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as vollautomatische Original, seit
1996 Dienstwaffe der Truppe, war
noch Protagonist des Titelthemas
von caliber 4/2014, weil es sich aufgrund
angeblich schlechter Trefferleistung in
Extremeinsätzen in ausländischen Krisen-
gebieten unter großer Medien-Beachtung
zum Politikum entwickelte. Kurz zum aktu-
ellen Stand der Dinge: Das Verteidigungs-
ministerium erließ im Sommer des Vor-
jahres einen Beschaffungsstopp für das
HK G36, obwohl eine abschließende Un-
tersuchung zu Präzisionsproblemen und
mangelnder Zielwirkung des Bundesrech-
nungshofes, der Wehrtechnischen Dienst-
stelle 91 (WTD 91) Meppen sowie weiterer
Beteiligter allem Anschein nach immer
noch nicht abgeschlossen ist. Natürlich
hofft Heckler & Koch darauf, dass der wohl
im Frühjahr 2015 zu erwartende Testbe-
richt zur Wiederherstellung des guten Ru-
fes des Unternehmens und seiner Waffen
beiträgt. Dennoch hat der massive Medi-
enwirbel im Vorfeld Verunsicherungen bei
potentiellen Kunden sowie einen Image-
Verlust verursacht. Dies könnte wiederum
Auswirkungen auf künftige Großaufträge
haben, so will Frankreich in den nächsten
Jahren beispielsweise 90.000 Sturmge-
wehre samt Zubehör beschaffen. Die Ge-
schichte bleibt spannend!
Halbautomatische Nachfolger
HK 243 SAR in beiden Seitenansichten (mit beigelegten Anbauteilen aus dem HK-Zubehörprogramm, von bild. Damals blühten seltsame Stilblüten,
links: Zweibein, Vertikalgriff mit integriertem Zweibein, Sturmgriff) sowie mit eingeklappter Schulterstütze. forderten Bundesländer wie Hessen oder
Hamburg beispielsweise auch, dass die SL
Vorbild diente, präsentierte Heckler & Koch 8 Visierschiene, die den typischen G36 Tra-
im Jahr 1998 die halbautomatische Zivilver- gebügel ersetzte, nicht zu viele Prismen für
sion SL8 in .223 Remington (Testbericht in eine Optik-Montage aufweisen sollte, weil
caliber 12/98). Das Sportgewehr unter- sie ansonsten an Kühlrippen eines Hand-
schied sich aufgrund des damals noch schutzes erinnern würden! Nach der Waf-
existierenden Anscheinsparagra- fenrechtsnovellierung und dem Wegfall des
phen vor allem durch den hellgrau- alten Anscheinsparagraphen 2003 brachte
en Daumenloch-Kunststoff-Schaft die weltbekannte, schwäbische Firma aus
deutlich vom militärischen Vor- Oberndorf am Neckar das SL 8 lediglich in
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HK 243 TAR in beiden Seitenansichten (mit beigelegtem Hülsenfangsack aus dem HK-Zubehörprogramm) der nicht ausziehbaren, skelettierten
sowie mit eingeklappter Schulterstütze.
Standard-Schulterstütze ohne justierbare
weitere Aufrüstung auf Anhieb, um in sta- rung verwandeln. Beim HK 243 SAR in Wangenauflage ist das Schießen mit ei-
tischen oder dynamischen Schießsport- originaler Standardausführung stößt man nem leistungsstarken Zielfernrohr zudem
disziplinen mit mechanischer Visierung an seine Grenzen, wenn man die Waffe mit nicht allzu komfortabel, auch wenn sich
oder Leuchtpunktoptik mitzumischen. einem Zielfernrohr ausstatten und enge die breite Handschutzpartie ganz ordent-
Durch die Modulbauweise und einem Streukreise in die Pappe stanzen möchte. lich auf einer Auflage positionieren lässt.
