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Kreutzer
Praxisorientiertes
Marketing
Grundlagen – Instrumente – Fallbeispiele
6. Auflage
Inklusive
SN Flashcards
Lern-App
Praxisorientiertes Marketing
Ralf T. Kreutzer
Praxisorientiertes Marketing
Grundlagen – Instrumente – Fallbeispiele
6. Auflage
Ralf T. Kreutzer
Hochschule für Wirtschaft und Recht
Berlin, Deutschland
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Springer Gabler
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Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröf-
fentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.
VII
VIII Vorwort zur 6. Auflage
Dieses wichtige Wissen zu vermitteln, ist die Zielsetzung dieses Werkes, das inzwi-
schen in der 6. Auflage vorliegt. Neu hinzugekommen sind in dieser Auflage Kapitel zu
den Themen Customer Journey Map, spezielle Marktforschungs-Konzepte und Sonder-
formen der statischen Preis- und Konditionengestaltung. Außerdem wurden „Merk-
Boxen“ und „Denkanstöße“ integriert. Seit dieser Auflage kann der Leser des Print-Buchs
mit der Springer Nature Flashcards-App sein Wissen prüfen.
Ich danke allen meinen Lesern und Leserinnen, die mich mit ihren positiven Rückmel-
dungen und ihren Ideen zum Start dieser Neuauflage motiviert haben. Ich danke meinem
bewährten Lektoren-Team Barbara Roscher und Angela Meffert vom Springer Gabler
Verlag, die mich auch dieses Mal wieder mit Akribie, vor allem aber mit Herz und Geist
unterstützt haben.
Mit den besten Wünschen
Am Anfang der Entwicklung dieses Lehrbuchs stand eine Idee: ein Buch nicht nur für,
sondern auch mit den Lernenden, d. h. der im Fokus stehenden Zielgruppe zu verfassen.
Ausgehend von einem intensiven Gespräch mit Rolf-Günther Hobbeling, Marketingleiter
des Gabler Verlages, Wiesbaden, und vertieft durch gute Gespräche mit der mich betreu-
enden Lektorin, Barbara Roscher, wurde diese Idee innerhalb eines Jahres immer weiter
verfeinert und konkretisiert.
Deshalb wurden, nachdem der Titel „Praxisorientiertes Marketing“ den Fokus dieses
Lehrbuchs gesetzt hatte, Studierende an der Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin (seit
01.04.2009: Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin), zu ihren Erwartungshaltungen
bzgl. eines Marketing-Lehrbuchs befragt. Denn dieses Werk soll nicht nur die relevante
Marketing-Substanz transportieren, sondern idealerweise beim Studium auch Spaß berei-
ten – sicherlich ein ehrgeiziger Anspruch an ein Lehrbuch.
Orientiert an mehr als 300 Fragebögen, die mit wertvollen Anregungen für Konzeption
und Ausgestaltung bestückt von den Studenten zurück kamen, wurde das Buch entwickelt.
Dies war allerdings nur der erste Teil, die Zielgruppe in den Entstehungsprozess einzubin-
den. Zusätzlich wurden alle Teile des Buches von Katharina Burgdorff, Stefanie Jägerling
und Steffen Grunwald, Studenten der Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin, hinsichtlich
Verständnis, Motivationskraft und Lesespaß überprüft. Außerdem haben sie intensiv an
der Recherche von überzeugenden Praxisbeispielen mitgewirkt. Ihnen möchte ich an die-
ser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen, weil ich durch sie viele wichtige Anre-
gungen erhalten habe. Schließlich wurden in meinen Vorlesungen viele der integrierten
Fallbeispiele und Fragestellungen diskutiert, um deren Aussagekraft und Transferleistung
kritisch zu hinterfragen. Mein Dank gilt deshalb meinen Studenten, die durch die kritische
Diskussion der vielfältigen Aspekte des Marketings immer wieder neue Anregungen zur
Weiterentwicklung und Präsentation des Stoffs gegeben haben.
Basierend auf dem vielfältigen Austausch mit den Studenten wurden jedem Kapitel
nicht nur Lernziele vorangestellt, sondern auch Kontrollfragen erarbeitet. Auf diese Weise
erhalten Sie die Möglichkeit, den erlernten Stoff zu rekapitulieren. Auf Musterlösungen
habe ich bewusst verzichtet, weil Sie den Austausch über die „optimale“ Lösung mit an-
deren Studenten suchen sollten. Ein Stoff wie Marketing, zu dem jeder aufgrund seines
IX
X Vorwort zur 1. Auflage
individuellen Erfahrungsschatzes viel beitragen kann, erschließt sich nicht durch stures
Auswendiglernen – und auch nicht, wenn – wie geschehen – der Stoff zum regelmäßigen
Wiederholen auf MP3 gesprochen wird. Um Marketing verstehen, verinnerlichen und an-
wenden zu können, bedarf es des Dialogs. Dazu sollen die Wiederholungsfragen Anre-
gung liefern.
Eine besondere Dankbarkeit empfinde ich gegenüber meinen akademischen Lehrern
Prof. Dr. Hans Raffée und Prof. Dr. Erwin Dichtl, Universität Mannheim, die meine Be-
geisterung für das Marketing geweckt haben, die noch heute anhält …
Ein herzliches Dankeschön gilt auch meiner Frau Sabine, die über viele Monate dafür
Verständnis zeigte, dass ich auch unzählige Abend-, Nacht- und Wochenendschichten für
dieses Werk eingelegt habe.
Es stellt sich bei einem Lehrbuch wie diesem die Frage, wie ein korrekter Umgang mit
dem Thema „Gender“ erfolgen soll? Muss jedes Mal vom Kunden und der Kundin, vom
Entscheidungsträger und der Entscheidungsträgerin gesprochen werden? Ich hoffe, meine
Leser und – an dieser Stelle auch – Leserinnen verzeihen mir, wenn ich auf derartige Lese-
bremsen verzichte und auch die Varianten KundenInnen oder Mitarbeiter/in nicht einsetze,
weil eine saubere Deklination den Text m. E. unnötig holprig machen würde. Ebenfalls ver-
zichte ich auf die Variante „Studierende“, die häufig eingesetzt wird, um scheinbar elegant
die Genderfrage zu umgehen. Diese Form ist zwar sehr geläufig, nur leider grammatikalisch
falsch. Denn ein Studierender ist nur so lange Studierender, wie er tatsächlich studiert, sei es
den Wöhe, ein Vorlesungsskript oder die Speisekarte. Davor und danach ist er oder sie Stu-
dent, aber kein Studierender. So ist ein Schwimmender auch nur so lange Schwimmender,
solange er/sie schwimmt. Folglich ist auch der beste Student einmal Relaxender, Tanzender,
Lesender, Chattender, SMS-Verfassender etc. Wie schwer sich selbst der Gesetzgeber mit
der Genderfrage tut, zeigt § 1 UWG: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der
Verbraucherinnen und der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem
Wettbewerb …“ Warum nicht auch Mitbewerberinnen, Marktteilnehmerinnen etc.?
Ich hoffe, meinen Respekt und meine Hochachtung gegenüber dem weiblichen Ge-
schlecht auf andere Weise ausdrücken zu können als durch die Endung „Innen“ an allen
möglichen Begriffen dieses Lehrbuchs.
Bei den Literaturhinweisen habe ich mich – neben zentralen Ursprungsquellen –
schwerpunktmäßig auf solche Werke konzentriert, die für den Leser weitere Hintergrund-
informationen bereitstellen, eine hohe Aktualität aufweisen und eine große Verbreitung
gefunden haben. Ein Anspruch, alle Autoren oder Werke zu zitieren, die zu den jeweiligen
Themen bereits einmal etwas veröffentlicht haben, wird nicht erhoben.
Ob sich meine Mühe insgesamt gelohnt hat, können Sie, lieber Leser, liebe Leserin,
selbst entscheiden. Für einen konstruktiven Dialog mit Ihnen finden Sie bei mir immer ein
offenes Ohr.
Herzlichst Ihr
XI
XII Stimmen zum Buch
Grundlagen des Marketings und es gelingt ihm dabei stets, den Lehrstoff lebendig darzu-
stellen und an vielen Beispielen erfassbar zu machen. Ein gut strukturiertes, vielfältiges,
anschauliches und sehr aktuelles Buch! Der Autor fördert durch die Nutzung von
„Merk-Boxen“ und „Denkanstößen“ die kritische Auseinandersetzung mit den präsentier-
ten Inhalten. Sehr gut!
Prof. Dr. Sabine Haller, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin
Das Buch bietet eine unverzichtbare Orientierung im sich immer schneller wandelnden
Marketingalltag. Es liefert umsetzungs- und praxisnahes Know-how, ohne sich in Details
zu verlieren. Jeder Marketingstudent und Marketer sollte die Inhalte beherrschen. Der
Autor hat in dieses Werk die aktuellen Entwicklungen der Digitalisierung sowie die Wei-
terentwicklungen im Online-Marketing kompetent integriert! In so kurzer Zeit bereits die
6. Auflage zu gestalten, belegt das außerordentlich hohe Interesse, das dieses Werk völlig
zu Recht genießt!
Univ.-Prof. Dr. Michael Lingenfelder, Philipps-Universität Marburg
Dieses Buch ist bereits ein Klassiker der Marketingfachbücher. Kollege Kreutzer ge-
lingt es hervorragend, sehr gut strukturiert die wichtigen und aktuellen Aspekte des Mar-
ketings zu beleuchten und diese mit Fallbeispielen zu unterlegen. Es ist sehr gut verständ-
lich geschrieben und deshalb aus meiner Sicht eine Pflichtlektüre für jeden
Marketingentscheider.
Prof. Dr. Tatjana Steusloff, Fachbereich Wiesbaden Business School der Hochschule
RheinMain
Marketing-Verantwortliche sind in erster Linie Netzwerker. Sie verbinden die Kun-
den immer wieder auf’s Neue mit dem Unternehmen. Praxisorientiertes Marketing von
Ralf T. Kreutzer liefert das Rüstzeug für zukunftsfähiges Marketing: Klar strukturiert,
anschaulich erklärt und beispielhaft verdeutlicht. Besonders hervorzuheben ist die Er-
weiterung des klassischen Marketingmix um das fünfte P für Personal. Denn am Ende
sind es nach wie vor die Mitarbeiter, die gutes Marketing machen! Hierfür werden die
wichtigsten Marketing-Ansätze – von A wie Aided Recall über M wie Marktsegmentie-
rung bis Z wie Zieldefinition – anschaulich erklärt. Mit diesem Buch ist der Markterfolg
vorprogrammiert!
Prof. Dr. Karsten Kilian, Hochschule Würzburg-Schweinfurt und Markenlexikon.com
Marketing-Lernen mit Spaß – die im Vorwort von Kreutzer selbst formulierte Zielset-
zung wird tatsächlich konsequent umgesetzt: Prägnante Sprache, überzeugende Gedan-
kenführung, anschauliche Beispiele und zielführende Transfertragen bilden eine geradezu
ideale Grundlage, um sich die Welt des Marketings zu erschließen. Und immer auf der
Höhe der Zeit, was bspw. die Herausforderungen des Online-Marketings betrifft. Deshalb
für Praktiker wie Studenten gleichermaßen zu empfehlen.
Univ.-Prof. Dr. Klaus-Peter Wiedmann, Professor für Marketing und Management so-
wie Direktor des Instituts für Marketing & Management an der Leibniz Universität
Hannover
Stimmen zum Buch XIII
Ein tolles Buch für jeden, der faszinierendes Marketing lebt: Brillant klare Strukturen,
Aktualität und Anwendungsbezug bilden zusammen mit der eigenen Kreativität eine per-
fekte Symbiose. Exzellent, um neue Ideen erfolgreich in die Welt zu tragen.
Dr. Astrid Martini, Dozentin Hochschule Fresenius in München
Inhaltsverzeichnis
XV
XVI Inhaltsverzeichnis
XXI
XXII Über den Autor
for Marketing and Management“ (2019), „Künstliche Intelligenz verstehen“ (2019, zu-
sammen mit Marie Sirrenberg), „Understanding Artificial Intelligence“ (2019, zusammen
mit Marie Sirrenberg), „B2B- Online-
Marketing und Social Media“ (2. Aufl., 2020,
zusammen mit Andrea Rumler und Benjamin Wille-Baumkauff), „Voice-Marketing“
(2020, zusammen mit Darius Vousoghi), „Die digitale Verführung“ (2020), „Kundendia-
log online und offline“ (2021), „Praxisorientiertes Online Marketing“ (4. Aufl, 2021),
„Toolbox für Digital Business“ (2021), „Social-Media-Marketing kompakt“ (2. Aufl.,
2021), „E-Mail-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „Online-Marketing – Studienwis-
sen kompakt“ (3. Aufl., 2021) und „Digitale Markenführung“ (2021, zusammen mit Kars-
ten Kilian).
Kontakt:
Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer
Professor für Marketing an der Berlin School of Economics and Law; Trainer, Coach
sowie Marketing und Management Consultant
Alter Heeresweg 36
53639 Königswinter
0171-8668285
kreutzer.r@t-online.de
www.ralf-kreutzer.de
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
XXIV Abkürzungsverzeichnis
RR Redemption-Rate
RStV Rundfunkstaatsvertrag
RTB Realtime Bidding
SEA Search Engine Advertising
SEO Search Engine Optimization
SGE strategische Geschäftseinheit
SGF strategisches Geschäftsfeld
SMOT Second-Moment-of-Truth
SoA Share of Advertising
SOEP Sozio-ökonomisches Panel
SoV Share of Voice
SPI Strategic Planning Institute
SWYN Share with your network
TCO Total Cost of Ownership
TKP Tausend-Kontakt-Preis
u. Ä. und Ähnliches
u. a. und andere
u. a. unter anderem
u. U. unter Umständen
UAP Unique Advertising Proposition
UPP Unique Passion Proposition
URL Uniform Resource Locator
USP Unique Selling Proposition
UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
UX User Experience
VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger
vfa Verband forschender Arzneimittelhersteller
vgl. vergleiche
VKF Verkaufsförderung
VUCA Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity
VuMA Verbrauchs- und Medienanalyse
WTO World Trade Organization
z. B. zum Beispiel
z. T. zum Teil
ZMOT Zero Moment of Truth
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1 Wertvollste Marken der Welt – 2021. (Quelle: Interbrand, 2021)�������������� 2
Abb. 1.2 Marken aus Deutschland unter den wertvollsten Marken der Welt.
(Quelle: Interbrand, 2021)�������������������������������������������������������������������������� 4
Abb. 1.3 Kennzeichnung von Verkäufer- und Käufermärkten���������������������������������� 6
Abb. 1.4 Mikro- und Makro-Umwelt des Unternehmens������������������������������������������ 7
Abb. 1.5 Prozess des Marketing-Managements�������������������������������������������������������� 9
Abb. 1.6 Entwicklung der Bedeutung des Marketing������������������������������������������������ 11
Abb. 1.7 Pyramide des Marketings. (Quelle: Nach Becker, 2019, S. 5)�������������������� 17
Abb. 1.8 Marketing-Diamant ������������������������������������������������������������������������������������ 17
Abb. 1.9 Typologie von Produkten und Dienstleistungen nach Art der
Informationsbeschaffung���������������������������������������������������������������������������� 24
Abb. 1.10 Kennzeichnung von Angeboten nach Kaufverhalten���������������������������������� 25
Abb. 1.11 Kennzeichnung von Angeboten nach Produktinteresse������������������������������ 27
Abb. 1.12 Kennzeichnung von Markenartikeln, Handelsmarken und No-Names������ 29
Abb. 1.13 Relative Qualitäts- und Preis-Positionierung verschiedener Marken-
konzepte������������������������������������������������������������������������������������������������������ 31
Abb. 1.14 Vom Bedürfnis zum Kaufakt���������������������������������������������������������������������� 33
Abb. 1.15 Phasen eines extensiven Kaufentscheidungsprozesses ������������������������������ 34
Abb. 1.16 Buying Center des Kaufverhaltens in Organisationen�������������������������������� 39
Abb. 1.17 Begriffe zur Beschreibung von Märkten ���������������������������������������������������� 42
Abb. 1.18 Schema der Marktformen���������������������������������������������������������������������������� 44
Abb. 1.19 Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland – 2021, 2040 und 2060.
(Quelle: Destatis, 2021a)���������������������������������������������������������������������������� 48
Abb. 1.20 Privathaushalte nach Haushaltsgrößen in Deutschland – in %.
(Quelle: Destatis, 2021b)���������������������������������������������������������������������������� 48
Abb. 1.21 Schema des S-O-R-Modells – Stimulus, Organismus, Response �������������� 52
Abb. 1.22 Einflussfaktoren des Kaufverhaltens von Konsumenten���������������������������� 53
Abb. 1.23 Sinus-Milieus in Deutschland 2021 – Soziale Lage und
Grundorientierung. (Quelle: Sinus-Institut, 2021)�������������������������������������� 54
Abb. 1.24 Beziehung zwischen Aktivierung und Leistung������������������������������������������ 58
XXVII
XXVIII Abbildungsverzeichnis
Abb. 5.1 Prozess zur Ausgestaltung der Produkt- und Programmpolitik���������������� 259
Abb. 5.2 Konzept des erweiterten Produktlebenszyklus������������������������������������������ 262
Abb. 5.3 Klassifizierung von Innovationen�������������������������������������������������������������� 265
Abb. 5.4 Ausgewählte Trigger und Quellen des Innovationsprozesses ������������������ 267
Abb. 5.5 Wasserfall-Konzept ���������������������������������������������������������������������������������� 269
Abb. 5.6 Mindset des agilen Managements ������������������������������������������������������������ 270
Abb. 5.7 Time-to-Market ���������������������������������������������������������������������������������������� 270
Abb. 5.8 Time-to-Value�������������������������������������������������������������������������������������������� 271
Abb. 5.9 Zusammenführung von Design Thinking, Lean Start-up und Scrum ������ 273
Abb. 5.10 Attribute Listing zur Entwicklung eines Fachbuches������������������������������� 274
Abb. 5.11 Subjektive Bewertung der Vor- und Nachteile von Innovationen ������������ 275
Abb. 5.12 Analyseraster für Innovationen ���������������������������������������������������������������� 276
Abb. 5.13 Closed-Innovation-Modell������������������������������������������������������������������������ 277
Abb. 5.14 Open-Innovation-Modell�������������������������������������������������������������������������� 278
Abb. 5.15 Unternehmens-Kunden-Interaktion im Innovationsprozess���������������������� 278
Abb. 5.16 Trichtermodell zur Bewertung und Auswahl von Neuproduktideen�������� 279
Abb. 5.17 Scoring-Modell zur Neuproduktbewertung���������������������������������������������� 281
Abb. 5.18 Break-even-Analyse���������������������������������������������������������������������������������� 283
Abb. 5.19 Diffusionsmodell bei Innovationen ���������������������������������������������������������� 286
Abb. 5.20 Entscheidungsfaktoren bei einer Angebotsmodifikation bzw. -elimi-
nation�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 290
Abb. 5.21 Primäre und sekundäre Markenelemente. (Quelle: Orientiert an
Kilian & Kreutzer, 2022)�������������������������������������������������������������������������� 292
Abb. 5.22 Vorteile von Einmarken- und Mehrmarken-Strategien ���������������������������� 292
Abb. 5.23 Ausgestaltungsoptionen der Markenstrategien. (Quelle: Orientiert
an Kilian & Kreutzer, 2022)���������������������������������������������������������������������� 293
Abb. 5.24 Markenhierarchie bei Beiersdorf. (Quelle: Kilian & Kreutzer, 2022)������ 295
Abb. 5.25 Orientierungspunkte für die Findung von Markennamen ������������������������ 296
Abb. 5.26 Produkt-Marken-Portfolio am Beispiel von Alphabet������������������������������ 296
Abb. 5.27 Serviceleistungen als Teil der Produkt- und Programmpolitik ���������������� 299
Abb. 5.28 Einflussfaktoren und Gestaltungsfelder der Preis- und
Konditionenpolitik������������������������������������������������������������������������������������ 304
Abb. 5.29 Idealtypische Preis-Absatz-Funktion�������������������������������������������������������� 317
Abb. 5.30 Preisveränderung im elastischen Bereich der Preis-Absatz-Funktion������ 318
Abb. 5.31 Preisveränderung im unelastischen Bereich der
Preis-Absatz-Funktion������������������������������������������������������������������������������ 319
Abb. 5.32 Auswirkungen des Preises auf die Kaufwahrscheinlichkeit �������������������� 323
Abb. 5.33 Konkurrenzorientierte Preisgestaltung – längerfristige Ausrichtung�������� 324
Abb. 5.34 Rabattarten������������������������������������������������������������������������������������������������ 326
Abb. 5.35 Ausgestaltungsmöglichkeiten des Couponings���������������������������������������� 327
Abb. 5.36 Arten der Preisdifferenzierung������������������������������������������������������������������ 332
Abb. 5.37 Servitization: vom Produkt zum Service – vom Service zum Service������ 340
Abbildungsverzeichnis XXXI
XXXV
Allgemeine Grundlagen des Marketings
1
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt
und der uns hilft zu leben!“
Hermann Hesse
Lernziele
Fähigkeit,
• Marketing in seinen unterschiedlichen Ausprägungen zu erkennen
• Entwicklung des Marketings nachzuvollziehen
• verschiedene Marketing-Konzeptionen zu unterscheiden
• marketingrelevante Einflussfaktoren zu ermitteln
• unterschiedliche Kategorien von Produkten und ihre Relevanz für den Marketing-
Einsatz zu erkennen
• Begriffe zur Beschreibung von Märkten anzuwenden
• Marktformen und ihre Implikationen für das Marketing zu erfassen
• verhaltenswissenschaftliche Aspekte des Marketings zu verstehen und bei der
Ausgestaltung des Marketings zu berücksichtigen
• Erkenntnisse des Neuro-Marketings bei der Ausgestaltung des Marketings sicher
zu berücksichtigen
• Unterschiede zwischen B2B- und B2C-Marketing zu beherrschen
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 1
R. T. Kreutzer, Praxisorientiertes Marketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35307-0_1
2 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
Ein Blick auf die Hitliste der wertvollsten Marken 2021 zeigt, dass mit Apple eine
Marke auf Platz 1 gelandet ist, die die Online- und Offline-Welt in einer für die Nutzer
besonders überzeugenden Weise miteinander verwoben hat (vgl. Abb. 1.1). Apple ist es
gelungen, ein Eco-System aufzubauen, um die Kunden mit immer neuen Produkten und
Dienstleistungen zu begeistern und hierdurch in der eigenen Welt „gefangen“ zu halten.
Auf Platz 2 findet sich mit Amazon ein Konzern, der mit seinem Fokus auf Customer Ob-
session – einer schon fast übertriebenen Kundenorientierung – konsequent immer neue
Leistungsfelder erschlossen hat. Auf dem 3. Platz findet sich Microsoft, ein Unternehmen,
das sich diesen Platz durch eine beeindruckende Neuausrichtung erarbeitet hat. Auf dem
4. Platz ist Google, eine Marke, die ursprünglich als reine Suchmaschine gestartet ist und
ihr Angebot konsequent weiterentwickelt hat. Der koreanische Elektronik-Konzern Sam-
sung belegt Platz 5. Die Spitzenreiter im Marken-Ranking sind alle in der Hard- und
Software-Branche sowie im Dienstleistungssektor aktiv. Erst auf den Folgeplätzen fin-
den sich „klassische“ Industrien wieder, wie bspw. die Automobilunternehmen und klas-
sische Markenartikler. Coca-Cola hatte viele Jahre Platz 1 abonniert, ist inzwischen aber
„nur noch“ auf Platz 6 zu finden.
Abb. 1.1 Wertvollste Marken der Welt – 2021. (Quelle: Interbrand, 2021)
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 3
Ein hoher Markenwert geht häufig mit einer hohen Markt- bzw. Börsenkapitalisierung
einher. Die Börsenkapitalisierung besagt, wie hoch der Wert eines Unternehmens in den
Augen der Investoren veranschlagt wird – gemessen an der Höhe des Aktienkurses. Folg-
lich muss zur Ermittlung des Börsenwertes die Anzahl der im Umlauf befindlichen Ak-
tien mit dem jeweiligen Aktienkurs multipliziert werden.
Im April 2021 lag der Börsenwert von Apple bei über zwei Billionen US-$. Amazon
erreichte einen Wert von 1,6, Microsoft von 1,9 und Alphabet – der Mutterkonzern von
Google – von 1,5 Billionen US-$. Diese Unternehmen gehören damit zu den wertvollsten
Unternehmen der Welt.
cc Merk-Box Ein entscheidender Werttreiber ist das Marketing – und als Teil
davon – auch das Marken-Management!
Welche Marken aus Deutschland es in die Top 100 der Welt geschafft haben, zeigt
Abb. 1.2. Hier wird deutlich, welche Bedeutung die Automobilindustrie für Deutschland
auch im Jahr 2021 noch hat.
Im Vergleich zu den bereits genannten Börsenwerten werden von den deutschen Kon-
zernen nur vergleichsweise geringe Börsenwerte erzielt: SAP 126 Mrd. €, Daimler
80 Mrd. € und BMW 57 Mrd. € – Stand April 2021. Auch hier sind das Marketing und das
Marken-Management entscheidende Werttreiber.
Der in den Abb. 1.1 und 1.2 dokumentierte Markenwert resultiert aus der Relevanz der
Marke für den Kaufentscheidungsprozess des Kunden. In Tests wird immer wieder fest-
gestellt, dass bei einer Blindverkostung, d. h., wenn der Konsument nicht weiß, welche
Cola er trinkt, i. d. R. Pepsi-Cola am besten schmeckt. Ganz anders fällt das Ergebnis je-
doch aus, wenn der Konsument über die Information verfügt, welche Cola er trinkt; dann
schmeckt ihm auf einmal Coca-Cola besser (o. V. 14.10.2004; vgl. vertiefend
Abschn. 1.3.2.2). In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Markenname und das über
verschiedene Werbemaßnahmen aufgebaute Image das Geschmackserlebnis des Konsu-
menten beeinflussen. Hier zeigt sich die Bedeutung der Marken- und Kommunikations-
politik als eines der Aufgabenfelder des Marketings.
Wenn im Jahr 2021 weltweit immer mehr Menschen Filme und Musik durch Strea-
ming konsumieren, dann ist das ein Ergebnis der Weiterentwicklung der Angebote von
Unternehmen wie Amazon, Disney+, Netflix und Spotify. Diese können sich sowohl auf
Produkte wie auch auf Dienstleistungen beziehen. Hier werden die spannenden Möglich-
keiten einer überzeugenden Produktpolitik als weiteres Handlungsfeld des Marketings
sichtbar.
Wir werden täglich – online wie offline – mit Preisvorteilen, Rabatt-Coupons und wei-
teren Sonderangeboten umworben. Die Zielsetzung besteht darin, uns möglichst schnell
zu einem Kauf zu motivieren. Die hier eingesetzten Instrumente gehören zu einem weite-
ren Tätigkeitsfeld des Marketings: der Preispolitik.
Die stärkste Marke, ein überzeugendes Produkt und eine attraktive Preisstellung rei-
chen für den Erfolg allein nicht aus. Die Kunden müssen auch eine Möglichkeit haben, die
4 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
Abb. 1.2 Marken aus Deutschland unter den wertvollsten Marken der Welt. (Quelle: Inter-
brand, 2021)
Produkte zu erwerben. Dies ist das Aufgabenfeld der Distributionspolitik als weiterer
Säule des Marketings. Es geht darum, die unternehmerischen Angebote dort zu präsentie-
ren, wo die Kunden diese erwarten – online und/oder offline.
Die Hotelgruppe Ritz-Carlton überzeugt seit Jahren durch eine exzellente, weit über
dem Durchschnitt liegende Service-Qualität. Eine wesentliche Ursache hierfür ist, dass
den Mitarbeitern der Hotels hinsichtlich Auswahl, Qualifikation und Schulung eine be-
sondere Bedeutung zugemessen und diese durch ein entsprechendes Qualitätsmanagement
gesichert wird. Jeder Mitarbeiter ist gehalten, das Credo und die Grundsätze von Ritz-
Carlton, die in einem Folder in Visitenkartengröße dokumentiert sind, immer „am Mann“
zu haben. Hierdurch soll der „Geist des Hauses“ allzeit präsent sein. Bei den Service Va-
lues (Ritz-Carlton, 2021) heißt es bspw.:
„I am proud to be Ritz-Carlton
Zusätzlich gilt bei Ritz-Carlton (2021) ein Motto, das mich immer wieder begeistert:
„We are Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen.“
Dieses Motto steht beispielhaft für den vorausschauenden Service aller Mitarbeiter.
Hier wird die Bedeutung der Mitarbeiter als zentralen Leistungsträgern und damit auch
der Personalpolitik als wesentliche Säule des Marketings deutlich.
Alle diese Aktivitäten zielen letztendlich darauf ab, eine positive Customer Expe-
rience zu schaffen, um Kunden zu einer langfristigen Bindung zu motivieren. Hier wird
auch von User Experience (UX) gesprochen.
cc Merk-Box Als Customer Experience werden die Erlebnisse bzw. die Er-
fahrungen eines Kunden bezeichnet, die dieser an den verschiedenen Custo-
mer Touchpoints eines Unternehmens gesammelt hat, also am POS, auf der
Website, im Online-Shop, im Service-Center etc.
cc Merk-Box Marketing ist wesentlich mehr als Werbung, die uns als Konsu-
menten bzw. als Endverbrauchern allgegenwärtig ist.
Marketing stellt zunächst einmal – wenn man den Begriff Marketing analysiert – mit
„Market“ den „Markt“ und damit die Kunden in den Mittelpunkt. Dies können Konsu-
menten oder Unternehmen als Abnehmer sein. Hier sprechen wir von Absatzmärkten,
d. h. von Märkten, auf denen Produkte oder Dienstleistungen verkauft werden. Eine Aus-
richtung auf die Absatzmärkte ist dann besonders erforderlich, wenn diese den Engpass
der unternehmerischen Aktivität darstellen. Dann erfolgt der Absatz der Güter nicht
„von selbst“, wie das bspw. noch in der Nachkriegszeit in Deutschland der Fall war. Da-
mals war nicht der Absatz der Engpass, sondern die Rohstoffbeschaffung und die
Produktion.
Weil damals der „Verkäufer“ i. S. des anbietenden Unternehmens (sei es der Hersteller
selbst oder ein Händler) in der dominanten Marktposition war, wird von einem Verkäufer-
markt gesprochen. Dem Verkäufer werden die Produkte von den Kunden quasi aus den
Händen gerissen – deshalb gibt er dieser Marktform seinen Namen. Welche weiteren
Merkmale mit einem Verkäufermarkt einhergehen, zeigt Abb. 1.3. In den entwickelten
Industrienationen der heutigen Zeit stellt allerdings nicht mehr der Verkäufer den Engpass
dar, sondern der Käufer. Deshalb spricht man vom sogenannten Käufermarkt. Hier hat
der Käufer die dominierende Marktposition – und deshalb gibt der „Käufer“ hier dieser
Marktform seinen Namen. Der Käufer entscheidet darüber, welches Produkt er kauft, wel-
chen Preis er akzeptiert, über welchen Distributionskanal (etwa Online-Shop oder Waren-
haus) er einkauft und von welcher kommunikativen Ansprache und von welcher Service-
qualität er sich angezogen fühlt. Die notwendigen Antworten hierauf liefert das
Absatz-Marketing.
Die Dominanz der Käufermärkte in den entwickelten Industrienationen hat zu folgen-
den Entwicklungen geführt: Marketing als unternehmerische Grundorientierung
(i. S. der Ausrichtung des Unternehmens an den Anforderungen des Marktes) wurde in
immer mehr Organisation zum Leitprinzip. Um diese Orientierung umzusetzen, wurde
Marketing als betriebliche Teilfunktion (z. T. als eigene Abteilung oder als ein-
gebundener Bereich in der Unternehmensorganisation) installiert.
Wie heißt es in Bezug auf wirtschaftlich entwickelte Länder in einer These so treffend?
cc Merk-Box Wir haben heute keinen Mangel an Produkten, wir haben einen
Mangel an Bedürfnissen!
Heute stellen vielfach nicht nur Absatzmärkte einen Engpass für die unternehmerische
Tätigkeit dar. Auch Beschaffungsmärkte können zum Engpass werden, wenn bspw. in
bestimmten Branchen qualifizierte und hochmotivierte Mitarbeiter fehlen (Stichworte
„War for Talents“, Fachkräfte-Mangel). Auch Rohstoffe, wie sauberes Wasser, seltene
Erden (das sind bestimmte Metalle) oder Öl können (temporär) knapp werden. Deshalb ist
es notwendig, dass sich das Marketing auch auf die Beschaffungsmärkte ausrichtet. Hier
wird vom Beschaffungs-Marketing gesprochen.
Aber auch diese erweiterte Perspektive reicht heute für die Ausgestaltung des Marke-
tings nicht mehr aus. Gefordert ist vielmehr die Ausrichtung der unternehmerischen Tätig-
keiten und damit auch des Marketings an den Anforderungen der sogenannten Mikro- und
Makro-Umwelt (vgl. Abb. 1.4). Die aufgeführten Bereiche sind unternehmensspezifisch
daraufhin „abzuklopfen“, welche der dort zuzuordnenden Einflussfaktoren auf das unter-
Unter-
nehmen
8 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
nehmerische Geschehen wirken bzw. welche bei der Ausgestaltung der Unternehmens-
aktivitäten zu berücksichtigen sind.
Konkret bedeutet dies, dass in der Mikro-Umwelt neben den Absatz- und Beschaffungs-
märkten (direkte und indirekte Kunden, Lieferanten) auch die Wettbewerber mit ihren
Aktivitäten zu berücksichtigen sind. Heute kann quasi kein im Konkurrenzkampf stehen-
des Unternehmen seine Aktivitäten ausgestalten, ohne die relevanten Wettbewerber zu
berücksichtigen. Auch die Kapitalgeber, seien es echte Anteilseigner (Shareholder) oder
die durch Kredite finanzierenden Banken, müssen mit ihren Interessen bei der Umsetzung
des Marketings berücksichtigt werden. Durch die Diskussion des Shareholder Values,
d. h. der Schaffung von Werten für die Anteilseigner, wurden deren Interessen besonders
in den Mittelpunkt gerückt und die Unternehmensleitung dazu aufgefordert, besonders an
einer Wertsteigerung für diese Zielgruppe zu arbeiten (vgl. weiterführend Rappap-
ort, 1998).
Die Berücksichtigung der Anforderungen von unterschiedlichen Interessengruppen der
Mikro-Umwelt reicht heute allerdings nicht mehr aus, um langfristig erfolgreich am Markt
agieren zu können. Immer mehr Anforderungen werden an das Unternehmen auch seitens
der Makro-Umwelt gestellt. Diese Anforderungen reichen von den Wünschen der politi-
schen Entscheidungsträger und Teilen der aktiven Öffentlichkeit bzgl. der Schaffung und
Erhaltung von Arbeitsplätzen über die Förderung der nationalen Wirtschaft durch den Auf-
bau weiterer Standorte über die Berücksichtigung ökologischer Anforderungen bis zum
Transfer bestimmter Technologien in Schwellenländer.
Vor diesem Hintergrund ist das Shareholder-Konzept, welches einseitig die Anteils-
eigner zum Orientierungspunkt des unternehmerischen Handelns macht, zum Stakeholder-
Konzept weiterentwickelt worden.
Die Stakeholder sind nicht „Teilhaber“ im rechtlichen Sinne, wie es die wörtliche
Übersetzung von „to have a stake in something“ als „einen Anteil an etwas haben“ er-
warten lässt. Es geht vielmehr im übertragenen Sinne darum, dass auch weitere Gruppen
an den Aktivitäten des Unternehmens interessiert sind und deshalb als relevante Ziel-
gruppen zu berücksichtigen sind. Es gilt, deren unterschiedliche Interessen und An-
forderungen an das Unternehmen bei der Ausgestaltung des Marketings zu berücksichtigen
(vgl. vertiefend Wiesner, 2020).
Teilweise wird in der Literatur bzgl. der Analyse der Makro-Umwelt auch von der
PEST- oder PESTEL-Analyse gesprochen. PEST als Akronym steht mit „P“ für „Politi-
cal“, „E“ für „Economic“, „S“ für „Social“ und „T“ für „Technological“. Bei PESTEL
kommen noch das „E“ für „Environmental“ und „L“ für „Legal“ hinzu (vgl. vertiefend zur
entsprechenden Analyse Kap. 2).
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklungen wird Marketing als unter-
nehmerische Führungskonzeption gekennzeichnet, die alle Unternehmensbereiche
durchdringen soll (vgl. Meffert et al., 2019, S. 12 f.; Homburg, 2020, S. 6–11; Bruhn,
2019, S. 14–16; Weis, 2018, S. 21–29; Kotler et al., 2017, S. 10 f.). Hierbei bedient sich
das Marketing folgender „Werkzeuge“:
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 9
• Welche Ziele möchte ich persönlich erreichen? Geht es mir um den reinen Wissens-
erwerb oder strebe ich bestimmte Noten- und Abschlüsse an (etwa einen Bachelor-
oder Master-Abschluss, den akademischen Grad des MBA oder eine Promotion)? Oder
soll der Spaß-Faktor dominieren?
Marketing-
Marketing- Ziele
Forschung
Marketing-
Strategien
Marketing-
Controlling
Marketing-
Marketing- Instrumente
Planung
Marketing-
Umsetzung
Marketing-Organisation
• Auf welchen Wegen und damit durch welche Strategien möchte ich diese Ziele ver-
wirklichen – durch ein Fern-, Abend- oder Ganztagsstudium?
• Möchte ich den täglichen Lernprozess und damit die Umsetzung/Implementierung
als Einzelkämpfer oder als Teamplayer (bspw. mit Lerngruppen) gestalten? Beteilige
ich mich aktiv an den Vorlesungen, oder bin ich ein passiv Lernender?
• Wie sieht die Organisation meines Studiums aus? Welche Zeiten reserviere ich für das
Lernen? In welchen Räumlichkeiten lerne ich – in der Bibliothek, zu Hause?
• Wie erfolgt die Kontrolle meiner Lernfortschritte?
Dieser gesamte Prozess gelingt dann besonders gut, wenn vorher die Bedürfnisse der
Arbeitswelt analysiert und bspw. ermittelt wurde, welche Schlüsselqualifikationen von
der Wirtschaft gefordert werden, indem bspw. Stellenangebote und einschlägige Literatur
intensiv ausgewertet wurden.
1.1.2 W
ie hat sich die Bedeutung des Marketings im Laufe der
Zeit verändert?
Bei der Kennzeichnung von Verkäufer- und Käufermärkten wurde bereits deutlich, das
Marketing nicht immer eine so dominante Position wie heute innehatte. Am Beispiel von
Deutschland soll aufgezeigt werden, wie sich der Unternehmensfokus innerhalb der letz-
ten Jahrzehnte verschoben hat (vgl. Abb. 1.6).
In der Nachkriegszeit stand zuerst die Sicherung der Grundversorgung der Be-
völkerung im Mittelpunkt des Interesses, da bei der breiten Mehrheit zunächst „… einige
Scheiben Brot, vielleicht ein Tupfer Margarine, zwei kleine Kartoffeln, etwas Milch-
suppe …“ (Wiegrefe, 2005, S. 48) als Tagesration ausreichen mussten. Damit wurden die
unternehmerischen Tätigkeiten von einer Produkt-Perspektive dominiert. Damals stan-
den den erst im Aufbau befindlichen landwirtschaftlichen und industriellen Produktions-
kapazitäten eine riesige Nachfrage gegenüber – und zwar über Branchengrenzen hinweg.
Bei Bekleidung, Nahrungsmitteln, Möbeln, Wohnraum, Unterhaltung etc. bestand ein gro-
ßer Nachholbedarf.
Besonderen Ausdruck fanden diese Produkt-Perspektive und der zugrunde liegende
Mangel in Lebensmittelkarten sowie weiteren Bezugsscheinen, die allein zum Erwerb
bestimmter Produkte berechtigten. Während der sogenannten Hamsterfahrten von Stadt-
bewohnern zu Bauern im Umland wurde versucht, Pelze, Besteck oder Schmuck gegen
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 11
Trend in Richtung
„Nachhaltigkeit“
Überflussgesellschaft
Konsumgesellschaft
Digitalisierung
Mangelgesellschaft
50er Jahre 60er Jahre 70er Jahre 80er Jahre 90er Jahre 2000er Jahre 2010er Jahre
Zeit
Durchschnittsbürger in der DDR rund zwölf Jahre auf seinen „Trabi“ warten. Bei der
„planmäßigen Wohnraumbewirtschaftung“ mussten sich die DDR-Bürger ebenfalls in Ge-
duld üben. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit entsprechender Anträge belief sich auf
fünf Jahre.
In die Zeit der sich entwickelnden Konsumgesellschaft in Westdeutschland fallen ei-
nige der Gründungen sowie die großen Wachstumsphasen der Universalversender Quelle
(Gründung 1927), OTTO (Gründung 1949) und Neckermann (Gründung 1950; Erstauflage
des Neckermann-Kataloges 100.000 Exemplare). Die Versender versorgten den Markt zu-
nächst mit einem einheitlichen Angebot. Ausdruck dieses Massen-Marketings waren die
zweimal im Jahr erscheinenden Hauptkataloge der Versender. Gleichzeitig existierten we-
nige große, auf breite Zielgruppen ausgerichtete Medien. Im Fernsehmarkt waren dies
ARD und ZDF – das sogenannte 1. und 2. Programm. Mehr Programm gab es damals
nicht. Auch wurde nicht rund um die Uhr gesendet. Bei den Zeitschriften dominierten
HÖRZU (erste Auflage 1946), Der Spiegel (erste Auflage 1947) und Stern (erste Auf-
lage 1948).
In den 1960er-Jahren „… brausen die Westdeutschen mit Vespas oder tuckern im Gog-
gomobil durch Neubausiedlungen, in denen Kühlschränke und Waschmaschinen oft schon
zum Standard zählen. Sie erleichtern sich das Kochen mit dem Elektroherd, sehen im
Fernsehen die ‚Tagesschau‘ und pendeln morgens aus den Vorstädten zur Arbeit. 1-2-3-4
lautet die Erklärungsformel dieser Welt: ein Ehepartner, zwei Kinder, drei Räume, vier
Räder“ (Wiegrefe, 2005, S. 61).
Mit dem weiter fortschreitenden Aufbau der Produktionskapazitäten und dem Engage-
ment von immer mehr Unternehmen – zunehmend auch aus dem Ausland – wurde in den
1970er-Jahren in vielen Bereichen der Engpass Produktion überwunden. Jetzt tat sich ein
neuer Engpass auf: der Handel. Die Handelsunternehmen nahmen aufgrund eines zu-
nehmenden Waren- und Dienstleistungsangebotes der entstehenden Überflussgesell-
schaft eine immer wichtiger werdende Mittlerposition zwischen den Herstellern und den
Kunden ein.
Mehr und mehr Anbieter suchten, i. d. R. unter Einbindung von Handelsunternehmen
(wie bspw. Warenhäusern und Supermärkten), den Weg zum Kunden. Der Regalplatz im
Handel war und ist nach wie vor ein knappes Gut. Folglich wurde es eine vorrangige Auf-
gabe des Handels, aus der Vielzahl der angebotenen Produkte die relevanten für die jeweils
betreute Zielgruppe auszuwählen. Der Engpass Handel in Verbindung mit dessen Zugang
zum Endkunden führte dazu, dass ein neues Wort auftauchte: Handelsmacht.
Der Handel konnte aufgrund seiner Machtposition in hohem Maße frei darüber ent-
scheiden, welche Güter in das Angebot aufgenommen wurden. Diese Macht wurde bei der
Durchsetzung von Lieferkonditionen gegenüber Herstellern auch deutlich sichtbar. Auch
wenn die Handelsmacht in jenem Jahrzehnt „entstanden“ ist, blieb ihre Bedeutung in vie-
len Bereichen bis heute erhalten bzw. wuchs noch weiter. Dies wird bspw. an der Konzen-
tration der großen Handelsketten in Deutschland deutlich sichtbar. Der Marktanteil der
größten vier Anbieter – Edeka, Rewe, Aldi und der Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kauf-
land – liegt heute bei mehr als 85 %. Der dominierende Marktführer ist Edeka. Dieses
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 13
Unternehmen verfügt über mehr als 100.000 Lebensmittelmärkte und einen Umsatz von
über 55 Mrd. €. Es ist leicht vorstellbar, welche Einkaufsmacht diese Unternehmen auch
gegenüber großen Herstellern wie Beiersdorf, Procter & Gamble sowie Unilever ein-
setzen können. Wie wenig Einfluss dann lokale Molkereien in den Preisverhandlungen
einbringen können, können Sie sich leicht vorstellen!
In den 1980er-Jahren rückte durch den zunehmenden Wettbewerb die strategische
Perspektive in den Mittelpunkt des Marketings. Die Unternehmen waren viel stärker als
zuvor gezwungen über die langfristige Ausrichtung des Unternehmens zu entscheiden.
Hierzu trug auch der zunehmend internationalere Wettbewerb bei. Es wurden zentrale
Konzepte der Unternehmensstrategie eingeführt. Hierzu zählt bspw. die Portfolio-
Analyse, deren Grundkonzept von der Boston Consulting Group in den 1970er-Jahren
entwickelt wurde. Durch die Werke von Michael Porter rückte die Wettbewerbsanalyse
stärker ins Zentrum.
Da der Wettbewerb um die Kunden mit immer ausgefeilterer Technik ausgetragen
werden musste, wurde das strategische Marketing geboren. Ein zentraler Einflussfaktor
war auch die erstmals auf breiter Front aufkommende Forderung nach einem stärker öko-
logisch orientierten Marketing. Die veränderten Erwartungshaltungen wurden durch
einen Wertewandel in Teilen der kritischen Öffentlichkeit untermauert. Dazu trug die
Anfang 1979 neu gegründete Partei Die Grünen bei. Deren Kernforderungen wurden nach
und nach auch von den großen Volksparteien aufgegriffen. Unternehmen begannen z. T. für
das gesamte Unternehmen bzw. für einzelne Produkte sogenannte Öko-Bilanzen aufzu-
stellen, um ein umweltbewusstes Agieren nach außen besser kommunizieren zu können.
Mit der Entwicklung des Internets zum Massen-Kommunikationsmedium in den
1990er-Jahren begann zunächst ein wahrer Internet-Hype. An dessen Höhepunkt wurde
das generelle Überleben der „Old Economy“ durch die internetgestützte „New Economy“
in Frage gestellt. Konferenzen und Seminare wurden unter den Titel „Old economy meets
new economy“ veranstaltet. Hierdurch sollte deutlich gemacht werden, dass zwei ganz
unterschiedliche Philosophien aufeinandertrafen.
Bei vielen Internet-Start-ups wurde der Erfolg zunächst in „Cash-Burning-Raten“ ge-
messen, orientiert an der Frage: Wie lange benötigt das Unternehmen, um das durch einen
Börsengang gewonnene Geld durch das Geschäftsmodell zu vernichten? Allerdings be-
wahrheitete sich hier – und auch später – wieder einmal die These:
Parallel dazu verlief eine andere Entwicklung, die den Fokus von der Kundenakquisition
immer stärker in Richtung Kundenbindung verschob. Die Gründe hierfür lagen zum
einen in dem Trend einer generell abnehmenden Kundenloyalität. Auch zufriedene Kun-
den wechselten immer häufiger „ihren“ Lieferanten, weil Kunden „Spaß an der Ab-
wechslung“ hatten. Viele Käufer waren mit einer gleichförmigen und damit austausch-
baren Produktqualität immer weniger zufrieden. Zum anderen stiegen die Kosten für die
Kundengewinnung kontinuierlich an.
Immer mehr Unternehmen orientierten sich an der Erkenntnis, dass es sieben- bis neun-
mal teurer ist, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen bestehenden zu halten. Deshalb
begannen viele Unternehmen, Budgets von der Akquisition zur Betreuung zu verlagern.
Die gesamte Entwicklung lief und läuft unter dem Schlagwort CRM (Customer-
Relationship-Management). Den deutlichsten Ausdruck fand dieser Trend in der
Gründung unternehmensspezifischer Kundenbindungsprogramme (etwa Lufthansa
Miles & More, Mercedes Card) sowie in unternehmensübergreifenden Kunden-
bindungsprogrammen, deren erfolgreichsten Vertreter das Payback-System darstellt.
Der Gesetzgeber hatte durch den Wegfall von Rabattgesetz und Zugabeverordnung im
Juni 2001 eine wichtige rechtliche Rahmenbedingung für diese Entwicklung geschaffen
(vgl. vertiefend zum CRM Kreutzer, 2021a).
Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte wirken in der gegenwärtigen Unter-
nehmensrealität immer noch nach. Die Anforderungen der Kunden und der breiten
Öffentlichkeit hinsichtlich der unternehmerischen Verantwortung haben sich u. a. in der
Diskussion um die Corporate Social Responsibility (CSR) von Unternehmen nieder-
geschlagen. Mit CSR ist die von den Unternehmen wahrgenommene soziale Ver-
antwortung gemeint, die den freiwilligen, von Unternehmen übernommenen Beitrag zu
einem nachhaltigen Wirtschaften beschreibt, der über die bloße Orientierung an den
gesetzlichen Vorschriften hinausgeht (vgl. grundlegend hierzu Wiesner, 2016; zu ent-
sprechenden KPIs Krause, 2016).
Gleichzeitig spüren fast alle Unternehmen die Auswirkungen der Globalisierung.
Diese zeigt sich in der Abwanderung ihrer Kunden zu ausländischen Anbietern, der stei-
genden Nachfrage nach knappen Rohstoffen sowie in der Konkurrenz durch Produkte und
Dienstleistungen aus Niedriglohnländern. Hier ist bspw. an Kinderspielzeug und Textilien
aus China sowie an die Software-Entwicklung und Call-Center-Services aus Indien zu
denken. Gleichzeitig eröffnet die Globalisierung den Unternehmen die Möglichkeit, in
anderen Ländern (kostengünstiger) zu produzieren oder dort die eigenen Leistungen zu
verkaufen. Diese Entwicklungen haben über die letzten Jahrzehnte zu einem steigenden
Wohlstand in vielen Ländern der Welt geführt.
Die Phase, in der wir uns heute befinden, ist geprägt durch eine immer weiter um sich
greifende Digitalisierung und Vernetzung – auch über Branchengrenzen hinweg. Neue
Geschäftsmodelle – vielfach durch Start-ups entwickelt – haben das Potenzial, viele bisher
erfolgreiche und etablierte Unternehmen zu verdrängen. Das ist Amazon bei Quelle (Li-
quidation 2009) und Neckermann (Insolvenz 2012) schon gelungen. Die Angebote von
Airbnb, Uber und Tesla fordern die bisherigen Platzhirsche in ihren angestammten Ge-
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 15
schäftsfeldern heraus! Hier kommt es zum Phänomen des digitalen Darwinismus. Der
damit umschriebene Auswahlprozess belohnt die Unternehmen, die sich schnell an die
veränderten Rahmenbedingungen anpassen können. Wer sich nicht anpasst, wird – wie
häufig schon geschehen – vom Markt aussortiert (vgl. vertiefend Kreutzer & Land, 2015,
2016; Kreutzer, 2021c). Das Motto lautet hier:
Adapt or die!
Darüber hinaus müssen sich die Unternehmen immer professioneller im Online-Bereich
generell und insb. auch in den sozialen Medien bewähren. Hier entscheidet sich immer
häufiger, welche Unternehmen den Kampf um die Kunden gewinnen werden. Um eine
überzeugende Leistung zu erbringen, ist vielfach eine umfassendere Kooperation – ggf.
sogar mit strategischen Wettbewerbern – angesagt.
Gleichzeitig zeigt sich eine zunehmende Forderung an Unternehmen, ihre gesamten
Aktivitäten stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten. Nicht zuletzt durch die „Fridays for
Future“-Bewegung sehen sich immer mehr Unternehmen gezwungen, bei ihren Aktivi-
täten die sogenannten ESG-Kriterien zu berücksichtigen. Diese Abkürzung steht für En-
vironment, Social und Governance. Hiermit wird vor allem durch Investoren das Verhalten
von Unternehmen in Sachen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung bewertet. Insti-
tutionellen Investoren – und damit auch denjenigen, für die diese ihr Geld zur Verfügung
stellen – geht es bei der Geldanlage teilweise nicht mehr nur um Profit, sondern zunehmend
auch um Nachhaltigkeit. Deshalb wird schon verstärkt geprüft, welche sozialen oder öko-
logischen Folgen mit einem Investment verbunden sind. Außerdem wird analysiert, ob die
Entscheidungsträger nach den Regeln einer guten Unternehmensführung handeln. Unter-
nehmen, die hier negativ auffallen, werden perspektivisch von den Investoren sowie von
den Kunden abgestraft werden.
Heute wird Marketing angesichts der aufgezeigten Entwicklungen als ein Konzept der
marktorientierten Unternehmensführung gekennzeichnet (vgl. Becker, 2019, S. 1–4;
Meffert et al., 2019, S. 12 f.; Homburg, 2020, S. 1387–1389). Hierbei ist Markt nicht allein
als Synonym für „Absatzmarkt“ zu verstehen. „Markt“ ist Ausdruck für alle Bereiche, in
denen ein – über marktliche Mechanismen – geregelter Austausch mit anderen Leistungs-
trägern stattfindet. Dieser Austausch erfolgt in den folgenden Bereichen:
• Allgemeine Öffentlichkeit
Hier geht es bspw. um die Akzeptanz von Atomenergie oder Windrädern, Gen-
Produkten und neuen Technologien.
• Gesetzgeber
Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben bspw. Auswirkungen auf die Forschungs-
möglichkeiten sowie die Industrieansiedlung. Außerdem können durch Subventionen
oder Steuervorteile ausgewählte Projekte bewusst gefördert werden, bspw. die Gewin-
nung von „grünem Wasserstoff“. Dies ist Wasserstoff, der unter Einsatz erneuerbarer
Energien gewonnen wurde.
• Kooperationspartner
Viele Herausforderungen können heute – auch von großen Unternehmen – nur noch
gemeinsam bewältigt werden. Hier ist bspw. an das autonome Fahren oder die Ent-
wicklung einer länderübergreifenden Daten- und Cloud-Lösung für ein europäisches
digitales Ökosystem zu denken (Stichwort Gaja-X-Projekt). Auch die Erschließung
von Auslandsmärkten kann eine Kooperation notwendig machen.
• Mitarbeiter
Eine häufig vernachlässigte Stakeholder-Gruppe sind die eigenen Mitarbeiter. Diese
tragen nicht nur im Unternehmen zur Wertschöpfung bei. Sie können auch außerhalb
des Unternehmens – gleichsam als Marken-Botschafter – wirken und Image sowie Um-
satz fördern.
Bei der weiteren Beschreibung des Marketings ist eine Orientierung an einer Pyramide
sinnvoll (vgl. Abb. 1.7). Zunächst sind an deren Spitze die Marketing-Ziele zu definieren.
Hier werden die zu erreichenden „Wunschorte“ festgelegt (vgl. Kap. 2). Zur Erreichung
dieser Ziele stellt das Marketing verschiedene Strategien bereit. Diese können als „Routen
zum Ziel“ verstanden werden (vgl. Kap. 4). Die Strategien wiederum beeinflussen nach-
haltig den Einsatz der sogenannten Marketing-Instrumente. Hier kann von der „Wahl
der Beförderungsmittel“ gesprochen werden (vgl. Kap. 5; so auch Becker, 2019, S. 4 f.).
Diese Instrumente werden häufig in folgende Kategorien unterteilt:
Meines Erachtens ist die Beschränkung der Marketing-Instrumente auf diese Kate-
gorien des sogenannten Marketing-Mix – häufig auch als „4 Ps“ (Product, Price, Promo-
tion, Place) bezeichnet – zu kurz gedacht.
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 17
Marketing-Strategien
2. Ebene
Wie kommen wir dorthin?
„Festlegung der Route zu den
Wunschorten“
Marketing-Instrumente
3. Ebene Was müssen wir
„Wahl der Beförderungsmittel“ dafür einsetzen?
Abb. 1.7 Pyramide des Marketings. (Quelle: Nach Becker, 2019, S. 5)
Abb. 1.8 Marketing-Diamant
Hierfür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist festzustellen, dass in Volkswirtschaften
wie Deutschland der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor kontinuierlich an-
steigt. Zum anderen wird es für viele Unternehmen immer wichtiger, sich durch über-
zeugende Serviceangebote von Wettbewerbern zu differenzieren. Die Fokussierung auf
die Produkte allein reicht hierzu nicht mehr aus.
cc Merk-Box Die Zeit ist reif für die Aufnahme eines „5. Ps“ in den Marketing-Mix.
Dieses P steht für People und soll die immer größer werdende Bedeutung der
Mitarbeiter eines Unternehmens für dessen Erfolg zum Ausdruck bringen.
Die Grundorientierung des Marketings sowie die zugrunde liegenden Werten und Prinzi-
pien werden als Marketing-Philosophie bezeichnet. Diese prägt zusammen mit den be-
reits kurz angesprochenen Strategien und Instrumenten des Marketings das unter-
nehmerische Handeln. Um zu zeigen, wie diese Prägung ausfällt, werden nachfolgend
verschiedene Arten des Marketings vorgestellt.
cc Denkanstoß Wir sollten bei allem, was wir als Unternehmen tun, zwischen „Good
Profits“ und „Bad Profits“ unterscheiden! Auf den ersten Blick vielleicht verwirrend,
da Gewinne doch – eigentlich – immer etwas Gutes sind. Aber nein: Good Profits
erzielen wir mit überzeugenden Leistungen, die unsere Kunden gerne zu honorieren
bereit sind. Bad Profits erwirtschaften wir, wenn wir den Kunden durch intrans-
parente, verwirrende oder sogar unfaire Angebote mehr Geld abnehmen, als sie
für die Leistung normalerweise bezahlen müssten. Hierzu zählen bspw. schwer ver-
ständliche Abonnement-Verträge und unklare Geschäftsbedingungen. Wird ein
Kunde „hochberaten“, also zu teureren Angeboten verführt und dazu verleitet, deut-
lich mehr zu kaufen als geplant, dann trägt auch das Risiken in sich.
Solche Maßnahmen können den Gewinn steigern – zumindest kurzfristig. Bleibt beim
Kunden jedoch ein „blödes Gefühl“ zurück, fühlt er sich schlecht behandelt oder sogar
betrogen, dann sind es Bad Profits. Gewinne, die perspektivisch zum Kundenverlust füh-
ren können. Solche Bad Profits sollten wir in Marketing und Vertrieb konsequent
vermeiden.
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 19
• Soziale Ziele
Aktion Mensch (u. a. Betreuung von behinderten Menschen); UNICEF (weltweite Lin-
derung der Not von Kindern); Amnesty International (Hilfe für Gefangene); Bundes-
ministerium für Gesundheit (bspw. zum Alkohol- und Nikotin-Missbrauch, zur AIDS-
Prävention sowie zur Vermeidung von Social-Media-Burnout)
• Umweltbezogene Ziele
BUND, Greenpeace, WWF
• Glaubensbezogene Ziele
Kirchen
• Bildungs- und Kulturziele
Museen, Theater, Opernhäuser, Hochschulen, Universitäten
• Politische Ziele
Parteien, Gewerkschaften, Verbände
cc Merk-Box Für die hier angesprochene Zielgruppe wird konsequent der Begriff
Konsumenten verwendet. Diese Personen konsumieren Produkte und Dienst-
leistungen. Das heißt, dass sie diese Güter nicht einsetzen, um andere Produkte
und Dienstleistungen zu erzeugen.
Ist das Marketing dagegen auf Unternehmen als Kunden ausgerichtet, wird dies als
Business-to-Business-Marketing (B-to-B oder B2B) bezeichnet. Dies ist bspw. der Fall
in der Beziehung zwischen Volkswagen und seinen Zulieferern, konkret von Continental
für Reifen und Bosch für die Fahrzeugelektronik. Volkswagen kauft hier Produkte ein, um
damit eigene Leistungen zu erzeugen. Es geht folglich nicht um eine konsumtive, sondern
um eine produktive Nutzung.
hinsichtlich des internen Marketings oder des Marketings nach innen noch ein großer
Nachholbedarf. Durch eine solche Ausrichtung des Marketings nach innen, hier insb. der
unternehmerischen Kommunikation, sind Mitarbeiter über die strategische Ausrichtung
und die zentralen Ziele des Unternehmens frühzeitig zu informieren. Hierdurch soll bspw.
vermieden werden, dass die eigenen Mitarbeiter existenzielle Entscheidungen des Unter-
nehmens (etwa bei Personalabbau und Standortverlagerungen) nicht erst aus der Presse
erfahren.
Demotivierend für die Mitarbeiter (bspw. in einem Customer-Service-Center) ist es,
wenn diese nicht im Vorfeld mit Hinweisen auf geplante Werbeaktionen versorgt werden.
Dann sind Kunden, die bspw. per Chat, sozial Media oder Telefon mit dem Unternehmen
Kontakt aufnehmen, besser informiert als die betreuenden Mitarbeiter. Aufgrund des stei-
genden Wettbewerbsdrucks und des damit verbundenen „Werbens um jeden einzelnen
Kunden“ wird die Bedeutung des internen Marketings in Zukunft noch steigen. Deshalb
wurde die Personalpolitik als eigenständiges Instrument in den Marketing-Diamanten
integriert (vgl. Abschn. 5.5). Eine Aufgabe besteht etwa darin, eigene Kunden zu Marken-
Botschaftern bzw. zu Brand Ambassadors zu machen.
Marketing kann sich auf verschiedene Tauschobjekte (i. S. der Gegenstände der markt-
lichen Austauschprozesse) beziehen. Deren Charakteristika haben einen entscheidenden
Einfluss auf den Einsatz der verschiedenen Marketing-Methoden. Diese Tauschobjekte
werden nach folgenden Kriterien differenziert:
• Inhalt/Verwendungsart
• Art der Informationsbeschaffung
• Kaufverhalten
• Grad des Produktinteresses
• Markierung/Branding
Industriegüter, die teilweise auch Investitionsgüter genannt werden, sind die von
Einzelpersonen oder Organisationen erworbenen, körperlichen Produkte, die zur Er-
zeugung von Sach- oder Dienstleistungen eingesetzt werden (vgl. Backhaus & Voeth,
2014, S. 3–6; auch Seebacher, 2021). Diese Produkte werden einer produktiven Ver-
wendung zugeführt. Beispiele hierfür sind Produktionsanlagen und Fabrikgebäude, aber
auch Waschmittel, Textilien, Smartphones und Pkws, die in Produktionsprozesse ein-
gebunden sind.
Es wird deutlich, dass es Industriegüter gibt, die „von Natur aus“ für den gewerblichen
Einsatz bestimmt sind. Hierzu zählen bspw. Produktionsanlagen und Fabrikgebäude. Hier
spricht man von geborenen Industriegütern. Bei anderen Produkten hängt die Zu-
ordnung zum Konsum- oder Industriegut von der Art des Einsatzes ab. Kauft eine Reini-
gung Waschmittel, ein Krankenhaus weiße Polo-Shirts, ein Beratungsunternehmen Smart-
phones und die Deutsche Post Pkws für die Briefzusteller, handelt es sich auch hier um
Industriegüter. Genauer gesagt sind dies gekorene Industriegüter, weil erst die Art der
Verwendung aus dem Produkt ein Industriegut macht.
Ein Spezifikum von Industriegütern liegt darin, dass es sich bei diesen um einen ab-
geleiteten Bedarf handelt. Das bedeutet, dass die zu beschaffenden Leistungen vom zu
erzeugenden Endprodukt des kaufenden Unternehmens abhängen. Welches Waschmittel
eine Reinigung einkaufen muss, ist von dessen Leistungsangebot abhängig. Welche Fahr-
zeuge die Deutsche Post erwerben möchte, ist von den zu erbringenden Leistungen ab-
hängig. Deshalb sprechen wir von „abgeleitetem Bedarf“.
Dienstleistungen sind nicht-gegenständliche Güter. Hier kann bspw. an die Beratung
eines Unternehmens, die Planung eines Hauses durch einen Architekten, die Inanspruch-
nahme eines Friseurs, den Besuch eines Restaurants, die Entwicklung einer Wer
bekampagne, die Stadtreinigung oder das Unterrichten von Studenten gedacht werden
(vgl. vertiefend Haller & Wissing, 2020).
Hierbei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass diese Dienstleistungen teilweise auch
mit anfassbaren Produkten einhergehen. Die Unternehmensberatung wird oft mit einer
auch ausgedruckten Präsentation und/oder einem Konzeptpapier abgeschlossen. Die
Dienstleistung eines Architekten ist ein schriftlich dokumentierter Bauplan. Auch beim
Friseur und beim Restaurantbesuch entsteht ein „anfassbares“ Ergebnis. Dennoch domi-
niert vielfach der nicht-gegenständliche Anteil. Dies wird auch am Beispiel einer Ver-
sicherungspolice deutlich. Das Papier, auf dem die Lebensversicherungs-Police aus-
gedruckt ist, stellt nur die vertragliche Grundlage für eine Leistung dar, in die über
Jahrzehnte einzuzahlen ist, um idealerweise weitere Jahrzehnte eine finanzielle Leistung
zu beziehen.
Dienstleistungen können ebenfalls entweder einer produktiven oder einer konsumti-
ven Verwendung dienen. Ein Restaurantbesuch kann als privates Rendezvous oder als
Geschäftsessen erfolgen. Die Arbeit eines Architekten kann sich einem Privathaus oder
einem Bürogebäude widmen. Ein Friseurbesuch kann den Auftritt von Daniel Radcliffe
oder Emma Watson bei einer Gala vorbereiten – ober aber der eigenen Hochzeit
vorausgehen.
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 23
Einige Besonderheiten der Dienstleistungen liegen darin, dass sie in hohem Maße
personenabhängig sind. Ein Friseurtermin ohne meine Anwesenheit gelingt ebenso
wenig wie ein Vortrag oder eine Vorlesung ohne Zuhörer (von Aufzeichnungen einmal
abgesehen). Außerdem sind Dienstleistungen i. d. R. nicht „lagerfähig“. Hier ist bspw. an
die Hotelzimmer oder die Restauranttische zu denken, die gestern nicht genutzt wurden.
Auf eine Doppelnutzung am Tag danach sollte man eher verzichten!
Vielfach werden Dienstleistungen auch erst zum Zeitpunkt des Verbrauchs erzeugt.
Dies gilt bspw. bei Live-Konzerten oder in Coaching-Sessions. Hier wird vom „Uno-
actu“-Prinzip gesprochen – der Prozess der Erzeugung und Nutzung findet ohne Unter-
brechung statt, quasi in einem Akt. Diese Aspekte sind bei der Ausgestaltung des
Dienstleistungs-Marketings zu berücksichtigen.
Anteil der
Vertrauensqualitäten 100 %
Ein Arztbesuch ist
Arzt- ein Vertrauensgut
besuch
Der Restaurant-
Haushaltsbürsten besuch ist ein
sind ein Suchgut Erlebnisgut
Haushalts- Restaurant-
bürsten besuch
Abb. 1.9 Typologie von Produkten und Dienstleistungen nach Art der Informationsbeschaffung
Millionen Konsumenten jede Woche bei Aldi, Lidl, Tchibo & Co. „vorbeischauen“, mit
der Bereitschaft, bei passenden Angeboten „zuzuschlagen“, kann man m. E. von einem
nur scheinbar widersprüchlichen geplanten Impulskauf sprechen. Hier wird tatsächlich
die Bereitschaft zum impulsiven Kaufen geplant (vgl. zusammenfassend Abb. 1.10).
Convenience Goods sind um Produkte, bei denen die Bequemlichkeit beim Einkauf
im Mittelpunkt steht. Allerdings wird der gleiche Begriff auch für Produkte verwendet, bei
denen die Bequemlichkeit bei der Zubereitung angesprochen ist (bspw. Fertiggerichte,
Tiefkühlpizzas, Tütensuppen). Diese sind hier jedoch nicht gemeint. Da der Kunde die
erstgenannten Produkte regelmäßig kauft, möchte er keinen großen Such- und Auswahl-
aufwand betreiben. Deshalb werden diese Produkte gewohnheitsmäßig bzw. habitualisiert
gekauft. Habitualisiert bedeutet, dass der Kaufvorgang zur Routine, zur Gewohnheit (engl.
„habit“) geworden ist.
So vergleicht ein Konsument nicht bei jedem Joghurtkauf wieder von neuem, welche
Marke mit welchem Fettgehalt in welcher Verpackungsgröße mit welcher Geschmacks-
richtung etc. zu wählen ist. Man greift zu Fruchtzwerge oder Landliebe oder entscheidet
sich für Weihenstephan – weil man dies schon häufiger getan hat und zufrieden war. Die
Habitualisierung des Verhaltens führt, wie in anderen Feldern auch, zu einer Komplexi-
tätsreduktion und spart dadurch Zeit und „geistige Energie“. Aus Anbietersicht ist es hier
wichtig, dass diese Produkte leicht zu finden und möglichst immer vorrätig sind. Eine
gleichbleibende Qualität und eine vertrauensbildende Preisstrategie tragen zusätzlich zur
gewünschten Habitualisierung bei.
Viele Convenience Goods gehören zu der Gruppe der Fast Moving Consumer Goods
(FMCGs). Dies sind „schnelldrehende“ Konsumgüter, die nur eine kurze Verwendungs-
zeit haben (wie bspw. Lebensmittel, Körperpflegemittel, Tierfutter, Getränke) und deshalb
26 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
eine hohe Kaufhäufigkeit aufweisen. Davon zu unterscheiden sind die Durable Goods
i. S. der langlebigen Konsumgüter, wie bspw. TV-Geräte, Smartphones und Tablet-PCs.
Bei Shopping Goods, die seltener gekauft werden und häufig auch im höheren Preis-
segment liegen (bspw. Anzüge, Schuhe, Möbel), ist der Kunde bereit, tendenziell mehr
Zeit und Energie für das Einkaufen zu investieren. Er vergleicht verschiedene Angebote,
sucht unterschiedliche Einkaufsstätten auf und ist offen für Informationen und Beratung.
Sein Präferenzsystem steht noch nicht fest. Deshalb können eine ansprechende Produkt-
präsentation und ein guter Service am POS – online wie offline – zur Ausbildung dieser
Präferenzen beitragen. POS steht für Point of Sale i. S. des Verkaufspunktes, bspw. in
einem Einzelhandelsgeschäft oder im Online-Shop. Teilweise wird auch vom POP als
Point of Purchase i. S. des Kaufpunktes gesprochen.
Der Unterschied der Shopping Goods zu den Specialty Goods liegt lediglich darin,
dass bei Letzteren das Präferenzsystem des Kunden schon ausgebildet ist. Bei Specialty
Goods hat sich der Kunde bspw. für Schuhe der Marke Camper entschieden und sucht
diese jetzt in verschiedenen Handelsformaten. Findet er sie in einem Schuhgeschäft oder
einem Online-Shop nicht, geht er zum nächsten. Allerdings darf man die Geduld des Kun-
den nicht überstrapazieren. Wenn die Produkte zu selten zu finden sind, kann das auch als
mangelnde Attraktivität des Produktes interpretiert werden und zu einem Überdenken der
eigenen Präferenzen führen.
Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass diese Klassifizierungen nur Tendenzen dar-
stellen, die im Zuge einer Marktsegmentierung für die Definition von Zielgruppen rele-
vant sind (vgl. Abschn. 4.2.2.3). Für Einzelpersonen oder bestimmte Gruppen können
bspw. auch Lebensmittel zum Specialty Good werden, wenn ganz bestimmte Anbieter
präferiert werden (bspw. Saucenfonds von Lacroix oder Mehl von Demeter). Es kann auch
passieren, dass ein bisher auf Bequemlichkeit basierender Kaufvorgang auf einmal mit
mehr Sorgfalt und Bedacht vollzogen wird, weil bspw. bestimmte Lebensmittel durch
Lebensmittelskandale in Verruf kommen. Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand
eigentlich nur Erdbeeren kaufen wollte und mit einem Gebrauchtwagen zurückkam (ein
eher untypisches Beispiel für einen Spontankauf!).
fältigen Entscheidungsprozess. Zu dieser Kategorie gehört häufig der Kauf von höher-
wertiger bzw. „gewagterer“ Kleidung, von Pkws, von Haushaltselektronik und IT-Geräten,
die mehrere Jahre genutzt werden. Dienstleistungen, wie Finanzanlagen oder Ver-
sicherungen sowie die Wahl der Hochschule, gehören ebenfalls in diese Kategorie.
Allerdings gilt auch hier, dass diese Klassifizierung nur Tendenzen darstellt. So können
Lebensmittel für besonders ernährungsbewusste Konsumenten auch High-Interest-
Produkte darstellen, weil nur biologisch angebaute Produkte mit Gütesiegel konsumiert
werden. Dagegen kann Bekleidung von diesen allein nach Preis vom Wühltisch ge-
kauft werden.
Aus Unternehmenssicht ist diese Produktklassifizierung für die Frage relevant, wie viel
Zeit und Energie der Kunde in die Beschäftigung mit dem Angebot investieren möchte.
Bei Low-Interest-Produkten ist die Bereitschaft dazu eingeschränkt. Hier möchte der
Kunde finden, nicht suchen. Bei High-Interest-Produkten kann dagegen von einem aktiv
suchenden Kunden ausgegangen werden.
Wettbewerbsangeboten abzuheben, sind mit der Marke zum anderen konkrete Nutzen-
bündel zu verbinden, die für die Nachfrager eine Relevanz aufweisen. Die Gesamtheit
dieser Aufgaben wird als Markenführung bzw. Branding bezeichnet (vgl. zu weiteren
Definitionen Meffert et al., 2019, S. 265 f.; Baumgarth, 2014, S. 1–7; Burmann et al., 2018;
Esch, 2017; Kilian, 2021; Schmidt, 2016; zum Digital Branding Kilian & Kreutzer, 2022).
Für die Inhaber der Markenrechte (Hersteller und/oder Handelsunternehmen) stehen
folgende Ziele der Markenführung im Mittelpunkt:
• Orientierungshilfe
Eine Markierung ermöglicht den Kunden ein leichteres Erkennen eines spezifischen
Angebots und leistet dadurch eine Orientierungshilfe bei der Auswahl.
• Qualitätsindikator
Die Marke liefert – in Abhängigkeit ihrer Positionierung – einen Beitrag als Qualitäts-
indikator. Dies reicht von einer Primark-Hose für 5,95 € (in einfacher Qualität) über ein
H&M-Shirt (in einfacher bis mittlerer Qualität) bis zur Armani-Hose (mit einem hohen
Qualitätsanspruch, bspw. hinsichtlich Material und modischem Schnitt). Durch die
Positionierung der Marke wird auf die Qualität des Produktes geschlossen.
• Vertrauensfunktion
Marken können die Kaufunsicherheit reduzieren, wenn sie ein spezifisches Leistungs-
versprechen vermitteln. Dies kann von „günstig“ (etwa bei ja!-Produkten) bis „extrem
hochwertig“ (bspw. bei Dom Pérignon Champagner) reichen. Das Risiko eines Fehl-
kaufs wird dadurch in den Augen der Käufer reduziert.
• Image-/Prestigefunktion
Kunden können – bei image- und prestigeträchtigen Marken – aus der Nutzung selbst
in den eigenen Augen oder in denen der jeweiligen Bezugsgruppe einen psycho-
logischen Nutzen ziehen und sich dadurch gleichsam „erhöhen“. Dies gelingt bspw.,
wenn man eine Uhr der Marke Lange & Söhne oder einen Apple-Laptop besitzt.
Die Marke kann somit durch die Art der Markierung bzw. des Branding einen wich-
tigen Beitrag zur Differenzierung von Produkten leisten (vgl. vertiefend Abschn. 5.1.3).
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 29
An dieser Stelle werden drei für den Einzelhandel in Deutschland besonders relevante
Klassen dargestellt:
• Markenartikel
• Handelsmarken
• No-Names
Herstellermarke genannt). Die Mehrheit der bekannten Marken gehört zu den Marken-
artikeln. Deren Hersteller versuchen, die Zielpersonen durch umfassende Werbemaß-
nahmen für ihre Produkte zu gewinnen und haben hierdurch vielfach eine hohe Bekannt-
heit erreicht.
Die Verantwortung für Handelsmarken liegt bei den Handelsunternehmen selbst. Die
Handelsmarken werden auch als die Markenartikel des Handels bezeichnet, weil sie
viele Merkmale erfüllen, die auch auf Markenartikel zutreffen. So weisen sie bspw. eine
eindeutige Markierung sowie einen eigenen Markennamen auf. Auch hinsichtlich der Ver-
packung sind sie von Markenartikeln nicht zu unterscheiden. Preislich und i. d. R. auch
qualitativ sind sie meist unterhalb der Markenartikel angesiedelt. Allerdings versuchen
sowohl die Discounter wie auch die klassischen Lebensmittelhändler verstärkt, auch
höherwertige Handelsmarken aufzubauen. Bei Lidl werden diese unter der Marke Deluxe
und bei Rewe unter der Marke Rewe Feine Welt positioniert.
Ein entscheidender Unterschied dieser Handelsmarken zu den Markenartikeln liegt
im Distributionskanal, d. h. in den Vertriebsstätten, in denen die Produkte angeboten
werden. Markenartikel streben i. d. R. eine hohe Erhältlichkeit – auch über verschiedene
Vertriebsformen hinweg – an. Dagegen ist die Erhältlichkeit von Handelsmarken auf
den „herausgebenden“ Handelskanal beschränkt – oder aber auf die zu einem Handels-
konzern gehörenden Unternehmen. So ist die Handelsmarke Christian Berg nur bei An-
son’s und Peek & Cloppenburg verfügbar, die gesellschaftsrechtlich verbunden sind.
Das sehr erfolgreiche Vollwaschmittel Tandil gibt es entweder bei Aldi, Aldi oder Aldi.
So kann eine starke Bindung zufriedener Kunden an den Vertriebskanal Aldi er-
zeugt werden.
Die dritte Kategorie stellen No-Names dar. Diese Angebote werden auch Generics,
„Weiße“, markenlose Artikel, Private Brands, Eigenmarken oder Gattungsmarken ge-
nannt. Hierbei handelt es sich um eine übergreifende Namensgebung für einen größeren
Sortimentsteil des Handels. In dieses Sortiment wird häufig nur ein Produkt aus ver-
schiedenen Kategorien aufgenommen. Das Angebot reicht dabei von Apfelmus über
Kartoffelchips, Katzenfutter, Mehl, Milch, Papiertaschentücher und Toilettenpapier bis zu
Zitronentee und Zucker.
Die auf den ersten Blick irreführende Bezeichnung „No-Names“ wird nachvollziehbar,
wenn man sieht, dass das einzelne Produkt eben nur „Joghurt mild“ oder „zarte Hafer-
flocken“ heißt, und nicht Landliebe oder Köllnflocken. Die Bezeichnung kann auch „Caffé
Crema“ lauten und nicht Dallmayr oder Lavazza. Eine Markierung ist hier somit nur
produktgruppenübergreifend gegeben.
Ein konkretes Qualitätsversprechen wird bei den No-Name-Produkten nur teilweise
gegeben. Die jeweils eingebundenen Produzenten können durchaus einmal wechseln. Al-
lerdings werden viele der No-Name-Produkte von den Herstellern der Markenartikel
selbst produziert. Der herausgestellte Kundenvorteil ist eindeutig der relativ niedrige
Preis. Bei der Ausgestaltung der Produkte sieht man, dass die Handelsunternehmen in den
letzten Jahren die Wertigkeit der Verpackung deutlich erhöht haben.
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 31
Es stellt sich die Frage, warum Konsumenten nicht nur preisgünstigere Handelsmarken
und No-Name-Produkte kaufen, wenn objektive Testergebnisse à la Stiftung Warentest
immer wieder deren hohe Qualität beweisen. Dies ist vor allem bei Lebensmitteln, bei
Elektrogeräten sowie bei Kosmetikprodukten der Fall. Die Antwort auf diese Frage ist
ganz einfach: Wir kaufen Produkte nicht nur aufgrund ihres Grundnutzens. Häufig wird
die Kaufentscheidung vom Zusatznutzen dominiert.
Der Grundnutzen bei Seife ist die Reinigungsfunktion, der von Bekleidung eine
Schutz- und Wärmefunktion. Der Grundnutzen einer Uhr ist die Möglichkeit, die aktuelle
Zeit abzulesen. Der eines Autos ist es, möglichst sicher und geschützt von A nach B zu
gelangen. In der heutigen Zeit erbringen fast alle Produkte diesen Grundnutzen. Folglich
reicht deren Erfüllung für eine erfolgreiche Positionierung von Angeboten in Käufer-
märkten nicht aus.
cc Merk-Box Wichtiger als der Grundnutzen ist heute der sogenannte Zusatz-
nutzen – auch ästhetischer Nutzen oder Prestige- und Geltungsnutzen ge-
nannt. In der heutigen Zeit wird die Produktwahl immer stärker durch den Zu-
satznutzen dominiert.
Es macht in den Augen vieler Kunden – und nur darauf kommt es an – einen großen
Unterschied, ob auf einer Daunenjacke sichtbar das Branding Abrams von Anson’s zu
sehen ist oder das von Tommy Hilfiger, BOSS oder Armani. Für diesen Unterschied ist der
Kunde selbst bei identischer Grundnutzenerfüllung vielfach bereit, ein mehr oder weniger
hohes Preis-Premium zu bezahlen. Als Preis-Premium wird folglich dieser Unterschied
bzw. Preisaufschlag bezeichnet.
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 33
Gründe für die Akzeptanz eines solchen Preisaufschlags können sein, dass sich ein
Kunde in einem höher positionierten Markenprodukt wohler fühlt und/oder sich damit
lieber im Freundeskreis zeigt. Der Käufer kann sich mit der Marke und deren Philosophie
identifizieren. Deshalb wird es auch immer Kunden geben, die gewillt sind, für einen Fül-
ler der Marke Montblanc 146 Meisterstück 600 € zu bezahlen, obwohl Füller anderer Mar-
ken oder ohne Markierung mitunter schon für weniger als 10 € zu erwerben sind. Die
Nutzung des Montblanc-Schreibgerätes ist mit einem ganz anderen Prestige- oder
Geltungsnutzen im Gebrauch verbunden als bei einem Füller für 5,95 €. Hierfür ist der
Kunde bereit, entsprechend mehr zu bezahlen. Von dieser Bereitschaft profitieren eine
große Zahl von Unternehmen und die dort beschäftigen Mitarbeiter. Premium- bzw.
Luxusmarken wie Apple, Audi, BMW, Hermés, Louis Vuitton, Mercedes, Montblanc, Ne-
spresso, Riedel, Rolex und Swarovski kultivieren diesen kaufentscheidenden Zusatznutzen
auf höchstem Niveau!
cc Merk-Box Die Käufer von Premium- bzw. Luxusmarken freuen sich über Pro-
dukte mit „Mehrwert“ – und die Unternehmen über höhere Deckungsbeiträge
pro Produkt!
Bedürfnis Hunger
Spannungsebene
Nachfrage Aktion
Kaufakt
Das Bedürfnis ist zunächst noch ungerichtet und erfährt eine weitere Konkretisierung
erst als Bedarf. Ein Bedarf ist eine „objektorientierte Handlungsabsicht“. Die Be-
friedigung wird hier durch ein ganz bestimmtes Objekt gesucht. Das kann bei Hunger
Mars oder Twix, eine Karotte, eine Banane oder der FrüchteTraum von Ehrmann sein.
Dieser Bedarf wird erst als Nachfrage handlungswirksam, wenn das Individuum das
entsprechende Produkt erwerben möchte. Die Nachfrage ist so definiert, dass sie kauf-
kraftgestützt sein muss. Das heißt, ein potenzieller Kunde, der gerne ein Mars erwerben
möchte, aber nicht über das notwendige Geld verfügt, übt in diesem Sinne keine Nach-
frage aus. Beim Kaufakt handelt es sich um den vollzogenen Kauf. Nicht jede Nachfrage
führt zum Kauf. Geschäfte können geschlossen haben oder der gewünschte Artikel kann
nicht vorrätig sein (vgl. vertiefend Abschn. 3.4).
Dieser Prozess läuft nicht bei allen Gütern gleich ab. Vielmehr lassen sich die folgen-
den Arten von Kaufentscheidungsprozessen unterscheiden:
• Extensiver Kaufentscheidungsprozess
Ein extensiver (ausgedehnter) Prozess wird nur für Anschaffungen durchgeführt, die zu
den Shopping Goods oder den High-Interest-Produkten gehören. Es besteht aus der
subjektiven Perspektive des Kunden die Notwendigkeit, sich intensiv mit den An-
gebotsalternativen zu befassen. Bevor ein Gut zum Specialty Good wird, erfolgt
i. d. R. auch ein solch extensiver Such- und Bewertungsprozess. Der Einstieg in diesen
beginnt mit der Anregungsphase, die durch Werbung in einer Zeitung, einen Hinweis
auf Facebook oder Instagram, ein Online-Banner, ein Gespräch mit einem Bekannten
oder durch ein konkretes Bedürfnis ausgelöst werden kann (vgl. Abb. 1.15).
Im Zuge der Suchphase werden verschiedene Wege beschritten, um sich einen
Überblick über das Angebot zu verschaffen. Dies gilt für das Thema Urlaubsreisen und
Riester-Rente ebenso wie für ein Fortbildungsangebot oder den Kauf eines Smart-TVs.
Die Informationsbeschaffung kann online und/oder offline erfolgen. In der Bewer-
tungs- und Auswahlphase werden die Alternativen hinsichtlich ihrer Eignung zur Be-
Anregungsphase
Such-
phase
Nachkauf- Bewertungs-
phase und
Auswahl-
phase
Kaufakt-
phase
friedigung des Bedürfnisses geprüft und über Bedarf und Nachfrage zur Kaufaktphase
weitergeführt, wenn die notwendige Kaufkraft vorhanden ist.
Eine besonders wichtige, in vielen Geschäftsfeldern noch vernachlässigte Phase
schließt sich an den Kaufakt an: die Nachkaufphase. Hier tauchen bei vielen Kunden
die sogenannten Nachkauf-Dissonanzen auf (engl. „Post-Decisional Regret“). Hier-
bei handelt es sich um ein Bedauern nach der Entscheidung (vgl. Kroeber-Riel &
Gröppel-Klein, 2019, S. 265–267). Was liegt dem zugrunde? Der Kunde hat sich – ggf.
nach einem längeren Entscheidungsprozess – für eine Alternative entschieden und
damit gegen andere, vielleicht gleichwertige Angebote. Deshalb können jetzt Fragen
auftauchen, wie bspw.:
–– Habe ich das richtige Angebot ausgewählt?
–– Habe ich alle wesentlichen Kriterien bei der Auswahl berücksichtigt?
–– Hätte ich mich nicht doch besser für das andere Angebot entscheiden sollen?
–– Wären nicht noch andere Alternativen verfügbar gewesen?
–– Habe ich alle relevanten Informationen im Vorfeld beschafft?
–– Hätte ich mit der Entscheidung nicht noch etwas warten sollen?
–– Etc.
Wie sollte ein Unternehmen auf erwartbare Nachkauf-Dissonanzen reagieren?
Eine solche Kaufbestätigung kann dadurch erfolgen, dass dem Produkt ein Schrei-
ben beigefügt ist mit dem Tenor: „Herzlichen Glückwunsch zum Kauf dieses Produk-
tes! Sie gehören damit zu über 100.000 Kunden, die sich Jahr für Jahr für unser Unter-
nehmen entscheiden …“ Es können auch nochmals die besonderen Garantiebedingungen
des Anbieters herausgestellt werden. Beim Versender Land’s End ist dies etwa die
lebenslange Garantie). Auch der Hinweis auf einen 24/7 erreichbare Hotline-Support
kann zur Vermeidung dieser Dissonanzen beitragen. Auch ein nach Vertragsabschluss
versandtes Schreiben, in dem auf positive Testergebnisse der Stiftung Warentest hin-
gewiesen wird, hilft dem Kunden beim Abbau seiner Dissonanzen. Ein solches Vor-
gehen findet regelmäßig bei der Cosmos Direkt Versicherung statt. Gleichzeitig wird
ein möglicher Folgekauf vorbereitet. Schließlich vermitteln solche Angaben dem Kun-
den das gewünschte gute Gefühl.
• Habitueller Kaufentscheidungsprozess
Der habituelle, gewohnheitsmäßige Kaufentscheidungsprozess kommt oft bei Conve-
nience Goods und bei Low-Interest-Produkten zum Tragen. Für Angebote wie Zeit-
schriften, Zahncreme, Shampoo und Waschmittel entscheidet man sich i. d. R. einmal:
Dann werden diese Produkte häufig über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte gekauft,
ohne dass die Produktwahl nochmals hinterfragt wird. Der Such-, Bewertungs- und
Auswahlprozess entfällt nach dieser initialen Entscheidung ganz oder wird zumindest
stark verkürzt.
36 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
Für Unternehmen ist es ein dominantes Ziel, ihre Angebote in solchen gewohnheits-
mäßigen Kaufprozessen zu etablieren. Dazu gehört nicht nur eine Markenpflege, die
auf Kontinuität hinsichtlich Positionierung und Produktentwicklung setzt. Zusätzlich
wird vielfach eine große Distribution in verschiedenen Handelskanälen angestrebt,
damit der Käufer nicht lange suchen muss. Ein treffendes Beispiel hierfür ist die im
Jahre 1911 entwickelte Nivea-Creme, die allen Modeströmungen zum Trotz nach 100
Jahren nach wie vor eine große Attraktivität und Dynamik ausstrahlt – und dies weit
über das Creme-Segment hinaus.
• Impulsiver Kaufentscheidungsprozess
Bei impulsiven Kaufentscheidungen durchläuft der Konsument keinen geplanten Pro-
zess. Hier wird der Käufer durch das konkrete Angebot am POS (Point of Sale) bzw.
POP (Point of Purchase) zum Kauf angeregt. Auf solchen Impulskäufen basiert teil-
weise die Geschäftspolitik des Bekleidungshauses Zara. Unter Verzicht auf Werbung
werden hier im Abstand von zwei bis drei Wochen immer wieder wechselnde Kollek-
tionen präsentiert. In Summe sind das mehrere Tausend neue Artikel pro Jahr. Der
Kunde muss sich relativ spontan entscheiden, weil die Kollektion nächste Woche schon
ausverkauft sein kann.
Hierauf bauen neben dem schon erwähnten Tchibo-Konzept auch die wöchentlich
wechselnden Hartwaren-Angebote von Aldi, Penny, Lidl und Norma auf. Da in Deutsch-
land inzwischen die Mehrheit der Haushalte über Beistelltische, Grillausstattungen,
Bügeleisen und Nordic-Walking-Stöcke verfügt, stoßen derartige Angebote immer
stärker an ihre Grenzen.
Das Geschäftsmodell von IKEA ist ebenfalls auf Spontankäufer ausgerichtet. Wer
nach einem bestimmten Möbelstück sucht, soll auf dem Weg durch das Geschäft mög-
lichst noch viele weitere Dekorationsartikel spontan erwerben – und wird deshalb
durch die Wegeführung möglichst lange im Geschäft gehalten.
• Höherer Formalisierungsgrad
Grundsätzlich weisen Einkaufsprozesse in größeren Organisationen einen höheren
Formalisierungsgrad auf. Vielfach gibt es umfassende Einkaufsrichtlinien, die in Ein-
kaufshandbüchern dokumentiert sind. Vorstände, Geschäftsführer und Mitarbeiter der
Einkaufsabteilungen verpflichten sich teilweise bereits in ihren Anstellungsverträgen,
die im Unternehmen jeweils gültigen Richtlinien zu berücksichtigen.
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 37
Was ist der Grund für diese Reglementierung der Einkaufsprozesse? Je größer ein
Unternehmen ist, desto umfangreicher werden die Losgrößen für den Einkauf, sei es
bei Büroklammern, PCs, Büromöbeln, Fahrzeugen oder Maschinen. Mit diesen stei-
genden Losgrößen wächst die Begehrlichkeit der Lieferanten, solche Aufträge zu
akquirieren – und sei es mit unlauteren Maßnahmen. Die schriftlich dokumentierten
Anweisungen, ab einer bestimmten Auftragshöhe (bspw. ab 1000 €) grds. drei Liefe-
ranten anzufragen und den günstigsten auszuwählen. Zusätzlich können Vorgaben er-
folgen, ab welchem Betrag eine nationale oder europaweite Ausschreibung vorzu-
nehmen ist. Hierdurch sollen „Kungeleien“ mit Lieferanten vermieden werden. Dass
dies nicht immer gelingt, kann regelmäßig der Presse entnommen werden.
Ein weiteres Argument für die stärkere Reglementierung der Prozesse ist im Pooling
von Einkaufsmacht zu sehen. Würde jede einzelne Abteilung oder – in einem größe-
ren Konzern – jede Tochtergesellschaft die Einkaufsprozesse autonom durchführen,
könnten häufig nur deutlich ungünstigere Konditionen bei den Lieferanten „heraus-
geholt“ werden. Die Zusammenführung von Nachfrage bspw. in einer gesonderten Ein-
kaufsabteilung ermöglicht es, entsprechende Mengenrabatte zu erzielen und ggf. sogar
eine VIP-Betreuung als Großkunde zu erreichen.
• Abweichende Entscheidungskriterien
Neben dem Preis werden bei Kaufentscheidungen in Unternehmen häufig noch andere
Kriterien angewandt. Die Investitionssicherheit stellt ein solches Kriterium dar. Hie
runter wird die Gewissheit verstanden, dass es bspw. bestimmte Produkte, seien es
Möbel, Maschinen oder Software, auch noch in mehreren Jahren am Markt geben wird.
Auch mehrere Jahre nach dem Kauf noch auf Wartungsleistungen sowie eine Be-
lieferung mit Ersatzteilen vertrauen zu können, gehört zur Investitionssicherheit.
Dies stellt einen Grund dafür dar, warum sich kleinere und neue Unternehmen häu-
fig schwerer tun, Aufträge von Großunternehmen zu erhalten. Dort ist man sich häufig
unsicher, ob es den Lieferanten auch in zwei Jahren noch geben wird. Deshalb fallen
Entscheidungen für langlebige Güter häufig zugunsten größerer und bekannterer Liefe-
ranten aus, selbst wenn diese nicht das optimale Angebot aufweisen. So lautete in der
Hochphase von IBM ein bekannter Ausspruch: „Nobody ever got fired for buying IBM“.
Auch Imageaspekte können bei der Auswahl des Leistungspartners eine Rolle spie-
len. Wer schmückt sich als Entscheidungsträger nicht gerne damit, mit Consultants von
Boston Consulting Group oder McKinsey & Company zusammenzuarbeiten? Dies
klingt deutlich besser als die Kooperation mit „Mr. Nobody & Co.“. Das gilt selbst
dann, wenn Letztere vielleicht die deutlich bessere Leistung, ggf. sogar zu attraktiveren
Konditionen, anbieten kann. Hierbei spielt die Investitionssicherheit wiederum eine
Rolle: Es wird einem Manager wohl kaum vorgeworfen werden können, sich für
McKinsey entschieden zu haben. Aber wer kann beim Scheitern eines Projektes noch
rechtfertigen, „Mr. Nobody & Co.“ ausgewählt zu haben?
Kooperationsüberlegungen können bei der Wahl des Partners ebenfalls eine Rolle
spielen. So wird in der Pharmaindustrie sowie in der Automobilindustrie aufgrund der
Höhe der Entwicklungskosten in vielen Bereichen intensiv zusammengearbeitet. Stra-
38 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
tegische Wettbewerber wie BMW und Mercedes haben sich bspw. zusammengefunden,
um beim Thema autonomes Fahren zu kooperieren.
• Höhere Rationalität
Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass beim Kaufverhalten von Unternehmen ein
höheres Maß an Rationalität erreicht wird. Zwar wird u. a. durch den bereits be-
schriebenen höheren Formalisierungsgrad sowie das nachfolgend beschriebene Buying
Center versucht, eine höhere Rationalität quasi zu erzwingen. Eine Garantie ist das je-
doch keineswegs. Der Wirtschaftspresse ist regelmäßig zu entnehmen, dass Ent-
scheidungen in Unternehmen häufig auf persönlichen, eher auf Image-, Prestige- oder
Machtausbau zielenden Gründen basieren, die von rationalen Verhaltensmustern aus
Unternehmenssicht weit entfernt sein können.
• Fremdbestimmter, abgeleiteter Bedarf
Die Nachfrage von Unternehmen ist fremdbestimmt bzw. abgeleitet von dem Leistungs-
portfolio, welches das Unternehmen selbst anbietet. Bietet ein Unternehmen, wie bspw.
DHL, FedEx, Hermes oder UPS, Logistikleistungen an, werden dafür entsprechende
Fahrzeuge benötigt. Stellt ein Unternehmen die Bodenwanne für Kraftfahrzeuge her, so
werden dafür nicht nur Stahl, sondern auch Press-, Schweiß- und Schneidewerkzeuge
sowie Schutzbekleidung für die Mitarbeiter benötigt. In all diesen Fällen leitet sich die
Nachfrage des Unternehmens von den gefertigten Produkten bzw. den angebotenen
Dienstleistungen ab.
• Höheres Ausmaß an Individualisierung – Erbringung von flankierenden Service-
leistungen
Bei organisatorischen Kaufprozessen kann es in höherem Maße zu einer Individualisie-
rung von Leistungen kommen, wenn bspw. eine Druckmaschine speziell für einen
Kunden entwickelt bzw. an dessen Anforderungen adaptiert wird. Flankierend hierzu
werden bspw. bei Investitionsentscheidungen Serviceverträge angeschlossen, um bspw.
Wartungsleistungen oder eine schnelle Ersatzteillieferung sicherstellen zu können.
Teilweise werden vom Lieferanten auch Finanzierungsleistungen angeboten, um dem
kaufenden Unternehmen ein attraktives Gesamtpaket anbieten zu können.
• Entscheidungen im Kollektiv treffen
Entscheidungen in Unternehmen werden häufig im Kollektiv getroffen, d. h. von meh-
reren Personen. Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen, hat sich der Begriff des Buy-
ing Centers eingebürgert (vgl. grundlegend Webster & Wind, 1972). Hierbei geht es
um ein gedankliches Konstrukt, das den multipersonalen Ansatz im Kaufverhalten
von Organisationen zum Ausdruck bringt. Das Buying Center stellt meist keine organi-
satorische oder prozessual definierte Einheit dar. Es ist vielmehr ein Denkkonzept, um
die in einen Entscheidungsprozess mehr oder weniger stark involvierten Personen zu
erkennen und zu benennen (vgl. Abb. 1.16). Durch diesen Ansatz wird deutlich, dass
nicht die Einkäufer bzw. die Einkaufsabteilung allein in das Zentrum der vertrieblichen
Aktivitäten gerückt werden sollte. Auch andere Personen können – mehr oder weniger
sichtbar – Einfluss auf die Kaufentscheidung nehmen.
1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketings 39
Gatekeeper
Influencer Nutzer
Einkäufer Entscheider
An erster Stelle sei der Gatekeeper genannt, hinter dem sich der Chef-Sekretär oder
der Assistent des Einkäufers verbergen kann. Dieser auch als Informationsregulator
bezeichnete Rollenträger bestimmt in hohem Maße, welche Informationen, bspw. in
Gestalt von Mailings, Angeboten etc., auf dem Tisch des Vorgesetzten landen. Der
Gatekeeper entscheidet auch darüber, ob ein Vertriebsmitarbeiter telefonisch durch-
gestellt wird und ob dieser einen Termin bekommt. Deshalb ist es aus vertrieblicher
Sicht entscheidend, sich mit diesem Rollenträger „gutzustellen“.
Der Rollenträger Einkäufer stellt die klassische Anlaufstelle für den Vertrieb dar.
Hier ist zumindest formal die Einkaufsmacht gebündelt. De facto kann dies aber ganz
anders aussehen, wenn bspw. Influencer, seien es externe oder interne Berater, die
„graue Eminenz“ des Unternehmens (etwa der Eigentümer) oder andere Meinungs-
führer aus dem Hintergrund die Fäden ziehen und damit maßgeblich bestimmen, wie
die Entscheidung ausfällt. Häufig ist es schwierig, die Inhaber dieser „faktischen
Macht“ zu identifizieren. Die Mühe lohnt sich aber oft, weil nur dann die Möglichkeit
besteht, diese in den Vertriebs- und damit Überzeugungsprozess einzubinden.
Wie weit die formale Macht des Einkaufs geht, ist auch davon abhängig, ob der
letztendliche Entscheider im Einkauf sitzt. Dies ist der Fall, wenn der Leiter Einkauf
die finale Entscheidung trifft. Diese kann aber auch vom Vorstand oder der Geschäfts-
leitung gefällt werden. Der Einkauf hat dann lediglich die Aufgabe, eine solche Ent-
scheidung vorzubereiten.
Ein aus Sicht der Betroffenen häufig vernachlässigter Rollenträger des Buying
Centers ist der Nutzer selbst. Nicht selten „darf“ dieser lediglich seinen Bedarf an-
40 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
melden, ohne konkreter nach genaueren Anforderungen gefragt zu werden. Für wel-
chen Lieferanten sich das Unternehmen entscheidet und welche Produkte oder
Dienstleistungen letztendlich anhand welcher Kriterien ausgewählt werden, ist für
den Nutzer oft nicht transparent. Bei größeren Einkaufsentscheidungen ist es nicht
nur im Interesse des Verkäufers, sondern von allem auch des Einkäufers, die Nutzer
einzubinden.
Wie bereits erwähnt, kann eine Person mehrere Rollen ausfüllen. So kann der Ein-
käufer auch der Entscheider sein. Eine Rolle kann aber auch von mehreren Personen
wahrgenommen werden. Beispielsweise kann sich hinter „Einkäufer“ ein Ein-
käufer-Team verbergen oder hinter „Influencer“ eine Consulting-Einheit, die wiederum
aus mehreren Personen besteht.
Die große Relevanz erfährt das Buying-Center-Konzept durch die Klarstellung, dass
die Anforderungen der einzelnen Rollenträger an einen Lieferanten gänzlich unter-
schiedlich ausfallen können. Der Nutzer interessiert sich bspw. für die Wartungsfreund-
lichkeit und die Lautstärke einer Maschine, die Schnelligkeit des Zugriffs auf Ersatz-
teile und die Verständlichkeit des Manuals. Der Einkäufer ist eher an den Zahlungszielen,
möglichen Rabatten oder anderen Nachlässen interessiert. Der Influencer wie auch der
letztendliche Entscheider können ganz eigene Interessen haben. Diese können der Ge-
winnung eines besonders imageträchtigen Partners gelten, der für seine wichtigsten
Kunden interessante Events gestaltet. Ebenso schmückt man sich besonders gerne mit
„großen Namen“, die bei unternehmensübergreifenden Meetings „in die Runde ge-
worfen“ werden können.
Zumindest bei der Gewinnung größerer Aufträge kann es für das anbietende Unter-
nehmen ein großer Vorteil sein, wenn es dem Buying Center ein Selling Center ent-
gegenstellt. Das Pendant zum Einkäufer ist der klassische Verkäufer, der sich auch um
die Gunst des Gatekeepers bemühen muss. Dem Nutzer können Referenzkunden als
Ansprechpartner präsentiert werden. Oder es wird der direkte Kontakt zu Technikern
des anbietenden Unternehmens hergestellt, um die aufkommenden Fragen möglichst
kompetent beantworten zu können.
Für den Entscheider bietet sich häufig – um der hierarchischen Ebene Rechnung zu
tragen – die Einbindung der Geschäftsführung des anbietenden Unternehmens in
das Selling Center an. Auf diese Weise kann, u. U. auf dem Golfplatz oder bei einem
Geschäftsessen, ganz nebenbei über Geschäftliches gesprochen werden. Hierdurch
kann eine wichtige Vertrauensbasis durch die zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung
aufgebaut werden. Der Influencer selbst sollte, je nach Ausrichtung, bspw. durch eigene
Vertriebsberater betreut werden.
1.2 Marketingrelevantes Umfeld 41
Der Markt – sei es als Beschaffungs- oder Absatzmarkt – hat für Unternehmen eine zen
trale Bedeutung. Doch was versteht man unter Markt? Beim Markt handelt es sich um:
Der Markt kann so konkret Gestalt annehmen wie der Wochenmarkt auf dem Markt-
platz in Bonn oder der Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt in Berlin, auf dem
sich Anbieter und Nachfrager zu bestimmten Zeiten für einen eingeschränkten Sortiments-
bereich treffen. Er kann aber auch so abstrakt sein wie der globale Arbeitsmarkt, der die
Wanderungsbewegungen von Arbeitnehmern zwischen Ländern und die unterschiedlichen
Preise für Arbeitsleistungen beschreibt. Eine globale Perspektive liegt auch dem welt-
weiten Energie- und Kapitalmarkt zugrunde.
Zwischen diesen beiden Extrempositionen angesiedelt sind bspw. der deutsche Pkw-
Markt oder der Tourismusmarkt in Österreich. Die beiden letzten Beispiele können
verdeutlichen, dass diese regionale Abgrenzung von Märkten in einer zunehmend globali-
sierten Welt an Bedeutung verliert. So treffen auf dem deutschen Pkw-Markt alle relevan-
ten Hersteller der Welt aufeinander und stehen in einem harten Wettbewerb. Das Angebot
der österreichischen Tourismuswirtschaft konkurriert in Sachen Wintersport nicht nur mit
St. Moritz und den Langlaufregionen in Finnland, sondern auch mit dem Heliskiing in den
Rocky Mountains – und mit einem Badeurlaub in Südafrika. Unter Umständen konkurrie-
ren diese Angebote auch mit der Frage, ob das Urlaubsbudget nicht besser für einen Flat-
Screen-Fernseher eingesetzt werden sollte.
Für jedes Unternehmen ist es wichtig, den für sich relevanten Markt abzugrenzen.
Diese Abgrenzung ist nicht nur räumlich zu interpretieren, sondern kann auch bestimmte
Zielgruppen umfassen. Erst wenn Märkte präzise definiert werden, lassen sich sinnvoll
weitere marktrelevante Termini einsetzen. Zur Kennzeichnung von Märkten werden ver-
42 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
Absatz-/Umsatzvolumen
eines Unternehmens
Marktvolumen
(realisierter/geplanter Absatz/Umsatz)
Marktpotenzial
(gesamte Aufnahmefähigkeit eines Marktes für ein
Gut; gemessen als Absatz/Umsatz)
schiedene Begriffe verwendet, die die Größe von Märkten und den Anteil einzelner Unter-
nehmen daran beschreiben (vgl. Abb. 1.17). Es werden teilweise Umsatzgrößen (bspw.
in €) oder Absatzmengen (in Stück) zur Bestimmung herangezogen.
Das Marktpotenzial beschreibt die potenzielle Aufnahmefähigkeit eines Marktes für
ein Gut und kennzeichnet die maximal mögliche Absatzmenge bzw. den maximal erreich-
baren Umsatz (bspw. für Smartphones in Deutschland). Das Absatzpotenzial beschreibt –
als Teilmenge davon – die maximal denkbare Absatzmenge, die ein Unternehmen er-
reichen zu können glaubt. Bei der Bestimmung des Marktpotenzials können Analogien zu
anderen Ländern hergestellt werden, um daraus eine Annäherung an die zu erwartende
Marktgröße für Deutschland vorzunehmen. So kann aus der Nutzung von Smart Speakern
(Lautsprechern mit integriertem digitalen Assistenten) in den USA auf deren zukünftige
Verbreitung in Europa und Deutschland geschlossen werden.
cc Merk-Box Die Größe des Marktpotenzials stellt einen Prognosewert dar und
ist folglich mit Unsicherheit behaftet.
Legendär ist die 1901 veröffentlichte Prognose von Gottlieb Daimler, dem Erfinder des
Automobils: „Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht
überschreiten – allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.“ Auch die Prognose
des Gründers von IBM, Thomas J. Watson, aus dem Jahr 1943 hat sich nicht bewahrheitet:
„Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“ Ebenso wenig ist
die Prognose von Bill Gates, dem Gründer von Microsoft, eingetroffen, der 1981 prognos-
tiziert hat: „Mehr als 640 Kilobyte Speicher werden Sie niemals benötigen“ (Radecke,
2010, S. 9–12).
1.2 Marketingrelevantes Umfeld 43
Das Marktvolumen bezieht sich auf den bereits realisierten Umsatz oder Absatz für
ein entsprechendes Gut (bspw. Umsatz mit Tablet-PCs in Deutschland im Jahr 2020) oder
auf einen prognostizierten Umsatz/Absatz, bspw. für ein Jahr (Umsatz/Absatz im Jahr
2022). Es wird deutlich, dass das Marktvolumen wesentlich konkreter ist als das Markt-
potenzial.
Marktvolumen
Marktausschopfungsgrad 100
Marktpotenzial
Der absolute Marktanteil eines Unternehmens kennzeichnet den Teil, den ein Unter-
nehmen an einem spezifischen Markt realisiert hat und der Absatz- bzw. Umsatzvolumen
genannt wird (vgl. Abb. 1.17). In der Regel wird dafür der Umsatz des Unternehmens – in
seltenen Fällen auch die Absatzmenge – herangezogen. Für die Ermittlung des Marktan-
teils ist es wiederum wichtig, den für ein Unternehmen relevanten Markt zu definieren. Ein
Berliner Unternehmer, der auf dem dortigen Weihnachtsmarkt handgefertigte Seifen an-
bietet, kann dort selbst bzgl. derartiger Seifen bspw. einen Marktanteil von 7 % erreicht
haben. Würde er seinen Markt mit „hand- und industriell gefertigte Seifen“ definieren,
würde sein Marktanteil auf einen kleinen Promillewert sinken. Wird nicht Berlin, sondern
Deutschland als relevanter Markt definiert, ist dieser Anbieter nicht mehr wahrnehmbar.
Deshalb ist bei der Bewertung von Marktanteilen entscheidend, wie der relevante Markt
und damit das entsprechende Marktvolumen definiert werden.
Unternehmens A 4. Diese Größe sagt viel mehr über die Bedeutung des Unternehmens im
Markt aus als der absolute Marktanteil. Zu berücksichtigen ist, dass der relative Marktan-
teil keine Maßeinheit aufweist.
Nachfrager
Viele Wenige Einer
(atomistisch) (oligopolistisch) (monopolistisch)
Anbieter
Beschränktes
Wenige Angebotsoligopol Zweiseitiges Oligopol Nachfragemonopol
(oligopolistisch)
Beschränktes Zweiseitiges
Einer Angebotsmonopol Angebotsmonopol Monopol
(monopolistisch)
cc Merk-Box Die Definition des relevanten Marktes hat Auswirkungen auf die
Genehmigung bzw. das Verbot von Unternehmenszusammenschlüssen und
Akquisitionen.
In Abb. 1.4 wurden die relevanten Bereiche der Makro-Umwelt des Unternehmens be-
nannt. Diese Faktoren, die sich in hohem Maße auf die Mikro-Umwelt des Unternehmens
auswirken, werden hier näher analysiert.
• Wirtschaftspolitische Ausrichtung
Regelungen zur Mitbestimmung und Tarifautonomie; Förderung von Unternehmens-
gründungen; Marktwirtschaft oder Planwirtschaft
• Schutz von Privateigentum
Rechtliche Absicherung von geistigem Eigentum wie Patenten, Markennamen
• Rechtssicherheit
Position und Unabhängigkeit von Rechtsinstitutionen; Möglichkeit, sein Recht durch-
zusetzen; Sicherstellung von „fairen“ Verfahren
• Gesetze
Kodifizierung von Regelungen durch Steuergesetze, Gesetz gegen den unlauteren Wett-
bewerb, Preisangabenverordnung, Markengesetz, Gesetz gegen Wettbewerbs-
beschränkung, Produkthaftung, Umweltschutzgesetze etc.
Diese Aufzählung vermittelt einen Eindruck davon, welche Aspekte diesem Bereich
zugeordnet werden. Einen besonders nachhaltigen Einfluss übt in Europa die Zugehörigkeit
zur EU (Europäische Union) bzw. zum Euro-Raum aus. Durch die EU-Gremien in
Brüssel werden nicht nur viele rechtliche Rahmenbedingungen definiert, sondern auch
Handelsschranken zwischen den EU-Mitgliedern abgebaut und einheitliche Rahmen-
bedingungen für Unternehmen in der EU geschaffen.
Abb. 1.19 Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland – 2021, 2040 und 2060. (Quelle: Desta-
tis, 2021a)
stärker auf das Jugendsegment ausgerichtet waren und die für den wachsenden Senioren-
markt bisher nur wenige Produkte anbieten. Außerdem ist die Kommunikations- und auch
Personalpolitik der Unternehmen stärker auf die Anforderungen der älteren Zielkunden
auszurichten, weil in Deutschland ein Arbeitskräftemangel bereits absehbar ist.
Mit der Verschiebung der Altersstruktur geht in Deutschland auch eine Veränderung
der durchschnittlichen Haushaltsgröße einher. Diese zeigt Abb. 1.20. Während die An-
zahl der Ein- und Zwei-Personen-Haushalte seit 1991 angestiegen ist, ist die Zahl der
Drei- und Vier-Personen-Haushalte deutlich gefallen. Diese Entwicklung hat ebenfalls un-
mittelbaren Einfluss auf das Marketing. Ein-Personen-Haushalte fragen bspw. andere Ver-
packungsgrößen nach. Erwerbstätige Single-Haushalte erwarten auch andere Öffnungs-
zeiten von Geschäften, um nach der Arbeit noch einkaufen zu können. Alternativ wenden
sich diese Personen – auch beim Lebensmittelkauf – den Online-Anbietern zu. Gleich-
zeitig hat die Abnahme der Anzahl größerer Haushalte Auswirkungen auf den benötigten
Wohnraum und die Ausstattung mit Möbeln. Gleichzeitig sinkt der Bedarf an großen Por-
zellan-Services und umfassenden Besteck-Garnituren.
1.2 Marketingrelevantes Umfeld 49
Einen besonderen Stellenwert nimmt in diesem Bereich für Deutschland die Zuge-
hörigkeit zur EU ein. Durch die Einführung des Euro im Jahr 2002 ist jegliches Wechsel-
kursrisiko zwischen den Ländern der Euro-Zone weggefallen ist. Gleichzeitig befinden
sich die Länder der Euro-Zone in einer starken wirtschaftlichen und damit auch einer
umfassenden politischen Abhängigkeit. Für Standortentscheidungen innerhalb Deutsch-
lands wie auch in den einzelnen Städten ist zu berücksichtigen, wie sich die Kaufkraft
verteilt. Hierzu liefern Kaufkraftkarten – bspw. von der GfK, dem größten deutschen
Marktforschungs-Institut – wichtige Informationen (vgl. GfK, 2021).
Schwächen in Bereich der Infrastruktur können von den Unternehmen nur teilweise
überwunden werden. Dies ist bei Industrieansiedlungen bspw. durch den Bau eigener Ver-
sorgungseinrichtungen sowie durch die Ansiedlung von Ausbildungseinheiten möglich.
Ein Blick auf die „Großwetterlage“ zeigt, dass die beschriebenen Bereiche der
Makro-Umwelt sich heute viel dynamischer verändern als in der Vergangenheit. Um die
damit verbundenen Herausforderungen zu beschreiben, wird von einer VUCA-Welt ge-
sprochen. Hinter diesem Akronym verbergen sich die folgenden Inhalte (vgl. vertiefend
Kreutzer, 2021c):
50 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
• Volatility
Volatility beschreibt i. S. einer Unbeständigkeit die zunehmende Häufigkeit, die hohe
Geschwindigkeit sowie das Ausmaß der (vielfach ungeplanten) Veränderungen, auf die
sich alle Marktteilnehmer immer wieder und immer wieder neu einstellen müssen. Dies
gilt bspw. für die hohen Schwankungen bei den Aktienindizes (bspw. DAX und Dow
Jones), aber auch für die Preise für Öl, Gas und Gold.
Mit Volatility ist auch eine Flüchtigkeit gemeint, weil bestimmte Phänomen kurz-
fristig sehr viel Aufmerksamkeit erfordern, um anschließend schnell wieder in der Ver-
senkung zu verschwinden.
• Uncertainty
Mit Uncertainty ist die Unsicherheit gemeint, durch die eine Vorhersagbarkeit von Er-
eignissen und deren Effekten sowohl im privaten wie auch im beruflichen Leben immer
kleiner wird. Noch vor kurzem wurde von den „Spezialisten“ eine Dollar-Euro-Parität
vorausgesagt – und ein Ende des Höhenflugs des Goldpreises prognostiziert. Es ist
ganz anders gekommen.
• Complexity
Die Komplexität bezieht sich auf die zunehmende Anzahl von Verknüpfungen und
Abhängigkeiten, welche fast alle Lebens- und Arbeitsbereiche schwerer durchschau-
bar machen. Die Aussage „everything goes“ verdeutlicht dieses Phänomen. Gleich-
zeitig gilt, dass immer mehr mit immer mehr verbunden wird. Hier ist an das Internet
of Everything sowie an grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten zu denken. Ein
anderes Beispiel ist die schier unüberschaubare Anzahl von Tools, die einem Marketing-
Manager heute zur Verfügung stehen.
• Ambiguity
Die Ambiguität beschreibt die Mehrdeutigkeit von Fakten und Sachverhalten, die
eine korrekte Interpretation und darauf basierende Entscheidungen immer schwerer
macht. Diese Mehrdeutigkeit ist auch der Nährboden für alle möglichen Verschwörungs-
theorien – so abstrus diese bei einer faktenbasieren Analyse auch aussehen mögen. Mit
Mehrdeutigkeit sind hier allerdings nicht die euphemistisch „alternativen Fakten“ ge-
nannten Aussagen gemeint. Denn bei diesen geht es ganz einfach nur um widerleg-
bare Lügen!
Im Mittelpunkt der Mikro-Umwelt des Unternehmens (vgl. Abb. 1.4) stehen die – aktuel-
len und/oder potenziellen – Kunden. Ihre Bedürfnisse und Erwartungen zu ermitteln, ist
1.2 Marketingrelevantes Umfeld 51
zentrale Aufgabe der Marktforschung (vgl. Kap. 2). Hier stellt sich u. a. die Frage, auf
welchen Typ von Kunden das unternehmerische Marketing fokussiert:
• Konsumenten
Konsumenten sind Endverbraucher von Produkten und Dienstleistungen.
• Gewerbliche Abnehmer
Gewerbliche Abnehmer sind Produktions- oder Dienstleistungs-Unternehmen.
• Öffentliche Abnehmer
Öffentliche Abnehmer sind u. a. staatliche Hochschulen, Museen und Behörden.
• Gleichartiger Qualitätsanspruch
Beispielsweise bei den Premium-Anbietern im Bekleidungssegment (u. a. Baldessa-
rini, Lagerfeld, Armani, Bugatti und Strellson)
• Vergleichbare Preisstellung und Angebotskonzeption
Etwa bei den Fluggesellschaften im Low-Cost-Segment (Eurowings, Ryanair, easyJet)
oder bei den Lebensmittel-Discountern (Aldi, Lidl, Netto, Norma, Penny)
• Gemeinsamer Kernmarkt
So bei den Automobilherstellern im Volumen-Markt (u. a. Volkswagen, Toyota, Hyun-
dai, Ford, Opel)
Zusätzlich sind bei der Analyse der Mikro-Umwelt die Lieferanten zu berücksichtigen.
Hierzu zählen im Hinblick auf Arbeitskräfte vor allem die Schulen und Hochschulen
sowie weitere Ausbildungsbetriebe. Aber auch Wettbewerbsunternehmen sind als „Liefe-
ranten“ von Bedeutung, wenn von diesen Mitarbeiter abgeworben werden sollen. Weitere
wichtige Partner sind die Zulieferer, deren Produkte und Dienstleistungen in die eigene
Wertschöpfungskette integriert werden sollen (bspw. Rohstoffe, Komponenten, Techno-
logien, Patente).
Schließlich sind die Kapitalgeber im Rahmen der Analyse der Mikro-Umwelt zu be-
rücksichtigen. Dies können Banken sein, die Unternehmen mit Krediten versorgen. Dazu
zählen aber auch die Aktionäre, die Anteile am Unternehmen erwerben und dadurch eben-
falls Geldmittel zur Verfügung stellen.
Um alle im Rahmen der Mikro- und Makro-Umwelt angesprochenen Felder abzu-
decken, wurde die Marktforschung zur Marketing-Forschung weiterentwickelt (vgl. ver-
tiefend Kap. 2).
52 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
• S: Stimulus (Reiz)
• O: Organismus (Innenleben des Menschen)
• R: Reaktion bzw. Response
Dieses Modell basiert auf der Annahme, dass externe Stimuli im Innenleben des Men-
schen bestimmte Prozesse anstoßen, die dann zu einer Reaktion führen können (vgl.
Abb. 1.21). Solche Stimuli können aus der allgemeinen Umwelt der Person stammen.
Marketing-Stimuli sind bspw. ein Plakat oder ein Online-Banner, ein Vorteils-Coupon
oder eine Anzeige. Auch die Zweitplatzierung eines Produktes im Laden oder ein TV-Spot
gehören zu diesen Stimuli.
Diese Stimuli werden im Innenleben einer Person verarbeitet. Die hier ablaufenden
Prozesse stellen gleichsam eine Black Box dar. Schließlich kann nicht einfach erfasst
werden, wie die Stimuli im Innenleben verarbeitet werden. Hier wird zwischen ver-
schiedenen Prozessen unterschieden. Kognitive Prozesse unterstützen die Wahrnehmung
sowie das Denken, Entscheiden und Lernen. Hier geht es um einen Erkenntnisgewinn.
Aktivierende Prozesse versorgen den menschlichen Organismus mit Handlungsenergie.
Hier spielen Emotionen, Motive und Einstellungen eine zentrale Rolle (vgl. grundlegend
Kroeber-Riel & Gröppel-Klein, 2019).
Black Box
Zusätzlich finden in der Black Box auch konative Prozesse statt. Diese beinhalten eine
entscheidungsbezogene Absicht bzw. eine Intention, um aus eigenem Antrieb heraus eine
Handlung vorzunehmen. Diese kann zu einer Handlung führen, die in Abb. 1.21 als Res-
ponse sichtbar wird (vgl. vertiefend Bruhn et al., 2019, S. 566 f.).
Nachfolgend werden die soziologischen und psychologischen Einflussfaktoren näher
analysiert, die hier wirksam werden.
Das Entscheidungs- und Kaufverhalten wird zunächst beeinflusst durch die Umwelt und
die Gesellschaft, in die Personen hineingeboren wurden und in der sie aufgewachsen sind
und leben. Bei diesen soziologischen (gesellschaftlichen) Einflussfaktoren spielen die
Werte und Normen hinein. Diese werden durch Religion und/oder Erziehung als Be-
standteil der jeweiligen Kultur vermittelt und von den Menschen verinnerlicht (vgl.
Abb. 1.22; vertiefend Kroeber-Riel & Gröppel-Klein, 2019; Foscht et al., 2017; Solomon
et al., 2019; Raab et al., 2016). Dazu gehören gesetzliche Ge- und Verbote, bspw. das
Alkoholverbot in arabischen Ländern. Auch Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten prä-
gen das Verhalten. Diese schlagen sich in Ess- und Kleidungsgewohnheiten (etwa mit und
ohne Kopftuch, Niqab etc.) nieder. Daneben finden sich oft Subkulturen und unterschied-
liche soziale Schichten und Milieus, deren Werteausprägungen sich von den generellen
Strömungen der Kultur deutlich unterscheiden können.
Solche Milieus werden in Verbindung mit spezifischen Wertemustern bspw. vom
Sinus-Institut (2021) verwendet, um dadurch die gesamte Bevölkerung von Deutschland
Soziologische Einflussfaktoren
Psychologische Einflussfaktoren
Meinungs-
Kultur
führer
zu klassifizieren. Das Ziel der Sinus-Milieus besteht darin, ein möglichst wirklichkeits-
getreues Bild der soziokulturellen Vielfalt in Gesellschaften zu vermitteln. Hierzu wer-
den die Befindlichkeiten und Orientierungen der Menschen sowie ihre Werte, Lebensziele,
Lebensstile und Einstellungen beschrieben. Gleichzeitig werden auch die sozialen Hinter-
gründe ausgeleuchtet.
Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen in „Gruppen Gleichgesinnter“. Hierzu kom-
men die Dimensionen soziale Lage und normative Grundorientierung zum Einsatz. Die
Überschneidungen der „Kartoffeln“ (vgl. Abb. 1.23) zeigen an, dass die Übergänge zwi-
schen den Milieus fließend sind. Außerdem ist hier ausgewiesen, welchen Anteil die ver-
schiedenen Milieus an der Gesamtbevölkerung in Deutschland haben.
Bei der Grundorientierung werden folgende Klassen unterschieden:
In Verbindung mit der sozialen Lage, die maßgeblich durch Alter, Bildung, Beruf und
Einkommen geprägt wird, werden unterschiedliche Segmente sichtbar. Diese differenzie-
ren sich deutlich hinsichtlich ihres Informations- und Kaufverhaltens. Hier werden fol-
gende Schichtungen vorgenommen:
Oberschicht /
Mittelschicht
Liberal-
Obere
Intellektuelle
Performer
7%
Konservativ- 8%
Etablierte Expeditive
10% Sozialökologische
Mittlere Mittelschicht
9%
7%
Adaptiv-
Pragmatische
Bürgerliche 11%
Mitte
Traditionelle
13%
11%
Untere Mittelschicht /
Hedonisten
Unterschicht
15%
Soziale Lage
Prekäre
9%
© SINUS 2021
Grundorientierung
Festhalten Bewahren Haben & Genießen Sein & Verändern Machen & Erleben Grenzen überwinden
Tradition Modernisierung / Individualisierung Neuorientierung
Abb. 1.23 Sinus-Milieus in Deutschland 2021 – Soziale Lage und Grundorientierung. (Quelle:
Sinus-Institut, 2021)
1.3 Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketings 55
• Unterschicht/untere Mittelschicht
• Mittlere Mittelschicht
• Obere Mittelschicht/Oberschicht
• 1: Konservativ-Etablierte (10 %)
Dieses Segment umfasst das klassische Establishment – gekennzeichnet durch Ver-
antwortungs- und Erfolgsethik, Exklusivitäts- und Führungsansprüche, Standes-
bewusstsein und einem zunehmenden Wunsch nach Ordnung und Balance.
• 2: Liberal-Intellektuelle (7 %)
Dies ist die aufgeklärte Bildungselite mit einer kritischen Weltsicht, einer liberalen
Grundhaltung und postmateriellen Wurzeln. Hier dominiert der Wunsch nach Selbst-
bestimmung und Selbstentfaltung.
• 3: Performer (8 %)
Diese multi-optionale, effizienzorientierte Leistungselite zeichnet ein globalöko-
nomisches Denken sowie das Selbstbild als Konsum- und Stil-Avantgarde aus. Es
herrscht eine hohe Technik- und IT-Affinität. Gleichzeitig zeigt sich eine Etablierungs-
tendenz, die mit einer Erosion des visionären Elans einhergeht.
• 4: Expeditive (9 %)
Die ambitionierte kreative Avantgarde umfasst die transnationalen Trendsetter, die
mental, kulturell und geografisch mobil sind. Sie sind online und offline vernetzt,
non-konformistisch und immer auf der Suche nach neuen Grenzen und neuen Lösungen.
• 5: Adaptiv-Pragmatische (11 %)
Die moderne junge Mitte weist einen ausgeprägten Lebenspragmatismus und ein
Nützlichkeitsdenken aus. Die hier positionierten Personen sind leistungs- und an-
passungsbereit, haben aber auch den Wunsch nach Spaß und Unterhaltung. Sie sind
zielstrebig, flexibel, weltoffen – zeigen gleichzeitig aber auch ein starkes Bedürfnis
nach Verankerung und Zugehörigkeit.
• 6: Sozialökologische (7 %)
Dieses engagierte gesellschaftskritische Milieu zeichnet normative Vorstellungen
vom „richtigen“ Leben aus. Das ökologische und soziale Gewissen ist stark ausgeprägt.
Hier finden sich die Globalisierungs-Skeptiker wie auch die Vorkämpfer für dis-
kriminierungsfreie Verhältnisse und Diversität.
