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Aufgabe 1
Heimat
Lesen Sie den Artikel Die Veränderung des Heimatbegriffs: vom mittelalterlichen Heimatrecht bis
zum Designerschick von Elisabeth Turek aus der Zeitschrift polis aktuell 4/2010 (Textbeilage 1).
Verfassen Sie nun die Meinungsrede und bearbeiten Sie dabei die folgenden Arbeitsaufträge:
■ Geben Sie kurz die Veränderung des Heimatbegriffs im Laufe der Geschichte wieder, wie in
der Textbeilage dargelegt.
■ Vergleichen Sie Ihren eigenen Heimatbegriff mit von Ihnen ausgewählten Vorstellungen von
Heimat, die im Text angeführt werden.
■ Nehmen Sie Stellung dazu, wie viel Heimat wir in unserer globalisierten Welt brauchen. Be-
rücksichtigen Sie dabei auch den Titel Ihrer Rede.
Schreiben Sie zwischen 540 und 660 Wörter. Markieren Sie Absätze mittels Leerzeilen.
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9. Jänner 2019 / Deutsch S. 2/3
an eine neue Heimat zu einer oder Heimat“ übersetzt werden? Arti- Von Heimat-Krimiserien im
gar zu DER zentralen Frage. Hei- kel 14 und 15 der Allgemeinen Fernsehen bis zu Magazinen
mat erhält in diesem Zusammen- Erklärung der Menschenrechte und Heimat-Designerläden –
hang nicht nur eine emotionale von 1948 betreffen Fragen von „authentisch und lebensnah“ soll
Färbung, sondern sie hat auch Staatsangehörigkeit und Asyl. An es sein, selbstbewusst, heiter und
einen politischen und rechtlichen konkreten und aktuellen Beispie- entspannt, gewürzt mit Ironie
Gehalt. len von Flüchtlingen, die an Mau- statt Rustikalkitsch. Das Regio-
ern und Staatsgrenzen scheitern, nale mit seinen besonderen Qua-
Ein wesentlicher Punkt ist in die- mangelt es jedenfalls nicht. […] litäten, z. B. lokalen kulinarischen
sem Zusammenhang die Zuge- Genüssen und Ressourcen, erfährt
hörigkeit zu einer Rechtsgemein- Was aber klar ist: Eine Gleichset- ebenfalls eine Aufwertung. […]
schaft – das „Recht, Rechte zu zung von Staatsbürgerschaft mit
haben“, wie es Hannah Arendt vor Heimat greift zu kurz. Die Verän- Aus welchen Gründen auch
mehr als 60 Jahren bezeichnet hat. derungen, die ein Mensch durch immer: Heimat boomt. Und
Sie meinte damit das Recht jedes Migration erfährt, sind so ein- zwischen den Zeilen könnte
Menschen, überhaupt unter recht- schneidend, dass für Heimatver- man lesen: Je stärker die Folgen
lichen Verhältnissen leben zu kön- lust und Heimatfindung häufig der Wirtschaftskrise, je größer
nen. Unter dem Eindruck totalitä- die Metapher der Wurzel verwen- die Verlustängste (z. B. um den
rer Regime und der Massenflucht det wird – die Entwurzelung an Arbeitsplatz) und das Gefühl, den
im 20. Jahrhundert galten für sie einem alten Ort und die Verwur- Dingen ohnehin machtlos gegen-
der Heimat- und Staatsbürger- zelung an einem neuen Ort. Die- überzustehen, desto größer wird
schaftsverlust als die größten denk- ser Prozess zieht sich meist über die Sehnsucht nach Harmonie
baren Menschenrechtsverletzun- mehrere Generationen. und überschaubaren Lebenszu-
gen (bereits 1935 waren übrigens sammenhängen. n
durch das Nürnberger Reichsbür- Soweit ein Streifzug zum Hei-
gergesetz alle Juden und Jüdinnen matbegriff und einigen Bedeu-
zu „Staatsangehörigen“ deklassiert, tungsinhalten, die er zu verschie-
im Unterschied zu den „Reichs- denen Zeiten erfahren hat.
bürgerInnen“).
„Heimat ist neuerdings überall“,
Kann dieses „Recht, Rechte zu ist in einem Artikel des Goethe-
haben“, nicht auch im über- Instituts (2009), der sich auf
tragenen Sinn mit „Recht auf Deutschland bezieht, zu lesen.
INFOBOX
Arendt, Hannah (1906 – 1975): geboren bei Hannover, 1933 Flucht nach Paris und später New
York; politische Theoretikerin, Philosophin und Schriftstellerin, die unter anderem zur Entrechtung
und Verfolgung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus publiziert hat
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