCEK
ausgehend vom Nachsteuerergebnis ermittelt, das die Einnahmen aus den nicht betriebs- notwendigen
flüssigenMittelnbeinhaltet.DahersinddieEinnahmenausdenbetriebsnotwendigenflüssigenMittelnaus
denFCEKherauszurechnen.
3 0 7 Aktienbewertung

7.4.1 Residualgewinnmodelle

7.4.1.1 De nitionundBerechnungdesResidualgewinns
Der Residualgewinn ergibt sich aus dem Nachsteuerergebnis der Gewinn- und Verlust-
rechnung abzüglich der Eigenkapitalkosten (Opportunitätskosten der Eigenkapitalgeber). Die
Berechnungsweise des Residualgewinns be ruht auf einem Mangel der traditionellen
Rechnungslegung. Die Gewinn- und Verlustrechnung sieht zwar einen Abzug fürdie Kos- ten
des Fremdkapitals – also die Fremdkap italzinsen – vor, aber eine Aufwandsposition für die
Eigenkapitalkosten existiert nicht. Daher kann ein Unternehmen ein positives ver- steuertes
Ergebnis ausweisen, aber trotzdem keine Mehrwerte für die Eigenkapitalgeber generieren,
wenndieEigenkapitalkostendenausgewiesenenGewinnübersteigen.

UmdenResidualgewinnzuberechnen,werdendieEigenkapitalkostenvomNachsteu-
erergebnissubtrahiert.DieEigenkapitalkostenergebensichausderMultiplikationdes
EigenkapitalbuchwertsmitdererwartetenRenditederEigenkapitalgeber.Somitlässtsichder
Residualgewinn
.RG/ wie folgt ermitteln:71

RG D G  BWEK;0 E .r/ ; (7.35)

wobei:

G D Gewinn (bzw. Nachsteuerergebnis),


BWEK;0 D Buchwert des Eigenkapitals zu Beginn der Periode,
E .r/ D erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber bzw. Eigenkapitalkostensatz.

WerdenbeideSeitenderGleichungdurchdenBuchwertdesEigenkapitalsdividiert,erhältmanRG
BWEK;0 D G=BWEK;0  E .r./DabeistelltderersteTermrechtsvomGleich-=
heitszeichen – also G=BWEK;0 – die Eigenkapitalrendite (REK ) dar. Werden beide Seiten
der Gleichung mit dem Buchwert des Eigenkapitals (BWEK;0 ) multipliziert, gelangt man
zufolgenderFormelzurBerechnungdesResidualgewinns:D

RG ŒREK  E .r/ BWEK;0 : (7.36)

Diese Formel zeigt, dass der Residualgewinn positiv ist, wenn die Eigenkapitalrendite über der
erwartetenRenditeliegt ŒR > E .r/. Ist die Differenz zwischen Eigenkapital-
EK
rendite und Renditeerwartung negativ ŒREK < E .r/, resultiert ein negativer Residualge-
winn. Das folgende Beispiel illustriert die Berechnungsweise des Residualgewinns an-
hand von Informationen aus der Jahresrechnung.

Beispiel
Berechnung des Residualgewinns
Die Omega AG, die in der Maschinenindustrie tätig ist, weist zu Beginn der Periode einen
BuchwertderbetrieblichenVermögenswertevonEUR240Mio.auf.Diegegen-wärtigeund
langfristigangestrebteKapitalstruktursetztsichaus30%Fremdkapital

71
Vgl. z. B. Lee 2013 : Choosing the Right Valuation Approach, S. 247.
7.4 Wertschöpfungsmodelle 3 1

und 70 % Eigenkapital zusammen. Der Fremdkapitalkostensatz beläuft sich auf 6 %,


währendderEigenkapitalkostensatzbzw.dieerwarteteRenditederEigenkapitalgeber12%
beträgt. Der Ertragssteuersatz liegt bei 30 %. Das Betriebsergebnis (EBIT) des
Unternehmens ist EUR 24 Mio. Wie hoch sind das Nachsteuerergebnis der Gewinn- und
VerlustrechnungundderResidualgewinnderOmegaAG?

Lösung
Das Periodenergebnis von EUR 13,776 Mio. lässt sich wie folgt ermitteln:

Ergebnis vor Steuern und Zinsen EUR 24 Mio.


 Zinsaufwand .0;06  EUR 240 Mio:  0;3/  EUR 4;32 Mio.
D Ergebnis vor Steuern EUR 19;68 Mio.
 Steueraufwand .0;3  EUR 19;68 Mio:/  EUR 5;904 Mio.
D Ergebnis nach Steuern EUR 13;776 Mio.

Der Buchwert des Eigenkapitals beläuft sich auf EUR 168 Mio. (D EUR 240 Mio:
0;7). Der negative Residualgewinn von EUR 6,384 Mio. kann entweder über die Dif-
ferenz zwischen Nachsteuerergebnis und Eigenkapitalkosten oder über die Differenz
zwischen Eigenkapitalrendite und Renditeerwartung, multipliziert mit dem Buchwert des
Eigenkapitals,berechnetwerden:

RG D EUR 13;776 Mio:  EUR 168 Mio:  0;12 D EUR 6;384 Mio:

oder
 
EUR 13;776 Mio:
RG D  0;12  EUR 168 Mio: D EUR 6;384 Mio:
EUR 168 Mio:

Der Residualgewinn ist negativ, weil die Eigenkapitalkosten das versteuerte Ergebnis
übersteigen bzw. die erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber von 12 % über der Ei-
genkapitalrendite von 8,2 % liegt. Es ist auch möglich, den Residualgewinn mit dem
Betriebsergebnis nach Steuern abzüglich der Kosten für das Fremd- und Eigenkapital zu
bestimmen.HierzuistzunächstdergewichtetedurchschnittlicheKapitalkostensatzWACC

. / von 9,66 % zu ermitteln:

WACCD 0;3  6 %  .1  0;3/ C 0;7  12 % D 9;66 %:

Der negative Residualgewinn von EUR 6,384 Mio. ergibt sich aus dem Betriebsergeb- nis
nachSteuernabzüglichderKapitalkosten:

RG D EUR 24 Mio:  .1  0;3/  EUR 240 Mio:  0;0966 D EUR 6;384 Mio:

DasBeispielzeigt,dassderResidualgewinnzumeinenmitdererwartetenRenditeder
Eigenkapitalgeberbzw.mitdemEigenkapitalkostensatzundzumanderenmitdem
3 2 7 Aktienbewertung

gewichteten durchschnittlichen Kapitalkostensatz .WACC/ bestimmt werden kann. Dabei


wird unterstellt, dass der aktuelle Zinssatz für das Fremdkapital der erwarteten Rendite der
Fremdkapitalgeberbzw.demFremdkapitalkostensatzvon6%entspricht.DesWeiterenwirdim
Beispieldavonausgegangen,dasssichdieGewichtevon30%fürdasFremd-kapitalund70%für
das Eigenkapital auf Buchwerte beziehen. Treffen diese Annahmen zu, lässt sich der
Residualgewinn mithilfe d es Betriebsergebnisses nach Steuern und der Kapitalkosten
folgendermaßenermitteln:

RG D EBIT .1  s/  BWGK;0 WACC; (7.37)

wobei:

s D Grenzertragsteuersatz,
BW ;0 D BuchwertdesbetrieblichenGesamtkapitals(bzw.betrieblicheVermögenswer- GK
te) zu Beginn der Periode.

Im Beispiel ist die Omega AG nicht rentabel , da das Nachsteuerergebnis der Gewinn- und
Verlustrechnung die Opportunitätskosten der Eigenkapitalgeber nicht vollständig deckt. Dies
lässt sich damit erklären, dass die Eigenkapitalrendite von 8,2 % unterhalb der er- warteten
Rendite der Eigenkapitalgeber von 12 % liegt. Alternativ kann die Profitabilität evaluiert
werden, indem man die Gesamtkap italrendite nach Steuern mit dem WACC ver- gleicht. Wird
die oben stehende Formel durch den Buchwert des Gesamtkapitals dividiert, ergibt sich
folgendeGleichung:RGBW

= GK;0 D EBIT.1  s/=BWGK;0  WACC. Der erste


Term rechts des Gleichheitszeichens – also EBIT.1  s/=BWGK;0 – stellt die Gesamtkapi-
talrendite nach Steuern .RGK / dar. Werden beide Seiten der Gleichung mit dem Buchwert
des Gesamtkapitals multiplizie rt, erhält man folgende Formel zur Berechnung des Resi-
dualgewinns:
RG D .RGK  WACC/ BWGK;0 : (7.38)

Liegt die Gesamtkapitalrendite nach Steuern über dem gewichteten durchschnittlichen


Kapitalkostensatz .R > WACC/,soistderResidualgewinnpositivundimumge- GK
kehrten Fall negativ .RGK < WAC C / . Im vorliegenden Beispiel ist der Residualgewinn
negativ, weil die Gesamtkapitalrendite nach Steuern von 7 % [ D EUR 24 Mio:  .1 
0;3/=EUR 240 Mio]denWACCvon9,66%unterschreitet.:

Beispiel
Berechnung der erwarteten Residualgewinne anhand der Aktie der Heidelberg-
CementAG
Die Aktie der HeidelbergCement AG wird per Ende Dezember 2013 zu einem Kurs von EUR
55,22gehandeltundderBuchwertjeAktieistEUR70,40.DasadjustierteBetaderAktieliegt
bei1,2.DieVerfallrenditevon10-jährigendeutschenBundesanleihen
7.4 Wertschöpfungsmodelle 3 3

beträgt 1,7 %, während sich die Marktrisik oprämie auf 5,2 % beläuft. Per Ende Dezem- ber
2013liegendiefolgendenKonsensprognosenfürdenGewinnunddieDividendejeAktievor
(Quelle:ThomsonOneBanker):

 KonsensprognosenfürdenGewinnjeAktie:EUR4,04fürdasJahr2014undEUR5,22fürdas
Jahr2015,
 KonsensprognosenfürdieDividendejeAktie:EUR0,85fürdasJahr2014undEUR1,10für
dasJahr2015.

Wie hoch sind die erwarteten Residualgewinne der HeidelbergCement-Aktie für die Jahre
2014und2015?

Lösung
Um die Residualgewinne zu berechnen, sind zunächst die erwarteten Buchwerte je Aktie
(BW)fürdiebeidenJahre2014und2015festzulegen:

Jahre 2014 2015


BWt1 EUR 70;40 EUR 73;59
C GAt EUR 4;04 EUR 5;22
Divt EUR 0;85 EUR 1;10
D BWt EUR 73;59 EUR 77;71

Die erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber von 7,94 % lässt sich mithilfe des
CAPM bestimmen:

E .r/ D 1;7 % C 5;2 %  1;2 D 7;94 %:

Die Residualgewinne für die Jahre 2014 und 2015 können wie folgt ermittelt werden:

Jahre 2014 2015


GAt EUR 4;04 EUR 5;22
E.r/BWt1 EUR 5;59 EUR 5;84
D RGt EUR 1;55 EUR 0;62

DieAktiederHeidelbergCementAGweistfürdieJahre2014und2015negativeerwartete
Residualgewinneauf.DaherwirdderAktienkursvonEUR55,22miteinemAbschlag
gegenüberdemBuchwertvonEUR70,40gehandelt.DasKurs-Buchwert-Verhältnisder
Aktiebeträgt0,78undliegtsomitunter1.

7.4.1.2 Bewertungsmodell
ErwirtschaftenUnternehmenlangfristigeinErgebnis,dasdieKapitalkostenübertrifft,wirdder
AktienpreisüberdemBuchwertgehandelt.DasUnternehmenschaffteinen
3 4 7 Aktienbewertung

Mehrwert für seine Kapitalgeber. Deckt das Ergebnis die Opportunitätskosten der Kapi-
talgeber langfristig nicht, wird der Kurs der Aktie unterhalb des Buchwerts fallen und es findet
eine Wertvernichtung statt. Dieser Zusammenhang wird durch das Residualgewinn- modell
erfasst,indemderinnereAktienwert
.P / mitdemBuchwertjeAktieplusdem 0
Barwert der in Zukunft erwarteten Residualgewinne je Aktie berechnet wird:
1X t RGt
P0 D BW0 C ; (7.39)
D1
Œ1 C E .r/t

wobei:

BW0 D Buchwert je Aktie zum Bewertungszeitpunkt,


RGt D Residualgewinn je Aktie in der Periode t,
E .r/ D erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber.

Unterstellt man im vorangegangenen Beispiel der Omega AG, dass das Unternehmen 1 Mio.
Aktienausstehendhat,ergebensichfürdasErgebnisunddenBuchwertjeAktiefolgendeWerte:

 Das Ergebnis je Aktie beträgt EUR 13,78 (D EUR 13;776 Mio:=1 Mio: Aktien) und
 der Buchwert je Aktie beläuft sich auf EUR 168 (D EUR 168 Mio:=1 Mio: Aktien).

Der Residualgewinn je Aktie liegt bei EUR 6;38 (D EUR 13;78EUR 168  0;12). Geht
man davon aus, dass das Ergebnis je Aktie von EUR 13,78 jedes Jahr ewig anfällt und
dass die Gewinnausschüttungsquote 100 % beträgt (Nullwachstum), lässt sich der innere
AktienwertderOmegaAGanhanddesResidualgewinnmodellswiefolgtbestimmen:

EUR 6;38
P0 D EUR 168 C D EUR 114;83:
0;12

Der innere Aktienwert von EUR 114,83 liegt unterhalb des Buchwerts von EUR 168, weil
die erwarteten Residualgewinne negativ sind. Das Unternehmen vernichtet für
die Eigenkapitalgeber Werte in der Höhe von EUR 53,17 je Aktie (D EUR 168 
EUR 114;83). Die Aktie der Omega AG weist ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,68
(D EUR 114;83=EUR 168) auf. Hat ein Unternehmen erwart ete negative Residualgewin-
ne, liegt das Kurs-Buchwert-Verhältnis der Aktie unter 1. Bei positiven Residualgewinnen
hingegen wird die Aktie zu einem Aufschlag gegenüber dem Buchwert gehandelt.

7.4.2 Economic-Value-Added-Modelle

Die beiden Bewertungskonzepte Economic Value Added (EVA) und Market Value Ad- ded
(MVA)vonSternStewart&CompanykönnensowohlfürdieinternePerformance-
7.4 Wertschöpfungsmodelle 3 5

messung als auch für die Aktienbewertung eingesetzt werden.72 Allerdings besteht ein
wichtiger Unterschied zwischen der Perform ancemessung und der Unternehmensbewer-
tung, da Letztere auf Schätzungen von zukünftigen Parametern beruht, während sich die
PerformancemessungprimäraufaktuelleErgebnissestützt.
DerEconomicValueAddedverkörpertdenvomUnternehmengeschaffenenMehrwertin
einerPeriode.ErlässtsichalsDifferenzzwischendemBetriebsergebnisnachSteuern(abervor
Zinsen)unddenKapitalkosten(bzw.alsProduktdeszuBeginnderPeriodeinvestierten
BetriebskapitalsunddesgewichtetendurchschnittlichenKapitalkostensatzes)wiefolgt
berechnen:

EVA D NOPAT  IK 0WAC C; (7.40)


wobei:

NOPAT D Betriebsergebnis nach Steuern (Net Operating Profit after Taxes),


IK0 D investiertesBetriebskapitalzuBeginnderPeriode,
WACC D gewichteter durchschnittlicher Kapitalkostensatz.

Durch eine Umformung der Gleichung lässt sich der Economic Value Added über den
sogenanntenEVA-Spreadwiefolgtermitteln: 73

EVA D .RIK  WACC/ IK0 ; (7.41)

wobei:

RIK D Rendite des investierten Betriebskapitals bzw. NOPAT=IK0 ,


RIK  WACC D EVA-Spread.

Ist der EVA-Spread positiv – also RIK > WACC–,sowirdeinökonomischerMehrwertinder


Periodegeschaffen,dadieRenditedesinvestiertenBetriebskapitalsüberdemKapi-
talkostensatz liegt. Ein negativer EVA-Spread hingegen bedeutet, dass das Unternehmen in der
PeriodeWertevernichtethat.
Um den EVA zu berechnen, sind die drei Bewertungsparameter Betriebsergebnis nach
Steuern .NOPAT/, eingesetztes Betriebskapital .IK/ und gewichteter durchschnittlicher
Kapitalkostensatz .WACC/ zu bestimmen. Hierzu sind wie beim Residualgewinnmodell
Anpassungen der Rechnungslegungsdaten erforderlich, um den NOPAT und das einge-
setzte Kapital festzulegen.74 Der Unterschied zwischen dem Residualgewinnmodell und

72
Vgl. Stewart 1991 : The Quest for Value: A Guide for Senior Managers, S. 2 ff.
73
Werden beide Seiten der Gleichung EVA D NOPAT  IK0 WACC durch das investierte Betriebs-
kapital IK0 dividiert, erhält man EVA=IK0 D NOPAT=IK0  WACC. Der Term NOPAT=IK0 stellt
die Rendite des investierten Betriebskapitals dar. Werden beide Seiten der Gleichung mit dem in-
vestierten Kapital multipliziert, gelangt man zur Formel für die Berechnung des EVA. 74
Für die im Residualgewinnmodell erforderlichen Anpassungen der Rechnungslegungsdaten vgl.
Mondello2015:Aktienbewertung:TheorieundAnwendungsbeispiele,S.381ff.
z. B.
3 6 7 Aktienbewertung

Residualgewinnmodell EVA-Modell
interne Anpassungen

Rechnungs- bereinigte
Rechnungs-
legung legungsdaten
(z. B. IFRS)
operativ Finanzierung
externe Anpassungen

bereinigte
Rechnungs- Steuern Wertsteigerung
legungsdaten

• Ergebnis nach Steuern • NOPAT


• Buchwert Eigenkapital • betriebliches Kapital
• erwartete Eigenkapitalrendite • WACC
RG t = G t − BW EK,t −1 E(r) EVA t = NOPAT t − IK t −1 WACC
∞ ∞
RG t EVA t
EK 0 = BW EK, 0 + EK 0 = IK 0 + − FK 0
t =1 [1 + E(r)] t t =1 [1 + WACC ] t

Abb.7.9 Gegenüberstellung des Residualgewinnmodells und des EVA-Modells

dem EVA-Modell besteht darin, dass sich das EVA-Modell auf proprietäre Anpassun- gen von
RechnungslegungsdatenderSternStewart&Companystützt. 75
Dabeikannein
GroßteildieserAnpassungennurvonMitarbeiterndesUnternehmenscontrollingsvor-
genommenwerden,dieüberinternesZahlenmaterialverfügen,dasnichtinderJahres-
rechnungoffengelegtwird.EinAußenstehenderistsomitnichtinderLage,sämtlicheimModell
gefordertenKonversionendurchzuführen.DesWeiterenerfolgtdieBewertungim
EVA-ModellausderSichtderGesamtkapitalgeber(dasheißt,dassdergesamteUnterneh-
menswertbestimmtwird,vondemdannderMarktwertdeszinstragendenFremdkapitals
abgezogenwird),währendimResidualgewinnmodelldirektderEigenkapitalwertbzw.der
Aktienwertermitteltwird.Abb.7.9stelltdasResidualgewinnmodelldemEVA-Modell
gegenüberundverdeutlichtdiekonzeptionellenUnterschiedezwischendenbeidenBe-
wertungsmodellen.

ImEVA-ModellwerdenanhandderoperativenKonversionenderNOPATunddaseingesetzte
BetriebskapitalvonallennichtbetriebsnotwendigenErfolgs-undVermögens-positionen
bereinigt.DazugehörenunteranderemFinanzerträge,Finanzaufwände,nichtwiederkehrende
AufwendungenwieetwaauseinmaligenRestrukturierungensowieFi-nanzanlagenundanderes
nichtbetriebsnotwendigesVermögen.Anlagen,diesichimBaubefinden,werdenebenfallsnicht
zudenoperativenVermögenswertengezählt,dasiefür

75
Insgesamt schlägt Stewart 164 Anpassungen der Rechnungslegungsdaten vor. Vgl. Stewart 1991 :
The Quest for Value: A Guide for Senior Managers, S. 112 ff.
7.5 Multiplikatoren 3 7

die betriebliche Tätigkeit noch nicht zur Verfügung stehen. Bei der Finanzierungskon- version
werden alle Kapitalarten erfasst, die zur Finanzierung der betrieblichen Tätigkeit erforderlich
sind. Dabei werden nicht nur das in der Bilanz aufgeführte Fremdkapital, son- dern auch die
außerbilanziellen Verbindlichkeiten berücksichtigt. So etwa ist die operative
Leasingverpflichtung wie ein Finanzierungsleasing zu behandeln, was zu einer Anpassung des
eingesetzten Betriebskapitals und des NOPAT führt. Bei der Steuerkonversion wird die
Steuerbelastung erfasst, die im Zusammenhang mit dem Betriebsgewinn anfällt. Um den
NOPAT zu berechnen, wird der Steuereffekt der Fremdkapitalzinszahlungen (sogenannte Tax
Shields) hinzugezählt, während die Steu ermehrbelastungen aufgrund von Finanzer- trägen in
Abzug gebracht werde n. Die letzte Stufe der Konversionen ist zahlenmäßig die wichtigste. Die
Anpassungen des eingesetzten Betriebskapitals und des NOPAT erfolgen aus der Optik der
Aktienwertsteigerung. So etwa werden Ausgaben im Zusammenhang mit Forschung und
Entwicklung, Markteinführungen, Schulungen der Mitarbeiter und Restrukturierungen
teilweise als Investiti onen (und nicht mehr als Aufwand) betrachtet. Diese Ausgaben werden
zum investierten Betr iebskapital hinzugezählt und über eine fest- gelegte Zeitperiode (z. B. 5
Jahre) linear abgeschrieben. Auf diese Weise kann erreicht werden, dass der NOPAT in einem
Jahr nicht übermäßig belastet wird, sodassdas Manage- ment weiterhin einen Anreiz hat, diese
wertorientierten Ausgaben zu tätigen. Etwaige in der Bilanz versteckte Reserven werden zum i
nvestierten Kapital hinzugezählt. Der Good-will aus Akquisitionen gehört ebenfalls zum inv
estierten Betriebskapital, da dieser einen„Mehrpreis“ für das gekaufte Unternehmen darstellt,
der ebenso gut an die Eigentümer des erwerbenden Unternehmens hätte ausgeschüttet werden
können.

DeroperativeUnternehmenswert(EnterpriseValue)lässtsichmitdeminvestiertenBe-
triebskapitalzumBewertungszeitpunktzuzüglichdesBarwertsdererwartetenEVA-Werte
berechnen:
X
1
EVAt
EV0 D IK0 C : (7.42)
tD1
.1 C WACC/t

Im Gegensatz zum Residualgewinnmodell erfolgt die Bewertung im EVA-Modell aus der


Sicht aller Kapitalgeber (Bruttoverfahren) und nicht nur der Eigenkapitalgeber (Nettover-
fahren), sodass mit dem Bewertungsverfahren der gesamte operative Unternehmenswert
ermittelt wird. Um den inneren Eigenkapitalwert zu bestimmen, ist vom berechneten Un-
ternehmenswertderMarktwertdeszinstragendenFremdkapitalsabzuziehen.

7.5 Multiplikatoren

Multiplikatoren stellen relative Bewertungsmodelle dar, die den Wert einer Anlage relativ zum
Wert anderer Anlagen bestimmen. Der Grundgedanke dieses Ansatzes besteht darin, dass
vergleichbare Vermögenswerte zu einem ähnlichen Preis verkauft werden können. Mit
Multiplikatorenlässtsichsomitbeurteilen,obdieAktie–relativbetrachtet
 richtig
bewertet ist. Dabei kann ein Benchmark-Multiplikator festgelegt werden, der dem gehan-
3 7 Aktienbewertung

deltenMultiplikatorderzubewertendenAktiegegenübergestelltwird,umzubestimmen,obdas
Papier richtig bewertet ist. Der Bench mark-Multiplikator lässt sich anhand funda- mentaler
FaktorendesUnternehmensodervonVergleichsunternehmenermitteln.
Aus der Sicht der Bewertung besitzen vergleichbare Unternehmen gleiche fundamen-
tale Faktoren  etwa hinsichtlich Wachstum, Risiko und erwarteter Cashflows , wie das
zu bewertende Unternehmen. Demnach muss eine Bewertung mit einem Cashflow-Modell
aufgrund der gleichen fundamentalen Faktoren zum gleichen inneren Aktienwert führen,
ansonsten ist dasWertpapier fehlbewertet. Allerdingsist es schwierig,Unternehmen mit gleich
großen fundamentalen Faktoren auf dem Markt zu finden. Deshalb wird zur Defini- tion von
Vergleichsunternehmen vielfach die B ranchenzugehörigkeit verwendet. Bei einer genügend
hohen Anzahl von Benchmark-Gesellschaften werden weitere Kriterien wie die
UnternehmensgrößeoderderUmsatzeingesetzt,umdieAuswahlzuverfeinern.

GrundsätzlichlassensichMultiplikatoreninPreis-undWertmultiplikatorenunter-teilen.
BeispielevonPreismultiplikatoren,beidenenderZählerundderNennerüber
eigenkapitalbezogeneGrößenverfügen,sinddasKurs-Gewinn-VerhältnisunddasKurs-
Buchwert-Verhältnis.WertmultiplikatorenhingegenbeziehensichaufGrößendesGe-
samtunternehmenswiedenMarktwertdesGesamtkapitals,reduziertumdieflüssigenMittel
(EnterpriseValue),dasBetriebsergebnisvorAbschreibungenundWertminderun-gen
(EBITDA)sowiedenUmsatz.BeispieledazusinddasEnterprise-Value-EBITDA-Verhältnis
unddasEnterprise-Value-Umsatz-Verhältnis.

DerGrundgedankefürdieVerwendungvonMultiplikatorenbestehtdarin,dassderPreis
einerAktienichtisoliertevaluiertwerdensollte.DahermussderAktienpreisinsVerhältniszu
einemanderenWertgesetztwerden,umzubestimmen,wievielmanfürei-neEinheit
beispielsweisedesGewinns,desUmsatzesoderdesBuchwertszuzahlenbereitist.Sozum
BeispielbedeuteteinKurs-Gewinn-Verhältnisvon15,dass15EinheiteneinerWährung(z.B.
EUR15)benötigtwerden,umeineWährungseinheitdesGewinns(z.B.EUR1)zukaufen.

76
DieseStandardisierungermöglichtes,Aktienpreisemiteinanderzu
vergleichen.WeisteineAktieeinKurs-Gewinn-Verhältnisvon20undeinanderesPapier
von15auf,dannbezahltmanbeidererstenAktiemehrfüreineEinheitdesGewinns(EUR20anstatt
EUR15).SinddiebeidenAktienmiteinandervergleichbar–alsoverfü-gensieübereinähnliches
Wachstum,RisikounderwarteteCashflows
, so ist die Aktie
mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 gegenüber dem Wertpapier mit dem höheren
Preismultiplikator von 20 relativ betrachtet unterbewertet.
MitdieserrelativenBewertunglässtsichbestimmen,obdieAktieimVergleichzueinemoder
einerGruppevonähnlichenUnternehmenrichtigbewertetist.EinederVor-aussetzungenfür
dieseAnalyseist,dassdieAktienderVergleichsunternehmenaufdemMarktimDurchschnitt
richtigbewertetsind.

76
EineandereInterpretationeinesKGVvon15ist,dassman15Jahrebenötigt,umdenPreisderAktiemit
demGewinnzurückzuzahlen.DemzufolgeisteinniedrigeresKGVeinemhöherenKGV
vorzuziehen,weilderbezahlteAktienpreisimVergleichzumGewinngeringerunddieAmortisati-onszeit
kürzerist.
7.5 Multiplikatoren 3 9

Beispiel
Methode auf Basis von Vergleichsunternehmen
Die Aktie der Delta AG wird zu einem Preis von EUR 50 gehandelt und weist einen Gewinn je
Aktie von EUR 2,50 auf. Das vergleichbare Unternehmen Gamma AG, das ein ähnliches
Wachstum, Risiko und ähnliche erwartete Cashflows besitzt, verfügt über ein
Kurs-Gewinn-Verhältnisvon23.

1. Ist die Aktie der Delta AG relativ zur Aktie der Gamma AG richtig bewertet? Wie
2. hoch ist der Aktienwert der Delta AG, wenn unterstellt wird, dass die
Gamma-Aktie richtig bewertet ist bzw. beide Beteiligungspapiere zum gleichen
Kurs-Gewinn-Verhältnisvon23gehandeltwerden?

Lösungzu1
DasKurs-Gewinn-Verhältnis(KGV)derDelta-Aktievon20lässtsichwiefolgtbe-rechnen:

EUR 50
KGV von Delta D D 20:
EUR 2;50

DasimVergleichzumKGVderGamma-Aktievon23niedrigereKGVvon20derDelta-Aktie
lässt die Schlussfolgerung zu , dass Delta im Vergleich zum Benchmark- Unternehmen
Gamma zuniedrig bewerte t ist. Der Aktienpreis von Delta sollte höher sein, sodass beide
AktienzumgleichenKGVvon23gehandeltwerden.

Lösungzu2
Unter der Annahme, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Delta gleich demjenigen von
Gamma und die Gamma-Aktie richtig bewertet ist, lässt sich für Delta ein innerer Aktienwert
vonEUR57,50ermitteln:

Aktienwert von Delta D 23  EUR 2;50 D EUR 57;50:

VergleichtmandenberechnetenAktienwertvonEUR57,50mitdemgehandeltenAk-tienpreisvon
EUR50,soistdieDelta-Aktiewiederumunterbewertet.DasBeispielzeigt,dasseinVergleichder
Multiplikator en ebenso wie die Berechnung des inneren Aktienwerts zur gleichen
Schlussfolgerungführt,nämlichdassdasPapierzuniedrigbewertetist.
390 7 Aktienbewertung

DieMethodeaufBasisvonVergleichsunternehmenlässtsichauchmitWertmultiplika-
torenumsetzen.HierzuwirdderoperativeUnternehmenswertbzw.derEnterpriseValueins
VerhältniszueinerfinanziellenVariablenwieetwademEBITDAgesetzt,daseine
ErgebnisgrößevorSteuern,Finanzergebnis,AbschreibungenundWertminderungendar-stellt
undsomitsämtlichenKapitalgebernundnichtnurdenEigenkapitalgebernzusteht.Zum
BeispiellässtsichderinnereWertdesUnternehmensausderMultiplikationdes
Enterprise-Value-EBITDA-VerhältnissesderBenchmarkunddesEBITDAdeszubewer-
tendenUnternehmensberechnen.Darüberhinausistesmöglich,denWertmultiplikatorder
PeergroupmitdementsprechendenMultiplikatorderzubewertendenGesellschaftzu
vergleichen,umzubestimmen,obdasUnternehmenrelativzurBenchmarkrichtigbewer-tetist.

EinMultiplikatorlässtsichauchmithilfegeschätzterFundamentalwertebestimmen.Dabei
werdenUnternehmenseigenschaftenverwendet,dieineinerBeziehungzurPro-fitabilität,zum
WachstumundzurfinanziellenLagedesUnternehmensstehen.Funda-mentalwerteeines
UnternehmenswiedieerwarteteWachstumsrate,dasRisikounddieerwartetenCashflows
beeinflussendenWerteinesUnternehmenserheblich.SiekönnenübereinCashflow-Modellin
einenMultiplikatorüberführtwerden.Sokannmandeninne-renEigenkapitalwertüberein
Free-Cashflow-ModellermittelnundanschließendineinenPreismultiplikatorumrechnen,
indemdereruierteEigenkapitalwertdurchdenerwartetenGewinndividiertwird.Beträgt
beispielsweisederinnereEigenkapitalwertEUR45Mio.unddererwarteteGewinnEUR3Mio.,
resultiertdarauseinKurs-Gewinn-VerhältnisaufBasisdeserwartetenGewinnsvon15.
VergleichtmandensoberechnetenPreismultipli-katormitdemKurs-Gewinn-Verhältnisder
Aktie(gehandelterAktienpreisdividiertdurchdenerwartetenGewinnjeAktie),lässtsich
feststellen,obdasPapieraufdemMarktrich-tigbewertetist.IstdasmitdemBewertungsmodell
ermittelteKurs-Gewinn-Verhältnishöher(niedriger)alsdasaufdemMarktbeobachtbare
KGV,soistdieAktieunterbe-wertet(überbewertet).Fernerlässtsichauchderinnere
Aktienwertermitteln,indemdasKurs-Gewinn-Verhältnisvon15mitdemerwartetenGewinn
jeAktiedeszubewertendenUnternehmensmultipliziertwird.EinVergleichmitdem
gehandeltenAktienpreisermög-lichteineBeurteilung,obdasWertpapierrichtigbewertetist.
Abb.7.10stelltdiebeidenMethodenzurBestimmungvonMultiplikatoren–geschätzte
FundamentalwerteundVer-gleichsunternehmen–gegenüber.

7.6 Optionspreistheorie

Der Aktienpreis lässt sich auch mithilfe der Optionspreistheorie festlegen. So besteht der
Unternehmenswert aus dem Barwert der erwarteten frei verfügbaren Cashflows für das
Gesamtkapital und dem Gesamtwert aller Realoptionen, der sich mit Optionspreismo- dellen
wie etwa dem Black/Scholes-Modell oder dem Binomialmodell bestimmen lässt. Reale
Optionen stellen Entscheidungsspielräume bei Investitionsprojekten dar. Diese Fle- xibilität
äußertsichbeispielsweisebeieinermöglichenErweiterungsentscheidung,wenn
7.7 Zusammenfassung 391

Multiplikator
z. B. Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)

Methode auf Basis von Methode auf Basis von


geschätzten Fundamentalwerten Vergleichsunternehmen

innerer Wert aus Benchmark-Unternehmen:


Cashflow-Modell
KGV von A = 10
KGV Fundamental - = KGV von B = 13
Gewinn
werte KGV von C = 16
ø KGV = (10 + 13 + 16) / 3 = 13

innerer Aktienwert = innerer Aktienwert =


KGVFundamentalwerte x Gewinn je Aktie ø KGV x Gewinn je Aktie

Ist die Aktie richtig bewertet? Ist die Aktie richtig bewertet?
–Vergleich zwischen innerem Aktienwert –Vergleich zwischen innerem Aktienwert
und gehandeltem Aktienpreis oder und gehandeltem Aktienpreis oder
– zwischen KGVFundamentalwerte und KGV – zwischen ø KGV und KGV der
der Aktie Aktie

Abb.7.10 Bestimmung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses mit der Methode von geschätzten Funda-
mentalwerten versus der Methode von Vergleichsunternehmen

das Projekt erfolgreich ist. Wertvolle Realoptionen findet man unter anderem bei Aktien von
Technologieunternehmen. Der auf dem Markt gehandelte Preis dieser Aktien lässt sichohnedie
Einbindung von Realoptionen oftmals nicht erklären. Darüber hinaus lässt sich die
Optionspreistheorie einsetzen, um den Wert des Eigenkapitals direkt zu bestim- men. Dabei
entspricht der Wert des Eigenkapitals dem Wert einer Long-Call-Option auf die
Unternehmensaktiven. Dieser Bewertungsansatz ist vor allem bei in Schieflage gera- tenen
Unternehmengeeignet,derenErgebnisundfreiverfügbareCashflowsinfolgederbetrieblichen
Schwierigkeitenund/oderderhohenVerschuldungnegativsind.

77

7.7 Zusammenfassung

 Die Bewertung von Aktien erfolgt unter der Annahme der Unternehmensfortführung
(Going Concern) oder Liquidation. Bei der Annahme der Fortführung geht man davon aus,
dass das Unternehmen seine geschäftlichen Aktivitäten in absehbarer Zeit weiter- führt. Im
GegensatzdazuwirdeineBewertungzuLiquidationswertendurchgeführt,

77
Für eine detaillierte Beschreibung der Optionspr eistheorie in der Aktienbewertung vgl. z. B. Mon-
dello 2015 : Aktienbewertung: Theorie und Anwendungsbeispiele, S. 571 ff.
392 7 Aktienbewertung

wenn die Gesellschaft betriebliche und finanzielle Schwierigkeiten aufweist und die
Fortführungsprämissenichtmehrgewährleistetist.
 Aktien können unter der Annahme der Unternehmensfortführung grundsätzlich mit
Cashflow-Modellen, Wertschöpfungsmodellen, Multiplikatoren und der Optionspreis-
theorie bewertet werden. Multiplikatoren wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis und das
Enterprise-Value-to-EBITDA-Verhältnis stellen relative Bewertungsverfahren dar. Da-
bei wird der Multiplikator der Aktie mit dem Multiplikator einer anderen Aktie oder einer
Gruppe von Aktien verglichen. Dieser Bewertungsansatz beruht auf dem Grund- satz, dass
vergleichbare Vermögenswerte über denselben Preis verfügen. Demgegen- über wird mit
den absoluten Bewertungsmodellen – also den Cashflow-Modellen, den
Wertschöpfungsmodellen und der Optionspreistheorie – der innere Aktienwert berech- net,
der mit dem Preis des gehandelten Papie rs verglichen wird, um festzustellen, ob die Aktie
richtig bewertet ist. Darüber hin aus können auch Multiplikatoren für die Be- rechnung des
innerenAktienwertseingesetztwerden.

 Findet bei einer Aktie ein Besitzerwechse l statt, entspricht der beizulegende Zeit- wert dem
Preis, den ein kaufwilliger, sach verständiger und unabhängiger Käufer ohne Zwang zu
zahlen bereit ist. Ebenfalls bei diesem Preis ist ein verkaufswilliger, sach- verständiger und
unabhängigerVerkäuferbereit,ohneZwangzuverkaufen.

 Bei der Aktienbewertung mit Cashflow-Modellen sind die zukünftigen Dividenden und die
erwartete Rendite zu schätzen. Die Auswahl des Bewertungsmodells – einstufi- ges oder
mehrstufiges Dividendendiskontie rungsmodell – hängt von den unterstellten
Wachstumsannahmenbzw.vomerwartetenDividendenmusterab.

 Dividendendiskontierungsmodelle können für die Aktienbewertung eingesetzt werden,


wenndie folgendenGegebenheiten vorliege n:1)DasUnternehmen zahltDividenden undes
liegt eine Datenreihe von historischen Dividenden vor, 2) die Dividendenpolitik ist derart
ausgelegt, dass ein Zusammenhang zwischen der Profitabilität und den aus- geschütteten
Dividenden besteht (konstante Ausschüttungsquote), und 3) die Dividen- den entsprechen
den frei verfügbaren Cashfl ows für das Eigenkapital. Darüber hinaus kann das
Dividendendiskontierungsmodell bei der Aktienbewertung von Minderheits- aktionären
eingesetzt werden, da diese d en Verwendungszweck der frei verfügbaren Cashflows nicht
kontrollieren.

 Die zukünftigen Dividenden lassen sich mit Wachstumsraten schätzen. Zur Ermittlung der
Wachstumsraten können statistische Prognosemodelle auf der Basis historischer Gewinne
und Fundamentaldaten von Unternehmen dienen.Außerdem können Kon- sensprognosen
vonAnalystenherangezogenwerden.

 Das Gordon-Growth-Modell geht von einem ewig gleichbleibenden Wachstum der


Dividenden und einer konstanten Gewinnausschüttungsquote aus. Um das Modell an-
wenden zu können, muss die erwartete Rendite über der Wachstumsrate liegen. Der mit dem
Modell berechnete innere Wert reagiert sehr sensitiv auf Veränderungen der erwar- teten
Rendite und der Wachstumsrate. Das Bewertungsmodell ist für Unternehmen in der
Reifephase,dieineinemgesättigtenMarkttätigsind,geeignet.
7.7 Zusammenfassung 393

 Das zweistufige Dividendendiskontierungsmodell geht von einer ersten Zeitperiode


mithohemWachstumaus,dievoneinerewigenkonstantenWachstumsphaseabge-löstwird.
Dabei fälltdiehohe Wachstumsrate am Ende derersten wachstumsstarken Phase schlagartig
auf eine niedrigere konstante Wachstumsrate und verbleibt ewig auf diesem Niveau. Der
Endwert zu Beginn d er ewigen konstanten Wachstumspha- se kann entweder mit dem
Gordon-Growth -Modell oder mit einem Preismultiplikator berechnet werden. In vielen
Fällen übersteigt der Endwert drei Viertel des inneren Aktienwerts. Das Modell ist für
Unternehmengeeignet, die ein hohes Wachstum auf- grund eines Patents, hoher rechtlicher
oder infrastrukturbezogener Eintrittsbarrieren oder einen Vorteil als Erstanbieter eines
Produkts aufweisen. Das in dieser Periode auftretende hohe Wachstum ist üblicherwei se
nicht nachhaltig, sodass nach Ablauf der starken Wachstumsphase die
GewinnwachstumsrateaufeinniedrigereskonstantesNi-veaufällt.

 Im Gegensatz zu den Dividendendiskontierungsmodellen können mit den FCEK-


Modellen sämtliche potentiellen Geldmittel für die Aktienbewertung berücksichtigt
werden,diedasUnternehmendenAktieninhabernauszahlenkann.
 Free-Cashflow-Modelle können insbesondere in folgenden Fällen eingesetzt werden:
Das
1) Unternehmen schüttet keine Dividenden aus, 2) die Dividenden weichen er-
heblich von den frei verfügbaren Cashflows für das Eigenkapital ab, 3) es besteht ein
Zusammenhang zwischen der Profitabilität des Unternehmens und den frei verfügbaren
Cashflows und 4) die Aktienbewertung erfolgt aus der Perspektive einer Mehrheitsbe-
teiligung (Kontrolle über die Auszahlung der frei verfügbaren Cashflows).

 Die FCEK stellen die potentiell ausschüttbaren Geldmittel an die Eigenkapitalgeber dar.
Geht man davon aus, dass die Abschreibungen (und die Veränderung des Net-
toumlaufvermögens)dieeinzigennichtzahlungswirksamenErfolgspositionensind,lassen
sichdieFCEKwiefolgtermitteln:ErgebnisnachSteuern
C Abschreibungen
– Investitionen ins Nettoumlaufvermögen – Investitionen ins Anlagevermögen C Net-
tozunahme des zinstragenden Fremdkapitals. Vielfach werden die FCEK ausgehend vom
Cashflow aus der betrieblichen Tätigkeit bestimmt. Hierzu werden vom CFO die
Investitionen ins Anlagevermögen subtrahiert und die Nettozunahme des zinstragen- den
Fremdkapitals zu ihm addiert. Diese Berechnungsweise der FCEK umgeht die Berechnung
des CFO mit der indirekten Methode, bei derdie nicht zahlungswirksa- men Aufwände und
Erträgeidentifiziertwerdenmüssen.

 In Abhängigkeit von den erwarteten Cashflow-Mustern können zur Aktienbewertung ein-


odermehrstufigeBewertungsmodelleeingesetztwerden.
 DaseinstufigeModellistzurAktienbewertungvonreifen,ineinemgesättigtenMarkttätigen
Unternehmen geeignet, die ein langfri stiges Wachstum aufweisen, das dasjeni- ge der
Gesamtwirtschaft nicht übersteigt. Der Eigenkapitalwert wird anhand der FCEK der
nächsten Periode, dividiert durch die Differenz zwischen der erwarteten Rendite der
Eigenkapitalgeber und der langfristigen Wachstumsrate, ermittelt. Addiert man zum so
berechneteninnerenEigenkapitalwertdienichtbetriebsnotwendigenVermögens-
394 7 Aktienbewertung

werte (einschließlich der überschüssigen flüssigen Mittel) und dividiert diesen Wert durch
die Anzahl ausstehender Aktien, gelangt man zum inneren Wert der Aktie. Die in den
Berechnungen verwendete Wachstumsrate sollte nicht größer als das langfris- tige
Wachstum der Gesamtwirtschaft sein. Außerdem muss die Differenz zwischen
Investitionen und Abschreibungen – also die Erweiterungsinvestitionen – mit dem zu-
künftigenWachstumkonsistentsein.

 Die Basisvariante des zweistufigen FCEK-Modells geht in der ersten starken Wachs-
tumsphasevon einem hohen konstanten Wachstum aus, das von einer zweiten ewigen Phase
mit einer niedrigeren konstanten W achstumsrate abgelöst wird. Der Endwertzu Beginn der
zweiten Wachstumsstufe kann entweder mit einem einstufigen FCEK- Modell oder mit
einem Preismultiplikator berechnet werden. Die hierzu verwendeten frei verfügbaren
Equity-Cashflows müssen mit der Stabilitätsannahme eines Unterneh- mens in der
Reifephaseübereinstimmen. So etwa ist der Bedarf an Erweiterungsin- vestitionen geringer
als in der ersten wachstumsstarken Phase und das Beta der Aktie sollte nahe bei 1 liegen
(Bandbreitevon0,8bis1,2).

 Die FCGK stellen die potentiell ausschüttb aren Geldmittel an die Fremd- und Ei-
genkapitalgeber dar. Sie können beispiels weise von den FCEK oder ausgehend vom
Betriebsergebnis berechnet werden. Unte rstellt man, dass die Abschreibungen (und
Veränderung
die des Nettoumlaufvermögens) die einzigen nicht zahlungswirksa-
men Erfolgspositionen sind, lassen sich die FCGK wie folgt ermitteln: EBIT  .1 
Ertragssteuersatz/ C Abschreibungen  Investitionen ins Nettoumlaufvermögen 
Investitionen ins Anlagevermögen.
 sichdieFCGKausgehendvomEBITDAbestimmen,sodassgewis-Auch
lassen
se Anpassungen nicht zahlungswirksamer E rfolgspositionen (im Vergleich zu den
vom Betriebsergebnis ausgehenden Berechnungen) nicht erforderlich sind: FCGK D
EBITDA  .1  Ertragssteuersatz/ C Abschreibungen  Ertragssteuersatz 
Investitionen ins Nettoumlaufvermögen  Investitionen ins Anlagevermögen.
 Der operative Unternehmenswert (Enterprise Value) wird durch das Diskontieren der
FCGKmitdemgewichtetendurchschnittlichenKapitalkostensatz(bzw.mitdererwar-teten
RenditederGesamtkapitalgeber)bestimmt. UmdeninnerenEigenkapitalwertzuermitteln,
werden zum Enterprise Value die nicht operativen Vermögenswerte (ein- schließlich der
nicht betriebsnotwendigen flüssigen Mittel) addiert und der Marktwert des zinstragenden
Fremdkapitals sowie die Anteile Dritter subtrahiert. Wird der so berechnete innere
Eigenkapitalwert durch die Anzahl ausstehender Aktien dividiert, gelangt man zuminneren
WertderAktie.

 Im FCGK-Modell ist der Steuervorteil des Fremdkapitals im Diskontsatz (WACC) und


nicht in den FCGK enthalten, da für die Berechnung der FCGK keine Annahmen über die
zukünftigenVeränderungendesFremdkapitalsbenötigtwerden.
 Das FCGK-Modell ist bei Unternehmen mit negativen FCEK und/oder instabiler Kapi-
talstruktur und hoher Fremdkapitalquote geeignet, weil für die Schätzung der zukünfti- gen
FCGKkeineAnnahmenüberdieVeränderungdesFremdkapitalserforderlichsind.
7.7 Zusammenfassung 395

AllerdingssindzurBestimmungdesgewichtetendurchschnittlichenKapitalkostensat-zes
Annahmen über das Fremdkapital wie etwa die Höhe des Fremdkapitalkostensatzes und der
MarktwertdeszinstragendenFremdkapitals(bzw.dieZielkapitalstruktur)not-wendig.

 Die Wertschöpfungsmodelle wie das Residualgewinnmodell und das Economic-Value-


Added-Verfahren von Stern Stewart & Com pany beziehen sich auf die Generierung von
Vermögenswerten. Im Zentrum der Aktienbewertung steht die Wertschöpfung des
Unternehmens und nicht die zukünftige Geldauszahlung an die Kapitalgeber wie bei den
Cashflow-Modellen. Dabei sind beide Bewertungsmodelle theoretisch äquivalent, denn es
lässtsichdenAktionärennurGeldauszahlen,dasinderVergangenheitundauchinderZukunft
erwirtschaftetwird(Wertgenerierung

D Wertauszahlung).
 Beim Residualgewinnmodell ergibt sich der innere Aktienwert aus dem Buchwert des
Eigenkapitals zuzüglich des Barwerts der in Zukunft erwarteten Residualgewinne. Die
AktienbewertungerfolgtaufgrundvonöffentlichzurVerfügungstehendenInformatio-nen
ausderJahresrechnung,dieangepasstwerden.

 Der Residualgewinn lässt sich entweder 1) als Nachsteuerergebnis abzüglich der Ei-
genkapitalkosten (Eigenkapitalbuchwert multipliziert mit der erwarteten Rendite) oder
als Differenz zwischen der Eigenkapitalrendite und der erwarteten Rendite, die mit
2)
dem Buchwert des Eigenkapitals multipliziert wird, berechnen. Liegt die Eigenkapital-
rendite über (unter) der erwarteten Rendite, so resultiert daraus ein positiver
(negativer) Residualgewinn.

 Die beiden Wertschöpfungsmodelle Economic Value Added (EVA) und Market Value
Added (MVA) von Stern Stewart & Company können sowohl für die interne Perfor-
mancemessungals auch für die Unternehmensbewertung eingesetzt werden. Im Ge- gensatz
zum Residualgewinnmodell erfolgt die Bewertung im EVA-Modell aus der Sicht aller
Kapitalgeber (Bruttoverfahren) und nicht nur der Eigenkapitalgeber (Net- toverfahren),
sodass mit dem Bewertungsverfahren der gesamte operativeUnterneh- menswert ermittelt
wird. Wird vom berechneten Unternehmenswert der Marktwert des zinstragenden
Fremdkapitals abgezogen, gelangt man zum inneren Eigenkapitalwert. Ein weiterer
Unterschied zwischen dem Residualgewinnmodell und dem EVA-Modell besteht darin,
dass sich letzteres Verfahren auf proprietäre Anpassungenvon Rech- nungslegungsdatender
Stern Stewart & Company stützt. Diese Anpassungen erfordern Kenntnisse über internes
Zahlenmaterial, die nur Mitarbeitern des Unternehmens zu- gänglich sind. Ein
Außenstehenderist somitnichtin der Lage,sämtliche vomModellgeforderten Konversionen
durchzuführen.

 DerEVAstelltdenvomUnternehmengeschaffenenMehrwertineinerPeriodedar.Erlässtsich
entweder als Differenz zwischen dem NOPAT und den Kapitalkosten oder als Produkt des
EVA-SpreadsunddesinvestiertenBetriebskapitalsberechnen.IstderEVA-Spread–alsodie
DifferenzzwischenderRenditedesinvestiertenBe-triebskapitalsunddemKapitalkostensatz
–positiv,wirdeinökonomischerMehrwert
396 7 Aktienbewertung

in der Periode geschaffen. Bei einem negativen EVA-Spread hingegen werden Unter-
nehmenswerteinderPeriodevernichtet.
 Im EVA-Modell werden die Rechnungslegungsdaten anhand von operativen, finanzi- ellen,
steuerlichen und wertsteigernden Konversionen in bewertungsrelevante Größen
transformiert. Dabei sind Konversionen aus der Optik der Wertsteigerung zahlenmä- ßig die
wichtigsten. Dazu gehören Ausgaben im Zusammenhang mit Forschung und Entwicklung,
Schulungen der Mitarbeiter und Restrukturierungen. Diese Ausgaben werden als
Investitionen und nicht mehr als Aufwand angesehen, was zum einen zu einer Erhöhung des
investierten Betriebskapitals und zum anderen zu einem höheren NOPAT führt. Auf diese
Weisekann erreic ht werden, dass der NOPAT in einem Jahr nicht übermäßig belastet wird,
sodassdasManagementweiterhineinenAnreizhat,diesewertförderndenAusgabenzutätigen.

 Multiplikatoren lassen sich in Preis- und Wertmultiplikatoren unterteilen. Bei Preis-


multiplikatorenverfügenderZählersowiederNenner über eigenkapitalbezogeneGrö-ßen.
Dabei wird der Aktienkurs ins Verhältnis zum Gewinn, zum Buchwert oder zu den frei
verfügbaren Cashflows für das Eigenkapital gesetzt. Im Gegensatz dazu setzen sich
Wertmultiplikatoren aus gesamtkapitalbezogenen Größen zusammen. Der opera- tive
Unternehmenswert bzw. der Enterprise Valuewird durch das EBIT, das EBITDA, die frei
verfügbarenCashflowsfürdasGesamtkapitaloderdurchdenUmsatzdividiert.

 Mithilfe des Multiplikators kann bestimmt werden, ob die Aktie richtig bewertet ist. Zum
einen kann der innere Aktienwert mit dem Multiplikator ermittelt und mit dem gehandelten
Aktienpreis verglichen werden. Zum anderen lässt sich ein Benchmark- Multiplikator
festlegen,derdemgehandeltenVervielfältigerderzubewertendenAktiegegenübergestellt
wird. Dabei erfolgt die Berechnung der Multiplikatoren entweder anhand von
fundamentalenFaktorenoderaufderBasisvonVergleichsunternehmen.

 Der Aktienpreis lässt sich auch mithilfe der Optionspreistheorie festlegen. So besteht
Unternehmenswert
der aus dem Barwert der erwarteten frei verfügbaren Firm-
Cashflows und dem Gesamtwert aller Realoptionen. Dabei werden die Realoptionen
mit einem Optionspreismodell bewertet. D arüber hinaus kann der Wert des Eigen- kapitals
als eine Long-Call-Option auf die Aktiven des Unternehmensbetrachtet
werden.DieserAnsatzeignetsichfürinSchieflagegerateneUnternehmen,weildie
EigenkapitalgeberaufgrundderbeschränktenHaftungnichtmehralsdaseingesetzte
Eigenkapitalverlierenkönnen.SomitergibtsicheinasymmetrischesAuszahlungsdia-
grammwiebeieinerLong-Call-Option.
7. Aufgaben 397

7.8 Aufgaben

Aufgabe1
Es liegen die folgenden Aussagen vor:

1. Käufer von Aktien müssen Bewertungsmodelle nicht verstehen, weil Echtzeitakti-


enpreisejederzeitonlineverfügbarsind.
2. Die Berechnung des inneren Aktienwerts setzt das Verständnis der Anlagecharak-
teristiken(Gesamtwirtschaft,IndustrieundUnternehmen)voraus.
3. Die Aktienbewertung von Unternehmen, die sich in betrieblichen und finanziellen
Schwierigkeiten befinden, erfolgt auf der Basis des Going Concern (Fortführung). Der
Liquidationswert ist für die Ermittlung des inneren Aktienwerts von rentablen
4. Unternehmennichtrelevant.

5. DieAnnahmederUnternehmensfortführung(GoingConcern)hateinenEinflussaufden
WertderWarenvorräte.
6. Unter absoluten Bewertungsmodellen versteht man sowohl Cashflow-Modelle als auch
Multiplikatoren.

Sind diese Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?

Aufgabe2
Ein Analyst untersucht das Biotechnologieunternehmen Kappa AG. Er kommt zu dem
Schluss, dass dasUnternehmen für die nächsten 5 bis 10 Jahre nichtprofitabel ist. Nach dieser
Zeitperiode kehrt das Unternehmen in die Profitabilität zurück, wobei nach wie vor hohe
Forschungs- und Entwicklungsinves titionen erforderlich sind, sodass in der nächsten Zeit
keine Dividenden ausgeschüttet werden. Infolge der guten Wachstums- aussichten sind
mehrere größere Biotechnologieunternehmen an einem Kauf der Kappa AG interessiert.
Welches Bewertungsmodell ist am ehesten geeignet, um den inneren Aktienwert der Kappa
AGzuberechnen?

Aufgabe3
DieVegaAGweisteineDividendejeAktievonEUR5auf.DieewigekonstanteWachstumsrate
der Dividenden beträgt 3,6 %. Die Aktie hatein adjustiertes Beta von 1,1 undwird zu EUR 150
gehandelt.DieVerfallrenditevon10-jährigendeutschenBun-desanleihenbeläuftsichauf1,7
%,währenddieMarktrisikoprämiebei5,2%liegt.

a) Wie hoch ist der innere Aktienwert der Vega AG gemäß dem Gordon-Growth- Modell?

b) Ist die Aktie der Vega AG richtig bewertet?


39 7 Aktienbewertung

Aufgabe4
Die Wind AG ist ein mittelständisches Unternehmen, das in der Entwicklung und Pro-
duktion von erneuerbaren Energien tätig ist. Für das Unternehmen liegen die folgenden
Informationen zur Bilanz per Ende Dezember 2016 und 2017 vor (in tausend CHF):
Bilanz
2017 2016
Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente 496 420
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 1026 948
Warenvorräte 1128 1040
Umlaufvermögen 2650 2408
Sachanlagen brutto 5700 5002
Wertberichtigungen (1568) (1208)
Sachanlagen netto 4132 3794
Sonstiges Anlagevermögena 1000 800
Anlagevermögen 5132 4594
TotalAktiven 7782 7002
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 634 590
Kurzfristig verzinsliche Finanzverbindlichkeiten 620 600
b
Andere kurzfristige Verbindlichkeiten 198 152
Langfristig verzinsliches Fremdkapital 2100 2020
Langfristig nicht verzinsliches Fremdkapital 1000 980
Total Verbindlichkeiten 4552 4342
Aktienkapital 100 100
Kapitalrücklagen 600 600
Gewinnrücklagen 2530 1960
Eigenkapital 3230 2660
Total Passiven 7782 7002
a
Annahme: Diese Position beinhaltet liquiditäts wirksame Aktiven (immaterielle Vermögens-
werte: vom Unternehmen gekaufte Patente).
b
Annahme: nicht verzinslich

Die Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2017 lautet wie folgt (in tausend
CHF):

Gewinn- und Verlustrechnung 2017


Umsatz 4430
Operativer Aufwand 2860
EBITDA 1570
Abschreibungen 360
EBIT (Betriebsergebnis) 1210
Zinsaufwand 260
EBT (Ergebnis vor Steuern) 950
Steueraufwand (Ertragssteuersatz ist 40 %) 380
Ergebnis nach Steuern 570
7. Aufgaben 399

Anhand der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung der Wind AG sind für das
Jahr 2017 die folgenden Fragen zu beantworten:

a) WiehochsinddiefreiverfügbarenCashflowsfürdasEigenkapital?Wiehoch
b) sinddiefreiverfügbarenCashflowsfürdasGesamtkapital?

Für die Wind AG ist auch die Kapitalflussrechnung für das Jahr 2017 bekannt (in tau- send
CHF):

2017
Ergebnis nach Steuern 570
C Abschreibungen 360
 Zunahme Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 78
 ZunahmeWarenvorräte 88
C Zunahme Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 44
C ZunahmeanderekurzfristigeVerbindlichkeiten 46
C Zunahme langfristig nicht verzinsliches Fremdkapital 20
D Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit 874
 Nettoinvestitionen in Sachanlagen 698
 Nettoinvestitionen in immaterielle Vermögenswerte 200
D Cashflows aus Investitionstätigkeit 898
C Nettoaufnahme von Fremdkapital 100
D Cashflows aus Finanzierungstätigkeit 100
Nettoveränderung der Zahlungsmittel und -äquivalente 76
Anfangsbestand Zahlungsmittel und -äquivalente 420
Endbestand Zahlungsmittel und -äquivalente 496

c) Wie hoch sind anhand der Kapitalflussrechnung die frei verfügbaren Cashflows für das
EigenkapitalunddasGesamtkapital?

Aufgabe5
DieFreestarAGisteinUnternehmeninderReifephase,dasinderMaschinenindustrietätigist.
Sie weist im abgelaufenen Jahr t ein Ergebnis nach Steuern von EUR 60 Mio. auf. Das
Eigenkapital beträgt zu Beginn des Jahres t EUR 600 Mio. Die nicht betriebs- notwendigen
Zahlungsmittelund -äquivalente belaufen sich zu Beginn des Jahres t auf EUR 200 Mio. und
am Ende des Jahres t auf EUR 250 Mio. Die Zinseinnahmen aus den Zahlungsmitteln und
-äquivalenten umfassen EUR 20 Mio. Der Eigenkapitalkos- tensatz beträgt 12 %, während
der Ertragssteuersatz bei 30 % liegt. Insgesamt sind 10 Mio. Aktien ausstehend. Wie hoch ist
der innere Aktienwert der Freestar AG anhand des einstufigen FCEK-Modells, wenn von
einerlangfristigenWachstumsratevon3,6%ausgegangenwird?(DerBewertungszeitpunkt
istEndedesJahrest.)
400 7 Aktienbewertung

Aufgabe6
Für die Rho AG liegen die folgenden Daten für das Jahr t vor (in Mio. EUR):

Betriebsergebnis (EBIT) 300


Abschreibungen 120
Veränderung des Nettoumlaufvermögens 30
Investitionen ins Anlagevermögen 150
Buchwert Eigenkapital zu Beginn des Jahres t 1050
BuchwertEigenkapitalamEndedesJahrest 1100
Buchwert Fremdkapital zu Beginn des Jahres t 700
BuchwertFremdkapitalamEndedesJahrest 735

DieAbschreibungen(unddieVeränderungdesNettoumlaufvermögens)sinddie
einzigennichtzahlungswirksamenErfolgspositionen.Dienichtbetriebsnotwendigen
flüssigenMittelbetragenzuBeginnundamEndedesJahrestEUR45Mio.respek-tiveEUR50
Mio.DerMarktwertdeszinstragendenFremdkapitalsbeläuftsichaufEUR750Mio.Der
Ertragssteuersatzliegtbei30%.Dergewichtetedurchschnittli-cheKapitalkostensatzist7,8
%.AmEndedesJahrestsindinsgesamt10Mio.Aktienausstehend.Wiehochistderinnere
WertderRho-AktieanhanddeseinstufigenFCGK-Modells,wennsichdasewigekonstante
WachstumaufdieFundamentaldatendesJahrestbezieht?(BewertungszeitpunktistEndedes
Jahrest.)

Aufgabe7
DieinderLebensmittelindustrietätigeGammaAGweistzuBeginnderPeriodebe-triebliche
Aktiven von EUR 600 Mio. auf, die mit 40 % Fremdkapital und 60 % Ei- genkapital finanziert
sind. Die gegenwärtige Finanzierung der Unternehmensaktivi- täten entspricht der
langfristig angestrebten Kapitalstruktur. Der Fremdkapitalkosten- satz liegt bei 5 %. Das
adjustierte Beta beläuft sich auf 1,32. Die Verfallrendite von 10-jährigen deutschen
Bundesanleihen beträgt 1,7 %, während die Marktrisikoprämie 5,2 % ist. Das
Betriebsergebnis(EBIT)desUnternehmensistEUR55Mio.DerEr-tragssteuersatzliegtbei
30 %. Wie hoch ist der Residualgewinn der Gamma AG, wenn unterstellt wird, dass der
Fremdkapitalkostensatzvon5%demFremdkapitalzinssatzentspricht?

Aufgabe
FürdenHummelInvestmenttrust(HIT)werdenfürdienächsten3JahreGewinnejeAktievon
EUR 8, EUR 10 und EUR 16 erwartet. Die jährlichen Dividenden belaufen sich auf EUR 4,
EUR 5 und EUR 41. Die letzte Dividendenzahlung von EUR 41 stellt eine
Liquidationsdividende dar, die bei der Beendigung des Trusts am Ende des 3. Jah- res den
Aktionären ausbezahlt wird. Zum Bewertungszeitpunkt beträgt der Buchwertje Aktie EUR
16,währenddieerwarteteRenditebei12%liegt.
Literatur 401

a) Wie hoch ist der innere Aktienwert von HIT gemäß dem Dividendendiskontierungs-
modell?
b) WiehochistderinnereAktienwertvonHITinAnlehnungandasResidualgewinn-modell?

Literatur

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Williams,J.B.:TheTheoryofInvestmentValue,Cambridge(1938)
TeilIII
Anleihen
Anleihen:Grundlagen
8

8.1 Einleitung

Bei einer Anleihe, auch Bond, Rentenpapier oder Obligation (Fixed Income Security) genannt,
handelt es sich um ein zinstragendes Wertpapier, das verbrieft und somit han- delbar ist. Der
Kreditnehmer ist der Emittent des Wertpapiers, während die Investoren als Kreditgeber
auftreten und die Anleihe kaufen. Der Emittent erhält durch die Begebung der Anleihe den
Kaufpreis/Emissionserlös von den Investoren und verpflichtet sich im Gegenzug, während der
Laufzeit des Wertpapiers feste oder variable Zinszahlungen (Ku- pons) zu leisten. Der aus der
Emission erhaltene Geldbetrag wird entweder während oder üblicherweise am Ende der
Anleihelaufzeitzurückgezahlt(getilgt).

DerMarktfürAnleihenistauchalsRentenmarktbekannt.EineRenteisteinEin-kommen,das
sichnichtaufeineArbeitsleistung,sondernaufVermögenwieKapitaloderBodenbezieht.Bei
einerAnleiheistdieRentegrundsätzlichdurchdenKupongegeben.NebendemRenten-bzw.
AnleihemarktgibtesdenAktienmarkt,beidemAktienalsBe-teiligungspapiereemittiertund
gehandeltwerden.DerMarktfürlangfristigeWertpapierewieetwaAnleihenundAktiensowie
fürKreditestelltdenKapitalmarktdar.ImGegen-satzdazugehörenzumGeldmarktkurzfristige
WertpapiereundKreditemiteinerLaufzeitvonwenigerals1Jahr.Abb. 8.1zeigteineÜbersicht
überdenFinanzmarkt,derausdemKapitalmarktunddemGeldmarktbesteht.Derivatebasieren
aufBasiswertendesKapital-marktesunddesGeldmarktes.

AnleihenerlaubendemEmittenten,FremdkapitalaufdemKapitalmarktaufzunehmen.Die
AnleihekäufererhaltenunabhängigvonderGeschäftsentwicklungdesEmittentenZins-und
Tilgungszahlungen,dieauchbeiVerlustenzuleistensind.ImGegensatzdazuzählenAktien
zumEigenkapitaldesUnternehmens.TretenVerlusteausderGeschäftstä-tigkeitauf,werden
diesezuerstdurchdasEigenkapitalabsorbiert.DieAnleihekäuferverlierenerstGeld,wenndas
EigenkapitaldurchdieVerlustevollständigaufgebraucht

1
Vgl. Kap. 12 .

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 405


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_8
406 Anleihen:Grundlagen

Finanzmarkt

Geldmarkt Kapitalmarkt
(kurzfristig) (langfristig)

nicht
verbrieft verbrieft (z.
(z. B. CPs, B. nicht
CDs, Geldmarkt- verbrieft: verbrieft
Wechsel, einlagen, Aktien
Anleihen : Kredite
T-Bills) kfr. Kredite,
Repos)

Derivate: Derivate:
Derivate: Derivate: Derivate:
(z. B. 3- (z. B. Fixed (z. B. Credit (z. B.
(z. B. Monats- Futures,
Treasury Income Default
EURIBOR Optionen
Bill Futures) Futures) Swaps) und Swaps)
Futures)

Abb.8.1 Finanzmarkt

ist.FolglichistdasHaltenvonAnleihenimVergleichzuAktienwenigerrisikoreich.Au-ßerdem
erhalten Aktienkäufer als Miteigentümer des Unternehmens Dividenden, die im Gegensatz zu
denKuponsvonderGewinnentwicklungabhängigsind.
AktienundAnleihenverkörpernunterschiedlicheAnlageklassen,daderenWerteun-
terschiedlichenFaktorenausgesetztsind.SowirdderWerteinerAktieprimärdurchdie
Gewinnentwicklungbzw.dieProfitabilitätdesUnternehmensbeeinflusst.DiePreisevon
AnleihenhingegenreagierenerstaufeinenRückgangderUnternehmensprofitabilität,wenndas
Risikosteigt,dassderEmittentseinenZahlungsverpflichtungen(Zins-undTil-
gungszahlungen)nichtnachkommenkann.VerschlechtertsichdieSchuldnerqualität,fälltder
gehandelteAnleihepreis.DarüberhinausreagiertderPreisoptionsfreierAnleihenauf
VeränderungendesrealenZinssatzes,derInflationsrateundderMarktliquidität.

ImPortfoliomanagementstellenAnleihennebenAktieneinwichtigesAnlageinstru-ment
dar.SieermöglichenbeispielsweiseeinemprivatenInvestor,dasGeldrelativsicherzueinem
Zinssatzanzulegen,umeinzukünftigesAnlageziel(z.B.frühzeitigePensio-nierung)zu
erreichen.InstitutionelleInvestorenwieetwaeinePensionskassekönnendasGeldausden
BeitragszahlungenzueinemZinssatzübereinelangeZeitperiodeinvestie-ren,dasspäterfürdie
RentenzahlungenandieVersicherteneingesetztwird.DesWeiterenbestehtaufgrundder
niedrigenKorrelationzwischenAktienundAnleiheneinDiversifi-
.2 GrundlegendeMerkmaleeinerAnleihe 407

kationseffekt, sodass das Risiko eines Aktienportfolios mithilfe von Anleihen vermindert
werdenkann.
NachfolgendwerdendiegrundlegendenAusstattungsmerkmalevonAnleihen,dieGrö-ße
undBedeutungderAnleihemärkte,dieGrundstrukturvonfestverzinslichenAnlei-hensowie
dieAnleihebedingungenbeschrieben.DanachwirddieCashflow-Strukturvon
Schuldverschreibungenvorgestellt,dieausKupon-undNominalwertzahlungenbesteht.
AnleihenkönnenaucheingebetteteOptionenwieetwaKündigungs-undWandelrech-te
besitzen,diebeieinerAusübungdieCashflow-StrukturderInstrumentebeeinflussen.Sietreten
inderFormvonCallableBonds,PutableBondsundWandelanleihenauf.DasKapitelendetmit
AusführungenzudenAnleihemärkten,wobeinebenPrimär-undSekun-därmärktenauchder
Geldmarkt,derMarktfürRegierungsanleihenunddieMarktkonven-tionennäherbetrachtet
werden.

8.2 GrundlegendeMerkmaleeinerAnleihe

Die grundlegenden Merkmale einer Anleihe können wie folgt benannt werden:

1. Emittent,
2. Fälligkeit,
Nominalwert
3. , Kupon und
4. Währung.
5.

1. Anleihen können von öffentlichen Instituti onen, Kreditinstituten und Unternehmen


emittiert werden. Zum öffentlichen Sektor gehören zum Beispiel inDeutschland
EmissionenvonBund,Ländern,GemeindenundSondervermögendesBundes.Inder
Schweiz werden Anleihen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften – also
Bund, Kantonen und Gemeinden – emittiert. Z u den Kreditinstitute n zählen inlän- dische
Banken, die für die mittel- und langfristige Finanzierung des Kreditgeschäfts
BankschuldverschreibungenundPfandbriefe 2
begeben, sowie supranationale Banken.
Letztere stellen länderübergreifende Institutionen dar. So etwa wurde die Europäische
Investitionsbank (EIB) 1958 durch die Eur opäische Union gegründet. Ihre Anteils- eigner
setzen sich aus Mitgliedstaaten de r EU und nicht aus einem einzelnen Land zusammen.
Weitere Beispiele von supranationalen Banken sind der Internationale Währungsfonds
(IWF)unddieBankfürInternationalenZahlungsausgleich(BIZ).weitere

Eine Gruppe von Emittenten sind Unternehmen, die Waren produzieren


und Dienstleistungen anbieten. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehören Unternehmen,
die als Haupttätigkeit Finanz- und Versicherungsdienstleistungen erbringen. Finanz-

2
Pfandbriefe sind durch Grund und Boden (Hypothekenpfandbriefe) besichert und unterliegen den
Anforderungen des Pfandbriefgesetzes.
40 Anleihen:Grundlagen

dienstleistungen können beispielsweise durch Pensionskassen sowie Finanz- und


Effektenmakler angeboten werden.
2. Die Fälligkeit der Anleihe ist durch den l etzten Zahlungszeitpunkt der Zinsen und des
Nominalwerts gegeben. Sie ist für die Analyse des Schuldtitels wichtig. So gibt sie an, über
welchen Zeitraum die Kupons und der Nominalwert anfallen. Die Laufzeit eines
verzinslichen Anlageinstruments kann sich von über Nacht bis über mehr als 30 Jahre
erstrecken. Verzinsliche Schuldverschreibungen mit einer ursprünglichen Laufzeit von
weniger als 1 Jahr werden als Geldmarktpapiere bezeichnet. Dazu gehören in Deutsch- land
unverzinsliche Schatzanweisungen (BuBills) der Bundesrepublik Deutschland und in der
Schweiz Geldmarktbuchforderungen der Bundestresorerie. Weitere Geld- marktpapiere
sind Commercial Papers (CPs), die von multinationalen Unternehmen auf revolvierender
Basis ausgegeben werden, und Certificate of Deposit (CD). Weisen die verzinslichen
Anlagepapiere hingegen eine längere Laufzeit als 1 Jahr auf, spricht man von
Kapitalmarktprodukten.

3. Der Nominalwert stellt den Schuldbetrag dar, der vom Emittenten zu tilgen ist. Die
Rückzahlung der Anleihe erfolgt üblicherweise zu 100 % des Nominalwerts am Fäl-
ligkeitstag oder schrittweise während der Laufzeit der Anleihe. Er dient auch für die
Festlegung der Zinszahlung. Anleihepreise werden in Prozent des Nominalwerts no- tiert.
Beträgt beispielsweise der Nominalwert EUR1000 und wird die Anleihe zu einem Preis von
98%gehandelt,beläuftsichderAnleihepreisaufEUR980.

4. Der Kupon wird in Prozent des Nominalwerts angegeben. Liegen zum Beispiel der Ku-
ponsatzbei4%undderNominalwertbeiEUR1000,resultierteinKuponvonEUR40(
D 0;04  EUR 1000). Die Kupons können jährlich, halbjährlich, vierteljährlich oder
auch monatlich bezahlt werden. Zum Beispiel fallen bei den Anleihen der Bundesre-
publik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Kupons jährlich an.
Demgegenüber bezahlen Anleihen der USA (Treasury Bonds) und von Großbri- tannien
(Government Gilts) die Kupons halb jährlich. Der Kupon kann entweder fest oder variabel
sein. Ein variabler Kupon basiert auf einem Referenzzinssatz wie etwa EURIBOR oder
LIBOR und wird zu Beginn jeder Zinsperiode neu festgelegt. Die Kuponzahlung erfolgt
jeweilsamEndederZinsperiode.

5. Anleihen können in jeder Währung emittiert werden, obwohl eine Vielzahl von Bonds
weltweitentwederinUS-DollaroderEuroausgegebenwird. 3
DievomEmittentenge-
wählteWährungistvonderNachfrageabhängig.IstdieWährungnichtliquidodernichtfrei
handelbaroderistsieaneineHauptwährungwiedenUS-Dollargebunden,fälltdie
NachfragenachdieserAnlagegeringaus.DaherentscheidensichSchuld-nerin
Schwellenländeroftmals,AnleihennichtinihrerHeimatwährung,sonderninUS-Dollar
und/oderEuroauszugeben.SokönnendieWertpapiereleichterbeiinter-nationalen
Investorenplatziertwerden.DesWeiterengebenSchuldnerAnleihenineiner
Fremdwährungheraus,wennsieCashflowsindieserWährungerwarten,diefürdieZins-und
Tilgungszahlungeneingesetztwerdenkönnen.Dabeihandeltessichum

3
Vgl. Bank for International Settlements 2015 : BIS Quarterly Review December 2015, A 10.
.3 GrößeundBedeutungderAnleihemärkte 409

einen natürlichen Hedge, der das Fremdwä hrungsrisiko reduziert. Außerdem gibt es
Doppelwährungsanleihen, bei denen die Tilgung der Anleihe in einer anderen Wäh- rung
erfolgt als die Währung, auf welche d er Schuldtitel lautet. Zum Beispiel möch- te ein
deutsches Unternehme n ein langfristiges Projekt in der Schweiz finanzieren, das erst in
einigen Jahren rentabel wird . Das Unternehmen k ann eine EUR/CHF-
Doppelwährungsanleihe emittieren. Die K uponzahlungen werden in Euro geleistet,
während die Rückzahlung am Ende der Lauf zeit der Anleihe in Schweizer Franken erfolgt.
Zum Fälligkeitszeitpunkt der Anleihe ist das Projekt rentabel und generiert die hierfür
erforderlichenCashflowsinSchweizerFranken.

Anleihen können in Form einer physischen Urkunde ausgegeben werden, wobei im Man- tel die
Forderungverbrieftistund derBogendieZinsscheineenthält.EinephysischeUrkundeistheute
infolge der Digitalisierung und der hohen Kosten nicht mehr zeitgemäß. Üblicherweise erfolgt
heute die Aufbewahrung in elektronischer Form bei den Lagerstel- len. Dabei kann eine
Globalurkunde (Sammelurkunde) ausgestellt werden, die mehrfache Einzelurkunden ersetzt
und in einer Wertpapiersammelbank hinterlegt wird. Die einzelnen Anleiheinhaber werden
elektronisch in einem Wertpapierkonto eingetragen und halten so Anteile an der
Globalurkunde. Auch diese Form der Eintragung ist in der heutigen Zeit nicht mehr notwendig.
Vielmehr genügt es, wenn man den elektronischen Eintrag in ei- nem Schuldbuch vornimmt. In
diesem Zusammenhang spricht man von einem Wertrecht, da keine Urkunde ausgestellt wird.
Zum Beispiel erfolgt bei Anleihen der Bundesrepublik Deutschland ein elektronischer Eintrag
in das Bundesschuldbuch. Mit der Ausgabe von Wertrechten können Kosten eingespart und die
Verlustsicherheitverbessertwerden.

DieBesitzübertragungeinesWertpapiersfindetaufdemSekundärmarktstattundge-schieht
oftmalsnichtdurchphysischeLieferung.SowirdeinBesitzwechselderAn-leiheaufdem
Wertpapierkontoelektronischeingetragen.BeiderBesitzübertragungistzwischenInhaber-
undNamenspapierenzuunterscheiden.AnleihensindinderRegelInhaberpapiere,beidenender
Besitzgenügt,umdieverbrieftenAnsprücheausdemWert-papiergeltendmachenzukönnen.
DerEigentümerwirdaufdemPapiernichtnamentlichfestgehalten,sodassBesitzundEigentum
dasselbesind.InderFormvonInhaberschuld-verschreibungenkönnenAnleihenschnellundre
lativeinfachübertragenwerden.Inha-berpapierewerdeninderRegelmiteiner
IdentifikationsnummerwieetwaeinerISIN(InternationalSecuritiesIdentificationNumber)
gekennzeichnet.DemgegenüberwirdbeiNamenspapierenderGläubigeraufderUrkunde
eingetragen.DieserschwertdieÜbertra-gungdesWertpapiers,daderneueGläubigerinder
Urkundevermerktwerdenmuss.

8.3 GrößeundBedeutungderAnleihemärkte

Die Anleihemärkte (Schuldverschreibungen mit einer ursprünglichen Laufzeit von mehr als 1
Jahr) sind hinsichtlich des Emissions- und Handelsvolumens größer als die Akti- enmärkte. So
etwabetrugimOktober2015dasausstehendeVolumenvonAnleihen,die
410 Anleihen:Grundlagen

von Emittenten mit Sitz im Euroraum begeben wurden, nach Angaben der Europäischen
ZentralbankrundEUR Mrd.DerMarktfürAnleihenwurdevonöffentlichenIn-
13:219
stitutionen mit einem ausstehenden Nom inalwert von rund EUR 6972 Mrd. bzw. 53 % des
Gesamtvolumens dominiert. Kreditinstitute und Unternehmen wiesen einen Anteil von EUR
3050 Mrd. respektive EUR 3197 Mrd. auf. Der Geldmarkt (Schuldverschreibun-gen mit einer
ursprünglichen Laufzeit von weniger als 1 Jahr) hingegen war mit einem ausstehenden
Nominalwert von EUR 962 Mrd. im Oktober 2015 wesentlich kleiner. Der Aktienmarkt im
Euroraum umfasste ein ausstehendes Volumenbzw. eine Marktkapitali- sierung von rund EUR
6799 Mrd. und lag damit, wie erwähnt, unter dem Volumen des Anleihemarktes. Der Markt für
Beteiligungspapiere wird vor allem von Unternehmen beansprucht, die sich mit Eigenkapital
auf dem Kapitalmarkt finan zieren. Deren Anteil am Gesamtvolumen betrug EUR 6187 Mrd.
bzw. 91 %. Demgegenüber verfügten Kredit- institute über ein ausstehendes Aktienvolumen
vonEUR612Mrd.bzw.9%.

4
Abb. 8.2
zeigt für Oktober 2015 das ausstehende Nominalvolumen von Schuldverschreibungen des
Anleihe- und Geldmarktes sowie die Marktkapitalisierung von Aktien im Euroraum. Obwohl
Nominalwerte von Schuldverschreibungen und notierte Marktpreise von Aktien nicht direkt
vergleichbar sind, lässt die Gegenüberstellung den wesentlichen Anteil der Anleihemärkte am
Finanzmarkterkennen.

DerEinflussdesAnleihemarktesaufdenrestlichenFinanzmarktundaufdieReal-wirtschaft
istgroß,wiediesdieglobaleFinanzkrise2008unddiedarausresultierende

(ausstehendes
Volumen
in Mrd. EUR) Anleihemarkt
7000 Aktienmarkt

6000

5000

4000

3000

2000

1000 Geldmarkt

0
öffentliche Institutionen Kreditinstitute Unternehmen

Abb.8.2 Ausstehendes Volumen von Schuldverschreibungen des Geld- und Anleihemarktes sowie
von Aktien im Euroraum (Oktober 2015) (Quelle: http://www.ecb.europa. eu )

4
Vgl. http://www.ecb.europa. eu .
.3 GrößeundBedeutungderAnleihemärkte 411

(ausstehendes
Volumen
in Mrd. USD)

40000
36.278
35000

30000

25000

20000

15000
10.985
10000
6776 6263
4121 3469 3177 4491
5000 2128 2102 1837 1851
976
0
US JP CN GB FR DE IT CA NL AU ES IE Rest

Abb.8.3 ÜbersichtüberdenMarktvonSchuldverschreibungeninentwickeltenLändernein-D
schließlich China nach ausstehendem Volumen und Sitz des Emittenten (US USA, JP D Japan,
CN D China, GB D Großbritannien, FR D Frankreich, DE D Deutschland, IT D Italien, CA D
Kanada, NL D Niederlande, AU D Australien, ES D Spanien und IE D Irland.)(Quelle: Bank for
International Settlements 2015 : BIS Quarterly Review December 2015, A 10)

europäische Schuldenkrise seit 2010 offenbaren. Auslöser der globalen Finanzkrise wa- ren im
Jahr2007VerlustebeiverbrieftenUS-Subrime-Hypotheken–CollateralizedDebtObligations
(CDOs) –, die zu einem Vertrauensschwund und zu einem eigentlichen Erdbe- ben an den
weltweiten Finanzmärkten geführt h aben. So haben sich in der darauffolgenden Schuldenkrise
im Euroraum das Kreditrisiko und somit die Zinskosten für die Geldauf- nahme in einigen
europäischenLändernerhöht.
5
Diese Verwerfungen verdeutlichen die
Risiken, die aus dem Anleihemarkt und somit aus dem Finanzsystem hervorgehen können.
Die USA verfügten per Ende Juni 2015 mit einem ausstehenden Volumen von USD
36.278 Mrd. weltweit über den größten Markt für Schuldverschreibungen. Gefolgt von
Japan mit USD 10.985 Mrd. und China mit USD 6776 Mrd. Der Markt für Schuldver-
schreibungen in Deutschland hingegen betrug USD 3469 Mrd.
6
Dabei teilte sich das
ausstehende Volumen in öffentliche Institu tionen mit USD 1822 Mrd., in Kreditinstitu-
te mit USD 1494 Mrd. und in Unternehmen mit einem Anteil von USD 152 Mrd. auf. 7
Abb. 8.3 gibt eine Übersicht über den Markt für Schuldverschreibungen von entwickelten
LänderneinschließlichChinaperEndeJuni2015,undzwarnachausstehendemVolu-

5
Die höheren Zinskosten werden von der EZB mit einer expansiven Geldpolitik bekämpft (Stand
Januar 2017).
6
Vgl. Bank for International Settlements 2015 : BIS Quarterly Review December 2015, A 10.
7
Vgl. http://www.bis.org/statistics/c3-de.pdf .
412 Anleihen:Grundlagen

men und aufgeteilt nach Sitz des Emittenten.8 InderSchweizbeliefsichderMarktfür


inländischeSchuldverschreibungenaufUSD210Mrd.DavonentfielenUSD104Mrd.
auf öffentlichen Institutionen, USD 98 Mrd. auf Kreditinstitute und USD 17 Mrd. auf
Unternehmen.9

8.4 GrundstrukturvonfestverzinslichenAnleihen

Die Anleihen setzen sich aus festverzinslic hen und variabel verzinslichen Anleihen,
Nullkuponanleihen und Sonderformen wie Wandelanleihen, Optionsanleihen, Doppel-
währungsanleihen und Indexanleihen zusammen.10 Abb. 8.4 gibt einen Überblick über
die verschiedenen Anleihearten. Die meisten Anleihen verfügen über einen festen Kupon.
So etwa machten per Oktober 2015 langfristige festverzinsliche Schuldverschreibungen von
Emittenten mit Sitz im Euroraum rund 68 % der ausstehenden Schuldtitel aus. Der Anteil von
langfristigen variabel verzinslichen Schuldverschreibungen hingegen betrug lediglich 20 %.
Die übrigen Wertpapiere verteilten sich auf kurzfristige Schuldverschrei- bungen mit einem
Marktanteilvon8%undaufNullkuponpapiereundsonstigemiteinemAnteilvon4%.

11

BeieinerfestverzinslichenAnleihezahlteinAnlegerzuBeginnderLaufzeiteinen
Kaufpreis.ImGegenzugerhälterKuponzahlungendesEmittenten,diejeweilsamEndejeder
Zinsperiodeentrichtetwerden.DarüberhinauserfolgtamEndederAnleihelaufzeiteine
RückzahlungdesAnlagebetrags,derindenallermeistenFällendemNominalwertder
Schuldverschreibungentspricht,sodassdieAnleihezu100%zurückgezahltwird.Ei-nesolche
festverzinslicheAnleihewirdauchalsPlainVanillaBondbezeichnet.Abb.8.5zeigtdie
Cashflow-StrömeeinerfestverzinslichenPlain-Vanilla-AnleihemiteinerLauf-zeitvon5
Jahren,einemjährlichenKuponsatzvon5%undeinemKaufpreisvon100%.DerNominalwert
beträgtEUR1000.DerKuponwirdimmeralsjährlicherZinssatzinProzentdesNominalwerts
aufgeführt.BeieinerAnleihemithalbjährlichenZinszahlun-genundeinemKuponvon5%
wirdalle6MonateeinKuponvon2,5%desNominalwertsgezahlt.DerKaufpreisderAnleihe
liegtüblicherweisebeirund100%desNominalwerts,dadieHöhedesKuponsanhandder
erwartetenRenditezumEmissionszeitpunktfestge-legtwird.DerKaufpreiswirdjenach
Handelsusance1bis3TagenachGeschäftsabschlussbezahlt.

8
ImVergleichzudenUSAundanderenwichtigeneuropäischenLändernwieFrankreich,Deutsch-landund
ItalienwarperEndeJuni2015derMarktfürSchuldverschreibungeninGriechenlandmit
einemausstehendenVolumenvonUSD164,2Mrd.relativklein(fürEmittentenmitSitzinGrie-chenland).
Dabei machten die Schuldverschreibungen der öffentlichen Institutionen USD 92,5 Mrd. und der
KreditinstituteUSD69,7Mrd.aus.Vgl. http://www.bis.org/statistics/c3-gr.pdf.
9
Vgl. http://www.bis.org/statistics/c1.pdf .
10
Vgl. Becker2013 : Investition und Finanzierung: Grundlagen der betrieblichen Finanzwirtschaft, 214.
S.
11
Vgl. http://sdw.ecb.europa.eu/reports.do?node=1000002757.
.4 GrundstrukturvonfestverzinslichenAnleihen 413

Anleihen

fest- variabel Nullkupon- Sonder-


verzinslich verzinslich anleihen formen
e Anleihen e Anleihen

• Wandelanleihen
• Optionsanleihen
• Doppelwährungs-
anleihen
• Indexanleihen
• Reverse Floater
• Step-up-Anleihen

Abb.8.4 Überblick über verschiedene Arten von Anleihen

(Cashflows Kupon EUR 50


in EUR) + Rückzahlung EUR 1000
1000

Kupon Kupon Kupon Kupon


EUR 50 EUR 50 EUR 50 EUR 50
0
0 1 2 3 4 5
(Jahre)

–1000
Kaufpreis
EUR 1000

Abb.8.5 Cashflow-Ströme einer festverzinslichen Plain-Vanilla-Anleihe


414 Anleihen:Grundlagen

BeieinemAnleihekaufbedarfesüberKupon,LaufzeitundRückzahlungsbetraghinaus
weitererInformationenzudemWertpapierwieetwaüberdenEmittentenunddasRating.Diese
InformationenstellendieStammdatendar.Tab.8.1fasstdiewichtigstenStamm-datenfürdie
0,5%-AnleihederBundesrepublikDeutschlandmiteinerLaufzeitvon2015bis2025geordnet
nachEmittenteninformationen,Identifikationsnummern,Rating,Instru-mentundHandel
zusammen.NebendiesenStammdatensindbeimAnleihekaufauchMarktdatenrelevantwieder
PreisunddieVerfallrendite.
12
So lagen zum Emissions-
zeitpunkt der 10-jährigen 0,5 %-Bundesanl eihe am 14. Januar 2015 der durch schnittliche
Emissionspreis bei 99,82 % und die Verfallrendite bei 0,52 %.13
DieStammdatenderinderTabelleaufgeführten10-jährigen0,5%-Bundesanleihesind
umfangreich.DiefürdenAnleihekaufwichtigstenInformationensetzensichausEmittent,

Tab.8.1 Stammdaten der 0,5 %-Anleihe der Bundesrepublik Deutschland mit einer Laufzeit von
2015 bis 2025
Kriterien Beschreibung 0,5 % deutsche Bundesanleihe
von 2015 bis 2025
Emittenteninformationen
Emittent Name des Emittenten Bundesrepublik Deutschland
Art Z. B. öffentliche Institution, Staat
Kreditinstitut oder Unterneh-
men
Sitz des Emittenten Land des Emittenten Deutschland
Markt Markt der gehandelten Anleihe Eurozone
Identifikationsnummern
ISIN Internationale Wertpapier- DE0001102374
Identifikationsnummer
WKN Deutsche Wertpapier Kenn- 110 237
nummer
Sedol Identifikationsnummer der Lon- BVDZM91
doner Stock Exchange
Common Identifikationsnummer von 116563754
Clearstream und Euroclear
CUSIP Identifikationsnummer für EK6841549
Emissionen in den USA und
Kanada
Rating
S&P Ratingeinstufung von Standard AAA
& Poor’s
Moody’s Ratingeinstufung von Moody’s Aaa
Fitch Ratingeinstufung von Fitch AAA

12
Vgl. Diwald 2012 : Anleihen verstehen: Grundlagen verzinslicher Wertpapiere und weiterführende
Produkte, S. 17.
13
Vgl. http://www.bundesbank. de .
.4 GrundstrukturvonfestverzinslichenAnleihen 415

Tab.8.1 (Fortsetzung)
Kriterien Beschreibung 0,5 % deutsche Bundesanleihe
von 2015 bis 2025
Instrument
Land Land der Emissionsbegebung Deutschland
Währung Währung der Cashflows (Kauf- Euro
preis, Kupon und Tilgung)
Kupon Höhe des Kuponsatzes (in Pro- 0,5 %
zent des Nominalwerts)
Kuponperiodizität Periodizität der Kuponzah- Jährlich
lungen: z. B. halbjährlich oder
jährlich
Day-Count-Konvention Konvention für die Berechnung Tagesgenau = tagesgenau
der Stückzinsen ICMA
Day-Roll-Methode Anpassung des Zahlungsda- Following
tums bei einem Feiertag
Emissionsdatum Tag der Emission 14.01.2015
Beginn Zinslauf Tag, an dem die Ermittlung der 16.01.2015
Stückzinsen zum ersten Mal
anfängt
Erster Kupon Tag der ersten Kuponzahlung 15.02.2016
Letzter Kupon vor Fälligkeit Tag der letzten Kuponzahlung 15.02.2025
vor Fälligkeit
Fälligkeit Rückzahlungstag des Nominal- 15.02.2025
werts
Tilgung Preis, zu dem die Anleihe bei 100 % (vorzeitige Kündigung
Fälligkeit getilgt wird (Par D nicht möglich)
100 %)
Sicherungsart Art der Sicherung (z. B. besi- Nicht besichert
chertodernichtbesichert)
Emissionsvolumen Volumen der Anleiheemission EUR 5 Mrd. (gesamtes Emis-
sionsvolumen einschließlich
spätere Aufstockungen EUR
23 Mrd.)

Weitere Informationen Z. B. Mündelsicherheit, Mündelsicher gemäß § 1807


Deckungsfähigkeit, No- Abs. 1 Nr. 2 BGB, deckungs-
tenbankfähigkeit und fähig gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 2
Kündigungsrechte VAGundnotenbankfä-
hig gemäß Artikel 18.1 der
ESZB/EZB-Satzung

Identifikationsnummer, Rating, Währung, Kupon, Tilgung und Fälligkeit zusammen. So etwa


weist die deutsche Bundesanleihe einen Kupon von 0,5 % auf, der jährlich bezahlt wird. Beim
KaufeinerAnleihemiteinemNominalwertvonEUR1000erhältmanjähr-
416 Anleihen:Grundlagen

Tab.8.1 (Fortsetzung)
Kriterien Beschreibung 0,5 % deutsche Bundesanleihe
von 2015 bis 2025
Handel
Preisstellung Stückzinsen sind im Preis nicht Clean-Preis (ohne Stückzinsen)
enthalten (Clean-Preis) oder
inbegriffen (Full-Preis)
Preisnotierung Stellen nach dem Komma Zwei Stellen nach dem Komma
Kleinste Preisbewegung Z. B. 0,01 EUR 0,01
Stückelung Kleinste handelbare Einheit EUR 0,01
z. B. EUR 100 oder EUR 1000
Valuta Differenz zwischen Handelstag 3 Geschäftstage nach Handels-
und Valutatag abschluss
Ferienkalender Feiertage (bzw. keine Ge- Target
schäftstage)
Übertragungsart Physisch oder Bucheintrag Eintrag der Gesamtemission als
Sammelschuldbuchforderung in
Bundesschuldbuch (Wertrechte)
ClearstreamBankingAG
Abwicklungsstelle Clearing-Stelle
Frankfurt (CBF)
Trennung von Kupon und Möglich oder nicht möglich Stripping ist möglich: Handel
Nominalwert (Stripping) von Anleihe ohne Zinsan-
sprüche (Anleihe „ex“ oder
Kapital-Strip) und Anleihe nur
mit Zinsansprüchen (Zinsstrips)

Wiederzusammenführung Möglich oder nicht möglich Möglich Kapital- und Zinss-


von Kupon und Nominalwert trips zu einer Anleihe „cum“
zu rekonstruieren (nicht jedoch
für inländische Nichtbanken)

Börsenhandel Ja/nein Ja
Quelle: http://www.bundesbank. de

lich eine Kuponzahlung von EUR 5, während bei einem Nominalwert von EUR 100:000
ein Kupon von EUR 500 jedes Jahr bis zum Fälligkeitszeitpunkt der Schuldverschrei- bung
anfällt. Der Zinslauf der Bundesanl eihe beginnt am 16. Januar 2015 und endet für das erste Jahr
am15.Februar2016.SomitbeläuftsichdererstelangeKuponauf0,541%[
D 0;5 %  .395 Tage=365 Tage ]. Für die restlichen neun Zinsperioden ist der /
Kupon jeweils 0,5 %. Fällt die Kuponzahlung auf einen Feiertag, findet die Zahlung am
nächsten Werktag statt (Day-Roll-Methode: Following). Damit die Schuldverschreibung
gehandeltwerdenkann,isteineIdentifikationsnummerwieISIN,WKNoderCUSIPnotwendig.
MithilfederKennnummerkönnenWertpapiereübertragen,verbuchtundiden-tifiziertwerden.
VieleInformationenzudenStammdatenderAnleihefindensichim
.6 Cashflow-StruktureinerAnleihe 417

Wertpapierprospekt, wo die Ausgestaltung des Wertpapiers detailliert und verbindlich


festgehaltenwird.

8.5 Anleihebedingungen

Die Bedingungen einer Anleihe finden sich im Wertpapierprospekt.14 Im Prospekt werden


der Name des Emittenten und die Merkmale der Anleiheemission wie der Nominalwert,
dieHöheunddieAuszahlungsdatenderKupons,derFälligkeitszeitpunktundetwaigeOptionen
(z. B. vorzeitige Kündigungsmöglichk eit) festgehalten. Der Prospekt beinhal- tet auch
Informationen zu den Finanzier ungsquellen für die Zins- und Tilgungszahlungen sowie zu
etwaigen Sicherheiten, Bonitätsverbesserungen (Credit Enhancements) und An-
legerschutzklauseln (Covenants). Zu den Sicherheiten zählen Vermögenswerte oder finan-
zielle Garantien, welche die Zins- und Tilgungszahlungen sicherstellen sollen. Mithilfe von
Credit Enhancements kann das Kreditrisiko der Anleiheemission reduziert werden. Beispiele
sindzusätzlicheSicherheiten,eineVersicherungunddieGarantieeinerDrittpar-tei.Covenants
hingegensindBestimmungen,diezumeinendieRechtederAnleihekäuferpräzisierenundzum
anderendieVerpflichtungenundBeschränkungendesEmittentenaufführen.HältzumBeispiel
der Emittent vereinbarte Finanzkennzahlen oder andere Be- dingungen nicht ein,kann etwa der
KuponerhöhtwerdenoderderAnleihekäuferdieSchuldverschreibungvorzeitigkündigen.

BeiderBeurteilungdesRendite-Risiko-ProfilsmussderWertpapierprospektherange-
zogenwerden.DabeisindinsbesonderedieRechtedesKäufersbeieinemZahlungsverzugoder
-ausfalldesEmittentenwichtig.NebendengrundlegendenMerkmaleneinerAn-leihewie
Emittent,Fälligkeit,Nominalwert,KuponundWährungsinddiefolgendenweiterenInhalte
desProspektszuüberprüfen:dieFinanzierungsquellenderZins-undTilgungszahlungen,
etwaigezurKreditsicherungvorgeseheneVermögenswerteundfinan-zielleGarantiensowie
etwaigeCreditEnhancementsundAnlegerschutzklauseln.

8.6 Cashflow-StruktureinerAnleihe

Die am weitesten verbreitete Cashflow-Struktur einer Schuldverschreibung ist diejenige einer


Plain-Vanilla-Anleihe, bei der periodisch ein fester Kupon und zum Fälligkeitszeit- punkt der
Nominalwertbezahltwerden. 15
EsgibtaberauchAnleihenmiteineranderen
Cashflow-Struktur,diesichinBezugaufKuponundNominalwertvoneinerPlain-Vanilla-
Anleihe unterscheiden. Im Folgenden werden die verschiedenen Cashflow-Strukturen für die
Rückzahlung des Nominalwerts und der Auszahlung der Kupons beschrieben, die im globalen
Anleihemarktauftreten.

14
Vgl. Abschn. 8.8.2 .
15
Vgl. Abschn. 8.4 .
41 Anleihen:Grundlagen

8.6.1 Nominalwertstrukturen

Für Investoren ist es wichtig zu wissen, wann die Rückzahlung des an den Emittenten aus-
geliehenen Geldes erfolgt. So fällt das Kreditrisiko kleiner aus, wenn der Nominalwert des
Wertpapiers schrittweise während der Laufzeit und nicht vollständig am Fälligkeitstag zu-
rückgezahlt wird. Grundsätzlich kann der Nominalwert zu 100 % zum Fälligkeitszeitpunkt
(Plain-Vanilla-Anleihe) oder v ollständig oder teilweise während der Laufzeit (Tilgungs-
anleihe)getilgtwerden.

EineTilgungsanleihebesitzteinenZeitplanfürdieperiodischenZins-undTilgungs-
zahlungen.DabeikannderNominalwertderSchuldverschreibungentwedervollständigoder
nurteilweisewährendderLaufzeitgetilgtwerden.LetztereFormderSchuldrück-zahlungstellt
eineTilgungsanleihemiteinerteilweisenAmortisierungdar,beiderzumFälligkeitszeitpunkt
derverbleibendeNominalwertmiteinerEinmalzahlung(Abschluss-zahlungoderBalloon
Payment)beglichenwird.

BeiAnnuitätenanleihenerfolgtdieRückzahlungingleichenBeträgen(Annuitäten)biszum
Laufzeitende.DieseBeträgesetzensichausdemKuponunddemjeweiligenTilgungsbetrag
zusammen.ZumBeispielweisteineAnnuitätenanleihemiteinemNomi-nalwertvonEUR
1000undeinemjährlichenKuponvon5%eineLaufzeitvon5Jah-renauf.Diejährlich
gleichbleibendenZins-undTilgungszahlungenderSchuldverschrei-bungführenzueiner
AnnuitätvonEUR230,97,wennmanvoneinererwartetenRenditevon5%ausgeht.

16
AmEndedes1.JahresbeträgtdieZinszahlungEUR50,währendD
sich die Tilgungszahlung auf EUR 180,97 ( EUR 230;97  EUR 50) beläuft. Am En-
de des 2. Jahres ergibt sich aufgrund des niedrigeren Nominalwerts von EUR 819,03
(D EUR 1000  EUR 180;97) eine Zinszahlung von EUR 40,95 (D EUR 819;03  0;05),
während die Tilgungszahlung auf EUR 190,02 steigt. Am Ende des 5. Jahres verringert
sich die Zinszahlung auf EUR 11, wobei sich die Nominalwertzahlung auf EUR 219,98 er- höht.
Die Cashflows der Annuitätenanleihe sind in Tab. 8.2 aufgeführt. Die Tabelle zeigt, dass die
ZinszahlungeninfolgederzurückgezahltenNominalwertemitderZeitabneh-men,währenddie
Tilgungszahlungen zunehmen. Durch den jährlich konstanten Cashflow von EUR 230,97 wird
derNominalwertvonEUR1000vollständiggetilgt.

EineTilgungsanleihemiteinerteilweisenAmortisierungundeinerLaufzeitvon5Jahren
verfügtübereineCashflow-Struktur,dieauseiner5-jährigenAnnuitätundeiner
AbschlusszahlungamFälligkeitstagdesWertpapiersbesteht.DieSummederbeidendis-
kontiertenCashflow-KomponentenergibtdenAnleihepreis.BeieinemjährlichenKuponund
einererwartetenRenditevon5%sowieeinemNominalwertvonEUR1000beläuftsichder
AnleihepreisaufEUR1000.GehtmanvoneinerAbschlusszahlungvonEUR300zum
Fälligkeitszeitpunktaus,resultierteineAnnuitätvonEUR176,68.
17
Für die ersten 4

16
BeieinererwartetenRenditevon5%entsprichtderPreisderAnleihedemNominalwertvonEUR1000.
DieAnnuitätvonEUR230,97lässtsichbeispielsweisemitdemTexasInstrumentBAII
Plus wie folgt berechnen: N D 5, I=Y D 5, PV D  1000, FV D 0, CPT PMT.
17
Die Annuität von EUR 176,68 lässt sich beispielsweise mit dem Texas Instrument BAII Plus
folgendermaßen bestimmen: N D 5, I=Y D 5, PV D  1000, FV D 300, CPT PMT.
.6 Cashflow-StruktureinerAnleihe 419

Tab.8.2 Cashflows einer Annuitätenanleihe


Jahre Cashflows Zinszahlungen Nominalwertzah- Ausstehender Nominal-
lungen wert am Ende des Jahres
0 EUR 1000,00
1 EUR 230;97 EUR 50,00 EUR 180,97 EUR 819,03
2 EUR 230;97 EUR 40,95 EUR 190,02 EUR 629,00
3 EUR 230;97 EUR 31,45 EUR 199,52 EUR 429,48
4 EUR 230;97 EUR 21,47 EUR 209,50 EUR 219,98
5 EUR 230;97 EUR 11,00 EUR 219,98 EUR 0;00

Tab.8.3 Cashflows einer Tilgungsanleihe mit einer teilweisen Amortisierung und Abschlusszah-
lung am Fälligkeitstag
Jahre Cashflows Zinszahlungen Nominalwertzah- Ausstehender Nominal-
lungen wert am Ende des Jahres
0 EUR 1000,00
1 EUR 176;68 EUR 50,00 EUR 126,68 EUR 873,32
2 EUR 176;68 EUR 43,67 EUR 133,02 EUR 740,30
3 EUR 176;68 EUR 37,02 EUR 139,67 EUR 600,63
4 EUR 176;68 EUR 30,03 EUR 146,65 EUR 453,98
5 EUR 176;68 EUR 22,70 EUR 453;98a EUR 0;00
a
.EUR 176;68  EUR 22;70/ C EUR 300 D EUR 453;98

JahreberechnetsichdieAufteilungzwischenZins-undTilgungszahlungengenaugleichwiebei
einerAnnuitätenanleihe.SoetwabetragenamEndedes1.JahresdieZinszahlungEUR50unddie
TilgungszahlungEUR126,68(
D EUR 176;68  EUR 50). Für das 5. Jahr
kann die Zinszahlung von EUR 22,70 anhand des Nominalwerts am Ende des 4. Jahres
von EUR 453,98 ermittelt werden. Die Tilgungszahlung von EUR 453,98 ergibt sich aus der
Differenz zwischen der Annuität von EUR 176,68 und den Zinsen von EUR 22,70 plus der
AbschlusszahlungvonEUR300.Tab.8.3illustriertdieCashflowsderAnleihe.Gleichwiebeider
AnnuitätenanleihenehmenmitderZeitdieZinszahlungenabunddieTilgungszahlungenzu.Da
die Schuldverschreibung während der Laufzeit nicht vollstän- dig getilgt wird, sind der
Nominalwert und so mit die Zinszahlungen im Vergleichzu einer Annuitätenanleihe höher (mit
AusnahmedesKuponsim1.Jahr).

DieRückzahlungdesNominalwertskannbeiTilgungsanleihenkomplexerausfallen,als
hiervorgestellt.SokönnenbeispielsweisehypothekarischgesicherteSchuldverschrei-bungen
(Mortgage-backedSecurities)einevorzeitigeKündigungsoptionderzugrundelie-genden
Hypothekarkrediteenthalten,sodassderFälligkeitszeitpunktderTilgungszahlun-genim
Vorausnichtbekanntist.DieHöhederTilgungszahlungenundsomitdieCashflow-Strukturder
Anleihehängtdavonab,obundwanndieHypothekarnehmerihreetwaigeKündigungsoption
ausüben.ÜblicherweisewerdenKreditevorzeitiggekündigt,wenndie
420 Anleihen:Grundlagen

AufnahmeeinesneuenKreditszueinemgünstigerenZinssatzmöglichist(alsoineinemUmfeld
vonfallendenZinsen).
MithilfeeinerTilgungsfondsvereinbarungkönnenNominalwertrückzahlungenwäh-rend
derAnleihelaufzeitvorgenommenwerden.DieBezeichnungTilgungsfondsgehtursprünglich
aufeineLiquiditätsreservebzw.einenGeldfondszurück,derdurchGeld-mitteldesEmittenten
fürdieNominalwertrückzahlunggespeistwird.Heuteverstehtmanuntereiner
Tilgungsfondsvereinbarung,dasseinEmittentwährenddergesamtenLaufzeitoderabeinem
bestimmtenDatumjedesJahrzumBeispiel10%desausstehendenNomi-nalwertszurückzahlt.
DabeiwerdendieWertpapieredirektaufdemMarktzurückgekauftoderanhandeinerAuslosung
diezutilgendenAnleihenausgewählt.EineTilgungsfonds-vereinbarungkannauchmiteiner
vorzeitigenKündigungsoptionausgestattetwerden,diedemEmittentendasRechteinräumt,
TeilederausstehendenAnleihenvordemvorgesehe-nenTilgungszeitpunktzurückzukaufen.
DerKündigungspreisistentwederderMarktpreis,derNominalwertodereinvereinbarter
Tilgungspreis.ZumniedrigstendieserdreiPreisewirdderEmittentdieAnleihetilgen.Dabei
werdendiezurückgenommenenPapierezu-fälligausgewählt(z.B.durchAuslosung).

18

EineTilgungsfondsvereinbarunghatfürdenInvestordenVorteileinesverminderten
Kreditrisikos,daerdenNominalwertbereitswährendundnichtamEndederAnleihe-laufzeit
erhält.AllerdingsisterdemWiederanlagerisikoausgesetzt,wennerdenausdemRückkaufder
AnleiheerhaltenenGeldbetragzueinemniedrigerenZinssatzanlegenmuss.Einweiterer
möglicherNachteilbestehtdann,wenndieAnleihezueinemunterdemMarktpreisliegenden
Preiszurückgenommenwird.WirdbeispielsweisedieAnleihezueinemPreisvonüber100%
gehandeltundistdervereinbarteRückzahlungspreis100%,entstehtbeimAnlegereinVerlust.
Tab.8.4 zeigtdasBeispieleinerTilgungsfondsverein-barung,beidemderEmittenteiner
AnleihemiteinemNominalwertvonEUR100Mio.undeinerLaufzeitvon10JahrenabEndedes
6.JahresbiszumEndedes9.Jahresjähr-lich10%desausstehendenNominalwertszurückzahlt.
Demnachfindenindenersten5JahrenkeineTilgungszahlungenstatt.AmEndedes6.Jahres
beläuftsichdieNominal-wertrückzahlungaufEUR10Mio.(

D EUR 100 Mio:  0;1). Am Ende des 7. Jahres liegt


die Tilgungszahlung bei EUR 9 Mio. [D .EUR 100 Mio:  EUR 10 Mio:/  0;1]. Die letzte
Tilgungszahlung am Ende des 10. Jahres von EUR 65,61 Mio. stellt eine Abschlusszah-
lung (Balloon Payment) dar.
Finanzinstitutebietenseitdenfrühen1990er-JahrenAktien-bzw.Aktienindexanleihen
(bzw.ReverseConvertibles)an.DiesePapiereweiseneineüberdurchschnittlicheVerzin-sung
(oftmalsimzweistelligenBereich)auf,währenddieRückzahlungdesNominalwertsvom
zugrundeliegendenBasiswert–AktieoderAktienindex–abhängt.Siedienenden
MarktteilnehmerninZeitenstagnierenderAktienmärktealsAlternativezueinerdirekten
Aktienanlage,weilsieimVergleichzuherkömmlichenAnleiheneinenhöherenZinsku-pon
besitzen.DieWertpapiereunterscheidensichvonPlain-Vanilla-AnleiheninderArtder
Rückzahlung.DerNominalbetragwirdentwederalsGeldbetragzu100%odermit

18
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 699.
.6 Cashflow-StruktureinerAnleihe 421

Tab.8.4 Beispiel einer Tilgungsfondsvereinbarung


Jahre Ausstehender Zahlungen gemäß Ausstehender No- Abschlusszahlung
Nominalwert zu Tilgungsfondsver- minalwert am Ende (in Mio. EUR)
Beginn des des Jahres (in Mio.
Jahres (in Mio. EUR) einbarung (in Mio. EUR)
EUR)
0 100,00
1 bis 5 100,00 0,00 100,00
6 100,00 10,00 90,00
7 90,00 9,00 81,00
8 81,00 8,10 72,90
9 72,90 7,29 65,61
10 65,61 65,61

einer im Voraus vereinbarten Anzahl an Aktien (bzw. Indexzertifikaten bei Indexanlei- hen)
zurückgezahlt.DasFinanzinstitutverfügtüberdasWahlrechtderRückzahlungsart.Schließtam
Fälligkeitstag des Wertpapiers der Basiswertpreis über den bei der Emission festgelegten
Referenzpreis, so findet eine Barauszahlung zu 100 % des Nominalbetrags statt. Liegt der
Basiswertpreis darunter, wird das Finanzinstitut die vorgängig vereinbarte Anzahl an Aktien
bzw.Indexzertifikatenliefern.ImGegensatzzueinerAktienpositionistbeidiesemstrukturierten
Finanzprodukt der Gewinn auf den Nominalbetrag und die Kuponverzinsung begrenzt. Das
VerlustpotentialhingegenbeziehtsichaufdenPreisrück-gangderAktienposition,derdurchdie
Ei nnahmen aus den Kuponzahlungen abgefedert wird. Überschreiten zum Beispiel die
Kuponeinnahmen die Verluste auf der zugrundelie- genden Aktienposition, resultiert ein
Gewinn. Ei n Verlust ergibt sich nur, wenn der Verlust der Aktienanlage höher ist als die
Einnahmen aus den erhaltenen Kupons. Die Höhe des Kupons wird von der Volatilität des
zugrundeliegendenBasiswertpreisesundderLaufzeitderAnleihebeeinflusst.

8.6.2 Kuponstrukturen

In der Eurozone und in der Schweiz weisen die Anleihen von Staaten und Unternehmen
üblicherweise einen jährlichen Kupon auf. Demgegenüber sind in den USA, Großbritanni- en
und in den Commonwealth-Ländern wie Indien und Neuseeland halbjährliche Kupons die
Regel. Neben festen Kupons gibt es eine Vielzahl verschiedener Kuponstrukturen, die den
unterschiedlichen Bedürfnissen von Investoren und Emittenten Rechnung tragen.
Nachfolgend werden variabel verzinsliche Anleihen und Sonderformen von Anleihen wie
beispielsweise Step-up-Anleihen beschrie ben, die sich hinsichtlich der Kuponstruktur un-
terscheiden.
422 Anleihen:Grundlagen

8.6.2.1 VariabelverzinslicheAnleihen
VariabelverzinslicheAnleihenbzw.FloatingRateNotesbesitzenkeinenfestenKupon.Vielmehristdie
Kuponzahlung von einem Referenzzinssatz abhängig, dessen Wert mit der Zeit variiert. Die am
weitestenverbreitetenvariabelverzinslichenAnleihensindGeldmarkt-Floater,beidenensichderRef
erenzzinssatzaufeinenGeldmarktindexwieetwaEURIBORoderLIBORbezieht.DieLaufzeitdes
ReferenzzinssatzesliegtinderRegelbei3oder6Monatenunddauertmaximal1Jahr.DerKuponwirdan
jedemZins-zahlungsterminneufestgelegt.DabeiwirdzumReferenzzinssatzeinSpreadhinzugezählt
oderabgezogen.DerSpreadwirdauchalsQuotedMarginbezeichnetundinBasispunk-tenangegeben.Er
wird zum Emissionszeitpunkt festgelegt und bleibt üblicherweise über die gesamteLaufzeit des
Floaterskonstant.DieHöhederQuotedMarginhängtvonderKreditwürdigkeitdesEmittentenab.Sie
kannauchnegativsein,wenndasRatingdesReferenzzinssatzesschlechteralsdasjenigedesEmittenten
ist.

ImGegensatzzuPlain-Vanilla-AnleihenmiteinemfestenKuponsindvariabelver-zinsliche
AnleihenwenigerstarkvomZinsänderungsrisikobetroffen,weilderenKuponzuBeginnder
nächstenZinsperiodebeieinerZunahmedesReferenzzinssatzessteigt,sodassderhöhere
KupondennegativenDiskontierungseffektausgleicht,derwegenderhöherenerwarteten
Renditebzw.desDiskontsatzesentsteht.SindKuponunderwarteteRenditegleichgroß,beträgt
derPreisderAnleihe100%.DaherlohntsichderKaufvonGeldmarkt-Floatern,wennsteigende
ZinssätzeimkurzfristigenBereichderZinsstruktur-kurveerwartetwerden.Einenweiteren
RisikofaktorstelltdasKreditrisikodesEmittentendar.NimmtdasKreditrisikozu,bleibtzwar
derKuponkonstant,aberdieerwarteteRen-ditesteigt,sodassderPreisdesWertpapiersfällt.
SomitübtdasKreditrisikodengrößtenEinflussaufdenPreiseinervariabelverzinslichen
Anleiheaus.

ZuBeginnjederZinsperiodewirdderReferenzzinssatzneufestgelegt.Dabeierfolgtdie
Feststellung(Fixing)desReferenzzinssatzesinAbhängigkeitvonderHandelsusance2bis3
GeschäftstagevorBeginnderjeweiligenZinsperiode,währendderKuponamEndederPeriode
bezahltwird.FälltderBeginnoderdasEndeeinerZinsperiodeaufeinWo-chenendeodereinen
Feiertag,soverlängertoderverkürztsichentsprechenddiePeriode,waseinenEinflussaufdie
HöhederKuponauszahlunghat.DieBestimmungderAnzahlanTagenhängtvonden
Day-Count-KonventionendeszugrundeliegendenZinssatzindexab.Handeltessichumeinen
GeldmarktindexwieetwaEURIBORoderLIBORerfolgendieBerechnungenmittagesgenau

= 360 Tage. Dabei kann der Kuponsatz für die Periode


t wie folgt bestimmt werden:
 
aktuelle Tage
KSt D .RZt C QM/ ; (8.1)
360 Tage

wobei:

KSt D Kuponsatz für die Periode t,


RZt D Referenzzinssatz für die Periode t,
QM D Spread bzw. Quoted Margin.
.6 Cashflow-StruktureinerAnleihe 423

Beispiel
Berechnung des Kupons für variabel verzinsliche Anleihe der Daimler AG
Ein Analyst hat die folgenden Stammdaten zur Emission der variabel verzinslichen Anleihe
derDaimlerAGvon2016bis2019zusammengetragen:

Emittent Daimler AG
ISIN DE000A169GZ7
Kurzbezeichnung Daimler AG 16/19 FRN
Währung EUR
Stückelung EUR 100:000
Emissionsvolumen EUR 1,25 Mrd.
Emissionstag 12. Januar 2016
Emissionskurs 100 %
Kupon Referenzzinssatz: 3-Monats-EURIBOR
Quoted Margin: 53 Basispunkte
Zahlung: vierteljährlich
Zinsfestlegungstag: 2 Geschäftstage vor Periodenbeginn
Day-Count-Konvention: tagesgenau = 360
Zinstermine Jeweils am 12. Januar, 12. April, 12. Juli und 12. Oktober
Beginn Zinslauf 12. Januar 2016
Fälligkeit 12. Januar 2019

2 Geschäftstage vor dem 12. Januar 2016 liegt der 3-Monats-EURIBOR-Satz bei
 %.WiehochistderersteKupon,deram12.April2016ausbezahltwird?0;143

Lösung
Der Kuponsatz von 0,387 % syetzt sich aus dem 3-Monats-EURIBOR-Satz von
0;143 % und der Quoted Margin von 0,53 % zusammen:

KS D 0;143 % C 0;53 % D 0;387 %:

Die erste Zinsperiode dauert 91 Tage.19 Der vierteljährliche Kuponsatz von 0,097825 %
lässt sich wie folgt ermitteln:
 
91 Tage
KS91 Tage D 0;387 %  D 0;097825 %:
360 Tage
Beträgt zum Beispiel der Nominalwert EU R 1 Mio., resultiert daraus am 12. April 2016
ein Kupon von EUR 978,25 (D EUR 1:000:000  0;00097825).

VariabelverzinslicheAnleihenkönnenbeimKuponeineUntergrenze(Floor)undeineObergrenze
(Cap)besitzen.DerSinneinerUntergrenzebestehtdarin,dassvomInves-torkeineNachzahlung
verlangtwird,wennderKuponsatzunter0%fällt.Daskannbei

19
Das Jahr 2016 war ein Schaltjahr.
424 Anleihen:Grundlagen

negativen Referenzzinssätzen und/oder bei Emissionen mit einem negativen Spread re- levant
werden. Im Gegensatz dazu schützt eine Kuponobergrenze den Emittenten gegen steigende
Zinskosten.SozumBeispielkanneinevariabelverzinslicheAnleihemiteinerKuponobergrenze
von4%ausgestattetwerden.LiegtderReferenzzinssatzbei3,5%unddieQuotedMarginbei0,75
%, ergibt sich ein Kuponsatz von 4,25 %. Da der Kuponsatz von 4,25 % die Obergrenze von 4 %
überschreitet, erfolgt eine Auszahlung in der Höhe der niedrigeren Cap-Rate von 4 %. Eine
AnleihemiteinemCollarbesitztsowohleinenFlooralsaucheinenCap.

BeieinervariabelverzinslichenAnleihenimmtderKuponsatzzu(ab),wennderRefe-
renzzinssatzsteigt(fällt).EsgibtauchFloater,beidenensichderKuponsatzundderRe-
ferenzzinssatzindieentgegengesetzteRichtungbewegen.SolcheSchuldverschreibungen
werdenalsInverseFloaterbezeichnet.SiesindineinemUmfeldvonfallendenZinssätzen
attraktiv,daaufgrunddeshöherenKuponsdieRenditeaufdenWertpapierensteigt.Der
KuponsatzlässtsichbeieinemInverseFloaterwiefolgtberechnen:

KSt D X  Y RZt ; (8.2)

wobei:

X und Y D Parameter, die bei der Emission festgelegt werden,


RZt D ReferenzzinssatzfürdiePeriodet.

Sind zum Beispiel bei einem bestimmt en Inverse Floater die Parameter X D 10 % und
Y D 2 und der Referenzzinssatz 3 %, ergibt sich ein Kuponsatz von 4 %:

KSt D 10 %  2  3 % D 4 %:

FälltetwaamnächstenZinsterminderReferenzzinssatzauf2%,soerhöhtsichderKu-ponsatzauf
6%:

KSt D 10 %  2  2 % D 6 %:

Überschreitet der Referenzzinssatz die 5 %-Marke, resultiert aus der oben stehenden For- mel
ein negativer Kupon. Um dies zu verhindern, wird üblicherweise ein Floor definiert. Des
Weiteren nimmt bei einem negativen Referenzzinssatz der Kuponsatz bei einem Inver- se
Floaterzu.Soetwabeträgtam8.Januar2016der3-Monats-EURIBOR-Satz
0;14 %,
was im Beispiel zu einem Kuponsatz von 10,28 % [D 10 %  2  .0;14 %/] führt.
Auf dem Markt existiert eine Vielzahl von Kuponformeln. Sie ermöglichen dem Emit-
tenten, die Zinskosten zu senken. Die aus der Kuponformel entstandene Risikoexposition
.6 Cashflow-StruktureinerAnleihe 425

wird mit Derivaten abgesichert. Auf diese Weise erhält der Emittent die benötigte Fi-
nanzierungsstruktur (fest oder variabel) . Ungewöhnliche Kuponformeln findet man in
strukturiertenAnleihen. 20

8.6.2.2 Step-up-Anleihen
Bei Step-up-Anleihen (Stufenzinsanleihen) nimmt mit der Zeit der feste oder variable
KuponsatzumeinenfestvereinbartenProzentsatzzu.WirdderKuponlediglicheinmalwährend
derAnleihelaufzeiterhöht,sprichtmanvoneinerSingle-Step-up-Anleihe.Stei-gendieKupons
hingegen mehrmals, handelt es sich um eine Multi-Step-up-Anleihe. Ein Beispiel einer
Multi-Step-Schuldverschreibung ist die DekaBank-Anleihe mit einer Lauf- zeit von 2017 bis
2026 (ISIN von DE000DK0KTF0), bei der der Anfangskupon von 0,5 % jedes Jahr um 0,10 %
steigt. In der letzten Zinsperiode nimmt der Kupon um 0,30 % zu und beträgt 1,50 %. Wird bei
einer Stufenzinsanleihe die Form einer variabel verzinsli- chen Anleihe gewählt, steigt die
QuotedMarginumeinenfestvereinbartenProzentsatz,währendderReferenzzinssatzkonstant
bleibt.

Step-up-AnleihengewährendemInvestoreinenSchutzgegensteigendeZinssätze.Oft-mals
werdendieseSchuldverschreibungenmiteinemKündigungsrechtfürdenEmittenten
ausgestattet.IneinemUmfeldvonsteigendenZinssätzennimmtdieWahrscheinlichkeitab,dass
derEmittentdieausstehendeAnleihekündigt.Diesgiltinsbesonderefürfestver-zinsliche
Papiere.SomiterhaltendieInvestoreneinenhöherenKupon,dermitdemhöhe-renZinsumfeld
übereinstimmt.FallenhingegendieZinssätzeoderbleibensiekonstant,dannstelltdie
StufenzinserhöhungfürdenEmittenteneinenAnreizdar,dieausstehendeAnleihezukündigen.
BeieinervorzeitigenRücknahmedesWertpapierskönnenZinskos-teneingespartwerden.
AllerdingskannnichtinjedemFallvoneinerRückzahlungderSchuldverschreibung
ausgegangenwerden.DerEmittentkannauchentscheiden,dieaus-stehendeAnleihenicht
vorzeitigzurückzunehmenundsohöhereZinskostenzutragen.MöglicheSzenarienfürdieses
VerhaltensindeineFinanzkrise,dieeineRefinanzierungaufdemKapitalmarkterschwert,oder
eineVerschlechterungderBonität,diebeieinerKapitalaufnahmehöhereZinskostenzurFolge
hat.ObwohlkeineKündigungspflichtvoreinerKuponerhöhungineinemfallendenoder
stagnierendenZinsumfeldbesteht,gehendieInvestorenimplizitdavonaus,dassineinem
solchenUmfelddasKündigungsrechtausgeübtwird.ErfolgtdieRücknahmedesWertpapiers
nicht,wirddasüblicherweisevondenMarktteilnehmernalseinnegativesSignalverstanden,
wassichnachteiligaufdieNachfragenachPapierendesEmittentenauswirkt.

8.6.2.3 InflationsindexierteAnleihen
Inflationsindexierte Anleihen (Linkers) gewähren dem Investor einen Schutz gegen In- flation.
DabeiwerdenderKuponund/oderderNominalwertmiteinemInflationsindex

20
UnterstrukturiertenAnleihenverstehtmanverzinslicheWertpapiere,dieimVergleichzuPlain-
Vanilla-AnleihenindividuelleMerkmaleinBezugaufdieNominalwert-und/oderZinszahlung
aufweisen. Beispiele hierfür sind Credit Linked Notes, Zinsstrukturanleihen, Anleihen mit Bonus-
zahlungenundAktienanleihen.
426 Anleihen:Grundlagen

angepasst.BeimIndexhandeltessichmeistensumeinenVerbraucherpreisindex.Nimmtdieser
während der Laufzeit der Anleihe zu, steigen die Kupon- und/oder Tilgungszah- lungen. Der
Umfang des Inflationsschutzes hängt vom zugrundeliegenden Inflationsindex ab. Ist dieser
beispielsweise ein Konsumentenpreisindex, ist man lediglich gegen einen Preisanstieg der
darinenthaltenenGüter,nichtaberandererGüterabgesichert.

ÖffentlicheInstitutionenspielenbeiderEmissioninflationsgeschützterAnleiheneine
wichtigeRolle.GroßbritannienwareinesdererstenentwickeltenLänder,dasimJahre1981
Inflation-Linked-Anleihenbegebenhat.DabeiistdieEntwicklungdesInflationsin-dexanden
UKRetailPriceIndex(RPI)gekoppelt.ImJahre1997hatdasUSTreasurydamitbegonnen,
TreasuryInflation-ProtectedSecurities(TIPS)zuemittieren,derenCash-flowsvomVerlauf
desUSConsumerPriceIndex(CPI)abhängigsind.
21
Mittlerweile
werden inflationsgeschützte Anleihen nicht nur von der öffentlichen Hand, sondern ver-
mehrt auch von Kreditinstituten und Unternehmen ausgegeben.
EsgibtverschiedeneMethoden,umdieCashflowseinerSchuldverschreibungmitder
Inflationzuverknüpfen.DieVerbindungkanndurchKuponzahlungen,Nominalwertzah-
lungenoderdurchbeideCashflow-Komponentenerfolgen.DiefolgendenAusprägungenvon
inflationsgeschütztenAnleihenillustrierendieunterschiedlichenVerknüpfungsartenvon
CashflowsmitdemInflationsindex:

 Inflationsindexierte Nullkupona nleihen: Da diese Wertpapiere keinen Kupon bezahlen,


wirdlediglichderNominalwertamFälligkeitstagmiteinemInflationsindexangepasst.
 Kuponindexierte Anleihen: Die periodischen Kuponzahlungen werden mit einem Infla-
tionsindex adjustiert, während ein fester Nominalwert (ohne Inflationsanpassung) zum
Fälligkeitszeitpunkt ausbezahlt wird. Dieser A nleihetyp wurde beispielsweise in den
1980er-JahrenvonderaustralischenRegierungvorübergehendbegeben.

 Kapitalindexierte Anleihen: Die Zinszahlung wird mithilfe eines festen Kuponsatzes


bestimmt, der mit dem inflationsangepassten Nominalwert multipliziert wird. Auf diese
Weise werden sowohl die Zins- als auch die Tilgungszahlungen mit einem Inflations- index
korrigiert. Dieser Anleihetyp wird von Regierungen in Australien, Deutschland, Kanada,
Neuseeland,GroßbritannienunddenUSAemittiert.

 IndexierteAnnuitätenanleihen:HierbeihandeltessichumTilgungsanleihen,beide-nendie
Annuitätenzahlungen bestehend aus Zins- und Tilgungszahlungen mit einem
Inflationsindex angepasst werden. Dieser Anleihetyp wurde beispielsweise von Regio-
nalregierungeninAustralienausgegeben.

Nachfolgend werden kapitalindexierte Anleihen am Beispiel der inflationsindexierten


deutschen Bundesanleihen (ILB) beschrie ben, die Ursprungslaufzeiten von 5 Jahren
(iBobls) bis mehr als 10 Jahre (iBunds) aufweisen. Grundsätzlich ergibt sich der Kupon der
BundesanleiheausdeminflationsbereinigtenNominalwertmultipliziertmitdembei

21
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 706.
.6 Cashflow-StruktureinerAnleihe 427

der Emission festgelegten Kuponsatz:

Kt D KS NW .1 C INFL/ ; (8.3)

wobei:

Kt D Kupon für die Periode t,


KS D Kuponsatz,
NW D Nominalwert,
INFL D Inflationsrate.

Betragen beispielsweise der feste Kuponsatz 2 % und der Nominalwert EUR 100, resul- tiert bei
einerInflationsratevon4%einKuponvonEUR2,08[ D 0;02  EUR 100  .1 C
0;04/]. Der feste Kuponsatz der inflationsindexierten Bundeswertpapiere stellt einen rea-
len Zinssatz dar. Er wird zum Emissionszeitpunkt festgelegt und ist in einem inflationären
Umfeld verglichen mit dem Kupon von klassischen Bundesanleihen ohne Inflationsschutz
niedriger, da diese zum Begebungszeitpunkt einen nominalen und nicht einen realen Ku- pon
besitzen. Somit verkörpert der niedrigere reale Kuponsatz der inflationsindexierten
Bundesanleihen den Preis für den Kaufkraftschutz. Zusätzlich zu den Kupons wird auch der
Nominalwert bei Fälligkeit mit dem In flationsindex angepasst. Für die Berechnung der
Cashflows von inflationsindexierten Bundeswertpapieren sind folgende Punkte zu be-
rücksichtigen:

22

 DerNominalwertistandieEntwicklungeinesInflationsindexgekoppelt.Allerdingswirdein
Nominalwert von mindestens 100 % zurückgezahlt. Die Untergrenze von 100 % schützt
InvestorengegeneineDeflation.
 Es wird ein fester Kuponsatz zum Emissionszeitpunkt bestimmt, der sich mit der Infla-
tionsentwicklung verändert. Dabei werden die Kupons anhand des i nflationsangepass- ten
Nominalwerts ohne Untergrenze von 100 % festgelegt. Herrscht eine Deflation, wirkt sich
dies negativ auf den Kupon aus. Investoren sind demnach dem Deflationsri- siko ausgesetzt.
AllerdingssindnegativeKuponsnichtmöglich.

 Der Inflationsindex ist der unrevidierte harmonisierte Verbraucherpreisindex ohne Ta- bak
(HVPI ohne Tabak). Dieser europäische Verbraucherpreisindex wird vom Statisti- schen
AmtderEuropäischenUnion(Eurostat)monatlichberechnet. 23
Der monatliche
HVPI ohne Tabak wird mit einer Zeitverzöge rung von 2 bis 3 Monaten veröffentlicht.
Daher besteht eine Inflationsverzögerung bei der Berechnung des Kupons.

22
Vgl.BundesministeriumderFinanzen 2015:BekanntmachungderEmissionsbedingungenfürin-
flationsindexierteBundesanleihenundinflationsindexierteBundesobligationenvom2.Juni2015,
§ 2 und § 3.
23
Vgl. http://ec.europa.eu/eurostat.
42 Anleihen:Grundlagen

Der Kupon der inflationsindexi erten Bundeswertpapiere lässt sich wie folgt ermitteln:
 
IIt
Kt D KS NW ; (8.4)
IIBasis

wobei:

IIt D WertdesInflationsindexamZinszahlungstagt,Wertdes
IIBasis D InflationsindexbeiEmission(Basisindex).

Der Ausdruck (1 C INFL) von ( 8.3 ) wird in der oben stehenden Gleichung durch eine
Index-Verhältniszahl ersetzt, die aus dem Q uotienten zwischen dem Inflationsindex am
Zinszahlungstag und dem Inflationsbasisindex zum Emissionszeitpunkt besteht.24 Dies
gewährleistet eine jährliche Realverzinsung in Höhe des festen Kuponsatzes. Der Wert des
Inflationsindex am Tag der Kuponzahlung lässt sich aufgrund der Zeitverzögerung bei der
Veröffentlichung des HVPI ohne Tabak durch lineare Interpolation mit folgender Formel
bestimmen:
25

 
d1
IIt D HVPIm3 C .HVPIm2  HVPIm3 / ; (8.5)
D

wobei:

HVPIm3 D Wert des Inflationsindex des dritten Monats vor dem Monat m, an dem die
Zinszahlung folgt,
HVPIm2 D Wert des Inflationsindex des zweiten Monats vor dem Monat m, an dem die
Zinszahlung stattfindet,
d D Settlement-Tag im Monat m (vom ersten Tag des Monats bis zum Zinszah-
lungstag),
D D Anzahl der Tage des Monats m, in den der Zinszahlungstag fällt.

DieZinszahlungerfolgtimMonatm.ZuBeginndesMonatsmistderHVPIohneTa-baklediglich
fürdieMonate  2 und m  3 bekannt,sodassdiesebeidenWerteinm
die Kuponberechnung einfließen. Durch diese Zeitverzögerung ist die Inflation nicht voll-
ständig im Kupon eingebunden. Der Wert des Inflationsindex am Zinszahlungstag und der

24
DieInflationsentwicklunglässtsichanhandderIndex-Verhältniszahlnachvollziehen.SiewirdamTag
deserstenZinslaufbeginnsaufdenWertvon1gesetztunddanachentsprechendandie
Inflationsentwicklung angepasst. So kann mithilfe der Index-Verhältniszahl abgelesen werden, wie sich
dieInflationseitdemerstenZinslaufbeginndesBundeswertpapiersentwickelthat.
25
Vgl.BundesministeriumderFinanzen 2015:BekanntmachungderEmissionsbedingungenfürin-
flationsindexierteBundesanleihenundinflationsindexierteBundesobligationenvom2.Juni2015,
§ 2 Abs. 3.
.6 Cashflow-StruktureinerAnleihe 429

Wert der Inflationsindexbasis werden g emäß den Emissionsbedingungen des Bundesmi-


nisteriums der Finanzen auf 6 Dezimalstelle n gerundet, während die daraus resultierende
Index-Verhältniszahl(II
t =IIBasis ) auf 5 Dezimalstellen zu kürzen ist.
Bei Fälligkeit wird die infla tionsindexierte Bundesanleihe zu einem Preis von 100 %
gehandelt, sodass der Rückzahlungsbetrag bei einer eingetretenen Inflation (also IIT >
IIBasis ) mit folgender Formel berechnet werden kann:26
 
IIT
Rückzahlungsbetrag D NW ; (8.6)
IIBasis

wobei:

NW D Nominalwert der Bundesanleihe,


IIT D Wert des Inflationsindex am Fä lligkeitstag der Bundesanleihe.

Beispiel
BerechnungdesKuponsfürdie0,50%inflationsindexierteBundesanleihevon2014bis
2030
Für die inflationsindexierte deutsche Bundesanleihe mit einem Kupon von 0,50 % und einer
Laufzeitvon2014bis2030liegendiefolgendenStammdatenvor:

Emittent Bundesrepublik Deutschland


ISIN DE0001030559
Art Inflationsindexiertes Bundeswertpapier
Laufzeitsegment 15 Jahre
Währung EUR
Stückelung EUR 0,01 (kleinste handelbare Einheit)
Emissionsvolumen EUR 7 Mrd.
Emissionstag 8. April 2014
Kupon 0,5 % fest, jährliche Zahlung
Day-Count-Konvention Tagesgenau = tagesgenau ICMA
Beginn Zinslauf 10. April 2014
Erster Zinstermin 15. April 2015
Fälligkeit 15. April 2030

DerHVPIohneTabakbeträgtfürdenJanuar2015115,15undfürdenFebruar2015115,89.
ZumEmissionszeitpunktlagderHVPIohneTabakbei116,035(Basisindex).Wiehochistdie
ersteKuponzahlungderAnleiheam15.April2015beieinemNomi-nalwertvonEUR
100:000?

26
Bei einer Deflation wird mindestens der Nominalwert von 100 % zurückbezahlt.
430 Anleihen:Grundlagen

Lösung
Der Inflationsindex am Tag der Kuponzahlung von 1,154953 lässt sich wie folgt ermit- teln:
 
15  1
IIt D 1;1515 C .1;1589  1;1515/  D 1;154953:
30
Die Index-Verhältniszahl von 0,99535 ergibt sich aus dem Wert des Inflationsindex am
TagderZinszahlungdividiertdurchdenWertderInflationsindexbasiszumEmissions-zeitpunkt:

1;154953
Index-Verhältniszahl D D 0;99535:
1;160350
Somit beträgt die Inflationsrate in der ersten Zinsperiode 0;465 % (D 1  0;99535).
Da der Zinslauf am 10. April 2014 beginnt, umfasst die Zinsperiode 370 Tage. Bei
einem realen Kuponsatz von 0,5 % resultiert für das Jahr 2015 eine Kuponzahlung von EUR
504,49:
 
370 Tage
Kt D 0;005   EUR 100:000  0;99535 D EUR 504;49:
365 Tage

Die nominale Verzinsung liegt infolge der negativen Inflation unterhalb des realen Ku-
ponsatzesvon0,5%bei0,4978%( D 0;5 %  0;99535).

8.6.2.4 WeitereKuponstrukturen
Eine weitere Ausprägung von Kuponstrukturen stellen Credit-Linked-Kuponanleihen dar. Bei
diesen Schuldverschreibungen variiert der Kupon mit den Ratingveränderungen des
Emittenten. So zum Beispiel kann der Kuponsatz so ausgestaltet werden, dass ein zum
EmissionszeitpunktfestgelegterKuponvonbeispielsweise4%um40Basispunktesteigt,wenn
eine Herabstufung des Kreditratings durch eine Ratingagentur wie etwa Standard & Poor’s oder
Moody’s erfolgt. Bei einer Höherstufung des Ratings hingegen nimmt der Kuponsatz um 40
Basispunkte ab. Solche Papiere sind für Anleger attraktiv, die in der Zukunft von einer
Bonitätsverschlechterung des Emittenten ausgehen. Darüber hinaus können die Wertpapiere
generell einen Schutz gegen einen Rückgang der Wirtschaftskon- junktur gewähren, da die
KreditratingsineinerRezessiontendenziellfallen.DasRisikobestehtdarin,dasseineZunahme
des Kupons infolge einer Rückstufung des Ratings dazu führen kann, dass sich die finanzielle
Lage des Emittenten verschlechtert, was eine weitere Ratingabstufung oder auch den
ZahlungsausfalldesEmittentenzurFolgehabenkann.

BeieinerPayment-in-Kind-KuponanleiheerfolgtdieAuszahlungdesKuponsinFormeiner
zusätzlichenAnleiheemission(oderinFormvonAktien)anstattmitGeld.SolcheAnleihen
werdenvonEmittentenbegeben,dieinderZukunftCashflow-Problemehabenkönnen,diezum
BeispielimZusammenhangmiteinemLeverageBuyout(Unternehmens-kaufmit
Fremdkapital)auftretenkönnen.FürdashöhereRisikoerhaltendieAnlegereinehöhere
Renditeentschädigung,diesichdurcheinenhöherenKuponund/odereinennied-rigeren
Kaufpreisäußert.
.7 AnleihenmiteingebettetenOptionen 431

Ein weiteres Instrument mit einer besonderen Kuponausprägung sind Deferred-


Kuponanleihen, die für eine bestimmte Anzahl an Jahren keine Zinszahlungen gewähren.
Nach Ende dieser Sperrfrist werden peri odisch Kupons bis zum Fälligkeitszeitpunkt der
Anleihebezahlt.ImGegensatzzueinerPlain-Vanilla-Anleihe,beiderdieZinszahlun-gennicht
aufgeschoben werden, sind die K upons als Kompensation für die entgangenen Zinseinnahmen
währenddererstenJahrehöher.Deferred-KuponanleihenwerdenvonEmittentenausgegeben,
die Geld für ihre geschäftliche Tätigkeit benötigen, weil die Zinszahlungen aufgeschoben
werden und so Teile der betrieblichen Cashflows nicht für die Fremdkapitalbedienung
eingesetzt werden müssen. Für Anleger können diese Instru- mente attraktiv sein, da sie
üblicherweise zu einem wesentlichen Abschlag vom Par-Wert gehandelt werden. Darüber
hinaus kann die Kuponstruktur der Schuldverschreibungen für das Management von Steuern
interessant sein, da die Zinseinnahmen erstin einigen Jahren anfallen. Allerdings hängt dies von
der steuerlichen Gesetzgebung ab. So können Steuern auch auf aufgeschobene Zinseinnahmen
erhobenwerden,obwohlsieerstzueinemspäterenZeitpunkttatsächlichanfallen.

EineNullkuponanleihekannalsSpezialfalleinerDeferred-Kuponanleihebetrachtet
werden.DieseSchuldverschreibungenbezahlenkeinenKuponundwerdenzueinemsehr
niedrigenDiskontpreisemittiert.AmFälligkeitstagderAnleihenerhältderInvestorden
Nominalwertausbezahlt.SomitwerdensämtlicheKuponsaufgeschobenundzumFällig-
keitszeitpunktdesPapiersentrichtet.

8.7 AnleihenmiteingebettetenOptionen

DerWertpapierprospektkannEventualklauselnenthalten,diebeimEintreteneinesbe-stimmten
Ereignisses oder Umstands zu einer im Voraus vereinbarten Handlung der Ver- tragsparteien
führen kann. Dazu gehören eingebettete Optionen, die dem Emittenten oder dem Investor das
Rechteinräumen,einebestimmteHandlungzuergreifen,wenneinbe-stimmtesEreignisoderein
bestimmter Umstand eintritt. Sokönnen Anleihen vorzeitig durch den Emittenten oder Investor
gekündigt oder vom Investor in Aktien umgetauscht werden. Im Folgenden werden Callable
Bonds, Putable Bonds und Wandelanleihen be- schrieben, die allesamt Anleihen mit ei
ngebettetenOptionenzugunstendesEmittentenoderdesInvestorsdarstellen.

8.7.1 CallableBonds

Esistnichtunüblich,dassAnleihenmitKündigungsrechtenausgestattetwerden.Dabeistelltdas
Kündigungsrecht die am weitesten verbreitete Option bei Schuldverschreibun- gen dar. Ein
CallableBondräumtdemSchuldnerdasRechtein,diegesamteoderTeileeinerAnleiheemission
vor dem vorgesehenen Fälligkeitstermin zu tilgen. Die in der An- leihe eingebettete
KündigungsoptionschütztdenEmittentenvorfallendenZinsen.Wenn
432 Anleihen:Grundlagen

die Zinssätze auf dem Markt zurückgehen oder sich die Schuldnerqualität verbessert, wird der
Emittent die teuer gewordene kündbare Anleihe durch eine neue günstigere Schuld-
verschreibung ersetzen. Auf diese Weise kann sich der Schuldner zu einem niedrigeren
Kostensatz auf dem Kapitalm arkt refinanzieren. Zum Beispiel begibt ein Unternehmen eine
kündbare Anleihe mit einem Kuponsatz von 3,75 %, der sich aus dem risikolosen Zinssatz von 3
% und einer Risikoprämie bzw. Spread von 75 Basispunkten zusammen- setzt. Während der
Laufzeit des Wertpapiers ist der risikolose Zinssatz auf 2 % gesunken unddie Schuldnerqualität
hatsichnichtverändert,sodasseineneueAnleiheemissionzumPar-WerteinenKuponvon2,75
%(

D 2 % C 0;75 %) aufweist. Kündigt der Emittent die


ausstehende Anleihe mit einem Kupon von 3,75 % und ersetzt sie durch eine neue günsti-
gere Schuldverschreibung, die eine Verzinsung von 2,75 % besitzt, kann das Unternehmen
Kapitalkostenvon1%einsparen.BeieineroptionsfreienAnleihe,dienichtkündbarist,mussdas
Unternehmen weiterhin den hohe n Kupon bezahlen und kann so vom fallenden Zinsumfeld
nichtprofitieren.

DerEmittentdesCallableBondsbesitztdieKündigungsoption.Dafürbezahltereine
OptionsprämieandenAnleihekäufer.DiePrämiewirdnichtinbarentrichtet,sonderninder
FormeinesniedrigerenKaufpreisesund/oderhöherenKuponsüberwiesen.So-mitverfügtein
CallableBondimVergleichzueineroptionsfreienAnleiheübereinehöhereRendite.Allerdings
istderInvestordemRisikovonfallendenZinssätzenausge-setzt,dabeieineretwaigen
KündigungdaserhalteneGeldzueinemniedrigerenZinssatzangelegtwerdenmuss.Zusätzlich
zumWiederanlagerisikoisterauchdemPreisrisikoausgesetzt.GehendieZinssätzezurück,
konvergiertderPreisdesCallableBondsgegendenKündigungspreis,währendeine
optionsfreieAnleiheeinenvergleichsweisehöherenPreisanstiegverzeichnet.Die
Marktteilnehmersindnichtbereit,fürdenCallableBondeinenhöherenPreisalsden
Kündigungspreiszubezahlen,wennessehrwahrscheinlichist,dassderEmittentdasPapier
zurückkaufenwird.LiegtzumBeispielderRückzah-lungspreisbei100%undwirdeine
vergleichbareoptionsfreieSchuldverschreibungzueinemPreisvon112%gehandelt,verliert
derInvestorimVergleichzueinerAnleiheoh-neKündigungsrecht12%.

EinCallableBondstellteinstrukturiertesFinanzproduktdar,dasfürdenInvestorauseiner
LongoptionsfreienAnleiheundeinerShort-Call-Optionbesteht.SomitlässtsichderPreisdes
kündbarenWertpapiersbestimmen,indemvomPreisderLongoptionsfreienAnleihederPreis
derShort-Call-Optionabgezogenwird:

BCB;0 D B0  c0 ; (8.7)

wobei:

BCB;0 D Preis des Callable Bonds,


B0 D Preis der optionsfreien Anleihe,
c0 D Preis der Call-Option (Zinsoption).
.7 AnleihenmiteingebettetenOptionen 433

Bei einem Rückgang der Zinssätze erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Emit- tent die
Call-Option ausübt, sodass der Preis der Call-Option zunimmt. Außerdem steigt in einem
solchen Zinsumfeld der Preis der optionsfreien Anleihe. Demnach nimmt der Preis des Callable
Bondsweniger stark zu alsderPreis einervergleichbarenoptionsfreienAnleihe.DerInvestor ist
somit neben dem Wiederanlagerisiko auch mit dem Preisrisiko konfrontiert. In einem Umfeld
von steigenden Zinssätzen hingegen ist es sehr unwahr- scheinlich, dass der Emittent die
Schuldversc hreibung vorzeitig tilgt, sodass der Preis der Call-Option abnimmt und gegen null
geht. Demzufolge verhält sich der Preis eines Callab- le Bonds gleich wie der Preis einer
optionsfreienAnleihe.EinWiederanlagerisikobestehtineinemsolchenZinsumfeldnicht.

Details wie der Kündigungspreis und -termin finden sich im Wertpapierprospekt. Der
Kündigungszeitplan kann mehrere Preise und Zeitpunkte beinhalten. Die Kündigungs-
termine fallen in der Regel mit den Kuponzahlungsterminen zusammen. Anleihen mit
mehreren Kündigungsterminen kommen häufiger vor als solche mit nur einem Kündi-
gungstermin. Nicht selten werden Callable Bonds für die ersten Jahre ihrer Laufzeit mit
einem Kündigungsschutz versehen. Während die ser Zeitperiode kann der Emittent das
Papier nicht kündigen. Der befristete Kündigungsschutz wird im Wertpapierprospekt ein-
gefügt, um einen Anreiz für die Marktteilnehmer zu schaffen, das Wertpapier zu kaufen.
mit Sitz in den Niederlanden eine 6,5 % Zum Beispiel hat die Selecta Group B. V.

kündbare Anleihe von 2014 bis 2020 begeben, deren Stammdaten nachstehend aufgeführt
sind:

Emittent Selecta Group B. V.


ISIN XS1078234330
Art Kündbare Unternehmensanleihe
Währung EUR
Stückelung EUR 1000
Emissionsvolumen EUR 350 Mio.
Emissionstag 20. Juni 2014
Kupon 6,5 % fest, halbjährliche Zahlung
Beginn Zinslauf 20. Juni 2014
Erster Zinstermin 15. Dezember 2014
Fälligkeit 15. Juni 2020
Kündigungsrecht Per 15. Dezember 2016 zu 103,25 %, per 15. Juni 2017 zu 101,625 % und
per15.Juni2018zu100%desNominalwerts

kanndieSchuldverschreibungandreiTerminenzuunter-Die
SelectaGroup
schiedlichen B.V.kündigen. Die erste Kündigungsmöglichkeit besteht rund 2,5 Jahre nach
Preisen
der Emission zu einem Preis von 103,25 % des Nominalwerts. Der letzte Kündi- gungstermin
vom15.Juni2018siehteinenKündigungspreisvon100%vor.WirddieAnleihevorzeitiggetilgt,
werdendieZinszahlungeneingestellt,undderInvestorkannvonetwaigenKurssteigerungendes
Papiersnichtmehrprofitieren.
434 Anleihen:Grundlagen

Die Ausübungsarten der in einer Anleihe eingebetteten Kündigungsoption können wie


folgt zusammengefasst werden:

 Amerikanische Call-Option: Der Schuldner hat das Recht, die Anleihe nach dem ersten
Kündigungsterminjederzeitzukündigen.
 Europäische Call-Option: Der Emittent kann die Schuldverschreibung lediglich an ei- nem
bestimmtenKündigungstermintilgen.
 Bermuda-Style-Call-Option: Der Schuldner hat das Recht, die Anleihe an mehreren im
VorausvereinbartenTerminenzukündigen.DieKündigungstermineliegenübli-cherweise
auf den Kuponzahlungsterminen (siehe z. B. die 6,5 %-Anleihe der Selecta Group B. V.von
2014bis2020).

8.7.2 PutableBonds

Ein Putable Bond besitzt eine eingebettete Put-Option, die dem Käufer das Recht ein- räumt, das
Wertpapier dem Emittenten zu einem im Voraus vereinbarten Preis an einem oder mehreren
Terminen zu verkaufen. Der An leihekäufer wird diese Verkaufsoption in einem Umfeld von
steigenden Zinssätzen ausüben, da er den Verkaufserlös zu einem hö- heren Zinssatz anlegen
kann.FallenhingegendieZinssätze,wirderdieVerkaufsoptionnichtausüben.

DerKäuferderAnleihebesitztdasKündigungsrechtbzw.eineLong-Put-Option.Erbezahlt
dieOptionsprämienichtinbar,sondernübereinenhöherenKaufpreisund/odereinen
niedrigerenKupon.SomitweisteinPutableBondimVergleichzueineroptionsfrei-enAnleihe
eineniedrigereRenditeauf.JedochschütztdiebezahlteOptionsprämiedenInvestorvor
steigendenZinsenbzw.vordemPreisrisikoderAnleihe.

EinPutableBondisteinstrukturiertesProdukt,dasfürdenInvestorauseinerLong
optionsfreienAnleiheundeinerLong-Put-Optionbesteht.DaherlässtsichderPreisder
strukturiertenSchuldverschreibungmitdemPreisderoptionsfreienAnleiheplusdemWertder
Put-Optionberechnen:

BPB;0 D B0 C p0 ; (8.8)

wobei:

BPB;0 D Preis des Putable Bonds,


B0 D Preis der optionsfreien Anleihe,
p0 D Preis der Put-Option (Zinsoption).

In einem Umfeld von steigenden Zinsen konvergiert der Preis des Putable Bonds gegen den
vereinbarten Kündigungspreis, da es sehr wahrscheinlich ist, dass der Investor das Papier
verkauft. Im Vergleich zum Preis eines Putable Bonds nimmt der Preis einer op- tionsfreien
Anleihestärkerab.DerhöherePreisdesPutableBondslässtsichanhandder
.7 AnleihenmiteingebettetenOptionen 435

Formeldadurcherklären,dassderPut-Preissteigt.NehmenhingegendieZinssätzeab,verliertdie
Put-OptionanWert,sodasssichderPreisdesPutableBondsdemPreisderoptionsfreienAnleihe
annähert. In einem solchen Zinsumfeld wird der Investor das Pa- pier dem Emittenten nicht
verkaufen,daerzumeinendieAnleihezueinemhöherenPreisaufdemMarktveräußernkannund
zumanderendenVerkaufserlöszueinemniedrigerenZinssatzanlegenmuss.

DerWertpapierprospektbeinhaltetdieKündigungsterminemitdendazugehörigenVer-
kaufspreisen.DerVerkaufspreisentsprichtüblicherweisedemPar-Wertvon100%.EinPutable
Bond,dermitmehrerenKündigungsterminenausgestattetist,istimVergleichzueinerAnleihe
mitnureinemKündigungsterminaufgrundderhöherenKündigungsflexibi-litätteurer.Die
AusübungsartensindvergleichbarmiteinemCallableBond.Sokannmiteineramerikanischen
Put-OptiondasPapierjederzeitnachdemerstenKündigungsterminveräußertwerden.Istder
VerkaufnuraneinembestimmtenTerminmöglich,handeltessichumeineeuropäische
Put-Option.BestehenhingegenmehrereKündigungstermine,liegteine
Bermuda-Style-Put-Optionvor.

DiezunehmendeBeliebtheitvonPutableBondsgehtaufdasBedürfnisvonInvestoren
zurück,sichvermehrtgegenfallendeAnleihepreisezuschützen.SoziehenSchuldver-
schreibungenmiteingebettetenPut-OptionenauchkonservativereAnlegeran,wassichpositiv
aufdieMarktliquiditätderPapiereauswirkt.Demistjedochentgegenzuhalten,dasssichbei
einerFinanzkrisedieLiquiditätsproblemeaufdenMärktenverschlimmernkönnen,weildie
EmittentendurchdieAusübungderPut-Klauselngezwungenwerden,dieAnleihen
zurückzunehmen.DabeihabendieKäufervonPutableBondsvorallenanderenGläubigerndie
Möglichkeit,dieausstehendeForderunginGeldumzuwandeln.Abb. 8.6zeigteinenVergleich
zwischenCallableBondsundPutableBondshinsichtlichdervondenVertragsparteien
gehaltenenOptionspositionen,derRenditeunddesPreises.

8.7.3 Wandelanleihen

Wandelanleihen(ConvertibleBonds)werdenvoneinerVielzahlvonEmittentenheraus-gegeben.
Dabei handelt es sich um ein Wertpapier, das Fremd- und Eigenkapitalmerkmale aufweist. Die
FremdkapitalmerkmalebeziehensichaufdenfestenKupon,derperiodischbezahltwird,undaufdie
Nominalwertzahlung am Laufzeitende (falls die Wandelopti- on nicht ausgeübt wird). Zum
EigenkapitalcharakterdesInstrumentsgehörtdieWand-lungsmöglichkeit,diedemInhaberdas
Rechteinräumt,dieSchuldverschreibungineinebestimmteAnzahlAktiendesEmittentennacheiner
bestimmtenFristoderwährenddergesamtenAnleihelaufzeitumzuwandeln.

27
HierbeihandeltessichumeineCall-Option,
derenWertvomKursderzugrundeliegendenAktieabhängigist.NimmtderAktienkurs

27
KanndieWandelanleiheinAktieneinesanderenUnternehmens(alsonichtindieBeteiligungs-papiere
desEmittenten)umgetauschtwerden,sprichtmanvoneinemExchangeable.ZumBeispiel
kann die Credit Suisse eine Anleihe herausgeben, die in Aktien von Novartis gewandelt werden kann.
BesitzthingegenderEmittentdasWandlungsrechtderAnleiheinAktien,liegteinReverse
436 Anleihen:Grundlagen

kündbare Anleihen

Callable Bonds Putable Bonds

Emittent Investor Emittent Investor

Long Call Short Call Short Put Long Put

• niedrigerer Kaufpreis und/oder • höherer Kaufpreis und/oder


• höherer Kupon • niedrigerer Kupon

Rendite Callable Bond > Rendite optionsfreie Anleihe Rendite Putable Bond < Rendite optionsfreie Anleihe

Preis Callable Bond = Preis optionsfreie Anleihe – Preis Call Preis Putable Bond = Preis optionsfreie Anleihe + Preis Put
(Long) (Long) (Short) (Long) (Long) (Long)

Abb.8.6 Callable Bonds versus Putable Bonds

zu, erhöht sich aufgrund der Wertzunahme der Wandeloption der Preis der Wandelanleihe.
Somit stellt eine Wandelanleihe ein strukturiertes Produkt dar, deren Preis aus dem Preis einer
optionsfreienAnleiheunddemWertderWandeloption(Call-OptionaufAktien)besteht:
28

BWA;0 D B0 C c0 ; (8.9)
wobei:

BWA;0 D Preis der Wandelanleihe,


B0 D Preis der optionsfreien Anleihe,
c0 D Preis der Wandeloption (Call-Option auf Aktien des Emittenten).

DieFormelzeigt,dassderWertderWandelanleihevondenPreisenderoptionsfreienAnleiheund
dereingebettetenWandeloption(Call)beeinflusstwird.FälltzumBeispiel

Convertiblevor.EineweitereAusprägungsindMandatoryConvertibles,beideneneinePflichtundnichtein
RechtzurWandlungbesteht.
28
Vgl. Calamos 2003 : Convertible Arbitrage: Insights and Techniques for Successful Hedging, 15.
S.
.7 AnleihenmiteingebettetenOptionen 437

der Zinssatz, erhöht sich durch den Preisanstieg der optionsfreien Schuldverschreibung der
Preis der Wandelanleihe. Steigt hingegen der Aktienkurs, dann führt dies zu einem
Wertzuwachs der eingebetteten Wandeloption, was sich wiederum positiv auf den Preis der
Wandelanleihe auswirkt. Daher folgt d er Preis einer Wandelanleihe zum einen der
ZinsentwicklungundzumanderenderAktienkursentwicklung.

Eskommtregelmäßigvor,dassWandelanleihenmitKündigungsrechtenausgestattet
werden.BesitztderEmittentdasKündigungsrecht,kannderPreisdesCallableConverti-ble
Bondsbestimmtwerden,indemvomPreisderoptionsfreienAnleihe(Long)unddemPreisder
Wandeloption(Long)derPreisderZins-Call-Option(Short)abgezogenwird.

WandelanleihenbietendemInvestorimVergleichzuoptionsfreienAnleiheneinigeVorteile.Sie
gebendemAnlegerbeieinerZunahmedesAktienkursesdieMöglichkeit,dieWandelanleihein
Aktienumzuwandeln.AuchohneUmwandlungkannderInvestoramAufwärtspotentialdes
Beteiligungspapiersteilhaben.AußerdembesitztderInhaberei-nerWandelanleiheimVergleichzu
einerAktieeinenVerlustschutz.FälltderAktienkurs,verringertsichzwarderWertder
WandeloptionundsomitderPreisderWandelanleihe,aberderPreisderoptionsfreienAnleihebleibt
unverändert,solangederAktienpreisrück-gangnichtmiteinerVerschlechterungder
Schuldnerqualitätzusammenhängt.DemnachstelltderPreisderoptionsfreienAnleiheeine
PreisuntergrenzefürdieWandelanleihedar.EinweitererVorteilsinddieperiodischen
KuponzahlungenunddieTilgungszahlungamLaufzeitende,fallsdieWandeloptioninfolgeeines
Aktienpreisrückgangsnichtausgeübtwird.

DerInvestorkauftmitderWandelanleiheeineWandeloption.DafürmussereineOpti-
onsprämiebezahlen,sodassderPreisderWandelanleiheüberdemPreiseinervergleichba-ren
AnleiheohneWandlungsrechtzuliegenkommt.AlsFolgedeshöherenKaufpreisesistdie
RenditeimVergleichzurRenditeeineroptionsfreienSchuldverschreibungniedriger.
AllerdingsbestehteinRenditevorteilgegenübereinerAktienposition,daderKuponsatzder
WandelanleiheinderRegelhöheristalsdieDividendenrenditederAktie.

FürdenEmittentenistdieAusgabeeinerWandelanleiheebenfallsvorteilhaft.Sokannerdie
Zinskostensenken,weildieWandeloptionzusätzlicheInvestorenanzieht.Auf-grundder
höherenNachfragekannerdieAnleihemiteinemniedrigerenKuponausstatten.Darüber
hinausverringertsichdasausstehendeFremdkapitalundsomitdieFremdkapi-talquote,wenn
dieWandelanleiheinAktienumgewandeltwird.AllerdingswerdendieAktienzueinemPreis
unterhalbdesaktuellenMarktkursesandieInvestorenverkauft,daeineUmwandlungnurbei
einerAktienkurssteigerungerfolgt.DiesstelltdenPreisfürdenniedrigerenKupondar.Ein
weitererVorteilist,dasssichdasUnternehmenweitereFinan-zierungsquellenaufdem
Kapitalmarkterschließenkann.ZudemkanndasUnternehmendurchdieWandlungder
AnleiheinAktieneineKapitalerhöhungdurchführenodereinbereitsimBesitzbefindliches
AktienpaketamMarktunterbringen.

ImFolgendenwerdenBegriffeundKennzahlenvonWandelanleihenvorgestellt.Sogibtdas
Umtauschverhältnis(ConversionRatio)dieAnzahlderAktienan,diemanbeiderWandlungder
AnleihefüreinenvorgegebenenNominalbetragerhält.DasUmtausch-
43 Anleihen:Grundlagen

verhältnis wird zum Emissionszeitpunkt festgelegt. Es ergibt sich aus dem Nominalwert
dividiertdurchdenWandelpreis:
NW
UV D ; (8.10)
WP
wobei:

UV D Umtauschverhältnis,
NW D NominalwerteinerWandelanleihe(z.B.EUR1000),
WP D Wandelpreis.

Der Wandelpreis (Conversion Price) stellt den Aktienkurs dar, zu dem der Nominalwert der
Wandelanleihe in Aktien umgetauscht werden kann. Er wird vom Emittenten bei der Emission
angegeben, kann jedoch zu einem sp äteren Zeitpunkt angepasst werden. Findet während der
Anleihelaufzeit einAktiensplit statt oder schüttet das Unternehmen Aktien als Dividendenaus,
muss das Umtauschverhä ltnis entsprechend adjustiert werden. Sind beispielsweise der
NominalwertEUR1000undderWandelpreisEUR50,resultiertdarauseinUmtauschverhältnis
von20(

D EUR 1000=EUR 50). Demnach kann die Wandelanlei-


he in 20 Aktien des Emittenten gewandelt werden. Ausgehend von oben stehender Formel
lässt sich der Wandelpreis zum Emissionszeitpunkt wie folgt bestimmen:

NW
WP D : (8.11)
UV

Der Conversion Value (Umrechnungswert) gibt an, wie hoch der Wert der Wandelanleihe ist,
wennmandiesenachdemKaufunmittelbarinAktienumwandelt.Erlässtsichbe-rechnen,indem
deraktuelleAktienkursmitdemUmtauschverhältnismultipliziertwird:

CV D P UV; (8.12)

CV D Conversion Value,
P D aktueller Aktienkurs.

Betragen zum Beispiel das Umtauschverhältnis 20 und der Aktienkurs EUR 45, ergibt sich ein
ConversionValuevonEUR900( D  EUR 45).DieWandelprämieistdieDifferenz20
zwischen dem Marktpreis der Wandelanleihe und dem Conversion Value:

WP D BWA  CV; (8.13)

wobei:

WP D Wandelprämie,
BWA D Preis der Wandelanleihe.
.7 AnleihenmiteingebettetenOptionen 439

Wird etwa die Wandelanleihe mit einem Nominalwert von EUR 1000 zu einem Preis von 102 %
gehandeltundliegtderConversionValuebeiEUR900,resultiertdarauseineWan-delprämievon
EUR120(
D EUR 1000  1;02  EUR 900). Demnach bezahlt der Investor
für das Recht, die Anleihe in Aktien umzuwa ndeln, im Vergleich zu einem Direktkauf der
Aktien auf dem Markt eine Prämie bzw. einen Mehrpreis von EUR 120. Die Wandelprä- mie
umgerechnetaufeineAktielässtsichwiefolgtermitteln:

WP
WPAktie D : (8.14)
UV

Die Wandelprämie je Aktie beläuft sich auf EUR 6 (D EUR 120=20). Somit wird durch
den Kauf der Wandelanleihe indirekt ein Preis je Aktie von EUR 51 ( D EUR 45 C EUR 6)
bezahlt, während die Aktie au f dem Markt zu einem Kurs von EUR 45 gehandelt wird.
Der indirekte Kaufpreis der Aktie von EUR 51 stellt den Marktwandelpreis dar, der auch mit
folgenderFormelberechnetwerdenkann:

BWA
WMP D ; (8.15)
UV

wobei:

WMP D Marktwandelpreis.

WirdderPreisdergehandeltenWandelanleihevonEUR1020durchdasUmtauschver-hältnisvon
20 Aktien dividiert, gelangt man zum Marktwandelpreis von EUR 51. Kauft man die
Wandelanleihe zu einem Preis vonEUR 1020 und wandelt diese in 20 Aktien um, bezahlt man je
Aktie einen Preis von EUR 51. Der Marktwandelpreis ist eine nütz- liche Benchmark für den
Investor.SteigtderAktienkursüberdenMarktwandelpreisvonEUR51,wirddieGewinnschwelle
überschritten.

WirdvomMarktwandelpreisvonEUR51deraktuelleAktienkursvonEUR45abge-zogen,
erhältmandieWandelprämievonEUR6.SiespiegeltdiePrämiewider,diebeimKaufdes
BeteiligungspapiersüberdieWandelananleihezubezahlenist.DieWandelprä-mieinProzent
lässtsichfolgendermaßenbestimmen:
29

BWA
WP% D  1: (8.16)
CV

SindderPreisderWandelanleiheEUR1020undderConversionValueEUR900,ergibtsicheine
Wandelprämievon13,33%( D EUR 1020=EUR 900  1). Alternativ lässt sich
die Wandelprämie von 13,33 % berechnen, indem die Wandelprämie je Aktie von EUR 6
durch den aktuellen Aktienkurs von EUR 45 dividiert wird. Je höher die Wandelprämie

29
Vgl. Calamos 2003 : Convertible Arbitrage: Insights and Techniques for Successful Hedging, 17.
S.
440 Anleihen:Grundlagen

ist, desto mehr weicht der Preis der Wandela nleihe vom Wert der umzutauschenden Ak-
tienposition ab, sodass der Convertible Bond ei ner optionsfreien Anleihe gleicht. Der
Aktienpreisbzw.derConversionValueistsogering,dasssicheineUmwandlunginAktiennicht
lohnt. Daher ist der Preis der Wandeloption niedrig und der Preis der Wan- delanleihe wird vom
Preis der optionsfreien Anleihe geprägt. Eine niedrigereprozentuale Wandelprämie hingegen
bedeutet, dass der Preis der Wandelanleihe undder Wert der um- zutauschenden Aktienposition
sehr nahe beieinander liegen. Der Wertder Wandeloption ist sehr hoch und bewegt sich mit dem
Aktienkurs. Folglich lässt sich anhand der Wandel- prämie in Prozent festhalten, ob sich die
Wandelanleihe wie eine Anleihe oder eine Aktie verhält bzw. ob die eingebettete Wandeloption
ausoderimGeldist.

30

EineweitereKennzahlstelltdieAmortisationszeitderWandelprämiedar.Dabeiwirddie
WandelprämiejeAktiedurchdieEinnahmedifferenzzwischendemKuponderWan-
delanleiheumgerechnetaufeineAktieundderDividendejeAktiedividiert: 31

WPAktie
AZWP D ; (8.17)
KS NW=UV  DivAktie

wobei:

AZWP D Amortisationszeit der Wandelprämie,


WPAktie D Wandelprämie je Aktie,
KS D Kuponsatz,
NW D Nominalwert der Wandelanleihe,
UV D Umtauschverhältnis,
DivAktie D Dividende je Aktie.

DieWandelprämiejeAktiespiegeltdenPreiswider,welcherderInvestorfürdasRechtbezahlt,das
BeteiligungspapierüberdieWandelanleihezuerwerben.DaderInvestordieWandelanleiheund
nichtdieAktiebesitzt,erhälterdenKupon.Ihmentgehensomitet-waigeDividenden,dieausdem
Halten von Aktien anfallen. Daher sind die Dividenden von den Kupons abzuziehen. Anhand
dieser Einnahmedifferenz wird die Amortisations- zeit der Wandelprämie bestimmt. Je höher
(niedriger)dieEinnahmensind,destokürzer(länger)fälltdieAmortisationszeitaus.Einekürzere
Amortisationszeit bedeutet, dass die Wandelprämie rascher getilgt wird. Betragen
beispielsweise die Wandelprämie je Aktie EUR 6, das Umtauschverhältnis 20, der Kuponsatz 4
%,der NominalwertderWandelan-leihe EUR1000und dieDividendejeAktie EUR 1, resultiert
darauseineAmortisations-zeitvon6Jahren:

EUR 6
AZWP D D 6 Jahre:
.0;04  EUR 1000/=20  EUR 1

Die Amortisationszeit der Wandelprämie berücksichtigt den Zeitwert des Geldes nicht.
Darüberhinausgehtmandavonaus,dassdieDividendenkonstantbleiben.Fernerwird

30
Für die Moneyness von Optionen vgl. Abschn. 12.5.2.1 .
31
Vgl. Fabozzi 2007 : Fixed Income Analysis, S. 251.
.7 AnleihenmiteingebettetenOptionen 441

unterstellt, dass der Kupon umgerechnet auf ei ner Aktie die Dividende je Aktie überschrei- tet
und somit eine positive Einnahmedifferenz besteht. Ist die Einnahmedifferenz negativ (also
Kupon < Dividende), kann die Amortisa tionszeit der Wandelprämie nicht ermittelt werden, da
nichtEinnahmen,sondernKostenanfallen.

Beispiel
Analyse der Wandelanleihe der Implenia AG
Fürdie0,5%-WandelanleihedesBaukonzernsImpleniamiteinerLaufzeitvon2015bis2022
liegendiefolgendenStammdatenvor:

Emittent Implenia AG
Land Schweiz
ISIN CH0285509359
Art Wandelanleihe
Währung CHF
Stückelung CHF 5000
Emissionsvolumen CHF 175 Mio.
Emissionsdatum 30. Juni 2015
Emissionspreis 100 %
Wandelpreis CHF 75,06
Wandelprämie 32,5 %a
Kupon 0,5 % fest, jährliche Zahlung
Beginn Zinslauf 30. Juni 2015
Erster Zinstermin 30. Juni 2016
Fälligkeit 30. Juni 2022
Kündigungsrecht Nein
a
Die Wandelprämie zum Emissionszeitpunkt von 32,5 % wurde mit dem Aktienkurs der Imple-
nia AG vom 22. Juni 2015 von CHF 56,65 festgelegt: WP% D CHF 5000=.66;61 CHF 56;65/ 
1 D 0;325.

Am20.Januar2016wirddieWandelanleihezueinemPreisvon98,60%unddieAktiezu
einemPreisvonCHF45,85gehandelt.AmEmissionsdatumvom30.Juni2015notiertedie
AktiezueinemKursvonCHF52,25.

1. WiehochsindderMarktwandelpreisunddieWandelprämieinProzentfürdieaus-stehende
WandelanleihederImpleniaAGam20.Januar2016?
2. EinevergleichbareoptionsfreieAnleihewirdam20.Januar2016zueinemKursvon96,81
%gehandelt.WiehochistderWertderWandeloption?

Lösungzu1
EineWandelanleihemiteinemNominalwertvonCHF5000kannanhanddesWandel-preises
vonCHF75,06in66,61AktienderImpleniaAGumgewandeltwerden:

CHF 5000
UV D D 66;61:
CHF 75;06
442 Anleihen:Grundlagen

Der Marktwandelpreis am 20. Januar 2016 von CHF 74,01 ergibt sich aus dem gehan- delten
MarktwertderWandelanleihevonCHF4930( D 0;986  CHF 5000) dividiert
durch das Umtauschverhältnis von 66,61 Aktien:

CHF 4930
WMP D D CHF 74;01:
66;61Aktien

Eine Implenia-Aktie kostet über den Kauf der Wandelanleihe CHF 74,01. Wird vom
Marktwandelpreis der aktuelle Aktienkurs v on CHF 45,85 abgezogen, erhält man die
WandelprämiejeAktievonCHF28,16.Alternativlässtsichdieseauchwiefolgtbe-rechnen:

CHF 4930  66;61  CHF 45;85


WPAktie D D CHF 28;16:
66;61Aktien

Die Wandelprämie in Prozent beläuft sich auf 61,42 % und ist im Vergleich zum Emis-
sionszeitpunktvon32,5%deutlichgestiegen:

CHF 4930
WP% D  1 D 0;6142
66;61  CHF 45;85

oder
CHF 28;16
WP% D D 0;6142:
CHF 45;85
Die hohe Wandelprämie von 61,42 % gibt an, dass der Marktpreis der Wandelanleihe
von CHF 4930 und der Conversion Value von CHF 3054,07 relativ weit auseinander- liegen,
sodassdieWandelanleiheeineroptionsfreienSchuldverschreibunggleicht.

Lösungzu2
EineWandelanleihestellteinstrukturiertesProduktdar,dassichauseinerLongopti-onsfreien
Anleihe und einer L ong-Wandeloption (Call-Option auf Aktien des Emitten- ten)
zusammensetzt:
BWA D B C c:
Wird diese Gleichung nach dem Call-Preis aufgelöst, resultiert daraus ein Preis für die
Wandeloptionvon1,79%:

c D 98;60 %  96;81 % D 1;79 %:

Bei einem Nominalwert der Anleihe von CHF 5000 beträgt der Wert der eingebetteten
WandeloptionCHF89,50( D  CHF 5000).DerOptionswertspiegeltdieChan-
0;0179
ce wider, dass die Wandeloption bis zum Fälligkeitszeitpunkt der Wandelanleihe (also in
rund6,5Jahren)insGeldfälltundsomitausgeübtwird. 32

32
Für den Zeitwert von Optionen vgl. Abschn. 15.2 .
.7 AnleihenmiteingebettetenOptionen 443

(Wert)

Preis Wandelanleihe

Conversion Value

Wandelprämie

Distressed Anleihecharakter Hybridcharakter Aktiencharakter

(Aktienpreis)

Abb.8.7 Preisentwicklung einer Wandelanleihe in Abhängigkeit vom Aktienkurs

Abb.8.7zeigtdiePreisentwicklungeinerWandelanleiheinAbhängigkeitvomAktien-kurs.
BeieinemDistressedConvertibleliegtderPreisweitunterdemNominalwertvon100%,wasdas
ErgebniseinerverschlechtertenSchuldnerqualitätist.DieWandeloptionistaufgrunddessehr
niedrigenAktienkurseswertlosundderPreisderoptionsfreienAn-leiheistwegendeshohen
Kreditrisikosstarkgefallen,wassichnegativaufdenPreisderWandelanleiheauswirkt.Eine
WandelanleiheverhältsichwieeinBondProxy,wenndieWandeloptionnochausdemGeldist
unddieSchuldnerqualitätgutist.EinehybrideAn-leiheliegtvor,wennsowohlder
AktienkursverlaufalsauchdieZinsentwicklungeinenEinflussaufdenPreisderWandelanleihe
haben.NeuemittierteAnleihenbefindensichmeistensimhybridenBereich.DieWandelanleihe
isteinEquityProxy,wennnachderEmissionderAktienpreisstarkgestiegenist.Die
WandeloptionistweitimGeld,sodassaufgrunddeshohenOptionsdeltaseinehoheSensitivität
gegenüberAktienpreisschwan-kungenbesteht.

33

Eine weitere Ausprägung von Wandelanleihen sind Contingent Convertible Bonds


(CoCo-Bonds). Diese langfristigen, nachrangigen Schuldverschreibungen34 verfügen
üblicherweise über einen festen Kupon und werden beim Eintreten von im Voraus ver-
einbarten Wandlungskriterien automatisch in Aktien umgewandelt. Im Gegensatz zu
herkömmlichen Wandelanleihen, bei denen die Umwandlung infolge einer Aktienpreiser-

33
Vgl.Anson2012:CAIALevelI:AnIntroductiontoCoreTopicsinAlternativeInvestments,419ff.
S.
34
InhabervonnachrangigenSchuldverschreibungenwerdenbeieinerInsolvenzzwarvordenEi-
genkapitalgebern,abernachdennichtnachrangigenGläubigernbedient.AlsSicherungdienenbei
nachrangigen Anleihen, wie auch bei unbesicherten Anleihen, das Vermögen und die Geschäftstä- tigkeit
desUnternehmens.
444 Anleihen:Grundlagen

höhung stattfindet und das Wandelrecht bei den Investoren liegt, erfolgt die Umwandlung bei
CoCo-Bonds bei wirtschaftlich ungünstig en Situationen des Emittenten. So zum Beispiel
haben europäische Finanzinstitute wie etwa die Credit Suisse Group Contin- gent Convertible
Bonds nach der Finanzkrise von 2008 herausgegeben. Dabei werden die
Schuldverschreibungen automatisch in Beteiligungspapiere umgewandelt, wenn bei-
spielsweise ein bestimmtesNiveau des regulatorischen Eigenkapitals unterschritten wird (als
Trigger Event gilt z. B. eine Common Equity Tier 1 Capital Ratio von weniger als 7 %).
CoCo-Bonds erscheinen für Investoren attraktiv, da sie gewöhnlich mit einem hohen Kupon
ausgestattet sind und folglich über e ine überdurchschnittlic he Rendite verfügen. Allerdings
sind die Investoren dem Risiko au sgesetzt, dass sie bei e inem Verlust der Bank automatisch zu
Eigenkapitalgebern mutierenund demnach ein höheres Anlagerisiko tra- gen müssen. Für das
Finanzinstitut besteht derVorteil darin, dass das Eigenkapital der Bank rekapitalisiert und die
Schuldenlastverringertwird,wasdieAusfallwahrscheinlich-keitreduziert.

8.8 Märkte

8.8.1 Primärmarkt

Bei einem Primärmarkt (bzw. Emissionsmarkt) verkaufen die Emittenten die Anleihen an die
Investoren, um Kapital aufzunehmen. Dabei handelt es sich um den ersten Verkauf der
Schuldverschreibungen auf dem Markt. In einem Sekundärmarkt hingegen werden die
bestehenden Anleihen nach der Emissi on gehandelt. Die Anleihen können auf dem
Primärmarkt entweder öffentlich verkauft oder privat bei einer ausgewählten Gruppe von
Investoren platziert werden. Grundsätzlich unterscheidet man die folgenden drei Verfah- ren
zurPlatzierungderAnleihenaufdemPrimärmarkt:

1. Emissionskonsortium,
2. Tenderverfahren (öffentliches Auktionsverfahren) und
3. Eigenemission.

1. Beim Anleiheverkauf durch ein Emissionskonsortium handelt es sich um eine Fremd-


emission, da der Emittent die Veräußerung der Wertpapiere auf dem Markt einem Fi-
nanzinstitut(in der Regel eine Investmentbank) überträgt, das bei einer größeren Emis- sion
mit anderen Finanzinstituten ein Konsortium bildet, welches dann die Schuldver-
schreibungen auf dem Markt platziert. Das federführende Institut, welches die anderen
Konsortialbanken zusammenbringt, ist der sogenannte Lead Manager bzw. Lead Un-
derwriter. Erdefiniert die Emissionsbedingungen und übt die allgemeine Kontrolle aus. Der
Konsortialvertrag regelt das Verhältnis unter den involvierten Finanzinstitu- ten, während
der Emissionsvertrag das Verhältnis zwischen dem Emittenten und dem
Emissionskonsortium festhält. Darin werden die Pflichten des Bankenkonsortiums und die
EmissionsbedingungenwieetwaGebührenundVolumendefiniert.ImWertpapier-
. Märkte 445

prospekt werden die Ausstattungsmerkmale der Anleihe aufgeführt, die für den Kauf der
WertpapiereundsomitfürdieInvestorenwichtigsind.
EinEmissionskonsortiumistmitAusnahmevonöffentlichenAnleihenderüblicheWeg,um
Schuldverschreibungen auf dem M arkt zu platzieren. Der Emittent wählt diesen Weg, weil
die Finanzinstitute über die notwendigen Distributionskanäle für die Platzierungverfügen.
Außerdem ist das Vertrauen bei potentiellen Käufern größer, wenn das Bankenkonsortium
und nicht der Emittent als Verkäufer der Wertpapiere in Erscheinung tritt. Das Konsortium
steht dem Emittenten zur Seite und berät ihn zum Beispiel bezüglich der
Ausstattungsmerkmale der Anleihe, der rechtlichen Vorschrif- ten und des optimalen
Emissionszeitpunkts. Für den Erfolg der Emission ist neben der Ausgestaltung derAnleihe
unddemTimingauchdiePlatzierungskraftdesBanken-konsortiumsentscheidend.

Ein Emissionskonsortium kann in der Form eines Übernahmekonsortiums oder ei- nes
Begebungskonsortiums organisiert sein. Bei einem Übernahmekonsortium neh- men die
beteiligtenFinanzinstitutedieEmissionindieeigenenBücherundverkau-fenanschließend
die Wertpapiere an die Investoren. Dabei trägt das Konsortium das Platzierungsrisiko. Der
Emittent erhält den v ertraglich vereinbarten Verkaufserlös un- abhängig davon, ob das
Übernahmekonsortium alle Anleihen amMarkt platzieren konnte. Als Entschädigung für d
as Platzierungsrisiko verkaufen die Finanzinstitute die Papiere zu einem höheren Preis, als
sie dem Emittenten dafür bezahlt haben. Demge- genüber erfolgt bei einem
Begebungskonsortium der Verkauf der Anleihen im Auftrag des Emittenten, der auch das
Platzierungsri siko trägt. Die Finan zinstitute übernehmen und veräußern die Papiere zum
Emissionspreis und erhalten als Entschädigung für die Kommissionstätigkeit eine Gebühr.
Diese Art des Konsortiums wird gewählt, wenn das Platzierungsrisiko von den
Finanzinstituten als zu hoch eingestuft wird oder der Emittent nicht sofort auf den gesamten
Verkaufserlösangewiesenist.

Das Emissionskonsortium kann die Anleihen nach der Übernahme vom Emittenten
entweder durch öffentliche Zeichnung, freihändigen Verkauf oder eine Privatplatzie- rung
an die Investoren verkaufen. Bei eine r öffentlichen Zeichnung verpflichten sich die
InvestorenwährendeinerfestgelegtenZeichnungsfristvonmeistwenigenTagen,dieihnen
zugeteiltenAnleihenzuübernehmen.WerdenmehrPapieregezeichnet,alsvorhandensind,
muss das Konsortium die übe rzeichnete Emission den Investoren an- hand eines
vordefiniertenSchlüsselszuteilen(repartieren).BeieinemfreihändigenVerkaufhingegen
besteht keine Zeichnungsfrist. Vielmehr werden die Anleihen den Investoren so lange
angeboten, bis die Emission platziert werden konnte. Dabei ist der Verkaufspreis nicht fix,
sondernhängtvondenaktuellenMarktbedingungenab.BeieinerPrivatplatzierungwerden
die Wertpapiere an eine ausgewählte Gruppe von Investoren (in der Regel institutionelle
Investoren) veräußert. Die Anleihen sind nicht börsennotiert, sodass bei einem späteren
Verkauf ein Liquiditätsrisiko besteht. Vorteile sind unter anderem Diskretion und niedrige
Emissionskosten.

2. Beim Tenderverfahren handelt es sich um eine Art öffentliches Auktionsverfahren. Dabei


wird ein Mindestpreis für die Emission festgelegt und die Investoren können verschiedene
PreisefürunterschiedlicheMengenbieten.DiePapierewerdendenBie-
446 Anleihen:Grundlagen

tern vom höchsten Gebot abwärts zugeteilt (Multi-Preis-Auktionsverfahren), bis das


gesamte Emissionsvolumen platziert wurde. Das Bieterverfahren erleichtert die Preis-
findung und die Zuteilung der Wertpapiere auf die einzelnen Investoren. Das Ten-
derverfahren wird üblicherweise für die Emission von Geldmarktpapieren und in den
meistenLändernauchfürdieAusgabevonStaatsanleihengenutzt.

In der Bundesrepublik Deutschland werden B undesanleihen, Bundesobligationen und


Bundesschatzanweisungen über ein Multi-Prei s-Auktionsverfahren angeboten. Liegen
die Preisgebote oberhalb des niedrigsten vom Bund festgelegten Kurses, werden die
Bundeswertpapiere vollständig zugeteilt, an sonsten abgelehnt. Ge bote ohne Kursanga- be
werden zum gewogenen Durchschnittspreis der akzeptierten Kursgebote zugeteilt.
Demgegenüberfindet die Zuteilung der Geldmarktbuchforderungen und der Anlei- hen der
SchweizerischenEidgenossenschaftübereinEinheitspreis-Auktionsverfahrenstatt.Nach
dem elektronischen Erhalt der Preisgebote setzt die Bundestresorerie der Schweizerischen
Eidgenossens chaft einen Einheitspreis fes t. Die Banken und einzelne bedeutende
institutionelle Anleger, die mindestens diesen Preis in der Auktion geboten haben, erhalten
denZuschlag.

35
DieUS-TresoreriewendetebenfallseinEinheitspreis-
Auktionsverfahrenan,beidemTreasuryBills,Notes,BondsundTreasuryInflation-
ProtectedSecurities(TIPS)zueinemeinheitlichenPreisausgegebenwerden.
3. Bei einer Eigenemission platziert der Emittent das Anleihevolumen ohne Hilfe eines
Bankenkonsortiums selber auf dem Markt. Hierzu muss der Emittent ausreichende In-
vestorenkontakte besitzen, sodass diese Form der Emission lediglich für sehr große
Unternehmen oder für Banken mit einem weitverbreiteten Filialnetz in Frage kommt. Das
Platzierungsrisiko trägt der Emittent, w obei im Vergleich zu einer Fremdemission
niedrigere Kosten anfallen. Der Verkauf findet üblicherweise durch Privatplatzierun- gen
undnichtdurcheineöffentlicheZeichnungstatt.

8.8.2 Wertpapierprospekt

Im Vorfeld eines öffentlichen Angebots von Wertpapieren und vor jeder Börsenzulassung an
einem organisierten Markt im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hat der Emittent in
Anlehnung an die EU-Prospektrichtlinie prinzi piell die Pflicht, ein W ertpapierprospekt zu
veröffentlichen.InderEUwirddieProspektpflichtinderRichtlinie2003/71/EGfest-gehalten.Der
InhaltdesWertpapierprospektswirdinderProspektverordnungderEuro-päischenKommission
(Nr.809/2004)geregeltundumfasstfolgendenInhalt:

 Detaillierte Angaben zum Emittenten (Basisprospekt),


 Beschreibung der einzelnen Merkmale d es Wertpapiers (endgültige Bedingungen) und
 Zusammenfassung (Termsheet).

35
Vgl. Eidgenössische Finanzverwaltung EFV 2016 : Ökonomische, rechtliche und organisatorische
Grundlagen der Haushaltsführung des Bundes, S. 124.
. Märkte 447

Ein Wertpapierprospekt beinhaltet somit Informationen über die Art, den Gegenstand und die
Risiken von Anleihen. Er wird vom Emittenten in der Regel zusammen mit Fi- nanzinstituten,
spezialisierten Kanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erstellt. Die Pflicht zur
Veröffentlichung eines Prosp ekts hängt unter anderem davon ab, ob das entsprechende
Wertpapier öffentlich vertrieben wird. So etwa besteht bei einer Privatplat- zierung keine
Prospektpflicht, solange dafür nicht öffentlich geworben wird (z. B.mithilfe einer
Pressemitteilung). Weitere Ausnahmen von der Prospektpflicht stellen beispielswei- se
AnleihenmiteinerMindeststückelungvonEUR

50:000 dar, die an einen begrenzten


Personenkreis von weniger als 100 Personen oder ausschließlich an qualifizierte Anleger wie
BankenoderVersicherungenbegebenwerden.
InderSchweizgiltdieEU-Prospektrichtlinienicht.HierwirdimGegensatzzudenEU-
MitgliedstaatenzwischenzweiProspekten–Emissionsprospekt(bzw.Verkaufsprospekt)und
Börsenprospekt(bzw.Zulassungsprospekt)–unterschieden.ImEmissionsprospektsind
Informationenenthalten,diefürdieöffentlicheZeichnungderWertpapiererele-vantsind.
DarinwirdunteranderemdiefinanzielleLagedesUnternehmensbeschrieben.Fürdie
ZulassungderWertpapiereanderBörsehingegenisteinBörsenprospektzuveröffentlichen.
DieserbeinhaltetdienotwendigenInformationenfüreinefundierteAn-lageentscheidung.

DerEmissionsprospektdientdazu,dieAnlegervomErwerbderWertpapierezuüber-
zeugen.DemgegenübersinddieAnforderungenandenBörsenprospekthöher,derdenAnlegern
imSekundärmarktmöglichstdetaillierteundvergleichbareInformationenfürihre
Anlageentscheidungenzuvermittelnhat.DaderArbeitsaufwandzurErstellungbei-der
Prospekterelativgroßist,entsprichtauchderInhaltdesEmissionsprospektsvielfachbereitsden
AnforderungendesBörsenprospekts.

8.8.3 Sekundärmarkt

Im Sekundärmarkt werden die bereits emittierten Anleihen von den Markteilnehmern


gehandelt bzw. gekauft und verkauft. Die Preise werden durch Angebot und Nachfrage
bestimmt und können frei ausgehandelt werden . Der Handelmit Wertpapieren kann ent- weder
über eine Börse oder außerbörslich (Over the Counter, OTC) erfolgen. Der Großteil des
Anleihehandelsfindetaußerbörslichstatt.
36
Dabei gibt es im Gegensatz zum Bör-
senhandel keine zentrale Marktplattform. Vielmehr werden die Handelsgeschäfte direkt
zwischen den Marktteilnehmern oder über einen Wertpapiermakler als Vermittler abge-
schlossen. Die Mehrheit der Marktteilnehmer besteht aus institutionellen Investoren und
Zentralbanken.DieprivatenAnlegersindandersalsimAktienmarktinderMinderheit.
DeraußerbörslicheHandelfindettelefonischoderaufelektronischemWegestatt.Da-bei
wirdeineelektronischeHandelsplattformverwendet,überdieKauf-undVerkaufsauf-träge
übermitteltwerden.BeispieleelektronischerPlattformensindXetravonderDeut-

36
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 722.
44 Anleihen:Grundlagen

schen Börse, Eurex Bonds der Terminbörse Eurex, Bloomberg Fixed Income Electronic
Trading Platform oder elektronische Handelssysteme von Banken. Die Preisstellungen
(Notierungen) werden von den Marktteilnehmern auf Seiten von Informationsdienstleis- tern
wieReutersoderBloombergveröffentlicht.

BeieinemaktivenHandelstellendieBankenPreisemiteinerGeld-undeinerBriefsei-te
(Bid/Ask).DieKauf-undVerkaufsaufträgederBankenstammenausdemEigenhandel,aus
AufträgenvonKundenodereinerTätigkeitalsMarketMaker.DieGeld-Brief-Spannestellt
einenIndikatorfürdieLiquiditätderAnleiheaufdemMarktdar.FürliquideAn-leihenkannsie
10bis12Basispunktebetragen,währendwenigerliquidePapiereeineGeld-Brief-Spannevon
mehrals50Basispunktenaufweisen.BestehtüberhauptkeineLi-quidität,findetmanauch
keinePreisstellung.BeieinemaktivenMarktherrschteinehoheLiquidität,sodassderKaufund
VerkaufvonWertpapierenschnellundzufairenPreisener-folgt.SokönnengrößereBestände
vonAnleihenauchohnewesentlichePreisbewegungenaufdemMarktgekauftundverkauft
werden.FürdieEmittentenunddieKonsortialbankenistdieMarktliquiditätwichtig,um
weitereEmissionenvonAnleihenaufdemMarktplat-zierenzukönnen.Siepflegendaherdie
KursederemittiertenAnleihenaufdemMarkt.Darüberhinausentscheidenauchandere
FaktorenwieeingünstigesMarktumfeldunddasInteressederMarktteilnehmeranderAnleihe
übereinehoheMarktliquidität.Hierfürwie-derumsindFaktorenwieetwaderEmittent,das
Rating,dasEmissionsvolumenunddieAusstattungsmerkmalederSchuldverschreibungvon
Bedeutung.

DerHandelvonprivatenAnlegernfindetübereineBankoderWertpapiermaklerstatt.Der
Kauf-oderVerkaufsauftragdesAnlegerswirdvonderBankaneinerBörseoder
HandelsplattformausgeführtoderdemEmittentenweitergeleitetoderdieBankstelltsel-ber
einenPreisundwickeltsodenAuftragab.DieprivatenMarktteilnehmerkönnensichüberdie
PreiseundRenditenderAnleihenimInternetinformieren.

8.8.4 Geldmarkt

8.8.4.1 BegriffdesGeldmarktesundGeldmarktzinssätze
Der Geldmarkt ist ein Markt für Zentralbankgeld und Geldmarktpapiere. Die Teilneh- mer
setzen sich hauptsächlich aus Zentralbanken und Kreditinstituten sowie aus Finanz-
abteilungen großer Unternehmen, öffentliche n Verwaltungen und Kapitalsammelstellen
zusammen. Auf dem Geldmarkt können Banken ihre Liquiditätsdefizite und -überschüsse
untereinander ausgleichen. Besitzen Banken überschüssiges Zentralbankgeld (Sichtgut-
haben bei der Notenbank), können sie es andere n Kreditinstituten mit einemLiquiditäts- defizit
auf dem Geldmarkt als verzinsliche Geldleihe zur Verfügung stellen. Die Kredite weisen
Laufzeiten von 1 Tag (Tagesgeld), 1, 3 und 6 Monaten bis zu 1 Jahr auf. DieNetto- nachfrage des
Bankensystems nach Zentralb ankgeld hängt vom Refinanzierungszinssatz ab, zu dem die
Kreditinstitute Guthaben von der Notenbank erhalten. Die Notenbank als einziger
Nettoanbieter von Zentralbankgeld auf dem Markt besitzt eine Monopolstel- lung. Sie kann den
GeldmarktentwederüberdieMenge(Geldbasis)oderüberdenPreis
. Märkte 449

(Geldmarktsatz) steuern. Die Steuerung der Geldbasis oder des Geldmarktsatzes führt bei einer
instabilen Geldnachfrage zu unterschiedlichen Resultaten. So haben Schwankungen der
GeldnachfragebeifestemGeldbasiszielBewegungendesGeldmarktsatzeszurFolge,während
bei einem festen Zinsziel die Geldbasis schwankt. Richtet sich das geldpoliti- sche Ziel der
Notenbank nach der Inflation oder dem Wechselkurs, ist eine Zinssteue- rung angemessen.
SteuerthingegendieNotenbankdasnominelleBruttoinlandsproduktalsEndzieloderbeieinem
relativ stabilen G eldschöpfungsmultiplikator ein Geldmengen- Zwischenziel an, ist die
GeldbasissteuerungalsgeldpolitischeKonzeptionzuwählen.

ObderRefinanzierungszinssatz,zudemdieBankenGuthabenderNotenbankerhal-ten,über
oderunterdenvergleichbarenGeldmarktsätzenliegt,hängtvonderLiquidi-tätslageder
Kreditinstituteab.BeieinemLiquiditätsbedarfwerdendieBankendievonderNotenbankzur
VerfügunggestellteKreditlinie(StandingFacility)ausschöpfen.Dar-überhinausgehende
LiquiditätsbedürfnissewerdenaufdemGeldmarktgedeckt,waszusteigenden
Geldmarktzinssätzenführt.HabendieBankenhingegenkeinenLiquiditäts-engpass,werden
siesichnichtteuerbeiderNotenbankrefinanzieren.Folglichwerdensienichtbereitsein,für
einenGeldmarktkreditmehralsfüreinenNotenbankkreditzubezahlen.Allerdingskannineiner
FinanzkriseeinVertrauensschwundunterdenBankenentstehen,sodasssichdieKreditinstitute
gegenseitigwenigoderkeinGeldleihen.DieNotenbankdientdannalsletzte
Refinanzierungsquelle.EtwaigeLiquiditätsüberschüssehingegenwerdenbeiderNotenbank
angelegtundnichtinFormvonKreditenanandereInstitutegeliehen.

NebenZentralbankgeldwerdenamGeldmarktauchGeldmarktpapieregehandelt.Da-zu
zählenunteranderemdieunverzinslichenSchatzanweisungenderBundesrepublik
Deutschland,CommercialPapers,CertificatesofDeposit,BankakzepteundWertpapier-
pensionsgeschäftederNotenbanken,beidenenmitdemKauf(Verkauf)gleichzeitigein
Verkauf(Kauf)zueinemspäterenZeitpunktvereinbartwird.LetzteresetzendieNo-tenbanken
alsInstrumentzurSteuerungderGeldbasisein.DieseOffenmarktgeschäfteversteigertdie
NotenbankimRahmeneinerAuktionandieGeschäftsbanken.DerGeld-marktzinsresultiert
ausdemBietungsverhaltenderGeschäftsbanken(Zinstender)oderwirdvonderNotenbank
fixiert(sogenannterMengentenderoderFestzinstender).

DasEuropäischeSystemderZentralbanken(ESZB),dassichausderEuropäischen
Zentralbank(EZB)unddennationalenZentralbankenderEuroländerzusammensetzt,istfürdie
GeldpolitikimEuro-Währungsraumzuständig.DasgeldpolitischeInstrumentari-umder
ESZBbeinhaltetOffenmarktgeschäfte,ständigeFazilitätenundMindestreserve-vorschriften.
DabeisinddieOffenmarktgeschäftedaswichtigsteInstrumentzurSteuerungderZinssätzeund
ZentralbankgeldversorgungamGeldmarkt.

BeimEURIBOR(EuropeanInterbankOfferedRate)handeltessichumeinenZinssatzfür
Euro-TermingelderimInterbankengeschäftvonerstklassigenBanken(PrimeBanks).Eristein
ReferenzzinssatzfürzahlreicheZinsproduktewieetwaGeldmarkteinlagen,kurzfristige
Kredite,variabelverzinslicheAnleihenundZinssatzswaps.DerEURIBORwirdfürLaufzeiten
von1und2Wochensowievon1,2,3,6,9und12Monatenveröffent-licht.Diefürdie
ZinsberechnungrelevanteDay-Count-KonventionlautetaktuelleTage
450 Anleihen:Grundlagen

dividiert durch 360 Tage (tagesgenau = 360Tage).DieValutabeträgt2Geschäftstage).Die


(t C 2ErmittlungdesEURIBOR-SatzeserfolgtaufgrundderNotierungenvon23
Panel-Banken (Stand Januar 2016), die an jedem Geschäftstag dem neuseeländischen
UnternehmenGlobalRateSetSystemsLtd.dieBriefsätzebis10.45UhrCentralEuro-peanTime
(CET) melden. Um Zinsausreißer zu beseitigen, fließen 15 % der höchsten und 15 % der
niedrigsten übermittelten Zinssätze nicht in die Berechnungen ein. Der EURIBOR-Satz wird
bestimmt, indem von den verbleibenden Notierungen das arithme- tische Mittel gebildet wird.
Die Durchschnittszinssätze für die verschiedenen Laufzeiten werden unmittelbar nach deren
Berechnungum11.00UhrmitdreiNachkommastellenveröffentlicht.

37

EinweitererwichtigerReferenzzinssatzimGeldmarktistderLIBOR(LondonInter-bank
OfferedRate),dervonderICEBenchmarkAdministration(IBA)bzw.vonihrer
TochtergesellschaftIntercontinentalExchangeBenchmarkAdministrationLtd.inLon-don
verwaltetwird.DiesewirdvonderbritischenBankenaufsichtFCAüberwacht.
38
Der
LIBOR stellt den Durchschnittszinssatz von unbesicherten Krediten in handelsüblicher Größe
für eine bestimmte Währung und Laufzeit am Londoner Interbankenmarkt dar. Er wird für die
fünf Währungen CHF, EUR, GBP,YENund USD sowiefür die sieben Fällig- keiten Overnight,
1 Woche, 1, 2, 3, 6 und 12 Monate täglich festgelegt. Somit werden an jedem Geschäftstag
abhängig von der Währung und Laufzeit 35 LIBOR-Sätze bestimmt. Die angewandte
Day-Count-Konventionisttagesgenau
= 360 Tage, während die Valuta
2 Geschäftstage (t C 2) beträgt. Eine Ausnahme bildet das britische Pfund Sterling, das
auf einer Day-Count-Konvention von tagesgenau = 365Tageberuht.DieBerechnungdes
LIBOR-SatzeserfolgtaufgrundderNotierungenvon11bis18Panel-Banken(jenach
Währung),39 dieanjedemGeschäftstagzwischen11.00Uhrund11.20UhrGreenwichMean
Time(GMT)gemeldetwerden.DerDurchschnittszinssatzwirdvonThomsonReu-
ters zwischen 11.20 Uhr und 11.45 Uhr GMT mit vier Nachkommastellen ermittelt. Um den
Einfluss von Ausreißern abzufedern, we rden bei 18 gemeldeten Zinssätzen jeweils die 4
höchsten und 4 niedrigsten Zinssätze nicht in die Berechnung des arithmetischen Mittels
eingebunden. Bei nur 11 Zinssatzmeldungen werden jeweils die 3 höchsten und 3 niedrigsten
Zinssätze beseitigt und wird mit den verbleibenden 5 Zinssätzen der arithme- tische
Durchschnittswert berechnet. Die Ver öffentlichung der LIBOR-Sätze erfolgt durch Thomson
Reuters nach 11.45 Uhr GMT. Der LIBOR wird als Referenzzinssatz in den Standardverträgen
der Loan Market Associa tion (LMA), der International Capital Mar- kets Association (ICMA)
undderInternationalSwapsandDerivativesAssociation(ISDA)

37
Vgl. European Money Markets Institute 2014 : Euribor® Code of Conduct, S. 16 ff.
38
DiestrengerenÜberwachungsmaßnahmenderLIBOR-FestlegungsindeineFolgederimJuni2012
bekanntgewordenenLIBOR-ManipulationendurchdieBarclaysBank.AnschließendeUnter-
suchungenhabengezeigt,dassauchandereGroßbankenwieetwadieDeutscheBankunddieUBSanden
Manipulationenbeteiligtwaren.
39
Für den US-Dollar sind es 18 Panel-Banken, für den Euro 15 Panel-Banken und für den Schweizer
Franken 11 Panel-Banken (Stand Januar 2016).
. Märkte 451

verwendet, sodass er bei den meisten internati onalen Konsortialkrediten, bei variabel ver-
zinslichenAnleihenundDerivaten(z.B.Swaps)zufindenist. 40

DiebeidenGeldmarktreferenzzinssätzeEURIBORundLIBORsindvonausgewähl-ten
BankengemeldeteZinssätzefürdieGeldausleiheimInterbankenmarkt,diesichje-dochim
GegensatzzumEONIA(EuroOvernightIndexAverage)nichtauftatsächliche
Kredittransaktionenbeziehen.DerEONIAisteinumsatzgewichteterDurchschnittszins-satz
füraufEurolautendeunbesicherteÜbernachtausleihungenimInterbankenmarktdes
EurowährungsgebietsundwirdvonderEuropäischenZentralbank(EZB)täglichfest-gelegt.
DiePanel-BankenmeldenderEZBanjedemGeschäftstagbis18.30UhrCETdas
GesamtvolumenderUmsätzemitunbesichertemÜbernachtgeldunddengewichteten
DurchschnittszinsfürdiesesTagesvolumen.AufdieserGrundlagewirdderEONIA-Satzals
DurchschnittswertderübermitteltenZinssätzemitdreiDezimalstellenamselbenTagermittelt
undzwischen18.45Uhrund19.00UhrCETveröffentlicht.DieDay-Count-Konventionlautet
gemäßdenGeldmarktkonventionentagesgenau

= 360 Tage und die


Valuta beträgt 1 Geschäftstag (t C 1). Im Gegensatz zum EURIBOR und LIBOR be-
zieht sich der EONIA-Satz auf e ffektiv getätigte Umsätze. Darüber hinaus ist aufgrund der
kurzenLaufzeitvon1TagundderValutavont C 1 das Kreditrisiko sehr gering,
sodass der EONIA-Satz von vielen Banken als Benchmark für einen fast risikolosen Zins-
satz verwendet wird. Aus diesem Grund setzen Marktteilnehmer wie Finanzinstitute für die
Konstruktion der Zinsstrukturkurve, die Bewertung und den Handel vielfach Zins- satzswaps
ein,dieaufdervariablenSeiteEONIAanstattEURIBORzahlen. 41

8.8.4.2 Geldmarktpapiere
Auf dem Geldmarkt wird eine Vielzahl von Geldmarktpapieren gehandelt, die von Unter-
nehmen, Kreditinstituten und der öffentlichen Hand emittiert werden. Dazu zählen unter
anderem Commercial Papers, Certificates of Deposit, Banker’s Acceptances (Bankakzep- te),
US-amerikanische Treasury Bills und unverzinsliche Schatzanweisungen der Bundes-
republikDeutschland.

CommercialPapers
Commercial Papers (CPs) sind kurzfristige unbesicherte Schuldverschreibungen von Un-
ternehmenoderFinanzinstituten, 42 dieineinemöffentlichenMarktverkauftoderprivat
platziertwerden.DieseGeldmarktpapierestelleneineflexibleundrelativkostengünsti-
geFormderRefinanzierungdar.SiewerdenfürdieFinanzierungdesUmlaufvermögensundder
saisonbedingten Nachfrage nach Geldmitteln sowie für eine Überbrückungsfinan- zierung
eingesetzt. Die Laufzeiten von CPs erstrecken sich von Overnight bis zu 1 Jahr, wobei
üblicherweise die Fälligkeit der Papiere unter 3 Monaten liegt. In den USA mit dem weltweit
größtenCP-MarktbesitzendieseGeldmarktpapieremeisteinemaximale

40
Vgl. https://www.theice.com/ind ex .
41
Vgl. Abschn. 9.3.6.2 .
42
Die größten Emittenten von CPs sind Finanzinstitute, obwohl auch regelmäßig Unternehmen ohne
Finanzstatus diese Papiere begeben.
452 Anleihen:Grundlagen

Tab.8.5 Ratings von Commercial Papers


Schuldnerqualität Moody’s S&P Fitch
Hervorragend P1 A1C/A1 F1C/F1
Befriedigend P2 A2 F2
Ausreichend P3 A3 F3
Spekulativ NP B/C F4
Notleidend NP D F5

Laufzeit von 270 Tagen, da sie sonst bei der US-amerikanischen Securities and Exchange
Commission (SEC) angemeldet werden müssen, was Zeit und Geld kostet. In anderen Ländern
beträgtdieLaufzeitbiszu1Jahr.
CommercialPaperswerdenvonUnternehmenmitunterschiedlichenRatingsemittiert.
SomitspieltdieBeurteilungderSchuldnerqualitäteineentscheidendeRollebeimKaufder
Papiere.RatingagenturenwieMoody’s,Standard&Poor’sundFitchveröffentlichenRatings
füreineVielzahlvonCPs.Tab.8.5zeigtdieRatingeinstufungderwichtigsten
Ratinggesellschaften.WerdendiePapierealsausreichendoderbessereingestuft,sprichtman
voneinem„PrimePaper“(alsoInvestmentGrade).

IndenmeistenFällenwerdendieCommercialPapersmitdemErlösauseinerNeuemis-sion
vonCPszurückgezahlt.DahersinddieInvestorendemRisikoausgesetzt,dassdasUnternehmen
eineNeuemissionbeiFälligkeitderPapierenichtplatzierenkann.DiesesRollover-Risikoführt
dazu,dassCPsvielfachmiteinerBack-up-KreditlinieeinerBankausgestattetsind.Sohatdas
UnternehmenZugangzugenügendLiquidität,umauchineinerKrisensituationdiePapierebei
Fälligkeitzutilgen.Zahlungsausfällefindenrelativseltenstatt,washauptsächlichaufdiekurze
LaufzeitderInstrumentezurückzuführenist.VerschlechtertsichdieSchuldnerqualität,
könnendieInvestorenbeimnächstenRolloverentscheiden,keineneuenPapieredesEmittenten
zukaufen.

AufgrundderkurzenLaufzeit,desrelativniedrigenKreditrisikosundderVielzahlvon
EmittentenstellenCommercialPaperseinattraktivesAnlageinstrumentfürinstitutionelle
InvestorenwieetwaGeldmarktfondsdar.DiemeistenInvestorenhaltendieGeldmarktpa-piere
biszumFälligkeitszeitpunkt,sodassderSekundärmarktmitAusnahmedergrößtenEmissionen
wenigliquideist.DiePapierewerdenaufdemSekundärmarktdirektanHänd-ler,andere
InvestorenoderineinigenFällenauchdirektdemEmittentenverkauft.DieRenditevonCPsistim
VergleichzukurzfristigenStaatspapierenmitgleicherLaufzeitgrößer,weilzumeinendas
KreditrisikohöherundzumanderendieMarktliquiditätgerin-gerist.Daherforderndie
InvestoreneinehöhereRenditeentschädigung.

IndenUSAwerdenCommercialPapersaufDiskontbasisemittiert,dasheißt,siewer-den
unterdemNominalwertverkauftundbeiFälligkeitzumNominalwertzurückgekauft.Die
VerzinsungergibtsichausderDifferenzzwischendemNominalwertunddemEmis-sionspreis.
EinenKuponbesitzendiePapierenicht.InanderenLändernwerdendieCPszumNominalwert
miteinemKuponemittiert.DerHandelerfolgtsomitaufRenditebasis.Werdenetwavon
US-UnternehmenCPsaufinternationalenGeldmärktenherausgegeben,
. Märkte 453

Tab.8.6 USCPs versus ECPs


Eigenschaften US Commercial Papers Eurocommercial Papers
Währung US-Dollar Irgendeine Währung
Fälligkeit Overnight bis 270 Tage Overnight bis 364 Tage
Zinsen Diskontbasis Renditebasis
Valuta t C 0 (Handelsabschluss) t C 2 (Handelsabschluss plus 2 Geschäftstage)
Handelbar ja ja

spricht man von Eurocommercial Papers (ECPs).43 Tab. 8.6 zeigt die wichtigsten Unter-
schiede zwischen Commercial Papers mit Emission und Emittent in den USA (USCPs)
und Eurocommercial Papers.
ZumBeispielbegebeneineUS-BankundeingroßesdeutschesIndustrieunternehmen
CommercialPapersmitjeeinemEmissionsvolumenvonUSD100Mio.,einerLaufzeitvon120
TagenundeinerVerzinsungvon3%.BeideEmissionenfindenindenUSAstatt.Fürdas
US-FinanzinstitutsindesUSCPs,währendessichfürdasdeutscheIndustrieun-ternehmenum
ECPshandelt.DerPreisdesUSCPs,deraufDiskontbasisemittiertundgehandeltwird,lässtsich
alsDifferenzzwischendemNominalwertvon100%undderanteiligenVerzinsungwiefolgt
berechnen:

 
T
BUSCP D 100%  100%  rUSCP  ; (8.18)
360 Tage
wobei:

BUSCP D Preis des US Commercial Papers,


rUSCP D Zinssatz des US Commercial Papers,
T D Tage bis zum Fälligkeitszeitpunkt des US Commercial Papers.

Somit kann die US-amerikanische Bank die Commercial Papers zu einem Preis von 99 %
emittieren:  
120 Tage
BUSCP D 100 %  100 %  0;03  D 99 %:
360 Tage
Die Bank erhält aus der Emission einen Verkaufserlös von USD 99 Mio. (D 0;99 
USD 100 Mio: ) und zahlt in 120 Tagen (also bei Fälligkeit) den Investoren USD 100
Mio. Die Zinsen belaufen sich demnach auf USD 1 Mio. [D USD 100 Mio:  0;03 
.120 Tage=360 Tage/].
Demgegenüber emittiert das deutsche Industr ieunternehmen die ECPs auf Basis eines
Geldmarktzinssatzes von 3 % und erhält einen Verkaufserlös von USD 100 Mio. Die Zin- sen
liegenebenfallsbeiUSD1Mio.[ D USD 100 Mio:  0;03  .120 Tage=360 Tage/].

43
EurocommercialPaperssindunbesichertekurzfristigeSchuldverschreibungen,dievoneinerBank
odereinemUnternehmenemittiertwerdenundaufeineandereWährungalsdiejenigedes
Domizillandes des Emittenten lauten.
454 Anleihen:Grundlagen

Allerdings zahlt das Unternehmen am Fälligkeitstag der ECPs den Investoren USD 101 Mio.
Der Betrag setzt sich aus dem Nominalwert von USD 100 Mio. und denZinsen von USD 1 Mio.
zusammen.
DasBeispielzeigt,dassbeideEmittentendengleichenZinsbetragvonUSD1Mio.
entrichten.BeidenUSCPserhaltendieInvestorendieZinsenaufdenbezahltenDis-kontpreis
von99%bzw.vonUSD99Mio.,wasfür120TageeinerRenditevon1,01%(
D USD 1 Mio:= USD 99 Mio)entspricht.ImGegensatzdazubeträgtbeidenECPsder:
Kaufpreis USD 100 Mio., was bei gleichen Zinsen von USD 1 Mio. zu einer leicht niedri-
geren Rendite von 1 % (D USD 1 Mio:= USD 100 Mio)führt.WeitereUnterschiedesind,:
dass das übliche Emissionsvolumen im ECP-Markt deutlich kleiner ist als bei USCPs und
dass ECPs mit längeren Laufzeiten schwierig er zu platzieren sind. Darüber hinaus ist der
ECP-Marktwenigerliquide.

CertificatesofDeposit
Bei Certificates of Deposit (CD) handelt es sich ebenfalls um kurzfristige unbesicherte
Geldmarktpapiere, die aber ausschließlich von Banken begeben werden. Üblicherweise
beträgt die Laufzeit der Geldmarktinstrumente zwischen 1 und 12 Monaten, wobei auch CD mit
längeren Fälligkeiten (bis zu 5 Jahren) herausgegeben werden. CD mit kurzen Laufzeiten
werden auf Diskontbasis emittiert, während solche mit längeren Laufzeiten in der Regel über
einen Kupon verfügen und somit auf Renditebasis gehandelt werden. Sie sind vergleichbar mit
Termineinlagen bei einer Geschäftsbank, sind aber handelbar. Da sie auf dem Sekundärmarkt
gehandelt werden können, besitzen CD im Vergleich zu Termineinlagen eine leicht niedrigere
Verzinsung.

Banker’sAcceptances
Banker’sAcceptancestretenvorallemindenUSAundGroßbritannienaufundsinddis-kontierte
Geldmarktpapiere mit Laufzeiten von 1 bis 6 Monaten. Dabei wird ein Wechsel von der Bank
akzeptiert, sodass für das Finanz institut eine unbedingte Zahlungsverpflich- tung entsteht, die
amGeldmarktgehandeltwird.WegenderAkzeptanzdesWechselsdurchdieBankistprimärdas
Ausfallrisiko der Bank maßgebend. In Deutschland und der Schweiz werden diese Instrumente
alsBankakzeptebezeichnetundfürdieFinanzie-rungvonAußenhandelsgeschäftenverwendet.
Geldmarktpapiere der öffentlichen Hand wie beispielsweise unverzinsliche
Schatzanweisungen der Bundesrepublik Deutschland werden im nächsten Abschnitt
beschrieben.

8.8.5 MärktefürRegierungsanleihen

8.8.5.1 EigenschaftenvonRegierungsanleihen
Anleihen werden von Regierungen verkauft, um den laufenden Haushalt zu decken und
Schulden zu refinanzieren. Sie werden durch das allgemeine Steuersubstrat und Vermö-
genswertedesStaatesgarantiert.BeieinemHaushaltsüberschusswerdendieüberschüs-
. Märkte 455

(ausstehendes
Volumen in
Mrd. USD)
16000 15.694

14000

12000

10000
8227
8000

6000

4000
2725
20821988 1980 1822
2000 1160 1003 1141
540 422 397
0
US JP GB IT FR CN DE CA ES AU BE NL Rest

Abb.8.8 Markt für allgemeine Regierungsanleihen der entwickelten Länder einschließlich China D
per Ende Juni 2015 (US USA, JP D Japan, GB D Großbritannien, IT D Italien, FR D Frankreich,
CN D China, DE D Deutschland, CA D Kanada, ES D Spanien, AU D Australien, BE D Belgien
und NL D Niederlande.) (Quelle: Bank for International Settlements 2015 : BIS Quarterly Review
December 2015, A 10)

sigen Steuereinnahmen für die Zins- und T ilgungszahlungen eingesetzt. Demgegenüber


werden bei einem Haushaltsdefizit neue Schulden gemacht, um die ausstehenden Anleihen
bedienen zu können. Für Regierungsanleihen existieren unterschiedliche Bezeichnungen,
wobeidieProduktemeistüberähnlicheEigenschaftenverfügen.SoetwasprichtmanindenUSA
von Treasuries, in Großbritannien von Gilts, in Frankreich von Obligations As- similables du
Trésor (OAT), in Deutschland bei Bundesanleihen von Bunds und in der Schweiz von
Eidgenossen. Darüber hinaus unterscheiden sich die Namen der nationalen
Schuldverschreibungen entsprechend der Ursprungslaufzeit. In den USA beispielsweise
spricht man von Treasury Bills bei einer ursp rünglichen Laufzeit von bis zu1 Jahr, von Treasury
Notes bei einer ursprünglichen Fälligkeit von 1 bis 10 Jahren und von Treasury Bonds bei
Ursprungslaufzeiten von mehr als 10 Jahren. Abb. 8.8 zeigt die Marktgröße von allgemeinen
RegierungsanleihenderentwickeltenLändereinschließlichChinaperEndeJuni2015.

BeiRegierungsanleihenmiteinemhohenRatingistdasKreditrisikovernachlässigbar,wenn
sieinderHeimatwährungausgegebenundbedientwerden.DieSchuldnerqualitätvon
StaatsanleihenwirdvonRatingagentureneingestuft.DieAnleihenmitdemhöchs-tenRating
unddemgeringstenKreditrisikoerhaltenvonS&PundFitcheinRatingvonAAA,während
Moody’sdiesenWertpapiereneinAaazuordnet.AnfangJanuar2016be-
456 Anleihen:Grundlagen

sitzen lediglich einige wenige Staaten wie Deutschland, die Schweiz, die Niederlande und
Großbritannien ein solch hohes Rating. Die jüngste europäische Schuldenkrise hat dazu
geführt, dass sich die Schuldnerqualität von vielen Staaten im Euroraum (z. B. Griechen- land,
PortugalundSpanien)verschlechterthat.

RatingagenturenunterscheidenbeiderRatingvergabezwischenStaatsanleihen,dieinder
HeimatwährungoderineinerFremdwährungemittiertwerden.LautetdieSchuldver-
schreibungaufdieHeimatwährung,kannderStaatdasSteuersubstratverwendenoderGeld
drucken,umdieausstehendenAnleihenbedienenzukönnen.DemgegenübersindZins-und
TilgungszahlungenineinerFremdwährungnurmöglich,wenndasLandDe-visenausdem
Exporterwirtschaftetund/oderdieeigeneWährungaufdenMärkteninFremdwährung
umgetauschtwerdenkann.DaherverfügenStaatsanleiheninderHeimat-währung
üblicherweiseübereinbesseresRating,alswennsieaufeineFremdwährungwieetwaUS-Dollar
lauten.AllerdingshatdieFinanzkrisevon2008gezeigt,dasseineErhöhungderSteuerndie
wirtschaftlicheEntwicklungunterbindenkann,sodasseinesol-cheMaßnahmelediglich
kurzfristigeinadäquatesMittelist,umeinehöhereSchuldlastinderHeimatwährungzutragen.
AußerdemführtdasDruckenvonGeldlangfristigzueinerAbwertungderHeimatwährung
gegenandereWährungen.

DieRegierungeinesLandesmiteinerhoheninländischenSparquotekannAnleiheninder
lokalenWährungbegebenunddieseaninländischeInvestorenverkaufen.So-mitwirddie
StaatsverschuldungdurchdieinländischenErsparnissefinanziert.IstdieLandeswährung
liquideundfreihandelbar,werdenauchausländischeInvestorenange-zogen,dieStaatspapiere
zukaufen.EineRegierungkanninfolgeeinerhohenNachfrageauchAnleihenineiner
Fremdwährungemittieren.SozumBeispielhabendieSchweizundDeutschlandinUS-Dollar
emittiert.
44
AußerdembegebenSchwellenländerstaatliche
SchuldverschreibungenineinerFremdwährung,dadieInvestorenzwarbereitsind,das
Kreditrisiko,nichtaberdasWährungsrisikozutragen.SolcheAnleihenwerdenvonder
RegierungüblicherweisedurcheinenFremdwährungsswapindielokaleWährungumge-
tauscht.

EmittentenmiteinemhohenRatingundsomitgeringemAusfallrisikozahlenaufih-re
AnleihenniedrigereZinsen.DieZinsbelastunghängtvomKreditrisikodesEmittentenab.So
könnenInvestorenbeieinerZunahmedesKreditrisikosRenditeaufschlägeinderFormeines
höherenBonitätsspreads(Kreditrisikoprämiebzw.CreditSpread)verlangen.Dabeihaben
VeränderungendesBonitätsspreadsÄnderungendesAnleihekurseszurFol-ge.Einehöhere
(niedrigere)KreditrisikoprämieführtbeigleichbleibendemZinsniveauzueinerhöheren
(niedrigeren)Renditeerwartung,wassichineinerAbnahme(Zunahme)desAnleihekurses
niederschlägt.DemnachistdieBeziehungzwischenKreditrisikoprämie(bzw.erwarteter
Rendite)undAnleihepreisnegativ,sodassnebenRisikenauchChancenbestehen.Verbessert
derEmittentseineKreditwürdigkeit,indemeretwadenHaushalt

44
SohatdieBundesrepublikDeutschland2005und2009jeeineFremdwährungsanleihelautendauf
US-DollarimSyndikatsverfahrenmitLaufzeitenvon5und3Jahrenemittiert,vondenendie
letzte Anleihe 2012 fällig wurde.
. Märkte 457

(Kurs
in %)
130
125
120
115
110
105
100
95
90
85
80
75
70
65
60
2010 2011 2012 2013 2014 2015
(Jahre)

Abb.8.9 Kursverlauf von Anfang 2010 bis Ende 2015 der Anleihe der Republik Irland mit Kupon
von 5 % und Laufzeit von Januar 2010 bis Oktober 2020 (Quelle: Bloomberg)

konsolidiert, dann wird der Bonitätsspread zurückgehen und der Anleihepreis steigen. Daraus
entstehende Kursgewinne sind durchaus vergleichbar mit Kapitalgewinnen bei Aktien. Ein
Beispiel sind irische Staatsanleihen, die als Folge der Finanzkrise von 2008 und der daraus
hervorgehenden Verschuldung wegen der Bankenrettung erheblich an Wert verloren haben.
Abb.8.9zeigtdenKursverlaufvonAnfang2010bisEnde2015der10-jährigenStaatsanleiheder
Republik Irland mit einem Kupon von 5 % und einer Laufzeit von Januar 2010 bis Oktober 2020
(ISIN:IE00B60Z6194).EndeJuni2011istderKursderirischenStaatsanleihewegendeshohen
Ausfallrisikos auf 65,30 % gefallen. Seither hat sich der Anleihepreis infolge des Vers
chuldungsabbausunddeswirtschaftlichenAuf-schwungsinIrlandwiedererholt.Am28.Januar
2016 wurde das Papier zu einem Kurs von 123,19 % gehandelt, was im Vergleich zum Kurs von
EndeJuni2011fasteineVer-doppelungdarstellt.DieVerfallrenditederAnleihebeläuftsichauf
0,13%.

BesitzendieStaatsanleiheneinehoheBonität,istdasKreditrisikogeringunddieAn-lage
relativsicher.WirdjedochdasPapiervordemLaufzeitendeverkauft,istmanalsInvestordem
Zinsänderungsrisikoausgesetzt.BeieinemAnsteigenderZinssätzefälltderAnleihekursund
manerleidetbeieinemVerkaufeinenMarktwertverlust.GehthingegendasZinsniveauzurück,
wirdeinKapitalgewinnrealisiert.DieBeziehungzwischenAnlei-hepreisundZinssatzist
negativ.
45

DasMarktliquiditätsrisikoistbeiRegierungsanleihenaufgrundderhohengehandelten
Voluminarelativgering.DieInvestorenkönneninderRegeldiePapierezumarktgerech-tenund
fairenPreisenkaufenundverkaufen.

45
Vgl. Abschn. 9.2.3 .
45 Anleihen:Grundlagen

8.8.5.2 SchuldverschreibungenderBundesrepublikDeutschland
Die einzelnen Emittentengruppen des öffentlichen Haushalts in Deutschland bestehen aus
Bund, Bundesländern, Gemeinden und Kommunalverbänden sowie den Sondervermö- gen
des Bundes. Sie begeben verschiedene Arten von Anleihen und Geldmarktpapieren.
Nachfolgend werden die Schuldverschreib ungen des Bundes vorgestellt, die Ursprungs-
laufzeitenvon6Monatenbishinzu30Jahrenaufweisen.InsgesamtbefandensichimJahre2015
(abhängig vom Zeit punkt) zwischen 60 und 70 handelbare Bundestitel im Um- lauf, die somit
dasgesamteZeitspektrumeinernahezuvollständigenRenditestrukturkurveabdecken.

ZumGeldmarktsegmentderBundeswertpapierezählendienichtbörsennotiertenun-
verzinslichenSchatzanweisungen(BuBills)mitLaufzeitenvon6und12Monaten.Siebesitzen
keinenKuponundwerdenzumDiskontpreisausgegebenundzumNominalwertvon100%
zurückgezahlt.DasKapitalmarktsegmentbeginntmitdenBundesschatzanwei-sungen
(Schätze)mitLaufzeitenvon2Jahren,denenimZeitspektrumBundesobligatio-nen(Bobls)mit
Fälligkeitenvon5JahrenundBundesanleihen(Bunds)mitLaufzeitenvon10und30Jahren
folgen.SieverfügenübereinenfestenKupon,derjährlichbezahltwirdundwerdenam
LaufzeitendezumNominalwertvon100%zurückgezahlt(Plain-Vanilla-Anleihen).Das
BeispieleinerBundesanleihemitdenentsprechendenStammdatenistinAbschn. 8.4
aufgeführt.Seit2006werdenauchinflationsindexierteBundeswertpapiere(ILB)mit
Laufzeitenvon5bis30Jahren(iBoblsundiBunds)emittiert.

46
Abb. 8.10 gibt
eine Übersicht über das ausstehende Nominalvolumen der handelbaren Bundeswertpapie-
re per Ende 2015.
DiePlatzierungderBundeswertpapiereaufdemPrimärmarkterfolgtimTenderver-fahren
(Auktionsverfahren).DabeinehmenausschließlichMitgliederder„Bietergruppe
Bundesemissionen“teil,diesichausin-undausländischenKreditinstitutenzusammen- 47
setzen. Die Zuteilung der Bundeswertpapiere auf die einzelnen Mitglieder basiert auf
einem Multi-Preis-Auktionsverfahren (und nicht auf einem Einheitspreisverfahren), bei
demderBunddieakzeptiertenGebotezudemimjeweiligenGebotgenanntenKurszu-teilt.Der
Bund hält bei jeder Auktion ein bestimmtes Nominalvolumen zurück, das für die Marktpflege
der begebenen Papiere im Sekundärmarkt eingesetzt wird. Die Kapital- marktpapiere
erreichen nach der Erstemi ssion und den darauffolgenden Aufstockungen Nominalvolumen
von EUR 15 bis EUR 20 Mrd. Die Aufstockungen gewährleisten eine hohe Liquidität auf dem
Sekundärmarkt und ermöglichen die Lieferung von Bundeswert- papieren für
Eurex-Futures-Kontrakte und für den Repo-Markt. Der Handel mit Bun- deswertpapieren
erfolgt im Sekundärmarkt an den europäischen Wertpapierbörsen und im außerbörslichen
Handel (OTC) wie etwa auf elektronischen Handelsplattformen. Der Markt für
Bundeswertpapiere gehört zu den weltweit größten und liquidesten Märkten für
Staatsanleihen.SowurdeimJahre2014voneinemrepräsentativenTeilderBietergruppe

46
Vgl. Abschn. 8.6.2.3 .
47
PerEndeDezember2015bestanddieBietergruppeaus37Kreditinstituten.DieerstenfünfKredit-
institutegeordnetnachdenimKalenderjahr2015übernommenengewichtetenZuteilungsbeträgen
warendieCommerzbank,PNBParibas,UniCredit,HSBCunddieDeutscheBank.
. Märkte 459

(ausstehendes
Volumen
in Mrd. EUR)
699
700

600

500

400

300
238
200
101
100 78
18,5
0
Bunds Bobls Schätze ILB U-Schätze

Abb.8.10 Ausstehendes Nominalvolumen der handelbaren Bundeswertpapiere per Ende 2015


(Quelle: http://www.deutsche-finanzagentur.de )

ein Volumen von EUR 4900 Mrd. gehandelt. Das entspricht fast dem Fünffachen des
durchschnittlich ausstehenden Nominalvolu mens von über EUR 1100 Mrd. Pro Handels- tag
machtdaseingehandeltesVolumenvonmehralsEUR19Mrd.aus.
DiegemeinsamenMerkmaleallerhandelbarenBundeswertpapieresinddieDeckungs-
stockfähigkeit,MündelsicherheitundNotenbankfähigkeit.DieRückzahlungenfindenmit
AusnahmederinflationsindexiertenBundeswertpapierezumNominalwertstatt.Eserfol-gen
keinevorzeitigenRückzahlungendurchKündigungoderAuslosung.DieStückelungliegtbei
EUR0,01.DieDay-Count-KonventionistbeidenKapitalmarktpapierentages-
genau/tagesgenauundbeidenGeldmarktpapierentagesgenau/360Tage.

DerBundhat1997dasStripping–alsodieTrennungvonKupon-undTilgungszah-lungen–
von10-und30-jährigenBundesanleiheneingeführt.DasStrippingwirdfürdenInvestorvonder
jeweilsdepotführendenStellevorgenommen.DieeinzelnenCashflow-Komponentender
AnleiheerhalteneineeigeneISIN,wobeiZinsstripsgleicherFälligkeituntereinerISIN
zusammengefasstwerden.Wirdeine10-jährigeBundesanleihegestrippt,ergebensich10
Zinsstrips,dieinjährlichenAbständenandenjeweiligenZinsterminenfälligwerdenundals
NominalwertdenZinsbezahlen,undeinNominalwertstripmitLauf-zeitendein10Jahren.
Darausresultierensomit11Nullkuponanleihen.DieRekonstruktioneinerBundesanleiheaus
Zins-undNominalwertstripsistlediglichKreditinstitutenfürderenEigenbestandvorbehalten.
StripsunterschiedlicherBundesanleihenkönnennichtzusammengeführtwerden.

DieTagesanleihedesBundesistkeineeigentlicheSchuldverschreibung,sonderneinnicht
handelbaresTagesgeldmarktkonto,dasbeimBundgetätigtundtäglichverzinstwird.
460 Anleihen:Grundlagen

Die Höhe der Verzinsung richtet sich täglich an dem von der EZB berechneten europäi- schen
Interbankensatz EONIA aus. Da das Geld beim Bund und nicht im Interbanken- markt angelegt
wird,erhältmanalsKompensationfürdasniedrigereKreditrisikoeinegeringereVerzinsungals
derReferenzzinssatz.DerTageszinswirdgrundsätzlichmitderFormel0,925

EONIAbestimmt.LiegtderEONIAüber6%,wirdeinAbschlagvon0,45%
vorgenommen,währendbeieinemEONIAvonunter2%derAbschlag0,15%
beträgt. Die Zinsuntergrenze liegt bei 0 %. Am 31. Dezember eines Jahres wird der Zins durch
UmwandlunginneueAnteileausgeschüttet.DieLaufzeitistunbefristet.
DeraktuelleWertdergetätigtenTagesanleihe(inklusiveZinsundZinseszins)lässtsicham
Tagespreisablesen,dervonderDeutschenFinanzagenturveröffentlichtwird.DerTagespreis
lässtsichwiefolgtermitteln:

 
EONIAt
Bt D Bt1 1 C ; (8.19)
360 Tage

wobei:

Bt D aktueller Tagespreis,
Bt1 D Tagespreis des Vortages.

Wird zum Beispiel ein Betrag von EUR 10:000 beieinemTagespreisvon101,5%an-D


gelegt, ergibt sich ein Nominalwert von EUR 9852,22 ( EUR 10:000=1;015). Liegt der
EONIA am Ende des nächsten Tages bei 0,65 % (also nach Abschlag bei 0,5 %), resultiert daraus
folgenderTagespreis:
 
0;005
Bt D 101;5 %  1 C D 101;5014097 %:
360 Tage

Demnach ergibt sich ein Anlagebetrag von EUR 10.000,14 (D EUR 9852,22 
1,015014097), was eine Zinsentschädigung für 1 Tag von EUR 0,14 (D EUR 10:000;14 
EUR 10:000) darstellt. Beträgt der EONIA am nächsten Handelstag 0,7 % (also nach
Abschlag 0,55 %), lässt sich der T agespreis wie folgt bestimmen:
 
0;0055
Bt D 101;5014097 %  1 C D 101;5029604 %:
360 Tage

Der Anlagebetrag beläuft sich am E nde des zweiten Handelstages auf EUR 10:000;29 (D
EUR  1;015029604),waszueinerZinsentschädigungfür2TagevonEUR0,29
führt.9852;22
Die Berechnung der Zinsen erfolgt somit mit dem Zinseszinseffekt. Die Ausgabe neuer
Anteile an der Tagesanleihe wurde am 31. Dezember 2012 eingestellt. Lediglich noch Inhaber
eines Schuldbuchkontos können bei der Deutschen Finanzagentur noch ihre Zinserträge aus
dendarinverwahrtenBundeswertpapierenineineTagesanleiheanlegen(StandJanuar2017).
. Märkte 461

8.8.5.3 SchuldverschreibungenderSchweizerischenEidgenossenschaft
Die Bundestresorerie ist für die Finanzier ung des vom Bund nicht gedeckten Mittelbedarfs am
Geld- und Kapitalmarkt zuständig. Sie ist dem Eidgenössischen Finanzdepartement EFV
unterstellt. Die oberste Zielsetzung de r Bundestresorerie besteht darin, die Zah-
lungsbereitschaft des Bundes sicherzustelle n. Dabei sind die Finanzierungsbedürfnisse des
Bundes über einen längeren Zeitraum zu möglichst niedrigen Kosten bei vertret- barem Risiko
abzudecken. Darüber hinaus hat sie die Transparenz und den Fortbestand der
Emissionstätigkeit, die Wahrung der Liquidität im Sekundärmarkt und die allgemeine
Kontaktpflege mit Banken und Investoren zu gewährleisten. Die Bundestresorerie setzt die
folgendendreiInstrumentezurMittelbeschaffungaufdemGeld-undKapitalmarktein:

48

1. Öffentliche Anleihen mit festem Kupon und mehrjähriger Laufzeit (Plain-Vanilla-


Anleihen),
2. Geldmarktbuchforderungen (GMBF), emittiert auf Diskontbasis und mit Laufzeiten von 3,
6und12Monaten,sowie
3. kurzfristige Kredite mit vordefinierter Laufzeit (Geldmarktkredite).

1. DieAnleihenderSchweizerischenEidgenossenschaft(Eidgenossen)sinddiewich-tigsten
Instrumente zur Finanzierung des l angfristigen Mittelbedarfs des Bundes. Sie werden seit
1980 im Auktionsverfahren herausgegeben. Diese Auktionen finden übli- cherweise am
zweiten Mittwoch jeden Mona ts (mit Unterbrechung im August) statt. Die entsprechenden
Daten werden in einem Emissionskalender jeweils zu Jahresbe- ginn veröffentlicht. Die
Auktionen erfolgen anhand eines Zinstenders über eine elek- tronische Handelsplattform.
Für jede Anleiheemission gibt die Bundestresorerie Ku- pon und Laufzeit vor. Die an die
Plattform angeschlossenen Banken und einzelne bedeutende institutionelle Anleger
unterbreiten Gebote für den Emissionsbetrag und den Ausgabepreis der Anleihen. Die
Zuteilung der Staatspapiere erfolgt nach dem Einheitspreisverfahren. Dabei wird auf
Grundlage der eingereichten Gebote ein nied- rigster noch akzeptierter Ausgabepreis
festgelegt. Zu diesem Einheitspreis können sämtliche Teilnehmer die öffentlichen Schul
dverschreibungen kaufen. Allerdings wer- den nur Teilnehmer berücksichtigt, welche den
Einheitspreis oder einen höheren Preis geboten haben. Um die Marktpflege betreiben zu
können, wird ein Teil des Emis- sionsvolumens (Eigenquote) nicht platziert, sondern im
Eigenbestand gehalten. Die Anleihen der Schweizerisch en Eidgenossenschaft werde n an
derSchweizerBörseSIXSwissExchangenotiert.

Um die Liquidität und Handelbarkeit der Bundesanleihen sicherzustellen, weisen die


Papiere eine sogenannte Reopening-Klausel auf, die Aufstockungen von bereits emit-
tiertenAnleihenermöglicht.Durchschnittlichsindrund20Schuldverschreibungen

48
Vgl. Eidgenössische Finanzverwaltung EFV 2016 : Ökonomische, rechtliche und organisatorische
Grundlagen der Haushaltsführung des Bundes, S. 124.
462 Anleihen:Grundlagen

ausstehend und üblicherweise wird eine Anleihe pro Jahr zur Rückzahlung fällig.49
Abhängig vom Mittelbedarf werden bei je der Auktion ungefähr CHF 200 Mio. bis CHF 500
Mio. auf dem Kapitalmarkt aufgenommen. Anhand daran anschließender Aufstockungen
nimmt die erstmalig emittiert e Anleihe (Basisanleihe) über ihre Lauf- zeit hinweg auf
maximalCHF5Mrd.bisCHF7Mrd.zu.DieausstehendenAnleihenerstreckensichüberein
Laufzeitspektrum von wenigen Monaten bis über 48 Jahre (Stand Januar 2016), sodass mit
denjeweiligenRenditeneinerisikoloseZinsstruktur-kurvekonstruiertwerdenkann.

2. Bei den Geldmarktbuchforderungen (GMBF) handelt es sich um verzinsliche Schuld-


verschreibungen,dieaufDiskontbasisbegebenwerden. 50
DiehandelbarenBuchfor-
derungenwerdenineinemvonderSIXSISAGgeführtenHauptregistereingetragen.Die
GMBFwerdenmitLaufzeitenvon3,6und12Monatenemittiert.Essindimmer16GMBF
ausstehend,diesichin11dreimonatige,3sechsmonatigeund2zwölf-monatigeGMBF
aufteilen.DieöffentlichenAuktionenfindenwöchentlichaneinemDienstagstattund
werdenamDonnerstagmitValuta2Tage(t
C 2) liberiert. Wie bei
den Anleihen erfolgt die Auktion in der Form eines Zinstenders und über die gleiche
elektronische Handelsplattform. Das ausstehende Volumen liegt in der Regel bei rund CHF
10Mrd.
3. Die Bundestresorerie kann im Rahmen von vorübergehenden Mittelbedarfsspitzen
Geldmarktkredite bei Geschäftsbanken aufnehmen. Die Geldmarktkreditewerden
fürdaskurzfristigeLiquiditätsmanagementeingesetztundbesitzenüblicherweise
LaufzeitenvoneinigenwenigenTagen.

8.8.6 Marktkonventionen

8.8.6.1 ÜbersichtüberMarktkonventionen
Für Anleihen gelten unterschiedliche Marktkonventionen, die für den Handel mit Schuld-
verschreibungenrelevantsind.Siekönnenwiefolgtzusammengefasstwerden:

 Unterschiedliche Preisstellungen von Anleihen wie etwa Clean-Preis und Full-Preis.


 Die Valutierung der Anleihe kann variieren, wobei die Valuta bei Handelsabschluss zum
Beispielbeiplus1Tag(t C 1), plus 2 Tage (t C 2) oder plus 3 Tage (t C 3)
festgelegt werden kann.

49
EndeJanuar2016warenzumBeispiel22AnleihenderSchweizerischenEidgenossenschaftmit
Restlaufzeitenvon1,5Monatenbis48,4JahrenundeinemEmissionsbetragvonCHF78Mrd.aus-
stehend. Im Jahre 2016 wurden 2 Anleihen mit einem Emissionsbetrag von CHF 9,381 Mrd. zur
Rückzahlungfällig.
50
InfolgedernegativenZinsenwurdenEndeJanuar2016GMBFzueinemPreisvonüber100%emittiert.
DadieInstrumentezueinemPreisvon100%zurückgezahltwerden,ergibtsichausdem
Diskontzuschlag eine Negativverzinsung. Die Schweizerische Nationalbank hat 2008 ihr geldpoli-
tisches Instrumentarium ergänzt und eigene Geldmarktbuchforderungen – sogenannte SNB Bills –
eingeführt.
. Märkte 463

 Es bestehen verschiedene Day-Count-Konventionen für die Berechnung der Stückzin-


sen.
 Kuponzahlungen können sich hinsichtlich Freque nz (z. B. jährlich oder halbjährlich),
Terminen (End of Month bzw. EOM oder Non End of Month bzw. NEOM) und Day-
Roll-Konventionenunterscheiden.
 Feiertagskalender für die Bestimmung der Geschäfts- und Ferientage wie etwa Target,
LondonoderFrankfurtsindbeispielsweisefürdieErmittlungderValutaentscheidend.

Die einzelnen Marktkonventionen w erden nachfolgend beschrieben.

8.8.6.2 Preisstellung,StückzinsenundValutierung
KaufenInvestorenAktien,sobezahlensiedenPreis,zudemdasPapieraufdemMarktge-handelt
wird. Demgegenüber kann bei Anleihen der bezahlte Preis (Full-Preis) vom notier- ten Preis
(Clean-Preis) abweichen. Befindet sich eine festverzinsliche Anleihe zwischen zwei
Kuponterminen, besteht der bezahlte Prei s bzw. der Full-Preis ausdem Clean-Preis, zu dem das
Papiergehandeltwird,unddenStückzinsen:
51

BFull D BClean C SZ; (8.20)

wobei:

BFull D Full-Preis,
BClean D Clean-Preis,
SZ D Stückzinsen.

BesitzteinInvestoreineAnleiheundverkauftsievordemEndeeinerZinsperiode,soerhälteraus
dem Verkauf zusätzlich zum Clean -Preis die Stückzinsen. Der neue Inhaber der Anleihe
bekommt am nächsten Zinstermin den vollen Kupon ausgezahlt. Daher muss der Käufer dem
Verkäufer die Stückzinsen (also die aufgelaufenen Zinsen) vom letzten Zinstermin bis zum
Valutatag bezahlen. Der Valutatag hängt von den Marktkonventionen ab und liegt meist
zwischen1und3GeschäftstagennachdemHandelsabschluss.DieStückzinsenkönnenmitfolge
nderFormelberechnetwerden:

 
t
SZ D K ; (8.21)
n

wobei:

K D Kupon,
t D Anzahl Tage vom letzten Zinst ermin bis zum Valutatag,
n D Anzahl Tage in der Zinsperiode.

51
Vgl. Bodie et al. 2009 : Investments, S. 456.
464 Anleihen:Grundlagen

Kupon
von 4 %
Stückzinsen von 1,36986 %
[4 % x (125 Tage / 365 Tage)]

0 Tage 125 Tage 365 Tage

Beginn Valuta- Ende


Zins- tag Zins-
periode periode

Abb.8.11 Bestimmung der Stückzinsen

VerfügteinefestverzinslicheAnleiheübereinenjährlichenKuponsatzvon4%,zahltsieaufeinen
NominalbetragvonEUR1000jedesJahreinenKuponvonEUR40,außeresliegteineunregelmäßige
Zahlungsperiode wie etwa am Anfang oder Ende der Anleihe- laufzeit vor.Erfolgt hingegen ein
Kauf/VerkaufderSchuldverschreibungzwischenzweiZinsterminen,werdendieanteiligenStückz
insenvomZeitpunktdesletztenZinstermins(odervomBeginndesZinslaufs)biszumValutatagdes
Kaufs/Verkaufsermittelt.DieBe-rechnungderStückzinsenistandenMärktennichteinheitlich
geregelt und hängt von den Day-Count-Konventionen ab. Geht man beispielsweise von einer
Day-Count-Konventionvontagesgenau

= tagesgenauausundunterstellt125TagevomletztenZinsterminbiszum
Valutatagund365TageproJahr(alsokeinSchaltjahr),ergebensichStückzinsenvon
1,36986 %:52
 
125 Tage
SZ D 4 %  D 1;36986 %:
365 Tage

Bei einem Clean-Preis von 102 % und Stückzinsen von 1,36986 % beläuft sich der Full- Preis auf
103,36986%:

BFull D 102 % C 1;36986 % D 103;36986 %:

Liegt der Nominalwert des Wertpapiers bei EUR 1000, bezahlt der Käufer dem Verkäufer einen
Preis von EUR 1033,70. Abb. 8.11 visualisiert die Berechnung der Stückzinsen. Die
unterschiedlichenDay-Count-KonventionenwerdenimnächstenAbschnittvorgestellt.

52
In einigen Märkten bestehen Vorschriften hinsichtlich der Rundung der Stückzinsen auf eine be-
stimmte Anzahl von Stellen nach dem Komma (z. B. 5 Stellen).
. Märkte 465

UnterNotierungverstehtmandasStelleneinesverbindlichenPreisesdurcheinen
Marktteilnehmer.BeiAnleihenerfolgendiePreisnotierungeninProzentvomNominal-wert.
EsgibtauchLänderwiebeispielsweisedieUSAundGroßbritannien,diefürdiePreisstellung
Brücheverwenden.SoetwawerdenPreisevonUSTreasuryBondsmitei-nemBruchgestellt,
zumBeispiel102-
16=32,wasbeieinemNominalwertvonUSD1000
zu einem Preis von USD 1025 (D 1;025 USD 1000) führt.53 Die meisten Anleihen
werden zum Clean-Preis gehandelt, also ohne Stückzinsen. Bei einer Preisnotierung mit
Full-Preisen würde der Anleihepreis täglich um die anteiligen Stückzinsen steigen. Nach
AuszahlungdesKuponshingegenwürdederAnleihepreiserheblichfallen.DieAuswir-kungen
auf den Preis von Zinsbewegungen und Bonitätsänderungen des Emittenten wären somit nicht
mehr klar ersichtlich. Daher werden Anleihen üblicherweise zum Clean-Preis, also ohne
Stückzinsen,aufdemMarktnotiert.

DievondenHändlerngestelltenPreiseweiseneineGeld-undeineBriefseite(Bid/Ask)auf.
AnleihenwerdenvondenMarktteilnehmernzumBriefkursgekauftundzumGeld-kurs
verkauft,wobeiderBriefkursdenGeldkursüberschreitet.DieGeld-Brief-Spannestelltden
GewinnderHändlerdar,welchediePreisnotierungenvornehmen.Somitkaufensievonden
MarktteilnehmernWertpapierezumniedrigerenGeldkursundverkaufensieanschließend
weiterzumhöherenBriefkurs.

Die Valutierung, also die Wertstellung des Geschäfts, findet üblicherweise 1 bis 3 Ge-
schäftstage nach dem Tag des Kauf- bz w. Verkaufsabschlusses statt (t C 1, t C 2 bzw.
t C 3). In einer Vielzahl von Märkten wie etwa bei den Anleihen der Bundesrepublik
Deutschland und bei Unternehmensanleihen ist t C 3 üblich.54 Demgegenüber weisen
US-amerikanische Treasury Securities eine Standardvaluta von t C 1auf.FallendieGe-
schäftstageaufFeiertageoderaufeinWochenende,verschiebtsichderValutatagumdie
entsprechendenTage.SiehtdieMarktkonventionzumBeispielt
C 3vorunderfolgtder
KaufabschlussaneinemDonnerstag,sokommtaufgrunddesWochenendesderValutatagauf
DienstagnächsterWochezuliegen,fallsFreitag,MontagundDienstagkeineFeiertage 55
sind. Der Geldbetrag für den Anleihekauf flie ßt somit am Dienstag bzw. am Valuta-
tag. Der Kaufpreis reflektiert den Full-Preis, sodass die Stückzinsen bis zum Valutatag
zu berechnen sind, an dem auch die gekauften Papiere auf dem Konto gebucht werden. Vom
Valutatag zu unterscheiden ist der Settlement-Tag, an dem die Zahlung tatsächlich auf dem
Konto eingegangen ist. Infolge von etwaigen Zahlungsverzögerungen kann der
Settlement-TagvomValutatagabweichen.

Beispiel
Berechnung des Full-Preises zwischen zwei Kuponterminen
Die 0,5 %-Anleihe der Bundesrepublik Deutschland mit einer Laufzeit von 2015 bis 2025
weistdiefolgendenStammdatenauf:

53
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 725.
54
Die Standardvaluta von europäischen Staatsanleihen ist t C 3.
55
Feiertage lassen sich mithilfe eines Feiertagskalenders bestimmen.
466 Anleihen:Grundlagen

Emittent Bundesrepublik Deutschland


ISIN DE0001102374
Art Öffentliche Anleihe
Währung EUR
Stückelung EUR 0,01
Emissionsvolumen EUR 23 Mrd.
Emissionstag 14. Januar 2015
Day-Count-Konvention Tagesgenau/tagesgenau (ICMA)
Kupon 0,5 % fest, jährlich
Beginn Zinslauf 16. Januar 2015
Erster Zinstermin 15. Februar 2016
Letzter Zinstermin 15. Februar 2025
Fälligkeit 15. Februar 2025
Valuta 3 Geschäftstage nach Handelsabschluss

AmFreitag,5.Februar2016,belaufensichum11.40UhrdiegestelltenPreisefüreinen
NominalwertvonEUR1Mio.aufeinenGeldkursvon102,860%undeinenBriefkursvon
102,880%.WiehochistderKaufpreisderBundesanleihemiteinemNominalwertvonEUR1
Mio.?

Lösung
Dader5.Februar2016einFreitagist,fälltdieValutaaufMittwoch,den10.Februar2016(also
das Wochenende plus 3 Geschäftstage). Vom Beginn des Zinslaufs am 16. Januar 2015 bis
zum 10. Februar 2016 sind esinsgesamt390 Tage. Die Zinsperiode umfasst 365 Tage, sodass
sichStückzinsenvon0,53425%ergeben:
56

 
390 Tage
SZ D 0;5 %  D 0;53425 %:
365 Tage

DerFull-PreisbestehtausdemClean-Preisvon102,880%unddenStückzinsenvon0,53425
%:

BFull D 102;880 % C 0;53425 % D 103;41425 %:

Bei einem Nominalwert von EUR 1 Mio. ist ein Preis für die Bundesanleihe von EUR
1:034:142;50 (D 1;0341425  EUR 1 Mio:) zu bezahlen.

56
Nach der Day-Count-Konvention tagesgenau = tagesgenau ICMA wird die erste lange Zinsperi-
ode in eine kurze erste und eine zweite normale Periode aufgeteilt, was ebenfalls zu Stückzinsen von
0,53425 % (D 0;5 %  25 Tage=365 TageC 0;5 %  365 Tage=365 Tage) führt. Vgl. Abschn. 8.8.6.3 .
. Märkte 467

EsgibtauchAnleihen,beidenenderKaufpreisdemClean-Preisentspricht.Soetwawerden
dieStückzinsennichtbeimKaufentrichtet,sondernerstbeimnächstenZinsterminbezahlt.
BeispielesindSchuldscheindarlehenundAnleihenmitunsicherenKuponzahlun-gen,dieetwa
voneinemGewinnabhängigsind.DarüberhinauswerdenauchdiePreisevonAnleihen,diesich
imZahlungsausfall(Default)befindenundsomitkeineKuponsmehrzahlenkönnen,ohne
anteiligeStückzinsenverrechnet.

WennsichdieAnleiheaufeinemKuponterminbefindet,entsprichtderClean-Preisdem
Full-Preis,dazudiesemZeitpunktdieaufgelaufenenStückzinsennullsind.DerKu-ponwirdsomitam
TagderZinszahlungvomKaufpreisgetrennt.IneinigenMärktenwirdderKuponbereitseinigeTage
vorderZinszahlungvomKaufpreisentbunden.WährenddieserZeitfindetderHandelderAnleihe
ohneStückzinsenstatt.FolglichbezahltderKäuferfürdieseZeitkeinenStückzinsundhatsomitkein
AnrechtaufdenanteiligenKu-ponbiszumZinstermin.DesWeiterenwerdenoftmalsneuemittierte
AnleihenbereitsvorBeginndesZinslaufsgehandelt,sodassderKäufervomValutatagbiszumBeginn
desZinslaufskeinenAnspruchaufStückzinsenhat.

8.8.6.3 Day-Count-Konventionen
Die Berechnung der Stückzinsen erfolgt anhand von Day-Count-Konventionen, mit de- nen die
Zinstage und die Tage für das gesamte Jahr bestimmt werden. Außerdem sind die
Day-Count-Konventionen auch für die Ermittlung der Zinsen von variabel verzinslichen
Anleihen und Geldmarktpapieren relevant. Die verschiedenen Day-Count-Konventionen
lassen sich in die folgenden Hauptgruppen einteilen, wobei die ersten beiden Berech-
nungsverfahrenamweitestenverbreitetsind:

1. Tagesgenau = tagesgenau (Actual = Actual),


2. 30 Tage = 360 Tage (30 = 360),
3. tagesgenau = 360 Tage (Actual = 360) und
4. tagesgenau = 365 Tage (Actual = 365).

1. Die Konvention tagesgenau = tagesgenauwirdinderRegelbeifestverzinslichenAn-


leiheneingesetzt.DabeiwerdendietatsächlichangefallenenTagefürdieZinstageund
dieGesamttagedesJahresverwendet.1Jahrbestehtaus365TagenoberbeieinemSchaltjahr
aus366Tagen.
Die an den Anleihemärkten am weitesten verbreitete Konvention für Anleihen mit ei- nem
festenKuponisttagesgenau = tagesgenau ICMA, die beispielsweise bei europäi-
schen und US-amerikanischen Staatsanleihen sowie bei vielen anderen europäischen
Emissionen angewandt wird. Die ICMA (International Capital Market Association) ist ein
internationaler Branchenverband von Kapitalmarktteilnehmern wie etwa Ban- ken und
Finanzdienstleistern mit Sitz in Zürich. Sie ist im Juli 2015 aus dem Zu- sammenschluss der
International Primary Ma rket Association und der International Securities Market
Association (ISMA) ent standen. Bei mehre ren Kuponterminen in einem Jahr wird der
KuponsatzaufdieentsprechendePeriodeheruntergebrochen,so-
46 Anleihen:Grundlagen

dass die Kuponzahlungen für die gesamte Zins periode oder die anteiligen Stückzinsen
berechnetwerdenkönnen:
 
KS t
Kn oder SZ D NW; (8.22)
m n

wobei:
Kn D Kuponzahlung am Zinstermin,
KS D jährlicher Kuponsatz,
m D Kuponfrequenz pro Jahr (z. B. 2 bei einem halbjährlichen Kupon),
NW D NominalwertderAnleihe.

ZumBeispielbelaufensichderKuponsatzauf4%undderNominalwertaufEUR1000.Liegt
die Zinsperiode zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 1. Juli 2015, ergibt sich ein Kupon von
EUR40[
D 0;04  .365 Tage=365 Tage/  EUR 1000]. Befindet sich
hingegen die Zinsperiode in einem Scha ltjahr, z. B. vom 1. Juli 2015 bis 1. Juli 2016,
resultiert daraus ebenfalls ein Kupon von EUR 40 [D 0;04  .366 Tage=366 Tage/ 
EUR 1000]. Ist die zu berechnende Zinsperiode keine volle Kuponperiode, sind die
Kuponzahlungen nach den folgenden vier Varianten zu bestimmen:
Kurze erste Periode: Der Berechnungszeitraum ist kürzer als eine volle Kuponpe- riode,
sodass die Anzahl der Tage in diesem Zeitraum durch die Anzahl der Tage der vollen
Kuponperiodezudividierenist.BeginntetwadieZinsperiodeam1.No-vember2014und
endetam1.Juli2015,beträgtderanteiligeKuponEUR26,52[

D 0;04  .242 Tage=365 Tage/  EUR 1000].


 Lange erste Periode: Der Berechnungszeitraum ist länger als eine volle Kuponpe-
riode. In einem solchen Fall wird der zu berechnende Zeitraum in eine kurze erste Periode
und in eine zweite normale Periode aufgeteilt. Startet beispielsweise der Zinslauf am 1.
Mai 2014 und wird der Zins am 1. Juli 2015 ausgezahlt, ergibt sich ein Kupon von EUR
46,68[
D 0;04  .61 Tage=365 Tage/  EUR 1000 C 0;04 
.365 Tage=365 Tage/  EUR 1000].
 Kurze letzte Periode: Die Berechnungsperiode ist kürzer als die volle Kuponperi-
ode. Dabei werden die Tage des Berechnungszeitraums durch die Anzahl der Tage der
vollenKuponperiodedividiert.DieletzteZinsperiodebeginntam1.März2016undendet
am1.September2016(Schaltjahr).DeranteiligeKuponbeläuftsichaufEUR20,11[
D 0;04  .184 Tage=366 Tage/  EUR 1000].
 Lange letzte Periode: Der Berechnungszeitraum ist länger als eine volle Kuponpe-
riode, sodass der zu ermittelnde Zeitrau m in eine erste normale Kuponperiode und in eine
zweite Periode aufgeteilt wird. Beginnt die letzte Periode am 1. Juli 2015 und endet am 1.
September2016(Schaltjahr),liegtderKuponbeiEUR46,78[
D
0;04  .366 Tage=366 Tage/ EUR 1000 C 0;04  .62 Tage=366 Tage/ EUR 1000].
Die Anzahl der Tage pro Jahr ist entweder 365 Tage oder 366 Tage und hängt davon ab,
ob ein Schaltjahr vorliegt bzw. ob im Berechnungszeitraum der 29. Februar enthalten
. Märkte 469

ist. Längere Zeiträume als eine normale Kuponperiode werden in eine normale Periode und
eine kurze Periode unterteilt. Finden z wei Kuponzahlungen pro Jahr statt, wird bei einer
vollen Kuponperiode der Zinssatz durch zwei Halbjahresperioden dividiert. Liegt zum
Beispiel die halbjährliche Zinsperiode zwischen dem 1. März und dem 1. September 2015,
resultiertdarauseineKuponzahlungvonEUR20:

 
0;04 184 Tage
Kn D   EUR 1000 D EUR 20:
2 184 Tage
Liegt eine kurze erste Periode vor, die beispielsweise am 1. April 2015 anfängt und
am 1. September 2015 endet, so beträgt die Kuponzahlung bei einer halbjährlichen
VerzinsungderAnleiheEUR16,63:
 
0;04 153 Tage
Kn D   EUR 1000 D EUR 16;63:
2 184 Tage
Die Berechnung der Kuponzahlungen bei einer Anleihe mit einem halbjährlichen Ku-
pon erfolgt bei einer langen ersten Periode, einer kurzen letzten Periode und einer langen
letztenPeriodeanalogzueinerAnleihemiteinemjährlichenKupon.

Beispiel
Berechnung des Full-Preises bei einem US Treasury Bond anhand der Day-Count-
Konventiontagesgenau = tagesgenau ICMA
Der 2,5 % US Treasury Bond mit einer Laufzeit von 2015 bis 2045 besitzt die folgen-
den Stammdaten:
Emittent United States of America
ISIN US912810RK60
Art Öffentliche Anleihe
Währung USD
Stückelung USD 100
Emissionsvolumen USD 42.000,609 Mio.
Emissionspreis 98,75 % (98-24=32)
Emissionstag 15. Februar 2015
Day-Count-Konvention Tagesgenau = tagesgenau ICMA
Kupon 2,5 % fest, halbjährlich
Beginn Zinslauf 15. Februar 2015
Erster Zinstermin 15. August 2015
Zweiter Zinstermin 15. Februar 2016
Fälligkeit 15. Februar 2045
Valuta 1 Geschäftstag nach Handelsabschluss

Am Freitag, 5. Februar 2016, wird der Treasury Bond zu einem Clean-Preis von
95,25 % (95- ) gekauft.WiehochistderFull-PreisderAnleihebeieinemNomi-8=32
nalwert von USD 100.000?
470 Anleihen:Grundlagen

Lösung
Dader5.Februar2016einFreitagist,fälltdieValutaaufMontag,den8.Februar2016(alsodas
Wochenendeplus1Geschäftstag).VomBeginndesletztenZinsterminsam15.August2015
bis zum Valutatag am 8. Februar 2016 sind es insgesamt 177 Tage. Die Zinsperiode umfasst
184Tage,waszuStückzinsenvon1,20245%führt:

 
2;5 % 177 Tage
SZ D  D 1;20245 %:
2 184 Tage

Der Full-Preis besteht aus dem Clean-Preis von 95,25 % zuzüglich den Stückzinsen von
1,20245%:

BFull D 95;25 % C 1;20245 % D 96;45245 %:

Bei einem Nominalwert von USD 100.000 resultiert daraus ein Kaufpreis von USD
96.452,45.

Die Day-Count-Konvention tagesgenau = tagesgenauISDAwirdvorallembeiZins-365


satzswaps eingesetzt. Sie wird auch als tagesgenau = Tagebezeichnet.BeiAnleihen
wird diese Konvention selten verwendet. Die Kuponzahlung oder der anteilige Stückzins lässt
sichmitfolgenderFormelberechnen:

 
tn ts
Kn oder SZ D KS C NW; (8.23)
365 Tage 366 Tage

wobei:

KS D Kuponsatz,
t D ZinstagefürdasJahrnichtimSchaltjahr,n
ts D Zinstage für das Jahr im Schaltjahr.

SindetwaderKuponsatz4%,derNominalwertEUR1000undfälltderBeginndesZins-laufsauf
den 1. März 2015, so lässt sich für eine Zinsperiode von 1. März 2015 bis 1. März 2016 die
KuponzahlungvonEUR40,09wiefolgtermitteln:


   
305 Tage 61 Tage
Kn D 0;04  C 0;04   EUR 1000 D EUR 40;09:
365 Tage 366 Tage

Werden die Kupons einer Anleihe jährlich bezah lt, unterscheiden sich die beiden Day-
Count-Konventionen unter ICMA und ISDA in der Regel nicht, außer:
. Märkte 471

 die Zinsperiode überschreitet das Jahresende und eines der beiden Jahre ist ein Schalt-
jahr oder
 esbestehenmehrereZinstermineineinemJahr,wobeiICMAdiePeriodenproJahrundISDA
dietatsächlicheAnzahlderTageverwendet.

