Sie sind auf Seite 1von 81

Ursula Bredel/Hartmut Günther/Peter Klotz/

Jakob Ossner/Gesa Siebert-Ott

Didaktik
der deutschen Sprache
Ein Handbuch

l . Teilband

__ durchgesehene Auflage ·

Ferdinand Schoningh
?--dcl>om · München · Wien · Zürich
Bibliografische lnformation der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind irn Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Gedruckt aufumweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem


und alterungsbestandigem Papier @ ISO 9706

2., durchgesehene Auflage 2006

© 2003 Ferdinand Schoningh, Paderbom


(Verlag Ferdinand Schoningh GmbH, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn)
ISBN 3-506-99462-X

Das Werk, einschlieBlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ausserhalb der
engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulassig und strafbar. Das gilt ins-
besondere für Vervielfáltigungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek-
tronischen Systemen.

Printed in Germany.
Herstellung: Ferdinand Schoningh, Paderbom
Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

UTB-BestelJnummer: ISBN 3-8252-8235-X


Inhaltsübersicht

l. Teilband 16 Formen schriftlicher Texte


(Eduard Haueis) . . . . . . . . . . . . . . . . 224
V01wort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . 11 17 Stil und Stilistik (UlfAbraham) .. ... 237
18 Schreiben und neue Medien
l. Kapitel: Sprache und Sprachdidaktik (Ulrich Schmitz) ................ 249
19 Schreibschwierigkeiten
1 Geschichte der Sprachdidaktik (Iris Füssenich) . .. .... . ......... 261
(Hans Glinz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2 Muttersprachendidaktik- Zweit- rv. Kapitel: Schrift
sprachendidaktik - Fremdsprachen-
didaktik - Multilingualitat 20 Geschichte der Didaktik des Hand-
( Gesa Siebert-Ott) . . . . . . . . . . . . . . . 30 schreibens (Günther Schorch) ...... 273
3 Sprache als Medium und Gegenstand 21 Entwicklung des Handschreibens
des Unterrichts (Ekkehard Felder) . . 42 ( Günther Schorch) . . . . . . . . . . . . . . . 286
4 Sprachvarietaten - Sprachnormen - 22 Schrifterwerb im mehrsprachigen
Sprachwandel (Eva Neuland) . . . . . . 52 Kontext (Anne Berkemeier) ........ 297
5 Mündlichkeit- Schriftlichkeit- Neue 23 Schulschriften (Jürgen W Hasert) . . . 307
Medien (Michael Becker-Mrotzek) 69 24 Schreibgerate und Schreiben
(Jürgen W Hasert) ............. . . 319
25 Linkshandigkeit
11. Kapitel: Sprechen und Horen
(Johanna Barbara Sattler) ........ 329
6 Geschichte der Sprech- und 26 Motorische Schreibschwierigkeiten
Gesprachsdidaktik (Marita ( Christian Marquardt, Karl Sohl,
Pabst-Weinschenk) . . . . . . . . . . . . . . . 93 Erni Kutsch) ... ......... ....... 341
7 Entwicklung mündlicher Fahigkeiten
(Uta Quastho.ff) ................. 107 V. Kapitel: Rechtschreiben
8 Entwicklung mündlicher Fahigkeiten 27 Geschichte der Didaktik des
im mehrsprachigen Kontext Rechtschreibens (Jakob Ossner) .... 355
(Sigrid Luchtenberg) ............. 121 28 Entwicklung der basalen Recht-
9 Formen mündlicher Kommunikation schreibkenntnisse (Günther Thomé) .. 369
in Lehr- und Lernprozessen 29 Entwicklung der grammatischen
(Jutta Fienemann, Rainer von Rechtschreibkenntnisse
Kügelgen) .................. . .. 133 (Hartmut Küttel) . . . . . . . . . . . . . . . . 380
1O Rhetorische Kommunikation 30 Die Entwicklung orthographischer
(Siegwart Berthold) .............. 148 Fahigkeiten im mehrsprachigen Kon-
11 Sprechbildung/Orthoepie (Baldur text (Christa Rober-Siekmeyer) ..... 392
Neuber, Car! Ludwig Naumann) 160 31 Rechtschreibschwierigkeiten
( Christian Klicpera, Barbara
111. Kapitel: Schreiben Gasteiger-Klicpera und
12 Geschichte der Didaktik des Texte- Alfred Schabmann) . . . . . . . . . . . . . . 405
schreibens ( Otto Ludwig) . . . . . . . . . 171
13 Entwicklung schriftlich-konzeptualer VI. Kapitel: Sprachbetrachtung und
Fahigkeiten (Helmuth Feilke) . . .... 178 Grammatik
14 Entwicklung schriftlich-konzeptualer 32 Geschichte der Didaktik der
Fahigkeiten im mehrsprachigen Grammatik (Hans Glinz) .......... 423
Kontext (Margarete Ott) . . . . . . . . . . 193 33 Entwicklung sprachlichen Wissens
15 Modelle des Schreibprozesses und sprachlicher Bewusstheit
(Peter Sieber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (HelgaAndresen, Reinold Funke) ... 438
6 Inhaltsübersicht

34 Entwicklung sprachlichen Wissens 53 Sprachunterricht in der Primarstufe


und Bewusstseins im (Heinz W Giese, Claudia Osburg,
mehrsprachigen Kontext Swantje Weinhold) . . . . . . . . . . . . . . . 684
(lngelore Oomen-Welke) .......... 452 54 Sprachunterricht in der Sekundar-
35 Schulgrammatik und schul- stufe I (Martín Fix) .............. 698
grammatische Terminologie 55 Sprachunterricht in der Sekundar-
( Christoph Müller) . . . . . . . . . . . . . . 464 stufe II (Angela Mielke) . . . . . . . . . . . 709
36 Grammatik und Textualitat 56 Sprachunterricht in der Erwachsenen-
(Maximilian Scherner) ........... 476 bildung: Alphabetisierung von Erwach-
37 Kindliche Sprachschwierigkeiten: senen (Peter Hubertus, Sven Nickel) . 719
Dysgrammatismus 57 Sprachunterricht in der
(Helen Leuninger) ....... . ....... 487 Erwachsenenbildung: Rhetorik,
Sprechbildung, Kommunikation
VII. Kapitel: Lesen (Marita Pabst-Weinschenk) . . . . . . . . 729
38 Geschichte der Didaktik des Lesens 58 Sprachunterricht in der
(Wilhelm Topsch) ... .. ........... 501 Erwachsenenbildung:
39 Entwicklung der basalen Lesefáhig- Wissenschaftliches und
keit ( Gerheid Scheerer-Neumann) . . . 513 kreatives Schreiben
40 Entwicklung des Textlesens (Helga Esselborn-Krumbiegel) 737
(Hugo Aust) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
41 Entwicklung der Lesefáhigkeiten im IX. Kapitel: Methodik und Methoden
mehrsprachigen Kontext ( Cesa 59 Methoden des Unterrichts in
Siebert-Ott) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 mündlicher Kommunikation
42 Lesetechniken (Peter Klotz) ....... 548 (Roland W Wagner) .. . . .. . ....... 747
43 Leseschwierigkeiten (Gerheid 60 Methoden des basalen Lese- und
Scheerer-Neumann) ...... .. ...... 551 Schreibunterrichts (Renate Valtin) ... 760
61 Methoden des Handschreibunter-
richts (Wilhelm Topsch) ........... 772
2. Teilband 62 Methoden des Rechtschreibunter-
richts (Petra Hanke) ............. 785
VIII. Kapitel: Lehr- und Lernprozesse im 63 Methoden der Textproduktionsver-
institutionellen Rahmen mittlung (Jasmin Merz-Grotsch) . . . . 802
44 Geschichte des Sprachunterrichts im 64 Methoden des Grammatikunterrichts
Deutschunterricht (Boda Friedrich) . 569 (Hildegard Gornik) .. ..... ..... .. 814
45 Sprachunterricht als Unterrichts- 65 Methoden des Textleseunterrichts
prinzip und Unterrichtsfach (Heiner Willenberg) . . . . . . . . . . . . . . 830
(Werner Knapp) ................. 589 66 Methoden des Sprachunterrichts in
46 Muttersprachenunterricht - Zweit- multilingualen Lemgruppen
sprachenunterricht - Fremd- (Gerlind Belke) ................. 840
sprachenunterricht 67 Sprachunterricht und neue Medien
(Werner Wintersteiner) ........... 602 (Matthis Kepser) . . . . . . . . . . . . . . . . 854
47 Sprachunterricht und Sprachunter-
richtsplanung im Fach Deutsch X. Kapitel: Test, Diagnose und
(Ortwin Beisbart) ............... 615 Beurteilung
48 Lehrplane/Curricula (Ann Peyer) 629 68 Lesetests (Monika Baumann) 869
49 Vermittlungsprozesse au13erhalb 69 Rechtschreibtests (Karl-Ludwig
des Sprachunterrichts Herné) ........................ 883
(GerdAntos) ............... ... . 639 70 Sprachleistungsmessungen
50 Subjektive Sprachtheorien von (Hermann Scholer) . . . . . . . . . . . . . . 898
Lehrenden und Lemenden 71 Tests und Sprachstandsmessungen
(Ingwer Paul) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 bei Schülern und Schülerinnen, die
51 Sprachunterricht und Sprachunter- Deutsch nicht als Muttersprache
richtswerke (Harald Pfajj) . . . . . . . . . 658 haben (Hans Reich) ....... ..... . . 914
52 Sprachfürderung im Elementar- 72 Beurteilung sprachlicher Leistungen
bereich (Anja Leist) . . . . . . . . . . . . . . 673 (Maximilian Nutz) ........ . ..... . 924
Inhaltsübersicht 7

XI. Kapitel: Sprachunterricht in Senegalesischer Bilingualismus im


anderen Landern Spannungsfeld afrikanischer Sprach-
kultur und franzosischer Kultur-
73 ~prachunterricht und Sprachdidaktik
sprache (El Hadj Ibrahima Diop) 961
m der Türkei (Eme/ Huber) . . . . . . . . 941
76 Deutschunterricht und Deutsch-
74 Sprachunterricht und Sprachdidak-
didaktik in Ostmitteleuropa
tik in Einwanderungslandem -
(Csaba F6ldes) . . . . . . . . . . . . . . . . 969
Das Beispiel Australien
(Sigrid Luchtenberg, Rod Gardner) 952
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 983
75 Sprachunterricht und Sprachdidaktik
Personenregister .................... 1018
in Liindem mit Kolonialsprachen -
- ....,. Geschichte der Didaktik der
Grammatik
=-:-. :ins Glinz

~ chichte der Didaktik der Grammatik ist sem Text. Was gesprochen wird, rauscht unauf-
~ chichte der Grammatik selbst haltsam vorüber, es ist nur im Moment greitbar
: ·,vas gehort alles zu einer Grammatik? und beobachtbar. Erst durch die Fassung in
· Sereiche der Sprachverwendung, die bisher Schrift gewinnt es eine dauernde Existenz und
~:1 zu wenig beachtet wurden kann damit Gegenstand systematischer Be-
- Zur historischen Entwicklung der Begriffe obachtungen werden: in wiederholtem lautem
::ir die Wortarten und Wortforrnen Lesen (Klangproben), im Umstellen einzelner
: E.in Begriffsgebaude für die Satzglieder, Teilstücke (Verschiebeproben), im Ausprobieren
.ias über 130 Jabre lang Bestand hatte der Ersetzbarkeit von Teilstücken durch andere
::>as Problem der Benennungen (Ersatzproben) - mit standiger Überprüfung, ob
- Aus der Entwicklung von 1945 bis heute (und wie) sich dabei das Verstandnis des Textes
Eine standige Debatte: Wie viel Grammatik? verandert.
ifonn? Wie?
~ Erarbeiten und Anwenden zentraler
grammatischer Begriffe
Ausblick 2 Was gehort alles zu einer
• Literatur
Grammatik?
Traditionellerweise beginnt eine Grammatik mit
Geschichte der Didaktik der einer ,,Lautlehre", eine deutsche Grammatik al-
so rnit einer Beschreibung der Lautungen im
Grammatik ist Geschichte der Deutschen : die verschiedenen Vokale und Kon-
Grammatik selbst sonanten, offen und geschlossen, lang und kurz
- die Schreibungen der Laute (manchmal w irdja
!;...-ammatiken gibt es, seit es Versuche zu syste- ein und derselbe Laut in verschiedenen Wortem
=.atischem Sprachunterricht gibt - also für un- verschieden geschrieben) - die Silben - die ,,Be-
,ern europaischen Kulturkreis seit den Griechen, tonung", die Stimmführung.
~- 3. Jh. v. Chr. (> Art. 1). Diese Grammatiken Dann folgt eine Beschreibung der verschiede-
- aren zugleich Forschungsbücher und Lehrbü- nen Arten von Wortern (Verben, Nomen, Adjek-
.:her; Geschichte der Didaktik der Grammatik ist tive, Pronomen, Partikeln) samt den verschiede-
.l.30 bis in die neueste Zeit hinein weitgehend nen Flexionsformen, die es bei den Verben, No-
:identisch mit Geschichte der Grammatik über- men, Adjektiven und Pronomen gibt, und zwar in
.:.aupt, des Grammatikunterrichts in den Schulen ihren semantischen Pragungen wie in ihren ver-
::nd der dafür entwickelten Lehrmittel. schiedenen Lautungen.
Grammatiken wuchsen aus der Beschaftigung Bei den Verben unterscheidet man die ers-
::lit geschriebener Sprache heraus - das gilt für te/zweite/dritte Person in Singular und Plural, die
J.ie Entwicklung der griechischen Gramrnatik grammatischen Zeiten (Prasens, Prateritum, Per-
roenso wie für die Gramrnatik des Sanskrits in fekt, Plusquamperfekt, Futur I und Futur 11), die
:ndien. Das Festhalten (und Festlegen) eines Tex- Modi (Indikativ, Konjunktiv I und 11, Imperativ);
:es durch Schrift war eine Voraussetzung für das dazu kommt bei manchen Verben das Passiv, als
systematische Untersuchen der Sprache in die- Gegenstück zuro Aktiv (das als die ,,Normal-
424 Sprachbetrachtung und Grammatik

form" gesehen werden kann). Bei den Nomen, ein Gebilde ohne strukturierendes Verb als Mit der ,,Wortbildc:::::
Pronomen und Adjektiven gibt es (wie auch bei ,,Satz" zu bezeichnen - wahrend man in der eng- Grammatik (der Recl:? -
den Verben) Singular und Plural. Bei den Nomen, lischen Grammatik allgemein rnit den Begriffen henden Erscheinun~
den Adjektiven und manchen Pronomen sind die ,,finite clause - non-finite clause - verbless clau- Sammlung aller einz'i~
drei grammatischen Geschlechter zu unterschei- se" arbeitet. deutungsseiten und \\a:-;;
den (Maskulin, Feminin, Neutrum) sowie die vier Etwas vernachlassigt wird nicht selten die xikon", dem ,,Wortsc~
Falle (Norninativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv). Bei Rechenschaft vom Aufbau der mehrwortigen zung ist nicht moglicb - _
manchen Adjektiven und einigen Partikeln gibt Satzglieder. Weitaus aip. haufigsten sind die len auch die Verschi
es Vergleichsformen, einen Komparativ und ei-
nen Superlativ. Bei allen diesen Flexionsformen
Komplexe aus Einleitepronomen (,,Artikel") -
begleitendem Adjektiv + Nomen als Kern, die
Worter eine Rolle, und =
auch grammatische Srr::
kann oft die gleiche grammatische Form, z. B. ,,Begleitgefüge": ,,die vielen wartenden Leute -
das Prateritum eines Verbs, durch ganz verschie- der vollbesetzte Zug - ein freier Platz - mein
dene lautliche Veranderungen des Wortes darge- schwerer Rucksack - diese ganze Reise - wel-
stellt werden, z. B. ,,gehen-ging - stehen-stand - cher andere Zug?"). Solche (oft recht langen
sehen-sah- drehen!drehte". Wortgruppen werden oft ,,Nominalphrasen" ge- 3 Bereiche der S:'"""'
Dann kommt die ,,Syntax", in gewissem Sinn nannt, mit einer aus dem Englischen übernorn- verwendung, cf _
der eigentliche Zentralbereich aller Grammatik. menen Bedeutung von ,,Phrase" als ,,Wortgrup-
Hier behandelt man primar die Lehre vom Auf-
wenig beachte:
pe". Besonders wichtig für das Verstandnis sino
bau der ,,Satze" aus einem Verb (oft ,,Pradikat" oft Komplexe aus zwei oder mehr Nominalphra-
genannt), einem zum Verb passenden Subjekt sen, die ,,Anschlussgefüge", in denen eine No- 1. 1 Textkohiirenz, Refi
und weiteren Satzgliedern (,,Jch wartete auf dem minalphrase als Grundteil dient und die andel? Texte (ich verwende ~
Bahnsteig, jetzt kam der Zug, al/e driingten hin- als angefügter (,,attributiver") Teil, angeknüp:: sprachlichen Gebilde, oc
ein, ich suchte mir schnell einen noch freien durch Genitiv oder durch eine Praposition: ,,d:;: =:ort oder geschrieben e:: _
Platz"). Einfahrt des Zuges - das Suchen nach einer.; illld lineare Gebilde. D:?
Es ist ein fühlbarer N achteil der deutschen freien Platz - das Verstauen des Rucksacks in der :-en Propositionen/claus::i.
Grammatik, dass man das Wort ,,Satz" als Fach- Gepiickablage - die Gesprache mit den ande~ .:ntereinander, sie rn'"
ausdruck für zwei grundsatzlich verschiedene imAbteil- der langen Rede kurzer Sinn". Daz:: .::.eirn Lesen) hintereina:;;::.:
Begriffe braucht: (A) für eine ,,Einheit des Hin- gibt es die ,,Vorschaltgefüge", rnit einem vorar.- .:nd die aus ihnen gewo=:;_
setzens" (und damit zugleich eine oft groBere gestellten graduierenden Teil: ,,sehr schon, al:>e: e müssen laufend verb::·-
Einheit für das Verstehen), namlich ,,das Stück viel zu lang" - wir hatten ,,ein ungemein interes- t"JJ Gesamtverstiindnis •
Text, das man unter einem Melodiebogen hin- santes Gesprach". ,prechend hattenja die ~
setzt und entsprechend in der geschriebenen Den Abschluss der ,,Syntax" bildet dann é r .:en zuerst ein gedankl.·;
Form mit GroBbuchstaben beginnt und durch Behandlung der ,,zusammengesetzten Satll- .:::d dieses versuchten s:e
Punkt oder Ausrufezeichen oder Fragezeichen oder ,,komplexen Satze". Es gibt Satze, die rr::::- ~ produzierten Satze s.::
abschlieBt" - aber auch (B) für eine Einheit der aus gereihten Teilsatzen bestehen: ,,Einer las. e""..- - Horenden/Lesenden es
grammatischen Strukturierung, narnlich ,,das ner trank einen Kaffee, eine Frau strickte, zw::- m moglichst so nachbZ!:l:!r
Stück Text, das von einem Verb aus strukturiert Madchen sprachen über ihre Schulaufgabe=.- .:en selbst beirn Spr~
ist" (oder das als eigene Einheit neben den ver- Daneben stehen die Satze aus Hauptsatzen u::i: ,diwebt hatte.
bal strukturierten Einheiten steht) und darnit Nebensatzen: ,,Als der Zug abgefahren war, \·;::- Für das Verstehen is;
auch eine, meist kleinere, Einheit für das Verste- suchte ich etwas zu schlafen. - Das ging, bis= Jlelld, dass der gedanklici.,,
hen bildet. einer nachsten Station einige larmende Man~ ~ einander folgenden S.:::
Im obenstehenden Beispiel (,,Ich wartete ... , einstiegen. - Ich verstand nicht ganz, was sie ::.. -:.Jrenden/Lesenden klc::-
jetzt kam ... , alle driingten ... , ich suchte ... ") ha- les sagten, obschon sie sehr laut sprachen. - !- -::icht hier von ,,Textko:::_
ben wir also einen Satz nach Kriterium A, aber argerte mich über den Larm, den sie machter._- x htigsten Teil-Prozesse ·
vier Satze nach Kriterium B. In der englischen, Ein besonderer Bereich ist hier die ,,angefi=: :.!!lt darin, dass man diese
franzosischen und italienischen Grammatik ver- te Rede", direkt oder indirekt, d. h. eine Dars2. .:-;enen Kopfnachbaut, :::..._
fügt man hier über je einen besonderen Fachaus- lung auf verschiedener konzeptueller E~ ::.::z (und oft schonjede ~
druck, namlich ,,sentence - phrase - periodo/fra- (s. Abschnitt 9.9). i! auf alles Bisheri o-e be::;.
se" für ,,Satz" nach (A) gegenüber ,,clause-pro- . o
position - proposizione" für ,,Satz" nach (B). Ich
Als ein besonderer Teil der Grammatik ist .:.-
,,Wortbildung" zu sehen, die Rechenschaft \
==:i unmer wieder Akte ce- _
Da ist zunachst die Refe:?%:_
werde im Folgenden für (A) den Fachausdruck innern Aufbau der Wortgestalten und den ofi ..:.. .:::.e ,,Welt", d. h. das H ers;.:.
,,Satz", für (B) die Kombination ,,Propositi- mit gegebenen Verstehens- und Merkhilfen ::. bisher Gehorten/Ge!
on/clause" verwenden. Ein Beispielsatz rnit ei- die Wortbedeutungen: ,,zusammengesetz:!' z::. auf die je eigene Ged.t_::
ner nichtverbalen und einer verbalen Propositi- Worter wie Regionalexpress - Abfahrt- Ausk::. ie auf die jeweils reie,,
on: ,,Ja, so kannst du es machen." Viele deutsche te - Bremsweg und ,,abgeleitete" Worter wie íe- ~ en AuBenwelt uné _
Grammatiker weigern sich allerdings beharrlich, spiitung - irrtümlich - Geschwiitz - Angeberc. iann aber auch durch e::::=
Geschichte der Didaktik der Grammatik 425

Mit der ,,Wortbildung" kommen wir von der ben der gemeinsamen AuJ3enwelt aufgebaut wer-
Grammatik (der Rechenschaft von den durchge- den, eine nur in der Vorstellung existierende Welt,
:Wnden Erscheinungen im Sprachbau) zur in einem fiktionalen Text, etwa einem Roman.
Sammlung aller einzelnen Worter, mit ihren Be- Spezielle Probleme der Referenz ,,nach auBen"
.:rutungsseiten und Wortgestalten, also dem ,,Le- konnen sich besonders dort ergeben, wo meta-
t lon", dem ,,Wortschatz". Bine scharfe Abgren- phorisch gesprochen wird: ironisches Sprechen,
.::::ng ist nicht moglich - injeder Grammatik spie- bildhafte Wendungen, Über- oder Untertreiben
.,m auch die Verschiedenheiten der einzelnen (Beispiele bei Glinz 2002, 149- 152).
-orter eine Rolle, und injedem Worterbuch sind Man vollzieht aber auch immer wieder Akte
- h grammatische Strukturen zu verzeichnen. der Referenz innerhalb des Textes, indem man
z. B. bei j edem neuen Hinweis auf eine schon er-
wahnte Person realisiert, um welche der Perso-
nen, die im Text eine Rolle spielen, es sich hier
" Bereiche der Sprach- handelt und w ie das über diese PersonAusgesag-
te in den gesamten (realen oder erfundenen)
verwendung, die bisher oft zu Zeitablauf einzubetten ist (Beispiele bei Glinz
wenig beachtet wurden 1994, 768- 780).