14-seitigen HK 243 S-Zubehörprogramm Hier wäre dann das HK 243 TAR sicherlich In der Werkstatt wurden beide Testwaffen
mit unterschiedlichen Schulterstützen, die bessere Wahl. Grund hierfür ist die komplett zerlegt, um sich ein besseres Bild
Handschutzen, Visierschienen, Wechsel- SAR-Kunststoff-Visierschiene mit inte- über die innere und äußere Verarbeitung
magazinschächten, Magazinen und vie- graler Diopter-Visierung, die eine hohe verschaffen zu können. Hierbei offenbarte
lem mehr kann man das HK 243 SAR auch Montage für die Zielfernrohr-Anbringung sich schnell, dass das HK 243 SAR nur am
Schritt für Schritt ausbauen und beispiels- erforderlich macht, was wiederum einen Handschutz mit einem typischen Schnell-
weise in die hier ebenfalls vorgestellte mächtigen Abstand zwischen Visierlinie Demontage-Stift versehen ist. Um die mit
„Tactical Automatic Rifle“ (TAR)-Ausfüh- und Laufseelenachse zur Folge hat. Mit zwei zweiteiligen Schrauben miteinander
verbundenen Hauptbestandteile vonei-
nander trennen zu können, muss man
gleichzeitig zwei Inbusschlüssel verwen-
den. Weil die beiden Schrauben Druck auf
die Baukomponenten ausüben, saßen das
Griffstück und der Magazinschacht (in
aktuellster Ausprägung) absolut spielfrei
und bombenfest im oberen Systemge-
häuse. Kein Licht ohne Schatten: Die-
ses aufwendige System ist förderlich für
Minimaltoleranzen, verlangt aber mehr
Ul
Aufwand bei den Demontagearbeiten. Bei Zu
dem indirekten Kurzhubimpuls-Gasdruck- un
ladesystem wird der Verschlussträger mit
6-Warzen-Drehkopfverschluss mittels Gas-
kolben und Impulsstange angetrieben.
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stände erhöhen und Funktionsstörungen durch eine Feder im Repetierzyklus immer schutz-Aufnahme am Gehäuse wurde auf
provozieren. Der schwenkbare Ladehebel in seiner hinteren Position gehalten, was maximale Stabilität ausgelegt, so befindet
auf der Systemgehäuse-Oberseite sitzt zur Sicherheit beiträgt (siehe hierzu auch sich am gleichen Befestigungspunkt wie
vor dem Verschluss und ist beidseitig be- erläutertes Stichwort „Slam Fire“ im Ar- beim SAR eine Inbusschraube anstatt ei-
dienbar. Die Verschlusseinheit des G36/ tikel über das Gunworks AR-15 in 6,5 mm nes Schnell-Demontage-Stiftes und an der
SL 8/HK 243 lässt sich ganz ähnlich wie Grendel ab Seite 26). Unterseite ein Einsatz, der zusätzlich in
ein AR-Verschlussträger zerlegen. In der das Systemgehäuse eingreift. Der Hand-
hinteren Partie des Trägers sitzt der Arre- HK 243 Tactical Automatic Rifle schutz mit sehr guten Handhabungsei-
tierungsstift für den Schlagbolzen, der he- (TAR) genschaften besitzt auf den Seitenflächen
rausgeschoben wird, um den Zündstift zu keine eckig-kantigen MIL-STD-1913 Mon-
entnehmen. Jetzt liegt der Führungsstift Besser ausgestattet ist die teurere Pro- tageprofilschienen, sondern ähnlich wie
frei, der sich in der Steuerkulisse befindet fiversion HK 243 TAR mit längerem bei den Accuracy International AX Scharf-
und mit einer 90 Grad Drehbewegung he- 453-mm-Lauf mit Mündungsfeuerdämpfer, schützengewehren ein Schlüssellochsys-
rausgezogen werden kann. Nach dessen schmalem „Slim Line“-Leichtmetallhand- tem, mit dem bei Bedarf Montageschienen
Entfernung kann der Verschlusskopf ent- schutz und Leichtmetall-Visierschiene für Zusatzausrüstung montiert werden
nommen werden – fertig. Der Schlagbol- mit klappbarer Notfall-Diopter-Visierung können. Ausgestattet ist das HK 243 Sport
zen des G36/SL 8/HK 243-Systems wird (Back Up Iron Sight; BUIS). Die Hand- TAR mit der markanten G36 KSK-Schulter-
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63 grs. Geco FMJ .224 Geco Fabrikpatrone 57,2 842,1 7,3 38 837,2 16,7 41
69 grs. Lapua HPBT .224 Lapua Match Fabrikpatrone 55,7 765,2 13,4 32 767,7 12,1 29
69 grs. SM Styx .224 SM Styx Fabrikpatrone 57,2 807,3 8,9 42 810,5 7,2 39
(Handlaborierung mit Remington-Hülsen, Trimmlänge; 44,7 mm, mit Remington Small Rifle 7,5-Zündhütchen. Testaufbau: Sitzend aufgelegt unter
Verwendung eines hinteren Sandsackes sowie einer vorderen Auflage (SAR) und eines Zweibeins (TAR), 5 Schuss auf 100 Meter. Visierung: Ramshot-
Zielfernrohr 8-32x56.)