2. Bei der Konvention 30 Tage = 360TagewerdenfürjedenMonat30TageundfürdasJahr


360Tagebenutzt.DieFormelfürdieKuponzahlungamZinsterminoderfürdie
anteiligen Stückzinsen kann wie folgt dargestellt werden:
 
t
Kn oder SZ D KS NW:
360 Tage

Die Zinstage t einer Kuponperiode können anhand verschiedener Konventionen aus-


gerechnetwerden,diesichinBezugaufdieunterschiedlicheBehandlungdesMonats-endes
unterscheiden:
 30E = 360 ICMA: Das E stammt von European. D abei werden die Tage wie folgt Y
bestimmt: . 2  Y1/  360 C .M2  M1/  30 C .D2  D1/, wobei Y für Jahr,
M für Monat und D für Tag steht. Ist D1 D 31 Tage, dann ist D1 D 30 Tage, und
ist D2 D 31 Tage, dann ist D2 D 30 Tage. Somit wird das Settlement am 30. bzw.
am. 31. eines Monats gleichbehandelt und der Monat besteht immer aus 30 Tagen.
Zum Beispiel sind es vom 28. Februar bis 1. März auch in einem
S c h a l t jDa h r im2/
me r30
3 TCa g.1e 
[ 28/].Vom1.Junibis5.Septembersindes94Tage.3
[D .9  6/  30 C .5  1/].
 30U = 360 ICMA: Das U leitet sich von United States ab. Die Methode wird vorwie-
gend in Nordamerika für US Corporate Bonds und US Municipal Bonds verwendet. Die
TagewerdenmitfolgenderFormelbestimmt: .Y2  Y1/  360 C .M2  M1/ 
30 C .D2  D1/, wobei Y für Jahr, M für Monat und D für Tag steht. Ist D1 D
31 Tage, dann ist D1 D 30 Tage, und ist D2 D 31 Tage und D1  30, dann ist
D2 D 30 Tage, ansonsten ist D2 D 31 Tage. Liegt der Zinstermin auf dem letz-
ten Tag im Februar, wird dieser Tag als 30. Februar behandelt (D2 D 30). Liegt
etwa die Zinsperiode zwischen dem 29. und 31. August, resultieren daraus 2 Tage
[D .8  8/  30 C .31  29/]. Bei einer Zinsperiode vom 29. Juli bis 31. August sind C
es 32 Tage [D  7/  30 .31  29/],währendesvom30.Julibis31.August.8
30 Tage sind [D .8  7/  30 C .30  30/].
 30 = 360 ISDA: Die Berechnung der Tage beruht auf folgender Formel: .Y2Y1/
360 C .M2  M1/  30 C .D2  D1/, wobei Y für Jahr, M für Monat und D für
Tag steht. Ist D1 D 31 Tage, dann ist D1 D 30 Tage, und ist D2 D 31 Tage und D1
 30, dann ist D2 D 30 Tage, ansonsten ist D2 D 31 Tage. Fällt der letzte Tag der
Zinsperiode auf den letzten Tag des Monats Februar, so wird dieser Monat mit 28 bzw. 29
Tagengerechnetundnichtauf30Tageverlängert.
 30 = 360 German: Diese Day-Count-Konvention wird auch als Deutsche Methode
bezeichnet. Die Tage werden folgendermaßen ermittelt: .Y2  Y1/  360 C .M2 
472 Anleihen:Grundlagen

M1/  30 C .D2  D1/, wobei Y für Jahr, M für Monat und D für Tag steht. Ist D1 D
D 31 Tage, dann ist D1 30 Tage und ist D2 D 31 Tage, dann ist D2 D 30 Tage.
Liegt D1 auf dem letzten Tag im Februar, ist D1 D 30. Befindet sich D2 auf dem
letzten Tag im Februar, so ist D2 D 30.
 30 = 360 Special German: Die Tage werden mit folgender Formel festgelegt: .Y2 
Y1/  360 C .M2  M1/  30 C .D2  D1/, wobei Y für Jahr, M für Monat und D
für Tag steht. Ist D1 D 31 Tage, dann ist D1 D 30 Tage, und ist D2 D 31 Tage, dann
ist D2 D 30 Tage. Für den Monat Februar werden 28 Tage und in einem Schaltjahr
29 Tage in die Berechnungen einbezogen.

Beispiel
Berechnung des Full-Preises anhand der Day-Count-Konvention 30 = 360 German
Die 0,375 %-Anleihe der LafargeHolcim Ltd. mit einer Laufzeit von 2015 bis 2021
weist die folgenden Stammdaten auf:

Emittent LafargeHolcim Ltd.


ISIN CH0306179091
Art Unternehmensanleihe
Währung CHF
Stückelung CHF 5000
Emissionsvolumen CHF 250 Mio.
Emissionstag 4. Dezember 2015
Day-Count-Konvention 30 = 360 German
Kupon 0,375 % fest, jährlich
Beginn Zinslauf 4. Dezember 2015
Erster Zinstermin 3. Dezember 2016
Fälligkeit 3. Dezember 2021
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss
Quelle: http://www.six-swiss-exchange.com

AmFreitag,5.Februar2016,wirddieAnleihederLafargeHolcimLtd.zueinemBriefkurs
von99,95%gekauft.WiehochistderKaufpreis(Full-Preis)derAnleihebeieinem
NominalwertvonCHF5000?

Lösung
Da der 5. Februar 2016 ein Freitag ist, fällt die Valuta auf Dienstag, den 9. Februar 2016 (also
das Wochenende plus 2 Geschäftstage). Die Tage für die Berechnung der Stückzinsen
könnengemäßderKonvention30
360Germanwiefolgtermitteltwer-=
. Märkte 473

den:57
Tage D .2  1/  360 C .2  12/  30 C .9  4/ D 65:
Demnach belaufen sich die Stückzinsen auf 0,06771 %:
 
65 Tage
SZ D 0;375 %  D 0;06771 %:
360 Tage

Der Full-Preis setzt sich aus dem Clean-P reis von 99,95 % und den Stückzinsen von 0,06771
%zusammen:

BFull D 99;95 % C 0;06771 % D 100;01771 %:

Bei einem Nominalwert von CHF 5000 resultiert daraus ein Kaufpreis von
CHF 5000,89.

3. Die Konvention tagesgenau = 360Tage,beiderdieTagederZinsperiodedurch360Tage


dividiertwerden,wirdvorallembeiGeldmarktinstrumentenimEuroraumeinge-
setzt. Sie wird auch als Eurozinsmethode oder als französische Methode bezeichnet. Bei
4. tagesgenau = 365 Tage werden die tatsächlichen Tage der Zinsperiode durch 365
Tage dividiert. Zum Beispiel bei Actual = 365LhandeltessichumeineKonventionvon
ISDA.LiegtderZinsterminineinemSchaltjahr,werdendietatsächlichenTage
im Berechnungszeitraum durch 366 Tage dividiert. Bei Actual=365 NL hingegen ver-
bleibt der Nenner auch in einem Schaltja hr bei 365 Tagen. Die Bezeichnung NL steht
für No Leap (Year). Diese Day-Count-Konvention wird beispielsweise bei japanischen
Regierungsanleihenbenutzt.SchließlichwirdbeiderKonventionW =252 die Anzahl
der Geschäftstage in der Zinsperiode durch die Anzahl der Geschäftstage des Kalen-
derjahresdividiert.

8.8.6.4 KuponzahlungstermineundDay-Roll-Konventionen
Der Tag, an dem der Kupon ausbezahlt wird, wir d durch folgende Konventionen festge- legt:

 End of Month (EOM): Die Zinszahlung findet immer am letzten Tag des Monats statt. Ist
dieser Tag ein Feiertag, dann werden di e entsprechenden Day-Roll-Konventionen
angewandt.EOMistdieüblicheKonventionbeiAnleihen.
 Non End of Month (NEOM): Die Zahlung des Kupons erfolgt immer am gleichen Tag des
Monats (z. B. 4. März oder 4. September). Handelt es sich bei diesem Tag umeinen Feiertag,
dannwirdderKupontaganhanddermaßgebendenDay-Roll-Konventionenbestimmt.

 No Leap Year: Eine Kuponzahlung am 29. Februar ist ausgeschlossen.

57
AlternativkönnenfürDezember26Tage,fürJanuar30TageundfürFebruar9Tagegenommenwerden,
waswiederum65Tageergibt.FürdieLafargeHolcim-AnleihefälltwederderBeginndes
Zinslaufs (D1) noch der Valutatag (D2) auf Ende Februar.
474 Anleihen:Grundlagen

Grundsätzlich wird der feste oder der variable Kupon einer Anleihe valutarisch am Endtag der
jeweiligen Periode gezahlt. Ist dieser Tag ei n Feiertag, wird die Zinszahlung auf einen
Geschäftstag anhand der entsprechenden Day-Roll-Konventionen verschoben, was eine
Verkürzung oder Verlängerung der Periode zu r Folge hat. Ob die Länge der Zinsperiode und
somit die Höhe des Kupons überhaupt an zupassen ist, wird durch die Bezeichnung „Adjusted“
und„Unadjusted“angegeben.Bei„Adjusted“wirddieLängederZinsperiodeentsprechendder
Konvention ver kürzt oder verlängert. Bei variabel verzinslichen Anlei- hen ist dies die Regel.
Demgegenüber wird bei „Unadjusted“ die Länge der Zinsperiode nicht verändert, was
üblicherweise bei Anleihen mit einem festen Kupon der Fall ist. Dem- nach bleibt die Höhe des
festen Kupons mit Ausnahme von unregelmäßigen Perioden am Anfang oder Ende der Laufzeit
unverändert.EsfindetlediglicheineVerschiebungdesTagesstatt,andemderKuponausbezahlt
wird.

WerdendieZinsperiodeundsomitdieHöhedesKuponsund/oderderTagderZins-auszahlung
angepasst,geltendiefolgendenDay-Roll-Konventionen,wennderZinszah-lungstagkein
Geschäftstagist:

 Following:DerEndtagderPeriodebzw.derZinstagwirdaufdennächstendarauffol-genden
Geschäftstagverschoben.DemzufolgeverlängertsichdiePeriode.
 Modified Following: Fällt der darauffolgende Geschäftstag in den nächsten Monat, wird der
demFeiertagvorausgehendeGeschäftstagbenutzt,wasfürdiesenspezifi-schenFallzueiner
VerkürzungderPeriodeführt.
 Preceding: Der Endtag der Periode bzw. der Kupontag wird auf den vorhergehenden
Geschäftstagverschoben.FolglichverkürztsichdiePeriode.
 Modified Preceding: Fällt der vorangegange ne Geschäftstag in den vorherigen Monat, so
wird derdem Feiertag folgendeGeschäftstag verwendet, was für diesen Ausnahme- falleine
VerlängerungderPeriodebedeutet.

ObeinFeiertagvorliegtodernicht,wirdanhandeinesFeiertagskalendersbestimmt.Dabeikann
essichumeinenweitverbreitetenTarget-Kalender 58
oderumeinenlokalenKalender
oderauchumeineKombinationvonmehrerenKalendernhandeln.SozumBeispielkann
vereinbartwerden,dassdieFeiertagskalendersowohlvonFrankfurtalsauchvonZürich
anzuwendensind.LiegtineinemoderinbeidenKalenderneinFeiertagvor,findetandiesemTag
keineZinszahlungstattundderAuszahlungstagwirdinAnlehnungandiegültigen
Konventionenangepasst.

58
Z. B. Target2: Ein Target-Geschäftstag ist ein Tag, an dem alle betroffenen Bereiche des
Trans-European Automated Real -time Gross Settlement Express Transfer System (TARGET2) be-
triebsbereit sind, um Zahlungen abzuwickeln.
.9 Zusammenfassung 475

8.9 Zusammenfassung

 Anleihen stellen verbriefte Schuldtitel dar. Durch die Ausgabe einer Anleihe nimmt
der Emittent von den Investoren Geld auf und verpflichtet sich, während der Laufzeit des
Titels feste oder variable Zinszahlungen (Kupons) zu leisten. Der Nominalwert der Anleihe
wirdüblicherweiseamLaufzeitendezurückgezahlt.
 Anleihen werden durch grundlegende Merk male wie den Emittenten, die Fälligkeit, den
Nominalwert, den Kupon und die Währung geprägt. Sie werden von öffentlichen
Institutionen, Kreditinstituten und Unternehmen begeben. Die Fälligkeit des Schuldti- tels
ist durch den letzten Zahlungszeitpunkt des Kupons und des Nominalwerts gege- ben.
Verzinsliche Schuldverschreibungen mit einer Ursprungslaufzeit von weniger als 1 Jahr
werden als Geldmarktpapiere bezeichnet. Bei verzinslichen Schuldverschreibun- gen mit
einer längeren Laufzeit als 1 Jahr handelt es sich um Kapitalmarktprodukte. Sie setzen sich
aus festverzinslichen und variabel verzinslichen Anleihen, Nullkupon- anleihen und
Sonderformen wie Wandelanleihen, Optionsanleihen, Doppelwährungs- anleihen und
Indexanleihen zusammen. Der Nominalwert eines Wertpapiers stellt den Schuldbetrag dar,
der vom Emittenten getilgt werden muss. Üblicherweise erfolgt die Rückzahlung des
Nominalwerts zu 100 % am Fälligkeitstag. Anhand des Nominalwerts wird der Kupon
berechnet, der jährlich, halb jährlich, vierteljährlich oder auch monat- lich bezahlt werden
kann. Der Kupon kann entweder fest oder variabel sein. Anleihen können in jeder Währung
begeben werden, obw ohl eine Vielzahl von Schuldtiteln welt- weit entweder in US-Dollar
oderinEuroemittiertwird.

 Anleihen sind in der Regel Inhaberpapiere, bei denen der Besitz genügt, um die ver- brieften
AnsprücheausdemWertpapiergeltendmachenzukönnen.IndieserFormkönnensieschnell
und relativ einfach übertragen werden. Die Inhaberpapiere werden üblicherweise mit einer
Identifikationsnummer(z.B.ISIN)versehen.

 Zu den Stammdaten einer Anleihe gehören Informationen zum Emittenten, Identi-


fikationsnummern, Rating sowie Angaben zum Instrument und zum Handel. Viele
Informationen zu den Stammdaten finden s ich im Wertpapierprospekt, wo die Aus-
gestaltungdesWertpapiersdetailliertundverbindlichfestgehaltenwird.

 Bei einer Plain-Vanilla-Anleihe wird ei n fester Kupon periodisch bezahlt und der No-
minalwert am Laufzeitende zurückgezahlt. Es gibt aber auch Anleihen mit einer ande- ren
Cashflow-Struktur,die sich in Bezug auf Kupon und Nominalwert von einem Plain Vanilla
Bondunterscheiden.

 So kann der Nominalwert bei einer Tilgungsan leihe schrittweise während der Laufzeit der
Anleihe getilgt werden. Bei einer Annuitä tenanleihe wird mit einer gleichblei- benden
Zahlung am Ende jeder Periode ei n Teil des Nominalwerts zurückgezahlt, bis dieser am
Laufzeitende vollständig getilgt ist. Im Gegensatz dazu wird bei ei- ner Tilgungsanleihe mit
einer teilweisen Amortisierung der Nominalwert während der Laufzeit nicht vollständig
zurückgezahlt, s odass zum Fälligkeitszeitpunkt der verblei- bende Nominalwert mit einer
Abschlusszahlung(BalloonPayment)beglichenwird.
476 Anleihen:Grundlagen

 Neben festen Kupons gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Kuponstrukturen wie
etwa variabel verzinsliche Anleihen oder Sonderformen wie beispielsweise Step-up-
Anleihen,die den unterschiedlichen Bedürfnissen von Investoren und Emittenten
Rechnung tragen.
 Bei variabel verzinslichen Anleihen ist der Kuponsatz üblicherweise von einem Re-
ferenzzinssatzdesGeldmarktes(z.B.EURIBORoderLIBOR)abhängig.DerKuponwirdan
jedemZinszahlungstagneu bestimmt. Dabei wird zumReferenzzinssatz die Quoted Margin
hinzugezähltoderabgezogen.DieQuotedMarginwirdzumEmissi-onszeitpunktfestgelegt
und bleibt in der Regel über die gesamte Laufzeit der Schuld- verschreibung konstant. Die
Höhe hängt von der Schuldnerqualität ab. Die Quoted Margin kann auch negativ sein, wenn
das Rating des Referenzzinssatzes schlechter als dasjenige des Emittenten ist. Das Zinsände
rungsrisiko einer variabel verzinslichen Anleihe erstreckt sich lediglich über eine
Zinsperiode, da der Preis des Schuldtitels bei unverändertem Kreditrisiko an jedem
Zinstermin 100 % beträgt. Daher fällt das Zins- änderungsrisiko im Vergleich zu einer
festverzinslichen Anleihe mit gleicher Laufzeit kleiner aus. Vielmehr wird der Preis einer va
riabel verzinslichen Schuldverschreibung durch das Kreditrisiko des Emittenten
beeinflusst.VerschlechtertsichdieSchuldner-qualität,soerhöhtsichdasAusfallrisiko,wase
inenniedrigerenAnleihepreiszurFolgehat.

 Bei Step-up-Anleihen (Stufenzinsanleihen) nimmt mit der Zeit der feste oder variable
KuponsatzumeinenfestvereinbartenBetragzu.
Inflationsindexierte Anleihen (Linkers) gewähren dem Investor einen Schutz gegen In-
flation.DabeiwerdenderKuponund/oderderNominalwertmiteinemInflationsindex(inder
Regel ein Verbraucherpreisindex) angepasst. Öffentliche Institutionen wie die
Bundesrepublik Deutschland, die USA und Großbritannien spielen bei der Emission in-
flationsindexierter Anleihen eine wichtigeRolle. Dabeiwird die Zinszahlung mithilfe eines
festen realen Kupons festgelegt, der mit dem inflationsadjustierten Nominalwert
multipliziertwird.

 Die inflationsindexierten deutschen Bundesanleihen (ILB) verfügen über Ursprungs-


laufzeiten von 5 Jahren (iBobls) bis mehr als 10 Jahre (iBunds). Der Nominalwert ist an die
Entwicklung des unrevidierten harmonisierten Verbraucherpreisindex ohne Tabak (HVPI
ohne Tabak) gekoppelt. Die Kupons werden anhand des inflationsange- passten
Nominalwerts ermittelt. Bei ein er Inflation nimmt der Kupon zu, während er bei einer
Deflation fällt. Der Kupon kann nicht unter null fallen. Darüber hinaus wird mindestens der
Nominalwert von 100%zur ückgezahlt, wasfürdie Investoren einen SchutzgegenDeflation
darstellt.

 Anleihen können auch eingebettete Optionen wie etwa Kündigungs- und Wandlungs-
optionenaufweisen.SokönnenSchuldtitelvorzeitigdurchdenEmittenten(CallableBonds)
oder durch den Investor (Putable Bonds) gekündigt oder durch den Investor in Aktien
umgetauscht(Wandelanleihen)werden.

 Ein Callable Bond räumt dem Emittenten das Recht ein, die gesamte oder Teile der An-
leiheemissionaneinemodermehrerenTerminenvorzeitigzutilgen.Dieeingebettete
.9 Zusammenfassung 477

Kündigungsoption schützt den S chuldner vor fallenden Zinsen. Dafür bezahlt er ei- ne
Optionsprämie, die über einen höheren Kupon und/oder niedrigeren Emissionspreis
überwiesen wird. Somit erzielt der Investor mit einem Callable Bond im Vergleich zu einer
optionsfreien Anleihe eine höhere Rendite. Allerdings ist er dem Wiederanlage- risiko
ausgesetzt. Übt der Emittent die Call-Option in einem fallenden Zinsumfeld aus, muss der
Investor die aus dem vorzeitigen Rückkauf erhaltenen Geldmittel zu einem niedrigeren
Zinssatz anlegen. Wird die Kaufoption hingegen nicht ausgeübt, besteht ein Preisrisiko, da
der Preis des Callable Bonds bei rückläufigen Zinsen gegen den Kündigungspreis
konvergiert, während der Preis einer optionsfreien Anleihe weiterhin steigt. Ein Callable
Bond ist ein strukturiertes Produkt, das aus einer Long optionsfrei- en Anleihe und einer
Short-Call-Optionbesteht.

 Ein Putable Bond räumt dem Investor das Recht ein, dem Emittenten die Schuldver-
schreibung zu einem im Voraus vereinbart en Preis an einem oder mehreren Terminen zu
verkaufen.ErwirddiesesVerkaufsrechtineinemUmfeldvonsteigendenZinsenausüben,da
erdenVerkaufserlös zu einemhöheren Zinssatzanlegenkann.Dieein-gebettetePut-Option
hingegen wird bei fallenden Zinssätzen nicht ausgeübt. Für das Verkaufsrecht bezahlt der
Investor eine Op tionsprämie, die sich in einem höheren Kauf- preis und/oder niedrigeren
Kuponwiderspiegelt.EinPutableBondisteinstrukturiertesProdukt,dassichauseinerLong
optionsfreienAnleiheundeinerLong-Put-Optionzu-sammensetzt.

 Wandelanleihen besitzen sowohl Fremd- als auch Eigenkapitalmerkmale. Die Fremd-


kapitalmerkmalebeziehensichaufdenfestenKupon,derperiodischbezahltwird,undaufdie
Nominalwertzahlung am Laufzeitende (falls die Wandeloption nicht ausgeübt wird). Zum
EigenkapitalcharakterdesInstrumentsgehörtdieWandlungsmöglichkeit,diedemInhaberdas
Rechteinräumt,dieSchuldverschreibungineinebestimmteAn-zahlAktiendesEmittentennach
einerbestimmtenFristoderwährenddergesam-tenAnleihelaufzeitumzuwandeln.Beieiner
WandelanleihehandeltessichumeinstrukturiertesProdukt,dasauseinerLongoptionsfreien
AnleiheundeinerLongWan-deloption(LongCallaufAktiendesEmittenten)besteht.Somitwird
der Preis der Wandelanleihe von Änderungen des Zinssa tzes, Bonitätsänderungen des
Emittenten und von Aktienpreisbewegungen beeinflusst. Ein Convertible Bond lässt sich
mithilfedesMarktwandelpreisesanalysieren,beidemderMarktpreisderWandelanleihedurch
dasUmtauschverhältnisdividiertwird.DemnachgibtderMarktwandelpreisan,wievielmanfür
eineAktiebezahlt,wennmandasBeteiligungspapierüberdieWandelan-leihekauft.EinVergleich
mitdemAktienkursergibtdieWandelprämie.

 ImPrimärmarktwerdendieAnleihendesEmittentenerstmaligverkauft.Siekönnenaufdem
Primärmarkt entweder öffentlich oder privat an eine ausgewählte Gruppe von Investoren
veräußert werden. Dabei können die Anleihen mithilfe eines Emissionskon- sortiums,
TenderverfahrensodereinerEigenemissionplatziertwerden.

 Im Sekundärmarkt werden die bereits emittierten Anleihen von den Marktteilnehmern


gehandeltbzw.gekauftundverkauft.DerGroßteildesAnleihehandelsfindetaußer-börslich
(OTC)undnichtübereineWertpapierbörsestatt.DerOTC-Handelerfolgt
47 Anleihen:Grundlagen

über das Telefon oder auf einer elektronische n Handelsplattform. Die Handelsgeschäf- te
werden direkt zwischen den Marktteilneh mern oder über einen Wertpapiermakler als
Vermittlerabgeschlossen. Die Mehrheit der Marktteilnehmer besteht aus institutionel- len
Investoren und Zentralbanken. Private Anleger stellen anders als im Aktienmarkt eine
Minderheitdar.

 Der Geldmarkt ist ein Markt für Zentralbankgeld und Geldmarktpapiere. Zu den Geld-
marktpapieren zählen unter anderem Schatzanweisungen der Bundesrepublik Deutsch-
land, Commercial Papers, Certificates of Deposit, Bankakzepte und Wertpapierpensi-
onsgeschäftederNotenbanken.

 Beim EURIBOR (European Interbank Offer ed Rate) handelt es sich um einen Zins- satz für
Euro-Termingelder im Interbankengeschäft von erstklassigen Banken (Prime Banks). Der
EURIBOR ist ein Referenzzinssatz für zahlreiche Zinsprodukte wie bei- spielsweise
Geldmarkteinlagen, kurzfristige Kredite, variabel verzinsliche Anleihen und
Zinssatzswaps.

 DerLIBOR(LondonInterbankOfferedRate)isteinweitererwichtigerReferenzzins-satzim
Geldmarkt. Er stellt den Durchschnittszinssatz von unbesicherten Krediten in
handelsüblicher Größe für einebestimmte Währung (CHF, EUR, GBP, YEN und USD) und
LaufzeitamLondonerInterbankenmarktdar.

 Der EONIA (Euro Overnight Index Average ) ist ebenfalls ein R eferenzzinssatz im
Geldmarkt.ErwirdnichtwiederEURIBORoderLIBORanhandvongemeldetenZinssätzen,
sondern auf der Basis von tats ächlichen Kredittransaktionen berechnet. Der EONIA ist ein
umsatzgewichteter Durchschnittszinssatz für auf Euro lautende un- besicherte
Übernachtausleihungen im Interbankenmarkt des Eurowährungsgebiets und wird von der
EuropäischenZentralbanktäglichfestgelegt.

 Commercial Papers sind kurzfristige unbesicherte Schuldverschreibungen von Unter-


nehmen oderFinanzinstituten, die in einem öffentlichen Markt verkauft oder privat platziert
werden. Die Laufzeiten der Papi ere erstrecken sich von Übernacht bis zu 1 Jahr, wobei
üblicherweise die Laufzeit unter 3 Monaten liegt. In den USA werden sie auf Diskontbasis
begeben, während sie in anderen Ländern meistens zum Nominalwert mit einem Kupon –
alsoaufRenditebasis–herausgegebenwerden.

 Certificates of Deposit sind kurzfristige unbesicherte Geldmarktpapiere, die aus-


schließlich von Banken emittiert werden. Im kurzfristigen Bereich werden sie auf
Diskontbasis begeben.
 Banker’s Acceptances sind diskontierte Geldmarktpapiere mit Laufzeiten von 1 bis 6
Monaten.DervonderBankakzeptierteWechselwirdaufdemGeldmarktgehandelt.
 Die Bundesrepublik Deutschland emittiert mit Ursprungslaufzeiten von 6 Monaten bis hin
zu 30 Jahren. Zum Geldmarktsegment der Bundeswertpapiere zählen die nicht bör-
sennotierten unverzinslichen Schatzanwe isungen (BuBills) mit Laufzeiten von 6 und 12
Monaten. Sie besitzen keinen Kupon und werden zum Diskontpreis ausgegeben und zum
Nominalwert zurückgezahlt. Das Kapitalmarktsegment beginnt mit den Bun-
desschatzanweisungen (Schätze) mit Laufze iten von 2 Jahren, denen im Zeitspektrum
Bundesobligationen(Bobls)mitFälligkeitenvon5JahrenundBundesanleihen(Bunds)
.9 Zusammenfassung 479

mitLaufzeitenvon10und30Jahrenfolgen.SieverfügenübereinenfestenKupon,derjährlich
bezahlt wird, und werden am Laufzeitende zum Nominalwert zurückgezahlt
(Plain-Vanilla-Anleihen).Seit2006werdenauchinflationsindexierteBundeswertpa-piere
(ILB) mit Laufzeiten von 5 bis 30 Jahren (iBobls und iBunds) emittiert. Insgesamt befanden
sich im Jahre 2015 (abhängig vom Ze itpunkt) zwischen 60 und 70 handelbare Bundestitel im
Umlauf, die somit das gesamte Zeitspektrum einer risikolosen Rendite- strukturkurve
abdecken.

 Die Bundestresorerie der Schweizerischen Eidgenossenschaft refinanziert den Mittel-


bedarf des Bundes ausschließlich auf dem i nländischen Geld- und Kapitalmarkt und begibt
hierfür Geldmarktbuchforderungen und fest verzinsliche Anleihen. Die ausste- henden
AnleihenerstreckensichübereinLaufzeitspektrumvonwenigenMonatenbisüber48Jahren
(Stand Januar 2016), sodass mit den jeweiligen Renditen eine risikolose Zinsstrukturkurve
konstruiertwerdenkann.

 Die Day-Count-Konventionen sind für die Berechnung der Stückzinsen relevant. Dabei
unterscheidetmanzwischendenfolgendenKonventionen:tagesgenau = tagesgenau
(Actual = Actual), 30 Tage = 360 Tage (30 = 360), tagesgenau = 360 Tage (Actual =
360) und tagesgenau = 365 Tage (Actual = 365).
Die Konvention tagesgenau = tagesgenauwirdüblicherweisebeiderStückzinsberech-
nung von festverzinslichen Anleihen verwendet. Hierzu werden die tatsächlich an-
gefallenen Tage während des Berechnungszeitraums durch die Anzahl der Tage des Jahres
dividiert.DieamweitestenverbreiteteKonventionisttagesgenau
= tagesgenau
ICMA, die etwa bei europäischen und US-amerikanischen Staatsanleihen sowie bei
verschiedenen europäischen Emissionen angewandt wird. Bei mehreren Kupontermi- nen
in einem Jahr wird der Kuponsatz auf die entsprechende Periode heruntergerech- net.
DemgegenüberwirddieKonventiontagesgenau
= tagesgenau ISDA vorwiegend
bei Zinssatzswaps eingesetzt.
 Bei der Konvention 30 Tage = 360TagewerdenfürjedenMonat30TageundfürdasJahr
360Tagebenutzt.FürdieErmittlungderTageimBerechnungszeitraumexistie-
ren verschiedene Konventionen, die sich hinsichtlich der Behandlung des Monatsendes
unterscheiden.Dazugehören30E = 360 ICMA, 30U = 360 ICMA, 30 = 360 ISDA, 30
= 360 German und 30 = 360 Special German.
 Die Konvention tagesgenau = 360TagewirdvorallembeiGeldmarktinstrumentenim
Euroraumeingesetzt,beiderdieTagederZinsperiodedurch360Tagedividiertwerden.
Sie ist auch als Eurozinsmethode oder als französische Methode bekannt.
 Bei tagesgenau = 365 Tage werden die tatsächlichen Tage der Berechnungsperiode
durch 365 Tage dividiert. Bei der ISDA-Konvention Actual = 365 L werden bei einem
Schaltjahr anstatt 365 Tagen 366 Tage verwendet.
 Bei der EOM-Konvention findet die Zinszahlung immer am letzten Tag des Monats statt.
Demgegenüber erfolgt bei der NEOM-Konvention die Kuponzahlung immer am gleichen
Tag des Monats. Bei der No-Leap -Year-Konvention ist eine Zinszahlung am 29. Februar
nicht möglich.Fällt der Kupontag auf einen Feiertag, wird derAuszah- lungstag mithilfe der
entsprechendenDay-Roll-Konventionenbestimmt.
4 0 Anleihen:Grundlagen

8.10 Aufgaben

Aufgabe1
Ein Analyst hat die folgenden Stammdaten zur Emission der variabel verzinslichen Anleihe
derSAPSEvon2015bis2020zusammengetragen:

Emittent SAP SE
ISIN DE000A14KJE8
Kurzbezeichnung SAP SE MTN FLR 15/20
Währung EUR
Stückelung EUR 1000
Emissionsvolumen EUR 650 Mio.
Emissionstag 1. April 2015
Emissionskurs 100 %
Rating A2 (Moody’s), A (S&P)
Kupon Referenzzinssatz: 3-Monats-EURIBOR
Quoted Margin: 30 Basispunkte
Zahlung: vierteljährlich
Floor: Kupon kann nicht unter 0 % fallen
Zinsfestlegungstag: 2 Geschäftstage vor Periodenbeginn (TARGET-
Geschäftstage)
Day-Count-Konvention: tagesgenau = 360 Tage
Zinstermine Jeweils am 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober
Nächster Zinstermin 1. April 2016
Beginn Zinslauf 1. April 2015
Fälligkeit 1. April 2020
Valuta 3 Geschäftstage nach Handelsabschluss

a) 2 Geschäftstage vor dem 1. Januar 2016 liegt der 3-Monats-EURIBOR-Satz bei


%.WiehochistderersteKuponbeieinemNominalwertvonEUR0;132 100:000
am 1. April 2016?
b) WiehochistderFull-PreisderSAP-Anleihe,wenndasPapieram9.Februar2016zueinem
Brief-Kurs(Clean-Preis)von100,33%gekauftwird?
.10 Aufgaben 4 1

Aufgabe2
Ein Analyst hat die folgenden Stammdaten zur Emission der 2,50 %-Anleihe der Georg
FischerFinanzAGvon2013bis2022zusammengetragen:

Emittent Georg Fischer Finanz AG


ISIN CH0221386144
Art Unternehmensanleihe
Währung CHF
Stückelung CHF 5000
Emissionsvolumen CHF 150 Mio. (mit Aufstockungsmöglichkeit)
Emissionstag 12. September 2013
Emissionspreis 100,133 %
Day-Count-Konvention 30 Tage / 360 Tage German
Kupon 2,50 % fest, jährlich jeweils am 12. September
Beginn Zinslauf 12. September 2013
Erster Zinstermin 12. September 2014
Fälligkeit 12. September 2022
Valuta 3 Geschäftstage nach Handelsabschluss
Quelle: http://www.six-swiss-exchange.com

Wie hoch ist der Full-Preis der Anleihe, wenn das Papier mit einem Nominalwert
von CHF am9.Februar2016zueinemBrief-Kurs(Clean-Preis)von110,55%
50:000
gekauft wird?
4 2 Anleihen:Grundlagen

Aufgabe3
Fürdie1,25%-WandelanleihederVonRollHoldingAGmiteinerLaufzeitvon2014bis2020
liegendiefolgendenStammdatenvor:

Emittent Von Roll Holding AG


Land Schweiz
ISIN CH0245239287
Art Wandelanleihe
Währung CHF
Stückelung CHF 1000
Emissionsvolumen CHF 61 Mio.
Emissionsdatum 18. Juni 2014
Emissionspreis 100 %
Wandelpreis CHF 2,40
Wandelprämie 36 %
Kupon 1,25 % fest, jährliche Zahlung
Beginn Zinslauf 18. Juni 2014
Erster Zinstermin 18. Juni 2015
Zweiter Zinstermin 18. Juni 2016
Day-Count-Konvention 30 Tage / 360 Tage German
Fälligkeit 18. Juni 2020
Kündigungsrecht Jaa
a
DieWandelanleihekannjederzeitvorzeitigzurückgezahltwerden,fallsmehrals85%des
ursprünglichenAnleihebetragsgewandeltund/oderzurückgekauftwordensind,oderabdem
9. Juli2016,fallsderSchlusskursderInhaberaktiederVonRollHoldingAGanderSIXSwiss
ExchangeinnerhalbeinerFristvon20auf30aufeinanderfolgendenHandelstagenmindestens130%
desjeweiligenWandelpreisesbeträgt.

Am10.Februar2016wirddieWandelanleihezueinemBrief-Kursvon96,20%unddie
AktiezueinemPreisvonCHF0,58gehandelt.AmEmissionsdatumvom18.Juni2014
notiertedieAktiezueinemKursvonCHF1,76.

a) WiehochsindderMarktwandelpreisunddieWandelprämieinProzentfürdieaus-stehende
WandelanleihederVonRollHoldingAGam10.Februar2016?
b) Die Aktie der Von Roll Holding AG zahlt keine Dividende. Wie lange dauert die
AmortisationszeitderWandelprämiezumEmissionszeitpunkt?
.10 Aufgaben 4 3

Aufgabe4
Für die inflationsindexierte deutsche Bundesanleihe mit einem Kupon von 0,10 % und einer
Laufzeitvon2015bis2046liegendiefolgendenStammdatenvor:

Emittent Bundesrepublik Deutschland


ISIN DE0001030575
Art Inflationsindexiertes Bundeswertpapier
Laufzeitsegment 30 Jahre
Währung EUR
Stückelung EUR 0,01 (kleinste handelbare Einheit)
Emissionsvolumen EUR 3,5 Mrd.
Emissionstag 9. Juni 2015
Kupon 0,10 % fest, jährliche Zahlung
Day-Count-Konvention Tagesgenau=tagesgenau ICMA
Beginn Zinslauf 15. April 2015
Erster Zinstermin 15. April 2016
Fälligkeit 15. April 2046
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss

DieinflationsindexierteAnleihedesBundeswirdamFreitag,12.Februar2016,zueinem
Brief-Kursvon115,38%gekauft.DerHVPIohneTabakbeträgtfürdenNo-vember2015
117,21undfürdenDezember2015117,22.DerBasisindexdesHVPIohneTabak(zum
EmissionszeitpunktderAnleihe)liegtbei115,4753.WiehochistderFull-Preisder
inflationsindexiertenBundesanleihebeieinemNominalwertvonEUR

100:000?

Aufgabe5
Es liegen die folgenden Aussagen über Anl eihen mit eingebetteten Optionen vor:

1. Ein Callable Bond ist ein strukturiertes Produkt, das aus einer Long optionsfreien Anleihe
und einer Short-Call-Optionbesteht. Bei der eingebetteten Option handelt essich um eine
Zinsoption, deren Wert zunimmt, wenn die Zinssätze zurückgehen. Somit steigtderPreis
einesCallableBondsbeifallendenZinsenwenigerstarkalsderPreiseinervergleichbaren
optionsfreienAnleihe.

2. Bei einem Callable Bond hat der Investor das Recht, die Anleihe gegenüber dem
Emittenten zu einem vereinbarten Preis während oder am Ende der Anleihelaufzeit zu
kündigen.
3. Bei einer Bermuda-Style-Call-Option hat der Emittent das Recht, die Anleihe an
mehreren im Voraus vereinbarten Terminen zu kündigen. Demgegenüber ist bei ei- ner
europäischen Call-Option die Kündigung lediglich an einem bestimmten Termin
möglich.

4. Die Rendite eines Callable Bonds liegt unter halb der Rendite einer vergleichbaren
optionsfreienAnleihe.
4 4 Anleihen:Grundlagen

5. Bei einem Putable Bond handelt es sich um ein strukturiertes Produkt, das sich aus einer
Long optionsfreien Anleihe und einer Short-Put-Option zusammensetzt. Neh- men die
Zinssätze zu, so gehen der Preis der optionsfreien Anleihe und der Preis der Put-Option
zurück,wasdazuführt,dassderPreisdesPutableBondsstärkerabnimmtalsderPreiseiner
vergleichbarenoptionsfreienSchuldverschreibung.

6. Ein Callable Convertible Bond ist ein strukturiertes Produkt, das aus einer Long op-
tionsfreienAnleihe,einer Long-WandeloptionundeinerShort-Call-Optionbesteht. Der
Investor hat das Umtauschrecht der Anleihe in Aktien, während der Emittent über das
Kündigungsrecht verfügt. Steigen die Aktienpreise, nimmt die Wahrschein- lichkeit
einer UmwandlungderAnleihe inBeteiligungspapiere zu. Gehen hingegendie Zinssätze
zurück, erhöht sich die Wahrs cheinlichkeit, dass der Emittent die An- leihe vorzeitig
kündigt.

7. Die Wandelprämie gibt den Mehrpreis an, den ein Investor durch den Kauf der Aktie über
eineWandelanleiheimVergleichzueinemdirektenAktienkaufzubezahlenhat.

Sind die Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?

Literatur

Anson, M. J.: CAIA Level I: An Introduction to Core Topics in Alternative Investments, 2. Auflage,
Hoboken(2012)
Bank for International Settlements 2015: BIS Quarterly Review D ecember 2015, Basel (2015)
Becker, H. P.: Investition und Finanzierung: Grundlagen der betrieblichen Finanzwirtschaft, 6.
Auf- lage, Wiesbaden (2013)
Bodie, Z., Kane, A., Marcus, A. J.: Investments, 8. Auflage, New York (2009)
Bundesministerium der Finanzen: Bekanntmachung der Emissionsbedingungen für inflationsinde-
xierte Bundesanleihen und inflationsindexierte Bundesobligationen vom 2. Juni 2015, Berlin
(2015)
Calamos, N. P.: Convertible Arbitrage: Insights and Techniques for Successful Hedging, Hoboken (2003)

Diwald, H.: Anleihen verstehen: Grundlagen verzinslicher Wertpapiere und weiterführende Produk- te,
München(2012)
Eidgenössische Finanzverwaltung EFV: Ökonomische, rechtliche und organisatorische Grundlagen der
HaushaltsführungdesBundes,Bern(2016)
European Money Markets Institute: Euribor® Code of Conduct, Brüssel (2014)
Fabozzi, F. J.: Fixed Income Analysis, 2. Auflage, Hoboken (2007)
Reilly, F. K., Brown, K. C.: Investment Analysis and Portfolio Management, 7. Auflage, Mason (2003)
Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreien
Anleihen 9

9.1 Einleitung

DasVerständnisderverschiedenenMethodenzurPreis-undRenditeberechnungvonAn-leihen
ist für die Marktteilnehmer wichtig, um die richtigen Anlageentscheidungen treffen zu können.
Die Bewertungspieltsowohlbei derFestlegung desEmissionspreises im Pri- märmarktals auch
beiderPreisfindunggehandelterAnleihenimSekundärmarkteinewesentlicheRolle.

DasKapitelbeginntmitdengrundlegendenMethodenzurPreis-undRenditeberech-nung.
BeiderPreisbestimmungvonPlain-Vanilla-AnleihenkönnendieCashflowsentwe-dermit
einemfestenrisikoadäquatenDiskontsatzodermitlaufzeitgerechtenrisikoadäqua-ten
Diskontsätzendiskontiertwerden.DabeientsprichtderDiskontsatzdererwartetenRendite.
BezahltmandenmiteinemCashflow-ModellberechnetenPreis,soerzieltmandiegeforderte
(erwartete)Rendite,derenHöhevomallgemeinenZinsniveauundvomRisikodesWertpapiers
abhängigist.ErfolgtdiePreisberechnungzwischenzweiKupon-terminen,sinddieStückzinsen
zuberücksichtigen,diefürdieErmittlungdesKaufpreiseszumgehandeltenBond-Preis
hinzuzuzählensind.MitderRenditelässtsichdiePerfor-manceeinerAnlagebeurteilen.Der
ErtrageinesBondsbestehtausdenKupons,demKapitalgewinnbzw.-verlustundden
EinnahmenausdenwiederangelegtenKupons.Die-seErtragskomponentenmüssenindie
Renditeberechnungeinfließen.

NachdenGrundlagenwirdbeschrieben,wiederPreisoptionsfreierAnleihenmitei-ner
Zinsstrukturkurve(Benchmarkkurve)undRisikoprämieberechnetwird.Diehierfürbenötigte
BenchmarkkurveistüblicherweiseentwedereinerisikoloseZinsstrukturkurve
(Basiszinskurve)odereineSwapsatzkurve.DieAuswahlderBenchmarkhängtunterande-rem
vonderMarktliquiditätdererstklassigenRegierungsanleihenundderZinssatzswapsineinem
Landab.DanachwirddiePreisberechnungvonNullkuponanleihenundvaria-belverzinslichen
Anleihendargelegt.DasKapitelendetmitderInterpretationvonPreis-,Spread-und
Renditeangaben,dieineinerBloomberg-Maskefüroptionsfreiefestverzins-licheAnleihen
enthaltensind.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 4 5


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_9
4 6 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung

9.2.1 PreisberechnungmitfestemrisikoadäquatenDiskontsatz

Kauft ein Investor eine Plain-Vanilla-Anleihe, so erhält er während der Laufzeit des Wert-
papiers an jedem Zinstermin Kuponzahlunge n und am Fälligkeitstag den Nominalwert. Dadie
Cashflows des Papiers in der Zukunft anfallen, muss bei der Preisberechnung der Zeit-
werteffekt berücksichtigt werden. Um den Anleihepreis zu bestimmen, sind die Kupons und der
Nominalwert mit der erwarteten Rendite bzw. dem risikoadäquaten Diskontsatz zu
diskontieren. Die erwartete Rendite besteht aus dem risikolosen Zinssatz und einer
Risikoprämie. Sie hängt somit vom Zinsniveau und vom Risiko der Anleihe ab. Kaufen
Investoren die Anleihe zum so berechneten Preis, erzielen sie die von ihnen geforderte
(erwartete) Rendite. Allgemein lässt sich die Formel für die Preisbestimmung einer Plain-
Vanilla-AnleiheaneinemZinsterminwiefolgtdarstellen:

X
T
Kt NW
B0 D C ; (9.1)
tD1
Œ1 C E .r/t Œ1 C E .r/T

wobei:

B0 D Preis der Plain-Vanilla-Anleihe an einem Zinstermin (Clean-Preis D Full-Preis),


Kt D Kupon für die Zinsperiode t,
NW D Nominalwert,
E .r/ D erwartete Rendite bzw. risikoadäquater Diskontsatz,
T D Restlaufzeit der Plain-Vanilla-Anleihe.

SindzumBeispielderjährlicheKupon4%,dieRestlaufzeitderAnleihe4Jahreunddieerwartete
Rendite5%,resultiertdarauseinPreisfürdiePlain-Vanilla-Anleihevon96,454%:
1

4% 4% 4% 104 %
B0 D C C C D 96;454 %:
.1;05/1 .1;05/2 .1;05/3 .1;05/4
Der letzte Cashflow von 104 % setzt sich aus dem Kupon von 4 % und dem Nominalwert
von 100 % zusammen. Beläuft sich etwa der Nominalwert auf EUR 1000, liegt der Preis bei EUR
964,54( D EUR 1000).SomitwirddieAnleiheunterdemPar-Wertge-
0;96454
handelt (Discount Bond). Besitzt beispielsweise eine andere Plain-Vanilla-Anleihe einen
jährlichen Kupon von 6 %, eine Restlaufzeit von 4 Jahren und wiederum eine erwartete Rendite
von5%,soergibtsicheinAnleihepreisvon103,546%:

6% 6% 6% 106 %
B0 D 1
C 2
C 3
C D 103;546 %:
.1;05/ .1;05/ .1;05/ .1;05/4

1
Der Preis von 96,454 % lässt sich beispielsweise mit dem Texas Instrument BAII Plus folgender- D
maßen bestimmen: N 4, I=Y D 5, FV D 100, PMT D 4, CPT PV.
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 4 7

Die Anleihe wird über dem Par-Wert gehandelt (Premium Bond). Bei einem Nominalwert von
EUR1000istderPreisEUR1035,46( D 1;03546  EUR 1000). Weist die 4-jährige
Anleihe hingegen einen Kupon von 5 % auf, beträgt der Preis der Anleihe 100 %:
5% 5% 5% 105 %
B0 D 1
C 2
C 3
C D 100 %:
.1;05/ .1;05/ .1;05/ .1;05/4
Die Plain-Vanilla-Anleihe notiert zum Par-W ert (Par Bond). Sind die erwartete Rendite und der
Kuponsatz gleich groß, beträgt der Preis des Wertpapiers 100 %. Die Höhe des Ku- ponsatzes
entspricht der von den Investoren geforderten Rendite, sodass diese bereit sind, 100 % des
Nominalwerts für das Papier zu bezahlen. Verfügen alle drei Anleihen über das gleiche Risiko –
alsogleicheRenditeerwartungvon5%–,bietetdasAnlageinstru-mentmiteinemKuponvon4%
eine zu niedrige Verzinsung. Das jährliche Kupondefizit liegt bei 1 % pro Jahr, was über die
4-jährigeLaufzeitderAnleihezueinemBarwertvon3,546%führt:

1% 1% 1% 1%
C C C D 3;546 %:
.1;05/1 .1;05/2 .1;05/3 .1;05/4
Der Preis der 4-jährigen Anleihe mit einem Kupon von 4 % beläuft sich auf 96,454 %. Wird der
BarwertdesKupondefizitsvon3,546%zumPreisvon96,454%hinzugezählt,gelangtmanzum
Par-Wert von 100 %. Der Barwert des Kupondefizits stellt somit das Disagio (Discount) der
Anleihe dar. Der unter dem Par-Wert liegende Anleihepreis von 96,454 % spiegelt für den
Investor eine Entschädigung für den zu niedrigen Kuponsatz wider. Kauft er das Wertpapier mit
einem Kupon von 4 % zu einem Preis von 96,454 %, so erzielt er eine Rendite von 5 %. Im
Gegensatz zum Discount Bond bietet der Premium Bond mit einem Kupon von 6 % einen
überschüssigenZinssatzvon1%,waseinenent-sprechendenBarwertvon3,546%ergibt,derdas
Agio (Premium) der Anleihe darstellt. Wird vom Preis von 103,546 % den Barwert der
überschüssigenKuponsvon3,546%sub-trahiert,gelangtmanwiederumzumPar-Wertvon100
%. Der über dem Par-Wert liegende Anleihepreis von 103,546 % reflektiert den Wert der
überschüssigen Kupons. Bei einem Kauf des Wertpapiers mit einem Kupon von 6 % zu einem
Preisvon103,546%resultierteineRenditevon5%.

DieseBeispieleillustrieren,dassdieBeziehungzwischendemPreiseinerfestverzins-lichen
AnleiheunddemPar-WertvonderHöhedesKuponsatzesunddererwartetenRenditeabhängt:

 Kuponsatz < erwartete Rendite: Discount Bond (Anleihe unter Nominalwert bzw. mit
Disagio).
 Kuponsatz > erwartete Rendite: Premium Bond (Anleihe über Nominalwert bzw. mit Agio).

 Kuponsatz D erwartete Rendite: Par Bond (Anleihe zum Nominalwert).

In der Regel weisen festverzinsliche Anleihen in Europa einen jährlichen Kupon auf, wäh- rend
inNordamerikaoderAsiendieZinszahlungenmeistenshalbjährlicherfolgen.Bei
4 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

der Preisbestimmung von Schuldverschreibungen mit einem halbjährlichen Kupon wird der
jährliche Kuponsatz durch zwei Halbjahresperioden dividiert. Liegt zum Beispiel der
Kuponsatzeiner4-jährigenAnleihebei6% 2
und erfolgen die Zinszahlungen zweimal im
Jahr, so resultiert daraus bei einer erwarteten Rendite von 5 % ein Preis von 103,585 %:

3% 3% 3% 3% 3%
B0 D 1
C 2
C 3
C 4
C
.1;025/ .1;025/ .1;025/ .1;025/ .1;025/5
3% 3% 103 %
C 6
C 7
C D 103;585 %:
.1;025/ .1;025/ .1;025/8

Die halbjährlichen Kupons von 3 % (D 6 %=2) und der Nominalwert von 100 % werden
aufgrund der Marktkonventionen mit der halbjährlichen erwarteten Rendite von 2,5 %
(D 5 %=2) und nicht mit der effektiven halbjährlichen Renditeerwartung von 2,47 %
0;5
[D  1]diskontiert.BeieinerPreisberechnungmitdemeffektivenhalbjährli-.1;05/
chen Diskontsatz von 2,47 % ergibt sich ein höherer Anleihepreis von 103,805 %. Aller-
dings erfolgt die Preisberechnung auf den Märkten mit der Konvention, dass der jährliche
DiskontsatzdurchzweiHalbjahresperiodendividiertwird. 3
DieAnleihewirdüberdem
Par-Wertgehandelt,weilderKuponsatzdieRenditeerwartungüberschreitet.Beieinem
NominalwertvonEUR1000istderPreisEUR1035,85(
D 1;03585  EUR 1000).
Bezahlt eine Anleihe den Kupon halbjährlich und nicht jährlich, fällt der Preis des
Wertpapiershöheraus,weildieKuponsmiteinerhöherenFrequenzwiederangelegtwer-denkönnen.
IndenobenstehendenBeispielenliegtderPreismiteinemjährlichenKuponvon6%bei103,546%,
währendsichderPreismitdemselbenKupon,aberhalbjährlichbezahlt,auf103,585%beläuft.

9.2.2 Verfallrendite

Ist der Marktpreis der Anleihe bekannt, lässt sich mit ( 9.1 ) die Verfallrendite berech- nen. Sie
entspricht dem internen Zinsfuß der Cashflows der Anleihe. Werden die Kupons und der
Nominalwert mit der Verfallrendite diskontiert, gelangt man zum Marktpreis der
Schuldverschreibung. Somit handelt es sich bei der Verfallrendite um den implizi- ten
Marktdiskontsatz.
4
ZumBeispiellässtsichdieVerfallrendite(VR)einer4-jährigen
Plain-Vanilla-AnleihemiteinemjährlichenKuponvon6%undeinemMarktpreisvon
103,546 % mit folgender Gleichung berechnen:

6% 6% 6% 106 %
103;546 % D 1
C 2
C 3
C :
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/4

2
Kuponsätze einer Anleihe wie auch Zinssätze werden auf Jahresbasis angegeben, sofern nichts
anderes vorgegeben ist.
3
Vgl. Fabozzi 2000 : Fixed Income Analysis for the Chartered Financial Analyst ® Program, S. 188.
4
Vgl. Tuckman und Serrat 2012 : Fixed Income Securities: Tools for Today’s Markets, S. 100.
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 4 9

DieVerfallrenditelässtsichmiteinemTrial-and-Error-Verfahren,einemanderennumeri-schen
Verfahren 5
oder mit einem Finanzrechner6 ermittelnundbeträgt5%.DasWertpa-
pierwirdmiteinemAgiogehandelt,weilderKuponsatzvon6%dieRenditeerwartungvon5%
übersteigt.FindendieZinszahlungendes4-jährigenBondsmiteinemKuponvon6%
halbjährlichstattundwirddieAnleihezueinemPreisvon103,585%gehandelt,lässtsichdie
VerfallrenditemitfolgenderFormeleruieren:

3% 3% 3% 3%
103;585 % D  1 C  2 C  3 C  
VR VR VR VR 4
1C 1C 1C 1C
2 2 2 2
3% 3% 3% 103 %
C  C  C  C  :
VR 5 VR 6 VR 7 VR 8
1C 1C 1C 1C
2 2 2 2
Der Diskontsatz bzw. die halbjährliche Verfallrendite (also VR=2) ist 2,5 %.7 Die annuali-
sierte Verfallrendite beträgt somit 5 % (D 2  2;5 %). Das Annualisieren der halbjährlichen
VerfallrenditemiteinemFaktorvon2entsprichtderMarktkonventionundwirdalsBondEquivalent
Yield bezeichnet. Berücksichtig t man den Verzinsungseffekt, lässt sich eine annualisierte
Verfallrenditevon5,063%berechnen:

.1 C VR1Jahr /1 D .1;025/2 ! VR1Jahr D .1;025/2  1 D 0;05063:

Die so annualisierte Verfallrendite (Effective Annual Yield) bindet den Verzinsungseffekt ein
undistsomithöheralsderBondEquivalentYieldvon5%. 8
IndenfolgendenAus-
führungenwirddiehalbjährlicheVerfallrenditejeweilsmitderMarktkonventionBond
EquivalentYieldannualisiert.
DieRenditeaufVerfallwirdimmeraufderBasiseinerjährlichenVerzinsungangege-ben,
undzwarunabhängigdavonwiehochdieKuponfrequenzproJahrist.SiegibtdemInvestorbei
einemAnleihekaufan,wiehochdieerwarteteRenditebiszumFälligkeitszeit-punktdes
Wertpapiersist.AllerdingsberuhtdieVerfallrenditeauffolgendenAnnahmen:

5
DaessichbeiderPreisgleichungumeinegeschlosseneFormelhandelt,kanndiesenichteinfachnachder
Verfallrenditeaufgelöstwerden.SoistdieNullstellederfolgendenFunktionfestzulegen:
X T
Cash Flowst
f.VR/ D B0 C . Die Berechnung der Nullstellen erfolgt mit einem iterativen
tD1
.1 C VR/t
Verfahren. Dabei setzt man einen Wert VR ein, der zu einem positiven Wert für die Funktion führt,
und einen anderen Wert VR, der für die Funktion einen negativen Wert generiert. Anschließend kann man
sich mithilfe einer Intervallhalbierung, einem Sekantenverfahren (Regula Falsi) oder dem
Newton-Verfahren sukzessive der Nullstelle annähern. Mit dem Newton-Verfahren werden die we-
nigstenIterationsschrittebenötigt.AllerdingsmussdieFunktiondifferenzierbarsein.
6
Die Verfallrendite von 5 % lässt sich etwa mit dem Texas Instrument BAII Plus wie folgt bestim- D
men: N 4, PV D  103,546, FV D 100, PMT D 6, CPT I=Y.
7
Die halbjährliche Verfallrendite von 2,5 % lässt sich beispielsweise mit dem Texas Instrument BAII
Plus folgendermaßen ermitteln: N D 8, PV D  103,585, FV D 100, PMT D 3, CPT I=Y.
8
Vgl. Fabozzi 2007 : Fixed Income Analysis, S. 122.
490 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

 Die Anleihe muss bis zum Fälligkeitstag durch den Investor gehalten werden.
 Die Kupons der Anleihe werden mit der Verfallrendite wieder angelegt.
 Der Emittent leistet sämtliche vereinbart en Kupon- und Nominalwertzahlungen. Ein
ZahlungsverzugodereinZahlungsausfallfindetnichtstatt.

Die Rendite einer Anlage ergibt sich aus deren Anfangswert und Endwert und lässt sich wie folgt
bestimmen:
AW .1 C R/T D EW; (9.2)
wobei:

AW D Anfangswert der Anlage,


R D Rendite,
T D Restlaufzeit der Anlage in Jahren,
EW D Endwert der Anlage.

WirddieGleichungnachderVariablenRaufgelöst,erhältmanfürdieBerechnungderRenditeeiner
AnlagefolgendeFormel:

 1=T
EW
RD  1: (9.3)
AW

Eine 4-jährige Anleihe mit einem jährlichen Kupon von 6 % wird zu einem Preis von 103,546 %
gehandelt. Um die erwartete Rendite der Anlage bis zu deren Fälligkeitstag zu berechnen, ist
zunächst der Endwert festzulegen, der neben dem Anleihepreis von 100 % in 4 Jahren aus dem
Endwert der wieder angelegten Kupons besteht. Letzterer lässt sich ermitteln, indem der erste
Kupon von 6 % in 1 Jahr mit der Verfallrendite von 5 % über 3 Jahre angelegt wird. Der zweite
Kupon wird in 2Jahren ausbezahltundwird wiederummit derVerfallrendite von5 % über 2 Jahre
angelegtusw.,waszueinemEndwertderwiederangelegtenKuponsvon25,86%führt:

6 %  .1;05/3 C 6 %  .1;05/2 C 6 %  .1;05/1 C 6 %  .1;05/0 D 25;86 %:

Somit lässt sich der Endwert der Anleihe wie folgt bestimmen:

Preis der Anleihe am Fälligkeitstag 100;00 %


Endwert der wieder angelegten Kupons 25;86 %
Endwert D 125;86 %

Demnach beträgt die Rendite der Anlage bzw. die Verfallrendite 5 %:


 1=4
125;86 %
RD  1 D 0;05:
103;546 %
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 491

Diese Berechnungen zeigen, dass die Verfallrendite der Rendite der Anleihe entspricht, wenn
diese bis zum Fälligkeitstag gehalten wird, die ausbezahlten Kupons mit der Verfall- rendite
angelegtwerdenundkeinZahlungsverzugoder-ausfalldesEmittentenstattfindet.

Beispiel
Berechnung der Verfallrendite
Die 2,375 %-Anleihe der Daimler AG mit einer Laufzeit von 2012 bis 2022 weist die
folgendenStammdatenauf:

Emittent Daimler AG
ISIN DE000A1PGWA5
Art Unternehmensanleihe
Währung EUR
Stückelung EUR 1000
Emissionsvolumen EUR 750 Mio.
Emissionstag 12. September 2012
Day-Count-Konvention Tagesgenau / tagesgenau ICMA
Kupon 2,375 % fest, jährlich
Zinstermin Jährlich jeweils am 12. September
Fälligkeit 12. September 2022
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss

Am 12. September 2015 (also an einem Zinstermin) wird die Anleihe zu einem Preis
von 108,25 % gehandelt. Wie hoch ist die Verfallrendite der Daimler-Anleihe?

Lösung
Die Verfallrendite der Daimler-Anleihe ergibt sich aus folgender Preisgleichung:

2;375 % 2;375 % 2;375 %


108;25 % D 1
C 2
C
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/3
2;375 % 2;375 % 2;375 % 102;375 %
C 4
C 5
C 6
C :
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/7

Demnach beläuft sich die Verfallrendite der 2,375 %-Anleihe der Daimler AG auf 1,142 %.
9

9
Die Verfallrendite von 1,142 % lässt sich beispielsweise mit dem Texas Instrument BAII Plus wie D
folgt bestimmen: N 7, PV D  108,25, FV D 100, PMT D 2,375, CPT I=Y.
492 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

9.2.3 BeziehungzwischenAnleihepreisundrisikoadäquatem
Diskontsatz

DerPreiseinerfestverzinslichenAnleiheergibtsichausdemBarwertdererwartetenCashflows.
Nimmt der Diskontsatz bzw. die erwartete Rendite zu (ab), fällt (steigt) der Anleihepreis. Somit
besteht eine inverse Beziehung zwischen dem Bond-Preis und der erwarteten Rendite. Abb. 9.1
zeigt für die 2,375 %-Anleihe der Daimler AGvon 2013 bis 2022 die Preisfunktionskurve am 12.
September 2015. Verändert sich die erwartete Ren- dite nach oben und nach unten um den
gleichen Prozentbetrag, so fällt der Preisanstieg höher aus als der Preisrückgang. Die Abbildung
visualisiertdiesenKonvexitäts-Effekt.BewegtsichdieerwarteteRenditevon3%um

˙2 %, übersteigt der Preisanstieg (B B0 )


den Preisrückgang (B0  BC ). Bei einer Verfallrendite von 3 % beträgt der Anleihepreis
96,11 %. Geht die Verfallrendite von 3 % auf 1 % zurück, nimmt der Preis auf 109,25 %
zu. Das ist ein Preisanstieg von 13,14 %. Steigt hingegen die Renditeerwartung von 3 % auf 5 %,
fällt der Anleihepreis von 96,11 % auf 84,81 %, was einen Preisrückgang von 11,30 % darstellt.
Somit liegt die Preiszunahme von 13,14 % über dem Preisrückgang von 11,30 %. Der
vergleichsweise höhere Preisanstieg ist auf den konvexen Verlauf der Preis- funktionskurve
zurückzuführen.

DerAnleihepreisverändertsichmitderZeit,selbstwenndieerwarteteRenditekon-stant
bleibt.AmFälligkeitstagderSchuldverschreibungerhältderInvestordenNominal-wert
ausbezahlt.GehtmanvoneinemkonstantenDiskontsatzaus,fälltderPreiseinesPremiumBonds
mitderZeitgegendenPar-Wert,währendsichderPreiseinesDiscountBondsgegendenhöheren
Par-Wertbewegt.SomitnimmtderDiskontierungseffektder

(Preis
in %)
120
B– 110
100 Konvexitäts-Effekt:
B0 B– – B0 > B0 – B+
90
B+
80
70 konvexe Preisfunktionskurve
60
50
40
30
20
10
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
E(r)– E(r)0 E(r)+ (erwartete Rendite bzw. Diskontsatz in %)

Abb.9.1 Preisfunktionskurve
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 493

(Preis
in %)
110
108 6 % Premium Bond

106
104
102
100
98
96 4 % Discount Bond
94
92
90
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
(Jahre)

Abb.9.2 Pull-to-Par-Effekt (konstante erwartete Rendite)

Cashflows mit sinkender Restlaufzeit der Anleih e ab. Dieser Preisverlauf wird als Pull-to-
Par-Effektbezeichnet. 10 Abb.9.2zeigtdenPreisverlaufeinesPremiumBondsmiteinem
Kuponvon6%undeinesDiscountBondsmiteinemKuponvon4%.BeideWertpapierebesitzen
eineRestlaufzeitvon10JahrenundeineerwarteteRenditevon5%,diebiszum
Fälligkeitszeitpunktkonstantbleibt.

VerändertsichwährendderAnleihelaufzeitdieerwarteteRenditeinfolgeeinerÄnde-rungder
risikolosenZinsstrukturkurveund/oderderRisikoprämie,sobewegtsichauchderAnleihepreis.Wird
zumBeispieleineSchuldverschreibungzueinemPreisvon100%emittiertundgehtdanachdas
Zinsniveauzurück,wirddasWertpapierüberdenPar-Wertgehandelt,dadieRenditeerwartungunter
demKuponsatzliegt.SteigennacheinerbestimmtenZeitdieZinssätzewiederundüberschreitetdie
erwarteteRenditedenKu-ponsatz,notiertdieAnleiheunterdemPar-Wert.Folglichkanneine
SchuldverschreibungwährendderLaufzeitinfolgeeinerÄnderungderrisikolosen
Zinsstrukturkurveund/oderderRisikoprämieüberoderunterdemPar-Wert(PremiumoderDiscount
Bond)gehan-deltwerden.Abb. 9.3zeigtdenPreisverlaufeiner10-jährigen5%-Anleihe,diemiteinem
Preisvon100%begebenwurde.NachderEmissiongehenzunächstdieZinssätzezurück,wasdazuführt,
dassdasWertpapiereinPremiumBondist.DanachsteigendieZinssätzeunddasPapieristeinDiscount
Bond,bevoresaufgrundfallenderZinssätzewiederzueinemPremiumBondwird.AmFälligkeitstag
wirddieAnleihezumPar-Wertzurückge-zahlt.

10
Vgl. Bodie und Merton 2000 : Finance, S. 227 ff.
494 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

(Preis
in %)
120

Premium Bond
115

110

Premium Bond
105

100

95
Discount Bond

90
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
(Jahre)

Abb.9.3 Preisverlauf einer 10-jährigen 5 %-Anleihe bei einer Veränderung der erwarteten Rendite

9.2.4 Preisberechnungmitlaufzeitgerechtenrisikoadäquaten
Diskontsätzen

Der Preis einer Anleihe entspricht dem Barwert der zukünftigen Cashflows. Anstatt mit einem
festen Diskontsatz können die Cashflows mit laufzeitgerechten Diskontsätzen dis- kontiert
werden. Dabei kann die Diskontsatz- bzw. Renditestrukturkurve verwendet wer- den, die dem
Risiko der Anleihe am ehesten e ntspricht. So zum Bei spiel kann man für Anleihen, die von
Banken em ittiert werden, die Swapsatzkurve und für Regierungsanlei- hen die
Renditestrukturkurve von Staatsanleihen des jeweiligen Landes einsetzen. Je nach Risiko der
Anleihe kann man auch eine risikoadäquate Renditestrukturkurve erstellen, mit der die
Cashflows des Wertpapiers diskontiert werden. Der Preis der Anleihe lässt sich an einem
ZinsterminmitfolgenderFormelberechnen:

X
T
Kt NW
B0 D C ; (9.4)
tD1
Œ1 C E .rt /t Œ1 C E .rT /T

wobei:
B0 D Preis der Plain-Vanilla-Anleihe an einem Zinstermin (Clean-Preis D Full-Preis),
Kt D Kupon für die Zinsperiode t,
NW D Nominalwert von 100 %,
E .rt / D laufzeitgerechter Diskontsatz für die Periode t,
E .rT / D laufzeitgerechterDiskontsatzfürdieRestlaufzeitTderAnleihe,T
D Restlaufzeit der Plain-Vanilla-Anleihe.
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 495

Nimmt man beispielsweise eine 4-jährige 5 % Regierungsanleihe, dann ergibt sich bei
laufzeitgerechtenDiskontsätzenvon3%für1Jahr,3,5%für2Jahre,4%für3Jahreund4,5%für4
JahreeinPreisvon102,016%:

5% 5% 5% 105 %
B0 D 1
C 2
C 3
C D 102;016 %:
.1;03/ .1;035/ .1;04/ .1;045/4

Die vorliegende Regierungsanleihe ist ein Premium Bond, sodass die Verfallrendite un- terhalb
des Kuponsatzes von 5 % liegen muss. Die Verfallrendite lässt sich anhand des berechneten
PreisesundderCashflowsmitfolgenderFormelberechnen:

5% 5% 5% 105 %
102;016 % D 1
C 2
C 3
C :
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/4

Die Verfallrendite beträgt 4,439 %.11 WerdendieCashflowsderAnleihemiteinerVerfall-


renditevon4,439%diskontiert,resultiertdarausdergleichePreisvon102,016%,dermit
den laufzeitgerechten Diskontsätzen ermittelt wurde:

5% 5% 5% 105 %
B0 D C C C D 102;016 %:
.1;04439/1 .1;04439/2 .1;04439/3 .1;04439/4

Bei der Preisberechnung mit laufzeitgerechten Diskontsätzen und der Verfallrendite un-
terscheiden sich die Barwerte der jährliche n Cashflows, nicht aber der ermittelte Preis. So sind
die Barwerte der Cashflows in den ersten 3 J ahren mit den laufzeitgerechten Diskont- sätzen
größer, weildiese verglichen mit der Verfallrendite kleiner sind. Demgegenüber ist der Barwert
derCashflowsim4.JahrmitderVerfallrenditevon4,439%größeralsmitdemlaufzeitgerechten
Diskontsatz von 4,5 %. Die aus der Diskontierung mit unterschied- lichen Sätzen
hervorgehendenBarwertesindnachstehendaufgeführt:

Jahre Barwerte der Cashflows mit laufzeitge- Barwerte der Cashflows mit Verfallrendite
rechten Diskontsätzen (konstanter Diskontsatz)
1 4;854 % 4;788 %
2 4;668 % 4;584 %
3 4;445 % 4;389 %
4 88;049 % 88;255 %
D 102;016 % D 102;016 %

Beispiel
Berechnung des Anleihepreises mit laufzeitgerechten Diskontsätzen
Eine Bank emittiert eine 3-jährige 4 %-Anleihe. Die Kupons werden halbjährlich aus-
bezahlt.DierisikoadäquatenlaufzeitgerechtenDiskontsätzelautenwiefolgt:

11
Die Verfallrendite von 4,439 % lässt sich etwa mit dem Texas Instrument BAII Plus wie folgt D
bestimmen: N 4, PV D  102,016, FV D 100, PMT D 5, CPT I=Y.
496 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Jahre Diskontsätze
0,5 2,5 %
1 2,8 %
1,5 3,0 %
2 3,4 %
2,5 3,5 %
3 4,0 %

Wie hoch ist der Preis der Anleihe?

Lösung
Der Preis der Anleihe von 100,110 % lässt sich mit den laufzeitgerechten Diskontsätzen
folgendermaßenberechnen:

2% 2% 2% 2% 2% 102 %
B0 D 1
C 2
C 3
C 4
C 5
C D 100;110 %:
.1;0125/ .1;014/ .1;015/ .1;017/ .1;0175/ .1;02/6

9.2.5 PreisberechnungzwischenzweiKuponterminen

Befindet sich die Anleihe zwischen zwei Kupont erminen, besteht der zu bezahlende Preis
(Full-Preis)ausdemClean-PreisunddenStückzinsen.BeimClean-Preishandeltessichumden
gehandelten Preis des Wertpapiers, während die Stückzinsen durch den anteiligen Kupon
gegeben sind, der dem Verkäufer des Papiers zusteht, weil er die Anleihe bis zum
Verkaufszeitpunkthält.
12
Der Full-Preis einer Plain-Vanilla-Anleihe lässt sich mit einem 13
festen risikoadäquaten Diskontsatz anhand folgender Formel ermitteln:

K K K C NW
B0 Full D 1t=n
C 2t=n
C:::C ; (9.5)
Œ1 C E .r/ Œ1 C E .r/ Œ1 C E .r/Tt=n

wobei:

K D Kupon,
NW D Nominalwert von 100 %,
E .r/ D erwartete Rendite bzw. fester risikoadäquater Diskontsatz,
t D AnzahlTagevonBeginnderZinsperiodebiszumValutatag,
n D Anzahl Tage in der Kuponperiode,
T D Restlaufzeit der Anleihe in ganzen Perioden bzw. vom Beginn der Zinsperiode, in
der der Valutatag fällt, bis zum Fälligkeitszeitpunkt (z. B. Jahre oder Halbjahre).

12
Vgl. Abschn. 8.8.6.2 .
13
Vgl. Adams und Smith 2015 : Introduction to Fixed-Income Valuation, S. 106.
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 497

Beispiel
Berechnung des Full-Preises, der Stückzinsen und des Clean-Preises
Eine Anleihe besitzt einen jährlichen Kupon von 4 %, der jeweils am 15. April ausbe- zahlt
wird. Der Fälligkeitstag d er Anleihe ist der 15. April 2020. Das Wertpapier wird am Montag,
den 21. November 2016, gekauft. Der Valutatag ist der Handelsabschluss plus 3
Geschäftstage. Die Day-Count-Konvention für die Berechnung der Stückzinsen ist
tagesgenau / tagesgenau ICMA. Wie hoc h sind der Full-Preis und der Clean-Preis der
Anleihe,wennderfesterisikoadäquateDiskontsatz3%beträgt?

Lösung
VomletztenZinsterminam15.April2016biszumValutatagam24.November2016sindesinsgesamt223
Tage.SomitbeträgtdieanteiligeZinsperiodevont =n 0,611
(D Tage=365 Tage).DerFull-Preisvon105,607%lässtsichwiefolgtbestimmen:223

4% 4% 4% 104 %
B0 Full D 10;611
C 20;611
C 30;611
C D 105;607 %:
.1;03/ .1;03/ .1;03/ .1;03/40;611

Abb. 9.4 visualisiert die Periodenberechnung fü r die Ermittlung des Full-Preises. Die
Stückzinsenbelaufensichauf2,444%:
 
223 Tage
SZ D 4 %  D 2;444 %:
365 Tage

Der Clean-Preis der Anleihe von 103,163 % ergibt sich aus dem Full-Preis von
105,607 % abzüglich der Stückzinsen von 2,444 %:

B0 Clean D 105;607 %  2;444 % D 103;163 %:

DieBerechnungdesFull-Preiseslässtsichvereinfachen,wennderZählerundNennerder
einzelnenTermerechtsdesGleichheitszeichensvon( 9.5)jeweilsmitdemAusdruck

4% 4% 4% 104 %

0,389 1,389 2,389 3,389 (Jahre)


15. 15. 15. 15. 15.
April April April April April
2016 2017 2018 2019 2020

Valuta 24.
November
2016

Abb.9.4 Periodenberechnung für die Ermittlung des Full-Preises


49 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Œ1 C E .r/t=n multipliziert wird.14 Das führt zu folgender Formel für die Berechnung des
Full-Preises:


K K K C NW
B0 Full D C C : : : C Œ1 C E .r/t=n : (9.6)
Œ1 C E .r/1 Œ1 C E .r/2 Œ1 C E .r/T
Der erste Klammerausdruck rechts des Gleic hheitszeichens entspri cht dem Preis der An-
leihe am letzten Zinstermin. Folglich lässt sich der Full-Preis bestimmen, indem der Preis der
festverzinslichen Schuldverschreibung am letzten Zinstermin ermittelt und anschlie- ßend mit
demTerm
Œ1 C E .r/t=n multipliziert wird. Für die 4 %-Anleihe mit Fälligkeit am
15. April 2020 des oben stehenden Beispiels ergibt sich zunächst ein Preis am Zinstermin
15. April 2016 von 103,717 %:15
4% 4% 4% 104 %
BFull zu Beginn Zinsperiode D 1
C 2
C 3
C D 103;717 %:
.1;03/ .1;03/ .1;03/ .1;03/4
Der Preis am Zinstermin von 103,717 % wird mit (1,03)0;611 multipliziert, was zum Full-
Preis von 105,607 % am Valutatag 24. November 2016 führt:

BFull am Valutatag D 103;717 %  .1;03/0;611 D 105;607 %:

Beispiel
Berechnung des Full-Preises und des Clean-Preises der 2,375 %-Anleihe der
Daimler AG
Die 2,375 %-Anleihe der Daimler AG mit einer Laufzeit von 2012 bis 2022 weist die
folgendenStammdatenauf:

Emittent Daimler AG
ISIN DE000A1PGWA5
Art Unternehmensanleihe
Währung EUR
Stückelung EUR 1000
Emissionsvolumen EUR 750 Mio.
Emissionstag 12. September 2012
Day-Count-Konvention Tagesgenau / tagesgenau ICMA
Kupon 2,375 % fest, jährlich
Zinstermin Jährlich jeweils am 12. September
Fälligkeit 12. September 2022
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss

14
Nimmt man beispielsweise von (9.5) den ersten Term rechts des Gleichheitszeichens von
K=Œ1 C E.r/1t=n und multipliziert den Zähler und den Nenner mit jeweils Œ1 C E.r/t=n , erhält
KŒ1 C E.r/t=n KŒ1 C E.r/t=n K
man 1t=n =
D D Œ1 C E.r/t=n .
Œ1 C E.r/ Œ1 C E.r/t n Œ1 C E.r/1t=nCt=n Œ1 C E.r/1
15
Der Preis von 103,717 % lässt sich beispielsweise mit dem Texas Instrument BAII Plus folgen-
dermaßen bestimmen: N D 4, I=Y D 3, FV D 100, PMT D 4, CPT PV.
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 499

DerfesterisikoadäquateDiskontsatzliegtbei1%.WiehochsindderFull-Preisundder
Clean-PreisderDaimler-Anleihe,wenndasWertpapieram15.Februar2016gekauftwird?

Lösung
Zunächst ist der Preis der Anleihe am Zinstermin 12. September 2015 festzulegen:16

2;375 % 2;375 % 102;375 %


BFull am Zinstermin D 1
C 2
C:::C D 109;251 %:
.1;01/ .1;01/ .1;01/7

VomZinsterminam12.September2015biszumValutatagam17.Februar2016sindesinsgesamt158
Tage.DemnachbeträgtderFull-Preisam17.Februar109,721%: 17

BFull am Valutatag D 109;251 %  .1;01/158=366 D 109;721 %:

Die Stückzinsen belaufen sich auf 1,025 %:


 
158 Tage
SZ D 2;375 %  D 1;025 %:
366 Tage

Um den Clean-Preis von 108,696 % zu ermitteln, sind vom Full-Preis von 109,721 % die
Stückzinsenvon1,025%abzuziehen:

BClean D 109;721 %  1;025 % D 108;696 %:

9.2.6 Matrix-Pricing

EsgibtfestverzinslicheAnleihen,beidenenkeineMarktpreiseexistieren,weilsienichtaktivauf
dem Markt gehandelt werden oder noch nicht emittiert wurden, sodass die ge- forderte Rendite
der Investoren nicht ausgerechnet werden kann. In solchen Fällen ist es üblich, die erwartete
Rendite bzw. den ris ikogerechten Marktdiskontsatz mithilfe von notierten Preisen
vergleichbarer Anleihen z u bestimmen. Diese vergl eichbaren Anleihen sind ähnlich in Bezug
auf Restlaufzeit, K uponsatz und Schuldnerqualität. Die Berechnung eines risikoadäquaten
Marktdiskontsatzes anhand vergleichbarer festverzinslicher Schuld- verschreibungen wird
alsMatrix-Pricingbezeichnet.

18
ZumBeispielliegteine6-jährige3
%-Unternehmensanleihevor,dienichtaktivaufdemMarktgehandeltwird,sodasskein
aktuellerMarktpreisvorhandenist.UmdenrisikogerechtenDiskontsatzdesWertpapiers

16
DerPreisvon109,251%lässtsichetwamitdemTexasInstrumentBAIIPluswiefolgtbestim-D
men: N 7, I=Y D 1, FV D 100, PMT D 2,375, CPT PV.
17
Das Jahr 2016 war ein Schaltjahr.
18
Vgl. Adams und Smith 2015 : Introduction to Fixed-Income Valuation, S. 109.
500 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

zu ermitteln, werden die notierten Preise (Clean-Preise) der folgenden vier Unternehmens-
anleihenmiteinerähnlichenSchuldnerqualitätherangezogen:

 Anleihe 1: 4-jährige Restlaufzeit, ein jährlicher Kupon von 2,5 % und ein Clean-Preis von
98,141%.
 Anleihe 2: 4-jährige Restlaufzeit, ein jährlicher Kupon von 3 % und ein Clean-Preis von
99,926%.
 Anleihe 3: 7-jährige Restlaufzeit, ein jährlicher Kupon von 4 % und ein Clean-Preis von
104,947%.
 Anleihe 4: 7-jährige Restlaufzeit, ein jährlicher Kupon von 3,5 % und ein Clean-Preis von
101,108%.

Tab. 9.1 zeigt die Matrix gruppiert nach Kupons und Restlaufzeit der Anleihen. In einem
ersten Schritt sind die Verfallrenditen der vier vergleichbaren Unternehmensanleihen zu
bestimmen. So etwa lässt sich für die Anleihe 1 die Verfallrendite anhand der folgenden
Preisgleichungermitteln:

2;5 % 2;5 % 2;5 % 102;5 %


98;141 % D 1
C 2
C 3
C :
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/4

Die Verfallrendite der Anleihe 1 beläuft sich auf 3 %.19 Auf die gleiche Weise lassen
sich die Verfallrenditen der anderen drei Anleihen berechnen. Die Anleihen 2, 3 und
4 besitzen Verfallrenditen von 3,02 %, 3,2 % und 3,32 %. Im nächsten Schritt sind die
durchschnittlichen Verfallrenditen der beiden 4-jährigen und 7-jährigen vergleichbaren
Unternehmensanleihenzuberechnen:

3 % C 3;02 %
D 3;01 %;
2
3;2 % C 3;32 %
D 3;26 %:
2

Tab.9.1 Matrix gegliedert nach Kupons und Restlaufzeit


Restlaufzeit 2,5 % Kupon 3 % Kupon 3,5 % Kupon 4 % Kupon
4 Jahre 98,141 % 99,926 %
3% 3;02 %
6 Jahre Anleihe ohne
Preis
7 Jahre 101,108 % 104,947 %
3;32 % 3;2 %

19
Die Verfallrendite von 3 % lässt sich beispielsweise mit dem Texas Instrument BAII Plus wie folgt D
bestimmen: N 4, PV D  98,141, FV D 100, PMT D 2,5, CPT I=Y.
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 501

Der implizite Marktdiskontsatz der nicht aktiv gehandelten 6-jährigen Unternehmens-


anleihe von 3,18 % lässt sich mithilfe der linearen Interpolation wie folgt bestimmen:20
 
64
VRimplizit D 0;0301 C  .0;0326  0;0301/ D 0;0318:
74
Somit beträgt der Preis der nicht aktiv gehandelten 6-jährigen 3 %-Unternehmensanleihe
99,031 %:
3% 3% 3% 3% 3% 103 %
B0 D 1
C 2
C 3
C 4
C 5
C
.1;0318/ .1;0318/ .1;0318/ .1;0318/ .1;0318/ .1;0318/6
D 99;031 %:

9.2.7 VerschiedeneRenditegrößen

Mit der Rendite einer Anleihe lässt sich die Rentabilität bzw. der Ertrag der Anleihe be- urteilen.
Wird eine festverzinsliche Anleihe gekauft, so erzielt man aus der Anlage eine Rendite, die sich
ausdenfolgendenKomponentenzusammensetzt: 21

 Kupons,
 Kapitalgewinn oder -verlust bei Fälligkeit oder aus vorzeitigem Verkauf und
 Einnahmen aus den wieder angelegten Kupons.

Eine Renditegröße für festverzinsliche Anleihen muss sämtliche Renditekomponenten be-


rücksichtigen. Dabei stellt der Kupon den wohl offensichtlichsten Teil der Rendite dar. Ein
Kapitalgewinn (Kapitalverlust) bei einer optionsfreien Anleihe entsteht, wenn der Par-Wert
zum Fälligkeitszeitpunkt oder der Verk aufserlös des Wertpapiers vor Fälligkeit größer
(kleiner)alsderKaufpreisist.FindetbeieinemCallableBondeinevorzeitigeKün-digungdurch
den Emittenten statt und überschreitet (unterschreitet) der Kündigungspreis den Kaufpreis,
resultiert daraus ein Kapitalg ewinn (Kapitalverlust). Darüber hinaus kön- nen die aus dem
Halten einer Anleihe erhaltenen Kupons zu einem Marktzinssatz wieder angelegt werden, was
sichpositivaufdieRenditeauswirkt.

9.2.7.1 RenditegrößenfürfestverzinslicheoptionsfreieAnleihen
Für optionsfreie Anleihen existieren verschiedene Renditegrößen im Bondmarkt. Zu die- sen
Performancegrößenzählen

1. der Current Yield,


2. die Verfallrendite und
3. der Total Return.22
20
Vgl. Abschn. 9.3.2 .
21
Vgl. Fabozzi 1993 : Fixed Income Mathematics: Analytical & Statistical Techniques, S. 96.
22
Vgl. Fabozzi 2000 : Fixed Income Analysis for the Chartered Financial Analyst ® Program, S. 188.
502 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

1. Bei der Festlegung des Current Yield wird der jährliche Kupon durch den gehandelten
MarktpreisderAnleihedividiert:

K
CurrentYield D ; (9.7)
B0 Clean

wobei:
K D Kupon,
B0 Clean D Clean-Preis der Anleihe.

WirdzumBeispieleine4%-AnleihezueinemPreisvon108%gehandelt,resultiertdarauseine
CurrentYieldvon3,7%:

4%
Current Yield D D 3;7 %:
108 %
BeieinemPremiumBondistderCurrentYieldniedrigeralsderKuponsatz.Demge-genüber
ist bei einem Discount Bond der CurrentYield höher als der Kuponsatz.Füreine Anleihe, die
zum Par-Wert gehandelt wird, sind der Current Yield und der Ku- ponsatz gleich groß. Der
Nachteil des Current Yield ist, dass sie lediglich den Kupon berücksichtigt. Der
Kapitalgewinn oder -ve rlust sowie die Einnahmen aus den wieder angelegten Kupons
fließennichtindieRenditegrößeein.

2. Die am weitesten verbreitete Performancek ennzahl ist die Verfallrendite. Auf dem
Bondmarkt wird nicht die Verfallrendite, sondern der Clean-Preis notiert. Der Full- Preis
ergibt sich aus dem Clean-Preis zu züglich der Stückzinsen.Ausgehend vom Full-Preis und
den Cashflows der Anleihe l ässt sich nun die Verfallrendite mit einem
Trial-and-Error-Verfahrenermitteln:
23

K K K C NW
B0 Full D 1t=n
C 2t=n
C:::C : (9.8)
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/Tt=n

AneinemZinsterminentsprichtderFull-PreisdemClean-Preis(keineStückzinsen),sodass
sichdieVerfallrenditeanhandderfolgendenPreisgleichungbestimmenlässt:

K K K C NW
B0 Full D 1
C 2
C:::C : (9.9)
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/T

Werden die Kupons halbjährlich bezahlt, ergibt sich folgende Preisgleichung an einem
Zinstermin:

K K K C NW
B0 Full D  1 C  2 C : : : C   : (9.10)
VR VR VR T
1C 1C 1C
2 2 2

23
Für die Preisgleichung zwischen zwei Kuponterminen vgl. Abschn. 9.2.5 .
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 503

Da die Verfallrendite eine annualisierte Größe ist, muss der halbjährliche Diskontsatz VR
=2 auf einen jährlichen Satz umgerechnet werden, indem der Diskontsatz aus der
Gleichung – also VR=2 –mit2Halbjahresperiodenmultipliziertwird.Diemitdieser
MarktkonventionberechneteVerfallrenditewirdalsBondEquivalentYieldbezeich-
net.24

Beispiel
Berechnung der Verfallrendite bei einer fe stverzinslichen Anleihe mit einem halb-
jährlichenKupon
Eine 4 %-Anleihe mit einer Restlaufzeit v on 2 Jahren bezahlt den Kupon halbjährlich. Die
Anleihe wird auf dem Markt zu einem Preis von 96 % gehandelt. Wie hoch sind der Current
Yield und die Verfallrendite des Bonds, wenn man sich auf einem Zinstermin befindet?
(Marktkonvention:BondEquivalentYield)

Lösung
Der Current Yield beläuft sich auf 4,167 %:
4%
Current Yield D D 4;167 %:
96 %
Die Preisgleichung lautet wie folgt:

2% 2% 2% 102 %
96 % D  1 C   C  C  :
VR VR 2 VR 3 VR 4
1C 1C 1C 1C
2 2 2 2

Die halbjährliche Verfallrendite liegt bei 3,078 %. Die annualisierte Verfallrendite be- trägt
somit6,156%( D  3;078 %).DesWeiterenzeigtdasBeispiel,dassbeim2
vorliegendenDiscountBondderKuponsatzvon4%unterdemCurrentYieldvon4,167%und
diesebeidenGrößenunterderVerfallrenditevon6,156%liegen.

Zwischen dem Kuponsatz, dem Current Yield und der Verfallrendite besteht folgender
Zusammenhang:25

 Par Bond: Kuponsatz D Current Yield D Verfallrendite,


 Premium Bond: Kuponsatz > Current Yield > Verfallrendite,
 Discount Bond: Kuponsatz < Current Yield < Verfallrendite.

Die Verfallrendite erfasst zwar sämtliche Re nditekomponenten, weist aber dennoch zwei
wesentliche Nachteile auf. Zum einen wird davon ausgegangen, dass die Anleihe bis zum
Fälligkeitstaggehaltenwird,undzumanderenwerdendieKuponsmitderVerfallrenditeangelegt,
obwohldiesevomaktuellenWiederanlagesatzabweichenkann.
26
Um beispiels-

24
Vgl. Abschn. 9.2.2 .
25
Vgl. Fabozzi 2000 : Fixed Income Analysis for the Chartered Financial Analyst ® Program, S. 188.
26
Vgl. Abschn. 9.2.2 .
504 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

weise eine Verfallrendite von 6,156 % zu erzielen, sind die Kupons während der Laufzeit der
AnleihezueinemZinssatzvon6,156%zuinvestieren.

3. Mit dem Total Return können sämtliche Renditekomponenten eingebunden werden, ohne
dass wie bei der Verfallrendite unterstellt werden muss, dass die Anleihe bis zum
FälligkeitstaggehaltenwirdunddieKuponsmitderVerfallrenditeanzulegensind.DerTotal
Return berücksichtigt den Anfangs- und Endwert der Anlage und lässt sich wie folgt
berechnen:
27
 1=T
EW
TotalReturn D  1; (9.11)
AW
wobei:
AW D Anfangswert der Anlage,
EW D Endwert der Anlage,
T D Anlagezeitraum.

Bei einer Anleihe setzt sich der Anfangswe rt aus dem bezahlten Anleihepreis zusam- men.
Der Endwert der Anlage hingegen besteht aus dem Verkaufspreis der Anleihe und den
Einnahmen aus den wieder angelegten Kupons, die zu einem Marktsatz und nicht mit der
Verfallrenditeangelegtwerden.

Beispiel
Berechnung der Verfallrendite und des Total Returns
Die 2,375 %-Anleihe der Daimler AG mit einer Laufzeit von 2012 bis 2022 weist die
folgendenStammdatenauf:

Emittent Daimler AG
ISIN DE000A1PGWA5
Art Unternehmensanleihe
Währung EUR
Stückelung EUR 1000
Emissionsvolumen EUR 750 Mio.
Emissionstag 12. September 2012
Day-Count-Konvention Tagesgenau / tagesgenau ICMA
Kupon 2,375 % fest, jährlich
Zinstermin Jährlich jeweils am 12. September
Fälligkeit 12. September 2022
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss

DieDaimler-AnleihewirdamFreitag,4.März2016,zueinemBriefkursvon109,46%
gekauft.DieAnleihewirdspäteraneinemZinstermin,undzwaram12.Sep-tember
2020, verkauft. Für diesen Zeitpunkt wird eine Verfallrendite von 1,5 %

27
Vgl. Fabozzi 1993 : Fixed Income Mathematics: Analytical & Statistical Techniques, S. 110.
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 505

erwartet.DieKuponskönnenmiteinemMarktsatzvon1%angelegtwerden.Wiehochsinddie
VerfallrenditeundderTotalReturn?

Lösung
Um den Kaufpreis der Daimler-Anleihe zu berechnen, sind zunächst die Stückzinsen vom
letzten Zinstermin am 12. September 2015 bis zum Valutatag am 8. März 2016 festzulegen.
DiesePeriodeumfasst178Tage.SomitbelaufensichdieStückzinsenauf1,155%:

 
178 Tage
SZ D 2;375 %  D 1;155 %:
366 Tage
Der Full-Preis beträgt demnach 110,615 %:

B0 Full D 109;46 % C 1;155 % D 110;615 %:

Die Verfallrendite von 1,05 % lässt sich anhand eines Trial-and-Error-Verfahrens mit der
folgendenPreisgleichungbestimmen:

2;375 % 2;375 % 102;375 %


110;615 % D 0;5137
C 1;5137
C:::C :
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/6;5137
Der Anfangswert der Anlage besteht aus dem Kaufpreis der Anleihe von 110,615 %.
Der Endwert setzt sich aus dem erwarteten Verkaufspreis der Daimler-Anleihe am 12.
September 2020 und dem Endwert derwieder angelegten Kupons zusammen. Der erwartete
Verkaufspreis von 101,711 % kann anhand der erwarteten Rendite von 1,5 % wie folgt
berechnetwerden:

2;375 % 102;375 %
B12:September2020 D 1
C D 101;711 %:
.1;015/ .1;015/2
Die Kupons können zu einem Zinssatz von 1 % investiert werden. Der erste Kupon von
2,375 % fällt am 12. September 2016 an und kann bis zum Verkaufstag vom 12. Sep- tember
2020 über 4 Jahre zu einem Zinssatz von 1 % angelegt werden. Der zweite Kupon wird im
darauffolgenden Jahr am 12. September 2017 bezahlt und kann über3 Jahre angelegt werden
usw.,waszueinemEndwertderwiederangelegtenKuponsvon12,115%führt:

Endwert wieder angelegter Kupons D 2;375 %  .1;01/4 C 2;375 %  .1;01/3 C : : :


C 2;375 %  .1;01/0
D 12;115 %:

Demnach lässt sich der Endwert der Anlage von 113,826 % wie folgt festlegen:

Erwarteter Preis der Anleihe am 12. September 2020 101;711 %


EndwertderwiederangelegtenKupons 12;115 %
Endwert D 113;826 %
506 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Der Anlagezeitraum ist 4,5137 Jahre. Somit beträgt der Total Return der Anleihe
0,636 %:
 
113;826 % 1=4;5137
TotalReturn D  1 D 0;00636:
110;615 %
Der Total Return von 0,636 % weicht wesentlich von der Verfallrendite zum Kaufzeit-
punkt der Daimler-Anleihe von 1,05 % ab, weil zum einen die Kupons zu einem leicht
niedrigerenZinssatzvon1%angelegtwerdenundzumanderendieerwarteteVerfall-rendite
zumVerkaufszeitpunktderAnleihemit1,5%höherist,sodassdieAnleihezueinemPreisvon
101,711 % verkauft wird. Bei einer unveränderten Verfallrendite von 1,05 % wäre der
Verkaufspreis102,609%gewesen.

Im Beispiel belaufen sich die Kupons auf 11,875 % (D 5  2;375 %) und die Ein-
nahmen aus den wieder angelegten Kupons auf 0,240 % (D 12;115 %  11;875 %).
Der Kapitalverlust liegt bei 8,904 % (D 101;711 %  110;615 %). Das ergibt über den
Anlagezeitraum von 4,5137 Jahren Einnahmen von 3,211 % ( D 11;875 % C 0;240 % 
8;904 %). Bei einem Kaufpreis von 110,615 %, resultiert daraus eine Rendite von
2,9029 % (D 3;211 %=110;615 %). Auf 1 Jahr heruntergerechnet, ist die Rendite ].
0,636 % [D .1;029029/1=4 ;5137  1

9.2.7.2 RenditeundZinsänderungsrisiko
DieRenditeeinerAnleihehängtvondenZinssatzänderungenab,welchedieEinnahmenausden
wieder angelegten Kupons und den Verka ufspreis der Anleihe vor Fälligkeit be- einflussen
(ohne Berücksichtigung des Kreditr isikos). Der Anlagezeitraum spielt für das Verständnis des
Zinsänderungsrisikos und der Rendite eine wichtige Rolle. Das Zinsän- derungsrisiko besteht
aus dem Wiederanlagerisiko der Kupons unddemPreisänderungs- risiko derAnleihe, die einen
entgegengesetztenEffektaufdieRenditeausüben.
28
Der
Endwert der wieder angelegten Kupons stei gt (fällt) bei einer Zunahme (Abnahme) der
Zinssätze. Der Verkaufspreis einer Anleihe vor Fälligkeit fällt (steigt) bei einem Anstieg
(Rückgang) der Zinssätze. Dabei übt das Wiederanlagerisiko der Kupons einen stärke- ren
Effekt auf die Rendite aus, wenn der Anlagehorizont im Vergleich zur Laufzeit der Anleihe
relativ lang ist. So zum Beispiel ist ein Buy-and-Hold-Investor lediglich dem Wie-
deranlagerisiko der Kupons ausgesetzt, weil der Kaufpreis zum Emissionszeitpunkt und der
Verkaufspreis zum Fälligkeitszeitpunkt dem Par-Wert entsprechen. Demgegenüber ist das
Preisänderungsrisiko von Bedeutung, wenn der Investor verglichen mit der Anleihe- laufzeit
einen relativ kurzen Anlagezeitraum hat. So etwa ist ein Investor nur gegenüber dem
Preisänderungsrisiko exponiert, wenn er die Anleihe vor dem ersten Kupontermin verkauft.
Daher sind zwei Investoren, welche die gleiche Anleihe halten, aber einen ver- schieden langen
Anlagehorizont aufweisen, einem unterschiedlichen Zinsänderungsrisiko ausgesetzt. Das
folgendeBeispielillustriertdiesenZusammenhang.

28
Vgl. Bodie et al. 2009 : Investments, S. 462.
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 507

Beispiel
Berechnung des Total Returns bei unterschiedlichen Zinssatzänderungen und An-
lagehorizonten
Ein Investor kauft eine 5-jährige Anleihe mit einem jährlichen Kupon von 4 %, die eine
Verfallrendite von 3,5 % aufweist. Dabei plant er die Anleihe in 1 Jahr oder in 4 Jahrengleich
nach dem Erhalt des Kupons zu verkaufen. Es wird davon ausgegangen, dass der Investor die
Kuponszur Verfallrendite anlegen kann,diezumZeitpunktdes Anleihe-verkaufsvorliegt: 3
% (Zinssatzabnahme von 0,5 %), 4 % (Zinssatzanstieg von 0,5 %) und 5 %(Zinssatzzunahme
von1,5%).WiehochistderTotalReturnderAnleihebeieinemAnlagehorizontvon1Jahrund
4JahrenfürjeweilsalledreiRenditeszenarien(bzw.Zinssatzänderungen)?

Lösung
Die Anleihe wird zu einem Preis von 102,258 % gekauft:

4% 4% 4% 4% 104 %
B0 D 1
C 2
C 3
C 4
C D 102;258 %:
.1;035/ .1;035/ .1;035/ .1;035/ .1;035/5

Da der erste Kupon gleich nach dem Verkauf de r Anleihe in 1 Jahr anfällt, ergeben sich keine
Einnahmen aus dem angelegten Kupon,sodass der Endwert der wieder angeleg- ten Kupons
4 % ist. Die Anleihe lässt sich in 1Jahr bei einer Verfallrendite von 3 % zu einem Preis von
103,717%verkaufen:

4% 4% 4% 104 %
B1 D C C C D 103;717 %:
.1;03/1 .1;03/2 .1;03/3 .1;03/4

Somit besteht der Endwert der Anlage von 107,717 % aus dem Kupon von 4 % und dem
VerkaufspreisderAnleihevon103,717%,waszueinemTotalReturnvon5,34%führt:

107;717 %
TotalReturn D  1 D 0;0534:
102;258 %
Liegt der Anlagehorizont bei 4 Jahren, ergibt sich bei einer Verfallrendite von 3 %
ein Endwert der wieder angelegten Kupons von 16,735 % und ein Verkaufspreis der Anleihe
von100,971%:

Endwert wieder angelegter Kupons D 4 %  .1;03/3 C 4 %  .1;03/2


C 4 %  .1;03/1 C 4 %  .1;03/0
D 16;735 %;
104 %
B1 D D 100;971 %:
.1;03/1
50 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Der Endwert der Anlage beträgt demnach 117,706 %, was einen jährlichen Total Return von
3,58%zurFolgehat:
 1=4
117;706 %
TotalReturn D  1 D 0;0358:
102;258 %
Nachstehend sind für beide Anlagehorizonte von 1 Jahr und 4 Jahren sowie für die
drei verschiedenen Verfallrenditeszenarien d ie erzielten Gesamtrenditen auf Jahresba- sis
aufgeführt. Bei einem Anlagehorizont von 1 Jahr ist der Investor lediglich dem
Preisänderungsrisiko ausgesetzt. Bei einer niedrigen Verfallrendite von 3 % (also Rück-
gang des Zinssatzesum 0,5 %) beläuft sich der Total Return auf 5,34 %, während bei einer
Verfallrendite von 5%(Zunahme des Zinssatzes um 1,5 %) eine negative Gesamtrendite von
1,76 % resultiert. Demgegenüber bewegt sich bei einem länge- ren Anlagehorizont von 4
Jahren die Gesamtrendite in einer engeren Bandbreite von 3,58 % bis 3,27 %, weil das
Wiederanlagerisiko und das Preisänderungsrisiko einen entgegengesetzten Effekt auf die
Renditeausüben.

Anlagehorizont von 1 Jahr


Zinssatzabnahme von 0,5 Zinssatzzunahme von 0,5 % Zinssatzzunahme von 1,5 %
% (VR
D 3 %) (VR D 4 %) (VR D 5 %)
 Return D
Total   Return D
Total  Return D 
Total
4 % C 103;717 % 4 % C 100 % 4 % C 96;454 %
1 1 1
102;258 % 102;258 % 102;258 %
D 5;34 % D 1;70 % D 1;76 %
Anlagehorizont von 4 Jahren
Zinssatzabnahme von 0,5 % Zinssatzzunahme von Zinssatzzunahme von 1,5 %
(VR D 3 %) 0,5 % (VR D 4 %) (VR D 5 %)
 Return D
Total   Return D
Total   Return D
Total 
16;735 % C 100;971 % 1=4 16;986 % C 100 % 1=4 17;241 % C 99;048 % 1=4
1 1 1
102;258 % 102;258 % 102;258 %
D 3,58 % D 3,42 % D 3,27 %

9.2.7.3 RenditegrößenfürfestverzinslichekündbareAnleihen
Für kündbare Anleihen können neben der Verfallrendite auch die folgenden Renditegrö- ßen
bestimmtwerden: 29

 Callable Bonds: Yield to Call,


 Putable Bonds: Yield to Put,
 Callable und/oder Putable Bonds: Yield to Worst.

Ein Callable Bond ist üblicherweise an einem oder mehreren Terminen zu im Voraus
festgelegten Preisen durch den Emittenten kündbar. Die von den Marktteilnehmern ver-
wendetenherkömmlichenRenditegrößensindderYieldtoFirstCallundderYieldto

29
Vgl. Fabozzi 2000 : Fixed Income Analysis for the Chartered Financial Analyst ® Program,
S. 195 ff.
9.2 GrundlagenderPreis-undRenditeberechnung 509

First Par Call. Beim Yield to First Call wird unterstellt, dass die Anleihe am erstmögli- chen
Termin gekündigt wird. Die daraus hervorgehende Rendite wird als Yield to First Call
bezeichnet.BeimYieldtoFirstParCallhingegenwirddavonausgegangen,dassdieLaufzeitder
Anleihe am ersten Kündigungstermin endet, an dem das Papier zum ersten Mal zum Par-Wert
von100%gekündigtwerdenkann.

DerYieldtoCallentsprichtdemfestenDiskontsatz,dersichausdemBarwertderCashflows
biszumvorgegebenenKündigungsterminergibt,wenndiesermitdemFull-PreisderAnleihe
gleichgesetztwird: 30

K K K C KP
B0 Full D 1t=n
C 2t=n
C:::C ; (9.12)
.1 C YC/ .1 C YC/ .1 C YC/Tt=n

wobei:

YC D Yield to Call,
KP D Kündigungspreis,
T D Laufzeit der Anleihe bis zum vorgegebenen Kündigungstermin.

Beispiel
Berechnung des Yield to First Call und des Yield to First Par Call
Eine 4 % kündbare Unternehmensanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren wird zu einem Preis
von 101 % gehandelt. Der Kupon wird halbjährlich bezahlt. Der Emittent hat das Recht, die
Anleiheerstmalsin4JahrenzueinemPreisvon102%undin6JahrenzueinemPreisvon100%zu
kündigen.WiehochsindderYieldtoFirstCallundderYieldtoFirstParCalldesCallableBonds?
(Marktkonvention:BondEquivalentYield)

Lösung
Die Anleihe ist erstmals in 4 Jahren zu einem Preis von 102 % kündbar. Daher ergibt sich
anhandderfolgendenPreisgleichungeinhalbjährlicherYieldtoFirstCall(YFC =
2) von 2,095 %:31

2% 2% 2% 102 %
101 % D  1 C  2 C : : : C  8 C   :
YFC YFC YFC YFC 8
1C 1C 1C 1C
2 2 2 2

Der Yield to First Call beträgt demnach 4,190 % (D 2  2;095 %).


Da die Unternehmensanleihe erstmals in 6 Jahren zu einem Preis von 100 % gekün-
digt werden kann, lässt sich der halbjährliche Yield to First Par Call (YFPC=2) von

30
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 739.
31
Der halbjährliche Yield to First Call von 2,095 % lässt sich etwa mit dem Texas Instrument BAII
Plus wie folgt bestimmen: N D 8, PV D  101, FV D 102, PMT D 2, CPT I=Y.
510 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

1,906 % mit folgender Preisgleichung bestimmen:32


2% 2% 2% 100 %
101 % D  1 C  2 C : : : C  12 C   :
YFPC YFPC YFPC YFPC 12
1C 1C 1C 1C
2 2 2 2
Der Yield to First Par Call liegt bei 3,812 % ( D 2  1;906 %).

DieYield-to-Call-GrößenberücksichtigensämtlicheRenditekomponenteneinerAn-leihe
(Kupons,Kapitalgewinnoder-verlustundEinnahmenausdenangelegtenKupons).Allerdings
wirdunterstellt,dassdieAnleiheamvorgegebenenTermingekündigtwird.Darüberhinaus
werdendieKuponsmitdemYieldtoCallangelegt,dervomZinssatz,zudemdieKuponsinvestiert
werdenkönnen,abweichenkann.

DieverschiedenenYield-to-Call-GrößenkönnennichtmitderVerfallrenditevergli-chen
werden,dadieLaufzeitderAnleiheamjeweilsvorgegebenenKündigungsterminendet.Hatzum
BeispieleinInvestoreinenAnlagezeitraumvon4JahrenundliegtfürdieAnlageeine4-jährige
optionsfreieAnleiheundein4-jährigerCallableBondmiteinemKündigungsterminin2Jahren
vor,sohängtdieRenditedesCallableBondszumeinendavonab,obdieAnleihein2Jahren
gekündigtwird,undzumanderendavon,wiehochderZinssatzfürdieAnlagenachdem
möglichenKündigungsterminin2JahrenbiszumEndeder4-jährigenAnlageperiodeist.

BeieinemPutableBondlässtsichalsRenditegrößederYieldtoPutberechnen.DerYieldto
FirstPutberuhtaufderAnnahme,dassdieAnleiheamerstmöglichenTermindurchdenInvestor
gekündigtwird.ErentsprichtdemfestenDiskontsatz,dersichausdemBarwertderCashflows
biszumerstenKündigungsterminergibt,wenndiesermitdemFull-PreisderAnleihe
gleichgesetztwird:

K K K C KP
B0 Full D 1t=n
C 2t=n
C:::C ; (9.13)
.1 C YP/ .1 C YP/ .1 C YP/Tt=n
wobei:
YP D Yield to Put.

DerYieldtoPutberücksichtigtwiederYieldtoCallsämtlicheRenditekomponenten.Allerdings
wird davon ausgegangen, dass die Kupons mit dem Yield to Put und nicht mit dem
vorherrschenden Marktzinssatz angelegt werden und die Anleihe am vorgegebenen Termin
durchdenInvestorgekündigtwird,auchwenndiesnichtderFallseinmuss.

FüreinedurchdenEmittentenunddenInvestorkündbareAnleihekönnenRenditenfür
sämtlicheKündigungstermine(YieldstoCallundYieldstoPut)ausgerechnetwerden.Darüber
hinauswirdauchdieVerfallrenditebestimmt,welchediePerformancederAnlei-hewiedergibt,
wenndieeingebettetenKündigungsoptionennichtausgeübtwerden.Dieniedrigstealler
möglichenRenditenstelltderYieldtoWorstdar.Somithandeltessichumdieschlechteste
Rendite,diederInvestormitderAnleiheerzielenkann.DerYieldtoWorstistmitdengleichen
NachteilenwiederYieldtoCallundderYieldtoPutbehaftet.

32
Texas Instrument BAII Plus: N D 12, PV D  101, FV D 100, PMT D 2, CPT I=Y.
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 511

Beispiel
Berechnung des Yield to Worst
Eine5%-UnternehmensanleihemiteinerLaufzeitvon10JahrenwirdzueinemPreisvon101
%gehandelt.DieKuponswerdenjährlichbezahlt.DieSchuldverschreibungkannin4Jahren
durch den Emittenten zu einem Preis von 100 % und in 6 Jahren durch den Investor zu einem
Preisvon100%gekündigtwerden.WiehochistderYieldtoWorst?(Marktkonvention:Bond
EquivalentYield)

Lösung
Der Yield to Call von 4,72 %, der Yield to Put von 4,804 % und die Verfallrendite von 4,871 %
könnenanhandderfolgendenPreisgleichungenermitteltwerden:
5% 5% 5% 100 %
101 % D 1
C 2
C:::C 4
C ;
.1 C YC/ .1 C YC/ .1 C YC/4
.1 C YC/
5% 5% 5% 100 %
101 % D 1
C 2
C :::C 6
C ;
.1 C YP/ .1 C YP/ .1 C YP/ .1 C YP/6
5% 5% 5% 100 %
101 % D 1
C 2
C:::C 10
C :
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/10
Der Yield to Worst beträgt demnach 4,72 %.

9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmit
ZinsstrukturkurveundRisikoprämie

9.3.1 Übersicht

Der Preis einer Anleihe kann mit laufzeitger echten Diskontsätzen bestimmt werden. Hier- zu
kann man die Zinsstrukturkurve (Benchmarkkurve) heranziehen, die sich mithilfe von
Regierungsanleihen eines Landes oder mit einer anderen Benchmarkkurve wie etwa der
Nullkupon-Swapsatzkurve konstruieren lässt. Die Zinsstrukturkurve gibt Zinssätze für
verschiedene Laufzeiten an. Abb. 9.5 zeigt die risikolosen Zinsstrukturkurven (Basis-
zinskurven) für Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz am 18.
Februar 2016. Dabei sind aufgrund der expansiv en Geldpolitik der entsprechenden Noten-
banken die Renditen bis 8 Jahre in Deutschland und bis 15 Jahre in der Schweiz negativ. Die
Preisberechnung von Anleihen anhand laufzeitgerechter Diskontsätze setzt sich aus den
folgendenvierSchrittenzusammen:

1. Zunächst sind die Cashflows einer Anleihe (Kupons und Nominalwert) festzulegen.
2. DanachisteineZinsstrukturkurve(Benchmarkkurve)zuerstellen.
3. In Abhängigkeit von der gewählten Zinsstrukturkurve (Benchmarkkurve) ist die Risi-
koprämiedesEmittentenzubestimmen.
4. Schließlich sind die Cashflows der Anleihe mit den laufzeitgerechten Diskontsätzen zu
diskontieren, die aus den Sätzen der Zinsstrukturkurve (Benchmarkkurve) und der
Risikoprämiebestehen.
512 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

(Rendite
in %)
1.5
Bundesanleihen der
1 Bundesrepublik Deutschland

0.5

– 0.5
Bundesanleihen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft
–1

–1.5
0 5 10 15 20 25 30
(Jahre)

Abb.9.5 Zinsstrukturkurven für Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz
(Stichtag 18. Februar 2016) (Quelle: Thomson Reuters)

NachfolgendwirddieKonstruktionderrisikolosenZinsstrukturkurve(Basiszinskur-ve)
anhandvonPar-Kupon-SätzenvonRegierungsanleihenunddendavonabgeleiteten
Nullkuponsätzen(SpotRates)beschrieben.Danachwirdgezeigt,wiemithilfevonNull-
kuponsätzendieTerminzinsstrukturkurvebestimmtwerdenkann.DiePreisberechnung
festverzinslicherAnleihenerfolgtmitlaufzeitgerechtenDiskontsätzen,dieausdemri-
sikolosenZinssatzundeinerentsprechendenRisikoprämiebestehen.Alternativlässtsichder
Bond-PreismitderNullkupon-Swapsatzkurveermitteln.HierzuwerdendieCashflowseiner
AnleihemitdenSwapsätzenplus/minuseinementsprechendenRendite-Spreaddis-kontiert.

33

9.3.2 RisikoloseZinsstrukturkurve(Basiszinskurve)

Für die Konstruktion einer stichtagsbezogenen risikolosen Zinsstrukturkurve werden


liquide erstklassige Staatsanleihen in der gleichen Währung verwendet, da diese kein
Marktliquiditätsrisiko und Kreditrisiko besitzen.34 Allerdings weisen Kuponanleihen ein
Wiederanlagerisiko auf. So wird die Verfallrendite von den Einnahmen aus den wieder

33
Vgl. Abschn. 9.3.6 .
34
FürdieDiskussioneinerrisikolosenAnlagevgl.Abschn. 3.8.StaatsanleihenmitdemhöchstenRating
(z.B.AAAnachS&P)verfügenübereinsehrgeringesAusfallrisiko,sodassdiesePapierealspraktisch
kreditrisikoloseingestuftwerdenkönnen.
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 513

angelegten Kupons beeinflusst. Eine Veränderung der Verfallrendite führt zu veränder- ten
Einnahmen aus der Wiederanlage der Kupons und somitzu Unsicherheiten. Fällt (steigt) etwa
die Verfallrendite bzw. der Wiederanlagesatz, reduzieren (erhöhen) sich die Einnahmen und
folglich die Renditen der Staatsanleihen. Damit die Renditen risikolos sind, dürfen sie weder
übereinMarktliquiditätsrisikoundKreditrisikonochübereinWiederanlagerisikoverfügen.

DeridealeDatensatzzurErstellungeinerBasiszinskurveisteineReihevonNullkupon-
StaatsanleihenfürdasgesamteFristigkeitsspektrum.Nullkuponanleihenbezahlenkei-nen
Kupon,sodasskeinWiederanlagerisikobesteht.DierisikoloseZinsstrukturkurvelässt
sich demnach mit Verfallrenditen von liquiden und erstklassigen Nullkupon-
Staatsanleihen konstruieren. Sie wird auch als Spot-Zinsstrukturkurve (Spot Rate Curve)
bezeichnet. Allerdings weisen Staatsanleihen mit einer hohen Liquidität üblicherweise einen
Kuponauf. 35
DabeibesitzennichtalleAnleihendiegleicheMarktliquidität.Sosind
Schuldverschreibungen,dieseitlängerememittiertwurdenundaufdemSekundärmarkt
gehandelt werden, weniger liquide, da sie in der Regel von institutionellen und privaten
Investoren im Rahmen einer Buy-and-Hold-Strategie gehalten werden. Demgegenüber sind
Anleihen auf dem Primärmarkt sehr liquide und weisen folglich kein oder nur ein geringfügiges
Marktliquiditätsrisiko
auf. Daher ist die Zinsstrukturkurvevorwiegend
mitAnleihenausdemPrimärmarktzuerstellen.ZumBeispiellässtsichdierisikolose
ZinsstrukturkurveinDeutschlandmitBundeswertpapierenausdemPrimärmarktmit
Laufzeitenvon0,5,1,2,5,10und30Jahrendarstellen.
36

NebendemMarktliquiditätsproblemvonAnleihenaufdemSekundärmarkthabendie
unterschiedlichenSteuerbehandlungenvonKapitalgewinnenund-verlustensowievon
ZinseinnahmeneinenEinflussaufdieRenditeerwartungderMarktteilnehmer. 37
Dasich
dieZinssätzewährendderAnleihelaufzeitverändernkönnen,werdendieSchuldverschrei-
bungenaufdemSekundärmarktüberoderunterdemPar-Wertgehandelt,sodassnicht
realisierteKapitalgewinneund-verlusteentstehen,dieinAbhängigkeitvonderSteu-
ergesetzgebungSteuerwirkungennachsichziehenkönnenundsomitdieRenditederAnlage
beeinflussen.DaherwirdeinePar-Kupon-ZinsstrukturkurveausVerfallrenditenvon
Par-KuponstaatsanleiheneinesgesamtenFristigkeitsspektrumskonstruiert.Hierzuwerden
neuemittierteStaatsanleihenverwendet,dadiesetypischerweiseeinenPreisna-hedem
Par-Wertaufweisen.DiePreisgleichungeinerAnleihe,diezumPar-Wertnotiert,lautetwie
folgt:

K K K 100 %
100 % D C C:::C C ; (9.14)
.1 C VR/1 .1 C VR/2 .1 C VR/T .1 C VR/T

35
Strips, die den Charakter von Nullkuponanleihen haben, verfügen oftmals über eine mangelnde
Liquidität und eignen sich deshalb nicht für die Erstellung der Basiszinskurve.
36
Für die Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland vgl. Abschn. 8.8.5.2 .
37
Vgl. Bodie und Merton 2000 : Finance, S. 227.
514 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

wobei:

K D Kupon,
VR D Verfallrendite.

Bei einem Par-Bond sind der Kuponsatz und die Verfallrendite gleich groß. Die oben stehende
Preisgleichung kann in einzelne Nullkuponanleihen aufgeteilt werden, deren Cashflows
jeweils mit einem separaten laufzeitgerechten Diskontsatz diskontiert werden. Anstelle einer
konstanten Verfallrendite wird jeder einzelne Kupon mit einem eigenen Diskontsatz
(Nullkuponsatz bzw. Spot Rate) über die entsprechende Zeitperiode diskon- tiert. Nimmt man
fürdenNominalwert1anstatt100%unddiskontiertdieeinzelnenKuponsunddenNominalwert
mitdenNullkuponsätzen,resultiertdarausfolgendePreis-gleichungfüreinenPar-Bond:

K K K 1
1D 1
C 2
C :::C C ; (9.15)
.1 C r1 / .1 C r2 / .1 C rT /
T
.1 C rT /T
wobei:

r1 D Nullkuponsatz (Spot Rate) für die Periode 1.

Der Term 1=.1 C r1 /1 stellt den Diskontfaktor (DF1) für die Periode 1 dar. Wird die oben
stehende Formel anhand der Diskontfaktoren umgeformt, gelangt man zu folgender Preis-
gleichung für den Par-Bond:

1 D K DF1 C K DF2 C : : : C K DFT C DFT : (9.16)

Wird die Gleichung nach K aufgelöst, erhält man den Par-Kuponsatz:


1 DFT
KD : (9.17)
DF1 C DF2 C : : : C DFT
Die Bestimmung des Par-Kuponsatzes K anhand von Diskontfaktoren hat den Vorteil, dass
man keine Verzinsungsannahmen (einfach, diskret oder kontinuierlich) der Nullkuponsät- ze
unterstellen muss. Allerdings kanndie Formel nur dannangewandtwerden, wenn die Kupons K
gleich groß sind. Da aber die Kupons aufgrund der entsprechenden Tageszäh- lung wie etwa
unregelmäßigerersteroderletzterKupon,gezahltwerden,lässtsichdiePreisgleichungfüreinen
Par-Bondfolgendermaßenaufstellen:

     
t1 t2 tT
1D K DF1 C K DF2 C : : : C K DFT C DFT ; (9.18)
n n n
wobei:

t1 D Anzahl Tage in der Zinsperiode 1,


n D Anzahl Tage für das Jahr (bei einem jährlichen Kupon).
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 515

WirddieobenstehendeGleichungnachderVariablenKumgeformt,gelangtmanwieder-umzum
Par-Kuponsatz:

1  DFT
KD       : (9.19)
t1 t2 tT
DF1 C DF2 C : : : C DFT
n n n

So wie die Par-Kuponsätze mithilfe der Nullkuponsätze festgelegt werden können, lassen sich
die Nullkuponsätze anhand der Par-Kuponsätze bestimmen. Die Berechnungen be- ruhen auf
demKonzept,dasseineKuponanleihemithilfevonNullkuponanleihenzerlegtwerdenkann.
38
DerPreiseinerKuponanleihe,diezumPar-Wertgehandeltwird,lässtsich
anhandderNullkuponsätzewiefolgtberechnen:

K K K 100%
100 % D 1
C 2
C:::C C : (9.20)
.1 C r1 / .1 C r2 / .1 C rT / T
.1 C rT /T

Bei einer Laufzeit von nur 1 Jahr resultiert folgende Preisgleichung:

K 100 %
100 % D 1
C : (9.21)
.1 C r1 / .1 C r1 /1

Die Anleihe besteht aus zwei Nullkuponanleihen, nämlich aus dem Kupon und dem Nomi-
nalwert, die mit dem 1-jährigen Nullkuponsatz diskontiert werden. Da der Par-Kuponsatz K
gegebenist,kanndieFormelnachdem1-jährigenNullkuponsatzr
1 umgeformt werden:

K C 100 %
r1 D  1: (9.22)
100 %

Um den 2-jährigen Nullkuponsatz zu bestimmen, wird eine 2-jährige Kuponanleihe zum


Par-Wertherangezogen:

K K 100 %
100 % D 1
C 2
C : (9.23)
.1 C r1 / .1 C r2 / .1 C r2 /2

Da der Nullkuponsatz r1 und der Par-Kuponsatz K bekannt sind, kann die Formel nach
aufgelöst
dem 2-jährigen Nullkuponsatz r2 werden:
0 11=2
B K C 100 % C
r2 D B
@
C
A  1: (9.24)
K
100 %  1
.1 C r1 /

38
Vgl. Ho et al. 2015 : The Term Structure and Interest Rate Dynamics, S. 483.
516 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Anhand der Par-Kuponsätze können die entsprechenden Nullkuponsätze einer nach dem
anderenfestgelegtwerden,undzwarvondererstenbiszurletztenLaufzeit.DieseMetho-dewird
alsBootstrappingbezeichnet. 39
Der Nullkuponsatz für eine beliebige Periode T
kann für einen Par-Bond wie folgt berechnet werden:
2 31=T
6 7
6 K C 100 % 7
6 7
rT D 6 ! 7  1: (9.25)
6 T1
X 1 7
4 100 %  K 5
t
tD1
.1 C r t /

Beispiel
Berechnung von risikolosen Nullkuponsätzen (Spot Rates) anhand von risikolosen
Par-Kuponsätzen
Es liegen die folgenden risikolosen Par-Kuponsätze vor:

 1-Jahressatz: 2,0 %,
 2-Jahressatz: 2,5 %,
 3-Jahressatz: 2,8 %.

Wie hoch sind die risikolosen Nullkuponsätze für 1, 2 und 3 Jahre?

Lösung
Die1-jährigeAnleihemiteinemPar-Kuponsatzvon2%notiertzueinemPreisvon100%bzw.
von1:
1;02
1D :
.1 C r1 /1
Aus der Gleichung ergibt sich ein 1-jähriger Nullkuponsatz von 2 %:
1;02
r1 D  1 D 0;02:
1
Die Preisgleichung für die 2-jährige Par-Wert-Anleihe lautet:
0;025 1;025
1D 1
C :
.1;02/ .1 C r2 /2
Wird die Gleichung nach dem 2-jährigen Nullkuponsatz r2 aufgelöst, gelangt man zu
2,506 %:
0 11=2
B 1;025 C
r2 D B
@
C  1 D 0;02506:
0;025 A
1
.1;02/1

39
Vgl. Fabozzi 2007 : Fixed Income Analysis, S. 135 ff.
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 517

Der Preis der 3-jährigen Par-Wert-Anleihe lässt sich wie folgt bestimmen:
0;028 0;028 1;028
1D 1
C 2
C :
.1;02/ .1;02506/ .1 C r3 /3
Somit beläuft sich der 3-jährige Nullkuponsatz auf 2,813 %:
2 31=3
6 1;028 7
r3 D 6
4  7
5  1 D 0;02813:
0;028 0;028
1 C
.1;02/1 .1;02506/2
Die risikolosen Nullkuponsätze (Spot Rates) liegen für 1 Jahr bei 2 %, für 2 Jahre bei
2,506 % und für 3 Jahre bei 2,813 %. Anhand dieser Zinssätze lässt sich die risikolose
Zinsstrukturkurveerstellen.

DerAufbauderrisikolosenZinsstrukturkurvebasiertüblicherweiseaufneuemittier-ten
undaktivgehandeltenerstklassigenStaatsanleihen.DieseWertpapierebesitzennebeneiner
hohenMarktliquiditäteinenPreisnahedemPar-Wert,sodassdiesteuerlicheWir-kungaufdie
Renditegeringist.AnhandderBootstrapping-MethodewerdenvondenPar-Kuponsätzendie
Nullkuponsätze(SpotRates)ermittelt.AllerdingsdecktdieDaten-reihenichtsämtliche
Fristigkeitenab.DamitdieFristigkeitslückengeschlossenwerdenkönnen,sinddieRenditen
derAnleihenentlangderZinsstrukturkurvezuinterpolieren.DieeinfachsteMethode,umzwei
NullkuponsätzeentlangderrisikolosenZinsstruktur-kurvezuinterpolieren,istdielineare
Interpolation(T

2 >T t >T 1): 40


 
r2  r 1
r t D r1 C .Tt  T1 / ; (9.26)
T2  T1
wobei:

r1 D Nullkuponsatz mit kürzerer Laufzeit T1 alsAnleihemitLaufzeitT,t


r2 D Nullkuponsatz mit längerer Laufzeit T2 als Anleihe mit Laufzeit Tt ,
rt D Nullkuponsatz mit Laufzeit T t, die zwischen den beiden Laufzeiten T2 und T1 liegt.

Sind beispielsweise die Nullkuponsätze für 5 Jahre 2 % und für 10 Jahre 2,5 %, lassen sich die
NullkuponsätzefürdieJahre6,7,8und9mithilfederlinearenInterpolationwiefolgtberechnen:
 
0;025  0;02
r6 D 0;02 C  .6  5/ D 2;1 %;
10  5
 
0;025  0;02
r7 D 0;02 C  .7  5/ D 2;2 %;
10  5
 
0;025  0;02
r8 D 0;02 C  .8  5/ D 2;3 %;
10  5
 
0;025  0;02
r9 D 0;02 C  .9  5/ D 2;4 %:
10  5

40
Vgl. O’Kane und Sen 2005 : Credit Spreads Explained, S. 65.
51 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

(Nullkupon-
sätze in %)
4.5
normale Zinsstrukturkurve
4

3.5
flache Zinsstrukturkurve
3
inverse Zinsstrukturkurve
2.5

1.5
0 5 10 15 20 25 30

(Jahre)

Abb.9.6 Unterschiedliche Verläufe der Zinsstrukturkurve

Die Zinsstrukturkurve kann verschiedene Formen annehmen. Normalerweise überschrei- ten


dieZinssätzefürlangeLaufzeitendieZinssätzefürkurzeLaufzeiten.Beieinersolchennormalen
Zinsstrukturkurve weisen langlaufende Anleihen eine höhere Verzinsung als kurzlaufende
Anleihen auf. Dieser Verlauf der Basiszinskurve stellt den Normalfall dar, denn über einen
längeren Zeitraum ist das Risiko eines Verlusts infolge von Zinssatzände- rungen größer, was
eine höhere geforderte Rendite der Marktteilnehmer zur Folge hat. Von einer inversen
Zinsstrukturkurvesprichtman,wenndiekurzenZinsenüberdenlangenZinsenliegen.Bei einer
flachen Zinsstrukturkurve sind die Zinssätze für alle Laufzeiten ungefähr gleich groß. Abb. 9.6
zeigt die drei Formen der Basiszinskurve. Die Zinsstruk- turkurve ist dynamisch und verändert
sich laufend, wobei die kurzfristigen Zinssätze von der Geldpolitik der Notenbanken und die
langfristigen Zinssätze von Erwartungen über das zukünftige Wirtschaftswachstum und die
Inflationabhängigsind.

9.3.3 NullkuponsätzeversusVerfallrendite

Die Diskontierung der Cashflows mit der Verfallrendite stellt die wohl bekannteste Preis-
berechnungsmethode von Anleihen dar. Dabei ist die Verfallrendite mit den Nullkupon- sätzen
verbunden, mit denen die Cashflows der Anleihe diskontiert werden. Die Verfall- rendite ergibt
sich aus dem mit den Nullkuponsätzen ermittelten Bond-Preis und spiegelt somit einen
gewichteten Durchschnitt der Nullkuponsätze wider. Das folgende Beispiel illustriert diesen
Zusammenhang.
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 519

Beispiel
Berechnung der Verfallrendite anhand von Nullkuponsätzen
Es liegen die folgenden risikolosen Nullkuponsätze (Spot Rates) vor:

 1-Jahressatz: 2 %,
 2-Jahressatz: 2,506 %,
 3-Jahressatz: 2,813 %.

1. WiehochistderPreiseiner3-jährigenStaatsanleihemiteinemKuponvon2,8%anhandder
risikolosenNullkuponsätze?
2. Wie hoch ist die Verfallrendite dieser Staatsanleihe?

Lösungzu1
Der Preis der 3-jährigen 2,8 %-Staatsanleihe von 100 % lässt sich mit den risikolosen
Nullkuponsätzenwiefolgtberechnen:

2;8 % 2;8 % 102;8 %


B0 D C C D 100 %:
.1;02/1 .1;02506/2 .1;02813/3

Lösungzu2
Die Verfallrendite beläuft sich auf 2,8 % und lässt sich mithilfe folgender Preisglei- chung
bestimmen:

2;8 % 2;8 % 102;8 %


100 % D 1
C 2
C :
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/3

Da die Anleihe lediglich einen Preis besitzt, ist die Verfallrendite von 2,8 % durch den
gewichtetenDurchschnittderdreirisikolosenNullkuponsätzevon2%,2,506%und2,813%
gegeben.ImBeispielliegteineansteigendeZinsstrukturkurvevor,sodassdieVerfallrendite
von 2,8 % größer als der 1-jährige Nullkuponsatz von 2 % und kleiner als der 3-jährige
Nullkuponsatz von 2,813 % ist. Die Verfallrendite liegt näher beim 3-jährigen
Nullkuponsatz, weil dieser aufgrund des hohen Cashflowsam Ende der 3- jährigen Laufzeit
von102,8%überdiegrößteGewichtungverfügt.

BeiderVerfallrenditehandeltessichnurdannumdieerwarteteRenditeausdem
Anleihebesitz,wenndasWertpapierbiszumFälligkeitszeitpunktgehaltenwird,keinZah-
lungsverzugoder-ausfalldesEmittentenstattfindetunddieKuponsmitderVerfallrendite
angelegtwerdenkönnen.
41
DieAnnahme,dassdieKuponsmitderursprünglichenVer-
fallrenditeangelegtwerdenkönnen,trifftindenallermeistenFällennichtzu.DieVerfall-rendite
liefertinsbesonderedanneineschlechteSchätzungdererwartetenRendite,wenn

41
Vgl. Abschn. 9.2.2 .
520 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

die Zinssätze volatil sind und die Zinsstrukturkurve über eine steile Steigung (an- oder ab-
steigend) verfügt. Darüber hinaus weicht die Verfallrendite von der tatsächlichen Rendite ab,
wenn die Anleihe eine oder mehrere eingebettete Optionen besitzt. Wird zum Beispiel eine
Kündigungsoption ausgeübt, verkürzt sich die Laufzeit der Schuldverschreibung, so- dass die
AnnahmederVerfallrenditeverletztwird,dassdieAnleihebiszumFälligkeitstaggehaltenwird.

9.3.4 PreisberechnungmitTerminzinssätzen

Der Terminzinssatz ermöglicht den Marktteilnehmern an einem bestimmten Zeitpunkt in der


ZukunftzueinemimVorausvereinbartenZinssatz,Geldanzulegenoderaufzu-nehmen.Erlässt
sichüberNullkuponsätze(SpotRates)bestimmen.SozumBeispielkannderTerminzinssatz,der
in 2Jahren beginnt und eine Laufzeit von 3 Jahren auf- weist, mit einem 2-jährigen und einem 5-j
ährigen Nullkuponsatz ermittelt werden. Der Endwert eines Geldbetrags, der zum 5-jährigen
Nullkuponsatz investiert wird, entspricht dem Endwert derselbenGeldanlage, die zunächst mit
dem2-jährigenNullkuponsatzundanschließendmitdemTerminzinssatz,derin2Jahrenbeginnt
undin3Jahrenendet,angelegtwird.DerEndwertderbeidenStrategien(Kassamarktstrategieund
kombinier- te Kassa-/Terminmarktstrategie) muss in einem arbitragefreien Markt gleich groß
sein,damitbeidenAnlagevariantendasGeldzumrisikolosenZinssatzüber5Jahreangelegtwird.
DieserZusammenhangführtzufolgenderFormel:

42

AW .1 C rt2 /t2 D AW .1 C rt1 /t1 .1 C FRt1;t2 /t2t1 ; (9.27)

wobei:

AW D Anfangswert der Geldanlage (Geldaufnahme),


r D NullkuponsatzfürdiePeriodet1derkombiniertenKassa-undTerminmarktstra- t1
tegie,
rt2 D Nullkuponsatz für die Periode t2 der Kassamarktstrategie,
FR ; D Terminzinssatz,derEndederPeriodet1beginntundeineLaufzeitvont2 t1t2  t1
hat.

Wird die oben stehende Gleichung nach der Variablen FRt1;t2 aufgelöst, erhält man für die
Berechnung des Terminzinssatzes folgende Formel:
" #1=.t2t1/
.1 C rt2 /t2
FRt1;t2 D  1: (9.28)
.1 C rt1 /t1

42
Vgl. Tuckman und Serrat 2012 : Fixed Income Securities: Tools for Today’s Markets, S. 75.
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 521

Beispiel
Berechnung des Terminzinssatzes anhand von risikolosen Nullkuponsätzen (Spot
Rates)
Es liegen die folgenden risikolosen Nullkuponsätze (Spot Rates) vor:

 1-Jahressatz: 2 %,
 2-Jahressatz: 2,5 %,
 3-Jahressatz: 2,8 %,
 4-Jahressatz: 3 %,
 5-Jahressatz: 3,2 %.

Wie hoch ist der 2-gegen-5-Terminzinssatz mit einer Laufzeit von 3 Jahren, der in 2 Jahren
beginnt?

Lösung
Der 2-gegen-5-Terminzinssatz von 3,67 % lässt sich mithilfe der 2-jährigen und 5- jährigen
Nullkuponsätzefolgendermaßenbestimmen:

" #1=.52/
.1;032/5
FR2;5 D  1 D 0;0367:
.1;025/2

Der 2-gegen-5-Terminzinssatz von 3,67 % bedeutet, dass man über ein Zinsterminge- schäft
in 2 Jahren Geld für 3 Jahre zu eine m Zinssatz von 3,67 % anlegen (aufnehmen) kann. Somit
dauertdergesamteZeitraum5Jahre.DaherdieNotation„2-gegen-5“.

EinTerminzinssatzkannalseineinkrementelleRenditefürdieAusdehnungderAn-lagezeit
umeinweiteresJahrinterpretiertwerden.UnterstelltmanbeispielsweiseeinenAnlagehorizont
einesMarktteilnehmersvon5Jahren,sohatdieserdieMöglichkeitent-wedereine4-jährige
NullkuponanleihemiteinerRenditevon3%odereine5-jährigeNullkuponanleihemiteiner
Renditevon3,2%zukaufen.DieinkrementelleRenditefürdas5.Jahrentsprichtdem
4-gegen-5-Terminzinssatzvon4%[
1 .1;032/
Jahren für eine 1-jährige Nullkupon- =.1;03/ Erwartet der Marktteilnehmer,Ddass die Rendite in 4  ].
5 4

anleihe weniger als 4 % ist, wird er heute die 5-jährige Nullkuponanleihe kaufen. Geht der
Marktteilnehmerhingegendavonaus,dassdie1-jährigeRenditein4Jahrenmehrals4%ist,wird
er die 4-jährige Nullkuponanleihe erwerben und in 4 Jahren den erhaltenen Geldbetrag zum
vorherrschenden höheren Nullkuponsatz für 1 Jahr anlegen. Somit han- delt es sich beim
Terminzinssatz um einen Breakeven-Wiederanlagesatz. Terminzinssätze ermöglichen den
Investoren und den Emittenten, Entscheidungen bezüglich der Anlei- helaufzeiten zu treffen.
Darüber hinaus können Terminzinssätze zur Identifikation von Arbitragemöglichkeiten
zwischen dem Kassamarkt und dem Terminmarkt sowie für die Preisberechnung von Anleihen
eingesetzt werden, weil diese über die Nullkuponsätze er- mittelt werden. Die hierfür
notwendigeTerminzinsstrukturkurve(ForwardRateCurve)
522 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

lässt sich anhand der risikolosen Spot-Zin sstrukturkurve (Spot Rate Curve) berechnen. So etwa
lässt sich der Preis einer3-jährigen Anleihemit einem Kupon von 3 % über Nullkuponsätze oder
überTerminzinssätzebestimmen.ZumBeispielliegendiefolgen-denNullkuponsätzevor:

 1-Jahressatz: 2,5 %,
 2-Jahressatz: 2,8 %,
 3-Jahressatz: 3,2 %.

Mithilfe der Nullkuponsätze ergibt sich ein Anleihepreis von 99,478 %:

3% 3% 103 %
B0 D 1
C 2
C D 99;478 %:
.1;025/ .1;028/ .1;032/3

Derselbe Anleihepreis von 99,478 % lässt sich auch mit Terminzinssätzen berechnen. Da- bei
sinddie1-gegen-2-und2-gegen-3-Terminzinssätzezubestimmen,dienachBeginnin1Jahrund
in2JahrenjeweilseineLaufzeitvon1Jahraufweisen:

" #1=.21/
.1;028/2
FR1;2 D  1 D 0;03101;
.1;025/1
" #1=.32/
.1;032/3
FR2;3 D  1 D 0;04005:
.1;028/2

Mit Terminzinssätzen resultiert wiederum ein Anleihepreis von 99,478 %:

3% 3% 103 %
B0 D 1
C C
.1;025/ .1;025/  .1;03101/ .1;025/  .1;03101/  .1;04005/
D 99;478 %:

Die Nullkuponsätze nehmen im oben stehenden Beispiel mit der Laufzeit zu. Daher über-
schreitet der 1-gegen-2-Terminzinssatz von 3,101 % den 2-jährigen Nullkuponsatz von 2,8 %.
Um den gleichen Endwert mit der kombinierten Kassa-/Terminmarktstrategie wie mit der
Kassamarktstrategie zu erreichen, ist das Geld mit einem höheren 1-gegen-2- Terminzinssatz
von 3,101 % anzulegen, da der 2-jährige Nullkuponsatz von 2,8 % über dem 1-jährigenSatz von
2,5 % liegt. Daher befindet sich die Terminzinsstrukturkurve oberhalb einer ansteigenden
Spot-Zinsstrukturkurve. Nehmen die Nullkuponsätze hinge- gen für längere Laufzeiten ab,
kommt die Terminzinsstrukturkurve unterhalb der Spot- Zinsstrukturkurve zu liegen. Abb. 9.7
visualisiert diesen Zusammenhang. Die Nullku- ponsätze stellen den durchschnittlichen
risikolosen Zinssatz für die gesamte Periode dar, während die Terminzinssätze die
inkrementellenÄnderungenzwischenzukünftigenZeit-periodenwiderspiegeln.
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 523

(Zinssatz
in %) Terminzinsstrukturkurve
6
5
4
3
2
Spot-Zinsstrukturkurve
1
0 5 10 15 20 25 30
(Jahre)
(Zinssatz
in %)
4.5
Spot-Zinsstrukturkurve
3.5
2.5
1.5
Terminzinsstrukturkurve
0.5
0 5 10 15 20 25 30
(Jahre)

Abb.9.7 Spot-Zinsstrukturkurve versus Terminzinsstrukturkurve

9.3.5 PreisberechnungmitrisikoloserZinsstrukturkurveund
Rendite-Spreads

In der Anleiheanalyse ist es wichtig zu verstehen, warum sich Bond-Preise wegen Ände- rungen
der erwarteten Rendite (Diskontsatz) verändern. Daher wird die Renditeerwartung in die zwei
Komponenten Benchmark und Spr ead aufgeteilt. Bei der Benchmarkrendite handelt es sich um
den Basiszinssatz. Hierfür k ann der risikolose Zinssatz verwendet wer- den. Der
Rendite-Spread (bzw. Renditespanne) hingegen ist durch die Differenz zwischen der
erwarteten Rendite und der Benchmarkrendite gegeben. Aufgrund dieser Renditeauf- teilung
können makroökonomische und mikroökonomische Faktoren identifiziert werden, die einen
EinflussaufdenBond-PreisundsomitaufdieRenditeerwartunghaben.

43
Zu
den makroökonomischen Faktoren zählen die erwartete Inflation (für die gleiche Währung wie
die Anleihe), das allgemeine wirtscha ftliche Wachstum und der Konjunkturzyklus, die
Wechselkurse sowie die Geld- und Fiskal politik. Änderungen dieser makroökonomischen
Faktoren führen vielfach zu Veränderungen der Benchmarkrendite und beeinflussen so die
Preise sämtlicher Anleihen auf dem Markt. Im Gegensatz dazu spiegelt der Spread die
mikroökonomischen Faktoren wider, di e sich spezifisch auf den Emittenten und die Anleihe
beziehen wie etwad asKreditrisikodesEmittentenundÄnderungen der Schuld- nerqualität, die
Marktliquidität sowie den Ste uerstatus der Anleihe. Darüber hinaus wird die allgemeine Höhe
derSpreadszwischendenEmittentenauchdurchVeränderungenvon

43
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 748 ff.
524 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Bench-
erwartete = + Rendite-
mark-
Rendite Spread
rendite

nominaler
risikoloser Risikoprämie
Zinssatz

erwarteter
risiko- erwartete Markt- Steuer-
Kredit-
loser Inflations- liquidi- status
realer risiko
rate tätsrisiko Anleihe
Zinssatz

Abb.9.8 Zusammensetzung der erwarteten Rendite (Diskontsatz) für optionsfreie Anleihen

makroökonomischen Faktoren beeinflusst. Abb. 9.8 zeigt den Aufbau der erwarteten Ren- dite
füroptionsfreieAnleihen,dieausderBenchmarkrenditeunddemRendite-Spreadbesteht.Wird
für die Benchmarkrendite der erwartete nominale risikolose Zinssatz ge- nommen, kann dieser
in einen erwarteten realen risikolosen Zinssatz und in eine erwartete Inflationsrate zerlegt
werden. Der Rendite-Spread bzw. die Risikoprämie reflektiert die Renditeentschädigung für
dasKreditrisikodesEmittenten,dieMarktliquiditätunddenSteuerstatusderAnleihe.

44

DerRenditeabstandzwischenderVerfallrenditeeinerrisikobehaftetenAnleihe(z.B.
Unternehmensanleihe)undderVerfallrenditeeinerrisikolosenStaatsanleihewirdalsG-
Spread(bzw.GovernmentalSpread)bezeichnet.DabeimüssenbeideAnleihenüberdiegleiche
Laufzeitverfügen.DerG-Spreadlässtsichallgemeinwiefolgtberechnen:

G-Spread D VRU  VRS ; (9.29)

wobei:

VRU D Verfallrendite Unternehmensanleihe,


VRS D Verfallrendite Staatsanleihe.

Betragen zum Beispiel die Verfallrenditen einer 10-jährigen Unternehmensanleihe und einer
10-jährigenrisikolosenStaatsanleihe3%respektive2,2%,resultiertdarauseinG-

44
Vgl. Adams und Smith 2015 : Introduction to Fixed-Income Valuation, S. 136 ff.
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 525

Spread von 0,8 % (D 3 %  2;2 %). Findet man keine risikolose Staatsanleihe mit gleicher
Restlaufzeit auf dem Markt, können die Verfallrenditen von zwei risikolosen Papieren mit
einer im Vergleich zur Unternehmensanlei he längeren und kürzeren Restlaufzeit linear
interpoliertwerden(T S2 > TSt > TS1 ):45

 
VRS2  VRS1
G-Spread D VRU  VRS1 C .TSt  TS1 / ; (9.30)
TS2  TS1

wobei:

TS1 D Restlaufzeit der Staatsanlei he mit der kürzeren Laufzeit,


TS2 D RestlaufzeitderStaatsanleihemitderlängerenLaufzeit.

LiegendieVerfallrenditenvon9-und11-jährigenrisikolosenStaatsanleihenbei2%re-spektive
bei 2,6 %, resultiert für eine 10-jährige Unternehmensanleihe mit einer Verfall- rendite von 3 %
einG-Spreadvon0,7%bzw.70Basispunkten:


 
0;026  0;02
G-Spread D 0;03  0;02 C  .10  9/ D 0;007:
11  9

Der G-Spread stellt eine Renditeentschädi gung für das Kreditrisiko des Emittenten, für das
Marktliquiditätsrisiko und für den Steuerstatus der Anleihe dar. Somit bewegt sich der
Anleihepreis aufgrund von Veränderungen des risikolosen Zinssatzes bzw. der Zins-
strukturkurve und/oder aufgrund von Änderungen d es Kreditrisikos oder Marktliquiditäts-
risikos. Die Beziehung zwischen dem Anleihepreis und der erwarteten Rendite bzw. den
Risikofaktoren ist invers. Nehmen etwa die Zinssätze zu, fällt der Anleihepreis. Dies wird als
Zinssatzänderungsrisiko bezeichnet. Steigt das Kreditrisiko des Emittenten, geht der
Bond-Preis ebenfalls zurück, weil der G-Spread und somit die erwartete Rendite zunimmt.
Besitzt die Anleihe eine zu geringe Marktliquidität, kann sie nur zu einem niedrigeren Preis
verkauft werden. Das höhere Marktliqui ditätsrisiko schlägt sich in einem höheren G-Spread
unddemnachineinemniedrigerenBond-Preisnieder.

WirdfürdiePreisberechnungeineroptionsfreienAnleihederG-Spreadverwendet,gehtman
voneinerflachenZinsstrukturkurveaus,weilsämtlicheCashflowsdesBondsmitdergleichen
erwartetenRenditebzw.Verfallrenditediskontiertwerden.DadieZins-strukturkurveinderRegel
nichtflachverläuft,sindlaufzeitgerechteDiskontsätzezuer-mitteln,diesichausdenjährlichen
NullkuponsätzenundeinemRendite-Spreadzusam-mensetzen.DerRenditeabstandzwischen
demDiskontsatzunddementsprechendenNull-kuponsatznenntmanZ-Spread(bzw.Zero
VolatilitySpread).DabeihandeltessichumeineRenditeentschädigungüberdenrisikolosen
Zinssatz,wenndieoptionsfreieAnleihebiszumFälligkeitstaggehaltenwird.ImGegensatzzum
G-SpreadspiegeltderZ-SpreadnichtdenRenditeabstandzueinembestimmtenZeitpunktwider,
sondernvielmehrentlang

45
Vgl. O’Kane und Sen 2005 : Credit Spreads Explained, S. 65.
526 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

(Zinssatz
in %) Verfallrendite einer
10-jährigen Diskontsatzkurve
5.5 Unternehmensanleihe

4.5 G-Spread
4

3.5 Verfallrendite
3 einer 10-jährigen
risikolosen Staatsanleihe
risikolose
2.5
Spot-Zinsstrukturkurve
2

1.5

1
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
(Jahre)

Abb.9.9 GegenüberstellungvonVerfallrendite(festerDiskontsatzmitG-Spread)undDiskontsatz-
kurve(laufzeitgerechteDiskontsätzemitZ-Spread)amBeispieleiner10-jährigenUnternehmens-
anleihe

der bewertungsrelevanten risikolosen Zinsstrukturkurve. Abb. 9.9 zeigt den Unterschied


zwischen dem Konzept der Verfallrendite (m it dem G-Spread) und der laufzeitgerechten
Diskontsatzkurve (mit dem Z-Spread), die beispielsweise als Diskontsätze für die Er- mittlung
des Preises einer 10-jährigen Unte rnehmensanleihe eingesetzt werden können. Der Z-Spread
lässtsich mit einem Trial-and-Error-Verfahren mithilfe dergehandelten Anleihepreise und der
laufzeitgerechten Nullkuponsätze der Zinsstrukturkurve berech- nen. Kennt man den
Z-Spread,kanndieserzu denlaufzeitgerechtenNullkuponsätzen hinzugezähltwerden.Mit den
so ermittelten laufzeitgerechten Diskontsätzen können die Cashflows diskontiert und so der
Bond-Preisbestimmtwerden:

K K
B0 D 1
C
.1 C r1 C Z-Spread/ .1 C r2 C Z-Spread/2
(9.31)
K C NW
C:::C ;
.1 C rT C Z-Spread/T
wobei:

r1 D risikoloser Nullkuponsatz (Spot Rate) für die Periode 1.

In der Regel steigt das Kreditrisiko des Emittenten mit der Zeit, sodass der Z-Spread umso höher
wird,jelängerdieLaufzeitist.AllerdingsgiltdieserZusammenhangnichtimmer. 46

46
Für die historischen Ausfallwahrscheinlichkeiten vgl. Abschn. 14.5.2.2 .
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 527

Daher geht man auf dem Markt üblicherweise von einem konstanten Z-Spread aus. Auch
erleichtertdieAnnahmeeinerkonstantenRisikoprämiedieBerechnungen.

Beispiel
Berechnung des G-Spreads und Z-Spreads
Eine2-jährige3%-UnternehmensanleihewirdaufdemMarktzueinemPreisvon101,425%
gehandelt.DerMarktpreiseiner2-jährigen2,5%risikolosenBenchmark-staatsanleiheliegt
bei101,968%.DieNullkuponsätzelautenwiefolgt:

 1-Jahressatz: 1 %,
 2-Jahressatz: 1,5 %.

Wie hoch sind der G-Spread und der Z-Spread der Unternehmensanleihe?

Lösung
Der G-Spread ergibt sich aus der Differenz z wischen der Verfallrendite der Unterneh-
mensanleihe und der Verfallrendite der Staatsanleihe. Die Verfallrenditen der beiden
AnleihenkönnenanhandderfolgendenPreisgleichungenermitteltwerden:

3% 103 %
101;425 % D 1
C ! VR D 2;263 %;
.1 C VR/ .1 C VR/2
2;5 % 102;5 %
101;968 % D C ! VR D 1;494 %:
.1 C VR/1 .1 C VR/2

Der G-Spread beträgt demnach 0,769 % bzw. 76,9 Basispunkte:

G-Spread D 2;263 %  1;494 % D 0;769 %:

DerZ-SpreadresultiertausfolgenderPreisgleichung,beiderdieCashflowsderAnlei-hemit
den laufzeitgerechten Nullkuponsätzen zuzüglich eines konstanten Z-Spreads diskontiert
werden:

3% 103 %
101;425 % D 1
C :
.1 C 0;01 C Z-Spread/ .1 C 0;015 C Z-Spread/2

MiteinemTrial-and-Error-VerfahrengelangtmanzueinemZ-Spreadvon0,771%bzw.77,1
Basispunkten.

WirddieAnleiheaufeinemaktivenMarktgehandelt,sindfürdieBerechnungdes
Rendite-SpreadsdieaufdemMarktgestelltenPreisezuverwenden.MiteinemTrial-
and-Error-VerfahrenlässtsichanhandderPreisgleichungderZ-Spreaderuieren.Wirddie
SchuldverschreibunghingegennichtaufeinemMarktgehandelt,bestehtkeinPreis,
52 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

ausdemderZ-Spreadermitteltwerdenkann.IneinemsolchenFallsindfürdieBestim-mungdes
Bond-Preises die laufzeitgerechten Diskontsätze festzulegen, die sich aus den
Nullkuponsätzen und dem Z-Spread zusammensetzen. Dabei kann die Risikoprämie mit
folgenden Verfahren identifiziert werden, die einzeln oder kombiniert angewandt werden
können:
47

 Hat der Emittent weitere Anleihen ausstehend, die auf dem Markt notiert und gehan- delt
werden, so können die Z-Spreads dieser Wertpapiere als Indikator herangezogen werden.
EtwaigeLaufzeitunterschiedesindinderAnalysezuberücksichtigen.
 Liegen Neuemissionen des Emittenten vor, lassen sich aus deren Preise die Z-Spreads
ermitteln.
 Spreads von Credit Default Swaps (CDS ) desselben Emittenten können als Grundlage
für die Festlegung des Z-Spreads dienen.48
 Fehlen Rendite-Spreads des Emittenten, kann man Z-Spreads oder CDS-Spreads ver-
gleichbarerEmittentenheranziehen.
 Das Rating der Anleihe und/oder des Emittenten stellt den Ausgangspunkt für die Be-
stimmungdesZ-Spreadsdar.

Neben diesen Verfahren sind auch die allgemeine Spread-Entwicklung und die Siche- rungsart
der Schuldverschreibung zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass be- sicherte im
VergleichzuunbesichertenAnleiheneinenniedrigerenZ-Spreadaufweisen. 49

9.3.6 PreisberechnungmitSwapsatzkurveundRendite-Spreads

FürdiePreisbestimmungeinerAnleihekönnendielaufzeitgerechtenDiskontsätzeauchmitder
Swapsatzkurve plus/minus einem Rendite-Spread ermittelt werden. Bevor der Aufbau der
Swapsatzkurve beschrieben wird, werden zunächst der I-Spread und der As- set Swap Spread
beschrieben, die bei einer Analyse und Beurteilung von Anleihen als Renditegrößen eingesetzt
werdenkönnen.

9.3.6.1 I-SpreadundAssetSwapSpread
BeimI-Spread(bzw.InterpolatedSpread)handeltessichumdenRenditeabstandzwi-schender
VerfallrenditeunddemmittlerenSwapsatzmitgleicherLaufzeitundWährungwiedieAnleihe.
DerlaufzeitkongruenteSwapsatzergibtsichausderlinearenInterpolati-onderSwapsatzkurve.
Der I-Spread kann positiv oder negativ sein. Dies hängt davon ab, ob das Kredit- und
MarktliquiditätsrisikoderAnleihehöheroderniedrigeralsdasjenige

47
Vgl. Diwald 2012 : Anleihen verstehen: Grundlagen verzinslicher Wertpapiere und weiterführende
Produkte, S. 152.
48
FürCreditDefaultSwapsvgl.Abschn. 14.5.49
Für die Besicherung von Anleihen vgl. Abschn. 10.3.1 .
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 529

der Swapsatzkurve ist, die mit Zinssätzen des Interbankenmarkts bzw. der variablen Sei- te der
Zinssatzswaps (EURIBOR, EONIA oder LIBOR) erstellt wird. So etwa kann eine4-jährige auf
Euro lautende Unternehmensanleihe einen I-Spread von 50 Basispunkten über dem mittleren
4-jährigen Swapsatz für den Euro aufweisen. Der I-Spread ermöglicht einen Vergleich von
Anleihen mit unterschiedlichem Kredit- und Marktliquiditätsrisiko gegenüber dem
Benchmark-AusleihesatzdesInterbankenmarkts.

EmittentenverwendeneinenSpreadgegenüberdemSwapsatz,umdierelativenKosteneiner
festverzinslichengegenübereinervariabelverzinslichenSchuldverschreibungbeur-teilenzu
können.HierzuwirdeinAsset-Swapeingesetzt,derauseinerfestverzinslichenAnleihezu
einemPreisvonrund100%undeinemZinssatzswapbesteht.BeimZins-satzswap(PayerSwap)
bezahltmandenSwapsatzunderhältimGegenzugdenvariablenZinssatz(z.B.EURIBOR).Auf
diefestverzinslicheAnleihebekommtmandenfestenKu-ponsatz,dergegendenausdem
ZinssatzswapzuentrichtendenSwapsatzverrechnetwird.Hebensichdieverrechnetenfesten
Zinszahlungennichtvollständigauf,resultiertdarauseinAssetSwapSpread,derzumvariablen
ZinssatzdesSwapshinzugezähltwird(z.B.EURIBORpluseinebestimmteAnzahlan
Basispunkten).FolglichstelltderAssetSwapSpreadeineRenditeentschädigungfürdas
KreditrisikodervariabelverzinslichenAnlei-hegegenüberdemvariablenReferenzzinssatz(z.
B.EURIBOR)darundkanndemnachmitdemKuponsatzderfestverzinslichenAnleihe
verglichenwerden.InanderenWortenbezahltderInvestorfürdenAsset-SwapdenPar-Wert
(derWertdesZinssatzswapsistnull)underhältdenEURIBOR-SatzplusdenAssetSwap
Spread,derdemfestenKu-ponausdemKaufderfestverzinslichenAnleihezumPar-Wert
gegenübergestelltwerdenkann.DerVorteildesAssetSwapSpreadsist,dassereinenaufdem
MarktgehandeltenSpreaddarstellt,derimplizitauseinerfestverzinslichenAnleihezum
Par-WertundeinemZinssatzswapberechnetwerdenkann.

50

9.3.6.2 Swapsatzkurve
VieleLänderbesitzenkeinenliquidenMarktfürRegierungsanleihenmitlängerenLauf-zeitenals1
Jahr, sodass die Swapsatzkurve ei ne wichtige Benchmark für die Zinssätze in diesen Ländern
verkörpert.EbensoistinLändernmiteinemweitausgrößerenprivatenalsöffentlichenSektordie
Swapsatzkurve für die Diskontierung der Cashflows wichtiger als die Zinsstrukturkurve von
Regierungsanleihen.EinweitererGrundfürdieBenutzungderSwapsatzkurvezurBewertungist,
dass die Kurve das Kreditrisiko von Unternehmen mit einem Rating von ungefähr A+/A1
widerspiegelt(alsoungefährdasRatingderFinanzin-stituteimInterbankenmarkt).

51
DarüberhinausistderSwapmarktnichtreguliert,sodassdie
Swapsätzeländerübergreifendvergleichbarsind.AußerdemverfügtderSwapmarkt
für den Aufbau der Zinsstrukturkurve über mehr Fälligkeiten als der Markt von Regie-
rungsanleihen. Daher wird üblicherweise die Swapsatzkurve als Benchmarkkurve für die
Preisberechnung von Anleihen auf dem deutschen und dem schweizerischen Kapitalmarkt
eingesetzt.

50
Vgl. O’Kane und Sen 2005 : Credit Spreads Explained, S. 69 ff.
51
Das Rating AC entsprichtdemRatingvonStandard&Poor’sundFitch,währenddasRatingA1von
Moody’svergebenwird.Vgl.Abschn. 10.3.2.
530 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

DieSwapsatzkurvebasiertaufsogenanntenPar-Zinssatzswaps,diezuLaufzeitbeginneinen
Wertvonnullaufweisen.DasichdieCashflowseinesZinssatzswapsmiteinerfest-verzinslichen
undeinervariabelverzinslichenAnleihereplizierenlassenunddiePreisederbeidenAnleihenzu
LaufzeitbeginndemPar-Wert(also100%)entsprechen,resultiertdarauseinWertdesSwapsvon
null.
52
Die mit den Anleihen zum Par-Wert ermittelte
Swapsatzkurve stellt eine Par-Kurve dar.53
DaskurzeEnde(Anfang)derSwapsatzkurvewirdmitdenGeldmarktsätzenwieetwadem
EURIBOR-SatzfürdenEuroinDeutschlandoderdemLIBOR-SatzfürSchweizerFrankenin
derSchweizkonstruiert,dieLaufzeitenbiszu1Jahraufweisen.Hierzukönnenauchkurzfristige
Geldmarkt-Futureswiebeispielsweiseder3-Monats-EURIBOR-Futureeingesetztwerden.
SwapsätzesindinsbesonderefürlängereLaufzeitendasStandardin-strument,umdie
Interbankenkurve–alsodieSwapsatzkurve–aufzubauen.DieAuswahlderInstrumentehängt
vonihrerLiquiditätab.DabeigiltderGrundsatz,jehöherdieLi-quiditätist,destobessereignet
sichdasInstrumentfürdenAufbauderZinsstrukturkurve.Dahererscheintessinnvoll,die
ZinsstrukturkurveausverschiedenenInstrumentenzuer-stellen.FürdaskurzeEndeder
SwapsatzkurvewerdenGeldmarktsätzewiederEURIBORbenutzt,dannFRAsund/oder
Geldmarkt-FuturesundfürlängereLaufzeitenschließlichSwapsätze.BeidenZinssätzen
handeltessichumPar-Kuponsätze,dabeidenEURIBOR-Sätzenentwederdievariabel
verzinslicheAnleihezu100%(alsozumPar-Wert)notiertoderderSwapsatzaufeinem
Marktwertvonnull(alsoaufAnleihenzumPar-Wert)ba- 54

siert. UmNullkuponsätzevondenPar-Kuponsätzenzuermitteln,wirdwiebeiden 55
risikolosen Staatsanleihen die Bootstrapping-Methode verwendet. SozumBeispielbe-
tragender1-jährigeEURIBOR-Nullkuponsatz1%undder2-jährigePar-Swapsatz1,5%.Es
wirdunterstellt,dassbeimZinssatzswapdieZinszahlungenjährlicherfolgen.Mithil-feder
Bootstrapping-Methodelässtsichder2-jährigeNullkuponsatzanhandfolgender
Preisgleichungfüreine2-jährige1,5%festverzinslicheAnleihezumPar-Wertberechnen:

1;5 % 101;5 %
100 % D 1
C :
.1;01/ .1 C rs2 /2

WirddieGleichungnachdemzweijährigenNullkupon-Swapsatzaufgelöst,erhältman1,504%:
0 11=2
B 101;5 % C
rs2 D B
@
C  1 D 0;01504:
1;5 % A
100 % 
.1;01/1

52
Vgl. Abschn. 14.2.4 .
53
Vgl. Ho et al. 2015 : The Term Structure and Interest Rate Dynamics, S. 494.
54
Für die Bewertung von Zinssatzswaps vgl. Abschn. 14.2.4 .
55
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 160 ff.
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 531

(Spread
in %) Insolvenz
Lehman
Brothers
1.6

1.4

1.2

0.8

0.6

0.4

0.2

0
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
(Jahre)

Abb.9.10 Spread-Entwicklung zwischen den 3-Monats-EURIBOR-Sätzen und den 3-Monats-


EONIA-Sätzen von 2007 bis 2015 (Quelle: Bloomberg (monatliche Daten))

Liegt der 3-jährige Par-Swapsatz bei 2 %, so ergibt sich folgende Preisgleichung für einen
3-jährigen2%-ParBond:

2% 2% 102 %
100 % D 1
C 2
C :
.1;01/ .1;01504/ .1 C rs3 /3
Der 3-jährige Nullkupon-Swapsatz liegt bei 2,014 %:
0 11=3
B 102 % C
rs3 D B
@  C
A  1 D 0;02014:
2% 2%
100 %  1
C 2
.1;01/ .1;01504/
Somit belaufen sich die jährlichen Nullkuponsätze zur Konstruktion der Nullkupon-
Swapsatzkurve für die ersten 3 Jahre auf 1 %, 1,504 % und 2,014 %.56
ImZugederFinanzkrisevon2008undinsbesondereinfolgederInsolvenzderUS-
amerikanischenBankLehmanBrothersam15.September2008fandeinVertrauens-schwund
unterdenTeilnehmerndesInterbankenmarktsstatt,derzueinerLiquiditäts-austrocknungbei
Interbankenkreditengeführthat.DieseFinanzkrisehatzumVorscheingebracht,dassdie
SwapsatzkurvesowohldemKreditrisikoalsauchdemMarktliqui-ditätsrisikoausgesetztist
undsomitnichtzujedemZeitpunktalsannäherndrisikolo-seBenchmarkkurvefürdie
PreisberechnungvonAnleihengeeignetist.Abb. 9.10zeigt

56
Diese exemplarischen Berechnungen berücksichtigen nicht die im Swapmarkt relevanten Day-
Count-Konventionen.
532 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

die Spread-Entwicklung zwischen den 3-Monats-EURIBOR-Sätzen und den 3-Monats-


EONIA-Sätzen von 2007 bis 2015. Da die EONIA-Sätze als Overnight-Kredite über das
niedrigereKreditrisikoverfügen,visualisiertderSpreaddenentsprechendenRisikoauf-schlag
auf dem Interbankenmarkt. So etwa handelt es sich beim 3-Monats-EURIBOR- Satz um den
Zinssatz bei einem Interbankenkredit in Euro mit einer Dauer von 3 Monaten. Demgegenüber
reflektiert der 3-Monats-EONIA-Satz den Zinssatz für einen Overnight- Kredit in Euro, und
zwarfürjedeNachtübereinenZeitraumvon3Monaten.
57
Inbeiden
FällenwirdderZinssatznach3Monatenbezahlt.GehtzumBeispieldiekreditnehmen-deBank
in2MonateninInsolvenz,verliertdaskreditgebendeFinanzinstitutbeim3-
Monats-EURIBOR-KreditnebendenZinsenauchdenNominalwert.Basierthingegendie
Geldausleiheaufdem3-Monats-EONIA-Satz,entgehendemKreditgeberimInterban-
kenmarktlediglichdieZinseinnahmen.DaherliegtderUnterschiedzwischendenbeiden
GeldmarktsätzeninderZinsentschädigungfüreinenmöglichenNominalwertverlust,derbei
einerInsolvenzeintretenkann.DiesezusätzlicheZinsentschädigungentsprichtdemSpread
zwischendenbeidenGeldmarktsätzen.Dabeigilteszubeachten,dassderEONIA-Satznicht
ohneKreditrisikoist,dabeieinerInsolvenzdieZinsenverlorengehen.Möchtemaneine
SwapsatzkurvefürdenEuromiteinemgeringenKreditrisikokonstruieren,dannmussman
hierzuZinssatzswapseinsetzen,dieaufdervariablenSeiteEONIAbezahlen(OvernightIndex
Swapsbzw.OIS).

58

9.3.6.3 PreisberechnungmitderSwapsatzkurve
Die wichtigsten Referenzkurven für die Preisberechnung von festverzinslichen Anleihen sind
dierisikoloseZinsstrukturkurveunddieSwapsatzkurve.WelchederbeidenZinskur-venfürdie
Bewertung angemessen ist, hängt unter anderem von der Liquidität des Markts für
RegierungsanleihenundZinssatzswapsineinemLandab.
59
Abb. 9.11 zeigt für den
26. Februar 2016 die risikolose Zinsstrukturkurve und die Swapsatzkurve der Schweiz.
ZinssatzswapswerdenmiteinemSwap-SpreadaufdemMarktnotiert.Dabeihan-deltessich
umdenRenditeabstandzwischendemSwapsatzundderVerfallrenditeeinerkürzlich
emittiertenStaatsanleihemitgleicherLaufzeitwiederZinssatzswap. 60
Sindbei-
spielsweisedermittlere5-jährigeSwapsatz2%unddieVerfallrenditeeiner5-jährigen
Staatsanleihe1,6%,soliegtderSwap-Spreadbei0,4%bzw.bei40Basispunkten(
D
%  1;6 %).DerSwap-SpreadreflektiertdieRenditeentschädigungdesSwapsatzesfür2
das Kreditrisiko.
WirdderPreiseinerfestverzinslichenAnleihemiteinemfestenDiskontsatzbzw.der
Verfallrenditeberechnet,sowirdderI-SpreadzumSwapsatzmitgleicherLaufzeitwiedieAnleihe
hinzugezählt.UmdiesesBerechnungsverfahrenmitdemI-Spreadzuillustrieren,wirdeine3
%-UnternehmensanleihemitFälligkeitstagam12.August2019undeinemBBB-Rating
genommen.DerjährlicheZinsterminfürdieKuponsistjeweilsder12.Au-

57
Vgl. Abschn. 8.8.4.1 .
58
Vgl. Hull 2012 : Risk Management and Financ ial Institutions, S. 163 ff.
59
Vgl. Abschn. 9.3.6.2 .
60
Vgl. Fabozzi 2007 : Fixed Income Analysis, S. 92.
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 533

(Zinssatz
in %)
Swapsatzkurve
0.4

0.2

0
risikolose
– 0.2 Zinsstrukturkurve

– 0.4

– 0.6

– 0.8

–1

–1.2
0 5 10 15 20 25 30
(Jahre)

Abb.9.11 Risikolose Zinsstrukturkurve und Swapsatzkurve für die Schweiz (Stichtag 26. Februar
2016) (Quelle: Thomson Reuters)

gust und die Day-Count-Konvention ist tagesgenau = tagesgenau ICMA. Der Valutatag ist
der 6. Februar 2017. Die 2- und 3-jährigen Swapsätze sind:

 2-Jahressatz: 1,3 %,
 3-Jahressatz: 1,5 %.

Die Restlaufzeit der Anleihe bel äuft sich auf 2,512 Jahren (D 2 Jahre C 187 Tage = 365
Tage). Der laufzeitkongruente Swapsatz von 2,512 Jahren lässt sich mithilfe der linearen
Interpolation aus den 2- und 3-jährigen Swapsätzen wie folgt berechnen:
 
187 Tage
0;013 C  .0;015  0;013/ D 0;01402:
365 Tage

Liegt der I-Spread bei 60 Basispunkten, ergibt sich eine Verfallrendite für die Unterneh-
mensanleihevon2,002%( D %C 0;6 %).SomitlässtsichderFull-PreisderAnleihe
folgendermaßen ermitteln: 1;402

3% 3% 103 %
B0 Full D 10;488
C 20;488
C D 103;878 %:
.1;02002/ .1;02002/ .1;02002/30;488

Die Stückzinsen belaufen sich auf 1,463 %:


 
178 Tage
SZ D 3 %  D 1;463 %:
365 Tage
534 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Demnach beträgt der Clean-Preis der Unternehmensanleihe 102,415 %:

B0 Clean D 103;878 %  1;463 % D 102;415 %:


Um die Verfallrendite der Anleihe zu bestimmen, wird der I-Spread analog zum G-Spread
zur Benchmarkrendite hinzug ezählt. Allerdings ist die Benchmark der Swapsatz und nicht wie
beim G-Spread die Verfallrendite der ris ikolosen Staatsanleihe. Dabei besitzt die Benchmark
die gleiche Laufzeit wie die Anleihe. Analog zum Z-Spread und zur risikolo- sen
Nullkuponkurve können die Bond-Preise mit der Nullkupon-Swapsatzkurve zuzüglich eines
konstanten Z-Spreads eruiert werden . Während der Z-Spread bei der risikolosen
Zinsstrukturkurve eine Renditeentschädigung von optionsfreien Anleihen für das Kredit- und
Marktliquiditätsrisiko wiedergibt, verkörpert der Z-Spread bei der Swapsatzkurve ei- ne
Kompensation für das höhere oder niedrigere Kreditrisiko des Emittenten gegenüber dem
Swapmarkt und für das Markliquiditätsrisiko. Somit kann der Z-Spread wie übrigens auch der
I-Spread negativ sein. Abb. 9.12 visualisiert die für die Preisberechnung einer 10-jährigen
Unternehmensanleihe relevanten festen und laufzeitgerechten Diskontsätze, die sich auf den
I-SpreadrespektiveaufdenZ-Spreadstützen.

Fürdieobenstehende3%-UnternehmensanleihemitFälligkeitstagam12.August2019
beläuftsichderZ-Spreadauf60,7Basispunkte.DieNullkupon-Swapsatzkurvelau-tetwie
folgt:

 0,5-Jahressatz: 0,8 %,
 1-Jahressatz: 1 %,
 1,5-Jahressatz: 1,2 %,
 2-Jahressatz: 1,3 %,
 2,5-Jahressatz: 1,4 %,
 3-Jahressatz: 1,5 %.
Die drei Nullkupon-Swapsätze für 0,512 Jahre (D 187 Tage=365 Tage), 1,512 Jahre (D
552 Tage=365 Tage) und 2,512 Jahre (D 917 Tage=365 Tage) können mithilfe der linea-
ren Interpolation folgendermaßen festgelegt werden:
 
0;512  0;5
rs0;512Jahre D 0;008 C  .0;01  0;008/ D 0;00805;
1  0;5
 
1;512  1;5
rs1;512Jahre D 0;012 C  .0;013  0;012/ D 0;01202;
2  1;5
 
2;512  2;5
rs2;512Jahre D 0;014 C  .0;015  0;014/ D 0;01402:
3  2;5
Der Full-Preis von 103,878 % lässt sich mit den Diskontsätzen bestehend aus den laufzeit-
gerechten Nullkupon-Swapsätzen und dem konstanten Z-Spread von 60,7 Basispunkten wie
folgtberechnen:

3% 3%
B0 Full D 10;488
C
.1 C 0;00805 C 0;00607/ .1 C 0;01202 C 0;00607/20;488
103 %
C D 103;878 %:
.1 C 0;01402 C 0;00607/30;488
9.3 PreisberechnungvonoptionsfreienAnleihenmitZinsstrukturkurveundRisikoprämie 535

(Zinssatz Verfallrendite einer


in %) 10-jährigen
Unternehmensanleihe Diskontsatzkurve
5.5

4.5 I-Spread
4

3.5 10-jähriger Swapsatz


3
Nullkupon-Swapsatzkurve
2.5

1.5

1
0 2 4 6 8 10
(Jahre)

Abb.9.12 GegenüberstellungvonVerfallrendite(festerDiskontsatzmitI-Spread)undDiskontsatz-
kurve(laufzeitgerechteDiskontsätzemitZ-Spread)amBeispieleiner10-jährigenUnternehmens-
anleihe

Werden vom Full-Preis die Stückzinsen von 1,463 % abgezogen, gelangt man wieder- um zum
Clean-Preisvon102,415%.DasBeispielzeigt,dassfürPlain-Vanilla-Anleihenmiteinerkurzen
LaufzeitderI-Spreadvon60BasispunktenundderZ-Spreadvon60,7Basispunktennichtwesentlich
voneinanderabweichen.Unterschiedezwischendenbei-denSpread-Größenlassensichnebender
Anleihelaufzeit vor allem durch die Steigung der Benchmarkkurve erklären. Je steiler eine
ansteigende (absteigende) Zinsstrukturkurve verläuft, desto größer (kleiner) ist der Z-Spread
gegenüberdemI-Spread,dervoneinerflachenBenchmarkkurveausgeht.Beieineransteigenden
(absteigenden)Benchmarkkur-vekönnendieKuponsderAnleihezueinemhöheren(niedrigeren)
Zinssatzangelegtwerden,waseinenhöheren(niedrigeren)Z-SpreadzurFolgehat.Allerdingsist
dieserEffektbeieinerPlain-Vanilla-AnleiheimGegensatzzuTilgungsanleihennichtsogroß,weil
derHauptteilderCashflows(alsoderNominalwert)amFälligkeitstaganfällt,sodassderI-Spreadund
derZ-Spreadungefährgleichgroßsind.Tab. 9.2fasstdiefürdiePreis-berechnungvonoptionsfreien
festverzinslichenAnleihenrelevantenBenchmarkrenditenundSpreadszusammenundzeigtderen
Renditeentschädigungfürdievonihnenabge-decktenRisiken.DemgegenübergibtTab. 9.3einen
ÜberblicküberdieBerechnungsweisevonSpreads.

DadieAnleihelediglicheinenPreisbesitzt,müssensämtlicheVerfahrenzumglei-chen
Bond-Preisführen.DabeiwirdderBond-PreismiteinerDiskontsatzkurvebestehendaus
laufzeitgerechtenBenchmarksätzenundeinemZ-Spreadermittelt.DiezurPreisbe-rechnung
erforderlicheBenchmarkkurveisteinerisikoloseNullkuponsatzkurveodereine
Nullkupon-Swapsatzkurve.DieVerfallrenditealsfesterDiskontsatzmussmitdemso
536 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Tab.9.2 Benchmark und Spreads für optionsfreie festverzinsliche Anleihen


Benchmark Renditeentschädigung Spread Renditeentschädigung
für für
Verfallrendite risikoloser  Zinsänderungsrisiko G-Spread  Kreditrisiko
Staatsanleihe  Marktliquiditätsrisiko
Laufzeitgerechte risiko-  Zinsänderungsrisiko Z-Spread  Kreditrisiko
lose Nullkuponsätze  Marktliquiditätsrisiko
Fester Nullkupon-  Zinsänderungsrisiko I-Spread  Kreditrisiko
Swapsatz  Kreditrisiko  Marktliquiditätsrisiko
Laufzeitgerechte  Zinsänderungsrisiko Z-Spread  Kreditrisiko
Nullkupon-Swapsätze  Kreditrisiko  Marktliquiditätsrisiko

Tab.9.3 Übersicht über Berechnungsweise von Spreads für optionsfreie festverzinsliche Anleihen
Spreads Berechnungsweise Bemerkungen
G-Spread Differenz zwischen Verfallrendite der Die Cashflows der Anleihe werden mit
Unternehmensanleihe und Verfallren- einem festen Diskontsatz diskontiert.
dite einer risikolosen Staatsanleihe Es wird eine flache Diskontsatzkurve
mit gleicher Restlaufzeit. Bei Lauf- unterstellt. Um die Nichtübereinstim-
zeitinkongruenzen werden zwei mung der Laufzeiten zwischen der
Staatsanleihen mit unterschiedlichen Unternehmensanleihe und der Staatsan-
Laufzeiten ausgewählt und deren leihe zu beheben, werden die Sätze der
Ver- fallrenditen linear interpoliert Benchmarkkurve linear interpoliert
Differenz zwischen Verfallrendite der

I-Spread Die Cashflows der Anleihe werden


Unternehmensanleihe und des linear mit einem festen Diskontsatz diskon-
interpolierten mittleren Swapsatzes mit tiert. Um die Nichtübereinstimmung
gleicher Laufzeit der Laufzeiten zwischen der Unter-
nehmensanleihe und dem Swapsatz
zu beseitigen, werden die Sätze der
Benchmarkkurve linear interpoliert

Z-Spread Ein konstanter Z-Spread wird Die Cashflows der Anleihe werden
zur Benchmarkkurve (risikolose mit laufzeitgerechten Diskontsätzen
Nullkuponsatzkurve oder Nullkupon- diskontiert. Die Steigung der
Swapsatzkurve) hinzugezählt, sodass Bench- markkurve hat einen
mit den laufzeitgerechten Diskontsät- Einfluss auf die Höhe des Z-Spreads
zen und den Cashflows der Anleihe
der gehandelte Bond-Preis inklusive
Stückzinsen repliziert wird

Asset Swap Mit einem Par Asset Swap bezahlt Hierbei handelt es sich um einen ge-
Spread man den Par-Wert für die handelten Spread und nicht um eine
festverzinsliche Anleihe und erhält den berechnete Spread-Größe. Demnach
Referenzzins- satz (z. B. EURIBOR) gibt der Asset Swap Spread die Ren-
C Asset Swap diteentschädigung für das
Spread anstatt den festen Kuponsatz Kreditrisiko am vollständigsten wieder
beim Kauf einer festverzinslichen
An- leihe
9.4 PreisberechnungvonNullkuponanleihen 537

berechneten Preis übereinstimmen. Anhand de r Verfallrendite lässt sich schließlich der


G-Spreadbestimmen.

9.4 PreisberechnungvonNullkuponanleihen

Nullkuponanleihen werden zu einem Preis weit unter dem Par-Wert von 100 % emittiert und am
Laufzeitende zum Par-Wert von 100 % zurückgezahlt. Sie besitzen keinen Kupon. Der einzige
Cashflow besteht aus dem Nominalwert, der am Fälligkeitstag anfällt. Der Preis einer
NullkuponanleihelässtsichinAnlehnunganeineKuponanleihewiefolgtberechnen:

NW
B0 D ; (9.32)
.1 C rT C Spread/T
wobei:

rT D risikoloser Nullkuponsatz (oder Swapsatz) für die Periode T,


T D RestlaufzeitderNullkuponanleihe.

Der Spread über dem risikolosen Zinssatz reflektiert eine Renditeentschädigung des Wert-
papiers für das Kredit- und Marktliquiditätsrisiko. Wird für die Benchmarkrendite hinge- gen
der Swapsatz verwendet, spiegelt der Spread das gegenüber dem Swapsatz höhere oder
niedrigere Kreditrisiko und das Marktliquiditätsrisiko wider. Da eine Nullkuponan- leihe
keinen Kupon bezahlt, laufen keine Stück zinsen auf, sodass der Clean-Preis und derFull-Preis
identischsind.

Beispiel
Preisberechnung einer 0 %-Unternehmensanleihe
Eine 0 %-Unternehmensanleihe verfügt über eine Restlaufzeit von 10 Jahren. Der Spread
über den risikolosen Zinssatz liegt bei 75 Basispunkten. Der 10-jährige risiko- lose
Nullkuponsatzbeläuftsichauf2%.WiehochistderPreisderNullkuponanleihe?

Lösung
Der Preis der 10-jährigen 0 %-Unternehmensanleihe beträgt 76,24 %:

100 %
B0 D D 76;24 %:
.1 C 0;02 C 0;0075/10

AusdemgehandeltenAnleihepreislässtsichderDiskontsatzbzw.dieerwarteteRen-dite
bestimmen.DasfolgendeBeispielzeigtdiesanhandeinerNullkuponanleiheder
BundesrepublikDeutschland.
53 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Beispiel
Berechnung der erwarteten Rendite einer 0 %-Anleihe der Bundesrepublik
Deutschland von 2016 bis 2021
Die0%-AnleihederBundesrepublikDeutschlandmiteinerLaufzeitvon2016bis2021weist
diefolgendenStammdatenauf:

Emittent Bundesrepublik Deutschland


ISIN DE0001141737
Art Öffentliche Anleihe
Währung EUR
Stückelung EUR 0,1
Emissionsvolumen EUR 9 Mrd.
Emissionstag 5. Februar 2016
Day-Count-Konvention Tagesgenau = tagesgenau ICMA
Kupon 0 % fest
Fälligkeit 9. April 2021
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss

Am 1. März 2016 wird die Anleihe zu einem Preis von 102,06 % gekauft. Wie hoch
ist die erwartete Rendite der Nullkuponanleihe der Bundesrepublik Deutschland?

Lösung
Die Restlaufzeit der Schuldverschreibung dauert 5,10137 Jahre und erstreckt sich vom
Valutatag 3. März 2016 bis zum Fälligkeits tag 9. April 2021. Somit ergibt sich eine erwartete
Renditevon
0;3989 %:
 
100 % 1=5;10137
rD  1 D 0;3989 %:
102;06 %

DaNullkuponanleihenkeinenKuponbezahlen,bestehtkeinWiederanlagerisiko.Kanndas
KreditrisikodesEmittentenvernachlässigtwerden,handeltessichbeidererwarte-tenRendite
umeinesichereRendite,wenndasWertpapierbiszumFälligkeitszeitpunktgehaltenwird.
AllerdingsistdasinvestierteKapitalbiszumFälligkeitstagderAnleihegebunden.Ebenfallsist
aufgrundderhöherenDurationdasZinsänderungsrisikoimVer-gleichzueinerKuponanleihe
mitgleicherLaufzeitgrößer.SteigendieZinsen,sofälltderPreisderNullkuponanleihe
verglichenmiteinerKuponanleihestärker.
61

9.5 PreisberechnungvonvariabelverzinslichenAnleihen

Im Gegensatz zu festverzinslichen Anleihen var iieren bei variabel verzinslichen Anleihen die
Kupons. Die Höhe des Kupons wird an jedem Zinstermin auf der Grundlage des vor-
herrschenden Referenzzinssatzes festgelegt . Die Cashflows einer variabel verzinslichen
AnleihelassensichfürdieBewertungindiedreifolgendenKomponentenaufteilen:

61
Vgl. Abschn. 10.2.2.2 .
9.5 PreisberechnungvonvariabelverzinslichenAnleihen 539

 Der Kupon, der am Ende der ersten Zinsperi ode bezahlt wird, ist nach Beginn des
Zinslaufsbekannt.DieFeststellung(Fixing)desReferenzzinssatzesfindetinAbhän-gigkeit
zurgeltendenKonvention2bis3GeschäftstagevordemAnfangderZinsperi-odestatt.
62
Der Kupon K1 der ersten Periode lässt sich wie folgt ermitteln:
K1 D NW r1 dcf1 ; (9.33)
wobei:
NW D Nominalwert,
r1 D Referenzzinssatz (Kuponsatz) der ersten Zinsperiode,
dcf1 D Day-Count-Faktor für die erste Periode (z. B. 90 Tage=360 Tage für ein Quar-
tal).
 DienachdererstenZinsperiodefolgendenKuponssindamBewertungsstichtagun-bekannt,
da die Höhe des Referenzzinssatzes für die weiteren Kuponzahlungen erst zu Beginn der
jeweiligen Perioden festg elegt wird. Dennoch können aufgrund der zum
Bewertungsstichtag geltenden Zinsstrukturkurve Terminzinssätze bestimmt wer- den,
welchediezukünftigenKuponsderjeweiligenZinsperiodenwiderspiegeln.DieSummeder
in den nächsten Perioden folgenden Kuponzahlungen können anhand der Terminzinssätze
folgendermaßeneruiertwerden:

X
T
NW FRt1;t dcft ; (9.34)
tD2

wobei:
FRt1;t D Terminzinssatz, der am Ende der Zinsperiode t  1 beginnt und eine Zinspe-
riode t dauert.
 Am Ende der Laufzeit wird der Nominalwert NW zurückgezahlt.

WerdendiesedreiCashflow-Komponentendiskontiert,gelangtmanzumFull-Preisdervariabel
verzinslichenAnleihe:
!
X
T
B0 Full D NW r1 dcf1 DF1 C FRt1;t dcft DFt C DFT ; (9.35)
tD2

wobei:

DFt D Diskontfaktor für die Periode t: [.1=.1 C rt /t ].

Der Terminzinssatz, der am Ende der Periode t 1 beginnt und eine Periode t dauert, kann 63
mithilfe der Diskontfaktoren wie folgt bestimmt werden:
 
DFt1 1
FRt1;t D 1 : (9.36)
DFt dcft
Wird die Formel für die Berechnung des Terminzinssatzes FRt1;t in die Preisglei-
chung ( 9.35 ) eingesetzt, gelangt man zu folgender Gleichung für die Bestimmung des

62
Vgl. Abschn. 8.6.2.1 .
63
Für die Berechnung des Terminzinssatzes vgl. Abschn. 9.3.4 .
540 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Full-Preises:
T   !
X DFt1 1
B0 Full D NW r1 dcf1 DF1 C 1 dcft DFt C DFT
tD2
DFt dcft
!
X
T
D NW r1 dcf1 DF1 C .DFt1  DFt / C DFT
(9.37)
tD2

D NW.r1 dcf1 DF1 C DF21  DF2 C DF31 C DF3 C : : :


C DFT1  DFT C DFT /
D NW .r1 dcf1 DF1 C DF1 / D NW r1 dcf1 DF1 C NW DF1 :

Der Term NW r1 dcf1 DF1 spiegelt den Barwert des ersten Kupons wider, während
NW DF1 den Barwert des Nominalwerts darstellt, der vom Ende der aktuellen Zinsperiode
auf den Bewertungszeitpunkt diskontiert wird. Folglich lässt sich der Preis einer variabel
verzinslichen Anleihe aus dem Barwert der Cashflows am Ende der ersten Zinsperiode
berechnen.Kauft man heute einen Floater, weißman, dass man am Ende der ersten Zin- speriode
den Kupon erhält. Darüber hinaus lässt sich das Wertpapier am Zinstermin zum Nominalwert
verkaufen. Daher ist der Käufer bereit, einen Preis für die variabel verzins- liche Anleihe zu
bezahlen, der sich aus dem diskontierten Kupon und dem Nominalwert zusammensetzt. Da der
Diskontsatz der erwarteten Rendite entspricht, erzielt der Käufer die von ihm geforderte
Rendite,wennerdasPapieramEndederZinsperiodeveräußert.

ZahltdievariabelverzinslicheAnleiheeinenSpread(QuotedMargin)überoderun-terdem
Referenzzinssatz,mussdieserindiePreisberechnungeinbezogenwerden.Dar-überhinausist
beimDiskontsatzdasKreditrisikodesEmittentenzuberücksichtigen.DieserSpreadwirdals
DiscountMarginbezeichnet.WirdzumBeispielder3-Monats-EURIBOR-Satzals
Referenzzinssatzdefiniert,dannbestehtderKuponsatzausdem3-Monats-EURIBOR-Satz
plus/minusderQuotedMarginunddemDiskontsatzausdem3-Monats-EURIBOR-Satz
plus/minusderDiscountMargin.SinddieQuotedMarginunddieDiscountMargingleichgroß,
notiertdievariabelverzinslicheAnleiheamZinstermin(bzw.amTagdesFixings)zueinem
Preisvon100%.WeichendiebeidenSpread-Größenhingegenvoneinanderab,wirdderPreis
amTagderZinsfeststellungnicht100%betra-gen.LiegtdieDiscountMarginüber(unter)der
QuotedMargin,notiertdieAnleiheunter(über)demPar-Wertvon100%.UmdenPreisder
variabelverzinslichenAnleihezube-rechnen,sindzumeinenderaktuelleReferenzzinssatzund
dieReferenzterminzinssätzeQM

um die Quoted Margin . / zuerhöhenbzw.zureduzierenundzumanderenderDis-DM


kontsatz um die Discount Margin . / anzupassen, was zu folgender Preisformel führt:
T   !
X DFt1;DM 1
B0 Full D NW r1;QM dcf1 DF1;DM C 1 dcft DFt;DM C DFT;DM ;
tD2
DFt;DM dcft
(9.38)
wobei:

r1;QM D r1 C QM,
DF1;DM D 1=.1 C r1 C DM/1 .
9.5 PreisberechnungvonvariabelverzinslichenAnleihen 541

WirdindieobenstehendeFormelderTerminzinssatzFR t1;t anstatt [((DFt1;DM = DFt;DM )


 1)  1 = dcft] eingesetzt, resultiert daraus folge nde Formel für die Preisberechnung einer
variabel verzinslichen Anleihe:
!
X T
B0 Full D NW r1;QM dcf1 DF1;DM C FRt1;t dcft DFt;DM C DFT;DM : (9.39)
tD2

Beispiel
Preisberechnung einer variabel verzinslichen Anleihe
EinevariabelverzinslicheAnleihemiteinerLaufzeitvon2Jahrenbezahlthalbjährlicheinen
Kupon,derausdemEURIBOR-SatzundeinerQuotedMarginvon50Basis-punktenbesteht.
DieDay-Count-Konventionist30Tage
=360 Tage. Es werden vier
gleich lange Zinsperioden v on je 180 Tagen unterstellt. Die Nullkupon-Swapsätze ba-
sierend auf dem EURIBOR lauten wie folgt:

 6-Monatssatz: 1 %,
 12-Monatssatz: 1,2 %,
 18-Monatssatz: 1,3 %,
 24-Monatssatz: 1,5 %.

Wie hoch ist der Preis der variabel verzinslichen Anleihe, wenn die Discount Margin 80
Basispunktebeträgt?

Lösung
Zunächst sind die Terminzinssätze anhand der Nullkupon-Swapsätze zu bestimmen:64
2  3
0;012 2
6 1C 7
6 2 7
FR1;2 D 6  1  17  2 D 1;4 %;
4 0;01 5
1C
2
2  3
0;013 3
6 1C 7
6 2 7
FR2;3 D 6    1 7  2 D 1;5 %;
4 0;012 2 5
1C
2
2  3
0;015 4
6 1C 7
6 2 7
FR3;4 D 6  3  17  2 D 2;101 %:
4 0;013 5
1C
2

64
BeiderBerechnungderTerminzinssätzewirddieKonventionaufdenBondmärktenzugrundegelegt,
wonach1Jahraus2Halbjahresperiodenbesteht,sodasssichderhalbjährlicheKuponaus
dem jährlichen Kupon dividiert durch 2 ergibt. Vgl. Abschn. 9.2.1 .
542 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

DieDiskontfaktorenlassensichanhandderNullkupon-SwapsätzeundderDiscountMargin
von80Basispunktenwiefolgtermitteln:

1
DF1 D  1 D 0;99108;
0;01 C 0;008
1C
2
1
DF2 D  2 D 0;98030;
0;012 C 0;008
1C
2
1
DF3 D  3 D 0;96915;
0;013 C 0;008
1C
2
1
DF4 D  4 D 0;95529:
0;015 C 0;008
1C
2

Eine Zinsperiode beträgt 0,5 Jahre (D 180 Tage=360 Tage). Die vier Kupons setzen
sich aus dem 6-Monats-Nullkupon-Swapsatz und den drei Terminzinssätzen zuzüglich
einer Quoted Margin von 50 Basispunkten zusammen. Der Preis der variabel verzins- lichen
Anleihevon99,414%kannwiefolgtberechnetwerden:

B0 Full D 100 % Œ.0;01 C 0;005/  0;5  0;99108


C .0;014 C 0;005/  0;5  0;98030
C .0;015 C 0;005/  0;5  0;96915
C .0;02101 C 0;005/  0;5  0;95529 C 0;95529 D 99;414 %:

Da die Berechnungen auf einen Zinstermin erfolgen, sind keine Stückzinsen zu berück-
sichtigen, sodass der Full-Preis dem Clean-Preis entspricht. Die variabel verzinsliche
Anleihe wird unter dem Par-Wert von 100 % gehandelt, weil die Discount Margin von 80
BasispunktendieQuotedMarginvon50Basispunktenüberschreitet.

DasBerechnungsbeispielberuhtaufderAnnahme,dassfürdieFestlegungderTermin-
zinssätzeundDiskontfaktorendiegleicheZinsstrukturkurveeingesetztwird.Trifftdiese
Annahmenichtzu,wirktsichdiesaufdenberechnetenBond-Preisaus.Wirdetwaeinevariabel
verzinslicheAnleihe,diedenKuponvierteljährlichbezahlt,miteinerSwapsatz-kurve
bewertet,dieaus6-Monats-EURIBOR-SätzenoderEONIA-Sätzenaufgebautist,wirddies
einenEinflussaufdenermitteltenPreishaben,sodassdieParameterinderBe-wertungsformel
entsprechendangepasstwerdenmüssen.DabeilässtsichderUnterschiedder
ZinsstrukturkurvengegebenenfallsdurcheineAdjustierungderDiscountMarginaus-
gleichen.
9.6 InterpretationeinerBloomberg-MaskefüreineoptionsfreiefestverzinslicheAnleihe 543

WirddievariabelverzinslicheAnleiheaufdemMarktgehandeltundliegteinMarkt-preisvor,so
lässtsichausdemPreisimplizitdieDiscountMargineruieren.AusderermitteltenDiscountMargin
ergibtsicheinBarwertderCashflows,derdemFull-Preisent-spricht.DieDiscountMargins
könnenfürverschiedeneAnleihenberechnetundanschlie-ßendmiteinanderverglichenwerden,
umdasunterschiedlicheKreditrisikovonEmittentenundSchuldverschreibungenzubeurteilen.

65

9.6 InterpretationeinerBloomberg-Maskefüreineoptionsfreie
festverzinslicheAnleihe

In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie die Datenangaben einer Bloomberg-Maske zu einer
optionsfreien festverzinslichen Anleihe zu interpretieren sind. Abb. 9.13 zeigt die
Bloomberg-Maske für die 2,375 %-Anleihe der Daimler AG mit einer Laufzeit von 2012 bis
2022 am 29. Februar 2016. Darüber hinaus weist die Daimler-Anleihe die folgenden
Stammdatenauf:

Emittent Daimler AG
ISIN DE000A1PGWA5
Art Unternehmensanleihe
Rating A–(S&PundFitch)undA3(Moody’s)
Währung EUR
Stückelung EUR 1000
Emissionsvolumen EUR 750 Mio.
Emissionstag 12. September 2012
Day-Count-Konvention Tagesgenau / tagesgenau ICMA
Kupon 2,375 % fest, jährlich
Zinstermin Jährlich jeweils am 12. September
Fälligkeit 12. September 2022
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss
Sicherungsart Nicht besichert

InderMaskeobenlinksistderClean-PreisderAnleihevon109,260%(Geldkurs)undvon
109,93%(Briefkurs)aufgeführt.BeieinemGeschäftsabschlussamMontag,29.Februar2016,
erfolgtdasSettlementamMittwoch,2.März2016.SomitistderValutatag2Geschäftstagenach
Handelsabschluss.DerZeitraumfürdieStückzinsenbeginntam12.September2015unddauert
biszumValutatag2.März2016.Dassindinsgesamt172Tage.DieseAngabefindetsichinder
Bloomberg-MaskeuntenrechtsinderRubrik„Invoice“(Accrued172Days).Die
Day-Count-Konventionisttagesgenau

=tagesgenau ICMA. Da
2016 ein Schaltjahr ist, umfasst das Jahr 366 Tage, sodass sich bei einem Nominalwert

65
Vgl. Adams und Smith 2015 : Introduction to Fixed-Income Valuation, S. 119.
544 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Abb.9.13 Bloomberg-Maske für die 2,375 %-Anleihe der Daimler AG mit einer Laufzeit von 2012
bis 2022 (Quelle: Bloomberg)

von EUR 1 Mio. Stückzinsen von EUR 11:161;20 ergeben:


 
172 Tage
SZ D EUR 1:000:000  0;02375  D EUR 11:161;20:
366 Tage

Die Stückzinsen finden sich ebenfalls in der Rubrik „Invoice“. Auch in dieser Rubrik ist der
Full-PreisvonEUR enthalten,dersichausdemClean-Preisvon
EUR 1:099:300 (D 1;0993 1:110:461;20
EUR 1 Mio.) und den Stückzinsen von EUR 11:161;20 zu-
sammensetzt.
Vom Valutatag 2. März 2016 bis zum nächsten Zinstermin sind es 194 Tage. Das ent-
spricht einer Zeitperiode von 0,5301 Jahre (D 194 Tage=366 Tage). Werden die Cashflows
der Anleihe mit der Verfallrendite von 0,807395 % diskontiert, die in der Maske oben links
unter der Rubrik „DAIGR 2 3 =8 09/12/22“ als Yield zu finden ist, gelangt man zum Full-
Preis von 111,046 %:

2;375 % 2;375 % 102;375 %


B0 D 0;5301
C 1;5301
C :::C
.1;00807395/ .1;00807395/ .1;00807395/6;5301
D 111;046 %:

Werden vom Full-Preis von 111,046 % die Stückzinsen von 1,116 % [D 2;375 % 
Tage=366 Tage/]abgezogen,erhältmandenClean-PreisinderBloomberg-Maske
.172
von 109,93 % (Briefkurs).
9.6 InterpretationeinerBloomberg-MaskefüreineoptionsfreiefestverzinslicheAnleihe 545

Ebenfalls unter der Rubrik „DAIGR 2 3 =8 09/12/22“isteinSpreadvon112,56Basis-


punktenaufgeführt.DabeihandeltessichumdensogenanntenBenchmark-Spread,der
aus der Differenz zwischen der Verfallrendite der Daimler-Anleihe von 0,807395 % und der
VerfallrenditederBenchmarkanleihevon 0;318206 % besteht. Die Benchmarkanlei-
he ist durch die 1,75 %-Anleihe der Bundesr epublik Deutschland mit Fälligkeit Juli 2022
gegeben(DBR1 3 =4 07/22).
Die Rubrik „Spreads“ unten links in der Bloomberg-Maske enthält die verschiedenen
Spread-Größen:

 DerG-Spreadvon110,2BasispunktenreflektiertdieDifferenzzwischenderVerfall-rendite
der Daimler-Anleihe von 0,807395 % und der interpolierten Verfallrendite von Deutschen
BundesanleihenmitgleicherRestlaufzeit.DasichderBenchmark-SpreadundderG-Spread
aufdiegleicheBenchmark(alsoAnleihenderBundesrepublikDeutschland)stützen,sindsie
ungefährgleichgroß.

 Der I-Spread von 65,8 Basispunkten bezieht sic h auf den linear interpolierten mittleren
Swapsatz mit gleicher Laufzeit wie die Daimler-Anleihe. Er ist im Vergleich zum G- Spread
niedriger, da der Swapsatz als Benchmark bereits eine Renditeentschädigung für das
Kreditrisikobeinhaltet.

 Die Basis von 53,8 Basispunkten gibt die Differenz zwischen dem interpolierten CDS- Satz
unddemZ-SpreadderAnleihewieder. 66

 Der Z-Spread von 67,1 Basispunkten verkörpert die Renditeentschädigung zwischen


Diskontsatzkurve
der und der Nullkupon-Swapsatzkurve. Werden die Cashflows
der Anleihe mit der Diskontsatzkurve diskontiert, gelangt man zum Marktpreis der
Daimler-Anleihe. Er ist ungefähr gleich groß wie der I-Spread, da sich beide Spread- Größen
aufdiegleicheBenchmark(alsodenSwapsatz)beziehen.
 Beim ASW von 69,5 Basispunkten handelt es sich um den Asset Swap Spread, der sich aus
einem Par-Asset-Swap ergibt, welcher au s einer festverzinslichen Anleihe zum Par- Wert
undeinemZinssatzswapbesteht.
 Der OAS bzw. Option Adjusted Spread liegt bei 91,7 Basispunkten. Er wird gleich wie der
Z-Spread berechnet, berücksichtigt aber die eingebettete Option bei einer Anleihe. Da die
Daimler-Anleiheoptionsfreiist,müsstenderZ-SpreadundderOAStheore-tischgleichgroß
sein. Bei Bloomberg werden jedoch für die Bestimmung der beiden Spreads unter anderem
unterschiedlichePunkteentlang der Nullkupon-Swapsatzkurve verwendet,sodasssienicht
deckungsgleichsind.

Unter der Rubrik „Yield Calculations“ ist die Street Convention von 0,807395 % aufge- führt,
welche die Verfallrendite widerspiegelt. Die für die Renditeberechnung benötigten Tage
enthalten neben den Geschäftstagen a uch die Wochenenden und die Feiertage, an denen die
Anleihenichtgehandeltwird.DerEquiv2
=Yr von 0,805772 % stellt die Ver-
fallrendite dar, die mit der Bond-Equivalent-Yield-Konvention annualisiert wurde. Dabei

66
Für Credit Default Swaps (CDS) vgl. Abschn. 14.5 .
546 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

ergibt sich die annualisierte Verfallrendite von 0,805772 %, indem die halbjährliche Ver-
fallrendite mit 2 Halbjahresperioden multipliziert wird. Um dies zu illustrieren, wirdzu- nächst
dieVerfallrenditeaufeinehalbjährlicheRenditegrößeumgerechnet:

VR1=2 Jahr D .1;00807395/1=2  1 D 0;00402886:

Die so ermittelte halbjährliche Verfallrend ite von 0,00402886 wird mit 2 Halbjahresperi- oden
multipliziert,waszueinemBondEquivalentYieldvon0,805772%führt:

Bond Equivalent Yield D 2  0;402886 % D 0;805772 %:

DieVerfallrenditevon0,805772%kannmitderVerfallrenditeandererAnleihen(z.B.miteinem
halbjährlichen Kupon) verglichen w erden, derenRenditen ebenfalls mit der Marktkonvention
BondEquivalentYieldannualisiertwordensind.DerCurrentYieldvon2,16%resultiertausdem
jährlichenKuponvon2,375%dividiertdurchdenClean-Preisvon109,93%:

2;375 %
Current Yield D D 0;0216:
109;93 %
Der True Yield von 0,807372 % stellt die Rendite auf Verfall der Daimler-Anleihe dar,
wenn für die Renditeberechnung nur die Geschäftstage (also ohne Wochenenden und Fei-
ertage) verwendet werden. Der True Yield liegt unterhalb der Street Convention, weil die nicht
berücksichtigten Wochenenden und Feiertage zu einer kürzeren Zeitperiode führen. Der
Unterschied ist in der Regel klein und nicht größer als 1 bis 2 Basispunkte. Für die
Daimler-AnleihebeläuftsichdieRenditeabweichungauf0,0023Basispunkte.

9.7 Zusammenfassung

 Der Preis einer Anleihe besteht aus dem Barwert der Kuponzahlungen und des No-
minalwerts. Dabei werden die Cashflows der Schuldverschreibung mit einem risiko-
adäquaten Diskontsatz bzw. der erwarteten Rendite diskontiert. Die erwartete Rendite setzt
sich aus dem risikolosen Zinssatz und einer Risikoprämie zusammen. Letztere spiegelt bei
optionsfreien Anleihen eine Renditeentschädigung für das Marktliquidi- tätsrisiko und das
Kreditrisikowider.

 SindderKuponsatzunddieerwarteteRenditegleichgroß,wirddieAnleihezumPar-Wertvon
100 % gehandelt. Überschreitet hingegen der Kuponsatz die erwartete Rendite, notiertder
Anleihepreis über dem Par-Wert von 100 % (Premium Bond). Liegt der Kuponsatz unter der
Renditeerwartung, resultiert daraus ei n Anleihepreis unter dem Par-Wert von 100 %
(DiscountBond).

 In der Regel besitzen festverzinsliche Anleihen in Europa einen jährlichen Kupon, während
in Nordamerika oder Asiendie Kuponzahlungen üblicherweise halbjährlich erfolgen. Wird
derPreisvonAnleihenmiteinemhalbjährlichenKuponbestimmt,ist
9.7 Zusammenfassung 547

sowohl der Kuponsatz als auch der Diskontsatz durch 2 Halbjahresperioden zu divi- dieren.
Das Dividieren des Diskontsatzes durch 2 Halbjahresperioden entspricht den
Marktkonventionen. Exakter wäre es, einen halbjährlichen effektiven Diskontsatz zu
berechnen,derdenVerzinsungseffektberücksichtigt.

 Ist der Marktpreis der Anleihe bekannt, kann die Verfallrendite eruiert werden. Diese stellt
den impliziten Marktdiskontsatz dar. Di e Verfallrendite gibt die erwartete Rendite bis zum
Fälligkeitszeitpunkt des Wertpapiers an. Die Renditegröße beruht auf den fol- genden
Annahmen: 1. Die Anleihe muss bis zum Fälligkeitstagdes Investors gehalten werden.2. Die
Kupons werden mit der Verfallrendite wieder angelegt. 3. Es besteht weder ein
Zahlungsverzug noch ein Zahlungs ausfall des Emittenten. Somit werden sämtliche
vereinbartenKupon-undNominalwertzahlungenvomSchuldnergeleistet.

 Die Cashflows einer Anleihe können entweder mit einem festen Diskontsatz oder mit
laufzeitgerechten Diskontsätzen diskontiert werden. Zum Diskontieren der Cashflows mit
laufzeitgerechten Diskontsätzen ist für jede Anleihe eine risikoadäquate Rendite-
strukturkurvezuerstellen.DersoermitteltePreiswirdverwendet,umdieVerfallrenditebzw.
denfestenDiskontsatzzuberechnen.

 Befindet sich eine Anleihe zwischen zwei Kuponterminen, setzt sich der Kauf- bzw.
Verkaufspreis aus dem Clean-Preis (gehandelter Anleihepreis) und den Stückzinsen
zusammen. Letztere stellen den anteiligen Kupon dar, der dem Verkäufer des Wertpa-piers
zusteht, weil er das Papier bis zum Verkaufszeitpunkt hält. Für die Berechnung der
Stückzinsen sind die Tage seit dem letzten Kupontermin bis zum Valutatag rele- vant. Der
Valutatag ergibt sich je nach Anleihe aus dem Geschäftsabschlusstag plus 1, 2 oder 3
Geschäftstage. Die Day-Count-Konvention zur Berechnung der Stückzinsen von
festverzinslichenAnleihenistüblicherweisetagesgenau

=tagesgenau ICMA.
 Das Matrix-Pricing wird bei festverzinslichen Anleihen eingesetzt, für die keine Markt-
preise vorhanden sind oder noch nicht emittiert wurden. Dabei wird der für die Preis-
berechnung maßgebende risikogerechte Diskontsatz mithilfe notierter Preise von ver-
gleichbaren Anleihen bestimmt, die einander in Restlaufzeit, Kuponsatz und Schuld-
nerqualitätähneln.

 Die Renditekomponenten einer festverzinslichen Anleihe bestehen aus den Kupons, dem
Kapitalgewinn bzw. -verlust und den Einnahmen aus den wieder angelegten Ku- pons. Die
RenditeeinerSchuldverschreibungmussdieseRenditekomponentenbein-halten.

 Für optionsfreie festverzinsliche Anleih en werden die folgenden drei Renditegrößen auf
dem Bondmarkt ermittelt: Current Yield, Verfallrendite und Total Return. Der Current
Yield ergibt sich aus dem jährlichen Kupon dividiert durch den Clean-Preis der Anleihe. Er
umfasst weder einen Kapitalgewinn bzw. -verlust noch die Einnah- men aus den wieder
angelegten Kupons. Demgegenüber beinhaltet die Verfallrendite sämtliche
Renditekomponenten. Allerdings wird unterstellt, dass die Anleihe bis zum Fälligkeitstag
gehalten wird und die Einnahmen aus den wieder angelegten Kupons mit der Verfallrendite
undnichtmiteinemMarktsatzangelegtwerden.BeimTotalReturn
54 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

sind diese Annahmen nicht erforderlich. Vielmehr kann die Renditegröße für jeden be-
liebigenAnlagezeitraumundfürdenaufdemMarktvorherrschendenAnlagesatzderKupons
bestimmtwerden.
 Für kündbare Anleihen lässt sich der Yield to Call bei Callable Bonds, der Yield to Put bei
Putable Bonds und der Yield to Worst bei Callable sowie Putable Bonds eruieren. Diese
Größen spiegeln die Rendite bis zum vorgegebenen Kündigungstermin wider. Wird die
Anleihe nicht oder erst an einem folgenden Termin gekündigt, ist der Ren- ditewert falsch.
Darüber hinaus werden die Kupons mit dieser Renditegröße und nicht mit dem
vorherrschendenMarktzinssatzangelegt.

 Die Preisberechnung von Anleihen mit laufzeitgerechten Diskontsätzen setzt sich aus den
folgenden vier Schritten zusammen: 1. Zunächst sind die Cashflows einer Anleihe (Kupons
undNominalwert)festzulegen.2.DanachisteineZinsstrukturkurve(Bench-markkurve) zu
erstellen. 3. In Abhängigkeit zur gewählten Zinsstrukturkurve (Bench- markkurve) ist die
Risikoprämie des Emittenten zu bestimmen. 4. Schließlich sind die Cashflows der Anleihe
mit den laufzeitgerechten Diskontsätzen zu diskontieren, die aus den Zinssätzen der
Zinsstrukturkurve(Benchmarkkurve)undderRisikoprämiebe-stehen.

 Die risikolose Zinsstrukturkurve wird mit erstklassigen Staatsanleihen des Primär-


markts erstellt, weil diese weder ein Kreditrisiko noch ein Marktliquiditätsrisiko
aufweisen und einen Preis besitzen, der ungefähr dem Par-Wert von 100 % ent-
spricht. Um das Wiederanlagerisiko der Kupons zu beseitigen, wird die Par-Kupon-
Zinsstrukturkurve anhand der Bootstrapping-Methode in eine Nullkuponzinsstruktur-
kurve überführt. Da für den Aufbau der Zinsstrukturkurve lediglich Staatsanleihen des
Primärmarkts verwendet werden, entstehen F älligkeitslücken entlang der Zinsstruktur-
kurve,diemiteinemInterpolationsverfahrengeschlossenwerden.

 Bei einer normalen Zinsstrukturkurve überschreiten die langfristigen Zinssätze die


kurzfristigen Zinssätze. Eine inverse Zinsstrukturkurve liegt vor, wenn die kurzlaufen- den
Zinsen über den langlaufenden Zinsen liegen. Von einer flachen Zinsstrukturkurve spricht
man,wenndieZinssätzefürsämtlicheLaufzeitenungefährgleichgroßsind.

 Anhand der risikolosen Nullkuponsätze lassen sich in einem arbitragefreien Markt die
risikolosen Terminzinssätze bestimmen. Terminzinssätze können zur Identifikation von
Arbitragemöglichkeiten zwischen dem Kassa- und dem Terminmarkt, zur Festlegung des
Breakeven-WiederanlagesatzesundzurPreisberechnungvonAnleiheneingesetztwerden.

 Die Bond-Preise verändern sich infolge der Bewegungen der erwarteten Rendite bzw. des
Diskontsatzes.DabeibestehtdieerwarteteRenditeauseinerBenchmarkrendite(risikoloser
Nullkuponsatz) und einem Spread (Risikoprämie). Der Spread gibt die Renditespanne
zwischen der erwarteten R endite und der Benchmarkrendite wieder. Aufgrund dieser
Renditeaufteilung können makro- und mikroökonomische Faktoren identifiziert werden,
die einen Einfluss auf den Bond-Preis und somit auf die Renditeer- wartung haben. Der
risikolose Zinssatz wird von makroökonomischen Faktoren wie etwa der
Inflationserwartung,demallgemeinenWirtschaftswachstumunddemKon-
9.7 Zusammenfassung 549

junkturzyklus sowie der Geld- und Fiskalpolitik beeinflusst. Die mikroökonomischen


Faktoren hingegen haben einen Einfluss au f den Spread und setzen sich aus der Schuld-
nerqualität des Emittenten sowie der Marktliquidität und dem Steuerstatus der Anleihe
zusammen.

 Der Renditeabstand zwischen der Verfallre ndite einer risikobehafteten Unternehmens-


anleihe und der Verfallrendite einer risikolosen Staatsanleihe wird als G-Spread be-
zeichnet. Dabei müssen beide Anleihen über die gleiche Restlaufzeit verfügen. Bei
ungleichen Restlaufzeiten werdendieVerfallrenditen vonzwei risikolosenStaatsanlei- hen
mit einer im Vergleich zur Unternehmensanleihe längeren und kürzeren Laufzeit linear
interpoliert. Der G-Spread stellt eine Renditeentschädigung für das Kredit- und
MarktliquiditätsrisikoderAnleihedar.

 Benutzt man für die Preisberechnung einer optionsfreien festverzinslichen Anleihe die
Verfallrendite bzw. den G-Spread, geht man von einer flachen Zinsstrukturkurve aus.
Sämtliche Cashflows des Bonds werden mit der gleichen Verfallrendite diskontiert. Da die
Zinsstrukturkurve üblicherweise nicht flach verläuft, ist der Bond-Preis mit
laufzeitgerechten risikoadäquaten Diskontsätzen zu ermitteln, die aus den laufzeitge-
rechten Nullkuponsätzen und einem konstanten Z-Spread bestehen. Im Gegensatz zum
G-Spread spiegelt der Z-Spread nicht den Renditeabstand zu einem bestimmten Zeit- punkt
wider,sondernvielmehrentlangderbewertungsrelevantenZinsstrukturkurve.

 WirddieAnleiheaufeinemaktivenMarktgehandelt,sindfürdieBerechnungdesZ-Spreadsdie
auf dem Markt gestellten Preise zu verwenden. Der Z-Spread lässt sich mit einem
Trial-and-Error-VerfahrenanhandderPreisgleichungfestlegen.
 Für die Preisberechnung einer Anleihe können die laufzeitgerechten Diskontsätze auch mit
der Swapsatzkurve plus/minus einem Rendite-Spread ermittelt werden. Werden die
Cashflows mit einem festen risikoadäquaten Diskontsatz diskontiert, wird zum linear
interpolierten mittleren Swapsatz mit gleicher Laufzeit wie die Unternehmensanleihe der
I-Spread hinzugezählt. Der I-Spread ka nn positiv oder negativ sein. Dies hängt davon ab, ob
das Kredit- und Marktliquiditätsrisiko der Anleihe höher oder niedriger als dasjenige der
Swapsatzkurve ist, die mit Zinssätzen des Interbankenmarkts bzw. der variablen Seite der
Zinssatzswaps (EURIBOR, EONIA oder LIBOR) konstruiert wird. Die Cashflows der
Anleihe können auch mit laufzeitgerechten risikoadäquaten Diskontsätzen diskontiert
werden, indem z u den laufzeitgerechten Swapsätzen der Z- Spread hinzugezählt wird. Aus
dengleichenGründenwiederI-SpreadkannderZ-Spreadpositivodernegativsein.

 Da die Anleihe lediglich einen Preis bes itzt, müssen sämtliche Bewertungsverfahren zum
gleichen Bond-Preis führen. Dabei wird der Bond-Preis mit einer Diskontsatzkur- ve
bestehend aus laufzeitgerechten Benchmarksätzen und einem Z-Spread ermittelt. Die zur
Preisberechnung erforderliche Benchmarkkurve ist eine risikolose Nullkupon- satzkurve
oder eine Nullkupon-Swapsatzkurve. Die Verfallrendite als fester Diskont- satz muss mit
demsoberechnetenPreisübereinstimmen.

 Der Preis einer Nullkuponanleihe lässt sich mit dem gleichen Bewertungsverfahren
berechnen,derauchbeiKuponanleihenangewendetwird.DerUnterschiedbestehtdar-
550 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

in, dass eine Nullkuponanleihe keine Kupons, sondern lediglich den Nominalwert am
Fälligkeitstag bezahlt. Für die Be nchmarkrendite kann entw eder ein risikoloser Null-
kuponsatz oder ein Nullkupon-Swapsatz eingesetzt werden. Um den Diskontsatz zu
erhalten, wird zur laufzeitg erechten Benchmarkrendite ei n Spread (Risikoprämie) hin-
zugezählt.

 Im Gegensatz zu festverzinslichen Anleihen v ariieren bei variabel verzinslichen Anlei-


hen die Kupons. Die Höhe des Kupons wird an jedem Zinstermin auf der Grundlage des
vorherrschenden Referenzzinssatzes fest gelegt. Zahlt die variabel verzinsliche An- leihe
einen Spread (Quoted Margin) über ode r unter dem Referenzzinssatz, muss dieser in die
Preisberechnung einbezogen werden. Darüber hinaus ist beim Diskontsatz das Kreditrisiko
des Emittenten und das Marktliquiditätsrisiko zu berücksichtigen. Dieser Spread wird als
DiscountMarginbezeichnet.UmdenPreisdervariabelverzinslichenAnleihezuberechnen,
sind zum einen der aktuelle Referenzzinssatz und die Referenz- terminzinssätze um die
QuotedMargin(QM)zuerhöhenbzw.zureduzierenundzumanderenderDiskontsatzumdie
DiscountMargin(DM)anzupassen.

9.8 Aufgaben

Aufgabe1
Für die 1,5 %-Anleihe der Daimler AG mit einer Laufzeit von 2016 bis 2026 liegen die
folgendenStammdatenvor:

Emittent Daimler AG
ISIN DE000A2AAL31
Art Unternehmensanleihe
Rating A–(S&PundFitch)undA3(Moody’s)
Währung EUR
Stückelung EUR 1000
Emissionsvolumen EUR 1 Mrd.
Emissionstag 9. März 2016
Day-Count-Konvention Tagesgenau / tagesgenau ICMA
Kupon 1,500 % fest, jährlich
Zinstermin Jährlich jeweils am 9. März
Fälligkeit 9. März 2026
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss
Sicherungsart Nicht besichert

Die Bloomberg-Maske für die Daimler-Anleihe lautet am 21. März 2016 wie folgt:
9. Aufgaben 551

(Quelle: Bloomberg)

a) Invoice: Wie setzt sich bei einem Nominalwert von EUR 1 Mio. der Full-Preis (bzw.
Invoice-Preis)vonEUR 1:037:455;34 zusammen?
b) Wie gelangt man zur Verfallrendite (Yield) von 1,106918 % für den Brief-Kurs der
Daimler-Anleihevon103,688%?
c) Spreads: Was bedeuten der Spread von 87,80 Basispunkten, der G-Spread von 87,5
Basispunkten, der I-Spread von 51,4 Basispunkten, die Basis von 48,3 Basispunk- ten,
der Z-Spread von 53,0 Basispunkten, der ASW von52,3 Basispunkten und der OAS von
77,7Basispunkten?

d) Yield Calculations: Was versteht man unter der Street Convention von1,106918 %, dem
Equiv2 =Yr von 1,103871 %, der True Yield von 1,106896 % und der Current
Yield von 1,447 %?

Aufgabe2
Eine4%-UnternehmensanleihemiteinerRestlaufzeitvon3JahrenweisteinenZ-Spreadvon
150 Basispunkten auf. Die Kupons werden halbjährlich bezahlt. Die ri- sikolosen
Nullkuponsätzelautenwiefolgt:

 0,5-Jahressatz: 1,5 %,
 1-Jahressatz: 1,7 %,
 1,5-Jahressatz: 1,9 %,
 2-Jahressatz: 2 %,
 2,5-Jahressatz: 2,1 %,
 3-Jahressatz: 2,4 %.
552 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

a) Wie hoch ist der Preis der Unternehmensanleihe?


b) Wie hoch ist die Verfallrendite der Unternehmensanleihe (Bond Equivalent Yield)?

Aufgabe3
Eine 4,5 %-Unternehmensanleihe mit einer Restlaufzeit von 5 Jahren verfügt über Z-Spread
einen von 80 Basispunkten. Die Kupons werden jährlich bezahlt. Die
Nullkupon-Swapsätze lauten wie folgt:

 1-Jahressatz: 2 %,
 2-Jahressatz: 2,2 %,
 3-Jahressatz: 2,4 %,
 4-Jahressatz: 2,5 %,
 5-Jahressatz: 2,8 %.

a) Wie hoch ist der Preis der Unternehmensanleihe?


b) Wie hoch ist die Verfallrendite (Bond Equivalent Yield) und der I-Spread der Un-
ternehmensanleihe?

Aufgabe4
FürdievariabelverzinslicheAnleihederDaimlerAGvon2016bis2019liegendiefolgenden
Stammdatenvor:

Emittent Daimler AG
ISIN DE000A169GZ7
Kurzbezeichnung Daimler AG 16/19 FRN
Währung EUR
Stückelung EUR 100:000
Emissionsvolumen EUR 1,25 Mrd.
Emissionstag 12. Januar 2016
Emissionskurs 100 %
Kupon Referenzzinssatz: 3-Monats-EURIBOR
Quoted Margin: 53 Basispunkte
Zahlung: vierteljährlich
Zinsfestlegungstag: 2 Geschäftstage vor Peri-
odenbeginn
Day-Count-Konvention: tagesgenau = 360
Zinstermine Jeweils am 12. Januar, April, Juli und Oktober
Beginn Zinslauf 12. Januar 2016
Fälligkeit 12. Januar 2019
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss

2 Geschäftstage vor dem 12. Januar 2016 liegt der 3-Monats-EURIBOR-Satz bei
 %.DievariabelverzinslicheDaimler-Anleihewirdam21.März2016zueinem0;143
Preis von 100,238 % (Briefkurs) gehandelt.
9. Aufgaben 553

a) Wie hoch ist der Kuponsatz der variabel verzinslichen Daimler-Anleihe?


b) Wiehochistam21.März2016derFull-PreisderDaimler-AnleihebeieinemNo-minalwert
vonEUR1Mio.?

Aufgabe5
Eine 8-jährige Unternehmensanleihe mit einem jährlichen Kupon von 4 % wird auf dem
Markt nicht gehandelt. Um den Preis der Anleihe zu bestimmen, hat ein Ana- lyst zwei
Unternehmensanleihen mit einer ähnlichen Schuldnerqualität identifiziert. Die erste der
beiden Schuldverschreibungen mit einer Restlaufzeit von 7 Jahren und einem jährlichen
Kuponvon3,75%wirdzueinemPreisvon101,529%gehandelt.DiezweiteAnleihemiteiner
Restlaufzeit von 9 Jahren und einem jährlichen Kupon von 4,25 % besitzt einen Marktpreis
von 103,377 %. Wie hoch ist der Preis der auf dem Markt nicht gehandelten 8-jährigen
Unternehmensanleihe, wenn der Analyst für die Preisberechnung das
Matrix-Pricing-Verfahrenanwendet?

Aufgabe6
Ein 7-jähriger Callable Bond mit einem Kupon von 3,5 % wird zu einem Preis von 101,5 %
gehandelt. Der Kupon der Anleihe wird halbjährlich bezahlt. Die Schuldver- schreibung ist
erstmals in 3 Jahren zu einem Preis von 103 % kündbar. Danach kann die Anleihe an den
folgendenTerminenundPreisendurchdenEmittentenvorzeitiggekündigtwerden:

Ende Jahr Kündigungspreis


4 102 %
6 100 %

a) Wie hoch ist der Yield to First Call? (Marktkonvention: Bond Equivalent Yield) Wie
b) hoch ist der Yield to Second Call? (Marktkonvention: Bond Equivalent Yield) Wie
hoch ist der Yield to First Par Call? (Marktkonvention: Bond Equivalent Yield) Wie
c) hoch ist der Yield to Worst? (Marktkonvention: Bond Equivalent Yield)
d)

Aufgabe7
Es liegen die folgenden risikolosen Nullkuponsätze (Spot Rates) vor:

 1-Jahressatz: 1,2 %,
 2-Jahressatz: 1,5 %,
 3-Jahressatz: 1,8 %,
 4-Jahressatz: 2,1 %,
 5-Jahressatz: 2,6 %.

a) Wie hoch ist der 1-gegen-5-Terminzinssatz?


b) Wie hoch ist der 3-gegen-5-Terminzinssatz?
554 9 Preis-undRenditeberechnungvonoptionsfreienAnleihen

Aufgabe
Eine Unternehmensanleihe mit einem jährlichen Kupon von 4 % wird am 15. Septem- ber
2020 fällig. Der jährliche Zinstermin für die Kupons ist jeweils der 15. Septem- ber und die
Day-Count-Konvention ist tagesgenau / tagesgenau ICMA. Der I-Spread liegt bei 70
Basispunkten. Der Valutatag ist der 17. November 2016. Die Nullkupon- Swapsätze lauten
wiefolgt:

 1-Jahressatz: 1,2 %,
 2-Jahressatz: 1,4 %,
 3-Jahressatz: 1,6 %,
 4-Jahressatz: 2,0 %.

Wie hoch sind der Full-Preis und der Clean-Preis der Unternehmensanleihe, wenn als
DiskontsatzdieVerfallrenditeverwendetwird?

Aufgabe9
EineNullkuponanleihebesitzteineRestlaufzeitvon15Jahren.DerZ-Spreadbeläuftsichauf
60 Basispunkte. Der 15-jährige risikolose Nullkuponsatz liegt bei 2,4 %. Wie hoch ist der
PreisderNullkuponanleihe?

Aufgabe10
EinevariabelverzinslicheAnleihemiteinerLaufzeitvon1Jahrbezahltvierteljähr-licheinen
Kupon, der sich aus dem EURIBOR-Satz und einer Quoted Margin von 70 Basispunkten
zusammensetzt. Die Day-Count-Konvention ist 30 Tage / 360 Tage. Es werden vier gleich
lange K uponperioden von je 90 Tagen unterstellt. Die EURIBOR- Nullkupon-Swapsätze
lautenwiefolgt:

 3-Monatssatz: 1,2 %,
 6-Monatssatz: 1,5 %,
 9-Monatssatz: 1,7 %,
 12-Monatssatz: 2,0 %.

Die Discount Margin liegt bei 50 Basispunkten. Wie hoch ist der Preis der variabel
verzinslichenAnleihe?

Aufgabe11
Es liegen die folgenden Aussagen über die Bewertung optionsfreier Anleihen vor:

1. Die erwartete Rendite einer optionsfreien festverzinslichen Unternehmensanleihe setzt


sich aus der Benchmarkrendite und einer Risikoprämie zusammen. Ist die
Benchmarkrendite der nominale risikolose Zinssatz, so stellt die Risikoprämie ei- ne
Renditeentschädigung für das Kreditrisiko, das Marktliquiditätsrisiko und den
SteuerstatusderAnleihedar.
Literatur 555

2. Der G-Spread ergibt sich aus der Verfallrendite der Staatsanleihe abzüglich der
Verfallrendite der Unternehmensanleihe, wobei beide Wertpapiere eine gleiche Rest-
laufzeitaufweisen.
3. Ist die Benchmarkrendite der Swapsatz, so stellt der Z-Spread eine positive Rendi-
teentschädigung für das höhereKreditrisiko des Emittenten gegenüberdemSwap- markt
dar.
4. Bei einer ansteigenden Swapsatzkurve ist der Z-Spread gegenüber dem I-Spread kleiner.

5. Der Bond-Preis wird mit einer Diskontsatzkurve bestehend aus laufzeitgerechten


Benchmarksätzen und einem Z-Spread besti mmt. Die Verfallrendite als fester Dis-
kontsatzmussmitdemsoberechnetenPreisübereinstimmen.

Sind die Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?

Literatur

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Bodie, Z., Merton, R. C.: Finance, Upper Saddle River (2000)
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Fabozzi, F. J.: Fixed Income Analysis, 2. Auflage, Hoboken (2007) Fabozzi, F. J.:
FixedIncomeAnalysisfortheCharteredFinancialAnalyst ®
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Fabozzi, F. J.: Fixed Income Mathematics: Analytical & Statistical Techniques, 3. Auflage, Chicago,
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Reilly, F. K., Brown, K. C.: Investment Analysis and Portfolio Management, 7. Auflage,
Mason (2003)
Tuckman,B.,Serrat,A.:FixedIncomeSecurities:ToolsforToday’sMarkets,3.Auflage,Hoboken(2012)
RisikoanalysevonAnleihen
10

10.1 Einleitung

Der Preis einer Anleihe hängt von der Höhe der erwarteten Rendite ab. Eine höhere (nied- rigere)
Renditeerwartungführtzueinemniedrigeren(höheren)Bond-Preis.DieerwarteteRenditesetzt
sich aus dem Benchmarkzinssatz (z. B. der risikolose Zinssatz) und einer Risikoprämie
zusammen, die bei optionsfreien Anleihen eine Renditeentschädigung für das Kredit- und
Marktliquiditätsrisiko darstellt. Somit verändert sich der Preis aufgrund von Änderungen der
Benchmarkzinssätze (bzw. des risikolosen Zinssatzes), der Schuld- nerqualität und der
Marktliquidität. Diese R isikofaktoren – Zinsänderungs-, Kredit- und Marktliquiditätsrisiko –
sindfürdiePerformance-undRisikoanalyseeinerAnleihepositi-onwichtig.

DasKapitelbeginntmitderRisikoanalysevonoptionsfreienfestverzinslichenAnlei-hen
anhandderDurationundKonvexität,diefürdieMessungdesZinsänderungs-,Kredit-und
Marktliquiditätsänderungsrisikoseingesetztwerdenkönnen.Dabeiwirdgezeigt,wiedie
beidenGrößenderDurationundKonvexitätbestimmtwerdenkönnen,indemdie
PreisgleichungderAnleihenachdererwartetenRenditebzw.nachderVerfallrenditeabgeleitet
wird.DarüberhinauskönnendiebeidenRisikogrößenauchübereineNähe-rungsformeleruiert
werden.DesWeiterenwirdbeschrieben,wiediePreisänderungvonoptionsfreien
festverzinslichenAnleihensowievonAnleihenmiteingebettetenOptionenmithilfeder
Taylor-ReihenentwicklungderzweitenOrdnungapproximativermitteltwer-denkann.Das
KapitelendetmiteinerAbhandlungüberdieKreditanalyseunddieAnalysedes
MarktliquiditätsrisikosvonAnleihen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 557


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_10
55 10 RisikoanalysevonAnleihen

10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität

10.2.1 Duration-Konvexitäts-Ansatz

Die Preisänderung einer festverzinslichen Anleihe infolge einer Rendite- bzw. Zinssatzän-
derung kann annäherungsweise berechnet wer den, indem die Taylor-Reihenentwicklung mit
einerNäherungderzweitenOrdnungeingesetztwird. 1
Der Anleihepreis B1 nach der
Veränderung der Verfallrendite VR lässt sich über eine kurze Zeitperiode annäherungs-
weise wie folgt bestimmen:
   
dB 1 d2 B
B1 D B0 C VR C VR2 C ©; (10.1)
dVR 2 dVR2
wobei:
B0 D Anleihepreis vor Änderung der Verfallrendite,
B1 D Anleihepreis nach veränderter Verfallrendite,
© D Fehlerterm.

Wird der Fehlerterm in der Formel vernachlässigt und von beiden Seiten der Gleichung der
Bond-PreisB 0 abgezogen und werden anschließend beide Seiten der Gleichung durch
den Bond-Preis B0 dividiert, gelangt man zu folgender Formel für die Berechnung der 2
prozentualen Preisänderung der Anleihe:
   
B 1  B0 B 1 dB 1 1 d2 B
D D VR C VR2 ; (10.2)
B0 B0 B0 dVR 2 B0 dVR2
wobei:
1 dB
 D modifizierte Duration,
B0 dVR
1 d2 B
D modifizierte Konvexität.
B0 dVR2
Ersetzt man in der oben stehenden Gleichung die beiden Klammerausdrücke rechts des
Gleichheitszeichens durch MDUR (modifizierte Duration) und MKONV (modifizierte
Konvexität), lässt sich die prozentuale Preisä nderung einerfestverzinslichenAnleihe an- hand
derTaylor-Reihenentwicklungannäherungsweisewiefolgtberechnen:

B 1
D .MDUR/ VR C .MKONV/ VR2 ; (10.3)
B0 2
wobei:

MDUR D modifizierte Duration,


MKONV D modifizierte Konvexität.

1
Für die Herleitung der Taylor-Reihenentwicklung vgl. Abschn. 15.7.1 .
2
IndenfolgendenAusführungenwirddieFormelfürdieBerechnungderAnleihepreisänderunganhand
derTaylor-ReihenentwicklungeinfachheitshalbermitdemGleichheitszeichendargestellt,obwohles
sichhierbeiumeineNäherungsformelhandelt.Vgl.Abschn. 15.7.1.
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 559

Die absolute Preisänderung de r Anleihe lässt sich annäherungsweise ermitteln, indem bei- de
SeitenderGleichungmitdemBond-PreisB multipliziert werden, was zu folgender
0
Formel führt:
1
B D .MDUR/ B0 VR C .MKONV/ B0 VR2 : (10.4)
2

Beispiel
BerechnungderPreisänderungeineroptionsfreienfestverzinslichenAnleihean-hand
derTaylor-Reihenentwicklung
Eine optionsfreie festverzinsliche Anleihe mit einer Laufzeit von 3 Jahren und ei- nem
jährlichenKuponvon 4 % besitzt eine Verfallrendite von 5 %. Die modifizierte
Duration der Anleihe liegt bei 2,747, während die modifizierte Konvexität 10,326 be-
trägt. Wie hoch sind die absolute Preisänderung und der Preis der Anleihe anhand der
Taylor-Reihenentwicklung der zweiten Ordnung, wenn die Zinssätze entlang der Zins-
strukturkurveum125Basispunktesteigen(paralleleVerschiebungderZinssätze)?

Lösung
Der Preis der 3-jährigen 4 %-Anleihe kann wie folgt berechnet werden:
4% 4% 104 %
B0 D C C D 97;277 %:
.1;05/1 .1;05/2 .1;05/3
Die absolute Preisänderung der Anleihe von 3;262 % kann anhand der Taylor-
Reihenentwicklung der zweiten Ordnung folgendermaßen ermittelt werden:

B D .2;747/  97;277 %  0;0125 C 0;5  10;326  97;277 %  .0;0125/2


D 3;262 %:

Der Preis der Anleihe nach der Zinssatzänderung beläuft sich auf 94;015 %:

B1 D B0 C B D 97;277 %  3;262 % D 94;015 %:

Wird der Preis der Anleihe mit einer Verfallrendite von 6;25 % (D 5 % C 1;25 %)
bestimmt, erhält man einen Preis von 94;013 %:
4% 4% 104 %
B1 D 1
C 2
C D 94;013 %:
.1;0625/ .1;0625/ .1;0625/3
Der mit dem Bewertungsmodell berechnete Preis von 94;013 %liegtsehrnaheandem%.
mit der Taylor-Reihenentwicklung berechneten Preis von 94;015 Folglichstelltdie
Taylor-ReihenentwicklungderzweitenOrdnungeinesehrguteAnnäherungderPreis-änderung
dar.

Im Folgenden werden die Duration und die Konvexität näher beschrieben.


560 10 RisikoanalysevonAnleihen

10.2.2 Duration

Die (modifizierte) Duration einer Anleihe mi sst die Sensitivität des Full-Preises einer Anleihe
(einschließlich Stückzinsen) gegenüber einer Änderung der Verfallrendite oder – allgemeiner
ausgedrückt, wenn das Zins änderungsrisiko im Mittelpunkt der Analyse steht – gegenüber
einer Änderung des risikolosen Nullkuponsatzes, wobei alle anderen Risikofaktoren wie etwa
das Kredit- und Marktliquiditätsrisiko unverändert bleiben. Des Weiteren wird davon
ausgegangen, dass die Laufzeit gleich bleibt. Daher spiegelt die Du- ration eine sofortige
Änderung des Anleihepreises bei einer Bewegung der Verfallrendite wider. Die Stückzinsen
bleiben gleich, sodass sich bei einer Veränderung des Full-Preises der Clean-Preis ändert.
Nachfolgend wird die Duration mathematisch hergeleitet, bevor die verschiedenen Größen der
Duration wie die Macaulay-Duration, die modifizierte Du- ration und die effektive Duration
vorgestelltwerden.

10.2.2.1 Modi zierteDurationundMacaulay-Duration


Der Preis einer Anleihe wird als Funktion der Verfallrendite dargestellt [P(VR)]. Bei infi-
nitesimalen kleinen Änderungen der Rendite aufVerfall ist die Beziehung zwischen Preis und
Verfallrendite annäherungsweise linear. Die modifizierte Duration (MDUR) einer op-
tionsfreienfestverzinslichenAnleiheistwiefolgtdefiniert:

dB B
D lim D MDUR B0 ; (10.5)
dVR VR!0 VR

wobei:

dB=dVR D Veränderung des Anleihepreises bei einer infinitesimalen kleinen Änderung


der Verfallrendite,
MDUR D modifizierte Duration.

In den folgenden Ausführungen wird auf die Gre nzwertnotation verzichtet, sodass die erste
Ableitung des Anleihepreises gegenüber kleinen Renditeänderungen wie folgt dar- gestellt
werdenkann:
B
D MDUR B0 : (10.6)
VR
Diese Formel kann ausgehend von folgender Pre isgleichung einer optionsfreien festver-
zinslichen Anleihe hergeleitet werden (an einem Kupontermin: Full-Preis D Clean-Preis):

X
T
B0 D CFt .1 C VR/t ; (10.7)
tD1

wobei:

CFt D Cashflows der festverzinslichen Anleihe bestehend aus den festen Kupons und dem
Nominalwert am Fälligkeitstag (Plain-Vanilla-Anleihe).
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 561

Wird die Gleichung nach der Verfallrendite .VR/ abgeleitet, erhält man folgenden For-
melausdruck:
B X T X T
t CFt
D .t/ CFt .1 C VR/.tC1/ D 
VR tD1 tD1
.1 C VR/tC1
(10.8)
1 X t CFt
T
D :
.1 C VR/ tD1 .1 C VR/t
Wird die erste Ableitung bzw. ( 10.8 ) durch den Preis der Anleihe B0 dividiert, ergibt sich
folgender Ausdruck, der die modifizierte Duration der festverzinslichen Anleihe wieder-
gibt:
XT
t CFt
B=VR 1 tD1
.1 C VR/t
D : (10.9)
B0 .1 C VR/ B0
Der Term
XT
t CFt
tD1
.1 C VR/t
B0
rechts des Gleichheitszeichens wird als Macau lay-Duration bezeichnet. Wird die Macaulay-
1
Duration mit dem Term .1CVR/ multipliziert, erhält man die modifizierte Duration:
MacDUR
MDUR D ; (10.10)
.1 C VR/
wobei:

MacDUR D Macaulay-Duration.

Die modifizierte Duration stellt die erste Ableitung des Anleihepreises gegenüber einer kleinen
ÄnderungderVerfallrenditedividiertdurchdenBond-Preisdar: 3

B=VR 1 B
MDUR D  D : (10.11)
B0 B0 VR
Werden beide Seiten der Gleichung mit dem Anleihepreis B0 multipliziert, gelangt man
zu ( 10.6 ) bzw. zur ersten Ableitung der Preisgleichung gegenüber einer kleinen Verän-
derung der Verfallrendite: B=VR D  MDUR B0 . Um die modifizierte Duration als
Risikogröße besser zu verstehen, kann ( 10.11 ) wie folgt umgeformt werden:
B=VR B=B0 %B
MDUR D  D D ; (10.12)
B0 VR VR
wobei:

%B D prozentuale Preisänderung der festverzinslichen Anleihe.

3
Vgl. Tuckman und Serrat 2012 : Fixed Income Securities: Tools for Today’s Markets, S. 130.
562 10 RisikoanalysevonAnleihen

Ist beispielsweise die modifizierte Duration einer festverzinslichen Anleihe 5 und steigt die
Verfallrenditebzw.derrisikoloseZinssatzum 1 %, so fällt der Anleihepreis prozentual
um 5 % (D 5 D. 5 %/=1 %). Folglich ist die modifizierte Duration – gleich wie das
Beta bei einer Aktie4 –eineSensitivitätsgröße,mitderbestimmtwerdenkann,wiestarksich
ungefährderBond-PreisprozentualbeieinerRenditeänderungbewegt.
Die Macaulay-Duration ist nach dem kanadischen Ökonom Frederik Macaulay be-
nannt.5 SiegehtausdererstenAbleitungdesAnleihepreisesgegenübereinerkleinenÄnderung
derVerfallrenditehervor(siehe( 10.9)).BefindetmansichnichtaufeinemZins-
termin, lässt sich die Macaulay-Duration anhand der folgenden Gleichung ermitteln:6

.1  t=n/ K .2  t=n/ K .T  t=n/ .K C NW/


1t=n
C 2t=n
C :::C
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/Tt=n
MacDUR D ; (10.13)
K K K C NW
1t=n
C 2t=n
C :::C
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/Tt=n

wobei:

K D Kupon,
NW D Nominalwert,
t D Anzahl Tage von Beginn der Zinsperiode bis zum Valutatag,
n D AnzahlTageinderKuponperiode,
T D Restlaufzeit der Anleihe in ganzen Perioden bzw. vom Beginn der Zinsperiode, in
der der Valutatag fällt, bis zum Fälligkeitszeitpunkt (z. B. Jahre oder Halbjahre).

Der Nenner der Gleichung spiegelt den Full-Preis der Anleihe (einschließlich Stückzin- sen)
wider. Der Full-Preis einer optionsfreien festverzinslichen Anleihe lässt sich wie folgt
berechnen:7

K K K C NW
B0 Full D 1t=n
C 2t=n
C:::C : (10.14)
.1 C VR/ .1 C VR/ .1 C VR/Tt=n

Die nachstehende Gleichung zur Berechnung de r Macaulay-Duration kombiniert die bei- den
obenstehendenGleichungenmiteinander.DabeiwirdjedereinzelneTermdesZählers

4
DasBetaeinerAktiemisst,wievielsichdieRenditeeinerAktiebeieinerBewegungderMarkt-%zu,so
rendite verändert. Ist zum Beispiel das Beta 1,2 und nimmt die Marktrendite um 2 erhöht
sich die Aktienrendite um 2;4 % (1,2 D 2;4 %=2 %). Vgl. Abschn. 4.4.2 .
5
Vgl. Macaulay 1938 : Some Theoretical Problems Suggested by the Movements of Interest Rates,
Bond Yields and Stock Prices in the United States since 1856, S. 1 ff. 6
Vgl. Adams und Smith 2015 : Understanding Fixed-Income Risk and Return, S. 163.
7
Vgl. Abschn. 9.2.5 .
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 563

von (10.13 ) durch den Full-Preis dividiert. Dar aus ergibt sich eine Macaulay-Duration, welche
diedurchschnittlichgewichteteZeitdererwartetenCashflowsderAnleihewie-dergibt:

2 K 3 2 K 3
6 .1 C VR/1t=n 7 6 2t=n 7
MacDUR D .1  t=n/ 6 7 C .2  t=n/ 6 .1 C VR/ 7
4 B0 Full 5 4 B0 Full 5

2 K C NW 3 (10.15)
6 .1 C VR/Tt=n 7
C : : : C .T  t=n/ 6
4
7:
5
B0 Full

Die Zeit bis zum Erhalt der Cashflows setzt sich aus den folgenden Zeitperioden zu- sammen:
 t=n, 2  t=n, ..., T  tn.
= DieGewichteentsprechendemBarwertder1
periodisch anfallenden Cashflows dividiert durch den Full-Preis der Anleihe. Folglich
stellt die Macaulay-Duration e ine Zeitgröße dar und kann als die durchschnittliche Bin-
dungsdauerdererwartetenCashflowseinerAnleiheinterpretiertwerden.

Beispiel
Berechnung der Macaulay-Duration
Eine 5-jährige festverzinsliche Anleihe mit einem jährlichen Kupon von 4 % weist eine
Verfallrendite von 5 % auf.

1. Wie hoch ist die Macaulay-Duration der 5-jährigen Anleihe, wenn die Valuta auf den
Kuponterminfällt?
2. Die festverzinsliche 4 %-AnleiheverfügtübereineRestlaufzeitvon4,425Jahren.Der
Valutatagistder4.November2016.DerletzteKuponterminvom8.April
2016 liegt 210 Tage zurück und die Day-Count-Konvention ist tagesgenau / ta- gesgenau
ICMA.DasJahrbestehtaus365Tagen.WiehochistdieMacaulay-Duration?

Lösungzu1
Da sich der Valutatag auf einem Kupontermin befindet, ist t=n D 0. Um die Macaulay-
Duration zu bestimmen, können der Full-Preis, die Gewichte (Barwert der periodisch
anfallenden Cashflows dividiert durch den Full-Preis) und die gewichteten Zeitperioden der
erwartetenCashflowsmithilfederfolgendenTabelleermitteltwerden:
564 10 RisikoanalysevonAnleihen

Perioden (Jahre) Cashflows Barwert der Cashflows Gewichte Periode  Gewicht


1 4 3,8095a 0,040b 0,040c
2 4 3,6281 0,038 0,076
3 4 3,4554 0,036 0,108
4 4 3,2908 0,034 0,136
5 104 81,4867 0,852 4,260
95,6705 1,000 4,620
4
a
D 3;8095
.1;05/1
b 3;8095
D 0;040
95;6705
c
1  0;040 D 0;040
DieMacaulay-DurationergibtsichausderSummedergewichtetenPeriodender
erwartetenCashflowsundbeträgtfürdie5-jährige 4 %-Anleihe 4,620 (D 0;040 C
0;076 C 0;108 C 0;136 C 4;260).

Lösungzu2
Der erste Kupon fällt in 155 Tagen (D 365 Tage  210 Tage)an,wasinJahrenausge-Tage)
drückt, eine Zeitperiode von 0,4247 Jahren (D 155 Tage=365 ist.DerFull-Preis,
die Gewichte und die gewichteten Zeitperioden können mithilfe der folgenden Darstel-
lung berechnet werden:

Perioden (Jahre) Cashflows Barwert der Cashflows Gewichte Periode  Gewicht


0,4247 4 3,9180a 0,040b 0,0170c
1,4247 4 3,7314 0,038 0,0541
2,4247 4 3,5537 0,036 0,0873
3,4247 4 3,3845 0,034 0,1164
4,4247 104 83,8064 0,852 3,7698
98,3940 1,000 4,0446
4
a
D 3;9180
.1;05/0;4247
b 3;9180
D 0;040
98;3940
c
0;4247  0;040 D 0;017

Die Macaulay-Duration der Anleihe liegt bei 4,045 (D 0;0170 C 0;0541 C 0;0873 C
0;1164 C 3;7698).8

8
MitMicrosoftExcellässtsichdieMacaulay-DurationanhandderFinanzmathematikfunktion
DURATIONwiefolgtberechnen:DATUM(2016;11;4),DATUM(2021;4;8),0,04,0,05,1,1.Die
Inputfaktoren sind der Valutatag 4. November 2016, der Fälligkeitstag 8. April 2021, der Kuponsatz von
%, die Verfallrendite von 5 %,derKode1fürdiejährlicheVerzinsungderAnleiheundder4
Kode 1 für die Day-Count-Konvention tagesgenau / tagesgenau.
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 565

Eine geschlossene Gleichung für die Be rechnung der Macaulay-Duration lautet wie
folgt:9
" #
1 C VR 1 C VR C ŒT .KS  VR/
MacDUR D     .t=n/ ; (10.16)
VR KS .1 C VR/T  1 C VR

wobei:

VR D Verfallrendite,
KS D Kuponsatz,
t D Anzahl Tage von Beginn der Zinsperiode bis zum Valutatag,
n D AnzahlTageinderKuponperiode,
T D Restlaufzeit der Anleihe in ganzen Perioden bzw. vom Beginn der Zinsperiode des
Valutatags bis zum Fälligkeitszeit punkt (z. B. Jahre oder Halbjahre).

Die Macaulay-Duration lässt sich anhand dieser Gleichung für die im vorangegangenen
Beispielvorgestellte5-jährige 4 %-Anleihe mit einer Verfallrendite von 5 % folgenderma-
ßen berechnen (VR D 0,05, KS D 0,04, T D 5, t=n D 0):
2 3
1;05 1;05 C 5  .0;04  0;05/
MacDUR D 4  h i 5 D 4;620:
0;05 0;04  .1;05/5  1 C 0;05

Liegt die Restlaufzeit der 4 %-Anleihe bei 4,425 Jahren und ist die Verfallrendite 5 %,
so resultiert daraus wie im vorangegangenen Beispiel eine Macaulay-Duration von 4,045
(t=n D 210 Tage / 365 Tage):
2 3
 
4 1;05 1;05 C 5  .0;04  0;05/
5 210
MacDUR D  h i  D 4;045:
0;05 0;04  .1;05/5  1 C 0;05 365

Um die modifizierte Duration zu bestimmen, ist die Macaulay-Duration durch 1 plus die
Verfallrenditezudividieren.Fürdie 4 %-Anleihe mit Restlaufzeiten von 5 und 4,425 Jah-
5 %ergebensichmodifizierteDurationenvon4,4undren
sowie
3,852:einer
10 Verfallrenditevon
4;620
MDUR D D 4;400;
1;05
4;045
MDUR D D 3;852:
1;05
9
FürdieHerleitungderFormelvgl.z.B.Smith 2014:BondMath:TheTheoryBehindtheFormulas,255ff.
S.
10
Mit Microsoft Excel lässt sich beispielsweise für die 4,425-jährige 4 %-Anleihe die modifi-
zierte Duration anhand der Finanzmathematik funktion MDURATION wie folgt ermitteln: DA-
TUM(2016;11;4), DATUM(2021;4;8), 0,04, 0,05, 1, 1. Die Inputfaktoren sind der Valutatag 4.
November2016,derFälligkeitstag8.April2021,derKuponsatzvon 4 %, die Verfallrendite von 5 %,
der Kode 1 für die jährliche Verzinsung der Anleihe und der Kode 1 für die Day-Count-Konvention
tagesgenau / tagesgenau.
566 10 RisikoanalysevonAnleihen

(Anleihe- 120 Preisfunktionskurve


preis Fehler bei der Berechnung
in %) der Preisänderung anhand
der modifizierten Duration
110

100
B0 = 98,394

90

80
Tangente

70
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
VR– VR0 VR+
(Verfallrendite in %)

Abb.10.1 Preisfunktionskurve der optionsfreien festverzinslichen 4,425-jährigen 4 %-Anleihe mit


einer Tangente

Mithilfe der Taylor-Reihenentwicklung und der modifizierten Duration lässt sich annähe-
rungsweise diePreisänderung der Anleihe ausrechnen. So zum Beispiel beträgt der Full- Preis
der
4 %-Anleihe mit einer Restlaufzeit von 4,425 Jahren 98;394 %. Fällt beispiels-
weise die Verfallrendite von 5 % auf 4;95 %, gelangt man zu einem Preis von 98;584 %:

B1 D B0 C B D 98;394 % C .3;852/ 98;394 %  .0;0005/ D 98;584 %:

Wird der Full-Preis der Anleihe mit einer Verfallrendite von 4;95 % ermittelt, erhält man
wiederum den Preis von 98;584 %:
4% 4% 4%
B1; Full D 0;4247
C 1;4247
C
.1;0495/ .1;0495/ .1;0495/2;4247
4% 104 %
C 3;4247
C
.1;0495/ .1;0495/4;4247
D 98;584 %:

DieseBerechnungenzeigen,dassfüreinesehrkleineRenditeänderungdieBeziehungzwischen
dem Bond-Preis und der Verfallrendite ungefähr linear ist, sodass die erste Ab- leitung bzw. die
modifizierteDurationgenügt,umdiePreisänderunganhandderTaylor-Reihenentwicklungzu
eruieren. Bei größeren Renditeänderungen muss die zweite Ablei- tung bzw. die Konvexität
berücksichtigtwerden.
11

Graphisch lässt sich die modifizierte Dura tion mithilfe eines Preis-Rendite-Diagramms
und einer Tangente visualisieren. Abb. 10.1 zeigt die Preisfunktionskurve der4 %-Anleihe

11
Für die Konvexität vgl. Abschn. 10.2.3 .
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 567

mit einer Restlaufzeit von 4,425 Jahren. Die Tangente berührt die Preisfunktionskurve am
PreispunktB von 98;394 % und am Renditepunkt VR von 5 %. Die Steigung der
0 0
Tangente entspricht der modifizierten Duration der Anleihe, die am Preispunkt B0 und
am Renditepunkt VR0 bestimmt wird. Bei kleinen Renditeänderungen ist die Beziehung
zwischendemPreisundderVerfallrenditeweitestgehendlinear,sodassanhandderTan-gentein
der Abbildung der neue Anleihepreis bestimmt werden kann. Liegt hingegen eine größere
Renditeänderung vor, ist dieBeziehungzwischendem Bond-Preisund der Verfall- rendite nicht
mehr linear. Wird trotzdem die Preisänderung lediglich mit der Tangente bzw. mit der
modifizierten Duration berechnet und so eine lineare Preis-Rendite-Beziehung unterstellt,
resultiert daraus ein Fehler. Geht die Verfallrendite zurück, unterschätzt man denPreisanstieg
mit der Duration, während bei einer Zunahme der Verfallrenditeder Preisrückgang überschätzt
wird. Um die Preisänderung annäherungsweise mithilfe der Taylor-Reihenentwicklung zu
ermitteln, ist zusätzlich zur modifizierten Duration die mo- difizierte Konvexität zu
berücksichtigen, sodass neben der linearen auch die nicht-lineare Preis-Rendite-Beziehung in
dieBerechnungeneinbezogenwird.

10.2.2.2 EigenschaftenderDuration
Die modifizierte Duration ergibt sich aus der ersten Ableitung der Preisgleichung nach der
Verfallrendite.DemnachhängtsievonderRestlaufzeit,vomKupon,vonderVer-fallrenditeund
von der Zeitperiode vom letzten Kupontermin bis zum Valutatag ab. Die Eigenschaften der
Duration können identifiziert werden, indem einer dieser Faktoren ver- ändert und die Wirkung
auf die Duration untersucht wird. Dabei werden die übrigen Faktoren gleich belassen. Die
Duration wird eingesetzt, um das Preisänderungsrisiko ei- ner Anleihe zu beurteilen und zu
messen. Daher ist es wichtig, dass die Marktteilnehmer die Beziehung zwischen den
PreisfaktorenundderDurationverstehen.

DadieEigenschaftenderMacaulay-DurationauchfürdiemodifizierteDurationgelten,
könnensieanhanddergeschlossenenFormelfürdieBerechnungderMacaulay-Duration
abgeleitetwerden(siehe(10.16)):

" #
1 C VR 1 C VR C ŒT .KS  VR/
MacDUR D     .t=n/ :
VR KS .1 C VR/T  1 C VR

Die Formel zeigt, dass die Macaulay-Duratio n unter anderem von der Zeitperiode vom letzten
KuponterminbiszumValutatag(alsovontn)beeinflusst = wird.DieDurationhängt
somit von der Day-Count-Konvention ab. Die Methode tagesgenau / tagesgenau führt zu einer
leichtanderenMacaulay-DurationalsbeispielsweisedieMethode30/360.DesWeiterennimmt
die Macaulay-Duration bei einer konstanten Verfallrendite ab, wenn man sich entlang der
Kuponperiodevont
D 0 bis t D n bewegt, weil der Term t=n in der For-
mel zunimmt. Beginnt eine neue Zinsperiode, fällt t=n wieder auf 0, da t D 0 ist, was
dazu führt, dass zu Beginn einer neuen Kuponperiode die Duration sprunghaft ansteigt. Abb.
10.2 visualisiert diesen Effekt auf dieMacau lay-Duration bei einer konstantenVer- fallrendite,
die im Diagramm von rechts nach links zuerst gleichmäßig fällt und zu Beginn der neuen
Kuponperiodesprunghaftzunimmt.
56 10 RisikoanalysevonAnleihen

(Macaulay-
Duration)

0 (Restlaufzeit der Anleihe)

Kupontermine

Abb.10.2 Macaulay-Duration zwischen zwei K uponterminen und bei einer konstanten Verfallren-
dite

(Macaulay-
Nullkuponanleihe
Duration)

Discount Bond

1 + VR
Rentenanleihe
VR

Premium Bond / Par Bond

0
0 (Restlaufzeit der Anleihe)

Abb.10.3 Beziehung zwischen M acaulay-Duration und Restlaufzeit der Anleihe

Abb.10.3zeigtdieBeziehungzwischenderMacaulay-DurationundderRestlaufzeitvon
Nullkuponanleihen,RentenanleihensowievonPremium,ParundDiscountBonds,wennsich
dieAnleihenaufeinemKuponterminbefindenbzw.tn
= D 0 ist (also ohne
sprunghaften Anstieg der Duration an einem Zinstermin).
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 569

Eine Nullkuponanleihe weist einen Kuponsatz von 0 % auf. Das führt gemäß ( 10.16 )
zu einer Macaulay-Duration von T (KS D 0 und t=n D 0):

1 C VR 1 C VR  T VR
MacDUR0 %Bond D 
VR VR (10.17)
1 C VR 1 C VR T VR
D  C D T:
VR VR VR

Demnach ist die Macaulay-Du ration einer Nullkuponanleihe durch deren Restlaufzeit
gegeben.NimmtdieRestlaufzeitab,sofälltdieDurationderNullkuponanleihe.DieBe-ziehung
zwischenderMacaulay-DurationundderRestlaufzeitistinAbb.10.3durcheineLiniemiteinem
45-Grad-Winkeldargestellt.

EineRentenanleihe(PerpetualBondoderConsol)isteineAnleihemiteinerunbegrenz-ten
Laufzeit.SiebesitztkeinenNominalwert,dervomEmittentenzurückbezahltwerdenmuss.
NichtkündbareRentenanleihentrifftmanrelativseltenan,abersieverfügenübereine
interessanteMacaulay-Duration.WennTgegenunendlichstrebt,bewegtsichderzweiteTerm
rechtsdesGleichheitszeichensvon( 10.16)gegen0,waszufolgenderFor-melfürdie
Macaulay-Durationführt(beitn
= D 0):12

1 C VR
MacDURRentenanleihe D : (10.18)
VR

In Abb. 10.3 ist für eine Rentenanleihe das Verhä ltnis zwischen der M acaulay-Duration und der
RestlaufzeitdurcheinewaagerechteLiniegegeben.
BeioptionsfreienfestverzinslichenAnleihenführtüblicherweiseeinelängere(kürze-re)
Restlaufzeitzueinerhöheren(niedrigeren)Duration.In( 10.16)istfüreinenPremiumoderPar
BondderzweiteTermrechtsdesGleichheitszeichenspositiv,weilderenKu-ponsatzgrößer
odergleichdieVerfallrenditeist
.KS  VR,währendderNennerimmer/
positivist.FürAnleihenüberdemoderzumPar-WertistdieMacaulay-Durationdemnachimmer
niedrigeralsderTerm .1 C VR/ =VR.
Abb. 10.3 zeigt bei einem Discount Bond, dass bei e iner langen Laufzeit die Macaulay-
Duration zuerst steigt, wenn die Laufzeit z urückgeht, bevor sie dann mit abnehmender Laufzeit
zufallenbeginnt. 13
DieserVerlaufderDurationbeieinemDiscountBondlässtsich
anhanddeszweitenTermsrechtsdesGleichheitszeichensvon( 10.16)erklären,derabhängigvon
derLaufzeitentwederpositivodernegativausfällt.IstdieLaufzeitderAn-leihegenügendlangund
derKuponniedrigeralsdieVerfallrendite
.KS < VR/, dann kann
im Zähler des zweiten Terms rechts de s Gleichheitszeichens der Ausdruck T .KS  VR/
die Notation im Zähler von 1 CVR überschreiten. Der zweite Term ist negativ und die

12
Wenn T steigt, nimmt der Nenner des zweiten Terms rechts des Gleichheitszeichens von ( 10.16 )
im Vergleich zum Zähler stärker zu, weil T im Nenner ein Exponent ist.
13
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 769 ff.
570 10 RisikoanalysevonAnleihen

Macaulay-Duration kommt über dem ersten Term der Gleichung von .1 C VR/ =VR zu
liegen. Nimmt die Restlaufzeit des Discounts Bonds ab, geht der Ausdruck T .KS  VR/
zurück und fällt unter 1 CVR, was dazu führt, dass die M acaulay-Duration unter dem
ersten Term der Gleichung von .1 C VR/ =VR zu liegen kommt. Ein Rückgang der Rest-
laufzeit hat eine niedrigere Duration zur Folge. Daraus lässt sich die folgende Regel für
DiscountsBondsableiten:IstdieRestlaufzeitgenügendlangundderKuponsatzweitun-terhalb
derVerfallrendite,liegtdieMacaulay-DurationüberdemTerm .1 C VR/ =VR.
Nimmt die Restlaufzeit ab, so steigt zunächst die Macaulay-Duration, bevor sie zu fallen
beginnt und den Term .1 C VR/ =VR unterschreitet. Folglich kann das Preisänderungsri-
siko von Discount Bonds mit einer längeren Restlaufzeit im Vergleich zu einer kürzeren
Restlaufzeit niedriger sein.14
ZwischenderMacaulay-DurationunddemKuponsatzbestehteinenegativeBezie-hung.
Abb.10.3zeigt,dassfürdiegleicheRestlaufzeitundVerfallrenditedieMacaulay-Duration
einerNullkuponleihegrößeristalsdieeinesDiscountBondsundnochgrößeralsdieeines
PremiumBonds.Jeniedriger(höher)derKuponist,destohöher(niedriger)istdieDuration,
wennalleanderenFaktorengleichbleiben.

DieBeziehungzwischenderMacaulay-DurationundderVerfallrenditeistebenfalls
negativ.Diesdeshalb,weileinehöhereVerfallrenditedengewichtetenDurchschnittder
erwartetenCashflowsreduziert.BeiderBerechnungderDurationerhaltennäherliegende
CashflowsaufgrundderhöherenVerfallrenditeeingrößeresGewichtundzeitlichweiterweg
liegendeCashflowseinkleineresGewicht,waseineniedrigereDurationzurFolgehat.

DieEigenschaftenderMacaulay-DurationunddermodifiziertenDurationbzw.des
PreisänderungsrisikoseineroptionsfreienfestverzinslichenAnleihehängenvondenfol-
gendenFaktorenab:

 NimmtdieZeitperiodezwischendemletztenKuponterminunddemValutatagzu,sogehtdie
Duration bzw. das Preisänderungsrisiko zurück. Allerdings steigt am Zinster- min die
Duration sprunghaft an, aber verglichen mit dem davorliegenden Zinstermin auf einem
niedrigerenNiveau.

 Üblicherweise ist die Beziehung zwischen der Restlaufzeit und der Duration positiv. Nimmt
die Restlaufzeit ab (zu), so verringert (erhöht) sich die Duration und somit das
Preisänderungsrisiko. Eine Ausnahme stellen Discount Bonds mit einer langen Rest-
laufzeit und einem Kuponsatz weit unterhalb der Verfallrendite dar. So kann bei einem
RückgangderRestlaufzeitdieDurationzuerstansteigen,bevorsiezufallenbeginnt.

14
Betragen zum Beispiel bei einem 40-jährigen Discount Bond der jährliche Kuponsatz 1 % und
die Verfallrendite 10 %, so liegt die Macaulay-Duration bei 15,61. Geht die Laufzeit auf 30 Jahre
zurück, steigt die Macaulay-Duration auf 17,05. Bei einem weiteren Rückgang der Laufzeit auf 20 Jahre
fällt die Macaulay-Duration auf 15,45. Bei einer Restlaufzeit von 12 Jahren fällt die Macaulay- Duration
von10,84erstmalsunterdenWertvon(1
CVR ) = VR, der 11 (D 1;1=0;1) ist.
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 571

 Das Verhältnis zwischen dem Kuponsatz und der Duration ist negativ. Ein höherer
(niedrigerer) Kupon hat eine niedrigere (höhere) Duration bzw. ein niedrigeres (höhe- res)
PreisänderungsrisikozurFolge.
 Die Beziehung zwischen Verfallrendite und Duration ist negativ. Eine höhere (niedri- gere)
Verfallrendite impliziert eine niedri gere (höhere) Duration bzw. ein niedrigeres (höheres)
Preisänderungsrisiko.

Beispiel
Beurteilung des Preisänderungsrisikos vo n optionsfreien festverzinslichen Anlei- hen

Ein Portfolio besteht aus den folgenden vier optionsfreien festverzinslichen Anleihen:

Anleihe Restlaufzeit Kupon (jährlich) Verfallrendite


Anleihe A 10 Jahre 0% 5%
Anleihe B 10 Jahre 5;5 % 5;5 %
Anleihe C 9 Jahre 6% 5;5 %
Anleihe D 5 Jahre 6;5 % 5;2 %

Wie lässt sich das Preisänderungsrisiko der vier Anleihen beurteilen?

Lösung
Die 10-jährige Nullkuponanleihe besitzt die höchste Duration bzw. das höchste Preis-
änderungsrisiko, weil es die Anleihemit der längsten Laufzeit sowie dem niedrigsten Kupon
und der niedrigsten Verfallrendite ist. Die Anleihe B verfügt über das zweit- höchste
Preisänderungsrisiko.SieweistwiedieNullkuponanleihedielängsteLaufzeitvon10Jahren
auf,verfügtaberübereinenhöherenKuponundeinehöhereVerfall-rendite.DieAnleiheChat
aufgrund der kürzeren Restlaufzeit von 9 Jahren und eines höheren Kupons eine niedrigere
Duration als die beiden ersten Anleihen. Anleihe D besitzt die kürzeste Restlaufzeit von 5
Jahren und den höchsten Kupon, sodass die Duration bzw. das Preisänderungsrisiko am
niedrigsten ist. Werden die modifizierten Durationen der vier Anleihen berechnet, ge langt
manzufolgendenWerten,welchedieErgebnissederqualitativenAnalysebestätigen:

 Anleihe A: Modifizierte Duration D 9,52 (D 10=1;05).


 Anleihe B: Modifizierte Duration D 7,54.
 Anleihe C: Modifizierte Duration D 6,87.
 Anleihe D: Modifizierte Duration D 4,22.

