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Dominique Rouiller
9 Forschungen in Augst 20
Widerrist
Keule
Ferse
Sprunggelenk
Mittelfuss
Stirn
Oberkiefer
Nüstern
_ Oberlippe
_Unterlippe
Unterkiefer
Backe
Ganasche
Schulter
Brust
H u f
Mittelhand
Unterarm
Ellbogen
O b e r a r m
B E T T I N A J A N I E T Z S C H W A R Z und D O M I N I Q U E R O U I L L E R
B A N D 20
B E T T I N A J A N I E T Z S C H W A R Z und D O M I N I Q U E R O U I L L E R
Augst 1996
Umschlagbild:
Gestaltung: Markus Schaub und Alex R. Furger; Zeichnung: Markus Schaub
Vorsatzblatt:
Zeichnung: Markus Schaub; anatomische Angaben nach Bettina Janietz Schwarz
Herausgeber: R Ö M E R S T A D T A U G U S T A R A U R I C A
Redaktion: Claudia Neukom-Radtke, Alex R. Furger
Bildredaktion: Ursi Schild, Bettina Janietz Schwarz, Alex R. Furger
Verlagsadresse: Römermuseum, C H - 4 3 0 2 Augst
Auslieferung: BSB Buch Service, Rittergasse 2 0 , C H - Î 0 5 1 Basel
Druck: Schwabe & Co. A G , Muttenz
© 1 9 9 6 Römermuseum Augst
ISBN 3 - 7 1 5 1 - 0 0 2 0 - 6
Inhalt
Aussehen und Funktion der beiden Pferdestatuen (BETTINA JANIETZ SCHWARZ unter Mitarbeit
von THOMAS REISS) 36
Die Rekonstruktion der Standschemata 36
Pferd I 36
Pferd II 38
Die zu rekonstruierende Grösse der beiden Pferdestatuen 41
Die Funktion der beiden Pferdestatuen 42
Katalog ( B E T T I N A J A N I E T Z S C H W A R Z ) 149
Vorbemerkungen
Aufbau des Kataloges 149
Erklärung der verwendeten Schreibweisen und Begriffe 149
Katalog - Pferd I 151
Einzelfragment 151
Partie 3 153
Partie 4/27 156
Partie 8 172
Partie 9/21/29 176
Partie 11 184
Partie 16 186
Partie 17 189
Partie 18 193
Partie 19 195
Partie 22 199
Partie 28 203
Partie 30 205
Partie 36 208
Partie 38 212
Katalog - Pferd II 215
Partie 1/2 215
Partie 5 223
Partie 6/7 226
Partie 10 232
Partie 12/13 236
Partien 14; 31-33 242
Partie 15 247
Partie 20 252
Partie 23 255
Partie 24 260
Partie 25 261
Partie 26 268
Partie 34 271
Partie 35 273
Partie 37 275
Literatur 278
Bekanntlich können archäologische Funde sekundär kenntnis, dass nur ein Bruchteil des Bildwerkes erhal-
in Museumsdepots «einsedimentiert» werden und ten ist und dass es sich gar um zwei Pferde handelt,
lange Zeit ihrer zweiten Entdeckung harren. Dass dies musste der Traum von einem neuen Prunkstück für
auch mit unserem Augster «Schrottfund» geschehen das Römermuseum Augst vorerst fallengelassen wer-
ist, mag im Rückblick um so mehr erstaunen, als be- den. Um so deutlicher zeichnete sich in den Bearbei-
reits 1962, ein Jahr nach der Entdeckung und Ber- tungsjahren 1991-1994 ab, dass der Schwerpunkt in
gung, Alfred Mutz die Bedeutung und technologischen der Erforschung der Herstellungstechnik liegen
Aussagemöglichkeiten dieses Statuenfundes in einem musste. Der starke Fragmentierungsgrad der Einzel-
Aufsatz in der «Ur-Schweiz» gewürdigt hat. teile erlaubte eine optimale Begutachtung der Innen-
Aber es mussten 24 Jahre verstreichen, während seiten, wo die Spuren der Wachs-, Giess- und Mon-
derer die rund 1460 Bruchstücke in grossen Holz- tagearbeit stehengeblieben und nicht wie aussen ver-
kisten verpackt auf dem schwer zugänglichen Dach- säubert worden sind. Das Projektteam musste, um
boden des Römermuseums in Augst eingelagert wa- der Fundmenge und den äusserst vielfältigen Werk-
ren. Erst im Frühjahr 1986 wandte sich Cees van den spuren gerecht zu werden, methodisches Neuland be-
Bergh, Bronzegiesser aus Grubbenvorst (Nieder- treten. Während dieser ganzen Phase erwies sich die
lande), an Annemarie Kaufmann-Heinimann in Basel enge Zusammenarbeit mit der Projektassistentin Do-
und schliesslich an mich mit dem Anliegen, diesen minique Rouiller als weiterer Glücksfall! Ihr sind die
Fund am Original studieren zu können. Seine Begei- meisten Freilegungsarbeiten an den Originalfragmen-
sterung für die gusstechnischen Befunde an den Frag- ten sowie Abgüsse, Probenentnahmen und vieles
menten machten mir bald klar, dass hier ein «Schatz» mehr zu verdanken.
brach lag, den es «nur» zu befragen galt, um wichtige Von den vielen Helferinnen und Helfern, Kollegin-
und sicher auch neue Erkenntnisse zur antiken Me- nen und Kollegen, Naturwissenschaftlern und Re-
talltechnik zu erlangen. stauratorinnen, welche die Autorinnen in ihrer Einlei-
Es lag damals aber ein noch langer und hindernis- tung verdanken, möchte ich den folgenden sieben
reicher Weg vor uns. Niemand konnte anfänglich ah- «Pfeilern» des Projektes ganz besonders danken: Josef
nen, welch intensive, interdisziplinäre Teamarbeit in- Riederer in Berlin hat über drei Jahre hinweg an die
vestiert werden musste, um über einen weiteren Vor- 400 Bronzeproben im Atomabsorptionsverfahren
bericht hinaus zu einer umfassenden Studie zu gelan- analysiert und mit vielen Ratschlägen und als Autor
gen. Entsprechend spontan und mit einem Minimum mitgeholfen, Museumsfotografm Ursi Schild hat in
an Vorausplanung erfolgten die ersten Arbeiten. In langwieriger Arbeit sowohl die brillanten Objektauf-
dieser Phase des Suchens nach Methoden, Dokumen- nahmen hergestellt als auch mit viel Improvisations-
tationstechniken, Programmen und Prioritäten hal- talent Positivabzüge der Röntgenbilder gemacht,
fen u.a. Cees van den Bergh (Grubbenvorst), David Grabungszeichner Markus Schaub setzte die Rekon-
Cahn (Basel), Hans Drescher (Hamburg) und schliess- struktion der Pferde und der Gussvorgänge graphisch
lich Eva Oxé als einziges festes Mitglied des Augster in klare Bilder um, Peter Schaad hielt sämtliche tech-
Teams mit. Da damals dem Unternehmen «Schrott- nischen Details in übersichtlichen Zeichnungen fest
fund» aber eine klare Organisationsstruktur, eine und Karin Meier-Riva vollbrachte in Rekordzeit eine
Budgetplanung, ein verbindliches Programm und in ausserordentliche, anspruchsvolle und aufwendige
genügendem Umfang freigestellte Arbeitskräfte fehl- Redaktionsarbeit; den Löwenanteil leisteten die Au-
ten, drohte es wiederholt zu scheitern. torinnen Bettina Janietz Schwarz und Dominique
Ein eigentliches Forschungsprojekt haben wir erst Rouiller, die über Jahre hinweg keine Zeit und Mühe
auf die Beine gestellt, als wir Bettina Janietz Schwarz scheuten, um ein Maximum aus dem spröden Mate-
im Frühjahr 1991 mit einem vorerst auf drei Jahre rial herauszuholen.
befristeten Forschungsauftrag des Kantons Basel- Mit dem vorliegenden Band findet der erste Teil
Landschaft engagieren konnten. Sie hat es in der über das Depot zerschlagener Grossbronzen aus der
Folge als Projektleiterin verstanden, mit grosser Be- Augster Insula 28 seinen Abschluss. Bereits sind die
geisterung und dem erforderlichen Durchsetzungs- Arbeiten an den Faltenfragmenten, d.h. an den
vermögen eine Aufgabe zu bewältigen, die - heute im Bruchstücken der Figurenteile (Reiter, Gewandsta-
Rückblick - als grossartig bezeichnet werden darf. tue[n]), im Gange. Sie sollen im Manuskript auf Ende
B. Janietz Schwarz hat sich mit Ausdauer in Fragen 1997 abgeschlossen werden. Nach der Strukturreform
der Freilegungs- und Konservierungstechnik, der des Bereiches Kultur innerhalb der Erziehungs- und
Röntgenfotografie und vor allem auch der Wachs-, Kulturdirektion des Kantons Basel-Landschaft ist
Abformungs- und Gusstechnik eingearbeitet. dies denn auch das einzige archäologische For-
Ursprünglich stand - aus meiner Sicht und in Er- schungsprojekt, welches weiterhin ausschliesslich
gänzung zur technologischen Untersuchung - die Re- vom Kanton finanziert wird.
konstruktion und museale Präsentation «einer» anti- Ich bin überzeugt, dass die vorliegende Publikation
ken Bronze-Reiterstatue im Vordergrund. Mit der Er- mit ihren Erkenntnissen zur antiken Gusstechnik und
insbesondere die dabei erkannten grossartigen Mög-
lichkeiten von Röntgenuntersuchungen einen festen
Bestandteil in der künftigen Bronzetechnik-For-
schung einnehmen wird!
Dezember 1995
RÖMERSTADT A U G U S T A RAURICA
Alex R. Furger
Einleitung
Bettina Janietz Schwarz
«Der jähe Fall Seians war das Signal zum Umsturz van den Bergh hinsichtlich der oftmals vorgenomme-
seiner Denkmäler. Seine Statuen wurden an Seilen nen Verallgemeinerungen bezüglich antiker Werk-
von den Postamenten herab und auf dem Boden fortge- technik auf die Notwendigkeit, die antiken Bronze-
schleift. Beilhiebe zerschmetterten die Räder der Zwei- statuen eingehend und jeweils jede für sich, zu unter-
gespanne und die Beine der unschuldigen bronzenen suchen. Das Registrieren und Interpretieren der viel-
Gäule, bald schmolz in den knatternden, von Blasebäl- fältigen Werkspuren ermögliche die Rekonstruktion
gen angefachten Feuern der Gussöfen das vom Volk des individuellen Herstellungsprozesses einer Statue,
angebetete Haupt und verknisterte der ganze kolossale und erst daraufhin könne ein Vergleich i m Sinne
Seianus, und aus dem Antlitz, das im ganzen Reich einer Synthese antiker Gusstechnik erfolgen. Er ver-
das zweite war, wurden Töpfe, Pfannen, Becken und anschaulichte diesen methodischen Ansatz anhand
Nachtgeschirre verfertigt.» der Erstellung von Gussmodellen aus Wachs.
Diese Auffassung bildet denn auch die Grundlage
Die von Juvenal maliziös in Szene gesetzte und
1
für die seit 1991 als Projekt laufende Aufarbeitung
durch Ludwig Friedländer genüsslich ins Deutsche
2
des Augster «Schrottfundes». Nach einer intensiven
übertragene damnatio des einstigen Vertrauten von Sichtung aller Fragmente wurde entschieden, die
Tiberius wirft ein Schlaglicht auf den römischen Sinn formal einheitliche Gruppe der Pferdefragmente in
fürs Praktische. Während heute i m Osten Europas die einem ersten Projektteil zu bearbeiten, mit dem Ziel,
gestürzten Denkmäler kommunistischer Vergangen- ein Verfahren zu entwickeln, um anhand möglichst
heit entweder aus Verlegenheit der Vergessenheit an- vieler anpassender Fragmente die Statue(n) sowie
heimfallen oder aber als mahnende Zeugen politi- ihren individuellen Herstellungsprozess rekonstruie-
schen Irrtums in eigens eingerichteten Skulpturengär- ren zu können.
ten ausgestellt werden, befriedigte der antike Mensch Davor, in den Jahren 1987-1990, waren unter der
seine gegenwärtigen und zukünftigen materiellen Leitung von David Cahn, zusammen mit Eva Oxé
Bedürfnisse unbekümmert - und vor allem scheint's und Dominique Rouiller, Abklärungen des Befundes
ungeniert - aus den Ressourcen der Vergangenheit. getroffen, sodann alle Bruchstücke gesichtet und
Glücklicherweise nicht immer erschöpfend, so dass diese in Pferde- und Faltenfragmente unterteilt wor-
der damals in Augst ansässige E d i Huber i m Jahre den. Schon damals vermuteten die Bearbeiter, dass
1961 die ersten Fragmente eines Recyclingdepots ent- der «Schrottfund» eigentlich die Überreste von zwei
decken konnte, in dem sich immerhin noch rund Pferden birgt . 7
Befundsituation
Wegen eines geplanten Hausbaus musste i m Frühling schliessend mit Dachziegeln, Pila- und Suspensura-
1961 das Gelände am Westabhang des Steinlerpla- platten zugedeckt worden (vgl. Abb. 3-4; Tabellen 1
teaus i m Gebiet von Insula 28 (Abb. 1) archäologisch und 2) . Unklar bleibt, ob einzelne Bronzefragmente
12
deckte ein Besucher von Augusta Raurica durch Z u - sprechen allerdings die Tagebuchaufzeichnungen von
fall i m Osten des Areals neben einer freigelegten R. Laur-Belart und G . Th. Schwarz (vgl. oben mit
Mauer einige Bronzestücke, die sich bei der sofort A n m . 8 und 10), die ausdrücklich festhalten, dass die
eingeleiteten Nachgrabung als oberste Lagen eines
9
Bronzestücke, d.h. wohl alle Bronzestücke, abgedeckt
Depots von Bronzeschrott herausstellten (vgl. Abb. waren . In der Grubenfüllung selbst kamen ausser
14
Fundskizze der Bronzefragmente (Abb. 5) sowie auf Zur Eingrenzung des Zeitpunkts der Deponierung
den Fundzetteln notierte Höhenkoten sind die einzi- stehen uns lediglich die wenigen überlieferten Fund-
gen Hinweise, die heute für die Interpretation des Be- komplexe mit Keramikmaterial zur Verfügung (vgl.