• 7: Bürgerliche Mitte (13 %)
Dieses Segment umfasst den leistungs- und anpassungsbereiten bürgerlichen Main-
stream. Die gesellschaftliche Ordnung wird generell bejaht. Hier herrscht der Wunsch
nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhält-
nissen – begleitet von einer wachsenden Überforderung und Abstiegsängsten.
56 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
• 8: Traditionelle (11 %)
Hier findet sich die Sicherheit und Ordnung liebende ältere Generation. Sie ist ver-
haftet in der kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur. Sparsam-
keit und Anpassung an die Notwendigkeiten wie auch eine zunehmende Resignation
und ein Gefühl des Abgehängtseins kennzeichnen dieses Segment.
• 9: Prekäre (9 %)
Hier ist die um Orientierung und Teilhabe („dazu gehören“) bemühte Unterschicht zu
finden. Es besteht der Wunsch, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten
Mitte. Allerdings häufen sich hier die sozialen Benachteiligungen – begleitet von Aus-
grenzungserfahrungen, Verbitterung und Ressentiments.
• 10: Hedonisten (15 %)
Diese spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht bzw. die untere Mitte
fokussiert ein Leben im Hier und Jetzt, unbekümmert und spontan. Häufig verhalten
sich die Angehörigen dieses Milieus angepasst im Beruf – und brechen in der Freizeit
aus den Zwängen des Alltags aus.
cc Denkanstoß Prüfen Sie einmal, in welchem Milieu Sie sich selbst verorten würden.
Wo würden Sie Ihre Eltern in dieser Grafik wiederfinden? In welchen Milieus wür-
den sich Vorgesetzte von Ihnen positionieren? Wo finden sich ehemalige Mitschüler,
Arbeits- oder Studienkollegen?
Denken Sie auch einmal darüber nach, welche Parteien in welchen dieser Milieus
wohl schwerpunktmäßig gewählt werden. Welche Medien werden in welchen Mi-
lieus verstärkt genutzt – online wie offline?
Die auf den Lebenswelten und Lebensstilen der Verbraucher basierenden Sinus-Milieus
sind in einem umfassenden Informationssystem verankert, das für die Zielgruppen-
optimierung genutzt werden kann. Dies gilt für alle Bereiche des Marketings, ins-
besondere für die Produktentwicklung und die Markenpositionierung, ebenso wie für
die Kommunikations- und Mediaplanung.
Einen wichtigen Einfluss auf das individuelle Kaufverhalten haben auch die Gruppen,
denen eine Person angehört oder anzugehören strebt. Es wird von Bezugsgruppen oder
Peer Groups gesprochen. Hierunter sind Gruppen ähnlicher Ausprägung hinsichtlich
Alter, Studienrichtung, Hobbys etc. zu verstehen. Diese Personen haben einen Einfluss auf
die Entscheidungen des Einzelnen. Derartige Bezugsgruppen können für einen Studenten
die anderen Studenten, Kollegen im Praktikum, die Bekannten aus Fitness- oder Fußball-
Club oder generell der Freundeskreis darstellen. Auch in den sozialen Netzwerken finden
sich solche Gruppen gleichgesinnter Personen. Sie üben einen maßgeblichen Einfluss auf
das eigene Entscheidungs- und Kaufverhalten aus. Problematisch ist, wenn sich derartige
Gruppen rund um Verschwörungstheorien bilden und sich von der generellen Wahrheit
abkoppeln (vgl. vertiefend Kreutzer, 2020).
Beim Austausch von Informationen über Musik, Mode, Literatur, die angesagten Knei-
pen und sonstige Freizeitaktivitäten kommt Meinungsführern eine besondere Bedeutung
zu. Meinungsführer sind an einem Fachgebiet besonders interessiert und beschäftigen
1.3 Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketings 57
sich i. d. R. viel intensiver mit den entsprechenden Angeboten als andere Personen. Dies
zeigt sich bspw. durch Abonnements entsprechender Zeitschriften und Newsletter sowie
durch ein hohes Engagement in den sozialen Medien. Dies kann sich bei Facebook und
Twitter zeigen, aber bspw. auch durch das Mitwirken bei Blogs und in Online-Communitys
(vgl. weiterführend Kreutzer, 2021b, S. 406–550; Kilian & Kreutzer, 2022).
Eine Meinungsführerschaft kann sich u. a. auf Literatur, Musik, Mode, Geldanlagen,
Wearables, Smartphones, Urlaubsdestinationen oder Partys beziehen. Solche Personen
werden von anderen Personen (den Meinungsfolgern) häufig um Rat gebeten und neh-
men damit unmittelbaren Einfluss auf deren Entscheidungsverhalten.
cc Merk-Box Die große Bedeutung von Meinungsführern – vor allem in den so-
zialen Medien – hat zum Siegeszug des sogenannten Influencer-Marketings
geführt.
Leistung
Aktivierung
entspannte wache starke
Schlaf Panik
Wachheit Aufmerksamkeit Erregung
cc Merk-Box Die Aktivierung stellt eine notwendige, aber keine hinreichende Be-
dingung für die Erzielung einer Wirkung (bspw. durch Werbung) dar.
Ohne die Erreichung einer Minimalaktivierung ist die Gefahr groß, dass werbliche Bot-
schaften nicht wahrgenommen und verarbeitet werden. Deshalb versuchen Unternehmen
1.3 Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketings 59
durch eine Vielzahl von Reizen, eine Aktivierung zu erreichen. Eine Aktivierung über
innere Reize liegt allein in der Hand der Einzelpersonen, sei es über Alkohol, Koffein,
Tein oder Nikotin. Unternehmen versuchen deshalb, eine Aktivierung durch äußere
Reize sicherzustellen. Bei den äußeren Reizen sind folgende Arten zu unterscheiden:
• Emotionale Reize
Zu diesen Reizen gehört der Einsatz des Kindchenschemas (vgl. Kroeber-Riel &
Gröppel-Klein, 2019, S. 20 f.). Dahinter verbirgt sich die Erkenntnis, dass kleine Vögel,
Hunde, pausbäckige Kindergesichter, ein großer Kopf und Kulleraugen beim Be-
trachter automatische Reaktionen wie Sympathie und Pflegeverhalten auslösen. Diesen
Mechanismus machen sich Unternehmen bei der werblichen Verwendung dieser Reize
zunutze.
Außerdem fallen erotische Reize in diese Kategorie, die im Vergleich zu anderen
Schlüsselreizen die stärksten Aktivierungswirkungen entfalten. Bei ihrem Einsatz ist
jedoch darauf zu achten, dass diese nicht von der eigentlichen Intention der Werbung
ablenken und keine Reaktanz oder Irritation auslösen. Abb. 1.25 zeigt den Einsatz ero-
tischer Reize.
Abb. 1.25 Buchcover
mit erotischen Reizen.
(Quelle: © Springer
Fachmedien
Wiesbaden GmbH)
60 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
• Kognitive Reize
Hier wird mit gedanklichen Konflikten, mit Widersprüchen und Überraschungen
gearbeitet. Auf diese Weise soll der Betrachter zur Beschäftigung mit der Werbebot-
schaft angehalten werden. Ein Beispiel für einen m. E. besonders gelungenen Einsatz
kognitiver Reize ist der in der Werbung für die Zeitschrift Geo verwendete Satz:
Das große Geheimnis unseres Fortschritts: Fehler.
• Physische Reize
Eine Aktivierung der Zielperson kann auch durch eine besondere Größe oder Farbe
des Werbemittels (hier einer Anzeige, eines Prospektes oder eines Plakats erreicht
werden. Auch eine ungewöhnliche Lautstärke oder Signaltöne (wie bspw. das Klin-
geln des Telefons oder das Martinshorn eines Polizeifahrzeugs) können die Aufmerk-
samkeit der Zielpersonen stimulieren. Im Online-Marketing werden bspw. animierte
Werbebanner oder selbst anlaufende Videos genutzt, um eine Aufmerksamkeit zu
erzwingen.
Bei Werbebriefen kommen auch sogenannte 3-D-Mailings zum Einsatz, bei denen
der Empfänger fühlt, dass in einer Versandhülle nicht nur ein Brief, sondern noch etwas
anderes zu finden ist. Genau dies soll neugierig machen und zum Öffnen des Briefes
anregen. Das Gleiche kann auch gelingen, wenn die Anschrift in Handschrift erfolgt
(vertiefend Kreutzer, 2021a, S. 197 f., 286–290).
Der Aktivierung kommt auch deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil die Ziel-
personen heute in einer Informationsflut versinken und an einer Informationsüberlastung
(Information Overload) leiden. Von allen Informationen, die auf Kunden einwirken – sei
es über TV, Radio, Plakate, Zeitungen, Zeitschriften, Telefon, Mailings, Apps, soziale Me-
dien (Blogs, soziale Netzwerke), Banner etc. – wird heute lediglich noch ein Bruchteil
wahrgenommen.
cc Merk-Box Eine Person nimmt heute deutlich weniger als 1 % der in ihrem
Sichtbereich vorhandenen Informationen wahr.
Alle anderen Botschaften verfehlen schon das erste kommunikative Ziel: zumindest
wahrgenommen zu werden (vgl. Abb. 1.26). Der Grund hierfür ist, dass alle Menschen
einen Filter aufgebaut haben, um sich vor dieser Informationsflut zu schützen. Dieser
Schutz ist überlebenswichtig, weil unser Gehirn ein „Dauerfeuer von Informationen“
nicht bewältigen kann!
Welches Ausmaß nimmt die Informationsüberlastung heute an? Einige Zahlen kön-
nen diese Situation für Deutschland veranschaulichen (vgl. KEK, 2021; VDZ, 2020, S. 6;
Statista, 2021a):
<<< 1 %
Sensoren
Die Wahrnehmung der Zielpersonen lässt sich zusammenfassend mit drei zentralen
Begriffen beschreiben (vgl. Kroeber-Riel & Gröppel-Klein, 2019, S. 384–391):
62 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
• Subjektivität
Die Wahrnehmung hängt von den subjektiven Eigenschaften und Prädispositionen
ab. Dies sind Voreinstellungen der Menschen, die durch Wertungen, Wünsche und Vor-
urteile geprägt werden. So entwickelt jede Person ihre „ganz eigene Welt“, die sich von
der „realen Welt“ mehr oder weniger deutlich unterscheiden kann. Und wer definiert
überhaupt, was die „reale Welt“ ist?
• Aktivität
Wahrnehmung setzt immer einen aktiven Prozess der Informationsaufnahme und
der Informationsverarbeitung voraus. Ohne die Mitwirkung der Zielperson kann
vielfach keine Werbewirkung erzielt werden. Diese Einschätzung wird durch die Er-
kenntnisse des Neuro-Marketings relativiert (vgl. Abschn. 1.3.2.2).
• Selektivität
Die Wahrnehmung von Menschen fokussiert immer nur auf einen kleinen Ausschnitt
der Wirklichkeit. Erst eine selektive Wahrnehmung erlaubt es dem Menschen, die
Informationsüberlastung zu meistern. Bei diesem Prozess gilt: „Wir sehen nur das, was
wir kennen!“
cc Merk-Box Damit wird deutlich: Kaum ein Kunde wartet darauf, von einem
Unternehmen werblich angesprochen zu werden.
Das bedeutet:
• Wir texten für Nicht-Leser – bei Mailings, E-Mails, Websites, Anzeigen etc.
• Wir komponieren für Nicht-Hörer – bspw. bei TV- und Rundfunk-Spots.
• Wir inszenieren für Nicht-Seher – etwa auf Messen, im Handel sowie bei TV-Spots.
• Geringe Komplexität
• Starke Aktivierungskraft
• Bildbetont und sinnlich
2000 2015
Ausprägungen. Dies hat dazu geführt, dass vermitteltes Wissen und dadurch ausgelöste
Gefühle immer weniger sprachlich und immer mehr in Bildern abgespeichert werden.
Eine durchaus kritisch zu hinterfragende Studie von Microsoft liefert hierzu ein inte-
ressantes Ergebnis. Abb. 1.27 zeigt, dass die Aufmerksamkeitsspanne im Jahr 2000
noch bei durchschnittlich 13 Sekunden lag. Im Jahr 2015 reduzierte sie sich auf acht
Sekunden. Die Aufmerksamkeitsspanne eines Internet-Nutzers liegt heute sogar bei
nur drei bis fünf Sekunden. Im Vergleich dazu stellt der Goldfisch mit einer Aufmerk-
samkeitsspanne von – wie auch immer gemessenen – neun Sekunden geradezu den In-
begriff von Konzentrationsfähigkeit dar (vgl. Milano, 2019). Wie gesagt: Selbst wenn
wir den Zahlen nicht im Detail vertrauen, ein Aufmerksamkeitsschwund lässt sich
überall feststellen.
cc Merk-Box Ein Goldfisch kann sich heute länger konzentrieren als ein
Internet-Nutzer.
Aktivierende Botschaften treffen auf Zielpersonen, deren Denken und
Lernen von verschiedenen Stimmungen und Emotionen beeinflusst werden.
Das Verhalten dieser Personen wird wiederum durch ein Set von Werten,
Einstellungen und Motiven beeinflusst (vgl. Abb. 1.22).
Die Herausforderung für die kommunizierenden Unternehmen besteht darin, den „rich-
tigen Ton zu treffen“ bzw. die „passende Saite zum Klingen zu bringen“, um die Ziel-
personen zum gewünschten Handeln zu motivieren. Es geht um Relevanz – in den Augen
des Empfängers. Dann ist es gleichgültig, ob ein werblicher Anstoß zum Kauf eines
Montblanc-Füllfederhalters, zum Abschluss eines Netflix-Abonnements, zur Spende für
UNICEF oder zum Einkauf bei Zalando auffordert.
64 1 Allgemeine Grundlagen des Marketings
cc Merk-Box Um heute bei Kunden auf Interesse zu stoßen, sind drei Dinge un-
verzichtbar: Relevanz, Relevanz, Relevanz!
Ganz im Gegenteil zeigt sich, dass keine Entscheidung ohne eine – häufig dominie-
rende – emotionale Bewertung getroffen wird. Emotionen bestimmen das Informations-
und Kaufverhalten damit viel umfassender, als dies bisher in vielen Konzepten und Kauf-
verhaltensmodellen herausgearbeitet wurde. Folglich wird unser Verhalten nicht von
reflektierten Kosten-Nutzen-Abwägungen gesteuert.
In diesem Kontext wurde auch das über Jahrzehnte dominierende Hemisphären-
Modell des Gehirns widerlegt, das von einer rechten emotionalen und einer linken ratio-
nalen Gehirnhälfte ausging. Beide Gehirnhälften sind nicht nur miteinander vernetzt, son-
dern alle Entscheidungen eines Menschen haben auch eine emotionale Komponente.
Außerdem stellen Ratio und Emotio im Entscheidungsverhalten keine Gegensätze dar,
sondern sie beeinflussen sich gegenseitig. Es wird heute sogar davon ausgegangen, dass
der Anteil des Unterbewusstseins an einer Entscheidung bei 80 bis 95 % liegt (vgl. Häusel,
2019d, S. 14).
Diese Relevanz der Erkenntnisse des Neuro-Marketings soll an einem legendären Bei-
spiel verdeutlicht werden, das bereits in Abschn. 1.1.1 kurz angesprochen wurde. Bereits
seit den 1980er-Jahren wird ein Geschmackstest zwischen Coca-Cola und Pepsi-Cola in
regelmäßigen Abständen wiederholt. Hierbei zeigt sich immer wieder das gleiche Bild: Im
Blindtest schneidet Pepsi-Cola grds. besser ab als Coca-Cola. Sind den Probanden die
Marken bekannt, fällt das Ergebnis umgekehrt aus.
Ein Experiment unter Einsatz eines Hirnscanners lieferte hierzu folgende Ergeb-
nisse: Beim Blindtest zeigte sich nur beim Konsum von Pepsi-Cola eine erhöhte Aktivi-
tät in dem Gehirnareal, welches für belohnende Erfahrungen bekannt ist. Bei Bekannt-
heit der entsprechenden Marken wurde dagegen lediglich bei Coca-Cola eine verstärkte
Aktivität in Regionen festgestellt, die für anspruchsvollere kognitive Funktionen zu-
ständig sind. In der Interpretation der Ergebnisse wurde herausgearbeitet, dass durch die
Marke Coca-Cola offensichtlich positive Assoziationen und Selbstwertgefühle aus-
gelöst werden, gegenüber denen der Geschmack selbst an Bedeutung verliert (vgl.
Friebe, 2008, S. 22). Die Ergebnisse der Kernspintomographie konnten folglich eine
schlüssige Begründung dafür liefern, warum Pepsi-Cola in diesen Tests regelmäßig
Coca-Cola unterlag.
Die Gesamtheit der aufgezeigten Aspekte ist bei der Ausgestaltung des Marketings im
Hinblick auf die Verarbeitung von Informationen im menschlichen Gehirn zu berück-
sichtigen. Danach müssen wir zwischen dem impliziten und dem expliziten System unter-
scheiden (vgl. Scheier, 2008, S. 307 f.).
• Das implizite System (quasi der Autopilot) verarbeitet hohe Informationsmengen pa-
rallel, hoch effizient und unbewusst. Man geht davon aus, dass hier mehr als 11 Millio-
nen Bits (i. S. von Informationseinheiten bzw. Sinneseindrücken) pro Sekunde ver-
arbeitet werden können. Hierzu gehören die Sinneswahrnehmungen, seien es
Lernvorgänge bei der Werbung, Emotionen, Stereotypen, Markenassoziationen, un-
bewusste Markenimages, spontanes Verhalten oder intuitive Entscheidungen.
• Das explizite System (der Pilot) kann dagegen nur etwa 40 bis 50 Bits pro Sekunde
verarbeiten, was in etwa einem Satz oder fünf bis sechs Zahlen entspricht. Die
Informationsverarbeitung erfolgt hier schrittweise, es werden Kosten-Nutzen-Analy-
sen angestellt oder die Zukunft wird geplant. Genauso werden rationale Abwägungen
(Preis versus Qualität) vorgenommen (Scheier & Held, 2018, S. 53 f.). Wie Abb. 1.28
zeigt, führen ein Information Overload, Zeitdruck, eine hohe Komplexität und ein Low
Involvement bei der Zielperson dazu, dass der „Autopilot“ aktiviert wird und maßgeb-
lich auf die Kaufentscheidung (hier zu 90 bis 95 %) einwirkt.
cc Merk-Box Wir müssen Botschaften stärker auf das implizite System und
damit auf den Autopiloten ausrichten, um einen umfassenderen Einfluss auf
die Bewertungen der Zielpersonen zu erhalten.
1.3 Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketings 67
Pilot
Overload Bewusst-explizite 5-10%
Markensignale Kom- Wirkung
(Werbung, plexität
Verpackung,
POS-Maß- Autopilot Kauf
nahmen, …)
Automatisch-implizite 90-95%
Wirkung
Zeitdruck
Low
involvement
Abb. 1.28 Funktionsweisen von Pilot und Autopilot. (Quelle: Scheier, 2008, S. 310)
Durch Exploration und Durch Konkurrenz und Durch fürsorgliches und auf
Entdeckung suchen die Kunden Verdrängung suchen die Kunden Bindung ausgerichtetes Verhalten
nach: nach: suchen die Kunden nach:
sowie ein Vermeiden von sowie ein Vermeiden von sowie ein Vermeiden von
Abb. 1.29 Emotions- und Motiv-Systeme. (Quelle: In Anlehnung an Häusel, 2019b, S. 52 f.)
• Hedonisten
• Abenteurer
• Performer
• Disziplinierte
• Traditionalisten
• Harmoniser
• Offene
Die Namen der einzelnen Typen stellen die jeweils dominierende Kernemotionali-
tät heraus. Beim Harmoniser ist dies bspw. eine starke Sozial- und Familienorientierung.
Beim Abenteurer dominiert die Risikobereitschaft – beim Disziplinierten das Pflicht-
bewusstsein (vgl. Häusel, 2019b, S. 53). Welche Emotions- und Motivstrukturen ein
Produkt oder eine Marke ansprechen soll, ist im Zuge der Markenführung festzu-
legen. Diese Aspekte werden im Abschn. 5.4.3.1 im Kontext der Kommunikation
vertieft.
1.3 Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketings 69
4. Wie kann Marketing heute definiert werden und welche Teilbereiche fließen in den
Prozess des Marketing-Managements ein?
5. Welche Güterkategorien unterscheidet man nach dem Kaufverhalten? Zeigen Sie
die Relevanz dieser Kategorien aus Sicht eines Herstellers und aus Sicht eines
Einzelhandelsunternehmens auf.
6. Wodurch unterscheiden sich Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter? Welchen
Einfluss hat diese Klassifikation auf die Kommunikation eines Unternehmens?
7. Welche Bedeutung hat die Unterscheidung von Low- und High-Interest-Produkten
für das Marketing eines Unternehmens?
8. Was sind die zentralen Merkmale von Markenartikeln, Handelsmarken und No-
Names? Gehen Sie zu Aldi, Edeka, Lidl, Rewe und Spar und prüfen Sie, welche der
dort angebotenen Produkte in diese unterschiedlichen Kategorien fallen.
9. Suchen Sie Galeria Karstadt Kaufhof und Sinn auf und ermitteln Sie, welche der
angebotenen Marken Handelsmarken und welches Herstellermarken (Marken-
artikel) sind.
10. Arbeiten Sie anhand der vorgestellten Kriterien heraus, worin die Relevanz der
verschiedenen Markenkonzepte für ein Handelsunternehmen liegt.
11. In welcher Beziehung stehen Marktvolumen und Marktpotenzial zueinander? Wo-
durch werden diese beiden Größen beeinflusst?
12. In welcher Beziehung stehen Absatzvolumen und Absatzpotenzial zueinander?
Wodurch werden diese beiden Größen beeinflusst?
13. Wie unterscheiden sich der absolute und der relative Marktanteil? Welche Be-
deutung kommt den beiden Messgrößen zu? Errechnen Sie diese Marktanteile für
folgenden Datensatz:
–– Marktpotenzial: 100.000 €
–– Marktvolumen: 30.000 €
–– Umsatz Unternehmen A: 10.000 €, Absatzmenge 1000 Stück
–– Umsatz Unternehmen B: 5000 €, Absatzmenge 600 Stück
–– Umsatz Unternehmen C: 2000 €, Absatzmenge 300 Stück
14. Skizzieren Sie das Marktformenschema und ordnen Sie jedem Feld mindestens
eine Branche bzw. entsprechende Unternehmen zu. Analysieren Sie, über welche
Aktivitäten dieser Unternehmen bzw. Branchen in den nächsten Wochen berichtet
wird. Prüfen Sie, welche Verhaltensweisen ihre Begründung in der entsprechenden
Marktform haben.
15. Wodurch unterscheiden sich die Einkaufsprozesse im B2C- und B2B-Bereich?
16. Was ist unter einem Buying Center zu verstehen? Welche Relevanz hat dieses für
den Verkaufsprozess und wie kann ein anbietendes Unternehmen die Konzeption
des Buying Centers zur Steigerung der Abschlusswahrscheinlichkeit nutzen?
17. Wie lassen sich Märkte kennzeichnen?
18. Welche Bereiche sollten bei der Analyse der Makro-Umwelt eines Unternehmens
ausgeleuchtet werden?
19. Was versteht man unter der VUCA-Welt?
Literatur 71
20. Spielen Sie den Entwicklungsprozess vom Bedürfnis zum Kaufakt für die
Spannungszustände „Durst“ und den „Wunsch nach neuer modischer Kleidung“
hinsichtlich Ihrer eigenen Person durch. Welche Einflussfaktoren werden für Sie
sichtbar? Wodurch wird Ihr ganz persönlicher Kaufentscheidungsprozess beein-
flusst und warum?
21. Was ist der Inhalt des S-O-R-Modells? Was können wir von diesem Modell lernen?
22. Welche Gruppen von Einflussfaktoren wirken sich auf den Entscheidungsprozess
aus? Welche davon können Sie bei sich selbst besonders deutlich ausmachen?
23. Was ist unter Meinungsführer- und -folgerschaft zu verstehen? In welchen Be-
reichen sind Sie eher Meinungsführer, in welchen eher Meinungsfolger?
24. Welche Bedeutung kommt der Aktivierung der Zielperson zu und warum? Wie ist
der Zusammenhang zwischen dem Aktivierungsniveau und der Leistung?
25. Welche Arten gibt es, um eine Aktivierung herbeizuführen?
26. Wie kann das Aktivierungsniveau gemessen werden?
27. Was ist unter Information Overload zu verstehen und in welchen Bereichen ist
dieser besonders ausgeprägt?
28. Was verbirgt sich hinter dem Konzept des Sinus-Instituts? Für welche Frage-
stellungen kann dieses relevant sein?
29. Wodurch lässt sich die Wahrnehmung von Konsumenten beschreiben? Welche Re-
levanz hat dies für das Marketing?
30. Was versteht man unter dem Begriff Neuro-Marketing?
31. Durch welche analytischen Methoden werden die Erkenntnisse des Neuro-Marke-
tings primär gewonnen?
32. Welche Bedeutung ist nach Erkenntnissen des Neuro-Marketings dem Homo oe-
conomicus zuzuschreiben? Wie bewerten Sie diese Erkenntnisse?
33. Warum gilt das Hemisphären-Modell des menschlichen Gehirns als überholt?
34. Wodurch unterscheiden sich die Konzepte „Pilot“ und „Autopilot“ in der mensch-
lichen Informationsverarbeitung? Welche Bedeutung kommt dieser Erkenntnis für
die Ausgestaltung des Marketings zu?
35. Welches Emotionsmodell wurde erarbeitet und welche Emotions- und Motiv-
Systemen lassen sich darin unterscheiden? Welche Bedeutung haben diese?
36. Welche Emotions- und Motiv-Systeme werden bei Produkten wie Aktienoptionen
bzw. Bausparverträgen angesprochen?
Literatur
„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern
auch für das, was wir nicht tun.“
Molière
Lernziele
Fähigkeit,
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 75
R. T. Kreutzer, Praxisorientiertes Marketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35307-0_2
76 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
• informationsbeschaffender,
• informationsverarbeitender,
• willensbildender Prozess.
der Top-Unternehmensebene lediglich konsolidiert. Hier wird das Geschäft quasi aus der
unternehmerischen Mitte heraus geplant – orientiert an den dort ermittelten Chancen und
Risiken des Marktes.
Ein Vorteil des Bottom-up-Ansatzes liegt darin, dass eine größere Praxisnähe erreicht
werden kann. Außerdem kann die Motivation zur Zielerreichung steigen, wenn die be-
troffenen Manager diese Ziele selbst erarbeitet haben. Gleichzeitig liegt ein Risiko des
Bottom-up-Vorgehens darin, dass die Zieldefinition von Ressort-Egoismen geprägt ist.
Solche Egoismen verengen den Fokus auf den jeweiligen Verantwortungsbereich – ohne
den „Blick für das große Ganze“ zu haben. Außerdem können Ziele u. U. weniger ehr-
geizig ausfallen. Schließlich stellen diese Ziele die Messlatte für die Erreichung leistungs-
bezogener Vergütungsbestandteile (u. a. von Tantiemen) für das Middle-Management dar.
Da der Planung des Middle-Managements keine zentralen Orientierungspunkte „von
oben“ vorgegeben werden, läuft ein so planendes Unternehmen u. U. Gefahr, dass be-
stehende Pläne lediglich fortgeschrieben und keine das gesamte Unternehmen heraus-
fordernden Aufgaben definiert werden. Eine solche Perspektive ist – vor allem angesichts
der digitalen Herausforderungen – viel zu eng (vgl. Kreutzer, 2021c).
Der sogenannte Gegenstrom-Ansatz versucht, die Vorteile beider Konzepte mit-
einander zu verbinden. Hierbei gibt das Top-Management die Rahmenbedingungen
bzgl. der anzustrebenden Ziele vor. Das Middle-Management muss sich bei seiner Pla-
nung an diesen Rahmenvorgaben orientieren, besitzt aber gleichwohl einen großen Ein-
fluss auf die Ausgestaltung der Planungsinhalte. Eine Konsolidierung findet auf Top-
Unternehmensebene statt. Ein solcher Planungsprozess ist allerdings sehr viel
zeitintensiver als bspw. der Top-down-Ansatz. Dies hat zur Folge, dass die Planung des
Folgejahres häufig schon im ersten Quartal eines laufenden Geschäftsjahres angestoßen
wird. Gleichzeitig sind bei der Umsetzung der Planung aufgrund einer größeren Markt-
nähe allerdings auch weniger „Überraschungen“ zu erwarten, weil Kompetenzen „von
oben und unten“ in die Planung einfließen.
Heute gewinnt das Konzept des agilen Managements zunehmend an Bedeutung. Hier-
bei geht es vor allem darum, die Flexibilität von unternehmerischen Entscheidungen
zu erhöhen. Starre Planungskonzepte, die häufig mehrere Monate in Anspruch nehmen,
werden der Notwendigkeit zu schnellen Entscheidungen immer weniger gerecht. Die Me-
thoden des agilen Managements streben eine höhere Entscheidungsgeschwindigkeit an –
verbunden mit einer konsequenten Kundenorientierung.
Das Mindset des agilen Managements ist in Abb. 2.1 zu sehen. Dreh- und Angelpunkt
ist eine konsequente Kundenorientierung – in allen Unternehmensbereichen. Bei der
78 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Agiles
Management
Iteratives
Schnelligkeit
Vorgehen
Planung wird ein inkrementelles Vorgehen gewählt. Innovationen werden Schritt für
Schritt vorangetrieben – und immer wieder im Markt getestet. Prozessschritte werden in
einem iterativen Vorgehen so lange wiederholt, bis die gewünschten Ergebnisse erzielt
werden. Das wichtigste Ergebnis ist ein Bestehen in den Augen der Kunden. Gleichzeitig
sind alle Prozesse auf Schnelligkeit getrimmt. Deshalb ist es wichtig, sich die zentralen
Ideen der Konzepte Design Thinking, Lean Start-up und Scrum zu erschließen (vgl. ver-
tiefend Kreutzer, 2018, S. 207–235, 2021c).
cc Denkanstoß Prüfen Sie einmal in den Unternehmen, in denen Sie aktiv sind, wie
„agil“ dort Entscheidungsprozesse bereits ablaufen – oder eben nicht!
Die Planung setzt – insb. in international oder angebotsspezifisch breit aufgestellten Unter-
nehmen – eine Planbarkeit voraus. Um diese zu erreichen, wird in den Unternehmen eine
Komplexitätsreduktion angestrebt. Unternehmen wie Alphabet, Amazon, BASF, Siemens
oder Volkswagen lassen sich nicht als Ganzes planen. Deshalb wird eine Reduktion dieser
Komplexität angestrebt. Diese wird durch die unternehmensinterne Isolierung von in sich
geschlossenen Einheiten erreicht. Das bedeutet, dass das Unternehmen für die Planung
wie für die Führung generell in strategisch relevante Einheiten aufgeteilt wird.
Hier spricht man von der Bildung strategischer Geschäftseinheiten (SGEs). Teil-
weise wird auch von strategischen Geschäftsfeldern (SGFs) gesprochen. Die SGF werden
z. T.auch als Übergruppe der SGEs definiert. Geschäftseinheiten umfassen jeweils einen
Ausschnitt aus dem unternehmerischen Tätigkeitsbereich. Bei deren Bildung wird ver-
sucht, möglichst homogene Produkt-Markt-Kombinationen zu finden. Diese sollen
eine eigenständige, kundenbezogene Marktaufgabe umfassen. Hierdurch bestimmen die
strategischen Geschäftseinheiten, wie der Markt gesehen wird!
2.1 Grundlagen der Marketing-Planung 79
Auf diese Weise wird eine zweckmäßige Grundlage für die Planung geschaffen und
gleichzeitig die zu bewältigende Komplexität reduziert. So wird es möglich, eigenständige
Strategien zum Aufbau bzw. zur Ausschöpfung von Erfolgspotenzialen zu entwickeln.
Wichtig ist, dass die Schaffung von SGEs in einem Unternehmen nicht zwangsläufig mit
einer Veränderung der Aufbauorganisation einhergehen muss. Wie diese ist auch die Bil-
dung von SGEs von den Unternehmenszielen und dem relevanten Wettbewerbsumfeld
abhängig. Deshalb sind Anpassungen im Zeitablauf, bspw. alle drei bis fünf Jahre,
zweckmäßig.
Zur Abgrenzung von strategischen Geschäftseinheiten, die nicht mit organisatori-
schen Grenzen übereinstimmen müssen (vgl. Kap. 8), bieten sich verschiedene Kri-
terien an:
• Produkte/Produktgruppen; Dienstleistungen/Dienstleistungsgruppen
• Kunden
• Regionen
• Eingesetzte Unternehmensressourcen (bspw. gleiche Produktionsanlagen)
• Vertriebskanäle
Im Jahr 2021 wurde verkündet, dass die Geschäftseinheit Daimler Trucks & Buses als
eigenständige Einheit an die Börse gebracht werden soll. Die Lösungen von Daimler Mo-
bility sollen auf die Einheiten Mercedes-Benz Cars und Daimler Trucks & Buses aufgeteilt
werden (vgl. Daimler, 2021b). Hier zeigt sich, dass Unternehmensorganisation in Ab-
hängigkeit der strategischen Ziele immer wieder anzupassen ist.
Auch bei Siemens (2021) erfolgt die Abgrenzung der einzelnen Geschäftseinheiten an-
hand der jeweiligen Angebote:
• Digital Industries (Fokus: Technologien und Innovationen für die industrielle Auto-
matisierung und die Digitalisierung)
• Smart Infrastructure (Fokus: intelligente Verknüpfung von Energiesystemen, Ge-
bäuden und Industrien)
• Mobility (Fokus: Transportlösungen für Menschen und Güter)
• Siemens Advanta (Fokus: digitale Transformation)
80 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Abb. 2.2 Bildung von Mehrere Produkte Ein Produkt in mehreren SGEs,
strategischen in einer SGE bspw. nach Kunden differenziert
Geschäftseinheiten
SGE Produkt
Produkt 1 SGE 1
Produkt 2 SGE 2
... ...
Produkt n SGE n
2.1 Grundlagen der Marketing-Planung 81
lich an den Ergebnissen des entsprechenden Bereichs gemessen – und diese Ergebnisse
haben einen direkten Einfluss auf die erfolgsabhängigen Vergütungsbestandteile.
Ein Cost Center ist eine organisatorische Einheit im Unternehmen, die keine eigen-
ständige Marktaufgabe wahrnimmt, keine eigenen Umsätze erzielt und deshalb auch keine
Gewinn- und Verlustverantwortung trägt. Cost Center, wie bspw. das Personalwesen (auch
Human-Resource-Management bzw. kurz HR genannt) oder das Controlling, erzielen
keine unmittelbaren Markterfolge. Deshalb kann ein Cost Center nicht durch profit-
orientierte Ziele geführt werden. Die Führung erfolgt hier über Budgets, mit deren Einsatz
bestimmte Ziele zu erreichen sind. Weil diese Einheiten quasi „nur Kosten verursachen“
und keine marktgängige Leistung erbringen, werden sie Cost Center genannt.
cc Denkanstoß Prüfen Sie einmal, in welchen Profit Centern und Cost Centern Sie
schon gearbeitet haben. Haben Sie dabei Unterschiede in der Art der Führung fest-
gestellt?
In vielen Unternehmen wurden in den letzten Jahren ursprünglich als Cost Center orga-
nisierte Einheiten zu Profit Centern. Hierdurch sollte auch bei der Bedienung interner
Kunden eine stärkere Leistungsorientierung erreicht werden. Außerdem sollen zusätzliche
(externe) Umsatzpotenziale erschlossen werden. Hierzu mussten sich interne Dienstleister
im externen Wettbewerb bewähren. Dies war insb. im IT-Bereich sowie bei Logistikauf-
gaben zu beobachten – und vielfach nicht sonderlich erfolgreich.
Die strategische Planung lässt sich durch folgende Merkmale kennzeichnen (vgl. Müller
& Wrobel, 2021, S. 28 f.; Dillerup & Stoi, 2021; Welge et al., 2017; Tomczak et al., 2014):
Die damit verbundenen strategischen Entscheidungen können sich entweder auf das ge-
samte Unternehmen, auf einzelne Funktionsbereiche oder auf SGEs beziehen. Nachfolgend
sind Beispiele für strategische Entscheidungen auf Unternehmensebene aufgelistet:
• Entscheidung zur Durchführung eines IPO (Initial Public Offering i. S. eines
Börsengangs) bei Daimler Trucks & Buses. Ein solcher Prozess erstreckt sich von der
Idee bis zur erstmaligen Listung des Unternehmens an der Börse häufig über meh-
rere Jahre.
• Einstieg in den stationären Einzelhandel durch das Unternehmen Amazon – u. a.
durch den Kauf der Bio-Supermarkt-Kette Whole Foods und den Aufbau eigener statio-
närer Geschäfte.
• Eine Ergänzung der Angebotspalette ist bei Zalando erfolgt. Dieser Online-Versender
hat die Plattform Zalando Zircle zur Vermarktung gebrauchter Modeartikel aufgebaut.
• Eine Neuausrichtung der Angebotspalette auf Elektrofahrzeuge findet bei den etab-
lierten Automobilanbietern statt, u. a. bei Daimler, BMW und Volkswagen. Der Fleisch-
und Wurstanbieter Rügenwalder Mühle hat seine Produktpalette durch die verstärkte
Herstellung vegetarischer und veganer Produkte ebenfalls weiterentwickelt.
• Einstieg in neue Leistungsfelder bei Airbus. Um Lösungen für den „fliegenden Nah-
verkehr“ zu entwickeln, wurde der Bereich Urban Air Mobility gegründet.
• Akquisition eines Unternehmens: Im Jahr 2014 hat Facebook den Kurzmitteilungs-
dienst WhatsApp für 19 Mrd. US-Dollar gekauft. Bayer hat 2016 das Unternehmen
Monsanto für knapp 50 Mrd. € erworben. Microsoft erwarb 2016 für 26 Mrd. US-
Dollar das Karriere-Netzwerk LinkedIn und 2021 für knapp 10 Mrd. US-Dollar das auf
Spracherkennung spezialisierte Unternehmen Nuance. Salesforce hat 2020 für knapp
28 Mrd. US-Dollar das Unternehmen Slack erworben.
• Eine Aufspaltung des Unternehmens erfolgte 2017 bei Metro. Der Handelskonzern
Metro Group wurde in den Lebensmittelhandel unter dem Namen Metro und den
Elektronikhandel mit Namen Ceconomy (mit Media Markt und Saturn) geteilt.
• Die Gründung eines Joint Ventures (d. h. eines Gemeinschaftsunternehmens) er-
folgte zwischen BMW und Daimler im Jahr 2019. In dieses Share Now genannte Unter-
nehmen wurden die bis dahin konkurrierenden Carsharing-Anbieter car2go und Drive-
Now eingebracht. Das Joint Venture von Geely und Volvo entwickelt Hybrid- und
Elektroautos unter der Marke Polestar. Das Joint Venture von Geely und Daimler pro-
duziert gemeinsamen einen eSmart.
• Aufbau von eigenständigen Produktionsstandorten durch Tesla in Brandenburg
sowie zur Herstellung von Batterien durch Volkswagen.
• Den Einstieg in einen neuen Markt plant Opel in Japan.
spricht deshalb auch von der Corporate Strategy. Davon zu unterscheiden sind die so-
genannten Business Strategies, in deren Rahmen strategische Entscheidungen auf Ge-
schäftsfeldebene getroffen werden.
Stehen Entscheidungen auf funktionaler Ebene an, die sich schwerpunktmäßig auf
betriebliche Teilbereiche beschränken, spricht man von Functional Strategies. Hier sind
einige Beispiele zu diesen Functional Strategies:
• Funktionsbereich Produktion
Verlagerung der Produktion von Deutschland in kostengünstigere östliche Länder, wie
sie von den Unternehmen der sogenannten „weißen Ware“ (u. a. Kühlschränke, Wasch-
maschinen, Herde) vollzogen wurde.
• Funktionsbereich Beschaffung/Procurement
Aufbau eines Global Multiple Sourcings, d. h. eines Beschaffungsprozesses, bei dem –
oft ab einer bestimmten Auftragshöhe – eine globale Ausschreibung zu erfolgen hat
(Global Sourcing). Gleichzeitig sind Aufträge auf mehrere strategische Partner zu ver-
teilen, um die Abhängigkeit von einzelnen Zulieferern zu reduzieren (Multiple
Sourcing).
• Funktionsbereich Marketing
Einführung eines wertorientierten Customer-Relationship-Managements, durch das in-
tensivere Geschäftsbeziehungen zu den Kunden aufgebaut und eine One-to-One-
Kommunikation, d. h. eine auf den einzelnen Kunden individuell ausgerichtete An-
sprache, erreicht werden sollen (weiterführend Kreutzer, 2021a).
• Funktionsbereich IT
Ausrichtung der gesamten IT auf Cloud-Computing. Die IT-Prozesse werden aus dem
eigenen Rechenzentrum in das von Dienstleistern verlegt. Der Zugriff auf diese ex-
ternen Rechenzentren erfolgt über das Internet. Um den Anforderungen der digitalen
Transformation gerecht zu werden, kann eine IT der zwei Geschwindigkeiten installiert
werden (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c).
Anhand der genannten Beispiele wird sichtbar, dass derartige strategische Ent-
scheidungen, auch wenn sie schwerpunktmäßig nur einzelne Unternehmensbereiche be-
treffen, häufig auch Auswirkungen auf andere Teile des Unternehmens haben. Deshalb
sollte hier eine umfassende Vernetzung der angestrebten Bereichsziele erfolgen. Dies kann
bspw. über eine Balanced Scorecard sichergestellt werden (vgl. Abschn. 3.5).
In Abgrenzung zur strategischen Planung lässt sich die operative Planung durch fol-
gende Merkmale kennzeichnen:
Häufig wird bei der operativen Planung das vorgedacht, was von den verantwortlichen
Führungskräften und Mitarbeitern im Tagesgeschäft umgesetzt werden muss. Gerade bei
der operativen Umsetzung kommt den schon angesprochenen Instrumenten des agilen
Managements eine große Bedeutung zu (vgl. Abschn. 2.1.1).
Eine umfassende Analyse von Unternehmen und Umwelt stellt eine zwingende Voraus-
setzung für eine erfolgreiche Planung dar. Das Wissen über die Aktivitäten der Wett-
bewerber und Kunden, die Veränderungen in der eigenen Branche sowie der weiteren
Umwelt liefern den relevanten Informationshintergrund für Unternehmen (vgl. zu dieser
Mikro- und Makro-Ebene Abb. 1.3).
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 85
Gleichzeitig ist der Blick aber auch nach innen zu richten, um die Stärken und Schwä-
chen des eigenen Unternehmens in den Planungsprozess einfließen lassen zu können. Des-
halb wird der Begriff Marktforschung (mit dem Schwerpunkt auf den von Unternehmen
bearbeiteten Beschaffungs- und Absatzmärkten) durch den übergeordneten Begriff
Marketing-Forschung ergänzt.
Die Marketing-Forschung umfasst neben der Marktforschung auch die weiteren Felder
der Mikro- und Makro-Ebene eines Unternehmens, die über den „Markt“ hinausgehen.
Eine so angelegte Forschung wird dem Informationsbedarf der Mitarbeiter und Führungs-
kräfte umfassender gerecht. Marketing-Forschung kann folglich als die Gewinnung,
Aufbereitung, Analyse und Interpretation von Informationen definiert werden, die in den
Prozess des Marketing-Managements eingebunden ist (vgl. weiterführend Koch & Ried-
müller, 2021; Kuß et al., 2018; Raab et al., 2018; Altobelli, 2017).
Im Kern geht es bei der Marketing-Forschung einerseits darum, die Stärken und
Schwächen des eigenen Unternehmens im Wettbewerb zu ermitteln. Andererseits sind
die Chancen und Risiken im Umfeld des Unternehmens zu ermitteln, die durch die
unterschiedlichsten Entwicklungen verursacht werden. Außerdem ist frühzeitig zu er-
kennen, welche Chancen und Risiken mit neuen Produkten, Dienstleistungen, Prozes-
sen und Geschäftsmodellen verbunden sind. Dazu gehört auch die einfache Frage, wie
gut ein neuer Online-Banner werblich arbeiten wird.
Hier wird deutlich, warum zwischen der operativen und der strategischen Ausrichtung
der Marketing-Forschung unterschieden wird. Bei der operativen Marketing-Forschung
steht das täglich Tun im Mittelpunkt (bspw. bei der Analyse der Wirkungen eines Online-
Werbe-Banners). Durch die strategische Marketing-Forschung werden längerfristige
Vorhaben des Unternehmens auf ihre Tragfähigkeit abgeklopft (bspw. ein Engagement in
Indien). Das zeigt erneut, dass eine gut funktionierende Marketing-Forschung für die
kurz- und langfristige Unternehmenssteuerung unverzichtbar ist.
cc Merk-Box Wir sollten die Marketing-Forschung nicht nutzen wie ein Be-
trunkener den Laternenpfahl: Also nicht, um uns festzuhalten, sondern, um uns
erleuchten zu lassen.
Die Ergebnisse der Marketing-Forschung sollen unsere Entscheidungen
fundieren, aber keine Entscheidungen ersetzen. Wir brauchen nach wie vor
mutige und visionäre Manager, um unsere Unternehmen auch in kritischen
Zeiten voranzubringen. Die Ergebnisse der Marketing-Forschung können und
sollen hierbei unterstützen.
Eine wichtige Orientierung für die Ausgestaltung eines Forschungsprojektes liefert das in
Abb. 2.3 aufgezeigte 5-D-Konzept der Marketing-Forschung. Hier wird sichtbar, in
welchen Schritten ein solches Projekt ablaufen sollte.
86 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Definition der Design des Auswertung von Auswertung der Dokumentation der
Forschungsfrage Forschungsansatzes Sekundärquellen gewonnenen Daten Forschungs-
(bspw. explorative, ergebnisse
despriptive, kausale Einsatz von Interpretation der
Definition der Ziele
Studie) Methoden der Daten Präsentation der
der Marketing-
Forschung Primärforschung Ergebnisse
Qualitative und/oder (Befragung, Prüfung der
quantitative Studie Beobachtung, prognostischen Kontrolle des
Definition der
Experiment) Relevanz der Daten gesamten
Verantwortlichen für
das Projekt Einsatz von Primär- Forschungsprojektes
und/oder Sekundär- Kontrolle möglicher
forschung Störgrößen, um
Definition des Validität, Reliabilität,
Forschungsbudgets
Design der und Objektivität
sowie des Timings
sicherzustellen und
einzusetzenden
ggf. eine Repräsen-
Methoden (bspw.
tativität zu erreichen
SWOT, Benchmark,
Marktstudie,
Fokusgruppe,
Expertenbefragung)
2.2.1.1 Definitionsphase
Den ersten Schritt eines jeden Forschungsprojekts stellt die Definitionsphase dar. Hier
wird insb. die Forschungsfrage bzw. werden die Forschungsfragen geklärt. Es können
bspw. folgende Themen im Mittelpunkt stehen:
Erst wenn diese Fragen formuliert sind, kann festgestellt werden, ob diese Fragen be-
reits anhand der vorliegenden Informationen beantwortet werden können. Durch diese
Prüfung können mögliche Defizite im Hinblick auf den aktuellen Informationsstand er-
mittelt werden. Basierend auf den so festgestellten Defiziten werden die Forschungsziele
herausgearbeitet. An diesen müssen sich die Ergebnisse des Forschungsprojekts später
messen lassen.
Zusätzlich sind in dieser Phase die Verantwortlichkeiten für das Forschungsprojekt zu
definieren. Hierbei ist u. a. zu klären, ob eine eigene Marketing-Forschungs-Abteilung die
Aufgabe übernimmt und/oder für bestimmte Teile des Projekts eine Marketing-Forschungs-
Gesellschaft eingebunden werden soll. Zusätzlich ist die Budgethöhe zu klären und der
zeitliche Horizont des Forschungsprojektes zu definieren, um bspw. anstehende Ent-
scheidungen rechtzeitig informatorisch zu unterstützen.
cc Merk-Box Eine Studie beginnt mit der genauen Definition der Forschungs-
fragen und der Ziele der Studie – nicht mit dem Design des Fragebogens!
2.2.1.2 Designphase
In der Designphase wird – abhängig von den Forschungsfragen und den angestrebten Zie-
len – festgelegt, ob eine explorative, eine deskriptive oder eine kausale Studie zur Be-
antwortung der Forschungsfragen notwendig ist (vgl. Abb. 2.3). Bei einer explorativen
Studie gilt es, ein Themenfeld zu erforschen bzw. zu erkunden („zu explorieren“). Hier
besteht das Ziel darin, erste Erkenntnisse und Einsichten zu gewinnen, ohne dass bspw.
repräsentative Ergebnisse erwartet werden. Eine explorative Studie kann sich bspw. mit
dem Phänomen beschäftigen, wie sich neue Modelabels im Internet präsentieren. Hierzu
können Beobachtungen des vorhandenen Online-Auftritts oder Befragungen von Experten
oder Online-Shop-Betreibern stattfinden. Außerdem können bspw. bestimmte Fallstudien
von Online-Shops der Modelabels ausgewertet werden. Im Mittelpunkt steht hier der
„Entdeckungszusammenhang“. Der Informationsbedarf ist eher qualitativ als quantitativ
ausgerichtet. Das Ziel besteht darin, ein Phänomen besser zu verstehen.
Im Zuge einer deskriptiven Studie gilt es, bestimmte Marketing-Phänomene näher zu
beschreiben und mögliche Erklärungsmuster zu erkennen. Hier kann bspw. eine um-
fassende Analyse stattfinden, die den Stand der Online-Aktivitäten von Modelabels syste-
matisch erfasst und mögliche Erklärungsansätze ableitet. Darauf basierend können Vor-
hersagen über mögliche Entwicklungen erstellt und Handlungsbedarfe abgeleitet werden.
Ein Sachverhalt wird damit viel genauer umrissen als bei einer explorativen Studie. Es
88 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
gilt, genau zu beschreiben, was in einem bestimmten Bereich momentan passiert. Das
Forschungsinteresse ist deutlich quantitativer ausgerichtet, weil zur Deskription (Be-
schreibung) sowohl qualitative als auch quantitative Angaben gehören.
Bei einer kausalen Studie gilt es, Kausalhypothesen im Hinblick auf ihre Gültigkeit zu
überprüfen. Hypothesen sind Annahmen über bestimmte Beziehungen, die durch eine Stu-
die überprüft werden sollten. Kausalhypothesen beziehen sich auf Wirkungszusammen-
hänge zwischen verschiedenen Variablen (bspw. Höhe des Online-Werbebudgets von
Modelabels als „Ursache“ und Umsatzhöhe der Modelabels als „Wirkung“). Im Rahmen
von kausalen Studien werden insb. Experimente eingesetzt, um die Ursache-Wirkungs-
Beziehungen zu ermitteln.
In der Designphase stellt sich somit auch die Frage, ob ein eher qualitativ oder quanti-
tativ ausgerichteter methodischer Ansatz Verwendung finden soll. Bei der quantitativen
Marketing-Forschung wird angestrebt, die Ergebnisse exakt numerisch auszudrücken.
Hierzu zählen bspw. die Angaben Kaufhäufigkeit, durchschnittlich bezahlte Preise, präfe-
rierte Informations- und Informationskanäle sowie Alter, Geschlecht, Kaufkraft, Wohn-
situation etc. der Kunden.
Bei einer Website-Analyse (bspw. mit Google Analytics) wird bspw. gemessen, wie
lange ein Nutzer auf der Website war, welche Links angeklickt wurden, von welcher ande-
ren Website er kam etc. Schließlich können auch die quantitativen Kriterien Marktanteil,
Marktvolumen, Marktpotenzial des eigenen Unternehmens im Wettbewerbsumfeld er-
mittelt werden. Häufig – aber nicht immer – wird bei der quantitativen Marketing-For-
schung eine Repräsentativität der Ergebnisse angestrebt.
Repräsentativität bedeutet, dass von den Ergebnissen einer Stichprobe (i. S. einer Teil-
menge der relevanten Grundgesamtheit) auf die Grundgesamtheit geschlossen werden
kann. Hierbei spricht man von einer statistischen Repräsentativität. Das bedeutet, dass
sich die Ergebnisse aufgrund der statistischen Analyse der erhobenen Daten „belegen“
lassen. Um solche Ergebnisse zu erzielen, erfolgt die Datenerhebung vielfach in einem
eher statischen und geschlossenen Schema, in dem die Fragen sowie auch die Antwort-
kategorien in hohem Maße standardisiert sind.
Da größere Stichproben mit höheren Kosten einhergehen, wird allerdings bei vielen
Studien auf repräsentative Aussagen verzichtet. Hierzu sollten Sie sich merken: Wann
immer Sie keinen Hinweis auf eine „repräsentative Studie“ bei der Beschreibung des
Forschungsdesigns finden, handelt es sich um eine Studie, die nicht repräsentativ ist. Das
bedeutet, dass die hier präsentierten Ergebnisse nicht verallgemeinert werden können. Auf
einen expliziten Hinweis auf die fehlende Repräsentativität verzichten die Autoren von
Studien meistens, weil damit deren Relevanz gemindert würde.
Die Ergebnisse der qualitativen Marketing-Forschung sind eher beschreibender,
nicht-numerischer Art. Es geht bspw. um die Ermittlung von Motivstrukturen, die dem
Kaufverhalten zugrunde liegen. Dafür werden bspw. Expertengespräche oder Fokus-
gruppen eingesetzt. Die Auswahl der Studienteilnehmer erfolgt oft nicht zufällig, wie das
bei der quantitativen Marketing-Forschung meistens der Fall ist. Bei der qualitativen
Marketing-Forschung werden dagegen bspw. ganz gezielt einzelne Experten für ein Ge-
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 89
• Interne Informationsquellen
Hierzu gehören die Informationen, die bereits im Unternehmen vorhanden sind. Dazu
zählen die durch einen direkten Kontakt mit Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern,
Dienstleistern etc. gewonnenen Informationen, die aufgrund des täglichen Geschäfts-
betriebs gewonnen wurden. Diese müssen im Zuge eines Forschungs-Projekts aller-
dings häufig erst ermittelt und für die jeweilige Fragestellung aufbereitet werden.
Hierbei ist es immer noch zu häufig notwendig, die unternehmensinternen
Informations-Silos aufzubrechen. Diese Informations-Silos werden von Managern
aufgebaut, um bspw. ihre eigene Macht und ihre Unverzichtbarkeit im Unternehmen zu
90 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
untermauern. Wenn das Aufbrechen solcher Silos nicht gelingt, bleiben wichtige
Informationsquellen für das Unternehmen ungenutzt.
Zu den internen Informationsquellen zählen auch die Studien, die bereits in der Ver-
gangenheit durchgeführt wurden und ggf. einige der jetzt anstehenden Forschungs-
fragen beantworten können. Damit diese Chance auf eine mögliche Zweitverwertung
der Informationen gelingen kann, bedarf es einer sauberen Dokumentation dieser Stu-
dien – an einer zentralen Stelle (bspw. in einer Abteilung Marketing-Forschung). Auch
um einen solchen Zugriff zu ermöglichen, sind die Informations-Silos aufzubrechen.
• Externe Informationsquellen
Bei den externen Informationsquellen ist zwischen den allgemein zugänglichen öffent-
lichen Quellen und kommerziellen Quellen zu unterscheiden. Für die meisten Projekte
der Marketing-Forschung gilt, dass zunächst einmal versucht wird, Antworten auf die
jeweiligen Forschungsfragen durch einen Zugriff auf die allgemein zugänglichen öf-
fentlichen Quellen zu erhalten. Hierzu dient vor allem das Internet als zentraler Zu-
gang zu solchen Informationen.
Viele Unternehmen, wie bspw. die strategischen Unternehmensberatungen (u. a.
Boston Consulting Group, Gartner, McKinsey etc.), aber auch Dienstleister aus den
Bereichen Marketing, Logistik etc. stellen regelmäßig informative White Paper und
Studien zur Verfügung. Ein guter Marktforscher studiert zunächst die hier verfügbaren
Informationen, bevor kommerzielle Quellen herangezogen werden. Zu diesen kom-
merziellen Quellen gehören Anbieter wie Statista (2021), die einen kostenpflichtigen
Zugriff auf eine sehr umfassende Datenlandschaft ermöglichen.
Die Vorteile der Sekundärforschung sind die schnelle Verfügbarkeit und der leichte
Zugriff – auch „Desk Research“ genannt, weil die Gewinnung und Verarbeitung quasi
vom eigenen Schreibtisch aus erfolgen können. Weil keine neue Erhebung von Daten er-
folgen muss, ist der Einsatz auch deutlich kostengünstiger als eine Primärforschung.
Zusätzlich stellen Informationen der Sekundärforschung wichtige Grundlagen zur Ver-
feinerung der Forschungsfrage sowie zur Interpretation eigener erhobener Daten dar.
Allerdings sind auch die folgenden Nachteile der Sekundärforschung zu berück-
sichtigen. Dazu zählt, dass die so gewinnbaren Informationen häufig keine präzisen Ant-
worten auf die eigenen Forschungsfragen liefern. Zudem können durch allgemein verfüg-
bare Informationen häufig keine Wettbewerbsvorteile gewonnen werden, da diese aufgrund
einer fehlenden Exklusivität grds. auch für Konkurrenten zugänglich sind. Zusätzlich sind
Sekundärdaten häufig veraltet und lassen sich schwer mit anderen Daten vergleichen.
Außerdem – und dies ist ein weiterer entscheidender Nachteil – ist häufig nicht mehr er-
kennbar, wer die Daten erhoben hat, wie die Daten gewonnen wurden, in welchem Zeit-
raum dies erfolgte und welche Erhebungseinheiten (bspw. befragte Konsumenten oder
Unternehmen) im Mittelpunkt standen. Damit lässt sich nicht sicher feststellen, ob die
Daten „belastbar“ sind, d. h., ob darauf wichtige Unternehmensentscheidungen aufgebaut
werden sollten.
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 91
• Primärforschung
–– Befragung
• Qualitative Befragung
• Quantitative Befragung
–– Beobachtung (bspw. Eyetracking)
–– Experiment (häufig als Mischform aus Beobachtung und Befragung)
• Sekundärforschung
–– Interne Quellen
–– Externe Quellen
• Öffentlich zugängliche Quellen
• Kommerzielle Quellen
Zusätzlich stellt sich in der Designphase die Frage, welche Methoden zum Einsatz
kommen sollen (etwa die SWOT-Analyse, ein Benchmarking oder ein Testmarkt). Es wird
auch festgelegt, wer bei einer Befragung angesprochen werden soll. Sollen bestehende
Kunden oder eher Wunsch-Kunden angesprochen werden – oder ist die Befragung auf
Branchen- oder Technologie-Experten auszurichten?
Außerdem ist zu klären, welche Variablen zu erheben sind. Die Bandbreite reicht hier
von der Anzahl der Käufe eines bestimmten Produktes pro Monat und Haushalt über das
durchschnittliche Einkommen in der eigenen Zielgruppe bis zur Entwicklung des Brutto-
sozialprodukts, der Kaufkraft und der Inflationsrate sowie des Ausmaßes der Korruption
eines Landes, in dem investiert werden soll.
92 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
2.2.1.3 Datengewinnungsphase
In der Datengewinnungsphase sind häufig zunächst die Sekundärquellen auszuwerten,
um den Bedarf an Primärforschung zu ermitteln (vgl. Abb. 2.3). Für die Primärforschung
selbst stehen grds. drei Konzepte zur Verfügung, die häufig kombiniert eingesetzt werden:
• Befragung
• Beobachtung
• Experiment
Befragung
Bei der primären Informationsgewinnung kommt der Befragung eine besondere Be-
deutung zu. Die Befragung (auch Meinungsumfrage bzw. Interview) ist eine Forschungs-
methode, bei der ein Gespräch mit dem Ziel geführt wird, systematisch Informationen
über Einstellung, Meinungen, Verhaltensweisen, Wissen, Motive und Absichten von Per-
sonen zu gewinnen. In Hinblick auf die Methodik der Befragung können bei quantita-
tiven Befragungen die folgenden Formen unterschieden werden:
fizierung. Die Notwendigkeit zu einer solchen Schichtung ergibt sich daraus, dass bei
einer Zufallsstichprobe Kunden der Kategorien A und B in Relation zu ihrer Bedeutung
für das Unternehmen deutlich unterrepräsentiert wären, weil es wesentlich mehr C-Kun-
den in einer entsprechenden Datei gibt. Dies ist ein Beispiel für die geschichtete Zufalls-
auswahl, die später in diesem Abschnitt beschrieben wird.
Kundenbefragungen stellen ein regelmäßig einzusetzendes Instrument dar, um die viel-
fach angestrebte Customer Centricity – die konsequente Kunden-Orientierung – erfolg-
reich umzusetzen (vgl. vertiefend Zerr, 2021). Im Mittelpunkt der Kundenbefragung
könnten bspw. folgende Fragen stehen:
Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie dieses Unternehmen, diesen Service, dieses Produkt,
diese Marke einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
überhaupt nicht neutral sehr
wahrscheinlich wahrscheinlich
Promotoren eines Unternehmens oder einer Marke sind nur diejenigen, die den Wert
„9“ oder „10“ vergeben. Detraktoren (Kritiker) sind diejenigen, die hinsichtlich der
Weiterempfehlung lediglich Werte zwischen „0“ und „6“ vergeben. Indifferente sind die-
jenigen, die den Wert „7“ oder „8“ vergeben. Bei der Berechnung des Netto-Wertes der
Empfehlenden wird der Prozentsatz der Detraktoren vom Prozentsatz der Promotoren ab-
gezogen. Die Gruppe der Indifferenten bleibt unberücksichtigt. Folglich lautet die Be-
rechnungsformel des NPS:
• Ferrari: 28,6
• Ford: 23,6
• Porsche: 22,0
• Toyota: 21,7
• Honda: 19,1
• Mercedes-Benz: 16,2
• Audi: 14,5
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 95
• Volkswagen: 12,0
• BMW: 11,3
• Tesla: 5,2
Wichtig ist, dass vor Veränderung bisheriger Strukturen und Abläufe zunächst der Aus-
gangswert des eigenen Unternehmens ermittelt wird. Dieser Wert dokumentiert die Null-
messung des Unternehmens. Durch vertiefende Analysen ist herauszuarbeiten, warum
gerade dieser Wert zustande kam und durch welche Maßnahmen er ggf. zu verbessern ist.
Hierfür sollten Sie die Frage nach der Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit um eine
„Warum-Frage“ ergänzen. Durch diese kleine Zusatzfrage erhält man häufig spannende
Erkenntnisse über geschätzte und kritisierte Leistungen des eigenen Unternehmens.
Die Befragung kann auch bei qualitativen Studien eingesetzt werden. Hierbei kön-
nen die folgenden Formen unterschieden werden:
Bei Tiefeninterviews geht man von der Hypothese aus, dass der Gesprächspartner über
tiefere und damit implizite Bewusstseinsinhalte verfügt, die Denken und Handeln leiten,
ohne dass sich die betreffenden Personen darüber im Klaren sind. Deshalb entziehen sich
diese Inhalte einer direkten „Abfrage“. Folglich kann man sich diesen nicht auf direktem
Wege annähern, sondern muss diese vorsichtig, Stufe für Stufe, erschließen. Um sich die-
sen tieferen Bewusstseinsinhalten anzunähern, wird ein teil-strukturiertes Vorgehen ein-
gesetzt. Hierbei orientiert sich die Verwendung vorbereiteter Stimuli sowie der ange-
dachten Fragenbereiche hinsichtlich Reihenfolge und Tiefe an den Ausführungen des
Befragten. Erst durch das Vermeiden einer strikten Abfolge der Fragen kann es gelingen,
dass für das Gespräch eine Vertrautheit geschaffen wird, die zu einer immer stärkeren
Öffnung des Interviewpartners führt – und damit „tiefere Wahrheiten“ bei Meinungen,
Einstellungen und Motivstrukturen sichtbar werden. Häufig sind sich die Befragten dieser
Meinungen, Einstellungen und Motivstrukturen selbst nicht bewusst – oder versuchen zu-
mindest, diese zu verbergen. Die generell notwendige Zielorientierung erreicht ein Tiefen-
interview durch das vorgegebene Thema und einen Gesprächsleitfaden.
Eine Offenheit im Tiefeninterview wird durch eine entspannte Gesprächsatmosphäre
erreicht. Deshalb ist es zielführend, solche Gespräche eher im vertrauten Wohnzimmer
oder in einem Alltagsstudio zu führen als in einer „Befragungsbox“ (vgl. zum Alltags-
studio Concept M 2021; vgl. Abb. 2.24). Zu einer positiven Gesprächsatmosphäre trägt
auch der Interviewer durch seine wertschätzende Haltung bei. Hierdurch soll es dem Inter-
viewten leicht gemacht werden, auch tiefere Emotionen und unangenehme, ggf. sogar
unterdrückte Sachverhalte anzusprechen. Da die Gesprächsführung bewusst offengehalten
wird, bleibt Raum für – allerdings nur scheinbare – Abschweifungen, die ggf. wichtige
Hinweise auf Themenbereiche liefern können oder deutlich machen, in welchem Kontext
ein Befragter ein bestimmtes Thema sieht.
Die große Erkenntnistiefe in Tiefeninterviews wird durch eine bestimmte Fragen-
technik erzielt. Projektive Fragetechniken („Was würde Ihr bester Freund dazu sagen …?“,
„Wie würde Ihr Vorgesetzter Sie beschreiben?) und assoziative Fragen („Woran denken
Sie beim Begriff Hochzeit?“, „Was verbinden Sie mit dem Begriff Verantwortung?“) er-
möglichen einen leichteren Zugang zu häufig nicht bewussten Einstellungen und Motiven
des Gesprächspartners. Die hier gefundenen Erkenntnisse können anschließend weiter be-
sprochen werden. Wichtig ist generell, dass man den Probanden zum Erzählen bringt,
damit auch ggf. sonst unterdrückte und/oder vermiedene Aspekte eines Themas sichtbar
werden. Um die Auswertung der Tiefeninterviews zu erleichtern, werden diese meist
aufgezeichnet und anschließend verschriftlicht. Anschließend können sie inhaltsanalytisch
ausgewertet und interpretiert werden (vgl. zur Auswertung Abschn. 2.2.1.4).
Ein tiefes Eintauchen in ein bestimmtes Themengebiet durch Experten wird durch die
sogenannte Delphi-Methode erreicht. Man spricht häufig auch von einer Delphi-Studie
oder einer Delphi-Befragung. Der Namensgeber dieser Vorgehensweise ist das antike Ora-
kel von Delphi, das durch seine mehrdeutigen Vorhersagen für manche historische Über-
raschung sorgte. Heute wird die Delphi-Methode meist für die Prognose von Trends, die
Abschätzung technologischer Entwicklungen sowie zur Vorhersage des zukünftigen Kom-
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 97
Abb. 2.5 Delphi-Methode
98 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Beobachtung
Bei der Beobachtung erfolgt eine an der Forschungsfrage orientierte und damit ziel-
gerichtete Wahrnehmung von Subjekten und/oder Objekten. Dies können bspw. Kunden
in Online-Shops oder stationären Geschäften, Leser von Zeitungen, Zeitschriften und
Mailings oder Fernsehzuschauer sein. Auch Prozesse können im Zentrum der Beobachtung
stehen, bspw. bei der Prüfung der Benutzerfreundlichkeit einer Website, die durch eine
Beobachtung des Such- und Kaufverhaltens auf der Site erfolgt (vgl. vertiefend zum Eye-
tracking Kreutzer, 2021b, S. 184–188; vgl. vertiefend Abschn. 2.2.4.2).
Im Rahmen der Beobachtung können verschiedene technische Hilfsmittel eingesetzt
werden. Da bei der Beobachtung primär eine Erfassung von sicht- und damit messbaren
(quantitativen) Phänomenen erfolgt, bedarf es zur Interpretation häufig einer flankieren-
den Befragung der handelnden Personen, um die richtigen Schlüsse aus dem beobacht-
baren Verhalten zu ziehen. Beobachtungen mit anschließenden Befragungen stellen ein
zentrales Element von Assessment-Centern dar, in denen die Befähigung von Bewerbern
systematisch ermittelt werden soll.
Experiment
Das Experiment ist eine methodisch angelegte, wiederholbare, unter kontrollierten und
vorher definierten Rahmenbedingungen vorgenommene Untersuchung, um systematisch
Daten über Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Variablen zu gewinnen. Ziel kann
es sein, bestimmte Hypothesen (bspw. über den Zusammenhang zwischen Preisver-
änderungen und Nachfrageverhalten) zu überprüfen. Hierzu können bspw. eine oder meh-
rere unabhängige Variable(n) (bspw. der Preis) planmäßig variiert werden, um deren Ein-
fluss auf eine oder mehrere andere abhängige Variable(n) (bspw. die Nachfrage) zu
ermitteln. Es gilt, alle übrigen Variablen, die sonst noch einen Einfluss haben könnten,
konstant zu halten.
Durch Experimente gelingt es in besonderem Maße, kausale bzw. Ursache-Wirkungs-
Beziehungen zwischen Variablen zu identifizieren. Durch Beobachtungen und Be-
fragungen können solche Beziehungen lediglich vermutet, aber nicht nachgewiesen wer-
den. Folglich bilden Ergebnisse von Beobachtungen und Befragungen häufig die Grundlage
für die Erarbeitung von Hypothesen, die durch Experimente überprüft werden.
Um „belastbare“ Erkenntnisse zu gewinnen, auf denen auch folgenreiche Ent-
scheidungen aufbauen können, müssen in der Marketing-Forschung bei der Anlage eine
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 99
Studie sowie insb. bei der Messung von Sachverhalten die folgenden Gütekriterien der
Marketing-Forschung berücksichtigt werden:
• Validität
• Reliabilität
• Objektivität
• Repräsentativität
Die Validität (i. S. von „Gültigkeit“) bringt zum Ausdruck, ob im Zuge einer Unter-
suchung tatsächlich das gemessen wurde, was zu messen vorgegeben wurde. Sie be-
zeichnet damit das Ausmaß, in welchem die Ergebnisse der Messung tatsächlich Aussagen
über den zu messenden Sachverhalt erlauben. Eine direkte Befragung, ob sich Kunden
durch „Marken“ verführen lassen und bereit sind, dafür mehr zu bezahlen, wird häufig
nicht zu validen Ergebnissen führen.
Der Grund dafür kann in dem Phänomen der sozialen Erwünschtheit gesehen wer-
den. Danach geben Befragte bei bestimmten Fragen (etwa nach der „Beeinflussbarkeit
durch Werbung“ oder nach der „Stimulierung durch Gewalt“) Antworten, von denen die
Befragten annehmen, dass diese gesellschaftlich akzeptiert und damit „sozial erwünscht“
sind. Auf die Frage nach der Wirkung von Werbung auf sich selbst könnte die Antwort
lauten: „Nein, natürlich lasse ich mich weder von Werbung noch von Marken beein-
flussen“, obwohl dies nicht den Tatsachen entspricht. Das Phänomen der sozialen Er-
wünschtheit tritt auch bei der Frage nach der Häufigkeit des Zähneputzens oder von Be-
suchen bei McDonald’s auf. Mit unehrlichen Antworten ist auch – je nach Zielgruppe – zu
rechnen, wenn gefragt wird, ob man die Bild-Zeitung liest.
Bei der Reliabilität (i. S. von „Zuverlässigkeit“ bzw. der „Genauigkeit“) geht es um
die Frage, ob unter gleichen Rahmenbedingungen bei einer erneuten Datenerhebung die
gleichen Ergebnisse erzielt würden. Hier geht es folglich um die Reproduzierbarkeit
eines Ergebnisses unter identischen Bedingungen. Um dies sicherzustellen, sind zu-
fällige Fehler – bspw. durch die Art der Versuchsanordnung – zu vermeiden. Werden
bspw. „junge Männer“ durch „attraktive junge Frauen“ zu ihren Sport- und Freizeit-
aktivitäten befragt, so können die Ergebnisse durch die „Interviewerinnen“ ungewollt
verzerrt werden, weil sich die Probanden besonders positiv darstellen möchten. Eine
gleiche Befragung durch ältere Männer/Frauen könnte ggf. zu ganz anderen Ergeb-
nissen führen. Um diesen Effekt zu vermeiden, werden bspw. die Interviewer in einer
Versuchsanordnung systematisch gewechselt. Findet bspw. eine Befragung zu Soft-
drinks einmal in einem überhitzten Forschungsstudio und einmal unter normalen Be-
dingungen statt, so können unterschiedliche Ergebnisse die Folge sein. Die Studie wäre
folglich nicht „zuverlässig“, weil bei einer vergleichbaren Untersuchung unterschied-
liche Ergebnisse erzielt würden.
Die Objektivität des Forschers stellt eine notwendige Bedingung für die Gewinnung
von „belastbaren“ Informationen dar. Eine Objektivität – und damit das Fehlen von sub-
jektiven Einflüssen – bedeutet, dass die gleichen Ergebnisse erreicht werden, unabhängig
100 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
davon, welcher Forscher tätig war. Die Objektivität bezieht sich auf die Durchführung, die
Auswertung und die Interpretation der Ergebnisse.
Zusätzlich ist zu prüfen, welches die relevanten Erhebungseinheiten sind. Dies können
bspw. Konsumenten, Mitarbeiter von Unternehmen, ausgewiesene Experten oder speziali-
sierte Institutionen sein. Werden alle relevanten Erhebungseinheiten befragt, die zu-
sammen als Grundgesamtheit bezeichnet werden, liegt eine Vollerhebung vor.
Beschäftigt ein Unternehmen bspw. 400.000 Mitarbeiter, kann statt einer solchen Voll-
erhebung eine Teilerhebung angezeigt sein, weil eine Vollerhebung undurchführbar oder
aufgrund der zu erwartenden Kosten ökonomisch nicht sinnvoll wäre. Um auch bei einer
Teilerhebung zu aussagefähigen Informationen zu gelangen, sind die Erhebungseinheiten
möglichst repräsentativ auszuwählen.
Ein weiteres Qualitätskriterium für die Marketing-Forschung ist die Repräsentativi-
tät. Um dieses Kriterium zu erklären, sind zunächst einige Hintergrundinformationen zu
präsentieren. Die Repräsentativität ist bei der Primärforschung verbunden mit der Frage,
ob eine Vollerhebung erforderlich oder ob eine Teilerhebung ausreichend ist. Diese Ent-
scheidung hat nicht nur Auswirkungen auf die Qualität der zu erzielenden Ergebnisse,
sondern vor allem auch auf den Zeit- und Budgetbedarf einer entsprechenden Studie.
Die Vollerhebung (auch Totalerhebung, Zensus) ist eine Form der Befragung, bei der
alle Mitglieder einer Grundgesamtheit oder Zielgruppe erfasst werden. Die Grund-
gesamtheit bezeichnet alle Personen oder andere Objekte (bspw. Unternehmen, Märkte),
über die Informationen gewonnen werden sollen. Diese Grundgesamtheit wird auch mit
den Begriffen Ausgangsgesamtheit, Kollektiv, Population und statistische Masse be-
schrieben. Im Kern handelt es sich hierbei um die Menge aller Elemente, auf die eine
Untersuchung ausgerichtet ist. Um relevante Erkenntnisse zu erzielen, ist es unverzichtbar,
diese Grundgesamtheit präzise sachlich, räumlich und zeitlich abzugrenzen. Ist diese nicht
der Fall, so kommt es zu einem Coverage-Fehler (i. S. einer fehlerhaften Abdeckung).
Welche Größe diese Grundgesamtheit annehmen kann, wird deutlich, wenn bspw. die
Lebenssituation aller in Deutschland lebenden Menschen erfasst werden soll. In diesem
Falle wären ca. 83 Millionen Menschen zu befragen. Um Coverage-Fehler zu vermeiden,
ist bspw. genau zu beschreiben, wer zu befragen ist:
Bereits dieses kleine Beispiel verdeutlich, wie wichtig eine präzise Beschreibung der
Grundgesamtheit ist, um genau die Informationen zu erhalten, die für eine Forschungs-
frage benötigt werden.
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 101
Eine Studie, die die Herausforderungen von Vorständen und Geschäftsführern in Unter-
nehmen der Euro-Zone angesichts des digitalen Wandels ermitteln möchte, müsste bei
einer Vollerhebung viele 100.000 Personen befragen. Hier wird nochmals deutlich, dass
Vollerhebungen aus organisatorischen sowie aus finanziellen Gründen in der Regel nur in
kleinen Grundgesamtheiten durchgeführt werden sollten. Eine solche kleinere Grund-
gesamtheit können bspw. alle Master-Studenten sein, die im 2. Halbjahr 2021 an der HWR
ihr Studium begonnen haben. Eine Vollerhebung ist auch in einem Unternehmen möglich,
wenn dieses bspw. nur 200 Mitarbeiter hat – und nicht über 600.000 wie bei Volkswagen
oder über zwei Millionen wie bei Walmart.
Vollerhebungen sind im Vergleich zu Teilerhebungen meist sehr viel teurer, weil bspw.
viel mehr Interviews durchgeführt und ausgewertet werden müssen. Allerdings sind die
durch eine Vollerhebung gewonnenen Daten auch viel aussagekräftiger. Schließlich ent-
fällt bei einer Vollerhebung die Stichprobenziehung, weil alle relevanten Personen in der
Studie berücksichtigt werden. Deshalb können die Daten auch sehr fein analysiert werden,
da die notwendigen Daten (bei einer korrekten Durchführung der Studie) für jede einzelne
Person der Zielgruppe vorliegen.
Ist die Grundgesamtheit sehr groß, kommt eine Teilerhebung zum Einsatz. Hierfür
bedarf es einer Stichprobenziehung. Durch diese wird ermittelt, welche Personen oder
Objekte der Grundgesamtheit in die Studie einbezogen werden sollen. Diese ausgewählten
Personen oder Objekte bilden die Teilgesamtheit. Eine Teilerhebung ist folglich immer
dann angesagt, wenn die Grundgesamtheit sehr groß, der Zeitdruck hoch und/oder die
Budgets knapp bemessen sind. Dann muss man sich mit einer Stichprobe zufriedengeben.
Dies ist auch der Fall, wenn bspw. eine zerstörende Prüfung durchgeführt wird. Dies ist
bspw. bei Crashtests von Autos der Fall. Hier werden meist nur ganz wenige Fahrzeuge
„gegen die Wand gefahren“, um bspw. den Insassenschutz zu prüfen. Auch die Unter-
suchungen der Stiftung Warentest arbeiten mit Stichproben der untersuchten Objekte, weil
bspw. nicht die Gesamtzahl der am Markt befindlichen Toaster getestet werden kann.
Für die Stichprobenziehung können die in Abb. 2.6 gezeigten Varianten verwendet
werden (vgl. auch Kuß et al., 2018, S. 72–77; zur Bestimmung des Stichprobenumfangs
Altobelli, 2017, S. 156–158). Zunächst einmal ist zwischen einer Zufallsstichprobe und
einer nicht zufälligen Stichprobe sowie einer willkürlichen Auswahl zu unterscheiden. Bei
einer Zufallsstichprobe (auch Zufallsauswahl oder Random Sample) hat jedes Element
der Grundgesamtheit die gleiche, angebbare Wahrscheinlichkeit (hier > 0), in die Stich-
probe zu gelangen. Die Elemente werden zufällig aus der Grundgesamtheit gezogen. Hier-
bei kann noch weiter zwischen einer einfachen Zufallsstichprobe (ohne Unterteilung der
Grundgesamtheit) und einer Zufallsstichprobe mit Unterteilung der Grundgesamtheit dif-
ferenziert werden.
Eine einfache Zufallsstichprobe liegt vor, wenn jedes Element der Grundgesamtheit
die gleiche Wahrscheinlichkeit aufweist, in die Stichprobe zu gelangen (vgl. Abb. 2.6). Bei
der Zufallsstichprobe mit Unterteilung der Grundgesamtheit sind wiederum drei Aus-
prägungen möglich. Bei einer geschichteten Zufallsstichprobe wird die Grundgesamt-
heit vor der Stichprobenziehung in sinnvolle Gruppen (sogenannte Schichten) eingeteilt.
102 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Stichprobenziehung
Geschichte Klumpenstichprobe
Zufallsstichprobe
Eine solche Gruppierung ist dann sinnvoll, wenn diese Schichten hinsichtlich eines oder
mehrerer für die Forschungsfrage relevanten Merkmale in sich relativ homogen sind und
sich gleichzeitig möglichst deutlich voneinander unterscheiden (vgl. die schon an-
gesprochene ABC-Kategorisierung der Kunden). Für die psychologische Marketing-For-
schung relevante Schichten für eine Konsumentenbefragung können bspw. an den Krite-
rien Geschlecht, Alter, Einkommen, Bildungsabschluss, Wohnort gebildet werden.
Die zufällige Auswahl der Stichprobenelemente wird nun insofern eingeschränkt, als
man pro Schicht die jeweils gewünschten Stichprobenumfänge vorgibt. So kann es bspw.
heißen, dass aus der Grundgesamtheit jeweils 50 Personen aus der Schicht „Männer“ und
50 Personen aus der Schicht „Frauen“ zu ziehen sind, auch wenn die Aufteilung von Män-
nern und Frauen in der Grundgesamtheit bspw. 80 % zu 20 % ist. Ohne eine solche ge-
schichtete Stichprobenziehung wären bei einer einfachen Stichprobenziehung mit hoher
Wahrscheinlichkeit ca. 80 % der Stichprobe männlichen und ca. 20 % weiblichen Ge-
schlechts gewesen. Je nach Größe der gezogenen Stichproben wären dann die Ergebnisse
für die Stichprobe der Frauen aufgrund der geringeren Fallzahl weniger belastbar.
Nach der Definition der jeweils gewünschten Anzahl der Probanden pro Schicht erfolgt
die Zufallsstichprobenziehung für jede Schicht getrennt. In Anschluss an die Daten-
gewinnung erfolgt eine Auswertung getrennt nach den gebildeten Schichten, bevor man
die Ergebnisse – so zielführend – für die Grundgesamtheit zusammenfasst. Mit einer
geschichteten Stichprobenziehung lässt sich bei gleicher Ergebnisgenauigkeit der Um-
fang der Gesamtstichproben gegenüber einer einfachen Zufallsstichprobenziehung redu-
zieren, wodurch die Kosten der Datenerhebung sinken. Der Grund für diesen Effekt ist
eine geringere Varianz der Ergebnisse innerhalb der definierten Schichten, weil diese in
sich eine höhere Homogenität aufweisen als die Grundgesamtheit.
Die Klumpenstichprobe (Cluster-Stichprobe; vgl. Abb. 2.6) ist ebenfalls um eine Zu-
fallsstichprobe mit Unterteilung der Grundgesamtheit. Vor der Stichprobenziehung wird
die Grundgesamtheit in Teilgesamtheiten zerlegt. Diese werden Klumpen oder Cluster
genannt. Diese sollen im Hinblick auf das zu untersuchende Merkmal ein möglichst ähn-
liches, allerdings verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit darstellen. Kommt eine
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 103
Klumpenstichprobe zum Einsatz, so werden nur einige der Klumpen zufällig ausgewählt.
Findet innerhalb der ausgewählten Klumpen eine Totalerhebung statt, nennt man dies eine
einstufige Klumpenstichprobe. Findet in den ausgewählten Klumpen eine zufalls-
gesteuerte Teilerhebung statt, ist es eine zweistufige Klumpenstichprobe.
Die Klumpenbildung wird häufig anhand von regionalen Kriterien vorgenommen. So
können für eine deutschlandweite Studentenbefragung alle Studenten von zufällig aus-
gewählten Präsenz- und Fernhochschulen befragt werden. Jede Hochschule stellt hierfür
einen „Klumpen“ bzw. ein „Cluster“ dar, der komplett bzw. in Teilen befragt wird. Eine
solche Umfrage in 15 Hochschulen wäre viel leichter zu organisieren als eine Befragung
von bspw. jeweils 50 Studenten an 100 verschiedenen Hochschulen in Deutschland.
Vielfach stellt die Verringerung der Erhebungskosten den Hauptgrund für den Einsatz
von Klumpenstichproben dar. Die Entscheidung darüber, ob eine solche Stichproben-
ziehung eingesetzt werden soll, ist davon abhängig, ob die Klumpen hinsichtlich der inte-
ressierenden Merkmale größere Unterschiede aufweisen. Dies kann bei der Analyse von
Hochschulen aus Bremen im Vergleich zu Hochschulen aus Bayern oder Baden-
Württemberg der Fall sein. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass zwischen privaten und
öffentlichen Hochschulen systematische Unterschiede bestehen können.
Eine weitere Möglichkeit der Stichprobenziehung stellt die Quotenstichprobe (Quota-
Sample) dar. Im Vergleich zu den bisher beschriebenen Verfahren der Stichprobenziehung
handelt es sich bei der Quotenstichprobe nicht um eine Zufallsstichprobe. Bei der Quoten-
stichprobe erfolgt eine bewusste Auswahl von Zielpersonen bzw. von Zielobjekten. Hierzu
wird bei einer Quotenstichprobe versucht, eine möglichst repräsentative Zusammen-
setzung der Stichprobe dadurch zu erreichen, dass Quoten anhand bestimmter Merkmale
definiert werden. Hierfür ist es unverzichtbar, dass die Verteilung dieser Merkmale in der
Grundgesamtheit bekannt ist. So kann bspw. Interviewern für eine Befragung in der Innen-
stadt von Berlin genau vorgegeben werden, dass nur weibliche Personen im Alter zwi-
schen 25 und 35 zu befragen sind, die alleinerziehend sind. Hierfür werden sogenannte
Screening-Fragen eingesetzt. Diese werden nach einer Kontaktaufnahme gestellt, um
herauszufinden, ob die angesprochene Person ins Raster fällt. Wenn nicht, wird das Ge-
spräch beendet; wenn ja, wird das Interview durchgeführt.
Um die Güte einer so gewonnenen Quotenstichprobe zu überprüfen, kann bspw. die
Verteilung von Merkmalen, die nicht für die Quotenbildung verwendet wurden, zwischen
Stichprobe und Grundgesamtheit verglichen werden. Im obigen Beispiel wurden für die
Gruppenbildung Geschlecht und Alter verwendet. Um zu prüfen, ob eine qualitativ gute
Stichprobe gezogen wurde, kann jetzt ermittelt werden, ob die Verteilung der Kriterien
Kaufkraft oder Wohnortgröße in Stichprobe und Grundgesamtheit ähnlich ausfällt. Wenn
ja, kann von einer hohen Güte der Stichprobe gesprochen werden. Im Beispiel ist aller-
dings zu erwarten, dass bei einer Kontaktaufnahme in der City von Berlin Personen über-
repräsentiert sind, die in die größte Wohnortgröße fallen.
Bei der willkürlichen Auswahl (auch willkürliche Stichprobe, Auswahl aufs Gerate-
wohl, Convenience-Sampling; vgl. Abb. 2.6) werden Elemente aus der Grundgesamtheit
(bspw. durch einen Interviewer) mehr oder weniger willkürlich in die Stichprobe über-
104 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
2.2.1.4 Datenanalysephase
In der Datenanalysephase werden die erhobenen Daten ausgewertet (vgl. Abb. 2.3). Bei
quantitativen Studien werden Verfahren der uni-, bi- und multivariaten Datenanalyse
eingesetzt.
• Bei der univariaten Datenanalyse wird bei einer statistischen Berechnung nur eine
Variable analysiert (bspw. die Häufigkeitsverteilung der Kunden nach Alter oder Ge-
schlecht).
• Bei der bivariaten Datenanalyse werden genau zwei Variablen simultan analysiert
(bspw. die Verteilung der Kunden nach Alter und Geschlecht in einer Kreuztabelle).
• Die multivariate Datenanalyse beinhaltet die simultane Auswertung von mehr als
zwei Variablen (bspw. das Alter, das Geschlecht und das Einkommen).
Zu den bekanntesten Verfahren der multivariaten Datenanalyse mit dem Ziel der Klassi-
fikation zählen die Multidimensionale Skalierung sowie die Cluster- und Diskriminanz-
analyse. Hierbei geht es darum, bspw. Gruppen von unterschiedlichen Kunden zu bilden
bzw. die Gruppenzugehörigkeit zu überprüfen. Andere multivariable Verfahren versuchen,
die Beziehungen zwischen mehreren Variablen zu ermitteln. Dazu zählen die Regres
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 105
• Die qualitative Inhaltsanalyse ist kategoriengeleitet. Das bedeutet, dass die Erkennt-
nisinhalte auf sprachliche Kurzformeln gebracht und Kategorien zugeordnet werden.
• Inhalte, die in keine Kategorie gehören, werden nicht weiter ausgewertet. Die Textaus-
wertung ist folglich selektiv.
• Die qualitative Inhaltsanalyse orientiert sich an Fragestellungen, die aus den Zielen
des Forschungsprojektes abgeleitet werden. Diese schlagen sich in den zu ana-
lysierenden Kategorien nieder und fokussieren so die Auswertung.
• Der Ablauf der qualitativen Inhaltsanalyse orientiert sich an präzisen Ablaufmodellen,
die die einzelnen Arbeitsschritte beschreiben (vgl. vertiefend Mayring, 2015).
2.2.1.5 Dokumentationsphase
In der Dokumentationsphase ist die gesamte Studie, inkl. des Studiendesigns, der ein-
gebundenen Partner (bspw. eines externen Marketing-Forschungs-Unternehmens) sowie
der erzielten Ergebnisse anschaulich zu dokumentieren (vgl. Abb. 2.3). Hierdurch werden
die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich diese Studie als Sekundärquelle für Nach-
folgestudien eignet.
Außerdem erfolgt hier die Präsentation der Ergebnisse bspw. gegenüber dem Auftrag-
geber (z. B. dem Vorstand, der Geschäftsführung oder der Marketing-Abteilung). Damit
die Ergebnisse der Marketing-Forschung ihre inspirierende Wirkung entfalten kön-
nen, ist es wichtig, dass die hier gewonnenen Erkenntnisse – soweit möglich – offen im
Unternehmen kommuniziert werden. Nur so kann erreicht werden, dass sich die In-
vestitionen in die Marketing-Forschung für das gesamte Unternehmen lohnen. Außerdem
wird auf diese Weise vermieden, dass – vor allem in Großunternehmen – verschiedene
Bereiche an vergleichbaren Fragestellungen forschen, ohne voneinander zu wissen.
Um diese Kommunikation zu fördern, können die wichtigsten Erkenntnisse über das
Intranet kommuniziert werden. Außerdem kann es interessant sein, dass bspw. auch in
unternehmensweiten Informationsveranstaltungen des Managements (heute häufig
Townhall-Meetings genannt) die Auftraggeber der Studien bzw. Vertreter der Marketing-
Forschung diese Erkenntnisse präsentieren – so ein generelles Interesse der Mitarbeiter
vorausgesetzt werden kann.
Nur eines sollte nicht passieren, dass teuer bezahlte Studien zur Schrank-Ware wer-
den (in Ergänzung zur Hard- und Software), die online oder offline abgelegt und nicht
wieder zur Entscheidungsunterstützung oder zur kreativen Inspiration genutzt werden.
Der Prozess der Marketing-Forschung sollte durch ein Controlling des gesamten
Forschungsprojektes abgeschlossen werden, um ggf. Optimierungsmöglichkeiten für
Folgestudien zu ermitteln. Dies kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass das Unter-
nehmen tatsächlich zu einer lernenden Organisation wird.
Die Beschaffung von Informationen im Rahmen der Marketing-Forschung darf nicht plan-
los erfolgen, sondern muss sich auf wichtige Aspekte der Umwelt, der Branche, der Wett-
bewerber, der Kunden und/oder des eigenen Unternehmens fokussieren, die im Rahmen
der Definitionsphase festgelegt wurden (vgl. Abb. 2.3). Eine wichtige Leitschnur hierfür
können auch die Ergebnisse sein, die im Zuge der Erfolgsfaktorenforschung in den letz-
ten Jahren und Jahrzehnten gewonnen wurden.
Erfolgsfaktoren, auch kritische oder strategische Erfolgsfaktoren genannt, stellen
Schlüsselgrößen dar, die für die Erreichung der Ziele eines Unternehmens von zentraler
Bedeutung sind. Die Berücksichtigung dieser Erfolgsfaktoren bei der Entwicklung von
Marketing-Konzepten hat somit einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg eines Unter-
nehmensbereichs oder des ganzen Unternehmens.
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 107
• Marktverhältnisse
u. a. Marktwachstum, Preisentwicklung, Anzahl und Umsatzbedeutung der Kunden,
Kaufhäufigkeiten und Kaufvolumina
• Wettbewerbsposition und Strategie der eigenen strategischen Geschäftseinheit
u. a. absoluter und relativer Marktanteil, relative Produkt- und Servicequalität, Höhe
der Investitionen, bspw. in F&E, Intensität der vertikalen Integration, Auslastung der
Produktionskapazitäten, Produktivität der Leistungserbringung, Budgethöhe für Wer-
bung, Verkaufsförderung, persönlichen Verkauf, Veränderung bei der relativen Preis-
gestaltung, der Aufwendungen für Kommunikation
Zielsetzung war es, sogenannte Laws of the Market Place zu identifizieren, die Unter-
nehmen bei der strategischen Planung berücksichtigen sollten. Im Rahmen dieser
Forschungsaktivitäten wurden drei zentrale Erkenntnisse gewonnen, die nachfolgend ana-
lysiert werden:
Unternehmenserfolg
(ROI, ROS, Cashflow, Wachstum)
Marktverhältnisse Wettbewerbsposition/Strategien
(u. a. Wachstum, Kundenstruktur, (Marktanteil, Preis/Qualität, Marketing-
Preisentwicklung, Kaufvolumina) Investitionen, Produktionssystem, F&E-Budget)
Abb. 2.8 Erfahrungskurveneffekt
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 109
trachtet – nicht nur ein Geschäftsjahr. Am Beispiel des Flugzeugbaus wird die Relevanz
dieses Effektes deutlich: Wurden für den Bau des ersten Airbus noch 280.000 Arbeits-
stunden eingesetzt, waren es beim 100. Exemplar weniger als 100.000 (vgl. Braunberger,
2005, S. 50). Dadurch wird deutlich, dass beträchtliche Kostensenkungspotenziale bei
Airbus „gehoben“ werden konnten.
tionalen Gesellschaften Swiss Air, Austrian Airlines und Brussels Airlines. Durch die Mer-
ger von Air France und KLM zu Air France KLM sowie von British Airways und Iberia
zur International Airlines Group wurden Economies of Scale angestrebt. Dies Ziel liegt
auch den strategischen Allianzen im Luftverkehr – so bei oneworld, SKYTEAM und STAR-
ALLIANCE – zugrunde. Diese Allianzen betreiben jeweils nicht nur gemeinsame Kunden-
bindungsprogramme, sondern kaufen teilweise auch gemeinsam ein. Hierdurch erhöht
sich deren Verhandlungsposition.
cc Merk-Box Economies of Scale sind ein wichtiger Treiber für Kooperationen und
Unternehmenszusammenschlüsse.
Marktwachstum
ROI
als
Zielgröße
Weitere Kriterien
Intensität der
(Unternehmensgröße,
vertikalen Integration
Umsatz pro Kopf u. a.)
Ausmaß der
Kapazitätsauslastung
des PIMS-Projektes immer wieder kritisch hinterfragt wurden, haben sie den Blick ge-
schärft für die Relevanz einer Fokussierung auf kritische Erfolgsfaktoren bei der Ent-
wicklung von Unternehmens- und Bereichsstrategien. Diese können bei der Ausgestaltung
der Unternehmens- und Marketing-Analysen sowie bei der Auswahl der einzusetzenden
Instrumente eine wichtige Orientierung leisten.
Es ist anzumerken, dass die PIMS-Studien von Wissenschaft und Praxis nicht unkritisch
aufgenommen wurden. Kritik wurde bspw. laut an der Datengrundlage, die als nicht re-
präsentativ angesehen wurde (bspw. Dominanz durch US-amerikanische Unternehmen).
Hinsichtlich der Untersuchungsmethodik wurde kritisiert, dass Korrelationen kausal
interpretiert wurden. Das bedeutet, dass statistisch feststellbare Beziehungen so ausgelegt
wurden, als sei ein Phänomen die Ursache des anderen, obwohl diese vielleicht nicht
in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang standen. Schließlich wurden auch die
Strategieempfehlungen kritisiert, da diese eine zu starke Dominanz des ROI heraus-
stellten (vgl. Homburg, 2020, S. 476–478).
Im digitalen Zeitalter hat sich ein weiteres Kriterium als kritischer Erfolgsfaktor etabliert:
die Skalierbarkeit. Unter Skalierbarkeit versteht man die Eigenschaft eines Geschäfts-
modells, den Umsatz signifikant steigern zu können, ohne kontinuierlich in gleichem Um-
fang in Produktion, Marketing, Vertrieb, Personal und/oder Infrastruktur investieren zu müs-
sen. Die Fixkosten und auch die variablen Kosten nehmen hier weit langsamer zu als der
Umsatz. Online-Geschäftsmodelle weisen oft eine hohe Skalierbarkeit auf, sodass der Um-
satz auch ohne größere Investitionen signifikant gesteigert werden kann.
Ein überzeugendes Beispiel für ein perfekt skalierbares Geschäftsmodell liefert Zoom,
ein Unternehmen, das Software für Video-Konferenzen anbietet. Vor der Corona-
Pandemie war Zoom nur wenigen Menschen bekannt und auf den Einsatz in Unternehmen
beschränkt. Während der Pandemie stieg allerdings nicht nur der Einsatz im Homeoffice.
Auch viele Privatpersonen erschlossen sich die Möglichkeiten von Zoom, um digitale
Sportkurse, Gottesdienste, Diskussionen, Geburtstagsfeiern und vieles mehr über Zoom zu
organisieren. So wurden im April 2020 ca. 300 Mio. Videokonferenzteilnehmer ver-
zeichnet – täglich. Im Dezember 2019 lag diese Zahl noch bei ca. 10 Mio. Auch wenn
Zoom für dieses Wachstum zusätzliche Investitionen tätigen musste, waren diese von einer
Verdreißigfachung meilenweit entfernt!
cc Merk-Box Skalierbarkeit ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, weil die für das Wachs-
tum eines Unternehmens notwendigen Investitionen im Vergleich zum Umsatz
weit unterdurchschnittlich steigen.
2.2.3.1 SWOT-Analyse
Das Ziel der SWOT-Analyse (auch TOWS-Analyse) besteht darin, eine Einschätzung der
eigenen Leistungsfähigkeit im Lichte der relevanten Wettbewerber bei gleichzeitiger Be-
wertung der zukünftigen Markt- und Umweltgegebenheiten vorzunehmen. „SW“ steht für
Strengths/Weaknesses (Stärken/Schwächen) i. S. von komparativen Vor- oder Nachteilen
des Unternehmens und deckt damit die interne Perspektive der Analyse ab. „OT“ steht
für Opportunities/Threats (Chancen/Risiken) und integriert die externe Perspektive in die
Analyse. Erst aus der Synthese von externer und interner Perspektive können strategische
Ableitungen für die Weiterentwicklung des Unternehmens gewonnen werden (vgl.
Abb. 2.10). Bei einem Ein-Produkt-Unternehmen kann diese Analyse für das gesamte
Unternehmen erfolgen. Wurden dagegen SGEs gebildet, ist eine entsprechende Analyse
für jede strategische Geschäftseinheit durchzuführen.
Erst im unmittelbaren Vergleich mit Wettbewerbern wird bspw. sichtbar, ob ein Markt-
anteil von 12 % eine Stärke des Unternehmens ist oder eine Schwäche. Weisen alle Wett-
bewerber Marktanteile zwischen 1 und 3 % auf, so stellt der genannte Marktanteil eine
Stärke dar. Der relative Marktanteil liegt hier zwischen 4 und 12. Wird der Markt dagegen
Interne
Ermittlung von Chancen und
Perspektive
Chancen
im Markt ? ?
Risiken
im Markt ? ?
Synthese
von drei Unternehmen mit Marktanteilen von jeweils ca. 25 % dominiert, liegt beim
Marktanteil eine Schwäche vor (relativer Marktanteil von 0,48).
Wie kann die Identifikation der relevanten Wettbewerber erfolgen, um so auch die
Definition des relevanten Marktes vorzunehmen? Durch Anwendung eines kunden-
orientierten Vorgehens wird das Relevant Set aus der Kundenperspektive erhoben. Das
Relevant Set umfasst die Angebotsalternativen, die der Kunde als gleichwertig erachtet
und zwischen denen er sich beim Kauf entscheidet. Um das Relevant Set zu ermitteln,
werden die Kunden befragt. Hier gilt es herauszufinden, mit welchen anderen Unter-
nehmen bzw. Angeboten das eigene unmittelbar konkurriert. Zur Ermittlung dieses Re-
levant Sets aus Kundenperspektive können die folgenden Fragen gestellt werden:
Durch ein solches Vorgehen kann bspw. sichtbar werden, dass ein Kunde bei Fast Food
nicht nur zwischen McDonald’s und Burger King wechselt, sondern aus seiner Sicht auch
eine Tiefkühl-Pizza oder der Döner-Stand um die Ecke eine relevante Alternative darstellt.
Diese Angebotsformen wären folglich bei einer entsprechenden Wettbewerbsanalyse zu
berücksichtigen. Die kundenorientierte Vorgehensweise kann dazu führen, dass ganz an-
dere Unternehmen in die Analyse einfließen als zunächst geplant.
Beim anbieterorientierten Vorgehen wird dagegen die strategische Gruppe er-
mittelt, der das eigene Unternehmen angehört. Die strategische Gruppe ist die gedankliche
Zusammenführung solcher Unternehmen, die in einer bestimmten Branche ein vergleich-
bares strategisches Konzept zur Anwendung bringen (vgl. Porter, 1999, S. 177). Es können
in jeder Branche verschiedene strategische Gruppen parallel existieren. Zu ihrer Er-
mittlung können die folgenden Fragen eingesetzt werden:
Bei Vergleichen mit anderen Unternehmen ist es bei bestimmten Kriterien not-
wendig, eine Relativierung der Größen vorzunehmen. So ist es bspw. nicht ziel-
führend, Werbe- oder F&E-Budgets absolut zu vergleichen – etwa zwischen einem
mittelständischen Chemieunternehmen und der BASF. Hier ist es sinnvoll und not-
wendig, die Höhe des Werbe- und F&E-Budgets als Prozentwert des Umsatzes anzu-
geben und erst dann zu vergleichen. Ähnlich verhält es sich, wenn die Anzahl der an-
gemeldeten Patente zur Bewertung der F&E-Leistungsfähigkeit heranzogen wird. In
diesem Fall ist eine Division durch die Anzahl der Mitarbeiter insgesamt oder besser
noch der in der F&E-Abteilung beschäftigten Mitarbeiter vorzunehmen. In Summe
können die häufig in Teams erarbeiteten Ergebnisse wie in Abb. 2.11 aufbereitet wer-
den. Das eigene Unternehmen ist hier im Vergleich zu den beiden Wettbewerbern A und
B dargestellt.
Bei der Analyse von Stärken und Schwächen ist ein Problemfeld zu berücksichtigen,
das sich häufig auch bei gruppendynamischen Prozessen zeigt. Es handelt sich um die
Diskrepanz von Eigen- und Fremdbild. Die Relevanz dieser Kontrastierung kann an-
hand des Johari-Fensters veranschaulicht werden. „Johari“ ist abgeleitet von den Namen
der Autoren Joseph Luft und Harry Ingham (vgl. Rechtien, 1999, S. 95 f.).
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 115
Unternehmens-
B A
reputation
Marktposition B A
Produktionsanlagen B A
Produktportfolio B A
Intensität der
A B
Kundenbeziehungen
Finanzieller Ausblick
B A
…
I. II.
I.
anderen nicht bekannt anderen bekannt
III. IV.
III. IV. Interna – Unbekannte
Privatperson Unbekanntes Geschäfts- Stärken und
geheimnisse Schwächen
mir nicht bewusst bin und das auch anderen nicht bekannt ist. Häufig wird hierbei vom
Unbewussten gesprochen.
Übertragen auf den Unternehmensalltag zeigt sich im I. Quadranten die geplante und
damit bewusst inszenierte Selbstdarstellung des Unternehmens nach außen und innen
(vgl. rechte Darstellung in Abb. 2.12). Der III. Quadrant beinhaltet die Interna des Unter-
nehmens. Diese sind im Innenverhältnis bekannt und werden dort bspw. zur Unter-
nehmenssteuerung eingesetzt. Nach außen hin können und sollen sie verborgen bleiben.
Zu den unbekannten Faktoren des IV. Quadranten zählen unausgeschöpfte Stärken,
bspw. bestimmte Mitarbeitertalente, die im Verborgenen schlummern. Die nicht wahr-
genommenen Schwächen gehören auch in diese Kategorie. Hier ist etwa an Defizite im
F&E-Bereich zu denken, die bisher weder im Unternehmen noch im Markt aufgefallen sind.
Im Rahmen der Stärken-Schwächen-Analyse gilt es in besonderem Maße, sich mit dem
II. Quadranten und damit dem blinden Fleck des eigenen Unternehmens zu befassen.
Was wissen andere von uns als Unternehmen, was uns selbst unbekannt ist? Was sehen
andere, was wir nicht sehen? Dies kann ein überzeugendes Image bei einer spezifischen
Kundengruppe sein, die im Unternehmen nicht bekannt ist. Dies kann auch eine „lausige“
Qualität im Customer-Service-Center oder im Online-Auftritt. Auch eine weit unter
durchschnittliche Produktqualität kann dazu gehören, über die jeder spricht – nur nicht das
betreffende Unternehmen selbst.
cc Merk-Box Die Johari-Analyse soll dazu beitragen, dass der II. Quadrant keine
„terra incognita“ (i. S. eines unbekannten Landes bzw. eines unerforschten
Wissensgebietes) bleibt, sondern im Idealfall in Richtung des I. Quadranten ent-
wickelt wird oder dass entsprechende Schwachstellen beseitigt werden.
cc Denkanstoß Begeben Sie sich einmal auf die Suche nach Ihren blinden Flecken.
Welche Sprachmarotten – wie äh, gell, halt etc. – nutzen Sie laufend, ohne es zu
wissen? Welche Gesten haben Sie sich angewöhnt, die andere irritieren, weil diese
Gesten häufig völlig unpassend sind? Nur ein guter – besser ein ehrlicher – Freund
wird es Ihnen verraten.
Auch eine Kamera, die Sie objektiv aufzeichnet, erlaubt es Ihnen, sich durch die
Augen Dritter zu sehen. Es lohnt sich!
Der nächste Schritt der SWOT-Analyse besteht darin, die Chancen und Risiken der
Branche i. S. der zu erwartenden zukünftigen Entwicklungen zu bewerten.
cc Merk-Box Bei der Ermittlung der Chancen und Risiken innerhalb der SWOT-Ana-
lyse geht um die Chancen und Risiken der gesamten Branchen – nicht des
konkreten Unternehmens allein! Das wird sehr häufig noch falsch gemacht.
Zur Ermittlung der Chancen und Risiken für die SWOT-Analyse kann die Bedeutung
der folgenden Bereiche für die gesamte Branche untersucht werden (vgl. vertiefend zu
diesen Entwicklungen Kreutzer, 2021c):
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 117
Bedrohung
Bedrohung
durch
durch
neue Anbieter
neue Anbieter
Verhandlungsstärke
Rivalität
Verhandlungsstärke
der Lieferanten innerhalb der der Abnehmer
Branche
Bedrohung
durch
Ersatzprodukte
Eine erste Triebkraft des Branchenwettbewerbs wird durch die Rivalität der Unter-
nehmen selbst bestimmt, die schon heute in der Branche tätig sind. Diese ist u. a. be-
sonders groß, wenn
• viele und große Wettbewerber im Markt tätig sind, die sich einen harten Wett-
bewerb bieten.
• nur ein niedriges oder negatives Marktwachstum zu verzeichnen ist, sodass eigenes
Wachstum primär durch Verdrängung im Wettbewerb zu erzielen ist.
• Unternehmen eine hohe Fixkostenbelastung aufweisen und deshalb auch preislich
wenig attraktive Aufträge akzeptieren, wodurch sich der Druck auf die Verkaufs-
preise erhöht.
• signifikante Kostenunterschiede zwischen den Anbietern vorherrschen, die den Preis-
wettbewerb verschärfen.
• die Produkte und Services weitgehend standardisiert und damit für die Kunden aus-
tauschbar sind; eine solche Standardisierung führt zu niedrigen Wechselkosten bzw.
Switching Costs (das sind die Kosten, die bei einem Anbieterwechsel anfallen).
• hohe Marktaustrittsbarrieren existieren; dann verbleiben auch Grenzanbieter im
Markt, weil bestehende Anlagen, Gebäude etc. nicht lukrativ verkauft werden können.
Im Kern geht es bei der Rivalität der Unternehmen auch um die Frage, welche Wett-
bewerbsposition ein Unternehmen innerhalb der eigenen Branche erzielt hat: Nimmt es
eine dominierende Marktposition ein? Liegt es eher im Mittelfeld? Oder verfügt es über
eine schwer zu verteidigende Wettbewerbsposition? Gleichzeitig sind die strategischen
Stoßrichtungen der relevanten Wettbewerber zu ermitteln: Welche Unternehmen pla-
nen einen deutlichen Ausbau ihrer Marktposition? Welche setzen auf „Halten“ oder „Ern-
ten“? Welche bereiten einen Austritt aus dem Markt vor? Werden die hier ermittelte Posi-
tion und die strategische Stoßrichtung des eigenen Unternehmens im Lichte der weiteren
Triebkräfte des Branchenwettbewerbs beleuchtet, können strategische Entscheidungen
sehr fundiert abgeleitet werden. Die hier gewonnenen Ergebnisse können in den Stärken-
Schwächen-Part der SWOT-Analyse integriert werden.
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 119
Von einer Bedrohung durch neue Anbieter als zweiter Triebkraft des Branchenwett-
bewerbs wird gesprochen, wenn neue Unternehmen mit vergleichbaren Angeboten in den
Markt eindringen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist besonders groß, wenn
Verfügen die Lieferanten der Unternehmen im Zentrum der Analyse über eine große
Anbietermacht, reduziert dies wiederum die Attraktivität der Branche. Die Anbieter-
macht als dritte Triebkraft des Branchenwettbewerbs ist groß, wenn
Die Branchenattraktivität leidet auch, wenn die bestehenden Unternehmen einer Be-
drohung durch Ersatzprodukte ausgesetzt sind. Ersatzprodukte grenzen sich von neuen
120 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Anbietern dadurch ab, dass bei Ersatzprodukten für ein bestimmtes Kundenproblem ein
anderes Lösungskonzept angeboten wird.
Mechanische Uhren wurden durch das Aufkommen von Quarz-getriebenen Uhren fast
vollständig verdrängt. Für die klassischen Buchverlage stellt bspw. das E-Book eine
große Bedrohung dar, soweit der Verlag nicht selbst E-Books anbietet. Zeitungen und
Zeitschriften werden zunehmend durch Online-Quellen substituiert, die häufig kostenlos
genutzt werden können. Die Autos mit Verbrennungsmotor werden perspektivisch
durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. In der Hotelindustrie gelten insb. die neuartigen
Produkte der sogenannten „Sharing Economy“ – wie Airbnb – als große Bedrohung. Sta-
tionäre Einzelhändler werden zunehmend durch Online-Shops – allen voran durch Ama-
zon – in ihrer Existenz bedroht. Der Verkauf von CDs und DVDs ist bereits weitgehend
durch das Aufkommen von Streaming-Diensten wie Amazon Prime Music/Video, Apple
TV+, Disney+, Netflix und Spotify substituiert worden.
Insgesamt ist von einem großen Bedrohungsszenario durch Ersatzprodukte als vier-
ter Triebkraft des Branchenwettbewerbs auszugehen, wenn
• für Abnehmer Bezugsalternativen transparent und leicht verfügbar sind (diese Ent-
wicklung wird durch online verfügbare Informationen über alternative Angebote mas-
siv verstärkt).
Die 5-Forces-Analyse von Porter ist sehr mächtig und muss deshalb sehr präzise ein-
gesetzt werden. So ist immer genau zu definieren, welches Unternehmen im Mittelpunkt
der Analyse steht. Wird eine solche Analyse bspw. für den Volkswagen-Konzern durch-
geführt, ist zunächst die intensive Rivalität der am Markt aktiven Hersteller zu ana-
lysieren (bspw. zwischen Volkwagen und Hyundai, Toyota, Ford, Opel). Zusätzlich wird
Volkswagen durch neue Anbieter in Gestalt der chinesischen Automobilindustrie heraus-
gefordert. Die Lieferanten von Volkswagen (u. a. Bosch, Continental, Recaro) weisen
häufig eine nur eingeschränkte Verhandlungsstärke auf, weil diese Lieferanten häufig stark
von Volkswagen abhängig sein können.
Substitute für die klassischen Antriebsformen von Volkswagen stellen jetzt schon
Elektro- und Hybridfahrzeuge dar. Hier ist besonders Tesla als zentraler Wettbewerber zu
nennen. Zukünftig werden auch selbstfahrende Autos ein Substitut darstellen. Substitute
für den klassischen Verkauf von Kraftfahrzeugen stellen Mobilitätskonzepte dar, die über
Car Sharing versuchen, den Nutzern Mobilität zu ermöglichen, wenn diese benötigt wird.
Hierzu zählen bspw. die Angebote von BlaBlaCar, Flinkster und ShareNow. Im weiteren
Bereich kann auch ein – gut ausgebauter und zuverlässiger – öffentlicher Nah- und Fern-
verkehr als Substitut angesehen werden.
Die direkten Abnehmer für Volkswagen sind zunächst die Vertragshändler und die
durch diese betreuten Kunden. Aber auch Großabnehmer, wie Polizei, die Deutsche Post
oder die Sixt Autovermietung, gehören zu diesen Kundengruppen. Die indirekten Ab-
nehmer sind Privatkunden, die ihre Fahrzeuge beim Händler erwerben. Durch Online-
Plattformen können Kunden in Zukunft immer häufiger ihre Fahrzeuge auch direkt beim
Hersteller erwerben. Tesla setzt heute schon exklusiv auf den direkten Vertrieb.
Wird eine solche Analyse der Triebkräfte des Branchenwettbewerbs für das Unternehmen
Bosch durchgeführt, sind ganz andere Machtkonstellationen gegeben. Hier wird Volkswagen
neben Daimler und BMW zum Kunden von Bosch, während Substitute für Bosch-eigene An-
gebote bspw. Solarantriebe darstellen, solange diese nicht selbst von Bosch angeboten wer-
den. Eine Analyse für die Sixt Autovermietung wiederum macht Volkswagen zum Lieferanten,
während Substitute bspw. in privaten Car-Sharing-Konzepten zu sehen sind. Die Kunden der
Autovermietung stellen dann Unternehmen, deren Mitarbeiter und Privatpersonen dar.
cc Merk-Box Die große Herausforderung bei der Analyse von Chancen und Risi-
ken besteht darin, den überall hörbaren Lärm von den wichtigen Ver-
änderungen zu trennen. Nur dadurch kann es gelingen, sich auf die ent-
scheidenden Herausforderungen zu konzentrieren.
Schließlich gilt:
Wir dürfen nicht und wir müssen nicht jeder Sau hinterherlaufen, die
gerade wieder einmal durchs Dorf getrieben wird.
122 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Hier die richtigen Schwerpunkte zu setzen, ist eine zentrale Aufgabe der
Strategiearbeit eines Unternehmens (vgl. weiterführend McKeown, 2014).
Ein Beispiel für eine Konzentration aufs Wesentliche liefert Amazon. Hier wurde
nicht vorrangig gefragt, was sich in Zukunft verändern wird. Man konzentrierte sich statt-
dessen auf die Frage: Welche Kundenerwartungen werden auch in Zukunft bestehen?
Das Ergebnis lautete:
Hier wird deutlich: Manche Erwartungen verändern sich nicht – aber es gibt immer
wieder neue Möglichkeiten, diese noch besser zu erfüllen.
Die durch die Analyse der Triebkräfte „neue Anbieter“, „Lieferanten“, „Ersatz-
produkte“ und „Abnehmer“ gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Analyse der Chan-
cen und Risiken ein. Entscheidend ist, dass diese Ermittlung zwar mit einem Branchen-
fokus, aber unabhängig von den Stärken und Schwächen des jeweiligen Unternehmens
selbst durchzuführen ist. Auch wenn umgangssprachlich häufig von Chancen und Risiken
eines Unternehmens gesprochen wird, muss bei der SWOT-Analyse zwingend eine Be-
trachtung unabhängig vom jeweiligen Unternehmen erfolgen. Nur dann kann die Syn-
these von interner und externer Perspektive logisch und konsistent erfolgen. Würden
bereits bei der externen Perspektive Unternehmensspezifika einfließen, verfälschte sich
das Bild bei der Synthese bzw. diese wäre nicht mehr konsistent darstellbar. Welche Fra-
gen innerhalb der Synthese zu beantworten sind, zeigt Abb. 2.14.
Interne
Perspektive Eigene Eigene
Externe Stärken Schwächen
Perspektive
Abb. 2.14 SWOT-Matrix – Synthese der externen und internen Perspektive im Rahmen der
SWOT-Analyse
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 123
Interne
Perspektive
Eigene Eigene
Externe Stärken Schwächen
Perspektive
Das Beispiel einer solchen Synthese findet sich für den Konsumgütermarkt in
Abb. 2.15. Hier wird nochmals deutlich, dass Chancen im Markt bzw. in der Branche nicht
von allen Unternehmen genutzt werden können. Eine optimale Situation ist dagegen ge-
geben, wenn Chancen oder Risiken der Branche auf eigene Stärken treffen. Hierdurch
können Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Besonders gefährdet sind Unternehmen,
wenn Risiken auf eigene Schwächen treffen oder Chancen im Markt aufgrund eigener
Schwächen nicht genutzt werden können. Hierdurch wird ein Unternehmen an Wett-
bewerbsstärke verlieren.
Handlungsbedarf besteht für das hier analysierte Unternehmen im Bereich der Bio-
Produkte sowie bei vegetarischen und veganen Angeboten. Um von dieser Entwicklung zu
profitieren, sind bspw. eigene Produkte für dieses Segment zu entwickeln. Diesen Weg hat
bspw. das ursprünglich rein auf Fleischprodukte ausgerichtete Unternehmen Rügenwalder
Mühle konsequent eingeschlagen. Im Hinblick auf den Trend zum preisbewussten Ein-
kaufen könnte sich das hier analysierte Unternehmen fragen, ob bspw. eine preisgünstigere
Zweitmarke aufgebaut werden sollte.
2.2.3.2 Portfolio-Analyse
Der Grundstruktur der klassischen Portfolio-Analyse der Boston Consulting Group (so-
genanntes BCG-Portfolio, auch Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio) liegen zwei
Treiber der Positionierung zugrunde (vgl. Abb. 2.16). Dies ist zum einen das Markt-
wachstum. Das Marktwachstum zeigt die generelle Akzeptanz eines Angebotes durch die
Kunden. Wann von einem hohen oder geringen Marktwachstum gesprochen werden kann,
ist abhängig von den analysierten Branchen. Die spezifische Marktposition eines Unter-
nehmens wird durch den relativen Marktanteil ausgedrückt. Dieser dient als Indikator für
das Ausmaß der Erzielung von Erfahrungskurveneffekten (vgl. Abschn. 2.2.2).
Um den relativen Marktanteil zu ermitteln, ist der eigene Marktanteil durch den des
größten Wettbewerbers zu dividieren.
Markt-
wachstum
Fragezeichen Stars
(Nachwuchsprodukte) (Starprodukte)
?
Hoch
Niedrig
Desinvestitions- Abschöpfungs-
strategie strategie Relativer
Marktanteil
Niedrig 1,0 Hoch
strategie). Diese Normstrategien sollen bei einer entsprechenden Positionierung der SGEs
Anwendung finden bzw. eine Idee für deren strategische Ausrichtung vermitteln. Aller-
dings sind diese Normstrategien nicht unkritisch zu übernehmen. Vor ihrem Einsatz ist
systematisch zu prüfen, welche Beiträge eine im entsprechenden Feld positionierte Ein-
heit erbringt.
Die in Abb. 2.16 als Stars identifizierten SGEs erfordern vom Unternehmen weiterhin
hohe Investitionen. Nur so kann die erreichte Marktposition in einem wachsenden Markt
gehalten oder sogar ausgebaut werden. Solche Investments können im Produktionsbereich,
aber bspw. auch bei der Produktpalette sowie in Vertrieb und Kommunikation notwendig
werden. In Summe kann das zu einem negativen Cashflow führen. Bei den Cashcows liegt
nur noch ein geringes Marktwachstum vor. Deshalb besteht hier tendenziell ein geringer
Investitionsbedarf. Gegebenenfalls können hier bereits die Produktionskapazitäten sowie
Investitionen in F&E, Vertrieb und Kommunikation zurückgefahren werden. Folglich kön-
nen solche SGEs einen positiven Cashflow erzeugen.
Bei den Armen Hunden (Poor Dogs) sind vertiefende Analysen notwendig, um kon-
krete Anhaltspunkte für die strategische Ausrichtung dieser SGEs zu erzielen. Unter
Umständen sind die hier positionierten Aktivitäten zwar nicht profitabel, aber dennoch für
das Gesamtunternehmen unverzichtbar. Ist dies nicht der Fall, können entsprechende
SGEs geschlossen, verkauft oder in Joint Ventures mit anderen Unternehmen eingebracht
werden. Möglicherweise können auch verstärkte F&E-Investitionen den hier zu findenden
SGEs eine neue Dynamik geben. Die als Fragezeichen (Question Marks) gekenn-
zeichneten SGEs haben aufgrund des starken Marktwachstums einen hohen Investitions-
bedarf. Nur so lässt sich die noch schwache Marktposition in einem wachsenden Markt
ausbauen. Die Namensgebung „Fragezeichen“ bringt zum Ausdruck, dass noch nicht ab-
sehbar ist, ob es sich bei den hier positionierten SGEs um zukünftige Stars oder um zu-
künftige Poor Dogs handelt. Dies gilt es, durch vertiefende Analysen festzustellen.
Durch den Einsatz der Portfolio-Analyse kann insb. festgestellt werden, ob ein Unter-
nehmen einen ausgewogenen Mix an Produkten, SGEs oder Länderengagements auf-
weist. Hierzu gehört die Frage, ob insb. ausreichend viele „Nachwuchsprodukte“ oder
„Nachwuchsmärkte“ in der Pipeline sind, um ein erfolgreiches Agieren am Markt auch in
Zukunft sicherzustellen.
Das Erreichen einer solchen Ausgewogenheit der Unternehmensaktivitäten stellt die
zentrale Leitidee der Portfolio-Analyse dar. Diese wurde aus der Finanzwirtschaft ab-
geleitet (grundlegend Markowitz, 1952). Bei der Geldanlage gilt es, ein hinsichtlich ver-
schiedener Kriterien ausgewogenes Wertpapier-Portfolio (Portefeuille) zu erstellen. Die
herangezogenen Kriterien sind insb. Ertrag und Risiko. Wie bereits verdeutlicht, wurde
dieser Ansatz von der Finanz- auf die Realwirtschaft übertragen. Durch die Analyse des
eigenen Leistungs-Portfolios soll erkannt werden, ob bereits ein hinsichtlich der zu-
künftigen Chancen und Risiken ausgewogenes Angebotsprogramm vorliegt oder ob ent-
sprechend gegengesteuert werden muss.
In Abb. 2.17 sind zwei verschiedene Konstellationen von Portfolios dargestellt, um
diese Handlungsrelevanz aufzuzeigen. Im linken Portfolio beim Unternehmen A ist eine
126 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Unternehmen A Unternehmen B
Markt- Markt-
wachstum wachstum
Fragezeichen Stars Fragezeichen Stars
Hoch Hoch
Niedrig Niedrig
Markt-
attraktivität
Investition
Hoch Marktführerschaft
oder Investition halten
Rückzug
Mittel Abschöpfung
und stufenweise Übergang Wachstum
Desinvestition
Niedrig Abschöpfung
Desinvestition und stufenweise Abschöpfung
Desinvestition
Relative
Niedrig Mittel Hoch Wettbewerbsvorteile
Abb. 2.18 Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio
Das Adjektiv „relativ“ bringt hier zum Ausdruck, dass diese Kriterien immer im Ver-
gleich zu den relevanten Wettbewerbern zu bewerten sind.
Um die Marktattraktivität zu ermitteln, können wiederum mehrere Kriterien ver-
wendet werden. Dazu zählen u. a.:
Aufgrund der Vielzahl der zu berücksichtigenden Kriterien wird eine solche Portfolio-
Analyse häufig durch strategische Beratungsgesellschaften erstellt. Diese verfügen meist
über umfassende einschlägige Datenbanken. Eine Verknüpfung der Informationen zu
einem Wert, der eine Positionierung innerhalb der Darstellung erlaubt, erfolgt durch
Scoring-Modelle (vgl. vertiefend Abschn. 5.1). Durch die Vielzahl der eingesetzten Kri-
terien wird die zuvor kritisierte Zweidimensionalität der Betrachtung überwunden. Gleich-
zeitig kann die Auswahl der Kriterien unternehmensspezifisch erfolgen. Hierdurch kann
die jeweilige Unternehmenssituation angemessen berücksichtigt werden. Wesentliche Zu-
satzerkenntnisse durch die differenzierteren Normstrategien werden dagegen nicht
gewonnen.
Eine spezifische Ausgestaltung der Portfolio-Analyse erfolgt in Gestalt des Technologie-
Portfolios. Dieses wird durch die Achsen Technologieattraktivität und Ressourcenstärke
gebildet (vgl. Pepels, 2016, S. 125–157; Bruhn & Hadwich, 2017, S. 153 f.). Das Ausmaß
der Technologieattraktivität wird bestimmt durch die wirtschaftlichen und technischen
Vorteile, die mit der Weiterentwicklung einer bestimmten Technologie im Markt ver-
bunden werden. Zur Bewertung der Attraktivität der Technologie selbst werden insb. die
folgenden Kriterien herangezogen:
Technologie-
attraktivität
Technologie 2
Technologie 5
Hoch
Technologie 1
Technologie 3
Technologie 4
Niedrig
Technologie 6
Relative
Ressourcenstärke
Niedrig Hoch
Abb. 2.19 Technologie-Portfolio
130 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
2.2.3.3 Benchmarking
Beim Benchmarking handelt es sich um einen einmalig oder kontinuierlich vor-
genommenen Vergleich von eigenen Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen mit
denen eines oder mehrerer anderer Unternehmen oder ein anderer Teile des eigenen Unter-
nehmens. Hier gilt es, die eigene Leistungslücke zum Best-in-Class-Unternehmen
(auch Best-of-Breed genannt) zu identifizieren. Unter Best-in-Class-Unternehmen sind
solche zu verstehen, die eine deutlich überlegene Leistung erbringen und deshalb als Vor-
bild dienen können. Im Anschluss an einen detaillierten Vergleich gilt es, Ideen zur
Schließung der identifizierten Leistungslücken zu erarbeiten. Der Begriff „Bench-
mark“ steht hier für „Maßstab“ bzw. als „Vergleichsgröße“.
cc Merk-Box Das Ziel des Benchmarkings ist die Ermittlung von Optimierungs-
potenzial in den Bereichen Produkte, Dienstleistungen und Prozesse – orien-
tiert an bereits eingesetzten und damit bewährten Konzepten anderer
Unternehmen.
• Produkt-/Dienstleistungs-Benchmarking
Bei dieser Form werden eigene Produkte und/oder Dienstleistungen mit denen der bes-
ten Wettbewerber verglichen.
• Prozess-Benchmarking
Hier liegt der Fokus darauf, Optimierungspotenziale für eigene Prozesse zu erschließen.
Das können Forschungs- und Entwicklungsprozesse, aber auch die Abläufe im Ein-
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 131
kauf, bei der Rekrutierung von Mitarbeitern, in der Produktion oder der Logistik sein.
• Internes Benchmarking
Beim internen Benchmarking werden Leistungsvergleiche mit anderen Bereichen des
eigenen Unternehmens (Konzernteilen, Abteilungen, Profit Centern, SGEs) durch-
geführt. Die Zielsetzung ist hier, von den „intern Besten“ zu lernen.