10.2.2.3 Angenähertemodi zierteDuration


Die modifizierte Duration ergibt sich aus der ersten Ableitung des Anleihepreises ge- genüber
einerkleinenVeränderungderVerfallrendite.EineAlternativedazustelltdie
572 10 RisikoanalysevonAnleihen

angenäherte modifizierte Duration dar, die bei einer gleichen Ab- und Zunahme der Ver-
fallrenditemitfolgenderFormelermitteltwird: 15
B B C
MDURApprox D ; (10.19)
2VR B 0
wobei:

B D Full-Preis der Anleihe nach eine r Abnahme der Verfallrendite,


BC D Full-PreisderAnleihenacheinerZunahmederVerfallrendite,
B0 D Full-PreisderAnleihevorderVeränderungderVerfallrendite,VR
 D Veränderung der Verfallrendite (in Dezimalstellen).

Mit der angenäherten modifizierten Duratio n wird die negative Steigung der Tangente an der
Preisfunktionskurvebestimmt,diedurchdiebeidenPreis-Rendite-PunkteB und 
VR sowie BC und VRC verläuft. Die Steigung der Tangente – also Y=X – resultiert
aus der Preisänderung von B  BC (also Y) dividiert durch zweimal die Veränderung
der Verfallrendite von 2VR (also X). Da für die Berechnung der modifizierten Durati-
on der Term B=VR durch B0 dividiert wird, ist für die Bestimmung der angenäherten
modifizierten Duration ebenfalls der Term .B  BC / =2VR durch den Bond-Preis von
B0 zu dividieren. Abb. 10.4 visualisiert die Herleitung der angenäherten modifizierten Du-
ration anhand der Preisfunktionskurve und der S teigung der Tangente für eine 20-jährige
5 %-Anleihe.

(Anleihe-
ΔY B − B+
preis in %, Y) MDURApprox = = −
ΔX Y 2ΔVR B0
200
180 Preisfunktionskurve

160
ΔY ΔB
140 MDUR = − =−
ΔX Y ΔVR B0
B–
B– 120
– B0 100 ΔY Tangente an den Punkten
B– und VR– sowie B+ und VR+
B+
B+ 80
60
40 ΔX
20 Tangente am Punkt
B0 und VR0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
VR– VR0 VR+ (Verfallrendite in %, X)

2ΔVR

Abb.10.4 Angenäherte modifizierte Duration

15
Vgl. Fabozzi 1993 : Fixed Income Mathematics: Analytical & Statistical Techniques, S. 173.
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 573

BeiderapproximiertenmodifiziertenDurationhandeltessichumeineAnnäherungandie
modifizierteDuration.DieSteigungwirdanderTangentebeidenPreis-Rendite-PunktenvonB
 und VR sowie von BC und VRC bestimmt und nicht am Preis-Rendite-
Punkt von B0 und VR0, wie dies bei der modifizierten Duration der Fall ist. Je kleiner die
gewählte Veränderung der Verfallrendite ist, desto näher gelangt man an die Steigung der
Tangente,diemitdermodifiziertenDurationandenPunktenB 0 und VR0 eruiert wird.
Um diesen Zusammenhang zu illustrieren, wird die angenäherte modifizierte Duration für
die 20-jährige Anleihe mit einem jährlichen Kupon von 5 % und einer Verfallrendite von
5 % für eine Veränderung der Verfallrendite von 50 und 150 Basispunkten ermittelt und
anschließend mit der modifizierten Duration verglichen.
DiePreiseder20-jährigen 5 %-Anleihe mit einer Verfallrendite von 4;5 % und 5;5 %
betragen 106;504 % und 94;025 %:
5% 5% 105 %
B D 1
C 2
C:::C D 106;504 %;
.1;045/ .1;045/ .1;045/20
5% 5% 105 %
BC D C C:::C D 94;025 %:
.1;055/1 .1;055/2 .1;055/20
Bei einem Bond-Preis B0 von 100 % und einer Veränderung der Verfallrendite von 50
Basispunkten ergibt sich eine angenäherte modifizierte Duration von 12,479:
106;504 %  94;025 %
MDURApprox D D 12;479:
2  0;005  100 %
Die Preise der 20-jährigen 5 %-Anleihe mit einer Verfallrendite von 3;5 % und 6;5 % las-
sen sich wie folgt berechnen:
5% 5% 105 %
B D C C:::C D 121;319 %;
.1;035/1 .1;035/2 .1;035/20
5% 5% 105 %
BC D C C:::C D 83;472 %:
.1;065/1 .1;065/2 .1;065/20
Die angenäherte modifizierte Duration liegt bei 12,616:
121;319 %  83;472 %
MDURApprox D D 12;616:
2  0;015  100 %
Die modifizierte Duration der 20-jährigen 5 %-Anleihe beläuft sich bei einer Verfallrendi-
te von 5 % auf 12,462 und kann wie folgt ermittelt werden:
2 3
1;05 1;05 C 20  .0;05  0;05/ 5
MacDUR D 4  h i D 13;085;
0;05 0;05  .1;05/20  1 C 0;05

13;085
MDUR D D 12;462:
1;05
Diese Berechnungen zeigen, dass man mit einer kleineren Veränderung der Verfallren-
dite von 50 Basispunkten und einer so ermittelten angenäherten modifizierten Duration
574 10 RisikoanalysevonAnleihen

von12,479sehrnaheandiemodifizierteDurationvon12,462gelangt.Daheristeswich-tig,dass
manfürdieBestimmungderangenähertenmodifiziertenDurationrelativkleineÄnderungender
Verfallrenditenimmt.
Mit der angenäherten modifizierten Duration lässt sich durch Multiplikation mit 1 C
Verfallrendite auch die approximierte Macaulay-Duration berechnen:

MacDURApprox D MDURApprox .1 C VR/ : (10.20)

Beispiel
Berechnung der modifizierten Duration, der angenäherten modifizierten Durati- on
undderPreisänderung
Eine Unternehmensanleihe m it Fälligkeitstag am 14. September 2026 weist einen Ku- pon
von 4 % auf, der halbjährlich entrichtet wird. Die Kupontermine fallen jeweils auf
den 14. März und 14. September eines Jahres. Die Day-Count-Konvention ist tages-
genau / tagesgenau ICMA. Die Verfallrendite beläuft sich auf 5 % (Bond Equivalent
Yield). Die Anleihe wird am 16. Mai 2016 gekauft. Der Valutatag ist der 18. Mai 2016.

1. WiehochistdiemodifizierteDurationderAnleihe?Wie
2. hoch sind die angenäherte modifizierte Duration und die approximierte
Macaulay-Duration der Anleihe, wenn ei ne Veränderung der Verfallrendite von
10 Basispunkten bei deren Berechnung unterstellt wird?
3. Um wie viel fällt die Preisänderung der Anleihe anhand der Taylor-Reihenentwick- lung
dererstenOrdnungaus,wenndieVerfallrenditeum75Basispunktesteigt?

Lösungzu1
VomletztenKupontermin14.März2016biszumValutatag18.Mai2016sindesins-gesamt65Tage.Die
Kuponperiodevom14.Märzbis14.September2016umfasst184Tage.UmdiemodifizierteDurationzu
bestimmen,istzunächstdieMacaulay-Durationfestzulegen.Daessichumeinehalbjährliche
verzinslicheAnleihehandelt,sindfürKS

D 0,02, VR D 0,025, T D 21, t D 65 und n D 184 zu verwenden, was zu


einer Macaulay-Duration von 16, 807 Halbjahresperioden führt:
2 3
1;025 1;025 C 21  .0;02  0;025/
MacDUR D 4  h i 5  .65=184/ D 16;807:
0;025 0;02  .1;025/21  1 C 0;025

Die Macaulay-Duration bzw. die durchschnittliche Bindungsdauer der Cashflows be- läuft
sich auf 16,807 Halbjahresperioden. Um die modifizierte Duration auf der Basis von
Halbjahresperiodenvon16,397auszurechnen,istdieMacaulay-Durationdurch1
C Verfallrendite=2 zu dividieren:
16;807
MDUR D   D 16;397:
0;05
1C
2
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 575

Auf Jahresperioden umgerechnet, ergibt sich eine modifizierte Duration von 8,199 (D
16;397=2).

Lösungzu2
Die Bond-Preise bei einer Verfallrendite von 5 %, 4;9 % und 5;1 % können wie folgt
berechnet werden:


2% 2% 102 %
B0 D 1
C 2
C :::C 21
 .1;025/65=184 D 92;713 %;
.1;025/ .1;025/ .1;025/


2% 2% 102 %
B D C C:::C  .1;0245/65=184 D 93;477 %;
.1;0245/1 .1;0245/2 .1;0245/21


2% 2% 102 %
BC D C C : : : C  .1;0255/65=184 D 91;957 %:
.1;0255/1 .1;0255/2 .1;0255/21

Die angenäherte modifizierte Duration liegt bei 8,197:

93;477 %  91;957 %
MDURApprox D D 8;197:
2  0;001  92;713 %

Die approximierte Macaulay-Duration beträgt 8,402:


 
0;05
MacDURApprox D 8;197  1 C D 8;402:
2

DieangenäherteMacaulay-Durationvon8,402stelltdiedurchschnittlicheBindungs-dauer
der Cashflows in Jahren dar. Demgeg enüber bedeutet eine angenäherte modi- fizierte
Durationvon8,197,dassbeieinemAnstiegderVerfallrenditeum
1 % der
Bond-Preis um %fällt.FolglichistdiemodifizierteDurationeineSensitivitäts-
größe. 8;197

Lösungzu3
Bei einer Zunahme der Verfallrendite um 75 Basispunkte fällt der Anleihepreis an-
näherungsweiseum 5;701 %, wenn in der Taylor-Reihenentwicklung die modifizierte
Duration von 8,199 eingesetzt wird:

B D .8;199/  92;713 %  0;0075 D 5;701 %:

10.2.2.4 EffektiveDuration
Ein weiterer Ansatz, um das Preisänderungsrisiko einer festverzinslichen Anleihe zu mes- sen,
ist die effektive Duration. Hierzu wird anstelle einer Veränderung der Verfallrendite eine
ÄnderungderBenchmarkkurvewieetwadierisikoloseZinsstrukturkurveverwendet,
576 10 RisikoanalysevonAnleihen

um annäherungsweise die Duration auszurechnen. Folglich verkörpert die effektive Du- ration
die Bond-Preissensitivität gegenübereiner Veränderungder Benchmarkkurve. DieFormel zur
BerechnungdereffektivenDurationlautetwiefolgt: 16

B  BC
EDUR D ; (10.21)
2i B0
wobei:

i D Veränderung der Benchmarkkurve (z. B. risikolose Zinsstrukturkurve).

Der Unterschied zwischen den Formeln der angenäherten modifizierten Duration und der
effektivenDurationliegtimNenner.FürdieBerechnungderErsterenwirddieVerände-rungder
Verfallrendite genommen, während für Letztere die Änderung der Benchmark- kurve
berücksichtigt wird. Handelt es sich bei der Benchmarkkurve um die risikolose
Zinsstrukturkurve, lässt sich mit der effektiven Duration ungefähr die prozentuale Preis-
änderung der Anleihe gegenüber einer Veränder ung des risikolosen Zinssatzes bestimmen.
Demgegenüber ist die angenäherte modifizierte Duration einePreissensitivitätsgröße beieiner
Veränderung der Verfallrendite, die sich infolge des risikolosen Zinssatzes und/oder der
Risikoprämie(z.B.fürdasKredit-undMarktliquiditätsrisiko)bewegt.

17

BeiderErmittlungderangenähertenmodifiziertenDurationwirdunterstellt,dasssichdie
CashflowsdesBondsbeieinerBewegungderVerfallrenditenichtverändern.Demnachwerden
fürdieBerechnungderWertevonB
 und BC die gleichen erwarteten Cashflows
wie für den Wert B0 benutzt.DieneuenBond-Preisewerdenausschließlichvomneu-en
NiveauderVerfallrenditedeterminiert.DieseAnnahmeistfüroptionsfreieAnleihen
angemessen, nicht aber für Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen wie etwa Callable und
PutableBonds,weilderenerwarteteCashflowsvomZinsniveauabhängigsind.DerUnterschied
zwischen der modifizierten Duration und der effektiven Duration kann für Anleihen mit
eingebetteten Zinsoptionen erheblich sein. So etwa kann ein Callable Bond eine modifizierte
Durationvon10haben,währenddieeffektiveDurationaufgrunddesniedrigenZinsniveausund
der dadurch gestiegenen Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Kündigung durch den
Emittentenlediglichbei2liegt.
18

DiePreisermittlungeinerAnleihemiteinereingebettetenZinsoptionerfolgtanhandeines
binomialenZinsbaums,derdieEin-Perioden-TerminzinssätzefürAuf-undAb-
wärtsbewegungendesZinsniveausbeinhaltet. 19
IstbeispielsweisederPreiseinesCallable
BondsnacheinerparallelenZunahmeundAbnahmederrisikolosenPar-Kuponsätzeum
jeweils40Basispunkte
% respektive 100;756 %undistderPreisvorderZinssatz-
98;545
änderung 99;955 %,ergibt sicheineeffektiveDurationvon2,765:
100;756 % 98;545 %
EDUR D D 2;765:
2  0;004  99;955 %
16
Vgl. Fabozzi 2007 : Fixed Income Analysis, S. 169.
17
Vgl. Adams und Smith 2015 : Understanding Fixed-Income Risk and Return, S. 170 ff.
18
Vgl. Fabozzi 2000 : Fixed Income Analysis for the Chartered Financial Analyst ® Program,
S. 262 ff.
19
Vgl. Abschn. 11.4 .
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 577

Obwohl die effektive Duration für die Messung des Zinsänderungsrisikos von Anleihen mit
eingebettetenZinsoptionen eingesetzt w ird, ist sie auch als Ergänzungzur Macaulay- Duration
undmodifiziertenDurationvonoptionsfreienAnleihennützlich.

10.2.2.5 DurationeinesAnleiheportfolios
Die Duration eines Anleiheportfolios ist durch die Summe der marktwertgewichteten Du-
rationen der einzelnen Anleihen im Portfolio gegeben. Der Marktwert des Bond-Portfolios
bestehtausderSummederMarktwertedereinzelnenAnleihen(i
D 1, 2, ..., N): B P D
PN
iD1 Bi. Die Marktwertveränderung des Portfolios infolge einer Veränderung der Verfall-
rendite ergibt sich aus der Summe der Marktwertveränderungen der einzelnen Anleihen:
P
B P D N iD1 B . Somit lässt sich die Duration eines Bond-Portfolios wie folgt berech- i
20
nen:
N
1 Bi
MDURP D  Xi ; (10.22)
BP D1 VR

wobei:
BP D Marktwert des Anleiheportfolios,
Bi D Veränderung des Marktwerts einer Anleihe,
VR D Veränderung der Verfallrendite,
N D Anzahl Anleihen im Portfolio.

Die modifizierte Duration einer einzelnen Anleihe i ist gemäß ( 10.11 ):


Bi =VR
MDURi D  :
Bi
Wird in (10.22 )für Bi der Ausdruck MDURi Bi VR eingesetzt, erhält man folgende
Gleichung für die Duration des Anleiheportfolios:
N N
1 MDURi Bi VR 1
MDURP D  Xi D Xi MDURi Bi
BP D1 VR BP D1
(10.23)
N N
Bi
D Xi MDURi D Xi wi MDURi ;
D1
Bp D1

wobei:
wi D Marktwertgewicht der Anleihe i im Portfolio (wi D Bi =BP ).

Somit lässt sich die Duration eines Anleiheportfolios als Summe der marktwertgewichte- ten
DurationendereinzelnenAnleihenberechnen. 21

20
Vgl. Hull 2012 : Risk Management and Financial Institutions, S. 170.
21
Ein alternativer Ansatz besteht darin, dass m an dieDurationdesAnleiheportfoliosanhandder
aggregiertenCashflowssämtlicherAnleihenberechnet.DieseMethodezurBerechnungder
Bond-DurationistsehrumständlichundwirddaherinderPraxisfürdieBeurteilungdesPreisän-
derungsrisikosrelativselteneingesetzt.Vgl.AdamsundSmith 2015 :UnderstandingFixed-IncomeRisk
andReturn,S.180ff.
57 10 RisikoanalysevonAnleihen

Beispiel
Berechnung der Duration eines Anleiheportfolios
Ein Portfolio besteht aus den folgenden vier optionsfreien festverzinslichen Anleihen:

Anleihe Nominalwert Marktwert Modifizierte Duration


Anleihe A EUR 100:000 EUR 120:000 5
Anleihe B EUR 50:000 EUR 55:000 4
Anleihe C EUR 200:000 EUR 190:000 8
Anleihe D EUR 150:000 EUR 135:000 6

1. Wie hoch ist die modifizierte Duration des Bond-Portfolios?


2. Wie hoch ist annäherungsweise die Marktwertveränderung des Portfolios bei einer
ZunahmederVerfallrenditeum50Basispunkte?

Lösungzu1
Der Marktwert des Portfolios beträgt EUR 500:000. Die Gewichte der einzelnen An-
leihen können wie folgt bestimmt werden:

EUR 120:000
wA D D 0;24;
EUR 500:000
EUR 55:000
wB D D 0;11;
EUR 500:000
EUR 190:000
wC D D 0;38;
EUR 500:000
EUR 135:000
wD D D 0;27:
EUR 500:000

Die modifizierte Duration des Anleiheportfolios beläuft sich auf 6,3:

MDURP D 0;24  5 C 0;11  4 C 0;38  8 C 0;27  6 D 6;3:

Lösungzu2
Die Marktwertveränderung des Portfolios infolge einer Zunahme der Verfallrendite um 50
Basispunkte kann mit der Taylor-Reihenentwicklung der ersten Ordnung folgender- maßen
annäherungsweiseermitteltwerden:

BP D .6;3/  EUR 500:000  0;005 D EUR 15:750:

BeiAnleihenmiteingebettetenOptionenundvariabelverzinslichenAnleihenkanndie
DurationdesPortfoliosgleichwiebeioptionsfreienAnleihenalsSummedermarkt-
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 579

wertgewichteten effektiven Durationen bestimmt werden. Mit der Duration des Anlei-
heportfolios lassen sich lediglich die Marktwertveränderungen aus einer parallelen Ver-
schiebung der Zins- bzw. Renditestrukturkurve eruieren. Nicht parallele Verschiebungen der
Zins- bzw. Renditestrukturkurve können mit dieser Sensitivitätsgröße nicht erfasst werden.
Hierzu sind Key-Rate-Durationen e rforderlich, die im nachfolgenden Abschnitt beschrieben
werden.

10.2.2.6 Key-Rate-Durationen
Mit der effektiven Duration lässt sich die Preisänderung einer Anleihe oder eines An-
leiheportfolios bei einer parallelen Verschiebung der Benchmarkkurve bestimmen, wobei
etwaigeeingebetteteZinsoptionenmiteinbezogenwerden. 22
NichtparalleleVerschiebun-
genderBenchmarkkurvebzw.derrisikolosenZinsstrukturkurvekönnenmitdereffektiven
Durationnichterfasstwerden.HierzusindKey-Rate-Durationenerforderlich,diefürbe-
stimmteFristigkeitenentlangderrisikolosenZinsstrukturkurvedefiniertwerden.Sozum
BeispielhatHo(1992)dierisikoloseNullkuponkurvein11Fristigkeitenaufgeteiltundfürjede
LaufzeiteineKey-Rate-Durationbestimmt.
23
Die spezifischen Fristigkeiten entlang
der Zinsstrukturkurve, für die jeweils eine Key-Duration festgelegt wird, sind 3 Monate,
1,2,3,5,7,10,15,20,25und30Jahre.DabeiwerdenVeränderungenderZinssätzezwischenzwei
Key-Rate-Durationenlinearinterpoliert.
Key-Rate-DurationenkönnenfürdieMessungdesZinsänderungsrisikoseingesetztwerden,
wennsichdierisikoloseNullkuponkurvenichtparallelverschiebt.Wirdbeispiels-weisedie
ZinsstrukturkurveaufgrundeinernichtparallelenVerschiebungderZinssätzesteiler,wirddie
PreisänderungderAnleiheamkurzenEndeundamlangenEndederZins-strukturkurvemitden
unterschiedlichenKey-Rate-DurationenundZinssatzänderungenermittelt.ImFolgenden
werdenzurVereinfachungnicht11,sondernlediglich3Hauptfris-tigkeitenvon2,16und30Jahren
genommen.Darüberhinausliegen3NullkuponanleihenmitLaufzeitenvon2,16und30Jahren
vor.SomitergebensichfürdiesesPortfolioKey-Rate-Durationenvon2,16und30,weildie
RestlaufzeiteinerNullkuponanleiheungefährdermodifiziertenDurationentspricht.

24
DesWeiterenwirdvondenfolgendenzweiAn-
leiheportfoliosmitjeeinemMarktwertvonEUR 10:000 ausgegangen, die sich aus den
drei Nullkuponanleihen zusammensetzen:

Portfolio 2-jährige Nullku- 16-jährige Null- 30-jährige Null-


ponanleihe kuponanleihe kuponanleihe
1 EUR 5000 EUR 0 EUR 5000
2 EUR 0 EUR 10:000 EUR 0

22
Vgl. Abschn. 11.4 .
23
Vgl. Ho 1992 : Key Rate Durations: Measures of Interest Rate Risk, S. 29 ff.
24
Die Macaulay-Duration ist durch die Restlaufzeit der Null kuponanleihe gegeben. Vgl. Ab-
schn. 10.2.2.2 .
5 0 10 RisikoanalysevonAnleihen

DieKey-Rate-Durationenbelaufensichauf2,16und30.DieeffektivePortfoliodu-ration
setztsichausderSummedermarktgewichtetenKey-Rate-Durationenzusammen.Somitweisen
diePortfolios1und2effektiveDurationenvonjeweils16auf:

EDURPortfolio1 D 0;5  2 C 0;5  30 D 16;


EDURPortfolio2 D 1  16 D 16:
Erfolgt beispielsweise eine parallele Verschiebung der risikolosen Zinsstrukturkurve um
20 Basispunkte nach unten, steigt der Marktwert der beiden Portfolios annäherungsweise um
EUR 320:
BPortfolio1 D . 2/  EUR 5000  .0;002/ C .30/  EUR 5000  .0;002/
D EUR 320;
BPortfolio2 D .16/  EUR 10:000  .0;002/ D EUR 320:
Findet hingegen eine nicht parallele Verschiebung der risikolosen Zinsstrukturkurve statt,
bei der sich die 2-jährigen Nullkuponsätze um 15 Basispunkte nach unten, die 16-jährigen
Nullkuponsätze um 20 Basispunkte nach oben und die 30-jährigen Nullkuponsätze um 10
Basispunkte nach unten bewegen, resultieren dar aus die folgenden Marktwertänderungen der
beidenPortfolios:

BPortfolio1 D . 2/  EUR 5000  .0;0015/ C .30/  EUR 5000  .0;001/


D EUR 165;
BPortfolio2 D .16/  EUR 10:000  0;002 D EUR 320:
Die Berechnungen zeigen, dass bei einer nicht parallelen Verschiebung der Zinsstruk-
turkurve die Marktwertveränderungen der beiden Portfolios nicht gleich groß sind, ob- wohl
beide Anlagekombinationen über die gleiche effektive Portfolioduration von 16 verfügen.
Somit sind bei einer nicht parallelen Verschiebung der Zinsstrukturkurve Key-
Rate-Durationen und nicht die Portfolioduration einzusetzen, um annäherungsweise die
MarktwertveränderungdesAnleiheportfolioszubestimmen.

Beispiel
Berechnung der Preisänderung eines Anleiheportfolios mit Key-Rate-Durationen bei
einernichtparallelenVerschiebungderrisikolosenZinsstrukturkurve
Ein Portfolio besteht aus vier Nullkuponanleihen, die Restlaufzeiten von 2, 10, 20 und 30
Jahren besitzen. Die vier Anleihen weisen folgende Gewichte im Portfolio auf: 2- jährige
Anleihe
30 %, 10-jährige Anleihe 25 %, 20-jährige Anleihe 20 % und 30-jährige
Anleihe 25 %. Die Key-Rate-Durationen der vier Nullkuponanleihen sind durch deren
Restlaufzeiten gegeben.

1. Wie hoch ist die effektive Duration des Bond-Portfolios?


2. Wie hoch ist die prozentuale Preisänder ung des Anleiheportfolios anhand der Key-
Rate-Durationen, wenn sich der 2-jährige risikolose Zinssatz um 30 Basispunkte nach
unten,der10-jährigerisikoloseZinssatzum40Basispunktenachoben,der
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 5 1

20-jährige risikolose Zinssatz um 60 Basispunkte nach oben und der 30-jährige risi-
koloseZinssatzum80Basispunktenachobenbewegen?

Lösungzu1
Die effektive Duration des Bond-Portfolios liegt bei 14,6:
EDURP D 0;3  2 C 0;25  10 C 0;2  20 C 0;25  30 D 14;6:

Lösungzu2
Die prozentuale Preisänderung des Portfolios von 9;22 % lässt sich anhand der Key-
Rate-Durationen annäherungsweise wie folgt berechnen:
%BP D 0;3  . 2/  .0;003/ C 0;25  .10/  0;004
C 0;2  .20/  0;006 C 0;25  .30/  0;008
D 0;0922:

10.2.2.7 Geld-DurationundPriceValueofaBasisPoint
DiemodifizierteDurationmisstdieprozentualePreisänderungderAnleihebeieinerBe-wegung
der Verfallrendite. Eine verwandte Größe stellt die Geld-Duration (Money Du- ration) dar,
welchediePreisänderunginderWährungderAnleihewiedergibt.DieGeld-Durationergibtsich
ausdermodifiziertenDurationmultipliziertmitdemFull-PreisderAnleihe:

GDUR D MDUR B0 Full ; (10.24)


wobei:

GDUR D Geld-Duration (Money Duration),


MDUR D modifizierte Duration,
B0 Full D Full-Preis der Anleihe (einschließlich Stückzinsen).

Beispiel
Berechnung der Preisänderung anhand der Geld-Duration
Die Anleihe eines US-amerikanischen Un ternehmens mit Fälligkeitstag 15. März 2025 und
einemKuponvon 4 %, der halbjährlich entrichtet wird, wird am 11. April 2016
gekauft. Der Nominalwert der erworbenen Anleihe beträgt USD 100.000. Der Valuta- tag ist
der 13. April 2016. Die Kupons werden jeweils am 15. März und 15. September eines Jahres
bezahlt. Die Day-Count-Konven tion ist tagesgenau / tagesgenau ICMA. Die Verfallrendite
liegtbei
3;5 % (Bond Equivalent Yield).

1. Wie hoch ist die Geld-Duration (Money Duration)?


2. Um wie viel verändert sich annäherungsweise der Marktwert der Anleihe, wenn die
Verfallrenditeum50Basispunktesteigt?
5 2 10 RisikoanalysevonAnleihen

Lösungzu1
Der Full-Preis der Anleihe von 104;116 % lässt sich wie folgt bestimmen:


2% 2% 102 %
B0 Full D C C :::C  .1;0175/29=184 D 104;116 %:
.1;0175/1 .1;0175/2 .1;0175/18

Die Macaulay-Duration beläuft sich auf 15,195 Halbjahresperioden (KS D 0,02, VR D


0,0175, T D 18, t D 29, n D 184):
2 3
1;0175 1;0175 C 18  .0;02  0;0175/
MacDUR D 4  h i 5  .29=184/ D 15;195:
0;0175 0;02  .1;0175/18  1 C 0;0175

Die modifizierte Duration auf der Basis von Halbjahresperioden liegt bei 14,934:

15;195
MDUR D   D 14;934:
0;035
1C
2

Auf Jahresperioden umgerechnet, resultiert daraus eine modifizierte Duration von 7,467 (
D ).DieGeld-DurationbeieinemNominalwertvonUSD100.000
14;934=2
beträgt demnach USD 777.434,17:

GDUR D 7;467  1;04116  USD 100:000 D USD 777:434;17:

Lösungzu2
Der Rückgang des Anleihepreises um USD 3887,17 bei einer Zunahme der Verfall- rendite
um 50 Basispunkte kann mithilfe der Geld-Duration wie fo lgt ermittelt werden
(Näherungsformel):

B D USD 777:434;17  0;005 D USD 3887;17:

EineweitereDuration-KennzahlstelltderPriceValueofaBasisPoint(PVBP)dar,derdie
VeränderungdesFull-PreisesgegenübereinerBewegungderVerfallrenditeum1Basispunkt
misst.DerPVBPkannmiteinerFormelberechnetwerden,diederjenigenderangenäherten
modifiziertenDurationgleicht:

B   BC
PVBP D ; (10.25)
2
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 5 3

wobei:

B D Full-Preis der Anleihe nach einer Abnahme der Verfallrendite um 1 Basispunkt,


BC D Full-Preis der Anleihe nach einer Zunahme der Verfallrendite um 1 Basispunkt.

Beispiel
Berechnung des Price Value of a Basis Point
Eine Unternehmensanleih e mit Fälligkeitstag am 15. September 2030 besitzt einen
jährlichenKuponvon 3 %, der jeweils am 15. September e ines Jahres ausbezahlt wird.
DerValutatagistder20.April2017.DieDay-Count-Konventionisttagesgenau/tages-genau
ICMA.DieVerfallrenditebeläuftsichauf 3;2 %. Wie hoch ist der Price Value of
a Basis Point?

Lösung
Um den PVBP zu bestimmen, sind zunächst die Anleihepreise einschließlich Stück- zinsen
beieinerAb-undZunahmederVerfallrenditeum1Basispunktauf 3;19 %
respektive auf 3;21 % zu ermitteln:


3% 3% 103 %
BFull D C C : : : C  .1;0319/217=365
.1;0319/1 .1;0319/2 .1;0319/14
D 99;7258 %;


3% 3% 103 %
BCFull D C C :::C  .1;0321/217=365
.1;0321/1 .1;0321/2 .1;0321/14
D 99;5133 %:

Der PVBP beträgt 0;1063 %:


99;7258 %  99;5133 %
PVBP D D 0;1063 %:
2
Verändert sich die Verfallrendite um ˙ 1Basispunkt,sobewegtsichderBond-Preis%
um 0;1063 nachuntenbzw.nachoben,dafürsehrkleineRenditeänderungendie
Beziehung zwischen Preis und Verfallrendite ungefähr linear ist. Im vorliegenden Bei- spiel
istderFull-PreisderAnleihebeieinerVerfallrenditevon 3;2 % bzw. vor der
Renditeänderung von 1 Basispunkt 99;6195 %. Bei einer Bewegung der Verfallrendite
von 1 Basispunkt bewegt sich der Anleihepreis sowohl nach oben wie nach unten um
0;1063 %, was Preise von 99;7258 % und 99;5132 % zur Folge hat.

10.2.3 Konvexität

10.2.3.1 AnpassungderDurationmitderKonvexität
DieDurationmisstdielinearePreis-Rendite-Beziehungundistdemzufolgelediglichfürkleine
RenditeänderungeneineangemesseneSensitivitätsgröße.ZumBeispielbesitzteine
5 4 10 RisikoanalysevonAnleihen

20-jährige Anleihe mit einem jährlichen Kupon von 5 % und einem Preis von 100 % eine
modifizierte Duration von 12,462:
2 3
1;05 1;05 C 20  .0;05  0;05/
MacDUR D 4  h i 5 D 13;085;
0;05 0;05  .1;05/20  1 C 0;05

13;085
MDUR D D 12;462:
1;05
Bei einer Zunahme der Verfallrendite um 5 Basispunkte beträgt der neue Bond-Preis an-
hand der Taylor-Reihenentwicklung der ersten Ordnung annäherungsweise 99;377 %:

BC D 100 % C .12;462/  100 %  0;0005 D 99;377 %:

Wird der Anleihepreis mit einer Verfallrendite von 5;05 % berechnet, erhält man einen
Preis von 99;380 %, der sehr nahe am ermittelten Preis mit der Duration von 99;377 %
liegt:
5% 5% 105 %
BC D 1
C 2
C:::C D 99;380 %:
.1;0505/ .1;0505/ .1;0505/20
Unterstellt man hingegen eine größere Zunahme der Verfallrendite von beispielsweise
1 5 0 B a s i s p u n k t e n , g e l a n g t m a n m i t d e r m o d i fi z i e r t e n D u r a t i o n z u e i n e m
A n l e i h e pD
81;307 r e100
is v%
o nC%.[12;462/  100 %  0;015], der doch sehr stark vom eigentlichen
Preis von 83;472 % abweicht, welcher auf einer Verfallrendite von 6;5 % beruht. Diese
hohe Preisabweichung von 2;165 % geht auf die nicht-lineare Beziehung zwischen dem
Anleihepreis und der Verfallrendite zurück. Daher ist zusätzlich zur Duration auch ei- ne
Konvexitätskomponente in die Berechnunge n einzubinden, um annäherungsweise den
Anleihepreiseruierenzukönnen.Fürdie20-jährige
5 %-Anleihe beläuft sich die modi-
fizierte Konvexität auf 211,334, was anhand der Taylor-Reihenentwicklung der zweiten
OrdnungbeieinerZunahmederVerfallrenditeum150Basispunkteannäherungsweisezueinem
Bond-Preisvon
83;685 % führt:

BC D 100 % C .12;462/  100 %  0;015 C 0;5  211;334  100 %  .0;015/2


D 83;685 %:

Somit befindet sich der mit der Taylor-Reihenentwicklung der zweiten Ordnung berech- nete
Anleihepreisvon 83;685 % sehr nahe am eigentlichen Bond-Preis von 83;472 %. Der
Preisunterschied beträgt nur noch %undistimVergleichzurBerechnungmitder0;213
Duration bzw. mit der Taylor- Reihenentwicklung der ersten Ordnung wesentlich
kleiner. Das Beispiel zeigt, dass bei größeren Renditeänderungen zusätzlich zur Duration
die Konvexität zu berücksichtigen ist, weil die Preis-Rendite-Beziehung nicht-linear ist.
Abb. 10.5 visualisiert für die 20-jährige
5 %-AnleihediePreisänderungamPreis-Rendite-
Punkt B0 und VR0 anhandderDurationundderKonvexität.NimmtdieVerfallrenditeab,
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 5 5

(Anleihe-
preis in %) (− MDUR) B0 ΔVR
0 5,MKONV B0 (ΔVR)
2
200
180 Preisfunktionskurve

160
140
B–
120
B0 100
B+ 80
60
40
20 Tangente am Punkt
B0und VR0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
VR– VR0 VR+ (Verfallrendite in %)

Abb.10.5 Anpassung der Duration mit der Konvexität

unterschätzt man mit der Taylor-Reihenentwicklung der ersten Ordnung bzw. mit der mo-
difizierten Duration den Preisanstieg der Anleihe, sodass eine Konvexitätskomponente von 0,5
MKONVB
0 (VR) zum ersten Term der Taylor-Reihenentwicklung von (MDUR)
2

B0 VR hinzuzuzählen ist, um annäherungsweise den Bond-Preis zu bestimmen. Nimmt


dieVerfallrenditehingegenzu,soüberschätztmanmitderTaylor-Reihenentwicklungderersten
OrdnungdenPreisrückgang.DaheristwiederumdieKonvexitätskomponentevon0,5MKONV
B
0 (VR) zu addieren.
2

Die Abbildung zeigt ebenfalls, dass der zweite Term der Taylor-Reihenentwicklung
bzw. die modifizierte Konvexität positiv ist, weil sie zur Preisberechnung jeweils zum ers-
ten Term der Taylor-Reihenent wicklung bzw. zur Duration hin zugezählt wird. Dabei
spielt es keine Rolle, ob die Veränderung der Verfallrendite positiv oder negativ ist, weil sie
in der Formel quadriert wird. Der Fehler in der Berechnung der Preisänderung, der durch
die Duration entsteht, wird durch den positiven Konvexitätsterm weitestgehend korrigiert.
Die Preisfunktionskurve der optionsfreien 20-jährigen

5 %-Anleihe weist einen konve-


xenVerlaufauf.Dasbedeutet,dassbeieinergleichmäßigenVeränderungderVerfallren-ditenach
obenund nach unten der Preisanstieg größer als der Preisrückgang ist. Steigtbeispielsweise die
Verfallrenditeum150Basispunktevon
5 % auf 6;5 %, gelangt man
anhand der Taylor-Reihenentwicklung der zweiten Ordnung zu einer negativen Preisän-
derung von 16;315 %:

.12;462/  100 %  0;015  18;693 %


2
0;5  211;334  100 %  .0;015/ C 2;378 %
B D 16;315 %
5 6 10 RisikoanalysevonAnleihen

Fällt die Verfallrendite um 150 Basispunkte von 5 % auf 3;5 %, erfolgt ein Preisanstieg
von 21;071 %:

.12;462/  100 %  .0;015/ 18;693 %


0;5  211;334  100 %  .0;015/2 C 2;378 %
B D 21;071 %

DerimVergleichzumPreisrückganghöherePreisanstieggehtaufdiepositiveKon-vexität
vonoptionsfreienfestverzinslichenAnleihenzurück.IsthingegendieKonvexitätnegativ,wie
diesbeiCallableBondsineinemniedrigenZinsumfeldderFallist,über-schreitetder
PreisrückgangdenPreisanstieg.
25

10.2.3.2 Modi zierteKonvexität


Die modifizierte Konvexität lässt sich anhand der zweiten Ableitung des Anleihepreises
gegenüber einer Änderung der Verfallrendite bestimmen. Nimmt man die erste Ableitung und
leitetdiesenacheinerÄnderungderVerfallrenditeab,erhältmanfolgendenFormel-ausdruck:
26
XT 2 
2 B 1 t C t CFt
D t : (10.26)
VR2 .1 C VR/2 tD1 .1 C VR/
Die modifizierte Konvexität lässt sich ermitteln, indem die zweite Ableitung durch den
Anleihepreis dividiert wird:

1 2 B
MKONV D : (10.27)
B0 VR2
Werden die Kupons nicht jährlich entrichtet, ist die modifizierte Konvexität in jährliche
Perioden umzurechnen:
MKONVin Perioden
MKONVin Jahren D ; (10.28)
m2
wobei:

m D Kuponfrequenz pro Jahr (z. B. 2 bei einem halbjährlichen Kupon).

25
Vgl. Abschn. 10.2.5.1 .
26

B XT XT
t CF t 1 XT
t CF t
D .t/CF t .1 C VR/t1 D  D  :
VR tD1 tD1
.1 C VR /tC1 .1 C VR / tD1
.1 C VR/t

2 B X T X .t2 C t/CF t
T
t11
D .t/.t  1/CF t .1 C VR/ D
VR2 tD1 tD1
.1 C VR/tC2

1 X
T
.t2 C t/CF t
D 2
:
.1 C VR/ tD1 .1 C VR/t
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 5 7

Tab.10.1 Modifizierte Duration und Konvexität einer 4 %-Anleihe mit einer Verfallrendite von 5 %
in Abhängigkeit zur Restlaufzeit
Restlaufzeit Modifizierte Duration Modifizierte Konvexität
2 Jahre 1,868 5,301
5 Jahre 4,400 24,472
10 Jahre 7,962 78,294
15 Jahre 10,799 148,624
20 Jahre 13,029 225,940
25 Jahre 14,762 303,627
30 Jahre 16,094 377,428

EinehohepositiveKonvexitätfindetmanbeioptionsfreienfestverzinslichenAnleihenmiteiner
langenLaufzeit.DiezweiteAbleitungbeinhaltetimZählerdenTermt 2
C t.
Demnach steigt die Konvexität einer Schuldverschreibung mit dem Zeitfaktor t2 C t . Die
erste Ableitung bzw. die Duration hingegen wächst mit dem Zeitfaktor t im Zähler weniger stark
alsdieKonvexität.Tab. 10.1 zeigtbeieiner Anleihe mit einemjährlichen Kupon von% und einer
Verfallrenditevon
4 5 % für Restlaufzeiten von 2, 5, 10, 15, 20, 25 und 30
Jahren den stärkeren Anstieg der modifizierten Konvexität gegenüber der modifizierten
Duration.

Beispiel
Berechnung der modifizierten Konvexität
Eine 5-jährige Anleihe mit einem jährlichen Kupon von 4 % verfügt über eine Verfall-
rendite von 5 %. Wie hoch ist die modifizierte Konvexität der Anleihe?

Lösung
Der Bond-Preis liegt bei 95;671 %:

4% 4% 4% 4% 104 %
B0 D C C C C D 95;671 %:
.1;05/1 .1;05/2 .1;05/3 .1;05/4 .1;05/5

Mithilfe einer tabellarischen Darstellung wird zunächst der Wert des Formelterms
PT .t2 Ct/CFt
tD1 .1CVR/t von 2581,270 berechnet:

2   
Perioden t2 C t Cashflows t C t  Cashflows Barwert von t2 C t  Cashflows
(Jahre t)
1 2 4 8 7,619
2 6 4 24 21,769
3 12 4 48 41,464
4 20 4 80 65,816
5 30 104 3120 2444,602
3280 2581,270
5 10 RisikoanalysevonAnleihen

Tab.10.2 Einfluss der Restlaufzeit, des Kupons und der Verfallrendite auf die Konvexität einer D
optionsfreien festverzinslichen Anleihe (Basisszenario: Kupon 4 %, Verfallrendite D 4 %, Rest-
laufzeit D 10 Jahre)
Kupon Verfallrendite Restlaufzeit Konvexität
Veränderung der Restlaufzeit
4% 4% 5 Jahre 25,012
4% 4% 10 Jahre 80,754
4% 4% 15 Jahre 155,488
Veränderung des Kupons
3% 4% 10 Jahre 84,604
4% 4% 10 Jahre 80,754
5% 4% 10 Jahre 77,482
Veränderung der Verfallrendite
4% 3% 10 Jahre 83,268
4% 4% 10 Jahre 80,754
4% 5% 10 Jahre 78,294

Die modifizierte Konvexität der Anleihe beläuft sich auf 24,472:


 
1 2581;270
MKONV D  D 24;472:
95;671 .1;05/2

DieHöhederKonvexitäthängtvondengleichenFaktorenab,dieauchdieDurationbe-
einflussen.EineoptionsfreiefestverzinslicheAnleiheweistbeieinerlängeren(kürzeren)
Restlaufzeit,beieinemniedrigeren(höheren)Kuponundbeieinerniedrigeren(höheren)
Verfallrenditeeinehöhere(niedrigere)Konvexitätauf.
27
Tab.10.2zeigtdenEinflusseines
dieserParameteraufdieKonvexitätderAnleihe,wennalleanderenFaktorenunverändert
bleiben.EinweitererFaktorstelltdieStreuungderCashflowsdar.BesitzenzweiAnlei-hen
die gleicheDuration,dannverfügtdiejenigeSchuldverschreibungübereinehöhere
Konvexität,beiderdieCashflowsweitergestreutsind.

Abb. 10.6 visualisiert die Eigenschaften der Konvexität anhand von zwei opti-
onsfreien festverzinslichen Anleihen mit unterschiedlichen Preisfunktionskurven. Am
Preis-Rendite-Punkt B0 und VR0 haben beide Anleihen die gleiche Duration, sodass die
Tangente bei beiden Preisfunktionskurven gleic h ist. Fällt die Verfallrendite, steigt der
Preis der Anleihe mit der höheren Konvexität im Vergleich zur Anleihe mit der niedrige- ren
Konvexität mehr. Nimmt die Verfallrendite hingegen zu, so fällt der Preis der Anleihe mit der
höheren Konvexität weniger stark. Folglich schneidet die Anleihe mit der höheren Konvexität
bei einer Bewegung der Verfallrendite besser ab, da der Preisanstieg höher und der
Preisrückganggeringerausfallen.

27
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 776.
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 5 9

(Anleihe-
240 Preisfunktionskurve
Preis
mit höherer Konvexität
in %) 220
höherer
200 Preisanstieg und
niedrigerer
180 Preisrückgang der
Anleihe mit der
160 höheren Konvexität
140
120
B0 100 Preisfunktionskurve
80 mit niedrigerer Konvexität
60
40
20 Tangente

0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
VR0 (Verfallrendite in %)

Abb.10.6 Zwei optionsfreie festverzinsliche Anleihen mit unterschiedlicher Konvexität

In der Abbildung spiegelt sich dieser Zusammenhang nicht im Anleihepreis wider,


weil beide Wertpapiere bei der Verfallrendite VR 0 den gleichen Preis B0 besitzen. Somit
wird angenommen, dass sich die höhere Konvexität nicht im Ausgangspreis niederschlägt.
Allerdings ist eine höhere Konvexität für den Investor vorteilhaft, sodass dieser bereit ist, dafür
einen höheren Bond-Preis zu bezahlen, wa s eine niedrigere Rendite zur Folge hat. Investoren
finden Anleihen mit einer höheren positiven Konvexität, indem sie den Fokus auf Wertpapiere
mit einer langen Restlaufzeit legen. Weitere Faktoren sind ein niedriger Kupon und
VerfallrenditesowieeinebreiteStreuungderCashflows.

10.2.3.3 Angenähertemodi zierteKonvexitätundeffektiveKonvexität


Die modifizierte Konvexität lässt sich wie die approximierte modifizierte Duration mit einer
Näherungsformelberechnen:

B  C BC  2 B0
MKONVApprox D ; (10.29)
.VR/2 B0

wobei:

B D Full-Preis der Anleihe nach eine r Abnahme der Verfallrendite,


BC D Full-PreisderAnleihenacheinerZunahmederVerfallrendite,
B0 D Full-PreisderAnleihevorderVeränderungderVerfallrendite,VR
 D Veränderung der Verfallrendite (in Dezimalstellen).
590 10 RisikoanalysevonAnleihen

Die modifizierte Konvexität ergibt sich aus der zweiten Ableitung bzw. der Änderung der
ersten Ableitung gegenüber einer Bewegung der Rendite auf Verfall.28 Um die
Änderung der ersten Ableitungen zu berechnen, werden die ersten Ableitungen nach einem
Rückgang der Verfallrendite .B  B0 / =VR und nach einer Erhöhung der
Verfallrendite .BC  B0 / =VR zusammengezählt, was den Term in der Formel von C
.B C BC  2B0 / =VR [D .B  B0 /=VR .BC  B0 /=VR] erklärt. Die Verän-
derung der ersten Ableitungen gegenüber einer gleichmäßigen positiven und negativen
Änderung der Rendite auf Verfall wird in Anlehnung an die zweite Ableitung durch die
Veränderung der Verfallrendite dividiert. Die auf diese Weise angenäherte zweite Ableitung ist
fürdieErmittlungderKonvexitätdurchdenBond-PreisB
0 zu dividieren.

Beispiel
Berechnung der angenäherten modifizierten Duration und Konvexität
Eine Unternehmensanleihe m it Fälligkeitstag am 14. September 2024 weist einen Ku- pon
von 5 % auf, der halbjährlich entrichtet wird. Die Kupontermine fallen jeweils auf
den 14. März und 14. September eines Jahres. Die Day-Count-Konvention ist tages- genau /
tagesgenauICMA.DieVerfallrenditebeläuftsichauf 6 % (Bond Equivalent
Yield). Der Valutatag ist der 10. Juni 2016.

1. WiehochsinddieangenähertemodifizierteDurationunddieKonvexitätderAn-leihe,wenn
eine Veränderung der Verfallrendite von 100 Basispunkten bei deren Berechnung
unterstelltwird?
2. Um wie viel fällt die Preisänderung der Anleihe anhand der Taylor-Reihenentwick- lung
derzweitenOrdnungaus,wenndieVerfallrenditeum150Basispunktesteigt?

Lösungzu1
VomletztenKupontermin14.März2016biszumValutatag10.Juni2016sindesins-gesamt88Tage.Die
Kuponperiodevom14.Märzbis14.September2016umfasst184Tage.DieBond-Preisebeieiner
Verfallrenditevon
6 %, 5 % und 7 % können wie folgt
berechnet werden:



2;5 % 2;5 % 102;5 %
B0 D C C :::C  .1;03/88=184 D 94;747 %;
.1;03/1
.1;03/2 .1;03/17


2;5 % 2;5 % 102;5 %
B D 1
C 2
C:::C 17
 .1;025/88=184 D 101;188 %;
.1;025/ .1;025/ .1;025/


2;5 % 2;5 % 102;5 %
BC D C C:::C  .1;035/88=184 D 88;798 %:
.1;035/1 .1;035/2 .1;035/17

28
Vgl. Tuckman und Serrat 2012 : Fixed Income Securities: Tools for Today’s Markets, S. 133.
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 591

Die angenäherte modifizierte Duration v on 6,538 und die angenäherte modifizierte


Konvexitätvon51,928könnenfolgendermaßenermitteltwerden: 29

101;188 %  88;798 %
MDURApprox D D 6;538;
2  0;01  94;747 %
101;188 % C 88;798 %  2  94;747 %
MKONVApprox D D 51;928:
.0;01/2  94;747 %

Lösungzu2
Bei einer Zunahme der Verfallrendite um 150 Basispunkte geht der Anleihepreis annä-
herungsweiseum 8;802 % zurück:

B D .6;583/  94;747 %  0;015 C 0;5  51;928  94;747 %  .0;015/2


D 8;802 %:

Der Bond-Preis liegt nach der Zunahme der Verfallrendite von 150 Basispunkten an-
näherungsweisebei % (D 94;747 %  8;802 %).MiteinerRenditeaufVerfall
von 7;5 % ergibt sich85;945
ein Anleihepreis von 85;995 %:


2;5 % 2;5 % 102;5 %
BC D 1
C 2
C:::C 17
 .1;0375/88=184 D 85;995 %:
.1;0375/ .1;0375/ .1;0375/

Somit lässt sich mit der Taylor-Reihenentwicklung der zweiten Ordnung und der an-
genäherten modifizierten Duration und Konvexität der neue Anleihepreis nach einer
ZunahmederVerfallrenditeum150Basispunkterelativgutapproximieren.

VerändertsichdieBenchmarkkurve,solässtsichnebendereffektivenDurationauchdieeffektive
Konvexitätbestimmen,diefürAnleihenmiteingebettetenZinsoptionenvonBedeutungist:

B  C BC  2 B 0
EKONV D ; (10.30)
.i/2 B0
wobei:

i D Veränderung der Benchmarkkurve (z. B. risikolose Zinsstrukturkurkurve).

Die Berechnung der effektiven Konvexität erfolgt anhand der Veränderung der Bench-
markkurve (z. B. derrisikolosenZinsstrukturkurve), währenddie modifizierte Konvexi- tät mit
derVeränderungderVerfallrenditeermitteltwird.IstbeispielsweisederPreis

29
DabeiderBerechnungderangenähertenmodifiziertenDurationundKonvexitätFull-Preisever-
wendetwerden,isteineAnnualisierungdieserGrößenimGegensatzzurmodifiziertenDurationund
Konvexität nicht erforderlich.
592 10 RisikoanalysevonAnleihen

eines Callable Bonds nach einer parallelen Zunahme und Abnahme der risikolosen Par-
Kuponsätzeumjeweils40Basispunkte 98;545 % respektive 100;756 % und ist der Preis
vor der Zinssatzänderung 99;955 %, resultiert daraus eine negative effektive Konvexität
von 380,796:
100;756 % C 98;545 %  2  99;955 %
EKONV D D 380;796:
.0;004/2  99;955 %
CallableBondsbesitzenbeieinemniedrigenZinsumfeld,beidemdieWahrscheinlichkeiteiner
Kündigung seitens des Emittenten hoch ist, eine negative Konvexität. In der Bond-
Terminologie steht negative Konvexität für die Konkavität der Preisfunktionskurve. Sind
hingegen die Zinssätze hoch und die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung niedrig, weist die
Preisfunktionskurve wie bei optionsfreien Anleihen einen positiven konvexen Verlauf auf. Im
Gegensatz zu Callable Bonds verfügen Putable Bonds entlang der gesamten Preis-
funktionskurveübereinepositiveKonvexität.
30

ObwohldieeffektiveKonvexitätsowiedieeffektiveDurationfürdieMessungdes
ZinsänderungsrisikosvonAnleihenmiteingebettetenZinsoptioneneingesetztwerden,können
sieauchalsErgänzungzurmodifiziertenDurationundKonvexitätvonoptions-freien
festverzinslichenAnleihennützlichsein.

10.2.4 InterpretationeinerBloomberg-Maske

Abb. 10.7 zeigt per Stichtag 29. Februar 2016 die Bloomberg-Maske der 2;375 %-Anleihe
der Daimler AG mit einer Laufzeit von 2012 bis 2022. 31 UnterderRubrik„Risk“fin-det
sichdiemodifizierteDurationderAnleihevon6,040.Siewirdberechnet,indemdie
Macaulay-DurationderAnleihedurch1plusdieVerfallrenditedividiertwird.Die
Macaulay-Durationbeläuftsichauf6,0863(KS
D 0,02375, VR D 0,00807395, T D 7,
t D 172, n D 366):
2 3
1;00807395 1;00807395 C 7  .0;02375  0;00807395/
MacDUR D 4  h i 5
0;00807395 0;02375  .1;00807395/7  1 C 0;00807395

 .172=366/
D 6;0863:

DiemodifizierteDurationderDaimler-Anleiheliegtbei6,038(Rundungsdifferenzvon0,002zu
deminderMaskeaufgeführtenWertvon6,040):

6;0863
MDUR D D 6;038:
1;00807395
30
Vgl. Abschn. 10.2.5 .
31
Für die Beschreibung der Daimler-Anleihe vgl. Abschn. 9.6 .
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 593

Abb.10.7 Bloomberg-Maske für die 2;375 %-Anleihe der Daimler AG mit einer Laufzeit von 2012
bis 2022 (Quelle: Bloomberg)

DieeffektiveDurationwirdinderBloomberg-MaskealsOAS-Durationbezeichnet.Siebeträgt
6,100 und gibt die Preissensitivität der Anleihe gegenüber einer Veränderung der OAS-Kurve
(also der Benchmarkkurve plus dem OAS) an. Da für die Berechnung des OAS ein
Binomialmodell verwendet wird und die Benchmarkstrukturkurve nicht flach ist, weicht die
effektiveDurationvon6,1leichtvondermodifiziertenDurationvon6,04ab.Grundsätzlichgilt,
dass die modifizierte D uration und die effektive Duration bei op- tionsfreien festverzinslichen
Anleihennichtgleichgroßsind. DerUnterschiedzwischendenbeidenDurationsgrößennimmt
ab, je flacher die Renditestrukturkurve ist, je kürzer die Restlaufzeit ist und je näher der
Bond-PreisamPar-Wertvon

100 % liegt, so dass


die Differenz zwischen dem Kuponsatz und der Verfallrendite niedrig ist. Beim relativ
seltenenFalleinerflachenRenditestrukturkurvesinddiemodifizierteunddieeffektiveDuration
gleichgroß.
DiemodifizierteKonvexitätderDaimler-Anleihebeläuftsichauf0,442,währenddie
effektiveKonvexitätbei0,419liegt.BloombergskaliertdiebeidenKonvexitätsgrößen,indem
diesedurch100dividiertwerden.DerUnterschiedzwischendenbeidenGrößengehtaufdie
gleichenGründewiebeidermodifiziertenundeffektivenDurationzurück.

DieGrößeRiskinderMaskebestehtausdemPriceValueofaBasisPointmultipliziertmit100
undistsowohlfüreineVeränderungderVerfallrendite(6,707)alsauchfüreineÄnderungder
OAS-Kurve(6,774)aufgeführt.SoetwakönnendiePreisederDaimler-Anleihenacheiner
BewegungderVerfallrenditevon
˙ 1 Basispunkt und der Price Value
594 10 RisikoanalysevonAnleihen

of a Basis Point wie folgt berechnet werden:




2;375 % 2;375 % 102;375 %
B D C C : : : C
.1;00797395/1 .1;00797395/2 .1;00797395/7
 .1;00797395/172=366
D 111;1132 %;


2;375 % 2;375 % 102;375 %
BC D C C:::C
.1;00817395/1 .1;00817395/2 .1;00817395/7
 .1;00817395/172=366
D 110;9791 %;
111;1132 %  110;9791 %
PVBP D D 0;06705:
2
Wird der PVBP von 0,06705 mit 100 multipliziert, gelangt man zur Risk-Größe in der
Bloomberg-Maske von 6,705 (Rundungsdifferenz von 0,002). Der Benchmark Risk ist der
PVBPderBenchmarkanleihe( 1;75 %-Bundesanleihe mit Fälligkeit Juli 2022) mul-
tipliziert mit 100. Die Größe Risk Hedge von 971 Mio. ergibt sich aus dem Risk-Wert der
Daimler-Anleihe von 6,707 dividiert durch die Risk-Größe der Benchmarkanleihe von 6,905
multipliziertmitdemNominalwertderDaimler-AnleihevonEUR
1000 Mio.
(D 6;707=6;905  EUR 1000Mio:). Beim Proceeds Hedge wird der erforderliche Geld-
32

betrag für den Kauf der Daimler-Anleihe mit dem entsprechenden Geldbetrag für den
Erwerb der Benchmarkanleihe ins Verhältnis gesetzt.

10.2.5 EffektiveDurationundKonvexitätvonCallableundPutable
Bonds

Callable und Putable Bonds sind Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen. Bei einem Callable
Bond besteht die eingebettete Option aus einer Call-Option, die vom Emittenten bei fallendem
Zinsniveau(BenchmarkrenditeistderrisikoloseZinssatz)ausgeübtwird,umsichanschließend
auf dem Kapitalmarkt günstiger refinanzieren zu können. Der In- vestor hält bei einem Callable
Bond eine Short-Call-Option, sodass sich der Preis der kündbaren Anleihe aus dem Preis einer
optionsfreienAnleiheabzüglichdesCall-Preiseszusammensetzt.

33
BeieinemPutableBondhatderInvestordasRecht,dieAnleihedem
EmittentenzueinemimVorausvereinbartenKündigungspreiszuverkaufen.DiesesRecht
wird der Investor in einem hohen Zinsumfeld ausüben. Der Verkaufserlös kann nach der
OptionsausübungzueinerhöherenRenditeangelegtwerden.DerPreisdesPutab-

32
Für das Zinsänderungsrisikomanagement von festverzinslichen Anleiheportfolios vgl. Ab-
schn. 13.6.1.2 .
33
Vgl. Abschn. 8.7.1 .
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 595

(Anleihe-
preis)

B0
We r t C a l l =0 B 0–CB
B
B0 CB
vergleichbare
optionsfreie Anleihe

Callable Bond

VR0 (Verfallrendite)

Abb.10.8 Preisfunktionskurve eines Callable Bonds und einer vergleichbaren optionsfreien Anleihe

le Bonds ergibt sich aus dem Preis der optionsfreien Anleihe zuzüglich des Preises der
Put-Option.34

10.2.5.1 CallableBonds
Abb. 10.8 stellt die Preisfunktionskurve eines Callable Bonds derjenigen einer optionsfrei- en
Anleihe gegenüber.BeideAnleihen habendasselbe Kreditrisiko, dengleichenKupon-satz, die
gleiche Cashflow-Frequenz und dieselbe Laufzeit. Die Benchmarkkurve ist durch die
Verfallrendite gegeben. Liegt zum Beispiel bei einem Callable Bond mit einem Kündi-
gungspreisvon
%dieVerfallrenditeüberdemKuponsatz,soistesunwahrscheinlich,100
dass der Emittent die Anleihe vorzeitig kündigt. Sind etwa der Kuponsatz 3 % und die
Verfallrendite 6 %, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass der Schuldner die Anleihe
zu einem Preis von 100 % kündigt und eine neue Anleihe zu einem Preis von 100 % und
einem Kuponsatz von 6 % begibt. Da eine Optionsausübung in einem hohen Zinsumfeld
unwahrscheinlich ist, weist der Callable Bond eineähnlichePreis-Rendite-Beziehung
wieeinevergleichbareoptionsfreieAnleiheauf.DabeiliegtderPreisdesCallableBondsleicht
unterhalbdesPreisesderoptionsfreienAnleihe,weildieeingebetteteCall-OptioneinenWert
aufweist,obwohlsieausdemGeldist.
35

FälltdasZinsniveaubzw.dieVerfallrendite,steigtdieWahrscheinlichkeiteinerOp-
tionsausübungdurchdenEmittenten.DabeiwirdderEmittentnichtunbedingtdieAn-

34
Vgl. Abschn. 8.7.2 .
35
EineausdemGeldliegendeCall-OptionbesitzteinenZeitwert,deraufdieChancezurückgeführt
werdenkann,dassinZukunftdasZinsniveaufälltundsoderEmittentdieeingebetteteKündigungs-option
dochnochausübenkann.FürdenZeitwertvonOptionenvgl.Abschn. 15.2.
596 10 RisikoanalysevonAnleihen

(Anleihe-
preis) steilere Tangente bzw.
höhere Duration der
optionsfreien Anleihe im Vergleich zum Callable Bond

ungefähr gleiche
Tangente bzw. Duration
B0 der optionsfreien Anleihe
und des Callable Bonds
B0 CB

vergleichbare
B1 optionsfreie Anleihe
B1 CB

Callable Bond

VR0 VR1
(Verfallrendite)

Abb.10.9 Effektive Duration des Callable Bonds und der optionsfreien Anleihe bei einem unter-
schiedlichen Renditeniveau

leihe kündigen, wenn die Verfallrendite den Kuponsatz unterschreitet. Dennoch nimmt der
Wert der eingebetteten Call-Option zu, wenn sich die Rendite dem niedrigeren Ku- ponsatz
nähert.SindbeispielsweisederKuponsatz
3 % und die Verfallrendite 3;2 %, wird
der Schuldner die Anleihe höchstwahrscheinlich nicht kündigen. Jedoch befindet sich die
Verfallrendite auf einem Niveau, an dem bei einem weiteren Rückgang der Zinssätze die
WahrscheinlichkeiteinerOptionsausübungzunimmt,sodassdieeingebetteteCall-Optionfürden
Emittenten wertvoller wird. Dieser Zusammenhang führt dazu, dass bei einem Rückgang des
ZinsniveausderPreisdesCallableBondsgegenüberdemPreiseinerver-gleichbarenoptionsfreien
Anleihewenigerstarksteigt.Abb. 10.8visualisiertdenWertdereingebettetenCall-Optionaneinem
bestimmtenRenditepunktVR
0 als Differenz zwi-
schen dem Preis der optionsfreien Anleihe (B ) und dem Preis des Callable Bonds (B 00CB ).
Diese Differenz bzw. der Preis der eingebetteten Call-Option nimmt zu (ab), wenn die
Verfallrendite fällt (steigt).
Abb.10.9visualisiertanhandderTangentedieSteigungbzw.dieDurationentlangder
PreisfunktionskurvedesCallableBondsunddervergleichbarenoptionsfreienAnleihe.Die
Steigungnimmtab,jemehrdieVerfallrendite(Benchmarkrendite)zurückgeht,weildie
WahrscheinlichkeiteinerOptionsausübungsteigt,wassichnegativaufdieRestlauf-zeitund
somitaufdieeffektiveDurationderkündbarenAnleiheauswirkt.Demgegenübernimmtdie
Steigungbzw.dieDurationderoptionsfreienAnleihezu,wenndieVerfallrendi-tezurückgeht.
BeieinemhohenRenditeniveauistdieSteigungbzw.dieeffektiveDurationdesCallableBonds
unddervergleichbarenoptionsfreienAnleiheungefährgleichgroß,da
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 597

(Anleihe- niedrigerer Preisanstieg


preis) und höherer
B– Preisrückgang
negative Konvexität
B0
B+ höherer Preisanstieg und
niedrigerer Preisrückgang
positive Konvexität

B–
B0
B+

Callable Bond

VR– VR0 VR+ VR– VR0 VR+


(Verfallrendite)

Abb.10.10 Effektive negative und positive Konvexität eines Callable Bonds

die Wahrscheinlichkeit einer Optionsausübung gering ist. Somit ist der Wert der eingebet- teten
Call-Option niedrig, sodass sich der Preis des Callable Bonds wie derjenige einer optionsfreien
Anleiheverhält.
BeieinemniedrigenRenditeniveaufälltbeieinergleichenVeränderungderBench-
markrenditenachuntenundnachobendiePreiszunahmedesCallableBondsniedrigerausalsder
Preisrückgang.DerGrundliegtimkonkavenVerlaufderPreisfunktionskurve.Inder
Bond-TerminologiewirddieKonkavitätalsnegativeKonvexitätbezeichnet.Dem-gegenüber
überschreitetbeieinemhohenRenditeniveaudiePreiszunahmedenPreisrück-gangbeieiner
gleichmäßigennegativenundpositivenVeränderungderBenchmarkren-dite,weildie
PreisfunktionskurveeinenkonvexenVerlaufaufweistbzw.positivkonvexist.Folglichbesitzt
einCallableBondbeieinemniedrigenRenditeniveaueinenegativeKonvexitätundbeieinem
hohenRenditeniveaueinepositiveKonvexität.Abb. 10.10zeigtdiesenZusammenhang.

10.2.5.2 PutableBonds
Liegt der Kündigungspreis bei 100 %undüberschreitetdieVerfallrenditedenKuponsatz,
erhöhtsichdieWahrscheinlichkeiteinesVerkaufsderAnleihedurchdenInvestor.Der
WertdereingebettetenPut-Optionnimmtzu,sodassderPreisdesPutableBondswenigerstarkfälltals
derPreiseinervergleichbarenoptionsfreienAnleihe.Abb.10.11zeigtdiePreisfunktionskurvendes
PutableBondsunddervergleichbarenoptionsfreienAnleiheso-wiedenWertderPut-Option,derbei
einersteigenden(fallenden)Verfallrenditezunimmt(abnimmt).
59 10 RisikoanalysevonAnleihen

(Anleihe-
Preis)

Putable Bond

Wert Put = B0 PB – B0
B0 PB
B0

vergleichbare
optionsfreie Anleihe

VR0

(Verfallrendite)

Abb.10.11 Preisfunktionskurve eines Putable Bonds und einer vergleichbaren optionsfreien Anleihe

IstdasRenditeniveauniedrig,liegenderPreisdesPutableBondsundderPreisder
vergleichbarenoptionsfreienAnleihenahebeieinander.DerPreisunterschiedgehtaufden
ZeitwertderausdemGeldliegendeneingebettetenPut-Optionzurück.SteigtdasZinsniveau
bzw.dieVerfallrendite,fälltderPreisdesPutableBondswenigerstarkalsderPreisder
optionsfreienAnleihe,weildieWahrscheinlichkeiteinerOptionsausübungbzw.derWertder
Put-Optionzunimmt.DerPreisdesPutableBondsstrebtgegendenKündigungspreis.Dasführt
dazu,dassdieSteigungderTangenteanderPreisfunkti-onskurvebzw.dieeffektiveDuration
desPutableBondsstärkerzurückgehtalsdieStei-gungderTangentebzw.dieDurationder
optionsfreienAnleihe.DerRückgangderef-fektivenDurationistmiteinerkürzeren
RestlaufzeitderkündbarenAnleihekonsistent.BefindetsichhingegendasZinsniveaubzw.die
VerfallrenditeaufeinemniedrigenNi-veau,istdieSteigunganderPreisfunktionskurvebzw.die
DurationbeibeidenAnleihenungefährgleichgroß.DaeineAusübungderKündigungsoption
unwahrscheinlichist,verfügensowohldieoptionsfreieAnleihealsauchdieAnleihemitder
eingebettetenPut-OptionübereineähnlicheDuration,wasmiteinerungefährgleichlangen
Restlauf-zeitderbeidenAnleihenkonsistentist.Abb. 10.12zeigtdieTangentenandenPreis-
funktionskurvenbzw.dieDurationenderbeidenSchuldverschreibungenfüreinniedri-gesund
einhohesRenditeniveau.DarüberhinausvisualisiertdieAbbildung,dassfürbeideAnleihendie
Preisfunktionskurvekonvexverläuft.SomitbesitzenPutableBondsentlangdergesamten
PreisfunktionskurveunddemnachfürjedesRenditeniveaueinepositiveKonvexität.Beieinem
niedrigenRenditeniveauistdiepositiveKonvexitätun-gefährgleichhochwiebeieiner
optionsfreienAnleihe.NimmtdasZinsniveaubzw.die
10.2 RisikoanalyseanhandderDurationundKonvexität 599

(Anleihe- ungefähr gleiche Tangente


Preis) bzw. Duration des
Putable Bonds im
flachere Tangente bzw.
Vergleich zur optionsfreien Anleihe
niedrigere Duration des
Putable Bonds im
B0 PB Vergleich zur optionsfreien Anleihe
B0

Putable Bond
B1 PB
B1

vergleichbare
optionsfreie Anleihe

VR0 VR1

(Verfallrendite)

Abb.10.12 Effektive Duration und Konvexität des Putable Bonds und der optionsfreien Anleihe
bei einem unterschiedlichen Renditeniveau

Verfallrenditezu,sokonvergiertderPreisdesPutableBondsgegendenKündigungs-preis,wasim
VergleichzueineroptionsfreienAnleihezueinerniedrigerenKonvexitätführt.

10.2.6 Kredit-undMarktliquiditätsrisiko

Der Duration-Konvexitäts-Ansatz kann eingesetzt werden, um die Preisänderung der An- leihe
bei einerBewegungdererwarteten Re nditebzw. der Verfallrenditezu ermitteln, und stellt somit
eine Risikogröße für die Preisvolatilität der Anleihe dar. Die erwartete Rendite besteht aus der
Benchmarkrendite – risikoloser Nullkuponsatz oder Nullkupon- Swapsatz – und einer
Risikoprämie,diebeioptionsfreien Anleihengrundsätzlich eineRenditeentschädigung für das
Kredit- und Mark tliquiditätsrisiko darstellt. Dabei kann die Preisänderung anhand des
Duration-Konvexitäts-Ansatzes sowohl bei Änderungen der Benchmarkrendite (z. B.
risikoloser Zinssatz) als auch bei Bewegungen der Risikoprämie bzw. des Spreads verwendet
werden.

IstdieBenchmarkdurchdennominalenrisikolosenZinssatzgegeben,soverändertsichdie
BenchmarkrenditeentwederdurchdieInflationsrateoderdenrealenZinssatz.Eine
VeränderungdesSpreadshingegenerfolgtaufgrundeinerÄnderungderSchuldnerqualitätoder
derMarktliquiditätderAnleihe.DiePreisänderungwirdfüreineVeränderungder
Risikofaktoren–Inflationsrate,realerZinssatz,SchuldnerqualitätundMarktliquidität–
600 10 RisikoanalysevonAnleihen

mit derselben Duration und Konvexität berechnet. Wie stark sich der Bond-Preis ändert, hängt
somit beigegebenerDurationundKonvexität vom AusmaßderVeränderung des Risikofaktors
ab:

1
%B D .MDUR/ RF C .MKONV/ RF2 ; (10.31)
2
wobei:

RF D Veränderung des Risikofaktors Inflationsrate, realer Zinssatz, Kreditrisikoprämie


oder Marktliquiditätsrisikoprämie.

Zum Beispiel weist eine optionsfreie festverzinsliche Unternehmensanleihe eine Ver-


fallrenditevon 4 % auf. Die Benchmarkrendite bzw. die Verfallrendite einer risikolosen
Staatsanleihe mit gleicher Laufzeit liegt bei 2;75 %, während sich die Risikoprämie
(G-Spread) von 1;25 % aus einer Kreditrisikoprämie von 1 % und einer Marktliqui-
ditätsrisikoprämie von 0;25 % Die Kreditrisikoprämie umfasst eine
Renditeentschädigung für die zusammensetzt. des Emittenten und des da-
Ausfallwahrscheinlichkeit
mit zusammenhängenden erwarteten Verlusts, bereinigt um eine Wiederverwertungsrate
der Vermögenswerte des Unternehmens (Recovery Rate). Sind die modifizierte Duration 6 und
dieKonvexität40,soführteineErhöhungderKreditrisikoprämievon 1 % auf 1;2 %
zu einem prozentualen Preisrückgang der Unternehmensanleihe von 1;192 %:

%B D .6/  0;002 C 0;5  40  .0;002/2 D 0;01192:

DieZunahmederKreditrisikoprämieinfolgeeinerhöherenAusfallwahrscheinlichkeitspiegelt
sich in einem schlechteren Rating oder einer schlechteren Ratingprognose der Anleihe wider.
DasMarktliquiditätsrisikobeziehtsichaufdieTransaktionskosten,diebeieinemKauf/Verkauf
des Bonds anfallen. Grundsätzlich gilt, dass das Marktliqui- ditätsrisiko umso geringer ist, je
höher d ie Handelsfrequenz und das Handelsvolumen der Anleihe sind. Die Höhe der
Geld-Brief-Spanne reflektiert das Liquiditätsrisiko der Schuldverschreibung auf dem Markt.
So etwa beläuft sich bei erstklassigen Staatsanlei- hen die Geld-Brief-Spanne lediglich auf
einige wenige Basispunkte, was auf die hohe Marktliquidität der Wertpapiere zurückzuführen
ist. DemgegenüberkönnenUnterneh- mensanleihen in Abhängigkeitvon ihrerMarktliquidität
miteinerwesentlichhöherenGeld-Brief-Spannegehandeltwerden.

VielfachsindVeränderungenderRisikofaktorenmiteinanderkorreliertbzw.erfolgennicht
unabhängigvoneinander.SozumBeispielkannbeieinerFinanzkriseeineFluchtvon
risikobehaftetenUnternehmensanleiheninerstklassigeStaatspapierestattfinden,wasdazuführt,
dassdieBenchmarkrenditefällt.WegenderFinanzkriseerhöhtsichdieAus-fallwahrscheinlichkeit
derUnternehmen,waseineZunahmederKreditrisikoprämiezurFolgehat.DesWeiterennimmt
aufgrunddesVerkaufsdrucksdieMarktliquiditätderUn-ternehmensanleihenab,sodassder
VerkaufspreisfälltunddieRisikoprämiesteigt.
10.3 GrundlagenderKreditanalyse 601

Beispiel
Berechnung der Kreditrisikoprämie
Infolge eines schlechten Geschäftsganges und einer unerwarteten Herabstufung des Ratings
nimmtderPreiseineroptionsfreienfestverzinslichenUnternehmensanleihevon
104;582 % auf 102;375 % ab. Die Anleihe verfügt über eine modifizierte Duration
von 8,55. Um wie viele Basispunkte steigt die Kreditrisikoprämie, wenn davon ausge-
gangen wird, dass sich die Benchmarkrendite und die Marktliquidität der Anleihe nicht
verändern?

Lösung
Der Preis der Unternehmensanleihe geht um 2;11 % zurück:

102;375 %
%B D  1 D 0;02110:
104;582 %

Die Zunahme der Kreditrisikoprämie von 24,7 Basispunkten kann anhand der Taylor-
ReihenentwicklungdererstenOrdnungwiefolgtberechnetwerden:

0;0211 D .8;55/  .Kreditrisikoprämie/


0;0211
! Kreditrisikoprämie D D 0;00247:
8;55

10.3 GrundlagenderKreditanalyse

10.3.1 Kreditrisiko

Unter Kreditrisiko versteht man, dass der Emittent die vereinbarten Zins- und Tilgungs-
zahlungennichtvertragsgerechtleistet,waszueinemZahlungsverzugbishinzueinerInsolvenz
des Schuldners führen kann. Der erwartete Verlust aus dem Kreditrisiko lässt sich über die
Ausfallwahrscheinlichkeit des Emittenten, das Kreditäquivalent (Nominal- wert und Kupons)
unddieWiederverwertungsratederzurDeckungliegendenVermögens-werte(RecoveryRate)
messen.
36

DasKreditrisikostelltnebendemZinsänderungsrisikodiegrößteVerlustgefahrbeiden
meistenAnleihendar.JelängerderAnlagehorizonteinesInvestorsdauert,destowichtigerwird
dasKreditrisiko,weileinplötzlicherAusfalldesEmittenteneinsehrseltenesEreig-nisist.
VielmehrverschlechtertsichdieSchuldnerqualitätübereinenlängerenZeitraum,wassichin
mehrerenHerabstufungendesRatingsundinhöherenKreditrisikoprämienäußert.Dabei
nehmenbeimEmittentendieRefinanzierungskostenzu,dadieInvestoren

36
Für die Berechnung des erwarteten Verlusts aus einem Kredit und die Bestimmung der impliziten
und historischen Ausfallwahrscheinlichkeiten vgl. Abschn. 14.5 über Credit Default Swaps.
602 10 RisikoanalysevonAnleihen

für das höhere Kreditrisiko mit einer höheren Rendite entschädigt werden müssen. Die höhere
Kreditrisikoprämie führtzu sinkenden K ursen bei bereitsemittierten Anleihen desSchuldners.
Allerdings ergeben sich für Investoren auch Chancen, wenn der Emittent in der Lage ist, das
Kreditrisiko etwa durch die Änderung des Geschäftsmodells zu vermin- dern. Wegen der
verbesserten Bonität wird die Kreditrisikoprämie zurückgehen und der Anleihepreis auf dem
Marktsteigen.

DieBonitäteinerAnleihekanndurchSicherheitenwiedieSenioritätunddieBesiche-rung
verbessertwerden.UnterSenioritäteinerSchuldverstehtmandieReihenfolge,inderdie
AnsprüchederGläubigerbeieinerInsolvenzodereinerLiquidationdesUnternehmensbedient
werden.BeiAnleihenwerdendiefolgendenSicherungsartenunterschieden:
37

 BesicherteAnleihenverfügenübereineseparatehinterlegteDeckungsmasse.Dazugehören
beispielsweise Hypothekenkredite , Vermögensgegenstände, Forderungen an
Unternehmen oder auch andere Anleihen . Diese Deckungsmasse wird herangezogen, um
die Einhaltung der Zahlungsverpflichtung gegenüber den Investoren zu gewähr- leisten,
sodass die Kupon- und Nominalwertzahlungen auch im Insolvenzfall weiter erfolgen
können.DerInsolvenzverwalterhataufdieseDeckungsmassekeinenZugriff.

 Unbesicherte Anleihen besitzen keine separate hinterlegte Deckungsmasse. Vielmehr


haftet der Emittent bei einem Ausfall mit seinem gesamten Vermögen und der Ge-
schäftstätigkeit.BeieinemöffentlichenEmittentenkommtalsSicherheitdasgegen-wärtige
und zukünftige Steueraufkommen hinzu.Üblicherweise sind Anleihenunbesi-chert. Wenn
keineInformationenzurBesicherungvorliegen,kanndavonausgegangenwerden,dass eine
SicherungnichthinterlegtunddieAnleiheauchnichtnachrangigist.

 Bei nachrangigen Anleihen werden Investoren im Insolvenzfall nach den nicht nach-
rangigen Gläubigern, aber vor den Aktionäre n (Eigenkapitalgebern) bedient. Als Si-
cherungdientwiebeidenunbesichertenAnleihendasVermögenunddieGeschäftstä-tigkeit
desUnternehmens.

Die Anleihe kann auch eine Sicherheit in der F orm einer Garantie aufweisen. So zum Bei- spiel
kanndieMuttergesellschaftdieAnleiheemissionderTochtergesellschaftgarantieren.Gerätdie
Tochtergesellschaft in Zahlungsverzug, übernimmt die Muttergesellschaft die ausstehende
Zahlungsverpflichtung. Obwohl eine Garantie besteht, handelt es sich um ei- ne unbesicherte
Anleihe,dakeineseparateDeckungsmassehinterlegtist.

JehöherdieSicherheiteinerAnleiheist,destokleinerfälltdererwarteteVerlustbeieinem
AusfalldesEmittentenaus.DaherführeneinehoheSenioritätundeineBesi-cherungderAnleihe
zueinerniedrigerenKreditrisikoprämie.Umgekehrtgilt,dasseineniedrigeSenioritätundeine
unbesicherteodersogarnachrangigeAnleiheeinehöhereKreditrisikoprämiezurFolgehat.Das
höhereKreditrisikoschlägtsichineinerhöherenRenditeerwartungbzw.ineinemniedrigeren
Anleihepreisnieder.

37
Vgl. Diwald 2012 : Anleihen verstehen: Grundlagen verzinslicher Wertpapiere und weiterführende
Produkte, S. 219 ff.
10.3 GrundlagenderKreditanalyse 603

10.3.2 Bonitätsrating

DieweltweitwichtigstenRatingagenturensindStandard&Poor’s(S&P,TeildesMedien-
unternehmensMcGrawHill),FitchRatings(TeildesfranzösischenFinanzdienstleisters
Fimalac)undMoody’sInvestorsService(Moody’s,selbständigesbörsennotiertesUS-
Unternehmen).SielegendieBonitäteinesSchuldnersodereinerbestimmtenAnleihe 38

fest, indem sie aufgrund ihrer Einschätzung über die Kreditwürdigkeit und Ausfallwahr-
scheinlichkeit ein Rating vergeben. Dabei ver wendet jede Agentur ihre eigene Systematik.
Für die große Mehrheit aller ausstehenden Anleihen liegt ein Rating von mindestens zwei
Ratingagenturen vor. Viele Investoren begrüßen es, dass Bonitätseinschätzungen von
Analysten vorliegen, die unter anderem auch auf wesentlichen nicht öffentlichen Informa-
tionen wie etwa finanziellen Projektionen beruhen und so ihre eigene Analyse ergänzen.
Mithilfe von Bonitätsratings kann das Kreditr isiko von verschiedenen Schuldnern inner- halb
und außerhalb eines Sektors und für verschiedene Arten von Anleihen miteinander verglichen
werden. Die folgenden Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich Bonitätsra- tings weltweit
auf den Anleihemärkten durchgesetzt und so den Ratinggesellschaften zu einer dominanten
Rolleverholfenhaben:

39

 Das Kreditrisiko wird durch hoch spezialisierte Finanzanalysten der Ratingagenturen


beurteilt.
 Anhand der Bonitätsratings können Emittenten , Anleihen und Marktsegmente mitein-
anderverglichenwerden.
 Regulatorische Vorschriften basieren auf Kreditratings wie etwa die Eigenkapitalunter-
legungvonKreditrisikenbeiBanken.
 DashoheWachstumdesAnleihemarkteshatdieNachfragenachexternenRatingsbe-feuert.

 Das Management der Kreditrisiken in einem Anleiheportfolio bedarf der Einschätzung von
Bonitätsratings. So zum Beispiel können A nlagerichtlinien vorsehen, dass nur An- leihen in
einem Portfolio aufgenommen werden, die über ein bestimmtes Mindestrating verfügen.
DesWeiterenistbeiderKonstruktioneinesAnleiheindexdasRatingvonAn-leihenwichtig.

Die Ratingagenturen wurden kritisiert, mit ihrer zu optimistischen Ratingvergabe von CDOs
aufUS-Subprime-HypothekenwesentlichzurFinanzkrisevon2008beigetragenzuhaben.
40
Es wurden verschiedene Versuche unternommen, die dominante Rolle der

38
Eine Anleihe kann besichert oder nachrangig sein. Folglich muss sie nicht das gleiche Rating wie
der Emittent besitzen.
39
Vgl. Gootkind 2015 : Fundamentals of Credit Risk, S. 221.
40
DieSubprime-KrisegiltalsAuslöserderFinanzkrisevon2008.PortfoliosvonUS-Subprime-
HypothekenwurdenmitstrukturiertenAnleihen–sogenanntenCollateralizedDebtObligations(CDOs)–
verbrieft.DabeiwurdedieSenior-TranchedurchdieRatingagenturenmitdembestenRating(AAA)
versehen.DieverwendetenBewertungsmodellestütztensichaufhistorischeDa-
604 10 RisikoanalysevonAnleihen

Ratingagenturen zu durchbrechen. Dazu wurden Vorschriften erlassen, die zu einer höhe- ren
Transparenz bei der Ratingvergabe, ein er Reduktion des Interessenkonflikts und mehr
Wettbewerb führen sollen. Der Interessenkonfl ikt liegt darin begründet, dass der Emittent das
Rating der Anleihe bei der Agentur in Auftrag geben muss. Somit bezahlt er die Ra-
tinggesellschaft und erhält im Gegenzug die Bonitätseinstufung anhand eines Ratings. Da es
sich hierbei also um eine bezahlte Diens tleistung handelt, kann der Emittent auf die Agentur
Druck ausüben und so die Ratingvergabe beeinflussen. Mit einer besseren Boni- tätseinstufung
kanndieEmissionzuvorteilhafterenKonditionenaufdemMarktplatziertwerden.Einstärkerer
Wettbewerb hat nach der Finanzkrise von 2008 nicht stattgefunden, obwohl verschiedene in
ihren Heimatmärkten gut etablierte Ratingagenturen wie etwa Dominion Bond Rating Service
(DBRS) in Kanada und Mikuni & Co. in Japan versucht haben, vermehrt in den Weltmarkt
vorzustoßen. Heute dominieren nach wie vor diedrei großen Ratingagenturen S&P, Fitch und
Moody’sdenglobalenMarktderBonitätsver-gabe.

DieUnterteilungderSchuldnerundderAnleiheninverschiedenenRatingklassenrich-tet
sichbeidendreigroßenRatingagenturennachdenUS-amerikanischenSchulnotenA,B,Cusw.
Tab.10.3zeigtdielangfristigenRatingklassenvonS&P,FitchundMoody’s.Dabeispiegelt
AAAbeiS&PundFitchbzw.AaabeiMoody’sdiebesteRatingeinstufungwider.Einsolches
Ratingbedeutetnicht,dasseinAusfallnichtmöglichist.VielmehrreflektiertdasTop-Rating
einesehrgeringeAusfallwahrscheinlichkeit.WeitereAnlei-henmiteinersehrgutenBonitätund
somitminimalemKreditrisikoverfügenübereineKlassifizierungvonAAbzw.Aa.Anleihen
miteinemniedrigenKreditrisikobesitzeneinA-Rating,währendAnleihenmiteinemBBBbzw.
BaaeinmittleresKreditrisikoauf-weisen.BondsmiteinemBBB–bzw.Baa3oderbesserwerden
alsInvestmentGradebezeichnet.AnleihenmiteinemRatingvonBB+bzw.Ba1oderschlechter
habeneinenspekulativenKreditcharakterundeinehöhereAusfallwahrscheinlichkeit.Sie
gehörenzurGruppederNonInvestmentGradeoderSpeculativeGrade(auchJunkoderHigh
Yieldgenannt).DieschlechtesteBonitäterhältbeiS&PundFitcheinD-RatingundbeiMoo-dy’s
einC-Rating,wasbedeutet,dassderEmittentzahlungsunfähigist.Darüberhinausunterscheidet
FitchbeieinemZahlungsausfallzwischeneinemRestrictedDefault(RD)undeinemvollen
Default(D).BeiErsteremistbeieinemZahlungsausfallnochkeinIn-solvenzverfahreneröffnet
wordenunddieGeschäftstätigkeitwirdfortgeführt,währendbeieinemvollenDefaultentweder
dasInsolvenzverfahreneingeleitetoderdieUnterneh-menstätigkeitaufgegebenwurde.

DasRatingeinerAnleihestelltzumEmissionszeitpunkteinengutenIndikatorfürdas
Ausfallrisikodar.JedochverändertsichimZeitablaufdieBonität,sodassdieRating-agenturen
gezwungensind,dieBonitätperiodischzuüberprüfen.Üblicherweiseveröf-

ten von US-Hypothekarmärkten, die nur wenige Jahre zurückreichten. Es wurden nur Zeiträume in den
Modellenabgebildet,indenenesaufgrundstetigsteigenderImmobilienpreiseundguterKonjunkturlagen
auch im Subprime-Segment kaum Ausfälle gab. Auf diese Weise konnten die Ratingagenturen die hohe
BonitätderSenior-TrancherechtfertigenundsodietatsächlicheVerlust-gefahrverschleiern.
10.3 GrundlagenderKreditanalyse 605

Tab.10.3 Langfristige Ratingklassifizierung der drei größten Ratingagenturen


S&P Fitch Moody’s Kreditrisiko
Investment AAA AAA Aaa Minimales Kreditrisiko
Grade AA+ AA+ Aa1
AA AA Aa2
AA– AA– Aa3
A+ A+ A1 Niedriges Kreditrisiko
A A A2
A– A– A3
BBB+ BBB+ Baa1 Mittleres Kreditrisiko
BBB BBB Baa2
BBB– BBB– Baa3
Non Investment BB+ BB+ Ba1
Grade oder BB BB Ba2
Speculative
Grade BB– BB– Ba3
B+ B+ B1 Hohes Kreditrisiko
B B B2
B– B– B3
CCC+ CCC+ Caa1 Sehr hohes Kreditrisiko
CCC CCC Caa2
CCC– CCC– Caa3
CC CC Ca
C C
D RD / D C Zahlungsausfall

fentlichen die Agenturen Ratingprognosen, die einen positiven, stabilen oder negativen
AusblickumfassenundsodenInvestorendieRichtungdesRatingsanzeigen,bevoreineetwaige
Ratingänderungvorgenommenwird. 41
Trotz dieser Bemühungen der Agenturen
verarbeiten die Marktteilnehmer die Informationen meistens schneller, was dazu führt,
dassdieKreditrisikoprämieunddementsprechendderAnleihekursrascheraufeinver-ändertes
Ausfallrisiko reagiert, als dies mit einer Ratingänderung möglich ist. Es kommt immer wieder
vor, dass der Markt eine Kreditrisikoprämie fordert, die mit dem Rating nicht konsistent ist.
InsbesonderebeigroßenEmittentenkannbeobachtetwerden,dass

41
ZumBeispielverwendetS&PdiefolgendenRatingprognosen,wenneineBonitätsänderunginden
nächsten6bis24Monatenwahrscheinlichist:1.Positiv:DasRatingkönnteangehobenwerden.2.
Negativ: Das Rating könnte herabgestuft werden. 3. Stabil: Das Rating wird sich voraussichtlich nicht
ändern. 4.InEntwicklung: DasRating könntesich verbessernoderverschlechtern.GibtesEreignisse oder
Situationen,dieeineRatingänderungkurzfristigerfordern(i.d.R.innerhalbvon90Tagen),wirddasRating
auf CreditWatch gestellt und die etwaige Richtung des Ratings angegeben. Darüber hinaus kann S&P das
Rating sofort ändern, wenn alle notwendigen Informationen vorlie- gen, ohne ein CreditWatch oder eine
Ratingprognose bekanntgeben zu müssen. Vgl. Standard & Poor’s 2016 : Standard & Poor’s Rating
Definitions,S.9undStandard&Poor’s 2014:GuidetoCreditRatingEssentials:WhatareCreditRatingsand
HowDoTheyWork?,S.14.
606 10 RisikoanalysevonAnleihen

sich eine Verschlechterung der finanziellen L age negativ auf die Anle ihekurse auswirkt, bevor
die Agenturen mit einer Herabstufung des Ratings darauf reagieren. Folglich sind bei der
Bonitätsbeurteilung des Emittenten oder der Emission, falls vorhanden, die auf dem Markt
gehandelteKreditrisikoprämie der Anleihe oder von vergleichbaren Anlei- hen des Emittenten
heranzuziehen. Außerd em können Credit Spreads von Credit Default Swaps berücksichtigt
werden.
42
DieGrenzenundRisikenvonRatingskönnenwiefolgt
zusammengefasstwerden:

 Bonitätsratings können sich im Zeitablauf verändern.


 Bonitätsratings tendieren dazu, den auf dem Markt gehandelten Kreditrisikoprämi- en
hinterherzuhinken. Bilden sich viele Marktteilnehmer eine eigenständige Meinung über
die Bonität eines Emittenten oder einer Anleihe, fallen die Auswirkungen von
Ratingänderungen geringer aus, weil diese bereits in den Anleihekursen bzw. in den
Kreditrisikoprämienvorweggenommenwurden.

 Ratingagenturen können eine falsche Bonitätsbeurteilung vornehmen (z. B. CDOs auf


US-Subprime-Hypotheken,welchedieglobaleFinanzkrise2008ausgelösthaben).
 Es gibt Risiken wie das Reputationsrisiko einer Bank oder rechtliche Risiken, die sich nicht
ohneWeiteresantizipierenunddementsprechendineinemRatingerfassenlassen.

DieInvestorensolltenihreAnlageentscheidungenwenigeraufeinexternesRatingalsvielmehr
auf das Verhältnis zwischen Gewinnm öglichkeit und Verlustgefahr stützen. Die
RenditeerwartungderAnleihemussunabhängigvomRatingmitdemerwartetenAus-fallrisiko
übereinstimmen. Somit ist primär der Anleihepreis und die Verzinsung im Ver- hältnis zum
Kreditrisiko und nicht das Rating für den Anlageentscheid maßgebend. Das Rating ersetzt eine
eigenständigeAnalysenicht,sondernergänztdiese.

10.3.3 TraditionelleKreditanalysevonUnternehmensanleihen

10.3.3.1 GrundlagenundAbgrenzungzurAktienanalyse
Die Zielsetzung der Kreditanalyse ist eine B eurteilung, ob der Emittent in der Lage ist, seinen
Schuldverpflichtungen nachzukommen. Anleihen stellen Verträge dar, welche die Höhe, die
Frequenz und den Zeitpunkt der Zins- und Tilgungszahlungen, den Fälligkeits- zeitpunkt,
etwaige Optionen, Sicherheiten, Bonitätsverbesserungen und Anlegerschutz- klauseln
enthalten. Da es sich bei Unternehm ensanleihen um Verträge handelt, die recht- lich
durchsetzbar sind, liegt der Fokus der Kre ditanalyse nicht auf der Zahlungsbereit- schaft,
sondernaufderZahlungsfähigkeitdesEmittenten.
43
DieZahlungsfähigkeitdes
UnternehmenshängtzumeinenvondenvorliegendenVermögenswertenundzumande-renvon
denzukünftigenCashflowsab.DaherstehenbeieinerUnternehmensanalysedie

42
Vgl. Abschn. 14.5 .
43
Demgegenüber ist bei der Kreditanalyse von Staatsanleihen neben der Fähigkeit auch die Bereit-
schaft zur Zahlung eingehend zu untersuchen.
10.3 GrundlagenderKreditanalyse 607

Bilanz und die Kapitalflussrechnung im Mittel punkt. Darüber hinaus ist eine Industrie- und
Wettbewerbsanalyse durchzuführen. Die traditionelle Kreditanalyse befasst sich mit der
Herkunft, der Vorhersehbarkeit und der N achhaltigkeit von Cashflows, die für die Be- dienung
derSchuldverpflichtungenrelevantsind.

ImGegensatzzuMarktteilnehmern,dieAktienbesitzen,nehmenAnleiheinvestoren
grundsätzlichnichtamWertzuwachsdesUnternehmensteil(außerdurcheinenRückgangder
Kreditrisikoprämie).SiesindjedochwiedieAktionärederVerlustgefahreinerUnter-
nehmensinsolvenzausgesetzt.DerUnterschiedzwischenEigen-undFremdkapitalgebernbei
einerInsolvenzist,dasszuerstdieAktionäreihreEinlagenverlieren,bevoresbeiden
AnleiheinvestorenzuVerlustenkommt.
44
ObwohldieAktien-undAnleiheanalysein
vielenPunktenähnlichist,liegtderSchwerpunktderAktienanalyseaufGeschäfts-,
Investitions-undFinanzierungsstrategien,dieeinenEinflussaufdenUnternehmenswertund
somitaufdenAktienkurshaben.
45
Demgegenüber beschäftigt sich die Kreditanalyse
schwerpunktmäßig mit dem Downside-Risiko. Hierzu werden die vom Unternehmen ge-
nerierten nachhaltigen Cashflows ins Verhältnis zu den Zins- und Tilgungszahlungen des
ausstehenden Fremdkapitals gesetzt. Beim Fremdkapital werden die Zusammensetzung, die
Höhe und die Zins- und Tilgungszahlungen sowie die unterschiedliche Seniorität an- hand der
BilanzundderKapitalflussrechnunguntersucht.

10.3.3.2 TraditionelleKreditanalyse
Die Beurteilung des Kreditrisikos von Unternehmensanleihen erfolgt im Rahmen einer
traditionellenAnalyse,beiderdiefolgendenvierBereicheuntersuchtwerden:

1. Fähigkeit des Schuldners, die Zins- und Tilgungszahlungen vertragsgerecht zu leisten.


2. Sicherheiten wie etwa die Qualität und Werthaltigkeit der Vermögenswerte, die bei ei- nem
Ausfall des Schuldners für die Bedienung der ausstehenden Schuldverpflichtungen
verwendetwerdenkönnen.

3. Anleihebedingungen, die vom Emittenten einzuhalten sind.


4. Qualität der Unternehmensleitung. Dazu gehören die ethische Reputation, die Quali-
fikationen des Managements in Bezug auf Ausbildung und Berufserfahrung sowie ein
historischerLeistungsausweis.

Die traditionelle Kreditanalyse ist in der Fachliteratur auch als Vier-C-Modell bekannt, wobei
die vier C für Capacity (Fähigkeit), Collateral (Sicherheiten), Covenants (Anleihe-
bedingungen)undCharacter(QualitätdesManagements)stehen. 46
Im Folgenden werden
diese vier wesentlichen Aspekte eines traditionellen Kreditanalysemodells beschrieben.

44
Aufgrund dieses asymmetrischen Payoffs wurden Optionspreismodelle für die Messung des Kre-
ditrisikos entwickelt (sogenannte strukturierte Kreditrisikomodelle).
45
Vgl. Mondello 2015 : Aktienbewertung: Theorie und Anwendungsbeispiele, S. 2 ff.
46
Vgl. z. B. Fabozzi 2007 : Fixed Income Analysis, S. 424 ff.
60 10 RisikoanalysevonAnleihen

1. Umzubeurteilen,obderSchuldnerinderLageist,seineSchuldverpflichtungenzubedienen,
beginnt die Kreditanalyse ebenso wie die Aktienanalyse mit der Industrie- analyse, der die
Unternehmensanalyse folgt. Auf der Basis dieses Top-down-Ansatzes lässt sich die
WettbewerbsstruktureinerIndustrieanhandderfolgendenfünfFaktorenbeurteilen:
47

 Rivalität zwischen den Unternehmen in der Industrie: Industrien mit einem relativ
schwachenWettbewerbsinddurcheinekleineAnzahlUnternehmen,hohesWachs-tum
und hohe Eintrittsbarrieren gekennzeichnet. Die Rentabilität ist im Vergleich zu
IndustrienmiteinemstarkenWettbewerbhoch,waseingeringeresKreditrisikozurFolge
hat.

 Bedrohung durch neue Marktteilnehmer: Die Gefahr von neuen Marktteilnehmern


hängtvondenEintrittsbarrierenundderReaktionderbestehendenUnternehmenineiner
Industrie ab. Grundsätzlich weisen Industrien mit höheren (niedrigeren)
Eintrittsbarrieren eine höhere (niedriger e) Rentabilität und somit ein niedrigeres
(höheres)Kreditrisikoauf.

 Bedrohung durch Substitute: Bieten Indus trien (und Unternehmen) Produkte und
Dienstleistungen mit spezifischen Attributen an, die sich nicht leicht durch andere
Produkte und Dienstleistungen ersetzen lassen, werden hohe Cashflows generiert. Die
Rentabilität ist hoch und das Kreditris iko entsprechend niedrig. Können hin- gegen die
Produkte und Dienstleistungen leicht substituiert werden, hat dies einen negativen
EinflussaufdieProfitabilität,unddasKreditrisikoisthöher.

 VerhandlungsmachtderLieferanten:GibteseineVielzahlvonLieferanten,vondenendie
Unternehmen die benötigten Betriebsstoffe beziehen, ist die Rentabilität hoch bzw. das
Kreditrisikogering.DemgegenüberistdiePreisverhandlungsmachteinerkleinenAnzahlan
Lieferantengroß,wassichnegativaufdieProfitabilitätderIndustrieauswirkt.DasKreditrisikoist
hoch.

 VerhandlungsmachtderKäufer:LiegteinMarktmiteinerVielzahlvonKäufernvor,istderen
Macht, niedrige Preise zu ve rhandeln, gering. Folglich ist die Renta- bilität hoch und das
Kreditrisikodementsprechendniedriger.ImumgekehrtenFall,alsobeieinerkleinenAnzahlan
Käufern,leidetdieProfitabilität,waseinhöheresKreditrisikozurFolgehat.

DieIndustriestruktur,diedurchdieobenbeschriebenenfünfWettbewerbsfaktorenge-prägt
wird, bestimmt das langfristige Pro fitabilitätspotential der Industrie. Sie zeigt, wie die von
der Industrie geschaffene wirtschaftliche Wertschöpfung zwischen den Unternehmen, den
LieferantenunddenKundenaufgeteilt,durchSubstitutebegrenztunddurchpotentielleneue
Marktteilnehmer eingeschränkt wird. Werden alle fünf Fak- toren in die Industrie- und
Wettbewerbsanalyse eingebunden, wird die Gesamtstruktur der Industrie sichtbar, was die
Gesamtanalyseerleichtert.

47
Vgl. Porter 2008 : The Five Competitive Forces That Shape Strategy, S. 80 ff.
10.3 GrundlagenderKreditanalyse 609

Nach dem Verstehen der Industriestruktur sind die Eigenschaften einer Industrie zu
bestimmen, die einen Einfluss auf die Kreditqualität haben. Dazu gehören etwa makro-
ökonomische Faktoren und Wachstumsperspektiven, die anhand der folgenden Fakto- ren
beurteiltwerdenkönnen:

 Zyklisch oder nicht zyklisch: Konjunkturabhängige Industrien wie die Auto- und
Maschinenindustrie besitzen im Vergleich zu nicht zyklischen Industrien wie bei-
spielsweiseLebensmittelundGesundheitswesenvolatilereUmsätze,Ergebnismar-gen
und Cashflows und sind somit risikoreicher. Daher sollten Unternehmen in einer
konjunkturabhängigen Industrie im Verhältnis zu ihrer Cashflow-Kapazität über einen
KonjunkturzykluswenigerFremdkapitalaufweisen.

 Wachstumsperspektiven:IndustrienmitgeringemoderkeinemWachstumtendie-renzu
einer Konsolidierung, die durch Fusionen und Akquisitionen stattfindet. Ob ein
Konsolidierungsprozess das Kreditrisiko erhöht oder mindert, hängt von der
Finanzierungsstruktur (Aktien oder Frem dkapital) und der Aufteilung eines etwai- gen
Synergiegewinns zwischen den Aktionären der beteiligten Gesellschaften ab.
Grundsätzlichgilt,dassschlechtaufgestellteUnternehmenineinerwachstums-schwachen
Industrie mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, was sich negativ auf das
Kreditrisikoauswirkt.

Im Anschluss an die Industrieanalyse und die Beurteilung von deren Eigenschaften er- folgt
die Unternehmensanalyse, die sich auf die Wettbewerbsposition, den historischen
Leistungsausweis, die Unternehmensstrategie und die Kennzahlenanalyse stützt. Die
Wettbewerbsposition ergibt sich aus der Industrieanalyse, wobei unter anderem Markt-
anteile und die Kostenstruktur im Vergleich zur Konkurrenz untersucht werden. Die
historische Performance des Unternehmens kann herangezogen werden, um die unter-
nehmerischeLeistungwährendeinesKonjunkturzykluszubeurteilen.Darüberhinauskann
mit historischen Daten ein Trend für den Umsatz, die Ergebnismargen und die Cashflows
identifiziert werden. Unternehmensstrategien und deren Umsetzung in der Vergangenheit
geben Aufschluss darüber, wie gut das Management das Unternehmen geführt und die
vergangenen unternehmerischen Herausforderungen gemeistert hat. Schließlich wird das
Unternehmen anhand von Kennzahlen analysiert, um seine finan- zielle Lage zu beurteilen,
Tendenzen im Zeitablauf identifizieren und Unternehmen innerhalb einer Industrie
vergleichen zu können. Mithilfe der Kennzahlenanalyse ge- winnt man wichtige
Erkenntnisse über das Kreditrisiko des Unternehmens. Dabei ist zu beachten, dass
Kennzahlen zwischen d en Industrien erheblich variieren können, weil sich die
Industriestrukturen aufgrund der Wettbewerbsintensität, der Bedrohung durch neue
Marktteilnehmer, der Verhandlungsmacht von Käufern und Lieferanten so- wie der
Bedrohung durch Substitute untersche iden. Die Kennzahlen richten sich auf die
Profitabilität, die Cashflows, den Lev erage und die Deckung der Zins- und Til-
gungszahlungenmitdemBetriebsergebnisunddenbetrieblichenCashflows.
610 10 RisikoanalysevonAnleihen

2. Sicherheiten reduzieren grundsätzlich das Kreditrisiko. Sie spielen vor allem bei ei- nem
AusfalldesEmittenteneinewichtigeRolle.BeiunbesichertenAnleihendienendiegesamten
Vermögenswerte des Unternehmens als Sicherheit. Dabei sind neben den materiellen auch
die immateriellen Ver mögenswerte der Bilanz zu untersuchen. So etwa können Patente zur
Deckung von Schuldverpflichtungen veräußert werden. Im Gegensatz dazu ist bei einem
finanziell angeschlagenen Unternehmen der Good- will vielfach nicht werthaltig, sodass
dieser in der Kreditanalyse oft abgeschrieben wird. Ein weiterer zu analysierender Faktor
sinddieAbschreibungenimVerhältniszudenInvestitionsausgaben.LiegenimVergleichzu
den Abschreibungen niedrige Inves- titionsausgaben vor, so weist dies darauf hin, dass das
Unternehmen nicht in einem genügend hohen Ausmaß investiert. Daraus folgt, dass das
Wachstum in der Zukunft wie auch die zukünftigen betrieblichen Cashflows geringer
ausfallenwerden,wasdieDeckungderZins-undTilgungszahlungengefährdenkann.

Bei einem börsennotierten Unternehmen kann zur Beurteilung der Sicherheiten die
Marktkapitalisierung der Aktien verwendet werden. So zum Beispiel kann das Kurs-
Buchwert-Verhältnis der Aktie berechnet werden. Unterschreitet der Aktienkurs den
Buchwert der Aktie, ist der Marktwert der Aktiven weniger hoch, als in der Bilanz
ausgewiesen.

Erfolgt die unternehmerische Wertschöpfung vorwiegend mit Humankapital wie bei-


spielsweise in der Internetbranche und nehmen diese Unternehmen Fremdkapital auf, ist
eine Beurteilung von Sicherheiten schwieriger. Das Humankapital eines Unterneh- mens,
mit dem das Ergebnis und die Cashflows erzielt werden, erscheint nicht auf der Bilanz und
lässtsichbeieinerInsolvenzauchnichtzuGeldmachen.

3. Die Bedingungen einer Anleihe umfassen Leistungs- und Unterlassungsverpflichtun- gen


(sogenannte Affirmative und Negative Covenants). Zu den Leistungsverpflichtun- gen
gehören etwa die Zins- und Tilgungszahlungen und das zeitgerechte Veröffent- lichen von
geprüften Jahresrechnungen. Bei den Unterlassungsverpflichtungen han- delt es sich um
Bedingungen, die dem Emittent en eine Tätigkeit untersagen. So etwa kann die Aufnahme
vonFremdkapitalbegrenztwerden.IsteinebestimmteLimite(z.B.

60 % der Aktienmarktkapitalisierung) erreicht, darf der Schuldner kein weiteres


Fremdkapital aufnehmen. Sind die Anleihebedingungen für den Emittenten restriktiv,
erhöht sich der Schutz der Anleiheinvestoren gegenüber möglichen Handlungen des
Unternehmens, die zu einem Verlust führen können. Ohne Schutzklauseln könnte das
UnternehmenhoheDividendenauszahlenundAktienrückkäufedurchführen,dieweitüber
den frei verfügbaren Equity-Cashflows liegen. Darüber hinaus könnte das Ma- nagement
dasUnternehmenineinemLeverageBuyoutverkaufen,sodassdieHöhedesFremdkapitals
und somit das Kreditrisiko wesentlich steigen. Eine weitere Hand- lungsmöglichkeit ist die
Emission besicherter Anleihen mit einer höheren Seniorität, was dazu führt, dass
bestehendeunbesicherteAnleihenineinerInsolvenzschlechter
10.3 GrundlagenderKreditanalyse 611

dastehen. Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig es ist, im Rahmen der Kreditana- lyse
dieAnleihebedingungenzuüberprüfen.
4. DieQualitätdesManagementsisteinwichtigerFaktorinderKreditanalyse,auchwenndiese
schwierig zu quantifizieren ist. Gerät das Unternehmen in unerwartete Schwierigkeiten, so
istesdieUnternehmensleitung,diedaraufmitMaßnahmenrea-giert,damitdieerfolgreiche
unternehmerischeTätigkeitfortgeführtwerdenkann.DieEigenschaftendesManagements
könnenanhandderfolgendenPunkteüberprüftwer-den:

48

 Nachhaltigkeit und Erfolgsaussichten der aktuellen Unternehmensstrategie.


 Leistungsausweis des Managements bei der Umsetzung von Strategien in der
Ver- gangenheit, insbesondere wenn diese zu einer Insolvenz oder
Restrukturierung ge- führt haben.

 Aggressive Anwendung von Steuerstrategien und/oder Rechnungslegungsgrund-


sätzen wie etwa außerbilanzielle Finanzierung, Kapitalisierung von Ausgaben an- statt
Verbuchung als Aufwandsposition, vor zeitige Umsatzrealisierung und häufiger
WechselderPrüfungsgesellschaft.

 Vergangene Betrugsfälle oder Vergehen.


 Maßnahmen gegen das Interesse der Anleiheinvestoren in der Vergangenheit wie
beispielsweise eine fremdkapitalfinanzie rteAkquisition, eine gr oße Sonderdividen- de
an Aktionäre oder mit Fremdkapital finanzierte Aktienrückkäufe, die eine Her-
abstufungdesBonitätsratingszurFolgehatten.

10.3.4 KreditrisikoversusRendite:Kreditrisikoprämie

Investoren von Unternehmensanleihen konzentrieren sich primär auf die Risikoprämie für das
Kredit- und Marktliquiditätsrisiko. Am Markt jedoch lässt sich lediglich eine Risikoprämie für
beide Risikofaktoren beobachten. Die Risikoprämie einer Unterneh- mensanleihe wird von
verschiedenen Faktoren beeinflusst, wobei Schuldverschreibungen mit einer schlechteren
KreditqualitäteinehöhereSpread-Volatilitätaufweisen.Diefolgen-denallgemeinen(alsonicht
emittentenspezifischen)FaktorenhabeneinenEinflussaufdieRisikoprämie:

49

 Kreditzyklus: Verbessert (verschlechtert) sich der Kreditzyklus, so fällt (steigt) die Ri-
sikoprämie.

48
Vgl. Gootkind 2015 : Fundamentals of Credit Risk, S. 247 ff.
49
Vgl. Gootkind 2015 : Fundamentals of Credit Risk, S. 251.
612 10 RisikoanalysevonAnleihen

 Wirtschaftsbedingungen: Vers chlechtert sich die wirtschaftliche Lage, nimmt die Risi-
koprämie zu, da die Investoren für das höhere Risiko eine höhere Rendite verlangen.
Verbessern sich hingegen die Wirtschaftsbedingungen, geht die Risikoprämie zurück, weil
die Investoren davon ausgehen, dass die Unternehmen in guten wirtschaftlichen Zeiten
höhere Cashflows erwirtschaften und demnach das Kreditrisiko fällt. Das Ver- trauen indie
WirtschaftundindieUnternehmenistdanngrößeralsinwirtschaftlichschlechtenZeiten.

 Finanzmärkte: Befinden sich die Finanzmärkte in einer guten (schlechten) Verfassung,


verengt (erweitert) sichdieKreditrisikoprämie.Des Weiterenlässtsichbeobachten,dass bei
geringenVolatilitätenaufdenFinanzmärktendieKreditrisikoprämiezurück-geht.

 Bereitstellung der Marktliquidität (Market Making): Anleihen werden hauptsächlich


außerbörslich gehandelt, sodass der Kauf/Verkauf einer Anleihe direkt zwischen den
Marktteilnehmern oder über einen Wertpapi ermakler (Händler oder Broker) abge-
schlossenwird. 50
Schränken die Wertpapiermakler die Market-Making-Aktivität ein,
geht die Liquidität auf den Märkten zurück und die Risikoprämie steigt.
 Allgemeines Angebot und Nachfrage: Nehmen beispielsweise im Primärmarkt die
EmissionenstarkzuundverharrtdieNachfrageaufeinemniedrigerenNiveau,sonehmendie
Risikoprämienzu.ÜbersteigthingegendieNachfragedasAngebot,gehtderSpreadzurück.

DieerstenvierPunktehabenbeiderFinanzkrisevon2008eineentscheidendeRollege-spieltund
warendafür verantwortlich, dass der Spread aufden Anleihemärktengestiegen ist.Somit gibt es
neben den emittentenspezifischen Risiken auch allgemeine Risiken, welche die Risikoprämie
und somit die Renditeerwartung und den Preis einer Anleihe beeinflussen. Investoren, die
Investment-Grade-Anleihenkaufen,sindwenigerübereinenmöglichenAusfalldesEmittenten
besorgt(dieAusfallwahrscheinlichkeitliegtüblicher-weiseunterhalbvon

1 % pro J a 51hr)als vielmehr über das Spread-Risiko. Wie stark die


Preisänderung einer Anleihe infolge einer Sp read-Änderung ausfällt, hängt von der modif-
zierten Duration und Konvexität ab und lässt sich anhand der Taylor-Reihenentwicklung der
zweitenOrdnungannäherungsweisewiefolgtbestimmen:

1
%B D .MDUR/ Spread C .MKONV/ .Spread/2 ; (10.32)
2

wobei:

Spread D Veränderung der Risikoprämie (Kredit- und Marktliquiditätsrisikoprämie).

50
Vgl. Abschn. 8.8.3 .
51
Für historische jährliche Ausfallwahrscheinlichkeiten vgl. Abschn. 14.5.2.2 .
10.3 GrundlagenderKreditanalyse 613

Beispiel
Berechnung der Preisänderung bei einer Veränderung der Risikoprämie
Eine10-jährige 4 %-Unternehmensanleihe wird zu einem Preis von 96;044 % gehan-
delt. Der Markt reagiert auf die Ankündigung eines Leverage Buyouts mit einer Er-
höhung der Risikoprämie (Spread) um 100 Basispunkte. Die Anleihe wird durch S&P von
BBB auf BB herabgestuft. Das Wertpapier besitzt eine modifizierte Duration von 8,04,
während die modifizierte Konvexität bei 79,52 liegt. Wie hoch ist die prozen- tuale
Preisänderung der Unternehmensanleihe bei einem Anstieg des Spreads um 100
Basispunkte?

Lösung
Anhand der Taylor-Reihenentwicklung der zweiten Ordnung ergibt sich annäherungs-
weiseeinprozentualerPreisrückgangderAnleihevon 7;64 %:

%B D .8;04/  0;01 C 0;5  79;52  .0;01/2 D 0;0764:

DiePreisänderungbeieinergegebenenSpread-Bewegungfälltumsohöheraus,jehö-herdie
modifizierteDurationist.DemnachverfügenAnleihenmiteinerhöherenDurationübereine
höhereSpread-Preissensitivität.DiePreis-undRenditeschwankungenfallenbeieiner
VeränderungderRisikoprämiegrößerausalsbeiAnleihenmiteinerniedrigerenmodifizierten
Duration.DarüberhinausverlangendieInvestorenbeilängerenLaufzei-teneinehöhere
RenditeentschädigungfürdasKreditrisiko,weildieUngewissheitüberdieKreditwürdigkeit
desEmittentenmitderZeitzunimmt.Esistschwierigzuprognos-tizieren,wiedasUnternehmen
inderZukunftdasteht.SozumBeispielistesschwierigvorauszusehen,obtechnologische
Veränderungensowiemangelhafteoderfalschumge-setzteStrategiendieKreditwürdigkeit
desEmittenteninderZukunftnegativbeeinflussen.AufgrunddieserUngewissheitverlangtder
MarktfürlängerfristigeAnleihenmiteinemminimalenbismittlerenKreditrisikoeinehöhere
Risikoprämie.Tab.10.4zeigtper22.Oktober2015densteigendenAnleihe-Spreadfürden
US-amerikanischenIndustriesektorfürRatingsvonAAAbisBB(minimalesbismittleres
Kreditrisiko)inAbhängigkeitzurLaufzeit.DieSpread-WertesindinderTabellein
Basispunktenangegeben.USTreasurySecuritiesmitgleicheroderähnlicherLaufzeitstellendie
Benchmarkrenditedar.

Die Tabelle zeigt: Je länger die Laufzeit dauert, desto größer ist tendenziell der Spread.
Diese Beobachtung stimmt für Anleihen mit einem Preis weit über dem Par-Wert von %
und für notleidende Wertpapiere (Dist ressed Securities) nicht. Bei Premium Bonds 100
liegt der Kuponsatz über der Verfallrendite und der Preis der Anleihe konvergiert mit der
Zeit gegen den niedrigeren Par-Wert von 100 %.VieleInvestorensindnichtbereit,einen%
hohen Preis über dem Par-Wert von 100 fürAnleihenmiteinemKreditrisikozube-
zahlen, weil sich bei einem sich abzeichnenden Ausfall des Emittenten der Bond-Preis in
Richtung niedrigere Wiederverwertungsrate (Recovery Rate) bewegt. Daher können mit-
telfristigeAnleihenmiteinemimVergleichzurVerfallrenditehohenKuponübereine
614 10 RisikoanalysevonAnleihen

Tab. 10.4 Risikoprämien für den US-amerikanischen Industriesektor per 22. Oktober 2015
(Spreads in Basispunkten) (Quelle: Reuters)
Jahre AAA AA A BBB BB US Treasury Yield
1 21 30 43 96 172 0;23 %
2 26 32 58 111 272 0;61 %
3 38 42 71 132 331 0;89 %
4 45 53 79 144 346 –
5 53 65 88 153 343 1;36 %
6 55 72 92 160 335 –
7 61 83 102 178 336 1;74 %
8 65 95 115 204 341 –
9 70 108 131 230 349 –
10 76 121 147 253 361 2;04 %
12 84 137 165 277 – –
15 99 149 175 280 386 –
20 122 153 175 269 364 2;48 %
25 127 146 162 240 304 –
30 121 114 141 200 – 2;87 %

höhere Risikoprämie verfügen als langfristige Premium Bonds. Bei Anleihen eines wirt-
schaftlich angeschlagenen Emittenten fallen aufgrund des hohen Kreditrisikos sämtliche
Preise gegen die erwartete Wiederverwertungsrate. Dabei weisen kurzfristige Anleihen eine
niedrigere modifizierte Duration und eine höhere Verfallrendite und somit einen hö- heren
Spread auf als langfristige Anleihen mit einer höheren modifizierten Duration. Bei einer
niedrigeren Duration muss die Verfallrendite (inklusive Spread) größer und somit der Preis
kleiner sein, um bei einer Spread-Änderung den Anleihepreis in Richtung einer niedrigen
erwartetenWiederverwertungsratezubringen.

Zusammengefasstlässtsichfesthalten,dassdieRenditerisikobehafteterAnleihenvon
Spread-Veränderungenbeeinflusstwird.JehöherdiemodifizierteDurationist,destohö-her
fälltbeigegebenerSpread-BewegungdiePreisänderungderAnleiheaus.EineZunah-meder
RisikoprämieführtzueinemPreisrückgang,währendeineAbnahmederRisiko-prämieeinen
PreisanstiegzurFolgehat.FürMarktteilnehmerwieetwaPortfoliomanager,dieaktivdas
Bond-Portfoliobewirtschaften(alsokeineBuy-and-Hold-Strategieverfol-gen),sind
VoraussagenzuSpread-BewegungenunderwarteteVerlusteauseinemSchuld-nerausfall
wichtig,dadiesebeieinerrichtigenEinschätzungeinenpositivenBeitragzurPortfoliorendite
leisten.
10.3 GrundlagenderKreditanalyse 615

10.3.5 Kreditrisikomodelle

Zu den traditionellen Kreditrisikomodellen zählen die Kredit-Scoring-Modelle und die


Bonitätsratings,diedasKreditrisikodesSchuldnersineinereinzigenGrößezusammen-fassen.
Demgegenüber sind strukturelle Modelle und Reduced-Form-Modelle quantitative
Verfahren, mit denen einzelne Kreditrisikogrößen wie die Ausfallwahrscheinlichkeit und der
erwarteteKreditverlustberechnetwerdenkönnen.

DietraditionellenKreditrisikomodelle–alsoKredit-Scoring-ModelleundBonitäts-
ratings–werdenfürunterschiedlicheTypenvonSchuldnernverwendet.Dabeiwerdendie
Kredit-Scoring-ModellebeikleineneigentümergeführtenUnternehmenundEinzel-personen
eingesetzt,währendBonitätsratingsbeiUnternehmen,StaatenundderenWert-papierensowie
beiAssetBackedSecurities(ABS)
52
zurAnwendunggelangen.Kredit-
Scoring-ModelleermöglichenmithilfeeinerKreditpunktebewertung,dieKreditwürdig-keit
desSchuldnerseinzustufen.DieAusfallwahrscheinlichkeitdesSchuldnerswirdnicht
bestimmt.VielmehrfindetanhandeinesPunktesystemseineordinaleKlassifizierungdes
Schuldnersstatt,diesichvonwenigbissehrrisikoreicherstreckt.BeieinemBonitäts-rating
hingegenwirddieKreditwürdigkeiteinesSchuldnersodereinesWertpapiersübereine
standardisierteKennzahl(z.B.beiS&PvonAAAbisD)vergeben.
53

DiestrukturellenModellegehörenzudenquantitativenVerfahren,mitdeneneinzelne
KreditgrößenwiedieAusfallwahrscheinlichkeitunddererwarteteKreditverlustermittelt
werdenkönnen.SiebeziehensichaufdieBilanzstruktureinesUnternehmens.DerWertdes
EigenkapitalsweisteinenasymmetrischenVerlaufaufundkanndemnachmitderOp-
tionspreistheoriefestgelegtwerden.DerEigenkapitalwertbestehtauseinereuropäischen
Long-Call-OptionaufdenWertderUnternehmensaktiven,wobeiderAusübungspreisdurch
denNominalwertdesFremdkapitalsgegebenist.LiegtderWertderUnternehmens-aktiven
überdemNominalwertdesFremdkapitals,endetzumFälligkeitszeitpunktdesFremdkapitals
dieCall-OptionimGeldundderEigenkapitalwertbestehtausderDifferenzzwischendemWert
derUnternehmensaktivenunddemNominalwertdesFremdkapi-tals.Fallenhingegendie
VermögenswertedesUnternehmensunterdenNominalwertdesFremdkapitals,verfälltdie
Call-OptionwertlosundderWertdesEigenkapitalsistfolg-lichnull.DieEigenkapitalgeber
könnenmaximaldenWertihrerKapitaleinlageverlieren.LiegtderWertder
UnternehmensaktivenunterdemgeschuldetenNominalwert,istdasUnternehmennichtmehr
inderLage,dasfälliggewordeneFremdkapitalvollständigzu-rückzuzahlen.MithilfederOpti
onspreistheorielässtsichauchderWertdesFremdkapitalseruieren,derauseinerrisikolosen
AnleihezumgleichenNominalwertwiedasFremdkapi-

52
AssetBackedSecurities(ABS)stellenverbriefteAnleihendar.DieVerbriefung(Securitisati-on)
erfolgtdurchVermögenswertewieetwaKrediteoderAnleihen,dieineinerZweckgesellschaft
(SpecialPurposeVehicle)gebündeltwerdenundsoalsSicherheitfürdieABS-Emissiondienen.Da-durch
werden illiquide Vermögenswerte wie beispiel sweise Kredite in ein handelbares Wertpapier
umgewandelt bzw. verbrieft. Direktanlagen in ABS werden von professionellen Marktteilnehmern
getätigt.FürprivateAnlegeristeindirektesInvestmentkaummöglich.
53
Vgl. Abschn. 10.3.2 .
616 10 RisikoanalysevonAnleihen

tal und einer Short-Put-Option auf die Vermögenswerte des Unternehmens besteht, wobei der
AusübungspreisdemNominalwertdesFremdkapitalsentspricht.DiePut-OptionfälltinsGeld,
wenn der Wert der Unternehmensaktiven unter den Ausübungspreis fällt. Um den Wert des
Fremdkapitals zu bestimmen, wird der Wert der Put-Option vom Wert der risikolosen Anleihe
abgezogen. Mit den strukturellen Modellen lassen sich die Ausfall- wahrscheinlichkeit und der
erwartete Kreditverlust bei einem Ausfall des Unternehmens berechnen. Die hierzu benötigten
Input-ParameterwerdenausdenMarktpreisendesEi-genkapitalsabgeleitetundkalibriert.

54

IndenstrukturellenModellenwirdderAusfallprozesseinesUnternehmensdurchdenWert
derVermögenswertebeeinflusst.DaderWerteinerOptionvonderVolatilitätdesBasiswerts
determiniertwird,istdieAusfallwahrscheinlichkeitmitdererwartetenVo-latilitätder
Unternehmensaktivenverknüpft.DahersindineinemstrukturellenModellsowohldie
AusfallwahrscheinlichkeitalsauchdererwarteteKreditverlustbzw.dieer-wartete
WiederverwertungsratederVermögenswertevondenstrukturellenEigenschaftendes
Unternehmensabhängig.DemgegenüberwerdenbeidenReduced-Form-Modellendie
BewertungsparameterexogenerfasstundberuhensomitaufhistorischenDaten.Der
AusfallprozessundderRecovery-ProzesswerdenunabhängigvondenstrukturellenEi-
genschaftendesUnternehmensmodelliert.

55

10.4 AnalysedesMarktliquiditätsrisikos

Eine Anleihe ist illiquide, wenn sie über ein niedriges Handelsvolumen verfügt und so der Preis
eine weite Geld-Brief-Spanne aufweist. Im Vergleich zu einer liquiden Anleihe erfolgen der
Kauf zu einem höheren Briefkurs und der Verkauf zu einem niedrigeren Geld- kurs. Diese
Verlustgefahr wird als Marktliquiditätsrisiko b ezeichnet. Die Marktliquidität einer Anleihe
wirdvondenfolgendenFaktorenbeeinflusst:
56

 Emittent:AnleihenvonEmittentenmiteinemhohenBekanntheitsgradbesitzeneinehöhere
Nachfrage und Akzeptanz auf dem Markt. Darüber hinaus betreiben größere Emittenten mit
regelmäßigen Anleiheemissionen üblicherweise Kurspflege und stellen aktive Preise. Eine
Verlustgefahr besteht dann, wenn das Handelsvolumen und so- mit die Marktliquidität von
einer möglichen Herabstufung des Bonitätsratings negativ beeinflusst wird. Dies gilt
insbesonderebeieinemMarktumfeld,indemdieRisiko-aversionderMarktakteuresteigt.

54
Für die strukturellen Kreditrisikomodelle vgl. z. B. Crouhy et 357 ff. al. 2001 : Risk Management,
S.
55
Für die Reduced-Form-Modelle vgl. z. B. Jarrow und van Deventer 2015 : Credit Analysis Models, 297
S. ff.
56
Vgl. Diwald 2012 : Anleihen verstehen: Grundlagen verzinslicher Wertpapiere und weiterführende
Produkte, S. 215 ff.
10.4 AnalysedesMarktliquiditätsrisikos 617

 Emissionsvolumen: Grundsätzlich gilt, dass bei einem höheren (niedrigeren) Emissi-


onsvolumen die Liquidität steigt (fällt), weil die Anleihe auf eine größere (kleinere) Anzahl
von Marktteilnehmern verteilt ist, welche die Anleihe auf dem Markt handeln können. Bei
kleinen Emissionen genügen bereits kleine Umsätze, um den Preis erheb- lich zu bewegen.
Dabei können auch Preissprünge vorkommen. Für viele Investoren ist es wichtig, dass die
Anleihe liquide ist und sie so die Position jederzeit ohne Preisab- schlag abstoßen können.
Deswegen sind sie für liquide Anleihen bereit, einen höheren Preis zu bezahlen, der sich in
einerniedrigerenRenditeniederschlägt.Diesistvoral-leminKrisenzeitenwichtig,indenen
dieAnlegernichtnurinsichere,sondernauchinliquideWertpapiereinvestieren.

 Alter der Emission: Neu begebene Anleihen sind üblicherweise liquider, weil bereits
emittierte Anleihen von den Anlegern in Portfolios gehalten werden und nicht zu Han-
delszwecken verfügbar sind. Des Weiteren spiegeln neue Emissionen die gegenwär- tigen
Marktbedingungen wie etwa beim Kupon eher wider, sodass sie auch vermehrt gehandelt
werden.

 Benchmarkanleihe: Eine Anleihe kann für andere Schuldverschreibungen eine Bench-


mark darstellen, wenn sie über ein großes Volumen und Liquidität verfügt und auch breit
unter den Marktteilnehmern gestreut ist. Dieses Kriterium wird oft durch neu emittierte
erstklassigeStaatsanleihenerfüllt(z.B.DeutscheBundesanleihen).

 Bonitätsrating: Wird das Rating unter ein bestimmtes Niveau herabgestuft (z. B. von
InvestmentGradeaufSpeculativeGrade),dürfenbestimmteInvestorenwiebeispiels-weise
Investmentfonds mit einem konservativen Anlageziel oder Pensionskassen die Anleihe
nichtmehrerwerbenoderhalten.DieshateinennegativenEffektaufdieMarktliquidität.

 Ausgestaltung der Anleihe: Plain-Vanilla-Anleihen sind in der Regel liquider als struk-
turierte Anleihen, weil sie zum einen eine höhere Nachfrage besitzen und zum anderen
leichterzubewertensind.
 MarketMaking:DieMarktmacheraktivitätvonHändlernundBrokernkannimvor-wiegend
außerbörslichen Handel von Anleihen die Marktliquidität verbessern. Sind Anleihen
börsennotiert,bedeutetdasnichtautomatisch,dassdieseliquidesind.
 Marktumfeld: Liegt ein günstiges Marktumfeld vor, in dem Angebot und Nachfrage hoch
sind, so wirkt sich das positiv auf die Umsätze und die Marktliquidität aus. Geht die
Risikoaversion bei den Marktakteuren zurück, werden vermehrt risikobehaftete An- leihen
gekauft, was die Marktliquidität erhöht. Nimmt hingegen die Risikoaversion zu, findet ein
Verkauf von risikobehafteten Pa pieren statt. Das Geld wird dann in sichere Titel wie etwa
erstklassigeStaatsanleiheninvestiert.

 Refinanzierungsbedarf von Emittenten: Besteht ein dringender Refi nanzierungsbedarf bei


einem Emittenten und weist der Markt lediglich geringe Umsätze auf oder ist er nicht
genügend aufnahmefähig, kann die Emission nur zu einem niedrigeren Kurs auf dem Markt
platziertwerden.
61 10 RisikoanalysevonAnleihen

10.5 Zusammenfassung

 Die Preisänderung einer festverzinslichen Anleihe infolge einer Renditeänderung lässt


sich anhand der Taylor-Reihenentwicklung mit einer Näherung der zweiten Ordnung
ermitteln.DabeiwerdendiemodifizierteDurationundKonvexitäteingesetzt.
 Die modifizierte Duration misst die Sensitivität des Full-Preises einer Anleihe (ein-
schließlich Stückzinsen) gegenüber einer Änderung der Verfallrendite. Die modifizierte
Duration ergibt sich aus der ersten Ableitung des Anleihepreises gegenüber einer klei- nen
VeränderungderVerfallrenditedividiertdurchdenAnleihepreis.

 DieMacaulay-DurationistnachdemkanadischenÖkonomenFrederikMacaulaybe-nannt.
SieisteineTeilformeldermodifiziertenDuration.WirddieMacaulay-Durationdurch1plus
die Rendite auf Verfall dividiert, gelangt man zur modifizierten Durati- on. Die
Macaulay-Duration kann als durchschnittliche Bindungsdauer der erwarteten Cashflows
einerAnleiheinterpretiertwerdenundwirdgewöhnlichinJahrenangege-ben.

 Die Eigenschaften der Macaulay-Duration und modifizierten Duration bzw. des Preis-
änderungsrisikos einer optionsfreien festverzinslichen Anleihe hängen von den folgen-
den Faktoren ab: 1. Verlängert sich die Zeitperiode zwischen dem Valutatag und dem
letzten Kupontermin, so geht die Duration bzw. das Preisänderungsrisiko zurück. Al-
lerdings steigt am nächsten Zinstermin die Duration sprunghaft an, aber auf einem
niedrigeren Niveau, als dies beim vorangegangenen Zinstermin der Fall war. 2. Übli-
cherweise ist die Beziehung zwischen der Restlaufzeit und der Duration positiv.
Nimmt die Restlaufzeit ab (zu), so verringert (erhöht) sich die Duration und somit das
Preis- änderungsrisiko. Eine Ausnahme stellen Discount Bonds mit einer langen
Restlaufzeit und mit einem Kuponsatz weit unterhalb der Verfallrendite dar. So kann
bei einem Rückgang der Restlaufzeit die Duration zuerst ansteigen, bevor sie zu fallen
beginnt. Das Verhältnis zwischen dem Kuponsatz und der Duration ist negativ. Ein
höherer (niedrigerer) Kupon hat ein/e niedrigere/s (höhere/s) Duration/
Preisänderungsrisiko zur Folge. 4. Die Beziehung zwischen Verfallrendite und
Duration ist ebenfalls ne- gativ. Eine höhere (niedrigere) Verfallrendite impliziert ein/e
3.
niedrigere/s (höhere/s) Duration/Preisänderungsrisiko.

 Die modifizierte Duration lässt sich auch mit einer Näherungsformel bestimmen. Um die
angenäherte modifizierte Duration zu e rmitteln, wird die Steigung der Tangente an der
Preisfunktionskurve eruiert, die durch die beiden Preis-Rendite-Punkte nach einer
gleichmäßigen negativen und positiven Bewegung der Verfallrendite verläuft. Wird die so
berechnete Steigung der Tangente durch de n Anleihepreis dividiert, gelangt man zur
angenähertenmodifiziertenDuration. Die a pproximierte Macaulay- Duration resultiert aus
derangenähertenmodifiziertenDurationmultipliziertmit1plusdieVerfallrendite.

 Die effektive Duration ist eine Näherungsgleichung, mit der die modifizierte Durati- on
approximativ bestimmt werden kann. Im Gegensatz zur angenäherten modifizierten
Duration wird für deren Berechnung nicht die Veränderung der Verfallrendite, sondern eine
BewegungderBenchmarkkurve(z.B.derrisikolosenZinsstrukturkurve)verwen-
10.5 Zusammenfassung 619

det. Die effektive Duration ist für Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen wie etwa
Callable und Putable Bonds relevant, weil deren erwartete Cashflows vom Zinsniveau
abhängen.
 Die Duration eines Bond-Portfolios lässt sich durch die Summe der marktwertge-
wichteten Durationen der einzelnen Anleihen bestimmen. Dabei können lediglich die
Marktwertveränderungen des Portfolios infolge einer parallelen Verschiebung der
Renditestrukturkurveeruiertwerden.
 Nicht parallele Verschiebungen bzw. eine Steigungsänderung der Renditestrukturkur- ve
können mit der Portfolio-Durationnicht erfasst werden. Hierzu sind Key-Rate- Durationen
erforderlich, die für bestimmte Fristigkeiten entlang der Renditestruktur- kurve definiert
werden.

 Eine verwandte Größe zur modifizierten Duration stellt die Geld-Duration dar, welche die
PreisänderunginderWährungderAnleihewiedergibt.DieGeld-Durationergibtsichausder
modifiziertenDurationmultipliziertmitdemFull-PreisderAnleihe.DiePreisänderunglässt
sich analog zur Taylor-Reihenentwicklung der ersten Ordnung be- rechnen, indem die
Geld-DurationmitderVeränderungderVerfallrenditemultipliziertwird.

 Eine weitere Duration-Kennzahl ist der Price Value of a Basis Point (PVBP), der die
Änderung des Full-Preises bei einer Bewegung der Verfallrendite um 1 Basispunkt misst.

 Für sehr kleine Renditeänderungen ist die Beziehung zwischen dem Bond-Preis und der
Verfallrendite ungefähr linear, sodass die erste Ableitung bzw. die modifizierte Du- ration
genügt, um die Preisänderung anhand der Taylor-Reihenentwicklung zu ermit- teln. Bei
größerenRenditeänderungenmussdiezweiteAbleitungbzw.dieKonvexitätberücksichtigt
werden.

 Die modifizierte Konvexität lässt sich anhand der zweiten Ableitung des Anleihepreises
gegenüber einer Änderung der Verfallrendite bestimmen. Eine hohe positive Konvexität
findet man bei optionsfreien festverzinslichen Anleihen mit einer langen Restlaufzeit, weil
diezweiteAbleitungimZählerdenTermt
2
C t beinhaltet. Somit steigt die Kon-
vexität mit dem Zeitfaktor t C t .
2

 Die Höhe der Konvexität hängt von den gleichen Faktoren ab, die auch die Duration
beeinflussen.EineoptionsfreiefestverzinslicheAnleiheweistbeieinerlängeren(kür-zeren)
Restlaufzeit, bei einem niedrigere n (höheren) Kupon und bei einer niedrigeren (höheren)
Verfallrenditeeinehöhere(niedrigere)Konvexitätauf.

 Die modifizierte Konvexität lässt sich wie die modifizierte Duration durch eine Nähe-
rungsformel berechnen. Dabei gibt die angenäherte modifizierte Konvexität die zweite
Ableitung bei einer Änderung der Verfallrendite an, während die effektive Konvexität die
zweite Ableitung bei einer Änderung der Benchmarkkurve (z. B. risikolose Zins-
strukturkurve) verkörpert. Letztere wird bei Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen
eingesetzt,beidenendieerwartetenCashflowsvomZinsniveauabhängen.

 Callable Bonds verfügen bei einem niedrigen Zinsniveau über eine niedrige effektive
DurationundeinenegativeeffektiveKonvexität,weilaufgrundderhohenKündigungs-
620 10 RisikoanalysevonAnleihen

wahrscheinlichkeit der Anleihepreis gegen den Kündigungspreis strebt. Die niedrigere


Duration istmit der kürzeren Restlaufzeit der Anleihe konsistent. Einenegative Kon- vexität
bedeutet, dass bei einer gleichen Bewegung der Zinssätze nach oben und nach unten die
Preiszunahme im Vergleich zum Preisrückgang weniger stark ausfällt. Ist hingegen das
Zinsniveau hoch und die Ausübungswahrscheinlichkeit der eingebetteten Call-Option
gering, besitzt der Callable Bond ebenso wie eine optionsfreie Anleihe ei- ne positive
Konvexität. Unter einer positiven Konvexität versteht man, dass bei einer gleichmäßigen
Veränderung der Zinssätze nach oben und nach unten der Preisanstieg größer ist als der
Preisrückgang. Zum Beispiel besitzen optionsfreie festverzinsliche Anleihen entlang der
gesamtenPreisfunktionskurveeinepositiveKonvexität.

 Die effektive Duration eines Putable Bonds nimmt bei einem hohen Zinsniveau im Vergleich
zueineroptionsfreienAnleiheab,weildieWahrscheinlichkeiteinerOptions-ausübunggroß
ist. Der Rückgang der effektiven Duration ist mit einer kürzeren Rest- laufzeitdes Putable
Bondskonsistent. Die Preisfunktionskurve eines Putable Bonds weist beijedem Zinsniveau
einepositiveKonvexitätauf.

 Der Duration-Konvexitäts-Ansatz kann für die Berechnung der Preisänderung sowohl bei
ÄnderungenderBenchmarkrendite(z.B.risikoloserZinssatz)alsauchbeiBe-wegungender
Risikoprämie bzw. des Spreads verwendet werden. Bei optionsfreien festverzinslichen
Anleihen stellt der Spread eine Renditeentschädigung für das Kredit- und
Marktliquiditätsrisikodar.

 Unter Kreditrisiko versteht man, dass der Emittent die vereinbarten Zins- und Tilgungs-
zahlungen nicht vertragsgerecht leistet, was zu einem Zahlungsverzug bis hin zu einer
Insolvenz des Schuldners führen kann. Der erwartete Verlust aus dem Kreditrisiko lässt sich
über die Ausfallwahrscheinlichkeit des Emittenten, das Kreditäquivalent (Nomi- nalwert
und Kupons) und die Wiederverwertungsrate der Vermögenswerte (Recovery Rate)
messen.

 Das Kreditrisiko stellt neben dem Zinsänderungsrisiko bei den meisten Anleihen die größte
Verlustgefahr dar. Da ein plötzlicher Ausfall des Emittenten ein sehr seltenes Ereignis ist,
nimmt die Bedeutung des Kreditrisikos zu, je länger der Anlagehorizont eines Investors
dauert. In der Regel verschlechtert sich die Schuldnerqualität über einen längeren Zeitraum,
was sich in mehrere n Herabstufungen des Ratings und in höheren Kreditrisikoprämien
äußert.

 Die Bonität einer Anleihe kann durch Sicherheiten wie die Seniorität und die Besiche- rung
verbessert werden. Unter Seniorität einer Schuld versteht man die Reihenfolge, in der die
Ansprüche der Gläubiger bei einer Insolvenz oder einer Liquidation des Un- ternehmens
bedient werden. Anleihen können besichert, unbesichert oder nachrangig begeben werden.
DarüberhinauskanndieSicherheiteinerAnleiheauchinFormeinerGarantieauftreten.

 Mit einem Rating wird die Bonität eines Schuldners oder einer Anleihe festgelegt, die auf
einer Einschätzung hinsichtlich der Kreditwürdigkeit und Ausfallwahrscheinlich- keit
beruht. Die weltweit wichtigsten Ratingagenturen sind Standard & Poor’s (S&P, Teil des
MedienunternehmensMcCrawHill),FitchRatings(Teildesfranzösischen
10.5 Zusammenfassung 621

Finanzdienstleisters Fimalac) und Moody’s Investors Service (Moody’s, selbständiges


börsennotiertesUS-Unternehmen).
 DieUnterteilungderSchuldnerundderAnleiheninverschiedeneRatingklassenrich-tetsich
bei den drei großen Ratingagenturen nach den US-amerikanischen Schulnoten A, B, C usw.
Investment-Grade-Anleihen verfügen über ein Rating von AAA (S&P und Fitch) bzw. Aaa
(Moody’s) bis BBB– bzw. Baa3. Solche Schuldverschreibungen weisen ein minimales bis
mittleres Kreditrisiko auf. Demgegenüber besitzen Non- Investment-Grade-Anleihen
(Speculati ve Grade) ein Rating von BB+ bzw. Ba1 bis D bzw. C. Solche Papiere haben ein
mittleresbissehrhohesKreditrisiko.BeieinemRa-tingvonDbzw.CbefindetsichdieAnleihe
imZahlungsausfall.

 Die Kreditanalyse beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Downside-Risiko. Hier- zu


werden die vom Unternehmen erwirtschafteten nachhaltigen Cashflows ins Verhält- nis zu
den Zins- und Tilgungszahlungen des ausstehenden Fremdkapitals gesetzt. Beim
Fremdkapital werden die Zusammensetzung, die Höhe, die Zins- und Tilgungszahlun- gen
sowie die unterschiedliche Seniorität anhand der Bilanz und der Kapitalflussrech- nung
untersucht.

 In der traditionellen Kreditanalyse erfolgt die Beurteilung des Kreditrisikos von Un-
ternehmensanleihen anhand der folgenden vier Punkte: 1. Fähigkeit des Schuldners, die
Zins- und Tilgungszahlungen vertragsgerecht zu leisten. 2. Sicherheiten wie et- wa die
Qualität und Werthaltigkeit der Vermögenswerte, die bei einem Ausfall des Schuldners für
die Bedienung der ausstehe nden Schuldverpflichtungen verwendet wer- den können. 3.
Anleihebedingungen, die vom Emittenten einzuhalten sind. 4. Qualität der
Unternehmensleitung. Dazu gehören die e thische Reputation, die Qualifikationen des
Managements in Bezug auf Ausbildung und Berufserfahrung sowie ein historischer
Leistungsausweis.

 Investoren von Unternehmensanleihen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Risi-


koprämiefürdasKredit-undMarktliquiditätsrisikoundnichtaufdieBenchmarkren-ditebzw.
denrisikolosennominalenZinssatz,derausdemrealenrisikolosenZinssatzunddererwarteten
Inflationsratebesteht.DieRisikoprämieeinerUnternehmensanleihewirdvonverschiedenen
Faktoren beeinflusst, wobei Schuldverschreibungen mit einer schlechteren Kreditqualität
eine höhere Spr ead-Volatilität aufweisen. Die allgemeinen (also nicht
emittentenspezifischen) Faktoren, die einen Einfluss auf die Risikoprämie haben, sind der
Kreditzyklus, die Wirtscha ftsbedingungen, die Verfassung der Finanz- märkte, die
Bereitstellung derMarktliquidität durch Marktteilnehmer (MarketMaking) sowie Angebot
undNachfrage.

 Die Preisänderung einer Anleihe infolge einer Spread-Änderung hängt von der modifi-
zierten Duration und Konvexität ab und lässt sich anhand der Taylor-Reihenentwicklung der
zweiten Ordnung ermitteln. Je höher die modifizierte Duration ist, desto höher fällt die
Preisänderung bei einer gegebenen Spread-Bewegung aus. Somit verfügen Anlei- hen mit
einerhöherenDurationübereinehöhereSpread-Preissensitivität.
622 10 RisikoanalysevonAnleihen

 Eine Zunahme der Risikoprämie führt zu einem Preisrückgang, während eine Abnah-
me der Risikoprämie eine Preissteigerung zur Folge hat. Für Marktteilnehmer wie etwa
Portfoliomanager, die aktiv das Bond-Portfolio bewirtschaften (also nicht eine Buy-
and-Hold-Strategie verfolgen), sind Voraussagen zu Spread-Bewegungen und erwarte- te
Verluste aus einem Schuldnerausfall wichtig, da diese bei einer richtigen Prognose einen
positivenBeitragzurPortfoliorenditeleisten.

 Mithilfe von Kreditrisikomodellen lässt sich das Kreditrisiko des Schuldners bestim- men.
Zu den traditionellen Modellen gehören die Kredit-Scoring-Modelle und die Bo-
nitätsratings, die das Kreditrisiko in ein er einzigen Größe zusammenfassen. Erstere werden
für kleine eigentümergeführte Unternehmen und Einzelpersonen eingesetzt, während
Bonitätsratings bei Unternehmen, Staaten und deren Wertpapieren sowie bei Asset Backed
Securities zur Anwendung gela ngen. Im Gegensatz zu den traditionellen
Kreditrisikomodellen stellen strukturelle Modelle und Reduced-Form-Modelle quanti-
tative Verfahren dar, mit denen einzelne Kreditgrößen wie die Ausfallwahrscheinlich- keit
unddererwarteteKreditverlustermitteltwerdenkönnen.

 Illiquide (liquide) Anleihen verfügen übe r ein niedriges (hohes) Handelsvolumen und eine
weite (enge) Geld-Brief-Spanne beim Preis. Eine illiquide Anleihe kann im Ver- gleich zu
einem liquiden Papier nur zu einem höheren Briefkurs gekauft und zu einem niedrigeren
Geldkursverkauftwerden.DieseVerlustgefahrwirdalsMarktliquiditäts-risikobezeichnet.
Die Marktliquidität einer Anleihe wird von verschiedenen Faktoren wie dem
Bekanntheitsgrad des Emittenten, der Größe des Emissionsvolumens, dem Alter der
Emission, einem etwaigen Benchmarkstatus, dem Bonitätsrating, der Ausge- staltung der
Anleihe, dem Market Making von Händler und Broker, dem Marktumfeld und einem
etwaigendringendenRefinanzierungsbedarfdesEmittentenbeeinflusst.

10.6 Aufgaben

Aufgabe1
Eine 5-jährige Anleihe mit einem jährlichen Kupon von 5 % verfügt über eine Verfall-
rendite von 4 %.

1. Wie hoch sind die Macaulay-Duration und die modifizierte Duration der Anleihe? Wie
2. hochistdiemodifizierteKonvexitätderAnleihe?
3. Wie hoch ist der Anleihepreis anhand der Taylor-Reihenentwicklung der zweiten
Ordnung,wenndieVerfallrenditeum75Basispunktezunimmt?
4. Wie hoch ist der Anleihepreis bei einer Verfallrendite von 4;75 %?

Aufgabe2
Für die 1;5 %-Anleihe der Daimler AG mit einer Laufzeit von 2016 bis 2026 liegen die
folgenden Stammdaten vor:
10.6 Aufgaben 623

Emittent Daimler AG
ISIN DE000A2AAL31
Art Unternehmensanleihe
Rating A–(S&PundFitch)undA3(Moody’s)
Währung EUR
Stückelung EUR 1000
Emissionsvolumen EUR 1 Mrd.
Emissionstag 9. März 2016
Day-Count-Konvention Tagesgenau / tagesgenau ICMA
Kupon 1;500 % fest, jährlich
Zinstermin Jährlich jeweils am 9. März
Fälligkeit 9. März 2026
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss
Sicherungsart Nicht besichert

Die Bloomberg-Maske für die Daimler-Anleihe lautet am 21. März 2016 wie folgt:

(Quelle: Bloomberg)

a) Unter der Rubrik Risk sind die modifizierte Duration von 9,234 und die modifizierte
Konvexität von 0,979 aufgeführt. Wie gelangt man zu diesen beiden Werten in der
Bloomberg-Maske?
b) WiewirdinderBloomberg-MaskedieOAS-Durationvon9,442unddieOAS-Konvexität
von0,969berechnet?
c) WasbedeutetdieGrößeRiskinderBloomberg-MaskeundwielässtsichderWertvon9,580
ermitteln?
624 10 RisikoanalysevonAnleihen

Aufgabe3
Ein Portfolio besteht aus den folgenden vier optionsfreien festverzinslichen Anleihen:

Anleihe Nominalwert Marktwert Modifizierte Duration


Anleihe A EUR 200:000 EUR 220:000 5
Anleihe B EUR 100:000 EUR 95:000 4
Anleihe C EUR 400:000 EUR 415:000 8
Anleihe D EUR 300:000 EUR 270:000 6

a) Wie hoch ist die modifizierte Duration des Bond-Portfolios?


b) Wie hoch ist annäherungsweise die Marktwertveränderung des Portfolios bei einem
RückgangderVerfallrenditeum40Basispunkte?

Aufgabe4
Ein Portfolio setzt sich aus den folge nden drei Nullkuponanleihen zusammen:

Anleihen Nominalwert Verfallrendite Restlaufzeit


Anleihe A EUR 200:000 4;5 % 5 Jahre
Anleihe B EUR 500:000 5;2 % 10 Jahre
Anleihe C EUR 300:000 4;8 % 20 Jahre

Die Key-Rate-Durationen der drei Nullkuponanleihen sind durch deren Restlaufzei-


ten gegeben.

a) Wie hoch ist die effektive Duration des Bond-Portfolios?


b) Wie hoch sind die prozentuale und die absolute Marktwertveränderung des Portfo- lios,
wennderrisikoloseZinssatzentlangdergesamtenZinsstrukturkurveum50Basispunkte
steigt(paralleleVerschiebung)?
c) Wie hoch sind die prozentuale und die absolute Marktwertveränderung des Portfoli- os,
wennder5-jährigerisikoloseZinssatzum40Basispunktesteigt,der10-jährigerisikolose
Zinssatzum70Basispunktefälltundder20-jährigerisikoloseZinssatzum30Basispunkte
zurückgeht?

Aufgabe5
Ein Portfolio setzt sich aus den folgenden drei optionsfreien festverzinslichen Anleihen
zusammen:

Anleihe Restlaufzeit Kupon (jährlich) Verfallrendite Modifzierte Duration


A 8 Jahre 3;0 % 4;25 % 6,90
B 10 Jahre 2;5 % 3;48 % 8,62
C 15 Jahre 4;5 % 4;15 % 10,85
10.6 Aufgaben 625

Welche der drei Anleihen im Portfolio verfügt über die höchste Geld-Duration bei
einem Nominalwert von EUR ?(Annahme:AlledreiAnleihenbefindensichauf
einem Kupontermin.) 1000

Aufgabe6
Für die 2 %-Anleihe der Linde AG mit einer Laufzeit von 2013 bis 2023 liegen die
folgenden Stammdaten vor:

Emittent Linde AG
ISIN DE000A1R07P5
Art Unternehmensanleihe
Währung EUR
Stückelung EUR 1000
Emissionsvolumen EUR 650 Mio.
Emissionstag 18. April 2013
Day-Count-Konvention Tagesgenau / tagesgenau ICMA
Kupon 2 % fest, jährlich
Zinstermin Jährlich jeweils am 18. April
Fälligkeit 18. April 2023
Valuta 2 Geschäftstage nach Handelsabschluss

Die Anleihe wird am Freitag, dem 29. April 2016, gekauft. Die Verfallrendite liegt
bei 0;5767 %.

a) Wie hoch ist der Full-Preis der Linde-Anleihe?


b) Wie hoch ist die modifizierte Duration der Linde-Anleihe?
c) Wie hoch ist der Price Value of a Basis Point (PVBP) der Linde-Anleihe?
d) Wie hoch ist die modifizierte Konvexität der Linde-Anleihe?
e) WiehochsinddieangenähertemodifizierteDurationundKonvexitätderLinde-Anleihe,
wenn eine Veränderung der Verfallrendite von 50 Basispunkten bei deren Berechnung
unterstelltwird?

Aufgabe7
Ein Portfolio besteht aus den folgenden vier optionsfreien festverzinslichen Anleihen:

Anleihe Restlaufzeit Kupon (jährlich) Verfallrendite


Anleihe A 5 Jahre 4% 5%
Anleihe B 5 Jahre 3% 4%
Anleihe C 10 Jahre 4% 5%
Anleihe D 10 Jahre 0% 3%

Welche der vier Anleihen besitzt das geringste und welche das größte Preisände-
rungsrisiko?
626 10 RisikoanalysevonAnleihen

Aufgabe
Es liegen die folgenden Aussagen über die Duration und Konvexität vor:

1. Das Zinsänderungsrisiko einer Anleihe mit einer eingebetteten Zinsoption lässt sich
mithilfedermodifiziertenDurationbeurteilen.
2. Je höher die Verfallrendite einer optionsfreien festverzinslichen Anleihe ist, desto höher
istdasPreisänderungsrisikobzw.dieDuration.
3. Nullkuponanleihen mit einer gleichen Restlaufzeit wie optionsfreie festverzinsliche
Anleihen besitzen ein höheres Preisänderungsrisiko bzw. eine höhere Duration.
Mit der modifizierten Duration wird die Preisänderung der Anleihe aufgrund einer
4. Änderung der Benchmarkrendite erfasst, während mit der effektiven Duration die
Preisänderung infolge einer Bewegung der Verfallrendite gemessen wird.

5. Callable Bonds verfügen entlang der gesamten Preisfunktionskurve über eine nega- tive
Konvexität.
6. Putable Bonds weisen für jedes Zinsniveau eine positive Konvexität auf.
7. Die effektive Duration eines Callable Bonds ist im Vergleich zu einer optionsfreien
festverzinslichen Anleihe kleiner, wenn das Zinsniveau niedrig und die Wahrschein-
lichkeiteinerKündigungdurchdenEmittentenhochist.
8. VerändertsichdieSteigungderZinsstrukturkurvebzw.erfolgteinenichtparalleleVerschiebung
derZinssätze,soistdasPreisänderungsrisikoeinerAnleihebzw.einesBond-Portfoliosanhand
vonKey-Rate-Durationenzuermitteln.
9. Für alle optionsfreien festverzinslichen Anleihen gilt, dass bei einer Abnahme der
RestlaufzeitdieDurationebenfallszurückgeht.

Sind die Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?

Aufgabe9
Aufgrund eines Leverage Buyout erhöht sich der finanzielle Leverage eines Unter- nehmens
stark, was dazu führt, dass die Kreditrisikoprämie auf dem Markt zunimmt. Daraufhin fällt
derPreisderUnternehmensanleihevon
104;575 % auf 101;250 %. Die
Anleihe besitzt eine modifizierte Duration von 6,4 und eine modifizierte Konvexität
von 45,7. Um wie viele Basispunkte steigt die Kreditrisikoprämie?

Aufgabe10
Es liegen die folgenden Aussagen über die Kreditanalyse von Anleihen vor:

1. Die Bedingungen einer Anleihe umfassen Leistungs- und Unterlassungsverpflich-


tungen (sogenannte Affirmative und Negative Covenants). Zu den Leistungsver-
pflichtungen gehören Tätigkeiten des Emitte nten, die vertraglich untersagt sind.
Anleihen mit einer höheren modifizierten Duration verfügen über eine höhere Preis-
2. sensitivität gegenüber Veränderungen der Kreditrisikoprämie.

3. Geht die Kreditrisikoprämie zurück, fällt der Preis der Anleihe.


Literatur 627

4. Zu den traditionellen Kreditrisikomodellen zählen die strukturellen Modelle.


5. Gemäß Standard & Poor’s befindet sich eine langfristige Unternehmensanleihe
im Zahlungsausfall, wenn es ein C-Rating aufweist.

Sind die Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?

Literatur

Adams,J.F.,Smith,D.J.:UnderstandingFixed-IncomeRiskandReturn.In:Petitt,B.S.,Pinto,E.,Pirie,W.
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Smith, D. J.: Bond Math: The Theory Behind the Formulas; 2. Auflage, Hoboken (2014)
Standard & Poor’s: Guide to Credit Rating Essentials: What are Credit Ratings and How Do They Work?,
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Standard & Poor’s: Standard & Poor’s Rating Definitions, New York (2016)
Tuckman, B., Serrat, A.: Fixed Income Securities: Tools for Today’s Markets, 3. Auflage, Hoboken (2012)
PreisberechnungvonAnleihenmiteingebetteten
Optionen 11

11.1 Einleitung

In diesem Kapitel werden Bewertungsverfahre n vorgestellt, mit denen sich die Preise von
Anleihen mit einer oder mehreren eingebetteten Optionen bestimmen lassen. Beispiele
eingebetteter Zinsoptionen sind Kündigungsoptionen bei einem Callable und einem Put- able
Bond sowie Caps bei variabel verzinslichen Anleihen. Der Wert dieser Optionen hängt von
deren möglicher Ausübung bzw. von den zukünftigen Zinssätzen ab. Die vor- liegenden
Ausführungen beziehen sich auf Bewertungsmodelle, die einen arbitragefreien Wert liefern.
Das Kapitel beginnt mit den grundlegenden Bestandteilen eines Bewer- tungsmodells für
Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen. Anschließend wird ein ar- bitragefreies binomiales
Bewertungsmodell für optionsfreie Anleihen und Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen
vorgestellt. Das Kapitel endet mit der Preisberechnung von Wandelanleihen. Die eingebettete
Option ist nicht mehr eine Zinsoption, sondern eine Wandeloption bzw. eine Call-Option auf
Aktien des Emittenten. Daher erfolgt die Aus- übung der Wandeloption aufgrund der
zukünftigenAktienkursbewegungen.

11.2 BestandteiledesbinomialenBewertungsmodellsfürAnleihen
miteingebettetenZinsoptionen

Der Bewertungsprozess beginnt mit der Festlegung der Benchmarkzinssätze, die für die
Diskontierung der Cashflows relevant sind. Als Benchmarkzinssätze können risikolose
Nullkuponsätze oder Nullkupon-Swapsätze eingesetzt werden. Man gelangt zu einem
arbitragefreien Bond-Preis, wenn man beispielsweise die Cashflows einer erstklassigen
Staatsanleihe aus dem Primärmarkt mit den risikolosen Nullkuponsätzen (oder auch mit
risikolosen Terminzinssätzen) diskontiert. Die für die Diskontierung eingesetzten Nullku-
ponsätzelieferneinenModellwert,derdemMarktpreiserstklassigerStaatsanleihenauf

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 629


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_11
630 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

demPrimärmarktentspricht.IstdiesnichtderFall,lässtsicheinarbitragefreierGewinnerzielen.

DerPreiseinerAnleihemiteingebettetenOptionenhängtvoneinermöglichenOp-
tionsausübungab,diesomiteinenEinflussaufdiezukünftigenCashflowsderAnleihehat.Dabei
wirddieOptionsausübungdurchdasZinsniveaubeeinflusst.FallenetwadieZinssätze,dann
steigtdieWahrscheinlichkeit,dassderEmittenteinesCallableBondsdieAnleiheam
nächstmöglichenTerminkündigt,waseinenEinflussaufdieLaufzeitundsomitaufdie
zukünftigenCashflowsdesBondshat.DiezukünftigenZinssätzekönnenmitder
ZinssatzvolatilitätindasBewertungsmodellintegriertwerden.Miteinergegebe-nen
ZinssatzvolatilitätundeinemZinssatzmodelllässtsicheinZinsbaumkonstruieren,derdie
möglichenzukünftigenZinssätzeabbildet.AnhanddiesesZinsbaumskönnendiezwei
folgendengrundlegendenSchrittedesBewertungsprozessesdurchgeführtwerden:

 DiezukünftigenZinssätzeerlauben,dievondereingebettetenOptionabhängigenCashflows
zubestimmen.
 DiePreisberechnungderAnleiheerfolgtanhandderZinssätzeentlangdesBaums,mitdenen
dieCashflowsdiskontiertwerden.

Bei einem Zinsbaum handelt es sich um eine probabilistische Beschreibung der mög- lichen
Zinssatzbewegungen während der Anleihelaufzeit. In der Bewertungspraxis gibt es
verschiedeneZinssatzmodelle,diefürdenAufbaueinesZinsbaumseingesetztwerdenkönnen.
Ein Zinssatzmodell identifiziert die Elemente oder Faktoren, welche die Zinssatz- dynamik
erklären. Diese Faktoren folgen einer Zufallsbewegung bzw. sind stochastischer Natur. Daher
muss ein Zinssatzmodell einen statistischen Prozess spezifizieren, der die stochastische
Eigenschaft des Faktors beschreibt, mit dessen Hilfe sich die Zinssatzbe- wegung hinreichend
genau ermitteln lässt. Mit einem Zinssatzmodell lässt sich darlegen, wie sich etwa die
kurzfristigen Zinssätze über die Zeit hinweg verändern. Wenn ledig- lich ein kurzfristiger
Zinssatz betrachtet wird, handelt es sich um ein Einfaktormodell. Komplexere Modelle
berücksichtigen die Veränderung mehrerer Zinssätze entlang der Zinsstrukturkurve. So zum
Beispiel kann neben kurzfristigen Zinssätzen auch die Bewe- gung langfristiger Zinssätze im
Zeitablauferfasstwerden.EinsolchesModellstellteinZweifaktorenmodelldar.

DerZinsbaumkanninderFormeinesBinomialbaumsausgestaltetwerden,indem
kurzfristigeZinssätzeindernächstenPeriodezweiWerteannehmenkönnen.Diezwei
möglichenZinssätzedernächstenPeriodesindmit

 einer Benchmarkrenditekurve,
 einer angenommenen Zinssatzvolatilität und
 einem Zinssatzmodell, das die Zufallsbewegung der Zinssätze definiert, konsistent. 3

1
Vgl. Fabozzi 2007 : Fixed Income Analysis, S. 216.
2
Für eine Beschreibung der verschiedenen Zinssatzmodelle, welche die Dynamik von Zinssätzen
einbinden, vgl. z. B. Ho et al. 2015 : The Term Structure and Interest Rate Dynamics, S. 507 ff. 3
Vgl. Mann 2015 : The Arbitrage-free Valuation Framework, S. 376.
11.3 ZinsbaumundarbitragefreieBewertungvonoptionsfreienAnleihen 631

Bei einem Trinomialbaum können die Zinssätze in der nächsten Periode drei Werte anneh- men.
Es gibt auch komplexere Modelle, mit denen mehr als drei Zinssätze in der nächsten Periode
erfasst werden können. Unabhängig von der Anzahl an Zinssätzen in der nächsten Periode muss
der Zinsbaum einen Modellwert liefern, der mit dem Marktpreis der Anleihe übereinstimmt,
sodassderberechneteAnleihepreisarbitragefreiist.

NachdemderarbitragefreieZinsbaummithilfederBenchmarkrenditekurve,derange-
nommenenZinssatzvolatilitätunddemZinssatzmodellfestgelegtwurde,istderPreisder
AnleihemitdereingebettetenOptionzubestimmen.DabeimüssenanjedemKnotenpunkt
innerhalbdesZinsbaumsRegelnfüreineetwaigeOptionsausübungdefiniertwerden.Der
AnleihepreiswirdmitderRückwärtsinduktionermittelt,beiderzuBeginnjederPeriodebzw.am
entsprechendenKnotenpunktanhandderRegelentschiedenwird,obdieeinge-betteteOption
ausgeübtwird.DersoberechneteModellpreisstellteinenarbitragefreienWertdar.

ImFolgendenwirddieBedeutungeinesarbitragefreienAnleihepreisesbeschrieben,bevor
dieKonstruktioneinesbinomialenZinsbaumsvorgestelltwird,welcherderPreisbe-rechnung
vonoptionsfreiensowievonAnleihenmiteingebettetenOptionendient.AnhanddesZinsbaums
lassensichdiePreiseverschiedenerAnleihenmiteingebettetenZinsop-tionenwieetwa
CallableundPutableBonds,kündbareStep-up-AnleihenundvariabelverzinslicheAnleihen
miteinemCapundFloorberechnen.
4

11.3 ZinsbaumundarbitragefreieBewertungvonoptionsfreien
Anleihen

11.3.1 BedeutungderarbitragefreienAnleihebewertung

Unter der arbitragefreien Anleihebewertung versteht man die Berechnung von Preisen, die
arbitragefrei sind bzw. die den Marktteilnehmern keine Arbitragemöglichkeiten erlauben,
welche zu einem risikolosen Gewinn führen. I n effizienten Märkten werden etwaige Fehl-
bewertungen durch die Marktakteure korrigiert. Dieses Prinzip der Nicht-Arbitrage stellt den
KernpunktderaribtragefreienAnleihebewertungdar.

FestverzinslicheAnleihenkönnenalseinPortfoliovonNullkuponanleihenbetrachtet
werden.SozumBeispielkanneine10-jährigedeutsche2%-Bundesanleihein11Nullku-
ponanleihenaufgeteiltwerden,undzwarin10AnleihenmitjeeinemjährlichenKuponvon2%
undmitLaufzeitenvon1,2usw.bis10Jahrenundeine10-jährigeAnleihemitder
NominalwertzahlungamFälligkeitstag.AnhanddiesesStrippingskönnenMarkt-teilnehmer
eineBundesanleiheindieeinzelnenCashflow-Komponentenzerlegenundsoals
Nullkuponpapierehandeln.BeiderRekonstruktionwerdendie11Nullkuponanlei-henwieder
zueinerfestverzinslichen10-jährigen2%-Bundesanleihezusammengelegt.

4
Vgl. Kalotay et al. 1993 : A Model for the Valuation of Bonds and Embedded Options, S. 35 ff.
5
Vgl. Abschn. 8.8.5.2 .
632 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Ein risikoloser Gewinn ist möglich, wenn etwa die Bundesanleihe zu einem Preis gekauft wird,
der niedriger als der Erlös aus dem Verkauf der 11 gestrippten Nullkuponanleihen ist. Ein
risikoloser Gewinn lässt sich auch erzielen, wenn der Kaufpreis der 11 Nullku- ponanleihen
niedriger als der Verkaufspreis der rekonstruierten Staatskuponanleihe ist. Sind die Preise
arbitragefrei, ist ein risikoloser Gewinn aus dem Stripping und der Re- konstruktion nicht
möglich.FolglichistderPreiseinerfestverzinslichenoptionsfreienStaatsanleihearbitragefrei,
wenn der arbitragefreie Modellpreis mit dem Marktpreis über- einstimmt. Der arbitragefreie
Preis ergibt s ich aus den Cashflows der Anleihe, die mit den laufzeitgerechten risikolosen
Nullkuponsätzen diskontiert werden. Bei einer 4-jährigen erstklassigen 2 %-Staatsanleihe und
risikolosen Nullkuponsätzen von 1,5 % für 1Jahr, 2 % für 2 Jahre, 2,2 % für 3 Jahre und 2,4 % für 4
JahrebeläuftsichderarbitragefreiePreisauf98,53%:

2% 2% 2% 102 %
B0 D 1
C 2
C 3
C D 98;53 %:
.1;015/ .1;02/ .1;022/ .1;024/4

Die arbitragefreien Preise der aus der 4-jähr igen 2 %-Staatsanleihe gestrippten Nullku-
ponanleihenkönnenwiefolgtberechnetwerden:

2%
B1;0 D D 1;97 %;
.1;015/1
2%
B2;0 D D 1;92 %;
.1;02/2
2%
B3;0 D D 1;87 %;
.1;022/3
2%
B4;0 D D 1;82 %;
.1;024/4
100 %
B5;0 D D 90;95 %:
.1;024/4

Wirdetwadie4-jährige2%-StaatsanleihezueinemPreisvon98,53%gekauft,anschlie-ßendin4
Zinsstripsund1Nominalwertstripzerlegt,resultiertdarauseinVerkaufserlösvon98,53%(
D 1;97 % C 1;92 % C 1;87 % C 1;82 % C 90;95 %). Der Arbitragegewinn
ist 0 %, da sämtliche Papiere richtig bewertet sind. Ein risikoloser Arbitragegewinn lässt
sich nur dann erzielen, wenn die arbitragefre ien Preise von den Marktpreisen abweichen.

Beispiel
BerechnungdesarbitragefreienAnleihepreisesunddesrisikolosenArbitragege-winns

Eine deutsche Bundesanleihe mit einem jährlichen Kupon von 2 % und einer Rest- laufzeit
von 3 Jahren wird zu einem Preis von 98,455 % gehandelt. Die risikolosen Nullkuponsätze
lautenwiefolgt:
11.3 ZinsbaumundarbitragefreieBewertungvonoptionsfreienAnleihen 633

 1-Jahressatz: 1,2 %,
 2-Jahressatz: 1,8 %,
 3-Jahressatz: 2,4 %.

1. Wie hoch ist der arbitragefreie Preis der deutschen Bundesanleihe?


2. WelcheArbitragetransaktionensindfüreinePreiskorrekturerforderlichundwiehochistder
Arbitragegewinn,wennderNominalwertbeiEUR1000liegt?

Lösungzu1
Der arbitragefreie Preis der deutschen Bundesanleihe liegt bei 98,901 %:
2% 2% 102 %
B0 D 1
C 2
C D 98;901 %:
.1;012/ .1;018/ .1;024/3

Lösungzu2
DiedeutscheBundesanleiheistaufdemMarktunterbewertet,weilderMarktpreisvon98,455
%unterdemarbitragefreienPreisvon98,901%liegt.UmeinenrisikolosenArbitragegewinn
zu erzielen, ist die unterbewertete Anleihe zu kaufen und in 4 Null- kuponanleihen – 3
Zinsstrips und 1 Nominalwertstrip – zu zerlegen, die anschließend jeweils zum
arbitragefreien Preis verkauft werden. Die Arbitragetransaktionen und der daraus
resultierende risikolose Arbitrag egewinn von EUR 4,46 können wie folgt auf- geführt
werden:

Jahre Cashflows Long-Kuponanleihe Cashflows Short Strips Nettocashflows


0 EUR 984;55 EUR 989;01 EUR 4,46
1 EUR 20;00 EUR 20;00 EUR 0,00
2 EUR 20;00 EUR 20;00 EUR 0,00
3 EUR 1020;00 EUR 1020;00 EUR 0,00

DieseArbitragetransaktionenwerdensolangedurchgeführt,bissichderMarktpreisan
denarbitragefreienPreisderKuponanleiheangeglichenhat(ohneBerücksichtigungvon
Transaktionskosten).IstdiedeutscheBundesanleihehingegenüberbewertet,wer-dendie3
ZinsstripsundderNominalwertstripzumarbitragefreienPreisgekauftundanschließenddie
Kuponanleiherekonstruiert,diedannzumhöherenMarktpreisver-kauftwird.DerVerkauf
derKuponanleiheführtdazu,dassderPreisfälltundsichsodemarbitragefreienPreisnähert.

11.3.2 BinomialerZinsbaum

11.3.2.1 StrukturdesZinsbaums
Die Cashflows von Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen sind vom Zinsniveau ab- hängig.
DieProjektionzukünftigerZinssätzeerfolgtimBewertungsmodellmiteinem
634 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Abb.11.1 Binomialer Zins- FR1,4 hhh


baum FR1,3 hh

FR1,2 h FR1,4 nhh


r1 FR1,3 nh

FR1,2 n FR1,4 nnh

FR1,3 nn

FR1,4 nnn

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Zinssatzmodell und einer unterstellten Zinssatzvolatilität. Der Zinsbaum ist eine graphi- sche
DarstellungvonmöglichenZinssätzeninderZukunft.
Abb.11.1zeigteinenbinomialenZinsbaummitjährlichenZinssätzenübereinenZeit-raum
von4Jahren.BewegtmansichvonlinksnachrechtsentlangdesBaums,nimmtdieAnzahl
möglicherZinssätzezu.DieZeitschritteimBaummüssenmitderzeitlichenFrequenzder
CashflowsderAnleiheübereinstimmen.InderAbbildungisteinBaummitjährlichenPerioden
aufgeführt,dersomitfürdiePreisberechnungeinerAnleihemitjähr-lichenKuponsundeiner
Laufzeitvon4Jahrengeeignetist.DieZinssätzesindindenKnotenpunktendesBaums
eingetragen,diemitdenjeweiligenPeriodenbeginnenzusam-menfallen.DerersteKnot
enpunktlinkswirdalsWurzeldesBaumsbezeichnet.Dabeihandeltessichumdenheutigen
1-jährigenZinssatzbzw.umden1-jährigenrisikolosenNullkuponsatz(r),wennfürdie
BenchmarkdierisikoloseNullkuponsatzkurveverwen-

1
det wird. In einem Binomialbaum nehmen die Zinssätze nach einer Periode zu oder ab. Für das
Jahr1zeigtderBaumdie1-jährigenTerminzinssätzeFR 1;2h und FR1;2n , die aus-
gehend vom Zeitpunkt 0 in 1 Jahr für ein hohes und ein niedriges Zinsniveau gelten. Für
das Jahr 2 und 3 sind die 1-jährigen Terminzinssätze mit Beginn in 2 und 3 Jahren auf- geführt,
wobeisichdieZinssätzeausgehendvomjeweiligenKnotenpunktentwedernachobenodernach
untenbewegenkönnen.
UmdieTerminzinssätzeimBinomialbaumfestzulegen,sindzumeineneinZinssatz-modell
undzumandereneineZinssatzvolatilitäterforderlich.MiteinemZinssatzmodelllässtsichdie
ZufallsbewegungderZinssätzemathematischbeschreiben.ImFolgendenwirdeine
logarithmierteZufallsbewegungunterstellt,wasdazuführt,dassnegativeZins-sätzenicht
möglichsindunddasseinehöhere(niedrigere)Volatilitäthöhere(niedrigere)Zinssätzezur
Folgehat.DabeiistdieWahrscheinlichkeiteinerAuf-undAbwärtsbewe-gungderZinssätze
jeweils50%,dasichdieZinssätzevoneinerPeriodezurnächstenreinzufälligverändern.Die
1-jährigenTerminzinssätzein1JahrfüreineBewegungdesZinsniveausnachobenundnach
untensindgrößerrespektivekleineralsder1-jährigeBa-sisterminzinssatzin1Jahr.Der
ZusammenhangzwischendenbeidenTerminzinssätzen
11.3 ZinsbaumundarbitragefreieBewertungvonoptionsfreienAnleihen 635

nach einer Auf- und Abwärtsbewegung kann a nhand einer vorgegebenen Zinssatzvolatili- tät
wiefolgtaufgeführtwerden: 6

FR1;2h D FR1;2n e2¢ ; (11.1)

wobei:

FR1;2h D Terminzinssatz in 1 Jahr für eine Laufzeit von 1 Jahr bei einem hohen Zinsni-
veau,
FR1;2n D Terminzinssatz in 1 Jahr für eine Laufzei t von 1 Jahr bei einem niedrigen Zins-
niveau,
e D Euler’sche Zahl, welche die Basis des natürlichen Logarithmus darstellt und
durch eine Konstante von 2,71828 gegeben ist,
¢ D annualisierte Zinssatzvolatilität.

Die zufällig möglichen Terminzinssätze in jeder Periode sind (ungefähr) um die Basister-
minzinssätze der Benchmarkkurve zentriert. Der 1-jährige Basisterminzinssatz in 1 Jahr
reflektiert den Durchschnittswert aller möglichen Werte. Der Basisterminzinssatz bzw. der
DurchschnittswertwirddurchdenniedrigerenTerminzinssatzFR
1;2n um eine Stan-
dardabweichung unterschritten, während der höhere Terminzinssatz FR1;2h den Durch-
schnittswert um eine Standardabweichung überschreitet. Demnach liegen die höheren und
niedrigeren Terminzinssätze um den Faktor e2¢ auseinander. Nimmt die Zinssatzvolatilität
zu (ab), vergrößert (verkleinert) sich der Ab stand zwischen den beiden Terminzinssätzen
FR1;2n und FR1;2h .
Sind zum Beispiel FR1;2n D 1;194 % und ¢ D 15 %, resultiert daraus ein 1-jähriger
Terminzinssatz in 1 Jahr bei einem hohen Zinsniveau von 1,612 %:
FR1;2h D 1;194 %  e20;15 D 1;612 %:

Am Ende des 2. Jahres gibt es drei mögliche Werte für die 1-jährigen Terminzinssätze:
FR2;3nn , FR2;3nh und FR2;3hh . Dabei liegt der mittlere Terminzinssatz im Baum von FR 2;3nh
nahe beim 1-jährigen Basisterminzinssatz der Benchmarkkurve, wobei sich die anderen
zwei Terminzinssätze zwei Standardabweichungen über oder unter diesem Wert befin- den. Ein
solcher Baum wird als rekombinierender Baum (R ecombining Tree) bezeichnet, weil zwei
Zinspfadeexistieren(niedrig-hochundhoch-niedrig),diezummittlerenTer-minzinssatzvonFR
bzw. FR2;3hn führen.DankdieserModelleigenschaftkönnendie 23nh
;
Berechnungen schneller durchgeführt werden, weil die Anzahl an möglichen Terminzins-
sätzeninjederPeriodelinearundnichtexponentiellwächst. 7 Der 1-jährige Terminzinssatz
mit einem Hoch-hoch-Pfad lässt sich anhand des 1-jährigen Terminzinssatzes mit einem
Niedrig-niedrig-Pfad folgendermaßen bestimmen:
FR2;3hh D FR2;3nn e4¢ : (11.2)

6
Vgl. Fabozzi 1993 : Fixed Income Mathematics: Analytical & Statistical Techniques, S. 301.
7
Vgl. Tuckman und Serrat 2012 : Fixed Income Securities: Tools for Today’s Markets, S. 214 ff.
636 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Die Beziehung zwischen dem 1-jährigen Terminzinssatz mit einem Niedrig-hoch-Pfad und
dem 1-jährigen Terminzinssatz mit einem Niedrig-niedrig-Pfad lässt sich in folgender
Gleichungfesthalten:
FR2;3nh D FR2;3nn e2¢ : (11.3)
Ist zum Beispiel der 1-jährige Terminzinssatz bei einem Niedrig-niedrig-Pfad 0,98 %, las-
sen sich bei einer unterstellten Zinssatzvolatilität von 15 % der 1-jährige Terminzinssatz mit
einemHoch-hoch-PfadundeinemNiedrig-hoch-Pfadwiefolgtberechnen:

FR2;3hh D 0;98 %  e40;15 D 1;786 %;


FR2;3nh D 0;98 %  e20;15 D 1;323 %:

AmEndedes3.Jahresliegendiefolgendenviermöglichen1-jährigenTerminzinssät-zevor:FR
3;4nnn , FR3;4nnh , FR3;4nhh und FR3;4hhh . Die Terminzinssätze können ausgehend
vom 1-jährigen Terminzinssatz mit einem Nied rig-niedrig-niedrig-Pfad folgendermaßen
ermittelt werden:

FR3;4hhh D FR3;4nnn e6¢ ;


FR3;4nhh D FR3;4nnn e4¢ ;
FR3;4nnh D FR3;4nnn e2¢ : (11.4)

Beläuft sich etwa der 1-jährige Terminzinssatz mit einem Niedrig-niedrig-niedrig-Pfad auf
1,152 %,könnendie anderen dreiTerminzinssätze bei einerZinssatzvolatilität von15 % mit den
folgendenGleichungenbestimmtwerden:

FR3;4hhh D 1;152 %  e60;15 D 2;833 %;


FR3;4nhh D 1;152 %  e40;15 D 2;099 %;
FR3;4nnh D 1;152 %  e20;15 D 1;555 %:

Abb. 11.2 zeigt den 4-jährigen Zinsbaum mit den oben eruierten Terminzinssätzen. Die
benachbartenTerminzinssätzeineinemgegebenenJahrsindimmer2Standardabweichun-gen
voneinander entfernt. Im nächsten Abschnitt wird die Bestimmung der Zinssatzvola- tilität
beschrieben, bevor gezeigt wird, wie sich ein arbitragefreier binomialer Zinsbaum erstellen
lässt.

11.3.2.2 Zinssatzvolatilität
Die Zinssatzvolatilität stellt für die Bewertung von Anleihen mit eingebetteten Zinsoptio- nen
einen kritischen Inputfaktor dar. Sie wir d auch für die Bewertung von Zinsderivaten wie etwa
CapsundFloorseingesetzt. 8
Grundsätzlich lässt sich eine Volatilitätsgröße aus

8
BeiCapsundFloorshandeltessichumeinPortfoliovonCall-respektivePut-Optionenaufeinen
Referenzzinssatz(z.B.LIBOR)mitunterschiedlichenLaufzeitenundinderRegelgleichemAus-
übungszinssatz.
11.3 ZinsbaumundarbitragefreieBewertungvonoptionsfreienAnleihen 637

FR ,34 nnne6 σ
FR ,23 nne4 σ
2,833 %
1,786 %

FR ,12 ne
FR ,34 nnne4 σ
1,612 %
r1 FR ,23 nne 2σ 2,099 %
1%
1,323 %
FR1,2 n FR ,34 nnne2 σ
1,194 % 1,555 %
FR2,3 nn
0,980 %
FR3,4 nnn
1,152%

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.2 4-jähriger binomialer Zinsbaum

historischenDaten(historischeVolatilität)oderimplizitauseinemBewertungsmodellunddem
Marktpreis einer Zinsoption berechnen (implizite Volatilität). Bei der Preisberech- nung von
Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen wird üblicherweise die implizite und nicht die
historischeVolatilitätverwendet.

DieimpliziteVolatilitätlässtsichanhandeinesOptionsbewertungsmodellsunddes
MarktpreiseseinerZinsoptionfestlegen.DerBasiswertderZinsoptionistentwederei-ne
StaatsanleiheodereinFuture-KontraktaufeineStaatsanleihe(z.B.einEuro-Bund-Future).
9
IstdasOptionsbewertungsmodellfürdiePreisberechnungeinerZinsoptionge-
eignetundistdieOptionaufdemMarktrichtigbewertet,gelangtmanmitderimplizi-ten
ZinssatzvolatilitätalsInputparameterimOptionsbewertungsmodellzumbeobachteten
MarktpreisderZinsoption.DieimpliziteVolatilitäthatgegenüberderhistorischenVolati-lität
denVorteil,dasssievondenMarktpreisenundnichtvonvergangenenDatenabhängt,sodasssie
insbesonderebeinichtstabilenRenditeneinebessereProjektionfürdiezukünf-tigeVolatilität
darstellt.AllerdingshängtdieimpliziteVolatilitätvonderRobustheitdesverwendeten
OptionsbewertungsmodellsundvoneinemaufdemMarktrichtigbewertetenOptionspreisab.

10

11.3.2.3 KonstruktioneinesarbitragefreienbinomialenZinsbaums
Der binomiale Zinsbaum kann eingesetzt werden, um einen arbitragefreien Anleihepreis zu
bestimmen.DieKonstruktiondesBinomialbaumserfordertmehrereSchritte: 11

9
Für die Euro-Bund-Futures vgl. Abschn. 13.5.1 .
10
Vgl. Fabozzi 2000 : Fixed Income Analysis for the Chartered Financial Analyst ® Program, S. 320.
11
Vgl. Mann 2015 : The Arbitrage-free Valuation Framework, S. 377 ff.
63 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

1. Anhand der risikolosen Par-Kuponkurve sind mithilfe der Bootstrapping-Methode zu-


nächst die risikolosen Nullkuponsätze und darauf aufbauend die Terminzinssätze zu
ermitteln,welchedieBasisdesbinomialenZinsbaumsbilden.
2. Aufgrund einer angenommenen Zinssatzvolatilität und der logarithmierten Zufallsbe-
wegungderZinssätzevone ˙¢ gelangt man ausgehend von den Basisterminzinssätzen
zu den entsprechenden Terminzinssätzen nach einer Auf- und Abwärtsbewegung.
3. Damit der binomiale Zinsbaum arbitragefrei ist, sind die Terminzinssätze im Baum, die um
denBasisterminzinssatzzentriertsind,miteinemnumerischenVerfahrenanzupas-sen.

Für die Errichtung eines binomialen Zinsbaums über einen Zeitraum von 3 Jahren wird die
folgendePar-KuponkurvevonrisikolosenStaatsanleihengenommen:

 1-Jahressatz: 1 %,
 2-Jahressatz: 1,2 %,
 3-Jahressatz: 1,25 %.

Die risikolosen Nullkuponsätze sind für 1 Jahr 1 %, für 2 Jahre 1,201 % und für 3 Jahre 1,251 %.
Dabeikönnendie2-und3-jährigenNullkuponsätzewiefolgtermitteltwerden: 12

2 31=2
6 1;012 7
r2 D 6
4
7  1 D 0;01201;
0;012 5
1
.1;01/1
2 31=3
6 1;0125 7
r3 D 6
4  7
5  1 D 0;01251:
0;0125 0;0125
1 1
C 2
.1;01/ .1;01201/
Werden beispielsweise die Cashflows der risikolosen 3-jährigen 1,25 %-Par-Kuponanleihe
mit den risikolosen Nullkuponsätzen diskontiert, gelangt man zum arbitragefreien Preis der
Par-Kuponanleihevon100%:
1;25 % 1;25 % 101;25 %
B0 D 1
C 2
C D 100 %:
.1;01/ .1;01201/ .1;01251/3
Die 1-jährigen Terminzinssätze in 1 Jahr von 1,402 % und in 2 Jahren von 1,351 % können
folgendermaßen bestimmt werden:13
" #
.1;01201/2
FR1;2 D  1 D 0;01402;
.1;01/1
" #
.1;01251/3
FR2;3 D  1 D 0;01351:
.1;01201/2

12
Vgl. Abschn. 9.3.2 .
13
Vgl. Abschn. 9.3.4 .
11.3 ZinsbaumundarbitragefreieBewertungvonoptionsfreienAnleihen 639

Der1-jährigeTerminzinssatzin1Jahrvon1,402%,dermithilfederBenchmarkkurveberechnet
wurde, stellt den Basisterminzinssatz dar. Die Beziehung zwischen den beiden
TerminzinssätzennacheinerBewegungderZinssätzenachobenundnachuntenlautet:FR
D FR1;2n e2¢ . Wird eine Zinssatzvolatilität von 15 % unterstellt, gelangt man zu
1; 2 h
einem Terminzinssatz nach einer Abwärtsbewegung der Zinssätze von 1,207 %:

FR1;2n D 1;402 %  e0;15 D 1;207 %:

Der Terminzinssatz nach einer Aufwärtsbewegung der Zinssätze ist demnach 1,629 %:

FR1;2h D 1;207 %  e20;15 D 1;629 %:

DamitderbinomialeZinsbaumarbitragefreiist,müssendieZinssätzeimBaummitdemPreisder
risikolosen Par-Kuponanleihe konsistent sein. An jedem Knotenpunkt im Baum lässt sich
anhand der Rückwärtsinduktion der entsprechende Bond-Preis berechnen, in- dem die
wahrscheinlichkeitsgewichteten Cashflows der Anleihe nach einer Auf- und Ab-
wärtsbewegung über eine Periode diskontiert werden. Die hierzu verwendeten aktuellen
Wahrscheinlichkeiten einer Auf- und Abwärtsbewegung der Zinssätze sind infolge der
angenommenen Zufallsbewegung jeweils 50 %, was zu folgender Formel für die Preisbe-
rechnunganeinemKnotenpunktführt:

14

" #
Bh C K Bn C K
BKnotenpunkt D 0;5  C ; (11.5)
.1 C FR1;2h /1 .1 C FR1;2n /1
wobei:

Bh D Anleihepreis nach einem Hoch-Pfad,


Bn D Anleihepreis nach einem Niedrig-Pfad,
K D Kupon.

Abb. 11.3 visualisiert die Preisberechnung der 2-jährigen Par-Nullkuponanleihe mit einem
jährlichenKuponvon1,2%anhanddesbinomialenZinsbaums.AmFälligkeitszeitpunktsetzen
sichdieCashflowsderPar-KuponanleiheausdemPar-Wertvon100%unddemKuponvon1,2%
zusammen. Werden die Cashflows von 101,2 % mit dem 1-jährigenTer- minzinssatz nach einer
Aufwärtsbewegung der Zinssätze von 1,629 % diskontiert, erhält man den Bond-Preis von
99,578%:



101;2 % 101;2 %
Bh D 0;5  C D 99;578 %:
.1;01629/1 .1;01629/1
Der Preis der Anleihe in 1 Jahr nach einer Abwärtsbewegung der Zinssätze liegt bei
99,993 %:

101;2 % 101;2 %
Bn D 0;5  C D 99;993 %:
.1;01207/1 .1;01207/1

14
Vgl. Fabozzi 2000 : Fixed Income Analysis for the Chartered Financial Analyst ® Program, S. 343.
640 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Bhh = 100 %
K = 1,2 %

Bh = 99,578 %
K = 1,2 %
FR1,2 h = 1,629 %

B0 = 99,986 % Bhn = 100%


r1 = 1 % K = 1,2%

Bn = 99,993 %
K = 1,2 %
FR1,2 n = 1,207 %

Bnn = 100 %
K = 1,2 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

Abb.11.3 Binomialer Zinsbaum mit Terminzinssätzen zentriert um den Basisterminzinssatz und


2-jährige 1,2 %-Par-Kuponanleihe

ZumBewertungszeitpunktbeläuftsichderBond-Preisauf99,986%:C


99;578 % 1;2 % 99;993 % C 1;2 %
B0 D 0;5  C D 99;986 %:
.1;01/1 .1;01/1

Der berechnete Bond-Preis von 99,986 % weicht vom Par-Wert der Anleihe von 100 % ab.
Demnach sind die Terminzinssätze im binomialenZinsbaumso lange anzupassen, bis man zum
arbitragefreien Preis der Anleihe von 100 % gelangt.Hierzu kann ein numerisches Verfahren (z.
B. Microsoft Excel Solver) eingesetzt werden. Anhand des Excel Solver ergeben sich
TerminzinssätzefürFR
1;2h D 1;612 % und für FR1;2n D 1;194 %, die im
binomialen Zinsbaum eingetragen zu einem Preis von 100 % führen:


101;2 % 101;2 %
Bh D 0;5  C D 99;595 %;
.1;01612/1 .1;01612/1


101;2 % 101;2 %
Bn D 0;5  C D 100;006 %;
.1;01194/1 .1;01194/1


99;595 % C 1;2 % 100;006 % C 1;2 %
B0 D 0;5  C D 100;000 %:
.1;01/1 .1;01/1

Der binomiale Zinsbaum mit einem 1-jährigen risikolosen Zinssatz von 1 % und den 1- jährigen
TerminzinssätzenvonFR 1;2h D 1;612 % und FR1;2n D 1;194 % ist arbitragefrei.
Abb. 11.4 visualisiert die ermittelten Werte im binomialen Zinsbaum.
11.3 ZinsbaumundarbitragefreieBewertungvonoptionsfreienAnleihen 641

Bhh = 100 %
K = 1,2 %

Bh = 99,595 %
K = 1,2 %
FR1,2 h = 1,612 %

B0 = 100,000 % Bhn = 100%


r1 = 1 % K = 1,2%

Bn = 100,006 %
K = 1,2 %
FR1,2 n = 1,194 %

Bnn = 100 %
K = 1,2 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

Abb.11.4 Arbitragefreier binomialer Zinsbaum und 2-jährige 1,2 %-Par-Kuponanleihe

Die 1-jährigen Terminzinssätze in 2 Jahren lassen sich ausgehend vom Basistermin-


zinssatz von FR ; D 1;351 %festlegen,derdemmittlerenWertmiteinemoberenWert 23
von 1,824 % (D 1;351 %  e20;15 ) und einem unteren Wert von 1,001 % (D 1;351 % 
e20;15 ) entspricht. Mit diesen Terminzinssätzen ergibt sich mithilfe der Rückwärtsinduk-
tion ein Preis der 3-jährigen 1,25 %-Par-Wert-Anleihe von 100,016 %:


101;25 % 101;25 %
Bhh D 0;5  C D 99;436 %;
.1;01824/1 .1;01824/1


101;25 % 101;25 %
Bhn D 0;5  1
C D 99;990 %;
.1;01351/ .1;01351/1


101;25 % 101;25 %
Bnn D 0;5  C D 100;247 %;
.1;01001/1 .1;01001/1


99;436 % C 1;25 % 99;990 % C 1;25 %
Bh D 0;5  C D 99;361 %;
.1;01612/1 .1;01612/1


99;990 % C 1;25 % 100;247 % C 1;25 %
Bn D 0;5  C D 100;172 %;
.1;01194/1 .1;01194/1


99;361 % C 1;25 % 100;172 % C 1;25 %
B0 D 0;5  1
C D 100;016 %:
.1;01/ .1;01/1
Der berechnete Bond-Preis von 100,016 % stimmt mit dem Par-Wert der 3-jährigen
1,25 %-Anleihe von 100 % nicht überein. Mit einem numerischen Verfahren (z. B. Excel Solver)
gelangtmanzuTerminzinssätzenvonFR
2;3hh D 1;786 %, FR2;3hn D 1;323 %
642 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Bhhh = 100 %
K = 1,25%

Bhh = 99,473 %
K = 1,25 %
FR2,3 hh = 1,786 %

Bh = 99,349 %
Bhhn = 100 %
K = 1,25 %
K = 1,25 %
FR1,2 h = 1,612 %

Bhn = 99,928 %
B0 = 100,000 %
K = 1,25 %
r1 = 1 %
FR2,3 hn = 1,323 %

Bn = 100,152 %
Bhnn = 100 %
K = 1,25 %
K = 1,25 %
FR1,2 n = 1,194 %

Bnn = 100,267 %
K = 1,25 %
FR2,3 nn = 0,980%

Bnnn = 100 %
K = 1,25 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.5 Arbitragefreier binomialer Zinsbaum und 3-jährige 1,25 %-Par-Kuponanleihe

und FR2;3nn D 0;980 %. Wird der Bond-Preis anhand dieser Terminzinssätze ermittelt,
resultiert daraus der arbitragefreie Anleihepreis der risikolosen Par-Wert-Kuponanleihe
von 100 %:


101;25 % 101;25 %
Bhh D 0;5  C D 99;473 %;
.1;01786/1 .1;01786/1


101;25 % 101;25 %
Bhn D 0;5  C D 99;928 %;
.1;01323/1 .1;01323/1


101;25 % 101;25 %
Bnn D 0;5  C D 100;267 %
.1;00980/1 .1;00980/1


99;473 % C 1;25 % 99;928 % C 1;25 %
Bh D 0;5  C D 99;349 %;
.1;01612/1 .1;01612/1


99;928 % C 1;25 % 100;267 % C 1;25 %
Bn D 0;5  C D 100;152 %;
.1;01194/1 .1;01194/1


99;349 % C 1;25 % 100;152 % C 1;25 %
B0 D 0;5  C D 100;000 %:
.1;01/1 .1;01/1
11.3 ZinsbaumundarbitragefreieBewertungvonoptionsfreienAnleihen 643

Abb. 11.5 zeigt den arbitragefreien binomialen Zinsbaum, mit dem der Preis der risiko- losen
3-jährigen1,25%-Par-Kuponanleihebestimmtwurde. Auf gleiche Weisekönnen die weiteren
Terminzinssätze im binomialen Zinsbaum festgelegt werden. Der so berech- nete Baum ist
arbitragefrei und konsistent mit dem verwendeten Zinssatzmodell und der unterstellten
Zinssatzvolatilitätvon15%.

11.3.3 PreisberechnungeineroptionsfreienrisikobehaftetenAnleihe

In diesem Abschnitt wird zunächst der arbitr agefreie Preis einer optionsfreien Unter-
nehmensanleihe mit der Diskontsatzkurve berechnet, die sich aus der risikolosen Null-
kuponkurve und dem Z-Spread zusammensetzt. Danach wird für die Preisberechnung
derselben Anleihe der arbitragefreie binomiale Zinsbaum verwendet, wobei die im Baum
vorhandenen Terminzinssätze mit dem Z-Spread angepasst werden. Da sich beide Bewer-
tungsverfahren auf die gleiche Benchmarkkurve stützen und arbitragefrei sind, gelangt man
zumgleichenBond-Preis.

Eine3-jährigeUnternehmensanleihebesitzteinenjährlichenKuponvon2%.DerZ-Spread
beträgt150Basispunkte.DierisikolosenNullkuponsätzeausdemvorangegan-genen
Abschnittsind1%für1Jahr,1,201%für2Jahreund1,251%für3Jahre.DieDiskontsätzelauten
wiefolgt:

 1-Jahres-Diskontsatz: 2,5 % (D 1 % C 1;5 %),


 2-Jahres-Diskontsatz: 2,701 % (D 1;201 % C 1;5 %),
 3-Jahres-Diskontsatz: 2,751 % (D 1;251 % C 1;5 %).

Der arbitragefreie Preis der Anleihe liegt bei 97,872 %:

2% 2% 102 %
B0 D 1
C 2
C D 97;872 %:
.1;025/ .1;02701/ .1;02751/3

Der gleiche Bond-Preis lässt sich auch mit dem arbitragefreien binomialen Zinsbaum
berechnen.DabeisindzudenTerminzinssätzendesvorangegangenenAbschnittsderZ-Spread
von 150 Basispunkten hinzuzuzählen. Wird die Rückwärtsinduktion ange- wandt, erhält man
wiederumeinenPreisfürdie3-jährige2%-Unternehmensanleihevon97,872%:



102 % 102 %
Bhh D 0;5  C D 98;755 %;
.1 C 0;01786 C 0;015/1 .1 C 0;01786 C 0;015/1


102 % 102 %
Bhn D 0;5  C D 99;200 %;
.1 C 0;01323 C 0;015/1 .1 C 0;01323 C 0;015/1


102 % 102 %
Bnn D 0;5  C D 99;532 %;
.1 C 0;00980 C 0;015/1 .1 C 0;00980 C 0;015/1
644 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Bhhh = 100 %
K = 2%

Bhh = 98,755 %
K=2%
FR2,3 hh = 3,286 %

Bh = 97,930 %
Bhhn = 100 %
K=2%
K=2%
FR1,2 h = 3,112 %

Bhn = 99,200 %
B0 = 97,872 %
K=2%
r1 = 2,5 %
FR2,3 hn = 2,823 %

Bn = 98,707 %
Bhnn = 100 %
K=2%
K=2%
FR1,2 n = 2,694 %

Bnn = 99,532 %
K=2%
FR2,3 nn = 2,480%

Bnnn = 100 %
K=2%

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.6 Arbitragefreier binomialer Zinsbaum und op tionsfreie 3-jährige 2 %-Unternehmensan-


leihe


98;755 % C 2 % 99;200 % C 2 %
Bh D 0;5  C D 97;930 %;
.1 C 0;01612 C 0;015/1 .1 C 0;01612 C 0;015/1


99;200 % C 2 % 99;532 % C 2 %
Bn D 0;5  C D 98;707 %;
.1 C 0;01194 C 0;015/1 .1 C 0;01194 C 0;015/1


97;930 % C 2 % 98;707 % C 2 %
B0 D 0;5  C D 97;872 %:
.1 C 0;01 C 0;015/1 .1 C 0;01 C 0;015/1

Abb. 11.6 visualisiert die Preisberechnung der 3-jährigen 2 %-Unternehmensanleihe mit dem
binomialen Zinsbaum.FürdiePreisberechnung der optionsfreienAnleihe spieltes keine Rolle,
obderBond-PreismitderDiskontsatzkurveodermiteinembinomialenZinsbaumermitteltwird,
solange sich beide B ewertungsverfahren auf die gleiche Bench- markkurve beziehen und der
binomiale Zinsbaum arbitragefrei ist. Für Anleihen mit ein- gebetteten Zinsoptionen kann der
Bewertungsansatz mit der Diskontsatzkurve nicht mehr eingesetzt werden, da die Laufzeit des
Bonds aufgrund dermöglichenOptionsausübung nichtbekannt ist.Vielmehr istdie Bewertung
mit einem binomialen Zinsbaum durchzu- führen, mit dem das Optionsrisiko in der Form einer
Entscheidungsregelandenentspre-chendenKnotenpunktendesBaumserfasstwird.
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 645

11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds

11.4.1 Grundlagen

Der Preis einer Anleihe mit einer eingebettete n Option besteht aus d en arbitragefreien Preisen
einer optionsfreien Anleihe und einer eingebetteten Option. Bei einem Callable Bond hat der
EmittentdasRecht,dieAnleihevorzeitigzueinemimVorausvereinbartenPreiszukündigen.Da
derInvestordieCall-OptiondemEmittentenverkaufthatundsomitdieKaufoptionShortist,lässt
sichderPreiseinesCallableBondswiefolgtberechnen:
15

BCB;0 D B0  c0 ; (11.6)

wobei:
BCB;0 D Preis des Callable Bonds,
B0 D Preis der optionsfreien Anleihe,
c0 D Preis der Call-Option.

Der Käufer eines Callable Bonds besitzt demnach eine optionsfreie Long-Anleihe und eine
Short-Call-Option.UmdenPreisderoptionsfreienAnleihezubestimmen,sinddiezukünftigen
Cashflows mit den laufzeitgerechten risikoadäquaten Diskontsätzen zu dis- kontieren. Die
Bewertung der Call-Option ist ungleich schwieriger, weil der Wert der Option von den
zukünftigen Zinssätzen bzw. von der etwaigen vorzeitigen Kündigung durch den Emittenten
und der Möglichkeit ein er günstigeren Refinanzierung abhängt. In der Bewertungspraxis wird
der Call-Preis oftmals mit der Differenz zwischen dem Preis der optionsfreien Anleihe und dem
Preis des Callable Bonds bestimmt, wobei Letzterer mit einem arbitragefreien binomialen
Zinsbaumfestgelegtwird:

c0 D B0  BCB;0 : (11.7)

Bei einem Putable Bond hat der Investor das Recht, die Anleihe dem Emittenten vorzei- tig zu
einem im Voraus vereinbarten Preis zu v erkaufen. Daher besitzt der Investor eine
Long-Put-Option, sodass sich der Preis des Putable Bonds aus dem Preis der optionsfreien
AnleiheunddemWertdereingebettetenVerkaufsoptionzusammensetzt:
16

BPB;0 D B0 C p0 ; (11.8)

wobei:
BPB;0 D Preis des Putable Bonds,
B0 D Preis der optionsfreien Anleihe,
p0 D Preis der Put-Option.

15
Vgl. Abschn. 8.7.1 .
16
Vgl. Abschn. 8.7.2 .
646 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Tab.11.1 Benchmark und Spreads für Anleihen mit eingebetteten Optionen


Benchmark Renditeentschädigung Spread Renditeentschädigung
für für
Verfallrendite risikolo-  Zinsänderungsrisiko G-Spread  Kreditrisiko
ser Staatsanleihe  Marktliquiditätsrisiko
 Optionsrisiko
Laufzeitgerechte risiko-  Zinsänderungsrisiko Z-Spread  Kreditrisiko
lose Nullkuponsätze  Marktliquiditätsrisiko
 Optionsrisiko
Laufzeitgerechte risiko-  Zinsänderungsrisiko OAS  Kreditrisiko
lose Nullkuponsätze  Marktliquiditätsrisiko

Der Preis der eingebetteten Put-Option l ässt sich demnach wie folgt berechnen:

p0 D BPB;0  B0 : (11.9)

FürdieBewertungdesPutableBondswirdeinarbitragefreierbinomialerZinsbaumein-gesetzt,
während der Preis der optionsfreien Anleihe mit einer Diskontsatzkurve bzw. mit
laufzeitgerechtenrisikoadäquatenDiskontsätzenermitteltwird.

11.4.2 OptionAdjustedSpread

Bezieht sich die Benchmark auf risikolose Staatsanleihen, dann lässt sich der Spread etwa für
Unternehmensanleihen entweder über die Verfallrendite oder über die Nullku- ponsatzkurve
der risikolosen Papiere ermitteln . Der G-Spread stellt den Renditeabstand zwischen der
Verfallrendite der Unternehmensanleihe und der Verfallrendite der risiko- losen Staatsanleihe
mit gleicher Laufzeit d ar, während der Z-Spread durch die Differenz zwischen der
Diskontsatzkurve und der risikolosen Nullkuponsatzkurve gegeben ist. Die so berechneten
Spread-Größen enthalten für eine Anleihe mit eingebetteter Option ei- ne
RenditeentschädigungfürdasKredit-,Marktliquiditäts-undOptionsrisiko.Allerdingswirdfür
die Bewertung und die relative Wertanalyse von Anleihen mit eingebetteten Op- tionen eine
Spread-Größe ohne Optionsrisiko eingesetzt. Diese Größe wird als Option Adjusted Spread
(OAS) bezeichnet und spiege lt folglich eine Rend iteentschädigung für das Kredit- und
Marktliquiditätsrisiko wider (also ohne Optionsrisiko). Tab. 11.1 fasst die Benchmark
risikolose Staatsanleihen und die Spread-Größen für Anleihen mit eingebet- teten Optionen
zusammen.

17

FürdieBewertungvonAnleihenmiteingebettetenOptionenistdenTerminzinssätzenim
BinomialbaumeinkonstanterOAShinzuzuzählen.WerdendieCashflowsderAnleiheunter
BerücksichtigungderAusübungsregelanjedemKnotenpunktmitdensoermittelten

17
Als Benchmark kann auch die Swapsatzkurve eingesetzt werden.
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 647

Diskontsätzendiskontiert,gelangtmanzueinemBond-Preis,dernurdannarbitragefreiist,wenn
diesermitdemMarktpreisderAnleiheübereinstimmt.DemzufolgelässtsichderOASbeieinem
gegebenenAnleihepreisbzw.MarktpreismiteinemTrial-and-Error-Verfahrenbestimmen.
18

BeieinemCallableBondverkauftderInvestordieKündigungsoptiondemEmitten-ten.Der
ErlösausdemVerkaufderCall-OptionspiegeltsichineinemhöherenKuponund/oder
niedrigerenKaufpreisderAnleihewider,waszueinerhöherenerwartetenRen-diteführt.Daher
berechnetsichderOASbeieinemCallableBondausderDifferenzzwischendemZ-Spreadund
derOptionsprämiebzw.denOptionskostenalsEntschädi-gungfürdasOptionsrisiko:

OASCallableBond D Z-Spread  Optionskosten: (11.10)

Bei einem Putable Bond hingegen kauft de r Investor die Kündigungsoption vom Emitten- ten.
Die Put-Optionsprämie wird in der Form eines niedrigeren Kupons und/oder höheren
Anleihepreises entrichtet, was eine niedri gere erwartete Rendite zur Folge hat. Zum OAS
gelangt man, wenn man zum Z-Spread, der aus einer Renditeentschädigung für das Kredit- und
Marktliquiditätsrisiko abzüglich der bezah lten Optionsprämie besteht, die Options- prämie
bzw.dieOptionskostenaddiert:

OASPutableBond D Z-Spread C Optionskosten: (11.11)

Betragen beispielsweise der Z-Spread 90 Basispunkte und die Optionskosten 25 Basis- punkte,
resultiert daraus bei einem Callable Bond ein OAS von 65 Basispunkten und bei einem Putable
BondeinOASvon115Basispunkten.
AußerdemkannderOASinderrelativenWertanalyseeingesetztwerden,inderdieAnleihe
miteinerBenchmarkverglichenwird.IstderOASeinerAnleiheniedrigeralsdiegleiche
Spread-GrößebeieinemanderenBondmitähnlichenEigenschaftenundähn-licher
Schuldnerqualität,dannerscheintdasWertpapierüberbewertet,weileinniedrigererSpread
einenhöherenBond-PreiszurFolgehat.ImGegensatzdazudeuteteinvergleichs-weisehoher
OASdaraufhin,dassdieAnleiheunterbewertetist.RichtigbewertetistdieAnleihe,wenndie
OASderbeidenWertpapiereungefährgleichgroßsind.

Beispiel
Relative Wertanalyse eines Callable Bonds mit dem OAS
Ein 6-jähriger Callable Bond mit einem A-Rating weist die folgenden Spreads gegen- über
derBenchmarkrisikoloserStaatsanleihenauf:

 G-Spread: 90 Basispunkte,
 Z-Spread: 84 Basispunkte,
 OAS: 55 Basispunkte.

18
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 790 ff.
64 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Eine optionsfreie Anleihe mit gleichem A-Rating, gleicher Laufzeit von 6 Jahren und
ähnlicher Marktliquidität besitzt einen G-Spread von 68 Basispunkten und einen Z- Spread
von 64 Basispunkten. Ist der Callable Bond anhand der relativen Wertanalyse richtig
bewertet?

Lösung
Der G-Spread und der Z-Spread der optionsfreien Anleihe stellen eine Renditeent-
schädigung für das Kredit- und Marktliquiditätsrisiko dar. Daher sind diese beiden
Spread-Größen mit dem OAS des Callable Bonds zu vergleichen, weil dieser im Ge- gensatz
zumG-SpreadundZ-SpreadohneOptionsrisikoist.MitderrelativenAnalysegelangtmanzu
dem Schluss, dass der Callable Bond aufgrund des niedrigeren OAS von 55 Basispunkten
überbewertetist.

IstdieBenchmarkdurchdierisikoloseNullkuponsatzkurvegegeben,dannbedeuteteinOAS
einerrisikobehaftetenAnleihemiteingebetteterOptionvonnull,dassdieAnleihegegenüber
einerrisikolosenAnlagekeineüberschüssigeRenditeabwirft.SomitistdiesesWertpapier
aufgrunddeshöherenRisikosnichtattraktiv.ZurgleichenSchlussfolgerungführteinnegativer
OAS.LiegthingegeneinpositiverOASvor,bedeutetdiesnicht,dassdieAnleiherichtigbewertet
oderunterbewertetist.VielmehrhängtdieAttraktivitätdesWertpapiersdavonab,wiehochder
OASimVergleichzuähnlichenAnleihenaufdemMarktist.InderrelativenWertanalysestellt
derOASvonähnlichenAnleihen(alsomitgleicherLaufzeit,Schuldnerqualitätund
Marktliquidität)dengefordertenRendite-Spreaddar.BeidieserAnalysewirdunterstellt,dass
dieähnlicheAnleiherichtigbewertetist.DieBeurteilungderAnleihenerfolgtbeiderrelativen
Wertanalysewiefolgt:

19

 OAS > geforderter OAS ! Anleihe erscheint unterbewertet.


 OAS D geforderter OAS ! Anleihe ist richtig bewertet.
 OAS < geforderter OAS ! Anleihe erscheint überbewertet.

11.4.3 PreisberechnungundAnalysevonCallableBonds

11.4.3.1 Preisberechnung
Um den Preis eines Callable Bonds zu berechne n, sind die folgenden Schritte erforder- lich:
20

1. Ausgehend von einer Benchmarkkurve ist ein binomialer Zinsbaum zu erstellen, der
mit einem Zinssatzmodell und einer vorgegebenen Zinssatzvolatilität konsistent ist. Zu
den Terminzinssätzen im Binomialbaum sind für risikobehaftete Anleihen mit ein-
2. gebetteten Optionen ein konstanter OAS hinzuzuzählen. Ist die Benchmark eine risiko-

19
Vgl. Fabozzi 2007 : Fixed Income Analysis, S. 223.
20
Vgl. Abreo et al. 2015 : Valuation and Analysis: Bonds with Embedded Options, S. 418.
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 649

lose Nullkuponsatzkurve, so ist der OAS positiv und reflektiert eine Renditeentschädi- gung
fürdasKredit-undMarktliquiditätsrisiko.
3. Der Bond-Preis wird mit der Rückwärtsinduktionsmethode berechnet, wobei an jedem
Knotenpunkt im Baum festgelegt werden muss, ob die in die Anleihe eingebettete Kün-
digungsoptionausgeübtwird.

ImfolgendenBeispielwirdderPreiseinesCallableBondsmiteinemjährlichenKuponvon4,5%
und einer Laufzeit von 3 Jahren ermittelt, der durch den Emittenten in 1 Jahr und in 2 Jahren zu
einem Preis von jeweils 100 % gekündigt werden kann (Bermuda-Style- Optionen). Der OAS
beläuftsichauf80Basispunkte.DierisikolosenPar-Kuponsätzesind2,25%für1Jahr,2,75%für
2Jahreund3,1%für3Jahre.DieunterstellteZinssatzvola-tilitätist10%unddieZinssätzefolgen
einer logarithmierten Zufallsbewegung. Mithilfe dieser Angaben lässt sich folgender arbitr
agefreiebinomialeZinsbaumfürdieBench-markkurve(alsoohneOAS)konstruieren:

21

FR2,3 hh = 4,6470 %

FR1,2 h = 3,5930 %

r1 = 2,25 % FR2,3 hn = 3,8046 %

FR1,2 n = 2,9417 %

FR2,3 nn = 3,1150 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

IneinemnächstenSchrittistzudenZinssätzenimBaumderOASvon80Basispunktenzu
addieren.MitderRückwärtsinduktionsmethodekannausgehendvomLaufzeitendeder
AnleiheanjedemKnotenpunktdesBaumsderBond-Preisausgerechnetwerden.Dabeiistder
ermittelteAnleihepreismitdemKündigungspreisvon100%in1Jahrundin2Jahrenzu
vergleichen.ÜbersteigtderberechneteAnleihepreisdenKündigungspreis,kanndavon
ausgegangenwerden,dassderEmittentdieAnleihekündigtundeineneueAnleihezueinem
günstigerenKostensatzbegibt.UnterschreitethingegenderberechneteBond-Preisden
Kündigungspreis,wirdderEmittentdieKündigungsoptionnichtausüben.

22
Dieser

21
Für die Erstellung eines arbitragefreien binomialen Zinsbaums vgl. Abschn. 11.3.2.3 .
22
HandeltessichbeidereingebettetenCall-OptionumeineeuropäischeOption,dannwirdsieausgeübt,
wennderberechnetePreisdenKündigungspreisüberschreitet,dasieamFälligkeitstagimGeldendet.
SchwierigerwirdesbeiBermuda-Style-OptionenundamerikanischenOptionen,daeinZuwartenaufden
nächstenKündigungstermindenGewinnerhöhen,aberauchschmälernoder
650 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Zusammenhang führt zu folgender Formel für die Preisberechnung der Anleihe an einem
KündigungsterminentlangdesBaums:

BCB Knotenpunkt D Min .BCB berechnet ; KP/ ; (11.12)

wobei:

BCB berechnet D berechneterBond-PreisaneinemKnotenpunktimBaum,D


KP Kündigungspreis am Knotenpunkt.

Zu den risikolosen Terminzinssätzen im Binomialbaum ist jeweils der OAS von 80 Basis-
punkten hinzuzuzählen. Mithilfe der Rückwärtsinduktion erhält man unter Berücksichti- gung
derAusübungsregelandenKnotenpunktendes 1.und2.JahreseinenPreisfürden3-jährigen4,5
%-CallableBondvon101,225%:



104;5 % 104;5 %
BCBhh D 0;5  C D 99;102 %;
.1 C 0;04647 C 0;008/1 .1 C 0;04647 C 0;008/1


104;5 % 104;5 %
BCBhn D 0;5  C D 99;900 %;
.1 C 0;038046 C 0;008/1 .1 C 0;038046 C 0;008/1


104;5 % 104;5 %
BCBnn D 0;5  1
C D 100;563 %;
.1 C 0;031150 C 0;008/ .1 C 0;031150 C 0;008/1
Da BCBnn von 100,563 % den Kündigungspreis von 100 % überschreitet, wird unter-
stellt, dass der Emittent die Anleihe kündi gt. Daher ist für den Knotenpunkt am Ende
des 2. Jahres nach einem Niedrig-niedrig-Pfad ein Preis von 100 % [D BCBnn D
Min .100;563 %;100 %/] im Binomialbaum einzusetzen.


99;102 % C 4;5 % 99;900 % C 4;5 %
BCBh D 0;5  C D 99;624 %;
.1 C 0;035930 C 0;008/1 .1 C 0;03593 C 0;008/1


99;900 % C 4;5 % 100 % C 4;5 %
BCBn D 0;5  1
C D 100;683 %;
.1 C 0;029417 C 0;008/ .1 C 0;029417 C 0;008/1
Der Preis von 100,683 % ist mit dem Kündigungspreis von 100 % zu ersetzen [BCBn D
Min (100,683 %, 100 %)].


99;624 % C 4;5 % 100 % C 4;5 %
BCB0 D 0;5  C D 101;225 %:
.1 C 0;0225 C 0;008/1 .1 C 0;0225 C 0;008/1
Abb. 11.7 visualisiert die Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Callable Bonds mit dem
binomialenZinsbaum.DieDiskontsätzeimBinomialbaumberücksichtigendasOptionsri-siko
nicht.SiesetzensichausdenrisikolosenTerminzinssätzenunddemOASzusammen.

ganz eliminieren kann. Eine mögliche Optionsausübung hängt somit von den Risikopräferenzen ab. Die
hier vorgestellte Entscheidungsregel geht davon aus, dass der Inhaber der Option (Emittent bei einem
CallableBondundInvestorbeieinemPutableBond)risikoneutralist.
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 651

BCBhhh = 100 %
K = 4,5 %

BCBhh = 99,102 %
K = 4,5 %
FR2,3 hh = 5,4470 %

BCBh = 99,624 %
BCBhhn = 100 %
K = 4,5 %
K = 4,5 %
FR1,2 h = 4,3930 %

BCBhn = 99,900 %
BCB0 = 101,225 %
K = 4,5 %
r1 = 3,0500 %
FR2,3 hn = 4,6046 %
BCBn = 100,683 %
KP = 100 % BCBhnn = 100 %
K = 4,5 % K = 4,5 %
FR1,2 n = 3,7417 %
BCBnn = 100,563 %
KP = 100 %
K = 4,5 %
FR2,3 nn = 3,9150%

BCBnnn = 100 %
K = 4,5 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.7 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Callable Bonds anhand des binomialen Zinsbaums

Das Optionsrisiko wird in die Cashflows eingebunden, die entlang des Baums mit der Op-
tionsausübungsregel bestimmt werden. Auf diese Weise lässt sich eine Doppelzählung des
Optionsrisikos vermeiden. Die Preisberechnung des Callable Bonds erfolgt mit den um das
Optionsrisiko bereinigten Cashflows, die mit den optionsfreien Diskontsätzen dis- kontiert
werden.

Der Wert der eingebetteten Call-Option ergibt sich aus der Differenz zwischen dem
Preis der optionsfreien Anleihe und dem Preis des Callable Bonds:

c0 D B0  BCB;0 : (11.13)

Der Preis der optionsfreien Unternehmensanleihe kann entweder mit der Preisgleichung von
festverzinslichen Anleihen, bei denen di e Cashflows mit den laufzeitgerechten risi-
koadäquatenDiskontsätzen(risikoloseNullkuponsätze
C Z-Spread) diskontiert werden,
oder mit dem binomialen Zinsbaum berechnet werden. Die Preisermittlung über die Preis-
gleichung ist weniger aufwendig. Hierfür müssen zunächst die risikolosen Nullkuponsätze von
denrisikolosenPar-Kuponsätzen(2,25%,2,75%und3,1%)bestimmtwerden.Die
652 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

risikolosen Nullkuponsätze sind für 1 Jahr 2,25 %, für 2 Jahre 2,757 % und für 3 Jahre 3,116 %.
Dabeikönnendie2-und3-jährigenNullkuponsätzewiefolgtermitteltwerden:

2 31=2
6 1;0275 7
r2 D 6
4
7  1 D 0;02757;
0;0275 5
1
.1;0225/1
2 31=3
6 1;031 7
r3 D 6
4  7
5  1 D 0;03116:
0;031 0;031
1 C
.1;0225/1 .1;02757/2

Werden die Cashflows des 3-jährigen 4,5 %-Callable Bonds mit den laufzeitgerechten ri-
sikoadäquatenDiskontsätzendiskontiert,dieausdenlaufzeitgerechtenNullkuponsätzenunddem
OASvon80Basispunktenbestehen,erhältmandenoptionsfreienPreisderAn-leihevon101,689%:

4;5 % 4;5 % 104;5 %


B0 D C C
.1 C 0;0225 C 0;008/1 .1 C 0;02757 C 0;008/2 .1 C 0;03116 C 0;008/3
D 101;689 %:

Der Wert der eingebetteten Call-Option liegt demnach bei 0,464 %:

c0 D 101;689 %  101;225 % D 0;464 %:

Bei der eingebetteten Call-Option handelt es sich um eine Zinsoption, deren Wert neben der
Bewegung der Zinssätze auch von der Zin ssatzvolatilität beeinflusst wird. Eine höhere
(niedrigere) Zinssatzvolatilität hat einen höhe ren (niedrigeren) Call-Wert zur Folge. Da der
Preis der optionsfreien Anleihe nicht von der Zinssatzvolatilität tangiert wird, bedeutet eine
höhere (niedrigere) Zinssatzvolatilität, da ss zum einen der Preis der Call-Option steigt (fällt)
undzumanderenderPreisdesCallableBondsfällt(steigt).

DerCall-PreisnimmtbeieinerErhöhungderZinssatzvolatilitätzu,weilesfürden
EmittentenmehrMöglichkeitengibt,dieeingebetteteKündigungsoptionauszuüben.Die
WirkungsweisederZinssatzvolatilitätaufdenPreisdesCallableBondsstellteinenkriti-schen
FaktorbeiderAnalysedar.EineVeränderungderZinssatzvolatilitätführtdazu,dasssichdie
TerminzinssätzeimBinomialbaumändern.BeieinerZunahmederZinssatzvola-tilität
vergrößertsichdieStreuungderTerminzinssätzeinnerhalbdesZinsbaums,sodass
OptionsausübungenamunterenEndedesBaumswahrscheinlicherwerden,wasdenWertdes
CallableBondsvermindertundsodenWertdereingebettetenCall-Optionerhöht.Beieiner
AbnahmederZinssatzvolatilitäthingegengehtdieStreuungderTerminzinssätzezurück,was
dieWahrscheinlichkeiteinerOptionsausübungverringert.FolglichsinktderCall-Preisundder
PreisdesCallableBondssteigt.
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 653

11.4.3.2 EffektiveDurationundeffektiveKonvexität
Die Duration ist eine Sensitivitätsgröße. Sie gibt an, um wie viel sich ungefähr der Bond- Preis in
Prozent bei einer Bewegung der Zinssätze verändert. Besitzt eine optionsfreie festverzinsliche
AnleiheeineDurationvon5undsteigt(fällt)derZinssatzum100Basis-punkte,sofällt(steigt)der
Bond-Preis um 5 %. Da die Beziehung zwischen dem Anleihe- preis und der erwarteten Rendite
bzw. dem Zinssatz nicht linear ist, muss zur ermittelten Preisänderung mit der Duration die
Konvexität berücksichtigt werden. Für Anleihen mit eingebetteten Optionen wird nicht die
modifizierte,sonderndieeffektiveDurationundKonvexitäteruiert,daderenCashflowsvonden
zukünftigen Zinssätzen abhängen und so- mit die genaue Laufzeit nicht bekannt ist. Daher
existiert keine Preisgleichung, die nach der Zinssatzänderung abgeleitet werden kann, wie dies
bei optionsfreien Anleihen der Fall ist. Die effektive Duration und effektive Konvexität können
mitdenfolgendenFormelnbestimmtwerden:

B  BC
EDUR D ;
2 B 0 i
B  C BC  2 B 0
EKONV D ; (11.14)
B0 .i/2
wobei:

B D Full-Preis der Anleihe bei ei ner parallelen Verschiebung der Zinssätze nach unten,
BC D Full-PreisderAnleihebeieinerparallelenVerschiebungderZinssätzenachoben,B
0 D Full-Preis der Anleihe vor der Zinssatzänderung,
i D Zinssatzänderung(bzw.ÄnderungderBenchmarkkurve).

Die effektive Duration und Konvexität lässt sich mithilfe eines binomialen Zinsbaums anhand
derfolgendenSchritteermitteln: 23

1. Bei einem gegebenen Marktpreis der Anleihe ist mithilfe des binomialen Zinsbaums der
impliziteOASgegenübereinerBenchmarkkurvezubestimmen.
2. DieBenchmarkkurveistumeinekleineAnzahlanBasispunktennachuntenzuver-schieben(
i). Danach ist ein neuer Zinsbaum zu erstellen. Zu den Terminzinssätzen
im Baum ist der OAS zu addieren. Dabei wird unterstellt, dass sich der OAS bei einer
Zinssatzänderung nicht verändert. Mit den Diskontsätzen und den Optionsausübungsre-
gelnandenentsprechendenKnotenpunktenimBaumkannderBond-PreisB
 ermittelt
werden.
3. Die Benchmarkkurve ist um den gleichen Betrag wie im Schritt 2 nach oben zu ver- schieben (
i). Zu den Terminzinssätzen im neuen Zinsbaum können die OAS hinzu- C
gezählt und anschließend der Bond-Preis B ausgerechnet werden.
4. Die bei den Schritten 2 und 3 berechneten Bond-Preise B und BC können in die
Formeln für die effektive Duration und Konvexität zusammen mit der unterstellten
Zinssatzänderung i eingesetzt werden.

23
Vgl. Abreo et al. 2015 : Valuation and Analysis: Bonds with Embedded Options, S. 433.
654 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Um die effektive Duration und Konvexität zu berechnen, wird der 3-jährige Callable Bond mit
einemjährlichenKuponvon4,5%desvorangegangenenAbschnittsgenommen,derin1undin2
Jahren zueinem Preis von 100 %gekündigt werden kann. Bei risikolosen Par-Kuponsätzen von
2,25 % für 1 Jahr, 2,75 % für 2 Jahre und 3,1 % für 3 Jahre, einem OAS von 80 Basispunkten und
einerZinssatzvolatilitätvon10%beträgtderPreisdesCallableBonds101,225%.

24
DieerforderlichenSchrittefürdieErmittlungdereffektiven
DurationundKonvexitätlautenfolgendermaßen:

1. Bei einem Preis von 101,225 % ergibt sich im binomialen Zinsbaum ein OAS von 80
Basispunkten.
2. Die risikolosen Par-Kuponsätze werden um 35 Basispunkte nach unten verschoben und ein
neuer arbitragefreier binomialer Zinsbaum wird erstellt. Zu den Terminzinssätzen im Baum
sindderOASvon80Basispunktenzuaddieren,waszueinemPreisvonB

 D %führt.DieBerechnungenfindensichinAbb. 11.8.
101;753

BCBhhh = 100 %
K = 4,5 %

BCBhh = 99,506 %
K = 4,5 %
FR2,3 hh = 5,0183 %
BCBh = 100,237 %
KP = 100 % BCBhhn = 100 %
K = 4,5 % K = 4,5 %
FR1,2 h = 4,0060 %
BCBhn = 100,236 %
BCB0 = 101,753 % KP = 100 %
r1 = 2,7000 % K = 4,5 %
FR2,3 hn = 4,2536 %
BCBn = 101,040 %
KP = 100 % BCBhnn = 100 %
K = 4,5 % K = 4,5 %
FR1,2 n = 3,4248 %
BCBnn = 100,842 %
KP = 100 %
K = 4,5 %
FR2,3 nn = 3,6276 %

BCBnnn = 100 %
K = 4,5 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.8 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Callable Bonds anhand des binomialen Zins-
baums bei einer Verschiebung der Benchmarkkurve um 35 Basispunkte nach unten

24
Vgl. Abschn. 11.4.3.1 .
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 655

BCBhhh = 100 %
K = 4,5 %

BCBhh = 98,701 %
K = 4,5 %
FR2,3 hh = 5,8758 %

BCBh = 98,906 %
BCBhhn = 100 %
K = 4,5 %
K = 4,5 %
FR1,2 h = 4,7801 %

BCBhn = 99,566 %
BCB0 = 100,535 %
K = 4,5 %
r1 = 3,4000 %
FR2,3 hn = 4,9557 %
BCBn = 100,216 %
KP = 100 % BCBhnn = 100 %
K = 4,5 % K = 4,5 %
FR1,2 n = 4,0586 %
BCBnn = 100,286 %
KP = 100 %
K = 4,5 %
FR2,3 nn = 4,2024 %

BCBnnn = 100 %
K = 4,5 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.9 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Callable Bonds anhand des binomialen Zins-
baums bei einer Verschiebung der Benchmarkkurve um 35 Basispunkte nach oben

3. Die risikolosen Par-Kuponsätze werden um 35 Basispunkte nach oben verschoben. Mithilfe


des neuen arbitragefreien binomialen Zinsbaums und einem OAS von 80 Ba- sispunkten
gelangtmanzueinemPreisB
C D 100;535 %. Die Berechnungen sind in
Abb. 11.9 dargestellt.
4. Die effektive Duration und die effektive Konvexität können bei einer Bewegung der
risikolosen Benchmarkzinssätze nach unten und nach oben um jeweils 35 Basispunkte wie
folgtberechnetwerden:

101;753 %  100;535 %
EDUR D D 1;719;
2  101;225 %  0;0035
101;753 % C 100;535 %  2  101;225 %
EKONV D D 130;645:
101;225 %  .0;0035/2
Wendet man die Taylor-Reihenentwicklung mit einer effektiven Duration von 1,719 und
einer effektiven Konvexität von 130;645 an, ergibt sich bei einer unterstellten Zinssatz- C
zunahme und -abnahme von jeweils 0,35 % wiederum ein Preis von B D 100;535 % und
von B D 101;753 %:
656 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Tab.11.2 Veränderung der effektiven Duration des 3-jährigen 4,5 %-Callable Bonds und der 3-
jährigen optionsfreien 4,5 %-Anleihe bei einer Änderung der Benchmarkkurve
Veränderung der Benchmark- Effektive Duration des Callab- Effektive Duration der options-
kurve le Bonds freien Anleihe
1 % 0,98 2,81
0;5 % 0,98 2,79
0% 1,72 2,78
C0;5 % 2,28 2,77
C1 % 2,75 2,75

BC D 101;225 % C .1;719/  101;225 %  0;0035


C 0;5  .130;645/  101;225 %  .0;0035/2 D 100;535 %;
B D 101;225 % C .1;719/  101;225 %  .0;0035/
C 0;5  .130;645/  101;225 %  .0;0035/2 D 101;753 %:

Im Beispiel besitzt der Callable Bond eine effektive Duration von 1,719, während die Duration
einer 3-jährigen optionsfreien Anleihe mit einem Kupon von 4,5% bei 2,780 liegt. Die effektive
Duration eines Callable Bonds ist maximal so hoch wie diejenige einer optionsfreien Anleihe.
Bei einem hohen Zinsniveau ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Emittent das
Kündigungsrecht ausübt, s odass sich bei einer Zinssatzänderung die Preise eines Callable
Bonds und einer optionsfreien Anleihe ungefähr um den glei- chen Betrag verändern. Die
Durationen der beiden Anleihen sind ungefähr gleich groß. Demgegenüber nimmt die
Wahrscheinlichkeit einer Kündigung bei fallenden Zinssätzen zu, was sich negativ auf die
LaufzeitundaufdieDurationdesCallableBondsauswirkt.IstdieeingebetteteCall-Optionweit
imGeld,gleichtdieDurationdesCalllableBondsderjenigeneineroptionsfreienAnleihe,dieam
nächsten Kündigungstermin fällig wird. Der Preis der Anleihe konvergiert gegen den
Kündigungspreis. Tab. 11.2 zeigt die Verän- derungder effektiven Duration des 3-jährigen 4,5
%-Callable Bonds und der 3-jährigen optionsfreien 4,5 %-Anleihe, wenn sich die risikolosen
Par-Kuponsätzevon2,25%für1Jahr,von2,75%für2Jahreundvon3,1%für3Jahreum

˙ 0,5 % und ˙ 1% bewe-


gen. Die effektive Duration des Callable Bonds liegt in Abhängigkeit vom Zinsniveau und
der daraus hervorgehenden Optionsausübungswahrscheinlichkeit in einer Bandbreite von
0,98bis2,75.ImGegensatzdazubefindetsichdieeffektiveDurationderoptionsfreienAnleihen
in einer Spannbreite von 2,75 bis 2,81 und schwankt somit viel weniger stark bei
Zinssatzänderungen.

BeieinemhohenZinsniveauistdieeingebetteteCall-OptionausdemGeldunddie
PreissensitivitätdesCallableBondsentsprichtungefährderjenigeneineroptionsfreien
Anleihe.BeideAnleihenverfügenübereinepositiveKonvexität.BefindetsichdieCall-Option
naheamGeld,wirddieKonvexitätdesCallableBondsnegativ,daderPreisder
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 657

kündbaren Anleihe gegen den Kündigungspreis strebt, wenn die Zinssätze fallen. Das Potential
eines Preisanstiegs ist verglichen mit demjenigen eines Preisrückgangs kleiner.
Demgegenüber weist eine optionsfreie Anleihe auch bei einem niedrigen Zinsniveau eine
positiveKonvexitätauf.

11.4.3.3 EinseitigeDurationen
Die effektive Duration basiert auf der durchschnittlichen Preisänderung der Anleihe, die
aufgrund einer gleichmäßigen Zinssatzänderung nach unten und nach oben erfolgt. Für
AnleihenmiteingebettetenOptionenkanndieBerechnungdereffektivenDurationeinfalsches
Ergebnis liefern, wenn die eingebettete Option nahe am oder im Geld ist. So etwa besitzt ein
Callable Bond ein begrenztes Preisaufwärtspotential und ein Putable Bond ein beschränktes
Preisabwärtspotential. Folglich verläuft die Preisänderung bei einer gleich- mäßigen
Zinssatzabnahmeund-zunahmenichtsymmetrisch.

ZumBeispielliegtein3-jähriger4%-CallableBondvor,dergegenwärtigzueinemPreisvon
100%kündbarist.GehtmanvoneinerflachenBenchmarkkurvevon4,2%undeiner
Zinssatzvolatilitätvon10%aus,beläuftsichderBond-Preisauf99,447%.GehendieZinssätze
um35Basispunktezurück,steigtderPreisauf100%.EsspieltkeineRol-le,umwieviele
BasispunktedieZinssätzeweiterfallen,derPreisdesCallableBondsverbleibtbei100%,dakein
Investorbereitist,einenhöherenPreisfürdieAnleihezubezahlen,diejederzeitzueinemPreis
von100%durchdenEmittentengekündigtwerdenkann.DemgegenübergehtderAnleihepreis
zurück,wenndieZinssätzesteigen.Eineei-gentlichePreisuntergrenzeexistiertnicht.Au
fgrunddiesesasymmetrischenPreisverlaufserscheintimVergleichzureffektivenDuration
eineeinseitigeDurationangemessener,diesichjeweilsaufeineAb-undAufwärtsbewegungder
Zinssätzebezieht.DieeinseitigenDurationenvermögendiePreissensitivitätenvonCallable
undPutableBondsbesserzuer-fassen,wenndieeingebetteteOptionnaheamGeldist.Sie
könnenfüreinegleichmäßigeZinssatzänderungnachuntenundnachobenwiefolgtberechnet
werden:

P  P0
EDUR D ;
P0 i

P0  PC
EDURC D : (11.15)
P0 i
Tab. 11.3 zeigt für einen 3-jährigen 4 %-Callable Bond bei einer flachen Benchmarkkurve
von 4,2 % und einer Zinssatzvolatilität von 10 % die effektive Duration sowie die ein- seitigen
DurationennacheinerAb-undAufwärtsbewegungderZinssätzeumjeweils35Basispunkte.Die
Preissensitivität des Callable Bonds ist bei einer Zinssatzzunahme grö- ßer als bei einem
Zinssatzrückgang, wie dies die einseitige Duration verdeutlicht, die bei einem Zinssatzanstieg
2,752 beträgt und somit höherals die einseitige Duration von1,589 bei einem Zinssatzrückgang
ist.
65 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Tab.11.3 Effektive Duration und einseitige Durationen bei einem 3-jährigen 4 %-Callable Bond,
gegenwärtig kündbar zu 100 %
Zinssätze Flache Benchmarkkurve Zinssatzrückgang um 35 Zinssatzzunahme um 35
von 4,2 % Basispunkte Basispunkte
Bond-Preise 99,447 % 100,000 % 98,489 %
Durationen EDUR D 2;171a EDUR D 1;589b EDURC D 2;752c
a
EDUR D 2 100 %  98;489 %
99;447 %  0;0035 D 2;171
b 100 %  99;447 % D 1;589
EDUR D 99;447 %  0;0035
c
EDURC D 99;447 %  98;489 %
99;447 %  0;0035 D 2;752

11.4.4 PreisberechnungundAnalysevonPutableBonds

11.4.4.1 Preisberechnung
Bei einem Putable Bond werden die gleichen Bewertungsschritte wie bei einem Callable Bond
angewandt. Zum Beispiel kann ein 3-jähriger 4,5 %-Putable Bond mit einem OAS von 50
Basispunkten in 1 und in 2 Jahren jeweils zu einem Preis von 100 % gekündigt werden. Der
Investor wird die Anleihe dem Emittenten vorzeitig verkaufen, wenn der ermittelte
Anleihepreis an einem Knote npunkt des Zinsbaums in 1 und in 2 Jahren den Kündigungspreis
von 100 % unterschreitet. Demnach lässt sich an einem Knotenpunkt folgende
EntscheidungsregelfürdieOptionsausübungdefinieren:
25

BPB Knotenpunkt D Max .BPB berechnet ; KP/ ; (11.16)

wobei:

BPB berechnet D berechneter Bond-Preis an einem Knotenpunkt im Baum,


KP D KündigungspreisamKnotenpunkt.

DierisikolosenPar-Kuponsätzesind2,25%für1Jahr,2,75%für2Jahreund3,1%für3Jahre.Bei
einer angenommenenZinssatzvolatilität von 10 % und einer logarithmierten Zufallsbewegung
derZinssätzeergibtsichfolgenderZinsbaum:

25
DieseEntscheidungsregelzurOptionsausübungberuhtaufderAnnahme,dassderInvestorrisi-
koneutralist.FolglichspielendieRisikopräferenzenkeineRolle.EinZuwartenbiszumnächsten
Kündigungstermin wird nicht in Betracht gezogen und so die Option ausgeübt, wenn sie im Geld ist.
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 659

FR2,3 hh = 4,6470 %

FR1,2 h = 3,5930 %

r1 = 2,25 % FR2,3 hn = 3,8046 %

FR1,2 n = 2,9417 %

FR2,3 nn = 3,1150 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

ZudenrisikolosenTerminzinssätzenimZinsbaumistjeweilsderOASvon50Basis-punkten
zuaddieren.MithilfederRückwärtsinduktionlässtsichunterBerücksichtigungder
AusübungsregelandenKnotenpunktendes1.und2.JahresderPreisdes3-jährigen4,5
%-PutableBondsberechnen.NacheinemHoch-hoch-PfadergibtsicheinPreisvon99,385%:



104;5 % 104;5 %
BPBhh D 0;5  C D 99;385 %:
.1 C 0;04647 C 0;005/1 .1 C 0;04647 C 0;005/1

Der berechnete Preis von 99,385 % liegt unterhalb des Kündigungspreises von 100 %, sodass
davonausgegangenwird,dassderInvestordieAnleihekündigt.FolglichwirdbeiB
PBhh ein Preis von 100 % [D BPBhh D Max.99;385 %;100 %/] im Binomialbaum
eingesetzt. Die Preise an den weiteren Knotenpunkten können wie folgt bestimmt werden:


104;5 % 104;5 %
BPBhn D 0;5  C D 100;187 %;
.1 C 0;038046 C 0;005/1 .1 C 0;038046 C 0;005/1


104;5 % 104;5 %
BPBnn D 0;5  C D 100;854 %;
.1 C 0;031150 C 0;005/1 .1 C 0;031150 C 0;005/1


100 % C 4;5 % 100;187 % C 4;5 %
BPBh D 0;5  C D 100;481 %;
.1 C 0;035930 C 0;005/1 .1 C 0;03593 C 0;005/1


100;187 % C 4;5 % 100;854 % C 4;5 %
BPBn D 0;5  C D 101;526 %;
.1 C 0;029417 C 0;005/1 .1 C 0;029417 C 0;005/1


100;481 % C 4;5 % 101;526 % C 4;5 %
BPB0 D 0;5  C D 102;680 %:
.1 C 0;0225 C 0;005/1 .1 C 0;0225 C 0;005/1
660 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

BPBhhh = 100 %
K = 4,5 %

BPBhh = 99,385 %
KP = 100 %
K = 4,5 %
FR2,3 hh = 5,1470 %
BPBh = 100,481 %
BPBhhn = 100 %
K = 4,5 %
K = 4,5 %
FR1,2 h = 4,0930 %

BPBhn = 100,187 %
BPB0 = 102,680 %
K = 4,5 %
r1 = 2,7500 %
FR2,3 hn = 4,3046 %

BPBn = 101,526 %
BPBhnn = 100 %
K = 4,5 %
K = 4,5 %
FR1,2 n = 3,4417 %

BPBnn = 100,854 %
K = 4,5 %
FR2,3 nn = 3,6150%

BPBnnn = 100 %
K = 4,5 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.10 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Putable Bonds anhand des binomialen Zins-
baums

Der Preis des 3-jährigen 4,5 %-Putable Bonds liegt bei 102,680 %. Abb. 11.10 zeigt die
PreisberechnungmitdembinomialenZinsbaum.
Der Wert der eingebetteten Put-Option ergibt sich aus der Differenz zwischen dem
Preis des Putable Bonds und dem Preis der optionsfreien Anleihe:

p0 D BPB;0  B0 : (11.17)

DierisikolosenNullkuponsätzesindfür1Jahr2,25%,für2Jahre2,757%undfür3Jahre3,116%.
DerPreisderoptionsfreienAnleihevon102,537%lässtsichwiefolgtbestimmen:

4;5 % 4;5 % 104;5 %


B0 D 1
C 2
C
.1 C 0;0225 C 0;005/ .1 C 0;02757 C 0;005/ .1 C 0;03116 C 0;005/3
D 102;537 %:

Der Wert der eingebetteten Put-Option beträgt demnach 0,143 %:

p0 D 102;680 %  102;537 % D 0;143 %:


11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 661

Der Wert der eingebetteten Put-Option hängt neben der Bewegung der Zinssätze auch von der
Zinssatzvolatilität ab. Im binomialen Zinsbaum schlägt sich eine Zunahme (Abnahme) der
Zinssatzvolatilitätineinergrößeren(kleineren)StreuungderTerminzinssätzenieder,sodasseine
Optionsausübung wahrscheinlicher (unwahrscheinlicher) wird und der Put- Preis steigt (fällt).
DemgegenüberhatdieZinssatzvolatilitätkeinenEinflussaufdenPreisderoptionsfreienAnleihe.
Nimmtder Put-P reis infolge einer Zunahme (Abnahme) der Zinssatzvolatilität zu (ab), so steigt
(fällt)entsprechendderPreisdesPutableBonds.

11.4.4.2 EffektiveDurationundeffektiveKonvexität
Die effektive Duration und die effektive Konvexität des 3-jährigen 4,5 %-Putable Bonds, der in 1
Jahr und in 2 Jahren zu einem Preis von 100 % durch den Investor gekündigt werden kann, lassen
sichindenfolgendenvierSchrittenberechnen:

1. Bei einem Preis von 102,680 % ergibt sich im binomialen Zinsbaum ein OAS von 50
Basispunkten.
2. Die risikolosen Par-Kuponsätze werden um 35 Basispunkte nach unten verschoben und ein
neuer arbitragefreier binomialer Zinsbaum wird erstellt. Zu den Terminzinssätzen im Baum
sindderOASvon50Basispunktenhinzuzuzählen,waszueinemPreisvonB
D
 %führt.DieBerechnungensindinAbb. 11.11aufgeführt.
103;593
3. Die risikolosen Par-Kuponsätze werden um 35 Basispunkte nach oben verschoben und ein
neuer arbitragefreier binomialer Z insbaum wird konstruiert. Mithilfe der Ter- minzinssätze
im Baum, mit einem OAS von 50 Basispunkten und den Optionsaus- übungsregeln an den
entsprechendenKnotenpunktengelangtmanzueinemPreisvonB

C D %.DieBerechnungensindinAbb. 11.12dargestellt.
101;848Duration und die effektive Konvexität können bei einer Bewegung der
4. Die effektive
risikolosen Benchmarkzinssätze nach unten und nach oben um jeweils 35 Basispunkte
folgendermaßenbestimmtwerden:

103;593 %  101;848 %
EDUR D D 2;428;
2  102;680 %  0;0035
103;593 % C 101;848 %  2  102;680 %
EKONV D D 64;397:
102;680 %  .0;0035/2
Anhand der Taylor-Reihenentwicklung sowie der effektiven Duration von 2,428 und der
effektiven Konvexität von 64,397 resultieren bei einer unterstellten Zinssatzzunahme und
-abnahmevonjeweils0,35%wiederumPreisevonB
C D 101;848 % und von B D
103;593 %:

BC D 102;680 % C .2;428/  102;680 %  0;0035


C 0;5  .64;397/  102;680 %  .0;0035/2 D 101;848 %;
B D 102;680 % C .2;428/  102;680 %  .0;0035/
C 0;5  .64;397/  102;680 %  .0;0035/2 D 103;593 %:
662 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

BPBhhh = 100 %
K = 4,5 %

BPBhh = 99,792 %
KP = 100 %
K = 4,5 %
FR2,3 hh = 4,7183 %
BPBh = 101,019 %
BPBhhn = 100 %
K = 4,5 %
K = 4,5 %
FR1,2 h = 3,7060 %

BPBhn = 100,526 %
BPB0 = 103,593 %
K = 4,5 %
r1 = 2,4000 %
FR2,3 hn = 3,9536 %

BPBn = 102,139 %
BPBhnn = 100 %
K = 4,5 %
K = 4,5 %
FR1,2 n = 3,1248 %

BPBnn = 101,135 %
K = 4,5 %
FR2,3 nn = 3,3276 %

BPBnnn = 100 %
K = 4,5 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.11 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Putable Bonds anhand des binomialen Zinsbaums
bei einer Verschiebung der Benchmarkkurve um 35 Basispunkte nach unten

DieeffektiveDurationeinesPutableBondskanndiejenigeeineroptionsfreienAnleihenicht
überschreiten.SindetwabeieinemKündigungspreisvon100%dieZinssätze(bzw.die
Verfallrendite)imVergleichzumKuponsatzniedrig,istdieeingebettetePut-Optionausdem
GeldunddieWahrscheinlichkeiteinerOptionsausübungentsprechendsehrge-ring.Demnach
sinddieeffektivenDurationendesPutableBondsundderoptionsfreienAnleiheungefährgleich
groß.ImGegensatzdazubewegtsichineinemUmfeldvonstei-gendenZinsendieeingebettete
Put-OptioninsGeld.DieWahrscheinlichkeitsteigt,dassderInvestordieAnleihedem
EmittentenzumKündigungspreisverkauft,umsodenVer-kaufserlöszueinemhöherenZinssatz
anzulegen.DaherverkürztsichdieLaufzeitundsomitdieDurationdesPutableBonds,der
unterhalbderDurationderoptionsfreienAn-leihezuliegenkommt.BefindetsichdiePut-Option
weitimGeld,gleichtdieDurationdesPutableBondsderjenigeneineroptionsfreienAnleihe,
derenFälligkeitstagaufdennächstenKündigungsterminfällt.

Tab.11.4zeigtdieVeränderungdereffektivenDurationdes3-jährigen4,5%-Putable
Bondsundder3-jährigenoptionsfreien4,5%-Anleihe,wennsichdierisikolosenPar-
Kuponsätzevon2,25%für1Jahr,von2,75%für2Jahreundvon3,1%für3Jahreum
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 663

BPBhhh = 100 %
K = 4,5 %

BPBhh = 98,981 %
KP = 100 %
K = 4,5 %
FR2,3 hh = 5,5758 %
BPBh = 100,019 %
BPBhhn = 100 %
K = 4,5 %
K = 4,5 %
FR1,2 h = 4,4801 %
BPBhn = 99,851 %
BPB0 = 101,848 % KP = 100 %
r1 = 3,1000 % K = 4,5 %
FR2,3 hn = 4,6557 %
BPBn = 100,992 %
BPBhnn = 100 %
K = 4,5 %
K = 4,5 %
FR1,2 n = 3,7586 %

BPBnn = 100,575 %
K = 4,5 %
FR2,3 nn = 3,9024 %

BPBnnn = 100 %
K = 4,5 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.12 Preisberechnung des 3-jährigen 4,5 %-Putable Bonds anhand des binomialen Zinsbaums
bei einer Verschiebung der Benchmarkkurve um 35 Basispunkte nach oben

Tab.11.4 Veränderung der effektiven Duration des 3-jährigen 4,5 % Putable Bonds und der 3-
jährigen optionsfreien 4,5 %-Anleihe bei einer Änderung der Benchmarkkurve
Veränderung der Benchmark- Effektive Duration des Putable Effektive Duration der options-
kurve Bonds freien Anleihe
1 % 2,82 2,82
0;5 % 2,66 2,80
0% 2,43 2,79
C0;5 % 1,53 2,77
C1 % 1,40 2,76

˙ 0,5 % und ˙ 1 % bewegen. Die effektive Duration des Putable Bonds liegt in einer
Bandbreite von 1,40 bis 2,82. Im Gegensatz dazu befindet sich die effektive Duration der
optionsfreien Anleihen in einer Spannbreite von 2,76 bis 2,82 und schwankt somit viel weniger
starkbeiZinssatzänderungen.
PutableBondsverfügenbeijedemZinsniveauübereinepositiveKonvexität.Steigendie
ZinssätzeundbefindetsichdieeingebettetePut-OptionnaheamGeld,konvergiertder
Bond-PreisgegendenKündigungspreis,jemehrsichderKündigungsterminnähert.
664 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

VerändernsichdieZinssätzenachobenundnachuntenumdengleichenBetrag,sofälltderPreisanstieg
höherausalsderPreisrückgang.
ImVergleichzuCallableBondsbesitzenPutableBondsaufgrundderpositivenKon-vexität
übereinhöheresPreispotentialnachoben,wenndieZinssätzefallen.IneinemsolchenZinsszenario
strebtderPreisdesCallableBondsgegendenniedrigerenKündi-gungspreis,währendderPreisdes
PutableBondswiederPreiseineroptionsfreienAnleiheweiterzunimmt.Steigenhingegendie
Zinssätze,konvergiertderPreisdesPutableBondsgegendenKündigungspreis,jenäherder
Kündigungsterminrückt.DerPreisdesCall-ableBondshingegenfälltineinemsolchen
ZinsumfeldunterdenKündigungspreisdesPutableBonds.FolglichverfügteinPutableBond
verglichenmiteinemCallableBondübereinhöheresPreisaufwärtspotential.Allerdingsbezahlt
derInvestorfürdashöherePreispotentialeinePrämiefürdieeingebettetePut-Option.

26

11.4.5 EinflussderZinssatzvolatilität,desZinsniveausundderSteigung
derZinsstrukturkurveaufPreisevonCallableundPutableBonds

11.4.5.1 Zinssatzvolatilität
Preise von Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen werden durch die Zinssatzvolatilität, das
Zinsniveau und die Steigung der Zinsstrukturkurve beeinflusst. Nimmt etwa die Zins-
satzvolatilität zu (ab), so steigt (fällt) der Wert der eingebetteten Zinsoption. Je höher die
Volatilität ist, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich, um die Option auszuüben. Daher ist es
wichtig, dass Emittenten und Investoren den Einfluss der Zinssatzvolatilität auf die Preise von
CallableundPutableBondsverstehen.

NimmtdieZinssatzvolatilitätzu(ab),sovergrößert(verkleinert)sichdieStreuungder
TerminzinssätzeimbinomialenZinsbaum,wasdieWahrscheinlichkeitvonOptionsaus-
übungenundsomitdenWertdereingebettetenZinsoptionerhöht(vermindert).Tab. 11.5zeigt
füreinen3-jährigen4%-CallableBond,derin1Jahrundin2JahrenzueinemPreisvon100%
gekündigtwerdenkann,undeinerflachenRenditestrukturkurvevon4,2%dieWertzunahmeder
eingebettetenCall-OptionbeieinerErhöhungderZinssatzvolatilität.DaderPreisder
optionsfreienAnleihevonderZinssatzvolatilitätnichttangiertwird,gehtderPreisdesCallable
BondsbeieinerZunahmederZinssatzvolatilitätzurück.BeieinerZinssatzvolatilitätvon0%
beläuftsichderPreisdesCallableBondsauf99,447%.DieeingebetteteCall-Optionistwertlos
undderPreisderkündbarenAnleiheentsprichtder-jenigeneineroptionsfreienAnleihe.

27
NimmtdieZinssatzvolatilitätauf30%zu,fälltder
WertdesCallableBondsauf98,498%,waseinenWertdereingebettetenCall-Optionvon0,949
%(
D 99;447 %  98;498 %) ergibt.

26
Vgl. Abschn. 8.7.2 .
27
DadieeingebetteteCall-OptionausdemGeldistunddieZinssatzvolatilitätbei0%liegt,er-gibtsichim
binomialenZinsbaummitTerminzinssätzenvon4,2%keineOptionsausübungandenKnotenpunkten,
sodassderPreisdesCallableBondsmitdemPreiseineroptionsfreienAnleiheübereinstimmt.
11.4 BewertungundAnalysevonCallableundPutableBonds 665

Tab.11.5 Einfluss der Zinssatzvolatilität auf den Preis des 3-jährigen 4 %-Callable Bonds
Zinssatzvolatilität Preis Callable Bond Preis optionsfreie Anleihe Call-Preis
0% 99,447 % 99,447 % 0%
10 % 99,250 % 99,447 % 0,197 %
20 % 98,881 % 99,447 % 0,566 %
30 % 98,498 % 99,447 % 0,949 %

Tab.11.6 Einfluss der Zinssatzvolatilität auf den Preis des 3-jährigen 4 %-Putable Bonds
Zinssatzvolatilität Preis Putable Bond Preis optionsfreie Anleihe Put-Preis
0% 99;808 % 99,447 % 0,361 %
10 % 100,041 % 99,447 % 0,594 %
20 % 100,387 % 99,447 % 0,940 %
30 % 100,732 % 99,447 % 1,285 %

Tab.11.7 Einfluss des Zinsniveaus auf den Preis des 3-jährigen 4 %-Callable Bonds
Zinsniveau Preis Callable Bond Preis optionsfreie Anleihe Call-Preis
3,0 % 100,971 % 102,829 % 1,858 %
3,5 % 100,483 % 101,401 % 0,918 %
4,2 % 99;250 % 99;447 % 0,197 %
4,5 % 98;549 % 98;626 % 0,077 %
5,0 % 97;277 % 97;277 % 0%

BeieinemPutableBondsteigt(fällt)derWertdereingebettetenPut-Optionbeieiner
Zunahme(Abnahme)derZinssatzvolatilität.Tab.11.6gibtdiesenZusammenhangfüreinen
3-jährigen4%-PutableBondwieder,derin1Jahrundin2JahrenzueinemPreisvon100%
gekündigtwerdenkann.DieRenditestrukturkurveistflachundliegtwiederumbei4,2%.Istdie
Zinssatzvolatilität30%,beträgtderPreisdesPutableBonds100,732%,waszueinemPreisder
eingebettetenPut-Optionvon1,285%(
D 100;732 %  99;447 %)
führt.

11.4.5.2 ZinsniveauundSteigungderZinsstrukturkurve
Die Preise von Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen werden neben der Zinssatzvola- tilität
auch von Veränder ungen des Zinsniveaus und der S teigung der Zinsstrukturkurve beeinflusst.
Verändert sich etwa das Zinsniveau, so hat dies einen Einfluss auf den Preis des Callable Bonds,
da sich dieser aus dem Preis der optionsfreien Anleihe abzüglich des Preises der Call-Option
zusammensetzt. Nehme n die Zinssätze ab (zu), so steigen (fallen) die Preise der optionsfreien
Anleihe sowie der eingebetteten Call-Option, was dazu führt, dass der Preis des Callable Bonds
aufgrund der Wertzunahme der Call-Option weniger stark als der Preis der optionsfreien
Anleihe zunimmt (abnimmt). Tab. 11.7 veranschau- licht den Effekt von Zinsänderungen auf
den Preis des 3-jährigen 4 %-Callable Bonds bei einer flachen Zinsstrukturkurve von 3 %, 3,5 %,
4,2%,4,5%und5%.DieunterstellteZinssatzvolatilitätist10%.
666 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Tab.11.8 Einfluss des Zinsniveaus auf den Preis des 3-jährigen 4 %-Putable Bonds
Zinsniveau Preis Putable Bond Preis optionsfreie Anleihe Put-Preis
3,0 % 102,829 % 102,829 % 0%
3,5 % 101,453 % 101,401 % 0,052 %
4,2 % 100,041 % 99;447 % 0,594 %
4,5 % 99;574 % 98;626 % 0,948 %
5,0 % 99;048 % 97;277 % 1,771 %

VerändertsichdieSteigungderZinsstrukturkurve,sohatdieseinenEinflussaufdenWertder
eingebettetenCall-Option.ZumBeispielbetragenbeieinernormalenZinsstruk-turkurvedie
kurzfristigenZinssätze2%unddielangfristigenZinssätze5%.VerändertsichdieZinsstrukturkurve,
sodasssieeinenflachenVerlaufmitZinssätzenvon2,5%odereineninversenVerlaufmitkurzfristigen
Zinssätzenvon2%undlangfristigenZins-sätzenvon1%annimmt,steigtderWertdereingebetteten
Call-OptioneineslangfristigenCallableBonds.DieserZusammenhanglässtsichwiefolgterklären:
BeieinernormalenZinsstrukturkurvesinddieEin-Perioden-Terminzinssätzeimbinomialen
Zinsbaumhoch,waswenigerMöglichkeiteneinerOptionsausübungandenentsprechenden
Knotenpunk-tenzurFolgehat.VerändertsichdieSteigungderZinsstrukturkurveundwirdsieflachoder
invers,gehendieTerminzinssätzeimBinomialbaumzurück,wasdieWahrschein-lichkeitvon
Optionsausübungenerhöht.FolglichsteigtderWertderCall-Option.

NehmendieZinssätzezu(ab),steigtbeieinemPutableBondderWertdereingebetteten
Put-Option,weilsichdieWahrscheinlichkeiteinerOptionsausübungerhöht(vermindert).
DemgegenübernimmtderWertderoptionsfreienAnleiheab(zu).DaderPreisdesPutableBonds
ausdemPreisderoptionsfreienAnleiheplusdemPreisdereingebettetenPut-Optionbestehtund
derPreisrückgang(Preisanstieg)deroptionsfreienAnleihehöheralsderPreisanstieg
(Preisrückgang)derPut-Optionist,fällt(steigt)derPreisdesPutableBonds.Tab. 11.8zeigt
diesenZusammenhangbeieinem3-jährigen4%-PutableBond,derin1Jahrundin2Jahrenzu
einemPreisvon100%gekündigtwerdenkann.DieZinsstrukturkurveistflach.Diejeweiligen
Zinssatzszenariensind3%,3,5%,4,2%,4,5%und5%.DieZinssatzvolatilitätist10%.

DieeingebettetePut-OptionstellteinenSchutzgegensteigendeZinssätzedar,weilderPreis
desPutableBondswenigerstarkfälltalsderPreisderoptionsfreienAnleihe.Jenäherdernächste
Kündigungsterminrückt,destomehrstrebtderPreisdesPutableBondsgegenden
Kündigungspreis.

DerWertdereingebettetenPut-Optionnimmtab,wennsichdieZinsstrukturkurvevonnormal
inRichtungflachundinversverändert.LiegteinenormaleZinsstrukturkurvevor,sinddie
Ein-Perioden-TerminzinssätzeimbinomialenZinsbaumhoch,sodassvieleMög-lichkeitenzur
OptionsausübungfürdenInvestorbestehen.WirddieZinsstrukturkurveflachoderinvers,gehen
dieTerminzinssätzeimBinomialbaumzurück,waszuweniger
11.5 PreisberechnungvonkündbarenStep-up-Anleihen 667

Optionsausübungsmöglichkeiten und somit zu einem Wertrückgang der eingebetteten Put-


Optionführt.

11.5 PreisberechnungvonkündbarenStep-up-Anleihen

Bei Step-up-Anleihen steigt der Kupon mit der Zeit an. Von einer Single-Step-up-Anleihe
spricht man, wenn sich der Kupon lediglich einmal während der Laufzeit erhöht. Im Ge- gensatz
dazunimmtbeieinerMulti-Step-up-AnleihederKuponmehrmalswährendderLaufzeitzu.
28
DieBewertungeinerkündbarenStep-up-Anleiheerfolgtgleichwiebeiei-nem
CallableBondineinemBinomialmodell,wobeidieCashflowsaneinemKnotenpunktumden
neuenKuponangepasstwerden.
Im Folgenden wird die Preisberechnung eine r 3-jährigen Callable Multi-Step-up-
Anleihe vorgestellt, bei der der jährliche Kupon in 1 Jahr von 3 % auf 3,5 % und in 2
Jahren von 3,5 % auf 4 % steigt. Die Anleihe kann durch den Emittenten in 1 und in 2 Jahren zu
einem Preis von jeweils 100 % gekündigt werden. Der OAS beläuft sich auf 50 Basispunkte. Die
risikolosen Par-Kuponsätze sind 2,25 % für 1 Jahr, 2,75 % für 2 Jahre und 3,1 % für 3 Jahre. Bei
einerangenommenenZinssatzvolatilitätvon10%undeinerlogarithmiertenZufallsbewegung
derZinssätzeergibtsichfolgenderZinsbaum:

FR2,3 hh = 4,6470 %

FR1,2 h = 3,5930 %

r1 = 2,25 % FR2,3 hn = 3,8046 %

FR1,2 n = 2,9417 %

FR2,3 nn = 3,1150 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

ZudenrisikolosenTerminzinssätzenimBinomialbaumistjeweilsderOASvon50Ba-
sispunktenhinzuzuzählen.MithilfederRückwärtsinduktionundunterBerücksichtigungder
AusübungsregelandenKnotenpunktendes1.und2.JahresundderZunahmedes

28
Vgl. Abschn. 8.6.2.2 .
66 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Kuponsvon3%auf3,5%amEndedes1.Jahresundvon3,5%auf4%amEndedes2.Jahresgelangt
manzueinemPreisfürdie3-jährigeCallableMulti-Step-up-Anleihevon99,601%:



104 % 104 %
BCBhh D 0;5  C D 98;909 %;
.1 C 0;04647 C 0;005/1 .1 C 0;04647 C 0;005/1


104 % 104 %
BCBhn D 0;5  C D 99;708 %;
.1 C 0;038046 C 0;005/1 .1 C 0;038046 C 0;005/1


104 % 104 %
BCBnn D 0;5  1
C D 100;372 %;
.1 C 0;031150 C 0;005/ .1 C 0;031150 C 0;005/1
BCBnn D Min .100;372 %;100 %/ D 100 %


98;909 % C 3;5 % 99;708 % C 3;5 %
BCBh D 0;5  C D 98;766 %;
.1 C 0;035930 C 0;005/1 .1 C 0;03593 C 0;005/1


99;708 % C 3;5 % 100 % C 3;5 %
BCBn D 0;5  C D 99;915 %;
.1 C 0;029417 C 0;005/1 .1 C 0;029417 C 0;005/1


98;766 % C 3 % 99;915 % C 3 %
BCB0 D 0;5  C D 99;601 %:
.1 C 0;0225 C 0;005/1 .1 C 0;0225 C 0;005/1

Abb. 11.13 zeigt die Preisberechnung de r 3-jährigen Callable Mu lti-Step-up-Anleihe an- hand
desbinomialenZinsbaums.
DerWertdereingebettetenCall-OptionresultiertausderDifferenzzwischendemPreisder
optionsfreienMulti-Step-up-AnleiheunddemPreisderCallableMulti-Step-up-Anleihe.Der
PreisderoptionsfreienMulti-Step-up-Anleihelässtsichwiefolgtberechnen:

3% 3;5 % 104 %
B0 D 1
C 2
C
.1 C 0;0225 C 0;005/ .1 C 0;02757 C 0;005/ .1 C 0;03116 C 0;005/3
D 99;690 %:

Der Wert der eingebetteten Call-Option liegt demnach bei 0,089 %:

c0 D 99;690 %  99;601 % D 0;089 %:

11.6 PreisberechnungvonvariabelverzinslichenAnleihenmiteinem
CapundeinemFloor

VariabelverzinslicheAnleihenkönnenmiteinemKuponemittiertwerden,dereinenCap(Obergrenze)
und/odereinenFloor(Untergrenze)aufweist.LiegtdieKuponobergrenzebeispielswiesebei4,5%und
sindderReferenzzinssatz4,2%unddieQuotedMargin0,8%,soistderKuponnicht5%,sondern4,5%.
29
Ein Floater mit einem Cap schützt

29
Vgl. Abschn. 8.6.2.1 .
11.6 PreisberechnungvonvariabelverzinslichenAnleihenmiteinemCapundeinemFloor 669

BCBhhh = 100 %
K=4%

BCBhh = 98,909 %
K = 3,5 %
FR2,3 hh = 5,1470 %

BCBh = 98,766 %
BCBhhn = 100 %
K=3%
K=4%
FR1,2 h = 4,0930 %

BCBhn = 99,708 %
BCB0 = 99,601 %
K = 3,5 %
r1 = 2,7500 %
FR2,3 hn = 4,3046 %

BCBn = 99,915 %
BCBhnn = 100 %
K=3%
K=4%
FR1,2 n = 3,4417 %
BCBnn = 100,372 %
KP = 100 %
K = 3,5 %
FR2,3 nn = 3,6150%

BCBnnn = 100 %
K=4%

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.13 Preisberechnung der 3-jährigen Callable Multi-Step-up-Anleihe anhand des binomialen


Zinsbaums

denEmittentengegensteigendeZinssätze.DerEmittenthältdemnacheineLong-Cap-Position.
Der Investor hingegen ist Long die optionsfreie variabel verzinsliche Anleihe und Short den
eingebettetenCap,waszufolgenderPreisgleichungführt: 30

BCapped Floater;0 D B0  Cap0 ; (11.18)

wobei:

B0 D Preis der optionsfreien variabel verzinslichen Anleihe, Wert


Cap0 D desCaps.