-- Textkohiirenz, Referenzakte 3.2 Textgliederung: Leseabschnitte,


-~e (ich verwende das Wort ,,Text" für alle Druckabschnitte, Kapitel usw.
~chlichen Gebilde, ob sie gesprochen und ge- In der Arbeit im Bereich der Grammatik wahlt
-: oder geschrieben und dann gelesen werden) man in der Regel als die oberste zu behandelnde
~ lineare Gebilde. Die Satze (oft aus mehre- Einheit den Satz (als Klang- und Verstehensein-
Propositionen/clauses bestehend) kommen heit). Von hier aus kann man dann methodisch
~ inander, sie müssen (beim Roren wie hinuntersteigen zu den kleineren Einheiten:
'C:l Lesen) hintereinander verstanden werden , - den verschiedenen Propositionen/clauses und
..:::::: die aus ihnen gewonnenen Teil-Verstiindnis- den als ihre Kerne dienenden, oft mehrteiligen
=:iissen laufend verknüpft werden, so dass sich Verben;
- Gesamtverstandnis des Textes ergibt. Ent- - den Satzgliedern und ihren Beziehungen zum
::-=!Chend hattenja die Sprechenden/Schreiben- jeweils strukturbildenden Verb;
- zuerst ein gedankliches Gesamt im Kopf, - den Wortern als kleinsten festen Einheiten aus
.::eses versuchten sie durch ihre hintereinan- je einer Bedeutungsseite und einer Wortge-
- ;ro<luzierten Satze so wiederzugeben, dass stalt, in ihren verschiedenen grammatischen
Horenden/Lesenden es in ihren eigenen Kop- Pragungen und rnit ihren verschiedenen For-
=oglichst so nachbauen konnten, wie es ih- menreihen (Flexion: Konjugation, Deklinati-
selbst beim Sprechen/Schreiben vorge- on, Komparation), wobei oft ein Wort nicht für
t hatte. sich allein eine Satzgliedstelle einnimmt, son-
7
:::- das Verstehen ist es daher ausschlagge- dern zunachst Teil eines mehrwortigen Kom-
. dass der gedankliche Zusammenhang aller plexes ist, der dann als ganzer mit dem Verb zu
.:::;::;ander folgenden Satze klar ist (bzw. den verknüpfen ist;
~ en/Lesenden klar werden kann). Man - und schlieJ31ich den reinen lautlichen Merkma-
·- hier von ,,Textkoharenz", und einer der len, den Phonemen und Allophonen, die als
2Sten Teil-Prozesse beim Horen/Lesen be- ,,Erkennungsmerkmale" für die verschiedenen
:!mn, dass man diese Koharenz laufend im Worter und ihre Formenreihen dienen.
_.:=er: Kopf nachbaut, indem man jeden neuen In den Texten als Ganzen, auJ3er wenn sie ganz
::ad oft schon jede neue Proposition/clau- kurz sind, sind nun die ,,Satze" nur die untersten
_- alles Bisherige bezieht. Dabei vollzieht Einheiten. Die hoheren Einheiten sind am leich-
:::-roer wieder Akte der ,,Referenz". testen erkennbar in geschrieben vorliegenden
-..5: zunachst die Referenz nach ,,auJ3en", auf Texten. Hier ist j eder langere erzahlende oder er-
_~,-elt", d. h. das Herstellen einer Beziehung ortemde Text, für alle Lesenden sichtbar, geglie-
:sher Gehorten/Gelesenen und Verstande- dert in Abschnitte, diese sind Teile von ganzen
-..:·die je eigene Gedanken- und Gefühlswelt Kapiteln, und diese Kapitel sind oft Einheiten im
• ::c!f die j eweils relevanten Aspekte der ge- Rahmen noch grol3erer Komplexe.
~ n AuBenwelt und die Zeitablaufe in ihr. In Texten in Versen ergeben sich oft besonde-
- aber auch durch einen Text eine Welt ne- re Aufschlüsse, wenn man die Verteilung der
426 Sprachbetrachtung und Grammatik

Propositionen/clauses auf die Verse betrachtet übemommen - soweit solche überhaupt für den Ziemlich viel
(Deckung von Proposition und Vers - Enjambe- betreffenden Bereich vorhanden waren. Dabei sechs lateinischen K-=..
ment, usw.). begnügte man sich lange Zeit rnit den Begriffen Grammatiker übe -·-
für die Wortarten und die Wortformen (die ,,Fle- - des Mannes - d(!I;;
xion"; zur Entwicklung der Satzgliedbegriffe dem Manne - o M=
3.3 Erstrebte Wzrkungen mil Texten,
s. Abschnitt 5). man bei der heuti2t!!: ~
,, Pragmatik"
Für die zwei groílen Wortarten ,,Verb" und langt war und die~ ~
Wenn ein Mensch einen Text produziert (oft: ,,Nomen" war eine Übemahme sehr gut moglich. relle Erscheinungen
aufbaut, aus vielen aufeinander folgenden Sat- Schon Aristoteles hatte diese beiden dadurch un- die traditionelle Re=--
zen, sprechend oder schreibend), will er damit terschieden, dass das Nomen (Onoma) ein Won tiv-Dativ-Akkusatn· -
etwas erreichen. Die Horenden/Lesenden sollen ohne Zeithinweis sei, das Verb (Rhema) dagegen usw. das Verstehen
ein Stück Information aufuehmen, und sie sollen ein Wort, das zugleich eine Zeit angebe. Er ver- und den Funktione::
sich entsprechend verhalten. Sie sollen an der deutlichte das an den zwei formal und inhaltlich Folge ,,Nominativ-..-u..·_ _ _
Gedanken- und Gefühlswelt des/der Sprechen- so ahnlichen Wortern hygiaia (,,Gesundheit" -
den/Schreibenden teilnehmen, sie sollen diese Fem., Sg., Nom.), und hygiainei (,,er/sie ist ge-
Teilnahme ggf. auch bekunden, durch eigenes sund" - 3. P. Sg., Prasens, zum Infinitiv ,,hygiai-
Sprechen/Schreiben - sie sollen den Sprechen- nein"). 5 Ein Begriffsg _-
den/Schreibenden bestimmte Informationen lie- Die Begriffe für die Tempora (die grammati-
fern, auf geauBerte Fragen hin - sie sollen be- schen Zeiten) lieílen sich ebenfalls leicht über- Satzglieder. c.
stimmte Handlungen ausführen ( oder auch un- nehmen, da es für alle sechs lateinischen Tempo- lang Bestanc -
terlassen), auf Bitten, Aufforderungen, Befehle ra deutsche Gegenstücke gibt. Dabei stimmten
hin. Und wenn ein Mensch einen Text hort oder allerdings die Bedeutungen nicht ganz, denn ei- Die Begriffe, um &~
liest, tut er/sie das ebenfalls aus bestimmten Ab- ne deutsche Verbform wie (ich) schrieb kann sich sehr viel spater L
sichten heraus: er/sie will bestimmte Informatio- nicht nur den Sinn eines lateinischen Imperfekts arten und Wortfom:...-
nen gewinnen, will mit anderen inAustausch tre- haben (,,litteram scribebam, ich schrieb eben an man die Unterscl:,...
ten, will sich ggf. in eine andere, erfundene Welt einem Brief'), sondem auch einem lateinischen Wortarten und der c.
versetzen und sich dadurch unterhalten lassen, Perfekt entsprechen (,,hanc literam scripsi heri - men (s. Abschnitt .!
usw. (eine knappe Darstellung bei Glinz 2002, diesen Brief schrieb ich gestero, habe ich ges- chend für die Bese
34-51; detaillierte Zusammenstellung der mog- tero geschrieben"; Genaueres über Prateritum Sprachen. Man sp:-- •
lichen Ziele, als ,,Ertrage beim Partner und für und Perfekt im Deutschen bei Glinz 1994, 130 L Wortarten oder Wo:-·
sich selbst, als Aul3en- und Innenertrage" in zu Perfekt und Imperfekt im Lateinischen Glinz deteilen - partes ora::=;
Glinz 1978, 200- 220). 1994, 187- 193). Erstim 18. Jb. m6i:-
Alle drei Bereiche, die hier skizziert sind Die Unterscheidung von Nomen und Adjektir nen Satz nicht nur ~
(Textaufbau oberhalb der Satze, die stets neuen ( die für das Griechische und Lateinische eine Wortern bestirnmter
,,Referenzakte" sowie die ganze ,,Pragmatik") viel kleinere Rolle spielt als für die modemen grammatischen Fon::::t?::
rechnet man in der Regel nicht zur Grammatik, Sprachen) wurde im Mittelalter entwickelt, aus also nicht mehr zut:
sie stehen neben ihr und über ihr. Sie sind aber der Beobachtung heraus, dass ein Nomen ein folgenden (für ,,Ich
grundlegend für alles konkrete sprachliche Han- grammatisches Geschlecht hat, wahrend einAd- gleich"): ,,Pronome=
deln, man kann auch eine Grammatik nur richtig jektiv alle drei grammatischen Geschlechter an-
einschatzen - und Grammatik in den Schulen nehmen kann bzw. muss. Problernlos übemehm-
Elle est
nur fruchtbar treiben -, wenn man alles auch im bar waren die Begriffe für die Vergleichsformen, sujet verbe
Rahmen dieser hoheren Bereiche sieht (Wege die Komparation, mit einem Komparativ und ei-
des Vorgehens im Unterricht s. Abschnitt 9). nem Superlativ gegenüber dem ,,Positiv".
Übemommen wurde aber auch die Unter-
scheidung von ,,Adjektiv" und ,,Adjektivad- Apres le cliner
verb", die es im Deutschen gar nicht gibt. So circonstanciel
4 Zur historischen Entwicklung wurde schnell in einem Satz ,,Dieser Laufer ist
schnell" als ein Adjektiv bezeichnet, aber in ei-
der Begriffe für die Wortarten nem Satz ,,Er lauft schnell" als ein Adverb -
und Wortformen weil es im Lateinischen im ersten Fall heil3t ,,Hic She is
cursor celer est", im zweiten Fall dagegen ,,Ce- subject verb
Die deutschen Grammatiken entwickelten sich, leriter currit" . Man projizierte hier eine
vom 15. und 16. Jh. an, im Anschluss an die la- Erscheinung, die es im Deutschen nur auf der
teinische, teilweise auch mit Blicken auf die Ebene des Aufbaus von Propositionen/clauses She showed
griechische Grarnmatik. Daher wurden zunachst gibt, auf die (viel elementarere) Ebene der Wort- subject verb
auch die Begriffe der lateinischen Gramrnatik arten.
Geschichte der Didaktik der Grammatik 427

Ziemlich viel Kopfzerbrechen bereiteten die Verb - Pronomen im Dativ - Pronomen und No-
sechs lateinischen Kasus. Die ersten deutschen rnen im Akkusativ - Adverb". Man suchte jetzt
Grammatiker übernahmen alle sechs (der Mann die gedanklichen Gesamtgestalten zu erfassen,
- des Mannes - dem Manne - den Mann - von in deren Rahmen alle diese Worter aus verschie-
dem Manne - o Mann). Es brauchte einiges, bis denen Wortartenje eine bestimmte Funktion zu
man bei der heutigen Zahl von vier Kasus ange- übemehmen hatten.
langt war und diese klar als rein morphostruktu- Der gegebene Ausgangspunkt war hier der
relle Erscheinungen erkannte. Dazu kommt, dass Begriff ,,Subjekt" für das Satzglied im Nomina-
die traditionelle Reihenfolge ,,Nominativ-Geni- tiv, das mit der Verb-Personalform in Zahl und
tiv-Dativ-Akkusativ - erster Fall, zweiter Fall" Person übereinstimmen muss. Der Begriff geht
usw. das Verstehen storen kann. Der Haufigkeit bis aufAristoteles zurück. Dieser unterschied ein
und den Funktionen entspricht viel besser die ,,Hypokeimenon", ein ,,zunachst Gesagtes, und
Folge ,,Nominativ-Akkusativ-Dativ-Genitiv". damit für das Folgende Zugrundeliegendes", auf
das sich dann ein ,,Kategoroumenon" bezog, als
,,das dazu, darüber Gesagte". Das Wort hypokei-
menon wurde im Lateinischen wiedergegeben
5 Ein Begriffsgebaude :für die durch subjectum und das Wort kategoroumenon
durch praedicatum. Diese Begriffe zielten aber
Satzglieder, das über 130 Jahre gar nicht auf die grammatische, sondern rein auf
lang Bestand hatte die logische Struktur eines ,,Satzes", aufgefasst
als die Einheit, mit welcher man in der Logik
Die Begriffe, um die es hier geht, entwickelten operierte (> Art. 1). ,,Pradikat" war hier also ,,al-
sich sehr viel spater als die Begriffe für die Wort- les, was neben dem Subjekt vorhanden ist", das
arten und Wortformen. Lange Zeit betrachtete Verb samt allen nichtverbalen Bestandstücken
man die Unterscheidung der verschiedenen neben dem Subjekt.
Wortarten und der in ihnen moglichen Wortfor- DieseAuffassung des Satzes als reine Kombi-
:nen (s. Abschnitt 4) als vollkommen ausrei- nation eines Subjekts mit einem (meistens viel-
chend für die Beschreibung und das Lernen der wortigen) Pradikat wurde nun (von ca. 1750 an)
Sprachen. Man sprach daher auch nicht von abgelost durch eine Auffassung, die das férb als
Wortarten oder Wortklassen, sondern von ,,Re- Zentrum betrachtete und alle nichtverbalen Be-
deteilen - partes orationis". standstücke (nicht nur das Subjekt) als Füllung
Erst im 18. Jh. meldete sich das Bedürfnis, ei- van Stellen sah. So entwickelte man in der fran-
:?en Satz nicht nur als eine Kombination von zosischen Grammatik die Begriffe ,,attribut -
Wortern bestimmter Wortarten in bestimmten complément direct, complément indirect, com-
2;ralIJ.lilatischen Formen zu verstehen. Man war plément circonstanciel" (wobei zu jedem für ei-
~ o nicht mehr zufrieden rnit Analysen wie den ne solche Stelle verwendeten Nomen auch ein
:olgenden (für ,,Ich erzahlte ihm den Vorfall so- ,,complément de nom" gehoren konnte). In ei-
p eich"): ,,Pronomen im Nominativ - finites nem Beispiel:

Elle est une vieille arnie de notre farnille.


sujet verbe attribut du sujet complément de nom
avec adjectif épithete

Apres le diner elle a montré a tous les invités son nouvel appartement.
~ constanciel sujet verbe complément d'objet indirect complément d'objet direct
avec adjectif épithete

She is an old friend of our farnily


5ci>ject verb subject complement with posbnodifier

he showed us her beautiful house


·~ect verb indirect object direct object
428 Sprachbetrachtung und Grammatik

Demgegenüber behielt man in den deutschen gab, und die Lehrer verlangten eine solche Satz- mit einem entsp..._._-.....,.
Grammatiken, wie sie etwa von 1830 an aufka- gliederlehre, die sie in einem schematischen Fra- (,,Sie verlieBen je=
men und bis über 1960 hinaus galten, den ,,logi- ge-Antwort-Unterricht so bequem anwenden Fahrweg"). Eine - -
schen" Fachausdruck ,,Pradikat" bei. Für die al- konnten (Genaueres bei Glinz 1947, 42-75, Ves- kann durch ein, ~~ ,·----.,
lermeisten Verben war dieses ,,Pradikat" iden- per 1980, 172- 176, interessante Details bei Er- (,,Er erwartete der.
tisch mit ,,Verb im Satz". Den ,,compléments" linger & Feilke 1983, 72-80). positionales Obje-:...
entsprachen die ,,Objekte", namlich ,,Akkusativ- An sich wirkte ja die ganze Unterscheidung gen"). Schwieri~ ~
objekt - Dativobjekt - Genitivobjekt". Den ,,cir- von Objekten und Adverbialien recht plausibel. ge, ob eine Won g:::::,--
constanciels" entsprachen die ,,Adverbialien" - und es fiel schon den Kindern im 5. und als ,,prapositiona= ·
aber diese sah man nicht als eine offene Reihe 6. Schuljahr nicht schwer, aus gut praparierten oder als ,,Adverb:::::t-
(wie richtigerweise im Franzosischen), sondern Übungstexten die ,,Bestimmungen des Ortes, der einem Webstuhl - S ~
festgelegt aufdie nur vier Kategorien ,,Zeit - Ort Zeit, des Grundes, der Art und Weise" herauszu- behang". Gar nid::: _
- Grund - Art und Weise". holen. Diese Plausibilitat (für die Lehrenden wie formale System si::c
Vor allem aber wagte man nicht, so ,,inhalts- für die Kinder) wurde aber mit einer methodi- vielleicht - tatsa~
leere" Verben wie sein, werden, bleiben für sich schen Inkonsistenz in der grammatischen Analy- nach meiner Meil:·
allein als ,,Pradikat" zu bezeichnen, sondern se erkauft, indem namlich hier auf einmal der Die Verbreitum!
man fasste die ganzen Kombinationen ist meine Gesichtspunkt für die Konstitution der Begriffe lyse bis über die ~•-
Freundin - wird A'rztin als das ,,Pradikat". Den gewechselt wurde. Das Subjekt, das Pradikativ auch mit einem sel=
verbalen Teil dieses Pradikats nannte man ,,Ko- und die Objekte (die ,,Erganzungen im Wenfall. men. Die Satzgliee;
pula" und den nominalen Teil ,,Pradikativ". Da- Wemfall, Wesfall, mit Vorwort") sind Stellen in cker wurde naml: ~ _
zu betrachtete man einen angefügten Genitiv Formalstrukturen. Das Subjekt ist definien Schulgrammatik, .._....
oder prapositionalen Ausdruck nicht nur als Be- durch den Nominativ und die Kongruenz mit de: rer Friedrich Baue: :
standteil in einem Satzglied (eben in einer ,,No- Verb-Personalform (,,ich tue das - wir tun je- welcher er die Au:::....
minalphrase"), sondern als ein eigenes Satz- nes"). Die Objekte sind definiert durch das Vor- sowie von Becker tn:
glied, das man ,,Attribut" nannte (ganz im Ge- kommen des jeweiligen Kasus (Akkusativot>- te, so dass sich sei= 3.
gensatz zum Gebrauch des Wortes ,,attribut" in jekt, Dativobjekt, Genitivobjekt) bzw. einer Pra- ,,historischen" unri · ....
der franzosischen Grammatik, s. o.). Und als ein position mit einem Kasus (prapositionales empfahl.
,,Attribut", also ein eigenes Satzglied, betrachte- Objekt). In den Adverbialien dagegen liegt eine Dieses Schulbuc::
te man auch ein begleitendes Adjektiv in einer semantische Klassifikation vor, sie geht quer erschien schon die : ..
Norninalphrase. Das sah dann so aus: durch die verwendeten Formalstrukturen hin- bearbeitet von derr:
Duden, der dann e:=.=
Sie ist eine alte Freundin unserer Familie. gewann auf die 190:
Subjekt Kopula Pradi- Attribut kativ Attribut
deutschen Orthogra¡,:_
kamen die orthoerz:-...:...
~ Duden bald einen~g~-
und so fiel vom Aes.e:.::=
Das waren also insgesamt 4 Satzglieder: das Subjekt sie, das Pradikat aus Kopula und Pradikafa auch ein Schimmer ·
ist eine Freundin, das in das Pradikativ eingefügte Attribut alte und das an das Pradikativ ange- die Bauer-Dudensd:e -
fügte Attribut unserer Familie. te sich noch, als 1935
bearbeitet von Otro -
mit dem (seit 1912 ~
worterbuch sowie e=;
Diese ganze Lehre von den Satzgliedern, be- durch. Das zeigen die folgenden fünf Adverbia- dem Titel ,,Der GroBe::::
gründet von dem Frankfurter Arzt Karl Ferdi- lien (bei gleichen Verben):
nand Becker und didaktisiert und elementarisiert Sie spielten und tanzten leidenschaftlich
von dem Lehrer Raimund Jakob Wurst in seiner (unflektiertes Adjektiv, ,,Adjektivadverb") -
,,Praktischen Sprachdenklehre" (1836), hatte ei- in allen Raumen der weitlaufigen Wohnung
nen ungeheuren Erfolg - sie bestimmte den (Praposition + Dativ + angefügter Genitiv
6 Das Problem ..:
Grammatikunterricht für fast anderthalb Jahr- mit begleitendem Adjektiv ) - den ganzen An diesem Punkt der ...,
hunderte. Sie war wesentlich rnitverantwortlich Abend (Akkusativ, der nicht Objekt ist) - te wird es wichtig, ei=
für das, was man die ,,Lernschule" des 19. Jh.s ohne jeden Unterbruch (Praposition + Ak- Verhaltnis der grame:::.
nannte (> Art. 1). Sie wurde zwar in der etwa kusativ) - bis in den frühen Margen hinein für sie verwendeten B
zeitgleich entstehenden Germanistik (v. a. von (zweiwortige Praposition + Akkusativ + an- Nebeneinander der t:::!:
Jacob Grimm und seinen Nachfolgern) entschie- gefügter Hinweis auf die Erstreckung). schiedenen deutschen
den abgelehnt - aber sie war die einzige prakti- Anderseits kann auch einAkkusativobjekt als e:- Tatigkeitswort - Tun.1
kable Satzgliederlehre, die es für das Deutsche ne ,,Bestimmung des Raumes" dienen, wenn es ganze Problernkompl
Geschichte der Didaktik der Grammatik 429

mit einem entsprechenden Verb verbunden ist behandelt wird, kann ich hier auf Genaueres ver-
(,,Sie verlieBenjetzt den Parkund erreichten den zichten und nur betonen, dass man beijedem Er-
Fahrweg"). Bine Einbettung in den Zeitablauf arbeiten eines neuen grammatischen Begriffs
kann durch einAkkusativobjekt gegeben werden den Lemenden klar sagen sollte: Wie weit lasst
(,,Er erwartete den Margen") oder durch ein pra- sich aus der Benennung ein Hinweis für das Ver-
positionales Objekt (,,Er wartete auf den Mar- stiindnis des Begriffs entnehmen? Wo kann ein
gen"). Schwierigkeiten macht daher oft die Fra- Emstnehmen, ein Ausdeuten des Namens gera-
ge, ob eine Wortgruppe aus Praposition + Kasus dezu irreführen? Das ist z. B. der Fall bei den Be-
als ,,prapositionales Objekt" zu betrachten ist nennungen ,,Tunwort - Tatigkeitswort", denn
oder als ,,Adverbiale", etwa in ,,Sie arbeitete an diese konnen Schulkinder an der Einsicht hin-
einem Webstuhl - Sie arbeitete an einem Wand- dern, dass auch sein, werden, wollen, müssen,
behang". Gar nicht einzuordnen in dieses starre heijJen, liegen, schlafen Verben sind.
formale System sind so wichtige Satzglieder wie
vielleicht - tatsiichlich - unter Umstiinden -
nach meiner Meinung.
Die Verbreitung dieser ganzen Satzgliedana- 7 Aus der Entwicklung von
lyse bis über die Mitte des 20. Jh.s hinaus hangt
auch mit einem sehr auBerlichen Fakturn zusam- 1945 bis heute
men. Die Satzgliederlehre nach Wurst und Be-
cker wurde namlich einbezogen in eine kurze Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm
Schulgrarnmatik, welche der Prediger und Leh- die Arbeit an den grammatischen Begriffen ei-
rer Friedrich Bauer 1850 zusammenstellte und in nen neuen Aufschwung, und zwar gleichzeitig
welcher er die Auffassungen von Jacob Grimm im franzosischen und englischen wie im deut-
sowie von Becker und Wurst zu vereinigen such- schen Sprachgebiet. Auch die Erarbeitung von
te, so dass sich sein Buch als eine Synthese der Schulgrammatiken wurde nun nicht mehr nur als
,,historischen" und der ,,logischen" Grammatik eine Angelegenheit von Lehrem in der Praxis be-
empfahl. trachtet, sondem als eine zentrale Aufgabe der
Dieses Schulbuch hatte groBen Erfolg. 1881 sich entwickelnden synchronen Linguistik, fuB-
erschien schon die 18. Auflage, und diese wurde end auf Saussure und in Amerika auf Bloom-
bearbeitet von dem Gymnasialdirektor Konrad field, und diese Linguistik loste die traditionelle
Duden, der dann einen maBgeblichen Einfluss Germanistik rnit ihrer Bevorzugung der reinen
gewann auf die 1901 durchgeführte Reform der Lautgeschichte und der Sprachgeographie mehr
deutschen Orthographie. Durch diese Reform be- undmehrab.
kamen die orthographischen Wéirterbücher von In diesen Rahmen gehort auch mein Buch von
Duden bald einen gewissen amtlichen Charakter, 1952, Die innere Form des Deutschen (6 1973).
und so fiel vom Ansehen des Namens ,,Duden" Die wichtigsten Punkte: Begründung der Not-
auch ein Schimmer von offizieller Geltung auf wendigkeit eines Arbeitens mit Operationen
die Bauer-Dudensche Grammatik. Das verstark- oder Proben (Klangproben - Verschiebeproben -
te sich noch, als 193 5 eine neue Auflage erschien, Ersatzproben), ansetzend an kurzen Stücken
bearbeitet von Otto Basler, welche zusammen klassischer deutscher Prosa. Kontrolliertes Ge-
mit dem (seit 1912 bestehenden) Rechtschreib- winnen kleinerer Einheiten (Satze - Teilsatze -
worterbuch sowie einem Stilworterbuch unter Satzglieder - Einzelworter). Dadurch zugleich
dem Titel ,,Der GroBe Duden" prasentiert wurde. operationale Bestimmung einer Wortart ,,Verb",
zuerst in ihren finiten Formen, dann in den Kom-
binationen aus finiten Formen, infiniten Formen
und Verbzusatzen, mit Überprüfung und teilwei-
6 Das Problem der Benennungen ser Neubestimmung aller Kategorien (Formen
wie ,,er ka.me" nicht als ,,Konjunktiv Imperfekt"
An diesem Punkt der Darstellung der Geschich- zu verstehen, sondern als ein zweiter Konjunktiv
te wird es wichtig, einen Blick zu werfen auf das :z¡um Prasens, mit dem semantischen Wert ,,nur
Verhaltnis der grammatischen Begrif.fe und der gedacht"; zwei verschiedene Passivformen
für sie verwendeten Benennungen (v. a. auch das ,,wird getan - ist getan"). Zugleich klares Unter-
Nebeneinander der lateinischen und der ver- scheiden der grammatischen Werte und der rei-
schiedenen deutschen Benennungen, z. B. Verb - nen lautlichen Signalisierung. Dann operationa-
Tii.tigkeitswart - Tunwort - Zeitwort). Da dieser le Neubestimmung der ,,Satzglieder" (= der
ganze Problemkomplex in> Art. 35 ausführlich Wéirter und Wortblocke neben dem Verb), Auflo-