• Externes Benchmarking
Beim externen Benchmarking erfolgt ein Vergleich über die Grenzen des eigenen
Unternehmens hinaus. Externe Benchmarks können zwischen Unternehmen auch auf
Gegenseitigkeit beruhen. Dabei stellen sich die beteiligten Unternehmen untereinander
Informationen zur Verfügung, um die Benchmark-Analysen durchzuführen. In der
Regel finden externe Benchmarks aber in der Form statt, dass das als Benchmark defi-
nierte Unternehmen nicht über seine Funktion als „Vergleichsmaßstab“ informiert ist.
Dann finden bspw. Expertengespräche durch „neutrale Dritte“ (etwa Mitarbeiter von
Beratungsgesellschaften) statt, ohne dass der dahinterstehende Benchmark-Prozess
deutlich wird.
• Branchenbezogenes Benchmarking
Werden die zum Vergleich herangezogenen Unternehmen aus der eigenen Branche ge-
wählt, liegt ein branchenbezogenes Benchmarking vor. Bei einem solchen Ansatz be-
steht das große Risiko, dass man ein Vorgehen – mehr oder weniger intelligent – ko-
piert, das Wettbewerber heute erfolgreich macht. Wenn das eigene Unternehmen den
gleichen Stand erreicht hat, ist dieses Verhaltensmuster im schlimmsten Fall schon
wieder überholt. Wenn es ganz schlecht läuft, vergleich man Schlendrian mit Schlen
drian, weil kein Unternehmen der eigenen Branche wirklich überzeugende Leistungen
erbringt.
• Branchenübergreifendes Benchmarking
Werden als Vergleichsmaßstab dagegen Unternehmen aus anderen Branchen gewählt,
können spannende Kreativimpulse erzielt werden. Man springt sozusagen „aus der
Rille“ einer eingespielten Schallplatte und denkt Produkte, Dienstleistungen und Pro-
zesse ganz neu. Das ist ein schönes Beispiel für einen Outside-in-Innovationsprozess,
der etablierte Denkmuster überwindet (vgl. Abschn. 5.1.2.2; vgl. vertiefend Kreut-
zer, 2021c).
Analyse, in welcher Form das gewonnene Wissen genutzt werden kann, um die eigene Leistungspalette
Stufe 5 oder die zugrunde liegenden Prozesse weiterzuentwickeln
Erarbeitung eines Masterplans zur Umsetzung
In Abhängigkeit von dieser Festlegung erfolgt in der 2. Stufe die Definition des rele-
vanten Wettbewerbsbereichs. Dieser kann innerhalb eines Unternehmens liegen, wenn
bspw. im Zuge eines internen Benchmarkings unterschiedliche Unternehmensbereiche
oder Tochtergesellschaften miteinander verglichen werden sollen. Für ein externes Bench-
marking kann zur Definition der relevanten Wettbewerber bei einem Produkt-/Dienst-
leistungs-Benchmarking ein kundenorientiertes oder ein anbieterorientiertes Vorgehen
gewählt werden (vgl. Abschn. 2.2.1.1).
Häufig ist es auf der Suche nach Angebots- oder Prozessinnovationen sinnvoll, nicht
nur die eigene Branche, sondern auch das eigene Land bei der Suche nach dem oder den
„Best-of-Class“-Unternehmen zu verlassen. Wenn die Benchmark-Partner aus diesem
weiteren Feld gewonnen werden, entfällt auch das schon angesprochene Risiko, durch
Benchmarking maximal so gut werden zu können wie der beste Wettbewerber. Bei der
Auswahl der Benchmark-Partner kann es folglich zielführend sein, für die in Stufe 1
definierten Komponenten jeweils verschiedene Unternehmen als Vorbilder heranzuziehen.
Führt bspw. Galeria Karstadt Kaufhof ein entsprechendes Benchmarking zur Ermittlung
von Angebots- und Serviceinnovationen durch, so können für jeden Untersuchungsbereich
unterschiedliche Benchmarks definiert werden. Hinsichtlich der Beschaffungsprozesse im
Bekleidungssegment kann dies Zara. Beim individualisierten Kundenservice kann Ama-
zon als Benchmark dienen. Bei individualisierten Produkten und Angeboten können krea-
tive Anleihen bei mymuesli.com oder Outfittery gewonnen werden. Bei der Warenlogistik
kann DHL als Benchmark fungieren.
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 133
2.2.3.4 Wertkettenanalyse
Die Wertkettenanalyse basiert auf dem von Porter (2004, S. 59–163) entwickelten Kon-
zept der Wertkette (auch Value Chain). Teilweise wird auch von Wertschöpfungskette
und korrespondierend von einer Wertschöpfungskettenanalyse gesprochen. Die Wert-
kettenanalyse verfolgt zusammengefasst diese beiden Ziele:
Bei der Wertkettenanalyse geht es im Kern darum, Ansatzpunkte zur Erzielung von
Wettbewerbsvorteilen für das eigene Unternehmen zu ermitteln. Hierdurch soll der Pro-
zess der strategischen Planung informatorisch untermauert werden. Aufgrund dieser Ziel-
setzung wird eine partielle Überschneidung zum Benchmarking sichtbar. Im Gegensatz
zum Benchmarking wird bei der Wertkettenanalyse allerdings der gesamte Leistungser-
stellungsprozess analysiert und mit dem Prozess anderer Unternehmen verglichen. Dies ist
beim Benchmarking häufig nicht der Fall.
Die Wertkettenanalyse ist auf die zentralen Unternehmenstätigkeiten zu fokussieren,
um eine Handhabbarkeit des Analyseprozesses zu gewährleisten. Zu diesen zentralen
Tätigkeiten zählen solche mit einem hohen kundenspezifischen Differenzierungspotenzial
und/oder mit einem beträchtlichen Kostenanteil. Diese Aktivitäten können den unter-
schiedlichsten Unternehmensbereichen entstammen. Jede dieser Aktivitäten ist einem der
folgenden Typen zuzuordnen:
Flankierende Prozesse
Unternehmensinfrastruktur G
e
Personalwesen – Marktforschung – w
i
Controlling – Forschung & Entwicklung – IT n
n
s
p
a
Beschaffung Produktion Vertrieb Ausgangs- Service
logistik n
n
e
Kernprozesse
Bei der Einordnung der Aktivitäten zu einer dieser Kategorien sind die spezifische
Unternehmenssituation sowie die jeweils analysierte Branche zu berücksichtigen. Deshalb
stellt die in Abb. 2.21 auf Porter (2004, S. 120) zurückgehende Zuordnung nur eine bei-
spielhafte Umsetzung dar.
Bei Consulting-Unternehmen stellt das Personalwesen einen Kernprozess dar.
Schließlich stehen und fallen die Reputation und der Erfolg in der Beratung mit der Quali-
fikation der eigenen Mitarbeiter. In Marktforschungsunternehmen gehört die Markt-
forschung – ausdifferenziert in verschiedenen Angeboten – zu den wertschöpfenden Kern-
prozessen. In forschenden Pharma-Unternehmen gehört der F&E-Bereich zwingend zu
den Kernprozessen, während dies bei einem Generika-Hersteller nicht der Fall ist. Bei
einem IT-Dienstleister zählt die IT-Infrastruktur zu den Kernprozessen.
Die so definierte Wertkette basiert auf dem Kerngedanken von Porter, (2004, S. 63),
dass sich jedes Unternehmen als eine Ansammlung von Tätigkeiten beschreiben lässt,
durch die Produkte oder Dienstleistungen entwickelt, produziert, kommuniziert, ver-
trieben, ausgeliefert und unterstützt werden können. Die Art und Weise der unter-
nehmensspezifischen Ausgestaltung der Wertkette wirkt sich unmittelbar auf die er-
reichbare Gewinnspanne des Unternehmens aus. Jede Veränderung in der Ausgestaltung
der flankierenden Prozesse bzw. der Kernprozesse kann folglich auch die erreichbare
Gewinnspanne beeinflussen. Die Gewinnspanne ergibt sich aus der Differenz zwischen
dem erzielten Umsatz und den zur Werteschaffung eingesetzten Kosten. Je effizienter
bzw. effektiver der Mitteleinsatz erfolgt, desto größer ist die für das Unternehmen er-
zielte Wertschöpfung i. S. des erreichten Gewinns. Jede Art von Aktivität kann eine
Quelle von Wettbewerbsvorteilen sein. Allerdings ist der Hebel bei den Kernprozessen
besonders groß.
136 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Wichtig ist die Tatsache, dass die Wertkette eines Unternehmens nicht isoliert steht.
Häufig ist die eigene Wertkette in vielfältiger Weise mit den vor- und nachgelagerten Wert-
ketten von Lieferanten und Abnehmern verknüpft. Zusammen bilden sie ein System von
Wertketten (auch Wertschöpfungsnetz), welches von Branche zu Branche unterschied-
lich ausgestaltet ist (vgl. Porter, 2004, S. 59–61). Die Kenntnis der vor- und nachgelagerten
Wertketten liefert einem Unternehmen interessante Ansatzpunkte zur Ausgestaltung der
eigenen Wertkette, um hierdurch weitere strategische Vorteile zu erzielen. Dies kann durch
eine optimale Verknüpfung der eigenen Wertkette mit der von vor- und nachgelagerten
Leistungspartnern (Lieferanten und Kunden) erfolgen. Dieser Aspekt der Verknüpfung
verschiedener Wertketten wird im Kontext von Industrie bzw. Wirtschaft 4.0 sowie dem
Internet of Things bzw. dem Internet of Everything intensiv diskutiert (vgl. vertiefend
Kreutzer, 2021c).
Die Wertkettenanalyse kann sich bei größeren Unternehmen auf einen Servicebereich,
eine Produktgruppe oder auf einzelne strategische Geschäftseinheiten konzentrieren. Erst
ein solcher Fokus ermöglicht es, spezifische Ansatzpunkte zur Verbesserung der eigenen
Wettbewerbsposition zu erreichen. Im ersten Schritt der Analyse werden folgende
Fragenbereiche bearbeitet, um den Status quo des eigenen Unternehmens zu erfassen:
Die Antworten auf diese Fragen liefern erste Hinweise auf die Optimierung der
Kostenstruktur bzw. auf die Hebung von Differenzierungspotenzial. Hierdurch kön-
nen Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Die Wertkettenanalyse kann auch weitere An-
haltspunkte liefern, in welcher Weise das eigene System der Wertkette weiterentwickelt
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 137
werden sollte. Hierzu können im zweiten Schritt der Analyse im unmittelbaren Vergleich
zu relevanten Wettbewerbern die folgenden Fragen beitragen:
• Welche Optionen zur Ausgestaltung der Wertkette gibt es innerhalb oder außerhalb
der eigenen Branche?
• Welchen Kosten einer Wertschöpfungsstufe stehen im eigenen Unternehmen welche
Wettbewerbsvorteile gegenüber?
• Welchen Kosten einer Wertschöpfungsstufe stehen im eigenen Unternehmen welche
Kundenvorteile gegenüber?
• Wie gestaltet sich der gleiche Wertschöpfungsprozess bei Wettbewerbern?
• Welche Wertschöpfungsstufen muss das eigene Unternehmen selbst erbringen und
welche können ausgelagert werden (an Lieferanten, an Outsourcing-Partner oder an
Abnehmer)?
Auf Basis der hier ermittelten Unterschiede in der Ausgestaltung der Wertketten bzw.
Wertschöpfungsketten können im dritten Schritt der Analyse konkrete Handlungsfelder
zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition identifiziert werden. Hier sind zum
einen Anhaltspunkte zur Reduktion von Kosten zu ermitteln. Dazu sind bspw. Produkt-
features und/oder Dienstleistungsfelder zu ermitteln, die zwar Kosten, aber keinen rele-
vanten Kundennutzen generieren. Ebenfalls können sich Anhaltspunkte ergeben, wie Kos-
ten durch eine Reduktion der Variantenvielfalt, durch eine modulare Fertigung oder eine
Zusammenführung von Produktionsvolumina reduziert werden können. Zum anderen
zeigen sich Handlungsfelder zur Differenzierung der eigenen Leistungen im Wett-
bewerb. Schließlich können auch Anhaltspunkte zur Optimierung der Schnittstellen
von Wertschöpfungsketten – innerhalb und außerhalb des eigenen Unternehmens – er-
mittelt werden. So können sich Aktivitäten zeigen, die zweckmäßigerweise außerhalb des
eigenen Verantwortungsbereichs an Lieferanten oder Abnehmer zu delegieren sind. Zu-
sätzlich werden u. U. bisher ausgelagerte Aktivitäten erkannt, die wertschöpfend und/oder
kostensenkend reintegriert werden sollten.
Diese Handlungsfelder verdeutlichen, in welcher Weise die Wertkettenanalyse mit der
Strategieentwicklung verbunden ist. Einen wichtigen ergänzenden Beitrag bei der Aus-
gestaltung der hier ermittelten Handlungsoptionen liefern die Erkenntnisse, die durch den
Einsatz der SWOT-Analyse bzw. durch ein Benchmarking erzielt werden. Hierdurch wird
die Entwicklung der Formulierung von Wettbewerbsstrategien weiter informatorisch
untermauert.
Basierend auf einer Wertkettenanalyse bei Fluggesellschaften kann bspw. festgestellt
werden, warum einige der Low-Cost-Carrier genannten Fluggesellschaften (wie easyJet
und Ryanair) bei häufig deutlich niedrigeren Ticketpreisen im Vergleich zu klassischen
Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Air France KLM signifikante Gewinne erwirt-
schaften können. Ursachen für deutlich niedrigere Kosten innerhalb der Wertschöpfungs-
kette von Low-Cost-Carriern – sie liegen ca. 50 % unter denen der klassischen Flug-
gesellschaften – können in folgenden Bereichen erkannt werden:
138 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
• Konzentration auf wenige Flugzeugmodelle bzw. auf ein einziges Modell (das er-
leichtert den Service, die Ersatzteilversorgung sowie das Training und den Einsatz von
Flugpersonal)
• Angebot von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen (d. h. direkte Flugverbindungen zwi-
schen einzelnen Städten, ohne regionale oder globale Netzwerke, wodurch zeit- und
damit kostenintensive Transfers von Personal und Gepäck entfallen)
• Deutlich niedrigere Turn-around-Zeiten (die Zeitspanne zwischen der Landung und
dem Neustart liegt häufig bei 25 Minuten)
• Mehr Flugstunden pro Tag (das ermöglicht höhere Umsätze und verursacht weniger
Standgebühren an den Flughäfen)
• Verzicht auf viele Serviceleistungen (kein Vielfliegerprogramm, kein Angebot von
Gratis-Zeitungen und -Zeitschriften, keine kostenlose Verköstigung der Passagiere; die
kostenpflichtige Verköstigung während des Flugs wird zur Umsatzquelle)
• Höhere Sitzdichte (pro Flug können mehr Passagiere transportiert werden)
• Reine Online-Prozesse (Verzicht auf Vertriebsniederlassungen; wenn Tickets über
Reisebüros vertrieben werden, müssen die Kunden dafür i. d. R. an die Reisebüros
einen Betrag entrichten; Gepäckangaben sowie Check-in-Prozesse zum Erhalt der
Bordkarten können nur online getätigt werden; am Flughafen fallen für deren Er-
stellung – bspw. bei Ryanair – zusätzliche Kosten an)
• Anflug von Randflughäfen (teilweise werden weniger frequentierte und damit auch
kostengünstigere Flughäfen angeflogen)
Durch die Vielzahl von Unterschieden in der Leistungserbringung entlang der Wert-
schöpfungskette gelingt es den Low-Cost-Carriern, die Dienstleistung „Flug“ häufig deut-
lich kostengünstiger anzubieten als die sogenannten Netzwerk-Carrier und trotzdem pro-
fitabel zu agieren. Wer einmal die Wertschöpfungskette intensiv analysiert hat, versteht,
warum trotz deutlich niedrigerer Preise häufig attraktive Gewinne erwirtschaftet werden.
Ein Pain Point ist ein „Schmerzpunkt“, den Kunden normalerweise vermeiden und/
oder überwinden möchten. Wir unterscheiden zwei Arten von Pain Points. Pain Points
können zunächst im Alltag des Kunden begründet sein. Hierbei kann es bspw. um ein
spezifisches Kundenproblem gehen, das dieser gerne ausräumen oder gänzlich vermeiden
möchte. Ein Kunde hat bspw. das Gefühl, für eine Leistung mehr zu bezahlen als nötig
(bspw. bei Strom und Gas). Für bestimmte Prozesse ist ein höheres Zeitinvestment not-
wendig, als eine Person zu erbringen bereit ist (etwa bei der Geldanlage). Andere Personen
können sich durch bestimmte Informationen überfordert fühlen, möchten die Sachverhalte
aber dennoch verstehen (Stichwort „leichte Sprache“). Wieder andere möchten gerne ein
Ziel erreichen, tun sich damit aber momentan schwer (etwa mit einer Fortbildung). Im
Kern geht es bei den Pain Points aus dem Alltag der Kunden um Bedürfnisse, die noch
nicht (optimal) befriedigt werden.
Pain Points können allerdings auch während der Customer Journey auftreten. Dies
ist bspw. dann der Fall, wenn der Kunde auf seiner „Reise zum Unternehmen“ enttäuscht
wird, weil Erwartungen in hohem Maße nicht erfüllt werden (Stichwort „Moment of
Truth“, vgl. Abschn. 3.4.1). Die Bandbreite reicht von unfreundlichem Personal bis zu
einer ungenügenden Leistung der erworbenen Produkte bzw. der in Anspruch genommenen
Dienstleistungen. „Schmerzen“ können auch durch umständliche Prozesse verursacht
werden. Hier ist bspw. an aufwändige Registrierungen im Online-Shop mit komplexen
Passwörtern oder an lange Wartezeiten bei Anrufen oder Schriftwechseln zu denken.
Um diese Paint Points zu ermitteln, wird eine Pain-Point-Analyse eingesetzt. Diese
stellt ein zentrales Element der Customer Journey Map dar. Zum einen gilt es für die Paint
Points im Alltag überzeugende Lösungen zu finden. Zum anderen sind Paint Points, die
durch das Unternehmen auf der Customer Journey verursacht werden, konsequent zu
vermeiden.
Ausgangspunkt bei der Erstellung einer Customer Journey Map sind die in
Abschn. 4.2.2.3 definierten Personas. Pro Persona gilt es, eine spezifische Customer Jour-
ney Map zu erarbeiten. Dazu ist zunächst auf einer groben Zeitleiste zu definieren, von
welchem Szenario (bspw. von welchen Pain Points) auszugehen ist. Hierbei ist zu klären,
mit welchen Zielen die Persona die Customer Journey beginnt und welche Aktionen in
dieser zum Tragen kommen. Wichtig ist, dass in der hier zu erarbeitenden Landkarte auch
die Gedanken und Emotionen der Benutzer berücksichtigt werden, die in den ver-
schiedenen Phasen vorherrschen.
Die Gesamtheit dieser Erkenntnisse fließt in das Design der Customer Journey Map
ein. Hierzu werden zwei Instrumente – Storytelling und Visualisierung – miteinander
verknüpft. Wenn Geschichten aus der Sicht der Kunden erzählt und diese auch noch illus-
triert werden, gelingt eine „nutzerfreundliche“ Aufbereitung relevanter Informationen.
Das Journey Mapping vermittelt zusätzlich eine eindrückliche und ganzheitliche Sicht
auf die Kundenerfahrung. Wie vielfältig die Customer Touchpoints heute sind, wird in
Abb. 2.22 sichtbar. Dort zeigt sich auch eine wichtige Anforderung ans Marketing: Da die
Kunden innerhalb einer Customer Journey permanent zwischen der Online- und der
140 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Re-Targeting
Online-Magazin
Online Preisvergleichsseite
YouTube App-Einsatz In-App-Service
Corporate Website
Suchmaschine
Online-Community
(E-)Newsletter Rating
N
Snapchat
Digital-OOH
Online-Ad
Pinterest
Facebook
Online-Shop
App-Einsatz
Review o
Blogs
l
E-Mail Amazon WhatsApp
Abb. 2.22 Beispiel einer Customer Journey – von online und offline zu noline
Offline-Welt hin und her wechseln, müssen die Unternehmen diese ganzheitliche Sicht
durch einen Noline-Ansatz berücksichtigen.
cc Merk-Box Die Grenze zwischen online und offline verliert für Interessenten
und Kunden an Bedeutung verliert. Diese wechseln – gerade auch mobil –
kontinuierlich zwischen den verschiedenen Welten hin und her. Interessenten
und Kunden sind heute „noline“ unterwegs.
Folglich sind vor allem Marketing- und Vertriebs- Konzepte „noline“ zu
entwickeln und zu implementieren. Dann müssen nicht erst die Empfänger die
einzelnen Kommunikationshappen und Prozessschritte zusammenfügen – um
dann ggf. festzustellen, dass diese gar nicht zusammenpassen!
Bei dieser Noline-Kommunikation geht es vor allem um eine
Einheitlichkeit der Aussagen – nicht um die Identität der Wörter und Bilder.
Um eine Customer Journey Map zu erstellen, versetzen sich die Anwender in die
Rolle des Kunden. Hierbei gilt: Auch wenn die Journey Maps sich je nach dem spezi-
fischen Kontext unterscheiden, folgen sie häufig einem allgemeinen Modell. Dieses ist in
Abb. 2.23 zu finden. Im ersten Teil der Customer Journey Map werden das „Wer?“ und das
„Was?“ definiert. Hier ist zu ermitteln, mit welchem Anliegen, welchen Zielen und mit
welchen Erwartungen eine Persona die Reise startet.
Im zweiten Teil – dem Herzstück der Customer Journey Map – werden die ver-
schiedenen Phasen, die Aktionen und Kanäle wie auch die Gedanken und Gefühle des
Nutzers während der gesamten Journey mit Zitaten und/oder Videos aus der Markt-For-
schung ergänzt. Hier ist zu prüfen, an welchen Customer Touchpoints die Persona genau
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 141
Szenario einer spezifischen Persona Ziele und Erwartungen einer spezifischen Persona
das findet, was sie gesucht hat. Wo wird vielleicht sogar echte Kundenbegeisterung er-
reicht? An welchen Touchpoints ist die Persona von den bereitgestellten Inhalten dagegen
eher enttäuscht? Und wo sind gravierende Pain Points vorhanden, die es zu vermeiden
oder zu überwinden gilt?
cc Merk-Box Die Erstellung einer Customer Journey Map ist ein gutes Training in
Empathie. Zusätzlich sollten hier die Ergebnisse von einschlägigen Kunden-
befragungen einfließen, um ein möglichst lebendiges Bild der Kundenrealität
zu haben!
Um die relevanten Inhalte für die Customer Journey Map zu finden, sind folgende
Fragen zu beantworten:
• Wie entsteht ein Bedürfnis bei der Persona nach den eigenen angebotenen Produkten
und Dienstleistungen (Suche nach initialen Pain Points)?
• Welches sind für den Start der Customer Journey besonders starke Trigger?
• Wie und wo informiert sich die Persona im „Zero Moment of Truth“ (bspw. auf Be-
wertungsplattformen, im Freundeskreis, in Foren), bevor sie die unternehmenseigenen
Touchpoints besucht?
• Welche Bedeutung kommt dem Freundeskreis und den sozialen Medien bei der
Informationsbeschaffung zu?
142 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Neben den Aktionen selbst sind vor allem auch die Gedanken und Gefühle der Persona
zu ermitteln. Diese Emotionen lassen sich in der Customer Journey Map in Abb. 2.23 mit
Werten von ++ (sehr positiv) bis −− (sehr negativ) darstellen. Eine kurze Skizzierung der
zugrunde liegenden Gedanken rundet das Bild ab (Stichwort Storytelling). Zusätzlich
kann in der Journey Map vermerkt werden, welche Bedeutung die Customer Touch
points für die Persona jeweils haben. Hierzu können Werte von 1 (geringe Bedeutung) bis
5 (hohe Bedeutung) vergeben werden.
Bewerten Kunden wichtige Phasen der Customer Journey sehr negativ, ergibt sich
dringlicher Handlungsbedarf im 3. Teil. Hier werden die Handlungsfelder für das
Unternehmen abgeleitet. Dazu werden die Chancen und Risiken umfassend be-
schrieben. Aus diesen sind konkrete Aktionen abzuleiten und die dafür verantwortlichen
Manager zu benennen (vgl. Abb. 2.23). Um die Customer Experience zu verbessern,
gilt es zunächst, mögliche negative Erlebnisse zu identifizieren und zu beseitigen.
Hierzu ist es wichtig, dass die Erwartungshaltungen bekannt sind, mit denen Kunden
ihre Customer Journey beginnen. Nur dann können Sie diese Erwartungen auch be-
friedigen (vgl. Abb. 2.23).
2.2.4 M
arketing-Forschung im Vorfeld von Produkteinführungen
und/oder Kommunikationsmaßnahmen
• Haptik, Geschmack, Geruch, Aussehen (Farbe, Design, Größe) und Klang des
Produktes
• Erwartete und/oder im Gebrauch wahrgenommene Qualität, Handhabbarkeit und
Funktionalität des Produktes
• Qualität einer möglichen Verpackung
• Erwartete und/oder in der Nachfragesituation einer Dienstleistung wahrgenommene
Qualität, Professionalität und Kundenorientierung
• Namensgebung (inkl. möglicher Qualitäts- oder Produktassoziationen)
• Preisbereitschaft und mögliche Preis-Qualitäts-Assoziationen (vgl. zum Preis als
Qualitätsindikator Abschn. 5.2.3.2).
bewerten, das als Prototyp präsentiert wird. Ist dieser einsatzbereit, kann die Car Clinic
auch Testfahrten einschließen. Um eine Konditionierung der Befragten auf eine bestimmte
Marke oder einen bestimmten Hersteller zu vermeiden, bleibt generell oder zumindest
möglichst lange verborgen, wer der Hersteller des Prototyps ist.
Deshalb werden Car Clinics i. d. R. von neutralen Marktforschungsinstituten organi-
siert und durchgeführt. Im Anschluss an die Fahrzeugpräsentation und ggf. auch eine
Probefahrt wird durch Interviews ermittelt, welchen Eindruck das Fahrzeug im Hinblick
auf relevante Imagedimensionen vermittelt hat. Zu diesen gehören u. a. Aspekte wie
Innovationsgrad, Zuverlässigkeit, Robustheit, Design, Verarbeitungsqualität, Dynamik,
Sportlichkeit. Zusätzlich kann die Anmutungsqualität des Fahrzeugs insgesamt sowie
von einzelnen Ausstattungselementen ermittelt. Die erwarteten oder erlebten Fahreigen-
schaften werden ebenfalls erhoben. Schließlich kann erfasst werden, ob eine Kaufabsicht
hinsichtlich des vorgestellten Modells besteht und/oder was die potenziellen Kunden beim
Kauf zu investieren bereit wären.
Weitere Methoden zur Ermittlung der Anmutungs- und/oder Gebrauchseigenschaften
von Produkten, aber bspw. auch von Werbemitteln, setzen den Einsatz von apparativer
Technik voraus. Durch den Einsatz eines Tachistoskops werden bspw. Abbildungen oder
Anzeigen/Plakate nur für eine kurze Zeit (zwischen einer 1/1000 Sekunde und drei Sekun-
den) eingeblendet. Hierdurch können Aspekte der vorbewussten Wahrnehmung er-
mittelt werden. Diese decken folgende Bereiche ab:
Durch den Einsatz eines Tachistoskops gelingt es, die Perzeption (Wahrnehmung)
einzelner Elemente zu ermitteln. Hierdurch wird der Anmutungs- und Aufforderungs-
charakter eines Produktes im vorbewussten Raum zu erkennen, d. h. noch bevor eine ver-
standesmäßige Bewertung stattfinden konnte (vgl. Raab et al., 2018, S. 321–323; Kroe-
ber-Riel & Gröppel-Klein, 2019).
2.2.4.2 Blickregistrierung
Bei der Ausgestaltung von jeglicher Form der Kommunikation – online wie offline – sind
die Erkenntnisse der Blickregistrierung (auch Blickverlaufsanalyse oder Eyetracking)
zu berücksichtigen. Hierbei wird mit einer Augenkamera der Blickverlauf des Betrachters
von Mailings, Plakaten, Flyern, aber auch von Websites und Newslettern sowie des Online-
Shops aufgezeichnet und anschließend ausgewertet. Durch die Blickregistrierung kann
auch festgestellt werden, welche Informationen auf einer Verpackung oder auf einem Pro-
dukt wahrgenommen und gelesen werden. Die dafür notwendige Augenkamera kann
bspw. in einem Headset für den Probanden integriert sein.
146 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
Abb. 2.25 Blick-
registrierung am Beispiel Logo des Absender
eines Mailings
Adresse
Betreffzeile
Anrede
Unterschrift
PS: ?
Wichtig ist bei allen Analysen der Blickregistrierung, dass Vertreter der Zielgruppe
in die Untersuchung eingebunden werden, um einen authentischen Eindruck des tatsäch-
lichen Nutzerverhaltens zu gewinnen. Allerdings können die Erkenntnisse der Blick-
registrierungsforschung auch genutzt werden, ohne selbst solche Tests durchzuführen.
Die Forschung in diesem Bereich hat zentrale Empfehlungen für die Gestaltung von
Werbemitteln abgeleitet, die bei der Gestaltung zu berücksichtigen sind.
Eine wichtige Erkenntnis dieser Forschung lautet, dass heute kaum ein Leser ein
Werbemittel von oben links bis unten rechts durchliest. Das Auge scannt vielmehr über die
angebotenen Informationen und macht nur an bestimmten Punkten Halt. Die in Abb. 2.25
gekennzeichneten Punkte signalisieren eine Fixation. Diese bezeichnen einen kurzen
Stillstand der Augenbewegung. Nur an diesen Stellen kann eine Informationsaufnahme
erfolgen. Die Striche stellen die Blicksprünge (auch Sakkaden genannt) des Betrachters
dar. Hier gelingt es dem Auge nicht, Informationen konkret wahrzunehmen.
cc Merk-Box Damit ist eine Aufgabe für die Gestaltung von jeglicher Art von Kom-
munikation definiert: Es gilt, dem Auge Haltepunkte anzubieten, um den
Scan-Prozess zu stoppen. Die Herausforderung besteht darin, eine gute Scann
ability sicherzustellen.
zur Lenkung des Blickverlaufs eingesetzten Bilder links oder oberhalb von wichtigen
Textinformationen stehen – und nicht rechts davon oder darunter. Das Auge scannt in
unserem Kulturkreis tendenziell von links oben nach rechts unten. Für jeden Marketing-Ver-
antwortlichen ist es folglich unverzichtbar, vor dem Einsatz von verschiedenen
Kommunikations-Maßnahmen deren Scannability zu überprüfen.
2.2.4.3 Testmarktuntersuchungen
Um zu ermitteln, wie sich ein neues Produkt im unmittelbaren Wettbewerb im Handel
durchsetzt, können verschiedene Testmarktuntersuchungen zum Einsatz kommen. Hier
soll festgestellt werden, wie gut sich die Produkte im – mehr oder weniger realen – Wett-
bewerbsumfeld behaupten und welche Umsätze erzielt werden können. Es werden fol-
gende Konzepte unterschieden:
• Regionaler Markttest
• Ladentest (Storetest)
Im Rahmen von regionalen Markttests erfolgt eine temporäre Einführung eines Pro-
duktes in einem regional begrenzten Teilmarkt. Dies kann bspw. ein Bundesland oder eine
Stadt mit Einzugsgebiet sein. Voraussetzung für die Übertragbarkeit der hierbei erzielten
Ergebnisse auf den Gesamtmarkt ist die Repräsentativität des Teilmarktes für diesen.
Durch solche Markttests lassen sich nicht nur die Reaktionen der Käufer, sondern auch die
Akzeptanz im Handel sowie mögliche Reaktionen der Wettbewerber ermitteln.
Beim sogenannten Ladentest (auch Storetest) werden Produkte in einer beschränkten
Anzahl von Geschäften (häufig 10 bis 30) innerhalb des realen Sortiments eines Handels-
geschäfts testweise verkauft. Durch dieses Konzept soll möglichst schnell ermittelt wer-
den, wie die Akzeptanz eines neuen Produktes ausfällt (vgl. Weis & Steinmetz, 2012,
S. 231 f.).
Ein innovatives Storetest-Konzept für die Markenartikelindustrie bietet go2market
(2021). Dies ist ein Real-Life-Tool zur Marktforschung. Dieses Tool arbeitet mit statio-
nären Supermärkten und realen Konsumenten. Die Konsumenten, die in diesen Stores
einkaufen können, werden nach der Soziodemografie der Bevölkerung des Ziellandes ab
18 Jahre ausgewählt. Die Gruppe dieser Konsumenten umfasst in Österreich 1500 und in
Deutschland 3000 Personen. In den Geschäften wählen diese Konsumenten die ge-
wünschten Produkte wie beim herkömmlichen Einkauf aus dem Sortiment des stationären
Test-Supermarktes aus. Nach der Verwendung der Testprodukte werden die Käufer hierzu
befragt.
Das Konzept der Teststores ermöglicht durch eine digitale Preisauszeichnung die Er-
mittlung der Preiselastizität der Nachfrage. Außerdem erlaubt die Auswertung von
soziodemografischen Merkmalen eine präzise Zielgruppenanalyse. Hierbei können Pro-
dukte getestet werden, die noch nicht am Markt erhältlich sind. Aber auch bereits im
Handel gelistete Produkte können untersucht werden. Diese Testmärkte sind momentan in
Wien und Köln zu finden (vgl. go2market, 2021).
148 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
2.2.5.1 Kundenbefragungen
Eine besondere Bedeutung im Rahmen der flankierenden Marketing-Forschung kommt
den z. T. bereits angesprochenen Kundenbefragungen zu. Diese können repräsentativ
ausgelegt sein, indem eine ausreichend große Stichprobe der eigenen Kunden befragt
wird. Die Ziehung der Stichprobe kann nach verschiedenen Kundensegmenten geschich-
tet erfolgen, bspw. nach einer ABC-Klassifizierung (vgl. Abschn. 2.2.1.3).
Die Notwendigkeit zu einer geschichteten Zufallsstichprobe erklärt sich wie folgt.
Bei einer einfachen Zufallsstichprobe hätten alle Kunden die gleiche Wahrscheinlichkeit,
gezogen zu werden. Bei diesem Vorgehen wären Kunden der Kategorien A und B in Rela-
tion zu ihrer Bedeutung für das Unternehmen deutlich unterrepräsentiert. Schließlich exis-
tieren in einer Kundendatei deutlich mehr C-Kunden als A- und B-Kunden. Um dies zu
vermeiden, wird pro Schicht (hier die Kundengruppen A, B und C) eine bestimmte Anzahl
von Kunden ausgewählt. Dies ist ein Beispiel für eine geschichtete Zufallsstichprobe.
Im Mittelpunkt der Kundenbefragung könnten bspw. folgende Fragen stehen:
Der in Abschn. 2.2.1.3 vorgestellte Net Promotor Score leistet hierzu auch einen wichti-
gen Beitrag.
Im Automobilsektor findet teilweise nach jedem Servicekontakt mit einem Autohaus
eine telefonische Befragung des Kunden statt. So wird ermittelt, wie zufrieden der Kunde
mit verschiedenen Serviceaspekten war. Die auf diese Weise ermittelte Kundenzufrieden-
heit hat vielfach unmittelbare Auswirkungen auf die Margen, die ein Automobilhersteller
seinen Vertragspartnern gewährt.
Zusätzlich sollten sich die Unternehmen darum bemühen, auf den verschiedenen
Online-Plattformen mit positiven Bewertungen präsent zu sein (bspw. bei Google oder
Qype). Da diese Bewertungen als Teil des ZMOT (vgl. Abschn. 3.4.1) von großer Be-
deutung sind, ist jedes Unternehmen aufgerufen, ein entsprechendes Rating- und Review-
Management aufzubauen (vgl. vertiefend Kilian & Kreutzer, 2022).
• Wie häufig klingelte das Telefon, bis abgehoben wurde? Wie lange war der Anrufer in
der Warteschleife?
• Wie konkret stellte sich der Gesprächspartner vor?
• Ließ sich der Gesprächspartner den Sachverhalt ausführlich schildern?
• In welchem Ausmaß versuchte der Gesprächspartner, andere (bspw. Kollegen, Be-
reiche oder den Anrufer selbst) für das Problem verantwortlich zu machen?
• Argumentierte der Gesprächspartner problem- oder lösungsorientiert?
• In welchem Ausmaß wurde konkrete Unterstützung angeboten?
• Konnte das Problem durch einen Anruf gelöst werden oder waren weitere Anrufe
notwendig?
• Wurden versprochene Maßnahmen in der vereinbarten Frist umgesetzt?
• In welchem Umfang vermittelte der Gesprächspartner den Eindruck, tatsächlich an der
Lösung des Problems interessiert zu sein?
• Wie freundlich erfolgte die Verabschiedung?
Um derartige Analysen nicht nur aus der Interessenten-, sondern auch aus der Kunden-
perspektive durchführen zu können, müssen teilweise entsprechende Kundendaten als
Dummy-Adressen in den Datenbanken angelegt werden. Erst hierdurch kann erfasst wer-
den, ob Kunden i. S. der definierten Vorgaben betreut werden. Um eine vergleichbare
Datengrundlage zu erhalten, ist in diesem Fall – wie auch bei den anderen Mystery-
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 151
Ansätzen – jeweils ein konkretes Szenario für die Ansprache vorzugeben (bspw. Vertrags-
wechsel, Kündigung, Produktdefekt).
Die Bandbreite dieser Mystery-Analysen umfasst außer den bereits genannten Be-
reichen auch Mystery Mail, Mystery E-Mail und Mystery Surfing (zum Check der
Kommunikationsqualität), Mystery Dining und Mystery Sleeping (zur Überwachung
von Gastronomie- und Hotellerie-Gewerbe) bis hin zum Mystery Travelling (zur Über-
prüfung der Servicequalität im Tourismus).
Authentische Erkenntnisse über die „Marketing-Performance“ können gewonnen wer-
den, wenn (leitende) Mitarbeiter regelmäßig Filialen besuchen. Durch sogenannte Mys-
tery Visits kann ein eigener Eindruck von Erscheinungsbild und Serviceorientierung ge-
wonnen werden. Eine Selbstverständlichkeit sollte sein, dass die Mitarbeiter, die solche
Besuche durchführen, in den Filialen nicht bekannt sind und derartige Kontrollbesuche
auch nicht angekündigt werden. Wenn dies teilweise dennoch erfolgt, ist das ein Zeichen
dafür, dass manche Entscheidungsträger vielleicht gar nicht so genau wissen, wo bzw. in
welchem Ausmaß etwas im Argen liegt. Durch Mystery Visits können bspw. auch die
Arbeitsbedingungen bei Zulieferern überprüft werden. Der Betriebsrat ist über solche
Maßnahmen zu informieren.
2.2.5.3 Panel-Untersuchungen
Eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Unternehmen stellen die sogenannten Panel-
Untersuchungen dar. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass ein gleicher Kreis von Adres-
saten (Konsumenten/Haushalte, Unternehmen oder Experten) in regelmäßigen Abständen
zu identischen Themen befragt wird. So gelingt es, Veränderungen im Verhalten über die
Zeit bei einer identischen Stichprobe zu identifizieren. Bei entsprechender Anlage der
Panels können die Ergebnisse repräsentativ für die Grundgesamtheit sein und damit auf
diese hochgerechnet werden. Es wird insb. zwischen folgenden Panel-Arten unterschieden:
Um diese Fragen zu beantworten, kombiniert die GfK Daten aus dem GfK Consumer
Panel mit zusätzlichen Primärquellen und Analysen. Hierdurch können zentrale Fragen
beantwortet werden, die im Zuge des Produktlebenszyklus (vgl. Abb. 5.2) auftreten – on-
line wie offline (GfK, 2021a):
Eine große Bedeutung für die werbetreibende Wirtschaft kommt dem AGF-/GfK-
Fernsehpanel zu (vgl. agma, 2021). Dieses Panel stellt ein verkleinertes Abbild aller
Privathaushalte mit mindestens einem Fernsehgerät in Deutschland dar, deren Hauptein-
2.2 Aufgabenstellung und Methoden der Marketing-Forschung 153
Diese Art der Informationen liefern wichtige Hinweise darauf, in welchen Segmenten
des Marktes ein Unternehmen erfolgreich ist. Durch die regelmäßige Befragung gleicher
Untersuchungseinheiten können Veränderungen im Zeitablauf systematisch erfasst werden.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin betreibt mit dem sozio-
ökonomischen Panel (SOEP) eine der größten und am längsten laufenden multi-
disziplinären Panelstudien weltweit. Für dieses Panel werden jährlich etwa 30.000 Men-
schen in knapp 15.000 Haushalten befragt. Die Befragungsdaten werden so aufbereitet,
dass sie von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt für eigene Forschungen genutzt werden
können – bspw. zum gesellschaftlichen Wandel (vgl. DIW, 2021).
Bei einem Expertenpanel werden ausgewiesene Spezialisten über einen längeren Zeit-
raum zu Entwicklungen in ihrem Fachgebiet befragt. Hierdurch sollen ebenfalls Ver-
änderungen im Zeitablauf sichtbar werden, die von den Experten ausgemacht werden.
Spulse erhalten die Antworten in Echtzeit. Hierdurch wird ein schnelles Handeln er-
möglicht.
Unilever bspw. setzte das POSpulse ein, um den Launch eines neuen Reinigungs-
produktes in Echtzeit zu überwachen. Über die Streetspotr-App wurden Besuche in statio-
nären Geschäften zur Ermittlung der Käuferwahrnehmung und zur Überprüfung der Pro-
dukte und Promotions vor Ort angestoßen und dokumentiert. Durch diese Analyse können
die folgenden Fragen beantwortet werden (vgl. POSpulse, 2021):
• Wie kann der Prozess der Einführung eines Neuproduktes weiter optimiert werden?
• Wie nehmen Konsumenten das neue Produkt wahr?
• Welche Faktoren und Barrieren beeinflussen die Kaufentscheidung?
• Wo wird das Produkt am POS platziert?
• Wie sind Promotions für das Produkt platziert?
• Sind die Promotions in allen Stores verfügbar und optimal umgesetzt?
• Nehmen Shopper die Promotion wahr?
• Wie sind die Produkte der Wettbewerber im Vergleich positioniert?
• Wie beurteilen Endnutzer die neuen Produkte?
• Wie erfolgreich sind einzelne Promotion-Elemente? Welchen Einfluss haben
Promotion-Elemente und -Kombinationen auf den Sales-Uplift? (Hierzu werden
Nielsen-Daten in die Auswertung eingebunden.)
Die Antworten auf diese Fragen liefern die Gründe für die erzielten Verkaufszahlen –
und bieten wesentlich mehr „Futter“ für die Optimierung laufender und zukünftiger Kam-
pagnen. Durch die immer größere Dynamik der Veränderungsprozesse wird es für die
Unternehmen immer wichtiger, schnell handlungsrelevante Informationen zu erhalten.
Nur dann kann schnell reagiert werden. Durch solche Konzepte werden die hierfür be-
nötigten Informationen quasi in Echtzeit geliefert!
15. Was versteht man unter Validität, Reliabilität und Objektivität? Welche Bedeutung
kommt diesen Kriterien im Rahmen der Marketing-Forschung zu?
16. Was versteht man unter Repräsentativität? Warum ist diese von großer Wichtigkeit?
17. Was ist mit dem Begriff „Hidden Agenda“ gemeint? Wann ist mit einer solchen zu
rechnen?
18. Welche Methoden der Stichprobenziehung können unterschieden werden?
19. Welche Bedeutung kommt der Erfolgsfaktorenforschung im Kontext der
Marketing-Analyse zu?
20. Was verbirgt sich hinter dem PIMS-Projekt und welche zentralen Erkenntnisse
wurden durch dieses ermittelt?
21. Welche Beziehung wurde zwischen der Investitionstätigkeit und dem ROI er-
mittelt? Welche Ursachen kann diese Beziehung haben?
22. Welche Beziehung wurde zwischen dem relativen Marktanteil und dem ROI er-
mittelt? Welche Ursachen kann diese Beziehung haben?
23. Welche Beziehung wurde zwischen der relativen Produktqualität und dem ROI
ermittelt? Welche Ursachen kann diese Beziehung haben?
24. Welche weiteren zentralen Einflussfaktoren auf den ROI wurden ermittelt?
25. Worin sind die Kritikpunkte des PIMS-Projektes zu sehen?
26. Was ist unter Erfahrungskurveneffekten zu verstehen? Wodurch werden sie er-
reicht und welche Bedeutung haben sie für Unternehmen? Nennen Sie konkrete
Beispiele ihrer Umsetzung.
27. Was versteht man unter Economies of Scale? Wodurch werden sie erreicht und
welche Bedeutung haben sie für Unternehmen? Nennen Sie konkrete Beispiele.
28. Was ist der zentrale Inhalt einer SWOT-Analyse? Bei welchen unternehmerischen
Entscheidungen kann ihr Einsatz sinnvoll sein?
29. Welche Kriterien können zur Ermittlung von Stärken und Schwächen eingesetzt
werden?
30. Welche Möglichkeiten existieren, um die relevanten Wettbewerber zu ermitteln?
Wie wird konkret vorgegangen?
31. Was versteht man unter einer „strategischen Gruppe“? Nennen Sie hierfür kon-
krete Beispiele.
32. Welchen Beitrag kann das Johari-Fenster zur Unternehmensanalyse leisten?
Warum ist dessen Einsatz so wertvoll?
33. Welche Triebkräfte werden bei der Branchenanalyse von Porter unterschieden?
Welche Ursachen können unterschiedlichen Machtkonstellationen zu-
grunde liegen?
34. Führen Sie eine solche Branchenanalyse für Buchverlage in Deutschland durch.
Welche Faktoren sind hier zu berücksichtigen? Wie sind die Machtkonstellationen
ausgeprägt?
35. Kennzeichnen Sie die Grundlagen der Portfolio-Analyse. Welche Überlegungen
liegen dieser zugrunde? Welche Ziele werden durch deren Einsatz angestrebt?
158 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
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160 2 Marketing-Planung und Marketing-Forschung
„Für ein Schiff, das seinen Hafen nicht kennt, weht kein Wind
günstig.“
Seneca
„Erfolgreich zu sein, setzt zwei Dinge voraus: klare Ziele und
den brennenden Wunsch, sie zu erreichen.“
Lernziele
Fähigkeit,
• die Relevanz von Zielen für das Marketing und darüber hinaus zu erkennen
• spezifische Anforderungen für die Zielformulierung umzusetzen
• verschiedene Zielkonzepte in ihrer Bedeutung zu verstehen
• die Markenwertschöpfungskette als konkreten Zielrahmen einzusetzen
• Key Performance Indicators für unterschiedliche Phasen der Markenwert-
schöpfungskette hinsichtlich ihrer Relevanz zu bewerten
• die Bedeutung und den Aufbau einer Balanced Scorecard für das Unternehmen
und das Marketing zu verstehen
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 161
R. T. Kreutzer, Praxisorientiertes Marketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35307-0_3
162 3 Marketing-Ziel
Ziele stellen eine Konkretisierung angestrebter Zustände in der Zukunft dar. Sie ste-
hen damit an der Spitze der Marketing-Pyramide. Sie konkretisieren, welche „Wunsch-
orte“ erreicht werden sollen (vgl. Abb. 1.6). Ziele liefern damit – im unternehmerischen
Bereich wie im privaten Leben – die zentralen Orientierungspunkte für menschliches
Handeln.
Nur wenn der Kapitän und die gesamte Mannschaft wissen, wohin die Reise gehen
soll, können er und sein gesamtes Team die Strategien und den Einsatz der Instrumente
in allen Unternehmensbereichen auf dieses Ziel ausrichten. Bei der Verteilung knapper
Ressourcen, seien es Mitarbeiter, Kapital, Anlagen etc., liefern die definierten Ziele den
zwingend erforderlichen Orientierungsrahmen.
• Kontrollfunktion
Erst durch das Setzen und das möglichst schriftliche Fixieren von Zielen wird die
Möglichkeit geschaffen, den Erfolg eines Unternehmens zu bewerten – bspw. am Ende
eines Geschäftsjahres. Durch einen Vergleich zwischen den angestrebten Zielen und
den erreichten Ergebnissen wird deutlich, in welchen Bereichen das Unternehmen
erfolgreich war und in welchen nicht. Ohne Zielsetzung ist keine Erfolgskontrolle
möglich!
• Motivationsfunktion
Ziele können und sollen Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen motivieren.
Dies gelingt besonders dann, wenn an die Erreichung bestimmter Ziele nicht-monetäre
Anreize (etwa Aufstiegschancen) oder monetäre Belohnungen (wie Provisionen, Tan-
tiemen oder Gewinnbeteiligungen) gekoppelt werden. Den Betroffenen wird so deut-
lich, dass sie mit ihrem eigenen Verhalten unmittelbaren Einfluss auf ihr Jahres-
gehalt haben.
Je höher man in der Unternehmenshierarchie angesiedelt ist, desto größer fällt die-
ser sogenannte variable Anteil des Gehaltes aus. Die Bandbreite kann sich auf 40 bis
80 % des Jahresgehaltes belaufen. Bei einer Kopplung der Tantieme an den Aktienkurs
wird auch ein Mehrfaches des Jahresgehaltes erreichbar.
Diese Motivationsfunktion setzt allerdings voraus, dass die Ziele aus Sicht der Mit-
arbeiter und Führungskräfte realistisch sind. Sonst schlägt die Motivationsfunktion
genau ins Gegenteil um. Dann müssen die Betroffenen befürchten, dass sie auch bei
höchstem Engagement ihre Ziele nicht erreichen können. Bei der Definition der Ziele
ist wichtig, dass die Anreize auf eine längerfristig erfolgreiche Unternehmensent-
wicklung abzielen und nicht eine kurzfristige Ergebnismaximierung fördern.
Die Motivationsfunktion von Zielen kann über das eigene Unternehmen hinaus aus-
strahlen. Hier ist an die Bewertung eines Unternehmens durch Analysten und an den
Börsenwert zu denken. Werden ehrgeizige Ziele kommuniziert, kann das die Börsen-
phantasie anregen. Diese wiederum befeuert die Börsenkapitalisierung, d. h. den
durch den Aktienkurs bestimmten Wert des Unternehmens (vgl. Abschn. 1.1.1). Neue
Mitarbeiter und Führungskräfte können durch motivierende Ziele angelockt und die
bestehende Mannschaft zum Bleiben angeregt werden.
164 3 Marketing-Ziel
Damit Ziele die skizzierten steuernden und motivierenden Funktionen erfüllen können,
sind mehrere Anforderungen an eine Zielformulierung zu berücksichtigen. Eine Ana-
lyse von Zielen – im privaten wie im geschäftlichen Bereich – zeigt immer wieder, dass
eine ausreichende Präzisierung der Zielsetzung sehr häufig nicht erfolgt. Eine umfassende
Verbindlichkeit der Ziele wird dann nicht erreicht. Die nachfolgenden vier Anforderungen
sind bei der Definition von Zielen zu berücksichtigen, wenn die beschriebenen Funktionen
der Ziele erreicht werden sollen:
bessert oder verschlechtert. Die KPIs dienen auch zur Bewertung verschiedener Stand-
orte oder SGEs eines Unternehmens. Anhand der KPIs ist auch ein Vergleich mit Kon-
kurrenten möglich. So kann die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens
ermittelt werden.
Hier sollte zwischen den Zielinhalten „Effektivität“ und „Effizienz“ sauber unter-
schieden werden.
Im Kern geht es bei der Effektivität um die Frage, ob eine Maßnahme zum gewünschten
Ergebnis führt, ob ein definiertes Ziel erreicht wird. Wir ermitteln hier den „Grad der
Wirksamkeit“. So könnte man bspw. diskutieren, ob die Lebensmittel-Discounter ein
Kundenbindungsprogramm erarbeiten sollten. Wahrscheinlich eher nicht. Warum? Dis-
counter binden ihre Kunden eher durch ein überzeugendes Preis-Leistungs-Verhältnis als
mit einer Kundenkarte. Deshalb wäre die Entwicklung eines Kundenbindungsprogramms
für Discounter eher nicht effektiv. Umsatz und Gewinn ließen sich durch ein solches Pro-
gramm voraussichtlich wenig steigern – bei hohen Kosten.
Formulieren Sie Ziele als Satisfaktionsziele. Das Umsatzziel lautet dann 450 Mil-
lionen €. Oder die Produktionskosten für die Grundversion eines E-Automodells wer-
den auf 27.000 € festgelegt. Bei einem Studium kann das Satisfaktionsziel heißen,
einen Notenschnitt von 1,3 anzustreben. Bei so formulierten Zielen kann genau über-
prüft werden, ob sie erreicht wurden. Außerdem können Maßnahmen sehr genau
daraufhin analysiert werden, welchen Beitrag sie zur Erreichung eines solchen Ziels
leisten.
• Zeithorizont eines Ziels: Bis wann soll es erreicht werden?
Hier geht es um die Frage, in welchem Zeitraum ein bestimmtes Ziel umgesetzt werden
soll. Strategische Ziele (bspw. in Gestalt des Aufbaus mehrerer Produktionsnieder-
lassungen für Batterien durch Volkswagen in Europa) weisen häufig einen Zeitbezug
von drei bis fünf Jahren auf. Operative Ziele orientieren sich dagegen am Geschäfts-
jahr der Unternehmen. Sie sind folglich meist auf zwölf Monate oder eine noch kürzere
Zeitspanne ausgerichtet.
Die Relevanz des zeitlichen Bezugs ergibt sich wieder aus der Kontrollfunktion.
Wenn kein zeitlicher Eckpunkt für die Zielerreichung fixiert wird, bleibt unklar, wann
die Erfüllung eines Ziels erreicht sein soll. Deshalb ist es zu wenig, sich als Ziel eines
Bachelor-Studiengangs die Note 1,3 vorzunehmen, ohne zu konkretisieren, ob dieses
Ziel in der Regelstudienzeit oder in acht oder zehn Semestern erreicht werden soll.
Auch das Ziel, das eigene Gewicht um 10 kg zu reduzieren, bleibt kraftlos ohne die
Ergänzung „innerhalb der nächsten sechs Monate“.
Empfehlenswert ist es im Privatbereich wie im Unternehmen, nicht nur strategische
Ziele in operative Ziele herunterzubrechen, sondern diese weiter als Quartalsziele zu
formulieren. Nur so wird eine präzise Ausrichtung der Aktivitäten möglich. Im persön-
lichen Bereich wie auch im Projektmanagement kann sich diese Zielplanung zur Er-
reichung einer besonders effektiven Vorgehensweise auf Monats-, Wochen- und/oder
Tagesbasis konkretisieren.
3.2 Anforderungen an die Formulierung von Zielen 167
Teilweise wird bzgl. der Anforderungen an die Zielformulierung auch von sogenannten
SMART-Zielen gesprochen. Dieses Akronym (Sonderfall einer Abkürzung) setzt sich aus
den Anfangsbuchstaben der folgenden Wörter zusammen:
Bis auf die Erreichbarkeit bzw. Realistik sowie die Relevanz von Zielen sind alle
Aspekte durch die bereits beschriebenen Anforderungskriterien abgedeckt. „Erreichbar-
keit/Realistik“ und „Relevanz“ liegen m. E. allerdings auf einer anderen logischen Ebene.
Bei diesen Kriterien geht es nicht um die Definition eines Ziels, sondern um eine Be-
wertung des Ziels. Es stellt sich die Frage, wer die Erreichbarkeit und Relevanz von
Zielen bewerten soll? Schließlich stellen Ziele angestrebte Zustände in der Zukunft dar,
deren Erreichung auch mit den besten Prognoseinstrumenten nicht vorhergesagt werden
kann. Auch die Bedeutung eines Ziels kann sich erst viel später abzeichnen.
Stellen Sie sich eine Gesprächssituation zwischen einem Vorgesetzten und einem Mit-
arbeiter über die Zielvereinbarung vor, bei der 40 % des Mitarbeiter-Jahresgehaltes von
der Erzielung eines Zieles abhängen. Hier wird deutlich: Die Bewertung der „Erreichbar-
keit“ dieses Zieles wird von den Gesprächspartnern gänzlich unterschiedlich ausfallen.
Der Vorgesetzte möchte möglichst anspruchsvolle Ziele festlegen, damit sich der Mit-
arbeiter kraftvoll engagiert. Der Mitarbeiter selbst möchte die Messlatte eher nicht so hoch
legen, um das Ziel auch sicher erreichen zu können.
cc Merk-Box Erreichbarkeit und Relevanz von Zielen sind wichtig, um eine an-
gestrebte Motivationswirkung zu erzielen. Eine objektive Messgröße zu ihrer
Bewertung existiert allerdings nicht. Deshalb stellen die sogenannten SMART-
Ziele m. E. keine geeignete Orientierung zur Festlegung von Zielen dar.
168 3 Marketing-Ziel
Im Zusammenhang mit Zielen wird häufig über den OKR-Ansatz gesprochen. Die Ab-
kürzung OKR steht für „Objectives and Key Results“. Hierbei wird zwischen den Ziel-
objekten Objectives und Key Results unterschieden. Die hier „Objectives“ genannten
Ziele werden aus der Vision oder dem Purpose des Unternehmens abgeleitet. Die Key
Results beschreiben, welche Maßnahmen einzuleiten sind und wie deren Umsetzung ge-
messen werden kann. Die Objectives werden folglich über die anzustrebenden Key Re-
sults weiter operationalisiert. Ein Objective gilt dann als erreicht, wenn alle zugeordneten
Key Results erfüllt wurden.
Ein Beispiel soll den Prozess verdeutlichen. Das „Objective“ besagt, dass der Umsatz
in der Region A innerhalb der nächsten sechs Monate für das Produkt X um 15 % zu stei-
gern ist. In den „Key Results“ fließen die Tätigkeiten und die zu erreichenden Zwischen-
ergebnisse zusammen. Bei dem hier angestrebten Ziel könnten die Key Results wie
folgt lauten:
Die Marketing-Ziele selbst stellen die Grundlage einer Marketing-Konzeption dar (vgl.
Abb. 1.6). Deren weitere Elemente sind die Marketing-Strategien und die Marketing-
Instrumente. Strategien und Instrumente sind den Zielen hierarchisch untergeordnet und
auf die Erreichung der Ziele ausgerichtet.
Hier wird von einer Ziel-Mittel-Relation gesprochen. Die Umsetzung der Marketing-
Strategien soll die Erreichung der Marketing-Ziele sicherstellen. Der Einsatz der
3.3 Unternehmens- und Marketing-Ziele 169
als Unternehmenszweck bzw. als Purpose des Unternehmens bezeichnet (vgl. ver-
tiefend Kreutzer, 2021c).
Zusätzlich werden in vielen Unternehmen sogenannte Unternehmenswerte (auch
Corporate Core Values) definiert, auf denen das gesamte unternehmerische Tun aufbaut
bzw. aufbauen soll. Bei Volkswagen (2021) heißt es dazu:
„Wir wollen, dass Volkswagen ein durch und durch integres, im besten Sinne achtbares
Unternehmen ist. … Unser Versprechen an unsere Kunden, Aktionäre, Geschäftspartner
und uns selbst haben wir in sieben Grundsätzen zusammengefasst. Sie beschreiben, wofür
der Konzern in allen Marken, Gesellschaften und Ländern steht:
Teilweise werden Vision, Mission und/oder Werte von den Unternehmen in einem
Claim bzw. einen Slogan für die gesamten Aktivitäten des Unternehmens zusammen-
geführt. Hier ein paar prägnante Beispiele:
Der Vision und Mission untergeordnet ist die Festlegung der allgemeinen Erfolgs-
erwartungen an die unternehmerische Tätigkeit. Es geht im Kern um die – häufig auf ein
Jahr bezogene – Konkretisierung dessen, was ein Unternehmen quantitativ erreichen
möchte. Es wird nochmals deutlich: Ohne eine Festlegung solcher Ziele kann bspw. nicht
vierteljährlich festgestellt werden, ob ein Unternehmen „auf Kurs“ ist. Hierbei stehen häu-
fig die folgenden Unternehmens- bzw. Marketing-Ziele im Mittelpunkt:
3.3 Unternehmens- und Marketing-Ziele 171
Umsatz Unternehmen A
Absoluter Marktanteil Unternehmen A 100
Marktvolumen
Ein höherer Marktanteil geht häufig mit Economies of Scale einher und ist damit
zielführend.
• Marktanteil (relativ)
Um den relativen Marktanteil zu ermitteln, wird der eigene Umsatz oder der eigene
Marktanteil in Relation zum Umsatz oder zum Marktanteil des größten Wettbewerbs
gesetzt. Kleiner Hinweis: Wenn das eigene Unternehmen der dominante Anbieter ist,
hat es dennoch einen größten Wettbewerber!
172 3 Marketing-Ziel
Umsatz Unternehmen A
Relativer Marktanteil Unternehmen A =
ßten Wettebewerbers
Umsatz des gro
Wichtig: Der relative Marktanteil hat keine Einheitsbezeichnung. Ein relativer Markt-
anteil von „2“ sagt aus, dass das eigene Unternehmen doppelt so viel Umsatz erzielt
bzw. einen doppelt so hohen Marktanteil aufweist wie der größte Wettbewerber. Ein
relativer Marktanteil von „0,5“ zeigt, dass der eigene Umsatzanteil am Markt halb so
groß ist wie der des größten Wettbewerbers.
• Return on Investment (ROI), Kapitalrentabilität
Um die Rentabilität i. S. der Verzinsung einer Investition zu ermitteln, wird der ROI
berechnet. Hierzu wird der erzielte Gewinn in Relation zum investierten Kapital gesetzt.
Gewinn
Return on Investment 100
Investment
Je höher dieser Wert ist, desto profitabler war ein Investment.
• Return on Capital Employed (ROCE), Gesamtkapitalrentabilität
ROCE misst, in welchem Umfang das eingesetzte Kapital verzinst wurde. Es ist damit
eine Messgröße für die Gesamtkapitalrentabilität.
Gewinn
Return on Capital Employed 1100
Eingesetztes Gesamtkapital
Je höher dieser Wert ist, desto profitabler war ein Investment.
• Return on Sales (ROS), Umsatzrentabilität
ROS misst, wie profitabel der erzielte Umsatz ist.
Gewinn
Return on Sales 100
Umsatz
Je höher dieser Wert ist, desto mehr Gewinn wird durch den erzielten Umsatz erwirt-
schaftet.
Die Gesamtheit der Ziele eines Unternehmens sind in einer Zielhierarchie miteinander
verbunden. Die Definition der Unternehmensziele orientiert sich an der Vision, der Mis-
sion und den Kernwerten des Unternehmens. Bei einer funktionalen Organisation (vgl.
Kapitel 8) – werden die Unternehmensziele auf der nachfolgenden Ebene auf Bereichs-
ziele heruntergebrochen. Diese Ableitung kann sich auf die Funktionsbereiche Personal,
Produktion, Marketing, Vertrieb und Beschaffung beziehen. Im Marketing können diese
Ziele weiter konkretisiert werden (vgl. Abb. 3.2).
Dieses Zielsystem verdeutlicht die Mittel-Zweck-Beziehung zwischen den Zielen der
hierarchischen Ebenen. Das bedeutet, dass die Erreichung eines bestimmten Marktanteils
für ein Produkt dazu beitragen soll, die Ziele des Marketing-Bereichs insgesamt zu er-
reichen. Die Erreichung der Marketing-Ziele wie auch der Ziele der anderen Funktions-
bereiche soll wiederum auf die Erreichung der Unternehmensziele einzahlen.
3.3 Unternehmens- und Marketing-Ziele 173
Vision, Mission,
Kernwerte
Unternehmensziele
Konkrete Marketing-Ziele
8 8 8
6 6 6
4 4 4
2 2 2
2 4 6 8 10 2 4 6 8 10 2 4 6 8 10
Ziel A Ziel A Ziel A
Bei der Definition der Ziele ist darauf zu achten, dass die in einer hierarchischen Be-
ziehung zueinander stehenden Ziele komplementär zueinander sind. Das bedeutet, dass
die Erreichung der Marketing-Ziele zur Erfüllung der Unternehmensziele beiträgt. Diese
Zielkomplementarität (auch Zielharmonie genannt) ist auch innerhalb und zwischen
den Zielen der einzelnen Funktionsbereiche wichtig (vgl. Abb. 3.3, links). Eine solche
Zielharmonie besteht bspw. zwischen der „Reduktion der Produktionskosten“ einerseits
und der „Senkung der Verkaufspreise“ andererseits. Auch zwischen den Zielen „Steige-
rung der Werbewirkung“ und der „Erreichung von Umsatzwachstum“ liegt eine solche
Zielharmonie vor. Die Ziele „vertragen“ sich.
Allerdings finden sich in unternehmerischen Zielsystemen – z. T. auch gewollt – Ziel-
konflikte. Hier wird auch von Zielkonkurrenz gesprochen (vgl. Abb. 3.3, Mitte). Eine
174 3 Marketing-Ziel
solche Zielkonkurrenz liegt bspw. zwischen den Zielen „Senkung der Kosten im Customer-
Service-Center“ und „Erhöhung des Servicelevels gegenüber den Kunden“ vor. Ein Ziel-
konflikt liegt auch zwischen der „Senkung der Werbeaufwendungen pro Kunde“ und der
„Erhöhung der Kundenbasis“ vor. Solche Widersprüche im Zielsystem können ganz be-
wusst provoziert werden. Solche Zielkonflikte sollen Mitarbeiter motivieren, über neue
Wege der Leistungserbringung nachzudenken und ausgetretene Pfade zu verlassen.
Eine Zielneutralität (auch Zielindifferenz genannt) ist gegeben, wenn die Erreichung
eines Zieles keinen Einfluss auf die Erreichung anderer Ziele hat (vgl. Abb. 3.3, rechts).
Ein Beispiel wären die Ziele „Einführung von Englisch als Unternehmenssprache“ und
„Steigerung des Marktanteils des Unternehmens“. Bei einer genaueren Analyse dieser
Ziele stellt man allerdings fest, dass durch Englisch als Unternehmenssprache der Einstieg
in andere Länder oder das Eingehen von Kooperationen mit ausländischen Partnern leich-
ter fallen kann. Hierdurch kann der Marktanteil erhöht werden.
cc Merk-Box Es ist davon auszugehen, dass alle Ziele eines Unternehmens – di-
rekt oder indirekt – in einer positiven oder negativen Beziehung zueinander
stehen. Dies ist bei der Formulierung von Zielen zu berücksichtigen.
Marketing
Abb. 3.4 Marketing-Zielsystem
3.4 Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems 175
cc Denkanstoß Prüfen Sie einmal, welche Trigger Sie von zwei Ihrer Lieblingsmarken
in den letzten Monaten erhalten haben. Mit welchen Aktivitäten haben Sie darauf
jeweils reagiert?
Flyer E-Mails/E-Newsletter
Kataloge Website/Online-Shop
Anzeigen White Paper
Bekanntheit Online-Banner How-to-Videos
(Awareness Stage) TV-/Radio-Spots Webinare, Podcasts
Coupons Blog-Posts
Influencer …
Kundenbewertungen/ Website/Online-Shop/Chat
Kundenreviews, Testimonials Gespräche mit Freunden
Abwägung Demo-Videos, Webinare FAQ-Seiten, Kataloge, Flyer
Social-Media-Auftritte
(Consideration Stage) Virtuelle/reale Ladenbesuche
Samples
Preisvergleichsseiten
Kunden-Foren, Podcasts …
Abb. 3.5 Trigger für und Aktivitäten der Nutzer im Conversion Funnel
176 3 Marketing-Ziel
%
100
90
- 27 %
80
70
- 22 %
60
- 27 %
50
40
- 46 %
30
- 41 %
20 - 25 %
-9%
10 - 48 %
- 73 %
0
Gesamt Aided Unaided Kauf- Kauf- Nach- Erst- Nutzung Nach- Em-
Recall Recall interesse bereit- frage kauf kauf pfehlung
schaft
Stand der „Überzeugung“ einer Einzelperson, der Zielgruppe insgesamt wie auch des
Gesamtmarktes gegenüber einem bestimmten Angebot wird durch die Markenwert-
schöpfungskette ausgedrückt.
Die Markenwertschöpfungskette definiert sich über die KPIs in den einzelnen Phasen.
Diese KPIs messen jeweils die Effektivität der Maßnahmen vorgelagerter Prozessstufen.
Das übergeordnete Ziel liegt hier darin, möglichst viele Personen von einer Stufe der
Wertschöpfungskette zur nächsten zu entwickeln. Die Markenwertschöpfungskette in
Abb. 3.6 zeigt, wie viel Prozent der relevanten Zielgruppe von einer Stufe zur anderen
verloren gehen. Dort ist zu sehen, dass das betreffende Angebot 27 % der Zielgruppe
(entspricht 100 %) bei einer gestützten Befragung (auch „aided recall“) nicht bekannt ist.
Außerdem zeigt Abb. 3.6, dass von den Nutzern des betreffenden Angebotes 48 % keinen
Wiederkauf tätigen. Die entsprechenden Informationen können über verschiedene Markt-
studien ermittelt werden (vgl. Abschn. 2.2.4).
Eine Bewertung der Effizienz von eingesetzten Marketing-Maßnahmen wird möglich,
wenn die Zielerreichung in Relation
ermittelt wird. Eine solche Analyse zeigt auf, wie wirtschaftlich der Einsatz der ver-
schiedenen Marketing-Instrumente war.
Jede Maßnahme entlang der Markenwertschöpfungskette zahlt auf das Image des
Unternehmens oder der beworbenen Leistung ein – positiv wie negativ. Die Zielsetzung
aller Marketing-Maßnahmen ist es, bei den Angehörigen der Zielgruppe ein möglichst
positives Image aufzubauen. Ein negativer Imageaufbau bei Nicht-Zielgruppen-An-
gehörigen kann bzw. muss akzeptiert werden und ist z. T. Ausdruck der erwünschten
Differenzierungsleistung im Wettbewerberumfeld.
Wer nicht „everybody’s darling“ werden will, muss durch seine Ansprache auch be-
stimmte Personen ausgrenzen. Idealerweise sollten dies aber keine Personen aus der eige-
nen Zielgruppe sein. Diese Abgrenzungsfunktion wird am Beispiel von Fisherman’s
Friend deutlich. Mit dem Slogan „Sind sie zu stark, bist du zu schwach“ präsentiert man
sich mit „Ecken und Kanten“ und „verstört“ ganz bewusst und gewollt bestimmte Kunden-
segmente, um sich deutlich zu positionieren.
Das Image ist eine zentrale „erklärende“ Variable für den Abschmelzungsprozess
bzw. den Verlust von Personen entlang der Wertschöpfungskette. Im Zuge des Fort-
schreitens in der Markenwertschöpfungskette wird das Image – im positiven wie im nega-
178 3 Marketing-Ziel
tiven Bereich – immer differenzierter und kann damit „erklären“, warum Personen sich zu
einem Angebot hingezogen oder davon abgestoßen fühlen. Die Imageposition verfestigt
und konkretisiert sich immer weiter. Deshalb zeigen Personen teilweise ein immer stärke-
res Interesse an einem Angebot. Oder aber sie verlieren das Interesse und bauen u. U. Ag-
gression und Ablehnung auf und wenden sich anderen Angeboten zu. Beide Wirkungen
können durch die gleiche TV-Werbung von Mercedes-Benz mit dem Slogan „Das Beste
oder nichts“ hervorgerufen werden.
Bei einer weiteren Analyse der Wertschöpfungskette wird deutlich, dass es im Laufe
der einzelnen Phasen zu einem Wechsel von der virtuellen zur konkreten Auseinander-
setzung mit dem Angebot kommt. Am Anfang steht die Awareness. Hier geht es zunächst
um die Wahrnehmung der von außen kommenden Informationen – online wie offline. Erst
zu einem späteren Zeitpunkt kommt es zur Experience i. S. einer konkreten Erfahrung mit
dem Angebot (vgl. Abb. 3.7).
In den ersten Phasen der Awareness in Abb. 3.7 dominieren visuell und auditiv ver-
mittelte Reize. Diese können durch Anzeigen, Radio- und TV-Spots, über Online-Banner,
durch Posts in den sozialen Medien wie auch über Mailings und E-Mails vermittelt wer-
den. Hierzu zählen die folgenden Inhalte:
Awareness Experience
Gesamt Aided Unaided Kauf- Kauf- Nach- Erst- Nutzung Nach- Em-
Recall Recall interesse bereit- frage kauf kauf pfehlung
schaft
Eine konkrete Begegnung mit dem Angebot selbst wird seitens der potenziellen Kun-
den in den ersten Phasen nicht bewusst gesucht. Erst das Kaufinteresse lenkt den Fokus
des potenziellen Kunden auf die konkrete Begegnung mit dem Produkt oder der Dienst-
leistung. Auch eine „körperliche“ Begegnung mit dem Angebot – bspw. im Supermarkt
oder bei Zara – kann Kaufinteresse auslösen. In dieser Experience-Phase können weitere
sinnliche Eindrücke vermittelt werden. Hierzu können vom Anbieter gustatorische
(geschmackliche), olfaktorische (geruchliche) oder haptische (zu ertastende) Reize ein-
gesetzt werden (vgl. Abb. 3.7).
Im Online-Zeitalter haben sich einige Facetten des klassischen Kaufprozesses ver-
schoben. Bisher wurde in der Marketing-Forschung nach dem Stimulus im Zuge des
Kaufentscheidungsprozesses nur zwischen dem First und dem Second Moment of Truth
unterschieden. Der First Moment of Truth (FMOT) bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem
ein potenzieller Käufer ein Produkt oder eine Dienstleistung zum ersten Mal (körperlich)
in Augenschein nehmen kann. Hier treffen die durch Werbung etc. aufgebauten Er-
wartungen auf die „harte Realität“ des Produktes oder der Dienstleistung.
Der Second Moment of Truth (SMOT) bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem der Käufer
ein Produkt oder eine Dienstleistung tatsächlich nutzt. Hier kontrastieren wiederum die
durch Werbung sowie durch die erste Inaugenscheinnahme aufgebauten Erwartungen mit
den tatsächlichen Leistungen und Erfahrungen der Produktnutzung bzw. der Inanspruch-
nahme der Dienstleistung.
Vom „Moment der Wahrheit“ wird gesprochen, weil sich in diesen beiden „Momen-
ten“ zeigt, ob insb. die durch die Werbung, die Angebotspräsentation sowie ggf. die durch
die Beratung am POS geschaffenen Erwartungen tatsächlich auch erfüllt werden.
Zum First und Second Moment of Truth ist im Online-Zeitalter der Zero Moment of
Truth (ZMOT) hinzugekommen (vgl. Abb. 3.8; vgl. Lecinski, 2011). Hiermit ist der – den
beiden anderen „Momenten“ vorgelagerte – Online-Zugriff auf eine nahezu unüberschau-
bare Vielzahl von Informationen Dritter gemeint. Einen Teil des sogenannten User-
generated Contents stellen Inhalte anderer Personen dar, die über ihre Erfahrungen vor,
während und nach Kauf und Nutzung berichten. Die Informationen aus Blogs, C ommunitys,
Kommentaren bei Facebook, HolidayCheck, TripAdvisor, Yelp oder über Twitter ermög-
lichen einem Kaufinteressenten eine „Selbstbedienung in fremder Erfahrung“.
180 3 Marketing-Ziel
cc Merk-Box Der Kern des ZMOT ist die „Selbstbedienung in fremder Erfahrung“.
Durch den ZMOT werden eigene mögliche Erfahrungen durch den Zugriff auf Be-
richte, Fotos und Videos häufig von unbekannten Dritten „antizipiert“. Noch bevor der
potenzielle Käufer sich eigene Eindrücke vom Zielobjekt verschafft, kann dieser eine Viel-
zahl von Informationen anderer Personen erhalten. Deren Berichte und Bewertungen kön-
nen sich auf die Pre-Sales-, Sales-, Post-Sales- und Usage-Phase beziehen.
Dieser ZMOT zwingt Unternehmen dazu, sich intensiv auch mit den Informationen zu
beschäftigen, die potenzielle Kunden in der ZMOT-Phase finden können. Hierzu zählen
vor allem die schon angesprochenen Kundenbewertungen und -kommentare. Diese Art
der Kommunikation durch die eigenen Kunden ist nicht zu unterbinden. Allerdings sind
die Unternehmen selbst aufgerufen, dieses Kunden-Feedback durch ein Web-Monitoring
zu erfassen (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021b, S. 87–90). Außerdem sollten sich die Unter-
nehmen darum bemühen, zufriedene Kunden zur Abgabe von positiven Bewertungen zu
motivieren (vgl. vertiefend zum Rating- und Review-Management Kilian & Kreut-
zer, 2022).
Abb. 3.9 zeigt, wie sich eine Markenidentität insgesamt aufbaut und wie ein Marken-
image entsteht. Die Markenidentität stellt das „Selbstbild der internen Zielgruppe“ dar.
Es beschreibt, wie die Marke aus der Perspektive der für den Markenaufbau verantwort-
lichen Mitarbeiter eines Unternehmens aussehen soll. Orientiert an den eigenen Kompe-
tenzen (Was können wir?), den Werten (Woran glauben wir?), der Persönlichkeit (Wie
treten wir auf?) und der Vision (Wohin wollen wir?) werden die Leistungen definiert
(Was tun wir?). Hier kommt der Aussage „Zukunft braucht Vergangenheit“ eine wichtige
Rolle zu. Die Herkunft (Woher kommen wir?) stellt deshalb die Basis aller Ent-
scheidungen dar. Das so definierte Selbstbild der Marke wird anschließend über die 5Ps
des Marketings in den Markt hinein übermittelt.
3.4 Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems 181
Vision
Markenerwartungen
Wohin wollen wir?
User-generated
Product Content
Persönlichkeit Symbolische
Wie treten wir auf? Price Nutzenassoziationen
Markenattribute
Was tun wir?
Leistungen
(„Sinn“) der Marke
Werte User Brand
Promotion
Woran glauben wir? Experience
Funktionale
Kompetenzen Place Nutzenassoziationen
Was können wir? der Marke
Interaktionen Dritter
People
mit der Marke
Herkunft
Markenbekanntheit
Woher kommen wir?
Abb. 3.9 Markenidentität und Markenimage. (Quelle: Inspiriert durch Burmann et al. 2018, S. 15)
Im Zuge des Aufbaus einer Marke-Kunden-Beziehung entsteht bei den externen Ziel-
gruppen (hier insb. den Kunden, aber auch bei anderen Stakeholdern) ein durch viele Fa-
cetten beeinflusstes Markenimage. Dieses stellt das „Fremdbild der externen Zielgruppe“
dar. Die Voraussetzung für den Aufbau eines Markenimages stellt die Markenbekannt-
heit dar. Über die Kommunikation werden Markenattribute als funktionale und symbo-
lische Nutzenassoziationen der Marke vermittelt. Alle diese Elemente schlagen sich in
den Markenerwartungen der externen Zielgruppen nieder (vgl. Abb. 3.9).
Bei der Markenführung im digitalen Zeitalter (vgl. vertiefend Kilian & Kreutzer,
2022) müssen weitere Aspekte berücksichtigt werden. Nach wie vor steht allerdings die
Brand Experience des Kunden im First und Second Moment of Truth im Mittelpunkt
(vgl. Abb. 3.9). Diese Brand Experience wird allerdings auch geprägt durch die Inter-
aktionen Dritter mit einer Marke. Andere Personen können über analoge, vor allem
aber über digitale Kanäle ihre Erfahrungen verbreiten. Diese ergänzen die Brand Expe-
rience des Kunden.
Zusätzlich bieten die digitalen Medien den Stakeholdern – und hier insb. den Kunden –
Plattformen für eine eigene markenbezogene Kommunikation. Hier können Menschen –
unabhängig vom Unternehmen – eigene Inhalte entwickeln und verbreiten. Dieser
User-generated Content umfasst Kommentare und Bewertungen auf den entsprechenden
Plattformen (bspw. Yelp, HolidayCheck, TripAdvisor). Zu diesen nutzergenerierten Inhal-
ten gehören auch anspruchsvollere Kreationen auf Instagram, Pinterest, TikTok und You-
Tube. Auch die Aktivitäten in (kundeneigenen) Blogs oder Communitys zählen hierzu.
Abb. 3.9 verdeutlicht diese Entwicklung. Diese ganzen Inhalte speisen nicht nur den in
Abb. 3.8 ausgewiesenen Zero Moment of Truth, sondern begleiten auch die ganze Brand
Experience insgesamt.
Markennutzen
Was biete ich an?
Funktionaler Nutzen
Psychosozialer Nutzen
Welche Eigenschaften
Markenattribute
Markenbild
Wie trete ich auf?
Zum Aufbau der Markenidentität kann eine Orientierung an dem in Abb. 3.10 prä-
sentierten Marken-Steuerrad erfolgen. Orientiert an der eigenen Markenkompetenz
(Wer bin ich?), die die in Abb. 3.9 aufgeworfenen Fragen aufgreift, erfolgt jetzt eine Kon-
kretisierung der Marke im Hinblick auf
• Markennutzen,
• Markentonalität,
• Markenbild und
• Markenattribute.
Available Set
scheidet sich die Person für eine Alternative, die nachgefragt wird (First Choice). Die
anderen Möglichkeiten landen dagegen auf den Plätzen 2, 3 und folgenden (Second,
Third … Choice).
Beim geplanten Kauf eines Cabriolets verfügt eine Person bspw. über das Wissen,
dass Cabrios von Audi, BMW, Mercedes, Peugeot, Porsche, SEAT und Volkswagen an-
geboten werden (Awareness Set). Keine Informationen hat die Person darüber, dass bspw.
auch Bentley, Rolls-Royce und Lexus Cabrios anbieten (Unawareness Set). Das Awaren-
ess Set umfasst sowohl die zurückgewiesenen Angebote im Rejected Set (hier bspw.
BMW, Mercedes, Peugeot, Porsche, SEAT) als auch die für gut befundenen Alternativen
des Accepted Sets (hier Audi Cabrio A3, A5, A7, Volkswagen Golf).
Unter Umständen werden aus dem Accepted Set bestimmte Angebote im Hold Set
zurückgestellt (etwa A7), weil die Kaufkraft fehlt. Zum Relevant Set bzw. zum Evoked
Set gehören hier bspw. Audi Cabrio A3, A5 sowie das Golf Cabrio. In diesem Beispiel
entscheidet sich die Person für das Audi Cabrio A5, das als First Choice nachgefragt wird.
Die anderen in die engere Wahl genommenen Möglichkeiten landen auf den Plätzen 2, 3
und folgende (hier Audi Cabrio A3, Volkswagen Golf).
cc Denkanstoß Erstellen Sie für sich doch einmal ein Awareness Set am Beispiel
Smartphone und Streaming-Dienstleister.
Mars oder Müller Milchreis) konkretisiert hat. Die entsprechenden Marken gehören
damit zum Relevant Set der Zielperson, wenn es um die Befriedigung eines bestimmten
Bedürfnisses geht. Wenn eine Marke diese Position erreicht hat, waren viele der vor-
gelagerten Marketing-Aktivitäten erfolgreich. Schließlich ist es dadurch gelungen, bei
der Zielperson eine Relevanz für das eigene Angebot aufzubauen. Diese Relevanz kann
sich auf die folgenden Bereiche beziehen, die in Summe den erwarteten Kundennutzen
ausmachen:
• Lösungskompetenz
• Image
• Preis-Leistungs-Relation
Das Ausmaß der erreichten Relevanz für die Zielperson hängt in hohem Maße davon
ab, ob eine Differenzierung des eigenen Angebotes im Wettbewerberumfeld gelingt. Es
geht um das Erreichen einer Unique Selling Proposition/Unique Selling Point (USP).
Wenn eine USP vorliegt, dann unterscheidet sich die eigene Leistung deutlich vom Wett-
bewerber. Die Voraussetzungen einer USP sind:
• Unique
Das Nutzenversprechen muss in den Augen der Zielperson entweder als einmalig oder
im Vergleich zu anderen Alternativen zumindest als überlegen angesehen werden.
• Selling
Das Nutzenversprechen muss für die Zielperson wichtig sein, damit dieses Versprechen
bei der Kaufentscheidung berücksichtigt wird.
• Proposition
Das Produkt bzw. die Dienstleistung muss das Nutzenversprechen auch tatsächlich
erfüllen.
Einer USP liegen damit reale, gleichsam beweisbare Sachverhalte zugrunde, die
Unternehmen teilweise geheim halten. Hierzu gehört etwa die Rezeptur von Coca-Cola
und Underberg oder das Originalrezept einer Soße bei Kentucky Fried Chicken. Andere
Unternehmen beantragen einen Patentschutz (etwa in der Pharma-Branche, im
Maschinenbau oder in der Elektrotechnik), um sich längerfristig einen Wettbewerbsvorteil
zu sichern. So hat Amazon bereits im Jahr 1999 das Patent für die 1-Click-Zahlung er-
worben und kann diese exklusiv einsetzen.
Von einem USP abzugrenzen ist die Unique Advertising Proposition/Unique Selling
Point (UAP). Hier wird die Alleinstellung der Marke allein durch den werblichen Auftritt
des Unternehmens angestrebt. Konkret bedeutet dies, dass eine Differenzierung weniger
im Angebot selbst liegt. Die Differenzierung wird durch eine werblich aufgebaute Positio-
nierung erzielt. Dann können – selbst bei mehr oder weniger identischen Produkten –
deutlich unterschiedliche Preisstrategien eingesetzt werden. Ein Blick auf die Preis-
setzung von Poloshirts aus reiner Baumwolle zeigt dies:
186 3 Marketing-Ziel
Auch wenn die Anbieter dies anders sehen mögen: Die Preisunterschiede sind hier
nicht auf signifikante Qualitätsunterschiede zurückzuführen. Häufig werden die Kleidungs-
stücke sogar in den gleichen Fabriken gefertigt. Die Differenzierung der Angebote erfolgt
hier über eine UAP – konkret durch die Entwicklung von starken Marken.
Eine solche UAP liegt auch der Positionierung von Red Bull mit dem Slogan „Red
Bull verleiht Flügel“ zugrunde. Allerdings kann die Marke dieses Versprechen nicht wirk-
lich einlösen. Weil hier ein werbliches Versprechen nicht eingelöst werden konnte, wurde
das Unternehmen in den USA wegen irreführender Werbung verklagt. Um eine Massen-
klage zu vermeiden, bezahlte Red Bull im Jahr 2014 13 Millionen US-$. Jeder, der zwi-
schen 2002 und 2014 eine Dose Red Bull gekauft hat, soll zehn US-$ Entschädigung be-
antragen können (vgl. o. V. 9.10., 2014).
Ein Kaufinteresse kann in der Experience-Phase vor allem durch eine haptische, ol-
faktorische und/oder gustatorische Begegnung mit dem Angebot erreicht bzw. ausgebaut
werden (zur multisensualen Markenführung vgl. Abschn. 5.4). Der Anstoß hierzu kann
durch Sampling ausgelöst werden. Sampling bezeichnet eine kostenlose Verteilung von
Produkten oder Produktproben, um eine direkte Beschäftigung mit dem Angebot
auszulösen.
Beim Sampling lautet das Motto:
„Wenn der Kunde nicht zum Produkt kommt, kommt das Produkt zum Kunden.“
Samples werden in vielen Geschäften präsentiert, vor allem in Parfümerien, aber auch
in Lebensmittelgeschäften. Parfum- oder Creme-Muster finden sich in Anzeigen von
Publikumszeitschriften. Teilweise findet auch Hausverteilung von Probepackungen (etwa
eines neuen Orangensafts) statt, um die Aufmerksamkeit von Haushalten zu wecken. Viel-
fach werden auch kostenlos Zeitschriften und Zeitungen an interessante Zielpersonen ver-
sendet. Die Zustellung dieser Printprodukte ist dann mit der Aufforderung versehen, das
Produkt zu testen und idealerweise auch gleich zu abonnieren (vgl. weiterführend Kreut-
zer, 2021a, S. 188–195).
Relevant Set der ins Auge gefassten Alternativen ein Angebot zur First Choice geworden
(vgl. Abb. 3.11). In dieser Phase dominieren damit die Kriterien: Produkt der „ersten
Wahl“, Höhe der Kaufwahrscheinlichkeit und die Preisbereitschaft. Die Preisbereitschaft
kennzeichnet den Willen, für den Erwerb des Angebotes einen bestimmten Preis zu
bezahlen.
In dieser Phase ist es besonders wichtig, konsonante Informationen über das Angebot
zu finden. „Konsonant“ bedeutet hier „übereinstimmend“. Konsonant sind Informationen
folglich dann, wenn diese eine Bewertung durch den potenziellen Käufer bestätigen. Hier
wirken in hohem Maße auch die Informationen, die im Zuge des Zero Moment of Truth
(vgl. Abb. 3.8) gewonnen werden. Zu diesen Informationen zählen bspw. folgende Aus-
prägungen:
Die Kaufbereitschaft wird schließlich auch in hohem Maße dadurch beeinflusst, ob der
Zielperson die möglichen Bezugsquellen (online oder offline) bekannt bzw. ob diese leicht
festzustellen sind. Da immer mehr stationäre Einkäufe online vorbereitet werden, ist eine
Online-Auffindbarkeit der stationären Geschäfte unverzichtbar.
Gesamt Aided Unaided Kauf- Kauf- Nach- Erst- Nutzung Nach- Em-
Recall Recall interesse bereit- frage kauf kauf pfehlung
schaft
Aktivitäts- und Passivitätsgrad im
Zeitablauf
Bereich der Aktivität
Bereich der Inaktivität
Abb. 3.12 Abbau von „Passivität“ zugunsten von „Aktivität“ entlang der Markenwert-
schöpfungskette
lich bringt nicht jeder, bei dem bspw. ein Tesla Model 3 oder eine Uhr von Lange & Söhne
„First Choice“ ist, auch die notwendige Kaufkraft auf.
In der Nachfrage-Phase ist das Engagement des Suchenden – im Vergleich zu den
vorangegangenen Prozessstufen – meist am stärksten ausgeprägt. Hier bemüht sich der
potenzielle Käufer konkret darum, ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienst-
leistung zu kaufen (vgl. Abb. 3.12).
In der Nachfragephase kommt es zu dem schon angesprochenen First Moment of
Truth. Hier treffen die in der Awareness-Phase aufgebauten Erwartungshaltungen und die
Online- bzw. Offline-Realität aufeinander. Das möglicherweise entstehende Delta, d. h.
die Abweichung zwischen den Erwartungshaltungen einerseits und dem Einkaufserlebnis
andererseits, beeinflusst den gesamten weiteren Prozess.
Zum Abbruch des Prozesses kann es kommen, wenn das Produkt nicht in der ge-
wünschten Variante und/oder Menge vorrätig ist. In der Offline-Welt kann es zum Ab-
bruch des Kaufprozesses kommen, wenn Mitarbeiter im Verkauf die Produktvorteile nicht
kennen oder das vom Kunden erwartete Servicelevel nicht erbracht wird. In der Online-
Welt kann ein aufwendiger Einkaufsvorgang, hohe Versandkosten und/oder das Fehlen
präferierter Zahlungswege zum Abbruch führen.
In der Nachfragephase können die folgenden KPIs zur Erfassung der Zielerreichung
herangezogen werden:
• Gewählter Kanal (online, bspw. im E-Shop oder offline per Bestellung aus einem Ka-
talog oder durch den Besuch eines stationären Geschäftes)
• Genutzte Bezugsquelle (u. a. Discounter, Supermarkt, Warenhaus)
• Wahrgenommene Produktqualität (auf Basis von Anmutung, Haptik)
• Wahrgenommene Preispositionierung
3.4 Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems 189
• Nachgefragte Menge
• Wahrgenommene Qualifikation und Serviceorientierung des Verkaufspersonals
• Emotionale Stimmigkeit zwischen (Marken-)Botschaften und der POS-Realität
• Image des Ladengeschäfts bzw. des Online-POS
Aufgrund des Wechsels von der Awareness- zur Experience-Phase fließen hier andere
Kriterien zur Erfolgsmessung ein. Entscheidend ist immer, was der Kunde wahrnimmt.
Dies kann sich von der „Realität“ aus Sicht eines Anbieters deutlich unterscheiden.
Häufig ist es ein zentrales Ziel in dieser Phase, die Kontakt- und Profildaten des
Kunden zu erfassen. Diese gilt es in eine Kundendatenbank aufzunehmen, um weitere
Dialogschritte einzuleiten. Dies kann folgende Schritte umfassen (vgl. vertiefend zum
Customer-Relationship-Management Kreutzer, 2021a):
Bei der Erhebung von Kontakt- und Profildaten muss deutlich herausgestellt wer-
den, wie das Unternehmen diese nutzen möchte. Hier ist zwischen einer Verwendung nur
für Marktforschung, für Werbung, zur Ermittlung von Kundenwertigkeiten und/oder auch
zur Weitergabe an Dritte zu unterscheiden. Diese Einsatzfelder sind dem Kunden mitzu-
teilen. Vielfach ist für eine solche Datennutzung eine Einwilligung des Kunden erforder-
lich. Diese Einwilligung wird auch Permission genannt (vgl. vertiefend Abschn. 5.4.3.5).
Unternehmen können verschiedene Konzepte zur Gewinnung von Kontakt- und
Profildaten einsetzen (vgl. vertiefend Abschn. 5.4.5.2):
• Gewinnspielkarten am POS
• On-Pack-Karten
Diese Karten werden direkt am Produkt befestigte. Hiermit wird der Kunde auf-
gefordert, seine Adresse mitzuteilen. Der Anreiz hierzu kann in der Teilnahme an einem
Gewinnspiel oder im Erhalt weiterer Informationen vom Hersteller liegen.
• Online-Gewinnspiele
• Einladungen zum Abonnement eines Newsletters
Hierzu wird sehr häufig beim Besuch auf Websites der Anbieter aufgerufen.
• Qualifizierungsfragebögen
Durch Fragebögen werden weitere Informationen über Kunden gewonnen. Diese
Fragebögen können online und offline eingesetzt werden.
• Kundenkarten
Ein Antrag zum Erhalt einer Kundenkarte fragt häufig wichtige Informationen ab. Das
ist bspw. bei den Kartenkonzepten von Payback, BSW, Esprit, Douglas der Fall.
Welche Informationen über Kunden erhoben werden, hängt von der angestrebten
Dialogintensität ab. Wird eine umfassende, ganzheitliche, einzelkundenorientierte Be-
treuung angestrebt, sind viele Informationen zu gewinnen. Diese ermöglichen ein
leistungsstarkes Customer-Relationship-Management (CRM; vgl. Abschn. 4.2.2.3; ver-
tiefend Kreutzer, 2021a).
wichtig zu erfahren, ob bzw. warum ein Produkt genutzt wird – oder eben nicht. Eine
Nicht-Nutzung kann bspw. auf eine schlechte Beratung durch das Verkaufspersonal oder
auf eine – aus Sicht des Kunden – irreführende Werbung zurückzuführen sein. In diesem
Fall kann die Nicht-Nutzung nicht nur zur Abwanderung vom Produkt, sondern auch vom
entsprechenden Anbieter (hier des Händlers) führen. Außerdem können Kunden über ihre
schlechten Erfahrungen in den sozialen Medien berichten. Diese Berichte werden von
potenziellen Kunden ggf. im ZMOT gelesen.
cc Merk-Box Jedes Unternehmen sollte ein Interesse daran haben, dass die Kun-
den ein positives Nutzungserlebnis erzielen.
The experience is the product!
Bei der Nutzung treffen die Erwartungshaltungen, die in der Awareness-Phase auf-
gebaut wurden, auf die Realität. Dies ist der Second Moment of Truth. Die möglicher-
weise auftretenden Diskrepanzen steuern den weiteren Nutzungs-, Nachkauf- und
Empfehlungsprozess. Hier stellen sich mehrere Fragen:
• Wie erlebt der Kunde die Nutzung bzw. den Ge- und Verbrauch des Produktes bzw. der
Dienstleistung?
• Werden dem Kunden die in Aussicht gestellten Serviceleistungen angeboten?
• Ist eine Hilfestellung im Ernstfall auch tatsächlich verfügbar?
• Anteil der Personen, die das Produkt nach dem Kauf nutzen (Nutzer- vs. Sleeper-Quote,
etwa bei Büchern, Schuhen, Kleidung)
• Anteil der Personen, die eine Dienstleistung nach dem Erwerb in Anspruch nehmen
(bspw. in einem Fitness-Studio)
• Gebrauchsintensität
• Ort des Gebrauchs
• Wahrgenommene Produkt- und Servicequalität im Einsatz
• Störfallquote
• Anteil reklamierender Kunden an der Gesamtzahl der Kunden
• Zufriedenheit mit dem Produkt/der Dienstleistung
• Ausmaß der Erfüllung von Kundenerwartungen
Basisgewinn
Akquisitionskosten
1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr n. Jahr
Gewinnungs-
periode
Unternehmens bzw. der Qualität eines Angebotes überzeugt werden. Das anbietende
Unternehmen kann vielmehr auf entsprechendem Vorwissen aufbauen.
cc Merk-Box Es gilt als Faustregel, dass es sieben- bis neunmal teurer ist, einen
neuen Kunden zu akquirieren, als einen bestehenden zu halten und zum
Wiederkauf zu motivieren.
Kunden-
bindung Konstrukt
Weitere Weiter-
Wieder- Preiser-
Weiter- Kauf- empfeh-
Kauf- kauf höhungs-
empfeh- absicht lungs- Faktoren
verhalten absicht akzeptanz
lungen (Cross/ absicht
(More Sell)
Up Sell)
Abb. 3.14 Operationalisierung der Kundenbindung. (Quelle: In Anlehnung an Homburg & Kroh-
mer, 2003, S. 99)
Wahrgenommene
Vergleichsstandard
Leistung
(Leistung)
(Ist-Leistung)
Vergleichsprozess
Wird das erwartete Soll nicht erreicht, so entsteht durch diese negative Diskonfirmation
(i. S. einer Nicht-Bestätigung) Unzufriedenheit. Bei einer Deckungsgleichheit von er-
warteter und wahrgenommener Leistung liegt eine Konfirmation (i. S. einer Bestätigung)
vor. Hier stellt sich Zufriedenheit ein. Bei einer positiven Diskonfirmation wird sich
beim Kunden Begeisterung einstellen. Schließlich liegt hier eine Soll-Übererfüllung vor.
Erst diese lässt relativ valide Aussagen hinsichtlich einer zu erwartenden Loyalität eines
Kunden zu (vgl. Homburg, 2020, S. 46 f.).
194 3 Marketing-Ziel
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Zusammenhänge wird deutlich, warum Unter-
nehmen gut beraten sind, folgende KPIs einzusetzen:
• Anzahl der Personen, die ein Produkt oder eine Dienstleistung erfolgreich weiter-
empfohlen haben
• Anzahl der gewonnenen Neukunden über Freundschaftswerbung nach Kanal
• Anteil dieser Freundschaftswerber an der Gesamtzahl der Kunden
• Umsätze, die durch Freundschaftswerbung erzielt wurden
In Abb. 3.16 sind zusammenfassend zentrale Faktoren aufgezeigt, die entlang der
Markenwertschöpfungskette motivieren und demotivieren können. Für jedes Unter-
nehmen ist herauszuarbeiten, an welchen Stellen möglicherweise Optimierungsbedarf
besteht. Dazu können unterschiedliche Marktforschungskonzepte beitragen, die in
Abschn. 2.2.4 präsentiert wurden.
Welche Bedeutung unterschiedlichen Leistungen eines Unternehmens bei der Er-
zielung von Kundenzufriedenheit zukommen kann, zeigt das sogenannte Kano-Modell
(vgl. Abb. 3.17). Kano untersuchte dazu die Beziehung zwischen der Erfüllung unter-
schiedlicher Kundenanforderungen und der Erzielung von Kundenzufriedenheit (vgl.
Berger et al., 1993). Hierbei zeigte sich, dass ein Teil der Kundenanforderungen keinen
3.4 Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems 195
Glaubwürdiges Meinungsführer
Sympathischer Überzeugendes
Testimonial nutzt gleiches Produkt
Influencer Testergebnis
Aktivierende Gutes Produkterleben
Ansprache Freunde loben Exzellenter
durch Sampling Produktwahl Service
Langsame
Werbung POS-Platzierung Enttäuschender
Website
schreckt ab entspricht nicht Erwartungen Produktgebrauch
Personal kann Produkt fehlt
Fragen nicht beantworten am POS Verkäufer empfiehlt
anderes Produkt
Kunde ist
zufrieden
Leistungsanforderungen
− artikuliert
− spezifisch
Begeisterungsanforderungen − messbar
− artikuliert
− spezifisch
− messbar
Anforderungen Anforderungen
nicht erfüllt Zeit erfüllt
Basisanforderungen
− implizit
− selbstverständlich
− nicht artikuliert
− offensichtlich
Kunde ist
unzufrieden
oder nur einen geringen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit hat (vgl. die untere
Kurve in Abb. 3.17).
Die Nichterfüllung dieser sogenannten Basisanforderungen führt zwar zu Un-
zufriedenheit. Eine Erfüllung der Basisanforderungen führt aber nicht zu Zufriedenheit
oder Begeisterung. Kunden setzen eine Erfüllung dieser Basisanforderungen folglich vo
raus. Dazu zählen bei Flugreisen bspw. die Sicherheit der Flugzeuge und dass man tat-
sächlich am gewünschten Zielort ankommt. Bei Büchern wird erwartet, dass sich die Blät-
ter beim mehrfachen Durcharbeiten eines Lehrbuchs nicht aus der Bindung lösen.
Leistungsanforderungen bewertet der Kunde nach dem Prinzip „je mehr, desto bes-
ser“. Ein Mehr an erfüllten Leistungsanforderungen steigert die Zufriedenheit (vgl. die
mittlere Linie in Abb. 3.17). Hierzu zählen bei Flugreisen bspw. eine höherwertige Ver-
kostung auch in der Economy-Class oder die Gratisauswahl von Zeitungen und Zeit-
schriften. Bei einem Lehrbuch kann dies eine Online-Plattform sein, auf der weitere wich-
tige Lehrinhalte bereitgestellt werden.
Erst die dritte Kategorie in Gestalt der Begeisterungsanforderungen kann beim Kun-
den Begeisterung auslösen. Der Grund ist ganz einfach: Hier werden Leistungen erbracht,
die nicht erwartet wurden (vgl. die obere Kurve in Abb. 3.17). Bei einem Lehrbuch könnte
die tagesaktuelle Bereitstellung von einschlägigen Artikeln, Videos, Fallstudien etc. zur
Begeisterung führen. Allerdings gilt für die Begeisterungsanforderungen: Werden diese
regelmäßig erbracht, werden daraus Leistungsanforderungen, die als selbstverständlich
angesehen werden.
Dies zwingt nicht nur Unternehmen zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der
eigenen Leistungen. Auch Wettbewerber können sich dazu gezwungen sehen, Be-
geisterungsanforderungen zu bedienen, wenn diese zu Leistungsanforderungen geworden
sind. Heute fühlen sich bspw. viele Online-Händler gezwungen, einen kostenlosen Ver-
sand und Rückversand anzubieten. Schließlich ist dieser Service – einst eine echte Be-
geisterungsanforderung – mittlerweile zu einer selbstverständlichen Leistungsanforderung
geworden.
cc Denkanstoß Prüfen Sie einmal, welche Leistungen Ihres Unternehmens für Sie
persönlich in welche Kategorie gehören. Was sind für Sie Basis-, Leistungs- und
Begeisterungsanforderungen Ihres Unternehmens?
In den letzten Jahren ist ein Planungs- und Steuerungsinstrument auf Unternehmensebene
stärker in den Mittelpunkt gerückt: die Balanced Scorecard (vgl. grundlegend Kaplan &
3.5 Einbettung der Marketing-Ziele in eine Balanced Scorecard 197
Norton, 2018; Müller & Wrobel, 2021, S. 74–79). Es handelt sich um die Zusammen-
führung verschiedener Sichtweisen und Schichten von Unternehmens- oder Bereichs-
zielen. Zusammen ergeben diese einen mehrdimensionalen Zielrahmen und damit das
Steuerungs-Cockpit eines Unternehmens.
Für eine solche Ausrichtung gibt es eine einfache Erklärung: Ein Unternehmen oder ein
Geschäftsbereich lässt sich auf oberster Leitungsebene nicht allein durch finanzielle Kenn-
zahlen führen. Die Balanced Scorecard visualisiert gleichzeitig, dass die Ziele ver-
schiedener Unternehmensbereiche in hohem Maße miteinander verzahnt sind. Deshalb
versucht die Balanced Scorecard bei der Leistungsbewertung mehrere strategische Pers-
pektiven zu berücksichtigen. Das Attribut „Balanced“ bringt zum Ausdruck, dass ein
Unternehmen nur dann langfristig erfolgreich sein wird, wenn es eine „ausgewogene“
Zielerreichung in den unterschiedlichen Leistungsbereichen sicherstellt.
Durch die Balanced Scorecard wurde die klassische Zielpyramide (vgl. Abb. 3.2) zu
einem Ziele-Cockpit weiterentwickelt. Hierdurch wird gleichzeitig dem Gedanken des
Stakeholder-Konzeptes Rechnung getragen. Das Unternehmen hat sein Gesamtziel erst
dann erreicht, wenn über alle in der Scorecard definierten Felder eine ausgewogene Ziel-
erreichung sichergestellt ist. Hierdurch wird eine Optimierung von Teilbereichen zu Las-
ten des Ganzen zumindest reduziert. Die Erreichung eines „ausbalancierten“ Ergebnisses
wird verstärkt, wenn die variablen Bestandteile der Vergütung breiter Mitarbeiterkreise –
und nicht nur des Top- und Middle-Managements – an die Erreichung der in der Scorecard
definierten Ziele gekoppelt werden.
Den Ausgangspunkt bei der Entwicklung einer Balanced Scorecard stellt die Vision,
die Mission und/oder der Purpose des Unternehmens dar. Hiervon werden in den in
Abb. 3.18 definierten vier Bereiche Ziele, Kennzahlen bzw. Vorgaben definiert. Diese
orientieren sich an den folgenden Fragen:
• Finanzperspektive
Wie wollen wir gegenüber unseren Teilhabern unsere finanziellen Erfolge doku-
mentieren?
• Kundenperspektive
Wie wollen wir messen, in welchem Ausmaß wir bei der Umsetzung unserer Vision die
Kunden überzeugen?
• Prozessperspektive
Wie wollen wir bei welchen Prozessen erfassen, ob diese effizient und effektiv sind?
• Mitarbeiterperspektive
Wie wollen wir ermitteln, ob wir unsere Führungskräfte und Mitarbeiter von unserer
Vision überzeugen und ob diese tatkräftig bei deren Umsetzung mitwirken?
198 3 Marketing-Ziel
Finanzperspektive Kundenperspektive
Durch eine solche Balanced Scorecard können zentrale Unternehmensziele für ein Ge-
schäftsjahr definiert werden. Durch den Zielfindungsprozess bei einer Balanced Score-
card wird erreicht, dass mehrere unternehmensrelevante Sichtweisen gleichzeitig berück-
sichtigt werden. So kann bspw. geprüft werden, welche Auswirkungen besonders
anspruchsvolle finanzielle Ziele auf Kunden und Mitarbeiter haben werden. Quartalsweise
oder nach Ablauf des Geschäftsjahres kann basierend auf den hier definierten Zielen über-
prüft werden, welche Bereiche auf Kurs liegen und in welchen Feldern Handlungsbedarf
besteht.
Die innerhalb der Balanced Scorecard aufgezeigten unternehmerischen Teilziele sind
im Planungsprozess mit Maßnahmenprogrammen zu hinterlegen. Diese sollen eine Ziel-
erreichung unterstützen. Für jedes Teilziel ist regelmäßig zu überprüfen, ob das Unter-
nehmen dieses erreichen wird. Gegebenenfalls sind bereits im laufenden Geschäftsjahr
zusätzliche Maßnahmen einzuleiten, um eine Zielerreichung sicherzustellen. Aufgrund
der Dokumentation innerhalb einer Scorecard können mögliche Wechselwirkungen mit
anderen Zielen frühzeitig überprüft werden.
In einer lernenden Organisation werden sowohl bei einer Zielerreichung wie auch bei
einer Zielverfehlung die jeweiligen Ursachen identifiziert. Die hierbei gewonnenen Er-
kenntnisse sind im folgenden Planungsprozess zu berücksichtigen. Unter Umständen
waren Planungsprämissen unzutreffend. Oder die Wettbewerberaktivitäten wurden über-
oder unterbewertet. Gegebenenfalls wurden auch die Marktpotenziale falsch eingeschätzt.
Nur wenn die Erfolgs- und Misserfolgsursachen ermittelt und dokumentiert werden
und in neue Planungsprozesse einfließen, können von Planungsrunde zu Planungsrunde
die Ergebnisse verbessert werden. Hier kann von geschlossenen Wirkungskreisläufen
gesprochen werden, wie sie in Abb. 1.4 zum Ausdruck kommen.
3.5.2 Marketing-Scorecard
• Akquisitions-Fokus
Wie gut gelingt es uns in unterschiedlichen Kanälen und mit verschiedenen Aktionen,
Interessenten und Kunden für unser Unternehmen zu gewinnen? Welche Kosten sind
mit der Interessenten- und Kundengewinnung verbunden?
• Interessenten-Fokus
Wie erfolgreich sind wir, gewonnene Interessenten in Kunden zu verwandeln? Wie gut
funktionieren hier unsere Informationsangebote?
• Kunden-Fokus
Wie treu sind uns die gewonnenen Kunden? Welchen Wert generieren diese für unser
Unternehmen? Wie erfolgreich sind unsere Kunden als Freundschaftswerber unterwegs?
• Kündiger-Fokus
Wie leidet die Kundenbeziehung im Zeitablauf? Wie wirken unsere Maßnahmen, um
Kundenbeziehungen „lebendig“ zu halten? Wie früh bekommen wir mit, ob ein Kunde
inaktiv wird bzw. zu kündigen gedenkt?
Akquisitions-Fokus Kunden-Fokus
• Markenbekanntheit
• Markenimage (u. a. Vertrauen, Sympathie, Innovationskraft)
• Markenzufriedenheit
• Markenloyalität/Markenbindung
Insgesamt zeigt sich, dass der Einsatz der Balanced Scorecard zur Steuerung von
Unternehmen bzw. von einzelnen Funktionsbereichen erst auf dem Vormarsch ist. Ein
stärkerer Einsatz von solchen integrierten Planungs- und Steuerungselementen trägt
dazu bei, auf Unternehmensebene den ganzheitlichen Blick auf die relevanten Stakeholder
zu erlangen und auf funktionaler Ebene verschiedene Kriterien simultan im Blickfeld zu
haben. Dies kann bspw. im gesamten Marketing-Bereich oder auf der Ebene der Marken-
wertschöpfungskette gelingen. Dort werden alle relevanten Stufen von der Zielperson bis
zu Wiederholungskäufer und Markenempfehler systematisch durchleuchtet. In Summe
wird die ganzheitliche Performance-Orientierung im Unternehmen durch Planungs- und
Steuerungswerkzeuge wie die Balanced Scorecard untermauert.
18. Kennzeichnen Sie das Konzept der Balanced Scorecard. Welche Dimensionen wer-
den hier abgedeckt? Warum hat die Balanced Scorecard in den letzten Jahren an
Bedeutung gewonnen?
19. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen dem Konzept der Balanced Score-
card und dem Stakeholder-Ansatz?
20. Auf welchen Ebenen werden Scorecards heute eingesetzt? Warum ist eine Nutzung
auf verschiedenen Unternehmensebenen sinnvoll?
21. Welche Bereiche können in einer Marketing-Scorecard abgedeckt werden?
22. Welche Felder sollte eine Marken-Scorecard abdecken?
23. Worin sehen Sie die Vorteile von solchen Planungs- und Steuerungselementen?
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Marketing-Strategie
4
Lernziele
Fähigkeit,
• verschiedene Strategiekonzepte kritisch zu bewerten und einzusetzen
• die Ausgestaltung der wettbewerbsorientierten Strategien nachzuvollziehen
• kundenorientierte Strategien für verschiedene Unternehmen zu entwickeln
• unterschiedliche Konzepte der Marktsegmentierung zu erläutern und einzusetzen
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 203
R. T. Kreutzer, Praxisorientiertes Marketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35307-0_4
204 4 Marketing-Strategie
Laufzeit von mehreren Jahren. Strategien werden im Rahmen der strategischen Planung
erarbeitet und festgeschrieben (vgl. Kap. 2).
„Wenn Du den Feind kennst und Dich selbst, musst Du auch hundert Schlachten nicht
fürchten.
Wenn Du Dich selbst kennst, aber den Feind nicht, wirst Du für jeden Sieg auch eine
Niederlage einstecken.
Wenn Du weder den Feind kennst noch Dich selbst, wirst Du in jeder Schlacht unterliegen.“
Sun Tzu (2017)
Der Fixpunkt der wettbewerbsorientierten Strategien ist die Erzielung von komparativen
Wettbewerbsvorteilen. Hiermit ist die Erreichung einer Überlegenheit im Vergleich zu
Konkurrenzangeboten gemeint. Der Begriff „komparativ“ steht für „auf Vergleichen be-
ruhend“. Bei diesen komparativen Wettbewerbsvorteilen handelt es sich um
• wahrnehmbare,
• wichtige/relevante und
• dauerhafte
cc Merk-Box Die Nutzenvorteile sind jeweils aus der Perspektive der Kunden zu
definieren.
• Leistungsbestandteile, die der Kunde nicht sieht oder erkennen kann, generieren keinen
Nutzen. Dies gilt bspw. für hochwertige Inhaltsstoffe, die nicht deutlich deklariert wer-
den. Sie bleiben für den Kunden unsichtbar.
• Leistungsmerkmale, denen der Kunde keine Bedeutung beimisst, sind ebenfalls ir-
relevant. Sie schaffen keinen Nutzen.
• Angebotselemente, die vom Wettbewerb leicht kopiert werden können, stellen keine
tragfähige Grundlage dar, um darauf eine langfristig ausgerichtete Wettbewerbs-
strategie aufzubauen. Dies gilt bspw. für eine verlängerte Garantieleistung, die von
Konkurrenten schnell kopiert werden kann.
• Die Kostenführerschaft zielt darauf ab, einen Wettbewerbsvorteil durch eine über-
legene Kostenposition in Relation zu den Wettbewerbern aufzubauen. Der strategische
Vorteil ist ein entsprechender Kostenvorsprung, der durch niedrige Preise an die Kun-
den weitergegeben werden kann.
• Die Differenzierungsstrategie strebt danach, sich durch andere Leistungsmerkmale
vom Wettbewerber abzuheben. Hier gilt es, einen strategischen Vorteil durch Singulari-
tät (Einzigartigkeit) des Angebots aus Sicht des Käufers zu erreichen.
Nach Porter können diese beiden strategischen Ansätze auf einen breiten Zielmarkt
oder auf ein eng umgrenztes Marktsegment ausgerichtet sein. In Abhängigkeit dieses stra-
tegischen Zielobjektes erfolgt eine branchenweite oder eine fokussierte/konzentrierte
Marktbearbeitung (vgl. Abb. 4.1).
Branchenweit
Strategisches Zielobjekt Branchenweite Branchenweite
Differenzierung Kostenführerschaft
Strategischer Vorteil
Fall. Unternehmen wie ratiopharm, Hexal und Stada produzieren Medikamente erst
dann, wenn der Patentschutz für die forschenden Pharmaunternehmen abgelaufen ist.
Dann können die Generika-Hersteller die Medikamente „einfach“ nachbauen.
Die eingesparten Forschungsinvestitionen lassen sich im Markt als Preisvorteile an
den Kunden weitergegeben. So kosten 100 Schmerztablette von ASS ratiopharm 4,78 €
(500 mg). 80 Tabletten von Aspirin (Bayer) kosten dagegen 12,56 €.
• Effizientes Kostenmanagement
Ein besonders gutes Kostenmanagement kann ebenfalls zur Erreichung einer Kosten-
führerschaft beitragen. Dies kann durch niedrige Investitionen am POS sowie durch
eine Konzentration auf schnelldrehende Produkte erfolgen. Das ist der Kern des Ge-
schäftsmodells von Discountern wie Aldi und Lidl.
Im Flugverkehr wurde durch die Low-Cost-Carrier ein neues Marktmodell mit
dem No-Frills-Ansatz („No Frills“ bedeutet „kein Schnickschnack“) eingeführt. Wer
einmal mit Ryanair geflogen ist, hat gespürt, was damit gemeint ist.
Durch eine konsequente Beschränkung des Angebots auf Punkt-zu-Punkt-Flüge von
A nach B haben es Unternehmen wie Ryanair, easyJet und Eurowings geschafft, erfolg-
reich in die Domäne der klassischen Fluggesellschaften einzudringen (vgl. hierzu die
Wertkettenanalyse in Abschn. 2.2.1.4). Das Verkaufsargument ist – vor allem bei Ryan-
air – Preis, Preis und Preis!
• Vermeidung von marginalen Kunden
Unternehmen verzichten hier ganz gezielt auf die Betreuung von Kunden, deren Ge-
winnung und Bindung einen überdurchschnittlich hohen Aufwand bei gleichzeitig mi-
nimaler Wertschöpfung erfordert. Solche Kunden können u. U. einen negativen
Kundenwert für das Unternehmen aufweisen (vgl. vertiefend zum Kundenwert Kreut-
zer, 2021a, S. 28–43).
Um solche marginalen Kunden „abzuschrecken“ und bspw. kostenintensive Kleinst-
bestellungen zu vermeiden, haben viele Online-Shops Mindestbestellmengen eingeführt.
Teilweise bieten Versender eine portofreie Lieferung auch erst ab einem bestimmten Be-
stellvolumen an. Ebenso können pauschale Gebühren für Kunden eingeführt werden, die
bestimmte Mindestumsätze auf ihrem Giro-Konto nicht erreichen.
Unternehmen können einzelne oder mehrere der genannten Faktoren zur Erreichung
einer Kostenführerschaft anstreben. Das Kostensenkungspotenzial ist entlang der ge-
samten Wertkette des Unternehmens auszuloten (vgl. zur Wertkettenanalyse
Abschn. 2.2.1.4). Im Handel sind die Discounter Aldi und Lidl Beispiele für eine konse-
quente Umsetzung einer Strategie der Kostenführerschaft. Diese Unternehmen führen
in ihren Sortimenten nur sogenannte Schnelldreher. Dazu gehören bspw. Milch, Butter,
Brot, Marmelade und Honig. Von diesen Produkten finden sich jeweils nur wenige Varian-
ten im Sortiment. In Summe wird nur ein kleines Sortiment angeboten.
Hierzu heißt es bei Aldi Süd (2021): „Unser Basissortiment, das du in weiten Teilen
dauerhaft in unseren Filialen findest, besteht derzeit aus rund 1650 Produkten. Ergänzt
werden diese durch circa 130 Aktionsartikel pro Woche, die wir montags, donnerstags und
208 4 Marketing-Strategie
samstags verkaufen.“ Die Discounter verzichten auch auf fachlich qualifiziertes Verkaufs-
und Beratungspersonal. Eine aufwändige Ladengestaltung und teure Innenstadtlagen wer-
den ebenfalls vermieden. Die hierdurch erzielten Kostenvorteile werden konsequent an die
Kunden weitergegeben.
Das KaDeWe in Berlin dagegen beeindruckt durch Warenpräsentation, Beratungsquali-
tät und nicht zuletzt durch die große Angebotsbreite und Angebotstiefe. So sind ca. 3500
unterschiedliche Weine und Spirituosen verfügbar. Und an der Käsetheke sollen über 1000
verschiedene Sorten im Angebot sein … Hierdurch wird nachvollziehbar, warum das
KaDeWe keine Kostenführerschaft anstrebt!
Die Strategie der Kostenführerschaft wird auch von Unternehmen wie Fielmann
sowie von den Textil-Discountern KiK, Primark und Takko verfolgt. In dieses Segment
gehören auch die Ein-Euro-Shops sowie Anbieter wie Action, Mäc-Geiz, Rusta und TEDi.
In diesen Unternehmen werden die Kunden primär über die erzielten Preisvorteile an
einen Anbieter gebunden. Deshalb wechseln diese Kunden auch schnell, wenn ein anderes
Unternehmen ein noch besseres Preis-Leistungs-Verhältnis anbietet.
Im Gegensatz zur Strategie der Kostenführerschaft stehen bei der Differenzierungs-
strategie nicht die Kosten im Mittelpunkt. Zur Erreichung der gewünschten Differenzie-
rung können Unternehmen eine Vielzahl von Handlungsoptionen nutzen. Zu den wichtigs-
ten Ansätzen, um sich von den Wettbewerbern zu unterscheiden, gehören die folgenden
(vgl. Porter, 1999):
Gemäß Porter (1999, S. 66) schirmt eine so ausgerichtete Differenzierung gegen den
Wettbewerb ab. Die Kunden werden hier emotional an die Marke bzw. den Anbieter ge-
bunden. Hierdurch reagieren die Kunden auch weniger stark auf Preiserhöhungen. Des-
halb müssen die so agierenden Unternehmen auch nicht so strikt auf die Kosten achten.
Die erreichte „Einzigartigkeit“ des Angebotes baut gegenüber den Wettbewerbern auch
Markteintrittsbarrieren auf. Den Konkurrenten fällt es dann schwerer, Kunden abzu-
werben. Auch gegenüber Ersatzprodukten kann durch eine erfolgreiche Differenzierung
eine gewisse Immunisierung erreicht werden.
Nach Porter kann sowohl die Strategie der Kostenführerschaft wie auch die Strategie
der Differenzierung entweder auf den Gesamtmarkt ausgerichtet sein oder sich auf
Schwerpunkte (Nischen) konzentrieren. Diese Schwerpunkte können anhand der folgen-
den Kriterien definiert werden:
Beispiele für die Differenzierungsstrategie mit Fokus auf ein Kundensegment stellen
Weleda sowie die Dr. Hauschka Kosmetik der Wala Heilmittel GmbH dar. Diese
Unternehmen haben sich auf Naturkosmetik spezialisiert. Folglich decken diese Anbieter
nur einen kleinen Teil des Kosmetik-Gesamtmarktes ab.
210 4 Marketing-Strategie
Der Süßwarenhersteller HARIBO konzentriert sich mit seinem Angebot von Frucht-
gummi, Lakritz und Schaum ebenfalls nur auf einen Teil des Süßwarenmarktes. Auf einen
Einstieg mit eigenen Produkten in das größte Süßwarensegment – den Schokoladen-
Markt – hat das Unternehmen seit seiner Gründung im Jahr 1920 in Bonn bisher konse-
quent verzichtet.
Auch die Automobilhersteller Lamborghini, Bentley und Rolls-Royce fokussieren mit
der Fertigung von Sportwagen bzw. extrem hochwertigen Fahrzeugen ein kleines Markt-
segment. Sie versuchen nicht, unter der gleichen Marke auch Modelle für den Massen-
markt herzustellen.
In Deutschland haben viele Brauereien ihren Aktionsschwerpunkt auf ein lokales Ein-
zugsgebiet oder auf wenige Spezialitäten konzentriert. Sie scheuen den kostenintensiven
„Auftritt“ auf der nationalen Bühne gegen starke Marken wie Krombacher, Jever oder
König-Pilsner. Eine solche Konzentrationsstrategie folgt der Prämisse, dass die strategi-
schen Ziele des Unternehmens durch eine Konzentration auf Teilmärkte besser erreicht
werden können als bei einer Abdeckung des Gesamtmarktes.
Der skizzierte Strategieansatz von Porter wurde vielfach kritisch hinterfragt. Zum
einen ist darauf hinzuweisen, dass sich Differenzierung und Kostenführerschaft auf zwei
verschiedene Betrachtungsebenen beziehen: Bei der Kostenführerschaft liegt der Fokus
auf der Erreichung einer überlegenen Kostenposition. Bei der Differenzierungsstrategie
streben Unternehmen eine qualitative Abgrenzung von Konkurrenten an – in den Augen
der Kunden. Es werden folglich zwei unterschiedliche Perspektiven miteinander ver-
woben. Außerdem gilt: Eine Differenzierung des Leistungsangebots kann auch durch eine
überragende Kostenposition, übertragen in attraktive Preise, erreicht werden.
cc Merk-Box Die Verfolgung einer Strategie der Differenzierung und der Kosten-
führerschaft schließen sich nicht gegenseitig aus. Diese Strategien können
auch gleichzeitig umgesetzt werden.
Phase 2
Kosten-
führer
Strategischer Vorteil
Qualitäts-
führer
Qualitäts-
führerschaft
Qualitäts-
führer
Zeit
Überlegenheit des Angebotes zu erobern und die Marktposition anschließend über den
Aufbau einer Kostenführerschaft abzusichern. In diesem Fall wird von einer Outpacing-
Strategie bzw. einer Überholstrategie gesprochen (vgl. Abb. 4.2).
Im folgenden Abschn. 4.2.2 wird deutlich, dass der Porter-Ansatz sich komplett auch
in das Konzept der kundenorientierten Strategien von Becker (2019) integrieren lässt und
die vorhandenen Unschärfen dadurch überwunden werden können.
Der maßgeblich durch Becker (2019) geprägte Ansatz der kundenorientierten Strate-
gien stellt nicht die Wettbewerber, sondern die Kunden in den Mittelpunkt der strategi-
schen Konzeption. Es werden vier eng miteinander verwobene Entscheidungsebenen defi-
niert, auf denen das Unternehmen Entscheidungen bzgl. der angestrebten strategischen
Position treffen muss (vgl. Abb. 4.3).
Im Zuge der Marktfeldstrategie geht es um die Frage, „Was“ das Unternehmen
anbieten soll. Im Rahmen der Marktsegmentierungsstrategie wird als „Wer“ die
Zielgruppe der eigenen Aktivitäten festgelegt. Die Marktstimulierungsstrategie be-
stimmt, „Wie“ die Zielpersonen zum Kauf der eigenen Leistungen motiviert werden
sollen. Schließlich legt die Marktarealstrategie fest, „Wo“ das Unternehmen tätig
sein möchte.
212 4 Marketing-Strategie
Abb. 4.3 Kunden-
Marktfeld- Marktstimulierungs-
orientierte Strategie strategie strategie
„Was?“ „Wie?“
Kundenorientierte
Strategien
Marktsegmen- Marktareal-
tierungsstrategie strategie
„Wer“ „Wo?“
Produkte
bestehende neue
bestehende
Marktdurchdringungs- Produktentwicklungs-
strategie strategie
Märkte
neue
Marktentwicklungs- Diversifikations-
strategie strategie
4.2.2.1 Marktfeldstrategie
Die Grundlage der Diskussion über alternative Marktfeldstrategien stellt die von Ansoff
(1966) geprägte Produkt-Markt-Matrix (auch Ansoff-Matrix) dar (vgl. Abb. 4.4).
Orientiert an den Kriterien „Produkte“ und „Märkte“ mit den jeweiligen Ausprägungen
„bestehende“ und „neue“ können vier unterschiedliche Felder identifiziert werden, auf
denen sich ein Unternehmen bewegen kann. Im Kern geht es um die Frage, in welchen
Marktfeldern ein Unternehmen tätig sein möchte. Das Feld „bestehende Produkte und
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 213
bestehende Märkte“ stellt bei dieser Betrachtung den Ausgangspunkt dar. Die Pfeile kenn-
zeichnen die möglichen Entwicklungsrichtungen bei einer Expansionsstrategie.
Marktdurchdringungsstrategie
Eine Konzentration auf dieses Feld der Matrix hat das Ziel, den bereits bearbeiteten
Markt mit dem vorhandenen Produktprogramm noch stärker zu durchdringen bzw. zu
penetrieren (vgl. Abb. 4.4). Zur Erreichung dieses Vorhabens gibt es unterschiedliche An-
satzpunkte:
Unternehmen wie H&M, Inditex (Bershka, Massimo Dutti, Zara), KiK und Primark
inzwischen zunehmend kritisch bewertet.