16
fundes zur Verfügung stehen. Tabellen 1 und 2; Abb. 10-13): Die Keramik aus dem
Die obersten Bronzefragmente lagen, unmittelbar humosen Schutt über dem Bronzedepot gehört in 17
am Fusse einer Mauer (Mauer 12), ca. 30 cm unter der claudische Zeit bis ins spätere 2. Jahrhundert (vgl.
Grasnarbe. Sie waren in eine ca. 80x100 cm mes- Tabellen 1 und 2). Material, das mit Sicherheit ins
sende ovale, 30 cm tiefe Grube eingefüllt und an- 11
3. Jahrhundert zu datieren ist, fehlt. Die Datierung
8 Die Ausgrabung 1961.55 wurde von G . T h . Schwarz unter der nachträglich in den Text eingefügt; diese Aussage widerspricht
Oberleitung von R. Laur-Belart durchgeführt. Die Aufarbei- einerseits R. Laur-Belarts Tagebuchnotiz (vgl. A n m . 10), ande-
tung der Grabung und die Publikation der Ergebnisse erfolgt rerseits auch der Feststellung des Tagebuchautors selbst; so
i m Rahmen einer vom Schweizerischen Nationalfonds finan- schreibt er i m folgenden, dass die Stücke geschichtet bzw. hin-
zierten Gesamtauswertung von Insula 28, die zur Zeit in Vor- eingelegt wurden: «... die mehr oder weniger gleichmässig etwa
bereitung ist. - Für Hinweise und Anregungen bei der Befund- handgrossen Stücke sind horizontal in die Grube hineingelegt,
auswertung habe ich C. Clareboets und M . Schaub, Ausgrabun- nicht geschüttet worden.» - Erschwert wird die Interpretation
gen Augst, sowie B. Janietz Schwarz zu danken. des Befundes vor allem dadurch, dass das heutige Gelände an
9 D.h. es wurde ein weiterer Schnitt - Sondierschnitt 7 - gezogen. der Fundstelle stark gegen das Wildental abfällt. So waren bei
10 R. Laur-Belart schrieb zum Fund in seinem Tagebuch (4. A p r i l der Auffindung die talseitige Abdeckung des Bronzeschrotts
1961): «... auf den Hinweis eines Osterbesuchers in der Gra- sowie vermutlich die obersten Bronzelagen durch frühere land-
bung Dr. P ü r n e r (Ins. 28) ein Kistchen voll Bronzefragmente wirtschaftliche Eingriffe und Erosion weitgehend abgetragen
ausgegraben. W i r untersuchen die Stelle und stossen auf ein (vgl. Abb. 4). - Die Abdeckung entspricht F K X00077; vgl.
Massendepot von Bronzestücken von Statuen etc., die neben Tabelle 1 und A n m . 13.
der Aussenmauer des Gebäudes in einer Grube unter Ziegel- 13 Nach der eingetragenen F u n d h ö h e und der Komplexnumerie-
platten sorgfältig eingeschichtet sind.» - Das eigentliche Depot, rung zu schliessen, lag F K X00075 (294.65 m ü.M.) über der
d.h. der «Grubeninhalt» samt Abdeckung, umfasst die Fund- Ziegelabdeckung ( F K X00077; 294.60 m ü.M.).
komplexe ( F K ) X00075-X00083 («Lage A» bis «Lage G»), dar- 14 Letztendlich wird sich die Frage der Abdeckung nicht beant-
über (im «Humus» bzw. «humosen Schutt») liegen die K o m - worten lassen. Für die Befundinterpretation spielt sie aller-
plexe X00034 und X00074. - F K X00059 («Sandiger Kies») dings auch keine wesentliche Rolle, da i m abschüssigen Ge-
läge aufgrund seiner gemessenen Höhenlage ( O K 294.60 m lände etwelche Schichten in den obersten Bereichen durch
ü.M., U K 294.04 m ü.M.) i m Bereich des Depots ( O K Lagen A , menschliche Eingriffe und Erosion gestört bzw. gar nicht mehr
B und C: 294.60 m ü.M.); infolge des abschüssigen Geländes in vorhanden waren.
diesem Bereich dürfte der Komplex stratigraphisch jedoch zu 15 Tagebucheintrag von G . T h . Schwarz v o m 4. A p r i l 1961: «Aus-
dem über dem Depot bzw. den das Depot umgebenden F K ser Bronzefragmenten keine anderen Funde (die Keramik
X00034 gehören. Dies jedenfalls lassen die anpassenden Kera- stammt aus den umgebenden Fundschichten).»
mikfragmente aus besagten Fundkomplexen vermuten, vgl. Ta- 16 Unter der Bezeichnung «Fundkomplex» ist hier das Fundmate-
bellen 1 und 2 sowie Abb. 13 und A n m . 18. rial zu verstehen, das i n einer willkürlich begrenzten Fläche
11 F K X00075, X00078-X00083; zur Fundlage der Komplexe vgl. und Tiefe ausgegraben wurde und somit wahrscheinlich ver-
auch Tabelle 1. schiedenen Schichten entstammt. Eigentliche Schichten oder
12 Tagebucheintrag von G . T h . Schwarz vom 4. A p r i l 1961: Strukturen in Sondierschnitt 7 wurden von den Ausgräbern
«Grosse Bruchstücke von Dachziegeln, Hypokaust-Pfeilerplat- nicht beobachtet bzw. nicht dokumentiert.
ten und Suspensura-Platten decken eine flache Grube (ca. 17 U K 294.70/66 m ü.M.: F K X00034, Abb. 10. - F K X00074 war
80x 100 cm Durchmesser, oval), in die hinein Bronzefragmente offenbar ohne Funde.
unsorgfältig geschichtet sind ...» Das Wort «unsorgfältig» wurde
Abb. 1 Augst, Insulae 28, 29 und 34 am Südwestrand des Plateaus «Steinler». Mauerplan (alle Perioden) mit
eingezeichneten neuzeitlichen© Höhenkurven. Gerasterte Fläche: Ausgrabungsgebiet von 1961 (Gra-
bung 1961.55; vgl. Abb. 2). M . 1:500.
1 Fundstelle des Bronzedepots «Schrottfund» südlich der Strassenbiegung Theaterstrasse-Wildentalstrasse in Insula 28 (vgl.
Abb. 2 und 9,6)
2 Fundstelle des Bronzefingers Abb. 6 in Insula 34
3 Fundstelle des Bronzefragmentes Abb. 7 am Ostrand von Insula 28.
0 5m
Abb. 2 Augst, Insula 28 (Grabung 1961.55). Mauerplan mit allen Steinbauperioden und Fundstelle des Bron-
zedepots in Raum A (vgl. Abb. 3-5). Strichpunktierte Linien markieren die Grabungsgrenzen, gestri-
chelte Linien stehen für ergänzte Mauerzüge. Die eingezeichneten Höhenkurven sind neuzeitlich.
M . 1:150.
Tabelle 1 Augst, Insula 28, «Schrottfund» (Grabung 1961.55). Verzeichnis der Fundkomplexe des Bronze-
depots (dunkel gerastert) und der umgebenden Schichten. •:• = Passscherben (vgl. Tabelle 2 und
Abb. 13).
(1) F K = Fundkomplex = einerseits horizontal und vertikal mehr oder weniger willkürlich begrenztes Fund-«Ensemble» ( F K
A09810, B00891, X00034 und X00059) sowie andererseits Abtrag von Bronzeschrottlagen (Lagen A bis G = F K X 0 0 0 7 4 -
X00083).
(2) Eintrag auf Fundzettel von F K X00075: «Bruchstücke einer Bronzestatue, Keramik der umgebenden Humusschicht».
Entsprechende Funde fehlen allerdings. Vermutlich wurde die Bronze zusammen mit Material von F K X00080 inventari-
siert (siehe auch unten), Keramik wohl mit Material von F K X00079.
(3) Eintrag auf Fundzettel von F K X00077: «Ziegel östlich und nördlich der Bronzefragmente, Suspensuraplatte z.T. mit
anhaftendem Ziegelmörtel». Das Fundmaterial ist verschollen, vermutlich wurde es damals ohne Inventarisierung wegge-
worfen.
(4) Eintrag auf Fundzettel von F K X00078: «Bronzefragmente ...». Das Material wurde wohl unter F K X00080 inventarisiert.
(5) Eintrag auf Fundzettel von F K X00079: «Die beim Bronzedepot gefundenen Scherben, Knochen, Eisen etc.». E i n zusätz-
licher Eintrag «Bronzefragmente» (in einer anderen Schrift) weist auf die Inventarnummern unter F K X00080.
(6) Eintrag i m Inventarbuch: «Beim Inventarisieren in F K X00080 integriert».
des Komplexes ist allerdings nicht präzise, da mit nur vom Grubenaushub. Im einzigen Komplex aus Son-
zwölf Funden zu wenig Material für eine zuverlässige dierschnitt 7, der auch Material aus tiefer liegenden
zeitliche Eingrenzung vorhanden ist. Zudem ist die Schichten enthalten k ö n n t e , findet sich Keramik
23
Keramik vom Material der darunterliegenden K o m - aus claudischer Zeit bis ans Ende des 2. oder den
plexe nicht sauber zu trennen, wie Passscherben zei- Beginn des 3. Jahrhunderts (Abb. 12). Allerdings ist
gen (vgl. Tabelle 2 und Abb. 13) . Die Scherben i m
18
hier der Fundhöhe nur wenig Bedeutung beizumes-
Bereich der obersten Bronzelage («Lage A » ) bzw. 19
sen, da das Gelände heute gegen Süden hin stark ins
wohl in Fundhöhe dieser Lage wurden damals mit
20
Wildental abfällt (vgl. Abb. 1-2; Tabelle 2) und es -
grösster Wahrscheinlichkeit zusammen mit dem M a - aufgrund von Passscherben zu den höher liegenden
terial aus einer tieferen Lage («Lage C») inventari-
siert (vgl. Tabelle 1). Dieses Fundmaterial - aus den
21
Fundhöhe
m ü.M.
296,00
X00074
294,00
Abb. 3 Augst, Insula 28, «Schrottfund» (Grabung Abb. 4 Augst, Insula 28, «Schrottfund» (Grabung
1961.55). Fundsituation des Bronzedepots 1961.55). Fundsituation des Bronzedepots
nach Entfernen eines Teils der Ziegelabdek- nach Entfernen eines Teils der Ziegelabdek-
kung; im Vordergrund Mauer 12. Blick kung; im Hintergrund Mauer 12. Blick nach
nach Osten. Westen.
Abb. 5 Augst, Insula 28, «Schrottfund» (Grabung
1961.55). Umgezeichnete Fundskizze der
mittleren Lagen (Lage D) des Bronze-
Abb. 7 Augst, Insula 28 (Grabung 1977.51). Bron-
schrotts (gerastert) nach Entfernen der Zie-
zefragment aus Haus A im Ostteil von In-
gelabdeckung und der oberen Bronze-
sula 28 (vgl. Abb. 1, 3). Das Stück stammt
stücke. Die Punktlinie markiert den unge-
mit grösster Wahrscheinlichkeit von Pferd I
fähren Umriss der Depotgrube. M . 1:15.
aus dem Depotfund. Inv. 1977.19419.
M . 1:1.
bauung. Aufgrund der Schichtverhältnisse im Porti- unmittelbar an der Mauerecke 12/16 angelegt hat,
cusbereich und in Analogie zur Stratigraphie in Raum kann vermutet werden, dass der Kanal entlang der
B geschah dies in flavischer Zeit . Die von Sand-
34
Aussenflucht von Mauer 12 in die Erde eingetieft -
steinplatten und Leistenziegeln eingefasste Öffnung ursprünglich vielleicht mit Holzbrettern oder Ziegeln
in der Fundamentzone von Mauer 13 wurde frühe- eingefasst bzw. bedeckt - zum Talabhang führte.
stens in dieser Zeit, möglicherweise aber auch erst zu
einem späteren Zeitpunkt , als Durchfluss für einen
35
Abb. 9 Augst, Insula 28. Rekonstruktionszeichnung der Fundstelle des Bronzedepots. Blick von Nordosten
nach Südwesten.