430 Sprachbetrachtung und Grammatik

sung des hybriden traditionellen Pradikatsbe- dung von nur sechs Wortarten an Stelle der frü- Grund neu aufge~
griffs, Einordnen des Pradikativs in die Reihe heren zehn (Verben - Nomen - Adjektive - Pro- wahlte Bereiche e
der fallbestimmten Satzglieder neben dem Verb. nomen - Partikeln, dazu die Randgruppe ,,Inter- tersucht wurden. Sil'
Untersuchung des Aufbaus mehrwortiger fallbe- jektionen"). Wichtig schien mir auch der Ersatz der Konjunktiv une
stirnmter Satzglieder (Verstehensbeitrage der der irreführenden Bezeichnungen ,,Konjunktiv ger 1971) und die , -
,,Artikel" bzw. ,,Einleitepronomen"). Operatio- Prasens - Konjunktiv Imperfekt" durch ,,Kon- ser-Suida & Hoppe-::i.
nale Bestimmung der Wortart ,,Adjektiv", mit junktiv I - Konjunktiv II", da beide gleicherwei- In den mittlereo
dem Nachweis, dass es keinen Sinn hat, im Deut- se dem Indikativ Prasens gegenüberstehen, dann breitere Rezeption _
schen eine besondere Wortart ,,Adjektiv-Adver- die Unterscheidung der zwei Passive, die wir im ven Transformatio:::,
bien" anzusetzen. Arn Schluss Diskussion des Deutschen haben, Handlungspassiv und Zu- in der Bundesrepi.:'- -
Begriffs ,,Satz". standspassiv, neben dem Aktiv. wisch 1963).
Terminologie: Ich versuchte, im Streben nach Erben (1958/ 111972) unternimmt den Ver- Die ,,Begriffsm ·
wissenschaftlicher Redlichkeit, für jeden neu ge- such, ein Gesamtbild zu geben, mit teilweise te sich aber wenig f:::-
schaffenen oder geanderten Begriff einen eige- neuen Einteilungen und B enennungen v. a. der unterrichts in den --~
nen Namen zu verwenden und bildete solche Wortarten, auf Grund der seit 1952 laufenden nicht dafür gedacl::. _
Namen aus moglichst einfachen deutschen Wor- Diskussion und mit Übernahrne von einzelnen dass die eben erst a_:: _ _
tern. Dann musste ich aber die Erfahrung ma- Begriffen - aber auch mit dem Fortwirken man- gefassten Wortartbe'.-:_
chen, dass meine neuen Namen sehr oft als De- cher zu enger traditionell-germanistischer Vor- lich gebremst wurci¿-
finitionen missverstanden wurden (z. B. Zielgro- stellungen von ,,Wort" und ,,Bedeutungsent- verstandlich mit Bes=
JJe und Zuwendgroj]e, > Art. 35), und so kam ich wicklung". Aufbau von den Wortarten her, ohne arbeitete und mane~ -
bald dazu, primar mit den lateinischen Namen zu Gewinnung der Begriffe aus erprobender Arbeit wenn ein führender -
arbeiten oder ggf. neue solche zu bilden. mit Texten. So umfasst der Teil ,,Das Wort" die Begriff arbeite, o~
Im gleichen Jahr 1952 erschien die ,,Gram- Seiten 1- 170 (in der 11. Auflage 29- 240), der konnten sie ebenso __
maire de l'allemand" von Jean Fourquet. Im Vor- Teil ,,Der Satz" aber nur die Seiten 171- 204 (in von zehn Wortarten'::-
wort liest man die folgende Einschatzung der da- der 11. Auflage 241- 328). Die ,,Wende von :
maligen Wissenschaftssituation: ,,La science al- Die Duden-Grammatik von 1959 war formell die Sprachbücher al5..
lemande reste tournée vers le passé de la langue, die N achfolgerin der Bauer-Dudenschen Gram- neue Begriffe ( oder
vers la grammaire comparative et historique, ou matik von 1850/1881 (letztrnals 1935). Inhalt- gen) angeboten Wl.lT""-
elle a tenu la premiére place pendant un siécle et lich war sie aber etwas vollig Neues. Sie berief wicklung im Rückb" •
demi. Elle s'intéresse peu a la langue actuelle. Il sich irn Vorwort auf die ,,inhaltbezogene Gram- zutreffend) die ,,Lin_
y a, en Allemagne meme, un curieux contraste matik" und Humboldt, übernahm aber für die terrichts". -
entre l'ampleur des travaux historiques sur l'al- Praxis v. a. neue Begriffsfassungen von mir. E In der Schweiz ·
lemand et les insuffisances de leur grammaire gab kein Adjektiv-Adverb mehr - die ,,ArtikeJ- Verlag Sabe die ~
scolaire de la langue actuelle. [...] Les Allemands wurden als Unterklasse der Pronomen gesehen.. Sprachbuchs" (Band .:
- ou d' autres a leur défaut - ne tarderont pas a unter dem Generaltitel ,,Begleiter und Stellver- nen 1972, Band 9 195':
faire sur l'allemand moderne le travail qui a été treter" - , das ,,Pradikat" bestand nur noch aus Hier wurde eine
fait pour l'anglais et le fran¡;:ais. Et on peut pré- dem Verb, das Pradikativ wurde als ,,Gleichse,- entwickelt, vom 2. b:s -
voir que leur grammaire scolaire, qui n'a guére zungsnominativ" in die Reihe der fallbestimm- gehend, für welche ~
changé depuis un siécle et demi, sera rapidement ten Satzglieder gestellt (ich hatte es ,,Gleichgro- bend die Planung bes:::;;;;::::i
renouvelée." (Fourquet 1952, 4-5) Be" genannt) - für die beiden Konjunktive wu:-- vielen Mitarbeitern te:.
Wichtig für die Tradierung von Überliefertem de die Prasentation als ,,Konjunktiv I une folgenden Bande g
wie für das Erproben von Neuem waren und sind Konjunktiv II, beide zum Prasens", übernon:- prasentieren konnten_ :=-.
die Sprachbücher für die Schulen. Ein grundsatz- men. Grammatik und die ~
licher Neubau, an dem ich intensiv mitarbeitete, Die Grammatik erschien immer wieder :.:. mentare beizusteuerc.. ·
wurde versucht im ,,Deutschen Sprachspiegel", neu enAufla~en (1966, 1973, 1984, 1995, 1999 entwickelte der (staa ·
Heft 1/1956 (5. und 6. Schuljahr), Heft2/1958 (7. mit kleinen Anderungen in der Prasentation ~ \·erlag in Zusammena:.--=
und 8. Schuljahr), Heft 3/1962 (9. und 10. Schul- Wortarten ( die man manchmal als ,,terminolog:- ~ darschulen (7.- 9. -
jahr), erarbeitet von einer Autorengruppe, in wel- sche Kosmetik" bezeichnen konnte ). Dabei blie: der Worter" und dar=
cher auch Weisgerber und Brinkmann beratend
mitwirkten. Die Bücher waren gegliedert in vier
die Grundstruktur von 1959 erlialten. Nicht = 4.-6. Schuljahr die Re-i
solche Kosmetik, sondern um eine grundsatzli "'" ·,vobei die grammatisc=a;
Teile: l. Roren und Verstehen, II. Gestalten, neue Sehweise handelt es sich bei der Neubez:- :n.inologie weitgehenc
III. Sprechen, Lesen, Vortragen, IV. Einsicht in beitung des Teils ,,Der Satz" durch Horst S:::: s:ch im ,,Schweizer Sp:--.
den Bau der Sprache. Dazu kam ein Anhang über (von 1984 an). Alle diese Schwe~
Rechtschreibung und Zeichensetzung. Neu wa- 1965 begannen die Arbeiten irn neu gescl:.ti- m twickelten Verfa~
ren in den Grammatikteilen, die ich verfasste: das fenen Institut für deutsche Sprache in M:u::r :...aum zur Kenntnis ge- __._
Ausgehen vom Satz als Einheit - die Unterschei- heirn, unter der Leitung von Ulrich Engel, wo -enig wie die Schulbii '-
Geschichte der Didaktik der Grammatik 431

Grund neu aufgebauter breiter Korpora ausge- ger in Ósterreich - weder von den Autoren deut-
wahlte Bereiche der deutschen Grammatik un- scher Sprachbücher noch von den Verfassern
tersucht wurden, so das Passiv (Brinker 1971), wissenschaftlicher Grarnmatiken.
der Konjunktiv und seine Gebrauchsweisen (Ja- Ungewohnliche grammatische Wege versuch-
ger 197 1) und die Vergangenheitstempora (Hau- te Hans-Jürgen Heringer zu gehen. So knüpfte er
ser-Suida & Hoppe-Beugel 1972). den Satzbegriff direkt an die Pragmatik (,,Ein
In den rnittleren 60er-Jahren begann auch die Satz ist die kürzeste sprachliche Einheit, mit de-
breitere Rezeption und Diskussion der generati- ren ÁuBern wir eine vollstandige sprachliche
ven Transformationsgrammatik von Chomsky, Handlung vollziehen konnen", Heringer 1978,
in der Bundesrepublik und in der DDR (Bier- 25). Für mich liegt hier eine Verwechslung von
wisch 1963). ,,Satz" und ,,Text" vor. Eine direkte Verbindung
Die ,,Begriffsmechanik" von Chomsky eigne- von Grammatik und Leselehre versuchte Herin-
te sich aber wenig für die Praxis des Grammatik- ger mit dem Band ,,Lesen lehren lernen. Eine re-
unterrichts in den Schulen, und sie war auch gar zeptive Grammatik des Deutschen" (1988; kri-
nicht dafür gedacht. Eine negative Folge war, tisch dazu Abraham & Glinz 1990).
dass die eben erst angelaufene Rezeption der neu Um eine bessere Kooperation des Gramma-
gefassten Wortartbegriffe in den Schulen sicht- tikunterrichts in den verschiedenen Schulspra-
lich gebremst wurde, weil Chomsky ganz selbst- chen zu ermoglichen, entwickelte ich von 1981
verstandlich rnit Begriffen wie ,,definite article" an den umfangreichen Band Grammatiken im
arbeitete und manche Lehrer das Gefühl hatten, Vergleich. Deutsch, Franzosisch, Englisch, La-
wenn ein führender Wissenschaftler mit diesem tein. Formen, Bedeutungen, Verstehen (1994).
Begriff arbeite, ohne ihn zu hinterfragen, so Darin konfrontierte ich die Wortarten, die Mor-
konnten sie ebenso gut bei ihren alten Begriffen phologie und Semantik der Verbformen und der
von zehn Wortarten bleiben. Deklinationsformen, den Aufbau der Nominal-
Die ,,Wende von 1968" wirkte sich auch auf phrasen und der ganzen Propositionen/clauses
die Sprachbücher aus, in denen aufbreiter Front sowie ihrer Kombinationen und die dabei wirk-
neue Begriffe (oder auch nur neue Benennun- samen semantischen Strukturen, in allen vier
gen) angeboten wurden. Man nennt diese Ent- Sprachen, mit umfangreichen Beispielanalysen.
wicklung im Rückblick manchmal (nicht ganz Eine besonders umfangreiche deutsche
zutreffend) die ,,Linguistisierung des Sprachun- Grammatik (rund 2600 Seiten) wurde im Insti-
terrichts". tut für deutsche Sprache in Mannheim erarbeitet
In der Schweiz begann 1969 im (privaten) (Zifonun, Hoffmann & Strecker 1997). Die Dar-
Verlag Sabe die Erarbeitung des ,,Schweizer stellung stützt sich auf die Montague-Logik und
Sprachbuchs" (Band 2 mit Lehrerbuch erschie- will in gewissem Sinne alle ,,Schichten" in der
nen 1972, Band 9 1980, Lehrerbuch 1981 ). Sprache auf einer einzigen Begriffs-Ebene ein-
Hier wurde eine zusammenhangende Reihe fangen, von der Phono-Morphologie über die
entwickelt, vom 2. bis zum 9. Schuljahr durch- Morphosyntax bis zur Semantik und Pragmatik.
gehend, für welche meine Frau und ich weitge- Mich vermag dieser Versuch nicht zu überzeu-
hend die Planung bestimmen und zusammen rnit gen, und der Urnfang wie die groBe Zahl neuge-
vielen Mitarbeitern und Helfern die aufeinander schaffener Fach-Terrnini dürfte eine Wirkung
folgenden Bande gestalten und in Lehrerkursen auf die Praxis und die Schulen erheblich er-
prasentieren konnten. Ich hatte v. a. die Teile zur schweren.
Grammatik und die zugehorigen Lehrerkom- Eine Gesamtschau der deutschen und der eng-
mentare beizusteuern. Von den 80er-Jahren an lischen Grammatik und des Stellenwertes von
entwickelte der (staatliche) Zürcher Lehrmittel- Grammatik überhaupt ist enthalten in Glinz
verlag in Zusammenarbeit mit Sitta für die Se- (2002).
kundarschulen (7.- 9. Schuljahr) die Reihe ,,Welt
der Worter" und daran anschlieBend für das
4.- 6. Schuljahr die Reihe ,,Treffpunkt Sprache",
wobei die grammatischen Begriffe wie die Ter- 8 Bine standige Debatte: Wie viel
minologie weitgehend dem entsprachen, was
sich im ,,Schweizer Sprachbuch" bewahrt hatte. Grammatik? Wann? Wie?
Alle diese Schweizer Bücher und die darin
entwickelten Verfahren sind in Deutschland Es gab seit je verschiedene Einschatzungen der
kaum zur Kenntnis genommen worden, ebenso Grammatik im Sprachunterricht. Die einen hiel-
wenig wie die Schulbücher von Friedrich Killin- ten Grammatik für den Zentralbereich, für das
e;¡

432 Sprachbetrachtung und Grammatik

Wichtigste - andere wollten nur wenig Gramma- chen man dann be: -
tik oder gar keine. So wurde immer wieder dis- weit ist überhaup: !'C.
kutiert: ,,Wie viel Grammatik braucht ein
9 Erarbeiten und Anwenden
wo ist viel mehr c:r
Mensch?" Dazu kam die Frage ,,systematischer zentraler grammatischer zu fürdern? Welct~
Grammatikunterricht", d. h. die Schüler in einer Begriffe wusstrnachen unci ~
geplanten Folge dazu anleiten, dass sie die wich- sinnvoll und armb~ -
tigsten grammatischen Begriffe in ihren Kopfen Für eine Kliirung der Frage von Abschnitt 8 - Insgesamt sebe ~
aufbauen konnen - oder Grammatik nur aus ei- ,, Wie viel Grammatik - in welcher Systematik - l. Schuljahr und e-=.
ner jeweiligen Situation heraus, in welcher den in welchen Situationen anbieten bzw. wieder he- nach dem 9., l O. OC?:
Lernenden der Nutzen solcher Begriffe unmit- ranziehen?" - versuche ich im Folgenden für ei- halb aller vorge:fül:...- --
telbar einsichtig wird (Boettcher & Sitta 1978). ne Reihe wichtiger grammatischer Begriffe zu eignete Detail-Stuf·
Soweit ich sehen kann, liefen immer beide skizzieren, wie die Lernenden sie, unter sorgfál- hin, erst noch ent\\c
Richtungen nebeneinander, nur die eine oft et- tiger Anleitung, durch jeweils geeignete linguis-
was stiirker und die andere oft etwas schwiicher. tische Proben selbsttdtig gewinnen konnen und
Die Forderung ,,Grammatik nur in Situationen" welche Ertrage für die Sicherheit und Gewandt- 9.1 Bereich 1, Siir.:
wurde verstiirkt durch die betontere Orientie- heit im Verstehen, Lesen und Schreiben sich
rung an der Pragmatik (lvo 1975). Aus den Lehr- durch solches Erarbeiten und dann geeignetes Umgang rnit den Sr....;:..
pliinen verschwand der Oberbegriff ,,Gramma- Anwenden in den verschiedenen Situationen er- und Stimmführun2' _
tikunterricht" zugunsten der offeneren, aber reichen lassen. usw., s. schon Absc·
auch viel ungenaueren Formulierung ,,Reflexion Dabei gehe ich davon aus, dass wir nicht an tung der Textvers "'"'~
über Sprache". Diese ganze Zielsetzung kann der schlechten heutigen Gewohnheit hiingen Wege der Erarbe:.
auch gesehen werden als eine Folge der soziolin- bleiben, den Grammatikunterricht nach dem hier: sofort laut we~---
guistischen Sprachbarrierendebatte (> Art. 1). 8. Schuljahr aufuoren zu lassen (also an einem sen kurzer, reizvo..:_~ -
Grundsiitzlich ist dazu allerdings zu sagen, dass Punkt, wo manche Lernende manches erst rich- Blatt", ohne dass rn:<---
ein solcher, an konkreten (unplanbaren) Situatio- tig verstehen konnten). Ich sehe hier einen Auf- Dabei ist Unterbrec~
nen orientierter Grammatikunterricht eine Sach- bau bis zum Abitur, der an geeigneten Stellen mehrmaliges Versuc~
kunde und Souveriinitiit der Lehrenden voraus- auch eine Verbindung mit den verschiedenen ist nicht nur gestarte:..
setzt, die kaum überall angenommen werden Fremdsprachen in den betreffenden Klassen ge- geeignetste Stimn:.:: _
kann. stattet. Schluss, als Ertra!! :,=
Die Zurückdriingung der Systematik scheint Ich priisentiere die Begriffe in einer systema- nicht in NachahmWÍ= _
bis heute für manche Lehrende wirksam zu sein, tischen Folge, die ich nicht als einen ,,Lehrplan" Diese Art des ~
und zwar sowohl in der Schule als auch in den di- oder ,,Stoffplan" misszuverstehen bitte. Für ei- meinsames Durcb\,a ::I:.:
daktischen Serninaren. Die Schriften von Haueis nen konkreten Aujbau muss man sich niimlich die Unterstufe das mr.:::
(198 1) und Koller (1983) blieben relativ verein- immer zuerst klar machen: Habe ich Lernende fahren sein. Vom 4.- 5 _
zelt. Anfang der 90er-Jahre entstanden wieder vor mir, welche die betreffende Sprache schon liingere und lange T~
vermehrt Arbeiten zu einem systematischen mehr oder weniger geliiufig sprechen und rücktreten, zu Gunstc-;:
Aufbau des Grammatikunterrichts, z. B. die schreiben? Unterrichte ich in einem Gebiet, wo berigen Referierens. ::!
,,Grammatik-Werkstatt" von Eisenberg & Men- generell Mundart gesprochen, aber Standard- sollte aber durch die
zel (1995), die ich allerdings als viel zu forma- sprache gelesen und geschrieben wird und wo immer wieder an !?e,;_
listisch empfinde, oder die Vorschliige von Klotz grammatische Kliirung die Ahnlichkeiten unri zentralen Stellen aus ~
(1996) für eine Verbindung von Gnumnatik und Unterschiede besser fassbar machen kann? Ha- den , auch als ein Be:.-
Textgestaltung, gestützt durch genaue Analysen be ich in der Klasse auch Lernende, die zu Hau- richts, s. die ausgeft=
von Schülertexten. se eine andere Sprache sprechen und für die Kafka, Goethe und ae.:_
Grundlegend für alles grammatische Arbeiten Deutsch eine Fremdsprache ist, so dass Gram- Ertrii.ge: Von allem
(vgl. a. Klotz 1996, 14- 34) ist sicher das konse- matik in gewissem Sinne als ,,Anleitung fü:- Horverstehens, Schu.:: .
quente Anleiten der Lernenden zu den linguisti- okonomisches Lernen des Deutschen" diene= Lehrenden immer wi*
schen Proben, durch welche sie sich die betref- kann? Welches Angebot an Begriffen und Ver- schiedenen Schüler k::.
fenden, für ihre Sprachpraxis fruchtbaren Be- fahren ist also gerade für meine Lernenden sirm- ggf. noch Hilfen bek
griffe selber aujbauen konnen (die idealistische voll (oder: für diese oder}ene Gruppe unter me3- fen der GroJ3schreibun:: -
Vorstellung, die Schüler konnten rein durch vol- nen Lernenden)? für das Setzen von Pe..;:
lig freies Probieren, in ,,entdeckendem Lernen", Hinzu kommt die wichtige ,,lerntechnische- Fragezeichen in den
zu den erforderlichen grammatischen Begriffen Frage: Welche von den erarbeiteten gramma:::,.. :en. D azu durch Einge~
kommen, dürfte eine Illusion sein). schen Begriffen sollten meine Schüler/innen '- .reils wichtiger Worter
Kopf behalten, zu jederzeitiger freier Anwe:;- lung und Festigung des
dung_ - was konnen wir in gemeinsam erarbeite- An geeigneten Stelle=
ten Ubersichten, Tabellen usw. festhalten, in we;... ~Was will der/die hier
Geschichte der Didaktik der Grammatik 433

chen man dann bei Bedarfnachsehen kann? Wie sagt er/sie das?", und damit ergeben sich Gespra-
weit ist überhaupt ein Bewusstmachen nützlich, che in der K.lasse. Auf diese Weise lasst sich mit
wo ist viel mehr die gefühlsmiiflige Handhabung der Zeit der ganze Bereich der Pragmatik (der
zu fürdern? Welcher Perfektionsgrad beim Be- ,,erstrebten Ertrage", s. Abschnitt 3.3) zwanglos
wusstmachen und der Anwendung ist jeweils einbeziehen, in direktem Erfahren von Situatio-
sinnvoll und anzustreben? nen und sprachlichem Handeln in ihnen.
Insgesamt sehe ich einen Beginn schon im
l. Schuljahr und ein Ende, je nach Schulform,
nach dem 9., 10. oder 12. Schuljahr - und inner- 9.2 Bereich 2, Verben
halb aller vorgeführten Bereiche müsste eine ge- Erkennen der Verben in den gelesenen Texten
eignete Detail-Stufang, oft über viele Schulj ahre (dann auch in den selbst geschriebenen) und da-
hin, erst noch entwickelt werden. mit der Einstieg in das Bewusstmachen des ge-
samten verbalen Formensysterns.
Wege der ersten Erarbeitung: Einen kurzen
9.1 Bereich 1, Siitze Text ausgeben, in welchem alle Verbformen
leicht blau markiert sind; über diese ,,blauen
Umgang mit den Siitzen als Einheiten von Inhalt Worter" sprechen lassen, mit ihnen spielen; die
und Stimmführung (Satzmelodien, Pausierung Worter an derTafel zusammenstellen, immer In-
usw., s. schon Abschnitt 2), v. a. bei der Erarbei- finitiv und Partizip II; durch das Diskutieren und
tung der Textverstandnisse beim Lesen. Herausschreiben ergibt sich fast von selbst der
Wege der Erarbeitung: ,,Klangproben", d. h. Übergang von der jeweiligen Personalform hat-
hier: sofort laut werdendes ,,probierendes" Erle- weiflt - ginge zum Infinitiv und dann auch zum
sen kurzer, reizvoller Texte (also ,,Lesen vom Partizip II: haben-gehabt- wissen-gewusst- ge-
Blatt", ohne dass vorher jemand vorgelesen hat). hen-gegangen usw. Dann einige in der Klasse
Dabei ist Unterbrechen, noclunaliges Ansetzen, aufgetretene falsche Lautungen und Schreibun-
mehrmaliges Versuchen selbstverstandlich - das gen von Verbformen vorlegen (z. B. hate, rufte),
ist nicht nur gestattet, sondern wird begrüJ3t. Die die korrekten Lautungen/Schreibungen an-
geeignetste Stimmführung ergibt sich am schreiben, in einer festen Ordnung (haben-ge-
Schluss, als Ertrag der probierenden Arbeit, habt-hat-hatte bzw. rufen-gerufen-nif.t-riej). Mit
nicht in Nachahrnung eines ,,Vorbilds". den Lernenden zusammen einfache Ubersichten
Diese Art des gemeinsamen Erlesens (,,ge- erarbeiten (ein ausgeführtes Beispiel bei Glinz in
meinsames Durchwandern des Textes") dürfte für Valtin 2000, 37-39).
die Unterstufe das normale, ertragreichste Ver- Insgesamt ist das Untersuchen von Verben,
fahren sein. Vom 4.- 5. Schuljahr an, wenn es um v. a. das Bewusstmachen der verschiedenen Tem-
langere und lange Texte geht, wird sie eher zu- pusformen (samt den beiden Konjunktiven) und
rücktreten, zu Gunsten stillen Lesens und nach- die Klarung ihrer Bedeutungsbeitrage im jewei-
herigen Referierens. Das gemeinsame Erlesen ligen Text ein Thema wahrend der gesamten
sollte aber durch die ganze Schulzeit hindurch Schulzeit, auch in Kontrastierung zu den jeweils
immer wieder an geeigneten Kurztexten (oder gelernten Fremdsprachen, bis zum Abitur.
zentralen Stellen aus Langtexten) praktiziert wer- Ertriige: Beweglichkeit im Gebrauch aller
den, auch als ein Bestandteil des Literaturunter- Verbformen, grammatische Zeit und wirkliche
richts, s. die ausgeführten Beispiele (Lessing, Zeit, standige Festigung der korrekten Lautun-
Kafka, Goethe und andere) in Glinz 1973. gen und Schreibungen, Entwicklung des Wort-
Ertriige: Von allem Anfang an Schulung des schatzes überhaupt. Zugleich erste Klarung des
Horverstehens, Schulung des Lesens; für die Aufbaus der Propositionen/clauses.
Lehrenden immer wieder Hinweise, wo die ver-
schiedenen Schüler lesetechnisch stehen und
ggf. noch Hilfen bekommen sollten. Einschlei- 9.3 Bereich 3, Propositionen/clauses
fen der GroJ3schreibung der Satzanfánge, Gefühl Globales Erkennen des Aujbaus und der Grenzen
für das Setzen von Punkt, Ausrufezeichen und der verba/en Propositionen/clauses, v. a. wenn
Fragezeichen in den selbst geschriebenen Tex- sie als Teilsatze in umfangreicheren Satzen ge-
ten. Dazu durch Eingehen auf das Verstiindnis je- setzt sind: jeweils ein Verb als Kem und dazu
weils wichtiger Worter eine generelle Entwick- verschiedene, oft mehr oder weniger frei ver-
lung und Festigung des Wortschatzes. schiebbare Satzglieder.
An geeigneten Stellen kann man auch fragen: Wége der Erarbeitung: In kurzen Texten, die
.,Was will der/die hier Sprechende denn? Warum eine genauere Betrachtung lohnen, die Verben
434 Sprachbetrachtung und Grammatik