Zur Erhöhung der Verwendungsrate kann auch eine Vergrößerung der Verkaufs-
einheiten beitragen. Durch größere Packungen soll über die verkaufte Menge des Pro-
duktes gleichzeitig der Konsum gesteigert werden. Hier ist an das 800-Gramm-Glas
von nutella oder die 1,5 kg Großpackung von Celebrations zu denken. Auch die Super-
Size-Menüs der Fastfood-Anbieter oder die Mega-Portionen von Cola und Popcorn in
Kinos verführen uns dazu, mehr zu kaufen und zu konsumieren, als uns guttut. So
wurden bspw. die bei McDonald’s verkauften Portionen von Pommes Frites und Soft-
drinks kontinuierlich so gesteigert, dass eine durchschnittliche Fastfood-Mahlzeit heute
fast schon den Kaloriengehalt von drei normalen Mahlzeiten aufweist – mit ent-
sprechenden Konsequenzen für das Körpergewicht.
• Abwerbung von Kunden der WettbewerberEin weiterer Schritt zur stärkeren Markt-
durchdringung im definierten Markt besteht darin, gezielt Personen anzusprechen, die
bisher nicht zur eigenen Kundschaft zählen. Dies können Kunden der Wettbewerber sein,
die etwa durch eine aggressive Preispolitik anzusprechen sind. Oder es werden neue Ver-
triebswege eingebunden. Hierzu können Kunden gewonnen werden, die ihren Bedarf
bisher über andere Kanäle gedeckt haben. So können Online-Anbieter stationäre Ver-
kaufsstätten eröffnen. Alternativ können klassische Händler Online-Shops aufbauen und
damit einen Multi-Channel- bzw. Omni-Channel-Vertrieb starten (vgl. Abschn. 5.3.2.4).
Ein solcher Schritt zur Gewinnung von Wettbewerbskunden wird seit mehreren
Jahren konsequent von Markenartiklern vollzogen. Unternehmen wie Coca-Cola, Hen-
kel, Nestlé und Procter & Gamble vertreiben ihre Produkte inzwischen auch über Dis-
counter. Diese Hersteller änderten ihre über Jahrzehnte sehr erfolgreiche Vertriebs-
strategie mit einem Fokus auf den traditionellen Einzelhandel, um nicht auf die Kunden
der Discounter verzichten zu müssen.
• Gewinnung von bisherigen Nicht-VerwendernZusätzlich kann versucht werden, bis-
herige Nicht-Verwender der eigenen Angebote zum Erwerb zu motivieren. So kann
bspw. von Fastfood-Unternehmen werblich herausgestellt werden, dass bestimmte
Menüs auch „gesund“ sind. Ein Bekleidungsunternehmen kann kommunizieren, dass
es in bestimmten Kundensegmenten als „chic“ gilt, ein bestimmtes Produkt zu tragen.
Auch Preisanpassungen oder das Angebot von Finanzierungen beim Kauf von lang-
lebigen Konsumgütern oder von Urlaubsreisen können dazu beitragen, Kundenkreise
zu erschließen, die bisher aus Kostengründen auf einen Kauf verzichtet haben (vgl.
vertiefend Abschn. 5.2).
Schließlich tragen alle Formen von Werbung und Verkaufsförderung dazu bei, den
Verkauf der bestehenden Produkte und Dienstleistungen zu fördern. Hierdurch soll eine
Steigerung von Gewinn, Umsatz, Absatz und/oder Marktanteil erreicht werden (vgl.
vertiefend Abschn. 5.4.3).
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 215
Produktentwicklungsstrategie
Bei diesem Marktfeld geht es darum, das bestehende Angebotsprogramm im bisher be-
arbeiteten Markt auszuweiten (vgl. Abb. 4.4). Dies kann durch die Weiterentwicklung
bestehender Produkte und Dienstleistungen sowie durch die Ausweitung der Produkt-
palette erfolgen. Diese Themenfelder werden in Abschn. 5.1 als Kernbestandteil der Pro-
dukt- und Programmpolitik intensiv diskutiert und deshalb hier nicht vorgestellt.
Marktentwicklungsstrategie
Bei der Marktentwicklung werden für die bestehenden Produkten neue Märkte er-
schlossen (vgl. Abb. 4.4). Hierzu können Unternehmen wie folgt vorgehen:
Die Marktentwicklung wird auch als Market Stretching bezeichnet. Hierbei werden
zweierlei miteinander verbundene Ziele angestrebt (vgl. Becker, 2019, S. 161):
• Zunächst sollen New Users erreicht werden, um durch neue Verwender für bestehende
Produkte die Abnehmerbasis zu verbreitern. Hierzu zählen die genannten Beispiele von
Ferrero, Penaten und HARIBO. Sicherlich hat sich kaum einer vorstellen können, dass
das 2010 vorgestellte iPad auch einmal im Kindergarten verwendet wird.
• Außerdem sollen – teilweise parallel zu den neuen Nutzern – New Uses gefunden wer-
den. Hierbei geht es um neuen Einsatzfelder oder zusätzliche Verwendungszwecke für
vorhandene Angebote. Hier wird auch von Funktionserweiterungen gesprochen. So
wurden für das iPad in den letzten Jahren immer wieder neue Einsatzfelder er-
schlossen – und damit auch neue Zielgruppen.
216 4 Marketing-Strategie
Diversifikationsstrategie
Diversifikation beschreibt den Eintritt von neuen Produkten in neue Märkte. Hier-
durch können Unternehmen nicht nur Wachstumsfelder erschließen, sondern auch das
Risiko ihrer Aktivitäten streuen (vgl. Abb. 4.4). Ist ein Unternehmen in verschiedenen
Märkten mit unterschiedlichen Angeboten vertreten, können Einbrüche in einem produkt-
oder länderspezifischen Markt durch starkes Wachstum in anderen Märkten ausgeglichen
werden (vgl. hierzu die Ausführungen zur Portfolio-Analyse in Abschn. 2.2.1.1).
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die nachfolgend beschriebenen Diversifikations-
strategien oft auch mit hohen Risiken verbunden sind. Je weiter die neuen Aktivitätsfelder
vom bisherigen Tätigkeitsschwerpunkt entfernt sind, desto größer ist das unternehmerische
Risiko. Schließlich können die Führungskräfte und Mitarbeiter nicht in allen Marktfeldern
gleich qualifiziert sein.
Folgenden Formen der Diversifikation werden unterschieden:
• Horizontale Diversifikation
Bei dieser Strategie wird das bestehende Produktprogramm um verwandte Produkte
auf der gleichen wirtschaftlichen Leistungsstufe (deshalb „horizontal“) ergänzt.
Hierdurch wird eine tendenziell gleiche Abnehmerschaft angesprochen. Das Unter-
nehmen agiert folglich weiterhin auf der gleichen Wirtschaftsstufe.
Handelsunternehmen sind weiterhin als Handelsunternehmen tätig, Hersteller als
Hersteller, Berater als Berater, Forschungsunternehmen als Forschungsunternehmen.
Folglich liegt hier m. E. keine echte Diversifikation vor. Im Kern geht es primär um eine
Erweiterung bzw. Ergänzung des Leistungsprogramms.
• Vertikale Diversifikation
Bei dieser Variante integriert ein Unternehmen vor- oder nachgelagerte Produktions-
und/oder Vermarktungsstufen und vergrößert so die Wertschöpfungskette des Unter-
nehmens. Konkret führt das dazu, dass Unternehmen auf einer anderen Wirtschafts-
stufe aktiv werden.
Wenn Benetton als Textilhersteller beginnt, eigene Schafherden zur Gewinnung von
Wolle zu halten, ist dies eine vertikale Diversifikation. Der Schritt von Volkswagen,
eigene Fabriken zur Herstellung von Batterien zu errichten, statt diese von Zuliefer-
unternehmen zu kaufen, stellt ebenfalls eine vertikale Diversifikation dar. In diesen
Fällen spricht man von einer Rückwärtsintegration. Aus Kundensicht betrachtet wer-
den dem eigenen Tätigkeitsfeld rückgelagerte Produktionsstufen hinzugefügt.
Der Kosmetikhersteller Beiersdorf hat im Jahr 2006 das erste Nivea-Haus in Ham-
burg eröffnet. Über einen eigenen Vertriebskanal – und damit als Händler – bietet
Beiersdorf die Produkte der Nivea-Familie sowie Dienstleistungen im Wellness-Seg-
ment (u. a. Kosmetik-Anwendungen und Massagen) in einem eigenen Format – dem
Nivea-Haus – an. Sehr viele Hersteller verschiedenster Branchen bieten heute eigene
Online-Shops an. So können sie ihre Leistungen direkt online an die Kunden ver-
markten. Beispiele hierfür sind BOSS, Faber-Castell, HARIBO, Heidelberg Druck-
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 217
maschinen, Hermès, Montblanc, Springer Gabler und Tesla. Zusätzlich haben viele
Hersteller stationäre Geschäfte eröffnet, wo nur eigene Marken angeboten werden.
Dies ist bspw. bei Adidas, BOSS, HARIBO, Montblanc, Nike, Ritter Sport und Rolex der
Fall. Hier wird auch von Mono-Label-Shops gesprochen – da nur jeweils Produkte
einer Marke angeboten werden.
In allen diesen Fällen liegt eine vertikale Diversifikation vor. Diese wird auch
Vorwärtsintegration genannt, da auf dem Weg zum Kunden eine vorwärts angesiedelte
Wirtschaftsstufe (hier die Handelsfunktion) integriert wird.
• Laterale Diversifikation
Die laterale Diversifikation ist eine Diversifikation im engeren Sinne. Hier erfolgt ein
Vorstoß in völlig neue Produkt- und Marktbereiche. Ein sachlicher Zusammenhang
der neuen Aktivitäten zum bisherigen Tätigkeitsschwerpunkt fehlt.
Eine laterale Diversifikation stellt bspw. der Erwerb einer Banklizenz durch Siemens
im Jahr 2010 dar. Die Leistungen einer Bank haben mit dem Kernaktivitäten von Sie-
mens zunächst nichts zu tun. Allerdings kann das Unternehmen hierdurch Finanzierungs-
dienstleistungen für ausgewählte institutionelle Inverstoren und eigene Kunden
anbieten.
Aktivitäten der lateralen Diversifikation sehen wir auch beim Mutterkonzern von
Google – Alphabet. Die Entwicklung von Technologien für autonome Fahrzeuge im
Tochterunternehmen Waymo hat mit dem Kerngeschäft „Suchmaschine“ nichts ge-
meinsam – außer dem Handling großer Datenmengen. Der chinesische Hersteller von
Consumer Electronics Xiaomi hat 2021 angekündigt, in die Herstellung von Elektro-
fahrzeugen einzusteigen. Auch das stellt eine laterale Diversifikation dar.
Beteiligung Aufnahme
Kosmetik-
an einem der Horizontale
Kosmetik- hersteller Herstellung Diversifikation
hersteller von Parfum
Aufbau
eigener
Verkaufs-
stellen
4.2.2.2 Marktstimulierungsstrategie
Bei der Marktfeldstrategie geht es darum, in welchen Produkt-Markt-Kombinationen das
Unternehmen tätig sein möchte. Ergänzend dazu legt die Marktstimulierungsstrategie
fest, in welcher Art und Weise die Marktbeeinflussung und -steuerung und damit die
„Stimulierung der Zielpersonen zum Kauf“ erfolgen soll. Hierbei geht es auch um die an-
gestrebte Positionierung im Markt.
Eine zentrale Frage hierbei lautet: In welcher Weise lassen sich Märkte aufteilen? Wel-
che Schichten im Markt sind zu unterscheiden? Die Definition solcher Schichten ist not-
wendig, damit Unternehmen ihre Angebote entsprechend ausrichten können. Basierend
auf den Festlegungen im Rahmen der Marktstimulierungsstrategie erfolgt auf der operati-
ven Ebene eine Ausgestaltung durch die verschiedenen Marketing-Instrumente. Vielfach
wird das in Abb. 4.6 dargestellte Schichtenmodell eingesetzt. In diesem Schichtenmodell
lassen sich die Premium- von den Markenkäufern und die Promotion- von den Handels-
marken- und No-Name-Käufern grob unterscheiden.
Ein Unternehmen kann sein Angebot meist nur auf eine dieser Schichten ausrichten –
oder sich zwischen zwei Schichten positionieren. Hierbei handelt es sich um eine strategi-
sche und damit längerfristig gültige Festlegung.
cc Merk-Box Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.
„Everybodys darling“ zu sein, kann nicht funktionieren!
Höchste Preis-Qualitäts-Lage
- Premiumkäufer
- Extrem hohes Anspruchsniveau Top-
- Sehr hohe Preisbereitschaft Markt
Obere Preis-Qualitäts-Lage
- Markenkäufer
- Hohes Anspruchsniveau Oberer Markt
- Hohe Preisbereitschaft
Mittlere Preis-Qualitäts-Lage
- Promotion-, z. T. Handelsmarken-Käufer Mittlerer Markt
- Mittleres Anspruchsniveau
- Mittlere Preisbereitschaft
Untere Preis-Qualitäts-Lage
- Handelsmarken-/No-Name-Käufer Unterer Markt
- Niedrigeres Anspruchsniveau
- Niedrige Preisbereitschaft
Dominante Präferenz -
(Marktpotenzial wird
hoch
Strategie/
nicht ausgeschöpft)
„Premium-Strategie“
Relative Qualität
Mittellagen-Strategie/
mittel
„Mittelklasse-Strategie“
Dominante Preis-
(Übervorteilung der
niedrig
Mengen-Strategie/
Kunden)
„Economy-Strategie“
Bei der Definition der „relativen Qualität“ geht es nicht allein um die Produkt- bzw.
Dienstleistung selbst. Die „Qualität“ umfasst den gesamten Auftritt des Angebots. Dieser
beginnt bei der Auswahl des Papiers für Mailings, Flyer und Kataloge. Zur Qualität ge-
hören auch die Art und das Material der Verpackung, die Qualifizierung und das Outfit der
Mitarbeiter (etwa der Zusteller bei DHL vs. Amazon). Auch die Art der Warenpräsentation
sowie die Ausgestaltung der Verkaufsräume gehören hier dazu.
cc Denkanstoß Gehen Sie einmal kurz nacheinander zu Aldi, Lidl und Penny – und an-
schließend in die Lebensmittelabteilung des KaDeWe. Besuchen Sie einmal die Out-
lets von KiK, Primark und Takko – und anschließend Peek & Cloppenburg. Sie werden
die unterschiedlichen Qualitätsdimensionen sehen, hören, fühlen und riechen!
220 4 Marketing-Strategie
Die Bandbreite in Abb. 4.7 beginnt an der Spitze mit der dominanten Präferenz-
strategie. Hier wird auch von einer Premiumstrategie gesprochen. Dort sind Premium-
Marken wie Audi, BMW, Emirates, Hermès, KaDeWe, Louis Vuitton, Lange & Söhne,
Mercedes, Miele, Montblanc, Ritz-Carlton und Rolex angesiedelt.
In der Mitte von Abb. 4.7 finden wir die Mittellagenstrategie. Dort trifft sich die
„Mittelklasse“ – sowohl beim Angebot wie auch auf der Nachfragerseite. Klassische Ver-
treter dieser Mittellagenstrategie sind Edeka, Esprit, HARIBO, Galeria Karstadt Kaufhof,
Lufthansa, Rewe und Zara.
Die Economy-Strategie mit einer dominanten Preis-Mengen-Strategie verbindet
einen relativ niedrigen Preis mit einer relativ niedrigen Qualität. Hier finden sich sowohl
die Lebensmittel-Discounter (wie Aldi, Lidl, Netto, Norma, Penny) wie auch die Textil-
Discounter (KiK, Takko, Primark). Die Billig-Airlines EasyJet, Eurowings und Ryanair
fallen ebenso in dieses Segment.
Bei der Kombination „relativ hohe Qualität und relativ niedriger Preis“ in Abb. 4.7 wird
das vorhandene Marktpotenzial nicht ausgeschöpft. Hier wird auf den ersten Blick eine
überragende Qualität zu günstig verkauft. Ein solche Strategie kann zu Eroberung neuer
Märkte sinnvoll sein (vgl. hierzu die Penetrationspreis-Strategie in Abschn. 5.2.5). Die
Gegenposition – „relativ niedrige Qualität und relativ hoher Preis“ – ist nicht erfolgver-
sprechend. Kunden werden hier „übervorteilt“, d. h. benachteiligt. Berichte von Kunden
in den sozialen Medien (vgl. hierzu die Ausführungen zum ZMOT in Abschn. 3.4.1)
wie auch vergleichende Warentests (etwa der Stiftung Warentest) machen eine solche
Schlechtleistung schnell transparent. Hierdurch können Kunden abwandern bzw. abge
schreckt werden.
Welche relative Position ein Unternehmen im Markt anstrebt, ist das Ergebnis von stra-
tegischen Entscheidungen. Diese leiten sich aus der Unternehmensvision bzw. der Unter-
nehmensmission ab (vgl. Abschn. 3.3). Viele Unternehmen verfolgen einen klaren Fokus
und setzen – auch wenn sie mehrere Marken anbieten – auf eine einzige Positionierung.
Hierzu zählen die schon angesprochenen Premium-Marken Audi, BMW, Hermès, KaDeWe,
Louis Vuitton, Lange & Söhne, Mercedes, Miele, Montblanc und Rolex.
Bei Audi, BMW und Mercedes liegen auch die „preiswerteren“ Einstiegsmodelle im
höchsten Preislevel des jeweiligen Marktsegments. „Preiswerte“ Produkte von Montblanc
und Rolex gibt es nicht. Dagegen gibt es weder bei KiK, Takko noch bei Primark echte
Premium-Produkte. Auf einen VIP-Service müsste man bei Ryanair auch lange warten!
Weniger klar ist die Fokussierung im Lebensmittel-Handel. Hier versuchen vor allem
die klassischen Anbieter Edeka und Rewe, verschiedene Kundensegmente anzusprechen.
In diesen Geschäften finden sich neben exklusiven Marken auch die Mittelklasse-Marken
und – als preisgünstige Varianten – No-Name-Produkte.
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 221
Gleichzeitig findet bei den Discountern ein Trading-up genannter Prozess statt. Von
Trading-up wird gesprochen, wenn Handelsunternehmen ihr Leistungsangebot verbessern.
Ein solcher Prozess ist bei vielen Discountern zu sehen. Lebensmittel-Discounter bieten
heute oft nicht nur Kreditkartenzahlung an, sondern auch Tiefkühlware, Bio-Produkte und
Frischware. Durch dieses Vorgehen versuchen die Lebensmittel-Discounter, anspruchs-
vollere Kundensegmente zu erreichen.
Dem Schreibwaren-Hersteller Faber-Castell ist es gelungen, mit seinem Sortiment das
gesamte Schreibwaren-Spektrum abzudecken. Dieses startet beim Bleistift Castell 9000
für 1,40 € und reicht bis zum „Perfekten Bleistift Jubiläumsedition 260 Jahre Faber-
Castell“ aus Titan für 490 €. Hinter dem „perfekten Bleistift“ verbirgt sich übrigens ein
Bleistiftverlängerer.
Auch der Accor-Hotelgruppe gelingt es, die unterschiedlichen Marktsegmente jeweils
durch mehrere Marken abzudecken. Diese Marken ordnen sich den verschiedenen Seg-
menten wie folgt zu (vgl. Accor, 2021):
• Luxury
Raffles, Orient-Express, Banyan Tree, Delano, Fairmont, SLS, SO/, Sofitel, The House
of Originals, Rixos, onefinestay
• Premium
Mantis, MGallery Hotel Collection, Art Series, Mondrian, Pullman, Swissotel, Ang-
sana, 25hours, Hyde, Mövenpick, Grand Mercure, Peppers, The Sebel
• Midscale
Mantra, Novotel, Mercure, Aparthotel Adagio, Mama Shelter
• Economy
Breakfree, ibis, ibis Styles, greet, ibis budget, JO&JOE, hotelF1
Bewertung Fluggesellschaften
***** ANA All Nippon Airways, Cathay Pacific Airways, Garuda Indonesia, Lufthansa,
Qatar Airways, Singapore Airlines u. a.
**** Air Lingus, Air Canada, Aeroflot Russian Airlines, Aire France, Air New Zealand,
British Airways, China Airlines, Emirates, easyJet u. a.
*** Air China, Air India, American Airlines, China Eastern Airlines, Delta Air Lines,
Eurowings, Jet2, Ryanair u. a.
** PIA Pakistan International Airlines, LAM Mozambique Airlines, Tunisair u. a.
* –
mentieren die Anzahl der in diesem Segment tätigen Fluggesellschaften sowie das
kontinuierlich steigende Passagieraufkommen. Ryanair hat durch seine Strategie eine
neue strategische Gruppe definiert (vgl. hierzu Abschn. 2.2.3.1). Andere Fluggesell-
schaften versuchen dagegen, durch Tarife von Economy über Premium-Economy, Busi-
ness bis First Class, alle relevanten Marktsegmente zu adressieren.
Wie die Fluggesellschaften insgesamt von Skytrax (2021) klassifiziert werden, zeigt
Tab. 4.1. Diese Darstellung basiert auf einer Analyse der Produkt- und Servicequalität. Zu
deren Bewertung wurden bis zu fünf Sterne vergeben. Aus dieser Bewertung kann die
übergreifende Marktstimulierungsstrategie – orientiert an Abb. 4.7 – abgelesen werden.
Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass die beschriebene Aufteilung der Märkte
in unterschiedliche Schichten zwar nach wie vor Bedeutung hat (vgl. Abb. 4.6). Allerdings
lassen sich diesen Schichten nicht mehr durchgängig in sich homogenen Konsumenten-
gruppen zuordnen. Es ist ein Kundentypus entstanden, der als hybrider Konsument be-
zeichnet wird. „Hybrid“ steht für „gemischt i. S. von zweierlei Herkunft“. Ein hybrider
Konsument kauft morgens bei Aldi ein, um ein paar Cent zu sparen, und gibt am Nach-
mittag für eine Edeljeans 319 € aus. Oder er gönnt sich nach dem Lidl-Einkauf ein Essen
in einem Top-Restaurant. Da sich die Kunden, die in den verschiedenen Marktschichten
agieren, vermischt haben, werden diese auch Cross-Shopper genannt.
cc Denkanstoß Überlegen Sie einmal, welche Wellen Tesla durch die Entwicklung
eines schönen E-Automobils in der globalen Automobil-Branche ausgelöst hat.
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 223
Welche Effekte und damit welchen Wettlauf um die Vorherrschaft hat die Vorstellung
eines selbstfahrenden Autos durch Google im Jahr 2014 in der Branche ausgelöst?
Welche Schockwellen hat Apple durch das iPhone (Einführung 2007) und das iPad
(Einführung 2010) ausgelöst – und wie viel investieren Wettbewerber, um Apple
wieder einzuholen oder sogar zu überflügeln?
Vorstoß und Verfolgung at its best!
4.2.2.3 Marktsegmentierungsstrategie
Der Kern der Marktsegmentierung ist die Aufteilung eines Marktes in einzelne Seg-
mente. Diese Segmente stellen klar abgegrenzte Untergruppen von Zielobjekten dar. Diese
Zielobjekte können im B2C-Markt Personen und im B2B-Markt Unternehmen sein. Die
definierten Segmente werden jeweils als eigener Zielmarkt angesehen und mit einem
spezifisch ausgestalteten Marketing-Diamanten bearbeitet.
Diese Aufteilung des Marktes wird als taxonomische Marktsegmentierung be-
zeichnet. Der Begriff „Taxonomie“ steht für „Einordnung“. Die Auswahl sowie die diffe-
renzierte Bearbeitung verschiedener Segmente werden managementorientierte Markt-
segmentierung genannt.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Marktsegmentierung ist die interne Homogenität
(d. h. eine große Ähnlichkeit) der zu Segmenten zusammengefassten Zielobjekte. Nur
dann ist es sinnvoll, alle in einem Segment zusammengeführten Personen oder Unter-
nehmen mit einem gleichen Marketing-Ansatz anzusprechen.
Gegenüber anderen Segmenten wird dagegen eine externe Heterogenität (d. h. eine
große Unähnlichkeit) angestrebt. Folglich sollen zwischen verschiedenen Segmenten
möglichst deutliche Unterschiede bestehen. Wenn solche Unterschiede nicht beständen,
warum sollten die Segmente dann verschieden angesprochen werden?
Bei der Marktsegmentierung stellen sich für ein Unternehmen die folgenden Fragen:
• Nach welchen Kriterien und in welche und wie viele Segmente soll der Markt auf-
geteilt werden?Welche Kriterien sind aus Unternehmenssicht für eine zweckmäßige
Aufteilung des Marktes relevant? Welche Marktsegmente sind sinnvollerweise zu
unterscheiden? Wie viele verschiedene Marktsegmente sollten gebildet werden?
• In welchem Ausmaß soll der Markt durch eigene Angebote abgedeckt wer-
den?Konzentriert sich das Unternehmen auf einen Marktausschnitt? Oder sollen
mehrere Ausschnitte oder sogar der gesamte Markt mit unterschiedlichen Angeboten
bedient werden? Hierbei geht es folglich um die Festlegung, welcher Teil des Marktes
durch Angebote des eigenen Unternehmens bedient werden soll.
• In welchem Umfang soll das eigene Angebot differenziert werden?
Wie stark sollen sich die Angebote des eigenen Unternehmens für verschiedene Seg-
mente unterscheiden? Wird nur der Preis differenziert? Oder nur die Kommunikation?
Sollen für verschiedene Segmente unterschiedliche Verkaufskanäle eingesetzt werden?
Oder sollen für die verschiedenen Zielgruppen unterschiedliche Produkte bzw. ver-
schiedene Dienstleistungen entwickelt werden?
224 4 Marketing-Strategie
Die erste Frage gehört zur taxonomischen Marktsegmentierung. Die beiden folgenden
Fragen beschreiben die Kernaufgabe der managementorientierten Marktsegmentierung.
Diese Fragestellungen sind unmittelbar mit der Dimension „strategisches Zielobjekt“ des
Porter-Konzepts verbunden (vgl. Abb. 4.1).
Die grundlegenden Entscheidungsmöglichkeiten der Marktsegmentierung zeigt
Abb. 4.8.
Beim undifferenzierten Marketing wird der Gesamtmarkt mit einem spezifisch aus-
gestalteten Marketing-Mix abgedeckt. Hier liegt eine Massenmarkt-Strategie vor. Ein
solches Vorgehen können sich meist nur Unternehmen „erlauben“, die eine monopolartige
Situation im Markt erreicht haben – sei es aufgrund des Fehlens von Wettbewerbern oder
aufgrund einer dominierenden Marktstellung. Allerdings kann ein Monopolist zur Er-
reichung seiner Wachstumsziele gezwungen sein, verschiedene Segmente zu unter-
scheiden und differenziert zu bearbeiten.
Marketing- Marketing-
Mix 1 für Mix 1 für
Segment 1 Segment 1
Segment 4
Marketing-
Ein Marketing-Mix
Segment 2
Marketing-
Mix 4 für
Mix 2 für
Ein differenziertes Marketing liegt vor, wenn für alle oder für eine Vielzahl der defi-
nierten Segmente des Marktes unterschiedliche Marketing-Ansätze verwendet werden.
Unternehmen, die so agieren, versuchen, mehrere oder alle Kundengruppen eines Marktes
mit eigenen Angeboten zu bedienen.
Ein Beispiel für diese Strategie stellt die schon erwähnte Accor-Hotelgruppe mit ihrem
breitgefächerten Angebot dar. Auch der Ansatz von Faber-Castell praktiziert ein differen-
ziertes Marketing.
Das Angebot des Volkswagen-Konzerns unterstreicht ebenfalls das Streben nach einer
umfassenden Marktabdeckung durch ein differenziertes Marketing. Die Angebotspalette
des Volkswagen-Konzerns startet hier mit den preisgünstigsten Modellen Skoda Fabia
(Einstiegspreis ca. 15.000) und Seat Ibiza (Einstiegspreis ca. 16.000 €). Der VW Golf hat
einen Einstiegspreis von ca. 21.000 €, der Volkswagen id.4 beginnt bei 37.000 €. Einen
Audi A5 Sportback bekommt man ab 39.000 €. Wer zur Marke Porsche wechselt und sich
für den Panamera entscheidet, muss mehr als 94.000 € anlegen. Einen Bentley Mulsanne
gibt es ab 310.000 €. Wer sich für den Lamborghini Adventador entscheidet, muss
ca. 330.000 € investieren. Für einen Bugatti Chiron Sport sind es sogar über drei Mio. €.
Und alle diese Marken gehören zum Volkswagen-Konzern.
Beim konzentrierten Marketing wählt ein Unternehmen aus den identifizierten
Marktsegmenten nur eines oder einige wenige Segmente für die Bearbeitung aus. Bei-
spiele wurden bereits bei der Vorstellung der Fokussierungsstrategie nach Porter erwähnt
(u. a. Dr. Hauschka Kosmetik). Auch Montblanc, Louboutin oder Hermès setzen im oberen
Markt eine klare Konzentrationsstrategie um. KiK und Takko tun dies im unteren Markt.
Im B2B-Bereich zählt zu den Unternehmen mit einer konzentrierten Marketing-Strategie
bspw. Linde, die „nur“ Industrie- und Medizingase produziert. Bei Linde wird – etwa im
Vergleich zu einem „chemischen Vollsortimenter“ wie der BASF – ein deutlich unter-
schiedlicher Unternehmensfokus sichtbar.
Was bewegt Unternehmen, sich mit der Marktsegmentierung auseinanderzusetzen? In
entwickelten Märkten, wie sie in den Industrienationen heutzutage mehrheitlich anzu-
treffen sind, weisen die Kundengruppen unterschiedliche Bedarfe auf. Die Kunden kön-
nen es sich in diesen Käufermärkten angesichts des Überangebotes – im Vergleich zu
Verkäufermärkten – leisten, sehr wählerisch zu sein.
Unternehmen müssen deshalb in ihrer Marktstimulierungsstrategie zunächst definie-
ren, welches Leistungsangebot sie besonders glaubwürdig präsentieren können. Dann gilt
es im Rahmen der Marktsegmentierungsstrategie, die „passenden“ Zielsegmente zu identi-
fizieren. Diese beiden Entscheidungsfelder sind sehr stark miteinander verbunden: Einmal
kann ein überzeugendes Leistungsangebot definiert werden, um erst anschließend nach
dem „passenden“ Zielsegment zu suchen. Hier liegt ein eher angebots- oder produkt-
getriebenes Vorgehen vor. Ein anderes Mal wird durch die Marketing-Forschung ein in-
teressantes und ggf. noch nicht durch Wettbewerber besetztes Zielsegment identifiziert,
für das ein maßgeschneidertes Angebot entwickelt werden soll. Dies wäre ein markt-
getriebenes Vorgehen.
226 4 Marketing-Strategie
Für die Segmentierung im B2C-Markt haben sich verschiedene Gruppen von Krite-
rien bewährt. Diese können in unterschiedlicher Kombination eingesetzt werden (vgl.
Abb. 4.9). Die demografischen und psychografischen Merkmale beschreiben die gene-
relle Lebenssituation und verhaltensbeeinflussende Faktoren. Die akquisitionsorientierte
Segmentierung nutzt diese Faktoren, um Hypothesen im Hinblick auf das Kaufverhalten
zu entwickeln. So kann ein Touristik-Unternehmen aus dem Lebensalter einer Zielperson
(bspw. über 80 Jahre) einen Bedarf an Reisen unter ärztlicher Begleitung ableiten. Junge
Familien dürften dagegen eher an (preiswertem) Familienurlaub interessiert sein. Eine
Segmentierung nach den Marketing-Diamant-bezogenen Kriterien liefert unmittelbare
Anhaltspunkte darüber, wie die Marketing-Instrumente einzusetzen sind.
Teilweise reichen bereits wenige Merkmale aus, um eine Zielgruppe prägnant zu be-
schreiben. Beim Anbieter Hirmer GROSSE GRÖSSEN ist dies die Konfektionsgröße der
Damen und Herren. Für den Anbieter von Möbeln und Spielsachen JAKO-o ist es wichtig,
dass junge Kinder im Haushalt sind. Wer Damenkosmetikprodukte verkauft, kann sich am
Geschlecht der potenziellen Kunden orientieren. Für den Hersteller von Tiernahrung ist es
entscheidend, dass bspw. Katzen oder Hunde gehalten werden.
228 4 Marketing-Strategie
Ein Verlag wie Taschen, der hochwertige Kunstbücher verlegt, kann bei seiner Markt-
segmentierung auf die Merkmale Bildung und Kaufkraft nicht verzichten. Denn wer sonst
könnte sich das Werk „Helmut Newton. BABY SUMO“ leisten, das in einer Sonderedition
von 10.000 Exemplaren (mit Buchständer und Podest) für 1000 € angeboten wird?
In den USA stellen sich immer mehr Unternehmen auf die sogenannten XXL-Bürger
ein. Zwei Drittel der US-Amerikaner sind übergewichtig. Das sind bei einer Gesamt-
bevölkerung von 330 Mio. schon 220 Mio. Bürger. 36 % der Erwachsenen sind dort sogar
adipös. Bei den Kindern liegt der Anteil der Adipösen bei 17 %. Ab einem Body Mass
Index von 25 gelten Menschen als übergewichtig. Bei einem Body Mass Index von 30
gelten Menschen als adipös. Diese Zielgruppe der Adipösen hat Bedarf an speziellen Pro-
dukten, auf die sich Unternehmen spezialisiert haben. Hier sind übergroße Kleiderbügel
und Särge, besonders stabile Stühle und Betten, aber auch „Leg Lifter“, eine Ein- und
Ausstiegshilfe fürs Auto, im Angebot.
Unternehmen haben inzwischen auch die Zielgruppe der 50plus-Generation ent-
deckt. Diese wird auch liebevoll Forever Young, Best Ager, Generation Silver oder auch
Silver Surfer genannt. Anbieter erkennen in zunehmendem Maße die Relevanz dieser
Zielgruppe. Schließlich stellt diese nicht nur spezifische Anforderungen an Produkte und
Dienstleistungen, sondern weist auch eine überdurchschnittlich hohe Kaufkraft im Ver-
gleich zur Gesamtbevölkerung auf.
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 229
Dieser älteren Zielgruppe stehen die Digital Natives entgegen (geboren ab 1980). Mit
diesem Begriff werden diejenigen Personen bezeichnet, die in vielen Ländern in eine um-
fassend digitalisierte Welt hineingeboren wurden. Diese denken bei Lexikon eher an Wiki-
pedia statt an Brockhaus, spielen eher online statt offline, schauen TV auf einem Laptop
und lesen Zeitungen und Zeitschriften eher online auf dem Smartphone oder einem Tab-
let-PC als in einer Printausgabe. Fotos des letzten Urlaubs werden hier eher in Facebook
und Instagram hochgeladen, als klassisch in ein Fotoalbum geklebt zu werden. Vielleicht
wird hier auch eher einmal auf das Smartphone geschaut, um nach dem Wetter zu sehen –
statt aus dem Fenster!
Daneben gewinnen Zielgruppen wie die LOHAS (Lifestyle of Health and Sustaina-
bility) an Bedeutung. Diese Zielgruppe legt Wert auf Gesundheit und Nachhaltigkeit,
möchte aber gleichzeitig auf Luxus und guten Geschmack nicht verzichten. Viele Anbieter
haben sich auf dieses Segment spezialisiert. Die handgeschöpfte Schokolade von Zotter
steht nicht nur für ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis, sondern auch für bio-
logisch erzeugte Rohstoffe und Fair Trade. Die Verpackung besteht aus umweltfreund-
lichem Papier, bedruckt mit umweltfreundlichen Farben. Damit entspricht sie exakt den
Erwartungen dieser Zielgruppe: höchster Genuss ohne Reue (einmal abgesehen von
möglichen Auswirkungen auf das eigene Gewicht!).
Im B2B-Markt können Zielunternehmen im Zuge der akquisitionsorientierten Segmen-
tierung zunächst anhand von Makro-Kriterien selektiert werden. Diese leiten sich vom
Produkt-/Dienstleistungsangebot des anbietenden Unternehmens ab. Eine daran aus-
gerichtete Grobsegmentierung kann im folgenden Schritt durch die Berücksichtigung von
Mikro-Kriterien verfeinert werden. Es ist zu prüfen, für welche Unternehmen das eigene
Angebot besonders relevant ist. Zusätzlich kann versucht werden, bereits erste Informatio-
nen über das zu berücksichtigende Buying Center zu gewinnen (vgl. Abschn. 1.1.7). Die
Marketing-Diamant-bezogenen Kriterien kommen analog wie im B2C-Markt zum Ein-
satz (vgl. Abb. 4.10).
Wichtig ist, dass die meisten Unternehmen ihren Aufgaben nur durch die Verringerung
von Komplexität gerecht werden können. Und die Marktsegmentierung trägt hierzu ent-
scheidend bei. Weder die zur GAFA-Gruppe zusammengefassten Digitalkonzerne Google,
Amazon, Facebook und Apple noch die Luxushersteller und auch nicht die Automobil-
Produzenten können es sich leisten, jeden einzelnen Kunden ganz individuell zu betreuen.
Die Möglichkeit hierzu besteht auch nur in wenigen Bereichen des B2B-Marktes. Hier
können Individual-Software, Spezialmaschinen und maßgeschneiderte Versicherung- und
Finanzierungsangebote für einzelne Kunden entwickelt werden. Warum? Weil der Markt
230 4 Marketing-Strategie
Bonität Distributionsebene
Einkaufsstätten-
Führungkräfte/Entscheider präferenzen
Online-/Offline-Affinität
Buying-Center-Struktur Distributorloyalität
Gatekeeper
Entscheider Kommunikationsebene
Beeinflusser Informationsquellen
Einkäufer Informationssuch-
Nutzer verhalten
Personenebene
Qualifikationsniveau
Hierarchische Position
Service-Orientierung
hier vielfach deutlich kleiner ist und die Anforderungen der Kunden sehr viel transparenter
sein können.
Allerdings ist eines im B2C- und B2B-Markt unverzichtbar: Die definierten Ziel-
segmente dürfen nicht auf Dauer festgeschrieben sein. Die ermittelten Segmente sind viel-
mehr im Abstand von ca. ein bis drei Jahren auf ihre Gültigkeit zu überprüfen. Wie häufig
das im Einzelfall geschehen sollte, ist von der Veränderungsgeschwindigkeit der betreuten
Märkte abhängig. Notwendig ist deshalb eine dynamische Segmentierung. Diese trägt
den Veränderungen der Zielpersonen und Zielunternehmen Rechnung.
Schon an diesen Kriterien wird deutlich, welche Bedeutung einer intelligenten Defini-
tion der angestrebten Zielgruppen zukommt (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021a, S. 116 f.).
Adressverlage wie AZ Direct, BeDirect, Deutsche Post Direkt und Schober bieten
Adressen von Privatpersonen für die werbliche Ansprache an (vgl. vertiefend Kreutzer,
2021a, S. 101–115). Es ist notwendig, den Zielmarkt – das Beuteraster – im ersten Schritt
sauber beschrieben zu haben. Anschließend kann entschieden werden, welche der nach-
folgend exemplarisch nach Alphabet sortierten Zielgruppen angesprochen werden sollen:
• Soziodemografisches Targeting
Ausgangspunkt: Personenmerkmale des Internet-Nutzers
• Geo Targeting/IP Targeting
Ausgangspunkt: regionale Herkunft des Internet-Nutzers
• Technisches Targeting
Ausgangspunkt: technische Spezifikationen der eingesetzten Hardware des
Internet-Nutzers
• Context Targeting/Content Targeting/semantisches Targeting
Ausgangspunkt: durch den Internet-Nutzer aufgesuchte Websites
• Behavioral Targeting
Ausgangspunkt: Surf- und Suchverhalten des Internet-Nutzers in der Vergangenheit
• Predictive Behavioral Targeting/Lookalike Audiences
Ausgangspunkt: Surf- und Suchverhalten von Internet-Nutzern; hier werden so-
genannte Lookalike Audiences gesucht
• Keyword Targeting/Suchwort-Targeting
Ausgangspunkt: verwendete Suchbegriffe des Internet-Nutzers; diese kommen insb.
bei Keyword-Anzeigen zum Einsatz (vgl. Abschn. 5.4.3)
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 233
• Social-Media-Targeting
Ausgangspunkt: Profil- und Präferenzdaten der Nutzer von sozialen Netzwerken
Bei der Arbeit mit Personas kann das in Abb. 4.11 dargestellte Gründungsdokument
eingesetzt werden (vgl. hierzu auch Pruitt & Adlin, 2006, S. 230–234).
Die anhand dieses Gründungsdokuments erarbeiteten Ergebnisse werden dokumentiert
und mit einem Foto versehen. Bei allen Maßnahmen der akquisitorischen Segmentierung
sollten die Verantwortlichen die entsprechende Persona als Zielperson vor Augen haben
(vgl. vertiefend Kreutzer, 2018, S. 63–68).
cc Merk-Box Die Persona stellt die personifizierte Variante des Beuterasters dar.
Hat ein Unternehmen bereits Interessenten und Kunden gewonnen, ist eine trans-
aktionsorientierte Segmentierung vorzunehmen. Diese setzt allerdings voraus, dass ein
Unternehmen im Zuge der Geschäftsabwicklung Informationen über die eigenen Inte
234 4 Marketing-Strategie
Merkmal Ausprägung
Identifizierende Details
Typischer Name für die Alterskohorte (ggf. basierend auf einer Online-
Name
Recherche bei der Gesellschaft für deutsche Sprache unter http://gfds.de)
Alter Typisches Alter
Tag-Line
Tag-Line Slogan, Lebensmotto oder eine häufig getätigte Aussage
Aussage mit Bezug zum Produkt/Service, für das diese Persona geschaffen
Zitat (zum Produkt/Service) wurde, bspw. über Qualität, Nutzung oder besondere Merkmale des
Angebots
Herkunftsfamilie der Persona: Eltern, Geschwistern, evtl. auch zum „Clan“
Familie
gehörige weitere Personen mit prägendem Einfluss
Eigene familiäre Situation, bspw. in Partnerschaft lebend, verheiratet,
Familienstand
geschieden, Single
Aktueller geografischer Lebensmittelpunkt (Stadt/Land, Großstadt/Kleinstadt
Wohnort
etc.)
Rollen und Aufgaben
Bezeichnung des Arbeitgebers oder Benennung der selbstständigen
Unternehmen
Tätigkeit
Rolle am Arbeitsplatz, bspw. hierarchische Einordnung,
Position
Verantwortungsbereich
Aktivitäten und Arbeiten, die die Persona regelmäßig ausführt und die für
Typische Aktivitäten
das Produkt bzw. die Dienstleistung relevant sein könnten
Aktivitäten und Arbeiten, die man der Persona zunächst nicht „zutrauen“
Wichtige atypische Aktivitäten würde, bspw. besonders seltene Hobbys, Extremsportarten,
gesellschaftliches oder politisches Engagement
Herausforderungen, Anforderungen, denen sich die Persona in ihrem Beruf bzw. in ihrem
Schmerzpunkte täglichen Leben stellen muss
Verantwortlichkeiten Zuständigkeiten im Beruf und Alltag
Kontakte mit anderen Personas im Rahmen der beruflichen Tätigkeit oder
Interaktion mit anderen Personas, des Alltags, die eine besondere Bedeutung für das Produkt bzw. das
Systemen und Produkten/Services Serviceangebot haben; Beschreibung von Systemen und
Produkten/Dienstleistungen, die für die Rolle der Persona wichtig sind
Ziele
Lebensziele kurz-, mittel- und Ziele in materieller und geistiger Beziehung, ggfs. nach zeitlicher Dimension
langfristig geordnet
Ziele in Bezug auf das Produkt
Ziele, die mit dem Produkt bzw. der Dienstleistung erreicht werden (sollten)
bzw. die Dienstleistung
Arbeitsbezogene Ziele Ziele im Beruf
Grundsätzliche Lebensziele,
Fundamentale angestrebte Ziele, Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen
Sehnsüchte
Fähigkeiten und Wissen
Allgemeine Computerkenntnisse
Know-how und Nutzungsintensität von Hard-und
Hard Software
und Online-Nutzung
Fachgebiete Expertise in einem oder mehreren Fachgebieten
Häufig genutzte Im Einsatz befindliche Produkte bzw. nachgefragte Dienstleistungen für
Produkte/Dienstleistungen Beruf und Alltag
Spezialkenntnisse Besonderes Wissen, bspw. in Bezug auf Beruf und im privaten Bereich
Kenntnis von Alternativen zu den angebotenen Produkten bzw.
Wissen über Wettbewerber
Dienstleistungen
Kontext
Ausrüstung, bspw. beruflich oder privat relevante Technik, Materialien,
Ausstattung
Hilfsmittel
Darstellung eines typischen Tages der Persona; dieser „typische Tag“ muss
in der Gänze nicht der Realität entsprechen, sondern umfasst die
„A day in the life“-Beschreibung
relevanten, häufig wiederkehrenden und damit typischen Tätigkeiten und
Kontakte
Orte, an denen das zu entwickelnde Produkt eingesetzt bzw. die zu
Spezifische Nutzungsorte
erarbeitende Dienstleistung in Anspruch genommen wird
Haushalt und
Typischen Aktivitäten in Freizeit und Urlaub
Freizeitbeschäftigungen
Benennung der Personas, die nicht zum Berufsleben, sondern zum
Beziehungen zu anderen Personas
persönlichen Alltag gehören
Psychografische und persönliche Details
Beschreibung der Persönlichkeit anhand menschlicher Eigenschaften
Charakterzüge
(Ehrlichkeit, Treue, Neugierde, Abenteuerlust etc.)
Werte und Einstellungen Überzeugungen in Bezug auf Politik und Religion
Ängste, Hindernisse, Ärgernisse Emotionale Zustände, die das Denken und Fühlen der Persona prägen
Beschreibung von Gegenständen, die für die Persona besondere Bedeutung
Persönliche Artefakte (Auto,
in Bezug auf das zu entwickelnde Produkt bzw. die zu konzipierende
Spielereien)
Dienstleistung haben
Abb. 4.11 Persona-Gründungsdokument
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 235
• Interessenten-Management
• Kundenbindungs-/Kundenentwicklungs-Management
• Rückgewinnungs-Management
Wir sollten uns vor Augen führen, dass die Interessenslage sowie der Informations-
bedarf von Personen in diesen verschiedenen Phasen ganz unterschiedlich ausfallen. Dies
gilt für Konsumenten und Repräsentanten von Unternehmen gleichermaßen. Außerdem
strebt das anbietende Unternehmen je nach Phase auch andere Ziele an. Dies wurde an-
hand der Markenwertschöpfungskette in Abschn. 3.4.
Beziehungsintensität
(bspw. Kundenwert)
Zeit
• Welche Personen oder Unternehmen wurden als Interessenten und Kunden gewonnen?
• Welche Merkmale weisen diese Gruppen auf?
• Wurden diejenigen erreicht und zum Handeln motiviert (sei es Informationsabforderung,
E-Newsletter-Abonnement oder Kauf), die im „Beuteraster“ beschrieben wurden?
Nach einem erfolgten Kauf beginnt die Phase des Kundenbindungs- und
Kundenentwicklungs-Managements (vgl. Abb. 4.12). Hier gilt es zunächst, die Kunden
umfassend mit dem Angebot und dem dahinterstehenden Unternehmen vertraut zu ma-
chen. Hierdurch soll bereits ein möglicher Folgekauf vorbereitet werden. Diese Betreuung
sieht bei der Bestellung eines Herren-Pullovers natürlich gänzlich anders aus, als wenn ein
Konsument einen Tablet-PC oder eine Heimkino-Anlage erworben hat. Wurde von einem
Unternehmen eine komplexe ERP-Software erworben oder werden jetzt Cloud-Services
eines Anbieters genutzt, ergeben sich wiederum andere Handlungsnotwendigkeiten.
In der ersten Phase des Kundenbindungs- und Kundenentwicklungs-Managements
steht zunächst die Sozialisation des Kunden im Mittelpunkt. Hier soll sich der neue
Kunde mit seinem Leistungspartner vertraut machen. Darüber hinaus sollten die folgen-
den, für die weitere Kundenbetreuung sowie für die Neukundengewinnung zentralen Fra-
gen beantwortet werden:
• More Sell
Das Ziel bei „More Sell“ besteht darin, dass ein einmal gewonnener Kunde dem An-
bieter treu bleibt und immer wieder die gleichen Leistungen nachfragt.
238 4 Marketing-Strategie
Damit ein Ein-Produkt-Unternehmen nicht nur auf More Sell setzen kann, kann es –
orientiert an der Ansoff-Matrix (vgl. Abb. 4.4) – eine Produktentwicklung für das eigene
Unternehmen einleiten. Hierdurch kann möglicherweise verhindert werden, dass Kunden
aus der eigenen Produktpalette „herauswachsen“ und zu Wettbewerben wechseln
„müssen“.
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 239
Das Ziel der Kundenbindung sollte sich auf die Kunden beschränken, die dem
Unternehmen bereits heute zu attraktiven Deckungsbeiträgen verhelfen. Zusätzlich zie-
len Maßnahmen der Kundenbindung auf die Kunden ab, die in Zukunft profitable Ge-
schäfte erwarten lassen. So werden Kunden mit negativem Deckungsbeitrag (etwa Stu-
denten) bei Banken bspw. durch das Angebot einer kostenlosen Kontoführung bewusst
gewonnen und gehalten – in der Erwartung, dass daraus zukünftig profitable Kun-
den werden.
Um beim Dreiklang der Kundenbetreuung (More Sell, Cross-Sell und Up-Sell) sowie
bei der Kundenbindung die richtigen Akzente zu setzen, sind kundenbezogene Informa-
tionen unverzichtbar. Diese sind eine notwendige Bedingung für ein leistungsstarkes Cus-
tomer-Relationship-Management. Das Ziel des Customer-Relationship-Managements
ist eine ganzheitliche, wertschöpfende Betreuung über den gesamten Kundenbe-
ziehungslebenszyklus.
Über die europäischen Marketing-Verbände wurden knapp 4700 Chief Marketing Offi-
cer (CMOs), Senior Marketing Executives und Marketing-Vorstände zu den wichtigsten
Aufgabenstellungen für 2021 und die folgenden Jahre befragt. Hierbei kristallisierten
sich die folgenden Top-3-Themen heraus – jeweils mit Angabe der Nennungen in Prozent
(vgl. Strauss, 2021, S. 10):
Adress- und
Aktionsdaten Reaktionsdaten
Profildaten
Adresse, inkl. Vornamen, Ansprache-Formen Anlagedatum
ggf. Titel (Kanal, Inhalt), u. a. Gewinnungsweg (etwa
- Angebots-Mailings Mailing, Coupon, Online-
Telefon-/Fax-Nummern/ - Mitgliedschafts- Banner, Freundschafts-
E-Mail-Adresse, Social- Angebot werbung, angemietete
Media-Kontakte Adresse, Social-Media-
- Einladung zu einer Post/-Ad)
(idealerweise mit Produktpräsentation
Permission zur Erzielte Umsätze (inkl.
entsprechenden - Zuleitung von Coupons Sortimentsschwerpunkte)
Kontaktaufnahme) - E-Mail-Anstöße Kaufverhalten (u. a.
- (E-)Newsletter Schnäppchenjäger;
Geburtsdatum/Alter - Anrufe Coupon-Nutzer,
Konzentration auf
- Push Notifications Aktionsware)
Familienstand/Haushalts- - WhatsApp -Nachrichten Umtauschverhalten
größe - SMS Kaufkanal (präferierte
- Social-Media-Posts Filiale, online/offline)
Interessensgebiete Zahlungsart (Barzahlung,
Ansprache-Zeitpunkt Kreditkarte, Finanzierung)
Haushaltseinkommen Bonität (Einhaltung von
Zahlungsverpflichtungen)
Haushaltsausstattung Fan in einem sozialen
Netzwerk, Follower bei
Twitter etc.
Abb. 4.15 Ausgewählte Merkmale zur Beschreibung der eigenen Interessenten und Kunden im
B2C-Markt
Anhand der in Abb. 4.15 genannten Kriterien kann auch ermittelt werden, in welchen
Segmenten das Unternehmen mit seinem Angebot besonders erfolgreich war. Genau aus
diesen Segmenten sollten – orientiert an der Maxime „Stärken verstärken“ – weitere
Kunden gewonnen werden. Das bedeutet, dass in den Marktbereichen, in denen das Unter-
nehmen bisher besonders erfolgreich war, weitere Kunden „gefischt“ werden sollen. Dies
gilt so lange, bis ein Markt „überfischt“ ist und eine weitere Akquisition nicht mehr
wirtschaftlich vertretbar ist.
Neukunden in ganz anderen Segmenten zu gewinnen, stellt eine oft wesentlich teurere
Alternative dar. Schließlich haben sich die dort angesiedelten Kunden – aus ganz be-
stimmten Gründen – bisher nicht vom Angebot angesprochen gefühlt. Deshalb müsste viel
passieren, um deren Interesse dennoch zu gewinnen. Oder es sind sehr umfassende
Marketing-Investitionen notwendig, die sich negativ auf die Rentabilität der Kunden
auswirken.
Die Maxime „Stärken verstärken“ muss dann aufgegeben werden, wenn die
Marketing-Strategie oder die Ausgestaltung des Marketing-Diamanten deutlich verändert
werden. Dies ist auch der Fall, wenn die Geschäftsstrategie eines Unternehmens neu aus-
gerichtet wird (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c).
Die in Abb. 4.15 genannten Merkmale werden durch Scoring-Modelle häufig auch zu
einer umfassenden Interessenten- und Kundenbewertung herangezogen (vgl. zum Kon-
zept des Scoring-Modells Abschn. 5.1.2.2). Durch die gleichzeitige Berücksichtigung
verschiedener Merkmale kann für jeden einzelnen Kunden ein Kundenwert ermittelt
werden. Anhand der Kundenwerte wird für viele Unternehmen erstmalig sichtbar, welches
die besten und welches die schlechtesten Kunden eines Unternehmens sind – mit ent-
sprechenden Ableitungen für die weitere Betreuung (vgl. vertiefend zum Kundenwert
Kreutzer, 2021a, S. 28–43).
Eine unkritische und planlose Sammlung von Informationen über Kunden und In-
teressenten ist zu vermeiden. Eine Jäger-und-Sammler-Mentalität ist hier nicht ge-
wünscht. Eine zielorientierte Informationsgewinnung orientiert sich am besten an den
folgenden Schlüsselfragen:
• Hilft dieses Merkmal, das gegenwärtige oder zukünftige Potenzial eines Kunden zu
bewerten?
• Ist geplant, Marketing-Maßnahmen an diesem Merkmal auszurichten?
• Besteht eine Möglichkeit, die Aktualität dieses Merkmals in regelmäßigen Abständen
zu überprüfen, um eine möglichst korrekte Ansprache des Kunden sicherzustellen?
Werden Daten anhand dieser Fragen gewonnen, werden keine Informationen erhoben,
die entweder keine Relevanz haben oder die nicht wirtschaftlich aktualisiert wer-
den können.
242 4 Marketing-Strategie
Bei der Informationsgewinnung und -nutzung ist darauf zu achten, dass die relevan-
ten Aspekte des Datenschutzes berücksichtigt werden. Dies gilt sowohl für das Einholen
der erforderlichen Erlaubnisse (Permissions) wie auch für die Datennutzung selbst. Beim
Einholen dieser Permissions muss die Zielperson bspw. über den Zweck der Speicherung
und einer ggf. vorgesehenen Nutzung und/oder Übermittlung aufgeklärt werden (vgl.
Abschn. 5.4.3.5; vertiefend Blind & Stumpfrock, 2021, S. 387–410; vgl. Kreutzer, 2021a,
S. 71–80).
• Je dynamischer die Märkte oder die Kunden sich entwickeln, desto flexibler müssen
Unternehmen darauf durch eine dynamische Markt- und Kundensegmentierung
reagieren.
4.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing 243
• Es gilt, die mit einer Marktsegmentierung verbundenen Kosten sowie die erwarteten
Mehrerträge zu kalkulieren.
• Denn nicht nur die taxonomische Marktsegmentierung verursacht durch die not-
wendigen Marktstudien und Analysen Kosten.
• Insbesondere die differenzierte Markt- und Segmentbearbeitung der management-
orientierten Marktsegmentierung verursacht Kosten, die durch Mehrerträge zu über-
kompensieren sind. Dies gilt bspw. für segmentspezifische Produktanpassungen, für
eine differenzierte Kommunikation und die Ausgestaltung unterschiedlicher Ver-
triebsformate.
4.2.2.4 Marktarealstrategie
Die Marktarealstrategie stellt eine unverzichtbare Abrundung der Entscheidungen im
Hinblick auf das zu bearbeitende Marktfeld, die einzusetzende Marktstimulierungs-
strategie sowie die Marktsegmentierung dar. Durch die Marktarealstrategie wird definiert,
welches Marktareal das Unternehmen abdecken möchte (vgl. weiterführend Becker, 2019,
S. 312–344). Ansatzpunkte für die räumliche Expansion sind in Abb. 4.16 dargestellt.
Die Definition des abzudeckenden Marktareals wird maßgeblich durch die die Unter-
nehmensziele und die vorhandenen Ressourcen beeinflusst. Auch die Wettbewerbs-
situation und die wirtschaftliche Entwicklung in den bisherigen Schwerpunktmärkten wir-
ken sich auf diese Entscheidung aus.
Stadtteil Unter-
Einzugsgebiet Stadt
nehmen
lokal
Schweiz,
Region Europa
Deutschland
Norddeutschland
Deutschland,
Schweiz,
Frankreich,
Europa/
national
Deutschland Spanien
Amerika
West-
Europa Welt
Ein nur schwach wachsender oder kleiner Binnenmarkt hat viele deutsche Unter-
nehmen motiviert, ihr Wachstum im Ausland zu suchen. Dies war für viele deutsche
Unternehmen des Maschinenbaus sowie der Automobilindustrie der Fall. Ausländische
Märkte ermöglichen aufgrund einer geringeren Wettbewerbsdichte und/oder einer stark
expandierenden nationalen Wirtschaft (etwa in China) deutlich höhere Wachstumsraten
als im Binnenmarkt.
Der Zugang zu neuen Märkten, zu Rohstoffen, Kapital, Arbeitskräften und Produktions-
möglichkeiten ist eine zentrale Ursache der Globalisierung. Verstärkt und erleichtert wur-
den die entsprechenden Schritte durch die weltumspannenden Kommunikationstechno-
logien, die vernetzte Produktions- und Wertschöpfungsketten ermöglichten – über
nationale und kulturelle Grenzen hinaus. Der kontinuierliche Ausbau von Transport-
technologien für Menschen, Geld, Rohstoffe und Produkte hat den Globalisierungs-
prozess weiter beschleunigt.
Export
hoch
Lizenzierung Strategische
Allianzen
Kontrakt-
produktion
Franchising
Joint
Venture
Direkt-
Produktions-
investition niederlassung
niedrig
Tochter-
gesellschaft
niedrig hoch
Kapital-/Management-Anteil im Gastland
• Export
Beim Export wird weiterhin im Heimatmarkt produziert. Ausländische Märkte werden
mit oder ohne Einbindung von weiteren Partnern aus dem Herkunftsland beliefert.
Druckmaschinen von Heidelberg, Fahrzeuge von Daimler wie auch Kosmetik-
produkte von Beiersdorf werden in Deutschland gefertigt und ins Ausland exportiert.
• Lizenzierung
Durch eine Lizenzierung wird einem anderen Unternehmen gegen Entgelt das Recht
eingeräumt, bestimmte Produkte für einen ausländischen Markt zu produzieren und zu
vermarkten.
• Kontraktproduktion
Bei der Kontraktproduktion wird dem ausländischen Partner das produktionstechnische
Know-how geliefert, um Produkte nach genauer Anweisung zu produzieren. Hiermit ist
meist eine Abnahmegarantie verbunden. So kann das Unternehmen den Qualitäts-
standard und die Mengen steuern, ohne selbst im Ausland Produktionskapazitäten
aufzubauen.
Diese Strategie der Kontraktproduktion setzt Apple ein, um seine Produkte durch
Foxconn in China produzieren zu lassen. Auch die Unternehmen Adidas und Nike wie
auch H&M, KiK und Zara lassen in ihrem Namen Drittunternehmen die eigenen Pro-
dukte in Niedriglohnländern fertigen.
• Franchising
Eine weit verbreitete Strategie zur internationalen Expansion ist das Franchising (vgl.
Abschn. 5.3.2.2).
Die genannten Vorgehensweisen sind Beispiele für strategische Allianzen. Hier arbei-
ten die Partner auf einer vertraglichen Basis längerfristig zusammen, ohne dass es zu einer
Kapitalverflechtung zwischen diesen kommt.
Die Umsetzung der nachfolgend genannten strategischen Konzepte geht mit deutlich
höheren Investitionen im Gastland einher. Diese werden als Direktinvestition (auch
Foreign Direct Investment) bezeichnet. Dies kann auch beim Franchising der Fall sei,
wenn im Gastland bspw. eine eigene Franchise-Zentrale zur Steuerung der Franchise-
partner aufgebaut wird.
• Joint Venture
Beim Joint Venture bauen zwei oder mehrere Unternehmen gemeinsam ein neues
Unternehmen auf, ohne ihre Selbstständigkeit aufzugeben. Teilweise erwarten Gast-
länder (wie bspw. China und Indien), dass ausländische Unternehmen mit ein-
heimischen Unternehmen Gemeinschaftsunternehmen gründen. Hierdurch möchte das
Gastland u. a. Einfluss auf die Unternehmensaktivitäten nehmen und gleichzeitig einen
Know-how-Transfer fördern. Ein Joint Venture kann sich auf reine Vertriebsaufgaben
konzentrieren. Meistens werden Joint Ventures allerdings zur gemeinsamen Aufnahme
von Produktionsaktivitäten gegründet.
246 4 Marketing-Strategie
Der Markteintritt von Volkswagen in den chinesischen Markt erfolgte im Jahr 1984
durch die Gründung eines Joint Ventures mit dem Namen SAIC Volkswagen. Diese
Joint Venture ist die Grundlage für den jahrzehntelangen Erfolg von Volkswagen in
China (vgl. Volkswagen, 2021).
• Produktionsniederlassung
Eine eigene Produktionsniederlassung geht mit einem hohen Kapital- und Management-
Transfer ins Gastland einher. Hier bindet sich das Unternehmen langfristig an das
Gastland.
Tesla hat in Brandenburg in den Jahren 2020/2021 eine Giga-Factory aufgebaut, um
dort jährlich 500.000 E-Fahrzeuge zu produzieren.
• Tochtergesellschaft
Der Aufbau einer Tochtergesellschaft stellt eine weitere Form dar, um sich langfristig
in einem Zielland zu engagieren. Eine Tochtergesellschaft ist eine von einer Mutter-
gesellschaft abhängige Kapitalgesellschaft. Meist sind diese als GmbH oder AG ge-
bildet. Das Kapital der Tochtergesellschaft ist meist zu 100 % im Besitz der herrschen-
den Gesellschaft.
Eintritt
Deutschland
Österreich
Frankreich
Spanien
Italien
Groß-
britannien
1 2 3 4 5 6 7 8
Jahre
Abb. 4.19 Sprinkler-
Strategie zur
internationalen Deutschland USA Japan
Produkteinführung
Österreich Kanada Südkorea
Italien Indien
Groß-
britannien Argentinien
1 2
Jahre
Procter & Gamble führte die Einwegwindel Pampers in den USA bereits 1961 ein. In
Deutschland erfolgte die Markteinführung erst 1973 – zwölf Jahre später! Ein solches Vor-
gehen ist heute nur noch schwer vorstellbar.
Heute sind international tätige Unternehmen angesichts der globalen Wettbewerbs-
intensität zunehmend gezwungen, eine zeitlich parallelisierte Produkteinführung vorzu-
nehmen. Dieses Vorgehen wird als Sprinkler-Strategie bezeichnet (vgl. Abb. 4.19). Eine
solche Vorgehensweise ist dann geboten, wenn Innovationen von Wettbewerbern leicht
kopiert werden können – legal oder illegal.
Bei der Sprinkler-Strategie sind die Anforderungen an die notwendigen Produktions-
kapazitäten sowie an den internationalen Vertrieb viel höher. Hier muss gewährleistet wer-
248 4 Marketing-Strategie
den, dass die strategisch relevanten Märkte innerhalb eines kleinen Zeitfensters bedient
werden. Auch die Konsequenzen eines Misserfolges sind um ein Vielfaches höher. Schließ-
lich besteht aufgrund der engen zeitlichen Taktung des Vorgehens keine Möglichkeiten,
aus den Erfahrungen der Markteinführung in einem Land Ableitungen für die weitere
Expansion vorzunehmen. Die Sprinkler-Strategie wurde in den letzten Jahren in immer
mehr Branchen eingesetzt, weil über neue Produkte und Dienstleistungen häufig weltweit
berichtet wird und dadurch ein entsprechender Bedarf geschaffen wird. Wenn ein Unter-
nehmen diesen nicht selbst bedient, können Wettbewerber in diese Lücken hineinstoßen.
cc Denkanstoß Achten Sie in den nächsten Monaten einmal darauf, wie neue Smart-
phones, Tablets, Fahrzeuge, Filme, Spielkonsolen etc. eingeführt werden. Häufig
wird versucht, innerhalb von wenigen Wochen den Weltmarkt mit Produkten zu
versorgen.
• Marktfeldstrategie
• Marktstimulierungsstrategie
• Marktsegmentierungsstrategie
• Marktarealstrategie
Die hier erfolgten Festlegungen bilden den strategischen Rahmen für die Marketing-
Aktivitäten. Diese wird anschließend im Zuge der operativen Planung auf der Ebene des
Marketing-Diamanten konkretisiert. Dafür werden Maßnahmen für das Tagesgeschäft
abgeleitet. Gleichzeitig strahlen die im Zuge der strategischen Marketing-Planung erfolg-
ten Festlegungen auf weitere Unternehmensbereiche aus, bspw. auf den Einkauf, die Pro-
duktion, das Personal-Management etc.
Ein zentraler Aspekt der Strategieentwicklung sei hier herausgestellt. Wie im „richtigen
Leben“ beinhalten auch strategische Entscheidungen sogenannte Trade-offs (vgl. Porter,
1996, S. 63). Darunter ist wörtlich ein Ausgleich, eine Abwägung oder ein Kompromiss zu
verstehen. Diese Trade-offs haben Konsequenzen:
cc Merk-Box Die „Entscheidung für etwas“ geht folglich häufig auch mit einer
„Entscheidung gegen etwas“ einher. Die jeweils langfristige „richtige“ Ab-
wägung und damit auch das Treffen „harter Entscheidungen“ stellt den Kern der
strategischen Planung dar
4.3 Business Model Canvas zur Strategieentwicklung 249
Bei der Strategieentwicklung wird häufig das Business Model Canvas eingesetzt (vgl.
Osterwalder & Pigneur, 2011). Dieses Modell kann zur Dokumentation und Weiter-
entwicklung bestehender Geschäftsmodelle eingesetzt werden. Auch die Entwicklung
neuer Geschäftsmodelle und Marketing-Konzepte wird durch dieses Konzept unter-
stützt. Der Begriff Canvas steht für Leinwand bzw. Arbeitsfläche und unterstreicht einen
wichtigen Aspekt dieser Tools: die Visualisierung. Komplexe strategische Frage-
stellungen, die bei jeder Diskussion von Geschäftsmodellen auftauchen, werden visuali-
siert und hierdurch einfacher diskutierbar.
Das in Abb. 4.20 abgebildete Konzept kann im Strategieprozess auf ein Whiteboard
übertragen werden. In einem Gruppenprozess können gemeinsam die Inhalte dieser visu-
ellen Landkarte erarbeitet werden. Diese Landkarte zeigt die neun Elemente, die im
Zuge der Strategieentwicklung mit Inhalt zu füllen sind. Diese Elemente werden auch
Bausteine oder Building Blocks genannt.
cc Merk-Box Das Business Model Canvas ist ein strukturierter Kreativprozess, mit
dem Geschäftsstrategien im Team erarbeitet werden können.
Die einzelnen Bausteine des Business Model Canvas in Abb. 4.20 sind wie folgt zu
verstehen (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c):
Schlüssel- Vertriebskanäle
ressourcen
Kostenstrukturen Erlösstrukturen
• Wichtige Partner
Unternehmen schaffen Beziehungen zwischen Lieferanten und weiteren Dienstleistern,
um die eigenen Prozesse zu optimieren und/oder um Risiken des Geschäftsmodells zu
reduzieren. Hierzu gehören auch das Eingehen von strategischen Allianzen sowie die
Gründung von Joint Ventures – auch mit strategischen Wettbewerbern. Hier stellt sich
die Frage, mit welchen (strategischen) Partnern ein Unternehmen (in Zukunft) zu-
sammenarbeiten möchte.
Die Kernfragen lauten hier:
–– Welches sind unsere wichtigsten Partner?
–– Welche Schlüsselressourcen beziehen wir von diesen?
–– Welche Schlüsselaktivitäten üben Partner aus?
–– Was sind die Beweggründe für die Partnerschaften?
• Schlüsselaktivitäten
Bei dem Baustein Schlüsselaktivitäten wird ermittelt, welches die wichtigsten Aktivi-
täten entlang der unternehmerischen Wettschöpfungskette sind, um Wettbewerbsvor-
teile zu erzielen. Eine Wertkettenanalyse kann hierfür wichtige Impulse liefern (vgl.
Kreutzer, 2018, S. 136–142).
Die Kernfragen lauten hier:
–– Welche Sch lüsselaktivitäten erfordern uns ere Wertangebote und Dis-
tributionskanäle?
–– Welche Schlüsselaktivitäten erfordern unsere Kundenbeziehungen und Ein-
nahmequellen?
–– Welche Aktivitäten sind am wichtigsten in Vertriebskanälen, Kundenbeziehungen,
Einnahmequellen …?
• Schlüsselressourcen
Zu den unternehmerischen Schlüsselressourcen gehört alles, was im Kern zur Schaf-
fung von Wert für die Kunden notwendig ist. Die relevanten Ressourcen umfassen
bspw. Mitarbeiter, finanzielle Mittel, Patente, Produktionsanlagen, Technologien. Hier
wird untersucht, welches die wichtigsten Ressourcen zur Erstellung, Anreicherung
und/oder Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells sind.
Die Kernfragen lauten hier:
–– Welche Schlüsselressourcen erfordern unsere Wertangebote und Distributionskanäle?
–– Welche Ressourcen erfordern unsere Kundenbeziehungen und Einnahmequellen?
–– Welche dieser Ressourcen sind am wichtigsten für Produktion, Vertriebskanäle,
Kundenbeziehungen, Einnahmequellen …?
• Leistungsversprechen
Als Leistungsversprechen (auch Value Proposition) werden die Produkte und Dienst-
leistungen bezeichnet, die das Angebotsportfolio des Unternehmens ausmachen. Wich-
tig ist, dass sich die hier zu definierende Value Proposition etwa hinsichtlich Neuig-
keitsgrad, Performance, Kundenorientierung, Preis-Qualität-Relation und Convenience
idealerweise deutlich von den Wettbewerberangeboten unterscheidet. Hier stellt sich
die zentrale Frage, welche (weiteren) Erwartungen die Kunden an einen Anbieter haben
oder wodurch für Kunden ein zusätzlicher Mehrwert geschaffen werden könnte.
4.3 Business Model Canvas zur Strategieentwicklung 251
• Erlösstrukturen
In den Erlösstrukturen dokumentiert sich der Erfolg oder Misserfolg des Geschäfts-
modells und damit des Unternehmens insgesamt. Hier ist bspw. kontinuierlich zu prü-
fen, welche Gewinne und Verluste mit welchen Kundensegmenten und Angeboten er-
zielt werden können.
Die Kernfragen lauten hier:
–– Welche Gewinne bzw. Verluste werden mit welchen Kundensegmenten erzielt?
–– Welche Gewinne bzw. Verluste werden mit welchen Angeboten erzielt?
–– Für welche Werte sind unsere Kunden bereit zu bezahlen?
–– Wie viel trägt jede Einnahmequelle zu unseren Gesamteinnahmen bei?
–– Welche Treiber fördern den Erlösfluss?
–– Welche Bereiche (Aktivitäten, Prozesse, Strukturen etc.) behindern den Erlösfluss?
Das Business Model Canvas stellt ein einfaches und hoch wirksames Tool dar, mit
dem das bestehende Geschäftsmodell sowie der Marketing-Ansatz analysieren werden
können. Unter Einsatz des Business Model Canvas können auch systematisch neue Ideen
für den Strategieprozess sowie für neue Geschäftsmodelle gewonnen werden.
cc Merk-Box Das Business Model Canvas erlaubt es, das eigene Geschäfts-
modell in der Tiefe zu verstehen. Auf diesem Verständnis aufbauend erfolgt die
Weiterentwicklung des bestehenden Geschäftsmodells. Gleichzeitig kann
das Konzept zur E ntwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie zur Analyse
der Geschäftsmodelle von Wettbewerbern (etwa von Start-ups) eingesetzt
werden.
• Im Zuge der Marktsegmentierung wird definiert, welche Teile des Marktes be-
dient werden sollen.
• Dem Kundenbeziehungslebenszyklus kommt eine zentrale Bedeutung bei der
Gewinnung und der Bindung von Kunden zu.
• Im Zuge der Marktarealstrategie legt das Unternehmen seinen räumlichen
Aktionsradius fest.
• Im Rahmen der strategischen Planungen müssen Trade-offs akzeptiert werden.
• Das Business Model Canvas wird zur Weiterentwicklung bestehender Geschäfts-
modelle eingesetzt.
• Mit dem Business Model Canvas wird auch die Entwicklung neuer strategischer
Konzepte unterstützt.
13. Was versteht man unter der Outpacing-Strategie? Wann kann deren Einsatz sinn-
voll sein?
14. Kennzeichnen Sie die Strategie der Marktsegmentierung. Welche Ziele werden
damit verfolgt?
15. Was bedeutet „taxonomische Marktsegmentierung“ und wodurch unterscheidet
sie sich von der „managementorientierten Marktsegmentierung“?
16. Welche Kriterien können zur Bildung von Marktsegmenten herangezogen wer-
den? Welchen Anforderungen müssen diese Kriterien Rechnung tragen?
17. Analysieren Sie das Produktprogramm der Konzerne BMW und Toyota und arbei-
ten Sie heraus, welche Segmente durch welche Marken- bzw. Produktangebote
angesprochen werden sollen.
18. Analysieren Sie die Strategie der Hotelgruppe Accor im Hinblick auf die An-
sprache unterschiedlicher Marktsegmente.
19. Waruim hat die Marktsegmentierung für Unternehmen eine große Bedeutung?
20. Anhand welcher Kriterien kann im B2C- bzw. im B2B-Markt segmentiert werden?
21. Was versteht man unter mikrogeografischer Marktsegmentierung und in welchen
Bereichen kann sie zum Einsatz kommen?
22. Was bedeutet Targeting und welche unterschiedlichen Formen gibt es?
23. Was verbirgt sich hinter den Begriffen More Sell, Cross-Sell und Up-Sell?
24. Skizzieren Sie für ein Versicherungsunternehmen, für ein Autohaus und für einen
Online-Shop Strategien, die auf More Sell, Up-Sell und Cross-Sell abzielen. Was
ist zu berücksichtigen?
25. Was ist der Unterschied zwischen der akquisitions- und der transaktions-
orientierten Segmentierung?
26. Was versteht man unter Kundenbeziehungslebenszyklus? In welche Phasen glie-
dert sich dieser und welche Maßnahmen sind in den einzelnen Phasen besonders
wichtig?
27. Welche Entscheidungsfelder sind im Rahmen der Marktarealstrategie zu dis-
kutieren?
28. Wodurch lassen sich die Sprinkler- und die Wasserfall-Strategie voneinander ab-
grenzen? Welche Vor- und Nachteile sind mit deren Einsatz verbunden?
29. Was versteht man unter „Trade-offs“? Welche Bedeutung kommt ihnen in der
strategischen Planung zu?
30. Für welche Fragestellungen wird das Business Model Canvas eingesetzt?
31. Welches sind die zentralen Bausteine des Business Model Canvas?
32. Analysieren Sie das Geschäftsmodell eines Ihnen vertrauten Unternehmens an-
hand des Business Model Canvas.
Literatur
„Der beste Weg, die Zukunft vorzubereiten, ist es, sie zu erfinden.“
Alan Kay, Professor für Informatik
Orientiert an der Marketing-Pyramide in Abb. 1.6 erfolgt nach der Festlegung der
„Wunschorte“ („Ziele“) und der „Festlegung der Route zu den Wunschorten“ („Stra-
tegien“) nun die „Wahl der Beförderungsmittel“ i. S. der Marketing-Instrumente (vgl.
Becker, 2019, S. 4 f.). Damit sind im Kern die fünf Marketing-Instrumente des Marketing-
Diamanten gemeint. Diese werden in ihren grundlegenden Entscheidungsfeldern nach-
folgend praxisorientiert aufbereitet.
Gordon Bruce
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 257
R. T. Kreutzer, Praxisorientiertes Marketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35307-0_5
258 5 Marketing-Instrumente
Lernziele
Fähigkeit,
Die Ziele der Produkt- und Programmpolitik leiten sich aus den generellen Unternehmens-
zielen sowie den Marketing-Zielen und -Strategien ab. Die Produkt- und Programmpolitik
steht hier in einer Zweck-Mittel-Relation zu diesen Zielen und Strategien. Das bedeutet,
die Produkt- und Programmpolitik soll zur Erreichung der Marketing- und Unternehmens-
ziele sowie zur Umsetzung der diskutierten Marketing-Strategien beitragen. Auch wenn
hier von „Produktpolitik“ gesprochen wird, sind in vielen Fällen nicht nur physische Pro-
dukte, sondern auch Dienstleistungen bzw. Services als Angebot des Unternehmens
gemeint.
Den Prozess der Ausgestaltung der Produkt- und Programmpolitik, zeigt Abb. 5.1
dargestellt (vgl. auch Homburg, 2020, S. 599–719; Aumayr, 2019; Meffert et al., 2019,
S. 393–485; Pepels, 2016). Hier zeigt sich, wie die Ausgestaltung der Produkt- und
Programmpolitik aus den vorgelagerten Zielen abzuleiten ist.
Tests, die vor der Einführung (bspw. eines Produktes) durchgeführt werden, heißen
Pretests („pre“ engl. für „vor“). Bei erfolgreichen Tests bzw. nach einer Weiterentwicklung
der Angebote aufgrund der Testergebnisse erfolgt die Produkteinführung auf dem definier-
ten Markt. Auch nach diesem Schritt sind die Ergebnisse der produkt- und programm-
politischen Entscheidungen regelmäßig (bspw. quartalsweise oder jährlich) hinsichtlich
der Zielerreichung zu überprüfen. Dann kann bei Bedarf frühzeitig gegengesteuert wer-
den. Hierdurch wird der in Abb. 7.3 gezeigte Regelkreis mit Informationen versorgt.
Durch diesen Closed-Loop-Ansatz werden die Ergebnisse der eingesetzten Maßnahmen
kontinuierlich überprüft. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse fließen laufend in die
Weiterentwicklung ein.
Im Mittelpunkt der Produkt- und Programmpolitik steht die Kernleistung des Unter-
nehmens. Dies sind entweder Konsum- bzw. Industriegüter oder Dienstleistungen.
5.1 Produkt- und Programmpolitik 259
8QWHUQHKPHQV0DUNHWLQJ=LHOH
3URGXNW XQG
SURJUDPPSROLWLVFKH=LHOH
)HVWOHJXQJGHU3URGXNW XQG
3URJUDPPSROLWLN
$XVJHVWDOWXQJ
.RQWUROOHGHU:LUNXQJHQ3UHWHVW
'XUFKIKUXQJ
.RQWUROOH
Wenn im Folgenden von Produkt gesprochen wird, gelten diese Ausführungen i. d. R. ana-
log für Dienstleistungen.
Die Ausgestaltung dieses Marketing-Instrumentes wird inhaltlich stark geprägt durch
die Festlegungen der Marktfeld- und Marktstimulierungsstrategien. Aber auch Ent-
scheidungen der Marktsegmentierung sowie der Marktarealstrategie wirken sich unmittel-
bar auf die Produkt- und Programmpolitik aus. Die Entscheidungsfelder der Produkt-
und Programmpolitik sind zu bearbeiten:
während der gesamten Vermarktungsphase der Angebote kritisch zu hinterfragen und ggf.
weiterzuentwickeln (dynamische Perspektive). Hierbei geht es u. a. um die folgenden
Fragestellungen:
Hinsichtlich der Programmpolitik geht es zunächst um die Frage, wie breit und wie
tief das Angebotsprogramm eines Unternehmens sein sollte. Diese Frage stellt sich für ein
Produktions- oder Dienstleistungsunternehmen gleichermaßen. Die Programmbreite
wird definiert durch die Anzahl der unterschiedlichen Produktlinien/-kategorien, die
ein Unternehmen parallel im Angebot hat. Eine Produktlinie ist eine Gruppe von Produk-
ten, die aufgrund von bestimmten Kriterien in einer engen Beziehung zueinander stehen.
Der analoge Begriff im Handel lautet hierfür Warengruppe.
Die Programmbreite wird hier am Beispiel von Miele verdeutlicht. Das Unternehmen
unterscheidet in seinem Angebot die folgenden Produktlinien (vgl. Miele, 2021):
• Das Sortiment des Discounters ist mit ca. 1500 bis 1700 Produkten im Stammsorti-
ment sowohl schmal als auch flach angelegt.
5.1 Produkt- und Programmpolitik 261
• Ein Supermarkt bietet heute ca. 12.000 bis 25.000 Produkte an.
• Ein Warenhaus (Motto: „Alles unter einem Dach“) ist dagegen mit ca. 100.000 bsi
200.000 Artikeln branchenübergreifend breit ausgelegt und bietet in den einzelnen
Sortimentslinien auch noch eine große Tiefe (bspw. durch die Vielzahl der unterschied-
lichen Lebensmittel- oder Textilangebote; vgl. Abschn. 5.3.2.2).
Ein weiteres Merkmal zur Beschreibung des Produktprogramms oder Sortiments stellt
das Genre. Mit diesem Begriff wird hier die Wertigkeit beschrieben, welche von einem
Unternehmen angestrebt wird. So sind die Produkte von Miele im Premium-Segment an-
gesiedelt. Die Wettbewerber Beko und Gorenje präsentieren dagegen primär preisattraktive
Angebote. Auch im Einzelhandel werden die entsprechenden Unterschiede deutlich.
Hierzu muss man nur das Bekleidungssortiment von Peek & Cloppenburg mit dem der
Textildiscounter KiK und Takko vergleichen.
cc Merk-Box Bei der Definition des angestrebten Genres ist eine unmittelbare
Verbindung zur bereits diskutierten Marktstimulierungsstrategie und damit zur
Positionierung des Angebotes gegeben.
Hier wird schön sichtbar, wie der Wert eines einzigen Kaufs durch produktbegleitende
Dienstleistungen massiv erhöht werden kann.
Andere Unternehmen haben nicht nur ihr Angebot, sondern ihr gesamtes Geschäfts-
modell kontinuierlich erweitert. Amazon hat sich vom reinen Online-Buchversender zu
einem „Fast-alles-Versender“ sowie zu einem leistungsstarken Anbieter bei Cloud-Ser-
vices entwickelt (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c). Google hat – ausgehend von der Such-
maschine – viele weitere Aktionsbereiche erobert – von YouTube bis zur Entwicklung von
Technologien für selbstfahrende Fahrzeuge (Marke Waymo). Amazon und Alphabet/Goo-
gle haben durch ihre konsequente Entwicklung inzwischen einen Börsenwert von über
einer Billion US-$ erreicht (1.000.000.000.000 US-$).
RGHU
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• Entstehungsphase: Produktinnovationsprozess
• Marktpräsenzphase: Produktlebenszyklus im engeren Sinne
• Entsorgungsphase: Produktentsorgung
• Der Lebenszyklus beschreibt tatsächlich das „Leben“ des Produktes eines bestimmten
Herstellers. Dies ist der Produktlebenszyklus im eigentlichen Sinne. Hier ist etwa an
den Volkwagen Käfer zu denken. Dieser Lebenszyklus begann 1938 und wurde 2003
beendet, weil der luftgekühlte Motor die strengeren Umweltanforderungen nicht mehr
erfüllen konnte. Insgesamt wurden über 21 Mio. VW Käfer produziert. Die Hautcreme
Nivea wurde 1911 von Beiersdorf präsentiert – und hat auch nach über 100 Jahren noch
eine große Zukunft vor sich …
• Auch bei Dienstleistungen kann ein Lebenszyklus für eine ganz bestimmte Marke
identifiziert werden. Hier ist an die Entwicklung des Online-Marktplatzes für Unter-
künfte – konkret Airbnb – zu denken. Dieses Unternehmen wurde 2008 in San Fran-
cisco gegründet und befindet sich momentan in der Wachstumsphase.
• Auch eine Produktgattung kann einen Lebenszyklus haben. Hier ist an den Lebens-
zyklus von Desktop-Computern, Smartphones, Tablet-Computern oder Smart Watches
zu denken. Desktops befinden sich heute in der Reifephase. Smartphones, Tablet-
Computer und Smart Watches befinden sich dagegen noch in der Wachstumsphase.
• Auch die Entwicklung einer Dienstleistungsgattung kann durch den Lebenszyklus
beschrieben werden. Hier ist etwa an Streaming-Dienste oder Addressable TV zu den-
ken. Streaming befindet sich bereits in einer starken Wachstumsphase. Addressable TV
steckt dagegen noch in der Einführungsphase fest. Videotheken und Schallplatten-
Läden sind dagegen fast vom Markt verschwunden.
• Analog kann auch der Lebenszyklus von Unternehmen analysiert werden. Auch diese
werden zu einem bestimmten Zeitpunkt „geboren“ und – nach mehr oder weniger lan-
ger Zeit – auch „beerdigt“. Hier ist an Unternehmen wie Air Berlin, Brockhaus, Grun-
dig, Kettler, Neckermann, Praktika, Schlecker, Thomas Cook und Quelle zu denken.
Dagegen sind die Unternehmen Siemens (gegründet 1847 in Berlin) und General Elec-
tric (gegründet 1892 in New York) noch immer am Markt tätig.
• Der Lebenszyklus von Branchen kann ebenfalls analysiert werden. In einer dynami-
schen Wachstumsphase befindet sich der Online-Handel. In einem Abstiegskampf be-
findet sich dagegen der stationäre Einzelhandel. Auch die Zeitungs- und Zeitschriften-
Verlage haben ihre Reifephase schon überschritten. Der Automobil-Handel befindet
264 5 Marketing-Instrumente
sich ebenfalls in der Reifephase. Die Sharing-Economy und das fehlende Interesse der
jüngeren Generation, ein eigenes Auto zu besitzen, tragen neben allgemeinen Umwelt-
aspekten zum langsamen Niedergang dieser Branche bei.
• Ein Lebenszyklus kann auch bei Ländern und Regionen festgestellt werden. Während
China an weltweiter politischer und wirtschaftlicher Macht gewinnt, verlieren die USA
und Europa relativ an Bedeutung.
Mit Hilfe des Lebenszyklus-Konzepts kann eine Analyse des Status quo erfolgen.
Auf dieser Grundlage können Prognosen erstellt werden, um die erwartbaren Ent-
wicklungen zu beschreiben: bei einzelnen Produkten/Dienstleistungen, für Produkt-/
Dienstleistungsgattungen, einzelne Unternehmen, Branchen und Länder bzw. Regionen.
• Innovationen können sich auf Produkte und Dienstleistungen beziehen. Hier wird von
Produkt- bzw. von Dienstleistungsinnovation bzw. allgemein von Angebots-
innovation gesprochen.
5.1 Produkt- und Programmpolitik 265
• Innovation findet auch bei Prozessen statt. Hier ist an die Prozesse der Forschung, der
Beschaffung, der Produktion, der Vermarktung sowie der Logistik zu denken. Diese
werden als Prozessinnovation bezeichnet.
• Innovationen können sich auch auf das Geschäftsmodell beziehen. Dann wird von
Geschäftsmodell-Innovationen gesprochen. Die Konzepte von Amazon (Online-
Verkauf von Büchern) Facebook, Google (Suchmaschine) und Netflix (Streaming) sind
Beispiele von Geschäftsmodell-Innovationen (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c).
Bei Innovation ist zu unterscheiden, für wen bzw. in welchem Umfeld ein Angebot als
Innovation zu bezeichnen ist. Ist ein Angebot für den Markt neu, so wird von Marktneu-
heit gesprochen. Stellt es nur für einen Anbieter eine Innovation dar, so ist dies eine Be-
triebsneuheit. Im Zusammenführen dieser beiden Achsen ergibt sich eine Matrix, die von
der einfachen Angebotsmodifikation bis zur Weltneuheit reicht (vgl. Abb. 5.3). Die vor-
genommene Klassifizierung stellt ein Denkmodell dar, bei dem zwischen den einzelnen
Gruppen fließende Übergänge bestehen können.
Eine Weltneuheit stellte bspw. das erste iPhone als innovative Kombination aus Tele-
fonie, Kamera sowie Audio-, Bild- und Videoinhalten mit einer sehr einfachen Benutzer-
führung dar. Es wurde gleichsam zum Smart Service Terminal bzw. zum digitalen Schwei-
zer Taschenmesser: eine Vielfalt von Möglichkeiten, handlich verpackt – und immer
dabei! Der Airbus A 380 als erstes komplett doppelstöckiges Passagierflugzeug stellt bei
der Markteinführung 2007 ebenfalls eine Weltneuheit dar. Allerdings ging sein Produktions-
zyklus im Jahr 2021 zu Ende. Geflogen wird das Flugzeug von einigen Fluggesellschaften
aber weiterhin.
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1LHGULJ1HXDUWLJNHLWVJUDGLP0DUNW+RFK
Wenn Samsung die bereits im Markt eingeführte Technologie des Touch-Screens für
seine eigenen Produkte erstmalig einsetzt, ist dies eine Betriebsneuheit. Deren erstmalige
Einführung in einem bestimmten Markt wird als relative Marktneuheit bezeichnet. Im
Grenzbereich zwischen Angebotsmodifikation und -entwicklung liegt bspw. die Steige-
rung der Leistungsfähigkeit von Smartphones hinsichtlich Speicherkapazität und Bildauf-
lösung der Kamera. Eine reine Angebotsmodifikation ist die Herstellung schon vor-
handener Tablet-PCs in unterschiedlichen Größen und Farben, soweit deren Funktionalität
sich nicht entscheidend verändert.
Es ist nachvollziehbar, dass die Entwicklung einer Weltneuheit für ein Unternehmen
mit weitaus größeren Risiken verbunden ist als bspw. die Modifikation eines schon vor-
handenen Produktes. Dies gilt zunächst für physische Produkte. Heute werden viele An-
gebote „digital“ entwickelt. Hierzu zählen die Geschäftsmodell-Innovationen der
Plattform-Konzepte von Airbnb und Uber. Um diese zur Marktreife zu führen, sind deut-
lich weniger Investitionen erforderlich. Schließlich besitzen diese Unternehmen weder
eigene Unterkünfte (so bei Airbnb) noch eigene Fahrzeuge (bei Uber). Für die Entwicklung
benötigt man primär engagierte Mitarbeiter, gute Algorithmen, hohe Rechenleistungen
und Internet-Zugänge. Allerdings sind für die Verankerung im Markt zusätzlich hohe
Marketing- Investitionen zur Kundengewinnung erforderlich. Außerdem betreten Ge-
schäftsmodell-Innovationen auch rechtliches Neuland, was Rechtsstreitigkeiten mit
sich bringt.
,QWHUQHU$QVWR ([WHUQHU$QVWR
• Bei der Make-Option nimmt ein Unternehmen die Verantwortung für die Entwicklung
von Innovationen selbst in die Hand, um eine Innovationsführerschaft zu erreichen.
Hierfür hat Alphabet, der Mutterkonzern von Google, eine eigene Forschungs-
abteilung mit dem Namen X aufgebaut. Viele weitere Unternehmen (wie BASF, Bayer,
Daimler, Henkel, Procter & Gamble, Siemens, Volkswagen) verfügen ebenfalls über
eigene Forschungsabteilungen.
• Bei der Buy-Option erwirbt ein Unternehmen Lizenzen, um Erfindungen anderer
Unternehmen für sich selbst zu nutzen. Alternativ kann der Innovationsprozess an ex-
terne F&E-Institutionen wie Design-Büros oder Forschungseinrichtungen delegiert
werden. Sind die notwendigen finanziellen Mittel vorhanden, können das Know-how,
Prozesse, Anlagen etc. auch akquiriert werden.
Die letztgenannte Strategie wurde bspw. von Alphabet/Google, Amazon, Facebook
und Axel Springer gewählt, um ihre strategische Weiterentwicklung voranzutreiben
(vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c).
• Bei der Copy-Option analysiert ein Unternehmen kritisch die Entwicklungen in den
interessanten Märkten. Hier sind besonders erfolgversprechende Innovationen zu er-
mitteln. Wenn solche identifiziert wurden, wird als Innovationsfolger versucht, das
Erfolgsmodell intelligent zu übernehmen oder weiterzuentwickeln. Vielleicht kann es
auch gelingen, den Markt als Nachzügler durch hohen Werbedruck „zu kaufen“.
Im Markt der Unterhaltungselektronik wurde von Apple weder der MP3-Player
noch das Handy erfunden. Dennoch konnte Apple als Innovationsfolger aufgrund der
eigenen hohen Marken- und Designkompetenz mit iPod und iPhone den Markt sehr
erfolgreich „aufmischen“ und einen neuen Standard setzen. Das von Apple entwickelte
Produkt iPad wurde von anderen Unternehmen (u. a. Samsung) kreativ aufgenommen
und in eigene Angebote überführt.
Im Pharmamarkt hat sich mit den Generika-Herstellern eine ganze Gruppe von
Unternehmen darauf spezialisiert, auf eigene Forschung zu verzichten. Diese Generika-
268 5 Marketing-Instrumente
Hersteller bauen „einfach“ die Medikamente nach, deren Patentschutz abgelaufen ist.
Durch preisaggressive Angebote haben diese Unternehmen (u. a. ratiopharm, Stada,
Hexal) einen beträchtlichen Marktanteil erobert.
cc Merk-Box Es ist nicht notwendigerweise eine Frage des Budgets, ob ein Unter-
nehmen eigene Innovationen vorantreibt, Dritte in den Entwicklungsprozess
einbindet oder kreativ kopiert. Das jeweilige Vorgehen wird durch die strategi-
sche Ausrichtung des Unternehmens definiert.
Der bereits angesprochene Innovationsdruck führt dazu, dass ca. 70 bis 90 % der Inno-
vationen scheitern. Mit der Flopquote wird der Anteil der nicht erfolgreichen Angebots-
einführungen bezeichnet.
Anzahl der nicht erfolgreichen Angebotseinfuhrungen
Flopquote = ∗100
Gesamtzahl der Angebotseinfuhrungen
Je niedriger dieser Wert ist, desto erfolgreicher waren die Innovationsaktivitäten.
Ursachen für erfolglose Markteinführungen können in einer fehlenden Kunden-
orientierung liegen. Diese kann aus Kundensicht ein nicht ausreichender Innovations-
grad oder ein Overpromising sein. Beim Overpromising wird mehr versprochen als ge-
halten. Ein nicht stimmiges Preis-Leistungs-Verhältnis – in den Augen der Kunden – führt
ebenfalls zum Scheitern. Ein Engpass kann auch darin bestehen, dass Handelspartner die
Innovation nicht gelistet haben; sprich: Sie haben das Produkt nicht ins Sortiment
übernommen.
Aufgrund des hohen Risikos, mit Innovationen zu scheitern, bedarf es eines quali-
fizierten Innovationsmanagements. Die Notwendigkeit besteht vor allem bei Unter-
nehmen, deren Überleben von erfolgreichen Innovationen abhängig ist. Auch beim Ein-
satz größerer Budgets für den F&E-Bereich ist ein professionelles Management
unverzichtbar. Ein gutes Prozess-Management ist auch erforderlich, wenn die Zeitspanne
bis zur Markteinführung zeitkritisch ist und/oder lange Forschungszeiträume not-
wendig sind.
Die genannten Faktoren treffen bspw. auf die Pkw-, die Maschinenbau-, die Chip- und
die Flugzeugindustrie zu. Beträchtliche Größenordnungen bzgl. Länge und Kosten von
Entwicklungsprozessen werden auch in der pharmazeutischen Industrie erreicht. Häufig
dauert die Entwicklung eines Medikaments mit einem neuen Wirkstoff mehr als zehn
Jahre und kostet viele Mio. €. Bei digitalen Innovationen betragen Zeitdauer und Kosten
meist nur einen Bruchteil davon. Hier kommt eher das Phänomen „Unternehmen vom
Fließband“ zum Tragen, weil neue Geschäftsmodelle in kürzester Zeit entwickelt und
auch wieder verworfen werden können (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c; Schallmo, 2018).
In vielen Unternehmen wird bei Innovationsprozessen das seit Jahrzehnten bewährte
Wasserfall-Konzept eingesetzt (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c). Dieses ist in Abb. 5.5
idealtypisch zu sehen. Beim Wasserfall-Konzept werden zum Start des Projektes die
5.1 Produkt- und Programmpolitik 269
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Abb. 5.5 Wasserfall-Konzept
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7LPHWR0DUNHW
Abb. 5.7 Time-to-Market
Dies gilt vor allem dann, wenn viel Zeit in die Entwicklung investiert werden muss. Je
schneller ein Angebot durch ein überarbeitetes ersetzt wird, desto erfolgloser werden die
Unternehmen sein, die ihre Entwicklungsprozesse nicht auf Schnelligkeit ausge
richtet haben.
Um Schnelligkeit zu erreichen, sollte sich jedes Unternehmen stärker auf die Ti-
me-to-Value konzentrieren (vgl. Abb. 5.8). Die Time-to-Value wird ebenfalls in Tagen,
Wochen, Monaten und/oder Jahren bemessen und kennzeichnet die Vorlaufzeit, die zwi-
schen einer Produkt-/Dienstleistungs-Idee oder einer Geschäftsmodell-Innovation und
deren erster Nutzenstiftung für Kunden liegt. Hier wird folglich nicht gewartet, bis ein
perfektes Produkt bzw. eine perfekte Dienstleistungs-Innovation vorliegt, um diese in den
Markt einzuführen. Eine Innovation wird bereits dann am Markt präsentiert, wenn sie für
die Nutzer ersten relevanten Wert stiften kann. So lautet die Herausforderung heute: Fokus
auf die Time-to-Value!
Bei der Umsetzung des Time-to-Value-Ansatzes erfolgt quasi ein Pre-Launch. Diesen
kennzeichnet eine sehr frühe Einführung in den Markt mit einem ersten funktionsfähigen
Produkt bzw. einer leistungsfähigen Dienstleistung. Ein solcher Pre-Launch ermöglicht
dem Unternehmen im Vergleich zum Time-to-Market-Ansatz, dass eine Nutzenstiftung
für den Kunden viel früher erreicht werden kann. Gleichzeitig lernen das Unternehmen
in der Zusammenarbeit mit echten Kunden, wo Optimierungsnotwendigkeiten bestehen
und welche weiteren Features mit besonderer Dringlichkeit zu entwickeln sind.
Diese kontinuierliche Weiterentwicklung geht mit einer frühen Schaffung von Wert
für den Kunden einher. Der Launch des „finalen“ Produktes bzw. der „finalisierten“
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/DXQFK
3UH
/DXQFK
5LVLNR
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7LPHWR9DOXH
Abb. 5.8 Time-to-Value
272 5 Marketing-Instrumente
Dienstleistung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt. Oft bietet sich ein fließender Über-
gang von der Pre-Launch-Phase in die Launch-Phase an – einhergehend mit einer
kontinuierlichen Wertstiftung für den Nutzer (vgl. Abb. 5.8).
Durch die Fokussierung auf die Time-to-Value können mehrere Ziele erreicht werden:
• Zum einen kann ein Unternehmen früher den Markt mit eigenen Angeboten durch-
dringen, um damit den Markteintritt von Wettbewerbern zumindest zu erschweren.
• Zum zweiten können einen Feinschliff von Produkt oder Dienstleistung im echten
Marktumfeld vorgenommen und Fehlentwicklungen zu einem frühen Zeitpunkt er-
kannt und gestoppt werden.
• Zum dritten können ggf. schon erste Erträge durch das Angebot einer 70- oder 80-%-Lö-
sung erzielt werden. Damit können Kosten, die im Innovationsprozess für Markt-
forschung, Prototypenbau, Kommunikation etc. anfallen, zumindest schon partiell ab-
gedeckt werden.
Der Time-to-Value-Ansatz propagiert damit nicht das Bananenprinzip, bei dem gilt:
Das Produkt reift (erst) beim Kunden! Beim Bananenprinzip werden Kunden vom Her-
steller unfertige Produkte oder unausgereifte Dienstleistungen präsentiert, ohne darauf
konkret hinzuweisen. Hierbei werden die unfertigen Leistungen erst nach und nach – ba-
sierend auf dem Feedback der Nutzer – nachgebessert. Ein Frust der Kunden ist vor-
programmiert – aber keine Schaffung von Kundennutzen!
Durch eine Time-to-Value-Fokussierung kann es viel besser gelingen, auf Zeit ba-
sierende Wettbewerbsnachteile konsequent zu erarbeiten.
Um Innovationsprozesse erfolgreich zu gestalten und auf „Time-to-Value“ zu fokussie-
ren, setzen Unternehmen verstärkt Instrumente des agilen Managements ein. Wie ein
solches Zusammenwirken aussehen kann, zeigt Abb. 5.9 (vgl. Gartner, 2016). Das Kon-
zept des Design Thinkings wird eingesetzt, um das Kundenproblem zu verstehen und
erste Lösungsideen zu entwickeln. Hierdurch wird eine umfassende Kundenorientierung
sichergestellt (vgl. vertiefend zum Design Thinking Lewrick et al., 2020; Kerguenne et al.,
2017; Kreutzer, 2018, S. 190–196).
Die hier gefundenen Ideen werden durch den Lean-Start-up-Ansatz in den Phasen
Build – Measure – Learn in iterativen Schleifen weiterentwickelt und im Hinblick auf ihre
Akzeptanz im Markt geprüft. Die konkrete Erarbeitung eines Produktes oder einer Dienst-
leistung erfolgt anschließend durch das Scrum-Konzept. Dieses Vorgehen erfolgt eben-
falls iterativ und inkrementell – Schritt für Schritt, bis ein überzeugendes Angebot vorliegt
(vgl. vertiefend zum Lean-Start-up-Ansatz und zu Scrum Ries, 2017; Poguntke, 2019;
Preußig, 2018; Kreutzer, 2018, S. 207–235).
5.1 Produkt- und Programmpolitik 273
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&XVWRPHU3UREOHP &XVWRPHU6ROXWLRQ
'HVLJQ7KLQNLQJ /HDQ6WDUWXS 6FUXP
Abb. 5.9 Zusammenführung von Design Thinking, Lean Start-up und Scrum
Die schwierigste Aufgabe des Moderators besteht darin, das Ideenkilling, sei es verbal
oder nonverbal, zu unterbinden. Häufig sind alle Teammitglieder darauf fixiert, bei Vor-
schlägen gleich die Nachteile und Schwierigkeiten zu thematisieren, getreu einer Regel
des Rheinischen Grundgesetzes:
274 5 Marketing-Instrumente
Denn jede Veränderung, jede Neuerung verursacht zunächst einmal Ängste, die zur Ab-
wehr von entsprechenden Innovationen führen. Gerade beim Brainstorming gilt es jedoch,
die Ideen und Vorschläge auf die eigene Kreativität wirken zu lassen. Weist der Moderator
Kritik nicht konsequent zurück, ist das der sichere Tod jeder Kreativität. Dies gilt insb.
dann, wenn verschiedene Hierarchiestufen präsent sind und/oder introvertierte Personen
mitwirken, die sich durch Kritik schnell entmutigen lassen.
Um diese Nachteile zu vermeiden, bietet sich das Brainwriting an. Dieses Vorgehen
wird auch als Methode 6-3-5 bezeichnet. Bei dieser Kreativitätstechnik erhalten sechs
Teilnehmer eine schriftliche Problemstellung und die Aufgabe, jeweils drei Lösungsvor-
schläge zu erarbeiten. Diese werden fünfmal weitergereicht. Eine solche Sitzung dauert
ca. 60 Minuten und ermöglicht eine konfliktfreie Zusammenarbeit zwischen verschiedenen
Hierarchiestufen und unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen, da hier auf die Vor-
schläge jeweils „nur“ schriftlich zu antworten ist.
Eine systematisch-analytische Methode zur Neuproduktentwicklung stellt das Attri-
bute Listing dar. Hierbei wird das betreffende Angebot zunächst in verschiedene Merk-
male zerlegt und anhand dieser der Ist-Zustand beschrieben. Anschließend wird in jeder
Merkmalsgruppe nach unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten gesucht, um so
Ansatzpunkte zur kreativen Weiterentwicklung zu finden. Durch eine Kombination der
neu gefundenen Ausprägungen können Innovationen entstehen, die anschließend hinsicht-
lich ihrer Realisierbarkeit zu bewerten sind. Ein Beispiel für die Entwicklung eines Fach-
buches zeigt Abb. 5.10.
Um das unternehmensexterne Innovationspotenzial speziell bei den eigenen Interes-
senten und Kunden zu nutzen, binden Unternehmen diese immer stärker und früher in
Innovationsprozesse ein. Die Relevanz hierfür resultiert aus der Tatsache, dass für jeden
Kunden ein neues Produkt zunächst einmal eine Verhaltensänderung mit sich bringt.
Ein neues Angebot verursacht folglich neben monetären Kosten für den Kauf häufig
auch psychische Kosten. Psychische Kosten treten auf, weil gelernte Verhaltensmuster
entwertet und neue Fähigkeiten oder Fertigkeiten erworben werden müssen. Dies ist bspw.
bei der Einarbeitung in ein neues Software-Release notwendig.
Diese wahrgenommenen Kosten führen häufig zu dem Phänomen, dass Kunden Pro-
dukte, die sie bereits besitzen und nutzen, hinsichtlich ihrer Vorteile besser bewerten als
andere. Folglich geht mit der Entscheidung über die Akzeptanz einer Innovation ein
emotionaler und rationaler Abwägungsprozess einher:
Die subjektiven Vorteile der Innovationen werden den subjektiven Nachteilen
gegenübergestellt.
So leistet ein Elektroauto nicht nur einen Beitrag für eine saubere Umwelt, sondern ist
auch nach wie vor teurer als ein konventionelles Fahrzeug. Außerdem wird der „Tankvor-
gang“ aufwendiger, weil noch kein flächendeckendes Netz von Ladestationen existiert.
Der Weingenießer wird sich bei einem Schraubverschluss oder einem Kunstkorken
einerseits über die längere Haltbarkeit des Weines freuen. Andererseits fehlt die Freude
beim klassischen Ziehen eines Korkens – und dem Schnuppern daran! Weitere Beispiele
finden sich in Abb. 5.11.
cc Merk-Box Innovationen bergen für Kunden häufig Vor- und Nachteile gleicher-
maßen. Überzeugen die Vorteile einer Innovation nicht wirklich, wird diese
nicht erfolgreich sein.
Ein Analyseraster für Innovationen zeigt Abb. 5.12 (vgl. Gourville, 2006, S. 54).
Hier wird sichtbar, welche Art von Innovationen mit welcher Aufnahme im Markt zu rech-
nen hat. Wenn ein Produkt sehr umfassend verändert wird und damit einen hohen
Innovationsgrad aufweist, besitzt es ein höheres Erfolgspotenzial. Allerdings sind auch die
:DV.XQGHQGXUFKGHQ :DV.XQGHQGXUFK
,QQRYDWLRQ
.DXIJHZLQQHQ GHQ.DXIYHUOLHUHQ
Abb. 5.11 Subjektive Bewertung der Vor- und Nachteile von Innovationen
276 5 Marketing-Instrumente
6LFKHUHU)HKOVFKODJ
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$XVPDGHUQRWZHQGLJHQ
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XQG9HUKDOWHQVYHUlQGHUXQJ 9HUKDOWHQVlQGHUXQJ
QLHGULJ KRFK
$XVPDGHU3URGXNWYHUlQGHUXQJ
auf Seiten der Kunden zu vollziehenden Verhaltensänderungen und damit auch der Wider-
stand gegen die Innovation deutlich größer. Folglich wird hier die Produkteinführung mit
einer langen Durststrecke einhergehen (vgl. Abb. 5.12).
Eine solche lange Durststrecke war bspw. bei der 1982 eingeführten CD (Compact
Disc) der Fall. Die CD fristete lange ein Schattendasein und wurde von den einschlägigen
Musikexperten stark kritisiert. Erst im Jahr 1994 wurden doppelt so viele CD-Einheiten
verkauft wie von allen übrigen Tonträgern zusammen.
Die CD selbst von der Nachfolgetechnologie MP3 hart bedrängt. Musik wurde in zu-
nehmendem Maße – ohne physischen Datenträger – aus dem Internet heruntergeladen.
Die MP3-Technologie wurde im Markt als Verkaufsschlager viel schneller aufgegriffen,
weil sie entscheidende Convenience-Vorteile aufwies. Dazu zählen u. a. der kostenlose
oder kostengünstige Download aus dem Internet, die Multiplizierbarkeit der Dateien
sowie die Möglichkeit, einzelne Titel und nicht nur ganze Alben zu kaufen.
Die genannten Convenience-Vorteile des MP3-Formates werden heute durch Musik-
Streaming-Dienste wie Amazon Prime Music, Apple Music und Spotify geboten. Ein
Download-Vorgang ist nicht mehr erforderlich. Die gewünschte Musik wird aus einem
Bestand von vielen Millionen Titeln dann ausgewählt und gehört, wenn man dies wünscht.
Streaming ist ebenfalls zum Verkaufsschlager geworden.
Einen sicheren Fehlschlag werden gemäß Abb. 5.12 die Angebote erleiden, die nur
geringfügige Änderungen zu etablierten Produkten oder Dienstleistungen aufweisen, aber
eine beträchtliche Verhaltensänderung bedeuten. Dies war bspw. bei verschiedenen
Betriebssystem-Innovationen von Microsoft der Fall. Diese wurden nach der Einführung –
und Ablehnung durch die Nutzer – entweder modifiziert oder vom Markt genommen.
5.1 Produkt- und Programmpolitik 277
Abb. 5.13 Closed-
+RUL]RQWGHV
Innovation-Modell 8QWHUQHKPHQV
0DUNW
,QQRYDWLRQHQ
+RUL]RQWGHV
8QWHUQHKPHQV
Ein leichter Verkauf kann dagegen mit Innovationen einhergehen, die nur minimale
Verhaltensänderungen erfordern, aber auch nur eine geringe Produktänderung zur Folge
haben. Allerdings ist hier aus Sicht der Kunden fraglich, warum überhaupt ein Wechsel
vollzogen werden soll.
cc Denkanstoß Überlegen Sie einmal, welche der Innovationen, die Ihnen in den letz-
ten Monaten begegnet sind, in welche Kategorie fallen. Ganz subjektiv aus
Ihrer Sicht!
Diese Aspekte, die bei der Bewertung von Innovationen häufig immer noch zu wenig
beachtet werden, legen eine umfassendere Integration derjenigen nahe, die über den Er-
folg einer Innovation entscheiden: der Kunden. Eine solche Kundenintegration in den
Innovationsprozess erfordert die Überwindung des nach wie vor stark verbreiteten
Closed-Innovation-Modells (vgl. Abb. 5.13). Hier entwickeln und vermarkten Unter-
nehmen primär die Ideen, die im Unternehmen selbst (insb. im F&E-Bereich) gewonnen
wurden. Impulse aus dem Umfeld des Unternehmens werden dagegen nicht aufgegriffen.
Das Open-Innovation-Modell berücksichtigt neben den intern gewonnenen Impulsen
für Innovationen auch solche aus dem Umfeld des Unternehmens. Hierzu werden externe
Entwicklungspartner wie Kunden, aber auch Lieferanten und Hochschulen offensiv in die
eigenen Innovationsprozesse eingebunden. Die Innovationsprozesse werden als offenes und
damit verteiltes System ausgestaltet und fördern eine intensive Interaktion mit verschiedenen
Instanzen (vgl. Abb. 5.14; grundlegend Piller et al., 2017, S. 56–84). Ein solcher Outside-in-
Prozess integriert externes Wissen in den unternehmensinternen Innovationsprozess, um
diesen zu beschleunigen, anzureichern und – soweit Kunden einbezogen werden – bereits in
einer frühen Phase konsequent auf (zukünftige) Kundenbedarfe auszurichten.
Die Einbindung von Kunden als Entwicklungspartner in den Innovationsprozess
kann unterschiedliche Formen annehmen (vgl. Abb. 5.15; vgl. Dahan & Hauser, 2002):
• Die 1. Stufe „Zuhören“ trägt Informationen über die Kunden aus unterschiedlichen
Quellen zusammen. Diese werden einer Entwicklung für Kunden zugrunde gelegt.
Dies stellt die klassische Form der Kundenintegration dar.
278 5 Marketing-Instrumente
Abb. 5.14 Open-
Innovation-Modell
Kunden Kunden
Kunden
Kunden Kunden
Lieferanten Universitäten
Innovationen
Start-ups
Wettbewerber
Eigene F&E-
Abteilung
Dienstleister
6WXIH)UDJHQ 8QWHUQHKPHQVLQLWLLHUWHU'LDORJPLWGHP.XQGHQ
.XQGHQSDQHO.XQGHQZRUNVKRSV
.XQGHQEHIUDJXQJHQ 7HVWGXUFK.XQGHQYRUGHP0DUNWVWDUW
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.XQGHQLQLWLLHUWHU'LDORJPLWGHP8QWHUQHKPHQ
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2SHQ,QQRYDWLRQ
6\VWHPDWLVFKHU3UR]HVVHLQHV%HVFKZHUGH0DQDJHPHQWV
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6WXIH%HWHLOLJXQJ .XQGHQVLQGJOHLFKEHUHFKWLJWH(QWZLFNOXQJVSDUWQHU
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.XQGHQHQWZLFNHOQLKUH
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HLJHQHQ/|VXQJHQ
1XW]HU,QQRYDWLRQV .XQGHQVLQGXQDEKlQJLJH,QQRYDWRUHQ
3ODWWIRUPHQ /HDG8VHU$NWLYLWlWHQRKQH8QWHUQHKPHQVLPSXOV
(QWZLFNOXQJGXUFK .XQGHQ &RPPXQLW\,QQRYDWLRQHQ
• Die 2. Stufe „Fragen“ bindet die Kunden durch unterschiedliche Ansätze – etwa durch
Kundenpanels oder Kundenworkshops – viel umfassender ein. So wird eine Ent-
wicklung mit Kunden erreicht.
• In der 3. Stufe „Beteiligung“ schließlich werden die Kunden zu echten Entwicklungs-
partnern. Hier erfolgt eine Entwicklung durch Kunden. Dies kann bspw. in Lead-
User-Workshops, Online-Communitys sowie innerhalb der sozialen Medien gelingen.
herige Denk- und Handlungsmuster durchbrochen und neue Wege beschritten wer-
den. Gleichzeitig stellen sich kundenorientiertere Ergebnisse ein, weil bereits in einer
frühen Phase Impulse, Erwartungen, Befürchtungen und vielleicht sogar Sehnsüchte der
Kunden in den Prozess einfließen. Das wird auch bei den in Abb. 5.9 präsentierten Kon-
zepten konsequent angestrebt.
Vielfach lassen sich Kunden gerne in solche Entwicklungsprozesse einbinden, ohne
dass jeweils gleich eine monetäre Gegenleistung erwartet wird. Allein die durch eine Inte-
gration von Kunden ausgedrückte Wertschätzung stellt vielfach ein zentrales Motiv zur
Mitarbeit dar. Den Kunden gleichsam zum „Mitarbeiter“ zu machen, stellt eine ziel-
führende Methode dar, um die ausgetretenen Pfade des Innovations-Managements zu ver-
lassen und schier unerschöpfliche externe Quellen der Kreativität zu erschließen.
cc Merk-Box Innovation entsteht nur, wenn sich möglichst viele trauen, mit dem
Herkömmlichen, dem Vertrauten, dem Üblichen zu brechen.
Die Einbindung von Kunden und anderen interessierten Personen wird als Crowdsour-
cing bezeichnet. Hier gelingt die Einbindung externer Intelligenz und Arbeitskraft der
„breiten Masse“, bspw. bei der Suche nach Neuproduktideen. Die einzubindenden Res-
sourcen sind nicht auf den Online-Kanal beschränkt, sondern können – etwa in Gestalt von
Ideenwettbewerben – auch offline angesprochen werden.
Die durch die dargestellten Prozesse, Quellen und Methoden identifizierten Neu-
produktideen sind in einem mehrstufigen Prozess daraufhin zu überprüfen, ob sie zur Er-
reichung der Unternehmens- und Marketing-Ziele beitragen. Hier bietet sich die Orientie-
rung an dem in Abb. 5.16 zu findenden Trichtermodell an. Hier werden unterschiedliche
Methoden zur Ideenbewertung und -auswahl verwendet.
6FRULQJ0RGHOO
)HLQDXVZDKO %UHDNHYHQ$QDO\VH
$PRUWLVDWLRQVUHFKQXQJ
.DSLWDOZHUW$QDO\VH
0DFKEDUNHLWVVWXGLH
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$N]HSWDQ]0DUNWWHVW
0 N
6HWUHOHYDQWHU,GHHQ
IUGLH8PVHW]XQJ
I GL 8 W
In der Vorauswahlstufe werden die einzelnen Ideen anhand einer Checkliste mit so-
genannten „Must“-Kriterien bewertet. Diese Auswahl wird auch „Screening“ genannt.
Hierbei geht es um die Frage, ob die identifizierten Vorschläge alle Anforderungen er-
füllen, die aus Unternehmenssicht unverzichtbar sind. Dazu zählen u. a.:
• Vereinbarkeit mit der Vision, dem Purpose, den Werten, der Kultur und den Zielen des
Unternehmens
• Stimmigkeit mit dem bestehenden Image des Unternehmens
• Time-to-Market (Zeitdauer, bis eine Idee zur Marktreife entwickelt ist)
• Time-to-Value (Zeitbedarf, bis die Technologie für die Nutzer ersten Wert stiften kann)
• Erforderliches Budget in Relation zum vorhandenen Budget
• Verfügbarkeit bzw. Beschaffbarkeit der notwendigen Technologien
• Möglichkeit, die erforderlichen Qualifikationen im eigenen Unternehmen aufzubauen
bzw. zu akquirieren
• …
VHKUXQJQVWLJVHKUJXW
0LQGHVWZHUW]XU:HLWHUYHUIROJXQJHLQHU,GHH
In Abb. 5.17 ist ein Modell für die Bewertung von Neuproduktideen zu sehen. Durch
den Einsatz eines Scoring-Modells werden die (oft subjektiven) Präferenzen für ver-
schiedene Produktideen sichtbar. Wurden alle Ideen anhand des gleichen Scoring-Modells
bewertet, wird schnell sichtbar, welche die größten Erfolgschancen aufweisen. Dies sind
die Ideen mit den höchsten Punktwerten. Es wird auch deutlich, von welchen Ideen man
sich ggf. verabschieden sollte. Häufig wird zusätzlich ein Mindestwert (hier bspw. 3,3)
definiert, den eine Idee zur Weiterverfolgung mindestens aufweisen muss. Damit wird ver-
mieden, dass auch mittelmäßige Ideen vertieft werden, nur weil keine überzeugenden
Alternativen vorlagen!
Der Vorteil von solchen Scoring-Modellen besteht darin, dass qualitative und quantita-
tive Kriterien in eine Bewertung einfließen können. Außerdem werden – wie schon an-
gedeutet – subjektive Einschätzungen (das berühmte „Bauchgefühl“) durch die Ein-
bindung mehrerer Personen zu einer Gesamtbewertung verdichtet. Die Dokumentation
der Bewertungsmechanik erlaubt es, bspw. nach einem Jahr zu überprüfen, wie zutreffend
die vorgenommenen Einschätzungen waren. So werden wichtige Voraussetzungen für eine
„lernende Organisation“ geschaffen. Die Erfahrungen der Vorperiode ermöglichen eine
laufende Optimierung der Prozesse.
Scoring-Modelle werden sehr vielseitig eingesetzt. Hierzu zählen die folgenden
Bereiche:
cc Merk-Box Der Einsatz eines Scoring-Modells ist angezeigt, wenn eine Ent-
scheidung unter Heranziehung mehrerer unterschiedlich wichtiger quantitati-
ver und qualitativer Kriterien getroffen werden soll.
Für Produktideen, die das Scoring als besonders attraktiv identifiziert hat, werden an-
schließend in der Feinauswahl stärker quantitativ geprägte Verfahren eingesetzt. Hierbei
handelt es sich um Wirtschaftlichkeitsanalysen. Eine wichtige Methode ist die Break-
even-Analyse. Diese ermittelt die Absatzmenge, bei der die Gesamtkosten (Summe der
fixen und variablen Kosten) für das Projekt und die erzielten Umsätze übereinstimmen. An
diesem sogenannten Break-even-Point entsteht weder ein Gewinn noch ein Verlust (vgl.
Abb. 5.18).
In Abb. 5.18 ist der Break-even-Punkt bei 500 Einheiten erreicht. Hier gilt:
8PVDW].RVWHQ
LQ0LR¼
8PVDW]
%UHDNHYHQ *HVDPWNRVWHQ
3RLQW
9DULDEOH.RVWHQ
)L[NRVWHQ
0HQJH
Abb. 5.18 Break-even-Analyse
Erwartet ein Unternehmen in diesem Beispiel eine Verkaufsmenge unter 500 Stück, so
ist das Projekt nicht wirtschaftlich. Ein Gewinn mit dem entsprechenden Produkt wird
sich nicht einstellen. Die Einführung eines solchen Produktes kann dennoch aus anderen
unternehmenspolitischen Gründen notwendig sein. So können die Kunden ein ent-
sprechendes Angebot erwarten, um auch andere Leistungen des gleichen Anbieters
zu kaufen.
Die Break-even-Analyse kann sich auf die gesamte Laufzeit eines Produktes beziehen.
Dann werden die insgesamt erforderlichen Absatzmengen ermittelt, die für eine Gewinn-
erzielung notwendig sind. Es kann aber auch errechnet werden, welche jährliche Absatz-
menge notwendig ist, um bei einem Projekt die Gewinnschwelle zu erreichen.
Bei der Amortisationsrechnung wird ermittelt, wie lange es dauert, bis die Profitabili-
tät eines Projektes erreicht ist. Hier wird auch von Pay-back-Rechnung bzw. Pay-off-
Rechnung gesprochen. Konkret geht es um die Frage, wann die Initialauszahlungen
bspw. für die Umsetzung einer Neuproduktidee in der Periode 0 (IA Periode 0) durch die
kumulierten Zahlungsüberschüsse der Folgeperioden (n) abgedeckt werden.
Die Initialauszahlungen können durch Lizenzgebühren oder durch Entwicklungs-
kosten für eine Spezialmaschine entstanden sein. Die Zahlungsüberschüsse ergeben sich
aus der periodenbezogenen Gegenüberstellung der jeweils erzielten Einzahlungen (E) und
der getätigten Auszahlungen (A). Während sich die Einzahlungen aus den Umsatzerlösen
ergeben, setzen sich die Auszahlungen u. a. aus Löhnen, Gehältern, Materialkosten und
Abschreibungen für Maschinen zusammen. Eine einfache Ermittlung der Amortisations-
dauer (AD) erfolgt nach der Formel:
Initialauszahlungen Periode 0
Amortisationsdauer =
bberschuss pro Jahr
∅Zahlungsu
Beträgt die Initialauszahlung in Periode 0 bspw. 10 Millionen € und werden pro Jahr
im Durchschnitt Zahlungsüberschüsse von einer Million € erwartet, beträgt die
284 5 Marketing-Instrumente
Amortisationsdauer zehn Jahre. Bei dieser Art der Berechnung werden keine Zinseffekte
berücksichtigt.
10 Mio.€
Amortisationsdauer =
1 Mio.€
Ein Unternehmen kann für die Entscheidung über die Entwicklung eines neuen Pro-
duktes eine bestimmte Amortisationsdauer (bspw. drei Jahre) festlegen, die nicht über-
schritten werden darf. Produktideen, deren Amortisationsdauer diese drei Jahre übersteigt,
würden ausgeschlossen werden. Diese Art der Wirtschaftlichkeitsrechnung betrachtet al-
lerdings nur das Risiko in Gestalt der Dauer, bis sich die Investition amortisiert hat. Eine
Aussage darüber, welcher Gewinn über den Lebenszyklus des Produktes insgesamt erzielt
werden kann, ist mit dieser statischen Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht verbunden.
Aussagen hierzu erlaubt die zu den dynamischen Wirtschaftlichkeitsrechnungen
zählende Kapitalwertmethode. Bei der Kapitelwertmethode werden der zeitliche Anfall
und die Höhe der Zahlungen über den gesamten geplanten Vermarktungszeitraum (t) einer
Innovation erfasst. Grundlage hierfür ist der gesamte Produktlebenszyklus im enge-
ren Sinne.
Unter Kapitalwert (K) ist die abgezinste Summe aller für die Vermarktungsphase ge-
planten zukünftigen Einzahlungen abzüglich der Auszahlungen (E – A) zu verstehen. Von
diesem Wert werden noch die Initialaufwendungen (IA) in der Periode 0 abgezogen. Der
Kapitalwert K in der Periode 0 errechnet sich wie folgt:
n
Einzahlugen t − Auszahlungen t
Kapitalwert Periode 0 = ∑ − InitialaufwandPeriode0
(1 + i )
t
t =1
Die Notwendigkeit zur Abzinsung resultiert daraus, dass bspw. ein Einnahmeüber-
schuss von 1 Million € in fünf Jahren für ein Unternehmen weniger wertvoll ist als ein
solcher in zwei Jahren. Dies gilt allerdings nur solange, wie die Zinsen größer „null“ sind.
Die erwartete Vermarktungsdauer des Produktes (t) kann bspw. über vier Jahre laufen.
Dann nimmt „n“ den Wert von „4“ an. Für die Abzinsung wird bspw. der Zinssatz 5 %
verwendet. Ein positiver Kapitalwert zeigt an, dass es – auf den Entscheidungszeitpunkt
berechnet – einen positiven Finanzmittelrückfluss geben wird. Ein negativer Kapitalwert
bedeutet dagegen einen Verlust.
Stehen mehrere Alternativen zur Auswahl, so erhält die Alternative mit dem höchsten
Kapitalwert grds. die größte Priorität. Entscheidend für den Kapitalwert ist – neben den
berücksichtigten Ein- und Auszahlungen – die Höhe des eingesetzten Kalkulationszins-
satzes (i). Je höher dieser veranschlagt wird, bspw. aufgrund anderer attraktiver Anlage-
alternativen, desto geringer fällt der Kapitalwert aus.
Aufgrund der zur Berechnung notwendigen Daten wird deutlich, dass der Informations-
beschaffungsaufwand für die Durchführung einer Kapitalwertermittlung beträchtlich grö-
ßer ist als bei einer statischen Wirtschaftlichkeitsrechnung. Gleichzeitig steigt aber auch
5.1 Produkt- und Programmpolitik 285
die Aussagekraft gegenüber den statischen Verfahren deutlich an, wenn die notwendigen
Daten verlässlich sind.
Ist die Entscheidung für eine Produktidee gefallen, so schließen sich in der Realisierungs-
phase weitere Aufgaben an. Zu Beginn kann, insb. bei besonders innovativen Vorhaben,
eine Machbarkeitsstudie (Feasibility Study) stehen, mit der die Realisierbarkeit einer
Idee überprüft wird. Dem kann sich die Entwicklung von Prototypen anschließen, die
ggf. unter Einbindung von Schlüsselkunden (etwa im B2B-Markt) oder durch erste
Akzeptanztests bei Konsumenten hinsichtlich ihrer Vermarktbarkeit bewertet werden. In
Abhängigkeit des Innovationsgrades können weitere Tests durchgeführt werden, um An-
haltspunkte über die Akzeptanz des Produktes, die geeignete Preisstrategie und den Erfolg
versprechenden werblichen Einsatz geben zu können (vgl. Abschn. 2.2.3).
