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Bügelfibel von Nordendorf

Die Bügelfibel von Nordendorf ist die allgemeine Bezeichnung von zwei
germanischen Gewandspangen von der Mitte bis zur zweiten Hälfte des 6.
Jahrhunderts.[1] Sie wurden 1843 (Nordendorf I) und 1844 (Nordendorf II) bei
Nordendorf in Bayern gefunden. Für die Herkunft der Fibeln wird ein
alamannischer Hintergrund vermutet.

Bei der Runeninschrift auf der Rückseite der Fibel handelt es sich um die
früheste bekannte Nennung der germanischen Gottheiten Wodan und Donar.[2]

Inhaltsverzeichnis
Nordendorf I
Auffindung und Beschreibung
Inschrift und Deutung
Nordendorf II
Literatur
Die Schauseite der Bügelfibel von
Weblinks
Nordendorf I
Anmerkungen

Nordendorf I

Auffindung und Beschreibung


Die Fibel stammt wahrscheinlich aus einem Frauengrab, welches Teil eines 448
Bestattungen umfassenden Reihengräberfeldes war. Genaueres wurde bei den
Ausgrabungen nicht oder nur unzulänglich dokumentiert. Die Gräber lassen auf
fränkische, alemannische und langobardische Besiedlung schließen. Die
Siedlung in der Nähe des Gräberfeldes gewann ihren Wohlstand durch ihre
unmittelbare Lage an der Via Claudia Augusta, der wichtigsten Straße nach
Italien in der Antike.

Inschrift und Deutung


Bügelfibel Nordendorf II
Die rechtsläufige, zweizeilige Inschrift im älteren Futhark ist auf der Rückseite
der Kopfplatte angebracht und ist klar lesbar als:

1. ᛚᛟᚷᚨᚦᛟᚱᛖ ᚹᛟᛞᚨᚾ ᚹᛁᚷᛁᚦᛟᚾᚨᚱ


logaþore wodan wigiþonar
2. ᚨᚹᚨ ᛚᛖᚢᛒᚹᛁᚾᛁ
awa (l)eubwini
Zeile A

Die erste Zeile bot seit der Entdeckung der Fibel den meisten Anlass zur
Diskussion. Die Wörter wodan und wigiþonar wurden und werden einstimmig
als die Götternamen von Wodan und Donar angesehen. Donar ist dabei entweder
als Weihe-Donar (mit wigi- zu germ. *wīgian 'weihen') oder als Kampf-Donar
(mit wigi- zu germ. *wīgan 'kämpfen') aufzufassen. Dazu stellte man einen
dritten Gott – logaþore, den einige Forscher als den nordischen Loðurr bzw. Runeninschrift
Loki identifizieren. Die dreifache Nennung von Göttern (Trias) kommt im
germanischen Heidentum wie auch in anderen Kulturkreisen sehr häufig vor.

Klaus Düwel deutet logaþore als „arglistig“ oder „Zauberer“. Diese Deutung resultierte aus dem Fund zweier altenglischer
Glossen in denen die lateinischen Wörter cacomicanos und marsius mit logþer und logeþer übersetzt worden waren. Die
Bedeutung der Inschrift würde sich damit von der heidnischen Göttertrias zur christlichen Aussage „Zauberer (oder: lügnerisch)
[sind] Wodan und Weihe-Donar“ wandeln.[3]

Gegen diese Deutung werden unter anderen durch Edgar C. Polomé weiterhin Argumente angeführt:[4]

linguistisch ist das -e in logaþore ungewöhnlich


stilistisch passt eine Göttertrias besser
historisch ist die Mitte des 6. Jahrhunderts zu früh für eine christliche Runeninschrift
zu erwartende, beziehungsweise fehlende christliche Symbolik
mythologisch lässt sich zwar Odin aber nicht Thor als Zauberer bezeichnen
spricht die stabende Langzeile durch den Beinamen („Prunknamen“) Donars gegen eine Abschwörungsformel
Zu den Experten, die logaþore als Loki deuten, gehören Dieter Geuenich[5], Willy Krogmann[6], Heinz Klingenberg und Stephan
Opitz[7].

Englische Glossen übersetzen lateinisch marsius/marsi auch als wyrmgalera (Schlangenzauberer) was wiederum ein Hinweis auf
Loki und die Göttertrias wäre. Sogar eine Verwechselung von Marsius mit dem Gott Mars und damit Tyr wäre möglich.[8] Tyr
würde von allen Göttern am besten in eine Göttertrias passen.

Zeile B

Bei der zweiten Zeile der Fibel handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um die Personennamen Awa (Diminutiv zu Awila) und
Leubwini (Lieb-Freund). Die L-Rune am Anfang des Wortes wird jedoch angenommen da sie so gut wie abgerieben ist.

Nordendorf II
Im selben Gräberfeld wurde 1844 noch eine weitere feuervergoldete Fibel aus Silber mit einer Runeninschrift gefunden. Die
Inschrift ist einzeilig ausgelegt und wurde auf der Rückseite der halbrunden Kopfplatte angebracht.

(ᛒ/ᚨ)ᛁᚱᛚ(?)ᛁᛟᛖᛚ(?)
(b/a)irl(?)ioel(?)