1 Strassenbiegung mit Theaterstrasse
2 Wildentalstrasse
3 Porticus
4 (unterirdischer) Kanaldurchlass
5 Durchgang (Raum A )
6 Depot zerschlagener Grossbronzen («Schrottfund»)
7 Gebäude mit Raum B (vgl. Abb. 2).
Die Zeitstellung der an Mauer 18 liegenden Herd- Entsprechend der Interpretation des Befundes hat
stelle sowie der Mauer selbst ist mangels entsprechen- man um die Mitte des 3. Jahrhunderts im Bereich
der Ausgrabungsdokumentation gänzlich unbekannt. eines zu dieser Zeit nicht mehr funktionierenden Ab-
So kann heute nicht mehr festgestellt werden, wann wasserkanals eine Grube in die Erde eingetieft, diese
die Herdstelle angelegt und betrieben wurde. Auf- Grube mit Bronzestücken gefüllt und anschliessend
grund der bei der Ausgrabung gemessenen Höhe der mit Ziegelplatten - vielleicht von der ehemaligen Ka-
Herdplatte, die gut 10 cm unter der postulierten Ka- naleinfassung oder -abdeckung - verschlossen. Die
nalsohle liegt, ist damit zu rechnen, dass der Herd - Tatsache, dass in diesem Bereich ein Depot angelegt
und die Mauer 18 - zur Betriebszeit des Kanals, si- wurde, spricht neben den bereits angeführten Grün-
cher jedoch zur Vergrabungszeit des Bronzeschrotts, den dafür, dass sich das Areal ausserhalb des Wohn-
bereits abgebrochen, d.h. nicht mehr sichtbar waren. bereichs, wahrscheinlich in einem gegen die Strasse
Da nicht anzunehmen ist, dass man einen Kanal hin geschützten Hof zv/ischen zwei grösseren Gebäu-
durch den Innenraum eines Gebäudes führte, inter- dekomplexen, befand . Der Umstand, dass man die
38
pretieren wir das Fundareal, Raum A, als Durchgang Bronzestücke sorgfältig in der Erde deponiert hat,
zur Porticus bzw. zur Strasse. Dieser Hof, der vermut- weist darauf hin, dass das gesammelte Material ohne
lich gegen Süden ein kleines Gefälle aufwies, lag zwi- Eile vergraben worden ist. Es ist deshalb wahrschein-
schen zwei grösseren Gebäudekomplexen und ge- lich, dass es sich beim Depot um die «Vorratsgrube»
hörte aufgrund der Spuren von bronzeverarbeiten- eines am Ostrand von Insula 28 arbeitenden Bronze-
dem Handwerk im östlich angrenzenden Haus (Haus giessers handelt.
A) wahrscheinlich zu diesem Gebäude.
Erklärung der verwendeten Schreibweisen 1 R S , TS, Schälchen Drag. 27, Inv. 1961.509.
und Begriffe 2 RS, TS, Schale Drag. 35/36, Inv. 1961.510.
3 BS, TS, Schale, Inv. 1961.514.
4 RS und anp. WS, TS, Reliefschüssel Drag. 29, O Z dicht
BS: Bodenscherbe geschlagene Wellenranke, U Z Blatt von Ranke, Inv.
FK: Fundkomplex (vgl. dazu Legende zu Tabelle 1) 1961.512.
OK: obere Kante 5 RS, TS, Reliefschüssel Drag. 29, Inv. 1961.511.
OZ: obere Zone 6 R S , TS, Reliefschüssel Drag. 29, O Z Blattschuppen, Inv.
1961.513.
RS: Randscherbe 7/39 (Abb. 13,7/39) Becher mit Karniesrand, Inv. 1961.515 ( F K
TS: Terra Sigillata X00034) undlnw. 1961.894 ( F K X00059).
UK: untere Kante 8/40 (Abb. 13,8/40) Becher Niederbieber 30, Inv. 1961.516 ( F K
UZ: untere Zone X00034) und Inv. 1961.895 ( F K X00059).
9/41 (Abb. 13,9/41) Becher mit Rädchenverzierung, Inv.
WS: Wandscherbe
1961.524 ( F K X00034) und Inv. 1961.896 ( F K X00059).
10 WS, Becher mit gegliederter Schulter, orange, aussen mit
rotbraunem Überzug, breite Kerbbandzone, Inv. 1961.518.
Katalog der Beifunde 11 WS, Becher, orange mit braungrauem Überzug, Kerbband,
Inv. 1961.517.
12/18 (Abb. 13,12/18) Faltenbecher, Inv. 1961.521 ( F K X00034)
Katalog - FK X00034 (Abb. 10) und Inv. 1961.1231 ( F K X00079).
Abb. 10 Augst, Insula 28 (Grabung 1961.55). Funde aus Fundkomplex X00034; vgl. Tabellen 1 und 2 sowie
Katalog der Beifunde. M . 1:2.
FK X00079 unter F K X00034 und über/neben F K X00059 (vgl. 19 W S und anp. BS, Faltenbecher, T o n orangebraun, aussen
Tabellen 1 und 2). Insula 28, Schnitt 7, Erweiterung nach Osten, mit braunem Überzug, spärlicher Griessbewurf, Inv.
«Schrottfund» Lage C, O K nicht bekannt, U K 294.55: «Die beim 1961.1232.1235.
Bronzedepot gefundenen Scherben, Knochen, Eisen etc.» - Datie- 20 W S und BS, Faltenbecher, orange mit braunem Überzug,
rung der Keramik: fast ausschliesslich Material des späteren 2./An- spärlicher Griessbewurf, Inv. 1961.1233.1234.
fang 3. Jh., 1 Fragment (Nr. 25) zweites Viertel des 3. Jh. WS, Becher, beigebraun mit grauschwarzem Überzug,
13 R S , TS, Schälchen Drag. 33, Inv. 1961.1225. Kerbband, Inv. 1961.1228.
14 R S , TS, Schälchen Drag. 46, Inv. 1961.1226. 21 RS, Schüssel mit profiliertem Horizontalrand, braun, Rand
15 RS, TS, Schüssel Drag. 38, Inv. 1961.1227. brandgeschwärzt, Inv. 1961.1239.
16/38 (Abb. 13,16/38) Schüssel/Platte mit breiter Kerbbandzone, 22 RS, Backplatte, braun, innen mit rotbraunem Überzug, Inv.
Inv. 1961.1229 ( F K X00079) und Inv. 1961.893 ( F K 1961.1240.
X00059). 23 R S , T o p f mit Schrägrand, beigebraun mit Goldglimmer-
BS, Schüssel/Platte, orangebraun mit braunem, innen flek- überzug, Inv. 1961.1247.
kigem Überzug, Inv. 1961.1230. 24 R S , Topf mit Wulstrand, graubraun, 1961.1238.
17 RS, Becher Niederbieber 32, orange mit braunrotem, flecki- 25 R S , Topf mit nach aussen gebogenem Rand, graubraun bis
gem Überzug, Inv. 1961.1236. schwarz, handgemacht und überdreht (ausser Rand), unre-
18/12 (Abb. 13,12/18) Faltenbecher, Inv. 1961.1231 ( F K X 0 0 0 7 9 ) gelmässiger horizontaler Kammstrich, Inv. 1961.1241.
und Inv. 1961.521 ( F K X00034). RS, Krug mit Wulstrand, orange, Inv. 1961.1242.
26 Eisenscharnier, Inv. 1961.1244.
«Knopf», Material?, Inv. 1961.1243, verschollen.
39/7 (Abb. 13,7/39) Becher mit Tonfadenverzierung, Inv.
1961.894 ( F K X00059) und Inv. 1961.515 ( F K X00034).
FK X00059 unter/neben F K X00034 und F K X00079 (vgl. Tabellen 40/8 (Abb. 13,8/40) Becher Niederbieber 30, Inv. 1961.895 ( F K
1 und 2). Insula 28, Schnitt 7, Südabschnitt, O K 294.60, U K 294.05: X00059) und Inv. 1961.516 ( F K X00034).
Sandiger Kies. - Datierung der Keramik: claudisch bis 2./Anfang 41/9 (Abb. 13,9/41) Becher mit Rädchenverzierung, Inv.
3. Jh. 1961.896 ( F K X00059) und Inv. 1961.524 ( F K X00034).
27 RS, TS, Schälchen Drag. 24/25, Inv. 1961.882. RS, Krug mit Steilrand, rötlichbeige mit rotem Überzug,
28 RS, TS, Schälchen Drag. 27, Inv. 1961.881. Inv. 1961.892.
29 BS, TS, Schälchen Drag. 27 mit Stempel P A V L L V S in Bo- 2 anp. R S , Krug mit Wulstrand, beige, Inv. 1961.898.
denmitte, Inv. 1961.890. RS, Krug mit gerilltem Kragenrand, rötlichbeige, Inv.
1961.899.
30 WS, TS, Teller Drag. 15/17, Inv. 1961.887.
31 R S , TS, Teller Drag. 18, Inv. 1961.884. 42 R S , Reibschüssel, hellbeige, Inv. 1961.900.
BS, TS, Teller Drag. 18 mit frag. Stempel [...]VS in Boden- WS, südspanische (Wein?-)Amphore Dressel 28, Inv.
mitte, Inv. 1961.889. 1961.902 .39
32 RS, TS, Schüssel Curie 11, Inv. 1961.883. Melonenperle (Lotosperle), beigetürkisfarbene Kieselkera-
33 RS, TS, Reliefschüssel Drag. 29, Inv. 1961.885. mik, Inv. 1961.903.
34 WS, TS, Reliefschüssel Drag. 29, O Z dicht geschlagene Wel-
lenranke, Inv. 1961.886.
35 BS, TS, Reliefschüssel Drag. 29 mit frag. Stempel
O F P R I M [ i ] in Bodenmitte, Inv. 1961.891.
36 2 anp. R S , TS-Imitation, Schälchen Drack 18, orange mit 39 S. Martin-Kilcher (mit Beiträgen von M . Schaub, G . Thierrin-
rotem Überzug, Inv. 1961.888. Michael, A . Desbat, M . Picon, A . Schmitt), Die römischen A m -
37 R S , Schüssel mit Kragenrand, grau, Inv. 1961.897. phoren aus Augst und Kaiseraugst. Forschungen in Augst 7.
38/16 (Abb. 13,16/38) Schüssel/Platte mit breiter Kerbbandzone, 7/3: Archäologische und naturwissenschaftliche Tonbestim-
Inv. 1961.893 ( F K X00059) und Inv. 1961.1229 ( F K mungen. Katalog und Tafeln (Augst 1994) 794 N r . 5795 (ohne
X00079). Abb.).
Abb. 12 Augst, Insula 28 (Grabung 1961.55). Funde aus Fundkomplex X00059; vgl. Tabellen 1 und 2 sowie
Katalog der Beifunde. M . 1:2.
Katalog - FK X00034, X00059 und X00079 (Abb. 13) 9/41 RS und WS, Becher, grau, i m Kern graubraun, Rädchenver-
zierung, Inv. 1961.524 ( F K X00034) wirf Inv. 1961.896 ( F K
F K X00034, X00059 und X00079 (vgl. Tabellen 1 und 2): Passscher- X00059).
ben. 12/18 3 WS, Faltenbecher, orange, aussen graubrauner Überzug,
7/39 2 RS, 4 W S und 2 BS, Becher mit Karniesrand, rötlichbraun leicht metallisch glänzend, Inv. 1961.521 ( F K X00034) und
mit graubraunem Überzug, Tonfadenkreuze, Inv. 1961.515 Inv. 1961.1231 ( F K X00079).
( F K X00034) und Inv. 1961.894 ( F K X00059). 16/38 2 WS und 2 BS, Schüssel/Platte, rötlichbraun mit braunem
8/40 3 RS, W S und 2 BS, Becher Niederbieber 30, rötlichbraun Überzug, breite Kerbbandzone, Inv. 1961.1229 ( F K
mit rotbraunem, fleckigem Überzug, metallisch glänzend, X00079) und Inv. 1961.893 ( F K X00059).
Inv. 1961.516 ( F K X00034) und Inv. 1961.895 ( F K
X00059).
Abb. 13 Augst, Insula 28 (Grabung 1961.55). Funde mit Passscherben aus den Fundkomplexen X00034,
X00059 und X00079; vgl. Tabellen 1 und 2 sowie Katalog der Beifunde. M . 1:2.
48 2 W S , Topf, graubraun, handgemacht und überdreht,
unregelmässiger horizontaler Kammstrich, Inv.
FK A09810. Insula 34, Parzelle 76.1, Felder N 23, O 2225, P 2324, 1977.8405.8406.
O K 296.68, U K 296.07: Zweiter Steinversturz. - Datierung der Kera- BS, Backplatte, orangebraun, Inv. 1977.8408.
mik: erste Hälfte/zweites Viertel 3. Jh. 49 R S , Deckel, graubraun, Inv. 1977.8407.
43 WS, TS, Becher Lud. V S a/b(?) mit Ähre in Glasschliff, Inv. WS mit Henkelansatz, Krug, orange, Inv. 1977.8409.
1977.8395. 3 anp. BS, Schüssel?, grau, Inv. 1977.8399.8400.8401.
44 R S und 3 WS, Becher Niederbieber 33, graubraun mit grau- 50 (Abb. 6) Finger einer Bronzestatue, Inv. 1977.8411.
schwarzem Überzug, Inv. 1977.8396.8397.8398.8410. 3 Eisennägel mit vierkantigem Schaft, stark korrodiert, Inv.