• Einführung
• Wachstum
• Reife
• Sättigung
• Rückgang
• Optional: Produktmodifikation
Im Zuge der Markteinführung sind u. a. die folgenden Fragen zu beantworten, die
sich aus den Festlegungen der kundenorientierten Strategie ableiten:
• Auf welches Marktsegment, d. h. auf welche Gruppe potenzieller Kunden, soll die
Einführung zunächst fokussiert werden?
• Auf welchen Ländermärkten soll die Einführung in welchem zeitlichen Ablauf
erfolgen?
• Welche werblichen Botschaften können die Zielgruppe am besten überzeugen?
• Über welche Medien bzw. welche Medienkombinationen kann diese Botschaft am
besten übermittelt werden?
• Mit welcher Preisstellung können die definierten Marktanteils-/, Umsatz-/Gewinn-
ziele am wahrscheinlichsten erreicht werden?
• Welche Vertriebskonzepte passen am besten zum angestrebten Produktimage und zur
anvisierten Zielgruppe?
286 5 Marketing-Instrumente
• Wodurch kann eine Abgrenzung von den relevanten Wettbewerbern erreicht wer-
den? Mit welchen Reaktionen ist von deren Seite zu rechnen?
• Sind verschiedene Schritte allein oder besser in Zusammenarbeit mit Partnern zu
realisieren? Ist die Bildung eines Joint Ventures oder das Eingehen strategischer Ko-
operationen für den Erfolg entscheidend?
Bei Innovationen ist zu berücksichtigen, dass sich die Erstkäufer von innovativen An-
geboten von den späteren Kunden häufig deutlich unterscheiden. Die – hier nach zeit-
lichen Kriterien – definierten Gruppen werden auch als Kohorten bezeichnet. Zur Be-
schreibung der Akzeptanz von Innovationen durch verschiedene Kohorten dient das
Diffusionsmodell für Innovationen. Nach diesem Denkansatz stoßen neue Produkte
oder Dienstleistungen zunächst bei einer bestimmten Zielgruppe auf besonderes Interesse,
die Innovatoren genannt werden (vgl. Abb. 5.19). Der dort ausgewiesene Mittelwert be-
zeichnet den Zeitpunkt, zu dem 50 % der Kunden ein Produkt erworben haben. σ weist die
Standardabweichung von diesem Mittelwert aus.
Die Innovatoren zeichnen sich insb. durch ein hohes Interesse am entsprechenden An-
gebot und eine höhere Preisbereitschaft aus. Innovatoren sind häufig auch bereit, das hö-
here Risiko eines Fehlkaufs zu akzeptieren. Die Innovatoren haben in ihrer Bezugsgruppe
häufig eine Meinungsführerfunktion inne. Schließlich setzen sich Innovatoren mit den
betreffenden Angeboten besonders intensiv auseinander und können andere deshalb gut
beraten. Innovatoren kaufen bspw. technologische Innovationen (seien es Smart Speaker,
5G-Smartphones usw.) oder topmodische Produkte als erste und sind auch bereit, dafür
mehr Geld auszugeben. Die Gruppe der Innovatoren vertraut sich auch zuerst den An-
geboten von Tesla an und investiert in Bitcoin, bevor sich andere Personen „trauen“.
$QWHLOGHUEHUQHKPHQGHQ3HUVRQHQLQ
,QQRYD 1DFK
WRUHQ )UK )UKH 6SlWH ]JOHU
DGRSWRUHQ 0HKUKHLW 0HKUKHLW
0:± ı 0:± ı 0LWWHOZHUW 0:ı
=HLWVSDQQHELV]XUhEHUQDKPHGHU,QQRYDWLRQ
Im Gegensatz zu den Innovatoren lassen die Frühadoptoren und die Frühe Mehrheit
genannten Kundengruppen erst andere die Innovationen „ausprobieren“ (vgl. Abb. 5.19).
Sie selbst greifen erst später zu – mit reduziertem Risiko und bei häufig niedrigeren Prei-
sen. Zur Späten Mehrheit und den Nachzüglern gehören die Personen, die gerne anderen
den Vortritt lassen und lieber abwarten, bis die Produkte technisch ausgereift sind und/
oder noch deutlich günstiger angeboten werden. Hierzu gehören Flatscreen-TV-Geräte,
die bei Aldi verkauft werden. Auch Paperback-Ausgaben von Bestsellern, die oft erst
sechs Monate nach dem gebundenen Buch erscheinen, sind für die späte Mehrheit und die
Nachzügler attraktiv. Auf neue Dienstleistungen setzen diese Gruppen auch erst dann,
wenn sich diese Services bei vielen Tausend Kunden bewährt haben.
cc Denkanstoß Überlegen Sie einmal, bei welchen Angeboten Sie eher zu den Innova-
toren oder den Frühadoptoren gehören. Sind Sie bei diesen Angeboten auch als
Meinungsführer gefordert? Bei welchen Produkten und Dienstleistungen sehen Sie
sich eher in der späten Mehrheit?
Jedes Unternehmen, das mit innovativen Lösungen auf den Markt kommt, sollte sich
über die verschiedenen Zielgruppen bewusst sein, die es im Zeitablauf anzusprechen gilt.
Schließlich weisen diese verschiedenen Kohorten ganz unterschiedliche Erwar
tungen auf:
Vor diesem Hintergrund ist nicht nur die Struktur der gewonnenen Kunden i. S. einer
dynamischen Segmentierung kontinuierlich zu überprüfen. Auch die Ausrichtung des
Marketing-Diamanten ist kontinuierlich anzupassen. Diese Anpassungen beziehen sich
288 5 Marketing-Instrumente
Neben der Ermittlung, welche Strukturen die gewonnenen Kunden aufweisen, sind zur
Beurteilung der Produkteinführung weitere Zielkriterien zu definieren, die sich an den
KPIs der Markenwertschöpfungskette orientieren können (vgl. Abschn. 3.4).
• Produktvariation/Dienstleistungsvariation
Von einer Variation wird gesprochen, wenn das ursprüngliche Angebot in seiner
Grundkonzeption erhalten bleibt. Hier werden lediglich einzelne Bestandteile im
Laufe der Zeit verändert und/oder modernisiert. An folgenden Punkten kann eine Varia-
tion ansetzen:
–– Physikalische/funktionale Eigenschaften (u. a. Technik, Material)
–– Ästhetische Ausgestaltung (bspw. Design, Farbe, Haptik)
–– Symbolischer Auftritt (etwa Markierung, Logo, Positionierung)
–– Zusätzliche Services (sogenannte Value-Add-Angebote) des bisherigen Angebotes
Bei einer Produkt- oder Dienstleistungsvariation wird das Vorgängerangebot abgelöst.
Dies ist bspw. bei der Weiterentwicklung von Automobilmodellen zu beobachten. Hier
wird bspw. der Volkswagen Golf 7 durch den Golf 8 abgelöst. Auch Dienstleistungen
können entsprechend weiterentwickelt werden, wie bei den Angeboten von Einzel-
händlern, Versicherungsunternehmen und Dienstleistern wie Spotify festgestellt wer-
den kann.
• Produktdifferenzierung/Dienstleistungsdifferenzierung
Eine Produktdifferenzierung liegt vor, wenn neben das ursprüngliche Produkt eine ver-
änderte Produktversion tritt und diese ergänzt. Hier wird von Line Extension ge-
sprochen. So wurde das iPad von Apple um die Versionen iPad Pro, iPad Air und iPad
mini ergänzt, um zusätzliche Zielgruppen zu erschließen. Bei der Entwicklung zusätz-
licher Produktversionen können die gleichen Ansatzpunkte wie bei der P
roduktvariation
herangezogen werden. Beim Fahrdienstleister Uber wurde das ursprüngliche Konzept
um die Angebote Uber Black, Uber Eats, Uber Money, Uber Freight um Uber for Busi-
ness erweitert.
Diese Formen der Angebotsmodifikation werden von Unternehmen häufig in der Sät-
tigungs- und Rückgangsphase des Lebenszyklus eingesetzt und in umfassende Marke-
ting-Aktionen eingebunden. Bei der Variation wird versucht, den überarbeiteten An-
geboten „neues Leben“ einzuhauchen. Deshalb wird von einem Relaunch (i. S. eines
Neustarts) des Produktes bzw. der Dienstleistung gesprochen. Hier wird versucht, dem
rückläufigen Umsatz durch eine Marketing-Offensive entgegenzuwirken.
290 5 Marketing-Instrumente
Ein Relaunch geht nicht immer mit „echten“ Veränderungen einher. Häufig wird ein
Relaunch primär durch verstärkte Werbung ausgelöst. Dort heißt es dann bspw.: „jetzt
neu“, „noch besser“, „noch wirksamer“, „noch pflegeleichter“, „energieverstärkt“ o. Ä. Eine
konkrete Weiterentwicklung des Angebots ist hierbei oft nicht zu beobachten. Im Zuge
eines Relaunchs kann auch eine kommunikative Neupositionierung angestrebt werden,
um zusätzliche Zielgruppen zu erschließen. Dies ist Jägermeister gelungen. Das eher
„konservative“ Getränk wurde erfolgreich als In- und Mix-Getränk für die jüngere Gene-
ration positioniert.
In anderen Fällen kann ein Facelifting i. S. einer Weiterentwicklung der „Produktober-
fläche“ in Gestalt des Designs erfolgen. So wird regelmäßig bei der Modellpflege bei
Elektronikprodukten, bei Bekleidung und im Automobilmarkt vorgegangen. Im Zuge
eines Relaunchs können auch durchgreifende Veränderungen zum Tragen kommen. Ein
solcher umfassender Relaunch wurde beim Mini vorgenommen, nachdem BWM die Marke
von Rover übernommen hatte. Fiat führte beim Fiat 500/Fiat Cinquecento ebenfalls einen
umfassenden technischen Relaunch durch.
4XDQWLWDWLYH.ULWHULHQ 4XDOLWDWLYH.ULWHULHQ
$EQHKPHQGHU8PVDW]DEVROXW 6LQNHQGH6\PSDWKLHZHUWH
9HUVFKOHFKWHUXQJGHV,PDJHV
$EQHKPHQGHU8PVDW]UHODWLY]XP
*HVDPWXPVDW]GHV8QWHUQHKPHQV 9HUDOWHUXQJGHV$QJHERWVGXUFKQHXH
7HFKQRORJLHQOHLVWXQJVVWlUNHUH$QJHERWH
5FNJDQJYRQ*HZLQQ'HFNXQJVEHLWUDJ XQGRGHU0RGHWUHQGV
DEVROXWUHODWLY
9HUVFKlUIXQJGHUUHFKWOLFKHQ
0DUNWDQWHLOVYHUOXVWHDEVROXWXQGUHODWLY]X 5DKPHQEHGLQJXQJHQEVSZE]JO
GHQVWlUNVWHQ:HWWEHZHUEHUQ 3URGXNWLRQ(LQVDW]XQG(QWVRUJXQJ
1RWZHQGLJNHLWGHU9HUNDXIVI|UGHUXQJGXUFK 1HJDWLYH'LVNXVVLRQLQGHUgIIHQWOLFKNHLW
3UHLVQDFKOlVVH:HUEHGUXFN+lQGOHU EHUGDV$QJHERWQHJDWLYH
3URPRWLRQV Rb $XVVWUDKOXQJVHIIHNWHDXIDQGHUH3URGXNWH
E]ZGDV8QWHUQHKPHQLQVJHVDPW
+RKH5HNODPDWLRQV8PWDXVFKUDWHQ
9HUlQGHUXQJGHUGHPRJUDILVFKHQ
+RKH%HDQVSUXFKXQJNQDSSHU5HVVRXUFHQ WHFKQRORJLVFKHQXQGRGHU|NRQRPLVFKHQ
HWZD%HVFKDIIXQJ3URGXNWLRQ0DUNHWLQJ 5DKPHQEHGLQJXQJHQ
9HUWULHE)LQDQ]HQ
9HUlQGHUXQJYRQ.XQGHQEHGUIQLVVHQ
EVSZNDORULHQEHZXVVWHUH (UQlKUXQJ
%HGHXWXQJ YRQ1DFKKDOWLJNHLW
Auf die Einstellung der Produktion des VW Käfers aufgrund von zu hohen Emissions-
werten des Motors wurde schon eingegangen. Hier führten rechtliche Vorgaben zum
Stopp. Ein besonders tragisches Beispiel für eine „erzwungene“ Produkteliminierung
stellt die Entscheidung von Samsung dar, Produktion und Vertrieb des Smartphones Ga-
laxy Note 7 einzustellen. Dessen Akku hatte 2016 durch Explosionen in vielen Fällen
Brände verursacht.
Auch Veränderungen in der Demografie tragen zur Eliminierung von Angeboten bei.
So führt der Trend zu immer kleineren Familien dazu, dass Tafelgeschirr aus Porzellan für
zwölf Personen kaum mehr gekauft wird. Für deren Einsatz sind auch die durchschnitt-
lichen Wohnungsgrößen nicht ausreichend. Außerdem verzichten immer mehr Paare auf
eine entsprechende Aussteuer bei der Hochzeit. Die veränderten Ess- und Tischdeck-
gewohnheiten – unterschiedlichste Kaffeebecher statt eines Rosenthal-Gedecks – führen
bei den entsprechenden Porzellanherstellern zu signifikanten Umsatzeinbrüchen. Einer
vergleichbaren Bedrohung sind die Zeitungsverlage ausgesetzt, weil sich die Informations-
beschaffung junger Menschen immer stärker auf Online-Medien konzentriert und Zeitun-
gen folglich kontinuierlich an Bedeutung verlieren.
5.1.3 Marken-Management
5.1.3.1 Markenstrategien
Im Rahmen der Produkt- und Programmpolitik stellt sich die Frage, wie die Marken-
strategien im Unternehmen auszugestalten sind. Hier wird auch von Branding-Strategie
als wichtigem Teil des Marken-Managements gesprochen. Zur Definition der Marke
tragen primäre und sekundäre Markenelemente bei (vgl. Abb. 5.21).
Die folgenden Markenarten wurden bereits im Abschn. 1.1.5.4 vorgestellt:
• Markenartikel
• Handelsmarken
• No-Names
292 5 Marketing-Instrumente
3ULPlUH0DUNHQHOHPHQWH 6HNXQGlUH0DUNHQHOHPHQWH
0DUNHGHILQLHUWGXUFK« 0DUNHDQJHUHLFKHUWGXUFK«
1DPHLQNO'RPDLQ +HUNXQIWVODQGRGHU5HJLRQ
&ODLP6ORJDQ 9HUWULHEVNDQlOHYRQ'ULWWH
/RJR6\PERO6FKOVVHOELOG /L]HQ]LHUXQJHQHWZDYRQ/LHGHUQ
'HVLJQ)RUP)DUEH6FKULIWW\S 7HVWLPRQLDOV(LQELQGXQJYRQ,QIOXHQFHUQ
6RXQG6SUDFKH.OlQJH*HUlXVFKH 6SRQVRULQJYRQ9HUDQVWDOWXQJHQ
+DSWLNLQVE2EHUIOlFKHQ 0DUNHQDOOLDQ]HQ&R%UDQGLQJ
2OIDNWRULN 'XIW *WHVLHJHO7HVWEHULFKWH
*XVWDWRULN *HVFKPDFN 5DWLQJVXQG5HYLHZVYRQ.XQGHQ
Abb. 5.21 Primäre und sekundäre Markenelemente. (Quelle: Orientiert an Kilian & Kreutzer, 2022)
Einmarken-Strategie Mehrmarken-Strategie
(Markenhaus) (Haus der Marken)
Neue Angebote profitieren bei einem Für jedes Angebote kann eine maßge-
positiven Imagetransfer der bereits schneiderte Markenpersönlichkeit aufgebaut
eingeführten Marke (Nutzung eines werden
vorhandenen Markenwertes) Eine „schärfe“ Positionierung und
Geringer Marketing-/Markenaufwand, da Kommunikation sind möglich
nicht für jedes neue Angebot eine neue Eine Neupositionierung für eine einzelne
Marke zu kreieren ist Marke ist leichter umsetzbar
Betriebsgrößenvorteile können genutzt Verschiedene Zielgruppen können
werden differenziert angesprochen werden
Leichtere Einführung im Handel, da die Größere Marktabdeckung durch
Marke bereits bekannt ist unterschiedliche Marken und verschiedene
Geringer Kommunikationsbedarf bei der Preis-Leistungs-Strategien möglich
Einführung neuer Leistungen, da auf Vermeidung eines negativen
„Vorwissen“ der Kunden aufgesetzt werden Imagetransfers, wenn bei einer Marke
kann „Probleme“ auftreten
Geeignet bei hoher Marktdynamik, da neue Innovationen – auch abseits vom
Angebote schneller eingeführt werden Kerngeschäft – sind leichter vermittelbar
können (Zeit für die Markenentwicklung Risikostreuung durch ein breites Marken-
entfällt) Portfolio
7R\RWD'HXWVFKODQG
*PE+/H[XV'LYLVLRQ
0DUNHQLQWHJUDWLRQ
0DUNHQVHSDUDWLRQ
6WHOOHQZHUWJHWHLOWHU:HUWH
)KUXQJVEHGDUIIUGLH0DUNHQ
Abb. 5.23 Ausgestaltungsoptionen der Markenstrategien. (Quelle: Orientiert an Kilian & Kreut-
zer, 2022)
Unternehmen fehlt. Die Entwicklung eigener Marken geht allerdings mit einem höheren
zeitlichen und budgetären Aufwand einher. Die Mehrmarken-Strategie führt zu einem
Haus der Marken, das auch House of Brands genannt wird.
Zwischen diesen beiden Extremformen gibt es verschiedene Abstufungen. Diese sind
in Abb. 5.23 zu sehen (vgl. Aaker & Joachimsthaler, 2000, S. 105). Zwischen den Polen
„Markenhaus“ und „Haus der Marken“ sind Submarken bzw. Subbrands angesiedelt.
Hier ist ein noch ein deutlicher Bezug zur Hauptmarke gegeben. Bei den Empfehlungs-
marken (Endorsed Brands) rückt die Hauptmarke dagegen in den Hintergrund. Sie ist
noch sichtbar, aber weniger deutlich.
Ein Markenhaus mit einer dominanten Marke findet sich bei Siemens, Tesla und Vir-
gin (vgl. Abb. 5.23) Alle Angebote aus diesen Unternehmen tragen – heute – den gleichen
Markennamen. Ein Beispiel für Subbrands liefert die Bild-Familie von Axel Springer.
Die Bild-Zeitung wurde 1952 in den Markt eingeführt. In den letzten Jahrzehnten kamen
unter der Marke „Bild“ viele weitere Angebote dazu. Hierzu zählen die folgenden Pro-
dukte, die alle den Markennamen „Bild“ nutzen und so zur Submarke werden (vgl. Axel
Springer, 2021):
• Bild+
• Test Bild
• Bild Stars
• Bike Bild
• Computer Bild eHome
• Computer Bild
• Audio Video Foto Bild
• Sport Bild
294 5 Marketing-Instrumente
Die ursprünglich auch von Axel Springer entwickelte Bild der Frau gehört inzwischen
zu Funke Mediengruppe. Parallel zu den aufgeführten Marken hat Axel Springer eine Viel-
zahl anderer Marken im Angebot.
Die zu Toyota gehörende Marke Lexus gilt als „the luxury devision of Toyota“. Hier
wird der Charakter einer Empfehlungsmarke sichtbar (vgl. Abb. 5.23). Procter & Gam-
ble ist ein typisches Haus der Marken. Vielen Konsumenten ist das hinter berühmten
Marken wie OralB, Meister Proper, head & shoulders, Braun, Gillette, Pampers, Ariel,
Lenor und always stehende US-amerikanische Unternehmen nicht bekannt. Und das, ob-
wohl auf den Produkten als übergreifender „Absender“ Procter & Gamble steht! Auch
Unilever ist ein solches Haus der Marken (vgl. Abschn. 5.1.3.3).
cc Denkanstoß Finden Sie weitere Beispiel für die Konzepte Branded House, Sub-
brand, Endorsement Brand und House of Brands.
8QWHUQHKPHQV
PDUNH
'DFK
PDUNHQ
)DPLOLHQ
PDUNHQ
Abb. 5.24 Markenhierarchie bei Beiersdorf. (Quelle: Kilian & Kreutzer, 2022)
cc Denkanstoß Gehen Sie auf Suche nach den Orientierungspunkten für weitere Mar-
ken, die Sie in Ihrem Umfeld nutzen.
296 5 Marketing-Instrumente
Markennamen
Meissner Ford
Arvato Wikipedia Netflix Lexus
Porzellan
Spreewalder
Aventis HolidayCheck Nirosta Nivea for Men Siemens
Gurken
Becker´s
Novartis Sport Bild iPod Fulda Reifen adidas
Bester
Produktlinien
bestehende neue
Linienausweitung Markentransfer
bestehende
Bei international agierenden Unternehmen ist es wichtig, bei der Entwicklung von
Markennamen auf deren internationale Einsatzfähigkeit zu achten. Hierbei ist nicht
nur an Namensrechte zu denken, sondern auch an Assoziationen, die länder- oder
regionalspezifisch mit bestimmten Namen einhergehen (vgl. vertiefend Gutting, 2020,
S. 123–147).
Zusätzlich sind beim Marken-Management die einschlägigen Bestimmungen des um-
fangreichen Markenrechts zu berücksichtigen. Diese sind u. a. im Markengesetz sowie in
der Markenverordnung niedergelegt.
5.1.3.3 Produkt-Marken-Portfolio
Die verschiedenen Ansätze zur Weiterentwicklung des Angebots- sowie des Marken-
programms können in einem Produkt-Marken-Portfolio zusammengeführt werden.
5.1 Produkt- und Programmpolitik 297
Hierbei stellt das Feld „bestehende Marken und Produktlinien“ den Ausgangspunkt der
Entwicklung dar (vgl. Abb. 5.26).
Das Produkt-Marken-Portfolio umfasst die folgenden Stoßrichtungen:
cc Merk-Box Bei der Line Extension werden neue Leistungen in die bestehende
Produktlinie integriert. Außerdem wird der gleiche Markenname verwendet.
• Bei der Brand Extension (auch Markentransfer) wird ein etablierter Markenname
für die Vermarktung anderer Produktlinien eingesetzt. Hier entstehen die in
Abschn. 5.1.3.1 erwähnten Subbrands. Dazu zählen bei Alphabet u. a. Google Ads,
Google My Business, Google Pay, Google Play, Google TV. Um diese Subbrands auf-
zubauen, hat Google in vielen Fällen Unternehmen mit attraktiven Leistungsangeboten
akquiriert. Parallel wurden innovative Entwicklungen im eigenen Unternehmen selbst
gestartet.
cc Merk-Box Bei der Brand Extension werden Leistungen in einer neuen Produkt-
linie angeboten. Hierfür wird der gleiche Markenname eingesetzt.
ken an: Ben & Jerry’s, Cornetto, Cremissimo, Langnese, Magnum, Solero und Vienetta.
In der Produktlinie Deodorants finden sich die Marken Axe, Dove, Impulse und Rexona
(vgl. Unilever, 2021).
• Bei der Marken- und Produktlinien-Innovation wird mit neuen Marken in neue
Produktlinien vorgestoßen. Dies erfolgt bspw. bei Alphabet durch die Akquisition bzw.
den Aufbau von Unternehmen bzw. Angeboten wie Android, DoubleClick, Nest, Pi-
casa, YouTube und Waymo. In welchen Fällen von „neuen“ Produktlinien gesprochen
werden kann und wann ein Unternehmen sich noch innerhalb „bestehender“ Produkt-
linien bewegt, kann nicht generell bestimmt werden. Die hier vorzunehmende Ab-
grenzung orientiert sich in hohem Maße an der Zielsetzung der Analyse.
5.1.4 Servicestrategien
3UH6DOHV $IWHU6DOHV
6DOHV6HUYLFHV
6HUYLFHV 6HUYLFHV
Abhängigkeit vom Geschäftsmodell kann sogar eine umfassendere Einbindung der Ziel-
kunden bereits in den Entwicklungsprozess erfolgen (vgl. Abschn. 5.1.2.2).
Sales-Services tragen dazu bei, den konkreten Kauf zu unterstützen. Besonders wich-
tig sind in diesem Bereich auch Zahlungsmodalitäten, die in Abschn. 5.2.6 als Teil der
Preis- und Konditionenpolitik vertieft werden.
Zu den After-Sales-Services zählen Leistungen, die den Einsatz der erworbenen
Güter erleichtern sollen. Hierzu gehören etwa Schulungen und Wartungsleistungen.
Hardware-Anbieter offerieren oft eine Vielzahl von After-Sales-Services. Diese rei-
chen von Hardware- und Software-Support über Installations- und Netzwerkservices
bis zu Abhol-/Reparatur-Services und Services vor Ort. Automobil-Unternehmen bie-
ten ebenfalls häufig eine Kombination verschiedener Services an. Diese reichen von
einer attraktiven Finanzierung (bspw. zu 0 %) in der Kaufphase bis zu einer integrierten
Haftpflicht-/Vollkasko-Versicherung sowie einer Garantieverlängerung in der After-Sa-
les-Phase.
Durch solche Angebote können dauerhafte Kundenbeziehungen aufgebaut werden, die
im Idealfall zu zufriedenen Kunden und damit auch zu Folgekäufen führen. Dazu tragen
auch Kundenbindungskonzepte bei (vgl. vertiefend Abschn. 5.4.5.2; grundlegend Kreut-
zer, 2021a, S. 267–350).
cc Denkanstoß Überlegen Sie einmal, welche der in Abb. 5.27 genannten Service-
strategien das Unternehmen, in dem Sie arbeiten, heute schon einsetzt. Welche wei-
teren Services würden Sie empfehlen?
300 5 Marketing-Instrumente
• Innovationen haben eine zentrale Bedeutung für die Mehrheit der Unternehmen.
• Der Produktlebenszyklus stellt ein wichtiges Analyse- und Prognose-Instrument
für die Produkt- und Programmpolitik dar.
• Der Lebenszyklus kann sich auf verschiedene Objekte beziehen (Produkt, Dienst-
leistung, Branche, Unternehmen, Länder etc.).
• Der Innovationsprozess muss aufgrund seiner Wichtigkeit umfassend aus-
gestaltet werden.
• Zur Entwicklung von Innovationen können das Wasserfall-Konzept sowie An-
sätze des agilen Managements eingesetzt werden.
• Für die Auswahl von Neuproduktideen gibt es eine Vielzahl von wichtigen Be-
wertungskonzepten.
• Mit einem Scoring-Modell können unterschiedlichste Entscheidungen systemati-
siert werden.
• Das Diffusionskonzept bei Innovationen zeigt, dass sich durch neue Produkte
bzw. Dienstleistungen im Zeitablauf ganz unterschiedliche Kundensegmente an-
gesprochen fühlen.
• Durch Angebotsvariation und -differenzierung wird versucht, den Lebenszyklus
eines Produktes bzw. einer Dienstleistung zu verlängern.
• Servicestrategien können entscheidend dazu beitragen, eine Differenzierung der
eigenen Leistungen im Wettbewerberumfeld zu erreichen.
soll. Die einmalige Investition beläuft sich auf 40.000 €. Es wird mit jährlichen
Werbeeinnahmen von 8000 € gerechnet. Die erwartete Lebensdauer der Werbetafel
beträgt sechs Jahre. Der interne Zinsfuß beträgt 3,5 %. Lohnt sich die Investition?
22. Was versteht man unter dem Diffusionsmodell für neue Produkte bzw. neue Dienst-
leistungen? Welche Relevanz hat dieses für das unternehmerische Marketing? Wel-
che Aspekte sind zu berücksichtigen?
23. Veranschaulichen Sie das Diffusionsmodell am Beispiel von Smartwatches. Wer
hat diese zuerst erworben? Welche Preisstrategien wurden eingesetzt? Welche Per-
sonen aus Ihrem privaten Umfeld gehören bei diesem Produkt zu den Innovatoren,
welche zu den Nachzüglern?
24. Welche Ansätze der Produkt- bzw. Dienstleistungsmodifikation gibt es? Welche
Konsequenzen sind damit für die Unternehmen verbunden?
25. Welche Aspekte sind bei einer Produkt- bzw. Dienstleistungselimination zu be-
rücksichtigen?
26. Welche Branding-Strategien sind zu unterscheiden? Nennen Sie Beispiele für alle
Ausprägungsformen. Welche Vor- und Nachteile sind mit den verschiedenen An-
sätzen verbunden?
27. Welches sind die primären und sekundären Markenelemente?
28. Wodurch unterscheiden sich Einmarken- und Mehrmarken-Strategien? Welche
Vorteile weisen diese jeweils auf?
29. Worin liegt der Unterschied zwischen einem Markenhaus und einem Haus der
Marken? Welche Beispiele fallen Ihnen dazu ein?
30. Kennzeichnen Sie das Konzept des Produkt-Marken-Portfolios. Welche unter-
nehmerischen Entscheidungen sind damit verbunden? Verdeutlichen Sie die Rele-
vanz dieses Konzeptes durch die Analyse des Angebotes des Schreibgeräte-
herstellers Montblanc.
31. Grenzen Sie Pre- und After-Sales-Services von Sales-Services ab. Wie kann deren
inhaltliche Ausgestaltung weiter differenziert werden? Entwickeln Sie eine
Servicestrategie für ein Autohaus und ein Elektrofachgeschäft.
„Nicht der ist ein guter Führer, der alle Dinge richtig macht, sondern der, der die richtigen
Dinge tut.“
Peter F. Drucker
Lernziele
Fähigkeit,
Die Festlegung von Preisen wird von vielen verschiedenen Kriterien beeinflusst
(Abb. 5.28). Hierzu gehören als interne Faktoren neben den schon angesprochenen
Unternehmens- und Marketing-Zielen insb. die Kosten für die Entwicklung, Produktion
und Vermarktung der Angebote. Innovative Angebote, der Eintritt in neue Märkte sowie
die Erweiterung der Angebotspalette stellen weitere interne Faktoren der Preisfindung dar.
Dazu gehören auch Preisleitlinien, um verschiedene Produktgruppen innerhalb eines
Unternehmens voneinander abzugrenzen. Das sogenannte Line Pricing beinhaltet die
Festlegung von Preiskorridoren für bestimmte Produktlinien.
Zu den externen Faktoren gehören die rechtlichen und marktlichen Rahmen-
bedingungen (vgl. Abb. 5.28). Hier ist vor allem an die Konjunktur zu denken, die mit
wachsenden oder schrumpfenden Märkten einhergeht. Auch die Konkurrenzaktivitäten
und die Macht von Handelspartnern wirken auf die Preisfindung ein. Von großer Be-
deutung ist auch die Bereitschaft der Kunden, für bestimmte Angebote zu bezahlen. Der
technologische Fortschritt sowie die erreichte Position eines Angebots im Lebenszyklus
wirken sich ebenfalls auf die Preisstellung aus.
Im Mittelpunkt der Preis- und Konditionenpolitik selbst stehen mehrere Aufgaben-
bereiche (vgl. Homburg, 2020, S. 723–824; Meffert et al., 2019, S. 491–576; Pepels, 2019;
Simon, 2015). Zunächst geht es um die Festlegung des „optimalen“ Verkaufspreises für
ein Produkt oder eine Dienstleistung (vgl. Abb. 5.28). Die Frage der „Optimalität eines
Preises“ kann allerdings nur im Hinblick auf die definierten Unternehmens- und Marketing-
Ziele beantwortet werden. Eine Preisstellung ist als optimal zu bewerten, wenn sie best-
möglich zur Erreichung dieser Ziele beiträgt. Wie bereits bei der Zieldefinition an-
gesprochen, kann in der Praxis nicht festgestellt werden, ob je das Optimum erreicht
wurde (vgl. Abschn. 3.2):
,QWHUQH)DNWRUHQ
8PVDW]*HZLQQ
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0DUNWDQWHLOV]LHOH )HVWOHJXQJGHVÄRSWLPDOHQ³3UHLVHV
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(LQVFKOlJLJH*HVHW]H
tätsführerschaft beansprucht werden. Dies ist bspw. bei Miele-Produkten der Fall, die
sich im Top-Markt positionieren und „Made in Germany“ als verkaufsverstärkendes
Element werblich hervorheben.
• Alternativ kann sich das Management für eine Mittelpreislage oder eine Niedrigpreis-
strategie entscheiden, um die Unternehmensziele bestmöglich zu erreichen.
Uhr leisten können, ist deren Besitz mit viel Prestige verbunden. Aus diesem Grunde
könnte bei einer Preissteigerung eines solchen Produktes die Nachfrage sogar steigen.
Der damit verbundene Demonstrativkonsum wird auch Prestigeeffekt oder Ve-
blen-Effekt genannt. Der Konsument strebt hier nach auffälligem und zugleich auf-
wändigem Konsum. Folglich werden teurer werdende Güter verstärkt nachgefragt. Bei
diesem auch Snob-Effekt genannten atypischen Nachfrageverhalten geht die individuelle
Nachfrage bei sinkendem Preis zurück. Der Grund? Die bisherigen Käufer fühlen sich
durch den höheren Konsum anderer Personen um die Exklusivität eines entsprechenden
Kaufes beraubt.
Die Preisfestsetzung ist keine statische Aufgabe. Schließlich bleibt ein einmal defi-
nierter Preis nicht zwingend für die gesamte Marktpräsenz eines Produktes bestehen. Bei
der Preis- und Konditionenpolitik geht es deshalb auch um die Bestimmung der Preis-
höhe im Zeitablauf. Auf diese Preishöhe haben u. a. die erreichte Phase im Produkt-
lebenszyklus, die Wettbewerbsintensität, der technologische Fortschritt und insb. auch die
wirtschaftliche Lage der Zielgruppe bzw. des Zielmarktes einen hohen Einfluss.
Gleichzeitig ist zu prüfen, in welcher Form eine Preisdifferenzierung einzusetzen ist,
um eine möglichst hohe Marktausschöpfung zu erreichen. Bei der Preisdifferenzierung
werden für ein „gleiches“ Angebot unterschiedliche Preise verlangt. Schließlich bedarf es
der Festlegung der Bedingungen der Entgeltentrichtung. Hierzu zählen u. a. die Rabatt-
gewährung, die Zahlungs- und Lieferbedingungen sowie die Garantieregelungen.
Das heißt: Unternehmen, die die Preis- und Konditionenpolitik beherrschen, sind grds.
profitabler als ihre Wettbewerber (vgl. vertiefend Simon, 2015, S. 34–55).
cc Denkanstoß Eine persönliche Anmerkung zum Thema Preis sei mir erlaubt. Auch
wenn uns Lidl viele Jahre den Slogan „Wir machen die billigen Preise“ vorgesetzt
hat, so gilt ganz einfach: „Billige“ Preise gibt es ebenso wenig wie „teure“ Preise.
Es existieren auch keine „billigen“ oder „teuren“ Mieten bzw. „billige“ oder „teure
Kosten“. Preise können „hoch“ oder „niedrig“, sporadisch auch „heiß“, aber niemals
„billig“ sein! Nicht der Preis hat einen Wert, sondern das damit ausgezeichnete Pro-
dukt oder die entsprechende Dienstleistung.
Außerdem sollten wir uns fragen, welche Konnotationen, d. h. welche Begriffs-
inhalte, wir mit „billig“ verbinden. Denken Sie an „billigen Wein“, „billige Klamot-
ten“ oder „billige Anmache“.
Und auch das sei hier angemerkt: Jeder Absolvent eines BWL-Studiums sollte
den Begriff „Unkosten“ vermeiden. Es gibt Undinge, Unwetter, Unzeiten und Un-
menschen – aber keine „Unkosten“!
Über die Wortwahl können wir uns differenzieren – so wir dies wollen!
306 5 Marketing-Instrumente
5.2.2 R
echtliche Rahmenbedingungen der Preis-
und Konditionenpolitik
Bei der Diskussion der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Preis- und Konditionen-
politik ist zunächst darzustellen, welche Leitideen der Gesetzgeber bei der Festlegung
der einschlägigen rechtlichen Rahmenbedingungen zugrunde gelegt hat:
Zwei einschlägige Gesetze, die in der Vergangenheit die Preis- und Konditionen-
gestaltung massiv eingeschränkt hatten, waren das Rabattgesetz vom 25. November
1933 (Gesetz über Preisnachlässe) und die Zugabeverordnung vom 9. März 1932. Diese
beiden Gesetze wurden 2001 komplett außer Kraft gesetzt. Kerninhalt der Zugabever-
ordnung war das generelle Verbot des Ankündigens, Anbietens und Gewährens von
unentgeltlichen Zugaben. Eine Erlaubnis gab es nur bei wenigen Ausnahmetatbeständen.
Das Rabattgesetz beschränkte u. a. den Barzahlungsrabatt als Preisermäßigung bzw.
Nachlass vom allgemein angekündigten bzw. geforderten Preis auf maximal 3 % des
Rechnungsbetrages. Auch Mengen- und Sondernachlässe wurden im Rabattgesetz kon-
kret geregelt.
Erst aufgrund des Wegfalls dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen konnten u. a. die
heute allgegenwärtigen Rabattschlachten gestartet werden, die uns heute per Schau-
fensterplakat, Werbebanner, Handzettel und Coupon begegnen. Die explosionsartige Ent-
wicklung von Konzepten zur Kundenbindung, die „Treue“ zum Anbieter oder zur Marke
durch entsprechende Rabatte und sonstige Vorteile belohnen, wird vor diesem Hintergrund
nachvollziehbar. Aufgrund dieser Rabattinflation in Deutschland wird vielfach von einer
Rabattitis gesprochen.
Das nach wie vor gültige Kartellgesetz (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen,
GWB, 2021) hat über die Preis- und Konditionenpolitik hinaus Relevanz und tangiert auch
Fragestellungen der Unternehmensstrategie. Das Ziel des Kartellgesetzes ist es, wirtschaft-
lichen Machtkonzentrationen Grenzen zu setzen. Es dient damit dem Schutz des Wett-
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 307
Hierunter fallen bspw. Aktivitäten, die auf Preisabsprachen bzw. -harmonisierung zwi-
schen Anbietern hinauslaufen.
In § 19 (1) GWB heißt es bzgl. des verbotenen Verhaltens von marktbeherrschenden
Unternehmen:
„Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen
ist verboten.“
Für die Preisfindung bedeutet dies bspw., dass der Gesetzgeber extrem hohe Preise in
mono- oder oligopolistisch geprägten Märkten ebenso verhindern möchte wie extrem
niedrige Preise, wenn der Wettbewerb darunter langfristig leiden würde.
Der neu etablierte § 19a GWB fokussiert das missbräuchliche Verhalten von Unter-
nehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb. Dieser
Paragraf gibt dem Bundeskartellamt die Möglichkeit eines präventiven Vorgehens gegen
große Digitalunternehmen. Hierbei geht es im Kern um wettbewerbswidriges Verhalten
der Konzerne.
Eine Konkretisierung zum verbotenen Verhalten von Unternehmen mit relativer oder
überlegener Marktmacht findet sich in § 20 (3, 3a) GWB:
„(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Markt-
macht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder
mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt ins-
besondere vor, wenn ein Unternehmen
es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist
der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten verein-
barte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im
Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsver-
günstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistun-
308 5 Marketing-Instrumente
gen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Ein-
standspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende
Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie
in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Ein-
richtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Be-
hinderung vor.
(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein
Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die
eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch
die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße
eingeschränkt wird.“
Ein Verkauf von Leistungen „unter Einstandspreis“ ist festzustellen, wenn Pro-
dukte zu einem niedrigeren Preis verkauft werden, als sie bspw. ein Unternehmen selbst
hergestellt oder ein Handelsunternehmen erworben hat. In diesem Fall ist der Verkaufs-
preis niedriger als die Produktionskosten bzw. als der Bezugspreis des gleichen
Unternehmens.
Eine sachliche Rechtfertigung einer Untereinstandspreispolitik ist – wie im Gesetzes-
text formuliert – etwa bei Lebensmitteln bei Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oder
bei modischen Produkten zum Auslauf der Saison gegeben. Eine solche Preisstellung darf
aber nicht über längere Zeit zur gezielten Verdrängung von Wettbewerbern eingesetzt wer-
den. In den Fällen des Verkaufs von Produkten „unter Preis“ (d. h. unter einem bestimmten
Referenzpreis) wird von Dumping gesprochen.
In § 30 (1) GWB wird die Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften erlaubt.
Hier heißt es, dass das zitierte Verbot des § 1 GWB „… nicht für vertikale Preisbindungen
(gilt), durch die ein Unternehmen, das Zeitungen oder Zeitschriften herstellt, die Ab-
nehmer dieser Erzeugnisse rechtlich oder wirtschaftlich bindet, bei der Weiterveräußerung
bestimmte Preise zu vereinbaren oder ihren Abnehmern die gleiche Bindung bis zur
Weiterveräußerung an den letzten Verbraucher aufzuerlegen. Zu Zeitungen und Zeit-
schriften zählen auch Produkte, die Zeitungen oder Zeitschriften reproduzieren oder sub
stituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzu-
sehen sind, sowie kombinierte Produkte, bei denen eine Zeitung oder eine Zeitschrift im
Vordergrund steht.
Durch diese Regelung wird einer ganzen Branche eine nach bestimmten Kriterien vor-
zunehmende Preissetzung gegenüber dem Endkunden vorgegeben. Dies hat die politisch
gewollte Konsequenz, dass bspw. die Käufer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder
von Der Spiegel in der Berliner City den gleichen Preis entrichten müssen wie auf der
schwerer erreichbaren Nordseeinsel Juist.
In der Regel übernehmen das Bundeskartellamt bzw. weitere Kartellbehörden die
im GWB definierten Aufgaben und Befugnisse (§ 48 GWB) zur Sicherstellung der Ein-
haltung definierter Regeln. Das GWB sieht in § 42 (1) bzgl. Unternehmenszusammen-
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 309
„Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie erteilt auf Antrag
die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss, wenn im
Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zu-
sammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Inte-
resse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Hierbei ist auch die Wettbewerbsfähigkeit der be-
teiligten Unternehmen auf Märkten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu
berücksichtigen. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn durch das Ausmaß der Wett-
bewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet wird. Weicht die
Entscheidung vom Votum der Stellungnahme ab, die die Monopolkommission nach Absatz 5
Satz 1 erstellt hat, ist dies in der Verfügung gesondert zu begründen.“
„Zur Durchsetzung der Regulierungsziele ist die Bundesnetzagentur mit wirksamen Verfahren
und Instrumenten ausgestattet worden, die auch Informations- und Untersuchungsrechte
sowie abgestufte Sanktionsmöglichkeiten einschließen:
Die Regulierungsentscheidungen der Bundesnetzagentur werden in den Bereichen
Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Post durch Beschlusskammern getroffen.
…
Die Entscheidungen der Bundesnetzagentur basieren auf dem Telekommunikationsgesetz,
dem Postgesetz und dem Energiewirtschaftsgesetz und sind rechtlich überprüfbar.“
• die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Ver-
sorgung mit Elektrizität und Gas sowie die Sicherung eines langfristig angelegten
leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen,
• die Umsetzung und Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf dem Ge-
biet der leitungsgebundenen Energieversorgung und
• effiziente Genehmigungsverfahren, um das deutsche Höchstspannungsnetz an die
wachsende Bedeutung der erneuerbaren Energien anzupassen.“
Auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, 2021) enthält Regelun-
gen, die für die Ausgestaltung des Marketings – speziell für die Preis- und Konditionen-
politik – relevant sind. In § 1 ist der Zweck des Gesetzes niedergelegt:
„Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher
sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt
zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“
§ 4 UWG führt unter der Überschrift „Mitbewerberschutz“ wie folgt aus:
ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen
der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienst-
leistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a. eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b. die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen aus-
nutzt oder beeinträchtigt oder
c. die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich er-
langt hat;
4. Mitbewerber gezielt behindert.“
In vielen Fällen bleibt es der gerichtlichen Klärung überlassen, Verfehlungen dieser Art
bei Unternehmen festzustellen.
Die Preisangabenverordnung (PAngV, 2021) greift noch direkter in die Preis- und
Konditionenpolitik von Unternehmen ein. Welchen Konkretisierungsgrad diese Eingriffe
annehmen können, wird an den folgenden Beispielen deutlich. In § 3 PAngV wird für
Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser festgelegt:
„Wer Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger
Weise Elektrizität, Gas, Fernwärme oder Wasser leitungsgebunden anbietet oder als An-
bieter dieser Waren gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat den ver-
brauchsabhängigen Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und aller
spezifischen Verbrauchssteuern (Arbeits- oder Mengenpreis) gemäß Satz 2 im Angebot
oder in der Werbung anzugeben. Als Mengeneinheit für den Arbeitspreis bei Elektrizität,
Gas und Fernwärme ist 1 Kilowattstunde und für den Mengenpreis bei Wasser 1 Kubik-
meter zu verwenden. Wer neben dem Arbeits- oder Mengenpreis leistungsabhängige
Preise fordert, hat diese vollständig in unmittelbarer Nähe des Arbeits- oder Mengen-
preises anzugeben. Satz 3 gilt entsprechend für die Forderungen nicht verbrauchs-
abhängiger Preise.“
1. „Wer Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sons-
tiger Weise den Abschluss von Verbraucherdarlehen im Sinne des § 491 des Bürger-
lichen Gesetzbuchs anbietet, hat als Preis die nach den Absätzen 2 bis 6 und 8 be-
rechneten Gesamtkosten des Verbraucherdarlehens für den Verbraucher, ausgedrückt
als jährlicher Prozentsatz des Nettodarlehensbetrags, soweit zutreffend, einschließlich
der Kosten gemäß Absatz 3 Satz 2 Nummer 1, anzugeben und als effektiven Jahreszins
zu bezeichnen.
2. Der anzugebende effektive Jahreszins gemäß Absatz 1 ist mit der in der Anlage an-
gegebenen mathematischen Formel und nach den in der Anlage zugrunde gelegten
Vorgehensweisen zu berechnen. Bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses wird
von der Annahme ausgegangen, dass der Verbraucherdarlehensvertrag für den verein-
barten Zeitraum gilt und dass Darlehensgeber und Verbraucher ihren Verpflichtungen
zu den im Verbraucherdarlehensvertrag niedergelegten Bedingungen und Terminen
nachkommen.
312 5 Marketing-Instrumente
3. In die Berechnung des anzugebenden effektiven Jahreszinses sind als Gesamtkosten die
vom Verbraucher zu entrichtenden Zinsen und alle sonstigen Kosten einschließlich etwai-
ger Vermittlungskosten einzubeziehen, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem
Verbraucherdarlehensvertrag zu entrichten hat und die dem Darlehensgeber bekannt sind.
Zu den sonstigen Kosten gehören:
1. Kosten für die Eröffnung und Führung eines spezifischen Kontos, Kosten für die Ver-
wendung eines Zahlungsmittels, mit dem sowohl Geschäfte auf diesem Konto getätigt
als auch Verbraucherdarlehensbeträge in Anspruch genommen werden können, sowie
sonstige Kosten für Zahlungsgeschäfte, wenn die Eröffnung oder Führung eines Kon-
tos Voraussetzung dafür ist, dass das Verbraucherdarlehen überhaupt oder nach den
vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt wird;
2. Kosten für die Immobilienbewertung, sofern eine solche Bewertung für die Gewährung
des Verbraucherdarlehens erforderlich ist.“
Diese Beispiele unterstreichen, welchen starken, z. T. unmittelbar auf die Preisangabe
bzw. -auszeichnung durchschlagenden Einfluss der Gesetzgeber auf dieses wichtige
Marketing-Instrument ausübt.
Um die preisbeeinflussenden Faktoren für ein spezifisches Unternehmen bzw. für eine
ausgewählte Branche zu ermitteln, sind die Bereiche der Mikro- und Makro-Umwelt
systematisch „abzuklopfen“ (vgl. Abb. 1.3). Die wichtigsten Konzepte zur Preisfest-
legung werden nachfolgend aufgezeigt. Hierbei ist zwischen internen und externen Fak-
toren zu unterscheiden. Bei den internen Faktoren der Preissetzung spielen – neben
den Unternehmens- und Marketing-Zielen – vor allem die Kosten der Leistungser-
stellung eine große Rolle. Zu den wichtigen externen Faktoren gehören die Reaktionen
der Nachfrager (Stichwort Preiselastizität) wie auch der Wettbewerber auf Preisver-
änderungen.
können verschiedene Methoden genutzt werden. Man unterscheidet zwischen einer Preis-
kalkulation auf Vollkostenbasis und einer Kalkulation auf Teilkostenbasis.
Bei einer Preiskalkulation auf Vollkostenbasis werden alle für ein bestimmtes Pro-
dukt anfallenden Kosten zusammengeführt, die in der Kostenträgerrechnung enthalten
sind. Hierdurch ergeben sich die Gesamtkosten.
Gesamtkosten Produkt A
Stuckkosten Produkt A =
Produktionsmenge Produkt A
Die Stückkosten werden um den definierten Gewinnaufschlag (absolut oder in Prozent
der Stückkosten) ergänzt, um den Verkaufspreis zu erhalten.
VerkaufspreisProdukt A = Stuckkosten Produkt A + Gewinnaufschlag Produkt A
Hierbei wird auch von einer Zuschlagskalkulation gesprochen. Der Gewinn wird auf
die Kosten des Produktes „aufgeschlagen“. Hier kann etwa ein 20-prozentiger Aufschlag
auf die Stückkosten erfolgen.
Eine solche Kalkulation ist problematisch, wenn ein Unternehmen mehrere Produkte
parallel herstellt. Hier taucht die Frage auf, wie die beschäftigungsunabhängigen Kos-
ten auf die einzelnen Produkte oder Produktlinien zu verteilen sind. Diese beschäftigungs-
unabhängigen Kosten werden auch Fix- oder Gemeinkosten genannt. Zu diesen zählen
Vorstandsgehälter, Aufsichtsratsvergütungen, Kosten für das Verwaltungsgebäude oder
für PR-Aktivitäten.
Die Zuordnung oder Schlüsselung dieser beschäftigungsunabhängigen Kosten auf
die einzelnen Produkte kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen:
• Ein Kriterium ist die „Tragfähigkeit“. Das bedeutet, dass Produkte, für die höhere
Preise am Markt erzielbar sind, mit höheren Fix- bzw. Gemeinkostenanteilen be-
lastet werden.
• Eine Verteilung kann sich auch prozentual an den beschäftigungsabhängigen Kosten
orientieren. Diese beschäftigungsabhängigen Kosten werden auch variable Kosten
bzw. Einzelkosten der Herstellung genannt. Zu diesen beschäftigungsabhängigen Kos-
ten zählen etwa Löhne sowie die Kosten für Material, Strom, Wasser in der Produktion.
Bei diesem Ansatz werden die Produkte, die in der Fertigung hohe Kosten verursachen,
auch stärker mit beschäftigungsunabhängigen Kosten belastet.
314 5 Marketing-Instrumente
• Unabhängig von diesen Kriterien kann auch ein Verteilungsschlüssel definiert werden,
der – nach welchen Kriterien auch immer – die beschäftigungsunabhängigen Kosten
auf die verschiedenen Produkte verteilt.
Es ist nachvollziehbar, dass diese Verfahren zwar einfach anzuwenden sind, aber ein
hohes Maß an „Willkür der Kostenaufteilung“ besteht. Deshalb wird hinsichtlich der Auf-
schlüsselung der Kosten auf unterschiedliche Bereiche von einer Schlüsselungs-
problematik gesprochen.
Gleichzeitig besteht bei einer Preiskalkulation auf Vollkostenbasis die Gefahr, dass sich
die „zu tragenden“ Fix- bzw. Gemeinkosten bei rückläufiger Nachfrage- und niedrigerer
Produktionsmenge auf eine geringere Anzahl verteilen. Hierdurch erhöhen sich die not-
wendigen Verkaufspreise quasi automatisch. Die „Kosten-plus“-Kalkulation führt folg-
lich zu einer prozyklischen Preisfindung. Das bedeutet, dass bei einer hohen Nachfrage
die Preise automatisch niedriger werden. Eine fallende Nachfrage führt dagegen auto-
matisch zu einer Preiserhöhung.
Hier wird von einem prozyklischen Vorgehen gesprochen, weil die Markteffekte
durch eine entsprechende Preisstellung noch verstärkt werden. Bei rückläufiger Nachfrage
werden die Preise erhöht, wodurch die Nachfrage weiter sinkt. Bei höherer Nachfrage
werden die Preise dagegen gesenkt, sodass die Nachfrage noch weiter zunimmt.
Teilkosten Produkt A
Stuckkosten Produkt A =
Produktionsmenge Produkt A
Da eine Erwirtschaftung allein dieser produktbezogenen Kosten (Teilkosten) am Markt
nicht ausreichend ist, um die Gesamtkosten eines Unternehmens zu decken, werden zu-
sätzlich produkt- oder produktlinienbezogene Deckungsbeitragszuschläge (DB-Zu-
schläge) definiert. Diese Deckungsbeiträge sollen zum einen zusätzlich die Kosten ab-
decken, die einem Produkt nicht unmittelbar zugerechnet werden können. Dies sind bspw.
Kosten, die durch die Grundlagenforschung, eine Messebeteiligungen oder die Verwaltung
des Unternehmens verursacht werden. Zum anderen sollen die Deckungsbeiträge über die
Abdeckung der Kosten hinaus auch eine Gewinnerzielung sicherstellen. Um den Ver-
kaufspreis zu ermitteln, werden die ermittelten Stückkosten um einen Deckungsbei-
trag erhöht.
VerkaufspreisProdukt A = Stuckkosten Produkt A + Deckungsbeitrags − Zuschlag Produkt A
Bei der Kalkulation von Verkaufspreisen auf Teilkostenbasis ist darauf zu achten, dass
idealerweise jedes Produkt zur Deckung der Fix- oder Gemeinkosten des gesamten Unter-
nehmens beiträgt. Denn ein Unternehmen, welches langfristig nur die variablen Kosten
oder Einzelkosten am Markt einspielt, ist nicht überlebensfähig. Zusätzlich muss der
Deckungsbeitrag auch einen Gewinnanteil enthalten. Schließlich kann kein Unternehmen
langfristig überleben, wenn es nur seine Gesamtkosten abdeckt, ohne einen Gewinn zu
erzielen (zu weiteren Kalkulationsansätzen vgl. Coenenberg et al., 2016; Schmidt, 2021).
cc Merk-Box Die Kosten der Herstellung einer Leistung stellen nur einen – wenn
auch wichtigen – Orientierungsfaktor für die Preisgestaltung eines Unter-
nehmens dar.
cc Merk-Box Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Preis-
elastizität etwa 10- bis 20-mal größer ist als die Werbeelastizität. Das be-
deutet, dass eine relative Preisänderung wesentlich stärker auf die verkaufte
Menge wirkt als eine prozentual gleiche Änderung der Werbeausgaben.
Die Instrumente der Preispolitik wirken folglich sehr stark und auch
sehr schnell!
316 5 Marketing-Instrumente
Eine repräsentative Studie der UGW (2021, S. 9, 93) unterstreicht die dominante Wir-
kung von Preisen auf das Kaufverhalten im Lebensmittel-Einzelhandel. Um diese zu
ermitteln, wurden 713 Personen in Deutschland zu ihrem Kaufverhalten befragt. Auf die
Frage „Sage uns bitte, inwiefern folgende Werbeaktionen dein Einkaufsverhalten beein-
flussen?“ wurden folgende Ergebnisse ermittelt:
• 90 % der Befragten geben an, dass Preisaktionen sie „sehr stark“ bzw. „stark“ be-
einflussen.
• Mit 81 % steht das Sampling auf dem 2. Platz. Sampling umfasst hier „Produktproben
zum Mitnehmen“.
• Das Produkt-Bundle (Mehrfach-Packungen zum Sonderpreis) liegt mit 72 % auf dem
3. Platz.
• Packungssondergrößen (mehr Inhalt mit Preisvorteil) motivieren 72 % zum Kauf.
• Ein Kundenkarten-Bonus (bspw. von Payback, Deutschlandcard) stimuliert 70 %.
• Multibuy-Aktionen („kaufe 3, bezahle 2“) erreichen 67 %.
• Tester am Regal „verführen“ 65 % zum Kauf.
• Zugaben (etwa als On-Pack) stimulieren 62 %.
• Handzettel und Angebotsblätter beeinflussen 60 %.
• Coupons am Regal (zum Abreißen) wirken bei 57 %.
Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem Preisaktionen das Kaufverhalten beeinflussen.
Lediglich Sampling, Tester am Regel und Handzettel/Angebotsblätter bieten keinen sofor-
tigen Preisvorteil.
Die schnelle und vermeintlich leichte Beeinflussbarkeit des Umsatzes durch Preisver-
änderungen führt dazu, dass sich die Unternehmen laufend mit Preisaktionen überbieten.
So kamen zum – eigentlich abgeschafften – Schlussverkauf jetzt der Mid-Season-Sale,
zum Ende der Sommerferien der Back-to-School-Day sowie der Black Friday, der Sin
gles’ Day und auch der Cyber Monday dazu. Der Kreativität, Anlässe für Preisreduktionen
zu erschaffen, sind keine Grenzen gesetzt.
Im Ergebnis gibt es kaum noch Zeiten ohne deutliche Preisreduktionen. Irgendwo
ist immer Sale!
Wie stark wirken sich Veränderungen des Preises auf die abgesetzte Menge und vor
allem auch auf den Umsatz aus? Die zu erwartenden Effekte können durch die Preis-
elastizität ermittelt werden.
Die Preiselastizität liegt bei Konsumgütern durchschnittlich bei -2,5.
Das Minuszeichnen zeigt, dass die Veränderungen von Preis und Menge gegenläufig
sind. Hieraus folgt, dass eine Preiserhöhung zu einer Reduktion der nachgefragten Menge
führt und umgekehrt. Die Größe „2,5“ bringt zum Ausdruck, dass bei einer Durchschnitts-
betrachtung eine Preisveränderung von 1 % zu einer 2,5-prozentigen Mengenveränderung
führt. Diese nachhaltigen Auswirkungen unterstreichen die Notwendigkeit, die Festlegung
der Preisstrategien mit sehr viel Sorgfalt vorzunehmen, weil der Preis „ein sehr scharfes
Instrument“ ist.
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 317
0HQJH
6lWWLJXQJVPHQJH
3( ! XQHODVWLVFKHU%HUHLFK
3(
3( HODVWLVFKHU%HUHLFK
3UHLV$EVDW])XQNWLRQ
+|FKVWSUHLV
3UHLV
Was sagt die Preiselastizität der Nachfrage aus? Sie gibt Auskunft über die Höhe der
relativen Absatzmengenänderung aufgrund einer relativen Preisänderung bei einem be-
stimmten Produkt. Die Preiselastizität ist – wie schon ausgeführt – i. d. R. negativ. Das
bedeutet, dass eine Preiserhöhung zu einem Rückgang der nachgefragten Menge führt.
Eine Preisverringerung führt dagegen zu einer verstärkten Nachfrage.
Die Preiselastizität wird aus der Preis-Absatz-Funktion (PAF) abgeleitet. Diese stellt
die nachgefragte Menge in Abhängigkeit vom Angebotspreis dar (vgl. Abb. 5.29).
In dieser idealtypischen Darstellung in Abb. 5.29 werden der Anfangs- und Endpunkt
durch den Höchstpreis und die Sättigungsmenge definiert. Der Höchstpreis (auch Pro-
hibitivpreis genannt) zeigt an, bei welcher Preisstellung keine Nachfrage mehr stattfindet.
An diesem Punkt möchte niemand mehr das Produkt kaufen. Die Sättigungsmenge bringt
zum Ausdruck, welche Menge höchstens nachgefragt wird, wenn das Angebot kostenlos
ist. Der Höchstpreis sowie die Sättigungsmengen können bspw. durch Preistests er-
mittelt werden.
Die Preiselastizität (PE) nimmt entlang dieser Preis-Absatz-Funktion in Abb. 5.29
unterschiedliche Werte an. Die Preiselastizität wird wie folgt ermittelt:
∆x M Mengenanderung
xM Ausgangsmenge
=
Preiselastizitat =
∆P
Preisanderung
P Ausgangspreis
Bei einem Wert der Preiselastizität von „< −1“ oder „| PE | > 1“ wird vom elastischen
Bereich bzw. von einer elastischen Nachfrage gesprochen.
Nimmt die Preiselastizität den Wert „> −1“ bzw. „| PE | < 1“ an, so spricht man vom
unelastischen Bereich. Hier herrscht eine unelastische Nachfrage vor. Im unelastischen
Bereich der Preis-Absatz-Funktion führen Preiserhöhungen zwar auch zu einem Rück-
gang der Nachfragemenge, trotzdem aber zu einer Umsatzsteigerung. Preisreduktionen
führen auch hier zu einer erhöhten Nachfragemenge, allerdings begleitet von einem
Umsatzrückgang.
Bei einer Preiselastizität von „−1“ bleibt der Umsatz bei einer Preisveränderung
konstant.
Die Steigung der Preis-Absatz-Funktion selbst entspricht dem Grenzabsatz. Damit
wird die absolute Mengenveränderung bei der Veränderung des Preises um eine Einheit
bezeichnet.
Die unterschiedliche Wirkung einer Preisveränderung entlang der Preis-Absatz-
Funktion kann anhand der dadurch ausgelösten preis- bzw. mengeninduzierten Umsatz-
effekte erklärt werden. In Abb. 5.30 führt eine Preisreduktion um 1 € zu einem preis-
induzierten Umsatzverlust von 20 €. 20 Stück, die vorher zu einem Preis von 4 € verkauft
wurden, werden jetzt zu einem Preis von je 3 € abgegeben. Diese Auswirkung wird in
Abb. 5.30 als preisinduzierter Umsatzeffekt bezeichnet.
Dem preisinduzierten Umsatzverlust steht ein mengeninduzierter Umsatzeffekt
gegenüber. Die Preisreduktion um 1 € führt zur Erhöhung der Nachfrage. In diesem Bei-
spiel werden insgesamt 20 Einheiten zu einem Preis von 3 € zusätzlich nachgefragt. Folg-
lich beträgt der mengeninduzierte Umsatzzuwachs 60 €.
In Summe steigt der Umsatz bei einer Preisreduktion um 1 € um 40 €. Dieser Wert er-
gibt sich dadurch, dass man den preisinduzierten Umsatzeffekt (hier −20 €) und den
mengeninduzierten Umsatzeffekt (hier +60 €) addiert. Anhand dieser Werte kann aller-
dings noch nicht ermittelt werden, ob außer dem Umsatz auch der Gewinn steigt. Zur
Gewinnermittlung müssen die Kosten der verkauften Produkte berücksichtigt werden.
0HQJH
3( HODVWLVFKHU%HUHLFK
8PVDW]VWHLJHUXQJEHL3UHLVUHGXNWLRQ
PHQJHQLQGX]LHUWHU8PVDW]HIIHNW!SUHLVLQGX]LHUWHU8PVDW]HIIHNW
0HQJHQLQGX]LHUWHU8PVDW]HIIHNW
3UHLVLQGX]LHUWHU
8PVDW]HIIHNW
3UHLV
0HQJH
3( ! XQHODVWLVFKHU%HUHLFK
8PVDW]UHGXNWLRQEHL3UHLVUHGXNWLRQ
PHQJHQLQGX]LHUWHU8PVDW]HIIHNWSUHLVLQGX]LHUWHU8PVDW]HIIHNW
0HQJHQ
LQGX]LHUWHU
8PVDW]HIIHNW
3UHLVLQGX]LHUWHU
8PVDW]HIIHNW
3UHLV
∆x M Mengenanderung
20
xM Ausgangsmenge
=
Preiselastizitat = = 20 = −4
∆P
Preisanderung −1
P Ausgangspreis 4
Die Preiselastizität von „−4“ liegt folglich im elastischen Bereich der Preis-Absatz-
Funktion.
In Abb. 5.31 ist zu sehen, welche Effekte bei einer gleichgroßen Preisreduktion in
einem anderen Bereich der Preis-Absatz-Funktion erzielt werden. Aufgrund der Preis-
reduktion kommt es hier zu einem preisinduzierten Umsatzeffekt – genauer ein Umsatz-
verlust – von −60 €. Schließlich werden 60 Stück für 1 € weniger verkauft. Dem steht ein
mengeninduzierter Umsatzeffekt von 20 Einheiten gegenüber. Das heißt, nur 20 Stück
können aufgrund der Preisreduktion zusätzlich verkauft werden. Hierdurch wird ein
mengeninduzierter Umsatzeffekt – konkret ein Umsatzzuwachs – von 20 € erreicht.
Der Gesamteffekt in Abb. 5.31 summiert sich auf −40 €. Folglich führt die Preis-
senkung an dieser Stelle der Preis-Absatz-Funktion zu einem Umsatzrückgang. Dieser
Wert ergibt sich dadurch, dass man den preisinduzierten Umsatzeffekt (hier −60 €) und
den mengeninduzierten Umsatzeffekt (hier +20 €) addiert.
Die Preiselastizität ermittelt sich in diesem Fall wie folgt:
∆x M Mengenanderung
20
xM Ausgangsmenge
=
Preiselastizitat = = 60 = −0, 67
∆P
Preisanderung −1
P Ausgangspreis 2
320 5 Marketing-Instrumente
Dieser Wert ist „> −1“ und liegt damit im unelastischen Bereich der Preis-Absatz-
Funktion. Bei einer unelastischen Nachfrage führt eine Preisreduktion zwar auch zu einer
Nachfragesteigerung, insgesamt aber zu einem Umsatzrückgang. Damit ist in jedem Falle
auch ein Gewinneinbruch verbunden. Eine Preiserhöhung im unelastischen Bereich führt
zwar auch hier zu einer Reduktion der Nachfrage, allerdings auch zu einer Umsatz-
steigerung und sogar zu einer Gewinnerhöhung pro verkauftem Produkt.
Die Höhe der Preiselastizität in unterschiedlichen Märkten wird durch Schätzun-
gen, Experten- und Kundenbefragungen oder durch Preisexperimente ermittelt (vgl.
Simon, 2015, S. 67–72; grundlegend Simon & Fassnacht, 2016, S. 106–112). Auch ex-
post, d. h. nach Preisveränderungen, können entsprechende Untersuchungen durch-
geführt werden.
Es sind folgende Einflussfaktoren der Preiselastizität zu berücksichtigen:
∆x Angebot A
Mengenanderung Angebot A
Bei substitutiven Produkten, d. h. bei Angeboten, die einander ersetzen können, ist
die Kreuzpreiselastizität positiv. Hier wechseln die Kunden einfach bei einer Preis-
steigerung bei Produkt B zum Produkt A. Das führt zu einer erhöhten Nachfrage bei A. So
wird die Nachfrage nach Margarine steigen, wenn sich der Butterpreis erhöht.
Bei komplementären Produkten, d. h. Angeboten, die sich gegenseitig ergänzen, ist
die Kreuzpreiselastizität dagegen negativ. So führen steigende Benzinpreise zu einer gerin-
geren Nachfrage nach verbrauchsstarken Fahrzeugen – und umgekehrt. Hier sind die Ent-
wicklungen gegenläufig, wodurch sich der negative Wert der Kreuzpreiselastizität ergibt.
• Relative Ausgabenhöhe
Kunden reagieren weniger preisempfindlich, je geringer die Ausgaben für ein be-
stimmtes Angebot in Relation zum verfügbaren Einkommen sind. Was bedeutet schon
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 321
eine Preiserhöhung bei der täglichen Zeitung um 0,30 €, wenn das Netto-
Monatseinkommen des Haushalts bei 5000 € liegt? Auch wenn die Ausgaben für ein
bestimmtes Produkt gering sind im Vergleich zur Gesamtausgabe bei einer Investition,
reagieren Kunden weniger preisempfindlich. Wie bedeutsam ist der um 1500 € teurere
Miele-Herd bei einer Gesamtinvestition der Küche von 30.000 €?
• Eingeschränkte Transparenz bezüglich Preisveränderungen
Je schwieriger es für einen Käufer ist, Preisveränderungen zu erkennen, desto weniger
wird ein Kunde auf Preisveränderungen reagieren. Dies kann der Fall sein, wenn sich
diese bspw. auf Folgekosten beziehen oder in den Kaufbedingungen „versteckt“ sind.
Teilweise versuchen Unternehmen auch, Preisveränderungen dadurch zu verschleiern,
dass sie die Menge bei gleichem Preis reduzieren (bspw. nur noch 9 statt 10 Papier-
taschentücher in einer Verpackung).
• Ausprägung des Preisbewusstseins
Je stärker die Käufer für das Thema Preis sensibilisiert sind, desto empfindlicher wird
auf Preisveränderungen reagiert. Über viele Jahre sorgten in Deutschland Werbe-
aktionen mit den Slogans „Geiz ist geil“ bzw. „Wir hassen teuer“ von Saturn und „Ich
bin doch nicht blöd“ von Media Markt für eine umfassende Sensibilisierung für das
Thema Preis.
In vielen Marktfeldern kam es zu einer regelrechten Rabattitis: „Rabatte für jeden
und alles zu jeder Zeit“. Damit wurde das Preisbewusstsein generell deutlich erhöht.
Entsprechend sensibel reagieren Kunden in vielen Branchen auf Preisveränderungen.
Dass Preisvergleiche fast schon Volkssport-Charakter angenommen haben, kann an den
Auflagen der Schnäppchenführer sowie an der Vielzahl der Preisvergleichsdienst-
leister im Internet abgelesen werden. Diese sind online unter www.billiger.de, www.
preisvergleich.de oder auch www.geizkragen.de zu finden. Dieses ausgeprägte Preis-
bewusstsein hat auch dazu geführt, dass – gestützt durch Anbieter wie eBay und Ama-
zon – eine zusätzliche Konkurrenz zwischen neuen und gebrauchten Produkten ent-
standen ist.
• Habitualisierungsgrad von Kaufprozessen
Je stärker Kaufprozesse habitualisiert sind, d. h. gewohnheitsmäßig ablaufen, desto we-
niger wirken sich Preisveränderungen auf das Kaufverhalten aus. Damit Kunden von
ihren gewohnten Verhaltensmustern abweichen, bedarf es meist größerer Preissprünge.
Deshalb wird versucht, Kunden durch Kundenbindungsprogramme dauerhaft an be-
stimmte Dienstleister, Hersteller oder Händler zu binden. Hier ist bspw. an das
Vielflieger-Programm Lufthansa Miles & More sowie an die Kundenkarten und
Kunden-Apps von H&M, MediaMarkt und Douglas zu denken. Gleichzeitig kann der
Kunde hierdurch – zumindest teilweise – gegen Preiserhöhungen „immunisiert“ wer-
den (vgl. vertiefend zu Kundenbindungsprogrammen Kreutzer, 2021a, S. 267–350).
• Relevanz des Preises in Relation zum Anbieter-/Angebotsimage
Je geringer der Stellenwert des Preises im Vergleich zu einem überragenden Image ist,
desto weniger Bedeutung wird Preisveränderungen beigemessen. Hier können wir an
Preisänderungen bei Porsche Automobilen, Kleidung von Dior oder Koffer von Louis
322 5 Marketing-Instrumente
Die aufgezeigten Kriterien können bei der Prognose bzw. der Interpretation von Nach-
frageeffekten aufgrund von Preisveränderungen herangezogen werden. Dabei gilt es auch,
einen anderen mit der Preisstellung unmittelbar verbundenen Aspekt zu berücksichtigen:
die Nutzung des Preises als Qualitätsindikator.
Der Preis wird als Qualitätsindikator herangezogen, wenn ein Kunde über keine Vor-
erfahrungen oder Qualitätsinformationen bzgl. eines Angebotes verfügt und solche auch
nicht vorliegen (etwa in Gestalt eines Testurteils der Stiftung Warentest). Das Produkt
selbst kann sich im Handel einer Qualitätskontrolle entziehen, etwa bei verpackten Ober-
hemden oder bei Wein. Soll bspw. für Freunde ein „guter Tropfen“ gekauft werden, so
wird der Nicht-Weinkenner eher seltener zum Weinangebot für 1,99 € greifen, sondern
eher zu dem für 14,99 € – in der Erwartung, damit eine deutlich bessere Qualität zu er-
werben. Der Weinkenner selbst hat dagegen andere Kriterien und wird bspw. gezielt zum
Gaja Barolo Sperss eines bestimmten Jahrgangs greifen, weil dieser für ihn höchsten
Trinkgenuss verspricht.
Es sei angemerkt, dass sich auch professionelle Weintester durch das Etikett eines re-
nommierten Weingutes (Motto: „Man trinkt das Etikett mit“) oder einen hohen Preis
(Motto: „Nichts ist so lecker wie der Preis“) zu signifikant besseren Bewertungen verleiten
lassen. Dies wurde im Zuge von Blindverkostungen durch eine Studie ermittelt (vgl.
Evers, 2009, S. 133).
cc Denkanstoß Bei welchen Angeboten setzen Sie persönlich auf den Preis als Quali-
tätsindikator?
Neben diesem Qualitätsaspekt wirkt sich die Preishöhe auch auf die wahrgenommenen
Kosten einer Kaufentscheidung aus (vgl. Abb. 5.32). Ein hoher Preis kann folglich nicht
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 323
ZDKUJHQRPPHQH
3URGXNWTXDOLWlW
ZDKUJHQRPPHQHU ZDKUJHQRPPHQHU .DXIZDKU
3UHLV 1HWWRQXW]HQ VFKHLQOLFKNHLW
ZDKUJHQRPPHQHU
(LQVDW]GHV.lXIHUV
nur die Qualitätswahrnehmung steigern. Ein hoher Preis erhöht auch den wahr-
genommenen Einsatz des Käufers i. S. des finanziellen Einsatzes. Die Abwägung zwi-
schen beiden Ergebnissen führt zum wahrgenommenen Nettonutzen. Dessen Höhe wirkt
sich direkt auf die Kaufwahrscheinlichkeit aus. Eine hohe wahrgenommene Qualität
strahlt positiv, ein hoher wahrgenommener Einsatz des Käufers dagegen negativ auf den
wahrgenommenen Nettonutzen aus. Entscheidend ist jeweils die subjektive Wahrnehmung
des Käufers – die von einer „objektiven“ Bewertung weit entfernt sein kann.
Die Vielzahl der hier angesprochenen Faktoren unterstreicht die Komplexität einer
nachfrageorientierten Preissetzung. Wurde – bspw. im Vorfeld einer Produktentwicklung –
der „optimale“ Preis ermittelt, so kann dieser als Zielwert für die weitere Entwicklung
definiert werden. Bei diesem Target Costing bzw. Target Pricing genannten Vorgehen
leiten sich die Kostenziele des Unternehmens aus den am Markt erzielbaren Preisen ab.
Deshalb kann auch von einer Zielkostenmethode gesprochen werden.
Ausgehend vom angestrebten Marktpreis können Anforderungen an die eigene Produkt-
entwicklung, den Produktionsbereich sowie Zulieferer definiert werden, um eine Er-
reichung der Zielkosten und damit auch des Zielpreises sicherzustellen. Ein solches Vor-
gehen ist gleichzeitig hilfreich gegen die Gefahr des Over-Engineerings als Ausdruck der
„Produktverliebtheit“ von Technikern, die alle vorstellbaren Innovationen in ein Produkt
integrieren möchten, unabhängig davon, ob der damit verbundene Mehrpreis am Markt
auch erlöst werden kann.
• Mittelpreisstrategie
Bei der Mittelpreisstrategie orientiert sich das Unternehmen an den branchenüblichen,
durchschnittlichen Marktpreisen und damit am herrschenden Preisniveau. Gegebenen-
324 5 Marketing-Instrumente
Preis
10
9 Hochpreisstrategie
8
7
6 Preisüberbietun g
5
Mittelpreisstrategie
4
3 Preisunterbietun g
2
1 Niedrigpreisstrategie
0 Zeit
IKEA, Primark und Ryanair am unteren Ende der Preisskala zu den sehr erfolg-
reichen Unternehmen. Anbieter wie Apple, Hermès, Miele und Porsche am obe-
ren Ende der Preisskala erzielen ebenfalls seit Jahren höchste Gewinne.
Bei den statischen Preisstrategien werden die Preise längerfristig festgelegt – orientiert
an Kosten, Nachfrage, Wettbewerbern und den Unternehmenszielen. Das „statische“ Ele-
ment kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Preis für einen längeren Zeitpunkt bestehen
soll. Dennoch kann der definierte Preis nach unterschiedlichen Kriterien variieren, etwas
nach der Menge oder aufgrund der Person des Käufers. Die hier erfolgten Preisver-
änderungen beziehen sich aber i. d. R. auf den gleichen Zeitpunkt. Im Vergleich dazu
fließen bei den dynamischen Preisstrategien von vornherein Überlegungen zur künfti-
gen Marktentwicklung ein, um auf diese Weise eine Preisfolge für einen längeren Zeit-
abschnitt vorab festzulegen.
• Rabatt
Der Rabatt ist ein Preisnachlass für Waren und/oder Dienstleistungen, der auf einen
Listenpreis gewährt wird. Die Empfänger von Rabatten können die Endkunden sein.
Hier spricht man vom Konsumentenrabatt bzw. vom Endkunden-Rabatt.
Vertriebspartner werden durch Funktionsrabatte für die Übernahme bestimmter
Aufgaben („Funktionen“) entlohnt. Diese werden auch als Händlerrabatte bezeichnet.
Händlerrabatte können an eine Listung eines Produktes gebunden sein, d. h. an die Auf-
nahme in das Sortiment des Handelspartners. Hier wird auch von Listungsgebühr ge-
sprochen. Händlerrabatte können auch zur Intensivierung der Marktbearbeitung durch
den Handel motivieren und Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber aufbauen.
Mengenrabatte stellen ein Instrument des Anbieters dar, um bestimmte Kauf-
volumen zu erzielen. Entsprechende Rabatte können auch für einen bestimmten Auf-
trags-Mix gewährt werden.
Mit Zeitrabatten hat der Anbieter ein Instrument in der Hand, um den Verkauf zeit-
lich zu beeinflussen. Treuerabatte sollen die Bindung von Kunden und/oder Vertriebs-
partnern erhöhen (vgl. Abb. 5.34).
• Skonto
Skonto ist ein Preisnachlass, der gewährt wird, wenn die Bezahlung einer Rechnung
innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfolgt. Da das anbietende Unternehmen in die-
sem Fall geringere Finanzierungskosten zu tragen hat, werden diese Kostenvorteile an-
326 5 Marketing-Instrumente
5DEDWWDUWHQ
)XQNWLRQVUDEDWW
0HQJHQUDEDWW =HLWUDEDWW 7UHXHUDEDWW
LP+DQGHO
5DEDWWIUGLH 5DEDWWIUHLQH
hEHUQDKPHHLQHU VSH]LILVFKH8PVDW]
)LQDQ]LHUXQJVIXQNWLRQ K|KHGHVJOHLFKHQ
.XQGHQLQHLQHP
EHVWLPPWHQ=HLWUDXP
Abb. 5.34 Rabattarten
teilig an den Kunden weitergegeben. Teilweise wird diesbezüglich auch von Bar-
zahlungsrabatt gesprochen.
In Summe sollen Rabatt und Skonto dazu beitragen, entweder bestimmte Leistungen
von Partnern zu entlohnen oder Vertragspartner zu einem bestimmten Verhalten zu moti-
vieren. Dies kann eine Umsatz- oder Absatzsteigerung sein, die Verlängerung der Kunden-
beziehung oder die Vereinfachung der Abwicklung durch größere Auftragsvolumen und
eine entsprechende Steuerung des Auftragseingangs. Zeitlich beschränkte Vergünstigungen
eines Angebotes, ohne dessen generelle Preisposition zu verändern, können ebenfalls Mo-
tive des Rabatteinsatzes sein.
Spannend ist, dass der Begriff „Rabatt“ sowie optische Verstärker wie „50 € Preisvor-
teil für Sie“ unmittelbar auf das Belohnungszentrum des Kunden abzielen. So hat die
Analyse der Wirkung von Rabattsymbolen im Zuge der Neuro-Marketing-Forschung ge-
zeigt, dass deren Präsentation generell das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Bei
entsprechenden Untersuchungen wurden verstärkte Aktivitäten in den Regionen fest-
gestellt, die mit Belohnungserwartungen assoziiert sind. Bei einem Teil der Probanden
wurde außerdem eine geringere Aktivität in den Hirnarealen beobachtet, die für die Selbst-
kontrolle verantwortlich sind. Dies hatte zur Folge, dass der Preis nicht mehr hinterfragt
wurde. Bei rabattierten höherpreisigen Produkten konnten diese Effekte dagegen nicht
beobachtet werden. Folglich bleibt bei derartigen Produkten das hier generell zu be-
obachtende vorsichtigere Kaufverhalten bestehen (vgl. vertiefend Häusel, 2016).
Bei einer zu häufigen Anwendung stellen sich allerdings auch bei Standardprodukten
Gewöhnungseffekte ein. So führten die über viele Jahre durchgeführten Rabatttage bei
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 327
Praktiker – Slogan: „20 % auf alles – außer Tiernahrung“ – zu deutlichen Umsatz- und
Ertragsrückgängen und 2013 schließlich zur Pleite des Unternehmens.
Vor dem Hintergrund der möglichen Preiseffekte ist nachvollziehbar, warum viele An-
bieter nach dem bereits beschriebenen Wegfall des Rabattgesetzes im Jahre 2001 sehr
kreative Ansätze erarbeiteten, um durch die Rabattgestaltung Verkäufe sowie generell
Kundengewinnung und -bindung zu steigern. In diesem Umfeld trat in Deutschland mit
dem Couponing ein Instrument seinen Siegeszug an, das bis dahin keine große Beachtung
gefunden hatte.
Couponing ist eine Maßnahme, bei der ein Herausgeber einer ausgewählten Personen-
gruppe durch ein Medium einen Berechtigungsnachweis (entspricht dem Coupon) zur
Verfügung stellt. Klassischerweise werden diese Coupons kostenlos angeboten. Durch
den Einsatz eines Coupons bei einer bestimmten On- oder Offline-Akzeptanzstelle wird
für einen definierten Zeitraum ein spezifischer Vorteil versprochen. Hierfür muss der
Coupon-Nutzer ein bestimmtes Verhalten zeigen.
Nachfolgend werden unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten des Couponings
aufgezeigt. Einzelne Varianten können nach Belieben weiter kombiniert werden, um inno-
vative Coupon-Varianten zu erhalten (vgl. Abb. 5.35).
Nachfolgend werden die wichtigsten Coupon-Arten, die heute verwendet werden,
vorgestellt (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021a, S. 181–188).
• Informations-Coupon
Bei dieser Variante stellt der Coupon einen Gutschein für den Bezug von Informations-
material dar. Die häufigste Anwendung findet er in Gestalt sogenannter Coupon-
Kataloge. Diese enthalten eine Vielzahl von Coupons, gegen deren Vorlage bzw. Ein-
$XVJHVWDOWXQJVP|JOLFKNHLWHQGHV&RXSRQLQJV
+HUDXVJHEHU $N]HSWDQ]VWHOOH
+HUVWHOOHU0DUNHQDUWLNOHU,QGXVWULHJHQHUHOO 2QOLQH6KRS
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9HUWULHEVNDQDO2IIOLQH2QOLQH6KRS 6RQVWLJH9HUWUDJVSDUWQHU
3HUVRQHQJUXSSH
=HLWUDXP
,QWHUHVVHQWHQ
GHU*OWLJNHLWGHV&RXSRQVEVSZYRQELV
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GHU&RXSRQ9HUWHLOXQJYRUZlKUHQGRGHUQDFKHLQHP
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0HGLXP 9RUWHLO
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0DLOLQJ(0DLO1HZVOHWWHU&RXSRQ3RUWDO:HEVLWH 0HQJHQYRUWHLO
&RXSRQ$XWRPDW9HUNDXIVPLWDUEHLWHU 3URGXNW]XJDEH
3URGXNW ,QIRUPDWLRQVDQJHERW
%HUHFKWLJXQJVQDFKZHLV 9HUKDOWHQ
3ULQW&RXSRQ .DXIHLQHVEHVWLPPWHQ3URGXNWHVHLQHUGHILQLHUWHQ0HQJH
606PLW*XWVFKHLQ&KDUDNWHU606&RXSRQ 1XW]XQJHLQHVDXVJHZlKOWHQ9HUWULHEVNDQDOV
(&RXSRQ .DXILQQHUKDOEHLQHVVSH]LILVFKHQ=HLWUDXPV
.DVVHQERQPLWHQWVSUHFKHQGHP$XIGUXFN %HUHLWVWHOOXQJYRQ,QIRUPDWLRQHQ
nehmenden Handel (Edeka) gewährt wird. Die Abwicklung der damit verbundenen
Zahlungsströme ist die Domäne der Clearing-Häuser.
• Kostenpflichtige Vorteils-Coupons
Eine besondere Form zur Verbreitung von Coupons hat sich mit den Online-Coupons
etabliert. Solche Coupons können Interessenten über Plattformen wie Groupon er-
werben. Hier werden – befristet – häufig besonders preisattraktive Angebote präsen-
tiert. Durch den hohen Zeitdruck – oft durch einen Countdown dargestellt – sollen In-
teressenten zu Spontankäufen motiviert werden.
Zur Distribution von Coupons können Coupon-Kataloge oder Zeitungen und Zeit-
schriften auf regionaler oder nationaler Ebene eingesetzt werden. Die Zielgruppe oder
einzelne Zielpersonen können allerdings auch wesentlich gezielter und ggf. personalisiert
angesprochen werden. Hier können Mailings und E-Mails eingesetzt werden. Die Ent-
scheidung über den relevanten Distributionsweg für Coupons ist vom Vorhandensein
330 5 Marketing-Instrumente
bei einer größeren Abnahmemenge grds. einen Preisvorteil erwartet, sind dies Beispiele
dafür, wie das Vertrauen der Verbraucher in die Marke missbraucht wird.
Preisliche Anreize können von Unternehmen in reifen Märkten auch gezielt eingesetzt
werden, um eine Aufnahmefähigkeit für neue Produkte zu schaffen. So werden von Unter-
nehmen in regelmäßigen Abständen sogenannte Eintauschprämien bzw. Umtausch-
prämien ausgelobt. Hier wird einem Kunden bei der Rückgabe alter Produkte ein €-Wert
auf den Kauf von neuen Produkten der gleichen Kategorie angerechnet.
Unternehmen wie Fissler, Silit und WMF bieten regelmäßig an, beim Kauf bestimmter
Produkte bspw. 10 € für jeden alten Topf gutzuschreiben. Auch für Produkte wie Smart-
phones werden mittlerweile Eintauschprämien von diversen Anbietern angeboten. Hierbei
wird der Verkaufswert des alten Gerätes vom Kaufbetrag des neuen Gerätes abgezogen.
Die Relevanz solcher Konzepte ist einfach erklärt: Durch Umtauschprämien soll bei zö-
gernden Kunden zunächst das schlechte Gewissen beruhigt werden, ein oft noch voll
funktionsfähiges Produkt zu ersetzen. Motto: „Aber ich bekomme ja noch etwas dafür!“
Außerdem wird durch die Umtauschaktion ganz konkret „Platz geschaffen“ für das neue
Produkt. Über die ökologischen Folgen eines solchen Vorgehens kann man trefflich dis-
kutieren.
Hinsichtlich der Preisveränderungen stellt sich für Unternehmen die Frage, ob sie
diesbezüglich lieber eine Führer- oder Folgerposition einnehmen. Die Preisführer-
schaft hat das Unternehmen inne, welches eine Preisveränderungsrunde in einer Bran-
che einleitet, sei es nach oben oder unten. Während Preissteigerungsrunden (bspw. bei
Benzin) häufig ein breites negatives Medienecho finden, müssen die entsprechenden
Unternehmen bei Preissenkungsrunden eher selbst auf neue „Dauerniedrigpreise“ (etwa
bei Lebensmittel-Discountern) hinweisen. Im Mineralölhandel wird häufig sichtbar,
dass die Preisführerschaft zwischen den Marken wechselt, damit nicht bei einem An-
bieter das Image der Preistreiberei entsteht. Preisfolger sind alle Unternehmen, die auf-
grund der durchgeführten Änderungen der Wettbewerber ihre Preise in gleicher Rich-
tung anpassen.
cc Merk-Box Das Konzept von Preisführern und -folgern ist insb. in oligopolistisch
geprägten Märkten zu beobachten. Hier wirken sich die Preisveränderungen
eines Unternehmens deutlich auf den Absatz der anderen Anbieter aus.
Mengenbezogene
Menge Einräumung von Mengenrabatten für Großabnehmer
Preisdifferenzierung
• Erstens muss sich die Zielgruppe in mindestens zwei verschiedene Segmente auf-
teilen lassen. Nur dann können verschiedene Preise eingesetzt werden.
• Zweitens müssen die definierten Zielgruppen unterschiedliche Preiselastizitäten auf-
weisen. Nur dann führt eine Differenzierung der Preise bei den verschiedenen Ziel-
gruppen zum angestrebten Ergebnis.
• Drittens müssen sich die identifizierten Segmente abgrenzen lassen. Nur dann kön-
nen unterschiedliche Preise für gleiche Leistungen zum gleichen Zeitpunkt am Markt
bestehen.
cc Merk-Box Die generelle Leitidee einer Preisdifferenzierung ist, dass ein Unter-
nehmen seine Umsatz- bzw. Deckungsbeitragsziele besser erreichen kann,
wenn die Preise nach verschiedenen Kriterien festgelegt und damit „differen-
ziert“ werden.
Gründe für die persönliche und räumliche Preisdifferenzierung sind meist die unter-
schiedlichen Preiselastizitäten der Nachfrager. Bei der Zielgruppe Studenten bspw. wird
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 333
generell davon ausgegangen, dass diese eine niedrigere Kaufkraft aufweist als Personen,
die voll im Berufsleben eingebunden sind. Um auch Studenten für das eigene Angebot zu
gewinnen, wird dieser Zielgruppe für das gleiche Produkt ein günstigerer Preis angeboten.
So bezahlen Studenten für ein Abonnement der Frankfurter Allgemeinen Zeitung („Mon-
tag bis Sonntag“) im Jahr 2021 lediglich 39,80 € statt 78,50 € pro Monat. Das On-
line-Abonnement kostet für Studenten 31,40 € statt 48,90 €.
gelegt und zur Bewertung der Preisstellung auf einem ausländischen Markt herangezogen.
Zusätzlich sind i. d. R. noch Aufschläge für Transportkosten zu berücksichtigen.
Unternehmen versuchen durch Dumping, in anderen Ländern Marktanteile zu erobern
und dort vorhandene Unternehmen durch eine aggressive Preissetzung vom Markt zu
verdrängen.
Von Sozialdumping wird gesprochen, wenn Exportprodukte aufgrund niedriger Ar-
beits- und Lohnnebenkosten preiswerter angeboten werden können als die im Zielland
selbst hergestellten Erzeugnisse. Eine Ursache für niedrige Nebenkosten kann das Fehlen
von sozialen Absicherungssystemen sein. Häufig existieren für die Mitarbeiter keinerlei
Kranken-, Renten-, Unfall- oder Arbeitslosenversicherung. Außerdem wird häufig unter
ungünstigen Arbeitsbedingungen produziert. Ober es liegt sogar Kinderarbeit vor.
Allerdings stellt Sozialdumping im rechtlichen Sinne kein Dumping dar. Schließlich
werden die Preisunterschiede hier tatsächlich durch unterschiedliche Standortkosten ver-
ursacht. Die Bekämpfung von Sozialdumping kann zum einen das Ziel verfolgen, die
Arbeitsbedingungen und die Entlohnung in den Herkunftsländern tatsächlich zu ver-
bessern (vgl. vertiefend Wiesner, 2016). Zum anderen verfolgen Interessensgruppen aber
auch das Ziel, die heimische Industrie durch den Vorwurf von Sozialdumping vor un-
gewünschten Billigimporten zu schützen.
Eine räumliche Preisdifferenzierung kann auch durch unterschiedliche Steuersysteme
der Zielländer erforderlich werden. So muss bspw. ein dänischer Konsument beim Auto-
kauf zusätzlich zur Mehrwertsteuer noch eine Zulassungssteuer von derzeit bis zu 150 %
bezahlen. Hier wird auch von einer Luxussteuer gesprochen. Dadurch sind die in Däne-
mark privat zugelassenen Mittelklasseautos für die dänischen Konsumenten oft mehr als
doppelt so teuer wie für einen Kunden in Deutschland. Deshalb sehen sich viele Hersteller
gezwungen, die Preise vor Steuern für Kraftfahrzeuge bis auf ein Minimum zu reduzieren,
damit sie in Dänemark überhaupt verkauft werden.
Unterschiedliche Marktpositionen des anbietenden Unternehmens können ebenfalls
unterschiedliche Preisstellungen erfordern. Ist ein Unternehmen in einem Land Markt-
führer, kann es ggf. höhere Preise verlangen, als wenn es ein Neueinsteiger wäre.
Die zeitliche Preisdifferenzierung hat drei unterschiedliche Ausprägungen:
• Der Preis kann in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Kaufes in Relation zu dem
Nutzungszeitpunkt differenziert werden. In diesen Bereich fallen Frühbucherrabatte.
Hier werden die Kunden mit Preisabschlägen belohnt, die bereits zu einem frühen Zeit-
punkt buchen. Diese Preisstrategie wird von der Deutschen Bahn und auch von Hotels
und Fluggesellschaften eingesetzt. Ein Flug „Köln-Bonn – Berlin“ wird viele Wochen
oder Monate vor dem Abflugtermin bspw. für 19,99 € (One-way-Komplettpreis) an-
geboten. Einen Tag vor dem Abflugtermin kostet der gleiche Flug dann bspw. 199,99 €.
• Diese Preisstrategie wird als Yield-Management (i. S. eines Ertrags-Managements)
bezeichnet. Durch die differenzierte Preissetzung streben die Unternehmen eine best-
mögliche Auslastung der vorhandenen Kapazitäten an. Kunden sollen durch attraktive
Preise motiviert werden, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu buchen. Das erhöht
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 335
Eine besondere Form der persönlichen und zeitlichen Preisdifferenzierung findet immer
breiteren Einsatz: das Dynamic Pricing. Bei Amazon werden viele Preise den ganzen Tag
über mehrmals verändert. Die dynamische Preisanpassung basiert auf der Erkenntnis, dass
die Preiselastizität der Käufer zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich ausfällt. Des-
halb können Erträge für die Unternehmen dadurch optimiert werden, dass den Kunden
unterschiedliche Preise angeboten werden.
Auf die individuell angebotenen, dynamisch ausgespielten Preise wirken sich weitere
Faktoren aus: Beschäftigt sich der potenzielle Käufer zum zweiten oder dritten Male mit
dem Angebot, so deutet dies auf ein großes Interesse. Folglich wird diese Person vermutlich
auch einen höheren Preis zu bezahlen bereit sein. Wer mit Apple-Produkten auf Angebote
zugreift, bekommt ggf. höhere Preis angezeigt. Dies basiert auf der Hypothese, dass
Apple-Nutzer eine höhere Kaufkraft aufweisen und deshalb auch höhere Preise akzeptieren.
Dass die Kunden über ein solches Vorgehen häufig nicht begeistert sind, liegt auf der Hand.
336 5 Marketing-Instrumente
cc Merk-Box Statt von einer Preisdifferenzierung sollte immer dann von einer
Produktdifferenzierung gesprochen werden, wenn sich die Angebote deutlich
unterscheiden. Bei der Verwendung verschiedener Materialien (Kunstfaser vs.
Kaschmirwolle oder Kunstleder vs. echtem Leder) für identische Produkte han-
delt es sich ebenfalls um eine Produktvariation und nicht um eine Preis-
differenzierung.
Bei der mengenbezogenen Preisdifferenzierung wird der Preis aufgrund der nach-
gefragten Menge pro Käufer angepasst. Dies ist Fall, wenn der Glashersteller Riedel acht
mundgeblasene Gläser zum Preis von sechs verkauft. Der gleiche Mechanismus kommt
zum Tragen, wenn mehrere Personen gleichzeitig Leistungen in Anspruch nehmen. So
kann bspw. eine vierköpfige Familie einen Urlaub zum Preis von drei Personen buchen.
Hier wird der schon angesprochene Mengenrabatt gewährt.
Bei der vertriebswegbezogenen Preisdifferenzierung differieren die Preise bspw. in
Abhängigkeit davon, welches Ausmaß an Self-Service der Kunde erbringt. So unter-
scheiden sich die Tarife für Online- und Offline-Banking. Auch für Tickets, die entweder
im Reisebüro erworben oder selbst im Internet gebucht und ausgedruckt werden, fallen
unterschiedliche Preise an. Beim Online-Brokerage unterscheiden sich die Tarife für die
Dienstleistung im Vergleich zu den klassischen Wegen des Erwerbs von Wertpapieren.
Dem ursprünglichen Konzept der Factory Outlets („Fabrikverkauf“) lag ebenfalls
eine vertriebswegbezogene Preisdifferenzierung zugrunde: Ohne Beratung, in „fabrikähn-
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 337
Auch in Restaurants ist ein Vier-Gang-Menü meist kostengünstiger als die Bestellung
der einzelnen Gänge. Unter Umständen sind jedoch die Portionen im Menü kleiner. Außer-
dem setzt mancher Restaurantchef darauf, dass durch eine mit dem Menü verbundene
längere Verweildauer im Restaurant der Konsum von Getränken steigt. Diese sind oft mit
einem höheren Deckungsbeitrag kalkuliert. So fließen zusätzliche Effekte des nachfolgend
beschriebenen kalkulatorischen Ausgleichs in die Überlegung ein.
Eine Preisbündelung findet sich auch bei Hotels. Hier werden häufig Komplettpreise
ausgelobt. Es heißt dann „Zimmerpreis, inkl. Frühstück, 126 €“ statt Einzelpreise wie
„Zimmerpreis 102 €, Frühstück 24 €“. Auch viele Bank-Dienstleistungen werden im
Bündel angeboten, bspw. ein Girokonto verbunden mit einer Kreditkarte.
Durch die Preisbündelung wird dem Kunden die Möglichkeit genommen, die Einzel-
preise zu vergleichen. Hier führt die Bündelung zu einer Preisverschleierung. Bei Preis-
erhöhungen von Package-Angeboten ist auch nicht nachvollziehbar, welche Leistung um
wie viel Prozent teurer geworden ist. Dienstleister, wie Unternehmensberatungen und
Werbeagenturen, präferieren ebenfalls Package-Preise, um eine Nachvollziehbarkeit der
einzelnen Preise zu erschweren. Durch Bündelangebote wird auch der Umsatz pro Kauf
338 5 Marketing-Instrumente
gesteigert. Oft können durch eine höhere Attraktivität des Angebotes neue Kundengruppen
erschlossen werden.
Um Angebote präzise vergleichen zu können, ist der Systempreis bzw. sind die Total
Cost of Ownership (TCO) zu errechnen. Hierzu sind bei Beschaffungsprozessen – insb.
von Industriegütern – neben dem Kaufpreis für eine Anlage auch alle zukünftig erwarteten
Kosten zu berücksichtigen. Dabei ist etwa an Wartung, Ersatzteile, Upgrades, Schulung
und Anpassungen zu denken.
Der TCO-Ansatz wurde im IT-Umfeld entwickelt, eignet sich aber auch für andere
größere Anschaffungen. Die Total Cost of Ownership sollten allerdings auch im privaten
Bereich ermittelt werden, etwa beim Erwerb eines Autos oder einer Immobilie. Durch die
umfassendere Perspektive können unangenehme Überraschungen auf der Kostenseite
vermieden werden. Beim Kauf eines Autos sind – zusätzlich zum Kaufpreis – die Kosten
für Inspektion, Winterreifen, Garage sowie Steuern oder Versicherung zu berücksichtigen.
Beim Immobilienerwerb belaufen sich die Beträge für Grunderwerbssteuer, Grundbuch-
eintrag, Notar-Leistungen und Makler auf 10 % des Kaufpreises. Außerdem ist eine Wohn-
gebäudeversicherung abzuschließen und Rücklagen für Reparaturen sind zu bilden. In
beiden Fällen kommen größere Beträge zum eigentlichen Kaufpreis dazu.
cc Denkanstoß Errechnen Sie einmal für eine größere Anschaffung aus der letzten Zeit
Ihre ganz persönlichen Total Cost of Ownership.
Basierend auf der Erkenntnis, dass Pkws selten ohne Extras erworben werden, erreicht das
Unternehmen durch diesen kalkulatorischen Ausgleich eine höhere Wertschöpfung.
Ein sukzessiver kalkulatorischer Ausgleich liegt vor, wenn zunächst ein Produkt mit
niedrigen oder sogar negativen Deckungsbeiträgen verkauft wird. Um das Produkt zu nut-
zen, sind allerdings zwingend weitere Leistungen vom gleichen Unternehmen zu er-
werben. Diese Zusatzleistungen sind mit deutlich höheren Deckungsbeiträgen kalkuliert.
Hier ist bspw. an den Kauf eines Tintenstrahldruckers für 69,99 € zu denken. Um
den Drucker zu nutzen, sind regelmäßig die mit einem höheren Deckungsbeitrag kalku-
lierten Tintenpatronen zu erwerben. Schon nach wenigen Käufen hat man für die Patro-
nen mehr Geld ausgegeben als für den Drucker selbst. Hierdurch wird – aus Sicht des
Unternehmens – der Ergebnisbeitrag für das Leistungspaket im Zeitablauf optimiert.
Hoch
Services
Services
Services
Services
Produkte
Services
Produkte
Services
Produkte
Produkte
Produkte
Niedrig
Zeit
Abb. 5.37 Servitization: vom Produkt zum Service – vom Service zum Service
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 341
In diesen Fällen wird kein Produkt gekauft, sondern eine Nutzung ermöglicht und be-
zahlt. Das ursprünglich im Mittelpunkt des Geschäftsmodells stehende Produkt ist hier
komplett in ein Dienstleistungsangebot eingebettet. Der Anbieter stellt seine Produkte
zur Verfügung, oft inkl. Verbrauchsmaterialien, Versicherung, Finanzierung etc. – und der
Nutzer bezahlt nur die Leistungen, die dieser tatsächlich in Anspruch genommen hat (vgl.
vertiefend Kreutzer, 2021c; Simon, 2015, S. 239–242).
Eine dynamische Preisstrategie liegt vor, wenn bereits bei der erstmaligen Festlegung
des Preises feststeht, dass der Preis im Zeitablauf geändert werden soll. Damit unter-
scheiden sich diese Preisstrategien ganz wesentlich von den in Abb. 5.33 gezeigten. Im
Einzelnen können die folgenden Konzepte unterschieden werden (vgl. Abb. 5.38):
3UHLV
6NLPPLQJ3ULFLQJ
3HQHWUDWLRQ3ULFLQJ
)ROORZWKH&KHDS6WUDWHJLH
)ROORZWKH)UHH6WUDWHJLH
=HLW
Bei der Abschöpfungspreisstrategie wird ein Produkt zunächst zu einem hohen Preis
im Markt eingeführt (vgl. Abb. 5.38). Im Zeitablauf wird der Preis immer weiter reduziert.
Hierdurch wird die Preisbereitschaft der Kunden sukzessive abgeschöpft. Deshalb nennt
man diese Strategie auch Skimming Pricing: „to skim the cream from the milk“ heißt
„die Milch entrahmen“.
Das Skimming Pricing wird häufig bei technologischen Innovationen eingesetzt. So
kosteten die ersten Flatscreen-TV-Geräte noch viele tausend Euro. Zu diesem Preis hat
zunächst. die bereits angesprochene Zielgruppe der Innovatoren gekauft (vgl. Abb. 5.19).
Mit jeder Preissenkung konnten weitere Zielgruppen angesprochen und für das Produkt
gewonnen werden. Für das Unternehmen führt diese Preisstrategie anfangs zu hohen
Deckungsbeiträgen pro Stück bei einer noch relativ geringen Absatzmenge.
Eine geringe Absatzmenge zum Zeitpunkt der Markteinführung ist für Unternehmen
von Vorteil, weil zum Start der Produktion häufig nur geringe Stückzahlen gefertigt wer-
den. Mit zunehmender Produktionsmenge und dadurch realisierbaren Erfahrungskurven-
effekten wird der Preis stufenweise gesenkt. Ein solches Vorgehen konnte regelmäßig bei
Innovationen beobachtet werden. Hier ist an die ersten Digitalkameras, Tablet-Computer,
Virtual-Reality-Brillen etc. zu denken. Auch bei Erstveröffentlichungen von CDs und
DVDs sowie bei Büchern (mit anfänglichen Hardcover-Ausgaben und später erscheinenden
Paperback-Versionen) findet diese Preisstrategie regelmäßig Anwendung.
Am Beispiel Apple kann die Abschöpfungspreisstrategie gut erkannt werden. Das
iPhone mit 8-GB-Speicher wurde bei der Premiere in den USA am 7. Juni 2007 für 599
US-$ angeboten. Schon am 6. September 2007 lag der Preis bei nur noch 399 US-$. Am
11. Juli 2008 wurden 199 US-$ verlangt, am 19. Juni 2009 99 US-$ und schließlich am
10. Januar 2011 lediglich 49 US-$ (vgl. Simon, 2015, S. 209).
Diese Preisstrategie birgt allerdings das Risiko, dass sich Wettbewerber aufgrund der
vermeintlich hohen Umsatzrentabilität angesichts der hohen Preise selbst zum Marktein-
tritt motiviert fühlen. Deshalb kann die stufenweise Preisabsenkung auch als Abwehr-
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 343
• Dem Kunden ist bereits bei der erstmaligen Nutzung bekannt, dass die Leistung nur
befristet kostenlos für alle angeboten wird.
• Der Kunde geht von einer dauerhaften Kostenlosigkeit aus. Im Gegensatz zur Er-
wartung des Kunden plant das Unternehmen bereits eine Kostenpflichtigkeit der
Leistungserbringung.
In beiden Fällen soll eine Gewöhnung des Kunden an das Angebot erreicht werden,
damit zum Zeitpunkt der Bepreisung dem Unternehmen möglichst viele Kunden erhalten
bleiben.
cc Merk-Box Eine zeitlich befristete kostenlose Nutzung einer Leistung für Neu-
kunden (bspw. bei Abonnements oder Online-Services) gehört nicht zu dieser
Strategie. Schließlich gilt dieses Angebot – im Vergleich zur Follow-the-free-Stra-
tegie – nicht für alle Kunden. Dieses Angebot stellt eine Preispromotion dar und
zählt zur Verkaufsförderung (vgl. Abschn. 5.4.3.4).
5.2.6 P
roduktübergreifende Aspekte der Preis-
und Konditionenpolitik
Ein weiterer Teilbereich der Preis- und Konditionenpolitik umfasst die Bedingungen der
Entgeltentrichtung. Diese geht über die bereits angesprochenen Skonti hinaus. Mit der
Einräumung von Absatzkrediten und Ratenzahlung verfügen Unternehmen über wich-
tige verkaufsfördernde Maßnahmen. Kaufkraftschwachen Kundengruppen können viel-
fach erst diese Zahlungsvarianten einen Kauf ermöglichen. Dies gilt beim Erwerb von
Haushaltselektronik sowie der Buchung von Reisen. Beim Auto- bzw. Immobilienkauf
sind Finanzierungsleistungen dagegen an der Tagesordnung.
Zusätzlich müssen Unternehmen ihre Lieferbedingungen definieren. Im inter-
nationalen Marketing wird hierfür der Begriff Incoterms verwendet (International Com-
mercial Terms; zu Deutsch: „Internationale Handelsklauseln“). Diese können bspw. die
folgenden Punkte klären, die vor allem auch für den Online-Handel von Bedeutung sind:
Die Aussage „Alle bei uns gekauften Artikel können jederzeit zurückgeschickt wer-
den“ kann man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das Unternehmen akzeptiert
hier, dass auch getragene Ware nach mehreren Jahren zurückgeschickt werden kann!
Zusätzlich können Nachkaufgarantien gegeben werden. Eine solche Nachkauf-
garantie ist bspw. bei Porzellan oder erlesenen Gläsern wichtig. Eine Nachkaufgarantie
kann auch eine gesicherte Versorgung mit Ersatzteilen versprechen. Solche Leistungen
346 5 Marketing-Instrumente
schlagen sich allerdings in den Preisen nieder. Schließlich besteht ein gravierender Unter-
schied zwischen der Vermarktung einer Sonderauflage einer bestimmten Gläsersorte
einerseits und dem Versprechen gegenüber dem Kunden andererseits, die gekauften Pro-
dukte lebenslang nachkaufen zu können. Dies ist bspw. bei der Sommelier-Gläserserie von
Riedel der Fall. Allerdings kostet das mundgeblasene Riedel-Glas „Burgunder Grand Cru“
aus dieser Sommeliers-Kollektion auch 75 € – pro Stück.
Die Silbermanufaktur Koch und Bergfeld (2021) formuliert unter dem Begriff Nach-
kauf: „Seit dem Jahr 1835 etwa, wurden alle Zeichnungen von Modellen und Einzel-
stücken, die Koch & Bergfeld entworfen hat, in den Zeichenbüchern, den sogenannten
„Folianten“, festgehalten. Das macht die Nachfertigung einfach. Aber nicht nur das: Koch
& Bergfeld ist in der Lage, jedes Silbereinzelteil – egal woher es stammt – zu kopieren
bzw. nach einer Zeichnung herzustellen“.
Innovative Preisangebote ergeben sich auch dadurch, dass aus ausgewählten Branchen
bekannte Konzepte von anderen Unternehmen übernommen werden. Dies gilt bspw. für
Abonnements, die außerhalb des Zeitungs- und Zeitschriftenmarktes jetzt auch für Wein
angeboten werden. Bei HAWESKO (2021) wird das Wein-Abonnement HAWESKO Se-
lect wie folgt präsentiert:
Entsprechende Konzepte finden sich auch bei Abonnements von Schokolade, Rasier-
klingen, Windeln und Textilien. Der Vorteil derartiger Konzepte liegt für das anbietende
Unternehmen darin, dass sich die Kunden längerfristig binden und nicht jeweils wieder
neu gewonnen werden müssen. Gleichzeitig verbessert sich die Planbarkeit, da bestimmte
Abnahmemengen im Jahr verbindlich definiert sind.
• Der Preis ist ein sehr schnell und nachhaltig wirkendes Marketing-Instrument –
und wirkt sich massiv auf die Profitabilität des Unternehmens aus.
• Ein Preis ist immer nur optimal im Hinblick auf ganz bestimmte Unternehmens-
und Marketing-Ziele.
• Eine Vielzahl rechtlicher Rahmenbedingungen schränkt die unternehmerischen
Möglichkeiten der Preisgestaltung ein.
• Die Preisfestlegung kann sich an den Kosten der Produktion, an den Wett-
bewerbern und/oder an den Kunden orientieren.
• Bei der kundenorientierten Preisbestimmung kommt der Preiselastizität eine zen-
trale Bedeutung zu. Diese Preiselastizität weist aus, welche Mengenänderung
durch eine Preisänderung ausgelöst wird und welche Umsatzveränderungen
damit einhergehen.
• Der Preis dient in bestimmten Fällen als Qualitätsindikator.
• Zur Beeinflussung der Vertriebspartner wie auch der Kunden werden ver-
schiedene Rabattarten eingesetzt.
• Couponing ist ein leistungsstarkes und flexibel einsetzbares Instrument zur Be-
einflussung der Käufer.
• Preise können für (fast) identische Leistungen nach unterschiedlichen Kriterien
differenziert werden.
• Es ist zwischen statischen und dynamischen Preisstrategien zu unterscheiden.
9. Wie wird bei der Preiskalkulation auf Vollkostenbasis vorgegangen? Welche Vor-
und Nachteile sind mit diesem Konzept verbunden?
10. Welchen Verkaufspreis muss ein Unternehmen bei folgender Datenlage ansetzen:
Jahresgewinnziel 50.000 €, 2 € variable Kosten pro Stück, Fixkosten pro Jahr
50.000 €, prognostizierte Absatzmenge 50.000?
11. Bei welchem Verkaufspreis erreicht das Unternehmen den Break-even-Point?
12. Wie wird bei der Preiskalkulation auf Teilkostenbasis vorgegangen? Welche Vor-
und Nachteile sind mit diesem Konzept verbunden?
13. Ein Unternehmen stellt die Produkte A und B her. Mit Produkt A wird ein Gewinn
von 100 €, mit Produkt B ein Verlust von 20 € pro Stück erzielt. Sollte die Produk-
tion von B eingestellt werden, wenn dessen variable Kosten 30 € ausmachen und
der Verkaufspreis des Produktes B bei 40 € liegt?
14. Was versteht man unter Target Costing bzw. Target Pricing? Wie wird vorgegangen
und warum? Welche positiven Effekte sind damit verbunden?
15. Was versteht man unter Preiselastizität der Nachfrage? Für welche Fragestellungen
ist diese relevant?
16. Skizzieren Sie eine Preis-Absatz-Funktion und rechnen Sie unterschiedliche Preis-
veränderungen durch. Ermitteln Sie die verschiedenen Elastizitätsbereiche.
17. Welche Konsequenzen hat eine Preissteigerung im elastischen sowie im un-
elastischen Bereich der Preis-Absatz-Funktion? Begründen Sie die Relevanz dieser
Erkenntnisse.
18. Auf welchem Wege können Preiselastizitäten ermittelt werden?
19. Was ist i. d. R. größer: die Preis- oder die Werbeelastizität? Warum?
20. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Kreuzpreiselastizität? Welche Arten von Be-
ziehungen zwischen Produkten können anhand dieser Messgröße ermittelt werden?
21. Was ist mit der Aussage „Preis als Qualitätsindikator“ gemeint? In welchen Situa-
tionen kommt dieser Effekt zum Tragen?
22. Erläutern Sie die unterschiedlichen Wirkungen, die ein hoher Preis auf den Kauf-
entscheidungsprozess des Konsumenten haben kann. Veranschaulichen Sie diese
Wirkungen anhand eines Beispiels Ihrer Wahl.
23. Welche Rabattarten lassen sich unterscheiden? Welche Wirkungen werden durch
den Einsatz verschiedener Rabattarten auf die unterschiedlichen Zielgruppen an-
gestrebt?
24. Was versteht man unter Couponing? Welche Ziele sind mit dessen Einsatz
verbunden?
25. Welche Coupon-Arten lassen sich unterscheiden? Welche Ziele werden mit deren
Einsatz angestrebt?
26. Welche Vor- und Nachteile weist Couponing auf?
27. Was versteht man unter einer „Mogelpackung“? Wie bewerten Sie deren Einsatz?
28. Was versteht man unter Ein- bzw. Umtauschprämien? In welchen Märkten kom-
men diese mit welchem Ziel zum Einsatz? Welche Beispiele hierzu sind Ihnen
schon begegnet?
5.2 Preis- und Konditionenpolitik 349
29. Definieren Sie die Begriffe Preisführer und Preisfolger. Welche Bedeutung kommt
diesen Begriffen in oligopolistisch geprägten Märkten zu und warum?
30. Worin liegen die Unterschiede zwischen den statischen und den dynamischen
Preisstrategien? Nennen Sie konkrete Beispiele für deren Einsatz.
31. Welche Ansätze zur Preisdifferenzierung können Sie unterscheiden? Nennen Sie
die Hintergründe für die Notwendigkeit der Preisdifferenzierung. Welche Ziele
verbinden Unternehmen mit deren Einsatz?
32. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Preisdifferenzierung
erfolgreich durchgeführt werden kann?
33. Recherchieren Sie im Internet je zwei Beispiele für die unterschiedlichen Arten
von Preisdifferenzierung.
34. Von welchen Arten der Preisdifferenzierung haben Sie bereits selbst profitiert?
35. Was versteht man unter Dynamic Pricing? Wo wird es eingesetzt und warum?
36. In welchen Feldern werden Flatrates angeboten? Was ist deren Besonderheit?
37. Was versteht man unter der Freemium-Preisstrategie? Wo wird diese eingesetzt?
Welche Beispiele kennen Sie?
38. Welches Grundkonzept liegt der Pay per Use bzw. Pay as You Go genannten Preis-
strategie zugrunde?
39. Was versteht man unter Preis- und was unter Sozialdumping? Welche Beispiele
sind Ihnen dazu geläufig?
40. Welche Bedeutung hat der Begriff TCO? Wann sollte man auf die Ermittlung der
TCO besonderen Wert legen?
41. Was versteht man unter dem kalkulatorischen Ausgleich? Welche Arten werden
unterschieden? Welche Beispiele aus Ihrem eigenen Umfeld fallen Ihnen dazu ein?
42. Was kennzeichnet das Skimming Pricing? Welche Vorteile sind damit für das an-
bietende Unternehmen verbunden? Welche Risiken gehen damit einher?
43. Welche Kundengruppen werden durch das Skimming Pricing zunächst an-
gesprochen und warum?
44. Was kennzeichnet das Penetration Pricing? Welche Vorteile ergeben sich für das
anbietende Unternehmen? Welche Risiken gehen damit einher?
45. Welche Kundengruppen werden durch das Penetration Pricing zunächst an-
gesprochen?
46. Was verbirgt sich hinter dem Follow-the-Free-Konzept? In welchen Bereichen
wird dieses Vorgehen eingesetzt?
47. Was versteht man unter dem Follow-the-Cheap-Konzept? In welchen Fällen wird
es genutzt?
48. Welche Ausgestaltungsmöglichkeiten bestehen bei der Konditionengestaltung?
Welche Bedeutung kommt diesen im Marketing-Diamanten zu?
49. Welche Abonnement-Konzepte sind Ihnen bekannt? Welche Vorteile weisen diese
gegenüber den klassischen Vertriebskonzepten auf?
350 5 Marketing-Instrumente
5.3 Distributionspolitik
„Wer kein freundliches Gesicht hat, der sollte kein Geschäft betreiben!“
Chinesische Weisheit
Lernziele
Fähigkeit,
Die Distributionspolitik wird von einer Vielzahl von internen und externen Faktoren be-
einflusst (vgl. Meffert et al., 2019, S. 578–629; Homburg, 2020, S. 940–1006). Zentrale
Leitschnur für die Ausgestaltung der Distributionspolitik stellen wiederum die Unter-
nehmens- und Marketing-Ziele dar. Auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens
und die bereits erfolgten Festlegungen im Bereich der anderen Marketing-Instrumente
wirken sich auf die Ausgestaltung der Distributionspolitik aus (vgl. Abb. 5.39).
Interne Faktoren
Akquisitorische Distribution
- Umsatz-, Gewinn-, (Management der Absatzwege und
Deckungsbeitrags-Ziele Absatzorgane)
- Marktanteilsziele
- Imageziele - Auswahl der Absatzwege
- Zielsegmente, Zielgruppen
- Ausgestaltung des Marketing-Diamanten - Festlegung der Aufgabenverteilung
- Kosten (u. a. von Produktion, Vertrieb)
- Führung der Absatzorgane
Externe Faktoren
Physische Distribution
- Konjunktur, Marktentwicklung (Distributions-Logistik/Marketing-
- Wettbewerbsintensität Logistik)
- Macht der Handelspartner
- Phase im Produktlebenszyklus - Gestaltung/Auswahl der Logistikkonzepte
- Preissensibilität der Kunden
- Präferenzen bzgl. Einkaufsstätten - Durchführung der Logistik
- Einschlägige Gesetze
Abb. 5.39 zeigt, dass zwei Aufgabenfelder den Kern der Distributionspolitik ausmachen:
• Akquisitorische Distribution
Bei der akquisitorischen Distribution vom Hersteller zum Endkunden geht es um die
Frage, welche Aufgaben die Vertriebspartner bei der Akquisition und Betreuung der
Kunden übernehmen. Neben der Auswahl der Vertriebspartner ist folglich zu klären,
welche Pre-Sales-, Sales- und After-Sales-Services diese erbringen sollen. Außerdem
stellt sich die Frage, ob diese Partner Kaufverträge „nur“ anbahnen oder tatsächlich
auch abschließen. Zusätzlich ist zu prüfen, wie die Vertriebspartner zu motivieren sind.
• Physische Distribution
Im Zug der physischen Distribution ist zu klären, wie der körperliche Gütertransfer
vom Hersteller zum Endkunden erfolgen soll. Hier ist zu entscheiden, welche Logistik-
lösungen eingesetzt werden und welche Partner mit deren Durchführung betraut werden.
Im Zentrum des Managements der Absatzwege und Absatzorgane steht die Frage, auf
welchem Weg bzw. durch Einbindung welcher Partner die akquisitorische und teilweise
auch die physische Distribution durchgeführt werden soll. Die Frage des Absatzweges
definiert u. a., auf welchem Weg bzw. über welchen Kanal die Angebote an die Ziel-
personen herangetragen werden. Dies kann direkt oder indirekt, ein- oder mehrstufig, on-
oder offline erfolgen.
Die Frage der Absatzorgane entscheidet darüber, welche Funktionsträger in den Ver-
triebsprozess eingebunden werden. Diese Funktionsträger heißen Absatzmittler bzw. Ab-
satzhelfer. Absatzmittler sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Organe, die Pro-
dukte und Dienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zum Weiterverkauf
erwerben. Hierzu zählen bspw. der Einzelhandel und der Großhandel.
Absatzhelfer sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Organe, die den Dis-
tributionsprozess auf unterschiedliche Weise unterstützen, ohne selbst Eigentum an der
Ware zu erlangen. Hierzu zählen die nachfolgend beschriebenen Handelsvertreter, Kom-
missionäre und Makler. Auch Logistikunternehmen gehören zu diesen Absatzhelfern.
Wie Absatzmittler im B2C- und im B2B-Markt eingebunden werden können, zeigt
Abb. 5.40.
5.3.2.1 Direktvertrieb
Beim Direktvertrieb übernimmt der Hersteller die Vermarktung seiner Güter in Eigen-
regie (vgl. Abb. 5.40). Hier bindet der Hersteller keine anderen selbstständigen Institutio-
nen in den Vertriebskanal ein. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser Vertriebs-
strategie hat sich hierfür der Begriff Direct-to-Consumer (D-to-C) herausgebildet. Bei
dieser Vorgehensweise vermarkten Unternehmen ihre Leistungen unter Umgehung von
Einzelhändlern, Großhändlern oder anderen Zwischenhändlern direkt an die Konsu-
352 5 Marketing-Instrumente
Direktvertrieb
Unternehmen (B2B)
Konsument (B2C)
Hersteller Einstufiger Vertrieb
z. B. Einzelhandel,
Handelsvertreter
Zweistufiger Vertrieb
Großhandel Einzelhandel
menten. Hier stellt sich dann die Frage, durch wen die entsprechenden Vertriebsaufgaben
wahrgenommen werden.
Hersteller können den Vertrieb über eigene Verkaufsabteilungen, Verkaufsnieder-
lassungen und/oder einen eigenen Außendienst mit fest angestellten Mitarbeitern orga-
nisieren. Dies ist häufig bei hochwertigen, erklärungsbedürftigen Gütern der Fall. Hier ist
bspw. an den Industriegüter- und Dienstleistungsvertrieb im B2B-Markt zu denken. Man
spricht von Personal Selling bzw. vom persönlichen Verkauf. Schließlich kommt es hier
zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer. Häufig besuchen die
Vertriebsmitarbeiter im Auftrag eines Herstellers im B2B-Markt Unternehmens-
repräsentanten, um diesen Personen bestimmte Produkte oder Dienstleistungen anzu-
bieten. Zum Personal Selling gehören auch die Verkaufsgespräche auf Messen, Ver-
handlungsrunden mit dem Kunden und telefonische Verkaufsgespräche.
Besonders wichtigen Unternehmenskunden wird hier oft ein spezieller Vertriebsmit-
arbeiter zugeordnet. Dieser ist für die Akquisition und Betreuung des gesamten
Unternehmens federführend tätig. Dieses Konzept wird (Key-)Account-Management
genannt. „Key Account“ steht für „Schlüsselkonto“. In diesem Zusammenhang ist dar-
unter ein „Schlüsselkunde“ bzw. „wichtiger Kunde“ zu verstehen.
Die Deutsche Post betreut ihre wichtigsten Kunden (bspw. Amazon, Allianz oder OTTO)
durch solche Key-Account-Manager. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass diese be-
sonders wertvollen Kunden eine umfassende und individuelle Betreuung erfahren – um
nicht verloren zu gehen.
Im B2C-Markt werden Kunden teilweise direkt zu Hause aufgesucht. Hier wird von
Tür-zu-Tür-Verkauf bzw. von Door-to-Door-Selling gesprochen. Dieses Direktvertriebs-
Konzept wird heute noch beim Vertrieb von AMC-Kochsystemen, Avon-Kosmetik, Tief-
kühlware von bofrost sowie für Vorwerk-Staubsaugern eingesetzt. Auch Verkaufspartys
(bspw. von Tupperware) gehören in diese Kategorie. Diese Unternehmen sind im BDD
(Bundesverband Direktvertrieb Deutschland) organisiert.
Von Direktvertrieb wird auch dann gesprochen, wenn der Hersteller eigene Verkaufs-
niederlassungen bzw. eigene Geschäfte unterhält. Dies ist bspw. beim spanischen Inditex-
5.3 Distributionspolitik 353
Konzern mit den Marken Massimo Dutti und Zara der Fall. Diese Marken produzieren
vielfach nicht nur selbst, sondern vertreiben ihre Produkte auch über eigene Verkaufs-
stellen. Da diese Unternehmen verschiedene Stufen des vertikalen Wertschöpfungs-
prozesses in sich vereinen, wird in diesen Fällen auch von vertikalen Anbietern bzw.
vom Prozess der Vertikalisierung gesprochen. Bei dieser Vertriebsform entscheidet der
Hersteller selbst über die Auswahl der Standorte, an denen die Angebote vermarktet wer-
den. Diese Entscheidung hat einen nachhaltigen Einfluss u. a. auf das Anbieterimage und
auf die Erreichbarkeit unterschiedlicher Zielgruppen (zu diesem Entscheidungsproblem
vgl. vertiefend Haller, 2017, S. 131–135).
Eine zunehmende Bedeutung kommt heute dem Vertrieb über das Internet zu, der
E-Commerce (abgeleitet von „Electronic Commerce“) bzw. Online-Handel genannt
wird. Hierunter ist die elektronische Anbahnung und Abwicklung von Kaufprozessen und
damit der elektronische Handel zu verstehen. Die Etablierung eigener Online-Shops
stellt für viele Unternehmen – Hersteller wie klassische Handelsunternehmen gleicher-
maßen – eine attraktive Option dar. Schließlich hat der Online-Handel seit dem Jahr 2000
einen beachtlichen Wachstumsprozess erreicht – und ein Ende des dynamischen Wachs-
tums ist noch nicht absehbar (vgl. Abb. 5.41).
cc Merk-Box Im Jahr 2020 erreichte der Online-Handel einen Anteil von 11 bis
12 % am gesamten Einzelhandel in Deutschland. Prognosen gehen davon aus,
dass dieser Anteil bis zum Jahr 2026 auf 14,5 bis 19 % steigen könnte (vgl.
IBI, 2021).
Etwas irreführend ist, dass teilweise auch dann von Direktvertrieb gesprochen wird,
wenn Handelsvertreter in den Vertrieb eingebunden werden. Handelsvertreter sind recht-
lich selbstständige Gewerbetreibende und damit betraut, für andere Unternehmen Ge-
8PVDW]LQ0LOOLDUGHQ(XUR
Abb. 5.41 Umsatz mit Waren im Online-Handel in Deutschland bis 2020 (in Mrd. €). (Quelle:
Statista, 2021b)
354 5 Marketing-Instrumente
schäfte zu vermitteln oder diese in deren Namen abzuschließen. Sie agieren damit im
Namen und für Rechnung eines oder mehrerer Unternehmen(s). Für ihre Leistungen er-
halten sie primär eine variable Vergütung. Diese orientiert sich am erzielten Umsatz bzw.
generell an der Zielerreichung. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in §§ 84–92 HGB
(2021). Damit haben sie zunächst den Status eines selbstständigen Absatzhelfers.
Die Zuordnung von Handelsvertretern zum direkten Vertrieb erfolgt, wenn es sich um
einen sogenannten Anweisungsvertrieb handelt. Hier sind die Handelsvertreter wie
herstellergebundene Verkaufsorgane zu bewerten. Dies ist der Fall, wenn sie etwa nur die
Angebote eines Unternehmens vermarkten. Dies ist i. d. R. bei Handelsvertretern des
Hausgeräteherstellers Vorwerk, des Kosmetikanbieters Avon sowie beim Heimzustell-
dienst bofrost der Fall.