markieren lassen, auf die Stellung der verschie- Für die Pronomen gibt man am besten eine Ta- Ein systematisc
denen Verbteile achten (Personalform in der Re- belle aus, in der jederzeit nachgesehen werden der Falle, durch -
gel an zweiter Stelle, manchmal am Schluss, hie kann (enthalten mit Kommentar in Glinz 1994, satzproben, ist rr:=
und da ganz am Anfang - Infinitiv, Partizip II 19- 24). lasslich) für den ►
und Verbzusatz am Schluss oder direkt vor der Alle ,,restlichen" Worter kann man zunachst richt. Für das De-..:::..
am Schluss stehenden Personalform). Auswir- als eine ,,Sammelklasse" behandeln und ,,Parti- Sichern der gejzti-_
kungen dieser Stellungen für das Verstehen dis- keln" nennen. Ihre ganz verschiedenen Funktio- ses ganzen Forme:_
kutieren, evtl. Umformungen ausprobieren (Ver- nen (Satzadverb - Praposition - Konjunktion -
schiebeproben). Die Behandlm::: -
noch andere) werden spater geklart, bei der ge- nach Schulform -:
Ertrage: Gewinn für das Lesen (auch das stil- naueren Untersuchung des Aufbaus der Proposi- müssen, von geo,• -
le Lesen, durch besseres unwillkürliches Struk- tionen und der nichtverbalen Gefüge (eine Zu- Ber Information. 6
turieren des Gelesenen). Gewinn für das Setzen sammenstellung dieser Funktionen bei Glinz, mit Wortern wie _
der Kommas, zunachst im Sinn der Faustregel: Glinz & Ramseier 1997, 180- 182). Genitiv" gemeint :.s:.
,,Am Ende jeder Proposition/clause brauchen Ertrage: Festigen der GroBschreibung der
wir ein Satzzeichen, und wenn kein Punkt ( oder Nomen und damit ein Stück Klarung des Wort-
Doppelpunkt oder Strichpunkt oder Gedanken- schatzes überhaupt. Gefühl für die verschiede- 9. 6 Bereich 6, t1:or.:. ~
strich) angebracht ist, dann muss eben ein Kom- nen Formen der begleitenden Adjektive ( das ge-
ma da sein". Dann zusehends genauere Betrach- nerelle Formulieren der Regularitaten bei die-
tung der Satzzeichen und ihrer Wirkungen - für sem Aufbau ist recht anspruchsvoll und daher, sen, die ,,Begleitge:"::
die Korrektheit in Zweifelsfallen die offiziellen wenn überhaupt, erst in oberen Schuljahren sinn- füge", dazu die o::
Regeln nachschlagen Iassen (und ggf. diskutie- voll). Gefühl für die Pronomen und ihre Funktio- schaltgefüge" bei ___
ren). nen, in den oberen Klassen ein Stück Klarung Partizipien (genau~:
der Prozesse der ,,Referenz". Einblick in beson- Franzosisch, En!ilis
9.4 Bereich 4, Wortarten neben den Verben dere Gebrauchsmoglichkeiten des Komparativs 278- 330). -
(eine groj]ere Summe ist in aller Regel kleiner als Wege der Erar~
Erkennen der Wortarten neben den Verben, v. a. eine groj]e Summe). immer langerer FüE
der Nomen, Pronomen und Adjektive, im Singu- leitepronomen und : -
lar und Plural, in den drei grammatischen Ge- rende Zug - ein ir.
schlechtern, dazu bei manchen Adjektiven die 9.5 Bereich 5, die vier Falle
Spielen mit imrner . -
"Vergleichsformen. Für alle ,,restlichen Worter" Ein besonders schwieriger Komplex (man konn- teilen: ,,die Fahrt ir.
die Sammelklasse ,,Partikeln". te sagen: ,,eine ererbte Servitut") des Deutschen den Urlaub mit der __
Wege der Erarbeitung: Für die Nomen die Be- sind die vier Falle bei den Nomen, Adjektiven nen Auto" . Spielen -:__
obachtung, im Lesen wie im eigenen Schreiben, und Pronomen, im Singular und im Plural und Graduierung: ,,sehr
dass gewisse Worter immer grojJeAnfangsbuch- beim Maskulin oder Feminin oder Neutrum, ckend - enorm teue: -
staben haben. Dann Kombinationsspiele mit bald lautlich klar unterschieden, bald gar nicht. Minuten zu Iang". ,- .:
haufigen Einleitepronomen (den traditionellen Wege der Erarbeitung: Gezielte Ersatzproben Sprachen, z. B. ande:-r
,,Artikeln" und anderen) sowie mit Adjektiven: wie ,,Das ist er, du siehst ihn", aber ,,Das ist sie den Adjektive im fa:=--
,,ein langer Weg, eine lange Fahrt, ein langes - du siehst sie". In Verbindung mit Partikeln, die information - a pie~
Stück - der neue Wagen, die neue Karosserie, als Prapositionen dienen: ,,mit dir oder ohne ali members"), ande:-!
das neue Auto - dieser Eindruck, diese Stim- dich", aber ,,mit euch oder ohne euch". Gemein- renden Teile (,,gan= ::r_
mung, dieses Gefühl". Inhaltlicher Aspekt: die sames (aber sorgfáltig geleitetes) Aufstellen von ganz neue Losung - .
Worter, die solche Anpassungen der vorherge- Reihen, Nominativ - Akkusativ - Dativ - Geni- Ertrage: Fordem d!'
henden Worter verlangen und die man groB tiv (Beispiel in Glinz u. a., 177-179). Wege zum Satzglieder dieser A:::
schreibt, sind die Namen alles dessen, was es in Abgewohnen von Fallfehlern, aber auch Diskus- und damit Forderun~ _._
der Welt gibt. sion der Wichtigkeit bzw. Unwichtigkeit solcher der Betrachtung (Un-=-
1m Zusammenhang dieser Erarbeitung auch Fehler. der verschiedenen Bes:
das Unterscheiden der drei grammatischen Ge- Ertrage: Das korrekte Setzen der Falle (und beitrage der Einleitep.
schlechter, am einfachsten fassbar in der Reihe damit der Endungen bei den Einleitepronomen tikel"), dem Alter un<!~
er-sie-es (die drei Reihen sogleich als ,,Maskulin und den begleitenden Adjektiven, je nach gram-
- Feminin - Neutrum" benennen, da die deut- matischem Geschlecht des Nomens) wird in der
schen Namen hier storen konnen). Óffentlichkeit als ein Kriterium für Sprachbe- 9. 7 Bereich 7, Aujbau .
Für die Adjektive gibt es die Probe ,,ein neues herrschung überhaupt betrachtet. Es ist daher Vertieftes Studium &s
Beispiel - das neue Beispiel - das Beispiel ist
neu". Leicht fasslich sind die "Vergleichsformen
sehr wichtig für den ,,Korrektheitseindruck".
aber es spielt oft gar keine Rolle für das "Verstan-
Propositionen/clauses =-
In erster Linie: die Sur
(,,Laufer A war gut, B war besser, aber der Bes- denwerden (Beispiele, aus Voten anderssprachi- glieder. Sehr anspruc~
te war C"). ger Diskutanten, bei Glinz 2002, 193). schiedenen Satzglied~
Geschichte der Didaktik der Grammatik 435

Ein systernatisches Erkennen und Benennen Bedeutungsbeziehungen (Übersicht in Glinz


der Falle, durch standiges Anwenden von Er- 1994, 210- 220).
satzproben, ist nur angezeigt (aber auch uner- Wege der Erarbeitung: Verschiebeproben, Er-
lasslich) für den Einstieg in den Lateinunter- satzproben; Vergleich mit dem Englischen, Er-
richt. Für das Deutsche kommt es primar auf das kennen der ganz anderen Stellungsregularitaten
Sichern der gefühlsrnaftigen Beherrschung die- für Verben und Subjekte. Für Lateinklassen: Ver-
ses ganzen Formenkomplexes an. gleiche mit den Funktionen der Kasus im Latei-
Die Behandlung im Unterricht wird daher je nischen.
nach Schulform besonders verschieden sein Ertrage: Wachsende Gewandtheit im eigenen
müssen, von genauer Untersuchung bis zu blo- Formulieren, groBerer Durchblick beim Lesen.
Ber Information, dass es so etwas gibt und was Einblick in die Schwierigkeiten des Deutschen
mit Wortern wie ,,Nominativ, Akkusativ, Dativ, für anderssprachige Lerner. In den oberen Klas-
Genitiv" gemeint ist. sen kann man versuchen, für haufige Verben die
ganzen verbalen Semanteme herauszuholen, auf
denen der Aufbau der Propositionen/clauses be-
9.6 Bereich 6, Norninalphrasen ruht, und damit Einblick zu gewinnen in das Vor-
handensein vergleichbarer Strukturen in den ver-
Der Aufbau der zwei Typen von Nominalphra- schiedenen Sprachen, nebenjeweils besonderen.
sen, die ,,Begleitgefüge" und die ,,Anschlussge-
füge", dazu die oft damit verbundenen ,,Vor-
schaltgefüge" bei Adjektiven und eingefügten 9.8 Bereich 8, verschiedeneArten des
Partizipien (genauere Beschreibung für Deutsch, Vérknüpfens
Franzosisch, Englisch, Latein bei Glinz 1994, Die besonderen Vérknüpfungen ganzer Proposi-
278- 330). tionen/clauses, nicht nur durch einfache Rei-
Wege der Erarbeitung: ,,Aufbauspiele" mit hung, sondern durch Formung als Haupt- und
irnmer langerer Füllung der Stelle zwischen Ein- Nebensatz.
leitepronomen und Kern: ,,der Zug - der einfah- Wege der Erarbeitung: Ausprobieren ver-
rende Zug - ein in der Halle wartender Zug". schiedener Formen von Teilsatzen, z. B. ,,Einer
Spielen mit immer umfangreicheren Anschluss- geht jetzt zuro Tor, wir anderen warten hier" ge-
teilen: ,,die Fahrt in den Urlaub - die Reise in genüber ,,Einer geht jetzt zum Tor, wahrend wir
den Urlaub mit der ganzen Familie in dem klei- anderen hier warten", oder ,,Kornrnst du mit, so
nen Auto". Spielen mit den Moglichkeiten der freut es mich natürlich - Wenn du mitkornrnst,
Graduierung: ,,sehr wichtig, überaus beeindru- freut es mich natürlich - Es freut mich natürlich,
ckend - enorm teuer - viel zu kostspielig - drei wenn du mitkommst".
Minuten zu lang". Vergleiche mit den anderen Speziellere Begriffe: Nebensatze, die eine f'ó-
Sprachen, z. B. andere Stellungen der begleiten- raussetzung nennen für das Eintreten des im
den Adjektive im Englischen (,,a useful piece of Hauptsatz Dargestellten (,,Wénn das so ist, ... ");
information - a piece of information useful far Nebensatze für zeitliche Situierung (,,Als er mich
all members"), andere Stellungen der graduie- sah, ... "); N ebensatze, die einen Zweck mit einem
renden Teile (,,ganz neu, quite new", aber ,,eine Handeln nennen (,,Er tat das doch nur, urn Geld
ganz neue Losung - quite a new solution"). zu verdienen"); Nebensatze, die einen Grund für
Ertrage: Fordern des Überblicks über lange etwas nennen (,,Weil ich das weiB, ..."); Neben-
Satzglieder dieser Art (v. a. auch in Fachtexten) satze, die einen unwirksamen Gegengrund nen-
und damit Forderung des Verstehens. Tiefgang nen (,,Obwohl es schon spat ist, ..."); Nebensat-
der Betrachtung (Unterscheiden und Benennen ze, die das Eintreten von etwas Unerwartetem an
der verschiedenen Bestandstücke, Bedeutungs- Stelle des Erwarteten thematisieren (,,Er benahrn
beitrage der Einleitepronomen, speziell der ,,Ar- sich auBerst unhoflich, anstatt sich zu bedanken
rikel"), dem Alter und der Schulform angepasst. für die Hilfe. Er nahm alles ohne zu fragen.")
Relativsatze und ihre verschiedene Beziehung
9. 7 Bereich 7, Aujbau van Propositionenlclauses zuro Hauptsatz, zu dem sie gehoren, z. B. ,,Der
Punkt, urn den es geht- Wér rastet, (der) rostet -
Vertieftes Studium des Aujbaus der verbalen Ich tue, was du verlangst".
Propositionen/clauses aus Vérb + Satzgliedern. Ertrage: Genaueres Lesen, gewandteres eige-
In erster Linie: die Subjekte als besondere Satz- nes Schreiben, Einblick in besondere gedankli-
glieder. Sehr anspruchsvoll: die Falle in den ver- che Strukturen in Texten. Vergleichen der Struk-
schiedenen Satzgliedern, Formalstrukturen und turen in den Fremdsprachen mit denen in der ei-
436 Sprachbetrachtung und Grammatik
--
genen Sprache. Gefühl für die relative Wichtig- ne zentrale Aufgabe für kommende Arbeit in der
keit aller verwendeten Formalstrukturen. Didalctik der Grammatik - auch in Verarbeitung
ihrer ganzen bisherigen Geschichte. 11 Literatur
Für ein solches Arbeiten ist v. a. auch die wis-
9. 9 Bereich 9, verschiedene gedankliche Ebenen
senschaftliche Haltung wichtig. Der ganze Auf- Abraham, Wemer &.
Der ganze Bereich der angeführten Rede (,,repor- bau von Satzen und Teilsatzen im Rahmen des rezension über Hz:;.
ted speech"), zu sehen irn Rahmen der generellen Sprechens oder Schreibens sollte nicht als ein lehren lernen. ~
Bedeutungsbeziehungen ,,ein Akt des Sprechens, ,,Zusammenbauen" von fixen, primar formal ge- Deutschen". Zs. •
Denkens, Wollens, Beurteilens + dasjenige, was sehenen Bestandteilen aufgefasst werden (ge- tik 18, H. 3, 30-- .:-
gesagt, gedacht, gewollt, beurteilt wird", also wisserma!3en von ,,Baukli:itzen", nach graben Bauer, Friedrich. 1 ·
Darstellung auf verschiedener gedanklicher Ebe- ,,Satzmodellen", oder der Forme} ,,NP+VP"). deutschen Gr~
ne (Übersicht bei Glinz 2002, 207- 210). Was sich hier in den Ki:ipfen der Sprechenden stalten und zur -
Wege der Erarbeitung: Erstes Angehen schon bzw. Schreibenden abspielt, ist viel eher einAu.f Nordlingen.
sehr früh im Lesen, wenn im betreffenden Text rufen von zentralen Bedeutungsseiten, (zusam- Berkemeier, Anne
direlcte und indirelcte Rede vorkommen, mit der men mit den zugehi:irigen Lautungen und Schrei- Grammatik und
Frage ,,Verteilen auf zwei Vorlesende? Nur ein bungen), oft auch schon im Rahmen von ganzen feld.
Vorlesender?". Dann immer mehr Spielen mit Nominalphrasen und/oder ganzen verbalen Se- Bierwisch, Manfrec..
den besonders vielen verschiedenen Mi:iglich- mantemen, wie sie für das jeweils Darzustellen- schen Verbs. Be . ..:::.
keiten, die hier bestehen: ,Jch hore/habe gehort, de geeignet erscheinen - und dann schrittweise Boettcher, Wolfgar:,;
du bist krank gewesen/seist krank gewesen/dass ein Ausformulieren, sprechend oder schreibend, andere Grammat::1::
du krank gewesen bist - Du bist krank gewesen, mit demjeweils ni:itigen Grad der formalen Kor- Brinker, Klaus. 19- : -
wie ich hore/wie ich gehort habe" . rektheit. Ein Versuch, das sichtbar zu machen für Deutsch. Form c..:
Ausprobieren, wie man dasselbe durch eine ein kurzes Stück Text (aus ,,Don Juan oder die Duden. 1959. Gran::=:
positive Aussage und durch eine Verneinung dar- Liebe zur Geometrie" von Max Frisch, in deut- wartssprache. Hg.
stellen kann: Das istja gut - Das ist ja gar nicht scher, franzi:isischer, englischer und italienischer unter Leitung ,·o=:-
schlecht. Beobachten (im Zuge des genauen Le- Fassung), liegt vor in Glinz 1994, 914-929. Eisenberg, Peter &.
sens), was man mit einer Frage alles bezwecken Beim Verstehen (Hi:irverstehen wie Lesever- Grammatik-Wer'·
kann - z. B. einen scharfen Tadel: Was hast du stehen) lauft der Prozess dann umgekehrt: Aus H. 129, 14-26.
denn da wieder gemacht? (,,Man sieht ja, was den identifizierten Wi:irtem (erkannt auf Grund Erben, Johannes. 19:
der Getadelte gemacht hat, man müsste also gar ihrer Lautungen oder ihrer Schreibungen, in ih- matik. Ein AbriB. 3=
nicht fragen"). ren verschiedenen Positionen) werden die Be- Erlinger, Hans Diez _
Ertrage: Von der Zeichensetzung bei direlcter deutungsseiten und die ganzen semantischen Was haben wir , -e;;
und indirekter Rede über die Klarung des Ge- Strukturen, die v. a. durch die Verben gegeben Linguistische Be::-
brauchs der beiden Konjunlctive (dazu Glinz sind, im eigenen Kopf nachgebaut, und durch Be- Fourquet, Jean. 195~.
1994, 445-456) bis zu einem Stück Einblick, in zug auf die ganze eigene Kompetenz und die ge- Paris.
welcher Weise j ede natürliche Sprache immer samte eigene Situation wird ein Verstandnis ge- Glinz, Hans. 1947.
auch als ihre eigene Metasprache dient. wonnen. Aus einer solchen Gesamt-Perspelctive Lehre von den SE • ::i
heraus sollte dann auch alles Bewusstmachen von Grammatik. Bern. -
grammatischen Erscheinungen und Begriffen ge- 1952/6 1973. Die ==-
sehen werden, wie es oben skizziert wurde. Eine neue deutsd:~
10 Ausblick Wie solche grammatisch-didaktische Unter- 1965. Grundbegri::_
suchungen und Erprobungen organisiert werden zogenerText- und -~
Ein Gesamt-Aufriss der Mi:iglichkeiten gramma- ki:innten und mit welchen Teilbestanden (oder: 1973. Textanalyse
tischer Arbeit, wie er in Abschnitt 9 skizziert ist, Ausschnitten) aus dem Gesamtbereich der gram- Methodenbegrün~ :
vom 1. Schuljahr bis zum Abitur, ki:innte man- matischen Erscheinungen man am besten an- Wahrheitsfrage - ::::.:. a
chen Lehrer aus der Praxis erschrecken. Er soll fangt, wird sich erst bei der Arbeit zeigen. Es Frankfurt/M.
aber nicht etwa als ,,allgemeines Stoffpro- schiene mir aber eine Aufgabe, die jeden Einsatz 1978. Textanalyse
gramm" gesehen werden, sondern ist gedacht als lohnt, und auf Grund so gewonnener Ergebnisse Mit Texten erstreh2 :.-
eine Hilfe für den didaktischen Durchblick für ki:innten dann auch neue, haltbare Vorschlage für
die Lehrenden auf allen Stufen. Eine Konkreti- Ziele, Stoffverteilung und Terminologie irn
sierung für die verschiedenen Schuljahre (in den grammatischen Unterricht entwickelt werden.
verschiedenen Schulformen, mit dem verschie- als Ersatz für die unzureichende KMK-Liste von
denen Anteil von Fremdsprachen, v. a. aber mit 1982 (> Art. 35 sowie Berkemeier & Hoppe
vernünftiger Dosierung der Ansprüche, unter der 2001, 6--8).
standigen Frage ,,Was ist wie wichtig?") müsste
von hier aus entwickelt werden. Hier sehe ich ei-
Geschichte der Didaktik der Grarnmatik 437

Wi@ 1M &➔ ! 4 SEER' & HES, f samtkompetenz - Sprache, Zeit-Strukturie-


11 Literatur rung und Ich. Frankfurt/M.
- 1994. Grammatiken im Vergleich. Deutsch -
Franzosisch - Englisch - Latein. f.ormen, Be-
Abraham, Werner & Glinz, Hans. 1990. Doppel- deutungen, Verstehen. Tübingen.
rezension über Hans-Jürgen Heringer: ,,Lesen - 2002. Languages and Their Use in Our Life as
lehren lernen. Eine rezeptive Grammatik des Human Beings. A Theory of Speech and Lan-
Deutschen". Zs. f. germanistische Linguis- guage on a Saussurean Basis. Münster.
tik 18, H. 3, 307- 340. Glinz, Elly; Glinz, Hans & Ramseier, Markus.
Bauer, Friedrich. 1850. Grundzüge derneuhoch- 1997. Sprachunterricht, Theorie und Praxis,
deutschen Grammatik für hohere Bildungsan- Grundlagen zum Schweizer Sprachbuch. Zü-
stalten und zur Selbstbelehrung für Gebildete. rich.
Nordlingen. Haueis, Eduard. 1981. Grammatik entdecken.
Berkemeier, Anne & Hoppe, Almuth. 2001. Grundlagen des kognitiven Lernens im
Grammatik und Grammatikunterricht. Biele- Sprachunterricht. Paderborn.
feld. Hauser-Suida, Ulrike & Hoppe-Beugel, Gabrie-
Bierwisch, Manfred. 1963. Grarnmatik des deut- le. 1972. Die Vergangenheitstempora in der
schen Verbs. Berlin. deutschen geschriebenen Sprache der Gegen-
Boettcher, Wolfgang & Sitta, Horst. 1978. Der wart. München.
andere Grammatikunterricht. München. Heringer, Hans-Jürgen. 1978. Wort für Wort. In-
Brinker, Klaus. 1971. Das Passiv im heutigen terpretation und Grammatik. Stuttgart.
Deutsch. Form und Funktion. München. - 1988. Lesen lehren lernen. Eine rezeptive
Duden. 1959. Grarnmatik der deutschen Gegen- Grammatik des Deutschen. Tübingen.
wartssprache. Hg. von der Dudenredaktion Ivo, Hubert. 1975. Handlungsfeld Deutschunter-
unter Leitung von Paul Grebe. Mannheim. richt. Argumente und Fragen einer praxisori-
Eisenberg, Peter & Menzel, Wolfgang. 1995. entierten Wissenschaft. Frankfurt/M.
Grammatik-Werkstatt. Praxis Deutsch 22, Jager, Siegfried. 1971. Der Konjunktiv in der
H. 129, 14-26. deutschen Sprache der Gegenwart. München.
Erben, Johannes. 1958/ 11 1972. Deutsche Gram- Klotz, Peter. 1996. Grammatische Wege zur
matik. Ein AbriJ3. Berlín. Textgestaltungskompetenz. Theorie und Em-
Erlinger, Hans Dieter & Feilke, Helrnuth. 1983. pirie. Tübingen.
Was haben wir von Karl Ferdinand Becker? Koller, Wilhelm. 1983. Funktionaler Gramma-
Linguistische Berichte 87, 64- 98. tikunterricht. Tempus, Genus, Modus. Hanno-
Fourquet, Jean. 1952. Grammaire de l'allemand. ver.
Paris. Valtin, Renate. 2000. Rechtschreiben lernen in
Glinz, Hans. 1947. Geschichte und Kritik der den Klassen 1- 6. Grundlagen und didaktische
Lehre von den Satzgliedern in der deutschen Hilfen. Frankfurt/M.
Grarnmatik. Bern. Vesper, Wilhelm. 1980. Deutsche Schulgramma-
- 1952/ 6 1973. Die innere Form des Deutschen. tik im 19. Jahrhundert. Zur Begründung einer
Eine neue deutsche Grammatik. Bern. historisch-kritischen Sprachdidaktik. Tübin-
- 1965. Grundbegriffe und Methoden inhaltbe- gen.
zogener Text- und Sprachanlyse. Düsseldorf. Wurst, Raimund Jakob. 1836. Praktische
- 1973. Textanalyse und Verstehenstheorie I. Sprachdenklehre für Volksschulen und die
Methodenbegründung - soziale Dimension - Elementarklassen der Gymnasial- und Real-
Wahrheitsfrage - acht ausgeführte Beispiele. Anstalten. Reutlingen.
Frankfurt/M. Zifonun, Gisela; Hoffmann, Ludger & Strecker,
- 1978. Textanalyse und Verstehenstheorie 11. Bruno. 1997. Grammatik der deutschen Spra-
Mit Texten erstrebte Ertrage - Aufbau der Ge- che. 3 Bande. Berlín.
z;z

33. Entwicklung sprachlichen Wissens standlich hangt die ~


davon ab, welchen 3.c
heit man zugrundt>
und sprachlicher Bewusstheit gungen zur Entwic1-=
sen und sprachliche
Helga Andresen und Reinold Funke letzten Jahrzehntei:: •
wie implizites und -
bewusstes, prozeCÍl::""
sen beherrscht woré.e:; _
solche Unterscheit . :
gorien von Wissen -
leicht dazu, Spract;;;;
zugrunde liegendes -
sprachliches Wisse::
1 Metasprachliche Fahigkeiten, sprachliches thematisierten die Mütter die Frage, wer welche der gegenüberzuste:.=
Wissen und sprachliche Bewusstheit Handlungsrolle in einem spielerischen, kommu- sigen, dass in der sp::::
2 Sprachliches Wissen nikativen Ritual übernehmen sollte, sobald die Sprachproduktion, -.
3 Sprachliche Bewusstheit Kinder in der Lage waren, den Part des aktiY rungen von Sprache · __
4 Sprachliches Wissen und sprachliche Handelnden zu übernehmen und darnit die Zu- mit besteht die Ge:-
Bewusstheit schauerrolle, auf die sie vorher festgelegt waren. cher verschiedenec
5 Literatur zu ver!assen. Auf diese Weise vermitteln Er- Wissens als ein strik2,
wachsene Kindern die Erfahrung, dass in kom- pieren, was insbeson=;
munikativen Handlungen die Handlungsrollen ze gilt, die die Bec
strukturell komplementar und austauschbar sind. werbs für die Entstee:;,::
1 Metasprachliche Fahigkeiten, Da menschliche Kommunikation durch Dialogi- betonen (Wygotski ¡ o-=
zitat und darnit durch den Wechsel zwischen pro- 1985).
sprachliches Wissen und duktivem und rezeptivem Handlungspart cha-
sprachliche Bewusstheit rakterisiert ist, gehort die Erfahrung, dass die
Handlungsrollen nicht von vornherein festliegen 1.2 Sprachliches Wi.uc-
und daher verhandelbar sind, zu den grundlegen- und metasprac/1!:_
1.1 Metasprachliche Fahigkeiten und
kommunikative Praxis von Kindem und den Kommunikationserfahrungen. Rollen zu Wenn eine Áu8erum1
Jugendlichen verhandeln heiBt, sie zum Gegenstand metakom- ihrem Inhalt und ihre:-
munikativer Verstandigung zu machen. on nach - als metasp:z
Mitteilungen, die die Beziehungen zwischen den Wann und in welchen Handlungszusammen- kann, so zeigt ihr Ac
Kommunikationspartnem in einer Kommunika- hangen ontogenetisch erste metasprachlicl,i' weise an, dass die Ko
tionssituation zum Gegenstand haben und ange- Mitteilungen auftauchen, ist weit weniger kla=. lich Sprachliches als
ben, wie eine kommunikative Handlung gemeint Gerade im Hinblick auf die Entwicklung spracb- des Nachdenkens ma .,__
ist, sind metakommunikativ (Bateson 1983). licher Bewusstheit sollte aber auf jeden Fall da- von Aktivitaten, die a:::
Mitteilungen, die Sprache zum Gegenstand ha- von ausgegangen werden, dass Kinder bereits ic gen gerichtet sind, n::
ben, sind metasprachlich. Der Biologe und Kom- Kleinkind- und Vorschulalter verschiedene A5- pekt unterschieden w~-•-
munikationstheoretiker Bateson hat herausgear- pekte von Sprache zum Kommunikationsgegen- ratur mit zwei Termin:
beitet, dass Alltagskommunikation stets meta- stand machen. Dafür gibt es zahlreiche empir:- Der Ausdruck Spm:
kommunikative und metasprachliche Anteile sche Belege (3 .2.1 ). Dabei thematisieren Kinde: auf die Verfügbarkeit
enthiilt und dass dort - anders als in logischen bis in das beginnende Schulalter hinein vo:-- rung beim Sprachger?:
Kalkülen - Meta- und Objektebene faktisch mit- nehmlich handlungs-, inhalts- und sprecherbe- treten in der Regel ..::--
einander verflochten sind. Analytisch muss zogene Aspekte von Sprache statt Aspen werden als solche ni •
selbstverstandlich auch für Alltagskommunika- sprachlicher Form. Das ist beispielsweise de: merksamkeit der Ko
tion zwischen den beiden Ebenen differenziert Fall, wenn ein 4-jahriges Kind scheinbar unYe:- die Inhalte gerichtet is=.
werden. mittelt den Namen eines nach dem stadttyir..- zieren. Es ist nun eine -
Bezogen auf die ontogenetische Entwicklung schen Produkt des Hauptsponsors benannten ~- dass es besonders Kin~
hat Bruner gezeigt, dass Metakommunikation gelereignisses in Flensburg erklart: ,,Ich \\-e-_: aus der inhaltlichen O:::
bereits Teil der frühen Erwachsenen-Kind-Inter- jetzt, warum es Rurnregatta heiBt; weil die Scl::.:- belegen ÁuBerungen .,
aktion ist und von den Erwachsenen eingebracht fe da immer rumfahren." klasslers, der auf die F:=-_
wird, bevor das Kind selbst sprechen kann (Bru- In der Forschung besteht keineswegs Konse=.. _fállt" komme, antwor.r.:-
ner 19 87, dazu auch Brockmeier 1997, Andresen darüber, welche Phiinomene als Ausdruck , Iauft." (Bosch 1937 · -
ersch.). In den von Bruner analysierten Fallen Sprachbewusstheit zu deuten sind. Selbsn.c:- ·rnsstheit wird die Bcr-!'"
Entwicklung sprachlichen Wissens und sprachlicher Bewusstheit 439