45 RS, Schüssel mit profiliertem Horizontalrand, graubraun, 1977.8412a.b.d.
Inv. 1977.8402. 1 i m Querschnitt runder(?) Eisenstift (Nagel?), stark korro-
46 R S , Topf mit gerilltem Horizontalrand, grau, Inv. diert, Inv. 1977.8412c.
1977.8404. D i v . kleine Stücke von Wandverputz mit flächiger braun-
47 RS, Topf mit Schrägrand, grau, handgemacht und über- roter, beigegrauer, ockerbrauner und weisser Bemalung, da-
dreht, Inv. 1977.8403. von 3 mit Spuren von Graffito ...IC...(?), Inv. 1977.8413.
Die Arbeitsmethode
Dominique Rouiller (mit Beiträgen von Josef Riederer und Thomas Reiss)
Einleitung
Die Fragmente des Depotfundes aus der Insula 28 «Curia und Basilika» aus restauratorischer Sicht, in
waren seit dem Jahr 1961 in acht Holzkisten i m M a - der Qualität von Bronze und Korrosionsablagerun-
gazin des Römermuseums Augst eingelagert gewesen. gen von denjenigen des «Schrottfundes» aus Insula 28
Im Jahre 1987 wurden auf Anregung von Cees van offensichtlich unterscheiden, wurde vorerst eine von
den Bergh alle Fragmente in der Abfolge der Inven- den Altfunden «Curia und Basilika» getrennte Bear-
tarnummern ausgelegt, teilweise nachinventarisiert beitung beschlossen. Überdies war die erste Projekt-
und fotografisch dokumentiert; damit nahm die ei- phase auf die Jahre 1991-1994 begrenzt, weshalb man
gentliche Bearbeitung ihren Anfang. sich in der Aufarbeitung des Depots auf einen Teilbe-
Alfred Mutz zufolge, der schon kurz nach der Ent- reich konzentrieren musste. Die Wahl fiel auf die be-
deckung dieses Fundes erkannt hatte, dass es sich reits angepassten, den Pferden zugewiesenen Partien,
nicht nur um die Überreste von mehreren Statuen, deren technische Details interessante Ergebnisse in
sondern auch um verschiedene Statuentypen handeln bezug auf die Bronzetechnik erhoffen Hessen.
musste , wurden die Fragmente in zwei charakteri-
40
Anfang des Jahres 1993 wurde anhand von anato-
stische Gruppen unterteilt: in flache, dünn gegossene mischen Kriterien offensichtlich, dass die Pferdefrag-
P/m/tfragmente und in wellige, massiv gegossene mente in Wahrheit von zwei Pferdestatuen stammen.
Fragmente von Gewandfalten mit einer körnigeren, Die bis anhin als Merkwürdigkeit eingeschätzten
dickeren Korrosionsschicht. Hinzu kam später eine Unterschiede zwischen einzelnen Partien - sowohl i m
dritte Gruppe mit einigen wenigen menschlichen Erscheinungsbild der Werkspuren als auch auf den
Körperteilen wie Kopf- und Haarfragmente oder Röntgenfilmen - konnten nun als voneinander abwei-
Teile von Händen. chende Werktechniken zweier Statuen erklärt wer-
Z u Beginn wurden Fundkomplexe mit Fragmenten den. Zugleich bedeutete dies aber auch, dass für die
von Grossbronzen aus der Curia, unter welchen sich Rekonstruktion jedes einzelnen Pferdes noch weniger
ein Reiterfuss befindet , durchgesehen und i m H i n -
41
Fragmente zur Verfügung standen . Weil der lücken-
42
blick auf Ähnlichkeiten mit den Fragmenten des hafte Erhaltungszustand also von vornherein keine
«Schrottfundes» untersucht, wobei ein Passfragment vollständige Wiederherstellung der Statuen zuliess,
entdeckt wurde. D a jedoch nicht auszuschliessen war, wurde i m Laufe der ersten Projektphase i m Hinblick
dass es sich hier um ein Versehen während der Inven- auf eine mögliche Rekonstruktion der Herstellungs-
tarisierung handelte, und sich die Fundgruppen von technik besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
40 Mutz 1962, 22. - Bereits Anfang der 60er Jahren hatte A . Mutz 42 Zur Materialbasis siehe unten S. 43 Die quantitative Grundlage.
dem Schrottfund Fragmente entnommen und diese in den M e - 43 Die jeweils an einer Partie vorhandenen Spuren von der Zer-
tallwerken A G Dornach analytisch, spektrographisch sowie störung der Statuen sind unten im Katalog aufgeführt. - Z u m
metallmikroskopisch untersuchen lassen. Schon diese insge- angewendeten Verfahren bei der Demontage der Bronzesta-
samt fünf Analysen zeigten deutlich, dass es sich bei den Pfer- tuen siehe A. R. Furger, J. Riederer, Aes und aurichalcum. E m -
defragmenten um eine bleihaltigere Legierung handelt als bei pirische Beurteilungskriterien für Kupferlegierungen und me-
den Faltenfragmenten (Analysen vom 5.9.1961). tallanalytische Untersuchungen an Halbfabrikaten und Abfäl-
41 Bergemann 1990, 60f. P8 Taf. 88a. len aus metallverarbeitenden Werkstätten in Augusta Raurica.
J b A K 16, 1995, 115ff.
Abb. 15 Pferd II, Partie 1/2 (Gussteilstück 1), Inv.
1961.2957 (Aussenfläche). Hackspuren von
der Zerstörung der Statue. M . 1:1.
Abb. 16 Pferd II, Partie 6/7 (Gussteilstück 1), Inv. Abb. 17 Pferd II, Partie 15 (Gussteilstück 1), Inv.
1961.3062 (Aussenfläche). Hackspuren von 1961.14131 (Aussenfläche). Hackspuren
der Zerstörung der Statue. M . 1:1. von der Zerstörung der Statue. M . 1:1.
den sie in grössere Teile zerhackt und anschliessend und Quarz als Verunreinigungen der Patina aus dem
in handliche Fragmente zerbrochen . Die Ermü-
44
umgebenden Erdreich nachgewiesen.
dungsbrüche bezeugen, dass sie offenbar so lange Cuprit ist das übliche rotbraune Kupferoxid, das
gegeneinander verbogen wurden, bis sie schliesslich sich bei Bodenfunden aus Kupferlegierungen direkt
auseinanderbrachen . Manche Fragmente sind ober-
45
Fällen die daran anpassenden Fragmente keinerlei 44 Dies wird durch metallurgische Untersuchungen in den Metall-
Brandspuren aufweisen, muss die Hitzeeinwirkung werken A G Dornach in einer Mitteilung vom 14.6.1988 (bezo-
erst nach der Zerstörung und Zerteilung der Statuen gen auf die untersuchten Anschliffe von Inv. 1961.2377 und
1961.2825, beides Faltenfragmente) bestätigt: «Verformungs-
erfolgt sein . Viele der Fragmente sind teilweise be-
47
Abb. 19 Pferd I, Partie 4/27, Inv. 1961.2782/3045. Abb. 21 Pferd II, Partie 20, Inv. 1961.2706 (Innen-
Die Aussenfläche erscheint nach dem Frei- fläche). Korrosion mit Azurit,
legen mit Hilfe von Ultraschall mit einer
meist glänzenden, braunen bis schwarz-
braunen Patina.
auf dem Metall bildet (Abb. 19). Die Kupferoxid- fer. Chloride, die in Küsten- und Wüstengegenden
schicht wächst nach innen, wobei sie dem Metallge- mit versalzenen Böden vorkommen und auf Kupfer-
füge folgt. Nach aussen hin geht die Oxidschicht mit legierungen vor allem in der Form des Paratacamit
unregelmässigen Grenzen in die Kupfersalze über. In auftreten, wurden in Augst demzufolge nicht beob-
Augst hat sich vor allem das basische Kupferkarbonat achtet.
Malachit gebildet, aus dem alle grün gefärbten Par- In jeder Patinaprobe wurde Cerrusit nachgewiesen,
tien auf dem Metall bestehen (Abb. 20). Azurit, eben- ein weisses Bleikarbonat, das sich auf den Augster
falls ein basisches Kupferkarbonat, das weniger häu- Bronzen aufgrund deren hohen Bleigehaltes gebildet
fig als Malachit vorkommt, findet sich in Form kräfti- hat. Es ist ein auf bleireichen Bronzen stets vorkom-
ger, intensiv blauer Krusten, die mit dem Malachit mendes Korrosionsprodukt, das aber mit blossem
verwachsen sind (Abb. 21). Malachit und Azurit sind Auge kaum zu erkennen ist, da es von den intensiv
in Mitteleuropa, wo die Böden kalkhaltig sind, üb- gefärbten Korrosionsprodukten des Kupfers über-
liche Patinaverbindungen auf Bodenfunden aus Kup- deckt wird (Tabelle 3).
Tabelle 3 Pferd I und Pferd II. Die mit der Röntgenfeinstrukturanalyse ermittelte Zusammensetzung der
Korrosionsprodukte.
Das Anpassen der Fragmente und der Verkrustungen an der Oberfläche im Rath-
gen-Forschungslabor, Berlin . 53
Die Pferdefragmente wurden mit Hilfe verschiedener Von einigen Fragmenten konnten Reste vom Guss-
Kriterien in Gruppen unterteilt, innerhalb derer ähn- kern bzw. vom Gussmantelmaterial entnommen und
liche Fragmente gesammelt wurden, etwa die flachen analysiert werden, um bestenfalls Informationen zur
oder gebogenen, diejenigen mit Adern oder mit Haut- Herkunft des Gusstones zu erhalten . 54
falten. Diese wurden untereinander systematisch Zur Ermittlung der Legierungsunterschiede zwi-
verglichen. Die anpassende Fragmente - sofort in schen den beiden Pferden sowie innerhalb der Guss-
einer Handskizze mit Inventarnummern festgehalten teilstücke eines jeden Pferdes, den Gussverbindungen
- bildeten neue Gruppen und wurden ihrerseits und der Flickbronze wurden 397 Proben mittels
untereinander verglichen. Atomabsorptionsspektralanalyse untersucht . Über- 55
Die Gruppen anpassender Pferdefragmente wur- dies wurden drei Querschliffe angefertigt, um Auf-
den anschliessend als «Partien», fortlaufend nume- schlüsse über die Gussstruktur zu erlangen . 56
Die Arbeit am «Schrottfund» begann mit dem Erstel- stand . Zudem mussten einige unbeschriftete Frag-
62
Q~JL
Abb. 24 Pferd I, Partie 3, Inv. 1961.2860/2847 (Aus- Abb. 25 Wie Abbildung 24, Innenfläche. Vgl.
senfläche). Während des Freilegens i m Abb. 28.
Massstab 1:1 angefertigte, farbige Skizze.
Die Farben markieren die verschiedenen
Ablagerungen: Malachit (grün), Cuprit
(orange), Kalk (gelb), Azurit (blau). V g l .
Abb. 25 und 27.
n e 3> die in den voneinander abweichenden Herstellungs-
î n v e n t a r n urame r
techniken begründet sind. Zudem ergaben sich diffe-
Anpassend
tfl. • 0 . 3 S T O , 'Ä-a-H ; ^ 1 O-S^o renzierte Aufschlüsse zu den äusserlich nicht sichtba-
Feilspuren ren Gussstrukturen, die für die Interpretation der
Fl.ickplättchen Form Mass
Beschädigung
Brandschaden Darauf erscheinen die für die Modell- und Gusstech-
nik entscheidenden Kriterien des optischen und rönt-
Freiiegung Uit rasen a n g e r at X
Skalpell genologischen Befundes in einem Färb- und Symbol-
.Sto
code. Überdies wurden die Probestellen für die M e -
I L «
tallanalysen auf Kopien dieser Zeichnungen doku-
mentiert . 68
Das Lokalisieren der abgeformten Partien räumlichen Ausdehnung wurden im ganzen fünf
Sichtebenen berücksichtigt: die Ansichten der beiden
Die an den Verbiegungen und Rissen zurückgeform- Körperseiten, die Vorderansicht, die Rückansicht so-
ten Aralditabgüsse von anpassenden Fragmenten wie die Ansicht von unten.
(Partien) bildeten die Grundlage für den Versuch, das
von beiden Pferden noch Erhaltene zu lokalisieren.
Dazu wurden einerseits die Abbildungen antiker
Pferdestatuen beigezogen und ihre Masse ver- Die Montage der Aralditkopien
glichen . In diesem Zusammenhang konnten wir auf
69
Detailfotos der Pferdestatuen von Trastevere und Beide Pferde wurden in Originalgrösse aus den in
Ponza sowie vom Pferd des Marc Aurel zurückgrei- Araldit abgeformten Kopien der Partien rekon-
fen . Andererseits wurden moderne anatomische Ta-
70
struiert, die ihnen jeweils anhand der charakteristi-
feln vom Skelettbau, vom Verlauf der Muskeln und schen technischen Kriterien zugeordneten worden
Sehnen sowie der Arterien und Venen herangezo- waren. Als Basisträger für das dazu benötigte Gerüst
gen . Die Bildung von Hautfalten an den Beinansät-
71
verwendeten wir je eine 5 mm dicke Stahlplatte. Um
zen bei bestimmten Körperstellungen oder der Ver- deren Grösse bzw. um die ungefähre Ausdehnung der
lauf der Haarsträhnen im Schweif konnte in Fotobild- beiden Rekonstruktionen zu ermitteln, wurde von
bänden, z.B. der spanischen Hofreitschule in Wien, den sicher lokalisierten, benachbarten Partien vom
studiert werden. Zu guter Letzt rundeten Beobach- Hinterkörper von Pferd I ausgegangen und der Ab-
72
tungen im Freiland - etwa auf Pferdeweiden und stand zwischen Schlauchbasis und After gemessen.
in Reitställen, bis hin zu Zirkusvorstellungen mit Dieses Mass wurde zu den Proportionen von anderen
Pferdedressuren - dieses Studium ab. römischen Pferdestatuen in Beziehung gesetzt und so
Mit zunehmender Kenntnis der Anatomie des Pfer- der Abstand von Vorder- zu Hinterbeinen extrapo-
des und dessen Körperproportionen wurden für jede liert. Nach derselben Methode wurde die ungefähre
einzelne Partie mehrere Skizzen angefertigt, in denen Distanz zwischen den beiden Vorderbeinen bzw. zwi-
die verschiedenen Möglichkeiten ihrer Lokalisierung schen den beiden Hinterbeinen errechnet (Tabelle 4).
am Körper versuchsweise dargestellt waren. Bei die- Demzufolge ergab sich für die Grundplatte von
sen Skizzen ergaben sich manchmal bis zu drei Va- Pferd I eine Abmessung von 100x200 cm. Für
rianten, die gemeinsam begutachtet und diskutiert Pferd II, welches in der Levade steht und uns von
wurden. Auf diese Weise wurden möglichst viele Ge- Anfang an grösser erschien, wurde eine grössere
sichtspunkte bei der Auswahl der wahrscheinlichsten Grundplatte von 125x250 cm verwendet (Abb. 23).