Nimmt der Wert des Caps infolge einer Zinssatz steigerung zu, geht der Preis der variabel
verzinslichen Anleihe mit einem Cap gegenüber dem Preis einer optionsfreien variabel
verzinslichen Anleihe zurück. Bei der Preisberechnung mit einem binomialen Zinsbaum muss
anjedemKnotenpunkt(bzw.amjeweiligenBeginnderZinsperiode)untersucht

30
Vgl. Abreo et al. 2015 : Valuation and Analysis: Bonds with Embedded Options, S. 444.
670 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

werden,obderKuponsatzdenCap-Satzüberschreitet.IstdiesderFall,dannwirdderKuponsatz
mitdemniedrigerenCap-Satzersetzt,waszufolgenderEntscheidungsregelführt:

KSKnotenpunkt D Min .KSt ; Cap-Satz/ ; (11.19)

wobei:

KSt D Kuponsatz für die Zinsperiode t (Referenzzinssatz für die Periode tC Quoted Mar-
gin).

Um die Preisberechnung einer variabel verzi nslichen Anleihe mit einem Cap zu illustrie- ren,
wird ein Geldmarkt-Flo ater mit einer Laufzeit von 3 Jahren genommen. Der Refe- renzzinssatz
ist der jährliche EURIBOR-Satz. Der Cap-Satz liegt bei 3,5 %. Der Kupon wird zu Beginn der
Periode festgelegt und am Ende der Zinsperiode bezahlt. Der Einfluss von Wochenenden und
Feiertagen auf die Länge der Kuponperiode wird vernachlässigt, sodass diese jeweils ein 1 Jahr
dauert. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass die Schuldnerqualität mit derjenigen der
Swapsatzkurve übereinstimmt. Des Weiteren wird unterstellt, dass die
EURIBOR-Par-Swapsätze für 1 Jahr 2,25 %, für 2 Jahre 2,75 % und für 3 Jahre 3,1 % sind. Bei
einer angenommenen Zinssatzvolatilitätvon 10% und einer logarithmierten Zufallsbewegung
derZinssätzeergibtsichfolgenderZinsbaum:

FR2,3 hh = 4,6470 %

FR1,2 h = 3,5930 %

r1 = 2,25 % FR2,3 hn = 3,8046 %

FR1,2 n = 2,9417 %

FR2,3 nn = 3,1150 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

UnterschreitetderKuponsatzdenCap-Satz,istderPreisdesGeldmarkt-Floatersaneinem
Zinsterminjeweils100%,weilderKuponsatzunddieerwarteteRendite(bzw.derDiskontsatz)
gleichgroßsind.ÜberschreitethingegenderKuponsatzdenCap-Satz,be-zahltdieAnleiheals
KupondenniedrigerenCap-Satz,sodassderKupondieerwarteteRenditeunterschreitetund
folglichderPreisdesGeldmarkt-FloatersunterdenPar-Wert
11.6 PreisberechnungvonvariabelverzinslichenAnleihenmiteinemCapundeinemFloor 671

von100%fällt.WichtigbeidiesenBerechnungenist,dassderKuponamAnfangderZinsperiode
festgelegt und anderen Ende bezahlt wird. So z um Beispiel ist beim Hoch- hoch-hoch-Pfad der
Kuponsatz 4,647 %. Da dieser über dem Cap-Satz von 3,5 % zu liegen kommt, beläuft sich der
bezahlteKuponauf3,5%[
D Min.4;647 %; 3;5 %/]. Beim Pfad
hoch-hoch-niedrig überschreitet der Kuponsatz von 4,647 % wiederum den Cap-Satz, so-
dass der Kupon an diesem Knot enpunkt bei 3,5 % liegt. Daraus resultiert ein Preis am
KnotenpunktdesHoch-hoch-Pfadesvon98,904%:


103;5 % 103;5 %
BCBhh D 0;5  C D 98;904 %:
.1 C 0;04647/1 .1 C 0;04647/1

Der Preis des Geldmarkt-Floaters liegt unterhalb von 100 %, weil der Kuponsatz von 3,5 %
niedriger als die erwartete Renditevon 4,647 % ist. Führt man diese Berechnungen mithil- fe der
Rückwärtsinduktion an jedem Knotenpunkt weiter, ergibt sich ein Preis der variabel
verzinslichen Anleihe von 99,559 %. Abb. 11.14 enthält die Preisberechnung der variabel
verzinslichenAnleihemiteinemCap-Satzvon3,5%.

DerPreisdervariabelverzinslichenAnleihemiteinemCapistniedrigeralsderPar-Wertvon
100%,derdenPreiseinesFloatersohneCapdarstellt.DerWertdeseingebette-tenCapsvon0,441
%kanndemnachwiefolgtberechnetwerden:

Cap0 D 100 %  99;559 % D 0;441 %:

Für den Long Cap bezahlt der Emittent dem Inves tor eine Optionsprämie in der Form eines
höherenKupons(höhereQuotedMargin)und/odereinesniedrigerenVerkaufspreises.
DerFloorstelltbeieinervariabelverzinslichenAnleiheeineUntergrenzefürdenKu-pondar.
ErbietetdemInvestoreinenSchutzgegenfallendeZinssätze.EinevariabelverzinslicheAnleihe
miteinemFlooristeinstrukturiertesProdukt,dasfürdenInvestorauseinerLong-Positionineiner
optionsfreienvariabelverzinslichenAnleiheundeinerLong-Floor-Positionbesteht:
31

BFloored Floater;0 D B0 C Floor0 ; (11.20)

wobei:

B0 D Preis der optionsfreien variabel verzinslichen Anleihe,


Floor0 D WertdesFloors.

Bei einem Rückgang der Zinssätze erhöht sich der Wert des Floors, was dazu führt, dass der Preis
der variabel verzinslichen Anleihe mit einem Floor steigt. Nimmt man die 3- jährige variabel
verzinslicheAnleihemiteinemCapdesvorangegangenenBeispielsund

31
Vgl. Diwald 2012 : Anleihen verstehen: Grundlagen verzinslicher Wertpapiere und weiterführende
Produkte, S. 283.
672 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Bhhh = 100 %
K = 4,6470 %
Bhh = 98,904 % K = 3,5 %
K = 3,5930 %
K = 3,5 %
FR2,3 hh = 4,6470 % Bhhn = 100 %
K = 4,6470 %
Bh = 99,240 % K = 3,5 %
K = 2,25 %
FR1,2 h = 3,5930 %
Bhnh = 100 %
Bhn = 99,707 % K = 3,8046%
K = 3,5930 % K = 3,5 %
B0 = 99,559 % K = 3,5 %
r1 = 2,2500 % FR2,3 hn = 3,8046 %
Bnh = 99,707 % Bhnn = 100 %
K = 2,9417 % K = 3,8046 %
K = 3,5 %
Bn = 99,858 %
K = 2,25 %
FR1,2 n = 2,9417 %
Bnnh = 100 %
K = 3,115 %
Bnn = 100 %
K = 2,9417 %
FR2,3 nn = 3,1150 %
Bnnn = 100 %
K = 3,115 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.14 Preisberechnung der 3-jährigen variabel verzinslichen Anleihe mit einem Cap-Satz von
3,5 % anhand des binomialen Zinsbaums

geht anstatt von einem Cap-Satz von 3,5 % von einem Floor-Satz von 3 % aus, so ergibt sich bei
unveränderten Annahmen ein Preis von 100,761 %. Abb. 11.15 visualisiert die
Preisberechnung. Überschreitet der Kuponsatz den Floor-Satz von3 %, so ist der Preis an einem
Knotenpunkt 100 %, da der Kuponsatz und die erwartete Rendite gleich groß sind.
Unterschreitet hingegen der Kuponsatz den Floor-Satz, wird der niedrigere Kuponsatz durch
den Floor-Satz von 3 % ersetzt. In einem solchen Fall ist der Kupon höher als die erwartete
Rendite, sodass der Preis am Knotenpunkt über dem Par-Wert von 100 % zu liegen kommt. Die
Entscheidungsregel über die Festlegung des Kupons lautet an einem Knotenpunkt des
Binomialbaumswiefolgt:

KSKnotenpunkt D Max .KSt ; Floor-Satz/ ; (11.21)

wobei:

KSt D Kuponsatz für die Zinsperiode t (Referenzzinssatz für die Periode tC Quoted Mar-
gin).
11.7 PreisberechnungundAnalysevonWandelanleihen 673

Bhhh = 100 %
K = 4,6470 %
Bhh = 100 %
K = 3,5930 %
FR2,3 hh = 4,6470 %
Bhhn = 100 %
Bh = 100 % K = 4,6470 %
K = 2,25 %
K=3%
FR1,2 h = 3,5930 %
Bhnh = 100 %
Bhn = 100 %
K = 3,8046%
K = 3,5930 %
B0 = 100,761 % FR2,3 hn = 3,8046 %
r1 = 2,2500 % Bnh = 100 %
K = 2,9417 %
Bhnn = 100 %
K=3%
K = 3,8046 %
Bn = 100,057 %
K = 2,25 %
K=3%
FR1,2 n = 2,9417 %
Bnnh = 100 %
K = 3,115 %
Bnn = 100 %
K = 2,9417 %
K=3%
FR2,3 nn = 3,1150 %
Bnnn = 100 %
K = 3,115 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3

Abb.11.15 Preisberechnung der 3-jährigen variabel verzinslichen Anleihe mit einem Floor-Satz
von 3 % anhand des binomialen Zinsbaums

Eine variabel verzinsliche Anleihe mit einem Floor besitzt im Vergleich zu einer options- freien
Anleihe höhere potentielle Cashflows. Daher ist der Preis des Floaters mit einem Floor gleich
oder größer als der Preis einer optionsfreien variabel verzinslichen Anleihe. Der Wert des
eingebettetenFloorsvon0,761%kannfolgendermaßenbestimmtwerden:

Floor0 D 100;761 %  100 % D 0;761 %:

Für den Long Floor bezahlt der Investor dem Emittenten eine Optionsprämie in der Form eines
niedrigerenKupons(niedrigereQuotedMargin)und/oderhöherenKaufpreises.

11.7 PreisberechnungundAnalysevonWandelanleihen

11.7.1 Preisberechnung

Der Preis von Wandelanleihen wird mit dem Binomialmodell berechnet, weil sich mit die- sem
ModelldiekomplexenWandelstrukturenbesseralsmiteinemgeschlossenenBewer-
674 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

tungsmodell wie etwa dem Black/Scholes-Modell erfassen lassen.32 Die Preisberechnung


mit dem Binomialmodell erfolgt anhand der folgenden Schritte: 33

1. ZuerstsinddieAktienpreisenacheinerAuf-undAbwärtsbewegungzueruierenundineinem
BinomialbaumandenentsprechendenKnotenpunkteneinzutragen.
2. Am Ende des Binomialbaums muss an den einzelnen Knotenpunkten bestimmt werden,
ob die Anleihe in Aktien des Emittenten umgetauscht wird. Eine Wandlung erfolgt
immer dann, wenn der Conversion Value den Preis der Anleihe überschreitet.
Anschließend sind die Wandlungswahrscheinlichkeiten entlang des Binomialbaums zu
3. ermitteln.

4. AnhandderWandlungswahrscheinlichkeitenlassensichdierisikoadäquatenDiskont-sätze
festlegen.
5. DerPreisderWandelanleihewirdmitderRückwärtsinduktionberechnet.Dabeiwer-dendie
wahrscheinlichkeitsgewichteten Bond-Preise nach einer Auf- und Abwärtsbe- wegungmit
denrisikoadäquatenDiskontsätzendiskontiert.

Zum Beispiel besitzt eine 5-jährige 2 %-W andelanleihe mit einem Nominalwert von EUR 1000
einUmtauschverhältnisvon20.DerAktienkursdesEmittentenwirdzueinemPreisvonEUR45
gehandelt. Die Aktie weist eine Volatilität von 25 % auf. Des Wei- teren wird von einer flachen
risikolosen Zinsstrukturkurve von 1,5 % ausgegangen. Die Kreditrisikoprämie liegt bei 200
Basispunkten.

1. In einem ersten Schritt sind die Aktienpreise des Emittenten der Wandelanleihe in einem
Binomialbaum zu bestimmen, bei dem sich die Aktienkurse nach einer Periode entweder
nach oben oder nach unten bewegen. Hierzu wird das Modell von Cox,Ross und Rubinstein
(1979)verwendet,dasinderBewertungspraxisweitverbreitetist.
34

Die Auf- und Abwärtsfaktoren für die Berechnung der Aktienpreise am Ende einer Periode
imBinomialbaumlassensichwiefolgtfestlegen:
p
u D e¢ t
;
p 1 (11.22)
¢ t
dDe D ;
u
wobei:
u D FaktorfürdieAufwärtsbewegungdesAktienpreises,d
D Faktor für die Abwärtsbewegung des Aktienpreises,

32
DasBlack/Scholes-ModellkannnurfüreuropäischeOptioneneingesetztwerden.Wandelanlei-hen
könnenabereinevorzeitigeKündigungsoption(Callund/oderPut)aufweisen.Darüberhinaus
lässt sich das Kreditrisiko des Emittenten nicht in das Modell einbinden. Für das Black/Scholes- Modell
vgl.Abschn.15.6.
33
Vgl. Calamos 2003 : Convertible Arbitrage: Insights and Techniques for Successful Hedging, 34 ff.
S.
34
Vgl. Cox et al. 1979 : Option Pricing: A Simplified Approach, S. 229 ff., und Abschn. 15.5.3 .
11.7 PreisberechnungundAnalysevonWandelanleihen 675

Suuuuu =
157,05
Suuuu =
122,31
Suuu = Suuuud =
95,26 95,26
Suu = Suuud =
74,19 74,19
Su = Suud = Suuudd =
57,78 57,78 57,78
Suudd =
S0 = 45 Sud = 45
45
Sd = Sudd = Suuddd =
35,05 35,05 35,05
Sdd = Suddd =
27,29 27,29
Sddd = Sudddd =
21,26 21,26
Sdddd =
16,55
Sddddd =
12,89
Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5

Abb.11.16 Aktienpreise im Fünf-Perioden-Binomialbaum

¢ D Volatilität bzw. annualisierte Standardabweichung der täglichen stetigen Akti-


enpreisrenditen,
t D eine Periode im Binomialmodell (Zeitintervall ausgedrückt in Jahren).

Nimmt man einen Binomialbaum, der aus 5 Jah resperioden besteht, ergeben sich für jedes
JahrAuf-undAbwärtsfaktorenvonu D 1,284 und von d D 0,7788:

p
u D e0;25 1
D 1;2840;
p
0;25 1
dDe D 0;7788:

Die Aktienpreise nach 1 Jahr ste igen entweder auf EUR 57,78 (D EUR 45  1;284)
oder fallen auf EUR 35,05 (D EUR 45  0;7788). Auf die gleiche Weise lassen sich
dieweiterenAktienpreiseamEndedes2.,3.,4.und5.Jahresberechnenundanschlie-ßendim
Binomialbaumeintragen.Abb. 11.16zeigtdieAktienpreisenachdenent-sprechendenAuf-
undAbwärtsbewegungenamEndejedesJahresimFünf-Perioden-Binomialbaum.
676 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

DierisikoneutraleWahrscheinlichkeitfüreineBewegungdesAktienpreisesnachobenkann
anhandderfolgendenFormelimModellvonCox,RossundRubinsteinermitteltwerden:
35
erFt  d
 u D ; (11.23)
ud
wobei:

rF D stetiger risikoloser Zinssatz.

Da die Summe der risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten 1 ist, lässt sich die risikoneu- trale
WahrscheinlichkeiteinerAbwärtsbewegungdesAktienpreiseswiefolgtbestim-men:

 d D 1   u : (11.24)
Der stetige risikolose Zinssatz beträgt 1,489 % [D ln.1 C 0;015/]. Die risikoneutra-
len Wahrscheinlichkeiten einer Auf- und Abwärtsbewegung können folgendermaßen
festgelegt werden:

e0;014891  0;7788
 u D D 0;4675;
1;284  0;7788
 d D 1  0;4675 D 0;5325:

2. Der Conversion Value der Wandelanleihe ergibt sich aus dem Aktienpreis multipliziert mit
demUmtauschverhältnisvon20. 36
Abb.11.17gibtdieConversionValuesanden
KnotenpunktenimFünf-Perioden-Binomialbaumwieder.
3. AmFälligkeitstagbestehtderWertderWandelanleiheausdemNominalwertvonEUR1000
zuzüglich des Kupons von EUR 20. Die Wandlung der Anleihe in Akti- en des Emittenten
erfolgt am Fälligkeitstag nur, wenn der Conversion Value über dem Wert der Anleihe von
EUR1020zuliegenkommt.AndenKnotenpunktenCV
uuddd ,
CV und CVddddd wirddieAnleihenichtinAktienumgetauscht,sodasssichder udddd
PreisaufEUR1020beläuft.AndenanderenKnotenpunktenamFälligkeitstagüber-
schreitetderConversionValuedenWertvonEUR1020.DasWertpapierwirddemnachin
AktienumgetauschtundderWertistdurchdenentsprechendenConversionValuegegeben.
FolglichbetragendieWandlungswahrscheinlichkeiten100%beidenoberendrei
Knotenpunktenund0%beidenunterendreiKnotenpunkten.DieWandlungs-
wahrscheinlichkeitenfürdieanderenKnotenpunkteimBinomialbaum(alsovordemJahr)
könnenmithilfederRückwärtsinduktionanhandderfolgendenFormelermit-

5.
telt werden:
WW D  u WWu C  d WWd ; (11.25)

35
Für die Herleitung der Formel vgl. Abschn. 15.5.2 .
36
Vgl. Abschn. 8.7.3 .
11.7 PreisberechnungundAnalysevonWandelanleihen 677

CVuuuuu =
3141
CVuuuu =
2446,20
CVuuu = CVuuuud =
1905,20 1905,20
CVuu = CVuuud =
1483,80 1483,80
CVu = CVuud = CVuuudd =
1155,60 1155,60 1155,60
CV0 = CVud = CVuudd =
900 900 900
CVd = CVudd = CVuuddd =
701 701 701
CVdd = CVuddd =
545,80 545,80
CVddd = CVudddd =
425,20 425,20
CVdddd =
331
CVddddd =
257,80
Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5

Abb.11.17 Conversion Values im Fünf-Perioden-Binomialbaum

wobei:

WWu D Wandlungswahrscheinlichkeit nach einer Aufwärtsbewegung,


WWd D Wandlungswahrscheinlichkeit nach einer Abwärtsbewegung.

So etwa beläuft sich die Wandlungswahrscheinlichkeit am Knotenpunkt WWuudd auf


46,75 % (D 0;4675  100 % C 0;5325  0 %). Abb. 11.18 zeigt die Wandlungswahr-
scheinlichkeiten an den entsprechenden Knotenpunkten entlang des Binomialbaums.
4. Um den Preis der Wandelanleihe im Binom ialmodell zu berechnen, fehlen noch die
risikoadäquaten Diskontsätze. Hierzu werden die Wandlungswahrscheinlichkeiten an den
Knotenpunkten im Baum verwendet. Erfolgt die Wandlung mit einer Wahrschein- lichkeit
von100%,istderDiskontsatzdurchdenrisikolosenZinssatzgegeben,dadieWandelanleihe
in Aktien umgetauscht wirdund folglich dasKreditrisiko des Emitten- ten fürdieBewertung
nicht mehr relevant ist. Der Investor wird die Anleihe in Aktien umwandeln. Dabei spielt das
Kreditrisiko des Emittenten keine Rolle. Beträgt hinge- gen die
Wandlungswahrscheinlichkeit 0 %, setzt sich der risikoadäquate Diskontsatz aus dem
risikolosenZinssatzundderKreditrisikoprämiezusammen.DerDiskontsatz
67 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

WWuuuuu
= 100 %
WWuuuu
= 100 %
WWuuu = WWuuuud
100 % = 100 %
WWuu = WWuuud
84,90 % = 100 %
WWu = WWuud = WWuuudd
63,72 % 71,64 % = 100 %
WW0 = WWud = WWuudd
43,92 % 45,13 % = 46,75%
WWd = WWudd = WWuuddd
26,54 % 21,86 % =0%
WWdd = WWuddd
10,22 % =0%
WWddd = WWudddd
0% =0%
WWdddd
=0%
WWddddd
=0%
Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5

Abb.11.18 Wandlungswahrscheinlichkeiten im Fünf-Perioden-Binomialbaum

lässt sich demnach anhand der folgenden Formel berechnen (am Fälligkeitstag der
Wandelanleihe):
DS D WW rF C Œ.1  WW/ .rF C KP/; (11.26)
wobei:
DS D Diskontsatz,
rF D diskreter risikoloser Zinssatz,
KP D Kreditrisikoprämie.

Abb. 11.19 gibt die risikoadäquaten Diskontsätze im Fünf-Perioden-Binomialbaum


wieder.BeispielsweiseliegtderDiskontsatzimKnotenpunktDS uuuuu bei 1,5 % [D
 1;5 % C .1  1/  3;5 %].NachdemamFälligkeitstagderWandelanleihedieDis-1
kontsätze an den Knotenpunkten ausgerechnet wurden, erfolgt die Berechnung der
DiskontsätzefürdievorangegangenenJahremitderRückwärtsinduktion.SozumBei-spiel
beläuftsichderDiskontsatzamKnotenpunktDS uudd auf 2,57 % [D 0;4675 
1;5 %C .1  0;4675/3;5 %]. Nehmen die Aktienpreise zu, gehen die risikoadäquaten
Diskontsätze zurück, da eine Wandlung der Anleihe in Aktien immer wahrscheinlicher
wird, was dazu führt, dass das Kreditrisiko nicht mehr relevant ist. Sind die Aktien-
11.7 PreisberechnungundAnalysevonWandelanleihen 679

DSuuuuu =
1,5 %
DSuuuu =
1,5 %
DSuuu = DSuuuud =
1,5 % 1,5 %
DSuu = DSuuud =
1,80 % 1,5 %
DSu = DSuud = DSuuudd =
2,23 % 2,07 % 1,5 %
DS0 = DSud = DSuudd =
2,62 % 2,60 % 2,57 %
DSd = DSudd = DSuuddd =
2,97 % 3,06 % 3,5 %
DSdd = DSuddd =
3,30 % 3,5 %
DSddd = DSudddd =
3,5 % 3,5 %
DSdddd =
3,5 %
DSddddd =
3,5 %
Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5

Abb.11.19 Risikoadäquate Diskontsätze im Fünf-Perioden-Binomialbaum

preise hingegen infolge einer Insolvenzgefahr sehr stark gefallen, liegt ein Distressed
Convertible vor. Da das Kreditrisiko sehr hoch ist, muss eine hohe Kreditrisikoprämie (z. B.
12 %füreine Anleiheim Zahlungsausfall mit einem D-Ratinggemäß Standard& Poor’s)für
die Bestimmung des risikoadäquaten Diskontsatzes genommen werden. Abb. 11.20 zeigt
denZusammenhangzwischendenrisikoadäquatenDiskontsätzenunddemKreditrisikoder
Wandelanleihe. Befindet sich die eingebettete Wandeloption weit im Geld, ist der
DiskontsatzdurchdenrisikolosenZinssatzvon1,5%gegeben.Esbe-stehtkeinKreditrisiko.
Am anderen Ende de s Spektrums befindet sich der Distressed Convertible mit einem sehr
hohen risikoadäquaten Diskontsatz von 13,5 %. Demge- genüber liegen der hybride und
anleihebezogene Teil der Preiskurve zwischen diesen beiden Extremen. Besitzt die
Wandelanleihe einen Anleihecharakter, beläuft sich der risikogerechte Diskontsatz auf 3,5
%.

37

5. Im letzten Schritt ist der Preis der Wandelanleihe mithilfe der Rückwärtsinduktion zu
berechnen. An jedem Knotenpunkt wird der Preis ermittelt, indem die Summe der
wahrscheinlichkeitsgewichtetenPreisenacheinerAuf-undAbwärtsbewegungmitden

37
Im Bewertungsbeispiel wird die Möglichkeit eines Distressed Convertible ausgeklammert. Der
maximale Diskontsatz liegt demnach bei 3,5 %.
6 0 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

(Wert)

Preis
DS = Wandel-
anleihe
1,5 %

DS =
3,5 % Conversion Value
DS =
13,5 %

Distressed Anleihecharakter Hybridcharakter Aktiencharakter

(Aktienpreis)

Abb.11.20 Zusammenhang zwischen Preiskurve der Wandelanleihe und risikoadäquaten Diskont-


sätzen

risikoadäquaten Diskontsätzen diskontiert werden. Zum so berechneten Preis wird der


Kuponhinzugezählt:

 u Bu C  d Bd
BKnotenpunkt D C K; (11.27)
.1 C DS/t

wobei:
Bu D PreisderWandelanleihenacheinerAufwärtsbewegung,B
D PreisderWandelanleihenacheinerAbwärtsbewegung, d
K D Kupon.

Abb. 11.21gibtdiePreisederWandelanleiheimFünf-Perioden-Binomialbaumwie-der.So
etwalässtsichderPreisamKnotenpunktB uuuu inklusive Kupon wie folgt
bestimmen:

0;4675  3141 C 0;5325  1905;20


Buuuu D C 20 D 2466;24:
.1;015/1

Der Preis der 5-jährigen 2 %-Wandelanl eihe liegt bei EUR 1150,88 bzw. bei 115,088 %.

In der Bewertungspraxis wird für die Preisberechnung der 5-jährigen 2 %-Wandelanleihe


ein Binomialmodell verwendet, das aus mehreren hundert diskreten Zeitperioden besteht.
11.7 PreisberechnungundAnalysevonWandelanleihen 6 1

Buuuuu =
3141
Buuuu =
2466,24
Buuu = Buuuud =
1944,86 1905,20
Buu = Buuud =
1577,59 1503,78
Bu = Buud = Buuudd =
1331,18 1270,24 1155,60
B0 = Bud = Buudd =
1150,88 1132,19 1076,25
Bd = Budd = Buuddd =
1049,22 1027,74 1020
Bdd = Buddd =
996,23 1005,51
Bddd = Budddd =
991,51 1020
Bdddd =
1005,51
Bddddd =
1020
Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5

Abb.11.21 Preisberechnung der 5-jährigen 2 %-Wandelanleihe anhand des Fünf-Perioden-Binomi-


albaums

Das Modell ist sehr flexibel und erlaubt die Modellierung von komplexen Wandelstruk- turen.
So etwa können Kündigungsoptionen wie Call- und Put-Optionen relativ einfach in das
Binomialmodell integriert werden. Hat beispielsweise der Emittent das Recht, die
Wandelanleihe in 3 Jahren zu einem Preis von 105 % zu kündigen, können in den in Abb. 11.21
dargestelltenBinomialbaumdiePreisederKnotenpunkteB
uuu und Buud durch
den Kündigungspreis von EUR 1050 plus einen Kupon von EUR 20 ersetzt werden. Dar-
über hinaus sind die Wandlungswahrscheinlichkeiten anzupassen. Überschreitet in den
Knotenpunkten des 3. Jahres der Conversion Value den Kündigungspreis von EUR 1050, ist in
den Binomialbaum in Abb. 11.18 eine Wandlungswahrscheinlichkeit von 100 % einzusetzen
und entsprechend d er risikoadäquate Diskontsatz anzupassen. Der Nachteil dieses
Bewertungsverfahrens besteht darin, dass der berechnete Preis der Wandelanleihe sehr stark
von den geschätzten Input-Faktoren wie der Schuldnerqualität und den zu- künftigen
Volatilitätsgrößen abhängt. So wurde im Bewertungsbeispiel eine konstante
Kreditrisikoprämie von 200 Basispunkten unterstellt und davon ausgegangen, dass die
VolatilitätderAktienkursevon25%überdieZeithinweggleichbleibt.
6 2 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

11.7.2 DeltaundGamma

Um Wandelanleihen zu analysieren, sind neben der Wandelprämie38 auch das Delta und
das Gamma zu eruieren, weil der Preis des Convertible Bonds von den Bewegungen des
Aktienpreises determiniert wird. Das Delta ist eine Sensitivitätsgröße und gibt an, wie viel sich
der Preis der Wandelanleihe bei einer Bewegung des Basiswerts bzw. des Conversion Value
verändert. Mathematisch stellt das De lta die erste Ableitung des Wandelanleihe- preises
gegenüber einer infinitesimalen Änderung des Aktienpreises dar. Das Delta kann an einem
Knotenpunkt des Binomialbaums ermittelt werden, indem an den jeweils zwei nächsten
Knotenpunkten die Preisbewegungen der Wandelanleihe durch die Veränderung des
ConversionValuedividiertwird:

B u  Bd
DeltaKnotenpunkt D : (11.28)
CVu  CVd
So zum Beispiel beträgt das Delta am Knotenpunkt 0 des Baums 0,62:

1331;18 1049;22
Delta0 D D 0;62:
1155;60  701

EinDeltavon0,62bedeutet,dasseineÄnderungdesConversionValueumEUR1eine
PreisänderungderWandelanleihevonEUR0,62zurFolgehat.DasDeltakannaußeram
FälligkeitstagfürjedenKnotenpunktimBinomialbaumbestimmtwerden.Abb. 11.22zeigtdie
Deltasder5-jährigen2%-Wandelanleihe.

EntlangderPreiskurvederWandelanleihevariiertdasDeltazwischen0und1.Befindetsich
dieeingebetteteCall-OptionweitausdemGeld,istdasDelta0.SomitverändertsichderPreisder
Wandelanleihenicht,wennsichderAktienkursändert.VielmehrwirdderPreisvonZinssatz-
undKreditrisikoänderungenbeeinflusst.DerPreisderWandelanleiheverhältsichwieeine
optionsfreiefestverzinslicheAnleihe.IstdieCall-OptionamGeld,liegteinDeltavonungefähr
0,5vor.DerPreisdesConvertibleBondswirdvonBewegun-gendesAktienkurses,aberauch
vonVeränderungendesZinssatzesunddesKreditrisikostangiert.DasWertpapierweisteinen
hybridenCharakterauf.BefindetsichdieCall-OptionweitimGeld,istdasDelta1.DerPreisder
WandelanleihesteigtundfälltimgleichenAusmaßwiederzugrundeliegendeAktienpreis.Bei
einemDistressedConvertiblebestehteinhohesInsolvenzrisiko,sodassdiePreissensitivität
gegenüberAktienpreisänderungenzunimmt,wassichineinersteilenPreisfunktionskurve
äußert.Abb.11.23visualisiertdasDeltadesConvertibleBondsentlangder
Preisfunktionskurve.VerläuftdiePreisfunktions-kurveflach,istdieSteigungbzw.dasDelta0.
NimmtdieSteigungderPreisfunktionskurvezu,erhöhtsichdasDelta.

MitdemDeltalässtsichlediglichdielineareBeziehungzwischenderPreisänderungder
WandelanleiheunddenBewegungendesAktienpreiseserfassen.DieserZusammen-hangist
abernicht-linear,sodassdasGammazuberechnenist,dasmathematischdiezwei-

38
Für die Berechnung und Analyse der Wandelprämie vgl. Abschn. 8.7.3 .
11.7 PreisberechnungundAnalysevonWandelanleihen 6 3

Deltauuuu
= 1,000
Deltauuu
= 1,000
Deltauu = Deltauuud
0,900 = 1,000
Deltau = Deltauud
0,763 = 0,732
Delta0 = Deltaud = Deltauudd
0,620 0,533 = 0,298
Deltad = Deltaudd
0,384 = 0,200
Deltadd = Deltauddd
0,131 = 0,000
Deltaddd
= 0,000
Deltadddd
= 0,000

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4

Abb.11.22 Deltas der 5-jährigen 2 %-Wandelanleihe im Binomialbaum

(Wert)

Delta = 1

Delta ≈ 0,5 Preis


Wandel-
anleihe
Delta = 0

Delta > 0

Distressed Anleihecharakter Hybridcharakter Aktiencharakter

(Aktienpreis)

Abb.11.23 Delta der Wandelanleihe entlang der Preisfunktionskurve


6 4 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

te Ableitung darstellt. Das Gamma misst die Veränderung des Deltas bei einer Änderung des
Conversion Value. Im Binomialbaum lässt sichdas Gamma an einem Knotenpunkt wie folgt
bestimmen:

Deltau  Deltad
GammaKnotenpunkt D : (11.29)
CVu  CVd

Um das Gamma im Binomialbaum zu eruieren, sind die Deltas und Conversion Values der
nächsten zwei Knotenpunkte in die Berechnungen einzubeziehen. Zum Beispiel beträgt am
Knotenpunkt0dasGamma0,00083:

0;763  0;384
Gamma0 D D 0;00083:
1155;60  701

Somit verändert sich das Delta um 0,00083, wenn sich der Conversion Value um EUR 1 bewegt.
Das Gamma ist etwa bei einem deltaneutralen Hedge relevant, der im Rahmen ei- ner
Convertible-Bond-Arbitragestrategieangewendetwird. 39
Dabei wird das Deltarisiko
der Wandelanleihe durch eine Short-Aktienposition des Emittenten beseitigt.40 Beieinem
hohenGammaverändertsichdasDeltaimZugeeinerPreisänderungdesBasiswertsstark,
sodassdieShort-Aktienpositionhäufigangepasstwerdenmuss,damitmandiedeltaneu-trale
Positionaufrechterhaltenkann.IstdasGammahingegenniedrig,sindAnpassungender
Short-Aktienpositionwenigeroftnotwendig.IstdasDeltarisikoeliminiert,verbleibtein
positivesGamma,mitdemsichbeiAktienpreisschwankungenGeldverdienenlässt.
41

Für Wandelanleihen mit hybridem Charakter ist das Gamma hoch, weil das Delta von un- gefähr
0,5beiAktienpreisänderungenentwedergegen1steigtodergegen0fällt.SomitreagiertdasDelta
sehr stark auf Preisbewegungen des Basiswerts, was ein hohes Gamma zur Folge hat.
DemgegenüberverfügenWandelanleihen,dieweitimoderausdemGeldsind,übereinniedriges
Gamma, da sich das Delta bei Aktienpreisänderungen nicht oder wenig verändert. Distressed
ConvertiblesbesitzeneinnegativesGamma.
42

11.8 Zusammenfassung

 Unter der arbitragefreien Anleihebewertung versteht man die Berechnung von Preisen,
die arbitragefrei sind bzw. die den Marktteilnehmern keine Arbitragemöglichkeiten er-
lauben,welchezueinemrisikolosenGewinnführen.
 Die Cashflows von Anleihen mit eingebetteten Zinsoptionen wie Callable und Putab- le
BondssindvomZinsniveauabhängig.DieProjektionzukünftigerZinssätzeerfolgt

39
Für die Funktionsweise eines deltaneutralen Hedge vgl. Abschn. 15.7.3 .
40
Vgl. Lhabitant 2004 : Hedge Funds: Quantitative Insights, S. 8.
41
Vgl. Abschn. 15.7.5 .
42
Vgl. Lhabitant 2009 : Convertible Arbitrage, S. 319 ff.
11. Zusammenfassung 6 5

im Bewertungsmodell mit einem Zinssatzmode ll und einer unterstellten Zinssatzvola-


tilität. Der Zinsbaum ist eine graphische Darstellung von möglichen Zinssätzen in der
Zukunft.
 Um die Terminzinssätze im binomialen Zinsbaum festzulegen, sind zum einen ein
Zinssatzmodell und zum anderen eine Zinssatzvolatilität erforderlich. Das im Kapitel
verwendete Zinssatzmodell unterstellt eine logarithmierte Zufallsbewegung der Zins-
sätze, sodass keine negativen Zinssätze vorkommen und eine höhere (niedrigere) Vo-
latilität höhere (niedrigere) Zinssätze zur Fo lge hat. Die aktuelle Wahrscheinlichkeit einer
Auf- und Abwärtsbewegung der Zinssätze beträgt aufgrund der angenommenen
Zufallsbewegung jeweils 50 %. Die zufällig möglichen Terminzinssätze in jeder Peri- ode
sind (ungefähr) um die Basisterminzinssätze der Benchmarkkurve zentriert. Die
Zinssatzvolatilität wird üblicherweise imp lizit aus einem Zinsoptionsbewertungsmo- dell
unddemMarktpreiseinerZinsoptionermittelt.

 Um den binomialen Zinsbaum zu erstellen, sind die folgenden Schritte notwendig:


Anhand
1. der risikolosen Par-Kuponkurve sind mithilfe der Bootstrapping-Methode
zunächst die risikolosen Nullkuponsätze und darauf aufbauend die Terminzinssätze
zu bestimmen, welche die Basis des binomialen Zinsbaums bilden. 2. Aufgrund
ei- ner angenommenen Zinssatzvolatilität und der logarithmierten Zufallsbewegung
der Zinssätze von e
˙¢
gelangt man ausgehend von den Basisterminzinssätzen zu den ent-
sprechenden Terminzinssätzen nach einer Auf- und Abwärtsbewegung. 3. Damit der
binomialeZinsbaumarbitragefreiist,sinddieTerminzinssätzeimBaum,die(unge-fähr)um
dieBasisterminzinssätzezentriertsind,miteinemnumerischenVerfahrenanzupassen.

 Die Preisberechnung einer Anleihe mit einer eingebetteten Option erfordert drei Schrit-
te: 1. Zuerst ist ein binomialer Zinsbaum ausgehend von der Benchmarkrenditekurve zu
erstellen,dermitderangenommenenZinssatzvolatilitätunddemZinssatzmodellkonsistent
ist. 2. An jedem Knotenpunkt im Baum ist zu entscheiden, ob die eingebet- tete Option
ausgeübt wird. 3. Anhand der Rüc kwärtsinduktion lässt sich der Preis der Anleihe mit der
eingebettetenOptionermitteln.

 UmdieDiskontsätzezuerhalten,mitdenendieerwartetenCashflowseinerrisikobehaf-teten
Anleihe diskontiert werden, sind zu den Ein-Perioden-Terminzinssätzen jeweilsder Option
Adjusted Spread (OAS) hinzuzu zählen. Der OAS stellt eine Renditeent- schädigung für das
Kredit-undMarktliquiditätsrisiko(alsoohneOptionsrisiko)dar,wenndieBenchmarkdurch
eine risikolose Nullkuponsatzkurve gegeben ist. Die für die Diskontierung der Cashflows
verwendeten Diskontsätze sind optionsfrei, weil das Optionsrisiko bereits über die
AusübungsregelnandenjeweiligenKnotenpunktenindieBewertungeinfließt.

 Bei einem Callable Bond besteht der OAS aus dem Z-Spread, der eine Renditeentschä-
digung für das Kredit-, Marktliquiditäts- und Optionsrisiko widerspiegelt, abzüglich der
Optionskosten.NimmtdieZinssatzvolatilitätzu(ab),sosteigen(fallen)beiun-verändertem
Bond-Preis die Optionskosten, was dazu führt, dass der OAS zurückgeht (steigt).
DemgegenübersetztsichderOASbeieinemPutableBondausdemZ-Spread
6 6 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

plusdenOptionskostenzusammen.NimmtdieZinssatzvolatilitätzu(ab),sosteigen(fallen)
beiunverändertemAnleihepreisdieOptionskostenundsomitderOAS.
 Bei Anleihen mit eingebetteten Optionen ist die genaue Laufzeit nicht bekannt, weil die
Cashflows vom zukünftigen Zinsniveau und somit von einer etwaigen Options- ausübung
abhängen. Daher existiert kein e Preisgleichung, die nach einer Änderung der Zinssätze
abgeleitet undso die modifizierteDurationundKonvexität ermitteltwerden kann.Vielmehr
wird für Anleihen mit eingebetteten Optionen die effektive Duration und Konvexität
berechnet. Zur Berechnung dieser Risikogrößen bedarf es der folgenden Schritte: 1. Bei
einem gegebenen Marktpreis der Anleihe ist mithilfe des binomialen Zinsbaums der
impliziteOASgegenübereinerBenchmarkkurvezubestimmen.2.DieBenchmarkkurveist
umeinekleineAnzahlanBasispunktennachuntenzuverschieben(

i). Danach ist ein neuer Zinsbaum zu erstellen. Zu den Ter-


minzinssätzen im Baum ist der OAS zu addieren. Mit den Diskontsätzen und den
Optionsausübungsregeln an den entspr echenden Knotenpunkten im Baum kann der
Bond-PreisB
 ermitteltwerden.3.DieBenchmarkkurveistumdengleichenBetragwieim
Schritt2nachobenzuverschieben( i).ZudenTerminzinssätzenimneuen C
Zinsbaum kann der OAS hinzugezählt und anschließend der Bond-Preis B ausge-
rechnet werden. 4. Die bei den Schritten 2 und 3 berechneten Bond-Preise B und BC
sind in die Formeln der effektiven Duration und der effektiven Konvexität zusammen mit der
unterstelltenZinssatzänderung i und dem Anleihepreis B0 einzusetzen.
 Callable und Putable Bonds besitzen eine effektive Duration, die nicht größer als die-
jenigeoptionsfreierAnleihenist.BefindetsichdieeingebetteteOptionnaheamoderimGeld,
steigt die Wahrscheinlichkeit einer Optionsausübung, was sich negativ auf die Laufzeit und
somit auf die Höhe der Duration auswirkt. Ist hingegen die eingebettete Option weit aus dem
Geld, sind die Durationen und auch die Konvexitäten von opti- onsfreien und Anleihen mit
eingebettetenKündigungsoptionenungefährgleichgroß.

 Callable Bonds verfügen über eine negative Konvexität, wenn die Zinssätze fallen und sich
die Wahrscheinlichkeit einer Optionsausübung erhöht. Demgegenüber ist die Kon- vexität
positiv, wenn die Zinssätze zunehmen und so die Ausübungswahrscheinlichkeit der
eingebettetenCall-Optionfällt.

 Putable Bonds weisen sowohl bei einem niedrigen als auch bei einem hohen Zinsniveau eine
positive Konvexität auf. Allerdings ist im Vergleich zu optionsfreien Anleihen die
KonvexitätvonPutablesowievonCallableBondsabsolutbetrachtetwesentlichhöher,wenn
dieentsprechendeneingebettetenOptionennaheamGeldsind.

 Die Zinssatzvolatilität, das Zinsniveau und die Steigung der Zinsstrukturkurve haben einen
Einfluss auf die Preise von Callableund Putable Bonds. Nimmt die Zinssatzvola- tilität zu, so
steigt der Wert der eingebetteten Zinsoption, was sich negativ auf den Preis des Callable
Bonds und positiv auf den Preis des Putable Bonds auswirkt. Bei einem Rückgang der
Zinssätze nimmt der Preis des Callable Bonds weniger stark zu alsder Preis der optionsfreien
Anleihe, obwohl sich der Preis dereingebetteten Call-Option erhöht. Nehmen die Zinssätze
zu,dannfälltderPreisdesPutableBondswenigerstarkalsderPreisderoptionsfreienAnleihe,
weilderPreisdereingebettetenPut-Option
11. Zusammenfassung 6 7

steigt. Ein Putable Bond stellt für den Investor einen Schutz gegen steigende Zinssät- ze dar.
Verändert sich eine normale Zinsstrukturkurve in Richtung flache oder inverse Kurve, so
nimmtderPreisdesCallableBondszu,währendderPreisdesPutableBondsfällt.

 Die Preise von kündbaren Step-up-Anleihen können gleich wie Callable und Putable Bonds
mit denselben arbitragefreien binom ialen Bewertungsverfahren ermittelt wer- den. Dabei
sind bei den entsprechenden Knotenpunkten im binomialen Zinsbaum ne- ben den
Entscheidungsregeln zur Optionsausübung auch die Kupons anzupassen. Dar- über hinaus
können mit diesem Bewertungsansatz auch die Preise von variabel ver- zinslichen Anleihen
mit einem Cap und/oder Floor bestimmt werden. Übersteigt der Kuponsatz an einem
KnotenpunktdenCap-Satz,wirddiesermitdemniedrigerenCap-Satzersetzt.Unterschreitet
hingegenderKuponsatzdenFloor-Satz,wirdderhöhereFloor-SatzfürdiePreisberechnung
verwendet.

 Die Preisberechnung von Wandelanleihen erfolgt mit dem Binomialmodell, mit


dem auch komplexe Wandl ungsstrukturen modelliert werden können. Die Bewer-
tungsschritte lauten wie folgt: 1. Zuerst sind die Aktienpreise nach einer Auf- und
Abwärtsbewegung am Ende der einzelnen gleichlangen Perioden über die Laufzeit der
Wandelanleihe zu eruieren und in einem Binomialbaum an den entsprechenden
Knotenpunkten einzutragen. 2. Am Ende des Binomialbaums muss an den einzelnen
Knotenpunkten bestimmt werden, ob die Anleihe in Aktien des Emittenten umge- tauscht
wird. Eine Wandlung erfolgt immer dann, wenn der Conversion Value den Preis der Anleihe
überschreitet.3.AnschließendsinddieWandlungswahrscheinlichkeitenentlang

des Binomialbaums zu ermitteln. 4. Anhand der Wandlungswahrschein-


lichkeiten lassen sich die risikoadäquaten Diskontsätze festlegen. 5. Der Preis der
Wandelanleihe wird mit der Rückwärtsinduktion berechnet. Dabei werden die wahr-
scheinlichkeitsgewichteten Bond-Preise nach einer Auf- und Abwärtsbewegung mit den
risikoadäquatenDiskontsätzendiskontiert.

 WandelanleihenkönnenmithilfevonOptionspreissensitivitätenwiedasDeltaunddasGamma
analysiertwerden.
 Befindet sich die eingebettete Call-Option weit im Geld, ist das Delta 1. Demnach bewegt
sich der Preis der Wandelanleihe im gleichen Ausmaß wie der zugrundeliegen- de
Aktienpreis. Ist die Call-Option am Geld, weist die Wandelanleihe einen hybriden
Charakter auf. Der Preis des Convertible Bonds reagiert zum einen auf Aktienpreis-
bewegungen und zum anderen auf Veränderung der Zinssätze und des Kreditrisikos.
Befindet sich die eingebettete Call-Option weit aus dem Geld, ist das Delta 0. Der Preis der
Wandelanleihe verhält sich wie eine optionsfreie festverzinsliche Anleihe und ist von den
Veränderungen der Zinssätze und des Kreditrisikos abhängig. Bei einem Dis- tressed
Convertible nimmt die Preissensitivität gegenüber Aktienpreisbewegungen zu, was sich in
einemhohenDeltaniederschlägt.

 WandelanleihenmiteinemhybridenCharakterverfügenüberdashöchsteGamma.Dis-tressed
ConvertibleshingegenbesitzeneinnegativesGamma.
6 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

11.9 Aufgaben

Aufgabe1
Ein Analyst untersucht die Preise von Callable und Putable Bonds der Delta AG und die
Wirkungsweise der Zinssatzvolatilität auf die Anleihepreise. Die untersuchten An- leihen
weisendiefolgendenEigenschaftenauf:

Eigenschaf- Anleihe 1 (Callable Anleihe 2 (Callable Anleihe 3 (Putable Bond)


ten Bond) Bond)
Laufzeit 3 Jahre 3 Jahre 3 Jahre
Kupon 5,3 % nicht verfügbar 4,9 %
Kündigungs- kündbar in 1 und 2 kündbar in 1 Jahr zu kündbar in 1 Jahr zu 99
optionen Jah- ren jeweils zu 101 % und in 2 Jahren % und in 2 Jahren zu
einem Preis von 100 % zu 100 % 100%
OAS 30 Basispunkte 30 Basispunkte 30 Basispunkte
Preis nicht verfügbar 101,316 % nicht verfügbar

DierisikolosenPar-Kuponsätzesind4,4%für1Jahr,4,7%für2Jahreund5%für3Jahre.
BeieinerangenommenenZinssatzvolatilitätvon15%undeinerlogarithmierten
ZufallsbewegungderZinssätzeergibtsichfolgenderbinomialeZinsbaum:

FR2,3 hh = 7,4832 %

FR1,2 h = 5,7678 %

r1 = 4,4 % FR2,3 hn = 5,5437 %

FR1,2 n = 4,2729 %

FR2,3 nn = 4,1069 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

a) Wie hoch sind der Preis der kündbaren Anleihe 1 und der Wert der eingebetteten
Call-Option?
b) Wie hoch ist der Kupon der kündbaren Anleihe 2?
11.9 Aufgaben 6 9

c) Wie hoch sind der Preis der kündbaren Anleihe 3 und der eingebetteten Put-Option? Wie
d) verändert sich der Preis der kündbare n Anleihe 1, wenn die Zinssatzvolatilität unter 15 %
fällt?
e) WieverändertsichderPreisderkündbarenAnleihe3,wenndieZinssatzvolatilitätüber15%
steigt?
f) Wie verändert sich der OAS der Anleihe 1, wenn die Zinssatzvolatilität von 15 % auf 20 %
steigtundderAnleihepreisuntera)unverändertbleibt?

Aufgabe2
Für die Preisberechnung von variabel verzinslichen Anleihen mit einem Cap bzw. ei- nem
FloorliegtderfolgendebinomialeZinsbaumvor,dersichaufdieEURIBOR-Swapsatzkurve
undeineZinssatzvolatilitätvon15%bezieht:

FR2,3 hh = 7,4832 %

FR1,2 h = 5,7678 %

r1 = 4,4 % FR2,3 hn = 5,5437 %

FR1,2 n = 4,2729 %

FR2,3 nn = 4,1069 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

a) Eine 3-jährige variabel verzinsliche Anleihe mit einem Cap-Satz von 6,5 % besitzt einen
jährlichen Kupon, der ausdem1-jährigenEURIBOR-Satz und einer Quoted Marginvon
50 Basispunkten besteht. Die Discount Margin beläuft sich auf 50 Ba- sispunkte. Wie
hoch sind der Preis der variabel verzinslichen Anleihe mit einem Cap und der Wert des
eingebettetenCaps?

b) Eine 3-jährige variabel verzinsliche Anleihe mit einem Floor-Satz von 2 % verfügt über
einen jährlichen Kupon, der sich aus dem 1-jährigen EURIBOR-Satz und einer Quoted
Margin von 20 Basispunkten zusammensetzt. Die Discount Margin liegt bei 20
Basispunkten.WiehochistderPreisdervariabelverzinslichenAnleihemiteinemFloor?
690 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Aufgabe3
Ein Portfoliomanager evaluiert eine Reihe von Anleihen mit eingebetteten Zinsoptio- nen.
Er wählt zwei Unternehmensanleihen aus, die jeweils zum Par-Wert von 100 % gekündigt
werden können. Beide Anleihen besitzen die gleiche Laufzeit und Schuld- nerqualität und
können an denselben Terminen gekündigt werden. Die OAS der beiden Callable Bonds bei
einerunterstelltenZinssatzvolatilitätvon15%lautenwiefolgt:

Callable Bonds OAS


Anleihe 1 40,5 Basispunkte
Anleihe 2 60,4 Basispunkte

Des Weiteren untersucht der Portfoliomanager die folgenden drei Anleihen der
Gamma AG mit einem A-Rating:

Anleihen Laufzeit Kupon (jährlich) Kündigung


Anleihe 3 (optionsfrei) 3 Jahre 4%
Anleihe 4 (Callable Bond) 3 Jahre 4,5 % kündbar zu einem Preis von
100 % in 1 und in 2 Jahren
Anleihe 5 (Putable Bond) 3 Jahre 3,75 % kündbar zu einem Preis von
100 % in 1 und in 2 Jahren

DierisikolosenPar-Kuponsätzesind2,5%für1Jahr,3%für2Jahreund3,5%für3Jahre.
BeieinerangenommenenZinssatzvolatilitätvon10%undeinerlogarithmierten
ZufallsbewegungderZinssätzeergibtsichfolgenderbinomialeZinsbaum:

FR2,3 hh = 5,5258 %

FR1,2 h = 3,8695 %

r1 = 2,5 % FR2,3 hn = 4,5242 %

FR1,2 n = 3,1681 %

FR2,3 nn = 3,7041 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

Um die effektive Duration und die effektive Konvexität zu berechnen, verschiebt der
Portfoliomanager die risikolosen Nullkuponsätze um ˙ 30 Basispunkte nach oben und
nach unten, was zu folgenden binomialen Zinsbäumen führt:
11.9 Aufgaben 691

FR2,3 hh = 5,8952 %

FR1,2 h = 4,2013 %

r1 = 2,8 % FR2,3 hn = 4,8266 %

FR1,2 n = 3,4397 %

FR2,3 nn = 3,9517 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

FR2,3 hh = 5,1565 %

FR1,2 h = 3,5377 %

r1 = 2,2 % FR2,3 hn = 4,2218 %

FR1,2 n = 2,8964 %

FR2,3 nn = 3,4565 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

a) Ist die Anleihe 1 gegenüber der Anleihe 2 anhand der relativen Wertanalyse richtig
bewertet?
b) WiehochistderPreisderoptionsfreienAnleihe3beieinemZ-Spreadvon40Basispunkten?

c) Wie hoch ist der Preis der kündbaren Anleihe 4 (Callable Bond) bei einem OAS von 30
Basispunkten?
d) Wie hoch ist der Preis der kündbaren Anleihe 5 (Putable Bond) bei einem OAS von 45
Basispunkten?
e) WiehochsinddieeffektiveDurationunddieeffektiveKonvexitätderAnleihe4(Callable
Bond)?
f) Wie hoch sind die effektive Duration und die effektive Konvexität der Anleihe 5 (Putable
Bond)?
692 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Aufgabe4
Es liegen die folgenden Aussagen über Anl eihen mit eingebetteten Optionen vor:

1. Callable Bonds besitzen eine hohe Duration und eine positive Konvexität, wenn sich
aufgrund eines niedrigen Zinsniveaus die eingebettete Call-Optionnahe am oder im Geld
befindet.
2. Die Preise von Anleihen sind arbitragefrei, wenn sie den Marktteilnehmern keine
Arbitragemöglichkeiten erlauben, die zu einem risikolosen Gewinn führen. Die Er-
stellung des binomialen Zinsbaums basiert auf dem Prinzip der Arbitragefreiheit.
Die Terminzinssätze im binomialen Zinsbaum werden mithilfe eines Zinssatzmo-
3. dells und einer unterstellten Zinssatzvolatilität festgelegt. Dabei erfasst das Zinssatz-
modell die Zufallsbewegung der Zinssätze, während die Zinssatzvolatilität aufgrund
von historischen Daten oder implizit aus einem Optionsbewertungsmodell und dem
Marktpreis einer Zinsoption ermittelt wird.

4. Basieren die Terminzinssätze im binomialen Zinsbaum auf der Nullkupon-Swap-


satzkurve, istfür die Preisberechnung von risikobehafteten Anleihen mit eingebette- ten
Zinsoptionen jeweils ein positiver OAS zu den Terminzinssätzen hinzuzuzählen. Wird
für die Benchmarkkurve die risikolose Nullkuponsatzkurve genommen, ist der OAS bei
5. CallableBondspositivundbeiPutableBondsnegativ.

6. Damit das Optionsrisiko in die Preisberechnung von risikobehafteten Anleihen mit


eingebetteten Zinsoptionen eingebunden wird, muss der OAS zu den Terminzinssät- zen
desbinomialenZinsbaumsaddiertwerden.
7. Der OAS eines Callable Bonds wie auch eines Putable Bonds besteht aus dem Z- Spread
abzüglichderOptionskosten.
8. Liegt der OAS eines Putable Bonds unterhalb des geforderten OAS, erscheint die Anleihe
aufgrundderrelativenWertanalyseüberbewertet.

Sind diese Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?


11.9 Aufgaben 693

Aufgabe5
Eine 3-jährige Callable Mu lti-Step-up-Anleihe weist ei nen jährlichen Kupon für das 1. Jahr
von3,25%auf, derin1Jahrauf3,5%undin2Jahrenauf4%steigt.DieAnleihekanndurchden
Emittenten in 1 und in 2 Jahren zu einem Preis von jeweils 100 % gekündigt werden. Der OAS
liegtbei60Basispunkten.

DierisikolosenPar-Kuponsätzesind2,5%für1Jahr,3%für2Jahreund3,5%für3Jahre.
BeieinerangenommenenZinssatzvolatilitätvon10%undeinerlogarithmierten
ZufallsbewegungderZinssätzeergibtsichfolgenderbinomialeZinsbaum:

FR2,3 hh = 5,5258 %

FR1,2 h = 3,8695 %

r1 = 2,5 % FR2,3 hn = 4,5242 %

FR1,2 n = 3,1681 %

FR2,3 nn = 3,7041 %

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

Wie hoch ist der Preis der 3-jährigen Callable Multi-Step-up-Anleihe?

Aufgabe6
Eine3-jährige2,5%-WandelanleihemiteinemNominalwertvonEUR1000verfügtüberein
Umtauschverhältnis von40. Der Aktienkurs des Emittenten wird zu einemPreis von EUR 24
gehandelt. Die annualisierte Volatilität der Aktienpreiseliegt bei 30 %. Die flache risikolose
Zinsstrukturkurve weist ein Zinsniveau von 1,5 % auf. Die Kreditrisikoprämie beläuft sich
auf250Basispunkte.

a) Wie hoch ist der Preis der 3-jährigen 2,5 %-Wandelanleihe anhand eines Drei-
Perioden-Binomialbaums?
b) Wie hoch sind das Delta und das Gamma am Knotenpunkt 0 des Binomialbaums?
694 11 PreisberechnungvonAnleihenmiteingebettetenOptionen

Literatur

Abreo, L., Georgiou, I., Kalotay, A. J.: Valuation and Analysis: Bonds with Embedded Options.
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(2015) Calamos, N. P.: Convertible Arbitrage: Insights and Techniques for Successful Hedging,
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Cox, J. C., Ross, S. A., Rubinstein, M.: Option Pricing: A Simplified Approach. In: Journal of Financial
Economics 7 (3), 229–263 (1979)
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Fabozzi, F. J.: Fixed Income Analysis, 2. Auflage, Hoboken (2007) Fabozzi, F. J.:
FixedIncomeAnalysisfortheCharteredFinancialAnalyst ®
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(2000)
Fabozzi, F. J.: Fixed Income Mathematics: Analytical & Statistical Techniques, 3. Auflage, Chicago,
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Ho,T.S.,Lee,S.B.,Wilcox,S.E.:TheTermStructureandInterestRateDynamics.In:Petitt,B.S.,Pinto,J.E.,
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Lhabitant, F. S.: Convertible Arbitrage. In: Wilkens-Christopher, K. (Hrsg): CAIA Level II: Advan- ced
CoreTopicsinAlternativeInvestments,Hoboken(2009)
Lhabitant, F. S.: Hedge Funds: Quantitative Insights, Chichester (2004)
Mann, S. V.: The Arbitrage-free Valuation Framework. In: Petitt, B. S., Pinto, J. E., Pirie, W. L. (Hrsg.):
FixedIncomeAnalysis,3.Auflage,Hoboken(2015)
Reilly, F. K., Brown, K. C.: Investment Analysis and Portfolio Management, 7. Auflage, Mason (2003)

Tuckman, B., Serrat, A.: Fixed Income Securities: Tools for Today’s Markets, 3. Auflage, Hoboken (2012)
TeilIV
FinanzderivateundRisikomanagement
Finanzderivate:Grundlagen
12

12.1 Einleitung

Das Wort Derivat stammt aus dem lateinischen derivare bzw. derivatum und bedeutet ableiten
respektiveabgeleitet.DabeihandeltessichumeinenVertragzwischenzweiPar-teien,derenWert
von einem zugrundeliegenden B asiswert bzw. Referenzwert abgeleitet wird. Der Basiswert
beziehtsichaufWertpapierewieetwaAktienundAnleihen,auffinan-zielleKennzahlenwiez.B.
Zinssätze, Aktien- und Anleiheindizes oder ein Bonitätsrating sowie auf Währungen und
Rohstoffe. Von einem Finanzderivat spricht man, wenn der Ba- siswert ein Finanzinstrument,
einefinanzielleKennzahloderWährungist.DemgegenüberbeziehensichRohstoffderivateetwa
aufGold,SilberoderErdöl,währendKreditderiva-teaufeinemKreditereignisbasierenundsoden
MarktteilnehmerneinenAusfallschutzgewähren.IndenfolgendenAusführungenliegtderFokus
aufdenFinanzderivaten.

DieUnterscheidungvonDerivateninbedingteundunbedingteTermingeschäftestütztsich
aufdievertraglicheVereinbarungüberdieErfüllungdesGeschäfts.Beieinemunbe-dingten
TermingeschäftgehenderKäuferundderVerkäuferdieVerpflichtungein,einebestimmte
AnzahloderMengeeinesBasiswertszueinembeiGeschäftsabschlussfestge-legtenPreisund
zukünftigenZeitpunktzukaufenrespektivezuverkaufen.ImGegensatzdazuwirdbeieinem
bedingtenTermingeschäftdemKäuferdasWahlrechtbzw.dieOptioneingeräumt,den
vertraglichvereinbartenBasiswertzumvereinbartenPreis(Ausübungs-preis)zukaufen
(Call-Option)oderzuverkaufen(Put-Option).DerOptionsverkäuferhingegenverpflichtet
sich,denBasiswertzumAusübungspreiszuliefern(Call-Option)bzw.zukaufen(Put-Option).
DarüberhinauskönnenderivativeInstrumenteaufgrunddesGewinn-Verlust-Verlaufs
klassifiziertwerden.DieunbedingtenTermingeschäfteweiseneinsymmetrisches
Gewinn-Verlust-Profilauf,währendOptionenaufgrunddesWahlrechtsundderdafür
bezahltenPrämieeinenasymmetrischenPayoff-Verlaufbesitzen.Zudemkanneine
UnterscheidungnachbörsengehandeltenundaußerbörslichgehandeltenPro-duktensowie
nachBasiswertenvorgenommenwerden.Abb. 12.1zeigteinemöglicheSystematisierungder
Instrumente.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 697


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_12
69 12 Finanzderivate:Grundlagen

Derivate

bedingte Termingeschäfte:
unbedingte Termingeschäfte
Optionen

börsen- außerbörslich börsen- außerbörslich


gehandelt gehandelt gehandelt gehandelt
• Financial • Forwards • Optionen • Optionen
Beispiele

Futures • Swaps • Optionen • Swaptions


• Commodity auf Futures • exotische
Futures Optionen

Aktien/Aktienindizes
Zinsen/Anleihen
Basiswerte

Währungen
Rohstoffe
Kredite
Naturereignisse/Wetter
Immobilien

Abb.12.1 Systematisierung der derivativen Instrumente

Erste Termingeschäfte lassen sich bis in das Jahr 1700 v. Chr. zurückverfolgen.1 Im
Jahre 500 v. Chr. sind die ersten Terminkontrakte auf Oliven entstanden, um sich gegen fallende
Preise abzusichern. Dabei haben die Olivenproduzenten bereits vor der Ernte den Preis mit den
Käufern festgelegt.Zum einenkonnten sich die Produzentengegenfallende Preise bei einer sehr
gutenErnteabsichernundzumanderendieWarenabnehmergegensteigendePreiseinfolgeeiner
schlechten Ernte schützen. D er griechische Philosoph und Mathematiker Thales (624–547 v.
Chr.) hat in der Antike die ersten Optionsgeschäfte mit Olivenpressen getätigt. So hat er sich
abhängig von seinen Ernteerwartungen zu einem Preisabschlag die Nutzrechte von Olivenpre
ssen langevor der Ernte gesichert,um diese im Höhepunkt der Nachfrage mit einem Gewinn zu
veräußern.Bei einer schlechten Ernte hätte Thales die Verkaufsoption nicht ausgeübt und diese
wäre wertlos verfallen. Bei ei- nerguten Ernte hingegenhätte er die Nutzrechte mit einem hohen
Gewinn verkauft. An diesem grundlegenden Prinzip von Optionen hat sich bis heute nicht viel
verändert.

ImFolgendenwerdendieEigenschaftenundUnterschiedevonbörsengehandeltenund
außerbörslichgehandeltenDerivatenbeschrieben.DanachwerdenzumeinendieMarkt-größe
undzumanderenderEinsatzzweckvonFinanzderivatenerläutert,derausderRi-
sikoabsicherungund-übernahmesowieausdemAusnutzenvonPreisdifferenzen(Arbi-

1
Sklavenhändler räumten ihren Kunden das Recht ein, zu im Voraus vereinbarten Zeitpunkten Skla-
ven zu erwerben.
12.2 BörsengehandelteundaußerbörslichgehandelteFinanzderivate 699

trage) besteht. Die anschließenden Payoff-B erechnungen illustrieren die Funktionsweise von
Finanzderivaten. Ebenfalls wird die Ter minbörse Eurex vorgestellt, wobei neben der
Organisationsstruktur und den Produkten auch das risikobasierte Margining-System be-
schrieben wird. Das Kapitel endet mit einer wichtigen Eigenschaft von Derivaten, nämlichdem
Leverage-Effekt,undeinerkurzenAbhandlungüberOptionsscheineundZertifikate.

12.2 Börsengehandelteundaußerbörslichgehandelte
Finanzderivate

Der Handel von Derivaten findet auf den Terminmärkten statt, wo der Vertragsabschluss und die
Vertragserfüllung zeitlich auseinanderfallen. Dabei werden der Preis, der zugrun- deliegende
Basiswert und die Laufzeit des Derivatsbei Vertragsabschlussbestimmt. Der Kauf und Verkauf
des Basiswerts hingegen erfolgt am Laufzeitende. Im Gegensatz dazu findet die Erfüllung eines
Börsengeschäfts auf dem Kassamarkt kurzfristig zum Kassakurs statt.Zum Wertpapiermarkt
gehörensowohlderKassamarktalsauchderTerminmarkt.

TerminmärktesindPrimärmärkte,daderKaufundVerkaufeinesunbedingtenoderbedingten
Termingeschäfts(Derivats)eineWertpapieremissiondarstellt.Darüberhinausfungierensieals
Sekundärmärkte,beideneneinePositionglattgestelltwerdenkann,wennderKäuferundder
VerkäufereinesTermingeschäftsindiejeweilsentgegengesetztePosi-tioninderselbenKontraktart
eintreten.AufdieseWeisehebensichRechteundPflichtengegenseitigauf.Eineeigentliche
VeräußerungvonRechtenundPflichtenistandenTer-minmärktennichtmöglich.

DerivatewerdenandenTerminmärktensowohlübereineBörsealsauchaußerbörslich
gehandelt.DerHandelvonbörsengehandeltenDerivatenerfolgtelektronischundanonymüber
zentralorganisierteTerminmärktebzw.Derivatebörsen.Demgegenüberfindetder
außerbörslicheHandelohnezentralebörsenmäßigeOrganisationdirektzwischendenVer-
tragsparteienstatt.ZudenbörsengehandeltenFinanzproduktenzählennebenFuturesund
OptionenauchAktien,währendForwards,SwapsundOptionensowieRepurchaseAgree-ments
(Repos)
2
und mehrheitlich auch Anleihen außerbörslich gehandelt werden.3
Die Vertragsmerkmale von börsengehandelte n Derivaten werden an der Derivatebörse
standardisiert. Dabei bezieht sich die Standardisierung auf folgende Merkmale:4

 Sachlich: Es werden sowohl die Menge als auch die Qualität festgelegt.
 Räumlich: Der Ort für den Handel und für die Vertragserfüllung ist fest vorgegeben.

2
BeieinemRepurchaseAgreementhandeltessichumeineRückkaufvereinbarungvoninderRegel
festverzinslichenWertpapieren.DieLaufzeitistüblicherweisenichtlängerals1Jahr,oftsogarnur
wenige Tage oder eine Nacht (Overnight Repo). 3
Vgl. Taylor 2011 : Mastering Derivatives Markets: A Step-by-Step Guide to the Products, Appli-
cations and Risks, S. 241 ff.
4
Vgl. Rudolph und Schäfer 2010 : Derivative Finanzmarktinstrumente: Eine anwendungsbezogene
Einführung in Märkte, Strategien und Bewertung, S. 30.
700 12 Finanzderivate:Grundlagen

 Zeitlich: Sämtliche Kontrakte weisen einen festen Fälligkeitstermin auf.


 Persönlich: Als Vertragspartn er für den Käufer und Verkäufer tritt die Clearing-Stelle auf,
sodass die Marktteilnehmer nicht direkt aufeinandertreffen. Dadurch entfällt das
Erfüllungsrisiko(Kreditrisiko)weitestgehend.

Die Standardisierung der börsengehandelten Derivate führt zu einer Homogenität, welche die
Liquidität auf den Märkten erhöht. Transaktionswünsche der Marktteilnehmer werden durch
diesachlicheundräumlicheStandardisierungteilbar(sogenannteLosgrößentrans-formation),
was sich dadurch äußert, dass sic h die Börsenaufträge auf mehrere Marktteil- nehmer verteilen
lassen. Mit der zeitlichen Standardisierung wird die Laufzeittransparenz erhöht, was die
Glattstellung und Prolongation erleichtert. Durch die persönliche Stan- dardisierung hingegen
wird das Kreditrisiko e liminiert, sodass lediglich das Preisrisiko (Marktrisiko) verbleibt, das
letztendlichaufdenMärktengehandeltwird.

AufdenOver-the-Counter(OTC)-MärktenwerdenForwards,SwapsundOptionenau-
ßerbörslichgehandelt.BeiOTC-MärktenhandeltessichgrundsätzlichumPrimärmärkte,da
GlattstellungenvonoffenenPositioneneherunüblichsind.DerHandelvonOTC-Derivaten
erfolgtperTelefon,überdirekteKontaktederMarktteilnehmerundzunehmendüber
elektronischeHandelsplattformen(z.B.TradeWeboderBloomberg).Dabeisinddie
ProduktmerkmalenichtdurcheineBörsevorgegeben,sondernwerdenindividuellaus-
gehandelt.EbensoherrschteineunterschiedlicheBonitätderMarktteilnehmervor.Als
ReaktionaufdieFinanzkrisevon2008habendieG-20-Länder2009aneinemGipfeltref-fenin
Pittsburghentschieden,dassystematischeRisikoundsomitdasKreditrisikoderOTC-Märkte
zureduzieren,umdenaußerbörslichenHandeltransparenterundsichererzumachen.Diedrei
wichtigstenPunktederReformsind:

 Clearing-fähige OTC-Derivate werden über zentrale Gegenparteien (Central Counter


Parties, CCPs) abgewickelt (Clearing-Pflich t). Hierbei handelt es sich um Derivate, deren
Struktur sich für die zentrale Abwicklung eignet. Dabei dürfen die Derivate kei- ne
„exotischen“Merkmaleaufweisen,welcheeineHandhabung/Bewertungdurchdiezentrale
Clearing-Stelleverunmöglichenwürde.

 Bilateral gehandelte OTC-Derivate ohne Clearing-Pflicht müssen Risikomanagement-


anforderungen genügen und unterliegen höheren Kapital- und Besicherungsanforde-
rungen.
 Alle OTC-Derivate sind an ein Tra nsaktionsregister zu melden.

In einem OTC-Markt mit einer zentralen Clear ing-Stelle wird nach Abschluss des Deri-
vategeschäfts der Vertrag zwischen zwei Parteien mit zwei Back-to-B ack-Verträgen einer
Clearing-Stelle ersetzt. Der ursprünglich vereinbarte bilaterale Vertrag existiert danach nicht
mehr. Die beiden Parteien haben als Gegenpartei die zentrale Clearing-Stelle, so- dass das
Kreditrisikoweitestgehendbeseitigtist.
5
Der Handel im Sekundärmarkt erfolgt

5
DasKreditrisikowirdbeidenClearing-fähigenOTC-DerivatendurchdieMargin-Erfordernisse(Initial
MarginundVariationMargin)reduziert.DabeihandeltsichumeinCollateral(Sicherheit)in
12.2 BörsengehandelteundaußerbörslichgehandelteFinanzderivate 701

C learing-f ähige OTC -D erivate

zentrale
Vertragspartei A Clearing- Vertragspartei B
Stelle
Collateral: Collateral: Initial
Initial Margin/ Margin/ Variation
Variation Margin,
Margin, Einzahlung in
Einzahlung in Ausfallfonds
Ausfallfonds

Bilateral gehandelte OTC -D erivate

Vertragspartei A Vertragspartei B

Collateral: Initial Margin/Variation Margin

Abb.12.2 Vertragsparteien und Collateral von Clearing-fähigen OTC-Derivaten und bilateral ge-
handelten OTC-Derivaten

nicht über die Clearing-Stelle, sondern findet weiterhin außerbörslich (z. B. über elektro- nische
Handelsplattformen) statt. Demgegenüber stehen sich in einem OTC-Markt ohne zentrale
Clearing-Stelle die beiden Vertragsparteien des Derivategeschäfts nach wie vor als
Kontrahenten gegenüber. Allerdings sind die Kapital- und Besicherungsanforderun- gen
höher.
6
Abb.12.2zeigtdieVertragsparteienunddasCollateralvonClearing-fähigen
OTC-DerivatenundbilateralgehandeltenOTC-Derivaten.BeimCollateralbeziehtsich
die Initial Margin auf potentielle Preisänderungen des Derivats, die zwischen dem letzten
Variation Margin Call und der Glattstellung des Instruments anfallen können. Die Initi- al
Margin wird üblicherweise mit einem Value-at-Risk-Modell berechnet. Die Variation Margin
hingegenumfasstdieGewinne/VerlusteausdenrealisiertenPreisänderungendesDerivats.Die
von der Variation Margin erfassten Gewinne/Verluste werden nicht reali- siert. So dient ein
etwaigerGewinnalsSicherheitgegeneinenmöglichenAusfallderGegenpartei.

Form von Wertpapieren oder Geld. Außerdem müssen Clearing-Mitglieder in einem Ausfallfonds der
zentralenClearing-Stelleeinzahlen,derbeieinemAusfalleinesClearing-MitgliedsfürdieVer-lustdeckung
herangezogen wird. Darüber hinaus halten Clearing-Mitglieder Risikokapital bei der zentralen
Clearing-Stelle. Diese Maßnahmen der Kreditrisikominderung tragen zu einer Verbesse- rung der
finanziellenStabilitätbei.
6
NebenderBestellungvonSicherheitenunddertäglichenPositionsbestimmungsindfinanziel-le
Gegenparteien(z.B.Banken)verpflichtet,regulatorischesEigenkapitalfürdasKreditrisikozuhalten.Des
WeiterensindgemäßEMIRdieAnforderungenandasRisikomanagementwieetwaelektronischeTrade
Confirmations,ProzessezurPortfolioabstimmungund-kompressioneinzuhal-ten.
702 12 Finanzderivate:Grundlagen

DieÜbernahmederneuenRegelungeninderEuropäischenUnionerfolgtemitMiFIDII
(MarketsinFinancialInstrumentsDirective)undEMIR(EuropeanMarketInfrastruc-ture
Regulation).DieEMIR-EU-VerordnungNr.648/2012überOTC-Derivate,zentrale
GegenparteienundTransaktionsregistertratimAugust2012inKraft.InAnlehnungandie
EmpfehlungenderG-20-LändersiehtEMIReineMeldepflichtfürOTC-Derivate,Maßnahmen
zurMinderungdesKreditrisikosunddesoperationellenRisikosbeibilateralgehandelten
OTC-Derivaten,einheitlicheVorschriftenfürdiezentralenClearing-Stellen(CCPs)und
TransaktionsregistersowieVorschriftenfürdieHerstellungderInteroperabi-litätzwischen
CCPsvor.DieClearing-PflichtgiltfürfinanzielleGegenparteienwieetwaBanken,
VersicherungenundVermögensverwaltersowiefürnichtfinanzielleGegenpartei-en,dieeinen
bestimmtenClearing-Schwellenwert(ohneEinbezugvonOTC-Derivatenfür
Hedging-Aktivitäten)überschreiten.DieEntscheidung,welcheOTC-DerivateClearing-
fähigundsomiteinerClearing-Pflichtunterliegen,erfolgtdurchdieEuropeanSecuritiesand
MarketsAuthority(ESMA).InderSchweiztratdasBundesgesetzüberdieFinanz-
marktinfrastrukturenunddasMarktverhaltenimEffekten-undDerivatehandel(Finanz-
marktinfrastrukturgesetz,FinfraG)imJanuar2016inKraft.Tab. 12.1stelltanhandver-
schiedenerMerkmalediebörsengehandeltenundaußerbörslichgehandeltenDerivatege-
genüber.

12.3 MärktefürFinanzderivate

12.3.1 Marktgröße

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ, eine internationale Organisation der
Zentralbanken mit Sitz in Basel, veröffentlicht in ihren Quartalsberichten Statistiken, die eine
Übersicht über die Größe des globalen Derivatemarkts geben. Tab. 12.2 zeigt für
börsengehandelte Derivate die Anzahl au sstehender Kontrakte und Nominalwerte per jeweils
EndeDezemberfürdieJahre2011bis2015.SowohldieAnzahlausstehenderKontraktealsauch
die Nominalwerte haben sich in dieser 5-jährigen Zeitspanne erhöht. Die Kontraktzahl und die
ausstehendenNominalwertesindvorallembeiZinsen(Zinssät-zeundAnleihen)undOptionen
aufAktienindizesbedeutend,währendbörsengehandelteWährungsderivatesowieFuturesauf
AktienindizesimgeringerenUmfangandenTermin-börsengehandeltwerden.

DieHandelsaktivitätanhandderAnzahlderKontraktezubeurteilen,istkritisch,dadie
TerminbörsendieKontraktgrößenunterschiedlichausgestalten.SoetwabestehenanderEurex
KontraktgrößenfürOptionenaufdeutscheAktienvon10,50,100,500odersogar1000Aktien.
BeidendeutschenWertenumfassteineStandardoptionanderEurex100Aktien.Nimmtein
InvestoreineOptionspositionauf1000Aktienein,sindbeieinerKontraktgrößevon100Aktien
10Optionskontrakteerforderlich.BeieinerKontraktgrößevon500Aktiensindlediglich2
Optionskontraktenotwendig.
12.3 MärktefürFinanzderivate 703

Tab.12.1 Gegenüberstellung von börsengehandelten und außerbörslich gehandelten Derivaten


Merkmale Börsengehandelte Derivate (Futures und Außerbörslich gehandelte Derivate
Optionen) (Forwards, Swaps und Optionen)
Handel Derivate werden an der Börse gehandelt Derivate werden außerbörslich auf
OTC-Märkten gehandelt
Vertrags- Die Vertragsparameter sind in Bezug Die Ausgestaltung des Vertrags
merkmale auf Menge und Qualität (sachlich), erfolgt aufgrund von
Vertragsort und -erfüllung (räumlich), Kundenbedürfnissen, wobei oft
Laufzeit (zeitlich) und Gegenpartei in bestimmte marktgängige Merkmale verwendet werden
Form der Clearing-Stelle (persönlich)
fest vorgegeben – also standardisiert

Liquidität In der Regel sehr hohe Liquidität Die Liquidität ist je nach
Marktsegment und Produktart
unterschiedlich. Ledig- lich für
bestimmte Derivate wie etwa
Zinssatzoptionen, Zinssatzswaps und
Devisentermingeschäfte ist die Liquidi- tät ziemlich hoch

Laufzeiten In der Regel ist die Dauer eher kurzfris- Das Laufzeitspektrum ist sehr breit und
tig, wobei zum Teil auch mittelfristige reichtvonkurz-,mittel-bislangfristig
Laufzeiten bestehen
Kreditrisiko Die Clearing-Stelle ist dem Kreditrisiko Bei den Clearing-fähigen OTC-
ausgesetzt Derivaten ist die Clearing-Stelle dem
Kreditrisiko exponiert. Bei den bilateral
gehandelten OTC-Derivaten hinge-
gen wird das Kreditrisiko vom Käufer
und Verkäufer übernommen, wobei
eine Pflicht zu Sicherheitsleistungen
(Collateral-Pflicht) besteht

Transparenz Die Transparenz ist sehr hoch. Auch Die Transparenz ist wegen der Mel-
börsengehandelte Derivate müssen an depflicht an ein Transaktionsregister
ein Transaktionsregister gemeldet wer- gegeben
den

Margins Die Margins (Initial Margin und Die Initial Margin (Collateral) der bi-
Variation Margin) werden von der lateralgehandeltenOTC-Derivateist
Ter- minbörse vorgegeben
im Vergleich zu den Clearing-fähigen
OTC-Derivaten höher, damit die Markt-
teilnehmer einen Anreiz zum Clearing
haben. Demgegenüber ist die Variation
Margin gleich hoch, weil es sich hier- bei
um die täglichen Gewinne/Verluste
handelt

DieBIZführtaufdenOTC-DerivatemärktenhalbjährlichErhebungendurch,dieinden
Quartalsberichtenveröffentlichtwerden.DabeiwerdenDatensowohlzudenNominal-alsauch
zudenMarktwertenderoffenenaußerbörslichgehandeltenDerivatevonGroß-
704 12 Finanzderivate:Grundlagen

Tab.12.1 (Fortsetzung)
Merkmale Börsengehandelte Derivate (Futures und Außerbörslich gehandelte Derivate
Optionen) (Forwards, Swaps und Optionen)
Geldfluss Es findet ein täglicher Gewinn- und Es erfolgt ein täglicher Collateral-
Verlustausgleich (Mark to Market) Ausgleich in Form von Wertpapieren
statt. Die Gewinne/Verluste werden am oder in bar. Dabei handelt sich um ei-
Ende jedes Handelstages realisiert. Die ne Anpassung der Sicherheiten,
Opti- onsprämie wird bei sodass keine realisierten
Vertragsabschluss entrichtet Gewinne/Verluste anfallen. Die
Optionsprämie wird bei Vertragsabschluss bezahlt

Kontrakter- Es wird nur ein geringer Prozentsatz Die Erfüllung des Kontrakts ist oft be-
füllung der Kontrakte erfüllt. Meistens wird absichtigt
die Position vor Vertragsende glattgestellt

Tab. 12.2 Anzahl ausstehender Kontrakte und Nominalwerte von börsengehandelten Deriva-
ten (Quelle: Quartalsberichte der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, www.bis.org/pub l/
regpubl.htm )
Instrument Anzahl ausstehender Kontrakte (in Mio.)
Dez. 2011 Dez. 2012 Dez. 2013 Dez. 2014 März 2015
Zinsen
Futures 65,0 55,2 55,3 61,1 63,3
Optionen 45,9 53,5 50,1 50,3 49,9
Währungen
Futures 8,6 11,7 13,1 15,2 14,8
Optionen 2,5 3,7 3,7 8,0 6,4
Aktienindize
sFutures
Optionen 7,7 18,1 17,4 20,1 21,4
4,7 68,6 69,4 68,7 76,7
Total 194,4 210,8 209,0 223,4 232,5
Instrument Ausstehende Nominalwerte (in Mrd. USD)
Dez. 2011 Dez. 2012 Dez. 2013 Dez. 2014 März 2015
Zinsen
Futures 21.718,9 22.626,9 24.165,1 25.348,4 25.561,5
Optionen 31.579,6 25.895,8 32.786,2 31.874,0 35.059,5
Währungen
Futures 221,2 231,7 243,9 233,7 231,6
Optionen 87,2 105,6 142,6 143,4 160,1
Aktienindize
sFutures
Optionen 984,0 1212,8 1378,9 1571,6 1733,5
1972,4 4036,0 5381,4 5671,4 6133,1
Total 56.563,3 54.108,8 64.098,1 64.842.5 68.879,3
12.3 MärktefürFinanzderivate 705

(Nominalwerte in
Mrd. USD)
600000
505.454
500000

400000

300000

200000

100000 75.879

7940 16.399 22.609


1868
0
Währungen Zinsen Aktien Rohstoffe CDS Andere
(Basiswerte/
Instrumente)

Abb.12.3 AusstehendeNominalwertevonaußerbörslichgehandeltenDerivatenperEndeDezem-ber
2014(Quelle:BankfürInternationalenZahlungsausgleich2015 :QuartalsberichtJuni2015,
S. 141, www.bis.org/publ/regpubl.ht m )

banken und Dealern in den G-10-Ländern7 inklusive Australien und Spanien erhoben.
Die Erhebungen zeigen, dass die Zinsprodukte den größten Anteil aufweisen. Per Ende
Dezember 2014 machen die Zinssatzswaps mit ausstehenden Nominalwerten von USD
381.028 Mrd. rund 60 % des Gesamtmarkts von OTC-Derivaten aus. Die zweitwichtigste
Produktkategorie sind die Forward Rate Agreements (Zinstermingeschäfte) mit ausste-
hendenNominalwertenvonUSD80.836Mrd.bzw.einemAnteilvonrund13%.Gefolgtwerden
die Zinsprodukte von den Währungen, Credit Default Swaps (CDS), Aktien und Rohstoffen.
Abb. 12.3 stellt den Markt von außerbörslich gehandelten Produkten anhand der ausstehenden
NominalwerteperEndeDezember2014dar.

DerNominalwertmisstdenWertdeszugrundeliegendenBasiswertsundsagtnichtsüberden
Marktwertbzw.dieRisikoexpositiondesDerivatsaus.SozumBeispielkannderNominalwert
einesZinssatzswapsEUR100Mio.betragen,währenddieeigentlichenZinszahlungen,diesich
aufdenNominalwertbeziehen,umeinVielfachesniedrigersind.DerWertdesZinssatzswaps
ergibtsichhauptsächlichausderVeränderungderZinsstruk-turkurveundwiderspiegeltdessen
Wiederbeschaffungswert.Dabeihandeltessichumdie

7
ZudenG-10-LändernzählendieweltweitwichtigstenIndustrienationen:USA,Kanada,Großbri-
tannien,Frankreich,Deutschland,Italien,Belgien,dieNiederlande,SchwedenundJapan.1983ist
auch die Schweiz der G-10-Gruppe beigetreten, sodass es 11 und nicht 10 Mitglieder sind. Aller- dings
wurdederNamebeibehalten.
706 12 Finanzderivate:Grundlagen

stichtagbezogenen Kosten der Wiederbeschaffung des Finanzderivats bei einem Ausfall der
Gegenpartei. Somit stellt der Nominalwert, der in den Statistiken für die Beurteilung der
Marktgrößeverwendetwird,nichtdenmöglichenVerlustbetragdar.
Die BIZ veröffentlicht in ihren Quartalsberichten auch die ausstehenden Brutto-
Marktwerte von außerbörslich gehandelten Derivaten, die in Abb. 12.4 aufgeführt sind. Dabei
belaufen sich die ausstehenden Markt werte per Ende Dezember 2014 auf insgesamt USD
20.878Mrd.DaderMarktwertschwierigzumessenist,istderSchätzfehlerrelativgroß.Deshalb
stellt der Nominalwert eine verlässlichere Kennzahl für die Beurteilung der Marktgröße dar,
obwohlerdieRisikoexpositionnichtadäquatwiedergibt.

DievonderBIZveröffentlichtenZahlenzeigenunabhängigvonderVerwendungvon
NominalwertenundMarktwerten,dassderMarktfürFinanzderivategroßistundso-miteinen
wesentlichenBestandteildesglobalenFinanzmarktsbildet.DemnachistdasVerständnisvon
FinanzderivatenfürdieerfolgreicheTätigkeitaufdenFinanzmärktenun-erlässlich.

(Marktwerte
in Mrd. USD)
15.608
16000

14000

12000

10000

8000

6000

4000 2944

2000 612 593 803


317

0
Währungen Zinsen Aktien Rohstoffe CDS Andere
(Basiswerte/
Instrumente)

Abb.12.4 AusstehendeBrutto-MarktwertevonaußerbörslichgehandeltenDerivatenperEndeDe-
zember2014(Quelle:BankfürInternationalenZahlungsausgleich 2015 :QuartalsberichtJuni2015,
S. 141, www.bis.org/publ/regpubl.ht m )
12.3 MärktefürFinanzderivate 707

12.3.2 ZweckvonderivativenMärkten

Die zunehmende Beliebtheit und das rasche Wachstum von Derivaten gehen auf die fol- genden
Gründezurück: 8

1. Vollständigkeit der Finanzmärkte,


2. Spekulation,
3. Risikomanagement und
4. effizienter Handel (niedrige Transaktionskosten).

1. In einem vollständigen Markt lassen sich anhand der zur Verfügung stehenden In- strumente
sämtlichegewünschtenRisikopositionenaufbauen. 9
Soetwalässtsichmit
einemAktienindex-FuturedieRisikopositiondeszugrundeliegendenAktienindexab-
bilden.VerwendetmandiesbezüglicheineGruppevonAktien,istdiesvielschwierigerzu
bewerkstelligenundinfolgederhohenTransaktionskostenauchteurer.VerfügtderMarkt
nichtübereinegenügendgroßeundvielfältigeAnzahlanFinanzinstrumen-ten,umdie
verschiedenstenRisikopositionenzuerstellen,isterunvollständig.SomitspielenDerivate
einewichtigeRolle,umdenMarktzuvervollständigen.Nimmtmanbeispielsweisezwei
Märkte,wobeinurineinemderbeidenMärkteDerivategehan-deltwerden,soerlaubtder
MarktmitdenderivativenInstrumentendenAkteuren,dieangestrebten
Rendite-Risiko-Eigenschaftenbesserzuerzielen.AufdieseWeiseerhöhtsichder
WohlstandderMarktteilnehmerundsomitdergesamtenWirtschaft.

2. Ein weiterer Grund für das rasche Wachstum von Derivaten ist die Spekulation, die von
Preiserwartungengetriebenwird.DabeikönnendieMarktteilnehmermitFinanz-derivaten
an den Preisbewegungen des zugrundeliegenden Basiswerts partizipieren, ohne diesen
kaufen oder verkaufen zu müssen. Das führt dazu, dass nicht nur die Gewinnmöglichkeit,
sondernauchdieVerlustgefahrsehrgroßist.
10
Daher sollten die-
se Instrumente von nicht sachkundigen Anl egern gemieden werden. In den Händen
professioneller Marktteilnehmer helfen Derivate, die gewünschte Risikoposition her-
zustellen.
3. Derivate können für das Risikomanagement eingesetzt werden. So können Portfolio-
manager das Zinsänderungsrisiko eines Anleiheportfolios mit Fixed Income Futures
reduzierenodererhöhen. 11
Das Preisänderungsrisiko eines diversifizierten Portfolios
bestehend aus DAX-Aktien kann beispielsweise mit DAX-Aktienindex-Futures abge-
sichert werden.12
8
Vgl. z. B. Kolb 2000 : Futures, Options, & Swaps, S. 5 ff.
9
Die in der Finanzmarkttheorie gültige Definition ein es vollständigen Marktes ist eine Idealvorstel-
lung, die so in der Wirklichkeit nicht existiert. 10
FürdenLeverage-Effektvgl.Abschn. 12.7.11
Vgl. Abschn. 13.6.1.2 .
12
Vgl. Abschn. 13.6.2 .
70 12 Finanzderivate:Grundlagen

4. In vielen Fällen ist der Handel mit Finanzderivaten im Vergleich zum entsprechenden
Basiswert viel attraktiver. Oftmals sind die Transaktionskosten aus dem Handel mit
Derivaten verglichen mit dem zugrundeliegenden Basiswert wesentlich niedriger. Der
Grund dafür liegt in der höheren Liquidität der Märkte für Derivate, was niedrigere
Transaktionskosten zur Folge hat. So lässt sich die Risikoposition eines diversifizier- ten
Aktienportfolios kostengünstiger mit Future-Kontrakten als mit dem Kaufen der einzelnen
Aktien umsetzen. Dies gilt insbesondere, wenn die Aktien eine ungenügen- de
Marktliquiditätaufweisen.

12.4 EinsatzvonFinanzderivaten

Mit Finanzderivaten kann aufgrund von Erwartungen und Risikopräferenzen eine Risiko-
position schnell und kostengünstig eingegangen oder umgestaltet werden. Grundsätzlich
unterscheidetmandiefolgendendreiMotivefürdenEinsatzvonDerivaten: 13

1. Risikoabsicherung (Hedging)
2. Risikoübernahme (Spekulation, Handel)
Ausnutzen von Preisdi fferenzen (Arbitrage)
3.

1. Beim Hedging wird das Preisänderungsri siko einer Kassaposition durch ein Derivat mit
einem entgegengesetzten Gewinn-Verlust-Verlauf beseitigt bzw. stark vermindert. Dabei
kanndasPreisänderungsrisikoderKassapositionvollständigeliminiert(perfek-terHedge)
oder auch nur reduziert werden . Des Weiteren lässt sich die Risikoabsi- cherung nach einem
Bestands-H edge, bei dem die Verlustgefahr einer bestehenden Forderungs- oder
Schuldposition abgesicher t wird, und einem antizipativen Hedge, bei dem das Preisrisiko
einergeplantenLong-oderShort-Risikopositionausgeschal-tetwird,unterscheiden.Beide
Arten der Risikoabsicherung lassen sich mit Long- und Short-Derivaten umsetzen. Bei
einem Bes tands-Hedge wird eine Long-Position in ei- nem Basiswert (z. B. eine
Long-Aktie) mit einem Short Forward/Future oder einer Long-Put-Option gegen fallende
Kurse abgesichert. Liegt hingegen eine Schuldpo- sition bei einem Basiswert (z. B. eine
Short-Aktie) vor, dann besteht das Risiko in steigenden Preisen. Diese Verlustgefahr l ässt
sich mit einem Long Forward/Future oder mit einer Long-Call-Option begrenzen. Im
Gegensatz zu Forwards und Futures erlauben Optionen, sich sowohl gegen das
Preisverlustrisiko zu schützen als auch am möglichen Gewinnpotential des dem Derivat
zugrundeliegenden Basiswerts zu beteili- gen. Bei einem antizipativen Hedge hingegen k
ann das Preisrisiko bei einem geplanten Kauf (Verkauf) einer Kassaposition mit Long
(Short) Forwards/Futures abgesichert werden. Besteht die Absicht, in Zukunft
beispielsweise eine Aktie zu kaufen, ist man dem Risiko von steigenden Kursen ausgesetzt.
DiesesPreisrisikolässtsichmiteiner

13
Vgl. z. B. Eurex 2007 : Aktien- und Aktienindexderivate: Handelsstrategien, S. 23.
12.4 EinsatzvonFinanzderivaten 709

Long-Forward-Position auf die zugrundelie gende Aktie abfedern. Steigt der Aktien- kurs,
istfürdasWertpapiereinhöhererPreiszubezahlen,waseinenVerlustzurFolgehat,derdurch
den Gewinn aus dem Long Forward ausgeglichen wird. Umge- kehrt gilt auch, dass ein
zukünftiger Gewinn aufgrund eines niedrigeren Aktienpreises durch den Verlust des
Terminkontrakts wettgemacht wird. Wendet man unbedingte Termingeschäfte bei einer
Absicherung an, werden neben den möglichen Verlusten auf der abzusichernden Position
auch deren mögliche Gewinne eliminiert. Demgegen- über erlauben Optionen – also
bedingte Termingeschäfte – sowohl die Beseitigung des Verlustrisikos als auch die
Teilnahmeam möglichen Gewinnpotential. Dafür ist eine Optionsprämie zu entrichten, die
beiunbedingtenTermingeschäftennichterforderlich 14

ist.
Grundsätzlich wird zwischen einem Mikro-, Makro- und Portfolio-Hedge unterschie- den.
Bei einem Mikro-Hedge wird das Preisänderungsrisiko einer Forderungs- oder
Schuldposition mit einem Derivat begrenzt, das sich auf den gleichen Basiswert wie die
abzusichernde Pos ition bezieht. So kann man das Preisänderungsrisiko der Daimler-Aktie
mit einem Short Future auf die Automobilaktie absichern. Bei ei- nem Makro-Hedge
hingegen handelt es si ch um einen sogenannten Cross Hedge, bei dem die abzusichernde
Forderungs- ode r Schuldposition nicht dem Basiswert des dafür eingesetzten Derivats
entspricht. Dabei besteht eine hohe Korrelation zwischen den Preisbewegungen des dem
Derivat z ugrundeliegenden Basiswerts und der zu schützenden Position. Schließlich wird
bei einem Portfolio-Hedge eine Gruppe von gleichartigen oder ähnlichen Instrumenten zur
gemeinsamen Risikosteuerung gebün- delt. Zum Beispiel lassen sich in einem Portfolio
bestehend aus Aktien und Anleihen das systematische Risiko der Aktien mit
Aktienindex-FuturesunddasZinsänderungs-risikomitFixedIncomeFuturesbeseitigen.

15

2. Die Risikoübernahme erfolgt durch Marktteilnehmer, die aufgrund von Preiserwartun- gen
die Risikoposition nicht mit der Kassama rktposition, sondern mit einem Derivat eingehen.
Zumeinenistdiesvielfacheinfacherundzumanderenkostengünstiger.SoisteszumBeispiel
einfacher, eine Schuldposition – z. B. Short-Aktie – mit einem Future-Kontrakt anstatt mit
einer Aktie zu er stellen. Dieser spekulativen Übernahme von Risiken (Erwartung von
fallendenPreisen)stehtdieRisikoabsicherungdiametralgegenüber.BeimHedgingwirddas
VerlustrisikoeinerForderungs-oderSchuldpo-sitionmiteinemDerivatabgesichert.Beider
Spekulation hingegen besitzt man die abzusichernde Risikoposition nicht. Vielm ehr wird
mithilfe von Derivaten versucht, aufgrund erwarteter Preisänderungen einen Profit zu
erwirtschaften.DafürwirdeineRisikopositionaufgebaut.

Hedging und Spekulation werden vielfach als komplementäre Aktivitäten betrach- tet.
Dabei wird davon ausgegangen, dass für die Risikoabsicherung Marktteilnehmer – also
Spekulanten–benötigtwerden,diedasRisikoübernehmen.Diesmussje-

14
Vgl. Chance 2003 : Analysis of Derivatives for the CFA ® Program, S. 14.
15
Vgl. Abschn. 13.6 .
710 12 Finanzderivate:Grundlagen

doch nicht immer der Fall sein. So können Marktteilnehmer, die das Risiko in ihren
Positionen begrenzen, miteinander handeln . Ebenfalls handeln Spekulanten infolge un-
terschiedlicher Preiserwartungen oftmals miteinander. Folglich braucht man für die
Risikoabsicherung und -übernahme eine Gegenpartei mit einer entgegengesetzten Ri-
sikopositionodermitunterschiedlichenPreiserwartungen.

3. Bestehen räumliche und zeitliche Preisdifferenzen für gleiche Finanzpositionen, lässt sich
durchgleichzeitigeKauf-undVerkaufstransaktioneneinrisikoloserGewinner-zielen.
16
EinesolcheLong-Short-StrategiewirdalsArbitragebezeichnet.SinddieMärkte
effizient,tretenkeineArbitragemöglichkeitenauf.WirdzumBeispieleineAktieaufeinem
MarktzuEUR100undaufeinemanderenMarktzuEUR99ge-handelt,lässtsichmiteiner
ArbitragestrategieeinenrisikolosenGewinnvonEUR1erwirtschaften(ohne
BerücksichtigungvonTransaktionskosten).HierzukauftmandieAktieaufdem
günstigerenMarktzuEUR99undverkauftdiesegleichzeitigaufdemteurerenMarktzuEUR
100.DieLong-PositionwirddurchdieShort-Positionauf-gehoben,sodasseskeineRolle
spielt,obderAktienkurssteigtoderfällt.DerausderArbitragestrategieerzielteGewinnist
risikolos.FührenvieleMarktteilnehmerdie-seArbitragestrategiedurch,konvergierendie
beidenPreisederAktiezueinanderunddieArbitragemöglichkeitverschwindet.

17
Grundsätzlich lassen sich Arbitragestrategi-
18
en wie folgt unterscheiden:
 BeiderräumlichenArbitragehandeltessichumdasAusnutzenvonPreisdifferen-zenfür
KontrakteaufverschiedenenMärkten.DabeiwirdzwischenIntramarket-Arbitrageund
Intermarket-Arbitrageunterschieden.Erstereerfolgtaufdemglei-chenMarkt,während
LetztereaufverschiedenenMärktenstattfindet.

 Die zeitliche Arbitrage wird auch als Cash -and-Carry-Arbitrage bezeichnet. Hier- zu
werden theoretisch nicht g erechtfertigte Prei sdifferenzen auf dem Future- und
Kassamarktausgenutzt. 19
 Bei der Future-Forward-Arbitrage werden Gewinne aufgrund nicht gerechtfertig- ter
PreisunterschiedezwischenFuture-KontraktenundvergleichbarenForwardser-zielt.

MithilfederArbitragestelltsicheinPreisgleichgewichtaufdenKassa-undTermin-märkten
ein. Das Nicht-Arbitrage-Prinzip s tellt ein wichtiges Konzept für die Preisfin- dung von
Finanzderivatendar.

16
Vgl. Kolb 2000 : Futures, Options, & Swaps, S. 7.
17
BeidiesemBeispielhandeltessichumeinenehertheoretischenFall,derbeigutfunktionieren-den
Märktensonichtauftritt,daansonstendasGeldverdienenaufdenKapitalmärkteneinleichtesUnterfangen
wäre.
18
Vgl. Rudolph und Schäfer 2010 : Derivative Finanzmarktinstrumente: Eine anwendungsbezogene
Einführung in Märkte, Strategien und Bewertung, S. 35.
19
Vgl. Abschn. 13.2.2 .
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 711

12.5 Gewinn-Verlust-Pro le

12.5.1 UnbedingteTermingeschäfte

12.5.1.1 Forwards/Futures
Unbedingte Termingeschäfte stellen eine vertragliche Vereinbarung zum Kauf oder Ver- kauf
eines bestimmten Basiswerts zu einem späteren Zeitpunkt, aber zu einem heute ver-einbarten
Preis (der Terminpreis), dar. Im Gegensatz zu einem bedingten Termingeschäft ist keine
Optionsprämie bei Vertragsabschluss gefordert, sodasssich der Gewinn/Verlust beiFälligkeit
des Termingeschäfts aus der Differenz zwischen dem Kassapreis des Ba- siswerts und dem
Terminpreis ergibt. Daher ist das Gewinn- und Verlustprofil eines unbe- dingten
Termingeschäfts symmetrisch. Die zwei möglichen Grundpositionen bestehen aus einer Long-
und Short-Position. Eine Long-Position verkörpert eine Kaufverpflichtung, während eine
Short-Position eine Verkaufsverpflichtung darstellt. Überschreitet zum Fäl- ligkeitszeitpunkt
des Termingeschäfts der Kassapreis den Terminpreis, resultieren daraus ein Gewinn für die
Long-Position und ein Verlu st für die Short-Position. Die Vertrags- partei mit der
Kaufverpflichtung hat einen Gewinn erzielt, weil sie den Basiswert im Vergleich zum
vorherrschenden Kassapreis günstiger erwerben kann. Demgegenüber er- leidet die Partei mit
der Verkaufsverpflichtung einen Verlust. Sie muss den Basiswert zu einem Preis verkaufen, der
unterhalb des Kassapreises liegt. Würde sie den Basiswert di- rekt über den Kassamarkt anstatt
über den Termin markt veräußern, wäre der Verkaufserlös größer. Unterschreitet hingegen am
Fälligkeitstag des Termingeschäfts der Kassapreis denTerminpreis des Basiswerts,entsteht bei
derLong-PositioneinVerlust,währenddieShort-PositioneinenGewinnaufweist.DerVerlustd
er Long-Position ist darauf zurückzuführen, dass der Basiswert zu einem über demKassapreis
liegenden Terminpreis zu kaufen ist. Bei der Short-Position führt dies zu einem Gewi nn.
Grundsätzlich kann der Gewinn/Verlust eines Termingeschäfts zum Fälligkeits zeitpunkt wie
folgtermitteltwerden:

Gewinn/Verlust der Long-Position D ST  F0 ;


(12.1)
Gewinn/Verlust der Short-Position D  .ST  F0 /;

wobei:

ST D Kassapreis des Basiswerts am Ende der Laufzeit T des Termingeschäfts,


F0 D vereinbarterTerminpreiszuBeginnderLaufzeitdesTermingeschäfts.

Geht zum Beispiel ein Marktteilnehmer einen Long Forward auf die Aktie der
Daimler AG zu einem Terminpreis von EUR 86 ein und wird bei Fälligkeit des
Termingeschäfts die Automobilaktie zu einem Kurs von EUR 90 gehandelt,
resultiert daraus ein Gewinn vonEUR4(
D EUR  EUR 86).LiegtderAktienpreishingegenbeiEUR82,ergibt90
sich ein Verlust von EUR 4 (D EUR 82  EUR 86). Bei einem Short Forward auf die
Daimler-Aktie fallen ein Verlust bei steigenden Kursen und ein Gewinn bei fallenden Prei-
sen an. Beträgt der Aktienkurs EUR 90, ist der Verlust EUR 4 [D .EUR 90  EUR 86/],
712 12 Finanzderivate:Grundlagen

(Gewinn/
Verlust)
Short Long
Forward/Future Forward/Future

0
(Forward/Future-Preis
bzw. Preis des Basis-
Forward/ werts zum Fälligkeits-
− Future-Preis zeitpunkt des Termin-
zu Beginn geschäfts)
der Laufzeit bzw.
bei Vertrags-
abschluss (F0)

Abb.12.5 Gewinn-Verlust-Profil von einem Long und Short Forward/Future

während bei einem Kurs von EUR 82 der Gewinn bei EUR 4 [D .EUR 82  EUR 86/]
zu liegen kommt. Abb. 12.5 zeigt das Gewinn-Verlust-Profil von einem Long und Short
Forward/Future.20

Beispiel
Absicherung einer Long-Aktienposition mit Forwards und Berechnung des Ge-
winns/VerlustszumFälligkeitszeitpunkteinesAktien-Forwards
Ein Investor besitzt 400 Aktien der Linde AG. Die Aktie wird am 3. Juli 2015 zu ei- nem Kurs
von EUR 172 gehandelt. Der Investor erwartet, dass der Kurs der Aktie fällt. Daher möchte er
das Aktienpreisänderungsrisiko mit einem 6-monatigen Forward- Kontrakt absichern. Der
ForwardweisteinenPreisvonEUR172,60auf.DerrisikoloseZinssatzliegtbei0,7%.

1. Ist eine Long- oder Short-Forward-Position erforderlich, um das Preisänderungsri- siko


derLinde-Aktiezueliminieren?
2. In 6 Monaten beträgt der Aktienkurs der Linde AG EUR 200. Wie hoch ist der Ge-
winn/VerlustausderAbsicherungsstrategie?
3. In 6 Monaten liegt der Kurs der Linde-Aktie bei EUR 134. Wie hoch ist der Ge-
winn/VerlustausderAbsicherungsstrategie?

20
Bei Futures fallen Zinsen beim Margin-Konto an, sodass der Gewinn-Verlust-Verlauf nicht linear
verläuft. Dies gilt insbesondere für Kontrakte mit einer längeren Laufzeit.
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 713

Lösungzu1
Damit das Preisänderungsrisiko der Aktie abgesichert werden kann, ist eine Short-
Forward-Position auf 400 Linde-Aktien notwendig. Bei einem Rückgang (Anstieg) des
Aktienkurses wird der Verlust (Gewinn) der Aktie durch den Gewinn (Verlust) des Short
Forwardsaufgefangen.

Lösungzu2
Der Gewinn der Long-Aktienposition beläuft sich auf EUR 11:200 [D 400.EUR 200
EUR 172/], während aus der Short-Forward-Position ein Verlust von EUR 10:960 re-
sultiert:

Verlust Short Forward D 400  .EUR 200  EUR 172;60/ D EUR 10:960:

Die Gesamtposition weist einen Gewinn von EUR 240 auf:

Gewinn Long-Aktien EUR 11:200


Verlust Short Forward  EUR 10:960
Nettogewinn der Gesamtposition D EUR 240

Der Gewinn aus der Absicherungsstrategie


 von EUR 240 entspricht einer annuali-
EUR 240 2
sierten Rendite von 0,7 % [D C 400EUR 172  1]undistsomitgleichhochwieder1
risikolose Zinssatz.

Lösungzu3
Bei der Long-Aktienposition entsteht ein Verlust von EUR 15:200 [D 400.EUR 134
EUR 172/]. Beim Short Forward hingegen fällt ein Gewinn von EUR 15:440 an:

Gewinn Short Forward D 400  .EUR 134  EUR 172;60/ D EUR 15:440:

Folglich ergibt sich bei der Gesamtposition ein Gewinn von EUR 240:

Verlust Long-Aktien  EUR 15:200


Gewinn Short Forward C EUR 15:440
Nettogewinn der Gesamtposition D EUR 240

SomitentsprichtdieannualisierteRenditederabgesichertenAktienpositionwieder-um
demrisikolosenZinssatzvon0,7%.Unabhängigdavon,umwievielderAktienkurssteigt
oderfällt,dieRenditeeinerAbsicherungsstrategiebestehendauseinemLong-Basiswertund
einemShortForward(bzw.Short-BasiswertundLongForward)wirdimmerderrisikolose
Zinssatzsein.MitForwards/FutureslässtsichdasPreisrisikodesBasiswertsneutralisieren.
714 12 Finanzderivate:Grundlagen

12.5.1.2 Swaps
Bei einem Swap handelt es sich um eine Verei nbarung zwischen zwei Parteien, die sich
verpflichten, eine Reihe von zukünftigenCashflows auszutauschen. Dabei werden teilwei- se
noch zu berechnende Cashflows an bestimmten Zeitpunkten in der Zukunft getauscht.
DemnachstellenSwapsunbedingteTermingeschäftedarundkönnenalseinPortfolio(odereine
Reihe) von Forwards betrachtet werden. In der Regel wird mindestens eine der beiden
auszutauschenden Cashflows zum Zahlungszeitpunkt neu festgelegt. Somit ver- pflichtet sich
eine Partei, eine Serie von Cas hflows der anderen Partei zu bezahlen, deren Höhe in der Zukunft
von einem zugrundeliegenden Referenzwert wie zum Beispiel einem Wechselkurs,
Aktienpreis oder Rohstoffpreis determiniert wird. Im Gegenzug verpflichtet sich die andere
Partei, eine Serie von Cashflows zu entrichten, die entweder durch einen noch in seiner Höhe zu
berechnendenzugrundelie genden Referenzwert oder durch einen festenTerminpreis gegeben
ist. Somit basieren Swaps auf variablenund festen Zahlungen. Grundsätzlich werden folgende
ArtenvonSwapsunterschieden:

 Zinssatzswaps,
 Währungsswaps,
 Equity Swaps,
 NonFinancialSwaps(z.B.CommoditySwaps,CreditDefaultSwapundTotalReturnSwap).

Bei den außerbörslich gehandelten Derivaten stellen Zinssatzswaps mit einem Marktan- teil
vonrund60%diewichtigsteProduktkategoriedar. 21
DanebenwerdenauchDerivate
aufSwapsgehandelt.BeieinemForward-ZinssatzswapbeginntderersteAustauschder
CashflowsamEndederLaufzeitdesForwards(inderRegelzwischen1Monatund2Jahren).Bei
SwaptionserwirbtmaneineOption,diedemInhaberdasRechteinräumt,ineinen
zugrundeliegendenSwapeinzutreten.NachfolgendwerdendieGewinn/Verlust-
BerechnungenvonZinssatzswaps,WährungsswapsundEquitySwapsvorgestellt.

Zinssatzswap
Bei einem Standard-Zinssatzswap tauschen be ide Vertragsparteien eine feste gegen ei- ne
variable Zinszahlung in der gleichen Währung. Die Quotierung des Swaps erfolgt durch den
Zinssatz der festen Seite, der über die gesamte Laufzeit unverändert bleibt, oder durch einen
Spread zur aktuellen Rendite von Staatspapieren. Der variable Zinssatz, der sich auf einen
Referenzzinssatz bezieht, wird ohne Auf-/Abschlag in die Berechnun- gen einbezogen. Die
festen Zinszahlungen erfolgen gewöhnlich halbjährlich (GBP, USD, JPY) oder jährlich (EUR,
CHF). Demgegenüber wird der variable Zinssatz viertel- oder halbjährlich bezahlt, wobei
andere Zahlungsintervalle auch möglich sind. Wenn beide Zinszahlungen in der gleichen
Währung und zum gleichen Zeitpunkt anfallen, werden sie gegenseitig verrechnet, sodass die
periodische Nettozinszahlungvon derjenigen Par-tei jeweils geleistet wird, deren Zinszahlung
höherist.Beträgtbeispielsweisediefeste

21
Vgl. Abschn. 12.3.1 .
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 715

Zinszahlung EUR 20:000 und die variable Verpflichtung EUR 21:000, überweist lediglich
die Partei mit der höheren variablen Zinsverpflichtung der Gegenpartei einen Nettobetrag
von EUR 1000. Die Partei mit dem festen Zinssatz wird als Payer bezeichnet, während die Partei
mit dem variablen Zinssatz, die gleichzeitig die Empfängerin des festen Zins- satzes ist, als
Receiver bekannt ist. Demnach beziehen sich die Bezeichnungen Payer und Receiver auf die
festen Zinszahlungen. Bei einem Basis-Swap hingegen werden ledig- lich variable
Zinszahlungen (z. B. EURIBOR gegen EONIA) ausgetauscht, die sich auf ein
Geldmarktgeschäftstützen.SomitwerdendieBasen(alsodieDifferenz)dervariablenZinssätze
gehandelt.BeimAbschlusseinesZinssatzswapssinddiefolgendenParameterfestzulegen:

 VariablerZinssatz(z.B.LIBOR,EURIBORoderEONIA),fester
 Zinssatz(Swapsatz),
 Laufzeit des Swaps bzw. Endfälligkeit,
 Nominalbetrag zur Zinsberechnung (wird nicht getauscht),
 Dauer der jeweiligen Zinsperioden für den festen und variablen Zinssatz (vierteljähr- lich,
halbjährlichoderjährlich),
 Zinsfixing-Tag (der Zinssatz für eine Zinsperiode wird üblicherweise zu Beginn der Periode
festgesetzt,undzwarinderRegel2GeschäftstagevorBeginnderZinsperi-ode),

 Zahlungsfälligkeit (die Zinszahlungen e rfolgen am Ende jeder Zinsperiode),


 Starttag bzw. Valuta (an diesem Tag beginnt die Zinsberechnung für den Swap; in der Regel 2
GeschäftstagenachdemHandelstag,andemderSwapabgeschlossenwurde)und

 Day-Count-Konventionen basierend auf d en Usancen des jeweiligen Finanzmarktes


(die gängigen Marktkonventionen sind: 30 / 360 Tage, tagesgenau / 360 Tage, tages- genau /
365Tageundtagesgenau/tagesgenau) 22
.

In einem Swap-Rahmenvertrag werden sämtliche relevanten Aspekte festgelegt. Infol- ge des


starken Wachstums von Swaps hat in de n letzten Jahren eine Standardisierung der Verträge
stattgefunden, was deren rechtliche Durchsetzbarkeit gewährleistet. Bei in- ternationalen
Vertragsparteien wird der ISDA-Swap-Vertrag eingesetzt, der von der In- ternational Swap
DealerAssociation(ISDA)entwickeltwurde.
23
Handelt es sich bei
einem Swapabschluss ausschließlich um deutsche Vertragsparteien, kann der sogenannte
Deutsche-Rahmen-Vertrag verwendet werde n, der vom Bundesverband deutscher Banken
erstelltwurde.
DieZinssatzswapsbasierendaufdemLIBOR-SatzweisensehrlangeLaufzeitenvon1bis30
Jahreauf.DieLIBOR-ZinssätzegibtesfürinsgesamtfünfWährungen(USD,

22
Vgl.Abschn.8.8.6.3.DieDay-Count-Konventiontagesgenau/360wirdimGeldmarktz.B.des
EuroraumesundderSchweizverwendet.DieMethodetagesgenau/tagesgenauwirdimKapital-
markt und bei Anleihen z. B. des Euroraumes und der Schweiz angewandt. 23
Vgl. Abschn. 14.5.5 .
716 12 Finanzderivate:Grundlagen

EUR, CHF, GBP und YEN) und für sieben verschiedene Laufzeiten von 1 Tag bis zu 1 Jahr. Beim
LIBOR-Satz handelt es sich um einen Durchschnittszinssatz für kurzfris- tige unbesicherte
Interbankenkredite. Damit der Durchschn ittszinssatz bzw. der LIBOR für verschiedene
Währungen und Fälligkeiten ermittelt werden kann, melden mehrere ausgewählte
Panel-Banken,zuwelchemZinssatzsiedasGeldanandereKreditinstituteleihenkönnen.

24
DemnachbasiertderLIBOR-SatzaufAngabenüberMarktbeobachtun-gen
undnichtauftatsächlichenUmsätzenwieetwabeimEONIA-Satz.DieDay-Count-Konvention
fürdenSwapsatz(alsofesterZinssatz)erfolgtüblicherweiseaufgrundderUsancenim
entsprechendenKapitalmarktundliegtbeitagesgenau/365Tage(oderauchbei30Tage/360
Tage).DemgegenüberwirddervariableLIBOR-Satz(auchEURIBORundEONIA)mitden
KonventionendesGeldmarktes–alsotagesgenau/360Tage–ermit-telt.Somitsinddie
Day-Count-KonventionenfürdenSwapsatzunddenvariablenZinssatzunterschiedlich.Die
folgendenFormelnzeigendieBerechnungderfestenundvariablenZinszahlungenamEndederj
eweiligenZinsperiode:

 
t
Zinsen feste Seite D NB  SS  ;
365 Tage
  (12.2)
t
Zinsen variable Seite D NB  VS  ;
360 Tage

wobei:

NB D Nominalbetrag des Swaps,


SS D Swapsatz,
VS D variabler Zinssatz,
t D Tage der Zinsperiode.

ZumBeispielliegteinZinssatzswapmiteinerLaufzeitvon10JahrenundeinemNomi-nalbetrag
von EUR 10 Mio. vor, bei dem alle 6 Monate der halbjährliche LIBOR-Satz gegen den
10-jährigen Swapsatz ausgetauscht wird. Am 7. Juli 2015 beläuft sich der halb- jährliche
LIBOR-Satz für den Euro auf 0,057 %, während der 10-jährige Swapsatz für den Euro 1,07 %
beträgt. Fallen die nächsten Zinszahlungen in 184 Tagen an, lassen sich diese gemäß ( 12.2 ) wie
folgtermitteln:

 
184 Tage
Zinsen feste Seite D EUR 10:000:000  0;0107 
365 Tage
D EUR 53:939;73;
 
184 Tage
Zinsen variable Seite D EUR 10:000:000  0;00057 
360 Tage
D EUR 2913;33:

24
Vgl. Abschn. 8.8.4.1 .
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 717

Da die Zinszahlungen am gleichen Termin fällig sind, werden sie verrechnet, sodass der Payer
demReceiverEUR 51:026;40 (D EUR 53:939;73  EUR 2913;33) zu bezahlen hat.
Am Ende dieser Zinsperiode wird der neue halbjährliche LIBOR-Satz festgelegt, der nach
einem halben Jahr wiederum mit dem Swaps atz von 1,07 % verrechnet und ausbezahlt wird.
DieseZinszahlungenfindenwährenddernächsten10Jahrehalbjährlichstatt,wobeidervariable
Zinssatz jeweils neu festgelegt wird, während der feste Zinssatz – also der Swapsatz –
unverändertbleibt.ÜbersteigendievariablenZinssätzedenSwapsatzinderZukunft,erfolgtdie
NettozinszahlungvomReceiverzumPayer.

InderPraxisisteseherunwahrscheinlich,dasszweiUnternehmenzurgleichenZeitein
FinanzinstitutfüreinenSwapangehenundanschließendindiegenauentgegengesetz-ten
Swap-Positioneneintreten.DahersindvielegrößereFinanzinstitutealsMarketMakertätigund
schließendenSwapmitdemUnternehmendirektalsGegenparteiab.DasvondenMarket
MakerneingegangeneMarktrisikowirdüblicherweisemitAnleihenodermitanderen
DerivatenwieetwaForwardRateAgreementsundZins-Futuresabgesichert.DerSwapsatz
wirdvondenFinanzinstitutenzueinemGeld-undBriefkurs(Ankaufs-undVer-kaufskurs)
angeboten,wobeidieGeld-Brief-SpanneinderRegelbei3bis4Basispunktenliegt.Dermittlere
SwapsatzergibtsichalsDurchschnittswertderGeld-undBriefsätze.SindzumBeispielder
Geld-Swapsatz2,54%undderBrief-Swapsatz2,58%,resultiertdarauseinmittlererSwapsatz
von2,56%[

.D 2;54 % C 2;58 %/=2]. Marktteilnehmer


schließen mit einem Finanzinstitut einen Pa yer Swap zum Briefsatz und einen Receiver
Swap zum Geldsatz ab. Der Handel findet in der Regel über elektronische Handelsplatt- formen
statt. 25

Währungsswap
Bei einem Währungsswap werden die Nominalbeträge in unterschiedlichen Währungen zum
geltenden Wechselkurs ausgetauscht, wobei eine Verpflichtung besteht, die erhalte- nen
Nominalbeträge in der entsprechenden Währung am Ende der Laufzeit des Swaps wieder
zurückzutaus chen.Auf die zu Beginn der Laufzeit des Swaps erhaltenen Nomi- nalbeträge sind
feste und/oder variable Zinsen in der entsprechenden Währung zu be- zahlen. Einen
WährungsswapnenntmanauchZins-Währungsswap,weilzusätzlichzudenNominalbeträgen
auch Zinszahlungen getauscht werden. Von einem Fixed-to-Fixed- Währungsswap spricht
man, wenn die Zinszahlungen auf Basis von Swapsätzen in unter- schiedlichen Währungen
erfolgen. Bei einem Floating-to-Floating-Währungsswap hinge- gen werden variable
Zinszahlungen basierend auf einem Referenzzinssatz in den jeweili- gen Währungen
gewechselt.

NachfolgendwirddieFunktionsweiseeinesWährungsswapsillustriert.Dabeiwird
unterstellt,dassdasfiktivedeutscheUnternehmenGammaAGseineGeschäftsaktivitä-tenin
denUSAausweitenmöchte.HierzubenötigtdasUnternehmenUSD100Mio.Dadie
GeldaufnahmedurcheinefestverzinslicheAnleiheinUS-DollaraufdemKa-pitalmarktwegen
desgeringenBekanntheitsgradeszuteuerist,empfiehltdieDeutsche

25
Vgl. Abschn. 12.2 .
71 12 Finanzderivate:Grundlagen

A. Zu Beginn des Währungsswaps: Anfang Juli 2015

USD 100 Mio. EUR 90,827 Mio.

Gegenpartei Anleihe-
Gamma
Swap investoren

EUR 90,827 Mio.

B. Jährliche Zinszahlungen: jeweils Anfang Juli

EUR 971.849 EUR 2.089.021

Gegenpartei Anleihe-
Gamma
Swap investoren

USD 2,5 Mio.

C. Ende des Währungsswaps: Anfang Juli 2025

EUR 90,827 Mio. EUR 90,827 Mio.

Gegenpartei Anleihe-
Gamma
Swap investoren

USD 100 Mio.

Abb.12.6 Kombination von Anleiheemission und bilateral gehandelten Währungsswap

Bank AG einen Währungsswap mit einer Laufzeit von 10 Jahren. Anfang Juli 2015 be- läuft sich
der10-jährigeSwapsatzfürdenEuroauf1,07%undfürdenUS-Dollarauf2,5%.DieGammaAG
emittiert zuerst eine 10-jährige festverzinsliche Anleihe mit einem Nominalwert von EUR
90,827Mio.undeinemKuponsatzvon2,3%aufdemdeutschenKapitalmarkt.DerWechselkurs
liegt Anfang Juli 2015 bei USD 1,101 für EUR 1. Somit werden die EUR 90,827 Mio. aus der
AnleiheemissionmithilfedesSwapsinUSD100Mio.(

D EUR 90;827 Mio.  USD =EUR 1;101) getauscht. Auf die erhaltenen USD 100
Mio. muss Gamma eine jährliche Zinszahlung von USD 2,5 Mio. (D USD 100 Mio. 
) andieGegenparteidesSwapsleisten.ImGegenzugerhältGammaeinejährliche0;025
Zinszahlung von EUR 971:849 (D EUR 90:827:000  0;0107). Da die Zinszahlungen in
unterschiedlichen Währungen anfallen, werd en sie nicht gegenseitig verrechnet. Am Ende
der Swaplaufzeit – also in 10 Jahren – werden die Nominalbeträge von USD 100 Mio. und EUR
90,827 Mio. zurückgetauscht. Die Gamma AG wird den aus dem Swap erhaltenen Betrag von
EUR 90,827 Mio. verwenden, um die Anleihe zurückzuzahlen, die zum glei- chen Zeitpunkt
fällig wird. Abb. 12.6 zeigt die Geldflüsse der Anleiheemission kombiniert mit einem bilateral
gehandeltenWährungsswap.

DieDeutscheBankAGwirddenSwapentwederindieeigenenBüchernehmenoderals
Intermediärfungieren.DieseFinanzkonstruktionermöglichtderGammaAG,andiebenötigten
US-DollarheranzukommenundsodasGeschäftindenUSAaufzubauen.Diefestverzinsliche
AnleiheemissioninEurowurdedurchdenSwapineinefestver-
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 719

zinsliche Verpflichtung in US-Dollar umgewandelt. Andererseits hätte die Gamma AG anstatt


einer festverzinslichen eine variabel verzinsliche Anleihe auf dem deutschen Ka- pitalmarkt
emittieren können. Bezieht sich z um Beispiel der variable Kupon der Anleihe auf den
LIBOR-Satz, hätte man den Währung sswap mit variablen und festen Zinszah- lungen
ausgestalten können. Dabei bezahlt die Gegenpartei des Swaps den LIBOR-Satz in Euro,
während Gamma nach wie vor den festen Swapsatz in US-Dollar entrichtet. Die erhaltenen
LIBOR-ZahlungenausdemSwapkannGammaandieAnleiheinvestorenweiterreichen,sodass
die variable Anleiheverpflichtung in Euro in eine festverzinsliche Schuld in US-Dollar
transformiert worden wäre. Um die gewünschte Risikoexposition zu erreichen, stehen die
folgendenvierArtenvonWährungsswapszurVerfügung:

 Swapsatz in einer Währung gegen Swapsatz in einer anderen Währung,


 Swapsatz in einer Währung gegen variablen Referenzzinssatz in einer anderen Wäh- rung,

 variabler Referenzzinssatz in einer Währung gegen Swapsatz in einer anderen Währung


und
 variabler Referenzzinssatz in einer Währung gegen variablen Referenzzinssatz in einer
anderen Währung.

EquitySwap
Bei einem Equity Swap wird die Rendite einer Aktie oder eines Aktienindex gegen einen festen
oder variablen Zinssatz getauscht. Ein Equity Swap unterscheidet sich gegenüber einem
Zinssatz-undWährungsswapwiefolgt:

 Die Gegenpartei eines Equity Swaps kann z usätzlich zur Zinszahlung auch eine Zah- lung
bezogen auf eine Aktie oder einen Aktienindex tätigen, wenn deren Rendite ne- gativ ist. So
etwaverpflichtetsicheineVertragspartei,dieRenditeaufdenDAXzubezahlen,währenddie
anderePartei den S wapsatz entrichtet. FälltderDAXum 2%, muss die Vertragspartei mit der
festenZinszahlungauchdienegativeRenditedesDAXvon2%derGegenparteiüberweisen.
Somit muss die Partei, welche die Aktienindex- rendite erhält, sowohl eine Zinszahlung als
aucheineAktienzahlungleisten.

 DarüberhinausistdieZahlungbezogenaufdieAktieoderdenAktienindexlediglichamEnde
der Zahlungsperiode bekannt, weil erst zu diesem Zeitpunkt die Aktienren- dite feststeht.
Demgegenüber wird der variable Zinssatz (wie auch der Swapsatz) zu Beginn der
Zinsperiode festgelegt und an deren Ende ausbezahlt. Folglich kennt man die variable
ZinszahlungbereitsvordemEndederPeriode.

 DieRenditeeinerAktieodereinesAktienindexbeinhaltetüblicherweiseeineDivi-dendewie
auch einen Kapitalgewinn/-verlu st. Letzterer ist bei einem Zinssatz- und Währungsswap
nicht Bestandteil der Cash flows. Bei einem Total Return Swap hin- gegen wird die
Gesamtrendite einer Anleihe – also Kupon plus Kapitalgewinn bzw. abzüglich
Kapitalverlust–gegeneinenfestenodervariablenZinssatzgewechselt.Da-
720 12 Finanzderivate:Grundlagen

bei handelt es sich um ein Kreditderivat, da d er Kapitalgewinn/-verlust unter anderem auf


BonitätsveränderungendesEmittentenzurückzuführenist.

Gewöhnlich werden Equity Swaps bei der Steuerung von Portfoliorisiken im Rahmen der
Vermögensverwaltung eingesetzt. So zum Beispiel besitzt eine Vermögensverwaltungs-
gesellschaft ein gut diversifiziertes Portfolio bestehend aus DAX-Aktien. Der Marktwert des
Aktienportfolios beträgt EUR 80 Mio. Da die Gesellschaft gemäß ihren Prognosen da- von
ausgeht, dass der deutsche Aktienmarkt im nächsten Jahr einen deutlichen Rückgang erfahren
wird, möchte sie die Aktienposition in eine feste Zinssatzposition umwandeln. Die
Vermögensverwaltungsgesellschaftentscheidet,einenEquitySwapmiteinemNo-minalbetrag
von EUR 80 Mio. und einer Laufzeit von 1 Jahr einzugehen. Sie bezahlt vierteljährlich die
DAX-Rendite und erhält im Gegenzug alle 3 Monate den Swapsatz. Mit der Investmentbankder
UBS AG als Gegenpartei des Swaps wird vereinbart, dass die vierteljährlichen Nettozahlungen
jeweilsamletztenHandelstagderMonateMärz,Juni,SeptemberundDezemberzuleistensind.De
rSwapsatzbeträgt1,5%.DieDay-Count-Konventionisttagesgenau/tagesgenau,wobei1Jahraus
365 Tagen besteht. Es sind 90 Tage zwischen 31. Dezember und 31. März, 91 Tage zwischen 31.
März und 30. Juni, 92 Tage zwischen 30. Juni und 30. September und 92 Tage zwischen 30.
September und 31. Dezember. Während der Laufzeit des Equity Swaps hat der DAX-Stand
folgendeWerteundRenditenerreicht:

Datum DAX-Stand DAX-Rendite


31. Dezember 10.800
31. März 10.400 10:400=10:800  1 D 3;70 %
30. Juni 10.200 10:200=10:400  1 D 1;92 %
30. September 10.600 10:600=10:200  1 D 3;92 %
31. Dezember 10.000 10:000=10:600  1 D 5;66 %

AmEndedererstenZahlungsperiode–alsoam31.März–erhältdieVermögensver-
waltungsgesellschaftvonderGegenparteidesSwapseinerseitsdenSwapsatzvon1,5%und
andererseitsdienegativeDAX-Renditevon3,7%,waszufolgenderGutschriftführt:

 
90 Tage
EUR 80:000:000  0;015   .0;037  EUR 80:000:000/
365 Tage
D EUR 3:255:890;41:

Die Nettozahlungen an den nächsten drei Terminen lauten aus der Sicht der Vermögens-
verwaltungsgesellschaftwiefolgt:
30. Juni: Gutschrift
 
91 Tage
D EUR 80:000:000  0;015   .0;0192  EUR 80:000:000/
365 Tage
D EUR 1:835:178;08;
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 721

30. September: Belastung


 
92 Tage
D EUR 80:000:000  0;015   .0;0392  EUR 80:000:000/
365 Tage
D EUR 2:833:534;25;

31. Dezember: Gutschrift


 
92 Tage
D EUR 80:000:000  0;015   .0;0566  EUR 80:000:000/
365 Tage
D EUR 4:830:465;75:

Abb. 12.7 zeigt die Umwandlung der Risikoexpos ition des Aktienportf olios mithilfe des
bilateral gehandelten Equity Swaps (also ohne zentrales Clearing) zu einer festverzinsli- chen
Anlage. Wie gut dies gelingt, hängt davon ab, wie stark die Renditen zwischen dem
Aktienportfolio und dem DAX korrelieren. Mit dem Equity Swap kann das Aktienportfo- lio
auch in eine variable Zinsposition transformiert werden. Dabei wird die DAX-Rendite gegen
einenvariablenReferenzzinssatzwieetwaLIBORoderEURIBORgetauscht.Auchdenkbarist,
dass das Portfolio bestehend aus DAX-Aktien (große Marktkapitalisierung) in eine
Risikoexposition von Aktien mittlerer Marktkapitalisierung umgewandelt wird. Hierzu kann
dieDAX-RenditegegendieMDAX-Renditegewechseltwerden.

EquitySwapskönnenaucheingesetztwerden,umeinkonzentriertesPortfoliobeste-hend
auswenigenAktienineindiversifiziertesPortfolioumzuwandeln.DabeiwirdeinSwap
vereinbart,beidemdieRenditedesAktienportfoliosgegendieRenditeeinesgut

Swapsatz von 1,5 %

Investment Bank der Vermögensverwaltungs-


UBS AG gesellschaft

DAX-Rendite

Dividenden und
Kapitalgewinn/
-verlust

diversifiziertes
Portfolio bestehend
aus DAX- Aktien

Abb.12.7 Umwandlung des Aktienportfolios mithilfe eines bilateral gehandelten Equity Swaps in
eine festverzinsliche Position
722 12 Finanzderivate:Grundlagen

diversifizierten Aktienindex periodisch getauscht wird. Auf diese Weise lässt sich das Portfolio
diversifizieren,ohneneueAktienhinzukaufenzumüssen.Darüberhinauskön-nenEquitySwaps
füreinevorübergehendeÄnderungderAsset-Allokationverwendetwerden.
26

12.5.2 Optionen

12.5.2.1 Grundlagen
Mit einer Long-Option besitzt man das Recht, während der Laufzeit (amerikanische Op- tion)
oder am Ende der Laufzeit (europäische Option) einen Basiswert zu kaufen (Call) oder zu
verkaufen (Put). Demgegenüber verkörpert eine Short-Option die Verpflichtung, den
Basiswertzuverkaufen(Call)oderzukaufen(Put).AufVerlangendesKäufersistderVerkäufer
(Stillhalter) verpflichtet,den Bas iswert gemäß den vereinbarten Konditionenbei einemCall zu
liefern oder bei einem Put entgegenzunehmen. Für diese Verpflichtung erhält der Stillhalter bei
Abschluss des Geschäft s eine nicht rückerstattungsfähige Prämie, die sogenannte
Optionsprämie. Abb. 12.8 zeigt die vier möglichen Positionen, welche die Vertragsparteien
eingehen können. Sie setzen sich aus je zwei Long- und Short-Positionen für eine Kauf- und
Verkaufsoptionzusammen.

DieMoneynessvonOptionenbeschreibtdieBeziehungzwischendemBasiswertpreisund
demAusübungspreis.DabeiwirdzwischenOptionenunterschieden,dieimGeld,amGeldund
ausdemGeldsind.EineCall-OptionistimGeld,wennderBasiswertpreisüberdem
Ausübungspreisliegtundessichsomitlohnt,denCallauszuüben(ohneEinbezugvon
Transaktionskosten).EinePut-OptionhingegenistimGeld,wennderBasiswertpreisden
Ausübungspreisunterschreitet.IneinemsolchenPreisszenarioistdieAusübungdesPutsohne
BerücksichtigungvonTransaktionskostenvorteilhalft.BeiOptionenamGeldentsprichtder
PreisdesBasiswertsdemAusübungspreis.AmGeldliegendeCall-undPut-Optionenwerden
nichtausgeübt,daTransaktionskostenimmerzueinemVerlustführen.BeieinerausdemGeld
liegendenCall-Option(Put-Option)unterschreitet(überschreitet)derBasiswertpreisden
Ausübungspreis.AusdemGeldliegendeOptionenwerdennichtausgeübt,dabeieinemCall
(Put)derBasiswertgünstiger(teurer)aufdemKassamarktgekauft(verkauft)werdenkann.

DiewichtigsteEigenschafteinerOptionstelltdieAsymmetrieihrerAuszahlungendar.Wenn
beiFälligkeiteinerLong-Call-AktienoptionderAktienpreisdenAusübungspreis
unterschreitet,resultiertdarauseinVerlustinderHöhederbezahltenOptionsprämie.Ineinem
solchenSzenariowirddieCall-Optionnichtausgeübt,damandieAktiegünstigeraufdemMarkt
erwerbenkann.DerVerlustverringertsich,wennderBasiswertpreisdenAusübungspreis
überschreitet.IndiesemFallwirddieKaufoptionimmerausgeübt(oh-neBerücksichtigungvon
Transaktionskosten).IndieGewinnzonegelangtman,wennderBasiswertpreisummehralsdie
bezahlteOptionsprämieüberdemAusübungspreisliegt.

26
Vgl. Abschn. 14.4.2 .
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 723

Kontraktposition Long-Option Short-Option


Der Käufer der Der Verkäufer der
Option bezahlt die Option erhält die
Options- prämie und Optionsprämie und
erhält dafür ein hat dafür eine
aktives passive
Optionsart Entscheidungsrecht. Verpflichtung.

Call Der Käufer einer Der Verkäufer einer


(Kaufoption) Kaufoption besitzt Kaufoption (Still-
das Recht auf Bezug halter) hat die
des Basiswerts. Pflicht, den
Basiswert zu liefern.

Put Der Käufer einer Der Verkäufer einer


Verkaufsoption Verkaufsoption
(Verkaufsoption) verfügt über das (Still- halter) hat die
Recht auf Pflicht, den
Abgabe des Basiswert ent-
Basiswerts. gegenzunehmen.

Abb.12.8 Positionen in Optionsgeschäften

Dabei ist das Gewinnpotential unbeschränkt, da für den Aktienkurs keine Obergrenze existiert,
während der Verlust auf die b ezahlte Optionsprämie limitiert ist. Die Short- Call-Option
hingegen besitzt den entgegengesetzten Gewinn-Verlust-Verlauf. Liegt der Aktienkurs
unterhalb des Ausübungspreises, wird die Call-Option nicht ausgeübt, sodass der Gewinn der
erhaltenen Optionsprämie entspricht, die somit den maximal möglichen Gewinn darstellt.
Überschreitet hingegen der Aktienkurs den Ausübungspreis, wird der Call ausgeübt und der
Gewinn/Verlust entspricht dem Verlust aus der Differenz zwischen dem Aktienpreis und dem
Ausübungspreis reduziert um die erhaltene Optionsprämie. Da für die Aktie keine
Preisobergrenze besteht, ist der maximal mögliche Verlust unbegrenzt. Der Gewinn/Verlust
vonLong-undShort-Call-Optionenlässtsichwiefolgtberechnen:

Gewinn/Verlust Long Call D Max .0; ST  X/  c0 ;


(12.3)
Gewinn/Verlust Short Call D Max .0; ST  X/ C c0 ;

wobei:

ST D Preis des Basiswerts am Ende der Optionslaufzeit T (bzw. zum Ausübungszeit-


punkt),
X D Ausübungspreis,
c0 D Prämie (Preis) der Call-Option.

Eine Long-Put-Option bzw. Verkaufsoption wird nur dann ausgeübt, wenn der Aktien- preis
unterdemAusübungspreiszuliegenkommt.JegrößerdieDifferenzzwischendem
724 12 Finanzderivate:Grundlagen

Ausübungspreis und dem Basiswertpreis ist, desto höher ist der Gewinn. Allerdings kann der
Aktienpreis nicht unter null fallen, sodass der maximal mögliche Gewinn durch den
Ausübungspreis abzüglich der bezahlten Optionsprämie gegeben ist.Überschreitet hinge- gen
derBasiswertpreisdenAusübungspreis,wirddieVerkaufsoptionnichtausgeübt,weildieAktie
auf dem Markt zu einem höheren Preis als über die Option (zum Ausübungs- preis) verkauft
werden kann. Der Verlust is t demzufolge auf die bezahlte Optionsprämie beschränkt. Bei einer
Short-Put-OptionergibtsicheinVerlust,wennderAktienpreisun-terdenAusübungspreisfällt,
da die Aktie zu einem über dem Marktwert liegenden Preis (dem Ausübungspreis) gekauft
werden muss. Der Gewinn/Verlust entspricht dem Verlust aus der Differenz zwischen dem
AusübungspreisunddemAktienkursreduziertumdieer-halteneOptionsprämie.Überschreitet
der Aktienpreis den Ausübungspreis, wird der Put nicht ausgeübt. In diesem Fall resultiert ein
Gewinn, der sich aus der erhaltenen Options- prämie zusammensetzt, der gleichzeitig den
maximalmöglichenGewinndarstellt.DerGewinn/VerlustvonLong-undShort-Put-Optionen
kannfolgendermaßenermitteltwer-den:

Gewinn/Verlust Long Put D Max .0; X  ST /  p0 ;


(12.4)
Gewinn/Verlust Short Put D Max .0; X  ST / C p0 ;
wobei:

p0 D Prämie (Preis) der Put-Option.

Abb. 12.9 zeigt das Gewinn-Verlust-Profil von Long-/Short-Call- und Put-Optionen am


Fälligkeitstag. Bei im Geld liegenden Call- und Put-Optionen ergeben sich bei Ausübung
AuszahlungenvonS
T X respektive von X  ST. Um den Gewinn/Verlust der Options-
positionen zu berechnen, sind die bezahlten bzw . erhaltenen Optionsprämien mit einzu-
beziehen (siehe ( 12.3 ) und ( 12.4 )). Die Gewinnschwelle (Breakeven) ist beim Long Call
erreicht, wenn der Aktienkurs um den Betrag der bezahlten Optionsprämie über dem Aus-
übungspreis liegt. Demnach muss zunächst di e bezahlte Optionsprämie getilgt sein, bevor ein
Gewinn erzielt werden kann. Bei einem S hort Call beginnt der Verlust, wenn die er- haltene
Optionsprämienichtmehrausreicht,umdenVerlustderAuszahlung(S
T X) zu
decken. Somit besteht der Breakeven-Aktienpreis bei einem Long und Short Call aus dem
Ausübungspreisplusderbezahltenbzw.erhaltenenOptionsprämie:

Gewinnschwelle ST D X C c0 : (12.5)

Bei einem Long Put ergibt sich die Gewinnschwelle, wenn der Aktienkurs um den Betrag der
bezahlten Optionsprämie unter den Ausübungspreis fällt, sodass der Gewinn der Aus- zahlung
(X
 ST) durch die bezahlte Optionsprämie ne utralisiert wird. Bei einem Short
Put wird der Breakeven erreicht, wenn der Ak tienpreis um den Betrag der erhaltenen Op-
tionsprämie unter dem Ausübungspreis liegt. Der Verlust der Auszahlung (X  ST ) wird
durch die erhaltene Optionsprämie aufgefa ngen. Demnach ist der Breakeven-Aktienpreis
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 725

(Gewinn/ Long Call


Breakeven-
Verlust)
Aktienpreis
erhaltene +
Prämie
0
bezahlte − (Basiswertpreis)
Prämie
Ausübungspreis

Short Call
(Gewinn/ Long Put
Breakeven-
Verlust)
Aktienpreis
erhaltene +
Prämie
0
(Basiswertpreis)
bezahlte −
Prämie
Ausübungspreis

Short Put

Abb.12.9 Gewinn-/Verlustdiagramm von Long-/Short-Call- und Put-Optionen am Fälligkeitstag

bei einem Long und Short Put derselbe und lässt sich wie folgt berechnen:

Gewinnschwelle ST D X  p0 : (12.6)

Beispiel
Gewinn/Verlust-Berechnung einer Call-Option
EineeuropäischeCall-OptionmiteinemAusübungspreisvonEUR100wirdzuei-nem
PreisvonEUR7gehandelt.DiezugrundeliegendeAktieweisteinenPreisvonEUR98auf.Es
sinddiefolgendenFragenzubeantworten:

1. Wie hoch ist der Gewinn/Verlust der Long-Call-Option, wenn der Aktienkurs bei
Fälligkeit der Option entweder auf EUR 112 oder auf EUR 93 zu liegen kommt?
Wie hoch ist der Gewinn/Verlust der Short-Call-Option, wenn der Aktienkurs am
2. Fälligkeitstag der Option entweder EUR 112 oder EUR 93 beträgt?

3. WiehochistdermaximaleGewinnundVerlustfürdieLong-Call-Option?Wiehochist
4. derBreakeven-AktienpreisfürdieLong-undShort-Call-Option?

Lösungzu1
Bei einem Aktienkurs von EUR 112 endet die Call-Option im Geld und wird ausgeübt. Der
GewinnvonEUR5kannfürdieLong-Call-Optionwiefolgtbestimmtwerden:

Gewinn D Max .EUR 0; EUR 112  EUR 100/  EUR 7 D EUR 5:


726 12 Finanzderivate:Grundlagen

Bei einem Aktienkurs von EUR 93 ist die Option aus dem Geld. Der Verlust der Long-
Call-OptionvonEUR7entsprichtderbezahltenOptionsprämie:

Verlust D Max .EUR 0; EUR 93  EUR 100/  EUR 7 D EUR 7:

Folglich wird die Call-Option nicht ausgeübt und verfällt wertlos.

Lösungzu2
Bei einem Aktienkurs von EUR 112 endet die Call-Option im Geld und wird ausge- übt. Der
VerlustvonEUR5kannfürdieShort-Call-Optionfolgendermaßenermitteltwerden:

Verlust D Max .EUR 0; EUR 112  EUR 100/ C EUR 7 D EUR 5:

BeieinemAktienkursvonEUR93istdieOptionausdemGeldundwirdsomitnichtausgeübt,
waszueinemGewinnimUmfangdererhaltenenOptionsprämievonEUR7führt:

Gewinn D Max .EUR 0; EUR 93  EUR 100/ C EUR 7 D EUR 7:

Das Beispiel zeigt, dass es sich bei Optionen um ein Nullsummenspiel handelt. Der Gewinn
(Verlust) der einen Partei entspricht dem Verlust (Gewinn) der anderen Partei. Demzufolge
wird kein neues Geld geschaffen, sondern lediglich auf die Vertragspar- teien der Option
umverteilt.

Lösungzu3
Der maximale Gewinn der Long-Call-Option ist unbegrenzt, weil keine Obergrenze für den
Aktienkurs besteht. Demgegenüber ist de r Verlust auf die b ezahlte Optionsprämie
beschränkt.

Lösungzu4
Der Breakeven-Aktienpreis beträgt für die Long- und Short-Call-Optionsposition
EUR 107 und kann wie folgt bestimmt werden:

Breakeven-Aktienpreis D EUR 100 C EUR 7 D EUR 107:

Die Long-Call-Option wirft einen Gewinn ab, wenn der Aktienkurs die Gewinn- schwelle
von EUR 107 überschreitet. Bei einem Aktienkurs von EUR 107 resultiert ein
Gewinn/VerlustvonEUR0[
D Max .EUR 0; EUR 107  EUR 100/  EUR 7]. Die
Gewinnzone der Short-Call-Option fängt an, wenn der Aktienkurs den Betrag von
EUR107unterschreitet.BeieinemAktienkursvonEUR107liegtwedereinGewinnnochein
Verlustvor[ Max .EUR 0; EUR 107  EUR 100/ C EUR 7].
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 727

Tab.12.3fasstdieUnterschiedezwischendenunbedingtenundbedingtenTerminge-
schäftenaufAktienundAktienindizeshinsichtlichderRechteundPflichten,Verlustrisiko,
Gewinnpotential,AbsicherungvonRisikenundderPrämiezusammen.FürandereBasis-
wertewieetwaAnleihenoderZinssätzegeltendieinderTabelleaufgeführtenUnterschie-
de bezüglichdesVerlustrisikosundGewinnpotentialsnicht.SoistdasGewinnpotentialbei
einerAnleiheaufdenNominalwertplusdieSummederKuponsbeschränkt.Außer-dem
sindnegativeZinssätzemöglich,
27
während negative Aktienpreise nicht auftreten
können.
DasPreisänderungsrisikodesBasiswertslässtsichauchohnedessenVeräußerung
vermindern,indemeineCall-OptionverkauftodereinePut-Optiongekauftwird.ImFol-genden
werdendiebeidenRisikominderungsstrategien–CoveredCallundProtectivePut–vorgestellt.

12.5.2.2 Covered-Call-Strategie
Beim Covered Call handelt es sich um eine kons ervative Strategie. Sie besteht aus einem
Long-Basiswert und einer Short-Call-Option auf den Basiswert. Am Fälligkeitstag der Option
(oder bei Optionsausübung) setzt sich der Wert der Strategie aus dem Preis des Basiswerts und
demPreisderShort-Call-OptionvonMax
.0; ST  X/ (innerer Wert)28
zusammen:
VT D ST  Max .0; ST  X/ ; (12.7)
wobei:

VT D Wert der Covered-Call-Strategie zum Fälligkeitszeitpunkt der Call-Option.

Ist am Fälligkeitstag der Kaufoption der Basiswertpreis gleich oder kleiner als der Aus-
übungspreis,alsoS  X,verfälltdieCall-OptionwertlosundderWertderStrategieist T
durch den Basiswertpreis gegeben: VT D ST. Überschreitet hingegen der Basiswertpreis
den Ausübungspreis, also ST > X, endet die Call-Option im Geld und der Wert der Stra-
tegie setzt sich aus dem Basiswertpre is abzüglich des Call-Preises von S T  X zusammen:

VT D ST  .ST  X/ D X:

Damit eine Covered-Call-Strategie umgeset zt werden kann, ist der Basiswert zu kaufen und die
Call-Option zu verkaufen. Demnach ist man Long den Basiswert und Short die Call-Option,
sodassderWertderCovered-Call-StrategiezuBeginnwiefolgtbestimmtwerdenkann:

V0 D S0  c0 : (12.8)

27
Z. B. sind die EURIBOR-Sätze für Laufzeiten von 1 Monat und 3 Monaten am 10. Juli 2015 ne-
gativ. Der 1-monatige EURIBOR-Satz liegt bei 0;071 %, während der 3-monatige Satz 0;018 %
beträgt.
28
Für den inneren Wert von Optionen vgl. Abschn. 15.2 .
72 12 Finanzderivate:Grundlagen

Tab.12.3 Unterschiede zwischen unbedingten und bedingten Termingeschäften auf Aktien und
Aktienindizes
Unterscheidungs- Unbedingte Termingeschäfte auf Bedingte Termingeschäfte auf Akti-
merkmale Aktien/Aktienindizes en/Aktienindizes
Pflichte und Rechte Käufer und Verkäufer haben eine Käufer hat ein Kauf- oder
Kauf- bzw. Verkaufspflicht Verkaufs- recht, während der
Verkäufer eine Verkaufs- oder
Kaufpflicht besitzt (Call oder Put)

Verlustrisiko Das Verlustrisiko ist für den Käu- Das Verlustrisiko ist für den Käu-
fer auf den Terminpreis beschränkt, fer auf die bezahlte Optionsprämie
da der Aktienkurs nicht unter null begrenzt. Das Verlustrisiko ist beim
fallen kann. Beim Verkäufer ist das Verkäufer der Call-Option hingegen
Verlustrisiko unbegrenzt, da kei- unbegrenzt und beim Verkäufer der
Put-Option auf den Ausübungspreis
ne Obergrenze für den Aktienpreis abzüglich der erhaltenen
existiert Optionsprä- mie limitiert

Gewinnpotential Das Gewinnpotential ist für den Der Käufer der Call-Option hat ein
Käufer unbegrenzt. Für den Verkäu- unlimitiertes Gewinnpotential, wäh-
fer ist das Gewinnpotential auf den rend beim Käufer der Put-Option
Terminpreis limitiert, da der Aktien- das Gewinnpotential auf den Aus-
preis nicht unter null fallen kann übungspreis abzüglich der b
ezahlten Optionsprämie beschränkt
ist. Für den Verkäufer der Option ist
der Gewinn auf die erhaltene
Options- prämie begrenzt

Absicherung von Die Verlustrisiken einer Long- oder Mit Long-Put-Optionen lassen
Risiken Short-Aktienposition können mit sich die Verlustrisiken des Long-
einem Forward oder Future neu- Basiswerts begrenzen, während man
tralisiert werden. Die Rendite der nach wie vor am Gewinnpotential des
Absicherung entspricht dem risikolo- Basiswerts abzüglich der be- zahlten
sen Zinssatz Optionsprämie partizipieren kann
(Protective-Put-Strategie). Des
Weiteren können auch Call-Optionen
verkauft werden, um das Risikoprofil
des Basiswerts zu verringern. Da-

bei wird das Gewinnpotential des


Basiswerts aufgegeben (Covered-
Call-Strategie)
Prämie Keine Prämienzahlung Der Käufer bezahlt für das Kauf-
oder Verkaufsrecht (Call oder
Put) eine Prämie an den Verkäufer
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 729

Der Gewinn/Verlust der Strategie ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Wert zum
Fälligkeitszeitpunkt der Call-Option und dem W ert zu Beginn und kann folgendermaßen
ermitteltwerden:

Gewinn/Verlust D VT  V0 D ST  Max .0; ST  X/  .S0  c0 / : (12.9)

ZumBeispielkaufteinInvestoreineAktiezueinemPreisvonEUR100undverkauftgleichzeitig
eineCall-OptionmiteinemAusübungspreisvonEUR105undeinerLaufzeitvon1Jahrzueinem
Preis von EUR 10. Beläuft sich am Fälligkeitstag der Option in 1 Jahr der Aktienkurs auf EUR
115,resultiertausderCovered-Call-StrategieeinGewinnvonEUR15:
29

Gewinn D EUR 115  EUR 10  .EUR 100  EUR 10/ D EUR 15:

Liegt hingegen der Aktienkurs in 1 Jahr bei EUR 85, folgt ein Verlust von EUR 5:

Verlust D EUR 85  EUR 0  .EUR 100  EUR 10/ D EUR 5:

Abb. 12.10 gibt das Gewinn-/Verlustdiagramm der Covered-Call-Strategie am Fälligkeits- tag


derKaufoption wieder.Die Abbildung zeigt unter anderem, dass unabhängig von der Zunahme
des Aktienkurses der maximale Gewinn bei EUR 15 liegt. Ist der Aktien- kurs größer als der
Ausübungspreis,alsoS
> X,entstehteinWertderStrategievon T
X [D ST  Max .0; ST X/], und zwar unabhängig davon, wie hoch der Aktienkurs am
Fälligkeitstag der Option ist. Zieht man vom Wert X den Anfangswert der Strategie von
S0  c0 ab, erhält man die Formel für den maximal möglichen Gewinn:

Maximaler Gewinn D X  S0 C c0 : (12.10)

DermaximaleVerlustderCovered-Call-Strategieentsteht,wennderAktienpreisaufnullfällt.In
diesem Preisszenario beläuft sich der Wert der Strategie am Fälligkeitstag der Kaufoption auf
null.SubtrahiertmandavondenAnfangswertderStrategievonS
0  c0 ,
gelangt man zum maximal möglichen Verlust:

MaximalerVerlust D S0  c0 : (12.11)

Im Beispiel ist der maximale Verlust von EUR 90 durch den Kaufpreis der Aktie von EUR 100
abzüglich der erhaltenen Prämie aus dem Verkauf der Call-Option von EUR 10 gegeben. Der
Breakeven-Aktienpreis stellt die Gewinnschwelle der Strategie dar, bei der weder ein Gewinn
nocheinVerlustvorliegt.AndieserGewinnschwelleistdieCall-Option

29
Der Wert der Covered-Call-Strategie zum Fälligkeitszeitpunkt der Kaufoption liegt bei EUR 105
[D EUR  Max .EUR 0; EUR 115  EUR 105/].DerWertderStrategiezuBeginnhingegen115
beträgt EUR 90 ( EUR 100  EUR 10).DieDifferenzzwischendemWertderStrategieamFäl-D
ligkeitstag der Option von EUR 105 und dem Wert der Strategie zu Beginn von EUR 90 führt zum
Gewinn von EUR 15 (D EUR 105  EUR 90).
730 12 Finanzderivate:Grundlagen

(Gewinn/ 80
Verlust Long-Aktie
in EUR) 60

40 Short Call Covered Call

20

0
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200
–20 X (Aktienpreis
in EUR)
–40

–60

–80

–100

Abb.12.10 Gewinn-/Verlustdiagramm der Covered-Call-Strategie

aus dem Geld, sodass der Gewinn/Verlust der Covered-Call-Strategie anhand der folgen- den
Formelberechnetwerdenkann:

Gewinn/Verlust D ST  .S0  c0 / :

Setzt man diese Gleichung gleich 0 und löst sie nach ST auf, erhält man folgende Formel
für den Breakeven-Aktienpreis:

Gewinnschwelle ST D S0  c0 : (12.12)

Der Breakeven-Aktienpreis im Beispiel beträgt somit EUR 90 (D EUR 100  EUR 10).
Mit einer Covered-Call-Strategie lässt sich durch den Verkauf von Call-Optionen das
Risiko einer Long-Aktienposition reduziere n. Der Verlust auf der Aktienposition ver- mindert
sichumdieerhaltenePrämieausdemOptionsverkauf.ImGegenzugistdasGewinnpotentialder
Strategie begrenzt. Werden hingegen Call-Optionen ohne Aktiende- ckung verkauft, ist das
Verlustrisiko unbegrenzt, da der Kurs einer Aktie keine Obergrenze hat. Demgegenüber ist das
GewinnpotentialaufdieerhalteneOptionsprämiebeschränkt.
30

Mit einer Covered-Call-Strategie lässt sich die Rendite im Vergleich zu einer Long-
Aktienposition erhöhen, wenn der Aktienkurs nicht allzu stark steigt. Im Beispiel beträgt der
Aktienkurs EUR 100 und der Ausübungspreis der Call-Option ist EUR 105. Nimmt der
AktienkursetwaaufEUR105zu,realisiertmanmitderCovered-Call-StrategieeineRenditevon
16,67%(
D EUR EUR 90).FürdieRenditeberechnungistderGewinn15=

30
Vgl. Abschn. 12.5.2.1 .
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 731

der Strategie von EUR 15 durch deren Kosten von EUR 90 (D Kaufpreis der Aktie von
EUR 100 abzüglich der erhaltenen Optionsprämie von EUR 10) zu dividieren. Im Ver-
gleich dazu liegt die Rendite der Aktienposition lediglich bei 5 % (D EUR 5=EUR 100).
Somit lässt sich mit einem Covered Call eine höhere Rendite erzielen, wenn die Aktien-
preissteigerung nicht allzu stark ausfällt. Möchte man allerdings die gleiche Rendite mit einer
Long-Aktie erwirtschaften, ist ein Preisanstieg von 16,67 % notwendig, was auch in einem
Bullenmarkt eine starke Zunahme d es Aktienpreises darstellt. Die Renditebe- rechnungen
zeigen, dass Marktteilnehmer, die gedeckte Call-Optionen verkaufen, nicht regelmäßig auf
große Gewinne verzichten müssen, da große Aktienpreisbewegungen nicht die Regel sind.
Darüber hinaus reduziert sich mit einer Covered-Call-Strategie das Verlustpotential der
Long-AktieumdieerhalteneOptionsprämie.

Die Höhe des Ausübungspreises der Kaufoptionen spielt bei der Covered-Call-
StrategieeinewichtigeRolle.Dabeigilt,jehöher(niedriger)derAusübungspreisist,destohöher
(niedriger)fälltdermaximalmöglicheGewinnausunddestoniedriger(hö-her)istdieerhaltene
Optionsprämie. Eine eigentliche Entscheidungsregel gibt es nicht, sodass die Auswahl der
Call-OptionenvondenRisikopräferenzenderMarktteilnehmerabhängt.

Beispiel
Covered-Call-Strategie
Ein Portfoliomanager besitzt 10.000 Aktien der Linde AG, die am 21. Dezember 2015 zu
einem Preis von EUR 128,88 gehandelt werden. Um das Risiko der Aktienposition zu
reduzieren, verkauft er 10.000 europäische Call-Optionen mit einem Ausübungs- preis von
EUR140undeinerLaufzeitvon6MonatenzueinemPreisvonEUR5,11.

1. Wie hoch ist der Gewinn/Verlust der Covered-Call-Strategie, wenn der Kurs der
Linde-Aktie am Fälligkeitstag der Kaufoptionen EUR 145 respektive EUR 113 ist? Wie
hochsinddermaximaleGewinn,dermaximaleVerlustundderBreakeven-Aktienpreisder
2. Strategie?

Lösungzu1
DerWertderCovered-Call-StrategiezuBeginnbestehtausdemWertderAktienposi-tionvon
EUR 1:288:800 abzüglich der erhaltenen Optionsprämie von EUR 51:100:

V0 D EUR 1:288:800  EUR 51:100 D EUR 1:237:700:

Bei einem Kurs der Linde-Aktie von EUR 145 beläuft sich der Wert der Strategie auf EUR
1:400:000, was zu einem Gewinn von EUR 162:300 führt:

VT D EUR 1:450:000  Max .EUR 0; EUR 1:450:000  EUR 1:400:000/


D EUR 1:400:000;
Gewinn D VT  V0 D EUR 1:400:000  EUR 1:237:700 D EUR 162:300:
732 12 Finanzderivate:Grundlagen

Liegt der Kurs der Linde-Aktie in 6 Monate n bei EUR 113, resultiert daraus ein Wert der
StrategievonEUR 1:130:000 und ein Verlust von EUR 107:700:

VT D EUR 1:130:000  Max .EUR 0; EUR 1:130:000  EUR 1:400:000/


D EUR 1:130:000;
Verlust D VT  V0 D EUR 1:130:000  EUR 1:237:700 D EUR 107:700:

Ohne Verkauf der Call-Optionen wäre der Verlust EUR 158:800 (D EUR  1:130:000 durch di
EUR 1:288:800). Somit reduziert sich der Verlust von EUR 158:800
nahmen aus dem Verkauf der Call-Optionen auf EUR 107:700 (D EUR 158:800 
EUR 51:100).

Lösungzu2
Der maximale Gewinn, maximale Verlust und Breakeven-Aktienpreis der Covered-
Call-Strategiekönnenwiefolgtermitteltwerden:

Maximaler Gewinn D X  S0 C c0
D EUR 1:400:000  EUR 1:288:800 C EUR 51:100
D EUR 162:300;
maximaler Verlust D S0  c0
D EUR 1:288:800  EUR 51:100 D EUR 1:237:700;
Breakeven-Aktienpreis ST D S0  c0
D EUR 128;88  EUR 5;11 D EUR 123;77:

12.5.2.3 Protective-Put-Strategie
Beim Halten des Basiswerts ist man dem Preisänderungsrisiko ausgesetzt. Einen Schutz gegen
diese Verlustgefahr bietet eine Long-Put-Option, die ins Geld fällt, wenn der Ba- siswertpreis
den Ausübungspreis unterschreitet. Der Verlust aus dem Preisrückgang des Basiswerts wird
durch den Gewinn der Long-Put-Option aufgefangen. Allerdings ist für diesen Schutz eine
Optionsprämie zu bezahle n. Bei einer Preiszunahme des Basiswerts hingegen bleibt das
Gewinnpotential bestehen, das sich aber um die bezahlte Optionsprä- mie verringert. Im
Gegensatz dazu erhält man bei der Covered-Call-Strategie eine Prämie aus dem Verkauf der
Call-Option, gibt aberimGegenzug das Gewinnpotentialbeim Ba-siswert auf undreduziert das
VerlustpotentiallediglichumdieerhalteneOptionsprämie.

EineProtective-Put-StrategiebestehtausdemBasiswertundeinerLong-Put-Option.Der
WertderStrategieamFälligkeitstagderVerkaufsoptionkanndemnachwiefolgtbe-rechnet
werden:
VT D ST C Max .0; X  ST / : (12.13)
Überschreitet der Basiswertpreis den Ausübungspreis, also ST > X, endet die Put-Option
aus dem Geld. Der Wert der Strategie ist durch den Preis des Basiswerts ST gegeben.
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 733

Unterschreitet hingegen der Preis des Basiswerts den Ausübungspreis am Fälligkeitstag der
Verkaufsoption,alsoS < X, endet die Put-Option im Geld. Bei diesem Preisszenario
T
besteht der Wert der Strategie aus dem Basiswertpreis und dem Preis der Put-Option, also S
T C (X  ST), was einen Wert von X ergibt. Demnach kann der Put verwendet werden,
um den Basiswert zum Ausübungspreis X zu verkaufen.
Der Anfangswert der Strategie setzt sich aus dem Kauf des Basiswerts und der bezahl-
ten Prämie für die Put-Option zusammen:

V0 D S0 C p0 : (12.14)

Der Gewinn/Verlust der Protective-Put-Strategie lässt sich bestimmen, indem vom Wert zum
FälligkeitszeitpunktderVerkaufsoptionderAnfangswertderStrategieabgezogenwird:

Gewinn/Verlust D VT  V0 D ST C Max .0; X  ST /  .S0 C p0 / : (12.15)

Hält man beispielsweise eine Aktie, die zu einem Preis von EUR 100 gehandelt wird, und kauft
eine am Geld liegende Put-Option mit einer Laufzeit von 1 Jahr zu einem Preis von EUR 10,
resultiert daraus ein Anfangswert der Protective-Put-Strategie von EUR 110. Liegt am
FälligkeitstagderVerkaufsoptionderAktienpreisbeiEUR80,endetdieOptionimGeldund der
WertderStrategiebeläuftsichaufEUR100[
D EUR 80 C .EUR 100 
EUR 80/]. Der Verlust auf der Aktie von EUR 20 wird durch den Gewinn bei Ausübung
der Verkaufsoption von EUR 20 wettgemacht. Dennoch folgt aus der Strategie ein Ver- lust, da
eineOptionsprämiefürdiePreisabsicherungvonEUR10bezahltwurde.DieserVerlustvonEUR
10 lässt sich aus der Differenz zwischen dem Endwert von EUR 100 und dem Anfangswert der
Strategie von EUR 110 bestimmen. Es spielt keine Rolle, wie weit der Aktienkurs unter den
Ausübungspreisfällt,dermaximaleVerlustderProtective-Put-StrategieistimBeispielaufEUR
10 beschränkt. Überschreitet hingegen am Fälligkeitstag der Option der Aktienpreis den
Ausübungspreis,alsoS

T > X, endet die Verkaufsopti-


on aus dem Geld. Der Gewinn/Verlust setzt sich aus dem Endwert der Strategie von ST
abzüglich des Anfangswerts von S0 C p0 zusammen. Somit reduziert sich das Gewinn-
potential der Long-Aktie, also ST  S0, um die bezahlte Optionsprämie von p .Mite0iner
Protective-Put-Strategie profitiertman immernoch vomGewinnpotentialderAktie,das
allerdings durch die bezahlte Optionsprämie re duziert wird, und setzt gleichzeitig eine
Verlustgrenze. Folglich funktioniert die Strategie wie eine Versicherungslösung. Tritt ein
Schaden bzw. ein Verlust ein, wird dieser durch eine Ausgleichszahlung der Versiche-
rungsgesellschaft gedeckt. Entsteht während der Vertragsdauer kein Schaden, ist lediglichdie
Versicherungsprämie zu leisten. Abb. 12.11 zeigt das Gewinn-/Verlustdiagramm der
Protective-Put-Strategie.
31
Dabei weist die Aktie zu Beginn der Strategie einen Kurs von

31
Die Gewinn-Verlust-Linie der Protective-Put-Strategie gleicht derjenigen einer Long-Call-
Option. Dies lässt sich mit der Put-Call-Parität erklären, bei der ein Protective Put gleich einem
Fiduciary Call ist. Letztere Position besteht au s einem Long Call und einer Kassaposition, die zum
risikolosenZinssatzangelegtwird.Vgl.Abschn. 15.4.
734 12 Finanzderivate:Grundlagen

(Gewinn/ 100
Verlust
80 Long-Aktie
in EUR)
Long Put
60

40
Protective Put
20

–20 50 100 150 200


X (Aktienpreis in EUR)
–40

–60

–80

–100

Abb.12.11 Gewinn-/Verlustdiagramm der Protective-Put-Strategie

EUR 100 auf, während die Put-Option mit einem Ausübungspreis von EUR 100 und einer
Laufzeitvon1JahreinenPreisvonEUR10besitzt.
Der maximal mögliche Gewinn der Protective-Put-Strategie ist unbeschränkt, weil der
Aktienkurs keine Obergrenze hat:

Maximaler Gewinn D 1: (12.16)

DemgegenüberbestehtdermaximalmöglicheVerlustausdenAnfangskostenderStrate-gievon
S C p0 abzüglichdeserhaltenenAusübungspreisesvonXausdemVerkaufder 0
Aktie durch die Put-Option:

Maximaler Verlust D S0 C p0  X: (12.17)

Im Beispiel ist somit der maximale Verlust auf EUR 10 ( D EUR 100 C EUR 10 
EUR 100) begrenzt. Beim Breakeven-Aktienpreis ist der Gewinn/Verlust am Fälligkeits-
tagderVerkaufsoptionEUR0.DieGewinnschwellewirderreicht,wenndiePut-Optionausdem
Geld endet, sodass die bezahlte Opti onsprämie durch den Gewinn aus dem Preis- anstieg der
Aktiewettgemachtwird.VerfälltdieOptionwertlos,ergibtsicheinGewinn/VerlustvonS

T  .S0 C p0 /. Wird diese Gleichung gleich 0 gesetzt und anschließend nach


ST aufgelöst, erhält man den Breakeven-Aktienpreis der Strategie:

Gewinnschwelle ST D S0 C p0 : (12.18)

Im Beispiel beträgt der Breakeven-Aktienpreis EUR 110 (D EUR 100 C EUR 10). Ei-
ne Protective-Put-Strategie erscheint auf d en ersten Blick attraktiv. Zum einen wird das
12.5 Gewinn-Verlust-Profile 735

VerlustpotentialbegrenztundzumanderennimmtmanamunbeschränktenGewinnpo-tentialdes
Basiswertsnachwievorteil.AllerdingszeigteinegenauereAnalyse,dassdieStrategierelativteuerist.So
stelltdermaximalmöglicheVerlustvonEUR
10 9;09 %
der Anfangskosten der Absicherungsstrategie von EUR 110 dar. Damit der Breakeven-
Aktienpreis erreicht wird, ist eine Zunahme des Aktienpreises von EUR 100 auf EUR 110 bzw.
von 10 % erforderlich, sodass für die Absicherung der Aktie ein Gewinnpotential von 10 %
aufgegeben werden muss. Diese Berechnungen zeigen, dass die Protective-Put- Strategie mit
Kostenverbundenist,dieineineAbsicherungsentscheidungeinzubeziehensind.

DieKostenderProtective-Put-StrategiewerdenunteranderemvomgewähltenAus-
übungspreisderVerkaufsoptionbzw.vonderMoneynessbeeinflusst.ImBeispielwurdedie
AbsicherungderLong-AktiemiteineramGeldliegendenPut-Optionumgesetzt.Wirdhingegen
eineimGeldliegendePut-OptionmiteinemhöherenAusübungspreisalsEUR100genommen,
istzwarderSchutzgegendasVerlustrisikogrößer,aberdieKostenderStrategiefallenhöheraus.
ImGegensatzdazusindderSchutzunddieKostenbeieinerausdemGeldliegendenPut-Option
niedriger.DemnachhängtdieAuswahlderVerkaufs-optionenfüreineProtective-Put-Strategie
vondenRisikopräferenzenderMarktteilnehmerab.

Beispiel
Protective-Put-Strategie
Ein Portfolio besteht aus 20.000 Aktien der Daimler AG, die am 23. Dezember 2015 zu einem
Preis von EUR 77,80 gehandelt werden. Um das Risiko der Aktienposition abzusichern,
werden 20.000 europäische Put-Optionen mit einem Ausübungspreis von EUR 80 und einer
Laufzeitvon6MonatenzueinemPreisvonEUR8,57gekauft.

1. Wie hoch ist der Gewinn/Verlust der Protective-Put-Strategie, wenn der Kurs der
Daimler-AktieamFälligkeitstagderVerkaufsoptionenEUR90respektiveEUR67ist?

2. WiehochsinddermaximaleGewinn,dermaximaleVerlustundderBreakeven-Aktienpreis
derStrategie?

Lösungzu1
Der Anfangswert der Strategie beträgt EUR 1:727:400 undsetztsichausderAkti-und
enposition von EUR 1:556:000 (D 20:000  EUR 77;80) denKostenausdem
Kauf der Put-Optionen von EUR 171:400 (D 20:000  EUR 8;57) zusammen. Bei
einemAktienkursamFälligkeitstagderPut-Optionenin6MonatenvonEUR90ergibtD
sich ein Wert der Strategie von EUR Max 1:800:000 [ 20:000  EUR 90 C 20:000 
.EUR 0; EUR 80  EUR 90/]. Wird vom Endwert der Anfangswert der Stra-
tegie abgezogen, erhält man einen Gewinn von EUR 72:600 (D EUR 1:800:000 
EUR 1:727:400).
736 12 Finanzderivate:Grundlagen

Bei einem Kurs der Automobilaktie von EUR 67 beläuft sich der Wert der Strate-
gie am Fälligkeitstag der Put-Optionen auf EUR 1:600:000 [D 20:000  EUR 67 C
20:000  Max .EUR 0; EUR 80  EUR 67/]. Somit liegt der Verlust bei EUR 127:400
(D EUR 1:600:000  EUR 1:727:400).

Lösungzu2
Der maximale Gewinn ist unbeschränkt, während der maximale Verlust von
EUR 127:400 wie folgt berechnet werden kann:

Maximaler Verlust D S0 C p0  X
D 20:000  .EUR 77;80 C EUR 8;57  EUR 80/
D EUR 127:400:

Der Breakeven-Aktienpreis beläuft sich auf EUR 86,37:

Gewinnschwelle ST D S0 C p0
D EUR 77;80 C EUR 8;57 D EUR 86;37:

12.6 DieTerminbörseEurex

12.6.1 EntstehungundOrganisationsstruktur

DieEurex(EuropeanExchange)isteinederweltweitgrößtenTerminbörsenfürDeri-vate.Sieist
1998 aus dem Zusammenschluss der DTB (Deutsche Terminbörse) und der SOFFEX (Swiss
Optionsand Financial Futures Exchange) entstanden. Sie gehört zu den ersten Institutionen, die
den Zugang zu den Derivatemärkten über eine elektronische Handels- und Clearing-Plattform
ermöglichten. Dabei erfolgt der Handel ausschließlich über Bildschirm-Terminals, was einen
standortunabhängigenHandelerlaubt.SämtlicheAufträge(Orders)undAngebote(Quotes)der
Marktteilnehmer werden elektronisch im zentralen Order-Buch der Eurex erfasst und
automatisch nach Preis und Eingabezeitpunkt aufgelistet. Mithilfe des zentralen Order-Buchs
können die von den Marktteilnehmern ein- gegebenen Aufträge gegeneinander ausgeführt
werden. Die dafür notwendige Liquidität wird bei Optionen und bestimmten
Futures-Kontrakten durch Market Maker gewährleis- tet, die laufend Quotes bereitstellen und
so die Preisfindung unterstützen. Im Jahre 2015 lag das Tagesvolumen bei durchschnittlich 7
Mio.gehandeltenKontraktenproTag,wasaufeinehoheLiquiditäthinweist.Ebensobestehtein
globalesDistributionsnetzwerk.AndieEurexsindmehrals400Institutionenaus32Ländernmit
über8000zugelassenenHändlernangebunden.

Bis2012gehörtedieEurexFrankfurtAGderEurexZürichAG,die100%derAk-tienanteile
hielt.DieEurexZürichAGwarzugleichenTeileneineTochtergesellschaft
12.6 DieTerminbörseEurex 737

der Deutschen Börse AG und der SIX Swiss Exchange. Tochtergesellschaften der Eurex
Frankfurt AG sind die Eurex Clearing AG, U. S. Exchange Holdings, Inc., Eurex Repo GmbH
und Eurex Bonds GmbH.Seit 2012 gehört die Eurex AGvollständig der Deut- schen Börse AG.
Die Eurex AG betreibt die Eu rex-Börsen, das Eurex-Clearing sowie die elektronischen
KommunikationsnetzwerkeEurexBondsundEurexRepo.

12.6.2 ÜberblicküberDerivateanderEurex

Die Produktpalette an der Eurex ist sehr umfangreich und umfasst ein breites Spek- trum
an Derivaten. Neben Finanzderivaten wie etwa Aktien-, Aktienindex-, Zins-,
Fremdwährungs-, Dividenden-, Volatilitäts- und ETFs-Derivaten werden auch Rohstoff-
derivate(FuturesundOptionenaufdemBloombergCommodityIndex SM
),Agrarderivate
(z.B.FuturesaufButterundMagermilchpulver),Gold-undSilberderivatesowieImmo-
bilienderivategehandelt. 32
Tab.12.4zeigtperJanuar2015einerepräsentativeAuswahl
der anderEurexgehandeltenDerivate.EinigederinderTabelleaufgeführtenDerivate
werdenimFolgendenbeschriebenundanhandvonBeispielenillustriert.
DieAktien-undAktienindexderivatebeziehensichaufeineVielzahlvonAktienund
Aktienindizes.DieErfüllungvonAktien-FutureserfolgtinderRegeldurchBarausgleich,
währendbeiAktienoptioneneinephysischeLieferungderzugrundeliegendenAktievor-
gesehenist.BeiAktienindexderivatenfindeteinBarausgleichstatt,dadieLieferungeinesIndex
nichtpraktikabelist.

DieseitJuni2008gehandeltenAktienindex-Dividendenderivatebeziehensichaufdie
DividendenkomponentederimIndexenthaltenenAktien.DieAktien-Dividenden-Futures
hingegenbasierenaufausgewähltenBlue-Chip-WertenderEurozone,Großbritanniens,der
SchweizundderUSA.DerKontraktwertumfasstdieDividendenzahlungenfürdie
Kontraktgrößevon1000Aktien.DieErfüllungderDividenden-Futures-Kontrakteerfolgt
durchBarausgleich.

DerHandelmitFuturesundOptionenaufbörsengehandelteIndexfondsanteile–Ex-change
TradedFunds(ETFs)–existiertseitNovember2002.DieKontraktgrößebe-stehtaus100
IndexfondsanteilendeszugrundeliegendenETFs.DieErfüllungderIn-dexfondsanteileerfolgt
physisch.BeiFuturesbetragendieLaufzeitenbiszu9Monaten,währenddieETFs-Optionen
einemaximaleLaufzeitvon24Monatenaufweisen.ETCs-Futuresund-Optionenstellen
DerivateaufExchangeTradedCommodities(ETCs)dar.AnderEurexwerdenFuturesund
OptionenaufETCsdesAnbietersETFSecuritiesgehan-delt.DerETCPhysicalGoldistmit
einemverwaltetenVermögenvonüberEUR4Mrd.einerderweltweitgrößtenETCs.Derzweite
ETCsbeziehtsichaufCrudeOil(Rohöl).DieKontraktgrößederETCs-Derivatesetztsichaus
100ETCs-Anleihenzusammen.DieErfüllungerfolgtphysisch.DieETCs-Futuresverfügen
übereineLaufzeitvonbiszu36Monaten.DemgegenüberbeträgtdiemaximaleLaufzeitder
ETCs-Optionen60Monate.

32
Vgl. Eurex 2015 : Produkte 2015, S. 5 ff.
73 12 Finanzderivate:Grundlagen

Tab.12.4 Derivatprodukte an der Eurex (Januar 2015) (Quelle: Eurex 2015 :Produkte 2015, S. 5 ff.)
Basiswerte Derivate
Aktien Futures Futures auf eine große Anzahl an Aktien der 19
STOXX Europe 600 Supersectors sowie auf ausge-
wählte brasilianische, kanadische, polnische, russische
und US-amerikanische Aktien

Optionen Optionen auf eine große Anzahl an Aktien der 19


STOXX Europe 600 Supersectors sowie auf
ausge- wählte russische Aktien
Low-Exercise-Price-Optionen (LEPOs) für jede han-
delbare Aktienoption
WeeklyOptionsaufdieAktienvonDaimler,DeutscheBank,
DeutscheTelekomundNokia
Aktienindizes Futures und Optionen DAX (Blue-Chip-Index), DivDAX (Dividendenindex),
auf Deutsche Indizes MDAX (Mid-Cap-Index) und TecDAX (Technologie-
index) der Deutschen Börse AG
Futures und Optio- SMI (Blue-Chip-Index), SMI Mid
nen auf Schweizer (Mid-Cap-Index), SLI Swiss Leader Index
Indizes (Blue-Chip-Index mit limi- tierter Titelgewichtung)
der SIX Swiss Exchange ATX (Blue-Chip-Index) und ATX five (bestehe
Futures und Optionen
auf österreichische aus den fünf höchstgewichteten Aktien des ATX) der
Indizes WienerBörseAG
Futures und Optionen EURO STOXX 50 Index, EURO STOXX 50 ex Fi-
auf EURO STOXX nancials Index, EURO STOXX Select Dividend 30
Index, EURO STOXX Index, EURO STOXX Large
Index, EURO STOXX Mid Index und EURO STOXX
Small Index

Futures und Optionen STOXX Europe 50 Index, STOXX Europe 600 Index,
auf STOXX STOXX Europe Large 200 Index, STOXX Europe Mid
200IndexundSTOXXEuropeSmall200Index
Futures und Optionen MSCI Europe Index, MSCI Europe Kursindex,
auf MSCI Indizes MSCI Europe Growth Index, MSCI Europe Value
Index, MSCIWorldIndexinUSDsowieinEUR
Weekly Options EURO STOXX 50, EURO STOXX Banks und DAX
Eurex/KRX-Link Daily Futures auf KOSPI 200-Optionen (weltweit
umsatzstärkste Optionskontrakte des koreanischen
Markts)
Eurex/TAIFEX-Link Daily Futures auf TAIEX-Futures und -Optionen der
Taiwan Futures Exchange
Fremdwährun- Futures und Optionen Futures und Optionen auf EUR/USD, EUR/CHF,
gen EUR/GBP, GBP/USD, GBP/CHF, USD/CHF

DieZinsderivatemachenrunddieHälftedesHandelsvolumensanderEurexausundstellen
somitdiewichtigsteProduktkategoriedar.DabeiwirdgrundsätzlichzwischenKapitalmarkt-
undGeldmarktproduktenunterschieden.DieDerivateaufdenKapital-
12.6 DieTerminbörseEurex 739

Tab.12.4 (Fortsetzung)
Basiswerte Derivate
Dividenden Futures Aktien-Dividenden-Futures auf ausgewählte Blue-
Chip-Werte der Eurozone, Großbritanniens, der
Schweiz und der USA Aktienindex-Dividenden-
Futures wie etwa auf EURO STOXX 50, EURO
STOXX Select Dividend 30, DAX-Kursindex,
DivDAX und SMI

Optionen Optionen auf EURO STOXX 50 Index-Dividenden-


Futures
Futures VSTOXX-Futures und EURO STOXX 50 Varianz-
Volatilität Futures (künftige durchschnittliche Kursschwankung
„Varianz“ des EURO STOXX 50 Index)
Aktienindex VSTOXX-Optionen
Optionen
ETF-Futures Futures auf iShares EURO STOXX 50, iShares DAX
Exchange Traded (DE)undiSharesSMI(CH)
Products ETF-Optionen Optionen z. B. auf Db x-trackers MSCI World TRN
ETF, iShares DAX (DE) ETF, iShares EURO
STOXX 50 ETF, CS ETF (CH) on SMI ETF
ETC-Futures Futures auf ETFS Physical Gold ETC, ETFS Crude
Oil ETC und Xetra-Gold ETC
ETC-Optionen Optionen auf ETFS Physical Gold ETC, ETFS Crude
Oil ETC und Xetra-Gold ETC
Futures Futures auf Bloomberg Commodity Index und wei-
Rohstoffe tere Commodity Subindizes von Bloomberg (z. B.
Agriculture, Industrial Metals und Petroleum), Eur-
ex European Processing Potato Index, Eurex Piglet
Index, Eurex Hog Index, Eurex Butter-Index,
Eurex Magermilchpulver-Index, European Whey
Powder Index, Gold und Silber

Optionen Optionen auf Bloomberg Commodity Index, Gold und


Silber
Immobilien Futures Futures z. B. auf IPD UK Annual All Property Index und
IPDUKAnnualAllRetailIndex
Fixed Income Futures z. B. Euro-Schatz-Futures,Euro-Bobl-Futures,Euro-
Zinsen Bund-Futures,Euro-Buxl-Futures,Euro-OAT-Futures
undCONF-Futures
Optionen auf Fixed Optionen auf Euro-Schatz-Futures, Euro-Bobl-
Income Futures Futures, Euro-Bund-Futures und Euro-OAT-Futures
Futures auf Zins- 2-jährige Euro-Swap-Futures, 5-jährige Euro-Swap-
satzswaps Futures, 10-jährige Euro-Swap-Futures und 30-jährige
Euro-Swap-Futures
Geldmarkt-Futures 1-Monats-EONIA-Futures, 3-Monats-EURIBOR-
Futures
Geldmarkt-Optionen Optionen auf 3-Monats-EURIBOR-Futures und 1-
bis 4-jährige Mid-Curve-Optionen auf 3-Monats-
EURIBOR-Futures
740 12 Finanzderivate:Grundlagen

marktprodukten (Fixed Income) basieren auf fik tiven kurzfristigen, mittelfristigen oder
langfristigen Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland, der Republik
Italien, der Republik Frankreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Die Euro-
Schatz-, Euro-Bobl-, Euro-Bund- und EUR-Buxl-Futures beziehen sich auf Deutsche
Staatsanleihen. Demgegenüber basieren die CONF-Futures auf Schuldverschreibungen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft. Der Kontraktwert beläuft sich für die deut- schen Fixed
IncomeFuturesaufEUR
100:000 respektive für die CONF-Futures auf
CHF 100:000: Bei Fälligkeit des Futures findet eine physische Lieferung des Basis-
werts statt. Die Laufzeiten betragen bis zu 9 Monaten. Die Geldmarktderivate weisen einen
Zinssatz als Basiswert auf. Der dem 1-Monats-EONIA-Future zugrundeliegende Zinssatz ist
derEuropeanOvernightIndexAverage(EONIA). 33
DerKontraktwertliegt
beiEUR1Mio.unddieErfüllungerfolgtdurcheinenBarausgleich.Beim3-Monats-
EURIBOR-FutureistderBasiswertderEuropeanInterbankOfferedRate(EURIBOR)für
Dreimonats-TermingelderinEuro.DerKontraktwertbeläuftsichaufEUR1Mio.undbei
FälligkeitdesFuturesfindeteinBarausgleichstatt.DieFuturesweiseneinemaximaleLaufzeit
von72Monatenauf.

12.6.3 Clearing-StelleundrisikobasiertesMargining-System

Die Eurex Clearing AG fungiert als zentrale Gegenpartei und gewährleistet die Erfüllung
sämtlicherFutures-undOptionstransaktionenanderEurexExchange(EurexFrankfurtAGund
EurexZürichAG)sowieanderEurexBondsundEurexRepo. 34
Kommtein
GeschäftandiesenMärktenzustande,sostehtdieEurexClearingAGalsKontrahentzwi-schen
KäuferundVerkäufer.AufdieseWeiseermöglichtdieClearing-Stelle,dassdiebeiden
Vertragsparteien(alsoKäuferundVerkäufer)ihreAnlageentscheidungenunab-hängig
voneinandertätigenunddasKreditrisikoaufeineeinzelneVertragsparteilimitiertwird.Damit
sichdieEurexAGgegendasAusfallrisikoeinerdirektenVertragsparteischützenkann,werden
lediglichsolcheKreditinstitutealsMitgliederbzw.direkteKontra-hentenzugelassen,diehohen
Bonitätsanforderungengenügen.

35
Darüberhinauswerden
vondenMitgliedernSicherheitsleistungen(Margins)beimEingehenundHalteneinerPo-sition
verlangt.
DiezumClearing-ProzessanderEurexzugelassenenFinanzhäusersetzensichentwe-deraus
GeneralClearingMembers(GCM),DirectClearingMembers(DCM)oderausNonClearing
Members(NCM)zusammen.DieArtderClearing-Mitgliedschaftbein-haltetunterschiedliche
AnforderungenundAufgaben.GCMhandelnundwickelndas

33
Vgl. Abschn. 8.8.4.1 .
34
DesWeiterengewährleistetdieEurexClearingAGalszentralerKontrahentdieErfüllungvon
GeschäftenderEurexOTCClear,Eurex/KRX-Link,EuropeanEnergyExchange,FWBFrankfurter
Wertpapierbörse(XetraundParketthandel)undderIrishStockExchange.
35
Für die Anforderungen zur Teilnahme am Handel und Clearing vgl. Eurex 2003 : Clearing Risk
Based Margining, S. 5 ff.
12.6 DieTerminbörseEurex 741

General
Eurex Direct Clearing
Clearing
Clearing AG Member DCM
Member GCM
Margin Margin

Margin Margin

Konzern-
Non Clearing gesellschaft
Kunde Non Clearing Kunde
Member NCM
Member NCM

Margin Margin

Kunde Kunde

Abb.12.12 Clearing-System der Eurex (Quelle: In Anlehnung an Eurex 2003 : Clearing Risk Based
Margining, S. 8)

Clearing ihrer eigenen Transaktionen und dasjenige der eigenen Kunden sowie der Markt-
teilnehmer ohne Clearing-Lizenz (also mit NCM-Status) ab. Das Clearing umfasst das
Bereitstellen der Margins, die Garantie und die Durchführung der Lieferung bei allen Aus-
übungen und Zuteilungen, die Z ahlung und die Entgegennahm e sämtlicher Prämien sowie die
Überweisung der Transaktionsentgelte. Hierzu müssen die GCM ein Konto bei der
Eurex-Clearing-Stelle unterhalten. DCM haben die gleichen Abwicklungsaufgaben wie
GCM, dürfen aber nur das Clearing von eigene n Transaktionen, Kundentransaktionen und
Transkationen von Konzerngesellschaften ohne Clearing-Lizenz durchführen. Besitzt ein
Marktteilnehmer keine Clearing-Lizenz (also NCM), sind die Transaktionen über einen GCM
oder eine Konzerngesellschaft mit DCM-St atus abzuwickeln. Somit sind sie nicht direkt
Gegenpartei der Eurex Clearing AG. Abb. 12.12 visualisiert das Clearing-System an der Eurex,
wobeiauchdiezuerbringendenSicherheitsleistungen(Margins)eingetragensind.

FürdasEröffnenundHalteneinerDerivatepositionmüssendiedirektenVertragspartei-en
(alsoGCMundDCM)eineSicherheitsleistungbeiderEurexClearingAGhinterlegen.Die
Clearing-Mitgliedersindverpflichtet,fürihreKundenundNonClearingMembersei-ne
Marginzuverlangen,diemindestenssohochistwiedieeigenebeiderEurex-Clearing-Stellezu
hinterlegendeSicherheitsleistung.DieBerechnungderSicherheits-Marginer-folgtbeider
EurexmiteinemrisikobasiertenMargining-System,wobeieinhöheres(nied-rigeres)Risikozu
einerhöheren(niedrigeren)Marginführt.DabeiwirddieMarginaufderBasisvonaktuellen
Marktpreisen(zuTagesendwerten)undzukünftigenPreisrisi-
742 12 Finanzderivate:Grundlagen

ken ermittelt, sodass die hinterlegte Sicherheitsleistung genügend hoch ist, um mögliche
Verluste bis zur Margin-Festlegung des Folgetages zu absorbieren. Somit reflektiert die
Sicherheitsleistung die Kosten, die im ungünstigsten Fall für die Glattstellung einer De-
rivatepositionamEndedesnächstenTages–alsozumNeuberechnungszeitpunktderMargin–zu
leisten wäre. Um die zu erwartende Preisbewegung zu eruieren, wird die historische Volatilität
des Basiswerts mit bestimmten Risikofaktoren angepasst. So lassen sich minimale und
maximale Preisschwankungen des Basiswerts bestimmen, mit denen die Tiefst- und
HöchstpreisederentsprechendenDerivatekontrakteberechnetwerden.

12.6.4 MarginsfürOptionen

Für Optionen auf Kassainstrumente (z. B. auf Aktien und Aktienindizes) sind eine Premi- um
MarginundeineAdditionalMarginerforderlich:

MarginOptionen auf Kassinstrumente D Premium Margin C Additional Margin: (12.19)

Eine Premium Margin ist lediglich vom Verkäufer ungedeckter Optionen zu hinterle- gen und
spiegeltdenpotentiellenVerlustbeieinerAusübungderOptionamjeweiligenBörsentag wider.
Wird eine Option ausgeübt, so wird einVerkäufer der entsprechenden Option aufgrund eines
Zufallsprozesses ausgewählt. Dieses Zufallsauswahlverfahren wird an der Eurex
„Assignment“ genannt. Die Kosten einer ungedeckten Short-Call-Position (ohne
Berücksichtigung der erhaltenen Optionsprämie) entsprechen demnach dem Kauf des
zugrundeliegenden Basiswerts (z. B.Aktien) abzüglich des Ausübungspreises. Folg- lich muss
der Optionsverkäufer zu Beginn eine Sicherheit hinterlegen, die zumindest die erhaltene
Optionsprämie widerspiegelt. Da die Premium Margin jeweils am Ende des Handelstages
berechnetwird,ist der entsprechende Abrechnungspreis derOption zu leis-ten.Die Höhe dieser
Sicherheitsleistung wird kontinuierlich angepasst. Dabei werden Verluste über einen
Börsentag abgedeckt (24 Stunden vom gestrigen auf den heutigen Tagesendwert). Eine höhere
(niedrigere) Vo latilität hat einen höheren (niedrigeren) Op- tionspreis bzw. Premium Margin
zur Folge. D ie theoretischen Wert e für amerikanische Optionen werden an der Eurex anhand
eines binomialen Optionspreismodells festgelegt. Der Käufer einer Option hingegen braucht
keine Premium Margin zu leisten, weil er nicht mehr als die bereits bezahlte Optionsprämie
verlieren kann. Ebenfalls ist bei einer ge- deckten Short-Option keine Premium Margin zu
bezahlen, da die Risikoposition mit den zugrundeliegenden Aktien gedeckt ist, die bei einer
etwaigen Optionsausübung geliefert werden können. Werden beispielsweise 100
Daimler-Aktien in einem Depot zugunsten der Eurex Clearing AG hinterlegt, ist bei einer
Short-Call-Option auf die Automobilak- tie keine Marge zu leisten. Erfolgt anstatt einer
physischen Lieferung des Basiswerts ein Barausgleich bei Optionsausübung (z. B. bei einer
Aktienindexoption), ist infolge der un- gedeckten Risikoposition eine Premium Margin
notwendig.
12.6 DieTerminbörseEurex 743

BeiOptionenaufFuturesistkeinePremiumMarginzuhinterlegen,sondernesisteine
VariationMargin–gleichwiebeiFutures–vorgesehen.SomitsetztsichdieMarginausder
VariationMarginundderAdditionalMarginzusammen:

MarginOptionen auf Futures D Variation Margin C Additional Margin: (12.20)

BeiderVariationMarginhandeltessichnichtumeineeigentlicheSicherheitsleistungwiebeider
Premium Margin. Vielmehr stellt sie einen täglichen Gewinn-Verlust-Ausgleich dar. Die
PositionenwerdenamEndedesHandelstagesjeweilsneubewertet.DerGe-winn/Verlustergibt
sich aus der Differenz zwischen dem Tagese ndwert des Vortages und des darauf folgenden
Handelstages. Er wird mit einer täglichen Ausgleichszahlung ver- rechnet. Dieser tägliche
Gewinn-Verlust-AusgleichistalsMarktoMarketbekannt.

SowohlOptionenaufKassainstrumentealsauchaufFutureserforderneineAdditional
Margin.Siedientdazu,potentielleVerlustebeieinerGlattstellungaufzufangen,diebiszumEnde
desnächstenHandelstagesanfallenkönnen.Dabeihandeltessichumeinenerwarteten
Worst-Case-Verlust.FürdieBerechnungdererwartetenKursschwankungenwirddie
historischeVolatilitätmitgewissenRisikofaktorenkorrigiert.DassogenannteMargin-Intervall
ergibtsichausdermaximalmöglichenKursveränderungdesBasiswerts(nachobenundnach
unten)biszurnächstenFestlegungderMargin.MitdemMargin-Intervalllassensichdemnachdie
Höchst-undTiefstpreisedesBasiswertseruieren,diefürdieOptionsbewertungunddiea
nschließendeFestlegungderAdditionalMarginrelevantsind.Abb. 12.13zeigtdas
Margining-SystemfürOptionenanderEurex.

SinddieOptionenweitausdemGeld,bestehtdieGefahr,dassdiemitdemOptions-
preismodellberechnetenPreisezuniedrigsind.DahererfolgtbeiweitausdemGeldliegenden
Short-OptioneneinezusätzlicheAnpassung,diedemRisikoRechnungträgt,dasseinehöhere
VolatilitätzugrößerenOptionspreisschwankungenführt.
36

Um die Funktionsweise des risikobasierten Margining-Systems zu illustrieren, wird ei-


ne am Geld liegende DAX-Call-Option mit Fälligkeit September 201537 (ODAXSep15)
undeinemAusübungspreisvon11.050Punktengenommen.DerDAX-Callwirdper30.Juni2015
durchdieEurexzueinemAbrechnungspreisvon534,10Punktengeführt.DerAbrechnungspreis
derOptionenwirdtäglichfestgelegt.DaessichbeiDAX-OptionenumeuropäischeOptionen
handelt,dielediglichamFälligkeitstagausgeübtwerdenkön-nen,wirdfürdie
OptionspreisberechnungeineVariantedesBlack/Scholes-Modells–das

36
FürdasShort-Option-Adjustment-Verfahrenvgl.Eurex 2003:ClearingRiskBasedMargining,23ff.
S.
37
DieLaufzeitenvonDAX-Optionenliegenbeimaximal60Monaten.DabeibestehenDAX-Optionenfür
diedreinächstenaufeinanderfolgendeKalendermonate,diedreidarauffolgenden
Quartalsmonate aus dem Zyklus März, Juni, September und Dezember sowie die darauffolgenden
Halbjahresmonateausdem ZyklusJuniundDezember.DieSchlussabrechnungerfolgtam drittenFreitag
des jeweiligen Fälligkeitsmonats. Ist dieser kein Börsentag, wird der davor liegende Börsen- tag als
Schlussabrechnungstagherangezogen.
744 12 Finanzderivate:Grundlagen

Optionen

Optionen auf Optionen auf


Kassainstrumente Futures

Premium Variation
Margin Additional Additional
Margin
(aktueller Margin (aktueller Margin
Verlust; nur (erwarteter Gewinn- (erwarteter
Worst-Case- Verlust- Worst-Case-
ungedeckte Ausgleich
Short- Verlust) Verlust)
)
Option)

Abb.12.13 Risikobasiertes Margining-System für Optionen an der Eurex (Quelle: In Anlehnung an


Eurex 2003 : Clearing Risk Based Margining, S. 21)

Black-76-Modell – verwendet.38 MultipliziertmandenAbrechnungspreismitdemKon-


traktwertvonEUR5proIndexpunkt,lässtsichderPremium-Margin-BetragamEndedes
Handelstages vom 30. Juni ermitteln:

Premium Margin D 534;10  EUR 5 D EUR 2670;50:

Die Premium Margin spiegelt den aktuellen Marktwert der Option am Ende des Han- delstages
wider. Dem Optionskäufer wird der Margin-Betrag gutgeschrieben, während der Verkäufer
diesen auf dem Margin-Konto e inzuzahlen hat. Am Ende jedes Handelsta- ges wird der
Marktwert der Option durch die Eurex neu berechnet, was einem täglichen
Gewinn-Verlust-Ausgleichgleichkommt.

DasMargin-IntervalldesDAXliegtgemäßEurexam30.Juni2015bei825,20Punk-ten,
sodassderDAXamEndedesnächstenHandelstages(alsoam1.Juli2015)ummaxi-mal825,20
Punktesteigtoderfällt. 39
DasführtzuDAX-WertenamEndedesFolgetagesvon
11.875,20und10.224,80Punkten.WirddasOptionspreismodellangewandt,ergebensichfür
diebeidenextremenBasiswertpreiseaufgrundvonangenommenenBewertungs-

38
DasBlack-76-ModellwirdvonFischerBlack(1976)imJournalofFinancialEconomicsbeschrie-ben.
DabeihandeltessichumeinOptionspreismodellfüreuropäischeRohstoffoptionen.Vgl.Black
1976 : The Pricing of Commodity Contracts, S. 167 ff. 39
Die jeweils gültigen Margin-Inte rvalle werden auf der Website der Eurex veröffentlicht. Vgl.
www.eurexchange.co m .
12.6 DieTerminbörseEurex 745

parametern Optionswerte von 213 und 1039 Punkten.40 Die Additional Margins für den
Käufer und den Verkäufer resultieren aus den berechneten Worst-Case-Optionspreisen
multipliziert mit dem Kontraktwert von EUR 5 pro Indexpunkt:

Additional Margin Käufer D 213  EUR 5 D EUR 1065;


Additional Margin Verkäufer D 1039  EUR 5 D EUR 5195:

DiePremiumundAdditionalMarginswerdenfürdenKäuferundVerkäufertäglichdurchdie
Eurexneufestgelegt.FürdenKäuferderOptionistdieAdditionalMarginim-merkleineralsdie
PremiumMargin,daderOptionspreisnichtunternullfallenkann.Daherkanndie
Gesamt-MarginfürdenKäuferniemalseinennegativenBetragaufwei-sen.Dermaximale
VerlustbetragistdurchdiebezahlteOptionsprämiegegeben.FolglichbestehtfürdenKäufer
keineüberdiegezahlteOptionsprämiehinausgehendeNachschuss-pflicht.Die
Gesamt-MargindesKäufersundVerkäufersbestehendausPremiumMarginundAdditional
Marginsindnachstehendaufgeführt.Dabeiführteinepositive(negative)Gesamt-Marginzu
einerGutschrift(Belastungbzw.Nachschusspflicht).

Käufer Verkäufer
Premium Margin CEUR 2670;50 Premium Margin EUR 2670;50
Additional Margin EUR 1065;00 Additional Margin EUR 5195;00
Gesamt-Margin EUR 1605;50 Gesamt-Margin EUR 7865;50

12.6.5 MarginsfürFutures

Bei Futures erfolgt am Ende jedes Handelstages ein täglicher Gewinn-Verlust-Ausgleich


(Mark to Market). Zusätzlich zur Variation Margin werden Additional und Spread Marg- ins
berechnet. Die Additional Margin fällt bei Non-Spread-Positionen an,während die niedrigere
Future Spread Margin für Spread-Positionen vorgesehen ist. Abb. 12.14 gibt einen Überblick
überdieverschiedenenMarginsbeiFutures.

BeimMark-to-Market-VerfahrenwirdjedeFuture-PositionamEndedesHandelsta-ges
zumvorliegendenAbrechnungspreisneubewertet.DertäglicheGewinn/Verlustwirdausder
DifferenzzwischendenAbrechnungspreisendesaktuellenHandelstagesunddesVortages
ermittelt.EinGewinnwirddemMargin-Kontogutgeschrieben,währendeinVer-lustdem
Kontobelastetwird.SofälltamletztenHandelstagvorFälligkeitdesFutureslediglichder
täglicheGewinn/VerlustanundnichtderGewinn/Verlustausdergesam-tenLaufzeitdes
Futures.DasfolgendeBeispielillustriertdieVariationMarginbeieiner
Long-DAX-Future-Position.

40
Für die Preisberechnung von Optionen vgl. Kap. 15 .
746 12 Finanzderivate:Grundlagen

Futures

Alle Futures- Non-Spread- Spread-Futures-


Positionen Futures-Positionen Positionen

Additional
Variation Spread
Margin
Margin Margin
(aktueller (erwarteter
(erwarteter
Gewinn- Worst-Case-
Verlust- Worst-Case-
Verlust bei
Ausgleich Verlust bei
Non
) Spreads)
Spreads)

Abb.12.14 Risikobasiertes Margining-System für Futures an der Eurex (Quelle: In Anlehnung an


Eurex 2003 : Clearing Risk Based Margining, S. 20 ff.)

Beispiel
Berechnung der Variation Margin bei einer Long-DAX-Future-Position
Am1.Juli2015gehteinMarktteilnehmer20Long-DAX-FuturesmitFälligkeitSep-tember
2015(FDAXSep15)zueinemPreisvon11.100,5Punktenein.AmEndedesHandelstages
beläuftsichderAbrechnungspreisauf11.176,5Punkte.AmEndedes2.und3.Julibetragen
dieentsprechendenAbrechnungspreise11.133respektive11.100Punkte.Der
KontraktwerteinesDAX-FuturesergibtsichausEUR25proIndexpunkt.Wiehochsinddie
VariationMarginsamEndederjeweiligenHandelstage(1.,2.undJuli)?

3.

Lösung
Die Variation Margins für die 3 Handelstage können wie folgt berechnet werden:

Handelstage Variation Margin


1. Juli 2015 20  .11:176;5  11:100;5/  EUR 25 D EUR 38:000
2. Juli 2015 20  .11:133;0  11:176;5/  EUR 25 D EUR 21:750
3. Juli 2015 20  .11:100;0  11:133;0/  EUR 25 D EUR 16:500

DieAdditionalMarginverkörpertdenWorst-Case-VerlustbeieinerGlattstellungdes
FuturesamEndedesnächstenHandelstages(gleichwiebeiOptionenundOptionenaufFutures).
BestehteinePositionausmehrerenFuturesmitgleicherLaufzeitundBasiswert,
12.6 DieTerminbörseEurex 747

können Long- und Short-Futures gegenseitig verrechnet werden. Infolge des Netting ist das
Preisrisiko eliminiert und eine Sicherheitsleistung in der Form einer Margin entfällt. Verfügen
die verrechneten Long- und Short-Futures mit gleichem Basiswert nicht über denselben
Fälligkeitsmonat, verbleibt ein Spread-Risiko, da aufgrund der unterschiedli- chen Laufzeiten
keine exakte Preiskorrelation besteht. Mit der Spread Margin wird dieses Risiko über den
nächstenHandelstaghinwegerfasst.

DieBerechnungderGesamt-MarginbestehendausderSpreadMarginundderAddi-tional
MarginwirdnachfolgendanhandvonDAX-Futuresdargelegt.EinMarktteilnehmerhältam1.
Juli2015diefolgendenDAX-Futures-Positionen:

DAX-Futures-Kontrakte Long-Position Short-Position


Fälligkeitsmonat September 2015 20 12
Fälligkeitsmonat Dezember 2015 8 12
Fälligkeitsmonat März 2016 10 13

Um die Spread Margin und die Additional Margin zu berechnen, sind die folgenden
Schritte erforderlich:

1. ZuerstsindsämtlicheLong-undShort-FuturesmitgleichemFälligkeitsmonatmitein-ander
zu verrechnen. Das führt zu Netto-Long- und/oder Netto-Short- Positionen für die einzelnen
Fälligkeitsmonate.
2. Danach wird überprüft, ob mit den Long- und Short-Futures, die unterschiedliche Fäl-
ligkeitsmonate aufweisen, Spreads gebildet werden können. Liegen etwaige Spreads vor,
wirddieSpreadMarginbestimmt.
3. Für die verbleibenden Non-Spread-Futures-Positionen ist die Additional Margin zu er-
mitteln.

DieentsprechendenRisikoparameterfürdieBerechnungderSpreadMarginundderAd-ditional
MarginwerdenvonderEurexaufihrerWebsiteveröffentlicht. 41
Die Verrechnung
und das Spreading der Futures-Kontrakte kann wie folgt durchgeführt werden:

Verrechnung von Futures-Kontrakten


Kontrakte Long-Position Short-Position Netto-Position
September 20 12 8 Long
Dezember 8 12  4 Short
März 10 13  3 Short

Spreading von Futures-Kontrakten


Kontrakte Sept./Dez.-Spread Sept./März -Spread Dez./März-Spread Verbleibende Non-
Spread-Positionen
September 4 Long 3 Long 1 Long
Dezember  4 Short 0
März  3 Short 0

41
Vgl. www.eurexchange.co m .
74 12 Finanzderivate:Grundlagen

Die Gesamt-Margin von EUR 23:815 kann anhand der Spread Margin und der Addi-
tional Marginal folgendermaßen berechnet werden:

Spread Margin
Spreads Spread-Position Spread-Margin-Satz Spread Margin
Sept./Dez.-Sread 4 EUR 455 EUR 1820
Sept./März-Spread 3 EUR 455 EUR 1365
Dez./März-Spread 0 EUR 455 EUR 0
Gesamt-Spread- Margin EUR 3185
Additional Margin
Non Spreads Non-Spread-Position Additional-Margin- Additional Margin
Satz
September 1 Long EUR 20:630 EUR 20:630
Dezember 0 EUR 20:630 EUR 0
März 0 EUR 20:630 EUR 0
Gesamt-Additional- Margin EUR 20:630
Gesamt-Margin EUR 23:815

BeiFutures-KontraktenmitphysischerLieferungdesBasiswerts(z.B.Euro-Bund-Futures
undCONF-Futures)wirdzwischenSpot-MonthSpreadMarginundBack-MonthSpread
Marginunterschieden.SolangederaktuelleFälligkeitsmonatdesFuture-Kontraktsnochnicht
erreichtwurde,wirddieSpreadMarginmitdemnormalenBack-Month-bestimmt.

Spread-Satz Sobald aber der Fälligkeitsmonat des Futures beginnt, wird


automatisch unterstellt, dass der Derivatek ontrakt über eine höhere Volatilität verfügt. 42
Daher wird die Spread Margin für alle Spread-Positionen mit einem höheren Spread-Satz
ermittelt. Das folgende Beispiel zeigt die Berechnung der Gesamt-Margin bei einem
Euro-Bund-Future(FixedIncomeFuture),derimGegensatzzumDAX-Futureeinephy-sische
Lieferung des Basiswerts vorsieht, sodass bei der Festlegung der Spread Margin ein etwaiger
Spot-Month-Spread-SatzzumTragenkommt.

42
VorderLieferungdesBasiswertsnimmtdieVolatilitätdesFutureszu.JenäherderFällig-keitsterminrückt,desto
mehrnimmtdiePreiskorrelationzwischenFuturesmitunterschiedlichen
Laufzeiten ab. Um diesem höheren Spread-Risiko Rechnung zu tragen, wendet die Eurex bei
Spread-PositionenimFälligkeitsmonateinenhöherenMargin-Satzan.
12.6 DieTerminbörseEurex 749

Beispiel
Berechnung der Margin bei Euro-Bund-Futures-Kontrakten
Ein Marktteilnehmer hält am 2. Juli 2015 di e folgenden Euro-Bund-Futures-Positio- nen:
43

Euro-Bund-Futures-Kontrakte Long-Position Short-Position


Fälligkeitsmonat September 2015 50 75
Fälligkeitsmonat Dezember 2015 70 10
Fälligkeitsmonat März 2016 10 40

Der Spread-Margin-Satz liegt bei EUR 223 (Back-Month-Spread-Satz), während


der Additional-Margin-Satz EUR 3020 beträgt.

1. WiehochistdieGesamt-MarginbestehendausSpreadundAdditionalMarginamJuli2015?
2.
2. Wie hoch ist die Gesamt-Margin bestehend aus Spread und Additional Margin am 1.
September2015,wennsichderSpot-Month-Spread-SatzaufEUR340beläuftunddieSätze
fürdieBack-MonthSpreadMarginundAdditionalMarginunverändertbleiben?

3. Es sind folgende Abrechnungspreise für den Euro-Bund-Future (FGBL) gegeben:

Abrechnungspreise am Ende des FGBL Sept. 2015 FGBL Dez. 2015 FGBL März 2016
Handelstages
2. Juli 2015 151,01 % 151,06 % 151,06 %
3. Juli 2015 151,80 % 151,85 % 151,85 %
Quelle: www.eurexchange.co m

Wie hoch ist die Variation Margin am 3. Juli 2015 für die Euro-Bund-Futures-
Positionen? (Der Kontraktwert eines Euro-Bund-Futures liegt bei EUR 100:000.)

43
DerBasiswertderEuro-Bund-FuturesbeziehtsichaufSchuldverschreibungenderBundesrepu-blik
DeutschlandmitLaufzeitenzwischen8,5und10,5Jahren.DasMindestemissionsvolumenliegt
bei EUR 5 Mrd. Der Kontraktwert beläuft sich auf EUR 100:000. DieLaufzeitensindbiszu9Mo-
natenbestehendausden3QuartalsmonatenausdemZyklusMärz,Juni,SeptemberundDezember.
DieVertragserfüllungerfolgtdurchphysischeLieferungdeszugrundeliegendenBasiswerts.DerLiefertag
istderzehnteKalendertagdesjeweiligenFälligkeitsmonats.
750 12 Finanzderivate:Grundlagen

Lösungzu1
Zuerst sind die Verrechnung und das Spreading der Euro-Bund-Futures-Kontrakte
durchzuführen:

Verrechnung von Euro-Bund-Futures-Kontrakten


Kontrakte Long-Position Short-Position Netto-Position
September 50 75  25 Short
Dezember 70 10 60 Long
März 10 40  30 Short

Spreading von Euro-Bund-Futures-Kontrakten


Kontrakte Sept./Dez.-Spread Sept./März-Spread Dez./März-Spread Verbleibende
Non-Spread-
Position
September  25 Short 0
Dezember 25 Long 30 Long 5 Long
März  30 Short 0

Die Gesamt-Margin von EUR 27:365 kann folgendermaßen berechnet werden:

Spread Margin
Spreads Spread-Position Spread-Margin- Spread Margin
Satz
Sept./Dez.-Spread 25 EUR 223 EUR 5575
Sept./März-Spread 0 EUR 223 EUR 0
Dez./März-Spread 30 EUR 223 EUR 6690
Gesamt-Spread- Margin EUR 12:265
Additional Margin
Non Spreads Non-Spread- Additional-Margin- Additional Margin
Position Satz
September 0 EUR 3020 EUR 0
Dezember 5 Long EUR 3020 EUR 15:100
März 0 EUR 3020 EUR 0
Gesamt-Additional- Margin EUR 15:100
Gesamt-Margin EUR 27:365

Lösungzu2
Zur Berechnung der Spread Margin ist für die September-Kontrakte der höhere Spot-
Month-Spread-Satz von EUR 340 zu verwenden, was zu einerhöheren Gesamt-Margin von
EUR
30:290 führt:
12.7 Leverage-Effekt 751

Spread Margin
Spreads Spread-Position Spread-Margin- Spread Margin
Satz
Sept./Dez.-Spread 25 EUR 340 EUR 8500
Sept./März-Spread 0 EUR 340 EUR 0
Dez./März-Spread 30 EUR 223 EUR 6690
Gesamt-Spread- Margin EUR 15:190
Additional Margin
Non Spreads Non-Spread- Additional-Margin- Additional Margin
Position Satz
September 0 EUR 3020 EUR 0
Dezember 5 Long EUR 3020 EUR 15:100
März 0 EUR 3020 EUR 0
Gesamt-Additional- Margin EUR 15:100
Gesamt-Margin EUR 30:290

Lösungzu3
Um die Variation Margin zu ermitteln, sind lediglich die Netto-Futures-Positionen zu
berücksichtigen, da sich Gewinne und Verluste bei Long- und Short-Futures mit glei- chem
Fälligkeitsmonatgegenseitigaufheben.

Kontrakte Variation Margin


September 25  .1;5180  1;5101/  EUR 100:000 D EUR 19:750
Dezember 60  .1;5185  1;5106/  EUR 100:000 D EUR 47:400
März 30  .1;5185  1;5106/  EUR 100:000 D EUR 23:700
Gesamt-Variation-Margin EUR 3950

12.7 Leverage-Effekt

Eine wichtige Eigenschaft von Derivaten stellt der Leverage-Effekt (Hebelwirkung) dar. Im
Vergleich zum zugrundeliegenden Basiswert ist mit einem Derivat ein viel kleine- rer
Geldbetrag erforderlich, um in dieRisikoposition des Referenzwerts einzutreten und demnach
an dessen Preisbewegungen teilzunehmen. So ist bei einem Future eine Sicher- heitsleistung
(Margin) zu hinterlegen oder bei einer Long-Option eine Prämiezu bezahlen, die verglichenmit
dem Kassapreis des Basiswerts viel niedriger ist. Das folgende Beispiel illustriert den
Leverage-EffektbeieinemSMI-Future.
44
Ein Marktteilnehmer geht am 10.

44
DerReferenzwertdesSMI-FuturesistderBlue-Chip-IndexderSIXSwissExchange,derdie20Aktien
mitdergrößtenMarktkapitalisierungumfasst.DieLaufzeitensindbiszu9Monatenbeste-
hend aus den 3 folgenden Quartalsmonaten aus dem Zyklus März, Juni, September und Dezember. Der
Schlussabrechnungstag ist der dritte Freitag des jeweiligen Fälligkeitsmonats, wobei am letzten
HandelstageinBarausgleichstattfindet(alsokeinephysischeLieferungdesBasiswerts).
752 12 Finanzderivate:Grundlagen

Juli 2015 einen Long-SMI-Future mit Fälligkeit September 2015 (FSMI Sep 15) zu einem Preis
von9103Punktenein.DerKontraktwertproIndexpunktliegtbeiCHF 10: An der
Eurex beträgt die dafür erforderliche Additional Margin (bzw. Initial Margin) CHF 6720:
Steigt der Future-Preis am Ende des nächsten Handelstages auf 9300 Punkte, resultiert daraus
einGewinnvonCHF1970[ D .9300  9103/  CHF 10]. Bezogen auf die hinter-
legte Margin von CHF 6720 ergibt sich für den Future eine tägliche Rendite von 29,32 %
(D CHF 1970=CHF 6720). Der SMI-Index hat am 10. Juli 2015 bei einem Stand von
9134 Punkten geschlossen. Wird davon aus gegangen, dass der SMI-Index am Ende des
nächsten Handelstages ebenfalls um 197 Punkte steigt, ist die Rendite lediglich 2,16 % (
D ).DemzufolgeverdientmanmitdemLong-Future-Kontraktrund13,6-mal
197=9134
mehr, wennderSMIum2,16%steigt.ImumgekehrtenFall–alsobeieinemRückgangdesSMIum
2,16%–verliertmanmitdemLong-Future13,6-malmehr. 45
Die Hebelwir-
kung lässt sich auch mit folgender Formel berechnen:

Kontraktwert der Future-Position


Leverage-Effekt D : (12.21)
eingesetztes Kapital

Werden in die oben stehende Formel für den Kontraktwert der Future-Position CHF 91:030
undfürdasinvestierteKapitaldieAdditionalMarginvonCHF6720eingesetzt,resultiertdaraus
einLeverage-Effektvonrund13,6( D CHF 91:030=CHF 6720). Der Handel mit
Derivaten bietet nicht nur große Gewinnmöglichkeiten, sondern auch große Verlustrisi-
ken. Diese Hebelwirkung ist darauf zurückzuführen, dass man mit einem vergleichsweise
geringerenKapitaleinsatzandenPreisbewegungendesBasiswertspartizipierenkann.

Beispiel
Berechnung der Hebelwirkung und Spread Margin für Euro-STOXX-50-Index-
Futures
Ein Marktteilnehmer geht am 10. Juli 2015 eine Long-Position über 50 EURO-
STOXX-50-Index-Future s mit Fälligkeit Dezember 2015 (FESX Dec 15) zu einem
Kurs von 3525 Punkten ein.46 Der Kontraktwert pro Indexpunkt liegt bei EUR 10. Für
einen Future-Kontrakt beläuft sich die Additional Margin auf EUR 2565.

1. Wie hoch ist der Leverage-Effekt?


2. Am 13. Juli 2015 verkauft der Marktteilnehmer 50 EURO-STOXX-50-Index-
Futures mit Fälligkeit März 2016. Der Spread-Margin-Parameter liegt bei EUR 55.
Wie hoch ist die Spread Margin?

45
Fällt der SMI-Future um 197 Punkte auf 8906 Punkte, resultiert daraus ein Verlust von
CHF 1970 [D .8906  9103/  CHF 10]. Somit beträgt die Rendite des Futures  29,32 %
(D CHF 1970=CHF 6720).
46
Beim EURO STOXX 50 handelt es sich um einen Aktienindex bestehend aus 50 Aktien der Eu-
rozone mit der größten Marktkapitalisierung und Liquidität. Die an der Eurex gehandelten Futures und
OptionenaufdenEUROSTOXX50gehörenzudenliquidestenDerivatenweltweit.
12. StrukturierteProdukte 753

Lösungzu1
Die Additional Margin und der Kontraktwert der 50 EURO-STOXX-50-Index-Futures
lassensichwiefolgtberechnen:

Additional Margin D 50  EUR 2565 D EUR 128:250;


Kontraktwert der 50 Futures D 50  3525  EUR 10 D EUR 1:762:500:

Der Leverage-Effekt von 13,7 ergibt sich aus dem Kontraktwert der Futures dividiert durch
dieAdditionalMargin(eingesetztesKapital):

EUR 1:762:500
Leverage-Effekt D D 13;7:
EUR 128:250

Lösungzu2
Die Spread Margin resultiert aus der Spread-Position von 50 Futures multipliziert mit dem
Spread-Margin-ParametervonEUR55:

Spread Margin D 50  EUR 55 D EUR 2750:

12.8 StrukturierteProdukte

Strukturierte Produkte sind heute keine Nischenprodukte mehr, sondern stellen neben den
traditionellenFinanzanlagen wie Aktien undAnleihen eine festetablierte Anlage- form dar. Sie
werden außerbörslich emittiert und teilweise sogar an der Börse gehandelt (Retail-Zertifikate).
Der Markt in Deutschland und der Schweiz ist durch institutionelle Emittenten geprägt, die
Produkte konstruieren, welche anschließend an eine Vielzahlvon Anlegern veräußert werden.
Strukturierte Produkte bestehen aus verschiedenen, aufein- ander abgestimmten
Einzelbestandteilen. Dabei handelt es sich üblicherweise um Kom- binationen von Derivaten
und traditionellen Finanzanlagen, die es ermöglichen, Risiken zu reduzieren, zu eliminieren
oder zu erhöhen. Für die Konstruktion ist zwar die Anzahl der Grundbausteine begrenzt, jedoch
ist die Vielfalt der Kombinationsmöglichkeiten un- beschränkt, sodass ein großes Spektrum an
Produkten auf den Finanzmärkten existiert. Grundsätzlich können strukturierte Produkte wie
folgtklassifiziertwerden:

47

 Zertifikate: Der Gewinn-Verlust-Verlauf von Zertifikaten ist linear. Somit partizipiert der
Zertifikatskäufer bzw. der Investor gleichermaßen an den Kursgewinnen und
-verlusten. Die klassischen Zertifikate au f Aktien beziehen sich auf einen Index und

47
Vgl. Zenkner und Zimmermann 2012 : Strukturierte Produkte, S. 475 ff.
754 12 Finanzderivate:Grundlagen

werden in Form von Low-Exercise-Price-Optionen (LEPO) emittiert. 48 Somit profi-


tiert der Zertifikatskäufer nicht von den etwaigen Dividendenzahlungen der im Index
enthaltenen Aktien. Bei der Preisfestlegung erfolgt ein Abschlag, der den Barwert der
Dividendenzahlungen widerspiegelt. Weitere Zertifikatsprodukte stellen Mini-
Futures-Zertifikate, die einen Leverage (Hebeleffekt) aufweisen, Bonus-Zertifikate und
Airbag-Zertifikatedar.
 Produkte mit Maximalrendite: Das Gewinn-Verlust-Profil verläuft konkav. Die Käufer
verzichten ab einer bestimmten Schwelle auf das Gewinnpotential des zugrundeliegen- den
Basiswerts. Im Gegenzug erhalten sie als Entschädigung einen Preisabschlag auf das
erworbene Produkt oder eine Zinszahlung. Produkte mit Maximalrendite sind bei sich
seitwärts bewegenden Märkten interessant. Zu den Produkten gehören Discount-
Zertifikate,ReverseConvertibles,Outperformance-ZertifikateundStep-Zertifikate.

 Kapitalschutzprodukte: Der Gewinn-Verlust-Verlauf ist konvex. Diese Produkte bieten


dem Investor einen Schutz gegen fallende Kurse, indem beispielsweise eine garan- tierte
Rückzahlung vereinbart wird, die aus einem im Voraus vereinbarten Prozentsatz des
Nominalwerts besteht. Obwohl das Verlustrisiko beschränkt ist, kann der Käufer eines
Kapitalschutzprodukts von den positiven Preisentwicklungen des Basiswerts pro- fitieren.
Neben den Plain-Vanilla-Kapitals chutzprodukten existieren auch Barrieren- Produkte und
KapitalschutzproduktemitCap.

Eine weitere Form von strukturierten Produkten stellen Optionsscheine (Issue Linked
Warrants) dar, die von Unternehmen mit genehmigtem Kapital in Form einer Options- anleihe
emittiert werden. Bei einer Optionsanleihe handelt es sich um eine Schuldver- schreibung, die
zusätzlich zum Schuldrecht mit einem Aktienbezugsrecht ausgestattet ist. Das Bezugsrecht
ermöglicht dem Inhaber, innerhalb einer vorgegebenen Zeitperiode eine bestimmte Anzahl an
Aktien des Emittenten zu einem im Voraus vereinbarten Be- zugspreis (Ausübungspreis) zu
erwerben. Üblicherweise können die Optionsscheine von der Anleihe getrennt und an derBörse
separat neben der „Anleihe cum“ und „Anleihe ex“ notiert und gehandelt werden. Darüber
hinaus führen auch Finanzinstitute Options- scheinemissionen durch, die oftmals einen
Barausgleich zur Fälligkeit vorsehen. Hierzu verkaufen Banken mehrheitlich Call-Optionen
(aber auch Put-Optionen) auf Aktien, die sie als Vermögenswerte halten. In neuerer Zeit gibt es
immer mehr Finanzinstitute, die Warrants ohne Deckungsbestand emittieren. Da bei wirddas
Verlustrisiko aus der un- gedeckten Warrant-Emission mit dem Abschluss von
Finanztransaktionen abgesichert, sodass die Geld- oder Lieferansprüche der W arrant-Inhaber
beiAusübungerfülltwerdenkönnen.

48
LEPOsindCall-OptionenmiteinemAusübungspreis,dersehrnahebeinull(z.B.EUR0,01)liegt.
DahersinddieseOptionensehrweitimGeldundunterscheidensichimPreisverlaufkaum
mehr vom zugrundeliegenden Referenzwert. Bei einem LEPO erwirbt der Käufer einen syntheti- schen
Aktienindex ohne Anspruch auf Dividendenzahlungen, sodass der Preis dem Aktienindexkurs abzüglich
desBarwertsdererwartetenDividendenentspricht.
12.9 Zusammenfassung 755

12.9 Zusammenfassung

 Bei einem Derivat handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, dessen Wert von
einem zugrundeliegenden Basiswert bzw. Referenzwert abgeleitet wird. Basiswerte
können zum Beispiel Wertpapiere, finanzielle Kennzahlen, Währungen, Rohstoffe, Im-
mobilien und Naturereignisse sein. Von einem Finanzderivat spricht man, wenn sich der
ReferenzwertaufeinWertpapier,einefinanzielleKennzahloderWährungbezieht.

 Derivate lassen sich in unbedingte und bedingte Termingeschäfte klassifizieren. Ein


unbedingtesTermingeschäftstellteineVerpflichtungdar,einebestimmteAnzahloderMenge
eines Basiswerts zu ein em bei Geschäftsabschluss festgelegten Terminpreis und zu einem
späteren Zeitpunkt zu kaufen bzw. zu verkaufen. Demgegenüber räu- men bedingte
Termingeschäfte dem Käufer ei n Wahlrecht (Option) ein, den vertraglich vereinbarten
Referenzwert zum vereinbarten Preis (Ausübungspreis) zu kaufen oder zu verkaufen. Eine
Kaufoption wird als Ca ll und eine Verkaufsoption als Put bezeich- net. Der Verkäufer der
Option verpflichtet sich, den Basiswert zum vereinbarten Aus- übungspreis zu liefern (Call)
oderentgegenzunehmen(Put).

 Das Gewinn-Verlust-Profil von unbedingten Termingeschäften ist symmetrisch, wäh- rend


Optionen aufgrund des Wahlrechts und der dafür bezahlten Prämie über einen
asymmetrischenPayoff-Verlaufverfügen.
 Terminbörsen weisen bezüglich der Vertragsmerkmale von Derivaten eine hohe Stan-
dardisierung auf, die sich auf sachliche, räumliche, zeitliche und persönliche Merkmale
richtet. So etwa besitzt ein DAX-Future folgende Standardisierung: 1. Sachlich: Der
Basiswert ist der DAX und der Kontraktwert beläuft sich auf EUR 25 pro Indexpunkt,
Räumlich: Der Future wird an der Eurex gehandelt. 3. Zeitlich: Die Fälligkeitsmona- te sind
bis
2. zu 9 Monaten und weisen einen Zyklus bestehend aus März, Juni, September und
Dezember auf. 4. Persönlich: Als Vertr agspartner für den Käufer und Verkäufer tritt die
Eurex als Clearing-Stelle auf. Die Standardisierung von Derivaten führt zu ei- ner
Homogenität, welche die Liquidität auf den Märkten erhöht. An den Terminbörsen werden
vor allem Futures und Optionen auf Zinsen (Zinssätze und Anleihen) sowie Optionen auf
Aktienindizes gehandelt.

 Derivate werden auch auf OTC-Märkten gehandelt. Dabei findet der Handel nicht über eine
Terminbörsestatt,sondernperTelefon,überdirekteKontaktederMarktteilnehmerundüber
elektronische Handelsplattformen. Die Ausgestaltung des Vertrages erfolgt aufgrund von
Kundenbedürfnissen und ist somit nicht durch eine Derivatebörse vor- gegeben. Die
wichtigsten Derivateprodukte auf den OTC-Märkten sind Zinssatzswaps mit einem
Marktanteilvonrund60%undForwardRateAgreementsmiteinement-sprechendenAnteil
vonrund13%.EbenfallsspielenDerivateaufWährungeneinewichtigeRolle.

 Als Reaktion auf die Finanzkrise 2008 haben die G-20-Länder 2009 an einem Gipfel- treffen
inPittsburghentschieden,dassystematischeRisikoderOTC-Märktezuredu-zieren,umden
außerbörslichen Handel tra nsparenter und sicherer zu machen. Die drei wichtigsten Punkte
der Reform sind: 1. Clearing-fähige OTC-Derivate werden über zentrale Gegenparteien
(CentralCounterParties,CCPs)abgewickelt(Clearing-Pflicht).
756 12 Finanzderivate:Grundlagen

HierbeihandeltessichumDerivate,derenStruktursichfürdiezentraleAbwicklungeignet.2.
Bilateral gehandelte OTC-Derivate ohne Clearing-Pflicht müssen Risikoma-
nagementanforderungen genügen und unterliegen höheren Kapital- und Besicherungs-
anforderungen.3.AlleOTC-DerivatesindaneinTransaktionsregisterzumelden.

 Die zunehmende Beliebtheit und das rasche Wachstum von Derivaten lässt sich mit
folgenden Faktoren erklären: Vollständigkei t der Finanzmärkte, Spekulation, Risiko-
managementundeffizienterHandel.
 Derivate werden von den Marktakteuren zur Risikoabsicherung (Hedging), Risikoüber-
nahme(Spekulation,Trading)undAusnutzenvonPreisdifferenzen(Arbitrage)einge-setzt.
BeiderRisikoabsicherungunterscheidetmanzwischeneinemBestands-Hedge,beidemman
eineForderungs-oderSchuldpositionbesitzt,undeinemantizipativenHedge,beidemmanin
ZukunfteineForderungs-oderSchuldpositioneingehenmöch-te.DasPreisänderungsrisiko
einerbestehendenodergeplantenRisikopositionlässtsichmitDerivatenabsichern.

 Bei einem Long (Short) Forward/Future entsteht ein Gewinn (Verlust), wenn der
Forward/Future-Preis steigt (fällt). Wird eine Aktie mit einem Short Forward abge- sichert,
erzielt man als Rendite den risik olosen Zinssatz. Bei diesem Hedge werden sowohl das
Gewinn-alsauchdasVerlustpotentialderAktieaufgegeben.Dahermachtdiese

Absicherungsstrategie Sinn, wenn von fallenden Aktienkursen ausgegangen


wird.
 Bei einem Swap handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien, die sich
verpflichten, eine Reihe von zukünftigen Cashflows auszutauschen. Grundsätzlich
unterscheidet man folgende Arten von Swaps: Zinssatzswap, Währungsswap, Equity Swap
undNonFinancialSwap.

 Bei einem Standard-Zinssatzswap wird in der Regel der Zinssatz der festen Seite (also der
Swapsatz) notiert, der über die gesamte L aufzeit unverändert bleibt. Der varia- ble Zinssatz,
der sich auf einen Referenzzinssatz (z. B. LIBOR) bezieht, wird ohne Auf-/Abschlag
gerechnet. Die festen Zinszahlungen erfolgen üblicherweise halbjähr- lich (GBP, USD,
JPY) oder jährlich (EUR, CHF). Demgegenüber wird der variable Zinssatz viertel- oder
halbjährlich bezahlt, wobei andere Zahlungsintervalle auch mög- lich sind.Fallen die festen
und variablen Zinszahlungen derselben Währung auf die gleiche Fälligkeit, wird nur die
Differenzbezahlt.

 Bei einem Standard-Währungsswap werden zusätzlich zu den Zinszahlungen auch die


Nominalbeträge in unterschiedlichen Währungen ausgetauscht. Ein Verrechnen der
Zinszahlungenfindetnichtstatt,dasichdieseaufunterschiedlicheWährungenbezie-hen.

 Bei einem Equity Swap wird die Rendite einer Aktie oder eines Aktienindex gegen den
Swapsatz oder einen variablen Referen zzinssatz gewechselt. Ist die Rendite der zu-
grundeliegenden Aktie oder des Aktienindex negativ, erhält die Vertragspartei mit der
Aktienzahlung nicht nur die feste oder variable Zinszahlung, sondern auch die Rendi-
tezahlungausderAktienpositionvonderGegenparteidesSwaps.

 Es werden lediglich Optionen am Fälligkeitstag ausgeübt, die im Geld enden (ohne Be-
rücksichtigungvonTransaktionskosten).BeieinemimGeldliegendenLongCallergibt
12.9 Zusammenfassung 757

sich der Gewinn/Verlust aus der Differenz zwischen dem Basiswertpreis und dem Aus-
übungspreis abzüglich der bezahlten Call-Prämie. Bei einem im Geld liegenden Long Put
hingegen bestehtderGewinn/Verlustaus derDifferenz zwischendem Ausübungs- preis und
demBasiswertpreisabzüglichderbezahltenPut-Prämie.Optionen,dieamGeldoderausdem
Geldsind,werdennichtausgeübt.

 Das Preisänderungsrisiko eines Basiswerts lässt sich mit Optionen vermindern, indem eine
Call-Optionverkauft(CoveredCall)odereinePut-Option(ProtectivePut)gekauftwird.Die
beiden Strategien unterscheiden sich in Bezug auf deren Gewinn-Verlust- Verlauf. So wird
bei einer Covered-Call-Strategie das Verlustpotential der Long-Aktie um die aus dem
Verkauf der Call-Option erhaltene Prämie vermindert, während das unbeschränkte
Gewinnpotential des Basiswerts aufgegeben wird. Bei einer Protective- Put-Strategie
hingegen wird zum einen das Verlustrisiko der Aktie begrenzt und zum anderen kann man
nach wie vor am Gewinnpotential des Basiswerts, reduziert um die bezahlte Optionsprämie,
teilnehmen.

 Die Eurex ist eine der weltweit größten Terminbörsen. Sie ist 1988 aus dem Zusam-
menschluss der DTB und der SOFFEX entstanden. Heute ist sie im vollständigen Besitz der
Deutschen Börse AG. Die Produktpalette ander Eurex ist sehr umfang- reich und umfasst ein
breites Spektrum an Derivaten. Neben Finanzderivaten wie etwa Aktien-, Aktienindex,
Zins-, Fremdwähr ungs-, Dividenden-, Volatilitäts- und ETFs- Derivaten werden auch
Rohstoffderivate(FuturesundOptionenaufdenBloombergCommodityIndex

SM
),Agrarderivate(z.B.FuturesaufButterundMagermilchpulver),
Gold-undSilberderivatesowieImmobilienderivategehandelt.AnderEurexerfolgtdie
Margen-Berechnung anhand eines risikobasierten Margining-Systems.
 Für Optionen auf Kassainstrumente (z. B. auf Aktien und Aktienindizes) sind an der Eurex
eine Premium Margin und eine Additional Margin erforderlich. Die Premium Margin
umfasst den aktuellen Verlust – also den Wert der Option –, der bei der Glatt- stellung einer
ungedeckten Short-Option anf ällt. Sie wird täglich den neuen Options- preisen angepasst.
Die Additional Margin hingegen spiegelt einen erwarteten Worst- Case-Verlust wider, der
am Ende des nächsten Börsentages eintreten kann. Bei Optio- nen auf Futures entfällt die
Premium Margin. Stattdessen wird täglich eine Variation Margin (gleich wie bei Futures)
ermittelt, die den aktuellen Gewinn/Verlust darstellt. Zusätzlich wird eine Additional
Marginfestgelegt.

 Für Futures-Kontrakte besteht die Margin aus der Variation Margin, der Additional Margin
und der Spread Margin. Die Additional Margin umfasst den erwarteten Worst- Case-Verlust
des nächsten Handelstages von Non-Spread-Futures-Positionen. Liegen
Spread-Futures-Positionen vor, wird die niedrigereSpread Margin ermittelt, die eben- falls
einenerwartetenWorst-Case-Verlustdarstellt.

 Die Rendite von Derivaten ist im Vergleich zur Rendite des zugrundeliegenden Basis- werts
um ein Vielfaches höher oder niedriger. Diese Hebelwirkung von Derivaten ist darauf
zurückzuführen, dass man mit einem ve rgleichsweise geringeren Kapitaleinsatz an den
PreisbewegungendesBasiswertsteilnimmt.
75 12 Finanzderivate:Grundlagen

12.10 Aufgaben

Aufgabe1
Welches sind die Gründe für das rasche Wachstum der Derivatemärkte?

Aufgabe2
Ein Investor besitzt in seinem Portfolio 1000 Aktien der Deutschen Bank AG, die Anfang Juli
2015zueinemKursvonEUR28,50gehandeltwerden.Ermöchtein6MonatendieBankaktien
verkaufen, da er das Geld für eine größere Privatanschaffung benötigt. Aufgrund der
Eurokrise befürchtet er, dass der Kurs der Bankaktie in den nächsten 6 Monaten fällt. Der
6-monatige risikolose Zinssatz beträgt 0,35 %. Der Preis des Forwards auf die Aktie der
Deutschen Bank AG mit einer Laufzeit von 6 Monaten liegt bei EUR 28,55. Die
KontraktgrößeeinesForwardsbestehtaus100Aktien.

a) Sind Long- oder Short-Forwards auf die Ba nkaktie erforderlich, um das Preisände-
rungsrisikoderDeutschen-Bank-Aktienabzusichern?
b) WiehochistdieRenditederAbsicherungsstrategie,wennderAktienkursderDeut-schen
BankAGin6MonatenbeiEUR35oderbeiEUR20liegt?

Aufgabe3
Anfang Juli 2015 wird die Aktie der Daimler AG zu einem Kurs von EUR 83 gehan- delt. Ein
Investormöchte2000AktienderAutomobilaktiein3Monaten–alsoAnfangOktober2015–
kaufen, weil er zu diesem Zeitpunkt einen höheren Geldbetrag erwar- tet. Aufgrund der
steigenden globalen Nachfrage nach Konsumgütern geht er davon aus, dass der Preis von
Automobilaktien in den nächsten Monaten zunimmt. Der 3- monatige risikolose Zinssatz
beläuftsichauf0,24%.DerPreisdesForwardsaufdieAktiederDaimlerAGmiteinerLaufzeit
von 3 Monaten liegt bei EUR 83,05. Die Kontraktgröße eines Forwards besteht aus 100
Aktien.

a) SindfürdiesenantizipativenHedgeLong-oderShort-ForwardsaufdieAktiederDaimler
AGerforderlich?
b) WiehochistderKostensatzderAbsicherungsstrategie,wennderKursderDaimler-Aktiein
3MonatenbeiEUR90oderbeiEUR75liegt?

Aufgabe4
Die Vega AG hat auf der Passivseite der Bilanz eine variabel verzinsliche Anleihe mit einer
Restlaufzeit von 5 Jahren und einem Nominalwert von EUR 50 Mio. ausstehend. Der
Kuponsatz wird halbjährlich bezahlt und besteht aus dem LIBOR-Satz plus ei- nem Spread
(Quoted Margin) von 100 Basispunkten. Das Unternehmen rechnet in der Zukunft mit
steigendenZinsen.UmdasZinsrisikodervariabelverzinslichenAnleihe
12.10 Aufgaben 759

abzusichern, schließt Vega einen Payer Sw ap mit einer Laufzeit von 5 Jahren ab. Der
Swapsatz liegt bei 2 %. Die Day-Count-Konvention ist für die feste Seite des Swaps
tagesgenau / tagesgenau, wobei das nächste Jahr aus 365 Tagen besteht, und für die variable
SeitedesSwapstagesgenau/360Tage.

a) Wie hoch ist die erste Zinszahlung au s dem Swap, wenn der LIBOR-Satz für die nächste
6-monatigeZinsperiode(alsofür184Tage)1,8%beträgt?
b) Wie hoch sind die jährlichen Nettozinskosten der Vega AG, die sich aus der variabel
verzinslichenAnleiheunddemPayerSwapergeben?

Aufgabe5
Die Delta AG, ein deutsches Metallindustrieunternehmen, schließt einen 10-jährigen
Währungsswap ab, wobei Nominalbeträge von EUR 140 Mio. und GBP 100 Mio. getauscht
werden. Delta bezahlt für das britische Pfund einen Swapsatz von 2,5 %, während die
Gegenpartei des Swaps einen Swapsatz von 2 % für den erhaltenen Euro- Nominalbetrag
entrichtet. Die Zinszahlungen finden halbjährlich statt. Die vereinbarte
Day-Count-Konvention ist 30 Tage / 360 Tage. Welche Cashflow-Ströme fallen über die
10-jährigeLaufzeitdesWährungsswapsan?

Aufgabe6
Ein Vermögensverwalter besitzt ein Portfolio bestehend aus deutschen Aktien mit großer
Marktkapitalisierung, das einen Marktwert von EUR 20 Mio. aufweist. Auf- grund besserer
Performance-AussichtenmöchteerdasAktienportfolioindeutscheAktien
mit kleiner Marktkapitalisierung umschichten. Daher entscheidet er sich,
einen Equity Swap mit einer Investmentba nk abzuschließen. Dabei bezahlt der Ver-
mögensverwalter halbjährlich die DAX-Rendite und erhält im Gegenzug von der
InvestmentbankdieRenditeaufdenSDAX. 49
DerNominalbetragdesSwapsbeläuft
sichaufEUR20Mio.DerEquitySwapwirdam10.Juli2014abgeschlossen.Diefolgenden
Aktienindexständeliegenvor:

Zeitpunkt DAX SDAX


10. Juli 2014 9667 7279
12. Januar 2015 9782 7226
10. Juli 2015 11.316 8761

Wie hoch sind die Zahlungen aus dem Equity Swap am 12. Januar und 10. Juli
2015?

49
DerSDAXumfasstdie50größtenUnternehmendesdeutschenPrime-Standard-Segments,diegleich
nachdenMDAX-Werten(AktienmittlererMarktkapitalisierung)folgen.Nachden30DAX-
Werten enthält der MDAX die 50 größten Unternehmen des deutschen Prime-Standard-Segments.
760 12 Finanzderivate:Grundlagen

Aufgabe7
EineamGeldliegendeDAX-Put-OptionmitFälligkeitDezember2015(ODAXDec15)und
einem Ausübungspreis von 11.300 Punkten wird am 10. Juli 2015 an der Eurex zu einem
Abrechnungspreis von 650,10 Punkten geführt. Der Kontraktwert pro Index- punkt liegt bei
EUR5.EssinddiefolgendenFragenzubeantworten:

a) Wie hoch ist der Gewinn/Verlust der Long-Put-Option auf den DAX, wenn der
zugrundeliegende Aktienindex bei Fälligkeit der Option entweder auf 11.800 oder auf
10.300Punktenzuliegenkommt?
b) Wie hoch ist der Gewinn/Verlust der Short-Put-Option auf den DAX, wenn der zu-
grundeliegende Aktienindex bei Fälligkeit der Option entweder 11.800 oder 10.300
Punktebeträgt?
c) Wie hoch ist der maximale Gewinn und Verlust für die Long-Put-Option?
d) Wie hoch ist der Breakeven-Stand des DAX für die Long- und Short-Put-Option?

Aufgabe
Eine am Geld liegende SMI-Put-Option mit Fälligkeit September 2015 verfügt über einen
Ausübungspreis von 9000 Punkten. Der SMI-Put wird per 2. Juli 2015 durch die Eurex zu
einem Abrechnungspreis von 338 Punkten geführt. Der Kontraktwert pro Indexpunkt liegt
beiCHF
10: DasMargin-IntervalldesSMIbeläuftsichgemäßEurexauf
670,5Punkte,waserwarteteExtremwertedesSMIvon8329,5und9670,5Punk-
ten impliziert. Anhand eines Optionspreismodells und aufgrund von angenommenen
Bewertungsparametern ergeben sich extreme Optionswerte von 759 und 107 Punkten. Wie
hochsinddieGesamt-MarginsfürdenKäuferunddenVerkäuferderSMI-Put-Option?

Aufgabe9
Ein Marktteilnehmer hält am 6. Juli 2015 die folgenden CONF-F utures-Positionen:50

CONF-Futures-Kontrakte Long-Position Short-Position


Fälligkeitsmonat September 2015 100 150
Fälligkeitsmonat Dezember 2015 140 60
Fälligkeitsmonat März 2016 20 80

Der Spread-Margin-Satz liegt bei CHF 305 (Back-Month-Spread-Satz). Der Addi-


tional-Margin-Satz hingegen beläuft sich auf CHF 2060:

50
DerBasiswertderCONF-FuturesbeziehtsichaufSchuldverschreibungenderSchweizerischen
EidgenossenschaftmitLaufzeitenzwischen8und13JahrenundeinemMindestemissionsvolumen
von CHF 500 Mio. Im Fall von kündbaren Anleihen müssen der erste und der letzte Rückzahlungs- termin
zwischen8und13Jahrenbetragen.DerKontraktwertbeläuftsichaufCHF 100:000: Die
Laufzeiten sind bis zu 9 Monaten bestehend aus den 3 Quartalsmonaten aus dem Zyklus März, Juni,
September und Dezember. Die Vertragserfüllung erfolgt durch physische Lieferung des zugrunde-
liegendenBasiswerts.DerLiefertagistderzehnteKalendertagdesjeweiligenFälligkeitsmonats.
Literatur 761

a) Wie hoch ist die Gesamt-Margin bestehend aus Spread und Additional Margin am Juli
2015?
6.
b) Wie hoch ist die Gesamt-Margin bestehend aus Spread und Additional Margin am
September
1. 2015, wenn sich der Spot-Month-Spread-Satz auf CHF 920 beläuft und
die Sätze für die Back-Month Spread Margin und Additional Margin unverän- dert
bleiben?

c) Es sind folgende Abrechnungspreise für den CONF-Future (CONF) gegeben:

Abrechnungspreise CONF Sep 2015 CONF Dec 2015 CONF Mar 2016
am Ende des Han-
delstages
6. Juli 2015 162,83 % 165,73 % 165,73 %
7. Juli 2015 163,79 % 166,69 % 166,69 %
Quelle: www.eurexchange.co m

Wie hoch ist die Variation Margin am 7. Jul i 2015 für die CONF-Futures-Positionen?
(Der Kontraktwert eines CONF-Futures liegt bei CHF 100:000:)

Literatur

BankfürInternationalenZahlungsausgleich:QuartalsberichtJuni2015, www.bis.org/publ/regpu bl.htm

Black, F.: The Pricing of Commodity Contracts. In: Journal of Financial Economics 3, 167–179 (1976)

Chance, D. M.: Analysis of Derivatives for the CFA® Program, Charlottesville (2003)
Eurex: Aktien- und Aktienindexderivate: Handelsstrategien, Eschborn/Zürich (2007)
Eurex: Clearing Risk Based Margining, Frankfurt am Main/Zürich (2003)
Eurex: Produkte 2015, Eschborn/Zürich (2015)
Kolb, R. W.: Futures, Options, & Swaps, 3. Auflage, Malden/Oxford (2000)
Rudolph, B., Schäfer, K.: Derivative Finanzmarktinstrumente: Eine anwendungsbezogene Einfüh- rung
inMärkte,StrategienundBewertung,2.Auflage,Berlin/Heidelberg(2010)
Taylor,F.:MasteringDerivativesMarkets:AStep-by-StepGuidetotheProducts,ApplicationsandRisks,4.
Auflage,Harlow(2011)
Zenkner,C.,Zimmermann,H.:StrukturierteProdukte.In:Zimmermann,H.(Hrsg.):FinanceCom-pact,4.
Auflage,Zürich,473–503(2012)
ForwardsundFutures
13

13.1 Einleitung

Damit ein Sell-Side-Analyst eine Kauf- oder Verkaufsempfehlung abgeben kann, muss er den
inneren Aktienwert berechnen. Ein Vergleich des inneren Aktienwerts mit dem Marktwert
ermöglicht herauszufinden, ob das Wertpapier richtig bewertet ist. In einem ef- fizienten Markt
entspricht der Marktpreis der Aktie immer deren innerem Wert. Bei einer etwaigen
Fehlbewertung konvergiert der Preis rasch zum inneren Wert. Unter Wert ver- steht man, zu
welchem Preis ein e Anlage gekauft oder verkauft werden kann. Folglich sind der Preis und Wert
einerAnlage(z.B.AktieundAnleihe)dasGleiche.InBezugaufbe-stimmteDerivatehabenPreis
und Wert eine unterschiedliche Bedeutung. Beim Preis eines unbedingten Termingeschäfts
handeltessichumeinenTerminpreis,derbeiGeschäftsab-schluss–alsozuBeginnderLaufzeit–
festgelegtwird,aberbeiFälligkeit des Kontrakts anfällt.Beim Wert hingegen handelt essich um
denerforderlichenGeldbetrag,umineinTermingeschäfteinzusteigen.Erspiegeltsomitdenseit
VertragsabschlussaufgelaufenenGewinn/Verlustwider.

DerHandelvonunbedingtenTermingeschäftenerfolgtentwederaußerbörslich(For-wards
undSwaps)oderübereineTerminbörse(Futures).DerTerminpreiswirdbeiFor-wardsund
FuturesmitdemCost-of-Carry-Modellfestgelegt,wobeidieKostendesKas-sageschäftsdem
Terminpreisentsprechen.DasPreismodellstütztsichaufdasArbitra-gekonzeptundsetzt
vollkommeneMärktevoraus.DieWertbestimmunghingegenistnurbeiaußerbörslich
gehandeltenunbedingtenTermingeschäftenrelevant.ImGegensatzzuFutureswirdnichtam
EndejedesHandelstagesderGewinn/Verlustrealisiert.Vielmehrerfolgteinetägliche
AnpassungdesCollaterals(SicherheiteninFormvonWertpapierenoderGeld),sodassder
Gewinnbzw.VerlusterstbeiFälligkeitdesTermingeschäftsoderbeieinzelnen
Abrechnungsterminenrealisiertwird.SomitlaufenGewinneundVerlustewährendder
LaufzeitvonOTC-Derivatenauf,diezueinempositivenodernegativenWertführen.Abb. 13.1
gibteinenÜberblicküberdiePreis-undWertermittlungvonunbeding-tenTermingeschäften.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 763


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_13
764 13 ForwardsundFutures

unbedingte
Terminge-
schäfte

Forward Future Swap

Preis Wert Preis Wert Preis Wert


• Nicht- • Positiv • Nicht- • Null am • Swapsatz • Positiv
Arbitrage- oder Arbitrage- Ende des (Replikation oder
Börsen-
preis (Cost- negativ: preis (Cost- tages: mit Anleihen negativ:
of-Carry- aufgelau- of-Carry- realisierte oder FRAs) aufgelau-
Modell/Er- fener Ge- Modell/Er- r Gewinn/ fener Ge-
wartungs- winn/Ver- wartungs- Verlust winn/Ver-
modell) lust modell) lust

Abb.13.1 Preis- und Wertbestimmung von unbedingten Termingeschäften

IndiesemKapitelwirddiePreis-undWertbestimmungvonForwardsundFuturesbe-
schrieben.Darüberhinauswirdgezeigt,wiedieseDerivatefürdieRisikosteuerungeines
Portfolioseingesetztwerdenkönnen. 1

13.2 PreisbestimmungvonForwardsundFutures

13.2.1 Preismodelle

Es gibt grundsätzlich zwei Modelle, um den Terminpreis von Forwards und Futures zu eruieren.
Zum einen kann das Cost-of-Carry-Modell verwendet werden, bei dem der Ter- minpreis von
den Kosten des Kassageschäfts – also vom Kassapreis des Basiswerts zu- züglich der
Finanzierungskosten und der Kosten für das Halten des Basiswerts (Cost of Carry) bis zur
Fälligkeit des Termingeschäfts – abhängt. Zum anderen lässt sich der Ter- minpreis durch das
Erwartungsmodell bestimmen. Dabei entspricht der Terminpreis dem erwarteten Preis des
BasiswertszumFälligkeitszeitpunktdesTermingeschäfts.

DiePreismodelleberuhenaufdemArbitragekonzept.Dasheißt:WennderTerminpreisauf
demMarktvomvorgegebenenModellpreisabweicht,korrigierendieMarktteilnehmerden
PreisgewinnbringendüberArbitragetransaktionen.NacherfolgterKorrekturistder

1
Die Preis- und Wertbestimmung von Swaps sowie die Risikosteuerung eines Portfolios mit Swaps
werden im Kap. 14 beschrieben.
13.2 PreisbestimmungvonForwardsundFutures 765

Marktpreis gleich dem Modellpreis. Voraussetzung dafür ist, dass die Märkte vollkommen sind
undfolgendeEigenschaftenaufweisen:

 Es fallen weder Transaktionskosten und Steuern noch Informationskosten an.


 Es bestehen keine Restriktionen hinsichtlich der freien Kontaktaufnahme zwischen den
VertragsparteienundsämtlicheInvestorenhabendengleichenMarktzutritt.
 Die Zinssätze für die Geldausleihe und -aufnahme sind gleich groß.
 Die Preise von Anlagen auf den Finanzmärkten können nicht von einzelnen Marktteil-
nehmernbeeinflusstwerden(InvestorensindPriceTakers).
 Es gibt keine Restriktionen für Leerverkäufe (Short Selling).

Im Folgenden beginnt die Analyse zur Preisbestimmung mit dem Cost-of-Carry-Modell, wobei
von der unrealistischen Annahme einer idealen Welt ausgegangen wird – also einer Welt ohne
Arbitragemöglichkeiten und Marktfriktionen. Danach werden die Annahmen eines
vollkommenen Marktes schrittweise aufgehoben und einem realistischeren Preis- modell
zugeführt.

13.2.2 Cost-of-Carry-ModellinvollkommenenMärkten

Besteht das Anlageziel, einen Basiswert i n 1 Jahr zu besitzen, kann entweder der Kassa- markt
oderderTerminmarktfürdessenErwerbverwendetwerden.WirdderKassamarktbenutzt,muss
derKassapreisdesBasiswertsbezahltwerden.DabeifallenbeieinerGeld-aufnahmeZinskosten
oder bei eigenem Geld Opportunitätskosten an. Zudem sind über einen Zeitraum von 1 Jahr
Haltungskosten des Basiswerts zu berücksichtigen. Dazu zäh- len Lager-, Versicherungs- und
Transportkosten. Handelt es sich um einen Rohstoff (z. B. Erdöl oder Weizen), muss dieser in
einer geeigneten Einrichtung gelagert werden. Ver- sicherungskosten sind ebenfalls
notwendig, um beispielsweise Erdöl gegen Feuer oder Weizen gegen einen Wetterschad en
abzusichern. Transportkos ten gehören in einigen Fäl- len auch zu den Haltungskosten. So etwa
muss bei einer physischen Vertragserfüllung Weizen an einen geeigneten Ort geliefert werd en.
Ist der Basiswert ein Finanzinstru- ment (z. B. Aktie oder Anleihe), können die Haltungskosten
vernachlässigtwerden,daderenHöheunbedeutendist.DieKostenimKassamarktbzw.dieCost
ofCarry –al-soFinanzierungs-undHaltungskosten–verringern sichdurchetwaigeEinnahmen
aus dem Basiswert. Bei Rohstoffen fallen keine direkten Einnahmen an, während Finanzin-
strumente Erträge abwerfen. Zum Beispiel erhält man bei Aktien Dividenden und bei Anleihen
Kupons. Wird die Anlagestrategie anstelle des Kassamarkts mithilfe des Ter- minmarkts
umgesetzt, ist ei n Terminpreis zu vereinbaren, zu dem der Basiswert in 1 Jahr gekauft werden
muss. Da man mit beiden Anla gestrategien – Kassa- und Terminmarkt – den Basiswert in 1 Jahr
besitzt, müssen die Kosten für die beiden Strategien in einem vollkommenen Markt gleich hoch
sein. Folglic h entspricht der Terminpreis den Kosten im Kassamarkt, was zu folgender Formel
fürdiePreisermittlungeinesForwards/Futuresführt:

F0 D S0 .1 C r C c  d/T ; (13.1)
766 13 ForwardsundFutures

wobei:

F0 D Terminpreis zu Beginn der Laufzeit des Termingeschäfts (zum Zeitpunkt des Ver-
tragsabschlusses),
S0 D Preis das Basiswerts zu Beginn der Laufzeit des Termingeschäfts,
r D ZinssatzfürdieKauffinanzierungdesBasiswerts,
c D Haltungskosten in Prozent des Basiswertpreises,
d D Einnahmen in Prozent des Basiswertpreises,
T D Laufzeit des Termingeschäfts.

Am 15. Juli 2015 beträgt der Preis für eine Feinunze Gold EUR 1048. 2 Der 1-jährige
EURIBOR-Satz liegt bei 0,168 %. Des Weitere n wird unterstellt, dass die Haltungskosten
für Gold 0,2 % des Basiswertpreises ausmach en. Der Preis für ein Termingeschäft mit einer
Laufzeitvon1JahrlässtsichmitdemCost-of-Carry-Modellwiefolgtbestimmen:

F0 D EUR 1048  .1 C 0;00168 C 0;002/1 D EUR 1051;86:

DieKostendesTerminmarkts(Terminpreis)müssendenKostendesKassamarktsent-sprechen.
Ist dieses Gleichgewicht zwischen Kassa- und Terminmarkt nicht vorhanden, führen die
Marktteilnehmer Arbitragetransaktionen durch, bis die Kosten des Kassa- und des
Terminmarkts wieder gleich groß sind. Liegt zum Beispiel der Terminpreis für ei- ne Feinunze
Gold bei EUR 1056 auf dem Markt, besteht eine Arbitragemöglichkeit. Die Marktakteure
können den überbewerteten Forward/Future-Kontrakt auf dem Markt ver- kaufen und
gleichzeitig denBasiswert – also eine Feinunze Gold – auf dem Kassamarkt zu einem Preis von
EUR1048kaufen.Der Kauf desBasiswertswird miteinerKreditauf-nahme aufdemGeldmarkt
finanziert. Bei Fälligkeit des Termingeschäfts in 1 Jahr wird die Feinunze Gold über den Short
Forward/Future zu einem Preis von EUR 1056 verkauft, was unter Berücksichtigung der
Finanzierungs- und Haltungskosten zu einem Arbitrage- gewinn von EUR 4,14 führt. Die
TransaktionendieserCash-and-Carry-Arbitragestrategiestellensichwiefolgtdar:

Datum Arbitragetransaktionen Geldeingang Geldausgang


t D 0: Short Forward/Future
15. Juli 2015 Kreditaufnahme zu 0,168 % EUR 1048,00
Kauf einer Feinunze Gold EUR 1048,00
T D 1 Jahr: VerkaufeinerFeinunzeGoldzumTerminpreisüber EUR 1056,00
15. Juli 2016 denShortForward/Future
Rückzahlung Kredita EUR 1049,76
Haltungskosten für eine Feinunze Goldb EUR 2;10
Arbitragegewinn: EUR 4,14
a
EUR 1048  .1;00168/1
b
EUR 1048  .1;002/1  EUR 1048

2
Eine Feinunze Gold entspricht ungefähr 31,1 Gramm Gold.
13.2 PreisbestimmungvonForwardsundFutures 767

DerArbitragegewinnvonEUR4,14entsprichtderDifferenzzwischendemüber-
bewertetenMarktpreisdesTermingeschäftsvonEUR1056unddemModellpreisvonEUR
1051,86.DieShort-Forwards/Futures-PositionenausderCash-and-Carry-Arbitra-
gestrategieführendazu,dassderPreisdesDerivatsfälltundgegendenniedrigerenModellpreis
konvergiert,bisdieArbitragemöglichkeitverschwindet.LiegtderTermin-preisfüreine
FeinunzeGoldhingegenbeiEUR1047,72,istdasTermingeschäftaufdemMarktimVergleich
zumModellpreisvonEUR1051,86unterbewertet.DieMarktteil-nehmerkaufenden
unterbewertetenForward/FutureundverkaufendenBasiswert–alsoeineFeinunzeGold–zu
einemPreisvonEUR1048leer.DieausdemVerkaufdesGoldserhaltenenEUR1048werden
zumGeldmarktsatzvon0,168%angelegt.BeiFälligkeitdesTermingeschäftswirdeine
FeinunzeGoldzumTerminpreisvonEUR1047,72gekauftunddamitderLeerverkaufbedient,
wasunterBerücksichtigungdervonderGegenparteidesLeerverkaufserhaltenen
HaltungskostenundderZinseinnahmenausderKreditaus-leiheeinenArbitragegewinnvon
EUR4,14ergibt.

3
Die Arbitragetransaktionen dieser
Reverse-Cash-and-Carry-Strategie könne n folgendermaßen aufgelistet werden:

Datum Arbitragetransaktionen Geldeingang Geldausgang


t D 0: Long Forward/Future
15. Juli 2015 Leerverkauf einer Feinunze Gold EUR 1048,00
Kreditausleihe des Betrags aus dem Goldleer- EUR 1048,00
verkauf zu 0,168 %
T D 1 Jahr: Kauf einer Feinunze Gold zum Terminpreis EUR 1047,72
15. Juli 2016 über den Long Forward/Future
Rückzahlung aus der Kreditausleihea EUR 1049,76
Haltungskosten aus dem Leerverkaufb EUR 2;10
Arbitragegewinn: EUR 4,14
a
EUR 1048  .1;00168/1
b
EUR 1048  .1;002/1  EUR 1048

Der Arbitragegewinn von EUR 4,14 ist durch die Differenz zwischen dem Mo-
dellpreis von EUR 1051,86 und dem unterbewerteten Marktpreis von EUR 1047,72
gegeben. Die aus der Reverse-Cash-and-Ca rry-Arbitragestrategie eingegangenen Long-
Forwards/Futures-PositionenhabenzurFolge,dassderPreisdesDerivatssteigtundsichsodem
Preis des Cost-of-Carry-Modells annähe rt. Dieser Prozess dauert so lange, bis die
ArbitragemöglichkeitnichtmehrbestehtundderMarktpreisdemModellpreisentspricht.

13.2.3 Cost-of-Carry-ModellinunvollkommenenMärkten

Marktunvollkommenheiten führen dazu, dass die Basisformel des Cost-of-Carry-Modells


(siehe( 13.1))angepasstwerdenmuss,damitderTerminpreisermitteltwerdenkann.Die

3
Die Gegenpartei des Leerverkaufs erhält zu Beginn der Transaktion die Feinunze Gold nicht. Den-
noch hat sie den Basiswert gekauft und muss daher für deren Haltungskosten aufkommen.
76 13 ForwardsundFutures

Cost-of-Carry-Preisformel, die in vollko mmenen Märkten gültig ist, wird in der realen Welt
durchfolgendeFaktorenbeeinflusst:

1. Bei Käufen und Verkäufen fa llen Transaktionskosten an.


2. Die Zinssätze für die Geldaufnahme und -ausleihe sind nicht gleich groß. Restriktionen
3. bei Leerverkäufen behinde rn die Reverse-Cash-and-Carry-Arbitrage. Einige
Basiswerte (z. B. verderbliche Agrarprodukte und Elektrizität) können nicht ge- lagert
4. werden, was eine Cash-and-Carry-A rbitrage erschwert bzw. verunmöglicht.