standlich hangt die Entscheidung dieser Frage bezeichnet, sich aus der mit dem Sprachge-
davon ab, welchen Begriff von Sprachbewusst- brauch in der Regel verbundenen inhaltlichen
heit man zugrunde legt. Theoretische Überle- Sichtweise zu losen und die Aufmerksarnkeit auf
gungen zur Entwicklung von sprachlichem Wis- sprachliche Erscheinungen als solche zu richten.
sen und sprachlicher Bewusstheit sind in den Der Ausdruck sprachliches Wissen - hier aus-
letzten Jahrzehnten durch Begriffsdichotomien schlieBlich gebraucht im Sinn von metasprachli-
wie implizites und explizites, unbewusstes und ches Wissen - bezieht sich auf das AusmaB der
bewusstes, prozedurales und deklaratives Wis- Zuganglichkeit von sprachlichen Kenntnissen.
sen beherrscht worden (2 .1). Wenn man sich auf Sprecher bilden taglich korrekte Wortformen
solche Unterscheidungen verschiedener Kate- und Satze. Das legt nahe, dass ihnen umfangrei-
gorien von Wissen konzentriert, so führt das che Kenntnisse sprachlicher Regularitaten zu
leicht dazu, Sprachproduktion und -perzeption Gebote stehen. Sie vermogen diese aber nicht zu
zugrunde liegendes Wissen einerseits und meta- nutzen, wenn sie Fragen über sprachliche Kon-
sprachliches Wissen andererseits statisch einan- struktionen beantworten sallen. Ein Schüler et-
der gegenüberzustellen und dabei zu vernachlas- wa, der versucht, das Subj ekt eines Satzes mit
sigen, dass in der sprachlichen Handlungspraxis der Frage ,,Wer oder was kennst du?" (Brünner
Sprachproduktion/-rezeption und Thematisie- 1982) zu erfragen, zeigt eine charakteristische
rungen von Sprache gemeinsam auftreten. So- Orientierungslosigkeit, obwohl seine AuBerung
mit besteht die Gefahr, die Entstehung sol- belegt, dass er eigentlich ,,weiB", was das Sub-
cher verschiedenen Kategorien sprachlichen jekt ist, denn er flektiert das Verb ,,kennst" rich-
Wissens als ein striktes Nacheinander zu konzi- tig in Abhangigkeit vom Subjekt ,,du". Jedoch ist
pieren, was insbesondere für theoretischeAnsat- diese Kenntnis nur im Kontext des Sprechens
ze gilt, die die Bedeutung des Schriftspracher- nutzbar. Von (meta-)sprachlichem Wissen kann
werbs für die Entstehung von Sprachbewusstheit erst gesprochen werden, wenn sprachliche
betonen (Wygotski 1977, Olson 1986, Andresen Kenntnisse in unterschiedlichen Kontexten zu-
1985). ganglich sind.
Sprachbewusstheit bei Kindern und Jugendli-
1.2 Sprachliches Wissen, Sprachbewusstheit chen, die sich auBerhalb schulischer Zusammen-
und metasprachliche Fahigkeiten hange manifestiert, wird haufig den Kontexten
Spiel und - damit verbunden - Kritik zugeord-
Wenn eine AuBerung strukturell gesehen - d. h. net. Das gilt für den spielerischen Umgang mit
ihrem Inhalt und ihrer kommunikativen Funkti- Sprache im Vorschulalter (z. B. Andresen 1993,
on nach - als metasprachlich eingestuft werden Weisgerber 1994), für die Faszination von
kann, so zeigt ihr Auftreten nicht notwendiger- Grundschulkindern durch Sprachwitze und -rat-
weise an, dass die Kommunikationspartner wirk- sel (z. B. Sutton-Smith 1976, Hirsh-Pasek, Gleit-
lich Sprachliches als solches zum Gegenstand man & Gleitman 1978, Andresen & Januschek
des Nachdenkens machen. Der kognitive Aspekt 1995) bis hin zu Erscheinungsformen von Ju-
von Aktivitaten, die auf sprachliche Erscheinun- gendsprache (z. B. Neuland 1986, 1993a, Schlo-
gen gerichtet sind, muss vom strukturellen As- binski 1989) (3.2.1).
pekt unterschieden werden. Er wird in der Lite- Im schulischen Kontext - zumindest bezogen
ratur mit zwei Termini beschrieben. auf den Muttersprachunterricht - werden
Der Ausdruck Sprachbewusstheit bezieht sich Sprachbewusstheit und sprachliches Wissen
auf die Verfügbarkeit einer kognitiven Orientie- meist in einem relativ engen Sinn verstanden. In
rung beim Sprachgebrauch. Sprachliche Mittel der didaktischen Diskussion werden sie vorwie-
treten in der Regel ,,transparent" auf, d. h. sie gend mit zwei Bereichen des Deutschunterrichts
werden als solche nicht beachtet, da die Auf- verbunden: mit dem Schriftspracherwerb und
merksarnkeit der Kommunikationspartner auf dem Grammatikunterricht.
die Inhalte gerichtet ist, über die sie kommuni-
zieren. Es ist nun eine grundlegende Erfahrung,
dass es besonders Kindern sehr schwer fallt, sich 1.3 Metasprachliche Leistungen im
aus der inhaltlichen Orientierung zu losen. Das
Kontext van Schriftsprache
belegen AuBerungen wie etwa die eines Zweit- Schriftsprache fordert und fürdert sprachliche
klasslers, der auf die Frage, woher die Wortform Bewusstheit. Denn Schrift fixiert und visuali-
..füllt" komme, antwortet: ,,Wenn man zu schnell siert Sprache, indem sprachliche Einheiten
:auft." (Bosch 1937/1984, 82) Als Sprachbe- durch Schriftzeichen graphisch reprasentiert
;rnsstheit wird die Bereitschaft und Fahigkeit werden. Welche sprachlichen Einheiten den
440 Sprachbetrachtung und Grammatik

Schriftzeichen korrespondieren, hangt vom je-


weiligen Schriftsystem ab: In logographischen
che durch Pausen gegeneinander abgegrenzt sei-
en oder dass das Wort ,,Eimer" mit dem Laut [e]
beschriebene E.----...,.
dem sprachprak.::-_
Schriften steht ein Zeichen für ein Wort, in Sil- (statt korrekterweise mit [a]) beginne. Die nach- fig eine Zu2:ac.""
~·--"'II
benschriften für eine Silbe, in Alphabetschriften haltige Pragung der Vorstellungen über Sprache gegeben ist~ wf~
für ein Phonem. Darüber hinaus markieren die durch Schrift verweist auf die besondere Bedeu- sprachlicher Ac:::_
meisten alphabetischen orthographischen Syste- tung von Schriftsprache und deren Erwerb für Dienach Ch -
me auch andere sprachliche Einheiten als das sprachliche Bewusstheit und vermutlich auch für mentierte Kem:.=:.
Phonem, z. B. Worter durch Zwischemaume und sprachliches Wissen (2.2). oder implizit ~ ----.....
syntaktische Einheiten durch Interpunktion. N ach Annahme von Wygotski ( 1977, 229- 231) ne Kenntnis, die _- __ _
Der Erwerb einer Alphabetschrift fordert von kommt auch dem Grammatikunterricht eine Rol- ,jenseits der S:--"
den Lemenden, die Aufmerksarnkeit auf den le bei der Ausbildung von Sprachbewusstheit zu. wuBtheit" (Cho-..
lautlichen Aspekt von Sprache zu richten und Eine empirische Prüfung dieser Hypothese steht nahe, die Unte~
diesen gezielt zum Analysegegenstand zu ma- aus. Lemschritte, die in der praktischen Gestal- plizitem sprac~
chen. Das stellt an Schulanfünger betrachtliche tung von Grammatikunterricht vorgesehen sind, mit der von spraz-
neue Anforderungen; geht es doch nicht darum, sollten stets daraufüberprüft werden, wie weit sie cher Kenntnis. A :::
Sprache nach verschiedenen selbstbestimmten tatsachlich zur Ausbildung metasprachlicher Fa- nung von Wisser: ~
Aspekten zu thematisieren, sondem darum, nach higkeiten beitragen, ohne in reiner Vermittlung muliert werden k _
einem vorgegebenen Kriterium Sprache zu ob- von Terminologie zu enden. Folgendes Beispiel rakterisiert impEz.:.c
jektivieren und zu beurteilen. Das ist z. B. bei moge das verdeutlichen: Das Futur kann Schüler- namlich durch e;
solch scheinbar einfachen Aufgaben wie der, den innen und Schülem im Grammatikunterricht verbal wiederzu1::
Anlaut eines Wortes zu bestimmen, der Fall, und schlicht als Verbform vermittelt werden, die Nach Karmilo'::--
erfahrene Lehrkrafte wissen sehr wohl um die durch ,,werden" + Infinitiv gebildet wird. Dieses charakteristikum ::::;;;-
Schwierigkeiten solcher Aufgaben für Schulan- Vorgehen ist moglicherweise nicht untypisch für bereichsübergreife::..:..
fánger (3.2.2). Die für die Lautanalyse geforder- eine altere, auf ,,Einschleifen" setzende Form von nicht zur Verfügi.::: _
te Abstraktion vom Handlungs- und Inhaltsbe- Grammatikunterricht, konnte aber ein Grund sein Sinn der Befahir _
zug von Sprache lauft den Charakteristika der für die Entstehung der oben angesprochenen cha- einer sprachliche:: --
Sprach-Thematisierungen von Kindern im Vor- rakteristischen Orientierungslosigkeit mancher on) entwickelt si<±.
schul- und beginnenden Schulalter zuwider, die Schülerinnen und Schüler bei der Auseinander- Struktur zuverlass::: -
sich vomehmlich aufHandlungs- und Inhaltsas- setzung mit grammatischen Fragestellungen. Der mastery). Das ges:-;-
pekte richten (3.2.1). Unterricht kann stattdessen aber auch die Auf- rierung ihrer men~· --
Andererseits werden die Abstraktionsprozes- merksamkeit darauf richten, was die Verwendung tional redescriptior.
se, die mit den metasprachlichen Leistungen des Futurs in Kontrast zu der anderer Zeitformen sen einer ersten s_·
beim Schriftspracherwerb verbunden sind, durch im jeweiligen Kontext bedeutet: Diese Verbform führt. So hinnen e:,--:
den Aneignungsgegenstand Schriftsprache drückt stellenweise Zukünftiges aus, in noch wie ,,die" und ,,me:::.! -
selbst erleichtert. Denn im Gegensatz zur zeit- mehr Fallen jedoch Vermutungen, die sich auf korrekt verwenden.
lich-sequentiellen, flüchtigen Wahrnehmung ge- Gegenwartiges oder Zukünftiges beziehen, wobei Verhalten zu erkenc-
sprochener Sprache kann die fixierte, der visuel- der Zeitbezug erst durch explizite temporale An- haltene gemeinsan:e
len Wahrnehmung konstant zur Verfügung ste- gaben (etwa Adverbien) hergestellt wird. Ein solches Wissen -
hende geschriebene Sprache als Modell für bewusst noch einer a:_
Sprache dienen: Sie führt buchstablich vor Au- hig, es geht aber übe:--
gen, dass sprachliche AuBerungen in Einheiten Konnen hinaus, da ~
zergliedert werden konnen, und stellt beispiels- 2 Sprachliches Wissen hin isoliert für sich ir: ~
weise Worter als Folge von nacheinander artiku- men hergestellt worCl!::
lierten Lauten dar, die durch Buchstaben(folgen) 2.1 Begrifjliche Unterscheidungen Umstrukturierungen
reprasentiert werden. Die Lemenden konnen zite Formen sprach.::-
sich bei der Vergegenstandlichung und Analyse Sprecher formulieren in ihrer alltaglichen Kom- nachst durch Bewus ._
von Sprache, die erforderlich sind, um selbstan- munikationspraxis Satze, Horer interpretiere= lich auch durch die '.'
dig schreiben zu konnen, an geschriebener Spra- sie. Beides gelingt für einen Kernbereich sprach- Formulierung (leve[: ;:
che selbst orientieren. licher Strukturen ab einem Alter von 5 Jahre= Das Modell von Ka:_
Eine Folge davon ist, dass Schriftkundige so- weitgehend normentsprechend. Chomsky hat die- dass verschiedene G __
wohl ihre Vorstellungen darüber, was Sprache sei, se Fahigkeit als Kompetenz bezeichnet. Diese:- Wissen unterschiede::
als auch darüber, wie sprachliche Produktions- Begriff bringt die Annahme zum Ausdruck, dlE Gleichsetzung von in:,:
und Rezeptionsprozesse ablaufen, weitgehend sprachliche Fahigkeiten auf dem Innehaben einer schem und von explizf.c.
nach dem Vorbild der geschriebenen Sprache mo- Kenntnis beruhen. Im Folgenden wird der wec - Wissen wird dadurch ::: :
dellieren (Olson 1994, 75 f.) . Zum Beispiel glau- ger theoriegebundene Begriff der sprachprakc- Für Polanyi (1 966) :5"
ben viele, dass Worter in der gesprochenen Spra- schen Fiihigkeit gebraucht. Die zentrale, in L.: Chomsky und für K:::
Entwicklung sprachlichen Wissens und sprachlicher Bewusstheit 441

beschriebene Erfahrungstatsache lautet, dass mit nicht aufgrund der Art, wie es mental reprasen-
dem sprachpraktischen Konnen nicht zwangslau- tiert ist, sondern aufgrund seiner Funktion im
fig eine Zuganglichkeit sprachlicher Kenntnisse Prozess des Zustandekommens einer Erkennt-
gegeben ist, wie sie bei der Bearbeitung meta- nis. Wenn eine Kenntnis entsteht, so muss es dar-
sprachlicher Aufgabenstellungen erforderlich ist. in Elemente geben, welche als Hintergrundinfor-
Die nach Chomsky in der Sprachpraxis doku- mation (proximal term) dienen und die im Fokus
mentierte Kenntnis wird von ihm als still (tacit) der Aufinerksarnkeit stehende Information (dis-
oder implizit bezeichnet. Es handelt sich um ei- tal term) zuganglich machen. Insofern nimmt
ne Kenntnis, die nicht nur unbewusst ist, sondern Polanyi an, dass Wissen stets implizite Kompo-
,jenseits der Stufe [ ... ] selbst potentieller Be- nenten enthalten muss.
wuBtheit" (Chomsky 1969, 19) liegt. Das legt Mit der in der kognitiven Psychologie (Ander-
nahe, die Unterscheidung von implizitem und ex- son 1980) gebrauchlichen Unterscheidung von
plizitem sprachlichem Wissen gleichzusetzen prozeduralem und deklarativem Wissen wird an
rnit der von sprachpraktischer und metasprachli- die von Ryle (1949) vorgenommene Differenzie-
cher Kenntnis. Ausschlaggebend für die Einord- rung zwischen Konnen (knowing how) und Wis-
nung von Wissen als implizit ist dabei, ob es for- sen (knowing that) angeknüpft. Die verbreitete
muliert werden kann. Ein solches Kriterium cha- Gleichsetzung von sprachpraktischen Fahigkei-
rakterisiert implizites Wissenjedoch nur negativ, ten mit prozeduralem und metasprachlichen
namlich durch das Fehlen der Moglichkeit, es Kenntnissen mit deklarativem Wissen ist jedoch
verbal wiederzugeben. unberechtigt, da es auch prozedurales meta-
NachKarmiloff-Smith (1992) ist es das Haupt- sprachliches Wissen geben kann.
charakteristikum impliziten Wissens, dass es für Gombert (1990) hat die im franzosischen
bereichsübergreifende kognitive Operationen Sprachraum gelaufige Gegenüberstellung von
nicht zur Verfügung steht. Implizites Wissen im epilinguistischem und metalinguistischem Wis-
Sinn der Befáhigung zur richtigen Verwendung sen aufgegriffen. Er argumentiert, dass Aussa-
einer sprachlichen Struktur (leve!-! representati- gen, die ihrem Sinn nach Erkenntnisse über
on) entwickelt sich aber dann weiter, wenn diese sprachliche Strukturen zum Ausdruck bringen,
Struktur zuverlassig beherrscht wird (behavioral dennoch als bloBes Nebenprodukt ,,blinder", un-
mastery). Das geschieht durch eine Umstruktu- bewusster Prozesse sprachlicher Verarbeitung
rierung ihrer mentalen Darstellung (representa- zustande gekommen sein konnen. In diesem Fall
tional redescription), welche zu explizitem Wis- liegt nach ihm epilinguistisches, nicht aber me-
sen einer ersten Stufe (/evel-El representation) tasprachliches Wissen vor, da keine Information
führt. So konnen etwa 6-jahrige Kinder Worter bewusst und gezielt bereitgestellt wurde. Eine
wie ,,die" und ,,meine" nicht nur jeweils für sich solche Unterscheidung konnte analytisch auf-
korrekt verwenden, sondern sie geben durch ihr schlussreich, zugleich aber sprachdidaktisch ir-
Verhalten zu erkennen, dass sie das in beiden ent- reführend sein. Gerade Wissen über sprachliche
haltene gemeinsame Merkmal ,,Plural" erfassen. Einheiten, welches im Zuge unbefangener
Ein solches Wissen vom Typ level-El ist weder Sprachverarbeitung erzeugt wird und auf dieser
bewusst noch einer allgemeinen Formulierung fü- ,,aufsitzt", konnte, wie Kluge (1995) annimmt,
hig, es geht aber über ein blo13 sprachpraktisches für die Bewaltigung schriftsprachlicher Aufga-
Konnen hinaus, da Beziehungen zwischen bis da- ben hilfreich sein.
hin isoliert für sich in Gebrauch befindlichen For-
men hergestellt worden sind. Als Folge weiterer 2.2 Entwicklung sprachlichen Wissens
Umstrukturierungen entstehen zunehmend expli-
zite Formen sprachlichen Wissens, welche zu- Als Folge der Ausbildung der für den Schrift-
nachst durch Bewusstheit (level-E2) und schlieB- spracherwerb zentralen phonologischen Be-
lich auch durch die Moglichkeit einer verbalen wusstheit erwerben Kinder auch phonologisches
Formulierung (level-E3) gekennzeichnet sind. Wissen im Sinn eines zuverlassigen Wiederer-
Das Modell von Karmiloff-Smith schlieBt ein, kennens einzelner Phoneme (Naheres s. 3.2.2).
dass verschiedene Grade der Explizitheit von Wortschopfungen von Kindern wie ,,Bestim-
Wissen unterschieden werden konnen. Eine mer" für ,,Elternteil" (Augst, Bauer & Stein
Gleichsetzung von implizitem mit sprachprakti- 1977) sowie ihre Fahigkeit, Kunstworter zu flek-
schem und von explizitem mit metasprachlichem tieren (Berko 1958), zeigen, dass sie mit Mor-
Wissen wird dadurch in Frage gestellt. phemen als sprachlichen Einheiten operieren
Für Polanyi (1966) ist Wissen, anders als für konnen. Solche produktiven Fahigkeiten sind je-
Chomsky und für Karmiloff-Smith, implizit doch nicht gleichzusetzen mit morphologischem
442 Sprachbetrachtung und Grammatik

Wzssen im Sinn eines Erfassens morphologi- 3 Jabren berichtet. Nach Hakes (1980) kann da- tutive Segmente. E..
scher Zusammenhange. B ei Fragestellungen wie gegen eine systematische Beachtung des forma- ren wird bei solc~-
dem comes from-Test (,,Does the word , teacher' len Aspekts der Grammatikalitiit erst ab etwa Pronomen als e:_
come from any other word you know of?") und 6- 7 Jabren festgestellt werden. Tatsiichlich ist zu (Ferreira & Mor.:'=
der rnorphological production-Aufgabe (Zu beobachten, dass sowohl bei Aufgaben zur Gram- gen belegen ka, _
,,farm" ein passendes Wort bilden: ,,My uncle is matikalitatsbeurteilung als auch bei solchen zur schem Wissen ~
a _ _ _ _") zeigt sich vom Vorschulalter an Korrektur abweichender Satze von der Vorschul- denkbar, dass de: -
ein mit zunehmendem Alter schrittweise anstei- zeit bis in die Primarstufe hinein graduell wach- Ausbildung einer --
gender Anteil richtiger Léisungen, der im Fall sende Anteile richtiger Léisungen erreicht werden eine Schlüsselsre=:_
transparenter morphologischer Beziehungen bei und dass die Schwierigkeit der einzelnen Aufga- taktischen Wissei:s -
8-jabrigen Kindern 90 % erreicht (Fowler & Li- ben in groBem AusmaB vom Typ der syntakti- Sensibilitat für c.'!
berman 1995). Die Nutzung morphologischer schen Irregularitat abhangt. Die Ergebnisse von Wortern zeigt sic~
Beziehungen zum orthographisch richtigen Beurteilungsaufgaben sind verfálscht durch die jiihrige Kinder A::::'""'
Scbreiben wird in der Regel im Laufe der Pri- hohe Wabrscheinlichkeit einer richtigen Losung nen lernen, in Ah;:::::
marstufe erlernt, soweit es um Beziehungen auf aufgrund bloBen Ratens und durch eine Tendenz schen Verwenducc: _
der Ebene von Lexemen geht. Eine zuverlassige von Kindern, Grammatikalitat zu bejahen. Die µ:
ein Adj ektiv inte1 !'
orthographische Kennzeichnung grammatischer Aussagekraft von Korrekturaufgaben wird da- tegorie von Wéine:::.
Morpheme, deren Identifikation von einem Er- durch beeintrachtigt, dass sie bei bestirnmten Ty- fenschüler spoma::..
fassen des syntaktischen Kontexts abhangt, ge- pen von Irregularitat (Wortstellungsfehler) hohe gaben aufgeforde::
lingt Scbreibern dagegen bis in die Sekundarstu- Anforderungen an das Arbeitsgedachtnis stellen schiedene Stapel
fe hinein in vielen Fallen nicht. Generell gibt es und die metasprachlichen Fahigkeiten deshalb geringerem Ausc:_
vermutlich eine groBe interindividuelle Variabi- vermutlich unterschiitzen, bei anderen Typen 1970). Beide Beo::'~ ::::11
litat morphologischen Wissens (Freyd & Baron (Kongruenzfehler) aber aufgrund einer Neigung Hinweis auf synr;,:.~
1982). Obwohl die Untersuchung von Freyd & gerade jüngerer Kinder, die Irregularitat bereits ten im Sinn eines '1,-
Baron für einen Zusammenhang zwischen dem bei der bloBen Wiederholung des vorgegebenen von Wéirtern in ve:-s.:.::.
morphologischen Wissen von Schülerinnen und Satzes spontan richtig zu stellen, die im engeren tet werden. Nunes..
Schülem und ihrer Fiihigkeit zum Erlernen neu- Sinn metasprachlichen Fahigkeiten überschatzen versuchten, mir H;__
er Wéirter spricht, ist es doch bemerkenswert, (vgl. Gaux & Gombert 1999). (,,anger:angry - st:e:._
dass Lerner offensichtlich nur sebr begrenzt von Insbesondere bedürfte es theoretischer Vor- artkenntnis von P:::::=
expliziten, von auBen gegebenen Hinweisen auf stellungen darüber, aufgrund welcher kognitiven prüfen und stellteo -
die morphologische Struktur von Wortern profi- Prozesse Kinder Aufgaben zur Beurteilung und quoten fest. Diese ....\::
tieren, welche sie neu erwerben müssen. Korrektur grammatisch abweichender Siitze lo- tet allerdings vern:::::..::!.:
Aus den bescbriebenen Befunden zum mor- sen, um ein Bild davon zu gewinnen, in welchem syntaktisches Wisse::.
phologischen Wissen folgt, dass mit dem in der AusmaB diese Aufgaben Rückschlüsse auf syn- Texte von Schü:_
alltaglichen Sprachproduktion und -rezeption taktisches Wissen zulassen. Gombert (1997) gen, dass diese bere=..
enthaltenen lexikalischen Zugriff nicht eine nimmt an, dass Kinder Siitze zuniichst als un- fe in erheblichem l -
Identifikation von Wéirtern gegeben sein muss. grammatisch beurteilen aufgrund einer relath· von Textmustem ,·e:;;.-
Die Erkenntnis, dass zwei in unterschiedlichen zum gegebenen Kontext oder zur bestehenden fern kann aus den s-_
Kontexten enthaltene Wortformen zu ,,demsel- Sprechsituation empfundenen Abweichung (dis- mündlichen wie sch:- -
ben" Wort gehoren, stellt ein Ergebnis des Erfas- sonance). Im Laufder Zeit bilden sie eine Kennt- keiten von Kinderc -
sens eines w iederkebrenden Elements als einer nis von mit sprachlichen Einheiten fest verbun- AusmaB unzureiche::d..
Einheit der Sprachverarbeitung dar. Es ist darum denen prototypischen Gebrauchskontexten aus. werden. Eine Kem·-
fraglich, ob Untersuchungen, welche explizite die sie fortan als Standard nutzen kéinnen. Die -sorten ist nicht nur :::;
begriffliche Vorstellungen von Kindern darüber Léisung von Beurteilungsaufgaben wird dami: auch für die Rezep~
zu erheben suchen, was ein Wort als eine seg- vom aktuell bestehenden Kontext unabhangig. tung (etwa für die · e:__
rnentale Einheit sprachlicher Texte ist (Ber- Gomberts beilaufig formulierte Annahmen kéin- und Kommentar). J
thoud-Papandropoulou 1978), diejenigen Kennt- nen kaum als endgültig betrachtet werden, legec Aufgabe empirisd:-
nisse erfassen, welche Kinder beim sprachprak- aber nahe, dass Grammatikalitatsbeurteilungec Kenntnis unabhiingig
tischen Hande ln aktualisieren. auf verschiedenen Wegen zustande komme::: ten zu erfassen.
Haufig eingesetzte Verfahren zur Untersu- kéinnen, von denen einer in der Tat sprachliches
chung metasprachlichen syntaktischen Wzssens Wissen im Sinn fester, ,,kristallisierter" und kog-
sind Aufgaben zur Beurteilung der Grammatika- nitiv zugiinglicher Kenntnis einschlieBt.
litiit von Satzen Uudgment) oder zur Richtigstel- Bereits Vorschulkinder führen, wenn sie auf-
lung syntaktisch abweichender Satze (correc- gefordert werden, ,,ein bisschen" von einem ge- Der Erfolg des G ~
tion). Ansatze für zutreffende Grammatikalitiits- héirten Satz wiederzugeben, mit hoherer Wahr- Vermittlung sprachl: ·-
beurteilungen werden schon für das Alter von scheinlichkeit Konstituenten an als nicht-kons::- schiedlich beurteilt v.
Entwicklung sprachlichen Wissens und sprachlicher Bewusstheit 443