Variante berücksichtigt, wie die an einer Partie erhal- Auf beiden Platten sind je drei Stahlrohre von 200 cm
tenen anatomischen Details, der Vergleich zwischen Höhe und 3 cm Durchmesser in Halterungsschienen
den zurückgeformten Aralditkopien und den teil- senkrecht montiert; jeweils zwei von ihnen markieren
weise stark zerhackten und verbogenen Originalfrag- die Schultern des Pferdes. Dahinter ist je ein Rohr in
menten, die Werkspuren an der Innenfläche, der Ver- der Mitte, auf Höhe der Schwanzwurzel, plaziert. Auf
lauf von Gussverbindungen zwischen den getrennt der kleineren Platte von Pferd I steht ein weiteres
gegossenen Einzelteilen, Teilstückkanten sowie me- Rohr in der Mitte des Rumpfes hinter dem Widerrist.
tallurgische Aspekte. An diesen Rohren wurde ein «Gerippe» aus leicht
verformbaren Flachaluminium-Stäben montiert, an
das die Aralditkopien der lokalisierten Partien befe-
Die zeichnerische Rekonstruktion stigt werden konnten. Für die Montage der z.T. klei-
nen Schweifpartien von Pferd II wählten wir ein
73
Die lokalisierten Partien wurden entsprechend ihrer grobes Fliegengitter als Unterlage, welches dann
Position am Pferdekörper justiert und anschliessend ebenfalls mit einem Flachaluminium-Stab am hin-
im Massstab 1:2 gezeichnet. Entsprechend ihrer teren Stahlrohr befestigt wurde.
Entscheidend für die Rekonstruktion des Haltungs- der linken Seite hingegen ausbuchtet , erlaubt es,
79
motivs von Pferd I ist die in Partie 9/21/29 erhaltene eine Drehung des Kopfes mit einer leichten Halswen-
Brust (Abb. 29 und 32). Dort gibt der erhaltene A n - dung nach rechts anzunehmen. Die plastische Umset-
satz des rechten Ellbogens zweifelsfrei zu erkennen, zung der aus den erhaltenen Partien rekonstruierten
dass der rechte Unterarm waagrecht erhoben war und Haltung i m Vorderkörper weist Ähnlichkeiten mit
unter dem Rumpf nach vorne führte . Dies wider-
74
den Pferden von Cartoceto auf . 80
spiegeln auch die kontrahierten Muskeln mit den her- Die Stellung der Hinterbeine ergibt sich aus dem in
vortretenden Adern im Bereich der rechten Schul- Partie 4/27 zusammenhängend erhaltenen Hinterkör-
ter . Das linke Bein hingegen war der erhaltenen In-
75
per (Abb. 31-32): Dort resultiert die schwach gemul-
nenseite des Unterarms entsprechend aufgestellt dete rechte Leiste aus dem abgespreizt zurückgesetz-
(Abb. 30) . Der Position der Vorderbeine zufolge
76
staut sich die Haut im Bereich der Brust und bildet 74 Partie 9/21/29, Inv. 1961.3162/14090.
rechts ein langes Faltenbündel, das breit aufgefächert, 75 Partie 22: Abb. 244.
hoch über dem angehobenen Bein beginnt, in der 76 Partie 9/21/29, Inv. 1961.3200.
Achsel zusammengequetscht wird und unten lang 77 Partie 9/21/29: Abb. 197-198.
78 Partie 16: Abb. 214.
ausläuft. E i n breites, kürzeres Faltenbündel umrahmt 79 Partie 17: Abb. 223.
hingegen das aufgestellte linke B e i n .
77
80 Cartoceto 1987 Farbtafeln 5; 30d; 31.
36
Abb. 30 Pferd I. Lokalisierung der zugewiesenen Partien (linke Seitenansicht). M . 1:20.
Auch hier gründet die Rekonstruktion des Standmo- Achseln an der Innenseite der Oberarme ausgehenden
tivs vornehmlich auf der in Partie 1/2 erhaltenen
Brust, derzufolge Pferd II in der Levade, auf den H i n - 84 Partie 1/2: Abb. 273.
-
Abb. 34 Pferd II. Lokalisierung der zugewiesenen Partien (linke Seitenansicht). M . 1:20.
Hautfalten den entscheidenden Hinweis (Abb. 35): Die erhaltenen Partien von der vorderen Hälfte des
Rechts enden nämlich diese Staufalten an der Ober- Rumpfes geben zu erkennen, dass Pferd II in demsel-
seite , links hingegen ziehen sie darüber hinaus bis
85
ben Haltungsmotiv dargestellt wurde wie das Pferd
an die rechte Körperseite . Daraus ist zu schliessen,
86
des Domitian/Nerva aus Misenum . 90
dass beide Unterarme ungleich hoch angehoben wa- Überlegungen zur Stellung der Hinterbeine knüpfen
ren, der rechte waagrecht, der linke aufgrund der län- sich vor allem an den rechten und den mit seinem
91
geren Falten etwas höher. Weil zudem die Falten Hoden erhaltenen linken Unterschenkel (Abb. 36).
92
Abb. 36 Pferd II. Lokalisierung der zugewiesenen Partien (Ansicht von unten). M . 1:20.
Die Frage nach der Grösse ist in bezug auf die Wir- vermessen werden konnte. Seine Widerristhöhe be-
kung der Pferde auf den römischen Betrachter zu stel- trug 147 cm . Aufgrund der Beigaben wird diese
95
len, in dem Sinne, ob sie als unterlebensgross, lebens- Hengstbestattung ins Ende des 1. Jahrhunderts oder
gross oder gar überlebensgross empfunden wurden. in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts datiert . 96
Knochenfunde der römerzeitlichen Pferde aus der Die an den aus Kopien aufgebauten Modellen der
West- und Nordschweiz ergeben Widerristhöhen zwi- beiden Bronzepferde durchgeführten Messungen er-
schen 120 und 148 cm (Stand 1984). Dabei den Heng- lauben im Vergleich mit den am Pferd des Marc Au-
sten mit grösseren Massen zu rechnen ist als bei den rel ermittelten Massen für Pferd I eine Widerristhöhe
Stuten, dürfen wir eine durchschnittliche Widerrist- von zirka 150 cm und für Pferd II eine Widderrist-
höhe von 135-150 cm annehmen. Dies entspricht höhe von zirka 160 cm anzunehmen (Tabelle 4).
etwa einem heutigen Haflinger oder einem kleinen Demzufolge hat Pferd I im Verhältnis zu den lebendi-
Araberhengst. Auf dem römischen Gräberfeld «im Sa- gen r römerzeitlichen Vorbildern lebensgross und
ger» bei Kaiseraugst (AG) wurden 1991 zwei Pferde- Pferd II hingegen überlebensgross gewirkt.
bestattungen gefunden, von denen ein Hengst genau
Tabelle 4 Rekonstruierte Masse von Pferd I und Pferd II (±5 cm) im Vergleich mit denen vom Pferd des
Marc Aurel, dessen Masse an den stereofotogrammetrischen Aufnahmen abgenommen wurden
(Vaccaro/Sommella 1989, Abb. 75 [4 cm = 1 m]). In Klammern sind die Proportionen in Beziehung
zur Widerristhöhe gesetzt. Als Vergleich sind die Proportionen der Pferde von San Marco aufge-
führt (San Marco 1982, 97 Abb. 100).
Die Kante einer Rückenöffnung, wie sie zur Montage tet . So könnten die ebenfalls in diesem Depot ver-
99
des Reiters auf der Statue seines Pferdes notwendig borgenen Fragmente, eines vom unteren rechten
ist , hat sich unter den zugewiesenen Partien beider
97
Rand eines Muskelpanzers sowie fünf von einem
100
Augster Pferde nicht erhalten. Deshalb erfolgte ihre am Fransensaum mit einem eingelegten Mäander
Bestimmung als Reitpferde anhand motivischer K r i - verzierten Paludamentum , vom Reiter dieses Pfer-
101
es die Aktion des spontan auf die Zügelung reagieren- pferde in San Marco, ist auf dieselbe Weise darge-
den Tieres von vornherein, eine, seinen politischen stellt . Allerdings sichert eine am Halsansatz an der
103
Rang symbolisierende Gewandung in kurzer Toga an- rechten Körperseite lokalisierte Partie mit dem End-
zunehmen, weil diese - soweit dies aus den erhaltenen stück des Balteus die Funktion von Pferd I als Reit-
Monumenten ersichtlich ist - immer mit dem Gestus pferd . Flach und gerade nach vorne ziehend, muss
104
des ruhig erhobenen rechten Armes und der Darstel- er - anders als ein bei einem Gespannpferd rund um
lung eines schreitenden Pferdes gekoppelt ist . Dem-
98
den Hals führender Balteus - hinter dem Schulterge-
zufolge kann der Reiter nur als Sieger charakterisiert lenk, unterhalb des Widerristes, direkt an die Sattel-
worden sein, der in militärischer Tracht mit zum decke angeschlossen haben.
Stoss erhobener Lanze einen überrittenen Gegner tö-
97 Die Art der Montage, bei der die ausbiegende Unterkante der
hohl gegossenen Reiterfigur stellenweise hinter die Kante der
Rückenöffnung eingespannt wurde, zeigt eine Untersicht des
Marc Aurel: T h . Lorenz, Beobachtungen an der Reiterstatue
des Marc Aurel auf dem Kapitolsplatz. In: Wien 1988, 128 Abb.
7-8 (siehe besonders an der linken Körperseite).
98 Als Beispiele seien an dieser Stelle genannt: die Bronzestatuen
des Reiters vom Fortuna-Augusta Tempel in Pompeji (Berge-
mann 1990 P35 Taf. 68-71; Pferd nicht zugehörig und Pastic-
cio), der beiden Reiter aus Cartoceto (Bergemann 1990 P I Taf.
8), des Augustus aus der Ägäis (Bergemann 1990 P5 Taf. 14-16)
sowie des Marc Aurel (Bergemann 1990 P51 Taf. 78-80).
99 Bergemann 1990, 4 Schema III und Schema I V (mit A n m . 36).
- Vgl. zum M o t i v einerseits die Rekonstruktion des Pferdes
von Misenum: Miseno 1987 Farbtafel 5 (nach S. 48) sowie an-
dererseits die Darstellungen auf spätrepublikanischen und kai-
serzeitlichen Münzen: Bergemann 1990 Taf. 90a.b.e.f.i; 91b-
k.m; 92a-c.f.k.l; 93a.f-h.k.m; 94a-d (Reiter); Taf. 90m; 91a
(Reiterstatuen auf Triumphbögen). - Eine Darstellung des Rei-
ters i n kurzer Tunika und Mantel, der als Jäger auf aufsteigen-
dem Pferd sitzend ein Tier tötet, ist auszuschliessen. Solche
Statuen sind lediglich als Grabstatue eines Kindes sowie in
Form von zwei Gartenplastiken überliefert: Bergemann 1990, 4
Schema V (P53 Taf. 82-83; P54 Taf. 83-84; P63 Taf. 85).
100 Inv. 1961.2735.
101 Partie 40: Die fünf zu dieser Partie zählenden Fragmente Inv.
1961.2005/2011/2010/2009 und 1961.2008 werden in Zusam-
menhang mit den übrigen Faltenfragmenten untersucht und
veröffentlicht werden.
102 Als Beispiele: Bergemann 1990 P4 Taf. 12 (aus Melos); Carto-
ceto 1987 Taf. 31 (Rekonstruktion i m Nachguss); Bergemann
1990 P51 Taf. 78 (Marc Aurel).
103 Galliazzo 1981, 121 Abb. 59. - Zur Überlieferung von Statuen-
ehrungen in Form einer Biga oder Quadriga: J. Bergemann, Die
Pferde von San Marco. Zeitstellung und Funktion. Mittei-
lungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische
Abteilung 95, 1988, 115ff. bes. 122-125.
104 Siehe dazu unten Katalog - Pferd I, Partie 38: Lokalisierung
und Motiv.
Die Werktechnik der beiden Pferdestatuen
(Bettina Janietz Schwarz)
Einleitung
Die quantitative Grundlage charakteristisch für die jeweilige Pferdestatue und in-
nerhalb derer für einzelne Regionen ist, klar heraus.