Die Vorteile des Direktvertriebs bestehen darin, dass das gesamte Distributions-
management in der Hand des Herstellers liegt. Der Hersteller kann folglich den gesamten
Vertriebsprozess direkt steuern. So wird eine Abhängigkeit von Vertriebspartnern ver-
mieden. Ein Nachteil des Direktvertriebs ist, dass weder eine Arbeits- noch eine Risiko-
teilung zwischen verschiedenen Partnern im Absatzkanal erfolgt. Deshalb muss das her-
stellende Unternehmen häufig hohe Kosten für den Aufbau und den Unterhalt der eigenen
Vertriebskanäle in Kauf nehmen. Zusätzlich sind Aufgaben in eigener Verantwortung zu
übernehmen, die klassischerweise Handelspartner erledigen.
Welche vielfältigen Aufgaben zu den Handelsfunktionen gehören, wird in Abb. 5.42
sichtbar.
Handelspartner können einzelne oder mehrere der folgenden Handelsfunktionen
übernehmen:
5DXPEHUEUFNXQJVIXQNWLRQ =HLWEHUEUFNXQJVIXQNWLRQ
4XDOLWDWLYH 4XDQWLWDWLYH
6RUWLPHQWVIXQNWLRQ 6RUWLPHQWVIXQNWLRQ
+DQGHO
%HUDWXQJVIXQNWLRQ .UHGLWIXQNWLRQ
0DUNW
:HUEHIXQNWLRQ
EHHLQIOXVVXQJVIXQNWLRQ
ein oder mehrere rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Absatzmittler in den Ver-
triebsprozess eingebunden werden.
Wird nur eine Art von Absatzmittler eingebunden, bspw. der Einzelhandel, spricht man
vom einstufigen Vertrieb. Beim zweistufigen Vertrieb werden Vertriebsaufgaben gleich-
zeitig auf mehrere Absatzmittler verlagert, bspw. auf Groß- und Einzelhandel.
Der Großhandel verkauft Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an
andere Unternehmen. Zu diesen zählen:
Der Einzelhandel wendet sich mit seinen Leistungen dagegen direkt an die End-
abnehmer, seien dies Konsumenten oder Unternehmen.
Der indirekte Vertrieb wird im Konsum- und Industriegüterhandel wie auch bei der
Vermarktung von Dienstleistungen eingesetzt.
Hat der Hersteller einen bestimmten Vertriebskanal ausgewählt, so stellt sich die Frage,
durch welche Konzepte bzw. durch welche Absatzmittler und durch welche Absatzhelfer
der ausgewählte Absatzweg beschritten werden soll. Teilweise werden Handelsvertreter
dieser indirekten Vertriebsform zugeordnet, wenn diese als Mehrfirmen-Vertreter und
damit als Absatzhelfer für verschiedene Unternehmen tätig sind und u. U. komplementäre
(d. h. sich gegenseitig ergänzende) Produkte anbieten.
Handelsvertreter sind u. a. von den Kommissionären abzugrenzen. Kommissionäre
übernehmen es gewerbsmäßig, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen
(Kommittent) im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Sie unterliegen besonderen
Weisungen des Kommittenten (bspw. in Gestalt von Preisrichtlinien). Kommissionäre er-
halten für abgeschlossene Verträge eine i. d. R. umsatzabhängige Provision (Kommis-
sion). Die Kommissionsgeschäfte finden ihre rechtliche Grundlage in §§ 383–406
HGB. Beispiele für Kommissionäre sind u. a. der Kauf und Verkauf von Waren und Wert-
papieren sowie Export-Kommissionsgeschäfte.
Handelsmakler vermitteln gewerbsmäßig Verträge zwischen Anbietern und Nach-
fragern in fremdem Namen und auf fremde Rechnung. Sie führen auf diese Weise die In-
teressen von Käufern und Verkäufern zusammen und wirken bei Verhandlungen ver-
mittelnd mit. Makler stehen in keinem ständigen Vertragsverhältnis zu ihren Auftraggebern.
Die rechtlichen Regelungen hierzu finden sich in §§ 93–104 HGB. Zu den Handelsmaklern
zählen Teile der Reisebüros, aber auch Vermittler von Versicherungen oder Wertpapieren
sowie Immobilien-Makler.
Vertriebsagenten leisten Unterstützung bei der Gewinnung von neuen Kunden sowie
bei der Auftragsabwicklung. Sie finden sich in Import- und Export- sowie in Versicherungs-
agenturen. Hinsichtlich dieser Absatzhelfer gibt es eine Vielzahl von Mischformen und
unterschiedlichen Ausprägungen, die sich nicht immer eindeutig bestimmten Gruppierun-
gen zurechnen lassen.
5.3 Distributionspolitik 357
Bei der Einbindung von OEMs (Original Equipment Manufacturers) liegt ebenfalls
ein mehrstufiger Vertrieb vor. Hier wird auf dem Weg zum Endkunden ebenfalls ein wei-
terer Partner eingebunden. OEMs sind produzierende Unternehmen, die Produkte oder
Produktteile bei anderen Herstellern erwerben, um sie als Erstausrüster in ihren eigenen
Produkten zu verbauen (vgl. Backhaus & Voeth, 2014, S. 528 f.). So ist Volkswagen ein
OEM für Continental-Reifen, wenn diese auf Passat-Fahrzeuge als Erstausstattung auf-
gezogen werden.
Von überragender Bedeutung im Vertrieb sind die unterschiedlichen Betriebsformen
des Groß- und Einzelhandels. Diese werden auch Vertriebsformate genannt.
Beim Großhandel werden folgende Vertriebsformate unterschieden:
• Aufkaufgroßhandel
Die Aufgabe des sammelnden bzw. des kollektierenden Großhandels besteht darin,
Waren oder Rohstoffe mehrerer Lieferanten zusammenzuführen. Hierdurch sollen ver-
kaufsrelevante Mengen gewonnen werden. Diese Form des Großhandels ist bspw. bei
landwirtschaftlichen Produkten wie Milch, Eiern, Kakao, Kaffee oder Baumwolle an-
zutreffen.
• Absatzgroßhandel
Die Aufgabe des verteilenden bzw. des distribuierenden Großhandels ist die Ver-
marktung der erhaltenen Waren an weitere Großabnehmer.
• Sortimentsgroßhandel
Der Sortimentsgroßhandel weist ein breites und tendenziell eher flaches Sortiment auf.
• Spezialgroßhandel
Der Spezialgroßhandel bietet dagegen ein enges und tiefes Sortiment an.
0HWURIUKHU0HWUR&DVK
6HOEVWEHGLHQXQJGHV.XQGHQ
&DVK &DUU\ &DUU\
'LUHNWH%H]DKOXQJÄ&DVK³
*URKDQGHO 6HOEVWDEKROXQJGXUFKGHQ.XQGHQÄ&DUU\³
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6HOJURV&DVK &DUU\
%XFKJURKlQGOHU/LEUL
=HLWIUDFKW
:DUHQZHUGHQGHP.XQGHQQDFK%HVWHOOXQJJHOLHIHUW
=XVWHOO*URKDQGHO $XVJHSUlJWDOV6RUWLPHQWV RGHU6SH]LDOJURKDQGHO
3KDUPD*URKDQGHO
*HKH.ULHJHU3KDJUR
7UDQVJRXUPHW
*URKDQGHO+HUVWHOOHUPLHWHQLP*UR RGHU(LQ]HOKDQGHO)OlFKHDQ
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*URKDQGHO *URKDQGHO+HUVWHOOHUYHUNDXIWDXIHLJHQH5HFKQXQJ9HUPLHWHU +HLPZHUNHUEHGDUI
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*URKDQGHOYHUNDXIWGLH:DUH
0DVVHQJWHUZLHEVSZ
6WUHFNHQ*URKDQGHO =XVWHOOXQJHUIROJWGXUFKGHQ+HUVWHOOHUVHOEVWGKRKQHSK\VLVFKH
6WDKO.RKOH
(LQELQGXQJGHV*URKDQGHOV
• Stationärer Handel
Der stationäre Handel besitzt feste Standorte bzw. Ladenlokale. Diese muss ein poten-
zieller Käufer aufsuchen, um Einkäufe zu tätigen. Hierzu zählen u. a. Waren- und Kauf-
häuser sowie Tankstellen und Verbrauchermärkte.
• Nicht- bzw. halbstationärer Handel
Zum nicht- bzw. halbstationären Handel zählen die Wochenmärkte, Verkaufsfahrzeuge
(bspw. zur Brötchen- und Fischversorgung auf dem Land) und Kaffeefahrten. Auch die
Verkaufs- und Ordermessen fallen in diese Kategorie. Hierzu zählen bspw. die
Hannover-Messe und die Frankfurter Buchmesse.
• Online-Handel – Versandhandel
Beim Online-Handel und beim Versandhandel wird „auf Distanz“ ge- und verkauft.
Eine Face-to-Face-Begegnung zwischen Verkäufer und Käufer unterbleibt. Die ur-
sprünglich getrennten Konzepte – kataloggestützter Versandhandel einerseits und
Online-Handel andererseits – sind inzwischen weitgehend miteinander verschmolzen,
weil heute ein Online-Auftritt bei jedem Versandunternehmen angesagt ist.
(LQ]HOKDQGHO
Branchenübergrei -
Offene Waren-
Große Verkaufs- fendes, breites Beratung
präsentation Galeria Karstadt
Warenhaus räume Sortiment Verschiedene
Selbstbedienung
Innenstadt
Kaufhof
Ab ca. 3.000 qm Ø 100.000 Artikel Preislagen
dominant
„Alles unter einem Dach“
:HQLJ%HUDWXQJ
9HUEUDXFKHU 2IIHQH:DUHQ
%UDQFKHQEHUJUHLIHQGHV .DXP6HUYLFH *OREXV
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6HOEVWEHGLHQXQJ
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0LQGHVW
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VRUWLPHQW 0LWWOHUHELVSDUWLHOO ,QQHQVWlGWLVFKH
IOlFKH SUlVHQWDWLRQ
6XSHUPDUNW TP
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6HOEVWEHGLHQXQJ
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(UJlQ]WXP1RQ)RRG ODJHQ 1HEHQODJHQ 5HZH
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$UWLNHO
TP
.HLQ6HUYLFHDP
6WDUNEHJUHQ]WHV (LQIDFKHELV
326 $OGL
/HEHQVPLWWHOVRUWLPHQW HLQIDFKVWH ,QQHQVWlGWLVFKH
&D $JJUHVVLYH /LGO
'LVFRXQWHU TP
±$UWLNHO
1LHGULJSUHLVSROLWLN
3UlVHQWDWLRQ 1HEHQODJHQXQG
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(UJlQ]WXP1RQ)RRG 5HLQH6HOEVW 6WDGWUDQGODJHQ
Ä'DXHUQLHGULJ 1RUPD
$UWLNHOXQG0DUNHQDUWLNHO EHGLHQXQJ
SUHLVVWUDWHJLH³ 3HQQ\
(LQIDFKHELV .L.
%UDQFKHQVSH]LILVFKHV
&D 1LHGULJVWHV HLQIDFKVWH ,QQHQVWlGWLVFKH 1.'
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HQJHV6RUWLPHQW
3UHLVQLYHDX 3UlVHQWDWLRQ 1HEHQODJHQ 3ULPDUN
.DXPNHLQH0DUNHQDUWLNHO
6HOEVWEHGLHQXQJ 7DNNR
• 1-2-3.tv
• Channel 21
• HSE24 (Home Shopping Europe)
• QVC (QVC steht für Quality, Value und Convenience)
Von Tele-Shopping wird auch gesprochen, wenn Angebote und/oder Bestellungen per
Telefon erfolgen.
Mit dem indirekten Vertrieb gehen für einen Hersteller mehrere Vorteile einher. Bei
der Zusammenarbeit mit anderen selbstständigen Unternehmen sind geringere In-
vestitionen in einen Vertriebskanal erforderlich. Schließlich kann hier auf die bereits be-
stehende Infrastruktur der eingebundenen Absatzorgane zurückgegriffen werden. Dies
reduziert nicht nur das finanzielle Risiko, sondern erhöht auch die Schnelligkeit des
Marktzugangs. In Abhängigkeit von der Laufzeit der Vereinbarungen mit den Vertriebs-
partnern kann ein Hersteller u. U. schneller durch den Wechsel der Kanäle auf Marktver-
änderungen reagieren, als dies mit einer eigenen Vertriebsorganisation möglich wäre.
Nachteilig wirkt sich beim indirekten Vertrieb die Abhängigkeit von Dritten aus.
Außerdem sind diese häufig nur eingeschränkt steuerbar. Gleichzeitig besteht kein oder
nur ein eingeschränkter Durchgriff auf die Endkunden. Die Endkunden bleiben dem
Hersteller gegenüber i. d. R. anonym und liegen im alleinigen Herrschaftsbereich des Ver-
triebspartners. Daten über die Endkunden sind nur schwer zu gewinnen. Deshalb lassen
sich Kundenbeziehungen zum eigenen Unternehmen nur schwer aufbauen.
Die Aufgaben, die von Drittparteien übernommen werden, sind außerdem durch ent-
sprechende Funktionsrabatte zu entlohnen. Diese schmälern die Gewinnspanne der Her-
steller. Der Erfolg des indirekten Vertriebs steht und fällt somit mit der eigenen Durch-
setzungsstärke im Vertriebskanal, um die Partner hinsichtlich der Vermarktung der eigenen
Leistungen zu motivieren. Zusätzlich wirken sich Image und Leistungsstärke der ein-
gebundenen Absatzorgane auf den Markterfolg aus.
Um einen stärkeren Zugriff auf Vertriebspartner zu sichern, wurden verschiedene Kon-
zepte vertikaler Marketing-Systeme entwickelt. Dazu zählen (vgl. Haller, 2017,
S. 431 f.; Meffert et al., 2019, S. 602–608):
• Vertriebsbindungssysteme
• Alleinvertriebssysteme
362 5 Marketing-Instrumente
• Vertragshändlersysteme
• Franchise-Systeme
Einzelhandel
Gesamtumsatz im stationaren
=
Flachenproduktivitat
im stationaren
Verkaufsflache Einzelhandel
Wie sich die Flächenproduktivität in den Jahren 2018 und 2019 im Lebensmittel-
Einzelhandel darstellt, zeigt Abb. 5.48. Nicht überraschend ist das Ergebnis, dass die
Flächenproduktivität bei Aldi und Lidl weiter über dem Durchschnitt liegt. Das ist auf die
Konzentration der Discounter auf schnelldrehende Produkte zurückzuführen. Netto
und Penny sind hier nicht so erfolgreich.
Zur Bewertung der eigenen Distributionsstärke wird der Distributionsgrad berechnet.
Hierbei werden zwei Arten unterschieden. Der numerische Distributionsgrad zeigt, in
wie viel Prozent der relevanten Verkaufsstellen das eigene Angebot vertreten ist. Der Um-
39.0 %
38 %
38.0 %
37 %
Anteil an Konsumausgaben
37.0 %
36 % 36 %
36.0 %
35 % 35 %
35.0 %
34 %
34.0 %
33 % 33 %
33.0 %
32 % 32 % 32 % 32 % 32 %
32.0 %
31 % 31 % 31 % 31 % 31 % 31 %
31.0 %
30.0 %
Abb. 5.47 Anteil des Einzelhandels an den privaten Konsumausgaben in Deutschland bis 2019.
(Quelle: Statista, 2021c)
5.3 Distributionspolitik 365
satz der Verkaufsstellen bleibt hierbei unberücksichtigt. Dieser Wert wird wie folgt
ermittelt:
Hat Hersteller B einen numerischen Distributionsgrad von 20 %, aber einen gewichteten
Distributionsgrad von 52 %, so ist B zwar in weniger Geschäften vertreten als der bereits
genannte Hersteller A. Der höhere gewichtete Distributionsgrad zeigt allerdings an, dass
B in den wichtigeren, weil umsatzstärkeren Kanälen besonders stark vertreten ist. Welcher
366 5 Marketing-Instrumente
Mehrwert-Handelsmarken Preiseinstiegs-Handelsmarken
100 %
90 % 24.5 % 24.8 % 24 % 23.9 % 24.5 % 24.1 % 23.1 % 22.5 %
80 %
70 % 12.1 % 12.4 % 12.4 % 12.7 % 13 % 12.9 % 13.1 % 12.8 %
Marktanteil
60 %
50 % 33.7 %
33.9 % 33.4 % 33.5 % 32.9 % 32.4 % 32.8 % 33.3 %
40 %
30 %
20 % 19.2 % 19.1 % 19.2 % 19.2 % 18.8 % 18.8 % 18.7 % 18.9 %
10 %
10.2 % 10.3 % 10.8 % 11.2 % 11.3 % 11.4 % 11.7 % 12.1 %
0%
2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Abb. 5.49 Marktanteile von Hersteller- und Handelsmarken in Deutschland nach Markengattungen
in den Jahren 2013 bis 2020. (Quelle: Statista, 2021d)
Hersteller erfolgreicher ist, hängt insb. von der Wettbewerbsintensität innerhalb der ver-
schiedenen Verkaufsstellen und damit den erzielten Preisen ab.
Wie hat sich das Kaufverhalten der deutschen Bevölkerung bzgl. der verschiedenen
Marken-Kategorien in den letzten Jahren verändert? Die Abb. 5.49 zeigt, dass allein der
Anteil der Premium-Marken in den letzten Jahren kontinuierlich leicht gestiegen ist.
Der Anteil der Preiseinstiegs-Handelsmarken ist fast kontinuierlich gesunken. Zu die-
ser Produktkategorie zählen u. a. die Handelsmarken der Discounter und die No-Name-
Produkte der anderen Lebensmittelhändler. Die Position der Mittelmarken ist dagegen
relativ stabil und schwankt leicht um 33 %. Die höherwertigen Mehrwert-Handelsmarken
erreichen einen Marktanteil um 13 %.
Mit diesen Entwicklungen gehen gravierende Herausorderungen für die Einzelhändler
einher. Für eine Profilierung der Einzelhändler im digitalen Zeitalter sind innovative
Konzepte gefordert (vgl. vertiefend Merkle, 2020).
Hersteller
Interessenten, Kunden
Aufgrund der zunehmenden Bedeutung des E-Commerce (vgl. Abb. 5.41) haben nicht
nur viele stationäre Einzelhändler eigene Online-Shops aufgebaut. Immer mehr Hersteller,
die ihre Produkte bisher schwerpunktmäßig über den stationären Einzelhandel verkauft
haben, sind jetzt mit eigenem Online-Shop am Markt präsent (etwa BOSS, Esprit, Marc
O’Polo, Olymp). Der Online-Vertrieb tritt hier neben die bisher etablierten Vertriebskanäle
und soll dazu beitragen, neue Kundenschichten zu erschließen bzw. eine Abwanderung der
eigenen Kunden zu Online-Angeboten der Wettbewerber zu reduzieren.
Folgende Risiken des Multi-Channel-Vertriebs sind zu berücksichtigen:
cc Merk-Box Mit dem Aufbau eines Multi-Channel-Vertriebs ist eine Vielzahl von
Chancen und Risiken für Hersteller und Handelsunternehmen verbunden.
Diese sind sorgfältig abzuwägen.
• Im Ladengeschäft per Mobile Device weitere Informationen online beim gleichen An-
bieter abrufen (In-store Research).
• Im Ladengeschäft per Mobile Device weitere Artikel online beim gleichen Anbieter
kaufen (In-store Ordering) – Stichwort „virtuelle Sortimentserweiterung“.
• Online kaufen und im Ladengeschäft retournieren (Return to store); hierdurch ent-
fallen Aufwand für Verpackung und Rückversand.
%ORJV
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6HDUFK
zŽƵdƵďĞ
zŽƵdƵďĞ
WŝŶƚĞƌĞƐƚ
5HYLHZ &RPSDUH WŝŶƚĞƌĞƐƚ
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8VH 3XUFKDVH
326
5HFHLYH
ƉƉƐ d,Kh^
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&Zd
Abb. 5.51 Beispielhafte Zuordnung von Kanälen zu den einzelnen Phasen eines Kauf- und
Nutzungszyklus im Omni-Channel-Konzept
370 5 Marketing-Instrumente
Eine wertschöpfende Verknüpfung zwischen der Online- und Offline-Welt stellt für
viele Unternehmen nach wie vor eine große Herausforderung dar. Häufig findet man
heute noch eine Parallelität der Aktivitäten. Gutscheine können dann bspw. nur im On-
line-Shop, aber nicht im stationären Geschäft eingelöst werden. Hierdurch zwingt man
die Kunden zur Nutzung eines Kanals, obwohl der Anbieter mehrere Kanäle parallel
betreibt.
cc Denkanstoß Wer wird langfristig die Nase vorne haben: der Online- oder der Off-
line-Vertrieb? Einkaufen in stationären Geschäften stellt ein körperliches und
damit vor allem auch ein emotionales Erlebnis dar. Hier kommt es häufig auch zum
direkten Austausch mit anderen Menschen, die bei der Auswahl unterstützen und
beraten können.
Andere Menschen, ihre Blicke, ihr Tun, die Gespräche, die Warenpräsentation,
Geräusche, Düfte und die physisch verfügbaren Waren können eine Einkaufs-
atmosphäre schaffen, die online auch in Zukunft nicht nachbaubar ist.
Es liegt an jedem Einzelnen von uns, welcher Stellenwert den stationären Ge-
schäften in Zukunft zukommt. Geschäften, hinter denen in den meisten Fällen Men-
schen mit viel Herzblut agieren, um uns ein überzeugendes Verkaufserlebnis zu
schenken!
preisigen Gütern werden außerdem Spontankäufe gefördert, weil die Produkte „überall“
sichtbar sind. Klassische Beispiele hierfür sind Snacks und Softdrinks.
Unternehmen, die eine Premium-Positionierung anstreben, setzen dagegen ganz be-
wusst auf eine fokussierte, partielle Marktbearbeitung. Dann werden Konzepte der selek-
tiven oder der exklusiven Distribution eingesetzt. Eine selektive Distribution liegt vor,
wenn im Zielmarkt jeweils nur wenige Verkaufsstellen zu finden sind. Dies ist bspw. bei
der Vermarktung der Luxusuhren von Rolex oder Lange & Söhne der Fall. Bei der ex-
klusiven Distribution findet sich in einem Marktverantwortungsgebiet jeweils nur eine
Verkaufsstelle.
Die Auswahl der Absatzkanäle sowie die Auswahl der einzubindenden Vertriebs-
partner orientiert sich an den in Abb. 5.52 definierten Kriterien. Die Auswahlentscheidung
kann aufgrund der Vielzahl zu relevanten Kriterien durch den Einsatz von Scoring-
Modellen unterstützt werden (vgl. dazu Abschn. 5.1.2.2).
Auch nach einer zielorientierten Auswahl der Vertriebspartner kann es zu einer Vielzahl
von Konflikten im Absatzkanal kommen. Schließlich verfolgen die eingebundenen Part-
ner häufig gegenläufige Ziele. In Abb. 5.53 sind zentrale Konfliktfelder aufgezeigt.
An den Schnittstellen zwischen Hersteller, Handel und Konsument setzt das Konzept
des Efficient Consumer Response (ECR) an. Dieses soll einen Beitrag zur Überwindung
der genannten Zielkonflikte leisten. Im Kern geht es um die Optimierung der Geschäfts-
prozesse zwischen Hersteller und Handel. Unter ECR wird eine kundenorientierte,
ganzheitliche Betrachtung der Prozesskette vom Hersteller über den Handel bis zum End-
*UXQGOHJHQGH8QWHUQHKPHQV 0DUNHWLQJ6WUDWHJLH0DUNWVWHOOXQJGHU8QWHUQHKPHQV
+HUVWHOOHUEH]RJHQH 8QWHUQHKPHQVJU|H)LQDQ]NUDIW
(LQIOXVVIDNWRUHQ 3URGXNW/HLVWXQJVSURJUDPPXQGGHVVHQ3RVLWLRQLHUXQJ
9HUWULHEVNRPSHWHQ]HLJHQH(UIDKUXQJPLWYHUVFKLHGHQHQ9HUWULHEVZHJHQ
3UHLV4XDOLWlWVDQVSUXFK
3URGXNWEH]RJHQH (UNOlUXQJVEHGUIWLJNHLWXQG6HUYLFHLQWHQVLWlWGHV$QJHERWV
(LQIOXVVIDNWRUHQ .DXIIUHTXHQ]%HGDUIVKlXILJNHLW
/DJHU XQG7UDQVSRUWIlKLJNHLWGHU3URGXNWH
$Q]DKOXQG$UWGHU:HWWEHZHUEHUXQG:HWWEHZHUEVSURGXNWH
:HWWEHZHUEVEH]RJHQH
0DUNWSRVLWLRQXQG:DFKVWXPVUDWHQGHUYHUVFKLHGHQHQ9HUWULHEVZHJHGHU:HWWEHZHUEHU
(LQIOXVVIDNWRUHQ
:HWWEHZHUEVGUXFNLQEHVWHKHQGHQXQGQHXHQ9HUWULHEVZHJHQ
*HVHW]OLFKH9RUJDEHQE]JO9HUWULHEVNDQlOHQEVSZ$SRWKHNHQSIOLFKW
6RQVWLJH 9RUJDEHQE]JOGHU3URGXNWXQ]XJlQJOLFKNHLWIUEHVWLPPWH*UXSSHQHWZDEHL$ONRKRO
(LQIOXVVIDNWRUHQ :HUWYRUVWHOOXQJHQ(UZDUWXQJVKDOWXQJHQLQGHUgIIHQWOLFKNHLW
7HFKQRORJLVFKH9HUlQGHUXQJHQEVSZ6WlUNHGHV(&RPPHUFH
=LHOHGHV+HUVWHOOHUV =LHOHGHV+DQGHOV
3URILOLHUXQJGHUHLJHQHQ3URGXNWHXQG 3URILOLHUXQJGHUHLJHQHQ(LQNDXIVVWlWWHE]Z
0DUNHQ0DUNHQDUWLNHO GHVHLJHQHQ6RUWLPHQWV
1DWLRQDOHXQGLQWHUQDWLRQDOH3URGXNW XQG 3URILOLHUXQJYRQ+DQGHOVPDUNHQXQG1R
8QWHUQHKPHQVZHUEXQJ 1DPHV
6WHLJHUXQJGHU0DUNHQWUHXH 326IRNXVVLHUWH:HUEXQJKlXILJUHJLRQDO
+RKH'LVWULEXWLRQVGLFKWHDEKlQJLJYRQ RGHUORNDO
GHU3RVLWLRQLHUXQJGHU0DUNH 6WHLJHUXQJGHU(LQNDXIVVWlWWHQWUHXH
6HOHNWLYHRGHUH[NOXVLYH'LVWULEXWLRQ
.RQWLQXLHUOLFKHU)OXVVYRQ3URGXNW 9HUPDUNWXQJLQVEYRQÄSURILWDEOHQ³
LQQRYDWLRQHQ ,QQRYDWLRQHQGHU+HUVWHOOHU
9HUPDUNWXQJGHVJHVDPWHQ$QJHERWV .RQ]HQWUDWLRQGHU9HUPDUNWXQJDXI
SURJUDPPV SURILWVWDUNH]LHOJUXSSHQDIILQH$QJHERWH
%HYRU]XJWHH[NOXVLYH3ODW]LHUXQJGHU 3URGXNWSODW]LHUXQJQDFK.DXI XQG
HLJHQHQ3URGXNWHLP6RUWLPHQW 6RUWLPHQWVNULWHULHQ]XU(UWUDJVRSWLPLHUXQJ
8PVHW]XQJHLQHUYHUWUDXHQVELOGHQGHQ )DOOZHLVHDJJUHVVLYH3UHLVSROLWLN]XU
3UHLVVWUDWHJLHGLHVLFKDQGHQHLJHQHQ 6WHLJHUXQJGHUHLJHQHQ$WWUDNWLYLWlW
=LHOHQRULHQWLHUW (UK|KXQJGHU+DQGHOVVSDQQHDOV
5HGXNWLRQGHU+DQGHOVVSDQQHDOV (UJHEQLVWUHLEHU:HUEHNRVWHQ]XVFKVVH
.RVWHQIDNWRU .RVWHQQHXWUDOH9HUODJHUXQJYRQ)XQNWLRQHQ
.RVWHQQHXWUDOH9HUODJHUXQJYRQ DXIGHQ+HUVWHOOHU
)XQNWLRQHQDXIGHQ+DQGHO )RUGHUXQJ]XVlW]OLFKHU9HUJWXQJHQEHL
)XQNWLRQVEHUQDKPHQIUGHQ+HUVWHOOHU
*OHLFKPlLJHU$EVDW]LQJURHQ0HQJHQ 0LQLPLHUXQJGHU/DJHUKDOWXQJ
/DJHUKDOWXQJEHLP+DQGHO Ä-XVWLQ7LPH³$QOLHIHUXQJ
kunden verstanden. Hierbei wird versucht, die Wünsche der Kunden möglichst schnell
und exakt zu ermitteln, um diese kosteneffizient zu decken. Hierzu gilt es, einen ent-
sprechenden Informationsfluss zu installieren, der den Warenfluss – orientiert an den kon-
kreten Kundenerwartungen – optimiert. Um dies zu erreichen, sind die Touchpoints zwi-
schen Hersteller und Handel einerseits und Handel und Kunden andererseits zu optimieren
und datentechnisch ganzheitlich abzubilden. Im Einzelnen werden die folgenden Ziele
des ECR angestrebt (vgl. Meffert et al., 2019, S. 612–618; Bruhn & Hadwich, 2017,
S. 378):
Die hier aufgezeigten Ziele werden durch die vier zentralen ECR-Strategien an-
gestrebt. Diese sind in Abb. 5.54 ausgewiesen. Einen wichtigen Beitrag bei der Umsetzung
dieser Strategien kann die RFID-Technologie leisten. RFID steht für Radio Frequency
5.3 Distributionspolitik 373
=LHO 2SWLPDOH1XW]XQJGHU326.DSD]LWlWHQGXUFKHLQHEHGDUIVRULHQWLHUWH*HVWDOWXQJGHU5HJDOIOlFKH]XU
(IILFLHQW (UK|KXQJGHU5HJDOSURGXNWLYLWlWXQGGHU8PVFKODJVJHVFKZLQGLJNHLW
$VVRUWPHQW
($ 8PVHW]XQJ .XQGHQRULHQWLHUWH$XVJHVWDOWXQJGHU6RUWLPHQWHDP326L6HLQHUEHGDUIVRULHQWLHUWHQ%HVWDQGV XQG
5HJDORSWLPLHUXQJ
5.3.4 Distributionslogistik
Bei der Distributionslogistik steht die physische Verteilung von Leistungen im Mittel-
punkt (vgl. vertiefend Schulte, 2016; Voß, 2019). Hier wird auch von Marketing- oder
Vertriebslogistik gesprochen.
Durch überzeugende Logistikkonzepte gelingt es im Idealfall,
Die Herausforderung besteht bei Produkten und Dienstleistungen darin, diese Logistik-
ziele gleichzeitig zu erfüllen und zusätzlich wertschöpfend für das eigene Unternehmen zu
sein. Eine entscheidende Nebenbedingung stellen folglich die Logistikkosten dar. Eine
Zielvorgabe dergestalt, dass die Erreichung der definierten Logistikziele mit minimalen
Kosten verbunden sein sollte, ist m. E. wenig hilfreich. Schließlich kann die tatsächliche
Erreichung von Minimalität so lange bestritten werden, wie die Kosten größer „0“ sind.
Selbst wenn keine Kosten anfielen, blieben u. U. Vertriebskooperationen ungenutzt, die
zur Erzielung von Erlösen bei der Umsetzung von Logistikaufgaben geführt hätten. Des-
halb ist m. E. allein eine Ausrichtung an Plankosten zweckmäßig, da diese konkret
kontrollierbar sind (vgl. die entsprechenden Ausführungen in Abschn. 3.2).
Die Erreichung der Logistikziele stellt bei der Vermarktung von Dienstleistungen
i. d. R. eine noch größere Herausforderung dar als bei Produkten. So ist es ein Leichtes,
einen gedruckten Reiseführer als Paperbackausgabe am 23.7. um 18.00 Uhr an der Rezep-
tion des Ritz-Carlton in Atlanta für Frau Meffert zuzustellen. Wesentlich herausfordernder
ist es dagegen, die Dienstleistung „Reiseführung“ für Frau Paschen am gleichen Ort und
zur gleichen Zeit zu erbringen. Selbst wenn der Reiseführer pünktlich vor Ort ist, kann die
Dienstleistung nicht erbracht werden, wenn der Gast nicht erscheint. Dann bleibt es bei
einem Dienstleistungsangebot, das nicht abgerufen wird. Vielfach ist die Erbringung von
Services an das zeitliche Vorhandensein von „Geber“ und „Nehmer“ gebunden. Hier liegt
das schon erwähnte „Uno-actu“-Prinzip zugrunde. Ähnlich verhält es sich bei einer
Coaching-Session, beim Friseur, bei der Massage oder beim beliebten Zahnarzt-Besuch.
Im Kern steht hinter der Erreichung der genannten Logistikziele ein spezifischer
Lieferservice. Häufig werden für die damit verbundenen Aufgabenstellungen Logistik-
dienstleister eingebunden. Diese übernehmen oft die komplette Wertschöpfungskette der
Logistik (vgl. Abb. 5.55). Dazu zählen bspw. DHL, UPS, DB Schenker und FedEx.
hEHUQDKPHYRQ)LQDQ]LHUXQJVIXQNWLRQHQ
hEHUQDKPHYRQ=ROO XQG9HUVLFKHUXQJVDXIJDEHQ
.RQWLQXLHUOLFKHU,QIRUPDWLRQVIOXVV]XP.XQGHQ
• Bei der Distributionspolitik ist zwischen der akquisitorischen und der physischen
Distribution zu unterscheiden.
• Der Vertrieb kann ein- oder mehrstufig sowie über einen oder mehrere Kanäle
erfolgen.
• Beim Direktvertrieb liegt die gesamte Distribution im Verantwortungsbereich des
Herstellers.
• Beim indirekten Vertrieb werden verschiedene Absatzmittler und/oder Absatz-
helfer eingebunden.
376 5 Marketing-Instrumente
13. Was versteht man unter Tele-Shopping? In welchen Marktfeldern ist es zu finden?
14. Was versteht man unter selektivem und exklusivem Vertrieb? In welchen Bereichen
kommt dieser zum Einsatz?
15. Was verbirgt sich hinter dem Shop-in-Shop-Konzept? Nennen Sie Beispiele für
dieses Vorgehen.
16. Wodurch unterscheiden sich Vertriebsbindungs-, Alleinvertriebs- und Vertrags-
händlersysteme? Welche Ziele werden mit dem Einsatz vertikaler Marketing-Kon-
zepte angestrebt? In welchen Marktfeldern werden diese genutzt?
17. Was versteht man unter einem Franchise-System? Welche Rechte und Pflichten
haben die Beteiligten eines solchen Systems? Welche Beispiele dafür sind Ihnen
geläufig? Nennen Sie die Erfolgsfaktoren für ein solches Konzept.
18. Wie werden der numerische und der gewichtete Distributionsgrad ermittelt? Wel-
che Aussagen lassen sich anhand dieser Werte treffen?
19. Welches Unternehmen hat tendenziell größere Verkaufschancen: ein Anbieter mit
einem numerischen oder mit einem gewichteten Distributionsgrad von 30 %?
Wovon ist das Ergebnis noch abhängig?
20. Welche Zielkonflikte bestehen im Absatzkanal? Arbeiten Sie diese für unterschied-
liche Bereiche heraus und überlegen Sie, wie diese im Hinblick auf eine konstruk-
tive Gestaltung der Zusammenarbeit überwunden werden können.
21. Wo liegt der Unterschied zwischen Multi- und Omni-Channel-Vertrieb?
22. Was ist unter Kannibalisierungseffekten zwischen verschiedenen Vertriebskanälen
zu verstehen? Wie können diese durch den Hersteller vermieden werden?
23. Was versteht man unter ECR? Welche Ziele werden mit diesem Konzept verfolgt?
24. Welche unterschiedlichen Strategien werden im Rahmen des ECR verwendet?
25. An welchen Zielen muss sich die Distributionslogistik ausrichten?
26. Welche Wertschöpfungsstufen werden von Logistikdienstleistern übernommen?
27. Was versteht man unter Kontraktlogistik?
28. Welche Entscheidungstatbestände sind bzgl. der Distributionslogistik zu unter-
scheiden?
29. Welche Bedeutung kommt der Distributionslogistik heute zu?
5.4 Kommunikationspolitik
Lernziele
Fähigkeit,
8QWHUQHKPHQV0DUNHWLQJ=LHOH
'HILQLWLRQNRPPXQLNDWLRQVSROLWLVFKHU=LHOHIUYHUVFKLHGHQH=LHOJUXSSHQ
.RPPXQLNDWLRQVNRQ]HSW
)HVWOHJXQJGHU]XNRPPXQL]LHUHQGHQ%RWVFKDIW
.RPPXQLNDWLRQVEXGJHWV
$XVZDKOGHU.RPPXQLNDWLRQVNDQlOH 9HU]DKQXQJPLW
,QWHU,QWUD0HGLD6HOHNWLRQ DQGHUHQ
.RPPXQLNDWLRQV
'HILQLWLRQGHV
8PVHW]XQJGHU%RWVFKDIWLQ.RPPXQLNDWLRQVPLWWHOIUGLH PDQDKPHQ
DXVJHZlKOWHQ.RPPXQLNDWLRQVNDQlOH
,QWHJUDWLRQLQGHQ
%HVWLPPXQJGHU.RPPXQLNDWLRQVIUHTXHQ] 0DUNHWLQJ
'LDPDQWHQ
(UVWHOOXQJGHV7LPLQJVIUGLH.RPPXQLNDWLRQ
3UHWHVWJJI3URJQRVHGHU.RPPXQLNDWLRQVZLUNXQJHQ
'XUFKIKUXQJ
.RQWUROOH
Für die Zielgruppe der Interessenten und Kunden können dies monetäre Ziele (wie
bspw. Umsatz, Absatz) und nicht-monetäre Ziele (wie Bekanntheitsgrad, Imageaufbau)
sein. Im Hinblick auf die Zielgruppe der potenziellen Mitarbeiter kann das nicht-monetäre
Kommunikationsziel darin bestehen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass sich das Kommunikationsobjekt deutlich
unterscheiden kann (vgl. 5.56). Es geht um den Gegenstand der Kommunikation i. S. von
„Was soll kommuniziert werden?“ Dies können bzgl. der Interessenten und Kunden das
Sortiment bzw. das Produktprogramm oder bestimmte Produkte und Dienstleistungen
sein. Bei den potenziellen Mitarbeitern ist das Kommunikationsobjekt dagegen das Unter-
nehmen, ein Unternehmensbereich oder ein konkretes Jobangebot.
Damit wird deutlich, dass neben dem Kommunikationsobjekt immer auch das
Kommunikationssubjekt zu bestimmen ist (vgl. Abb. 5.56). Hierbei geht es um die Ziel-
gruppe der Kommunikation: „Wer soll angesprochen werden?“ Dies können die Bedarfs-
träger Studenten, Professoren, berufstätige Frauen, Kunden oder Ziel-Kunden sein. Auch
Politiker, Manager, Journalisten oder Blogger können als Meinungsführer die Zielpersonen
der Kommunikation darstellen.
Parallel zur Zieldefinition ist die Höhe des Kommunikationsbudgets festzulegen. Wie
Abb. 5.56 zeigt, sind diese einzelnen Arbeitsschritte umfassend miteinander vernetzt.
Im Zuge des Kommunikationskonzepts erfolgt zunächst die Festlegung der zu kom-
munizierenden Botschaft (vgl. Abb. 5.56). Diese hat einen maßgeblichen Einfluss auf die
Mediastrategie. Diese umfasst die Auswahl der Kommunikationskanäle. Im Zuge die-
ser Mediaselektion findet die Inter- und Intra-Media-Selektion statt. Zusätzlich sind der
angestrebte Kommunikationsdruck (i. S. der Schaltfrequenz) sowie das Timing der
Kommunikation zu definieren. Außerdem ist zu prüfen, wie die Umsetzung der Bot-
schaft in Kommunikationsmittel (bspw. TV-Spot, Anzeigen, Mailings, E-Mails, Banner,
Social-Media-Posts und YouTube-Videos) erfolgen sollte. Deshalb sind die genannten
Schritte in enger Abstimmung mit der Formulierung und Umsetzung der Kommunikations-
inhalte vorzunehmen.
Bei der Ausgestaltung der Kommunikationsinhalte sind folgende Aspekte zu be-
rücksichtigen:
Eigentlich keine Frage, sondern eine eindeutige Handlungsaufforderung liegt darin, die
richtige Perspektive in der Kommunikation einzunehmen. Hier können zwei ver-
schiedene Perspektiven unterschieden werden:
• Sender-Perspektive
Fokussiert ein Unternehmen die Sender-Perspektive, dann werden die Inhalte über-
mittelt, die aus Unternehmenssicht relevant erscheinen – ohne den Nutzen für die Kun-
den zu verdeutlichen. Hier findet dann vielfach ein Item-Selling bzw. ein Feature-Sel-
ling statt. Dabei werden primär technische Daten sowie funktionale Vorteile eines
Produktes herausgestellt. Dies können bei einem Smartphone die Anzahl der Pixel bei
der Kamera oder der Energieverbrauch des Gerätes sein. Es wird folglich lediglich mit-
geteilt, was ein Produkt oder eine Dienstleistung macht.
• Empfänger-Perspektive
Liegt der Kommunikation dagegen eine Empfänger-Perspektive zugrunde, dann wird
der Nutzen für die Käufer herausgestellt. Folglich kann hier von einem Benefit-Selling
gesprochen werden. Die zentrale Botschaft sind hier die Nutzenvorteile – aus Kunden-
sicht. Die „Anzahl der Pixel“ bei einem Smartphone wird dann in eine „brillante
Bilderqualität“ übersetzt. Der „Energieverbrauch des Gerätes“ wird übersetzt in „län-
gere Nutzungszeit ohne Aufladen“. Bei Angeboten wird hier konsequent mit dem er-
zielbaren Nutzen argumentiert – aus der Sicht der Empfänger.
CC Denkanstoß Schauen Sie sich einmal werbliche Botschaften – online und offline –
an. Bei welchen dominiert die Sender-Perspektive? Wo finden Sie eine konsequente
Empfänger-Perspektive?
Parallel zur Auswahl der richtigen Perspektive ist eine Verzahnung mit anderen
Kommunikationsmaßnahmen zu prüfen. Nur so wird eine integrierte Kommunikation
erreicht. Welche Integrationsaufgaben hiermit heute verbunden sind, zeigt der Blick auf
eine typische Customer Journey in Abb. 2.22. Hier wird sichtbar, welche On- und
Offline-Touchpoints von Unternehmen in ihre Kommunikation eingebunden werden
können. Die dort gezeigten Touchpoints stellen allerdings nur eine kleine Auswahl der zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten dar.
Wie schon in Abschn. 2.2.3.5 angedeutet, verliert die Grenze zwischen „online“ und
„offline“ an Bedeutung – zumindest für die Interessenten und Kunden. Die Interessenten
und Kunden sind heute „noline“ unterwegs – für diese haben die Kategorien „online“ und
„offline“ bei der Suche nach Informationen und auch beim Kauf keine dominante Be-
deutung mehr. Dies ist bei der Entwicklung von Kommunikationskonzepten zu berück-
sichtigen.
5.4 Kommunikationspolitik 381
Zusätzlich ist durch den in Abb. 5.56 gezeigten Prozess eine umfassende Integration
der Kommunikationsmaßnahmen in den Marketing-Diamanten sicherzustellen. Zwi-
schen allen diesen Entscheidungsfeldern sind intensive Abstimmungsrunden erforderlich,
um ein konsistentes Image in den Augen der Zielpersonen zu erschaffen. Außerdem ist
kontinuierlich zu prüfen, welche Auswirkungen die getroffenen Entscheidungen auf das
Kommunikationsbudget haben.
Nach der Entwicklung des Kommunikationskonzeptes sollte zunächst ein Pretest
durchgeführt werden, bevor ein breiter Einsatz erfolgt (vgl. Abb. 5.56). Ein Pretest ist ein
Instrument der Marktforschung. Durch einen Test vor dem Einsatz im Markt – deshalb
„pre“ für „vor“ – können die zu erwartenden Wirkungen geplanter Marketing-Maßnahmen
in einem Testumfeld ermittelt werden. In Abhängigkeit der erzielten Ergebnisse des Pre-
tests ist die Kommunikation entweder zu optimieren – oder sie kann unverändert ein-
gesetzt werden. Im Anschluss an die Durchführung ist eine umfassende Erfolgskontrolle
einzuplanen, um zu erkennen, wo Optimierungsbedarf besteht.
Bisher wurde übergreifend von Kommunikation gesprochen. Schließlich kann der in
Abb. 5.56 definierte Prozess für unterschiedliche Kommunikationsmaßnahmen eingesetzt
werden. Kommunikation wird im Marketing als Übermittlung von Informationen an
unterschiedliche Zielgruppen durch den Einsatz von spezifischen Instrumenten, Medien
und/oder Systemen zur Erreichung bestimmter Ziele verstanden (vgl. Abb. 5.57).
Folgende Entscheidungsfelder der Kommunikation sind zu unterscheiden:
=LHOJUXSSHQ
.RPPXQLNDWLRQV
SROLWLN
,QVWUXPHQWH
• Die Zielgruppen sind bei der Kommunikationspolitik breit definiert und können alle
Gruppen umfassen, die bei der Vorstellung des Stakeholder-Ansatzes in Abschn. 1.1.1
angesprochen wurden (vgl. Abb. 5.60).
• Die Kommunikationspolitik kann sich einer Vielzahl von Instrumenten bedienen. Die
Instrumente reichen von PR (Public Relations oder auch Öffentlichkeitsarbeit) über
Werbung, Verkaufsförderung, Sponsoring bis zu einem Engagement in den sozia-
len Medien.
• Hierbei können unterschiedliche Medien eingesetzt werden. Es ist an Plakatwände, TV,
Radio, Mailings sowie an die verschiedenen Online-Medien wie Websites, Online-
Banner, Keyword-Anzeigen und Social-Media-Posts und Social-Media-Ads zu denken.
• Welche Kombination aus Inhalt, Zielgruppe, Medium und Instrument jeweils Ver-
wendung finden soll, ist von den Kommunikationszielen abhängig.
• Kommunikationssysteme führen verschiedene Elemente der Kommunikationspolitik
zusammen. Dies ist bspw. bei komplexen Kampagnen, aber auch bei Kundenbindungs-
systemen sowie beim Konzept der Corporate Identity der Fall.
cc Merk-Box Wir sprechen nicht umsonst von „Wahrnehmung“ und nicht von
„Wahrgebung“.
'HILQLWLRQGHU (UDUEHLWXQJ
(PSIDQJHQ± 9HUDUEHLWHQ±
.RPPXQLND HLQHV &RGLHUXQJ hEHUPLWWOXQJ
'HFRGLHUHQ 5HDJLHUHQ
WLRQV]LHOH %ULHILQJV
0DUNHWLQJ
3HUVRQDOSROLWLN
.RPPXQLNDWLRQVSROLWLN 'LVWULEXWLRQVSROLWLN
:HUEXQJ
3URGXNW XQG3URJUDPP
3UHLV.RQGLWLRQHQSROLWLN
SROLWLN
Wir haben nur einen sehr beschränkten Einfluss darauf, wie kommunikative
Inhalte vom Empfänger tatsächlich aufgenommen werden.
Die Kommunikationspolitik und speziell die Werbung nimmt aufgrund ihrer be-
sonderen Sichtbarkeit eine wichtige Position im Marketing ein. Allerdings ist eine sprach-
liche Differenzierung zwischen Werbung, Kommunikation und Marketing unver-
zichtbar. Die Mengenlehre erlaubt uns, diese Beziehungen sauber zu erkennen (vgl.
Abb. 5.59). Alle Marketing-Instrumente sind Teilmengen der Obermenge „Marketing“.
„Werbung“ wiederum ist eine Teilmenge der Teilmenge „Kommunikationspolitik“.
cc Merk-Box Sprechen Sie nur von Marketing, wenn Sie Marketing als „Führungs-
konzeption“ oder Marketing als umfassende „Funktion im Unternehmen“ mei-
nen. Nutzen Sie den Begriff „Kommunikation“, wenn Sie über die verschiedenen
Kommunikationskonzepte sprechen wollen. Nutzen Sie den Begriff „Werbung“,
wenn es um die werbliche Kommunikation geht.
5.4.2 Z
iele, Zielgruppen und Informationsfelder
der Kommunikationspolitik
Alle Ziele der Kommunikationspolitik lassen sich auf drei Kernziele zurückführen:
• Informationsziele
Durch die unternehmerische Kommunikation sollen bestimmte Informationen über das
Unternehmen, dessen Kultur und Werte, sein Leistungsprogramm, seine Stellung im
Markt etc. an unterschiedlichste Zielgruppen übermittelt werden. Die Bekannt-
384 5 Marketing-Instrumente
machung des Unternehmens und/oder dessen Leistungen stehen bei den Informations-
zielen an erster Stelle.
• Beeinflussungsziele
Die Bereitstellung von Informationen erfolgt nicht als Selbstzweck. Sie dient der Er-
reichung übergeordneter Ziele. So soll bspw. durch die Kommunikation ein bestimmtes
Bild bzw. Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit, bei Investoren, bei potenziel-
len Kooperationspartnern, (potenziellen) Mitarbeitern oder bei Interessenten und Kun-
den entstehen. Der Einsatz der Kommunikationspolitik erfolgt mit dem Ziel, die Wahr-
nehmung und Bewertung eines Unternehmens und dessen Leistungen durch Dritte zu
beeinflussen. Damit soll deren Einstellung zum Unternehmen, zu dessen Angeboten
und Mitarbeitern in einer bestimmten Richtung geprägt und folglich ein bestimmtes
Image aufgebaut werden.
• Steuerungsziele
Auch diese Beeinflussung erfolgt zielorientiert. Schließlich werden durch die Ver-
änderung von Einstellungen auch Verhaltensweisen gesteuert. So sollen sich bspw. be-
sonders qualifizierte Absolventen beim eigenen Unternehmen bewerben (Stichwort
Employer Branding; vgl. Abschn. 5.5.2.3). Außerdem sollen interessante Kooperations-
partner zur Kontaktaufnahme angehalten werden. Vor allem möchten Unternehmen
aber erreichen, dass die angebotenen Leistungen nachgefragt werden. Hier soll ein be-
stimmtes Verhalten forciert werden. Dieses kann sich in der Informationsbeschaffung,
Erst- und Wiederholungskäufen sowie in einer Weiterempfehlung der eigenen Leistun-
gen niederschlagen.
Diese Formel ist angesichts der zunehmenden Bedeutung des Online-Bereichs um zwei
Schritte zu AISDAS zu erweitern. Die Buchstaben S stehen in dieser Abfolge ASIDAS für:
.DSLWDOJHEHU
$OOJHPHLQH
'LHQVWOHLVWHU
gIIHQWOLFKNHLW =LHO:XQVFK.XQGHQ
,QWHUHVVHQWHQ
3ROLWLVFKH .XQGHQ
0LWDUEHLWHU
(QWVFKHLGXQJVWUlJHU
.RRSHUDWLRQVSDUWQHU
Die konkrete Ausgestaltung dieser Kommunikationsziele ist u. a. abhängig von der
Stellung des Unternehmens und seiner Angebote im Markt. Auch die Wettbewerbsintensi-
tät wirkt sich auf die erforderlichen Kommunikationsmaßnahmen aus. Welche Inhalte
durch die Unternehmenskommunikation zu vermitteln sind, wird ebenfalls durch das öf-
fentliche Image der eigenen Branche beeinflusst. Hier ist bspw. an die Image- und
PR-Kampagnen von Unternehmen aus den Branchen Automobilbau, Chemie, Energie-
erzeugung, Fastfood, Pharmazeutika und Textilien zu denken. Die Kommunikationsziele
werden auch für die Phase im Lebenszyklus beeinflusst, in der sich Produkte und Dienst-
leistungen jeweils befinden.
Wie Abb. 5.60 zeigt, sind Interessenten und Kunden nur eine – wenn auch eine sehr
wichtige – Zielgruppe der unternehmerischen Kommunikation.
Im Mittelpunkt der unternehmerischen Kommunikation stehen vier Zielgruppen:
• Wunsch- oder Ziel-Kunden, die ein Unternehmen für sich gewinnen möchte.
• Interessenten, d. h. Personen, die bereits ein generelles Interesse an den Leistungen
gezeigt und dabei Kontaktdaten übermittelt haben. Diese Interessensbekundung kann
bspw. durch die Anforderung eines Katalogs oder eines Angebots erfolgen. Auch das
Abonnement eines Newsletters signalisiert ein Interesse an den angebotenen Leistun-
gen. Unternehmen können aufgrund der Kontaktdaten mit diesen Interessenten bereits
in einen Dialog treten.
• Gegenwärtige Kunden, die nach dem Kauf weiter zu betreuen sind.
• Ehemalige Kunden, die nach dem Absprung wieder zurückgewonnen werden sollen.
Wunsch- oder Ziel-Kunden wie auch bestehende Interessenten und Kunden können
entweder Konsumenten (B2C) oder Ansprechpartner in Unternehmen (B2B) sein.
Bei der Ansprache dieser Personen ist zwischen der Push- und Pull-Strategie zu unter-
scheiden. Hierbei geht es um die Frage, welchen kommunikativen (häufig rein werblichen)
Schwerpunkt ein Unternehmen im Vertriebskanal setzen möchte. Bei der Push-Strategie
versucht ein Hersteller, seine Produkte quasi in den Absatzkanal hineinzudrücken („Push“
entspricht „Drücken“). Dies wird durch (1) in Abb. 5.61 verdeutlicht. Dieses Pushen kann
durch monetäre Anreize erfolgen. Diese sollen Handelspartner zur Listung der eigenen
386 5 Marketing-Instrumente
3XVK6WUDWHJLH 3XOO6WUDWHJLH
+HUVWHOOHU +HUVWHOOHU
+DQGHO +DQGHO
=LHO.XQGH%&%% =LHO.XQGH%&%%
Produkte motivieren. Parallel dazu können Displays eingesetzt werden, um die Sichtbar-
keit der eigenen Angebote zu erhöhen. Diese Maßnahmen erfolgen unter der Prämisse,
dass sich der Handel schon aktiv für den Verkauf der Produkte einsetzen wird, wenn er
diese erst im Sortiment hat (2). So werden die Zielkunden motiviert, die Produkte nach-
zufragen.
Von einer Pull-Strategie wird gesprochen, wenn der Endkunde (Verbraucher oder
Unternehmen) vom Hersteller selbst mit dem Ziel umworben wird (3 in Abb. 5.61), damit
der Endkunde auf den Handel zugeht und dort die Angebote quasi „aus dem Absatzkanal
herauszieht“ (4). „Pull“ entspricht diesem „Ziehen“. Da der Handel übersprungen wird,
wird die Pull-Strategie auch Sprungwerbung genannt.
Bei der Push- und Pull-Strategie können neben kommunikativen Maßnahmen (u. a. PR,
Werbung, Verkaufsförderung) weitere preis- und/oder produktpolitische Instrumente ein-
gesetzt werden. Dazu zählen bspw. Sonderrabatte für den Handel oder Couponing-
Aktionen für den Endkunden (vgl. Abschn. 5.2). Während die großen Markenartikler so-
wohl die Pull- als auch die Push-Strategie einsetzen, verzichten andere Hersteller ganz auf
die meist sehr kostenintensive Umwerbung des Endkunden durch eine Pull-Strategie.
Diese Unternehmen konzentrieren sich mit einer Push-Strategie auf den Handel als direk-
ten Kunden.
cc Denkanstoß Prüfen Sie bei Ihrem nächsten Besuch in einem größeren Lebens-
mittelgeschäft einmal, von welchen dort angebotenen Marken Sie noch nie Werbung
gesehen haben. Diese Unternehmen setzen wahrscheinlich allein auf die
Pull-Strategie!
Im Kontext des Online-Marketings werden die Begriffe „Push“ und „Pull“ mit anderen
Inhalten gefüllt. Von Pull-Kommunikation wird dort gesprochen, wenn sich eine Ziel-
person die gewünschten Informationen aus dem Internet „herauszieht“. Dies gelingt bspw.
über den Einsatz der Suchmaschinen, den Einsatz des Content-Marketings, das Anklicken
von Keyword-Anzeigen sowie das gezielte Aufsuchen von Anbieter- oder Preisvergleichs-
seiten. Auch das Engagement in Blogs und Online-Communitys kann gezielt zur Gewin-
nung von Informationen und als Ausdruck dieser Pull-Kommunikation verstanden werden.
5.4 Kommunikationspolitik 387
=XVFKDXHUPDUNWDQWHLO
=') 'DV(UVWH 57/ 6DW 9R[ 3UR6LHEHQ .DEHO(LQV 57/]ZHL
Abb. 5.62 Zuschauermarktanteile der TV-Sender in Deutschland im April 2021. (Quelle: Sta-
tista, 2021e)
cc Merk-Box Bei all diesen Zielgruppen gilt es, stabile Beziehungen aufzubauen,
denn in der zunehmend vernetzten Wirtschaft gilt mehr denn je:
„Niemand ist eine Insel!“
Jedes Unternehmen ist auf die Zusammenarbeit mit Dritten angewiesen. Schließlich
wird ein Auftritt als Einzelkämpfer-Auftritt meist nicht die gewünschten Erfolge er-
bringen. Es ist notwendig und hilfreich, die Netzwerke nicht nur hinsichtlich der gegen-
wärtigen Partner zu pflegen. Die Netzwerke sind auch für potenzielle Partner offen zu
5.4 Kommunikationspolitik 389
halten. Dies können Mitarbeiter, Geldgeber oder Kooperationspartner sein. Für die
Gesamtheit dieser Aktivitäten hat sich – wie im privaten Umfeld – der Begriff Networking
eingebürgert. Networking beschreibt den langfristigen Aufbau und die Pflege eines Be-
ziehungsgeflechts zu einer größeren Zahl von relevanten Einzelpersonen (insb. Meinungs-
führern und Meinungsmachern) und Unternehmen, auf die zur Erreichung unterschied-
lichster Ziele zugegriffen werden kann.
Welche Inhalte umfassen die verschiedenen Informationsfelder, über die ein Unter-
nehmen berichten kann? Hier lassen sich die folgenden Kategorien unterscheiden:
Gleichzeitig gilt es, bspw. das öffentliche Engagement des Unternehmens herauszu-
stellen. Hierdurch soll ein positives Image in der Öffentlichkeit aufgebaut werden. Dies
können Projekte wie das Beethovenfest in Bonn sein, für das sich die Unternehmen Deut-
sche Post DHL, Deutsche Telekom, Deutsche Welle und die Sparkasse KölnBonn als
Hauptsponsoren engagieren. Hierdurch dokumentieren Unternehmen, dass sie bereit sind,
Verantwortung über ihre geschäftliche Tätigkeit hinaus zu übernehmen und wichtige Auf-
gaben für die Gesellschaft zu unterstützen (vgl. zum Sponsoring Abschn. 5.4.3.7). Diese
Themenstellungen werden heute unter dem schon präsentierten Begriff CSR diskutiert.
Auch das interne Engagement des Unternehmens kann Teil der in- und externen
Kommunikation sein. Es geht bspw. um die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen, die
Weiterqualifikation von Mitarbeitern oder besonders umfangreiche Sozialleistungen, die
Unternehmen ihren Mitarbeitern gewähren. Solche Leistungen können potenzielle Mit-
arbeiter motivieren, sich beim entsprechenden Unternehmen zu bewerben. Außerdem kön-
nen sich auch Kunden von einem solchen Engagement angesprochen fühlen. Beim Kauf
stellt sich dann „ein gutes Gefühl“ ein, weil man selbst beim „guten Unternehmen“ einkauft.
390 5 Marketing-Instrumente
Abb. 5.63 zeigt einen Ausschnitt der werblichen Möglichkeiten, die die verschiedenen
Werbeträger heute bieten. Der Kreativität sind hier primär budgetäre und rechtliche Gren-
zen gesetzt. Die hier zu findenden Werbemittel werden in den folgenden Abschnitten
näher erläutert.
Die Bedeutung der einzelnen Werbeträger zeigt Abb. 5.64. Von Januar bis März
2021 erzielte TV einen Marktanteil an den Bruttowerbeerlösen in Deutschland von
46,4 %. Damit dominiert das Fernsehen nach wie vor den Werbemarkt. Zeitungen er-
zielten in diesem Zeitraum einen Marktanteil von 14,9 %. Die Online-Werbung folgt auf
Platz 3 mit 12,8 %. Die Publikumszeitschriften liegen mit 8,3 % auf Rang 4 – gefolgt
von Werbesendungen mit 7,3 %. Out-of-Home liegt bei 5,6 %, gefolgt von Radio mit
4,6 %. Der Kino-Marktanteil von 0 % ist der pandemiebedingten Schließung der Kinos im
1. Quartal 2021 geschuldet.
Wie haben sich die Werbeeinahmen in absoluten Zahlen entwickelt? Im 1. Quartal
2021 betrugen die Bruttowerbeeinnahmen in Deutschland rund 7,58 Mrd. €. Die In-
vestitionen in TV-Werbung beliefen sich hierbei auf rund 3,52 Mrd. €. Die Zeitungs-
werbung folgt mit rund 1,13 Mrd. €. Mit Online-Werbung wurden rund 970,5 Mrd. €
erwirtschaftet. Das Bruttowerbevolumen für das Gesamtjahr 2020 in Deutschland lag bei
rund 34,32 Mrd. € (vgl. Statista, 2021f).
Wie haben sich die Marktanteile der verschiedenen Mediengattungen entwickelt?
TV hat auch im Online-Zeitalter seinen dominanten Marktanteil an den Bruttowerbe-
investitionen deutlich ausbauen können. In den Jahren 2011 und 2019 stieg der Anteil der
TV-Werbung um knapp 4 % auf rund 46,6 %. Im gleichen Zeitraum haben Zeitungen und
Zeitschriften deutlich an Marktanteil verloren (vgl. Statista, 2021f).
:HUEHWUlJHU :HUEHPLWWHO
)HUQVHKHQ
=HLWXQJHQ
2QOLQH
3XEOLNXPV]HLWVFKULIWHQ
:HUEHVHQGXQJHQ
2XWRI+RPH
5DGLR
.LQR
Abb. 5.64 Marktanteile der Mediengattungen im Bruttowerbemarkt 2021. (Quelle: Statista, 2021f)
Den Unternehmen stellt sich die Frage, in welchen Medien ihre Werbung geschaltet
werden sollte. Die Mediaselektion im Rahmen der Mediaplanung hat die Aufgabe, die
geeigneten Werbeträger und Werbemittel auszuwählen. Diese sollen die größte Chance
aufweisen, dass die Werbung von den Zielpersonen wahrgenommen wird, um die definier-
ten Werbeziele zu erreichen. Ausgangspunkt der Mediaplanung sind Zielsetzung, Ziel-
gruppe und Budget. Bei der Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie im Zuge der
Mediaplanung ist ein dreistufiger Selektionsprozess zu durchlaufen:
• Inter-Media-Selektion
Zunächst ist zu entscheiden, welche Werbemedien eingesetzt werden sollen. Dies ist
die Inter-Media-Selektion. Hier geht es um die Frage, ob bspw. TV, Online-Plattformen
oder Print-Medien in einer Kampagne eingebunden werden sollen.
• Intra-Media-Selektion
Nach der Entscheidung für eine Mediengattung ist festzulegen, welche Medien inner-
halb dieser Werbeträgergruppe eingebunden werden sollen. Hier spricht man von der
Intra-Media-Selektion. Setzt ein Unternehmen auf TV, dann ist hier zu entscheiden, ob
ein Spot bei ARD, ZDF, RTL oder Sat1 laufen soll. Wird auf eine Social-Media-
Kampagne gesetzt, dann ist zu prüfen, ob Facebook, Instagram, TikTok oder aber Lin-
kedIn oder Xing die geeigneten Plattformen sind.
• Intra-Werbemittel-Selektion pro Werbeträger
Abb. 5.63 zeigt, dass bei einer Entscheidung für einen Werbeträger anschließend noch
das geeignete Werbemittel auszuwählen ist. Dies ist der Inhalt der Intra-Werbemittel-
Selektion pro Werbeträger. So schließt sich bspw. bei einer Entscheidung für die Platt-
form Facebook die Frage an, ob Facebook-Ads oder Sponsored Posts eingesetzt wer-
den sollen.
5.4 Kommunikationspolitik 393
Diese drei Selektionsstufen der Mediaplanung sind miteinander vernetzt. Deshalb wer-
den bei der Auswahl vielfältige Abstimmungsrunden durchlaufen.
Bei der Inter-Media-Selektion und bei der Intra-Media-Selektion geht es um die
Frage, welche Medienkategorie bzw. welches konkrete Medium am besten geeignet ist,
ein bestimmtes Kommunikationsziel unter bestimmten Budgetrestriktionen zu erreichen.
Folgende Kriterien können für diese Selektionsprozesse herangezogen werden (vgl.
Kroeber-Riel & Gröppel-Klein, 2019, S. 712–723):
• Medienaktualisierungsrhythmus
Für viele Kampagnen ist die Frage entscheidend, welcher Kommunikationsdruck durch
ein Medium aufgebaut werden kann. Bei Online-Werbung sowie in den TV- und Radio-
Kanälen können Botschaften teilweise 24 h/7 Tage die Woche übermittelt werden. Bei
Zeitschriften limitiert der Erscheinungsrhythmus (wöchentlich, monatlich, quartals-
weise) den Reichweitenaufbau und dadurch auch den möglichen Werbedruck. Beim
Einsatz von nicht-digitalen Großflächen (Out-of-Home-Medien) sind häufig Mindest-
laufzeiten von zehn oder elf Tagen zu berücksichtigen. Hier können keine schnellen
Aktualisierungen von Botschaften vorgenommen werden.
Der unterschiedliche Rhythmus verschiedener Medien hat auch Auswirkungen da
rauf, ob zeitlich beschränkte Botschaften (bspw. besondere Tarife) in einem solchen
Medium beworben werden können.
• Medienverfügbarkeit
Welche zeitlichen oder rechtlichen Einschränkungen der Mediennutzung existieren?
Zu welchen Zeiten kann bspw. TV-Werbung gesendet werden? Hier liegen zwischen
den öffentlich-rechtlichen und den privaten Sendern große Unterschiede vor. Auf
Online-Plattformen kann 24/7 geworben werden.
Welche Werbeverbote existieren in bestimmten Medien? Hierzu zählen das Werbe-
verbot für Zigaretten im Fernsehen sowie das Verbot, in Publikumsmedien für ver-
schreibungspflichtige Arzneimittel zu werben.
• Medienbandbreite
Welche Sinne können durch ein Medium auf welche Weise angesprochen werden? Das
Radio kann durch Ton nur auditive Reize vermitteln. Fernsehen sowie die Online-
Medien setzen neben auditiven Reizen auch visuelle Reize ein. Diese visuellen Reize
können als Text sowie als Stand- und Bewegtbild übermittelt werden. Printmedien ver-
mitteln neben den visuellen Reizen durch Papier auch haptische Reize – durch Be-
rührung. Beim Einsatz von Samples (Produktproben, bspw. von Cremes und Parfum)
können in den Printmedien sogar olfaktorische Reize durch Geruch vermittelt werden.
Gustatorische Reize (Geschmack) werden durch eine Verkostung ausgelöst.
• Produktionskosten
Wie viel kostet es, das entsprechende Werbemittel zu erstellen? Die Kostenunterschiede
zwischen einem TV-Spot im Vergleich zu einer Anzeige oder einem Werbebanner sind
gravierend.
• Schaltkosten/Streukosten
Wie hoch liegen die absoluten Kosten für die Schaltung der Werbung? Wie viel muss
bezahlt werden, um bspw. 1000 Personen zu erreichen? Hier wird vom sogenannten
Tausenderpreis gesprochen.
Besteht die Möglichkeit, dass der Nutzer auch bei einfacher Schaltung mehrfach mit
dem Werbemittel in Kontakt kommt? Dies ist bspw. bei einer Anzeige in einer Zeitung
oder Zeitschrift der Fall, wenn man diese wiederholt in die Hand nimmt. Die Wahr-
scheinlichkeit eines solchen Mehrfachkontaktes ist bei einem Wochen- oder Monats-
magazin viel höher als bei einer Tageszeitung. Denn bei der Tageszeitung gilt das
Motto: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern!“ Eine Plakatwerbung kann eben-
falls mehrfach wahrgenommen werden.
Ein Mehrfachkontakt ist bei einem einmal gezeigten Kino-Spot oder bei einem ein-
mal ausgestrahlten TV- oder Rundfunk-Spot nicht möglich. Es sei denn, eine TV- oder
Rundfunk-Sendung wurde aufgezeichnet. Mit einem Werbebanner im Internet kann ein
Nutzer auch nur dann mehrfach in Kontakt kommen, wenn dieser wiederholt aus-
gespielt wird.
Die Reichweite des Mediums in Verbindung mit den Schalt- und Produktionskosten
bestimmen die Medienökonomie. Um die Medienökonomie zu bestimmen, ist zunächst
396 5 Marketing-Instrumente
Orientiert an diesen und vielen weiteren Kriterien kann ein Streuplan für die Werbung
erstellt werden. Dieser zeigt die Verteilung der einzelnen Werbemaßnahmen einer Kampa-
gne in Anhängigkeit von Zeitpunkt, Zeitraum und Schaltfrequenz bzgl. der eingesetzten
Werbeträger und Werbemittel auf.
Im Streuplan wird oft zwischen einem Basismedium und flankierenden Medien bzw.
Zusatzmedien unterschieden. Im Basismedium findet die Kommunikation schwerpunkt-
mäßig statt. In den flankierenden Medien bzw. in den Zusatzmedien wird deutlich we-
niger Budget eingesetzt. Bei der Entwicklung des Streuplans werden zum einen die Wir-
kungen der einzelnen Werbeträger hinsichtlich der Zahl der erreichten Personen und
der Qualität des Kontaktes bewertet. Zum anderen wird auch der erwartete Wirkungsver-
bund verschiedener Werbeträger und Werbemittel berücksichtigt. Hierbei wird eben-
falls zwischen der Anzahl der Bruttokontakte (auch Bruttoreichweite) und der Anzahl der
Nettokontakte (Nettoreichweite) unterschieden.
398 5 Marketing-Instrumente
• Interne Überschneidungen liegen vor, wenn eine Zielperson bei der Mehrfach-
belegung des gleichen Werbeträgers diese mehrfach sieht. Dies kann bspw. eine An-
zeige im Stern oder ein Online-Banner auf einer Verlags-Website im Internet sein.
• Eine externe Überschneidung liegt vor, wenn eine Zielperson durch eine Anzeige in
verschiedenen Zeitschriften erreicht wird. Das wäre etwa die identische Anzeige in
Stern und Focus. Oder ein gleicher Online-Banner auf der Website von Der Spiegel und
Handelsblatt.
Die Anzahl der durchschnittlichen Kontakte pro Zielperson stellt ebenfalls ein
wichtiges Kriterium bei der Ausgestaltung der Streupläne dar. Durch die internen bzw.
externen Überschneidungen kann bei einer Addition von Einzelreichweiten nicht ab-
gelesen werden, wie viele Personen insgesamt erreicht wurden. Um die Gesamtzahl der
erreichten Personen zu ermittelt, sind die Mehrfachkontakte herauszurechnen. Zur Er-
mittlung der Nettokontakte werden folglich die internen und externen Überschneidungen
eliminiert. Die Nettoreichweite sagt dann aus, wie viele Personen durch die Werbung min-
destens einmal erreicht wurden. Jede Person wird bei der Nettoreichweite folglich nur
einmal gezählt – unabhängig von der Anzahl der tatsächlichen Kontakte.
Bezüglich des zeitlichen Einsatzes der Medien können verschiedene Strategien ein-
gesetzt werden. Diese seien hier am Beispiel einer TV-Kampagne aufgezeigt. Die Wahl
der „richtigen“ Werbestrategie hängt zum einen vom Kampagnenziel ab. Soll Marken-
bekanntheit aufgebaut, das Image verbessert und/oder der Verkauf gefördert werden? Zum
anderen hat natürlich auch das Mediabudget einen maßgeblichen Einfluss auf die
finanzierbare Strategie.
Bei kleineren Budgets sowie bei der Vermarktung von saisonalen Produkten wird häu-
fig auf die Flighting-Strategie gesetzt. Beim Flighting wechseln sich On-Air-Phasen mit
Off-Air-Phasen ab. Hierdurch wird eine werbliche Sichtbarkeit im gesamten Kampagnen-
Zeitraum möglich (vgl. Abb. 5.65). Der Pulsing-Strategie liegt ein kontinuierlicher
Werbedruck zugrunde. Zusätzlich kommen mehrere Flights mit hohem Werbedruck ge-
bucht werden. Hier wechseln sich Phasen mit hohem und niedrigen Werbedruck stetig
ab. Diese Strategien führen beide zu einer pulsierenden Medienpräsenz.
Die Recency-Strategie und die Continuous-Strategie stellen sicher, kontinuierlich im TV
zu werben. Diese Strategien setzen ein größeres Mediabudget voraus und eignen sich gut,
die Marken-Bekanntheit nachhaltig zu steigern oder auf hohem Niveau zu sichern. Die Re-
5.4 Kommunikationspolitik 399
Kommunikations-
budget in Mio. €
10
9
8 Flighting: pulsierende Medienpräsenz
7
Continuous: kontinuierliche Medienpräsenz
6
5
Recency: kontinuierliche
4
Medienpräsenz
3
2 Pulsing: pulsierende
Medienpräsenz
1
0 Quartal
I. II. III. IV .
.RPPXQLNDWLRQV
EXGJHWLQ0LR¼
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%DFNORDGLQJ0HGLHQSUlVHQ]QLPPWNRQWLQXLHUOLFK]X
4XDUWDO
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von Daten rund um die Nutzung digitaler Medien trägt die agof dazu bei, das klassische
und das mobile Internet zu transparenten und planbaren Werbeträgern zu machen.
• VuMA (Verbrauchs- und Medienanalyse; vgl. VuMA, 2021)
Die VuMA Touchpoints verknüpft als Markt-Media-Studie das Kauf- und Konsum-
informationen mit aktuellen Daten zur Mediennutzung. Anhand der gewonnenen Daten
lassen sich die Nutzer ausgewählter Medien mit der Verwendung einzelner Produkt-
kategorien „matchen“. Dies ermöglicht Werbungtreibenden und Mediaplanern eine ef-
fektive, konsumorientierte Zielgruppenansprache. Die Verbrauchs- und Medienanalyse
kombiniert hierzu Nutzungsdaten von Fernsehen und Radio sowie anderer relevanter
Medien mit detaillierten Konsuminformationen. Werbungtreibenden und Agenturen
steht ein nützliches Tool für die Mediaplanung zur Verfügung.
Haptik Herausforderung:
Optik
Gustatorik
• Beim Automobilhersteller Audi sind Teams damit beschäftigt, die Haptik der einzel-
nen Bedienelemente im Fahrzeug so zu gestalten, dass sich bei jeder Berührung das
gewünschte Audi-Feeling einstellt.
• Beim Kekshersteller Bahlsen und beim Cornflakes-Hersteller Kellogg’s verwendet man
viel Energie darauf, beim Zubeißen ein möglichst knackiges Geräusch zu erzeugen.
Dies soll das positive Geschmackserlebnis verstärken.
• Bei Nestlé wird ein sogenannter Croustimetre eingesetzt, um das Geräusch zu messen,
welches vom Ohr beim Kauen wahrgenommen wird. Dieses soll mit der angestrebten
Produktpositionierung übereinstimmen. Zusätzlich soll dieses Geräusch auch auf die
Erwartungen der Zielgruppe abgestimmt sein. Während tiefere Klänge für Senioren
„Gediegenheit“ und „Seriosität“ vermitteln, signalisieren sie für Teenager schlicht
„Langeweile“. Für die Bewältigung der hier beschriebenen Aufgaben sind in den Unter-
nehmen sogenannte Sounddesigner verantwortlich (vgl. Arnu, 2005, S. 36 f.; Lind-
strom, 2019, S. 160 f.).
• Sounddesigner sind im Automobilbau damit beschäftigt, die Geräusche des Motors
(bspw. bei Porsche) auf die Erwartungen der Kunden abzustimmen. Auch das Ge-
räusch, das beim Schließen einer Autotür entsteht, wird bewusst inszeniert. Klingt es
„dünn“ und „klapperig“, schließt der Kunde (unbewusst) auf eine mindere Qualität.
Fällt eine Tür dagegen mit einem satten „Plopp“ zu, signalisiert dies eine hohe Ver-
arbeitungsqualität.
• Beim Haushaltsgerätehersteller Braun wird ein großes Augenmerk darauf gelegt, wel-
che Geräuschemissionen ein Gerät abgibt. Schließlich wird vom Geräusch eines Pro-
duktes auf dessen Leistungsfähigkeit geschlossen. Dies ist bspw. bei Föns, Rasier-
apparaten, elektrischen Zahnbürsten und auch bei Kaffeemaschinen der Fall (vgl.
Siehoff, 2005, S. 58). Bei Produkten, die zu leise sind, kann (unbewusst) eine ver-
minderte Leistung vermutet werden.
• Bei Apple wird nicht nur auf das Design und damit die Optik der Geräte (vom iMac
über iPod, iPhone, iPad bis zum iWatch) besonderer Wert gelegt, sondern auch auf die
404 5 Marketing-Instrumente
verwendeten Materialien. Schließlich hat der Nutzer insb. iPad und iPhone mehrmals
am Tag in der Hand. Deshalb muss das haptische Erlebnis mit den Werten der Marke
übereinstimmen: Schließlich wird die Oberfläche dieser Produkte bei der Nutzung
u. U. viele hunderte Male pro Tag „gestreichelt“.
• Die Automobilhersteller beschäftigen sich intensiv mit der Frage, wie ein neues Auto
riechen sollte. Denn vom Geruch eines Fahrzeugs wird automatisch auch auf den Neu-
heitszustand geschlossen. Dieser spezielle Duft wird von den Herstellern künstlich er-
zeugt, da er sich nicht automatisch einstellt. Vielfach wird dieser „Neuwagenduft“ am
Ende des Produktionsprozesses gesondert eingebracht (vgl. Lindstrom, 2019, S. 159 f.).
Auch im Gebrauchtwagenhandel wird dieses sogenannte Neuwagenspray verwendet,
um andere Duftspuren im Auto zu überlagern.
• Aufgrund der Bedeutung von Gerüchen als Triggerinformation für eine Vielzahl von
Erinnerungen und damit verbundenen Emotionen wurde der Begriff des Proust-
Phänomens kreiert. Von diesem spricht man, wenn ein Duft oder ein Geruch ausreicht,
um einen ganzen Film von Erinnerungen automatisch ablaufen zu lassen. Ein solches
Ereignis hat Marcel Proust in seinem Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
beschrieben.
• Diesen Effekt machen sich Supermärkte sowie Verkaufsstellen in Bahnhöfen zunutze.
Dort wird der Geruch von frisch gebackenem Brot künstlich eingebracht. Ein Back-
ofen existiert gar nicht. Der Geruch allein wirkt stimulierend auf den Umsatz mit Back-
waren (vgl. Lindstrom, 2019, S. 158–160). Mit der gleichen Zielsetzung wird in Mode-
geschäften teilweise ein Parfüm-Mix eingesetzt, der bei Badebekleidung auch eine
„Sonnencreme-Note“ annehmen kann. Kunden sollen hierdurch ein eine positive Ein-
kaufsstimmung versetzt werden – länger verweilen und mehr kaufen!
• Einschlägige Studien zeigen, dass der Einsatz von Duftstoffen im Handel die Stim-
mung der Konsumenten verbessern kann – mit entsprechend positiven Auswirkungen
auf deren Kaufverhalten. Voraussetzung für diese Wirkung ist jedoch, dass der am POS
eingesetzte Duft als übereinstimmend mit dessen emotionaler Qualität erlebt wird. Ins-
besondere kongruente, d. h. mit dem POS übereinstimmende Raumdüfte können dazu
beitragen, eine negative Stimmung von Kunden aufzuhellen (vgl. vertiefend Kroeber-
Riel & Gröppel-Klein, 2019, S. 544–546). Um dies zu erreichen, werden sogenannte
Smell Artists bzw. Scentdesigner eingebunden.
• Zusätzlich wird im Handel versucht, durch die eingespielte Musik eine positive Stim-
mung zu erreichen. Der Kunde soll sich im Geschäft wohl fühlen. Wer länger bleibt, hat
mehr Kontakt mit der Ware und kauft tendenziell auch mehr.
cc Merk-Box Die Ausgestaltung des Marketings – und nicht nur der Kommunika-
tion – ist ganzheitlich auszurichten. Hierzu sind möglichst mehrere Sinne anzu-
sprechen. Durch einen stimmigen Einsatz von Optik, Akustik, Haptik, Gustatorik
(Geschmack) und Olfaktorik (Geruch) soll die angestrebte Positionierung ge-
sichert werden.
5.4 Kommunikationspolitik 405
0DUNHQEH]RJHQH
0DUNLHUXQJ 0DUNHQDXIEDX .RPPXQLNDWLRQ
0DUNHQQDPH
• Above-the-Line-Kommunikation (ATL)
Zur Above-the-Line-Kommunikation werden i. d. R. die klassischen Kommunikations-
formen bzw. die klassischen Kommunikationsmedien und die klassischen Kommu
nikationskanäle gezählt. Fokussiert man die Werbeträger, so gehören zu ATL Zeitun-
gen, Zeitschriften, TV, Hörfunk, Kinos und Plakatwände. Die entsprechenden
Werbemittel sind Anzeigen, TV-, Rundfunk-, Kino-Spots und Plakate.
• Below-the-Line-Kommunikation (BTL)
Zur Below-the-Line-Kommunikation werden i. d. R. alle nicht-klassischen Kommu
nikationsformen bzw. die nicht-klassischen Kommunikationsmedien und die nicht-
klassischen Kommunikationskanäle gezählt. Fokussiert man die Werbeträger, so gehören
zu BTL Telefon-Marketing, Mailings und das Online-Marketing. Die entsprechenden
Werbemittel sind Telefon-Anrufe, Mailings, E-Mails, Online-Banner etc.
Wenn diese beiden Termini hier vorgestellt werden, dann sollte geklärt werden, welche
imaginäre Linie gemeint ist. Dabei hilft das Bild eines Schiffes. Hier ist nur das für die
allgemeine Öffentlichkeit sichtbar, was sich oberhalb der Wasserlinie befindet („Above
the Line“). Alles andere („Below the Line“) ist nur für die Personen sichtbar, auf die die
Maßnahmen unmittelbar ausgerichtet sind.
Diese Abgrenzung nach der Sichtbarkeit der Aktivitäten bewährt sich m. E. aber nicht.
Eine klassische Anzeige („Above the Line“) in der Fachzeitschrift adhäsion – Kleben und
Dichten ist für die breite Öffentlichkeit wesentlich weniger sichtbar als eine Mailing-
Kampagne von UNICEF, die an zwei Millionen potenzielle Spender versendet wird
(„Below the Line“).
Der Ursprung der Definition wird teilweise auf einer ganz anderen Ebene gesehen –
genauer bei der „Profitabilität von verschiedenen Kommunikationsmaßnahmen“ aus Sicht
der Agenturen. Es ist unschwer nachzuvollziehen, dass beim Einsatz der klassischen Me-
dien („Above the Line“) mit Spots für TV, Radio und Kino sowie mit Anzeigen in Zeitun-
gen und Zeitschriften sehr viel mehr Geld zu verdienen ist als mit Mailings, E-Mails,
Online-Bannern und Telefon-Marketing („Below the Line“).
Schließlich können für Above-the-Line-Kampagnen aufwändige Shootings mit span-
nenden Regisseuren und Kameraleuten an interessanten Locations notwendig werden.
Vielfach werden dabei auch Celebritys eingebunden. Celebritys sind berühmte Personen,
die bspw. in Werbespots oder Anzeigen auftreten. Hier ist bspw. an Nicole Kidman für
Chanel oder George Clooney für Nespresso zu denken.
Bei dem Einsatz von Mailings und Online-Bannern als Beispiele für Below-the-Line-
Kampagnen wird dagegen häufig auf Stockmaterial zugegriffen. Stockmaterial umfasst
bereits vorhandene eigene oder fremde Fotos. Fremde Fotos werden über Bildagenturen
5.4 Kommunikationspolitik 407
wie Shutterstock zur Verfügung gestellt. Auch die Ausgaben für Text und Layout halten
sich ähnlich wie bei der Kreation von Skripts für das Telefon-Marketing eher in Grenzen.
Damit würde die imaginäre „Line“ die Bereiche einer Agentur treffen, die eine höhere
oder niedrigere Profitabilität aufweisen. Welcher Definition man sich auch anschließt: Die
aufgezeigten Zuordnungen zu ATL und BTL bleiben weiterhin bestehen und haben ihren
Platz in der Werbe-Sprache.
5.4.3.2 Werbung
„Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu
sparen.“
Henry Ford
„Wir verkaufen keine Kosmetik. Wir verkaufen Hoffnung.“
Charles Revson, US-amerikanischer Unternehmer, Gründer des Kosmetikunter-
nehmens Revlon
Ein Briefing muss die konkrete Zielsetzung und die generelle Ausrichtung der ge-
planten Werbung definieren. Ein überzeugendes Briefing stellt die unverzichtbare Grund-
lage für die Arbeit von Werbe- und Media-Agenturen dar. Folgende Bestandteile eines
Briefings sind unverzichtbar – Beispiel Akquisition von Neukunden:
• Zielsetzung
Wie viele Neukunden sollen durch die Akquisitions-Maßnahmen gewonnen werden?
Die Quantifizierung der Ziele ist unverzichtbar. Schließlich können die Maßnahmen
nach ihrer Durchführung nur dann bewertet werden, wenn die Ziele zu Beginn sauber
definiert wurden (vgl. Abschn. 3.2). Für die Neukundengewinnung sind die Ziele bspw.
wie folgt zu quantifizieren: Gewinnung von 500 Neukunden, 2000 Newsletter-
Abonnenten und 4000 Facebook-Fans. Pro Post sollen 50 Likes erzielt werden. Außer-
dem sind 500 App-Downloads und 1000 Store-Visits zu erreichen. Zusätzlich können
408 5 Marketing-Instrumente
gerichtet? Werden eher Einzelpersonen, Gruppen von Menschen oder die Familie
werblich angesprochen? Sind auf dem Bildmaterial eher Kleinunternehmen zu sehen?
Oder stehen dort erfolgreiche, international agierende Manager im Mittelpunkt? Sind
die eingesetzten Bilder primär produktbezogen oder stellen diese auf Menschen ab?
Sind die Fotos eher kühl oder vermitteln sie eine behagliche Atmosphäre?
• Einsatz von Werbekonstanten
Um eine Wiedererkennung der Werbung sicherzustellen, können und sollten sogenannte
Werbekonstanten eingesetzt werden. Diese Werbekonstanten werden auch Key Visu-
als genannt. Dies können Logos, bestimmte Symbole oder Schriftzüge sein, die immer
wieder verwendet werden. Diese gehören – auf Unternehmensebene – zum Corporate
Design (vgl. Abschn. 5.4.5.1). Bei der Marke gehören diese Elemente zum Markenbild
im Marken-Steuerrad (vgl. Abb. 3.10).
Beim Einsatz von Werbekonstanten ist darauf zu achten, dass eine hohe Wieder-
erkennbarkeit durch gleiche Farbgebung und gleiche Positionierung in unterschied-
lichen Werbemitteln gesichert wird. Diese Key Visuals sind über einen längeren Zeit-
raum in unveränderter Form einzusetzen. So können wichtige Lerneffekte bei den
Zielpersonen erreicht werden.
• Einbindung eines Response-Mechanismus
Bei der Neukundenakquisition wird häufig eine direkte und schnelle Reaktion der An-
gesprochenen gewünscht. Hierfür sind Reaktionsträger anzubieten. Im Offline-
Umfeld können Bestellkarten und Coupons eingesetzt werden, um die Empfänger zu
einer Reaktion zu motivieren. Im Online-Bereich können bspw. E-Coupons, App-
Downloads oder Links zur Website oder zum Online-Shop eine sofortige Reaktion
auslösen.
Um eine schnelle Reaktion auszulösen, werden sogenannte Reaktionsverstärker
eingesetzt. Dies können Preisvorteile sein, die nur vorübergehend gewährt werden
(„Verknappungsprinzip“). Ein Unternehmen kann den „ersten 100 Bestellern“ eine Zu-
gabe versprechen.
• Timing
Hier stellt sich die wichtige Frage: „Wann und wie lange soll die Kampagne zur Gewin-
nung von Neukunden laufen?“ Es ist selbstverständlich, dass hierbei Ferien- und
Urlaubsphasen berücksichtigt werden. Bei der Werbung muss man nicht immer den
Spielregeln der Branche folgen. Es können auch eigene zeitliche Akzente ge-
setzt werden.
• Erfolgskontrolle
Um den Erfolg der Werbemaßnahmen zu ermitteln, sind bereits in der Konzeptions-
phase die Möglichkeiten der Erfolgskontrolle vorzudenken. Hier wird auch von
Erfolgsmetriken bzw. KPIs gesprochen, um den Erfolg der Maßnahmen zu bewerten.
Dafür sind die eingesetzten Werbemittel mit einer Mechanik zur Erfolgsmessung zu
versehen. Beim Einsatz von Coupons kann on- wie offline leicht festgestellt werden,
wie viele Coupons eingesetzt und welche Umsätze hierdurch stimuliert wurden. Bei
Anzeigen können bspw. Aktionscodes eingesetzt werden, um Reaktionen auf ver-
410 5 Marketing-Instrumente
cc Merk-Box Für die Erarbeitung eines Briefings ist Zeit erforderlich. Diese ist al-
lerdings gut investiert! Denn je präziser das Denken vor dem Handeln ist,
desto erfolgreicher wird eine Kampagne ausfallen. Folglich stellt ein fundiertes
Briefing eine unverzichtbare Voraussetzung für einen überzeugenden
Kampagnenerfolg dar.
Von klassischer Werbung wird gesprochen, wenn diese über die klassischen Medien
übermittelt wird. Zu den klassischen Medien gehören TV, Rundfunk, Zeitungen, Zeit-
schriften, Kino und Außenwerbung (u. a. Plakate). „Klassisch“ werden diese Medien des-
halb genannt, weil sie schon lange auf dem Markt sind.
Für die Werbung in Print-Medien stehen u. a. Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigen-
blätter sowie Adress- und Telefonbücher zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um
Insertionsmedien. Der Begriff Insertion leitet sich von Inserieren für „Aufgeben einer
Anzeige“ bzw. von Inserat ab.
Zeitungen lassen sich von Zeitschriften primär durch ihr physisches Erscheinungsbild
abgrenzen. Zeitungen werden häufig auf weniger hochwertigem Papier gedruckt. Außer-
dem sind die einzelnen Bögen ineinandergelegt. Die Bögen bleiben hierdurch i. d. R. un-
gebunden. Bei Zeitschriften ist das Papier tendenziell höherwertig und die Bögen sind
geheftet oder geklebt. Eine Unterscheidung zwischen Zeitungen und Zeitschriften im
Hinblick auf Aktualität, Periodizität (Erscheinungsrhythmus) und/oder Universalität
(hinsichtlich der Breite des abgedeckten Themenkreises) hilft bei der Abgrenzung da-
gegen nicht. Denn Zeitungen und Zeitschriften gibt es in ganz verschiedenen Aus-
prägungen.
Zeitungen und Zeitschriften lassen sich nach der angesprochenen Zielgruppe unter-
scheiden:
• General-Interest-Titel
General-Interest-Titel wenden sich an eine breite Zielgruppe. Zu den General-Interest-
Zeitschriften zählen vor allem die aktuellen Illustrierten und die Programmzeitschriften.
Hier wird auch von Publikumstiteln gesprochen. Zu den Publikumszeitschriften als
5.4 Kommunikationspolitik 411
General-Interest-Titel gehören bspw. Der Stern, Der Spiegel, HÖRZU sowie die Apo-
theken Umschau. Die Apotheken Umschau erreicht pro Monat ca. 18,7. Mio. Leser.
Für Zeitungen lässt sich die gleiche Klassifizierung anwenden. Zu den Publikums-
zeitungen zählen Bild, Frankfurter Allgemeine Zeitung/Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung und Die Zeit.
Diese Titel sprechen die Gesamtbevölkerung mit allgemein interessierenden The-
men an und haben meist hohe Auflagen und große Reichweiten. Deshalb wird auch von
Massen- oder Reichweitentitel gesprochen.
• Special-Interest-Titel
Special-Interest-Titel richten sich dagegen auf Spezialzielgruppen aus. Sie adressieren
zwar grundsätzlich auch die Gesamtbevölkerung – allerdings mit einem klaren thema-
tischen Schwerpunkt. Hierzu zählen Zeitschriften, die sich bspw. auf Angeln, Essen,
Fahrradfahren oder Golf ausrichten. Diese redaktionellen Schwerpunkte beschränken
die mögliche Reichweite. Zu den Special-Interest-Zeitschriften zählen Bike, Eltern,
Essen & Trinken, FliegenFischen, Golf Magazin und ZEIT Campus.
Zu den Special-Interest-Zeitungen, die sich an spezifische Personenkreise richten,
zählen Computer Bild, Auto Bild und Sport Bild.
• Fachzeitschriften und Fachzeitungen
Im Gegensatz zu den bereits genannten General- und Special-Interest-Titeln richten
sich Fachzeitschriften und Fachzeitungen an Zielgruppen, die sich über bestimmte
Fachgebiete definieren lassen. Fachtitel sind ein wichtiges Werbemedium in der
B2B-Kommunikation. Wichtige Zielgruppen diese Fachmedien sind bspw. professio-
nelle Nutzer von Anlagen/Maschinen, Büromöbeln sowie Absatzmittler oder Experten.
Zu diesen Experten zählen bspw. Ärzte, Architekten, Berater, Landwirte, Marketing-
Manager, Rechtsanwälte und Trainer.
Zu den Fachzeitschriften zählen bspw. absatzwirtschaft, Arthroskopie, Journal of
Business Economics und SUS – Schweinezucht und Schweinemast. Auch die Fach-
zeitungen weisen einen speziellen Themenschwerpunkt auf. Zu diesen Fachzeitungen
gehören aghz – Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung, Lebensmittel Zeitung,
HORIZONT – Marketing, Agenturen, Medien sowie ZfK – Zeitung für kommunale
Wirtschaft.
Ein Verzeichnis der der Fachpublikationen findet sich unter fachzeitungen.de.
cc Denkanstoß Klassifizieren Sie die Print-Medien, die Sie im Zugriff haben, einmal
in die Kategorien „General Interest“, „Special Interest“ und „Fachmedien“.
In Print-Titeln können verschiedene Arten von Anzeigen geschaltet werden. Die wich-
tigsten Anzeigenarten werden nachfolgend vorgestellt:
• Monolog-Anzeigen
Bei Monolog-Anzeigen werden dem Leser keine Möglichkeiten zur direkten Kontakt-
aufnahme mit dem werbenden Unternehmen angeboten. Das Ziel von Monolog-
412 5 Marketing-Instrumente
Anzeigen ist meist die allgemeine Bekanntmachung des Angebotes, eine Übermittlung
von Informationen und/oder ein gezielter Imageaufbau. Wenn die Leser hier zu einer
Handlung motiviert werden sollen, dann ist dies das eigenständige Suchen bzw. Auf-
suchen von Websites, Online- und/oder Offline-Shops, ohne dass hierzu eine Hilfe-
stellung angeboten wird. Reine Monolog-Anzeigen, die nicht einmal eine Website-
Adresse angeben, werden heute allerdings immer seltener eingesetzt.
Teilweise werden auf solchen Monolog-Anzeigen Produktproben (Samples oder
Muster) aufgebracht. Dies ist häufig bei Kosmetikprodukten wie Cremes, Shampoos
und Parfums der Fall. Diese Samples sollen die Leser motivieren, das Produkt einmal
auszuprobieren. Auch hier bleibt es der Eigeninitiative der Leser überlassen, relevante
Einkaufsstätten zu finden.
• Dialoganzeigen
Bei einer Dialoganzeige wird der Leser unmittelbar zur Kontaktaufnahme aufgefordert.
Hierzu werden dem Leser eine oder sogar mehrere Kanäle zum Dialog angeboten. Des-
halb werden diese Anzeigen auch als Direct-Response-Anzeigen (DR-Anzeigen) be-
zeichnet (vgl. vertiefend 5.4.3.5; Kreutzer, 2021a, S. 172–176).
Um die Kontaktaufnahme anzustoßen, kann die Internet-Adresse als Kommu
nikationskanal in die Anzeige aufgenommen werden. Diese Internet-Adresse wird
auch URL genannt – Uniform Resource Locator. Es ist die Information, die in die
Adressleiste eines Browsers einzugeben ist, um zu einer ganz bestimmten Website zu
gelangen.
Der Einsatz eines QR-Codes („QR“ steht für „Quick Response“) erleichtert die Ein-
gabe dieser URL. Hier muss der Leser nur noch den QR-Code scannen, um direkt auf
der Website des Unternehmens zu landen. Dies erspart die Eingaben einer oft längeren
Internet-Adresse bzw. URL (vgl. vertiefend Abschn. 5.4.3.6; Kreutzer, 2021b,
S. 160–162). Der Einsatz eines Coupons mit Preisvorteil erleichtert ebenfalls den Ein-
stieg in den Dialog und dient gleichzeitig als Reaktionsverstärker.
In Summe gilt, dass man den Lesern möglichst mehrere relevante Reaktionswege
anbietet. Neben der Angabe einer Online-Adresse (URL) zur Kontaktaufnahme kann
auch die Angabe einer postalischen Adresse, einer E-Mail-Adresse, der Telefon- und/
oder Fax-Nummer erfolgen.
cc Merk-Box DR-Anzeigen zielen darauf ab, eine unmittelbare Reaktion des Le-
sers auszulösen. Hierfür werden entweder weiterführende Informationen, kon-
krete Angebote oder spezifische Vorteile ausgelobt. Monolog-Anzeigen ver-
zichten dagegen auf solche Anreize zur Kontaktaufnahme.
Zeitungen und Zeitschriften können auch als Träger von Werbebeilagen eingesetzt
werden. Viele stationäre Einzelhändler nutzen diese Möglichkeiten Woche für Woche.
Über Zeitungen und Zeitschriften erreichen regelmäßig auch Beilagen bzw. Supplements
die Leser. Solche Beilagen bzw. Supplements sind eigenständige Printprodukte. Beispiele
für solche Supplements in Zeitungen sind bspw. die TV-Programmbeilagen PRISMA und
5.4 Kommunikationspolitik 413
rtv. Auch „The Red Bulletin“ von Red Bull sowie das Magazin „Aufbruch“ von Google
werden als Supplements verteilt. Diese Supplements sind wiederum ein spezieller Werbe-
träger (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021a, S. 310–314).
Welche Printtitel belegt werden sollten, kann anhand der nachfolgenden Kriterien zur
Werbeträgerauswahl entschieden werden:
• Erscheinungsrhythmus
Wie häufig erscheint der Werbeträger? Täglich, wöchentlich, zweiwöchentlich, monat-
lich, vierteljährlich etc.?
• Zeitlicher Vorlauf für eine Schaltung
Wie lange vor dem Erscheinen der Anzeige müssen alle notwendigen Daten beim Ver-
lag sein?
• Reichweite des Titels
Wie viele Personen können durch ein Medium erreicht werden? Die Reichweite beträgt
bspw. bei Bild 6,3 Mio., bei der Süddeutschen Zeitung 1,21 Mio., bei der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung 870.000, bei Die Welt 510.000 und beim Handelsblatt 450.000
(vgl. Statista, 2021g). Weitere Informationen liefert die AWA (2021).
• Zielgruppenabdeckung
Wie gut kann die definierte Zielgruppe über einen Titel erreicht werden – etwa im Ver-
gleich von Der Spiegel über Apotheken Umschau zu Bild der Frau?
• Image des Titels
Welche Glaubwürdigkeit, welches Vertrauen und in Summe welche Wertigkeit bringt
die Zielgruppe diesem Medium entgegen. Hier ist bspw. an die unterschiedliche
Glaubwürdigkeit von Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vs. BamS „Bild am
Sonntag“ zu denken.
• Kosten für die Schaltung
Wie hoch ist die Auflage eines Mediums? Wie viele Personen können hierdurch er-
reicht werden? Wie hoch sind die absoluten Kosten für die Schaltung einer 1/1 4c-
Anzeige (vgl. Die Zeitungen, 2021; Der Spiegel, 2021)?
–– Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: Auflage 210.000, Anzeigenpreis von
65.000 €
–– Frankfurter Allgemeine Zeitung: Auflage 219.000, Anzeigenpreis von 73.970 €
–– Handelsblatt: Auflage 127.000, Anzeigenpreis von 64.750 €
–– Die Harke (regionale Tageszeitung): Auflage 15.000, Anzeigenpreis von 4313 €
–– Der Spiegel (1/1-Innenanzeige): Auflage 650.000, Anzeigenpreis 82.700)
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Das Fernsehen war im Jahr 2020 in Deutschland mit durchschnittlich knapp vier Stun-
den Nutzung am Tag das Medium mit der längsten täglichen Nutzungsdauer (vgl.
Abb. 5.69). Das inhaltlich genutzte Internet folgt mit 133 Minuten. Das Radio landet
mit 101 Minuten auf Platz drei. Während die Nutzungsdauer von Fernsehen und Radio seit
2014 gesunken ist, nahm die Nutzungsdauer des inhaltlich genutzten Internets im selben
Zeitraum von 61 Minuten auf 101 Minuten zu
Bei der TV-Werbung können nicht nur unterschiedliche Kanäle (etwa ARD vs. RTL),
sondern auch unterschiedliche Zeitfenster und thematische Umfelder gewählt werden.
Durch eine Schaltung von TV-Spots vor, während oder nach Sport- oder Kultursendungen,
Reportagen, Shows, Spielfilmen, Soap-Operas oder Telenovelas können jeweils spezi-
fische Zuschauergruppen angesprochen werden. Die Zielgruppen von Casting-Shows wie
The Voice of Germany oder Germany’s Next Top Model by Heidi Klum unterscheiden sich
deutlich von den Zuschauern bei WM-Fußballspielen oder Tatort-Folgen.
Soap Operas (Seifenopern) stellen Fernsehserien wie Gute Zeiten, schlechte Zeiten
oder Berlin – Tag und Nacht dar. Diese sind häufig als Endlos-Serien konzipiert und wer-
den regelmäßig gesendet, z. T. mehrmals wöchentlich. Sie sind meist preiswert produziert
und sollen ein werbefreundliches Umfeld schaffen – etwa für Waschmittel. Deshalb wer-
den diese Serien auch „Soap Operas“ genannt.
5.4 Kommunikationspolitik 415
Die Telenovela als Spezialform der Soap Opera wird aus der Perspektive einer (meist
weiblichen) Hauptfigur erzählt, wie bei Sturm der Liebe oder Rote Rosen. Telenovelas
werden auch als „modernes Märchen mit Happy End“ gekennzeichnet.
Fernsehen ist nach wie vor das wichtigste Reichweitenmedium. Nur durch den Ein-
satz von TV-Werbung kann in kurzer Zeit eine größere Bekanntheit in großen Zielgruppen
erzielt werden. TV bietet heute eine Vielzahl von Werbeformen (vgl. Abb. 5.63).
• Klassischer TV-Spot
Der klassische TV-Spot ist heute durchschnittlich 30 Sekunden lang. Ein Tandem-Spot
bezeichnet eine aus zwei Teilen bestehende Werbeeinheit innerhalb eines Werbeblocks
im Fernsehen oder Hörfunk. Nach dem Hauptspot wird ein kürzerer Folgespot als so-
genannter Reminder geschaltet. Bei der Tridem-Werbung besteht die Werbeeinheit
aus drei Teilen.
• Direct-Response-TV-Spot
Der Direct-Response-Spot enthält einen Call-to-Action. Der Zuschauer wird auf-
gefordert anrufen, zu mailen und/oder eine Website aufzurufen.
• Special Ad/Special Creation
Die Bandbreite der Special Ads reicht vom Branded-Entertainment-Format über die
kreative Veredlung eines Werbespots bis zur individuellen Überleitung zu einem werb-
lichen Beitrag. Special Creations ermöglichen eine engere Verknüpfung von Programm
und Werbung.
• Titel-Sponsoring/Programm-Sponsoring
Durch den Aufbau einer inhaltlichen Beziehung zwischen Sponsor und Programm wird
eine höhere Zuschauerakzeptanz angestrebt. So werden werbliche Inhalte mit beliebten
Programmmarken, begehrten Sendergesichtern und attraktiven Zielgruppen zusammen-
geführt. Beim Titel-Sponsoring wird der Name des Auftraggebers direkt in den Schrift-
zug und das Logo des Sendungstitels implementiert. Beim Programm-Sponsoring wird
die gesamte Sendung durch ein Unternehmen präsentiert, so bspw. in der ARD bei
Wetter vor acht und Wissen vor acht.
• Ad Break Specials
Ad Break Specials sind Werbeblöcke, die bspw. eine thematische Bündelung auf-
weisen. Hierdurch soll ein harmonisches Werbeumfeld geschaffen werden. Mit dem
Satz „Jetzt nur drei Spots“ motiviert man den Fernsehzuschauer, die Werbepause nicht
für andere Aktivitäten zu nutzen. Durch wenige Spots in einem Werbeblock soll eine
höhere Aufmerksamkeit gesichert werden.
• Addressable TV-Spot
Beim Addressable TV-Spot wird der lineare TV-Spot mit zielgruppenspezifischem
Content überlagert. Das führt dazu, dass verschiedene Zielgruppen auf dem gleichen
Kanal zum gleichen Zeitpunkt unterschiedliche Werbespots sehen. Hierdurch soll eine
höhere Aufmerksamkeit für die werblichen Inhalte erzielt werden. Zielgruppen können
bei der TV-Werbung folglich individueller angesprochen werden. Perspektivisch kön-
416 5 Marketing-Instrumente
nen hier weitere digitale Geräte eingebunden werden. Der Einsatz von Addressable
TV ist momentan im Aufbau.
cc Merk-Box Um bei der Vielfalt der Medien, Zeitfenster, Zielgruppen und Werbe-
formen die richtige Auswahl zu treffen, werden Media-Agenturen ein-
gebunden. Führende Media-Agenturen sind Carat, Mediaplus, Havas Media,
OMD Group, Pilot, Mediacom und Mindshare.
Unterschiedliche Werbeformate wurden nicht nur entwickelt, um insb. für die werbe-
finanzierten TV-Sender neue Einnahmequellen zu erzielen. Diese Werbeformate sollen
auch dem kontinuierlich steigenden Phänomen des Zappings entgegensteuern. Der Be-
griff „Zapping“ ist abgeleitet von engl. „Zapper“ für die Fernbedienung. Unter Zapping
versteht man das Umschalten von einem Programm zum anderen. Besonders häufig moti-
viert der anlaufende Werbeblock zum Umschalten. Die Zapping-Quote gibt den Unter-
schied zwischen der Programm- und der Werbeinsel-Reichweite an.
Eine höhere Werbewirkung wird auch durch Product Placement angestrebt. Als Pro-
duct Placement wird die Platzierung von Produkten, Dienstleistungen oder Marken zu
Werbezwecken u. a. in Spielfilmen, Soap Operas, Telenovelas, Reportagen, Shows und
Verbrauchersendungen bezeichnet. Ein Product Placement ist auch die Nennung von
spezifischen Marken in redaktionellen Beiträgen von Zeitungen und Zeitschriften, ohne
dass dies als Werbung herausgestellt und/oder unmittelbar sichtbar wird. Die Einbindung
erfolgt häufig gegen finanzielle oder sachliche Zuwendungen.
Bekannte Beispiele für Product Placement liefern die James-Bond-Filme. Im Film
Spectre sind folgende Produkte in die Handlung eingebunden:
Im Film Ziemlich beste Freunde wurde die Luxusautomarke Maserati mehrfach über-
zeugend ins Bild gesetzt. In der Krimi-Serie Tatort tauchen ebenfalls regelmäßig be-
stimmte Marken auf, sei es Paroli, Marlboro, Audi oder VW. Natürlich können auch Kom-
missare Verbrecher nicht per Fahrrad jagen, aber man fragt sich manchmal, ob eine lange
Einstellung, die einen immer frisch gewaschenen schwarzen Audi oder Porsche zeigt, aus
Sicht der Zuschauer dramaturgisch notwendig ist.
5.4 Kommunikationspolitik 417
Die bisher vorhandene rechtliche Grauzone, die durch den Begriff Schleichwerbung
deutlich wurde, ist durch den Medienstaatsvertrag weitgehend beseitigt worden. Der
Medienstaatsvertrag (MStV, 2020) regelt Pflichten und Rechte aller Medienanbieter
(Rundfunk und Telemedien) in Deutschland. Dieser Vertrag ist seit dem 7. November
2020 in Kraft. Der Medienstaatsvertrag löst den seit 1991 geltenden Rundfunkstaatsver-
trag (RStV) ab, der weitgehend auf Radio und Fernsehen ausgerichtet war.
Im Medienstaatsvertrag heißt es im § 2 MStV: „Schleichwerbung (ist) die Erwähnung
oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines
Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie
vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kenn-
zeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung
oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere
dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegen-
leistung erfolgt.“
Ergänzend heißt es in § 8 (7) MStV: „Schleichwerbung und Themenplatzierung sowie
entsprechende Praktiken sind unzulässig. Produktplatzierung ist gestattet, außer in Nach-
richtensendungen und Sendungen zur politischen Information, Verbrauchersendungen,
Regionalfensterprogrammen nach § 59 Abs. 4, Fensterprogrammen nach § 65, Sendungen
religiösen Inhalts und Kindersendungen. Sendungen, die Produktplatzierung enthalten,
müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:
Auf eine Produktplatzierung ist eindeutig hinzuweisen. Sie ist zu Beginn und zum
Ende einer Sendung sowie bei deren Fortsetzung nach einer Werbeunterbrechung oder im
Hörfunk durch einen gleichwertigen Hinweis angemessen zu kennzeichnen. Die Kenn-
zeichnungspflicht entfällt für Sendungen, die nicht vom Veranstalter selbst oder von einem
mit dem Veranstalter verbundenen Unternehmen produziert oder in Auftrag gegeben wor-
den sind, wenn nicht mit zumutbarem Aufwand ermittelbar ist, ob Produktplatzierung
enthalten ist; hierauf ist hinzuweisen. Die in der ARD zusammengeschlossenen Landes-
rundfunkanstalten, das ZDF und die Landesmedienanstalten legen eine einheitliche Kenn-
zeichnung fest.“
418 5 Marketing-Instrumente
Eine besondere Form der Werbung stellt die Freundschaftswerbung dar. Diese wird
auch unter den Begriffen Member gets Member und Tip a friend diskutiert. Die Grund-
idee ist, dass eigene Kunden andere Personen aus dem persönlichen Umfeld für die Leis-
tungen eines Unternehmens gewinnen und dafür belohnt werden. Diese Art der Werbung
findet u. a. bei Zeitungs- und Zeitschriften-Abonnements, bei Online-Shops und im
Finanzdienstleistungssektor statt.
Freundschaftswerbung ist eine besonders glaubwürdige Werbeform, da das „Ver-
kaufsgespräch“ auf einer persönlichen Beziehung basiert. Durch Freundschaftswerbung
können häufig besonders wertige Kunden gewonnen werden. Aufgrund der Erfolge der
Freundschaftswerbung wurde diese inzwischen so weiterentwickelt, dass auch Nicht-
Kunden neue Kunden werben können. Obwohl das der Ursprungsidee der Freundschafts-
werbung widerspricht, werden solche Konzepte sehr erfolgreich eingesetzt (vgl. vertiefend
Kreutzer, 2021a, S. 245–247).
Auf dem Prinzip der Freundschaftswerbung setzt ein Kommunikationsinstrument auf,
das als Buzz-Marketing bezeichnet wird. „Buzz“ heißt wörtlich übersetzt „Summen“ und
bedeutet, dass sich viele Personen möglichst intensiv in der Öffentlichkeit und/oder in
ihrem Freundes- und Bekanntenkreis über die Vorzüge von Produkten oder Dienst-
leistungen austauschen sollen. Beim Buzz-Marketing handelt es sich um die mehr oder
weniger intensive Einbindung eigener Kunden bzw. als solche in Erscheinung tretende
Personen, die in ihrem jeweiligen Umfeld aktiv oder passiv ein bestimmtes Angebot
herausstellen. Deshalb werden diese Personen Buzz-Agenten genannt. Im Kern ist
Buzz-Marketing ein spezifisches Kommunikationsinstrument, welches den bisherigen
Kommunikations-Mix der Unternehmen ergänzen kann.
Der kreative Ansatz des Buzz-Marketings liegt in der Nutzung der persönlichen Be-
ziehungen des Agenten bzw. in der deutlich sichtbaren Produktnutzung in der Öffentlich-
keit. Hierdurch soll ein Schneeball-Effekt auf Konsumentenseite erzeugt werden. Da
rüber hinaus sind Buzz-Agenten auch als Käufer aktiv. Hierzu fragen mehrere Agenten
unabhängig voneinander in einer Vielzahl von Geschäften zu verschiedenen Zeitpunkten
nach einem bestimmten Produkt. Durch dieses als Pull-Strategie bekannte Konzept wird
im Handel ein Bedarf spürbar.
Wenn die Händler eine nachhaltige Nachfrage erwarten, könnten sie die Produkte in ihr
Sortiment aufnehmen. So soll ein Schneeball-Effekt auf Handelsseite ausgelöst werden.
Schließlich schafft die Produktpräsenz im Handel quasi automatisch eine gewisse Nach-
frage. Das Konzept steht und fällt allerdings mit der Qualität des Produktes. Durch eine
Mund-zu-Mund-Propaganda kann zwar ein erstmaliger Konsum angestoßen werden.
Wenn das Produkt jedoch nicht überzeugt, verpufft die Wirkung, und die erwünschten
Schneeball-Effekte bleiben aus.
Beim Guerilla-Marketing (abgeleitet von „Guerilla“ i. S. von Kleinkrieg) handelt es
sich im Kern ebenfalls „nur“ um eine spezifische Ausprägung der Kommunikationspolitik.
5.4 Kommunikationspolitik 419
Bei dieser wird versucht, on- wie offline aus ausgetretenen Bahnen der kostenintensiven
Kommunikation auszubrechen. Stattdessen soll mit häufig kleinen, aber überraschenden
und unkonventionellen Aktionen eine möglichst hohe Aufmerksamkeit erreich werden. Da
bei diesen Aktivitäten die Grenzen der Legalität auch einmal überschritten werden, wird
der Begriff „Guerilla“ genutzt (vgl. grundlegend Levinson, 2016).
Eine besondere Ausprägung des Guerilla-Marketings stellt das sogenannte Ambush-
Marketing dar (vgl. auch Fuchs, 2019). Der Begriff leitet sich von „to be ambushed“ für
„aus dem Hinterhalt überfallen werden“ ab. Hierbei wird ein Unternehmen bspw. mit eige-
ner Werbung als Trittbrettfahrer bei einer Veranstaltung tätig, ohne selbst Sponsorengelder
für dieses Event bezahlt zu haben. Ein solches Vorgehen findet bspw. im Umfeld von Fuß-
ballspielen und Konzerten statt. Während Unternehmen A als Sponsor tätig war, präsen-
tiert sich Unternehmen B im Umfeld der Veranstaltung und versucht, viel Aufmerksamkeit
auf sich zu ziehen. Das Ziel des werbenden Unternehmens beim Ambush-Marketing ist es,
bei solchen Veranstaltungen aufzufallen und ggf. sogar als Sponsor eingeschätzt zu wer-
den, obwohl hierfür nichts bezahlt wurde.
Eine zunehmende Bedeutung erlangt die Werbeform Ambient Media. Ambient Media
oder auch Ambient-Marketing oder Ambient Advertising bestellt eine besondere Form
der Außenwerbung dar. Ambient Media ist eine Werbeform, die im direkten Lebensumfeld
der anzusprechenden Zielgruppe platziert wird. Daher leitet sich der Begriff „ambient“ für
die Zielperson „umgebend“ ab. Durch Ambient Media werden Zielpersonen an Orten und
in Situationen werblich angesprochen, wo sie klassischerweise nicht mit Werbung rechnen.
Zu Ambient Media zählt die Platzierung von werblichen Informationen in U-Bahnen
(präsentiert auf Info-Screens), in der Gastronomie bzw. generell im öffentlichen Raum.
Hierdurch soll die – etwa bei sehr mobilen Zielgruppen – eingeschränkte Erreichbarkeit
über klassische Medien überwunden werden. Konkrete Ausprägungen von Ambient Media
sind auch Displays im Kino-Eingangsbereich ebenso wie werbliche Hinweise, die bspw.
auf den Zapfpistolen an Tankstellen oder in Herren-Toiletten in Augenhöhe angebracht sind.
Auch Gratispostkarten, die in der Gastronomie verteilt werden (bspw. Edgar Free-
cards), mobile Digital-Out-of-Home-Lösungen sowie die Verkehrsmittelwerbung zählen
zur Kategorie Ambient Media. Der Tausend-Kontakt-Preis liegt bei diesen Werbeformaten
häufig über dem von klassischen Medien. Die Einbindung in den Mediaplan von Unter-
nehmen kann zielführend sein, weil häufig eine deutlich bessere Kontaktqualität erzielt
werden kann und bestimmte Zielgruppen u. U. nur so angesprochen werden können.
Generell gilt, dass ein Unternehmen durch eine offensive PR das eigene Image in der
Öffentlichkeit nachhaltig beeinflussen kann. Unternehmen, die der Öffentlichkeit und
insb. den Medien keine Informationen bereitstellen, sind häufig Gegenstand von Spekula-
tionen. Um das Bild des Unternehmens zu prägen, können folgende Instrumente der
Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden:
• Pressekonferenzen
Pressekonferenzen haben das Ziel, den eingeladenen Pressevertretern ein bestimmtes
Bild des Unternehmens zu vermitteln. Hierzu werden i. d. R. On- und Offline-
Pressemappen vorbereitet, die bereits fertige Pressetexte (oft in Lang- und Kurzform)
sowie Bildmaterial enthalten und die teilweise unmittelbar in Publikationen einfließen.
Pressekonferenzen bieten auch die Möglichkeit, durch Fragen an die anwesenden
Unternehmensvertreter Hintergrundinformationen zu erhalten.
Standardmäßig finden Pressekonferenzen quartalsweise oder jährlich statt. Zusätz-
liche Veranstaltungen werden vor oder nach Unternehmensakquisitionen sowie zur
Vorstellung neuer Produkte und Dienstleistungsfelder durchgeführt. Hierdurch soll die
breite Öffentlichkeit über die damit verbundenen Ziele und Strategien informiert werden.
• Hauptversammlungen
Hauptversammlungen sind ebenfalls eine gute Möglichkeit der unternehmerischen
Selbstdarstellung. Bei den größeren und/oder interessanten (börsennotierten) Aktien-
5.4 Kommunikationspolitik 421
Bei den flankierend zur Öffentlichkeitsarbeit einzusetzenden Maßnahmen, die eine Pu-
blizierung oder eine Ausstrahlung der gewünschten Informationen sicherstellen können,
sind weniger kreative als vielmehr ethische Grenzen zu berücksichtigen. Zur Unter-
stützung eines professionellen öffentlichen Auftritts werden häufig spezialisierte PR-
Agenturen eingebunden (vgl. www.gpra.de).
422 5 Marketing-Instrumente
cc Merk-Box Aufgrund ihrer Wichtigkeit für das gesamte Unternehmen ist die
Öffentlichkeitsarbeit organisatorisch häufig beim Vorstandsvorsitzenden oder
bei der Geschäftsführung angesiedelt.
5.4.3.4 Verkaufsförderung
Im Gegensatz zur Werbung ist die Verkaufsförderung (VKF, auch Sales Promotion)
kurzfristig und viel stärker unmittelbar verkaufsorientiert ausgerichtet. Die Laufzeit von
VKF-Maßnahmen ist beschränkt und kann wenige Tage bis einige Monate umfassen. VKF
beinhaltet häufig nicht nur kommunikative Aspekte, sondern schließt auch Instrumente
aus anderen Feldern des Marketing-Diamanten ein.
Folgende Arten der Verkaufsförderung sind zu unterscheiden (vgl. Abb. 5.70):
• Consumer-Promotion (Verbraucherpromotion)
Verbraucherpromotions sprechen unmittelbar den Ziel-Kunden an. Hierzu werden
bspw. im Handel Zweitplatzierungen aufgebaut. Dort können auch Verkostungen statt-
finden und Gewinnspiele veranstaltet werden. Über on- und offline verteilte Coupons
können zeitlich befristete Preisvorteile eingeräumt werden. Die Zielsetzung besteht
darin, Kunden mittelbar zum Kauf zu bewegen.
• Dealer-Promotion (Handelspromotion)
Durch Handelspromotions umwerben die Hersteller die im Vertriebskanal ein-
gebundenen Handelspartner. Diese Partner sollen sich – durch spezifische Anreize mo-
tiviert – verstärkt für den Verkauf der Leistungen des Herstellers einsetzen. Dazu wer-
+HUVWHOOHU
+DQGHO
=LHO.XQGH%&%%
cc Merk-Box Alle Arten der Verkaufsförderung zielen letztlich darauf ab, den Um-
satz – und hoffentlich auch den Gewinn – für das leistende Unternehmen kurz-
fristig zu steigern.
• Individuelle Einzelansprache
Die individuelle Einzelansprache erfolgt ausgerichtet auf jeden einzelnen Empfänger.
Basierend auf der bisherigen Kundenhistorie (etwa bisher getätigte Käufe) oder auf
weiteren Daten erfolgt eine ganz individuelle Ansprache. Dann heißt es bspw.: „… für
Sie als Fahrer des Audi A5 Cabriolets …“. Oder es wird ein spezifisches Versicherungs-
angebot auf Basis des Geburtsdatums präsentiert: „… nur noch bis zu Ihrem Geburtstag
am 9.5. gelten unsere niedrigeren Einstiegsprämien …“. Durch eine solche Ansprache
kann eine hohe Relevanz der übermittelten Botschaften erreicht werden.
• Persönliche Einzelansprache
Bei der persönlichen Einzelansprache wird eine größere Zielgruppe mit identischem
Inhalt namentlich angesprochen („Sehr geehrte Frau Paschen, …“). Eine weiter-
führende Individualisierung der Inhalte des Schreibens erfolgt dagegen nicht.
• Teiladressierte Ansprache
Eine lediglich teiladressierte Ansprache liegt vor, wenn ein Haushalt wie folgt adres-
siert wird: „An die Gartenfreunde des Hauses Alter Heeresweg 36 in 53639 Königs-
424 5 Marketing-Instrumente
winter“. Dies ist eine spezifische Sendungsform der Deutschen Post mit Namen Post-
wurfspecial.
• Unadressierte Ansprache
Eine unadressierte Ansprache erfolgt bspw. durch die Hausverteilung von Produkt-
proben (Sampling) oder durch Postaktuell (früher Postwurfsendung genannt). Durch
Postaktuell können unadressierte Werbeprospekte, Flyer und Kataloge an ausgewählte
Haushalte verteilt werden – von regional bis deutschlandweit. Auch hier liegt noch eine
direkte Ansprache vor, weil die Botschaft unmittelbar den Briefkasten der Zielperson
erreicht.
Zur Dialogkommunikation gehören zusätzlich auch die Aktivitäten, die sich einer
mehrstufigen Kommunikation bedienen, um einen direkten individuellen Kontakt her-
zustellen. Hierzu zählen spezifische Ausgestaltungen der bereits diskutierten Werbemittel.
Ein TV-Spot wird zu einem Instrument der Dialogkommunikation, wenn eine direkte Re-
aktionsmöglichkeit angeboten wird. Bei einem solchen DR-TV-Spot werden eine oder
mehrere der folgenden Kontaktmöglichkeiten angeboten:
• postalische Adresse
• E-Mail-Adresse
• Homepage oder eine andere spezifische Internet-Adresse (URL)
• Telefonnummer
Das Ziel eines DR-TV-Spots besteht darin, den Zuschauer zu einer unmittelbaren Re-
aktion i. S. einer Direct Response (DR) zu bewegen.
Die meisten Online-Angebote von Unternehmen zielen heute auf eine unmittelbare
Reaktion des Nutzers ab. Das ist bei Online-Bannern, Keyword-Anzeigen wie auch bei
vielen Engagements in den sozialen Medien der Fall. Vielfach laden auch die Corporate
Websites zur Reaktion ein – bspw. durch das Angebot eines Newsletters oder den Down-
load von weiteren Informationen (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021b).
5.4 Kommunikationspolitik 425
Die Gewinnung dieser Kontaktdaten ist häufig auch die vorrangige Zielsetzung von
Gewinnspielen. Wenn eine Adresse, eine Telefonnummer bzw. eine E-Mail-Adresse vor-
liegt, kann eine direkte Interaktion und damit ein Dialog mit den dahinterstehenden Perso-
nen beginnen. Wichtig ist hierbei, dass beim Einsatz von Telefon und E-Mail die erforder-
lichen Permissions (Erlaubnisse) zur Kontaktaufnahme vorliegen müssen. Bei einer
Ansprache durch einen persönlich adressierten Brief ist eine solche Erlaubnis nicht er-
forderlich.
Die Begriffe Dialogkommunikation und Dialogwerbung sollten präzise ver-
wendet werden:
• Von Dialogkommunikation und nicht von Dialogwerbung ist zu sprechen, wenn bei
einer Ansprache keine Werbeziele im Mittelpunkt stehen. So kann bspw. ein Interessen-
verband der pharmazeutischen Industrie wichtige Politiker per Mailing der per E-Mail
ansprechen, um diese zu einer bestimmten Intervention bei anstehenden Gesetz-
gebungsverfahren zu motivieren. Hierbei liegen eher PR-Ziele zugrunde.
• Von Dialogwerbung ist zu sprechen, wenn direkt wirkende Kommunikations-
instrumente zur Erreichung werblicher Ziele eingesetzt werden.
Eines der wichtigsten Instrumente der Dialogkommunikation und damit auch der
Dialogwerbung ist das Mailing. Dieses wird auch Direct Mail, Werbebrief oder – in Ab-
grenzung zur E-Mail – White Mail genannt. Der Einsatz von Mailings kann sich auf
verschiedene Zielgruppen ausrichten:
Die Deutsche Post veröffentlich laufend Studien, die die Wirksamkeit von Mailings –
auch im Verbund mit anderen Medien – untersuchten Hier sind einige der Studien auf-
gezeigt, die über die Website der Deutschen Post heruntergeladen werden können:
Eine besonders wichtige Ausprägung des Telefon-Marketings stellt das Mobile Mar-
keting dar (vgl. Kreutzer, 2021b, S. 387–405; Rieber, 2017). Hierunter fallen alle kommu-
nikativen Maßnahmen, die ein Unternehmen unter Einsatz der telefonischen Kontaktauf-
nahme über mobile Endgeräte initiiert, um damit das Verhalten insb. von Interessenten und
Kunden direkt zu beeinflussen. Hier findet sich das wichtige Einsatzfeld des sogenannten
App-Marketings. Apps – als Abkürzung von Application („Anwendung“) – sind Pro-
gramme, die einen sehr einfachen mobilen Zugriff auf online verfügbare Inhalte er-
möglichen.
Mobile Marketing bietet Unternehmen die in Abb. 5.71 aufgezeigten Einsatzfelder.
Viele der hier beschriebenen Anwendungen basieren auf Apps, die sich nach wie vor
inflationär verbreiten. Diese Entwicklung wird auch dadurch befeuert, dass die meisten
Apps kostenlos angeboten werden. Auch die kostenpflichtigen Apps weisen seit 2009
weltweit lediglich einen Durchschnittspreis um 2 US-$ auf (vgl. Statista, 2021i).