tutive Segmente. Erst ab einem Alter von 7 Jah- Wesdorp (1983) sprechen zum Ende der Primar-
ren wird bei solchen Aufgaben ein satzinitiales stufe in den Niederlanden durchgeführte Ab-
Pronomen als eigene Konstituente behandelt schlusstests dafür, dass der muttersprachliche
(Ferreira & Morrison 1994). Diese Feststellun- Grammatikunterricht seine Ziele dort im We-
gen belegen kaum die Existenz von syntakti- sentlichen erreiche. Eine in der franzéisischspra-
schem Wissen über Satzstrukturen. Es ist aber chigen Schweiz durchgeführte Untersuchung
denkbar, dass der in ihnen deutlich werdenden von Kilcher-Hagedorn, Othenin-Girard & de
Ausbildung einer Kenntnis syntaktischer Worter Weck (1987) ist hinsichtlich der globalen Eva-
eine Schlüsselstellung in der Entwicklung syn- luation sehr zurückhaltend, belegt aber immer-
taktischen Wissens zukommt. hin über die Klassenstufen 2- 6 hinweg eine sig-
Sensibilitat für die syntaktische Kategorie von nifikante Zunahme der Fahigkeit zur expliziten
Wortern zeigt sich daran, dass schon 2- bis 3- grammatischen Klassifikation nach Wortarten
jahrige Kinder Ausdrücke, welche sie neu ken- und nach syntaktischen Funktionen. Das in der
nen lernen, in Abhangigkeit von ihrer syntakti- Literatur verbreitete Unbehagen an den Ergeb-
schen Verwendung etwa als ein Nomen oder als nissen des Grammatikunterrichts ist vermutlich
ein Adjektiv interpretieren. Die lexikalische Ka- darin begründet, dass das Wissen, welches dieser
tegorie von Wéirtern berücksichtigen Primarstu- vermittelt, als Konglomerat (Kilcher-Hagedorn
fenschüler spontan, wenn sie ohne weitere Vor- u. a. 1987) erscheint, das einen wenig systemati-
gaben aufgefordert werden, Wortkarten in ver- schen oder verallgemeinerungsfáhigen Charak-
schiedene Stapel zu sortieren, allerdings in ter tragt und nur in speziellen Zusammenhangen
geringerem AusmaB als Erwachsene (Anglin reproduziert werden kann.
1970). Beide Beobachtungen kéinnen nicht als In der Tat stellt sich die Frage, in welchem
Hinweis auf syntaktisches Wissen über Wortar- AusmaB das im Grammatikunterricht erworbene
ten im Sinn eines Wiedererkennens der Funktion abtestbare Wissen überhaupt sprachliches Wis-
von Wortern in verschiedenen Kontexten gewer- sen in dem Sinn darstellt, dass es ein wirkliches
tet werden. Nunes, Bryant & Bindman (1997) Erfassen sprachlicher Strukturen einschlieBt und
versuchten, mit Hilfe einer Analogieaufgabe nicht nur auf der mehr oder weniger geschickten
(,,anger:angry - strength:_~~~") die Wort- formalen Handhabung erlernter, ihrem Sinn
artkenntnis von Prirnarstufenkindern zu über- nach aber nicht verstandener Klassifikationspro-
prüfen und stellten dabei recht geringe Erfolgs- zeduren beruht. Um diese Frage beantworten zu
quoten fest. Diese Art von Aufgabenstellung tes- kéinnen, bedürfte es der Überprüfung dieses
tet allerdings vermutlich eher lexikalisches als Wissens mit Hilfe von empirischen Verfahren,
syntaktisches Wissen. welche nicht zur Anwendung derartiger Proze-
Texte von Schülerinnen und Schülern bele- duren veranlassen und die darurn ohne Bezug
gen, dass diese bereits zu Beginn der Primarstu- auf schulgrammatische Terrninologie auskom-
fe in erheblichem Umfang über eine Kenntnis men müssen. Ein früher Ansatz in dieser Rich-
rnn Textrnustern verfügen (Dehn 1999). lnso- tung (Wittwer 1959) ist von der Sprachdidaktik
fern kann aus den stellenweise unzureichenden bisher kaum aufgegriffen worden.
mündlichen wie schriftlichen Textbildungsfáhig- Eine amerikanische Untersuchungstradition
keiten von Kindern nicht auf ein im gleichen hat sich insbesondere mit den Auswirkungen
.-\usmaB unzureichendes Textwissen geschlossen grammatischer Unterweisung auf die Qualitat
werden. Eine Kenntnis von Textrnustern und schriftlicher Sprachproduktionen befasst. Zu-
-sorten ist nicht nur für die Produktion, sondern sammenfassende Resümees dieser Untersu-
:mch für die Rezeption von Texten von Bedeu- chungen (Braddock, Lloyd-Jones & Schoer
:ung (etwa für die Unterscheidung von Nachricht 1963, Tordoir & Wesdorp 1979, Hillocks 1984)
:md Kommentar). Jedoch stellt es eine offene gelangen zu dem Fazit, dass die Teilnahme von
Aufgabe empirischer Forschung dar, diese Schülerinnen und Schülern an einem Gramma-
~enntnis unabhangig von Textbildungsfáhigkei- tikunterricht traditioneller Art keinen Beitrag zur
:en zu erfassen. Verbesserung ihrer Schreibprodukte erbringt.
Auch auf den Schreibprozess, insbesondere die
:,.3 Die Entwicklung sprachlichen Wissens und Überarbeitung oder Revision von Texten, wirkt
der Grammatikunterricht sich grammatische Instruktion demnach nicht
nachweisbar fürdernd aus. Es scheint angebracht
:::>er Erfolg des Grammatikunterrichts bei der zu sein, übergroBen Erwartungen an die Wirk-
·;ermittlung sprachlichen Wissens ist unter- samkeit des Grammatikunterrichts im Blick auf
;..:hiedlich beurteilt worden. Nach Angaben von die Verbesserung konzeptionellen Schreibens
...,
444 Sprachbetrachtung und Grammatik

mit Vorsicht zu begegnen. Allerdings ist denkbar, spricht in diesem Zusammenhang unter Anknüp- schiedenen Grü::±:
dass die in der amerikanischen Tradition verfolg- fung an Bühler (1982) vom sympraktischen mene zum ~
te Fragestellung zu global und die dort vorausge- Sprachgebrauch. Kleine Kinder nehmen Spra- werden, ohne ~
setzten Vorstellungen von Grammatikunterricht che als Teil dieses Kontextes wahr. Sprachliche liegt, Sprache g~
zu eingeengt sind. In einer deutschen Untersu- Bezeichnungen von Gegenstanden beispielswei- zum Reflexionsoc
chung kommt Klotz (1996) zu dem Ergebnis, se werden als Eigenschaften der Gegenstande scheidung soll ,: ::_
dass ein als Sprachangebotsunterricht konzi- und nicht als eigenstandige Einheiten verstan- Prozesse der To~
pierter Grammatikunterricht die schriftliche den, weil die Kinder Wort und Gegenstand nicht Sprache, die beu:: .:
Produktion von Schülerinnen und Schülern hin- voneinander abgrenzen und daher das Wort nicht dig sind, zu di6
sichtlich bestimmter Variablen durchaus positiv zum Reflexionsgegenstand machen konnen. Formen spontacc:-
beeinflusst, und zwar im Sinn eines bewussten Sprache wird genutzt, um Intentionen zu ver- sondere für Spra '--
Verfügens über Formulierungsvarianten. wirklichen und Bedeutungen auszudrücken, Kindern im Vorsc:·
Im Blick auf die schriftliche Sprachrezeption, kommt aber nicht als Gegenstand sui generis in Problem bleibt ~
also das Lesen, sprechen Untersuchungen dafür, den Blick. die unter aktuelle ..:
dass die Lesefühigkeiten sich bis in die Sekun- Sprachliche Bewusstheit ist für Wygotski werden, mit der -. _
darstufe hinein weiterentwickeln und dass dabei zentral mit der Fahigkeit verbunden, Sprache ge- Unterscheidung i:.::.:.::
morphologisches und syntaktisches Wissen zu-
nehrnende Bedeutung gewinnt. In diesen Unter-
zielt, willentlich (in Wygotskis Terminologie
,,willkürlich") zum Gegenstand der Aufmerk-
den, obwohl sie
sein scheinen.
=--- -
suchungen wird der Leseprozess als solcher al- sarnkeit machen und somit die eigene Bewusst- Ossner (1989)
lerdings gar nicht erfasst. Es ist daher denkbar, seinstatigkeit gezielt steuern zu konnen. Ent- schen Auseinande:-.-
dass sie die tatsachliche Bedeutung metasprach- sprechend definiert er Bewusstwerdung als eine weiter gehené?
lichen Wissens für die Qualitat von Leseprozes- ,,Bewu13tseinsakt, dessen Gegenstand die Be- Sprachthematisier_
sen nicht einmal in vollem Umfang spiegeln. wul3tseinstatigkeit selbst ist" (Wygotski 1977, keit vor. Von Sprc::..
Einflüsse des Grammatikunterrichts darauf sind 205). Bewusstwerdung von Sprache setzt also dann, wenn Kind~
für Aktivitaten wie das Bearbeiten von Satz- voraus, dass Sprache aus der Komplexitii.t der Mitteln (Formen.
Anagrammen (Weaver 1979) und das Herstellen Sprechsituation herausgelost und unabhangig nehrnen und diese e-::.
von Satzverbindungen (sentence combining, Ne- von den Bedingungen der aktuellen Handlungs- nes Diskurses ma=.:.::
ville & Searls 1985, Wilkinson & Patty 1993) situation nach bestimmten Kriterien zum Gegen- Sprache, sondern e'.
empirisch untersucht worden. stand des Denkens werden kann. Um dies an ei- des meinen, beispie:._
nem Beispiel zum frühen Schriftspracherwerb dem Kind vertrame -
zu illustrieren: Der Anlaut des Wortes /maus/ ist merksamkeit richte:
unabhangig von den Sprechhandlungssituatio- ein sprachliches Pi:!:;:::
3 Sprachliche Bewusstheit nen, in denen das Wort gebraucht wird, stets /rn/. zu Recht auf ein P::o.;
und das Wort wird, da ein Substantiv, groJ3 ge- der empirischen A:::..
3.1 Begriffsklarnng: Sprachbewusstheit, schrieben, auch wenn das dadurch bezeichnete sprachlicher Bewu.ss;.
linguistic awareness, Bewusstwerdung von Tier zu den kleinen Lebewesen gehort. sollte: Inwiefern To
Sprache, eigentliche Bewusstwerdung Clark (1978) kommt das Verdienst zu, in ei- Formen und Funktio.::i?:C
nem Forschungsüberblick empirische Phanome- che und nicht durch :-,
Das zur Debatte stehende Forschungsfeld ist ne, die mit entstehender Sprachbewusstheit zu- te oder durch Sprac~
nach wie vor durch grol3e begriffliche und termi- sammenhangen konnten, im Überblick darge- Gegenstand haben.
nologische Heterogenitat gekennzeichnet. stellt und in einer Entwicklungsperspektive Brockmeier (199-
Wygotski raumt der Kategorie der Bewusst- diskutiert zu haben. Ihre Arbeit hat der damals Sprachbewusstheit IC:.:.
werdung eine zentrale Bedeutung für seine Be- beginnenden wissenschaftlichen Auseinander- ter Sprachbewussthe::
wusstseins- und Entwicklungstheorie ein (Wy- setzung mit Sprachbewusstheit wichtige Impul- sprochene Phanome::.
gotski 1977, Lurij a 1993, Brockmeier 1997). se gegeben. In Übereinstimmung mit der ein- sprachlicher und me=:
Seiner Annahrne zufolge umfasst das menschli- schlagigen englischsprachigen Literatur verwen- der Diskurse, in die , ·
che Bewusstsein verschiedene Funktionen wie det sie die Termini awareness of language und bunden sind, mit de:: :
z. B. Wahrnehmung, Gedachtnis, Sprache und linguistic awareness mit gleicher Bedeutung. Objektebene, die den
Denken, die, wenn sie einen gewissen Reifegrad Andresen (1985) schlagt auf der Grundlage ne bilden, zusamme::...
erreicht haben, einen Prozess der Bewusstwer- von Wygotski und Leont'ev (1975) eine Diffe- spricht dagegen weit~
dung durchlaufen konnen. renzierung in eigentliche Bewusstwerdung unri von Sprachbewussth~ _
Der frühe Sprachgebrauch des Kindes ist da- aktuelle Bewusstwerdung von Sprache vor. De:- für Brockmeier eng ,
durch charakterisiert, dass Sprache eng verfloch- erste Begriff entspricht dem der Bewusstwer- spracherwerb. Wahre-:..,_
ten ist mit dem nichtsprachlichen, d. h. gegen- dung bei Wygotski; der zweite bezieht sich au.:- mit oraler sprachliche:- -
standlichen und handlungsmal3igen Kontext in solche Falle der Thematisierung von Sprache_ ner metasprachlicher - ~
der aktuellen Sprechsituation. Lurija (1967) bei denen in bestimmten Situationen aus ver- Veranderungen hin z-..:
Entwicklung sprachlichen Wissens und sprachlicher Bewusstheit 445

schiedenen Gründen heraus sprachliche Phiino- Wesentlichen auf den praktisch-manipulativen


mene zum Gegenstand der Aufmerksarnkeit Umgang mit Schrift beim Schreiben- und Lesen-
werden, ohne dass dem die Fiihigkeit zugrunde lernen zurück. Indem die Kinder Sprache beim
liegt, Sprache gezielt und situationsübergreifend Schreiben in den Griff bekommen, wird ih-
zum Reflexionsobjekt zu machen. Diese Unter- nen deren Zeichencharakter bewusst. Wahrend
scheidung soll v. a. eine Moglichkeit schaffen, sprachliche Bewusstheit implizit und intuitiv
Prozesse der Thematisierung und Analyse von bleibt, ist sprachliches Bewusstsein an explizite,
Sprache, die beim Schriftspracherwerb notwen- reflexive und begriffiiche Metasprache gebun-
dig sine!, zu differenzieren von verschiedenen den.
Formen spontaner Sprachreflexion, die insbe-
sondere für Sprachspiele und -kommentare von
K.indern im Vorschulalter berichtet werden. Als 3.2 Empirische Untersuchungen zur
Problem bleibt dabei bestehen, dass Prozesse, Entstehung sprachlicher Bewusstheit
die unter aktuelle Bewusstwerdung subsumiert Empirische Untersuchungen, die relevant sind
werden, mit der vorgeschlagenen begriffiichen für die Erforschung der Entstehung sprachlicher
Unterscheidung nicht weiter differenziert wer- Bewusstheit, bilden unter methodischen Ge-
den, obwohl sie insgesamt recht heterogen zu sichtspunkten ein recht heterogenes Forschungs-
sein scheinen. feld: tagebuchartige Aufzeichnungen über Kom-
Ossner (1989) schlagt im Rahmen einer kriti- mentare, Erkliirungen, Fragen von Kindern
schen Auseinandersetzung mit Andresen ( 1985) unterschiedlichen Alters zu sprachlichen Phiino-
eine weiter gehende Differenzierung zwischen menen, systematische Beobachtungen und Ton-
Sprachthematisierung und Sprachaufmerksam- bandaufzeichnungen von Kindern in ihnen ver-
keit vor. Von Sprachthematisierung spricht er trauten Milieus und Experimente mit Kindem
dann, wenn K.inder an bestimmten sprachlichen unter Laborbedingungen. Der besseren Über-
Mitteln (Formen, Ausdrucksweisen) AnstoB sichtlichkeit willen konzentrieren wir uns in un-
nehmen und diese entsprechend zum Thema ei- serer Darstellung auf zwei inhaltlich verschiede-
nes Diskurses machen, aber eigentlich nicht ne Forschungsfelder, um an ihnen exemplarisch
Sprache, sondern etwas sich darin Ausdrücken- charakteristische Merkmale entstehender
des meinen, beispielsweise einen VerstoB gegen Sprachbewusstheit herauszuarbeiten. Das ist
dem K.ind vertraute soziale Normen. Sprachauf- zum einen der spielerische Umgang mit Sprache
merksamkeit richtet sich dagegen in der Tat auf unter Einschluss von Sprachwitzen und -ratseln,
ein sprachliches Phanomen. Ossner macht damit zum anderen die Fahigkeit zum manipulieren-
zu Recht auf ein Problem aufmerksam, das bei den Umgang mit der Lautstruktur sprachlicher
der empirischen Analyse von Manifestationen Einheiten, die unter dem Begriff phonologische
sprachlicher Bewusstheit stets beachtet werden Bewusstheit zusammengefasst wird und im Zu-
sollte: Inwiefern Thematisierungen sprachlicher sammenhang von Forderprogrammen für die
Formen und Funktionen auch tatsachlich Spra- Voraussetzungen zum Schriftspracherwerb pa-
che und nicht durch Sprache ausgedrückte Inhal- dagogisch und didaktisch von Bedeutung ist.
te oder durch Sprache erzielte Wirkungen zum
Gegenstand haben.
3.2.1 Sprachspiele, -witze und -ratsel
Brockmeier ( 1997) unterscheidet zwischen
Sprachbewusstheit und Sprachbewusstsein. Un- Es gibt zahlreiche eher anekdotenhafte Berichte
ter Sprachbewusstheit fasst er das in 1.1 ange- über den spielerischen Umgang von K.indem mit
sprochene Phanomen der Verflechtung meta- Sprache. Für unsere Darstellung stützen wir uns
sprachlicher und metakommunikativer Anteile vornehmlich auf einige systematische Untersu-
der Diskurse, in die K.inder von klein auf einge- chungen, die alle dem angelsachsischen Sprach-
bunden sine!, mit den Diskursanteilen auf der raum entstammen: Garvey (1978), Hirsh-Pasek
Objektebene, die den Gegenstand der Metaebe- u. a. (1978), Sutton-Smith (1976) und Weir
ne bilden, zusammen. Sprachbewusstsein ent- (1962). Bei der Darstellung differenzieren wir
spricht dagegen weitgehend Wygotskis Begriff nach Alter (K.inder vor der Einschulung und Kin-
von Sprachbewusstheit. Dessen Entstehung ist der nach der Einschulung) und linguistischer
für Brockmeier eng verknüpft mit dem Schrift- Ebene, der die spielerischen Aktivitaten jeweils
spracherwerb. Wahrend er Sprachbewusstheit zugeordnet werden konnen.
mit oraler sprachlicher - und darin eingebunde- Als früheste Beispiele spielerischen Umgangs
ner metasprachlicher - Praxis verbindet, führt er mit Sprache werden Lautvariationen genannt,
Veranderungen hin zu Sprachbewusstsein im die bereits Anfangsstadien des Spracherwerbs
2Q

446 Sprachbetrachtung und Grammatik

begleiten (Weir 1962, Clark 1978). Mit Ausnah- gebauten Wortern und fügen jeweils eine Erkla- besondere der S¡-.
me der Einschlafdialoge von Keenans Zwillings- rung hinzu: ,,Weil's auch fischig ist", ,,Weil's Fi- bestirnmten Rh, -;._
sohnen handelt es sich dabei um Monologe sche hat", ,,Und schlangig ist es auch, weil es Kinder die Aufre.::t:_
(Keenan 1979). Die Daten von Weir und Clark Schlangen hat, und barig ist es auch, weil es Ba- den Struktur dialoc:;.
wurden in Situationen erhoben, in denen die ren hat", ,,Und es[ ... ] ist hütig, weil es Hüte hat" gen sicherstellen. ~
Kinder alleine waren. Jedoch stellt Garvey (Garvey 1978, 89). und schaffen soc:: :
( 1978) fest, dass auch die Kinder in ihrem Da- Semantische Aspekte werden relativ haufig Bruch anderer ·
tencorpus, das aus Videoaufnahmen vonjeweils zurn Gegenstand von Sprachspielen. Die Kinder Spiels ist.
zwei miteinander interagierenden Kindern be- in Garveys Untersuchung fanden gro/3es Vergnü- Die bislang refe:,-
steht, lautliche Spiele vorwiegend monologisch gen daran, lustige Eigennamen (Mr. Poop, Mrs. dern im Kleinkin<i-
vollzogen, im Gegensatz zu anderen Sprachspie- Fingernail) und Nonsense-Texte zu erfinden. tet. Sutton-Smith (: -
len. Ein Komikeffekt entsteht für die Kinder auch da- (1978) befassten s:--
Rhythmisch strukturierte Variationen lautli- durch, dass in Texten semantisch nicht Zusam- ton-Smith erfragte c...
cher Strukturen unter Einschluss von Reimen mengehoriges kombiniert wird, etwa in dem lern der ersten 8 ,,. -
sind charakteristisch für Kinderlieder und -verse Brief eines Madchens an einen erfundenen Ad- haufigsten Witze °' -~ -
und werden somit früh Bestandteil auch interak- ressaten, den sie bittet, ihr einen Fleischklops auf dem Spiel mi! ii
tiven Handelns, haufig verbunden mit Finger- und Windpocken zu bringen. Dabei werden Be- rend die jüngeren :
spielen und gegenstandlichem Handeln (Sutton- zeichnungen für einen konkreten Gegenstand, fanden die alteren e:,e:
Smith 1976, Haueis 1985, Bruner 1987). Im Vor- der als Nahrungsmittel eher wünschenswert ist, sprachlichen Poinlc'i:.
schulalter beginnen viele Kinder mit Versuchen, und für eine Krankheit, die nicht wünschenswert bei Drittklasslem a:=.
Reimworter zu finden. ist, syntaktisch gleichgeordnet und in Beziehung unseren Beobachn::;_
Für den spielerischen Umgang mit grammati- zurn Verb gesetzt, so dass der Eindruck entstehen Kinder dieser Alte:s=-'
schen Strukturen ergibt sich ein relativ heteroge- kann, dass beide Dinge auf der gleichen Ebene Gefallen finden, h2- -=- _
nes Bild. Weirs 2-jahriger Sohn variierte in sei- liegen. zahlen des Witzes d.:~ ~
nen Einschlafmonologen ÁuBerungen, indem er Um ein von Garvey nicht beobachtetes, aber Im Experiment ,
syntaktische Einheiten gegeneinander ersetzte, sonst haufig berichtetes Spiel (Andresen 1985, um die Fahigkeit rn::
was Clark als Anzeichen von Sprachbewusstheit 1993) mit Wortbedeutungen handelt es sich bei 12 Jabren, die Poin~
deutet. In informellen Berichten über Sprach- den sog. Umbenennungsspielen, in denen Lau- fassen. Grundsatzlié:
kommentare von Kindern im Vorschulalter sind tung und Bedeutung von Wortern ausgetauscht gehen, dass ein Kinc ::_
auch Belege für Kommentare über grammati- und wie eine Geheimsprache gebraucht werden standen hat, wenn es -
sche Einheiten und Strukturen enthalten (zur kri- (Gabel bedeutet ,,Messer", Messer bedeutet chen Kinder über an,. •
tischen Auseinandersetzung s. Ossner 1989). ,,Loffel" usw.). Diese Spiele sind meist mit expli- Erwachsene. Um her--'--
Andererseits stellte Garvey bei ihren Aufnah- ziten Kommentaren verbunden, die zu Anfang jeweils den Witz \" .
men von insgesamt 48 Kindern im Alter zwi- die neuen Zuordnungen bekannt geben. Hirsh-Pasek u. a. die ~
schen 2;10 und 5;7 Jahren kaum Spiele fest, die Spiele mit dem pragmatischen Aspekt von rüber. Sie stellten fes:.
sich auf grammatische Strukturen richteten. Die Sprache sind in Garveys Material zahlreich. Be- Verstehen von Sprac2::-
wenigen Beispiele, die ihr Material liefert, be- sonders beliebt und von allen an der Untersu- der Kinder abhangt ú
ziehen sich auf Wortbildungsmuster, indem die chung teilnehmenden Kindern gespielt war der linguistischen Ebene .=_
Kinder aus ihnen bekannten Substantiven wie absichtliche Bruch der Konvention, Wider- Die jüngsten Prob~
,,bear" im Englischen mogliche, aber nicht lexi- spruch gegen eine Behauptung des Gesprachs- verstanden keinen eicz:_
kalisierte Adjektive wie ,,beary" ableiteten. partners begründen zu müssen. Dass die Kinder 10 Jahren, verstande:: :
Nachdem sie diese Moglichkeit entdeckt hatten, das absichtlich und nicht einfach aus Unkenntnis gigste erwiesen sich v.~ .._
spielten sie sie mit gro/3em Vergnügen für eine heraus taten, schlie/3t Garvey daraus, dass sie rnantischer Mehrdem:~
Reihe von Wortern durch. Die Erfindung von deutliche Zeichen von Spa/3 und Amüsemec beim Spiel mit H~
Neologismen, die nach den grammatischen Re- zeigten und dass sie in anderen Situatione:: Schwierigkeiten hattc
geln der jeweiligen Sprache gebaut sind, ist Be- durchaus die Konvention einhielten. die das Morphem als ~
standteil des Spracherwerbs von Kindern (z. B. Charakteristisch für die spielerischen Interak- der Scherzfrage: ,,We~.:_
die Bildung des Verbs ,,klavieren" analog zu tionen in Garveys Material ist, dass sie rituaE- ren? Der Globus." Die -
,,geigen" und ,,floten"). Damit füllen die Kinder siert sind. Der rituelle Charakter liegt nicht in de:- noch, wenn phonologis..· ..;.
zufállige Lücken im Sprachsystem, weil sie die Wiederholung bekannter Handlungsablaufe. zukommen.
konventionellen Bezeichnungen noch nicht ken- vielmehr erfinden die Kinder, die sich teilwei~ Mit Sprachbewuss-i.::t=
nen. Die Kinder in Garveys Untersuchung insze- vor den Aufnahmen nicht kannten, ihre Spiele ::: Witze deshalb in Bezi -
nieren ihre Wortschopfungen jedoch als Spiel; der aktuellen Situation. Die Ritualisierung Ji~ sprachlichen Pointen e:::.r
sie belustigen sich über ihre Ableitungen und er- in der rhythmischen Struktur und in bestimmte:: :.ichen Áu/3erung erforck::-:
finden nicht im Gesprach einzelne gerade beno- Abfolgen von Wiederholung und Variation df'.: über die automatisierte :
tigte Worter, sondern bilden Reihen von analog unmittelbar vorausgegangenen Handlung. les- cher ÁuJ3erungen hinal.5:-
Entwicklung sprachlichen Wissens und sprachlicher Bewusstheit 447