1. Marktteilnehmer sind einer Reihe von direkten Transaktionskosten ausgesetzt wie et- wa
Brokerage-Kommissionen und verschiedenen Börsengebühren. Auch Börsenmit- glieder
müssenfürjedeTransaktionGebührenbezahlen.DarüberhinausgibtesfürjedeAnlageeine
Geld-Brief-Spanne. Beim Geldkurs handelt es sich um den Kauf- kurs, während der
Briefkurs den Verkaufspreis wiedergibt. Die Geld-Brief-Spanne wird von der
vorherrschenden Marktliquidität der Anlage determiniert und hat einen Einfluss auf die
indirekten Transaktionskosten. Je größer (kleiner) die Differenz zwi- schen Kauf- und
Verkaufskurs,destogeringer(höher)istdieMarktliquiditätundumsohöher(niedriger)sind
die indirekten Transaktionskosten. Im Folgenden wird verein- fachend davon
ausgegangen, dass die Hande lskosten einen festen prozentualen Anteil am Kauf- bzw.
Verkaufsbetrag ausmachen. Des Weiteren wird unterstellt, dass Trans- aktionskosten
lediglich beim Basiswert und nicht beim Termingeschäft anfallen. Um den Einfluss der
Transaktionskosten zu illustrieren, werden für das vorangegangene Beispiel der
Cash-and-Carry-Arbitrage H andelskosten beim Kauf der Feinunze Gold von 2 %
angenommen.DieArbitragetransaktionenkönnenwiefolgtaufgeführtwer-den:

Datum Arbitragetransaktionen Geldeingang Geldausgang


t D 0: Short Forward/Future
15. Juli 2015 Kreditaufnahme zu 0,168 %a EUR 1068,96
Kauf einer Feinunze Gold inklusive EUR 1068,96
Transaktionskostena
T D 1 Jahr: Verkauf einer Feinunze Gold zum Termin- EUR 1056,00
15. Juli 2016 preis über den Short Forward/Future
Rückzahlung Kreditb EUR 1070,75
Haltungskosten für eine Feinunze Goldc EUR 2;14
Arbitrageverlust: EUR 16,89
a
EUR 1048  1;02
b
EUR 1068;96  .1;00168/1 ;ZusätzlichzumBasiswertmüssenauchdieTransaktionskosten
finanziertwerden.
c
EUR 1068;96  0;002; Um die nachstehenden Formeln der Nicht-Arbitragepreisspanne nicht
übermäßig zu erschweren, wird angenommen, dass sich die Haltungskosten auf den Basiswert-
preis einschließlich Transaktionskosten beziehen.
13.2 PreisbestimmungvonForwardsundFutures 769

Die Cash-and-Carry-Arbitrage führt unter Berücksichtigung der Transaktionskosten von 2


% zu einem Verlust von EUR 16,89, sodass es sich für die Marktakteure nicht lohnt, die
Überbewertung zu korrigieren. Eine Preiskorrekturwird auf demMarkt nur vorgenommen,
wennderPreisdesgehandeltenForward/Future-KontraktsüberdemTerminpreisvonEUR
1056 zuzüglich dem Arbitrageverlust von EUR 16,89 zu liegen kommt – also über EUR
1072,89.DieslässtsichmitdenKostendesKassageschäftserklären.WirddieFeinunzeGold
inklusivederTransaktionskosten

œ gekauft, ist ein


Preis von S0 (1 C œ) zu bezahlen. Wird das Gold bis zur Fälligkeit des Terminge-
schäfts gehalten, entstehen Kosten im Kassageschäft von S0 (1 C œ) (1 C r C c).
Die Kosten belaufen sich somit auf EUR 1072,89 [D EUR 1048  .1;02/  .1 C
0;00168 C 0;002/]. Ist der Terminpreis kleiner oder gleich den Kosten des Kassa-
geschäfts einschließlich Transaktionskosten, erfolgt keine Preiskorrektur anhand der
Cash-and-Carry-Arbitrage:

F0  S0 .1 C œ/.1 C r C c/T ; (13.2)

wobei:
œ D Transaktionskosten in Pro zent des Basiswertpreises.

Werden im vorangegangenen Beispiel der Re verse-Cash-and-Carry-Arbitrage Trans-


aktionskostenvon2%angenommen,ergebensichfolgendeArbitragetransaktionen:

Datum Arbitragetransaktionen Geldeingang Geldausgang


t D 0: Long Forward/Future
15. Juli 2015 Leerverkauf einer Feinunze Golda EUR 1027,04
Kreditausleihe des Betrags aus dem Gold- EUR 1027,04
leerverkauf zu 0,168 %
T D 1 Jahr: Kauf einer Feinunze Gold zum Termin- EUR 1047,72
15. Juli 2016 preis über den Long Forward/Future
Rückzahlung aus der Kreditausleiheb EUR 1028,77
Haltungskosten aus dem Leerverkauf c EUR 2;05
Arbitrageverlust: EUR 16,90
a
EUR 1048  .1  0:02/
b
EUR 1027;04  .1;00168/1
c
EUR 1027;04  0;002

Aus der Reverse-Cash-and-Carry-Arbitrage resultiert ein Verlust von EUR 16,90.


Folglich werden die Marktteilnehmer bei einem Terminpreis von EUR 1047,72 den
unterbewerteten Preis nicht korrigieren, wei l die Transaktionskosten zu hoch sind. Ei- ne
Anpassung findet nur statt, wenn der Terminpreis den gehandelten Terminpreis von EUR
1047,72abzüglichdesArbitrageverlustsvonEUR16,90unterschreitet,demnachniedriger
als EUR 1030,82 ist. Dies lässt sich mit den Kosten des Kassageschäfts erklären, die EUR
1030,82[
D EUR 1048  .1  0;02/  .1 C 0;00168 C 0;002/]
770 13 ForwardsundFutures

betragen. Demzufolge findet bei der Reverse -Cash-and-Carry-Arbitrage keine Preis-


korrektur statt, wenn der Terminpreis gleich oder über den Kosten des Kassageschäfts
einschließlichTransaktionskostenzuliegenkommt:

F0  S0 .1  œ/.1 C r C c/T : (13.3)

Befindet sich der gehandelte Terminpreis innerh alb der folgenden Nicht-Arbitragepreis-
spanne, erfolgt keine Preiskorrektur, da die Transaktionskosten nicht verdient werden
können:
S0 .1  œ/.1 C r C c/T  F0  S0 .1 C œ/.1 C r C c/T : (13.4)
Liegt der Terminpreis außerhalb dieser Preisspanne, erzielt man mit einer Arbitra-
gestrategie einen Gewinn. Ein Terminpreis innerhalb dieser Preisgrenze bietet kei- ne
Arbitragemöglichkeit, weil die Transaktionskosten nicht eingespielt werden kön- nen. Im
vorliegenden Beispiel beträgt die Preisuntergrenze, die eine Korrektur eines
unterbewertetenTermingeschäftsverhindert,EUR1030,82.DiePreisobergrenzefüreinen
überbewerteten Kontrakt hingegen beläuft sich auf EUR 1072,89. Die Nicht-
ArbitragepreisspanneverändertsichmitderZeit,dasichzumeinenderPreisdesBa-siswerts
bewegtundsichzumandernFinanzierungskostenundHaltungskostenüberdieLaufzeitdes
Termingeschäfts ändern können. Ebenfalls nimmt die Basis – also die Differenz zwischen
dem Kassapreis des Basiswerts und dem Terminpreis – über die Laufzeit des
Termingeschäftsab,daaufgrundderkürzerenRestlaufzeitdieHöhederFinanzierungs-und
HaltungskostendesKassageschäftszurückgehen.AmFällig-keitstagdesTermingeschäfts
beträgtdieBasisnullundderKassapreisentsprichtdemTerminpreis.

Des Weiteren sind die folgenden Aspekte hinsichtlich der Transaktionskosten rele- vant.
ErstensführenhöhereTransaktionskostenzueinergrößerenNicht-Arbitrage-preisspanne,
innerhalb derer unter- oder überbewertete Termingeschäfte nicht korri- giert werden.
Zweitens bezahlen die Marktakteure unterschiedlich hohe Transakti- onskosten. So etwa
sinddie Ausgaben für ein Handelsgeschäft bei einem privaten Investor oder Einzelhändler,
dienichtübereinenBörsenmitgliedsstatusverfügen,imVergleichzueinemBörsenmitglied
wesentlich höher. Daher gilt, dass der Terminpreis zwingend zwischen den Nicht
-Arbitragepreisgrenzen de s Marktteilnehmers mit den niedrigsten Handelskosten liegen
muss. Fällt der Terminpreis außerhalb dieser Preis- grenzen, wird der Händler mit den
geringstenKostendieArbitragemöglichkeitmiteinemGewinnausschöpfen.Marktakteure
mit höheren Transaktionskosten können diese Fehlbewertung nicht ausnutzen, da sie die
Kosten für die Arbitragetransaktio- nen nicht verdienen können. Entfernt sich der
TerminpreisvonderPreisgleichungdesCost-of-Carry-ModellsinvollkommenenMärkten
(siehe ( 13.1 )), werden lediglich die Händler mit den niedrigsten Transaktionskosten – also
großeFinanzinstitutemitBör-senmitgliedsstatus–dieArbitragetransaktionendurchführen
undeinenGewinndarauserzielen.
13.2 PreisbestimmungvonForwardsundFutures 771

2. In vollkommenen Märkten sind die Zinssätze für die Geldausleihe und -aufnahme gleich
groß. In der Realität überschreiten die Zinssätze für die Geldaufnahme dieje- nigen für die
Geldausleihe. Für die Cash-and-Carry-Arbitrage wird Geld für den Kauf des Basiswerts
aufgenommen, während bei einer Reverse-Cash-and-Carry-Arbitrage Geld aus dem
Leerverkauf des Basiswerts angelegt wird. In den vorangegangenen Beispielen wurde ein
einheitlicherEURIBOR-Satzvon0,168%unterstellt.Beiunter-schiedlichenZinssätzenfür
die Geldaufnahme und -ausleihe ist ( 13.4 ) entsprechend anzupassen. Die Preisobergrenze
derNicht-Arbitragepreisspanne resultiert aus dem überbewerteten Termingeschäft. Dabei
setzt der Händler eine Cash-and-Carry-Arbi- tragestrategie um. Er verkauft das Derivat und
kauft gleichzeitig den Basiswert. Dafür nimmt er Geld auf,sodass in die Preisobergrenze der
Zinssatz für die Geldaufnahme einzubinden ist. Im Gegensatz dazu wird bei einer
Reverse-Cash-and-Carry-Arbitrage das unterbewertete Termingeschäft gekauft und der
Basiswert leer verkauft. Das Geld aus dem Leerverkauf wird zinsbringend angelegt, sodass
der Zinssatz für die Geld- ausleihe in die Preisuntergrenze einfließt . Das ergibt folgende
FormelfürdieNicht-Arbitragepreisspanne:

S0 .1  œ/.1 C rL C c/T  F0  S0 .1 C œ/.1 C rB C c/T ; (13.5)

wobei:
rL D Zinssatz für die Geldausleihe,
rB D Zinssatz für die Geldaufnahme.

Bei der Einbindung von unterschiedlichen Zinssätzen nimmt die Nicht-Arbitragepreis-


spannezu,weilderGeldanlagesatzdenGeldaufnahmesatzunterschreitet(r L < rB ).
Wird für den EURIBOR ein Geldanlagesatz von 0,165 % (Geldkurs) und ein Geld-
aufnahmesatz von 0,171 % (Briefkurs) unterstellt, erhält man für das vorangegangene
BeispieldiefolgendenPreisobergrenzenund-untergrenzen:

F0  S0 .1 C œ/.1 C rB C c/T  EUR 1048  .1 C 0;02/  .1 C 0;00171 C 0;002/


D EUR 1072;93;
F0  S0 .1  œ/.1 C rL C c/  EUR 1048  .1  0;02/  .1 C 0;00165 C 0;002/
T

D EUR 1030;79:

Im vorangegangenen Beispiel hat die Nicht-Arbitragepreisspanne für einen einheitli- chen


EURIBOR-Satz von 0,168 % zwischen EUR 1030,82 und EUR 1072,89 betra- gen. Geht
man von unterschiedlichen Zinssätzen für die Geldausleihe von 0,165 % und die
Geldaufnahme von 0,171 % aus, ergibt sich eine breitere Preisspanne von EUR 1030,79 bis
EUR1072,93.

3. Bisher wurde unterstellt, dass Händler im Rahmen der Reverse-Cash-and-Carry-


Arbitrage den Basiswert leer verkaufen und den daraus erhaltenen Geldbetrag zins-
bringend anlegen. Die Gegenpartei des Leerverkaufs ist bei Finanzinstrumenten wie
772 13 ForwardsundFutures

beispielsweise Aktien üblicherweise ein Börsenmakler (Broker). Dabei besteht für den
Börsenmakler ein erhebliches Risiko, wenn die Händler den verkauften Ba- siswert auf
Verlangennichtliefernkönnen.DiesesRisikonimmtzu,jemehrderBasiswertpreissteigt,da
die Händler den durch das Leergeschäft verkauften Refe- renzwert zu einem höheren Preis
auf dem Kassamarkt kaufen müssen. Daher weisen praktisch alle Märkte Restriktionen bei
Leerverkäufenauf,welchedieReverse-Cash-and-Carry-Arbitrageerschwerenundsoeine
n Einfluss auf die Prei suntergrenze der Nicht-Arbitragepreisspanne haben. Vielfach erhält
der Verkäufer vom Börsenmakler lediglich einen Anteil von z. B. 50 % oder 75 % des
Verkaufspreises. Das führt dazu, dass die Preisuntergrenze fällt, weil nicht d er gesamte
Verkaufserlös,sondernnureinBruchteildavonzinsbringendangelegtwerdenkann:

F0  S0 .1  œ/.1 C b rL C c/T ; (13.6)

b D Anteil des Geldbetrags aus dem Leerverkauf.

Der erhaltene Anteil am Leerverkauf liegt zwischen 0 und 1. In einem vollkommenen Markt
istb D 1undfälltsomitausderBerechnungderPreisuntergrenzeweg.In
unvollkommenenMärktenmitTransaktionskosten,unterschiedlichenZinssätzenfürdie
Geldausleiheund-aufnahmesowieRestriktionenbeimLeerverkauflässtsichdie
Nicht-Arbitragepreisspannewiefolgtermitteln:

S0 .1  œ/.1 C b rL C c/T  F0  S0 .1 C œ/.1 C rB C c/T : (13.7)

WirdimvorangegangenenBeispielvoneinemAnteilamLeerverkaufvon50%aus-gegangen,
resultiertdarauseinePreisuntergrenzevonEUR1029,94[ D EUR 1048 
.1  0;02/  .1 C 0;5  0;00165 C 0;002/], die verglichen mit der Preisuntergrenze
ohne Restriktionen beim Leerverkauf von EUR 1030,79 niedriger ist. Demnach füh-
ren Einschränkungen beim Leerverkauf zu einer größeren Nicht-Arbitragepreisspanne.
Diejenigen Händler mit dem höchsten Anteil aus dem Erlös des Leerverkaufs und mit den
niedrigsten Transaktionskosten setzen die Preisuntergrenze au s der Reverse-Cash-
and-Carry-Arbitragefest.

In einem vollkommenen Markt sind die Transaktionskosten null (œ D 0), die Zinssätze
für die Geldausleihe und -aufnahme sind gleich groß (rL D rB D r) und der Anteil aus
dem Erlös des Leerverkaufs ist 1 (b D 1). Werden diese Parameter in ( 13.7 ) eingesetzt,
erhält man ( 13.1 ) für die Preisbestimmung eines Forwards/Futures mit dem Cost-of-
Carry-ModellineinemvollkommenenMarkt:

F0 D S0 .1 C r C c  d/T :

4. Einschränkungen bei der Lagerung des Basiswerts haben ebenfalls einen Einfluss auf die
Nicht-Arbitragepreisspanne. Bei Gold besteht eine solche Restriktion nicht, weil es unter
anderemchemischstabilistundsichsomitgutlagernlässt.DemgegenübergibtesRohstoffe
wiez.B.verderblicheAgrarprodukteundElektrizität,diesichnicht
13.2 PreisbestimmungvonForwardsundFutures 773

oder nicht über eine längere Zeitperiode lagern lassen. Kann der Basiswert nicht ge- lagert
werden, lässt sich eine Cash-and-Carry-Arbitrage nicht umsetzen, sodass über das
Arbitragekonzept keine Beziehung zwischen dem Terminpreis und dem Kassa- preis
hergestellt werden kann. Ohne Arbitragemöglichkeit wird ein überbewertetes
Termingeschäft auf dem Markt nicht korrigiert, sodass die Preisobergrenze, zumindest
theoretisch betrachtet, einen unendlichen Wert annehmen kann. Demnach lässt sich bei
schlechten Lagerungseigenschaften des Rohstoffes das Cost-of-Carry-Preismodell nicht
anwenden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in unvollkommenen Märkten die Höhe der


Nicht-Arbitragep reisspanne von den Transaktionskosten, den unterschiedlichen Zins-
sätzen für die Geldausleihe und -aufnahme, den Restriktionen beim Leerverkauf und den
Einschränkungen bei der Lagerung des Basiswerts abhängt. Folglich lässt sich mit dem
Cost-of-Carry-ModelllediglichdiePreisspannebestimmen,inwelcherderTer-minpreiszu
liegenkommt.EineexakteErmittlungdesTerminpreisesistinunvollkom-menenMärkten–
alsoinderrealenWelt–nichtmöglich.DaherspielenMarkterwar-tungenbeiderFestlegung
desTerminpreisesinnerhalbderNicht-ArbitragepreisspanneeineentscheidendeRolle,die
nachfolgendbeschriebenwerden.

13.2.4 Erwartungsmodell

Preiserwartungen des Basiswerts zum Fällig keitszeitpunkt des Termingeschäfts sind für die
Festlegung des Terminpreises wichtig. Wird beispielsweise erwartet, dass der Preis von 1 kg
Weizen bis zur nächsten Ernte EUR 0,20 beträgt, muss der Terminpreis gleich oder zumindest
sehr nahe am erwarteten Basiswertpreis von EUR 0,20 sein. Liegt der Terminpreis
beispielsweise bei EUR 0,25 p ro Kilogramm Weizen, werden Spekulanten Termingeschäfte
verkaufen und zum Fälligkeitszeitpunkt bzw. zum Erntezeitpunktden Weizen zu EUR 0,20 auf
dem Kassamarkt kaufen und über den Terminkontrakt zu einem höheren Preis von EUR 0,25
veräußern. Im Gegensatz dazu werden Spekulanten das Ter- mingeschäft kaufen, wenn der
Terminpreis d en erwarteten Basiswertpreis von EUR 0,20 unterschreitet. Zum
Fälligkeitszeitpunkt werden sie den Weizen über das Termingeschäft kaufen und zu einem
höherenPreisaufdemKassamarktverkaufenundsoeinenGewinnerzielen.Kurzum,dieAnwes
enheit von Spekulanten auf dem Markt führt dazu, dass der Terminpreis gegen den erwartete n
Basiswertpreiskonvergiert:

F0  E0 .ST / ; (13.8)

4
DamitdasCost-of-Carry-ModellfürdieFestlegungdesTerminpreisesbeiRohstoffeneingesetztwerden
kann,müssenbeimBasiswert(alsobeimRohstoff)folgendeBedingungenerfülltsein:
1)
Möglichkeit zum Leerverkauf, 2) großes Angebot, 3) keine saisonale Produktion und Konsum, gute
Lagerungseigenschaften
4) und 5) Fehlen einer Verfügbarkeitsprämie (Convenience Yield). Eine
Verfügbarkeitsprämie kann beim Halten des Rohstoffes anfallen. So zum Beispiel kann man Erdgas
im Winter aufgrund einer hohen Nachfrage zum Heizen oder ein Agrarprodukt vor der Ernte
aufgrund des knappen Angebots zu einem höheren Preis verkaufen.
774 13 ForwardsundFutures

wobei:

E0 .ST / D erwarteter Basiswertpreis zum Fälligkeitszeitpunkt T des Termingeschäfts.

Dieses Modell setzt homogene (gleiche) Preiserwartungen der Marktteilnehmer voraus – also
die strenge Form der Marktinformationshypothese. Der Terminpreis wird dem erwar- teten
Basiswertpreis nicht genau entsprechen. Der Grund dafür liegt zum einen in den für die
Arbitragetransaktionen erforderlichen Handelskosten und zum anderen in dem un-
terschiedlichen Risikoaversionsgrad der Marktakteure. Eine Preisabweichung zwischen dem
Terminpreis und dem erwarteten Basiswertpreis wird von den Marktteilnehmern nur dann
korrigiert, wenn der Gewinn die dafür notwendigen Transaktionskosten übersteigt. Außerdem
gehenrisikoaverseInvestorenlediglichdanneinRisikoein,wenndererwar-teteGewinnausder
eingegangenen Position die Verlustgefahr kompensiert. Daher kann eine Fehlbewertung
bestehen bleiben, wenn die Marktteilnehmer entscheiden, dass der Arbitragegewinn im
Verhältnis zum Risiko zu klein ist. Diese Entscheidung hängt vom Risikoaversionsgrad der
Marktakteure ab. Sind sie mehr oder wenigerrisikoavers, weicht der Terminpreis entsprechend
mehroderwenigervomerwartetenBasiswertpreisab.

13.2.5 TerminpreisundRisikoaversion

Da die Risikoaversion der Marktteilnehmer die Beziehung zwischen dem Terminpreis und dem
erwarteten Basiswertpreis beeinflusst, werden im Folgenden zwei Theorien vor- gestellt. Die
Normal-Backwardation- und die Contango-Theorie v on Keynes und Hicks erklärt die
Preisunterschiede anhand von A bsicherern mit Long- oder Short-Positionen auf den
Terminmärkten, während das Capital Asset Pricing Model (CAPM) die gehandel- ten
TerminpreisemiteinersystematischenRisikogrößeverbindet.

13.2.5.1 NormalBackwardationundContango
Die Beziehung zwischen Terminpreis und erwartetem Basiswertpreis wird durch Angebot und
Nachfrage auf den Terminmärkten bestimmt. Angeboten werden die Termingeschäfte durch
diejenigen Marktakteure, die ihre Ri sikopositionen gegen Preisänderungen absi- chern,
während die Nachfrage durch Spekul anten abgedeckt wird. So etwa besteht das Preisrisiko bei
Rohstoffproduzenten aus fa llenden Preisen. Um sich dagegen zu schützen, müssen die
Produzenten Termingeschäfte auf die hergestellten Rohstoffprodukte verkau- fen. Damit die
Spekulanten die entgegengesetzte Risikoposition einnehmen, werden die
Long-Termingeschäfte zu einem Preis abgegeben, der unter dem erwarteten Basiswert- preis
liegt. Über die Laufzeit des Termingeschäfts steigt der Terminpreis in Richtung des höheren
erwarteten Basiswertpreises, bis dieser zum Fälligkeitszeitpunkt den Basiswert- preis erreicht,
was zu einem Gewinn beiden Spekulanten führt. Somit transferieren die Rohstoffproduzenten
dasPreisänderungsrisikoandieSpekulantenundbezahlenihnenfür
13.2 PreisbestimmungvonForwardsundFutures 775

die Risikoübernahme eine Prämie, die aus der Differenz zwischen dem erwarteten Ba-
siswertpreis und dem Terminpreis besteht. D abei handelt es sich aufgrund der heutigen
homogenenErwartungenumeinenvoraussichtlichenGewinnfürdieSpekulanten,derlediglich
dann eintrifft, wenn am Fälligkeitstag des Termingeschäfts der erwartete Basis- wertpreis dem
Preis des Basiswerts entspric ht. Zu welchem Terminpreis die Derivate von den Absicherern an
die Spekulanten abgegeben werden, hängt vom Risikoaversionsgrad der Spekulanten ab. Ein
höherer (niedriger) Risikoaversionsgrad hat einen niedrigeren (höheren) Terminpreis und
somit einen höheren (niedrigeren) erwarteten Gewinn zur Fol- ge. Diese Beobachtung, dass
Terminpreise in folge Short-Nettopositionen der Absicherer und Long-Nettopositionen der
Spekulanten gegen den höheren erwarteten Basiswertpreis streben, wurde von John Maynard
KeynesimJahre1930festgehaltenundalsNormalBackwardationbezeichnet.

HandeltessichbeidenAbsicherernumRohstoffkonsumenten–z.B.Fluggesellschaf-ten,
diesichgegensteigendeKerosinpreiseschützenmöchten–,werdendieRisikoposi-tionenmit
Long-Termingeschäftenabgesichert.UmSpekulantenindieentgegengesetzteRisikoposition
zubringen,werdendieTermingeschäftezueinemgegenüberdemerwarte-tenBasiswertpreis
höherenTerminpreisabgegeben.FälltüberdieLaufzeitdesTerminge-schäftsderTerminpreis
gegendenniedrigerenerwartetenBasiswertpreis,resultiertdarauseinGewinnfürdie
Spekulanten,dersiefürdieRisikoübernahmeentschädigt.Derer-warteteGewinnumfasstdie
DifferenzzwischendemTerminpreisunddemerwartetenBasiswertpreis.DiePreisdifferenz
hängtvomRisikoaversionsgradderSpekulantenab.Jehöher(niedriger)der
Risikoaversionsgradist,destohöher(niedriger)fälltderTerminpreisaus.Weisendie
SpekulantenimDurchschnitteineShort-Nettopositionbzw.dieAbsiche-rereine
Long-Nettopositionauf,wirddieserTerminmarktinAnlehnunganJohnHicks(1939)als
Contangobezeichnet.

EineweitereAusprägungdiesesKonzeptsist,dasssichüberdieLaufzeitdesTer-
mingeschäftsdieNetto-PositionenderAbsicherervonShort-zuLong-Termingeschäften(oder
umgekehrt)verändern.SoetwaverfügenzuBeginnderLaufzeitdesTerminge-schäftsdie
AbsichererüberShort-Nettopositionen.DabeiliegtderTerminpreisunterhalbdeserwarteten
BasiswertpreisesundderMarktistinNormalBackwardation.MitderZeitveränderndie
AbsichererschrittweiseihreHedging-PositionenzuLong-Nettopositionen,wasdazuführt,
dassdieSpekulantenimDurchschnittShort-Termingeschäftebesitzen.DamitdieSpekulanten
fürdaseingegangeneRisikoentschädigtwerden,wirdeinTermin-preisfestgelegt,derüberdem
erwartetenPreisdesBasiswertsliegt.DerMarktbefindetsichsomitinContango.Eine
VeränderungderHedging-Bedürfnissekannvorkommen,wennzumBeispielzuBeginnder
LaufzeitdesTermingeschäftsaufWeizendieAbsi-chererhauptsächlich
Landwirtschaftsbetriebesind,diesichgegenfallendeWeizenpreiseabsichern.NachderErnte
schützensichRohstoffkonsumenten,z.B.Bäckereibetriebe,

5
Vgl. Keynes 1930 : A Treatise of Money, S. 314.
6
Vgl. Hicks 1939 : Value and Capital: An Inquiry into Some Fundamental Principles of Economic
Theory, S. 130 ff.
776 13 ForwardsundFutures

(Terminpreis)

Wechsel der
Contango
Hedging-Bedürfnisse

erwarteter
Basiswert-
preis

Normal Backwardation

0 T
(Laufzeit des Termingeschäfts)

Abb.13.2 Konvergenz des Terminpreises zum erwarteten Basiswertpreis

gegen steigende Weizenpreise mit Long-Termingeschäften. Um Spekulanten in die ent-


gegengesetzte Position zu bringen, werden die Termingeschäfte zu einem Preis offeriert, der
über dem erwarteten Basiswertpreis liegt. Abb. 13.2 zeigt den Verlauf des Termin- preises bei
einem Markt in Normal Backward ation und Contango sowie bei veränderten
Hedging-Bedürfnissen, wenn der erwartete Ba siswertpreis zum Fälligkeitszeitpunkt des
Termingeschäftseintrifft.

MärktefürRohstoff-Futures-Kontrakte,diesichinBackwardationoderContangobe-
finden,könnenauchmitderVerfügbarkeitsprämievonRohstoffen(ConvenienceYield)–also
eineRenditefürdasHaltendesBasiswerts–erklärtwerden.EineVerfügbarkeitsprä-miezum
BeispielfürGoldtrittauf,wenndasHalteneinerGoldpositionheuteeinengrößerenNutzenstiftet
alsdasHaltendieserRohstoffpositionineinemzukünftigenZeit-punkt.EineConvenience
YieldresultiertauseinergroßenGoldnachfrageaufdemMarkt,weilLieferengpässebeider
VertragsabwicklungvonGoldkontraktenbestehen.DamitdieMarktteilnehmerihren
Goldverpflichtungennachkommenkönnen,sindsiebereit,einenZinssatzfürdasBorgenvon
Goldzubezahlen.AnhanddesCost-of-Carry-ModellslässtsichbeimVorhandenseineiner
VerfügbarkeitsprämiederTerminpreisfürGoldineinemvollkommenenMarktwiefolgt
bestimmen:

F0 D S0 .1 C r C c  y/T ; (13.9)

wobei:

y D Verfügbarkeitsprämie (Convenience Yield) in Prozent des Basiswertpreises.


13.2 PreisbestimmungvonForwardsundFutures 777

Backwardation Haltungs-
kosten
Verfügbar-
Finanzie-
keitsprämie
rungskosten

Kassapreis
Terminpreis

Contango Haltungs- Verfügbar-


kosten keitsprämie
Finanzie-
rungskosten

Terminpreis
Kassapreis

Abb.13.3 Backwardation und Contango bei Rohstoffen mit einer Verfügbarkeitsprämie

Übersteigt die Verfügbarkeitsprämie von Gold die Cost of Carry – also die Finanzierungs- und
Haltungskosten –, fällt der Terminpreis unter den Kassapreis. Einen solchen Markt nennt man
Backwardation. Sind die Cost of Carry größer als die Convenience Yield, ist der
Gold-Future-Markt in Contango. Abb. 13.3 illustriert diesen Zusammenhang. Da die
Verfügbarkeitsprämie auf dem Markt nicht direkt beobachtet werden kann, wird sie aus dem
gehandelten Future-Preis und den Finanzierungs- und Haltungskosten des Rohstoffs implizit
berechnet.

Beispiel
Berechnung der Verfügbarkeitsprämie bei einem Gold-Future-Kontrakt
Der Gold-Future-Kontrakt mit Fälligke it Oktober 2015 (FGFX Oct 2015) wird am 30. Juli
2015 an der Eurexzu einem Preis von USD 1095 geführt. Eine Feinunze Gold wird zu einem
Preis von USD 1094 gehandelt. Der 3-monatige LIBOR-Satz für den US-Dollar beträgt 0,3
%. Die jährlichenHaltungskosten fürGold belaufen sich auf 0,2 %. Wie hoch ist dieimplizite
Verfügbarkeitsprämie?

Lösung
DieimpliziteVerfügbarkeitsprämiedesGold-Future-Kontraktsliegtbei0,13%undlässtsich
folgendermaßenbestimmen:
 12=3
USD 1095
yD C 1;005 D 0;0013:
USD 1094
77 13 ForwardsundFutures

13.2.5.2 CapitalAssetPricingModel
Mit dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) wird die Renditeerwartung mit dem risiko- losen
Zinssatz zuzüglich einer Risikoprämie für das systematische Risiko bestimmt, die aus dem
ProduktderMarktrisikoprämiemitdemBetabesteht. 7
DasCAPMlässtsich
beiFutures-Kontraktenanwenden,weilFuturesaneinerTerminbörseaktivgehandeltwerden
undsodasBetaanhandeinereinfachenlinearenRegressionsanalysezwischendenhistorischen
PreisrenditendesFuturesunddesMarktesermitteltwerdenkann.BeieinemFuture-Kontrakt
musseineSicherheit(InitialMargin)geleistetwerden.Eineei-gentlicheInvestitionsausgabe
fürdenBasiswertistjedochnichterforderlich.DaherfälltbeiderCAPM-Renditegleichungder
risikoloseZinssatzweg,dakeinGeldimUmfangdesBasiswertszudiesemZinssatzangelegt
wirdunddemnachkeineOpportunitätskostenentstehen.SomitlässtsichdieCAPM-Rendite
einesTermingeschäftsanhanddesProduktsderMarktrisikoprämiemitdemBetaberechnen:

E .r/ D MRP  Beta; (13.10)

wobei:

MRP D Marktrisikoprämie (Differenz zwischen erwarteter Marktrendite und risikolosem


Zinssatz).

Liegt das Beta über (unter) 0, erwartet man bei einem Long-Termingeschäft eine positive
(negative)Rendite.BetragenzumBeispieldieMarktrisikoprämie5,2%unddasBetadesFutures
1,2,ergibtsicheineRenditeerwartungvon6,24%(
D 5;2 %  1;2). Folglich be-
deutet ein positives (negatives) Beta, dass d er Terminpreis in Zukunft steigt (fällt). Ist das
Beta hingegen 0, erwartet man keine Preisänderung des Termingeschäfts. Anhand des sys-
tematischen Risikoslässt sichmit dem CAPM bestimmen,ob der Future-Preis in Zukunftsteigt,
fällt odergleich bleibt. Ob eine Beziehung zwischen dem systematischenRisiko – gemessen mit
dem CAPM – und dem Future-Preis besteht, konnte durch empirische Studien nicht
abschließend geklärt werden. Die bisher durchgeführten Studien gelangen diesbezüglich zu
gemischtenErgebnissen.
9

7
Vgl. Abschn. 4.4 .
8
Vgl. Kolb 2000 : Futures, Options, & Swaps, S. 77.
9
SozumBeispielgelangenAggarwalundSoenen(1988)sowieJa fe ( 1989)zudemSchluss,dassdie
KorrelationzwischenGoldunddemAktienmarktleichtpositivs t.Demgegenüberzeigendie
Ergebnisse der empirischen Studien von Tschoegl ( 1980 ), Carter et al. ( 1982 ), Blose und Shieh ( 1995 ),
Larsen und McQueen ( 1995 ) sowie McCown und Zimmermann ( 2006 ), dass Gold mit dem Aktienmarkt
nicht korreliert ist und somit das Beta des Edelmetalls nicht signifikant von null ab- weicht. Eine negative
Korrelation zwischen Gold und dem Aktienmarkt ist durch eine Studie von Blose ( 1996 ) festgestellt
worden. Darüber hinaus gelangen Baur und Lucey ( 2006 ) zu dem Schluss, dass Gold üblicherweise ein
negatives Beta aufweist, das mit der Zeit variiert und in Abhängigkeit von der untersuchten Zeitperiode
positiv,negativodernullseinkann.
13.2 PreisbestimmungvonForwardsundFutures 779

13.2.6 Forward-PreisversusFuture-Preis

Ein wichtiger Unterschied zwischen Forwards und Futures ist, dass bei Letzteren der Ge-
winn/Verlust (Variation Margin) täglich realisiert wird, während bei Forwards der tägliche
Gewinn/Verlust (Variation Margin) nicht realisiert wird, sondern durch eine Anpassung
des Collaterals ausgeglichen wird. Treten beispielsweise Gewinne auf, können diese bei
einem Future zu einem Zinssatz angelegt werden, was bei einem Forward nicht möglich
ist, weil ein etwaiger Gewinn erst an besti mmten Abrechnungstagen oder zum
Fälligkeits- zeitpunkt realisiert werden kann. Durch die Zinseinnahmen ist der Future
attraktiver als der Forward. Verluste hingegen müssen finanziert werden, was bei einem
Future zu ei- nem Zinsaufwand führt, sodass Forwards in einem solchen Szenario zu
bevorzugen sind. Dieser Zusammenhang hat zur Folge, dass der Future-Preis vom
Forward-Preis abweicht. Im Folgenden wird der mögliche Unterschied zwischen den
Preisen eines Futures und eines Forwards anhand eines Long Futures und Long Forwards
auf Gold mit einer Laufzeit von 8 Tagen illustriert. Der Terminpreis beträgt bei
Vertragsabschluss und zum Fälligkeitszeitpunkt für beide Kontrakte jew eils EUR 1050.
Es werden zwei Preisszena- rien unterstellt. Im ersten Szenario steigt der Future-Preis in
den ersten 4 Handelstagen um je EUR 10, bevor er anschließend um täglich EUR 10
zurückgeht. Im zweiten Fall nimmt der Future-Preis in den ersten 4 Tagen um je EUR 10
ab, bevor er wieder täglich um EUR 10 steigt. Abb. 13.4 visualisiert die beiden
Preisszenarien. Der Zinssatz für die Geldanlage und -aufnahme liegt bei 2 %. 1 Jahr
besteht aus 250 Handelstagen. Bei zu- erst steigenden und dann fallenden Terminpreisen beim Long-Fu

(Terminpreis)

1. Szenario:
zuerst steigende, dann fallende Preise
EUR 1090

EUR 1050

EUR 1010
2. Szenario:
zuerst fallende, dann steigende Preise

0 8
(Laufzeit des Termin-
geschäfts in Tagen)

Abb.13.4 Zwei Szenarien für den Preisverlauf bei einem Future/Forward


7 0 13 ForwardsundFutures

sich Zinseinnahmen von EUR 0,013, während bei fallenden und anschließend steigenden
PreiseneinZinsaufwandvonEUR0,013resultiert. 10
ImerstenSzenarioisteinFuture
attraktiver.DemgegenüberistbeimzweitenPreisszenarioderForwarddiebessereWahl.
ObwohldiePreisbewegungenimVorausnichtbekanntsind,zeigtdasBeispiel,dassauf-grund
destäglichrealisiertenGewinns/VerlustsbeiFuturesundderdabeianfallenden
Zinseinnahmenund-ausgaben,diePreisevonForwardsundFuturesvoneinanderabwei-chen.

11

AusdieserAnalyselässtsicheineallgemeinePreisregelfürFuturesundForwardsab-leiten.
BestehteinepositiveKorrelationzwischendemFuture-PreisunddenZinssätzen,istdasHalten
vonFuturesimVergleichzuForwardsvorteilhafter.Steigtetwabeieinem
Long-Future-KontraktderPreis,kannderrealisierteGewinnzueinemhöherenZinssatz
angelegtwerden.FallenhingegenderFuture-PreissowiederZinssatz,könnendieVerlustezu
einemniedrigerenZinssatzfinanziertwerden.DemnachsindbeieinerpositivenKor-relation
zwischendemTerminpreisunddenZinssätzenFuturesdiebessereWahl,sodassder
Future-PreisüberdemForward-Preiszuliegenkommt.IstdieKorrelationzwischendem
TerminpreisunddenZinssätzennegativ,istdasHaltenvonForwardsattraktiverundder
Future-PreisfälltunterdenForward-Preis.SteigtzumBeispielbeieinemLongFuturederPreis,
wirdderrealisierteGewinnzueinemniedrigerenZinssatzangelegt.BeieinemPreisrückgang
wirdderVerlustmitteureremGeldfinanziert.SindderTerminpreisunddieZinssätzenicht
miteinanderkorreliert,bestehtkeinPreisunterschiedzwischenFuturesundForwards.

BeikurzenLaufzeitenisteinemöglichePreisdifferenzzwischenForwardsundFuturessehr
geringundfolglichunbedeutend.ImGegensatzdazukannbeilangenLaufzeitender
TermingeschäftederPreisunterschiedwesentlichsein. 12
In den folgenden Ausführungen
wird davon ausgegangen, dass die Zinssätze und der Terminpreis nicht miteinander korre-
lieren und so der Future- und der Forward-Preis gleich groß sind.

13.3 WertbestimmungvonForwards

Die Berechnung des Werts bei einem unbedingten Termingeschäft ist lediglich bei For- wards
und Swaps relevant, weil bei Futures -Kontrakten ein täglich realisierter Gewinn-
Verlust-Ausgleich stattfindet, sodass keine Gewinne oder Verluste während der Laufzeit des
Kontrakts auflaufen. Um den Wert eines Forwards zu ermitteln, ist zunächst der Ge-
winn/Verlustzubestimmen,deranschließenddiskontiertwird.DieWertberechnungwird

10
Z. B. werden die Zinseinnahmen aus dem Gewinn von EUR 10 der Long-Gold-Future-Position
am Ende des ersten Handelstages wie folgt ermittelt: .1;02/8=250  EUR 10  EUR 10 D
EUR 0;006339. Für die verbleibenden 7 Handelstage lassen sich die Zinseinnahmen bzw. -ausgaben
auf dieselbe Weise berechnen.
11
Bei Forwards wird täglich das Collateral angepasst, aber die Gewinne/Verluste werden nicht rea-
lisiert. Vgl. Abschn. 12.2 .
12
Vgl. Bösch 2014 : Derivate: Verstehen, anwenden und bewerten, S. 174.
13.3 WertbestimmungvonForwards 7 1

anhand eines Long-Gold-Forwards mit einer Lau fzeit von 1 Jahr illustriert. Der 1-jährige
EURIBOR-Satz liegt bei 0,168 %, während Haltungskosten von 0,2 % unterstellt werden. Eine
Feinunze Gold wird zu einemPreis von EUR 1048 gehandelt. Das ergibt einen Ter- minpreis bei
VertragsabschlussvonEUR1051,86:

F0, 1 Jahr D EUR 1048  .1 C 0;00168 C 0;002/1 D EUR 1051;86:

Um den Wert des Forwards zu eruieren, wird z unächst die Zeitperiode definiert. Der Ver-
tragsabschluss findet zum Zeitpunkt 0 statt. Der Zeitpunkt der Vertragserfüllung bzw. der
FälligkeitszeitpunktdesForwardswirdmitTbezeichnet.SomitbeläuftsichdieGesamt-laufzeit
desForwardsaufT(
D T  0). Der Zeitpunkt t stellt einen arbiträren Zeitpunkt
zwischen dem Vertragsabschluss 0 und der V ertragserfüllung T dar. Diese Definitionen lassen
sichanhandderfolgendenZeitachsevisualisieren.

0 t T
(heute) (Fälligkeit)

UmdenGewinn/VerlustderLong-Forward-PositionwährendderLaufzeitzubestim-men,
istderForward-PreiszumBewertungszeitpunkttfestzulegen.Unterstelltman,dassnach6
MonatendieFeinunzeGoldzueinemPreisvonEUR1060gehandeltwird,ergibtsichbei
unverändertenFinanzierungskostenvon0,168%undHaltungskostenvon0,2%ein
TerminpreisvonEUR1061,95:

Ft D EUR 1060  .1 C 0;00168 C 0;002/0;5 D EUR 1061;95:

Somit beläuft sich der Gewinn der Long-Gold-Forward-Position auf EUR 10,09 (D
EUR 1061;95  EUR 1051;86). Da dieser Gewinn erst am Fälligkeitstag des Terminge-
schäfts in 6 Monaten anfällt, muss er mit dem 6-monatigen EURIBOR-Satz von 0,168 % auf den
Bewertungszeitpunkt t diskontiert werden (Zeitwert des Geldes). Der Wert der
Long-Gold-Forward-PositionliegtdemnachbeiEUR10,08:

EUR 10;09
Wert Forward zum Zeitpunkt t D D EUR 10;08:
.1;00168/0;5

Während der Laufzeit des Long Forwards lässt sich der Wert zum Zeitpunkt t folgender- maßen
ermitteln:
Ft  F0
Vt, Long D ; (13.11)
.1 C r/Tt
wobei:
Vt D WertdesForwardszumZeitpunktt,D
F PreisdesForwardszumZeitpunktt, t
7 2 13 ForwardsundFutures

F0 D Preis des Forwards zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses,


T  t D Restlaufzeit des Forwards.

WerdendieZahlendesLong-Gold-ForwardsindieobenstehendeGleichungeingesetzt,ergibtsich
wiederumeinWertvonEUR10,08:

EUR 1061;95  EUR 1051;86


Vt, Long D 0;5
D EUR 10;08:
.1;00168/
Termingesc häft
Möchte ein Investor in dieses einsteigen, muss er einen Preis von
EUR 10,08 bezahlen, der dem bisher aufgelau fenen Gewinn entspricht. Des Weiteren
istderpositiveWertdesForwardsvonEUR10,08demaktuellenKreditrisikoausgesetzt.Umdas
Kreditrisiko zu minimieren,sind dieMarktteilnehmer für OTC-Derivate mitund ohne zentrales
ClearingzueinemCollateralverpflichtet,dertäglichangepasstwerdenmuss.
13
Bei einem Short Forward gestaltet sich die Wertermittlung wie folgt:
 
Ft  F0
Vt, Short D  : (13.12)
.1 C r/Tt
Geht man im vorangegangenen Beispiel von einem Short-Gold-Forward aus, resultiert
daraus ein negativer Wert von EUR 10,08:
 
EUR 1061;95  EUR 1051;86
Vt, Short D  D EUR 10;08:
.1;00168/0;5
Der negative Wert des Short Forwards von EUR 10,08 stellt einen aufgelaufenen Verlust
dar.MöchteeinInvestorindiesesTermingeschäfteintreten,erhältereinenGeldbetragvonEUR
10,08 ausbezahlt. Da es sich beim negativen Wert um einen Verlust handelt, ist dieser nicht dem
aktuellenKreditrisikoausgesetzt.

13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedene
Basiswerte

Im Folgenden wird die Preis- und Wertbestimmung von Forwards auf Aktien, Anleihen,
Zinssätze und Währungen gezeigt, bei denen E inkünfte auf dem Basiswert die Kosten des
Kassageschäfts reduzieren und somit einen wertdämpfenden Effekt auf den Terminpreis
ausüben.ForwardsaufRohstoffesindnichtGegenstanddernachstehendenAusführungen.

13.4.1 ForwardsaufAktien

EtwaigeDividendenaufAktien,diewährendundnichtnachderLaufzeitdesForwardsanfallen,
sindindiePreis-undWertbestimmungeinzubinden.Dabeiwirdunterstellt,dass

13
Vgl. Abschn. 12.2 .
13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedeneBasiswerte 7 3

die Dividenden bekannt sind oder einen festen Prozentsatz des Aktie npreises ausmachen. Geht
man von einer Reihe von im Voraus bekannten Dividenden aus, die während der Laufzeit des
ForwardsanbestimmtenZeitpunktent
D 1, t D 2, . . . , t D n ausbezahlt wer-
den, lässt sich der Barwert dieser Dividendenreihe zu Beginn der Laufzeit des Forwards
wie folgt bestimmen:
Xn
Divt
BW .Div/0 D ; (13.13)
tD1
.1 C r/t
wobei:

Divt D Dividenden zum Zeitpunkt t (während der Laufzeit des Forwards),


r D ZinssatzfürdieKauffinanzierungdesBasiswerts.

Um den Terminpreis festzulegen, sind die Kosten des Kassageschäfts zu eruieren, die aus dem
Kassapreis der Aktie zuzüglich der Finanzierungskosten und abzüglich etwai- ger Dividenden
bestehen. Dieser Zusammenhang führt zu folgender Gleichung für die Berechnung des
Terminpreises:

F0 D ŒS0  BW .Div/0 .1 C r/T : (13.14)

Zum Beispiel beträgt der Aktienpreis der Gamma AG EUR 100. In 3 Monaten wird eine
Dividende von EUR 2 erwartet. Der EURIBOR-Satz liegt bei 0,5 %. Der Terminpreis eines
ForwardsaufdieGamma-AktiemiteinerLaufzeitvon6Monatenlässtsichwiefolgtberechnen:

!
EUR 2
F0 D EUR 100   .1;005/6=12 D EUR 98;25:
.1;005/3=12

Beispiel
Berechnung des Terminpreises bei einer Dividendenreihe
DieAktiederDeltaAGwirdzueinemPreisvonEUR80gehandelt.DerEURIBOR-Satzistfür
sämtliche Laufzeiten konstant und beläuft sich auf 0,75 %. Der Forward- Kontrakt auf die
Delta-Aktie weist eine Laufzeit von 320 Tagen auf. Die Aktie zahlt vierteljährlich
Dividenden,diewährendderLaufzeitdesForwardswiefolgtgeschätztwerden:

Tage bis zum Ex-Dividendendatum Dividende


20 Tage EUR 1
112 Tage EUR 1
203 Tage EUR 1
293 Tage EUR 1

Wie hoch ist der Terminpreis?


7 4 13 ForwardsundFutures

Lösung
Zuerst sind die Dividenden zu diskontieren (die Day-Count-Konvention für den
EURIBOR-Satz ist tagesgenau / 360 Tage):

EUR 1 EUR 1 EUR 1 EUR 1


BW .Div/0 D 20=360
C 112=360
C 203=360
C
.1;0075/ .1;0075/ .1;0075/ .1;0075/293=360
D EUR 3;99:

Der Terminpreis von EUR 76,52 lässt sich anhand des Cost-of-Carry-Modells folgen-
dermaßenberechnen:

F0 D .EUR 80  EUR 3;99/  .1;0075/320=360 D EUR 76;52:

Im vorliegenden Beispiel liegt der Terminpreis von EUR 76,52 unterhalb des Kassa- preises
vonEUR80,dadieDividendendieFinanzierungskostenüberschreiten.

BestehtderBasiswertdesForwardsauseinemAktienportfolioodereinemAktienin-dex,ist
dieSchätzungvoneinzelnenDividendenzahlungenmitvielAufwandverbundenunddaher
nichtpraktikabel.IneinemsolchenFallkannalsDividendeeinfesterProzent-satzdes
Basiswertpreises–alsoeineDividendenrendite–verwendetwerden.Dabeiwirdunterstellt,
dassdieDividendenrenditestetigist,bzw.dassdieDividendenkontinuierlichausbezahlt
werden.BeieinembreitabgestütztenAktienindexstelltdieseinesinnvolleAnnahmedar.
InfolgederstetigenDividendenrenditeistaucheinstetigerZinssatzindiePreisformel
einzusetzen.DerdiskreteZinssatzrlässtsichwiefolgtineinenstetigenSatzr

s umwandeln:14
rs D ln .1 C r/ ; (13.15)
wobei

ln D natürlicher Logarithmus.

Daangenommenwird,dassdieDividendenkontinuierlichanfallen,istausKonsistenz-gründen
neben einer stetigen Dividendenrendite ein stetiger Zinssatz erforderlich, damit der
Terminpreisberechnetwerdenkann:

 
F0 D S0 eds T ers T D S0 e.rs ds /T ; (13.16)

14
DieBasisdesnatürlichenLogarithmusistdieEuler’scheZahl,die,auffünfDezimalstellenge-rundet,
2,71828beträgt.Z.B.ergibtsichbeieinemdiskretenZinssatzvon2%einstetigerZinssatz
von 1,98 % [D ln.1;02/].NimmtmandieEuler’scheZahlvon2,71828hoch1,98%undziehtda-D
von 1 ab, resultiert daraus der diskrete Zinssatz von 2 % ( e0;0198  1). Die exponentielle Funktion
ist 1,02 (D e0;0198 ). Sie kann eingesetzt werden, um den Barwert oder Endwert einer Zahlung zu
berechnen. Der Barwertfaktor ist ers , während der Endwertfaktor durch ers gegeben ist.
13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedeneBasiswerte 7 5

wobei:

e D Euler’sche Zahl (2,71828),


ds D stetige Dividendenrendite,
rs D stetiger Zinssatz.

Der Basiswertpreis (bzw. Aktienindexpreis), diskontiert mit der stetigen Dividendenren- dite,
entspricht dem Basiswertpreis abzüglich des Barwerts der Dividenden. Die Finan-
zierungskosten werden in der Formel mit dem stetigen Zinssatz eingebunden. Die Divi- denden
sindnurbeieinemPreisindexwieetwademSMIoderdemEUROSTOXX50zuberücksichtigen.
Demgegenüber werden bei einem Performance-Index wie zum Beispiel dem DAX keine
Dividenden vom Indexstand und den Finanzierungskosten abgezogen, um den Preis des
Forwards/Futures zu berechnen. Der Grund liegt darin, dass die Dividenden im Aktienindex
reinvestiert werden und deshalb bei den Kosten des Kassageschäfts durch den Basiswertpreis
gegebensind.

Beispiel
Berechnung des Terminpreises bei einem Forward-Kontrakt auf den DAX und den
EUROSTOXX50
Der DAX (Performance-Index) schließt am 31. Juli 2015 bei einem Kursstand von 11.309
Punkten. Es wird von einer stetigen DAX-Dividendenrendite von 2,8 % ausge- gangen. Der
EUROSTOXX50(PreisindexinEUR)wirdam31.Juli2015zueinemPreisvon3601Punkten
gehandelt. Die unterstellte stetige Dividendenrendite beläuft sich auf 3,7 %. Der 1-jährige
diskreteEURIBOR-Satzliegtbei0,167%.

1. Wie hoch ist der Terminpreis des DAX-Forward-Kontrakts mit einer Laufzeit von 1 Jahr?

2. Wie hoch ist der Terminpreis des EURO-STOXX-50-Forward-Kontrakts mit einer


Laufzeitvon1Jahr?

Lösungzu1
Zuerst ist der diskrete Zinssatz von 0,167 % in einem stetigen Satz von 0,1669 % um-
zuwandeln:
ln.1;00167/ D 0;001669:
Da der DAX ein Performance-Index ist, sind keine Dividenden bei der Preisermitt- lung des
Forwards (und auch des Futures) einzubinden, was zu einem Terminpreis von 11.327,89
Punktenführt:

F0 D 11:309  e0;0016691 D 11:327;89:


7 6 13 ForwardsundFutures

Lösungzu2
Der EURO STOXX 50 ist ein Preisindex, sodass Dividenden bei der Berechnung des
Terminpreises zu berücksichtigen sind. Der Terminpreis von 3475,99 Punkten lässtsich wie
folgtbestimmen:

F0 D 3601  e.0;0016690;037/1 D 3475;99:

EinestetigeDividendenrenditeistbeieinemAktienindexodereinemAktienportfolio
angemessen.BeieinereinzelnenAktiehingegensolltenfürdiePreisermittlungdesFor-wards
diegeschätztenDividendenzahlungenwährendderLaufzeitdesTermingeschäfts
berücksichtigtwerden.

IstderWertdesForwardszubestimmen,mussderGewinn/Verlust,dererstzumFällig-
keitszeitpunktdesTermingeschäftsrealisiertwird,aufdenBewertungszeitpunktdiskon-tiert
werden.ZuBeginndesForwardsistderWertnull,danochkeinGewinn/Verlustaufgelaufenist.
BeiFälligkeitdesTermingeschäftsentsprichtderBasiswertpreisdemS

Terminpreis . T D FT / , weil zu diesem Zeitpunkt weder Finanzierungskosten noch Di-


videnden bestehen und sich somit die Kosten des Kassageschäfts lediglich aus dem Basis-
wertpreis zusammensetzen.15 DemzufolgeergibtsichderWertdesTermingeschäftsam
FälligkeitstagausderDifferenzzwischendemBasiswertpreisunddembeiVertragsab-
schluss vereinbarten Terminpreis:
VT, Long D ST  F0 ;
(13.17)
VT, Short D .ST  F0 /;
wobei:

VT D Wert des Forwards zum Fälligkeitszeitpunkt,


S D PreisdesBasiswertsamEndederLaufzeitdesForwards,T
F0 D Preis des Forwards zu Beginn der Lau fzeit (bei Vertr agsabschluss).

Beispiel
Berechnung des Werts bei einem Aktien-Forward
Die Aktie der Omega AG wird zu einem Preis von EUR 60 gehandelt. Der EURIBOR- Satz ist
für sämtliche Laufzeiten gleich groß und beträgt 1 %. Die Aktie zahlt die Dividenden
quartalsweise.DienächstenviergeschätztenDividendenzahlungenlautenwiefolgt:

Tage bis zum Ex-Dividendendatum Dividende


30 Tage EUR 0,50
122 Tage EUR 0,25
213 Tage EUR 0,25
303 Tage EUR 0,50

15
Am Fälligkeitstag des Forwards ist die Basis – also die Differenz zwischen dem Basiswertpreis
und dem Terminpreis – null.
13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedeneBasiswerte 7 7

Die Laufzeit des Forwards beläuft sich auf 270 Tage.

1. Wie hoch ist der Terminpreis bei Vertragsabschluss?


2. Nach125TagenliegtderPreisderOmega-AktiebeiEUR70.DerEURIBOR-Satzist1,5%.
WiehochistderWertdesLongForwards?
3. Zum Fälligkeitszeitpunkt des Termingeschäfts wird die Omega-Aktie zu einem Preis von
EUR50gehandelt.DerEURIBOR-Satzist2%.WiehochistderWertdesLongForwards?

Lösungzu1
Um den Terminpreis bei Vertragsabschluss zu berechnen, sind zunächst die Dividenden zu
diskontieren, die während der Laufzeit des Forwards ausbezahlt werden (die Day-
Count-KonventionfürdenEURIBOR-Satzisttagesgenau/360Tage):

EUR 0;50 EUR 0;25 EUR 0;25


BW .Div/0 D 30=360
C 122=360
C D EUR 0;997:
.1;01/ .1;01/ .1;01/213=360

Der Terminpreis liegt bei EUR 59,44:

F0 D .EUR 60  EUR 0;997/  .1;01/270=360 D EUR 59;44:

Lösungzu2
Nach 125 Tagen beläuft sich die Restla ufzeit des Forwards auf 145 Tage (D 270 Tage 
125 Tage ). Demnach ist lediglich die dritte Dividendenzahlung von EUR 0,25 zu be-
rücksichtigen, die in 88 Tagen (D 213 Tage  125 Tage ) anfällt. Der Barwert dieser
Dividendenzahlung ist EUR 0,249:

EUR 0;25
BW .Div/t D D EUR 0;249:
.1;015/88=360

Der Terminpreis nach 125 Tagen von EUR 70,17 lässt sich wie folgt bestimmen:

Ft D .EUR 70  EUR 0;249/  .1;015/145=360 D EUR 70;17:

Um den Wert des Long Forwards zu ermitteln, ist der Gewinn/Verlust zu berechnen und
anschließendmitdemEURIBOR-Satzzudiskontieren:

EUR 70;17  EUR 59;44


Vt, Long D D EUR 10;67:
.1;015/145=360
7 13 ForwardsundFutures

Lösungzu3
Bei Fälligkeit des Termingeschäfts entspricht der Terminpreis dem Basiswertpreis F
. T D ST / , weil sowohl die Finanzierungskosten als auch die Dividenden null sind.
Somit lässt sich der Wert des Long Forwards folgendermaßen ermitteln:

VT D EUR 50  EUR 59;44 D EUR 9;44:

Der negative Wert des Long Forwards von EUR 9,44 spiegelt einen Verlust wider, da der
Käufer verpflichtet ist, dieOmega-Aktie zu einem Preis von EUR 59,44 zu erwer- ben, die auf
demMarktzueinemniedrigerenPreisvonEUR50gehandeltwird.

13.4.2 ForwardsauffestverzinslicheAnleihen

FürdiePreis-undWertbestimmungvonForwardsauffestverzinslicheAnleihensinddieKosten
des Kassageschäfts relevant, die sich aus dem Anleihepreis, den Finanzierungs- kosten und den
Kupons zusammensetzen. Für Kuponanleihen ist der Full-Preis bzw. der gehandelte
AnleihepreiszuzüglichStückzinsen–alsoderseitdemletztenZinsterminaufgelaufeneKupon–
zubezahlen.
16
Sämtliche Kuponzahlungen während der Laufzeit
des Forwards und die seit der letzten Kuponzahlung aufgelaufenen Stückzinsen vermin-
dern die Kosten des Kassageschäfts, sodass sie vom Kassapreis der Anleihe und den
Finanzierungskosten zu subtrahieren sind. Der Terminpreis lässt sich anhand des Cost-
of-Carry-Modellswiefolgtbestimmen:

F0 D ŒB0  BW .K/0 .1 C r/T  SZ; (13.18)

wobei:

B0 D Kassapreis der Anleihe inklusiv e Stückzinsen (F ull-Preis),


BW .K 0 D BarwertderKuponzahlungen,diewährendderLaufzeitdesForwardsausbe-/
zahlt werden,
SZ D seit der letzten Kuponzahlung bis zum Fälligkeitstag des Forwards aufgelau-
fene Stückzinsen.

Die Wertbestimmung erfolgt auf die gleiche Weise wie bei Aktien-Forwards. Der Ge-
winn/VerlustistaufdenBewertungszeitpunktzudiskontieren,weilernuramFälligkeits-tagdes
Termingeschäfts realisiert werden kann. Das folgende Beispiel illustriert die Preis- und
Wertbestimmung.

16
DerKäuferbezahltdemVerkäuferdenseitderletztenZinszahlungaufgelaufenenKupon,daihmbeim
nächstenZinsterminderKuponinvollerHöhefürdiegesamteZinsperiodezufällt.Vgl.
Abschn. 8.8.6.2 .
13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedeneBasiswerte 7 9

Beispiel
Preis- und Wertbestimmung eines Forwa rds auf eine festverzinslichen Anleihe Eine
festverzinsliche Anleihe mit einem jährlichen Kupon von 5 % und einer Restlauf- zeit von
9,75 Jahre wird zu einem Preis von 102,55 % gehandelt. Der letzte Kupon von 5 % wurde
ausgehend vom Valutatag vor 82 T agen bezahlt. Die Day-Count-Konvention für die
Berechnung der Stückzinsen ist tages genau / tagesgenau ICMA (kein Schaltjahr in den
nächsten 2 Jahren). Der Forward-Kontrakt auf der festverzinslichen Anleihe basiert auf einen
Nominalwert von EUR

undweisteineLaufzeitvon2Jah-
100:000
ren auf. Der Finanzierungszinssatz auf dem Kapitalmarkt beträgt 1,5 % (Day-Count-
Konvention:tagesgenau/365Tage).

1. Wie hoch ist der Terminpreis?


2. Wie hoch ist der Wert des Forwards für den Käufer und den Verkäufer in 1 Jahr, wenn die
Anleihe zu einem Kurs von 101,85 % gehandelt wird und der letzte Kupon ausgehend vom
Valutatagvor82Tagenbezahltwurde?(DerFinanzierungszinssatzbleibtunverändert.)

Lösungzu1
Um den Terminpreis zu bestimmen, ist zuers t der Kassapreis bzw. der Full-Preis der Anleihe
einschließlich Stückzinsen zu ermitteln. Die seit der letzten Zinszahlung auf- gelaufenen
Kupons gehören dem Verkäufer der Anleihe und müssen somit in den Kaufpreis der Anleihe
eingebunden werden. Das ergibt Stückzinsen für die ersten 82 Tage seit der letzten
Kuponzahlungvon1,123%:

 
82 Tage
SZ D 5%  D 1;123%:
365 Tage

Der Kaufpreis der Anleihe von 103,673 % setzt sich aus dem gehandelten Preis von 102,55 %
unddenStückzinsenvon1,123%zusammen:

B0 Full D 102;55 % C 1;123 % D 103;673 %:

Die nächsten beiden Kupons sind in 283 Tagen (D 365 Tage  82 Tage ) und in 648
Tagen(D 730 Tage  82 Tage ) fällig. Der Barwert der beiden Kuponzahlungen lässt
sich folgendermaßen bestimmen:

5% 5%
BW .K/0 D C D 9;812 %:
.1;015/283=365 .1;015/648=365

Zum Fälligkeitszeitpunkt des Forward-Kontra kts bestehen seit der letzten Kuponzah- lung
aufgelaufenenStückzinsenvon1,123%[ D 5 %  .82 Tage =365 Tage /]. Der
790 13 ForwardsundFutures

730 Tage

648 Tage

82 Tage 283 Tage 82 Tage

Kupon- Bewertungs- Kupon- Kupon- Fälligkeit


termin zeitpunkt termin termin Forward
Terminpreis

Abb.13.5 Zeitdiagramm für die Berechnung des Terminpreises bei Vertragsabschluss

Terminpreisvon95,575%lässtsichanhandderKostendesKassageschäftswiefolgtermitteln:

F0 D .103;673 %  9;812 %/  .1;015/2  1;123 % D 95;575 %:

DerKäufer(Verkäufer)desTermingeschäftsgehtdieVerpflichtungein,diefestverzins-liche
Anleihein2JahrenzueinemPreisvonEUR 95:575 (D 0;95575  EUR 100:000)
zu erwerben (zu veräußern). Abb. 13.5 zeigt das Zeitdiagramm für die Berechnung des
Terminpreises.

Lösungzu2
Damit der Wert des Forwards eruiert werden kann, ist zunächst der Terminpreis in 1 Jahr
festzulegen. Dabei sind der Kassapreis bzw. der Full-Preis der Anleihe einschließ- lich
StückzinsenundderBarwertderKuponszuberechnen:

 
82 Tage
B0; Full D 101;85% C 5%  D 102;973%;
365 Tage
5%
BW .K/0 D D 4;943 %:
.1;015/283=365

Die seit der letzten Kuponzahlung aufgelaufenen Stückzinsen betragen 1,123 % [D


%  .82 Tage =365 Tage /].DieRestlaufzeitdesForwardsumfasst1Jahr.DerTer-5
minpreis in 1 Jahr liegt bei 98,377 %:

Ft D .102;973%  4;943%/  .1;015/  1;123% D 98;377%:


13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedeneBasiswerte 791

365 Tage

82 Tage 283 Tage 82 Tage

Kupon- Bewertungs- Kupon- Fälligkeit


termin zeitpunkt termin Forward
Terminpreis

Abb.13.6 Zeitdiagramm für die Berechnung des Terminpreises in einem Jahr

Abb. 13.6 illustriert das Zeitdiagramm für die Berechnung des Terminpreises. Der Wert des
TermingeschäftskannfürdenKäuferunddenVerkäuferwiefolgtbestimmtwer-den:

.0;98377  0;95575/  EUR 100:000


Vt, Long D D EUR 2760;59;
1;015
 .0;98377  0;95575/  EUR 100:000
Vt, Short D D EUR 2760;59:
1;015

Für den Käufer des Forwards ist der Wert positiv und reflektiert den Barwert des bisher
aufgelaufenenGewinns.DemgegenüberistderWertdesForwardsfürdenVerkäufernegativ
(BarwertdesbisheraufgelaufenenVerlusts).

13.4.3 ForwardRateAgreements

Bei einem Forward Rate Agreement (FRA) handelt es sich um ein Termingeschäft, bei dem ein
bestimmter Terminzinssatz (FRA-Satz) für eine in Zukunft liegende Zinsperiode vereinbart
wird. Für die Zinsberechnung wird ein Nominalbetrag verwendet, der mindes- tens EUR 0,5
Mio. beträgt.Der Terminzinssa tz basiert auf einem Referenzzinssatz wie etwa EURIBOR oder
LIBOR. Obwohl ein FRA ein außerbörslich gehandeltes Derivat ist und somit die
Vertragskomponenten individuell ausgestaltet werden können, haben sich auf dem
Finanzmarkt bestimmte gängige Kombinationen in Bezug auf die Vorlaufzeit, die
Gesamtlaufzeitund den Referenzzinssatz herausgebildet. Die Gesamtlaufzeit setzt sich aus der
Vorlaufzeitund der Zinsperiode zusammen. Dabei variieren die Vorlaufzei- ten zwischen1und
23 Monaten und die Gesam tlaufzeit dauert maximal 2 Jahre. Sehr marktgängig sind
beispielsweise Gesamtlaufzeiten von 1 Jahr mit in Zukunft liegenden Zinsperioden von 3 und 6
Monaten. Tab. 13.1 zeigt für den Referenzzinssatz EURIBOR die marktüblichen
SpezifikationenhinsichtlichLaufzeitundTerminzinssatz.
792 13 ForwardsundFutures

Tab.13.1 Marktübliche Spezifikationen der FRA-Laufzeit und des FRA-Satzes


FRA-Spezifikationen
Laufzeit
Vorlaufzeit Bei 1-Monats-EURIBOR: 1 bis 23 Monate; bei 12-Monats-EURIBOR:
1 bis 12 Monate
Gesamtlaufzeit Vorlaufzeit und Zinsperiode: maximal 24 Monate
Terminzinssatz
Day-Count-Konvention Tagesgenau / 360 Tage
Referenzzinssatz 1-Monats bis 12-Monats-EURIBOR
Zahlungszeitpunkt des Bei Fälligkeit des FRA bzw. zu Beginn der Zinsperiode
Gewinns/Verlusts

Gesamtlaufzeit: T + m

Vorlaufzeit: T Zinsperiode: m

15.06 17.06 15.09 17.09 17.12

Ab- Beginn der Fixing- Beginn der Ende der


schluss- Vorlaufzeit tag Zinsperiode Zinsperiode
tag (Fälligkeits-
zeitpunkt FRA)

Abb.13.7 3-gegen-6-FRA mit Abschlusstag am 15. Juni

FRA-SätzewerdenamMarktmiteinemGeld-undBriefsatznotiert.Soetwalautetdie
Quotierungeines6-gegen-9-FRA1,25%bis1,30%.6gegen9bedeutet,dassdieVorlaufzeit6
MonateunddieZinsperiode3Monatebetragen.SomitdauertdieGesamt-laufzeit9Monate.In
anderenWortenausgedrückt,wirdmiteinem6-gegen-9-FRAeinTerminzinssatzvereinbart,
derin6MonatenzulaufenbeginntundeineDauervon3Monatenaufweist.EinKäufer(Long)
desFRAtrittindieBriefseitevon1,30%ein,währendsicheinFRA-Verkäufer(Short)die
Geldseitevon1,25%sichert.DieDifferenzzwischenBrief-undGeldseitevon0,05%stelltbei
einemVermittlungsgeschäftzwischenzweiParteiendieKommissionfürdasFinanzinstitut
dar,diedenMarktakteurendiesesDerivategeschäftermöglichen.LiegtderReferenzzinssatz
zumFälligkeitszeitpunktdesFRAüber(unter)demBriefsatz,erzieltderKäufereinenGewinn
(Verlust).Unterschrei-tet(überschreitet)derReferenzzinssatzdenGeldsatz,ergibtsichfürden
FRA-VerkäufereinGewinn(Verlust).SomitisteinLong(Short)FRAgeeignet,wennsteigende
(fallende)Zinsenerwartetwerden.
13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedeneBasiswerte 793

Die Gesamtlaufzeit des FRA beginnt 2 Gesch äftstage nach dem Abschlusstag (Valu-
tatag D Abschlusstag C 2Geschäftstage).DieDifferenzzwischendemReferenzzinssatzund
demFRA-SatzwirdamFälligkeitstagdesZinstermingeschäftsausbezahlt.Siewirdam
sogenanntenFixingtagfestgelegt,also2GeschäftstagevorBeginnderZinsperiode.Abb.13.7
zeigtein3-gegen-6-FRAmiteinemAbschlusstagam15.Juni.DieGewinn-Verlust-Zahlung
wirdfüreinenLongundShortFRAwiefolgtberechnet:

2  m 3
.ST  FR0 /
6 7
Gewinn/Verlust Long FRA D 4  m360 5 NB;
1 C ST
360
2  m 3 (13.19)
.ST  FR0 /
6 7
Gewinn/Verlust Short FRA D  4  m360 5 NB;
1 C ST
360
wobei:

ST D Referenzzinssatz (z. B. EURIBOR) bei Fälligkeit des FRA bzw. am Ende der Vor-
laufzeit T,
FR0 D FRA-Satz bei Ver tragsabschluss,
m D Zinsperiode,
NB D Nominalbetrag.

Beispiel
Berechnung des Gewinns/Verlusts bei einem Long FRA
Ein Marktteilnehmer erwartet steigende Zinsen. Daher geht er am 29. Juli 2016 (Ab-
schlusstag) einen Long-9-gegen-12-FRA auf einen Nominalbetrag von EUR 10 Mio. ein.
Der EURIBOR-FRA-Briefsatz liegt bei 0,374 %. Die Vorlaufzeit des FRA beginnt am 31.
Juli 2016. In 9 Monaten – also am Fälligkeitstag des FRA am 30. April 2017 – beträgt der
3-Monats-EURIBOR-Satz 0,856 %,der am Fixingtag vom 28. April 2017 festgelegt wurde.
WiehochistderGewinn/VerlustdesLong-9-gegen-12-FRA?

Lösung
Da der 3-Monats-EURIBOR-Satz von 0,856 % am Fälligkeitstag des FRA den Termin-
zinssatzvon0,374%übersteigt,resultiertausdemLongFRAeinGewinnvon0,482%(
D %  0;374 %).Abb.13.8visualisiertdieGewinnberechnungdesLongFRA
0;856
anhand des Gewinn-/Verlustdiagramms.
DerGewinnvon0,482%fälltüberdie3-monatigeZinsperiodevom30.Aprilbis31.Juli
2017(alsoüber92Tage)an,wasbezogenaufdenNominalbetragvonEUR10Mio.zueinem
GewinnamEndederGesamtlaufzeitdesFRAvonEUR
12:317;78
führt:
92 Tage
Gewinn am Ende der Gesamtlaufzeit D 0;00482   EUR 10:000:000
360 Tage
D EUR 12:317;78:
794 13 ForwardsundFutures

Abb.13.8 Gewinnberech- (Gewinn/


nung des Long-9-gegen-12- Verlust) Long FRA
FRA anhand des Gewinn-/
0,482 %
Verlustdiagramms

0
(FRA-Satz)
0,374 % 0,856 %

Die Ausgleichszahlung erfolgt am Fälligkeitstag des FRA, sodass der Gewinn von EUR
mitdem3-Monats-EURIBOR-Satzdiskontiertwerdenmuss(Zeitwert
12:317;78
des Geldes):
EUR 12:317;78
Ausbezahlter Gewinn D   D EUR 12:290;89:
92 Tage
1 C 0;00856 
360 Tage
Somit bezahlt die Partei, die den FRA verka uft hat (Short FRA), de m Marktakteur mit dem
LongFRAeinenBetragvonEUR 12:290;89 zum Fälligkeitszeitpunkt des Ter-
mingeschäfts. Alternativ lässt sich die Ausgleichszahlung von EUR 12:290;89 direkt
über die Formeln ( 13.19 ) berechnen (beim Short FRA wird ein Geld-FRA-Satz von
0,374 % unterstellt):
2  3
92 Tage
Erhaltener Geldbetrag 6 .0;00856  0;00374/  360 Tage 7
D 6
4   7
5
infolge Gewinn Long FRA 92 Tage
1 C 0;00856 
360 Tage
 EUR 10:000:000
D EUR 12:290;89;
2  3
92 Tage
6 .0;00856 0;00374/
 
bezahlter Geldbetrag 360 Tage 7
D 64   7
5
infolge Verlust Short FRA 92 Tage
1 C 0;00856 
360 Tage
 EUR 10:000:000
D  EUR 12:290;89:
13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedeneBasiswerte 795

DerPreiseinesFRA–alsoderFRA-Satz–lässtsichüberdasArbitragekonzeptherlei-ten.So
etwakönnenam31.Juli2016EUR100entwederzum1-jährigenEURIBOR-Satzvon0,167%
oderzum6-Monats-EURIBOR-Satzvon0,048%undanschließendzum6-
Monats-Terminzinssatzangelegtwerden,derzuBeginnderAnlagefestgelegtwird.Damit
beidenStrategiendieEUR100überein1Jahrangelegtwerden,mussderEndwertausdenbeiden
Anlagenderselbesein.IstdiesnichtderFall,wirdvondenMarktteil-nehmernsolangedieteure
StrategieverkauftunddiegünstigeStrategiegekauft,bisdiebeidenStrategiendengleichen
Wertaufweisen.DahermussderWertderKassamarkt-strategiegleichdemWertder
kombiniertenKassa-undTerminmarktstrategiesein,waszufolgenderGleichungführt
(Day-Count-Konvention:tagesgenau/360Tage):

 
365 Tage
EUR 100  1 C 0;00167  D
360 Tage
   
184 Tage 181 Tage
EUR 100  1 C 0;00048   1 C FR0  :
360 Tage 360 Tage
DerForward-Satz(FR)beträgtdemnach0,288%: 0
2  3
365 Tage
1 C 0;00167   
6 7
FR0 D 6 
360 Tage
  1 7  360 Tage D 0;00288:
4 184 Tage 5 181 Tage
1 C 0;00048 
360 Tage
Basierend auf dem Arbitragekonzept liegt der Terminzinssatz bei einem 6-gegen-12-FRA
bei 0,288 %. Allgemein lässt sich die Formel für die Berechnung des FRA-Satzes folgen-
dermaßenaufführen:
2   3
TCm
1 C S  
6 TCm
360 7 360
FR0 D 4 6    15 7 ; (13.20)
T m
1 C ST
360
wobei:

T D Vorlaufzeit in Tagen,
m D Zinsperiode in Tagen,
T C m D Gesamtlaufzeit in Tagen.

Beispiel
Berechnung des FRA-Satzes bei einem 6-gegen-9-FRA
Am 31. Juli 2016 betragen der 6- und der 9-Monats-EURIBOR-Satz 0,048 % respek- tive
0,098 %. Wie hoch ist der Terminzinssatz bei einem 6-gegen-9-FRA (Day-Count-
Konvention:tagesgenau/360Tage)?

Lösung
Bei der Kassamarktstrategie kann das Kapital über 9 Monate mit dem 9-Monats-
EURIBOR-Satzvon0,098%angelegtwerden.EbenfallslässtsichdasGeldübereine
796 13 ForwardsundFutures

Dauer von 9 Monaten mithilfe einer kombinierten Kassa- und Terminmarktstrategie


investieren. Dabei erfolgt die Geldanlage über die ersten 6 Monate zum 6-Monats-
EURIBOR-Satz von 0,048 % und anschließend zum 3-Monats-Terminzinssatz. Der Wert
derbeidenStrategienmussgleichgroßsein,waszufolgenderGleichungführt:

     
273 Tage 184 Tage 89 Tage
1 C 0;00098  D 1 C 0;00048   1 C FR0  :
360 Tage 360 Tage 360 Tage
Wird die Gleichung nach FR0 aufgelöst, erhält man einen Terminzinssatz bei einem
6-gegen-9-FRA von 0,201 %:
2  3
273 Tage
 
6 1 C 0;00098  360 Tage 7 360 Tage
FR0 D 64   17
5  D 0;00201:
184 Tage 89 Tage
1 C 0;00048 
360 Tage

UmdenWerteinesZinstermingeschäftszuberechnen,mussderneueTerminzinssatzzum
Bewertungszeitpunktfestgelegtwerden.DerGewinn/VerlustergibtsichausderDif-ferenz
zwischendemTerminzinssatzzumBewertungszeitpunktunddemFRA-Satzbei
Vertragsabschluss.DerWertresultiertausdemsoberechnetenGewinn/Verlust,dermitdem
EURIBOR-SatzaufdenBewertungszeitpunktdiskontiertwird.DerWerteinesLongFRAzum
Bewertungszeitpunkttlässtsichdemnachwiefolgtbestimmen:

 m
.FRt  FR0 / NB
Vt, Long D  360 ; (13.21)
TtCm
1 C STtCm
360
wobei:

FRt D Terminzinssatz zum Bewertungszeitpunkt t,


FR0 D Terminzinssatz bei V ertragsa bschluss,
STtCm D Referenzzinssatz (z. B. EURIBOR) zum Bewertungszeitpunkt t über die ver-
bleibende Gesamtlaufzeit des Kontrakts.

Ein Marktteilnehmer schließt am 31. Juli 2016 einen Long-9-gegen-12-FRA auf einen
Nominalbetrag von EUR 10 Mio. ab. Der Terminzinssatz beträgt bei Vertragsabschluss 0,374
%.In4Monaten(alsoam30.November2016)liegender5-undder8-Monats-EURIBOR-Satz
bei 0,543 % respektive bei 0,645 %. Um den Wert der Long-FRA-
Positionzubestimmen,istzunächstderTerminzinssatzzumBewertungszeitpunktzuermitteln
(Day-Count-Konvention:tagesgenau/360Tage):
2  3
243 Tage
1 C 0;00645   
6 7
FRt D 6 
360 Tage
  1 7  360 Tage D 0;00811:
4 151 Tage 5 92 Tage
1 C 0;00543 
360 Tage
13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedeneBasiswerte 797

Da der Terminzinssatz von 0,811 % den Terminzinssatz bei Vertragsabschluss von


0,374 % übersteigt, ergibt sich ein Gewinn auf der Long-FRA-Position von EUR 11:167;78:
 
92 Tage
.0;00811  0;00374/   EUR 10:000:000 D EUR 11:167;78:
360 Tage

Der Wert des Long FRA resultiert aus dem Gewinn, der zum Bewe rtungszeitpunkt dis- kontiert
wird:

EUR 11:167;78
Vt, Long D   D EUR 11:119;37:
243 Tage
1 C 0;00645 
360 Tage

Neben der Spekulation können FRAs eingesetz t werden, um das Zinsänderungsrisiko von
zinssensitivenForderungs-undSchuldpositionenabzusichern. 17 Aufgrunddervielseiti-
genEinsatzmöglichkeitenundderindividuellenAusgestaltungsmöglichkeiten,welchedie
BankenihrenKundenofferieren,istderFRA-Marktliquideundflexibel.Dievertraglichen
GrundlagenbasierenaufdemDeutschenRahmenvertrag(DRV),denFRABBA-Terms(FRA
onBritishBankers’Association)oderdenISDA-Terms(InternationalSwapsandDerivatives
Association),sodassdierechtlicheDurchsetzbarkeitderVerträgegewährleis-tetist.

13.4.4 ForwardsaufFremdwährungen

Bei einem Währungs-Forward (Devisentermingeschäft) haben der Käufer und der Ver- käufer
die Verpflichtung, eine bei Vertragsabschluss festgelegte Menge einer bestimmten Währung
zum vereinbarten Terminwechselkurs (Terminpreis) an einem späteren Zeit- punkt zu kaufen
bzw. zu verkaufen. Eine Long- Position spiegelt eine Kaufverpflichtung wider,während eine
Short-PositioneineVerkaufsverpflichtungderFremdwährungdar-stellt.

DerZusammenbruchdesBretton-Woods-SystemsvonfestenWechselkursenimJahr1971
hatzumEndeeinerlangenZeitrelativstabilerWechselkursegeführt.Seitdemsinddie
wichtigstenWechselkurseweitestgehenddenMarktkräftenausgesetzt.Aufgrundderflexiblen
WechselkursehabendieSchwankungenstarkzugenommen,sodassderAbsiche-rungsbedarf
mitWährungsderivatenzugenommenhat.Abb. 13.9zeigtdieSchwankungendesEuro
gegenüberdemSchweizerFranken(Mengennotierung,d.h.EUR1füreineAn-zahlEinheiten
vonCHF)von1999bis2014.InfolgederFinanzkrisevon2008undderanschließenden
VerschuldungvonEuro-StaatenhateinestarkeAbwertungdesEuroge-genüberdemSchweizer
Frankenvon2008bis2011stattgefunden.ImSeptember2011hatdieSchweizerische
NationalbankeinenMindestkursvonEUR/CHF1,20eingeführt,derimJanuar2015
aufgehobenwurde.SeitherhatsichderEurogegenüberdemSchweizerFrankennochmalsstark
abgewertetundnotiertam10.Januar2017beiEUR/CHF1,07.

17
Vgl. Abschn. 13.6.1.1 .
79 13 ForwardsundFutures

(EUR/CHF)
1.7

1.6

1.5

1.4

1.3

1.2

1.1

0.9
1999 2002 2005 2008 2011 2014

(Jahre)

Abb.13.9 Wechselkurs EUR/CHF (Mengennotierung) von 1999 bis 2014 (Quelle:Zeitreihen der
Deutsche Bundesbank unter www.bundesbank. de )

BeieinerPreisnotierunggibtderWechselkursan,wievieleEinheitenderinländischen
Währungerforderlichsind,umeineFremdwährungseinheitzuerwerbenbzw.zuveräu-ßern.So
etwabedeuteteinEUR/CHF-Devisenkursvon0,93,dassEUR0,93notwendigsind,umCHF1
zukaufen/verkaufen.AlternativkannderWechselkursinderMengenno-tierungaufgeführt
werden.Dabeiwirdangegeben,wievieleEinheitenderFremdwährungmiteinerEinheitder
heimischenWährunggekauft/verkauftwerdenkönnen.ZumBei-spielbenötigtmanbeieinem
EUR/CHF-Devisenkursvon1,07EUR1,umCHF1,07zuerwerben/veräußern.Die
DevisenkursewerdenaufdemMarktmiteinerGeld-undBriefseitenotiert.DerKauferfolgtmit
demBriefkurs,währendfürdenVerkaufeinerWährungderGeldkursrelevantist.Inden
folgendenBeispielenwirdeinfachheitshal-berdiePreisnotierungverwendet,obwohldiesefür
einenbestimmtenWechselkursvonderWährungsquotierungderInternationalOrganization
forStandardization(ISO4217)abweichenkann.SoetwastelltderEUR/CHFgemäßISO4217
eineMengennotierung(EUR1füreinebestimmteAnzahlCHF)dar.

18

DerTerminwechselkurs–alsoderPreisdesWährungs-Forwards–ergibtsichausdenKosten
desKassageschäfts.DabeifallenFinanzierungskostenfürdieAufnahmederinlän-

18
BeieinemWechselkursgibtdiePriceCurrency(ZählerdesWechselkurses)dieAnzahlEinheiteneiner
Währungan,diefürdieBaseCurrency(NennerdesWechselkurses)–alsoeineEinheitder
anderen Währung – erforderlich ist. Der marktgängige Standard ist, dass der Euro bei den Haupt-
währungenimmereineBaseCurrencydarstellt.DieBaseCurrencybeieinemWechselkurswirdanhandder
folgenden Währungsprioritätenliste festgelegt: Euro, Britisches Pfund, Australischer Dollar,
Neuseeland-Dollar,US-Dollar,SchweizerFrankenundjapanischerYen.
13.4 Preis-undWertbestimmungvonForwardsaufverschiedeneBasiswerte 799

dischen Währung an, die anschließend für den Kauf der Fremdwährung benötigt werden. Beim
Halten der Fremdwährung wird ein Zinsertrag erzielt, der die Kosten des Kassa- geschäfts
vermindert.SomitlässtsichderTerminwechselkursinderPreisnotierungwiefolgtberechnen:

" #
.1 C r/T
F0; H=F D S0; H=F ; (13.22)
.1 C rF /T
wobei:

F0; H=F D Terminpreis (Preisnotierung) bezogen auf die Anzahl Einheiten der heimischen
Währung (H) für eine Einheit der Fremdwährung (F),
S0; H=F D Kassawechselkurs (Preisnotierung) bezogen auf die Anzahl Einheiten der hei-
mischen Währung (H) für eine Einheit der Fremdwährung (F),
r D Zinssatz in der Inlandswährung,
rF D Zinssatz in der Fremdwährung,
T D Laufzeit des Währungs-Forwards.

Die Formel für die Preisermittlung des Währ ungs-Forwards ist konsistent mit der Zins-
satzparität, welche die Äquivalenz oder Paritä t des Terminwechselkurses mit dem Kassa-
wechselkurs, angepasst um die beiden Zinssätze in der heimischen Währung und Fremd-
währung, angibt. Weicht der gehandelte Terminwechselkurs vom Terminwechselkurs aus der
Zinssatzparität ab, werden Marktteilnehmer Arbitragetransaktionen durchführen und so lange
einen risikolosen Gewinn erzielen, bis der Marktpreis des Währungs-Forwards dem
TerminwechselkursausderZinssatzparitätentspricht(CoveredInterestArbitrage).
19

DerWertdesWährungs-ForwardsistbeiVertragsabschlussnull,weildieKostendes
KassageschäftsundderTerminpreisgleichgroßsind.WährendderLaufzeitdesTer-
mingeschäftskönnensichderKassawechselkursund/oderdieZinssätzederheimischen
WährungundderFremdwährungverändern,sodasseinGewinnoderVerlustentsteht.DieWerte
vonLong-undShort-Währungs-Forwardslassensichwiefolgtermitteln:

F t; H=F  F0; H=F


Vt, H/F, Long D ;
.1 C r/Tt

(13.23)
F t; H=F  F0; H=F
Vt, H/F, Short D  :
.1 C r/Tt

19
Istz.B.dergehandelteTerminwechselkurshöheralsderjenigebasierendaufderZinssatzparität,soist
derWährungs-ForwardüberbewertetunddieMarktteilnehmerwerdendiefolgendenArbi-
tragetransaktionen durchführen: 1) Verkauf des Währungs-Forwards auf dem Markt, 2) Kauf von
C rF /T EinheitenderFremdwährung,3)HaltenderFremdwährungspositionundErzielenei-1=.1
nes Zinsertrages und 4) bei Fälligkeit des Short- Währungs-Forwards Lieferung der Fremdwährung
gegen Erhalt des bei Vertragsabschluss vereinbarten Terminwechselkurses. Mit diesen Arbitrage-
transaktionen lässt sich ohne Risiko eine über den risikolosen Zinssatz der heimischen Währung liegende
Rendite erwirtschaften. Ist hingegen der gehandelte Terminwechselkurs unterbewertet, wird der
Währungs-Forward gekauft und die Fremdwährung leer verkauft, um einen risikolosen
Arbitragegewinnerzielenzukönnen.
00 13 ForwardsundFutures

Beispiel
Preis- und Wertermittlung eines Währungs-Forwards
Ein deutsches Unternehmen, das Produkte in die USA verkauft, erwartet in 180 Tagen aus
einem Großauftrag einen Geldbetrag von USD 10 Mio. Das Unternehmen möch- te sich
gegen Wechselkursrisiken absichern und entscheidet, einen Short-Währungs- Forward
abzuschließen, der eine Laufzeit von 180 Tagen und einen Basiswert von USD 10 Mio.
aufweist.Am5.August2015notierendieWechselkursefürdenEUR/USD(Preisnotierung)
zueinemGeldkursvonEUR/USD0,9208undeinemBriefkursvonEUR/USD0,9205.

20
Eswirdunterstellt,dassdieMarktteilnehmerfürdieGeldaufnah-me
und-anlagedenLIBOR-Satzverwenden.Der6-Monats-EUR-LIBOR-Satzliegt
bei 0,053 %, während der 6-Monats-USD-LIBOR-Satz 0,486 % ist.

1. Wie hoch ist der Terminwechselkurs des Short-Währungs-Forward-Kontrakts?


2. In90TagennotiertderEUR/USD-WechselkurszueinemGeldkursvonEUR/USD0,9137
und einem Briefkurs von EUR/USD 0,9132. Der 3-Monats-EUR-LIBOR- Satz liegt bei
0,086 %und der 3-Monats-USD-LIBOR-Satz beläuft sich auf 0,762 %. Wie hoch ist der
WertdesShort-Währungs-Forward-Kontraktsin90Tagen?

Lösungzu1
DerTerminwechselkursvonEUR/USD0,9188lässtsichüberdieKostendesKassage-schäfts
(Cost-of-Carry-Modell)folgendermaßenbestimmen:

EUR= USD 0;9208  .1;00053/180=360


F0; H=F D D EUR= USD 0;9188:
.1;00486/180=360

Demnach verpflichtet sich das deutsche Unternehmen in 180 Tagen, USD 10 Mio. zu
verkaufen,underhältimGegenzugEUR 9:188:000.

Lösungzu2
Um den Wert des Währungs-Forwards in 90 Tagen zu eruieren, ist zunächst der Ter-
minwechselkurszuberechnen:

EUR= USD 0;9137  .1;00086/90=360


Ft; H=F D D EUR= USD 0;9122:
.1;00762/90=360

Würde man in 90 Tagen in einen Short-Währungs-Forward eintreten, könnte man für EUR
0,9122 USD 1 verkaufen, was im Vergleich zum vereinbarten Terminpreis von EUR/USD
0,9188einengeringerenVerkaufspreisdarstellt.SomitliegteinGewinn

20
GemäßISO4217wirdderEUR/USD-WechselkursalsMengennotierungangegeben.Einfach-
heitshalberwirdindenBeispielenimmerdavonausgegangen,dassderWechselkursalsPreisno-
tierung aufgeführt ist, auch wenn dies mit der gängigen Marktnotierung des Wechselkurses nicht
übereinstimmt.
13.5 PreisbestimmungvonEurex-Zins-Futures 01

vor. Der Wert des Short-Währungs-Forwards von EUR 65:985;82 lässt sich wie folgt
ermitteln:

.EUR= USD 0;9122  EUR= USD 0;9188/  USD 10:000:000


Vt, H/F, Short D 
.1;00086/90=360
D EUR 65:985;82:

Der Short-Währungs-Forward besitzt einen positiven Wert von EUR 65:985;82 (aufge-
laufener Gewinn).

13.5 PreisbestimmungvonEurex-Zins-Futures

Die Preisbestimmung von Forwards und Futures beruht auf dem gleichen Bewertungsmo- dell,
nämlichdemCost-of-Carry-Modell.DennochsindPreisunterschiedezwischenFor-wardsund
Futures möglich, die unter anderem aufgrund von Zinserträgen und -aufwänden des täglichen
Gewinn-Verlust-AusgleichsvonFutures-Kontraktenentstehen.
21
Darüber
hinaus ergeben sich Preisunterschiede infolge unterschiedlicher Transaktionskosten, Un-
terschiede in Bezug auf Liquidität und Kreditrisiken sowie in der Standardisierung der
Futures-Kontrakte(z.B.LieferoptionenbeiCommodityFutures). 22
Im Folgenden wird
die Preisberechnung der an der Eurex gehandelten Fixed Income Futures beschrieben, die
aufgrund der Standardisierung der Preisermittlung von Forwards auf festverzinsliche An-
leihen abweicht. Die Festlegung des Terminzinssatzes, der für die Preisbestimmung der
Geldmarkt-Futures relevant ist, erfolgt auf die gleiche Weise wie bei den Forward Rate
Agreements.

13.5.1 FixedIncomeFutures

Die an der Eurex gehandelten Fixed Income Futures basieren auf fiktiven kurz-, mittel- oder
langfristigen Schuldverschreibungen d er Bundesrepublik Deutschland, der Republik Italien,
der Republik Frankreich und der schweizerischen Eidgenossenschaft. Die Futures auf die
deutschen Kapitalmarktprodukte bestehen aus Euro-Schatz-, Euro-Bobl-, Euro- Bund- und
Euro-Buxl-Futures, während sich die CONF-Futures auf Schuldverschreibun- gen der
schweizerischen Eidgenossenschaft beziehen. Bei Kontraktfälligkeit findet eine physische
Lieferung der zugrundeliegenden Staatsanleihe statt (also kein Barausgleich), deren
Restlaufzeit innerhalb einer vorgegeb enen Bandbreite liegt. Die für die jeweiligen
Futures-KontraktelieferbarenAnleihensetzensichauseinerReihevonEmissionenmit

21
Vgl. Abschn. 13.2.6 .
22
Vgl. Rudolph und Schäfer 2010 : Derivative Finanzmarktinstrumente: Eine anwendungsbezogene
Einführung in Märkte, Strategien und Bewertung, S. 221.
02 13 ForwardsundFutures

unterschiedlichen Preisen, Kupons und Laufzeiten zusammen. Die Standardisierung be-


ruht auf dem Konzept von fiktiven Anleihen, das von den Spezifikationen der einzelnen
Futures-Kontrakte und vom Konvertierungsfa ktor abhängt. Die Futures-Laufzeiten
betra- gen maximal 9 Monate. Tab. 13.2 zeigt die Standardisierungsmerkmale der Fixed
Income Futures der Euro-Schatz-, Euro-Bobl- und Euro-Bund-Futures des deutschen
Kapital- markts und der CONF-Futures des schweizeris chen Kapitalmarkts. Die
einzelnen Fixed Income Futures unterscheiden sich im Wesentlichen durch das
Lieferfenster (also die Restlaufzeiten der lieferbaren Staatsanleihen) und durch die
minimale Preisveränderung In den folgenden Ausführungen wird stellvertretend für die
Preisbestimmung der (Tick).

Fixed Income Futures die Preisermittlung des E uro-Bund-Future-Kontrakts beschrieben. Der


Basiswert des Euro-Bund-Futures ist eine fiktive Schuldverschreibung der Bundesre- publik
Deutschland mit einer Restlaufzeit von 8,5 bis 10,5 Jahren und einem Kuponsatz von 6 %. Die
Definition dieser fiktiven festverzinslichen Anleihe erlaubt es der Eurex, die
Fixed-Income-Futures-Kontrakte anhand der K ontraktspezifikationen und der Konvertie-
rungsfaktorenzustandardisieren.

DerInhaberderShort-Euro-Bund-Future-PositionhatbeiFälligkeitdieVerpflichtung,eine
SchuldverschreibungderBundesrepublikDeutschlandmiteinerRestlaufzeitvon8,5bis10,5
Jahren(Lieferfenster)zuliefern.ImGegenzugverpflichtetsichderInha-berder
entsprechendenLong-Position,dieLieferungderfestverzinslichenBundesanleihegegen
ZahlungdesLieferpreisesentgegenzunehmen.DabeibestehtbeimInhaberderShort-Position
eineNotifikationspflicht,dasheißt,dieWahlderzurLieferungbestimmtenAnleiheist
mitteilungspflichtig.
23

DiebeiFälligkeitdesEuro-Bund-FutureslieferbarenSchuldverschreibungenderBun-
desrepublikDeutschlandsindnichthomogen.ObwohlsievomgleichenEmittentenstam-men,
unterscheidensiesichhinsichtlichderKuponsundderRestlaufzeiten.Daherwerdensieauchzu
einemunterschiedlichenPreisgehandelt.UmdenLieferpreisamFälligkeitstagdes
Future-Kontraktszubestimmen,wirdderKonvertierungsfaktorherangezogen.
24
Mit
dem Konvertierungsfaktor ergibt sich am Liefertag ein Anleihepreis, zu dem die Anleihe eine
Renditeauf Verfall von 6 % aufweist. Somit kann eine beliebige Anleihe aus dem Korb geliefert
werden,daalleWertpapiereüberdiegleicheRenditevon6%verfügen.Allerdingsweicheninder
Realität die Renditen der lieferbaren Anleihen zum Fälligkeits- zeitpunkt des Futures leicht
voneinanderab,sodasseseineAnleihegibt,diederInhaberderShort-Positionzudenniedrigsten
Kostenerwerbenunddemnachliefernkann.DerGrundliegtindengetroffenenAnnahmenbeider
Berechnung des Konvertierungsfaktors, der von einer flachen Zinsstrukturkurve von 6 %
ausgeht.LediglichbeidiesemspeziellenFalleinerflachenZinsstrukturkurvewirdderVerkäufer
des Future-Kontrakts indifferent bezüglich der zu liefernden Staatsanleihe sein. Eine flache
Zinsstrukturkurvevon6%ent-

23
DiemeistenFixedIncomeFutureswerdenanderEurexvorderFälligkeitderKontrakteglatt-gestellt.
LediglichbeieinemkleinenProzentsatzfindeteinephysischeLieferungdesBasiswerts
statt.
24
Für die Berechnung des Konvertierungsfaktors vgl. Eurex 2007 : Zinsderivate: Fixed Income-
Handelsstrategien, S. 100.
13.5 PreisbestimmungvonEurex-Zins-Futures 03

Tab.13.2 Standardisierungsparameter von an der Eurex gehandelten Fixed Income Futures (Quelle:
Eurex 2017 : Produkte 2017, S. 140 ff.)
Standardisierungs- Euro-Schatz-Futures
merkmale
Basiswert Fiktive kurzfristige Schuldverschreibung der Bundesrepublik Deutsch-
landmitRestlaufzeitvon1,75bis2,25JahrenundKuponvon6%
Nominaler Kontrakt- EUR 100:000
wert
Ermittlung Future- Der Future-Preis wird in Prozent des Nominalwerts der zugrunde-
Preis liegenden Anleihe mit drei Nachkommastellen notiert. Die kleinste
Preisveränderung (Tick) liegt bei 0,005 % des Nominalwerts bzw.
bei EUR 5 (
D EUR 100:000  0;00005)
Fälligkeitsmonat Die maximale Laufzeit beträgt bis zu 9 Monaten, wobei die nächsten 3
Quartalsmonate aus dem Zyklus März, Juni, September und Dezember
handelbarsind
Letzter Handelstag 2 Börsentage vor dem Liefertag des jeweiligen Fälligkeitsmonats 10.
Liefertag KalendertagdesjeweiligenFälligkeitsmonats
Täglicher Abrech- Der tägliche Abrechnungspreis des aktuellen Fälligkeitsmonats wird
nungspreis als volumengewichteter Durchschnitt der Preise sämtlicher Geschäfte
eine Minute vor 17.15 Uhr MEZ berechnet, sofern in dieser Zeitspanne
mehr als fünf Geschäfte abgeschlossen wurden. Für alle anderen Kon-
traktlaufzeiten wird der tägliche Abrechnungspreis anhand der mittleren
Geld-/Briefspanne des Kombinationsauftragsbuchs festgelegt

Physische Lieferung Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland mit einer Rest-


laufzeit von 1,75 bis 2,25 Jahren und einem Mindestemissionsvolumen
von EUR 5 Mrd
Standardisierungs- Euro-Bobl-Futures und Euro-Bund-Futures
merkmale
Basiswert Euro-Bobl-Futures: Fiktive mittelfri stige Schuldverschreibung der
Bun- desrepublik Deutschland mit Restlaufzeit von 4,5 bis 5,5 Jahren
und Kupon von 6 %. Euro-Bund-Futures: Fiktive langfristige
Schuldver- schreibung der Bundesrepublik Deutschland mit
Restlaufzeit von 8,5 bis 10,5 Jahren und Kupon von 6 %

Nominaler Kontrakt- EUR 100:000


wert
Ermittlung Future- Der Future-Preis wird in Prozent des Nominalwerts der zugrunde-
Preis liegenden Anleihe mit zwei Nachkommastellen notiert. Die kleinste
Preisveränderung (Tick) liegt bei 0,01 % des Nominalwerts bzw.
bei EUR 10 (
D EUR 100:000  0;0001)
Fälligkeitsmonat Die maximale Laufzeit beträgt bis zu 9 Monaten, wobei die nächsten 3
Quartalsmonate aus dem Zyklus März, Juni, September und Dezember
handelbarsind
Letzter Handelstag 2 Börsentage vor dem Liefertag des jeweiligen Fälligkeitsmonats 10.
Liefertag KalendertagdesjeweiligenFälligkeitsmonats
04 13 ForwardsundFutures

Abrechnungspreis Der tägliche Abrechnungspreis des aktuellen Fälligkeitsmonats wird


als volumengewichteter Durchschnitt der Preise sämtlicher Geschäfte
eine Minute vor 17.15 Uhr MEZ berechnet, sofern in dieser Zeitspanne
mehr als fünf Geschäfte abgeschlossen wurden. Für alle anderen Kon-
traktlaufzeiten wird der tägliche Abrechnungspreis anhand der mittleren
Geld-/Briefspanne des Kombinationsauftragsbuchs festgelegt

Physische Lieferung Euro-Bobl-Futures: Schuldverschreibungen der Bundesrepublik


Deutschland mit einer Restlaufzeit von 4,5 bis 5,5 Jahren und ei-
nem Mindestemissionsvolumen von EUR 5 Mrd. Euro-Bund-Futures:
Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland mit einer
Rest- laufzeit von 8,5 bis 10,5 Jahren und einem
Mindestemissionsvolumen von EUR 5 Mrd

Standardisierungs- CONF-Futures
merkmale
Basiswert Fiktive langfristige Schuldverschreibung der schweizerischen Eidgenos-
senschaft mit einer Restlaufzeit von 8 bis 13 Jahren und einem Kupon
von 6 %
Nominaler Kontrakt- CHF 100:000
wert
Ermittlung Future- Der Future-Preis wird in Prozent des Nominalwerts der zugrunde-
Preis liegenden Anleihe mit zwei Nachkommastellen notiert. Die kleinste
Preisveränderung (Tick) liegt bei 0,01 % des Nominalwerts bzw.
bei CHF 10 (
D CHF 100:000  0;0001)
Fälligkeitsmonat Die maximale Laufzeit beträgt bis zu 9 Monaten, wobei die nächsten 3
Quartalsmonate aus dem Zyklus März, Juni, September und Dezember
handelbarsind
Letzter Handelstag 2 Börsentage vor dem Liefertag des jeweiligen Fälligkeitsmonats 10.
Liefertag KalendertagdesjeweiligenFälligkeitsmonats
Abrechnungspreis Der tägliche Abrechnungspreis des aktuellen Fälligkeitsmonats wird
als volumengewichteter Durchschnitt der Preise sämtlicher Geschäfte
eine Minute vor 17.15 Uhr MEZ berechnet, sofern in dieser Zeitspanne
mehr als fünf Geschäfte abgeschlossen wurden. Für alle anderen Kon-
traktlaufzeiten wird der tägliche Abrechnungspreis anhand der mittleren
Geld-/Briefspanne des Kombinationsauftragsbuchs festgelegt

Physische Lieferung Schuldverschreibungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit


einer Restlaufzeit von 8 bis 13 Jahren und einem Mindestemissionsvo-
lumen von CHF 500 Mio. Bei vorzeitigen Rückzahlungsmöglichkeiten
müssen der erste und letzte Rückzahlungstermin zwischen 8 und 13
Jahren liegen

spricht üblicherweise nicht der tatsächlichen Zinsstruktur, was zu Renditeverzerrungen bei den
lieferbaren Anleihen führt. Abb. 13.10 visualisiert den Festlegungszeitpunkt des
KonvertierungsfaktorsunddieStandardisierungdesEuro-Bund-Future-Kontrakts.
DerInhaberderShort-PositionwähltdieAnleiheausdemLieferkorbmitdennied-rigsten
Kostenaus.DabeierhälterbeiFälligkeitdesFuture-KontraktsvomInhaberder
13.5 PreisbestimmungvonEurex-Zins-Futures 05

langfristige Bundesanleihen mit einer


Restlaufzeit von 8,5 bis 10,5 Jahre und
einem Nominalwert von EUR 100.000

0 T
Laufzeitbeginn Fälligkeit des Fälligkeit der
des Euro-Bund- Euro-Bund- zugrundeliegenden
Futures Futures Bundesanleihen

Festlegung des Korb der


Konvertierungs
- faktors für lieferbaren
jede lieferbare Bundes-
Bundesanleihe anleihen

Abb.13.10 Standardisierung des Euro-Bund-Future-Kontrakts

Long-Position:

(Schlussabrechnungspreis Future  Konvertierungsfaktor) C Stückzinsen.

DieKosten,umdieAnleiheaufdemMarktzukaufen,betragenfürdenInhaberderShort-Position:

Notierter Anleihepreis C Stückzinsen.


Somit ergeben sich Kosten für den Inhaber der Short-Position von:

Notierter Anleihepreis  (Schlussabrechnungspreis Future  Konvertierungsfaktor).

Der Inhaber der Short-Position wird diejenige Staatsanleihe liefern, die ihm die nied- rigsten
Kosten verursacht. Diese Anleihe wi rd als Cheapest-to-D eliver-(CTD)-Anleihe bezeichnet
undfürdiePreisberechnungdesFuturesverwendet.

Beispiel
Auswahl der Cheapest-to-Deliver-Anleihe
Es wird angenommen, dass am Fälligkeitstag d er Euro-Bund-Future mit Fälligkeit Sep-
tember 2015 (FGBL Sep 2015) einen Schlussabrechnungspreis von 153,45 % aufweist. Im
LieferkorbsinddievierfolgendenBundesanleihenenthalten:
06 13 ForwardsundFutures

Anleihen Kupon Fälligkeitstermin Konvertierungsfaktor Anleihekurs


1 1,50 % 15.05.2024 0,702247 108,11 %
2 1,00 % 15.08.2024 0,661942 103,49 %
3 0,50 % 15.02.2025 0,612347 98,40 %
4 1,00 % 15.08.2025 0,633865 102,72 %

Welche ist die Cheapest-to-Deliver-Bundesanleihe?

Lösung
Die Lieferkosten der einzelnen Bundesanleihen können wie folgt berechnet werden:

Anleihe 1: 108;11 %  .153;45 %  0;702247/ D 0;35 %,


Anleihe 2: 103;49 %  .153;45 %  0;661942/ D 1;92 %,
Anleihe 3: 98;40 %  .153;45 %  0;612347/ D 4;44 %,
Anleihe 4: 102;72 %  .153;45 %  0;633865/ D 5;45 %.

Die CTD-Bundesanleihe ist Anleihe 1, da sie von allen lieferbaren Anleihen über die
niedrigstenKostenverfügt.

EineReihevonFaktorenbeeinflusstdieAuswahlderCTD-Anleihe.LiegendieAnlei-
herenditenunter6%,tendiertdasSystemmitdemKonvertierungsfaktordazu,dieAnleihemit
demhöchstenKuponundderkürzestenRestlaufzeitauszuwählen.Imobenstehen-denBeispiel
istdasAnleihe1mitdemhöchstenKuponsatzvon1,5%undderkürzestenRestlaufzeit.Befinden
sichhingegendieAnleiherenditenüber6%,bestehtdieTendenz,dassdieSchuldverschreibung
mitdemniedrigstenKuponundderlängstenRestlaufzeitgeliefertwird.Darüberhinausgibtes
beiderBestimmungderCTD-AnleiheeinenZu-sammenhangzwischeneinersteigenden
(fallenden)ZinsstrukturkurveundAnleihenmiteinerlangen(kurzen)Restlaufzeit.

25

DieBasis–alsodieFinanzierungskostenabzüglichKuponzahlungen–ergibtsichausder
DifferenzzwischendemKassapreisderStaatsanleiheunddemProduktausdemFuture-Preismit
demKonvertierungsfaktor.DadieBasisbeiFälligkeitdesFuturesnullist,resultiertdaraus
folgenderZusammenhang:

FT KF D BT ; (13.24)

wobei:

BT D Kassapreis der Staatsanleihe bei Fälligkeit des Futures,


KF D Konvertierungsfaktor.

25
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 135.
13.5 PreisbestimmungvonEurex-Zins-Futures 07

Somit lässt sich der Terminpreis eines Fixed Income Futures am Fälligkeitstag wie folgt
berechnen:
BT
FT D : (13.25)
KF
Vor der Fälligkeit ist die Basis des Future-Kontrakts nicht null, sodass sich der Fixed-
Income-Future-PreisanhanddesCost-of-Carry-ModellsüberdieKostendesKassage-schäfts–
KassapreisderAnleihezuzüglichFinanzierungskostenundabzüglichKupon-zahlungen–
26
dividiert durch den Konvertierungsfaktor ermitteln lässt:

1  
F0 D .B0  BW .K/0 /.1 C r/T  SZ ; (13.26)
KF

wobei:

KF D Konvertierungsfaktor,
B0 D Kassapreis der Staatsanleihe inklus ive Stückzinsen (Full-Preis),
BW .K/0 D Barwert der Kuponzahlungen, die während der Laufzeit des Futures ausbe-
zahlt werden,
r D kurzfristiger Finanzierungszinssatz (Day-Count-Konvention ist tagesgenau /
360 Tage),
SZ D aufgelaufene Stückzinsen seit der le tzten Kuponzahlung bis zum Fälligkeits-
tag des Futures.

Beispiel
Berechnung des Euro-Bund-Future-Preises
Die CTD-Anleihe ist eine deutsche Bundesanleihe mit einem Kuponsatz von 1,50 % und
Fälligkeitstag am 15. Mai 2024. Die B undesanleihe wird am 4. August 2015 zu einem Preis
von 108,11 % gehandelt. Der Valutatag ist der 7. August 2015. Die Day- Count-Konvention
für die Berechnung der Stückzinsen ist tagesgenau / tagesgenau ICMA. Die letzte
Kuponzahlung von 1,5 % erfolgte am 15. Mai 2015. Der Konver- tierungsfaktor beläuft sich
auf 0,702247. Der EURIBOR-Satz liegt bei 0,04 %. Wie hoch ist am 4. August 2015 der Preis
desEuro-Bund-FuturesmitFälligkeitSeptember2015(FGBLSep2015)?

Lösung
DerValutatagistder7.August2015.DieletzteKuponzahlungvon1,50%hatam15.Mai2015
stattgefunden,also84Tagezuvor.DemnachbetragendieStückzinsen0,344%:
 
84 Tage
SZ D 1;50 %  D 0;344 %:
366 Tage

26
Vgl. Abschn. 13.4.2 .
0 13 ForwardsundFutures

366 Tage

118 Tage

84 Tage

15.05.2015 07.08.2015 10.09.2015 15.05.2016

letzte Kupon- Valutatag Liefertag des nächste


zahlung Futures (Fällig- Kupon-
keitstag Future)
zahlung

Abb.13.11 Zeitdiagramm für die Berechnung der Stückzinsen

Der Kassapreis bzw. der Full-Preis der Bundesanleihe von 108,454 % setzt sich aus dem
gehandeltenPreisvon108,11%unddenStückzinsenvon0,344%zusammen:

B0 Full D 108;11 % C 0;344 % D 108;454 %:

Die Stückzinsen zwischen dem letzten Kupontermin vom 15. Mai 2015 und dem Fällig-
keitstagdesEuro-Bund-Futuresvom10.September2015betragen0,484%[ D 1;5 %
Tage =366 Tage /].Abb. 13.11verdeutlichtdieBerechnungderStückzinsenfür.118
die Ermittlung des Full-Preises der Anleih e und für den aufgelaufenen Kupon, wobei
LetztererdieKostendesKassageschäftsundsomitdenFuture-Preisvermindert.Der
Euro-Bund-Future-Preisvon153,755%lässtsichwiefolgtberechnen:

1 h i
Ft D  108;454 %  .1;0004/34=360  0;484 % D 153;755 %:
0;702247

13.5.2 Geldmarkt-Futures

Bei den Geldmarkt-Futures handelt es sich um standardisierte Termingeschäfte auf Zins- sätze.
Im Vergleich zu den vorgängig beschri ebenen Fixed Income Futures bestehen die folgenden
Unterschiede:

 Basiswert: Der Referenzwert der Geldmark t-Futures bezieht sich auf einen vereinbar- ten
Terminzinssatz für eine bestimmte Laufzei t und nicht auf eine fiktive Staatsanleihe. So etwa
ist der Basiswert des an der Eurex gehandelten 3-Monats-EURIBOR-Futures der
EURIBOR-Satz,derabFälligkeitdesFutureseineLaufzeitvon3Monatenauf-weist.
13.5 PreisbestimmungvonEurex-Zins-Futures 09

 Erfüllung: Im Gegensatz zu den Fixed Income Futures findet keine physische Lieferung
des Basiswerts, sondern ein Barausgleich statt, der dem Gewinn/Verlust des letzten
Handelstagesentspricht.
 Preisnotierung: Die Preisnotierung der Geldmarkt-Futures erfolgt auf der Basis von 100 %
minusdemvereinbartenTerminzinssatzundnichtwiebeidenFixedIncomeFutures
in Prozent des Nominalwerts der zugrundeliegenden Staatsanleihe. Liegt
zum Beispiel der EURIBOR-Terminzinssatz für 3 Monate bei 2,5 %, resultiert ein
3-Monats-EURIBOR-Future-Preisvon97,5%( D 100 %  2;5 %). Je höher (niedri-
ger) der Terminzinssatz, desto niedriger (höher) fällt der Future-Preis aus. Basierend auf
dieser Notierung erzielt der Käufer des Geldmarkt-Futures einen Gewinn, wenn der
Terminzinssatz zurückgeht und demnach der Future-Preis steigt. Einen Verlust hingegen
ergibtsichbeimKäuferdesGeldmarkt-Futures,wennderTerminzinssatzsteigtundsomitder
Future-Preis fällt.Erwartendie Marktakteure steigende (fallen- de) Zinsen, können sie einen
Gewinn realisieren, wenn sie die Geldmarkt-Futures verkaufen (kaufen). Durch diese
Notierung wird sichergestellt, dass der Käufer (Ver- käufer) eines Geldmarkt-Futures von
steigenden(fallenden)Preisenprofitiert,diesichdurchrückläufige(steigende)Geldmarktzi
nseneinstellen(analogzudenFixedIncomeFutures).

27

Für den Käufer eines Geldmarkt-Futures lie gt zum Fälligkeitszeitpunkt eine Vereinba- rung
vor, eine Geldanlage zu einem bei Vertra gsabschluss vereinbarten Terminzinssatz mit
vorgegebener Laufzeit zu tätigen. Aus diesem Grund haben steigende (rückläufige)
Geldmarktzinsen einen Verlust (Gewinn) zur Folge, da die Geldanlage zu einem ver-
gleichsweise niedrigeren (höheren) Zinssa tz abgeschlossen wurde. Demgegenüber kann eine
Short-Geldmarkt-Future-Position als ein Kredit zu einem vereinbarten Terminzins- satz mit
vorgegebener Laufzeit interpretiert werden. Steigt (fällt) der Zinssatz, ergibt sich ein Gewinn
(Verlust), da der Kredit zu einem niedrigeren (höheren) vereinbarten Ter- minzinssatz
aufgenommen werden kann. Tab. 13.2 zeigt die Standardisierungsmerkmale der ander Eurex
gehandelten3-Monats-EURIBOR-Futuresundder1-Monats-EONIA-Futures.

AnderEurexbeträgtdieminimalePreisänderungdesEURIBOR-Futures0,25Basis-punkte
(also0,0025%).DasführtbeieinemEURIBOR-Future-Kontraktzueinermini-malen
WertänderungvonEUR6,25 28
:

90 Tage
EUR 1:000:000  0;000025  D EUR 6;25:
360 Tage

Der tägliche Gewinn/Verlust eines 3-Monats-EURIBOR-Futures lässt sich folgenderma- ßen


berechnen:

27
Eine Zunahme (Abnahme) der Zinssätze führt zu einem Rückgang (Anstieg) des Anleihepreises
und dementsprechend des Fixed-Income-Future-Preises.
28
DaZinssätzeannualisierteGrößensindunddieLaufzeitdesEURIBOR-Terminzinssatzesbei
FälligkeitdesFuturesbei90Tagenliegt,istdieZinssatzveränderungvon0,25Basispunktenmit
dem Quotienten von 90 Tagen dividiert durch 360 Tage anzupassen.
10 13 ForwardsundFutures

Tab.13.2 Standardisierungsparameter der an der Eurex gehandelten 3-Monats-EURIBOR-Futures


und 1-Monats-EONIA Futures (Quelle: Eurex 2017 : Produkte 2017, S. 157 ff.)
Standardisierungs- 3-Monats-EURIBOR-Future 1-Monats-EONIA-Future
merkmale
Basiswert EURIBOR-Satz für Dreimonats- Durchschnittszinssatz für
Termingelder in Euro Tagesgeld im
Euro-Interbankengeschäft für einen Zeitraum von 1 Mo
Kontraktwert EUR 1 Mio. EUR 1 Mio.
Notierung Future- 100 % abzüglich gehandelter EU- 100 % abzüglich gehandelter
Preis RIBOR-Satz (in Prozent auf vier effek- tiver
EONIA-Durchschnittssatz (in
Dezimalstellen). Die minima- Prozent auf drei Dezimalstellen).
le Preisänderung beläuft sich auf Die minimale Preisänderung liegt
0,0025 % und entspricht einem bei 0,005 % und entspricht einem Wert von EUR 5,83
Wert von EUR 6,25
Laufzeiten und Laufzeiten bis zu 72 Monaten, Maximal die laufende und sowie die
Fälligkeitsmonat wobei die nächsten 6 aufeinander darauf folgenden 4 von den Eurex-
folgende Kalendermonate und die 22 Börsen bestimmten Perioden stehen
darauf folgende Quartalsmonate des dem Handel zur Verfügung
Zyklus März, Juni, September und
Dezember handelbar sind

Letzter Handelstag 2 Börsentage vor dem dritten Letzter Börsentag des jeweiligen
Mittwoch des jeweiligen Fällig- Fälligkeitsmonats
keitsmonats
Täglicher Abrech- Für aktuellen Fälligkeitsmonat: Volumengewichteter Durchschnitt der
nungspreis Preise aller Geschäfte eine Minute vor 17.15 Uhr MEZ. Für alle anderen
Kontraktlaufzeiten:mittlereGeld-/BriefspannedesKombinationsauftrags-buchs

Erfüllung Barausgleich

Gewinn/Verlust Long EURIBOR-Future


 
90 Tage
D EUR 1:000:000  .F1  F0 /  ;
360 Tage

Gewinn/Verlust Short EURIBOR-Future



 
90 Tage
D  EUR 1:000:000  .F1  F0 /  ; (13.27)
360 Tage

wobei:

F1 D Future-Preis (Abrechnungspreis) am Ende des Handelstages,


F0 D Future-Preis(Abrechnungspreis)amEndedesVortages.
13.5 PreisbestimmungvonEurex-Zins-Futures 11

Beispiel
Absicherungsstrategie einer geplanten Kreditaufnahme mit 3-Monats-EURIBOR-
Futures-Kontrakten
Ein Unternehmen plant in 6 Monaten einen Kredit von EUR 5 Mio. zu einem Zinssatz von
EURIBOR plus 200 Basispunkten aufzunehmen. Die Laufzeit des Kredits beläuft sich auf 3
Monate. Der Finanzchef des Unter nehmens erwartet steigende Zinssätze und möchte das
Zinsänderungsrisiko der Kreditaufnahme mit fünf Short-3-Monats- EURIBOR-Futures
absichern. Der EURIBOR-Future mit einer Laufzeit von 6 Mona- ten wird an der Eurex zu
einem Preis von 98,4525 % gehandelt. Am Fälligkeitstag des Geldmarkt-Futures – also in 6
Monaten–beträgtder3-Monats-EURIBOR-Satz1,8575%.

1. Wie hoch ist der Gewinn/Verlust bei der Short-EURIBOR-Future-Position?


2. WiehochistdereffektiveKreditzinssatz,dersichausdieserAbsicherungsstrategieergibt?

Lösungzu1
DerEURIBOR-FutureweistzumFälligkeitszeitpunktin6MonateneinenPreisvon98,1425
%( D 100 %  1;8575 %) auf. Da der Future-Preis gefallen ist, ergibt sich auf
der Short-Future-Position ein Gewinn von EUR 3875:

Gewinn Short-

EURIBOR- 90 Tage
D 5  EUR 1:000:000  .0;981425  0;984525/ 
Future-Position 360 Tage

D EUR 3875:

Alternativ lässt sich der Gewinn von EUR 3875 ermitteln, indem die Preisänderung von
0,0031 (D  0;984525) durchdieminimalePreisänderungdesFuturesvon
0;981425
0,000025 dividiert und anschließend mit EUR 6,25 und der Anzahl der Short-Futures-
Kontrakte multipliziert wird:
 
0;0031
 EUR 6;25  .5/ D EUR 3875:
0;000025

Der Gewinn von EUR 3875 stellt einen kumulierten Gewinn aus den täglich realisierten
GewinnenundVerlustenüberdieLaufzeitdesFuturesdar.

Lösungzu2
Zu Beginn der Kreditlaufzeit beträgt der 3-Monats-EURIBOR-Satz 1,8575 %, sodass der
Kreditzinssatzauf3,8575%( D 1;8575 % C 2 %) zu liegen kommt. Das Unterneh- :
men bezahlt für den Kredit Zinsen von EUR 48:218;75
 
90 Tage
EUR 5:000:000  0;038575  D EUR 48:218;75:
360 Tage
12 13 ForwardsundFutures

Abzüglich des Gewinns aus der Short-EURI BOR-Future-Position von EUR 3875 erge- ben
sicheffektiveKreditzinsenvonEUR 44:343;75 (D EUR 48:218;75  EUR 3875),
was zu einem effektiven annualisierten Kreditzinssatz von 3,5475 % führt:
 
EUR 44:343;75
Effektiver Kreditzinssatz D  4 D 0;035475:
EUR 5:000:000

Der effektive Kreditzinssatz von 3,5475 % wird zu Beginn der Absicherungsstrategie


festgelegtundentsprichtdemTerminzinssatzdesEURIBOR-Futuresvon1,5475%(
D 100 %  98;4525 %) plus dem Spread von 200 Basispunkten. Somit sichert sich das
Unternehmen für eine Kreditaufnahme in 6 Monaten einen Zinssatz von 3,5475 %.
Ohne die Absicherungsstrategie mit der Short-EURIBOR-Future-Position hätte der
Zinssatz3,8575%( D 1;8575 % C 2 %) betragen.

Futures-KontraktewerdenüblicherweisevorFälligkeitdurcheinGegengeschäftglatt-
gestellt.DerKauf(Verkauf)vonFutureswirddurchdenVerkauf(Kauf)vonFuturesmit
gleichemFälligkeitszeitpunktundBasiswertausgeglichen.Besitztbeispielsweiseein
MarktteilnehmereineLong-Positionvon10EONIA-FuturesmitFälligkeitFebruar2016,dann
kannerdiesePositionmit10ShortEONIA-FuturesmitgleicherFälligkeit,alsoFe-bruar2016,
aufheben.DieGewinne/VerlusteaufdieLong-undShort-Futures-Kontraktehebensich
gegenseitigauf,dadieLong-RisikopositiondurchdieentgegengesetzteShort-Position
abgebautwurde.DieGlattstellungwirdüberdieClearing-StellederEurexabge-wickeltund
abgerechnet.

29

Die Bestimmung des Terminzinssatzes, der von der Basis von 100 % abgezogen wird,
erfolgt auf die gleiche Weise wie bei den Forward Rate Agreements.30

13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures

In den folgenden Ausführungen wird gezeigt, w ie Marktteilnehmer ihre Risikopositionen mit


Forwards und Futures steuern können. Dabei werden je nach Absicherungssituation und in
AbhängigkeitvondergängigenMarktpraxisentwederForwardsoderFuturesein-gesetzt.

UnternehmenstellenGüterherundbietenDienstleistungenan.Ausderunterneh-merischen
TätigkeitresultierteineVielzahlvonRisiken.TypischerweiseübernimmtdasUnternehmen
kalkulierteRisikenimRahmenseinereigentlichenGeschäftstätigkeit,dadieseihre
Kernkompetenzdarstellt.DemgegenüberwerdenandereRisikenwieetwaZins-und
Währungsrisiken,dienichtTeildesKerngeschäftssind,oftmalsmitDerivatenge-steuert.Bei
einerAbsicherungwirdeineDerivatepositioneingegangen,umsichgegenVerlusteaufder
zugrundeliegendenRisikopositionzuschützen.BesitztzumBeispieldas

29
Vgl. Abschn. 12.6.3 .
30
Vgl. Abschn. 13.4.3 .
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 13

Unternehmen eine variabel verzinsliche Schul dposition, beruht die Verlustgefahr auf stei-
genden Zinsen. Diese Risikoposition lässt sich beispielsweise mit einem Long Forward Rate
Agreement absichern. Steigen die Zinsen, wirft das Derivat einen Gewinn ab, der die höheren
Zinsen aus der variabel verzins lichen Schuldposition aufhebt. Bei fallenden Zinsen hingegen
produziert der Long FRA einen Verlust, der durch den Gewinn aus denniedrigeren Zinskosten
derabgesichertenRisikopositionaufgefangenwird.SomitwirdmitForwardsundFuturesnicht
nur die Verlustgefahr, sondern auch die Gewinnchance der zugrundeliegenden Risikoposition
neutralisiert.

UnternehmenwieauchandereMarktteilnehmersteuernihreRisiken,indemverschie-dene
SzenarienanalysiertunddaraufaufbauenddasaktuelleRisikoaufeingewünsch-tesNiveau
gebrachtwird.InvielenFällenführtdieserRisikosteuerungsprozesszueinerReduzierungder
Verlustgefahr.InanderenFällenhingegenistaufgrunddesgewähltenSzenarioseineErhöhung
derRisikopositiongerechtfertigt.Folglichverstehtmanun-terRisikosteuerungdie
ModifikationdesaktuellenzueinemangestrebtenRisikoniveau.ImFolgendenwirdder
EinsatzvonForwardsundFuturesbeiderSteuerungvonZins-,Aktienmarktpreis-und
FremdwährungsrisikenaufeinzelnePositionensowieaufPortfoli-os(Mikro-und
Portfolio-Hedge)beschrieben.

13.6.1 ManagementvonZinsänderungsrisiken

13.6.1.1 Zinsänderungsrisikomanagementvonvariabelverzinslichen
Krediten
EinUnternehmenmöchtein3MonateneinenvariabelverzinslichenKreditvonEUR10Mio.mit
einer Laufzeit von 6 Monaten aufnehmen. Der vereinbarte Zinssatz besteht aus dem
EURIBOR-Satzplus200Basispunkten.UmsichgegensteigendeZinsenabzusi-chern,gehtdas
UnternehmeneinenLong-3-gegen-9-EURIBOR-FRAmiteinemNomi-nalbetragvonEUR10
Mio. ein. Liegt zum F älligkeitszeitpunkt des FRA der EURIBOR- Satz über dem FRA-Satz,
resultiertausdemLongFRAeinGewinn,mitdemdiehöherenZinsendesvariabelverzinslichen
Kredits aufgefangen werden können. Unterschreitet hin- gegen der EURIBOR-Satz den
FRA-Satz,ergibtsichbeimLongFRAeinVerlust,dergegendieniedrigerenZinsenbeimKredit
v errechnet wird. Das folgende Beispiel zeigt diese Absicherungsstrategie, mit der sich das
ZinsänderungsrikodergeplantenKreditauf-nahmeneutralisierenlässt.

Beispiel
AbsicherungdesZinsänderungsrisikosbeieinergeplantenKreditaufnahmemiteinem
LongFRA
Am 8. Mai beschließt die Delta AG, einen Kredit von EUR 10 Mio. am 10. August
aufzunehmen. Der Kredit hat eine Laufzeit von 184 Tagen (Fälligkeit am 10. Febru- ar des
Folgejahres) und wird mit dem EURIBOR-Satz plus einem Spread von 200 Basispunkten
verzinst.UmsichgegensteigendeZinsenabzusichern,schließtdasUn-
14 13 ForwardsundFutures

ternehmen einen Long-3-gegen-9-FRA mit einem Nominalbetrag von EUR 10 Mio. ab. Der
vonderBanknotierteFRA-BriefsatzliegtamAbschlusstagvom8.Maibei2%.Somitbeginnt
die Vorlaufzeit des FRA am 10. Mai. Bei Fälligkeit des FRA am 10. August beträgt der
6-Monats-EURIBOR-Satz 2,5 %, der am Fixingtag vom 8. August festgelegt wurde. Wie
hoch ist der effektive Kreditzinssatz, der sich aus dieser Absi- cherungsstrategie ergibt
(Day-Count-Konvention:tagesgenau/360Tage)?

Lösung
Aus dem Long FRA resultiert am Fälligkeitstag ein Gewinn von 0,5 % (D 2;5 % 2 %).
Der Gewinn am Ende der Gesamtlaufzeit beläuft sich somit auf EUR 25:555;56:

Gewinn am Ende 184 Tage


D 0;005   EUR 10:000:000 D EUR 25:555;56:
der Gesamtlaufzeit 360 Tage

Da die Ausgleichszahlung des FRA am Fälligkeitstag erfolgt, wird der Gewinn am Ende der
Gesamtlaufzeitmitdem6-Monats-EURIBOR-Satzvon2,5%diskontiert:

EUR 25:555;56
Ausbezahlter Gewinn D   D EUR 25:233;14:
184 Tage
1 C 0;025 
360 Tage

Die Delta AG erhält am 10. August EUR 25:233;14 ausbezahlt. Das Unternehmen
nimmt am 10. August einen Kredit von EUR 10 Mio. auf, der zum EURIBOR-Satz
von2,5%pluseinemSpreadvon200Basispunkten–alsozu4,5%–verzinstwird.Am10.Februar
desFolgejahreswirdeinBetragausdemKrediteinschließlichZinsenvonEUR
10:230:000 zurückbezahlt:


 
Rückzahlung Kredit 184 Tage
D EUR 10:000:000  1 C 0;045 
inklusive Zinsen 360 Tage
D EUR 10:230:000:

Der Endbetrag von EUR 10:204:444;44 am10.FebruarergibtsichausdemKredit-


rückzahlungsbetrag von EUR 10:230:000 abzüglichdesGewinnsausdemLongFRA
am Ende der Gesamtlaufzeit von EUR 25:555;56. Der effektive Zinssatz r lässt sich
aufgrund der folgenden Formel berechnen:


 
184 Tage
1Cr  EUR 10:000:000 D EUR 10:204:444;44:
360 Tage
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 15

Laufzeit Kredit: 184 Tage

Vorlaufzeit FRA: 92 Tage Zinsperiode FRA: 184 Tage

8.05 10.05 8.08 10.08 10.02

Ab- Beginn der Fixing- Beginn der Ende der


schluss- Vorlaufzeit tag Zinsperiode Zinsperiode
tag (Fälligkeits- (Zeitpunkt
zeitpunkt FRA der Kredit-
und Zeitpunkt rückzahlung)
Kreditaufnahme)

Abb.13.12 Zeitdiagramm des Long FRA und der Kreditaufnahme

Wird die Formel nach dem effektiven Zinssatz r aufgelöst, erhält man 4 %:

   
EUR 10:204:444;44 360 Tage
rD 1  D 0;04:
EUR 10:000:000 184 Tage

Die Delta AG erhält am 10. August EUR 10 Mio. und zahlt am 10. Februar des Folge- jahres
einen Kreditbetrag abzüglich Gewinn aus dem Long FRA von
EUR 10:204:444;44 zurück. Das ergibt einen effektiven Zinssatz von 4 %, der dem
FRA-Satz von 2 % plus dem Spread der Kreditaufnahme von 200 Basispunkten ent-
spricht. Somit lässt sich der effektive Zi nssatz dieser Absicherungsstrategie von 4 % bereits
beim Abschluss des Long FRA am 10. Mai berechnen. Ohne die Absicherungs- strategie mit
demLongFRAhättedasUnternehmeneinenZinssatzfürdenKreditvon4,5%(
D % C 2 %)bezahlt.Abb. 13.12zeigtdasZeitdiagrammfürdenLongFRA2;5
und den geplanten Kredit vom 10. August.

BeidergeplantenVergabeeinesvariabelverzinslichenKreditslässtsichdasRisikovon
fallendenZinsenmiteinemShortFRAabsichern.AllerdingswirddieseAbsiche-
rungsstrategievondenKreditgebernnichtoftumgesetzt,dasichdieKreditnachfrageinder
Zukunftnichthinreichendgenauschätzenlässt.DieEntscheidung,einenKreditaufzu-nehmen,
liegtbeidenKundenundnichtbeidenFinanzinstituten,sodassdieKreditgeber,diefürdas
möglicheZinsänderungsrisikoeinFRAeinsetzenkönnen,demRisikoeiner
Nicht-Kreditvergabeausgesetztsind.IndiesemFallisteineAbsicherungdesZinsände-
rungsrisikosmitZinsoptionendiebessereWahl,weilderKreditgebernachwievorvon
steigendenZinsenprofitierenundmaximaldiebezahlteOptionsprämieverlierenkann.
16 13 ForwardsundFutures

Das folgende Beispiel zeigt die Absicherung einer geplanten Kreditvergabe mit einem
Short FRA.

Beispiel
Absicherung des Zinsänderungsrisikos bei einer geplanten Kreditvergabe mit ei- nem
ShortFRA
DasKreditinstitutAlphaAGplantam6.März,einenkommerziellenvariabelver-zinslichen
KreditinderHöhevonEUR5Mio.am8.Aprilzuvergeben.DerKredithateineLaufzeitvon91
Tagen. Der variable Zinssatz besteht aus dem EURIBOR- Satz plus 150 Basispunkten. Die
Absicherung gegen fallende Zinsen erfolgt mit einem Short-1-gegen-4-FRA, der einen
Nominalbetrag von EUR 5 Mio. aufweist. Der no- tierte FRA-Geldsatz liegt am
Abschlusstag vom 6. März bei 1,8 %. Somit beginnt die Vorlaufzeit des FRA am 8. März. Bei
Fälligkeit des FRA am 8. April beträgt der 3- Monats-EURIBOR-Satz 1,5 %, der am
Fixingtag vom 6. April festgelegt wurde. Wie hoch ist der effektive Kreditzinssatz, der sich
ausdieserAbsicherungsstrategieergibt(Day-Count-Konvention:tagesgenau/360Tage)?

Lösung
Der Gewinn des Short FRA am Ende der Ges amtlaufzeit lässt sich folgendermaßen
bestimmen:

91 Tage
Gewinn am Ende der Gesamtlaufzeit D  .0;015  0;018/ 
360 Tage
 EUR 5:000:000 D EUR 3791;67:

DieAusgleichszahlungdesGewinnsfindetamFälligkeitstagdesShortFRAstatt,sodassder
GewinnamEndederGesamtlaufzeitvonEUR3791,67mitdem3-Monats-EURIBOR-Satz
von1,5%diskontiertwird:

EUR 3791;67
Ausbezahlter Gewinn D   D EUR 3777;35:
91 Tage
1 C 0;015 
360 Tage

Demnach erfolgt am 8. April eine Kreditvergabe im Umfang von EUR 5 Mio., der zum
3-Monats-EURIBOR-Satzvon1,5%pluseinemSpreadvon150Basispunkten–alsozu3%–
verzinstwird.DerKreditnehmerzahltam8.JulieinenBetrageinschließlichZinsenvonEUR
5:037:916;67 zurück:

 
91 Tage
Rückzahlung Kredit inklusive Zinsen D EUR 5:000:000  1 C 0;03 
360 Tage
D EUR 5:037:916;67:

Der Endbetrag aus dieser Absicherungsstrategie von EUR der 5:041:708;34 setzt sich aus
RückzahlungdesKreditsvonEUR 5:037:916;67 und dem Gewinn aus dem Short
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 17

Laufzeit Kredit: 91 Tage

Vorlaufzeit FRA: 31 Tage Zinsperiode FRA: 91 Tage

6.03 8.03 6.04 8.04 8.07

Ab- Beginn der Fixing- Beginn der Ende der


schluss- Vorlaufzeit tag Zinsperiode Zinsperiode
tag (Fälligkeits- (Zeitpunkt
zeitpunkt FRA der Kredit-
und Zeitpunkt rückzahlung)
Kreditvergabe)

Abb.13.13 Zeitdiagramm des Short FRA und der Kreditvergabe

FRAamEndederGesamtlaufzeit(alsoam8.Juli)vonEUR3791,67zusammen.Dereffektive
Kreditzinssatzrbeträgt3,3%:
   
EUR 5:041:708;34 360 Tage
rD 1  D 0;033:
EUR 5:000:000 91 Tage

Somit lässt sich bereits zu Beginn dieser Absicherungsstrategie – also am 8. März – ein
Zinssatz für die Kreditvergabe von 3,3 % sichern, der aus dem FRA-Satz von 1,8 % und dem
Spread von 150 Basispunkten besteht. Ohne die Absicherungsstrategie mit dem Short FRA
hättedasUnternehmeneinenZinssatzfürdenKreditvon3%(
D
1;5 %C1;5 %) erhalten. Abb. 13.13 zeigt das Zeitdiagramm der Absicherungsstrategie.

Bisherwurdegezeigt,wiemandasZinsänderungsrisikoeinesgeplantenvariabelver-
zinslichenKreditsmitlediglicheinemZahlungsterminmithilfeeinesFRAabsichert.Al-
lerdingsverfügenindenmeistenFällenvariabelverzinslicheKrediteübermehrereZins-
termine,sodassfürdasHedgingdesZinsänderungsrisikosmehrereFRAsmitunterschied-
lichenVorlaufzeitenerforderlichsind.SozumBeispielkanneinvariabelverzinslicherKredit
miteinerLaufzeitvon2Jahren4halbjährlicheZinsterminein6,12,18und24Mo-natenbesitzen.
WirdderKreditheuteaufgenommen,istmandemRisikovonsteigendenZinsenin6,12und18
Monatenausgesetzt,dadergeschuldeteZinsjeweilszuBeginnderZinsperiodefestgelegtund
amEndederPeriodebezahltwird.SomitsindfürdieAbsiche-rungdesZinsänderungsrisikos
dreiLongFRAsmitunterschiedlichenVorlaufzeitenvon6,12und18Monatenerforderlich:
6-gegen-12-FRA,12-gegen-18-FRAund18-gegen-24-FRA.FürdieersteZinsperiodeistkein
LongFRAnotwendig,weilderZinssatzzuBeginn
1 13 ForwardsundFutures

der ersten halbjährlichen Periode bekannt is t und demnach kein Zinsänderungsrisiko be- steht.
Da die Terminzinssätze für unterschiedliche Laufzeiten in der Regel nicht gleich groß sind,
sichertman sich mitdieserHedging-Strategie unterschiedlichhohe Zinssät- ze.Als Alternative
zu den außerbörslich gehandelten Zinstermingeschäften können auch Geldmarkt-Futures für
die Absicherung eingesetzt werden. So können bei einem variabel verzinslichen Kredit mit
vierteljährlichen Zinsterminen 3-Monats-EURIBOR-Futures für die Risikoabsicherung
verwendetwerden,dieLaufzeitenvonbiszu72Monatenaufwei-sen.

13.6.1.2 Zinsänderungsrisikomanagementvonfestverzinslichen
Anleiheportfolios
Das Zinsänderungsrisiko von festverzinslichen Anleiheportfolios lässt sich mit Fixed In- come
Futures steuern. Dabei wird die modifizierte Duration als die zu steuernde Risi- kogröße
eingesetzt. Die modifizierte Duration ist wie das Beta einer Aktie eine Sen- sitivitätsgröße. Sie
misst die prozentuale Preisänderung einer Anleihe bei einer Verän- derung des Zinssatzes bzw.
derVerfallrendite.
31
DieDurationgehtvoneinerlinearen
BeziehungzwischendemAnleihepreisundderVerfallrenditeaus,sodasssielediglichbei
kleinen Zinssatzänderungen die Preisbewegung des Wertpapiers zu erfassen vermag. Bei
größeren Veränderungen des Risikofaktors ist zusätzlich zur Duration die Konvexität zu
berücksichtigen, die den nicht -linearen Zusammenhang zwischen Preis und Verfallrendi- te
wiedergibt.DiePreisänderungeinerKuponanleihe
BlässtsichanhandderTaylor-
Reihenentwicklung mit einer Näherung der ersten Ordnung für eine kleine Veränderung der
Verfallrenditewiefolgtbestimmen: 32

B D MDURB B0 VR; (13.28)

wobei:

MDURB D modifizierte Duration der festverzinslichen Anleihe,


B0 D Preis der festverzinslichen Anleihe vor der Veränderung der Verfallrendite
(Risikofaktor),
VR D Veränderung der Verfallrendite (Risikofaktor).

Wird eine Anleihe beispielsweise zu einem Preis von 102,58 % gehandelt und beträgt die
modifizierteDuration6,2,resultiertbeieinerZunahmedesZinssatzesbzw.derVerfall-renditevon
0,1%einPreisrückgangdesWertpapiersvon0,64%[
D .6;2/  102;58 % 
0;001], sodass der neue Preis der Anleihe bei 101,94 % (D 102;58 %  0;64 %) zu liegen
kommt. Die modifizierten Durationen von einzelnen Anleihen lassen sich auf Portfolio-

31
Bewegt sich der Zinssatz, so verändert sich auch die Verfallrendite, da folgender Zusammenhang D
gilt: Verfallrendite risikoloser Zinssatz C Risikoprämie. Vgl. Abschn. 9.3.5 .
32
Vgl. Abschn. 10.2.1 .
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 19

ebene aggregieren, was zu folgender Formel für die modifizierte Portfolioduration führt:33

N
MDURP D Xi wi MDURi ; (13.29)
D1

wobei:

wi D Marktgewicht der Anleihe i im Portfolio,


MDURi D modifizierteDurationderAnleiheiimPortfolio.

Demnach entspricht die Portfolioduration der Summe der marktgewichteten Durationen der
einzelnen Anleihen. So etwa besteht ein Portfolio aus den zwei Kuponanleihen A und Die
AnleiheAweisteinenMarktwertvonEUR
B. 40:000 und eine modifizierte Duration
von 4,5 auf, während die Anleihe B einen Marktwert von EUR 60:000 und eine modifi-
zierte Duration von 6,2 besitzt. Das ergibt eine modifizierte Portfolioduration von 5,52:
   
EUR 40:000 EUR 60:000
MDURP D  4;5 C  6;2 D 5;52:
EUR 100:000 EUR 100;000

Die Preisveränderung von Fixed Income Futu res lässt sich ebenfalls mit dem Konzept der
Duration berechnen. Die Fixed Income Futures an der Eurex basieren auf hypothe- tischen
Staatsschuldverschreibungen. So ist der Basiswert eines Euro-Bund-Futures eine fiktive
langfristigeSchuldverschreibungderBundesrepublikDeutschlandmiteinerRest-laufzeitvon
8,5bis10,5JahrenundeinemKuponsatzvon6%.ObwohlderBasiswerteinenKuponsatzvon6%
aufweist, kann jede Schuldverschreibung der Bundesrepublik Deutschland mit einer
Restlaufzeit von 8,5 bis 10,5 Jahren bei Fälligkeit des Futures geliefert werden. Dabei wird die
Anleihe mi t den niedrigsten Kosten – also die Cheapest- to-Deliver-Anleihe –vom Inhaber der
Short-Future-Position geliefert, die auch bei der Preisbestimmung des Euro-Bund-Futures
herangezogenwird.

34
BeiFälligkeitdesDe-
rivatsentsprichtdiePreissensitivitätdesFuturesderjenigenderCTD-Anleihe.Daein
Fixed-Income-Future-KontraktkeineeigentlicheDurationbesitzt,wirdfürdieMessungder
PreissensitivitätdieDurationderCTD-Anleiheverwendet.Folglichsprichtmanbeieinem
Future-KontraktvoneinerimplizitenDuration,diesichaufdieDurationderCTD-Anleihe
beziehtundzumFälligkeitszeitpunktdesFuturesberechnetwird.Darüberhinaushängtdie
AuswahlderlieferbarenAnleihevondenvorherrschendenMarktbedingungenab,sodassdie
CTD-AnleihewährendderLaufzeitdesFuturesmehrmalswechselnkann.Daheristfürdie
PreisbestimmungdesFuturesdiejeweilsvorliegendeCTD-Anleihezuberücksichtigen,aus
derdieimpliziteDurationdesFuturesabgeleitetwird,dieausderDurationderCTD-Anleihe
zumFälligkeitszeitpunktdesDerivatsbesteht.MitderTaylor-Reihenentwicklungderersten
OrdnunglässtsichdieVeränderungdesFuture-Preises

F

33
Vgl. Abschn. 10.2.2.5 .
34
Vgl. Abschn. 13.5.1 .
20 13 ForwardsundFutures

anhand der impliziten modifizierten Duration und der impliziten Veränderung der Verfall-
renditewiefolgtberechnen:

F D MDURF F0 q VRF ; (13.30)

wobei:

MDURF D implizite modifizierte Duration des Fixed-Income-Future-Kontrakts,


F0 D Preis des Fixed-Income-Future-Kontrakts vor der Veränderung der Verfallren-
dite,
q D nominaler Kontraktwert des Fixed Income Futures (z. B. bei einem Euro-
Bund-Future EUR 100:000),
VRF D impliziteVeränderungderVerfallrenditebeimFixedIncomeFuture.

Mit einem Duration-basierten Hedge lässt sich die Anzahl der Fixed-Income-Futures-
Kontrakte bestimmen, die erforderlich sind, um das gewünschte Zinsänderungsrisiko im
Anleiheportfolio zu erreichen. Hierzu werden die Preisänderungen des Anleiheportfolios und
der zur Risikosteuerung eingesetzten Futures mit der Taylor-Reihenentwicklung der ersten
Ordnung – also den Formeln ( 13.28 ) respektive ( 13.30 ) – erfasst. Um das Zins- änderungsrisiko
im Anleiheportfolio zu steuern, muss die gewünschte Preisänderung des Anleiheportfolios mit
den Preisänderungen des Anleiheportfolios und der Fixed Income Futures gleichgesetzt
werden,waszufolgenderFormelführt:

 MDURZielP BP0 VRP D MDURP BP0 VRP C .MDURF / NF F0 q VRF ;


(13.31)
wobei:

MDURZielP D modifizierte Zielduration des Anleiheportfolios,


B0 D MarktwertdesAnleiheportfoliosvorderÄnderungderVerfallrendite P
(bzw. vor der Zinssatzänderung),
VRP D VeränderungderVerfallrenditebzw.desZinssatzesbeimAnleiheportfo-
lio,
MDURP D modifizierte Duration des Anleiheportfolios,
NF D Anzahl Fixed-Income-F utures-Kontrakte.

Wird die oben stehende Gleichung nach der Anzahl der Futures-Kontrakte NF aufgelöst,
ergibt sich folgende Formel:
   
MDURZielP  MDURP BP0 VRP
NF D : (13.32)
MDURF F0 q VRF

Setzt man die modifizierte Zielduration gleich null (also MDURZielP D 0), lässt sich das
Zinsänderungsrisiko des Anleiheportfolios eliminieren, da die durch eine Bewegung der
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 21

VerfallrenditeausgelöstePreisveränderungdesAnleiheportfoliosdurchdiePreisverände-rungder
Fixed-Income-Futures-Kontraktewettgemachtwird.BeieinerZieldurationvonnullergibtsichaus
der Formel ein negativer Wert für die Anzahl der Futures-Kontrakte. Folglich lässt sich das
ZinsänderungsrisikoeinesLong-AnleiheportfoliosmitShortFixedIncomeFuturesabsichern.
DarüberhinauskannmitobenstehenderFormeldieAnzahlderLong-oderShort-Futures-Kontrakte
derartfestgelegtwerden,dassdiedarausresul-tierendeDurationüberoderunterderDurationdes
Anleiheportfolios zu liegen kommt. So können Long Futures eingesetzt werden, um di e
Portfolioduration zu erhöhen, und Short Futures, um diese zu senken. Erwartet zumBeispiel ein
PortfoliomanagersteigendeZin-sen,dannlässtsichderdarausentstehendeWertverlustaufdem
Long-Anleiheportfolio mit Short Fixed Income Futures auffangen, die bei einer Zunahme der
Zinssätze einen Gewinn abwerfen.Dabei kann der Portfoliomanager eine positive Zielduration
festlegen,dieunterhalbdermodifiziertenDurationdesAnleiheportfoliosliegt(alsoMDURZiel

P <
MDUR ). Auf diese Weise lässt sich das Zinsänderungsrisiko verringern, aber nicht voll- P
ständig beseitigen. Erwartet der Portfoliomanager hingegen fallende Zinsen, dann kann er
davon profitieren, wenn er die modifizierte Duration des Anleiheportfolios erhöht (also
MDURZiel
P > MDURP). Dies kann der Manager unter anderem erreichen, indem er An-
leihen des Portfolios mit einer niedrigen Duration verkauft und Anleihen mit einer höheren
Duration kauft. Allerdings verändert diese Strategie die physische Zusammensetzung des
AnleiheportfoliosundistinfolgederhohenTransaktionskostenteuer.EinealternativeStrategie
istderAbschlussvonLongFixedIncomeFutures,welchediestrategischeAsset-Allokationdes
PortfoliosnichtbeeinflusstundauchinBezugaufTransaktionskostengünstigerist.

Der dritte Term rechts des Gleichheitszeichens von ( 13.32 )–also VRP =VRF – stellt
das Yield Beta dar. Sind die Veränderungen der Verfallrendite beim Anleiheportfolio und
beiderFuture-Positiongleichgroß,resultiertdarauseinYieldBetavon1.DamitdasYieldBeta1
ist, muss derBasiswertdesFutures mitdenAnleihen imPortfolio übereinstim-men. Somitmuss
das Portfolio aus den gleich en Staatsanleihen bestehen, dieden FixedIncome Futures zugrunde
liegen. Des Weiteren ist von einer parallelen Verschiebung der Zinsstrukturkurve auszugehen.
TreffendieseGegebenheitennichtzu,weichtdasYieldBetavon1ab.Portfoliomanagerkönnen
das Yield Beta durch eine einfache lineare Re- gressionsanalyse zwischen den historischen
Verfallrenditen des Anleiheportfolios und des Future-Kontrakts bestimmen. Daraus ergibt
sich folgende lineare Regressionsgleichung, wobei die Steigung der Regressionsgeraden dem
YieldBetaentspricht:

VRP;t D ’ C “ VRF;t C ©t ; (13.33)

wobei:

’ D Konstante der Regressionsgeraden,


“ D Steigung der Regressionsgeraden (“ D VRP =VRF ),
©t D Fehlerterm.
22 13 ForwardsundFutures

Beispiel
Steuerung des Zinsänderungsrisikos eines Anleiheportfolios mit Euro-Bund-
Futures-Kontrakten
Der Portfoliomanager einer Vermögensverwaltungsgesellschaft hat die Aufgabe, das
Zinsänderungsrisiko eines Kundenanleiheportfolios mit einem Marktwert von EUR 20
Mio. zu steuern. Er erwartet steigende Zinssätze, sodass mithilfe von Euro-Bund-
Futures die modifizierte Duration des Anleiheportfolios von aktuell 8,5 auf 5 reduziert
werden soll. Der Euro-Bund-Future mit F älligkeit März 2016 wird an der Eurex am
August 2015 zu einem Abrechnungspreis von 156,13 % geführt. Die implizite mo-
difizierte Duration des Futures beläuft sich auf 8,8. Der Portfoliomanager schätzt das
7.
Yield Beta auf 1,2.

DieAbsicherungsstrategiedauertbiszumFälligkeitstagdesEuro-Bund-Futuresam10.
März2016.ZudiesemZeitpunkthabendieVerfallrenditendesPortfoliosunddesFuturesum
24Basispunkterespektiveum20Basispunktezugenommen.DesWeiterenistderMarktwert
desAnleiheportfoliosum2%gefallenundderEuro-Bund-Futureweisteinen
Abrechnungspreisvon153,50%auf.

1. Wie viele Euro-Bund-Futures-Kontrakte sind notwendig, um die modifizierte Dura- tion


desAnleiheportfoliosvon8,5auf5zusenken?
2. Wie hoch sind der Marktwert und die Rendite der Gesamtposition (Anleiheportfo- lio
einschließlichGewinn/VerlustderEuro-Bund-Futures-Kontrakte)am10.März2016?

3. Wie hoch ist die tatsächlich erzielte modifizierte Duration der Absicherungsstrate- gie?

Lösungzu1
Um die modifizierte Duration des Anleiheportfolios von 8,5 auf 5 zu verringern, sind
insgesamt61Short-Euro-Bund-Futureserforderlich:

   
5  8;5 EUR 20:000:000
NF D   1;2 D 61;14:
8;8 1;5613  EUR 100:000

Lösungzu2
DerMarktwertderGesamtposition(AnleiheportfolioinklusiveGewinnausdenShortFixed
IncomeFutures)am10.März2016lässtsichwiefolgtberechnen:

Marktwert des Anleiheportfolios EUR 19:600:000


[EUR 20:000:000  .1  0;02/]
Gewinn der Short-Euro-Bund-Future-Position C EUR 160:430
[.61/  .1;5350  1;5613/  EUR 100:000]
Marktwert der Gesamtposition D EUR 19:760:430
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 23

Das ergibt eine negative Rendite von 1,198 %:

EUR 19:760:430
Rendite D  1 D 0;01198:
EUR 20:000:000

Lösungzu3
Die prozentuale Preisänderung eines Anleiheportfolios %BP lässt sich mit der Taylor-
Reihenentwicklung der ersten Ordnung folgendermaßen ermitteln:

%BP D MDURP VRP :

WirddieGleichungnachdermodifiziertenDurationdesAnleiheportfoliosaufgelöstundsetzt
manfürdieprozentualePreisänderungdesPortfolios 1;198 % (%BP D
0;01198) und für die Veränderung der Verfallrendite 0,24 % (VRP D 0,0024) ein,
erhält man eine tatsächlich erzielte modifizierte Duration von 4,992:

0;01198
MDURP D  D 4;992:
0;0024

Im vorliegenden Beispiel ist die Absicherungsstrategie des Anleiheportfolios mit 61


Short-Euro-Bund-Futures sehr effektiv. Der Portfoliomanager hat die angestrebte mo-
difizierte Duration von 5 praktisch erreic ht, ohne die physische Zusammensetzung des
Anleiheportfoliosändernzumüssen.

ÜblicherweiseweichendietatsächlicheunddieangestrebteDurationvoneinanderab,was
aufeineVielzahlvonGründenzurückzuführenist.SoetwaistesfürdieSteuerungdes
Zinsänderungsrisikoswichtig,dassderFuture-KontrakteinenBasiswertbesitzt,dermitden
AnleihendeszugrundeliegendenPortfoliosübereinstimmt.SetztsichdasPortfolioaus
Unternehmensanleihenzusammen,bestehteineInkonsistenzzwischendemBasis-wertdes
Derivats,derbeiEurex-Fixed-Income-FutureseineStaatsanleiheist,undden
UnternehmensanleihendesPortfolios.DiesführtzufolgendenRisiken,dieimRahmender
Risikosteuerungzuberücksichtigensind:

 Yield Beta: Die Beziehung zwischen den Veränderungen der Verfallrendite beim An-
leiheportfolioundbeidenFutures-Kontraktenkannnichthinreichendgenaugeschätztwerden.
Die Verfallrendite von Unternehmensanleihen bewegt sich nicht nur aufgrund von
Zinssatzänderungen, sondern auch infolge von Änderungen des wahrgenommenen
Ausfallrisikos.DasYieldBetalässtsichanhandeinereinfachenlinearenRegressi-onsanalyse
zwischen den beobachteten Verfallrenditen der im Portfolio enthaltenen
Unternehmensanleihen und der dem Future-Kontrakt zugrundeliegenden Staatsanlei- he
bestimmen. Üblicherweise ist das Yiel dBeta stabiler, wenn es aus einer linearen Regression
zwischendenhistorischenVerfallrenditenvonimPortfolioenthaltenenStaatsanleihenundden
RenditenvonStaatsanleiheneinesFutureseruiertwird.
24 13 ForwardsundFutures

 Vorzeitige Kündigungsmöglichkeit: Unternehmensanleihen können eine vorzeitige


Kündigungsoption aufweisen, was die Beziehung zwischen Duration und Verfallren-
dite beeinflusst und somit die Messung der Duration erschwert.35 Zum Beispiel nimmt
in einem Umfeld von fallenden Zinsen die Wahrscheinlichkeit zu, dass der Emittent
einen Callable Bond vorzeitig kündigt, was zu r Folge hat, dass sich der Anleihepreis dem
vertraglich vereinbarten Kündigungspreis nähert. Im Vergleich zu einer options- freien
Anleihe fällt der Preisanstieg der kündbaren Anleihe weniger stark aus, was mit dem
Rückgang der Duration erklärt werden kann. Sind Anleihen mit eingebetteten
Kündigungsoptionen im Portfolio enthalten, muss die Duration laufend überwacht und
angepasst werden, ansonsten lässt sich mit dem Duration-basierten Hedge das gewünschte
Zinsänderungsrisikonichterreichen.

Des Weiteren sind Unternehmensanleihen im G egensatz zu Staatsanleihen mit einer erst-


klassigenBonitätdemKreditrisikoausgesetzt.NimmtdasKreditrisikozu(ab),erhöht(verringert)
sich die Kreditrisikoprämie bzw. die Differenz zwischen den Verfallrenditen der
Unternehmensanleihe und der risikolosen Staatsanleihe. Dieser Effekt wirkt sich de-
stabilisierend auf den Zusammenhang zwischen dem Wert des Anleiheportfolios und dem
Future-Preis aus. Um die angestrebte Dura tion dennoch zu erzielen, muss die Absiche-
rungsstrategieüberdieAnzahlderFutures-Kontrakteangepasstwerden.

DieDurationmisstdenlinearenZusammenhangzwischendemAnleihepreisundder
Verfallrendite.AllerdingsistdiePreis-Rendite-Beziehungnicht-linear,sodassmitderDu-
rationlediglicheinTeilderPreisbewegungerfasstwird.JekleinerdieZinssatzänderungist,
destogrößeristderAnteilanderPreisveränderung,diesichmitderDurationer-mittelnlässt,da
beikleinenZinssatzänderungenderZusammenhangzwischenPreisundVerfallrendite
weitestgehendlinearist.SomitkanndieDurationnurfürkleineZinssatz-änderungeneingesetzt
werden.
36
DarüberhinausverändertsichdieDuration,wennsichder
ZinssatzändertunddieLaufzeitderAnleiheabnimmt.BeieinerZunahme(Abnah-me)der
Verfallrenditefällt(steigt)dieDurationvonoptionsfreienAnleihen.DaheristdieDurationinder
Hedge-Formelentsprechendanzupassen,waszueinerÄnderungdererfor-derlichenAnzahlan
Futures-Kontraktenführt.AllerdingspassenvielePortfoliomanagerdieDurationnichtanund
akzeptierensomit,dassdasangestrebteZinsänderungsrisikoimPortfolionichtganzerreicht
wird.

13.6.2 ManagementvonAktienmarktpreisänderungsrisiken

Die Volatilität auf den Aktienmärkten ist größer als auf den Anleihemärkten. Das Akti-
enmarktpreisänderungsrisiko eines diversifizierten Aktienportfolios lässt sich mit Futures-
Kontraktensteuern.DabeiwerdenüblicherweiseFutures-KontrakteaufeinenAktienindexund
nichtaufeinzelneAktieneingesetzt,dadasHauptrisikoeinesdiversifiziertenPortfoli-

35
Vgl. Abschn. 10.2.5 .
36
Vgl. Abschn. 10.2.2.1 .
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 25

os systematischer Natur ist.37 DassystematischeRisikobzw.dasMarktrisikoumfasstdie


MarktwertveränderungdesAktienportfoliosaufgrundeinerPreisbewegungdesgesam-
tenAktienmarktesundwirdnichtmitderStandardabweichung,sondernmitdemBetabestimmt.
Das Beta ist eine Sensitivitätsgröße und misst die Änderung der Aktienren- dite infolge einer
Veränderung der Marktrendite. Sie wird durch eine einfache lineare Regressionsanalyse
zwischen den historischen Portfoliorenditen und den Marktrenditen eruiert und stellt die
SteigungderRegressionsgeradendar.
38
Ist beispielsweise das Be-
ta des Aktienportfolios 1,2 und fällt die Aktienmarktrendite um 2 %, so nimmt der Wert
des Portfolios um 2,4 % ab. Beträgt der Marktwert des Portfolios EUR 100:000, resultiert
daraus ein Verlust von EUR 2400, der mit fo lgender Formel berechnet werden kann:

S D “S S %M; (13.34)

wobei:
S D Marktwertveränderung des Aktienportfolios,
“S D Beta des Aktienportfolios,
S D Marktwert des Aktienportfolios,
%M D prozentuale Veränderung des Aktienmarktes.

Setzt man in oben stehender Formel für das Beta und für 1,2,fürdenMarktwertdesAk-
die
tienportfolios EUR 100:000 prozentualeVeränderungdesAktienmarktes
2 %ein,ergibtsicheinenegativeMarktwertveränderungdesPortfoliosvonEUR2400
[D 1;2  EUR 100:000 . 0;02/]. Um das Beta des Aktienportfolios abzuändern, sind
Aktienindex-Futures notwendig. Eine Abnahme (Zunahme) des Portfoliobetas wird mit
Short (Long) Aktienindex-Futures-Kontrakten erreicht. Die gewünschte Marktwertverän-
derungdesPortfolios( SZiel ) ergibtsichausdemZielbetamultipliziertmitdemProdukt
aus dem Wert des Aktienportfolios und der erwarteten prozentualen Bewegung des Ak-
tienmarktes.SieresultiertausderMarktwertveränderungdesAktienportfolios .S/ und
der Aktienindex-Futures-Kontrakte .F/, was zu folgendem Zusammenhang führt:39

SZiel D S C F

bzw.
“Ziel S %M D “S S %M C NF “F F q %M; (13.35)
wobei:
“Ziel D Zielbeta,
NF D Anzahl Aktienindex-Futures,
37
Vgl. Abschn. 3.6 .
38
Vgl. Abschn. 4.4.2 .
39
Die gewünschte Marktwertveränderung – also SZiel D “Ziel S %M – beinhaltet den Wert
des Aktienindex-Futures nicht, weil der Wert des Futures aufgrund des täglichen Gewinn-Verlust-
Ausgleichs am Ende jedes Handelstages null ist.
26 13 ForwardsundFutures

“F D Beta des Aktienindex-Futures,


F D Preis des Aktienindex-Futures,
q D Kontraktwert pro Indexpunkt eines Aktienindex-Futures (z. B. EUR 25 für einen
DAX-Future).

Wird die Gleichung nach der Anzahl der Aktienindex-Futures-Kontrakte NF aufgelöst,


gelangt man zu folgender Formel:
  
“Ziel  “S S
NF D : (13.36)
“F Fq

Um Verluste des Aktienportfolios bei einem erwarteten Rückgang der Aktienmärkte zu


verringern, ist die Exposition des Portfolios zum Marktrisiko zu reduzieren. Der Portfo-
liomanager kann das Risiko verringern, indem er ein Zielbeta definiert, das das Portfolio- beta
unterschreitet(
Ziel < “S ).AusderobenstehendenFormelresultierteinenegative•
Anzahl Futures-Kontrakte bzw. eine Short-Future-Position. Prognostiziert ein Manager
hingegen steigende Aktienmärkte, kann er die Sensitivität des Portfolios gegenüber dem
AktienmarkterhöhenundsomiteinZielbetafestlegen,dasdasPortfoliobetaüberschreitet(
“Ziel > “S ). Die sich daraus ergebende positive Anzahl an Futures-Kontrakten entspricht
einer Long-Future-Position. Besteht die Ziel setzung darin, das Aktienmarktpreisände-
rungsrisiko vollständig zu eliminieren, ist das Zielbeta auf null zu setzen (“Ziel D 0), was
zu folgender Gleichung für die erforderliche Anzahl an Aktienindex-Futures-Kontrakten
führt:   
“S S
NF D  : (13.37)
“F Fq
Um das Aktienmarktpreisänderungsrisiko des Long-Aktienportfolios vollständig zu be-
seitigen, sind somit Short-Aktienindex-Futures-Kontrakte notwendig.
DasBetavonAktienindex-Futures-Kontraktenlässtsichdurcheineeinfachelineare
RegressionsanalysezwischendenRenditendesFuturesunddenMarktrenditenermit-teln.
NimmtmanbeispielsweisedenDAX-FutureundführteineRegressionzwischenden
Futures-RenditenunddenDAX-Renditendurch,ergibtsicheinBeta,dasnahebei1liegt(z.B.
0,96).AusPraktikabilitätsgründenwirdvielfachangenommen,dassdasBetades
Aktienindex-Futures1ist,obwohleineSensitivitätsgrößevon1nichtmitdemausderRegression
ermitteltenWertdesFuture-Betasübereinstimmt.

MitAktienindex-FutureslässtsichlediglichdieVerlustgefahrzwischendemAktien-
portfoliounddemdemFuture-KontraktzugrundeliegendenAktienindexsteuern.Bestehtzum
BeispieldasPortfolioausdeutschenAktienmitmittlererMarktkapitalisierungundwerdenzur
RisikosteuerungDAX-Futureseingesetzt,sowirdnurdasRisikoeinerge-meinsamen
PreisbewegungzwischenAktienmittlererundgroßerMarktkapitalisierungerfasst.Liegt
keinepositiveBeziehungzwischendenbeidenSektorenvor,sodassdiePrei-sevonAktienmit
großerMarktkapitalisierungsteigen(fallen)unddieKursevonAktienmitkleiner
Marktkapitalisierungfallen(steigen),erhältmanmitderAbsicherungsstrategie
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 27

nicht den gewünschten Effekt. Daher ist es wichtig, dass ein Aktienindex-Future-Kontrakt
ausgewählt wird, der die systematische Risikoexposition des Portfolios am bestenabbil- det. So
etwa sind bei einem Portfolio bestehend aus deutschen Aktien mit einer mittleren
MarktkapitalisierungnichtDAX-Futures,sondernMDAX-FuturesfürdieRisikosteue-rungzu
verwenden.

Beispiel
Risikosteuerung eines Aktienportfolios mit Aktienindex-Futures
EineVermögensverwaltungsgesellschaftbesitzteingutdiversifiziertesPortfoliobe-stehend
aus deutschen Aktien mit einer großen Marktkapitalisierung (Blue Chips des deutschen
Aktienmarktes). Der Marktwert des Aktienportfolios beträgt EUR 100 Mio. Das Beta des
PortfoliosgemessenamDAXliegtbei1,2.DerDAX-FuturemiteinerLaufzeitvon6Monaten
wird zu einem Preis von 11.000 Punkten gehandelt und weist ein Beta von 0,98 auf. Der
KontraktwertdesDAX-FuturesbestehtausEUR25proIndexpunkt.DerDAXliegtbei10.940
Punkten.

1. DerPortfoliomanagererwartet,dassderDAXindennächsten6Monatenfällt,undmöchte
daher das Beta des Aktienportfolio s von 1,2 auf 0,3 reduzieren. Wie viele DAX-Futures
sindfürdieseAbsicherungsstrategienotwendig?
2. Bei Fälligkeit der DAX-Futures in 6 Monaten ist der DAX um 4 % gefallen und der
DAX-Future wird zu einem Preis von 10.570 Punkten gehandelt. Wie hoch sind der Wert
derGesamtpositionunddastatsächlicherzielteBetaausderAbsicherungsstra-tegie?

Lösungzu1
Um das Beta des Aktienportfolios von 1,2 auf 0,3 zu senken, sind insgesamt 334 Short-
DAX-Futures-Kontrakteerforderlich:
   
0;3  1;2 EUR 100:000:000
NF D  D 333;95:
0;98 11:000  EUR 25

Lösungzu2
Der Marktwert der Gesamtposition in 6 Monaten lässt sich wie folgt berechnen:

Marktwert des Aktienportfolios in 6 Monaten EUR 95:200:000


[EUR 100:000:000  .1  0;04  1;2/]
Gewinn der Short-DAX-Future-Position C EUR 3:590:500
[334  .10:570  11:000/  EUR 25]
Marktwert der Gesamtposition D EUR 98:790:500

Die negative Rendite der Gesamtposition von 1,21 % lässt sich folgendermaßen er-
mitteln:
EUR 98:790:500
Rendite D  1 D 0;0121:
EUR 100:000:000
2 13 ForwardsundFutures

Das Beta ist eine Sensitivitätsgröße und misst die Veränderung der Aktienportfolio- rendite
bei einer Bewegung der Marktrendite. Nach 6 Monaten hat das Aktienportfo- lio
einschließlichShort-DAX-Future-Position um1,21% abgenommen, währendder DAX um
4%gefallenist.DemnachliegtdastatsächlicherzielteBetabeirund0,3:

0;0121
“S D D 0;3:
0;04

Die Absicherungsstrategie im vorliegenden Beispiel ist sehr effektiv, da das tatsächlich


erzielteundangestrebteBeta0,3beträgt.

DieReduktiondesBetasvon1,2auf0,3verringertdassystematischeRisikodesAkti-
enportfolios.SteigtjedochderAktienmarkt,sonimmtderMarktwertdesAktienportfolios
aufgrundderVerlusteausderShort-DAX-Future-Positionwenigerstarkzu.Gehtmanbei-
spielsweisedavonaus,dassderDAXnach6Monatenum4%gestiegenistunddassder
DAX-FuturezueinemPreisvon11.430Punktengehandeltwird,ergibtsichfolgender
MarktwertderGesamtpositionin6Monaten:

Marktwert des Aktienportfolios in 6 Monaten EUR 104:800:000


[EUR 100:000:000  .1 C 0;04  1;2/]
Verlust der Short-DAX-Future-Position  EUR 3:590:500
[334  .11:430  11:000/  EUR 25]
Marktwert der Gesamtposition D EUR 101:209:500

Die Rendite der Gesamtposition von 1,21 % lässt sich folgendermaßen bestimmen:

EUR 101:209:500
Rendite D  1 D 0;0121:
EUR 100:000:000
Das tatsächlich erzielte Beta beläuft sich wiederum auf 0,3, sodass die Absicherungsstra-
tegie sehr effektiv ist:
0;0121
“S D D 0;3:
0;04
Die Rendite der Gesamtposition ist 1,21 % und liegt unterhalb der Rendite des Aktien-
portfolios von 4,8 % (D 1;2  4 %).DieReduktiondesBetasvon1,2auf0,3kostetderD
Vermögensverwaltungsgesellschaft einen Renditeverzicht von 3,59 % ( 4;8 % 1;21 %).
Treffen die Erwartungen des Portfoliomanagers von einem fallenden Aktienmarkt zu,
lohntsichdieReduktiondesAktienmarktpreisänderungsrisikos,daderVerlustlediglich1,21%
und nicht 4,8 % beträgt. Bei einem Anstieg der Aktienmärkte hingegen resultiert lediglich ein
Gewinn von 1,21 % und nicht von 4,8 %. Daher ist die Prognosegenauigkeit bei einer
Absicherungsstrategiewichtig.LiegtderPortfoliomanagermitseinerPrognoseeinesfallenden
Aktienmarktes richtig, kann der Verlust mit einer Absicherungsstrategie begrenzt werden.
TreffendienegativenMarkterwartungenhingegennichtein,fälltderGewinnniedrigeraus.
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 29

13.6.3 ManagementvonWährungsrisiken

Viele Unternehmen sind der Verlustgefahr von schwankenden Wechselkursen ausgesetzt.


GrundsätzlichwerdendiefolgendendreiArtenvonWährungsrisikenunterschieden: 40

1. Transaktionsrisiko,
2. Translationsrisiko und
3. ökonomisches Risiko.

1. Grenzüberschreitende Unternehmensaktivitäten sind dem Währungsrisiko ausgesetzt,


wiebeispielsweiseEinnahmenausExportenundAusgabenfürImporte.WerdenetwaGüter
ineinerFremdwährungverkauft,bestehteinWährungsrisiko,wennderVer-kaufszeitpunkt
und der Zeitpunkt der Geldüberwei sung auseinanderliegen. Verliert die Fremdwährung
gegenüber der Inlandswährung an Wert, resultiert aus diesem Verkauf ein
Währungsverlust. Demgegenüber entsteht ein Währungsgewinn aus dem Export- verkauf,
wenn der Wert der Fremdwährung gegenüber der Heimatwährung zunimmt. Dieses
WährungsrisikonenntmanTransaktionsrisiko.

2. Werden die Jahresabschlüsse von ausländischen Tochtergesellschaften, die auf Fremd-


währungenlauten,mitdemJahresabschlussderMuttergesellschaftvollkonsolidiert,resultiert
darauseinWährungsgewinn/-verlust.DiesesRisikowirdalsTranslationsri-sikobezeichnet,das
auch bei Portfoliopositionen in einer Fremdwährung vorkommt, die für die Berechnung der
PortfoliorenditeamEndederAnlageperiodeindieHei-matwährungdesInvestorsumgerechnet
werden.

3. Schließlich gibt es das ökonomische Risiko, das sich auf den Einfluss von Wech-
selkursveränderungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen bezieht. Zum
BeispielbesitzteindeutschesUnternehmeneineAktienbeteiligunganeinerHotelketteinder
Schweiz. Aufgrund der Abwertung des Euro gegenüber dem Schweizer Franken besuchen
weniger Touristen aus dem Euroraum dieSchweiz, was für die Hotelkettezueinem Umsatz-
und Gewinnrückgang führt. Als Folge dieser Wechselkursänderung und des damit
zusammenhängendenVerlustsanWettbewerbsfähigkeitverliertdieAk-tienbeteiligungan
der Hotelkette für das deutsche Unternehmen an Wert. Dieses Risiko eines Wertverlusts des
AktienpaketsaufgrundvonWechselkursänderungennenntmanökonomischesRisiko.

Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen lie gt bei der Absicherung des Translations-
risikos von Portfoliopositionen wie etwa Ak tien und Anleihen mit Währungs-Forwards. Ein
wichtiger Aspekt bei der Zusammenstellung eines internationalen Portfolios ist dessen
Diversifikation mit globalen Wertpapieren und somit die Erweiterung des Anlageuni- versums
aufgrenzüberschreitendeAnlagen.DiezunehmendeGlobalisierungderletzten30Jahrehatdie
AkzeptanzderInvestorenfürausländischeWertpapiereerhöht.Beieinem

40
Vgl. Chance 2003 : Analysis of Derivatives for the CFA ® Program, S. 379.
30 13 ForwardsundFutures

Portfolio bestehend aus globalen Aktien und Anleihen sind Überlegungen zum Fremd-
währungsrisiko wichtig, da Währungsgewinne und -verluste einen wesentlichen Bestand- teil
der Portfoliorendite au smachen. Steigt (fällt) der Wert der Fremdwährung gegenüber der
Heimatwährung des Investors, resultiert daraus ein Währungsgewinn (-verlust), der die
Portfoliorenditepositiv(negativ)beeinflusst.

Bei Portfolioinvestitionen in ausländische Wertpapiere besteht ein Trade-off zwi-


schen dem Risikoreduktionspotential durch Diversifikation und der Verlustgefahr aus
Wechselkursänderungen. Sichert der Portfoliomanager das Währungsrisiko mit Forwards-
Kontrakten ab, kann er das Diversifikationspotential mithilfe ausländischer Wertpapiere voll
ausschöpfen. Allerdings ist zum Absicherungszeitpunkt nicht klar, wie viele Einhei- ten der
Fremdwährung gegen die Heimatwährung über ein Termingeschäft zu verkaufen sind, da der
MarktwertderFremdwährungspositionlediglichamEndederAnlageperiodebekanntist.Einige
PortfoliomanagerlösendiesesProblem,indemsiedenMarktwertderFremdwährungspositionam
EndederAnlageperiodeschätzenundsodasWährungsri-sikodurcheinTermingeschäfteliminieren.
DabeiwerdenetwaigeWertabweichungenoberhalbdesgeschätztenMarktwertsnichtabgesichert.
Grundsätzlich bestehen für den Umgang mit Fremdwährungspositionen in ein em Portfoliodie
folgendenMöglichkei-ten:

41

 Weder das Preisänderungsrisiko der Risik oposition (z. B. das Aktienmarktpreisände-


rungsrisiko von ausländischen Aktien und das Zinsänderungsrisiko von ausländischen
festverzinslichenAnleihen)nochdasFremdwährungsrisikowerdenmitDerivateneli-miniert.

 Das Preisänderungsrisiko der Risikoposition wird mit Forwards/Futures abgesichert,


während das Fremdwährungsrisiko bestehen bleibt. Die Portfoliorendite setzt sich aus dem
risikolosen Zinssatz in der Fremdwährung und der Rendite der Wechselkursände- rung
zusammen.

 Das Preisänderungsrisiko der Risikoposition wird mit Forwards/Futures abgesichert. Da


mit dieser Strategie ungefähr der risikolose Zinssatz in der Fremdwährung erzielt wird, lässt
sich der Endbetrag schätzen, der durch ein Forward gegen die Heimatwäh- rung verkauft
wird. Die Rendite dieser Absicherungsstrategie entspricht dem risikolo- sen Zinssatz in der
Heimatwährung.

Beispiel
Risikosteuerung eines Portfolios bestehend aus Risikopositionen in einer Fremd-
währung
Die deutsche Investmentges ellschaft AlphaRock AG verwaltet Geld von vermögen- den
Privatpersonen. AlphaRock ist spezialisiert auf europäische Aktien und verfolgt eine
wertorientierte Anlagestrategie. Wegen der gestiegenen Kundennachfrage nach
US-amerikanischenAktienhatdieGesellschaftentschieden,ihreProduktliniezudiver-

41
Vgl. Chance 2003 : Analysis of Derivatives for the CFA ® Program, S. 382 ff.
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 31

sifizieren und in US-amerikanische Aktien mit einer Wertorientierung zu investieren. Für


Kunden, die sich mit dieser Erweiterungsstrategie einverstanden erklären, werden 20 %
ihres Portfolios in S&P-500-Aktien umgeschichtet. Aufgrund einer eingehenden Analyse
wirdeinPortfoliomit100S&P-500-Aktienausgewählt,daseinBetavon1,2aufweist.

EsisteineersteTranchevonEUR60Mio.fürdieUS-Aktienvorgesehen.Alpha-Rock
erwägtdiefolgendendreiStrategien,umdasAktienmarktpreisänderungsrisikoderAktien
unddasWährungsrisikoindenersten6Monatenzusteuern:

 WederdasAktienmarktpreisänderungsrisikonochdasWährungsrisiko(US-Dollar/Euro)
werdeneliminiert.
 Es wird lediglich das Aktienmarktpreisänderungsrisiko abgesichert. Hierzu werden
S&P-500-Futures-Kontrakteeingesetzt.DasWährungsrisikobleibtbestehen.
 Sowohl das Aktienmarktpreisänderungsrisiko als auch das Währungsrisiko werden mit
Termingeschäften neutralisiert. Das Aktienmarktpreisänderungsrisiko wird mit
S&P-500-Futures-KontraktenunddasWährungsrisikomitdemVerkaufvonUS-Dollar
gegenEuroüberForwardsgesteuert.

Der S&P-500-Future-Kontrakt wird zu einem Preis von 2080 Punkten gehandelt. Der
Kontraktwert pro Indexpunkt beläuft sich auf USD 250. Das Beta des S&P 500 Futures liegt
bei0,99.DeraktuelleWechselkurs(Preisnotierung)beträgtEUR/USD0,9022,währendder
6-monatige Forward-Kontrakt einen Preis von EUR/USD 0,9004 auf- weist. Der risikolose
ZinssatzfürdenEuroist0,8%,währendderrisikoloseZinssatzfürdieUSAbei1,2%liegt.

Nach6MonatenhatderWertdesUS-amerikanischenAktienportfoliosum4%zu-
genommen,währendderS&P500FuturezueinemPreisvon2138Punktengehandeltwird.
DeraktuelleWechselkursliegtbeiEUR/USD0,9011.EssinddiefolgendenFra-genzu
beantworten:

1. Wiehochistdie6-monatigeRenditeinderInlandswährung(alsoinEuro)fürAlpha-Rock,
wennwederdasAktienmarktpreisänderungsrisikonochdasWährungsrisikoabgesichert
werden?
2. Wiehochistdie6-monatigeRenditeinderInlandswährung(alsoinEuro),wennlediglichdas
Aktienmarktpreisänderungsrisikoeliminiertwird?
3. Wie hoch ist die 6-monatige Rendite in der Inlandswährung (also in Euro), wenn beide
Risiken–AktienmarktpreisänderungsrisikoundWährungsrisiko–neutrali-siertwerden?

Lösungzu1
Zuerst sind die EUR 60 Mio. der ersten Tranche für den Kauf der US-Aktien in USD
66.504.101( D EUR 60:000:000= EUR=USD 0;9022) zu wechseln. Die 6-monatige
32 13 ForwardsundFutures

Rendite der gekauften US-Aktien liegt bei 4 %, was folgenden Marktwert der Akti-
enpositionergibt:

Marktwert US-Aktien in USD D USD 66:504:101  1;04


D USD 69:164:265:

Der Marktwert des Aktienportfolios ist am Ende der Anlageperiode in Euro umzurech- nen:

Marktwert US-Aktien in EUR D USD 69:164:265  EUR / USD 0;9011


D EUR 62:323:919:

Die 6-monatige Anlagerendite in der Inlandswährung beläuft sich auf 3,873 %:


EUR 62:323:919
Rendite D  1 D 0;03873:
EUR 60:000:000
Diese Rendite in der Inlandswährung .RIW / lässt sich auch mit folgender Formel be-
rechnen:
RIW D .1 C RRP / .1 C RFW /  1; (13.38)
wobei:

RRP D Rendite der Risikoposition (z. B. Aktien oder Anleihen) in der Fremdwährung,
RFW D Rendite aus der Wechselkursänderung.

Dabei ist zunächst die Wechselkursrendite für die 6-monatige Anlageperiode auszu-
rechnen:
EUR= USD 0;9011
RFW D  1 D 0;001219:
EUR= USD 0;9022
Da der US-Dollar gegenüber dem Euro an Wert verloren hat, 42 istdieWechselkursren-
ditenegativ.DemnachlässtsichdieRenditeinderInlandswährungvon3,873%wiefolgt
ermitteln:

RIW D .1 C 0;04/  .1  0;001219/  1 D 0;03873:

Lösungzu2
Um das Aktienmarktpreisänderungsrisiko der US-Aktienposition zu eliminieren, sind 155
ShortS&P500Futureserforderlich:
   
0  1;2 USD 66:504:101
NF D  D 155;02:
0;99 2080  USD 250

42
AmEndederAnlageperiodesindwenigerEuro(EUR0,9011anstattEUR0,9022)notwendig,umeinen
US-Dollarzukaufen.DamithatderEurogegenüberdemUS-DollaranWertzugenommen
bzw. der US-Dollar gegenüber dem Euro an Wert verloren.
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 33

Der Wert der Gesamtposition (Long-Aktienpor tfolio und Short S&P 500 Futures) lässt sich
amEndeder6-monatigenAnlageperiodefolgendermaßenfestlegen:

Marktwert des Aktienportfolios in 6 Monaten USD 69.164.265


(USD 66:504:101  1;04)
Verlust der Short-S&P-500-Future-Position  USD 2.247.500
[155  .2138  2080/  USD 250]
Marktwert der Gesamtposition D USD 66.916.765

Die Rendite der Gesamtposition von 0,62 % lässt sich wie folgt bestimmen:

USD 66:916:765
Rendite Gesamtposition D  1 D 0;0062:
USD 66:504:101

Die Rendite des abgesicherten Aktienportfolios entspricht ungefähr dem 6-monatigen


risikolosenZinssatzfürdenUS-Dollarvon0,6%( D 1;2 %=2).
Der Marktwert der Gesamtposition von USD 66.916.765 kann am Ende der 6-mona-
tigen Anlageperiode in EUR 60:298:697 (D USD 66:916:765  EUR = USD 0;9011)
gewechselt werden. Somit beträgt die 6-monatige Rendite in der Inlandswährung 0,5 %:

EUR 60:298:697
Rendite D  1 D 0;005:
EUR 60:000:000

Die Rendite in der Inlandswährung von 0,5 % lässt sich auch mit der Rendite der abgesi-
cherten Aktienpositionvon0,62 % und der negativenWechselkursrendite von0,1219% wie
folgtberechnen:

RIW D .1 C 0;0062/  .1  0;001219/  1 D 0;005:

Lösungzu3
Damit das Währungsrisiko mit Forwards-K ontrakten beseitigt werden kann, ist zu- nächst
derabgesicherteWertdesUS-Aktienportfoliosin6Monatenzuschätzen,dessen
Anfangswert mit dem risikolosen Zinssatz für den US-Dollar von 0,6 %
(D 1;2 %=2) zunimmt:

Geschätzter Wert des abgesicherten


D USD 66:504:101  1;006
US-Aktienportfolios in 6 Monaten
D USD 66:903:126:

Somit können durch den Währungs-Forward in 6 Monaten USD 66.903.126 gegen EUR
60:239:575 (D USD 66:903:126  EUR = USD 0;9004) verkauft werden. Der
34 13 ForwardsundFutures

WechselkursbeträgtamEndeder6-monatigenAnlageperiodeEUR/USD0,9011(zumaktuellen
WechselkurserhältmanimVergleichzumTerminwechselkursmehrEuro,nämlich
EUR 60:286:407), was zu einem Verlust beim Währungs-Forward von
EUR 46:832 führt:

Verlust Währungs-Forward D  .EUR / USD 0;9011  EUR / USD 0;9004/


 USD 66:903:126 D EUR 46:832:

Die 6-monatige Rendite aus der Absicherung des Aktienmarktpreisänderungsrisikos und


desWährungsrisikosvon0,42%lässtsichwiefolgtermitteln:

EUR 60:298:697  EUR 46:832


Rendite D  1 D 0;0042:
EUR 60:000:000

Die 6-monatige Rendite in der Inlandswä hrung von 0,42 % entspricht ungefähr dem
risikolosenZinssatzfürdenEurovon0,4%( D %=2).DieseRenditelässtsichauch
0;8 von 0,62 % und der Rendite des
mit der Rendite des abgesicherten Aktienportfolios
Währungs-Forwards von 0;2 % [D .EUR = USD 0;9004/=. EUR = USD 0;9022/1]
berechnen:
RIW D .1 C 0;0062/  .1  0;002/  1 D 0;0042:

WirdbeieinerLong-AktienpositiondasAktienmarktpreisänderungsrisikomitAktien-
index-Futuresneutralisiert,erzieltmandenrisikolosenZinssatzinderWährungderAkti-
enposition.WerdensowohldasAktienmarktpreisänderungsrisikoalsauchdasWährungs-risiko
eliminiert,ergibtsichderrisikoloseZinssatzinderInlandswährung.ImRahmeneinertemporären
(taktischen)StrategiekannesSinnmachen,eineoderbeideRisikenab-zusichern.Langfristigist
dieseStrategienichterstrebenswert,dalediglichderrisikoloseZinssatzinderInlandswährung
erwirtschaftetwird.IsteinesolcheRenditegewünscht,kannmangleichdasGeldinrisikolose
Papiereinvestieren.

13.6.4 GegenüberstellungvonForwardsundFutures

Die Absicherung von Risikopositionen kann mit Futures oder Forwards erfolgen. Erste- re
verfügen über standardisierte Vertragsmer kmale, kein Kreditrisiko und einen täglichen
Gewinn-Verlust-Ausgleich. Darüber hinaus findet der Handel an einer öffentlichen Ter-
minbörse statt und ist somit reguliert. Demgegenüber werden die Vertragsmerkmale von
Forwards individuell ausgehandelt. Der Handel wird hauptsächlich über elektronische
Handelsplattformen geführt. Aufgrund der Co llateral-Pflicht kann das Kreditrisiko ver-
nachlässigt werden. Obwohl eine tägliche Positionsführung für die Anpassung des Col- laterals
vorgeschrieben ist, wird im Gegensatz zu den Futures der Gewinn/Verlust nicht täglich
realisiert.
13.6 AbsicherungsstrategienmitForwardsundFutures 35

Forwardswerdenüblicherweiseeingesetzt,ummöglicheVerlusteanbestimmtenDa-tenin
derZukunftabzuwenden.SowerdenForwardRateAgreementszurAbsicherungdes
ZinsänderungsrisikosbeibevorstehendenZinsfestlegungstermineneinesvariabelver-
zinslichenKreditsverwendet.Futures-Kontraktesinddafürwenigergeeignet,weilderen
vordefinierteLaufzeitenseltenmitdenkünftigenZinsfestlegungsterminenübereinstim-men.
ObwohldiesmitraffiniertenModellenundSoftwareprogrammengelöstwerdenkann,benutzen
MarktteilnehmerwieetwaIndustrieunternehmenaufgrunddesfehlendenKnow-howsvielfach
Zinstermingeschäfte(alsoFRAs).DierelativhoheLiquiditätvonGeldmarkt-Futureswieetwa
3-Monats-EURIBOR-FuturesanderEurexlässtsichdamiterklären,dassHändlerihreoffenen
EURIBOR-RisikopositioneninFRAs,OptionenundSwapsmitFutures-Kontraktenabsichern.
FürHändleristesschwierig,soforteineGe-genparteifüroffeneOTC-Zinsderivatezufinden,die
genauentgegengesetzteBedürfnissezurgleichenZeithat.Dahersichernsiediese
RisikoexpositionmitGeldmarkt-FuturesaufdenEURIBORoderLIBORab.Dabeisetzensie
hochkomplexeAnalysemodelleundSoftwareprogrammeein,umbeispielsweisedas
BasisrisikoausetwaigenUnstimmigkei-tenzwischendemstandardisiertenFälligkeitstermin
vonFuturesundderLaufzeitvonFRAszulösen.

DasZinsänderungsrisikovonAnleiheportfolioswirdinderRegelmitFixedIncomeFutures
abgesichert.VerlustgefahrenimZusammenhangmitZinsfestlegungsterminenspielenkeine
Rolle.VielmehrwirdeinEndwertdesPortfoliosaneinemzukünftigenZeit-punktangestrebt.In
Kaufgenommenwird,dassderEndwertnichtgenauerreichtwird,dabeispielsweisedas
PortfolioausUnternehmensanleihenbesteht,währendsichdieFixedIncomeFuturesauf
Staatsanleihenbeziehen.ZusätzlichzurCross-Hedge-ProblematikmussdieAnzahlder
Futures-Kontraktegerundetwerden.EbensowirddasAktienmarkt-preisänderungsrisikovon
AktienportfoliosmitAktienindex-Futuresgesteuert.Auchhierwiederumfunktioniertder
Hedgenichtperfekt,wasvondenmeistenMarktakteurenak-zeptiertwird,weildieprimäre
Zielsetzung–alsoderSchutzgegenfallendeMärkte–mitFutures-Kontraktenerreichtwird.
TrotzdemsetzenineinigenFällenAnleihe-undAktienportfoliomanagerForwardszur
Risikosteuerungein.ImVergleichzuFuturesisteineStrategiemitForwardsteurer,aberder
Hedgefunktioniertbesser.DahermussderPortfoliomanagerabwägen,obfürdasangestrebte
RisikopotentialFuturesoderForwardszubenutzensind.DabeifälltdieWahlinderRegelauf
Futures-Kontrakte,dasiegünstigersind,obwohlderHedgemitForwardseffektiverist.

BeiderSteuerungdesWährungsrisikoswerdentypischerweiseForwards-Kontrakte
eingesetzt,weilsieübereinegenügendhoheLiquiditätverfügenundlängereLaufzeitenals
Währungs-Futuresbesitzen.DieMehrheitderWährungsabsicherungenmitForwardswird
vonUnternehmendurchgeführt,diesichbeispielsweisegegendasTransaktionsrisikoausdem
ImportkaufundExportverkaufvonGüternschützen.DabeiwirdvondenUnter-nehmen
geschätzt,dassdienichtstandardisiertenForwardsdasWährungsrisikopräzisereliminieren.
36 13 ForwardsundFutures

Tab.13.3 Gegenüberstellung von Forwards und Futures


Aspekte Forwards Futures
Kontrakte Vertragsmerkmale werden privat Vertragsmerkmale sind standar-
ausgehandelt. Die Derivate disiert und die Derivate werden
werden außerbörslich gehandelt. an der Terminbörse gehandelt. Es
Aufgrund der Collateral-Pflicht besteht kein bzw. ein sehr geringes
besteht kein bzw. lediglich ein Kreditrisiko, da als Gegenpartei
geringes Kre- ditrisiko. Bei die Terminbörse auftritt
Clearing-fähigen Forwards ist die
Gegenpartei die Clearing-Stelle

Margin-Erfordernisse Es finden Sicherheitsleistungen in Es sind Sicherheitsleistungen in


einem Initial-Margin-Konto statt. einem Initial-Margin-Konto
Danach wird das Collateral ange- vorge- sehen. Der anschließende
passt, wobei die tägliche Gewinn/Verlust wird realisiert
Gewinne/Verluste nicht realisiert werden

Transaktionsdaten OTC-Derivate müssen einem Börsengehandelte Derivate


Transaktionsregister gemeldet müs- sen einem
werden Transaktionsregister gemeldet werden
Bevorzugtes Derivat FRAs für das Zinsänderungsrisi- Fixed Income Futures für das
für die Risikosteuerung ko bei Zinsfestlegungsterminen Management des Zinsänderungs-
von variabel verzinslichen risikos von Anleiheportfolios.
Kredi- ten. Währungs-Forwards Aktienindex-Futures für das
für die Steuerung des Währungsrisikos
Management des Aktienmarkt-
preisänderungsrisikos von
Aktienportfolios. Händler setzen
Futures ein, um ihre offenen Posi-
tionen z. B. in OTC-Zinsderivaten
abzusichern

Futures-Kontrakte erfordern von den Marktteilnehmern die Zahlung von Sicherheits-


leistungen und die tägliche Abrechnung von Gewinnen und Verlusten.43 DieserProzess
führtzueinemadministrativenAufwand,daGeldineinemMargin-Kontohinterlegtund
Cashflowstäglichgesteuertwerdenmüssen.BeieinemHedgebestehendauseinerzu
sicherndenRisikopositionundFutures-KontraktensinddieGewinne/VerlustederRisiko-
positionnichtgeldwirksam,währenddieGewinne/VerlustebeimDerivatrealisiertwerdenund
somitzueinemGeldzugangoder-abgangführen.WirddieAbsicherunghingegenmitForwards
durchgeführt,sindzwarSicherheiten(Collateral)fürdieMinderungdesKredit-risikos
erforderlich,aberimGegensatzzuFutureswerdendieGewinne/Verlustenichttäglich
realisiert.Tab.13.3zeigtdiewichtigstenUnterschiedezwischenForwardsundFutures.

43
Vgl. Abschn. 12.6.5 .
13.7 Zusammenfassung 37

13.7 Zusammenfassung

 Für die Preisbestimmung von Forwards und Futures können das Cost-of-Carry-Modell
und das Erwartungsmodell eingesetzt werden. Mithilfe dieser Modelle lässt sich in einem
vollkommenen Markt der Nicht-Arbitragepreis festlegen. In unvollkommenen Märkten
hingegenliegtderTerminpreisinnerhalbeinerNicht-Arbitragepreisspanne.
 Beim Cost-of-Carry-Modell wird der Terminpreis anhand der Kosten des Kassage- schäfts
eruiert, die sich aus dem Kassapreis des Basiswerts, den Finanzierungskosten, den
Haltungskosten (Lager-, Versicherungs- und Transportkosten) und abzüglich et- waiger
Einnahmen aus dem Basiswert zus ammensetzen. Ist der Referenzwert ein Rohstoff, kann
eine Verfügbarkeitsprämie (Convenience Yield) anfallen, welche die Kosten des
Kassageschäfts und somit den Terminpreis verringern . Das Cost-of-Carry- Modell beruht
auf dem Arbitrageprinzip. Weichen die Kosten des Kassageschäfts vom gehandelten
Terminpreis ab, korrigieren die Marktteilnehmer die bestehende Fehlbe- wertung. Liegt der
Modellpreis unter dem Marktpreis des Termingeschäfts, verkaufen die Marktteilnehmer
denüberbewerteten Terminkontrakt und kaufendenBasiswert,deram Endeder Laufzeitdes
Derivats gegen die Auszahlung des Terminpreises gelie- fert wird. Die
Short-Terminkontraktpositi onen der Cash-and-Carry-Arbitragestrategie führen dazu,
dass der Marktpreis gegen den Modellpreis konvergiert. Überschreitet hingegen der
Terminpreis gemäß dem Cost-of-Carry-Modell den Marktpreis,wer- den die Marktakteure
dasunterbewerteteTermingeschäftkaufenunddenBasiswertleer

verkaufen (Reverse-Cash-and-Carry -Arbitrage). Am Fälligkeitstag des Long-


Termingeschäfts wird der Basiswert gekauft. Der erworbene Basiswert wird der
Gegenpartei der Short-Basiswertposition geliefert und so die Position geschlossen.
Mit der Cash-and-Carry-Strategie (überbewerteter Forward/Future) und der Reverse-
Cash-and-Carry-Strategie (unterbewerteter Forward/Future) lässt sich ein risikoloser
ArbitragegewinnzumFälligkeitszeitpunktdesTermingeschäftserzielen,derdieDiffe-renz
zwischendemModellpreisunddemgehandeltenPreiswiderspiegelt.

 UnvollkommeneMärktesinddurchTransaktionskosten,RestriktionenbeiLeerver-käufen,
unterschiedlicheZinssätzefürdieGeldausleiheund-aufnahmesowiedurchSchwierigkeiten
bei der Lagerung des Basiswerts geprägt. Diese Faktoren führen dazu, dass der Terminpreis
innerhalbeinerNicht-Arbitragepreisspannezuliegenkommt.Be-findetsichderTerminpreis
innerhalbdieserPreisspanne,sofindetkeinePreiskorrekturdurchdieMarktteilnehmerstatt,
weil die Kos ten den erwarteten Gewinn aus der Cash- and-Carry- und
Reverse-Cash-and-Carry-Arb itrage übersteigen. Innerhalb der Nicht-
Arbitragepreisspanne erfolgt die Preisfindung des Termingeschäfts anhand von Preis-
erwartungen.

 Beim Erwartungsmodell ergibt sich der Terminpreis durch den von den Marktteil-
nehmern erwarteten Basiswertpreis am Fä lligkeitstag des Termingeschäfts. Arbitra-
getransaktionen halten die Beziehung zwischen dem Terminpreis und dem erwarteten
Basiswertpreis zusammen. Transaktionskosten und der Risikoaversionsgrad der Markt-
akteurehabenzurFolge,dassFehlbewertungeninnerhalbeinerPreisspannenichtkor-
3 13 ForwardsundFutures

rigiert werden. Entscheiden die Marktteilnehmer, dass das Risiko einer Preiskorrektur im
Vergleich zum erwarteten Arbitragegewinn zu hoch ist, bleibt die Fehlbewertung bestehen.
DieseEntscheidunghängtvomRisikoaversionsgradderMarktakteureab.Sindsiemehroder
weniger risikoavers, we icht der Terminpreis entsprechend mehr oder weniger vom
erwarteten Basiswertpreis ab. Die Normal-Backwardation- und die Contango-Theorie von
KeynesundHickssowiedasCapitalAssetPricingModelkön-nenherangezogenwerden,um
die Beziehung zwischen dem Risikoaversionsgrad der Marktakteure und dem Terminpreis
zuerklären.

 Die Preise von Futures und Forwards können voneinander abweichen. Bei Futures-
Kontrakten wird der Gewinn/Verlust täglich am Ende des Handelstages realisiert, was zu
Zinseinnahmen und -aufwendungen führt, die einen Einfluss auf den Future-Preis haben. Ist
die Korrelation zwischen dem Terminpreis und den Zinssätzen positiv (nega- tiv),
überschreitet (unterschreitet) der Future-Preis den Forward-Preis. Sind hingegen der
Terminpreis und die Zinssätze nicht miteinander korreliert, liegt kein Preisunter- schied
zwischenFuturesundForwardsvor.

 Da bei Futures-Kontrakten der Gewinn/Verlust täglich realisiert wird, ist der Wert des
Futures am Ende des Handelstages null.Demgegenüber läuft bei einem Forward- Kontrakt
der Gewinn bzw. Verlust während der Laufzeit auf. Somit lässt sich der Wert des Forwards
berechnen, indem der aufgelau fene nicht-realisierte Gewinn bzw. Ver- lust zum
Bewertungszeitpunkt diskontiert wird. Lediglich ein positiver Wert – also ein
nicht-realisierterGewinn–istdemaktuellenKreditrisikoausgesetzt,dasallerdingsdurchdie
Collateral-Pflichtaufgefangenwird.

 Mit dem Cost-of-Carry-Modell lässt sich der Preis eines Forwards oder Futures in einem
vollkommenen Markt anhand der Kos ten des Kassageschäfts bestimmen. So be- steht der
Preis eines Aktien-Forwards/Fut ures aus dem Kassaprei s der Aktie zuzüglich der
Finanzierungskosten und abzüglich etwaiger Dividenden, die während der Laufzeit des
Termingeschäfts anfallen. Haltungskosten wie etwa Lager-, Versicherungs- und
Transportkosten spielen bei der Preisbildung von Termingeschäften auf Finanzwerte keine
Rolle, da diese sehr klein sind und somit vernachlässigt werden können. Der Preis eines
Forwards/Futures auf festverzinsliche Anleihen ergibt sich aus dem Kassapreis der Anleihe
inklusive Stückzinsen zuzüglich der Finanzierungskosten und abzüglich der bezahlten und
aufgelaufenenKupons.DerPreiseinesWährungs-Forwards/Futureshingegensetztsichaus
dem Kassapreis der Fremdwährung (Wechselkurs), den Fi- nanzierungskosten der
inländischen Währung abzüglich der Zinseinnahmen auf die gekaufte Fremdwährung
zusammen.

 Die an der Eurex gehandelten Fixed Income Futures beziehen sich auf fiktive Staats-
anleihen. Die Futures auf Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland be-
stehen aus Euro-Schatz-, Euro-Bobl-, Euro-Bund- und Euro-Buxl-Futures. Die CONF-
Futures hingegen basieren auf Schuldverschreibungen der Schweizerischen Eidgenos-
senschaft mit Restlaufzeiten von 8 bis 13 Jahren. Die Erfüllung der Fixed Income Fu- tures
erfolgt durch die physische Lieferung der zugrundeliegenden Staatsanleihen. Es wird ein
KonvertierungsfaktorfürjedelieferbareStaatsanleihezuBeginnderFuture-
13.7 Zusammenfassung 39

Laufzeit festgelegt, sodass jede Anleihe aus dem Korb der lieferbaren Schuldverschrei-
bungen nicht nur zu Beginn, sondern auch zu m Fälligkeitszeitpunkt des Futures die gleiche
Rendite aufweist.Allerdings verändern sich während der Laufzeit des Futuresdie Zinssätze,
sodassbei FälligkeitdesDerivatseine Anleiheexistiert,diederInhaberderShort-Positionzu
den niedrigsten Kosten erwerben kann. Diese Anleihe wird als
Cheapest-to-Deliver-(CTD)-Anleihe bezei chnet undfür die Preisberechnung des Fu- tures
verwendet.

 Geldmarkt-Futures sind standardisierte Termingeschäfte auf Zinssätze. An der Eurex


werden 3-Monats-EURIBOR-Futures und 1-Monats-EONIA-Futures gehandelt. Der
Basiswert bezieht sich auf einen vereinbart en Terminzinssatz (EURIBOR-Satz für 3
Monateoder EONIA-Satzfür 1 Monat).BeiFälligkeitdesFutureserfolgteinBaraus-gleich,
da es nicht möglich ist, den Basiswert physisch zu liefern. Die Futures-Preise werden auf der
Basis von 100 % minus dem vereinbarten Terminzinssatz notiert. Der Kauf eines
Geldmarkt-Futures kann als eine Geldanlage zu einem vereinbarten Termin- zinssatz
interpretiert werden, deren Laufzeit am Fälligkeitstag des Derivats beginnt. Daher führen
rückläufige (steigende) Geldmarktzinsen zu einem Gewinn (Verlust). Im Gegensatz dazu
spiegelt eine Short-Geldmarkt-Future-Position eine Kreditaufnahme zu einem
vereinbarten Terminzinssatz wide r. Somit haben steigende (fallende) Zins- sätze einen
Gewinn(Verlust)zurFolge.

 Die Marktteilnehmer können ihre Risikopositi onen mit Forwards und Futures steuern. Je
nach Absicherungssituation und in Abhängigkeit von der gängigen Marktpraxis wer- den
hierzu entweder Forwards oder Futures eingesetzt. So werden Forward Rate Agree- ments
zur Absicherung des Zinsänderungsrisikos bei variabel verzinslichen Krediten benutzt.
Geldmarkt-Futures-Kontrakte sind dafür nicht geeignet, weil deren vordefi- nierte
LaufzeitenseltenmitdenkünftigenZinsfestlegungsterminendesKreditsüber-einstimmen.
Demgegenüber wird das Zinsänderungsrisiko von Anleiheportfolios übli- cherweise mit
FixedIncomeFuturesabgesichert.EbensowirddasAktienmarktpreis-änderungsrisikovon
Aktienportfolios in der Regel mit Aktienindex-Futures gesteuert. Für die Absicherung des
Währungsrisikos hingegen verwenden die Marktakteure viel- fach Forwards. Darüber
hinaus werden Futures oftmals von Händlern eingesetzt, die ihre offenen
OTC-Derivatepositionen zum Beispiel in OTC-Zinsderivaten absichern, was den
Geldmarkt-FutureseinehoheLiquiditätandenTerminbörsenbeschert.

 Mit Forwards und Futures kann die Verlustg efahr der Risikoposition auf ein gewünsch- tes
Niveau gebracht werden. Erwartet beispi elsweise der Manager eines Anleiheport- folios
fallende (steigende) Zinsen, kann er die Duration des Portfolios mit Long Fi- xed Income
Futures erhöhen (verringern). Auf ähnliche Weise lässt sich das Aktien-
marktpreisänderungsrisiko von Aktienportfolios verändern. Prognostiziert der Mana- ger
einen steigenden (fallenden) Aktienmarkt, kann er das Beta des Aktienportfolios mit
Long-(Short)-Aktienindex-Futureserhöhen(vermindern).

 Das Währungsrisiko von Aktien und Anleihen lässt sich mit Währungs-Forwards Wird
beseitigen. zusätzlich zum Währungsrisiko auch das Aktienmarktpreisände-
rungsrisiko der Aktien und das Zinsänderungsrisiko der Anleihen abgesichert, erzielt
40 13 ForwardsundFutures

man den risikolosen Zinssatz in der Inlandswährung. Eine solche Absicherungsstra- tegie
macht nur über einen kurzen Zeitraum S inn und ist demnach taktischer Natur. Langfristig ist
diese Strategie nicht erstrebenswert, weil lediglich der risikolose Zins- satz erwirtschaftet
wird.DieseRenditelässtsichauchmitInvestitioneninrisikoloseAnlagenerzielen.

13.8 Aufgaben

Aufgabe1
Am 28. August 2015 wird die Feinunze Gold zu einem Preis von EUR 1014 gehan- delt. Der
9-monatigeEURIBOR-Satzliegtbei0,091%.DieHaltungskostenfürGoldwerdenauf0,2%
desBasiswertpreisesgeschätzt.

a) Wie hoch ist anhand des Cost-of-Carry-Modells der Preis des Gold-Future-
Kontrakts mit einer Laufzeit von 9 Monaten, wenn vollkommene Märkte unterstellt
werden?
b) Die Transaktionskosten machen 1 % des B asiswertpreises aus. Darüber hinaus betragen
derBid-EURIBOR-Satz0,088%undderAsk-EURIBOR-Satz0,094%.DerGeldanteil
ausdemLeerverkauf(Short-Gold-Position)liegtbei75%.Wieist
hoch in unvollkommenen Märkten anhand des Cost-of-Carry-Modells die
Nicht-Arbitragepreisspanne des Gold-Future-Kontrakts mit einer Laufzeit von
9 Monaten?

Aufgabe2
Ende Januar 2015 wird die Feinunze Gold zu einem Preis von EUR 1100 gehandelt. Der
9-monatige EURIBOR-Satz liegt bei 0,202 %. Die Haltungskosten für Gold wer- den auf 0,2
%desBasiswertpreisesgeschätzt.

a) Der Gold-Future-Kontrakt wird zu einem Preis von EUR 1108 gehandelt. Ist der
Gold-Future anhand des Cost-of-Carry-Modells richtig bewertet? Wenn nein, wel- che
Arbitragetransaktionen s ind erforderlich, um einen risikolosen Arbitragege- winn zu
erzielen?

b) Der gehandelte Gold-Future-Preis beläuft sich auf EUR 1101. Ist der Gold-Future
anhand des Cost-of-Carry-Modells richtig bewertet? Wenn nein, welche Arbitrage-
transaktionensindnotwendig,umeinenrisikolosenArbitragegewinnzuerzielen?

Aufgabe3
DieAktiederDaimlerAGwirdam28.August2015zueinemPreisvonEUR72,18gehandelt.
Der 9-monatige EURIBOR-Satz liegt bei 0,091 % (Day-Count-Konvention: tagesgenau /
360Tage).DieAuszahlungdererwarteten
Dividende je Aktie von
EUR 2,60 erfolgt in 255 Tagen nach der Hauptversammlung in April 2016.
13. Aufgaben 41

a) Wie hoch ist der Preis eines Forward-Kontrakts auf die Daimler-Aktie mit einer Laufzeit
von270Tagen?
b) In 150 Tagen wird die Daimler-Aktie zu einem Preis von EUR 76 gehandelt. Der
4-monatige EURIBOR-Satz beträgt 0,125 % (Day-Count-Konvention: tages- genau /
360 Tage). Wiehoch ist der Wert eines Long- und eines Short-Forward- Kontrakts auf die
Daimler-Aktie?

Aufgabe4
EinefestverzinslicheAnleihemiteinerRestlaufzeitvon12,9JahrenbesitzteinenKu-ponvon4
%, der halbjährlich entrichtet wird. Die Anleihe wird zu einem Preis von 96,454 % gehandelt.
Der letzte Kupon von 2 % wurde vor 36 Tagen bezahlt und der nächste Kupontermin ist in 146
Tagen. Die Day-Count-Konvention für die Berechnung der Stückzinsen ist tagesgenau /
tagesgenau (kein Schaltjahr). Der Forward-Kontrakt auf die festverzinsliche Anleihe weist
einenNominalwertvonEUR1Mio.auf.DieLaufzeitdesTerminkontraktsliegtbei1Jahrbzw.
365 Tage. Der Finanzierungszins- satz auf dem Geldmarkt beläuft sich auf 1 %
(Day-Count-Konvention:tagesgenau/360Tage).

a) Wie hoch ist der Terminpreis?


b) In 170 Tagen wird die Anleihe zu einem Kurs von 97,128 % gehandelt. Der letz- te
halbjährliche Kupon wurde vor 24 Tagen entrichtet. Der Finanzierungszinssatz auf dem
Geldmarktbeträgt0,9%(Day-Count-Konvention:tagesgenau/360Ta-ge).Wiehochist
der Wert eines Long- und eines Short-Forward-Kontrakts auf die festverzinsliche
Anleihe?

Aufgabe5
EinMarktteilnehmererwartetfallendeZinsenundgehtam31.August2015(Ab-schlusstag)
einen Short-6-gegen-12-FRA auf einen Nominalbetrag von EUR 5 Mio. ein. Der
EURIBOR-FRA-Geldsatz beträgt 0,275 %. Die Vorlaufzeit des FRA beginnt am 2.
September 2015. Zum Fälligkeitszeitpunkt des Short FRA in 6 Monaten – also am 2. März
2016 – beläuft sich der 6-Monats-EURIBOR-Satz auf 0,104 %, der am Fixingtag vom 29.
Februar2016festgelegtwurde.

a) Wie hoch ist der Gewinn/Verlust des Short-6-gegen-12-FRA?


b) Am 31. August 2015 liegen der 6-monatige und 12-monatige EURIBOR-Satz bei
0,04 % respektive bei 0,161 %. Wie hoch ist der 6-monatige EURIBOR-
Terminzinssatz, der in 6 Monaten beginnt?
c) In 3 Monaten – also am 2. Dezember 2015 – betragen der 3-monatige und 9- monatige
EURIBOR-Satz 0,062 % respektive 0,134 %. Wie hoch ist der Wert des
Short-6-gegen-12-FRA?
42 13 ForwardsundFutures

Aufgabe6
Der Euro-Bobl-Future mit Fälligkeit Se ptember 2015 (FGBM Sep 2015) weist einen
Abrechnungspreisvon130,20%auf.ImLieferkorbsinddiefünffolgendenbörsenno-tierten
BundeswertpapieremitRestlaufzeitenvon4,5bis5,5Jahrenenthalten:

Anleihen Kupon Fälligkeitstermin Konvertierungsfaktor Anleihekurs


1 0,00 % 17.04.2020 0,764831 99,930 %
2 3,00 % 04.07.2020 0,877565 114,365 %
3 2,25 % 04.09.2020 0,842472 111,000 %
4 0,25 % 16.10.2020 0,753648 100,870 %
5 2,50 % 04.01.2021 0,844411 112,840 %

Welche ist die Cheapest-to-Deliver-Bundesanleihe?

Aufgabe7
Die CTD-Anleihe für den Euro-Bobl-Future mit Fällig keit Dezember 2015 (FGBM Dec
2015)isteineBundesanleihemiteinemKuponsatzvon3%undeinemFälligkeits-terminam
4. Juli 2020. Die Bundesanleihe wird am 25. August 2015 zu einem Kurs von 114,365 %
gehandelt. Der Valutatag ist der 28. August 2015. Die letzte Kuponzahlung von 3 % erfolgte
am 4. Juli 2015 (Day-Count-Konvention: tagesgenau / tagesgenau ICMA). Der
Konvertierungsfaktor liegt bei 0,877565. Der EURIBOR-Satz beläuft sich auf 0,02 %
(Day-Count-Konvention: tagesgenau / 360 Tage). Wie hoch ist am 25. Au- gust 2015 der
PreisdesEuro-Bobl-FuturesmitFälligkeitam10.Dezember2015?

Aufgabe
Es liegen die folgenden Aussagen über das Management von Risikopositionen vor:

1. Das Zinsänderungsrisiko eines geplanten variabel verzinslichen Kredits mit mehre-


ren Zinszahlungsterminen lässt sich am besten mit Geldmarkt-Futures absichern.
Bei der geplanten Vergabe eines variabel verzinslichen Kredits lässt sich das
2. Risiko von fallenden Zinsen mit einem Long Forward Rate Agreement steuern.

3. Das Zinsänderungsrisiko eines Portfolios bestehend aus Long festverzinslichen An-


leihen kann mit Short Fixed Income Futures oder Short FRAs abgesichert werden.
Das Aktienmarktpreisänderungsrisiko eines Aktienportfolios lässt sich mit Short-
4. Aktienindex-Futures reduzieren.

5. Das Beta eines Aktienindex-Futures ist immer 1.


6. Bei der Steuerung des Zinsänderungsrisikos eines Anleiheportfolios mit Zinsderiva- ten
kann die Portfolioduration mit Long Fixed Income Futures erhöht und mit Short Fixed
IncomeFuturesreduziertwerden.
13. Aufgaben 43

7. Werden bei einem Aktienportfolio das Währungsrisiko mit Forwards und das Akti-
enmarktpreisänderungsrisiko mit Aktienindex-Futures abgesichert, erzielt man den
risikolosenZinssatzderInlandswährung.

Sind diese Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?

Aufgabe9
Ein Portfolio von festverzinslichen Anleihen weist einen Marktwert von EUR 50 Mio. auf.
Die Portfolioduration liegt bei 9,2. Der Portfoliomanager steuert das Zinsände- rungsrisiko
des Anleiheportfolios mit Euro-Bund-Futures. Der Euro-Bund-Future mit Fälligkeit März
2016 wird an der Eurex am 31. August 2015 zu einem Abrechnungs- preis von 154,74 %
geführt. Die implizite Duration des Futures liegt bei 8,7. Der Port- foliomanager schätzt das
YieldBetaauf1,3.

a) Wie viele Euro-Bund-Futures sind erforderlich, um das Zinsänderungsrisiko des


Anleiheportfoliosvollständigzueliminieren?
b) Der Portfolio Manager erwartet fallende Zinsen. Daher möchte er die Duration des
Anleiheportfolios von 9,2 auf 12 erhöhen. Wie viele Euro-Bund-Futures sind dafür
notwendig?
c) Die Strategie von Teilaufgabe b) dauert bis zum Fälligkeitszeitpunkt des Euro-
Bund-Futures am 10. März 2016. Zu diesem Zeitpunkt sind die Verfallrenditen des
Portfolios und der Fixed Income Future um 39 Basispunkte respektive um 30 Ba-
sispunktezurückgegangen.AußerdemistderMarktwertdesAnleiheportfoliosum3,6%
gestiegenundderEuro-Bund-Future-Preisbeläuftsichauf158,80%.Wiehochistam10.
März2016dietatsächlicherzielteDuration?

Aufgabe10
Ein gut diversifiziertes Portfolio bestehend aus SMI-Aktien (Blue Chips des schwei-
zerischenAktienmarktes)besitzteinenMarktwertvonCHF40Mio.undeinBetavon1,1.Der
SMI-Futuremit Fälligkeit März 2016 (FSMI Mar 2016) wird am 31. Au- gust 2015 zu einem
Abrechnungspreis von 8652 Punkten geführt. Der Future-Kontrakt weist ein Beta von 0,99
auf.DerKontraktwertdesSMI-FuturessetztsichausCHF10proIndexpunktzusammen.Der
SMIliegtbei8825Punkten.

a) Wie viele SMI-Futures mit Fälligkeit Mä rz 2016 sind erforderlich, um das Aktien-
marktpreisänderungsrisikodesAktienportfoliosvollständigzueliminieren?
b) Der Portfoliomanager geht in den nächsten Monaten von weltweit fallenden Ak-
tienmärkten aus und möchte daher das Beta des Aktienportfolios von 1,1 auf 0,4
reduzieren. Wie viele SMI-Futures mit F älligkeit März 2016 sind dafür notwendig? Die
StrategievonTeilaufgabeb)dauertbiszumFälligkeitszeitpunktderSMI-Futuresam18.
c) März2016.DerSMIistum10%gefallenundderSMI-Future-Preisliegtbei7795Punkten.
WiehochsindderWertderGesamtpositionam18.März2016unddastatsächlicherzielte
BetaausderAbsicherungsstrategie?
44 13 ForwardsundFutures

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Swaps
14

14.1 Einleitung

Die ersten Swapkontrakte wurden zu Beginn der 1980er-Jahre abgeschlossen. Seitdem ist der
Swapmarkt stark gewachsen und stellt heute einen wichtigen Teil des außerbörs- lichen
Derivatemarkts dar. So machen Zinssatzswaps für das Jahr 2014 rund 60 % des Gesamtmarktes
von OTC-Derivaten aus. Ebenfalls von Bedeutung sind Währungsswaps und Credit Default
Swaps(CDS)miteinemGesamtmarktanteilvon3,8%respektivevon2,6%.

1
DieseZahlenzeigen,dassSwapsweitverbreitetsind.SiewerdenvonUnterneh-men,
FinanzinstitutenundvonöffentlichenInstitutioneneingesetzt.
ImGegensatzzudenForwards/FuturesundOptionenwirdbeiSwapsdieTermino-logievon
Long-undShort-PositioneninderRegelnichtbenutzt.VielmehrsprichtmanbeieinemSwap
voneinervariablenundfestenZahlung.DievariableSeitewirdbeije-demZahlungsterminneu
festgelegt,währenddiefesteSeitezuBeginnderSwaplaufzeitdefiniertwird.Derperiodische
AustauschderCashflowskannvariabelund/oderfestaus-gestaltetsein.ZumBeispielwirdbei
einemZinssatzswapderfesteSwapsatzgegeneinenvariablenReferenzzinssatzdesGeldmar
kteswieetwaLIBOR,EURIBORoderEONIAgetauscht.

In Kap. 12 wurden bereits die Hauptcharakteristiken von Swaps beschrieben.2 Indie-


semKapitelfolgteineVertiefung,welchediePreis-undWertbestimmungsowiedieAbsi-
cherungsstrategienzumGegenstandhat.DabeiwerdennebenZinssatzswaps,Währungs-
swapsundEquitySwapsauchCreditDefaultSwapsaufgeführt,diezudenKreditderiva-ten
zählen.

1
Vgl. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 2015 : Quartalsbericht Juni 2015, S. 141.
2
Vgl. Abschn. 12.5.1.2 .

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 45


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_14
46 14 Swaps

14.2 Zinssatzswaps

DiePreisbestimmungeinesZinssatzswapsbeziehtsichaufdieBerechnungdesSwapsat-zes.Zu
Beginn der Swaplaufzeit ist der Marktwert null, sodass weder ein Gewinn noch ein Verlust
besteht.WährendderLaufzeitdesSwapsverändertsichdieSwapsatzkurve,wasdazuführt,dass
für die beiden Vertragsparteien der Swap entweder einen positiven oder einen negativen Wert
annehmenkann.WeistderSwapfüreineVertragsparteieinenpositivenMarktwertauf,bedeutet
dies, dass sie einen nicht-realisierten Gewinn bzw. eine Vermögensposition hält. Die andere
Swapseite hingegen besitzt einen negativen Swap- wert, der einen nicht-realisierten Verlust
bzw.eineSchuldpositiondarstellt.

DiefolgendenAusführungenbeginnenmitdemkomparativenVorteilvonUnterneh-men
beidervariablenundderfestverzinslichenKreditaufnahme,derdazuführt,dassZinssatzswaps
zurReduzierungvonFinanzierungskosteneingesetztwerdenkönnen.DesWeiterenwird
gezeigt,wiemandieCashflowseinesZinssatzswapsmitanderenFinanz-instrumentenwieetwa
festverzinslichenundvariabelverzinslichenAnleihensowieFRAsnachbildenkann,bevor
anhanddieserInstrumentederPreis(alsoderSwapsatz)undderMarktwertvonSwapsberechnet
wird.Danachwirdbeschrieben,wieZinssatzswapsfürdieSteuerungdesZinsänderungsrisikos
eingesetztwerdenkönnen.

14.2.1 KomparativeVorteileundBonitätsrisiken

Mithilfe von Zinssatzswaps lassen sich Finanzierungskosten senken, die im Rahmen einer
Fremdkapitalaufnahme anfallen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Bonität der beiden
Swapvertragsparteien für verschiedene Segmente des Kreditmarkts von Ratingagentu- ren
unterschiedlich hoch eingestuft wird, sodass sie zu unterschiedlichen Zinssätzen in den
jeweiligen Teilmärkten Kapital aufnehmen können. So gibt es Unternehmen, die bei der
Aufnahme einesfestverzinslichenKreditsübereinenkomparativen Vorteilverfügen,während
andere Unternehmen einen variabel verzinslichen Kredit zu relativ günstigeren Konditionen
erhalten. Daher macht es Sinn, dass Unternehmen am jeweiligen Markt einen neuen Kredit
aufnehmen, bei dem sie einen k omparativen Vorteil haben. So kann ein Un- ternehmen Geld zu
einem festen (variablen ) Zinssatz aufnehmen, obwohl der Bedarf an einer variablen (festen)
Verzinsung vorliegt . Mithilfe eines Zinssatzswaps lässt sich die gewünschte Zinsposition
erreichen und die festverzinsliche (variabel verzinsliche) in eine variabel verzinsliche
(festverzinsliche)Schuldpositionumwandeln.

ZumBeispielmöchtendieDeltaAGunddieGammaAGeinen5-jährigenKreditvonEUR50
Mio.aufdemKapitalmarktaufnehmen.DeltabesitzteinAA-Rating,währendGammaüberein
BB-Ratingverfügt.DasbessereRatingvonDeltahatniedrigereZins-

3
DasCollateral(InitialMarginundVariationMargin)derClearing-fähigenOTC-Derivateundder
bilateralgehandeltenOTC-DerivatestellteineSicherheitgegendasKreditrisikodar.Vgl.Ab-
schn. 12.2 .
4
Vgl. Kolb 2000 : Futures, Options & Swaps, S. 618 ff.
14.2 Zinssatzswaps 47

sätzeimfestverzinslichenundvariabelverzinslichenKreditmarktzurFolge.Nachstehendsind
dieZinskonditionenfürbeideUnternehmenaufgeführt.

Unternehmen Fester Zinssatz Variabler Zinssatz


Delta AG (AA-Rating) 4,0 % EURIBOR C0;1 %
Gamma AG (BB-Rating) 5,5 % EURIBOR C1;0 %

Die Zinsdifferenz beim festen Zinssatz von 1,5 % (D 5;5 %  4;0 %) ist größer als die
entsprechende Differenz beim v ariablen Zinssatz von 0,9 % [D EURIBOR C 1 % 
. EURIBOR C 0;1 %/]. Somit bezahlt die Gamma AG be i einer Geldaufnahme zum
festen Zinssatz 1,5 % mehr als die Delta AG, während die entsprechende Zinsdifferenz
beim variabel verzinslichen Kredit lediglich 0,9 % beträgt. Folglich besitzt Gamma einen
komparativen Vorteil bei der variabel verzinslichen Geldaufnahme und Delta beim festver-
zinslichen Kredit. Das heißt, dass Gamma relativ betrachtet, günstiger Geld zum variablen
Zinssatz aufnehmen kann, während Delta im Verhältnis zu Gamma bessere Zinskonditio- nen
im festverzinslichen Markt erhält. Diese anscheinende Anomalie kann von beiden
Unternehmengenutztwerden,umdieFinanzierungskostenmiteinemZinssatzswapzusenken.
SokannDeltadenKreditvonEUR50Mio.zueinemfestenZinssatzvon4%aufnehmen.Gamma
hingegenfinanziertsichaufdemKapitalmarktzueinemvariablenZinssatzvonEURIBOR

C1 %.DanachschließensieeinenZinssatzswapab,beidemDelta
dieReceiver-SeiteundGammadiePayer-Seiteeinnimmt.DerSwapsatzvon4,2%
wird gegen den EURIBOR-Satz getauscht. Fallen sowohl Delta und Gamma über den
Clearing-Schwellenwert, dann finden die Zinszahlungen der beiden Vertragsparteien über die
zentrale Clearing-Stelle statt, da der ursprünglich vereinbarte bilaterale Vertrag nicht mehr
existiert.
5
Abb.14.1illustriertdiesenFallunterderAnnahme,dassDeltaundGam-ma
Clearing-Membersind. 6
IndenfolgendenBeispielenwirdeinfachheitshalberdavon
ausgegangen,dassdieSwapsbilateralgehandeltwerdenbzw.dieVertragsparteienden
Clearing-Schwellenwert nicht überschreiten, sodass die Clearing-Stelle für die Zahlungs-
abwicklung entfällt. Abb. 14.2 legt die Zinskosten dieser Konstruktion für einen bilateral
gehandelten Zinssatzswap (ohne zentrales Clearing) dar, die auf dem Ausnutzen der kom-
parativenVorteileberuht.

DiefestverzinslicheKreditaufnahmevonDeltawirdmitdemReceiverSwapineinevariabel
verzinslicheSchuldpositiontransformiert,dieeinenjährlichvariablenZinssatzvonEURIBOR
0;2 % aufweist:

Festverzinslicher Kredit: bezahlt Zinssatz 4%


Receiver Swap: erhält Swapsatz 4;2 %
Receiver Swap: bezahlt EURIBOR C EURIBOR
Nettozinssatz D EURIBOR 0;2 %

5
Vgl. Abschn. 12.2 .
6
Falls Delta und Gamma keine Clearing-Member sind, müssen sie einen Clearing-Broker beauftra-
gen, der als Gegenpartei gegenüber der zentr alen Clearing-Stelle in Erscheinung tritt.
4 14 Swaps

Zinssatzswap

Swapsatz 4,2 % Swapsatz 4,2 %

zentrale
Delta AG Clearing- Gamma AG
Stelle

EURIBOR EURIBOR

4% EURIBOR + 1 %

Aufnahme des fest- Aufnahme des


verzinslichen variabel verzinslichen
Kredits auf dem Kredits auf dem
Kapitalmarkt Kapitalmarkt
aufgrund des aufgrund des kompa-
kompa- rativen Vorteils rativen Vorteils

Abb.14.1 Zinskosten aus der Kreditaufnahme kombiniert mit gecleartem Zinssatzswap

Zinssatzswap

Swapsatz 4,2 %

Delta AG EURIBOR Gamma AG

4% EURIBOR + 1 %

Aufnahme des fest- Aufnahme des


verzinslichen variabel verzinslichen
Kredits auf dem Kredits auf dem
Kapitalmarkt Kapitalmarkt
aufgrund des aufgrund des kompa-
kompa- rativen Vorteils rativen Vorteils

Abb.14.2 Zinskosten aus der Kreditaufnahme kombiniert mit bilateral gehandeltem Zinssatzswap

Im Vergleich zu den Zinskonditionen im variabel verzinslichen Markt spart Delta 0,3 %


ein [D EURIBOR C %  . EURIBOR  0;2 %/].DievariabelverzinslicheKredit-0;1
aufnahme von Gamma wird mit einem Payer Swap in eine festverzinsliche Schuldposition
mit jährlichem Festzinssatz von 5,2 % umgewandelt:
14.2 Zinssatzswaps 49

Variabel verzinslicher Kredit: bezahlt Zinssatz EURIBOR C1 %


Payer Swap: bezahlt Swapsatz C4;2 %
Payer Swap: erhält EURIBOR  EURIBOR
Nettozinssatz D 5;2 %

Im Vergleich zur Kreditaufnahme zu einem festverzinslichen Zinssatz von 5,5 %


bezahlt Delta mit dieser Konstruktion lediglich 5,2 % pro Jahr. Das ergibt eine Reduk-
tionderjährlichenFinanzierungskostenvon0,3%.ImvorliegendenBeispielführtderSwapsatz
von4,2%zueinerErsparnisaufbeidenSeitenvonje0,3%.InderPraxismussdiesegleichmäßige
AufteilungderKostenersparnisnichtunbedingteintreten.Ei-neandereAufteilungistdurchaus
denkbar und hängt von den Verhandlungen über die Ausgestaltung des Swaps ab. Die
GesamtersparnisbeidenKapitalkostenvon0,6%resultiert

aus der Differenz der Zinssätze bei der festverzinslichen Kreditaufnahme


von 1,5 % (D 5;5 %  4;0 %) abzüglich der Differenz d er Zinssätze bei der varia- D
bel verzinslichen Geldaufnahme von 0,9 % [ EURIBOR C 1 %  . EURIBOR C
0;1 %/].
Esisteherunwahrscheinlich,dassDeltaundGammaeinenZinssatzswapdirektmitein-ander
abschließen.VielmehrwirdeinFinanzinstitut(Investmentbank)diebeidenUnter-nehmen
zusammenbringenunddenSwapalsVermittleranbieten.DabeitrittdasInstitutdirektals
GegenparteiindenSwapein.Daesüblicherweiseschwierigist,einenSwappart-nerzufinden,
derzumgleichenZeitpunkteinentgegengesetztesSwapgeschäftmitglei-cherLaufzeitund
Höheabschließenwill,handelnvielegroßeFinanzinstitutealsMarketMaker.Sietretenineinen
Swapein,ohneeinezweiteGegenparteiaufdemMarktgefun-denzuhaben.Dasdaraus
resultierendeZinsänderungsrisikowirdoftmalsmitAnleihen,ForwardRateAgreementsund
FixedIncomeFuturesabgesichert.

7
FürdieseVermitt-
lungstätigkeitstellenMarketMakereinenGeld-undeinenBriefkursfürdieSwapsätze,wobei
dieGeld-Brief-SpannefüreinenStandard-ZinssatzswapinderRegelzwischen3und4
Basispunktenliegt.
8
DerSwapsatzergibtsichalseinfacherDurchschnittswertdes
Geld-unddesBriefsatzes.ImvorliegendenBeispielbeträgtderSwapsatz4,2%.Beieiner
Geld-Brief-Spanne von 4 Basispunkten resultieren daraus ein Geld-Swapsatz von 4,18 % und
ein entsprechender Briefsatz von 4,22 %. Somit belaufen sich die Finanzierungskos- ten von
DeltaaufEURIBOR
0;18 % und von Gamma auf 5,22 %. Den Gewinn aus dem
Einsatz des Zinssatzswaps von 0,6 % teilen sich die beiden Unternehmen Delta und Gam-
ma mit je einem Anteil von 0,28 % und das Finanzinstitut mit einem Anteil von 0,04 %. Abb.14.3
illustriertdenbilateralgehandeltenSwap(ohnezentralesClearing). 9

7
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 154.
8
Vgl. Bösch 2014 : Derivate: Verstehen, anwenden und bewerten, S. 227.
9
InderPraxisisteinZinssatzswapClearing-fähig,dasichderenStrukturfüreinezentraleAbwick-lung
eignet.NachAbschlussdesZinssatzswapsmitdemFinanzinstitutwerdenDeltaundGammaje
einen Clearing-Broker beauftragen, der für die Abwicklung mit der zentralen Clearing-Stelle als Ge-
genpartei auftritt. Somit ist die Gegenpartei von Delta und Gamma der beauftragte Clearing-Broker. Die
GegenparteidesClearing-BrokershingegenistdiezentraleClearing-Stelle.
50 14 Swaps

Zinssatzswap

4,18 % 4,22 %

Delta AG EURIBOR Finanzinstitut EURIBOR Gamma AG

4% EURIBOR + 1 %

Aufnahme des Aufnahme des


festverzinslichen variabel verzins-
lichen Kredits auf
Kredits auf dem dem Kapitalmarkt
Kapitalmarkt auf- aufgrund des
grund des kom- parativen
kompa- rativen Vorteils Vorteils

Abb.14.3 Zinskosten aus der Kreditaufnahme kombini ert mit einem von einem Finanzinstitut ver-
mittelten bilateral gehandelten Zinssatzswap

DerkomparativeVorteilvonUnternehmenbeiderKreditaufnahmekombiniertmitdem
EinsatzeinesZinssatzswapsführtzueinerReduktionderKapitalkosten.Allerdingshängtdieser
KostensenkungseffektvonderBonitätderinvolviertenParteienab.Soetwasinddie
unterschiedlichenfestenZinssätzevon4%und5,5%sowiedievariablenSätzevonEURIBOR

C0;1 % und EURIBOR C1 % auf die unterschiedliche Bonität von Delta und
Gamma zurückzuführen. Im variabel verzinslichen Markt wird der Zinssatz periodisch
(z. B. alle 6 oder 12 Monate) angepasst. Verschlechtert sich die Kreditwürdigkeit und -fähigkeit
des Schuldners, so hat der Kreditgeber die Möglichkeit, den Spread (also die
Kreditrisikoprämie) über den EURIBOR-Satzam nächsten Zinszahlungstermin zu erhö- hen.
Allerdingsist dies nurmöglich, wennbeimvariabelverzinslichenKreditkeinfester Spreadüber
den EURIBOR-Satz vereinbart wu rde. Bei einem festverzinslichen Kredit sind während der
Kreditlaufzeit Änderungen des Zinssatzes aufgrund einer veränderten Bonität des Schuldners
nichtmöglich.

DerSpreadbzw.dieKreditrisikoprämiestellteineRenditeentschädigungfüreinen
möglichenZahlungsausfalldesSchuldnersdar.JelängerdieKreditlaufzeitdauert,destogrößer
istdieWahrscheinlichkeiteinesKreditausfalls,waseineZunahmedesSpreadszurFolgehat.
WirdbeieinemvariabelverzinslichenKreditderSpreadbeijedemZinsterminaufgrundder
aktuellenBonitätneufestgelegt,fälltimVergleichzueinemfestverzinsli-chenKreditdie
Kreditrisikoprämieniedrigeraus.DiesspiegeltsichineinerniedrigerenZinsdifferenzvon0,9%
imvariabelverzinslichenMarktwider,währenddieZinsdifferenzbeiderfestverzinslichen
Kreditaufnahmebei1,5%liegt.
14.2 Zinssatzswaps 51

Die Gamma AG bezahlt zu Beginn für den va riabel verzinslichen Kredit EURIBOR
C1 % und sichert sich durch den Einsatz des P ayer Swaps feste Zinskosten von 5,22 %.
VerschlechtertsichjedochdieBonitätvonGammaimVerlaufdernächstenZinsperiode,nimmtder
SpreadbeimvariabelverzinslichenKreditzu,sodassdiefestenZinskostensteigen.Erhöhtsichzum
BeispielderSpreadamnächstenZinsterminvon1%auf1,5%,nehmendiefestenZinskostenvon5,22%auf
5,72%zu.HätteGammadirektGeldaufdemfestverzinslichenKreditmarktaufgenommen,würde
dieses Kreditrisiko nicht beste- hen. So reduziert Gamma mithilfe des Payer Swaps die
Finanzierungskostenvon5,5%auf5,22%,nimmtaberimGegenzugdasRisikovonZinserhöhungen
aufgrundeinerver-schlechtertenBonitätinKauf.SomitführenderkomparativeVorteilundderEinsatz
einesZinssatzswapsnurdannzueinerSenkungderFinanzierungskosten,wennsichdieBonitätnicht
verschlechtert.

Für die Delta AG hingegen bleiben die Zinskosten von EURIBOR 0;18 % über die
Gesamtlaufzeit des Kredits unverändert. Allerdings ist Delta dem Risiko der Zahlungs-
unfähigkeit der Gegenpartei des Swaps (Finanzinstitut) ausgesetzt, das jedoch durch die
Collateral-Pflichterheblichreduziertwird. 10
DieseAusführungenverdeutlichen,dasssichzumeinendieFinanzierungskostenin-folge
eineskomparativenVorteilsunddenEinsatzeinesZinssatzswapsreduzierenlas-sen.Zum
anderenentstehendabeiBonitätsrisiken,diebeieinerdirektenKreditaufnahmenichtangefallen
wären.DaherkönnendieKapitalkostenersparnissebeieinerBonitätsver-schlechterung
deutlichgeringerausfallenbzw.sogarganzwegfallen.

14.2.2 ÄquivalenzmitanderenFinanzinstrumenten

Die Cashflows eines Zinssatzswaps lassen sich

1. mit einer fest und einer variabel verzinslichen Anleihe oder mit
2. einerSerievonForwardRateAgreementsreplizieren. 11

1. Um die Geldströme eines Payer Swaps nachzubilden, kann eine festverzinsliche An- leihe
mit gleichem Nominalwert wie der Swa p leer verkauft werden. Dabei erhält man von der
Gegenpartei des Leerverkaufs den Nominalwert ausbezahlt, der für den Kauf der variabel
verzinslichen Anleihe verwe ndet wird. Somit heben sich zu Laufzeitbe- ginn der
Geldeingangaus demLeerverkaufund der Geldausgang aus dem Kaufge- genseitig auf. Bei
den darauffolgenden Zin sterminen erhält man auf der Long-Position den
Geldmarkt-Referenzzinssatz (z. B. EUR IBOR) und bezahlt auf d er Short-Position einen
festen Zinssatz (Swapsatz). Am Laufzeitende bekommt man vom Emittenten der variabel
verzinslichenAnleihedenNominalwertausbezahlt,derbenutztwird,

10
Vgl. Abschn. 12.2 .
11
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 161.
52 14 Swaps

Payer Swap Geldzufluss Geldabfluss


Laufzeitbeginn
Leerverkauf von festverzinslicher Nominalwert
Anleihe
Kauf von variabel verzinslicher Nominalwert
Anleihe
Zinszahlungstermine (während Laufzeit)
Short-Position festverzinsliche Fester Zinssatz
Anleihe (Swapsatz)
Long-Position variabel Geldmarkt-Satz
verzinsliche Anleihe (z. B. EURIBOR)
Laufzeitende
Rückzahlung Nominalwert Nominalwert
von Long variabel
verzinslicher Anleihe

Kauf von festverzinslicher Nominalwert


Anleihe

Abb.14.4 Cashflow-Replikation eines Payer Swaps mit e iner festverzinslichen und einer variabel
verzinslichen Anleihe

umdiefestverzinslicheSchuldverschreibungaufdemMarktzukaufen.Anschlie-ßendwird
mit der erworbenen Anleihe die Position aus dem Leerverkauf geschlossen. Geldeingang
und -ausgang heben sich z um Fälligkeitszeitpunkt der beiden Long- und
Short-Anleihe-Positionen gegenseitig auf. Demnach lässt sich mit einer Long variabel
verzinslichen Anleihe und einer Short festverzinslichen Anleihe der Cashflow-Verlauf
einesPayerSwapsnachbilden.Abb. 14.4zeigtdieCashflow-ReplikationeinesPayerSwaps
anhandeinerfestverzinslichenundeinervariabelverzinslichenAnleihe.

Um die Cashflows eines Receiver Swaps zu rep lizieren, muss eine variabel verzinsli- che
Schuldverschreibung leer veräußert werden. Mit dem Geld aus dem Leerverkauf wird eine
festverzinsliche Anleihe gekauft. An den darauffolgenden Zinszahlungster- minen erhält
man auf der Long-Position den festen Zinssatz (Swapsatz), während auf der Short-Position
der variable Geldmark tsatz (z. B. EURIBOR) zu bezahlen ist. Bei Fälligkeit der beiden
Schuldverschrei bungen empfängt man vom Emittenten der Long festverzinslichen
Anleihe den Nominalwert, der für den Kauf der variabel verzinsli- chen Anleihe eingesetzt
wird, um anschließend die Position aus dem Leerverkauf zu schließen. Somit lässt sich der
Cashflow-VerlaufeinesReceiverSwapsmiteinerLongfestverzinslichenAnleiheundeiner
ShortvariabelverzinslichenAnleihenachbilden.Abb. 14.5zeigtdieCashflow-Replikation
eines Receiver Swaps anhand von Anleihen. Die Cashflow-Äquivalenz mit einer
Long-Short-Anleihe-Kombination ist insofern be- deutend, als diese
Instrumentenkombination eingesetzt werden kann, um den Preis und den Wert eines
Zinssatzswapszubestimmen.

12

12
Vgl. Abschn. 14.2.3 und 14.2.4 .
14.2 Zinssatzswaps 53

Receiver Swap Geldzufluss Geldabfluss


Laufzeitbeginn
Leerverkauf von variabel Nominalwert
verzinslicher Anleihe
Kauf von festverzinslicher Nominalwert
Anleihe
Zinszahlungstermine (während Laufzeit)
Short-Position variabel Geldmarkt-Satz
verzinsliche Anleihe (z. B. EURIBOR)
Long-Position festverzinsliche Fester Zinssatz
Anleihe (Swapsatz)
Laufzeitende
Rückzahlung Nominalwert von Nominalwert
Long festverzinslicher Anleihe
Kauf von variabel verzinslicher Nominalwert
Anleihe

Abb.14.5 Cashflow-Replikation eines Receiver Swaps mit einer festverzinslichen und einer varia-
bel verzinslichen Anleihe

2. Bei einem Forward Rate Agreement (FRA) ha ndelt es sich um ein Zinstermingeschäft. Zum
Fälligkeitszeitpunkt wird der feste Terminzinssatz gegen den laufzeitäquivalenten
Geldmarktsatzverrechnet,umdenGewinn/Verlustfestzulegen. 13
Damit die Cashflows
eines Zinssatzswaps repliziert werden können, ist eine Serie von FRAs mit unter-
schiedlichen Fälligkeiten erforderlich, di e mit den Zinszahlungsterminen des Swaps
übereinstimmen. Fallen zum Beispiel bei einem 2-jährigen Swap die festen und varia- blen
Zinszahlungen halbjährlich an, lässt sich der daraus entstehende Cashflow-Strom ab dem 1.
Jahr mit 6-gegen-12-, 12-gegen-18- und 18-gegen-24-FRAs nachbilden. Da- her lässt sich
einZinssatzswapalseinPortfoliovonFRAsinterpretieren.
14

14.2.3 Preisbestimmung

Der Swapsatz stellt den Preis eines Zinssatzswaps dar. Er lässt sich mithilfe einer fest-
verzinslichen und einer variabel verzinslichen Anleihe berechnen, die kombiniert den
Cashflow-Verlauf des Derivats replizieren. Zu Laufzeitbeginn des Swaps ist der Marktwert
null. Somit sind die Preise der festverzinslichen und der variabel verzinslichen Schuld-
verschreibung gleich groß. Einfachheitshalber wird davon ausgegangen, dass die beiden
Anleihen einen Nominalwert von EUR 1 und zu Laufzeitbeginn einen Preis von 100 % des
Nominalwerts (also EUR 1) besitzen. Der Prei s der festverzinslichen Schuldverschrei- bung
lässtsichermitteln,indemdiezukünftigenKuponzahlungenundderNominalwert

13
Vgl. Abschn. 13.4.3 .
14
Vgl. Chance 2003 : Analysis of Derivatives for the CFA ® Program, S. 14.
54 14 Swaps

zum Bewertungszeitpunkt – also zu Laufzeitbeginn – diskontiert werden:


X
n
B0, FA D SS  EUR 1  DF t C EUR 1  DFn ; (14.1)
tD1

wobei:

B0,FA D Preis der festverzinslichen Anleihe zu Laufzeitbeginn,


SS D festerKuponsatzbzw.Swapsatz,
 
t
DF t D Diskontfaktor für die Periode t: 1 C Nullkupon-Swapsatz  .
360

Die zukünftigen Kupons der variabel verzinslichen Anleihe sind mit Ausnahme der ersten
Kuponzahlung zum Bewertungszeitpunkt nich t bekannt, sodass die Ermittlung des Prei- ses
durch das Diskontieren der Cashflows nicht möglich ist. Jedoch besitzt die Anleihe zu
Laufzeitbeginn einen Preis von EUR 1 (100 % des Nominalwerts). Um den Swap- satz – alsoden
Kuponsatz der festverzinslichen Anleihe – zu bestimmen, setzt man die Preisgleichung der
festverzinslichenAnleihe(siehe( 14.1))gleichdemPreisdervariabelverzinslichenAnleihevon
EUR1,dazuLaufzeitbeginnderMarktwertdesSwapsEUR0ist:

B0, FA D B0,VA ;
X
n
(14.2)
SS  EUR 1  DFt C EUR 1  DFn D EUR 1:
tD1
Wird die Gleichung nach der Variablen SS aufgelöst, erhält man folgende Formel für die
Berechnung des Swapsatzes:15
EUR 1  EUR 1  DFn
SS D P : (14.3)
EUR 1  ntD1 DF t
Demnach lässt sich der Swapsatz bestimmen, indem vom Preis der variabel verzinsli-
chen Anleihe von EUR 1 der Barwert des Nominalwerts der festverzinslichen Anleihe von EUR
1 abgezogen und anschließend durch das Produkt bestehend aus dem Nominal- wert vonEUR 1
und der Summe der Diskontfaktoren dividiert wird. Das folgende Beispiel illustriert die
BerechnungdesSwapsatzes.

Beispiel
Berechnung des Swapsatzes
Ein Zinssatzswap besitzt eine Laufzeit von 1 Jahr, wobei die festen und variablen Zins-
zahlungenvierteljährlicherfolgen.DieaktuellenEURIBOR-Nullkuponsätze(kurzesEnde
derEURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve)lautenwiefolgt:

15
Gl. ( 14.2 ) lässt sich durch das Ausmultiplizieren von SS  EURP 1 beim ersten Term links des
Gleichheitszeichens folgendermaßen umschreiben: SS  EUR 1  ntD1 DFt C EUR 1  DFn D
EUR 1. Subtrahiert man von beiden Seiten derP Gleichung EUR 1  DFn und dividiert anschließend
beide Seiten der Gleichung durch den Term ntD1 DF , resultiert daraus ( 14.3 ). t
14.2 Zinssatzswaps 55

 3-Monats EURIBOR-Satz (92 Tage): 1,2 %,


 6-Monats EURIBOR-Satz (183 Tage): 1,4 %,
 9-Monats EURIBOR-Satz (274 Tage): 1,5 %,
 12-Monats EURIBOR-Satz (365 Tage): 1,7 %.

Wie hoch ist der Swapsatz?

Lösung
Zuerst sind die Diskontfaktoren auszurechnen, wobei die Day-Count-Konvention für den
EURIBOR-Satztagesgenau/360Tageist:

1
DF92 Tage D D 0;9969;
1 C 0;012  .92 Tage =360 Tage /
1
DF183 Tage D D 0;9929;
1 C 0;014  .183 Tage =360 Tage /
1
DF274 Tage D D 0;9887;
1 0;015 .274 Tage =360 Tage /
C 
1
DF365 Tage D D 0;9831:
1 C 0;017  .365 Tage =360 Tage /

Der vierteljährliche Swapsatz beträgt 0,43 % und lässt sich wie folgt bestimmen:

EUR 1 EUR 1  0;9831


SS D D 0;0043:
EUR 1  .0;9969 C 0;9929 C 0;9887 C 0;9831/

Der annualisierte Swapsatz liegt bei 1,72 % (D 4  0;43 %).

MiteinemSwapsatzvon1,72%istderMarktwertdesZinssatzswapszuLaufzeitbeginnnull.
DerPreisderfestverzinslichenAnleihevonEUR1lässtsichmiteinemvierteljährli-chenKupon
von0,43%folgendermaßenermitteln:

B0, FA D EUR 0;0043  .0;9969 C 0;9929 C 0;9887 C 0;9831/ C EUR 1  0;9831


D EUR 1:

Da der Preis der variabel verzinslichen Anleihe ebenfalls EUR 1 beträgt, ist der Marktwert des
ZinssatzswapszuBeginnderLaufzeitEUR0.

14.2.4 Wertbestimmung

Zu Laufzeitbeginn ist der Wert eines Zinssatzswaps null. Während der Laufzeit hingegen
verändert sich der Swapwertinfolge von Zinssatzänderungen und kann so einen positiven oder
negativenWertannehmen.DerWerteinesZinssatzswapslässtsichentweder
56 14 Swaps

Zinssatzswap

Payer Swap Receiver Swap

Long Short Long Short

Preis variabel Preis fest- Preis fest- Preis variabel


verzinsliche verzinsliche verzinsliche verzinsliche
Anleihe Anleihe Anleihe Anleihe

Wert = Preis Long – Preis Short Wert = Preis Long – Preis Short
= Preis variabel verzinsliche Anleihe – = Preis festverzinsliche Anleihe –
Preis festverzinsliche Anleihe Preis variabel verzinsliche Anleihe

Abb.14.6 Wertbestimmung eines Payer und eines Receiver Swaps mit einer variabel verzinslichen
und einer festverzinslichen Anleihe

1. übereineKombinationauseinervariabelverzinslichenundeinerfestverzinslichenAn-leihe
oder
2. über eine Reihe von Forward Rate Agreements eruieren.

1. Der Wert eines Zinssatzswaps besteht aus der Differenz zwischen der Long- und Short-
Anleiheposition.DerCashflow-VerlaufeinesPayerSwapslässtsichreplizieren,indemeine
variabel verzinslicheAnleihe gekauft und einefestverzinsliche Anleihe leer ver- kauftwird.
SomitlässtsichderWerteinesPayerSwapswiefolgtbestimmen:

Vt, Payer Swap D Bt, VA  Bt, FA ; (14.4)

wobei:
Bt, VA D PreisdervariabelverzinslichenAnleihezumZeitpunktt,B
D PreisderfestverzinslichenAnleihezumZeitpunktt. t,FA

Demgegenüber besteht ein Receiver Swap aus einer Long festverzinslichen Anleihe und
einer Short variabel verzinslichen Anleihe, was zu folgender Gleichung für die
Wertbestimmungführt:

Vt, Receiver Swap D Bt, FA  Bt, VA : (14.5)

Abb. 14.6 visualisiert die Wertberechnung eines Payer Swaps und eines Receiver Swaps
mithilfeeinervariabelverzinslichenundeinerfestverzinslichenAnleihe.Der
14.2 Zinssatzswaps 57

Preis einer festverzinslichen Schuldver schreibung ergibt sich aus dem Barwert der
zukünftigen Kuponzahlungen und dem Nominalwert. Um den Preis einer variabel
verzinslichen Anleihe zu bestimmen, ist zum einen der Nominalwert und zum ande- ren die
Kuponzahlung des nächstliegenden Zinszahlungstermins zu diskontieren. An einem
Zinszahlungstermin wird die Anleihe zu pari (also zu 100 % des Nominalwerts) gehandelt,
weil der Kuponsatz und der Diskontsatz gleich groß sind. Das folgende Beispiel zeigt die
Wertberechnung eines Zinssatzswaps anhand von Anleihen, wobei die Zinssätze
einfachheitshalber mit Monaten und nicht mit Tagen angegeben werden. Somit entfällt die
AnwendungderDay-Count-KonventionbeimEURIBOR-SatzundbeimSwapsatz,dieauf
tagesgenau/360Tagerespektiveauftagesgenau/365Tagelauten.

16

Beispiel
Preis- und Wertbestimmung eines Zinssatzswaps anhand des Replikationsansat- zes
mitAnleihen
Ein 2-jähriger Zinssatzswap besitzt einen Nominalbetrag von EUR 10 Mio. Die Zins-
zahlungen finden halbjährlich statt, wobei der EURIBOR-Satz gegen den Swapsatz
getauscht wird. Die aktuelle EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve weist die folgen- den
Zinssätzeauf:

 6-Monatssatz: 2 %,
 12-Monatssatz: 2,2 %,
 18-Monatssatz: 2,5 %,
 24-Monatssatz: 2,7 %.

Nach 4 Monaten liegt die folgende EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve vor:

 2-Monatssatz: 1,8 %,
 8-Monatssatz: 2,0 %,
 14-Monatssatz: 2,1 %,
 20-Monatssatz: 2,4 %.

1. Wie hoch ist der Swapsatz?


2. Wie hoch sind der Wert des Payer Swaps und des Receiver Swaps nach 4 Monaten?

16
Vgl. Abschn. 12.5.1.2 .
5 14 Swaps

Lösungzu1
Zuerst sind die Diskontfaktoren zu bestimmen:

1
DF6 Monate D D 0;9901;
1 C 0;02  .6 Monate=12 Monate/
1
DF12 Monate D D 0;9785;
1 C 0;022  .12 Monate=12 Monate/
1
DF18 Monate D D 0;9639;
1 C 0;025  .18 Monate=12 Monate/
1
DF24 Monate D D 0;9488:
1 C 0;027  .24 Monate=12 Monate/

Der halbjährliche Swapsatz beläuft sich auf 1,32 %:

EUR 1 EUR 1  0;9488


SS D D 0;0132:
EUR 1  .0;9901 C 0;9785 C 0;9639 C 0;9488/

Annualisiert ergibt sich ein Swapsatz von 2,64 % (D 2  1;32 %). Somit wird der Swap-
satz alle 6 Monate gegen den EURIBOR-Satz der entsprechenden Periode getauscht,
wobeidieZinszahlungenjeweilsgegenseitigverrechnetwerdenundnureineNetto-zahlung
geleistetwird. 17

Lösungzu2
Um den Wert des Swaps zu eruieren, sind zunächst die Diskontfaktoren nach 4 Mona- ten zu
ermitteln:

1
DF2 Monate D D 0;99701;
1 C 0;018  .2 Monate=12 Monate/
1
DF8 Monate D D 0;98684;
1 C 0;02  .8 Monate=12 Monate/
1
DF14 Monate D D 0;97609;
1 C 0;021  .14 Monate=12 Monate/
1
DF20 Monate D D 0;96154:
1 C 0;024  .20 Monate=12 Monate/

DerPreisderfestverzinslichenAnleihemiteinerRestlaufzeitvon20Monatenlässtsichdurch
dasDiskontierenderhalbjährlichenKuponsvonEUR 132:000 (D 0;0132 
EUR 10 Mio:) und des Nominalwerts von EUR 10 Mio. wie folgt bestimmen:

Bt, FA D EUR 132:000  .0;99701 C 0;98684 C 0;97609 C 0;96154/


C EUR 10:000:000  0;96154 D EUR 10:133:035:

17
Vgl. Abschn. 12.5.1.2 .
14.2 Zinssatzswaps 59

DerPreisdervariabelverzinslichenAnleihelässtsichberechnen,indemunterstelltwird,dass
das Finanzinstrument am nächsten Zinstermin verkauft wird. Somit wird ausgerechnet, wie
vielmanheutebereitistzubezahlen,umin2MonateneinenCash-flowzuerhalten,derausdem
Preis der var iabel verzinslichen Anleihe und dem Kupon besteht. Da der Kupon am nächsten
Zinszahlungstermin – also in 2 Monaten – wieder neu festgelegt wird, ergibt sich ein Preis für
die Anleihe von100 % des Nominalwerts (bzw. von EUR 10 Mio.), weil zu diesem Zeitpunkt
der Kuponsatz und der Diskon- tierungssatz gleich hoch sind. Demnach setzen sich die
Cashflows in 2 Monaten aus dem Preis der Anleihe von EUR 10 Mio. und der Kuponzahlung
vonEUR

100:000
(D EUR 10 Mio:)zusammen,wasdiskontiertzumBewertungszeitpunkteinen
0;02=2
Preis für die variabel verzinsliche Anleihe von EUR 10:069:801 ergibt:

Bt, VA D .EUR 10:000:000 C EUR 100:000/  0;99701 D EUR 10:069:801:

Der Payer Swap besitzt nach 2 Monaten einen negativen Wert von EUR 63:234, wäh-
rend der Receiver Swap einen positiven Wert von EUR 63:234 aufweist:

Vt, Payer Swap D EUR 10:069:801  EUR 10:133:035 D EUR 63:234;


Vt, Receiver Swap D EUR 10:133:035  EUR 10:069:801 D EUR 63:234:

Nach 4 Monaten sind die Zinssätze entlang der Swapsatzkurve gefallen, sodass beim Payer
Swap die Einnahmen auf der variablen Seite zurückgegangen sind, was zu einem negativen
Wert bzw. zu einer Schuldposition geführt hat. Demgegenüber besitzt der Receiver Swap
nach 4 Monaten einen positive n Wert, weil aufgrund der rückläufigen Zinssätze die
Auszahlungen auf der variablen Seite gesunken sind. Der Swapsatz und folglich die
Einnahmen aus der festen Seite sind gleich geblieben. Tab. 14.1 zeigt den Zusammenhang
zwischeneinerZinssatzänderungunddemWertdesPayerSwapsunddesReceiverSwaps.

2. Ein Zinssatzswap lässt sich auch durch ein Portfolio von FRAs replizieren. Im voran-
gegangenenBeispielistdieersteCashflow-Zahlungin6MonatenvonEUR 32:000
bekannt, die aus der Differenz zwischen der festen Zinszahlung von EUR 132:000
(D 0;0132  EUR 10 Mio: ) und der variablen Zinszahlung von EUR 100:000 (D
0;02=2  EUR 10 Mio: ) besteht. Die nächsten drei Cashflow-Zahlungen können mit
FRAs bestimmt werden. So wird in 12 Monaten der Swapsatz gegen den EURIBOR-
Terminzinssatz, der in 6 Monaten für 6 Monate zu laufen beginnt, getauscht. In 18

Tab.14.1 Zusammenhang zwischen Zinssatzänderung und Wert des Payer Swaps und des Receiver
Swaps
Zinssätze Wert Payer Swap Wert Receiver Swap
Erhöhung positiv negativ
Rückgang negativ positiv
60 14 Swaps

Monaten wird der Swapsatz mit dem EURIBOR-Terminzinssatz, der in 12 Monaten für 6
Monate zu laufen anfängt, verrec hnet usw. Demnach lässt sich der Wert ei- nes
Zinssatzswaps mit einer Reihe von FRAs bestimmen. Um den Wert des Swaps festzulegen,
sinddiefolgendenSchritteerforderlich:
18

 Die EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve wird verwendet, um die EURIBOR-Ter-


minzinssätzezuberechnen.
 Die Cashflows des Swaps werden unter der Annahme dassermittelt,
an den
Zinszahlungsterminen die EURIBOR-Kassasätze den EURIBOR-Terminsätze
n
entsprechen.
 Um den Swapwert zu bestimmen, sind die Cashflows aus dem Zinssatzswap mit
den Sätzen aus der EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve zu diskontieren.

Beispiel
Preis- und Wertbestimmung eines Zinssatzswaps anhand des Replikationsansat- zes
mitFRAs
Es liegt der 2-jährige Zinssatzswap mit einem Nominalbetrag von EUR 10 Mio. aus dem
vorangegangenen Beispiel vor. Die erste Zinszahlung findet in 6 Monaten statt, wobei der
6-Monats-EURIBOR-Satzvon2%gegendenSwapsatzvon2,64%ge-tauschtwird.

Nach 4 Monaten lautet die EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve wie folgt:

 2-Monatssatz: 1,8 %,
 8-Monatssatz: 2,0 %,
 14-Monatssatz: 2,1 %,
 20-Monatssatz: 2,4 %.

Wie hoch sind der Wert des Payer Swaps und des Receiver Swaps nach 4 Monaten, wenn die
BewertunganhandeinerReihevonFRAserfolgt?