Bei den Apps sind verschiedene App-Geschäftsmodelle zu unterscheiden, die teil-
weise auch in Kombinationen auftreten:
5.4 Kommunikationspolitik 429
Teilweise wird aufgrund der Relevanz dieser Programme von einer App-Economy ge-
sprochen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Download einer App nicht auto-
matisch mit deren intensiver Nutzung gleichzusetzen ist. Das ist auch nachvollziehbar,
wenn man sich vor Augen führt, dass über 50 % der Smartphone-Nutzer 13 und mehr
Apps installiert haben (vgl. Statista, 2020b, S. 21). Da nicht jede App zu einer intensiv
genutzten Pareto-App werden kann, ist von einem hohen Anteil an Sleeper-Apps
auszugehen.
cc Denkanstoß Prüfen Sie doch selbst einmal, welche Apps Sie heruntergeladen
haben, aber nie oder fast nie nutzen! Wie hoch ist Ihr Anteil an Sleeper-Apps?
Um eine intensive Nutzung der Apps zu unterstützen, ist beim Einsatz von Apps nicht
nur ein Budget für die Entwicklung und laufende Programmpflege vorzusehen. Zu-
sätzlich sollten die Anbieter von Apps auch ein Budget fürs App-Marketing einplanen.
Dieses darf sich nicht allein auf den Launch-Zeitpunkt beziehen, sondern sollte die ge-
samte Laufzeit der App begleiten. Denn viele Apps stellen keine Selbstläufer dar und
müssen kontinuierlich beworben werden, wenn sie keine überragende Relevanz für die
Nutzer erzielen.
Die Relevanz des App-Marketings resultiert aus der Tatsache, dass eine 24/7-Erreich-
barkeit zunehmend als „lebensnotwendig“ erachtet wird und immer mehr Menschen „al-
ways on“ sind.
430 5 Marketing-Instrumente
cc Merk-Box Das Handy wird immer stärker zu einem sehr persönlichen Smart
Service Terminal. Es stellt für Unternehmen einen immer wichtiger werdenden
Zugangskanal zu den unterschiedlichsten Zielgruppen dar.
Eine weitere Möglichkeit, insb. die mobile Kommunikation zu intensivieren, liefert der
QR-Code. Wie schon dargelegt, steht QR für Quick Response. Der QR-Code besteht aus
einer quadratischen Matrix und enthält Daten, die durch eine Software ausgelesen werden
können. Diese liegt bereits für viele Smartphone und weitere Mobile Devices als Apps vor
oder ist bereits als Funktion in die Kamera integriert.
Richtet man das Lesegerät (bspw. das Smartphone) auf den Code aus und scannt die-
sen, erfolgt durch die Software die Decodierung. Der Nutzer wird zu ergänzenden Infor-
mationen auf einer Website weitergeleitet (vgl. Abb. 5.72).
Der QR-Code kann bspw. genutzt werden, um eine Web-Adresse zu kodieren und dem
Anwender unmittelbar weiterführende Informationen oder konkrete Angebote zu unter-
breiten. Nach dem Scannen und Auslesen des Codes muss der Nutzer ggf. nur noch auf
Senden drücken, um eine Bestellung auszulösen. Außer der Web-Adresse als Link zu kon-
kreten Angeboten kann der Code auch Telefonnummer, Adresse oder weitere textliche
Informationen enthalten.
Um den Code zu verbreiten, wird dieser häufig in Anzeigen, Flugblättern, Mailings,
Flyern oder auch auf Plakaten eingesetzt. Auch in Zeitung und Zeitschriften wird er regel-
mäßig eingesetzt, um eine leichtere Kontaktaufnahme oder direkte Bestellungen
auszulösen.
cc Merk-Box Der Vorteil des QR-Codes besteht darin, dass das fehleranfällige und
zeitaufwändige (mobile) Eintippen einer Web-Adresse entfällt. Dies ist ein ech-
ter Nutzungsvorteil.
Zur Erzeugung des QR-Codes wird ein QR-Code-Writer benötigt. Solche sind online
leicht zu finden (bspw. http://goqr.me/de/). Der Rechtinhaber am QR-Code, das japanische
Unternehmen Denso Wave, hat die Spezifikationen des Codes öffentlich zugänglich
g emacht und verzichtet auf seine Rechte als Patentinhaber. Der Einsatz des QR-Codes
steht damit jedem kostenlos zur Verfügung.
Für den Einsatz von Instrumenten der Dialogkommunikation (hier insb. Telefon,
E-Mail, Fax) hat der Gesetzgeber strenge Regeln definiert. Diese sind sowohl bei der
Kundenakquisition wie auch bei der Kundenbetreuung zu berücksichtigen. Neben den
Regeln der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind hier vor allem auch die Regeln
des UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2021) zu berücksichtigen. Dort wird
in § 7 zum Themenfeld unzumutbare Belästigungen wörtlich ausgeführt:
Der Begriff Permission steht für Erlaubnis und soll zum Ausdruck bringen, dass es von
der Entscheidung des Empfängers abhängt, in welcher Weise dieser angesprochen werden
darf. Nach § 7 (2) 1 UWG darf bspw. keine unadressierte Werbung zugestellt werden,
wenn am Briefkasten ein „Keine Werbung“-Aufkleber angebracht ist. Vollständig adres-
sierte Schreiben dürfen allerdings auch bei einem Werbe-Stopp-Aufkleber ein-
geworfen werden.
Verboten ist nach § 7 (2) 2 UWG ein werblicher Telefonanruf an Verbraucher, wenn
Verbraucher diesem nicht explizit zugestimmt haben. Hier wird von einer Opt-in-
Regelung gesprochen. Der Verbraucher muss dafür gestimmt bzw. optiert haben, dass er
telefonisch angesprochen werden darf. Eine werbliche telefonische Kontaktaufnahme
gegenüber anderen Marktteilnehmern (hier sind insb. Unternehmen gemeint) ist nach § 7
(2) 2 UWG bei einer mutmaßlichen Einwilligung zulässig. Es liegt die Überlegung zu-
grunde, dass Unternehmensvertreter eine geringere Schutzbedürftigkeit gegenüber Werbe-
anrufen aufweisen als Verbraucher. Allerdings legen die meisten Richter in Deutschland
den Begriff „mutmaßliche Einwilligung“ eng aus.
Eine werbliche Kontaktaufnahme durch Anrufmaschinen, Fax und E-Mail ist
ohne Einwilligung des Adressaten generell verboten (§ 7 (2) 3 UWG). Hier unter-
scheidet der Gesetzgeber nicht zwischen Konsumenten und Entscheidungsträgern in
Unternehmen.
Eine Erleichterung für E-Mail-Werbung bietet § 7 (3) UWG für Unternehmen, die im
Zuge ihrer Geschäftstätigkeit mit den Kunden deren E-Mail-Adresse erhalten. Hiernach
darf ein Unternehmen diese Adresse für eigene werbliche Zwecke einsetzen, solange der
Kunde dem nicht widerspricht, auf das Widerspruchsrecht hingewiesen wird und für
eigene ähnliche Angebote geworben wird. Dies ist eine Opt-out-Regelung. Hier muss der
Kunde für den Ausstieg optieren, wenn er keine weiteren E-Mails erhalten möchte (vgl.
vertiefend Blind & Stumpfrock, 2021, S. 387–410).
Der Erfolg der Dialogkommunikation geht neben der Berücksichtigung dieser recht-
lichen Rahmenbedingungen mit dem Aufbau und der Pflege einer Interessenten- und
Kundendatenbank (auch CRM-Datenbank) einher. Die Aufgaben einer CRM-
Datenbank umfassen die Ermittlung, Aufbereitung, Zusammenführung, Speicherung,
Auswertung und Aktualisierung von kunden- und interessentenbezogenen Adress-, Profil-
und Historiendaten. Basierend auf gut aufbereiteten Informationen über die Empfänger
können idealerweise „relevantere“ Inhalte übermittelt werden – die zu weiteren profita
blen Umsätzen führen. Die große Herausforderung besteht darin, die online und offline
5.4 Kommunikationspolitik 433
• Responsequote
Anzahl der Personen, die eine gewünschte Reaktion gezeigt haben (Informations-
abforderung, Opt-in-Gewährung, Bestellung, „Fan-Werdung“ o. a.), gemessen in Rela-
tion zur Gesamtzahl der angesprochenen Personen einer Aktion in Prozent.
Reagierer
Responsequote = ∗100
Gesamtzahl der angesprochenen Personen
Je höher die Responsequote ist, desto besser – soweit die Response aus Unternehmens-
sicht positiv ist.
• Bestellquote
Anzahl der Personen, die on- und/oder offline gekauft haben, in Relation zur Gesamt-
zahl der angesprochenen Personen einer Aktion in Prozent.
Besteller
Bestellquote = ∗ 100
Gesamtzahl der angesprochenen Personen
Bruttomarge
=
Umsatzprofitabilitat ∗100
Umsatz
Je höher die Umsatzprofitabilität ist, desto besser.
434 5 Marketing-Instrumente
Einloser
Einlosequote = ∗100
Gesamtzahl der ausgegebenen Coupons bzw.Wertschecks
Je höher die Einlösequote ist, desto besser.
• Umsatz pro Coupon
Umsatz, den teilnehmende Personen bei einem Couponeinsatz durchschnittlich ge-
tätigt haben.
Umsatz, der durch eine Couponing − Maβnahme gewonnen wurde
Umsatz pro Coupon =
Anzahl der eingelosten Coupons
Ad Clicks
Click − Through − Rate = ∗100
Ad Impressions
• Break-even-Point
Ermittlung der Verkaufsmenge bei einer bestimmten Dialog-Marketing-Aktion, an dem
die erzielten Umsatzerlöse und die Kosten der Aktion gleich hoch sind. An diesem
Punkt wird weder ein Verlust noch ein Gewinn erwirtschaftet. Wird eine größere An-
zahl als die zur Erreichung des Break-even-Points notwendige verkauft, erzielt das
Unternehmen einen Gewinn (vgl. Abschn. 5.1.2.2).
• Return on Investment (ROI)
Um die Rentabilität i. S. der Verzinsung einer Investition zu ermitteln, wird der ROI
berechnet. Hierzu wird der erzielte Gewinn in Relation zum investierten Kapital gesetzt.
Gewinn
Return on Investment = ∗100
Eingesetztes Kapital
Je höher dieser Wert ist, desto profitabler war ein Investment.
• Return on Marketing Invest (ROMI)
Um die Rentabilität i. S. der Verzinsung einer Investition in Marketing zu ermitteln,
wird der ROMI berechnet. Hierzu wird der erzielte Gewinn einer spezifischen
Marketing-Aktion in Relation zu den damit einhergehenden Kosten i. S. der Marketing-
Investition gesetzt.
Gewinn
Return on Marketing Invest = ∗100
Marketing − Kosten
Je höher dieser Wert ist, desto profitabler war eine Marketing-Aktion.
• Return on Advertising Spend (ROAS)
Vergleichbar zum ROMI ist die Erfolgsgröße ROAS. Hier wird die Rentabilität einer
einzelnen Werbemaßnahme ermittelt, indem der erzielte Gewinn zu den Werbekosten
in Relation gesetzt wird. Wichtig ist der Hinweis, dass häufig auch der Umsatz als
Erfolgsgröße zur Ermittlung von ROAS herangezogen wird. Dies ist weniger aussage-
kräftig als bei der Konzentration auf den Gewinn. Schließlich ist nicht jeder Umsatz
profitabel – und vom Umsatz allein kann kein Unternehmen überleben.
Gewinn
Return on Advertising Spend = ∗100
Werbekosten
Je höher dieser Wert ist, desto profitabler war eine Werbeaktion.
Für das E-Mail-Marketing können darüber hinaus noch weitere spannende KPIs ein-
setzt werden (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021b, S. 335–386).
5.4 Kommunikationspolitik 437
• Zustellrate
Die Zustellrate gibt an, wie viele E-Mails zugestellt wurden.
Versandmenge − Bounces
Zustellrate = ∗100
Versandmenge
Je höher dieser Wert ist, desto gepflegter sind die eingesetzten E-Mail-Adressen. Die
Zustellrate sollte über 95 % liegen. Sonst sollte der E-Mail-Verteiler bereinigt werden,
weil eine geringe Zustellrate als Merkmal von SPAM-E-Mails angesehen wird.
• Softbounce/Hardbounce
Bounces sind nicht zustellbare E-Mails („to bounce“ bedeutet „abprallen“). Hierzu
sendet der Posteingangs-Server einen Fehlercode an den Versender. Es wird zwischen
temporärer Unzustellbarkeit (Softbounce) und dauerhafter Unzustellbarkeit (Hard-
bounce) unterschieden.
Hardbounce
Hardbounce − Rate = ∗100
Versandmenge
Softbounce
Softbounce − Rate = ∗100
Versandmenge
Die Bounce-Rates sind ein Indikator für die Qualität der E-Mail-Adressen – auch in
den Augen der Service-Provider des E-Mail-Marketings. Je höher die Bounce-Rates
ausfallen, desto schlechter ist die Qualität der eingesetzten E-Mail-Adressen.
• Unique Öffnungsrate (auch Unique Open Rate)
Die unique Öffnungsrate zeigt an, wie viele Empfänger eine E-Mail geöffnet haben.
Das mehrfache Öffnen einer E-Mail durch die gleiche Person wird hierbei nicht zusätz-
lich berücksichtigt.
Unique Offnungen
Unique Offnungsrate = ∗100
Zustellmenge
Die Höhe der uniquen Öffnungsrate sagt etwas über die Attraktivität der angekündigten
Inhalte sowie über die Attraktivität des Versenders in den Augen der Empfänger aus.
• Gesamte Öffnungsrate (auch Open Rate)
Bei der gesamten Öffnungsrate werden im Vergleich zur uniquen Öffnungsrate auch
die Mehrfach-Öffnungen gezählt. Deshalb kann die gesamte Öffnungsrate auch mehr
als 100 % erreichen.
Offnungen
Offnungsrate = ∗100
Zustellmenge
438 5 Marketing-Instrumente
Hohe Öffnungsraten sind ein Indikator für das Interesse der Empfänger an den präsen-
tierten Inhalten. Nicht alle E-Mail-Programme zählen das mehrfache Öffnen durch
einen Nutzer bzw. präziser durch eine IP-Adresse.
• Unique Klick-Rate (auch Netto-Klick-Rate, Klick-Rate bzw. Click-Through-Rate)
Bei der uniquen Klick-Rate wird der erste Klick eines Lesers auf einen Link in der
E-Mail gezählt (d. h. nur ein Klick pro Leser wird erfasst).
Unique Klicks
Netto − Klick − Rate = ∗100
Zustellmenge
Je höher dieser Wert ist, desto interessanter sind die präsentierten Inhalte in den Augen
der Empfänger.
• Klicks pro Link und durchschnittliche Clicks-pro-Link-Rate (auch Click-Rate)
Durch die Messzahl „Klicks pro Link“ kann für jeden Link einzeln ermittelt werden,
wie häufig er geklickt wurde. Basierend auf den so gewonnenen Informationen kann
eine Hitliste der interessantesten Themen erstellt werden. So kann eine Annäherung an
die Interessen der Empfänger erfolgen, um die Informationsangebote im Idealfall
immer stärker auf diese Erwartungen auszurichten.
Zusätzlich kann eine durchschnittliche Klicks-pro-Link-Rate ermittelt werden.
Hierfür wird die Anzahl der insgesamt durch einen Newsletter generierten Klicks durch
die Gesamtzahl der Links eines Newsletters geteilt.
Je höher diese Werte sind, desto interessanter sind die präsentierten Inhalte in den
Augen der Empfänger. Mit der zunehmenden Zahl der Klicks steigt tendenziell auch
die Wahrscheinlichkeit, dass der Empfänger etwas Spannendes für sich findet.
• Klicks-zu-Öffnungen-Rate (auch Click-to-Open-Rate, CTRO)
Hier werden die uniquen Klicks in Relation zu den uniquen Öffnungen gesetzt. Hier-
durch wird ermittelt, wie viele der Öffner auch geklickt haben.
Unique Klicks
Klicks − zu − Offnungen − Rate = ∗ 100
Unique Offnungen
Je höher dieser Wert ist, desto interessanter sind die präsentierten Inhalte in den Augen
der Empfänger.
• Lesedauer
Die Lesedauer zeigt an, wie lange eine E-Mail bzw. ein E-Newsletter betrachtet wird.
5.4 Kommunikationspolitik 439
Summe aller Offnungsdauern in Sekunden
Lesedauer = ∗100
Anzahl der Offnungen
Summe aller Offnungsdauern in Sekunden
Lesedauer je Offner = ∗100
unique Offnungen
Je höher dieser Wert ist, desto interessanter ist tendenziell auch der Inhalt. Eine lange
Lesedauer kann aber auch ein Indikator dafür sein, dass sich die Leser mit den Inhalten
und möglichen Calls-to-Action nicht zurechtfanden und deshalb viel Zeit in die Ana-
lyse der Inhalte investierten.
• Mobile Lese-Rate
Die mobile Lese-Rate zeigt, wie viele Leser eine E-Mail oder einen E-Newsletter auf
mobilen Endgeräten abgerufen haben.
Mobile Offnungen
Mobile Lese − Rate = ∗ 100
Gesamtzahl der Offnungen
Je höher dieser Wert ist, desto mehr Nutzer greifen mobil auf die kommunizierten In-
halte zu. Die mobile Lese-Rate ist bei der Ausgestaltung der Inhalte zu berücksichtigen.
Generell ist es sinnvoll, die E-Mail-Templates direkt für mobile Endgeräte zu optimie-
ren, weil die Anzahl der mobilen Zugriffe kontinuierlich zunimmt.
• Konversions-Rate (auch Conversion Rate)
In Abhängigkeit der Ziele einer E-Mail-Aktion können verschiedene Konversionen
(„Umwandlungen“) angestrebt werden. Hierzu zählen das Abonnement eines News-
letters, die Anforderung eines Angebots oder eines Katalogs, die Vereinbarung eines
Gesprächstermins, die Platzierung einer Bestellung oder der Besuch in einem stationä-
ren Geschäft.
Conversions
Conversion Rate = ∗100
Anzahl der Klicks
Je höher dieser Wert ist, desto effektiver war eine Werbeaktion.
• Double Opt-in-Rate
Das Double Opt-in-Verfahren ist für eine rechtskonforme E-Mail-Permission unver-
zichtbar. Durch diese Rate kann festgestellt werden, wie viele Nutzer nicht nur ein
Single Opt-in erteilt, sondern auch auf den Bestätigungslink geklickt haben.
Je höher dieser Wert ist, desto überzeugender ist die Einladung zum Double Opt-in aus-
gefallen.
• Weiterleitungs-Rate
Hier wird erfasst, wie viele Empfänger einer E-Mail diese über eine Tell-a-Friend-
Funktion an Dritte weitergeleitet haben.
Weiterleitungen
Weiterleitungs − Rate = ∗100
Zustellmenge oder unique Offnungen
Je höher dieser Wert ist, desto überzeugender sind die präsentierten Inhalte in den
Augen der Empfänger.
• SWYN-Rate (auch Social-Sharing-Rate)
Über SWYN-Links (SWYN steht für „Share with your network“) können einzelne
Artikel aus einer E-Mail oder einem E-Newsletter dem Leser zum Teilen in den sozia-
len Netzen angeboten werden. Wie viele davon genutzt werden, wird durch die SWYN-
Rate ausgewiesen.
der Empfang
Gesamtzahl aller Aktivitaten er
Engagement − Rate = ∗100
Anzahl der Empfanger
5.4 Kommunikationspolitik 441
In Summe ist eine hohe Engagement-Rate gewünscht. Allerdings geht es primär um die
angestrebten Arten des Engagements. Schließlich stellt eine Beschwerde auch eine
Form des Engagements dar.
• Beschwerde-Rate
Web-Mailer liefern teilweise eine Information zurück, welche Empfänger eine E-Mail
als SPAM markiert haben. Diese Personen können auf eine Liste gesetzt werden, um
beim nächsten Versand ausgeschlossen zu werden.
Anzahl Empfanger Zeitpunkt 2 −
Anzahl der Empfanger Zeitpunkt 1
Verteilerwachstums − Rate = ∗ 100
Anzahl der Empfanger Zeitpunkt 1
Je höher ein positiver Wert der Verteilerwachstums-Rate ausfällt, desto dynamischer
wächst der Empfängerkreis. Wenn die Verteilerwachstums-Rate negativ ist, schrumpft
der Verteiler. Wichtig ist hier der Hinweis, dass es bei einem E-Mail-Verteiler nicht nur
um ein quantitatives Wachstum geht, sondern vor allem um die zusätzliche Gewinnung
relevanter E-Mail-Adressen (qualitatives Wachstum).
• Cost per View
Die Cost per View zeigen auf, wie viel für eine einzige Öffnung investiert wer-
den musste.
Die meisten für die Ermittlung dieser Kennzahlen vorhandenen Daten sind nach Ab-
schluss der Aktion vorhanden und müssen u. U. „nur“ aus verschiedenen Systemen zu-
sammengeführt werden.
Der verstärkte Einsatz der Dialogkommunikation in den letzten Jahren – online wie
offline – lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen:
Eine Studie der Europäischen Marketing-Verbände zeigt, welche Bedeutung den hier
aufgezeigten Ansätzen sowie der nachfolgend vertieften Online-Kommunikation zu-
kommt. Auf der Agenda der Marketing-Verantwortlichen in Europa stehen zurzeit auf
den drei Top-Positionen (vgl. DMV, 2021, S. 9; n = 635 CMOs, Senior Marketing Execut-
ives, Marketing-Vorstände):
5.4.3.6 Online-Kommunikation
Mit der rasanten Ausbreitung des Internets und der kontinuierlich steigenden Anzahl der
Online-Nutzer hat sich für Unternehmen ein wichtiges zusätzliches Aktionsfeld etabliert:
Online-Marketing. Warum Online-Marketing quasi für jedes Unternehmen heute zum
unverzichtbaren Handlungsfeld gehört, machen die folgende Zahlen deutlich (vgl. We
are social, 2021):
2QOLQH0DUNHWLQJ
6LFKWEDUIUGHQ(QGQXW]HU
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.H\ZRUG$Q]HLJHQ (.XQGHQELQGXQJVSURJUDPPH
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2QOLQH:HWWEHZHUEH /RFDWLRQEDVHG6HUYLFHV 0LFUREORJJLQJ (&RXSRQV
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$IILOLDWH0DUNHWLQJ :HE$QDO\WLFV 7DUJHWLQJ 5HDOWLPH$GYHUWLVLQJ
,QIOXHQFHU0DUNHWLQJ 5DWLQJ XQG5HYLHZ0DQDJHPHQW &RQWHQW0DUNHWLQJ
rate Website umfasst die Gesamtheit der Inhalte eines Unternehmens, die unter einer URL,
d. h. einer Internet-Adresse (bspw. audi.de), präsentiert werden. Im Mittelpunkt einer Cor-
porate Website können zum einen das Unternehmen selbst, seine Produkte, seine Services
und/oder die jeweiligen Marken stehen. Zum anderen findet dort häufig auch ein so-
genanntes E-Recruiting statt, d. h. die online ausgesprochene Aufforderung, sich bei
einem Unternehmen zu bewerben. Außerdem können hier die Verlinkungen zu den Aktivi-
täten des Unternehmens in den sozialen Medien (etwa zu Facebook, Twitter, Instagram,
Pinterest) oder zu Blogs, Social Bookmarks und Communitys kommuniziert werden. Hier
sind außerdem relevante Inhalte für die Medien zu finden.
Wer im Internet unterwegs ist, wird zusätzlich mit unterschiedlichsten Formen der
Online-Werbung konfrontiert. Dazu gehört u. a. die Bannerwerbung. Banner sind
Werbeformen, die auf unterschiedlichste Weise in Websites eingebunden werden. Wer als
Online-Nutzer Suchmaschinen einsetzt, stößt auf Keyword-Anzeigen. Diese bezahlten
Werbeanzeigen auf den Ergebnisseiten der Suchmaschine werden auch Sponsoren-Links
genannt. Zusätzlich werden die Nutzer täglich – gewollt und ungewollt – mit einer Viel-
zahl von Werbe-E-Mails und E-Newslettern konfrontiert, deren Bezug i. d. R. nur teil-
weise erbeten wurde.
Eine weitere Ausprägung des Online-Marketings stellt der Bereich E-Commerce dar
(abgeleitet von „Electronic Commerce“). Hierunter sind die elektronische Anbahnung und
Abwicklung von Kaufprozessen und damit der elektronische Handel zu verstehen. Es fin-
den sich – teilweise ergänzend hierzu – auch Kundenbindungs- und Kundenbetreuungs-
konzepte, die auch oder exklusiv in Online-Medien stattfinden. Wenn sie nur im Online-
5.4 Kommunikationspolitik 445
der realen Kommunikation (bspw. zwischen Kunden und einem Unternehmen) über-
geordnete Ebene. Bei den hier analysierten „Informationen über Informationen“ gilt es
bspw., besondere Häufungen von Lob und Reklamationen, geäußerte Erwartungs-
haltungen, konkrete Produktanregungen oder auch Trends aus der Vielzahl der Meinungs-
äußerungen im Internet herauszudestillieren. Im Kern geht es darum, den Online-Nutzern
möglichst genau zuzuhören. Wenn sich das Monitoring auf die Social-Media-Plattformen
fokussiert, wird von Social-Media-Monitoring gesprochen.
In den letzten Jahren hat das Content-Marketing eine zunehmende Bedeutung erlangt.
Mit dem Begriff Content wird jegliche Form von Inhalten beschrieben, die Ton, Text,
Stand- und Bewegtbild umfassen kann. Beim Content-Marketing selbst geht es darum,
(potenzielle) Kunden durch die Präsentation von spannenden Inhalten für sich zu gewin-
nen. Beim Content-Marketing werden Zielpersonen und Zielgruppen folglich informie-
rende, beratende und/oder unterhaltende Inhalte angeboten, die häufig nur einen indirekten
Bezug zum Leistungsangebot des Unternehmens aufweisen.
Das Content-Marketing orientiert sich bei der Aufbereitung der präsentierten Inhalte
häufig stärker an der Arbeit klassischer Medien – wie Zeitungen, Zeitschriften, TV und
Rundfunk. Der Sender der Inhalte („Content“) versteht sich eher als Experte, Berater,
Unterstützer oder Entertainer. Ein rein vertriebsorientiertes Denken wird diesem Ansatz
nicht gerecht. Es geht folglich vor allem um die Vermittlung von Kompetenz und
Know-how in ausgewählten Themenfeldern durch die anbietenden Unternehmen. Letzt-
endlich soll allerdings auch das Content-Marketing die Nutzer zu bestimmten Handlungen
motivieren. Das können Käufe sein oder auch Spenden für Non-Profit-Organisationen
(vgl. Kilian & Kreutzer, 2022; Bürker, 2020; Grunert, 2019; Hilker, 2017; Pulizzi, 2013).
Da beim Content-Marketing häufig keine unmittelbaren Kaufimpulse gegeben werden,
kann von einer „Kommunikation über Bande“ gesprochen werden – wie beim Billard.
Denn obgleich die bereitgestellten Inhalte keinen unmittelbaren Kaufimpuls beinhalten,
ist die Intention des Content-Marketings final auf die Auslösung von Käufen, Spenden
oder anderen Formen der Engagements zur Erreichung der Unternehmensziele aus-
gerichtet (vgl. Abb. 5.74).
Eine große Bedeutung kommt heute dem Influencer-Marketing bzw. dem Social-In-
fluencer-Management zu. Hierunter versteht man die Einbindung (digitaler) Meinungs-
führer, um diese – idealerweise positiv – über die eigenen Angebote berichten zu lassen
(vgl. vertiefend Kilian & Kreutzer, 2022). Hier wird das zweistufige Kommunikations-
modells („Two-Step-Flow-Model“) eingesetzt.
Beim einstufigen Kommunikationsmodell erfolgt eine Verbreitung von Informatio-
nen an die Zielpersonen unmittelbar über die klassischen Medien. Beim zweistufigen
Kommunikationsmodell werden Meinungsführer gezielt in den Informationsprozess zu
448 5 Marketing-Instrumente
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0DUNHHLQHP8QWHUQHKPHQGXUFK
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tiv hochwertige und positive sogenannte Social Signals von Kunden zu gewinnen. Dazu
gehören Kommentare, Shares, Likes und Bewertungen, die auf verschiedenen Plattformen
abgegeben werden können. Der Umfang der relevanten Reviews und Ratings beginnt beim
Produkt bzw. bei der Dienstleistung, geht über die Marke, den On- oder Offline-Shop und
das Unternehmen zu den dahinterstehenden Leistungsträgern und hört bei der App noch
nicht auf.
Wie Abb. 5.75 zeigt, wirken sich das Rating- und Review-Management auf die unter-
schiedlichsten Conversions aus, die ein Unternehmen anstreben kann: vom Website-
Besuch über den Content-Download, die Gewinnung einer E-Mail-Permission bis zu
Store-Visits (online wie offline), die idealerweise zu Angebotsanforderungen, Test-
Bestellungen oder Käufen führen. Auch die Anzahl der App-Downloads sowie die
App-Nutzung werden durch Ratings und Reviews gefördert (vgl. vertiefend Kilian &
Kreutzer, 2022).
Orientiert an diesen vielfältigen Ausprägungen wird Online-Marketing wie folgt defi-
niert: Online-Marketing umfasst die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle
aller marktorientierten Aktivitäten, die sich mobiler und/oder stationärer Endgeräte mit
Internet-Zugang zur Erreichung von Marketing-Zielen bedienen. Online-Marketing nutzt
Online-Instrumente sowohl für die Vermarktung digitalisierter Produkte und Dienst-
leistungen (bspw. von Musik, Text, Audio, Foto, Video) als auch für die Vermarktung
nicht-digitalisierter Produkte und Dienstleistungen.
Von Online-Marketing kann m. E. immer dann sinnvoll gesprochen werden, wenn
dieses über die Kommunikation generell bzw. über Werbung deutlich hinausgeht und in
einer Konzeption mehrere Marketing-Instrumente eingebunden werden. In den Fällen, in
denen dies nicht der Fall ist, sollte präziser von Online-Kommunikation oder Online-
Werbung gesprochen werden (vgl. zu weiteren Definitionen von Online-Marketing und
Online-Kommunikation Lammenett, 2021, S. 40 f.; vertiefend Kreutzer et al., 2020).
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XQG(PSIlQJHUQ
5.4.3.7 Sponsoring
Beim Sponsoring stellt das unterstützende Unternehmen (Sponsor) einem Empfänger
(Gesponsorter) Geld-, Sach- und/oder Dienstleistungen zur Verfügung. Im Gegenzug
verpflichtet sich der Empfänger bzw. der Gesponsorte, auf die Unterstützung des Sponsors
durch verschiedene Kommunikationsmaßnahmen aufmerksam zu machen. Damit liegt
dem Sponsoring das Prinzip der Gegenseitigkeit zugrunde (vgl. Homburg, 2020,
S. 911–913). Durch diese erwartete Gegenleistung wird die Abgrenzung zum Mäzenaten-
tum deutlich, bei der ein Förderer (Mäzen) aus uneigennützigen Motiven handelt und
keine Gegenleistung für sein Engagement fordert.
Im Sponsoring erfahren die unter Abschn. 5.4.2 aufgezeigten generellen Kommu
nikationsziele als Ziele des Sponsorings eine spezifische Ausprägung. In Abhängigkeit
von der Art des Sponsorings besteht die Möglichkeit, spezifische Zielgruppen zu erreichen
(bspw. bei Konzerten und Sportveranstaltungen), um dort die Bekanntheit zu steigern.
Durch diese Art des Engagements wird gleichzeitig eine Beeinflussung des Unter-
nehmensimages angestrebt, indem sich Unternehmen für Umwelt, Kultur, Sport etc. en-
gagieren und damit ihre Verantwortlichkeit über die eigene Kernleistung hinaus dokumen-
tieren (vgl. Abschn. 5.4.5.1).
452 5 Marketing-Instrumente
Es wird häufig angestrebt, dass das positive Image des Gesponserten auf den Sponsor
abstrahlt. Dieser gewünschte Imagetransfer kann durch eine exzellente Gesangseinlage
oder ein überzeugender Sieg im Sport ausgelöst werden. Last, but not least sollen derartige
Fördermaßnahmen dazu beitragen, bei den Kernleistungen eine höhere Nachfrage zu er-
zielen. Sponsoring soll, wie alle anderen Kommunikationsmaßnahmen auch, direkt oder
indirekt diesem zentralen Unternehmensziel der Nachfragesteigerung dienen.
In Abhängigkeit vom Geförderten können verschiedene Arten des Sponsorings unter-
schieden werden:
• Kultursponsoring
Der Sponsor unterstützt beim Kultursponsoring Museen, Theater, Oper, Konzerte und
Ausstellungen. Alternativ können auch kulturelle Projekte für Fotografie, Film, Hör-
funk etc. finanziert werden. Vielfach könnten derartige Aktivitäten ohne eine ent-
sprechende Förderung lediglich weniger ambitiöse Programme auflegen.
Die Deutsche Bank unterstützt als Förderer schon seit vielen Jahren die Berliner
Philharmonie. Lexus und die OMV sind Generalsponsoren der Wiener Staatsoper.
Lexus wird aufgrund dieser Zusammenarbeit nicht nur umfassend in die Kommunika-
tion der Wiener Staatsoper eingebunden. Beim internationalen Versand der Jahres-
programme erhält Lexus auch einen indirekten Zugang zu den Besucheradressen und
kann hierdurch Interessenten für das eigene Leistungsangebot generieren.
• Sportsponsoring
Beim Sportsponsoring werden Einzelsportler, Clubs/Teams (bspw. der Bundesliga)
oder ganze Veranstaltungen unterstützt. Die Bandbreite der geförderten Events reicht
von Streetball-Turnieren über Formel-1-Rennen bis zur Fußball-Weltmeisterschaft. Im
Gegenzug für dieses Investment können die unterstützenden Unternehmen im unmittel-
baren Umfeld von Übertragungen Werbespots senden. Gleichzeitig werden die
Sponsoren-Logos häufig medienwirksam an den Austragungsorten zur Geltung ge-
bracht. Die Logos sind häufig auch auf der Sponsoren-Tafel zu sehen, die als Hinter-
grunddekoration bei wichtigen Interviews dient.
Außerdem erhalten die Sponsoren häufig Tickets für die Veranstaltungen. Diese kön-
nen im Rahmen des Event-Marketings für die Pflege der Beziehungen zu Kunden, Lie-
feranten, Kooperationspartnern und politischen Entscheidungsträgern genutzt werden
(vgl. Abschn. 5.4.3.8). Ein besonders nachhaltiger Eindruck kann bei den Eingeladenen
entstehen, wenn Leistungen geboten werden, die für Geld nicht zu haben sind. Dazu
gehören bspw. ein Besuch in der Boxengasse bei der Formel 1 sowie Gespräche oder
Fototermine mit Spitzensportlern. Ein Unternehmen, welches einem Kunden auf diese
Weise einen Kindheitstraum erfüllt, wird lange positiv in Erinnerung bleiben.
Eine besondere Form des Sportsponsorings stellt die (Mit-)Finanzierung des Baus
oder Umbaus von Sportstadien mit dem Ziel dar, diesem den eigenen Unternehmens-
namen zu geben. Dies ist bspw. bei der Allianz Arena in München, der Lanxess Arena
in Köln sowie der MERKUR SPIEL-ARENA in Düsseldorf der Fall.
5.4 Kommunikationspolitik 453
Bei Messen und Ausstellungen kann hinsichtlich der angesprochenen Zielgruppe zwi-
schen Publikums- und Fachmessen unterschieden werden. Die Ausrichtung ist fließend,
wie die Beispiele Frankfurter Buchmesse und Internationale Automobilausstellung (IAA)
zeigen. Bei beiden Veranstaltungen wird zwischen Fachbesucher- und Publikumstagen
unterschieden. Dem persönlichen Verkauf i. S. der Beratung von Interessenten und Kun-
den kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu (vgl. hierzu auch Abschn. 5.3). Weiter-
führende Informationen über Messen und Ausstellungen stellt die AUMA (Ausstellungs-
und Messeausschusses der deutschen Wirtschaft) zur Verfügung (vgl. AUMA, 2021).
Von diesen öffentlichen Messen und Ausstellungen sind die Hausmessen abzugrenzen.
Im Rahmen von Hausmessen laden einzelne Unternehmen Kunden, Kooperationspartner
und/oder Medienvertreter ein, um eine Leistungsshow in eigener Sache durchzuführen.
Ein besonders exponiertes Beispiel hierfür ist die jährlich stattfindende Special Events von
Apple, wo regelmäßig spannende Innovationen vorgestellt werden. Von Steve Jobs hieß es
dann häufig: „One more thing …“
Mit solchen spezifischen, von einzelnen Unternehmen durchgeführten Veranstaltungen
ist der Übergang zu Events vollzogen. Hier wird häufig von Event-Marketing gesprochen.
Das dominante Ziel derartiger Veranstaltungen besteht oft nicht im unmittelbaren Verkauf
von Leistungen, sondern im Aufbau einer persönlichen Beziehung zu den Event-Teil-
nehmern. Diese Teilnehmer können nicht nur Kunden einschließen, sondern auch andere
Entscheidungsträger und Kooperationspartner.
Das gemeinsame Erlebnis, sei es ein Segeltörn, ein Formel-1-Rennen, ein hochkarätiges
Fußballspiel oder der gemeinsame Besuch eines Rolling-Stones-Konzerts, zahlt langfristig
auf die Beziehungen ein und erleichtert auch spätere Akquisitionen.
nehmung“ bereit, um für die „Relevanz des richtigen Glases“ zu werben. Dann können die
Glasbläser bei ihrer anspruchsvollen Arbeit beobachtet werden. So soll der Preis für ein
mundgeblasenes Bordeaux Grand Cru Glas aus der Sommeliers-Serie in Höhe von 75 €
(2017) „ins rechte Licht“ gerückt werden.
5.4.3.9 Lobbyismus
Unter Lobbyismus ist eine spezifische Form der Interessenvertretung insb. gegenüber
Personen im politischen Bereich zu verstehen. Regierungsmitglieder, Abgeordnete und
Beamte werden durch eine direkte Kontaktaufnahme oder indirekt über Medien hinsicht-
lich ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst. Gerade die Beeinflussung der öffentlichen
Meinung kann einen starken Einfluss auf die Entscheidungsprozesse haben.
Gegenstand des Lobbyismus kann bspw. die Einflussnahme auf Gesetzgebungsver-
fahren sein. Hier ist bspw. an das Verbot der Zigarettenwerbung, die Deklarationsvorschriften
für chemische Stoffe, die Auszeichnungspflicht für genveränderte Produkte, die Novellierung
des Datenschutzgesetzes oder das Lieferkettengesetz zu denken. Gegenstand kann auch eine
Gesundheitsreform sein, in deren Entwicklung Ärzte, Apotheker, Patienten, Pharmaunter-
nehmen, Krankenkassen und/oder Krankenhäuser aus ihrer jeweiligen Perspektive Einfluss
nehmen. Jede dieser Gruppen hat wiederum eigene Interessenvertretungen, die auf Regierungs-
mitglieder, auf Abgeordnete und weitere in die Prozesse eingebundene Spezialisten zugehen.
Zu diesen Interessenvertretungen gehören u. a. der ADAC, die Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche Bauernverband, der Deutsche Ge-
werkschaftsbund, der Hartmannbund, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
und der GDV – Die deutschen Versicherer.
Die Lobbyarbeit, die häufig im Hintergrund abläuft und m. E. deshalb nicht zur
Öffentlichkeitsarbeit gerechnet werden sollte, hat z. T. einen schlechten Ruf. Sie stellt je-
doch m. E. einen zentralen Bestandteil der aktiven Mitwirkung verschiedener Gruppen bei
der politischen Arbeit dar. Meiner Meinung nach kann eine sichtbare Parteilichkeit akzep-
tiert werden, wenn verschiedene Interessengruppen gleichermaßen Einfluss nehmen und
mit „fairen Mitteln“ für ihre individuellen Interessen eintreten.
Der hier angesprochenen Einflussnahme werden durch die schon angesprochenen
Compliance-Regeln immer enge Grenzen gesetzt. „Compliance“ kann als „Regeltreue“
im Hinblick auf die Einhaltung von Gesetzen, aber auch von spezifischen Richtlinien
innerhalb von Unternehmen verstanden werden. Hierdurch soll eine deutliche Unter-
scheidung zwischen einer akzeptablen Beeinflussung durch Lobbyismus einerseits und
mit Gesetzes- und Unternehmensnormen nicht vereinbarer Bestechlichkeit andererseits
sichergestellt werden.
In Abhängigkeit von der erreichten bzw. der anvisierten Position kann das Budget in
Relation zum Wettbewerber höher, niedriger oder gleich hoch angesetzt werden. Es ist zu
beachten, dass bei der Competitive-Parity-Methode lediglich der Input der Werbung (in
Höhe des eingesetzten Budgets) berücksichtigt wird, nicht jedoch die Effizienz und
Effektivität, mit der ein Budgeteinsatz erfolgt. Deshalb ist auch diese Methode m. E. nicht
sinnvoll.
Eine ähnlich unzweckmäßige Vorgehensweise stellt die All-you-can-afford-Methode
dar. Hierbei wird unternehmensintern geprüft, welche Budgets für Werbung „übrig“ sind.
Es wird deutlich, dass dies zwar eine einfache Vorgehensweise darstellt, aber jeglicher
Ziel- und Wirkungszusammenhang vernachlässigt. Außerdem wird bei der All-you-can-
afford-Methode ignoriert, dass Werbung ein zentrales Werkzeug zur Generierung von Um-
satz und insb. Gewinn darstellt. Werbung sollte und darf nicht als Instrument der Mittel-
verwendung fehlinterpretiert werden.
Mit den zielorientierten Methoden wird versucht, die Nachteile der bisher beschriebenen
Budgetierungskonzepte zu überwinden (Objective-Task-Methode). Bei der Objecti-
ve-Task-Methode erfolgt eine Ableitung des Werbebudgets aus definierten Werbe-
zielen. Es wird versucht, aus den Werbezielen auf das dafür notwendige Budget zu schlie-
ßen. Die Fragen lauten dann:
cc Merk-Box Zusätzlich haben nach wie vor die Überzeugungskraft und die
Schlüssigkeit der Argumentation des um das Werbebudget „kämpfenden“
Marketing-Managers ein besonders hohes Gewicht bei der Verteilung von
Budgets. Hierfür ist ein überzeugendes Storytelling erforderlich.
Zusätzlich baut der erfahrene Manager genug „Puffer“ in seine Planung
ein, um trotz (absehbarer) Kürzungsrunden die geforderten Kommunikations-
ergebnisse erzielen zu können.
cc Merk-Box Die Schaffung einer Corporate Identity stellt ein vielfach an-
gestrebtes Unternehmensziel dar. Die Corporate Identity selbst ist folglich
kein Instrument des Marketings. Vielmehr sollen verschiedene Instrumente des
Marketings zum Aufbau einer Corporate Identity beitragen.
• Bilder
Hierzu zählen Stand- und Bewegtbild von Produkten, der Dienstleistungserbringung,
der Ladengestaltung, des Produktionsbereichs, der Forschungsabteilung, der Unter-
nehmensarchitektur insgesamt sowie von Mitarbeitern und Führungskräften.
• Worte
Hierzu gehören die Statements des CEOs, vor allem aber die Kommunikation über die
verschiedenen Marketing-Instrumente (PR, Werbung, Verkaufsförderung).
• Taten
Hiermit ist das Unternehmensengagement im engeren und weiteren Sinne sowie das
„Tun“ aller Mitarbeiter und Führungskräfte gemeint.
&RUSRUDWH
%HKDYLRU
8QWHUQHKPHQV
SKLORVRSKLH
&RUSRUDWH &RUSRUDWH
&RPPXQLFDWLRQV 'HVLJQ
cc Merk-Box Die Corporate Identity selbst ist folglich – wie bereits an-
gesprochen – kein Kommunikationsinstrument, sondern das angestrebte Er-
gebnis eines umfassenden, in sich geschlossenen kommunikativen Ansatzes.
„Unser Verhaltenskodex
In einer sich immer schneller wandelnden und sehr wettbewerbsintensiven Welt ist ent-
scheidend, dass wir uns auf das konzentrieren, was uns bei BASF wirklich wichtig ist. Unsere
Werte – kreativ, offen, verantwortungsvoll und unternehmerisch – unterstützen uns dabei. Sie
dienen als Richtschnur für unser geschäftliches Handeln und erinnern uns daran, wofür
BASF steht.
Wir verpflichten uns zur Einhaltung rechtlicher Vorschriften und ethischer Grundsätze.
Unser Verhaltenskodex definiert den Rahmen, an den wir uns als Mitarbeiter der BASF halten
müssen, um gesetzliche und interne Bestimmungen einzuhalten. Damit trägt unser Ver-
haltenskodex zum Schutz des Unternehmens und jedes einzelnen Mitarbeiters bei.
Unser Verhaltenskodex dient als Leitfaden, um unsere Werte und Verpflichtungen im ge-
samten Unternehmen zu leben und in all unserem Handeln zu verankern. Er hilft uns dabei,
in kritischen Situationen verantwortungsvolle und ethische Entscheidungen zu treffen. Nur
wenn wir unseren Verhaltenskodex sowie sämtliche geltenden Gesetze und Vorschriften
vollständig einhalten, können wir unseren Anspruch, das weltweit führende Chemieunter-
nehmen zu sein, erreichen und den Respekt sowie das Vertrauen unserer Kunden, Investoren,
Mitarbeiter und Stakeholder gewinnen.
…
Integres Verhalten vorleben – die Verantwortung aller Führungskräfte
Die Werte der BASF in der Unternehmenskultur zu verankern, ist in erster Linie Aufgabe
der Führungskräfte. Sie geben die Richtung vor – und zwar nicht nur im Hinblick auf die Ein-
haltung von Regeln. Führungskräfte übernehmen Verantwortung, schaffen Vertrauen und
gehen auch unter schwierigen Umständen mit Mut und Optimismus voran.
Es geht darum, mit gutem Beispiel voran zu gehen, unsere Werte im eigenen Verhalten und
Tun widerzuspiegeln. Es muss uns klar sein: Nur der Standard, den wir als Führungskräfte
vorleben ist der Standard, den wir von unseren Teams und Partnern erwarten können.
Als Führungskräfte
Den dritten CI-Bereich stellt das Corporate Design (CD) dar (vgl. Abb. 5.77). Das
Corporate Design definiert primär den Einsatz von Gestaltungselementen. Hierzu gehören
Schrifttypen und -größen, Farben, Logo, aber bspw. auch die eingesetzte Architektur.
Durch die Festlegung dieser Designelemente soll ein einheitliches visuelles Er-
scheinungsbild des gesamten Unternehmens erreicht werden.
Häufig liegt die Gesamtheit der entsprechenden Vorgaben in CD-Manuals vor. In die-
sen Manuals wird zum einen die Gestaltung von Geschäftsbriefen, Visitenkarten, Firmen-
fahrzeugen sowie Gebäuden definiert. Zum anderen werden dort auch die „Spielregeln“
für allen weiteren Arten des kommunikativen Auftritts festgelegt. Hierfür werden häufig
sogenannte Templates (i. S. von Schablonen) verwendet. Diese definieren die Rahmen-
bedingungen für Anzeigen, Prospekte, PowerPoint-Präsentationen, TV-Spots, Online-
Aktivitäten und Messeauftritte.
In CD-Manuals wird teilweise auch ein Corporate Wording definiert. Dieses regelt, in
welcher Art und Weise ein Unternehmen sprachlich kommunizieren möchte. Welche Wör-
ter sollen in der Unternehmenssprache immer wieder auftauchen und welche sind eher zu
vermeiden? Beim Corporate Clothing wird eine Uniformierung des Betreuungspersonals
angestrebt, um auch hier ein einheitliches Erscheinungsbild sicherzustellen. Die Kleidungs-
vorschriften können sich auf den Einsatz von Mitarbeitern in Verkaufsräumen oder bei
Messen beziehen. Wer schon einmal im Einzelhandel vergeblich nach einem Verkäufer
Ausschau gehalten hat, weil das Verkaufspersonal genauso gekleidet war wie die Kunden,
kann den Wert von Corporate Clothing erkennen!
5.4 Kommunikationspolitik 463
cc Merk-Box Die Schaffung und Sicherung einer Corporate Identity stellt mit
ihren unterschiedlichen Gestaltungsfeldern eine stetige Aufgabe dar, die nie
abgeschlossen sein wird. Denn Unternehmen und Umwelt verändern sich
gleichermaßen, und den Veränderungen muss im Hinblick auf die angestrebte
Corporate Identity begegnet werden.
5.4.5.2 Kundenbindungssysteme
„Changes in the market environment can quickly alter prices and technologies, but close
relationships can last a lifetime.“
Regis McKenna, Marketing-Guru des Silicon Valleys
Für die meisten Unternehmen sichert erst eine loyale Kundschaft ein profitables Wachs-
tum. Unternehmen, denen es nicht gelingt, zufriedene Kunden längerfristig an sich zu
binden, müssen einen großen Teil des Marketing-Budgets in die Kundenakquisition in-
vestieren. Das Ziel von Kundenbindungssystemen stellt folglich die Verlängerung von
(profitablen) Geschäftsbeziehungen zu Konsumenten oder Unternehmen dar (vgl. ver-
tiefend Kreutzer, 2021a, S. 267–352).
Um Kunden langfristig an ein Unternehmen zu binden, können verschiedene Treiber
der Kundenbindung eingesetzt werden. Hier zählen neben vertraglichen und techno-
logischen Bindungsursachen auch ökonomische Anreize sowie psychologische Faktoren,
die in Abb. 5.78 zu finden sind.
Die Treiber der Kundenbindung lassen sich auch danach unterscheiden, ob freiwillige
und unfreiwillige Bindungsursachen zugrunde liegen. Freiwillige Bindungsursachen lie-
gen vor, wenn sich ein Kunde eigenständig für einen bestimmten Anbieter entscheidet,
ohne dass eine zwingende Notwendigkeit besteht. So kann sich ein überzeugter Käufer
von Montblanc- oder Apple-Produkten immer wieder für diese Marke entscheiden, ohne
dazu gezwungen zu sein. Ähnlich verhält es sich, wenn die Mitglieder einer Familie seit
Generationen treue Volkswagen-Kunden sind und keine andere Marke im Kaufent-
scheidungsprozess berücksichtigen. Auch ökonomische Bindungsursachen können zu
464 5 Marketing-Instrumente
7HFKQRORJLVFKH
9HUWUDJOLFKH %LQGXQJVXUVDFKHQ
%LQGXQJVXUVDFKHQ 1XW]XQJYRQ2EMHNWLYHQQXU
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7KHDWHU2SHUQ$ERQQHPHQW DXVHLQHU+DQG/RFNLQ
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7UHLEHUGHU
einer freiwilligen Bindung eines Kunden führen. Dies gelingt, wenn durch die Treue zu
einem Anbieter ökonomische Vorteile erzielt werden (bspw. ein Treuerabatt oder die regel-
mäßige Einladung zu einer „Girls Night“ im Modehandel).
Zu dieser freiwilligen Bindung können auch ein überzeugendes Sortiment (aus den
Augen der Kunden) sowie ein wertschätzender Service durch das Verkaufspersonal bei-
tragen. Wer regelmäßig in einem Nachbarschaftsladen einkauft, um hierdurch seine Wege-
kosten zu minimieren, bindet sich ebenfalls aus freien Stücken. Hier kann von einer ver-
bundenheitsgetriebenen Kundenbindung gesprochen werden, weil Kunden eine
freiwillige Verbindung zum Unternehmen eingehen.
Anders sieht dies bei den vertraglichen und den technologischen Bindungsursachen
aus. Hier geht es tendenziell um unfreiwillige Bindungsursachen. Eine vertragliche
Bindungsursache ist bspw. gegeben, wenn sich ein Kunde in Deutschland für einen Post-
Paid-Handy-Vertrag interessiert und dazu zwingend eine zweijährige Vertragsbindung
eingehen muss. Dies ist auch der Fall, wenn für den regelmäßigen Besuch in einem
Fitnessstudio ein einjähriger Vertrag abzuschließen ist. Auch Kredit- oder Leasingverträge
binden einen Kunden für eine bestimmte Laufzeit, die nicht oder nur gegen zusätzliche
Zahlungen (bspw. Vorfälligkeitsentschädigung bei einem Kreditvertrag) verkürzt werden
kann. Theater- und Opern-Abonnements gehören ebenfalls in diese Kategorie. Im Einzel-
handel finden solche Abonnements bspw. für Wein, Schokolade, Socken oder auch Des-
sous ihren Einsatz.
Technologische Bindungen muss ein Kunde i. d. R. ebenfalls unfreiwillig in Kauf
nehmen. So können Leica-Objektive nur beim Leica-Kamerakorpus eingesetzt werden.
Vielfach können auch bei Druckern nur die Patronen des gleichen Herstellers störungsfrei
5.4 Kommunikationspolitik 465
eingesetzt werden. Teilweise ist dies auch bei Kapsel-Kaffeemaschinen der Fall. In diesen
Fällen wird auch von Lock-in-Systemen gesprochen, weil der Kunde gleichsam in eine
Lösung eingeschlossen ist. Hier ist von einer gebundenheitsgetriebenen Kunden-
bindung zu sprechen.
Aufgrund der dadurch erzielten Bindung kommt der Anbieter – zeitlich befristet – in
eine monopolähnliche Situation, aus der ein Kunde nur mit zusätzlichen Kosten aus-
steigen kann. So kann der Käufer die Marke bzw. den Anbieter wechseln; allerdings nur,
um dann ggf. in einer neuen Abhängigkeit zu „landen“.
Im Zusammenhang mit diesen Treibern der Kundenbindung wird von Wechsel-
barrieren gesprochen. Diese werden von den Unternehmen teilweise ganz systematisch
aufgebaut. Manche dieser Wechselbarrieren können schon im Produkt angelegt sein. Dies
ist beim Leica-Beispiel sowie bei der Inkompatibilität zwischen verschiedenen Staub-
saugerbeuteln und unterschiedlichen Staubsaugermarken der Fall.
Andere Wechselbarrieren ergeben sich durch die Servicequalität. In einem Brillen-
geschäft wird bspw. eine optimale Stilberatung durchgeführt und damit der Kunde lang-
fristig an dieses Unternehmen gebunden. Dies kann gelingen, obwohl sich eine preis-
wertere Alternative (bspw. Fielmann) in direkter Nähe befindet.
Unternehmen können Wechselbarrieren auch ganz gezielt aufbauen, indem treuen Kun-
den zusätzliche Vorteile versprochen werden. Dies ist der Kern aller Kundenbindungs-
programme. Hierzu zählen die Konzepte von BSW, Payback oder der Deutschland Card,
alle Frequent-Flyer-Programme der Fluggesellschaften und viele weitere unternehmens-
individuelle Konzepte.
Die auf den Aufbau von Wechselbarrieren ausgerichteten Aktivitäten, durch die ein
Kunde langfristig an ein Unternehmen gebunden werden soll, stellen einen integralen Be-
standteil des Customer-Relationship-Managements (CRM) dar. Unter CRM ist eine
kundenorientierte Unternehmensstrategie zu verstehen, die den Aufbau eines systema-
tischen, langfristigen, profitablen und individualisierten Managements von Kunden-
beziehungen zum Ziel hat. Da Kundenbindungssysteme dominant kommunikations-
getrieben sind, werden diese als spezifisches Kommunikationssystem dargestellt (vgl.
Abschn. 5.4.3.5; weiterführend Kreutzer, 2021a, S. 71–150; Bruhn, 2016; Bruhn & Hom-
burg, 2017).
cc Merk-Box Bei der Kundenbindung geht es im Kern darum, dem Kunden dabei
zu helfen, die Wahl eines anderen Anbieters zu vermeiden!
Anzahl der Kaufe in einem bestimmten Zeitraum
PF =
Anzahl der Kunden in diesem Zeitraum
In vielen Branchen ist die Kaufhäufigkeit eine relativ stabile Größe, sodass Ab-
weichungen von der „Norm“ als Warnsignale interpretiert werden können (etwa beim
Kauf von Bekleidung, Lebensmitteln, Tiernahrung). Bei anderen Produkten ist die
Saisonalität zu berücksichtigen, etwa bei Spielwaren oder bei Produkten für die Garten-
gestaltung.
Allerdings ist eine hohe Kauffrequenz mit niedrigem Durchschnittsumsatz kritisch
zu sehen, wenn die einzelnen Verkäufe (bspw. im Online-Shop) mit entsprechenden
Versandkosten für das Unternehmen einhergehen, wenn diese Kosten nicht von den
Kunden getragen werden. Folglich ist eine Steigerung der Kauffrequenz nicht immer
eine gewünschte Entwicklung.
• Steigerung des Durchschnittsumsatzes pro Kauf bzw. des Average Order
Value (AOV)
Zur Ermittlung wird der Umsatz innerhalb eines bestimmten Zeitraums (meist ein Jahr)
durch die Anzahl der Kunden in diesem Zeitraum dividiert.
In Summe verfolgen die Maßnahmen zur Kundenbindung das Ziel, die Geschäfts-
beziehungen zu Konsumenten oder Unternehmen langfristig zu erhalten und profitabel
weiterzuentwickeln. Hierbei ist zu klären welche der genannten Ziele im Mittel-
punkt stehen.
Die nachfolgend beschriebenen Formen kundenbindender Maßnahmen sollen von
den Kunden möglichst intensiv genutzt werden, weil nur so die bindenden Effekte erreicht
werden. Unter Kundenbindungsmaßnahmen sind hier alle Maßnahmen zu verstehen,
die eingesetzt werden, um die Beziehung zwischen den Kunden und dem jeweiligen
Unternehmen so zu gestalten, dass diese langfristig trägt und der Kunde im Idealfall
kontinuierlich hohe und profitable Umsätze tätigt.
Für die Entwicklung einer eigenen Kundenbindungsstrategie sind die in Abb. 5.79
aufgezeigten Fragestellungen zu beantworten.
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Zunächst ist das Bezugsobjekt der Kundenbindung zu definieren. Hier können fol-
gende Objekte den Ausgangspunkt der Kundenbindung darstellen:
• Sollen bspw. alle Kunden eines Unternehmens eingebunden werden, wie dies durch das
Payback-Konzept bei dm Drogeriemarkt angestrebt wird?
• Sollen nur ausgewählte Kunden besonders betreut werden?
• Haben sich die Kunden durch ihr Kaufverhalten eine besondere Betreuung und Be-
lohnung erst zu verdienen (so beim Miles & More-Programm der Lufthansa)?
• Richtet sich das Programm an alle, die sich dafür registriert haben (etwa bei Kunden-
bindungsprogrammen von Hotels wie dem GoldCrownClub von Best Western)?
• Müssen die Kunden einen Beitrag entrichten, um die Vorteile eines Kundenbindungs-
programms zu erhalten (so bspw. bei Douglas und beim BSW)?
• Dialog-Programm
• Newsletter
• Customer-Service-Center als Anlaufstelle für die betreuten Kunden
• Sammelkarte/Rabattkarte
• Kundenkarte
• Treuebelohnungsprogramm (bspw. mit einer Belohnung für getätigte Umsätze)
• Vorteilsprogramm (mit eigenen Leistungen oder auch mit Leistungen von Kooperations-
partnern)
• Kundenmagazin
• Events (Einladung zu Modeschauen, Girls’ Night, Gentlemen’s Night, Preview auf
neue Ware, Einladung zu einer Hausmesse, zu einer Branchen-Veranstaltung etc.)
Bei der Entwicklung eines überzeugenden Kundenbindungskonzepts sind die Ziele des
Unternehmens wie auch die Ziele der Kunden gleichermaßen zu berücksichtigen. Aus an-
bieterorientierter Perspektive sind die Inhalte für die Kunden so zu gestalten, dass eine
langfristige Ertragssteigerung erreicht wird. Zusätzlich wird häufig das Ziel angestrebt,
weitere Daten über die betreuten Kunden zu ermitteln, um die Betreuung stärker zu indi-
5.4 Kommunikationspolitik 469
cc Merk-Box Aus Kundensicht stellt sich die Frage nach dem Mehrwert des
Leistungsprogramms ganz einfach:
What’s in it for me?
9. Was versteht man unter Inter- und Intra-Media-Selektion? Verdeutlichen Sie Ihre
Aussagen anhand konkreter Beispiele. Welche Kriterien werden herangezogen?
10. Was bedeutet die Intra-Werbemittel-Selektion? Nennen Sie Beispiele für diese
Entscheidungssituation.
11. Wodurch werden die Medienqualität und die Medienreichweite bestimmt?
12. Welche Kriterien wirken sich auf die Medienflexibilität und auf die Medienöko-
nomie aus?
13. Wie werden die verschiedenen Arten des Tausend-Kontakte-Preises errechnet?
14. Was versteht man unter internen und externen Überschneidungen? Sind diese er-
wünscht oder eher zu vermeiden?
15. Welche Arten von Kommunikationsstrategien lassen sich im Hinblick auf das Ti-
ming unterscheiden? Arbeiten Sie Entscheidungssituationen heraus, in denen
einzelne Strategien bessere Kommunikationserfolge erwarten lassen.
16. Welche Funktionen haben IVW, agma, agof, AWA, LAE, b4p und VuMA? Recher-
chieren Sie Antworten im Internet.
17. Was bedeutet multisensorisches Marketing? Welche Bedeutung kommt diesem
zu? Was tun Unternehmen, um dem Rechnung zu tragen?
18. Wie sollte die Kommunikation ausgestaltet werden, um eine überzeugende
Markenpersönlichkeit aufzubauen?
19. Was bedeuten die Begriffe ATL und BTL?
20. Was versteht man unter Werbung? Welche Ziele sind damit verbunden? Welche
Instrumente können zum Einsatz kommen?
21. Was ist ein Werbebriefing? Welche Festlegungen sind damit verbunden?
22. Welche Klassifizierungen bieten sich an, um Gruppen von Zeitungen und Zeit-
schriften zu unterscheiden? Nennen Sie jeweils Beispiele für diese unterschied-
lichen Kategorien, indem Sie im Internet nach entsprechenden Titeln suchen.
23. Welche Möglichkeiten des werblichen Einsatzes von Zeitungen und Zeitschriften
sind zu unterscheiden? Nennen Sie deren Vor- und Nachteile.
24. Was ist der Unterschied zwischen Dialog- und Monolog-Anzeigen? In welchem
Kontext werden diese eingesetzt? Suchen Sie dafür jeweils Beispiele in Ihnen zu-
gänglichen Zeitungen und Zeitschriften.
25. Welche Bedeutung kommt dem Werbeträger TV heute zu und warum?
26. Welche Werbeformen sind bei TV zu unterscheiden?
27. Woran kann Product Placement erkannt werden? Welche rechtlichen Grundlagen
sind zu berücksichtigen?
28. Was ist unter Freundschaftswerbung zu verstehen?
29. Was kennzeichnet Buzz? Wie kann es verstärkt werden?
30. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Guerilla-Marketing? Welche Beispiele fallen
Ihnen dazu ein?
31. Welche Vorgehensweise ist mit Ambush-Marketing gemeint? Welche Beispiele
sind Ihnen präsent?
32. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Ambient Media? Welche Bedeutung kommt
dieser Mediengattung heute zu?
472 5 Marketing-Instrumente
33. Welche Beispiele für Ambient-Medien sind Ihnen aus Ihrem persönlichen Umfeld
geläufig?
34. Was versteht man unter PR? Welche Unternehmen setzen PR mit welchem Ziel ein?
35. Welche Instrumente werden im Rahmen der PR genutzt?
36. Was versteht man unter Verkaufsförderung? Welche Zielgruppen werden unter-
schieden? Welche Maßnahmen können dafür eingesetzt werden?
37. Grenzen Sie die Begriffe Direkt-/Dialogkommunikation und Direkt-/Dialog-
werbung voneinander ab und verdeutlichen Sie die jeweiligen Unterschiede.
38. Welche Instrumente stehen bei der Dialogkommunikation zur Verfügung? Was
sind die Merkmale, die ein Kommunikationsinstrument zu einem Instrument der
Dialogkommunikation machen?
39. Analysieren Sie in Ihrem unmittelbaren Umfeld, welche Maßnahmen der Dialog-
kommunikation Ihnen in den letzten Tagen begegnet sind.
40. Welche Arten des Telefon-Marketings werden unterschieden? Was ist bei dessen
Einsatz zu berücksichtigen?
41. Was sind die Inhalte von Mobile Marketing? Welche Bedeutung kommt diesem
heute zu?
42. Was ist ein QR-Code? Wo wird dieser heute eingesetzt? Generieren Sie einen QR-
Code mit selbstdefinierten Inhalten.
43. Welche Regelungen hat das UWG für die Direktansprache von Konsumenten und
Unternehmensvertretern festgelegt? Welche Intention ist damit verbunden?
44. Welche Arten von Permissions sind zu unterscheiden? Was versteht man hierbei
unter Opt-in und Opt-out?
45. Aufgrund welcher Faktoren hat die Bedeutung der Dialogkommunikation in den
letzten Jahren zugenommen?
46. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Online-Marketing?
47. Welche Instrumente werden bei der Online-Kommunikation unterschieden? Wann
bietet sich der Einsatz welcher Instrumente an?
48. Was ist mit Content-Marketing gemeint? Welche Ziele werden dadurch angestrebt?
Welche Beispiele von Content-Marketing sind Ihnen geläufig?
49. Was versteht man unter Influencer-Marketing? Welche Beispiele kennen Sie?
50. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Rating- und Review-Management? Warum ist
diesem Thema heute eine große Relevanz beizumessen? Wo wurden Sie selbst zur
Abgabe von Bewertungen aufgefordert?
51. Was versteht man unter Viral-Marketing? In welchem Umfeld wird dieses mit wel-
chem Ziel eingesetzt?
52. Welche Aktivitäten sind mit Sponsoring verbunden? Welche Arten können unter-
schieden werden?
53. Worin liegt der Unterschied zwischen Sponsoring und Mäzenatentum?
54. Welche Ziele sind mit Sponsoring verbunden und welche Faktoren wirken sich auf
deren Erreichung aus?
5.5 Personalpolitik 473
55. Wie lassen sich Messen und Ausstellungen beschreiben? Welche derartigen Ver-
anstaltungen sind Ihnen bekannt? Recherchieren Sie zehn verschiedene Ver-
anstaltungen und arbeiten Sie heraus, ob sich diese an ein Fachpublikum oder an
die interessierte Öffentlichkeit wenden.
56. Was ist unter Event-Marketing zu verstehen? Welche Wirkungen werden hierbei
primär angestrebt?
57. Was versteht man unter Corporate Identity? Welche Ziele sind damit verbunden?
Welche Zielgruppen haben Unternehmen im Auge?
58. Welche Handlungsfelder werden bei der Corporate Identity unterschieden? Wie kann
eine Umsetzung der definierten Vorgaben im Unternehmen sichergestellt werden?
59. Was liegt einer Corporate Identity meist zugrunde? Finden Sie entsprechende
Grundlagen durch eine Recherche im Internet. Vergleichen Sie bspw. die Konzepte
von Siemens, Bosch und Tchibo.
60. Gibt es einen Unterschied zwischen Corporate Identity und Corporate Design –
und wenn ja, welchen?
61. Welche Festlegungen erfolgen im Rahmen des Corporate Designs?
62. Was wird durch Corporate Communications angestrebt und warum? Wie können
die zugrunde liegenden Ziele erreicht werden?
63. Welche Gründe liegen dem Wachstum verschiedener Kundenbindungsprogramme
zugrunde? Welche Programme kennen Sie? Was zeichnet diese aus?
64. Welche Arten von Kundenbindungssystemen sind zu unterscheiden?
65. Welche Zielgruppen sollten durch ein Kundenbindungsprogramm erreicht werden?
66. Welche Leistungen kann ein Kundenbindungsprogramm umfassen? Welche Be-
deutung messen Sie den einzelnen Elementen zu?
5.5 Personalpolitik
Lernziele
Fähigkeit,
Der Marketing-Mix wird heute – wie in Abschn. 1.1.3 aufgezeigt – nach wie vor schwer-
punktmäßig über die „4 Ps“ definiert, die in den vorangegangenen Abschnitten präsentiert
wurden. Nur vereinzelt finden sich insb. in der englischsprachigen Literatur Ansätze, die
von einem „5. P“ im Marketing sprechen. Es wird häufig auf den Servicesektor fokussiert,
in dem der Mitarbeiter schon immer eine besondere Stellung einnahmen. Teilweise finden
sich auch Ansätze mit „7 Ps“, wobei die weiteren Ps neben „Personnel“ für „Process“ und
„Physical Evidence“ oder für „Packaging“ und „Positioning“ stehen.
cc Merk-Box Die Zeit ist mehr als reif, den Marketing-Mix generell um ein „5. P“ für
Personalpolitik zu ergänzen und vom Marketing-Diamanten zu sprechen.
Schließlich kommt den Mitarbeitern auch außerhalb des Dienstleistungs-
sektors eine immer größere Bedeutung für die Erreichung einer positiven Cus-
tomer Experience zu.
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Abb. 5.80 Konzept des Internal Brandings zur Erreichung von Brand Behavior
5.5 Personalpolitik 475
kann sich auf die übergreifende Unternehmensmarke und/oder auf einzelne Produkt- oder
Dienstleistungsmarken beziehen.
Aufgrund dieser Markenausrichtung wird teilweise auch von Behavioral Branding
gesprochen. Um eine Behavioral Brand zu erreichen, sind die Handlungsfelder Führung,
Personalmanagement und Kommunikation nach innen und flankierende Systeme in spezi-
fischer Form auszugestalten (vgl. Abb. 5.80). Hierdurch soll die Entstehung von Brand
Behavior erreicht werden – ein Verhalten, das sich an den Markenerfordernissen aus-
gerichtet (vgl. grundlegend Schmidt, 2007; Esch et al., 2014; Tomczak et al., 2012; Kern-
stock, 2012; Wentzel et al., 2012).
Unverzichtbar ist die Ergänzung der Markenausrichtung um die beschriebene Kunden-
und Vertriebsorientierung, die in vielen Ansätzen m. E. deutlich zu kurz kommt. Wäh-
rend Internal Branding somit die Managementaufgabe adressiert, stellt Brand Behavior
das Ergebnis aller Internal-Branding-Maßnahmen dar und fungiert folglich als zu über-
prüfende Zielgröße (vgl. Forster et al., 2012, S. 282).
cc Merk-Box Das Ziel von Brand Behavior ist eine einheitliche Darstellung der
Marke an allen Kundenkontaktpunkten (Customer Touchpoints), um hierdurch
den Erfolg der Marke nachhaltig zu stärken.
Welche Gründe sprechen dafür, das Personal in einem so umfassenden Sinne in das
Marketing zu integrieren und folglich in den in Kap. 1 beschriebenen Marketing-Diaman-
ten aufzunehmen (vgl. Abb. 1.7)? Wie sieht heute das Ausmaß der Beziehung zwischen
Unternehmen und dessen Mitarbeitern bzw. Führungskräften aus? Und warum reicht
weder ein Fokus auf der Markenorientierung bzw. der Kunden- und Vertriebsorientierung
allein aus, um Brand Behavior zu erreichen?
Zur Beantwortung dieser Fragen hilft uns der Blick auf das Ausmaß des Employee
Engagements. Dieses Kriterium entscheidet – wie Gallup-Studien immer wieder zeigen –
entscheidend über Erfolg und Misserfolg von Unternehmen. Gallup (2020a) definiert en-
gagierte Mitarbeiter als diejenigen, die sich in ihre Arbeit umfassend einbringen, sich an
ihren Arbeitsplatz intensiv engagieren und sich für ihre Arbeit begeistern können. Die
Erfassung des Employee Engagements hilft den Unternehmen zu erkennen, ob sich ihre
Mitarbeiter aktiv an der Unternehmensentwicklung beteiligen oder ob sie einfach nur ihre
Zeit „absitzen“.
Folglich sollte jedes Unternehmen sein Augenmerk regelmäßig auf den unverzicht-
baren Key Performance Indicator „Employee Engagement“ richten. Denn was nützen die
innovativsten Technologien und die bereitgestellten Marketing-Budgets, wenn diese von
den Mitarbeitern und Führungskräften nicht im Sinne des Unternehmens genutzt werden?
Die Forschungsergebnisse zum Employee Engagement zeigen seit Jahren eines sehr
deutlich:
Unternehmen mit einem hohen Maß an engagierten Mitarbeitern erzielen signifikant
bessere Geschäftsergebnisse als Unternehmen, deren Mitarbeiter sich in weniger hohem
Maße mit dem Unternehmen, seinen Zielen und Aufgaben identifizieren.
Gleichartige Resultate finden sich in allen Branchen, bei unterschiedlichen Unter-
nehmensgrößen und Nationalitäten sowie – durchaus überraschend – auch in guten und
schlechten wirtschaftlichen Zeiten (vgl. Gallup, 2020a).
Mitarbeiter und Führungskräfte fordern heute – durchaus neben einem guten Gehalts-
scheck – in zunehmendem Maße auch einen nachvollziehbaren Sinn und Zweck ihrer
Arbeit (Stichwort Purpose; vgl. Abschn. 3.3). Sie wollen ebenso in ihrer Einzigartigkeit
gesehen und wertgeschätzt werden. Und sie erwarten tragfähige Beziehungen – vor
allem zu ihren Führungskräften. Alle Mitarbeiter wollen wahrgenommen werden für das,
was sie einzigartig macht.
Die genannten Faktoren treiben in hohem Maße das Engagement der Mitarbeiter an.
Gallup (2020a) hat herausgearbeitet, dass Manager bzw. Teamleiter allein für 70 % der
Varianz im Engagement der betreuten Teams verantwortlich sind!
cc Merk-Box Führungskräfte haben mit ihrem Verhalten den größten Einfluss auf
das Employee Engagement – und damit auch auf das Unternehmensergebnis
insgesamt!
Vor diesem Hintergrund ist bei der Ausgestaltung der Personalpolitik – im engen Aus-
tausch mit dem HR-Bereich (Personalabteilung) – der in Abb. 5.81 gezeigte Paradigmen-
wechsel in der Personalführung zu berücksichtigen (vgl. Gallup, 2020a). Ein Paradigma
ist eine grundsätzliche Denkweise. Paradigma steht auch für ein Erklärungsmodell, ein
Vorurteil bzw. übergreifend für unsere Weltsicht bzw. unsere Weltanschauung. Ganz ein-
fach gesagt: Ein Paradigma beschreibt, wie Sachverhalte als gegeben angenommen werden.
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Welche Ergebnisse zum Employee Engagement haben die Studien von Gallup (2020a)
über Jahrzehnte hinweg erstaunlicherweise immer wieder geliefert?
• Nahezu 85 % der Beschäftigten weltweit weisen kein oder nur ein geringes Maß an
Employee Engagement auf.
• Lediglich bei 15 % der Beschäftigten zeigen ein hohes Maß an Employee Engagement.
Wo die Personalpolitik ansetzen kann und ansetzen sollte, zeigt ein Blick auf die
Statements zur Ermittlung des Employee Engagements durch Gallup (2019, S. 3). In
diesen Statements wird sichtbar, was – und oft auch wie wenig – eigentlich zu tun wäre,
um die Motivation der Mitarbeiter signifikant zu steigern:
1. Ich weiß, was bei der Arbeit von mir erwartet wird.
2. Ich habe die Materialien und die Arbeitsmittel, um meine Arbeit richtig zu machen.
3. Ich habe bei der Arbeit jeden Tag die Gelegenheit, das zu tun, was ich am besten kann.
4. Ich habe in den letzten sieben Tagen für gute Arbeit Anerkennung oder Lob bekommen.
5. Mein Vorgesetzter oder eine andere Person bei der Arbeit interessiert sich für mich
als Mensch.
6. Bei der Arbeit gibt es jemanden, der mich in meiner Entwicklung fördert.
7. Bei der Arbeit scheinen meine Meinungen zu zählen.
8. Die Ziele und die Unternehmensphilosophie meiner Firma geben mir das Gefühl, dass
meine Arbeit wichtig ist.
9. Meine Kollegen haben einen inneren Antrieb, Arbeit von hoher Qualität zu leisten.
10. Ich habe einen sehr guten Freund/eine sehr gute Freundin innerhalb der Firma.
478 5 Marketing-Instrumente
11. In den letzten sechs Monaten hat jemand in der Firma mit mir über meine Fortschritte
gesprochen.
12. Während des letzten Jahres hatte ich bei der Arbeit die Gelegenheit, Neues zu lernen
und mich weiterzuentwickeln.
Auf welche Bedürfnisse die Inhalte der genannten Statements in eine Bedürfnis-
pyramide einzahlen, zeigt Abb. 5.82. In dieser Pyramide wird zwischen Grundbedürf-
nissen und den Bedürfnissen nach Unterstützung, Teamarbeit und Wachstum unter-
schieden (vgl. Gallup, 2019, S. 3).
Durch den Einsatz dieser Fragen – unterstützt durch Gallup – ist der Status quo des
Employee Engagements im Unternehmen zu ermitteln. Die Verwendung der genannten
Fragen in einem Unternehmen setzt die Freigabe durch Gallup voraus. Erst die B efriedigung
der hinter diesen Statements stehenden Bedürfnisse schafft in einem Unternehmen ein
Umfeld des Vertrauens und der Unterstützung.
Welchen Stand weist das Employee Engagement in Deutschland heute auf? Um die-
sen Wert zu ermitteln, wurden 2019 von Gallup 1000 Arbeitnehmer befragt. Die nach-
folgenden Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in Deutschland ab 18
Jahre. Die in Abb. 5.83 gezeigten Werte können als Vergleichsgrößen für die Ergebnisse
des eigenen Unternehmens herangezogen werden. Wie auch in den Jahren vorher zeigen
nur 15 % der Mitarbeiter in Deutschland eine hohe emotionale Bindung. Bei 69 % liegt
eine geringe emotionale Bindung vor – und 16 % weisen keine emotionale Bindung auf
(vgl. Gallup, 2019, S. 5)!
Es ist erstaunlich, dass diese – Jahr für Jahr – veröffentlichten Daten keinen Aufschrei
in den Führungsetagen der Unternehmen und vielfältige Maßnahmen auslösen, um das
hier schlummernde Performance-Potenzial zu heben. Gallup (2019, S. 7) schätzt, dass sich
die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund von innerer Kündigung in Deutschland auf
eine Summe zwischen 105 und 122 Mrd. € belaufen.
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Es ist interessant und erschreckend zugleich ist, dass sich an diesen Werten für Deutsch-
land – in guten wie in schlechten Phasen der Wirtschaft – nichts verändert hat. So als ob
die Unternehmen und ihre Führungskräfte sich um diese Ergebnisse überhaupt nicht
kümmern!
Die 10. Meta-Analyse des Employee Engagements von Gallup (2020b) zeigt, welche
weiteren negativen Auswirkungen mit niedrigen Engagement-Werten bei den eigenen
Mitarbeitern einhergehen. Hierzu wurde eine Vielzahl von Gallup-Studien aus 54 Bran-
chen, in 96 Ländern, bei 276 Organisationen mit insgesamt 112.312 Geschäfts-/Arbeits-
einheiten und 2.708.538 Mitarbeitern ausgewertet.
Beim Vergleich des Employee Engagements im obersten Quartil („Top 25 %“) der
Unternehmen mit dem Engagement im untersten Quartil („Schlechteste 25 %“) stellte
Gallup fest, dass Geschäftseinheiten und Teams im Median die nachfolgenden Unter-
schiede bei zentralen KPIs aufwiesen. Im Gegensatz zum Mittelwert ist der Median der
Zentralwert, der genau „in der Mitte“ steht, wenn man die Messwerte der Größe nach
sortiert.
Reduktion negativer Ereignisse:
In Summe kann festgestellt werden, dass sich in hoch engagierten Teams signifikant
weniger negative Ereignisse zutragen und deutliche Verbesserungen in verschiedenen
Funktionsbereichen sowie auf Unternehmensebene insgesamt einstellen.
Vor diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, warum es sich nicht nur menschlich
lohnt, in Mitarbeitern mehr als nur einen teuren Produktionsfaktor zu sehen. Wenn Unter-
nehmen eine strategische Weiterentwicklung und Differenzierung im Wettbewerb an-
streben, um nachhaltiges und profitables Wachstum zu erreichen, dürfen Mitarbeiter und
Führungskräfte nicht länger als Erfolgsfaktor vernachlässigt werden. Denn schließlich
müssen diese die strategische Ausrichtung und die dieser zugrunde liegenden Werte Tag
für Tag mit Leben füllen (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c).
Gleichzeitig erbringen Mitarbeiter aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Dienst-
leistungen einen immer größeren Anteil an der Unternehmenswertschöpfung. Wie sich der
Anteil der Wirtschaftsbereiche an der Gesamtbeschäftigung verändert hat, zeigt Abb. 5.84
Schließlich entwickeln sich die etablierten Industrienationen immer stärker zu Dienst-
leistungsgesellschaften. Diese Tendenz hat im Jahre 2020 in Deutschland einen neuen
Höhepunkt erreicht. Der Anteil des Dienstleistungssektors an der Gesamtbeschäftigung
aller Wirtschaftsbereiche in Deutschland stieg seit 1920 von 32,5 % kontinuierlich auf
74,7 % im Jahr 2020 (vgl. Statista, 2021k). Parallel dazu sank die Beschäftigung in der
Land- und Forstwirtschaft im Zeitraum 1950 bis 2020 von 24,6 % auf 1,3 %. Im produzie-
renden Gewerbe verringerte sich der Beschäftigtenanteil im gleichen Zeitraum von 42,9 %
auf 24 %.
5.5 Personalpolitik 481
3ULPlUHU6HNWRU/DQGXQG)RUVWZLUWVFKDIW)LVFKHUHL 6HNXQGlUHU6HNWRU3URGX]LHUHQGHV*HZHUEH
7HUWLlUHU6HNWRU'LHQVWOHLVWXQJHQEULJH%HUHLFKH
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Abb. 5.84 Anteil der Wirtschaftsbereiche an der Gesamtbeschäftigung in Deutschland 1950 bis
2020. (Quelle: Statista, 2021k)
Diese Entwicklung bedeutet nichts anderes, als dass Mitarbeiter und Führungskräfte
als zentrale Ressource im Unternehmen eine immer größere Bedeutung erlangen. Per-
sonal wird für den Wertschöpfungsprozess am Kunden immer wichtiger.
Aus dieser Entwicklung resultiert zunächst die Notwendigkeit, dass das Personal so-
wohl eine Kunden- als auch eine Vertriebsorientierung aufweisen muss (vgl. Abb. 5.85).
Eine Kundenorientierung mit dem alleinigen Ziel, „die Kunden glücklich zu machen“,
greift für gewinnorientierte Unternehmen zu kurz. Diese Kundenorientierung ist in eine
Balance mit der Vertriebsorientierung zu bringen. Bei dieser Vertriebsorientierung geht
es darum, für das Unternehmen ein profitables Wachstum zu ermöglichen. Deshalb sind
alle Maßnahmen, die im Kontext der Personalpolitik erbracht werden, daraufhin zu ana-
lysieren, ob sie einen Beitrag zu den ergebnisorientierten Zielen des Unternehmens
leisten.
Ein weiterer Faktor, der die Relevanz des Internal Brandings verstärkt, ist die zu-
nehmende Notwendigkeit, sich bei immer ähnlicher werdenden Angeboten über die
Dienstleistungsqualität im Wettbewerb zu differenzieren (vgl. vertiefend Haller & Wiss-
ing, 2020, S. 64–67). Folglich ist es an der Zeit, die in Abschn. 3.4.2.3 diskutierten Ansatz-
punkte zur Erreichung einer Uniqueness im Markt um ein Konzept zu erweitern: die Uni-
que Passion Proposition (UPP; vgl. Abb. 5.86).
Bei der Unique Passion Proposition geht es um die Zielsetzung, das Leistungsangebot,
sei es eine Marke, ein konkretes Produkt oder eine Dienstleistung, in den Augen der Kun-
den dadurch aufzuwerten, dass die Leidenschaft der dahinter agierenden Menschen sicht-
und erlebbar wird. Vielleicht gelingt es sogar, ein ganzes Unternehmen als „passion-
driven“ auszurichten.
Die Abgrenzung zwischen der Unique Passion Proposition und der Unique Selling Pro-
position gelingt dadurch, dass bei der UPP keine Facts and Figures zur Dokumentation
der Überlegenheit ins Feld geführt werden können. Bei der Unique Passion Proposition
482 5 Marketing-Instrumente
Vertriebsorientierung Kundenorientierung
8QLTXH6HOOLQJ
3URSRVLWLRQ
3URILOLHUXQJ
8QLTXH$GYHUWLVLQJ 8QLTXH3DVVLRQ
3URSRVLWLRQ 3URSRVLWLRQ
geht es primär um den „Spirit“, der hinter einem Leistungsangebot steht. Insoweit ist eine
UPP auch wesentlich mehr als eine UAP, die allein durch Kommunikation geschaffen
wird, ohne auf objektiv nachweisbare Sachverhalte zuzugreifen (vgl. Abschn. 3.4.2.3).
Wird dieser Spirit für den Interessenten oder Kunden sichtbar, so kann seine Kaufent-
scheidung dadurch positiv beeinflusst werden – gemäß dem Motto:
„Wenn sich die Mitarbeiter für ihr Unternehmen, ihre Marke, ihr Produkt so ins Zeug legen,
dann muss es ja etwas sein!“
Wichtig ist hierbei, dass diese Leidenschaft „echt“ und nicht nur aufgesetzt ist, weil der
Arbeitgeber dies so wünscht. Es geht folglich um die Leidenschaft, eine Marketing-
Excellence für das gesamte Unternehmen zu erreichen (vgl. Abb. 5.87; weiterführend
Kobjoll, 2009). Viele Unternehmen werden in den nächsten Jahren nur erfolgreich sein,
wenn sie ihre Organisation auf Passion trimmen und alle in der dargestellten Marketing-
Excellence-Turbine aufgezeigten Leistungsfelder gleichermaßen mit Leidenschaft
ausfüllen.
Es wird sich zeigen, dass selbst Unternehmen, deren Marketing-Strategien oder An-
gebote weniger innovativ sind als die der Wettbewerber, erfolgreicher sein können. Voraus-
setzung hierfür ist, dass die strategischen Konzepte über alle Unternehmenshierarchien
und die eingebundenen Partner hinweg überzeugend umgesetzt und als Passion-Driven
Organization bei den Kunden ankommen (vgl. weiterführend Kreutzer, 2021c).
cc Merk-Box Denn das Einzige, was auch langfristig nicht kopiert werden kann,
sind die Beziehungen, die ein Unternehmen und insb. die Führungskräfte und
Mitarbeiter zu Kunden aufbauen.
Durch die Fokussierung auf den Faktor „Passion“ können Unternehmen eine solide
Grundlage aufbauen, um eine langfristige Uniqueness über den Unique Selling Proposition
zu erreichen. Das dies nur mit motivierten Mitarbeitern gelingen kann, liegt auf der Hand!
Es ist allerdings unverzichtbar, die zu weckende Passion auf das Markenversprechen
des Unternehmens bzw. die jeweiligen Angebote auszurichten und damit zu kanalisieren.
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• Hunderttausende von Mitarbeitern üben heute Funktionen aus, die es vor 20 Jahren
noch nicht gab: 3-D-Artists, App-Entwickler, Big Data Analyst, CDO (Chief Digital
Officer), Cloud-Architekt, Cloud-Service-Manager, Community-Manager, Content-
Manager, Data-Scientist, Feelgood-Manager, KI-Programmierer, Mobile Developer,
Scrum-Master, SEO-Spezialist (SEO bedeutet Search Engine Optimization), Social-
Media-Manager, VEO-Spezialist (VEO bedeutet Voice Engine Optimization), UX-
Designer (UX steht für User Experience) etc.
• Entsprechend werden ca. 70 % der heutigen Schüler in Berufen arbeiten, die es zurzeit
noch gar nicht gibt.
• Mitarbeiter und Führungskräfte werden in zehn Jahren mit Technologien arbeiten, die
heute noch nicht operativ einsetzbar sind.
• Die Teams werden teilweise Probleme lösen müssen, die man bisher noch nicht kennt.
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Hier wird deutlich: Die Halbwertzeit von Wissen wird immer kürzer!
Schon heute versuchen viele Unternehmen händeringend, entsprechend qualifiziertes
Personal am Markt zu finden, weil die unternehmensinterne Entwicklung solcher Fähig-
keiten in der Vergangenheit nicht oder nicht ausreichend gefördert wurde. Deshalb ist es
eine Kernaufgabe der Personalpolitik, die in Abb. 5.89 gezeigte strategische Quali-
fizierungslücke im Unternehmen zu ermitteln – und zu schließen.
Durch die Erarbeitung einer (digitalen) Lehr- und Lern-Agenda im Unternehmen gilt
es, das Qualifying zur Schließung der strategischen Qualifizierungslücke systematisch
und regelmäßig durch ein Re-Qualifying zu ergänzen. Hierfür sind Angebote für ein
Re-Skilling (vorhandene Fähigkeiten auffrischen) und ein Up-Skilling (weiterführende
Fähigkeiten erwerben) zu entwickeln.
Parallel hierzu besteht die Herausforderung für alle Mitarbeiter und Führungskräfte
darin, sich selbst für die weitere Qualifizierung zu empowern. „Lifelong Learning“ galt
schon lange als Leitidee, aber noch nie war sie so wichtig wie heute! Bildung und Aus-
bildung in den Industrienationen und in jedem Unternehmen bedürfen einer strategischen
Neuausrichtung und Weiterentwicklung, um den Anforderungen gerecht zu werden, die
mit dem digitalen Wandel verbunden sind.
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cc Denkanstoß Die Erstsemester von heute werden um das Jahr 2070 in Pension
gehen. Bis dann werden sie eine Vielzahl von Herausforderungen zu meistern haben,
die wir heute noch nicht kennen!
cc „Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“
5.5.2.1 Grundüberlegungen
Der dominante Schwerpunkt von Marketing-Wissenschaft und -Praxis ist nach wie vor das
„nach außen gerichtete Marketing“. Hier geht es u. a. um die Preisstrategie, das Produkt-
design, die gewählten Vertriebsformate und vor allem die Instrumente der Kommunikations-
politik. Es dominiert häufig das Ziel, überzeugende Marketing-Ideen schnell und noch vor
einer möglichen Wettbewerberaktion in den Markt hineinzutragen. Die Online-Medien
haben diesen Druck, möglichst schnell – am besten sogar in Echtzeit – zu reagieren, noch
deutlich erhöht. Wer als Erster agiert, kann häufig die Aufmerksamkeit der Massen auf
sich ziehen (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021b; Lammenett, 2021).
Damit wird ein zentraler Schlüssel für den Unternehmenserfolg – die umfassende Ein-
bindung der eigenen Führungskräfte und Mitarbeiter – nach wie vor vernachlässigt.
Man muss sich bewusst machen, dass Marken nicht nur durch die Marketing-
Kommunikation und die Produkte selbst geprägt und gepflegt werden, sondern in erheb-
lichem Maße auch durch das Verhalten des Personals im persönlichen Kundenkontakt.
Dies gilt insb. für Dienstleistungsmarken – aber eben nicht nur für diese. Die Zufrieden-
heit des Kunden wird folglich in hohem Maße durch das Verhalten der Mitarbeiter im
Verkauf und Service bestimmt.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass alle guten Ideen von Unternehmen prozessual „ge-
managt“ und vor allem an allen als Customer Touchpoints bezeichneten Anlaufstationen
des Kunden auch markenorientiert „gelebt“ werden müssen, sei es am POS oder im Custo-
mer-Service-Center. Die Herausforderung ist darin zu sehen, diese Customer Touchpoints zu
Customer Trustpoints weiterzuentwickeln (vgl. vertiefend Peppers & Rogers, 2012).
cc „Starke Marken entstehen immer von innen nach außen – niemals umgekehrt.“
Der Prozess zum Aufbau des Internal Branding kann sinnvollerweise nach dem SIIR-
Modell erfolgen, um so einen markenorientierten Veränderungsprozess einzuleiten (vgl.
Esch et al., 2005, S. 995 f.) Anhand der vier Phasen Sensibilisieren, Involvieren, Integrie-
ren und Realisieren kann Schritt für Schritt das angestrebte Brand Behavior im Unter-
nehmen aufgebaut werden (vgl. Abb. 5.90).
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5.5.2.2 Führung
Motivierte Mitarbeiter, die als Markenbotschafter fungieren, können nicht „eingekauft“,
sondern müssen im Unternehmen entwickelt werden. Ein überzeugendes Brand Behavior
entsteht folglich nicht selbstständig, sondern setzt einen dauerhaften Prozess zu dessen
Einrichtung und Entwicklung voraus. Die Verantwortung hierfür liegt beim Management
jedes Unternehmens. Deshalb ist es eine wichtige Herausforderung, die häufig in unter-
schiedlichen Abteilungen verankerte und damit organisatorisch getrennte Verantwortlich-
keit für Kunden einerseits und Mitarbeiter andererseits in einer konstruktiven Zu-
sammenarbeit zu überwinden und zu einem integrierten Vorgehen zu kommen. Hierzu
sind auch die häufig noch vorhandenen Informations-Silos aufzubrechen.
Um eine übergreifende Zusammenarbeit im Unternehmen zu erreichen, sind zunächst
entsprechende Leitsätze und Visionen für das Unternehmen zu definieren. Hierzu sind
ggf. auch die vorhandenen Unternehmenswerte weiterzuentwickeln und ein Purpose für
das Gesamtunternehmen zu erarbeiten. Die zentrale Herausforderung lautet hier:
Start with the why!
Jedes Unternehmen sollte überzeugende Antworten auf die Frage des „Why?“ liefern
(vgl. Abb. 5.91; vgl. Sinek, 2011; Ritter & Chim, 2019, S. 2).
Im Kern geht es hierbei um den Purpose des Unternehmens und die Frage: Warum
existieren wir als Unternehmen? Von diesem Unternehmenszweck leiten sich die zu er-
zielenden Outcomes ab, d. h. die Kernleistungen des Unternehmens. Diese sind immer
daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Unternehmenszweck dienen. Von den angestrebten
Outcomes wiederum leitet sich die strategische und operative Arbeit (Work) ab, die im
Unternehmen zu erbringen ist. Entscheidend für eine wirksame Vision ist es, dass Purpose,
Outcomes und Work intensiv miteinander verbunden sind und eine konsistente Einheit
bilden. Dieser Wirkungsverbund ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass die
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Auch eine brillante Strategie scheitert, wenn sie von der Unternehmenskultur nicht ge-
tragen wird.
Im Rahmen des Internal Brandings sind vor allem zwei Führungsstile relevant (vgl.
vertiefend Kreutzer, 2021c; grundlegend Scholz, 2014, S. 1077–1199):
Ein Führungsstil umfasst alle Handlungen und Verhaltensweisen, mit denen ein Vor-
gesetzter seinen Mitarbeitern gegenübertritt und die er einsetzt, um bestimmte Ergebnisse
zu erzielen. Beim transaktionalen Führungsstil erfolgt die Führung i. S. eines Aus-
tauschprozesses bzw. eines Handels zwischen Führungskräften und Mitarbeitern (vgl.
Abb. 5.93; vgl. Morhart et al., 2012, S. 398). Hier stehen einzelne Transaktionen im
Mittelpunkt.
Der zugrunde liegende Grundsatz des transaktionalen Führungsstils lautet: do ut des
(„Ich gebe, damit du gibst.“). Der Vorgesetzte definiert die Erwartungen und Ziele, wäh-
rend die Mitarbeiter bei Erreichung eine Gegenleistung in Form einer Belohnung erhalten.
Es wird auf Zielvereinbarungen gesetzt, an denen die Performance der Mitarbeiter in
regelmäßigen Abständen gemessen wird. Dieser Management by Objectives genannte
Führungsstil wird häufig ergänzt durch ein Management by Exception („Führung im
Ausnahmefall“); hier interveniert der Vorgesetzte nur bei gravierenden Abweichungen von
Vorgaben.
Unternehmen, die auf einen transaktionalen Führungsstil setzen, geben Standards
vor, wie sich Mitarbeiter zu verhalten haben. Dadurch wird den Mitarbeitern unmissver-
ständlich verdeutlicht, welche Aufgaben und Verhaltensweisen von ihnen erwartet wer-
den. Je nach Leistung sind entsprechende positive oder negative Konsequenzen zu er-
warten (vgl. den oberen Verlauf in Abb. 5.93). Unternehmen, die auf einen transaktionalen
Führungsstil setzen, geben bzgl. des Internal Brandings Verhaltensstandards vor, wie sich
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Mitarbeiter als Markenbotschafter zu verhalten haben. Dadurch wird den Mitarbeitern un-
missverständlich bewusst gemacht, welche Aufgaben und Verhaltensweisen von ihnen er-
wartet werden (vgl. Morhart et al., 2012, S. 392).
Beim transformationalen Führungsstil stehen dagegen die Transformationen der
Leistungserbringung im Mittelpunkt (vgl. den unteren Verlauf in Abb. 5.93). Hierbei han-
delt es sich um Veränderungs- und Umwandlungsprozesse. Der transformationale
Führungsstil fokussiert die „weichen“ Faktoren und nutzt die Erkenntnis, dass Mitarbeiter
auch über die Aussicht auf Selbstverwirklichung zu motivieren sind (vgl. Abb. 5.82). Der
transformationale Führungsstil zielt darauf ab, die Bedürfnisse und Ziele der Mitarbeiter
so zu wandeln, dass sie ihre eigenen Interessen hinter die Unternehmensziele stellen. Folg-
lich stehen sich Führungskräfte und Mitarbeiter nicht als Gegenspieler gegenüber, son-
dern als Unterstützer beim Verfolgen des gemeinschaftlichen Zieles, das sich von der
übergreifenden Unternehmensvision ableitet.
Dies gelingt vor allem durch Führungskräfte, die eine attraktive und sinnstiftende
Vision vermitteln, selbst als Vorbild agieren und die intellektuelle wie persönliche Ent-
wicklung der Mitarbeiter aktiv unterstützen. Werden im Transformationsprozess von
Unternehmen die Mitarbeiter in den Mittelpunkt gestellt, kann erfahrungsgemäß eine hö-
here affektive, d. h. emotionsbasierte Bindung das Unternehmen und seine Marken er-
reicht werden als bei einem Führungsstil, die nur auf die Abarbeitung von eng definierten
Aufgaben setzt (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021c).
Für effizientes Internal Branding bietet sich eine Mischform der Modelle an, um die
Vorteile aus beiden Ansätzen miteinander zu verbinden (vgl. Abb. 5.93). Durch Kompo-
nenten der transaktionalen Führung kann markenkonformes Verhalten bis zu einem ge-
wissen Grad forciert und somit können Verhaltensstandards in allen Bereichen gesichert
werden. Vorgaben und Richtlinien sollten jedoch nur so stark betont werden, dass die
Komponenten der transformationalen Führung zusätzlich Wirkung entfalten können. Der
Führungskraft muss es gelingen, durch die „weichen“ Faktoren der transformationalen
Führung Marken-Commitment, Identifikation und Eigenmotivation auszulösen.
Hierbei spielt insb. die regelmäßige Wertschätzung der Mitarbeiter eine wichtige
Rolle für das Internal Branding. Studien haben gezeigt, dass Wertschätzung durch Vor-
gesetzte und Kollegen die Leistungsbereitschaft und Motivation von Mitarbeitern effektiv
fördert (vgl. dazu auch die Gallup-Ergebnisse in Abschn. 5.5.1; Ellingsen & Johannesson,
2007; Brockhoff & Panreck, 2016).
Wertschätzung und Leistungsforderung können also nicht in einem Widerspruch
zueinander gesehen werden. Vielmehr sollte die Wertschöpfung an die Wertschätzung ge-
bunden sein, da Lob und Anerkennung wichtige Faktoren für die Mitarbeiterzufriedenheit
sind. Schließlich weist jeder Mensch intrinsische Bedürfnisse nach sozialer Anerkennung,
Zugehörigkeit und Wertschätzung für die erbrachten Leistungen auf (vgl. Abb. 5.82).
Anerkennung baut auf und stimuliert zugleich den Ehrgeiz, die eigene Leistung zu
halten, wenn nicht gar zu übertreffen. Mitarbeiter revanchieren sich für Wertschätzung,
indem sie ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens leisten und leistungsbereiter und
motivierter sind (vgl. zu den motivationstheoretischen Grundlagen Scholz, 2014,
492 5 Marketing-Instrumente
S. 1077–1199). Diese Kriterien liegen auch den zitierten Gallup-Studien zugrunde. Folg-
lich lautet die Conclusio:
In diesem Kontext kommt dem Empowerment eine große Bedeutung zu. Unter Em
powerment (i. S. einer Befähigung bzw. Ermächtigung) wird die Schaffung bzw. Ver-
größerung von Handlungsspielräumen und Entscheidungskompetenzen der Mit-
arbeiter in ihrer täglichen Arbeit verstanden. Mitarbeiter sollen sich nicht allein an ihren
Job-Rollen orientieren, sondern ausgerichtet auf die jeweilige Situation eigeninitiativ Lö-
sungen für Probleme entwickeln. Dies können Mitarbeiter nur dann, wenn ihnen ent-
sprechende Handlungsspielräume zugestanden werden. In diesem Fall müssen sie nicht
jede Interaktion vom Vorgesetzten abzeichnen lassen (vgl. vertiefend zum Empowered
Team Kreutzer, 2021c).
Entsprechend unterstützte Mitarbeiter („Enabled Employees“) sind vielmehr er-
mächtigt, im Rahmen ihres Aufgabenfeldes Entscheidungen selbstständig zu treffen. Mit-
arbeiter werden durch die Schaffung von Freiräumen befähigt, sich kreativ an der Er-
reichung der Markenziele zu beteiligen. Mit der Erweiterung der Handlungskompetenzen
geht eine Ausdehnung des Aufgabenfeldes in Richtung anspruchsvollerer Aufgaben ein-
her, was sich wiederum positiv auf die Arbeitsmotivation der Mitarbeiter auswirken kann
(vgl. Brexendorf et al., 2012, S. 349).
Hierdurch können eine Erhöhung des Marken-Commitments (i. S. eines besonderen
Engagements für die Marke), größerer Enthusiasmus sowie verbesserte Arbeitsabläufe
an den Customer Touchpoints erreicht werden (vgl. Esch & Knörle, 2012, S. 376). Studien
hierzu belegen einen positiven Zusammenhang von Empowerment und Brand Behavior
(vgl. Henkel et al., 2012a, b).
Einen wichtigen Beitrag zum Aufbau von Brand Behavior leistet ein Brand Citizenship
Behavior. Dieses Konzept wurde aus dem Organizational Citizenship Behavior ab-
geleitet. Letzteres beschreibt individuelle und freiwillige Verhaltensweisen, die außerhalb
der Rollenerwartungen liegen und damit zum „nicht erzwingbaren funktionalen Extra-
Rollenverhalten“ zählen. Diese werden durch die formalen Entlohnungssysteme von
Unternehmen nicht direkt oder explizit sanktioniert, tragen aber gleichwohl in hohem
Maße zur Leistungssteigerung von Organisationen bei. Die Führung eines Unternehmens
hat dafür Sorge zu tragen, dass sich solche Verhaltensmuster im Unternehmen durchsetzen
können. Dazu können der transformationale Führungsstil sowie das Empowerment ent-
scheidend beitragen.
5.5 Personalpolitik 493
Aus diesen Inhalten können die folgenden Leitideen für die passende Führungs-
kultur ableitet werden:
• Wertschätzung
• Information (vgl. Abschn. 5.5.2.4)
• Dialog (vgl. Abschn. 5.5.2.4)
Wertschätzung und damit ein respektvoller Umgang mit den Mitarbeitern ist in der
Unternehmenspraxis keine Selbstverständlichkeit. Das Miteinander im Unternehmen, sei
es auf einer Hierarchieebene oder zwischen verschiedenen Hierarchieebenen, ist von
einem wertschätzenden Umgang häufig noch weit entfernt. Launische Vorgesetzte, neue
Mitarbeiter, mit denen am ersten Arbeitstag niemand gerechnet hat, oder Informationen
über anstehende Standortschließungen, die betroffene Mitarbeiter der Tagespresse
entnehmen müssen, sind Beispiele hierfür (vgl. weiterführend Sutton, 2009, 2013; Brock-
hoff & Panreck, 2016).
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Die fehlende Identifikation mit dem Unternehmen, die in den Gallup-Studien regel-
mäßig diagnostiziert wird, findet hier ihre Ursachen (vgl. Abschn. 5.5.1). Entsprechende
Kommunikationsprobleme führen häufig auch die Listen von Themen an, die Mitarbeiter
bei ihrer täglichen Arbeit behindern.
Wertschätzung drückt sich gerade auch durch ein Interesse am Menschen und nicht nur
am Leistungsträger aus. Leistung zu fordern und Mitarbeiter wertschätzend zu behandeln,
stellt nur scheinbar einen Widerspruch dar. Die Kausalität ist umgekehrt. Wertschätzung
zahlt in hohem Maße auf Leistungsbereitschaft und Motivation ein, nicht dagegen auf
das Leistungspotenzial, das durch andere Faktoren beeinflusst wird. Der Zusammenhang
wird im Eisberg-Modell der Leistungserbringung deutlich (vgl. Abb. 5.95).
Bei diesem Eisberg-Modell der Leistungserbringung wird Bezug genommen auf die
Erkenntnisse von Herzberg (1993), der die Bedingungen für die Entstehung von
Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit beim arbeitenden Menschen untersuchte. Er unter-
schied hierbei folgende Faktoren:
• Motivatoren (Satisfiers)
Motivatoren führen unmittelbar zur Arbeitszufriedenheit. Hierzu gehören zunächst die
selbst erbrachte Arbeit bzw. Leistung, aber auch die Anerkennung der Leistung durch
andere. Auch die übernommene Verantwortung sowie die Möglichkeit zu Aufstieg und
Selbstverwirklichung zahlen auf die Arbeitszufriedenheit ein.
• Hygienefaktoren (Dissatisfiers)
Die Nichterfüllung der sogenannten Hygienefaktoren führt dagegen zu Unzufrieden-
heit. Werden Hygienefaktoren beachtet, schafft das allein aber noch keine Zufrieden-
heit. Zu den Hygienefaktoren zählen u. a. die Arbeitsbedingungen, die Qualität der
Beziehungen zu Führungskräften, Mitarbeitern und Gleichgestellten sowie der er-
reichte Status, die Arbeitsplatzsicherheit und das Gehalt.
Trotz der teilweise vorgebrachten Kritik an diesem Ansatz von Herzberg können die
zentralen Erkenntnisse eine Leitschnur für den Aufbau eines Internal Brandings sein
(vgl. weiterführend Scholz, 2014, S. 1082–1086).
Hinsichtlich der hierfür notwendigen Führungskultur besteht allerdings noch ein gro-
ßer Handlungsbedarf (vgl. weiterführend Malik, 2019). Das nachfolgend präsentierte
(LQIOXVVIDNWRUHQ
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Personalmanagement trägt entscheidend dazu bei, ein hohes Leistungspotenzial bei Mit-
arbeitern und Führungskräften zu erreichen. Durch die dort beschriebenen Maßnahmen ist
gleichzeitig sicherzustellen, dass im Unternehmen geeignetes Personal beschäftigt wird.
5.5.2.3 Personalmanagement
Das Personalmanagement ist ebenfalls auf das Erreichen von Brand Behavior auszu-
richten (vgl. Bruhn et al., 2019, S. 729–778). Dies gilt insb. in den Bereichen, in denen
Führungskräfte und Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt stehen. Deshalb sind bereits
im Einstellungsprozess die folgenden Fragen zusätzlich zu anderen Stellenanforderungen
zu klären:
• Haben die Bewerber die Fähigkeit, die gestellten Anforderungen hinsichtlich der Um-
setzung eines Internal Brandings zu erfüllen?
• Verfügen die Mitarbeiter über die notwendige Motivation, um ihrer Funktion als
Markenbotschafter zu entsprechen?
Die Frage nach der Befähigung der Mitarbeiter ist bereits im Zuge deren Auswahl und
Schulung zu stellen bzw. zu beantworten. Auch bei Beförderungen oder bei Ver-
setzungen von Mitarbeitern und Führungskräften in andere – vor allem kundennahe –
Unternehmensbereiche sind diese Kernfragen zu beantworten. Es ist insb. zu ermitteln,
welche Grundorientierung die jeweiligen Personen mitbringen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei der Analyse eines Beziehungsaufbaus zwi-
schen Geschäftspartnern zwischen zwei Ebenen zu unterscheiden ist:
• Sachebene
Der Fokus beim Beziehungsaufbau wird nach wie vor häufig fälschlicherweise auf die
Sachebene gelegt. Hier liegt die fehlerhafte Annahme zugrunde, dass es bei Dialogen
primär um Zahlen, Daten, Fakten und sachliche Qualifikationen ginge. Kunden – off-
line wie online – lassen sich hierdurch allein kaum noch begeistern. Tatsächlich gelingt
dies immer weniger, weil Angebote in vielen Bereichen austauschbar geworden sind.
• Beziehungsebene
Bei austauschbaren Angeboten wird die Beziehungsebene erfolgsentscheidend. Dann
geht es darum, welche menschliche Beziehung aufgebaut werden kann. Und diese Art
von Beziehung trägt in immer höherem Maße zum Vertriebserfolg bei.
Trotz dieser Erkenntnis dominiert im Personalmanagement wie auch bei der Gestaltung
kundennaher Prozesse selbst häufig noch die Sachebene. Allerdings kommt auch im Ge-
schäftsleben nur selten eine platonische Beziehung rein auf der Sachebene („von Kopf zu
Kopf“) zustande. Denn auch hier ist der Kunde – sei es als Konsument oder als Repräsen-
tant eines Unternehmens – immer auf der Suche nach guten Gefühlen.
Deshalb ist bei allen Transaktionen mit Kunden die Beziehungsebene („von Herz zu
Herz“) zwingend zu berücksichtigen (vgl. Abb. 5.96). Es gilt sogar, dass i. d. R. die
496 5 Marketing-Instrumente
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eziehungsebene die Dialog-Bilanz dominiert: Das bedeutet, dass Gespräche mit sol-
B
chen Anbietern fortgesetzt werden, die insb. die (unausgesprochenen) Erwartungen auf
der Beziehungsebene erfüllen. Deshalb sollte man sie kennen oder empathisch – d. h. mit
Einfühlungsvermögen – erkunden!
Eine beispielhafte Analyse der Aufgabenfelder in einem Customer-Service-Center
zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der dort erbrachten Leistungen auf die Beziehungs-
ebene einzahlt und nicht – wie vielleicht häufig vermutet – auf die Sachebene. Konzentrie-
ren sich Mitarbeiter zu stark auf diese Sachebene, gerät die Dialog-Bilanz u. U. ungewollt
aus dem Gleichgewicht und eine Geschäftsbeziehung kommt nicht zustande.
Um dies zu vermeiden, ist den in Abb. 5.97 aufgezeigten Faktoren der Sach- und Be-
ziehungsebene zumindest gleichermaßen Beachtung zu schenken. Teilweise ist jedoch
besonders die Beziehungsebene zu stärken, weil diese in vielen Unternehmen bisher ver-
nachlässigt wurde.
5.5 Personalpolitik 497
Viele Elemente der Leistungserbringung, die auf den ersten Blick der Sachebene zu-
gerechnet würden, zahlen über die zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung tatsächlich
mehr auf die Beziehungsebene ein. Hierzu zählen bspw. die Tonalität im Umgang mit-
einander, die wahrgenommene Wertschätzung, die sich bspw. auch in der Individualisie-
rung des Angebotes und der Schnelligkeit der Bearbeitung widerspiegelt (vgl. Abb. 5.97).
Dominant auf die Sachebene wirken dagegen Faktoren wie Preis- und Mengenangaben,
Lieferbedingungen und technische Spezifikationen. Nur wenn alle Leistungsträger für
beide Aspekte umfassend sensibilisiert sind, kann das gewünschte Brand Behavior er-
reicht werden.
Es wird dem betreuten Kunden im Kontakt mit einem Unternehmen sehr schnell klar –
oder besser: „Er fühlt schnell“ –, ob er gerade im Dialog mit einem Kundenorientierungs-
muffel, einem aufgesetzten Kundenorientierten, einem ungeschliffenen Kunden-
orientierten oder einem wirklich Kundenorientierten steht. Abb. 5.98 zeigt, dass für die
ehrliche Kundenorientierung eine kundenorientierte Einstellung und ein kunden-
orientiertes Verhalten gleichermaßen relevant sind (vgl. Homburg, 2011; Homburg &
Stock-Homburg, 2012).
Zusätzlich ist festzustellen, dass manche Personen eine von Natur aus höhere Kongru-
enz zwischen ihrer eigenen Identität und der Markenidentität aufweisen als andere Perso-
nen. Es wird in diesem Zusammenhang von einem hohen Personen-Marken-Fit
Kundenorientiertes Verhalten
Kundenorientierte Einstellung
g esprochen (vgl. Esch & Strödter, 2012). Aufgabe des Personalmanagements ist es daher
sicherzustellen, dass die „richtigen“ Bewerber rekrutiert und bevorzugt befördert werden.
Das sind vor allem solche Personen, deren Ich-Identität am ehesten der Markenidentität
entspricht (vgl. Esch et al., 2012).
Durch ein solches Vorgehen wird das Personalwesen konsequent auf die Anforderungen
der Marke ausgerichtet. Unternehmen sollten daher im Zuge des Recruitings so früh wie
möglich ihre Markenwerte im Rahmen des Employer Branding in den Vordergrund stel-
len. Bereits eine Stellenausschreibung, die die Werte der Marke klar zum Ausdruck
bringt, verdeutlicht, welche Verhaltensweisen und Persönlichkeitsmerkmale von zu-
künftigen Führungskräften und Mitarbeitern erwartet werden. Im Weiteren unterstützen
auf die Marke abgestimmte Assessment-Center und entsprechende Case Studys im Vor-
stellungsgespräch die Auswahl von Bewerbern mit dem höchsten Personen-Marken-Fit
(vgl. Esch et al., 2012, S. 172 f.).
Ebenso leistet die betriebliche Sozialisation, wenn sie konsequent auf die Marke ab-
gestimmt ist, einen eigenständigen Beitrag hinsichtlich des Ziels, Mitarbeiter zu Marken-
botschaftern zu machen. Markenbezogene Schulungen, Workshops, Mentoren-Programme
oder interne Markenkampagnen stellen effiziente Instrumente zum Aufbau von Brand
Behavior dar.
Insbesondere markenspezifische Schulungen und Workshops bieten eine dreifache
Wirkung: Sie fördern das Wissen über die Marke, ermöglichen das Erlernen der Fähig-
keiten, die für markenspezifisches Handeln notwendig sind, und unterstützen das Kennen-
lernen sowie den Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Mitarbeitern. Dies wiede-
rum kann die emotionale Bindung und damit das Commitment an den Arbeitgeber fördern
(vgl. Esch et al., 2012, S. 173–177).
Im Zuge der Veränderungen der Marktbedingungen und des viel zitierten „War for
Talents“ kommt dem Employer Branding eine große Bedeutung zu. Die Deutsche Em-
ployer Branding Akademie (2021) definiert ihre entsprechende Aufgabenstellung wie folgt:
„Wir machen Arbeitgeber erfolgreicher, indem wir den Kern ihrer Identität ermitteln, ihn in-
tern wie extern greifbar machen und sie befähigen, sich zukunftssichernd daran auszurichten.“
Eine überzeugende Employer Brand (i. S. der Arbeitgebermarke) wird durch den Ein-
satz unterschiedlicher Kommunikationsinstrumente nach innen und außen erreicht. Hier-
für kommen neben Social-Media-Kanälen (bspw. Blogs sowie ein Engagement auf Linke-
dIn oder Xing) auch Maßnahmen der Public Relations, der Werbung und vor allem auch
der persönliche Dialog zum Einsatz. Das Ergebnis soll eine Arbeitgebermarke darstellen,
die zwei Vorteile mit sich bringt:
Internal Branding und Employer Branding bedingen und fördern sich damit gegen-
seitig und können nur als Teil eines ganzheitlichen Markenmanagements ihre volle Wir-
kung entfalten (vgl. Forster et al., 2012; Schumacher & Geschwill, 2013; Walter & Krem-
mel, 2016; Kanning, 2017). Durch die Verfolgung beider Konzeptionen in einem
Unternehmen kann ein besonders hoher Personen-Marken-Fit gewährleistet werden: Es
werden die besten und passendsten Führungskräfte und Mitarbeiter angezogen, gehalten
und motiviert, die Marke zu leben.
Wie bereits dargestellt wurde, reicht für das Entstehen von Brand Behavior nicht allein
das Wissen und das Können aus. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen auch bereit sein,
die entsprechenden Leistungen zu erbringen. Bewusst gestaltete Belohnungen als zentra-
les Element von Anreizsystemen wirken auf die Leistungsbereitschaft und fördern die
Motivation der Mitarbeiter. Der verhaltensbeeinflussende Stimulus kann sowohl in mate-
rieller als auch in immaterieller Form erfolgen und wird gewährt, wenn das Personal die
gewünschten bzw. überdurchschnittlichen Leistungen erbringt.
Materielle Anreize sind bspw. variable Prämien, Erfolgsbeteiligungen, ein Dienst-
wagen oder eine betriebliche Altersvorsorge. Immaterielle Anreize umfassen vor
allem persönliche Gestaltungsangebote des Arbeitsplatzes, persönliche Entwicklungs-
möglichkeiten, die Sicherheit des Arbeitsplatzes sowie Statussymbole und Aus-
zeichnungen. Auch flexible Arbeitszeiten, Kinderbetreuung, Gesundheitsförderung,
Freizeitangebote, Sabbaticals und weitere Möglichkeiten zur Erreichung einer
Work-Life-Balance stellen heutzutage wichtige Anreize dar, um die Zufriedenheit der
Mitarbeiter zu fördern.
Neben den positiven Anreizen spielen aber auch negative Anreize eine Rolle, bspw.
durch das Streichen von Vergünstigungen oder ein Entfallen von Fortbildungsmaßnahmen,
wenn sich ein markenkonformes Verhalten nicht einstellt. Es ist allerdings fraglich, ob
solche negativen Anreize bei unmotivierten Mitarbeitern zur gewünschten Verhaltens-
änderung führen.
Entscheidend ist, dass der gesamte Prozess der Kommunikation nach innen kritisch
begleitet wird. Mit dem einmaligen Installieren dieses Konzeptes ist das Ziel einer um-
fassenden Mobilisierung der unternehmensinternen Effizienzreserven nicht zu er-
reichen. Deshalb ist regelmäßig eine kritische Überprüfung u. a. der folgenden Frage-
stellungen notwendig:
Beim Thema Information geht es zunächst „ums große Ganze“. Hier geht es vor allem
um Antworten auf die Frage, wohin sich das Unternehmen entwickeln soll und welcher
Purpose anvisiert wird. Hierbei kann man sich an dem Zitat von Antoine de Saint-Exupéry
orientieren:
5.5 Personalpolitik 501
cc „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz
zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie
die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“
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• In welchen Feldern möchte das Unternehmen in Zukunft tätig sein – und in wel-
chen nicht?
• Welche Umsatz- und Ergebnisziele strebt das Unternehmen in den nächsten Jahren an?
• Von welchen Wettbewerbern möchte man sich abgrenzen?
• Welcher Stellenwert wird Innovationen, der Produkt- und/oder Dienstleistungsqualität
zugemessen?
• Welche Markenwerte stehen im Mittelpunkt?
• Wie möchte man den Kunden gegenüber auftreten?
• Welche Service-Ziele hat man sich gesetzt?
• Wie umfassend und mit welcher Tonalität möchte man sich in den sozialen Medien
präsentieren?
• 25 % der Fachkräfte in Deutschland kennen die Ziele ihres Unternehmens nicht.
• Ca. 20 % der Manager mit Personalverantwortung sind die übergeordneten Firmenziele
unbekannt.
• 80 % der Fachkräfte wollen allerdings wissen, wie sich ihre Arbeit in die Gesamt-
strategie ihres Arbeitgebers einfügt.
• 70 % sagen, dass sie ein klares Verständnis von ihrer Rolle im Unternehmen benötigen,
um produktiv arbeiten zu können.
Fachkräfte, die die übergeordneten Ziele ihres Arbeitgebers kennen, sind deutlich zu-
friedener mit ihrer Arbeit als diejenigen, die das große Ganze nicht verstehen. Hierzu heißt
es in der Studie von Walter Jochmann, Geschäftsführer von Kienbaum (StepStone, 2017):
5.5 Personalpolitik 503
„Die interne Kommunikation ihrer Unternehmensstrategie ist für viele Organisationen eine
große Herausforderung. Doch es lohnt sich, Zeit und Mühe zu investieren, um die strategi-
schen Zielsetzungen und deren Bedeutung für die tägliche Arbeit jedes Mitarbeiters offen und
verständlich zu vermitteln. Mitarbeiter werden motiviert durch eine erfüllende berufliche
Tätigkeit und die Wertschätzung des eigenen Beitrags zum Unternehmenserfolg. Sie wollen
strategische Weichenstellungen nachvollziehen und deren praktische Umsetzung mitge-
stalten.“
Bei der internen Vermittlung von markenbezogenen Inhalten zeigt der Deutsche
Markenmonitor (2019) weitere Herausforderungen auf. Diese basieren auf einer Be-
fragung von 287 Entscheidungsträgern in deutschen Unternehmen. Nachfolgend wird
deutlich, welche Prozentanteile der Entscheidungsträger sich einen größeren Einfluss
der Marke auf verschiedene Unternehmensfunktionen wünschen:
• Kundenservice: 58,9 %
• Vertrieb: 58,2 %
• Produktentwicklung: 52,6 %
• Personalabteilung: 44,9 %
• Geschäftsführung: 44,6 %
• Marketing: 35,2 %
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326
Die frühzeitige Information an die eigenen Mitarbeiter stellt die Voraussetzung dafür
dar, dass Brand Behavior aufgebaut und das Unternehmen eine überragende Servicequali-
tät erreichen kann. Hierbei liegt das folgende Ziel zugrunde:
cc Durch das Unternehmen gut informierte Kunden sollten auf mindestens ebenso gut
informierte Mitarbeiter treffen.
Da der Kunde von heute immer besser informiert ist, steigt der Bedarf an derartigen
Informationen deutlich an.
Deshalb ist im Zuge der dialogischen Kommunikation eine umfassende Informations-
versorgung aller Abteilungen sicherzustellen, die gleichzeitig auch Customer Touchpoints
sind (vgl. Abb. 5.100). Der alleinige Hinweis, alle für die betroffenen Abteilungen relevan-
ten Informationen wären im Intranet sowie im Internet verfügbar, ist nicht wirklich hilf-
reich. Der Marketing-Bereich muss immer wieder Anreize setzen, damit sich die Mit-
arbeiter auch mit diesen für den Kundenkontakt relevanten Inhalten auseinandersetzen.
Rechnung zu tragen. Die zentralen Merkmale sowie konkrete Formen der Kommunikation
finden sich in Abb. 5.101. Ausgewählte Instrumente werden nachfolgend vertieft.
Über das Intranet, Mailings, E-Mail, E-Mail-Newsletter und/oder Mitarbeiter-
zeitungen kann u. a. berichtet werden, welche Forschungsschwerpunkte gesetzt und wel-
che strategischen Ziele angestrebt werden. Zusätzlich können Informationen darüber
bereitgestellt werden, für welche Kunden das Unternehmen arbeitet. Abteilungen und/
oder Niederlassungen können sich vorstellen und neue Produkte oder Dienstleistungen
werden präsentiert. Zusätzlich können neue oder langjährige Mitarbeiter zu Wort kom-
men. Das Management kann zusätzlich alle sechs Monate im Rahmen von Mit
arbeiterveranstaltungen – heute Townhall-Meetings genannt – zu unterschiedlichen The-
men aus dem Unternehmensalltag Stellung nehmen.
Zusätzlich kann über Twitter, Facebook, Webinare sowie über Company- und
Mitarbeiter-Blogs sowie über Team-Software-Lösungen eine dialogische Kommunika-
tion weitergeführt werden. Durch deren Einsatz können sich Führungskräfte und Mit-
arbeiter aller Hierarchieebenen über ihre Arbeit, neue Produkte und anderes austauschen.
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Zusätzlich stellt – wie schon angesprochen – das Wissen über die Marke eine not-
wendige Bedingung für die Entstehung von markenkonformen Verhaltensweisen dar.
Hierbei lässt sich zwischen Markenwissen im weiteren und engeren Sinne unterscheiden
(vgl. Wentzel et al., 2012):
Das Markenwissen im weiteren und engeren Sinne kann bspw. über ein Markenhand-
buch (Brand Book) bereitgestellt werden. In diesem werden die wichtigsten Aus-
prägungen der Markenidentität definiert. Zusätzlich können Standards und Richtlinien zur
Umsetzung der Markenidentität im beruflichen Alltag niedergelegt werden. Teilweise set-
zen Unternehmen hierfür auch sogenannte Brand Cards ein. In diesen sind neben der
Unternehmensphilosophie auch die Dimensionen des Markenkerns, die Markenstilistik
und konkrete Handlungsappelle dokumentiert. Wenn die Mitarbeiter diese Brand Cards
„am Mann“ haben, sind die Werte der Marken und Anhaltspunkte zur Umsetzung idealer-
weise immer präsent.
Storytelling (zu Deutsch „Geschichtenerzählen“) stellt ein modernes Instrument der
internen und auch der externen Kommunikation dar (vgl. Moesslang, 2020; Eckert, 2021).
Eine erzählte Geschichte bindet den Zuhörer, sodass dieser den Inhalt nicht nur hören,
sondern quasi auch erleben und damit emotional nachempfinden kann. Erzählungen kön-
nen den kognitiven Prozess Transportation auslösen. Transportation beschreibt ein
Eintauchen des Zuhörers in die Geschichte (vgl. Green & Brock, 2000, S. 701). Der Rezi-
pient wird in den Erzählmoment „hinein transportiert“ und „emotional involviert“. Das hat
5.5 Personalpolitik 507
den Vorteil, dass die emotionale Betroffenheit und gleichzeitig die Lernbereitschaft im
Vergleich zu anderen Kommunikationsformen erhöht wird. Das erzählte Wissen wird eher
verstanden und angenommen.
In Unternehmen können Markengeschichten eingesetzt werden, um auf anschauliche,
spannende und kreative Weise Traditionen und Werte zu vermitteln. Durch solche Ge-
schichten wird zugleich aufgezeigt, wie die Markenwerte im unternehmerischen Alltag
konkret angewendet und umgesetzt werden können. Dadurch weisen Storys zwei zentrale
Funktionen auf (vgl. Wentzel et al., 2012, S. 429):
• Präskriptive Funktion
Präskriptiv bedeutet „vorschreibend“ bzw. „Normen setzend“. Hier wird bspw. defi-
niert, welches die relevanten Werte von Unternehmen und Marke sind.
• Deskriptive Funktion
Deskriptiv bedeutet „beschreibend“. Hier liefert eine Geschichte eine Beschreibung, in
welcher Form Werte konkret gelebt werden können.
cc Merk-Box „A good story can be found with anybody; the receptionist, the pro-
duct developer or the bookkeeper“. (Fog et al., 2005, S. 99)
„A strong brand builds on clearly defined values, while a good story communicates those
values in a language easily understood by all of us. A strong brand exists based on its emotio-
nal ties to the consumer or employee, while a good story speaks to our emotions and bonds
people together. Ultimately, storytelling has the power to strengthen a brand both internally
and externally.“
508 5 Marketing-Instrumente
Eine zentrale Bedeutung bei der Wertevermittlung von Marken kommt der Brand Aca-
demy (auch Marken-Akademie) zu. Darunter ist ein Raum zu verstehen, an dem die
Marke hinsichtlich aller relevanten Sinne vom Unternehmen selbst inszeniert wird. Die
Marke ist dort im wörtlichen Sinne zu sehen, zu hören, zu schmecken, zu fühlen und zu
riechen. Neben der Vermittlung von Wissen über die Marke ist ein dominantes Ziel, für
diese auf allen Sinnesebenen zu begeistern.