Eine klare Deutung der Inschrift ist bedingt durch Sonderzeichen/Runen für den Korpus der südgermanischen Runeninschriften
(Positionen 5, 10), sowie die Lesung der Rune Nr. 1 als b- oder a-Rune, bisher nicht erfolgt. Ute Schwab deutete die für das
Germanische ungewöhnliche und unbelegte Vokalreihe ioe als eine mögliche Wiedergabe synkretischer, magischer
Verbalisationen des hebräischen Theonyms Jehova/Jahwe nach der griechischen Form Ιαώ (und Varianten) aus den sogenannten
spätantiken „Zauberpapyri“.
Literatur
Klaus Düwel: Runenkunde. 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage,
Stuttgart 2008, ISBN 978-3-476-14072-2
Wolfgang Krause, Herbert Jankuhn: Die Runeninschriften im älteren
Futhark. (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in
Göttingen, Philosophisch-Historische Klasse; Folge 3, Nr. 65,1 (Text),
Nr. 65,2 (Tafeln)). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1966.
Tineke Looijenga: Runes around the North Sea and on the Continent Darstellung der Inschrift des
AD 150-700. S. 144–145. (Vollversion (http://irs.ub.rug.nl/ppn/1638957
ausgehenden 19. Jahrhunderts in
91))
der Lesung mit den heute als
Robert Nedoma: Personennamen in den südgermanischen
Runeninschriften. Studien zur altgermanischen Namenkunde I, 1, 1. (= unsicher geltenden Runen als
Indogermanische Bibliothek. 3. Reihe: Untersuchungen). birlnioelk (G. Stephens: Handbook
Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2002, ISBN 978-3-8253-1646-4. of the Old-Northern Runic
Ute Schwab: Runen der Merowingerzeit als Quelle für das Weiterleben Monuments of Scandinavia and
der spätantiken christlichen und nichtchristlichen Schriftmagie? In: England. 1884)
Klaus Düwel, Sean Nowak (Hrsg.): Runeninschriften als Quellen
interdisziplinärer Forschung. (= Reallexikon der Germanischen
Altertumskunde – Ergänzungsbände, 15). Walter de Gruyter,
Berlin/New York 1998, ISBN 3-11-015455-2, S. 376–433.
Marcus Trier, Klaus Düwel: Nordendorf. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage.
Band 21, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017272-0, S. 273–277.
Norbert Wagner: Zu den Runeninschriften von Pforzen und Nordendorf. In: Historische Sprachforschung 108
(1995), S. 104–112.
Michelle Waldispühl: Schreibpraktiken und Schriftwissen in südgermanischen Runeninschriften. Zur
Funktionalität epigraphischer Schriftverwendung. Chronos Verlag, Zürich 2013, ISBN 978-3-0340-1026-9.

Weblinks
Runenprojekt der Universität Kiel:

Steckbrief Nordendorf I (http://www.runenprojekt.uni-kiel.de/abfragen/steckbrief2.asp?findno=153&AFB=N)


Deutungen Nordendorf I (http://www.runenprojekt.uni-kiel.de/abfragen/deutung2.asp?findno=153&ort=Norden
dorf&objekt=B%FCgelfibel+I&AFB=N)
Steckbrief Nordendorf II (http://www.runenprojekt.uni-kiel.de/abfragen/steckbrief2.asp?findno=154&AFB=N)
Deutungen Nordendorf II (http://www.runenprojekt.uni-kiel.de/abfragen/deutung2.asp?findno=154&ort=Norde
ndorf&objekt=B%FCgelfibel+II&AFB=N)

Anmerkungen
1. Archäologische Datierung für Nordendorf 1 gemäß Klaus Düwel: Runenkunde. 4., überarbeitete und aktualisierte
Auflage, Stuttgart 2008, S. 63; das Runenprojekt der Universität Kiel gibt für Nordendorf I 540 - 590 (http://www.r
unenprojekt.uni-kiel.de/abfragen/steckbrief2.asp?findno=153&AFB=N) und für Nordendorf II Mitte/zweite Hälfte
des 6. Jahrhunderts (http://www.runenprojekt.uni-kiel.de/datenbank/archaeologie/154.htm) als archäologische
Datierung an.
2. Lisbeth Bredholt Christensen, Olav Hammer, David Warburton: The Handbook of Religions in Ancient Europe.
Routledge, 2014, ISBN 978-1-317-54453-1 (eingeschränkte Vorschau (https://books.google.de/books?id=rl5_BA
AAQBAJ&pg=PA300#v=onepage) in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. April 2019]).
3. Düwel, Klaus: Runenkunde. 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Stuttgart 2008, SS. 63–64
4. Edgar C. Polomé: Essays on Germanic Religion. (= Journal of Indo-European Studies Monograph Series, Band
6). Washington/DC 1989, ISBN 0-941694-34-8, S. 140 ff.
5. Dieter Geuenich: Die Geschichte der Alemannen. 2. Auflage. W. Kohlhammer, Stuttgart 2005, ISBN 3-17-
018227-7, S. 112.
6. Jens Bahr: Wortmaterial der Inschriften nach Wortklassen. (http://www.runenprojekt.uni-kiel.de/abfragen/wortmat
erial3.asp?wklasse=ADJ&wordno=492) Abgerufen am 1. Dezember 2018.
7. Jens Bahr: Wortmaterial der Inschriften nach Wortklassen. (http://www.runenprojekt.uni-kiel.de/abfragen/wortmat
erial3.asp?wklasse=ADJ&wordno=492) Abgerufen am 1. Dezember 2018.
8. Tineke Looijenga: Runes around the North Sea and on the Continent AD 150-700. S. 145.

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Diese Seite wurde zuletzt am 3. Juni 2019 um 20:44 Uhr bearbeitet.

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