Lösung
Die erste variable Zinszahlung in 2 Monaten liegt bei EUR 100:000 (D 0;02=2 
EUR 10 Mio:). Um die folgenden variablen Zinszahlungen festzulegen, sind die
Terminzinssätze zu bestimmen. Beim 2-gegen-8-FRA lässt sich der EURIBOR-
Terminzinssatz wie folgt berechnen:19
2  3
8 Monate
1 C 0;02   
6 12 Monate 7 12 Monate
FR2;8 6
D 4 7
  15  D 0;0206:
2 Monate 6 Monate
1 C 0;018 
12 Monate

18
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 163.
19
Für die Herleitung der Formel vgl. Abschn. 13.4.3 .
14.2 Zinssatzswaps 61

Demnach beträgt die variable Zinszahlung in 8 Monaten EUR 103:000 (D 0;0206=2 


EUR 10 Mio:). Der EURIBOR-Terminzinssatz des 8-gegen-14-FRA liegt bei 2,204 %:
2  3
14 Monate
1 C 0;021   
6 7
FR8;14 D 6 
12 Monate
  1 7  12 Monate D 0;02204:
4 8 Monate 5 6 Monate
1 C 0;02 
12 Monate
Somit beläuft sich die variable Zinszahlung in 14 Monaten auf EUR 110:200 (D
0;02204=2  EUR 10 Mio: ). Der EURIBOR-Terminzinssatz des 14-gegen-20-FRA
kann folgendermaßen ermittelt werden:
2  3
20 Monate
1 C 0;024   
6 7
FR14;20 D 6 
12 Monate
  1 7  12 Monate D 0;03026:
4 14 Monate 5 6 Monate
1 C 0;021 
12 Monate
Die variable Zinszahlung in 20 Monaten umfasst EUR 151:300 (D 0;03026=2 
EUR 10 Mio: ). Die Zahlungsströme des Zinssatzswaps lassen sich wie folgt zusam-
menfassen:
Zinszahlungstermine Feste Zinszahlun- Variable Zinszah- Differenz zwischen fester
gen lungen und variabler Zinszahlung
In 2 Monaten EUR 132:000 EUR 100:000 EUR 32:000
In 8 Monaten EUR 132:000 EUR 103:000 EUR 29:000
In 14 Monaten EUR 132:000 EUR 110:200 EUR 21:800
In 20 Monaten EUR 132:000 EUR 151:300 EUR 19:300

WirddieDifferenzzwischendenfestenunddenvariablenZinszahlungenmitden
ZinssätzenausderEURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurvediskontiert,ergibtsichderWert
desReceiverSwapsvonEUR
63:244:

Vt, Receiver Swap D EUR 32:000  0;99701 C EUR 29:000  0;98684


C EUR 21:800  0;97609  EUR 19:300  0;96154 D EUR 63:244:

Der negative Wert des Payer Swaps von EUR 63:244 lässt sich wie folgt ermitteln:

Vt, Payer Swap D  EUR 32:000  0;99701  EUR 29:000  0;98684


 EUR 21:800  0;97609 C EUR 19:300  0;96154 D EUR 63:244:

DasBeispielzeigt,dasssichderWertdesZinssatzswapsentwedermiteinerKombina-tionaus
einer variabel verzinslichen und einer festverzinslichen Anleihe oder mit einer Reihe von
Forward Rate Agreements bestimmen lässt. Mit beiden Berechnungsmetho- den gelangt
manzumgleichenSwapwert.
20

20
Die Wertabweichung im Beispiel von EUR 10 geht auf eine Rundungsdifferenz zurück.
62 14 Swaps

14.2.5 Risikomanagementstrategien

14.2.5.1 SteuerungdesZinsänderungsrisikosdurchTransformationvon
VerbindlichkeitenundVermögenspositionen
Zinssatzswapskönneneingesetztwerden,umbestehendezinssensitiveVerbindlichkei-tenund
Vermögenspositionen neu zu strukturieren, und stellen so wichtige Instrumente für das
Zinsänderungsrisikomanagement dar. So zum Beispiel hat ein Unternehmen eine 5-jährige
variabel verzinsliche Anleihe mit einem Nominalwert von EUR 100 Mio. aus- stehend. Der
Kupon der Anleihe setzt sich aus dem 6-Monats-EURIBOR-Satz plus einem Spread von 50
Basispunkten zusammen. Das Unternehmen erwartet steigende Zinssät- zeund somit höhere
Kapitalkosten.Daherentscheidetessich,einen5-jährigenPayerSwapmiteinemNominalbetrag
von EUR 100 Mio. abzuschließen. Die Zinszahlungen erfolgen halbjährlich. Der Swapsatz
beträgt 2 %, während der variable Zinssatz durch den 6-Monats-EURIBOR-Satz gegeben ist.
Die variabel verzinsliche Anleihe wird mit dem Payer Swap in eine festverzinsliche Schul
dpositiontransformiert, die unabhängig vom Zinsniveau einen fixenjährlichen Zinssatz von 2,5
%aufweist:

Variabel verzinsliche Anleihe: bezahlt K uponsatz EURIBOR C 0;5 %


PayerSwap:bezahltSwapsatz C2 %
Payer Swap: erhält EURIBOR  EURIBOR
Nettozinssatz (Nettozinskosten) D 2;5 %

MithilfedesPayerSwapswurdedievariabelverzinslicheAnleiheineinefestverzins-liche
SchuldpositionmitjährlichenZinskostenvon2,5%umgewandelt.Abb.14.7zeigtdie
ZinszahlungendervariabelverzinslichenAnleiheunddesPayerSwaps.
Zinssatzswapskönnenauchbenutztwerden,umdieZinsexpositionvonVermögens-werten
zuverändern.SoetwahateinUnternehmeneinestrategischeLiquiditätsreserve

Bilanz Risiko: steigende Zinsen


Aktiven Passiven

variabel verzinsliche EURIBOR + 0,5 %


Anleihe

Payer Swap:
bezahlt Swapsatz 2%

erhält EURIBOR EURIBOR

Abb.14.7 Transformation einer variabel verzinslichen Anleihe in eine festverzinsliche Schuldpo-


sition mithilfe eines Payer Swaps
14.2 Zinssatzswaps 63

Abb.14.8 Transformation Risiko: fallende Zinsen Bilanz


einer variabel verzinslichen Aktiven Passiven
Anleihe in eine
festverzinsli- che
Vermögensposition mit- hilfe eines Receiver Swaps
variabel
EURIBOR + 0,5 % verzinsliche
Anleihe

Receiver Swap:

erhält Swapsatz 2%

bezahlt EURIBOR EURIBOR

in eine variabel verzinsliche Anleihe mit einem halbjährlichen Kupon von EURIBOR plus 50
Basispunkten und einem Nominalwert von EUR 10 Mio. angelegt. DasUnter- nehmen erwartet
fallendeZinssätzeundmöchtedievariabelverzinslicheAnleihepositionineinefestverzinsliche
Position umwandeln, um sich so gegen sinkende Zinseinnahmen zu schützen. Dabei setzt es
einen Receiver S wap ein.Die Zinszahlungen erfolgen halb-jährlich. Der Swapsatz liegt bei2%,
während die variable Seite des Swaps aus dem 6-Monats-EURIBOR-Satz besteht. Die
KombinationausvariabelverzinslicherAnleiheundReceiverSwap,dieinAbb. 14.8dargestellt
ist, führt zu einer festverzinslichen Ver- mögensposition mit einem jährlichen Zinssatz von 2,5
%:

Variabel verzinsliche Anleihe: erhält Kuponsatz EURIBOR C 0;5 %


Payer Swap: erhält Swapsatz C2 %
Payer Swap: bezahlt EURIBOR  EURIBOR
Nettozinssatz (Nettozinseinnahmen) D 2;5 %

14.2.5.2 SteuerungdesZinsänderungsrisikoseinesAnleiheportfolios
Das Zinsänderungsrisiko eines Anleiheportfolios lässt sich auch mit Zinssatzswaps steu- ern.
Um die gewünschte Zinsrisikoexposition z u erreichen, kann die Duration des Anlei-
heportfolios mithilfe eines Swaps angepasst werden, obwohl hierfür üblicherweise Fixed
IncomeFutureseingesetztwerden.
21

DieCashflowseinesZinssatzswapslassensichdurcheinevariabelverzinslicheAnleiheund
einefestverzinslicheAnleihereplizieren.DabeilässtsichdiemodifizierteDurationdesSwaps
mitdenmodifiziertenDurationenderbeidenAnleihenfestlegen. 22
DieLong-
AnleiheunddieShort-AnleihebildeneinPortfolio,dessenDurationausderSummeder
gewichtetenAnleihe-Durationenbesteht. 23
Da die Gewichte der Long-Anleihe 100 % und

21
Vgl. Abschn. 13.6.1.2 .
22
Vgl. Fabozzi et al. 2004 : Controlling Interest Rate Risk with Derivatives, S. 221.
23
Vgl. Abschn. 10.2.2.5 .
64 14 Swaps

der Short-Anleihe 100 % sind, lässt sich die modifizierte Duration eines Payer Swaps
analog zur Portfolio-Duration wie folgt ermitteln:

MDURPayer Swap D 1  MDURVA C .1/  MDURFA


(14.6)
D MDURVA  MDURFA ;

wobei:
MDURVA D modifizierte Duration der Long variabel verzinslichen Anleihe,
MDUR D modifizierteDurationderShortfestverzinslichenAnleihe. FA

Die modifizierte Duration eines Receiver Swaps, der aus einer Long festverzinslichen Anleihe
und einem Short variabel verzinslichen Bond besteht, lässt sich anhand folgender Formel
berechnen:

MDURReceiver Swap D MDURFA  MDURVA : (14.7)

Die Duration eines Zinssatz swaps zeigt, um welchen Betrag sich der Wert des Swaps bei einer
parallelen VerschiebungderZinssätzeentlangderSwapsatzkurveverändert.Diemo-difizierte
Duration einer festverzinsliche n Anleihe kann anhand der Macaulay-Duration mit folgender
Formelbestimmtwerden:
24

MacDUR
MDURFA D  ; (14.8)
VR
1C
m
wobei:
VR D Verfallrendite der festverzinslichen Anleihe,
m D Kuponfrequenz pro Jahr.

Eine variabel verzinsliche Anleihe ist dem Zinsänderungsrisiko nur zwischen zwei Ku-
ponterminen ausgesetzt, weil der Preis an den Kuponterminen jeweils 100 % beträgt (Ku-
ponsatz
D erwartete Rendite). Die Duration einer variabel verzinslichen Anleihe ent-
spricht – ähnlich einer Nullkuponanleihe – der verbleibenden Zeit bis zum nächsten Ku-
pontermin (Macaulay-Duration), korrigiert um die erwartete Rendite (LIBOR zu Beginn der
Kuponperiode). Folglich ist die modifizierte Duration der variabel verzinslichen An- leihe
wesentlich kleiner als d ie Duration des festverzinslichen Bonds. Sie lässt sich wie folgt
ermitteln:
t
MDURVA D  ; (14.9)
LIBOR
1C
m
wobei:
t D Tage bis zum nächsten Kupontermin (ausgedrückt in Jahren).

24
Vgl. Abschn. 10.2.2.1 .
14.2 Zinssatzswaps 65

Beispiel
Berechnung der modifizierten Duration eines Zinssatzswaps
Ein 2-jähriger Zinssatzswap besitzt einen Nominalbetrag von EUR 100 Mio. Die festen und
variablen Zinszahlungen erfolgen halbjährlich. Es liegt die folgende EURIBOR-
Nullkupon-Swapsatzkurvevor:

 6-Monatssatz: 2 %,
 12-Monatssatz: 2,2 %,
 18-Monatssatz: 2,5 %,
 24-Monatssatz: 2,7 %.

DerSwapsatzbeläuftsichauf2,64%.DieMacaulay-DurationderfestverzinslichenAnleihe
beträgt 1,9607. Wie hoch sind die modifizierten Durationen des Payer Swaps und des
ReceiverSwaps?

Lösung
Die modifizierte Duration der variabel verzinslichen Anleihe von 0,495 lässt sich fol-
gendermaßenbestimmen:
0;5
MDURVA D   D 0;495:
0;02
1C
2
Um die modifizierte Duration der festverzinslichen Anleihe festzulegen, ist die
Macaulay-Duration von 1,9607 durch 1 plus den halbjährlichen Swapsatz von 1,32 %
(D 2;64 %=2) zu dividieren:
1;9607
MDURFA D D 1;9352:
1;0132
Die modifizierten Durationen des Paye r Swaps und des Receiver Swaps können wie
folgt berechnet werden:
MDURPayer Swap D 0;495  1;9352 D 1;4402;
MDURReceiver Swap D 1;9352  0;495 D 1;4402:
Die Berechnungen zeigen, dass der Payer Swap eine negative Duration besitzt, während
der Receiver Swap über eine positive Duration verfügt.

ErwartetderPortfoliomanagersteigendeZinsen,kannerdieDurationeinesLong-
AnleiheportfoliosmiteinemPayerSwapreduzierenundsichsogegeneinenMarktwert-verlust
desPortfoliosschützen.GehtderPortfoliomanagerhingegenvonfallendenZins-sätzenaus,
kannerdieDurationdesAnleiheportfoliosmiteinemReceiverSwaperhöhen.Trittdie
Zinserwartungein,nimmtderMarktwertdesPortfoliosaufgrundderhöherenZinssensitivität
stärkerzu.MiteinemZinssatzswapkanndasZinsänderungsrisikovonAnleihenoderanderen
zinssensitivenAnlagenangepasstwerden.
66 14 Swaps

DiegewünschteZieldurationimAnleiheportfoliowirddurcheinenZinssatzswapmiteinem
bestimmtenNominalwerterreicht.HierzuistdieangestrebtePreisänderungdes
AnleiheportfoliosmitdenPreisänderungendesAnleiheportfoliosunddesZinssatzswaps
gleichzusetzen,waszufolgenderFormelführt:
 
.MDURZielP / BP0 i D .MDURP / BP0 i C MDURSwap NB i; (14.10)
wobei:

MDURZielP D modifizierte Zielduration des Anleiheportfolios,


B0 D MarktwertdesAnleiheportfoliosvorderZinssatzänderung, P
i D Zinssatzänderung,
MDURP D modifizierte Duration des Anleiheportfolios,
MDURSwap D modifizierte Duration des Zinssatzswaps,
NB D Nominalbetrag.

Wird die Formel nach dem Swap-Nominalbetrag NB aufgelöst, ergibt sich folgende For- mel:
 
MDURZielP  MDURP
NB D BP0 : (14.11)
MDURSwap

Beispiel
Steuerung des Zinsänderungsrisikos eines Anleiheportfolios mit einem Zins-
satzswap
EineVermögensverwaltungsgesellschaftbesitzteinAnleiheportfoliomiteinemMarkt-wert
vonEUR50Mio.,daseinemodifizierteDurationvon4,5aufweist.DerPort-foliomanagerder
Vermögensverwaltungsgesellschaft erwartet steigende Zinsen und möchte daher das
Zinsänderungsrisiko der A nleiheposition eliminieren. Hierzu setzt er einen 2-jährigen
Zinssatzswap ein, be i dem der Swapsatz gegen den EURIBOR- Satz halbjährlich getauscht
wird.Der Swapsatzliegtbei3%, währendder 6-monatige EURIBOR-Satz1,8% beträgt.Die
für die Replikation des Zinssatzswaps erforderliche festverzinsliche Anleihe weist eine
modifizierte Duration von 1,927 auf. Wie hoch muss der Nominalbetrag des Zinssatzswaps
sein,damitdasZinsänderungsrisikodesAnleiheportfoliosbeseitigtwird?

Lösung
Die modifizierte Duration der variabel verzinslichen Anleihe von 0,496 lässt sich wie folgt
bestimmen:
0;5
MDURVA D   D 0;496:
0;018
1C
2
Die modifizierte Duration des Payer Swaps liegt bei 1;431:
MDURPayer Swap D 0;496  1;927 D 1;431:
14.3 Währungsswaps 67

Um das Zinsänderungsrisiko des Anleiheportf olios vollständig zu beseitigen, ist bei einer
modifiziertenZieldurationvon0einNominalbetragdesZinssatzswaps von
EUR 157,233 Mio. erforderlich:
 
0  4;5
NB D  EUR 50 Mio: D EUR 157;233 Mio:
1;431
Der Nominalbetrag des Swaps lässt sich reduzieren, indem ein Payer Swap mit einer
längeren Laufzeit als 2 Jahre gewählt wird.

14.3 Währungsswaps

Bei einem Währungsswap werden zusätzlich zu den auf zwei verschiedene Währungen
lautenden Nominalbeträgen zu Beginn und am Ende der Laufzeit auch die periodischen Zinsen
auf den zu Laufzeitbeginn erhaltenen Nominalbetrag getauscht. Dabei unterschei- det man die
folgendenvierArtenvonWährungsswaps:
25

 Swapsatz in einer Währung gegen Swapsatz in einer anderen Währung,


 Swapsatz in einer Währung gegen variablen Referenzzinssatz in einer anderen Wäh- rung,

 variabler Referenzzinssatz in einer Währung gegen Swapsatz in einer anderen Währung


und
 variabler Referenzzinssatz in einer Währung gegen variablen Referenzzinssatz in einer
anderen Währung.

14.3.1 KomparativeVorteileundWährungsrisiken

Währungsswaps werden oftmals aufgrund komparativer Vorteile abgeschlossen, die auf einen
unterschiedlich guten Zugang der Marktteilnehmer auf Teilbereiche des Kapital- markts
zurückgeführtwerdenkönnen. 26
SozumBeispielerhaltendasdeutscheUnterneh-
menDeltaAGmiteinemAA-RatingunddasschweizerischeUnternehmenGammaAG
mit einem BB-Rating unterschiedliche Zinskonditionen für einen 5-jährigen festverzinsli-
chenKreditinDeutschlandundinderSchweiz,dienachstehendaufgeführtsind:

Unternehmen Fester EUR-Zinssatz Fester CHF-Zinssatz


Delta AG (AA-Rating) 3,0 % 3,4 %
Gamma AG (BB-Rating) 4,0 % 3,6 %

DadieDeltaAGimVergleichzurGammaAGübereinehöhereBonitätverfügt,erhältsie
sowohlfürdenEurokreditalsauchfürdenaufSchweizerFrankenlautendenKredit

25
Vgl. Abschn. 12.5.1.2 .
26
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 167.
6 14 Swaps

bessere Zinskonditionen auf dem Kapitalmarkt. Delta benötigt einen Kredit von CHF 22;2
Mio., während Gamma einen Kredit von EUR 20 Mio. braucht. Der aktuelle Wechselkurs liegt
beiEUR/CHF 0;9009 (Preisnotierung). Bei einer Kreditaufnahme in Schweizer Fran-
ken bezahlt Delta einen Zinssatz von 3,4 %. Gamma hingegen kann einen Eurokredit zu
4,0 % aufnehmen.
Aufgrund der höheren Bonität besitzt Delta einen Zinsvorteil bei der Geldaufnahme in
Euro von 1,0 % (D 4;0 %  3;0 %).DerZinsvorteilbeimSchweizerFrankenistgeringerD
und liegt bei nur 0,2 % ( %  3;4 %).SomitverfügtDeltaübereinenkomparati-3;6
ven Finanzierungsvorteil im Euroraum, während Gamma einen solchen Vorteil für die
Kreditaufnahme inSchweizer Fr anken aufweist. Beide Unter nehmen finanzieren sich auf dem
jeweiligen Kapitalmarkt, auf dem sie einen komparativen Vorteil haben. So nimmt Delta einen
KreditvonEUR20Mio.zu3,0%undGammaeinenKreditvonCHF
22;2
Mio.zu3,6%auf.DanachschließenbeideUnternehmeneinenWährungsswapab,beidemsiedie
auf dem Kreditmarkt aufgenommenen Geldbeträge zum aktuellen Wechsel- kurs von
EUR/CHF
tauschen.AufdieseWeiseerhaltensiedieFinanzierunginder
0;9009
gewünschtenWährung.DieausdieserKonstruktionhervorgehendejährlicheKostener-sparnis
von 0,8 % ergibt sich analog zum Zinssa tzswap aus der Zinssatzdifferenz für dieGeldaufnahme
im Euroraum von 1,0 % abzüglich der Zinssatzdifferenz im Schweizer- Franken-Raum von 0,2
%.

EsgibtverschiedeneMöglichkeitenderAusgestaltungeinesWährungsswaps.DieAuf-
teilungderKostenersparnisvon0,8%hängtzumeinenvondervertraglichenVerein-barung
zwischendenbeidenUnternehmenundzumanderenvonderÜbernahmedesWährungsrisikos
ab.TrittdieBankalsVermittlerfürdenWährungsswapein,kannsiedasWährungsrisiko
vollständigübernehmen.SoetwaerhältDeltaausdemWährungsswapdenfestenEuro-Zinssatz
von3,0%undbezahltimGegenzugdenfestenSchweizer-Franken-Zinssatzvon3,1%.Im
VergleichzurKreditaufnahmeinSchweizerFrankenresultiertdarauseineKostenersparnisvon
0,3%(

D 3;4 %  3;1 %). Gamma hingegen er-


hält beim Währungsswap den festen Schwei zer-Franken-Zinssatz von 3,6 % und bezahlt
den festen Euro-Zinssatz von 3,7 %, was zu einer Finanzierungsersparnis von ebenfalls 0,3 % (
D 4;0 %  3;7 %) führt. Das Finanzinstitut verdient 0,7 % (D 3;7 %  3;0 %) an
den auf Euro lautenden Zinsströmen, während es an den Zinssätzen in Schweizer Franken
einen Verlust von 0,5 % (D 3;6 %  3;1 %) erleidet. Vernachlässigt man den Währungs- D
unterschied, resultiert daraus ein jährlicher Zinsgewinn von 0,2 % ( 0;7 %  0;5 %).
Demnach lässt sich die aus den komparativen Vorteilen und dem Einsatz des Währungs-
swaps hervorgehende Kostenerspar nis von 0,8 % wie folgt aufteilen:
Delta: Kapitalkostenreduktion bei der Kreditaufnahme in Schweizer 0,3 %. Franken von

 Gamma: Kapitalkostenreduktion bei der Geldaufnahme in Euro von 0,3 %.


 Finanzinstitut:NettogewinnausdemWährungsswapvon0,2%.

Abb. 14.9 visualisiert die Kreditaufnahme der beiden Unternehmen und den abgeschlos- senen
bilateral gehandelten Währungsswap. Im Beispiel ist das Finanzinstitut dem
14.3 Währungsswaps 69

Währungsswap

3,0 % EUR 3,7 % EUR

Delta AG 3,1 % CHF Finanzinstitut 3,6 % CHF Gamma AG

3,0 % EUR 3,6 % CHF

Aufnahme des Aufnahme des


festverzinslichen festverzinslichen
Kredits in Euro Kredits in
auf- grund des Schweizer Franken
kompa- rativen Vorteils aufgrund des
komparativen Vorteils

Abb.14.9 Zinskosten aus der Kreditaufnahme kombini ert mit einem von einem Finanzinstitut ver-
mittelten bilateral gehandelten Währungsswap

Währungsrisiko ausgesetzt, da der jährliche Nettogewinn von 0,2 % das Ergebnis von zwei
Währungen ist. Um das Währungsrisiko zu eliminieren, kann das Finanzinstitut die Schweizer
FrankenausdemZinsverlustvonCHF
111:000 (D 0;005  CHF 22;2 Mio:)
über ein Termingeschäft gegen Euro kaufen. Auf diese Weise sichert sich das Institut einen
Nettogewinn in Euro, der aus dem Zinsgewinn der Euro-Zinsströme von EUR 140:000
(D 0;007  EUR 20 Mio: ) abzüglich des für den Terminkauf von CHF 111:000 er-
forderlichen Euro-Betrags besteht. In der Regel wird der Währungsswap zwischen
den Vertragsparteien derart ausgestaltet, dass das Finanzinstitut das Währungsrisiko
übernimmt, da es am besten in der Lage ist, dieses Risiko aufgrund des vorhandenen
Know-hows abzusichern.
DasKonzeptdeskomparativenVorteilsaufdenKreditmärktenlässtsichohneweiteresauf
Geld-undKapitalanlageninunterschiedlichenWährungenübertragen.Erhaltendie
MarktteilnehmerinverschiedenenTeilbereichendesMarktesunterschiedlicheZinskon-
ditionen,könnensieaufdemjenigenTeilmarkteineGeldanlagetätigen,aufdemsieeinen
komparativenVorteilhaben.UmdiegewünschteWährungsexpositionzuerhalten,könnensie
anschließendeinenWährungsswapeingehenundsoeinenZinsgewinnerzielen.

Mithilfe von Zinssatzswaps lassen sich die komparativen Vorteile nicht immer voll-
ständig ausnutzen, da Ausfall- und Bonitätsrisiken bestehen.27 Demgegenüber können
komparative Vorteile, die auf unterschiedliche Zinskonditionen und Währungen zurück-
zuführen sind, durch einen Währungsswap umgesetzt werden. Der Grund liegt darin, dass der
ZugangderMarktakteureaufzweiMärktemitverschiedenenWährungennichtgleichgutist.So
etwaexistierenunterschiedlicheSteuersätzeundKapitalmarktzugangs-

27
Vgl. Abschn. 14.2.1 .
70 14 Swaps

regelungen für In- und Ausländer, was kompa rative Vorteile zur Folge hat. Beschließt zum
Beispiel ein Land, ausländische Marktteilnehmer bei der Kreditaufnahme steuerlich zu
benachteiligen, dann können inländische Ma rktakteure den Kredit zu relativ besse- ren
Konditionen aufnehmen und danach einen Währungsswap mit dem ausländischen
Marktteilnehmer abschließen. Auf diese Weise lassen sich Kostenersparnisse erzielen und
gleichzeitig entgegen der Absicht der Regie rung die höhere Besteuerung von Ausländern
umgehen. Demnach kann eine Steuerbenachteiligung von Ausländern dem Währungs-
swapmarktzueinemWachstumverhelfen.

28

14.3.2 Preis-undWertbestimmung

Zu Beginn der Laufzeit ist der Wert eines Währungsswaps null. Die Preisbestimmung bezieht
sichanalogzueinemZinssatzswapaufdieFestlegungdesSwapsatzes. 29
Bei
einem Floating-to-Floating-Währungsswap ist eine Preisbestimmung nicht möglich, da die
ZinszahlungenaufReferenzzinssätzenbasieren,diezuBeginnjederZinsperiodeneufestgelegt
werden. Während der Laufzeit des Währungsswaps verändern sich die Swap- satzkurven und
der Wechselkurs, was dazu führt, dass das Derivat einen positiven oder negativen Wert
annehmen kann. Der Wert eines Währungsswaps lässt sich analog zu ei- nem Zinssatzswap
entwedermitzweiAnleihenodermiteinemPortfoliovonForwardsberechnen.

Die folgenden Ausführungen zeigen, wie man den Wert eines Währungsswaps mit zwei
Anleihen ermittelt.30 ErhältmanbeispielsweisediefestenodervariablenZinszahlungeninder
Fremdwährung(Long-Position)undbezahltdiefestenodervariablenZinseninder
Heimatwährung(Short-Position),mussvomPreisderAnleiheinderFremdwährung,derüber
denWechselkursindieHeimatwährungumgerechnetwird,derAnleihepreisinder
Heimatwährungabgezogenwerden:
31

Vt, Swap D Bt, F St, H/F  Bt, H ; (14.12)

wobei:

Bt, F D Preis der festverzinslichen oder der variabel verzinslichen Anleihe in der Fremd-
währung zum Zeitpunkt t,
St, H/F D Wechselkurs (angegeben als Preisnotierung: erforderliche Einheiten der Heimat-
währung für eine Einheit der Fremdwährung) zum Zeitpunkt t,
Bt, H D Preis der festverzinslichen oder der vari abel verzinslichen Anleihe in der Hei-
matwährung zum Zeitpunkt t.

28
Vgl. Bösch 2014 : Derivate: Verstehen, anwenden und bewerten, S. 247.
29
Vgl. Abschn. 14.2.3 .
30
FürdieWertberechnungeinesFixed-to-Fixed-WährungsswapsmiteinemPortfoliovonFremd-
währungstermingeschäftenvgl.z.B.Hull 2006:Options,Futures,andOtherDerivatives,S.170ff.
31
Vgl. Chance 2003 : Analysis of Derivatives for the CFA ® Program, S. 294 ff.
14.3 Währungsswaps 71

Der Wert eines Währungsswaps, bei dem man die festen oder variablen Zinsen in der Hei-
matwährung erhält (Long-Position) und die entsprechenden Zinszahlungen in der Fremd-
währungleistet(Short-Position),lässtsichdemnachwiefolgtberechnen:

Vt, Swap D Bt, H  Bt, F St, H/F : (14.13)

Beispiel
Preis- und Wertbestimmung eines Währungsswaps
Es liegt ein EUR-CHF-Währ ungsswap mit einer Laufzeit von 2 Jahren vor. Zu Lauf-
zeitbeginnwerdenEUR100Mio.gegenCHF 111:111:111 getauscht. Der Wechselkurs
beträgt EUR/CHF 0;90 (Preisnotierung). Die Zinszahlungen erfolgen halbjährlich. Die
aktuelle EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve für den Euro weist den folgenden Ver-
lauf auf:
 6-Monatssatz: 2 %,
 12-Monatssatz: 2,2 %,
 18-Monatssatz: 2,5 %,
 24-Monatssatz: 2,7 %.

DieaktuelleLIBOR-Nullkupon-SwapsatzkurvefürdenSchweizerFrankenverfügtüberdie
folgendenZinssätze:

 6-Monatssatz: 1 %,
 12-Monatssatz: 1,2 %,
 18-Monatssatz: 1,4 %,
 24-Monatssatz: 1,6 %.

Nach 4 Monaten hat sich die EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve für den Euro fol-
gendermaßengeändert:

 2-Monatssatz: 2,2 %,
 8-Monatssatz: 2,5 %,
 14-Monatssatz: 2,8 %,
 20-Monatssatz: 3,0 %.

Nach 4 Monaten lautet die LIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve für den Schweizer Fran- ken
wiefolgt:

 2-Monatssatz: 1,1 %,
 8-Monatssatz: 1,4 %,
 14-Monatssatz: 1,6 %,
 20-Monatssatz: 2,0 %.

Nach 4 Monaten beläuft sich de r Wechselkurs auf EUR/CHF 0;88 (Preisnotierung).


72 14 Swaps

1. Wie hoch ist der Preis des Währungsswaps (also der Swapsatz) für den Euro und den
SchweizerFranken?
2. Wiehochistnach4MonatenderWertdesWährungsswapsbeiallenvierSwaparten(alsofest
gegenfest,festgegenvariabel,variabelgegenfestundvariabelgegenvariabel)ausderSicht
desEuro-Investors?

Lösungzu1
Um den Preis des Währungsswaps zu bestimmen, sind die Swapsätze für den Euro und den
Schweizer Franken anhand der entsprechenden Swapsatzkurven zu berechnen. Die
Diskontfaktoren der EURIB OR-Nullkupon-Swapsatzkurve können wie folgt ermittelt
werden:

1
DF6 Monate D D 0;9901;
1 C 0;02  .6 Monate=12 Monate/
1
DF12 Monate D D 0;9785;
1 C 0;022  .12 Monate=12 Monate/
1
DF18 Monate D D 0;9639;
1 C 0;025  .18 Monate=12 Monate/
1
DF24 Monate D D 0;9488:
1 C 0;027  .24 Monate=12 Monate/

Der halbjährliche Swapsatz für den Euro liegt bei 1,32 %:

EUR 1  EUR 1  0;9488


SSEUR D D 0;0132:
EUR 1  .0;9901 C 0;9785 C 0;9639 C 0;9488/

Annualisiert ergibt sich ein Swapsatz für den Euro von 2,64 % (D 2  1;32 %).
Die Diskontfaktoren der LIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve für den Schweizer
Franken lassen sich folgendermaßen festlegen:

1
DF6 Monate D D 0;9950;
1 C 0;01  .6 Monate=12 Monate/
1
DF12 Monate D D 0;9881;
1 C 0;012  .12 Monate=12 Monate/
1
DF18 Monate D D 0;9794;
1 C 0;014  .18 Monate=12 Monate/
1
DF24 Monate D D 0;9690:
1 C 0;016  .24 Monate=12 Monate/

Der halbjährliche Swapsatz für den Schweizer Franken beträgt 0,79 %:

CHF 1 CHF 1  0;9690


SSCHF D D 0;0079:
CHF 1  .0;9950 C 0;9881 C 0;9794 C 0;9690/
14.3 Währungsswaps 73

Annualisiert resultiert daraus ein Swapsat z für den Schweizer Franken von 1,58 % (D
2  0;79 %).

Lösungzu2
In einem ersten Schritt werden die Preise der festverzinslichen und der variabel verzins-
lichen Anleihen für den Euro (Heimatwährung des Investors) ermittelt. Dabei werden
zunächstdieDiskontfaktorennach4Monatenberechnet:

1
DF2 Monate D D 0;9963;
1 C 0;022  .2 Monate=12 Monate/
1
DF8 Monate D D 0;9836;
1 C 0;025  .8 Monate=12 Monate/
1
DF14 Monate D D 0;9684;
1 C 0;028  .14 Monate=12 Monate/
1
DF20 Monate D D 0;9524:
1 C 0;03  .20 Monate=12 Monate/

Der Preis der festverzinslichen Anleihe besteht aus den vier festen Kuponzahlungen von je
EUR1,32Mio.( D  EUR 100 Mio:)unddemNominalwertvonEUR100
0;0132
Mio., die zum Bewertungszeitpunkt (also nach 4 Monaten) diskontiert werden:

Bt, H, FA D EUR 1;32 Mio:  .0;9963 C 0;9836 C 0;9684 C 0;9524/


C EUR 100 Mio:  0;9524 D EUR 100:388:924:

DerPreisdervariabelverzinslichenAnleiheergibtsichausdemBarwertderKu-ponzahlung
in2MonatenvonEUR1Mio.( D 0;02=2  EUR 100 M i o: ) plus dem
diskontierten Nominalwert von EUR 100 Mio.:

Bt, H, VA D EUR 1 Mio:  0;9963 C EUR 100 Mio:  0;9963 D EUR 100:626:300:

In einem zweiten Schritt sind die Preise der festverzinslichen und der variabel verzins- lichen
Schweizer-Franken-AnleihenzubestimmenundanschließendzumaktuellenWechselkurs
in einen Euro-Betrag umzurechnen. Hierzu sind zunächst die Diskont- faktoren nach 4
Monatenfestzulegen:

1
DF2 Monate D D 0;9982;
1 C 0;011  .2 Monate=12 Monate/
1
DF8 Monate D D 0;9908;
1 C 0;014  .8 Monate=12 Monate/
1
DF14 Monate D D 0;9817;
1 C 0;016  .14 Monate=12 Monate/
1
DF20 Monate D D 0;9677:
1 C 0;02  .20 Monate=12 Monate/
74 14 Swaps

Der Preis der festverzinslichen Anleihe ergibt sich aus dem Barwert der vier Kuponzah-
lungenvonjeCHF 877:778 (D 0;0079  CHF 111:111:111) und aus dem diskontierten
Nominalwert:

Bt, F, FA D CHF 877:778  .0;9982 C 0;9908 C 0;9817 C 0;9677/


C CHF 111:111:111  0;9677 D CHF 110:979:263:

Zum aktuellen Wechselkurs von EUR/CHF 0;88 resultiert ein Preis der festverzinsli-
chen Anleihe von EUR 97:661:751:

Bt, F, FA in EUR D EUR=CHF 0;88  CHF 110:979:263 D EUR 97:661:751:

Der Preis der variabel verzinslichen Anleihe setzt sich aus dem Kupon von CHF 555:556
(D 0;01=2  CHF 111:111:111) und dem Nominalwert von CHF 111:111:111 zusam-
men, die zum Bewertungszeitpunkt (also nach 2 Monaten) diskontiert werden:

Bt, F, VA D .CHF 555:556 C CHF 111:111:111/  0;9982 D CHF 111:465:667:

Umgerechnet zum aktuellen Wechselkurs von EUR/CHF 0;88, beläuft sich der Preis
der variabel verzinslichen Schwe izer-Franken-Anleihe auf EUR 98:089:787:

Bt, F, VA in EUR D EUR=CHF 0;88  CHF 111:465:667 D EUR 98:089:787:

Somit ergeben sich nach 4 Monaten aus der Sicht des Euro-Investors die folgenden Werte für
dievierArtenvonFremdwährungsswaps:

Vt, erhält fest EUR und bezahlt fest CHF D EUR 100:388:924  EUR 97:661:751
D EUR 2:727:173;
Vt, erhält fest EUR und bezahlt variabel CHF D EUR 100:388:924  EUR 98:089:787
D EUR 2:299:137;
Vt, erhält variabel EUR und bezahlt fest CHF D EUR 100:626:300  EUR 97:661:751
D EUR 2:964:549;
Vt, erhält variabel EUR und bezahlt variabel CHF D EUR 100:626:300  EUR 98:089:787
D EUR 2:536:513:

Für den Euro-Investor entstehen demnach positi ve Werte (aufgelaufene nicht-realisierte


Gewinne), die Vermögenspositionen darstellen. Die nicht-realisierten Gewinne gehen auf
die veränderten Swapsatzkurven und insbesondere auf die Abschwächung des Schweizer
Frankens gegenüber dem Euro zurück. Für die Gegenpartei des Swaps gelten die gleichen
Swapwerte, aber mit ein em Minuszeichen. Folglich handelt es sich um aufgelaufene
nicht-realisierteVerlustebzw.umSchuldpositionen.
14.3 Währungsswaps 75

Bilanz
Aktiven Passiven

festverzinsliche
Anleihe von 3%
EUR 100 Mio.

Währungsswap
Laufzeitbeginn:
• bezahlt Nominalbetrag EUR 100 Mio.
• erhält Nominalbetrag GBP 74 Mio.

Jährliche Zinszahlungen:
• bezahlt GBP-Swapsatz 3%
• erhält EUR-Swapsatz 2,5 %
Laufzeitende:
• bezahlt Nominalbetrag GBP 74 Mio.
• erhält Nominalbetrag EUR 100 Mio.

Abb.14.10 Transformation einer Euro-Anleihe in eine Pfund-Verbindlichkeit mithilfe eines Wäh-


rungsswaps

14.3.3 Risikomanagementstrategien

Währungsswaps können sowohl für die Steuerung von Währungsrisiken als auch für das
Management von Zinsänderungsrisiken eingesetzt werden, da neben Währungen auch Zinsen
ausgetauscht werden. Decken sich di e bezahlten Zinsströme nicht, weil etwa feste gegen
variable Zinsen gewechselt werden, fallen sowohl Währungs- als auch Zinsrisiken an. Werden
hingegen feste gegen feste oder variable gegen variable Zinsen getauscht, steht das
WährungsrisikoimFokusderRisikosteuerung.

Währungsswapskönnenverwendetwerden,umVerbindlichkeitenundGeldanlagenindie
gewünschteWährungsexpositionzutransformieren.BestehtbeispielsweiseeineZins-
zahlungsverpflichtungineinerWährung,kannsiedurcheinenWährungsswapineine
ZinszahlungsverpflichtungeineranderenWährungumgewandeltwerden.ZumBeispielhatein
deutschesmultinationalesUnternehmeneineAnleihevonEUR100Mio.zueinemZinssatzvon
3%emittiert.DieRestlaufzeitderAnleiheliegtbei6Jahren.InfolgeeinesGeschäftsausbausin
GroßbritannienbenötigtdasUnternehmenbritischesPfund.UmdenFinanzierungsbedarfin
britischemPfundzudecken,schließtdasUnternehmeneinen6-jährigenWährungsswapab,bei
demzumeinendieNominalbeträgevonEUR100Mio.gegenGBP74Mio.undzumanderender
SwapsatzfürdenEurovon2,5%gegendenSwapsatzfürdasbritischePfundvon3%jährlich
getauschtwerden.MithilfedesSwapstransformiertdasUnternehmendiefestverzinsliche
Euro-AnleiheineinefestverzinslichePfund-Verpflichtung.Abb. 14.10visualisiertdiese
Konstruktion.

DasUnternehmenbezahltaufdenerhaltenenNominalbetragvonGBP74Mio.6Jahrelang
einenfestenZinssatzvon3%.DieZinsenausderemittiertenfestverzinslichenEuro-Anleihe
von3%werdengrößtenteilsdurchdieZinseinnahmenausdemWährungsswap
76 14 Swaps

von 2,5 % gedeckt, sodass lediglich eine Zinsverpflichtung in Euro von 0,5 % pro Jahr verbleibt.
AmLaufzeitendedesWährungsswapstauschtdasUnternehmendieNominal-beträgevonGPB
74 Mio. gegen EUR 100 Mio. zurück. Mit den aus dem Swap erhaltenen EUR 100 Mio. wird die
festverzinsliche Anleihe getilgt. Das Beispiel zeigt, dass mithilfe des Währungsswaps die
Euro-Anleihe mit ein em Zinssatz von 3 % in eine festverzinsli- che Schuldposition mit einem
GBP-Zinssatzvon3%undeinemEUR-Zinssatzvon0,5%transformiertwird.Somitkonnteder
Euro-KreditweitestgehendineinenPfund-Kreditumgewandeltwerden.

NichtnurVerbindlichkeiten,sondernauchVermögenspositionenlassensichmithil-feeines
WährungsswapsindiegewünschteWährungumformen.Dabeisprichtmanvoneinem
Asset-Währungsswap.SozumBeispielbesitzteineschweizerischePensionskas-seeinen
BestandanUS-amerikanischenAnleihenmiteinemNominalbetragvonUSD100Mio.,einer
Restlaufzeitvon6JahrenundeinerVerzinsungvon2,7%.DiePensions-kasseerwartet,dasssich
derUS-DollargegenüberdemSchweizerFrankenabschwächt.Umsichgegendenerwarteten
Währungsverlustabzusichern,schließtsieeinen6-jährigenWährungsswapab,beidemzum
aktuellenWechselkursvonCHF/USD0,98(Preisnotie-rung)USD100Mio.inCHF

98 Mio.getauschtwerden.Der6-jährigeSwapsatzfürden
US-Dollarbeträgt2,5%,währendderentsprechendeSwapsatzfürdenSchweizerFran-
ken bei 1,5 % liegt. Abb. 14.11 zeigt den Asset-Währungsswap. Im Verlauf der nächsten 6 Jahre
erhält die Pensionskasse auf dem US-amerikanischen Anleiheportfolio 2,7 % und bezahlt den
US-Dollar-Swapsatz von 2,5 %. Im Gegenzug erhält sie von der Gegenpartei des Swaps den
Schweizer-Franken-Swapsatz von 1,5%. Somitwird die festverzinslicheAnleihe in US-Dollar
in eine festverzinslicheSchweizer-Franken-Anlage zu 1,5 % plus einem USD-Zinssatz von 0,2
%transformiert.AmEndederSwaplaufzeitwerdendieNo-minalbeträgevonUSD100Mio.und
CHF

98 Mio. zurückgetauscht. Demnach besitzt


die Pensionskasse wieder einen Anlagebetrag von USD 100 Mio. Das Beispiel zeigt den
Einsatz eines Währungsswaps zur Absicherung von Währungsrisiken.
WährungsrisikenlassensichanstattmitDerivatenauchmiteinemVerkaufderaufdie
entsprechendeWährunglautendenrisikobehaftetenAnlagebewerkstelligen.Dennoch
sprechendiefolgendenGründefürdenEinsatzvonWährungsswaps:

 Transaktionskosten: Im Vergleich zu den B asiswertpositionen sind bei Derivaten die


Transaktionskostenwesentlichniedriger.
 Strategische Asset-Allokation: Mit Derivaten lassen sich Risiken über einen bestimm- ten
Zeitraum absichern, ohne die strategische Asset-Allokation des Portfolios verän- dern zu
müssen.
 Beibehaltung bestehender Verträge: In einigen Fällen sind Geldanlagen zeitlich deter-
miniert und können nicht oder lediglich mit Kosten vorzeitig aufgelöst werden (z. B.
Terminanlagen).
 Trennung von Marktpreis- und Währungsrisiken: Erwartet die Pensionskasse im oben
stehenden Beispiel fallende Zinsen in den USA, führt dies zu einem Wertanstieg des
Anleiheportfolios.EinVerkaufdesPortfolios,umdieWährungsrisikenabzusichern,
14.4 EquitySwaps 77

Bilanz Pensionskasse
Aktiven Passiven

festverzinsliche
2,7 % Anleiheposition
von USD 100 Mio.

Währungsswap
Laufzeitbeginn:
• bezahlt Nominalbetrag USD 100 Mio.
• erhält Nominalbetrag CHF 98 Mio.

Jährliche Zinszahlungen:
• bezahlt USD-Swapsatz 2,5 %
• erhält CHF-Swapsatz 1,5 %
Laufzeitende:
• bezahlt Nominalbetrag CHF 98 Mio.
• erhält Nominalbetrag USD 100 Mio.

Abb.14.11 Asset-Währungsswap zur Absicherung von Währungsrisiken bei einem festverzinsli-


chen Anleiheportfolio

würde die Gewinne aus einer erwarteten Marktwertzunahme des Anleiheportfoli-


os zunichtemachen. Die Steuerung der Währungsrisiken mit einem Währungsswap
hingegen erlaubt eine Trennung von Marktpreis- und Währungsrisiken. Mit einem
Fixed-to-Fixed-WährungsswapwirdlediglichdasWährungsrisikoeliminiert.Damitdurch
den Swap ein Gewinn aus den rückläufigen USD-Zinsen entstehen kann, ist ein
Fixed-to-Floating-Währungsswap abzuschließen, bei dem die Pensionskasse den bezahlt
unddenSchweizer-Franken-Swapsatz
variablen USD-Zinssatz erhält. Ge-
hen die US-Zinsen wie erwartet zurück, resultiert aus der Marktwertzunahme des
US-Anleiheportfolios und aus den rückläufigen variablen USD-Zinsen der Swapver-
einbarung ein Gewinn. Somit ist ein Fixed-to-Fixed-Währungsswap nicht geeignet, um die
Zinserwartung mit einem Gewinn umzusetzen, da der feste US-Swapsatz unabhängig von
denfallendenZinssätzenbezahltwerdenmuss.

 Komparative Vorteile: Der unterschiedlich gute Zugang der Marktteilnehmer zu ver-


schiedenenTeilbereichendesKapitalmarktsführtzukomparativenVorteilen,diemit-hilfevon
Swapsausgenutztwerdenkönnen. 32

14.4 EquitySwaps

In einem Equity Swap wird die Rendite eines Aktienindex gegen einen festen oder va- riablen
Zinssatz getauscht. Die Zahlungen basieren auf einem fiktiven Nominalkapital (gleich wie bei
einemZinssatzswap).EquitySwapserlaubendemPortfoliomanager,die

32
Vgl. Abschn. 14.3.1 .
7 14 Swaps

ExpositionzueinemAktienindexzuerhöhenoderzureduzieren,ohnediedafürerfor-derlichen
Aktienzukaufenoderzuverkaufen. 33
Nachfolgend werden die Preis- und
Wertbestimmung sowie die Risikomanagementstrategien von Equity Swaps beschrieben.

14.4.1 Preis-undWertbestimmung

Die nachstehende Preis- und Wertbestimmung bezieht sich auf die folgenden drei Arten von
EquitySwaps:

1. Erhalt einer Aktienrendite gege n Bezahlung eines fes ten Swapsatzes,


2. Erhalt einer Aktienrendite gegen Bezahlung eines variablen Referenzzinssatzes und
3. ErhaltderRenditeeinerAktiegegenBezahlungderRenditeeineranderenAktie.

1. Die Cashflows eines Equity Swaps, bei dem man die Aktienrendite empfängt und den festen
Swapsatz entrichtet, lassen sich durch eine Geldaufnahme zum festen Swap- satz und eine
Aktienanlagereplizieren. 34
ImFolgendenwirddavonausgegangen,dass
derEquitySwapeinenNominalbetragvonEUR1undeineLaufzeitvon2Jahren
besitzt, wobei die Zahlungsströme jährlich stattfinden. Des Weiteren wird unterstellt,
dass sich in 1 und in 2 Jahren die Aktienrenditen auf 10 % und 20 % belaufen, was
zu einem Geldeingang von EUR 0,10 in 1 Jahr und von EUR 0,20 in 2 Jahren führt.
Würde man, anstatt einen Equity Swap abzuschließen, die Aktie zu EUR 1 kaufen,
kann die Rendite von 10 % am Ende des 1. Jahres nur realisiert werden, wenn das
Wertpapier zu EUR 1,10 verkauft wird. Ohne die Veräußerung der Aktie lässt sich
der Cashflow des Equity Swaps von EUR 0,10 in 1 Jahr nicht nachbilden. Am Ende
des Jahres wird wieder EUR 1 in die Aktie investiert. Bei einer Rendite von 20 %
ergibt sich ein Aktienwert von EUR 1,20. Der Verkauf der Aktienposition führt zu
einem
1. Gewinn von EUR 0,20, der dem Cashflow der Aktienseite des Equity Swaps
am En- de des 2. Jahres entspricht. Allerdings verbleibt ein Wert von EUR 1. Somit
lässt sich der Cashflow eines Equity Swaps mit dem Kauf einer Aktie nicht
nachbilden. Viel- mehr ist für den Aktienkauf ein festverzinslicher Kredit notwendig,
der in 2 Jahren zu EUR 1 zurückbezahlt wird. Die jährlichen Zinszahlungen des
Kredits spiegeln die festen Swapsatzzahlungen wider. Demnach besteht ein Equity
Swap aus einer Long- Aktienposition und einer Short festverzinslicher Anleihe,
dessen Wert zu Beginn der Swaplaufzeit null ist:

0 D E0  B0, FA ; (14.14)
wobei:
E0 D aktuellerWertderLong-AktienpositionzuBeginnderSwaplaufzeit,B
D PreisderfestverzinslichenAnleihezuLaufzeitbeginn. 0,
FA
33
Vgl. Abschn. 12.5.1.2 .
34
Vgl. Watsham 1998 : Futures and Options in Risk Management, S. 491.
14.4 EquitySwaps 79

Geht man von einem Wert der Long-Aktienposition von EUR 1 und einem Nomi- nalbetrag
der festverzinslichen Anleihe von ebenfalls EUR 1 aus, lässt sich die oben stehende
Gleichungwiefolgtschreiben:

X
n
EUR 0 D EUR 1  SS  EUR 1  DF t  EUR 1  DFn ; (14.15)
tD1

wobei:
SS D Swapsatz,
DF t D Diskontfaktor für die Periode t.

WirddieGleichungnachdemSwapsatzSSaufgelöst,erhältmandenPreisdesEquitySwaps,
dermitdemPreiseinesZinssatzswapsundeinesWährungsswapsidentischist:

EUR 1  EUR 1  DFn


SS D P : (14.16)
EUR 1  ntD1 DF t

Zu Laufzeitbeginn ist der Wert eines Equity Swaps null. Während der Laufzeit verän- dert
sich infolge von Aktien- und Anleihepreisänderungen der Wert des Swaps, der so einen
positiven oder negativen Wert annehmen kann. Der Wert des Equity Swaps, bei dem man die
Aktienrendite erhält und den f esten Swapsatz bezahlt, kann während der Laufzeit wie folgt
bestimmtwerden:

V t D E t  Bt, FA ; (14.17)

Et D Preis der Long-Aktienposition zum Zeitpunkt t,


Bt, FA D Preis der Short festverzinslichen Anleihe zum Zeitpunkt t.

Handelt es sich bei der Aktienposition zum Beispiel um einen Aktienindex, lässt sich deren
Preis zum Zeitpunkt t festlegen, indem der fiktive Nominalbetrag des Swaps mit dem
aktuellen Preis des Aktienindex zum Zeitpunkt t multipliziert und anschließend durch den
Preis des Aktienindex zum Zeit punkt 0 (bzw. vorangegangenen Zahlungs- termin des
Swaps)dividiertwird:

NB EI t
Et D ; (14.18)
EI0

wobei:
NB D fiktiver Nominalbetrag des Equity Swaps,
EI D PreisdesAktienindexzumZeitpunktt, t
EI0 D Preis des Aktienindex zum Zeitpunkt 0 (bzw. vorangegangenen Zahlungstermin
des Swaps).
0 14 Swaps

Beispiel
Preis- und Wertbestimmung eines Equity Swaps (Erhalt Aktienindexrendite und
BezahlungfesterSwapsatz)
EinEquitySwap,beidemdieRenditedesDAXgegendenfestenSwapsatzjährlichgetauscht
wird, weisteineLaufzeit von 2 Jahren auf.DerfiktiveNominalbetragbeläuftsichaufEUR10
Mio. Zu Laufzeitbeginn des Swaps liegt der DAX bei 9700 Punkten. Die
EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurvelautetwiefolgt:

 12-Monatssatz: 2 %,
 24-Monatssatz: 2,5 %.

Nach 5 Monaten liegt die folgende EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve vor:

 7-Monatssatz: 2,2 %,
 19-Monatssatz: 2,9 %.

1. Wie hoch ist der Preis des Equity Swaps?


2. WiehochistderWertdesEquitySwapsnach5Monaten,wennderDAXeinenIndexstand
von10.500Punktenaufweist?

Lösungzu1
DerPreisdesEquitySwapsentsprichtdemSwapsatz.Umdiesenzuberechnen,sindzunächst
dieDiskontfaktorenzubestimmen:

1
DF12 Monate D D 0;9804;
1 C 0;02  .12 Monate=12 Monate/
1
DF24 Monate D D 0;9524:
1 C 0;025  .24 Monate=12 Monate/
Der Swapsatz beläuft sich auf 2,46 %:
EUR 1  EUR 1  0;9524
SS D D 0;0246:
EUR 1  .0;9804 C 0;9524/

Lösungzu2
UmdenWertdesEquitySwapsnach5Monatenzuermitteln,sindzuerstdieDiskont-faktoren
festzulegen:

1
DF7 Monate D D 0;9873;
1 C 0;022  .7 Monate=12 Monate/
1
DF19 Monate D D 0;9561:
1 C 0;029  .19 Monate=12 Monate/
14.4 EquitySwaps 1

Der Preis der festverzinslichen Anleihe in 5 Monaten von EUR 10:039:076 setzt
sich aus dem Barwert der zwei Kuponzahlungen von je EUR 246:000 (D 0;0246 
EUR 10 Mio ) und dem diskontierten Nominalbetrag zusammen: :

Bt, FA D EUR 246:000  .0;9873 C 0;9561/ C EUR 10:000:000  0;9561


D EUR 10:039:076:

Der Preis der Aktienindexposition von EUR 10:824:742 kann folgendermaßen berech-
netwerden:

EUR 10:000:000  10:500


Et D D EUR 10:824:742:
9700

Der Wert des Equity Swaps von EUR 785:666 ergibtsichausderDifferenzzwischen


dem Preis der Long-Aktienindexposition von EUR 10:824:742 unddemPreisderShort
festverzinslicher Anleihe von EUR 10:039:076:

V t D EUR 10:824:742  EUR 10:039:076 D EUR 785:666:

2. Für einen Equity Swap, bei dem man die Aktienrendite empfängt und den variablen
Referenzzinssatzentrichtet,spieltdiePreisbestimmungkeineRolle,dakeinfesterSwapsatz
getauscht wird, denes zu bestimmen gilt. Zu Beginn der Laufzeit ist der Wert des Swaps null.
Während der Laufzeit verändern sich die Aktienpreise und die Zinssät- ze, was dazu führt,
dass das Derivat einen positiven oder negativen Wert annimmt. Der Wert des Swaps wird
berechnet, indem v om Preis der Long-Aktienposition der Preis der Short variabel
verzinslichen Anleihe abgezogen wird. Der Preis der variabel ver- zinslichen Anleihe setzt
sich aus der nächsten Kuponzahlung und dem Nominalwert der Anleihe am nächsten
Zinszahlungstermin zusammen, die zum Bewertungszeit- punkt diskontiert werden. Der
Nominalwert der Short variabel verzinslichen Anleihe (z. B. von EUR 1)deckt sich mit dem
verbleibenden Kapitalbetrag der Aktie, der nach den realisierten Gewinnen/Verlusten am
Ende jedes Zahlungstermins übrig bleibt. Die so erfolgte Replikation der Cashflows eines
EquitySwapsführtzufolgenderFormelfürdieWertberechnung:

V t D E t  Bt, VA ; (14.19)
Et D Preis der Long-Aktienposition zum Zeitpunkt t,
Bt, VA D Preis der Short variabel verzinslichen Anleihe zum Zeitpunkt t.

Beispiel
Preis- und Wertbestimmung eines Equity Swaps (Erhalt Aktienindexrendite und
BezahlungvariablerReferenzzinssatz)
EinEquitySwap,beidemdieRenditedesDAXgegendenEURIBOR-Satzjährlichgetauscht
wird,besitzteineLaufzeitvon2Jahren.DerfiktiveNominalbetragbeläuft
2 14 Swaps

sich auf EUR 10 Mio. Zu Laufzeitbeginn des Swaps liegt der DAX bei 9700 Punkten. Die
EURIBOR-Nullkupon-SwapsatzkurveweistdenfolgendenVerlaufauf:

 12-Monatssatz: 2 %,
 24-Monatssatz: 2,5 %.

Nach 5 Monaten liegt die folgende EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve vor:

 7-Monatssatz: 2,2 %,
 19-Monatssatz: 2,9 %.

WiehochistderWertdesEquitySwapsnach5Monaten,wennderDAXeinenIndex-standvon
10.500Punktenaufweist?

Lösung
Da es sich um die gleichen Swapsatzkurven wie im vorangegangenen Beispiel handelt,
können die Diskontfaktoren übernommen werden. Der Preis der variabel verzinslichen
AnleihekannanhanddesKuponsvonEUR
200:000 (D 0;02  EUR 10 Mio:) und des
Nominalwerts von EUR 10 Mio. wie folgt bestimmt werden:

Bt, VA D EUR 10:200:000  0;9873 D EUR 10:070:460:

Im vorangegangenen Beispiel wurde ein Preis der DAX-Position von EUR 10:824:742
ermittelt. Demnach beträgt der Wert des Equity Swaps nach 5 Monaten EUR 754:282:

V t D EUR 10:824:742  EUR 10:070:460 D EUR 754:282:

3. Bei der dritten Variante des Equity Swaps handelt es sich um eine Vereinbarung, bei der man
die Rendite einerAktie erhält und di e Rendite einer anderen Aktiebezahlt. Die Cashflows
dieses Derivats lassen sich mit einer Long- und einer Short-Aktienposition nachbilden. So
zum Beispiel werden bei e inem Swap die Renditen von zwei Aktien- indizes getauscht,
wobei man die Renditen des ersten Aktienindex empfängt und des zweiten Index entrichtet.
Um die Cashflows des Equity Swaps nachz ubilden, verkauft man den zweiten Index leer und
erhält zum Beispiel EUR 1. Dieser Geldbetrag aus der Short-Position wird im ersten
Aktienindex angelegt. Beim ersten Zahlungstermin wird die Long-Position veräußert, um
den Ge winn/Verlust zu realisieren. Anschlie- ßend wird der Betragvon EUR 1 wieder im
ersten Index angelegt. Die Short-Position im zweiten Aktienindex wird geschlossen, sodass
daraus ein Gewinn/Verlust entsteht. Danach wird wiederum der Indexleer verkau ft. Diese
Transaktionen werden während der Laufzeit des Derivats an jedem Zahlungstermin
wiederholt. Auf diese Weise lassen sich die Cashflows eines Equity Swaps repliz ieren, bei
dem die Renditen von zwei Ak- tienpositionen getauscht werden. Die Preisb estimmung
spielthierbeikeineRolle,da
14.4 EquitySwaps 3

zu Laufzeitbeginn kein Swapsatz festzulegen ist. Zu Beginn weist der Swap einen Wert von
null auf. Während der Laufzeit verä ndern sich die Preise der Aktienpositionen, was dazu
führt,dasssichderWertdesSwapsändert.Dieserlässtsichfolgendermaßenbestimmen:

V t D E1, t  E2, t ; (14.20)


E1, t D Preis der ersten Long-Aktienposition zum Zeitpunkt t, Preis
E2, t D derzweitenShort-AktienpositionzumZeitpunktt.

Beispiel
Preis-undWertbestimmungeinesEquitySwaps(ErhaltDAX-RenditeundBe-zahlung
HDAX-Rendite)
Ein Equity Swap, bei dem die Rendite des DAX jährlich gegen die Rendite des HDAX
getauscht wird, verfügt über eine Laufzeit von 2 Jahren. Der fiktive Nominalbetrag beläuft
sichaufEUR10Mio.ZuLaufzeitbeginndesSwapsliegenderDAXbei9700Punktenundder
HDAX bei 5212Punkten. Wie hoch ist der Wert des Equity Swaps nach 5 Monaten,wenn der
DAX einen Indexstand von 10.500 Punkten und der HDAX einen Kurs von 5400 Punkten
aufweisen?

Lösung
Der Preis der Short-HDAX-Position l ässt sich wie folgt berechnen:

EUR 10:000:000  5400


EHDAX, t D D EUR 10:360:706:
5212

Im vorangegangenen Beispiel wurde ein Preis der Long-DAX-Position von


EUR 10:824:742 bestimmt. Somit beläuft sich der Wert des Equity Swaps nach 5
Monaten auf EUR 464:036:

V t D EUR 10:824:742  EUR 10:360:706 D EUR 464:036:

14.4.2 ÄnderungderAsset-Allokation

EquitySwapserlaubendemManager,dieAktienallokationineinemPortfolioneuzuge-stalten,
ohneAktienkaufenoderverkaufenzumüssen.DasieeinebegrenzteLaufzeitaufweisen,sindsie
für die taktische Asset-Allokation geeignet, bei der die Zusammen- setzung des
Aktienportfolios aufgrund kurzfristiger Kapitalmarkterwartungen vorüberge- hend geändert
wird. Umdie Strategie nach Fälligkeit des Derivats weiterzuführen, kann ein neuer Swap zu den
vorherrschenden Marktkonditionen abgeschlossen werden. Das folgende Beispiel zeigt, wie
manEquitySwapsfürdieÄnderungderAsset-Allokationeinsetzenkann.
4 14 Swaps

EineVermögensverwaltungsgesellschaftbesitzteinPortfoliomiteinemMarktwertvonEUR
100Mio.DasPortfoliosetztsichaus70%inländischenAktienund30%Bundes-und
Unternehmensanleihenzusammen.InnerhalbdesAktiensektorsbestehteineAlloka-tionvon
AktienmiteinergroßenMarktkapitalisierungvon60%,vonAktienmiteinermittleren
Marktkapitalisierungvon30%undvonBeteiligungspapierenmiteinerklei-nen
Marktkapitalisierungvon10%.DerAnleihesektordesPortfolioshingegenumfasst75%
Bundesanleihenund25%inländischeUnternehmensanleihen.DieVermögensver-
waltungsgesellschaftmöchtedieAllokationin80%inländischeAktienund20%Bundes-und
Unternehmensanleihenändern.DarüberhinausmöchtedieGesellschaftÄnderun-gender
AllokationinnerhalbdesAktiensektorsvornehmen,sodass63,75%inAktienmitgroßer
Marktkapitalisierungund26,25%inAktienmitmittlererMarktkapitalisierungan-gelegt
werden.DieGewichtungvonAktienmiteinerkleinenMarktkapitalisierungwirdbei10%
belassen.DieAllokationinnerhalbdesAnleihesektorssollebenfallsgeändertwerden,undzwar
65%inBundesanleihenund35%ininländischeUnternehmensanlei-hen.Nachstehendsinddie
aktuelleunddieangestrebteAsset-AllokationsowiediedazuerforderlichenTransaktionenfür
denKaufundVerkaufaufgeführt.

Aktuelle Asset- Angestrebte Asset- Transaktionen


Allokation Allokation
Aktien EUR 70 Mio. EUR 80 Mio.
Große Marktkapitalisierung EUR 42 Mio. EUR 51 Mio. Kauf EUR 9 Mio.
Mittlere Marktkapitalisierung EUR 21 Mio. EUR 21 Mio. keine
Kleine Marktkapitalisierung EUR 7 Mio. EUR 8 Mio. Kauf EUR 1 Mio.
Anleihen EUR 30 Mio. EUR 20 Mio.
Bundesanleihen EUR 22,5 Mio. EUR 13 Mio. VerkaufEUR9,5Mio.
Unternehmensanleihen EUR 7;5 Mio. EUR 7 Mio. VerkaufEUR0,5Mio.

UmdieAsset-AllokationdesPortfoliosvorübergehendzuändern,werdenSwapsein-
gesetzt,weildieseimVergleichzumKaufundVerkaufvonAktienundAnleihengünstigersind
unddieUmsetzungeinfacherist.DieRenditederAktienmitgroßerMarktkapitali-sierunglässt
sichmitderPerformancedesDAXnachbilden.FürdieRenditederBe-teiligungspapieremit
kleinerMarktkapitalisierungwirdderSDAXverwendet.
35
Fürdie
AktiendermittlerenMarktkapitalisierungistkeinEquitySwaperforderlich,daderenWertbei
EUR21Mio.verbleibt.DieRenditederBundesanleihenwirdmitdemREXPrepräsentiert,der
einPerformanceindexfür30synthetischedeutscheStaatsanleihenmitfesterLaufzeitund
Kuponist.DemgegenüberwirddieRenditevonUnternehmensan-leihenmitderPerformance
desXETRAPrimeStandardCorporateBondTotalReturn

35
DerSDAX(Small-Cap-DAX)isteindeutscherAktienindex,deram21.Juni1999vonderDeutschen
BörseAGeingeführtwurde.DerIndexumfasstdie50AktienmitkleinererMarktkapita-
lisierung, die gleich nach den 50 Aktien des MDAX hinsichtlich Umsatz und Marktkapitalisierung folgen.
DerSDAXgehörtnebendemDAX,MDAXundTecDAXzumPrimeStandard.
14.4 EquitySwaps 5

Index (PSCBI) der Deutschen Börse AG erfasst.36 DieSwapswerdenmitderInvest-


mentbankalsGegenparteiderartstrukturiert,dassdieZahlungenhalbjährlicherfolgen.
Die Laufzeit der Swaps wird auf 1 Jahr festg elegt, die der Zeitdauer der gewünschten Änderung
der Asset-Allokation entspricht. Bei einer etwaigen Verlängerung sind die Be- dingungen für
die Swaps neu aus zuhandeln. Um die Swaps vorzeitig glattzustellen, muss die
Vermögensverwaltungsgesellschaft eine neue Swapvereinbarung mit der Investment- bank
abschließen,indersiesichverpflichtet,diejeweilsentgegengesetztenZahlungenzutätigen.

DieEquitySwapsbeziehensichaufdenErhaltvonZahlungen,diesichaufdiePer-formance
desDAXunddesSDAXstützen.ImGegenzugsindvariableZinszahlungenbasierendaufdem
EURIBORzuleisten.FürdiePerformancezahlungenderAnleihenmusseinTotalReturnSwap
mitderInvestmentbankabgeschlossenwerden,beidemdie
VermögensverwaltungsgesellschaftdieGesamtrenditendesREXPunddesXETRAPrime
StandardCorporateBondTotalReturnIndexbezahltundimGegenzugdenEURIBOR-Satz
empfängt.EinTotalReturnSwapfunktioniertähnlichwieeinEquitySwap.Soetwaistdie
GesamtrenditeerstamEndederAbrechnungsperiodebekannt.BeieinernegativenRenditedes
Bond-IndexerhältdieVermögensverwaltungsgesellschaftdieentsprechendeZahlungvonder
Investmentbank.ImGegensatzzuEquitySwapsstellendieKuponsimVergleichzuDividenden
inderRegeldiegrößereRenditekomponentedar.BeiAktiensinddieDividendenverglichenmit
denKapitalgewinnenund-verlustenüblicherweiserelativklein.

Um die gewünschte Asset-Allokation zu erreichen, sind die Swaps wie folgt zu struk-
turieren:

Erster Equity Swap:


 Erhalt der DAX-Rendite auf einen Nominalbetrag von EUR 9 Mio. und
 Bezahlung des EURIBOR-Satzes auf e inen Nominalbetrag von EUR 9 Mio.
Zweiter Equity Swap:
 Erhalt der SDAX-Rendite auf einen Nominalbetrag von EUR 1 Mio. und
 Bezahlung des EURIBOR-Satzes auf e inen Nominalbetrag von EUR 1 Mio.
Erster Total Return Swap:
 Erhalt des EURIBOR-Satzes auf einen Nominalbetrag von EUR 9,5 Mio. und
 Bezahlung der REXP-Rendite auf einen Nominalbetrag von EUR 9,5 Mio.
Zweiter Total Return Swap:
 Erhalt des EURIBOR-Satzes auf einen Nominalbetrag von EUR 0,5 Mio. und
 Bezahlung der PSCBI-Rendite auf einen Nominalbetrag von EUR 0,5 Mio.

36
DieBerechnungdesAnleiheindexerfolgtdurchdieSTOXXLimited.STOXXistfürdieVer-marktung
derIndizesderDeutscheBörseAGundderSIXzuständig,zudenenauchderDAXund
der SMI gehören.
6 14 Swaps

Equity/Total Return Swap


(halbjährliche Zahlungen für 1 Jahr)

DAX-Rendite auf EUR 9 Mio.


SDAX-Rendite auf EUR 1 Mio.
Vermögens-
verwaltungs- REXP-Rendite auf EUR 9,5 Mio. Investmentbank
gesellschaft
PSCBI-Rendite auf EUR 0,5 Mio.

Rendite auf Rendite auf


EUR 70 Mio. EUR 30 Mio.
inländische Bundes- und
Aktien
Unternehmensanleihen

Portfolio:
• EUR 70 Mio. inländische Aktien
• EUR 30 Mio. Bundes- und
Unternehmensanleihen

Abb.14.12 Veränderung der Asset-Allokation eines Aktie n- und Anleiheportfolios mit einem bila-
teral gehandelten Equity/Total Return Swap

In der Gesamtkonstruktion heben sich die E URIBOR-Zahlungen gegenseitig auf. Bei den
beiden Equity Swaps werden EURIBOR-Zahlungen auf einen Nominalbetrag von EUR 10
Mio.geschuldet,währenddieVermögensverwaltungsgesellschaftbeidenbeidenTotalReturn
Swaps EURIBOR-Zahlungen auf einen Nominalbetrag von EUR 10 Mio. erhält. Somit lassen
sich die Equity und Total Return Swaps zu einem einzigen Swap mit den folgenden
Zahlungsströmenstrukturieren:

Equity/Total Return Swap:


 Erhalt der DAX-Rendite auf einen Nominalbetrag von EUR 9 Mio.,
 Erhalt der SDAX-Rendite auf einen Nominalbetrag von EUR 1 Mio., Bezahlung der
 REXP-RenditeaufeinenNominalbetragvonEUR9,5Mio.und
 Bezahlung der PSCBI-Rendite auf einen Nominalbetrag von EUR 0,5 Mio.

Abb. 14.12 stellt die Zahlungsströme des kombinierten bilateral gehandelten Equity/Total
Return Swapsmit dem Aktien- und Anleihepor tfolio der Vermögensverwaltungsgesell- schaft
dar. Mit dem abgeschlossenen Equity/Total Return Swap lässt sich die Asset- Allokation nicht
eins zu eins auf das gewünschte Niveau verändern, weil die Renditen des Aktien- und
Anleiheportfolios nicht exakt mit den Renditen der Aktien- und Anleiheindi- zes des Swaps
übereinstimmen. Darüber hinaus können die Zahlungen der Anleiheindizes die erhaltenen
GeldströmeausdenAktienindizesübersteigen(oderdieRenditenderAk-tienindizessindsogar
negativ),waszueinemLiquiditätsproblemführenkann,wenndasAktien-undAnleiheportfolio
nichtgenügendErträgeinFormvonDividendenund
14.5 CreditDefaultSwaps 7

Kupons generiert. In einem solchen Fall sind Teile des Portfolios zu veräußern, damit die
erforderliche Liquidität bereitgestellt werden kann. Allerdings widerspricht dies der
ursprünglichenZielsetzung,dassdieVeränderungderAsset-AllokationsynthetischmitSwaps
undnichtdurchdenKaufundVerkaufvonAktienundAnleihenzubewerkstelligenist.

14.5 CreditDefaultSwaps

14.5.1 EinleitungzumKreditrisiko

Bei einer Kreditvergabe besteht das Risiko, das s der Schuldner die vertraglich festgelegten
Zins- und Tilgungszahlungen nicht vertragsgerecht leistet, was zu einem Zahlungsver- zug bis
hin zu einer Insolvenz des Schuldners führen kann. Diese Verlustgefahr stellt das Kreditrisiko
bzw. Ausfallrisiko dar. Um das Kreditrisiko zu messen, sind unter anderem die
Ausfallwahrscheinlichkeit des Schuldners und die Wiederverwertungsrate bei Ausfall
(Recovery Rate) zu schätzen. Die Wiederverwertungsrate misst denjenigen Teil des Kre-
ditbetrags, der bei einem Schuldnerausfall au s der Insolvenzmasse befriedigt werden kann.
Kreditgeber fordern bei der Kreditvergabe oft Sicherheiten, damit bei einem Insolvenzfall der
Verlust möglichst gering ausfällt. Diese Sicherheiten sind nicht Bestandteil der Insol-
venzmasse oder werden von der Insolvenzmasse abgelöst und gesondert verwertet. Der
erwarteteVerlustauseinemvergebenenKredit

.EV/ lässt sich wie folgt berechnen:

EV D AWbedingt K .1  WR/ ; (14.21)

wobei:

AWbedingt D bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit,


K D Kreditäquivalent (Exposure at Default),
WR D Wiederverwertungsrate bzw. 1  Wiederverwertungsrate D Verlustquote bei
Ausfall.

Die bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit stellt die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls des


Schuldners in der aktuellen Periode dar, wenn in den Vorperioden kein Ausfall stattgefun- den
hat. Das Kreditäquivalent spiegelt den offenen Kreditbetrag wider, der zum Zeitpunkt des
Schuldnerausfalls besteht. Bei einem Kredit setzt sich das Kreditäquivalent aus dem
Nominalwert abzüglich etwaiger bereits geleisteter Tilgungszahlungen zusammen. Ein
Ausfall des Schuldners hat nicht zwangsläufig den vollständigen Verlust des Kreditbetrags zur
Folge. Anhand der Wiedergewinnungsquote l ässt sich der Verlust bestimmen, der un- ter
Berücksichtigung der Insolvenzmasse und der vereinbarten Sicherheiten tatsächlich anfällt.
DasfolgendeBeispielzeigtdieBerechnungdeserwartetenVerlustsbeieinemKredit.
14 Swaps

Beispiel
Erwarteter Verlust bei einem Kredit
EineBankhateinemUnternehmeneinenKreditvonEUR40Mio.gewährt.Nach4Jahrenhat
das Unternehmen bereits EUR 16 Mio. des Kredits getilgt. Die Bank schätzt die bedingte
Ausfallwahrscheinlichkeit des Schuldners auf 3 %. Insgesamt liegen wert- haltige
SicherheitenvonEUR6Mio.vor.WiehochistdererwarteteVerlustausdemKredit,wenn im
FalleeinerInsolvenzaußerdenvereinbartenSicherheitenkeinewei-terenZahlungenseitens
desSchuldnerserwartetwerdenkönnen?

Lösung
DerKreditäquivalentbetragvonEUR24Mio.ergibtsichausdemNominalbetragdesKredits
von EUR 40 Mio. abzüglich der geleisteten Tilgungszahlungen von EUR 16 Mio. Bei einer
etwaigen Insolvenz bestehe n Sicherheiten von EUR 6 Mio., was zu einer
Wiederverwertungsratevon25%(
D EUR 6 Mio:=EUR 24 Mio:) führt. Der erwartete
Verlust aus dem Kredit lässt sich folgendermaßen ermitteln:
EV D 0;03  EUR 24 Mio:  .1  0;25/ D EUR 0;54 Mio:
Da 40 % des Kredits (D EUR 16 Mio:=EUR 40 Mio:) bereits getilgt sind, beträgt das
Kreditäquivalent 60 % der ursprünglich ausgeliehenen Summe, was einen erwarteten
Verlust von 1,35 % zur Folge hat: D
EV .%/ 0;03  0;6  .1  0;25/ D 0;0135:
Der erwartete Verlust beläuft sich auf 1,35 % des ursprünglichen Kreditbetrags von
EUR 40 Mio. bzw. auf EUR 0,54 Mio. (D 0;0135  EUR 40 Mio: ). Demnach ist ein
Kreditrisikoaufschlag von 1,35 % auf den Nominalwert des Kredits erforderlich, um
das aktuelle Kreditrisiko ausgleichen zu können.

Der vom Kreditgeber geforderte Zinssatz setzt sich aus dem risikolosen Zinssatz und
einer Kreditrisikoprämie zusammen, di e dem prozentual erwarteten Verlust ŒEV .%/ bzw.
dem aktuellen Kreditrisiko entspricht:

iKredit D rF C KRP D rF C EV .%/ ; (14.22)

wobei:
iKredit D geforderter Zinssatz für den Kredit,
rF D risikoloser Zinssatz,
KRP D Kreditrisikoprämie (Credit Spread).

Der für den Kredit vereinbarte Zinssatz beinhaltet eine Kreditrisikoprämie (Credit
Spread), die eine Renditeentschädigung für einen möglichen Ausfall des Schuldners
darstellt. Mit dem Credit Spread wird die Verlustgefahr kompensiert, dass der Kredit- nehmer
dievertraglichvereinbartenZins-undTilgungszahlungennichtleistet.Weist
14.5 CreditDefaultSwaps 9

zum Beispiel ein Kredit eine Laufzeit von 5 J ahren auf, besteht der geforderte Zinssatz aus dem
5-jährigen risikolosen Zinssatz zuzüglich des jährlich erwarteten Verlusts aus einem
Kreditausfall (in Prozent). Der erwartet e Verlust lässt sich mithilfe der geschätzten bedingten
Ausfallwahrscheinlichkeit und der Wiederverwertungsrate bestimmen. Dabei können
Ausfallwahrscheinlichkeiten implizit aus Anleihepreisen oder aus historischen Daten
geschätztwerden.
37

14.5.2 Ausfallwahrscheinlichkeiten

14.5.2.1 ImpliziteAusfallwahrscheinlichkeitenausAnleihepreisen
Die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Unternehmens lässt sich mit Marktpreisen von liqui- den
Anleihen schätzen, die es emittiert hat. Die Annahme ist, dass die Preisabweichung zwischen
einer Unternehmensanleihe und einer Staatsanleihe mit erstklassiger Bonität einzig auf das
Kreditrisiko zurückgeführt werden kann. Mögliche Marktliquiditätsrisiken der optionsfreien
Unternehmensanleihewerdenausgeblendet.

Um die in den Anleihepreisen enthaltenen impliziten Ausfallwahrscheinlichkeiten zu


ermitteln, ist zunächst ( 14.22 ) nach der Kreditrisikoprämie aufzulösen:

KRP D iKredit  rF : (14.23)

DieKreditrisikoprämieergibtsich,indemvomgefordertenKreditzinssatzbzw.vonderRendite
der Unternehmensanleihe die Rendite einer risikolosen Anleihe abgezogen wird. Betragen
beispielsweise die jährlich erwarte te Rendite einer 4-jährigen Unternehmensan- leihe 4 % und
die jährliche Renditeerwartung einer deutschen Bundesanleihe mit gleicher Laufzeit 2,5 %,
resultiertdarauseinCreditSpreadvon1,5%(
D 4 %  2;5 %). Somit kön-
nen die Marktteilnehmer von einem erwarteten Kreditverlust von 1,5 % pro Jahr ausgehen.
Die so ermittelte Kreditrisikoprämie entspricht nicht der jährlichen Ausfallwahrschein-
lichkeit, weil bei einem Kreditausfall nicht der Gesamtwert der Anleihe verloren geht. Der
erwartete Verlust hängt auch von der Wiederverwertungsrate ab. Somit lässt sich die bedingte
durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit pro Jahr mithilfe von ( 14.21 )wie folgt
bestimmen:
38

EV .%/ KRP
AWbedingt D D ; (14.24)
K .1  WR/ .1  WR/
wobei:

EV .%/ D KRP (Kreditrisikoprämie bzw. Credit Spread),


K D 100 % bzw. 1.
37
DarüberhinauskönnenimpliziteAusfallwahrscheinlichkeitenauchausAktienpreisenmithilfedes
Merton-Modellsbzw.dessenErweiterungenberechnetwerden.FürdasMerton-Modellvgl.
Merton 1974 : On the Pricing of Corporate Debt: The Risk Structure of Interest Rates, S. 449 ff. 38
Vgl. Hull 2012 : Risk Management and Financial Institutions, S. 360.
90 14 Swaps

Geht man von einer Wiederverwertungsrate von 25 % aus, resultiert daraus eine beding- te
durchschnittlicheAusfallwahrscheinlichkeitproJahrdesUnternehmensvon2%[ D
1;5 %=.1  0;25/]. Demnach lässt sich die bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit aus der
Kreditrisikoprämie und der erwarteten Wiederverwertungsrate eruieren. Dabei wird die
Kreditrisikoprämie aus der Renditedifferen z zwischen der auf dem Markt gehandelten
Unternehmensanleihe und der risikolosen Staatsanleihe ermittelt. Die Verfallrenditen der
AnleihenkönnenausdengehandeltenMarktpreisenabgeleitetwerden.
ImFolgendenwirdeinegenauereMethodezurBestimmungderbedingtenAusfall-
wahrscheinlichkeitanhandvonAnleihepreisenbeschrieben.Soetwaweistdie4-jährige
UnternehmensanleiheeinenKuponvon3,5%auf.DadieerwarteteRenditeaufVerfall4%
beträgt,wirddieAnleiheaufdemMarktzueinemPreisvon98,19%gehandelt.Die
Verfallrenditeeinerrisikolosen4-jährigenAnleihemiteinemKuponvon3,5%liegtbei2,5%,
waszueinemPreisvon103,76%führt.FolglichbeläuftsichdererwarteteVerlustauseinem
Kreditausfallauf5,57%(

D 103;76 %  98;19 %). Des Weiteren wird unter-


stellt, dass die jährliche Ausfallwahrscheinlichkeit .AW/ jedesJahrgleichgroßistunddass
einAusfallnuramEndedesJahresstattfindenkann(alsounmittelbarvorderKupon-
zahlung). Außerdem liegt eine flache Zinsstrukturkurve mit einem risikolosen Zinssatz von 2,5
% vor. Der Barwert des erwarteten Verl usts aus einem Kreditausfall bei einer jähr- lich gleich
bleibendenAusfallwahrscheinlichkeit
.AW/ lässt sich wie folgt berechnen:

Jahre Ausfallwahr- Wiederver- Risikoloser Verlusthöhe bei Barwert des er-


scheinlichkeit wertung Anleihepreis Ausfall warteten Verlusts
1 AW 25 % 106;36 %a 81;36 %b 79,38 % AW
2 AW 25 % 105,43 % 80,43 % 76,55 % AW
3 AW 25 % 104,48 % 79,48 % 73,81 % AW
4 AW 25 % 103,50 % 78,50 % 71,12 % AW
Total 300,86 % AW
3;5 % 3;5 % 103;5 %
a
3;5 % C C 2
C D 106;36 %
1;025 .1;025/ .1;025/3
b
106;36 %  25 % D 81;36 %

BeieinemAusfallverbleibteinRestbetragvon25%desNominalbetrags.UmdieVer-
lusthöhebeimAusfallfestzulegen,wirdvomrisikolosenAnleihepreisderBetragvonjeweils25
%abgezogen.DieaufdieseWeiseermitteltenVerlusthöhenbeiAusfallamEndederjeweiligen
JahrewerdenmitdemrisikolosenZinssatzzumBewertungszeitpunktdiskontiert,mitder
Ausfallwahrscheinlichkeit
.AW/ multipliziert und anschließend ad-
diert. Demnach kommt der Barwert des erwarteten Verlusts auf 300,86 % AW zu liegen.
Setzt man den gesamten erwarteten Verlust von 300,86 % AW mit der Preisdifferenz der
risikolosen Anleihe und der Unternehmensanleihe von 5,57% gleich und löst die Glei- chung
nachAWauf,erhältmanfürdiejährlicheAusfallwahrscheinlichkeit1,85%:

5;57 %
AW D D 0;0185:
300;86 %
14.5 CreditDefaultSwaps 91

Bei der so berechneten jährlichen Ausfallwahrscheinlichkeit von 1,85 % wird angenom- men,
dassdieAusfallwahrscheinlichkeitenjedesJahrgleichbleibenunddasseinAusfalllediglicham
Ende des Jahres stattfinden kann. Darüber hinaus handelt es sich um eine risikoneutrale
Ausfallwahrscheinlichkeit, da die erwarteten Verluste aus einem Kreditaus- fall mit dem
risikolosen Zinssatz diskontiert werden. Demnach beruht die Ermittlung der impliziten
AusfallwahrscheinlichkeitenausAnleihepreisenaufeinemrisikoneutralenAn-satz.

DieBerechnungenkönnenmodifiziertwerden,indemmitmehrerenKreditausfällenproJahr
gerechnetwird.AnstattvoneinerAusfallwahrscheinlichkeitauszugehen,kannbeispielsweise
einbestimmterVerlauffürdieVeränderungderAusfallwahrscheinlichkei-tenüberdieZeit
hinwegunterstelltwerden.AußerdemlässtsichmitmehrerenAnleihen,dieunterschiedliche
Laufzeitenvonbeispielsweise3,5,7und10Jahrenaufweisen,eineStrukturkurvevon
Ausfallwahrscheinlichkeitenschätzen.Sokannmanmitder3-jährigenAnleihediejährlichen
Ausfallwahrscheinlichkeitenfürdieersten3Jahrebestimmen.Mitderzweiten5-jährigen
AnleihekönnendieAusfallwahrscheinlichkeitenfürdieJahre4und5ermitteltwerden.Die
dritteAnleiheermöglichtdieFestlegungderAusfallwahr-scheinlichkeitenfürdieJahre6und7,
währendmitder10-jährigenAnleihediejährlichenAusfallwahrscheinlichkeitenfürdie
restlichen3JahrederStrukturkurveberechnetwer-den.Dabeikanndas
Bootstrapping-Verfahreneingesetztwerden.

39

DieimplizitenAusfallwahrscheinlichkeitenausAnleihepreisenstellenrisikoneutrale
Wahrscheinlichkeitendar,diefürdieBewertungvonKreditderivatengeeignetsind.Dieslässt
sichdamitbegründen,dassbeiKreditderivatenderBarwertdererwartetenCashflowsberechnet
wird,wobeihierfürnahezuausnahmslos(implizitoderexplizit)derrisikoloseZinssatzund
risikoneutraleAusfallwahrscheinlichkeitenverwendetwerden.
40

14.5.2.2 HistorischeAusfallwahrscheinlichkeiten
AusfallwahrscheinlichkeitenwerdenoftanhandvonvergangenenSchuldnerausfälleneru- 41
iert. Ratingagenturen wie Standard & Poor’s , Fitch oder Moody’s ermitteln die empiri-
schen Ausfallwahrscheinlichkeiten für die einzelnen Ratingklassen von Anleihen. Dabei
werden die Schuldner in Rati ngklassen unterteilt, die sich an die US-amerikanischen

39
Für das Bootstrapping-Verfahren vgl. Abschn. 9.3.2 .
40
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 488 ff.
41
GeschätzteAusfallwahrscheinlichkeitenaufderBasisvonhistorischenDatensindkleineralsdieaus
AnleihepreisenermitteltenimplizitenAusfallwahrscheinlichkeiten.Vgl.z.B.Hulletal. 2005:
Bond Prices, Default Probabilities, and Risk Premi ums, S. 53 ff. Die Differenz von historischen und
impliziten Ausfallwahrscheinlichkeiten war insbesondere währendder Finanzkrise von 2008 sehr hoch.
Während der Finanzkrise wichen die Marktteilnehmer auf sichere Staatsanleihen aus, sodass die Preise
von Unternehmensanleihen fielen, was zu einer Erhöhung der Kreditrisikoprämie und so- mit zu einer
Zunahme der impliziten Ausfallwahrsche inlichkeit führte. Ausfallwahrscheinlichkeiten auf der Basis
von historischen Daten sind für die Szenarioanalyse und für die Berechnung eines Credit Value at Risk
geeignet, da essich hierbei um reale Wahrscheinlichkeiten handelt. Vgl.Hull 2006 : Options, Futures, and
OtherDerivatives,S.488ff.
92 14 Swaps

Tab. 14.2 RatingsunddurchschnittlichekumulativeAusfallwahrscheinlichkeiten(in%)sowie


ÜberlebenswahrscheinlichkeitenundunbedingteundbedingteAusfallwahrscheinlichkeiten(in%)
von Anleihen mit einem A- und einem B-Rating(Quelle: Moody’s und eigene Berechnungen)
Jahre 1 2 3 4 5
Aaa 0,000 0,013 0,013 0,037 0,104
Aa 0,021 0,059 0,103 0,184 0,273
A 0,055 0,177 0,362 0,549 0,756
Baa 0,181 0,510 0,933 1,427 1,953
Ba 1,157 3,191 5,596 8,146 10,453
B 4,465 10,432 16,344 21,510 26,173
Caa 18,163 30,204 39,709 47,317 53,768
Anleihe mit A-Rating (Investment Grade)
Überlebenswahrscheinlichkeit 99,945 99,823 99,638 99,451 99,244
Unbedingte Ausfallwahrscheinlichkeit 0,055 0,122 0,185 0,187 0,207
Bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit 0,055 0,122 0,185 0,188 0,208
Anleihe mit B-Rating (Speculative Grade)
Überlebenswahrscheinlichkeit 95,535 89,568 83,656 78,490 73,827
Unbedingte Ausfallwahrscheinlichkeit 4,465 5,967 5,912 5,166 4,663
Bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit 4,465 6,246 6,600 6,175 5,941

Schulnoten A, B, C usw. anlehnen.42 Tab.14.2zeigtunteranderemdiedurchschnitt-


lichenkumulativenAusfallwahrscheinlichkeitenfürdieeinzelnenRatingkategorienvon
Anleihen (Untersuchungszeitraum von 1970 bis 2010; Quelle: Moody’s).43 So besitzt ei-
ne Anleihe mit einem B-Rating eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 4,465 % in 1 Jahr.
Findet im 1. Jahr kein Ausfall statt, beträgt die Ausfallwahrscheinlichkeit über einen Zeit- raum
von 2 Jahren 10,432%. In 3Jahren liegt die kumulative Ausfallwahrscheinlichkeit bei 16,344 %
usw. Subtrahiert man diese Werte von 100 %, resultiert daraus die Über-
lebenswahrscheinlichkeit am Ende des entsprechenden Jahres. Zieht man beispielsweise die
3-jährige kumulierte Wahrscheinlichkeit von 16,344 % von einer Anleihe mit einem B-Rating
von 100 % ab, ergibt sich eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 83,656 % am Ende des 3.
Jahres.

ÜW t D 100 %  AWkum, t ; (14.25)


wobei:

ÜW t D Überlebenswahrscheinlichkeit am Ende der Periode t,


AWkum, t D kumulierteAusfallwahrscheinlichkeitamEndederPeriodet.

Des Weiteren lässt sich mit der Tabelle die unbedingte (marginale) Ausfallwahrschein- lichkeit
füreinbestimmtesJahrermitteln.SoetwalässtsichdieunbedingteAusfallwahr-

42
Vgl. Abschn. 10.3.2 .
43
Vgl. Hull 2012 : Risk Management and Financial Institutions, S. 350.
14.5 CreditDefaultSwaps 93

scheinlichkeit für eine Anleihe mit einem B-Rating für das 3. Jahr von 5,912 % festlegen, indem
von der 3-jährigen kumulierten Ausfallwahrscheinlichkeit von 16,344 % der Wert der
2-jährigenkumuliertenAusfallwahrscheinlichkeitvon10,432%abgezogenwird.

AWunbedingt, t D AWkum, t  AWkum, t-1 ; (14.26)

wobei:

AWunbedingt, t D unbedingte (marginale) Ausfallwahrscheinlichkeit für die Periode t.

Die bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit bzw. Ausfallintensität gibt die Wahrscheinlichkeit


eines Ausfalls in 1 Jahr an, wenn es bis zum Vorjahr keinen Ausfall gegeben hat. Sie ist zu
bestimmen, indem die unbedingte Ausfallwahrscheinlichkeit der Periode durch die
Überlebenswahrscheinlichkeit der Vorperiode dividiert wird. So zum Beispiel beträgt die
bedingteAusfallwahrscheinlichkeiteinerAnleihemiteinemB-Ratingim3.Jahr6,60%(

D 5;912 %=89;568 %).


AWunbedingt, t
AWbedingt, t D ; (14.27)
ÜW t1
wobei:

AWbedingt, t D bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit (Ausfallintensität) für die Periode t.

Ferner zeigt die Tabelle wie die jährlichen unbedingten und bedingten Ausfallwahrschein-
lichkeiten von Investment-Grade-Anleihen m it der Zeit tendenziell zunehmen. Zum Bei- spiel
steigtdieunbedingteAusfallwahrscheinlichkeiteinerAnleihemiteinemA-Ratingvon0,055%
in 1 Jahr auf 0,207 % in 5 Jahren. Dieser Anstieg ist damit zu erklären, dass die
Ausfallwahrscheinlichkeit eines bonitätsmäßig hoch eingestuften Unternehmens auf- grund
betrieblicher und finanzieller Schwierigkeiten mit der Zeit zunehmen kann. Dem- gegenüber
nehmendieAusfallwahrscheinlichkeitenfürAnleihenmiteinemschlechtenRatingoftmalsmit
der Zeit ab. Für ein Unternehmen mit einem schlechten Kredit-Rating sind die nächsten 1 bis 2
Jahre vielfach kritisch. Gelingt in dieser Zeitspanne die Re- strukturierung des Unternehmens,
sinkt als Folge davon die Ausfallwahrscheinlichkeit. Beispielsweise geht bei Anleihen mit
einem B-Rating dieunbedingte Ausfallwahrschein- lichkeit von 5,967 % im 2. Jahr auf 4,633 %
im5.Jahrzurück.DieseVeränderungderAusfallrisikenimZeitablaufwirdalsRisikomigration
bezeichnet.

DasAusfallrisikoeinesKreditskanndurchKreditderivatehandelbargemachtwerden.So
könnenKreditgeber(vorallemFinanzinstitute)ihrebestehendenKreditrisikenmit-hilfevon
DerivatenanandereMarktteilnehmerverkaufen.OftmalshandeltessichbeidenKäufernum
andereFinanzinstitutewieetwaBankenundVersicherungensowieumHedgefonds,diegezielt
neueKreditrisikeneingehenwollen.
94 14 Swaps

14.5.3 EigenschaftenvonCreditDefaultSwaps

CreditDefaultSwaps(CDS)sinddieamweitestenverbreitetenKreditderivateundmach-tenim
Jahr2014einenAnteilvon2,6%desgesamtenOTC-Derivatemarktsaus. 44
Der
Käufer eines CDS (Sicherungsnehmer oder Risi koverkäufer) schützt sich gegen einen
möglichen Kreditausfall. Der Verkäufer eine s CDS (Sicherungsgeber oder Risikokäufer)
hingegenverkauftderGegenseitedesSwapsdenKreditrisikoschutz. 45
Dabei müssen die
46
folgenden Punkte in einem Swapvertrag geregelt werden:

 Referenzaktivum: CDS können sich auf einzelne Aktiva wie etwa bestimmte Unter-
nehmensanleihen oder Einzelkredite (Single-Name-Derivat) oder auch auf mehrere
Referenzwerte wie ganze Kreditportfolios oder Anleiheindizes (Multi-Name-Derivat)
beziehen. Der Gesamtnominalwert der zugrundeliegenden Aktiva stellt den Nominal-
betragdesCDSdar.

 Kreditereignis: Das Kreditereignis, das die Auszahlung des CDS auslöst, sollte zum einen
objektivmessbarundzumanderendurchdieVertragsparteiendesSwapsnichtbeeinflussbar
sein. Damit der Ausfall des Referenzaktivums möglichst vollständig ab- gedeckt wird,
werden in der Regel verschiede ne Kreditereignisse im Vertrag festgehal- ten. Dazu gehören
beispielsweise die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, die Zah- lungsunfähigkeit, die
Nichtei nlösung einer fälligen Zahl ungsverpflichtung oder eine Herabstufung des Ratings
(z.B.vonInvestmentGradeaufSpeculativeGrade).FernerkannzurobjektivenMessungdes
Eintritts eines Kreditereignisses vereinbart werden, dass der Wertverlust auf dem
Referenzaktivum eine vorgegebene Grenze überschreitet und somit wesentlich ist oder die
InformationenzumKreditereignisöffentlichverfüg-barseinmüssen.

47

 Kompensationszahlung:BeiEintrittdesKreditereignisseskannentwedereinBaraus-gleich
der Differenz zwischen dem Nomin albetrag des Referenzaktivums und dessen Marktwert
nach dem Kreditereignis oder die physische Lieferung des Referenzwerts (mit und ohne
ÜbertragungderSicherheiten)gegenZahlungdesNominalbetragsver-einbartwerden.Beider
physischen Lieferung ist im Gegensatz zum Barausgleich eine Wertbestimmung der
ReferenzaktivanachEintrittdesKreditereignissesnichterforder-lich.WirdeinBarausgleich
vereinbart,bestimmendieVertragsparteieneineunabhän-gigeStelle(CalculationAgent),die
denMarktwertdesReferenzaktivumsnachEintrittdesKreditereignissesverbindlichfestlegt.
Aufgrund der Bewertungsschwierigkeiten wird unter den Vertragsparteien oftmals eine
physische Lieferung des Referenzwerts vereinbart, beiwelcher der Sicherungsne hmer dem
Sicherungsgeber die zugrundelie-gende Anleiheliefertund im Gegenzug den Nominalwert
derAnleiheerhält.

44
Vgl. Abschn. 12.3.1 .
45
Vgl. Rudolph und Schäfer 2010 : Derivative Finanzmarktinstrumente: Eine anwendungsbezogene
Einführung in Märkte, Strategien und Bewertung, S. 176 ff. 46
Vgl. Anson 2012 : CAIA Level I: An Introduction to Core Topics in Alternative Investments, 671 ff.
S.
47
Für die Definition von Kreditereignissen bei einem ISDA-Rahmenvertrag vgl. Abschn. 14.5.5 .
14.5 CreditDefaultSwaps 95

 CDS-Prämie (CDS-Spread): Bei einem CDS leistet der Käufer dem Verkäufer regel-
mäßige Prämienzahlungen bis zum Laufzeitende des CDS oder bis zum Eintritt eines
Kreditereignisses. Diese periodischen Prämienzahlungen für den Ausfallschutz stellen die
CDS-Prämie bzw. den CDS-Spread dar und werden am Ende der jeweiligen Periode vom
CDS-Käufer bezahlt. Sie werden je nach Ve reinbarung vierteljährlich, halbjähr- lich oder
jährlichentrichtet,wobeivierteljährlichePrämienzahlungenaufdemMarktüblichsind.Die
CDS-PrämieergibtsichauseinemProzentsatzdesNominalbetragsdesCDS.Mehreregroße
Finanzinstitute sind als Market Maker im CDS-Markt tätig. Die CDS-Prämie wird zu einem
Bid-undeinemAsk-Preisnotiert.SindbeispielsweisederBid-Preis200Basispunkteundder
Ask-Preis 210 Basispunkte, dann ist der Market Maker bereit, 200 Basispunkte für den Kau f
und 210 Basispunkte für den Verkauf des Kreditschutzes jährlich zu bezahlen. Erfolgt d ie
gesamte Prämienau szahlung zu Beginn der Laufzeit des Derivats, spricht man von einer
Credit Default Option und nicht mehr von einem Credit Default Swap, bei dem die
CDS-ZahlungenperiodischundnichtwiebeieinerOptioneinmaliggeleistetwerden.

 Laufzeit: Die im Vertrag vereinbarte Laufzeit kann die Laufzeit der zugrundeliegen- den
Referenzaktiva nicht überschreiten. Ei n CDS endet zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt
oder sobald ein Kreditereignis eingetreten und die damit verbundene Aus- gleichleistung
erfolgtist.
48

ZumBeispielschließenzweiParteienam1.April2016einen5-jährigenCreditDefaultSwapab.
Der Nominalbetrag des CDS liegt bei EUR 100 Mio. Das Referenzaktivum besteht aus einer
Unternehmensanleihe. Als Kreditereignis wird die Einstellung der Zins- zahlungen durch den
EmittentenderAnleihedefiniert.DerKäuferdesCDSbezahltamEndejedesJahreswährendder
5-jährigen Laufzeit des Swaps 180 Basispunkte des No- minalbetrags und sichert sich somit
gegen einen Ausfall des Emittenten ab. Tritt das Kreditereignis nicht ein, entrichtet der Käufer
für den Kreditschutz jährlich EUR 1,8 Mio. Die CDS-Prämienzahlungen finden jeweils am 1.
April der Jahre 2017 bis 2021 statt. Beim Eintritt eines Kreditereignisses erfolgt hingegen eine
Ausgleichszahlung und die Swap- vereinbarung wird vorzeitig beendet. Wird di e Einstellung
der Zinszahlungen durch den Emittenten am 1. Juli 2017 festgestellt, muss der Verkäufer des
CDS die Differenz zwi- schen dem Nominalwert der Anleihe von EUR 100 Mio. und dem
aktuellen Marktwert der Anleihe bezahlen. Gelangt der im Vertrag vorg esehene unabhängige
Ca lculation Agent zu dem Schluss, dass die Anleihe einen Marktwert nach dem Kreditereignis
vonEUR40Mio.aufweist,beträgtdieAusgleichszahlungEUR60Mio.(

D EUR 100 Mio:EUR 40 Mio:).


Im Gegenzug muss der CDS-Käufer dem CDS-Verkäufer die vom 1. April bis 1. Juli 2017
zeitanteilig aufgelaufene CDS-Prämie von EUR 0,455 Mio. (D EUR 100 Mio:  0;018 
91 Tage =360 Tage ) übermitteln. Abb. 14.13 zeigt die Struktur eines bilateral gehandelten
Credit Default Swaps mit Barausgleich.

48
AufgrundderStandardisierunganhanddesISDA-Rahmenvertragswerdenüblicherweisediefol-
gendenFälligkeitszeitpunkteineinemSwapvertragfestgelegt:20.März,20.Juni,20.September
oder 20. Dezember. Die Laufzeit eines CDS beginnt in der Regel an einem auf einen der Fälligkeits- daten
folgendenTag(z.B.21.März).ÜblichsindLaufzeitenvon3bis10Jahren.
96 14 Swaps

Credit Default Swap

CDS-Prämie
Käufer des Verkäufer des
Ausfallschutzes Ausfallschutzes
(Sicherungs- Ausgleichszahlung (Sicherungs-
nehmer) Kreditereignis geber)
kein Kreditereignis
keine Ausgleichs-
zahlung

Anleihe/Kredit
(Referenz-
aktivum)

Abb.14.13 Struktur eines bilateral gehandelten Credit Default Swaps (Barausgleich)

Credit Default Swaps werden in der Praxis aus verschiedenen Gründen eingesetzt:49

 Risikozerlegung: Mit CDS lässt sich das in Finanzinstrumenten enthaltene Kreditrisiko


trennen. Zum Beispiel weist eine optionsfreie Unternehmensanleihe eine Vielzahl von
Risiken wieetwa das Zinsänderungsrisiko, das Marktliquiditätsrisikound das Kredi-trisiko
auf. Mithilfe von CDS lässt sich das Kreditrisiko von Unternehmensanleihen herauslösen,
ohne dass sich die anderen Verlustgefahren wie zum Beispiel das Zins- änderungsrisiko
verändern. Die erwartete Rendite einer Unternehmensanleihe besteht aus dem risikolosen
Zinssatz plus einer Ris ikoprämie. Letztere setzt sich aus einer Renditeentschädigung für das
Kreditrisiko und das Marktliquiditätsrisiko zusammen. Geht man davon aus, dass bei einer
optionsfreienliquidenUnternehmensanleihekeinMarktliquiditätsrisikovorliegt,lässtsich
durchdenKaufeinesCDSeineRenditeer-zielen,diedemrisikolosenZinssatzentspricht.

50
MitanderenWorten:Manhatdas
KreditrisikoderUnternehmensanleihemitdemKaufdesCDSabgesichertunderzielt
so den risikolosen Zinssatz.
 Synthetische Short-Positionen: CDS können für die Kreditrisikoabsicherung eingesetzt
werden,daesKreditinstrumentewiebeispielsweiseBankkreditegibt,diemanaufdemMarkt
nicht einfach verkaufen kann. Mithilfe von CDS können synthetische Short- Positionen
errichtet werden, um damit das Kreditrisiko der zugrundeliegenden Position zu eliminieren
oderzusteuern.

49
Vgl. Anson 2012 : CAIA Level I: An Introduction to Core Topics in Alternative Investments, 676 ff.
S.
50
Renditeerwartung einer liquiden optionsfreien Unternehmensanleihe D risikoloser Zinssatz C
Kreditrisikoprämie. Wird ein CDS gekauft, bezahlt man die Kreditrisikoprämie, sodass der risiko-
lose Zinssatz verbleibt.
14.5 CreditDefaultSwaps 97

 Synthetische Long-Positionen: Mit CDS kann synthetisch ein Kredit oder eine Un-
ternehmensanleihe konstruiert werden. Besitzt man zum Beispiel ein Portfolio von
deutschen Bundesanleihen, kann durch den Verkauf von CDS synthetisch eine Kre-
ditrisikoposition erstellt werden. Die Rendite besteht aus dem risikolosen Zinssatz der
deutschen Bundesanleihen zuzüglich der CDS-Prämie (Kreditrisikoprämie) aus dem
VerkaufdesCDS.

 Hohe Marktliquidität: Aufgrund der relativ hohen Liquidität von CDS reagiert die
CDS-Prämie sehr sensitiv auf Veränderungen des Kreditrisikos. Dies ermöglicht ei- ne
Reflexion und Überprüfung von Kreditrisikopreisen in weniger liquiden Märkten. Wird
beispielsweise das Kreditrisiko einer wenig liquiden Wandelanleihe mit dem Kauf eines
CDS abgesichert, so können bei einer Zunahme des Ausfallrisikos zuerst die CDS-Prämie
understdanachdieKreditrisikoprämiederWandelanleihesteigen.

14.5.4 Preis-undWertbestimmungeinesCDS

Bei der Preisbestimmung eines CDS wird die durchschnittliche Geld-Brief-CDS-Prämie


(Mid-market CDS Spread) anhand von Ausfallwahrscheinlichkeiten ermittelt. Bei Lauf-
zeitbeginn des Swaps besteht weder ein Gewinn noch ein Verlust, sodass der Wert des CDS null
ist. Demnach ist der Barwert der erwarteten CDS-Prämienzahlungen des Käu- fers gleich groß
wie der Barwert der erwarteten Ausgleichszahlungen des Verkäufers. Um die
Preisbestimmung zu illustrieren, wird ein 5-jähriger CDS mit jährlichen nachschüssi- gen
CDS-Prämienzahlungen verwendet und ei nfachheitshalber davon ausgegangen, dass die
bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit konstant ist und 3 % pro Jahr beträgt. Die erwar- tete
Wiederverwertungsrate der Referenzanleihe liegt bei 30 %. Des Weiteren kann ein
Kreditausfall lediglich in der Jahresmitte st attfinden. Die unbedingte (marginale) Ausfall-
wahrscheinlichkeitfürdasJahrtlässtsichinAnlehnungan(14.27)wiefolgtberechnen:

AWunbedingt, t D AWbedingt, t ÜW t1 : (14.28)

Mithilfederbedingten(oderunbedingten)Ausfallwahrscheinlichkeitdes1.Jahresvon3%lässt
sichdieÜberlebenswahrscheinlichkeitvon97%( D 100 %  3 %) am Ende des
1. Jahres festlegen. Gemäß ( 14.28 ) beträgt die unbedingte Ausfallwahrscheinlichkeit im
2. Jahr 2,91 % (D 3 %  97 %), was eine Überlebenswahrscheinlichkeit am Ende des 2.
Jahres von 94,09 % (D % 2;91 %)ergibt.Nachstehendsindfürdienächsten5Jahre97
die jährlichen unbedingten Ausfallwahrscheinlichkeiten und die entsprechenden Überle-
benswahrscheinlichkeitenaufgeführt:

Jahre Unbedingte Ausfallwahrscheinlichkeiten Überlebenswahrscheinlichkeiten


1 0,0300 0,9700
2 0,0291 0,9409
3 0,0282 0,9127
4 0,0274 0,8853
5 0,0266 0,8587
9 14 Swaps

FallskeinKreditereigniseintritt,werdendieCDS-PrämienzahlungenvomKäuferamEnde
derJahre1bis5bezahlt.SomitsetztsichdiejährlichePrämienzahlungbeieinemNominalbetrag
vonEUR1ausdemCDS-Spread(CS)multipliziertmitderbetreffenden
Überlebenswahrscheinlichkeitzusammen.UmdenBarwertdernachfolgendenPrämien-
zahlungenzubestimmen,wirdeineflacherisikoloseZinsstrukturkurvemiteinemZinssatzvon2
%unterstellt.

Jahre Überlebenswahrschein- Erwartete Prämienzahlun- Barwert der erwarteten


lichkeiten gen (in EUR) Prämienzahlungen (in EUR)
1 0,9700 0,9700CS 0,9510CSa
2 0,9409 0,9409CS 0,9044CS
3 0,9127 0,9127CS 0,8601CS
4 0,8853 0,8853CS 0,8179CS
5 0,8587 0,8587CS 0,7778CS
Total 4,3112CS
0;9700CS
a
D 0;9510CS
1;02

BeieinemKreditereignismussderCDS-KäuferdiezeitanteiligaufgelaufenenCDS-
Prämienbezahlen.Soetwabestehtim4.JahreineWahrscheinlichkeitvon2,74%,dasssichein
KreditausfallereignetundsomiteinezeitanteiligeCDS-Prämiezuentrichtenist.Daein
möglicherKreditausfalljeweilsinderJahresmitteauftretenkann,ergibtsicheineCDS-Prämie
von0,5CS.DieerwartetezeitanteiligeCDS-PrämienzahlungbeieinemNo-minalbetragvon
EUR1beträgtnach3,5JahrenEUR0,0274x0,5CS.DerBarwertdiesererwartetenZahlung
beläuftsichaufEUR0,0128CS[

D EUR 0;0274  0;5CS=.1;02/3;5 ].


Im Folgenden sind die Barwerte der erwarte ten zeitanteiligen CDS-Prämienzahlungen
aufgeführt:

Jahre Unbedingte Ausfallwahr- Erwartete zeitanteilige Prä- Barwert der erwarteten


scheinlichkeiten mienzahlungen (in EUR) zeitanteiligen
Prämienzah- lungen (in
EUR) 0,0149CS
0,5 0,0300 0,0150CS
1,5 0,0291 0,0146CS 0,0142CS
2,5 0,0282 0,0141CS 0,0134CS
3,5 0,0274 0,0137CS 0,0128CS
4,5 0,0266 0,0133CS 0,0122CS
Total 0,0675CS

UmdieerwarteteAusgleichszahlungdesCDS-Verkäuferszubestimmen,wirdunter-stellt,
dasseinmöglicherKreditausfalljeweilsinderJahresmitteerfolgt.ZumBeispielJahrauf2,74%.
beläuft sich die Ausfallwahrscheinlichk eit im 4. Bei einem Nomi-
nalbetrag von EUR 1 und einer Wiederverwertungsrate von 30 % ergibt sich eine er-
wartete Ausgleichszahlung nach 3,5 Jahren von EUR 0,0192 [D 0;0274  EUR 1 
14.5 CreditDefaultSwaps 99

.1  0;3/]. Der Barwert dieser erwarteten Ausgleichszahlung liegt bei EUR 0,0179
[D EUR 0;0192=.1;02/3;5 ]. Die weiteren und das Total der Ausgleichszahlungen lau-
ten wie folgt:

Jahre Unbedingte Ausfall- Wiederverwer- Erwartete Aus- Barwert der


wahrscheinlichkeiten tungsrate gleichszahlungen erwarteten
Ausgleichszahlungen (in EUR)
(in EUR)
0,5 0,0300 0,3 0,0210 0,0208
1,5 0,0291 0,3 0,0204 0,0198
2,5 0,0282 0,3 0,0197 0,0187
3,5 0,0274 0,3 0,0192 0,0179
4,5 0,0266 0,3 0,0186 0,0170
Total 0,0942

Demnach besteht der Barwert der CDS-Prämienzahlungen des Käufers aus


EUR 4,3112CS und EUR 0,0675CS, was einen Barwert der erwarteten Zahlungen von
EUR 4,3787CS ergibt. Werden die erwarteten Zahlungen des Käufers mit denjenigen des
Verkäufersgleichgesetzt,erhältmanfolgendeGleichung:

EUR 4;3787 CS D EUR 0;0942:

WirddieGleichungnachCSaufgelöst,resultiertdarausdieCDS-Prämievon215Basis-punkten
(Mid-marketSpread),diebeiVertragsabschlussvereinbartwird:

EUR 0;0942
CS D D 0;0215:
EUR 4;3787

DieCDS-PrämiewirdhauptsächlichvondengeschätztenAusfallwahrscheinlichkeitenundder
unterstellten Wiederverwertungsrate der Anleihe bzw. des Kredits beeinflusst.
AnnäherungsweiselässtsichdaherdieCDS-PrämiemitfolgenderFormelberechnen: 51

CSApprox: D AWbedingt .1  WR/ ; (14.29)

wobei:

WR D Wiederverwertungsrate.

Für das Beispiel resultiert aus ( 14.29 ) eine angenäherte CDS-Prämie von 210 Basispunk- ten [
D 0;03  .1  0;3/].
Bei Vertragsabschluss ist der Wert des Cre dit Default Swaps null. Weder der Käufer
noch der Verkäufer verfügen zu Beginn der Swaplaufzeit über einen Gewinn bzw. einen

51
Vgl. Abschn. 14.5.2.1 .
900 14 Swaps

Verlust, da der Barwert der erwarteten Prämienzahlungen (einschließlich der zeitantei- ligen
Zahlungen)gleichdemBarwertdererwartetenAusgleichszahlungenist.WährendderLaufzeitkann
derSwapaufgrundvonverändertenAusfallwahrscheinlichkeitenundderWiederverwertungsrate
derAnleiheeinenpositivenodernegativenWertannehmen.FürdenCDS-Käufer(CDS-Verkäufer)
ergibtsicheinpositiverWert,wennderBarwertdererwartetenAusgleichszahlungendenBarwertder
erwartetenPrämienzahlungenüber-schreitet(unterschreitet).Gehtmandavonaus,dassderCredit
DefaultSwapausdemobenstehendenBeispielvoreinigerZeitzueinemPreisvon250Basispunkten
(CDS-Prämie)abgeschlossenwurdeundheutedieCDS-Prämie215Basispunktebeträgt,resultiert
darauseinBarwertdererwartetenPrämienzahlungenvonEUR0,1095(

D EUR 4;3787  0;025),


während zum Bewertungszeitpunkt der Barwert der erwarteten Ausgleichszahlungen bei
EUR 0,0942 liegt. Somit weist der CDS für den Käufer einen negativen Wert (Schuldpo- sition)
undfürdenVerkäufereinenpositivenWert(Vermögensposition)auf:

VCDS-Käufer, t D EUR 0;0942  EUR 0;1095 D EUR 0;0153;


VCDS-Verkäufer, t D EUR 0;1095  EUR 0;0942 D EUR 0;0153:

Der negative CDS-Wert für den Käufer ist da rauf zurückzuführen, dass er eine CDS- Prämie von
250 Basispunkten bezahlt, die ver glichen mit der Prämie zum Bewertungs- zeitpunkt von 215
Basispunkten höherist. Beläuft sich zum Beispiel der Nominalbetrag des Credit Default Swaps
auf EUR 100 Mio., so besitzt der CDS-Käufer eine Schuldpo- sition von EUR 1,53 Mio. Der
CDS-VerkäuferhingegenhälteineVermögenspositionvonEUR1,53Mio.

Der CDS-Handel erfolgt außerbörslich, sodass Finanzinstitute (v. a. Investmentban-


ken) eine wichtige Rolle in der Preis- und Marktfindung von CDS spielen. Sie treten wie bei den
Zinssatz- und Währungsswaps als Finanzintermediäre auf. Die Geld-Brief-Spanne der
CDS-Prämie liegt bei ungefähr 5 Basispunkten. So zum Beispiel kann der CDS-Käufer eine
Prämie von 215 Basispunkten an das Finanzinstitut bezahlen, die dann eine Prämie von 210
BasispunktenandenCDS-Verkäuferentrichtet.FürdieseMittlerdienstleistungerhältdasInstitut
eine Kommission von 5 Basi spunkten. Die Tätigkeit der Finanzinstitute als Market Maker führt
dazu, dass die für die CDS-Prämie gestellten Geld- und Briefprei- se (bzw. Ankaufs- und
Verkaufspreise) mit ei nem Bewertungsmodell ermittelt werden, das sich auf
Ausfallwahrscheinlichkeiten und Wiederverwertungsraten des Referenzwerts stützt. Somit
entsprichtdieCDS-PrämiedemmiteinemModellberechneten„inneren“Wert.

MöchteeineVertragsparteidesSwapseinenetwaigenaufgelaufenenGewinnreali-sieren
odereinennichtmehrbenötigtenAusfallschutzauflösen,kannderCreditDefaultSwapvor
Laufzeitendeglattgestelltwerden.HierzubestehendiefolgendendreiAlterna-tiven:

1. Entgegengesetzte Position: Die Vertragsparteien können jeweils in die entgegengesetz- te


CDS-Positioneintreten.DiesführtinderRegelzuÄnderungenderCDS-Prämie,
14.5 CreditDefaultSwaps 901

da der Marktwert des Swaps aufgrund von veränderten Ausfallwahrscheinlichkeiten


und der Wiederverwertungsrate des Referenzwerts nicht mehr null ist. Ebenfalls ist es
möglich, in die entgegengesetzte Position der dem CDS zugrundeliegenden Anleihe
einzutreten, wobei das verbleibende Zinsänderungsrisiko abgesichert werden muss.
Abtretung (Assignment): Der Credit Defa ult Swap kann einem Market Maker oder ei-
2. ner anderen Partei abgetreten werden. Die Vertragspartei eines CDS kann einen
anderen Marktteilnehmer finden, der bereit ist, die Rechte und Pflichten aus dem
Swapver- trag mit oder ohne eine Geldzahlung zu übern ehmen. Wirtschaftlich
betrachtet, ist das Ursprungsgeschäft zwar abgeschlossen, aber rechtlich existieren nun
zwei Swap- geschäfte. Sieht ein Swapvertrag ein Assi gnment vor, müssen alle drei
Parteien einig sein, dass eine Abtretung erfolgt. Die im CDS verbleibende Vertragsseite
wird einem Assignment nur zustimmen, wenn die neue Partei eine Bonität besitzt, die
mindestens so hoch ist wie diejenige der Vertragsparte i, die den Swap glattstellen
möchte. Beim ISDA-Rahmenvertrag ist bei einer Abtretung eine schriftliche
Einwilligung der ver- bleibenden Partei vorgesehen.

3. Beendigung: Der CDS-Vertrag kann bei geg enseitigem Einverständnis der beiden Ver-
tragsparteien vorzeitig aufgelöst werden. Di ejenige Partei mit einer Vermögensposition
(aufgelaufener Gewinn) erhält von der Gegenseite des Swaps mit einer Schuldposition
(aufgelaufenerVerlust)eineAusgleichszahlung.

14.5.5 ISDA-RahmenvertragundDe nitiondesKreditereignisses

Credit Default Swaps werden außerbörslich gehandelt und stellen somit privat ausgehan- delte
Transaktionen zwischen dem Käufer und dem Verkäufer des Ausfallschutzes dar. Die
International Swaps and Derivatives Association (ISDA), eine Handelsorganisation von
Teilnehmern am Markt von außerbörslich geh andelten Derivaten, hat mit ihren Rahmen-
verträgen zur Standardisierung und somit zum Wachstum des CDS-Marktes wesentlich
beigetragen. Die seit 1998 bestehenden ISDA-Rahmenverträge machen die Vertragsge-
staltung und interne Dokumentation für beide Vertragsparteien transparenter und rechts-
sicherer. Sie stehen den Marktteilnehmern frei zur Verfügung und dienen als Rahmen für das
Aushandeln der Vertragsbedingungen. Der standardisierte Rahmenvertrag enthält unter
anderem Bestimmungen zur CDS-Prämie, zum Nominalbetrag, zum die Zahlung auslösenden
KreditereignisundzurAbrechnungundphysischenLieferungdesReferenz-werts.

52

DasKreditereignisbildetdasKernstückjederCDS-Transaktion.Dasvertraglichver-
einbarteTrigger-Ereignisbestimmt,wannderVerkäuferdesAusfallschutzesdieZahlungan
denSicherungsnehmerzuleistenhat.DaherwirddasKreditereignisintensivzwischenden
Vertragsparteienausgehandelt.BeieinerbreitgefasstenDefinitiondesTrigger-Eventsisteine
Auszahlungwahrscheinlicher,wassichineinerhöherenCDS-Prämienieder-

52
Vgl. http://www2.isda.org .
902 14 Swaps

schlägt. Das Determinations Committee wurde 2009 von der ISDA als unabhängige Stelle
gegründetunddient–fallsdiesimVertragvorgesehenist–alsverbindlicheSchiedsstel-lebeider
Vertragsauslegung. Dabei entscheidet die Schiedsstelle über zentrale Anliegen der
Vertragsparteien wie etwa, ob ein Kreditereignis vorliegt, wann es eingetreten ist, welche
Ausgleichszahlungen erforderlich sind, welche Referenzaktivageliefert werden können usw.
So zum Beispiel hat das 15-köpfige ISDA EMEA Determinations Commit- tee am 1. März 2012
zunächst entschieden, dass die Umstrukturierungsmaßnahmen bei den griechischen
Staatsanleihe n kein zur Auszahlung auslösendes Kreditereignis darstel- len. Am 9. März 2012
wurdedieEntscheidungjedochrevidiertundeinKreditereignisfestgestellt.

53
DieISDAhältdiefolgendensechspotentiellenKreditereignissefest,diedurch
dieVertragsparteienergänztwerdenkönnen,obwohldiesegrundsätzlichsämtliche
Kreditereignisseabdecken: 54

1. Insolvenz: Eine Insolvenzanmeldung wird üblicherweise mit der Zahlungsunfähigkeit des


Unternehmensgleichgesetzt.
2. Zahlungsversäumnis: Obwohl das Insolvenzverfahren noch nicht läuft, ist das Unter-
nehmennichtinderLage,seineSchuldenrechtzeitigzubezahlen.
3. Umschuldung: Hierbei handelt es sich um eine Schuldenumstrukturierung zulasten der
Gläubiger. Da bei Umstrukturierungen oftmals die Unsicherheit besteht, ob ein
Kreditereignisgegebenist,hatdieISDAdiesenTeildesRahmenvertragspräzisiert,indemsie
den Vertragsparteien die folgenden Optionen zur Verfügung stellt: 1. Um- schuldung stellt
kein Kreditereignis dar. 2. Umschuldung ist ein Kreditereignis. 3. Bei der modifizierten
AusprägungderUmschuldungwerdenbeiEintrittdesKreditereig-nisseslediglichAnleihen
einbezogen, die zum Zeitpunkt des Trigger-Ereignisses eine Restlaufzeit von maximal 30
Monaten aufweisen. 4. Wählen die Vertragsparteien die zweite Version der modifizierten
Umschuldung, werden bei einem Kreditereignis le- diglich Anleihen mit einer Restlaufzeit
vonbiszu60Monatenbetrachtet.

4. Vorzeitige Fälligkeit von Schulden: Sämtliche Anleihe- und Kreditverträge enthalten


Bestimmungen zur Beschleunigung der Schuldenrückzahlung, wenn sich die Bonität des
Schuldnersaufgrundverschiedener Ereignisse,wieetwaeinZahlungsversäumnis odereine
HerabstufungdesRatings,verschlechtert.

5. Vertragsverletzung: Die Nichteinhaltung der Verpflichtungen in einem Anleihe- oder


KreditvertragführtzueinerVertragsverletzungdurchdenSchuldner.SozumBei-spielwirddieHöhe
vonbestimmtenvertraglichvereinbartenKennzahlenwieetwaLiquiditätskennzahlen(z.B.Cash
Ratio,QuickRatioundCurrentRatio)oderderZins-deckungsgradnichteingehalten.

53
Vgl.http://www2.isda.org/greek-sovereign-cds.DasichdasDeterminationsCommitteeausVer-
treternderFinanzindustriezusammensetzt, bestehtbeiderBestimmungeinesKreditereignissesein
latenter Interessenkonflikt. Als Schiedsstelle fungiert eine Organisation, deren Vertreter durch ein
KreditereignisGeldverdienen,aberauchverlierenkönnen.
54
Vgl. z. B. Anson 2012 : CAIA Level I: An Introduction to Core Topics in Alternative Investments, 672.
S.
14.5 CreditDefaultSwaps 903

6. Nichtanerkennung/Zahlungsaufschub: Dies wird oft mit Staatsschulden von Schwel-


lenländerninVerbindunggebracht.DabeihandeltessichumdieWeigerungeinesStaates,die
Schulden fristgerecht zurückzuzahlen oder sogar um eine Nichtanerken- nung der
ausstehendenSchulden.

In einem CDS werden vielfach nur Teile dieser Kreditereignisse besichert. Üblich sind
Ausfallereignisse,diesichaufdieInsolvenzunddasZahlungsversäumnisbeziehen.

14.5.6 RisikenimZusammenhangmitCDS

Bei einem außerbörslich gehandelten Swap wird das Kreditrisiko durch das von den re-
gulatorischen Bestimmungen (z. B. EMIR in der EU und FinfraG in der Schweiz) vorge-
schriebeneCollateralweitestgehendeliminiert. 55
Somit wird der Kreditrisikoschutz des
CDS-Käufers aufgrund der neuen regulatorischen Vorschriften nicht mehr von der Boni-
tät des CDS-Verkäufers beeinflusst.
EineVerlustgefahrstelltdasBasisrisikodar,dasaufdiemangelhafteKorrelationzwi-schen
demReferenzwertdesCDSunddemdurchdenCDS-KäuferabzusicherndenVer-mögenswert
zurückgeht.ZumBeispielkanneineBankeinenKreditabsichern,indemeseinenCDSkauft,
dessenReferenzwertdurcheineAnleihedesSchuldnersgegebenist,anstatteinen
maßgeschneidertenundpotentiellwenigerliquidenCDSabzuschließen,dersichdirektaufden
Kreditbezieht.KorrelierendieWertederAnleiheunddesKreditsnichtvollständigpositiv
miteinander,bestehteinBasisrisiko.EinanderesBeispielist,dasseineBankeinen4-jährigen
Kreditmiteinem5-jährigenCreditDefaultSwapabsichert,weil5-jährigeverglichenmit
4-jährigenCDSpotentiellübereinehöhereLiquiditätverfügen.DabeiistdasFinanzinstitutdem
Basisrisikoausgesetzt,daKreditemitLaufzeitenvon4und5Jahrennichtdengleichen
Marktwertveränderungenunterliegen.

14.5.7 VariantenvonCDS

AufdenFinanzmärktentretenverschiedeneVariantenvonCreditDefaultSwapsauf,dievonder
hier beschriebenen Grundstruktur eines CDS abweichen. So zum Beispiel besit- zen Binary
Credit Default Swaps eine feste, vorab festgelegte Ausgleichszahlung, die bei Eintritt eines
Krediterei gnisses unabhängig von der eigentlichen Verlusthöhe des Refe- renzwerts geleistet
wird. Daher spielt die Wiederverwertungsrate des Referenzaktivums bei der Bewertung des
SwapskeineRolle.VielmehrstütztsichdieBewertungalleinaufdieAusfallwahrscheinlichkeit
des Referenzwerts. Ein Binary CDS wird von den Markt- teilnehmern gewählt, wenn das
Referenzaktivum nicht öffentlich gehandelt wird, da in einem solchen Fall die Schätzung der
Wiederverwertungsrateäußerstschwierigist.

56

55
Vgl. Abschn. 12.2 .
56
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 513.
904 14 Swaps

BeieinemRecoveryCreditDefaultSwaperhältderKäuferdesAusfallschutzesledig-lich
danneineAusgleichszahlungvonderanderenSwapseite,wennderRestwert(Reco-very)des
ReferenzwertsaufgrundeinesKreditereignissesuntereinenvertraglichverein-barten
ProzentsatzdesNominalbetragsfällt.DemnachmussderVerlustdenvertraglichvereinbarten
Schwellenwertübersteigen,damiteineAusgleichszahlungerfolgt.DerAus-fallschutzbeginnt
erstdann,wenndervertraglichfestgelegteSchwellenwertüberschrittenwird.Somitsetztsich
dieAusgleichszahlungausderDifferenzzwischendemvertraglichbestimmtenSchwellenwert
unddemeigentlichenRestwertdesReferenzaktivumszusam-men.BeieinemRecoveryCDS
wirdnureinTeildesKreditrisikosabgesichert,wasdenVorteilhat,dassdieCDS-Prämie
vergleichsweisegeringerausfällt.

EinBasketCreditDefaultSwapbeziehtsichaufeinenKorb(Portfolio)vonRefe-renzaktiva.
BeieinemFirsttoDefaultCDSwirddieAusgleichszahlungausgelöst,wennlediglicheinerder
vielenSchuldnerimPortfolioaufgrundeinesKreditereignissesausfällt.LiegteinSecondto
DefaultCDSvor,wirddieAusgleichszahlungfürbeideSchuldnerfällig,wennderzweite
Schuldnerzahlungsunfähigwird.AufdieseWeiselassensichweitereBasketCDS
konstruieren,dieerstfälligwerden,wenneinebestimmteAnzahlanSchuldnernausfällt.Die
CDS-PrämiebeieinemBasketCreditDefaultSwapnimmtanhandderAnzahlderSchuldnerim
Korbzu.SoetwaistdieCDS-PrämiebeieinemFirsttoDefaultCDShöher,alswennsichdas
ReferenzaktivumdesSwapslediglichaufeinenSchuldnerbeschränkt,weilbeimehreren
SchuldnerndieWahrscheinlichkeiteinesKreditereignissessteigt.Allerdingsistdie
CDS-PrämiebeieinemBasketCreditDefaultSwapwesentlichniedrigeralsdiekumulierten
CDS-PrämiensämtlicherEinzelschuld-ner,derenReferenzaktivaimKorbenthaltensind.Der
Grundliegtdarin,dasssichderAusfallschutzlediglichaufdenAusfallderimSwap
vorgesehenenAnzahlderSchuld-nerbeschränkt.FürdiePreisermittlungeinesBasketCDS
sindnichtnurdieerwartetenAusfallwahrscheinlichkeitenundWiederverwertungsraten
einzubeziehen,sondernauchdiegeschätztenKorrelationenzwischenden
AusfallwahrscheinlichkeitenderReferenz-schuldnerzuberücksichtigen.

IndexbasierteCDSweisenalsReferenzwerteinenKreditindexauf.Diezweibedeu-tendsten
KreditindizesfürCDSsindderMarkitCDAXfürNordamerikaundEmergingMarketssowie
deriTraxxfürEuropaundAsien. 57
Mithilfe von Kreditindizes lässt sich
die Entwicklung von CDS-Prämien bestimmter Teilbereiche des Kreditmarktes (z. B. geo-
graphisch wie Europa, Asien und Nordamerika oder auch Investment-Grade- und Non-
Investment-Grade-Anleihen) abbilden. Zum Beispiel besteht der Markit iTraxx Europe aus
einem Korb von 125 gleich gewichteten Referenzschuldnern, welche bezüglich des
Handelsvolumens die liquidesten Anleihen von 125 europäischen Unternehmen des CDS-
Marktes darstellen. Demnach ist das anteilige Gewicht jedes Schuldners im Index 0,8%, sodass
derIndexgutdiversifiziertistunddieeinzelnenRisikopositionenimIndextrans-parentsind.Die
MarktteilnehmerhabendieMöglichkeit,dasKreditrisikoeinesdiversi-

57
Diese Kreditindizes gehören Markit, die diese verwaltet und berechnet. Vgl. http://www.markit.
com.
14.6 Zusammenfassung 905

fizierten Anleiheportfolios zu kaufen bzw. z u verkaufen. Der Market iTraxx Europe wird für
Laufzeiten von 3, 5, 7 und 10 Jahren aufgelegt und zweimal im Jahr, jeweils im März und
September,aktualisiert.DabeiwirdhalbjährlicheinneuerIndexangelegt(On-the-Run-Index),
sodassverschiedeneSeriendesKreditindexexistieren.BeiderFestlegungdesneuenIndexwird
die CDS-Prämie bestimmt, die während derLaufzeit des Index kon- stant bleibt. Wird ein CDS
auf den Markit iT raxx Europe während der Laufzeit des Index abgeschlossen, ist die Differenz
zwischen der zu Beginn festgelegten CDS-Prämie und der aus aktuellen Marktpreisen
ermittelten CDS-Prämie als Barausgleich zu leisten. Fällt ein Referenzschuldner des Markit
iTraxxEuropeaus,wirddieserimIndexnichtmehrersetzt.

ZumBeispielkannein5-jährigerCDSaufdenMarkitiTraxxEuropevoneinemMarket
MakerzueinemBid-Preisvon71,52BasispunktenundeinemAsk-Preisvon72,52Basis-
punktennotiertwerden.DiesePreiseentsprechenderPrämiedesKreditindex.Demnachkann
derSicherungskäufereinenAusfallschutzaufsämtliche125europäischenUnterneh-mendes
MarkitiTraxxEuropefüreinenPreisvon72,52Basispunktenerwerben.Möchteein
MarktteilnehmereinenAusfallschutzvonEUR
500:000 für jedes im Kreditindex ent-
haltene Unternehmen kaufen, bezahlt er jährlich eine CDS-Prämie von EUR 453:250 (D
0;007252 EUR 500:000 125). Auch kann der Marktteilnehmer einen Ausfallschutz von
EUR 500:000 für jedes Unternehmen zu einer jährlichen CDS-Prämie von EUR 447:000
verkaufen (D 0;007152  EUR 500:000  125). Fällt ein Unternehmen im Index aus,
erhält der CDS-Käufer die Ausgleichszahlung vom Verkäufer. Darüber hinaus vermin-
dert sich die jährliche CDS-Prämie um EUR 3626 (D EUR 453:250=125) und beträgt neu
EUR 449:624.

14.6 Zusammenfassung

 Swaps stellen außerbörsliche Kontrakte dar, bei denen sich die beiden Vertragspar-
teien einverstanden erklären, eine Reihe von Cashflows auszutauschen. Die variablen
und/oderfesten Cashflows beziehen sich aufeinen Zinssatz, Wechselkurs, Aktienpreis oder
Rohstoffpreis. Zu Beginn der Laufzeit ist der Wert des Swaps null. Erfolgen die
Swapzahlungen in der gleichen Währung und Zeitpunkt, werden sie üblicherweise mit-
einander verrechnet, sodass lediglich eine der beiden Parteien eine Zahlung tätigen muss.
BeideSeitendesSwapssinddempotentiellenKreditrisikoausgesetzt.Beiei-nemAusfallder
GegenparteiresultiertbeiderjenigenSwapseiteeinVerlust,dieübereineVermögensposition
(aufgelaufener nicht-realisierter Gewinn) verfügt. Allerdings müssen Swaps besichert
werden,sodassdasKreditrisikoaufgrunddesCollateralswei-testgehendeliminiertist.

 Mithilfe von Zinssatzswaps lassen sich Finanzierungskosten senken, die im Rahmen ei- ner
Fremdkapitalaufnahme anfallen. Vorau ssetzung hierfür ist, dass die Unternehmen eine
unterschiedlicheBonität besitzen.Besteht beizweiUnternehmenein komparati- verVorteil
inderKreditfinanzierungzueinemfestenundeinemvariablenZinssatz,
906 14 Swaps

können sie einen Zinssatzswap abschließen und so ihre Finanzierungskosten reduzie- ren.
Die Gesamtersparnis der Zinskosten im Vergleich zu einer Fremdkapitalaufnahme ohne
Abschluss eines Swaps ergibt sich aus der Differenz der festen Zinssätze abzüg- lich der
Differenz der variablen Zinssätze. Allerdings ist das Unternehmen, das sich zu einem
variablen Zinssatz auf dem Kreditmar kt finanziert hat und anschließend in einen Receiver
Swap eingetreten ist, dem Kreditrisiko ausgesetzt, wenn der Spread des va- riabel
verzinslichen Kredits jeweils angepasst wird. Verschlechtert sich die Bonität, so erhöhen
sich die Zinskosten beim variabel verzinslichen Kredit, was dazu führen kann, dass der
Zinsvorteil verschwindet. Hätte das Unternehmen direkt Geld auf dem fest- verzinslichen
Markt aufgenommen, würde dieses Kreditrisiko nicht bestehen. Daher können die
Kapitalkostenersparnisse bei einer Bonitätsverschlechterung des Unterneh- mens deutlich
geringerausfallenbzw.sogarganzwegfallen.

 DieCashflowseinesZinssatzswapslassensichmiteinerfestverzinslichenundeinervariabel
verzinslichen Anleihe oder mit ei ner Serie von Forward Rate Agreements re- plizieren.
Nimmt man für die Replikation Anleihen, lassen sich die Cashflows eines Receiver Swaps
(Payer Swaps) mit einer Long (Short) festverzin slichen Anleihe und einer Short (Long)
variabel verzinslichen Anleihe nachbilden. Anhand dieses Replika- tionsansatzes kann der
PreisdesSwaps–alsoderSwapsatz–undderWertdesSwapsbestimmtwerden.

 Erfolgt die Replikation der Swap-Cashflows mit Anleihen, sind die Preise der festver-
zinslichen und der variabel verzinslichen Anleihen zu Laufzeitbeginn gleich groß, da der
Wert des Swaps null ist. Wird die Gleichung nach dem Kuponsatz der festverzins- lichen
Anleihe aufgelöst, gelangt man zum Swapsatz. Während der Laufzeit verändert sich die
Swapsatzkurve, was dazu führt, dass der Swap einen positiven oder negativen Wert
annehmen kann. Der Wert des Receiver Swaps ergibt sich aus dem Preis der Long
festverzinslichen Anleihe abzüglich des Preises der Short variabel verzinslichen Anlei- he.
Demgegenüber resultiert der Wert des Payer Swaps aus der Preisdifferenz zwischen der
variabel verzinslichen und derfestverzinslichen Anleihe.Steigen die Zinssätze ent- langder
EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve, nehmen die variablen Zinszahlungen zu und
folglich vermindert (erhöht) sich der Wert des Receiver (Payer) Swaps. Bei einem
Zinsrückgang hingegen gehen die variablen Zinszahlungen zurück, sodass der Wert des
ReceiverSwapszunimmt,währendderWertdesPayerSwapsfällt.

 EinvariabelverzinslicherKreditkannmithilfeeinesPayerSwapsineinenfestver-zinslichen
Kredit umgewandelt werden. Dabei heben sich die variablen Zinszahlungen bezogen auf
einen Referenzzinssatz wie etwa LIBOR oder EURIBOR gegenseitig auf, sodass eine feste
Zinsexposition verbleibt. E benso kann ein festverzinslicher Kredit in einen variabel
verzinslichen Kredit tra nsformiert werden, indem ein Receiver Swap abgeschlossen wird.
Hierbei v erbleibt eine variable Zins exposition, da die festen Zins- zahlungen miteinander
verrechnetwerden.

 Das Zinsänderungsrisiko von Anleihen lässt sich neben Fixed Income Futures auch mit
Zinssatzswaps steuern. Die modifizierte Duration eines Payer Swaps ist negativ und besteht
ausderDifferenzzwischendenDurationeneinervariabelverzinslichenund
14.6 Zusammenfassung 907

einer festverzinslichen Anleihe. Die negative Duration ist auf die niedrige Duration der
variabel verzinslichen Schuldverschreibung zurückzuführen, deren modifizierten Dura-
tionausderZinsperiode(ausgedrücktinJahren)dividiertdurch1plusdererwartetenRendite
besteht.DemgegenüberistdiemodifizierteDurationeinesReceiverSwapspo-sitiv,weilvon
der Duration der festverzinslichen Anleihe die niedrigere Duration der variabel
verzinslichen Schuldverschreibung abgezogen wird. Daher lässt sich die Du- ration eines
Long-Anleiheportfolios mit einem Payer Swap verkürzen, da diese über eine negative
Duration verfügt. Besteht die Zielsetzung darin, die Duration eines An- leiheportfolios zu
erhöhen,isteinReceiverSwaperforderlich.FürdieSteuerungdesZinsänderungsrisikosvon
AnleihenwerdenüblicherweiseFixedIncomeFuturesundnichtZinssatzswapseingesetzt.

 Bei einem Währungsswap werden zusätzlich zu den auf zwei verschiedene Währungen
lautenden Nominalbeträgen zu Beginn und am Ende der Laufzeit auch die periodischen
ZinsenaufdenzuLaufzeitbeginnerhaltenenNominalbetraggetauscht.
 Währungsswaps werden oftmals aufgrund komparativer Vorteile abgeschlossen, die auf
einen unterschiedlich guten Zugang derM arktakteureauf Teilb ereichedes Kapital- marktes
zurückgeführt werden können. Im Gegensatz zu Zinssatzswaps, bei denendie komparativen
Vorteile aufgrund von Ausfall- und Bonitätsrisiken nicht immer vollstän- dig ausgenutzt
werden können, lassen sich mit Währungsswaps beim Vorhandensein komparativer
VorteileKapitalkostenersparnisseerzielen.

 ZuBeginnderLaufzeitistderWerteinesWährungsswapsnull.DiePreisbestimmungbezieht
sich analog zu einem Zinssatzswap auf die Festlegung des Swapsatzes. Wäh- rend der
LaufzeitdesWährungsswapsverändernsichdieSwapsatzkurvenundderWechselkurs,was
dazu führt, dass das Derivat einen positiven oder negativen Wert an- nehmen kann. Der Wert
eines Währungsswaps l ässt sichanalog zu einem Zinssatzswap entweder mit zwei Anleihen
odermiteinemPortfoliovonForwardsberechnen.

 Währungsswaps können verwendet werden, um Verbindlichkeiten und Geldanlagen in


die gewünschte Währungsexposition zu transformieren. Anstatt mit Derivaten lassen
sich Währungsrisiken auch absichern, indem man die in der Fremdwährung lauten-
den Long- oder Short-Position verkauft respektive kauft. Dennoch sprechen folgende
Gründe für den Einsatz von Währungsswaps: 1. Die Transaktionskosten sind
niedriger. Die strategische Asset-Allokation des Port folios bleibt unverändert. 3.
Verträge blei- ben bestehen und müssen nicht aufgelöst werden. 4. Mit
2.
Währungsswaps kann man gezielt Währungsrisiken eliminieren, während andere
gewünschte Marktpreisrisiken verbleiben. 5. Komparative Vorteile können ausgenutzt werden.

 IneinemEquitySwapwirddieRenditeeinerAktienposition(z.B.Aktienindex)ge-geneinen
festen oder variablen Zinssatz getauscht. Die Zahlungen basieren auf einem fiktiven
Nominalkapital (gleich wie bei ei nem Zinssatzswap). Equity Swaps erlauben dem
Portfoliomanager,dieExpositionetwazueinemAktienindexzuerhöhenoderzureduzieren,
ohnediedafürerforderlichenAktienzukaufenoderzuverkaufen.

 Anhand des Replikationsansatzes lassen sich der Preis und der Wert eines Equity Swaps
ermitteln.DabeikönnenbeispielsweisedieCashflowseinesEquitySwaps,bei
90 14 Swaps

dem man die Rendite einer Aktienposition e rhält und im Gegenzug den Swapsatz bezahlt,
mithilfeeinerLong-AktienpositionundeinerShortfestverzinslichenAnleihenachgebildet
werden. Zu Lau fzeitbeginn ist der Wert eines Equity Swaps null. Der Preis ist durch den
Swapsatz gegeben. Währe nd der Laufzeit verändert sich infolge von Aktien- und
AnleihepreisänderungenderWertdesSwaps,sodasseineVermögens-oderSchuldposition
entsteht.

 Equity Swaps können im Portfoliomanagement zum einen für die Diversifikation und zum
anderenfürdieÄnderungderAsset-Allokationeingesetztwerden.
 Bei einer Kreditvergabe besteht das Risiko , dass der Schuldner die vertraglich festge- legten
Zins- und Tilgungszahlungen nicht vertragsgerecht leistet, was zu einem Zah- lungsverzug
bis hin zu einer Insolvenz des Schuldners führen kann. Diese Verlustgefahr stellt das
Kreditrisiko bzw. Ausfallrisiko d ar. Um das Kreditrisiko zu messen, sind unter anderem die
Ausfallwahrscheinlichkeit des Schuldners und die Wiederverwertungsrate bei Ausfall
(RecoveryRate)zuschätzen.

 Der für den Kredit vereinbarte Zinssatz beinhaltet eine Kreditrisikoprämie (Credit Spread),
die eine Renditeentschädigung für einen möglichen Ausfall des Schuldners darstellt. Mit
dem Credit Spread wird die Verlustgefahr kompensiert, dass der Kredit- nehmer die
vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen nicht leistet. Weist zum Beispiel ein
Kredit eine Laufzeit von 5 J ahren auf, besteht der geforderte Zinssatz aus dem 5-jährigen
risikolosen Zinssatzzuzüglich desjährlicherwarteten VerlustsauseinemKreditausfall (in P
rozent). Der erwartete Ver lust lässt sich mithilfe der geschätzten bedingten
Ausfallwahrscheinlichkeit und der Wiederverwertungsrate be- stimmen. Dabei können
Ausfallwahrscheinlichkeiten implizit aus Anleihepreisen, aus historischen Daten oder aus
Aktienpreisengeschätztwerden.

 Die Bewertung von Kreditderivaten erfolg t mit einem risikoneutralen Ansatz. Hierzu
werdenimplizite Ausfallwahrscheinlichkeiten aus Anleihepreisen verwendet, da diese mit
einem risikoneutralen Ansatz bestimmt werden und somit risikoneutrale Wahr-
scheinlichkeitendarstellen.ImpliziteAusfallwahrscheinlichkeitenaushistorischenDa-ten
hingegen werden für die Szenarioanalyse oder die Berechnung des Credit Value at Risk
eingesetzt.

 Das Ausfallrisiko eines Kredits kann durch Kr editderivate handelbar gemacht werden. So
können Kreditgeber (vor allem Finanzinstitu te) ihre bestehenden Kreditrisiken mit- hilfe
von Derivaten an andere Marktteilnehmer verkaufen. Oftmals handelt es sich bei den
Käufern um andere Finanzinstitute wie etwa Banken und Versicherungen sowie auch um
Hedgefonds, die gezielt neue Kreditrisiken eingehen wollen. Credit Default Swaps (CDS)
sind die am weitesten verbreite ten Kreditderivate. Der Käufer eines CDS
(Sicherungsnehmer oder Risi koverkäufer) schützt sich gegen einen möglichen Kre-
ditausfall. Der Verkäufer eines CDS (Sicherungsgeber oder Risikokäufer) hingegen
verkauftderGegenseitedesSwapsdenKreditrisikoschutz.

 In einem CDS-Vertrag werden die folgenden Punkte geregelt: 1. Das Referenzaktivum


bezieht sich auf eine bestimmte Unternehmen sanleihe respektive au f einen Einzelkredit
(Single-Name-Derivat)oderaufmehrereReferenzaktivawieeinenAnleiheindexoder
14.6 Zusammenfassung 909

ein Kredit- oder Anleiheportfolio (Multi-Name-Derivat). 2. Das Kreditereignis, das die


AuszahlungdesCDSauslöst,mussklardefiniertsein.3.DieKompensationszahlungfälltbei
Eintritt des Kreditereignisses an und kann entweder durch physische Lieferung (der
Regelfall) oder durch Barausgleich erfolgen. 4. Die CDS-Prämie wird vom Si-
cherungskäufer vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich an den Sicherungsverkäufer
entrichtet. Wenn kein Kreditereignis eintritt, wird die CDS-Prämie bis zum Laufzei- tende
bezahlt. Bei einem Kreditereignis hinge gen entrichtet der Käufer lediglich die in der Periode
aufgelaufene CDS-Prämie . Die CDS-Prämie wird als Prozentsatz des Nominalbetrags (in
Basispunkten)angegebenundzueinemBid-undeinemAsk-Preisnotiert.DiePreisewerden
von Market Makern (großen Finanzinstituten) gestellt. 5. Die Laufzeit eines CDS kann die
Laufzeit der zugrundeliegenden Referenzaktiva nicht überschreiten. Üblich sind
Laufzeiten von 3 bis 10 Jahren. Ein CDS endet zumvertrag- lich vereinbarten Zeitpunkt oder
sobaldeinKreditereigniseingetretenist.

 Zu Laufzeitbeginn ist der Wert eines CDS null, weil der Barwert der erwarteten CDS-
Prämienzahlungen des Käufers gleich groß wie der Barwert der erwarteten Ausgleichs-
zahlungen des Verkäufers ist. Setzt man die aufgrund der geschätzten Ausfallwahr-
scheinlichkeiten ermittelten Prämienzahlunge n mit den erwarteten Ausgleichszahlun- gen
gleich, die aufgrund von unterstellten Ausfallwahrscheinlichkeiten und Wieder-
verwertungsraten bestimmt wurden, erhält man durch das Auflösen der Gleichung die
CDS-Prämie. Während der Laufzeit kann der Swap infolge verände rter Ausfallwahr-
scheinlichkeiten und der Wiederverwertungsrate der Referenzanleihe einen positiven oder
negativen Wert annehmen. Für den CDS-K äufer (CDS-Verkäufer) ergibt sich ein positiver
Wert, wenn der Barwert der erwarteten Ausgleichszahlungen den Barwert der erwarteten
Prämienzahlungen überschre itet (unterschreitet). Mit anderen Worten: Für den
CDS-Käufer resultiert ein positiver (negativer) Wert, wenn die vertraglich vereinbarte
CDS-Prämie niedriger (höher) als die aktuelle CDS-Prämie ist. Für den CDS-Verkäufer gilt
dasUmgekehrte.

 Die International Swaps and Derivatives Association (ISDA), eine Handelsorganisati- on


von Teilnehmern am Markt von außerbörs lich gehandelten Derivaten, hat mit ihren
Rahmenverträgen zur Standardisierung und somit zum Wachstum des CDS-Marktes
wesentlich beigetragen. Die seit 1998 besteh enden ISDA-Rahmenverträge machen die
Vertragsgestaltung und interne Dokumentation für beide Vertragsparteien transparenter
und rechtssicherer. Sie stehen den Marktteilnehmern frei zur Verfügung und dienen als
RahmenfürdasAushandelnderVertragsbedingungen.DerstandardisierteRahmenver-trag
enthält unter anderem Bestimmungen zur CDS-Prämie, zum Nominalbetrag, zum
KreditereignisundzurAbrechnungundphysischenLieferungdesReferenzwerts.

 Auf den Finanzmärkten werden verschieden e Varianten von Credit Default Swaps ge-
handelt. Dazu gehören zum Beispiel Binary CDS, Recovery CDS, Basket CDS und
indexbasierteCDS.
910 14 Swaps

14.7 Aufgaben

Aufgabe1
Die Vega AG und die Rho AG möchten einen 5-jährigen Kredit von EUR 20 Mio. auf dem
Kapitalmarkt aufnehmen. Die Bonität von Vega wird durch Standard & Poor’s mit einem
A-Rating eingestuft, während Rho ein entsprechendes Rating von B besitzt. Die
ZinskonditionenfüreinenfestverzinslichenundeinenvariabelverzinslichenKreditlautenfür
beideUnternehmenwiefolgt:

Unternehmen Fester Zinssatz Variabler Zinssatz


Vega AG (A-Rating) 3,0 % EURIBOR C 0;2 %
Rho AG (B-Rating) 4,2 % EURIBOR C 0;8 %

DieVegaAGmöchtesichaufdemKapitalmarktmiteinemvariablenZinssatzfinan-zieren.
DieRhoAGhingegenbenötigteinenfestverzinslichenKredit.Wielässtsichderkomparative
VorteilderKreditfinanzierungdurcheinenZinssatzswapausnutzen,wennderZinsvorteilauf
beideUnternehmengleichmäßigverteiltwirdunddieBankfürihreVermittlungstätigkeit4
Basispunkte(Geld-Brief-SpannedesSwapsatzes)erhält?

Aufgabe2
Ein Zinssatzswap weist einen Nominalbetrag von EUR 50 Mio. und eine Laufzeit von 3
Jahren auf. Der Swapsatz wird gegen den EURIBOR-Satz halbjährlich getauscht. Für die
aktuelleEURIBOR-Nullkupon-SwapsatzkurveliegendiefolgendenZinssätzevor:

 6-Monatssatz: 2 %,
 12-Monatssatz: 2,2 %,
 18-Monatssatz: 2,5 %,
 24-Monatssatz: 2,7 %,
 30-Monatssatz: 2,9 %,
 36-Monatssatz: 3,2 %.
a) Wie hoch ist der Swapsatz?
Nach 20 Monaten weist die EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve folgende Zinssätze auf:

 4-Monatssatz: 2,8 %,
 10-Monatssatz: 3,0 %,
 16-Monatssatz: 3,5 %.
Der 6-Monats-EURIBOR-Satz nach 18 Monaten liegt bei 2,6 %.
b) WiehochsindderWertdesPayerSwapsunddesReceiverSwapsnach20Monaten,wenndie
Swap-ReplikationmitAnleihenerfolgt?
c) WiehochsindderWertdesPayerSwapsunddesReceiverSwapsnach20Monaten,wenndie
Swap-ReplikationmiteinemPortfoliovonFRAsgeschieht?
14.7 Aufgaben 911

Aufgabe3
Ein 4-jähriger Zinssatzswap besitzt einen Nominalbetrag von EUR 100 Mio. Die fes- ten und
variablen Zinszahlungen erfolgen jährlich. Es liegt die folgende EURIBOR-
Nullkupon-Swapsatzkurvevor:

 1-Jahressatz: 2,4 %,
 2-Jahressatz: 2,6 %,
 3-Jahressatz: 2,8 %,
 4-Jahressatz: 3,1 %.
Wie hoch sind die modifizierte Duratione n des Payer Swaps und des Receiver Swaps?

Aufgabe4
Eine Vermögensverwaltungsgesellschaft ist im Besitz eines Anleiheportfolios mit ei- nem
MarktwertvonEUR30Mio.DasPortfolioweisteinemodifizierteDurationvon7,205auf.Die
interne Analyseabteilung der Vermögensverwaltungsgesellschaft geht von steigenden
Zinsenaus. Daher möchte die Gesellschaft das Zinsänderungsrisi- ko mit einem 2-jährigen
Zinssatzswap absichern, bei dem der Swapsatz von 2,64 % gegen den EURIBOR-Satz
halbjährlich getauscht wird. Die EURIBOR-Nullkupon- Swapsatzkurve mit den
entsprechendenDiskontfaktorenlautetwiefolgt:

 6-Monatssatz: 2 % (Diskontfaktor: 0,9901),


 12-Monatssatz: 2,2 % (Diskontfaktor: 0,9785),
 18-Monatssatz: 2,5 % (Diskontfaktor: 0,9639),
 24-Monatssatz: 2,7 % (Diskontfaktor: 0,9488).
Wie hoch muss der Nominalbetrag des 2-jährigen Zinssatzswaps sein, damit das Zins-
änderungsrisikodesAnleiheportfoliosabgesichertwerdenkann?

Aufgabe5
Das deutsche Unternehmen Alpha AG möchte einen US-Dollar-Kredit zu einem festen
Zinssatz aufnehmen. Die US- amerikanische Beta AG wiederum hat Bedarf an einem
festverzinslichenKreditinEuro.DerKreditbetragistzumaktuellenWechselkursbeibeiden
Unternehmen ungefähr gleich gr oß. Alpha und Beta könnenzu folgenden Zins- konditionen
einenKreditaufnehmen:

Unternehmen Fester EUR-Zinssatz Fester USD-Zinssatz


Alpha AG (AA-Rating) 3,5 % 3,9 %
Beta AG (BB-Rating) 4,5 % 4,2 %

WiemussderWährungsswapausgestaltetwerden,damitdiebeidenUnternehmenAlpha
undBetaanteilsmäßigdengleichenZinsvorteilhabenunddieBanknebenderÜbernahmedes
WährungsrisikosausdemSwapjährlicheineKommissionvon20Ba-sispunktenverdient?
912 14 Swaps

Aufgabe6
Beieinem1-jährigenWährungsswapwerdenzuLaufzeitbeginnEUR140Mio.ge-genGBP
100 Mio. getauscht. Die Zinszahlungen erfolgen halbjährlich. Der Wech- selkurs liegt bei
EUR/GBP 1,40 (Preisnotierung). Die aktuelle EURIBOR-Nullkupon- Swapsatzkurve für
denEurolautetwiefolgt:

 6-Monatssatz: 1 % (Diskontfaktor: 0,9950),


 12-Monatssatz: 1,2 % (Diskontfaktor: 0,9881).
Die aktuelle LIBOR-Nullkupon-Swapsatzkur ve für das britische Pfund weist die fol-
gendenZinssätzeauf:

 6-Monatssatz: 1,2 % (Diskontfaktor: 0,9940),


 12-Monatssatz: 1,4 % (Diskontfaktor: 0,9862).

a) Wie hoch sind die Swapsätze (Preis des Währungsswaps) für den Euro und das britische
Pfund?

Nach 2 Monaten hat sich die EURIBOR-Nullkupon-Swapsatzkurve für den Euro wie folgt
geändert:

 4-Monatssatz: 0,8 % (Diskontfaktor: 0,9973),


 10-Monatssatz: 1,0 % (Diskontfaktor: 0,9917).
Nach 2 Monaten weist die LIBOR-Nullkupon- Swapsatzkurve für das britische Pfund
folgendeZinssätzeauf:

 4-Monatssatz: 1,4 % (Diskontfaktor: 0,9954),


 10-Monatssatz: 1,6 % (Diskontfaktor: 0,9868).
Nach 2 Monaten beläuft sich der Wechselkurs auf EUR/GBP 1,42 (Preisnotierung).
b) Wiehochistnach2MonatenderWertdesWährungsswapsbeiallenvierSwaparten(alsofest
gegenfest,festgegenvariabel,variabelgegenfestundvariabelgegenvariabel)ausderSicht
desEuro-Investors?

Aufgabe7
Ein Vermögensverwalter schließt einen 1-jährigen Equity Swap mit einem Nominal- betrag
von EUR 20 Mio. ab, bei dem er vierteljährlich die Rendite des DAX erhält und im Gegenzug
den EURIBOR-Satz bezahlt. Zu Laufzeitbeginn des Swaps liegt der DAX bei 9800 Punkten
und der 3-Monats-EURIBOR-Satz beläuft sich auf 1 %. Nach 2 Monaten wird der DAX zu
einem Indexstand von 10.200 Punkten gehandelt und die
EURIBOR-Nullkupon-SwapsatzkurveweistdiefolgendenZinssätzeauf:

 1-Monatssatz: 0,8 %,
 4-Monatssatz: 1,0 %,
14.7 Aufgaben 913

 7-Monatssatz: 1,1 %,
 10-Monatssatz: 1,3 %.
Wie hoch ist der Wert des Equity Swaps nach 2 Monaten?

Aufgabe
Die deutsche Vermögensverwaltungsgesellschaft Alpha Rock AG verwaltet ein Akti-
enportfolio, das aus 60 % HDAX-Aktien und 40 % internationale Aktien mit großer und
mittlererMarktkapitalisierungbesteht.DieinternationalenAktiensetzensichausWertendes
MSCI-World-Index
58
(ohneDeutschland)zusammenundspiegelnderen
Renditewider.DerMarktwertdesAktienportfoliosbeträgtEUR50Mio.DieVermö-
gensverwaltungsgesellschaftmöchtedieAllokationindeutscheAktienauf40%redu-zieren
und den Anteil der internationalen Aktien auf 60 % temporär erhöhen. Hierzu setzt die
Gesellschaft einen 2-jährigen Equity Swap ein, bei dem jährlich die HDAX- Rendite gegen
dieMSCI-World-Renditegetauscht wird. Nach 1 Jahr weist der HDAXeine Rendite von 3 %
auf,währenddieRenditedesMSCI-World-Indexbei8%liegt.

a) Wie sieht die Struktur des Equity Swaps aus?


b) Wie hoch ist der Netto-Cashflow aus dem Equity Swap am Ende des 1. Jahres?

Aufgabe9
EindiversifiziertesPortfoliomiteinemMarktwertvonEUR100Mio.bestehtaus70%Aktien
und 30 % Anleihen. Der Aktienanteil von EUR 70 Mio. weist folgende Alloka- tion im
Portfolioauf:

 Deutsche Aktien mit einer großen Marktkapitalisierung: 70 % bzw. EUR 49 Mio.


 InternationaleAktien:30%bzw.EUR21Mio.

Der entsprechende Anleiheanteil von EUR 30 Mio. ist im Portfolio wie folgt aufgeteilt:

 Deutsche Bundesanleihen: 60 % bzw. EUR 18 Mio. Deutsche


 Unternehmensanleihen:40%bzw.EUR12Mio.

DerPortfoliomanagermöchtedieAllokationdesPortfoliostemporärändern,undzwarauf60
% Aktien und 40 % Anleihen. Innerhalb der Aktienallokation strebt er einen Anteil von 55 %
deutsche Aktien mit einer großen Marktkapitalisierung und 45 % in- ternationale Aktien an.
Der Anleiheanteil des Portfolios soll neu aus 75 % deutschen Bundesanleihen und 25 %
deutschen Unternehmensanleihen zusammengesetzt sein. Um die angestrebte Allokation
zuerreichen,möchtederPortfoliomanagerSwapsmit

58
DerMSCI-World-IndexbeinhaltetAktienmitgroßerundmittlererMarktkapitalisierungvonent-
wickeltenLändernundwirdvomUS-amerikanischenInformationsdienstleisterMorganStanley
Capital International berechnet.
914 14 Swaps

einer Laufzeit von 3 Jahren einsetzen, wobei die Zahlungen am Ende jedes Jahres an- fallen.
BeijeweilseinerSeitedesSwapssindZinszahlungenvorgesehen,diesichaufden1-jährigen
EURIBOR-Satz beziehen. Des Weiteren sind für die Swaps generische Aktien- und
Anleiheindizes für dieeinzelnenUnteranlageklassen der Aktien und An- leihen imPortfolio
zu verwenden. Welche Swapkombination ist notwendig, bei der sich in der
Gesamtkonstruktion die EURI BOR-Zahlungen gegenseitig aufheben, um die gewünschte
taktischeAsset-Allokationzuerreichen?

Aufgabe10
Die Verfallrendite einer Unternehmensanl eihe mit einer Laufzeit von 4 Jahren beträgt 5 %,
währenddieVerfallrenditeeinerrisikolosenStaatsanleihemitgleicherLaufzeitbei2,75%liegt.
Die Marktteilnehmer erwarten eine Wiederverwertungsrate der Unter-nehmensanleihe bei
einemAusfalldesEmittentenvon35%.

a) WiehochistdiebedingtedurchschnittlicheAusfallwahrscheinlichkeitproJahrübereine
Zeitperiodevon4Jahren?

Das Unternehmen hat auch eine Anleihe mit einer Laufzeit von 6 Jahren ausstehend, die eine
Verfallrendite von 5,5 % aufweist. Di e Verfallrendite einer risikolosen Anleihe mit gleicher
Laufzeit beträgt 3 %. Die geschätzte Wiederverwertungsrate der Unter- nehmensanleihe
wirdwiederumauf35%geschätzt.

b) WiehochistdiebedingtedurchschnittlicheAusfallwahrscheinlichkeitproJahrübereine
Zeitperiode von 6 Jahren und wie hoch sind die bedingten durchschnittlichen
AusfallwahrscheinlichkeitenfürdieJahre5und6?

Aufgabe11
Eine 3-jährige Unternehmensanleihe mit einem jährlichen Kupon von 4 % weist ei- ne
Verfallrendite von 4,5 % auf. Die Wiederverwertungsrate der Unternehmensanleihe wird
auf 40 % geschätzt. Darüber hinaus wird unterstellt, dass ein Ausfall lediglich am Jahresende
stattfinden kann (also unmittelbar vor der Kuponzahlung) und dass die jährliche
Ausfallwahrscheinlichkeit jedes Jahr gleich groß ist. Die risikolose Zinsstruk- turkurve
verläuftflach, wobei der risikolose Zinssatz für alle Laufzeiten bei 2,5%liegt. Wiehochistdie
durchschnittlicherisikoneutraleAusfallwahrscheinlichkeitproJahr?

Aufgabe12
Ein 5-jähriger Credit Default Swap sieht halbjährliche Zahlungen der CDS-Prämie von 80
Basispunkten (pro Jahr) vor. Der Nominalbetrag des CDS liegt bei EUR 200 Mio. Das
Referenzaktivum besteht aus einer Unter nehmensanleihe. Beim Eintritt des Kre-
ditereignisseserfolgteinBarausgleich.

Nach3Jahrenund9MonatenfälltderEmittentderAnleiheaus.Einunabhängiger
CalculationAgentschätztunmittelbarnachdemKreditereignisdenWertderUnter-
Literatur 915

nehmensanleihe auf 30 % des Nominalwerts. Wie sehen die Cashflows während der Laufzeit
desCDSaus?

Aufgabe13
Ein3-jährigerCreditDefaultSwapsiehtjährlichenachschüssigeCDS-Prämienzahlun-gen
vor. Es wird unterstellt, dass der Kreditausfall lediglich in der Jahresmitte erfolgen kannund
die bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit konstant ist und 4 % pro Jahr beträgt. Die erwartete
Wiederverwertungsrate der Referenzanleihe liegt bei 35 %. Der risikolo- se Zinssatz ist für
alleLaufzeitenentlangderZinsstrukturkurve2%.

a) Wie hoch ist die CDS-Prämie?


b) Wie hoch ist der Wert des Credit Default Swaps für den Käufer des Ausfallschutzes, wenn
man davon ausgeht, dass der CDS vor einiger Zeit zu einer CDS-Prämie von 250
Basispunktenabgeschlossenwurde?

Literatur

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Bösch, M.: Derivate: Verstehen, anwenden und bewerten, 3. Auflage, München (2014)
Chance,D.M.:AnalysisofDerivativesfortheCFA ®
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Fabozzi, F. J., Ramamurthy, S., Pitts, M.: Controlling Interest Rate Risk with Derivatives. In: Fa- bozzi, F. J.
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Program, 2.
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Hull, J. C.: Options, Futures, and Other Derivatives, 6. Auflage, Upper Saddle River (2006)
Hull, J. C.: Risk Management and Financial Institutions, 3. Auflage, Hoboken (2012)
Hull, J. C., Predescu, M., White, A.: Bond Prices, Default Probabilities, and Risk Premiums. In: Journal of
CreditRisk 1 (2), 53–60 (2005)
Kolb, R. W.: Futures, Options, & Swaps, 3. Auflage, Malden/Oxford (2000)
Merton,R.C.:OnthePricingofCorporateDebt:TheRiskStructureofInterestRates.In:JournalofFinance
29 (2), 449–470 (1974)
Rudolph, B., Schäfer, K.: Derivative Finanzmarktinstrumente: Eine anwendungsbezogene Einfüh- rung
inMärkte,StrategienundBewertung,2.Auflage,Berlin/Heidelberg(2010)
Watsham, T. J.: Futures and Options in Risk Management, 2. Auflage, High Holborn/Boston (1998)
Optionen
15

15.1 Einleitung

Der Käufer einer Option erwirbt das Recht, den zugrundeliegenden Basiswert zum ver-
einbarten Ausübungspreis zu kaufen (Call) bzw. zu verkaufen (Put). Der Optionsverkäufer
hingegen verpflichtet sich, den Basiswert zum vereinbarten Ausübungspreis zu verkaufen
(Call) bzw. zu kaufen (Put). Kann das Recht zum Kauf oder Verkauf jederzeit ausgeübt werden,
spricht man von einer amerikanischen Option. Ist die Ausübung der Option le- diglich am
Fälligkeitstag möglich, handelt es sich um eine europäische Option. Optionen werden sowohl
übereineTerminbörsealsauchaußerbörslichgehandelt.
1

DerKäufereinerOptionmussdemVerkäufereineOptionsprämiebezahlen,derenPreis
anhandvonBewertungsmodellenberechnetwerdenkann.DasKapitelbeginntmiteiner
EinführungzurOptionsbewertung.DerOptionspreisbestehtauseineminnerenWertundeinem
Zeitwert.ErwirddurcheineVielzahlvonRisikofaktorenwieetwadurchdenPreisunddie
PreisschwankungendesBasiswerts,denrisikolosenZinssatzunddieOptions-laufzeit
beeinflusst.BeiderBewertungvonOptionenistzunächstdieuntereundoberePreisgrenze
festzulegen.InnerhalbdieserPreisspannekommtderOptionspreiszuliegen.Nachdieser
EinführungzurOptionsbewertungwirddiePut-Call-Paritätvorgestellt,bevorzurBerechnung
desOptionspreisesdasBinomialmodellunddasBlack/Scholes-Modellbeschriebenwerden.
BeideOptionsbewertungsmodellekönnenmitdemReplikationsan-satzoderdem
risikoneutralenBewertungsverfahrenhergeleitetwerden.DasKapitelendetmiteiner
AbhandlungüberOptionspreissensitivitätenwiedasDelta,GammaundVega.Die
AbsicherungdieserVerlustgefahrenerfolgtineinemOptionsportfoliomitdemBasis-wert
(Deltarisiko)undmitOptionen.

1
Vgl. Abschn. 12.5.2 .

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 917


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_15
91 15 Optionen

15.2 OptionspreisundRisikofaktoren

Der Optionspreis setzt sich aus einem inne ren Wert und einem Zeitwert zusammen. Er lässt sich
ameinfachstenamFälligkeitstagbestimmen,weilzudiesemZeitpunktderZeit-wertnullistund
der Preis der Option durch den inneren Wert gegeben ist. So etwa beträgt der Preis einer
Call-Option zum Fälligkeitszeitpunkt bzw. der innere Wert entweder null oder, falls dieser
positivist,dieDifferenzzwischendemBasiswertpreisunddemAus-übungspreis:

cT D Max .0; ST  X/ ; (15.1)


wobei:

cT D Call-Preis zum Fälligkeitszeitpunkt T,


ST D Preis des Basiswerts zum Fälligkeitszeitpunkt T der Option,
X D Ausübungspreis.

Liegt beispielsweise am Fälligkeitstag der Call-Option der Basiswertpreis ST überdem


AusübungspreisX,verfälltdieKaufoptionimGeldundwirdausgeübt.DabeiwirdderBa-
siswertzumAusübungspreisgekauft,waszueinemGewinnvonS
T  X führt, der somit
gleichzeitig den Preis der Call-Option zum Fä lligkeitszeitpunkt darstellt. Unterschreitet
hingegen der Basiswertpreis den Ausübungspreis (ST < X), verfällt die Kaufoption wert-
los und wird nicht ausgeübt. Die Call-Option weist einen Wert von null auf.
ZumFälligkeitszeitpunktstimmtderOptionspreismitdeminnerenWertüberein,dajede
AbweichungvominnerenWerteineArbitragemöglichkeitdarstelltundsomitden
MarktteilnehmerneinenrisikolosenGewinnerlaubt.Wirdbeispielsweiseeinunterbe-werteter
CallkurzvorFälligkeitzueinemPreisvonwenigeralsS
T  X gekauft und
unmittelbar danach zum Fälligkeitszeitpunkt ausgeübt, indem für den Basiswert der Aus-
übungspreisXbezahltundanschließendzumMarktpreisS T verkauft wird, lässt sich ein
risikoloser Gewinn erzielen. Eine solche Ar bitragemöglichkeit ver anlasst eine Vielzahl
von Marktteilnehmern, die unterbewertete Call-Option zu erwerben, sodass der Options- preis
steigt,bissichdieserbeiminnerenWertvonS T  X einpendelt. Ebenso wird der
Preis einer überbewerteten Call-Option, der den inneren Wert überschreitet, durch Arbi-
tragegeschäfte korrigiert. Folglich stellen A rbitrageure sicher, das s der Optionspreis bei
FälligkeitdeminnerenWertentspricht.
Zum Fälligkeitszeitpunkt ergibt sich der Preis einer Put-Option aus dem höheren der
beiden Werte von null oder dem Ausübungspreis abzüglich des Basiswertpreises:

pT D Max .0; X  ST / ; (15.2)

wobei:

pT D Put-Preis zum Fälligkeitszeitpunkt T.


15.2 OptionspreisundRisikofaktoren 919

Unterschreitet am Fälligkeitstag der Put-Op tion der Basiswertpreis den Ausübungspreis, wird
dieVerkaufsoptionausgeübt,daderBasiswertzueinemhöherenPreisalsS durch
T
die Option verkauft werden kann. Der Gewinn entspricht dem inneren Wert von X  ST .
Endet hingegen die Put-Option aus dem Geld (X < ST), wird sie nicht ausgeübt und ver-
fällt somit wertlos. Wird die Aktie direkt auf dem Markt verkauft, resultiert im Vergleich zu
einemVerkaufüberdiePut-OptioneinhöhererVerkaufserlösvonS T anstatt von X. In
diesem Preisszenario ist der Put-Preis bzw. der innere Wert zum Fälligkeitszeitpunkt null.
Ist die Put-Option unterbewertet, kann ein Investor diese unmittelbar vor Fälligkeit
zu einem Preis von weniger als X  ST kaufen. Gleichzeitig erwirbt er den Basiswert
zum Preis von ST und verkauft ihn anschließend über die Option zum Ausübungspreis
von X. Auf diese Weise erzielt er einen risiko losen Gewinn. Diese Arbitragemöglichkeit wird
durch eine Vielzahl von Marktteilnehmern ausgenutzt, sodass der Put-Preis gegen den inneren
WertvonX
 ST strebt, der den maximal möglichen Gewinn aus der Options-
ausübung darstellt. Ist die Put-Option überbewertet, wird die zu teure Put-Option verkauft,
sodass der Optionspreis gegen den inneren Wert konvergiert. Somit sorgen die Arbitrageu- re
dafür,dassderOptionspreisamFälligkeitstagmitdeminnerenWertübereinstimmt.
DerOptionspreissetztsichwährendderLaufzeitnichtnurauseineminnerenWert,sondern
auchauseinemZeitwertzusammen.ImGeldliegendeOptionenbesitzenne-beneinemZeitwert
einenpositiveninnerenWert,währendderPreisvonamGeldoderausdemGeldliegenden
OptionenlediglichausdemZeitwertbesteht.DerinnereWertistnull.WirdzumBeispieleineim
GeldliegendeCall-AktienoptionmiteinemAus-übungspreisvonEUR100zueinemKursvon
EUR12aufdemMarktgehandeltundbeträgtderAktienpreisEUR108,ergibtsicheininnerer
WertderKaufoptionvonEUR8[

D Max .EUR EUR 108  EUR 100/].DerinnereWertspiegeltdenGewinnbeiheu-0;


tiger Ausübung der Option wider.2 Die Differenz von EUR 4 zwischen dem Optionspreis
von EUR 12 und dem inneren Wert von EUR 8 stellt den Zeitwert dar und ist auf die Chan- ce
zurückzuführen, dass mit der Option ein über den innerenWert hinausgehender Betrag verdient
werdenkann.BeiFälligkeitderOptionbestehtdieseChancenichtmehr,sodassderOptionspreis
durch den inneren Wert gegeben ist. Während der Optionslaufzeit hinge- gen setzt sich der
OptionspreisauseineminnerenWertundeinemZeitwertzusammen:

Optionspreis D innerer Wert C Zeitwert: (15.3)

Ta b . 15.1 zeigt für den 19. November 2015 einen Ausschnitt der an der Eurex
ge h andelten Call-Optionen auf die Daimler-Aktie mi t Fälligkeit März 2016
(D A I Mar 2016). Am 19. November 2015 wird die Aktie der Daimler AG zu
ei n em Kurs von EUR 78,60 gehan- delt. So etwa besitzt eine im Geld liegende
Ca l l-Option mit einem Ausübungspreis von EUR76eineninnerenWertvonEUR2,60[
D Max .EUR 0; EUR 78;60  EUR 76/] und
einen Zeitwert von EUR 3,80 (D EUR 6;40  EUR 2;60). Die Tabelle illustriert auch, dass

2
WirdderCallausgeübt,kannmaneineAktiezumAusübungspreisvonEUR100kaufen,dieaufdemMarktzu
einemKursvonEUR108gehandeltwird.DasführtzueinemGewinnvonEUR8,
der dem inneren Wert der Option entspricht.
920 15 Optionen

Tab.15.1 Eurex-Call-Optionen auf Daimler-Aktie (in EUR)


Ausübungspreis 68,00 70,00 72,00 76,00 80,00 84,00 86,00 88,00 90,00 92,00
Call-Preis 12,14 10,55 9,05 6,40 4,28 2,69 2,09 1,59 1,20 0,90
Innerer Wert 10,60 8,60 6,60 2,60 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00
Zeitwert 1,54 1,95 2,45 3,80 4,28 2,69 2,09 1,59 1,20 0,90

Optionspreis = innerer Wert + Zeitwert

Risikofaktoren
• Volatilität Basis-
wertpreis
Call Put • Restlaufzeit
Option
Max (0, S − X) Max (0, X − S) • risikoloser Zins-
satz
• Erträge Basiswert
Risikofaktoren
• Preis Basiswert
• Ausübungspreis

Abb.15.1 Zusammenhang zwischen Optionspreis und Risikofaktoren

aus dem Geld liegende (sowie am Geld liegende) Optionen zu einem Preis notiert werden, der
sich lediglich aus dem Zeitwert zusammensetzt. Der innere Wert ist für solche Optio- nen
entsprechendEUR0.DarüberhinauszeigtdieTabelle,dassderZeitwertderOptionabnimmt,je
weiter sie sichaus dem Geld und in demGeld bewegt. Optionen, die am Geld sind, verfügen über
dengrößtenZeitwert,dasiediegrößteChancehaben,dasssieinsGeldfallen.

DerinnereWerthängtvomPreisdesBasiswertsundvomAusübungspreisab,wäh-rendder
ZeitwertvonderVolatilitätdesBasiswertpreises,derRestlaufzeitderOption,demrisikolosen
ZinssatzunddenErträgendesBasiswerts(z.B.DividendenbeiAktien)beeinflusstwird.
FolglichgibtesmehrereRisikofaktoren,dieaufdenPreiseinerOptioneinenEinflusshaben,was
inAbb.15.1visualisiertwird.DerOptionspreisOPisteineFunktionvonmehreren
Risikofaktorenundkannwiefolgtaufgeführtwerden:

OP .S; X;¢; T; rF ; Div/ ; (15.4)

wobei:
¢ D Volatilität des Basiswertpreises,
T D Restlaufzeit der Option (in Jahren),
rF D nominaler risikoloser Zinssatz,
Div D Erträge des Basiswerts (z. B . Dividenden bei Aktien).
15.2 OptionspreisundRisikofaktoren 921

DiehierbeschriebenensechsRisikofaktorenhabeneinenEinflussaufdenOptionspreisundsind
nicht vom zugrundeliegenden Basiswert abhängig. Allerdings gibt es Basiswer- te, die einige
Besonderheiten aufweisen. So etwa Rohstoffe und Lebensmittel, bei denen keine Erträge wie
beispielsweise bei Aktien (Dividenden) und Fremdwährungen (Zinsen) anfallen. Vielmehr
entstehen beim Halten sol cher Basiswerte Kosten und keine Erträge, was bei der
Optionsberechnung entsprechend zu berücksichtigen ist. Im Folgenden wer- den
hauptsächlich Aktienoptionen beschrieb en, deren Erträge während der Laufzeit aus
Dividendenbestehen.

VerändertsicheinRisikofaktor,kanndaszueinerOptionspreisänderungführen.Die
RisikofaktorenweisendiefolgendeBeziehungzumPreiseinerAktienoptionauf(wennalleanderen
Risikofaktorengleichbleiben):

 DerPreiseinerCall-Optionnimmtzu,wennderBasiswertpreissteigt.Demgegenübererhöht
sich der Preis einer Put-Option, wenn der Basiswertpreis fällt. Somit besteht eine positive
Beziehung zwischen dem Call-Preis und dem Basiswertpreis, während diese Beziehung bei
einerPut-Optionnegativist.

 Eine Zunahme des Ausübungspreises hat einen negativen Preiseffekt auf einen Call, weil
sich die Option entweder weiter aus dem Geld oder weniger weit im Geld bewegt. Im
Gegensatz dazu übt einRückgang des Ausübungspreises einen positiven Preiseffekt auf den
Callaus,dasichdieOptionwenigerweitausdemGeldbefindetodernochweiterinsGeldgeht.
Bei einer Put-Option hingegen ist die Beziehung zwischen dem Ausübungspreis und dem
Put-Preispositiv.NimmtderAusübungspreiszu(ab),steigt(fällt)derPut-Preis.

 SteigtdieVolatilitätdesBasiswertpreises,erhöhtsichgrundsätzlichdieChance,dassmitder
Option Geld verdient werden kann. Demnach besteht eine positive Beziehung zwischen
Volatilitätund Optionspreis. Dabei besitzen am Geld liegende Optionen mit einer langen
RestlaufzeitdiehöchstePreissensitivitätgegenüberVolatilitätsverände-rungen.

 Bei einer längeren Restlaufzeit der Option ist die Chance auf einen höheren Gewinn
grundsätzlich höher, weil sich der Basiswertpreis über eine längere Zeitperiode in eine
günstige Richtung bewegen kann. Dieser positive Zusammenhang gilt für ame- rikanische
Optionen, nicht aber in jedem Fall für europäische Optionen. Liegen zum Beispiel zwei
europäische Put-Optionen mit Optionslaufzeiten von 1 Monat respektive von 1 Jahr vor und
fällt der Preis des Basiswerts auf null, ist der maximal mögli- che Gewinn erreicht. Die
Put-Option mit einer Restlaufzeit von 1 Monat kann frü- her ausgeübt werden, sodass der
maximale Gewinn im Vergleich zum Put mit einer 1-jährigen Optionslaufzeit früher
realisiert werden kann. Daher können europäische Put-Optionen mit einer kürzeren
Restlaufzeit einen höheren Preis aufweisen. Bei ame- rikanischen Verkaufsoptionen, die
jederzeit ausgeübt werden können, ist dies nicht der Fall. Bei europäischen Call-Optionen
liegt ebenfalls kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Optionslaufzeit und Preis vor.
NimmtmanbeispielsweisezweieuropäischeCall-OptionenmitRestlaufzeitenvon1Monat
und3MonatenundwirdeinegroßeDi-
922 15 Optionen

Tab.15.2 Risikofaktoren und Preis von Aktienoptionen (Finanzoptionen)


Risikofaktoren Call-Preis Put-Preis
Aktienpreis S: " (#) steigt (fällt) fällt (steigt)
Ausübungspreis X: " (#) fällt (steigt) steigt (fällt)
Volatilität ¢ : " (#) steigt (fällt) steigt (fällt)
Restlaufzeit Option T: " (#)a steigt (fällt) steigt (fällt)
Risikoloser Zinssatz rF : " (#) steigt (fällt) fällt (steigt)
Dividende Div: " (#) fällt (steigt) steigt (fällt)
a
Bei europäischen Optionen besteht kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Restlaufzeit und
Optionspreis.

videndenzahlung in 9 Wochen erwartet, dann führt die Auszahlung der Dividende zu einem
niedrigeren Aktienkurs. Der Preis der Call-Option mit einer kürzeren Restlauf- zeit von 1
Monat wird von dieser Dividendenzahlung nicht beeinflusst, während der Preis der
Kaufoption mit der längeren Restlaufzeit von 3 Monaten wegen der erwar- teten
Dividendenausschüttung,dieeinenRückgangdesAktienpreiseszurFolgehat,zurückgeht.

 Steigt der risikolose Zinssatz, nimmt der Preis einer Call-Option zu, während der Preis einer
Put-Option fällt. Dieser Zusammenhang lässt sich wie folgt erklären: Der Käu- fer einer
Call-Option hat das Recht, den Basiswert zu kaufen. Das Geld ist nicht im Basiswert
gebunden und kann daher zum risikolosen Zinssatz angelegt werden. Steigt der Zinssatz,
erhöhensichdieEinnahmenausderzinstragendenAnlage,wasdasHal-teneinerKaufoption
wertvollermacht.DerKäufereinerPut-Optionhingegen besitztdasRecht, denBasiswertzu
verkaufen. Den Erlös aus dem Basiswertverkauf erhält er erst zum Zeitpunkt der
Optionsausübung. Der Barwert des zukünftigen Verkaufserlöses nimmt mit steigenden
(fallenden)Zinssätzenab(zu),sodassderPreisderPut-Optionabnimmt(zunimmt).

 Fallen Dividenden an, sinkt der Aktienpreis. Ein niedrigerer Aktienpreis hat einen nied-
rigeren Call-Preis und einen höheren Put-Preis zur Folge. Dividenden werden während der
Restlaufzeit der Option ausbezahlt, sodass sie den Zeitwert und nicht den inneren Wert der
Optionbeeinflussen.

Bei Plain-Vanilla-Optionen sind sowohl ei n fester Ausübungspreis als auch eine fes- te Laufzeit
imKontraktvereinbart.DerOptionspreisverändertsichdaherdurchdiezufälligenBewegungen
des Basiswertpreises, der Volatilität und des Zinssatzes sowie durch den Zeitablauf. Bei
exotischen Optionen hingegen können sich der Ausübungs- preis und/oder die Restlaufzeit
sowiedieanderenRisikofaktorenaufgrundbestimmterGegebenheiten,dieimOptionskontrakt
festgehalten sind, verändern. Tab. 15.2 zeigt den Zusammenhang zwischen den Risikofaktoren
und dem Preis von Plain-Vanilla-Call- und Put-Aktienoptionen (bei Veränderung eines
RisikofaktorsundwennalleanderenRisikofaktorenunverändertbleiben).
15.3 Preisobergrenzeund-untergrenze 923

15.3 Preisobergrenzeund-untergrenze

15.3.1 PreisobergrenzefüreuropäischeundamerikanischeOptionen

DerersteSchrittderPreisberechnungvonOptionenbestehtdarin,zunächstdiePreis-obergrenze
und -untergrenze zu bestimmen. Innerhalb dieser Preisspanne sollte sich der Optionspreis
befinden. Liegt er außerhalb der Pr eisgrenzen, besteht für die Marktteilneh- mer eine
Arbitragemöglichkeit,derenAusnutzungeinenrisikolosenGewinnzurFolgehat.

FüreuropäischeundamerikanischeCall-OptionensetztsichdiePreisobergrenzeausdem
Basiswertpreiszusammen,daderPreisderKaufoptiondenPreisdesBasiswertsnicht
übersteigenkann,ansonstenkanndieAktiegünstigeraufdemMarktanstattüberdieCall-Option
gekauftwerden.SomitstelltderAktienpreiseineObergrenzefüreineKaufoptiondar:

c0  S0 ; (15.5)
C0  S0 ; (15.6)
wobei:

c0 D PreiseinereuropäischenCall-OptionzumZeitpunkt0,Preis
C0 D eineramerikanischenCall-OptionzumZeitpunkt0,
S0 D Aktienpreis zum Zeitpunkt 0.

Ist diese Beziehung verletzt, kann ein Arbitrageur einen risikolosen Gewinn erzielen, in- dem er
dieAktiekauftunddieüberbewerteteCall-Optionverkauft.
DerPreiseinereuropäischenPut-OptionkannnichthöheralsderBarwertdesAus-
übungspreisessein,weildermaximalmöglicheGewinnausderDifferenzzwischendem
AusübungspreisundeinemAktienpreisvonnullbesteht.DaeineeuropäischeVerkaufsop-tion
lediglichamFälligkeitstagausgeübtwerdenkann,ergibtsichdermaximaleGewinnundsomit
diePreisobergrenzeausderDifferenzzwischendemBarwertdesAusübungs-preisesunddem
Aktienpreisvonnull:

X
p0  ; (15.7)
.1 C rF /T

wobei:

X D Ausübungspreis,
rF D risikoloser Zinssatz.

Eine amerikanische Put-Optio n kann jederzeit während der R estlaufzeit ausgeübt werden. Die
beiden Extremsituationen sind, dass die Verkaufsoption heute oder zum Fälligkeits- zeitpunkt
ausgeübtwird(alleübrigenErgebnisseliegendazwischen).WirddieOption
924 15 Optionen

heute ausgeübt, ist der maximale Gewinn durch den Ausübungspreis gegeben. Bei einer
Ausübung am Fälligkeitstag resultiert ein maximal möglicher Gewinn aus dem Barwert des
Ausübungspreises (gleich wie bei einer europäischen Put-Option). Da die Ausübung der
Put-OptionheuteeinenhöherenmaximalenGewinnzurFolgehat[X
> X=.1 C rF /T ],
ist die Preisobergrenze einer amerikanischen Put-Option ihr Ausübungspreis:

P0  X: (15.8)

Überschreitet der Put-Preis die Preisobergrenze, können die Marktteilnehmer einen risi-
kolosen Gewinn erzielen, indem sie den Put verkaufen und den Verkaufserlös zum risiko- losen
Zinssatzanlegen.

15.3.2 PreisuntergrenzefüreuropäischeOptionen

Da der Optionspreis nicht unter null fallen kann, ist die Preisuntergrenze einer Call-Option der
höhere der beiden Werte von null oder dem inneren Wert. Ein positiver innerer Wert reflektiert
den Gewinn, der durch die Ausübung der Option entsteht. Unterschreitet der Aktienkurs den
Ausübungspreis, wird die Option nicht ausgeübt und verfällt somit wert- los, weil bei einer
Ausübung ein Verlust anfa llen würde. Daher ist die Preisuntergrenze durch den positiven
inneren Wert oder durch den Wert von null gegeben. Bei europäi- schen Call-Optionen auf eine
Aktie ohne Dividende ergibt sich der innere Wert aus der Differenz zwischen dem Aktienpreis
und dem Barwert des Ausübungspreises, was zu fol- gender Formel für die Preisuntergrenze
führt:

 
X
c0  Max 0; S0  : (15.9)
.1 C rF /T

AuchlässtsichdiePreisuntergrenze(also(15.9))herleiten,indemdiefolgendenzweiPortfolios
betrachtetwerden:

 Portfolio A: Die Position umfasst eine europäische Call-Option mit einer Restlaufzeit von T
und eine Kassaposition (bzw. eine Nullkuponanleihe mit einem Nominalwert von X), die
einenWertvonX
=.1 C rF /T aufweist.
 Portfolio B: Diese Vermögensposition besteht aus einer Aktie S.

Im Portfolio A wird die Kassaposition zum risikolosen Zinssatz angelegt, sodass zum
FälligkeitszeitpunktTdiePositioneinenWertvonXbesitzt.EndetdieeuropäischeCall-Option
imGeld,istalsoS
T > X, wird sie ausgeübt. Der Gewinn der Call-Option ent-
spricht dem inneren Wert von ST  X. Somit resultiert für Portfolio A ein Wert von ST
[D X C .ST X/]. Bei ST < X verfällt die europäische Call-Option aus dem Geld und wird
15.3 Preisobergrenzeund-untergrenze 925

nicht ausgeübt. Der Wert des Portfolios A ist demnach X. Unabhängig vom Aktienpreis zum
FälligkeitszeitpunktderCall-OptionergibtsichfürdasPortfolioAeinWertvon:

Wert Portfolio A D Max .ST ; X/ : (15.10)

Das Portfolio B besitzt zum Zeitpunkt T immer einen Wert von S . Daher ist der Wert T
des Portfolios A zum Zeitpunkt T mindestens gleich groß oder größer als der Wert des Portfolios
B.DarausfolgtfolgenderZusammenhang:

X X
c0 C  S0 ! c0  S0  : (15.11)
.1 C rF / T
.1 C rF /T

Da im schlimmsten Fall die Call-Option aus dem Geld endet und folglich nicht ausgeübt wird,
kannderCall-Preisnichtunternullfallen.DasführtzufolgenderFormelfürdiePreisuntergrenze
einereuropäischenCall-OptionaufeinenichtdividendenzahlendeAktie(gleichwie(15.9)):

 
X
c0  Max 0; S0  : (15.12)
.1 C rF /T

Beispiel
Berechnung der Preisobergrenze und -untergrenze bei einer europäischen Call-
OptionaufdieDaimler-Aktie(ohneDividende)
EineeuropäischeCall-OptionaufdieAktiederDaimlerAGmiteinemAusübungs-preisvon
EUR 72 weist am 19. November 2015 eine Restlaufzeit von 3 Monaten auf. Die
Daimler-Aktie wird am 19. November 2015 zu einem Kurs von EUR 78,60 gehan- delt. Der
risikolose Zinssatz liegt bei 0,1 %. Wie hoch sind die Preisobergrenze und -untergrenze der
europäischenCall-Option?

Lösung
DiePreisobergrenzedereuropäischenCall-OptionistdurchdenPreisderDaimler-Aktievon
EUR78,60gegeben:

c0  EUR 78;60:

Da der Automobilkonzern erst nach der Hauptversammlung im April 2016 eine Akti-
endividende bezahlt und die Call-Option vor her verfällt, muss die Dividende für die
Berechnung der Preisuntergrenze nicht einbezogen werden. Somit beläuft sich die
PreisuntergrenzederCall-OptionaufEUR6,62:

!
EUR 72
c0  Max EUR 0; EUR 78;60   EUR 6;62:
.1;001/3=12
926 15 Optionen

Die Preisuntergrenze einer europäischen Call-Option auf eine dividendenzahlende Ak-


tie lässt sich über die folgenden zwei Portfolios A und B herleiten: 3

 Portfolio A: Eine europäische Call-Option mit Restlaufzeit T und eine Kassaposition


bestehendausdemBarwertderDividendevonDiv =.1 Cr /t und dem Barwert des Aus-
F
übungspreises von X=.1 C rF /T (bzw. eine Nullkuponanleihe mit einem Nominalwert
von X).
 Portfolio B: Aktie S.

AnalogzudenÜberlegungen,diezu( 15.11)geführthaben,lässtsichfolgenderZusam-menhang
ableiten: 4

Div X Div X
c0 C C  S0 ! c0  S0  t  ; (15.13)
.1 C rF /t .1 C rF /T
.1 C r F / .1 C rF /T
wobei:

Div D Dividende, die während der Restlaufzeit der Option zum Zeitpunkt t ausbezahlt
wird.

Da der Optionspreis nicht unter null fallen kann, lässt sich die Preisuntergrenze einer
europäischenCall-OptionaufeineAktiemitDividendewiefolgtberechnen:

 
Div X
c0  Max 0; S0   : (15.14)
.1 C rF /t .1 C rF /T

Beispiel
Berechnung der Preisuntergrenze bei einer europäischen Call-Option auf die
Daimler-Aktie(mitDividende)
Eine europäische Call-Option auf die Aktie der Daimler AG mit einem Ausübungs- preis von
EUR 72 weist am 19. November 2015 eine Restlaufzeit von270 Tagen auf. Es wird erwartet,
dass die Automobilaktie in 140 Tagen – also 1 Geschäftstag nach der Hauptversammlung
vom 6. April 2016 – eine Dividende von EUR 2,45 bezahlt. Die Daimler-Aktie wird am 19.
November 2015 zu einem Kurs von EUR 78,60 ge- handelt. Der risikolose Zinssatz liegt bei
0,1%.WiehochistdiePreisuntergrenzedereuropäischenCall-Option?

3
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 218.
4
Überschreitet der Aktienkurs den Ausübungspreis am Fälligkeitstag der Call-Option, ST > X, wird
die Kaufoption ausgeübt und es resultiert ein Gewinn von ST  X. Die Kassaposition des Portfolios
A wird zum risikolosen Zinssatz angelegt, was einen Betrag von Div CX zum Zeitpunkt T ergibt.
Somit setzt sich der Wert des Portfolios A aus ST C Div [D .ST  X/ C .Div C X/] zusammen.
Der Wert des Portfolios B beträgt a m Fälligkeitstag der Call-Option ST . Demnach ist der Wert
des Portfolios A zum Fälligkeitszeitpunkt T mindestens gleich groß oder größer als der Wert des Portfolios
B.
15.3 Preisobergrenzeund-untergrenze 927

Lösung
Die Preisuntergrenze der europäischen Call-Option auf die Daimler-Aktie beträgt
EUR 4,20:
" ! #
EUR 2;45 EUR 72
c0  Max EUR 0; EUR 78;60    EUR 4;20:
.1;001/140=365 .1;001/270=365

DiePreisuntergrenzeeinereuropäischenPut-OptionaufeineAktieohneDividendebesteht
ausdemhöherenderbeidenWertevonnulloderdempositiveninnerenWert.Letztererreflektiert
denGewinnbeiOptionsausübung,derzumFälligkeitszeitpunktderOptionerzieltwird,wenn
dieseimGeldendet.AusdemGeldoderamGeldliegendeOptionenwerdenamFälligkeitstag
nichtausgeübt,sodassdieOptionwertlosverfällt.SomitlässtsichdiePreisuntergrenzeeiner
europäischenPut-OptionaufeineAktieohneDividendewiefolgtermitteln:

 
X
p0  Max 0;  S0 : (15.15)
.1 C rF /T
Auch lässt sich die Preisuntergrenze für europäische Put-Optionen (also ( 15.15 )) mit zwei
Portfolios herleiten. Dabei besitzen die beiden Portfolios die folgenden Positionen:

Portfolio C: eine europäische Put-Option mit Restlaufzeit T und eine Aktie S.


 P o r t f o l i o D : e i n e K a s s a p o s i t i o n ( b z w. e i n e N u l l k u p o n a n l e i h e m i t
e i n e m N o m i n a l w e r t v=.1
onX C)riFm/TU . mfangvonX

Endet die Put-Option im Geld, ST < X, wird die Verkaufsoption ausgeübt und es entsteht D
ein Gewinn von XST. Der Wert des Portfolios C beträgt demzufolge X [ .XST /CST ].
Liegt am Fälligkeitstag der Put-Option der Aktienkurs über dem Ausübungspreis, ST > X,
wird die Option nicht ausgeübt und verfällt wertlos. Der Wert des Portfolios C liegt in
diesem Preisszenario bei S . Folglich lässt sich der Wert des Portfolios C zum Zeitpunkt T
T wie folgt festlegen:
Wert Portfolio C D Max .ST ; X/ : (15.16)
Wird die Kassaposition zum risikolosen Zinssatz angelegt, resultiert zum Zeitpunkt T bei
Portfolio D ein Wert von X. Demnach ist Portfolio C immer gleich viel oder mehr wert als
Portfolio D zum Fälligkeitszeitpunkt T. Dieser Zusammenhang führt zu folgender Glei- chung
fürdenPut-Preis:
X X
p0 C S0  ! p0   S0 : (15.17)
.1 C rF /T .1 C rF /T
Da der Optionspreis nicht unter null fallen kann, lässt sich die Preisuntergrenze einer eu-
ropäischen Put-Option auf eine Aktie ohne Dividende folgendermaßen bestimmen (gleich wie (
15.15)):
 
X
p0  Max 0;  S 0 : (15.18)
.1 C rF /T
92 15 Optionen

Beispiel
BerechnungderPreisobergrenzeund-untergrenzebeieinereuropäischenPut-Option
aufdieDaimler-Aktie(ohneDividende)
Eine europäische Put-Option auf die Aktie der Daimler AG mit einem Ausübungspreis von
EUR 82 weist am 19. November 2015 eine Restlaufzeit von 4 Monaten auf. Die
Daimler-Aktie wird am 19. November 2015 zu einem Kurs von EUR 78,60 gehan- delt. Der
risikolose Zinssatz liegt bei 0,1 %. Wie hoch sind die Preisobergrenze und -untergrenze der
europäischenPut-Option?

Lösung
Die Preisobergrenze der europäischen Put-Option ist durch den Barwert des Aus-
übungspreisesvonEUR81,97gegeben:

EUR 82
p0   EUR 81;97:
.1;001/4=12
Die Preisuntergrenze der europäischen Put-Option beläuft sich auf EUR 3,37:
!
EUR 82
p0  Max EUR 0;  EUR 78;60  EUR 3;37:
.1;001/4=12

Die Preisuntergrenze einer europäischen Put-Option auf eine Aktie mit Dividende lässt
sich ausgehend von den beiden folgenden Portfolios herleiten:5

 PortfolioC:DiesePositionbestehtauseinereuropäischenPut-OptionmitRestlaufzeitTund
einerAktieS.
 Portfolio D: Diese Vermögensposition setzt sich aus einer Kassaposition zusammen, deren
WertdemBarwertderDividendevonDiv =.1 C r /t zuzüglich dem Barwert des
F
Ausübungspreises von X=.1 C rF /T entspricht.

AnalogzudenÜberlegungen,diezu( 15.17)geführthaben,lässtsichfolgenderZusam-menhang
festhalten:

Div X Div X
p0 C S0  C ! p0  t C  S0 : (15.19)
.1 C rF /t .1 C rF /T
.1 C r F / .1 C rF /T
Da der Optionspreis nicht unter null fallen kann, lässt sich die Preisuntergrenze einer
europäischenPut-OptionaufeineAktiemitDividendewiefolgtberechnen:

 
X Div
p0  Max 0;  S0  : (15.20)
.1 C rF /T .1 C rF /t

5
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 219.
15.3 Preisobergrenzeund-untergrenze 929

Beispiel
Berechnung der Preisuntergrenze bei einer europäischen Put-Option auf die
Daimler-Aktie (mit Dividende)
Eine europäische Put-Option auf die Aktie der Daimler AG mit einem Ausübungspreis von
EUR 82 weist am 19. November 2015 eine Restlaufzeit von270 Tagen auf. Es wird erwartet,
dass die Automobilaktie in 140 Tagen – also 1 Geschäftstag nach der Hauptversammlung
vom 6. April 2016 – eine Dividende von EUR 2,45 bezahlt. Die Daimler-Aktie wird am 19.
November2015zueinemKursvonEUR78,60gehandelt.DerrisikoloseZinssatzliegtbei0,1
%.WiehochistdiePreisuntergrenzedereuropä-ischenPut-Option?

Lösung
Die Preisuntergrenze der europäischen Put-Option liegt bei EUR 5,79:
" !#
EUR 82 EUR 2;45
p0  Max EUR 0;  EUR 78;60   EUR 5;79:
.1;001/270=365 .1;001/140=365

15.3.3 PreisuntergrenzefüramerikanischeOptionen

Es ist nie optimal, eine amerikanische Call-Option auf eine Aktie ohne Dividende vor ihrem
Fälligkeitszeitpunkt auszuüben. Um dies zu illustrieren, wird eine amerikanische Call-Option
auf eine Aktie ohne Dividende mit einer Restlaufzeit von 2 Monaten näher betrachtet. Der
AusübungspreisliegtbeiEUR100,währendderKursderAktieEUR120beträgt.Somitbefindet
sichdieKaufoptionweitimGeldundfürdenInhaberdesKauf-rechtsbestehtdieVersuchung,die
Option auszuüben und einen Gewinn von EUR 20 zu realisieren. Allerdings stellt dies nicht die
effektivste Handlungsalternative dar. Besser ist es, die Call-Option bis zum Fä lligkeitstag zu
halten und dann auszuüben. Auf diese Weise wird der Ausübungspreis von EUR 100 in 2 M
onaten bezahlt, was dem Inhaber der Kauf- option ermöglicht, den Kaufpreis von EUR 100 zu
einem Zinssatz anzulegen. Da die Aktie keine Dividenden bezahlt, entgehen keine Einnahmen
aus dem Wertpapier. Ein weiterer Vorteil, mit der Ausübung der Call-Option zuzuwarten,
besteht darin, dass der Aktienkursin 2 Monaten möglicherweise unter denAus übungspreis von
EUR 100 fällt. Bei diesem Preisszenario wird der Inhaber der Call-Option das Kaufrecht am
Fälligkeitstagnichtaus-üben, daer dieAktiegünstigeraufdem Marktalsüber die Optionkaufen
kann. Darüber hinaus hat er sich den Verlust aus dem Aktienkauf erspart,der aus der vorzeitigen
Aus- übung entstanden wäre. Daher bestehen keine Vorteile, eine amerikanische Call-Option
aufeineAktieohneDividendevordemFälligkeitstagauszuüben.

AusdiesenÜberlegungenlässtsichfolgern,dassdiePreisuntergrenzeeineramerika-
nischenCall-OptionausdemhöherenderbeidenWertevonnulloderdemAktienpreis
930 15 Optionen

Tab.15.3 Preisobergrenzen und -untergrenzen für europäische und amerikanische Optionen auf
Aktien ohne Dividenden
Optionen Preisobergrenze Preisuntergrenze
Europäische Optionen
 
X
Call c0  S0 c0  Max 0; S0 
.1 C rF /T
 
X X
Put p0  p0  Max 0;  S 0
.1 C rF /T .1 C rF /T
Amerikanische Optionen
 
X
Call C0  S0 C0  Max 0; S0 
.1 C rF /T
Put P0  X P0  Max .0; X  S0 /

abzüglich des Barwerts des Ausübungspreises bestehen muss, da es nie optimal ist, eine
amerikanischeKaufoptionaufeineAktieohneDividendevorzeitigauszuüben:
 
X
C0  Max 0; S0  : (15.21)
.1 C rF /T
Im Gegensatz zu einer amerikanischen Call-Option stellt die vorzeitige Ausübung einer im
Geld liegenden amerikanischen Put-Option auf eine Aktie ohne Dividende die optimalere
Handlungsalternative dar.Um dies zu illustrieren, wird eine Extremsituation unterstellt, bei der
der Ausübungspreis bei EUR 100 liegt und die Aktie einen Wert von EUR 0 auf- weist. Übt der
InhaberderPut-OptiondasVerkaufsrechtaus,realisiertereinenGewinnvonEUR100.Warteter
mit der Ausübung zu, kann der Gewinn weniger als EUR 100, aber nicht mehr als EUR 100
betragen, wei l der Preis der Aktie nicht unter EUR 0 fal- len kann. Darüber hinaus kann er den
GewinnvonEUR100zueinemZinssatzanlegen.DadieAktiekeineDividendebezahlt,entgehen
ihmkeineErträgeausdemHaltendesWertpapiers.

Grundsätzlichkannfestgehaltenwerden,dasseinevorzeitigeAusübungderPut-Option
umsoattraktiverwird,jeweiterdiePut-OptioninsGeldfällt(alsojemehrderAktienkurssinkt)
undjehöherderrisikoloseZinssatzist.ÜberträgtmandiesaufdiePreisuntergrenzeeiner
amerikanischenPut-Option,dannergebendiebeidenExtremsituationen–heuteoderbei
Fälligkeitausüben–beieinemAktienpreisvonnulleinenGewinnvonXbzw.vonX

C rF /T . DieOptionsausübungheutehateinengrößerenGewinnzurFolge[X=.1 >
X=.1 C rF /T ], sodass für die Preisuntergrenze einer amerikanischen Put-Option auf eine
Aktie ohne Dividende folgende Formel gilt:

P0  Max .0; X  S0 / : (15.22)

Bezahlt die Aktie Dividenden, ist es nicht me hr klar, ob eine amerikanische Call-Option nicht
frühzeitig ausgeübt werden sollte. Daher lässt sich eine eindeutige Preisuntergrenze für
amerikanische Call-Optionen auf Aktien mit Dividenden nicht definieren. Tab. 15.3 fasst die
Preisobergrenzen und -untergrenzen für europäische und amerikanische Optionen auf Aktien
ohneDividendenzusammen.
15.4 Put-Call-Parität 931

15.4 Put-Call-Parität

ZwischendemCall-Preis,demPut-PreisunddemPreisdesBasiswertsbestehteineBe-ziehung,
diedurchdie Put-Call-Paritäterfasstwird.DieParitätstelltsicher,dasssichdiePreisedieserdrei
Finanzinstrumente nicht unabhängig voneinander bewegen. Die Put- Call-Parität geht davon
aus, dass die beiden Call- und Put-Optionen europäischer Natur sind und sie über den gleichen
Basiswert, denselben Ausübungspreis und die gleiche Rest- laufzeit verfügen. Sie ist durch die
folgenden zwei Portfolios gegeben, die zuvor für die Herleitung der Preisuntergrenze von
europäischenOptionenverwendetwurden:
6

 Portfolio A: Eine europäische Call-Option mit Restlaufzeit T und eine Kassaposition bzw.
eineNullkuponanleihemitNominalwertXimUmfangvonX =.1 C rF /T .
 Portfolio C: Eine europäische Put-Option mit Restlaufzeit T und eine Aktie S.

DasPortfolioAistauchalsFiduciaryCallbekannt,währenddasPortfolioCeinenProtec-tivePut
darstellt. 7
LiegtamFälligkeitstagderbeidenOptionenderAktienkursüberdem
Ausübungspreis,S T > X,resultiertausdemLongCalldesPortfoliosAeinGewinnvonX,
ST  währenddieKassapositionbzw.dieNullkuponanleiheeinenWertvonXbesitzt.
Der Wert des Portfolios A beträgt demzufolge ST [D .ST  X/ C X]. Die europäische Put-
Option des Portfolios C verfällt wertlos, sodass der Protective Put aus dem Wert der Aktie
von ST besteht. Folglich weisen beide Portfolios einen Wert von ST auf, wenn ST > X
ist. Unterschreitet hingegen am Fälligkeitstag der beiden Optionen der Aktienkurs den
Ausübungspreis, ST < X, verfällt beim Portfolio A die Call-Option wertlos. Die Kassapo-
sition bzw. die Nullkuponanleihe und somit der Fiduciary Call haben einen Wert von X.
Demgegenüber endet die europäische Put-Option des Protective Puts im Geld, was einen
GewinnvonX  ST zur Folge hat. Die Aktie weist einen Wert von ST auf, sodass der
Wert des Portfolios C bei X [ .X  ST / C ST]zuliegenkommt.FolglichverfügenbeideD
Portfolios bei einem Preisszenario bei Fälligkeit der beiden Optionen von ST < X über
einen Wert von X. Die beiden Portfolios A und C besitzen zum Zeitpunkt T den folgenden
Wert:
Wert von Portfolios A und C D Max .ST ; X/ : (15.23)
Da der Fiduciary Call und der Protective Put zum Fälligkeitszeitpunkt T über den gleichen Wert
verfügen und die Optionen nur am Fälligkeitstag ausgeübt werden können, müssen beide
Portfolios heute (zum Zeitpunkt 0) den gleichen Wert besitzen. Dies führt zu fol- gender
Gleichung,diealsPut-Call-Paritätbezeichnetwird:

X
c0 C D p0 C S0 : (15.24)
.1 C rF /T

6
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 212.
7
Vgl. Chance 2003 : Analysis of Derivatives for the CFA ® Program, S. 187 ff.
932 15 Optionen

Tab.15.4 Äquivalenz zwischen Call und synthetischem Call


Wert zum Fälligkeitszeitpunkt T
Transaktionen Aktueller Wert ST < X ST > X
Call
Kauf Call c0 0 ST  X
Synthetischer Call
Kauf Put p0 X  ST 0
Kauf Aktie S0 ST ST
Verkauf 0 %-Anleihe X=.1 C rF /T X X
Total p0 C S0  X=.1 C rF /T 0 ST  X

DiePut-Call-Paritätunterstelltnicht,dassPutsundCallsäquivalentsind.Vielmehrzeigtsieeine
Äquivalenz (also Parität) zwischen einem Call-Anleihe-Portfolio (Fiduciary Call) und einem
Put-Aktien-Portfolio(ProtectivePut).DiePut-Call-Paritätkanneingesetztwer-den,

1. um eine der vier Finanzinstrumente der Parität durch die anderen drei Instrumente syn-
thetischzukonstruierenund
2. um einen risikolosen Arbitragegewinn z u erzielen, wenn die Parität verletzt ist.

1. EinesynthetischeCall-OptionlässtsichdurchdieUmformungderPut-Call-Paritätwiefolgt
herstellen:
X
c0 D p0 C S0  : (15.25)
.1 C rF /T
Die synthetische Call-Option setzt sich aus einer Long-Put-Option, einer Long-Aktie
und einer Short-Nullkuponanleihe bzw. einer Geldaufnahme zum risikolosen Zinssatz
zusammen.8 Tab.15.4illustriert,dasseineCall-Optionundeinesynthetischhergestell-
te Call-OptionÄquivalentesind.SowohlderCallalsauchderüberdiePut-Call-Parität
konstruiertesynthetischeCallführenzumgleichenWertbeiFälligkeit.LiegtzumFäl-
ligkeitszeitpunktTderAktienkursunterhalbdesAusübungspreises,S
T < X, endet die
Put-Option des synthetischen Calls im Geld und es entsteht ein Gewinn von X ST , der
den Verlust auf die Aktie auffängt. Der Ausübungspreis der Put-Option deckt sich mit dem
erforderlichen Geldbetrag, um die S hort-Anleiheposition schließen zu können.
ÜberschreitethingegenderAktienkursdenAusübungspreiszumFälligkeitszeitpunktT,S

T > X,verfälltdiePut-Optionwertlos.DersynthetischeCallbestehtausderAk-undder
tie von SShort-Anleihevon X,wasdemWertderLong-Call-Optionbei T
Fälligkeit von ST  X entspricht.

8
Ein Pluszeichen in der Gleichung bedeutet eine Long-Position, während ein Minuszeichen eine
Short-Position impliziert.
15.4 Put-Call-Parität 933

Tab.15.5 Äquivalenz zwischen Put und synthetischem Put


Wert zum Fälligkeitszeitpunkt T
Transaktionen Aktueller Wert ST < X ST > X
Put
Kauf Put p0 X  ST 0
Synthetischer Put
Kauf Call c0 0 ST  X
Verkauf Aktie S0 ST ST
Kauf 0 %-Anleihe X=.1 C rF /T X X
Total c0  S0 C X=.1 C rF /T X  ST 0

Wird die Put-Call-Parität nach dem Put-Preis aufgelöst, erhält man folgende Formel für den
synthetischenPut:

X
p0 D c0  S0 C : (15.26)
.1 C rF /T

Ein synthetischer Put lässt sich mit einer Long-Call-Option, einer Short-Aktie und einer
Long-Nullkuponanleihe bzw. einer Geldausleihe zum risikolosen Zinssatz her- stellen.
Tab.15.5zeigt,dasseinPutundeinesynthetischePut-OptionÄquivalentedarstellen.

Mithilfe der Put-Call-Parität lassen sich auch synthetisch eine Long-Aktie und eine
Long-Nullkuponanleihewiefolgtkonstruieren:

X
S0 D c0 C  p0 ; (15.27)
.1 C rF /T

X
D S0 C p0  c0 : (15.28)
.1 C rF /T
Demnach besteht eine synthetische Long-Aktienposition aus einer Long-Call-Option,
einer Long-Nullkuponanleihe bzw. einer Geldausleihe zum risikolosen Zinssatz und einer
Short-Put-Option. Eine synthetische Long-Nullkuponanleihe hingegen setzt sich aus einer
Long-Aktie,einer Long-Put-Option und einer Short-Call-Optionzusammen.Synthetische
Positionen können für die Preisermittlung von Optionen eingesetzt wer- den, weil sie über
bekannte Preise verfügen, die für die Optionspreisberechnung ver- wendet werden können.
SokannderPreis einerPut-Optionermittelt werden,wenndiePreisederCall-Option undder
Aktie beka nnt sind, was im folgenden Beispiel gezeigt wird. Darüber hinaus kann die
Put-Call-Parität eingesetzt werden, um fehlbewertete Optionen aufzudecken, deren Preise
imVergleichzumBasiswertpreisdieParitätver-letzen.
934 15 Optionen

Beispiel
Berechnung des Preises einer Put-Option anhand der Put-Call-Parität mithilfe des
PreisesdergehandeltenCall-OptionunddesAktienkurses
Die europäische Call-Option auf die Ak tie der Adidas AG mit Fälligkeit 2016 (ADSE Mar
2016) und Ausübungspreis von EUR 92 wird an der Eurex am 20. November 2015 zu einem
PreisvonEUR3,43geführt. 9
DieRestlaufzeitderCall-Optionbeläuft
sichauf119Tage.DieAdidas-Aktieweistam20.November2015einenSchlusskursvon
EUR88,09auf.DerrisikoloseZinssatzliegtbei0,1%.WiehochistderPreisder
entsprechendeneuropäischenPut-OptionaufdieAktiederAdidasAGanhandderPut-
Call-Parität,dieanderEurexzueinemPreisvonEUR7,31geführtwird?

Lösung
Der Preis der europäischen Put-Option mit einer Restlaufzeit von 119 Tagen und einem
AusübungspreisvonEUR92lässtsichmithilfederPut-Call-Paritätwiefolgtberech-nen:

X EUR 92
p0 D c0  S0 C D EUR 3;43  EUR 88;09 C D EUR 7;31:
.1 C rF /T .1;001/119=365
Der mit der Put-Call-Parität ermittelte Put-Preis von EUR 7,31 stimmt mit dem Ab-
rechnungspreis der Put-Option an der Eurex überein.

2. Ist die Put-Call-Parität verle tzt, lässt sich mithilfe von Arb itragegeschäften ein risiko- loser
Gewinn erzielen. Um eine Arbitragemöglichkeit identifizieren zu können, sind in der
Put-Call-Parität–c
0 C X= .1 C rF / D p0 C S0 – die Preise der Finanzinstru-
T

mente einzusetzen. Ist der Wert des Fiduciary Calls nicht gleich groß wie der Wert des
Protective Puts, liegt eine Arbitragemöglichkeit vor. Dabei werden die Positionen des
teureren Portfolios verkauft und gleichze itig die Positionen des günstigeren Portfolios
gekauft. Der daraus hervorgehende Netto-C ashflow stellt den Arbitragegewinn dar.
Zum Beispiel wird eine europäische Call-Option mit einer Restlaufzeit von 6 Monaten
und einem Ausübungspreis von EUR 100 zu einem Preis von EUR 5 gehandelt. Die
entsprechende europäische Put-Option mit gleicher Restlaufzeit und Ausübungspreis
besitzt einen Preis von EUR 2,50. Der Aktienkurs weist einen Preis von EUR 101 auf.
Der risikolose Zinssatz liegt bei 2 %. Die Werte des Fiduciary Calls und des Protective
Puts lassen sich wie folgt bestimmen:

EUR 100
Wert Fiduciary Call D EUR 5 C D EUR 104;01;
.1;02/0;5
Wert Protective Put D EUR 2;50 C EUR 101 D EUR 103;50:

9
AnderEurexwerdenmehrheitlichamerikanischeOptionenaufAktiengehandelt.Beieinigenwenigen
AktienfindetmanaucheuropäischeOptionen,diemiteinerGruppenerkennungvonDE14
für deutsche Aktien und CH14 für schweizerische Aktien gekennzeichnet sind. An der Eurex sind
Optionenaufüber700Aktienvonmehrals10Ländernnotiert.
15.4 Put-Call-Parität 935

Somit überschreitet der Wert des Fiduciary Calls von EUR 104,01 den Wert des Protec- tive
Puts von EUR 103,50. Das heißt, die Put-Call-Parität ist verletzt und es liegt eine
Arbitragemöglichkeit vor. Um einen risikolosen Arbitragegewinn zu erzielen, wird der
teurere Fiduciary Call veräußert, indem die Call-Option zu einem Preis von EUR 5 und die
Nullkuponanleihe zu einemPreis von EUR 99,01 leer verkauft werden. Dies führt zu einem
Verkaufserlös von EUR 104,01. Glei chzeitig wird der unterbewertete Protec- tive Put
gekauft. Hierzu werden die Put-Option zu einem Preis von EUR 2,50 unddie Aktie zu einem
PreisvonEUR101erworben.DieKaufausgabensummierensichaufEUR103,50,waseinen
Netto-CashflowvonEUR0,51(

D EUR 104;01EUR 103;50)


ergibt. Am Fälligkeitstag der beiden europäischen Call- und Put-Optionen (also in 6
Monaten) resultieren aus der Arbitragestrategie die folgenden Cashflows:

ST < X ST > X
Short Call EUR 0 .ST  EUR 100/
Long Put EUR 100  ST EUR 0
Long-Aktie ST ST
Short-0 %-Anleihe EUR 100 EUR 100
TotalCashflows EUR 0 EUR 0

Unterschreitet der Aktienkurs den Ausübungspreis zum Fälligkeitszeitpunkt T, ST <


X, verfällt die Short-Call-Option wertlos, während die Long-Put-Option ausgeübt wird.
Dabei wird die Aktie zum Ausübungspreis von EUR 100 verkauft. Der Verkaufs- erlös von
EUR100wirdeingesetzt,umdieShort-PositioninderNullkuponanleihezuschließen.Somit
resultiert ein Netto-Cashflow von EUR 0. Überschreitet hingegen der Aktienkurs den
Ausübungspreis,S
> X,endetdieShort-Call-OptionimGeld,wäh-T
rend die Long-Put-Option wertlos verfällt. Durch die Short-Call- Option wird die Aktie zum
Ausübungspreis von EUR 100 verkauft, die anschließend verwendet werden, um die
Short-Position in der Nullkuponanleihe zu schließen. Bei diesem Preisszenario entsteht
wiederumeinNetto-CashflowvonEUR0.

Die Arbitragestrategie wirft einen Gewinn von EUR 0,51 ab, der aus dem Verkauf des
Fiduciary Calls und dem Kauf des Protective Puts zum Zeitpunkt der Strategieumset- zung
hervorgegangen ist. Die Gesamtposition ist vollständig abgesichert und erlaubt einen
risikolosen Arbitragegewinn. Der Verkauf des Fiduciary Calls und der Kauf des Protective
Puts durch die Marktteiln ehmer führen dazu, dass sich die Werte der beiden Portfolios
annähern, bis die Arbitragemöglichkeit verschwunden und die Put- Call-Parität
wiederhergestellt ist. Liegt e in möglicher Arbitragegewinn unterhalb der
Transaktionskosten, wird die Preiskorrektur durch die Marktteilnehmer nicht vorge-
nommen.

Beispiel
Arbitragemöglichkeit anhand der Put-Call-Parität
Eine europäische Call-Option mit einer Restlaufzeit von 9 Monaten und einem Aus-
übungspreisvonEUR52weisteinenPreisvonEUR2auf.Dieentsprechendeeuro-
936 15 Optionen

päische Put-Option mit der gleichen Restlaufzeit, dem gleichen Basiswert und Aus-
übungspreis verfügt über einen Preis von EUR 4,23. Die zugrundeliegende Aktie wird zu
einem Kurs von EUR 50 gehandelt. Der risikolose Zinssatz liegt bei 2 %. Welche
Arbitragetransaktionen sind erforderlich und wie hoch ist der Arbitragegewinn, wenn die
Put-Call-Paritätverletztist?

Lösung
Der Fiduciary Call und der Protective Put besitzen die folgenden Werte:

EUR 52
Wert Fiduciary Call D EUR 2 C D EUR 53;23;
.1;02/0;75
Wert Protective Put D EUR 4;23 C EUR 50 D EUR 54;23:

Die Put-Call-Parität ist verletzt, weil der Wert des Fiduciary Calls unterhalb des Werts des
Protective Puts liegt. Die Marktakteure werden den unterbewerteten Fiduciary Call kaufen
(Long Call und Long-Nu llkuponanleihe) und gleichze itig den überbewerteten Protective
Put verkaufen (Short Put und Short-Aktie). Daraus ergibt sich ein Netto- Cashflow vonEUR
1. Zum Fälligkeitszeitpunkt der beiden europäischen Optionen in 9 Monaten können die
Cashflowswiefolgtberechnetwerden:

ST < X ST > 
Long Call EUR 0 ST  EUR 52
Short Put .EUR 52  ST / EUR 0
Short-Aktie ST ST
Long-0 %-Anleihe EUR 52 EUR 52
TotalCashflows EUR 0 EUR 0

ZumFälligkeitszeitpunktderbeidenOptionensinddieNetto-CashflowsausderAr-
bitragestrategieEUR0.DerrisikoloseArbitragegewinnbeträgtEUR1undgehtaufdenKauf
desFiduciaryCallsunddenVerkaufdesProtectivePutszuBeginnderArbi-tragestrategie
zurück.

Mit dem Einbezug von Dividenden reduziert sich der Aktienpreis um den Barwert der
Dividende, was zu folgender Gleichung für die Put-Call-Parität führt:

X Div
c0 C D p0 C S0  : (15.29)
.1 C rF / T
.1 C rF /t

Die Put-Call-Parität gilt nur für europäische O ptionen. Bei amerikanischen Optionen er- gibt
sicheineUngleichung.ZiehtmanvonderPut-Call-Paritätc C X= .1 C r /T D
0 F
p0 C S0 auf beiden Seiten der Gleichung den Put-Preis von p0 und den Preis der Nullku-
ponanleihe von X= .1 C rF /T ab, ergibt sich für europäische Optionen folgende Gleichung:
c0 p0 D S0 X= .1 C rF /T . Amerikanische Optionen können jederzeit ausgeübt werden.
15.4 Put-Call-Parität 937

Die beiden Extremsituationen sind, dass sie heute oder erst bei Fälligkeit ausgeübt werden (alle
anderen Ergebnisse liegen dazwischen). Werden die Optionen heute ausgeübt, ergibt sich
folgenderZusammenhang:C
0  P0 D S0  X . Erfolgt die Optionsausübung zum T
Fälligkeitsze itpunkt, ist C0  P0 D S0  X= .1 C rF / . Folglich führt die Anwendung der
Put-Call-Parität bei amerikanischen Optionen auf Aktien ohne Dividenden zu folgender
Ungleichung:10
X
S0  X  C0  P0  S0  : (15.30)
.1 C rF /T

Beispiel
Put-Call-Parität bei amerikanischen Optionen
Eine amerikanische Call-Option auf eine Aktie ohne Dividende mit einer Restlauf- zeit von 7
MonatenundeinemAusübungspreisvonEUR10besitzteinenPreisvonEUR1,50.DieAktie
wird zu einem Preis von EUR 9 gehandelt. Der risikolose Zinssatz liegt bei 2 %. In welcher
Preisspanne liegt der P reis der amerikanischen Put-Option, die über die gleiche Restlaufzeit
unddengleichenAusübungspreiswiedieamerikanischeCall-Optionverfügt?

Lösung
Die Preisspanne, in welcher die Preisdiff erenz zwischen der amerikanischen Call- und
Put-Optionliegt,kannwiefolgtermitteltwerden:

EUR 10
EUR 9  EUR 10  C0  P0  EUR 9  :
.1;02/7=12

Demnach liegt die Preisspanne bei EUR 1 und EUR 0;89. Wird die Put-Call-Parität
nach p0  c0 umgeformt,11 erhält man für amerikanische Optionen:

X
X  S0  P0  C0   S0 :
.1 C rF /T

Das führt zu einer Preisspanne für die Preisdifferenz zwischen dem Put-Preis und dem
Call-Preisvon:
EUR 1  P0  C0  EUR 0;89:
10
Beziehen sich die beiden amerikanischen Call- und Put-Optionen auf Aktien mit Dividenden,
ergibt sich in Anlehnung an die Put-Call-Parität folgende Ungleichung:

Div X
S0   X  C0  P0  S0  :
.1 C rF / T
.1 C rF /T

11
X X
c0 C D p 0 C S0 !  S0 D p0  c0 :
.1 C rF /T .1 C rF /T
93 15 Optionen

Demnach ist P0  C0 zwischen EUR 1 und EUR 0,89. Der C all-Preis beträgt EUR 1,50,
sodass der Put-Preis zwischen EUR 2,39 und EUR 2,50 zu liegen kommt.

DasBeispielzeigtauch,dasseineamerikanischePut-Optionaufgrunddergrößeren
FlexibilitätinBezugaufdieAusübungmindestensgleichvielwertseinsolltewieeine
europäischePut-Option.WendetmandiePut-Call-ParitätfüreuropäischeOptionenan,
resultierteinPut-PreisvonEUR2,39(
D EUR 1;50 C EUR 10=.1;02/7=12  EUR 9). Die
amerikanische Put-Option hingegen hat einen Preis von mindestens EUR 2,39 und ma-
ximal EUR 2,50. Daraus folgt, dass die Preise von amerikanischen Optionen mindestens gleich
oderhöheralsdiePreisevoneuropäischenOptionensind:

C0  c0 und P0  p0 : (15.31)

15.5 ZeitdiskretesOptionsbewertungsmodell:DasBinomialmodell

15.5.1 Einleitung

Bis anhin wurden die Grundprinzipien der Optionsbewertung – innerer Wert, Zeitwert,
Preisobergrenze und -untergrenze sowie Put-Call-Parität – beschrieben. So lässt sich mit der
Put-Call-Parität lediglich der Preis einer europäischen Call- oder Put-Option anhand eines
Replikationsansatzes bzw. einer Kombination von Finanzinstrumenten ermitteln. Das hierzu
angewandteBewertungsprinzipbestehtausdersynthetischenNachbildungderOptionmithilfe
vonFinanzinstrumenten,dieinderPut-Call-Paritätenthaltensind.Da-beiistfürdieBerechnung
des Call-Preises der Put-Preis erforderlich. Wird hingegen der Put-Preis bestimmt, muss der
entsprechendeCall-Preisbekanntsein.

MitdemBinomialmodelllässtsichderOptionspreisanhandderRisikofaktoren(Ba-
siswertpreis,Ausübungspreis,Volatilität,Zinssatz,OptionslaufzeitundErträgedesBasis-
werts)direktberechnen.DasWort„Binomial“beziehtsichdarauf,dassimBewertungs-modell
amEndeeinerPeriodelediglichzweiEreignisseeintretenkönnen.Entwederistder
BasiswertpreisamEndederPeriodegestiegenodergefallen.DieseAnnahmeüberdie
PreisentwicklungdesBasiswertsstellteineVereinfachungderRealitätdar,diemit
ErweiterungendesModellswieetwamiteinemTrinomialmodell–alsodreianstattzwei
EreignissenamEndederjeweiligenPeriode–besserabgebildetwerdenkann.Darüberhinaus
verkörpertdasBinomialmodelleinzeitdiskretesVerfahren,beidemdieZeitinverschiedene
Perioden(z.B.Tage,WochenoderMonate)aufgeteiltwird.Somitverän-dertsichdieZeitund
somitdieBasiswertpreiseschrittweise.JekleinerdieseZeitschrittesind,destomehrnähertsich
dasBinomialmodelleinemzeitkontinuierlichenBewertungs-modellwiedem
Black/Scholes-Modellan.

12
IndenfolgendenAusführungenwirddas
BinomialmodellüberdenReplikationsansatzunddasrisikoneutraleBewertungsverfah-
ren hergeleitet, bevor die beiden Grundmodelle von Cox, Ross und Rubinstein und von gleichen
(symmetrischen)Wahrscheinlichkeitenbeschriebenwerden.

12
Für das Black/Scholes-Modell vgl. Abschn. 15.6 .
15.5 ZeitdiskretesOptionsbewertungsmodell:DasBinomialmodell 939

15.5.2 Ein-Perioden-Binomialmodell

Beim Ein-Perioden-Binomialmodell bewegt sich der Basiswertpreis jeweils über eine


Zeitperiode nach oben oder nach unten. Das folgende Beispiel illustriert die Preisbe- rechnung
einerAktienoptionmitdemBinomialmodell.EineAktiewirdzuEUR50(S)
0
gehandelt.Eswirdangenommen,dassderAktienpreisamEndedernächstenPeriodeentweder
aufEUR75(S)steigtoderauf
u
EUR25(S)fällt.Abb. 15.2zeigt
d
dieAktien-
preisentwicklung in einem Binomialbaum. Bei einer Aufwärtsbewegung der Aktie liegt die
Renditebei50%( D EUR 75=EUR 50  1), während sich bei einer Abwärtsbewegung
des Papiers eine negative Rendite von 50 % (D EUR 25=EUR 50  1) einstellt. Das heißt,
dass der Aktienpreis über eine Periode hinweg um 50 % zunimmt oder um 50 % zurück- D
geht. Demzufolge beträgt der Aufwärtsfaktor 1,5 (u 1;5) und der Abwärtsfaktor 0,5
(d D 0;5). Die beiden Faktoren für eine Auf- bzw. Abwärtsbewegung des Aktienpreises
berechnen sich mit eins plus der entsprechenden Rendite. Sie lassen sich demnach wie folgt
bestimmen:

Su Sd
uD und dD : (15.32)
S0 S0

Somit lässt sich der Aktienpreis nach einer Aufwärtsbewegung durch das Produkt aus dem
AktienpreisunddemAufwärtsfaktorfestlegen .Su D S0u /, während der Preis nach
einer Abwärtsbewegung durch das Produkt aus dem Aktienpreis und dem Abwärtsfaktor
gegeben ist .Sd D S0d /. Damit eine Arbitragemöglichkeit verhindert werden kann, muss
folgende Beziehung zwischen dem Abwärtsfaktor, Aufwärtsfaktor und dem risikolosen
Zinssatz gelten:13

d < 1 C rF < u: (15.33)

Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass eine Call-Option auf diese Aktie mit einem
AusübungspreisvonEUR50undeinerLaufzeitvoneinerPeriodebesteht.DieamGeldliegende
Kaufoption verfällt am Ende der Periode. Bei einer Aufwärtsbewegung der Aktie beträgt der
innereWertderOptionEUR25[
D Max .EUR 0; EUR 75  EUR 50/], wäh-
rend bei einer Abwärtsbewegung des Wertpapiers die Option wertlos verfällt bzw. der
innere Wert EUR 0 ist [D Max .EUR 0; EUR 25  EUR 50/]. Zum Fälligkeitszeitpunkt

13
NimmtderAktienpreiszu,dannmussdieAktienrenditehöheralsderrisikoloseZinssatzsein.Fällt
hingegenderAktienpreis,istdieAktienrenditekleineralsderrisikoloseZinssatz.Liegtbei-
spielsweise die Rendite der Aktie dauern d über dem risikolosen Zinssatz (also u > d > 1 C rF ),
kann man für den Aktienkauf Geld zum risikolosen Zinssatz aufnehmen und so dauerhaft eine Über-
schussrendite erzielen. Unterschreitet hingegen die Aktienrendite den risikolosen Zinssatz (also d
u < 1 C r),F kannmandieAktieleerverkaufenundmitdemVerkaufserlösdierisikolose<
Anlage kaufen, um eine Überschussrendite zu erwirtschaften. Mit der Formel wird sichergestellt,
dass keine Arbitragemöglichkeit vorliegt.
940 15 Optionen

Abb.15.2 Binomialbaum für Su = EUR 75


eine Aktie (eine Periode)

S0 = EUR 50

Sd = EUR 25

Zeitpunkt 0 Zeitpunkt 1

der Option setzt sich der Wert lediglich aus dem inneren Wert zusammen, da der Zeitwert null ist.
Vor dem Fälligkeitstag weist die Option zusätzlich zum inneren Wert auch einen Zeitwert auf.
UmdenOptionspreisamAnfangderPeriode–alsozumZeitpunktnull–zubestimmen,kanneine
synthetischeCall-Option mit einemPortfolio konstruiert wer- den, das aus einerAktienposition
undeinemKreditzumrisikolosenZinssatzbesteht.MitdiesemReplikationsportfolio

 einerAktienpositionundeinemKreditzumrisikolosen
Zinssatz  lässt sich eine Call-Option nachbilden.14 Im Folgenden wird ein risikoloser
Zinssatz von 2 % unterstellt. Darüber hinaus wird angenommen, dass N Aktien zu einem
Preis von EUR 50 gekauft und ein Kreditbetra g K zum risikolosen Zinssatz aufgenommen
werden. Nach einer Periode weist diese Pos ition bei einer Aufwärtsbewegung der Aktie einen
WertvonEUR75N
 EUR 1;02K auf. Fällt der Aktienkurs nach einer Periode auf
EUR 25, liegt der Wert dieser Position bei EUR 25 N EUR 1;02K. Damit erhält man die
folgenden zwei Gleichungen am Ende der ersten Periode:

bei Su D EUR 75:E


RU 75 N  EUR 1;02 K D EUR 25;
bei Sd D EUR 25:E
RU 25 N  EUR 1;02 K D EUR 0:

Werden die beiden Gleichungen nach N und K aufgelöst, gelangt man zu folgenden Wer- ten: N
D und K D 12;2549. Dasheißt,kauftmaneinehalbeAktieundnimmteinen0;5
Kredit von EUR 12,2549 zu einem Zinssatz von 2 % auf, erhält man in einer Periode bei
AktienpreisenvonEUR75undEUR25dieCall-OptionswertebeiFälligkeitvonEUR25

14
WirdmiteinerAktienpositionundeinerCall-OptioneinedeltaneutralePositionerstellt,soer-zieltmanim
Ein-Perioden-BinomialmodelldenrisikolosenZinssatzbzw.ergibtsicheinerisikolose
Anleiheposition. Also gilt folgender Zusammenhang: risikolose Long-Anleihe D Long-Aktie C
Short-Call. Wenn diese Gleichung gilt, muss di e Kombination aus Long-Aktie und Short-Call
dieselbe Rendite aufweisen wie die risikolose Long-Anleihe, nämlich den risikolosen Zinssatz. Demnach
wird der Optionspreis im Binomialmodell (wie auch im Black/Scholes-Modell) über ein
Replikationsportfoliohergeleitet.
15.5 ZeitdiskretesOptionsbewertungsmodell:DasBinomialmodell 941

bzw. von EUR 0. Mit dieser Long-Aktienposition und Kreditaufnahme lassen sich die
Optionswerte zum Fälligkeitszeitpunkt erzielen. Somit lässt sich der Call-Preis zum Be-
wertungszeitpunktwiefolgtbestimmen:

c0 D 0;5  EUR 50  EUR 12;2549 D EUR 12;7451:

Der Wert der Call-Option beträgt demnach EU R 12,75. Dieser Optionswert lässt sich auch mit
einem risikoneutralen Bewertungsverfahren berechnen, bei dem die Wertfindung da- durch
stattfindet,dasseinerwarteterWertmitdemrisikolosenZinssatzdiskontiertwird. 15

Dabei wird die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit für eine Aufwärtsbewegung  u mit fol-
gender Formel ermittelt:16
.1 C rF /  d
 u D ; (15.34)
ud
wobei:

rF D risikoloser Zinssatz,
d D Faktor für die Abwärtsbewegung des Aktienpreises,
u D Faktor für die Aufwärtsbewegung des Aktienpreises.

Da die Summe der risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten 1 ist, lässt sich die risikoneutrale
WahrscheinlichkeiteinerAbwärtsbewegung  d wie folgt berechnen:

 d D 1   u : (15.35)

Demnach können die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten für die vorliegende Call-


Option folgendermaßen bestimmt werden:

1;02  0;5
 u D D 0;52;
1;5  0;5
 d D 1  0;52 D 0;48:

15
UnterstelltmanhingegenRisikoaversion,erfolgtdieWertfindungdurchdasDiskontierenvon
zukünftigenWertenmitdererwartetenRendite,dieausdemrisikolosenZinssatzundeinerRi-
sikoprämie besteht. Die Risikoprämie stellt eine Renditeentschädigung für die mit der Anlage
eingegangenenRisikendar,diedurchdenrisikolosenZinssatznichtgedecktsind.
16
DieerwarteteRenditederAktieineinerrisikoneutralenWeltistdurchdenrisikolosenZins-gegeben.Der
erwartete
satz rF AktienpreisnachAblaufeinerPeriode( t) ist S0 .1 C rF /t und
entspricht der Summe der wahrscheinlichkeitsgewichteten Aktienpreise am Ende der Periode, die
wie folgt gegeben ist:  u S0 u C .1   u / S d. Wird die folgende Gleichung nach der risikoneutra- 0
len Wahrscheinlichkeit einer Aufwärtsbewegung ( u ) aufgelöst, erhält man bei t D 1 (15.34):
S0 .1 C rF /t D  u S0 u C .1   u / S0 d.
942 15 Optionen

Abb.15.3 Ein-Perioden-Bino- Su = EUR 75


mialbaum für Aktie und Call- cu = EUR 25
πu = 0,52
Option

S0 = EUR 50
c0 = EUR 12,75
πd = 0,48

πuc u + π dc d
c0 =
1 + rF Sd = EUR 25
cd = EUR 0

Zeitpunkt 0 Zeitpunkt 1

Der erwartete Call-Preis am Anfang der Pe riode lässt sich durch die Summe der wahr-
scheinlichkeitsgewichteten Optionspreise am Ende der Periode diskontiert mit dem risi-
kolosenZinssatzwiefolgtermitteln:

 u cu C  d cd
c0 D ; (15.36)
1 C rF

wobei:

cu D Call-Preis am Ende der Periode nach einer Aufwärtsbewegung der Aktie,


cd D Call-PreisamEndederPeriodenacheinerAbwärtsbewegungderAktie.

Werden in die oben stehende Formel die Werte aus dem vorangegangenen Beispiel einge- setzt,
resultiertwiederumeinCall-PreisvonEUR12,75:

0;52  EUR 25 C 0;48  EUR 0


c0 D D EUR 12;7451:
1;02

Abb. 15.3 visualisiert die Berechnungsweise mit dem Binomialbaum. Wird die Call- Option
auf dem Markt zu einem höheren P reis alsEUR12,75gehandelt,kanndie
KaufoptionverkauftundgleichzeitigeinesynthetischeCall-Optionmithilfeeinerhal-ben
AktieundeinemKreditbetragvonEUR12,2549konstruiertwerden.DasRisikoder
Gesamtpositionistnull,dasichderGewinn/VerlustderShort-Call-Positionundder
synthetischenLong-Call-Positiongegenseitigaufheben.DieseArbitragestrategieführtzu
einemrisikolosenGewinn,dersichausderDifferenzzwischendemVerkaufserlösder
Short-Call-OptionunddenKostendersynthetischenCall-Optionzusammensetzt.Wird
hingegendieKaufoptionzueinemniedrigerenWertgehandelt,kanndiesynthetische
Call-OptionverkauftunddiegehandelteKaufoptionerworbenwerden.Dabeiergibtsich
15.5 ZeitdiskretesOptionsbewertungsmodell:DasBinomialmodell 943

wiederumeinrisikoloserArbitragegewinn.WegendeskombiniertenEffektsallerTeil-nehmer
auf dem Markt, diedieseArbitragestrategieumse tzen, nähertsichderaufdemMarktgehandelte
Preis der Kaufoption dem synthetischen Call-Preis bzw. dem mit dem Binomialmodell
berechnetenOptionspreisan.

Beispiel
Berechnung einer europäischen Put-Option mit dem Ein-Perioden-Binomialmo- dell

Eine europäische Put-Option auf eine Aktie besitzt einen Ausübungspreis von EUR 110 und
eine Restlaufzeit von 9 Monaten. Die Aktie wird zu einem Preis von EUR 100 ge- handelt. Es
wird davon ausgegangen, dass der Aktienpreis nach 9 Monaten um EUR 20 steigt bzw. fällt.
DerrisikoloseZinssatzliegtbei2%.

1. Wie hoch ist der Preis der Put-Option anhand des Replikationsansatzes?
2. WiehochistderPreisderPut-OptionmithilfedesrisikoneutralenBewertungsver-fahrens?

Lösungzu1
Um ein deltaneutrales Portfolio zu bilden, benötigt man eine Long-Put-Option (negati- ves
Delta) undeine Long-Aktienposition (positives Delta). Aus diesem abgesichertenPortfolio
ergibt sich synthetisch eine risikolose Anlage. Wird das deltaneutrale Portfo- lio nach der
Long-Put-Option aufgelöst, erhält man eine Long-Position in der risikolo- sen Anlage und
eineShort-Aktienposition:

Long-Put-Option D Long risikolose Anlage C Short-Aktie:

Nach 9 Monaten steigt der Aktienpreis auf EUR 120 respektive fällt auf EUR 80. Die
entsprechenden inneren Werte der Put-Option lauten bei einem Anstieg des Aktienprei- ses
EUR0[
D Max .EUR 0; EUR 110  EUR 120/]undbeieinemRückgangdesAkti-
enpreises EUR 30 [D Max .EUR 0; EUR 110  EUR 80/]. Dies führt am Fälligkeitstag
der Put-Option in 9 Monaten zu folgenden Gleichungen für das Replikationsportfolio:

Bei Su D EUR 120 W EUR 1;020;75 K  EUR 120 N D EUR 0;


Bei Sd D EUR 80 W EUR 1;020;75 K  EUR 80 N D EUR 30:

WerdendiebeidenGleichungennachN(AnzahlAktien)undK(Geldanlage)aufge-löst,gelangt
manzufolgendenWerten:N D 0;75 und K D 88;67345. Legt man einen
Betrag von EUR 88,67345 zum risikolosen Zinssatz von 2 % über 9 Monate an und schließt
eine Short-Position in 0,75 Aktien ab, erhält man in 9 Monaten bei Aktien- preisen von EUR
120 und EUR 80 die Put-Optionswerte bei Fälligkeit von EUR 0 bzw. von EUR 30. Somit
beläuftsichderPut-PreisamAnfangderPeriodeaufEUR13,673:

p0 D EUR 88;67345  EUR 100  0;75 D EUR 13;673:


944 15 Optionen

Lösungzu2
Um den Put-Preis anhand des risikoneutrale n Bewertungsverfahrens zu ermitteln, sind
zunächstdieAuf-undAbwärtsfaktorenzubestimmen:

EUR 120
uD D 1;2;
EUR 100
EUR 80
dD D 0;8:
EUR 100
Die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten einer Auf- und Abwärtsbewegung betragen
0,5374und0,4626:
.1;02/0;75  0;8
 u D D 0;5374;
1;2  0;8
 d D 1  0;5374 D 0;4626:
Der Put-Preis zu Beginn der Periode von E UR 13,673 kann folgendermaßen berechnet
werden:
0;5374  EUR 0 C 0;4626  EUR 30
p0 D D EUR 13;673:
.1;02/0;75

DasBeispielzeigt,dassderPut-PreissowohlmiteinemReplikationsansatzalsauchmitdem
risikoneutralen Bewertungsverfahren eruiert werden kann. In den folgenden
Ausführungen zum Binomialmodell wird das risikoneutrale Bewertungsverfahren an-
gewandt.

15.5.3 Mehr-Perioden-Binomialmodell

Der Optionspreis kann auch mit einem Mehr-Perioden-Binomialmodell bestimmt werden.


NimmtmanzumBeispielzweiPeriodenvonje1Jahrundgehtdavonaus,dassinjederPeriodeder
Aktienpreis von EUR 50 mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % steigt oder fällt, resultieren
AktienpreiseamEndedes1.JahresvonEUR75(
D Su D EUR 50  1;5)
und EUR 25 (D Sd D EUR 50  0;5) sowie am Ende des 2. Jahres von EUR 112,50
(D Suu D EUR 50  1;5  1;5), von EUR 37,50 (D Sud D EUR 50  1;5  0;5 oder Sdu D
EUR 50  0;5  1;5) und von EUR 12,50 (D Sdd D EUR 50  0;5  0;5). Bei einer Call-
Option mit einer Laufzeit von 2 Jahren und mit einem Ausübungspreis von EUR 50 ergibt
sich bei einer zweifachen Aufwärtsbewegung der Aktie ein Call-Preis von EUR 62,50 [
D cuu D Max .EUR 0; EUR 112;50  EUR 50/]. Die übrigen Call-Preise betragen am
Ende des 2. Jahres EUR 0, weil der entsprechende Aktienkurs unter dem Ausübungspreis
liegt. Der erwartete Call-Preis lässt sich nun ermitteln, indem vom Ende des 2. Jahres rückwärts
gerechnet wird(sogenannte Rückwärtsinduktion), wobei jede Periode 1 Jahr dauert. Bei einem
risikolosenZinssatzvon2%betragendierisikoneutralenWahrschein-lichkeiten0,52[
D .1;02  0;5/=.1;5  0;5/] und 0,48 (D 1  0;52). Die Call-Preise am
15.5 ZeitdiskretesOptionsbewertungsmodell:DasBinomialmodell 945

Suu= EUR 112,50


πu = 0,52
cuu= EUR 62,50

Su= EUR 75 πd = 0,48

πu = 0,52 cu= EUR 31,86


Sud= EUR 37,50
cud= EUR 0
S0= EUR 50
c0= EUR 16,24 πd = 0,48
Sdu= EUR 37,50
πu = 0,52
cdu= EUR 0
Sd= EUR 25
cd= EUR 0
πd = 0,48

Sdd = EUR 12,50


cdd = EUR 0

Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2

Abb.15.4 Zwei-Perioden-Binomialbaum für Aktie und Call-Option

Ende des 1. Jahres nach einer Auf- bzw. Abwärtsbewegung der Aktie können wie folgt ermittelt
werden:
 u cuu C  d cud 0;52  EUR 62;50 C 0;48  EUR 0
cu D D D EUR 31;86;
1 C rF 1;02
 u cdu C  d cdd 0;52  EUR 0 C 0;48  EUR 0
cd D D D EUR 0:
1 C rF 1;02
Der erwartete Call-Preis zum Bewertungszeitpunkt beträgt EUR 16,24:17
 u cu C  d cd 0;52  EUR 31;86 C 0;48  EUR 0
c0 D D D EUR 16;24:
1 C rF 1;02
Abb. 15.4 visualisiert die Berechnungsweise mit einem Zwei-Perioden-Binomialbaum.
Die Berechnung des Optionswerts mit dem Binomialmodell kann a nhand der folgenden
Schritte zusammengefasst werden:

 Es ist eine Darstellung des Binomialbaums mit den Aktienpreisen erforderlich, wobei die
AktienpreiseamEndejederPeriodemitdemAuf-undAbwärtsfaktorfestgelegtwerden.

 Am Ende des Binomialbaums bzw. am Fälligkeitstag der Option sind die inneren Op-
tionswerte [Call-Preis D Max .0; ST  X/ und Put-Preis D Max .0; X  ST /] auszu-
rechnen.
17
Alternativ lässt sich der Call-Preis bestimmen, indem die wahrscheinlichkeitsgewichteten Call-
Preise am Fälligkeitstag auf den Bewertungszeitpunkt diskontiert werden: c0 D . 2u cuu C
2 u  d cud C  2d cdd /=.1 C rF /2 D .0;522  EUR 62;50 C 2  0;52  0;48  EUR 0 C 0;482 
EUR 0/=.1;02/2 D EUR 16;24.
946 15 Optionen

 Mithilfe der Rückwärtsinduktion werden die Optionspreise ausgehend vom Perioden-


ende im Binomialbaum berechnet, indem die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten ei- ner
Auf- bzw. Abwärtsbewegung mit den entsprechenden Optionspreisen am Ende der
jeweiligenPeriodemultipliziertundanschließendmitdemrisikolosenZinssatzdiskon-tiert
werden.

Die größte Anwendungseinschränkung des oben beschriebenen Binomialmodells stellt die


Bestimmung der Aktienpreise am Ende der jeweiligen Perioden dar. Um das Bewer-
tungsmodell realitätsnäher auszugestalte n, können die Auf- und Abwärtsfaktoren mithilfe der
annualisiertenAktienpreisvolatilitätbestimmtwerden.
18
SolegenCox,RossundRu-
binstein(1979)dieAuf-undAbwärtsparametermithilfederVolatilitätdesBasiswerts
folgendermaßenfest: 19
p
u D e¢ t
; (15.37)
p
¢ t 1
dDe D ; (15.38)
u
wobei:

¢ D annualisierteStandardabweichungdertäglichenstetigenAktienpreisrenditen,t
D einePeriodeimBinomialmodell(ZeitintervallausgedrücktinJahren).

Werden die so berechneten Auf- und Abwärtsparameter in ( 15.34 ) eingesetzt, erhält man die
risikoneutraleWahrscheinlichkeiteinerAufwärtsbewegung.LiegteineDividenden-renditebei
Aktienoptionen vor, können die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten einer Auf- bzw.
AbwärtsbewegungimModellvonCox,RossundRubinsteinwiefolgtermitteltwerden:
20
e.rF, s q/t  d
 u D ; (15.39)
ud
 d D 1   u ; (15.40)
wobei:

rF, s D stetiger risikoloser Zinssatz,


q D stetige Dividendenrendite bei Aktienoptionen.

18
Für die Berechnung der annualisierten Standardabweichung der stetigen Aktienpreisrenditen vgl.
Abschn. 2.3.1 .
19
Vgl. Cox et al. 1979 : Option Pricing: A Simplified Approach, S. 249.
20
DieerwarteteAktienrenditebestehtausderKapital-undderDividendenrendite.Wirdvonder
Renditeerwartung–alsodemrisikolosenZinssatz–dieDividendenrenditeabgezogen,erhältmandie
Kapitalrendite.DererwarteteAktienpreisnachAblaufeinerPeriode
.t/ ist S0 e.rF ;sq/t und
entspricht der Summe der wahrscheinlichkeitsgewichteten Aktienpreise am Ende der Periode, die
wie folgt gegeben ist:  u S0 u C .1   u /Sd.WirddiefolgendeGleichungSe 0 0 .rF ;sq/t D  u S0 u C
.1   u /S0d nach der risikoneutralen Wahrscheinlichkeit einer Aufwärtsbewegung (  u ) aufgelöst,
erhält man ( 15.39 ).
15.5 ZeitdiskretesOptionsbewertungsmodell:DasBinomialmodell 947

Das Modell von Cox, Ross und Rubinstein (1979) ist nicht das einzige Verfahren, um einen
BinomialbaumzuerstellenunddaraufaufbauenddenOptionspreiszuberechnen.Anstattu
D 1=d zu unterstellen, kann man von einer risikoneutralen Wahrscheinlichkeit D
von 50 % ausgehen (  0;5). Das ergibt, wenn Terme höherer Ordnung als t vernach-
lässigt werden, folgende Gleichungen für die Auf- und Abwärtsparameter:21
2 =2/tC¢
p
u D e.rF, s q¢ t
; (15.41)
p
.rF, s q¢ 2 =2/t¢ t
dDe : (15.42)
Im Vergleich zum Modell von Cox, Ross und Rubinstein (1979) hat dieses Verfahren zur
KonstruktiondesBinomialbaumsdenVorteil,dassdieWahrscheinlichkeitenunabhängigvonder
VolatilitätsgrößeundderAnzahlderZeitintervalleimmer0,5sind.

Beispiel
Bewertung einer europäischen Call-Akti enoption mit dem Drei-Perioden-Binomi-
almodell
Eine europäische Call-Aktienoption mit einer Restlaufzeit von 9 Monaten besitzt einen
Ausübungspreis von EUR 100. Die Aktie wird zu einem Preis von EUR 90 gehandelt. Die
stetige Dividendenrendite liegt bei 4 %, während der stetige risikolose Zinssatz 2 % beträgt.
DieannualisierteVolatilitätderAktieist20%.

1. WiehochistderPreisdereuropäischenCall-AktienoptionmitdemModellvonCox,Rossund
RubinsteinanhandeinesDrei-Perioden-Binomialmodells?
2. Wie hoch ist der Preis der europäischen Call-Aktienoption mit dem Ansatz von gleichen
(symmetrischen) Wahrscheinlichkeiten anhand eines Drei-Perioden-Bino-
mialmodells?

Lösungzu1
Die Bewertungsparameter lauten: S0 D 90, X D 100, rF, s D 0;02, q D 0;04, ¢ D
0;20, T D 0;75 und t D 0;25 (D 0;75=3). Die Auf- und Abwärtsparameter und die
risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten können im Modell von Cox, Ross und Rubinstein
wie folgt bestimmt werden:
p p
u D e¢ t
D e0;2 0;25
D 1;1052;
p p
¢ t 0;2 0;25
dDe De D 0;9048;
e.rF, s q/t  d e.0;020;04/0;25  0;9048
 u D D D 0;45;
ud 1;1052  0;9048
 d D 1   u D 1  0;45 D 0;55:

Die Auf- und Abwärtsparameter liegen bei 1,1052 respektive 0,9048, während die risi-
koneutralenWahrscheinlichkeiteneinerAuf-bzw.Abwärtsbewegung45%respektive

21
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 406.
94 15 Optionen

55 % sind. Dies führt zu folgenden Werten für die Aktie und die Call-Option (in EUR) im
Drei-Perioden-Binomialbaum:

Suuu = 121,49
cuuu = 21,49
Suu = 109,93
cuu = 9,62
Su = 99,47 Suud = 99,47
cu= 4,31 cuud = 0
S0 = 90 Sud = 90,00
c0 = 1,93 cud = 0
Sd = 81,43 Sddu = 81,43
cd= 0 cddu = 0
Sdd = 73,68
cdd = 0
Sddd = 66,67
cddd = 0

Jahr 0 Jahr 0,25 Jahr 0,50 Jahr 0,75

AmEndederdrittenPeriodebzw.amFälligkeitstagentsprichtderOptionswertdem
innerenWert.DerZeitwertistnull.NachdreiAufwärtsbewegungenbeträgtderinnereWert
derCall-OptionEUR21,49[
D Max .EUR 0; EUR 121;49EUR 100/]. Bei allen
anderen Aktienpreisszenarien ist am Ende der Optionslaufzeit der innere Wert EUR 0.
Der Wert der Call-Option von EUR 1,93 lässt sich mithilfe der Rückwärtsinduktion
folgendermaßenberechnen:

0;45  EUR 21;49 C 0;55  EUR 0


cuu D D EUR 9;62;
e0;020;25
0;45  EUR 9;62 C 0;55  EUR 0
cu D D EUR 4;31;
e0;020;25
0;45  EUR 4;31 C 0;55  EUR 0
c0 D D EUR 1;93:
e0;020;25
Wird ein Binomialbaum mit 150 Zeitintervallen genommen, ergibt sich ein genauerer
Call-WertvonEUR2,317.

Lösungzu2
Die Bewertungsparameter sind: S0 D 90, X D 100, rF, s D 0;02, q D 0;04, ¢ D 0;20,
T D 0;75 und t D 0;25 (D 0;75=3). Die Auf- und Abwärtsparameter lassen sich
folgendermaßen berechnen:
 
0;20 2 p
0;020;04 2 0;25C0;20 0;25
uDe D 1;0942;
 
0;20 2 p
0;020;04 2 0;250;20 0;25
dDe D 0;8958:

Die Auf- bzw. Abwärtsparameter belaufen sich auf 1,0942 respektive 0,8958, während die
risikoneutralenWahrscheinlichkeiteneinerAuf-bzw.Abwärtsbewegungje50%
15.5 ZeitdiskretesOptionsbewertungsmodell:DasBinomialmodell 949

sind, was die folgenden Werte für die Aktie und die Call-Option (in EUR) im Drei-
Perioden-Binomialbaumergibt:

Suuu = 117,91
cuuu = 17,91
Suu = 107,76
cuu = 8,91
Su = 98,48 Suud = 96,53
cu= 4,43 cuud = 0
S0 = 90 Sud = 88,22
c0= 2,20 cud = 0
Sd = 80,62 Sddu = 79,03
cd= 0 cddu = 0
Sdd = 72,22
cdd = 0
Sddd = 64,69
cddd = 0

Jahr 0 Jahr 0,25 Jahr 0,50 Jahr 0,75

Der Wert der Call-Option von EUR 2,20 lässt sich anhand der Rückwärtsinduktion
wie folgt ermitteln:

0;5  EUR 17;91 C 0;5  EUR 0


cuu D D EUR 8;91;
e0;020;25
0;5  EUR 8;91 C 0;5  EUR 0
cu D D EUR 4;43;
e0;020;25
0;5  EUR 4;43 C 0;5  EUR 0
c0 D D EUR 2;20:
e0;020;25

Mit einem Binomialbaum bestehend aus 150 Zeitintervallen ergibt sich ein Wert der
Call-Option von EUR 2,313. Somit führen im Beispiel der Ansatz mit gleichen Wahr-
scheinlichkeiten und das Modell von Cox, Ross und Rubinstein bei einer genügend hohen
AnzahlvonZeitintervallenzumbeinahegleichenOptionswert.

MitdemBinomialmodellkönnenauchamerikanischeOptionenbewertetwerden.An-hand
derRückwärtsinduktionwirdamEndejederPeriodeimBinomialbaumgeprüft,obeine
frühzeitigeOptionsausübungoptimalist.DiefürdieKonstruktiondesBinomial-baums
erforderlichenAktienpreiseundWahrscheinlichkeitensinddiegleichenwiebeieiner
europäischenOption.AmEndederOptionslaufzeitentsprichtderOptionswertdeminneren
Wert.DerZeitwertistnull.MitderRückwärtsinduktionwerdendieOptionswerteamEndejeder
PeriodeimBinomialbaumermittelt.DabeiwirdbeieinerCall-OptionanjedemKnotenpunkt
überprüft,obderberechneteOptionswertgrößeristalsdieAuszah-lungbeieiner
Optionsausübung.IstdiesderFall,wirdderberechneteOptionswertamKnotenpunktbelassen,
ansonstenwirdderermittelteOptionswertdurchdieAuszahlungbeiderAusübung(alsoden
innerenWert)ersetzt.DiefürdieBerechnungenerforder-licheFormelbeiCall-Optionenlautet:
Max(berechneterOptionswert,S

 X). Bei der


Put-Option hingegen lässt sich die Entscheidungsregel wie folgt formulieren: Max (be-
950 15 Optionen

rechneter Optionswert, X  S). Demnach wird bei jedem Knotenpunkt im Binomialbaum


untersucht, ob die Option weitergeführt oder ausgeübt einen höheren Wert aufweist.

Beispiel
Bewertung einer amerikanischen Call-Aktienoption mit dem Drei-Perioden-
Binomialmodell
Eine amerikanische Call-Aktienoption mit einer Restlaufzeit von 1,5 Jahren verfügt über
einen Ausübungspreis von EUR 50. Die Aktie weist einen Preis von EUR 50 auf. Die stetige
Dividendenrendite liegt bei 5 %, während der stetige risikolose Zinssatz 2 % beträgt. Die
annualisierte Volatilität der Aktie beläuft sich auf 30 %. Wie hoch ist der Preis der
amerikanischen Call-Ak tienoption nach dem Modell von Cox, Ross und Rubinstein anhand
desDrei-Perioden-Binomialmodells?

Lösung
Die Bewertungsparameter lauten: S0 D 50, X D 50, rF;s D 0;02, q D 0;05, ¢ D
0;30, T D 1;5 und t D 0;5 (D 1;5=3). Die Auf- und Abwärtsparameter und die
risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten können im Modell von Cox, Ross und Rubinstein
folgendermaßen festgelegt werden:
p p
u D e¢ t
D e0;3 0;5
D 1;2363;
p p
¢ t 0;3 0;5
dDe De D 0;8089;
.rF, s q/t .0;020;05/0;5
e d  0;8089
e
 u D D D 0;41;
ud 1;2363  0;8089
 d D 1   u D 1  0;41 D 0;59:

Die Auf- bzw. Abwärtsparameter liegen bei 1,2363 respektive 0,8089. Die risikoneutra- len
Wahrscheinlichkeiten einer Auf- bzw. Abwärtsbewegung betragen 41 % respektive 59 %.
Dies führt zu folgenden Werten für die Aktie und die Call-Option (in EUR) im
Drei-Perioden-Binomialbaum:

Suuu = 94,49
Cuuu = 44,49
Suu = 76,43
Cuu = 26,43
Su = 61,82 Suud = 61,82
Cu= 13,53 Cuud = 11,82
S0 = 50 Sud = 50,00
C0 = 6,63 Cud = 4,80
Sd = 40,45 Sddu = 40,45
Cd= 1,95 Cddu = 0
Sdd = 32,72
Cdd = 0
Sddd = 26,47
Cddd = 0

Jahr 0 Jahr 0,5 Jahr 1 Jahr 1,5


15.5 ZeitdiskretesOptionsbewertungsmodell:DasBinomialmodell 951

Der Wert der Call-Option nach zwei Aufwärtsbewegungen von EUR 24,96 lässt sich
anhand der Rückwärtsinduktion wie folgt berechnen:

0;41  EUR 44;49 C 0;59  EUR 11;82


Cuu D D EUR 24;96:
e0;020;5

Allerdings beträgt der Wert der ausgeübten Call-Option EUR 26,43 (D EUR 76;43 
EUR 50). Da die Option ausgeübt einen höheren Wert als der im Binomialbaum be-
rechnete Wert von EUR 24,96 aufweist, wird unterstellt, dass die Call-Option nach zwei
Aufwärtsbewegungen ausgeübt wird und somit einen Wert von EUR 26,43
hat.
Der Call-Preis nach einer Auf- und Abwärtsbewegung beläuft sich auf EUR 4,80
und liegt somit über dem ausgeübten Wert von EUR 0 (D EUR 50  EUR 50):

0;41  EUR 11;82 C 0;59  EUR 0


Cud D D EUR 4;80:
e0;020;5

Die Call-Preise nach einer Auf- bzw. Abwärtsbewegung liegen ebenfalls über dem aus-
geübtenWertundkönnenwiefolgtermitteltwerden:

0;41  EUR 26;43 C 0;59  EUR 4;80


Cu D D EUR 13;53;
e0;020;5
0;41  EUR 4;80 C 0;59  EUR 0
Cd D D EUR 1;95:
e0;020;5

Der Preis der amerikanischen Call-Option beläuft sich auf EUR 6,63:

0;41  EUR 13;53 C 0;59  EUR 1;95


C0 D D EUR 6;63:
e0;020;5

Bei 150 Zeitintervallen ergibt sich für die amerikanische Option ein Call-Preis von EUR
6,19.

DieAnzahlderPeriodenimBinomialmodelllässtsichbeliebigerhöhen.Fürei-nesehrgroße
AnzahlanPeriodennähertsichdaszeitdiskreteBinomialmodelldemzeitkontinuierlichen
Black/Scholes-Modellan,dasimfolgendenAbschnittbeschriebenwird.
952 15 Optionen

15.6 ZeitkontinuierlichesOptionsbewertungsmodell:Das
Black/Scholes-Modell

15.6.1 PreisberechnungvoneuropäischenOptionen

Optionspreise lassen sich mit zeitdiskreten Modellen wie zum Beispiel dem Binomial- modell
oder mit zeitkontinuierlichen Modelle n wie dem Black/Scholes-Modell, das auch als
Black/Scholes/Merton-Modellbekanntist,bestimmen. 22
Dabei handelt es sich um
das zeitlich erste und wohl auch bekannteste Optionsbewertungsmodell. Dank des Black/
Scholes-Modells konnten die Marktteilnehmer erstmals den Optionspreis berechnen. Die- ser
Umstand hat wesentlich dazu beigetragen, dass der Optionshandel in den Folgejahren stark
zugenommen hat und sich die Optionen an den Finanzmärkten durchsetzen konn- ten. Für ihre
ArbeitenzurOptionsbewertunghabenMyron Scholes und RobertMerton1997 den Nobelpreis
erhalten.
23
AllerdingskanndasModellnurfüreuropäischeOp-tionen
angewandtwerden.PreisevonamerikanischenOptionenkönnenmitdemMo-
dell nicht ermittelt werden. Das Black/Scholes-Modell geht von folgenden Annahmen aus:
24

 Die einfachen Renditen des Basiswerts folg en einer geometrischen Brown’schen Be-
wegung (bzw. Wiener Prozess) und die Preise des Basiswerts sind logarithmisch nor-
malverteilt.MitderlogarithmischenNormalverteilungwirdsichergestellt,dassderPreisdes
Basiswerts nicht unter null fallen k ann. Die kontinuierlichen (stetigen) Ren- diten des
Basiswertpreiseshingegensindnormalverteilt.Steigt zumBeispielderPreiseinerAktievon
EUR 10 auf EUR 11, beträgt die einfache Rendite 10 %. Demgegen- über liegt die stetige
Renditebei9,53%[

D ln.EUR 11=EUR 10/].


 Der risikolose Zinssatz ist konstant und folgt keiner Zufallsbewegung.
 Geld kann zum risikolosen Zinssatz aufgenommen oder angelegt werden.
 DieVolatilitätdesBasiswertpreisesistkonstantundverändertsichimZeitablaufnicht.Eswird
vorausgesetzt,dassdietatsächlicheVolatilitätfürdieZeitdauerderOptionbekanntist,obwohl
dieseGrößeaufdemMarktnichtbeobachtbarist.
 Es erfolgen keine Auszahlungen beim Basiswert (z. B. Dividenden bei Aktien).
 Leerverkäufesindunbeschränktmöglich.
 Stückelungen des Basiswerts (z. B. Aktie n) und der Optionen können beliebig vorge-
nommenwerden.
 Es existieren keine Steuern und Transaktionskosten.