V o n den rund 1460 Fragmenten des «Schrottfundes» Die zunehmende Kenntnis davon hatte wiederum zur
stammen 958 Fragmente mit Sicherheit von den bei- Folge, dass Anpassungen von grösseren Partien unter-
den Pferden (65,6%, i m folgenden = 100%). Davon einander und damit ihre sichere Lokalisierung auf-
106
gehören 368 Fragmente sicher zu Pferd I (38,4%) und grund der an ihnen vorhandenen technischen Krite-
445 Fragmente sicher zu Pferd II (46,5%) . V o n die-
105
rien glückten, was zugleich die Richtigkeit und den
sen den beiden Pferden zugewiesenen Fragmenten Wert dieser Beobachtungen bestätigte.
konnten 319 Fragmente zu insgesamt 38 Partien von D a für die Annahme einer römischen «Normtech-
aneinanderpassenden Fragmenten vereinigt und je- nik» keine Veranlassung bestand, wurden römische
weils einem Pferd zugewiesen werden (33,3%). Im Grossbronzen von anderen Fund- oder Aufbewah-
einzelnen wurden von den insgesamt 368 zu Pferd I rungsorten in bezug auf die Werktechnik während un-
gehörenden Fragmenten (im folgenden = 100%) serer Untersuchungen vorerst nur sporadisch beige-
17 Partien mit insgesamt 149 Fragmenten am Körper zogen. So wurde denn auch deutlich, dass die beiden
lokalisiert (40,9%); von den insgesamt 445 dem Pferd Pferde aus dem Augster «Schrottfund» charakteristi-
II zugewiesenen Fragmenten (im folgenden = 100%) sche Unterschiede aufweisen. Deshalb wurde ange-
konnten die restlichen 21 Partien mit insgesamt 170 strebt, den Herstellungsprozess der Pferde soweit wie
Fragmenten (38,2%) sicher lokalisiert werden. möglich anhand der Werkspuren zu rekonstruieren,
die an den lokalisierten Fragmenten und Partien zu
beobachten s i n d . Der abschliessende Vergleich mit
107
105 145 Splitter und kleine Fragmente (15,1%) wurden nicht weiter
differenziert.
106 Beispielsweise Katalog - Pferd I, Partie 4/27; Partie 9/21/29. -
Katalog - Pferd II: Partie 1/2; Partie 6/7.
107 Aus dieser Arbeit resultiert der ausführliche Katalog mit den
Beschreibungen der einzelnen Partien von Pferd I und Pferd II.
Die Gussteilstücke
Wie bei antiken Bronzewerken grösseren Formates Die ursprünglich geplante Zahl der Gussteilstücke,
üblich, bestehen auch die beiden «Augster» Pferde aus aus denen eine Figur schliesslich zusammengesetzt
separat gegossenen Einzelteilen, die hier als Gussteil- werden sollte, sowie deren Format scheint für die An-
stücke (GTS) bezeichnet werden. In der Regel sind wendung der Technik des indirekten Formverfah-
diese in einem separaten Arbeitsgang durch gegossene rens, mit welcher die Wachsmodelle für die einzelnen
Verbindungen zusammengefügt worden. Die Anzahl Gussteilstücke hergestellt wurden, ausschlaggebend
und Ausdehnung der einzelnen Gussteilstücke lassen gewesen zu sein . Deshalb wird die Besprechung der
108
sich mit Hilfe der Gussverbindungen, aber auch an- Gussteilstücke, aus welchen die beiden Pferde jeweils
hand der teilweise offen liegenden Teilstückkanten re- zusammengefügt waren, der Rekonstruktion ihrer
konstruieren. Formtechnik vorangestellt.
Die Anzahl der Pferd I zugewiesenen Fragmente
und der lokalisierten Partien ist gegenüber Pferd II
geringer, und auch die in der Rekonstruktion abge- Die Gussteilstücke von Pferd II (Abb. 37-39)
deckte Fläche am Körper ist kleiner. Dennoch bezeu-
gen die lokalisierten Gussverbindungen, dass allein Den an lokalisierten Partien vorhandenen Gussver-
die nachgewiesene Anzahl der Gussteilstücke von bindungen und gegossenen Teilstückkanten zufolge,
Pferd I mehr als doppelt so hoch ist wie diejenige von 108 Z u den verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten des indirek-
Pferd II (Abb. 29-36). ten Form Verfahrens siehe unten S. 53ff. Die Wachstechnik.
Abb. 37 Pferd II. Die nachgewiesenen Gussteilstücke und die erhaltenen Nähte zwischen den Wachsplatten
(rechte Seitenansicht). M . 1:20.
bestand Pferd II insgesamt aus mindestens zehn sepa- Gussteilstück 1 (Abb. 37-39)
rat gefertigten Gussteilstücken. Davon haben sich sie-
ben Gussteilstücke teilweise erhalten (Tabelle 5). Drei grosse Partien und eine kleine sind massgebend für die Rekon-
struktion des Formates dieses die vordere Hälfte des Rumpfes um-
fassenden Gussteilstückes . Reste von Gussverbindungen an den
109
Partien 1/2 und 6/7 (Abb. 88-89) sowie die jeweils in kurzen A b -
110
Tabelle 5 Pferd II. Die nachgewiesenen Gussteil- und 1 0 belegen, dass die Vorderbeine unterhalb des Ellbogens als
112
Abb. 39 Pferd II. Die nachgewiesenen Gussteilstücke und die erhaltenen Nähte zwischen den Wachsplatten
(Ansicht von unten). M . 1:20.
A b dort zieht die Teilstückkante, identisch mit der Oberkante des unteren Teil des Hinterbeins sprechen, ist anzunehmen, dass es
Balteus, nach hinten zum Widerrist und von dort bis hin zur ovalen wohl in einem Stück hohl gegossen wurde.
Öffnung für den Reiter . Deren vordere Kante muss den seitlichen
116
Wie die beiden in den Partien 23 und 25 erhaltenen Gussverbin- 114 Partie 15: Abb. 331 und 333.
dungen erkennen lassen , setzen die beiden separat gegossenen
119
115 Siehe dazu ausführlich unten S. 106f. Pferd II.
Hinterbeine ( G T S 3.4) jeweils in der Mitte des Unterschenkels an 116 Der Verlauf der Teilstückkante i m Bereich des Widerrists muss
dessen in den R u m p f integrierte, röhrenförmige obere Hälfte an. dem Kantenverlauf beim Pferd des Marc Aurel entsprochen
haben: Vaccaro/Sommella 1989, 215 Abb. 166; Marco Aurelio
1984 Abb. auf Seite 40.
117 In Partie 26, die Bestandteil der Kruppe ist, hat sich der Rest
Gussteilstück 3 (Abb. 38) eines seitlichen Verbindungsgusses erhalten: Abb. 367.
118 Anders bei Pferd I, wo die Hoden ein eigenes Gussteilstück
Das vorgesetzte linke Hinterbein ist lediglich in einem kleinen Stück bilden ( G T S 6). - Beim Pferd des Marc Aurel sind Hoden und
von Partie 23 erhalten. Es befindet sich direkt unterhalb der hori- Schlauch zusammen als separates Gussteilstück gefertigt:
zontalen Gussverbindung in der Mitte des Unterschenkels, die die- Marco Aurelio 1984 Abb. auf Seite 40.
ses Gussteilstück mit dem des rückwärtigen Rumpfes ( G T S 2) ver- 119 Siehe dazu unter Gussteilstück 3 und Gussteilstück 4.
bindet (Abb. 84-85). Analog zum rechten Hinterbein ( G T S 4) war 120 Partie 25: Abb. 360.
wohl auch das linke in einem Stück hohl gegossen. 121 Partie 12/13: Abb. 313 und 315.
Tabelle 6 Pferd I. Die nachgewiesenen Gussteil-
stücke.
E i n Stück aus der rechten Seite des deckelartig auf dem Gussteil-
stück 2 des Rumpfes liegenden Gussteilstückes der Kruppe ist in der GTS 1 Unterseite des Bauches Partie 4/27; Partie 30; Partie 36.
grossen Partie 26 erhalten. Dort, am Rand, befindet sich der Rest GTS 2 Hinterbacken Partie 4/27; Partie 11.
der rechten, von der Schweifwurzel aus horizontal zur Seite führen-
GTS 3 Aussenseite des linken Ober- Partie 4/27.
den Gussverbindung mit dem Gussteilstück 2 des rückwärtigen
schenkels (Rep.)
Rumpfes. Der innerhalb der Verbindung zutage tretenden Teil-
stückkante der Kruppe zufolge, waren die Kanten der beiden Guss- GTS 4 Linker Unterschenkel Partie 4/27.
teilstücke an den Körperseiten an einer Stelle gegenständig abgestuft GTS 5 Obere Hälfte des rechten Partie 4/27.
und auf diese Art ineinander verzahnt . 122
Unterschenkels (Rep.)
GTS 6 Hoden Partie 4/27.
GTS 7 Rechte Keule Partie 3; Partie 8.
Gussteilstück 7 (Abb. 37-38) GTS 8 Vorder- und Unterseite der Partie 9/21/29; Partie 16; Partie
Brust mit Innenseiten beider 17; Partie 22; Partie 30; Partie
Zwei Partien sind an der linken Kopfseite zu lokalisieren. Während Unterarme 36.
Partie 37 vom Oberkopf, und zwar aus der Mitte des Gussteilstük- GTS 9 Rechte Schulter Partie 9/21/29; Partie 16; Partie
kes stammt und keinerlei Anzeichen einer Gussverbindung auf-
weist, ist Partie 24 im Bereich der Kehle und der angrenzenden 22; Partie 36.
linken Ganasche zu lokalisieren. Dort hat sich ein grösseres Stück GTS 10 Linke Schulter Partie 17.
der Teilstückkante erhalten, die, auffällig verbreitert, seitlich ent- GTS 11 Linke Keule Partie 18; Partie 19.
lang der Ganasche nach unten zieht und unterhalb der Kehle nach GTS 12 Untere Hälfte des rechten Partie 28.
vorne biegt . Demzufolge war der K o p f getrennt vom Hals gegos-
123
Unterschenkels
sen, wobei ein unten angrenzender, U-förmiger Abschnitt der Hals-
vorderseite integriert war. GTS 13 Linke Bauchseite Partie 30.
Ob M a u l und Zähne zusammen mit dem K o p f oder aber separat GTS 14 Rechte Bauchseite Partie 3; Partie 36.
gegossen und dann eingesetzt wurden, ist nicht mehr zu entschei- GTS 15 Hals (rechte Halsseite) Partie 38; (E - Inv. 1961.14023).
den .
124
GTS 16 Mähne Partie 38.
GTS 17 Oberkiefer E - Inv. 1961.14023.
GTS 18 Oberlippe E-Inv. 1961.14023.
Nicht belegte Gussteilstücke GTS 19 Unterkiefer E-Inv. 1961.14023.
Die Gussteilstücke von Pferd I (Abb. 40-43) Die an das Gussteilstück des Bauches anstossenden Gussteil-
stücke sind hinten im Schritt die Hinterbacken (GTS 2) sowie davor
an der Innenseite der Hinterbeine die beiden Gussteilstücke der
Die vorgeschlagene Aufteilung von Pferd I in ur- Hinterbeine (links G T S 4; rechts G T S 5); weiterhin zu beiden Kör-
sprünglich mindestens fünfundzwanzig Gussteil- perseiten die Gussteilstücke der Keulen (links G T S 11; rechts
stücke geht von den an lokalisierten Partien erhalte- G T S 7) und der Bauchseiten (links G T S 13; rechts G T S 14) sowie
nen Gussverbindungen aus, die zu einem plausiblen vorne das Gussteilstück der Brust (GTS 8) und der rechten Schulter
(GTS 9).
System von Fugen verlängert wurden, welche von den
angrenzenden Gussteilstücken gebildet werden . D a 126
halten (Tabelle 6). bis oben an die Schweifwurzel. Dort, in Partie 11, ist die i m Ansatz
plastisch ausgeformte Unterseite der Schweifwurzel abgeschnitten,
und an dieser Teilstückkante sind keine Reste einer Gussverbin-
dung erhalten . Deshalb ist zu überlegen, ob die Unterseite nicht
130
Die Ausdehnung der Unterseite des Bauches ist anhand der grossen
Partie 4/27 sowie der beiden kleinen Partien 30 und 36 zu definie- 122 Partie 26: Abb. 367.
ren. Dieses Gussteilstück ist i m vorderen Bereich von Partie 4/27 123 Partie 24: Abb. 353.
zum grossen Teil erhalten; es umschliesst das Gussteilstück 6 der 124 So bei den Pferden von San Marco: Galliazzo 1981, 121 Abb.
Hoden und reicht links von der quer durch den Schritt ziehenden 59.
Gussverbindung (Abb. 99) hinunter bis zur Mitte des Unterschen-
127
125 V g l . etwa den separat gegossenen M ä h n e n k a m m des Pferdes
kels, rechts jedoch lediglich bis auf Höhe des Knies. V o n dort aus von Misenum: Miseno 1987, 26 mit Abb. 19.
verlaufen seine Seitenkanten parallel von der Vorderseite der H i n - 126 Siehe Abb. 40-43.
terbeine quer durch die Leisten nach vorne (Abb. 67), wo die quer 127 Partie 4/27: Abb. 181.
um den Bauch ziehende Gussverbindung in den links und rechts 128 Partie 36: Abb. 268.
lokalisierten Partien 30 (Abb. 94) und 3 6 die Vorderkante mar-
128
129 Partie 4/27: Abb. 181.
kiert. 130 Partie 11: Abb. 210 und 213.