besondere der Sprecherwechsel wird in einem nannten Scherzfrage z. B. muss das Wort ,,Glo-
bestimmten Rhythmus durchgeführt. Indem die bus" in Silben zerlegt und die zweite Silbe als
Kinder die Aufrechterhaltung der grundlegen- Lexem ,,Bus", mit dem sie zufállig lautgleich ist,
den Struktur dialogischer sprachlicher Handlun- reinterpretiert werden. Damit wird ein vollig
gen sicherstellen, zeigen sie ihre Kooperativitat willkürlicher, inhaltlich nicht motivierter Zu-
und schaffen somit eine sichere Basis für den sammenhang konstruiert, der es erfordert, Laut-
Bruch anderer Konventionen, der Inhalt des und Bedeutungsseite des Wortes zu trennen und
Spiels ist. die Lautung neu zu interpretieren.
Die bislang referierten Spiele wurden bei Kin-
dern im Kleinkind- und Vorschulalter beobach-
tet. Sutton-Smith (1976) und Hirsh-Pasek u. a. 3.2.2 Sprachbewusstheit und Voraussetzungen
(1978) befassten sich mit alteren Kindern. Sut- für den Schriftspracherwerb:
ton-Smith erfragte die Lieblingswitze von Schü- ,,phonologische Bewusstheit"
lern der ersten 8 Klassen und stellte fest, dass am Der Erwerb einer alphabetischen Schrift erfor-
haufigsten Witze genannt wurden, deren Pointen dert es, Wi:irter in Laute zu segmentieren. Die
auf dem Spiel mit Homonymen beruhen. Wah- praktische Beherrschung der Lautstruktur der ei-
rend die jüngeren Kinder Ratsel bevorzugten, genen Sprache ist nicht mit der Fahigkeit zur be-
fanden die alteren eher an Witzen Gefallen. Auf wussten Lautanalyse verbunden; diese Fahigkeit
sprachlichen Pointen beruhende Ratsel standen muss gesondert erlernt werden. Bekannte und
bei Drittklasslern am hochsten im Kurs. Nach bewahrte Verfahren im Anfangsunterricht wie
unseren Beobachtungen kommentieren gerade z. B. Silbenklatschen, Anlautanalyse oder auch
Kinder dieser Altersgruppe Witze, an denen sie der Einsatz von Lautgebarden dienen dazu, die
Gefallen finden, haufig, indem sie nach dem Er- Kinder auf die Lautseite von Wi:irtern hin zu ori-
zahlen des Witzes die Pointe erklaren. entieren und Wi:irter als Ketten von aneinander-
Im Experiment von Hirsh-Pasek u. a. ging es gereihten Lauten begreifbar zu machen.
um die Fahigkeit von Kindern zwischen 6 und Empirische Untersuchungen haben nachge-
12 Jahren, die Pointen von Sprachwitzen zu er- wiesen, dass Fahigkeiten von Vorschulkindern
fassen. Grundsatzlich darf man nicht davon aus- zur gezielten Manipulation der Lautung von
gehen, dass ein Kind die Pointe eines Witzes ver- Wi:irtern - un ter dem Begriff der phonologischen
standen hat, wenn es über ihn lacht. Haufig la- Bewusstheit zusammengefasst - mit spateren
chen Kinder über andere Aspekte des Witzes als Leistungen beim Lesen- und Schreibenlernen
Erwachsene. Um herauszufinden, wie das Kind positiv korrelieren (Mann & Liberman 1984,
jeweils den Witz verstanden hat, verwickelten Mann 1991, Bryant, MacLean, Bradley & Cross-
Hirsh-Pasek u. a. die Kinder in Gesprache da- land 1990, Lundberg, Frost & Petersen 1988,
rüber. Sie stellten fest, dass die Fahigkeit zum Lundberg & H0jen 1991 , Sawyer 1991 , Velluti-
Verstehen von Sprachwitzen sowohl vom Alter no & Scanlon 1987, Bus & van Ijzendoorn
der Kinder abhangt als auch davon, auf welcher 1999). Die Identifizierung von Reimen ist für
linguistischen Ebene die Pointe angesiedelt ist. Vorschulkinder am einfachsten, die Segmentie-
Die jüngsten Probanden, die 6- und 7-jahrigen, rung eines Wortes in Phoneme am schwierig-
verstanden keinen einzigen Witz, die altesten, ab sten. Die Identifikation des Wortanlauts liegt im
1O Jahren, verstanden alle Witze. Als eingan- mittleren Bereich. Lundberg untersuchte in einer
gigste erwiesen sich Witze, deren Pointen auf se- in Danemark durchgeführten Langzeitstudie die
mantischer Mehrdeutigkeit beruhen, wie z. B. Frage, ob solche Fahigkeiten vor der Einschu-
beim Spiel mit Homonymen. Die gri:iJ3ten lung trainierbar sine!, so dass die Voraussetzun-
Schwierigkeiten hatten die Kinder mit Witzen, gen von Schulanfángern für den Schriftspracher-
die das Morphem als Einheit zersti:iren, wie in werb verbessert werden ki:innten (Lundberg u. a.
der Scherzfrage: ,,Welcher Bus kann nicht fah- 1988). Schneider adaptierte das danische Mate-
ren? Der Globus." Die Schwierigkeit erhi:iht sich rial für das Deutsche und führte eine entspre-
noch, wenn phonologische Veranderungen hin- chende Langzeitstudie durch. Beide Untersu-
zukommen. chungen kommen zu dem Ergebnis, dass phono-
Mit Sprachbewusstheit werden Ratsel und logische Bewusstheit trainierbar ist und dass mit
Witze deshalb in Beziehung gebracht, weil die der Durchführung eines F i:irderprogramms im
sprachlichen Pointen eine Reanalyse der sprach- letzten Jahr vor der Einschulung die Lese- und
lichen ÁuJ3erung erfordern - eine Leistung, die Schreibleistung in den ersten Schuljahren ver-
über die automatisierte Dekodierung sprachli- bessert werden kann (Schneider, Roth, Küspert
cher ÁuJ3erungen hinausgeht. Bei der oben ge- & Ennemoser 1998, Schneider, Roth & Ennemo-

448 Sprachbetrachtung und Gramrnatik

ser 2000). Die günstigsten Wirkungen eines den Spracherwerb im engeren Sinn hinausge-
Die Entwickl:--=
Trainings werden dann erzielt, wenn die Übun- henden Lernprozessen eigens ausgebildet wer- sprachlicher Be\\.-:_ _
gen zur Manipulation und Analyse von Lauten den.
ein didaktisch hoc"-
verbunden werden mit Übungen zur Laut-Buch- Dabei spielt das schulische Lernen vermutlich geht dabei um , -
staben-Zuordnung (Bus & van Ijzendoorn 1999, eine groBe Rolle. Das gilt zunachst für den
Schneider u. a. 2000). und Jugendlichei: ::..=
Schriftspracherwerb, aber auch für den daran an-
Lernvorgange im
Bine Bielefelder Forschungsgruppe unter Lei- schlieBenden Prozess der Ausbildung einer lite-
eben dieser Unte::- -
tung von Skowronek hat untersucht, ob sich raten Sprachlichkeit und einer reflexiven Ein-
setzt die Entwick.:_ .
durch Tests im vorschulischen Bereich - die v. a. stellung zu sprachlichen Erscheinungen. Ver-
v. a. für den Bere:t:'.-:. _
Aufgaben zur phonologischen Bewusstheit ent- schiedene Hinweise sprechen dafür, dass der
reflexion die Ke =
halten - Probleme beim Schriftspracherwerb Prozess des Erwerbs metasprachlicher Leistun- Wechselwirkunger.-
vorhersagen lassen, sich also sog. Risikokinder gen sich bis in die Sekundarstufe und darüber hi- ven, kognitiven ~
erkennen lassen (Skowronek & Marx 1989). Auf naus fortsetzt. So sind für das Jugendalter Wei-
der Basis der Langzeituntersuchung zu dieser xis moglich sind. - -
terentwicklungen in der Nutzung morphologi- die Ausarbeitung =...
Frage wurde das Bielefelder Screening als ein scher Beziehungen beim Schreiben (Carlisle
sowohl den Vora~
Testverfahren zur Früherkennung moglicher 1988, Guyon 1997) sowie in der Übersicht über auch den didaktisci:i::
Probleme beim Lesen- und Schreibenlernen ent- für die Komrnasetzung relevante Satzstrukturen
wickelt. Da Schneider u. a. (2000) nachweisen chen, von Bedeun.::::""
(Afflerbach 1997) belegt worden. Am Beispiel
konnten, dass das von ihnen entwickelte Forder- der Antworten von Linguisten auf sprachliche
programrn auch bei Risikokindern greift, liegen Beurteilungsaufgaben zeigen Snow & Meijer
mit der Kombination des Screening und der an- ( 1977), dass noch die berufliche Professionali-
schliefienden gezielten Forderung der Fahigkei- sierung im Erwachsenenalter das metasprachli-
5 Literatur
ten zur Lautmanipulation Instrumente zur Be- che Verhalten zu beeinflussen scheint. Eine
Afflerbach, Sabine_ :
kampfung von Lernschwierigkeiten im An- weitere Erforschung der Entwicklung meta-
Kommasetzung l ._ -
fangsunterricht vor, die in der Bundesrepublik sprachlicher Fahigkeiten im Jugend- und Er-
zunehmend eingesetzt werden. jahr. Eine emp~
wachsenenalter muss als wichtiges Desiderat
Anderson, John R. l
Trotz der zahlreichen empirischen Untersu- gelten.
NewYork.
chungen zur phonologischen Bewusstheit sind Sprachbewusstheit und sprachliches Wissen,
Andresen, Helga. : :
u. E. die theoretischen Fragen, welche Fahigkei- wie sie im vorliegenden Artikel verstanden wer-
ten den getesteten Prozessen zugrunde liegen und die Entstehi::;:_
den, müssen als wesentliche Komponenten me- Opladen. -
und welcher Art diese Prozesse eigentlich sind - tasprachlicher Leistungen betrachtet werden.
1993. Sprachspie:~
ob es sich um phonologische Sprachverarbei- Metasprachliche Leistungen als Ganze erschop-
der SprachbewuB~
tungsprozesse oder um andere kognitive Vorgan- fen sich jedoch nicht darin, und sie beruhen
berg, Peter & K.10.:2..
ge und Fahigkeiten handelt -, nach wie vor un- moglicherweise auch gar nicht auf einer oder
brauchen - Sprach
geklart. Damit ist auch unklar, welche Art zwei homogenen Fahigkeitsdimensionen. Gera- 119- 134.
sprachlichen Wissens bei den Test- und Forder- de für den Deutschunterricht ist ,,die Auspra-
ersch. Interaktion. :
programrnen aktiviert wird. gung bewusstgemachter und reflektierter
Funktion des Rolle::;::
Sprachfahigkeiten, sprachbezogener Kenntnisse
wicklung im Vorsc:_._
und Einstellungen" (Polz 2000, 7) im umfassen-
& Januschek, Franz.
den Sinn von Interesse. Wenn etwa die Frage de, len: SprachbewuB
4 Sprachliches Wissen und Geschlechtsneutralitat von Personenbezeich-
Deutsch 22, H. 132- ::
nungen zur Diskussion steht oder wenn Heran-
sprachliche Bewusstheit Anglin, Jeremy. 1970. T-
wachsende jugendsprachliche Mittel nutzen, un: ing. Cambridge, M25..;
sich von Erwachsenen abzugrenzen, so komm: Augst, Gerhard; Baue:-. _
Metasprachliche und metakommunikative Ele- zum Ausdruck, dass sprachliches Verhalten als
1977. Grundwortsc=-=::-
mente sine!, wie eingangs dargestellt, in sprachli- Mittel zur Darstellung sozialer Identitat diec:
sche Untersuchunge:: -
cher Kommunikation stets prasent. Das ist struk- und in dieser Funktion aufinerksam beobachte: lexikalischen struk
turell bedingt. Bereits mit dem Spracherwerb wird. Sprachbewusstsein in einem solchen um-
schatzes. Tübingen.
sind Kinder somit hineingenomrnen in eine fassenden Sinn ist nicht nur ein kognitives, son-
Bateson, Gregory. 1983. =
komrnunikative Praxis, die Vorgange des Bezug- dern auch ein kulturelles Phanomen, d. h., es is:
und der Phantasie. ~
nehmens auf sprachliche Einheiten einschliefit.
Das besagt jedoch noch nichts hinsichtlich der
das Bewusstsein einer Gruppe von Menschen..
die soziale Erfahrungen teilen. Nach Neulanc::
Geistes. Frankfurtn.L =-
Berko, Jean. 1958. Toe -
Frage, in welcher Weise sie kognitiv auf diese (1993b, 1994) bieten gerade die angesprochene=
lish morphology. Wo:-.: -
Gegebenheit reagieren und ob sie bewusst mit B ereiche von Sprachkritik und Jugendspracb~ Berthoud-Papandropoul
ihr umgehen. Metasprachliche Leistungen als Anknüpfungspunkte für die Sprachreflexion e
perimental study of ci::.:........
kognitive Prozesse müssen in gesonderten, über Deutschunterricht.
guage. In: Sinclair, Jar
Entwicklung sprachlichen Wissens und sprachlicher Bewusstheit 449

Die Entwicklung sprachlichen Wissens und Bosch, Bernhard. 1937/1984. Grundlagen des
sprachlicher Bewusstheit ist jedoch schon in sich Erstleseunterrichts. Frankfurt/M.
ein didaktisch hoch relevantes Thema. Denn es Braddock, Richard; Lloyd-Jones, Richard &
geht dabei um Voraussetzungen von Kindern Schoer, Lowell. 1963. Research in written
und Jugendlichen für zentrale Lerninhalte und composition. Urbana, Ill.
Lernvorgange im Deutschunterricht, an denen Brockrneier, Jens. 1997. Literales Be,vu.Btsein.
eben dieser Unterricht anknüpfen muss. Zudem Schriftlichkeit und das Verhaltnis von Sprache
setzt die Entwicklung angemessener Lernziele und Kultur. München.
v. a. für den Bereich Sprachbetrachtung/Sprach- Bruner, Jerome. 1987. Wie das Kind sprechen
reflexion die Kenntnis der Beziehungen und lernt. Bern.
Wechselwirkungen voraus, die zwischen reflexi- Brünner, Gisela. 1982. ,,Wer oder was kennst
ven, kognitiven Prozessen und sprachlicher Pra- du?" Probleme des Grammatikunterrichts in
xis moglich sind. SchlieBlich ist das Thema für der Grundschule. In: Detering, Klaus &
die Ausarbeitung methodischer Verfahren, die Schrnidt-Radefeld, Wolfgang (Hg.): Sprache
sowohl den Voraussetzungen der Lernenden als beschreiben und erklaren. Band 1. Tübingen,
auch den didaktischen Zielsetzungen entspre- 136-146.
chen, von Bedeutung. Bryant, P. E.; MacLean, M.; Bradley, L. L. &
Crossland, J. 1990. Rhyme and alliteration,
phoneme detection, and learning to read.
Developmental Psychology 26, No. 3,
5 Literatur 429-438.
Bühler, Karl. 1982. Sprachtheorie. Die Darstel-
Aftlerbach, Sabine. 1997. Zur Ontogenese der lungsfunktion der Sprache. Stuttgart.
Kornmasetzung vom 7. bis zum 17. Lebens- Bus, Adriana G. & van Ijzendoorn, Marinus H.
jahr. Eine empirische Studie. Frankfurt/M. 1999. Phonological awareness and early rea-
Anderson, John R. 1980. Cognitive psychology. ding: A meta-analysis of experimental trai-
NewYork. ning studies. Journal of Educational Psycho-
Andresen, Helga. 1985. Schriftspracherwerb logy 9 1, 403-414.
und die Entstehung von SprachbewuBtheit. Carlisle, Joanne F. 1988. Knowledge of deriva-
Opladen. tional morphology and spelling ability in
- 1993. Sprachspiele als Fenster zu entstehen- fourth, sixth, and eigth graders. Applied Psy-
der SprachbewuBtheit bei Kindern. In: Eisen- cholinguistics 9, 247- 266.
berg, Peter & Klotz, Peter (Hg.): Sprache ge- Chomsky, Noam. 1969. Aspekte der Syntax-
brauchen - Sprachwissen erwerben. Stuttgart, Theorie. Frankfurt/M.
119- 134. Clark, Eve. 1978. Awareness oflanguage: Sorne
ersch. Interaktion, Sprache und Spiel. Zur evidence from what children say and do. In:
Funktion des Rollenspiels für die Sprachent- Sinclair, Jarvella & Levelt, 17-44.
wicklung im Vorschulalter. Tübingen. Dehn, Mechthild. 1999. Texte und Kontexte.
- & Januschek, Franz. 1995. Mit Sprache spie- Schreiben als kulturelle Tatigkeit in der
len: Sprachbewul3theit - Sprachkritik. Praxis Grundschule. Berlín.
Deutsch 22, H. 132, 23-27. Ferreira, Fernanda & Morrison, Frederick J.
Anglin, Jeremy. 1970. The growth ofword mean- 1994. Children's metalinguistic knowledge of
ing. Cambridge, Mass. syntactic constituents. Developmental Psy-
Augst, Gerhard; Bauer, Andrea & Stein, Anette. chology 30, 663- 678.
1977. Grundwortschatz und Ideolekt. Empiri- Fowler, Arme E. & Liberman, Isabelle Y. 1995.
sche Untersuchungen zur semantischen und The role of phonology and orthography in
lexikalischen Struktur des kindlichen Wort- morphological awareness. In: Feldman, Lau-
schatzes. Tübingen. rie B. (ed.): Morphological aspects of lan-
Bateson, Gregory. 1983. Bine Theorie des Spiels guage processing. Hillsdale, N.J., 157- 188.
und der Phantasie. In: ders.: Ókologie des Freyd, Pamela & Baron, Jonathan. 1982. Indivi-
Geistes. Frankfurt/M., 241- 261. dual differences in acquisition of derivational
Berko, Jean. 1958. The child's learning of eng- morphology. Journal of Verbal Learning and
lish morphology. Word 14, 150--177. Verbal Behavior 21, 282-295.
Berthoud-Papandropoulou, Ioanna. 1978. An ex- Garvey, Catherine. 1978. Spielen. Stuttgart.
perimental study of children 's ideas about lan- Gaux, Christine & Gombert, Jean Emile. 1999.
guage. In: Sinclair, Jarvella & Levelt, 55- 64. La conscience syntaxique chez les préadole-

450 Sprachbetrachtung und Grammatik

scents: question de méthodes. I;Année psy- awareness and phonological segmentation. In: Polz, Marianne. : .
chologique 99, 45-74. Sawyer & Fox, 73-95. tion als Ausdr.: -
Gombert, Jean Emile. 1990. Le développement Lurija, Aleksandr R. 1967. Die Entwicklung der lichkeit sehen. ==.
métalinguistique. París. Sprache und die Entstehung psychischer Pro- zu rhetorischec -
- 1997. Metalinguistic development in first- zesse. In: Hiebsch, Hans (Hg.): Ergebnisse mündlichen ,__·,n::-----.
language acquisition. In: Lier, Leo van & Cor- der sowjetischen Psychologie. Berlín, 165- und 1988. Ein
son, David (eds. ): K.nowledge about language. 316. am 4. Mai 200: ·
Dordrecht, 43- 51. 1993. Romantische Wissenschaft. Forschun- 7-16.
Guyon, Odile. 1997. Acquisition de l'ortho- gen im Grenzbezirk von Seele und Gehim. Ryle, Gilbert. 1~ :- -
graphe du CEl a la Se: Les morphogrammes Reinbek b. Hamburg. don.
grammaticaux s et nt. La Linguistique 33, Mann, Virginia. 1991. Phonological awareness Sawyer, Diane J. : -
23-40. and early reading ability: One perspective. In: and function o:
Hakes, David. 1980. The development of meta- Sawyer & Fox, 191- 215. ties: In search o:-
linguistic abilities in children. New York. - & Liberman, Isabelle Y. 1984. Phonological & Fox, 97- 126.
Haueis, Eduard. 1985. Sprachspiele und die di- awareness and verbal short-term memory. - & Fox, Barbru-z :
daktische Modellierung von Wissensstruktu- Journal ofLearning Disabilities 17, 592-599. awareness in rea:::
ren. In: Stotzel, Georg (Hg.): Germanistik - Neuland, Eva. 1986. Jugendsprachen im gesell- perspectives.. ·_
Forschungsstand und Perspektiven. Vortrage schaftlichen Wandel. Ein Beitrag zur Ge- Schlobinski, Pete::.
des Deutschen Germanistentages 1984. Ber- schichte der Jugendsprachen und ihrer Erfor- Herr Tropfmarr::
lín, 658- 667. schung. Der Deutschunterricht 38, H. 4, einsetzen ?" E.u=;;
Hillocks, George. 1984. What works in teaching 52- 73. Sprechstils. In:
composition. A meta-analysis of experimental - 1993a. SprachbewuBtsein und Sprachvariati- (Hg.): Thema .:_
treatrnent studies. American Journal of Edu- on. In: Klotz, Peter & Sieber, Peter (Hg.): Vie- Beitrage zur Sp:---:
cation 93, 133- 170. lerlei Deutsch. Umgang mit Sprachvarietaten Schneider, Wolfoa::=
Hirsh-Pasek, Kathy; Gleitman, Lila & Gleitman, in der Schule. Stuttgart, 173- 191. tra & Ennem~
Henry. 1978. What did the brain say to the - 1993b. Reflexion über Sprache. Reforman- langfristige E::'
mind? A study of the detection and report of satz und uneingelostes Problem der Sprachdi- sprachlichen ~
ambiguity by young children. In: Sinclair, Jar- daktik. In: Bremerich-Vos, Albert (Hg.): bei unterschie~
vella & Levelt, 97-132. Handlungsfeld Deutschunterricht im Kontext. funde einer Sek--
Karmiloff-Smith, Annette. 1992. Beyond modu- Festschrift für Hubert Ivo. Frankfurt/M., lungspsycho!O!ú -
larity. Cambridge, Mass. 85- 101. logie 30, 26-39.
Keenan, Elenor O. 1979. Gesprachskompetenz - 1994. Vielfaltiges Deutsch und die eigene - Roth, Ellen & ~r-. ~......._.
bei Kindem. In: Martens, Karin (Hg.): Sprache. Anmerkungen zurn Lemziel ,Refle- ning phonologiCZ.:
Kindliche Kommunikation. Theoretische xiver Sprachgebrauch'. Informationen zur in children at risl
Perspektiven, empirische Analysen, metho- Deutschdidaktik 18, H. 4, 28-41. of three kindeH!..!:
dologische Grundlagen. Frankfurt/M., 168- Neville, Donald D. & Searls, Evelyn E. 1985. Journal of ~
201. The effect of sentence-combining and kernel- 284-295.
Kilcher-Hagedorn, Helga; Othenin-Girard, identification training on the syntactic com- Sinclair, Anne; Jan
Christine & de Weck, Genevieve. 1987. Lesa- ponent of reading comprehension. Research lem J. M. (eds.). :--
voir grammatical des éleves. Frankfurt/M. in the Teaching ofEnglish 19, 37- 61. of language. N~ ·~
Klotz, Peter. 1996. Grammatische Wege zur Nunes, Terezinha; Bryant, Peter & Bindman, Mi- Skowronek, Helmc .....
Textgestaltungskompetenz. Theorie und Em- riam. 1997. Morphological spelling strate- Bielefeld longin- ~
pirie. Tübingen. gies. Developmental stages and processes. cation of risks :::
Kluge, Wolfhard. 1995. Vermutungen über ein Developmental Psychology 33, 637-649. Theoretical backz--
rechtschriftliches Zaunkonigwissen. Grund- Olson, David R. 1986. The cognitive conse- Brambring, Mic~
schulunterricht 42, H. 4, 4-7. quences of literacy. Canadian Journal of Psy- Skowronek, He~
Leont'ev, Aleksej A. 1975. Psycholinguistische chology 2, 109- 121. Assessment, lona--
Einheiten und die Erzeugung sprachlicher - 1994. The world on paper. The conceptual anc vention. Berlín, i •
ÁuBerungen. Berlín. cognitive implications of writing and reading.
Lundberg, Ingvar; Frost, J0rgen & Petersen, Ole- Cambridge.
Peter. 1988. Effects of an extensive program Ossner, Jakob. 1989. Sprachthematisierung -
for stimulating phonological awareness in Sprachaufmerksamkeit - Sprachwissen. In:
preschool children. Reading Research Quar- Haueis, Eduard (Hg.): SprachbewuBtheit une
terly 23, 263- 284. Schulgrammatik. Osnabrück, 25-38.
& fü,jen, Torleiv. 1991. Initial enabling knowl- Polanyi, Michael. 1966. The tacit dimensioo.
edge and skills in reading acquisition: Print NewYork.
Entwicklung sprachlichen Wissens und sprachlicher Bewusstheit 451