22
ImUnterschiedzumBinomialmodellunterstelltdasBlack/Scholes-Modell,dassdieAktienpreise
einemstetigenZufallspfadfolgen(zeitkontinuierlichundnichtzeitdiskret),wasdiePreisverläufe
realitätsnäher abbildet.
23
Fischer Black ist 1995 verstorben.
24
Vgl.BlackundScholes 1972:TheValuationofOptionContractsandaTestofMarketEfficiency,399ff.,
S. BlackundScholes 1973:ThePricingofOptionsandCorporateLiabilities,S.640und
Merton 1973 : Theory of Rational Option Pricing, S. 141 ff.
15.6 ZeitkontinuierlichesOptionsbewertungsmodell:DasBlack/Scholes-Modell 953

Mit dem Black/Scholes-Modell lassen sich arbitr agefreie europäisch e Call- und Put-Preise
bestimmen. Veränderungen des Optionsprei ses im Zeitablauf können mithilfe folgender
Differentialgleichungermitteltwerden,dieaufdemReplikationsansatzbasiert: 25

@OP @OP 1 @2 OP 2 2
D rF, s OP  rF, s S  ¢ S; (15.43)
@t @S 2 @S2

wobei:

@OP
D Veränderung des Optionspreises bei einer sehr kurzen Zeitänderung.
@t

WirddieobenstehendeFormelmitdemAnsatzderrisikoneutralenBewertungumge-formt,erhält
mandieBlack/Scholes-FormelnfürdieBerechnungeinerCall-undeinerPut-Option:

c0 D S0 N .d1 /  XerF, s T N .d2 / ; (15.44)


p0 D XerF, s T Œ1  N .d2 /  S0 Œ1  N .d1 /; (15.45)

wobei:  
ln .S0 =X/ C rF, s C ¢ 2 =2 T
d1 D p ;
¢ T
 
ln .S0 =X/ C rF, s  ¢ 2 =2 T p
d2 D p D d1  ¢ T;
¢ T

N .d1 / D Flächeninhalt unter der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung von 1


bis d1 ,
N .d2 / D Flächeninhalt unter der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung von 1
bis d2 ,
D VolatilitätdesBasiswertpreises,dieeineannualisierteStandardabweichunglo-¢
garithmierterPreisveränderungendesBasiswerts(stetigeRenditen)darstellt,r
F, s D stetiger risikoloser Zinssatz,
T D Restlaufzeit der Option (in Jahren).

25
Wird die Gleichung nach rF, s OP aufgelöst, erhält man die sogenannte Black/Scholes/Merton-
Differentialgleichung:

@OP @OP 1 @2 OP 2 2
rF, s OP D C rF, s S C ¢ S :
@t @S 2 @S2

Die Gleichung zeigt, dass man mit einem deltaneutralen Portfolio (bestehend aus einer Short-Call- Option
und einer deltagewichteten Long-Aktienposition) den risikolosen Zinssatz erzielt. Allerdings ist diese
Position nur über eine infinitesimale kurze Zeitperiode risikolos. Die Preisbewegungen des Basiswerts
werden mit der geometrischen Brown’schen Bewegung (bzw. dem Wiener Prozess) modelliert. Für die
HerleitungdesBlack/Scholes-Modellsvgl.BlackundScholes 1973:ThePricingofOptionsandCorporate
Liabilities,S.642ff.
954 15 Optionen

(Dichte-
funktion) N(0,1)

N(d1)

0 d1 (Standardnormal-
variablen)

Abb.15.5 Fläche N .d1 / unter der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung

N .d1 / repräsentiert die Fläche unter der Standardnormalverteilung26 bis zum Wert d1 und
gibt die Wahrscheinlichkeit a n, dass eine standardnormalverteilte Zufallsvariable einen
Wert kleiner/gleich d1 annimmt.SoetwawirdimBlack/Scholes-ModellderPreisder
Call-OptionausderDifferenzzwischendemaktuellenBasiswertpreisunddemdiskon-
tierten Ausübungspreis berechnet, wobei beide Wertkomponenten mit den Wahrschein-
lichkeitenN .d / und N .d / ausderStandardnormalverteilunggewichtetwerden.Dabei 1
2
entspricht N .d1 / dem Delta, während N .d2 / die Wahrscheinlichkeit angibt, dass die Call-
Option im Geld endet. Demnach lässt sich die Berechnung der Kaufoption im Black/
Scholes-Modell interpretieren als die Multiplikation des Basiswertpreises mit dem Delta,
abzüglich des diskontierten Ausübungspreise s, multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, dass
dieOptionausgeübtwird.Abb.15.5zeigtdieFlächeN
.d1 / unter der Dichtefunktion
der Standardnormalverteilung.
AnalogzumCall-PreislässtsichderPreiseinerPut-Optionwiefolgtinterpretieren:Der
BarwertdesAusübungspreiseswirdmitderWahrscheinlichkeitmultipliziert,dassdieOption
imGeldendet[
1  N.d2 /],abzüglichdesAktienpreisesmultipliziertmitdem].
Delta der Verkaufsoption [1  N .d1 /Abb.15.6zeigtdieFlächevon 1  N .d1 / unter der
Dichtefunktion der Standardnormalverteilung.
DerCall-PreisaufeineAktieohneDividendeistbeieinereuropäischenundeinerame-
rikanischenOptiongleichgroß,daesnichtoptimalist,eineamerikanischeCall-Optionaufeine
dividendenloseAktievorzeitigauszuüben.DaherkannfürdiePreisberechnungeiner
amerikanischenCall-OptionaufeineAktieohneDividendeebenfallsdasBlack/
Scholes-Modelleingesetztwerden.ImGegensatzdazuistfüramerikanischePut-Optionen

26
Bei der Standardnormalverteilung handelt es sich um eine Normalverteilung, die einen Erwar-
tungswert von 0 und eine Standardabweichung von 1 aufweist.
15.6 ZeitkontinuierlichesOptionsbewertungsmodell:DasBlack/Scholes-Modell 955

(Dichte-
funktion)
N(0,1)

1– N(d1)

0 d1 (Standardnormal-
variablen)

Abb.15.6 Fläche 1 N .d1 / unter der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung

auf eine Aktie ohne Dividende das Bewertungsm odell nicht anwendbar, da eine vorzeitige
AusübungwährendderLaufzeitderOptiondiebessereHandlungsalternativedarstellt. 27

Beispiel
Berechnung des Optionspreises mit dem Black/Scholes-Modell
Europäische Call- und Put-Optionen auf eine Aktie ohne Dividende haben einen Aus-
übungspreis von EUR 40 und eine Restlaufzeit von 9 Monaten. Die Aktie wird zu einemPreis
von EUR 42 gehandelt. Sie besitzt eine annualisierte Volatilität von 30 %. Der stetige
risikoloseZinssatzliegtbei2%.

1. WiehochistderPreisdereuropäischenCall-OptionanhanddesBlack/Scholes-Modells?

2. Wie hoch ist der Preis der europäischen Put-Option in Anlehnung an das Black/
Scholes-Modell?

Lösungzu1
Die Parameter für die Bestimmung des Optionspreises sind: S0 D 42, X D 40, ¢ D
0;3, rF, s D 0;02, T D 9=12 D 0;75. Die Standardnormalvariablen d1 und d2 können
wie folgt berechnet werden:
 
ln .42=40/ C 0;02 C 0;32 =2  0;75
d1 D p D 0;3754;
0;3  0;75
p
d2 D 0;3754  0;3  0;75 D 0;1156:

27
Vgl. Abschn. 15.3.3 .
956 15 Optionen

Rundet man die Standardnormalvariablen d1 und d2 auf zwei Dezimalstellen (d1 D


und d2 D 0;12),lassensichausderStandardnormalverteilungstabellevonAnhang
0;38
A die Flächen N .d1 / von 0,6480 und N .d2 / von 0,5478 festlegen.28
Der Call-Preis von EUR 5,63 kann folgendermaßen ermittelt werden:

c0 D EUR 42  0;6480  EUR 40  e0;020;75  0;5478 D EUR 5;63:

Lösungzu2
Die Flächen der Standardnormalverteilung von 1  N .d1 / und 1  N .d2 / können wie
folgt festgelegt werden:

1  N .d1 / D 1  0;6480 D 0;3520;


1  N .d2 / D 1  0;5478 D 0;4522:

Der Put-Preis liegt bei EUR 3,03:

p0 D EUR 40  e0;020;75  0;4522  EUR 42  0;3520 D EUR 3;03:

Esistauchmöglich,diePut-Call-Paritätanzuwenden,umzumBeispieldenPut-Preisbei
gegebenemCall-PreisvonEUR5,63zubestimmen.WerdendieZahlenausdemvor-
angegangenenBeispielindiePut-Call-Paritäteingesetzt,erhältmanfürdenPut-Preis
wiederumEUR3,03:

p0 D EUR 5;63 C EUR 40  e0;020;75  EUR 42 D EUR 3;03:

Im Beispiel wurden die Standardnormalvariablen d1 und d2 auf zwei Dezimalstellen ge-


rundet, um die Flächeninhalte unter der Dichtefunktion N .d1 / und N .d2 / anhand einer
Standardnormalverteilungstabelle zu bestimmen. Genauere Werte für N .d1 / und N .d2 /
können beispielsweise mit der Microsoft-Excel-Funktion „ST ANDNORMVERT“ ermit-
telt werden, und zwar von N .d1 / D 0;6463 und von N .d2 / D 0;5460.
Bei Aktien, die eine Dividende ausschütten, kann für die Optionsberechnung das Black/
Scholes-Modell modifiziert werden. Dabei wird angenommen, dass der Zeitpunkt und der
Betrag der Dividendenzahlung bekannt sind. Bei kurzfristigen Optionen stellt dies eine
realistische Annahme dar. Bei Optionen mit längeren Laufzeiten hingegen ist es üblich, die
Black/Scholes-Formel mit einer stetigen Dividendenrendite und nicht mit den zukünftigen
Dividendenzahlungen anzupassen. So wird bei einer kurzfristigen Option der Barwert der
zukünftigenDividendevomAktienkurssubtrahiert(S
0 Barwert der Dividende)29 , bei

28
Da in der Standardnormalverteilungstabelle lediglich die Fläche rechts des Erwartungswerts an-
gegeben wird, ist zum abgelesenen Wert 0,5 hinzuzuzählen.
29
DieDividendewirdabdemEx-DividendentagmitdemrisikolosenZinssatzdiskontiert.Weistzum
BeispieldieOptioneineLaufzeitvon6MonatenaufundderEx-Dividendentagfällt4Monate
nach Laufzeitbeginn an, wird die Dividende mit dem risikolosen Zinssatz über 4 Monate diskontiert.
15.6 ZeitkontinuierlichesOptionsbewertungsmodell:DasBlack/Scholes-Modell 957

langfristigen Optionen wird der Aktienkurs S0 umdiestetigeDividendenrenditeqange-).


passt (S0 eqT MitstetigerDividendenrenditekannzumBeispielderCall-Preiswiefolgt
ermittelt werden:
c0 D S0 eqT N .d1 /  XerF, s T N .d2 / ; (15.46)
wobei:30    
ln S0 eqT =X C rF, s C ¢ 2 =2 T
d1 D p ;
¢ T
 qT   
ln S0 e =X C rF, s  ¢ 2 =2 T p
d2 D p D d1  ¢ T:
¢ T
Bei Währungsoptionen kann die stetige Dividendenrendite q durch den stetigen risikolo- sen
Zinssatzr fürdieFremdwährungersetztwerden.BeieinerFremdwährungerhältFW,s
man den risikolosen Zinssatz in der betreffenden Währung, während eine Aktie Dividen- den
entrichtet.DerPreisdesBasiswertesS 0 stellt den Wechselkurs dar.

Beispiel
Berechnung des Optionspreises mit dem erweiterten Black/Scholes-Modell (Akti- en
mitDividenden)
Eine europäische Call-Aktienoption hat einen Ausübungspreis von EUR 40 und eine
Restlaufzeit von 9 Monaten. Die zugrundeliegende Aktie wird zu einem Preis von EUR 42
gehandelt. Sie verfügt über eine annua lisierte Volatilität von 30 %. Es wird er- wartet, dassdie
Aktie in 4 und in 8 Monaten jeweils eine Dividende von EUR 1 bezahlt. Der stetige risikolose
Zinssatzliegtbei2%.WiehochistderPreisdereuropäischenCall-Option?

Lösung
Der Barwert der Dividenden kan n wie folgt bestimmt werden:

Barwert Dividenden D EUR 1  e0;02 4=12 C EUR 1  e0;028=12 D EUR 1;98:

Die Parameter für die Bestimmung des Optionspreises sind: S0 D 42, X D 40, ¢ D
0;3, rF, s D 0;02, T D 9=12 D 0;75.
 
ln Œ.42  1;98/=40 C 0;02 C 0;32 =2  0;75
d1 D p D 0;1896;
0;3  0;75
p
d2 D 0;1896  0;3  0;75 D 0;0702:

ZumBeispielergebensichmitderMicrosoft-Excel-Funktion„STANDNORMVERT“Werte
fürN .d1 / von 0,5752 und für N .d2 / von 0,4720. Werden die Werte N .d1 / und
 
Da ln S0 eqT =X D ln .S0 =X/  qT, kann die Standardnormalvariable d1 auch wie folgt eruiert
30

werden:  
ln .S0 =X/ C rF, s  q C ¢ 2 =2 T
d1 D p :
¢ T
95 15 Optionen

N .d2 / in die erweiterte Black/Scholes-Formel eingesetzt, erhält man einen Call-Preis


von EUR 4,42.
c0 D .EUR 42  EUR 1;98/  0;5752  EUR 40  e0;020;75  0;4720 D EUR 4;42:

15.6.2 ImpliziteVolatilität

Der einzige Bewertungsparameter des Black/Scholes-Modells, der nicht direkt auf dem Markt
beobachtet werden kann, ist die Volatilität des Basiswertpreises. Die Volatilität lässt sich
entwedermithistorischenBasiswertpreisrenditen 31
oder implizit aus dem Be-
wertungsmodell und dem Marktpreis der gehandelten Option festlegen. Der Vorteil der
impliziten Volatilität ist, dass sie eine mark torientierte Größe und somit zukunftsbezogen ist,
währenddiehistorischeVolatilitäteinevergangenheitsorientierteGrößedarstellt. 32

Auch basieren im Handel mit Optionen die Kauf- und Verkaufsentscheidungen der Händ- ler
üblicherweiseaufderimplizitenundnichtaufderhistorischenVolatilität.
Es ist nicht möglich, die Formel des Black/Scholes-Modells direkt nach der impliziten
Volatilität aufzulösen.33 DeswegenhatesverschiedeneVersuchegegeben,geschlosse-ne
Approximationsmodellezuentwickeln.SoetwahabenBrennerundSubrahmanyam(1988)
undChance(1993)solcheModellefürdieErmittlungderimplizitenVolatilitätkonstruiert,die
zwareineguteVolatilitätsschätzungfüramGeldliegendeOptionenlie-fern,abersobaldsichder
BasiswertpreisvomAusübungspreisentfernt,verschlechtertsichdieGenauigkeitdermitden
VerfahrenberechnetenVolatilitätswerte.
34
Corrado und Miller
(1996) haben darauf aufbauend ein geschlossenes Bewertungsmodell entwickelt, mit dem
die implizite Volatilität für eine bestimmte Bandbreite der Moneyness akkurat ermittelt werden
kann: 35

" p Q 
1 2 S0  XerF, s T
¢D p c 0 
T S0 C XerF, s T 2
s 13 (15.47)
 
S0  XerF, s T 2 .S0  XerF, s T /2 A5
C c0   Q ;
2

wobei:
… D mathematische Konstante von 3,14159,
c0 D Marktpreis der gehandelten Call-Option.

WerdenfüreineeuropäischeCall-OptionmiteinemPreisvonEUR5,63dieBewertungs-parameter
vonS 0 D 42, X D 40, rF, s D 0;02 und T D 0;75 (Xe
rF ;sT
D 39;4045)

31
Für die historische Volatilität vgl. Abschn. 2.3.1 .
32
Vgl. Kolb 2000 : Futures, Options, & Swaps, S. 401.
33
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 300.
34
Vgl. Brenner und Subrahmanyam 1988 : A Simple Formula to Compute the Implied Volatility, 80 ff. und
S. Chance1993:LeapintotheUnknown,S.60ff.
35
Vgl. Corrado und Miller 1996 : Volatility without Tears, S. 49 ff.
15.6 ZeitkontinuierlichesOptionsbewertungsmodell:DasBlack/Scholes-Modell 959

verwendet, gelangt man mit oben stehender Formel zu einer impliziten Volatilität von 30 %, die
imBlack/Scholes-Modelleingesetzt,zueinemCall-PreisvonEUR5,63führt:
2
p 
1 2  3;14159 42  39;4045
¢D p 4  5;63 
0;75 42 C 39;4045 2
s 13
 
42  39;4045 2 .42  39;4045/2 A5
C 5;63   D 0;3:
2 3;14159

Die Formel von Corrado und Miller kann lediglich für europäische Optionen benutzt werden,
deren Preise mit dem Black/Scholes -Modell bestimmt werden. Für andere Be-
wertungsverfahren als das Black/Scholes-Modell kann die implizite Volatilität mit ite- rativen
Verfahren ermittelt werden. Die am weitesten verbreiteten iterativen Techniken sind
Newton-Raphson und bisection. Das Newton-Raphson-Verfahren liefert lediglich akkurate
VolatilitätswertefürPlain-Vanilla-Optionen.FürexotischeOptionenistbisec-tiondasbessere
iterative Verfahren, da es Diskontinuitäten in der Beziehung zwischen Optionspreis und
Volatilität zu erfassen vermag. Jedoch dauert es mit dem Verfahren län- ger, die
Schwankungsbandbreite des Basiswertpreises festzulegen. Im Folgenden wird das
Newton-Raphson-Verfahrenvorgestellt.

36

BeieinemiterativenSuchverfahrenwirdfürdieBerechnungderimplizitenVolatilität
sukzessivedieVolatilitätverändert,währendalleanderenParameterunverändertbleiben,bis
dieDifferenzzwischenModellpreisundMarktpreisderOptionnullist.DabeiistdieFunktionf
D 0 zu lösen, wobei f .¢/ dieDifferenzzwischendemModellpreisund.¢ /
dem Marktpreis der Option darstellt. Ist diese Differenz null, dann ist die Volatilität des
ModellpreisesgleichderimplizitenVolatilitätdesMarktpreises.WirdfürdenModell-preisder
Call-OptiondasBlack/Scholes-Modell(siehe( 15.44))verwendet,kannf .¢/ als
Differenz zwischen Modellpreis und Marktpreis wie folgt bestimmt werden:
  !
ln .S0 =X/ C rF, s C ¢ 2 =2 T
f .¢/ D S0 N p
¢ T
  ! (15.48)
rF, s T ln .S0 =X/ C rF, s  ¢ 2 =2 T
 Xe N p  c0 :
¢ T

Die erste Ableitung von f .¢/ , also f0 .¢/ , entspricht dem Vega der Call-Option:37
@c p
VegaD D S0 TN0 .d1 / ; (15.49)

wobei:
1 2
N0 .d1 / D p ed1 =2 :

36
Für die iterative Technik bisection vgl. z. B. Watsham 1998 : Futures and Options in Risk Manage-
ment, S. 164 ff.
37
Für das Vega vgl. Abschn. 15.7.7 .
960 15 Optionen

Um mit dem Newton-Raphson-Verfahren die implizite Volatilität festzulegen, muss fol- gende
Gleichungrekursivgelöstwerden:

f .¢/
¢nC1 D ¢n  : (15.50)
f0 .¢/

UnterstelltmaneinenMarktpreisfürdieCall-OptionvonEUR5,63undBewertungspara-meter
vonS 0 D 42, X D 40, rF, s D 0;02 und T D 0;75, ergibt sich folgende Gleichung
für f .¢/:
  !
ln .42=40/ C 0;02 C ¢ 2 =2  0;75
f .¢/ D 42  N p
¢  0;75
  !
0;020;75 ln .42=40/ C 0;02  ¢ 2 =2  0;75
 40  e N p  5;63:
¢  0;75

Beginnt man mit einer Volatilität von 15 %, also ¢ D 0;15, erhält man mit dem Black/ D
Scholes-Modell einen Call-Preis von EUR 3,6543. Demnach ist f .¢/ 3;6543  5;63 D
1;9757 und Vega bzw. f0 .¢/ D 12;43.WerdendeiseW eret ni ( 15.50 ) eingesetzt, resul-
tiert daraus ein Wert für ¢nC1 von 30,89 %:

1;9757
¢nC1 D 0;15  D 0;3089:
12;43

Bei einer Volatilität von 30,89 % lässt sich mit dem Black/Scholes-Modell ein Call-Preis von
EUR5,7505undeinVegabzw. 0
von13,54berechnen.MitdiesenWertenge-f.¢ /
langt man bei der nächsten Iteration zu einem Volatilitätswert ¢nC2 von 30 %:

5;7505  5;63
¢nC2 D 0;3089  D 0;3000:
13;54

BeieinerVolatilitätvon30%ergibtsichmitdemBlack/Scholes-ModelleinCall-PreisvonEUR
5,63, sodass Modellpreis und Marktpreis der Option gleich groß sind. Folglich ist die implizite
Volatilität30%.
AufdemMarktwerdeninderRegelmehrereOptionenaufdengleichenBasiswertgehandelt,
diesichhinsichtlichAusübungspreisund/oderRestlaufzeitunterscheiden.Im
Black/Scholes-ModellwirdvoneinerkonstantenVolatilitätdesBasiswertpreisesausge-
gangen,sodasserwartetwerdenkann,dassdieimplizitenVolatilitätenunterschiedlicher
OptionenaufdengleichenBasiswertgleichgroßsind.AllerdingszeigenempirischeEr-
gebnisse,dassdieimpliziteVolatilitätgemäßdemBlack/Scholes-Modellunteranderemvon
derMoneynessabhängt.
38
Zum Beispiel nimmt bei Aktien- und Aktienindexoptionen

38
Vgl. Rudolph und Schäfer 2010 : Derivative Finanzmarktinstrumente: Eine anwendungsbezogene
Einführung in Märkte, Strategien und Bewertung, S. 289.
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 961

dieimpliziteVolatilitätab,jehöherderAusübungspreisist.DaheristdieimpliziteVola-tilitätfür
Optionen mit einem niedrigeren Au sübungspreis höher (z. B. bei weit aus dem Geld liegenden
Put-Optionen und weit im Geld liegenden Call-Optionen) im Vergleich zu Optionen mit einem
höheren Ausübungspreis (z. B. bei weit im Geld liegenden Put- Optionen und weit aus demGeld
liegenden Call-Optionen). Dieser Zusammenhang ist in der Fachliteratur als
Volatility-Skew-Effektbekannt.
39

DieimpliziteVolatilitätkanneingesetztwerden,umdieMeinungdesMarktesüberdie
VolatilitäteinerbestimmtenAktiezuüberwachen.Dabeiwirddavonausgegangen,dassder
MarktkonsensimHinblickaufdieVolatilitätrichtigist.SoetwaberechnenOptions-händlerdie
impliziteVolatilitätvonaktivgehandeltenOptionenaufbestimmteBasiswerte.Dadiese
unterschiedlichhochausfallenkönnen(Volatility-Smile-EffektbeiderAnwen-dungdes
Black/Scholes-Modells),wirdmiteinemGewichtungsverfahrenzumBeispielaufBasisvon
VolatilitätselastizitäteneinDurchschnittswertgebildet,deranschließendverwendetwird,um
denPreisvonwenigerliquidenOptionenaufdengleichenBasiswertzuermitteln.Aufdiese
WeisekönnenHändlerfehlbewerteteOptionenidentifizieren.Die-seAnalysesetztallerdings
voraus,dasszumeinendasOptionsbewertungsmodellfürdieOptionangemessenistundzum
anderendieOptionübereinegenügendhoheMarktliqui-ditätverfügt,vonderdieimplizite
Volatilitätbestimmtwird.

40
Darüberhinausreagieren
PreisevonOptionen,dieweitausoderimGeldsind,relativschwachaufVeränderun-gender
Volatilität. 41
DaherstellenimpliziteVolatilitätswertefürsolcheOptionenkeine
zuverlässigenGrößendar.

15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken

15.7.1 Taylor-ReihenentwicklungundOptionspreissensitivitäten

Liegt eine Funktion von z D f .x/ vorundunterstelltmanbeixeinekleineÄnderungvonEine


x, resultiert daraus eine kleine Änderung bei z von z. ersteAnnäherungdieser
Beziehung zwischen z und x lautet wie folgt: 42

@z
z  x ; (15.51)
@x
wobei:
@z
D erste Ableitung von z nach x.
@x
39
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 379 ff.
40
Vgl. Figlewski 1990 : Theoretical Valuation Models, S. 98.
41
Vgl. Abschn. 15.7.7 .
dz
42
Wenn z ausschließlich von x abhängt, ist die Notation typischerweise z  x. In den vor-
dx
liegenden Ausführungen wird einfachheitshalber anstatt d die Notation @ verwendet.
962 15 Optionen

Ist z eine lineare Funktion von x, lässt sich mit der Formel die exakte Beziehung zwischen den
zwei Variablen messen. Liegt hingegen zwischen x und z keine lineare Beziehung vor, stellt die
folgendeFormeleinebessereApproximationdar:

@z 1 @2 z
z  x C .x /2 ; (15.52)
@x 2 @ x2

wobei:

@2 z
D zweite Ableitung von z nach x.
@ x2

Die Formel spiegelt die exakte Beziehung zwischen den beiden Variablen wider, wenn z eine
quadratische Funktion von x ist. In allen anderen Fällen handelt es sich umeine Approximation.
Addiert man weitere Terme in der Reihe, lässt sich die Genauigkeit ver- bessern. Mit der
Taylor-Reihenentwicklung lässt sich die Veränderung von z, diedurch eine Veränderung von x
verursachtwird,wiefolgtannähern:

@z 1 @2 z 2 1 @3 z 3 1 @4 z
z D x C .x / C .x / C .x/4 C : : : (15.53)
@x 2Š @x2 3Š @x3 4Š @x4

Die Taylor-Reihenentwicklung kann eingesetzt werden, um die Änderung des Options- preises
OP bei einer Veränderung der Risikofaktoren von S, ¢ und rF über eine kurze
Zeitperiode von t annäherungsweise zu ermitteln:
     
@OP 1 @2 OP 2 @OP
OP D S C S C ¢
@S 2 @S2 @¢
    (15.54)
@OP @OP
C rF C ./t C : : : ;
@ rF @t

wobei:

S D sehr kleine Veränderung des Basiswertpreises (z. B. Aktienpreis),


¢ D sehr kleine Veränderung der Volatilität,
rF D sehr kleine Veränderung des risikolosen Zinssatzes.

Das Delta entspricht der ersten Ableitung des Optionspreises nach dem Basiswertpreis (also
OP=@S).EszeigtdielineareBeziehungzwischendemOptionspreisunddemBa-@
siswertpreis.DadieBeziehungzwischenOptionspreisundBasiswertpreisnichtlinearist,wirdin
derTaylor-ReihenentwicklungtypischerweiseauchdiezweiteAbleitung(al-so
2
OP=@S2 ) berücksichtigt,diedasGammaderOptionverkörpert.DasVegaresultiert@
aus der ersten Ableitung des Optionspreises nach der Volatilität ( @OP=@¢), während der
vierteTermrechtsdesGleichheitszeichensausdemRho(OP@ =@rF) multipliziert mit der
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 963

Veränderung des risikolosen Zinssatzes (rF ) bes 43


t ehtSchließlich
. stellt die erste Ab-
leitung des Optionspreises nach einer sehr kurzen Zeitveränderung (@OP=@t) das Theta
dar. Werden die Optionspreissensitivitäten Delta, Gamma, Vega, Rho und Theta in die
Taylor-Reihenentwicklung eingebunden, gelangt man zu folgender Gleichung für die An-
näherungderOptionspreisveränderungübereinesehrkurzeZeitperiodevon
t:

1
OP D .Delta/ S C .Gamma/ S2 C .Vega/ ¢
2 (15.55)
C .Rho/ rF C .Theta/./t C : : :

DieTaylor-ReihenentwicklungerlaubteinerseitsdenPreiseinerOptiondurchdieVer-änderung
derRisikofaktorenannäherungsweisezubestimmen .OP1 D OP0 C OP/ und
andererseits den Einfluss von einzelnen Ris ikofaktoren auf den Optionspreis zu quan-
tifizieren. Die Ableitungen des Optionspreises gegenüber den Risikofaktoren stellen die
Optionspreissensitivitätsgrößenbzw.Greeks 44 dar.ImFolgendenwerdendasDelta,Gam-ma,
Vega,RhoundThetabeschriebenunddargelegt,wiediesefürdieAbsicherungvon
OptionspreisrisikenineinemPortfolioeingesetztwerdenkönnen.

15.7.2 Delta

Preisänderungen des Basiswerts haben eine Optionspreisänderung zur Folge. Nimmt zum
Beispiel bei einer aus dem Geld liegenden Call-Option der Aktienkurs zu, dann erhöht sich mit
dem Aktienpreis auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Kaufoption am Fälligkeitstag im Geld
endet, sodass der Call-Preis steigt. Befindet sich die Call-Option bereits im Geld, dann steigt mit
dem Aktienkurs der Optionspreis bzw. dessen innerer Wert. Somit besteht eine positive
Beziehung zwischen dem Call-Preis und dem Aktienpreis. Wie stark sich der Optionspreis bei
einer Änderung des Basiswertpreises verändert, wird durch das Delta gemessen, das die lineare
Beziehung zwischen dem Optionspreis und dem Aktienpreis wiedergibt. Das Delta einer
Call-Optionlässtsichallgemeinwiefolgtdefinieren:

@c
DeltaCall D : (15.56)
@S
Nimmt man beispielsweise eine Call-Option auf eine Aktie ohne Dividende, welche die
folgendenBewertungsparametervonS 0 D 42, X D 40, ¢ D 0;30, rF, s D 0;03 und
T D 0;75 aufweist, resultiert eine Preisfunkti onskurve mit einer positiven Steigung, die
in Abb. 15.7 aufgeführt ist. Zur Preisfunktionskurve gelangt man, indem man lediglich

43
FürdieVolatilitätunddenrisikolosenZinssatzwirdüblicherweiseaufdieBerücksichtigungderzweiten
Ableitungverzichtet,obwohldieBeziehungzwischendemOptionspreisunddiesenbeiden
Risikofaktoren ebenfalls nicht linear ist.
44
Bei Optionspreissensitivitäten spricht man von Greeks, weil für deren Bezeic hnung griechische
Buchstaben wie Delta und Gamma verwendet werden.
964 15 Optionen

Abb.15.7 Preisfunktionskur- (Call-Preis


ve einer Call-Option in EUR)
Tangente mit Delta
Steigung von 0,66 von +1
45
40
35 Preisfunktionskurve
30
25
Delta
von 0 Delta
20 von 0,66
15
10
5,793 5
0
0 20 40 60 80
42 (Aktienpreis in EUR)

den Aktienpreis S variiert und alle anderen Risikofaktoren wie den Ausübungspreis, die
Volatilität, den risikolosen Zinssatz sowie die Optionslaufzeit unverändert belässt. Aufdiese
Weise wird für jeden Aktienkurs der entsprechende Call-Preis ausgerechnet. Die Preise werden
in einem Diagramm eingetrag en, deren Y-Achse durch den Call-Preis und X-Achse durch den
Aktienpreis gegeben sind. Werden die so erhaltenen Preispunkte mit- einander verbunden,
resultiertdarausdiePreisfunktionskurve.

Das Delta der Call-Option (@c=@S) entsprichtderÄnderungsratedesOptionspreisesbei


einersehrkleinenVeränderungdesBasiswertpreises.EsistdieSteigungderPreisfunk-
tionskurve bei einem gegebenen Call-Preis und Aktienpreis. In Abb. 15.7 ist bei einem
Aktienpreis von EUR 42 und einem Call-Preis von EUR 5,793 das Delta 0,66. Das bedeu- tet,
wennderAktienpreisvonEUR42aufEUR42,20steigt,erhöhtsichderCall-PreisumEUR0,132[
D  .EUR 42;20  EUR 42/]aufEUR5,925.SomitlässtsichdasDelta0;66
der Call-Option anhand der folgenden Gleichung ermitteln:

c1  c0 EUR 5;925  EUR 5;793


DeltaCall D D D 0;66:
S1  S0 EUR 42;20  EUR 42
SteigtderAktienkursweiter,nehmenzumeinenderCall-PreisundzumanderendasDeltazu.Die
BeziehungzwischendemCall-PreisunddemDeltaistpositiv.JeweitereineCall-OptionimGeld
ist, desto höher ist das Delta bzw. desto stärker reagiert der Optionspreis auf
Aktienpreisbewegungen. Abb. 15.7 zeigt diesen Zusammenhang anhand der Steigung der
TangenteanderPreisfunktionskurvefüreinenbestimmtenCall-PreisundAktienpreis.Jehöher
(niedriger) der Aktienpreis ist, desto höher (geringer) fällt die Steigung der Tan- gente beim
entsprechendenCall-PreisaufderPreisfunktionskurveaus.

Wenn die Call-Option weit im Geld ist, beträgt die Steigung der Preisfunktionskurve
bzw. das Delta C1. Eine Veränderung des Aktienpreises um EUR 1 führt zu einer Preis-
änderung der Call-Option um EUR 1. Der Call-Preis ist durch den inneren Wert (S 0  X)
gegeben, während der Zeitwert gegen null geht. Dies wird in Abb. 15.7 durch die gestri-
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 965

Abb.15.8 Delta der Call- (Delta


Option als Funktion des Call)
Aktienpreises 1
0.9
0.8
0.7 Delta von 0,
wenn der
0.6 Call weit aus
dem Geld ist Delta von +1,
0.5 wenn der Call
0.4 weit im Geld ist
0.3
0.2
0.1
0
0 20 40 60 80

(Aktienpreis in EUR)

chelte Linie (innerer Wert) visualisiert, die bei weit im Geld liegenden Call-Optionen praktisch
den gleichen Verlauf wie die Preisfunktionskurve aufweist. Ist hingegen die Call-Option weit
aus dem Geld, liegt das Delta nahe bei 0. Bewegt sich der Aktienpreis, bleibt der Call-Preis
unverändert, weil d ie Chance, mit der Optio n Geld zu verdienen, nach wie vor gering ist. Der
innere Wert ist bei ausdem Geld liegenden Optionen null, so dasssich der Preis lediglich ausdem
Zeitwert zusammensetzt. Bei am Geld liegenden Optionen beträgt das Delta ungefähr 0,5.
Optionen,dieam GeldundnahebeiFälligkeitsind,weiseneinsehrinstabilesDeltaauf.Endetdie
OptionimGeld,resultierteinDeltavon

C1. Demgegenüber ist das Delta 0, wenn bei Fälligkeit die Option aus dem Geld ist.
Abb. 15.8 zeigt das Delta der Call-Option als Funktion des Aktienpreises. Der Wertbereich
des Deltas liegt zwischen 0 und C1.
Das Delta der Put-Option (@p=@S) entspricht der Änderungsrate des Optionspreises
bei einer sehr kleinen Veränderung des Basiswertpreises. Fällt beispielsweise bei einer
ausdemGeldliegendenPut-OptionderAktienkurs,erhöhtsichdieWahrscheinlichkeit,dassdie
Verkaufsoption am Fälligkeitstag im Geld endet, sodass der Put-Preis zunimmt. Befindet sich
die Put-Option bereits im Geld, dann steigt mit dem Aktienkursrückgang der Optionspreis bzw.
der innere Wert. Demzufolge ist die Beziehung zwischen dem Put-Preis und dem Aktienpreis
negativ. Das Delta einer Put-Option, das den linearen Preis- zusammenhang zwischen der
Put-OptionundderAktiewiedergibt,lässtsichallgemeinfolgendermaßendefinieren:

@p
:
DeltaPut D (15.57)
@S
Liegt zum Beispiel eine Put-Option auf eine Aktie ohne Dividende mit den Bewertungs-
parametern S0 D 42, X D 40, ¢ D 0;3, rF, s D 0;03 und T D 0;75 vor, ergibt sich die
Preisfunktionskurve aus Abb. 15.9 . Dabei spiegelt die Steigung der Preisfunktionskurve
bei einem gegebenen Put-Preis und Aktienpreis das Delta wider. Bei einem Put-Preis von
966 15 Optionen

(Put-Preis
in EUR)
45
Delta
40 von – 1

35

30 Preisfunktionskurve

25 Delta
von – 0,34
20

15 Delta
von 0
10

5
2,90
0
0 20 40 60 80
42 (Aktienpreis in EUR)

Abb.15.9 Preisfunktionskurve einer Put-Option

EUR 2,90 und einem Aktienkurs von EUR 42 beträgt das Delta 0;34, das in der Ab-
bildung anhand einer Tangente an diesem Punkt visualisiert wird. Die negative Steigung
der Preisfunktionskurve impliziert ein negatives Delta, das zwischen 1 und 0 zu liegen
kommt.
Des Weiteren zeigt die Abbildung, dass eine weit im Geld liegende Put-Option über ein
Delta von 1 verfügt. Fällt (steigt) beispielsweise der Aktienpreis um EUR 1, steigt (fällt)
derPut-PreisumEUR1.EineweitausdemGeldliegendePut-OptionverfügtübereinDeltavon0.
Der innere Wert der Option ist null, sodass der Put-Preis durch den Zeitwert gegeben ist. Eine
Put-OptionamGeldweisteinDeltavonungefähr
0;5 auf. Am Geld
liegende Put-Optionen, die nahe bei Fälligkeit sind, haben ein instabiles Delta. Endet die
VerkaufsoptionimGeld,istdasDelta 1,ansonstenbeträgtes0.AnalogzuAbb. 15.8lässt
sichderPut-PreisinAbhängigkeitvomAktienpreisdarstellen.DieserZusammen-
hang ist in Abb. 15.10 aufgeführt. Der Wertbereich des Deltas liegt zwischen 1 und 0.
DasBlack/Scholes-ModellstellteinegeschlosseneLösungfürdieOptionspreisberech-
nungdar.Daherkannesverwendetwerden,umpartielleAbleitungenzubestimmen.Wirdim
Black/Scholes-ModellderOptionspreisnachdemAktienpreisabgeleitet,erhältmanfolgende
DeltasfüreinenCallundeinenPut(aufAktienohneDividenden):

DeltaCall D N .d1 / ;
(15.58)
DeltaPut D N .d1 /  1:

Das Delta einer Call-Option ent spricht dem Flächeninhalt von 1 bis d1 der Dichtefunk-
tion der Standardnormalverteilung und liegt demnach zwischen 0 und 1. Steigt der Preis
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 967

(Delta
Put)
(Aktienpreis in EUR)
0
0 20 40 60 80
–0.1

–0.2

–0.3

–0.4
Delta von – 1,
wenn der Put Delta von 0,
–0.5 wenn der Put
weit im Geld ist
weit aus dem
–0.6 Geld ist
–0.7

–0.8

–0.9

–1

Abb.15.10 Delta der Put-Option als Funktion des Aktienpreises

desBasiswerts,erhöhtsichdieStandardnormalvariabled,waszueinemhöherenN 1 .d1 /
bzw. Delta führt. Das Delta einer Put-Option hingegen berechnet sich als N .d1 /  1 und
weist demzufolge einen Wertbereich von 1 bis 0 auf. Fällt der Preis des Basiswerts,
resultierteineniedrigereStandardnormalvariabled,waseinniedrigeresN 1 .d1 / bzw. hö-
heres negatives Delta zur Folge hat.
WirdderOptionspreisnachdemAktienpreisanhanddeserweitertenBlack/Scholes-Modells
fürAktienmitDividendenabgeleitet,gelangtmanzufolgendenFormelnfürdasDelta:
45
DeltaCall D eqT N .d1 / ;
(15.59)
DeltaPut D eqT .N .d1 /  1/;
wobei:

q D stetige Dividendenrendite.

Beispiel
Berechnung des Deltas mit dem erweiterten Black/Scholes-Modell
Am Geld liegende europäische Aktienoptionen besitzen eine Restlaufzeit von 2 Jahren und
einenAusübungspreisvonEUR100.DieannualisierteVolatilitätderAktiebeträgt25%.Die
stetige Dividendenrendite liegt bei 4 %, während sich der stetige risikolose Zinssatz auf 2 %
beläuft.

45
BeiWährungsoptionenkanndieDividendenrenditeqdurchdenstetigenrisikolosenZinssatzfürersetzt
diewerden, umdasDelta
Fremdwährung rFW,zus bestimmen.
96 15 Optionen

1. WiehochistdasDeltadereuropäischenCall-Option?Wie
2. hochistdasDeltadereuropäischenPut-Option?

Lösungzu1
Die Bewertungsparameter für das erweiterte Black/Scholes-Modell lauten: S0 D 100,
X D 100, ¢ D 0;25, q D 0;04, rF, s D 0;02, T D 2. Die Standardnormalvariable d1 von
0,0636 kann wie folgt berechnet werden:
   
ln 100  e0;042 =100 C 0;02 C 0;252 =2  2
d1 D p D 0;0636:
0;25  2

Wird die Microsoft-Excel-Funktion „STANDNORMVERT (0,0636)“ angewandt, er- hält


manfürN .d1 / einen Wert von 0,5254. Das Delta der europäischen Call-Option
von 0,485 lässt sich folgendermaßen ermitteln:

DeltaCall D e0;042  0;5254 D 0;485:

Lösungzu2
Das Delta der europäischen Put-Option von 0;438 kann wie folgt bestimmt werden:

DeltaPut D e0;042  .0;5254  1/ D 0;438:

Das Delta lässt sich auch mit dem Binomialmodell bestimmen, indem die Differenz der zwei
Optionspreise nach einer Periode durch die Differenz der zwei Aktienpreise nach einer Periode
dividiertwird:
OPu  OPd
Delta D : (15.60)
Su  Sd
Für die europäische Call-Option im vorange gangenen Beispiel mit den Bewertungspara-
metern S0 D 100, X D 100, ¢ D 0;25, q D 0;04, rF, s D 0;02, T D 2 und t D 0;667
(D 2=3) ergeben sich folgende Auf- und Abwärtsp arameter sowie risikoneutrale Wahr-
scheinlichkeiten einer Auf- und Abwärtsbewegung für ein Drei-Perioden-Binomialmodell
(Cox,RossundRubinstein): 46

p
u D e0;25 0;667
D 1;2265;
p
0;25 0;667
dDe D 0;8153;
.0;020;04/0;667
e  0;8153
 u D D 0;4169;
1;2265  0;8153
 d D 1  0;4169 D 0;5831:

46
Vgl. Abschn. 15.5.3 .
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 969

IneinemDrei-Perioden-BinomialmodelllassensichdieAktienpreiseundCall-Preise(inEUR)
wiefolgtaufführen: 47

Suuu = 184,50
cuuu = 84,50
Suu = 150,43
cuu = 47,79
Su = 122,65 Suud = 122,65
cu= 25,02 cuud = 22,65
S0 = 100 Sud = 100,00
c0 = 12,50 cud = 9,32
Sd = 81,53 Sddu = 81,53
cd= 3,83 cddu = 0
Sdd = 66,47
cdd = 0
Sddd = 54,19
cddd = 0

Jahr 0 Jahr 0,667 Jahr 1,334 Jahr 2

Das Delta der europäischen Call-Option von 0,515 zum Zeitpunkt 0 kann anhand des
Drei-Perioden-Binomialmodells folgendermaßen bestimmt werden:48

cu  cd EUR 25;02  EUR 3;83


DeltaCall D D D 0;515:
Su  Sd EUR 122;65  EUR 81;53

Das Delta zum Zeitpunkt t D 0,667 Jahre bzw. nach einer Periode ist bei einer Aufwärts-
bewegung 0,7628 [D .EUR 47;79 EUR 9;32/=.EUR 150;43  EUR 100/] und bei einer
Abwärtsbewegung 0,278 [D .EUR 9;32  EUR 0/=.EUR 100  EUR 66;47/]. Das Delta
verändert sich nicht nur aufgrund der Änderung des Basiswertpreises, sondern auch mit
dem Zeitablauf.
GehtmanvongleichenWahrscheinlichkeiteneinerAuf-undAbwärtsbewegungdes
Basiswertpreisesaus,dannbestehtbeieineramGeldliegendenOptionnaheamFällig-keitstag
eine50%igeChance,dasssieimoderausdemGeldendet.DaheristdasDeltainabsolutenZahlen
ungefähr0,5(0,5beieinemCallund
0;5 bei einem Put). Allerdings ist
die Wahrscheinlichkeit bei einer Option mit einer langen Restlaufzeit größer, da sie von
einer Driftrate im risikoneutralen Bewertungsmodell wie etwa dem risikolosen Zinssatz
beeinflusst wird. So etwa besitzt eine am Geld liegende Call-Option auf eine Aktie oh- ne
Dividende mit einer langen Restlaufzeit ein deutlich höheres Delta als 0,5. Abb. 15.11 zeigt für
eineamGeldliegendeCall-OptionmitdenBewertungsparameternS
0 D 40, X D
40, ¢ D 0;30 und rF, s D 0;03, wie das Delta mit der Zeit auf 0,5 fällt. Für im Geld liegen-

47
Mit 150 Zeitintervallen resultiert mit dem Binomialmodell ein Call-Preis von EUR 11,40, der
nahe am Preis des zeitkontinuierlichen Black/Scholes-Modells von EUR 11,42 liegt.
48
DasmitdemDrei-Perioden-BinomialmodellberechneteDeltavon0,515weichtvomDeltades
Black/Scholes-Modellvon0,485ab.NimmtmaneinBinomialmodellmit150Zeitintervallen,ge-
langt man zu einem Delta von ebenfalls 0,485.
970 15 Optionen

(Delta
Call)
Call im Geld
1
0.9 Call am Geld
0.8
0.7
0.6
0.5
0.4
0.3
0.2 Call aus dem Geld
0.1
0
0 1 2 3 4 5
(Laufzeit Call-Optionen in Jahren)

Abb.15.11 Zusammenhang zwischen Delta und Laufzeit bei einer Call-Option auf eine Aktie ohne
Dividenden

de Call-Optionen (S0 D 45 und X D 40) hingegen bewegt sich das Delta gegen 1 und bei
aus dem Geld liegenden Call-Optionen (S0 D 35 und X D 40) strebt das Delta gegen 0.

15.7.3 DeltaHedging

Das Deltarisiko einer Call- und Put-Aktienoption wird mit einer Long- oder Short-
Aktienposition abgesichert. Eine Long-Aktie nposition besitzt ein Delta von 1, während eine
Short-AktienpositionübereinDeltavon
1 verfügt. Bei einer Veränderung des
Aktienkurses um EUR 1, ergibt sich ein Gewinn/Verlust von EUR 1. Eine deltaneutrale
Absicherungsstrategie einer Optionsposition mit einem positiven Delta (Long Call oder Short
Put) erfolgt mit einer Short-Aktienpos ition. Weist die Optionsposition hingegen ein negatives
Delta auf (Short Call oder Long Put), wird die Absicherungsstrategie mit einer
Long-Aktienposition durchgeführt. Bei einer kleinen Aktienpreisänderung heben sich die
Gewinne/Verluste der Aktien- und Optionsposition gegenseitig auf, was zu folgender
Gleichungführt:

0 D N .S1  S0 / C F .OP1  OP0 / ; (15.61)


wobei:

N D Anzahl Aktien,
S D Aktienpreis,
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 971

F D Anzahl Optionen,
OP D Optionspreis.

Wird die Gleichung nach der Anzahl Aktien aufgelöst, erhält man folgende Formel für einen
deltaneutralenHedgeeinerOptionsposition:

.OP1  OP0 /
ND F: (15.62)
.S1  S0 /

Der Term .OP1  OP0 / = .S1  S0 / stellt das Hedge Ratio dar. Es entspricht dem Delta der
Option, sodass die Formel für eine deltaneutrale Absicherung einer Optionsposition wie
folgt aufgeführt werden kann:
N D Delta F: (15.63)
Liegt zum Beispiel eine börsengehandelte Long-Call-Option auf die Aktie der Daimler AG vor,
die über ein Delta von 0,5 verfügt, ist für einen deltaneutralen Hedge eine Short- Position von 0,5
Daimler-Aktiennotwendig:

N D 0;5  1 D 0;5:

Die Kontraktgröße an der Eurex besteht aus 100 Optionen pro Kontrakt. Daher werden für die
Umsetzung dieser Strategie 50 Short-Aktien benötigt. Steigt beispielsweise am Ende des
nächsten Handelstages der Preis der Daimler-Aktie um EUR 1, heben sich die Preisänderungen
derLong-Call-PositionundderShort-Aktienpositiongegenseitigauf:

Gewinn auf Long-Call-Position (100  0;5  EUR 1) EUR 50


Verlust auf Short-Aktien-Position (50  EUR 1)  EUR 50
Total D EUR 0

Um den Gewinn aus dem Long Call zu berec hnen, kann der erste Term der Taylor-
Reihenentwicklung von OP D (Delta) Seingesetztwerden.BeieinerLong-Call-
Option resultiert ein Gewinn von EUR 0, 50, wenn der Aktienkurs um EUR 1 steigt (D
0;5  EUR 1).Bei100Call-OptionenbeläuftsichderGewinnsomitaufEUR50( D
EUR 0;50].BeieinerZunahmedesAktienkursessteigtauchdasDeltaderCall-100
Option,dadieSteigungderPreisfunktionskurvebeieinemhöherenAktienpreiszunimmt(siehe
Abb. 15.7 ). Ein höheres oder niedrigeres Delta impliziert, dass die Anzahl Aktien angepasst
werdenmuss,damitdiePositiondeltaneutralbleibt.SteigtetwaderAktien-kursderDaimlerAG
umEUR2,erhöhtsichdasDeltaderKaufoptionvon0,5auf0,52,wasbeieinemOptionskontrakt
von100Long-Call-OptionenzufolgenderAnzahlShort-Aktienführt:

N D 0;52  100 D 52:


Demnach sind für eine deltaneutrale Absich erung der Long-Call-Position 52 Short-Aktien
erforderlich. Steigt etwa am Ende des nächsten Handelstages der Kurs der Automobilaktie
972 15 Optionen

um EUR 1,50, heben sich die Gewinne/Verluste wieder gegenseitig auf, was ohne Anpas- sung
derAnzahlderAktiennichtmöglichgewesenwäre:

Gewinn auf Long-Call-Position (100  0;52  EUR 1;50) EUR 78


Verlust auf Short-Aktienposition (52  EUR 1;50)  EUR 78
Total D EUR 0

DasBeispielzeigt,dassessichbeieinemdeltaneutralenHedgeumeinedynamische
Absicherungsstrategiehandelt.ImGegensatzzueinemHedgemitunbedingtenTerminge-
schäftenverändertsichbeiOptionendasDeltabzw.dasHedgeRatiobeieinerÄnderungdes
Basiswertpreises,sodassperiodischdieAnzahlAktienangepasstwerdenmuss,damitman
abgesichertbleibt,ansonstenbleibtdervollständigeSchutzgegenüberdemDeltari-siko
lediglichübereinekurzeZeitperiodebestehen.

Beispiel
Deltaneutrale Absicherung einer Long-Put-Position mit Aktien
Ein Händler besitzt 18.000 Long-Put-Optionen mit gleicher Restlaufzeit und gleichem
AusübungspreisaufdieNovartis-Aktien.DiePut-OptionverfügtübereinDeltavon
0;6.

1. Wie viele Novartis-Aktien sind für eine deltaneutrale Absicherungsstrategie der


Long-Put-Positionnotwendig?
2. Der Kurs der Novartis-Aktie fällt um CHF 2; waseinDeltaderPut-Optionvonzur
0;63 Folgehat.WievieleNovartis-Aktiensinderforderlich,umdieLong-Put-
Position deltaneutral zu halten?

Lösungzu1
Für eine deltaneutrale Position sind 10.800 Long-Novartis-Aktien notwendig:

N D .0;6/  18:000 D 10:800:

Lösungzu2
Die neue Anzahl an Novartis-Aktien liegt bei 11.340:

N D .0;63/  18:000 D 11:340:

Folglich ist die Long-Aktienposition von 10.800 auf 11.340 Aktien aufzustocken.

15.7.4 DeltaeinesOptionsportfolios

Bei der Steuerung von Optionsrisiken in einem Portfolio werden Optionspreissensitivitä- ten
wiedasDelta,GammaundVegaeingesetzt.DasDeltaeinesOptionsportfolios,bei
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 973

dem sich die Optionen auf denselben Basiswert beziehen, kann mit den Deltas der einzel- nen
Optionen im Portfolio berechnet werden. Besteht ein Portfolio aus einer bestimmten Anzahl F
derOptionimitgleicherFälligkeitundAusübungspreis(1
i  i  N), lässt sich
das Delta des Optionsportfolios wie folgt bestimmen:
N
Delta Optionsportfolio D Xi Fi Deltai (15.64)
D1

wobei:

Deltai D Delta der Option i.

Das Deltarisiko des Optionsportfolios kann mit dem zugrundeliegenden Basiswert (z. B. Aktie
oderFremdwährung)abgesichertwerden.DasfolgendeBeispielzeigtzumeinendieBerechnung
des Deltas und zum anderen die Absicherung des Deltarisikos eines Op- tionsportfolios. Der
BasiswertdesOptionsportfoliosbeziehtsichaufdieAktiederLindeAG.

Beispiel
Berechnung des Deltas und Absicherung des Deltarisikos bei einem Optionsport- folio

DieAktiederLindeAGwirdam4.Dezember2015zueinemKursvonEUR137,50
gehandelt.DasPapierbesitzteineannualsierteVolatilitätvon21,74%.EinHändlerhältin
seinemBestanddiefolgendenamerikanischenEurex-OptionenaufdieLinde-Aktie:

 30.000 Long-Call-Optionen mit einem Ausübungspreis von EUR 130, Fälligkeit Fe-
bruar2016undeinemDeltajeOptionvon0,70.
 50.000 Long-Put-Optionen mit einem Ausübungspreis von EUR 140, Fälligkeit Fe-
bruar2016undeinemDeltajeOptionvon 0;55.
 42.000 Short-Call-Optionen mit einem Ausübungspreis von EUR 150, Fälligkeit Ju-
ni 2016 und einem Delta je Option von 0,32.

1. Wie hoch ist das Delta des Optionsportfolios?


2. WievieleAktienderLindeAGsinderforderlich,umdasDeltarisikodesOptions-portfolios
zueliminieren?

Lösungzu1
Das negative Delta des Optionsportfolios von 19.940 lässt sich wie folgt berechnen:

Portfoliodelta D 30:000  0;70 C 50:000  .0;55/ C .42:000/  0;32


D 19:940:
Fällt (steigt) zum Beispiel der Kurs der Linde-Aktie um EUR 1, folgt daraus ein Ge- winn
(Verlust)vonEUR 19:940.
974 15 Optionen

Lösung2
Das Deltarisiko kann abgesichert werde n, indem 19.940 Aktien der Linde AG gekauft
werden, da jede Aktie über ein Delta von 1 v erfügt. Steigt (fällt) der Aktienkurs um EUR 1,
resultiertausderAktienpositioneinGewinn(Verlust)vonEUR
19:940, der den
Verlust(Gewinn)ausdemOptionsportfoliowettmacht.SomitistdieGesamtpositiondeltaneutral.

EinedeltaneutralePositionfüreineeinzigeOptionaufrechtzuerhalten,istaufgrundder
hohenTransaktionskosten,dieausdemKaufundVerkaufdesBasiswertsentstehen,relativ
teuer.SetztsichdasPortfoliohingegenauseinerVielzahlvonOptionenzusam-men,isteine
deltaneutraleAbsicherungsstrategiepraktikabler,dalediglicheineKauf-oder
VerkaufstransaktiondesBasiswertsnotwendigist,umdasDeltarisikodesgesam-ten
OptionsportfoliosübereinekurzeZeitperiodezueliminieren.

15.7.5 Gamma

Das Gamma einer Optionsposition ist die Ände rungsrate des Deltas der Optionsposition
gegenüber einer Veränderung des Basiswertpreises. Mathematisch lässt sich das Gamma über
diezweiteAbleitungdesOptionspreisesgegenüberdemPreisdesBasiswertsberech-nen:

@2 OP
Gamma D : (15.65)
@S2
Die Beziehung zwischen Optionspreis und Aktienpreis ist nicht linear. 49 Daheristzusätz-
lichzumDeltaauchdasGammazuberücksichtigen,umbeiAktienpreisänderungenübereine
kurzeZeitperiodedieOptionspreisänderunganhandderTaylor-Reihenentwicklung
annäherungsweisezubestimmen:
50

1
OP D .Delta/ S C .Gamma/ S2 : (15.66)
2
Wird mit dem ersten Term der Taylor-Reihenentwicklung von (Delta) S die Preisände-
rung einer Call-Option gemessen, unterschätzt man bei einer Zunahme des Aktienprei-
sesdenPreisanstieg.DemnachistderzweiteTermderTaylor-ReihenentwicklungvonGamma
/ S2 hinzuzuzählen,umeinebessereSchätzungdesOptionspreiseszuer-0;5.
halten, der auf der Preisfunktionskurve liegt. Nimmt hingegen der Aktienpreis ab, so
überschätzt man den Preisrückgang der Call-Option mit dem Term (Delta) S. Umei-
nebessereSchätzungdesCall-Preiseszuerhalten,dersichaufderPreisfunktionskurvebefindet,
istwiederum
0;5. Gamma/ S2 zuaddieren.Abb. 15.12illustriertdiesenZu-D
sammenhang für eine europäische Call-Option mit Bewertungsparametern von S0 40,

49
Vgl. Abschn. 15.7.2 .
50
IndenfolgendenAusführungenwirddieFormelfürdieBerechnungderOptionspreisänderunganhand
derTaylor-ReihenentwicklungeinfachheitshalbermitdemGleichheitszeichendargestellt,obwohles
sichhierbeiumeineNäherungsformelhandelt.Vgl.Abschn. 15.7.1.
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 975

(Call-Preis
in EUR)
1
7 + (Gamma) ΔS2
2
6

3 +
1
(Gamma) ΔS2 (Delta) ΔS
2

(Delta) 2
ΔS
1

0
34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
S0
(Aktienpreis in EUR)

Abb.15.12 Delta und Gamma einer Call-Option

X D 40, ¢ D 0;3, rF, s D 0;02 und T D 0;25, wobei sich der Aktienpreis um plus/minus
EUR 3 verändert. Die Preiskorrektur der Kaufoption erfolgt jeweils durch das Gamma,
das für Long-Call-Optionen positiv ist, da bei steigenden und fallenden Aktienkursen die
Gamma-KomponentejeweilszurDelta-Komponentehinzugezähltwerdenmuss.DasGamma
einer Short-Call-Option ist hingegen negativ, weil eine Short-Option gegenüber einer
Long-OptiondenentgegengesetztenGewinn-Verlust-Verlaufaufweist.

Wird das Deltarisiko bei einer Long-Call-Option abgesichert, lässt sich durch das
Delta-Hedging die Preisbewegung der Option von (Delta) S eliminieren. Dabei erzielt
man aufgrund des positiven Gammas einen Gewinn, wenn sich der Basiswertpreis be- wegt
(siehe hierzu Abb. 15.12 ). Ein positives Gamma ist nicht abzusichern, weil es eine
Gewinnchance und nicht eine Verlustgefahr verkörpert. Im Gegensatz dazu besitzt eine
Short-Call-Option ein negatives Gamma, das einen Verlust zur Folge hat, wenn sich der
Basiswertpreis verändert. Gegen diese Verlustgefahr kann man sich durch einen Hedge
schützen.

Wird mit dem ersten Term der Taylor-Reihenentwicklung von (Delta) S die Preis-
änderung einer Put-Option gemessen, unterschätzt man bei einer Abnahme des Aktien-
preises den Preisanstieg der Verkaufsoption, sodass der Term 0;5. Gamma/ S2 hinzuzu-
zählen ist, um den Optionspreis zu erhalten, der sich auf der Preisfunktionskurve befindet.
Nimmt hingegen der Aktienkurs zu, so überschätzt man den Preisrückgang der Put-Option mit
demerstenTermderTaylor-Reihenentwicklungvon(Delta) S. Um den Preis der
2
Put-Option zu korrigieren, ist der Term von 0;5. Gamma/ S wiederum zu addieren.
Abb. 15.13 visualisiert diesen Zusammenhang anhand einer am Geld liegenden europäi-
schen Put-Option mit Bewertungsparametern von S0 D 40, X D 40, ¢ D 0;3, rF, s D 0;02
und T D 0;25, wobei sich der Aktienpreis um plus/minus EUR 3 verändert.
976 15 Optionen

(Put-Preis
in EUR)
7
1
+ (Gamma) ΔS2
6 2

4 1
+ (Gamma) ΔS2
2
(Delta) 3
ΔS
(Delta) ΔS
2

0
34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
S0
(Aktienpreis in EUR)

Abb.15.13 Delta und Gamma einer Put-Option

Tab.15.6 Delta und Gamma von Long- und Short-Optionen


Optionen Delta Gamma
Long Call positiv positiv
Short Call negativ negativ
Long Put negativ positiv
Short Put positiv negativ

DasGammaistfüreineLong-Put-OptionpositivundstellteineGewinnchancedar.Bewegt
sichderBasiswertpreis,soresultiertaufgrunddespositivenGammaseinGewinn.
DemgegenüberbesitzteineShort-Put-OptioneinnegativesGamma.ÄndertsichderBa-
siswertpreis,verliertmaninfolgedesnegativenGammasGeld.

Tab.15.6fasstdasDeltaundGammavonLong-undShort-Optionenzusammen.Sie
zeigtunteranderem,dassLong-OptionenübereinpositivesGammaverfügen,während
Short-OptioneneinnegativesGammahaben.EinnegativesGammabedeutet,dassder
OptionspreisbeieinerBasiswertpreisänderungimVergleichzurPreisänderungmitdem
Deltastärkerfälltbzw.wenigerstarksteigt.EinpositivesGammahingegenimpliziert,dass
der OptionspreisbeieinerBasiswertpreisänderungverglichenmitdemDeltaeffektweniger
starkabnimmtbzw.stärkerzunimmt.DemnachisteinpositivesGammavorteil-haft,
währendeinnegativesGammaeinenRisikofaktordarstellt,derineinemPortfolio
abgesichertwerdenkann.

MithilfeeinesgeschlossenenBewertungsmodellswieetwademBlack/Scholes-Modell
könnenpartielleAbleitungenvorgenommenwerden.SokanndasGammafüreineeuro-
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 977

päischeCall-oderPut-OptionaufAktienohneDividendenanhanddesBlack/Scholes-Modells
wiefolgtbestimmtwerden:

N0 .d1 /
Gamma D p ; (15.67)
S0 ¢ T

wobei:51
1 2
N0 .d1 / D p ed1 =2 :

Das Gamma für europäische Call- und Put-Optionen auf Aktien mit Dividenden kann mit
dem erweiterten Black/Scholes-Modell anhand folgender Formel ermittelt werden:

N0 .d1 / eqT
Gamma D p : (15.68)
S0 ¢ T

Die Höhe des Gammas hängt vom Preis des Basiswerts und von der Restlaufzeit der Option ab.
Das Gamma ist die Änderungsrate des Deltas gegenüber einer Änderung des Basiswertpreises.
DieserZusammenhangkannwiefolgtaufgeführtwerden:

Delta Delta1  Delta0


Gamma D D : (15.69)
S S1  S0

Eine starke Veränderung des Deltas, ausgelöst durch eine Veränderung des Basiswert- preises,
hat ein hohes Gamma zur Folge. Am Geld liegende Optionen nahe bei Fälligkeit weisen ein
instabiles Delta und somit ein hohes Gamma auf. Endet dieOption im Geld, beträgt das Delta bei
einemCall
C1 und bei einem Put 1. Endet die Option hingegen
am Fälligkeitstag aus dem Geld, beträgt das Delta 0. Die Veränderung des Deltas für am
Geld liegende Optionen bei Fälligkeit (von 0 bis C1 bei Call-Optionen und von 1 bis 0
bei Put-Optionen) führt zu einem hohen Wert für das Gamma. In ( 15.67 ) und ( 15.68 )ist
dieWurzelderRestlaufzeitderOptionimNennerenthalten,sodasseinekürzereRest-laufzeitein
höheres Gamma für am Geld liegende Optionen zur Folge hat. Abb. 15.14 zeigt den
Zusammenhang zwischen Gamma, Aktienkurs und Restlaufzeit der Option bei einer
europäischen Call- oder Put-Option mit einer Restlaufzeit von 10 und 30 Tagen so- wie
BewertungsparameternvonX
D 40, rF, s D 0;02 und ¢ D 0;3. Dabei variiert der
Aktienpreis.

Beispiel
Gamma und Preisänderung einer Call-Option anhand der Taylor-Reihenentwick-
lung
AmGeldliegendeeuropäischeCall-undPut-AktienoptionenbesitzeneineRestlaufzeitvon
2JahrenundeinenAusübungspreisvonEUR100.DieannualisierteVolatilitätder

51
  ist eine mathematische Konstante und beträgt 3,14159.
97 15 Optionen

(Gamma)

0.21 10 Tage bis


zum Fälligkeitstag

0.16

0.11 30 Tage bis


zum Fälligkeitstag

0.06

0.01

28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52
–0.04 X
(Aktienpreis in EUR)

Abb.15.14 Zusammenhang zwischen Gamma, Basiswertpreis und Restlaufzeit der Option

zugrundeliegenden Aktie beträgt 25 %. Die stetige Dividendenrendite liegt bei 4 %, während


derstetigerisikoloseZinssatz2%ist.

1. Wie hoch ist das Gamma der europäischen Call- und Put-Option?
2. Wie hoch ist der Call-Preis in Anlehnung an die Taylor-Reihenentwicklung (mit Delta und
Gamma),wennderPreisderAktieumEUR3steigt?

Lösungzu1
Die Parameter für das erweiterte B lack/Scholes-Modells lauten: S0 D 100, X D 100,
¢ D 0;25, q D 0;04, rF, s D 0;02, T D 2. Die Standardnormalvariable d1 kann wie
folgt berechnet werden:
    
ln 100  e0;042 =100 C 0;02 C 0;252 =2  2
d1 D p D 0;0636:
0;25  2

N0 .d1 / kann folgendermaßen ermittelt werden:

1 2 1 2
N0 .d1 / D p ed1 =2 D p  e0;0636 =2 D 0;3998:
2  2  3;14159
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 979

Das Gamma der Call-Option sowie auch der Put-Option beträgt 0,0104:

0;3998  e0;042
GammaCall;Put D p D 0;0104:
100  0;25  2

Lösungzu2
Zuerst ist der Preis der Call-Option mit dem e rweiterten Black/Sc holes-Modell zu er-
mitteln.DieStandardnormalvariabled 2 liegt bei 0;28995:
p
d2 D 0;0636  0;25  2 D 0;28995:

Mit der Microsoft-Excel-Funktion „STANDNORMVERT(0;28995)“ ergibt sich ein


Wert für N .d2 / von 0,3859. Der Call-Preis von EUR 11,42 lässt sich wie folgt berech-
nen:

c0 D EUR 100  e0;042  0;5254  EUR 100  e0;022  0;3859 D EUR 11;42:

Mit der Taylor-Reihenentwicklung der zweiten Ordnung lässt sich annäherungsweise die
Preisänderung der Call-Option bei einer Zunahme des Aktienpreises um EUR 3
folgendermaßenbestimmen:

c D 0;485  EUR 3 C 0;5  0;0104  .EUR 3/2 D EUR 1;50:

Der Call-Preis, nachdem der Aktienpreis um EUR 3 gestiegen ist, beträgt demnach EUR
12,92: 52

c1 D c0 C c D EUR 11;42 C EUR 1;50 D EUR 12;92:

DasGammakannauchmitdemBinomialmodellberechnetwerden,indemdieVer-änderung
desDeltasdurchdieVeränderungdesAktienpreisesdividiertwird.Allgemeinlässtsichdas
GammanachzweiPeriodenineinemBinomialbaummitfolgenderFormelberechnen:

.cuu  cud / .cud  cdd /



.Suu  Sud / .Sdu  Sdd /
Gamma D : (15.70)
0;5. Suu  Sdd /

52
Mit dem erweiterten Black/Scholes-Modell ergibt sich der gleiche Optionspreis wie mit der
Taylor-Reihenentwicklung von EUR 12,92.
9 0 15 Optionen

Für die europäische Call-Option im vorange gangenen Beispiel mit den Bewertungspara-
meternS D 100, X D 100, ¢ D 0;25, q D 0;04, r D 0;02, T D 2 und t D 0;667 (D
0 F, s
2=3) ergeben sich folgende Auf- und Abwärtspar ameter sowie risikoneutrale Wahrschein-
lichkeiten einer Auf- und Abwärtsbewegung für ein Drei-Perioden-Binomialmodell (Cox,
RossundRubinstein):u D 1;2265, d D 0;8153,   D 0;4169 und   D 0;5831.53 In
u d
einem Drei-Perioden-Binomialmodell können die Aktienpreise und Call-Preise (in EUR)
wie folgt festgelegt werden:

Suuu = 184,50
cuuu = 84,50
Suu = 150,43
cuu = 47,79
Su = 122,65 Suud = 122,65
cu = 25,02 cuud = 22,65
S0 = 100 Sud = 100,00
c0 = 12,50 cud = 9,32
Sd = 81,53 Sddu = 81,53
cd = 3,83
cddu = 0
Sdd = 66,47
cdd = 0
Sddd = 54,19
cddd = 0

Jahr 0 Jahr 0,667 Jahr 1,334 Jahr 2

Das Gamma der europäischen Call-Option v on 0,0115 kann anhand des Drei-Perioden-
Binomialmodells folgendermaßen bestimmt werden:54
.EUR 47;79  EUR 9;32/ .EUR 9;32  EUR 0/

.EUR 150;43  EUR 100/ .EUR 100  EUR 66;47/
Gamma D D 0;0115:
0;5  .EUR 150;43  EUR 66;47/

15.7.6 DeltaundGammaHedging

Der Basiswert einer Option (z. B. Aktie) oder ein unbedingtes Termingeschäft (Forward oder
Future) haben ein Delta, aber kein Gamma. Daher können sie nicht eingesetzt wer- den, um das
GammaeinesOptionsportfolioszuverändern.DasGammaeinerOptionspo-sitionlässtsichnur
mitOptionenabändern.

VerfügteinPortfolioübereinnegativesGamma,könnenbörsengehandelteOptionenmiteinem
positivenGammaeingesetztwerden,umdasGammarisikozubeseitigen.Wird

53
Vgl. Abschn. 15.7.2 .
54
DasmitdemDrei-Perioden-BinomialmodellberechneteGammavon0,0115weichtvomGam-mades
Black/Scholes-Modellsvon0,0104ab.WirdeinBinomialmodellmit150Zeitintervallenverwendet,
gelangtmanzueinemgenauerenGammavon0,0105.
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 9 1

hierfür eine Option i benutzt, resultiert folg ende Gleichung für die Absicherungsstrategie:

Fi i C P D 0; (15.71)

wobei:

Fi D Anzahl an Optionen i,
i D Gamma der Option i,
P D Gamma des Optionsportfolios.

WirddieGleichungnachFaufgelöst,erhältmandieAnzahlOptioneni,diefüreingam-i
maneutrales Portfolio erforderlich sind:

P
Fi D  : (15.72)
i

Liegt zum Beispiel ein deltaneutrales Portfolio vor, das ein negatives Gamma von 2000 besitzt,
kanndasGammarisikomitLong-Call-oderLong-Put-Optioneneliminiertwer-den.Weistetwa
eine Call-Option ein Delta von 0,56 und ein Gamma von 0,16 auf, dann sind 12.500
Long-Call-Optionennotwendig,umdasGammarisikodesPortfolioszuneutralisieren:

2000
Fi D  D 12:500:
0;16
Das Gesamtportfolio ist nun gammaneutral, verfügt aber aufgrund der eingesetzten Long-
Call-Optionen über ein Deltarisiko von 7000 (D 0 C 12:500  0;56). Das Deltarisiko von
7000 kann beseitigt werden, indem 7000 Einhe iten des Basiswerts (z. B. 7000 Aktien),
die der Option zugrundeliegen, verkauft werden.
EindeltaneutralerHedgesorgtfüreinenSchutzgegenüberkleinenÄnderungendes
Basiswertpreises.Eindelta-undgammaneutralerHedgehingegenbieteteineAbsicherung
gegenübergrößerenBewegungendesBasiswertpreises.UmdasPortfoliodelta-undgam-
maneutralzuhalten,istdieGesamtpositionperiodischanzupassen(dynamischerHedge),da
sichinfolgederBasiswertpreisänderungensowohldasDeltaalsauchdasGammaver-ändern.

15.7.7 Vega

Das Vega der Option (@OP=@¢ ) entspricht der Änderungsrate des Optionspreises gegen-
über einer Veränderung der Volatilität des Basiswertpreises. Ein hohes Vega bedeutet, dass
der Optionspreis sehr sensitiv auf kleine Änderungen der Volatilität reagiert. Demgegen- über
besitzen Optionen mit einem niedrigen Vega eine geringe Preissensitivität gegenüber
VeränderungenderVolatilität.DasVegaeinereuropäischenCall-oderPut-Optionauf
9 2 15 Optionen

(Vega)

0.16

0.14

0.12

3 Monate bis zum


0.1
1 Jahr bis zum Fälligkeitstag
0.08 Fälligkeitstag

0.06

0.04

0.02

0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
X
(Aktienpreis in EUR)

Abb.15.15 Zusammenhang zwischen Vega, Basiswertpreis und Restlaufzeit der Option

eine Aktie ohne Dividende kann mithilfe des Black/Scholes-Modells wie folgt berechnet
werden:
p
VegaD S0 TN0 .d1 /: (15.73)
Das Vega einer europäischen Call- oder Put-Option auf eine Aktie mit Dividende lässt
sich mit folgender Formel bestimmen:
p
VegaD S0 TN0 .d1 /eqT : (15.74)

DasVegaeinerLong-Optionistimmerpositiv.ErhöhtsichdieVolatilität,steigtderOp-tionspreis,
waseinenGewinnzurFolgehat.ImGegensatzdazubesitzteineShort-OptioneinnegativesVega.
Nimmt die Volatilität zu, steigt der Optionspreis, was zu einem Ver- lust führt. Abb. 15.15
visualisiert zum einen die Beziehung zwischen dem Vega und dem Basiswertpreis und zum
anderen den Zusammenhang zwischen Vega und Optionslaufzeit. Dabei liegen zwei Optionen
mitRestlaufzeitenvon3Monatenund1Jahrvor,diefolgen-deBewertungsparameteraufweisen:
X

D 40, ¢ D 0;3 und rF, s D 0;02. Der Aktienpreis


variiert. Die Graphik zeigt, dass Optionen am Geld über das höchste Vega verfügen. Die
Optionspreise reagieren sehr sensitiv auf Volatilitätsänderungen. Weit im Geld und aus dem
Geld liegende Optionen besitzen eine niedrige Preisänderungsrate gegenüber Bewe- gungen
derVolatilität,weilderZeitwertdieserOptionengeringist.DieChance,mehrGeldzuverdienen,
verändertsichbeieinerVolatilitätsänderungnicht.Daherstrebtdas
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 9 3

VegafürweitimoderausdemGeldliegendeOptionengegennull.Darüberhinausbeein-flusstdie
OptionslaufzeitdenZeitwerteinerOption.IndenFormeln(15.73)und(15.74)istdieRestlaufzeitderOption
imZähleraufgeführt.FolglichistderZusammenhangzwi-schenVegaundOptionslaufzeitpositiv.Sohat
eineOptionmiteinerlängerenRestlaufzeitverglichenmiteinerkürzerenRestlaufzeiteinhöheresVega,
wennallesanderegleichbleibt.BeimGammahingegenbefindetsichdieOptionslaufzeitimNenner,
sodasseinelängere(kürzere)RestlaufzeitderOptionzueinemniedrigeren(höheren)Gammaführt.

55

Beispiel
Berechnung des Vegas
AmGeldliegendeeuropäischeCall-undPut-AktienoptionenbesitzeneineRestlaufzeitvon
2 Jahren und einen Ausübungspreis von EUR 100. Die annualisierte Volatilität der
zugrundeliegendenAktiebeträgt25%.DiestetigeDividendenrenditeliegtbei4%,während
sich der stetige risikolose Zinssatz auf 2 % beläuft. Wie hoch ist das Vega der europäischen
Call-undPut-Option?

Lösung
Die Bewertungsparameter lauten: S0 D 100, T D 2,N 0 .d1 / D 0,399856 und q D 0;04.
Das Vega der europäischen Call- und Put-Option von 52,19 kann wie folgt berechnet
werden: p
VegaCall;Put D 100  2  0;3998  e0;042 D 52;19:
Steigt die Volatilität des Basiswertpreises um 1 %, erhöht sich der Optionspreis (Call
oder Put) um rund EUR 0,52 (D 0;01  52;19). Üblicherweise wird das Vega so de-
finiert, dass der berechnete Sensitivitätswert von 52,19 durch 100 dividiert wird. Auf
diese Weise kann das Vega von 0,5219 mit der Volatilitätsänderung in Prozent (und nicht in
Dezimalstellen) multipliziert werden, um die Optionspreisänderung im Bei- spiel von EUR
0,52(
D 0;5219  1) zu erhalten. In den vorliegenden Ausführungen
wird diese Definition des Vegas verwendet.

Das Black/Scholes-Modell geht von einer konstanten Volatilität des Basiswertpreises


aus.57 Theoretischwäreesjedochkorrekt,wenndasVegavoneinemOptionspreismodell
bestimmtwird,dasfürdieVolatilitäteinenstochastischenProzessinFormeinerZufalls-
bewegungunterstellt.AllerdingszeigenStudienvonHullundWhite(1987,1988),dassdas
VegadesBlack/Scholes-ModellsnahebeimVegaeinesstochastischenVolatilitäts-modells
liegt,sodassmansichdurchausaufdasVegadesBlack/Scholes-Modellsinder
Optionspreisanalysestützenkann.
58

55
Vgl. Abschn. 15.7.5 .
56
Für die Berechnung von N0 .d1 / vgl. Abschn. 15.7.5 .
57
Vgl. Abschn. 15.6.1 .
58
Vgl.HullundWhite1987:ThePricingofOptionsonAssetswithStochasticVolatilities,S.292ff.sowie
HullundWhite1988:AnAnalysisoftheBiasinOptionPricingCausedbyaStochasticVolatility,S.29ff.
9 4 15 Optionen

15.7.8 Delta,GammaundVegaHedging

DasVegaeinesOptionsportfolioskannmitbörsengehandeltenOptionengesteuertwer-den.Um
ein positives (negatives) Vega des Optionsportfolios zu reduzieren, sind Short- Optionen
(Long-Optionen) erforderlich, da diese über ein negatives (positives) Vega ver- fügen. Einen
SchutzgegendasVolatilitätsrisikoerreichtman,indemdasVegadesOpti-onsportfoliosdurchdas
VegaderfürdieAbsicherungeingesetztenOptioneniaufgehobenwird:

Fi i C P D 0; (15.75)
wobei:

Fi D Anzahl an Optionen i,
i D Vega der Option i,
P D Vega des Optionsportfolios.

Wird die Gleichung nach Fi aufgelöst, erhält man die Anzahl an Optionen, die für ein
veganeutrales Portfolio erforderlich sind:

P
Fi D  : (15.76)
i

Besitzt zum Beispiel ein Optionsportfolio ein negatives Vega von 300 und liegt eine Call- Option
mit einem Vega von 0,3 vor, werden für die Neutralisierung des Volatilitätsrisikos insgesamt
1000Long-Call-Optionen[
D. 300/=0;3] benötigt.
Sind sowohl das Gammarisiko als auch das Vegarisiko in einem Optionsportfolio zu
beseitigen, sind zwei börsengehandelte Optionen auf den gleichen Basiswert und mit
unterschiedlichen Restlaufzeiten und/oder unterschiedlichem Ausübungspreis notwendig.
Das folgende Beispiel illustriert die Absicherung des Gamma- und Vegarisikos eines Op-
tionsportfoliosanhandzweierOptionenaufdengleichenBasiswert.

Beispiel
Absicherung des Gamma- und Vegarisikos in einem Optionsportfolio
EinOptionsportfolioaufdieAktienderDaimlerAGistdeltaneutral.Darüberhin-ausbesitzt
eseinnegativesGammavon700undeinnegativesVegavon950.DieDaimler-Aktiewirdam
7. Dezember 2015 zu einem Kurs von EUR 80 gehandelt. Um die Optionsrisiken zu
beseitigen,werdendiefolgendenzweiCall-OptionenaufdieDaimler-Aktieeingesetzt:

 1. Call-Option mit Bewertungsparametern von S0 D 80, X D 80, ¢ D 0;2938,


rF, s D 0;01, q D 0;0398 und T D 1. Die Optionspreissensitivitäten sind gemäß dem
erweiterten Black/Scholes-Modell: Delta D 0;485, Gamma D 0;0163 und Vega D
0;3067.
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 9 5

 2. Call-Option mit Bewertungsparametern von S0 D 80, X D 75, ¢ D 0;2938,


rF, s D 0;01, q D 0;0398 und T D 0;5. Die Optionspreissensitivitäten sind gemäß
dem erweiterten Black/Scholes-Modell: Delta D 0;6128, Gamma D 0;0224 und
VegaD 0;2103.

Der Portfoliomanager möchte das Gamma- und Vegarisiko im Optionsportfolio neu-


tralisieren.WievieleCall-OptionenundDaimler-Aktiensindhierfürnotwendig?

Lösung
Gamma-undVegarisikolassensichneutralisieren,indemsiedurchdasGammaundVegader
beiden Call-Optionen aufgefange n werden. Das führt zu folgendem linearen
Gleichungssystem, bei dem in der ersten Gleichung das Gammarisiko und in der zwei- ten
GleichungdasVegarisikoeliminiertwird,wobeiF
1 und F2 für die Anzahl der 1.
und 2. Call-Option stehen:

700 C 0;0163  F1 C 0;0224  F2 D 0;


950 C 0;3067  F1 C 0;2103  F2 D 0:

WirddaslineareGleichungssystemnachderAnzahlder1.und2.Call-Optionauf-gelöst,erhält
manfürF 1 D 36:584 und für F2 D 57:872. Demnach sind für den
1. Call 36.584 Short-Optionen und für den 2. Call 57.872 Long-Optionen notwen-
dig, um sowohl das Gamma- als auch das Vegarisiko zu eliminieren. Das Delta des Portfolios
beträgtnachderNeutralisierungdesGamma-undVegarisikos17.721[ D
0 C .36:584/  0;485 C 57:872  0;6128]. Um das Deltarisiko von 17.721 zu besei-
tigen, ist eine Short-Position von 17.721 Daimler-Aktien erforderlich.

Grundsätzlichgilt,dassfürjedesweitereOptionsrisikoeineweitereOptioneingesetzt
werdenmuss,umdieentsprechendeVerlustgefahrbeseitigenzukönnen.Möchtemansich
beispielsweisegegendreiOptionsrisikenschützen(z.B.Delta,GammaundVega),erfordert
diesdreiOptionenrespektivezweiOptionenunddenBasiswert(odereinFu-ture/Forwardauf
denBasiswert).DabeimüssensichsowohldieOptionenimPortfolioalsauchdieOptionenfürdie
AbsicherungaufdengleichenBasiswertbeziehen.DieCall-undPut-Optionenunterscheiden
sichhinsichtlichderRestlaufzeitunddesAusübungsprei-ses.

59
FürOptionshändlervonFinanzinstitutenbedeutetdieNeutralisierungdesDelta-,
Gamma-undVegarisikos,dasssieihreAbsicherungspositionenperiodischanpassenmüs-sen,
umdasPortfoliodelta-,gamma-undveganeutralzuhalten.AllerdingswirdinderPraxisdiese
dynamischeHedge-Strategiesonichtumgesetzt.VielmehrwirdlediglichdasDeltarisikodes
OptionsportfoliosmitdemzugrundeliegendenBasiswerteinmalamTagabgesichert.Die
anderenRisikofaktorenwieetwadasnegativeGammaoderdasVegawerdenanhandeines
Limitensystemsgesteuert.

59
Vgl. z. B. Watsham 1998 : Futures and Options in Risk Management, S. 579.
9 6 15 Optionen

15.7.9 Rho

Das Rho der Option (@OP=@r)stelltdieÄnderungsratedesOptionspreisesgegenüber F


einer Zinssatzänderung dar. Es ist positiv für eine Long-Call-Option. Steigt der Zinssatz,
nimmt der Call-Preis zu. Im Gegensatz dazu ist das Rho für eine Long-Put-Option negativ, da
eineZunahmedesZinssatzeseinenRückgangdesPut-PreiseszurFolgehat. 60

Mit dem Black/Scholes-Modell kann das Rho einer europäischen Call- und Put-Option
auf Aktien ohne Dividenden mit den fol genden Formeln berechnet werden:

RhoCall D XTerT N.d2 /;


(15.77)
RhoPut D XTerT N.d2 /:

Die gleichen Formeln werden für europäische Call- und Put-Optionen auf Aktien mit
Dividendenverwendet,wobeidieStandardnormalvariabled
2 analog zu ( 15.46 ) berechnet
wird, die für Optionen mit einer Dividendenrendite gilt.

Beispiel
Berechnung des Rhos
AmGeldliegendeeuropäischeCall-undPut-AktienoptionenbesitzeneineRestlaufzeitvon
2 Jahren und einen Ausübungspreis v on EUR 100. Die annualisierte Volatilität der Aktie
beträgt 25 %. Die stetige Dividendenrendite liegt bei 4 %, während sich der stetige risikolose
Zinssatzauf2%beläuft.

1. WiehochistdasRhodereuropäischenCall-Option?Wie
2. hochistdasRhodereuropäischenPut-Option?

Lösungzu1
Die Bewertungsparameter für das Black/Scholes-Modell lauten: S0 D 100, X D 100,
¢ D 0;25, q D 0;04, rF, s D 0;02 und T D 2. Die Standardnormalvariablen d1 und d2
können wie folgt ermittelt werden:
   
ln 100  e0;042 =100 C 0;02 C 0;252 =2  2
d1 D p D 0;0636;
0;25  2
p
d2 D 0;0636  0;25  2 D 0;28995:

Mit der Microsoft-Excel-Funktion „STANDNORMVERT(0;28995)“ resultiert ein


Wert für N.d2 / von 0,3859. Das Rho der europäischen Call-Option liegt bei 74,15:

RhoCall D 100  2  e0;022  0;3859 D 74;15:

60
Vgl. Abschn. 15.2 .
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 9 7

Ein Rho von 74,15 bedeutet, dass wenn der Zinssatz um 1 % steigt, der Call-Preis um EUR
0,7415( D  74;15) zunimmt.VielfachwirddasRho(gleichwiedasVega)0;01
inDezimalstellenangegeben,wobeidasRhodesBlack/Scholes-Modellsdurch100dividiert
wird. Im Beispiel resultiert ein R ho von 0,7415, sodass ein Zinssatzanstieg von 1 % zu einer
ErhöhungdesCall-PreisesumEUR0,7415(
D 1  0;7415) führt.

Lösungzu2
Die Bewertungsparameter für die Berechnung des Rhos lauten: X D 100, rF, s D 0;02,
T D 2 und N .d2 / D 1  N .d2 / D 1  0;3859 D 0;6141. Das Rho der europäischen
Put-Option von 118 kann folgendermaßen bestimmt werden:

RhoPut D 100  2  e0;022  0;6141 D 118:

Steigt der Zinssatz um 1 %, fällt bei einem negativen Rho von 118 der Put-Preis um EUR 1,18 [
D 0;01  .118/].

DasBlack/Scholes-ModellgehtvoneinemkonstantenrisikolosenZinssatzaus.Trifftdiese
Annahmenichtzu,ergibtdiepartielleAbleitungdesBlack/Scholes-ModellsnachdemZinssatz
einefalscheOptionspreissensitivitätsgröße.DarüberhinausreagierenAkti-enoptionenrelativ
schwachaufZinssatzänderungen,wiediesAbb.15.16fürdiebeidenCall-undPut-Optionenmit
denParameternS
0 D 42, X D 40, ¢ D 0;3 und T D 0;75
verdeutlicht. Der risikolose Zinssatz variiert. Ist hingegen der Basiswert eine festverzins-
licheAnleihe,bestehteinstarkerZusammenhangzwischendemOptionspreisunddemZinssatz.
61

15.7.10 Theta

Das Theta der Option (@OP=@t) entspricht der Änderungsrate des Optionspreises gegen-
über dem Zeitablauf. Die verbleibende Laufzeit der Option bewegt sich konstant gegen
null.OptionenbesitzensowohleineninnerenWertalsaucheinenZeitwert.DabeiistderZeitwert
eine Funktion der Moneyness (aus, am oder im Geld), der Restlaufzeit der Op- tion und der
Volatilität des Basiswertpreises. Je größer die Unsicherheit ist, desto größer fällt der Zeitwert
aus.NähertsichdieOptiondemFälligkeitstag,bewegtsichderOp-tionspreiszuminnerenWert,
währendderZeitwertabnimmt.
62
Die Änderungsrate des
Zeitwertzerfalls kann über das Theta gemessen werden. Das Theta ist grundsätzlich nega-
tiv,weilderOptionspreismitdemZeitablaufabnimmt.AmerikanischeOptionenweisenimmerein
negativesThetaauf,währendeuropäischePut-OptioneninbestimmtenFällen

61
Vgl. Chance 2003 : Analysis of Derivatives for the CFA ® Program, S. 221.
62
Vgl. Abschn. 15.2 .
9 15 Optionen

Abb.15.16 Zusammenhang (Call-Preis)


zwischen Optionspreis und 8
risikolosem Zinssatz bei einer 6
Aktie 4

0
0 2 4 6 8 10
(risikoloser Zinssatz in %)

(Put-Preis)
4

0
0 2 4 6 8 10
(risikoloser Zinssatz in %)

Abb.15.17 Zusammenhang (Call-Preis)


zwischen Optionspreis und 8
Restlaufzeit der Option 6
4
2
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8
(Restlaufzeit in Jahren)

(Put-Preis)
4
3
2
1
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8
(Restlaufzeit in Jahren)

ein positives Theta haben können.63 GrundsätzlichistderOptionspreisgrößer,jelängerdie


RestlaufzeitderOptionist.Abb. 15.17zeigtdenWertzerfallderCall-undPut-Option
mit den Bewertungsparametern S0 D 42, X D 40, ¢ D 0;3 und rF, s D 0;03, wobei die
Restlaufzeit variiert.

63
EinpositivesThetabedeutet,dassderOptionspreismitdemZeitablaufzunimmt.Diesistbeieiner
europäischenPut-OptionaufeineAktieohneDividendederFall,wennsiesichweitimGeld
befindet, die Volatilität gering, der Zinssatz hoch und die Restlaufzeit kurz ist.
15.7 OptionspreissensitivitätenundAbsicherungvonOptionsrisiken 9 9

Mit dem Black/Scholes-Modell lässt sich das Theta von europäischen Call- und Put-
Optionen auf Aktien ohne Dividenden wie folgt berechnen:

S0 N0 .d1 /¢
ThetaCall D  p  rF, s XerF, s T N.d2 /;
2 T
(15.78)
S0 N0 .d1 /¢
ThetaPut D p C rF, s XerF, s T N.d2 /:
2 T

Bezahlt die Aktie eine Dividende, kann das Th eta für europäische Call- und Put-Optionen mit
denfolgendenFormelnbestimmtwerden,wobeidieStandardnormalvariablend 1 und
d2 durch ( 15.46 ) gegeben sind:

S0 N0 .d1 /¢ eqT
ThetaCall D  p C qS0 N.d1 /eqT  rF, s XerF, s T N.d2 /;
2 T
(15.79)
S0 N0 .d1 /¢ eqT
ThetaPut D p  qS0 N.d1 /eqT C rF, s XerF, s T N.d2 /:
2 T

Im Black/Scholes-Modell ist die Zeit in Jahren definiert. Das Theta wird üblicherweise als
Änderungsrate des Optionspreises nach Ablauf eines Tages angegeben. Diese Größe kann
entweder mit Kalendertagen oder mit Handelstagen ermittelt werden. Um das Theta für die
Kalendertage zuerhalten,mussdieFormelfürdasThetadurch365dividiertwerden.ZumTheta
fürHandelstagegelangtman,indemdasThetadurch252dividiertwird.
64

Beispiel
Berechnung des Thetas
Am Geld liegende europäische Call- und Put-Aktienoptionen verfügen über eine Rest-
laufzeit von 2 Jahren und einen Ausübungspreis von EUR 100. Die annualisierte Vo- latilität
der Aktie ist 25 %. Die stetige Dividendenrendite liegt bei 4 %, während der stetige risikolose
Zinssatz2%beträgt.

Wie hoch ist das Theta der europäischen Call-Option, wenn für dessen Berechnung
Kalendertage unterstellt werden (365 Tage pro Jahr)?

Lösung
Die Bewertungsparameter für das Black/Scholes-Modell lauten: S0 D 100, X D 100,
¢ D 0;25, q D 0;04, rF, s D 0;02 und T D 2. Das Theta kann wie folgt ermittelt
werden:

100  0;3998  0;25  e0;042


ThetaCall D  p C 0;04  100  0;5254  e0;042
2 2
 0;02  100  e0;022  0;3859 D 2;0636:

64
1 Jahr besteht aus rund 252 Handelstagen.
990 15 Optionen

(Theta)
(Aktienpreis)
0
0 20 40 60 80 100
–0.001
–0.002
–0.003
–0.004
–0.005
–0.006
–0.007
–0.008
Am Geld liegende
–0.009 Optionen weisen
das höchste negative
–0.01
Theta auf.

Abb.15.18 Zusammenhang zwischen dem Theta einer europäischen Call-Option und dem Aktien-
preis

UmgerechnetaufKalendertage,ergibtsicheinnegativesThetavon0,0057:

2;0636
ThetaCall D D 0;0057:
365 Tage

Ein Theta von 0;0057 bedeutet,dassderCall-PreisnachAblaufeinesTagesum]fällt,


EUR 0,0057 [D 1  .0;0057/ wennalleanderenRisikofaktorenunverändert
bleiben.

DasThetaistgrundsätzlichnegativfüreineOption.Abb. 15.18zeigtdenZusam-menhang
zwischendemThetaunddemAktienpreis.DieinderGraphikverwendeteCall-Optionweistdie
folgendenBewertungsparameterauf:X
D 40, ¢ D 0;3, rF, s D 0;03
und T D 0;75. Bei einem Aktienpreis weit unterhalb des Ausübungspreises strebt das The-
tagegennull.WiedasGammabesitztdasThetadenhöchstenWert(absolutbetrachtet),wenndie
OptionamGeldundnaheamFälligkeitstagliegt.SolcheOptionenweiseneinegroßeChanceauf,
dasssieimGeldenden.NimmtderAktienpreisweiterzu,konvergiertdasThetagegen
rF, s XerF, s T .
Im Vergleich zu den anderen Optionspreissensitivitäten stellt das Theta keinen Ri-
sikofaktor dar, weil der Zeitablauf bekannt ist. Unerwartete Änderungen können somit nicht
eintreten. Daher macht es keinen Sinn, ein Optionsportfolio gegen die Zeitverän- derung
abzusichern. Trotzdem wird das Theta als wichtige Optionspreissensitivitätsgröße betrachtet.
So etwa stellt das Theta bei einem deltaneutralen Portfolio eine Approximati- onsgröße für das
Gammadar.
65

65
Vgl. Hull 2006 : Options, Futures, and Other Derivatives, S. 359.
15. Zusammenfassung 991

15.8 Zusammenfassung

 Der Optionspreis besteht aus einem inneren Wert und einem Zeitwert, wobei am Fäl-
ligkeitstag der Option der Zeitwert auf null fällt und der Optionspreis lediglich durch den
innerenWert gegeben ist.DieserstelltdenunmittelbarenGewinn dar,derbei Aus- übung der
Optionentsteht.BeieinerimGeldliegendenCall-Option,beiwelcherderBasiswertpreisden
Ausübungspreis überschreitet, ergibt sich der innere Wert aus der Differenz zwischen dem
Basiswertpreis und dem Ausübungspreis. Ist die Kaufoption am oder aus dem Geld, beläuft
sich der innere Wert auf null. Eine Put-Option hingegen weist einen Gewinn bei Ausübung
bzw. einen inneren Wert von größer als null auf, wenn der Basiswertpreis unter dem
Ausübungspreiszu liegen kommt.IstdieVerkaufs-option amoder ausdemGeld,beträgtder
innere Wert null, sodass der Optionspreis vor Fälligkeit vollumfänglich durch den Zeitwert
gegeben ist. Der Zeitwert spiegelt die Chance wider, dass die Option ins Geld fällt. Daher ist
der Zeitwert bei Optionen am größten, die am Geld sind. Je weiter sich die Option aus und in
demGeldbewegt,destomehrgehtderZeitwertzurück.

 Der Optionspreis wird neben dem Basiswertpreis und dem Ausübungspreis auch durch die
Volatilität des Basiswertpreises, den risikolosen Zinssatz, die Optionslaufzeit und die
Erträge des Basiswerts (z. B. Dividenden bei Aktien und risikoloser Zinssatz bei einer
Fremdwährungsposition) b eeinflusst. Der Basiswertpreis und der Ausübungspreis
bestimmen den inneren Wert der Option, während der Zeitwert durch die restlichen vier
Risikofaktoren – Volatilität, Optionslaufzeit, risikoloser Zinssatz und Erträge des
Basiswerts–determiniertwird.DiesevierParameterwirkensichaufdieChanceaus,dassman
mitderOptionGeldverdienenkannbzw.dassdieOptioninsGeldfällt.

 Nimmt die Volatilität des Basiswertpreises zu, steigt grundsätzlich die Chance, dass mit der
Option Geld verdient werden kann. Daher besteht eine positive Beziehung zwi- schen
VolatilitätundOptionspreis.
 Die Beziehung zwischen Optionspreis und Optionslaufzeit ist für amerikanische Op- tionen
positiv, da eine längere Laufzeit die Chance erhöht, dass die Option im Geld endet. Bei
europäischen Optionen ist dieser Zusammenhang nicht immer eindeutig. So etwa kann bei
zwei europäischenPut-Optionenmitunterschiedlichen Restlaufzeiten der Zusammenhang
zwischen Preis und Optionslaufzeit negativ sein, sodass die Ver- kaufsoption mit der
kürzeren Restlaufzeit einen höheren Preis aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn die
Verkaufsoption sehr weit im Geld liegt bzw. der Basiswertpreis auf null gefallen ist, da der
maximal mögliche Gewinn infolge der zeitlich vorgelagerten Ausübung vorher
vereinnahmtwerdenkann.

 Die Beziehung zwischen Call-Preis und risikolosem Zinssatz ist positiv. Im Gegensatz dazu
istderZusammenhangzwischenPut-PreisundrisikolosemZinssatznegativ.
 Dividenden, die während der Restlaufzeit der Option anfallen, führen dazu, dass der
Aktienkurs zurückgeht. Demzufolge haben Dividenden eine negativen Einfluss auf den
Call-PreisundeinenpositivenEffektaufdenPut-Preis.
992 15 Optionen

 Der erste Schritt in die Optionsbewertung besteht darin, dass zunächst die obere und
untere Preisgrenze bestimmt wird. Der Optionspreis liegt innerhalb dieser Preisgren- zen.

 Die Preisobergrenze ist für eine europäische und eine amerikanische Call-Option durch
den Aktienkurs gegeben. Für eine europäische Put-Option wird nicht mehr als der Barwert
des Ausübungspreises bezahlt, weil der maximal mögliche Gewinn (also der
Ausübungspreis) erst am Fälligkeitstag realisiert werden kann. Demgegenüber ist die
Preisobergrenze für eine amerikanische Put-Option der Ausübungspreis, da dieser hö- her
als derBarwert des Ausübungspreises istund die Verkaufsoption jederzeit ausgeübt werden
kann.

 DaderOptionspreisnichtunternullfallenkann,wirddiePreisuntergrenzedurchdeninneren
Wert der Option determiniert. Bei e iner europäischen und einer amerikani- schen
Call-Optionauf eine Aktie ohne DividendeentsprichtdiePreisuntergrenze dem höheren der
beiden Werte von null oder der Differenz zwischen dem Aktienpreis und dem Barwert des
Ausübungspreises. Bei einer europäischen Put-Option ist die Preis- untergrenze durch den
höheren der beiden Werte von null oder den Barwert des Aus- übungspreises abzüglich des
Basiswertpreises gegeben. Demgegenüber wird der mini- male Preis bei einer
amerikanischen Option durch den höheren der beiden Werte von null oder die Differenz
zwischendemAusübungspreisunddemAktienpreisfestge-legt.

 Bezahlt die Aktie eine Dividende, ist für d ie Ermittlung der Preisuntergrenze bei
europäischen Optionen der Barwert der Dividende vom Aktienkurs abzuziehen.
Bei amerikanischen Optionen ist eine pauschale Anpassung der Preisuntergren-
ze anhand der Dividende nicht möglich, da diese jederzeit ausgeübt werden kön-
nen.
 Die Put-Call-Parität stellt eine Parität zwischen einem Put-Aktien-Portfolio (Protec-
tivePut)undeinemCall-Anleihe-Portfolio(FiduciaryCall)dar.DerProtectivePutsetztsich
auseinerLong-Put-OptionundeinerLong-Aktiezusammen,währendderFiduciaryCallaus
einer Long-Call-Option und einer Long-Nullkuponanleihe (Geld- anlage zum risikolosen
Zinssatz)besteht.DiePut-Call-Paritätgehtdavonaus,dassdiebeidenCall-undPut-Optionen
europäischerNatursindundüberdengleichenBasiswert,denselbenAusübungspreisunddie
gleiche Restlaufzeit verfügen. Die Put- Call-Parität kann eingesetzt werden,um eineder vier
Finanzinstrumente der Parität durch die anderen drei Instrumente synthetisch zu
konstruieren und, wenn die Parität verletzt ist, um einen risikolosen Arbitragegewinn zu
erzielen. Verwendet man anstatt europäischer amerikanische Optionen, resu ltiert aus der
Put-Call-ParitäteineUnglei-chung.

 Das Binomialmodell ist ein zeitdiskretes Optionsbewertungsmodell. Es spezifiziert


einen aufeinanderfolgenden Pfad von zukünftigen Preisen des Basiswerts, wobei
am Ende jeder Periode der Preis entweder steigt oder fällt. Am Ende des Bino-
mialbaums bzw. der Optionslaufzeit wird der innere Wert der Option bestimmt,
indem der Basiswertpreis mit dem Ausübungspreis verglichen wird. Der Zeitwert
15. Zusammenfassung 993

derOptionistnull.AnhandderRückwärtsinduktionwirdfürjedePeriodeimBi-nomialbaum
derOptionspreisausgerechnet.DabeiwirdfürjedenKnotenpunktinderPeriodederBarwert
derwahrscheinlichkeitsgewichtetenOptionspreisedervor-angegangenenPeriode
berechnet. Diese risikoneutrale Bewertung erfolgt mitden
risikoneutralenWahrscheinlichkeitenunddemrisikolosenZinssatz.MitdemBinomi-
almodelllassensichsowohleuropäischealsauchamerikanischeOptionenbewerten.Das
Modellistsehrflexibelundwirdvielfachaucheingesetzt,umdenWertkom-plizierter

Finanzoptionen (z. B. exotischer Optionen) oder auch Realoptionen zu


ermitteln.
 Um den Optionspreis zu berechnen, kann das Modell von Cox, Ross und Rubinstein
(1979), bei dem die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten über Auf- und Abwärtsfak- toren
bestimmt werden, oder der Ansatz von gleichen (symmetrischen) risikoneutralen
Wahrscheinlichkeiten verwendet werden. Letzteres Verfahren hat den Vorteil, dass die
Wahrscheinlichkeiten unabhängig von der Volatilitätsgröße und der Anzahl an Zeit-
intervallen ermittelt werden. Die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten sind bei einer Auf-
undAbwärtsbewegungjeweils50%.

 Je kleiner die Zeitschritte im Binomialmodell sind, desto mehr nähert sich das Bi-
nomialmodell einem zeitkontinuierlichen Bewertungsmodell wie dem Black/Scholes-
Modellan.
 Mit dem Black/Scholes-Modell können lediglich die Preise europäischer Optionen
bestimmt werden, die nur bei Fälligkeit ausgeübt werden können. Das Bewertungs- modell
beruht auf folgenden Annahmen: geometrische Brown’sche Bewegung der ein- fachen
Renditen des Basiswerts, konstante und bekannte Volatilität, konstanter risiko- loser
Zinssatz, keine Erträge des Basiswerts , Möglichkeit von Leerverkäufen, beliebige
Stückelungen des Basiswerts und der Optionen sowie keine Steuern und Transaktions-
kosten. Mit dem erweiterten Black/Scholes-Modell können auch Preise für europäische
Optionen auf einen Basiswert mit Erträgen (z. B. Aktie mit Dividenden und Fremdwäh-
rungspositionmitZinseinnahmen)ermitteltwerden.

 Die Volatilität ist der einzige Bewertungspa rameter eines Optionspreismodells, der nicht
direktaufdemMarktbeobachtetwerdenkannundsomitseparatberechnetwer-denmuss.Sie
lässt sich entweder mit historischen Basiswertpreisrenditen oder implizit aus dem
Bewertungsmodell und dem Marktpreis der gehandelten Option eruieren. Die implizite
Volatilität ist im Gegensatz zur historischen Volatilität eine marktorientierte und somit
zukunftsbezogene Größe. Übliche rweise wird die implizite Volatilität über ein iteratives
Verfahren bestimmt. Die am weitesten verbreiteten iterativen Techniken sind
Newton-Raphsonundbisection.

 Mit der Taylor-Reihenentwicklung kann annäherungsweise die Veränderung des Op-


tionspreises ausgerechnet werden. Dabei werden Optionspreissensitivitäten wie Delta,
Gamma, Vega, Rho und Theta eingesetzt. Die Optionspreissensitivitäten können durch
partielle Ableitungen eines geschlossenen Bewertungsmodells wie etwa dem Black/
Scholes-Modell bestimmt werden. Darüber h inaus lassen sie sich auch durch das Bi-
nomialmodelleruieren.
994 15 Optionen

 Das Delta der Option entspricht der Änderungsrate des Optionspreises bei einer sehr
kleinenBewegungdesBasiswertpreises.DasDeltaeinerCall-Optionliegtzwischen0und1.
EineKaufoption,diesichweitimGeldbefindet,besitzteinDeltavon1.SteigtzumBeispielder
Aktienkursum EUR 1, so nimmt der Optionspreisum EUR 1 zu. Demgegenüber verfügt eine
weit aus dem Geld liegende Call-Option ein Delta von 0. Bewegungen des Basiswertpreises
habenkeinenEinflussaufdenOptionspreis.Kauf-optionen,dieamGeldsind,habeneinDelta
von ungefähr 0,5. Put-Optionen hingegen weisen aufgrund der negativen Beziehung
zwischen Optionspreis und Basiswertpreis ein negatives Delta auf, das in einer Bandbreite
von

1 bis 0 liegt. Verkaufsoptionen,


die sich weit im Geld befinden, haben ein Delta von 1, während weit aus dem Geld
liegende Put-Optionen ein Delta von 0 besitzen. Am Geld liegende Put-Optionen ha- ben ein
Deltavonungefähr 0;5. Das Delta wird nicht nur durch den Basiswertpreis,
sondern auch durch die verbleibende Restlaufzeit der Option beeinflusst.
 Das Deltarisiko einer Option kann durch den zugrundeliegenden Basiswert beseitigt
werden. Dabei wird das positive (negative) Delta des Optionsportfolios eliminiert, in- dem
eine bestimmte Anzahl an Aktien verkauft (gekauft) wird. Bei einem Delta Hedge handelt es
sich um eine dynamische Absicherung, da sich das Delta aufgrund der Ver- änderung des
BasiswertpreisesundderZeitändert.DahermussimGegensatzzueinerHedge-Strategiemit
Forwards und Future s die Absicherungsposition laufend angepasst werden, damit die
Gesamtpositiondeltaneutralbleibt.

 Das Gamma einer Option ist die Änderungsrate des Deltas der Option gegenüber einer
VeränderungdesBasiswertpreises.EsistamgrößtenfürOptionen,diesichamGeldbefinden
und nahe bei Fälligkeit sind, da solche Optionen ein sehr instabiles Delta besitzen. Das
GammaistfürLong-OptionenpositivundfürShort-Optionennegativ.EinpositivesGamma
bedeutet, dass der Optionspreis bei einer Basiswertpreisänderung im Vergleich zur
Preisänderung mit dem Delta stärker steigt bzw. weniger stark fällt. Somit stellt das positive
GammaeineGewinnchanceundkeinRisikodar.ImGegensatzdazuverkörperteinnegatives
Gamma eine Verlustgefahr,weil bei einerBewegung des Basiswertpreises der Optionspreis
verglichenmitdementsprechendenDeltaeffektstärkerfälltbzw.wenigerstarksteigt,sodass
manaufderOptionspositionGeldverliert.DieseVerlustgefahrkannabgesichertwerden.

 Das Vega der Option entspricht der Änderungsrate des Optionspreises gegenüber ei- ner
VeränderungderVolatilitätdesBasiswertpreises.FürLong-OptionenistdasVegapositiv,da
derOptionspreisbeieinerZunahmederVolatilitätsteigt.Short-Optionenhingegenverfügen
übereinnegativesVega.DasVegaistabsolutbetrachtetfürOptio-nenamgrößten,diesicham
GeldbefindenundeinelangeRestlaufzeithaben.

 Das Rho der Option stellt die Änderungsrate des Optionspreises gegenüber einer Zins-
satzänderung dar. Es ist positiv für einen Long Call und einen Short Put und negativ für einen
Short Call und einen Long Put. Aktienoptionen reagieren relativ schwach auf
Zinssatzänderungen.

 Das Theta der Option entspricht der Änderungsrate des Optionspreises gegenüber dem
Zeitablauf.DieverbleibendeLaufzeitderOptionbewegtsichkonstantgegennull.Das
15.9 Aufgaben 995

Theta ist für amerikanische Optionen und in den allermeisten Fällen auch für europäi- sche
Optionen negativ. Lediglich europäische Put-Optionen können ein positives Theta haben,
wenn sie weit im Geld sind bzw. der Basiswertpreis null ist. Wie das Gamma besitzt das Theta
denhöchstenWert(absolutbetrachtet),wenndieOptionamGeldliegtundnahebeiFälligkeit
ist.SolcheOptionenweiseneinegroßeChanceauf,dasssieimGeldenden.

 Bei einer Absicherungsstrategie gilt der Grundsatz, dass für jedes Optionsrisiko eine Option
eingesetzt werden muss. Sind zum Beispiel das Gamma- und Vegarisiko in einem
Optionsportfolio zu neutralisieren, benötigt man zwei Optionen des zugrunde- liegenden
Basiswerts, die über einen unterschiedlichen Ausübungspreis und/oder eine
unterschiedlicheRestlaufzeitverfügen.

 Wie alle Finanzmarktmodelle stellen die im Kapitel vorgestellten Optionspreismodel- le


Vereinfachungen der Realität dar, da sie auf einer Reihe von Annahmen beruhen. Treffen die
Annahmen nicht zu, sind die mit dem Modell berechneten Preise und Sen- sitivitätsgrößen
ungenau bzw. falsch. So zum Beispiel geht das Black/Scholes-Modell von einer konstanten
VolatilitätundeinemkonstantenrisikolosenZinssatzaus.TreffendieseAnnahmennichtzu,
ergeben die par tiellen Ableitungen nach der Volatilität und dem risikolosen Zinssatz falsche
Optionspreissensitivitätsgrößen.

15.9 Aufgaben

Aufgabe1
Ein europäischer Optionskontrakt auf Aktien besitzt einen Ausübungspreis von
EUR 100 und eine Restlaufzeit von 170 Tagen. Die zugrundeliegende Aktie wird
zu einem Preis von EUR 108 gehandelt und verfügt über eine annualisierte Volatilität von 30
%.DiestetigeDividendenrenditebeträgt4%.DerstetigerisikoloseZinssatzliegtbei2%.

a) WiehochsindPreisobergrenzeund-untergrenzedereuropäischenCall-Option?Wie
b) hochsindPreisobergrenzeund-untergrenzedereuropäischenPut-Option?

Aufgabe2
Ein amerikanischer Optionskontrakt auf Aktien hat einen Ausübungspreis von EUR 50 und
eine Restlaufzeit von 6 Monaten. Die zugrundeliegende Aktie wird zu einem Preis von EUR
45gehandelt.DerdiskreterisikoloseZinssatzist2%.

a) WiehochsindPreisobergrenzeund-untergrenzederamerikanischenCall-Option?Wie
b) hochsindPreisobergrenzeund-untergrenzederamerikanischenPut-Option?

Aufgabe3
Eine europäische Call-Option mit einem Ausübungspreis von EUR 100 und einer Rest-
laufzeitvon15MonatenweisteinenPreisvonEUR13,24auf.Diezugrundeliegende
996 15 Optionen

Aktie wird zu einem Preis von EUR 103 gehandelt. Es wird erwartetet, dass die Aktie eine
Dividende von EUR 4 in 11 Monaten bezahlt. Der diskrete risikolose Zinssatz ist 2 %. Wie
hoch ist der Preis einer europäischen Put-Option mit gleichem Ausübungs- preis, Basiswert
undgleicherRestlaufzeit?

Aufgabe4
Eine europäische Call-Option mit einem Ausübungspreis von EUR 45 und einer Rest-
laufzeitvon10MonatenweisteinenPreisvonEUR6,10auf.Dieentsprechendeeuro-päische
Put-OptionmitgleicherRestlaufzeit,gleichemBasiswertundAusübungspreis verfügtüber
einen Preis von EUR 4. Die zugrundeliegende Aktie wird zu einem Preis von EUR 48
gehandelt. Der diskrete risikolose Zinssatz liegt bei 2 %. Welche Arbi- tragetransaktionen
sind erforderlich und wie hoch ist der Arbitragegewinn, wenn die Put-Call-Parität verletzt
ist?

Aufgabe5
Ein europäischer Optionskontrakt auf Aktien verfügt über einen Ausübungspreis von EUR
40undeineRestlaufzeitvon9Monaten.DiezugrundeliegendeAktiewirdzueinemPreisvon
EUR 42 auf dem Markt gehandelt und besitzt eine annualisierte Vola- tilität von 30 %. Der
stetigerisikoloseZinssatzbeträgt3%.

a) Wie hoch ist der Preis der europäischen Call-Option mit dem Black/Scholes- Modell?

b) Wie hoch ist der Preis der europäischen Put-Option mit dem Black/Scholes-
Modell?

Aufgabe6
Ein europäischer Optionskontrakt auf Aktien besitzt einen Ausübungspreis von
EUR 80 und eine Restlaufzeit von 1,5 Jahren. Die dem Optionskontrakt zugrunde-
liegendeAktiewirdzueinemPreisvonEUR75aufdemMarktgehandeltundverfügtübereine
annualisierte Volatilität von 25 %.Die stetige Dividendenrendite der Aktie beläuft sich auf 4
%.DerstetigerisikoloseZinssatzliegtbei2%.

a) Wie hoch sind die Preise der europäischen Call- und Put-Option mit dem erweiter- ten
Black/Scholes-Modell?
b) Wie hoch sind die Preise der europäischen Call- und Put-Option mit dem Drei-
Perioden-BinomialmodellvonCox,RossundRubinstein?
c) WiehochsinddasDelta,GammaundThetadereuropäischenCall-undPut-Optionmitdem
Drei-Perioden-BinomialmodellvonCox,RossundRubinstein?
d) Wie hoch sind die Preise der europäischen Call- und Put-Option mit dem Drei-
Perioden-Binomialmodell, wenn man von gleichen (symmetrischen) risikoneutra- len
Wahrscheinlichkeitenausgeht?
15.9 Aufgaben 997

Aufgabe7
Eine am Geld liegende amerikanische Call-Aktienoption weist eine Restlaufzeit von 0,75
Jahren und einen Ausübungspreis von EUR 100 auf. Die annualisierte Volatilität der Aktie
beträgt 35 %, während sich die stetige Dividendenrendite des Papiers auf 3 % beläuft. Der
stetige risikolose Zinssatz liegt bei 2 %. Wie hoch ist der Preis der amerikanischen
Call-Option mithilfe des Modells von Cox, Ross und Rubinstein, wenn ein
Drei-Perioden-BinomialmodellfürdieBerechnungenverwendetwird?

Aufgabe
Eine amerikanische Put-Aktienoption besitzt eine Restlaufzeit von 1,5 Jahren und einen
Ausübungspreis von EUR 30. Die zugrundeliegende Aktie wird zu einem Preis von EUR 28
gehandelt. Die Volatilität des Beteiligungspapiers liegt bei 25 %, wäh- rend die
Dividendenrendite 4 % ist. Der stetige risikolose Zinssatz beträgt 2 %. Wie hoch ist der Preis
deramerikanischenPut-OptionmithilfedesAnsatzesvongleichen(symmetrischen)

risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten, wenn ein Drei-Perioden-


Binomialmodell benutzt wird?

Aufgabe9
Die europäische DAX-Call-Option (ODAX) mit einem Ausübungspreis von 10.500
Punkten und Fälligkeitsmonat März 2016 (bzw. Restlaufzeit von 93 Tagen) wird am 16.
Dezember 2015 an der Eurex zu eine m Abrechnungspreis von 484,30 Punkten geführt. Am
16. Dezember 2015 wird de r DAX zu einem Kurs von 10.470 Punkten gehandelt. Die
annualisierte Volatilität des Aktienindex beträgt 25 %, während sich die stetige
Dividendenrenditeauf2,6%beläuft.DerstetigerisikoloseZinssatzliegtbei0,1%.

a) WiehochistderPreisdereuropäischenCall-OptionaufdenDAXmithilfedeserweiterten
Black/Scholes-Modells?
b) Wie hoch ist der Preis der entsprechenden europäischen DAX-Put-Option mit ei- nem
Ausübungspreis von 10.500 Punkten und einer Restlaufzeit von 93 Tagen anhand der
Put-Call-Parität?
c) Wie hoch sind das Delta, Gamma, Vega, Rho und Theta der europäischen DAX-
Call-Option, wenn für die Berechnungen das erweiterte Black/Scholes-Modell ver-
wendetwird?
d) Um wie viel steigt der Preis der europäischen DAX-Call-Option anhand der Taylor-
Reihenentwicklung(DeltaundGamma),wennderDAXum100Punktezunimmt?

Aufgabe10
Ein Analyst einer Vermögensverwaltungsgesellschaft bereitet sich auf ein Treffen mit
institutionellen Kunden vor, wo er Aktienopti onen als Arbitrage- und Absicherungsin-
strumente besprechen möchte. Dabei plant er auf folgende Punkte einzugehen: 1. Aus-
nutzungderPut-Call-Parität,umrisikoloseArbitragegewinnezuerzielen.2.Bewer-
99 15 Optionen

tung von Optionen mithilfe des Binomialmodells, um fehlbewertete Optionen identi-


fizieren zu können. 3. Optionen als Absicherungsinstrumente in einem Portfolio. Am
KundentreffenmachtderAnalystfolgendeAussagen:

1. In Anlehnung an die Put-Call-Parität besteht die Möglichkeit, einen Arbitragege- winn


zurealisieren,wennderWertdesFiduciaryCallsvomWertdesProtectivePutsabweicht.
Allerdings gilt die Put-Call-Parität nur für europäische Optionen mit gleichem
Basiswert,AusübungspreisundgleicherRestlaufzeit.

2. Ausgehend von der Put-Call-Parität lässt sich synthetisch eine europäische Long-
Call-Option mit einer Long-Put-Option, einer Short-Aktie und einer Long-Nullku-
ponanleihekonstruieren.
3. Das Binomialmodell kann nur für die Preisberechnung von europäischen Optionen
eingesetzt werden. Der Preis von amerikanischen Optionen ist mit einem Trinomi-
almodellzubestimmen.
4. Wird das Preisänderungsrisiko einer Long-Put-Position mit einer Aktienposition
(deltaneutraler Hedge) neutralisiert, dann ist die Anzahl der Aktien zu erhöhen, wenn der
Aktienkurssteigt.
5. Ist eine Long-Put-Option aus dem Geld und fällt der Kurs der zugrundeliegenden Aktie,
sodassdieVerkaufsoptionamGeldist,nimmtdasGammazu.
6. Bei einer deltaneutralen Absicherung einer Long-Call-Option mit Short-Aktien weist
dieGesamtpositioneinDeltavonnullundeinpositivesGammaauf.EinpositivesGamma
bedeutet, dass man bei Veränderung des Aktienkurses infolge der Eliminierung des
DeltarisikosGeldverdient.

7. Bei einem Optionsportfolio lassen sich das Delta-, Gamma- und Vegarisiko mit drei
Optionen absichern, die sich in Bezug auf Basiswert, Ausübungspreis und Restlauf- zeit
unterscheiden.
8. Long-Call-Optionen verfügen über ein positives Delta, ein positives Gamma, ein
negativesVega,einnegativesRhoundeinnegativesTheta.
9. AmGeldliegendeLong-Call-OptionenbesitzenbeieinerkürzerenimVergleichzueiner
längerenRestlaufzeiteinhöherespositivesGammaundVega.
10. Am Geld liegende Long-Optionen nahe bei Fälligkeit sind dem Delta- und
Gam- marisiko ausgesetzt, während das Vega, Rho und Theta als Risikogrößen
vernach- lässigt werden können. Dabei wird das Risiko als unerwartete Veränderung
eines Risikofaktors definiert, der einen Verlust zur Folge hat.

Sind diese Aussagen richtig oder falsch (mit Begründung)?

Aufgabe11
Ein Optionshändler hat in seinem Handelsbestand 585 europäische Long-Call-Opti-
onskontrakteaufdieAktienderDeutschenBankAG,dieanderEurexgehandeltwerden.Eine
Call-Option m it Fälligkeit Februar 2016 und einem Ausübungspreis von EUR 21 wird ander
Eurexam18.Dezember2015zueinemAbrechnungspreisvon
15.9 Aufgaben 999

EUR 1,54 geführt. Das Delta und das Gamma der Call-Option betragen 0,5988 und 0,1217.
Darüber hinaus befinden sich im Handelsbestand 472 europäische Short-Put-
Optionskontrakte auf die Aktien der Deutschen Bank AG mit Fälligkeit am 18. De- zember
2015 und Ausübungspreis von EUR 21. Der Abrechnungspreis der Eurex-Put- Option liegt
beiEUR0,99.DasDeltaunddasGammaderPut-Optionbelaufensichauf

und0,1217.EinOptionskontraktanderEurexbestehtaus100Call-oderPut-
0;4012 Die Aktie der Deutschen Ba nk AG wird am 18. Dezember 2015 zu einem Kurs von
Optionen.
EUR 21,55 gehandelt. Die annualisierte Volatilität des Bankenpapiers liegt bei 35,5 %. Der
HändlermöchtedasDeltarisikoderbeidenOptionspositionenmitdenAktienderDeutschen
BankAGabsichern.

a) Wie viele Deutsche Bank-Aktien sind erforderlich, um das Deltarisiko der Long-
Call-Positionzubeseitigen?WiegroßistderGewinn/VerlustderdeltaneutralenPosition,
wennderAktienkursderDeutschenBankAGumEUR2steigt?
b) Wie viele Deutsche Bank-Aktien sind für einen deltaneutralen Hedge der Short-Put-
Positionnotwendig?WiegroßistderGewinn/VerlustderdeltaneutralenPosition,wennder
AktienkursderDeutschenBankAGumEUR2zunimmt?

Aufgabe12
Ein Händler hat ein Optionsportfolio mit einem negativen Delta von 4000, einem nega- tiven
Gamma von 100 und einem negativen Vega von 4500. Die Optionen im Portfolio beziehen
sich auf die Aktien der Linde AG, die am 18. Dezember2015 zu einem Kurs von EUR 131,80
gehandeltwerden.DieannualisierteVolatilitätdesBeteiligungspa-piersliegtbei27,2%.Die
stetigeDividendenrenditebeläuftsichauf2,55%,währendderstetigerisikoloseZinssatz0,1
% ist. Um das Delta-, Gamma- und Vegarisiko im Portfolio zu eliminieren, setzt der Händler
diedreinachstehendenCall-OptionenaufdieLinde-Aktieein:

 1. Call-OptionmiteinemAusübungspreisvonEUR132undeinerRestlaufzeitvon1Jahr.
DieOptionspreissensitivitätensindgemäßdemerweitertenBlack/Scholes-Modell:
Delta
D 0,5031, Gamma D 0,0108 und Vega D 0,5122.
 2. Call-Option mit einem Ausübungspreis von EUR 128 und einer Restlaufzeit
von 0,7 Jahren. Die Optionspreissensitivitäten sind in Anlehnung an das erweiterte
Black/Scholes-Modell:Delta D 0,5563, Gamma D 0,0129 und Vega D 0,4262.
 3. Call-OptionmiteinemAusübungspreisvonEUR136undeinerRestlaufzeitvon1,2
Jahren.DieOptionspreissensitivitätensindgemäßdemerweitertenBlack/
Scholes-Modell:Delta
D 0,4637, Gamma D 0,0098 und Vega D 0,5578.

Wie viele Call-Optionen sind notwendig, um das Delta-, Gamma- und Vegarisiko im
Optionsportfoliozuneutralisieren?
1000 15 Optionen

15.10 AnhangA:Standardnormalverteilungstabelle
Literatur 1001

Literatur

Black, F., Scholes, M.: The Pricing of Options and Corporate Liabilities. In: Journal of Political Economy
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Finance 27 (2), 399–417 (1972)
Brenner, M., Subrahmanyam, M. G.: A Simple Formula to Compute the Implied Volatility. In: Fi- nancial
AnalystsJournal 44 (5), 80–83 (1988)
Chance, D. M.: Analysis of Derivatives for the CFA® Program, Charlottesville (2003)
Chance, D. M.: Leap into the Unknown. In: Risk 6, 60–66 (1993)
Corrado, C. J., Miller, T.: Volatility without Tears. In: Risk 9 (7), 49–52 (1996)
Cox, J. C., Ross, S. A., Rubinstein, M.: Option Pricing: A Simplified Approach. In: Journal of
Financial Economics 7 (3), 229–263 (1979)
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Hull, J. C.: Options, Futures, and Other Derivatives, 6. Auflage, Upper Saddle River (2006)
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Rudolph, B., Schäfer, K.: Derivative Finanzmarktinstrumente: Eine anwendungsbezogene Einfüh-
runginMärkte,StrategienundBewertung,2.Auflage,Berlin/Heidelberg(2010)Watsham,T.J.:
FuturesandOptionsinRiskManagement,2.Auflage,London/Boston(1998)
TeilV
Portfoliomanagement
Portfoliomanagementprozess
16

16.1 Einleitung

Der Portfoliomanagementprozess besteht au s verschiedenen Teilbereichen und gewähr-


leistet, dass systematisch ein den Kundenbedürfnissen angemessenes Portfolio zusam-
mengestellt wird. Er setzt sich aus der Planung, der Ausführung und dem Feedback zu- sammen.
In der Planungsphase werden die Finanzmärkte und die Investorenbedürfnisse analysiert, die
langfristige Anlagepolitik formuliert und die strategische Asset-Allokation festgelegt. In der
Ausführungsphase werden das Portfolio erstellt und die von der Anlage- politik geforderten
Anlagen gekauft. Das Feedback schließt den Prozess ab und beinhaltet die Überwachung der
Anlagepolitik und der Kap italmarkterwartungen, das Rebalancing und die Evaluation des
Portfolios.

DerBerichtzurlangfristigenAnlagepolitikstelltdasKernstückdesPortfoliomanage-
mentprozessesdar.DabeihandeltessichumeinDokument,dasdieRenditezieleunddie
RisikotoleranzdesInvestorssowiedievorliegendenAnlageeinschränkungenwieetwa
Investitionszeitraum,benötigteLiquidität,steuerlicheSituation,rechtlicheVorschriftenund
weiterebesondereGegebenheitenbeinhaltet.DieAnlagepolitikzusammenmitden
langfristigenKapitalmarkterwartungenbildetdenAusgangspunktfürdieFestlegungder
strategischenAsset-Allokation.DieErwartungenzumKapitalmarktbeeinflussendieer-
wartetenRenditenundRisikenvonAnlageinstrumentenwiebeispielsweiseAktienund
Anleihen.DiestrategischeAsset-AllokationdefiniertdieAnlageklassen,diemitderlang-
fristigenAnlagepolitikinEinklangstehen,sodassdielangfristigenRendite-undRisiko-ziele
desInvestorsunterBerücksichtigungderAnlagerestriktionenerreichtwerdenkön-nen.Abb.
16.1zeigtdenPortfoliomanagementprozess,derausdendreiPhasenPlanung,Ausführungund
Feedbackbesteht,dienachfolgendbeschriebenwerden.

1
Vgl. Maginn und Tuttle 1990 : The Portfolio Management Process and Its Dynamics, S. 1-1 ff.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 1005


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_16
1006 16 Portfoliomanagementprozess

1. Planung

langfristige Anlageziele und


Anlagerestriktione
Kapitalmarkterwartungen n: Anlagepolitik

strategische
Asset-Allokation

2. Ausführung

Konstruktion des
optimalen Portfolios
durch Kauf von Anlagen
Erreichung
3. Feedback der Anlage-
ziele
Überwachung und
Überwachung der Evaluation des Portfolios Performance-
Kapitalmarktdaten messung

Abb.16.1 Portfoliomanagementprozess

16.2 Planung

16.2.1 AnlagezieleundRestriktionen

In einem ersten Schritt sind die Anlageziele und die Einschränkungen bzw. Restriktionen für
einen Investor zu bestimmen. Die Anlag eziele umfassen das Risiko und die Rendite. Interne
Restriktionen setzen sich aus den Liquiditätsbedürfnissen, dem Anlagehorizont und den
investorenspezifischen Gegebenheiten zusammen, während externe Einschrän- kungen der
Anlagepolitik durch die steuerliche Situation und die rechtlichen Rahmenbe- dingungen
gegeben sind. Dabei beeinflussen vor allem die Liquidität und der Anlagezeit- raum die
RisikotragfähigkeitunddemzufolgedieRendite-undRisikoziele.

16.2.1.1 Risikoziele
Die in der Anlagepolitik formulierte Risik opolitik beeinflusst die Höhe der erwarteten
Portfoliorendite. Ein höheres Risiko impliziert eine höhere erwartete Rendite und um- gekehrt.
Die Risikoziele reflektieren die Risikotoleranz des Investors und definieren das angestrebte
Portfoliorisiko.

Risikokannabsolutoderrelativgemessenwerden.DasabsoluteRisikobestehtzumBeispiel
ausderZielsetzung,nichtmehrals6%desangelegtenKapitalsindennächsten12Monatenzu
verlieren.DieseVerlustgrößelässtsichmitderStandardabweichungbzw.derVarianzodermit
demValueatRiskbestimmen.ImGegensatzdazustellteinerelativeRisikogrößeeine
RisikoabweichungdesPortfoliosgegenübereinerBenchmarkdar.Die
16.2 Planung 1007

Tab.16.1 Risikobeurteilungsbogen
Aussagen Antworten
1) DasAnlegenvonGeldisteinekomplexeTätig- a) Stimme vollumfänglich zu.
keit,vonderichkeineAhnunghabe. b) Stimme im Wesentlichen zu.
Stimme im Wesentlichen nicht
c) zu. Stimme überhaupt nicht zu.
d)
2) Ich fühle mich besser, wenn mein Geld auf dem a) Stimme vollumfänglich zu.
Bankkonto liegt und nicht im Aktienmarkt b) Stimme im Wesentlichen zu.
angelegt ist. Stimme im Wesentlichen nicht
c) zu. Stimme überhaupt nicht zu.
d)
3) DenkeichüberdasWort„Risiko“nach,fälltmirdas a) Stimme vollumfänglich zu.
Wort„Verlust“ein. b) Stimme im Wesentlichen zu.
Stimme im Wesentlichen nicht
c) zu. Stimme überhaupt nicht zu.
d)
4) UmGeldmitAktienundAnleihenzuverdienen, a) Stimme vollumfänglich zu.
benötigtmanGlück. b) Stimme im Wesentlichen zu.
Stimme im Wesentlichen nicht
c) zu. Stimme überhaupt nicht zu.
d)
5) BeiderGeldanlageistdieSicherheitwichtigerals a) Stimme vollumfänglich zu.
derGewinn(Rendite). b) Stimme im Wesentlichen zu.
Stimme im Wesentlichen nicht
c) zu. Stimme überhaupt nicht zu.
d)

Risikoabweichung kann mit der Standardabweichung der Renditedifferenzen zwischen


dem Portfolio und der Benchmark berechne t werden. Für institutionelle Kunden wie etwa
Pensionskassen spiegeln die Zahlungsverpflichtungen an die Versicherten die Benchmark
wider. Das Risikoziel besteht in der Minimierung der Wahrscheinlichkeit, dass die Pensi-
onskasse eine Unterdeckung aufweist bzw. das Zahlungsversprechen nicht erfüllen kann.
Die Risikotoleranz eines Investors ist durch die Tragfähigkeit von möglichen Verlusten
und durch die Risikobereitschaft gekennzeichnet. Eine überdurchschnittliche (unterdurch-
schnittliche) Risikotoleranz ist durch eine hohe (niedrige) Tragfähigkeit und eine hohe
(geringe) Risikobereitschaft gegeben. Die Tragfähigkeit, Verluste zu absorbieren, hängt
von Faktoren wie dem Anlagezeitraum, dem erwarteten Einkommen und der Höhe des
Nettovermögens ab. So zum Beispiel besitzt ein Investor mit einem Anlagehorizont von
25 Jahren eine höhere Risikotragfähigkeit als ein Anleger mit einem Investitionszeitraum
von lediglich 3 Jahren. 25 Jahre (verglichen mit 3 Jahren) sind ein längerer Zeitraum, um
etwaige Verluste wieder auszugleichen. Die Bestimmung der Risikobereitschaft ist durch
die Psychologie des Investors und seine aktuellen Lebensumstände charakterisiert.
Psychologische Faktoren wie der Persönlichkeitstyp, das Selbstvertrauen und die Nei-
gung zum unabhängigen Denken beeinflussen die Risikobereitschaft. Es gibt keine all-
gemeingültige Methode, um die Risikotoleranz zu messen. Die Risikobereitschaft lässt
sich durch ein Gespräch mit dem Kunden oder durch einen standardisierten Fragebogen
ermitteln. Tab. 16.1 zeigt ein Beispiel für die Risikoanalyse anhand eines standardisierten
100 16 Portfoliomanagementprozess

Tab.16.2 Beurteilung der Risikotoleranz anhand der Tragfähigkeit und Bereitschaft


Risikotragfähigkeit Risikobereitschaft Risikotoleranz
überdurchschnittlich überdurchschnittlich überdurchschnittlich
unterdurchschnittlich unterdurchschnittlich unterdurchschnittlich
unterdurchschnittlich überdurchschnittlich unterdurchschnittlich
überdurchschnittlich unterdurchschnittlich überdurchschnittlich

Beurteilungsbogens, der mehrheitlich psychologische Faktoren (Aussagen 2 bis 5) ver-


wendet.2
DenvierAntwortena),b),c)undd)sindjeweilsdiePunkte1,2,3und4zugeordnet.Summiert
mandiePunkte,kannmaneineAussageüberdieRisikobereitschaftdesKundentreffen.Die
niedrigstePunktzahlvon5bedeutet,dassderInvestorübereinesehrgeringeRisikobereitschaft
verfügt.DasPunktemaximumvon20hingegenweistaufeinesehrhoheRisikobereitschafthin.

FürdieBeurteilungderRisikotoleranzwerdendieRisikotragfähigkeitunddieRisiko-
bereitschaftuntersucht.BestehteineDiskrepanzzwischenTragfähigkeitundBereitschaft,
mussderInvestorbezüglichderRisikenundChancenaufgeklärtwerden.IstdieRi-
sikobereitschaftüberdurchschnittlichunddieVerlusttragfähigkeitunterdurchschnittlich,
stelltdieTragfähigkeitdenbegrenzendenFaktordar.DieRisikotoleranzwirdalsunter-
durchschnittlicheingestuft.IsthingegendieBereitschaft,Risikeneinzugehen,unterdurch-
schnittlichunddieTragfähigkeitüberdurchschnittlich,istderInvestorübermöglicheent-
gangeneGewinnezuinformieren.DerbegrenzendeFaktoristdurchdieRisikobereitschaft
gekennzeichnetunddieRisikotoleranzalsüberdurchschnittlichzuklassifizieren.Liegenkeine
DiskrepanzenzwischenTragfähigkeitundBereitschaftvor,istdieEinstufungder
Risikotoleranzrelativeinfach.Tab. 16.2zeigtdieBestimmungderRisikotoleranz.

Beispiel
Bestimmung der Risikotoleranz
Ein Portfoliomanager beurteilt die Risikotoleranz der beiden neuen Kunden Peter Mül- ler
undChristianFranck.
PeterMüllerist40JahrealtundarbeitetalsKaffeehändlerbeieinemRohstoffhan-
delsunternehmeninDeutschland.EristverheiratetundhatzweiKinderimAltervon10und14
Jahren.DerPortfoliomanagerstelltdiefolgendenrelevantenFaktorenfürdieBeurteilungder
Risikotoleranzzusammen:

 Das jährliche Einkommen von Müller beträgt EUR 300:000, das wesentlich mehr
als die Lebenshaltungskosten der Familie deckt.
 Die Hypothek auf dem Haus ist abbezahlt und die Ersparnisse belaufen sich auf EUR 1,5
Mio.

2
Vgl. Grable und Joo 2004 : Environmental and Biopsychosocial Factors Associated with Financial
Risk Tolerance, S. 73 ff.
16.2 Planung 1009

 Müller schätzt seinen Arbeitsplatz als relativ sicher ein.


 Er verfügt über gute Kenntnisse in finanziellen Angelegenheiten und ist überzeugt, dass
AktienlangfristigpositiveRenditenaufweisen.
 Müller erwartet, dass seine Ersparnisse ausreichen, um im Alter von 55 Jahren in den
Ruhestandtretenzukönnen.
 In Anlehnung an den Risikobeurteilungsbogen (siehe Tab. 16.1 ) stimmt Müller über-
haupt nicht zu, dass „er sich besser fühlt, wenn dasGeld auf dem Bankkonto und nicht auf
demAktienmarktangelegtist“und„dieSicherheitwichtigeralsderGe-winnist“.

Der zweite Kunde, Christian Franck, ist selbstständig und besitzt eine kleine Gaststube in
Köln. Er ist50 Jahre alt, geschieden und hat vier Kinder, die zwischen 10 und 16 Jahre alt sind.
Der Portfoliomanager stellt die folgenden relevanten Faktoren für die Beurteilung der
Risikotoleranzzusammen:

 Das durchschnittliche jährliche Einkommen von Franck liegt bei EUR 50:000 und
unterliegt großen Schwankungen.
 DieUnterhaltszahlungenfürseinegeschiedeneFrauunddievierKinderbelaufensichauf
EUR 20:000 pro Jahr.
 Auf der Wohnung lastet eine Hypothek von EUR 80:000 und die Ersparnisse betra-
gen EUR 30:000.
 Er verfügt über gute Kenntnisse in finanziellen Angelegenheiten und ist überzeugt,
dassAktienlangfristigpositiveRenditengenerieren.
Franck erwartet, dass ein große r Teil der Ersparnisse von EUR 30:000 für die Uni-
versitätsausbildung seiner Kinder benötigt wird.
 In Anlehnung an den Risikobeurteilungsbogen (siehe Tab. 16.1 ) stimmt Franck
überhaupt nicht zu, dass „man zum Geldverdienen mit Aktien und Anleihen Glück
braucht“und„dasRisikomitVerlustgleichzusetzenist“.

1. Wie fällt die Beurteilung über die Risikotoleranz von Müller aus? Wie
2. fälltdieBeurteilungüberdieRisikotoleranzvonFranckaus?

Lösungzu1
MüllerbesitzteinhohesEinkommen,dasweitmehralsdieLebenshaltungskostenderFamilie
deckt. Er verfügt über ein hohes Nettovermögen (ein abbezahltes Haus und Ersparnisse von
EUR 1,5 Mio.), hat einen r elativ sicheren Arbeitsplatz und besitzt einen langen Zeithorizont
bis zum geplanten Ruhestand in 15 Jahren. Diese Fakten las- sen den Schluss zu, dass die
Risikotragfähigkeit von Müller überdurchschnittlich ist. Die Antworten zum
standardisiertenFrag ebogenweisen auf eine überdurch schnittlicheRisikobereitschaft hin.
FolglichlässtsichdieRisikotoleranzvonMülleralsüberdurch-schnittlichbezeichnen.
1010 16 Portfoliomanagementprozess

Lösungzu2
Franck verfügt über ein relativ niedriges und volatiles Einkommen. Des Weiteren kom- men
AmortisationszahlungenfürdieImmobilieundjährlicheUnterhaltszahlungenvonEUR
hinzu.DerZeithorizontbiszurUnterstützungderUniversitätsausbildung
20:000
ist relativ kurz und liegt zwischen 2 und 8 Jahren. Die finanzielle Lage und der re- lativ kurze
Anlagehorizont bis zu den Unterstützungszahlungen für die universitäre Ausbildung der
Kinder suggerieren eine niedrige Risikotragfähigkeit. Im Gegensatz dazu deuten die
Antworten zum standardisierten Fragebogen auf eine hohe Risikobe- reitschaft hin. Es liegt
eine Diskrepanz zwischen unterdurchschnittlicher Tragfähigkeit und
überdurchschnittlicher Risikobereitschaft vor, sodass die Risikotoleranz als unter-
durchschnittlich einzustufen ist. Der Portfoliomanager muss Franck über seine finanzi- elle
Lage aufklären und entgegen seiner RisikobereitschafteinPortfolio vorschlagen, dasrelativ
risikoarmist.

16.2.1.2 Renditeziele
Die Renditewünsche des Investors müssen mit den Risikozielen übereinstimmen, damit das
Renditeziel für die Anlagepolitik definie rt werden kann. Die Renditewünsche können
realistischoderunrealistischsein.DahermussderPortfoliomanagerhoheRenditewün-schemit
der Risikotragfähigkeit des Kunden und mit den erwarteten Kapitalmarktdaten abstimmen. Im
Gegensatz zu einer gewünschten Rendite, die bei einer Diskrepanz mit dem Risikoziel
vermindert werden kann, stellen hohe erforderliche Renditen ein Konflikt- potential zwischen
Rendite-undRisikozielsetzungeninderAnlagepolitikdar.

DieGesamtrenditebestehtausderSummederKapitalgewinnrenditeundderEinkom-
mensrendite(beiAktiendieDividendenrendite).SiekannentwederalsabsoluteGrö-ße(z.B.10
%)oderalsrelativeGröße–PortfoliorenditeversusBenchmarkrendite–festgelegtwerden(z.B.
Benchmarkrendite
C 2%).Ebenfallskannmanzwischeneiner
nominalenundeinerrealenRenditeundzwischeneinerRenditevorundnachSteuern
unterscheiden.3
DiefürdieAnlagezieleerforderlicheRenditemussimDurchschnittüberdenInves-
titionszeitraumerzieltwerden.ZumBeispielbenötigteinPrivatinvestoreinebestimmte
geometrische,durchschnittlicheJahresrendite,umamEndederErwerbstätigkeiteinen
Anlagebetragzuerhalten,derfürdenRuhestandausreicht.Angenommen,einEhe-braucht

paar für die finanzielle Sicherstellung des Ruhestands inklusive erwarteter


Inflation einen Betrag von EUR 1,5 Mio. in 20 Jahren und das gegenwärtige Vermö-
gen beläuft sich auf EUR 0,5 Mio. Um den gewünschten Endbetrag von EUR 1,5 Mio. zu
erreichen,mussdasEhepaareinejährlicheRenditenachSteuernvon5,65%[ D
.EUR 1:500:000=EUR 500:000/1=20  1] erzielen. Liegt der Steuersatz bei 30 %, be- D
trägt die erforderliche Rendite vor Steuern rund 8,07 % [ 5;65 %=.1  0;30/]. Ein
weiteres Beispiel stellt einen Investor dar, der im Ruhestand für die Deckung der lau-
fenden Ausgaben eine ausreichende Portfoliorendite benötigt. Dabei muss der Rentner

3
Vgl. Abschn. 2.2.5 .
16.2 Planung 1011

eine Rendite von 5 % nach Steuern aus seinem Anlagevermögen generieren, damit die
Lebenshaltungskosten gedeckt sind. Die 5 % erforderliche Rendite ist real und nach Steuern zu
verstehen. Liegt die erwartete Inflationsrate bei 2 % pro Jahr und beträgt der Steuersatz 35 %,
resultiertdarauseinenominaleRenditevorSteuernvonrund10,77%[

D .5 % C 2 %/=.1  0;35/].EinePensionskassebeispielsweisemussausdemAn-Rendite
lageportfolio eine durchschnittliche erwirtschaften, damit die aufgrund von
versicherungsmathematischen Annahmen berechneten Verbindlichkeiten gegenüber den
aktuellen und zukünftigen Rentnern bezahlt werdenkönnen. Wird die geforderte Rendite im
Durchschnitt nicht erreicht, entsteht e ine nachhaltige Unterdeckung und die Pensions- kasse
musssaniertwerden.

16.2.1.3 Restriktionen

Liquidität
Die Anlagepolitik sollte die Sachverhalte auflisten, die zu Geldentnahmen aus dem Port- folio
führen. Für einen Kunden des Private Wealth Managements sind dies zum Beispiel Zahlungen
für denBau eines Hauses oderfürdie Ausbildung der Kinder. Für eine Pen- sionskasse hingegen
setzen sich die Liquiditätsbedürfnisse aus den monatlichen Renten- zahlungen und den
erwartetenKapitalbezügenzusammen.

DerLiquiditätsbedarfsolltederartfestgelegtwerden,dassnebendengeplantenauch
ungeplanteAusgabengedecktwerdenkönnen.ImPortfoliomüssendemnachZahlungs-mittel
oderZahlungsmitteläquivalente,diesichraschinGeldumwandelnlassen,ent-haltensein.
KönnendieAnlagennurmiteinemKapitalverlustverkauftwerden,bestehtein
Liquiditätsrisiko.DerPortfoliomanagerkontrolliertdieTitelauswahl,nichtaberdie
LiquiditätsbedürfnissedesInvestors.DahererfolgtdasLiquiditätsmanagementüberdie
Anlageselektion.SindbeispielswiesedasVermögenunddieEinnahmenausdemPortfo-lio
hoch,könnenwenigerliquideAnlagengehaltenwerden.EinweitererFaktoristdas
PreisänderungsrisikovonAnlagen.BeieinemMarkteinbruchnimmtdieLiquiditätvon
AnlagenmiteinemhöherenPreisänderungsrisikogewöhnlichab.KorreliertderZeitpunkt
einesmöglichenZahlungsengpassesdesInvestorsmiteinemMarktabschwung,solltedie
TitelauswahlinRichtungwenigerpreissensitiveAnlagengehen.UmzukünftigeLiqui-
ditätsbedürfnissevorwegzunehmen,sindsowohldasLiquiditäts-alsauchdasPreisän-
derungsrisikozuberücksichtigen,sodasseinTeildesPortfoliosinliquidenundweniger
preissensitivenAnlagengehaltenwird.

Anlagehorizont
DerInvestitionszeitraumhängtvondenAnlagezielenabundkannkurz-bislangfristigsein.Eine
mehrstufigeAnlagedauerkannsichetwaausderKombinationeinerkurz-undeinerlangfristigen
Periode zu sammensetzen. So zum Beispiel muss ein Investor kurzfris- tig für die
Ausbildungskosten seiner Kinder aufkommen, während die finanzielle Sicher- heit nach dem
AusscheidenausdemErwerbslebenlangfristigimVordergrundsteht.
1012 16 Portfoliomanagementprozess

Grundsätzlichgilt,jelängerderAnlagehorizontist,destohöheristdieRisikotragfähig-keit
aufgrundderangehäuftenErsparnisseunddesAnlageeinkommens.Einlangfristiges
ErwerbseinkommenerlaubtebenfallseinhöheresPortfoliorisiko.Füreinenkurzfristig
orientiertenInvestorstellenGeldmitteleinesichereAnlagedar.DemgegenüberisteinInvestor
miteinemlangfristigenAnlagehorizontbeimHaltenvonGeldmittelndemWie-
deranlagerisikoausgesetzt.

BesondereGegebenheiten
Die spezifischen Umstände eines Investors können einen Einfluss auf die Portfolioalloka- tion
ausüben. Ein Kunde kann etwa aufgrund religiöser und ethischer Werte Vorbehalte gegenüber
gewissenAnlagenhaben.EinmuslimischerInvestor,welcherderScharia(is-lamischesGesetz)
folgt,wirdbeispielsweisenichtinAktieneinesSpielkasinosundinAnleiheninvestieren,weildie
Scharia das Glücksspiel sowie das Ausleihen von Geld mit Zinsen verbietet. Aus ethischen
Gründen kann man auf Anlagen in Unternehmen, die in der Waffen- oder Tabakindustrie tätig
sindoderzueinerhohenUmweltverschmutzungbeitragen,verzichten.Einweitererbesonderer
Umstand ist, dass ein Unternehmerdem Portfoliomanager verbietet, Aktien der Konkurrenz zu
kaufen.

Steuern
Die steuerliche Belastung fällt von Investor zu Investor unterschiedlich aus. So bezahlen
Pensionskassen in vielen Ländern keine Steuern auf Kapitaleinkünfte. Privatinvestoren
hingegen haben in der Regel unterschiedlich hohe Steuersätze für Kapitalerträge wie Di-
videnden und Zinsen und für Kapitalgewinne. Üblicherweise ist der Steuersatz für die Erträge
größer als für die Gewinne. Die Kapitalerträge werden besteuert, sobald sie ver- dient sind. Im
Gegensatz dazu sind nur realisierte Kapitalgewinne zu versteuern. Nicht realisierte
Kapitalgewinne unterliegen in der Regel nicht der Kapitalgewinnsteuer, was zu einem
Steuervorteil(ZeitwerteffektderSteuerzahlung)führt.

DasPortfoliomussmitdersteuerlichenSituationdesInvestorsabgestimmtsein.Soet-wa
sollteeinsteuerpflichtigerInvestoreineAnlagekombinationmitFokusaufKapitalge-winne
halten,weildieseverglichenmitKapitalerträgeninderRegelzueinemniedrigerenSatz
besteuertwerden.DemgegenüberisteinsteuerbefreiterInvestorwieetwaeinePen-sionskasse
zwischendemHaltenvonAnlagenmitGewinnenoderErträgenindifferent.

RechtlicheRahmenbedingungen
RechtlicheundregulatorischeRestriktionen,welchedieAnlagetätigkeiteinschränken,sindin
der Anlagepolitik aufzuführen. In vielen Ländern bestehen rechtliche Rahmen- bedingungen
für Pensionskassen, welche die Portfolioallokation regeln. So zum Beispiel kann eine
maximaleGewichtungfürrisikobehafteteAnlagenwieetwaAktienvorge-schriebenwerden.

EinIndividuum,dasübervertrauliche,kursrelevanteInformationenzueinembestimm-ten
Unternehmenverfügt(alsoeinInsider),darfgemäßInsidergesetzgebungdiesesWis-senfürden
KaufoderVerkaufvonAnlagennichtverwenden,umsicheinenVermögens-
16.2 Planung 1013

vorteil zu verschaffen. So fallen beispielsweise seit 2008 in der Schweiz auch Wertschrif-
tenverkäufe,dieimVorfeldeinerGewinnwarnunggetätigtwerden,unterdieInsiderstraf-norm.
4

Beispiel
Anlagepolitik
Urs Meier ist 50 Jahre alt, ledig und selbstst ändiger Unternehmensberater. Er besitzt ein
Vermögen von EUR 2,5 Mio., das mehrheitlich in Aktien geringer Marktkapitali- sierung
angelegt ist. In den letzten 4 Jahren hat das Portfolio eine durchschnittliche jährliche
Gesamtrendite von 18 % generiert. Er hofft, dass das Portfolio weiterhin eine ähnlich hohe
Rendite aufweist. Seine eigene Risikotoleranz schätzt er als durchschnitt- lich ein. Als ein
Freund ihn darauf hinweist, dass das Risiko von Aktien mit kleiner Marktkapitalisierung
hochist,zeigtersichüberdieseAussageerstaunt.

Meiermöchtemit65JahrenindenRuhestandtreten.SeingegenwärtigesEinkom-men
übersteigtbeiWeitemdieLebenshaltungskosten.NachAufgabederErwerbstätig-keitplant
er,seinBeratungsunternehmenfürEUR1Mio.zuverkaufen.DasEinkom-mensowiedie
realisiertenKapitalgewinneunterliegeneinemSteuersatzvon35%.

Welche Rendite- und Risikoziele sowie Restriktionen sollte eine langfristige Anla-
gepolitik für Meier beinhalten?

Lösung

Risikoziele: Meier hat eine überdurchschnittliche Risikotoleranz, weil sowohl die


Risikotragfähigkeit als auch die Risikobereitschaft hoch sind. Die
Risikotragfähigkeit ist aufgrund des relativ hohen Vermögens von EUR
2,5 Mio., des langen Anlagezeitraums, des hohen Einkommens für die
Deckung der Lebenshaltungskosten und der geringen Liquidi-
tätsbedürfnisse hoch. Die Konzentration seines Vermögens inAktien mit
einer geringen Marktkapitalisierung sowie der Wunsch nach einer hohen
RenditedeutenaufeinehoheRisikobereitschafthin.

Renditeziele: Die finanzielle Lage von Meier – langer Anlagezeitraum, relativ


großes Vermögen, hohes Einkommen und geringe Liquiditätsbedürf-
nisse – sowie die hohe Risikotoleranz lassen die Schlussfolgerung zu, dass
eine überdurchschnittliche Gesamtrendite anzustreben ist, die mit den
langfristigen Kapitalmarkterwartungen in Einklang steht. Allerdings ist
einRenditewunschvon18%unrealistisch.

Liquidität: Die Liquiditätsbedürfnisse sind gering.


Anlagehorizont:DerAnlagezeitraumvonMeieristlang,daerlediglich50Jahrealtist.Der
InvestitionshorizontbestehtauszweiPhasen.DieerstePhase

4
InderSchweizistderInsidertatbestandimSchweizerischenStrafgesetzbuchgeregelt(Art.161StGB).
InDeutschlandistdasVerbotdesInsiderhandelsimWertpapierhandelsgesetzaufgeführt
(§ 14 WpHG).
1014 16 Portfoliomanagementprozess

dauert rund 15 Jahre und endet mit der Aufgabe der Erwerbstätigkeit,
während die zweite Phase durch den Eintritt in den Ruhestand biszum Tod
gegebenist(ungefähr15bis20Jahre).
Steuern: Meier bezahlt einen Steuersatz von 35 % auf das Einkommen sowie
auf die realisierten Kapitalgewinne. Daher sollten Steuerüberlegun- gen
indenAnlageentscheidungeneinewesentlicheRollespielen.

16.2.2 Anlagepolitik

Nach Festlegung der Rendite- und Risikoziele und der Restriktionen kann die langfristi- ge
Anlagepolitik formuliert werden. Dieses Strategiepapier dient als Basis für sämtliche
Anlageentscheidungen.DieAnlagepolitikenthältüblicherweisedenfolgendenInhalt:

 Eine kurze Beschreibung des Investors,


 den Grund für die Bestimmung der Anlagepolitik,
 die Pflichten und Verantwortlichkeiten (einschließlich Treuepflichten) aller in die An-
lageentscheidung involvierten Parteien (z. B. Investor, Anlagemanager, etwaiges Anla-
gekomiteeunddepotführendeBank),
 einenBerichtzudenAnlagezielenunddenRestriktionen,
einen Zeitplan für die Überprüfung des Anlageerfolgs und der Anlagepolitik,
 Performancegrößen und Benchmarks (Vergleichsindizes), um den Anlageerfolg zu
eva- luieren,
 Anlagestrategien und Anlagestile (z. B. Wert- oder Wachstumsorientierung bei Aktien),
 Richtlinien für die Umschichtung des Portfolios basierend auf der Feedbackphase.

DieAnlagepolitik–insbesonderedieAnlagezieleundRestriktionen–bildenzusammenmitden
langfristigen Kapitalmarkterwartungen den Ausgangspunkt für die Festlegung der
strategischenAsset-Allokation.DiestrategischeAsset-AllokationkannauchindenBerichtder
Anlagepolitik integriert werden, was in der Praxis des Portfoliomanagements regelmäßig der
Fallist.
5

DieAnlagestrategiewirdinderPlanungsphaseerarbeitetundbeschreibtdasVorge-henbei
derAnlageanalyseundderTitelauswahl.SiestelltdieBasisfürdieAnlageent-scheidungendar
undzeigtauf,mitwelchenStrategiendiePortfoliozieleerreichtwerdenkönnen.Die
Anlagestrategienkönnengrundsätzlichineinepassive,aktiveundsemiaktiveStrategie
eingeteiltwerden.

IneinerpassivenAnlagestrategiebleibt–unabhängigvonneuenKapitalmarkterwar-tungen
–dieZusammensetzungdesPortfoliosbestehen.DieseStrategiekanndurchIn-dexierung,zum
BeispieleinesAktienindex,umgesetztwerden.Istbeispielsweisedas

5
In den vorliegenden Ausführungen wird die strategische Asset-Allokation als ein Ergebnis der
Anlagepolitik betrachtet und ist daher nicht Bestandteil der Anlagepolitik.
16.2 Planung 1015

Aktienportfolio auf den DAX indexiert, dann verändert sich das Anlageportfolio nur, wenn sich
dieAktienzusammensetzungdesDAXändert.WirdeineneueAktieindenDAXaufgenommen,
so resultiert daraus eine neue Anlagekombination, die den veränderten Aktienindex abbildet.
Neue Kapitalmarkterwartungen führen zu keiner Umschichtung von Anlagen im Portfolio.
Außerdem kann eine passive Anlagestrategie durch eine Kaufen- und-Halten-Strategie
implementiert werden. So etwa kann man Anleihen kaufen und diese bis zum Fälligkeitstag
halten.
6

BeieineraktivenAnlagestrategiehingegenreagierteinPortfoliomanageraufneueKa-
pitalmarkterwartungenundschichtetdasPortfolioentsprechendum.DasPortfoliowirdmit
einerBenchmarkdesgleichenAnlagestilsverglichen.Umeineüberdurchschnittli-cheRendite
bzw.einpositivesAlpha(RenditeüberderBenchmark)zuerzielen,wer-dendie
Portfoliogewichtevonunterbewerteten(überbewerteten)TitelnimVergleichzurBenchmark
erhöht(reduziert).DieunterschiedlichenGewichtevonAnlagenzwischendemPortfoliound
derBenchmarkspiegelndieErwartungendesManagerswider,dievondenGesamterwartungen
desMarktesabweichen.LiegtderManagerinseinerAnalyseimDurchschnittrichtig,wirder
eineüberderBenchmarkliegendeRendite(positivesAlpha)erzielenunddieaktiveStrategie
zahltsichaus.

DiesemiaktiveAnlagestrategieoderverbesserteIndexstrategieisteinehybrideForm
zwischenderpassivenundderaktivenStrategie.DieZielsetzungbestehtineinempo-sitiven
Alpha,wobeidasaktiveRisikoimVergleichzurBenchmarkkontrolliertbzw.minimiertwird.
BeiAnleihenbeispielsweisekannmanimVergleichzurBenchmarkdiePortfoliogewichtevon
unterbewerteten(überbewerteten)Anleihenerhöhen(verringern),währendmandas
ZinsänderungsrisikokontrolliertunddieDurationdesPortfoliosmitderjenigenderBenchmark
gleichsetzt.
8

16.2.3 Kapitalmarkterwartungen

Die langfristigen Kapitalmarkterwartungen des Portfoliomanagers führen zu Rendite- und


Risikoschätzungen für die einzelnen Anlageklassen, die neben den Anlagezielen und
-restriktionen für die Bestimmung der strategischen Asset-Allokation relevant sind. Das so
erstellte Portfolio ist in Bezug auf Rendite und Risiko effizient, sodass die Anlagekom- bination
fürdasgegebeneRisikodiehöchsteerwarteteRenditeaufweist.
9

DieKapitalmarkdatenbestehenfürjedeeinzelneAnlageklasseausdererwartetenRen-dite,
derStandardabweichungderRenditenunddenentsprechendenKorrelationskoeffi-zienten
bzw.KovarianzenzwischendenRenditenvonjeweilszweiAnlageklassen.Dieerwartete
RenditekannineinenrisikolosenZinssatzundineineRisikoprämiefürdiebetreffende
Anlageklasseaufgeteiltwerden.ErwarteteRenditen,Standardabweichungen

6
Vgl. Abschn. 17.5.3 .
7
Vgl. Abschn. 17.5.4 .
8
Vgl. Abschn. 17.5.5 .
9
Vgl. Abschn. 3.4 .
1016 16 Portfoliomanagementprozess

und Korrelationskoeffizienten können beispielsweise mit historischen Renditewerten oder mit


einerprospektivenSzenarioanalyseermitteltwerden. 10

16.2.4 StrategischeAsset-Allokation

Die letzte Phase des Planungsprozesses beinhaltet die Bestimmung der strategischen
Asset-Allokation, welchediev om Investorangestrebte langfristige Portfolioexposition zu den
systematischen Risiken darstellt. Die la ngfristigen Kapitalmarkterwartungen werden mit der
Anlagepolitik kombiniert, um die Zielgewichte der einzelnen Anlageklassen inner- halb des
Portfoliosfestzulegen,sodassdieAnlagezieleund-restriktionenderAnlagepoli-tikerfülltsind.
Die Zielgewichte werden innerhalb einer maximalen und einer minimalen Brandbreite
definiert.WeichendieAnlagekategorienimPortfoliovondieservorgegebe-nenBandbreiteab,
erfolgteineKorrekturdurchdenKaufundVerkaufvonAnlagen.

11

EineAnlageklassesetztsichauseinerGruppevonAnlagenmitähnlichenMerkmalen
zusammen.DieAuswahlderKlassenisteinewichtigeEntscheidung,dieeinennachhal-tigen
EinflussaufdieRenditeunddasRisikoeinesPortfoliosausübt.Sieerfolgtdurch
Anlagekategorien,dievonderAnlagepolitikzugelassensind.BevormöglicheAnlage-klassen
ausgewähltwerden,sindzunächstdieKriterienfürderenFestlegungzudefinieren:

 Anlagen innerhalb einer Anlageklasse sollten möglichst homogen sein und ähnliche
Merkmale aufweisen. Werden Aktien als eine Anlagekategorie definiert, dann sollten zum
BeispielkeineAnleihendarinenthaltensein.
 Anlageklassen sollten unabhängig voneinander sein. Übergreifende Anlagekategorien
vermindern die Effektivität, Risiken der strategischen Asset-Allokation zu kontrollie- ren,
und führen zu Problemen bei der Schätzung von Renditen. So etwa sollte man für einen
deutschen Investor die Anlageklasse „Aktien Inland“ mit „Aktien Europa ex Deutschland“
und nicht mit „Aktien Europa“ kombinieren, weil die Anlageklasse „Aktien Europa“ auch
deutscheAktienbeinhaltet.

 Anlageklassen sollten diversifizierend sein, sodass das Risiko des Portfolios reduziert wird.
Sie sollten keine hohen Korrelationen untereinander aufweisen, ansonsten sind die
Anlageklassenredundant,weilsiedieRisikoexpositionduplizieren.
 Alle gewählten Anlageklassen zusammen sollten einen großen Teil der weltweit inves-
tierbaren Vermögenswerte darstellen. Ein Portfolio, das diese Eigenschaft erfüllt, ist in
BezugaufRenditeundRisikoeffizienter.
 EineAnlageklassesollteeinenwesentlichenBestandteildesPortfoliosausmachen,ohnedie
Liquidität der Vermögenskombination zu beeinflussen. Korrekturen bei der strategischen
Asset-Allokation sollten zu keinen Preisbewegungen der Anlagekatego- rien führen und
keinehohenTransaktionskostenverursachen.

10
Vgl. Abschn. 3.2 .
11
Vgl. Abschn. 16.4.3 .
16.2 Planung 1017

Traditionelle Anlageklassen bestehen aus den folgenden Kategorien, die sich weiter auf- teilen
lassen:

 Aktien Inland: Die Aufteilung der Marktkapitalisierung der Aktien in kleine, mittlere und
große Kapitalisierung kann verwendet werden, um diese Anlageklasse in weitere
Kategorieneinzuteilen.
 AnleihenInland:DieLaufzeitderAnleihenkannbenutztwerden,umdieseAnlageka-tegorie
inmittelfristigeundinlangfristigeInlandsanleihenaufzuteilen.EinweiteresMerkmalbildet
derInflationsschutz,dereineUnterteilunginnominaleundinin-flationsgeschützteAnleihen
zulässt. Die reale Werterhaltung eines Portfolios ist eine wichtige Zielsetzung im
Portfoliomanagement.

 Aktien Ausland: Diese Anlagekategorie kann weiter in entwickelte und in aufstrebende


Aktienmärkteheruntergebrochenwerden.
 Anleihen Ausland: Eine weitere Aufteilung in entwickelte und in aufstrebende Anlei-
henmärkteistmöglich.
 Immobilien: Diese Anlageklasse wird heute oft unter den alternativen und nicht mehr unter
dentraditionellenAnlagengeführt. 12
AlternativeAnlagenbestehenausImmobi-
lien,PrivateEquity,RohstoffenundHedgefonds.SiesolltenalsseparateAnlageklassen
geführtwerden,weilsienichthomogensindunddaherunterschiedlicheMerkmaleauf-
weisen.

 Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente.

Investiertmanininternationale(ausländische)Anlagen,werdendieRenditeunddasRisi-kodes
PortfoliosdurchWährungsschwankungenbeeinflusst.WerdenimPortfolioLong-Positionenin
einerFremdwährunggehaltenundwertetsichdieFremdwährunggegenüberderInlandwährung
ab, resultiert daraus ein Verlust. Ein Gewinn und demnach ein positiver Beitrag zur
Portfoliorendite entsteht, wenn sich die Fremdwährung gegenüber der Inland- währung
aufwertet. Empirische Studien zeigen, dass das Währungsrisiko – gemessen mit der
Standardabweichung der Wechselkursveränderungen – kleiner als das Aktienmarktri- siko ist
(ungefähr halb so groß). Im Gegensatz dazu ist das Währungsrisiko oft größer als das
PreisänderungsrisikovonAnleiheninderlokalenWährung(ungefährdoppeltsogroß).

13
DesWeiterensteigeninKrisenzeitendieKorrelationenzwischendeninter-
nationalenKapitalmärkten,waszueinemhöherenPortfoliorisikoführt.Ebenfallsgiltes,
BesonderheiteninaufstrebendenMärktenwiederlimitierteStreubesitzvonAktien,
EigentumsrestriktionenbeiausländischenInvestoren,dieQualitätderUnternehmensin-
formationenunddienichtnormalverteiltenAnlagerenditen
14
zu berücksichtigen.

12
ZuBeginnder1990er-JahrezähltemanImmobilienzusammenmitAktienundAnleihenzuden
traditionellenAnlageklassen.HeutewerdenImmobilienzusammenmitHedgefonds,PrivateEquity
und Rohstoffen als alternative Anlagen bezeichnet.13
Vgl. Solnik und McLeavey 2004 : International Investments, S. 471 ff.
14
WirddasoptimalePortfoliobzw.diestrategischeAsset-AllokationmitdemMarkowitz-Modell
(Rendite-Varianz-Methode)konstruiert,unterstelltman,dassdieRenditennormalverteiltsind.Bei
Anlagen in aufstrebenden Märkten stellt dies eine unrealistische Annahme dar.
101 16 Portfoliomanagementprozess

Investor: Investor: Investor:


Netto- Risiko- Risiko-
vermögen toleranz- toleranz
und funktion
Risikoein-
stellung

Optimie- strategi- Renditen


rungsver- sche
fahren Asset-
Allokation

Kapital- Voraus- erwartete


marktver- sagever- Renditen,
hältnisse fahren Risiken
und Kor-
relationen

Abb.16.2 Die wichtigsten Schritte für die Festlegung der strategischen Asset-Allokation (Quelle:
Sharpe 1990 : Asset Allocation, S. 7-20.)

Abb. 16.2 zeigt die wichtigsten Schritte für die Festlegung der strategischen Asset-
Allokation.15 DasNettovermögenunddieRisikoeinstellungbeeinflussendieRisikotole-ranz
einesInvestors.DieRisikotoleranzbzw.derGradderRisikoaversionkanndurch
Nutzenfunktionengemessenwerden. 16
DieAnalysedesKapitalmarktsermöglichtes,In-
formationenunteranderemüberaktuelleundhistorischeAnlagepreisezugewinnen,diefürdie
SchätzungvonerwartetenRenditen,StandardabweichungenundKorrelationeneingesetzt
werdenkönnen.FürdieBestimmungderRenditen,RisikenundKorrelationenkönnen
verschiedeneVerfahren,wieetwahistorischeRenditenbeimMarkowitz-Modellodereine
RegressionsanalysebeimMarktmodell
17
, eingesetzt werden. Die Risikotoleranz
des Investors und die geschätzten Kapitalmarktparameter fließen in einem Optimierungs-
verfahren ein, mit dem das optimale Portfolio bzw. die strategische Asset-Allokation bestimmt
wird. Der Berührungspunkt zwischen der Effizienzkurve und der investoren- spezifischen
IndifferenzkurvemitdemhöchstenerreichbarenNutzenstelltdasoptimalePortfoliodar.
18
DabeispieltdieKonstruktionderEffizienzkurvemithilfederKapital-
marktdateneinewichtigeRolle.DieEffizienzkurvekannmitverschiedenenVerfahren

15
Vgl. Sharpe 1990 : Asset Allocation, S. 7-18 ff.
16
Vgl. Abschn. 3.7.3 .
17
Vgl. Abschn. 4.2 .
18
Vgl. Abschn. 3.7.4 .
16.3 Ausführung 1019

wie zum Beispiel dem Markowitz-Modell, dem Marktmodell oder dem Black/Litterman-
Modellerstelltwerden. 19
DieineinerPeriodeanfallendenRenditenausderstrategischenAsset-Allokationbe-
einflussendasNettovermögenzuBeginndernächstenPeriode.Abb.16.2visualisiertdiesen
ZusammenhangmiteinerFeedbackschleifezwischendenRenditenunddemNet-tovermögen
desInvestors.DieausdemPortfolioerzieltenRenditenspiegelndieKa-pitalmarktverhältnisse
zuBeginndernächstenPeriodewider,wasebenfallsmiteinerFeedbackschleife
gekennzeichnetist.DieSchleifeninderAbbildungzeigen,dassdieseProzessekontinuierlich
sind.DemzufolgebeeinflussendieEntscheidungenundPortfolio-ergebnisseineinerPeriode
dieEntscheidungeninderFolgeperiode.

DiemiteinemeinfachenStrichgezeichnetenRechteckeinAbb. 16.2verändernsichvon
einerPeriodezurnächsten.ImGegensatzdazubleibendiemiteinemfettgedrucktenStrich
gezeichnetenRechteckeunverändert,daessichumEntscheidungsregelnbzw.Ver-fahren
handelt.SoetwakannsichdieRisikotoleranzdesInvestorsverändern,währenddiezuderen
MessungeingesetzteRisikotoleranzfunktiongegebenist.Ebensoändernsichdie
prognostiziertenerwartetenRenditen,RisikenundKorrelationenperiodisch,wobeidas
Voraussageverfahrengleichbleibt.DieoptimalestrategischeAsset-Allokationkannsich
ebenfallsverändern,währenddaseinmalgewählteOptimierungsverfahreninderRegel
bestehenbleibt.

Der in Abb. 16.2 aufgeführte Prozess kann sowohl für die strategische als auch für
die taktische Asset-Allokation eingesetzt werden. Im Rahmen der taktischen Asset-
Allokation werden die Gewichte der Anlageklassen aufgrund kurzfristiger Kapitalmarkt-
erwartungen vorübergehend angepasst, um die Performance des Portfolios zu steigern.
Überbewertete Anlagen werden verkauft und mit den erhaltenen Geldmitteln unterbewer- te
Titel gekauft. Die taktische Asset-Allokation lässt sich von kurzfristigen Erwartungen leiten,
während sich die strategische Asset- Allokation auf langfristige Kapitalmarkter- wartungen
stützt.VeränderungendesNettovermögensoderderRisikoeinstellungdesInvestorsspielenbei
dertaktischenAsset-AllokationeineuntergeordneteRolle.

16.3 Ausführung

In der Ausführungsphase kombiniert der Manager die Anlagestrategien mit den Kapital-
markterwartungen, um die Anlagen für das Port folio auszuwählen. In einem Finanzinstitut
bereiten Analysten eine Anlageliste vor, die der Portfoliomanager für den Kauf der Wert-
papiere einsetzt. Der eigentliche Kauf erfolgt in der Handelsabteilung. Verändern sich die Lage
des Investors oder die Kapitalmarkterwartungen, findet eine Überarbeitung der
Portfoliozusammensetzung statt. Die Ausführungsphase interagiert ständig mit der Feed-
backphase.

19
Vgl. Abschn. 4.3 .
1020 16 Portfoliomanagementprozess

DieImplementierungderstrategischenAsset-Allokationistebensowichtigwiedas
AuswählenderAnlagen.HoheTransaktionskostenreduzierendiePerformance.DieHan-
delskostenbestehenausexplizitenundimplizitenKosten.ZudenexplizitenKostenzählen
KommissionenfürBroker,BörsengebührenundSteuern.ImpliziteKostenhingegenset-zen
sichausderGeld-Brief-Spanne,ausderAuswirkungeinesHandelsauftragsaufdenPreisder
Transaktion,ausdenOpportunitätskostenundausdenWartekostenzusammen.
20

16.4 Feedback

Die Feedbackphase stellt einen wichtigen Best andteil des Portfoliomanagementprozesses dar.
Sie besteht aus der Überwachung der Anlagepolitik und der Kapitalmarkterwartun- gen, der
etwaigen Umschichtung bzw. Neugewichtung des Portfolios sowie der Perfor-
manceevaluation,dienachstehendbeschriebenwerden.

16.4.1 ÜberwachungderAnlagepolitik

Die Bedürfnisse und Umstände eines Kunden verändern sich mit der Zeit. Daher muss der
Portfoliomanager die Kundenbedürfnisse erkennen und gegebenenfalls Ereignisse vor-
wegnehmen, die zu einer Bedürfnisänderung führen können. Hierzu eignen sich wieder-
kehrende Kundentreffen, an denen die Bedürfnisse, Umstände und Anlageziele abgeklärt
werden können. Werden wesentliche Änder ungen festgestellt, ist die Anlagepolitik zu
überarbeiten und das Portfolio entsprechen d anzupassen. Im Private Wealth Management
finden Überprüfungen in der Regel halbjährlich oder vierteljährlich statt. Demgegenüber
werden in der institutionellen Anlagetätigkeit die Reviews im Rahmen der jährlichen
ÜberprüfungderAsset-Allokationdurchgeführt.

Bei einer Überprüfung der Anlagepolitik we rden Änderungen in den folgenden Berei-
chen untersucht:

1. Umstände und
2. Vermögenslage
Liquiditätserfordernisse Anlagehorizont
3.
4. Steuern
5. Besondere Gegebenheiten

1. Änderungen der Umstände bei Kunden des Private Wealth Managements erfolgen durch
Ereignisse wie einen Arbeitsplatzwechsel,eine Heirat und/oder dieGeburt von Kindern, die
das Einkommen, die Ausgaben, die Risikoexposition und -präferenzen beeinflussen
können.DieVermögenslageeinesKundenisteinzentralerBestandteilder

20
Vgl. Abschn. 2.4.2.4 .
16.4 Feedback 1021

Anlagepolitik. Das Vermögen ist ein Maßstab für den erzielten finanziellen Erfolg und hat
einen Einfluss auf die zukünftige Anlageplanung. Änderungen der Vermögenslage
entstehen aus dem Spar- und Ausgabeverhalten des Kunden, der Anlageperformance und
Ereignissen wie etwaSchenkungen und Erbschaften. Gemäß der Nutzentheorie führt eine
Zunahme des Vermögens zu einer höheren Risikotoleranz und somit zu ei- ner höheren
Renditeerwartung. Allerdings sollten Portfoliomanager bei der Festlegung der
Risikotoleranz lediglich wesentliche und dauerhafte Änderungen der Vermögens- lage
einbeziehen. Vorübergehende Vermögensänderungen sollten zu keiner Änderung der
Risikotoleranzführen.

2. VeränderteLiquiditätsbedürfnissevonKundenderprivatenVermögensverwaltungge-henauf
EreignissewieArbeitsplatzverlust,Krankheit,Gerichtsurteile,Pensionierung,Scheidung,Tod
desEhegattenoderImmobilienkaufzurück.SinderheblicheGeldent-nahmenausdemPortfolio
wahrscheinlich, so sind liquide Anlagen zu halten. Darüberhinaus ist bei einer kurzfristig
anstehenden Geldausgabe in Anlagen mit einem kleinen Preisänderungsrisiko wie
beispielsweiseinGeldmarktpapierezuinvestieren.

3. Der Anlagehorizont verkürzt sich, je älter eine Person wird. Um die geplanten Ausga- ben im
Pensionsalter decken zu können, sind die Risiken im Portfolio herunterzufahren und es ist
weniger in Aktien und mehr in erstklassigen Anleihen zu investieren, die aufgrund der
Kuponzahlungen einen konstanten Ertrag gewährleisten. Auch ist das
Preisänderungsrisiko von erstklassigen Anleihen im Vergleich zu Aktien niedriger. Viele
Kunden haben mehrstufige Anlagehorizonte. So zum Beispiel befindet sich ein
Berufstätiger in einer Akkumulationsphase, die bis zum Austritt aus dem Erwerbsle- ben
dauert. In dieser Phase wird das Verm ögen durch Sparen und die Anlagetätigkeit aufgebaut.
ImRuhestandwirddasVermögenausgegebenundletztendlichvererbt.Üb-licherweisesind
Änderungen der Anlagepolitik notwendig, wenn eine Phase endet (z. B. wegen Aufgabe der
Berufstätigkeit oder dem Verkauf eines Familienunterneh- mens) und eine neue beginnt.
Auch wenn die einzelnen Phasen grundsätzlich vorher- sehbar sind, treten immer wieder
auch abrupte Änderungen auf. So etwa kann der Tod eines berufstätigen Ehegatten eine
Anpassung der Anlagepolitik auslösen. Daher muss der Portfoliomanager Änderungen des
Anla gehorizonts im Auge behalten und sich mit Lösungsvorschlägen in der Anlagepolitik
daraufvorbereiten.

4. Bei steuerbaren Investoren sind sämtliche Anlageentscheidungen auf einer


Nachsteu- erbasis zu treffen. Daher muss der Manager ein Portfolio erstellen, das die
aktuelle und zukünftige Steuersituation des Kunden berücksichtigt. Dabei spielen die
Anlage- dauer und Umschichtungen des Portfolios eine wichtige Rolle. Die
Überwachung der Steuersituation eines Kunden kann beispielsweise zu folgenden
Handlungen führen:
Das Realisieren von Gewinnen wird von einem Jahr mit einer hohen Steuerbelas- tung zu
einemJahrmiteinemniedrigenSteueraufwandverschoben.
 Der Aufwand wird in einem Jahr mit einer hohen Steuerbelastung erhöht.
 Am Jahresende werden Verluste realisiert, um damit die realisierten Gewinne des Jahres
undsomitdieSteuernzuvermindern.
1022 16 Portfoliomanagementprozess

 Für eine wohltätige Spende sind Vermögenswerte mit hohen unrealisierten Gewin-
nen zu verwenden, da Spenden in gemeinnützige Institutionen steuerlich bevorzugt
werdenkönnen.
5. VerändernsichbesondereGegebenheiten,istdieAnlagepolitikentsprechendanzupas-sen.So
etwakanneinInvestoreinegroßePositionineinerbestimmtenAktiehalten,dieeralsLohnbestandteil
ausseinerTätigkeitalsGeschäftsleitungsmitgliederhaltenhat.NachAblaufderSperrfristkannes
sinnvoll sein, die Aktienposition aufgrund des hohen Konzentrationsrisikos im Portfolio zu
verkaufenundmitdemVerkaufserlösneueAnlagenzukaufen.

ImerstenTeildesfolgendenBeispielswirdzunächsteinepassendeAnlageempfehlungfüreinen
Kunden des Private Wealth Managements dargelegt, der sich in der Akkumulati- onsphase
befindet. Der zweite Teil des Beispiels befasst sich mit demselben Kunden, der nach mehreren
Jahren in den Ruhestand getrete n ist. In dieser neuen Phase haben sich die Umstände und die
VermögenslagedesKundendrastischverändert,waseineRevisionderAnlagepolitikerfordert.

21

Beispiel
ÜberwachungderUmständeundderVermögenslageeinesKundendesPrivateWealth
Managements
Jens Müller ist 55 Jahre alt und ledig. Er arbeitet als Zahnarzt in seiner eigenen Praxis. Sein
Anlageportfolio weist einen Wert von EUR 2 Mio. auf, wobei ein Großteil aus Ak- tien mit
kleinerMarktkapitalisierungbesteht.Indenletzten5JahrenhatdasPortfolioimDurchschnitt
einejährlicheGesamtrenditevon25%verzeichnet.SeinneuerVer-mögensverwalter,Peter
Pastor,hatausdemKundentreffenmitMüllerdiefolgendenPunktefestgehalten:

 Müller erhofft sich, dass das Anlageportfolio langfristig weiterhin eine jährliche
Gesamtrenditevon25%abwirft.
 AufdieFragenachderRisikotoleranzgibtMülleran,dassdiese„durchschnittlich“sei.Er
warüberrascht,alsergehörthat,dassAktienmiteinerkleinenMarktkapita-lisierungüber
einesehrhoheVolatilitätverfügen.
 Müller wird seine Tätigkeit als Zahnarzt nicht vor einem Alter von 70 Jahren been- den.
SeingegenwärtigesEinkommenistmehrals ausreichend, umseineAusgaben zudecken.
Bei Eintritt in den Ruhestand plant er, seine Zahnarztpraxis zu verkaufen und mit dem
Verkaufserlös eine Rente zu ka ufen, mit der dieAu sgaben finanziert werden. Er hat keine
weiterenlangfristigenZielsetzungenoderBedürfnisse.

 Der Steuersatz für das Einkommen und die realisierten Kapitalgewinne beträgt 30 %.

21
Das überarbeitete Beispiel stammt aus der CFA® -Level-III-Prüfung des Jahres 2001 (Aufgaben 7
und 9).
16.4 Feedback 1023

1. Wie können die Risiko- und Renditeziele sowie die Restriktionen Liquidität und
AnlagehorizontderAnlagepolitikdefiniertwerden?

20 Jahre später trifft Müller seinen neuen Vermögensverwalter Paul Schäfer, der die
Anlagepolitikneubeurteilt.DabeihältSchäferdiefolgendenPunktefest:

 Müller ist nun 75 Jahre alt und befindet sich im Ruhestand. Seine Ausgaben steigen mit der
gleichen Rate wie die Inflation. Es wird langfristig eine jährliche Inflations- rate von
durchschnittlich3%erwartet.
 Die jährlichen Lebenshaltungskosten betragen EUR 150:000. Die jährliche Rente
aus dem Verkauf der Zahnarztpraxis beläuft sich auf EUR 20:000, während die Al-
tersrente bei EUR 15:000 liegt. Die beiden Rentenzahlungen werden jährlich mit
einem Konsumentenpreisindex angepasst.
 Infolge der schlechten Anlageperformance und der hohen Ausgaben ist das Vermö- gen
vonMülleraufEUR1,2Mio.(ohneWertdergekauftenRente)gefallen.
 Müller hat letztes Jahr sämtliche Aktien mit kleiner Marktkapitalisierung wegen der
schlechten Performance in der Vergangenheit verkauft und mit dem Verkaufserlös
AnleihendesdeutschenKapitalmarktsgekauft.
 Die internationalen Aktien in seinem Portfolio haben in den letzten Jahren per-
formancemäßig schlecht abgeschnitten. Müller hat ein ungutes Gefühl bei dieser
AnlageklasseunddenWunschgeäußert,diesezuverkaufen.
 Müller plant, in 3 Monaten EUR 50:000 einer gemeinnützigen Stiftung zu spenden.

2. WelcheAuswirkungenhabendieneuenUmständeaufdieRisikoziele,dieRendite-ziele,die
LiquiditätsbedürfnisseunddenAnlagehorizontderAnlagepolitik?
Das aktuelle Anlageportfolio von Müller kann wie folgt zusammengefasst werden:

Allokation Erwartete Rendite Standardabweichung


Cash-Äquivalente 2% 5% 3%
Anleihen 75 % 7% 8%
Inländische Aktien 10 % 10 % 16 %
Internationale Aktien 3% 12 % 22 %
Inländische Immobilien 10 % 10 % 18 %

3. Sollte aufgrund der neuen Umstände die Allokation zu den einzelnen Anlageklassen
niedriger,gleichoderhöhersein(mitBegründung)?

Lösungzu1
Risikoziele: Müller hat eine überdurchschnittliche Risikotoleranz, weil sowohl die Ri-
sikobereitschaft als auch die Risikotragfähigkeit hoch sind. Die hohe Risikobereitschaft
lässtsichmitderZusammensetzungdesaktuellenPortfoliosunddemWunschnach
1024 16 Portfoliomanagementprozess

einer hohen Rendite begründen. Die Risikotragfähigkeit ist aufgrund des hohen Port-
foliowerts von EUR 2 Mio., des reichlichen Einkommens zur Deckung der Ausgaben, des
FehlensvonLiquiditätsbedürfnissenunddeslangenZeithorizontshoch.
Renditeziele:DieRenditeerwartungvon25%proJahristzuhochundlangfristignicht
realisierbar.PastorsollteMüllerdarüberaufklären,welcheRenditelangfristigaufdem
Kapitalmarkterzieltwerdenkann.DahermussereineerreichbareZielgrö-ßefürdieRendite
definieren.DieUmständerechtfertigeneineüberdurchschnittlicheRenditezielsetzungmit
SchwerpunktKapitalzuwachs,waswiefolgtbegründetwerdenkann:

 Der Wert des Anlageportfolios ist hoch und das laufende Einkommen überschreitet die
Ausgaben.
 Die Liquiditätsbedürfnisse sind gering und der Anlagehorizont ist mit 25 bis 35 Jahren
lang.
 Müller ist nicht auf das Anlageportfolio angewiesen, um die Lebenshaltungskosten zu
begleichen.HierzugenügtdasEinkommenalsZahnarzt.

Liquidität: Die Liquiditätsbedürfnisse sind gering. Geldentnahmen aus dem Portfolio sind
nicht erforderlich, weil das Einko mmen zur Deckung der laufenden Ausgaben genügt.
Obwohl keine einmaligen Geldausgaben aufgeführt sind, ist es ratsam, eine kleine
GeldreservefürNotfällezuhalten.

Anlagehorizont:DerAnlagehorizontistlangfristigundbestehtauszweiPhasen.Dieerste
Phasedauert15JahreundendetmitderAufgabederBerufstätigkeit.Diezweiteistdurchden
Ruhestandgegebenundumfasst10bis20Jahre.

Lösungzu2
Risikoziele: Die Risikotoleranz von Müller hat infolge der Anlageverluste und des
wesentlichen Rückgangs der Vermögenslage abgenommen. Die Risikobereitschaft ist
zurückgegangen, was sich im Verkauf de r Aktienposition und im Kauf von Anleihen äußert.
DieRisikotragfähigkeitistaufgrundderniedrigerenVermögenswerteunddes imVergleich
zudenAusgabengeringenRenteneinkommensgefallen.

Renditeziele: Im Gegensatz zu seiner Situation vor 20 Jahren ist Müller auf


das Anlageportfolio angewiesen, um seine Lebenshaltungskosten decken zu kön-
nen. Das gesamte Renteneinkommen beläuft sich auf EUR 35:000, was zu unge-
deckten Lebenshaltungskosten von EUR 115:000 (D EUR 150:000  EUR 35:000)
führt, die mit dem Anlageportfolio zu finanzieren sind. Somit werden 9,58 % ( D
EUR 115:000=EUR 1:200:000) des Portfolios für die jährliche Deckung der Le-
benshaltungskosten benötigt. Zählt man die jährliche Inflationsrate von 3 % hinzu,
ergibt sich eine jährliche Renditeerwartung von 12,58 %. Wird die Spende von
EUR 50:000 berücksichtigt, resultiert eine jährliche Renditeerwartung von 13 %
(D EUR 115:000=EUR 1:150:000 C 3 %).
16.4 Feedback 1025

Liquiditätsbedürfnisse: Müller benötigt EUR 50:000 für eine Spende in 3 Monaten,


was 4,17 % (D EUR 50:000=EUR 1:200:000) des Portfoliowerts ausmacht. Außerdem
ist mit dem Portfolio der Großteil der Lebenshaltungskosten zu finanzieren, was einen
laufenden Liquiditätsbedarf zur Folge hat. Das Portfolio sollte liquide Anlagen enthal- ten,
damit bei unvorhergesehenen kurzfristigen Ausgaben und einem entsprechenden
AnlageverkaufdieTransaktionskostennichtzuhochausfallen.

Anlagehorizont:GehtmanvoneinernormalenLebenserwartungaus,istderAnla-
gehorizontmiteinerDauervonmindestens10Jahrenimmernochlang,auchwenndieseim
VergleichzurerstenAnlagepolitikvor20Jahrenkürzerist.
Fazit:DieRenditeerwartungvonjährlich13%istimVergleichzurunterdurch-
schnittlichenRisikotoleranzzuhoch.DahersolltendiejährlichenLebenshaltungskos-ten
vonEUR
150:000 gesenkt werden, indem die Lebensverhältnisse und der Lifestyle
angepasst werden. Können beispielsweise die Lebenshaltungskosten um ein Drittel auf
EUR 100:000 pro Jahr gekürzt werden, ist lediglich eine jährliche Portfoliorendite von
8,65 % (D EUR EUR 1:150:000 C 3 %)erforderlich.JehöherdieRenditeer-
65:000=
wartung im Vergleich zur erzielten Rendite ist, desto mehr Vermögenswerte müssen
aus dem Portfolio verkauft werden, wenn alle s andere gleich bleibt. Somit steigt das
Langlebigkeitsrisikobzw.dasRisiko,dassjemanddenWertseinesPortfoliosüberlebt.

Lösungzu3
Cash-Äquivalente: Die Cash-Position so llte wesentlich höher als 2 % sein, da die ge- plante
SpendevonEUR 50:000 in 3 Monaten ein Gewicht von 4,17 % des Portfolios
darstellt. Gegenüber der Lage vor 20 Jahren hat die Risikotoleranz abgenommen, wäh-
rend die Liquiditätsbedürfnisse gestiegen sind. Darüber hinaus hat sich der Anlageho- rizont
verkürzt. Daher ist ein größeres Gewicht des Portfolios in risikoärmere, liquide Anlagen zu
investieren.
Anleihen:DieAllokationinAnleihensollteniedrigerals75%sein,weilmitdie-ser
AnlageklasselediglicheineerwarteteRenditevon7%erreichtwerdenkann,diefürdie
FinanzierungzusätzlicherLiquiditätsbedürfnisseundderLebenshaltungskos-ten
einschließlichInflationnichtausreichen.

InländischeAktien:DiesePositionsolltehöherals10%sein,daMüllerhoheRen-diten
undeinenInflationsschutzbenötigt.Allerdingsistwegenderunterdurchschnitt-lichen
RisikotoleranzdieAllokationininländischenAktienlediglichmoderatzuerhö-hen.

InternationaleAktien:DieseAnlageklasseistzuverkaufen,obwohlinternationale
AktieneinehoheRenditeerwartungaufweisenundzurDiversifikationdesPortfolios
beitragen.MüllerfühltsichaufgrundseinerErfahrungenmitdieserAnlageklassenichtwohl
undderPortfoliomanagerhatdiesenKundenwunschzurespektieren.

InländischeImmobilien:DieAllokationindieserAnlageklassevon10%istauf-grund
derhohenLiquiditätsbedürfnisseundderunterdurchschnittlichenRisikotoleranzzuhoch.
InländischeAktienbesitzendiegleicheRenditeerwartungvon10%,abereinniedrigeres
RisikoundeinehöhereLiquidität.UnterdenAnlageklassenmitei-
1026 16 Portfoliomanagementprozess

ner hohen Renditeerwartung sollten demnach inländische Aktien bevorzugt werden.


Aufgrund der Diversifikation und des Inflationsschutzes ist trotzdem eine Allokation in
inländischenImmobilienzuhalten,dieallerdingskleinerals10%seinsollte.

16.4.2 ÜberwachungderKapitalmarkterwartungen

Neben der Überwachung der Anlagepolitik sind auch die Kapitalmarkterwartungen zu


überprüfen. Die Wirtschaft bewegt sich von Phasen der Expansion hin zur Kontraktion, die
durch unterschiedliche Merkmale geprägt sind. Die Finanzmärkte sind eng mit der Verfassung
der Gesamtwirtschaft und deren zukünftiger Entwicklung verbunden, wel- che die
Renditeerwartungen und Risiken der Anlageklassen und der einzelnen Anlagen wesentlich
beeinflussen. Indiesem Zusammenhang muss der Portfoliomanager Verände- rungen etwa der
erwarteten Renditen, Risiken und Korrelationen von Anlageklassen, des Marktzyklus, der
Geldpolitik,derZinsstrukturkurveundderInflationüberwachen.

DieerwartetenRenditen,StandardabweichungenundKorrelationenvonAnlageklassen
könnensichändern,sodassdiestrategischeAsset-AllokationdieAnlagezieledesKundennicht
mehrerfülltundsomitanzupassenist.DerMarktzyklusunddasBewertungsniveausind
ebenfallszubeobachten,umsichsoeineMeinungüberdiekurzfristigenRisikenund
RenditemöglichkeitenandenFinanzmärktenzuverschaffen.DabeikönnentaktischeAn-
passungenderAsset-Allokationvorgenommenwerden.DesWeiterenhatdieGeldpolitikder
NotenbankeneinenwichtigenEinflussaufdieAnleihe-undAktienmärkte.Kaufenetwadie
NotenbankenStaatspapiereaufdemMarkt,sosteigenderenPreise,währenddasZinsniveau
zurückgeht.EinniedrigeresZinsniveauführtdazu,dassAnleiheneinewenigerattraktive
AnlageklassedarstellenundsoÄnderungenderAsset-Allokationnötigwerden.

16.4.3 RebalancingdesPortfolios

Die Überwachung eines Portfolios ist ein kontinuierlicher Prozess. Dabei werden Er- eignisse
und Trends beobachtet, die einen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung von einzelnen
Anlagen und Anlageklassen und deren Eignung zur Erreichung der Anlageziele haben. Dies
kann zu Veränderungen der Anla gepolitik oder zur Substitution von einzelnen Anlagen im
Portfolioführen.DesWeiterenwerdenVeränderungenderAnlagewertebe-urteilt.Weichendie
AnlagenklassenaufgrundvonWertänderungenvonderstrategischenAsset-Allokationab,sind
entsprechendeUmschichtungenimPortfoliovorzunehmen.
22

22
EinePortfolioumschichtungkannaucherforderlichsein,wennsichdieAnlagezieleoderdie
RestriktionenderAnlagepolitikverändern.Vgl.Abschn. 16.2.1.Darüberhinauskönnenauch
VeränderungenderlangfristigenKapitalmarkterwartungenKorrekturenderstrategischenAsset-Allokation
zur Folge haben. Umschichtungen einer Anlagekombination finden auch bei der
taktischen Asset-Allokation statt. Nachfolgend werden Portfolioumschichtungen infolge der Wert-
änderungvonAnlagenbeschrieben.
16.4 Feedback 1027

BeimRebalancingeinesPortfoliosbestehteinZielkonfliktzwischenNutzenundKos-ten.
IstdiestrategischeAsset-AllokationdurcheinoptimalesPortfoliogegeben,dasdemInvestor
dengrößtenmöglichenNutzenstiftet,bedeutetjedeAbweichungvomOptimumein
Nutzenverlust.DieerforderlicheNeugewichtungzueinemfestenAnlagemixerfor-dertzum
einendenVerkaufvonAnlagenmiteinerWertsteigerungundzumanderendenKaufvon
AnlagenmiteinemWertrückgang,waseinerContrarian-Anlagestrategiegleich-kommt.Da
mitdieserStrategieLiquiditätaufdemMarktzurVerfügunggestelltwird,kanneinepositive
Renditeerwartetwerden,wasdenNutzensteigert.ZudenKostenvon
PortfolioumschichtungengehörenTransaktionskosten

23
undSteuern.DabeieinerNeu-
anpassungdesPortfoliosAnlagenmiteinerWertsteigerungverkauftwerden,entstehen
realisierteKapitalgewinne,dieentsprechendversteuertwerdenmüssen.
DiebeidenwichtigstenRebalancing-Strategiensind:

 Kalenderstrategie und
 Percentage-of-Portfolio-Strategie.

Bei der Kalenderstrategie wird das Portfolio an die in der strategischen Asset-Allokation
definierten Zielgewichte periodisch angepasst. Dabei kann das Rebalancing monatlich,
vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich erfolgen. Liegen zum Beispiel für drei Anla-
geklassen die Zielgewichte bei 40 %, 30 % und 30 %, so werden periodisch (z. B. al- le drei
Monate) die Gewichte zu den Zielvorgaben zurückversetzt. Die Vorteile dieser
Rebalancing-Strategie sind, dass sie zum einen einfach ist und zum anderen eine kontinu-
ierliche Überwachung des Portfolios nicht notwendig ist. Allerdings muss die Frequenz der
Überprüfungen mit der Volatilität der Anla geklassen im Portfolio abgestimmt sein, damit die
Gewichte des aktuellen Portfolios innerhalb einer Periode nicht allzu stark von den
Zielgewichten abweichen. Darüber hinaus ist nicht primär der Markt, sondern die vorgegebene
PeriodefürdieAnpassungderGewichterelevant.

BeiderPercentage-of-Portfolio-StrategieerfolgteineUmschichtungdesPortfolioszuden
ZielgewichtenderstrategischenAsset-Allokation,wenneineAnlageklasseaußerhalbeiner
bestimmtenBandbreitefällt.IstzumBeispieldasZielgewichteinerAnlageklas-se40%und
wirddieBandbreiteauf35%bis45%festgelegt,sofindeteineKorrekturdesGewichtsimmer
dannstatt,wenndasGewichtderAnlageklasseaußerhalbdervor-gegebenenBandbreitevon35
%bis45%zuliegenkommt.FürdieUmschichtungdesGesamtportfolioszudenZielgewichten
genügtes,wenneineAnlageklasseaußerhalbderBandbreitefällt.ImGegensatzzur
KalenderstrategiewirddieNeugewichtungderAn-lageklassennichtperiodischdurchgeführt,
sondernwenndievorgegebenenBandbreitenüber-oderunterschrittenwerden.Daher
ermöglichtdiePercentage-of-Portfolio-StrategieeinestraffereKontrollederAbweichungen
vondenZielwertenundistsomitengmitderMarktperformancederAnlageklassenverknüpft.
DamitdieStrategieeffizientumgesetztwerdenkann,isteinekurzeÜberprüfungsfrequenz
erforderlich.DiegrößtePräzisionlässtsichmiteinertäglichenÜberprüfungerreichen.

23
Für die Transaktionskosten vgl. Abschn. 2.4.2.4 .
102 16 Portfoliomanagementprozess

EinewichtigeFragebeiderAnwendungderPercentage-of-Portfolio-Strategieistder
UmfangderjeweiligenBandbreiten.HierzukanneinAd-hoc-Verfahreneingesetztwer-den,
beidemdieBandbreiteinProzentderZielgewichtefestgelegtwird.Liegtbeispiels-weisedie
Bandbreitebei
˙ 10%derZielgewichteundbetragendieZielgewichtederdrei
Anlageklassen40%,30%und30%,soergebensichBandbreitenfürdieersteAnlage-klassevon
36%bis44%undfürdiezweiteunddritteAnlageklassevonjeweils27%bis33%.Nebendem
Ad-hoc-AnsatzkönnendieBandbreitenderZielgewichtemitdenfolgendenFaktoren
bestimmtwerden:

 Transaktionskosten
 Risikotoleranz in Bezug auf Abweichungen von der strategischen Asset-Allokation
 Korrelation mit anderen Anlageklassen
 Volatilität einer Anlageklasse
 Volatilitäten von anderen Anlageklassen

Höhere Transaktionskosten implizieren eine höhere optimale Bandbreite, ansonsten ist der
Nutzen einer Umschichtung nicht mehr gegeben. Eine höhere Risikotoleranz hin- sichtlich
Abweichungen von der strategischen Asset-Allokation führt ebenfalls zu einer höheren
Bandbreite.DesWeiterenhateinehöhereKorrelationunterdenAnlageklassenaucheinehöhere
BandbreitezurFolge,dabeieinerBewegungderAnlageklassenindiegleicheRichtungkleinere
Abweichungen von den Zielgewichten zu erwarten sind. Dem- gegenüber ist der
Zusammenhang zwischen de r Volatilität einer Anlageklasse und der optimalen Bandbreite
negativ.Diesdeshalb,weildieGefahreinerstärkerenAbweichungvomZielgewichtumsohöher
ist,jegrößerdieVolatilitätist.SinddieVolatilitätenderan-derenAnlageklassengrößer,mussdie
optimale Bandbreite kleiner sein, da Abweichungen wahrscheinlicher werden. Sobald eine
Anlage klasse außerhalb ihrer Bandbreite zu liegen kommt, müssen bei der
Percentage-of-Portfolio-Strategie sämtliche Gewichte der Anla- geklassen angepasstwerden.
Tab. 16.3 zeigt die Wirkung von einzelnen Faktoren auf die optimale Bandbreite einer
Anlageklasse,wennalleanderenFaktorenunverändertbleiben.

Beispiel
Anwendung von Rebalancing-Strategien und Beurteilung der optimalen Band- breite
vonAnlageklassen 24

EinPortfoliomanagerhatbisanhindieGewichtederAnlageklassenseinesPortfoli-osmitder
Kalenderstrategie gesteuert, indem er diese zu Beginn jedes Monats den Zielgrößen der
strategischen Asset-Allokation angepasst hat. Er prüft nun den Einsatz der
Percentage-of-Portfolio-StrategiemiteinertäglichenÜberwachung undAdjustie-rung der
Gewichte entsprechend den Zielvorg aben der strategischen Asset-Allokation. Die
maximalenAbweichungeninProzentderZielgewichtebetragen
˙ 10 % für die
einzelnen Anlageklassen im Portfolio. Seit der letzten Neugewichtung vor 1 Monat

24
Das überarbeitete Beispiel stammt aus der CFA® -Level-III-Prüfung des Jahres 2010 (Aufgabe 8).
16.4 Feedback 1029

Tab.16.3 Wirkung einzelner Faktoren auf die optimale Bandbreite von Anlageklassen
Faktoren Einfluss auf die optimale Erklärung
Bandbreite
Positive Beziehung zwischen den Faktoren und der optimalen Bandbreite der Anlageklasse
Transaktionskosten Je höher die Transaktionskos- Hohe Transaktionskosten
ten sind, desto höher ist die schmälern den Nutzen einer
optimaleBandbreite Portfolioumschichtung
stärker als niedrige
Transaktionskos- ten

Risikotoleranz Eine höhere Risikotoleranz Bei einer höheren Risiko-


hat eine höhere optimale toleranz können höhere
Band- breite zur Folge Abweichungen von den Ziel-
gewichten in Kauf genommen
werden

Korrelation mit dem Rest des Je höher die Korrelation ist, Bewegen sich die Anlageklas-
Portfolios desto höher fällt die optimale sen in die gleiche Richtung,
Bandbreite aus können kleinere
Abweichun- gen von den
Zielgewichten erwartet werden

Negative Beziehung zwischen den Faktoren und der optimalen Bandbreite der Anlageklasse
VolatilitätderAnlageklasse Eine höhere Volatilität einer Bei einer höheren Volatilität
Anlageklasse führt zu einer werden Abweichungen wahr-
niedrigeren optimalen Band- scheinlicher
breite
Volatilität der anderen Anlage- Je höher die Volatilität der Abweichungen von den
klassen anderen Anlageklassen ist, Zielgewichten sind wahr-
desto kleiner ist die optimale scheinlicher
Bandbreite der Anlageklasse

liegen die folgenden angestrebten und aktuellen Gewichte für die drei Anlageklassen des
Portfoliosvor:

Anlageklassen Zielgewichte der strategi- Aktuelle Gewichte der


schen Asset-Allokation Anlageklassen
Inländische Aktien mit 30 % 27 %
großer Marktkapitalisierung
Internationale Aktien 30 % 29 %
Inländische Anleihen 40 % 46 %

1. Welche Gewichtsanpassung ist für die Anlageklasse internationale Aktien anhand der
KalenderstrategieundderPercentage-of-Portfolio-Strategieerforderlich?

Der Portfoliomanager trifft sich mit einem Investmentberater, um die Umsetzung der
Percentage-of-Portfolio-Strategiezubesprechen.Bevordieseimplementiertwerden
1030 16 Portfoliomanagementprozess

kann,sinddieoptimalenBandbreitenderdreiAnlageklassenimPortfoliozudefinie-ren.Der
InvestmentberaterhältausdemGesprächdiefolgendenPunktefest:

 Eine Zunahme der Volatilität bei internationalen Aktien hat einen Rückgang der
RisikotoleranzdesPortfoliomanagerszurFolge.
 Der Portfoliomanager macht sich bei der Umsetzung der Percentage-of-Portfolio-
Strategie Sorgen, dass infolge der höhere n Frequenz von Portfolioumschichtungen die
Steuern und Transaktionskosten steigen. Dabei sind die Transaktionskosten für
internationaleAktienhöheralsdiejenigenderanderenbeidenAnlageklassen.

 WeltweitnehmendieAktienkorrelationenzu.DieKorrelationvoninternationalenAktien
gegenüberdemRestdesPortfoliosisthöheralsdieKorrelationderinländi-schenAnleihen
gegenüberdenanderenAnlageklassen.

Der Investmentberater gelangt zu dem Schluss, dass die optimale Bandbreite der An-
lageklasseinländischeAnleihenkleineralsdiejenigederAnlageklasseinternationaleAktien
ist.

2. WelchederdreiobenaufgeführtenPunkteunterstütztdieSchlussfolgerunginBe-zugaufdie
optimaleBandbreitezwischeninländischenAnleihengegenüberinter-nationalenAktien?

Lösungzu1
Mit beiden Rebalancing-Verfahren ist die A nlageklasse internationale Aktien an das
ZielgewichtderstrategischenAsset-Allokationvon30%anzupassen.
Kalenderstrategie:BeidieserStrategieistdasgesamtePortfoliomonatlichanhandder
ZielvorgabenderstrategischenAsset-Allokationneuzugewichten.Somitistdie
AnlageklasseinternationaleAktienvon29%auf30%zuerhöhen.Ebensosinddieanderen
beidenAnlageklassenaufdieZielgewichtezurückzusetzen.

Percentage-of-Portfolio-Strategie:ObwohldasGewichtderAnlageklasseinterna-
tionaleAktienvon29%innerhalbderBandbreitevon27%bis33%liegt,istdieseaufdas
Zielgewichtvon30%zuerhöhen,weilsichdieAnlageklasseinländischeAnlei-henvon46%
außerhalbdervorgegebenenBandbreitevon36%bis44%befindet.IsteineAnlageklasse
neuzugewichten,müssenalleanderenebenfallsdenZielvorgabenangepasstwerden.

Lösungzu2
Die optimale Bandbreite der inländischen Anl eihen sollte kleiner als diejenige der in-
ternationalen Aktien sein, was anhand der G esprächsnotizen des Investmentberaters wie
folgtbegründetwerdenkann:

 Die Anlageklasse internationale Aktien weist die höchsten Transaktionskosten auf.


HoheTransaktionskostenstelleneinebesondereHürdedar,weilsiedenNutzen
16.4 Feedback 1031

einer Portfolioumschichtung stärker schmälern als niedrige Transaktionskosten. Da- her


ist die optimale Bandbreite der inländischen Anleihen im Vergleich zu interna- tionalen
Aktienniedriger.
 Die Korrelation von internationalen Aktien ist gegenüber dem Rest des Portfolios größer,
als dies bei den inländischen Anleihen der Fall ist. Eine hohe Korrelati- on bedeutet, dass
sichdie Anlageklassen in die gleiche Richtung bewegen, sodass Abweichungen von den
Zielgewichten der strategischen Asset-Allokation weniger wahrscheinlich sind und
somit die optimale Bandbreite höher ausfällt. Da inländi- sche Anleihen im Vergleich zu
internationale Aktien eine weniger starke Korrelation zum Rest des Portfolios besitzen,
fälltdieoptimaleBandbreiteentsprechendniedri-geraus.

Hinsichtlich des ersten Punkts der Gespräch snotizen kann festgehalten werden, dass ein
Rückgang der Risikotoleranz grundsätzlich zu kleineren optimalen Bandbreiten in allen
Anlageklassen führt und damit nicht spezifisch die kleinere optimale Bandbreite von
inländischenAnleihengegenüberinternationalenAktienerklärt.

BisanhinwurdebeiderPercentage-of-Portfolio-Strategieunterstellt,dassdieGewich-te
derAnlageklassenzudenZielvorgabenzurückgesetztwerden,sobalddieseaußerhalbder
vorgesehenenBandbreitefallen.EinalternativesVerfahrenbestehtdarin,dieGewichteder
AnlageklasseninnerhalbderBandbreite,abernichtgenauzumZielgewichtzurückzu-setzen.
ZumBeispielkanndieRegellauten,dassbeieinerUnter-oderÜberschreitungderBandbreite
dasGewichtsofestgelegtwird,dassesinderMittezwischenderUnter-bzw.Obergrenzeund
demZielgewichtderstrategischenAsset-Allokationzuliegenkommt.Beträgtbeispielsweise
dieBandbreite40%

˙ 4%undweistdieAnlageklasseeinGe-wicht
von34%auf,sowirdsieauf38%undnichtauf40%erhöht.DieserAnsatzführtzueinerweniger
starkenAngleichungderGewichteandieZielvorgabenderstrategischenAsset-Allokation,
aberdafürsinddieTransaktionskostenniedriger.DarüberhinausistderHandlungsspielraum
fürdietaktischeAsset-Allokationgrößer.

16.4.4 DiePerold/Sharpe-AnalysevonRebalancing-Strategien

Die Neugewichtung der Anlageklassen anha nd der Vorgaben der strategischen Asset-
Allokation stellt eine Constant-Mix-Strategie dar. Perold und Sharpe (1988) haben diese
Constant-Mix-Strategie unter anderem mit der Buy-and-Hold-Strategie und der Constant-
Proportion-Portfolio-Insurance-Strategieverglichen.
25
ImFolgendenwirdgezeigt,wiesich
dieseStrategieninBezugaufdiePerformanceundRisikotoleranzvoneinanderunter-scheiden.
FürdieseAnalysehabenPeroldundSharpeeineinfachesZwei-Anlageklassen-Portfolio
verwendet,dassichauseinerrisikobehaftetenAnlageklasse(Aktien)undeiner

25
Vgl. Perold und Sharpe 1988 : Dynamic Strategies for Asset Allocation, S. 16 ff. Die vierte im
Artikel vorgestellte Rebalancing-Strategie ist die optionsbasierte Portfolio -Insurance-Strategie.
1032 16 Portfoliomanagementprozess

risikolosen Anlage (Bills) zusammenset zt. Die Ergebnisse der Analyse können auch auf
PortfoliosmitmehrerenAnlageklassenübertragenwerden.

16.4.4.1 Buy-and-Hold-Strategien
Bei einer Kaufen-und-Halten-Strategie handelt es sich um eine passive Strategie. So etwa
werden nach dem Kauf eines Anlageportfolios (z. B. 70 % Aktien und 30 % BuBills) bei
Marktpreisänderungen und einer damit einhe rgehenden Veränderung des ursprünglichen
Anlagemixes keine Neugewichtungen der Anlageklassen vorgenommen. Diese Strategie des
Nichtstuns führt dazu, dass bei Marktpreisänderungen die prozentualeZusammenset- zungdes
PortfoliosvondenZielvorgabenderstrategischenAsset-Allokationabweicht.

DiefolgendeAnalysebeziehtsichaufeinPortfolio,dassichausdenbeidenAnla-geklassen
AktienundrisikoloseAnlagezusammensetzt.Einfachheitshalberwirddavonausgegangen,
dassdieRenditederrisikolosenAnlage0%ist. 26
ZumBeispielbesteht
einPortfolioaus70%Aktienund30%einerrisikolosenAnlage.DerWertderAnlage-
kombinationliegtbeiEUR100.FälltetwaderWertderAktienaufEUR0,ergibtsichder
PortfoliowertausderrisikolosenAnlage,dieeinenWertvonEUR30besitzt.Ineiner
Kaufen-und-Halten-StrategiestelltderWertderrisikolosenAnlageeineWertuntergrenzefür
dasPortfoliodar,sodassfolgenderZusammenhanggilt:

VP D VS C F; (16.1)

wobei:

VP D Portfoliowert,
VS D Wert der Aktien,
F D Wertuntergrenze bzw. Wert der risikolosen Anlage.

DerWertdesPortfoliossteigtundfälltlinearmitdenPreisänderungenderAktienposi-tion.Dabei
ist die Wertuntergrenze durch die risikolose Anlage gegeben, während das
WertsteigerungspotentialwegenderAktienpositionunbegrenztist.JehöherderAktien-anteilim
Portfolio ist, desto höher (niedriger) fällt der Wert des Portfolios aus, wenn die Aktienpreise
steigen(fallen).DadieRenditederrisikolosenAnlage0%ist,kannsichderWertdesPortfoliosnur
verändern, wenn sich der Aktienpreis bewegt. Daher lässt sich die Portfoliorendite wie folgt
berechnen:

rP D wS rS ; (16.2)

wobei:

rP D Portfoliorendite,
wS D Gewicht der Aktienposition im Portfolio,
rS D Aktienrendite.
26
Somit handelt es sich um eine Cash-Position, die nicht zinstragend ist.
16.4 Feedback 1033

NimmtbeispielsweisedieRenditederAktienpositionum10%zu,soerhöhtsichderAktienwert
im Portfolio von EUR 70 auf EUR 77. Demnach steigt der Wert des Portfolios von EUR 100 auf
EUR107(
D EUR 77CEUR 30).GemäßobenstehenderFormelbeläuft
sich die Portfoliorendite auf 7 % (D 0;7  10 %),waswiederumzueinemPortfoliowert
von EUR 107 (D 1;07  EUR 100) führt.
Das Sicherheitspolster des Portfolios i st durch den Wert der Aktienposition gegeben,
sodass zwischen dem Sicherheitspolster, dem Portfoliowert und der Wertuntergrenze fol-
genderZusammenhangbesteht:

Vs D S D VP  F; (16.3)

wobei:

S D Sicherheitspolster.

Erleidet man auf der Aktienposition e inen Totalverlust (Rendite von 100 %), so fällt
die Allokation zwischen den Aktien und der risikolosen Anlage von 70 %=30 % auf
0 %=100 %. Das Sicherheitspolster fällt auf EUR 0 und der Wert des Portfolios setzt sich
aus dem Wert der risikolosen Anlage von EUR 30 zusammen. Generiert die Aktienpo-
sition hingegen eine Rendite von 100 %, steigt die Allokation von 70 %=30 % auf rund
82 %=18 %. Der Wert der Aktienposition nimmt von EUR 70 auf EUR 140 zu, während
sich der Wert des Portfolios auf EUR 170 ( D EUR 140 C EUR 30) erhöht. Folglich be-
läuft sich der Aktienanteil auf rund 82 % (D EUR 140=EUR 170) und der Anteil der
risikolosen Anlage auf rund 18 % (D EUR 30=EUR 170). Eine größere (niedrigere) Akti-
enallokation widerspiegelt eine höhere (niedrigere) Risikotoleranz. Daher eignet sich eine
Kaufen-und-Halten-Strategie für einen Investor, dessen Risikotoleranz in einer positiven
BeziehungzurVermögenslagebzw.zumWertderAktienpositionsteht.
Abb. 16.3 zeigt das Payoff-Diagramm der Kaufen-und-Halten-Strategie bei einem ur-
sprünglichen Anlagemix von %=30 %zwischenAktienundderrisikolosenAnlage.70
Der Wert des Portfolios beträgt EUR 100, während der Wert des Aktienmarkts bei 100
Indexpunktenliegt.DieAktienpositionimPortfolioweisteinBetavon1auf.Fälltbei-spielsweise
derAktienmarktvon100Indexpunktenauf90Indexpunktebzw.um10%,sogehtdieRenditeder
Aktienpositionebenfallsum10%(
D 1  0;1) zurück. Die Abbildung
verdeutlicht, dass der Wert des Portfolios i n einer linearen Bezie hung zum Wert des Akti-
enmarkts steht. Die Steigung von 0,7 entspricht dem Anteil der Aktien im ursprünglichen
Anlagemix von 70 %. Nimmt derAktienmarkt um 1 Indexpunkt zu (ab), so steigt (fällt) der Wert
des Portfolios um EUR 0,7. Außerdem zeigt die Abbildung, dass der Wert des Portfolios nicht
unter den Wert der risikolosen Anlage fallen kann, der im Beispiel EUR 30 beträgt. Das
Wertsteigerungspotential hingegen ist unbeschränkt. Darüber hinaus führt eine höhere
Aktienallokation im ursprünglichen Anlagemix zu einer besseren (schlech- teren)
Portfolioperformance, wenn der Aktienmarkt steigt (fällt). Die Payoff-Diagramme von
anderenKaufen-und-Halten-Strategienunterscheidensichlediglichhinsichtlichdes
1034 16 Portfoliomanagementprozess

(Portfoliowert
in EUR)
200
180
160
140
120
Steigung 0,7
100
80
60
40
20
0
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200
(Wert Aktienmarkt in Indexpunkte)

Abb.16.3 Payoff-Diagramm der Kaufen-und-Halten-Strategie bei einem ursprünglichen Anlage- %


mix von =30 %zwischenAktienundrisikoloserAnlage70

Koordinatenabschnitts (Wert der risikolosen Anlage) und der Steigung (Aktienanteil im


ursprünglichenAnlagemix).

16.4.4.2 Constant-Mix-Strategien
Eine Constant-Mix-Strategie stellt eine dynamische Strategie dar, bei der das Portfolio infolge
von Preisänderungen den Zielvorgaben der strategischen Asset-Allokation ent- sprechend
zurückgesetztwird. 27
SoetwabestehtderAnlagemixeinesPortfoliosaus70%
AktienmiteinemBetavon1und30%einerrisikolosenAnlage.DerWertdesPortfoliosistEUR
100.GehtderAktienmarktum10%zurück,fälltdieAktienpositionvonEUR70aufEUR63.Der
WertdesPortfoliosbeläuftsichsomitaufEUR93(
D EUR 63C EUR 30)
und der neue Anlagemix ist 68 %=32 % zwischen den Aktien und der risikolosen Anlage.
U m d i e Z i e l vo r g a b e n d e r s t r a t eg i s c h e n A s s e t - A l l o k a t i o n e i n z u h a l t e n , i s t
d i e A k t i e n p os i - t i o n a u f 7 0 % d e s P o r t f o l i o w e r t s v o n E U R 9 3 b z w . a u f E U R
6 5 , 1 0 z u e r hö h e n . F o l g l i c h m ü ss e n A k t i e n i n e i n e m G e s a m t w e r t v o n E U R 2 , 1 0 (
D EUR 65;10  EUR 63) gekauft
werden. Die Finanzierung des Aktienkaufs erfolgt durch einen Teilverkauf der risikolosen
Anlage. Demnach setzt sich das Portfo lio aus einer Aktienposition von EUR 65,10 und einer
risikolosenAnlagevonEUR27,90(
D EUR 30  EUR 2;10) zusammen, was einer
Allokation von 70 %=30 % zwischen den Aktien und der risikolosen Anlage entspricht.
Die Umsetzung der Constant-Mix-Strategie erfordert bei einem Aktienpreisrückgang den
Kauf von Aktien und den gleichzeitigen Verkauf der risikolosen Anlage. Demgegenüber

27
Vgl. Abschn. 16.4.3 .
16.4 Feedback 1035

(Portfoliowert
in EUR)
200
180
160
140
120
Kaufen-und-Halten-Strategie
100
80
60
40
20 Constant-Mix-Strategie
0
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200
(Wert Aktienmarkt in Indexpunkte)

Abb.16.4 Payoff-Diagramm der Kaufen-und-Halten-Strategie und der Constant-Mix-Strategie bei %


einem ursprünglichen Anlagemix von =30 %zwischenAktienundrisikoloserAnlage(auf-und70
abwärtstendierende Aktienmärkte)

sind bei einer Aktienpreiszunahme die Aktien zu verkaufen und mit dem Verkaufserlös die
risikolose Anlage zu kaufen. Mit dieser dynamischen Strategie wird sichergestellt, dass die
ZielgewichtederstrategischenAsset-Allokationeingehaltenwerden.
Abb. 16.4 zeigt die Payoff-Diagramme der Kaufen-und-Halten-Strategie und der
Constant-Mix-Strategie bei einem Anlagemix von 70 %=30 % zwischen Aktien und einer
risikolosen Anlage. Geht der Aktienmarkt klar in eine Richtung (entweder nach oben
oder nach unten) dominiert die Kaufen-und-Halten-Strategie die Constant-Mix-Strategie.
SomitisteineBuy-and-Hold-StrategiebeiBullen-undBärenmärktenattraktiver.
IneinerConstant-Mix-StrategiewerdenbeieinemBullenmarktAktienverkauft,da-mitdie
ZielvorgabenderstrategischenAsset-Allokationeingehaltenwerdenkönnen.Setztsichder
Preisanstiegfort,werdenmehrundmehrAktienverkauft.Demgegenüberwirdbeieiner
Kaufen-und-Halten-StrategiedieAktienpositionbeibehalten,sodassvomPreisan-stiegder
Beteiligungspapiereprofitiertwerdenkann.DaherfälltdiePerformanceimVer-gleichzur
Constant-Mix-Strategiebesseraus.BeieinemBärenmarkthingegenwerdenmitder
Constant-Mix-StrategielaufendAktiengekauft,diedannbeieinerweiterenAbwärts-
bewegungdesAktienmarktsanWertverlieren.BeieinerKaufen-und-Halten-Strategiewird
dieAktienpositionnichtangepasst,sodassdiePerformancewenigerschlechtaus-fällt.

ImGegensatzzueinerKaufen-und-Halten-StrategieführteineConstant-Mix-Strategiezu
einerbesserenRendite,wennderAktienmarktkeinenklarenTrendnachobenoderun-
1036 16 Portfoliomanagementprozess

ten aufweist, sondern sich jeweils nach einer Auf- und Abwärtsbewegung zurück bewegt. Liegt
zumBeispieldieBandbreitefürAktienbei70% ˙ 5%undfälltdieAktienposition
unter65%,sowirddierisikoloseAnlageveräußertundmitdemVerkaufserlöswerdenAktien
gekauft.SteigtanschließendderAktienmarktaufdasursprünglicheNiveau,resul-tiertausden
gekauftenAktieneinGewinn.NimmthingegenderAktienmarktzuerstzu,sodassdie
Aktienpositionaufüber75%zuliegenkommt,werdenAktienverkauftunddierisikolose
Anlagegekauft.GehtdanachderWertdesAktienmarktsaufdasAnfangsniveauzurück,
realisiertmanimVergleichzumursprünglichenBewertungsniveaudesPortfoli-oseinen
Gewinn.BeiderKaufen-und-Halten-StrategiehabendiesePreisumkehrungendes
AktienmarktskeinenEinflussaufdieRendite,weilderAktienbestandnichtverändertwird.
DieserZusammenhangwirdnachfolgendanhandeinesBeispielsgezeigt.EinPort-foliomit
einemWertvonEUR100bestehtausAktienmiteinemGewichtvon70%undderrisikolosen
AnlagemiteinemprozentualenAnteilvon30%.DasBetaderAktienposi-tionimPortfolioist1.
DerAktienmarktindexwirdzueinemPreisvon100Indexpunktengehandelt.Fälltzuerstder
Aktienmarktauf80IndexpunkteundkehrtdanachaufeinenWertvon100Indexpunkten
zurück,ergibtsichfolgenderEndwertdesPortfoliosmitderConstant-Mix-Strategie:

Aktienmarkt Wert Aktien- Wert risikolo- Wert Portfolio Anteil Aktien


(in Indexpun- position (in se Anlage (in (in EUR) im Portfolio
EUR) EUR)
kte)
Anfang 100 70,00 30,00 100,00 70,0 %
Veränderung 80 56,00 30,00 86,00 65,1 %
Nach Um- 80 60,20 25,80 86,00 70,0 %
schichtung
Veränderung 100 75,25 25,80 101,05 74,4 %
Nach Um- 100 70,74 30,31 101,05 70,0 %
schichtung

Bei einem Aktienmarkt mit einer Ab- und Aufwärtsbewegung resultiert mit der
Constant-Mix-Strategie ein Wert des Portfolios von EUR 101,05, der über dem Port-
foliowert der Kaufen-und-Halten-Strategie von EUR 100 liegt. Der Gewinn der Constant-
Mix-StrategiebeträgtdemnachEUR1,05.
Abb.16.5zeigtdasPayoff-DiagrammderbeidenStrategienmiteinemumkehrenden
Aktienmarkt.FälltderAktienmarktvon100Indexpunktenauf90Indexpunkte,gehtder
PortfoliowertvonEUR100aufEUR93(
D EUR 700;9CEUR 30) zurück. In der Abbil-
dung ist dies mit der Linie zwischen den beiden Punkten A und B gekennzeichnet. Findet
einweitererRückgangdesAktienmarktsvon90auf80Indexpunktestatt,fälltderPort-foliowert
einerKaufen-und-Halten-StrategieaufEUR86( D EUR 70  0;8 C EUR 30),
sodass man entlang der Linie vom Punkt B zum Punkt C in der Abbildung gelangt. Geht
derAktienmarktanschließendauf100Indexpunktezurück,endetmanwiederumbeimPunktA.
SomitbewegtmansichmiteinerKaufen-und-Halten-StrategieentlangderLinieA-B-C.Dieser
LinienverlaufgiltfüreineConstant-Mix-Strategienicht.BeijederUm-
16.4 Feedback 1037

(Portfoliowert
in EUR)

102
E
100 A

98

96

94

92 B

90

88

86 C
D
84
78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100
(Wert Aktienmarkt in Indexpunkte)

Abb.16.5 Payoff-Diagramm der Kaufen-und-Halten-Strategie und der Constant-Mix-Strategie bei %


einem ursprünglichen Anlagemix von =30 %zwischenAktienundrisikoloserAnlage(umkeh-70
render Aktienmarkt)

schichtung wird die Anzahl an Aktien verändert, sodass daraus eine neue Steigung der Li- nie
resultiert. Nach dem Rückgang von Punkt A zu Punkt B in der Abbildung werden neue Aktien
gekauft, was eine höhere Steigung der Linie zur Folge hat. Eine weitere Abnahme des
Aktienmarkts auf 80 Indexpunkte führt zum Punkt D (Portfoliowert von EUR 85,8), der
unterhalb des Punkts C (Portfoliowert von EUR 86) der Kaufen-und-Halten-Strategie liegt.
Jedoch gelangt man mit einer nachfolgenden Aktienmarkterhöhung auf 100 Index- punkte auf
den Punkt E und somit auf einen Portfoliowert von EUR 100,82, der den Wert der
Anlagekombination der Kaufen-und-Halten-Strategie von EUR 100 übersteigt. Nach jeder
Änderung des Aktienmarkts findet mit der Constant-Mix-Strategie eine Um- schichtung des
Portfolios statt, sodass eine neue Linie im Payoff-Diagramm erzeugt wird. Welche der beiden
Strategienbesserabschneidet,hängtvondenBewegungendesAkti-enmarktsab.Beieinemsich
seitwärts bewegenden Aktienmarkt mit Schwankungen fällt die Performance einer
Constant-Mix-StrategieimVergleichzueinerKaufen-und-Halten-Strategiebesseraus.Steigt
die Anzahl und Höhe der Aktienmarktschwankungen (also eine Zunahme der
Aktienmarktvolatilität), so erhöht sich die Performance der Constant-Mix- Strategie weiter.
Demgegenüber ist die Kaufen-und-Halten-Strategie bei einem klaren Trend des Aktienmarkts
nachobenodernachuntenattraktiver.

EineConstant-Mix-StrategieistmiteinerRisikotoleranzkonsistent,diemitderVer-
mögenslagevariiert,wobeisichdieRisikotoleranzproportionalzumVermögenverändert
(konstanterelativeRisikotoleranz).NimmtetwadieVermögenslagezu,erhöhtsichder
103 16 Portfoliomanagementprozess

absolute Wert der Aktienposition (der prozen tuale Anteil der Aktienposition im Portfolio bleibt
unverändert) und somi t steigt auch die Risikotoleranz proportional zur Aktienpositi- on. Ein
Investor mit einer solchen Risikotoleranz hält unabhängig von der Vermögenslage Aktien im
Portfolio.

16.4.4.3 Constant-Proportion-Strategien
Bei einer Constant-Proportion-Strategie handelt es sich um eine dynamische Strategie. Die
angestrebte Aktienallokation ergibt sich aus der Multiplikation eines festen Multiplikators mit
derDifferenzzwischendemPortfoliowertundeinervordefiniertenWertuntergrenze:

VS;Ziel D m .VP  F/ ; (16.4)

wobei:

VS;Ziel D WertderangestrebtenAktienpositionimPortfolio,fester
m D Multiplikator,
VP D Portfoliowert,
F D Wertuntergrenze des Portfolios.

Die Aktien werden in einem konstanten Verhältnis (Constant Proportion) zu einem Sicher-
heitspolster .V  F/ gehalten. Fällt das Sicherheitspolster auf null, weist das Portfolio
P
keine Aktienposition mehr auf. Eine solche Situation ist durch eine Risikotoleranz von null
gekennzeichnet.EineKaufen-und-Halten-Strategie .VS D VP  F/ ist ein Spezial-
fall einer Constant-Proportion-Strategie mit einem Multiplikator von 1 (m D 1).Dabei
sinddieaktuelleunddieangestrebteAktienpositionimPortfoliogleichgroß.Überschrei-tetder
MultiplikatordenWertvon1(m>1),wirddieConstant-Proportion-Strategieals
Constant-Proportion-Portfolio-Insurance-Strategie(CPPI-Strategie)bezeichnet.Befindet
sichhingegenderfesteMultiplikatorzwischen0und1(0<m<1),liegteineConstant-
Mix-Strategievor.DerMultiplikatormspiegeltdasangestrebteVerhältnisvonAktienineinem
Portfoliowider.DadieWertuntergrenzenullist(F

D 0), lässt sich die angestrebte


Aktienallokation einer Constant-Mix-Strategie wie folgt berechnen:

VS;Ziel D mVP : (16.5)

Die Risikotoleranz einer CPPI-Strategie ist höher als diejenige einer Kaufen-und-Halten-
Strategie,wenndasSicherheitspolsterpositivist,weileinhöhererAnteildesSicherheits-polsters
in Aktien angelegt wird. Im Gegensatz zu einer Kaufen-und-Halten-Strategie
(Nichtstun-Strategie) handelt es sich bei der CPPI-Strategie um eine dynamische Stra- tegie, bei
der bei einer Zunahme (Abnahme) des Aktienmarkts Aktien gekauft (verkauft) werden. So zum
BeispielliegenbeieinerCPPI-StrategiederPortfoliowertbeiEUR100(V

PD EUR 100) und die Wertuntergrenze bei EUR 65 (F D EUR 65). Der feste Multipli-
kator ist 2 (m D 2). Daraus resultiert eine Zielallokation in Aktien von EUR 70:

VS;Ziel D 2  .EUR 100  EUR 65/ D EUR 70:


16.4 Feedback 1039

Die angestrebte Aktienposition von EUR 70 entspricht dem Sicherheitspolster von


EUR 35 multipliziert mit dem Multiplikator von 2. Der Anlagemix beträgt somit 70 %=30 %
zwischen Aktien und der risikolosen Anlage. Fällt nun der Aktienmarkt von 100 Index-
punkten auf 90 Indexpunkte bzw. um 10 %, so fällt die Aktienposition von EUR 70 auf EUR 63.
DerPortfoliowertvonEUR93ergibtsichausderAktienpositionvonEUR63undderrisikolosen
AnlagevonEUR30.DasSicherheitspolstergehtvonEUR35aufEUR28(
D EUR  EUR 65) zurück,waszueinerneuenZielaktienpositionvon93
EUR 56 führt:
VS;Ziel D 2  .EUR 93  EUR 65/ D EUR 56:
Um die angestrebte Aktienposition von EUR 56 zu erreichen, sind
A k t i e n i n eDi nEUR
e m W e
r t EUR
v o n E56U) R
zu7verkaufen.
( AusdemVerkaufserlöswirddierisiko-63
lose Anlage von EUR 30 auf EUR 37 aufgestockt. Das Portfolio setzt sich nun aus einer
Aktienposition von EUR 56 und einer risikolosen Anlage von EUR 37 zusammen, was einen
neuenAnlagemixvonrund
%=40 %ergibt.GehtderAktienmarktweiterzurück,60
sind mehr Aktien zu verkaufen. Steigt hingegen der Aktienmarkt, sind Aktien zu kaufen.
In einem starken Bärenmarkt wird mit einer CPPI-Strategie der Wert des Portfolios nicht
unter die vordefinierte Wertuntergrenze fallen. In einem solchen Marktumfeld wer- den
Aktien verkauft und die risikolose Anl age im Portfolio erhöht, bis die Aktienposition
vollständig aufgelöst ist. Demgegenüber werden in einem Bullenmarkt Aktien gekauft.
Das Ansteigen der Aktienpreise führt zu einem höheren Portfoliowert und somit zu einem
höheren Sicherheitspolster, sodass der Wert der angestrebten Aktienposition zunimmt. Das
Zukaufen der Beteiligungspa piere hängt von der Höhe des festen Multiplikators (m > ab.
Je höher der Multiplikator ist, desto mehr Aktien werden gekauft.

1)
Abb.16.6stelltdiedreiStrategienbeieinemAktienmarktmiteinemklarenTrendnachoben
undnachuntengegenüber.IneinemsteigendenMarktschneidetdieCPPI-Strategie
performancemäßigbesserabalsdieKaufen-und-Halten-Strategie,weilAktienineinem
steigendenMarktgekauftwerden.GegenüberderConstant-Mix-Strategiefälltdie
PerformancederCPPI-Strategienochbesseraus,dabeiderConstant-Mix-Strategieineinem
steigendenMarktumfeldAktienverkauftwerden,währendbeiderCPPI-Strategieein
Aktienkauferfolgt.IneinemBärenmarktweistdieCPPI-Strategiedieamwenigstenschlechte
Performanceauf,weilAktienverkauftwerden,währendbeiderKaufen-und-Halten-Strategie
dieAktienpositionunverändertbleibtundbeiderConstant-Mix-StrategiesogarAktiengekauft
werden,wasdenPortfoliowertweitererodiert.

Abb.16.7zeigtdasPayoff-DiagrammderdreiStrategienbeieinemfallendenbzw.
steigendenAktienmarktmiteinerUmkehrzumursprünglichenBewertungsniveau.Fälltetwa
derAktienmarktvon100Indexpunktenauf80Indexpunkte,bewegtmansichmitder
CPPI-StrategievomPunktBzumPunktC.DanacherfolgteineUmschichtungdesPortfo-lios,
beidemAktienveräußertwerdenunddierisikoloseAnlageaufgestocktwird.Steigt
anschließendderAktienmarktwiederauf100Indexpunkte,gelangtmanvomPunktCzumPunkt
D(PortfoliowertvonEUR96,5),derunterhalbdesPunktsB(PortfoliowertvonEUR100)liegt.
SomitschneidetdieCPPI-StrategiesowohlgegenüberderKaufen-und-
1040 16 Portfoliomanagementprozess

(Portfoliowert
in EUR)
200
CPPI-Strategie
180
160
140
120
100 Kaufen-und-Halten-Strategie

80
60
40
20 Constant-Mix-Strategie
0
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200
(Wert Aktienmarkt in Indexpunkte)

Abb.16.6 Payoff-DiagrammderKaufen-und-Halten-Strategie,derConstant-Mix-Strategieund%
der CPPI-Strategie bei einem ursprünglichen Anlagemix von 70 =30 % zwischen Aktien und risi-
koloser Anlage (auf- und abwärtstendierende Aktienmärkte)

(Portfoliowert
in EUR)
115 A

110 Constant-Mix-Strategie

105
B
100
E
95 D

90
CPPI-Strategie

85 C
Kaufen-und-Halten-Strategie

80
70 80 90 100 110 120
(Wert Aktienmarkt in Indexpunkte)

Abb. 16.7 Payoff-Diagramm der CPPI-Strategie, der Kaufen-und-Halten-Strategie und der


Constant-Mix-Strategie bei einem ursprünglichen Anlagemix von 70 %=30 % zwischen Aktien und
risikoloser Anlage (umkehrender Aktienmarkt)
16.4 Feedback 1041

Halten-Strategie als auch gegenüber der Constant-Mix-Strategie schlechter ab. Nimmt


hingegen der Aktienmarkt von 100 Indexpunkten auf 120 Indexpunkte zu, erreicht man den
PunktAimDiagramm.MitderCPPI-StrategiewirddieAktienpositionerhöhtunddierisikolose
Anlageabgebaut.GehtnunderAktienmarktvon120Indexpunktenauf100Indexpunktezurück,
bewegt man sich vom Punkt A zum Punkt E (Portfoliowert von EUR 97,7). Die Performance der
CPPI-Strat egie fällt wiederum schlechter aus als die Kaufen-und-Halten-Strategie und die
Constant -Mix-Strategie. Das Beispiel verdeutlicht, dass bei einem sich seitwärts bewegenden
Aktienmarkt mit Schwankungen die CPPI- Strategie von allen drei Strategien die schl echteste
Performance aufweist. Am besten schneidet die Constant-Mix-Strategie in einem solchen
Marktumfeldab.

DieCPPI-StrategieistdasGegenteilderConstant-Mix-StrategieinBezugaufdasMo-
mentumunddieLiquidität.Steigt(fällt)derAktienmarkt,werdenbeiderCPPI-StrategieAktien
gekauft(verkauft),währendbeiderConstant-Mix-StrategiedieBeteiligungspa-piereverkauft
(gekauft)werden.SomitversorgtdieConstant-Mix-StrategiedieCPPI-Strategiemitder
nötigenMarkliquidität.

16.4.4.4 VergleichderStrategien
BeieinerKaufen-und-Halten-StrategiehandeltessichumeinelineareAnlagestrategie,weildie
Portfoliorenditen durch eine lineare Funktion der Aktienrenditen gegeben sind. Der bei einer
Portfolioumschichtung erforderliche Kauf und Verkauf von Aktien bei ei- ner
Constant-Mix-Strategie und einer CPPI-Strategie führt dazu, dass der Zusammenhang
zwischen der Portfoliorendite und der Aktienrendite nicht linear ist. Bei einer Constant-
Mix-Strategie ist diese Beziehung konkav (siehe den konkaven Verlauf der Payoff-Kurve in
Abb. 16.6 ), sodass bei einer Zunahme (Abnahme) der Aktienrendite die Portfolio- rendite mit
einer rückläufigen (ansteigenden) Rate zunimmt (abnimmt). Im Gegensatz dazu ist der Verlauf
der Payoff-Kurve ei ner CPPI-Strategie konvex (siehe Abb. 16.6 ). Die Portfoliorendite steigt
(fällt) bei einer positiven (negativen) Aktienrendite mit einer an- steigenden (rückläufigen)
Rate. Konkave und konvexe Strategien stellen auf beiden Seiten einer
Kaufen-und-Halten-Strategie Spiegelungen von sich selber dar. Konvexe Strategien
verkörpern den Kauf einer Portfolioversicherung (Wertuntergrenze und unbeschränktes
Gewinnpotential), während der Verkauf der Portfolioversicherung durch die konkaven
Strategien erfolgt, welche die notwendige Marktliquidität gewährleisten. Übersteigt die
Anzahl an Marktteilnehmern mit einer konvexen Strategie diejenige mit einer konkaven
Strategie, werden die Märkte volatiler, weil eine ungenügende Anzahl an Käufern bei einem
fallenden Markt und eine zu kleine Anzahl an Verkäufern bei einem steigenden Markt vorliegt.
Dieses Marktungleichgewicht führt dazu, dass die Marktteilnehmer mit einer konkaven
Strategie eine höhere Rendite erzielen, weil sie in einem Bärenmarkt zu niedrigeren Preisen
kaufen und in einem Bullenmarkt zu höheren Preisen verkaufen kön- nen. Besteht hingegen ein
Überhang an konkaven Strategien, werden die Märkte weniger volatil bzw. stabiler. Die
Aktienpreise bewegen sich gegen ihren inneren Wert, sodass die Marktteilnehmer mit einer
konvexenStrategiedavonprofitieren.NimmtdieAnzahlan
1042 16 Portfoliomanagementprozess

Tab.16.4 Vergleich der drei Rebalancing-Strategien


Constant-Mix- Kaufen-und-Halten- CPPI-Strategie
Strategie Strategie
Aktienmarkt Portfolioperformance
Bewegung nach oben unterdurchschnittliche überdurchschnittliche überdurchschnittliche
Rendite Rendite Rendite
Seitwärtsbewegung überdurchschnittliche keinen Einfluss auf unterdurchschnittliche
mit Schwankungen Rendite Rendite Rendite
Bewegung nach unten unterdurchschnittliche überdurchschnittliche überdurchschnittliche
Rendite Rendite Rendite
Eigenschaften Auswirkungen auf Portfolio
Payoff-Kurve konkav linear konvex
Portfolioversicherung Versicherungsverkauf keine Versicherungskauf
Multiplikator 0<m1 mD1 m>1

Marktteilnehmern bei der jeweils attraktiveren Strategie zu, bewegt sich der Markt ins
Gleichgewicht.Tab.16.4stelltdiedreiRebalancing-Strategiengegenüber.
DieAnwendungderdreiRebalancing-StrategienhängtvonderRisikotoleranz,derzu
begegnendenRisikoart(z.B.WertuntergrenzeoderDownside-Risiko)unddenRen-
diteerwartungenderAnlageklassenab.MöchtezumBeispieleinInvestorunabhängigvonder
MarktentwicklungimmereineAktienpositionimPortfoliohabenundverändertsichseine
RisikotoleranzproportionalzurVermögenslage,soistfürdiesenInvestorei-ne
Constant-Mix-Strategieangemessen.VerändertsichhingegendieRisikotoleranzmehrals
proportionalbeiVeränderungenderVermögenslageundmöchtederInvestorvonsichseitwärts
bewegendenundleichtansteigendenAktienmärktenprofitieren,isteineKaufen-
und-Halten-Strategiegeeignet.BestehtetwadieZielsetzungdesInvestorsdarin,dasseine
vordefinierteWertuntergrenzedesPortfoliosnichtunterschrittenwerdenundkeinegroße
Cash-PositionimPortfoliodieRenditebeieinemMarktaufschwungschmälerndarf,isteine
CPPI-Strategiezuwählen.

Beispiel
Umschichtungen der Asset-Allokation mit der Constant-Mix-Strategie und der
CPPI-Strategie28
ElisabethWagnerundPeterSchneiderhabeneinAnlageportfoliovonihrerunver-heirateten
und kinderlosen Tante geerbt. Der Wert des Portfolios beträgt nach Steu- ern EUR 2 Mio. Die
beiden Erben erhalten je einen DAX-Indexfonds im Wert von EUR 0,6 Mio. und eine
Cash-Position von EUR 0,4 Mio. Wagner und Schneider tref- fen sich mit ihrem
VermögensverwalterPaulMüller,CFA,derdiefolgendenPunkteundSchlussfolgerungenin
BezugaufdieRebalancing-Strategienfesthält:

28
Das überarbeitete Beispiel stammt aus der CFA® -Level-III-Prüfung des Jahres 2008 (Aufgabe 9).
16.4 Feedback 1043

 Die Risikotoleranz von Elisabeth Wagner ist unterdurchschnittlich. Daher möchte


sie den aktuellen Anlagemix von 60 %=40 % zwischen dem DAX-Indexfonds und
der Cash-Position beibehalten. Der Vermögensverwalter gelangt zu dem Schluss, dass
dieConstant-Mix-StrategiefürseineKundingeeignetist.
 Peter Schneider ist ein aggressiver Investor. Jedoch möchte er nicht, dass der Wert des
Portfolios unter EUR 0,5 Mio. fällt. Der Vermögensverwalter legt fest, dass eine
CPPI-StrategiemiteinemMultiplikatorvon1,5fürseinenKundenangemessenist.

Am Ende des nächsten Quartals hat der DAX-Indexfonds um 10 % an Wert zugelegt. Die
RenditederCash-Positionbeträgtnachdenersten3Monaten0%.DerVermö-gensverwalter
bereitetdieerstevierteljährlichePortfolioumschichtungvor.

1. WelchenWertweisendiebeidenPortfoliosvonElisabethWagnerundPeterSchnei-dernach
demerstenQuartalaufundwelcheUmschichtungensindindenbeidenPortfolioserforderlich?

2 Jahre sind seit der Implementierung der Rebalancing-Strategien vergangen. Wäh- rend
dieser Zeitperiode hat sich die Rendite des DAX-Indexfonds seitwärts mit hohen
Schwankungenbewegt.WagnerundSchneidertreffensichmitdemVermögensverwal-ter,
umdieEffektivitätderRebalancing-Strategienzubesprechen.

2. Wie gut haben in diesen 2 Jahren die Constant-Mix-Strategie und die CPPI-
Strategie gegenüber einer Kaufen-und-Halten-Strategie performancemäßig ab-
geschnitten?

Lösungzu1
Der Portfoliowert von Elisabeth Wagner b eläuft sich nach dem ersten Quartal auf EUR 1,06
Mio.:

Wert der risikolosen Anlage EUR 0,40 Mio.


Wert des DAX-Indexfonds (1;1  EUR 0;6 Mio.) EUR 0,66 Mio.
Portfoliowert D EUR 1,06 Mio.

Die Allokation zwischen der Aktienposition und der risikolosen Anlage liegt
bei rund 62 %=38 %. Um den angestrebten Anlagemix von 60 %=40 % zu errei-
chen, sind Anteilsscheine des DAX-Indexfonds im Wert von EUR 0,024 Mio. ( D
EUR 0;66 Mio:  0;6  EUR 1;06 Mio: ) zu verkaufen, sodass die Aktienposition auf
EUR 0,636 Mio. fällt. Mit dem Verkaufserlös von EUR 0,024 Mio. ist die Cash-Position
von EUR 0,4 Mio. auf EUR 0,424 Mio. aufzustocken.
DerPortfoliowertvonPeterSchneiderbeträgtnachdenersten3MonatenebenfallsEUR
1,06Mio.DadieWertuntergrenzedesPortfoliosbeiEUR0,5Mio.liegtundder
1044 16 Portfoliomanagementprozess

Multiplikator 1,5 ist, lässt sich die angestrebte Aktienposition von EUR 0,84 Mio. wie folgt
berechnen:

VS;Ziel D 1;5  .EUR 1;06 Mio:  EUR 0;5 Mio:/ D EUR 0;84 Mio:

Damit die Aktienposition von EUR 0,66 Mio. auf EUR 0,84 Mio. erhöht werden kann, ist ein
Teil der Cash-Position von EUR 0,18 Mio. zu verwenden, mit der Anteilsscheine des
DAX-Indexfonds gekauft werden. Der neue Anlagemix zwischen der Aktienposi- tion und
derCash-Positionbeläuftsichaufrund
79 %=21 %.

Lösungzu2
Da sich die Rendite des DAX-Indexfonds seitwärts mit einer hohen Volatilität bewegt hat,
schneidet die Constant-Mix-Strategie sowohl gegenüber der Kaufen-und-Halten- Strategie
alsauchgegenüberderCPPI-Strategiebesserab.FälltetwaderDAX,werdenAnteilsscheine
des Indexfonds gekauft. Stei gt anschließend der Aktienindex, resultiert daraus ein Gewinn.
Demgegenüber werden bei einer Zunahme des DAX Anteilsscheine des Indexfonds
verkauft, sodass die Perform ance bei einem Rückgang des Aktienin- dex infolge der
niedrigeren Aktienposition i m Vergleich zu einer Kaufen-und-Halten- Strategie weniger
schlechtausfällt.

DieCPPI-StrategieweistineinemsolchenMarktumfeldvonallendreiStrategi-endie
schlechtestePerformanceauf,dadieAnteilsscheinedesIndexfondsbeieinem
DAX-Rückgang(einerDAX-Zunahme)zueinemniedrigeren(höheren)Preisverkauft
(gekauft)undbeieineranschließendenZunahmedesDAX(einemRückgangdesDAX)zu
einemhöheren(niedrigeren)Preisgekauft(verkauft)werden.

16.4.5 TransaktionsausführungbeiRebalancing-Strategien

Die Transaktionsausführung spielt beim Rebalancing eine wichtige Rolle. Dabei hängt die
Ausgestaltung der Transaktionsausführung von den spezifischen Anlageklassen im Portfolio,
vom Kassamarkt und dem Vorhandensein eines Derivatemarkts sowie von den steuerlichen
Auswirkungenab.UmdieAsset-AllokationeinesPortfolioszuverändern,könnenentwederdie
AnlagendesPortfoliosaufdemKassamarktgekauftundverkauftoderdieneueAsset-Allokation
kannsynthetischmiteinerDerivatepositionerzeugtwer-den.

Die Benutzung des Kassamarkts stellt den direktesten Weg dar, um die Asset-
Allokation eines Portfolios anzupassen. Der Kauf und Verkauf von Anlagen ist im
Vergleich zu äquivalenten Derivatepositionen üblicherweise teurer. Darüber hinaus dauert die
Ausführung in derRegel länger. Jedoch können in Abhängigkeit vonder Steuer- gesetzgebung
KassamarkttransaktionengegenüberDerivatensteuerlichattraktiversein.Außerdemkönnennicht
immeralleAnlageklassenimPortfoliomitDerivatensynthetischrepliziertwerden.
16.4 Feedback 1045

PortfoliomanagerverwendenvielfachDerivatewieFuturesundEquitySwaps/TotalReturn
Swaps,umdieAsset-AllokationeinesPortfoliosanzupassen.DieZielsetzungbe-stehtdarin,
möglichstnaheandiePortfolioumschichtungausdemKaufundVerkaufvonAnlagenzu
gelangen.DieVorteileeinerAusführungmitDerivatenanstattmitdemKas-samarktkönnenwie
folgtaufgeführtwerden:

 Die Transaktionskosten sind meistens niedriger.


 Die Umsetzung erfolgt schneller, weil mit Derivaten die systematischen Risikoexposi-
tionenundnichtdieeinzelnenAnlagendesPortfoliosgehandeltwerden.
 Die aktive Strategie des Portfoliomanagers wird nicht gestört, weil mit Derivaten die
Asset-Allokationsynthetischverändert wird.DieAnlagenbleibennachwievorimPortfolio
stehen.

Neben der Tatsache, dass sich die Exposition einer Anlageklasse nicht immer vollständig durch
eine Derivateposition replizieren lässt, bestehen auch in einzelnen Derivatemärk- ten
Schwierigkeiten mit der Marktliquidität. Daher erstaunt es nicht, dass in der Praxis die
AusführungderPortfolioumschichtungmiteinerKombinationausKassamarkttrans-aktionen
und Derivaten erfolgen kann. Das folgende Beispiel zeigt die Ausführung einer
PortfolioumschichtungmitFutures.
29
DabeilässtsichderAnteileinerAnlageklassemit
Long-Futureserhöhenbzw.mitShort-Futuresvermindern,wobeiderBasiswertderFu-tures
durchdieentsprechendeAnlageklassegegebenist. 30

Beispiel
Veränderung der Asset-Allokation mit Futures
EineVermögensverwaltungsgesellschaftbesitzteinPortfoliovonEUR400Mio.,dassichaus
WertpapierendesdeutschenKapitalmarktszusammensetzt.DerAnlagemixbestehtaus80%
Aktien mit einer großen Marktkapitalisierung und 20 % Anleihen. Der Aktienanteil des
Portfolios weist ei n Beta von 1,15 auf, während die Anleihenüber eine modifizierte Duration
von6,5verfügen.DieManagerderVermögensver-waltungsgesellschaftprognostizierenfür
dienächsten3MonateeinenRückgangdesAktienmarkts.DahermöchtensiedenAktienanteil
imPortfoliovon80%auf50%re-duzierenunddenAnleiheanteilvon20%auf50%ausbauen,
wobeidiemodifizierteDurationunverändertbei6,5verbleibensoll.

UmdieAsset-Allokationanzupassen,werdennichtAktienverkauftundAnleihen
gekauft,sondernDAX-FuturesundEuro-Bund-Futureseingesetzt.DerDAX-Futuremit
einerLaufzeitvon3MonatenwirdzueinemPreisvon11.000Punktengehan-deltundweist
einBetavon0,98auf.DerKontraktwertdesDAX-FuturesbestehtausEUR25pro
Indexpunkt.Der3-monatigeEuro-Bund-FuturewirdanderEurexzuei-nemPreisvon156%
geführt.DieimpliziteDurationdesFuturesbeläuftsichauf8,8.

29
Für die Veränderung der Asset-Allokation mit Equity Swaps und Total Return Swaps vgl. Ab-
schn. 14.4.2 .
30
Vgl. Dunford 1990 : Futures and Options Strategies in Portfolio Management, S. 11-25 ff.
1046 16 Portfoliomanagementprozess

DasYieldBetawirdauf1,2geschätzt.DieDurationeiner3-monatigenCash-Positionliegtbei
0,25.

1. Wie viele DAX-Futures und Euro-Bund-Futures sind erforderlich, um die Asset-


AllokationaufgrundderkurzfristigenPrognosezuverändern?
2. Nach 3 Monaten ist der Wert des Aktienanteils im Portfolio um 5 % zurückgegan- gen,
währendderWertdesAnleiheanteilsum2%gestiegenist.DerDAX-Futurewirdzueinem
Preis von 10.500 Punktengehandelt, während der Euro-Bund-Future zu einem Preis von
160 % geführt wird. Wie groß ist die Wertdifferenz zwischen der synthetischen
Asset-Allokation mit Futures und der Asset-Allokation aus dem Verkauf von Aktien und
demKaufvonAnleihen?

Lösungzu1
Der Aktienanteil des Portfolios von EUR 320 Mio. (D 0;8  EUR 400 M i o: ) ist um
EUR 120 Mio. auf EUR 200 Mio. (D 0;5  EUR 400 Mio:) zu verringern. Demgegen-
über ist die Allokation in Anleihen von EUR 80 Mio. (D 0;2  EUR 400 M i o: ) um
EUR 120 Mio. auf EUR 200 Mio. (D 0;5  EUR 400 Mio:) zu erhöhen.
Damit der Aktienanteil des Portfolios um EUR 120 Mio. reduziert werden kann, ist
eine Short-Position von 512 DAX-Futures notwendig:
   
0  1;15 EUR 120:000:000
NF D  D 512;1:
0;98 11:000  EUR 25

Eine Long-Aktienposition von EUR 120 Mio. ko mbiniert mit einer Short-Aktienindex-
Future-Position von 512 Kontrakten führt zu einer synthetischen 3-monatigen Cash-
Position mit einer Duration von 0,25. Anschließend wird diese synthetische Cash- Position
zu einer Anleiheposition mit einer modifizierten Duration von 6,5 umgewan- delt. Hierzu ist
eineLong-Positionvon656Euro-Bund-Futureserforderlich:

   
6;5  0;25 EUR 120:000:000
NF D   1;2 D 655;6:
8;8 1;56  EUR 100:000

Lösungzu2
Der Wert der synthetischen Asset-Allokation beträgt nach 3 Monaten EUR394:624:000:

Long-Aktienposition [EUR 320 Mio.  .1  0;05/] EUR 304:000:000


Long-Anleiheposition [EUR 80 Mio.  .1 C 0;02/] EUR 81:600:000
Short-Position in DAX-Futures EUR 6:400:000
[512  .10:500  11:000/  EUR 25]
Long-Position in Euro-Bund-Futures EUR 2:624:000
[656  .EUR 160:000  EUR 156:000/]
Wert des Portfolios D EUR 394:624:000
16.4 Feedback 1047

DerWertdesPortfolios,dessenAsset-AllokationmitdemVerkaufvonAktienunddem
KaufvonAnleihenvonjeEUR120Mio.angepasstwurde,beträgtnach3MonatenEUR394
Mio.:

Long-Aktienposition [EUR 200 Mio.  .1  0;05/] EUR 190:000:000


Long-Anleiheposition [EUR 200 Mio.  .1 C 0;02/] EUR 204:000:000
Wert des Portfolios D EUR 394:000:000

Die Wertdifferenz zwischen den zwei Ausführungsstrategien liegt bei EUR 624:000,
die relativ betrachtet, lediglich 0,16 % (D EUR 624:000=EUR 394:000:000) ausmacht.
Die Unterschiede gehen unter anderem auf das Runden der Futures-Kontrakte und auf die
Abweichung zwischen den tatsächlichen Preisbewegungen der Aktien und Anlei- hen und
deren vorhergesehene Preisände rungen mit dem Beta und der modifizierten Duration
zurück.

16.4.6 Performanceevaluation

DasPortfolioergebnismussperiodischevaluiertwerden,sodassdasErreichenderAn-lageziele
und die Fähigkeiten des Portfoliomanagers eingeschätzt werden können. Die Fähigkeiten des
Managers werden durch die Messung und Attribution der Performance sowie durch einen
Leistungsnachweis beurteilt. Bei der Performancemessung wird die Rendite des Portfolios
bestimmt. Dabei können risikoadjustierte Renditegrößen wie etwa die Sharpe Ratio und die
Information Ratio eingesetzt werden. Die Sharpe Ratio setzt die über dem risikolosen Zinssatz
liegendePortfoliorenditeinsVerhältniszumgesamtenPort-foliorisiko(Standardabweichung)
und misst den risikobehafteten Teil der Portfoliorendite für eine zusätzliche Einheit des
Gesamtrisikos:

rP  rF
SR D ; (16.6)
¢P

wobei:

SR D Sharpe Ratio,
rP D Rendite des Portfolios,
rF D risikoloser Zinssatz,
¢P D Standardabweichung der Portfoliorenditen.

Die risikoadjustierte Rendite einer aktiven Strategie lässt sich durch die Information Ratio
berechnen, die durch den Quotienten zwischen der aktiven Rendite und dem aktiven Risi- ko
gegeben ist. Die aktive Rendite besteht aus der Differenz zwischen den Renditen des Portfolios
undderBenchmark,diedurchdieStandardabweichungderaktivenRenditendividiertwird.Die
InformationRatiomisstdieÜberschussrenditedesManagersfüreine
104 16 Portfoliomanagementprozess

zusätzliche Einheit der Risikoabweichung zwischen dem Portfolio und der Benchmark des
gleichenAnlagestils:
rP  rB rA
IR D D ; (16.7)
¢A ¢A
wobei:

IR D Information Ratio,
rP D Rendite des Portfolios,
rB D Rendite der Benchmark,
rA D aktive Rendite .rP  rB / ;
¢A D Standardabweichung der aktiven Renditen.

Beispiel
Sharpe Ratio und Information Ratio
Ein Portfoliomanager untersucht für seinen Kunden vier Anlagefonds mit einer aktiven
AnlagestrategiefürdeutscheAktienmitgroßerMarktkapitalisierung.DieBenchmarkistder
DAX, der eine Rendite von 6 % und eine Volatilität von 20 % (gemessen mit der
Standardabweichung) aufweist. Für die vier Anlagefonds hat der Portfoliomanager die
folgendenDatenzusammengestellt:

Anlagefonds Rendite Volatilität Aktives Risiko Information Ratio


A 8,2 % 25 % 0,9
B 30 % 2,8 % 1,2
C 21 % 2,4 % 1,1
D 9,8 % 24 % 2,0 %

Der Portfoliomanager möchte den Fonds mit der höchsten Information Ratio aus-
wählen, der die folgenden Renditeziel e aus der Anlagepolitik des Kunden erfüllt:

 DieaktiveRenditemussmindestens2,5%betragen.Die
 SharpeRatiomussmindestens0,3sein.

Der risikolose Zinssatz liegt bei 2 %. Welcher Anlagefonds weist die höchste Informa- tion
RatioaufunderfülltdieangegebenenAnlagerichtlinien?

Lösung

Anlagefonds A:
rA D 8;2 %  6 % D 2;2 %
0;082  0;02
SR D D 0;248
0;25
16.4 Feedback 1049

Der Anlagefonds A genügt den Anlagerichtlin ien nicht, die mindestens eine aktive Rendite
von2,5%undeineSharpeRatiovon0,3vorschreiben.

Anlagefonds B:
rA D 1;2  2;8 % D 3;36 %
3;36 % D rP  6 %!rP D 9;36 %
0;0936  0;02
SR D D 0;245
0;30

Die Sharpe Ratio von 0,245 ist im Vergleich zu r geforderten risikoadjustierten Rendite von
0,3zuniedrig.

Anlagefonds C:
rA D 1;1  2;4 % D 2;64 %
2;64 % D rP  6 %!rP D 8;64 %
0;0864  0;02
SR D D 0;316
0;21

Der Anlagefonds C erfüllt die Anlagerichtlinien und besitzt eine Information Ratio von 1,1.

Anlagefonds D:
0;098  0;02
SR D D 0;325
0;24
rA D 9;8 %  6 % D 3;8 %
0;038
IR D D 1;9
0;02

Der Anlagefonds D hält die Renditeziele d er Anlagepolitik ein und verfügt über die höchste
InformationRatiovon1,9.DerPortfoliomanagerwirddiesenFondsauswäh-len.

DieAttributionderPerformanceermöglichtes,dieHerkunftderRenditezubestim-men.Bei
derLeistungsbeurteilungdesaktivenManagerswirddieRenditedesPortfoliosmitderjenigen
derBenchmarkdesgleichenAnlagestilsverglichen.LiegtbeieineraktivenAnlagestrategieeine
ÜberschussrenditedesPortfoliosimVergleichzurBenchmarkvor,hatderPortfoliomanager
einenMehrwerterwirtschaftet.InderPraxisdesPortfolioma-nagementswirddieRenditezur
BeurteilungderPerformanceoftindreiKomponentenzerlegt:1)strategischeAsset-Allokation,
2)MarketTiming(taktischegegenstrategi-scheAsset-Allokation)und3)Titelauswahl
(FähigkeitendesManagers,einzelneTitelinnerhalbderAnlageklasseauszuwählen).
1050 16 Portfoliomanagementprozess

16.5 Performance-AttributioneinesaktivenPortfolios

Wird die Rendite eines Portfolios mit derjenigen der Benchmark verglichen, lässt sich der
MehrwertdesManagersbzw.dieaktiveRenditewiefolgtberechnen:

rA D rP  rB ; (16.8)

wobei:

rA D aktive Rendite,
rP D Portfoliorendite,
rB D Benchmarkrendite.

DadiePortfoliorenditeausderSummedergewichtetenRenditendereinzelnenAnlagenbesteht,
kanndieFormelfürdieBestimmungderaktivenRenditefolgendermaßenge-schriebenwerden:

N N
rA D Xi wPi ri  Xi wBi ri ; (16.9)
D1 D1

wobei:

wPi D Gewicht der Anlage i im Portfolio,


wBi D Gewicht der Anlage i im Benchmarkportfolio,
ri D Rendite der Anlage i,
N D Anzahl Anlagen im Portfolio bzw. im Benchmarkportfolio.

DerMehrwertdesPortfoliomanagersentsprichtderSummeausderDifferenzderGe-wichteder
einzelnenAnlagenzwischendemPortfolioundderBenchmarkmultipliziertmitderRenditeder
Anlage:

N
rA D Xi Œ.wPi  wBi / ri  : (16.10)
D1

Wird die Gleichung umgeformt, erhält man folgenden Ausdruck für die aktive Rendite:31
N
rA D Xi Œ.wPi  wBi / .ri  rB /: (16.11)
D1

Diese Formel zeigt die einfachste Gleichung für die Performance-Attribution. Der
Mehrwert des Portfoliomanagers ist auf zwei Renditebestandteile zurückzuführen:

31
Die Summe der Gewichte entsprichtP 1, sodass die Differenz zwischen der Summe der Gewichte
im Portfolio und der Benchmark 0 ist: N iD1 .wPi PwBi / D 0. Wird die Differenz
PN der Gewichte mit
der Benchmarkrendite multipliziert, erhält man 0: N i D1 .wPi  w /
Bi Br D r B iD1 .wPi  wBi / D 0.
16.5 Performance-AttributioneinesaktivenPortfolios 1051

Tab.16.5 Aktive Rendite: unterschiedliche Gewichte und Renditen zwischen Portfolio und Bench-
mark
wPi  wBi ri  rB Aktive Rendite
positiv positiv positiv
negativ positiv negativ
positiv negativ negativ
negativ negativ positiv

1) unterschiedliche Gewichte der einzelnen Anlagen im Portfolio und der Bench-


mark und 2) Renditen der einzelnen Anlagen im Vergleich zur Gesamtrendite der
Benchmark. Tab. 16.5 gibt den Zusammenhang der unterschiedlichen Gewichte und
Renditen zwischen dem Portfolio und der Benchmark wieder. Ein Portfoliomanager erzielt
einenMehrwert,wennerAnlagenmiteinerüberdurchschnittlichen(unterdurch-schnittlichen)
PerformanceimVergleichzurBenchmarkübergewichtet(untergewich-tet).

Eine detailliertere und aufschlussreichere Pe rformance-Attribution zerlegt die aktive


Portfoliorendite in drei Komponenten: 1) reine Sektorallokation32 , 2) Titelauswahl inner-
halb des Sektors und 3) Sektorallokation/Titelauswahl-Interaktion.