Dieses Konzept zur Installation von Markenerlebnissen in Räumen wird bspw. in
Form der Dr. Oetker Welt in Bielefeld, der World of Coca-Cola in Atlanta, der Volkswagen
Autostadt in Wolfsburg und der BMW-Welt in München umgesetzt. In Abhängigkeit von
der jeweiligen Ausgestaltung stehen diese Inszenierungen der Marke nur den eigenen
Mitarbeitern und Führungskräften, externen Leistungspartnern und/oder der gesamten in-
teressierten Allgemeinheit offen.
hinweisen. Ein gutes CRM-System kann den Mitarbeiter auch darauf hinweisen, den Kun-
den im laufenden Dialog um ein paar weitere Angaben zur Abrundung des Informations-
profils zu bitten (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021a, S. 85–101).
Ein weiterführendes Konzept stellt den Mitarbeitern ein Dashboard (zu Deutsch
„Armaturenbrett“) für die Kundenbetreuung zur Verfügung. Ein solches führt dazu, dass
schnell die angemessenen kundenorientierten Tendenzen und Handlungen erkannt werden
können, um darauf adäquat zu reagieren. So kann bspw. das Cross-Sell-Potenzial, aber
auch das Loyalitäts- und Referenzpotenzial erkannt und dem Service-Mitarbeiter für
sein Gespräch kundenindividuell angezeigt werden.
• Aufwärtsbeurteilung
Hier bewerten die Mitarbeiter in anonymer Form ihre Führungskraft.
• Beurteilung von Gleichgestellten
Hier bewerten sich Mitarbeiter, die hierarchisch gleichgestellt sind, in anonymer Form
gegenseitig.
510 5 Marketing-Instrumente
Abb. 5.102 Marken-Identifikations-Portfolio
• 360-Grad-Feedback
Hier werden Mitarbeiter in anonymer Form durch Mitarbeiter gleicher, nachgeordneter
und übergeordneter Ebene bewertet. Diese Bewertung kann auch Kundenurteile ein-
schließen.
Um die Wirkungen beim Aufbau des Internal Brandings in ihren verschiedenen Facet-
ten zu erfassen, müssen die festgelegten Ziele aus der Planungsphase als Soll-Werte in
regelmäßigen Abständen mit den bereits erreichten Ist-Werten abgeglichen werden. Um
die Wirkung der ergriffenen Maßnahmen zu gewährleisten, erfolgt die Kontrolle der
Zielerreichung prozessbegleitend und nicht erst am Ende des Berichtszeitraums. Dadurch
wird es möglich, Abweichungen rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig Strategien und
Maßnahmen zu modifizieren oder Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Zur Erfolgskontrolle kann bspw. das in Abb. 5.102 gezeigte Marken-Identifikations-
Portfolio beitragen (vgl. Kernstock, 2012, S. 28). In diesem lassen sich die Mitarbeiter –
etwa basierend auf einer Mitarbeiter- und/oder Kundenbefragung – hinsichtlich des eige-
nen Markenverständnisses sowie der wahrgenommenen Verpflichtung gegenüber der
Marke klassifizieren. Interessant ist, wenn eine solche Auswertung bereichs- oder ab-
teilungsbezogen erfolgt.
Die Ergebnisse des Marken-Identifikations-Portfolios liefern die Grundlage für wei-
tere Maßnahmen des Personalmanagements. Bei Bedarf können Impulse zur Weiter-
entwicklung des Führungsverhaltens vermittelt werden. Außerdem kann die Optimierung
der internen Kommunikation sowie der eingesetzten Systeme erfolgen.
Der vom Gallup-Institut entwickelte Ansatz verbindet die interne mit der externen Per-
spektive. So werden sowohl die Wahrnehmung der Mitarbeiter wie auch die die Wahr-
nehmung der Kunden in die Bewertung integriert. Hierbei wird unterschieden zwischen
(vgl. Fleming et al., 2005; Fleming & Asplund, 2007):
5.5 Personalpolitik 511
• Feld I
Unternehmen oder Abteilungen, die im Feld I liegen, schöpfen ihr Potenzial bei Wei-
tem nicht aus – weder bei den Kunden noch bei den Mitarbeitern. Hier – wie auch in
den Feldern II und III – liegt ein „Underperforming“ vor.
• Feld II
In diesem Feld sind die Mitarbeiter zwar hoch motiviert, kümmern sich aber nicht aus-
reichend um die Kunden. Hier mangelt es an Fähigkeiten oder Motivation – oder auch
an beidem. Die Mitarbeiter mögen Spaß haben, die Kunden dagegen weniger.
• Feld III
Hier erbringen die Mitarbeiter zwar eine gute Leistung, werden aber nicht ausreichend
vom Unternehmen unterstützt. Die Mitarbeiter reiben sich selbst im Kundenkontakt
auf. Hier zeigt sich ein Mangel in der systemischen Unterstützung.
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Abb. 5.103 Engagement-Portfolio zur Beziehung zwischen Employee Engagement und Customer
Engagement
512 5 Marketing-Instrumente
• Feld IV
Studien von Gallup zeigen, dass ein Leistungsoptimum (gemessen an den finanziellen
Ergebnissen des Unternehmens) erst in diesem Feld erreicht wird – bei einer Aus-
gewogenheit zwischen Customer und Employee Engagement (vgl. Fleming
et al., 2005).
Anhand dieser Konzepte wird nachvollziehbar, warum der Prozess zum Aufbau von
Brand Behavior systematisch überwacht werden muss. Die dabei gewonnenen Erkennt-
nisse zeigen relevante Handlungsfelder auf. Es kann deutlich werden, dass die für den Aus-
bau des Internal Brandings erforderlichen Investitionen bereits kurzfristig durch positive
Effekte eines größeren Engagements der Mitarbeiter oder Kunden überkompensiert werden.
Bei konsequenter Umsetzung eines Internal Brandings bewahrheiten sich die Thesen:
• Grundlage von Brand Behavior ist eine entsprechende Ausgestaltung der Füh-
rung, des Personalmanagements, der internen Kommunikation und der unter-
stützenden Systeme.
• Der Markenidentitätsansatz stellt eine notwendige Voraussetzung für den Aufbau
des Internal Brandings dar.
• Mitarbeiter- und markenorientierte Ziele sind in eine Balanced Scorecard zu integ-
rieren und durch entsprechende Konzepte hinsichtlich ihrer Erreichung zu prüfen.
19. Welche Systeme können den Aufbau von Brand Behavior fördern? Welche Be-
deutung kommt diesen zu?
20. Was versteht man unter Dashboard? Welche Bedeutung kommt diesem im Zu-
sammenhang mit dem Aufbau von Brand Behavior zu?
21. In welcher Weise sollte sich das Internal Branding in einer Balanced Scorecard
wiederfinden? Welche Anforderungen sind zu berücksichtigen?
22. Welche Zusammenhänge hat das Gallup-Institut hinsichtlich Customer und Emp-
loyee Engagement ermittelt? Welche Konsequenzen lassen sich ableiten?
23. Welche Dimensionen deckt das Engagement-Portfolio ab? Welche Ableitungen
können vorgenommen werden?
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Lernziele
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• den Aufbau eines strategischen sowie eines operativen Marketing-Plans nachzu-
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• einen Marketing-Plan eigenständig zu erstellen
• spezifische Marketing-Aktivitäten idealtypisch den einzelnen Phasen des
Produktlebenszyklus zuzuordnen
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9LVLRQ0LVVLRQ3XUSRVHGHV8QWHUQHKPHQV 6WUDWHJLVFKH0DUNHWLQJ=LHOH
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(%,7(%,7'$52,52652&(
Dieser externen Perspektive schließt sich die Analyse der Stärken und Schwächen
an. Zur Konkretisierung der Stärken und Schwächen des Unternehmens sind die eigenen
Leistungen einer vergleichenden Analyse im Wettbewerbsumfeld zu unterziehen.
Hierdurch kann bspw. ermittelt werden, welche Stärken die eigene Vertriebsmannschaft
aufweist. Auch die eigene Leistungspalette ist im Vergleich mit Konkurrenten zu bewerten.
Das Qualifikations- und Identifikationsniveau der Marketing-Mitarbeiter generell gehört
ebenso zu den an dieser Stelle festzuhaltenden Informationen (vgl. Kap. 2). Die detail-
lierte Bewertung des Unternehmens und seiner strategischen Geschäftseinheiten
schließt sich an. Auf diesen Ergebnissen basieren die strategischen Festlegungen auf
Unternehmensebene (vgl. Abschn. 3.3).
Basierend auf den strategischen Festlegungen des gesamten Unternehmens und fun-
diert durch die Erkenntnisse verschiedener Analyse-Instrumente erfolgen die Festlegungen
im Marketing-Bereich (vgl. Abb. 6.1). Dazu zählen die Konkretisierung der strategischen
Marketing-Ziele und die Dokumentation der einzuleitenden Marketing-Strategien.
Diese Festlegungen konkretisieren sich im strategischen Angebots-Portfolio (vgl.
Kap. 3 und 4).
Darüber hinaus ist im Rahmen des strategischen Marketing-Plans festzulegen, wie das
Marketing zu organisieren ist. Hierzu zählt zum einen die Aufbauorganisation des Mar-
ketings. Diese legt fest, in welcher Form das Marketing in der Unternehmensorganisation
zu verankern ist. Dies kann als Vorstandsressort, als Bereichsfunktion oder als unter-
geordnete Servicefunktion erfolgen (vgl. dazu Kap. 8). Die hierarchische Einbindung des
Marketings, die Anzahl der in diesem Bereich arbeitenden Mitarbeiter sowie die Budget-
höhe, über die das Marketing verfügt, können als Indikatoren für die Verankerung des
Marketings als Führungskonzeption im Unternehmen interpretiert werden.
Zum anderen ist im Rahmen der Ablauforganisation festzulegen, wie die relevanten
Marketing-Prozesse ausgestaltet werden sollen. Diese beziehen sich insb. auf die Be-
reiche Planung, Implementierung und Controlling des Marketings (vgl. Kap. 7). Hier sind
bspw. die folgenden Fragen zu beantworten:
Die Fragen zur Organisation sind jeweils sowohl inhaltlich (d. h. „Was soll getan wer-
den?“) als auch prozessual (d. h. „Wie soll etwas erledigt werden?“) zu beantworten.
2SHUDWLYHU0DUNHWLQJ3ODQ
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.HUQ XQG5DQG]LHOJUXSSH 0DUNHWLQJ,QVWUXPHQWH
5HJLRQDOHV=LHOJHELHWDXIQDWLRQDOHURGHU $XVJHVWDOWXQJGHV0DUNHWLQJ'LDPDQWHQ3V
LQWHUQDWLRQDOHU(EHQH ,QWHJUDWLRQGHUYHUVFKLHGHQHQ$NWLYLWlWHQEHU2Q
XQG2IIOLQH*UHQ]HQKLQZHJ8PVHW]XQJHLQHV
1ROLQH$QVDW]HV
,PSOHPHQWLHUXQJXQG&RQWUROOLQJ
,QKDOWOLFKH9HUDQWZRUWOLFKNHLWHQIU,PSOHPHQWLHUXQJ
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XQG0DUNHWLQJ&RQWUROOLQJ
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das Marketing-Budget dar. Durch die Aufteilung des Marketing-Budgets erfolgt eine gut
sichtbare Prioritätensetzung. Hier wird deutlich, welche Schwerpunkte im Marketing und
damit auch im Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr vorgenommen werden.
Auf der Grundlage eines solchen Marketing-Plans können die Aktionen anlaufen, die sich
bspw. an den Phasen des Produktlebenszyklus orientieren. Eine idealtypische Zu-
ordnung liefert Abb. 6.3. In Abhängigkeit von den konkreten Marketing-Zielen und -Stra-
tegien (bspw. hinsichtlich der Positionierung) kann eine solche Zuordnung auch anders
ausfallen. Die in Abb. 6.3 zugeordneten Aktivitäten dienen hier als Denkanstoß.
Literatur
Meffert, H., Burmann, C., Kirchgeorg, M., & Eisenbeiß, M. (2019). Marketing, Grundlagen markt-
orientierter Unternehmensführung. Konzepte – Instrumente – Praxisbeispiele (13. Aufl.). Sprin-
ger Gabler.
Marketing-Controlling
7
Lernziele
Fähigkeit,
• zu erkennen, welche wichtige Bedeutung dem Marketing-Controlling zukommt
• die Aufgaben des strategischen und operativen Marketing-Controllings zu
unterscheiden
• die Relevanz des Marketing-Audits zu erkennen und dieses zielorientiert
einzusetzen
• Instrumente des operativen Marketing-Controllings sicher zu beherrschen
• Methoden des Instrumental-Audits gezielt einzusetzen
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 531
R. T. Kreutzer, Praxisorientiertes Marketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35307-0_7
532 7 Marketing-Controlling
Wie bereits in Abschn. 1.1.3 vorgestellt, sollte jede Abteilung – nicht nur Marketing –
spezifische Ziele definieren, die sich aus den allgemeinen Unternehmenszielen ableiten.
Zur Erreichung der Marketing-Ziele stellt das Marketing verschiedene Strategien bereit,
die wiederum den Einsatz der Marketing-Instrumente beeinflussen.
cc Merk-Box Erst durch das Setzen und das möglichst schriftliche Fixieren von
Zielen wird die Möglichkeit geschaffen, den Erfolg des Marketings zu bewerten.
Für die Erfolgskontrolle und -bewertung ist das Controlling verantwortlich – genauer
gesagt das Marketing-Controlling. Dieses stellt einen Teilbereich des gesamten betrieb-
lichen Controllings dar. Deshalb ist das Marketing-Controlling mit dem Controlling des
Gesamtunternehmens informatorisch und/oder organisatorisch häufig eng vernetzt.
Die Funktionen des Marketing-Controllings zeigt Abb. 7.1. Die Kernaufgaben des
Marketing-Controllings bestehen darin, die Effektivität und Effizienz des Marketings zu
fördern.
Im Einzelnen lassen sich die Funktionen des Marketing-Controllings wie folgt kon-
kretisieren (vgl. Reinecke 2021):
• Informationsfunktion
Im Kern geht es bei der Informationsfunktion darum, die verschiedenen Leistungs-
träger im Marketing mit den jeweils relevanten Informationen zu versorgen. Die Brand-
breite reicht hier von Deckungsbeitragsrechnungen über die Abschätzung von Ent-
wicklungskosten für Produkt- und Dienstleistungsinnovationen bis hin zu einer
Marketing-Controlling
Sicherung von Effektivität und Effizienz im Marketing
Informationsfunktion
Fokussierte Informationsversorgung des Marketings
Planungsfunktion
Unterstützung der strategischen und operativen Marketing-Planung
Koordinationsfunktion
Management von Schnittstellen über Abteilungen/Bereiche hinaus
Kontrollfunktion
Überwachung der gesamten Marketing-Aktivitäten
Hier wird deutlich, dass Marketing-Controlling neben der „reinen Kontrolle“ einen
wichtigen Beitrag zur Schaffung und zur Ausschöpfung von Erfolgspotenzialen leisten
kann und soll (vgl. Becker 2019, S. 892–912; Meffert et al. 2019, S. 925–962; Ehrmann
2016; Halfmann 2017; Zerres 2021; zu spezifischen Kennzahlen Krause und Arora 2010).
534 7 Marketing-Controlling
cc Merk-Box Wie umfassend der Controlling-Ansatz zu wählen ist, zeigt bereits der
Prozess des Marketing-Managements in Abb. 1.4.
Die generelle Zielsetzung des Marketing-Controllings ist sowohl eine punktuelle wie
auch kontinuierliche Analyse der Marketing-Aktivitäten sowie der dadurch ausgelösten
Ergebnisse. Im Zuge dieser Analyse können verschiedene Vergleichs- und Zielgrößen
herangezogen werden, um die erreichten Ergebnisse zu bewerten. Übergeordnet ist beim
Marketing-Controlling immer die Frage, in welchem Umfang das Marketing und seine
Aktivitäten zur Sicherstellung einer langfristig erfolgreichen Unternehmensführung
beitragen.
Um die beschriebenen Funktionen – Information, Planung, Koordination und Kon
trolle – auszufüllen, können vier verschiedene Konzepte eingesetzt werden. Diese sind in
Abb. 7.2 dargestellt. Dort wird auch deutlich, dass mit den verschiedenen Vorgehens-
weisen eine unterschiedliche Komplexität und auch ein unterschiedlicher Wert für das
Unternehmen einhergehen (vgl. vertiefend Kreutzer 2021).
Presciption
(Empfehlung des
Wert für das Unternehmen
Prediction „Was“)
(Vorhersage des
„Wird“)
Inspection
(Analyse des
„Warum“)
Description
(Beschreibung
des „Ist“)
Niedrig
cc Merk-Box Die Breite der hier aufgezeigten Aufgaben unterstreicht, dass Con
trolling nicht schlicht als „Kontrolle“ übersetzt werden darf. Marketing-
Controlling ist auch wesentlich mehr als ein „Rechnungswesen im Marketing“.
Ein leistungsstarkes Controlling ist für die Manager ein wichtiger Partner, um
immer bessere Entscheidungen zu treffen. Dass die Manager über die Ergeb-
nisse von Controlling-Maßnahmen nicht immer begeistert sind, liegt in der
Natur der Sache!
Ein strategisches Marketing-Audit dient der Aufdeckung dieser Signale und leitet
sowohl Chancen als auch Risiken für das Unternehmen ab. Darauf basierend sind
Marketing-Konzepte zu entwickeln, die ein profitables Wachstum des Unternehmens auch
bei Eintritt der sich ggf. erst schwach abzeichnenden Veränderungen sicherstellt. Diese
zukunftsorientierte Überwachung soll dazu dienen, dass Marketing-Maßnahmen recht-
zeitig und umfassend an Umweltveränderungen angepasst werden.
cc Merk-Box Ein strategisches Audit soll prüfen, ob ein Unternehmen mit den
richtigen Produkten in den relevanten Märkten zur rechten Zeit und mit den
passenden Strategien tätig ist.
ist, dass aufgrund gravierender Veränderungen im Markt eine Zielerreichung nicht mehr
gewährleistet werden kann, sollte zeitnah darüber informiert und Alternativpläne sollten
erarbeitet werden. Die Notwendigkeit für solche Anpassungen kann durch eine unvorher-
gesehene Wirtschaftskrise, eine Pandemie oder eine Umweltkatastrophe wie ein Tsunami
entstehen.
cc Denkanstoß Probleme und Aufgaben verschwinden nicht dadurch, dass man sie
ignoriert!
Kommt ein operatives Marketing-Audit zum Einsatz, wird bspw. einmal pro Quartal
oder pro Jahr geprüft, ob das Unternehmen mit seinem Marketing-Konzept „auf Kurs“
Ziele
Maßnahmen
Optimierung
Ergebnisse
Erkenntnisse
aus Analysen
Umsatz
100 %
80 %
60 %
40 %
A B C
Produkte Produkte Produkte
20 %
Produkte
20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Anhand einer solchen, relativ einfachen Analyse wird deutlich, in welchem Maße ein
Unternehmen von einzelnen Produkten abhängig und wie verwundbar es dementsprechend
ist. Werden – wie in diesem Beispiel – knapp unter 80 % des Umsatzes nur mit 20 % der
Produkte erzielt, muss auf diese A-Produkte besonderes Augenmerk gelegt werden.
Schließlich würden Probleme mit diesen A-Produkten zu gravierenden Umsatzeinbrüchen
führen. Diese Produkte mit besonders hohem Umsatzanteil werden auch als Bread &
Butter-Produkte bezeichnet.
Gleichzeitig ist zu fragen, ob unter den B- und C-Produkten, die heute noch keine
großen Umsatzanteile auf sich vereinen, solche mit Zukunftspotenzial sind. Welche dieser
B- und C-Produkte haben das Potenzial, einmal Bread & Butter-Produkte zu werden?
cc Merk-Box Eine ABC-Analyse darf nicht statisch angelegt werden, um nur den
Status quo zu ermitteln. Eine ABC-Analyse ist dynamisch auszugestalten. Nur
dann kann es gelingen, Produkte aus dem B- und C-Segment zu zukünftigen
A-Produkten zu entwickeln.
Bei den ABC-Analysen wird das Pareto-Prinzip genannte Phänomen deutlich. Häufig
zeigt sich hier eine 20 %-zu-80 %-Beziehung. Deshalb spricht man auch von der
20:80-Regel. Die genannte Relation zeigt eine Tendenz an, die bei der Analyse unter-
schiedlichster Konzentrationseffekte immer wieder angetroffen wird. Hierbei geht es al-
lerdings nicht darum, dass exakt die Werte „20“ bzw. „80“ erreicht werden. Diese Werte
zeigen nur ein häufig ermitteltes Resultat an.
Durch eine Kundenanalyse kann sich herausstellen, dass ca. 25 % der Kunden 85 % des
Deckungsbeitrages erzielten. Es wird ggf. auch deutlich, dass 30 % der Kunden 70 % der
„Probleme“ verursachten. Auch kann es vorkommen, dass 80 % der Retouren auf 25 % der
Produkte entfallen. In allen Fällen ist Handlungsbedarf gegeben!
über Pareto-Freunde, mit denen Sie überdurchschnittlich viel Zeit verbringt? Gibt es
Pareto-Restaurants, in denen Sie überdurchschnittlich häufig essen gehen? Welche
Pareto-Effekte können Sie sonst noch feststellen?
Produktgruppe A 2
Produktgruppe B 7
Produktgruppe C 38
Produktgruppe D 5
Produktgruppe E
9
40 30 20 10 1 2 3 4 5
Abb. 7.6 Altersstrukturanalyse eines Produktprogramms (in den Balken „Anzahl der Produkte“)
7.3 Operatives Marketing-Controlling 543
• Umsatz/Deckungsbeitrag je Absatzkanal
• Umsatz/Deckungsbeitrag je Vertriebsmitarbeiter/je Vertriebsregion
• Anzahl der Kundenkontakte je Vertriebsmitarbeiter
• Anzahl der Reklamationen je Vertriebsmitarbeiter
• Anzahl der Neukunden je Vertriebsmitarbeiter
• Akquisitionskosten je Neukunde und je Vertriebsmitarbeiter
• Gewährte Preisnachlässe je Vertriebsmitarbeiter
• Relation der Mitarbeiter im Vertriebs-Innen- und Vertriebs-Außendienst
Literatur
Lernziele
Fähigkeit,
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 547
R. T. Kreutzer, Praxisorientiertes Marketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35307-0_8
548 8 Marketing-Organisation
Aufgrund der genannten Zitate wird deutlich, dass die Organisationsform eines Unter-
nehmens in unmittelbarem Bezug zu den Unternehmenszielen und damit auch zur
Unternehmensstrategie steht. Deshalb kann es keine „optimale Organisationsform“
geben. Bei der Organisation geht es darum, das Unternehmen bei der Erreichung der je-
weiligen Ziele sowie der Umsetzung der Strategie bestmöglich zu unterstützen. Aufgrund
dieser Abhängigkeiten ist die Organisationsform eines Unternehmens nicht statisch. Ver-
ändern sich die Ziele und/oder Strategien eines Unternehmens in größerem Maße, muss
häufig die Organisation des Unternehmens angepasst werden.
Dieser Prozess der Weiterentwicklung einer Organisation wird als Um- bzw. Re-
strukturierung oder auch als Reorganisation bezeichnet (vgl. grundlegend zur Organi-
sation Frese et al., 2019; Kieser & Ebers, 2019; Kieser & Walgenbach, 2010; Rahn &
Mintert, 2019; Schreyögg & Geiger, 2015; vertiefend zum Change-Management Kreutzer,
2018, 2021, S. 247–267).
Jedes Unternehmen benötigt eine interne Struktur, um die komplexen Aufgaben, die sich
aus den Unternehmenszielen und damit auch aus der Strategie ableiten, so effizient und
effektiv wie möglich zu bewältigen. Diese Aufgabenstellungen unterteilt man sowohl pro-
zessual als auch im Hinblick auf die damit zu betrauenden organisatorischen Einheiten am
besten in mehrere Komponenten. So können Aufgaben schneller und ggf. besser gelöst
werden. Bei dieser Unterstützung ist zunächst zwischen der Ablauf- und der Aufbau-
organisation zu unterscheiden.
Unter Ablauforganisation sind Prozesse zu verstehen, die komplexe Aufgaben in
Arbeitsschritte aufteilen. Hierdurch soll eine bessere Handhabbarkeit erreicht werden.
Hierzu zählen bspw. die in Abb. 1.4 genannten Aktivitäten der Marketing-Forschung, des
Marketing-Controllings sowie die Marketing-Planung. Hier gilt es, unternehmensintern
festzulegen, wie bspw. der Planungs- und Controlling-Prozess in einem in über 200 Län-
dern tätigen Unternehmen wie Coca-Cola im Vergleich zu einem stationären Einzel-
händler wie Maria Büscher Koffer & Lederwaren, München, auszugestalten ist.
An diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass die jeweils zu bewältigende Komplexi-
tät extrem unterschiedlich ausfällt. Ein Beispiel für einen komplexeren Planungsprozess
bei der Kommunikation zeigt Abb. 5.56. Wie unterschiedlich ein Planungsprozess generell
ausgestaltet sein kann, ist in Abschn. 2.1.1 dargestellt.
Parallel zur Ausgestaltung der Ablauforganisation eines Unternehmens ist die Aufbau-
organisation zu entwickeln. Gegenstand der Aufbauorganisation ist die Schaffung ver-
schiedener organisatorischer Einheiten. Hier sind bspw. Divisionen, Bereiche, Abteilungen
8.2 Unternehmerische Ablauf- und Aufbauorganisation 549
Unternehmens-
führung
Ebene 1
Stabsstelle Recht
Europa Asien Amerika
Ebene 2
Ebene 3
Ebene n
• Stabsstelle „Recht“
Hier erfolgt die rechtliche Beratung anderer Abteilungen und Bereiche des Unter-
nehmens, etwa im Hinblick auf die Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung.
• Stabsstelle „Strategische Planung“
Diese unterstützt die gesamte Organisation beim Planungsprozess, bspw. durch die
Durchführung strategischer Analysen (etwa SWOT-Analyse, Benchmarking).
• Stabsstelle „PR“
Der Bereich Public Relations wird häufig als Stabsstelle der Unternehmensführung
ausgestaltet. Eine Weisungsfunktion gegenüber den anderen Organisationseinheiten
hat die PR-Einheit dann nicht.
Unternehmen sehen sich nur in der Gründungsphase mit der Aufgabe konfrontiert,
eine Unternehmensorganisation erstmalig „am grünen Tisch“ zu planen. Meistens domi-
nieren in dieser Anfangsphase bei Start-ups allerdings andere Themenstellen als die der
8.2 Unternehmerische Ablauf- und Aufbauorganisation 551
Organisationsform. Dann sind häufig zunächst „viele für vieles“ verantwortlich. Ein-
deutige Aufgabenbeschreibungen für Organisationseinheiten und Stellenprofile für
Mitarbeiter (auch Stellenbeschreibungen genannt) fehlen dagegen. Mit zunehmender
Unternehmensgröße werden die „Schmerzen“ einer fehlenden Organisationsstruktur
sichtbar und führen zur notwendigen Professionalisierung durch die Entwicklung einer
Unternehmensorganisation.
Bei schon etablierten Unternehmen entsteht – wie bereits angedeutet – die Notwendig-
keit einer Reorganisation oder Umstrukturierung, wenn Unternehmensziele verändert
und neue strategische Ausrichtungen erarbeitet werden. Dann ist die Ablauf- und Aufbau-
organisation entsprechend anzupassen.
cc Merk-Box Es gibt nicht den einen besten Weg, ein Unternehmen zu struk-
turieren.
Werden bei der Ausgestaltung der Aufbauorganisation zwei Kriterien gleichzeitig ein-
gesetzt, wird diese Matrix-Organisation genannt. Kommen sogar drei Kriterien zur An-
wendung, liegt eine Tensor-Organisation vor. Dies ist aber nur selten der Fall.
Eine produktbezogene Organisation liegt in Abb. 8.3 vor. Diese wird auch divisio-
nale Organisation oder Spartenorganisation genannt. Das Unternehmen ist hier auf der
zweiten Hierarchieebene nach Produkten oder Produktgruppen in Divisionen auf-
gegliedert. Dadurch werden sämtliche Funktionen, die mit einer bestimmten Produkt-
gruppe verbunden sind, organisatorisch zusammengeführt.
552 8 Marketing-Organisation
Leistungstiefe des Unternehmens (bspw. F&E, Eindimensionale vs. mehrdimensionale Struktur (bspw.
Beschaffung, Produktion, Marketing, Vertrieb, Logistik) Matrix-, Tensor-Organisation)
Internationalisierungsgrad (Anzahl der betreuten Anzahl der Hierarchieebenen (flache vs. tiefe
Länder, Art des Engagements in verschiedenen Hierarchie)
Ländern, bspw. mit F&E, Beschaffung, Produktion,
Marketing, Vertrieb) Größe der Kontrollspanne i. S. der Anzahl der
Direktreports, die eine Führungskraft haben soll
Unternehmens-/Führungskultur, „Historie des
Unternehmens“, Ausrichtung des Vorstands, der Festlegung der hierarchischen Über - und
Geschäftsleitung Unterordnung, (d. h. wer berichtet an wen und wer
darf an wen delegieren?)
Komplexität des Produkt-/Dienstleistungs-Portfolios
(Anzahl der Marken bzw. der Produktlinien, Ausmaß der Zentralisierung der Entscheidungsfindung
Beratungsintensität des Angebots etc.) (Grad, zu dem die Entscheidungsgewalt an einem
Punkt im Unternehmen gebündelt ist, etwa in der
Art/Beschaffenheit des Produkt-/Dienstleistungs- Zentrale) bzw. Dezentralisierung der
Portfolios (Konsumgüter, Industriegüter und/oder Entscheidungsfindung (hier wird diese an Mitarbeiter
Dienstleistungen) auf niedrigeren hierarchischen Ebenen und/oder in
anderen Niederlassungen, bspw. im Ausland,
Konkurrenzsituation und dadurch bedingt notwendige delegiert)
Schnelligkeit der Entscheidungsfindung
Formalisierungsgrad, in dem zentrale Regeln,
Erwartungen der Mitarbeiter (Motivationsfaktoren wie Richtlinien und Vorschriften zu den verschiedenen
flache Hierarchien, schnelle Entscheidungswege, Verhaltensbereichen eines Unternehmens definiert
große Verantwortung, agiles Management, Empowerd werden (bspw. zum Thema Compliance,
Teams) Nachhaltigkeit, aber auch zum Dresscode)
Unternehmens-
führung
Ebene 1
Stabsstelle
Controlling
Pkw Dienstleistungen Lkw
Ebene 2
Ebene 3
Ebene 4
In Summe kann festgestellt werden, dass die Spezialisierung auf Produkte zu einer
schlechteren Nutzung von Synergien zwischen den verschiedenen Produktdivisionen
führt, da in diesem Beispiel alle Einheiten über einen eigenen Marketing-Bereich ver-
fügen. Die Stabsstelle Controlling kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, um diesen
Defiziten Grenzen zu setzen. Allerdings kann häufig auch festgestellt werden, dass eine
innerbetriebliche Leistungsverflechtung nur in geringem Umfang besteht. Die Abb. 8.3
zeigt, dass unterhalb der nach Produkt gegliederten Organisation ein anderes Kriterium für
die weitere Aufgliederung eingesetzt wird, hier bspw. die nach Funktionen.
Eine funktionale Organisation zeigt Abb. 8.4. Die Abteilungen werden hier nach den
wahrgenommenen Funktionen gebildet, also bspw. nach Beschaffung, Produktion, Marke-
ting und Controlling.
Auch eine Organisation nach Funktionen hat verschiedene Vor- und Nachteile. Das Ziel
einer solchen Struktur liegt darin, gleichartige Tätigkeiten zusammenzuführen. Durch eine
Bündelung der fachlichen Kompetenzen soll ein hoher Spezialisierungsgrad innerhalb der
jeweiligen Abteilung erreicht werden. So können funktionale Synergien in hohem Maße
ausgeschöpft werden. Hier betreut die Marketing-Abteilung alle Produktbereiche. Eine
Gefahr besteht darin, dass die Marketing-Generalisten die Spezifika der einzelnen
Leistungsfelder nicht beherrschen und deshalb auch nur „durchschnittlich gut“ be-
treuen können.
Ein stärker vernetztes Denken kann durch eine intensive Kommunikation erreicht wer-
den. Hierzu sind bspw. Projektteams und Arbeitsgruppen einzurichten. Zusätzlich kann
die Ablauforganisation die funktionalen Organisationseinheiten durch eine prozessuale
Verknüpfung zu einer intensiven Zusammenarbeit „zwingen“. Bei der funktionalen Orga-
nisation liegt bei Beschaffung, Produktion und Controlling meist ein Cost Center vor.
Diese Bereiche werden über Budgets geführt. Nur im Marketing bzw. im Vertrieb können
oft unmittelbare Umsatzerlöse erzielt werden, sodass hier die Profit-Center-Lösung ge-
nutzt werden kann (vgl. Abschn. 2.1.2).
Unternehmens-
führung
Ebene 1
Verpackungs-
komponenten Rohstoffe ProduktA ProduktB
Ebene 3
Ebene 4
Eine regionale Organisation war schon in Abb. 8.1 zu sehen. Die Abteilungen werden
hier nach den betreuten Regionen gebildet, also bspw. nach Europa, Asien und Amerika.
Die Ebene 3 in Abb. 8.1 ist in der Realität natürlich wesentlich komplexer als im Schaubild
angedeutet. Denn nicht nur Nordamerika ist auf die Funktionen Beschaffung, Produktion,
Marketing, Controlling und Personal angewiesen, sondern auch alle anderen Regionen. In
diesem Modell werden jedoch kaum Synergien gehoben, da jede Unit ihren eigenen Ein-
kauf, eine eigene Produktion und eine eigene Vermarktung aufbaut.
Ein Vorteil der Organisation nach Regionen ist, dass sich alle Unternehmenseinheiten
besser auf die regionalen Gegebenheiten einstellen können. Dieser regionale Fokus kann
allerdings dazu führen, dass länder- bzw. regionenübergreifende Synergien – wie be-
schrieben – nicht gesehen und deshalb auch nicht ausgeschöpft werden können. Fehlt
dann auch noch ein regionenübergreifender Informationsaustausch, kann es zu kosten-
intensiven Parallel-Entwicklungen kommen. Auch hier gilt es, durch die Ablauf-
organisation – bspw. im Rahmen von Planungs- und Controlling-Prozessen – diese Nach-
teile auszugleichen.
Eine kundenorientierte Organisation ist in Abb. 8.5 zu finden. Die Abteilungen wer-
den hier nach Kundengruppen gebildet. Unternehmen, die im B2B- und B2C-Markt
gleichzeitig tätig sind, unterscheiden dann bspw. zwischen Unternehmenskunden und
Konsumenten. Hierdurch gelingt es in besonderem Maße, eine Ausrichtung auf die spezi-
fischen Kundenbedürfnisse sicherzustellen. Eine solche Aufteilung wird häufig bei Be-
ratungsunternehmen sowie bei Banken (private Anleger, institutionelle Anleger, andere
Unternehmen) eingesetzt.
In Summe wird deutlich, dass es keine Überlegenheit einer Organisationsform geben
kann. Die Gliederung nach den Kriterien Produkt, Region oder Kundengruppe führt dazu,
dass sehr einfach festgestellt werden kann, wie profitabel die einzelnen Geschäftsfelder
sind. Allerdings bleiben hier in hohem Maße die schon angesprochenen Synergieeffekte
durch die Duplizierung von Aufgaben ungenutzt. So muss ein Regionalleiter bei dem in
Abb. 8.1 gezeigten Organigramm den kompletten Fertigungs- und Vermarktungsprozess
Unternehmens-
führung
Ebene 1
Stabsstelle
Controlling
Kundengruppe 1 Kundengruppe 2 Kundengruppe 3
Ebene 2
Ebene 3
Ebene 4
Unternehmens-
führung
Westeuropa
Osteuropa
Nordamerika
Südamerika
seiner Produkte oder Dienstleistungen aufbauen und überwachen. Hiermit kann Parallel-
arbeit im Gesamtunternehmen verbunden sein. Gleichzeitig kann es zu einem umfassenden
internen Wettbewerb zwischen den Bereichen kommen, die zum einen die Leistungsstärke
erhöhen, gleichzeitig aber auch zu einer Ressourcenverschwendung führen können.
Die Matrixorganisation verknüpft – wie bereits angedeutet – zwei verschiedene Kri-
terien. Wie in Abb. 8.6 gezeigt, kann diese Form bspw. anhand der Verknüpfung von
Funktionen und Regionen gebildet werden. Es können ebenso Funktionen und Produkte
oder Produkte und Regionen miteinander kombiniert eingesetzt werden.
Eine Besonderheit der Matrixorganisation ist das Entstehen eines Mehrliniensystems.
Ein Mitarbeiter ist nicht nur einem, sondern zwei weisungsbefugten Managern unter-
geordnet. Die Manager, die an den Schnittpunkten der Zuordnungslinien tätig sind, müs-
sen aufgrund dieser „Sandwich-Position“ gleichsam „zwei Herren“ dienen. Hierdurch
werden Konfliktbereiche durch Kompetenzüberschneidungen bewusst institutionalisiert,
um die Betroffenen zu kreativen Lösungen herauszufordern. In Summe sollen dadurch
Ressortegoismen überwunden und eine höhere – über den eigenen Tellerrand der Region,
des Produktes oder der Funktion hinausgehende – Entscheidungsqualität sicher-
gestellt werden.
cc Denkanstoß Prüfen Sie einmal, wie die Organisation ausgestaltet ist, in der Sie
arbeiten. Versuchen Sie ein Organigramm für das gesamte Unternehmen zu be-
kommen. Versuchen Sie, in diesem die hier beschriebenen Elemente zu entdecken.
Die Marketing-Organisation selbst regelt, wie die Aufgaben des Marketings unter-
nehmensintern organisiert werden. Es können die gleichen Organisationsprinzipien ein-
gesetzt werden, die schon diskutiert wurden. Abb. 8.7 stellt eine funktionale Marketing-
556 8 Marketing-Organisation
Marketing Stabsstelle
Controlling
Werbung/ Marketing-
Vertrieb Kundendienst Forschung
Verkaufsförderung
Stabsstelle Stabsstelle
Marketing- Marketing
Controlling
Forschung
Stabsstelle Stabsstelle
Marketing- Marketing
Controlling
Forschung
Marketing
Westeuropa
Osteuropa
Nordamerika
Südamerika
Literatur
Frese, E., Graumann, M., Talaulicara, T., & Theuvsen, L. (2019). Grundlagen der Organisation.
Entscheidungsorientiertes Konzept der Organisationsgestaltung (11. Aufl.). Springer Gabler.
Kieser, A., & Ebers, M. (2019). Organisationstheorien (8. Aufl.). Kohlhammer.
Kieser, A., & Walgenbach, P. (2010). Organisation (6. Aufl.). Schäffer-Poeschel.
Kreutzer, R. (2018). Toolbox für Marketing und Management. Wiesbaden: Springer Gabler.
Kreutzer, R. T. (2021). Toolbox für Digital Business. Springer Gabler.
Rahn, H.-J., & Mintert, J. (2019). Unternehmensführung (10. Aufl.). Kiehl.
Schreyögg, G., & Geiger, D. (2015). Organisation: Grundlagen moderner Organisationsgestaltung
(6. Aufl.). Springer Gabler.
Glossar
ABC-Analyse Die ABC-Analyse ist eine Methode, die eine Grundgesamtheit hinsicht-
lich bestimmter Kriterien (wie bspw. Umsatz oder Rentabilität) in drei Klassen einteilt.
Es wird eine Identifikation bspw. derjenigen Produkte, Kundengruppen oder Länder
angestrebt, die am meisten (Klasse A), durchschnittlich (B) oder wenig (C) zum Unter-
nehmenserfolg beitragen.
Ablauforganisation Unter Ablauforganisation ist die Definition von Prozessen zu ver-
stehen, die komplexe Aufgaben in Arbeitsschritte aufteilen, um so eine bessere Hand-
habbarkeit sicherzustellen. Hierzu zählen bspw. die Aktivitäten der Marketing-
Forschung, des Marketing-Controllings sowie der Marketing-Planung.
Above-the-Line-Kommunikation (ATL) Zur Above-the-Line-Kommunikation werden
i. d. R. die klassischen Kommunikationsformen bzw. die klassischen Kommunikations-
medien und die klassischen Kommunikationskanäle gezählt. Fokussiert man die
Werbeträger, so gehören zu ATL Zeitungen, Zeitschriften, TV, Hörfunk, Kinos und
Plakatwände. Die entsprechenden Werbemittel sind Anzeigen, TV-, Rundfunk-, Ki-
no-Spots und Plakate.
Absatz, direkter Beim direkten Absatz werden die vom Produzenten erzeugten Güter
ohne Einschaltung des Handels direkt an Endabnehmer vertrieben.
Absatz, indirekter Beim indirekten Absatz werden die vom Produzenten erzeugten
Güter durch Einschaltung des Handels und/oder anderer Dienstleister an Endabnehmer
vertrieben.
Absatzhelfer Absatzhelfer sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Organe, die
den Distributionsprozess auf unterschiedliche Weise unterstützen, ohne selbst Eigen-
tum an der Ware zu erlangen. Hierzu zählen bspw. Logistikunternehmen oder Handels-
vertreter, Kommissionäre und Makler.
Absatzmittler Absatzmittler sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Organe, die
Produkte und Dienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zum
Weiterverkauf erwerben. Hierzu zählen vor allem der Einzel- und Großhandel.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 561
R. T. Kreutzer, Praxisorientiertes Marketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35307-0
562 Glossar
einem festgelegten Gebiet nur durch einen Abnehmer. Je Bezirk wird einem Partner das
Alleinvertriebsrecht eingeräumt und dadurch ein Exklusivvertrieb durchgesetzt.
Ambient Advertising (auch Ambient Media, Ambient-Marketing) Das Ambient Ad-
vertising ist eine Werbeform, die im direkten Lebensumfeld der anzusprechenden Ziel-
gruppe platziert wird (deshalb „ambient“ für die Zielperson „umgebend“). Personen
werden an Orten und in Situationen des Alltags werblich angesprochen, wo diese
klassischerweise nicht mit Werbung rechnen.
Arbeitgebermarke Vgl. Employer Branding)
Aufbauorganisation Gegenstand der Aufbauorganisation ist die Schaffung verschiedener
organisatorischer Einheiten, die Divisionen, Bereiche, Abteilungen oder Stabsstellen
genannt werden. Diesen organisatorischen Einheiten sind Aufgabenbereiche und damit
Verantwortungsfelder (bspw. für Marketing, Einkauf, Vertrieb, Produktion, Personal,
F&E) sowie die zur Zielerreichung erforderlichen Ressourcen (wie bspw. Budget und
Mitarbeiter) zuzuweisen. Zusätzlich wird im Rahmen der Aufbauorganisation fest-
gelegt, an welcher Stelle im organisatorischen Hierarchiegefüge die einzelnen organi-
satorischen Einheiten zu platzieren sind. Eine visuelle Darstellung der Unternehmens-
struktur, aus der auch Hierarchieebenen erkennbar sind, wird Organigramm genannt.
Außendienst Unter Außendienst werden die Personen verstanden, die überwiegend
außerhalb des Unternehmenssitzes mit der Anbahnung und Abwicklung von Aufträgen
sowie der Betreuung von Interessenten und Kunden beschäftigt sind. Hierzu zählen
insb. die Reisenden und die Handelsvertreter sowie die Vertriebsmitarbeiter des an-
bietenden Unternehmens.
Balanced Scorecard (BSC) Die Balanced Scorecard ist ein mehrdimensionaler Ziel-
rahmen und bildet gleichsam ein Steuerungs-Cockpit für das gesamte Unternehmen.
Neben Zielen der Finanzwirtschaft werden meist zusätzlich prozess-, kunden- und mit-
arbeiterbezogene Ziele definiert. Zentrale Idee der BSC ist die Berücksichtigung meh-
rerer strategischer Zielperspektiven auf einer Unternehmensebene. Auf diese Weise
können die Erwartungen verschiedener Stakeholder gleichzeitig berücksichtigt werden.
Bedarf Bedarf ist eine „objektorientierte Handlungsabsicht“. Die zunächst allgemein an-
gestrebte Befriedigung eines Bedürfnisses wird durch die Konkretisierung eines Be-
darfs auf ein ganz bestimmtes Objekt ausgerichtet. So wird aus dem Bedürfnis „Hun-
ger“ ein Bedarf, der sich entweder auf einen Schokoriegel wie Mars oder Twix, aber
auch auf eine Karotte oder eine Banane ausrichten kann. Dieser Bedarf wird erst dann
als Nachfrage handlungswirksam, wenn das Individuum das entsprechende Produkt
erwerben möchte und dafür auch die erforderliche Kaufkraft aufbringt.
Bedürfnis Das Bedürfnis entspricht einem „Spannungszustand mit Antriebscharakter“
im inneren System eines Menschen und stellt einen Initialfaktor u. a. für Kaufprozesse
dar. Dieses Bedürfnis, sei es bspw. Hunger oder Durst, „schreit gleichsam nach Be-
friedigung“. Das Bedürfnis ist zunächst noch ungerichtet und erfährt eine Konkretisie-
rung, wie das Bedürfnis zu befriedigen ist, erst als Bedarf.
Befragung Befragung (auch Meinungsumfrage bzw. Interview) ist eine Forschungs-
methode, bei der – meist orientiert an einem Fragebogen oder einem Frageleitfaden –
564 Glossar
ein Gespräch mit dem Ziel geführt wird, systematisch Informationen über Einstellung,
Meinungen, Verhaltensweisen, Wissen, Motive und/oder Absichten von Personen zu
gewinnen.
Below-the-Line-Kommunikation (BTL) Zur Below-the-Line-Kommunikation werden
i. d. R. alle nicht-klassischenKommunikationsformen bzw. die nicht- klassischen
Kommunikationsmedien und die nicht-klassischen Kommunikationskanäle gezählt.
Fokussiert man die Werbeträger, so gehören zu BTL Telefon-Marketing, Mailings und
das Online-Marketing. Die entsprechenden Werbemittel sind Telefon-Anrufe, Mai-
lings, E-Mails, Online-Banner etc.
Benchmark Ein Benchmark stellt einen „Vergleichsmaßstab“ dar, mit dem ein Unter-
nehmen die eigene Leistung vergleichen kann, um Leistungslücken oder Leistungsvor-
teile zu identifizieren.
Benchmarking Benchmarking ist eine Methode, um die Leistungsfähigkeit des eigenen
Unternehmens mit der Leistungsfähigkeit anderer eigener Unternehmensteile oder an-
derer Unternehmen der gleichen Branche, anderer Branchen und/oder aus anderen Län-
dern zu vergleichen. Die Zielsetzung besteht darin, Anhaltspunkte für die Weiter-
entwicklung des eigenen Unternehmens zu gewinnen.
Benefit Vgl. Nutzen
Beobachtung Bei der Beobachtung erfolgt eine an einer Forschungsfrage orientierte und
damit zielgerichtete Wahrnehmung von Subjekten und/oder Objekten. Dies können
bspw. Personen, Unternehmen oder Prozesse sein.
Beschaffungs-Marketing Unter Beschaffungs-Marketing wird das unternehmerische
Konzept verstanden, möglichst effiziente und effektive Lösungen für betriebliche Be-
schaffungsprozesse durch den Einsatz von Marketing-Instrumenten zu erreichen.
Betriebsformen des Handels Unter Betriebsformen des Handels werden die Er-
scheinungsformen des Groß- und Einzelhandels subsummiert, die sich u. a. hinsichtlich
Standort, Größe, Sortiment, Serviceintensität, Preislevel und Zielgruppe unterschieden.
Beziehungsmarketing Vgl. Customer-Relationship-Management
Bivariates Verfahren Bei einem bivariaten Verfahren werden bei einer statistischen Be-
rechnung genau zwei Variablen simultan analysiert (bspw. das Alter und das Ge-
schlecht).
Blickaufzeichnung/Blickregistrierung/Eyetracking Die Blickaufzeichnung ist eine
Methode der Marketing-Forschung, durch die die Augenbewegungen bei der Be-
trachtung einer Vorlage (bspw. eines Mailings oder einer Anzeige) oder bei On-
line-Recherchen erfasst werden, um den Prozess der Informationsaufnahme für die
Optimierung der Kommunikationsmittel zu erfassen.
Blog (auch Weblog) Der Begriff Weblog oder abgekürzt Blog ist ein Kunstwort aus Web
und Log(buch). Das bzw. der Weblog ist ein Web-Tagebuch, das als Website geführt
wird. Dieses Logbuch entspricht einem Journal und umfasst Einträge, Kommentare
und Notizen. Blogs basieren auf einer einfach zu bedienenden Software, die es auch
ungelernten Nutzern ermöglicht, eigene Beiträge schnell und ohne Kosten im Internet
zu publizieren.
Glossar 565
Boutique Boutique ist eine Betriebsform des Einzelhandels, die durch ein kleines Laden-
geschäft mit einem begrenzten, auf eine Zielgruppe ausgerichteten Sortiment gekenn-
zeichnet ist. Eine hohe Beratungsintensität geht hier häufig mit einem höheren Preis-
niveau einher.
Brainstorming Brainstorming ist eine Kreativitätstechnik, um in Meetings schnell inno-
vative Lösungen zu erarbeiten.
Brand Academy (auch Marken-Akademie) Unter Brand Academy ist ein Raum zu ver-
stehen, an dem die Marke hinsichtlich aller relevanten Sinne vom Unternehmen selbst
inszeniert wird. Die Marke ist dort im wörtlichen Sinne zu sehen, zu hören, zu schme-
cken, zu fühlen und/oder zu riechen. Neben der Vermittlung von Wissen über die Marke
ist ein dominantes Ziel, für die Marke auf allen Sinnesebenen zu begeistern. In Ab-
hängigkeit von der jeweiligen Ausgestaltung stehen diese Inszenierungen der Marke
nur den eigenen Mitarbeitern und Führungskräften, externen Leistungspartnern und/
oder der gesamten interessierten Allgemeinheit offen.
Brand Behavior Brand Behavior beschreibt ein Verhalten von Führungskräften und Mit-
arbeitern, das sich an den Markenerfordernissen ausrichtet und zusätzlich gleichermaßen
kunden- und vertriebsorientiert ist. Während Internal Branding die Managementaufgabe
adressiert, stellt Brand Behavior das Ergebnis aller Internal-Branding-Maßnahmen dar
und fungiert folglich als zu überprüfende Zielgröße.
Brand Building Der Aufbau einer Marke wird als Brand Building bezeichnet. Hierzu
sind zunächst die Bausteine zu entwickeln, die die Marke prägen sollen. Dazu gehören
bspw. die eingesetzten Farben, die bspw. beim Logo, im Verpackungsdesign und in der
Kommunikation auftauchen. Auch der Einsatz von Duft sowie die Tonalität in der An-
sprache prägen eine Marke. Die Gesamtheit der einzelnen Markenbausteine erschafft
idealerweise eine überzeugende Markenidentität. Diese wird durch verschiedene Maß-
nahmen nach innen und außen kommuniziert.
Brand Citizenship Behavior (auch Markenbürgertum) Unter Brand Citizenship Be-
havior werden verschiedene generische, d. h. marken- und branchenunabhängige Ver-
haltensweisen der Führungskräfte und Mitarbeiter verstanden, die den Aufbau einer
Markenidentität untermauern und durch ein entsprechendes Führungsverhalten zu
unterstützen sind.
Brand Community (auch Markengemeinschaft) Unter Brand Community wird eine
Gruppe von Menschen verstanden, die sich durch eine gemeinsame Markennutzung
auszeichnet und miteinander in Kontakt steht. Diese Gruppen können online und off-
line agieren.
Branding Branding bezeichnet den Prozess zur Kreation einer Marke, in deren Verlauf
die Kennzeichnung der Marke (bspw. anhand von Marken- und/oder Wortzeichen) er-
folgt. Ziel des Brandings ist die Erreichung einer Unterscheidbarkeit und damit einer
Differenzierung des eigenen Angebots im Wettbewerbsumfeld.
Break-even-Point Im Break-even-Point kreuzen sich die Umsatz- und die Gesamtkosten-
kurve eines Produktes oder eines anderen Leistungsangebotes. An diesem Punkt wird
weder ein Gewinn noch ein Verlust erwirtschaftet. Ab der durch den Break-even-Point
566 Glossar
gekennzeichneten Menge übersteigt der erzielte Umsatz die Kosten, sodass das Unter-
nehmen die Gewinnzone erreicht.
Briefing Das Briefing ist die schriftliche oder mündliche Beschreibung des Ziels sowie
der zur Zielerreichung relevanten Rahmenbedingungen durch einen Auftraggeber. Ein
Briefing kann für eine Kommunikationskampagne, für den Aufbau einer Auslands-
niederlassung oder für die Entwicklung eines neuen Produktes erfolgen. Briefings kön-
nen durch Vorgesetzte als Zielvorgabe i. S. eines Auftrags an ihre Mitarbeiter eingesetzt
werden. Ein Briefing enthält i. d. R. in komprimierter Form Informationen über den
angestrebten Zielzustand, die verfügbare Ressourcen (Zeit, Budget, Mitarbeiter) sowie
weitere relevante Informationen (bspw. hinsichtlich des Kontextes der Aufgaben-
bearbeitung).
Business-Marketing Von Business-Marketing wird gesprochen, wenn der Einsatz des
Marketings in Unternehmen mit dem Ziel erfolgt, Gewinne zu erzielen.
Business-to-Business-Marketing (B2B-Marketing, B-to-B-Marketing) Unter Busi-
ness-to-Business-Marketing wird das Konzept einer marktorientierten Ausgestaltung
von Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen verstanden.
Business-to-Consumer-Marketing (B2C-Marketing, B-to-C-Marketing) Unter Busi-
ness-to-Consumer-Marketing wird das Konzept einer marktorientierten Ausgestaltung
von Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen einerseits und Konsumenten
andererseits verstanden.
Buying Center Das Buying Center stellt ein gedankliches Konstrukt dar, in welchem die
an Beschaffungsprozessen beteiligten Rollenträger in einem Unternehmen durch die
anbietende Organisation gemeinsam betrachtet werden. Im Buying Center werden fünf
verschiedene Rollenträger unterschieden: Nutzer, Einkäufer, Beeinflusser, Ent-
scheidungsträger und Gatekeeper. Die Idee des Buying-Center-Konzepts besteht darin,
die verschiedenen Erwartungen und Ziele dieser Rollenträger bei der kommunikativen
Ansprache gleichzeitig zu berücksichtigen.
Buzz-Marketing Buzz-Marketing setzt auf dem Prinzip der Freundschaftswerbung auf.
„Buzz“ heißt wörtlich übersetzt „Summen“ und bedeutet, dass sich möglichst viele
Personen intensiv in der Öffentlichkeit und/oder in ihrem Freundes- und Bekannten-
kreis über die Vorzüge von Produkten oder Dienstleistungen austauschen sollen. Beim
Buzz-Marketing handelt es sich um die mehr oder weniger intensive Einbindung eige-
ner Kunden bzw. als solche in Erscheinung tretender Personen, die in ihrem jeweiligen
Umfeld aktiv oder passiv ein bestimmtes Angebot herausstellen, um dessen Bekannt-
heit zu steigern und entsprechende Kaufprozesse auszulösen.
Call-Center (siehe auch Customer-Service-Center) Das Call-Center stellt eine organi-
satorische Einheit von Unternehmen dar, welche für die telefonische Annahme von
Anfragen, Reklamationen, Bestellungen etc. von Interessenten und Kunden verantwort-
lich ist.
Car Clinic Car Clinic ist ein speziell im Automobilbereich häufig eingesetztes Verfahren
der Fokusgruppe. Die Testpersonen werden hierzu in ein Studio eingeladen, um bspw.
ein neues Automodell zu bewerten, das als Prototyp präsentiert wird. Ist dieser einsatz-
Glossar 567
bereit, kann die Car Clinic auch Testfahrten einschließen. Hierdurch soll ermittelt wer-
den, wie ein neues Modell beim Kunden „ankommt“.
Category-Management (CM) Das Category-Management interpretiert Produkt- bzw.
Warengruppen (Categories) als (strategische) Geschäftseinheiten. Für diese entwickeln
Hersteller und Handel gemeinsam Prozesse, um durch die abgestimmte Ausrichtung an
Kundenbedürfnissen eine möglichst optimale Produkt- bzw. Warengruppenleistung zu
erzielen. Hierdurch sollen Umsatz und Gewinn gesteigert werden. Category Manage-
ment ist eine wesentliche Voraussetzung für Efficient Consumer Response (ECR).
Churn-Management Churn ist ein Kunstwort, das sich aus „Change“ und „Turn“ zu-
sammensetzt. Churn-Management bezeichnet den Vorgang, mit dem versucht wird,
einen verlorenen Kunden wieder „umzudrehen“, damit dieser seine Kündigung zurück-
zieht bzw. seinen Wechsel zu einem Wettbewerber rückgängig macht.
Closed-Innovation-Modell Beim Closed-Innovation-Modell entwickeln und vermarkten
Unternehmen primär die Ideen, die im Unternehmen selbst (insb. im F&E-Bereich)
gewonnen wurden.
Closed-Loop-Ansatz Unter einem Closed-Loop-Ansatz ist ein geschlossener Kreislauf
zu verstehen, der bei den zu erreichenden Zielen beginnt. Um die angestrebten Ziele zu
erreichen, werden entsprechende Maßnahmen abgeleitet. Die Umsetzung dieser Maß-
nahmen führt zu bestimmten Ergebnissen. Diese Ergebnisse sind zu analysieren, um
Optimierungsmöglichkeiten zu erkennen. Die gewonnenen Erkenntnisse können zur
Anpassung der Ziele und zur Entwicklung entsprechend optimierter Maßnahmen füh-
ren. Dieser geschlossene Kreislauf liefert einen unverzichtbaren Beitrag für eine ler-
nende Organisation.
Compliance Der Begriff „Compliance“ kann als „Regeltreue“ im Hinblick auf die Ein-
haltung von Gesetzen, aber auch von spezifischen Richtlinien innerhalb von Unter-
nehmen verstanden werden.
Content-Marketing Unter Content-Marketing versteht man einer Form der Kommuni-
kation, bei der den Zielpersonen und Zielgruppen informierende, beratende und/oder
unterhaltende Inhalte angeboten werden, die häufig nur einen indirekten Bezug zum
Leistungsangebot des kommunizierenden Unternehmens aufweisen. Hierdurch möchte
sich das Unternehmen als leistungsstarker Partner in einem bestimmten Umfeld posi-
tionieren – ohne unmittelbar bzw. direkt auf einen Kauf hinzuwirken. Das über-
geordnete Ziel des Content-Marketings ist allerdings auch hier, Käufe oder sonstige
gewünschte Aktivitäten der Zielpersonen auszulösen.
Convenience Good Convenience Goods sind Produkte, bei denen die Bequemlichkeit
des Einkaufs im Mittelpunkt steht. Da der Kunde die Produkte regelmäßig kauft,
möchte er keinen großen Such- und Auswahlaufwand betreiben und folglich den Be-
schaffungsaufwand minimieren. Deshalb werden diese Produkte gewohnheitsmäßig
bzw. habitualisiert gekauft.
Convenience Store (auch Nachbarschaftsladen) Convenience Store ist eine Be-
triebsform des Einzelhandels, die sich durch räumliche Nähe zum Kunden und
ein eingeschränktes Angebot an Lebensmitteln und weiteren Produkten des täg-
568 Glossar
lichen Bedarfs auszeichnet. Häufig sind auch längere Öffnungszeiten und be-
sondere Services vorhanden.
Conversion Rate (auch Reaktionsquote, Responsequote) Die Conversion Rate zeigt
als Prozentwert den Anteil der Personen, die ein bestimmtes Verhalten (bspw. Kauf,
E-Newsletter-Abonnement, Angebotsanforderung, App-Download) gezeigt haben – in
Relation zur Gesamtzahl der angesprochenen Personen einer Aktion. Sie ist mit der
Responsequote identisch.
Corporate Behavior (CB) Corporate Behavior beschreibt das unternehmensbezogene
Ziel, dass alle Unternehmensmitglieder im Innen- und Außenverhältnis ein in sich
möglichst widerspruchsfreies Verhalten zeigen, das sich am Selbstverständnis des
Unternehmens und seiner Vision und seinen Werten orientiert. Grundlage hierfür sind
entsprechende Verhaltensrichtlinien, auch Codes of Conduct genannt. Hierdurch wird
die Schaffung einer in sich konsistenten Unternehmensidentität (Corporate Identity)
gefördert.
Corporate Communications (CC) Corporate Communications beschreibt das unter-
nehmensbezogene Ziel, dass alle Kommunikationsmaßnahmen, die ein Unternehmen
einsetzt, aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt sind. Hierdurch soll ein
konsistentes, mit den Unternehmenszielen übereinstimmendes Bild in der Öffentlich-
keit und im Unternehmen selbst geschaffen werden. Corporate Communications tragen
dazu bei, eine konsistente Unternehmensidentität (Corporate Identity) aufzubauen.
Corporate Culture (auch Unternehmenskultur) Corporate Culture beschreibt die in
einem Unternehmen wahrzunehmende Kultur. Diese Kultur wird geprägt durch die ge-
lebten Beziehungen der Führungskräfte und Mitarbeiter untereinander sowie zu den
externen Leistungspartnern (u. a. Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern). Diese Kultur
wird beeinflusst durch die gelebten – nicht allein die kommunizierten – Unternehmens-
werte und die im Unternehmen gewachsenen und gelebten Denk- und Verhaltensmuster.
Corporate Design (CD) Corporate Design beschreibt das unternehmensbezogene Ziel,
dass alle Gestaltungselemente, die ein Unternehmen einsetzt, aufeinander abgestimmt
und miteinander verzahnt sind. Dies soll die Schaffung einer in sich konsistenten Unter-
nehmensidentität (Corporate Identity) fördern. Hierzu werden bspw. die einzusetzenden
Schrifttypen und Schriftgrößen sowie die Farben und die Logos für den unter-
nehmerischen Auftritt zur Schaffung eines einheitlichen visuellen Erscheinungsbildes
des gesamten Unternehmens verbindlich definiert. Zusätzlich wird deren Einsatz bei
Anzeigen, in Broschüren, in Mailings, auf der Website etc. genau vorgeschrieben.
Corporate Identity (CI, auch Unternehmensidentität) Corporate Identity beschreibt
den angestrebten, in sich konsistenten und glaubwürdigen Gesamtauftritt eines Unter-
nehmens. Durch diesen möchte sich ein Unternehmen nach innen und außen im Wett-
bewerbsumfeld differenzieren. Dieser Gesamtauftritt wird geprägt durch das Er-
scheinungsbild (Corporate Design), die kommunikativen Maßnahmen (Corporate
Communications) sowie das Verhalten aller Mitarbeiter (Corporate Behavior). Die Cor-
porate Identity ist folglich kein Instrument, sondern ein Zielzustand.
Glossar 569
Efficient Consumer Response (ECR) Beim Konzept der Efficient Consumer Response
wird die Prozesskette vom Hersteller über den Handel bis zum Verbraucher ganzheit-
lich aus der Perspektive der Kunden betrachtet. Es wird das Ziel angestrebt, die Wün-
sche der Endverbraucher schnell und exakt zu ermitteln, um diese kosteneffizient
zu decken.
Efficient Product Introduction (EPI) Bei der Efficient Product Introduction werden die
Prozesse von der Produktentwicklung bis zur Markteinführung zwischen Hersteller
und Handel intensiv abgestimmt. Hierbei werden verschiedene Testmöglichkeiten ein-
gesetzt, um eine schnellere Reaktion auf das Einkaufsverhalten der Konsumenten zu
ermöglichen.
Efficient Promotions (EP) Bei Efficient Promotions geht es um eine enge Abstimmung
der Verkaufsförderungsaktivitäten zwischen Hersteller und Handel, um eine möglichst
optimale Wirkung der eingesetzten Mittel zu erreichen.
Efficient Replenishment (ER) Unter Efficient Replenishment ist ein spezifisches Modell
der Zusammenarbeit zwischen Handel und Hersteller zu verstehen. Nicht der Handel
ruft beim Hersteller Waren ab, sondern der Hersteller hat direkten Zugriff auf Abver-
käufe des Handels und liefert direkt nach. Voraussetzung hierfür ist ein direkter Daten-
zugriff des Herstellers auf die relevanten Verkaufsdaten des Händlers.
Effizienz Bei der Effizienz geht es um die Frage: „Doing the things right?“ Bei der Effi-
zienz wird die Input-Output-Relation betrachtet – unabhängig davon, ob das Ergebnis
dieses Prozesses zur unternehmerischen Zielerreichung beiträgt oder nicht. Damit ist
der „Grad der Wirtschaftlichkeit“ angesprochen.
Einzelhandel Der Einzelhandel beschreibt die Aufgabe der Beschaffung von Gütern und
deren Weiterveräußerung an Endverbraucher. Die Funktion wird von bestimmten
Unternehmen wahrgenommen. Hierzu zählen bspw. Warenhäuser, Discounter, Fach-
märkte und Boutiquen, die als Einzelhandelsunternehmen bezeichnet werden.
E-Mail E-Mail ist die Abkürzung für Electronic Mail und bezeichnet eine über elektroni-
sche Netzwerke ausgetauschte Nachricht.
Employer Branding (auch Arbeitgebermarke) Employer Branding beinhaltet die
markenstrategisch fundierte interne Entwicklung und externe Positionierung eines
Unternehmens mit dem Ziel, dieses als attraktiven und glaubwürdigen Arbeitgeber zu
positionieren. Zu dessen Aufbau wird ein abgestimmter Mix von Kommunikations-
instrumenten eingesetzt. Das Ergebnis soll eine attraktive Arbeitgebermarke sein, die
nach innen und außen wirkt.
Erfahrungskurveneffekt Erfahrungskurveneffekt benennt das empirisch belegte Phäno-
men, dass mit jeder Verdopplung der im Zeitablauf kumulierten Produktionsmenge
eines Produktes ein auf dessen Wertschöpfung bezogenes Kostensenkungspotenzial der
Stückkosten von 20 bis 30 % einhergeht. Das heißt, je größer die Menge, die ein Unter-
nehmen vom identischen Produkt erzeugt, desto günstiger kann dessen Produktion ten-
denziell erfolgen. Um die Erfahrungskurveneffekte auszuschöpfen, sind verschiedene
Maßnahmen einzusetzen.
574 Glossar
Freemium Freemium ist ein Kunstwort, das sich aus den Begriffen „free“ für „kostenlos“
und „premium“ für „hochwertig“ bzw. für „Aufpreis“ zusammensetzt. Freemium be-
zeichnet eine Preisstrategie, bei der ein Basisprodukt kostenlos angeboten wird. Wer
das Vollprodukt und/oder Erweiterungen in Anspruch nehmen möchte, muss dafür
bezahlen.
Freundschaftswerbung Freundschaftswerbung ist eine Form der Kundenakquisition,
bei der ein Kunde einen Nichtkunden als Käufer gewinnt. In neueren Ausprägungen
können allerdings auch Nicht-Kunden andere Nicht-Kunden als Käufer gewinnen. Der
Freundschaftswerber erhält meist eine Werbeprämie.
Fundraising (auch Spendenwerbung) Fundraising zielt auf die Gewinnung von finan-
ziellen Mitteln ab, die gemeinnützige, nicht auf Profit ausgerichtete Organisationen
benötigen, um ihre Ziele zu erreichen. Hier wird von Non-Profit-Organisationen ge-
sprochen.
Gebrauchsgut Gebrauchsgut ist ein Konsumgut, das für den mehrmaligen bzw. für den
längerfristigen Gebrauch vorgesehen ist.
Genre Das Genre beschreibt die Wertigkeit eines Produktprogramms oder eines Sorti-
ments. Es ist bspw. zwischen einer Ansiedlung im Premium-Segment und einer Posi-
tionierung als preisgünstigster Anbieter zu unterscheiden.
Großhandel Der Großhandel beschreibt die Aufgabe der Beschaffung von Gütern und
deren Weiterveräußerung an Weiterverarbeiter (bspw. Industrie, Handwerk), Großver-
braucher (u. a. Hotels, Gaststätten) und/oder Wiederverkäufer (Einzelhandelsunter-
nehmen). Diese Funktionen werden von Unternehmen wahrgenommen, die als Groß-
handelsunternehmen bezeichnet werden (bspw. dem Pharma- oder Buch-Großhandel).
Grundnutzen Grundnutzen beschreibt den technisch-funktionalen Nutzen eines Produk-
tes. Dazu zählen bspw. die Reinigungswirkung einer Seife und die Schutz- und Wärme-
funktion von Kleidung.
Handel, nicht- bzw. halbstationärer Zum nicht- bzw. halbstationären Handel zählen
bspw. Wochenmärkte, Verkaufsfahrzeuge (bspw. zur Brötchen- und Fischversorgung
auf dem Land), Kaffee-Verkaufsfahrten sowie Verkaufs- und Ordermessen.
Handel, stationärer Der stationäre Handel weist feste Standorte (Ladenlokale) auf, die
ein potenzieller Käufer aufsuchen muss, um Einkäufe zu tätigen. Hierzu zählen u. a.
Waren- und Kaufhäuser sowie Tankstellen und Verbrauchermärkte.
Handelsfunktionen Handelsfunktionen sind die Aufgaben, die die Institutionen des
Handels im Rahmen der akquisitorischen und/oder der physischen Distribution
übernehmen.
Handelsmarke Bei der Handelsmarke handelt es sich um Zeichen, mit denen ein
Handelsunternehmen Waren versieht, um diese im Wettbewerbsumfeld zu differenzie-
ren. Der Eigentümer der Markenrechte ist hier das Handelsunternehmen.
Handelspanel Ein Handelspanel liefert Informationen über die Verkäufe in den unter-
schiedlichen Vertriebsformen. Hierzu werden bei den gleichen Absatzmittlern in regel-
mäßigen Abständen gleiche Sachverhalte erhoben. Durch diese Form der Längsschnitt-
analysen können Veränderungen im Zeitablauf erkannt werden.
576 Glossar
Lead User Unter Lead Usern werden trendführende Verwender oder Kunden verstanden,
die dem Mainstream als Trendsetter vorauseilen und mit ihren Anforderungen, Er-
wartungen und/oder Ideen einen nachhaltigen Einfluss auf den Massenmarkt haben
können. Sie lassen sich kennzeichnen als Kunden mit Bedürfnissen hinsichtlich Pro-
dukten und Dienstleistungen, welche für den Massenmarkt erst später relevant werden.
Zusätzlich lassen sich Lead-User auch dadurch charakterisieren, dass sie wahr-
genommene Bedürfnisse kommunizieren – auch gegenüber relevanten Anbietern – und
teilweise bereits über Ideen zur Problemlösung verfügen. Lead User gehören häufig zur
Gruppe der Innovatoren bzw. der Kreativen, die für bestehende Aufgaben selbst Lösun-
gen finden, wenn der Markt solche noch nicht bereitstellt.
Lead-User-Konzept Beim Lead-User-Konzept werden wichtige Kunden sehr frühzeitig
in den unternehmerischen Innovationsprozess eingebunden.
Lean-Start-up-Methode Bei der Lean-Start-up-Methode wird ein Geschäftsmodell bzw.
ein Produkt oder eine Dienstleistung sehr marktnah entwickelt, indem bereits im Zuge
des Entwicklungsprozesses kontinuierlich Feedback potenzieller Kunden eingeholt
wird. Hierbei kommt es zu einem Bauen-Messen-Lernen-Kreislauf, der wiederholt
durchlaufen wird (Iteration), um Innovationen schrittweise zu entwickeln (inkremen-
telles Vorgehen) und schnell zu überzeugenden Leistungen zu kommen.
Listbroker Listbroker sind Unternehmen, die werbetreibenden Unternehmen Adressen
vermitteln, ohne dass die als Listbroker bezeichneten Unternehmen selbst Eigentümer
der Adressen sind. Sie treten folglich als Makler für Adressen auf.
Low-Interest-Produkt Low-Interest-Produkte sind Produkte, denen aufgrund ihrer Art,
ihres Gebrauchs- oder Verbrauchsumfeldes, ihrer kurzen Nutzungsphase und/oder ihres
geringen Preises seitens des Käufers bzw. Nutzers nur ein geringes Interesse entgegen-
gebracht wird.
Mailing (auch Direct Mail, Werbebrief, White Mail) Ein Mailing ist eine papier-
gestützte, adressierte werbliche Ansprache von Zielpersonen auf postalischer Basis, die
als Einzelansprache oder als Massenansprache ausgestaltet sein kann.
Makro-Umwelt Die Makro-Umwelt beschreibt die weitere Umwelt des Unternehmens,
die dieses bei der Ausgestaltung seiner Aktivitäten zu berücksichtigen hat. Dazu zählen
insb. die sozio-kulturelle, die technologische, die ökonomische sowie die politisch-recht-
liche Umwelt. Aus diesen können Anforderungen an das Unternehmen resultieren.
Gleichzeitig wirkt das Unternehmen mit seinen Tätigkeiten in diese Bereiche hinein.
Marke Unter Marke wird ein Name oder Begriff, oft verbunden mit einem bestimmten
Zeichen oder Symbol, verstanden, welcher bei den relevanten Zielpersonen zu einer
Differenzierung im Wettbewerb beitragen soll.
Marken-Akademie Vgl. Brand Academy
Markenartikel (auch Herstellermarke) Markenartikel sind Produkte, die sich durch
eine Markierung und/oder einen Markennamen auszeichnen und damit eine – häufig
auch über Ländergrenzen und über längere Zeitspannen hinweg – einheitliche Auf-
machung aufweisen. Sie zeichnen sich durch eine relativ hohe Qualität bzw. durch
einen hohen eigenen Qualitätsanspruch aus. Diese Qualitätsorientierung geht mit einer
Glossar 581
relativ hohen Preisstellung einher. Das „relativ“ bezieht sich auf die relevanten Wett-
bewerbsangebote. „Absender“ der Markenartikel ist das herstellende Unternehmen,
welches den Markenartikel konzipiert und produziert bzw. produzieren lässt. Deshalb
wird statt von Markenartikel auch von Herstellermarke gesprochen – in Angrenzung
zur Handelsmarke.
Markenwertschöpfungskette Die Markenwertschöpfungskette misst im Zeitablauf dif-
ferenziert den Erfolg der eingesetzten Marketing-Instrumente anhand von KPIs (Key
Performance Indicators). Die Markenwertschöpfungskette gibt Aufschluss über den
Erfolg der eingesetzten Marketing-Instrumente in der jeweiligen Zielgruppe und defi-
niert gleichzeitig die als besonders relevant erachteten Ziele. Die Markenwert-
schöpfungskette beinhaltet zum einen wertschaffende Aktivitäten. Zu den hier ge-
tätigten Investitionen zählen bspw. Kampagnen zum Aufbau von Markenbekanntheit
und zur Imageaufladung. Zum anderen umfasst die Markenwertschöpfungskette auch
wert(ab)schöpfende Aktivitäten. Zu diesen zählen – i. S. des „Return on Investment“ –
u. a. die Käufe von Kunden sowie deren Weiterempfehlungen.
Marketing Marketing kennzeichnet das Konzept der marktorientierten Unternehmens-
führung und umfasst die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle aller
marktorientierten Aktivitäten. Marketing stellt zum einen das Leitbild des Manage-
ments für die Unternehmensführung dar. Zum anderen bezeichnet Marketing auch eine
Funktion, die neben Beschaffung, Produktion, Human Resources, Controlling die Auf-
gabenbereiche eines Unternehmens beschreibt.
Marketing-Analyse (auch Marketing-Forschung) Marketing-Analysen umfassen alle
Aktivitäten, die im Zuge der Planung, Organisation, Durchführung und K ontrolle von
Marketing-Maßnahmen eingesetzt werden, um die Anforderungen aus der Mikro- und
der Makro-Umwelt sowie die Auswirkungen des eigenen Marketings auf diese Be-
reiche zu erfassen und zu bewerten.
Marketing-Audit Marketing-Audit („Audit“ engl. für „Überprüfung“ oder „Rechnungs-
prüfung“) beinhaltet eine kritische Reflexion einzelner oder aller Marketing-Aktivitäten
eines Unternehmens. Das Marketing-Audit kann strategisch oder operativ aus-
gerichtet sein.
Marketing-Automation Marketing-Automation bezeichnet die selbständige Auslösung
von wiederkehrenden Marketing-Aktivitäten. Das Ziel der Marketing-Automation be-
steht in der Steigerung der Effizienz von Marketing-Prozessen und Steigerung der
Effektivität der Marketing-Maßnahmen. Im Kern geht es hierbei meistens um
Kommunikationsanstöße, die systemseitig (d. h. ohne weitere menschliche Eingriffe)
aufgrund des Vorliegens bestimmter Trigger (Auslösefaktoren) erfolgen.
Marketing-Controlling Zum Marketing-Controlling gehören alle Aktivitäten, die zur
Überwachung und Steuerung des gesamten Marketing-Management-Prozesses ein-
gesetzt werden. Das Marketing-Controlling soll die Gesamtheit der Marketing-
Aktivitäten laufend, systematisch und kritisch analysieren und Beiträge zur Erkennung
und Ausschöpfung von Erfolgspotenzialen leisten.
582 Glossar
idealerweise flankiert durch das Marketing-Controlling und unterstützt durch die Mar-
keting-Organisation.
Markt Ein Markt ist eine (gedankliche) Zusammenfassung aller Geschäftsbeziehungen
zwischen aktuellen und potenziellen Anbietern und Nachfragern für ein bestimmtes
Gut bzw. ein bestimmtes Güterspektrum zu einem bestimmten Zeitpunkt und bezogen
auf einen bestimmten Raum. Der Markt kann so konkrete Gestalt annehmen wie ein
Wochenmarkt. Ein Markt kann aber auch so abstrakt sein wie der globale Arbeitsmarkt
bzw. der globale Energie- und Kapitalmarkt.
Marktanteil Der Marktanteil ergibt sich als Verhältnis zwischen dem von einem Unter-
nehmen im Betrachtungszeitraum erzielten Umsatz (z. T. auch Absatz) in Relation zu
dem im gleichen Betrachtungszeitraum durch alle dort tätigen Unternehmen erzielten
Gesamtumsatz (z. T. auch Gesamtabsatz). Dieser Gesamtabsatz wird Marktvolumen
genannt. Der Marktanteil wird in Prozent ausgedrückt.
Marktanteil, relativer Der relative Marktanteil ergibt sich als Verhältnis zwischen dem
von einem Unternehmen im Betrachtungszeitraum erzielten Umsatz (z. T. auch Absatz)
in Relation zu dem im gleichen Betrachtungszeitraum vom größten Wettbewerber er-
zielten Umsatz (z. T. auch Absatz). Der relative Marktanteil hat keine Wertebezeichnung.
Marktausschöpfungsgrad Der Marktausschöpfungsgrad ergibt sich aus der Division
des Marktvolumens durch das Marktpotenzial. Der Marktausschöpfungsgrad wird in
Prozent ausgedrückt. Der Marktausschöpfungsgrad ist eine M aßgröße dafür, welches
Marktwachstum in einem Markt zukünftig noch erreicht werden kann.
Marktlebenszyklus Der Marktlebenszyklus beschreibt die Nachfrageentwicklung für
ein bestimmtes Marktsegment (bspw. Tablet-PCs, Wäschetrockner) über mehrere Pro-
dukt- und/oder Technologiegenerationen hinweg. Es wird – wie beim Produktlebens-
zyklus im engeren Sinne – zwischen den Phasen Einführung, Wachstum, Reife und
Sättigung unterschieden.
Marktpotenzial Das Marktpotenzial beschreibt die potenzielle Aufnahmefähigkeit eines
Marktes für ein Gut und kennzeichnet damit die maximal mögliche Absatzmenge bzw.
den maximal erreichbaren Umsatz und stellt einen prognostizierten Wert dar.
Marktsegmentierung Die Marktsegmentierung versucht, einen Markt unter Zugriff auf
bestimmte Merkmale in homogenere Teilmärkte aufzuteilen, die sich für eine Markt
bearbeitung anbieten. Die zur Segmentierung eingesetzten Merkmale werden
Segmentierungskriterien genannt. Beispiele hierfür sind bspw. Alter, Geschlecht, Kauf-
kraft bei Konsumenten. Bei Unternehmen können die Branche, die Rechtsform und die
Anzahl der Mitarbeiter zur Segmentierung verwendet werden.
Marktsegmentierung, mikrogeografische Die mikrogeografische Marktsegmentierung
analysiert auf kleinräumiger Basis das Kauf- und Informationsverhalten von Konsu-
menten. Hierzu wird eine Vielzahl von kaufverhaltensrelevanten Informationen aus
verschiedenen Quellen über Konsumenten zusammentragen. Die in einer geografisch
definierten Zelle zusammengefassten Haushalte werden als homogen angesehen und
mit einem „Stempel“ i. S. einer Zuordnung zu einem bestimmten Merkmals- und Ver-
haltensmuster versehen.
584 Glossar
Markttest Beim Markttest handelt es sich um einen probeweisen Verkauf eines neuen
Produktes oder den probeweisen Einsatz eines veränderten Marketing-Diamanten auf
einem regional abgegrenzten Markt mit dem Ziel, die Wirkungen auf das Informations-
und Kaufverhalten der Zielpersonen im Vorfeld einer Einführung auf dem Gesamt-
markt zu ermitteln.
Markttest, regionaler Im Rahmen eines regionalen Markttests erfolgt eine temporäre
Einführung eines Produktes in einem räumlich begrenzten Teilmarkt. Voraussetzung
für die Übertragbarkeit der hierbei erzielten Ergebnisse auf den Gesamtmarkt ist die
Repräsentativität des Teilmarktes für den Gesamtmarkt. Durch Markttests lassen sich
nicht nur die Reaktionen der Käufer, sondern auch die Akzeptanz im Handel sowie
mögliche Reaktionen der Wettbewerber ermitteln.
Marktvolumen Das Marktvolumen bezieht sich auf den bereits realisierten Umsatz oder
Absatz für ein entsprechendes Gut oder auf einen in naher Zukunft prognostizierten
Umsatz bzw. Absatz.
Mediaplanung Die Mediaplanung umfasst die zeitliche und instrumentelle Aufteilung
des Kommunikationsbudgets auf die zur Verfügung stehenden Werbeträger und Werbe-
mittel. Die Zielsetzung besteht darin, eine optimale Verteilung des Kommunikations-
budgets hinsichtlich der angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.
Messe Eine Messe ist eine zeitlich befristete Veranstaltung mit Marktcharakter, auf der
sich Unternehmen einzelner Branchen (Spezialmesse) oder mehrerer Branchen (Uni-
versalmesse) mit ihrem Leistungsangebot präsentieren. Sie finden in regelmäßigen Ab-
ständen an gleichen Orten statt. Eine Messe kann sich an Fachbesucher und/oder an die
breite Öffentlichkeit wenden.
Mikro-Umwelt Die Mikro-Umwelt definiert den unmittelbaren Aktionsraum eines
Unternehmens und umfasst neben den Kunden und Lieferanten auch die Wettbewerber
und die Kapitalgeber.
Mobile Marketing Unter Mobile Marketing ist die Planung, Organisation, Durchführung
und Kontrolle von Marketing-Maßnahmen zu verstehen, die ein Unternehmen durch
eine Kontaktaufnahme über mobile Endgeräte betreibt. Werden Informationen oder
Dienstleistungen direkt auf den räumlichen Aufenthaltsort der Zielpersonen aus-
gerichtet, spricht man von Location-based Services.
Monitoring Monitoring sucht durch Datenanalyse Antworten auf die Frage: Was passiert
momentan? Monitoring steht für das unmittelbare, systematische Beobachten, Erfassen
und damit Überwachen von Prozessen und Entwicklungen, um auf Basis der ge-
wonnenen Erkenntnisse ggf. sofort in laufende Prozesse einzugreifen.
More Sell More Sell zielt darauf ab, einen bereits gewonnenen Kunden zum wiederholten
Erwerb der gleichen Produkte oder Dienstleistungen desselben Unternehmens zu moti-
vieren. Hierdurch strebt das Unternehmen an, den Umsatz pro Kunde – auch bei glei-
chen Produkten – zu erhöhen.
Multi-Channel-Vertrieb Beim Multi-Channel-Vertrieb werden parallel verschiedene
Vertriebskanäle (bspw. Online- und Offline-Vertrieb) eingesetzt, um möglichst viele
Glossar 585
tung, dem Kauf eines Produktes oder dem Erwerb einer Dienstleistung entsteht. Beim
Nutzen wird zwischen Grund- und Zusatznutzen unterschieden.
Objektivität Objektivität bezeichnet – bspw. bei Forschungsprojekten – das Fehlen von
subjektiven Einflüssen. Ist eine Objektivität gegeben, dann werden die gleichen Ergeb-
nisse erreicht, unabhängig davon, welcher Forscher hier tätig war. Die Objektivität be-
zieht sich auf die Durchführung der Datenerhebung, die Auswertung der Daten und die
Interpretation der Ergebnisse. Die Objektivität des Forschers und des Forschungs-
ansatzes stellt eine notwendige Bedingung für die Gewinnung von vertrauenswürdigen
und damit von „belastbaren“ Informationen dar.
Omni-Channel-Vertrieb Der Omni-Channel-Vertrieb strebt eine „nahtlose“ Betreuung
der Kunden über verschiedene Betriebskanäle an, um den Kunden bestmöglich zu be-
treuen. Die Aktivitäten auf den verschiedenen Kanälen sind hier untereinander ab-
gestimmt und miteinander verzahnt.
One-to-Many One-to-Many ist eine Form der Marktkommunikation, bei der ein Kom-
munikator (bspw. ein Unternehmen) eine Botschaft – nach Marktsegmenten differen-
ziert – aussendet. Die einem Segment zuzurechnenden Personen werden folglich in
gleicher Weise angesprochen. Unterschiede gibt es dagegen zwischen den Ansprachen
von verschiedenen Segmenten.
One-to-Mass One-to-Mass ist eine Form der Marktkommunikation, bei dem ein Kom-
munikator (bspw. ein Unternehmen) eine Botschaft undifferenziert an die Allgemein-
heit aussendet.
One-to-One One-to-One ist eine Form der Marktkommunikation, bei dem ein Kommu-
nikator (bspw. ein Unternehmen) eine Botschaft personalisiert und ggf. auch individua-
lisiert genau auf eine Zielperson ausrichtet.
One-to-One-Marketing One-to-One-Marketing beschreibt eine Ausgestaltung des Mar-
ketings (häufig primär der Kommunikation, in Ansätzen auch der Leistungserbringung),
die sich in ihrer Idealausprägung an den spezifischen Bedürfnissen jedes einzelnen
Kunden orientiert und diesen mit individuell aufbereiteten Angeboten anspricht.
Online-Community (auch Internet-Community, Online-Gemeinschaft) Eine Online-
Community ist eine virtuelle Gemeinschaft von Online-Nutzern, die ihre Zusammen-
gehörigkeit durch eine häufig intensive Interaktion untereinander zum Ausdruck brin-
gen. Vielfach besteht die Möglichkeit, dass Nutzer eigene Texte, Bilder oder Videos als
Beitrag in die Community einbringen. Darüber hinaus können meist auch Beiträge
anderer Mitglieder der Community genutzt, kommentiert und/oder verändert werden.
Online-Marketing Online-Marketing umfasst die Planung, Organisation, Durchführung
und Kontrolle aller marktorientierten Aktivitäten, die sich des Internets sowie stationä-
rer und/oder mobiler Endgeräte mit Internet-Zugang zur Erreichung von Marke-
ting-Zielen bedienen.
Open-Innovation-Modell Das Open-Innovation-Modell greift neben den intern ge-
wonnenen Impulsen für Innovationen auch fremde Anregungen und Innovationen auf.
Hierzu werden externe Entwicklungspartner wie Kunden, aber auch Lieferanten, Hoch-
Glossar 587
rufen werden. Unternehmen sind rechtlich verpflichtet, diese Erlaubnisse zur Kontakt-
aufnahme zu beachten.
Persona Eine Persona ist ein fiktiver Archetyp, der die Zielgruppe repräsentiert und ihr
„ein Gesicht“ geben soll. Ein Persona wird beschrieben wie echte Personen – mit
Namen, Beruf, Lebensgeschichte, aktueller Beschäftigung. Häufig wird der Persona
auch ein Foto zugeordnet, um sich im wahrsten Sinne ein „Bild“ von ihr zu machen.
Personalpolitik Die Personalpolitik umfasst die Planung, Organisation, Durchführung
und Kontrolle der unternehmerischen Maßnahmen, die dazu beitragen, den Führungs-
kräften und Mitarbeitern in der Wertschöpfungskette einen gleichen Stellenwert wie
anderen Marketing-Instrumenten einzuräumen, um eine angestrebte Marktposition zu
erreichen. Ziel der Personalpolitik ist häufig die Schaffung eines Internal Brandings.
Personal Selling (auch persönlicher Verkauf) Beim Personal Selling findet im Zuge der
Akquisition von Kunden ein unmittelbarer Kontakt zwischen dem Verkäufer und dem
potenziellen Käufer statt.
Planung Die Planung stellt das Bindeglied zwischen Information und Aktion dar und ist
ein informationsbeschaffender, informationsverarbeitender und willensbildender Pro-
zess. Bei Planung geht es u. a. um Entscheidungen, welche Projekte in Angriff
genommen und welche verworfen werden. Bei diesen Entscheidungen wird jeweils
versucht, die Konsequenzen der Entscheidungen durch Wirkungs- oder Entwicklungs-
prognosen „vorherzusehen“. Deshalb ist Planung das Treffen von Entscheidungen
unter gleichzeitiger Antizipation (i. S. der Vorwegnahme) der damit verbundenen Wir-
kungen. Planung ist eine geistige Vorwegnahme zukünftigen Handelns.
Point of Purchase (POP, auch Point of Sale/POS) Point of Purchase bzw. Point of Sales
bezeichnet den Ort, an dem der Kauf bzw. der Verkauf stattfindet. Käufe und Verkäufe
können online oder offline stattfinden.
Portfolio-Analyse Die Portfolio-Analyse stellt ein Verfahren der strategischen Analyse
und Planung dar, bei dem die gegenwärtige Marktposition von Produkten, strategischen
Geschäftseinheiten, Unternehmen oder Ländern sowie die weiteren Marktaussichten
untersucht und dargestellt werden, um darauf basierend strategische Ableitungen vor-
zunehmen.
Preis Der Preis bezeichnet aus Käufersicht den Betrag, der beim Erwerb eines Produktes
oder einer Dienstleistung zu entrichten ist. Aus Anbietersicht stellt der Preis den Betrag
dar, der beim Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung erhoben wird, um
spezifische Unternehmens- und/oder Marketing-Ziele zu erreichen.
Preis-Absatz-Funktion (PAF) Die Preis-Absatz-Funktion ist die geometrische Ab-
bildung des Zusammenhangs zwischen verschiedenen Preishöhen und den damit ver-
bundenen Absatzmengen des entsprechenden Gutes.
Preisbindung, vertikale Bei der vertikalen Preisbindung werden gewerbliche Abnehmer
verpflichtet, gegenüber dem Endkäufer bestimmte Preise einzuhalten.
Preisdifferenzierung Bei der Preisdifferenzierung werden für (nahezu) gleiche Leistun-
gen unterschiedliche Preise verlangt, die nach verschiedenen Kriterien fest-
gelegt werden.
Glossar 589
Preisführerschaft Die Preisführerschaft hat das Unternehmen inne, welches eine Preis-
veränderungsrunde in einer Branche einleitet – sei es nach oben oder unten.
Preis- und Konditionenpolitik Zur Preis- und Konditionenpolitik gehören die Planung,
Organisation, Durchführung und Kontrolle der betrieblichen Aktivitäten zur Festlegung
und Durchsetzung von Preisen und Konditionen für die Vermarktung des unter-
nehmerischen Leistungsangebotes. Dazu zählen insb. die d ynamischen und statischen
Preisstrategien, die Rabatt- und Skontogewährung sowie die Festlegung von Liefe-
rungs- und Zahlungsbedingungen.
Pre-Sales-Services Pre-Sales-Services bezeichnen Dienstleistungen, die von einem
Unternehmen im Vorfeld eines Kaufaktes zu dessen Vorbereitung bzw. Anbahnung er-
bracht werden.
Pretest Ein Pretest ist ein Marktforschungsinstrument, durch dessen Einsatz die Wirkun-
gen geplanter Marketing-Maßnahmen – vor derem umfassenden Einsatz – in einem
Testumfeld ermittelt werden.
Primärforschung (auch Feldforschung oder Field Research) Bei der Primärforschung
handelt es sich um die (u. U. erstmalige) Gewinnung von Informationen über interes-
sierende Sachverhalte. Hierzu können bspw. Befragungen, Beobachtungen und/oder
Experimente durchgeführt werden. Weil man „ins Feld“ geht, um die gewünschten In-
formationen zu erheben, wird auch von Feldforschung oder Field Research gesprochen.
Product Placement Beim Product Placement erfolgt eine Einbindung (Platzierung) von
Produkten, Dienstleistungen oder entsprechenden Marken in nicht werbliche Umfelder.
Dies können bspw. Spielfilme, Reportagen, Shows und Verbrauchersendungen sein.
Auch in redaktionellen Beiträgen von Zeitungen und Zeitschriften kann eine solche
Einbindung erfolgen, ohne dass dies als Werbung herausgestellt und/oder unmittelbar
sichtbar wird. Die Einbindung erfolgt häufig gegen finanzielle oder sachliche Zu-
wendungen und muss rechtlichen Anforderungen genügen.
Produktdifferenzierung (auch Line Extension) Eine Produktdifferenzierung liegt vor,
wenn neben das ursprüngliche Produkt eine veränderte Produktversion tritt. Durch die
Produktdifferenzierung erweitert sich die Programmtiefe des Anbieters, weil innerhalb
einer Produktlinie ein weiteres Angebot erfolgt. Deshalb wird auch von Line Extension
gesprochen. Gleiches gilt bei der Vermarktung von Dienstleistungen.
Produktelimination Durch eine Produktelimination werden Produkte aus dem unter-
nehmerischen Produktprogramm bzw. dem Sortiment ausgesondert, weil jene nicht
mehr zur Erreichung von Unternehmens- und/oder Marketing-Zielen beitragen. Glei-
ches gilt bei der Vermarktung von Dienstleistungen.
Produktlebenszyklus im engeren Sinne Der Produktlebenszyklus im engeren Sinne be-
schreibt die Nachfrageentwicklung für ein bestimmtes Produkt über mehrere Produkt-
versionen hinweg (gilt analog für Dienstleistungen). Es wird zwischen den Phasen Ein-
führung, Wachstum, Reife und Sättigung unterschieden.
Produktlebenszyklus im weiteren Sinne Beim Produktlebenszyklus im weiteren Sinne
werden die zentralen Phasen Einführung, Wachstum, Reife und Sättigung des Produkt-
590 Glossar
lebenszyklus im engeren Sinne durch die vorgelagerte Entstehungsphase und durch die
nachgelagerte Entsorgungsphase erweitert (gilt analog für Dienstleistungen).
Produkt-Markt-Matrix (auch Ansoff-Matrix) Die Produkt-Markt-Matrix ist ein Ana-
lyseraster zur Ermittlung von strategischen Stoßrichtungen zur Expansion eines Unter-
nehmens. Es können Anhaltspunkte für eine Marktdurchdringung, eine Produkt- und/
oder Marktentwicklung sowie für eine Diversifikation gewonnen werden.
Produkt- und Programmpolitik Die Produkt- und Programmpolitik umfasst die Pla-
nung, Organisation, Durchführung und Kontrolle der betrieblichen Maßnahmen zur
Entwicklung und Umsetzung des Leistungsangebots eines Unternehmens. Dazu zählen
insb. die Entwicklung, Führung und Elimination von Produkten und Dienstleistungen,
die Ausgestaltung der Verpackung, das Branding sowie Entscheidungen hinsichtlich
der Ausgestaltung des Angebotsprogramms.
Produkttest Beim Produkttest geht es im Zuge einer experimentellen Untersuchung
darum, neue oder modifizierte Produkte durch Testpersonen (meist Angehörige der
Zielgruppe) nach Ansicht und/oder Ge- oder Verbrauch bewerten zu lassen. Um einen
Produkttest durchzuführen, muss ein komplett fertiggestelltes Angebot bzw. ein ent-
sprechender Prototyp vorliegen.
Produktvariation Bei einer Produktvariation bleibt das ursprüngliche Produkt in seiner
Grundkonzeption erhalten, aber einzelne Bestandteile werden im Laufe der Zeit ver-
ändert und/oder modernisiert. In diesem Fall löst das variierte Produkt das Vorgänger-
angebot ab. Durch eine Produktvariation verändert sich folglich weder die Programm-
tiefe noch die Programmbreite.
Profilanalyse Die Profilanalyse beinhaltet im Kern die Ermittlung von Strukturen (auch
Profile genannt) im eigenen Kunden- oder Interessenten-Bestand. Hierdurch können
Segmente sichtbar werden, die differenziert bearbeitet werden sollten (vgl. Segmentie-
rung, transaktionsorientierte). Die Profilanalyse gehört zum analytischen CRM.
Profit Center Das Profit Center ist ein nach bestimmten Kriterien (bspw. Produkte/
Dienstleistungen, Kunden, Regionen, Funktionen) abgegrenzter organisatorischer
Leistungsbereich im Unternehmen, der über eine eigenständige Marktaufgabe sowie
einen gewissen strategischen Entscheidungsspielraum verfügt und die volle Gewinn-
und Verlustverantwortung trägt. Unter Gewinn- und Verlustverantwortung ist zu ver-
stehen, dass das Management dieser Einheit an den Ergebnissen des entsprechenden
Bereichs persönlich gemessen wird – mit einem direkten Einfluss auf die erfolgs-
abhängigen Vergütungsbestandteile.
Public Relations (PR, auch Öffentlichkeitsarbeit) Public Relations als Instrument der
Kommunikationspolitik beinhalten den Aufbau positiver Beziehungen zwischen dem
Unternehmen und der breiten Öffentlichkeit. Die Zielgruppe geht über die Ist- und
Ziel-Kunden sowie die Interessenten hinaus und umfasst politische Entscheidungs-
träger, die allgemeine Öffentlichkeit, die Medien, Investoren, Aktionäre, Lieferanten,
Wettbewerber und schließt auch die eigenen wie auch zukünftige Mitarbeiter ein. Ge-
mäß dem PR-Grundsatz „Tue Gutes und rede darüber“ strebt das Unternehmen im
Glossar 591
Rahmen von PR-Kampagnen danach, ein möglichst positives Bild von sich in der
Öffentlichkeit aufzubauen
Pull-Kommunikation Im Online-Marketing wird von Pull-Kommunikation gesprochen,
wenn sich eine Zielperson die gewünschten Informationen aus dem Internet „heraus-
zieht“. Dies gelingt bspw. über den Einsatz der Suchmaschinen, den Einsatz des Con-
tent-Marketings, das Anklicken von Keyword-Anzeigen sowie das gezielte Aufsuchen
von Anbieter- oder Preisvergleichsseiten. Auch das Engagement in Blogs und On
line-Communitys kann gezielt zur Gewinnung von Informationen durch interessierte
Personen und damit als Ausdruck dieser Pull-Kommunikation verstanden werden.
Pull-Strategie (auch Sprungwerbung) Bei der Pull-Strategie wird der Endkunde (Ver-
braucher oder Unternehmen) vom Hersteller selbst umworben, damit dieser auf den
Handel zugeht und die Produkte und Dienstleistungen quasi „aus dem Absatzkanal
herauszieht“ („Pull“ entspricht „Ziehen“). Da hier der Handel übersprungen wird,
nennt man die Strategie bei einer werblichen Zielsetzung auch Sprungwerbung.
Push-Kommunikation Zur Push-Kommunikation zählen Online-Aktivitäten von Unter-
nehmen, die Informationen aktiv an die Nutzer herantragen. Dazu gehören bspw.
SMS-Botschaften, E-Mails und E-Newsletter sowie Bannerwerbung, die ggf. gezielt
auf die Internet-Nutzer ausgerichtet werden. Deshalb wird hier auch von Push-Nach-
richten bzw. Push Notifications gesprochen.
Push-Strategie Die Push-Strategie beschreibt das Vorgehen eines Herstellers, der ver-
sucht, seine Produkte in den Absatzkanal hineinzudrücken („Push“ entspricht „Drü-
cken“). Dies erfolgt unter der Prämisse, dass sich der Handel aktiv für den Verkauf der
Produkte einsetzen wird, wenn er diese erst im Sortiment führt.
QR-Code Das „QR“ im QR-Code steht für „Quick Response“. Durch das Scannen und
damit Auslesen eines QR-Codes gelangt der Nutzer über das Internet zu weiteren Infor-
mationen. Dies können konkrete Angebote, weiterführende Nachrichten oder ganz all-
gemein eine Corporate Website sein.
Rabatt Rabatt ist ein Preisnachlass für Waren und/oder Dienstleistungen, die auf einen
Listenpreis gewährt werden (z. T. auch Bonus genannt). Die Empfänger von Rabatten
können die Endkunden („Konsumentenrabatt“) oder Vertriebspartner sein. Man unter-
scheidet zwischen Funktionsrabatt (auch Händlerrabatt) für Vertriebspartner sowie
Mengenrabatt, Zeitrabatt und Treuerabatt.
Rack Jobber (auch Regalgroßhändler) Ein Rack Jobber ist ein Großhändler, der seine
Waren in anderen Handelsbetrieben auf dort angemieteten Verkaufsflächen – meist mit
eigenen Regalen – anbietet.
Realtime Advertising (auch Programmatic Advertising bzw. Programmatic Ad Buy-
ing) Beim Realtime Advertising werden Online-Werbeflächen in Echtzeit versteigert.
Realtime Advertising beschreibt den Prozess einer automatisierten und datengestützten
Mediaplanung, um Werbe-Inventar in Echtzeit auktionsbasiert zu erwerben und auto-
matisiert an vorab definierte Zielgruppen auszusteuern.
592 Glossar
Reaktanz Reaktanz stellt sich ein, wenn sich ein Individuum einer ungewünschten Be-
einflussung ausgesetzt fühlt und sich durch eine Trotzreaktion dem erwarteten Ver-
halten entzieht. Reaktanz ist das Gegenstück zur Akzeptanz.
Reichweite (auch Reach) Unter Reichweite wird die Anzahl bzw. der Anteil von Perso-
nen verstanden, die mit einem oder mehreren Werbeträgern oder Werbemitteln in Kon-
takt kommen. Bei der quantitativen (globalen) Reichweite geht es um die Frage, welche
Zahl von Personen angesprochen wird, unabhängig davon, ob diese zur jeweiligen Ziel-
gruppe gehören. Bei der qualitativen (zielgruppenspezifischen) Reichweite wird er-
mittelt, welche Zahl an Zielpersonen erreicht wird.
Reisender Ein Reisender ist ein Angestellter eines Unternehmens, der im Außendienst
für die Kundenakquisition und die Kundenpflege verantwortlich ist.
Relaunch Der Relaunch (i. S. eines Neustarts) ist ein Prozess, den ein Unternehmen in
der Sättigungs- und Rückgangsphase des Produktlebenszyklus durchführt, um vor-
handenen Produkten „neues Leben“ einzuhauchen. Ein Relaunch kann einen kommu-
nikativen Schwerpunkt haben, ein Produkt-Facelifting i. S. einer Weiterentwicklung
der „Produktoberfläche“ in Gestalt des Designs aufweisen und/oder durchgreifende
Produktveränderungen zum Inhalt haben. Auch bei Dienstleistungen kann es zu einem
Relaunch kommen.
Reliabilität Reliabilität beschreibt die „Zuverlässigkeit“ bzw. die „Genauigkeit“ einer
Untersuchung. Hierbei geht es um die Frage, ob unter gleichen Rahmenbedingungen
bei einer erneuten Datengewinnung die gleichen Ergebnisse erzielt würden.
Repräsentativität Repräsentativität ist gegeben, wenn die auf Stichprobenbasis ge-
wonnenen Erkenntnisse auf eine Grundgesamtheit hochgerechnet werden können.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Struktur der Stichprobe als Teilmenge die Grund-
gesamtheit gut abbildet, d. h. repräsentiert.
Response (auch Reaktion) Response ist die durch eine kommunikative Ansprache aus-
gelöste Reaktion i. S. einer Antwort des Angesprochenen. Dies kann eine Rückfrage,
eine Informationsanforderung, ein App-Download, eine Bestellung oder ein Kauf sein.
Responseanalyse Eine Responseanalyse ist die Auswertung der Daten von Reagierern
auf eine oder mehrere Marketing-Aktionen. Die Daten können Antworten auf eine
Werbeaktion, die Einlösung von Coupons, Bestellungen, Anfragen oder Käufe be-
schreiben. Durch eine Responseanalyse werden die Struktur der Reagierer und deren
genaues Verhalten analysiert, um Folgemaßnahmen zu optimieren.
Responseelement (auch Antwortelement) Ein Responseelement bietet dem Empfänger
einer Botschaft die Möglichkeit zur Reaktion. Responseelemente sind bspw. ein On-
line- oder Offline-Coupon, eine Antwortkarte, ein Bestellformular oder ein QR-Code.
Response-Management Das Responsemanagement beinhaltet die Gesamtheit der Maß-
nahmen, die für eine Erfassung und Bearbeitung der Response aus Marketing-
Aktivitäten eingesetzt werden.
Responsequote (auch Reaktionsquote oder Conversion Rate) Die Responsequote
stellt in Prozentwerten dar, wie viele Reaktionen bspw. in Relation zu den ein-
Glossar 593
gesetzt, soweit über diese Daten vorliegen. Um eine individuellere Betreuung zu er-
reichen, werden die im Zuge der Transaktionen zwischen Interessenten bzw. Kunden
einerseits und dem Unternehmen andererseits gewonnen Daten ausgewertet.
Sekundärforschung (auch Desk Research) Die Sekundärforschung umfasst die Gewin-
nung von Informationen über interessierende Sachverhalte, wobei auf bereits vorliegende
Erkenntnisse und/oder Studien zugegriffen wird. Es können bspw. Online-Recherchen
sowie eine Sichtung der Studien einschlägiger Marktforschungsunternehmen durch-
geführt werden. Weil man diese Art der Forschung vom Schreibtisch aus betreiben kann,
wird auch von Desk Research gesprochen.
Servitization Servitization beschreibt eine Entwicklung, bei der produzierende Unter-
nehmen ihr Leistungsportfolio von physischen Produkten weg hin auf Dienstleistungen
und/oder eine Kombination von Sachgütern und Dienstleistungen ausrichten.
Share of Mind Share of Mind misst die Bekanntheit und die Vertrautheit des Kunden mit
dem Angebot eines Unternehmens im Vergleich zu dem der Wettbewerber.
Share of Wallet (auch Share of Basket) Share of Wallet ist der Anteil eines spezifischen
Anbieters „am Einkaufskorb“ i. S. des getätigten Umsatzes eines Kunden, den dieser in
einer spezifischen Produktkategorie (bspw. Drogerieartikel oder Bekleidung) tätigt.
Der Share of Wallet wird für die jeweils interessierende Produktgruppe ermittelt und
stellt damit den Marktanteil eines Anbieters am Umsatz in dieser Produktgruppe bei der
analysierten Person dar.
Shopping-Center Ein Shopping-Center ist ein als Gesamtanlage geplantes Einkaufs-
zentrum, welches verschiedene Einzelhandelsformate und Dienstleistungsanbieter
räumlich zusammenführt.
Shopping Good Shopping Goods sind eher seltener gekaufte und häufig auch im höheren
Preissegment liegende Produkte (bspw. Anzüge, Schuhe, Möbel) oder Dienstleistungen
(etwa Finanzanlagen, Urlaubsreisen), bei denen der Kunde bereit ist, für das Einkaufen
Zeit und Energie zu investieren. Er vergleicht verschiedene Angebote, sucht unter-
schiedliche Einkaufsstätten auf und ist offen für Informationen und Beratung, da sein
Präferenzsystem noch nicht festliegt.
Skimming Pricing Vgl. Abschöpfungspreisstrategie
Skonto (auch Barzahlungsrabatt) Skonto ist ein Preisnachlass, der gewährt wird, wenn
die Bezahlung einer Rechnung innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfolgt.
Sleeper-Quote Die Sleeper-Quote nennt den prozentualen Anteil an ausgegebenen
Kundenkarten, die nicht oder nicht in der notwendigen Frequenz eingesetzt werden.
Die Sleeper-Quote kann auch für Apps ermittelt werden, die zwar heruntergeladen,
aber nicht genutzt werden.
Social-Media-Marketing Social-Media-Marketing umfasst die Planung, Organisation,
Durchführung und Kontrolle von Maßnahmen, bei denen sich ein Unternehmen zur
Erreichung von Marketing-Zielen der sozialen Medien bedient.
Sortiment Das Sortiment wird gebildet durch die Gesamtheit der von einem Handels-
unternehmen angebotenen Produkte und Dienstleistungen.
Glossar 595
horizont von drei Jahren und mehr zugrunde liegt. Strategien werden häufig für das
gesamte Unternehmen oder komplette strategische Geschäftsfelder (SGFs) oder strate-
gische Geschäftseinheiten (SGEs) entwickelt. Bei der Strategiearbeit erfolgt die Er-
arbeitung von Konzepten zur langfristigen Schaffung, Sicherung und Ausschöpfung
von Erfolgspotenzialen. Strategien definieren gleichzeitig die Rahmenbedingungen für
die operative Planung. Schließlich soll die operative Planung die sukzessive Umsetzung
der Strategien definieren.
Strategische Geschäftseinheit (SGE, auch strategisches Geschäftsfeld/SGF) Eine
strategische Geschäftseinheit definiert einen Ausschnitt aus dem unternehmerischen
Tätigkeitsbereich. Bei der Bildung von strategischen Geschäftseinheiten wird versucht,
möglichst homogene Produkt-Markt-Kombinationen zu finden, die eine eigenständige,
kundenbezogene Marktaufgabe umfassen. Für die strategischen Geschäftseinheiten
können eigenständige Strategien zum Aufbau bzw. zur Ausschöpfung von Erfolgs-
potenzialen entwickelt werden.
Streckengeschäft Das Streckengeschäft ist eine Distributionsform, bei der ein (Groß-)
Händler Produkte (insb. Massengüter, wie bspw. Stahl, Kohle) unmittelbar vom Her-
steller an die Käufer liefern lässt.
Streuverluste Streuverluste stellen nicht angestrebte Kontakte einer kommunikativen
Ansprache dar. Durch die Kommunikation werden immer wieder auch Personen oder
Unternehmen mit einem Werbeträger (einem TV-Spot, einer Anzeige, einer Beilage,
einem Mailing, einer E-Mail, einem Post, einem Online-Banner) erreicht, obwohl sie
nicht zur Zielgruppe gehören. Diese Kontakte stellen Streuverluste dar und sind das
Ergebnis einer nicht präzisen Aussteuerung der Kommunikationsmaßnahmen. Aller-
dings lassen sich Streuverluste auch durch ausgefeilte Optimierungsmaßnahmen meist
nicht vollständig vermeiden.
Suchmaschinen-Optimierung (SEO für Search Engine Optimization) Durch die
Suchmaschinen-Optimierung versuchen Unternehmen durch eine spezifische Aus-
gestaltung ihres Internet-Auftritts, gute Platzierungen in den organischen Trefferlisten
der Suchmaschinen-Anbieter zu erreichen.
Suchmaschinen-Werbung (SEA für Search Engine Advertising; auch Keyword Ad-
vertising) Bei der Suchmaschinen-Werbung schalten Unternehmen Werbebanner bei
passenden Suchanfragen im Umfeld der organischen Trefferliste der Suchmaschinen.
Diese werden auch Keyword-Anzeigen genannt.
Supermarkt Der Supermarkt ist eine Betriebsform des Einzelhandels, die meist über
eine Verkaufsfläche von 400 bis ca. 800 qm verfügt und ein breiteres Lebensmittelsorti-
ment mit ca. 12.000 bis 25.000 Artikeln führt, welches häufig durch Non-Food-An-
gebote abgerundet wird. Bei offener Warenpräsentation und dominanter Selbst-
bedienung sind mittlere bis partiell niedrige Preislagen anzutreffen.
SWOT-Analyse (auch TOWS-Analyse) Die SWOT-Analyse analysiert die eigene
Leistungsfähigkeit im Lichte der relevanten Wettbewerber bei gleichzeitiger Bewertung
der zukünftigen Marktgegebenheiten. „SW“ steht für Strengths und Weaknesses (Stär-
ken und Schwächen) i. S. von komparativen Vor- oder Nachteilen des Unternehmens
Glossar 597
und deckt die interne Perspektive der Analyse ab. „OT“ steht für Opportunities und
Threats (Chancen und Risiken) und integriert die externe Perspektive in die Analyse.
Durch die anschließende Synthese von externer und interner Perspektive können stra-
tegische Ableitungen für die Weiterentwicklung des Unternehmens gewonnen werden.
Symbolic Management Beim Symbolic Management werden zentrale Unternehmens-
und Markenwerte über Symbole oder symbolgleiche Handlungen (bspw. der Unter-
nehmensführung oder von einzelnen Mitarbeitern) in die relevanten Zielgruppen inner-
halb und außerhalb des Unternehmens kommuniziert.
Synergie (auch 2 + 2 = 5-Effekt) Von Synergie wird gesprochen, wenn „das Ganze mehr
ist als die Summe seiner Teile“. Durch das geplante Zusammenwirken von mindestens
zwei Kräften kann beim Vorliegen von Synergie-Effekten mehr erreicht werden als
summiert durch den isolierten Einsatz der beiden Kräfte allein. Die hier wirksamen
Kräfte können Unternehmen, Abteilungen, Mitarbeiter, Technologien, Informationen
usw. sein.
Tachistoskop Das Tachistoskop ist ein Apparat, durch den bspw. Abbildungen von zu
bewertenden Produkten nur für eine kurze Zeit (zwischen einer 1/1000 Sekunde und
drei Sekunden) gezeigt werden können. Hierdurch gelingt es, erste Erwartungen bzgl.
des gezeigten Produktes hinsichtlich der entsprechenden Produktkategorie sowie der
Positionierung zu erkennen. Es wird die Perzeption (Wahrnehmung) einzelner Ele-
mente ermittelt und der Anmutungs- und Aufforderungscharakter eines Produktes im
vorrationalen Raum erfasst, d. h. noch bevor eine verstandesmäßige Bewertung der
Inhalte stattfinden konnte.
Trading-up Trading-up bezeichnet einen Prozess, in dessen Verlauf Handelsunternehmen
ihr Leistungsangebot Schritt für Schritt verbessern.
Target Costing (auch Target Pricing) Target Costing ist ein Vorgehen, bei dem sich die
Kostenziele eines Unternehmens aus den am Markt erzielbaren Preisen ableiten, um
kundenorientierte Preisstellungen zu erreichen. Der Preis eines Produktes wird nicht
durch eine Zuschlagskalkulation ermittelt, sondern retrograd kalkuliert. Das bedeutet,
dass die „vertretbaren“ Kosten rückwärts vom anvisierten Zielpreis am Markt aus-
gehend kalkuliert werden.
Tausenderpreis (auch Tausend-Kontakt-Preis/TKP, Cost per Mille/CPM) Der
Tausenderpreis drückt aus, wie viel es ein Unternehmen kostet, bspw. 1000 Leser oder
Seher zu erreichen. Der Tausenderpreis dient als Maßstab für die Wirtschaftlichkeit
eines Mediums. Er wird ermittelt, indem die Kosten der Schaltung durch die Anzahl der
Werbeträgerkontakte dividiert werden und das Ergebnis mit 1000 multipliziert wird. Im
Online-Marketing beschreibt der Wert CPM (Cost per Mille) die Kosten, die entstehen,
damit bspw. 1000 Personen die Chance haben, einen Online-Banner wahrzunehmen.
Tele-Shopping Tele-Shopping (abgeleitet von Television) beschreibt die Vermarktung
von Produkten und Dienstleistungen über das Fernsehen. Hierfür werden spezielle
TV-Formate eingesetzt. Im Kern stellt es einen Versandhandel mit einem „TV-ge-
stützten, lebenden Katalog“ dar. Dazu werden in laufenden TV-Sendungen regelmäßig
unterschiedliche Angebote präsentiert, die zur sofortigen Bestellung anregen sollen.
598 Glossar
Testimonial Ein Testimonial ist eine durch Sport, Film/Funk, Musik, Politik u. a. be-
kannte Person, die sich in der Werbung zur Nutzung bestimmter Angebote bekennt und
zur Nachahmung anregt. Testimonials können auch Angehörige bestimmter Branchen
sein, denen für bestimmte Angebote (bspw. Taxifahrer für Autos oder Zahnärzte für
Zahncreme) eine besondere Kompetenz zugeschrieben wird.
Touchpoint Touchpoints bezeichnen die Berührungspunkte eines (potenziellen) Kunden
mit einem Produkt, einer Dienstleistung, einer Marke oder einem Unternehmen.
Twitter Twitter ist ein Informationsdienst im Internet. Registrierte Nutzer können eigene
Textnachrichten (maximal 280 Zeichen) eingeben und anderen zuleiten. Dieser
Kommunikationsprozess wird Twittern (entspricht „Zwitschern“) genannt. Die Bei-
träge werden als Tweets (entspricht „Piepsen“) bezeichnet, als chronologische Liste
dargestellt und können von interessierten Personen (hier als Follower bezeichnet) abon-
niert werden. Diese Tweets können auch kommentiert und/oder weitergeleitet werden.
Unique Advertising Proposition (UAP) Bei der Unique Advertising Proposition wird
eine Alleinstellung einer Marke, eines Produktes oder einer Dienstleistung durch werb-
liche Aussagen und Behauptungen angestrebt, die im Gegensatz zu einem „originären“
Nutzenelement nicht einlösbar und häufig auch nur schwer zu kopieren sind. „Unique“
verdeutlicht, dass das Nutzenversprechen von der Zielperson entweder als einmalig
oder gegenüber anderen Alternativen zumindest als überlegen angesehen wird. „Adver-
tising Proposition“ bedeutet, dass das Nutzenversprechen allein durch werbliche Aus-
sagen begründet wird – und nicht durch reale Inhalte erfüllt wird.
Unique Passion Proposition (UPP) Bei der Unique Passion Proposition wird eine
Alleinstellung einer Marke, eines Produktes oder einer Dienstleistung dadurch an-
gestrebt, dass die Leidenschaft der dahinter agierenden Menschen sichtbar und erlebbar
wird. „Unique“ verdeutlicht, dass das Nutzenversprechen von der Zielperson entweder
als einmalig oder gegenüber anderen Alternativen zumindest als überlegen angesehen
wird. „Passion Proposition“ bedeutet, dass das Nutzenversprechen für die Zielperson
auf der Leidenschaft der Mitarbeiter basiert, die hinter einem Leistungsangebot stehen.
Diese Leidenschaft wird für die Kunden bei den Interaktionen mit diesem Unternehmen
erlebbar.
Unique Selling Proposition (USP) Bei der Unique Selling Proposition wird eine Allein-
stellung einer Marke, eines Produktes oder einer Dienstleistung durch objektiv nach-
weisbare Nutzenversprechen angestrebt. „Unique“ verdeutlicht, dass das Nutzenver-
sprechen von der Zielperson entweder als einmalig oder gegenüber anderen Alternativen
zumindest als überlegen angesehen wird. „Selling Proposition“ bedeutet, dass die ob-
jektiven Nutzenversprechen für die Zielperson eine Kaufentscheidungsrelevanz be-
sitzen. Bei der Unique Selling Proposition liegen objektiv vorhandene Merkmale vor,
die nur ein Unternehmen erfüllt. Dies können bspw. der niedrigste Energieverbrauch,
die längste Haltbarkeit, der größte Vitaminanteil etc. sein.
Univariates Verfahren Bei einem univariaten Verfahren wird bei einer statistischen Be-
rechnung nur eine Variable analysiert (bspw. nur das Alter oder nur das Geschlecht).
Unternehmenskultur Vgl. Corporate Culture
Glossar 599
A Ad-hoc-Umfrage 152
ABC-Analyse 539, 540, 561 Adresse 562
Abgrenzung des relevanten Marktes 46 Adressen von Privatpersonen 231
Ablauforganisation 525, 548, 561 Adressverlag 231, 232, 562
Abmelde-Rate 441 Affiliate-Marketing 562
Abnehmer Affiliate-Programm 450
gewerblicher 51 After-Sales-Service 299, 562
öffentlicher 51 Agiles Management
Abonnement 346 Instrumente 272
Abonnement-Apps 429 Mindset 269
Above-the-Line-Kommunikation (ATL) AIDA 384, 562
406, 561 Aided Advertising Recall 182
Absatz Aided Recall 182
direkter 561 AISDAS 384
indirekter 561 Akquisition 246, 562
Absatzgroßhandel 357 Aktivierung 57, 58
Absatzgroßhandel, Betriebsformen 357 Messung 57
Absatzhelfer 351, 561 über äußere Reize 59
Absatzkanal über innere Reize 59
Auswahl 371 Aktivierungsspirale 62
Zielkonflikt 371, 372 Aktivität 62
Absatzkredit 345 Alleinvertriebsrecht 362
Absatz-Marketing 19 Alleinvertriebssystem 362, 562
Absatzmarkt 15 Allensbacher Werbeträgeranalyse (AWA) 400
Absatzmittler 351, 561 Alltagsstudio 143
Absatzorgane 351 All-you-can-afford-Methode 457, 562
Auswahl 371 Altersstrukturanalyse 542
Management 370 Ambient Advertising 419, 563
Absatzpotenzial 42 Ambient-Marketing 419, 563
Absatzwege 351 Ambient Media 419, 563
Absatzwege-Management 351, 370 Ambush-Marketing 419
Abschöpfungspreisstrategie 562 Amortisationsdauer (AD) 283
Accepted Set 183 Amortisationsrechnung 283
Addressable TV 416 Amygdala 65
Ad-hoc-Kundenbefragung 148 Analogie 42
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 603
R. T. Kreutzer, Praxisorientiertes Marketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35307-0
604 Stichwortverzeichnis
Direct-to-Consumer 572 E
Direktinvestition 245 Early Bird 593
Direktkommunikation 423 Earning 469
Direkt-Marketing 571 EBIT 171
Direktvertrieb 351, 354 EBITDA 170
Direktwerbung 571 EBT 171
Discounter 359, 572 E-Commerce 353, 360, 368, 572
Diseconomies of Scale 110 Economies of Scale 109
Diskonfirmation Effektivität 177, 572
negative 193 Efficient Assortment (EA) 572
positive 193 Efficient Consumer Response (ECR)
Display-Werbung, mobile 427 371–373, 573
Dissatisfier 494 Efficient Product Introduction (EPI) 573
Distanzhandel 360, 572 Efficient Promotions (EP) 573
Distribution Efficient Replenishment (ER) 573
akquisitorische 351, 572 Effizienz 177, 573
exklusive 371 Eigen- und Fremdbild, Diskrepanz von 114
intensive 370 Einflussfaktoren, psychologische 57
physische 351, 572 Einkäufer 39
selektive 371 Einkaufshandbuch 36
Distributionsgrad 364 Einkaufsrichtlinie 36
gewichteter 365 Einlösequote 435
numerischer 364 Einmarken-Strategie 292
Distributionslogistik 373, 375 Einstellungen 63
Distributionspolitik 350, 572 Eintauschprämie 331
Einflussfaktoren und Entscheidungs- Einzelansprache
felder 350 individuelle 423
Entscheidungsfelder 350 persönliche 423
Distributionsstärke 364 Einzelhandel 356, 358, 573
Diversifikation 572 Betriebsformate des stationären 359
Formen 216, 218 Betriebsformen 357, 358
horizontale 216, 217 Formate 358
laterale 217 Elektrodermale Reaktion (EDR) 58, 576
vertikale 216, 217 Elektroenzephalogramm (EEG) 58
Diversifikationsstrategie 216 E-Mail 573
3-D-Mailing 60 E-Mail-Werbung 432
Dokumentationsphase 106 Emotionen 63
Dominanzsystem 67 Emotionsmodell 67
Door-to-Door-Selling 352 Emotions- und Motivsystem 67
Double Opt-in-Rate 439 Empfänger-Perspektive 380
DR-Anzeige 412. Siehe auch Direct- Empfehlung 194, 535
Response-Anzeige Empfehlungsmarke 293, 294
Duftstoff 404 Employee Engagement 475, 477, 511
Dumping 308, 333 in Deutschland 478
Durable Good 26 Ermittlung 477
Durchschnittsumsatzsteigerung 466 Forschungsergebnisse 476
Durststrecke, lange 276 Meta-Analyse 479
Dynamic Pricing 335, 572 Employer Brand 498
Stichwortverzeichnis 609
Handel I
Beratungs- und Kreditfunktion 355 Incoterm 345
Betriebsformen 564 Ideenkilling 273
Distanz- 572 Image 177, 576
Einzel- 356, 358 Implizites System 66
Funktionen 354 Impulskauf 24, 577
Groß- 356 Impulskauf, geplanter 25
halbstationärer 358, 575 In-App-Ad 427
konzessionierter 600 Inbound-Telefon-Marketing 426, 576
nichtstationärer 358, 575 Indifferente 94
Raumüberbrückungsfunktion 354 Industriegüter 22
Sortimentsfunktion 355 Influencer 39
stationärer 358, 575 Influencer-Marketing 447, 576
Versand- 358, 572 Information Overload 60, 61
Werbe- und Marktbeeinflussungs- Informationsfluss
funktion 355 interner 504
Zeitüberbrückungsfunktion 355 strategischer 501
Handelsfunktionen 575 Informationsfunktion 532
Handelsmacht 12 Informationsgemeinschaft zur Feststellung der
Handelsmakler 356 Verbreitung von Werbeträgern
Handelsmarke 30, 366, 575 (IVW) 400
Handelspanel 575 Informationskaskade 503
Handelspromotion 422 Informationsquellen
Handelsvertreter 353, 356, 576 externe 90
Haptik 403, 404 interne 89
Hardbounce 437 Informationsregulator 39
Hauptversammlung 420 Informations-Silo 89, 504
Haus der Marken 293, 294 Informationsüberlastung 60
Haushaltsgröße 48 Informationsziele 383
Hausverteilung 424 Infrastruktur
Hautwiderstand 58 harte 49
Hautwiderstandsmessung 576 weiche 49
Hemisphären-Modell des Gehirns 65 Inhaltsanalyse, qualitative 105
Herstellermarke 30, 366, 580 Initial Public Offering (IPO) 82
Herzberg 494 Inkrementelles Vorgehen 269
Hidden Agenda 105 Innovation 264, 576
High-Interest-Produkt 26, 576 Akzeptanz 275
Hirnströme 58 Analyseraster 275, 276
Hochpreisstrategie 324 Angebots- 264
Höchstpreis 317 Bewertung der Vor- und Nachteile 275
Hold Set 183 Dienstleistungs- 264
Homeshopping 360 Diffusionsmodell 286
Homo oeconomicus 65 Diffusionsprozess 288
House of Brands 293. Siehe auch Haus Faktoren zum Anstoß 266
der Marken Formen 264
Hygienefaktoren 494 Geschäftsmodell- 265
612 Stichwortverzeichnis
N
Nachbarschaftsladen 567 O
Nachfass-Mailing 236 Objective-Task-Methode 457
Nachfrage 34, 187, 585 Objektivität 99, 586
elastische 317 Obsoleszenz, künstliche 213
unelastische 318 Öffentlichkeitsarbeit 420, 590
Nachfragemacht 120, 585 Öffentlichkeitsarbeitsinstrumente 420
Nachfragephase 188 Ökosponsoring 453
Nachkauf 190, 191 OKR 168
Nachkaufdissonanz 35, 585 Oligopol 45
Nachkaufgarantie 345 Angebots- 45
Nachkaufphase 35 Nachfrage- 45
Nachzügler 287 zweiseitiges 45
Net Promotor Score (NPS) 93 Omni-Channel-Vertrieb 368, 369, 586
Nettokontakte 398 One-Stop-Shopping 261
Nettonutzen 323 One-to-Many 586
Netzwerkeffekt 297 One-to-Mass 586
Neukundenakquisition 585 One-to-One 586
Neuproduktidee One-to-One-Marketing 586
Modell zur Bewertung und Auswahl 281 Online-Community 586
Stichwortverzeichnis 619