Blick unter den Handschutz: Das indirekte Kurzhub-Gaskolben-System („short stroke system“) im montierten und ausgebauten Zustand.
respektive 29 Millimeter Schussgruppen 4.000-Gramm-Grenze vereitelt wurde. Das 6,5 mm Grendel in der vor Ihnen liegenden
unterhalb der 30-Millimeter-Marke produ- Abzugsgewicht bei der HK 243 S SAR be- Ausgabe vorstellen. Bei den neuen G36-
zieren. Das mit dem HK 243 S SAR erreichte trug 4.490 Gramm und das der HK 243 S Zivilversionen kann man gerade mit einem
Top-Resultat von 30 Millimetern kam mit TAR 4.340 Gramm. Positiv fiel hierbei aber montierten Zielfernrohr mit Maximalver-
der Remington Premier Match Fabrikmuni- zumindest die bei beiden Testgewehren größerung von über 30-fach die durch die
tion, ebenfalls mit 52 Grains schwerem Si- identische, gleichmäßige Abzugscharak- Abzugsbetätigung entstehenden Waffen-
erra HPBT MatchKing-Geschoss bestückt, teristik auf. Im Vorweg konnte man etwa bewegungen ganz gut beobachten. Wenn
zustande. Zwei Millimeter maß die mit der die Hälfte des Abzugsgewichts bis zum das Abzugs- höher als das Waffengewicht
Lapua 69 Grains Match-Fabrikmunition er- Druckpunkt überwinden, so dass für die ist, schleichen sich Ausreißer schneller
zielte Schussgruppe. Der drittbeste Streu- eigentliche Schussauslösung „nur“ rund ein, was eine entsprechende Konzentra-
kreis betrug 36 Millimeter und wurde mit 2.000 Gramm übrig blieben. Dies ist na- tion und Zeigefinger-Sensibilität
der 50 Grains Fiocchi Hohlspitz-Fabrikmu- türlich immer noch kein Vergleich zu hoch- erfordert, wenn man kleine
nition erzielt. Alle weiteren Daten können kultivierten AR-Matchabzügen, wobei wir Streukreise in die Zielschei-
der Ballistik-Tabelle entnommen werden. beispielsweise mit dem „Hipertouch 24C“ be bohren möchte.
Sicherlich wären noch bessere Resultate mit einjustierten 1.100 Gramm Abzugs-
drin gewesen, was aber wohl hauptsäch- gewicht ein besonders feines Exemplar
lich durch die Druckpunktabzugsgrup- innerhalb des schon erwähnten Artikels
pen mit Abzugsgewichten jenseits der über das Gunworks AR-15 in
Unterschiedliche Klappschulterstützen des HK 243 SAR (oben) und TAR (unten). Der
Betätigungshebel für die Längenverstellung mit drei Festpositionen des TAR ist versenkt
gelagert und kann wohl kaum versehentlich aktiviert werden.
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caliber-Fazit
Optik-Montage
Länge: 667/912 mm (ein- oder ausge- 681/825 mm (ein- oder ausgeklapp-
klappte Schulterstütze) te Schulterstütze)
Gewicht: 3.210 Gramm 3.620 Gramm
Preis: 1.730 Euro 2.290 Euro
Kunststoff-Handschutz des
HK 243 SAR (oben) und
Leichtmetall-Handschutz des
TAR (unten) im Vergleich.
Detail der bombenfesten
Handschutz-Aufnahme am
Systemgehäuse des TAR.
SOF
tionszuverlässigkeit bei verringertem HK 243 Sport-Modellen, die auch in der
Reinigungsaufwand sowie eine ausbau- Schussleistung mit Spitzenergebnissen
fähige Modulbauweise. Die zweite Nach- von 21 mm (TAR) und 30 mm (SAR) an-
folger-Generation ist durch militärisch sprechend sind. Sicherlich ist auch hier
bewährte HK G36-Anbauteile neuester noch eine Streukreis-Schrumpfung drin,
Saubere Lasergravur auf der linken Systemge-
Machart gerade in dynamischen Schieß- wenn man mehr Aufwand und Zeit in häuseseite. Man beachte die Seriennummer mit
sportdisziplinen praxistauglicher sowie die Munitionsauswahl und die Laborie- (noch) vielen Nullen.
im Erscheinungsbild weitaus authen- rungsentwicklung investiert. Hinsicht-
tischer und attraktiver als die erste SL- lich des Preis-Leistungs-Verhältnisses Profiversion HK 243 S TAR wechselt für
8-Generation. Wer keinen Gefallen an kann das flexible Duo unserer Meinung 2.290 Euro den Besitzer.
den dominierenden AR-Gewehren findet nach vollends überzeugen, denn die
– und solche Frevler soll es durchaus ge- Basisausführung HK 243 S SAR kostet Text: Stefan Perey/Michael Fischer
ben – findet eventuell Gefallen an den 1.730 Euro und die besser ausgestattete Fotos: Uli Grohs/Michael Fischer