X
N
rA D .wPi  wBi / .rBi  rB /
iD1

(aktive Rendite) (reine Sektorallokation)


X
N
C wBi .rPi  rBi /
iD1
(16.12)
(Titelauswahl innerhalb des Sektors)
X
N
C .wPi  wBi / .rPi  rBi /
iD1

(Sektorallokation/Titelauswahl-Interaktion)

Die Formel stellt die „reine Sektorallokation“ als Differenz zwischen den Sektoralloka- tionen
(Gewichten) des Portfolios und der B enchmark dar. Die „reine Sektorallokation“ unterstellt,
dass der Manager im Portfolio di e gleichen Anlagen mit denselben Proportio- nen innerhalb
eines Sektors wie die Benchmark hält. Die relative Performance erklärt sich aus den
EntscheidungendesManagershinsichtlichderunterschiedlichenSektorgewichte.

32
DerSPI(SwissPerformanceIndex)wirdbeispielsweiseinfolgendeSektorenbzw.Branchenauf-geteilt
(Branchengewichteper31.Dezember2016):Gesundheit(33,6%),Konsumgüter(24,5%),
Finanzen (19,4 %), Industrie (14,0 %), Grundstoffe (5,0 %), Dienstleistungen (1,0 %), Telekommu-
nikation(1,1%),Technologie(1,2%)undVersorgung(0,1%).
1052 16 Portfoliomanagementprozess

Die„TitelauswahlinnerhalbdesSektors“berechnetsichalsdieSummedermitder
BenchmarkgewichtetenRenditedifferenzenzwischendenRenditendesPortfoliosundder
BenchmarkfürdieeinzelnenSektoren.DerManagergewichtetjedenSektorimPortfoliogleich
wiedieBenchmark.AllerdingshälterinnerhalbdesSektorsunterschiedlicheAn-lagegewichte.
FolglichgehtdierelativePerformanceaufdieTitelauswahldesManagerszurück.

Die„Sektorallokation/Titelauswahl-Interaktion“ermitteltdiegemeinsameWirkungder
SektorallokationundderTitelauswahlaufdierelativePerformance.SieentsprichtderSumme
ausdemProduktderGewichtsdifferenzenmitdenRenditedifferenzenfürdieeinzelnen
SektorenzwischendemPortfolioundderBenchmark.EntscheidetderMa-nager,die
AllokationineinerbestimmtenAnlagezuerhöhen,steigtauchdasGewichtdesSektors
innerhalbdesPortfolios,fallskeineandereAnlageimSektorreduziertwird.Demzufolgesteuert
dieTitelauswahldieSektorgewichte.DieserZusammenhanghatzurFolge,dassinderPraxisder
Performance-Attributiondie„Sektorallokation/Titelauswahl-Interaktion“oftindie
„TitelauswahlinnerhalbdesSektors“integriertwird.

Beispiel
Performance-Attribution
EinPortfoliomanagerinvestiertinkleineundmittelgroßeUnternehmen,derenAktieninder
Schweiz primärnotiert sind. Die Benchmark der aktiven Anlagestrategie bildet der SPI
EXTRA ®
, der alle SPI-Titel mit Ausnahme der Schweizer SMI-Aktien (Blue ®
Chips) enthält. Es liegen die folgenden Performancedaten für die SPI EXTRA Bench-
mark und das aktive Portfolio vor:

Sektoren Gewicht des SPI Sektorrendite des Gewicht des Sektorrendite des
EXTRA SPI EXTRA Portfolios Portfolios
Industrie 33,0 % 5% 20,2 % 6%
Finanzen 29,5 % 5 % 39,4 % 8%
Konsumgüter & 19,3 % 8% 29,4 % 10 %
Dienstleistungen
Anderea 18,2 % 12 % 11,0 % 8%
Total 100,0 % 100,0 %
a
Die anderen Sektoren des SPI EXTRA® bestehen zum 31. Dezember 2011 aus Gesund-
heit (9,8 %), Technologie (3,8 %), Grundstoffe (3,7 %), Versorgung (0,8 %) sowie Öl und Gas
(0,1 %).

1. Wie hoch ist die aktive Rendite des Portfolios?


2. AuswelchenBestandteilender„reinenSektorallokation“,der„Titelauswahlinner-halb
des Sektors“ und der „Sektorallokation/Titelauswahl-Interaktion“ setzt sich die aktive
RenditedesPortfolioszusammen?
16.5 Performance-AttributioneinesaktivenPortfolios 1053

Lösungzu1

aktive Rendite D Portfoliorendite  Benchmarkrendite


Portfoliorendite D 0;202  6 % C 0;394  8 % C 0;294  10 % C 0;11  8 %
D 8;184 %
Benchmarkrendite D 0;33  5 % C 0;295  .5 %/ C 0;193  8 % C 0;182  12 %
D 3;903 %
aktive Rendite D 8;184 %  3;903 % D 4;281 %

Lösungzu2

reine Sektorallokation D .0;202  0;33/  .0;05  0;03903/


C .0;394  0;295/  .0;05  0;03903/
C .0;294  0;193/  .0;08  0;03903/
C .0;11  0;182/  .0;12  0;03903/ D 0;0119
Titelauswahl innerhalb des Sektors D 0;33  .0;06  0;05/ C 0;295  Œ0;08  .0;05/
C 0;193  .0;10  0;08/
C 0;182  .0;08  0;12/ D 0;03823
Sektorallokation/Titelauswahl-Interaktion D .0;202  0;33/  .0;06  0;05/
C .0;394  0;295/  Œ0;08  .0;05/
C .0;294  0;193/  .0;10  0;08/
C .0;11  0;182/  .0;08  0;12/
D 0;01649

Die Performance-Attribution kann wie folgt dargestellt werden:

Renditen:
Benchmark 3,903 %
Reine Sektorallokation 1;191 %
Titelauswahl innerhalb des Sektors 3,823 %
Sektorallokation/Titelauswahl-Interaktion 1,649 %
Aktive Portfoliorendite 4,281 %
Portfolio 8,148 %

DieAbweichungenderSektorgewichtedesPortfoliosvonderBenchmarktragenzu
einemnegativenRenditebeitragvon1,191%bei.DieaktivePortfoliorenditevon4,281%
lässtsichgrundsätzlichmitdenFähigkeitendesPortfoliomanagerszurTitel-auswahlvon
3,823%erklären.
1054 16 Portfoliomanagementprozess

16.6 Zusammenfassung

 Der Portfoliomanagementprozess besteht aus den drei Phasen der Planung, der Aus-
führung und des Feedbacks. Er stellt eine systematische Vorgehensweise dar, um ein
Portfolio zusammenzustellen, das den Kundenbedürfnissen entspricht. In der Planungs-
phase werden die Kapitalmärkte und die Bedürfnisse des Investors analysiert, die lang-
fristige Anlagepolitik definiert und die strategische Asset-Allokation festgelegt. In der
Ausführungsphase werden das Portfolio erst ellt und die von der Anlagepolitik gefor- derten
Anlagen gekauft. Das Feedback umfasst die Überwachung, Umschichtung und Evaluation
des Portfolios. Es gewährleistet, dass die von der Anlagepolitik geforderten Ziele erreicht
werden.

 Der Bericht der langfristigen Anlagepolitik bildet das Kernstück des Portfoliomanage-
mentprozesses. In diesem Dokument werden die Risikotoleranz und die Renditeziele des
Investors sowie die vorliegenden Restriktionen wie Investitionszeitraum, Liquidi-
tätsbedürfnisse, steuerliche Situation, r echtliche Vorschriften und besondere Gegeben-
heiten festgehalten. Die Anlagepolitik und di e langfristigen Kapitalmarkterwartungen
bilden den Ausgangspunkt für die Bestimmung der strategischen Asset-Allokation, welche
die langfristig angestrebte Portfo lioexposition hinsichtlich der systematischen Risiken
wiedergibt.

 Für die Beurteilung der Risikotoleranz werden die Risikotragfähigkeit und die Risiko-
bereitschaftuntersucht.BestehteineDiskrepanzzwischenTragfähigkeitundBereit-schaft,
mussderInvestorbezüglichderRisikenundChancenaufgeklärtwerden.
 DerPortfoliomanagermusshoheRenditewünschemitderRisikotragfähigkeitdesKun-den
und mit den erwarteten Kapitalmarktdaten abstimmen. Im Gegensatz zu einer gewünschten
Rendite, die bei einer Diskrepanz mitdem Risikoziel vermindert wer- den kann, stellen hohe
erforderlicheRenditeneinKonfliktpotentialzwischenRendite-undRisikozielsetzungenin
derAnlagepolitikdar.

 Die Feedbackphase besteht aus der Überw achung der Anlagepolitik und der Kapital-
markterwartungen, deretwaigen Umschichtung bzw. Neugewichtung des Portfolios sowie
derPerformanceevaluation.
 NachdemdieAnlagezieleRenditeundRisikodefiniertwurden,giltes,dieRestriktio-nender
Anlagepolitik festzuhalten. Dabei ist der Liquiditätsbedarf derart festzulegen, dass neben
den geplanten auch ungeplante Ausgaben gedeckt werden können. Der An- lagehorizont
kann kurz- bis langfristig sein und aus mehreren Stufen bestehen. Eine weitere Restriktion
stellen Steuern dar. Daher muss das Portfolio mit der steuerlichen Situation des Investors
abgestimmt sein. Rechtliche und regulatorische Restriktionen spielen vor allem bei
institutionellenAnlegernwieetwaPensionskasseneinewichtigeRolle.

 Die letzte Phase des Planungsprozesses beinhaltet die Bestimmung der strategischen
Asset-Allokation, welche die v om Investor angestrebte langfristige Portfolioexposition
gegenüberdensystematischenRisikendarstellt.DielangfristigenKapitalmarkterwar-
16.6 Zusammenfassung 1055

tungen werden mit der Anlagepolitik kombin iert, um die Zielgewichte der einzelnen
AnlageklasseninnerhalbdesPortfoliosfestzulegen.
 Eine Anlageklasse setzt sich aus einer Gruppe von Anlagen mit ähnlichen Merkmalen
zusammen.DieAuswahlderKlassenisteinewichtigeEntscheidung,dieeinennach-haltigen
EinflussaufdieRenditeunddasRisikoeinesPortfoliosausübt.
 Bei der Überwachung der Anlagepolitik si nd Änderungen der Umstände und der Ver-
mögenslage, der Liquiditätserfordernisse, des Anlagehorizonts, der Steuern und der
besonderen Gegebenheitenzu untersuchen. Werden wesentliche Änderungen festge-stellt,
istdieAnlagepolitikzuüberarbeitenunddasPortfolioentsprechendanzupassen.

 Neben der Überwachung der Anlagepolitik sind auch die langfristigen Kapitalmarkter-
wartungen zu überprüfen. Dabei muss der Po rtfoliomanager Veränderungen etwa der
erwarteten Renditen, Risiken und Korrelationen von Anlageklassen, des Marktzyklus, der
Geldpolitik,derZinsstrukturkurveundderInflationüberwachen.

 Portfolioumschichtungen erfolgen aufgrund von veränderten Anlagezielen oder Re-


striktionenderAnlagepolitik,ÄnderungenderKapitalmarkterwartungen,Abweichun-gen
der Anlageklassen von der strategischen Asset-Allokation sowie der taktischen
Asset-Allokation.

 Die Anpassung der Anlageklassen an die Zielvorgaben der strategischen Asset-


Allokation stiftet dem Investor nicht nur einen Nutzen, sondern verursacht auch Kosten.
Eine Abweichung vom optimalen Portfolio stellt für den Investor einen Nutzenverlust dar,
was mit einem Rebalancing aufgefa ngen werden kann. Dabei fallen Kosten wie etwa
TransaktionskostenundSteuernan.
 Bei Abweichungen der Anlageklassen von der strategischen Asset-Allokation erfolgt das
Rebalancing entweder mit der Kalenderstr ategie oder der Percentage-of-Portfolio-
Strategie. Bei der Kalenderstrategie findet die Umschichtung des Portfolios entspre- chend
den Zielvorgaben der strategischen A sset-Allokation periodisch statt. Der Nach- teil dieser
einfachenRebalancing-Strategieist,dasskeineBeziehungzurMarktper-formancebesteht.
Demgegenüber wird mit der Percentage-of-Portfolio-Strategie eine Anlageklasse
angepasst, wenn dieseauseinerbestimmten Bandbreite fällt.Somitfin-detim Gegensatz zur
Kalenderstrategie eine engere Überwachung der Abweichungen von der strategischen
Asset-Allokationstatt,diezudemauchmarktbezogenist.

 Für die Festlegung der optimalen Bandbreiten bei der Percentage-of-Portfolio-Strategie


werden Faktoren wie Transaktionskosten, Risikotoleranz, Korrelation mit anderen An-
lageklassen, Volatilität einer Anlageklasse und Volatilität der anderen Anlageklassen
berücksichtigt. Bei den ersten drei Faktoren besteht eine positive Beziehung zur opti- malen
Bandbreite einer Anlageklasse, während die letzten zwei Faktoren ein negatives Verhältnis
zuroptimalenBandbreiteaufweisen.

 Die Neugewichtung der Anlageklassen gemäß den Vorgaben der strategischen Asset-
Allokation stellt eine Constant-Mix-Strategie dar. Perold und Sharpe (1988) haben die- se
unter anderem mit der Kaufen-und-Halten- Strategie und der Constant-Proportion-
Portfolio-Insurance-Strategieverglichen.
1056 16 Portfoliomanagementprozess

 Bei einer Kaufen-und-Halten-Strategie handelt es sich um eine passive Strategie.


Diese Strategie des Nichtstuns führt dazu, dass bei Marktpreisänderungen die pro-
zentuale Zusammensetzung des Portfolios von den Zielvorgaben der strategischen
Asset-Allokation abweicht. Demgegenüber stellt eine Constant-Mix-Strategieeine
dynamischeStrategiedar,beidernachPreisänderungendasPortfoliojeweilsent-sprechend
denZielvorgabenderstrategischenAsset-Allokationzurückgesetztwird.einer
Bei Constant-Proportion-Strategie werden die Aktien in einem konstanten
Verhältnis (Constant Proportion) zu einem Sicherheitspolster gehalten, das aus der
DifferenzzwischendemPortfoliowertundeinervordefiniertenWertuntergrenzebe-steht.Ist
beidieserdynamischenStrategiederfesteMultiplikatorgrößerals1(m>
1), liegt eine Constant-Proportion-Portfolio-Insurance-Strategie (CPPI-Strategie)
vor.
 Eine Kaufen-und-Halten-Strategie stellt einen Spezialfall einer Constant-Proportion-
StrategiemiteinemfestenMultiplikatorvon1(m D 1) dar. Bei einer Constant-Mix-
Strategie hingegen liegt der feste Multiplikator zwischen 0 und 1 (0 < m < 1). Dabei
gibt der Multiplikator das angestrebte Verhältnis von Aktien in einem Portfolio wie-
der.
 In klar steigenden oder fallenden Aktienmärkten schneidet die CPPI-Strategie im
Vergleich zu einer Kaufen-und-Halten-Strategie und einer Constant-Mix-Strategie
performancemäßig besser ab. Im Gegensatz dazu fällt die Performance einer Constant-
Mix-Strategie gegenüber einer Kaufen-und-Halten-Strategie und einer CPPI-Strategie
besser aus, wenn sich der Aktienmarkt seitwärts mit hohen Schwankungen be-
wegt.
 Bei einer Kaufen-und-Halten-Strategie ist die Beziehung zwischen dem Portfoliowert
und dem Aktienmarkt bzw. die Payoff-Linie linear. Bei einer Constant-Mix-Strategie ist die
Payoff-Kurve konkav, während eine CPPI-Strategie einen konvexen Verlauf der
Payoff-Kurveaufweist.
 Die Transaktionsausführung spielt beim Rebalancing eine wichtige Rolle. Dabei hängt die
Ausgestaltung der Transaktionsausführung von den spezifischen Anlageklassen im
Portfolio,vomKassamarktunddemVorhandenseineinesDerivatemarktssowieden
von steuerlichen Auswirkungen ab. Um die Asset-Allokation eines Portfoli-
os zu verändern, können entweder die Anlagen des Portfolios auf dem Kassamarkt
gekauft und verkauft oder die neue Asset-Allokation kann synthetisch mit einer
Derivateposition erzeugt werden. Eine Veränderung der Asset-Allokation mit Deri-
vaten erfolgt entweder mit einem Equity Swap/Total Return Swap oder mit Futures-
Kontrakten.
 Das Portfolioergebnis muss periodisch evaluiert werden, sodass das Erreichen der
Anlageziele und die Fähigkeiten des Portfoliomanagers eingeschätzt werden kön- nen. Die
Fähigkeiten des Managers werden durch die Messung und Attribution der Performance
sowie durch einen Leistungs nachweis beurteilt. Bei der Performance- messung wird die
Rendite des Portfolios bestimmt. Dabei können risikoadjustierte Renditegrößen wie die
SharpeRatiounddieInformationRatioeingesetztwerden.
16.7 Aufgaben 1057

Demgegenüber wird mit der Attribution der Performance die Herkunft der Rendi- te
bestimmt. Bei der Leistungsbeurteilung eines aktiven Managers wird die Rendite des
PortfoliosmitderjenigenderBenchmarkdesgleichenAnlagestilsverglichen.Liegtbei
einer aktiven Anlagestrategie eine Überschussrendite des Portfoliosim
VergleichzurBenchmarkvor,hatderPortfoliomanagereinenMehrwerterwirtschaf-tet.In
derPraxisdesPortfoliomanagementswirdzurBeurteilungderPerformancedieRenditeoftin
dreiKomponentenzerlegt:1)strategischeAsset-Allokation,2)MarketTiming(taktische
gegenstrategischeAsset-Allokation)und3)Titelauswahl(Fähigkeiten

des Managers, einzelne Titel innerhalb der Anlageklasse auszuwäh-


len).

16.7 Aufgaben

Aufgabe1
Ein Anlageberater trägt für einen neuen Kunden die folgenden Daten zusammen:

 Alter: 40 Jahre.
 Familie: verheiratet, aber das Scheidungs verfahren ist schwebend; drei Kinder im Alter
von14,16und18Jahren.
 Hobbies: Gleitschirmspringen.
 Beruf: Derivatehändler bei einer Investmentbank.
 Vermögen:EUR1Mio.ineinemnichtdiversifiziertenPortfolioundeinHausimWertvonEUR
400:000.
 Geplanter Ruhestand: im Alter von 65 Jahren.
 Gegenwärtiges Einkommen: die Lebenshaltungskosten übersteigen geringfügig das
gegenwärtigeEinkommen.
 Künftig erwartete Ausgaben: Ausbildungskosten von jährlich EUR 20:000 pro
Kind; die aus der Scheidung erwartete Kapitalabfindung für die Ehefrau beträgt
rund die Hälfte des Vermögens.

WelcheRisikozieleundRestriktionen–LiquiditätundAnlagehorizont–sollteeinelangfristige
AnlagepolitikfürdenKundenbeinhalten?

Aufgabe2
SabineundKlausMüllersindkürzlichvonFrankfurtamMainnachZürichgezogenundhaben
vorübergehendeineWohnungin derZürcher Altstadt gemietet. Klaus Mül- ler ist 45 Jahre alt
undarbeitetalsPartnerbeimBeratungsunternehmenDeltaAG.ErverdientCHF
180:000 vor Steuern. Sabine Müller ist 38 Jahre alt und kümmert sich als
Hausfrau und Mutter hauptberuflich um die Erziehung der beiden Kinder im Alter von
3 und 5 Jahren. Vor kurzem hat sie von ihren Eltern CHF 1 Mio. nach Steuern geerbt.
ZusätzlichbesitztdasEhepaarMüllerfolgendeVermögenswerte:
105 16 Portfoliomanagementprozess

 Geldmittel von CHF 20:000;


 Portfolio von Aktien und Anleihen im Wert von CHF 200:000;
 CHF 250:000 Aktien des Beratungsunternehmens Delta AG.

Der Wert der Delta-Aktien hat in den letzt en Jahren wegen der guten Ertragslage des
Unternehmensstarkzugenommen.KlausMülleristzuversichtlich,dassderWertderAktien
inZukunftweitersteigenwird.
Die Familie Müller benötigt für den Kauf einer Wohnung eine Anzahlung von
CHF 200:000: DiejährlichenLebenshaltungskostenderFamiliebelaufensichaufSabine
CHF 120:000: undKlausMüllermöchtengenügendGeldmittelerarbeiten,um
in 20 Jahren in den Ruhestand zu treten. Ebenfalls möchten Sie ihren beiden Kin- dern ein
Universitätsstudium in England finanzieren. Darüber hinaus sind folgende Informationen
zuihrerEinstellungzurAnlagetätigkeitbekannt:

 Sie bezeichnen die Volatilität ihres Aktien- und Anleiheportfolios als zu hoch und haben
den Wunsch, nicht mehr als 10 % des Portfoliowerts in einem bestimmten Jahr zu
verlieren.
 Sie möchten keine Aktien und Anleihen von Unternehmen der Kriegs- oder Waf-
fenindustrieimPortfolio.

Ein Portfoliomanager hat ausgerechnet, dass in 20 Jahren Vermögenswerte von


CHF 2,5 Mio. erforderlich sind, um die Ausbildungskosten der Kinder und den
Ruhestand zu finanzieren. Der Steuersat z für das Einkommen, die Erträge und die
Kapitalgewinnebeträgt35%.

a) WelcheRisiko-undRenditezielesolltenineinerlangfristigenAnlagepolitikfürdieFamilie
Müller enthalten sein? (Annahme f ür die Renditeberechnung: Die Inflation der
LebenshaltungskostenunddieInflationdesErwerbseinkommenshebensichgegenseitig
auf;derrisikoadäquateZinssatzbeträgt4%.)

b) WelcheRestriktionen–Anlagehorizont,Liquidität,SteuernundbesondereGege-benheiten
–sindineinerlangfristigenAnlagepolitikfürdieFamilieMülleraufzu-führen?

Aufgabe3
DerWerteinesPortfoliosbestehendausAktienundeinerrisikolosenAnlageliegtbeiEUR200.
DerAktienanteildesPortfoliosweisteinBetavon1auf.DerPortfolioma-nagerwendetfürdas
Rebalancing der Anlagekombination die CPPI-Strategie an. Die Wertuntergrenze des
PortfolioswirdbeiEUR120festgelegt.DerfesteMultiplikatorbeträgt1,5(m

D 1,5).

a) WiegroßistdieursprünglicheAllokationinAktienundinderrisikolosenAnlage?Wiehoch
b) istderAnteilderAktienundderrisikolosenAnlageimPortfolio,wennderAktienmarktum
20%fällt?
16.7 Aufgaben 1059

Aufgabe4
Eine Vermögensverwaltungsgesellschaft besitzt ein Portfolio aus Aktien und Anleihen des
deutschen Kapitalmarkts mit einem M arktwert von EUR 280 Mio. Der Anlageaus- schuss
erwartet eine wichtige Änderung der Geldpolitik. Daher möchte er die folgen- den
AnpassungenimPortfoliovornehmen:

 Aktienposition: Es sind sowohl der Aktienant eil im Portfolio wie auch das Beta der
Aktienpositionzureduzieren.
 Anleiheposition: Zum einen ist der Anleiheanteil im Portfolio zu erhöhen und zum
anderenistdiemodifizierteDurationzuverringern.

Das aktuelle und angestrebte Portfolio weist die folgenden Eigenschaften auf:

Aktuelles Portfolio
Anlageklasse Modifizierte Duration Beta Allokation
Aktien – 1,2 EUR 182 Mio.
Anleihen 7,2 – EUR 98 Mio.
Zielportfolio
Anlageklasse Modifizierte Duration Beta Allokation
Aktien – 0,7 EUR 154 Mio.
Anleihen 6,1 – EUR 126 Mio.

UmdieTransaktionskostenmöglichstgeringzuhalten,werdenfürdietemporäre
VeränderungderAsset-AllokationFutureseingesetzt,welchediefolgendenEigen-schaften
besitzen:

 DAX-Futures: Preis von 10.800 Indexpunkten mit einem Beta von 0,98.
 Euro-Bund-Futures: Preis von 158 % mit einer impliziten modifizierten Duration
von 8,8.

DasYieldBetawirdauf1,1geschätzt.DieDurationeinerkurzfristigenCash-Positionliegtbei
0,25.

a) Wie viele DAX-Futures und Euro-Bund-Futures sind erforderlich, um temporär die


Asset-Allokation an die angestrebte Zus ammensetzung und Risikoexposition anzu-
passen?
b) Nach 3 Monaten ist der Wert des Aktienanteils im Portfolio um 3 % zurückgegan- gen,
während der Wert des Anleiheanteils um 2 % gestiegen ist. Der DAX-Future wird zu
einem Preisvon10.600 Punkten gehandelt,währendderEuro-Bund-Future ander Eurex
zu einem Preis von 161 % geführt wird. Wie groß ist die Wertdifferenz zwischen der
synthetischen Asset-Allokation mit Futures und der Asset-Allokation aus dem Verkauf
vonAktienunddemKaufvonAnleihen?
1060 16 Portfoliomanagementprozess

Aufgabe5
Es liegen folgende jährliche Renditen für ein Portfolio mit einer aktiven Strategie und der
entsprechendenBenchmarkdesgleichenAnlagestilsvor:

Jahre Renditen des Portfolios Renditen der Benchmark


2012 4,00 % 6,00 %
2013 8,00 % 3,00 %
2014 5,50 % 7,50 %
2015 2,00 % 4,00 %
2016 6,50 % 2,00 %

Wie hoch ist die jährliche Information Ratio über die Zeitperiode von 2012 bis 2016
(Annahme: Stichprobe)?

Aufgabe6
EinPortfoliomanagerinvestiertinSchweizerAktienundverwendetalsBenchmarkdenSPI.
Die relevanten Performancedaten für die SPI Benchmark und das aktive Portfolio sind in der
folgendenTabelleaufgeführt.

Sektoren Gewicht des Sektorrendite Gewicht des Sektorrendite


SPI des SPI Portfolios des Portfolios
Gesundheit 32,5 % 6% 20,0 % 9%
Konsumgüter 26,8 % 8% 40,0 % 7%
Finanzen 18,4 % 10 % 20,0 % 4%
Anderea 22,3 % 8% 20,0 % 9%
Total 100,0 % 100,0 %
a
Die anderen Sektoren des SPI EXTRA® bestehen zum 31. Dezember 2011 aus Gesund-
heit (9,8 %), Technologie (3,8 %), Grundstoffe (3,7 %), Versorgung (0,8 %) sowie Öl und Gas
(0,1 %).

a) Wie hoch ist die aktive Rendite des Portfolios?


b) AuswelchenBestandteilender„reinenSektorallokation“,der„Titelauswahlinner-halb
des Sektors“ und der „Sektorallokation/Titelauswahl-Interaktion“ setzt sich die aktive
RenditedesPortfolioszusammen?

Literatur

Dunford,D.M.:FuturesandOptionsStrategiesinPortfolioManagement.In:Maginn,J.L.,Tuttle,
D. L. (Hrsg.):ManagingInvestmentPortfolios:ADynamicProcess,2.Auflage,Boston,New
York 11-1–11-76 (1990)
Grable,J.E.,Joo,S.H.:EnvironmentalandBiopsychosocialFactorsAssociatedwithFinancialRisk
Tolerance. In:Financial
15 (1), 73–82 (2004) CounsellingandPlanning
Literatur 1061

Perold,A.F,Sharpe,W.F.:DynamicStrategiesforAssetAllocation.In:FinancialAnalystsJournal 44
(1), 16–27 (1988)
Maginn, J. L., Tuttle, D. L.: The Portfolio Management Process and Its Dynamics. In: Maginn, J. L.,
Tuttle, D. L. (Hrsg.): Managing Investment Por tfolios: A Dynamic Process, 2. Auflage, Boston,
New York, 1-1–1-11 (1990)
Sharpe,W.F.:AssetAllocation.In:Maginn,J.L.,Tuttle,D.L.(Hrsg.):ManagingInvestmentPortfolios:A
DynamicProcess,2.Auflage,Boston,NewYork,7-1–7-71(1990)
Solnik, B., McLeavey, D.: International Investments, 5. Auflage, Boston (2004)
Passives,aktivesundsemiaktives
Portfoliomanagement 17

17.1 Einleitung

Markowitz (1952) hat den Grundstein für die moderne Portfoliotheorie gelegt.1 Das
Rendite-Risiko-Portfoliomodell von Markowitz wurde zu Gleichgewichtsmodellen wie das
Capital Asset Pricing Model (CAPM) in den 1960er-Jahren und die Arbitragepreis- Theorie
(APT) 2
imJahre1976weiterentwickelt.TreynorundBlack(1973)habenmithilfedes
Rendite-Risiko-PortfoliomodellsvonMarkowitzdargelegt,wiesicheinoptimalesPortfolio
auseinemMarktportfolioundeinemaktivenPortfoliokonstruierenlässt. 3
Die
Anwendung der Portfoliotheorie auf das aktive Portfoliomanagement wurden von Grinold (
1989)unddanachvonClarke,deSilvaundThorley( 2002)weiterentwickelt. 4
Mitdem
aktivenPortfoliomanagementlässtsichinnichteffizientenFinanzmärkteneineÜber-
schussrenditeerzielen.DabeisinddieFähigkeitenderMarktteilnehmerentscheidend,ein
Portfoliomitüber-oderunterbewertetenAnlagenzuerstellen.UmdenerwartetenMehr-wert
deraktivenStrategiezubestimmen,werdendieerwarteteRenditeunddasRisikodesaktiv
gesteuertenPortfoliosmitdempassivenBenchmarkportfolioverglichen.

Das Kapitel beginnt mit dem passiven Portfoliomanagement. Das hierzu relevante
Rendite-Risiko-Modell von Tobin (1958)5
in der Form des Kapitalmarktlinienmodells Anschließend werden die Grundlagen
des aktiven Portfoliomanagements beschrieben,
wurde bereits in Kap. 3 vorgestellt. 6 wobei der Fokus auf dem elementaren
und dem voll- ständigen Grundgesetz des aktiven Portfoliomanagements von Grinold (
1989 ) liegt. Die

1
Vgl. Markowitz 1952 : Portfolio Selection, S. 77 ff.
2
Vgl. Ross 1976 : The Arbitrage Theory of Capital Asset Pricing, S. 341 ff.
3
Vgl.TreynorundBlack 1973:HowtoUseSecurityAnalysistoImprovePortfolioSelection,66ff.
S.
4
Vgl. Grinold 1989 : The Fundamental Law of Active Management, S. 30 ff. und Clarke et al. 2002 :
Portfolio Constraints and the Fundamental Law of Active Management, S. 48 ff.
5
Vgl. Tobin 1958 : Liquidity Preference as Behavior Towards Risk, S. 65 ff.
6
Vgl. Abschn. 3.10

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 1063


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9_17
1064 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

portfoliotheoretischenGrundlageneinersemiaktivenAnlagestrategiewerdenmitdemModell
von Treynor und Black ( 1973 ) dargelegt. Das optimale Portfolio besteht aus einer aktiven
Anlagekombination, die unter- und überbewertete Titel umfasst, und aus einem
Marktindexportfolio. Dabei können mit der aktiven Strategie die Marktineffizienzen aus-
genutzt werden. Das in Anlehnung an Treynor und Black optimale Portfolio verfügt im
Vergleich zum Marktindexportfolio über eine höhere risikoadjustierte Rendite bzw. Sharpe
Ratio. Nach diesen portfoliotheoretischen Ausführungen zum passiven, aktiven und
semiaktiven Portfoliomanagement werden die verschiedenen Anlagestrategien mit Aktien
undAnleihenvorgestellt.

17.2 PassivesPortfoliomanagement

In einem effizienten Markt stützt man sich auf die Preise im Markt und bildet ein passives
Portfolio, da mit einer aktiven Strategie keine nachhaltige überdurchschnittliche Rendi- te
erzielt werden kann. Das passive Portfolio basiert auf einem Marktindex. Die passive Strategie
lässtsichmitAnlageinstrumentenwiebeispielsweiseAnteilsscheineneinesAn-lagefondsoder
eines Exchange Traded Funds auf einem Index umsetzen. Besteht das Portfolio aus einer
Cash-Position und dem Marktportfolio (zum Beispiel angenähert durch einen Aktienindex),so
befindet sich die effizienteste Anlagekombination auf der Kapital- marktlinie. Die
Kapitalmarktlinie ergibt sich in einem Rendite-Risiko-Diagramm, indem eine Tangente
ausgehend vom risikolosen Zinssatz an die Effizienzkurve abgetragen wird. Werden die
investorenspezifis chen Indifferenzkurven in d as Rendite-Risiko-Diagramm eingefügt,
gelangt man zum optimalen Portfolio, das aus der risikolosen Anlage und dem Marktportfolio
besteht. Ein optimales Portfolio auf der Kapitalmarktlinie mit einer hö- heren erwarteten
Rendite und Standardabweichung als das Marktportfolio lässt sich nur erreichen, wenn man
GeldzumrisikolosenZinssatzaufnimmtundmehrals100%indasMarktportfolioinvestiert.

17.3 AktivesPortfoliomanagement

17.3.1 RenditeundRisiko

Die Zielsetzung einer aktiven Anlagestrategie besteht darin, das Benchmarkportfolio zu


schlagen. Das Ex-ante-Alpha bzw. die erwartete aktive Rendite oder Überschussrendite ist
derjenige Teil der erwarteten Rendite, der nicht mit der Benchmark korreliert ist und so die
Selektions-bzw.AllokationsaktivitätendesPortfoliomanagerswiderspiegelt.
8
Das Alpha

7
Vgl. Abschn. 3.10 .
8
ImFolgendenbestehtdaserwarteteAlphadesPortfoliosausdenprognostiziertenAlphasderein-zelnen
Anlagen.Eswirddavonausgegangen,dassdasBetadesaktivenPortfolios1istundsichsomitnichtvom
BetadesBenchmarkportfoliosunterscheidet.VerändertderaktiveManagerdasak-
17.3 AktivesPortfoliomanagement 1065

ist positiv, wenn die Rendite des Anlageportf olios die Benchmarkrendite überschreitet. Ein
negatives Alpha ergibt sich, wenn die Portfoliorendite unterhalb der Benchmarkrendi- te zu
liegen kommt. Als Benchmark wird vielfach ein Marktindex für Wertpapiere verwen- det.
BeispielevonglobalenBenchmarkindizessindderMSCI-All-Country-World-IndexfürAktien
und der Barclays-Global-Aggregate-Bond-Index für Anleihen. Eine Bench- mark sollte die
folgendenEigenschaftenbesitzen:

 Die Anlagen im Benchmarkindex sind repräsentativ für die Anlagen im aktiven Port- folio.

 Die Positionen des Benchmarkindex können zu niedrigen Kosten repliziert werden.


 Die Gewichte der Anlagen im Benchmarkindex können zu Beginn der Anlageperiode
definiert werden und die Renditedaten sind zeitnah erhältlich.

Das Alpha der aktiven Strategie ergibt sich aus der Differenz zwischen der Rendite der aktiven
AnlagestrategieundderRenditederBenchmark:

rA D rP  rB ; (17.1)

wobei:

rA D Alpha bzw. aktive Rendite oder Überschussrendite des aktiv gesteuerten Portfolios,
rP D RenditederaktivenAnlagestrategiebzw.desPortfolios,
rB D Rendite der Benchmark.

MitderSharpeRatiolässtsichdierisikoangepassteRenditedesPortfoliosberechnen.Dabeiwird
diePortfoliorenditeüberdenrisikolosenZinssatzinsVerhältniszumPortfo-liorisikogesetzt:
9
rP  rF
SRP D ; (17.2)
¢P
wobei:

rF D risikoloser Zinssatz,
¢P D Standardabweichung der Portfoliorenditen.

Eine wichtige Eigenschaft der Sharpe Ratio ist, dass sie durch das Hinzufügen einer Cash-
PositionimPortfoliooderdurchLeveragenichtbeeinflusstwird.Nimmtmanetwaein

tiveBetadesPortfoliosinAntizipationeineraußerordentlichenMarktbewegungkurzfristig,soträgtdiese
taktische Maßnahme zur aktiven Portfoliorendite bei. Der so erzielte Renditebeitrag ergibt sich aus dem
Benchmarktiming. Die Rendite der Timingprognose zusammen mit dem prognostizierten Alpha aus den
Selektions- bzw. Allokationsaktivitäten bestimmt die erwartete Überschussrendite aus dem aktiven
Portfoliomanagement.Vgl.Abschn. 17.3.2.5.
9
Vgl. Abschn. 16.4.6 .
1066 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Portfolio, das aus risikobehafteten Anlagen mit einem Gewicht von wP und einer risiko-
losen Cash-Position mit einem Gewicht von 1 wP besteht, so lassen sich die Rendite
und das Risiko dieses kombinierten Portfolios bzw. des Gesamtportfolios (GP) wie folgt
bestimmen:10
rGP D wP rP C .1  wP / rF ;
(17.3)
¢GP D wP ¢P :
Wird die oben stehende Rendite- und Risikogleichung in ( 17.2 ) eingesetzt, erhält man
folgendeSharpeRatiofürdasausrisikobehaftetenAnlagenundderCash-Positionbeste-hende
Portfolio:

rGP  rF wP rP C rF  wP rF  rF wP .rP  rF / r P  rF
SRGP D D D D : (17.4)
¢GP wP ¢P wP ¢P ¢P

Die Sharpe Ratio eines Portfolios mit risikobehafteten Anlagen und einer risikolosen
Cash-PositionentsprichtderSharpeRatiodesPortfoliosmitdenrisikobehaftetenAn-lagenbzw.
der aktiven Anlagestrategie. Ist das Gewicht der risikobehafteten Investmentsgrößer als 1, wird
dasGewichtderrisikolosenCash-Position(also1
wP) negativ, was
einer Leverage-Position gleichkommt. Folglich wird die Sharpe Ratio einer risikobehafte- ten
Anlagekombination durch die Geldaufnahme zum risikolosen Zinssatz ebenfalls nicht
beeinflusst.
UnterderTwo-Fund-Separationverstehtman,dassInvestorenunabhängigvonihren
PräferenzeneinPortfoliobilden,dasauseinerrisikolosenAnlageundeinemPortfolioaus
risikobehaftetenAnlagenmitderhöchstenSharpeRatiobesteht.IstetwadieVolatilitätdes
risikobehaftetenPortfoliosfürdenInvestorzuhoch,sokannerdieVolatilitätdes
Gesamtportfoliosreduzieren,indemerdasGewichtderrisikolosenCash-Positionerhöhtundden
prozentualenAnteilderrisikobehaftetenAnlagenvermindert.

Beispiel
Anpassung der Rendite und des Risikos mithilfe der Sharpe Ratio
Es liegen zwei Aktienportfolios vor. Das erste ist ein Portfolio von Aktien mit einer großen
Marktkapitalisierung, während sich das zweite Portfolio aus Aktien mit einer kleinen
Marktkapitalisierung zusammensetzt. Der risikolose Zinssatz beträgt 1 %. Die beiden
Portfolios verfügen über die folgenden erwarteten Renditen, Volatilitäten und Sharpe
Ratios:

Portfolios Aktien mit großer Aktien mit kleiner


Marktkapitalisierung Marktkapitalisierung
Erwartete Rendite 9% 14 %
Erwartete Volatilität 16 % 24 %
Sharpe Ratio 0,50 0,54

10
Vgl. Abschn. 3.8 .
17.3 AktivesPortfoliomanagement 1067

Die Anlagepolitik sieht ein Risiko von maximal 16 % vor. Es sind die folgenden
Fragen zu beantworten:

1. Wie hoch ist der prozentuale Anteil der risikolosen Cash-Position, wenn das Risiko des
Gesamtportfolios bestehend aus Aktien mit kleiner Marktkapitalisierung und der
risikolosenCash-Position16%ist?
2. Wie hoch ist die Sharpe Ratio des Portfolios aus Aufgabe 1?
3. WelcheSchlussfolgerunglässtsichziehen,wennmandieerwartetenRenditenundRisikendes
Aktienportfolios mit großer Marktkapitalisierung mit dem kombinier- ten Portfolio
bestehend aus der risikolosen Cash-Position und den Aktien mit einer kleinen
Marktkapitalisierungvergleicht?

Lösungzu1
DaserwarteteRisikoderAktienmiteinerkleinenMarktkapitalisierungliegtbei24%.Umdas
Portfoliorisiko auf 16 % zu reduzieren, ist eine risikolose Cash-Position erfor- derlich. Das
GewichtderAktienpositionvon66,7%lässtsichwiefolgtberechnen:

16 %
16 % D wp  24 % ! wP D D 0;667:
24 %

Demnach beträgt das Gewicht der risikolosen Cash-Position 33,3 % (D 1  0;667).

Lösungzu2
Die erwartete Rendite des Portfolios, das sich aus 33,3 % der risikolosen Cash-Position und
66,7%derAktienmitkleinerMarktkapitalisierungzusammensetzt,ist9,671%:

E .rGP / D 0;333  1 % C 0;667  14 % D 9;671 %:

Die Sharpe Ratio beläuft sich auf 0,54 und ist somit gleich groß wie die Sharpe Ratio des
Portfolios,dasnurausAktienmitkleinerMarktkapitalisierungbesteht:

9;671 %  1 %
SRGP D D 0;54:
16 %

Lösungzu3
Die erwartete Rendite des kombinierten Portfolios von 9,671 % überschreitet die Ren-
diteerwartungdesAktienportfoliosmiteinergroßenMarktkapitalisierungvon9%.Darüber
hinaus verfügen beide Anlagekombinationen über das gleiche erwartete Risiko von 16 %.
FolglichistdieSharpeRatiodesPortfoliosausderrisikolosenAnlageunddenAktienmiteiner
kleinen Marktkapitalisierung von 0,54 im Vergleich zur Sharpe Ratio des Aktienportfolios
mitgroßerMarktkapitalisierungvon0,5höher.
106 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Mit der Information Ratio lässt sich das Verhältnis zwischen der aktiven Rendite und
dem aktiven Risiko messen:11
rA
IR D ; (17.5)
¢rA
wobei:

¢rA D Standardabweichung der aktiven Renditen (aktives Risiko).

DieüblicheKonventionbeiderBerechnungderInformationRatioist,dassdieaktiveRenditeund
das aktive Risiko annualisiert werden (gleich wie bei der Sharpe Ratio). Die Information Ratio
kann sowohl ex ante (für die Titelauswahl) als auch ex post (für die Performancemessung)
ermitteltwerden.

AndersalsdieSharpeRatiowirddieHöhederInformationRatiodurchdasHinzufü-geneiner
Cash-PositionoderdurchLeveragetangiert.WirdetwaeinerisikoloseCash-Positionindas
Portfolioaufgenommen,sogehtdieInformationRatiodesPortfoliosbestehendaus
risikobehaftetenAnlagenundderrisikolosenCash-Positionzurück.BeiLeveragehingegen
erhöhtsichdieInformationRatio.AllerdingshabenVeränderungenderaktivenGewichte–also
AbweichungenderAnlagegewichtezwischendemPortfolioundderBenchmark–beieinem
PortfolioohneAnlagerestriktionen(z.B.ohneShort-Restriktionen)keinenEinflussaufdie
InformationRatio.WerdenzumBeispieldieaktivenGewichteimPortfolioverdreifacht,so
nehmendieaktiveRenditeunddasaktiveRisikoumjeweilsdenFaktordreizu,sodassdieInf
ormationRatiounverändertbleibt.WerdendieaktivenGewichte

wi mit einem konstanten Faktor c multipliziert, ergibt sich eine


aktive Rendite des Portfolios (rc), die sich um den Faktor c verändert hat:
N N
rc D Xi c wi rAi D c Xi wi rAi D crA ; (17.6)
D1 D1

wobei:

c D konstanter Faktor,
wi D aktivesGewichtderAnlageiimPortfolio .wi D wPi  wBi /,
rAi D aktiveRenditederAnlageiimPortfolio,r
D aktiveRenditedesPortfoliosvorderVeränderungderaktivenAnlagegewichteum A
den konstanten Faktor c.

Bei der Berechnung des aktiven Portfoliorisikos wird davon ausgegangen, dass die akti- ven
Renditen der einzelnen Anlagen im Portfolio nicht miteinander korrelieren, was zu folgender
Risikogleichungführt:
v
u N
uX
¢rA D t wi 2 ¢r2Ai : (17.7)
iD1

11
Vgl. Abschn. 16.4.6 .
17.3 AktivesPortfoliomanagement 1069

WerdendieaktivenGewichtedereinzelnenAnlagenmiteinemkonstantenFaktorcmul-tipliziert,
resultiertdarausfolgendeGleichungfürdasaktivePortfoliorisiko:
v v
u N u N
uX u X
¢rc D t .c wi / ¢rAi D tc2
2 2
wi 2 ¢r2Ai D c ¢rA : (17.8)
iD1 iD1

Die Formel zeigt, dass das aktive Portfoliori siko ebenfalls um den Faktor c angepasst wird,
sodass die Information Ratio desPortfolios durcheine Adjustierung der aktiven Gewichtenicht
beeinflusstwird:
c rA
IRc D D IR: (17.9)
c ¢rA

Beispiel
Berechnung der aktiven Rendite, des aktiven Risikos und der Information Ratio Für ein
Portfolio bestehend aus Aktien und Anleihen sind die folgenden Gewichte für das Portfolio
und die Benchmark sowie die realisierten Renditen am Ende der Periode gegeben:

Anlageklassen Gewichte im Gewichte in Realisierte


Portfolio der Benchmark Renditen
Aktien 70 % 60 % 10 %
Anleihen 30 % 40 % 2%

ImPortfoliosinddieAktienimVergleichzurBenchmarkum10%übergewichtetunddie
Anleihenentsprechendum10%untergewichtet.DasaktiveRisikoderAktienliegtbei6%,
währenddasaktiveRisikoderAnleihen4%ist.

1. WiehochsinddieaktiveRendite,dasaktiveRisikounddieInformationRatiodesPortfolios?

2. WiehochsinddieaktiveRendite,dasaktiveRisikounddieInformationRatiodesPortfolios,
wenn die Über- und Untergewichtungen der Aktienund Anleihen um den Faktor 3 erhöht
werden?

Lösungzu1
DieRenditedesPortfoliosvon7,6%undderBenchmarkvon6,8%könnenwiefolgtbestimmt
werden:

rP D 0;7  10 % C 0;3  2 % D 7;6 %;


rB D 0;6  10 % C 0;4  2 % D 6;8 %:

Die aktive Rendite beläuft sich auf 0,8 %:

rA D rP  rB D 7;6 %  6;8 % D 0;8 %:


1070 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Alternativ lässt sich die aktive Rendite des Portfolios von 0,8 % auch anhand der akti- ven
AnlagegewichteundderrealisiertenAnlagerenditenermitteln:

rA D 0;1  10 % C .0;1/  2 % D 0;8 %:

Das aktive Risiko des Portfolios von 0,72 % lässt sich mithilfe der aktiven Gewichte und der
aktivenRisikenderbeidenAnlageklassenwiefolgtberechnen:
q
¢rA D 0;12  0;062 C .0;1/2  0;042 D 0;0072:

Die Information Ratio liegt bei 1,11:

0;008
IR D D 1;11:
0;0072

Lösungzu2
DieAktienwerdenumdenFaktor3von10%auf30%übergewichtetunddieAnleihenwerden
umdenFaktor3von10%auf30%untergewichtet.DasführtzueineraktivenRenditevon2,4%,
diesichsomitvon0,8%umdenFaktor3erhöhthat:

rA D rP  rB D 0;9  10 % C 0;1  2 %  6;8 % D 2;4 %

oder
rA D 0;3  10 % C .0;3/  2 % D 2;4 %:
Das aktive Risiko des Portfolios beträgt 2,16 % und hat von 0,72 % um den Faktor 3
zugenommen:
q
¢rA D 0;32  0;062 C .0;3/2  0;042 D 0;0216:

Die Information Ratio bleibt unverändert bei 1,11:

0;024
IR D D 1;11:
0;0216

DieRenditeunddasRisikoeinesaktivgesteuertenPortfolioslässtsichanpassen,in-demdas
aktivePortfoliomitdemBenchmarkportfoliokombiniertwird(ähnlichwiedierisikolose
AnlagemitdemTangentialportfolioentlangdereffizientestenKapitalalloka-tionslinie).Die
quadrierteSharpeRatiodesaktivgesteuertenPortfoliosbestehtausderquadriertenSharpe
RatioderBenchmarkplusderquadriertenInformationRatio:

SRP 2 D SRB 2 C IR2 : (17.10)


17.3 AktivesPortfoliomanagement 1071

DieGleichungzeigt,dasseinaktivesPortfoliomitderhöchsten(quadrierten)InformationRatio
auch über die höchste (quadrierte) Sharpe Ratio verfügt. Folglich stellt in Anlehnung an die
Rendite-Risiko-Theorie die erwartete Information Ratio den besten Maßstab dar, um die aktive
Performance verschiedener aktiv gesteuerter Portfolios mit der gleichen Benchmark zu
beurteilen.

Für Portfolios ohne Anlagerestriktionen kann das aktive Risiko, das zur höchsten
Sharpe Ratio führt, wie folgt berechnet werden:12

IR
¢rA D ¢r ; (17.11)
SRB B

wobei:

¢rB D Standardabweichung der Benchmarkrenditen.

Das so berechnete aktive Portfoliorisiko maximiert die Sharpe Ratio. 13 Weist beispiels-
weise das aktiv gesteuerte Portfolio eine Information Ratio von 0,3 und ein aktives Risiko
von 5 % auf und das Benchmarkportfolio hat eine Sharpe Ratio von 0,5 und eine Stan-
dardabweichung von 10 %, so beträgtdas optimaleaktive Risikodes Portfolios mit der höchsten
SharpeRatio6%:

0;3
¢rA D  10 % D 6 %:
0;5

WirddasPortfoliomiteinemaktivenRisikovon6%erstellt,resultiertdarauseineSharpeRatiovon
0,58,dieüberderSharpeRatioderBenchmarkvon0,5liegt:
p
SRP D 0;52 C 0;32 D 0;58:

Die Sharpe Ratio von 0,58 lässt sich wie fol gt nachweisen: Bei einem aktiven Portfo- liorisiko
von6%ergibtsicheineaktivePortfoliorenditevon1,8%( D 0;3  6 %). Die
Benchmarkrendite über dem risikolosen Zinssatz beträgt 5 % (D 0;5  10 %), sodass
die über dem risikolosen Zinssatz liegende erwartete Rendite des Gesamtportfolios 6,8 % (
D 5 % C 1;8 %) ist. Das Risiko des Gesamtportfolios von 11,66 % lässt sich folgen-
dermaßen berechnen, wenn unterstellt wird, dass die Benchmarkrenditen und die aktiven
Renditen nicht miteinander korrelieren:
p
¢P D 0;12 C 0;062 D 0;1166:
12
Ist das aktive Beta des Portfolios nicht 1, so is t der Term rechts des Gleichheitszeichens mit dem
aktiven Portfoliobeta zu multiplizieren.
13
DieGleichunggehtaufdieallgemeineRendite-Varianz-Optimierungsbedingungzurück,beiderdas
VerhältniszwischendererwartetenaktivenRenditeundderVarianzderaktivenRenditengleich
demVerhältniszwischendererwartetenBenchmarkrenditeüberdemrisikolosenZinssatzundderVarianz
derBenchmarkrenditenist.
1072 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

(erwartete aktive Portfolio mit


Rendite in %) der höchsten
Sharpe Ratio
2

1.5
Benchmark- Anlage 5
1 portfolio
Anlage 4
0.5 Anlage 1
0
Anlage 2
-0.5
Anlage 3
-1

-1.5

-2
0 1 2 3 4 5 6 7
(aktives Risiko in %)

Abb.17.1 Erwartete aktive Rendite und Risiko des Portfolios mit der höchsten Sharpe Ratio (ohne
Anlagerestriktionen)

Somit ergibt sich wiederum eine Sharpe Ratio von 0,58:

6;8 %
SRP D D 0;58:
11;66 %
Im Beispiel beträgt das ursprüngliche aktive Portfoliorisiko 5 %, wobei das optimale ak-
tive Portfoliorisiko, das zu einer maximalen Sharpe Ratio von 0,58 führt, 6 % ist. Um das aktive
Risiko des Portfolios zu erhöhen, muss die Anlagekombination bei gleicher Infor- mation Ratio
aggressiver gesteuert werden . Alternativ kann der Manager die Benchmark leer verkaufen
(Short-Position) und die so erhaltenen Geldmittel in das aktive Portfolio in- vestieren. Um diese
Strategieumzusetzen,sindeineLong-PositiondesaktivenPortfoliosvon120%(

D %=5 %)undeineShort-PositionderBenchmarkvon20%erforderlich.6
Abb. 17.1zeigtdieBeziehungzwischendererwartetenaktivenRenditeunddemRisikodesaktiv
gesteuerten Portfolios mit einer maximalen Sharpe Ratio und der Benchmark. Das
BenchmarkportfolioverfügtperDefinitionübereineaktiveRenditeundeinaktivesRisikovon0
%. Die einzelnen Anlagen des aktiven Portfolios haben positive und negative erwartete aktive
Renditen (bzw. Ex-ante-Alphas), wobei das das Sharpe Ratio maximie- rende Portfolio
(Long-Position des aktiven P ortfolios von 120 % und Short-Position des Benchmarkportfolios
von20%)übereineerwarteteaktiveRenditevon1,8%undeinak-tivesRisikovon6%verfügt.Die
erwarteteInformationRatiodiesesPortfoliosist0,3(

D %=6 %)undstelltdieSteigungderLiniedar,dieausgehendvomBenchmark-1;8
portfolio durch das Portfolio mit der höchsten Sharpe Ratio geht. Die Information Ratio dieses
PortfoliosistgrößeralsdieInformationRatiosdereinzelnenAnlagen,dasichdie
17.3 AktivesPortfoliomanagement 1073

quadrierte Information Ratio des Portfolios aus der Summe der quadrierten Information Ratios
der einzelnen Anlagen bestimmen lässt, wenn davon ausgegangen wird, dass die aktiven
RenditenderAnlagennichtmiteinanderkorreliertsind. 14
Wie sich die Gewichte
der einzelnen Anlagen im aktiven Portfolio zusammensetzen, wird i m nächsten Abschnitt
beschrieben.

Beispiel
Information Ratio und erwarteter Mehrw ert aus einer aktiven Anlagestrategie Die zwei
Portfolios A und B bestehend aus Aktien des deutschen Aktienmarktes mit großer und
mittlerer Marktkapitalisierung weisen zusammen mit dem HDAX als Benchmark aufgrun
von historischen Rendite daten die folgenden jährlichen erwarte- ten Renditen,
Standardabweichungen und Sharpe Ratios auf (risikoloser Zinssatz von 1%):

HDAX Aktienportfolio A Aktienportfolio B


Jährlich erwartete Rendite 8 % 7,2 % 9%
Standardabweichung 20 % 24 % 22 %
Sharpe Ratio 0,350 0,258 0,364

Die erwarteten aktiven Renditen und Risiken der beiden Aktienportfolios lauten wie
folgt:

Aktienportfolio A Aktienportfolio B
Erwartete aktive Rendite 0,2 % 0,8 %
Aktives Risiko 5,6 % 6,4 %
Information Ratio 0,036 0,125

Es sind die folgenden Fragen zu beantworten:

1. WelchederbeidenAktienportfoliosistmitderBenchmarkzukombinieren,damiteinhöherer
Mehrwerterzieltwerdenkann?
2. Wie hoch ist die Sharpe Ratio, wenn das Aktienportfolio B optimal mit dem HDAX
(Benchmark)kombiniertwird?
3. Wie hoch muss das optimale aktive Risiko des Aktienportfolios B sein, damit die Sharpe
Ratiomaximiertwerdenkann?
4. WielässtsichdasaktiveRisikodesAktienportfoliosandasoptimaleaktiveRisiko-niveau
anpassen,damitdieSharpeRatiomaximiertwerdenkann?

Lösungzu1
Das Aktienportfolio B besitzt eine höhere erwartete Information Ratio und ist somit mit dem
Benchmarkportfoliozukombinieren.

14
Vgl. Abschn. 17.4.2 .
1074 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Lösungzu2
Optimal kombiniert mit dem HDAX, ergibt sich eine Sharpe Ratio für das Portfolio von 0,37:
p
SRP D 0;352 C 0;1252 D 0;37:

Lösungzu3
Das optimale aktive Risiko des Aktienportfolios B liegt bei 7,14 %:

0;125
¢rA D  20 % D 7;14 %:
0;35

Lösungzu4
Das aktive Risiko des Aktienportfolios B ist von 6,4 % auf 7,14 % zu erhöhen. Hierzu ist eine
Short-PositiondesHDAXvon11,56%( D 1  7;14 %=6;4 %) und eine Long-
Position des Aktienportfolio s B von 111,56 % erforderlich.
Mit einem optimalen aktiven Risiko von 7, 14 % beläuft sich die erwartete aktive
Rendite des Aktienportfolios B auf 0,89 % (D 0;125  7;14 %). Die erwartete Port-
foliorendite über dem risikolosen Zinssatz liegt bei 7,89 % (D 7 % C 0;89 %). Das
Portfoliorisiko beträgt 21,24 %:
p
¢P D 0;22 C 0;07142 D 0;2124:

Die erwartete Sharpe Ratio ist somit 0,37 (gleich wie bei Aufgabe 2):

7;89 %
SRP D D 0;37:
21;24 %

MitderInformationRatiolässtsichderMehrwerteineraktivenStrategiesteuern.Die
InformationRatiowirddurchdieAdjustierungderaktivenGewichteumdengleichen
konstantenFaktornichtbeeinflusst,dasowohldieerwarteteaktiveRenditealsauchdasaktive
RisikoumdengleichenFaktorzu-oderabnehmen.DieSharpeRatiodesaktivge-steuerten
PortfolioslässtsichgegenüberderSharpeRatiodesBenchmarkportfoliosmiteinermöglichst
großenInformationRatioerhöhen.HierzuistdasoptimaleaktiveRisikodesPortfolios
auszurechnen,daszueinemPortfoliomiteinermaximalenSharpeRatioführt.Daheristdie
InformationRatiodiewichtigsteGröße,umsowohleinaktivesPort-foliozuerstellen(exante)
alsauchdiePerformancedesaktivenPortfolioszubeurteilen(expost).
17.3 AktivesPortfoliomanagement 1075

17.3.2 DasGrundgesetzdesaktivenPortfoliomanagements

17.3.2.1 PrognostizierteaktiveRenditenundoptimaleaktiveGewichteim
Portfolio
Beim Grundgesetz des aktiven Portfoliomanage ments handelt es sich um eine mathemati- sche
Gleichung, welche die erwartete Information Ratio eines aktiv gesteuerten Portfolios in
Beziehung zu einzelnen Faktoren setzt. Der Mehrwert aus einer aktiven Strategie lässt sich
anhandderDifferenzzwischenderPortfoliorenditeundderBenchmarkrenditemes-sen

.rA D rP  rB /. Dabei hängt die Rendite des aktiv gesteuerten Portfolios von den
folgenden Faktoren ab:

 Prognostizierte aktive Anlagerenditen: ’i .15


 Realisierte aktive Anlagerenditen: rAi .
 Aktive Anlagegewichte: wi .

Abb. 17.2zeigtdieBeziehungenzwischendiesenFaktoren.DerMehrwertbzw.dieRen-diteder
aktivenStrategieergibtsichausdemProduktderaktivenGewichte w und den i
realisierten aktiven Renditen rAi der Anlagen i im Portfolio. Er ist somit von der Korre-
lation zwischen den aktiven Gewichten und den realisierten aktiven Renditen abhängig. Des
Weiteren veranschaulicht die Abbildung, dass der Mehrwert der Strategie durch ei- ne hohe
Korrelation zwischen den prognostizierten und den realisierten aktiven Renditen beeinflusst
wird. Die Prognosegenauigkeit wird durch den Informationskoeffizienten (IC) gemessen. Je
höher (niedriger) der Informationskoeffizient ist, desto genauer (ungenau- er) sind die
Renditevorhersagen. Die Fähigkeit, die Renditen richtig einzuschätzen, hat nur dann einen
höheren Mehrwert zur Folge, wenn diese in der Portfoliokonstruktion ausgenutzt werden.
Dabei führt eine höhere (niedrigere) Korrelation bzw. der Übertra- gungskoeffizient zwischen
den prognostizierten aktiven Renditen und den aktiven Anlage- gewichten zu einem größeren
(kleineren) Mehrwert. Wird einpositives (negatives) Alpha erwartet bzw. erscheint die Anlage
unterbewe rtet (überbewertet), so wird das Gewicht der Anlage im Portfolio im Vergleich zur
Benchmark erhöht (reduziert). Wenn die Anlagepo- litik keine Short-Restriktionen vorsieht,
beträgtderÜbertragungskoeffizient1(TC

D 1),
sodass die prognostizierten Alphas vollständig in die Portfolioerstellung einfließen.
BevoreineRendite-Risiko-Portfoliooptimierungdurchgeführtwerdenkann, 16
sind
standardisierte Rohprognosen für die einzelnen Anlagen im Portfolio zu vergeben, die an-
schließend in einem Skalierungsverfahren zu prognostizierten aktiven Renditen verfeinert
werden. Rohprognosen spiegeln Einschätzungen der relativen Attraktivität von einzelnen
Anlagen wider, die aus der Researchtätigkeit gewonnen werden. Sie sind nicht exakt zu
bestimmenoderinFormvonVerteilungsparameternpräzisezuquantifizieren.Vielmehr

15
DieprognostizierteaktiveAnlagerenditelässtsichmiteinemEin-oderMultifaktorenmodeller-mitteln
undentsprichtnichtdererwartetenRenditeeinesGleichgewichtsmodellswiedasCAPM
oder die APT. Vgl. Abschn. 17.4.2 . 16
Vgl. Abschn. 3.4 .
1076 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

prognostizierte
aktive
Anlagerendite
n
i

Portfoliokonstruktion: Prognosegenauigkeit:
Übertragungskoeffizie Informationskoeffizient
nt TC
IC

aktive realisierte aktive


Anlagegewicht Anlagerenditen
e
wi r Ai
Mehrwert

Abb.17.2 Korrelationsdreieck zwischen den prognostizierten aktiven Renditen, den realisierten


aktiven Renditen und den aktiven Gewichten

Tab.17.1 Schema für Alphasignale


Ordinale Rohprognose (Signal) Handlung (Beispiel 1) Handlung (Beispiel 2)
2 Stark übergewichten Dringender Kauf
1 Übergewichten Kauf
0 Neutral/halten Halten
1 Untergewichten Verkauf
2 Stark untergewichten Dringender Verkauf

wird ein Signalschema erstellt, das auf qualitativen und quantitativen Faktoren basiert, die eine
Anlageentscheidung ermöglichen. Tab. 17.1 zeigt ein Schema mit fünf Signalen, das die
ZuordnungvonordinalenRohprognosenerlaubt.
WiegenaudasSignalschemamitBegriffenausgestaltetwird,istnichtrelevant.Soetwa
verwendenFinanzinstituteunterschiedlicheBegriffe,welchedieInterpretationund
Vergleichbarkeitoftmalserschweren.Vielmehristentscheidend,dassdieSignaleinZah-len
übertragenwerden.AufgrundderordinalenSkalierungkönnensiealsRankingsauf-gefasst
werden.AbsoluteDifferenzenderRenditeattraktivitätkönnensomitnichtbeur-teiltwerden.Die
inderTabelleaufgeführteSkalierunghatdenVorteil,dassdieSignalemitEinheitender
StandardabweichungeinerStandardnormalverteilungstabelleverbundenwerdenkönnen.
LiegendieRohprognoseninSignalformvor,folgtderenVerfeinerungzuprognostizierten
aktivenRenditen.DieserProzessbeginntmitderQuerschnittsverteilung
17.3 AktivesPortfoliomanagement 1077

der Rohprognosen (Signale), die aus den Anlagen des Schätzuniversums bestimmt wird. Für
diese Verteilung sind der Erwartungswert und die Standardabweichung zu berech- nen. Die
Normierung der einzelnen Signalabweichungen vom Mittelwert erfolgt über die
Querschnittsstreuung der Signale. Die so erstellte Verteilung der standardisierten Roh-
prognosen (sogenannte Scores) besitzt einen Erwartungswert von 0 und eine Standard-
abweichung von 1. Die standardisierte Rohprognose einer Anlage i lässt sich wie folgt
berechnen:

Signali  E .Signal/
Si D ; (17.12)
¢ .Signal/
wobei:

Si D Score bzw. standardisierte Rohprognose der Anlage i,


E(Signal) D erwartetesSignal,
¢(Signal) D Standardabweichung der Signale.

Mit dieser Standardisierung werden die Rohprognosen normiert und entsprechen so den
z-Werten (Score-Werten) der Standardnormalverteilung. Anlagen mit gleichen Signalen
erhalten die identischen Score-Werte. Um schließlich die prognostizierte aktive Rendi-te einer
Anlage i zu bestimmen, können die standardisierten Rohprognosen bzw. die Score-Werte mit
den dazugehörenden (exogenen) Residualrisiken wie folgt anhand des einfachen
SkalierungsverfahrensvonGrinold( 1994)angepasstwerden:
17

’i D Si IC ¢©;i ; (17.13)

wobei:

IC D erwarteter Informationskoeffizient,
¢©;i D erwartetes aktives Risiko der Anlage i (Standardabweichung der Residualrenditen
aus einem Einfaktor- oder Multifaktorenmodell).

Aufgrund der Skalierung mit dem erwarteten aktiven Risiko werden die ordinalskalierten
Rohprognosen in die Kardinalskala der Residua lrenditen übertragen. Die Standardabwei-
chungderResidualrenditeneinerAnlagei(also
¢©;i ) stellt das zweite zentrale Moment

17
Vgl. Grinold 1994 : Alpha is Volatility Times IC Times Score, or Real Alphas Don’t Get Eaten, 9
ff.
S. Damit die Ex-ante-Alphas konsistent sind und unbeabsichtigte Timingeffekte unterbunden
werden, ist in einem Kontrolldurchgang deren benchmarkgewichtetes Mittel festzulegen. Ergibt
sich für das Benchmarkportfolio aufgrund der Einzelprognosen ein von null abweichender
Alpha-Wert, so ist das erwartete Ex-ante Alpha einer Anlage i wie folgt anzupassen:
’0i D ’i  “i ’B , wobei
“i D Beta der Anlage i gegenüber der Benchmark und ’B D Alpha des Benchmarkportfolios,
P
das als benchmarkgewichtetes Mittel wie folgt berechnet werden kann: ’B D niD1 wi, B ’i , wobei
wi;B D Gewicht der Anlage i im Benchmarkportfolio. In den weiteren Ausführungen wird dieser
Anpassungsschritt für die Berechnung der erwarteten Ex-ante-Alphas nicht vorgenommen, da in
den folgenden Beispielen die Summe der Alphaabweichungen im Benchmarkportfolio jeweils null ist.
107 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

der Renditeverteilung dar und verkörpert di e erwartete Streuung der Residualrenditen. So etwa
impliziert ein Kaufsignal bei einer Anlage mit einer hohen Standardabweichung der
Residualrenditen ein höheres Alpha als ein entsprechendes Kaufsignal für eine Anlage mit
einem niedrigeren aktiven Risiko, wenn alles andere gleich bleibt. Ohne die Anpassung der
Rohprognose um das erwartete aktive Risiko würden in der darauffolgenden Portfo-
liooptimierung bei Anlagen mit gleicher Rohprognose diejenigen Anlagen bevorzugt, die über
ein niedrigeres aktives Risiko verfügen. Durch die weitere Multiplikation mit dem er- warteten
Informationskoeffizienten (IC) wird die Prognosegüte der Rohprognosen erfasst. Diese
Anpassung führt grundsätzlich zu einer Verminderung der Renditeerwartung, da der
Informationskoeffizient in der Regel positiv, aber kleiner als 0,15 ist. Ist etwa der Infor-
mationskoeffizient 0, so weisen die Prognosen keinen Gehalt auf und die prognostizierte aktive
Renditewirdauf0gesetzt.

¢©;i
Wird der Score-Wert Si bzw.diestandardisierteRohprognosefürdieAnlageimit(separater
WertfürdieAnlagei)undIC(gleicherWertfüralleAnlagen)multipliziert,
erhält man den korrekten Wert für die prognostizierte aktive Anlagerendite. Des Weiteren lässt
sichdasoptimaleaktiveGewichteinerAnlageiwiefolgtermitteln:

’i ¢©;P
wi D 2
p ; (17.14)
¢©;i IC BR

wobei:

¢©;P D erwartetes aktives Portfoliorisiko,


IC D erwarteter Informationskoeffizient,
BR D Prognoseanzahl (Anzahl unabhängiger Einzelprognosen pro Jahr).

Der Informationskoeffizient erfasst die Korrelation zwischen den realisierten und den
prognostiziertenaktivenRenditen.AlsrisikogewichteterKorrelationskoeffizientlässtsichder
erwarteteInformationskoeffizientfolgendermaßenberechnen:
!
rAi ’i
IC D ¡ ; ; (17.15)
¢rAi ¢©;i

wobei:

rAi D realisierte aktive Rendite der Anlage i,


’i D prognostizierteaktiveRenditederAnlagei.

Der Informationskoeffizient misst die Prognosegüte und liegt in einem Wertebereich von
1 bis C1 (1  IC  C1), wobei positive Werte von unterhalb 0,15 die Regel sind.18

18
EinInformationskoeffizientvonmehrals0,15giltbereitsalsextremhoch.Grundsätzlichistbeider
BeurteilungderPrognosequalitäteinICvon0,1alssehrhoch,von0,07alshoch,von0,05als
ordentlich, von 0,02 als gering positiv und von 0 als nicht vorhanden (Zufallsprognose) einzustufen. Vgl.
Grinold1991:ShouldForecastsofAssetReturnsInfluenceRiskPredictions,S.17.
17.3 AktivesPortfoliomanagement 1079

ImbestenFallbeträgtdererwarteteInformationskoeffizient1.DierealisiertenRenditenwerden
durch die abgegebenen Renditeprognosen perfekt antizipiert. Ein erwarteter In-
formationskoeffizient von 0 bedeutet den schlechtesten Fall, weil die realisierte und die
prognostizierte Rendite völlig unabhängig voneinander auftreten. Bei einem erwarteten
Informationskoeffizienten, der 0 oder sogar negativ ist, ist die aktive Anlagestrategie zu-
gunsteneinerpassivenStrategieaufzugeben.

EinweitererFaktor,dereinenEinflussaufdasoptimaleaktiveGewichthat(siehe( 17.14)),ist
dieAnzahlanunabhängigenEinzelprognosenineinerPeriode(z.B.1Jahr),diebeider
KonstruktiondesPortfoliosanfallen.DiePrognoseanzahlBRresultiertausdemProduktvon
periodischen(z.B.monatlichen)Querschnittsprognosen(z.B.dieAn-zahlanuntersuchten
Anlageklassen)undderZahlderPrognoseintervalle(z.B.Monate)innerhalbdes
Betrachtungszeitraums(z.B.1Jahr).ImeinfachstenFallentsprichtdiePrognoseanzahlder
AnzahlanAnlagenimPortfolio,wennfürdieBerechnungderak-tivenRenditeein
Einfaktormodellverwendetwird,beidemdieAnlagerenditemiteinemallgemeinen
MarktfaktorkorreliertunddieaktivenAnlageentscheidungenjedesJahrun-abhängig
voneinandergetroffenwerden.IneinemsolchenFallistdieaktiveRenditeeinerAnlage
unabhängigvondenaktivenRenditenandererAnlagenineinerPeriodeundauchunabhängig
vondenRenditeprognosenindendarauffolgendenPerioden.

Beispiel
Skalierung der prognostizierten aktiven Renditen und Berechnung der optimalen
aktivenGewichtedereinzelnenAnlagenineinemPortfolio
Ein Portfoliomanager analysiert vier Anlagen, deren aktive Renditen nicht miteinander
korrelieren. Er gelangt zu dem Schluss, dass im nächsten Jahr die ersten zwei Anlagen ein
positives Alpha und die anderen zwei Anlag en ein negatives Alpha erzielen werden.
AufgrunddieserEinschätzungerhaltendieerstenzweiAnlageneinenScore-WertvonC

1 und die anderen zwei Anlagen einen entsprechenden Score-Wert von 1. Zu den
vier Anlagen liegen die folgenden Daten für den Score-Wert und das aktive Risiko vor:

Anlagen Score-Wert Aktives Risiko


1 C1 10 %
2 C1 25 %
3 1 10 %
4 1 25 %

DererwarteteInformationskoeffizientbeträgtfürallevierAnlagen0,15.DieRen-
ditevorhersagenwerdenfürjedeeinzelneAnlageundfürjedesJahrunabhängigvon-
einandervorgenommen.EssinddiefolgendenFragenzubeantworten:

1. Wie hoch sind die prognostizierten aktiven Renditen (Ex-ante-Alphas) gemäß dem
SkalierungsprozessvonGrinold?
10 0 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

2. Die Anlagepolitik schreibt ein aktives Portfoliorisiko von maximal 6 % vor. Der
Portfoliomanager möchte die erwartete aktive Rendite im Portfolio maximieren. Wie hoch
sind die optimalen aktiven Gewichte dieser vier Anlagen im Portfolio? Wie hoch ist die
erwartete Information Ratio der aktiven Strategie?
3.

Lösungzu1
Die prognostizierten aktiven Renditen lassen sich mit dem einfachen Skalierungsver- fahren
vonGrinold( ’ D IC¢ S ) wie folgt bestimmen:
i ’i i

’1 D 0;15  10 %  1 D 1;5 %;
’2 D 0;15  25 %  1 D 3;75 %;
’3 D 0;15  10 %  .1/ D 1;5 %;
’4 D 0;15  25 %  .1/ D 3;75 %:

Lösungzu2
Die Prognoseanzahl bzw. die Anzahl an unabhängigen Einzelprognosen beträgt 4 (BR
D 4), während sich das maximal aktive Portfoliorisiko auf 6 % (¢©;P D 0,06)
beläuft. Nachstehend sind in Anlehnung an ( 17.14 ) die optimalen aktiven Gewich-
te der einzelnen Anlagen aufgeführt, die der Anlagepolitik eines maximalen aktiven
Portfoliorisikosvon6%Rechnungtragen:
   
0;015 0;06
w1 D  p D 0;3;
0;12 0;15  4
   
0;0375 0;06
w2 D 2
 p D 0;12;
0;25 0;15  4
   
0;015 0;06
w3 D 2
 p D 0;3;
0;10 0;15  4
   
0;0375 0;06
w4 D 2
 p D 0;12:
0;25 0;15  4

Die ersten zwei Anlagen weisen ein positives aktives Gewicht auf, während die An- lagen drei
und vier aufgrund des negativ erwarteten Alphas negative aktive Gewichte besitzen. Die
SummederaktivenGewichteist0%[
D 30 % C 12 % C .30 %/ C
.12 %/].

Lösungzu3
Das erwartete aktive Portfoliorisiko liegt bei 6 %:
q
¢©;P D 0;32  0;12 C 0;122  0;252 C .0;3/2  0;12 C .0;12/2  0;252 D 0;06:
17.3 AktivesPortfoliomanagement 10 1

Die erwartete aktive Portfoliorendite beläuft sich auf 1,8 %:


’P D 0;3  1;5 % C 0;12  3;75 % C .0;3/  .1;5 %/ C .0;12/  .3;75 %/
D 1;8 %:
Die erwartete Information Ratio beträgt 0,3:
1;8 %
IR D D 0;3:
6%

17.3.2.2 DaselementareGrundgesetz
Die erwartete aktive Portfoliorendite ergi bt sich aus der Summe der aktiven Anlagege- wichte
multipliziertmitdenprognostiziertenaktivenAnlagerenditen:

N
’P D Xi wi ’i : (17.16)
D1

Bei einem aktiven Portfolio ohne Anlagerestriktionen, also mit einem Übertragungsko-
effizienten von 1, lässt sich die optimale erwartete aktive Portfoliorendite anhand der optimalen
aktivenGewichtevon(17.14)unddenskaliertenprognostiziertenaktivenRen-ditenvon(17.13)
wiefolgtberechnen: 19

p
’P D .IC/ BR ¢©;P : (17.17)

DasaktivgesteuertePortfoliowirdmitdenoptimalenaktivenGewichtendereinzelnenAnlagen
wi  erstellt.DaherwirdinderFormeldieerwarteteaktivePortfoliorenditemit
einem Stern versehen. Darüber hinaus wird unterstellt, dass die Anzahl unabhängiger Ein-
zelprognosenderAnzahlderAnlagenentspricht(BR D N). Das elementare Grundgesetz
des aktiven Portfoliomanagements bzw. ( 17.17 ) gibt an, dass die optimale erwartete aktive
PortfoliorenditevomerwartetenInformationskoeffizienten(IC),vonderPrognoseanzahl(BR)
undvomerwartetenaktivenPortfoliorisiko ¢©;P abhängt.
Die erwartete Information Ratio eines optimalen aktiven Portfolios ohne Anlagerestrik-
tionenwirdvomerwartetenInformationskoeffizientenundderPrognoseanzahlbeeinflusstund
lässtsichfolgendermaßenermitteln:
p
 ’P .IC/ BR¢©;P p
IR D D D .IC/ BR: (17.18)
¢©;P ¢©;P

19
Die Formel lässt sich folgendermaßen herleiten:
XN XN
’P D wi ’i D .wi ¢©; i /’=¢
i ©; i D N Cov.wi ¢©; i ;’=¢
i ©; i /
iD1 iD1

D N ¡.wi ¢©; i ;’=¢


i ©; i / ¢.wi ¢©; i /¢.’=¢
i ©; i /
p p
D N.TC/ ¢©; P = N .IC/ D .TC/.IC/ N ¢©; P :
p
Dabei werden die Terme ¡.wi ¢©; i ;’=¢i ©; i / mit TC, ¢.wi ¢©; i / mit ¢©; P = N und ¢.’=¢
i ©; i / durch
IC ersetzt. Bei einempunbeschränkten Portfolio ist BR D N und der Übertragungskoeffizient TC D
1, sodass ’P D .IC/ BR ¢©;P ist.
10 2 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Die erwartete Information Ratio misst das Erfolgspotential der Renditeprognosen bzw. der
aktivenAnlagestrategie. Sie ist umso höher, je besser die durch den Informationskoef- fizienten
ausgedrückte Prognosegüte und je größer die Anzahl der unabhängigen Einzel- prognosen ist.
Dabei geht das Grundgesetz des aktiven Managements davon aus, dass die durch den
InformationskoeffizientenerfasstePrognosegütefüralleAnlagengleichgroßist.InderRealität
hingegen ist es durchaus möglich, dass einzelne Anlagen wie etwa Ak- tien mit großer
Marktkapitalisierungverlässlicherprognostiziertwerdenkönnen,alsdiesbeianderenAnlagen
imPortfoliowieetwaAktienmiteinerkleinenMarktkapitalisierungderFallist.DerVorteilvon(
17.18 ) bzw. des Grundgesetzes des aktiven Portfoliomanage- ments ist, dass die
Grundzusammenhänge des a ktiven Managements auf die wesentlichen Einflussgrößen
reduziert werden. So zum Beispiel beträgt bei einem Prognoseuniversum von 100 Aktien mit je
vier aktiven Renditeprognosen pro Aktie und Jahr sowie einem erwarteten
Informationskoeffizientenvon0,015dieerwarteteInformationRatio0,3:

p
IR D 0;015  4  100 D 0;3:

Die erwartete Information Ratio lässt sich durch die Zunahme von Renditeprognosen nicht
beliebig steigern, obwohl dasErfolgspotential beieinem positiven Informations- koeffizienten
zunimmt, je mehr Prognosen vorgenommen werden. Vielmehr stößt dieses Vorgehen infolge
desDiversifikationseffektsanGrenzen,weilunteranderemdieAnzahlderAnlagenbegrenztund
Transaktionskostenzuberücksichtigensind.DarüberhinauskannauchdieUnabhängigkeitder
Einzelprognosen nicht mehr gegeben sein. Nimmt die Prognoseaktivität zu, werden auch die
hierfür erforderlichen Informationen mehrfach verwertet, sodass es zu entsprechenden
Redundanzen kommt. Schließlich wird auch die durchschnittliche Prognosequalität
schrittweiseabnehmen,dadasResearchpotentialderAnalystenbegrenztist.

Beispiel
Das elementare Grundgesetz des aktiven Portfoliomanagements
Ein Portfoliomanager analysiert vier Anlagen, deren aktive Renditen nicht miteinan- der
korrelieren. Die Renditevorhersagen erfolgen jedes Jahr unabhängig voneinander. Die
prognostizierten aktiven Renditen (bereits um das Residualrisiko und den Infor-
mationskoeffizienten skalierte standardisierte Rohprognosen), die erwarteten aktiven
RisikenunddieoptimalenaktivenGewichtesindnachfolgendaufgeführt:

Anlagen Prognostizierte Erwartete aktive Optimale aktive


aktive Renditen Risiken Gewichte
1 1,5 % 10 % 30 %
2 3,75 % 25 % 12 %
3 1;5 % 10 % 30 %
4 3;75 % 25 % 12 %

Der erwartete Informationskoeffizient ist für alle Anlagen 0,15.


17.3 AktivesPortfoliomanagement 10 3

1. Es wird davon ausgegangen, dass im Benchmarkportfolio die vier Anlagen zu glei- chen
Gewichten enthalten sind (also ein Gewicht von 25 % je Anlage) und dass sich die
erwarteteRenditedesBenchmarkportfoliosbzw.dereinzelnenAnlagenauf10%beläuft.
WiehochsinddieGewichtedervierAnlagenimPortfolio?

2. WiehochsinddieerwarteteaktiveRenditeunddieerwarteteGesamtrenditedesPortfolios?

3. Wie hoch sind die erwartete aktive Rendite und die erwartete Information Ratio des
PortfoliosanhanddeselementarenGrundgesetzesdesaktivenPortfoliomanage-ments?

Lösungzu1
DieGewichtedereinzelnenAnlagenimPortfolioergebensichausdemBenchmark-gewicht
unddemoptimalenaktivenGewicht.SozumBeispielbetragendasGewichtdererstenAnlage
55%(
D 25 % C 30 %) und die erwartete Rendite 11,5 % (D 10 % C
1;5 %). Nachstehend sind die Benchmark- und Po rtfoliogewichte sowie die erwarteten
Renditen der vier Anlagen aufgeführt:

Anlagen Gewichte im Bench- Gewichte im Port- Erwartete Anlage-


markportfolio folio renditen
1 25 % 55 % 11,5 %
2 25 % 37 % 13,75 %
3 25 % 5 % 8,5 %
4 25 % 13 % 6,25 %
Total 100 % 100 %

Lösungzu2
Die erwartete aktive Portfoliorendite ist 1,8 %:

’P D 0;3  1;5 % C 0;12  3;75 % C .0;3/  .1;5 %/ C .0;12/  .3;75 %/


D 1;8 %:

Die erwartete Portfoliorendite beträgt 11,8 %:

E .rP / D 0;55  11;5 % C 0;37  13;75 % C .0;05/  8;5 % C 0;13  6;25 %


D 11;8 %:

Die erwartete Benchmarkrendite liegt bei 10 %:

E .rB / D 0;25  10 % C 0;25  10 % C 0;25  10 % C 0;25  10 % D 10 %:

Es gilt folgender Zusammenhang zwischen den oben berechneten Renditegrößen:

’P D E .rP /  E .rB / D 11;8 %  10 % D 1;8 %:


10 4 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Lösungzu3
Das erwartete aktive Risiko des Portfolios liegt bei 6 %:
q
¢©;P D 0;32  0;12 C 0;122  0;252 C .0;3/2  0;12 C .0;12/2  0;252 D 0;06:

Gemäß dem elementaren Grundgesetz des aktiven Portfoliomanagements lässt sich die
erwartete aktive Rendite des Portfolios von 1,8 % mithilfe des erwarteten Infor-
mationskoeffizienten von 0,15, der Prognoseanzahl von 4 und des erwarteten aktiven
Portfoliorisikosvon6%wiefolgtberechnen:

p p
’P D .IC/ BR ¢©;P D 0;15  4  0;06 D 0;018:

Die erwartete Information Ratio von 0,3 (D 0;018=0;06) kann anhand des elementaren
Grundgesetzes des aktiven Portfoliomanagements mit dem erwarteten Informationsko-
effizienten von 0,15 und der Prognoseanzahl von 4 folgendermaßen bestimmt werden: p
p
IR D .IC/ BR D 0;15  4 D 0;3:

17.3.2.3 DasvollständigeGrundgesetz
Ist beispielsweise das optimale aktive Gewicht einer Anlage groß und negativ, so kann dies zu
einem großen negativen Gewicht im Portfolio führen. Allerdings sehen Anlagerichtlini- en
oftmals Short-Restriktionen vor, die zum Beispiel auf regulatorische Vorschriften oder auf
Präferenzen der Marktteilnehmer zurückzuführen sind. Zu den Letzteren gehören et- wa die
KomplexitätunddieKostenvonShort-Positionen,diegegenüberLong-Positionenhöhersind.

DerÜbertragungskoeffizientstelltdenKorrelationskoeffizientenzwischendenprog-
nostiziertenaktivenAnlagerenditenunddenaktuellenaktivenAnlagegewichtendarundkann
füreinEinfaktormodellalsrisikogewichteterKorrelationskoeffizientwiefolgtbe-rechnet
werden:

TC D ¡.’=¢
i ©;i ; wi ¢©;i / ; (17.19)
wobei:

wi D aktuelles aktives Gewicht der Anlage i für ein Portfolio mit Anlagerestriktionen.
Der Stern wird im Gegensatz zum aktiven Anlagegewicht bei einem Portfolio ohne An-
lagerestriktionen nicht benutzt.

Da der Übertragungskoeffizient TC ein Korrelationskoeffizient ist, fällt er in einem Wer-


tebereichvon  bis C1 an.DerÜbertragungskoeffizientistinderRegelpositivundliegt1
zwischen 0,2 bis 0,9. Ein niedriger TC-Wert resultiert aus formalen oder informalen An-
lagerestriktionen,dieindieErstellungdesPortfolioseinfließen.SoetwabedeuteteinTC
17.3 AktivesPortfoliomanagement 10 5

von 0, dass keine Beziehung zwischen den prognostizierten aktiven


Anlagerenditen und den aktiven Anlagegewichten im Portfolio besteht. Folglich
existieren keine Renditeer- wartungen aus dem aktiven Portfoliomanagement.
Der erwartete Mehrwert ist null. Sind hingegen die prognostizierten aktiven
Anlagerenditen mit den aktiven Anlagegewichten vollständig positiv korreliert
bzw. liegen keine Restriktionen in der Portfoliokonstruk- tionvor,soistTC
D 1. MöglichistaucheinnegativerTC-Wert,deretwaaufgrundeiner
erforderlichenPortfolioumschichtungentstehenkann.MitdemEinbezugdesÜber-
tragungskoeffizientenlässtsichdieprognostizierteaktivePortfoliorenditemitfolgender
Formelermitteln(vollständigesGrundgesetzdesaktivenPortfoliomanagements):

p
’P D .TC/ .IC/ BR ¢©;P : (17.20)

GemäßdemvollständigenGrundgesetzdesaktivenManagementsistdieprognostizierteaktive
Portfoliorendite ein Produkt aus dem erwarteten Übertragungskoeffizienten, dem erwarteten
Informationskoeffizienten, der Wurzel aus der Prognoseanzahl und dem er- warteten aktiven
Portfoliorisiko. Für ein Portfolio mit Anlagerestriktionen lässt sich die erwartete Information
Ratiofolgendermaßenbestimmen:

p
’P .TC/ .IC/ BR ¢©;P p
IR D D D .TC/ .IC/ BR: (17.21)
¢©;P ¢©;P

Beispiel
Das elementare und vollständige Grundgesetz des aktiven Portfoliomanagements im
Vergleich
Ein Portfoliomanager analysiert vier Anlagen, deren aktive Renditen nicht miteinander
korrelieren. Die Renditevorhersagen erfolg en jedes Jahr unabhängig voneinander. Die
erwarteten aktiven Renditen, die erwarte ten aktiven Risiken sowie die optimalen und
aktuellenaktivenGewichtedervierAnlagensindnachstehendaufgeführt:

Anlagen Prognostizierte Erwartete aktive Optimale aktive Aktuelle aktive


aktive Renditen Risiken Gewichte Gewichte
1 5% 25 % 18 % 6%
2 10 % 50 % 9% 4%
3 5 % 25 % 18 % 7%
4 10 % 50 % 9 % 17 %

Der erwartete Informationskoeffizient ist für alle Anlagen 0,2. Die prognostizierten
aktiven Renditen wurden für die ersten beiden Anlagen mit einem Score-Wert von C1
und für die anderen beiden Anlagen mit einem Score-Wert von 1 ermittelt. So zum
Beispiel ist die prognostizierte aktive Rendite der ersten Anlage von 5 % das Produkt des
erwartetenInformationskoeffizientenvon0,2,desScore-Wertsvon C1 und des
10 6 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

erwarteten aktiven Risikos von 25 % (’i D 0;2  1  25 % D 5 %). Die optimalen


aktiven Gewichte der einzelnen Anlagen wu rden mit einer Restriktion bezüglich des
maximalen aktiven Portfoliorisikos von 9 % bestimmt. Für die erste Anlage beläuft sich zum
BeispieldasoptimaleaktiveGewichtauf18%:
   
’1 ¢©;P 0;05 0;09
w1 D 2
p D  p D 0;18:
¢©;1 IC BR 0;252 0;2  4

Die aktuellen aktiven Gewichte der einzelnen Anlagen im Portfo lio wurden mit einem
numerischen Optimierungsverfahren festgelegt, das auf einer Reihe von Restriktionen wie
etwaeinerShort-Restriktionfür dieAnlage 3und demaktiven Portfoliorisiko von maximal9
%basiert.EssinddiefolgendenFragenzubeantworten:

1. WiehochsinddieerwartetenÜbertragungskoeffizienten(TC)fürdaselementareunddas
vollständigeGrundgesetzdesaktivenPortfoliomanagements?
2. Wie hoch sind die erwartete aktive Rendite und das erwartete aktive Risiko des Portfolios
anhandderoptimalenundaktuellenaktivenAnlagegewichte?
3. WiehochsinddieerwartetenaktivenRenditenderbeidenPortfoliosmitdenop-timalenund
aktuellen Anlagegewichten (elementares und vollständiges Grundge- setz), wenn diese
mit den entsprechenden Werten der Übertragungskoeffizienten, der
Informationskoeffizienten, der Prognoseanzahl und des erwarteten aktiven Port-
foliorisikosberechnetwerden?

4. WiehochsinddieerwartetenInformationRatiosderbeidenPortfoliosmitdenoptimalen
undaktuellenAnlagegewichten(elementaresundvollständigesGrund-gesetz)?

Lösungzu1
Der Übertragungskoeffizient zwischen den prognostizierten aktiven Anlagerenditen und
den aktuellen aktiven Anlagegewichten (vollständiges Grundgesetz) lässt sich mit
folgenderFormelberechnen:TC
D ¡.’=¢
i ©;i ; wi ¢©;i /. Für die Anlage 1 ist ’i =¢©;i D
0;2 (D 0;05=0;25) und wi ¢©;i D 0;015 (D 0;06  0;25). Für alle vier Anlagen lauten
die entsprechenden Werte wie folgt:

Anlagen ’i =¢©;i wi ¢©;i


1 0,2 0,015
2 0,2 0,02
3 0;2 0,0175
4 0;2 0;085

Nimmt man beispielsweise für den Korrelationskoeffizienten die statistische Funk-


tion in Microsoft Excel „KORREL“, ergibt sich ein Übertragungskoeffizient von TC D
0;577. Mit den optimalen aktiven Gewichten (elementares Grundgesetz) hingegen ist
17.3 AktivesPortfoliomanagement 10 7

der Übertragungskoeffizient 1 (TC D 1). Die entsprechenden Werte für die Berech-
nung des Korrelationskoeffizienten von 1 sind nachstehend aufgeführt:

Anlagen ’i =¢©;i wi  ¢©;i


1 0,2 0,045
2 0,2 0,045
3 0;2 0;045
4 0;2 0;045

Lösungzu2
Mit den optimalen aktiven Anlagegewichten (elementares Grundgesetz) betragen die
erwartete aktive Portfoliorendite 3,6 % und das in der Anlagepolitik vorgeschriebene
erwarteteaktivePortfoliorisiko9%:

’P D 0;18  5 % C 0;09  10 % C .0;18/  .5 %/ C .0;09/  .10 %/


D 0;036;
q
¢©;P D 0;182  0;252 C 0;092  0;52 C .0;18/2  0;252 C .0;09/2  0;52
D 0;09:

Mit den aktuellen aktiven Anlagegewichten, die aufgrund von Restriktionen in der An-
lagepolitik von den optimalen Anlagegewichten abweichen, resultieren eine erwartete
aktivePortfoliorenditevon2,1%undeinaktivesPortfoliorisikovonwiederum9%:

’P D 0;06  5 % C 0;04  10 % C 0;07  .5 %/ C .0;17/  .10 %/


D 0;021;
q
¢©;P D 0;062  0;252 C 0;042  0;52 C 0;072  0;252 C .0;17/2  0;52
D 0;09:

Lösungzu3
Für das elementare Grundgesetz, bei dem keine Anlagerestriktionen vorliegen, lässt sich die
erwarteteaktivePortfoliorenditevon3,6%miteinemÜbertragungskoeffizien-tenvon1wie
folgtbestimmen:

p p
’P D .TC/ .IC/ BR ¢©;P D 1  0;2  4  0;09 D 0;036:

Bestehen Restriktionen in der Anlagepolitik, so ist beim vollständigen Grundgesetz ein


Übertragungskoeffizient von 0,577 anzuwenden, was zu einer niedrigeren erwarteten
aktivenPortfoliorenditevon2,1%führt:

p p
’P D .TC/ .IC/ BR ¢©;P D 0;577  0;2  4  0;09 D 0;021:
10 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Lösungzu4
Beim elementaren Grundgesetz des aktiven Portfoliomanagements beträgt die erwarte- te
InformationRatio0,4( D 3;6 %=9 %), die auch mit dem erwarteten Informationsko-
effizienten und der Prognoseanzahl wie folgt bestimmt werden kann:
p p
IR D .IC/ BR D 0;2  4 D 0;4:

Bei Short-Restriktionen und weiteren Anlagerestriktionen beläuft sich die erwartete


InformationRatioimvorliegendenBeispielauf0,23( D 2;1 %=9 %). Alternativ lässt
sich die erwartete Information Ratio von 0,23 mit folgender Formel ermitteln:
p p
IR D .TC/ .IC/ BR D 0;577  0;2  4 D 0;23:

1.3.2.4 VergleichvonaktivenAnlagestrategienmitundohneRestriktionen Die


Information Ratio eines Portfolios ohne Anlagerestriktionen wird durch die
Höhe des aktiven Risikos nicht beeinusst, wie dies in Abb. 17.1
dargestellt ist. Demgegen- über nimmt die Information Ratio eines
Portfolios mit Anlagerestriktionen ab, wenn die Aggressivität der Strategie
zunimmt bzw. die aktiven Gewichte des Portfolios mit Restrik- tionen von
denjenigen ohne Restriktionen stärker abweichen. In einem solchen Fall
geht der Übertragungskoefzient TC und somit die Information Ratio
zurück. Daher sind die in der Anlagepolitik vorgegebenen
Anlagerestriktionen entscheidend dafür, wie aggres- siv das aktive
Portfolio zusammengestellt wird. Das folgende Beispiel illustriert diesen
Zusammenhang.

Beispiel
Vergleich von aktiven Aktienstrategien mit und ohne Anlagerestriktionen
Es werden zwei aktive Aktienstrategien miteinander verglichen. Die erste Strategie besteht
aus der Auswahl von einzelnen Aktien mit einer Benchmark, die aus 225
Beteiligungspapieren besteht. Die zweite Strategie bezieht sich auf die Auswahl von
Industriesektoren mit einer Benchmark mit 10 Sektoren. Die aktiven Renditen sind als
Residualrenditen eines Einfaktormodells definiert und nicht miteinander korreliert. Die
Prognosen fallen jedes Jahr unabhängig voneinander an. Der erwartete Informations-
koeffizient der ersten Strategie ist 0,04, während die zweite Strategie einen höheren
Informationskoeffizientenvon0,16besitzt.

20
Es sind die folgenden Fragen zu beant-
worten:

20
Esistplausibel,dassdieStrategiemitderAuswahleinzelnerAktieneinenniedrigerenInforma-
tionskoeffizientenbesitzt,weildaslimitierteResearchpotentialeinesManagersübereinegrößere
Anzahl von Prognoseobjekten gestreut ist. Im Gegensatz dazu wird der Analyseaufwand der zwei- ten
Strategie auf eine erheblich geringere Anzahl von Prognoseobjekten angewandt, was sich positiv auf den
Informationskoeffizientenauswirkendürfte.
17.3 AktivesPortfoliomanagement 10 9

1. WiehochsinddieerwartetenInformationRatiosderbeidenAktienstrategien,wennkeine
Restriktionen in der Anlagepolitik wie etwa nur Long-Positionen oder eine jährliche
BeschränkungvonPortfolioumschichtungenvorliegen?
2. WiehochistdieerwarteteaktiveRenditederbeidenStrategien,wenndasaktiveRisiko4%
ist?
3. GehtmanvonderrealistischenAnnahmeaus,dassdieersteStrategiemitderAuswahlvon
einzelnen Aktien nur auf Long- Positionen beschränkt ist und die Port-
folioumschichtungen begrenzt sind, so beträgt der Übertragungskoeffizient 0,5. Wie
hoch sinddie erwartete Information Ratio und die erwartete aktive Rendite der Stra- tegie
mitRestriktionen?

4. Die Aggressivität der ersten Strategie mit Restriktionen nimmt zu, was sich in ei- nem
höheren aktiven Risiko von 6 % niederschlägt. Wie verändert sich die erwartete
InformationRatio?

Lösungzu1
DieersteStrategiederAuswahlvoneinzelnenAktienweisteinePrognoseanzahlvon225und
einen erwarteten Informationskoeffizienten von 0,04 auf. Da keine Anlagere- striktionen
vorliegen,beträgtderÜbertragungskoeffizient1.SomitliegtdieerwarteteInformationRatio
bei0,6:

p
IR1: Strategie D 0;04  225 D 0;6:

Die zweite Strategie, die sich auf die Auswahl von Industriesektoren stützt, besitzt eine
kleinere Prognoseanzahl von 10 und einen höheren erwarteten Informationskoeffizi- enten
von 0,16. Da der Übertragungskoeffizient 1 ist, resultiert daraus eine erwartete Information
Ratiovon0,506:

p
IR2: Strategie D 0;16  10 D 0;506:

Lösungzu2
Die erwartete aktive Rendite der ersten Aktienstrategie ist 2,4 % (D 0;64 %), während
die erwartete aktive Rendite der zweiten Aktienstrategie bei 2,024 % (D 0;506 %  4)
liegt.

Lösungzu3
Die erwartete Information Ratio der ersten Aktienstrategie fällt von 0,6 ohne Anlage-
restriktionenauf0,3mitAnlagerestriktionen:
p
IR1: Strategie D 0;5  0;04  225 D 0;3:

Die erwartete aktive Rendite nimmt von 2,4 % ohne Anlagerestriktionen auf 1,2 % (D
0;3  4 %) mit Anlagerestriktionen ab.
1090 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Lösungzu4
Ein höheres aktives Risiko wird zu größeren Abweichungen zwischen den aktiven An-
lagegewichten mit und ohne Anlagerestrik tionen führen, sodass der Übertragungsko-
effizient weiter fällt. Wird beispielsweise unterstellt, dass der Übertragungskoeffizient von
0,5 auf 0,4 zurückgeht, so resultiert daraus eine niedrigere erwartete Information Ratio von
0,24:
p
IR1: Strategie D 0;4  0;04  225 D 0;24:
Die erwartete aktive Rendite hingegen nimmt von 1,2 % auf 1,44 % (D 0;24  6 %) zu.
Allerdings fällt der proportionale Anstieg der erwarteten aktiven Rendite im Vergleich
zur Zunahme des aktiven Risikos geringer aus.

17.3.2.5 BerücksichtigungvonTimingprognosen
Das Ex-ante-Alpha umfasst jenen Teil der erwa rteten aktiven Rendite, der nicht mit der
Benchmark korreliert ist und auf die Selektions- bzw. Allokationstätigkeiten des aktiven
Managers zurückzuführen ist. Derandere Teil der erwarteten aktiven Rendite bezieht sich auf
dasBenchmarktiming,alsodasperiodischeAbweichenvomstrategischen(langfris-tigen)Beta
des Portfolios. Prognostiziert der M anager eine außerordentliche Marktbewe- gung, so kann er
vondieserprofitieren,indemerdasBetadesPortfoliosgegenüberderBenchmarkverändert.

21
DievomManagererwarteteAbweichungderBenchmarkrenditevon
derallgemeinenerwartetenKonsensus-BenchmarkrenditestellteinenaktivenRendi-tebeitrag
ausdemTimingdarundkannwiefolgtberechnetwerden:

i D .“i  1/ B ; (17.22)

wobei:

i D erwartete aktive Rendite aus dem Benchmarktiming,


“i D aktives Beta der Anlage i,
B D erwartete Veränderung der Benchmarkrendite.

Die erwartete aktive Rendite besteht aus den prognostizierten Ex-ante-Alphas der
Selektions- bzw. Allokationsaktivitäten und aus der Renditeerwartung des Benchmark-
timings. Sie lässt sich anhand der beiden unk orrelierten Prognosegrößen folgendermaßen
ermitteln:
E .rA;i / D ’i C i ; (17.23)
wobei:

E .rA;i / D erwartete aktive Rendite der Anlage i aus Selektions- bzw. Allokationsaktivitä-
ten (’i ) und Benchmarktiming (i ).

21
Vgl. Grinold und Kahn 2000 : Active Portfolio Management, S. 544 ff.
17.4 SemiaktivesPortfoliomanagement:DasTreynor/Black-Modell 1091

Die erwartete Rendite aus der Timingprognose lässt sich konzeptionell mit dem gleichen
Skalierungsverfahren wie die Alphaprognose bestimmen. Allerdings kann ausgehend von der
langfristig erwarteten Marktrisikoprämie lediglich ein Prognosewert für einen be- stimmten
Zeitpunkt festgelegt werden. Die Timingprognose wird zunächst als Rendi- terohprognose
formuliert.DabeiwirddiesubjektivgeschätzteRohprognoseanhandeinervordefiniertenOrdin
alskala (siehe Tab. 17.1 ) eingeordnet und mit deren Erwartungswert und Standardabweichung
standardisiert.DieRisikoskalierungderstandardisiertenRoh-prognosederBenchmarkerfolgt
mitderStandardabweichungderBenchmarkrenditen,sodassdieTimingprognoseinProzenten
umgerechnet und kompatibel mit den Alpha- prognosen ist. Danach wird die risikoskalierte
Timingprognose der Benchmark mit dem erwarteten Informationskoeffizienten des
BenchmarktimingsmultipliziertundsogegeneinenWertvon0%angepasst.Demnachlässtsich
das Skalierungsverfahren für die Ren- diteerwartung der Benchmark aus der Timingprognose
wiefolgtaufführen:

B D SB ¢rB ICB ; (17.24)

wobei:

SB D Score bzw. standardisierte Rohprognose der Benchmark,


¢rB D StandardabweichungderBenchmarkrenditen,
ICB D erwarteter Informationskoef fizient des Benchmarktimings.

Die aktive Rendite der Anlage i aus dem Benchmarktiming kann anhand des aktiven Betas der
AnlageimitfolgenderFormelbestimmtwerden:

i D .“i  1/ B : (17.25)

Die so ermittelten prognostizierten aktiven Renditen [E .rA;i / D ’i C i ] können für


die Portfoliokonstruktion in ein Rendite-Risiko-Optimierungsverfahren eingesetzt wer-
den. Im folgenden Abschnitt wird das Treynor/Black-Modell vorgestellt, das die Umset- zung
einer semiaktiven Anlagestrategie ermöglicht, bei der ein Teil des Portfolios passiv und der
andereTeilaktivangelegtwird.

17.4 SemiaktivesPortfoliomanagement:DasTreynor/Black-Modell

17.4.1 Einleitung

Mithilfe der Wertpapieranalyse lassen sich falsch bewertete Anlagen, die über ein ge- schätztes
positives oder negatives Alpha verfügen, identifizieren. Wird ein Portfolio aus diesen Titeln
gebildet, so verbleibt abhängig von der Anzahl an Anlagen ein substantielles
unternehmensspezifischesRisikoimPortfolio.DaherbestehteinTrade-offzwischenderausder
Analyse hervorgehenden Anzahl fehlb ewerteter Anlagen und dem aus der Diversi-
fikationsmotivationabgeleitetenGedanken,dasseinzelneWertpapieredasPortfolionicht
1092 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

dominieren sollten. Diese „Diversifikationskosten“ vermindern den Nutzen einer aktiven


Anlagestrategie.
Das Treynor/Black-Modell stellt eine Kombination aus aktivem und passivem Portfo-
liomanagement dar.22 DasoptimalePortfoliobestehtauseinerAnlagekombinationvonunter-
undüberbewertetenAnlagenunddemMarktportfolio.DasModellunterstellt,dassdieMärkte
mehrheitlicheffizientsind.DieverbleibendenIneffizienzenaufdemMarktkönnendurcheine
aktiveStrategieausgenutztwerden,sodassdasoptimalePortfolioimVergleichzum
MarktportfolioeinehöhererisikoadjustierteRenditeaufweist.DasModellgehtvonfolgenden
Annahmenaus:

 WertpapieranalystenkönnenimVergleichzumGesamtmarktlediglicheinekleineAn-zahlvon
Anlagenstudieren.DienichtuntersuchtenWertpapieresindimModellrichtigbewertet.

 Das passive Portfolio ist durch das Marktportfolio gegeben, das gut diversifiziert ist.
 Die Wertpapieranalyse liefert Schätzungen der erwarteten Rendite und Varianz des
Marktportfolios.
 Das aktive Portfolio besteht aus einer limitierten Anzahl fehlbewerteter Anlagen.
 Für die Konstruktion des aktiven Portfolios sind folgende Schritte notwendig: 1. Das
Beta und das Residualrisiko werden für die einzelnen Anlagen geschätzt. Die erwartete
Rendite wird durch den risikolosen Zinssatz, das Beta und die Marktrisikoprämie be-
stimmt. 2. Für jede einzelne fehlbewertete Anlage wird das Ex-ante-Alpha berechnet.
Die geschätzten Werte für das Ex-ante-Alpha, das Beta und die Varianz der Resi-
dualrenditen
3. werden verwendet, um das optimale Gewicht der einzelnen Anlagen im
aktiven Portfolio zu bestimmen. 4. Für das aktive Portfolio sind das Ex-ante-Alpha,
das Beta und die Varianz der Residualrenditen zu ermitteln.

 Die geschätzten Werte für das Marktportf olio (erwartete Rendite und Varianz der
Marktrenditen) und das aktive Portfolio (Ex-ante-Alpha, Beta und Varianz der Resi-
dualrenditen) werden benutzt, um die optimalen Gewichte der beiden Anlagekombina-
tionenimGesamtportfoliofestzulegen.

17.4.2 KonstruktiondesoptimalenPortfolios

Geht man davon aus, dass sämtliche risikobehafteten Anlagen richtig bewertet sind (’i D
0), lässt sich die Rendite der Anlage i mit einem Einfaktormodell wie folgt berechnen:
ri;t D rF C “i .rM;t  rF / C ©i;t ; (17.26)
wobei:
rF D risikoloser Zinssatz,
“i D Beta der Anlage i,

22
Vgl. Treynor und Black 1973 : How to Use Security Analysis to Improve Portfolio Selection, 66 ff.
S.
17.4 SemiaktivesPortfoliomanagement:DasTreynor/Black-Modell 1093

rM;t  rF D Marktrisikoprämie,
i;t D ResidualrenditederAnlageimiteinemErwartungswertvonnull.©

DasTreynor/Black-ModellberuhtaufderAnnahme,dassdieRenditensämtlicherWert-papiere
durchdie oben stehende Formel bestimmt werden können. Dabei setzt sich die Rendite aus einer
systematischenKomponente
Œ“i .rM;t  rF / und einem unsystematischen
Teil (©i;t ) zusammen. Darüber hinaus fallen die Residualrenditen unabhängig voneinander
an und sind demnach nicht korreliert. Das Treynor/Black-Modell kann auch mit einem
Multifaktorenmodellumgesetztwerden,beidemmehreresystematischeRisikofaktorenfürdie
ErmittlungderAnlagerenditeeingesetztwerden. 23

ImRahmendesaktivenPortfoliomanagementswerdendieAnlagenimHinblickaufeine
möglicheFehlbewertunguntersucht.DieRenditeeinerAnlagei,dieunter-oderüber-bewertet
ist,lässtsichfolgendermaßenermitteln:

ri;t D ’i C rF C “i .rM;t  rF / C ©i;t ; (17.27)

wobei:

’i D erwartete aktive Rendite (Ex-ante-Alpha), die auf die Fehlbewertung der Anlage
zurückzuführen ist.

2
Für alle untersuchten Anlag en werden die Parameter ’i , “i und ¢©;i bestimmt. Sind die
erwarteten aktiven Renditen (’i ) 0 %, besteht kein Anreiz, ein aktives Portfolio zusam-
menzustellen. In einem solchen Fall ist eine passive Strategie vorzuziehen und in ein
Marktindexportfolio(M)zuinvestieren.
Abb.17.3zeigtdenOptimierungsprozesszwischendemaktivenPortfolio(A)unddem
Marktportfolio(M).AufdergestricheltenEffizienzkurveliegensämtlicherisikobe-hafteten
Anlagen,dierichtigbewertetsindunddemzufolgeeinEx-ante-Alphavon0%aufweisen.Das
MarktportfoliobefindetsichaufderKapitalmarktlinie,dieausgehendvomrisikolosenZinssatz
durcheineTangenteaufdieEffizienzkurvekonstruiertwird.DasaktivePortfolio(A)wirdunter
EinbezugvonfehlbewertetenAnlagengebildet.Die-seAnlagekombinationliegtaufgrundder
Möglichkeit,überdurchschnittlicheRenditenzuerzielen,überderEffizienzkurvederrichtig
bewertetenAnlagenbzw.desMarktportfoli-os.DieerwarteteRendite

ŒE .rA / und das Risiko (¢A ) des aktiven Portfolios können mit
folgenden Formeln berechnet werden:

E .rA / D ’A C rF C “A ŒE .rM /  rF  ; (17.28)


q
¢A D “2A ¢M 2 2
C ¢©;A : (17.29)

23
Vgl. Abschn. 5.2.2 .
1094 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Kapitalallokationslinie
(erwartete
Rendite)
OP Kapitalmarktlinie
E(rA ) A
Effizienzkurve
E(rOP)
E(rM)
M

rF

0%
0% σM σOP σA (Standardabweichung
der Renditen)

Abb.17.3 Optimales Portfolio bestehend aus aktivem Portfolio und Marktportfolio

Die Konstruktion des optimalen Portfolios, bestehend aus dem Marktportfolio (M) und dem
aktiven Portfolio (A), ist eine Anwendung zur Bestimmung der Portfoliokurve aus zwei
risikobehaftetenAnlagen. 24
DiePortfoliokurvezwischendenbeidenRendite-Risiko-
PunktenMundAinAbb. 17.3lässtsichdurcheineVeränderungderGewichtevonAund
M im Portfolio ermitteln. Die Krümmung de r Portfoliokurve hängt von der Korrelation
zwischen den beiden Anlagekombinationen ab. Die Kapitalallokationslinie ist durch eine
Tangente ausgehend vom risikolosen Zinssatz an die Portfoliokurve gegeben. Dabei stellt das
Tangentialportfolio das optimale Portfolio (OP) dar. Das aktive Portfolio(A) spiegelt nicht das
effizienteste Portfolio wider, weil es verglichen mit dem optimalen Portfolio (OP) nicht
gleichwertig diversifiziert ist und über eine niedrigere Sharpe Ratio verfügt. Erst die
Kombination zwischen aktivem und passivem Portfolio führt zur effizientesten
Anlagekombination.

IndenweiterenAusführungenzumTreynor/Black-ModellwirdderalgebraischeAn-satz
fürdasOptimierungsproblemvorgestellt.DieerwarteteRenditedesoptimalenPort-folios
ŒE .rOP / ist die Summe der gewichteten Renditen des aktiven Portfolios und des
Marktportfolios:
E .rOP / D wA E .rA / C .1  wA / E .rM / ; (17.30)

wobei:

wA D Gewicht des aktiven Portfolios,


1  wA D Gewicht des Marktportfolios (die Summe der Gewichte entspricht 1).

24
Vgl. Abschn. 3.3 .
17.4 SemiaktivesPortfoliomanagement:DasTreynor/Black-Modell 1095

UmdenprozentualenAnteildesaktivenPortfoliosimoptimalenPortfoliozubestimmen,dasdie
höchste Steigung der effizientestenKapitalallokationslinie reflektiert, kann folgen- de Formel
verwendetwerden: 25

2
ŒE .rA /  rF  ¢M  ŒE .rM /  rF  Cov .rA ; rM /
wA D 2
;
ŒE .rA /  rF  ¢M C ŒE .rM /  rF  ¢A2  ŒE .rA /  rF C E .rM /  rF  Cov .rA ; rM /
(17.31)
wobei:
E .rA /  rF D ’A C “A RM ; wobei: RM D E .rM /  rF ;
2
Cov .RA ; RM / D “A ¢M ; wobei: RA D E .rA /  rF ;
¢A2 D “2A ¢M
2
C ¢©2 ;
ŒE .rA /  rF  C ŒE .rM /  rF  D .’A C “RM / C RM D ’A C RM .1 C “A /:
WerdendieVariablenin( 17.31)durchdieobenstehendenFormelausdrückeersetztundderZählerund
NennerderGleichungdurchdieVarianzdesMarktportfolios( ¢ 2 ) dividiert,M
resultiert daraus das optimale Gewicht des aktiven Portfolios A (w) im Gesamtportfolio:
’A
w D 2
: (17.32)
¢©;A
’A .1  “A / C RM 2
¢M
Nimmt man ein Beta des aktiven Portfolios von 1 an (“A D 1) undsetztdiesin(17.32)
ein,ergibtsichfolgendeGleichungfürdasoptimaleGewichtdesaktivenPortfolios(w): 0

’A
2
RM ’A =¢©;A
w0 D 2 D 2
: (17.33)
¢©;A RM =¢M
2
¢M
Die Formel lässt sich wie folgt interpretieren: Weist das aktive Portfolio ein durchschnittli-
ches systematisches Risiko von 1 auf (“A D 1 ),spiegeltdasoptimaleGewichtdesaktiven
Portfolios den relativen Renditevorteil von A gegenüber M (Alpha = Marktrisikoprämie)
dividiert durch den relativen Risikonachteil von A gegenüber M (unsystematisches Risiko
= Marktrisiko) wider. Die Beziehung zwischen dem optimalen Gewicht von w0 (bei einem
Beta von 1) und w lautet wie folgt:26
w0
w D : (17.34)
1 C .1  “A / w0

25
DieSteigungdereffizientestenKapitalallokationslinieistgemäßAbb. 17.3durchdieSharpeRatioD
des optimalen Portfolios gegeben: SOP ŒE.rOP /  rF =¢OP . Um das Maximierungsproblem zu
lösen, ist als Zielfunktion die Sharpe Ratio abzuleiten, wobei die Nebenbedingung lautet, dass die
Summe der Gewichte 1 ergibt. Leitet man die Sharpe Ratio nach dem Gewicht des aktiven Portfolios ab
undsetztdieGleichunggleich0,erhältman( 17.31)bzw.(17.32).
26
DasBetaentsprichtderKorrelationzwischendemaktivenPortfoliounddemMarktportfolio
multipliziertmitdemQuotientenausderStandardabweichungdesaktivenPortfoliosundderStan-
1096 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Der optimale Anteil des aktiven Portfolios (w) im Gesamtportfolio nimmt zu, wenn das
systematische Risiko ( A > 1) steigt,weildasDiversifikationspotentialmitdemMarkt-•
portfolio abnimmt. In einem solchen Fall ist es vorteilhaft, den prozentualen Anteil der
fehlbewertetenAnlagenimoptimalenPortfoliozuerhöhen.Grundsätzlichkannmaner-warten,
dass das Beta der aktiven Anlagekombination – bei einer genügend großen Anzahl an Anlagen –
ungefähr1entspricht,sodassdasoptimaleGewicht(w)nahebeiw 
0 liegt.
Gl.(17.33)und(17.34)zeigendenoptimalenprozentualenAnteildesaktivenPortfoli-osim
Gesamtportfolio.UmdiesesGewichtzuermitteln,sinddasEx-ante-Alpha,dasBetaunddie
VarianzderResidualrenditenderaktivenAnlagekombinationindieentsprechen-denFormeln
einzusetzen.MitdenGewichten(w)fürdasaktivePortfoliound(

1  w )
für das Marktportfolio können die erwartete Rendite, das Risiko und die Sharpe Ratio des
optimalen Portfolios bestimmt werden. Die Sharpe Ratio des optimalen Portfolios ist höher als
diejenige des Marktportfolios. Die Summe der quadrierten Sharpe Ratios des Marktportfolios
und der aktiven Anlagekombination führen zur quadrierten Sharpe Ratio des optimalen
Portfolios(SR
2
OP ):

2
2
RM ’A
SR2OP D C : (17.35)
¢M ¢©;A

Die höchste Sharpe Ratio des optimalen Portfolios erreicht man, wenn ein aktives Port-
folio erstellt wird, das den maximalen Wert für (’A =¢©;A ) bzw. für die Information Ratio
aufweist. Die Information Ratio misst die m arktunabhängige überschüssige Rendite, di-
vidiert durch das unsystematische Risiko. Die Rendite- und Risikoabweichungen zum
Marktportfolio entstehen, weil die prozentuale Zusammensetzung der Titel im aktiven
Portfolio vom Marktportfolio abweicht. Die Information Ratio des aktiven Portfolios lässt sich
maximieren, wenn die Gewichte der ein zelnen Anlagen i mit folgender Formel be- stimmt
werden:
2
’i =¢©;i
wi D PN 2
: (17.36)
iD1 ’i =¢©;i

Die Formel zeigt, dass der prozentuale Antei l einer Anlage im aktiven Portfolio vom Aus-
2
maß der Fehlbewertung (’i ) und dem unsystematischen Risiko (¢©;i ) abhängt. Der Beitrag
einer einzelnen Anlage zur Portfoliorendite wird durch das Alpha positiv beeinflusst, wäh-
rend das unsystematische Risiko zu einer höheren Portfoliovarianz führt und deshalb einen
negativenEinflussaufdierisikoadjustiertePerformanceausübt.DieSummederQuotien-tenim
NennerstellteinenSkalierungsfaktordar,dersicherstellt,dassdieSummederGewichte1ergibt.
Ferner zeigt die Formel, dass Anlagen mit einem negativen Alpha (also überbewertete Titel) ein
negatives Gewicht im Portfolio erhalten, was einer Short- Position der Anlage entspricht. Sind
Short-PositionenaufgrundderAnlagepolitiknicht

dardabweichung des Marktportfolios. Ein aktives Beta größer als 1 (“A > 1) bedeutet, dass die
Korrelation größer ist, als in ( 17.33 ) angenommen (“A D 1), sodass der Diversifikationseffekt mit

dem Marktportfolio geringer ausfällt, was einen höheren Anteil des aktiven Portfolios (w )zurFol-
ge hat. Dieser Zusammenhang führt zu den Anpassungen in ( 17.34 ).
17.4 SemiaktivesPortfoliomanagement:DasTreynor/Black-Modell 1097

erlaubt, erhalten überbewertete Titel ein Gewicht von 0 % und fließen somit nicht in den
Optimierungsprozess ein. Nimmt die Anzahl von unter- und überbewerteten Anlagen zu,
verbessert sich die Diversifikation im aktiven Portfolio, was zu Lasten des Marktportfolios zu
einemhöherenAnteilderaktivenAnlagekombinationimGesamtportfolioführt.

DieAuswahlunter-oderüberbewerteterAnlagenhateinehöhereInformationRatiodes
aktivenPortfolioszurFolge.DabeinimmtdiequadrierteSharpeRatiodesoptima-lenPortfolios
durchdieSummederquadriertenInformationRatiosderfalschbewertetenAnlagenzu.


2 N
2
’A ’i
D Xi (17.37)
¢©;A D1
¢©;i
Das Treynor/Black-Modell zeigt die zentrale Rolle der Information Ratio bei der An-
lageanalyse. Sind sämtliche Anlagen richtig bewertet – die Ex-ante-Alphas der Titel ent-
sprechend 0 % –, so weist das akt ive Portfolio ein optimales Gewicht von 0 % auf, während das
Marktportfolio ein Gewicht von 100 % besitzt.Findet man im Rahmen der Wert- papieranalyse
Anlagen mit einem positiven und/oder negativen Ex-ante-Alpha, ist das Marktportfolio nicht
mehreffizient.VielmehrsetztsichdasoptimalePortfolioauseineraktivenAnlagekombination
unddemMarktportfoliozusammen.

17.4.3 Beispiel

Das folgende Beispiel illustriert die Konstruktion des optimalen Portfolios anhand des
Treynor/Black-Modells.
Die Analyseabteilung eines Finanzinstituts prognostiziert eine erwartete Markt-
rendite von 17 % und eine Standardabweichung der Marktrenditen von 30 %. Der
risikolose Zinssatz beträgt 2 %. Des Weiteren übermittelt die Analyseabteilung dem
Portfoliomanagement-Team die Ex-ante-Alphas (’), Betas (“) und Standardabweichun-
gen der Residualrenditen (¢© ) für drei untersuchte Aktien:

Aktien ’ “ ¢© ’=¢©
1 0,05 1,4 0,55 0,0909
2 0;04 1,0 0,25 0;1600
3 0,08 0,7 0,21 0,3810

DieDatenzeigen,dassdieStandardabweichungenderResidualrenditenmitdenBetas
korrelieren,wasdenMarktrealitätendurchausentspricht.Mithilfevon( 17.35)und(17.37)lässt
sichdieSharpeRatiodesoptimalenPortfolioswiefolgtberechnen:

q
SROP D Œ.0;17  0;02/=0;30 2 C 0;09092 C .0;1600/2 C 0;38102 D 0;6550:

Die Sharpe Ratio des optimalen Portfolios von 0,655 liegt deutlich über der Sharpe Ratio des
Marktportfoliosvon0,50( D ).SiespiegeltdieSteigungderKapitalallo-
0;15=0;30
109 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

kationslinie wider, die höher als die Steigung der Kapitalmarktlinie (Sharpe Ratio des
Marktportfolios)ist.DaheristdasoptimalePortfolioinBezugaufRenditeundRisikoeffizienter
alsdasMarktportfolio.
IneinemnächstenSchrittwirddieZusammensetzungderaktivenAnlagekombination
bestimmt.DabeiwerdendieGewichtedereinzelnenAktienmit( 17.36)wiefolgtermit-telt:
27

0;05=.0;55/ 2
wAktie1 D D 0;1234;
1;3394
.0;04/=.0;25/ 2
wAktie2 D D 0;4778;
1;3394
0;08=.0;21/ 2
wAktie3 D D 1;3544:
1;3394
Die Summe der Gewichte der drei Aktien ist 1 (D 0;1234  0;4778 C 1;3544). Die Aktie
2 weist ein negatives Alpha und dementsprechend ein negatives Gewicht auf. Mit den von
der Analyseabteilung prognostizierten Daten und den soeben berechneten Anteilen der drei
Aktien lassen sich das erwartete Alpha, das Beta und die Standardabweichung der
ResidualrenditenimaktivenPortfoliobestimmen:

’A D 0;1234  0;05 C .0;4778/  .0;04/ C 1;3544  0;08 D 0;1336;


“A D 0;1234  1;4 C .0;4778/  1;0 C 1;3544  0;7 D 0;643;
q
¢©;A D .0;1234/2  .0;55/2 C .0;4778/2  .0;25/2 C .1;3544/2  .0;21/2
D 0;3159:

Aktie 2 verfügt über ein negatives Gewicht von 47,78 % und trägt 1,91 % [D .0;4778/ 
.4 %/] zum Alpha des aktiven Portfolios von 13,36 % bei. Aufgrund der Annahme,
dass die Residualrenditen nicht miteinander korrelieren, setzt sich die Portfoliovarianz der
Residualrenditenaus derSumme derim QuadratgewichtetenResidualvarianzendereinzelnen
Aktienzusammen. 28

DaserwarteteAlpha,dasBetaunddieStandardabweichungderResidualrenditendesaktiven
Portfolioswerdenverwendet,umdenAnteilderaktivenAnlagekombinationim
Gesamtportfoliozumessen.Gemäß( 17.33)beträgtderprozentualeAnteilbeieineman-
genommenenBetavon1(
“A D 1) 80,33 %:

2
’A =¢©;A 0;1336=.0;3159/ 2
w0 D 2
D D 0;8033:
RM =¢M 0;15=.0;30/ 2

27
DerNennervon1,3394,dereinenSkalierungsfaktordarstellt,lässtsichwiefolgtberechnen:C
.0;05=0;55 2 / . 0;04=0;25 2 / C .0;08=0;21 2 / D 1;3394.
28
Für die Annahmen des Marktmodells vgl. Abschn. 4.2.2 .
17.4 SemiaktivesPortfoliomanagement:DasTreynor/Black-Modell 1099

Berücksichtigt man das Beta des aktiven Por tfolios von 0,643, resultiert daraus ein Ge- wicht in
Anlehnungan(17.34)von0,6243:

w0 0;8033
w D D D 0;6243:
1 C .1  “A / w0 1 C .1  0;643/  0;8033
Wird das aktive Portfolio um das Beta von 0,643 korrigiert, so ergibt sich ein Anteil im
Gesamtportfolio von 62,43 %. Da das Beta des aktiven Portfolios von 0,643 deutlich unter dem
Beta des Marktportfolios von 1 liegt, reduziert sich aufgrund des Diversifikations- effekts mit
demMarktportfolioderAnteildesaktivenPortfoliosvon80,33%(w)auf
0
62,43 % (w ).29
DasGewichtdereinzelnenAktieninderaktivenAnlagekombinationzusammenmitdem
prozentualenAnteildesMarktportfoliosimGesamtportfolioführtzufolgenderZu-
sammensetzungdesoptimalenPortfolios:

Anlagen Prozentualer Anteil im optimalen Portfolio


Aktie 1 0;6243  0;1234 D 0,077
Aktie 2 0;6243  .0;4778/ D 0;2983
Aktie 3 0;6243  1;3544 D 0;8456
Aktives Portfolio D 0;6243
Marktportfolio 0,3757
Total D 1;0000

Wie bereits einleitend ausgerechnet, beträg t die Sharpe Ratio des optimalen Portfolios
0,655 und liegt damit über derjenigen des Marktportfolios von 0,5:





2 RM 2 ’A 2 0;15 2 0;1336 2
SROP D C D C D 0;4289;
¢M ¢©;A 0;30 0;3159
p
SROP D 0;4289 D 0;655:

Eine weitere Performancegröße, welche die Zunahme der Sharpe Ratio im Treynor/Black-
Modellillustriert,istdieM-Statistik.
2 30
M2 misst,umwievieleRenditepunktedasopti-
malePortfoliodieRenditedesMarktportfoliosbeigleichemRisikoübersteigt.Dabeiwirddie
erwarteteRenditeeinesPortfolios,dasaufderidentischenKapitalallokationsliniewiedas
optimalePortfolioliegtundeineStandardabweichunggleichjenerdesMarktport-folios
aufweist,mitdererwartetenRenditedesMarktportfoliosverglichen.Inanderen

29
Ist das Beta des aktiven Portfolios kleiner als 1 (“A < 1), so liegt ein höheres Maß an Diversifi-
kationspotential zwischen aktivem Portfolio mit dem Marktportfolio vor, was zu einem niedrigeren
Anteil der aktiven Anlagekombination führt. Ist das aktive Beta hingegen größer als 1 (“A > 1),so
bestehteingeringererDiversifikationsgewinnundderAnteildesaktivenPortfoliosimGesamtport-folio
nimmtentsprechendzu.
30
FrancoModiglianiundseineEnkelinLeahModigliani(1997)habendieserisikoadjustierte
Performancegrößeentwickelt.DaherderNameMimQuadratbzw.M.Vgl.Modigliani
2 undMo-
digliani 1997 : Risk-Adjusted Performance, S. 45 ff.
1100 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

(erwartete Kapitalallokationslinie
Rendite)
M2= E(r P) – E(rM) Kapitalmarktlinie
OP A
E(rOP)
Effizienzkurve
P
E(rP )
E(rM)
M

rF

0%
0% σM σOP (Standardabweichung
der Renditen)

Abb.17.4 M2 -Statistik

Worten: Man erstellt ein Portfolio, bestehe nd aus der optimalen Anlagekombination und der
risikolosenAnlage,mitidentischemRisikowiedasMarktportfolio.DadiesesPort-foliodiegleiche
Verlustgefahr wie der Markt besitzt, kann es mit der erwarteten Rendite des Marktportfolios
verglichenwerden.DieM-StatistikstelltdieDifferenzzwischenden
2

erwartetenRenditendar.Abb. 17.4verdeutlichtdiesenZusammenhang.Die
RisikoprämiedesPortfolios ŒE .rP /  rF  ,dassichaufdergleichenKapitalallo-
kationslinie wie das optimale Portfolio befindet und über ein Risiko von ¢ (Risikodes M
Marktportfolios) verfügt, berechnet s ich mithilfe der Sharpe Ratio wie folgt:

E .rP /  rF
SRP D ! E .rP /  rF D SRP ¢M : (17.38)
¢M

Wird die Sharpe Ratio des optimalen Portfolios von 0,655 und die Standardabweichung der
Marktrenditenvon30%indieobenstehendeFormeleingesetzt,soerhältmanfürdieRisikoprämie
desPortfolios0,1965bzw.19,65%(
D 0;655  0;30).
Die M2-Statistik ist die Differenz zwischen den erwarteten Renditen des Portfolios und
des Marktportfolios:

M2 D E .rP /  E .rM / D ŒE .rP /  rF   ŒE .rM /  rF  : (17.39)

Die M2-Statistik beträgt 4,65 %:

M2 D 19;65 %  .17 %  2 %/ D 4;65 %:

ImVergleichzumerwartetenAlphadesaktivenPortfoliosvon13,36%fälltdierisikoad-justierte
ÜberschussrenditedesoptimalenPortfolioszumMarktvon4,65%tiefaus.Der
17.4 SemiaktivesPortfoliomanagement:DasTreynor/Black-Modell 1101

Grund dieses Ergebnisses liegt im Diversifikationseffekt. Um das hohe Risiko der einzel- nen
Aktien zu reduzieren (z. B. weist Aktie 1 eine Volatilität der Residualrenditen von 55 % auf) und
die Sharpe Ratio als risikoadjustierte Renditegröße zu maximieren, muss die aktive
AnlagekombinationmitdemMarktportfoliokombiniertwerden.

WirddieAnzahlfehlbewerteterAktienimPortfolioerhöht,sokannmandieSharpeRatioals
Performancegrößewesentlichverbessern.ZumBeispielkannmandieAnlage-kombination
bestehendausdenAktien1,2und3durchdreiweitereAktienmitiden-tischemEx-ante-Alphaund
identischerVolatilitätderResidualrenditenerweitern.Wird( 17.37)angewandt,soerhältmaneine
quadrierteInformationRatiovon0,358,waseineVerdoppelungdieserKennzahlbedeutet.
Gemäß( 17.35)beträgtdieneueSharpeRatiodesoptimalenPortfolios0,78.Darüberhinaussteigt
dieM-Statistikvon4,65%auf8,40%,
2

was wiederum annähernd eine Verdoppelung da rstellt. Diese beispie lhaften Berechnungen
zeigen, dass sich die Performance des Portfolios durch eine höhere Anzahl der untersuch- ten
Aktien und durch eine effiziente Kombination zwischen aktiven und passiven Anlagen deutlich
verbessernlässt.

17.4.4 PrognostizierteAlpha-Werte

Das Problem in der Konstruktion des aktiven Portfolios besteht darin, dass die geschätzten
Ex-ante-Alphas den realisierten Werten am Ende der Periode entsprechen müssen, um die
angestrebte Sharpe Ratio zu erreichen. Die Qualität der geschätzten Ex-ante-Alphas wiederum
hängtvondervergangenenPrognosesicherheitab.

Basierend auf dem Marktmodell kann das durchschnittlich erzielte Alpha (’) vonden
durchschnittlichenRenditenüberdenrisikolosenZinssatzderAnlage(R)unddesMarkt-
portfolios(R
M ) wie folgt ermittelt werden:

’ D R  “RM : (17.40)

Um die Prognosegenauigkeit zu bestimmen, kann eine Regression zwischen den geschätz- ten
Ex-ante-Alphas( ’ ) und den realisierten Alphas (’ ) durchgeführt werden:
P

’P;t D a C b’t C ©t : (17.41)

Die Regressionsparameter a und b unterliegen einem Schätzfehler31 und werden aus Prak-
tikabilitätsgründen für die Schätzung des Ex-an te-Alphas nicht weiter berücksichtigt (a D
0 und b D 1). Da der Fehlerterm der prognostizierten Alphas nicht mit dem tatsächlich
realisierten Alpha korreliert, lässt sich die Varianz der prognostizierten Alphas wie folgt
berechnen:
¢’2P D ¢’2 C ¢©2 : (17.42)

31
Für den Schätzfehler der Regressionsparameter a und b vgl. Abschn. 4.2.3 .
1102 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Die Qualität der Prognose kann mit dem Deter minationskoeffizienten bzw. dem qua- drierten
KorrelationskoeffizientenzwischendenbeidenVariablen( ’ und ’) gemessen
P
werden. Dabei entspricht der Determinations koeffizient dem Quotienten aus der erklärten
Varianz und der totalen Varianz:

¢’2
¡2 D : (17.43)
¢’2 C ¢©2

Mit dem Determinationskoeffizienten aus der oben stehenden Formel lässt sich das ge- schätzte
Ex-ante-Alpha auf Grundlage der Qu alität vergangener Prognosen korrigieren. Das durch den
DeterminationskoeffizientenkorrigierteEx-ante-Alphavon
¡2 ’P führtzu
einemkleinerenPrognosefehler.IstbeispielsweisedieAnalyseperfekt,dannbeträgtder
Determinationskoeffizient1unddasgeschätzteEx-ante-Alphakannvollumfänglichindie
ErstellungdesaktivenPortfoliosaufgenommenwerden.BeträgtderDeterminationskoef-
fizienthingegen0,bleibtdasgeschätzteAlphagänzlichunberücksichtigt.

UnterstelltmanjeweilseinenDeterminationskoeffizientenvon0,3fürdiegeschätzten
AlphasderdreiAktienimvorangegangenenBeispiel,reduziertsichdasGewichtdesak-tiven
PortfoliosimoptimalenPortfoliovon62,43%auf22,2%.AuchdieSharpeRatioverringertsich
von0,655auf0,5159,währenddieM-Statistikvon4,65%auf0,48%ab-
2

nimmt. Dieses Beispiel zeigt, dass es wichtig ist, in der Konstruktion des aktiven Portfolios die
prognostiziertenAlphasmithilfedesDeterminationskoeffizientenzukorrigieren.
EinDeterminationskoeffizientvon0,3bedeuteteinenKorrelationskoeffizientenvon0,55
zwischendenprognostiziertenunddenrealisiertenAlphas,was–gemessenamGradder
InformationseffizienzauchinentwickeltenMärkteneinenzuhohenKorrelationskoef-
fizientendarstellt.DesWeiterenwirdderDeterminationskoeffizientauseinerRegression
bestimmtundunterliegtdaheraucheinemSchätzfehler.Schließlichweisenauchdiean-deren
ParameterimTreynor/Black-Modell,wieetwadieerwarteteRenditeundVarianzdesMarktes,
dasBetaunddieResidualvarianz,jeweilseinenSchätzfehlerauf.Realisti-scherweisekannman
aufgrunddieserProblemeeineniedrigereSharpeRatioals0,5159undeineschlechtereM
-Statistikals0,48%erwarten.

DieserArgumentationistentgegenzuhalten,dasssichdasErgebnisimTreynor/Black-
ModelldurcheineErhöhungderuntersuchtenAnlagenwesentlichverbessernlässt.Ana-lysiert
manimvorangegangenenBeispiel120anstattnur3Aktienundsinddavon40Titelidentischmit
jeweilseinerderdreiAktien,soerhöhtsichdieSharpeRatiovon0,5159auf0,9476unddieM
-Statistikvon0,48%auf13,43%.
2 32
Außerdem heben sich die Schätz-
fehler bei einem Portfolio von 120 Anlagen, im Vergleich zu einer Anlagekombination

32
DieZunahmederSharpeRatiolässtsichwiefolgtberechnen:QuadriertmandieSharpeRatiodes
optimalenPortfoliosunddesMarktportfoliosvon0,5159bzw.0,50,soerhältman0,2662bzw.0,25.
Die Differenz der quadrierten Sharpe Ratios beträgt 0,0162 und spiegelt die quadrierte Information Ratio
desaktivenPortfolioswider.Wird0,0162mit40multipliziert,ergibtsicheinequadrierteInformationRatio
von0,648.DiequadrierteSharpeRatiodesoptimalenPortfoliosbeträgt0,898(
D C 0;25).DieWurzelvon0,898führtzueinerSharpeRatiovon0,9476.0;648
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1103

bestehendausnur3Titeln,gegenseitigauf.DieProblematikdesSchätzfehlersbeinur3Anlagen
kanndurcheinedeutlicheZunahmederTitelwesentlichentschärftwerden.
DerMehrwertdesaktivenPortfoliomanagementshängtvonderQualitätdergeschätz-ten
Werteab.KorrigiertmandieprognostiziertenAlphasundanalysierteinegenügendgroße
AnzahlvonAnlagen,kannmanmitdemTreynor/Black-ModelldiePerformanceimVergleich
zueinerpassivenStrategieverbessern.

17.5 AnlagestrategienmitAktien

17.5.1 BedeutungvonAktienimPortfoliomanagement

Aktien machen einen wesentlichen Anteil in vielen Portfolios aus. Sie werden sowohl von
privaten als auch von institutionellen Investoren gehalten. So zum Beispiel zeigt Tab. 17.2 für
das Jahr 2015 die Allokation des Vermögens von Pensionsfonds in Akti- en, Anleihen, anderen
risikobehafteten Anlagen (z. B. Immobilien und andere alternative Anlagen) und Cash für
sieben Hauptmärkte. Dabei stellen Aktien mit einem Anteil von durchschnittlich 44 % die
wichtigste Anlageklasse dar. Demgegenüber weisen Anleihen lediglich einen
durchschnittlichen Anteil des investierten Rentenvermögens von 29 % auf. Allerdings variiert
die Allokation in Aktien. Länder wie die Schweiz, die Niederlande und Japan besitzen
gegenüber Kanada, Großbritannien, USA und Australien einen vergleichs- weise kleinen
Anteil an Aktien in den Pensionsfonds. Dies ist, zumindest teilweise, auf Unterschiede in den
Anlagerestriktionen, der Risikoaversion und der Tradition des Akti- enbesitzes
zurückzuführen.

NebenderDiversifikationkönnenAktienalsInflationsschutzineinemPortfoliogehal-ten
werden,sofernderUmsatzdesUnternehmensmitderZunahmederInflationsteigtbzw.die
InflationdenKundeninFormvonhöherenProdukt-undDienstleistungspreisenübertragen
werdenkann.SolcheAktienbietenimVergleichzuherkömmlichenAnleihen

Tab.17.2 Allokation in Aktien bei Pensionsfonds für das Jahr 2015 (ausgewählte Hauptmärkte)
(Quelle: Willis Towers Watson 2016 : Global Pension Asset Study 2016, S. 7.)
Länder Aktien Anleihen Andere risikobe- Cash
haftete Anlagen
Australien 48 % 14 % 21 % 17 %
Kanada 39 % 31 % 27 % 2%
Japan 31 % 57 % 9% 3%
Niederlande 33 % 52 % 15 % 0%
Schweiz 29 % 35 % 29 % 7%
Großbritannien 43 % 37 % 18 % 3%
USA 47 % 23 % 27 % 2%
Durchschnitt 44 % 29 % 24 % 3%
1104 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

mitfestennominalenKupon-undNominalwertzahlungengrundsätzlicheinengrößerenSchutz
gegen eine unerwartete Preisteuerung. Ein Inflationsschutz ist gegeben, wenn die
Nominalrendite der Aktie eine hohe positive Korrelation mitderInflationsrate aufweist, sodass
derrealeWertderAktienpositionerhaltenbleibt.

EineStudievonBekaertundWang(2010)zeigt,dassAktieninindustrialisiertenLän-dern
kaumeinenInflationsschutzübereinenkurzfristigenZeitraumgewährleisten,wäh-rendsie
einenTeuerungsschutzübereinenlängerenZeitraumsowieauchinLändernmiteinerhohen
Inflationbieten.
33
AndereStudienwieetwajenevonElyundRobinson(1997)
gelangenzuderähnlichenSchlussfolgerung,dassAktienimDurchschnitteinengutenIn-
flationsschutzlediglichübereinenlängerenZeitraumermöglichen. 34

SchließlichsinddielangfristigenrealenRenditenvonAktienimVergleichzuStaats-
anleihenhöherundspielendahereinewichtigeRollebeimrealenWertzuwachseines
Portfolios.Tab.17.3zeigtdierealenAktienmarktrenditenunddierealenRenditenlang-
fristigerStaatsanleihenvon1900bis2013für21LänderaufderBasisdesarithmetischen
Mittels.
35

DesWeiterenzeigtdieTabelle,dassdieRenditendesAktienmarktesaufgrunddeshöheren
RisikosgrößersindalsdiejenigenderStaatsanleihen.SomitwerdendieMarkt-teilnehmerfürdas
höhereRisikodesAktienmarkteslangfristigmiteinerhöherenRenditeentschädigt,wasmitder
AnnahmederRisikoaversionkonsistentist.RisikoaverseInves-torenverlangenfüreinhöheres
RisikoentsprechendeinehöhereRendite.

17.5.2 VerschiedeneAnsätzedesManagementsvonAktienportfolios

Es gibt verschiedene Ansätze, um Ak tien in einem Portfolio zu steuern:

 Passives Management: Bei diesem Ansatz fließen die Rendite- und Risikoerwartungen des
Portfoliomanagers nicht in die Portfoliokonstruktion ein. Die Indexierung stellt den
wichtigsten Ansatz im passiven Portfoliomanagement dar. Allerdings ist dieser Ansatz mit
Ausnahme der Rendite- und Risikoerwartungen von Aktien alles andere als passiv in der
Umsetzung.WirdetwaeineAktieeinemIndexzugeführtoderfal-lengelassenoderverändert
sichdasIndexgewichteinereinzelnenAktieinfolgeeinerUnternehmensaktivität(z.B.eines
Aktienrückkaufs),mussdaspassiveAktienportfolioangepasstwerden.

 Aktives Management: Das Ziel einer aktiven Anlagestrat egie ist es, die Benchmark zu
schlagen. Anhand von Selektions- und Allokationsaktivitäten sowie des Benchmark-
timingswirdeinepositiveaktiveRenditeangestrebt.

33
Vgl. Bekaert und Wang 2010 : Inflation and the Inflation Risk Premium, S. 764.
34
Vgl. Ely und Robinson 1997 : Are Stocks a Hedge against Inflation? International Evidence Using
a Long-run Approach, S. 141 ff.
35
Die Daten stammen von Dimson et. al 2014 und sind im Credit Suisse Global Investment Returns
Sourcebook 2014 des Credit Suisse Research Institute enthalten.
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1105

Tab.17.3 RealeRenditenvonAktienmärktenundStaatsanleihenvon1900bis2013(arithmetisches
Mittel)(Quelle:CreditSuisseResearchInstitute2014:CreditSuisseGlobalInvestmentReturns
Sourcebook 2014, S. 12 ff.)
Länder Reale Aktienmarkt- Standardabwei- Reale Anleihe- Standardabwei-
rendite (in %) chung (in %) rendite (in %) chung (in %)
Australien 9,0 18,1 2,4 13,2
Österreich 4,8 30,2 4,7 51,6
Belgien 5,3 23,9 1,4 14,9
Kanada 7,1 17,1 2,6 10,4
Dänemark 7,1 20,9 3,7 11,8
Finnland 9,2 30,2 1,3 13,7
Frankreich 5,7 23,3 0,9 12,9
Deutschland 8,2 32,0 1,0 15,7
Irland 6,7 23,0 2,5 15,0
Italien 5,9 28,8 0;1 14,3
Japan 8,8 29,8 1,6 19,8
Niederlande 7,1 21,6 1,9 9,6
Neuseeland 7,7 19,6 2,4 9,1
Norwegen 7,2 27,1 2,5 12,1
Portugal 8,7 34,6 2,4 18,8
Südafrika 9,6 22,3 2,4 10,5
Spanien 5,9 22,1 2,1 11,9
Schweden 8,0 21,4 3,3 12,6
Schweiz 6,2 19,7 2,6 9,5
Großbritannien 7,2 19,8 2,3 13,7
USA 8,4 20,1 2,4 10,3

 Semiaktives Management: Di eser Ansatz wird auch als verbesserte Indexierung oder als
risikokontrolliertes aktives Managem ent bezeichnet. Zum einen versucht der Ma- nager mit
einer aktiven Strategie die Benchmark zu schlagen und zum anderen das Tracking-Risiko
bzw. das aktive Risiko so gering wie möglich zu halten bzw. inner- halb einer vorgegebenen
Bandbreitezusteuern.

Im Folgenden werden diese drei Ansätze des passiven, aktiven und semiaktiven Aktien-
portfoliomanagementsbeschrieben.

17.5.3 PassivesManagementeinesAktienportfolios

DieAnlagephilosophiedespassivenManagementsbasiertaufderAktienindexierung.Daserste
indexiertePortfoliowurdefüreinenPensionsfondskunden1971vonWellsFargo
1106 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

erstellt. Für private Investoren wurde der erste breitabgestützte Indexfonds im Jahre 1975 von
TheVanguardGroupInc.eingeführt.
DiverseStudienzeigen,dassimDurchschnitteinaktiverinstitutionellerInvestor(z.B.
Anlagefonds)aufgrundderKostenfürdenHandelunddieAdministrationsowiederMa-
nagementgebühreneineimVergleichzumBenchmarkportfolioniedrigereNettorenditeerzielt.
36
SomitweisteinindexiertesPortfoliomitähnlichenZielsetzungenwieeinaktiv
gesteuertesPortfolioimDurchschnitteinehöherelangfristigeNettoperformanceauf,dabeider
passivenStrategiegeringerePortfolioumschichtungenerforderlichunddieVermö-
gensverwaltungsgebührenoftmals0,1%odersogarwenigersind.Darüberhinausistdie
SteuereffizienzbeieinerIndexierungsstrategiegrößer,weildiePortfolioumschichtungen
verglichenmiteineraktivenStrategiewesentlichgeringersind,sodassdieRenditevorundnach
Steuernrelativnahebeieinanderliegen.

DierelativhoheInformationseffizienzbeiAktienmitgroßerMarktkapitalisierung
rechtfertigtdenEinsatzeinerIndexierungsstrategie.Beiwenigerinformationseffizienten
MarktsegmentenwieetwabeiAktienmitkleinerMarktkapitalisierungsindzwardieaktiven
Anlagemöglichkeitengrößer,aberdafürsinddieTransaktionskostenaufgrunddergeringeren
Marktliquiditäthöher.DarüberhinausisteineIndexierungsstrategiean-gebracht,wennder
InvestordenMarkt(z.B.inÜbersee)nichtkenntunddeshalbdieerforderlichenInformationen
füreineerfolgreicheaktiveAnlagestrategienichtbesitzt.

Für die Umsetzung einer passiven Aktienstrategie können die folgenden Anlageinstru-
mente eingesetzt werden:

1. Anlage in einem indexierten Portfolio.


2. Eine Long-Cash-Position kombini ert mit Long-Aktienindex-Futures.
3. Eine Long-Cash-Position und ein Equity Swap, bei dem man den Swapsatz bezahlt und die
RenditeeinesAktienindexerhält.

1. Die Anlage in einem indexierten Portfolio erfolgt mit Anteilscheinen herkömmlicher


Anlagefonds und Exchange Traded Funds (ETFs) auf einen Aktienindex sowie mit ge-
trennten Konten oder Sammelkonten für hauptsächlich institutionelle Investoren, die
ausgelegt sind, um einen Benchmarkindex n achzubilden. Letztere stellen extrem kos-
tengünstige Produkte dar, deren annualisierte Kosten lediglich ein paar Basispunkte
ausmachen. Sind Aktien mit einem aktiven Ausleihemarkt in den Konten enthalten, so
können die Erträge aus der Wertschriftenleihe die Management- und Depotkosten mehr als
wettmachen. Der sichtbarste Unterschied zwischen Anlagefonds und Ex- change Traded
Funds ist, dass Anteilevon Anlagefonds zum Nettovermögenswert üblicherweise am Ende
des Handelstages direkt vom Fonds gekauft und an diesem auch verkauft werden. Anteile
vonETFs hingegen könnenanAktienbörsenjederzeitwährenddes Handelstageserworben
undveräußertwerden.DerBörsenhandelvon

36
Vgl. z. B. Lewellen 2011 : Institutional Investors and the Limits of Arbitrage, S. 66.
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1107

ETFs erhöht die Liquidität und stellt eine Bewertung sicher, die nahe am Nettovermö-
genswertist.DarüberhinaussinddieTransaktionskostensehrgering. 37

Die Indexierung erfolgt mithilfe von Techniken wie die vollständige Replikation, die
geschichtete Stichprobe oder die Optimierung. Beinhaltet der Index eine relativ kleine
Anzahl an Aktien und sind die Wertpapiere liquide, so kann der Indexfondsmanager den
Index vollständig replizieren. Jede Aktie im Index wird mit gleichem Gewicht auch im
Indexfonds geführt. Der Vorteil dieser Indexierungstechnik ist ein minimales
Tracking-Risiko.AußerdemfindetbeieinemmarktgewichtetenIndexdieNeugewich-tung
bei einer Aktienpreisänderung ohne Eingreifen des Fondsmanagers statt, weil das Gewicht
des Beteiligungspapiers im Fonds demjenigen des Index folgt. Demnach fal- len
Transaktionen nur an, wenn Dividenden wieder angelegt und die Aktien im Fonds bei
etwaigen Veränderungen in der Indexz usammensetzung angepasst werden. Voll- ständige
Replikation ist beispielsweisebeim DAX, HDAX, SMI oderdemS&P 500 sinnvoll,da diese
AktienindizesübereinerelativkleineAnzahlanliquidenTitelnver-fügen.Üblicherweiseist
die Fondsrendite bei einer vollständigen Replikation niedriger als die Indexrendite, was
hauptsächlich auf die Management- und Administrationskos- ten des Fonds und die
Transaktionskosten für die Wiederanlage von Dividenden und Anpassungen der
Indexzusammensetzungzurückzuführenist.

Übersteigt die Anzahl an Aktien einen bestimmten Schwellenwert (z. B. 1000 Aktien), so
nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Indexierung des Fonds entweder mit ei- ner
geschichteten Stichprobe oder mit einer Optimierung durchgeführt wird. Da diese beiden
IndexierungstechnikenlediglicheinenTeilderAktienauseinemIndexverwen-den,eignen
sie sich bei weniger liquiden Wertpapieren. Auf diese Weise können die hohen
TransaktionskosteneinervollständigenReplikationvermiedenwerden.

Bei einer geschichteten Stichprobe wird der Index in Faktoren wie beispielsweise
Marktkapitalisierung,SektorsowiedenAnlagestilderWert-undWachstumsorien-tierung
aufgeteilt. So werden mehrdimensionale Zellen definiert, denen die Aktien des Index
aufgrund ihrer Eigenschaften zugeteilt werden. Besteht zum Beispiel beim
MSCI-All-Country-World-Index
38
eineZelleausdenzweiFaktorenMarktkapitali-
sierungundSektor,dannwerdenAktiengemäßdiesenbeidenFaktoreneinerZelle
zugewiesen.SoetwawirddieAktievonMicrosoftCorp.einerZellezugeordnet,diedurchdie
beiden Faktoren Marktkapitalisierung größer als USD 100 Mrd. und In-
formationstechnologie gegeben ist. Im Anschluss an die Zuweisung aller Aktien des Index
anhanddervorgegebenenFaktorenzudenZellenwirddieMarktkapitalisierung

37
So zum Beispiel liegt die Gebühr für den ältesten ETF, den von State Street Global Advisors
emittierten SPDR (ETF auf den S&P-500-Index), unter 0,1 %.
38
BeimMSCI-All-Country-World-Indexhandeltessichumeinengewichtetenmarktkapitalisier-ten
IndeximStreubesitz,deram31.Dezember1987entwickeltwurde.ErmisstdiePerformance
vonAktieninentwickeltenLändernundEmergingMarkets.DerIndexumfasstAktienvon2447Emittenten
aus 46 Ländern. Aktien aus Deutschland undder Schweiz sind mit je einem marktkapi-talisierten Gewicht
von 3,1 %im globalenAktienindex enthalten, wobeiderIndex vonAktienausdenUSAmit einemGewicht
von53,2%dominiertwird(Stand31.März2016).
110 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

derAktienineinerZellezusammengezählt,umsodasmarktkapitalisierteGewichtderZelle
zu bestimmen. Der Fondsmanager erstellt nun ein Portfolio, indem er zufällig Aktien aus
jeder Zelle auswählt und dabei sicherstellt, dass die aus der Zelle gekauften
Beteiligungspapiere das gleiche Zellgewicht wie beim Index aufweisen. Das Verfahren der
geschichteten Stichprobe erlaubt dem Fondsmanager, einen Fonds zu konstruieren, der die
gleichen Eigenschaften wie der Index besitzt, ohne jedoch sämtliche Aktien aus dem Index
kaufenzumüssen.

Die Optimierung ist ein weiteres Indexierungsverfahren, bei dem lediglich ein Teil der
Aktien aus einem Index berücksichtigt wird. Dabei handelt es sich um ein mathemati- sches
Verfahren, das auf einem Multifaktorenmodell beruht. Die Risikoexposition des Index
gegenüber den einzelnen Aktien wird anhand von Faktoren wie die Marktkapi- talisierung,
das Beta und die Sektorzugehörigkeit gemessen. Eine Zielfunktion stellt sicher, dass die
Gewichte der Aktien das er wartete Tracking-Ri siko minimieren bzw. die Risikoexposition
des Fonds derjenigen des Index entspricht. Ein Vorteil der Opti- mierung gegenüber der
geschichteten Stichprobe ist, dass die Kovarianzen zwischen den Faktoren eingebunden
werden, um die Rendite der Aktien zu erklären. Beim ge- schichteten Stichprobenverfahren
hingegen wird unterstellt, dass die Faktoren nicht miteinander korreliert sind. Die
Indexierung mit dem Optimierungsverfahren weist auch Nachteile auf. So etwa istes nicht
möglich, ein Risikomodell zu konstruieren, das sämtliche Risiken einer Aktie zu erfassen
vermag.DarüberhinausbasierendieModelleaufhistorischeDaten.

2. Eine passive Strategie lässt sich auch umsetzen, indem eine Long-Cash-Position mit
Long-Aktienindex-Futures kombiniert wird. Die Nachteile der Strategie sind, dass
Aktienindex-Futures eine bestimmte Laufzeit aufweisen (z. B. maximal 9 Monate beim
DAX-Future), sodass sie am Fälligkeitstag verlängert werden müssen (Roll Over), was
Transaktionskosten nach sich zieht. Außerdem findet bei den Futures-Kon- trakten täglich
ein realisierter Gewinn-Verlust-Ausgleich statt. Im Gegensatz zu einem Aktienportfolio
laufen demnach bei Futures-Kontrakten keine unrealisierten Gewinne oder Verluste auf.
Vielmehr werden die Gewinne und Verluste täglich realisiert, was eine entsprechende
LiquiditätimPortfolioerfordert.

3. Eine passive Strategie lässt sich auch mi t einem Equity Swap implementieren, bei dem man
periodischdie Rendite eines Aktienindex erhält und im Gegenzug den Swapsatz oder einen
variablen Zinssatz wie LIBOR oder EURIBOR bezahlt. Im Vergleich zu einer
Indexierungsstrategie sinddieTransaktionskosten wesentlich geringer, weil kei- ne Aktien
desIndexgekauftwerdenmüssen.AuchbestehtdieRoll-Over-Problematiknicht,daEquity
SwapsimGegensatzzuAktienindex-FutureswesentlichlängereLauf-zeitenbesitzen.
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1109

17.5.4 AktivesManagementeinesAktienportfolios

BeimaktivenManagementbestehtdieZielsetzungdarin,dieBenchmarkzuschlagen.Da-beiist
bei gegebenen Anlagerestriktionen w ie etwa einem maximalen aktiven Risiko eine möglichst
hohe aktive Rendite zu erzielen. Der Mehrwert einer aktiven Strategie lässt sich mit der
Information Ratio messen, die von der Qualität der Einzelprognosen und deren Übertragung in
die Portfoliokonstruktion sowie von der Anzahl identifizierter fehlbewer- teter Anlagen
abhängt.
39
NachstehendwerdendieverschiedenenAnlagestile,Technikenfür
dieIdentifikationeinesAnlagestilsunddieLong-Short-Strategiebeschrieben.

17.5.4.1 Anlagestile
Die traditionellen Anlagestile im Aktienbereich unterscheiden zwischen einer Wert- und einer
Wachstumsorientierung. Bei der wertorientierten Strategie liegt der Fokus auf dem Finden
unterbewerteter Aktien, bei denen der Preis im Vergleich zum Ergebnis je Aktie oder zum
Buchwert je Aktie zu niedrig ist. Demgegenüber werden bei einer wachstums- orientierten
Strategie Aktien ausgewählt, die über ein hohes Ergebniswachstum verfügen. Neben Wert und
Wachstum ist es üblich, die Aktienstrategien nach der Marktkapitalisie- rung festzulegen,
wobeizwischeneinergroßen,mittlerenundkleinenMarktkapitalisie-rungunterschiedenwird.

40
EindritterAnlagestilstelltdiemarktorientierteStrategiedar,die
keineeindeutigeWert-oderWachstumsorientierungaufweist.ImFolgendenwerden
die drei Aktienstrategien vorgestellt.
MiteinerwertorientiertenAnlagestrategiewerdenAktiengesucht,dieimVergleichzum
innerenWertunterbewertetsindundsoeinenpotentiellenKapitalgewinnermögli-chen.Das
ZielderStrategiebestehtdarin,relativpreisgünstigWertpapierezuerwerben.DieAussichtauf
einzukünftigesWachstumspieltbeidieserStrategiekeineRolle.DabeibestehteineTendenz,
AnlageentscheidungenentgegengesetztzurMarktpreisentwicklungzutreffen(Contrarian
Approach).
41
DerErfolgderStrategiehängtunteranderemdavonab,
wielangeesdauert,bissichderMarktpreisdeminnerenWertanpasst.Jeschnellerdie
Preisanpassung erfolgt, desto höher fällt die Rendite aus.42 Die folgenden drei gängigen
wertorientierten Anlagestrategien werden angewandt:43

39
Vgl. Abschn. 17.3.2 .
40
Sharpe(1992)hatfürdieErleichterungderPerformancemessungunddieEinteilungvonun-
terschiedlichenaktivenAktienportfoliosdieAktienvonUS-amerikanischenAnlagefondsindie
folgendenvierKlassenaufgeteilt:großeMarktkapitalisierungmiteinerWertorientierung,große
MarktkapitalisierungmiteinerWachstumsorientierungundAktienmiteinermittlerenundklei-nen
Marktkapitalisierung.Vgl.Sharpe 1992:AssetAllocation:ManagementStyleandPerformance
Measurement,S.7ff.

41
Bei einem Contrarian Approach werden Aktien gekauft, die andere Investoren aufgrund einer
schwachen Performance oder angesichts schlechter Unternehmensneuigkeiten meiden.42
Vgl. Abschn. 6.3 .
43
Vgl. Damodaran 2012 : Investment Philosophies: Su ccessful Strategies and the Investors Who
Made Them Work, S. 259.
1110 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

 Niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis: Aktien w erden gekauft, deren Preise im Vergleich


zum Gewinn zu niedrig sind.
 Niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis: Der Fokus liegt auf Aktien mit einem niedrigen
Kurs-Buchwert-Verhältnis,oftmalsunter1(ContrarianApproach).
 Hohe Dividendenrendite: Den Schwerpunkt bilden Unternehmen, die im Vergleich zum
AktienpreishoheodersteigendeDividendenausschütten.

EinewachstumsorientierteAnlagestrategieistaufUnternehmenfokussiert,derenAus-sichten
auf langfristige Profitabilität und Gewinnwachstum überdurchschnittlich sind. Das
Grundprinzip der Strategie beruht auf einem Aktienkurs, der infolge eines zukünftigen
Gewinnwachstums steigt, während das Kurs-Gewinn-Verhältnis konstant bleibt. Dabei be-
stehtdasRisiko,dassfürdieAktienzuvielbezahltwurde,wenndasWachstumnichtwieerwartet
eintrifft und das Kurs-Gewinn-Verhältnis fällt. Die folgenden zwei wachstums- orientierten
Strategiensindüblich:
44

 Nachhaltiges Wachstum des Umsatzes und der Gewinnmarge sowie vorhersehbare Ge-
winne: In der Regel verfügen solche Aktien über ein vergleichsweise hohes Kurs-
Gewinn-Verhältnis.45
 Gewinn-Momentum: Die Auswahl richtet sich auf Aktien, die von Quartal zu Quartal ein
Gewinnwachstumverzeichnen.

Die Hauptcharakteristiken der beiden Anlag estrategien Wert und Wachstum finden sich in Tab.
17.4 zusammengefasst. Darüber hinaus können weitere fundamentale Unterneh-
mensfaktoren eingesetzt werden, welche die Aktienauswahl mit Multiplikatoren unterstüt-
zen, wie die Eigenkapitalrendite und das Beta als Bewertungsfaktoren in einem Aktien-
Screening. Eine im Vergleich höhere Eigenkapitalrendite und ein niedrigeres Beta recht-
fertigen nicht ein unterdurchschnittliches Kurs-Buchwert-Verhältnis, was bei einer wert-
orientiertenStrategieeinKaufsignaldarstellt.

BeidermarktorientiertenStrategiebestehtdieZielsetzungdarin,einenMehrwertdurch
profundeBranchenkenntnisseundFähigkeitenbeiderAktienauswahlzugenerieren.Die-se
StrategiewirdwederdurcheineWert-nocheineWachstumsorientierungeingeschränkt.Eine
AusprägungderStrategieistdieKonstruktioneinesgutdiversifiziertenPortfolios,dasjenach
MarktlageeineleichteWert-oderWachstumsorientierungaufweist.Einan-dererAnlagestil
istGrowthataReasonablePrice(GARP),beidemAktienmiteinem

44
Vgl. Reilly und Brown 2003 : Investment Analysis and Portfolio Management, S. 671.
45
Ein hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) kann entweder mit einem aktuellen
unterdurchschnitt- lichen Ergebnis oder mit in Zukunft überdurchschn ittlichen Gewinnen
erklärt werden. Eine Studie von Penman (1996) gelangt zu dem Schluss, dass ein hohes KGV
mehrheitlich ein Indizdarstellt, dass in der Zukunft überdurchschnittliche Gewinne anfallen
bzw. das Gewinnwachstumzunimmt. Folglich steht ein hohes KGV im Einklang mit einem
wertschaffenden Unternehmen. Vgl. Penman 1996 : The Articulation of Price-Earnings Ratios
and Market-to-Book Ratios and the Evaluation of Growth,S.235ff.
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1111

Tab.17.4 Charakteristiken der wert- und wachstumsorientierten Anlagestrategie


Bewertungsindikato- Wertorientierte Strategie Wachstumsorientierte Strategie
ren
Multiplikatoren Im Vergleich zum durchschnittli- Im Vergleich zum durchschnittli-
chen Aktienmarkt: chen Aktienmarkt:
 niedrigeres Kurs-Gewinn-Ver-  höheres Kurs-Gewinn-Verhältnis
hältnis  höheres Kurs-Buchwert-Verhält-
nis
 niedrigeres Kurs-Buchwert-
Verhältnis  höheres Kurs-Umsatz-Verhältnis
 niedrigeres Kurs-Umsatz-Ver-  höheres Kurs-Cashflow-Verhält-
hältnis nis
 niedrigeres Kurs-Cashflow-Ver-  niedrigere Dividendenrendite
hältnis
 höhere Dividendenrendite
Momentum-Indikato- Größere Schwankung des Ergeb- Überdurchschnittliches Ergebnis
ren und fundamentale nisses im Vergleich zum Wachstum je Aktie und positives Gewinn-
Momentum
Faktoren
Niedrigere Gewinnwachstumsraten Höhere Gewinnwachstumsraten

überdurchschnittlichen Gewinnwachstum gekauft werden, die im Vergleich zu anderen


Anlagen mit einer Wachstumsorientierung preisgünstig sind. Solche Aktien weisen ein
Kurs-Gewinn-Wachstums-Verhältnis von weniger als 1 auf und ihre Auswahl beruht auf einer
Kombinationauseinerwert-undeinerwachstumsorientiertenStrategie.
46

17.5.4.2 TechnikenfürdieIdenti kationeinesAnlagestils


DiewichtigstenVerfahren,umeinenAnlagestilineinemAktienportfoliozuidentifizie-ren,sind
die renditebasierte und die bestandsbezogene Stilanalyse. Erstere bezieht sich auf
Portfoliorenditen, während der zweite Ansatzdie Eigenschaften von Aktien in ei-nem Portfolio
untersucht. Der mit diesen Verfahren identifizierte Anlagestil kann für die
Performance-Attributionsanalyse und/oder für die Einschätzung der zukünftigen Portfo-
lioperformanceeingesetztwerden.

Die renditebasierte Stilanalyse geht au f die Arbeiten von Sharpe (1992) zurück.47 Da-
beiwirdeineRegressionzwischenden(z.B.monatlichen)RenditendesPortfoliosundden(z.B.
monatlichen) Renditen von Aktienindizes mit unterschiedlichen Anlagestilen durchgeführt.
Die für die Regressionsanalyse benutzten Aktienindizes schließen sich ge- genseitig aus und
deckenvollständigdasAnlageuniversumdesManagersab.DarüberhinausbesitzendieIndizes
unterschiedlicheRisiken,dienichtstarkmiteinanderkorrelie-rensollten.

48
Die renditebasierte Stilanalyse erfordert eine Restriktion in Bezug auf die

46
Vgl. Damodaran 2012 : Investment Philosophies: Su ccessful Strategies and the Investors Who
Made Them Work, S. 356 ff.
47
Vgl. Sharpe 1992 : Asset Allocation: Management Style and Performance Measurement, S. 7 ff.
48
SozumBeispielhatSharpe(1992)beiderAnalysevonUS-amerikanischenAnlagefondsdiefolgenden
12IndizesfürentsprechendeWertpapierebenutzt:US-amerikanischeTreasuryBills,
1112 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Regressionskoeffizienten der Indizes, die nicht negativ sein dürfen und deren Summe 1 ergibt.
Mit dieser Restriktion kann der Regressionskoeffizient als die anteilige Expositi- on des
Aktienportfolios zu einem bestimmten Anlagestil (oder einer Anlageklasse) des Index
aufgefasstwerden.
49
BesitztzumBeispieldasPortfolioeinenRegressionskoeffi-
zientenvon0,85füreinenIndexvonAktienmiteinergroßenMarktkapitalisierungund
Wertorientierung,einenRegressionskoeffizientenvon0füreinenIndexvonAktienmiteiner
großenMarktkapitalisierungundWachstumsorientierung,einenRegressionskoeffi-zienten
von0,15fürAktienmiteinerkleinenMarktkapitalisierungundWertorientierungsowieeinen
Regressionskoeffizientenvon0fürAktienmiteinerkleinenMarktkapita-lisierungund
Wachstumsorientierung,sokannderSchlussgezogenwerden,dasseinewertorientierte
StrategiemitmehrheitlichAktieneinergroßenMarktkapitalisierungundeinemgeringeren
UmfanganAktieneinerkleinenMarktkapitalisierungvorliegt.Dem-nachbestehtdie
BenchmarkdiesesAktienportfoliosauseinemIndexauswertorientier-tenAktienmiteiner
großenMarktkapitalisierungundeinemGewichtvon85%sowieauseinemIndexaus
wertorientiertenAktienmiteinerkleinenMarktkapitalisierungundeinementsprechenden
Gewichtvon15%.DassoermittelteBenchmarkportfoliospie-geltdiesystematischenRisiken
desvomPortfoliomanagerangewandtenAnlagestilswi-der.

DerDeterminationskoeffizientderRegressionsanalysemisstdenjenigenTeilderPort-
foliorenditeveränderung,derdurchdieIndizesbzw.denvorliegendenAnlagestilerklärtwerden
kann.DemgegenübergibtderTerm1minusdenDeterminationskoeffizientenden-jenigenTeil
derPortfoliorenditeveränderungan,dernichtdurchdenAnlagestilgegebenist,undstelltsodie
RenditeausderAktienauswahldar.IstetwaderDeterminationskoef-fizient0,8,sowerden80%
derPortfoliorenditeschwankungendurchdieVariabilitätderIndexrenditenbzw.durchden
Anlagestilerklärt.Dierestlichen20%gehenaufdieTitel-auswahl(Abweichungvonder
passivenBenchmark)zurück.

mittelfristige US-amerikanische Staatsanleihen, la ngfristige US-amerikanische Staatsanleihen, Un-


ternehmensanleihen, hypothekarbezogene Finanzinstrumente, Aktien mit großer Marktkapitalisie-
rungundWertorientierung,AktienmitgroßerMarktkapitalisierungundWachstumsorientierung,Aktien
mit mittlerer Marktkapitalisierung, Aktien mit kleiner Marktkapitalisierung, nicht US- amerikanische
Anleihen, europäische Aktien und japanische Aktien. Vgl. Sharpe 1992 : Asset Allocation: Management
StyleandPerformanceMeasurement,S.7ff.

49
AufgrunddieserRestriktionwirddasModellmiteinerquadratischenProgrammierunggelöst(z.B.
SolverinMicrosoftExcel).AußerdemkanndieAnnahmevonnichtnegativenRegressions-
koeffizienten aufgehoben werden, sodass auch Leverage in der Form eines negativen Koeffizienten für
kurzfristige risikolose Anlagen (z. B. Treas ury Bills) berücksichtigt werden kann. Die Summe der
Regressionskoeffizientenbleibtbei1.
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1113

Beispiel
Renditebasierte Stilanalyse
Der Anlagestil des Delta-Aktienfonds umfasst globale Aktien mit einer Wachstums-
orientierung. Daher wird eine multiple Regr essionsanalyse mit einem globalen Aktien-
index (GA) und einem Index von Wachstumsaktien (WA) auf der Basis monatlicher
Renditedaten durchgeführt. Die Summe der nicht negativen Regressionskoeffizienten ist 1.
DasfürdieStilanalyserelevanteErgebnisdermultiplenRegressionsanalyselautetwiefolgt:

rP;t D 0;4rGA;t C 0;6rWA;t :

Nach 5 Monaten weisen der Delta-Aktienfonds und die zwei Indizes, die den Anla-
gestil des Aktienfonds charakterisieren, die folgenden monatlichen Renditen auf:

Monate Delta-Aktien- Globaler Aktien- Wachstumsorien-


fonds index tierter Index
1 2,0 % 1;0 % 2,0 %
2 4;0 % 5;0 % 4;0 %
3 3,0 % 3,0 % 2,0 %
4 1,0 % 2,0 % 1,0 %
5 2,0 % 1,0 % 3,0 %

Es sind die folgenden Fragen zu beantworten:

1. Wie hoch sind die prozentualen Anteile der durchschnittlichen Monatsrendite über den
5-monatigen Zeitraum, die dem Anlagestil „globale Aktien und Wachstumsori-
entierung“undderaktivenTitelauswahlzugeordnetwerdenkönnen?
2. Es liegt eine durchschnittliche monatliche Standardabweichung der Differenz zwi-
schen den Anlagefondsrenditen und den Benchmarkrenditen von 0,7 % vor. Ist es
vorteilhafter,indenDelta-AktienfondsoderindieBenchmarkzuinvestieren?

Lösungzu1
Die Renditen aus dem Anlagestil und der Titelauswahl können für den Delta-Aktien- fonds
folgendermaßenberechnetwerden:

Rendite Delta- Indexrendite (Anlagestil) Rendite aus Aktienauswahl


Aktienfonds
2,0 % 0;4  .1 %/ C 0;6  2 % D 0;8 % 2 %  0;8 % D 1;2 %
4;0 % 0;4  .5 %/ C 0;6  .4 %/ D 4;4 % 4 %  .4;4 %/ D 0;4 %
3,0 % 0;4  3 % C 0;6  2 % D 2;4 % 3 %  2;4 % D 0;6 %
1,0 % 0;4  2 % C 0;6  1 % D 1;4 % 1 %  1;4 % D 0;4 %
2,0 % 0;4  1 % C 0;6  3 % D 2;2 % 2 %  2;2 % D 0;2 %
4,0 % 2,4 % 1,6 %
1114 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Die durchschnittliche monatliche Rendite des Delta-Aktienfonds liegt bei 0,8 %


(D %=5 Monate),währenddiedurchschnittlichemonatlicheRenditeausdemAn-4;0
lagestil 0,48 % (D 2;4 %=5 Monate) beträgt. Somit gehen 60 % (D 0;48 %=0;8 %) der
Aktienfondsrendite auf den Anlagestil zurück.
Die durchschnittliche Abweichung der Portfoliorendite von der Benchmarkrendite
beläuft sich auf 0,32 % (D %=5 Monate)proMonat.DemnachträgtdieTitelaus-1;6
wahl 40 % (D 0;32 %=0;8 %) zur Portfoliorendite bei.

Lösungzu2
Die einedurchschnittlichemonatlicheRenditevon0,48%auf,
Benchmark weist
die unterhalb der durchschnittlichen monatlichen Rendite des Delta-Aktienfonds von 0,8 %
liegt. Der t-Wert der aktiven Titelauswahl mit einer durchschnittlichen monat- lichen
Renditevon0,32%undeinerentsprechendenStandardabweichungvon0,7%beträgt0,46:

0;32 %
t-Wert D D 0;46:
0;70 %
Bei einem Signifikanzniveau von 5 % ist die durchschnittliche monatliche Rendite aus
der Aktienauswahl nicht signifikant, da der t-Wert von 0,46 den kritischen t-Wert von 2
unterschreitet. Die im Vergleich zur Benchmarkhöhere Anlagefondsrendite kannnicht mit
den Titelauswahlfähigkeiten des Portfoliomanagers erklärt werden und ist somit rein
zufällig.

DieVorteilederrenditebasiertenStilanalysesind,dassdietheoretischeBasisdesMo-dellsklar
ist,dasgesamtePortfolioraschundkostengünstiguntersuchtwerdenkannunddiedazu
erforderlichenDatenbegrenztsindsowierelativleichtbeschafftwerdenkönnen.Außerdem
erleichtertdasVerfahrendenStilvergleichzwischenPortfolios.Nachteilesind,dassaufgrundder
verwendetenhistorischenDatenderaktuelleAnlagestilnichtbestimmtwerdenkannundFehlerbei
derSpezifikationderIndizesimModellauftretenkönnen,diezufalschenSchlussfolgerungen
führen.

BeiderbestandsbezogenenStilanalysewerdendieEigenschaftendesAktienportfolioszu
einembestimmtenZeitpunktuntersuchtundeinerausgewähltenpassivenBenchmark
gegenübergestellt.AufgrundderdefiniertenMerkmalewirdjedeeinzelneAktieimPort-folio
einerWert-oderWachstumsorientierungzugeordnet,umanschließenddieResultateauf
Portfolioebenezuaggregieren.DabeiwerdenbeispielsweisediefolgendenMerkmale
überprüft:

 Bewertungsniveau: Ein wertorientiertes Portfolio weist Multip likatoren mit einem


niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis, niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnis und hoher
Dividendenrendite auf. Demgegenüber besitzt ein wachstumsorientiertes Portfolio
Aktien mit hohen Kurs-Gewinn-Verhältnissen und Kurs-Buchwert-Verhältnissen so-
wie niedrigen Dividendenrenditen. Eine marktorientierte Strategie verfügt über ein
Bewertungsniveau,dasnahebeimMarktdurchschnittliegt.
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1115

 Prognostizierte Ergebniswachstumsrate: Ein wachstumsorientiertes Portfolio enthält


Beteiligungspapiere von Unternehmen, die überdurchschn ittliche oder steigende Er-
gebniswachstumsraten aufweisen (positives Ergebnismomentum). Typischerweise sind
die Wachstumsraten des Ergebnisses je Aktie (Trailing und Forward) bei einem wachs-
tumsorientierten gegenüber einem wertorientierten Aktienportfolio größer. Die Ak- tien
von Unternehmen mit einer niedrigen Gewinnausschüttungsquote befinden sich in einem
wachstumsorientierten und nicht in e inem wertorientierten Portfolio, weil
wachstumsstarke Unternehmen üblicherweise Gewinne zurückbehalten, um damit zu-
künftigesWachstumfinanzierenzukönnen.

 Ergebnisschwankungen: Aktien von Unterneh men mit großer Ergebnisvolatilität wer- den
in einem wertorientierten Portfolio gehalten, weil solche Gesellschaften zyklische
Ergebnissebesitzen.
 Sektorgewichte: Die Sektorgewichte eines Portfolios können Aufschluss über den An-
lagestil des Managers geben. In vielen Mär kten besteht die Tendenz, dass wertori- entierte
Portfolios größere Gewichteim Finanzsektor und in der Versorgungsbranche aufweisen, da
diese Sektoren vielfach höhere Dividendenrenditen und oftmals ein mo- derates
Bewertungsniveau besitzen. Im Gegensatz dazu verfügen wachstumsorientierte Portfolios
über höhere Gewichte in den Sektoren der Informationstechnologie und des
Gesundheitswesens,weildieseSektorenhistorischeinegroßeAnzahlanwachs-tumsstarken
Unternehmen verzeichnen. Allerdings kann die Sektorgewichtung für die Bestimmung des
Anlagestilsnichtimmerherangezogenwerden,daAusnahmeninpraktischallenSektorenzu
findensindundeinigeSektoreneinemKonjunkturzyklusfolgen,sodasszuunterschiedlichen
ZeitpunktendesKonjunkturzyklusunterschiedli-cheAnlagestilevorherrschen.

Beispiel
BestimmungdesAnlagestilseinesPortfoliosanhanddesbestandsbezogenenAn-satzes

Der Anlageausschuss einer Stiftung ist besorgt, dass ein Portfoliomanager seinem
Anlagemandat „Aktien mit großer Marktkapitalisierung und Wertorientierung“ nicht
nachkommt. Die Merkmale des betreffenden Aktienportfolios können im Vergleich zu
einem breit abgestützten Aktienindex und zu einem Aktienindex des gleichen Anlagestils
wiefolgtzusammengefasstwerden:
1116 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Merkmale Breit abgestützter Aktienindex des Portfolio


Aktienindex Anlagestils Wert
Sektorgewichte
Finanzen 21,3 % 36,1 % 30,3 %
Gesundheit 12,3 % 7,1 % 15,9 %
Informationstechnologie 14,9 % 3,4 % 15,2 %
Industrie 11,7 % 7,2 % 12,9 %
Konsumgüter 10,2 % 8,3 % 8,2 %
Basiskonsumgüter 9,6 % 7,7 % 7,8 %
Telekommunikation 3,3 % 5,9 % 2,2 %
Energie 10,2 % 14,2 % 2,0 %
Werkstoffe 3,1 % 3,8 % 0,0 %
Versorgung 3,4 % 6,3 % 0,0 %
Cash 0,0 % 0,0 % 5,5 %
Merkmale des Aktienbestands
Anzahl Aktien 500 250 80
Durchschnittliche Markt- EUR 10 Mrd. EUR 18 Mrd. EUR 16 Mrd.
kapitalisierung
Kurs-Gewinn-Verhältnis 17,8 14,1 17,5
Kurs-Buchwert-Verhältnis 2,8 2,1 2,5
Dividendenrendite 1,8 % 2,5 % 1,9 %
Prognostizierte 5-jährige 12,4 % 9,2 % 12,4 %
Wachstumsrate des Ergeb-
nisses je Aktie

Erfüllt der Portfoliomanager der Stift ung sein Anlagemandat „Aktien mit großer
Marktkapitalisierung und Wertorientierung“?

Lösung
Die für die bestandsorientierte Stilanalyse relevante Benchmark ist diejenige mit dem
AnlagestilWertorientierungundnichtderbreitangelegteAktienindex.
DasKurs-Gewinn-Verhältnis,dasKurs-Buchwert-Verhältnisunddieprognostizier-te
5-jährigeWachstumsratedesErgebnissesjeAktieüberschreitenallesamtdieinder
Anlagestil-BenchmarkaufgeführtenGrößen.DarüberhinausliegtdieDividendenren-dite
unterhalbderjenigenderAnlagestil-Benchmark.Diesweistaufeinenwachstums-
orientiertenAnlagestilhin.

InBezugaufdieSektorgewichtehatderPortfoliomanagereinigeaktiveVerschie-
bungengegenüberderAnlagestil-Benchmarkvorgenommen.SohaterdieSektoren
Gesundheit,InformationstechnologieundIndustrieübergewichtetunddieSektoren
Versorgung,Werkstoffe,EnergieundTelekommunikationuntergewichtet.

DiezeitpunktbezogenebestandsorientierteStilanalysedeutetdaraufhin,dassder
ManagerseinenAnlagestilWertorientierungzugunsteneinerWachstumsorientierung
aufgegebenhat.
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1117

MitderbestandsorientiertenStilanalysekönnendieeinzelnenAktiendesPortfoliosleichter
miteinanderverglichenwerden.EinweitererVorteilist,dassVeränderungendesAnlagestilsim
VergleichzurrenditebasiertenStilanalyseschnellerfestgestelltwerdenkönnen,weilnicht
vergangeneRenditedaten,sonderndasaktuellePortfoliountersuchtwird.DerNachteilist,dass
diebestandsorientierteStilanalysenichtmitdemAktienaus-wahlverfahrendesManagers
konsistentist.DarüberhinaussindvieleDatenerforderlich,umdieStilanalysedurchführenzu
können.

17.5.4.3 Long-Short-Strategien
Ein Anlagestil wie etwa die Wert- oder Wach stumsorientierung befasst sich mit den Portfolio-
bzw. Aktienmerkmalen wie beispielsweise einem niedrigen Kurs-Gewinn-
Verhältnis oder einer hohen Ergebniswachstumsrate. Demgegenüber kann eine Long-
Short-Strategie durch eine Short-Anlagerestriktion beeinflusst werden, die zum Beispiel in der
Anlagepolitikund/oderindenregulatorischenVorschriftenvoninstitutionellenInvestorenwie
einemPensionsfondszufindenist.
BeieinerherkömmlichenaktivenLong-StrategieresultiertderMehrwertausdemAl-pha
derLong-Aktienpositionen,derdurchdieDifferenzzwischenderPortfoliorenditeundder
erwartetenGleichgewichtsrendite(z.B.CAPModerAPT)bzw.derBenchmarkrendi-tedes
gleichenAnlagestilsgegebenist.MitLong-Short-Strategienhingegenlassensichdie
PrognosendesPortfoliomanagersnichtnurzusteigenden,sondernauchzufallenden
Aktienkursenausnutzen.AnstattAktienbeieinernegativenPrognosezumeiden,könnendiese
beieinerLong-Short-Strategieleerverkauftwerden,umsovonfallendenAktien-kursenzu
profitieren,wasbeieinerLong-Strategienichtmöglichist.

IneinermarktneutralenLong-Short-StrategieergibtsichderMehrwertderaktivenStrategie
auseinemdoppeltenAlphabzw.ausdemAlphaderLong-Aktienpositionen(unterbewertete
Titel)unddemAlphaderShort-Aktienpositionen(überbewerteteTitel).DieLong-und
Short-Positionensindbetragsmäßiggleichgroß.DasBetaderStrategieistnull,wobeidas
positiveBetaderLong-PositionendurchdasnegativeBetaderShort-Positionenaufgehoben
wird.EinBetavonnullbedeutet,dassdieRenditendermarkt-neutralenLong-Short-Strategie
nichtmitdenAktienmarktrenditenkorrelierenbzw.dassystematischeRisikonullist.Darüber
hinauswirdüblicherweiseeinaggressivesLevera-gebetrieben.Leverageerfolgtzumeinenmit
geliehenemGeldvoneinemFinanzinstitutoderBroker,beidemdieAktienaufMargin

50
gekauftunddieShort-Positionenauseinem
LeerverkaufstammenundzumanderenmitDerivaten.MitLeveragenimmtnichtnurdie
Gewinnchance, sondern auch die Verlustgefahr zu. Die Strategie wird in der Regel mit einer
großenAnzahlanAktienumgesetzt,wobeisichdieNeutralisierungderLong-und

50
DerKaufvonAktienaufMargin,alsoeinkreditfinanzierterAktienkauf,findetmiteinerBezah-lungder
Margin(InitialMargin)aneinenBrokerstatt.Dabeihandeltessichumeineeigentliche
Anzahlung, die dem Broker als Sicherheit dient. Wird zum Beispiel eine Initial Margin von 40 % vereinbart
undkauftderInvestor1000AktienzueinemPreisvonEUR100jeAktie,soüberweisterdemBrokerEUR
40:000 (D 0;4  1000  EUR 100). Für den Aktienkauf erhält der Investor vom
Broker somit einen zinstragenden Kredit von EUR 60:000.
111 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Long-Aktien Short-Aktien

Alpha Alpha
(wenn unterbewertete überbewertete (wenn
Aktien- Aktien (1) (3) Aktien (2) (4) Aktien-
preis preis
steigt) Cash aus Leerverkauf fällt)

Wert Long-Aktien = Wert Short-Aktien


Beta Long-Aktien = Beta Short-Aktien

Leverage: Beta = 0
(1) Kauf von Aktien auf Margin
(2) Leerverkäufe
(3) Derivate: z. B. Long
Futures auf unterbewertete
Aktien (4) Derivate: z. B. Short
Futures auf überbewertete Aktien

Abb.17.5 Marktneutrale Long-Short-Aktienstrategie

Short-Positionen auf Computerprogramme und Optimierungsverfahren stützt. Abb. 17.5


visualisiertdiemarktneutraleLong-Short-Aktienstrategie.
Des Weiteren kann ein marktneutrales L ong-Short-Portfolio wieder einer Expositi-
on zum Aktienmarkt zugeführt werden, i ndem eine Long-Aktienindex-Future-Position
wird. Dabei wird die Futu re-Position nach Fälligkeit jeweils erneuert abgeschlossen
(Roll Over). Um diese Strategie umsetzen zu können, muss der Manager eine Long-
Aktienindex-Future-Positionabschließen,derenNominalwertungefährderCash-Positionaus
dem Leerverkauf der Aktien e ntspricht. Diese Strategie is t für einen Manager geeignet, der
zusätzlichzudenAlphasausdenLong-undShort-PositionenaucheinAktienbetazumPortfolio
hinzufügen möchte. Die Rendite dieser Strategie ergibt sich aus der Summe der Gewinne und
Verluste der Long- und Short-Aktienpositionen und der Long-Aktienindex- Future-Position
sowiedenZinseinnahmenderCash-PositionabzüglichderZinskostenausdemLeerverkaufder
Aktien.

Long-Short-PortfoliosweisengegenüberLong-PortfoliosdenVorteilauf,dassneben
positivenauchnegativePrognosenindieErstellungdesPortfolioseinfließen.HatzumBeispiel
einLong-InvestoralsBenchmarkdenHDAXundsetztsichdasPortfolioaus60HDAX-Aktien
zusammen,sokönnendieGewichtedesPortfoliosmitdenjenigendesAk-tienindexverglichen
werden.HatetwaeineAktieeinPortfoliogewichtvon4%undeinIndexgewichtvon2%,
resultiertdarauseinpositivesaktivesGewichtvon2%.IsteineAk-tienichtimPortfolio
enthaltenundbesitzteinIndexgewichtvon6%,sobeträgtdasaktivePortfoliogewicht

6 %. Wird das Portfolio auf diese Weise betrachtet, liegt eine Long-
Short-Anlagekombination mit positiven und negativen aktiven Gewichten vor. Allerdings
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1119

ist die maximal mögliche Short-Position einer Aktie im Portfolio auf das Indexgewicht be-
schränkt. Bei stark negativen Prognosen kann die Aktie vermieden werden. Eine größere
Short-Position als das Indexgewicht des Beteiligungspapiers ist nicht möglich. Demge-
genüber kann bei einer stark positiven Prognose das Portfolio im Extremfall aus einer einzigen
Aktie bestehen. Somit sind die Anlagemöglichkeiten nicht symmetrisch. Ein richtiges
Long-Short-Portfolio, das um eine Benchmark konstruiert wird, löst dieses Sym-
metrieproblem, da ohne Berücksichtigung von Short-Restriktionen sowohl positive als auch
negativePrognosenvollständigindiePortfolioerstellungeingebundenwerdenkön-nen.

EineweitereAusprägungsindLong-StrategienmiteinerShort-Erweiterung(soge-nannte
Short-Extension-Strategien).DieseStrategienweisenüblicherweiseeinBetavon1mit
Long-Positionenvon100%
C x%undShort-Positionenvonx%desangelegten
Kapitalsauf.EinegebräuchlicheUmsetzungdieserStrategieistein130/30-Portfolio.
Liegt beispielsweise der Anlagebetrag bei EUR 100, erstellt der Manager ein Portfolio aus
Long-Positionenzueinem Wert von E UR 100. Danach verkauft er Aktien zu ei- nem Betrag von
EUR30 leer. Der aus dem Leerve rkauf erhaltene Verkaufserlös wird in Long-Aktien investiert.
Somit besteht ein Aktienportfolio mit ein er Long-Position von EUR 130 und einer
Short-Position von EUR 30. Mit dieser Anlagestrategie können die Short-Restriktionen einer
Long-Strategie teilweise aufgehoben werden, um so besser von negativen Prognosen zu
profitieren, da bei einer Long-Strategie der Manager nur entschei- den kann, die Aktien nicht im
Portfolio zu halten. Darüber hinaus können anhand einer Long-Strategie mit einer
Short-Erweiterung im Vergleich zu einer Long-Strategie auch größere Long-Positionen
gehaltenwerden,sodasspositivePrognosenbesserkapitalisiertwerden.

Long-Short-ManagerssindmitdenvonihnengehaltenenAktienimPortfolioengver-traut
undinderFundamentalanalysegutausgebildet.FürjedeAktiekennensieetwadas
GeschäftsmodelldesUnternehmens,dieWerttreiberdesErtrags,dieKostenstruktur,die
Produktlinien,diekomparativenWettbewerbsvorteile,dieMarktchancen,dieKonkurren-ten
unddiejüngstenVeränderungenderUnternehmensstruktur.DieGesamtrenditederStrategie
stammtvondenLong-undShort-Positionen.DieRenditederLong-Positionenergibtsichaus
demPreisanstiegbzw.PreisrückgangderAktien,denerhaltenenDividen-den,denZinskosten
einesetwaigenAktienkaufsaufMarginunddenZinseinnahmeneineretwaigen
Long-Cash-PositionimPortfolio.DieRenditederShort-Positionenresultiertausdem
Preisrückgangbzw.PreisanstiegderAktien,derRenditeausderWiederanlagedes
VerkaufserlösesausdemLeerverkauf(ShortRebate),demZinssatzfürdenvomBroker
erhaltenenKreditausdemLeerverkaufunddenDividendenzahlungen.DasfolgendeBei-spiel
illustriertdieGewinn-Verlust-BerechnungeinerLong-Short-Aktienstrategie.

Beispiel
Berechnung des Gewinns/Verlusts einer Long-Short-Aktienstrategie
Ein Long-Short-Manager verwaltet ein Portfolio, das aus den folgenden zwei Aktien-
positionenbesteht:
1120 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

 Long 1000 Aktien der Delta AG mit einem Kurs von EUR 100 je Aktie und einer
Dividende von EUR 5 je Aktie.
 Short 500 Aktien der Gamma AG aus ein em Leerverkauf zu einem Preis von EUR 90 mit
einerDividendevonEUR3jeAktie.

Nach 1 Jahr ist der Preis der Delta-Aktie von EUR 100 auf EUR 120 gestiegen, während der
PreisderGamma-AktievonEUR90aufEUR75gefallenist.DieShortRebateliegtbei3%und
der Zinssatzfür dieGeldaufnahmeausdemLeerverkauf beläuft sich auf2 %. Wie hoch istder
Gewinn/VerlustderLong-Short-Strategie?

Lösung
Für den Kauf der Long-Aktienposition wurde ke in Geld aufgenommen. Darüber hinaus
weistdieLong-PositionkeineCash-Positionauf.DerGewinnvonEUR 25:000 der
Long-Position der Delta-Aktien lässt sich wie folgt berechnen:

Gewinn/Verlust der Long-Position der Delta-Aktien:


Gewinn aus Preiszunahme (1000 EUR 20) EUR 20:000
Einnahmen aus Dividenden (1000 EUR 5) EUR 5000
Zinskosten Aktienkauf auf Margin EUR 0
Zinseinnahmen Cash-Position EUR 0
Total D EUR 25:000

Der Gewinn der Short-Position der Ga mma-Aktien beläuft sich auf EUR 6450:

Gewinn/Verlust der Short-Position der Gamma-Aktien:


Gewinn aus Preisrückgang [.500/  .EUR  15/] EUR 7500
Dividendenzahlungen [.500/  EUR 3)] EUR 1500
Zinskosten Geldaufnahme (0;02  500  EUR 90) EUR 900
Short Rebate (0;03  500  EUR 90) EUR 1350
Total D EUR 6450

Der Gesamtgewinn der Long-Short-Strategie liegt bei EUR 31:450 (D EUR 25:000C
EUR 6450).

17.5.4.4 PreisineffizienzenbeiShort-Positionen
Die größere Preisineffizienz
Long- und nichtfindet
bei Positionen,
sich gewöhnlich
was aufbei
verschiedene
Short- Gründe
zurückgeführt werden kann. So konzentrieren
sichvieleInvestorennuraufunterbewerteteAktien,dabeiüberbewertetenAktiendasHaltenvon
Short-Positionennichtpraktikabelist. 51
Um eine Short-Aktienposition ab-

51
EsgibtverschiedeneMöglichkeiten,umShort-Positioneneinzugehen.Soetwaerfolgtdiesbei
institutionellenInvestorenmeistensübereinWertpapierausleiheprogrammeinerDepotbankoder
eines Prime Brokers.
17.5 AnlagestrategienmitAktien 1121

zuschließen, ist ein Marktteilnehmer erforderlich, der die Beteiligungspapiere bereits besitzt.
Kündigt dieser die Short-Transaktion, sind die Aktien auf dem Markt zu kaufen, um die
Short-Position schließen zu können. Erfolgt die Kündigung zu einem ungünstigen Zeitpunkt,
weil etwa die Nachfrage nach Short-Aktien hoch ist (z. B. Internetaktien in den späten
1990er-Jahren), muss die Position v orzeitig aufgelöst werden. Des Weiteren haben auch die
Anlageempfehlungen der Sell-Side-Analysten einen Einfluss auf die An- zahl von
Short-Positionen, weil sie vorwiegend Kauf- und nicht Verkaufsempfehlungen
veröffentlichen.

52
DieslässtsichteilweisemitdemKommissionsgeschäfterklären,dasausder
Anlageempfehlungerwirtschaftetwerdenkann.Aktienkönnennurvondenje-nigenAnlegern
verkauftwerden,diediesebereitsbesitzenoderdieMöglichkeiteinesLeerverkaufs(ShortSale)
haben.AllerdingsistdieseInvestorengrupperelativklein,dadiemeistenKundenpotentielle
Aktienkäufersind.DarüberhinauskönnenSell-Side-Analystenzögern,wennesdarumgeht,
eineVerkaufsempfehlunginfolgeeineszuhohenAktienpreiseszuverabschieden,weilsieauf
dieseWeiseeinenegativeMeinungzumUnternehmenäußern.DasManagementdermeisten
GesellschaftenverfügtüberAktienundCall-OptionenaufAktiendeseigenenUnternehmens,
sodassdasureigeneInteressegroßist,dassderAktienkursweitersteigtundnichtaufgrundvon
Verkaufsempfehlungenfällt.DaherkönnenSell-Side-AnalystenundihreArbeitgebernachder
VeröffentlichungeinerVerkaufsempfehlungmöglicheGegenmaßnahmendesManagements
erwartenwiedenAbbruchderKommunikation,eineetwaigeVerleumdungsklageoderdas
EinstellenvonlukrativenCorporate-Finance-Geschäften.

17.5.5 SemiaktivesManagementeinesAktienportfolios

Die Zielsetzung semiaktiver Strategien bes teht darin, zum einen die Benchmark zu schla- gen
und zum anderen die aktive Risikoexposition des Portfolios zu kontrollieren und möglichst
gering zu halten. Mit einem verbesserten Indexportfolio ist eine im Vergleich zur Benchmark
höhere Rendite mit weniger zusätzlichem Risiko möglich. Die aktive Ren- dite der semiaktiven
Strategie nimmt verglichen mit dem aktiven Risiko stärker zu, weil Letzteres kontrolliert wird.
Risikoadjustiert weist ein solches Portfolio eine höhere erwar- tete Performance als die
Benchmark auf, was sich auch in einer relativ hohen erwarteten Information Ratio
niederschlägt.SemiaktiveAktienstrategientretenindenfolgendenzweiVariantenauf:

1. Derivatebasierte bzw. synthetische semiaktive Aktienstrategie


2. Aktienbasierte semiaktive Strategie

52
FürdenempirischenNachweiszurVerteilungvonKauf-undVerkaufsempfehlungenvgl.z.B.
Womack1996:DoBrokerageAnalysts’RecommendationsHaveInvestmentValue,S.137ff.und
Dhiensiri et al. 2005 : The Information Content of Analyst Coverage, S. 1 ff.
1122 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

1. Bei der derivatebasierten Aktienstrategie wird die gewünschte Aktienexposition über eine
Derivateposition erstellt. So etwa kann ein Cash-Portfolio mit Long-Aktien- Futures in eine
synthetische Long-Aktienpos ition überführt werden und gleichzeitig ein Mehrwert
generiert werden, indem die Duration der Cash-Position verändert wird. Besteht die
Cash-Position etwa aus BuBills mit einer Laufzeit von 6 Monaten, so kann die Duration in
Abhängigkeit von der S teigung der Zinsstrukturkurve angepasst werden. Verläuft
beispielsweisedieZinsstrukturkurveimFristigkeitsbereichvon6Monatenbis4Jahrenstark
ansteigend, kann die Duration der BuBills auf diejenige von 4-jährigen Bundesanleihen
adjustiert werden, indem der Manager diese 4-jährigen Wertpapiere kauft und die BuBills
verkauft. Das höhere Zinsä nderungsrisiko wird durch eine höhere Rendite auf Verfall
entschädigt. Ist hingegen die Zinsstrukturkurve flach, werden die BuBills im Portfolio
behalten, weil eine höhere Rendite mit län- geren Laufzeiten nicht realisierbar ist. Auf diese
Weise kann der Portfoliomanager versuchen, eine höhere Rendite aus der Cash -Position zu
erreichen, indem er eine Ak- tienposition mit Long-Aktien-Futures synthetis ch erstellt und
gleichzeitigdieRenditederCash-PositionmitderAnpassungderDurationerhöht.

2. Bei einer aktienbasierten semiaktiven Strategie wird ein Alpha mit der Auswahl von Aktien
erwirtschaftet, die im Vergleich zur Benchmark besser oder schlechter ab- schneiden. Die
Risikoexposition des Port folios wird kontrolliert, indem die Unter- und Übergewichtung
einzelner Aktien auf eine bestimmte Bandbreite beschränkt wird. Darüber hinaus wird das
Portfolio derart konstruiert, dass es die gleichen Faktorrisiken und die gleiche
SektorkonzentrationwiedieBenchmarkaufweist.

Der Unterschied zwischen einer aktiven und ei ner semiaktiven Aktienstrategie kann wie folgt
erklärt werden: Bei einer aktiven Long-Short-Strategie wird ein Portfolio mit unter- und
überbewerteten Aktien gebildet. Beieiner aktienbasiertensemiaktiven Strategie hin- gegen ist
das neutrale Portfolio die Benchmark. Hat der Manager keine Meinung zu einer bestimmten
Aktie, so wird sie zum Indexgewicht im Portfolio gehalten. Bei einer posi- tiven (negativen)
Prognose wird eine Aktie im Vergleich zur Benchmark übergewichtet (untergewichtet). Dabei
wird das aktive Risiko kontrolliert und möglichst gering gehalten, was sich positiv auf die
InformationRatioauswirkt.

Beispiel
Vergleich zwischen derivatebasiert en und aktienbasierten Strategien
Eine Stiftung in Deutschland möchte eine sem iaktive Aktienstrategie implementieren.
DabeilautendieEx-ante-AlphasunddieerwartetenaktivenRisikeneinerderivate-undeiner
aktienbasiertenStrategiewiefolgt:

Semiaktive Aktienstrategien Ex-ante-Alpha Erwartetes aktives Risiko


Derivatebasierte Strategie 1,1 % 2,5 %
Aktienbasierte Strategie 0,9 % 2,1 %
17.6 AnlagestrategienmitAnleihen 1123

Es sind die folgenden Fragen zu beantworten:

1. Wie unterscheidet sich eine derivatebasi erte von einer aktienbasierten semiaktiven
Strategie?
2. WelchederbeidenStrategienistgemäßdererwartetenInformationRatioauszu-wählen?

Lösungzu1
Bei einer derivatebasierten semiaktiven Aktienstrategie wird eine Cash-Position mit- hilfe
von Derivaten in eine synthetische Aktienposition umgewandelt. Die aktive Ren- dite der
Strategie ergibt sich beispielsweise aus einer Duration-Anpassung der Cash- Position. Im
Gegensatz dazu werden bei einer aktienbasierten Strategie Aktien des Portfolios im
Vergleich zur Benchmark unt er-, über- oder gleichgewichtet. Die ak- tive Rendite stammt
aus den Prognosen des Managers, der die Beteiligungspapiere entsprechend unter- oder
übergewichtet.DabeiwirddasaktiveRisikokontrolliertundmöglichstgeringgehalten.

Lösungzu2
Die erwarteten Information Ratios der derivatebasierten und aktienbasierten semiakti- ven
Strategiekönnenwiefolgtberechnetwerden:

1;1 %
IRderivatebasiert D D 0;440;
2;5 %
0;9 %
IRaktienbasiert D D 0;429:
2;1 %

Die derivatebasierte semiaktive Aktienstrategie verfügt über die höhere Information Ratio
undistsomitderaktienbasiertensemiaktivenStrategievorzuziehen.

17.6 AnlagestrategienmitAnleihen

17.6.1 Übersicht

Der Portfoliomanagementprozess eines Anleiheportfolios unterscheidet sich nicht von


PortfoliosandererAnlageklassenwieetwaAktien.ZuerstsindinderAnlagepolitikdieRendite-
und Risikoziele zu bestimmen, bevor die Restriktionen wie der Zeithorizont, die Liquidität und
dieSteuernfestgehaltenwerden.NachderDefinitionderAnlagepolitikistdieseumzusetzen,zu
überwachen und gegebenenfalls anzupassen. Im Rahmen die- ses Prozesses ist eine
angemessene Benchmark festzulegen, die den in der Anlagepolitik aufgeführten
Kundenbedürfnissen Rechnung trägt oder mit dem Anlagemandat des Port- foliomanagers
konsistentist.
1124 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

EinAnleiheportfolioistgrundsätzlichmiteinerBenchmark(alsoeinemAnleiheindex)zu
vergleichen,diedenAnlagestildesPortfolioswiderspiegelt.DabeiisteineRenditezuerzielen,
dieentwederdemAnleiheindexentspricht(passivesManagement)oderdieseüberschreitet
(aktivesManagement).SoetwawirddieRenditeeinesAnleihefondsei-nemAnleiheindexals
Benchmarkgegenübergestellt.DarüberhinauskanndasAnlagezieleinesAnleiheportfoliosdie
DeckungvoninZukunftanfallendenVerbindlichkeitenvor-sehen.Füreinsolches
AnleiheportfolioistdieBenchmarkdurchdieVerbindlichkeitengegeben.
VerbindlichkeitsgesteuerteAnleiheportfoliosfindensichbeiinstitutionellenIn-vestorenwie
Pensionsfonds,BankenundVersicherungen.SozumBeispielsindbeieinemPensionsfondsdie
zukünftigenRentenzahlungenandieVersichertenunteranderemmiteinemAnleiheportfolio
sicherzustellen.ImFolgendenwerdendieAnlagestrategienvonAnleiheportfoliosvorgestellt,
diealsBenchmarkeinenAnleiheindexundeineReihevonVerbindlichkeitenbesitzen.

17.6.2 AnleiheportfoliosmitderBenchmarkAnleiheindex

Eine passive Anlagestrategie ist immer dann angebracht, wenn davon ausgegangen werden
kann, dass die Anleihemärkte effizient sind und somit keine Fehlbewertungen vorliegen. Bei
einerpassivenStrategiesindkeineeigenenPrognosenerforderlich.DasAnleiheport-foliofolgt
demRendite-undRisikoprofildesalsBenchmarkdefiniertenAnleiheindex.ImGegensatzdazu
nutzt eine aktive Strategie die Ineffizienz der Märkte aus. Hierzu werden eigene Prognosen wie
Veränderungen der Zin ssätze und der Schuldnerqualität vorgenom- men. Stellen sich die
Prognosenalsrichtigheraus und weichen sievon den allgemeinenMarkterwartungen ab, erzielt
der Manager eine überdurchschnittlic he Rendite (Alpha). Die für das Management eines
AnleiheportfoliosrelevantenAnlagestrategienkönnenwiefolgtklassifiziertwerden:

53

 Reine Indexierungsstrategie (bzw. vollständiger Replikationsansatz): Mit dieser Stra- tegie


wird ein Anleiheportfolio mit allen Anleihen und zu gleichen Gewichten wie der Bondindex
erstellt. Die vollständige Replikation des Index ist üblicherweise schwierig umzusetzen und
relativ teuer, weil viele Anleihen des Index (insbesondere das Segment der
Nicht-Staatsanleihen) eine geringeMarktliquidität aufweisen und unregelmäßig gehandelt
werden. Anders als im Aktienportf oliomanagement wird eine reine Inde- xierungsstrategie
beieinempassivenAnleiheportfolioeherselteneingesetzt.

 Verbesserte Indexierung durch die Anpassung der primären Risikofaktoren: Bei dieser
AnlagestrategiewirdeingeschichtetesStichprobenverfahrenodereinOptimierungs-verfahren
benutzt, 54
mitdemZiel,diewichtigstenRisikofaktorendesIndexvollständig
abzubildenundeineimVergleichzurreinenIndexierungsstrategiehöhereRenditezu

53
Vgl. Volpert 2000 : Managing Funds Against a Bond Market Index, S. 58 ff.
54
Vgl. Abschn. 17.5.3 .
17.6 AnlagestrategienmitAnleihen 1125

erzielen. Zu den primären Risikofaktoren zählen Veränderungen des Zinsniveaus, die


Drehung der Zinsstrukturkurve und Veränderungen der Kreditrisikoprämie. Bewegen sich
diese Risikofaktoren, so verändert sich der Wert des Portfolios und der Bench- mark im
gleichenAusmaß.DabeidieserStrategienichtsämtlicheAnleihendesIndexgekauftwerden
müssen, sind die Erstellungs- und Aufrechterhaltungskosten vergli- chen mit einer reinen
Indexierungsstrategiewesentlichniedriger.AllerdingsistdasTracking-Risikohöher.

 Verbesserte Indexierung durch kleine Abweichungen der Risikofaktoren: Einzig der


RisikofaktorVeränderungdesZinsniveausbzw.dieDurationwirdzwischendemPort-folioundder
Benchmarkvollständigabgestimmt.BeidenanderenRisikofaktorenkön-neninAbhängigkeitvon
denErwartungendesManagerskleineAbweichungenvorge-nommenwerden,umdasRendite-und
RisikoprofildesPortfolioszuverbessern.

 Aktives Management durch größere Abweichungen der Risikofaktoren: Basierend auf den
Erwartungen des Managers, die von den allgemeinen Markterwartungen diver- gieren,
werden bewusst größere Abweichungen der primären Risikofaktoren zwischen dem
Portfolio und der Benchmark vorgenommen. Allerdings erfolgt bei dieser aktiven Strategie
lediglich eine geringfügige Änderung der Duration. Hierzu wird üblicherwei- se eine
Bandbreitedefiniert.SozumBeispielkanndieDurationdesPortfoliosum
˙
1 von derjenigen des Index abweichen. Besitzt der Index eine Duration von 6, kann der
Manager in Abhängigkeit von seinen Zinserwartungen die Portfolioduration auf 5 senken
oderauf7erhöhen.Gehtervonsteigenden(fallenden)Zinssätzenaus,wirderdieDurationdes
Portfolios entsprechend vermindern (erhöhen). Bei allen ande- ren Risikofaktoren sind die
Abweichungen größer. Geht der Manager etwa davon aus, dass im Sektor
Unternehmensanleihen des Index, Anleihen mit einem BBB-Rating im Vergleich zu
Anleihen mit einem A-Rating eine bessere Performance realisieren wer- den, so kann er die
Papiere mit einem BBB-Rating übergewichten und diejenigen mit einem A-Rating
untergewichten. Darübe r hinaus kann der Manager in Sektoren des Anleihemarkts
investieren, die nicht in der Benchmark enthalten sind. Umfasst ein An-leiheindex lediglich
Investment-Grade-Bonds, kann der Manager auch einen Anteil von
Non-Investment-Grade-AnleihenimPortfoliohalten.

 UneingeschränktesaktivesManagement:MitdieseraktivenStrategiewerdendieDu-ration
und auch die anderen Risikofaktore n im Vergleich zur Benchmark aggressiv verändert. So
kann das Portfolio eine Duration von null aufweisen, wenn es vollstän- dig in einer
Cash-PositionangelegtistoderinfolgeLeverageeineDurationbesitzt,dieumeinVielfaches
höher als diejenige derBenchmark ist. Das Tracking-Risikodieser Strategie ist am höchsten.
DieZielsetzungbestehtdarin,einemöglichsthoheaktiveRenditezuerzielen.

LeveragelässtsichineineraktivenStrategieumsetzen,indemetwaGeldaufgenommenwird,um
Anleihenzukaufen.LiegtdieAnleiherenditeüber(unter)denZinskostenderGeldaufnahme,hat
dies einen positiven (negativen) Einfluss auf die Rendite der An- leiheposition. Darüber hinaus
lässtsichauchdieZinssensitivitätbzw.dieDurationdes
1126 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Portfolios durch Leverage erhöhen. Dabei können neben der Geldaufnahme auch Finanz-
derivate wie beispielsweise Fixed Income Futures eingesetzt werden. Das nachstehende
Beispiel zeigt, wie mithilfe von Leverage die modifizierte Duration eines Anleiheportfo- lios
gesteigertwerdenkann.

Beispiel
Anpassung der modifizierten Duration ei nes Anleiheportfolios mit Leverage
Ein Anleiheportfolio mit einem Marktwert von EUR 9,5 Mio. besitzt eine modifizier- te
Duration von 4,5. Ein Teil des Portfolios von EUR 3 Mio. wurde mit einer 30- tägigen
Rückkaufvereinbarung (Repurchase Agreement) finanziert. Außerdem besitzt das
Portfolio eine Long-Fixed-Income-Fut ure-Position mit einem Kontraktwert von EUR 2
Mio. und einer modifizierten Duration von 5,5. Die drei Positionen im Port- foliokönnen wie
folgtzusammengefasstwerden:

Positionen im Portfolio Aktueller Marktwert Modifizierte Duration


Anleihen EUR 9,5 Mio. 4,5
Verbindlichkeiten EUR 3,0 Mio. 0,08
Fixed Income Futures – 5,5

Wie hoch ist die modifizierte Duration des Portfolios, wenn die Zinssätze um 100
Basispunkte fallen?

Lösung
Zunächst sind die Marktwertveränderunge n der drei Positionen im Portfolio anhand der
Taylor-ReihenentwicklungdererstenOrdnungzuberechnen:

BAnleihen D .4;5/  EUR 9:500:000  .0;01/ D EUR 427:500;


BVerbindlichkeiten D .0;08/  .EUR 3:000:000/  .0;01/ D EUR 2400;
BFutures D .5;5/  EUR 2:000:000  .0;01/ D EUR 110:000:

Gehen die Zinssätze um 100 Basispunkte zurück, nimmt der Wert des Portfolios um EUR
535:100 (D EUR 427:500  EUR 2400 C EUR 110:000) zu.
Wird vom Marktwert der Anleihen von EUR 9,5 Mio. der Wert der Verbindlichkei-
ten von EUR 3 Mio. abgezogen, erhält man den Eigenkapitalwert des Portfolios von EUR 6,5
Mio.AufgrundderTaylor-ReihenentwicklungdererstenOrdnungliegtbeieinemRückgang
der Zinssätze um 100 Basi spunkte folgender Zusammenhang für die Wertveränderung des
PortfoliosmiteinemEigenkapitalwertvonEUR6,5Mio.vor:

EUR 535:100 D .MDUR/  EUR 6:500:000  .0;01/:

WirddieGleichungnachMDURaufgelöst,gelangtmanzueinermodifiziertenDurati-ondes
PortfoliosmitLeveragevon8,23,dieverglichenmitdemAnleiheportfolioohne
17.6 AnlagestrategienmitAnleihen 1127

Leverage von 4,5 wesentlich höher ist:

EUR 535:100
MDUR D  D 8;23:
EUR 6:500:000  .0;01/

17.6.3 AnleiheportfoliosmitderBenchmarkVerbindlichkeiten

17.6.3.1 Strategien
Zukünftige Verbindlichkeiten können mit einem Anleiheportfolio entweder über eine Im-
munisierungsstrategie oder eine Cashflow-Matching-Strategie gedeckt werden. Bei einer
Immunisierungsstrategie wird ein Anleihepor tfolio erstellt, das über eine bestimmte Zeit-
periodeunabhängigvonetwaigenZinssatzänderungeneinevorherfestgelegteRenditeerzielen
wird. Demgegenüber werden bei einer Cashflow-Matching-Strategie die zukünf- tigen
Verbindlichkeiten mit den Cashflows des Portfolios – also den Kupons und den Nominalwerten
der Anleihen– bezahlt. Besteh t zum Beispiel eine Ve rbindlichkeit von EUR 10 Mio., die in 10
Jahren fällig wird, s o kann heute eine Nullkuponanleihe mit ei- nem Nominalwert von EUR 10
Mio. undeiner Laufzeitvon10 Jahrengekauft werden. AmFälligkeitstag der Nullkuponanleihe
erhält man vom Emittenten den Nominalwert von EUR 10 Mio., der für die Tilgung der
Verbindlichkeit eingesetzt werden kann. Nachfol- gend werden die klassische und die bedingte
Immunisierungsstrategienäherbeschrieben.

17.6.3.2 Immunisierungsstrategien
Die Immunisierungsstrategie hat zum Ziel, eine im Voraus festgelegte Rendite über eine
bestimmte Zeitperiode zu erziel en. Allerdings istdiese Strategie nicht einfach umzusetzen, da
bei einer Zunahme (Abnahme) der Zinssätze zum einenein Preisverlust (Preisgewinn) bei den
Anleihen und zum anderenhöhere (niedrigere) Einnahmen aus den wieder an- gelegten Kupons
resultieren. Die Preisverä nderungen heben sich nicht genau mit den höheren oder niedrigeren
ZinseinnahmenausderWiederanlagederKuponsauf.
55
Da-
her besteht die Zielsetzung einer Immunisierungsstrategie darin, ein Anleiheportfolio zu
erstellen, bei dem Preis- und Wiederanlageeffekt gleich groß sind, sodass die Rendite und somit
der Endwert des Portfolios bekannt sind. Am Fälligkeitstag der Verbindlichkeit wird das
AnleiheportfolioverkauftundausdemVerkaufserlösdieSchuldgetilgt.

ImmunisierungsstrategienkönnenfüreineodermehrereVerbindlichkeitenimplemen-tiert
werden.LiegtlediglicheineZahlunginderZukunftvor,sprichtmanvoneinerklassischen
Immunisierung, 56
bei der ein Anleiheportfolio zusammengesetzt wird, das

55
Vgl. Abschn. 9.2.7.2 .
56
DieklassischeImmunisierungwurdevonReddington(1952)sowieFisherundWeil(1971)indie
Fachliteratureingeführt.Vgl.Reddington 1952:ReviewofthePrinciplesofLife-OfficeValua-tions,S.
293ff.;FisherundWeil 1971:CopingwithRiskofInterestRateFluctuations:ReturnstoBondholdersfrom
NaiveandOptimalStrategies,S.408ff.
112 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

unabhängig von parallelen Verschiebungen der Zinsstrukturkurve eine vorher festgelegte


Renditeerzielenwird.DieAnnahmenderklassischenImmunisierungsind: 57

 Es kommen lediglich parallele Änderungen der Zinsstrukturkurve vor. Somit bewegt sich
die Rendite entlang der gesamten Zinsstrukturkurve um den gleichenBetrag nach oben oder
unten.
 DasAnleiheportfoliowirdzueinembestimmtenZeitpunktbewertetundesfindenkeineEin-
undAuszahlungenstatt.
 Der Zielwert des Anleiheportfolios entspricht dem Wert des Portfolios am Ende des
Anlagezeitraums bzw. zum F älligkeitszeitpunkt der Verbindlichkeit, wenn sich die
Zinsstrukturkurvenichtveränderthat(z.B.Terminzinssätzebleibenunverändert).

Um das Preisrisiko und das Wiederanlagerisiko auszugleichen, ist die Duration des Port- folios
mit der Fälligkeitsdauer der Verbindlichkeit gleichzusetzen. Darüber hinaus müssen der
Marktwert des Anleiheportfolios und der Barwert der Verbindlichkeit gleich groß sein, sodass
bei einer parallelen Verschiebung der Zinsstrukturkurve eine gleich hohe Änderung des
Anleiheportfolios und der Verbindlichkei t resultiert. Dabei gilt es zu beachten, dass sich die
DurationdesPortfoliossowohlbeieinerRenditeänderungalsauchmitderZeitverändert,sodass
dasAnleiheportfolioperiodischangepasstwerdenmuss.DaheristdasPortfolioaufliquideAnle
ihenmiteinerhohenSchuldnerqualitätzubeschränken.

Eine Weiterentwicklung der klassischen Immunisierung stellt die bedingte Immunisie-


rung dar.58 DasAnleiheportfoliowirdaktivgesteuert,solangedievorherrschendeImmu-
nisierungsrenditehöheralsdiegeforderteMindestrenditeist.IstzumBeispielbeieinem
5-jährigenAnlagehorizontdiegeforderteMindestrendite2%undkanndasPortfoliozueiner
Renditevon3,25%immunisiertwerden,sokanndasPortfolioaktivgesteuertwer-den.Fällt
hingegendiePortfoliorenditeunterdiegeforderteMindestrenditevon2%,istdieaktive
StrategiezugunsteneinerImmunisierungsstrategieaufzugeben.DieDifferenzzwischender
RenditederImmunisierungsstrategievon3,25%unddergefordertenMin-destrenditevon2%
wirdalsSicherheits-Spread(CushionSpread)bezeichnet.BeträgtderMarktwertdes
AnleiheportfoliosEUR100Mio.,solässtsichbeieinerMindestrenditevon2%derEndwertdes
Portfoliosin5Jahrenwiefolgtberechnen:

EUR 100:000:000  .1;02/5 D EUR 110:408:080:

Zum Bewertungszeitpunkt kann das Portfolio mit einem Satz von 3,25 % immunisiert werden,
waszufolgendemgefordertenPortfoliowertführt:

EUR 110:408:080
D EUR 94:091:535:
.1;0325/5

57
Vgl. Gifford Fong und Guin 2015 : Fixed-Income Portfolio Management – Part 1, S. 563.
58
Vgl. Leibowitz und Weinberger 1982 : Contingent Immunization – Part 1: Risk Control Proce-
dures, S. 17 ff.
17.7 Zusammenfassung 1129

Die Sicherheitsmarge liegt bei EUR 16:316:545 (D EUR 110:408:080EUR 94:091:535).


Da die Sicherheitsmarge positiv ist, kann das Anleiheportfolio aktiv gesteuert werden.
Wird davon ausgegangen, dass sich das Anleiheportfolio aus einer einzigen festver- zinslichen
10-jährigenAnleihemiteinemjährlichenKuponsatzvon3,25%undeinemNominalwertvonEUR
100Mio.zusammensetztundamKuponterminzumPar-Wertvon100%gehandeltwird,beläuft
sichderMarktwertaufEUR100Mio.AmnächstenKu-ponterminin1JahrsteigtdieVerfallrendite
von3,25%auf5,398%unddieAnleihewirdzueinemPreisvon85%gehandelt.DerMarktwertdes
PortfoliosvonEUR88,25Mio.bestehtausdemMarktwertderAnleihevonEUR85Mio.unddem
KuponvonEUR3,25Mio.DergefordertePortfoliowertfüreineaktiveStrategievonEUR

89:468:752 kann bei


einer Immunisierungsrendite von 5,398 % wie folgt berechnet werden:

EUR 110:408:080
D EUR 89:468:752:
.1;05398/4

Da der Portfoliowert von 88,25 Mio. den geforderten Wert von EUR 89:468:752 unter-
schreitet bzw. die Sicherheitsmarge einen negativen Wert von EUR 1:218:752 aufweist, ist
die aktive Strategie aufzugeben und zu eine r Immunisierungsstrategie überzugehen. Auf diese
Weisewirdsichergestellt,dassderminimalerwarteteBetragvonEUR 110:408:080
in 4 Jahren geleistet werden kann.

17.7 Zusammenfassung

 Eine passive Portfoliostrategie besteht aus einem Marktindexportfolio und einer Geld-
anlage (z. B. Anteile eines Geldmarktfonds). Eine aktive Strategie dagegen investiert in
fehlbewertete Anlagen mit dem Ziel, die Sh arpe Ratio (risikoadjustierte Rendite) zu
maximieren.
 Eine wichtige Eigenschaft der Sharpe Ratio ist, dass sie durch das Hinzufügen einer
Cash-PositionimPortfoliooderdurchLeveragenichtbeeinflusstwird.
 Die Zielsetzung einer aktiven Anlagestrategie besteht darin, das Benchmarkportfolio zu
schlagen. Die erwartete Por tfoliorendite besteht aus der erwarteten Benchmarkren- dite
zuzüglich der prognostizierten aktiven Rendite. Letztere Renditegröße setzt sich aus dem
Ex-ante-Alpha derSelektions- bzw.Allokationsaktivitätenund der erwar- tetenRendite des
Benchmarktimingszusammen.DeraktiveRenditebeitragausdemBenchmarktimingergibt
sich, wenn der Manager das aktive Beta des Portfolios in An- tizipation einer
außerordentlichenMarktbewegungkurzfristigverändert.

 Mit der Information Ratio wird das Verhältnis zwischen aktiver Rendite und aktivem Risiko
gemessen. Anders als die Sharpe Ratio wird die Höhe der Information Ratio durch das
Hinzufügen einer Cash-Position oder durch Leverage tangiert. Wird etwa eine risikolose
Cash-Position in das Portfolio aufgenommen, so geht die Informati- on Ratio des Portfolios
bestehendausrisikobehaftetenAnlagenundderrisikolosen
1130 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Cash-Position zurück. Bei Leverage hingege n erhöht sich die Information Ratio. Dem-
gegenüber haben Veränderungen der aktiven Anlagegewichte bei einem Portfolio ohne
Anlagerestriktionen keinen Einfluss auf die Information Ratio. Liegen hingegen An-
lagerestriktionen vor und nimmt die Aggressivität der Strategie zu, verändert sich die
InformationRatio.

 Die quadrierte Sharpe Ratio des aktiv gesteuerten Portfolios besteht aus der quadrierten
2
SharpeRatioderBenchmarkplusderquadriertenInformationRatio:SR D SR2 C
P B
IR2 : Somit verfügt ein aktives Portfolio mit der höchsten (quadrierten) Information
Ratio auch über die höchste (quadrierte) Sh arpe Ratio. Daher lässt sich mit der Infor- mation
RatioderMehrwerteineraktivenStrategiesteuern.
 Beim Grundgesetz des aktiven Portfoliomanagements handelt es sich um eine mathe-
matische Gleichung, welche die erwartete Information Ratio eines aktiv gesteuerten
Portfolios in Beziehung zu einzelnen Faktoren wie der prognostizierten aktiven Rendi- te,
dem erwarteten aktiven Risiko, dem Übertragungskoeffizienten, dem Informations-
koeffizienten(Prognosegüte)undderPrognoseanzahlsetzt.

 Der Übertragungskoeffizient .TC/ stellt den Korrelationskoeffizienten zwischen den


prognostizierten aktiven Anlagerenditen und den aktuellen aktiven Anlagegewichten
dar. Er fällt in einem Wertebereich von 1 bis C1 (1  TC  C1) an. Der Übertra-
gungskoeffizient ist in der Regel positiv und liegt zwischen 0,2 bis 0,9. Er hängt von
den Anlagerestriktionen ab, die in der Anlagepolitik definiert werden.
 Der Informationskoeffizient .IC/ misstdiePrognosegüte.ErstelltdenKorrelationsko-
effizientenzwischendenrealisiertenunddenprognostiziertenaktivenRenditendar.Der
Informationskoeffizient liegt in einem Wertebereich von 1 bis C1 ( 1  IC  C1),
wobei positive Werte von unterhalb 0,15 die Regel sind.
 Die Prognoseanzahl .BR/ ergibt sich aus der Anzahl an unabhängigen Einzelprognosen
in einer Periode. Die Prognoseanzahl resultiert aus dem Produkt von periodischen (z. B.
monatlichen)Querschnittsprognosen(z.B.dieAnzahlanuntersuchtenAnlageklassen)und
derZahlderPrognoseintervalle(z.B.Monate)innerhalbdesBetrachtungszeit-raums(z.B.1
Jahr).ImeinfachstenFallentsprichtdiePrognoseanzahlderAnzahlanAnlagenimPortfolio.

 Das Ex-ante-Alpha der Selektions- bzw. Allokationsaktivitäten wird anhand von Roh-
prognosen (Signalen) bestimmt, die anschließend mit dem Erwartungswert und der
Standardabweichung der Querschnittsvert eilung der Rohprognosen standardisiert wer-
den. Danach werden die standardisierten Rohprognosen bzw. Score-Werte in Ex-ante-
Alphasüberführt.SoetwawirdbeimeinfachenSkalierungsverfahrenvonGrinold( 1994)der
Score-Wert einer Anlage i mit einem für alle Anlagen gültigen erwarteten
Informationskoeffizienten und mit dem erwarteten aktiven Risiko der Anlage i multi-
pliziert:

i D Si IC¢©;i . WeichtaufgrundderEinzelprognosendasEx-ante-Alphades•
Benchmarkportfolios von null ab, sind die Ex-ante-Alphas der einzelnen Anlagen von
diesem unbeabsichtigten Timingeffekt zu bereinigen, da die erwartete aktive Rendite aus
demBenchmarktimingfürjedeeinzelneAnlageseparatermitteltwird.
17.7 Zusammenfassung 1131

 Beim elementaren Grundgesetz des aktiven Portfoliomanagements ist der Übertra-


gungskoeffizient 1 (TC D 1), da bei der Konstruktion des aktiven Portfolios keine
Anlagerestriktionen vorliegen. Die erwarte te Information Ratio kann berechnet wer- den,
indem der erwartete Informationskoeffizient mit der Wurzel der Prognoseanzahl
multipliziertwird:IR p
D .IC BR: DieInformationRatioistumsohöher,jebesser/
die durch den Informationskoeffizienten ausgedrückte Prognosegüte .IC/ und je größer
die Anzahl der unabhängigen Einzelprognosen .BR/ ist. Dabei geht das Grundgesetz
des aktiven Portfoliomanagements davon aus, dass die durch den Informationskoeffizi-
entenerfasstePrognosegütefüralleAnlagengleichgroßist.
 Beim vollständigen Grundgesetz des aktiven Portfoliomanagements ist aufgrund der
AnlagerestriktionenderÜbertragungskoeffizientkleinerals1(TC < 1). Die erwartete
Information Ratio ist ein Produkt aus dem erwarteten Übertragungskoeffizienten, dem
erwartetenpInformationskoeffizienten und der Wurzel aus der Prognoseanzahl: IR D
.TC/ .IC/ BR:
 Das Treynor/Black-Modell stellt eine Kombination aus aktiver und passiver Portfo-
liostrategie dar. Das Modell geht davon aus, dass einerseits eine makroökonomische
Voraussage für den Gesamtmarkt erhältlich ist (erwartete Rendite und Varianz des
Marktportfolios) und andererseits die Wertpapieranalyse in der Lage ist, positive und
negative Ex-ante-Alphas von einzelnen A nlagen zu identifizieren und zu quantifizie- ren.
Dabei reflektiertdas Ex-ante-Alpha denjenigen Teil der erwarteten Rendite, der nichtdurch
dasBetabzw.dieWertpapiermarktlinieerklärtwird.

 Die Gewichte der einzelnen Anlagen im aktiven Portfolio hängen vom Ex-ante-Alpha und
vom unsystematischen Risiko ab. Hat man das aktive Portfolio erstellt, können das
Ex-ante-Alpha, das unsystematische Risiko und das Beta aus den Eigenschaften der im
aktiven Portfolio enthaltenen Titel ermittelt werden. Der prozentuale Anteil der aktiven
AnlagekombinationimoptimalenPortfoliolässtsichmithilfedesrelativenRendite-vorteils
desaktivengegenüberdempassivenPortfolio(Alpha
= Marktrisikoprämie)
dividiert durch den entsprechenden relativen Risikonachteil (unsystematisches Risiko
= Marktrisiko) bestimmen. Diese Gewichtung wird in einem letzten Schritt durch das
Beta der aktiven Anlagekombination korrigiert.
 Die Sharpe Ratio des Treynor/Black-Portfolios, das durch die optimalen Gewichte des
aktiven und passiven Portfolios gebildet wurd e, ist im Vergleich zur Sharpe Ratio eines
Marktindexportfolios höher. Dabei gilt es zu beachten, dass der Mehrwert des aktiven
PortfoliomanagementsvonderQualitätdergeschätztenParameterbzw.derEx-ante-Alphas
abhängt.

 Es gibt verschiedene Ansätze, um Aktien in einem Portfolio zu steuern: 1. Passives


Management: Bei diesem Ansatz fließen die Rendite- und Risikoerwartungen des Port-
foliomanagers nicht in die Konstruktion des Portfolios ein. Die Indexierung stellt den
wichtigsten Ansatz im passiven Portfoliomanagement dar. Allerdings ist dieserAn- satz mit
Ausnahme der Rendite- und Risikoerwartungen von Aktien alles andere als passiv in der
Umsetzung.WirdetwaeineAktieeinemIndexzugeführtoderfallen-gelassenoderverändert
sichdasIndexgewichteinereinzelnenAktieinfolgeeiner
1132 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Unternehmensaktivität (z. B. eines Aktienrückkaufs), muss das passive Aktienportfolio


angepasst werden. 2. Aktives Management: Das Ziel einer aktiven Anlagestrategie ist es, die
Benchmark zu schlagen. Anhand von Selektions- bzw. Allokationsaktivitäten und des
Benchmarktimings wird versucht, eine positive aktive Rendite zu erzielen. 3. Semiaktives
Management: Di eser Ansatz wird auch als verbesserte Indexierung oder als
risikokontrolliertes aktives Management b ezeichnet. Mit einer aktiven Strategie ver- sucht
der Manager zumeinen die Benchmark zu schlagen und zum anderen dasaktive Risiko (also
die Risikoabweichung des Portfolios zur Benchmark) so gering wie mög- lich zu halten bzw.
innerhalbeinervorgegebenenBandbreitezusteuern.

 Eine passive Aktienstrategie lässt sich mit folgenden Anlagevehikeln umsetzen: An- lage in
ein indexiertes Portfolio oder synthetisch mit einer Long-Cash-Position und einer
Long-Aktienindex-Future-Position ode r Long-Cash-Position kombiniert mit ei- nem
Equity Swap. Die Anlage in ein indexiertes Portfolio erfolgtmit Anlagefonds und Exchange
TradedFunds(ETFs)aufeinenAktienindex.FürinstitutionelleInvestorenwerdengetrennte
Konten undSammelkonten als Anlagemöglichkeit einer Portfolio- indexierung angeboten.
Die Indexierung eines Portfolios kann mit der vollständigen Replikation, der geschichteten
StichprobeundderOptimierungumgesetztwerden.

 Die beiden prominentesten Anlagestile einer aktiven Aktienstrategie sind Wert- und
Wachstumsorientierung. Bei der wertorientierten Strategie liegt der Fokusauf dem Finden
von unterbewerteten Beteiligungspapieren, deren Preise im Vergleich zum Er- gebnis je
Aktie oder zum Buchwert je Aktie zu niedrig sind. Demgegenüber werden bei einer
wachstumsorientierten Strategie Aktien ausgewählt, die über ein hohes Ergeb-
niswachstum verfügen. Neben Wert und Wachstum ist es üblich, die Aktienstrategien auch
nach einer großen, mittleren und kleinen Marktkapitalisierung zu unterschieden. Einen
dritten Anlagestil stellt die marktorientierte Strategie dar, die keine eindeutige Wert- oder
Wachstumsorientierung aufweist. Die Anlagestile der Wert-, Wachstums- und
Marktorientierung können für die Performance-Attributionsanalyse und/oder die
Einschätzung der zukünftigen Portfolioperfo rmance anhand der renditebasierten und der
bestandsbezogenenStilanalyseidentifiziertwerden.

 Bei einer herkömmlichen aktiven Long-Stra tegie resultiert der Mehrwert aus dem Al- pha
der Long-Aktienpositionen. Mit Long-Short- Strategien hingegen lassen sich die
Prognosen des Portfoliomanagers nicht nur zu steigenden, sondern auch zu fallenden
Aktienkursen ausnutzen. Anstatt Aktien bei einer negativen Prognose zu meiden, kön- nen
diese bei einer Long-Short-Strategie leer verkauft werden, um so von fallenden
Aktienkursenzuprofitieren,wasbeieinerLong-Strategienichtmöglichist.

 IneinermarktneutralenLong-Short-StrategieergibtsichderMehrwertderaktivenStrategie
auseinemdoppeltenAlphabzw.ausdemAlphaderLong-Aktienpositionen(unterbewertete
Titel) und dem Alpha der Short-Aktienpositionen (überbewertete Ti- tel). Die Long- und
Short-Positionen sind b etragsmäßig gleich groß. Das Beta der Strategie ist null, wobei das
positiveBetaderLong-PositionendurchdasnegativeBetaderShort-Positionenaufgehoben
wird. Darüber hinaus wird üblicherweise ein aggressives Leverage betrieben. Leverag e
erfolgtzumeinenmitgeliehenemGeldvon
17.7 Zusammenfassung 1133

einem Finanzinstitut oder Broker, bei dem die Aktien auf Margin gekauft und die
Short-Positionen aus einem Leerverkauf stammen, und zum anderen mit Derivaten. Mit
Leverage nimmt nicht nur die Gewinnchance, sondern auch die Verlustgefahr zu. Die
Strategie wird in der Regel mit einer großen Anzahl an Aktien umgesetzt, wobei die
Neutralisierung der Long- und Short-Positionen mit Computerprogrammen und
Optimierungsverfahrenerfolgt.

 Eine weitere Ausprägung von Long-Short-Strategien sind Long-Strategien mit einer


Short-Erweiterung (sogenannte Short-Extension-Strategien). Diese Strategien weisen
üblicherweiseeinBetavon1mitLong-Positionenvon100%
C x % und Short-
Positionen von x % des angelegten Kapitals auf. Eine gebräuchliche Umsetzung dieser
Strategie ist ein 130/30-Portfolio.
 Die Zielsetzung von semiaktiven Strategien besteht darin, zum einen die Benchmark zu
schlagen und zum anderen die aktive Risikoexposition des Portfolios zu kontrollieren und
möglichstgeringzuhalten.SemiaktiveAktienstrategienkönnenmiteinerderiva-tebasierten
bzw. synthetischen oder aktienbasierten Strategie umgesetzt werden. Bei einer
derivatebasierten semiaktiven Aktienstrategie wird eine Cash-Position mithilfe von
Derivaten in eine synthetische Aktienposition umgewandelt. Die aktive Rendite der
Strategie ergibt sich beispielsweise aus einer Duration-Anpassung der Cash-Position. Im
Gegensatz dazu werden bei einer aktienba sierten Strategie Aktien des Portfolios im
Vergleichzur Benchmark unter-, über-oder gleichgewichtet. Die aktive Rendite stammtaus
den Prognosen des Managers, der die Beteiligungspapiere entsprechend unter- oder
übergewichtet.DabeiwirddasaktiveRisikokontrolliertundmöglichstge-ringgehalten.

 Beim Management eines Anleiheportfolios wird unterschieden, ob die Benchmark ein


Anleiheindex oder eine Verbindlichkeit ist.
 Das Management eines Anleiheportfolios, dessen Rendite- und Risikoprofil einem An-
leiheindex gegenübergestellt wird, kann mit einer passiven oder aktiven Strategie be-
werkstelligt werden. Zu den passiven Strat egien gehören die reine Indexierungsstra- tegie
(vollständiger Replikationsansatz), die verbesserte Indexierung durch die An- passung der
primären Risikofaktoren und die verbesserte Indexierung durch kleine Abweichungen der
Risikofaktoren. Die Risikofaktoren bestehen beispielsweise aus den Veränderungen des
Zinsniveaus, der D rehung der Zinsstrukturkurve und den Ver- änderungen der
Kreditrisikoprämie. Zu den aktiven Strategien zählen das aktive Ma- nagement durch
größereAbweichungenderRisikofaktorenunddasuneingeschränkteaktiveManagement.

 BestehtdasAnlagezieldesAnleiheportfoliosdarin,eineodermehrereVerbindlichkei-tenin
der Zukunft zu decken, so kann entweder eine Immunisierungsstrategie oder eine
Cashflow-Matching-Strategieeingesetztwerden.BeieinerImmunisierungsstrate-giewird
einAnleiheportfolio erstellt, da s über eine bestimmte Zeitperiode unabhängigvonetwaigen
Zinssatzänderungen eine vorherfestgelegteRendite erzielen wird. Dem-gegenüberwerden
beieinerCashflow-Matching-StrategiediezukünftigenVerbindlich-
1134 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

keiten mit den Cashflows des Portfolios – also den Kupons und den Nominalwerten der
Anleihen–bezahlt.

17.8 Aufgaben

Aufgabe1
Ein Portfoliomanager analysiert vier Anlagen, deren aktive Renditen nicht miteinander
korrelieren. Er gelangt zu dem Schluss, dass im nächsten Jahr die ersten zwei Anlagen ein
positives Alpha und die anderen zwei Anlag en ein negatives Alpha erzielen werden.
AufgrunddieserEinschätzungerhaltendieerstenbeidenAnlageneinenScore-Wertvon

C1 und die anderen beiden Anlagen einen entsprechenden Score-Wert von 1. Zu
den vier Anlagen liegen die folgenden Daten für den Score-Wert und das aktive Risiko
vor:

Anlagen Score-Wert Aktives Risiko


1 C1 20 %
2 C1 30 %
3 1 20 %
4 1 30 %

DererwarteteInformationskoeffizientbeträgtfürallevierAnlagen0,2.DieRendi-
tevorhersagenwerdenfürjedeeinzelneAnlageundfürjedesJahrunabhängigvonein-ander
vorgenommen.EssinddiefolgendenFragenzubeantworten:

a) Wie hoch sind die prognostizierten aktiven Renditen (Ex-ante-Alphas) gemäß dem
SkalierungsprozessvonGrinold?
b) Die Anlagepolitik schreibt ein aktives Portfoliorisiko von maximal 6 % vor. Der
Portfoliomanager möchte die erwartete aktive Rendite im Portfolio maximieren.
Wie hoch sind die optimalen aktiven Gewichte dieser vier Anlagen im
Portfolio? Wie hoch ist die erwartete Information Ratio der aktiven Strategie?
c)

Aufgabe2
Ein Portfoliomanager analysiert vier Anlagen, deren aktive Renditen nicht miteinan- der
korrelieren. Die Renditevorhersagen erfolgen jedes Jahr unabhängig voneinander. Die
prognostizierten aktiven Renditen (bereits um das Residualrisiko und den Infor-
mationskoeffizienten skalierte standardisierte Rohprognosen), die erwarteten aktiven
RisikenunddieoptimalenaktivenGewichtesindnachfolgendaufgeführt:
17. Aufgaben 1135

Anlagen Prognostizierte Erwartete aktive Optimale aktive


aktive Renditen Risiken Gewichte
1 4% 20 % 15 %
2 6% 30 % 10 %
3 4 % 20 % 15 %
4 6 % 30 % 10 %

a) Es wird davon ausgegangen, dass im Benchmarkportfolio die vier Anlagen zu glei- chen
Gewichten enthalten sind (also ein Gewicht von 25 % je Anlage) und dass sich die
erwarteteRendite des Benchmarkportfolios bzw. der einzelnen Anlagen auf 8 % beläuft.
WiehochsinddieGewichtedervierAnlagenimPortfolio?

b) WiehochsinddieerwarteteGesamtrenditeunddieerwarteteaktiveRenditedesPortfolios?

c) WiehochsinddieerwarteteaktiveRenditeunddieInformationRatiodesPortfoliosanhand
deselementarenGrundgesetzesdesaktivenPortfoliomanagements?

Aufgabe3
Es liegen die folgenden Daten für den HDAX und den Gamma-Aktienfonds vor (risi- koloser
Zinssatz1%):

HDAX Gamma-Aktienfonds
Erwartete jährliche Rendite 8% 10 %
Standardabweichung der 21 % 30 %
jährlichen Renditen

Sharpe Ratio 0,333 0,3


Aktive Rendite 1,8 %
Aktives Risiko 9%
Information Ratio 0,2

a) WiehochistdiemaximaleSharpeRatio,wennderHDAXmitdemGamma-Aktienfonds
kombiniertwird?
b) Wie hoch sind die Gewichte des HDAX und des Gamma-Aktienfonds, wenn die
Zielsetzung darin besteht, die Sharpe Ratio bei einem optimalen aktiven Risiko zu
maximieren?

Aufgabe4
Eine Stiftung beurteilt drei Investmentmanager für ein neues Anlagemandat. Den drei
Managern liegen die folgenden prognostizie rten aktiven Renditen (Ex-ante Alphas) und
aktivenGewichtefürvierAnlagenvor:
1136 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Anlagen Manager 1 Manager 2 Manager 3


wi ’i wi ’i wi ’i
1 0;25 0,02 0,30 0,04 0;10 0,04
2 0,05 0,03 0,00 0,03 0,10 0,02
3 0,10 0,04 0;15 0,01 0,10 0,01
4 0,10 0,05 0;15 0,03 0;10 0,03

Die prognostizierten bzw. realisierten aktiven Risiken und die realisierten Ex-post-
Renditen der vier Anlagen lauten wie folgt:

Anlagen Aktives Risiko Aktive realisierte Rendite


1 0,20 0,05
2 0,12 0,07
3 0,16 0,05
4 0,30 0,02

a) Wie hoch sind die Informationskoeffizienten (ist die Prognosegüte) der drei Invest-
mentmanager?
b) Wie hoch sind die Übertragungskoeffizienten der drei Investmentmanager?

Aufgabe5
Ein Portfoliomanager einer Vermögensverwaltungsgesellschaft verwendet das Treynor/
Black-Modell, um eine im Vergleich zum Marktindexportfolio höhere Rendite zu erzie- len.
Die optimale Anlagekombination setzt sich aus einem aktiven Portfolio und dem
Marktindexportfolio zusammen. Die Analyseabteilung hat makroökonomische Daten zum
Marktindexportfolio zusammengestellt. Die Analysten erwarten eine Rendite von 15 % und
eine Standardabweichung von 25 % des Marktindexportfolios. Der risikolose Zinssatz
beträgt 2,5 %. Der Portfoliomanager hat ein aktives Portfolio erstellt, das aus Aktien der
Empfehlungsliste der Analyseabteilung besteht. In Anlehnung an das
Treynor/Black-Modell sind die Gewichte der einzelnen Aktien derart festgelegt, dass das
erwarteteAlphamaximiertwird.DaserwarteteAlphadesaktivenPortfoliosbe-läuftsichauf
4,8%,währenddieStandardabweichungderResidualrenditenbei45%liegt.Wiehochistdie
SharpeRatiodesoptimalenPortfoliosnachTreynorundBlack?

Aufgabe6
DieAnalyseabteilungeinerBankschätztfürdasMarktindexportfolioeineerwarteteRendite
von 15 % und eine Standardabweichung von 30 %. Der risikolose Zinssatz be- trägt 3 %. Die
AnalystenhabendiefolgendendreiAktienidentifiziert,diefehlbewertetsind:
17. Aufgaben 1137

Aktien Ex-ante-Alpha Beta Standardabweichung der Residualrenditen


A 5 % 1,2 50 %
B 7% 1,1 40 %
C 4% 0,9 20 %

Der Portfoliomanager hat EUR 10 Mio. zur Verfügung und möchte mit dem
Treynor/Black-Modell ein optimales Portfolio bestehend aus einer aktiven Anla-
gekombination mit den drei fehlbewerteten Aktien und dem Marktindexportfolio
konstruieren.

a) Wie hoch sind die prozentualen Anteile bzw. die Beträge in EUR der aktiven Anla-
gekombinationunddesMarktindexportfoliosimoptimalenPortfolio?
b) Um wie viele Prozentpunkte lässt sich die Sharpe Ratio des optimalen Portfolios im
VergleichzumMarktindexportfolioverbessern?
c) Wie hoch ist die M2-Statistik des optimalen Portfolios?
d) Der Portfoliomanager kann zusätzlich zum optimalen risikobehafteten Portfolio das
Geld in risikolose Staatspapiere anlegen. Der risikolose Zinssatz beträgt 3 %. Der
Risikoaversionskoeffizient der Investoren wird vom Portfoliomanager auf 2,5 ge-
schätzt. Aus welchen Anteilen des optimal en risikobehafteten Portfolios und der
risikolosenAnlagebestehtdasPortfolio?

e) Basierend auf der Prognosegenauigkeit der Analyseabteilung resultiert folgende


Beziehung zwischen den korrigierten (realisierten) und den in der Vergangenheit
geschätztenAlphas:Alpha
D 0,4  geschätztes Alpha. Wie hoch ist die Sharpe Ra-
tio des optimalen Portfolios, wenn man die Ungenauigkeit der geschätzten Alphas
mit dem Determinationskoeffizienten von 0,4 korrigiert (das optimale risikobehaf- tete
Portfolio setzt sich aus der aktiven Anlagekombination und dem Marktindex- portfolio
zusammen)?

Aufgabe7
Ein Portfoliomanager einer US-amerikani schen Pensionskasse besitzteinAnlage-
mandat,daseineWachstumsorientierungvonUS-amerikanischenAktienmiteinergroßen
Marktkapitalisierungvorsieht.DieBenchmarkdesPortfoliosistderRussell1000Growth
Index,einwachstumsorientierterIndexfürUS-amerikanischeAktienmiteinergroßen
Marktkapitalisierung.UmdiePerformanceunddentatsächlichenAnlagestildesPortfolios
miteinerrenditebasiertenStilanalysezuuntersuchen,werdendiefolgendenvier
Russell-IndizesfürWertundWachstumsowiefüreinegroßeundeinekleine
MarktkapitalisierungvonUS-Aktieneingesetzt:

 Russell 1000 Large-Cap Value


 Russell 1000 Large-Cap Growth
 Russell 2000 Small-Cap Value
 Russell 2000 Small-Cap Growth
113 17 Passives,aktivesundsemiaktivesPortfoliomanagement

Die Regressionskoeffizienten der vier Russell-Indizes einer renditebasierten Stilanaly- se


könnenfürdieJahre2013bis2016wiefolgtaufgeführtwerden:

Russell-Indizes Regressionskoeffizienten der renditebasierten Stilanalyse


2013 2014 2015 2016
Russell 1000 Large-Cap Value 0,01 0,01 0,02 0,04
Russell 1000 Large-Cap Growth 0,98 0,96 0,93 0,89
Russell 2000 Small-Cap Value 0 0 0,02 0,02
Russell 2000 Small-Cap Growth 0,01 0,03 0,03 0,05

DerDeterminationskoeffizientderrenditebasiertenStilanalysefürdieJahre2013bis
2016liegtbei0,8.DasannualisierteaktiveRisikodesPortfoliosbeträgt7,5%,währenddie
annualisierteaktivePortfoliorendite2%ist.

a) Wurde das Portfolio in den Jahren 2013 bis 2016 aktiv gesteuert?
b) Wurde der Anlagestil „Wachstumsorien tierung von US-amerikanischen Aktien mit
großerMarktkapitalisierung“inden4Jahrenvon2013bis2016beibehalten?
c) Wie hoch ist die Information Ratio des Portfolios?

Das Anlagemandat eines anderen Portfolio managers der Pensionskasse beruht auf ei- ner
Wertorientierung von US-amerikanischen Aktien. Eine bestandsorientierte Stilana- lyse
zeigtdiefolgendenMerkmaledesAktienportfoliosper31.Dezember2016:

Merkmale Benchmark Portfolio


Merkmale des Aktienbestands
Anzahl Aktien 700 30
Durchschnittliche Marktkapitalisierung USD 45 Mrd. USD 25 Mrd.
Dividendenrendite 1,9 % 3,2 %
Kurs-Gewinn-Verhältnis 22 13
Kurs-Buchwert-Verhältnis 2,5 1,15
Prognostizierte 5-jährige Wachstumsra- 13 % 10 %
te des Ergebnisses je
Aktie Sektorgewichte
Konsumgüter
Basiskonsumgüter 11 % 14 %
10 % 13 %
Energie 13 % 12 %
Finanzen 14 % 17 %
Versorgung 12 % 16 %
Gesundheitswesen 20 % 16 %
Informationstechnologie 20 % 12 %

d) Welcher Anlagestil liegt gemäß der bestandsorientierten Stilanalyse vor?


Literatur 1139

Aufgabe
DerMarktwerteinesAnleiheportfoliosliegtbeiEUR10Mio.DerAnlagezeitraumist5Jahre.
Die 5-jährige Immunisierungsrendite des Portfolios beläuft sich auf 4 %, während die
geforderte Mindestrendite 1,5 % beträgt. Das Portfolio wird mit einer be- dingten
Immunisierungsstrategiegesteuert.

a) Wie hoch ist die Sicherheitsmarge?


b) Nach 1 Jahr liegt der Marktwert des Portfolios bei EUR 9,5 Mio. und die 4-jährige
Immunisierungsrenditeist3%.WiehochistdieSicherheitsmargeundkanndasPortfolio
weiterhinaktivgesteuertwerden?

Aufgabe9
Ein Portfolio besteht aus Staatsanleihen und Unternehmensanleih en des deutschen Ka-
pitalmarkts. Der Marktwert des Portfolios beträgt EUR 35 Mio., während die modifi- zierte
Duration der Anlagekombination bei 10 liegt. Der Portfoliomanager immunisiert das
Portfolio, um eine Reihe von Verbindlichkeiten zu decken, die vom Kunden vor- gegeben
wurden. Die Verbindlichkeiten weisen eine Duration von 8 auf. Die Immuni- sierung des
Portfolios erfolgt mit Euro-Bund-Futures, die zu einem Preis von 150 % gehandelt werden.
Die implizite Duration der Futures ist 8,8. Das Yield Beta wird auf 1,1 geschätzt. Wie viele
Euro-Bund-Futuressinderforderlich,umdasAnleiheportfoliozuimmunisieren?

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Sachverzeichnis

1-Monats-EONIA-Futures, 809 beizulegender Zeitwert, 321


3-Monats-EURIBOR-Futures, 809 Benchmarktiming, 1090
Bermuda-Style-Call-Option, 434
A besicherte Anleihen, 602
Additional Margin, 742 bestandsbezogene Stilanalyse, 1114
aktienbasierte semiaktive Strategie, 1122 Beta, 171
Aktienbericht, 284 Bid Ask Spread, 57
Aktienindexanleihen, 420 bilateral gehandelte OTC-Derivate, 700
Alpha, 1065 Binary Credit Default Swap, 903
angenäherte modifizierte Duration, 572 binomialer Zinsbaum, 634
angenäherte modifizierte Konvexität, Binomialmodell, 938
589 Anlagefonds, 1106 BinomialmodellvonCox,RossundRubinstein,
Anlageklassen, 1016 946
Anlagepolitik, 1014 bisection, 959
Anlegerschutzklauseln (Covenants), Black/Litterman-Modell, 167
417 Anleihebedingungen, 417 Black/Treynor Ratio, 191
Black/Scholes-Modell, 952
Anleihen der Schweizerischen Bond Equivalent Yield, 489
Eidgenossenschaft, 461 Bonitätsratings, 603
Annuitätenanleihen, 418 Bonitätsverbesserungen
(Credit Enhancements), 417
Arbitrage, 710
arbitragefreie Anleihebewertung, 631
arbitragefreier binomialer Zinsbaum, 643 Bootstrapping, 516
Arbitragepreis-Theorie, 217 börsengehandelte Derivate, 699
arithmetische Rendite, 15
börsennotierte unverzinsliche
Asset Backed Securities, 615 Schatzanweisungen (BuBills), 458
Asset Swap Spread, 529 Bretton-Woods-System, 797
Bundesanleihen (Bunds), 458
außerbörslich gehandelte Derivate, 702 Bundesobligationen (Bobls), 458
Ausübungspreis, 697 Bundesschatzanweisungen, 458
Buy-and-Hold-Strategie, 1031
B
Banker’s Acceptances, 454
Basisrisiko, 903 C
Basket Credit Default Swap, 904 Call, 722
bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit, 887 , 893 Callable Bond, 431 , 645
bedingtes Termingeschäft, 697 Capital Asset Pricing Model, 167
Behavioral Finance, 56 Carhart-Modell, 233

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 1141


E. Mondello, Finance, DOI 10.1007/978-3-658-13199-9
1142 Sachverzeichnis

Cash-and-Carry-Arbitragestrategie, 766 Duration eines Receiver Swaps, 864


Cashflow-Matching-Strategie, 1127 Duration eines Zi nssatzswaps, 864
CDS-Prämie, 895
Certificates of Deposit, 454 E
Chartbilder, 291 Economic Value Added, 384
Chartmuster, 296 Effective Annual Yield, 489
Cheapest-to-Deliver-(CTD)-Anleihe, 805 effektive Duration, 575 , 653
Clean-Preis, 463 , 496 effektive Konvexität, 591 , 653
Clearing-fähige OTC-Derivate, 700 Effizienzkurve, 84 , 162
Collar, 424 Eigenemission, 446
Commercial Papers, 451 einseitige Duration, 657
Elliott-Wellen-Theorie,
CONF-Futures, 804 309 Emissionskonsortium, 444
Constant-Mix-Strategie, 1034
Constant-Proportion-Portfolio-Insurance endogene Gewinnwachstumsrate, 326
- Strategie, endogene Wachstumsrate der frei
verfügbaren Equity-Cashflows, 350
1038
Constant-Proportion-Strategie, EONIA, 451
1038 Contango, 775 Equity Swap, 719 ,
877 erwartete Rendite,
Convenience Yield, 776 21 erwartetes Alpha, 286
Corner-Portfolios, 93
Cost-of-Carry-Modell, 764 Eurex, 736
Covered Call, 727 EURIBOR, 449
Euro-Bobl-Futures, 803
Covered Interest Arbitrage, 799 Euro-Bund-Futures, 803
Credit Default Swap, 894 Europäische Zentralbank,
Credit Spread, 888 449 Euro-Schatz-Futures,
Credit-Linked-Kuponanleihen, 803 Excess-Kurtosis, 42
430 Current Yield, 502
Exchange Traded Funds, 1106
D F
Day-Count-Konventionen, 467 Faktorportfolio, 242
Day-Roll-Konventionen, 474
Deferred-Kuponanleihen, 431 Fama/French-Modell, 230
festverzinsliche Anleihe, 412
Delta, 962 Fiduciary Call, 931
Delta einer Call-Option, 963 Fixed Income Futures, 801
Delta einer Put-Option, 965 Forward Rate Agreement (FRA), 791
Delta eines Optionsportfolios, 972 Free-Cash-Flow-to-Equity-Modell,
deltaneutrale Absicherungsstrategie 342 Free-Cash-Flow-to-Firm-Modell, 368
einer Optionsposition, 970
freiverfügbareCashflowsfürdasEigenkapital,
derivatebasierte Aktienstrategie, 1122 343
Devisentermingeschäft, 797 frei verfügbare Cashflows für das
Discount Bond, 486 Gesamtkapital, 368
Discount Margin, 540 Full-Preis, 463 , 496
Diversifikationseffekt, 78 , 158 Fundamentalanalyse, 263
Dividendendiskontierungsmodell, 322
Downside-Risiko, 29 fundamentales Multifaktorenmodell, 211

Duration einer variabel verzinslichen Anleihe, G


864 Gamma, 974
Duration eines Anle iheportfolios, 577 Geld-Brief-Spanne, 57
Geld-Duration, 581
Duration eines Payer Swaps, 864
Sachverzeichnis 1143

geldgewichtete Rendite, 17 Kondratieff-Zyklen, 308


Geldmarkt, 448 Konvertierungsfaktor, 802
Geldmarktbuchforderungen,
462 Geldmarkt-Futures, 808 Korrelationskoeffizient, 76
Geldmarktpapiere, 449 Kovarianz, 74
geometrische Rendite, 16 Kreditderivate, 893
geschichtete Stichprobe als Kreditereignis, 901
Kreditrisikomodelle, 615
Indexierungsverfahren, 1107 Kreditrisikoprämie, 888
gewichteter durchschnittlicher Kredit-Scoring-Modelle, 615
Kapitalkostensatz, 371
Kurs-Gewinn-Verhältnis, 388
Gordon-Growth-Modell, 329 Kurtosis,42
Grundgesetz des aktiven
Portfoliomanagements, 1075 L
G-Spread, 524 Leverage-Effekt, 751
LIBOR, 450
H Long-Short-Aktienstrategie, 1117
Hedge Ratio, 971 Long-Short-Anlagestrategien, 249
I
M
Immunisierungsstrategie, 1127
Macaulay-Duration, 561
implizite Ausfallwahrscheinlichkeit, 889
makroökonomisches Multifaktorenmodell, 207
implizite Volatilität, 958
Mark to Market, 743
indexbasierte CDS, 904
Markit iTraxx Europe, 904
Indexierung, 1107
Marktmodell, 146
Indifferenzkurve, 104
marktorientierte Strategie, 1110
inflationsindexierte Anleihen, 425
inflationsindexierte deutsche Marktportfolio, 125
Bundesanleihen, 426 Marktpreisanomalien, 51
Marktrisiko, 97
Information Ratio, 1047 , 1068
Informationskoeffizient, 1075 Matrix-Pricing, 499
innerer Wert einer Aktie, 320 Mengennotierung, 798
innerer Wert einer Option, 918 Methode der kleinsten Quadrate,
International Swaps and 151 Minimum-Varianz-Portfolio, 83
Derivatives Association (ISDA), 901 modifizierte Duration, 560 , 818
modifizierte Konvexität, 586
Inverse Floater, 424 Momentum-Oszillatoren, 301
I-Spread, 528
Moneyness, 722
J Moving Average Convergence/Divergence
Jarque-Bera-Test, 46 Oscillator, 305
Jensen’s Alpha, 191 Multiplikatoren, 387

K N
Kalenderstrategie, 1027 nachrangige Anleihen, 602
Kapitalallokationslinie, 112 Newton-Raphson, 959
Kapitalmarktgleichgewicht, Nicht-Arbitragepreisspanne, 770
220 Kapitalmarktlinie, 125 nominale Rendite, 20
Kapitalschutzprodukte, 754
Key-Rate-Durationen, 579 Normal Backwardation, 775
Normalverteilung, 27
normative Tests, 183
komparativer Vorteil Währungsswap, 867 Null-Beta-Portfolio, 188
komparativer Vorteil Zinssatzswap, 846
1144 Sachverzeichnis

Nullkuponanleihe, 431 renditebasierte Stilanalyse, 1111


Nullkuponanleihen, 537 Rendite-Spread, 523
Nutzenfunktion, 102 Rentenanleihe, 569
Residualgewinnmodell, 378
O Reverse-Cash-and-Carry-Arbitragestrategie,
Obergrenze (Cap), 423 767
ökonomisches Risiko, 829 Rho, 986
Optimierung als Indexierungsverfahren, 1108 Risikoabsicherung, 708
Option Adjusted Spread, 646 Risikoattribution, 238
Optionsanleihe, 754 Risikoaversion, 100
Optionsscheine, 754
OTC-Derivate,700 risikolose Zinsstrukturkurve, 512
Risikomigration, 893
Risikotoleranz, 1006
P Risikoübernahme, 709
Par-Kupon-Zinsstrukturkurve, 513
Payment-in-Kind-Kuponanleihe, 430
Percentage-of-Portfolio-Strategie, 1027 S
Performance-Attribution, 1050 S&P-500-Futures, 831
periodische Anlagerendite, 14 Schiefe, 41
Plain-Vanilla-Anleihe, 412 , 486
Portfolioduration, 819 Sharpe Ratio, 1047 , 1065
Shortfall Probability, 32
Spread Margin, 747
Portfoliorisiko, 88
Stammdaten einer Anleihe, 414
positive Tests, 183
Standardabweichung, 23
preisbezogene Indikatoren, 299
statistische Faktormodelle, 204
Preisnotierung, 798
Step-up-Anleihen, 667
Premium Bond, 487
Step-up-Anleihen (Stufenzinsanleihen),
Premium Margin, 742 425 strategische Asset-Allokation, 1016
Price Value of a Basis Point, 582 Stripping, 459
Produkte mit Maximalrendite, 754
prognostizierte aktive Renditen, 1075 strukturelle Kreditrisikomodelle,
Protective Put, 931 615 strukturierte Produkte, 753
Protective-Put-Strategie, 29 , 732 Stückzinsen, 463
Pull-to-Par-Effekt, 493
Subadditivität, 38
Swap, 714
Put, 722
Swapsatz, 853
Putable Bond, 434 , 645 Swapsatzkurve, 529
Put-Call-Parität, 931 systematisches Risiko, 97

Q
Quoted Margin, 422 , 540 T
Tagesanleihe des Bundes, 459
R Taylor-Reihenentwicklung, 962
technische Analyse, 289
reale Rendite, 20 technische Indikatoren, 298
Realoptionen, 390 Tenderverfahren, 445
Rebalancing eines Portfolios, 1027 Terminmärkte, 699
Recovery Credit Default Swap, 904 Terminwechselkurs, 798
Recovery Rate, 887 Terminzinssatz, 520
Reduced-Form-Kreditrisikomodelle,
616 rekombinierender Baum, 635
Relative-Stärke-Index, 303 Theta, 987
Renditeattribution, 234 Tilgungsanleihe, 418
Tilgungsfondsvereinbarung, 420
Sachverzeichnis 1145

Tom/Next-Overnight-Index-Swap, 151 volumengewichteter Durchschnittspreis, 60


Total Return, 504
Trackingportfolio, 244 W
Transaktionsrisiko, 829 wachstumsorientierte Anlagestrategie, 1110
Translationsrisiko, 829
Trendanalyse, 293 Währungs-Forward, 797
Währungsrisiken, 829
Treynor Ratio, 190 Währungsswap, 717 , 867
Treynor/Black-Modell, 1092 Wandelanleihen, 435 ,
Trinomialmodell, 938 673 Wandelprämie, 438
Two-Fund-Separation, 1066
wertorientierte Anlagestrategie,
1109 Wertpapiermarktlinie, 176
U Wertpapierprospekt, 446
Wertschöpfungsmodelle, 378
Überlebenswahrscheinlichkeit, 892 Wiederverwertungsrate, 887
Übertragungskoeffizient, 1075
unbedingtes Termingeschäft, 697
unbesicherte Anleihen, 602
unsystematisches Risiko, 97 Y
Untergrenze (Floor), 423 Yield Beta, 821
unternehmensspezifisches Risiko, 97 YieldtoCal, 508
US-Subprime-Hypotheken, 603
Yield to First Call, 508
Yield to First Par Call, 509
YieldtoFirstPut, 510 YieldtoPut,
510
V
Value at Risk, 32 YieldtoWorst, 510
variabel verzinsliche Anleihen, 422 , 538
Variabel verzinsliche Anleihen mit Cap und Z
Floor, 668
Zeitwert einer Option, 919
Varianz, 23 Zentralbankgeld, 448
Varianz-Kovarianz-Methode, 35 Zertifikate, 753
Variation Margin, 743 Zinsänderungsrisiko von Anleihen, 506
Veg a,981 Zinssatzmodell, 634
Verfallrendite, 488 , 502 Zinssatzswap, 714 , 846
Verfügbarkeitsprämie, 776 Zinssatzvolatilität, 636
Vier-C-Modell, 607
vollständige Replikation als Z-Spread, 525
zweistufiges Dividendendiskontierungsmodell,
Indexierungsverfahren, 1107 336

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