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Kantonale Erziehungsberatung Universitäre Psychiatrische Dienste

Thun Direktion Kinder- und Jugendpsychiatrie

Merkblatt

Abhängig von seinem Entwicklungs- und Lernstand kann ein Kind ein Schuljahr
überspringen.

§ Art. 25 Abs. 1 Volksschulgesetz (VSG)


Die Zeit für das Durchlaufen der Volksschule ist im Einzelfall vom Entwicklungsstand der Schülerin oder des
Schülers abhängig. Ausnahmsweise kann sie ein oder höchstens zwei Jahre länger oder kürzer dauern.

Wichtige Informationen
Für die meisten Kinder gilt eine elfjährige Schullaufbahn als Norm. Individuelle
Anpassungen nach den Bildungsbedürfnissen des Kindes können jedoch sinnvoll sein.
Wenn ein Kind einen deutlichen Vorsprung in den meisten Fächern im Vergleich zu den
Gleichaltrigen zeigt, besteht die Möglichkeit, dass es ein Schuljahr überspringt. Das
Ziel jeder Fördermassnahme ist eine harmonische Entwicklung des Kindes in einem
schulischen Umfeld, das seinen individuellen Bildungsbedürfnissen möglichst gut
entspricht. Darum müssen sowohl der Lernstand als auch die sozial-emotionale
Entwicklung des Kindes sorgfältig berücksichtigt werden. Das Überspringen einer Klasse
kann sich zwar vorteilhaft auf die Leistungsmotivation auswirken, die Integration in der
neuen Klasse fällt dem Kind aber nicht immer leicht und es können später Probleme im
Übergang in die Sekundarstufe auftreten (z.B. Leistungsabfall, Konzentrationsprobleme
oder Verhaltensschwierigkeiten). Eine Schnupperphase in der neuen Klasse ist i.d.R.
empfehlenswert.

Die beschriebene Massnahme muss im Einverständnis mit den Eltern eingeleitet und
mitverantwortet werden.

Kriterien für das Überspringen eines Schuljahres


Bei der Einschätzung der folgenden Kriterien sind alle entwicklungsrelevanten Bereiche
zu berücksichtigen:

 Körperliche Faktoren
 verfügt über eine gute körperliche Verfassung und Belastbarkeit
 altersentsprechend körperlich entwickelt
 fein-, grapho- und grobmotorisch geschickt

 Intellektuelle Faktoren
 hat einen deutlichen Vorsprung in den meisten Fächern
 zeigt in den meisten Bereichen gute Lern- und Verständnisleistungen
 kann sich die schulischen Inhalte schnell merken
 verfügt über eine schnelle Auffassungsgabe
 guter Sprachentwicklungsstand: Wortschatz, Sprachverständnis, sprachliche
Ausdrucksfähigkeit
 zeigt ein breites Allgemeinwissen
 Emotionale Faktoren
 psychisch belastbar
 emotional stabil
 zeigt Selbstvertrauen
 kann mit Erfolg und Misserfolg angemessen umgehen

 Soziale Faktoren
 verfügt über altersentsprechende soziale Kompetenzen: Umgang mit Konflikten,
Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen
 orientiert sich eher an älteren Kindern

 Arbeitsverhalten und Motivation


 neugierig, interessiert
 lern- und leistungsfreudig
 fähig, sich ausdauernd auf eine Sache zu konzentrieren
 selbstständig
 freut sich auf Herausforderungen
 offen gegenüber neuen Situationen
 lässt sich von anspruchsvollen Aufgaben nicht entmutigen
 ist dazu bereit, fehlende stoffliche Inhalte aufzuarbeiten

Rahmenbedingungen
 unterstützendes Umfeld

Alternative Möglichkeiten:
 eiLZ: erweiterte individuelle Lernziele
 Weiterschulung in der altersentsprechenden Klasse
 Teilnahme bei erfüllter Voraussetzung an Förderprogramm für ausserordentlich
Begabte

Gegen das Überspringen eines Schuljahres sprechen:


 zeigt nur in einem Fach besonders gute Leistungen
 die Massnahme wird vorwiegend mit dem Problemverhalten des Kindes begründet
 die Eltern haben extrem hohe Ansprüche an das Kind
 ist in neuen Situationen schnell verunsichert und überfordert
 gibt bei schwierigeren Aufgaben schnell auf
 die Motivation kommt nicht vom Kind, sondern ausschliesslich von den Eltern

Einbezug der Fachstellen EB / KJP


Im Regelfall erfolgt das Überspringen eines Schuljahres ohne Einbezug von EB oder
KJP. Wenn sich Eltern und Schule nach eingehender und dokumentierter Prüfung der
Situation durch die Schulleitung nicht einigen können, kann eine Beratung auf der
Fachstelle EB / KJP erfolgen (Anmeldung durch die Schulleitung).

Bestehen bei einem Kind besondere schulische, familiäre oder persönliche


Schwierigkeiten, ist eine Anmeldung auf der EB / der KJP oder einer anderen
Beratungsstelle nötig. Der Einbezug einer Fachstelle erfolgt in solchen Situationen
unabhängig jeglicher schulischer Massnahmen. Mehr dazu finden Sie auf dem
Merkblatt Kinder mit Entwicklungsrisiken.

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