Abb. 40 Pferd I. Die nachgewiesenen Gussteilstücke und die erhaltenen Wachsnähte (rechte Seitenansicht).
M . 1:20.
Abb. 41 Pferd I. Die nachgewiesenen Gussteilstücke und die erhaltenen Wachsnähte (linke Seitenansicht).
M . 1:20.
G T S 13 G T S 14 Gussteilstück 3 (Abb. 41-42)
Abb. 42 Pferd I. Die nachgewiesenen Gussteilstücke Dieses Gussteilstück des linken Hinterbeins ist als ehemalige Par-
tie 27 heute anpassender Bestandteil der Partie 4/27 und stammt
und die erhaltenen Wachsnähte (Rückan- von der Rückseite des linken Unterschenkels. Oben, knapp unter-
sicht). M . 1:20. halb des Ansatzes der Hinterbacken, sind Reste der Gussverbindung
mit dem Gussteilstück 2 der Hinterbacken und dem nachgegossenen
Gussteilstück 3 erhalten. Darüber hinaus war dieses Gussteilstück
mit dem der linken Keule (GTS 11) und dem der Bauchunterseite
(GTS 1) verbunden.
Die Struktur der Innenfläche lässt annehmen, dass Gussteil-
stück 4 hohl gegossen wurde. Dazu kontrastieren oberhalb des
Sprunggelenkes Bearbeitungsspuren, die von Feile und Schaber
stammen, und vermuten lassen, dass hier eine Gussverbindung mit
offen war, und das nicht mehr erhaltene Gussteilstück des Schweifes dem wiederum als separates Gussteilstück gefertigten unteren Teil
aus einer im Querschnitt halbrunden Aussenseite bestanden hat. des linken Hinterbeins anschloss. Zu derselben Schlussfolgerung
Dieses war dann seitlich mit jeweils einem Verbindungsguss an der führen vergleichbare Bearbeitungsspuren oberhalb des rechten
Schweifwurzel mit dem Gussteilstück der Hinterbacken (Abb. 97) Sprunggelenkes, die an der Innenseite von Partie 28 (GTS 12) zu
und oben eventuell mit einem weiteren Verbindungsguss mit der beobachten sind.
Kruppe verbunden . 131
Abb. 43 Pferd I. Die nachgewiesenen Gussteilstücke und die erhaltenen Wachsnähte (Ansicht von unten).
M . 1:20.
G T S 14 GTS 7
Gussteilstück 5 (Abb. 40; 42-43) des linken aufgestellten Vorderbeins anzunehmen, dessen Innen-
seite demzufolge ebenfalls Bestandteil des Gussteilstückes der Brust
war; seine Aussenseite hingegen muss zum Gussteilstück dieser
Das Gussteilstück der oberen Hälfte des rechten Unterschenkels ist
Schulter gehört haben. Demnach verliefen die beiden seitlichen
Bestandteil der grossen Partie 4/27. Erhalten ist die Innenseite von
Teilstückkanten des Gussteilstückes 8 parallel, was auch die drei am
der bogenförmig angeschnittenen Leiste bis hinunter auf die Mitte
Halsansatz lokalisierten Partien bestätigen , wo die anstossenden
143
stück 8 der Vorder- und Unterseite der Brust war, seine Aussenseite
hingegen mit dem Gussteilstück 9 der rechten Schulter zusammen
Als Bestandteil von Partie 4/27 ist der linke Hoden nahezu komplett
gegossen wurde. A n welcher Stelle des Unterarmes der mit Sicher-
und der rechte in einem nicht anpassenden Fragment erhalten. Die
heit separat gegossene untere Teil des Vorderbeins ansetzte, ist nicht
Oberkante aller Fragmente ist eine i m Wachs sorgfältig abgestri-
mehr festzustellen.
chene und beidseitig verbreiterte K a n t e , was die Hoden als sepa-
136
teilstückes 10 der linken Schulter, die Innenseite hingegen in das Die Einheit von Bauchseite und linker Hälfte der Kruppe wird
Gussteilstück 8 der Brust integriert war. Die das linke Vorderbein in analog Partie 3, die dem Gussteilstück 14 der rechten Bauchseite
der Mitte teilende Fuge endete dahinter an der quer über den Bauch zugewiesen ist, angenommen . 158
anzunehmen, dass sie bis an die Kante der Rückenöffnung für den kiert die vordere, im 45°-Winkel nach hinten geneigte Teilstück-
Reiter reichte, die zum wahrscheinlich offenen Widerrist führte. kante von Gussteilstück 7, der rechten Keule, seine rückwärtige, vor
dem K n i e verlaufende T e i l s t ü c k k a n t e .
160
Ein Teil der Kruppe hat sich in Partie 3 erhalten, zusammen mit
einem Verbindungsguss zwischen zwei Gussteilstücken, deren je-
weils um 135° abgewinkelte Kanten über Eck ineinander geschoben
Gussteilstück 11 (Abb. 41-43)
s i n d . Der Verlauf dieser Fuge ist, zusammen mit der durch die
161
Fuge schliesst aus, dass die Kruppe als separates Gussteilstück gefer-
Bereich des Hüftgelenkes lokalisierten Partie 18 fort und verläuft,
152
tigt worden ist. Daraus folgt, dass die Trennung zwischen linker und
entsprechend der Ausrichtung dieser Partie nach dem Ansatz der rechter Körperseite längs des Rückens angenommen werden muss.
Keule, schräg nach hinten. Unten, in Partie 19, trifft die vordere
Teilstückkante in einem Winkel von 45° auf einen mit Flicken
durchsetzten Bereich, welcher die horizontale Gussverbindung mit
dem Gussteilstück 1 der Bauchunterseite' anzeigt . 153
Gussteilstück 15 (Abb. 40)
Der übereinstimmende schräge Verlauf der vorderen Teilstück-
kante an beiden Gussteilstücken der Keulen (GTS 7 und 11) erlaubt Zusammen mit dem angrenzenden Gussteilstück 16 ist dieses Guss-
es, die nicht erhaltene Oberkante des linken Gussteilstückes analog teilstück in der am rechtsseitigen Halsansatz lokalisierten Partie 38
zum rechten, in Partie 3 belegten , ebenfalls horizontal zu rekon-
154
Die rückwärtige Kante der linken Keule grenzt an das schmale ist, dass der einteilige Balteus als unterer Abschluss zusammen mit
Gussteilstück 3, welches als partieller Nachguss von Gussteilstück 2 den Gussteilstücken des Halses gegossen und bei dessen Montage
angesprochen w i r d . D a seine H ö h e nicht mehr ermittelt werden
155
über die Teilstückkante der Gussteilstücke 8-10 geschoben
kann, ist eine ursprünglich sicher vorgesehene seitliche Verbindung wurde . 163
tie 11 (GTS 2) vorliegt, erscheint es möglich, dass der Schweif ledig- In diesem Falle passte sich der Gusskern der Form
lich aus einer i m Querschnitt sichelförmigen Aussenseite bestand .172
Die Wachstechnik
Zum Problem der Definition von direkter drückt werden. Das auf diese Weise entstandene
bzw. indirekter Formtechnik 181
Gussmodell wurde nach Entfernen der Kappe und
der Teilformen mit Gusston ummantelt. Der Vorteil
A n der nach dem Guss nur an wenigen Stellen überar- des beschriebenen Verfahrens liegt darin, dass sowohl
beiteten Innenfläche der Wandung von Pferd II haben das originale Urmodell als auch die davon abgenom-
sich zahlreiche Spuren erhalten, die eindeutig von der mene Negativform erhalten blieb, was i m Falle eines
Arbeit mit dem weichen und zum Teil auch verflüs- misslungenen Gusses eine Wiederholung ermög-
sigten Werkstoff Wachs stammen. D a sie an der In- lichte.
nenfläche der Bronzewandung im Positiv erscheinen, Die Methode der Herstellung eines Gussmodells
müssen sie sich nach Ausschmelzen des Wachses aus unter Verwendung einer Negativform wird als indi-
der Gussform an der Oberfläche des Gusskerns i m rekte Formtechnik bezeichnet und als gegensätzliches
Negativ niedergeschlagen haben. Dies ist jedoch nur Verfahren zur sog. direkten Formtechnik aufge-
möglich, wenn die Wachsmodelle für die Gussteil- fasst . Eine präzise Abgrenzung dieser beiden Ver-
184
Lüer 1902, 34ff; Haynes 1992, 27. - Zur Herstellung des Guss-
Für die Herstellung des Gussmodells wurde zuerst modells: Kluge/Lehmann-Hartleben I, 98ff.
eine die Oberfläche des Urmodells nachbildende 184 Kluge/Lehmann-Hartleben I, 103 unter II; Formigli 1981, 16f;
Bol 1985, 119ff.; Haynes 1992, 24ff; Formigli 1994, 763. -
Wachsschicht eingeformt; anschliessend konnte der
Zuletzt bei F. Willer, Zur Herstellungstechnik der Herme. In:
Ton für den Gusskern in die fertig ausgekleidete Ne- Mahdia 2, 959. - A u f die Schwierigkeit der Definition verweist:
gativform flüssig eingegossen bzw. noch weich einge- C. Rolley, Die Griechischen Bronzen (München 1984) 29f.
Abb. 44 A : Aufbau einer Teilnegativform für die Ausformung des Wachsmodells am Beispiel von Gussteil-
stück 1 für Pferd II. - B: Aufteilung von Pferd II in Wachsmodelle, die dem Format der Gussteilstücke
entsprechen.
fahren i m Sinne einer Definition erweist sich aller- Eine Methode zur Herstellung des Gussmodells mit
dings dann als schwierig, wenn der grundlegende Hilfe einer Negativform, bei dem der Gusskern zuerst
Unterschied in der Frage nach Original und Repro- und die Wachshaut erst anschliessend hergestellt
duktion gesehen wird und in diesem Zusammenhang wird, beschreibt Benvenuto Cellini (1500-1571) . 190
die Reihenfolge der Herstellung von Gusskern und «Du nimmst ein Stück Holz und schnitzest mit einem Stecheisen
Wachshaut eine entscheidende Rolle spielt: Als eine quadratische Vertiefung von der Grösse etwa einer Handfläche
und der Tiefe eines starken Messerrückens hinein, tiefer oder seich-
Kennzeichen der direkten Formtechnik wird nämlich ter, je nach der Wandstärke, die deine Figur erhalten soll. In dieses
angenommen, dass prinzipiell zuerst ein Gusskern Holzmodel presst du den Teig Stück um Stück und legst ihn in die
aufzubauen ist, recht präzis die Form des zu giessen- Gipsmulden (Negativformen) deiner Figur so, dass jeder solche
den Objektes vorwegnehmend und in Umfang und Lappen den anderen berührt. Sind dann die Formen von oben bis
unten gefüllt, legst du sie Seite an Seite ausgestreckt zu Boden und
Grösse lediglich um die vorgesehene Dicke der späte- fertigst eine Armatur aus Eisen als Gerippe deiner Figur. Diese A r -
ren Bronzewandung reduziert. In einem zweiten matur soll je nach der Richtung der Beine, Arme, des Torsos und
Schritt wird das für den Guss auszuschmelzende Kopfes deines Modells gebogen sein. Dies gemacht, nimmst du
Wachs als äussere Schicht frei Hand auf den Kern Lehm mit Scherwolle gemischt, feinen mageren Lehm von dem, den
ich vordem erwähnt habe, und legst ihn nach und nach um das
modelliert, so dass das auf diese Weise fertiggestellte Gerippe, ihn mit Weile geduldig trocknen lassend oder auch vors
Gussmodell für ein zu giessendes Objekt zugleich mit Feuer haltend, bis dass die ganze Form ausgefüllt ist. Prüfe die
dessen schöpferischem Original gleichzusetzen ist, Arbeit immer wieder, mit Sorgfalt die beiden Formhälften aufeinan-
das anschliessend beim Guss zerstört wird. Aus dieser derlegend. Wenn nun dies Gerüst aus Eisen und Erde, genannt der
Kern, die Form gebührend ausfüllt, indem es die <lasagna> überall
Perspektive heraus stellt ein Gussmodell, das mit der berührt, nimmst du ihn heraus, umwindest ihn von K o p f bis Fuss
indirekten Formtechnik hergestellt wird, lediglich die mit d ü n n e m Eisendraht und erhitzest ihn, bis er gut gebrannt ist.
Reproduktion eines eventuell aus einem anderen Jetzt bestreichst du ihn noch mit einer Mischung aus pulverisierten
Werkstoff als Bronze gefertigten Originals dar, weil es Knochen, fein zerriebenem Ziegelmehl, vermengt mit etwas Lehm
und Scherwolle, und brennst ihn in einem eher schwachen Feuer
«nur» die Ausformung der davon abgenommenen Ne- nochmals, so dass auch diese Schicht gebrannt sei; und jetzt ent-
gativform ist. nimmst du der Form den Teig. Ich muss dich noch auf etwas auf-
Ein reproduzierendes Herstellungsverfahren für merksam machen: lass an mindestens vier Stellen Enden des Eisen-
gerüstes vom Kern vorstehen, die diesen zu tragen vermögen und
Gussmodelle mit Hilfe von Negativformen birgt
verhindern, dass er sich verschiebt, und die so angelegt sind, dass sie
neben dem wichtigsten Aspekt, der für das Original auf der Aussenform aufliegen. ... Jetzt machst du die Eingusslöcher,
gefahrlosen Herstellung des Gusses, nämlich auch die durch die du das Wachs einzugiessen gedenkst, verschliesst den
Möglichkeit in sich, ein Original als Serie zu verviel- Kern in die Form und stellst diese senkrecht auf und versiehst sie
noch mit mindestens vier Luftlöchern, zwei an den Füssen, zwei an
fältigen. Diese Vorstellung scheint jedoch der für ein
den H ä n d e n . Je mehr du anbringst, je sicherer bist du, deine Figur
Kunstwerk zu fordernden Einmaligkeit eines schöpfe- mit Wachs füllen zu können.... Nach alldem kannst du jetzt kühn zu
rischen Originals entgegenzustehen . Das Problem,
185
Werke gehen, dein gut geschmolzenes heisses Wachs einzugiessen
die beiden genannten Formtechniken zu definieren, und sicher sein, dass auch die heikelste Haltung deiner Figur, dank
besteht also darin, dass die Frage nach der Herstel-
lungstechnik mit der Frage nach Original bzw. Serien-
produkt verknüpft ist . 186
reich des Gesichtes zeigt sich, dass der Kern um eine Über die Art der vom Urmodell einer zu giessen-
die Schädeldecke durchstossende Mittelachse ge- den Figur abgenommenen Negativform können nur
formt war und schon in seinem inneren, gröber gema- Vermutungen angestellt werden, da antike Negativ-
gerten Teil, und erst recht in seiner äusseren Schicht, formen für lebensgrosse Statuen bislang nicht be-
den Aussenumriss des fertigen Kopfes vorwegnimmt.
Allerdings liegt er innerhalb des Kopfes verschoben,
nämlich i m Profil nach hinten gekippt, so dass sein
K i n n an das Kinngrübchen stösst und sein M u n d und
seine Nase höher liegen, und in der Aufsicht ist er
leicht nach rechts geneigt, indem die Nasenspitze zur
rechten Seite der Nasenwand zeigt. Verschiebt man
den Kern leicht nach unten und zur Mitte hin, so
entsprechen sich nicht nur alle Gesichtsteile von
Kern und Wandung in ihrer Lage, sondern auch die
starken Differenzen in der Wandungsdicke sind ge-
mildert . Daraus ist ersichtlich, dass die Differenzen
192 191 W . D . Heilmeyer, Der Bronzekopf von Kythera. Neue Be-
schreibung. In: Wien 1988, 57-65. Zuletzt bei Heilmeyer (wie
zwischen Kern und Aussenfläche der Bronzehaut A n m . 186) 270f. - Z u m Untersuchungsverfahren: J. Goebbels,
kein Resultat eines nachträglichen, die vom Kern vor- H . Heidt, A . Kettschau, P. Reimers, Fortgeschrittene Durch-
gegebene Form verändernden Wachsauftrages sein strahlungstechniken zur Dokumentation antiker Bronzen. In:
können, sondern das Ergebnis einer Verschiebung des H . Born (Hrsg.), Archäologische Bronzen. Antike Kunst, mo-
derne Technik (Berlin 1985) 126-131. - Bezweifelt von C. C.
Gusskerns sind, der nach Massgabe einer Negativ- Mattusch, The Earliest Greek Bronze Statues and the Lost Wax
form aufgebaut wurde. Dies konnte geschehen, wenn Process. In: Wien 1988, 192: «The lost wax process was used for
die in der Schädeldecke verankerte Mittelachse des all of these early bronzes, whether the direct or indirect version
Kerns in der weiten Halsöffnung der Form vor dem cannot be immediately established by the physical evidence.
The early castings tend to be heavy, with thick, uneven walls.
Eingiessen des flüssigen Wachses nicht korrekt ju- Finished edges at the neck support the evidence of the Agora
stiert worden ist . 193
kouros mold that, as a rule, even the earliest statues were cast in
pièces.» Ebenfalls in Zweifel gezogen von Haynes 1992, 38 und
Bislang existieren keine Anhaltspunkte, die es er-
bes. A n m . 23.
möglichen zu entscheiden, ob das indirekte Verfahren 192 Eine einfache Methode dies nachzuprüfen ist, den Umriss des
mit frei aufgebautem Kern gleichzeitig wie die M e - Kerns abzupausen und ihn innerhalb des Konturs des Kopfes
thode mit sekundär eingebrachtem Kern praktiziert zum jetzigen Zustand leicht versetzt zu projizieren.
wurde oder ob es nur eine technische Vorstufe dersel- 193 In diesem Zusammenhang ist zu fragen, ob die direkte Form-
technik überhaupt je für den Guss von Grossbronzen angewen-
ben darstellt. Die Ausführungen verdeutlichen je- det worden ist; in diesem Sinne auch Formigli 1981, 20 mit
doch, dass der Terminus «indirekte Formtechnik» als A n m . 16.
Überbegriff gelten muss, im Sinne einer reproduzie- 194 Formigli beschreibt anhand von Statuenfragmenten des 5. Jh.
renden Modelltechnik unter Verwendung einer Nega- v.Chr. eine «Variante» der indirekten Formtechnik, bei der
man nach Einbringen des Kernmaterials in die geschlossene
tiv form . Das i m Einzelfall angewandte Verfahren
19 A
Massgabe der Wölbungen und Unterschneidungen Wachsteilstücke sind der Länge nach und zum Rand
des zu formenden Modells festgelegte Körperab- der Teilnegativform rechtwinklig eingepasst, so dass
schnitte abdeckten. Nachdem das Einformen des die Nähte i m rechten Winkel zu den gegossenen Teil-
Wachses abgeschlossen und der Kern eingebracht stückkanten stehen.
war, wurde zuerst die Kappe entfernt und sodann die
Teilformen einzeln, Stück für Stück, vom Modell ab- Einformen durch Einpinseln : Kleinteilig struktu-
201
gehoben. Je nach Grösse oder Aufbau des abgeform- rierte Oberflächen wie Hautfalten (GTS 1), Schweif-
ten Modells und um das Entfernen der Form ohne haar (GTS 5) oder der Balteus korrespondieren mit
Risiko bewerkstelligen zu können, war eine die ge- einem grossflächigen Aufkommen von Pinselspuren
samte Figur beinhaltende Negativform in zwei oder an der Innenfläche der Wandung. D a sich dort das
mehr Teilnegativformen aufgeteilt, die ihrerseits Relief der Aussenseite i m Negativ deutlich wieder-
wiederum aus zwei Schalenhälften bestehen konnten
(Abb. 44) . 201
holt, ist anzunehmen, dass auf den einzuformenden reich erhärtet war, um den Rest des flüssigen Wachses
Bereich flüssiges Wachs gegossen wurde, das mit wieder auszugiessen.
Hilfe von groben Pinseln verteilt wurde (Abb. 47) .208
M i t Hilfe von flüssig eingegossenem Wachs wurden
auch schwer zugängliche Nähte zwischen Wachsteilen
Einformen durch Ausschwenken : Laufspuren und
109
schichtig übereinander verlaufenes Wachs sind inner- 208 Partie 1/2: Abb. 278. - Partie 10: Abb. 305. - Partie 12/13: Abb.
halb der Unterschenkel (GTS 2) und der Schweifwur- 311. - Partie 31: Abb. 324. - Partie 32: Abb. 325. - Partie 15:
zel (GTS 5) auszumachen . Demzufolge wurden vor
210
Abb. 334.
209 V g l . dazu Pomponius Gauricus 233; Kluge/Lehmann-Hart-
allem die engen oder röhrenförmigen Bereiche einge- leben I, 100; Lahusen/Formigli 1988, 42 und A n m . 54.
formt, indem man flüssiges Wachs in eine Formhälfte 210 Partie 12/13: Abb. 310 und 312. - Zum charakteristischen Er-
eingoss und wartete bis das Wachs im Wandungsbe- scheinungsbild: Kluge/Lehmann-Hartleben I, 93.
Abb. 47 Pferd II, Partie 1/2 (Gussteilstück 1), Inv. Abb . 48 Pferd II, Partie 25 (Gussteilstück 4), Inv.
1961.2940a (Innenfläche). Spuren von flüs- 1961.2182/2159 (Innenfläche). M i t flüssig
sig eingegossenem und mit dem Pinsel ver- eingegossenem, in Schichten erstarrtem
teiltem Wachs in den Hautfalten des linken Wachs geschlossene Naht zwischen der In-
Vorderbeins. M . 1:1. nen- und der Aussenseite des rechten
Unterschenkels. M . 1:1.
geschlossen, die in zwei getrennten Formschalenhälf- darüber hinaus jedoch an der Schnittfläche feine
ten ausgeformt worden waren (Abb. 48) . 211
Zähne auf. Die beim Abziehen der Innenflächen ent-
standenen Wachskrümel blieben teilweise auf der
Egalisieren der Wandstärke: V o n der Abarbeitung der Wandung haften und wurden in Bronze ausgegossen
Wachswandung stammen die kreuz und quer gerich- (Abb. 50) . 214
teten Bündel parallel laufender Rillen an der Innen- Auffallend ist, dass die Partien von der Unterseite
fläche von nahezu allen Partien, die je nach Ansatz- des Rumpfes durchgehend eine stärkere Wandungs-
winkel des benutzten Werkzeugs unterschiedlich tief
sein können und abrupt abbrechen . D a sie sowohl
212
(GTS 7) eine genügend breite Auflagefläche auf dem Unterschenkels befindet sich ebenfalls eine senkrechte Naht zwi-
schen der Aussen- und der Innenseite des Beins, die mit Hilfe von
Hals zu geben, wurde die Kante an den abgerundeten eingegossenem Wachs bewerkstelligt wurde (Abb. 48). Einer zwei-
Ecken bis auf 10 Millimeter verdickt und nach innen ten, horizontal über die Innenseite ziehenden, mit Spachtelspuren
schräg abgestrichen (Abb. 51). versehenen Wachsnaht zufolge wurden die Beinseiten in zwei A b -
schnitten geformt: der untere aus flüssig eingegossenem und mit
dem Pinsel verteiltem Wachs, der obere bis zur Teilstückkante hin-
gegen aus Wachsplatten .237
Gussteilstücke (Abb. 37-39) negativform getrennt voneinander ausgeformt worden sein, wobei
die ausgezackten Seitenkanten des Schweifs Bestandteil der Form-
Gussteilstück 1 - Vorderer Rumpf {Abb. 37-39): A n diesem Gussteil- schale für die Rückseite waren. Das Wachs wurde in beiden Fällen
stück, das in vier grossen Partien und einer kleineren Partie vorliegt, flüssig aufgegossen und mit dem Pinsel verteilt. U m die beiden
ist das planvolle Vorgehen bei der Einformung des Wachsmodells Wachsteile passgerecht miteinander zu verbinden, muss die Schale
nachzuvollziehen . Demnach begann man am oberen, halbrund
220
der Rückseite des Schweifs quasi wie ein Deckel aufgelegt worden
ausgeschnittenen Rand des Halsansatzes mit dem senkrechten Ein- sein. Die vor der ausgezackten Kante an der Vorderseite befind-
formen der mittleren Wachsplatte für die trapezförmige Brustvor- lichen Anschlussstellen kennzeichnen Quetschnähte, die zusätzlich
derseite (Abb. 46) , welche sich zu den Vorderbeinen hin von
221
38 Zentimeter auf 50 Zentimeter verbreiterte. Im Bereich der Bie- send, wahrscheinlich erst nachdem der Kern in den senkrechten Teil
gung zwischen Front und Körperseite schloss links eine schmale des Schweifs eingebracht worden war, wurde die i m Querschnitt
hochrechteckige Wachsplatte an, deren seitliche Kante in Verlänge- runde Schweifwurzel mit Hilfe von flüssig eingefülltem Wachs ge-
rung der linken Achsel nach oben, bis hoch an den Halsansatz formt . Die Naht zwischen den in verschiedenen Techniken einge-
240
D a r ü b e r hinaus besteht die linke und die rechte Seite des Vorder-
körpers jeweils aus zwei verschieden grossen Wachsplatten, deren
horizontale Naht in der Mitte der Körperseite bis unter die Öffnung
für den Reiter verläuft . Die Oberkante zieht jeweils entlang der
225
ten der Brustseiten, von der Kante am Bauchansatz der Länge nach
eingepasst, und treffen zwischen den Beinen auf die mittlere Wachs-
platte der Brustvorderseite . Wie diese sind sie entlang der Achsel
228
218 Partie 1/2: Abb. 276. - Partie 10: Abb. 305. - Partie 15: Abb.
ausgeschnitten und in einer kräftigen Wachsnaht mit der Unterseite 331. - Zur Charakterisierung einer vom Modellierholz gebilde-
des Ellbogens verbunden. ten Kante: Kluge/Lehmann-Hartleben I, 93.
Die gestauchten, dicht um die angewinkelten Vorderbeine ziehen- 219 So i m Bereich der rechten Naht zwischen der mittleren und der
den Hautfalten sind ebenso wie der Balteus mit flüssig eingegosse- rechten Wachsplatte der Brust: Partie 1/2 (Abb. 277).
nem, stellenweise mit dem Pinsel verteiltem Wachs eingeformt wor- 220 Partie 1/2, Partie 6/7, Partie 15, Partie 20 sowie Partie 10.
den .
229
221 Partie 1/2: Abb. 276 (Wachsnaht oben links).