Polz, Marianne. 2000. Mündliche Kommunika- Snow, Catherine & Meijer, Guus. 1977. On the
tion als Ausdrucksmittel der eigenen Persi:in- secondary nature of syntactic intuitions. In:
lichkeit sehen. In: Heidrich, Theodor: Wege Greenbaum, Sydney (ed.): Acceptability in
zu rhetorischem Bewusstsein. Positionen zur language. The Hague, 163- 177.
mündlichen Kommunikation zwischen 1976 Sutton-Smith, Brian. 1976. A developmental
und 1988. Ein Rückblick. Zum 75. Geburtstag structural account of riddles. In: Kirshenblatt-
am 4. Mai 2000 hg. von M. Polz. Flensburg, Gimblett, Barbara (ed.): Speech play. Re-
7- 16. search and resources for studying linguistic
Ryle, Gilbert. 1949. The concept of mind. Lon- creativity. Philadelphia, 111-119.
don. Tordoir, Anne & Wesdorp, Hildo. 1979. Het
Sawyer, Diane J. 1991. Inquiry into the nature grammatica-onderwijs in Nederland. Een re-
and function of auditory segmentation abili- searchoverzicht betreffende de effecten van
ties: In search ofthe roots of reading. In: dies. grammatica-onderwijs en een verslag van een
& Fox, 97- 126. onderzoek naar der praktijk van dit onderwijs
- & Fox, Barbara J. (eds.). 1991. Phonological in Nederland. s'Gravenhage.
awareness in reading. The evolution of current Vellutino, Frank R. & Scanlon, Donna M. 1987.
perspectives. New York. Phonological coding, phonological aware-
Schlobinski, Peter. 1989. ,,Frau Meier hat Aids, ness, and reading ability: Evidence from a
Herr Tropfrnann hat Herpes, was wollen Sie longitudinal and experimental study. Merrill-
einsetzen?" Exemplarische Analyse eines Palmer Quarterly 33, 321- 363.
Sprechstils. In: ders. & Januschek, Franz Weaver, Phyllis A. 1979. Improving reading
(Hg.): Thema ,Jugendsprache'. Osnabrücker comprehension. Effects of sentence organiz-
Beitrage zur Sprachtheorie 41, 1- 34. ing instructions. Reading Research Quarter-
Schneider, Wolfgang; Roth, Ellen; Küspert, Pe- ly 15, 129- 146.
tra & Ennemoser, Marco. 1998. Kurz- und Weir, Ruth Hirsch. 1962. Language in the crib.
langfristige Effekte eines Trainings der The Hague.
sprachlichen (phonologischen) BewuBtheit Weisgerber, Bernhard. 1994. Muttersprachliches
bei unterschiedlichen Leistungsgruppen: Be- Lernen und die Begegnung mit Sprachen.
funde einer Sekundaranalyse. Zs. f. Entwick- Wechselwirkungen und Hoffuungen. In: Lan-
lungspsychologie und Padagogische Psycho- desinstitut für Schule und Weiterbildung
logie 30, 26-39. Soest (Hg.): Begegnung rnit Sprachen in der
- Roth, Ellen & Ennemoser, Marco. 2000. Trai- Grundschule. Reader. Soest, 80- 107.
ning phonological skills and letter knowledge Wesdorp, Hildo. 1983. Research v. tradition: The
in children at risk for dyslexia: A comparison unequal fight. The evaluation ofthe tradition-
of three kindergarten intervention programs. al grammar currículum in the Netherlands.
Journal of Educational Psychology 92, Amsterdam.
284-295. Wilkinson, Phyllis A. & Patty, Del. 1993. The ef-
Sinclair, Anne; Jarvella, Robert & Levelt, Wil- fects of sentence combining on the reading
lem J. M. (eds.). 1978. Toe child's conception comprehension of fourth grade students. Re-
oflanguage. New York. search in the Teaching of English 27,
Skowronek, Helmut & Marx, Harald. 1989. The 104-125.
Bielefeld longitudinal study on early identifi- Wittwer, Jacques. 1959. Les fonctions gramma-
cation of risks in learning read and write: ticales chez l'enfant. Sujet - objet - attribut.
Theoretical background and first results. In: Neuchatel.
Brambring, Michael; Losel, Friedrich & Wygotski, Lew S. 1977. Denken und Sprechen.
Skowronek, Helmut (eds.): Children at risk: Frankfurt/M.
Assessment, longitudinal research, and inter-
vention. Berlín, 268- 294.

deutsche Sprac~ ' __


34. Entwicklung sprachlichen Wissens im Folgenden "
deutschsprachig
und Bewusstseins im den war seit lan _
828): ,,Sprachbe-;
mehrsprachigen Kontext rakter [Regeln,
mit Verweis d
Becker (vor 184
Ingelore Oomen-Welke bewusstseins z
sei. Daneben
Kempcke (200
richtigen Geb
ge Verwendun
siert wird. In b
1 Überblick Gruppengr6J3en in deutschsprachigen Landern vorterminologi
2 Terminologie und Forschungsstand findet man bei Oomen-Welke (1999). umfassender F
3 Entwicklung von Sprachwissen und Im Folgenden werden die verschiedenen Ty- Sprachbewu
Sprachbewusstheit bei Kindern pen des Sprachenkontakts kurz beschrieben; die sprachlicher
4 Sprachdidaktische Konzepte: Viele Sprachen Folgen für Sprachwissen und Sprachbewusstsein empfinden, pro
5 Sprachwissen und Sprachbewusstheit bei (als sprachbezogene Kognitivierungen) werden Ziel des Deut
mehrsprachigen Erwachsenen anhand vorliegender Untersuchungen darge- 70er-Jahren in
6 Literatur stellt. Sprachdidaktische Ansatze ergeben sich kannt und ging
aus den jeweiligen Situationen. Sprache" in
(> Art. 32, 33).
gedanklichen B~:,c.....__ _.
1 Überblick als Objekt. Neu
2 Terminologie und von der Alltags
Kinder von heute kommen früh mit anderen Sprachbewussth
Sprachen in Kontakt. Was ,,früh" bedeutet, Forschungsstand Grundlage des
hangt von der jeweiligen Lebenssituation ab: oder mehrerer
Kinder lernen in der Medienumwelt von Anfang Der AnstoJ3, Sprachwissen und Sprachaufinerk- hungen ( sowie
an Medienworter aus anderen Sprachen und an- sarnkeit zu Konzepten weiterzuentwickeln, v. a. nommen, kogni
derssprachige Texte (z. B. Songs), zunachst oh- im Zusammenhang mit Sprachkontakt und dazu entwickelt
ne Wissen und Bewusstsein über deren Her- Mehrsprachigkeit, kommt aus England, von wo Zugriff auf Spra ~-----.-
kunft. Im sozialen Umfeld horen Kinder andere z. T. auch die Terminologie der ,,Language mit de-kontextu
Sprachen als die eigene(n). Kinder aus zwei- Awareness", der ,,Knowledge about Language" zusarnmenhang
sprachigen Familien erwerben von Anfang an und ,,Metalinguistic Awareness" übernommen ten, die bewusst
zwei Sprachen und lernen das Umschalten von wurde (zu metasprachlichem Bewusstsein ohne Klarheit des Be
der einen auf die andere Sprache. Kinder, Ju- Akzent auf dem mehrsprachigen Kontext stellen; vielfach
gendliche und Erwachsene, deren Erstsprache > Art. 33; Forschungsberichte: Clark 1978, An- grenzt, Languag
bzw. Familiensprache eine andere ist als die dresen 1984, Gornik 1989). als Sprachbegegn
Sprache der Umgebung, haben meist keine an- Infolge mehrerer britischer Reports über das Sprachsensibilisi
dere Wahl, als die Umgebungssprache als Bildungssystem, dessen Ergebnisse im Hin- usw. Sprachbewu
Zweitsprache zu lernen. Viele Kinder, Jugendli- blick auf Schreibfáhigkeiten und fremdsprach- Gemeinte genaue
che und Erwachsene lernen Fremdsprachen un- liche Kompetenz in den 70er-Jahren nicht zu- eines lndividu
ter Anleitung von Lehrpersonen. Dieser gelenk- friedenstellend erschienen, und auJ3erdem sprachliche Fahi
te Kontakt lost bei ihnen Reflexionen über die durch Forschungen zu metasprachlichem Be- chen Operationen
Zielsprache und auch über die eigene Sprache wusstsein entwickelten sich verschiedene McCarthy 1997,
aus. SchlieBlich: In Regionen mit Bilingualis- Awareness-Konzepte rnit dem Ziel, über die ahnlich Budde 20
mus oder Diglossie durchzieht die Erfahrung standige Auseinandersetzung rnit Sprachlichem tenz) und an Refl
der Sprachdifferenz das gesellschaftliche und sowohl die Sprachpraxis als auch die meta- wickeltsichimA ~- -......
individuelle Leben. sprachliche Reflexion von Kindern zu verbes- ner oder (eher)
Auch Erwachsene leben im mehrsprachigen sern (vgl. Luchtenberg 1992, 1995, 2001 , Bud- grund der mensc
Kontext und werden zu Sprachreflexion heraus- de 2000, 26-37). Seit der zweiten Halfte de: den Sprachdaten
gefordert. Eine Liste der sozialen Gruppen 80er-Jahre hat die englische Sprachendiskussi- prüft werden. Im
Zwei- und Mehrsprachiger und der jeweiligen on (vgl. Aplin 1997) verstarkt Einfluss auf die es vielerlei Gelege
Entwicklung sprachlichen Wissens und Bewusstseins im mehrsprachigen Kontext 453

deutsche Sprachdidaktik gewonnen und die gegnung mit Sprachen Unvertrautes als Auffál-
im Folgenden beschriebenen Konzepte im liges zeigt und so aufinerksam macht. Sprach-
deutschsprachigen Raum beeinflusst. Der Bo- aufinerksamkeit ist daher erfahrungsbasiert.
den war seit langem bereitet, vgl. Paul (9 1992, Sprachbewusstheit als kognitive Verarbeitung
828): ,,SprachbewujJtsein ,Wissen um den Cha- lasst sich ausdifferenzieren in Teilbereiche, z. B.
rakter [Regeln, Wortschatz] einer Sprache "', Sprachlernbewusstheit und Sprachverwen-
mit Verweis darauf, dass seit Riecke (1846) und dungsbewusstheit als verschiedene Bewusst-
Becker (vor 1849) die Entwicklung des Sprach- heiten (Knapp-Potthoff 1997), die sich evtl.
bewusstseins zentrales Ziel des Sprachlemens in Reparatur, Regulierung, Dialogreflexion,
sei. Daneben steht ,,Sprachgefühl", das in Sprachurteil etc. zeigen.
Kempcke (2000, 952) als ,,Sinn [... ] für den Sprachwissen ist davon nicht genau unter-
richtigen Gebrauch von Sprache, für die richti- schieden (Eisenberg & Klotz 1994), weil die
ge Verwendung sprachlicher Mittel" paraphra- (genannten) geprüften Hypothesen über
siert wird. In beiden Fallen handelt es sich um Sprachliches sich als Sprachwissen verfestigen
vorterminologisches Alltagsverstandnis (vgl. konnen (> Art. 33). Sprachwissen meint mogli-
umfassender Feilke 1994, 1996). cherweise zunachst das deklarative Wissen über
Sprachbewusstsein über das groBe Repertoire Sprachsystem und Sprachgebrauch. 1m mehr-
sprachlicher Mittel und ein ausgebildetes Stil- sprachi.gen Kontext ist hinzuzufügen, dass
empfinden, produktiv und rezeptiv, war immer Sprachwissen Wissen um Gemeinsarnkeiten
Ziel des Deutschunterrichts, wurde seit den und Verschiedenheiten von Sprachen umfasst,
70er-Jahren in seinem kritischen Potential er- Wissen um allgemein mogliche Baufor-
kannt und ging unter der Rubrik ,,Reflexion über men/Strukturen und um Realisierungen in ein-
Sprache" in die neueren Lehrplane ein zelnen Sprachen, um Rolle und Wert der Spra-
(> Art. 32, 33). Reflexion meint den Prozess der chen (Hecht 1994), Wissen um prinzipiell
gedanklichen Beschaftigung mit Sprachlichem meinbare, denkbare, unterscheidbare und in ei-
als Objekt. Neu gebildet wurde zur Abgrenzung ner einzelnen Sprache tatsachlich ausgedrückte
von der Alltagssprache der fachliche Terminus Inhalte, Wissen um die Konstitution der Zei-
Sprachbewusstheit; er bedeutet, dass auf der chen erster und zweiter Ebene (Ausdruck und
Grundlage des aufmerksamen Gebrauchs einer Inhalt als Primarzeichen der Sprachen; Zeichen
oder mehrerer Sprachen Regularitaten, Bezie- und Inhalte/Denotate zweiter Ebene als kultu-
hungen (sowie aktuell Unerklarbares) wahrge- relle Rituale, Symbole, Mythen) usw. Sprach-
nommen, kognitiv bearbeitet und Einstellungen wissen geht also über grarnmatisches Wissen
dazu entwickelt werden; er meint den bewussten weit hinaus. Es unterscheidet sich von Sprach-
Zugriff auf Sprachliches und die Beschaftigung bewusstheit dadurch, dass das Sprachwissen
mit de-kontextualisierten, aus dem Handlungs- die Ergebnisse der Reflexion festhalt und als
zusammenhang gelosten sprachlichen Einhei- richtig oder falsch klassifiziert. Dies geschieht
ten, die bewusst restrukturiert werden. GroBere auf der Basis konventionalisierten Wissens der
Klarheit des Begriffs ist nicht verbindlich herzu- eigenen Gruppe (vgl. die Unterscheidung in de-
stellen; vielfach werden Termini nicht abge- klaratives Wissen - über Sprachsysteme: Gram-
grenzt, Language Awareness wird manchrnal matik, Wortschatz - und prozedurales Wissen,
als Sprachbegegnung (Babylonia 2/1999) oder z. B. bei Bremerich-Vos 1999, 38 f., Wolff
Sprachsensibilisierung (Budde 2000) übersetzt 1995).
usw. Sprachbewusstheit transportiert m. E. das Das heiBt insgesamt, Sprachaufinerksamkeit
Gemeinte genauer; sie umfasst Aufmerksamkeit und Sprachwissen bedingen und entwickeln sich
eines Individuums auf Sprachliches und meta- im besten Fall gegenseitig und miteinander wei-
sprachliche Fahigkeiten, sichtbar an sprachli- ter zu Sprachbewusstheit; sie steigem sich ab-
chen Operationen (,,metalinguistic skills", z. B. wechselnd: GroBere Sprachaufinerksamkeit
McCarthy 1997, 13; Karmiloff-Smith 1986; führt zu mehr Sprachwissen und zu hoherer
ahnlich Budde 2000, 37 f., linguistische Kompe- Sprachbewusstheit, die wiederum aufinerksa-
tenz) und an Reflexionen über Sprache. Sie ent- mer macht und das Wissen fürdert.
wickelt sich imAustausch mit dem Gebrauch ei-
ner oder (eher) mehrerer Sprachen, indem auf-
grund der menschlichen Sprachfáhigkeit aus
den Sprachdaten Hypothesen gebildet und ge-
prüft werden. Im mehrsprachigen Kontext gibt
es vielerlei Gelegenheit dazu, weil die reale Be-
9
454 Sprachbetrachtung und Grammatik

gen meist unausweichlicher Konflikte die Spra- Bei funktim::- ·-;-


3 Entwicklung von Sprachwissen che, die nicht Urngebungssprache ist, bald auf- prinz ip; une pen
gegeben, oder eine Sprache bleibt schwach. Zur davon ausgehen.
und Sprachbewusstheit bei einsprachigen Erziehung raten vielfach immer fáhigkeit und c.:!
Kindem noch Kinderarzte und Lehrpersonen (das berich- rnenwirken, so «t::;;.
tet auch Baker 1993, 107 f.; vgl. a. Siebert-Ott Sprachenuntersc-
3.1 Frühe und simultane Zweisprachigkeit 2001 ), ganz unabhangig von und sogar kontrar pelte Sprachsy51e::.,
zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. gleichen heraus:c:-._._
Dass Kinder von Anfang an ihre Muttersprache Eine vermeintliche Gefahr der Zweisprachig- Fahigkeiten gehet:
von anderen Sprachen unterscheiden ki.innen, keit ist das der angestrebten Sprachentrennung destens das Wi -
scheint gesichert, erforschbar durch Blick-, entgegengesetzte Verhalten des Sprachenrni- cher Sprache ge:..:
Saug- und evtl. Strampelbewegungen der Saug- schens. In neueren Arbeiten wird gezeigt, dass (oder mehr) A~ --
linge (vgl. Grimm 3 1995, Butzkamm & Butz- von Jugendlichen Sprachenrnischen gezielt und fahrung kennen ::::.;_
kamm 1999, 7 ff. ). Wir ki.innen davon ausgehen, bewusst als Ausdruck der zweisprachigen oder gern Alter (mit ca:
dass bereits im ersten Lebensjahr prosodische Migrantenidentitat (Hinnenkamp 2000) einge- dass Gegenstande _
und klangliche Differenzen wahrgenommen setzt wird und dann als eine Ausdrucksform von konnen, dass ein ,,. -
werden (Hirsh-Pasek, Kemler Nelson, Jusczyk, Sprachbewusstheit anzusehen ist. ten identisch ist, so::!.:
Cassidy & Kennedy 1987). Mit Beginn des Spre- Sprachen sind untrennbar rnit Erfahrung ver- standen arbitrar ~
chens finden sich b ei simultanem Zweisprachen- bunden, wobei Erfahrung sich im act of naming und Lautform une.e,;
erwerb direkte Signale für sprachliche Diffe- (Benennen) und irn sprachlichen Ausdruck zeigt, dass mit verschi~
renzerfahrung und den aktiven Umgang mit der unter Berücksichtigung sozialer Kornponenten ne Wirkungen er.z:
Differenz. Ob diese Aufmerksamkeit auf (Kron 1996). Zur Beschreibung des simultanen Zweisprachige :--
Sprachliches zu Sprachwissen und früher meta- Erwerbs zweier Sprachen hat das Drei-Phasen- schon vor dem Se~·_
sprachlicher Bewusstheit der Zweisprachigen Modell (Taeschner 1983, Bogdain 1989) Beach- Wort und Gemeinze- -
führt, hangt vermutlich v. a. von der Reaktion der tung und Kritik gefunden: Danach wird in einer und Silbe nicht irr:.,...,-:-
Umgebung auf die sprachbezogenen Au.J3erun- ersten Phase (< 2 Jahre) als aktives Lexikon ein standige Handha · _
gen der Kinder ab. Manches spricht dafür, dass Gernisch aus beiden Sprachen erworben. In der entwickeln sie stiirk,...¡
in anregender Sprachumgebung Sprachaufmerk- zweiten Phase (< 4 Jahre) werden zunehrnend keiten, z. B. bei de: -
samkeit, Sprachwissen und metasprachliche Be- aquivalente Wi.irter aus beiden Sprachen verwen- mantika und Synse:::::,
wusstheit sich interdependent frühzeitig entwi- det, und die Kinder bernühen sich urn Sprachen- Berung (Wie viele w.-
ckeln, zusammen mit anderen kognitiven Fahig- trennung. Trotz Differenzierung der Lexik wer- Schulbeginn schei.r:e:;
keiten (z. B. divergentem Denken). den oft zunachst auf beide Sprachen dieselben chige in dieser ~
An den verschiedensprachlichen AuBerungen morpho-syntaktischen Regeln angewandt; evtl. hern, vermutlich we--_
funktioniert also früh das Erkennen von Glei- hat das Kind eine starkere Sprache, die dann als die Schrift ein zw~
chem und Verschiedenem. Selbst wenn simultan Trager- bzw. Matrixsprache wirkt. Deren Gram- und weil von diesen: .::-...
Zweisprachige zunachst beide Sprachen mischen, matik dominiert, der anderssprachliche Wort- Instruktion durch c-
haben sie bei funktionaler Sprachentrennung schatz wird eingepasst. In der dritten Phase voll- nehrnung beeinfln~
(Kielhofer & Jonekeit 1983/91995, 26 f.) bereits zieht sich rneist die Trennung beider Sprachen in Zweisprachigen frfil: _
mit 3 Jahren (oder viel früher) ein Bewusstsein Bezug aufLexik und Syntax - sofern das Sprach- petenzen festgestellt; z
davon, dass es verschiedene Sprachen gibt (z. B. angebot in jeder Sprache ausreichend dicht isi bilingualen DrittklasS:~
eine Papasprache und eine Mamasprache), die sie (vgl. Apeltauer 1997; zur Kritik an diesern Drei- tauschbar; rnehr als , _-
aber noch nicht mit den Abstrakta der Erwachse- Phasen-Modell vgl. Meisel 1989, Tracy 1996). ler erkannten die Sec
nensprachen (Schwedisch, Arabisch; vgl. Harding Vor allern pragrnatische Gebrauchsformen voI! abhangig von der pt-
& Riley 1986) benennen ki.innen. In der Literatur Sprache sind an Erfahrungen geknüpft. Assimi- bezeichneten Gege~
zum doppelten Spracherwerb wird Metalinguisti- lation und Akkomodation in beiden Sprache= des Wort, aber das lie-r.
sches meist nicht reflektiert. gründen sich auf die Rekonstruktion von Primar- Oomen-Welke & Pe~ --
Simultan zweisprachig werden oft, jedoch daten, in der sich Sprache und Kognition verbin- bei der B eurteiluno -.,.
nicht notwendigerweise, Kinder aus Familien den (Hug 2001, 7 f.). Von Zweisprachigen wer- . "'
srnnvoller und sinnlOS?l;'
mit zwei Sprachen, sofern das Sprachangebot in den unter günstigen Bedingungen gri.iBere Flihig- guale starker zu sein.
jeder der Sprachen ausreichend ist. Am Anfang keiten zu divergentem Denken entwickelt, ne!!? Das heiBt, dass Bilir:_
steht eine bewusste Entscheidung der Eltern, ihr Sprachinformationen ki.innen leichter aufgenom- guale ihre metaspracbf'- -
Kind zweisprachig zu erziehen; in den Familien men werden, die kulturelle und kommunikati\ den. Allerdings sind so~-
wird Wert auf Sprachen gelegt. Wird die Ent- Sensibilitat ist gri.iBer als bei Einsprachigen (vg: allen Populationen unri
scheidung zur zweisprachigen Erziehung nicht Baker 1993, 118 ff.). stabil (s. Bense 1981, ~
rnit umfangreichern Wissen über Sprachenkon- Wie entwickeln sich in diesem Konte.:c ~ gebnisse hangen au8e:-'_
takt und Bilingualisrnus getroffen, so wird we- Sprachwissen und Sprachbewusstheit? ::?agungsmethode und ,
Entwicklung sprachlichen Wissens und Bewusstseins im mehrsprachigen Kontext 455

Bei funktionaler Sprachentrennung (Partner- ren ab. Ein wichtiger Faktor ist vermutlich die
prinzip; une personne - une langue) kann man ausgeglichene Zweisprachigkeit selbst; bei un-
davon ausgehen, dass die frühe Unterscheidungs- ausgeglichener Zweisprachigkeit sind die Tester-
fáhigkeit und die personale Kopplung zusam- gebnisse weniger deutlich. Es ist überaus
menwirken, so dass systematische und bewusste schwierig, für die Untersuchungen vergleichba-
Sprachenunterscheidung entsteht; es ist das dop- re Gruppen Bi- und Monolingualer zu finden, in
pelte Sprachsystem, das zu standigen Sprachver- denen alle übrigen Faktoren gleich sind (Baker
gleichen herausfordert. Zu den metasprachlichen 1993). Einige Untersuchungen beziehen sich auf
Fahigkeiten gehort Sprachwissen, namlich min- Einzelfallstudien oder sehr kleine Gruppen.
destens das Wissen, welche Sprachmittel zu wel- Die Wahl der jeweiligen Sprache lauft gemal3
cher Sprache gehoren. Kinder lernen je zwei den situativen Bedingungen meist automatisiert
(oder mehr) Ausdrücke für Gegenstande ihrer Er- ab, hingegen muss in bestimmten Situationen ei-
fahrung kennen und erkennen so schon in jun- ne bewusste Wahl der Sprache getroffen werden.
gem Alter (mit ca. 5 Jahren oder sogar früher), Zweisprachige geraten daher haufiger als Ein-
dass Gegenstande verschieden benannt werden sprachige in Begründungszwange, warum sie
konnen, dass ein Wort nicht mit seinem Referen- die eine Sprache gewahlt haben oder warum sie
ten identisch ist, sondern dass Worter den Gegen- etwas so ausdrücken; diese Herausforderung
standen arbitrar zugeordnet sind, dass Semantik mag lastig sein, trainiert jedoch ihre Sprachauf-
und Lautform unterschieden werden konnen und merksamkeit sowie ihre metasprachliche Verba-
dass mit verschiedenen Ausdrücken verschiede- lisierungsfáhigkeit und führt zu hoherer Sprach-
ne Wirkungen erzielt werden. bewusstheit. Es resultiert eine Bereitschaft (pre-
Zweisprachige Kinder bilden sich früh, oft paredness, McCarthy 1997), ein fruchtbarer
schon vor dem Schulbeginn, Vorstellungen von Boden für Sprachwissen und Sprachbewusst-
Wort und Gemeintem. Dabei wird zwischen Wort heit, den der Unterricht ausnutzen konnte. Pro-
und Silbe nicht immer unterschieden. Durch die zedurales Sprachwissen entwickelt sich mit dem
standige Handhabung zweier Sprachsysteme praktischen Gebrauch beider Sprachen in vielen
entwickeln sie starkere sprachanalytische Fahig- Situationen; deklaratives Sprachwissen entsteht
keiten, z. B. bei der Segmentierung von Onose- z. T. durch die nachgetragenen Begründungen
mantika und Synsemantika innerhalb einer Áu- (als Subjektive Theorien der Kinder; > Art. 50)
J3erung (Wie viele Worter hat dieser Satz?). Mit und ist, wenn Sprachwissen mit gesichertem
Schulbeginn scheinen sich Ein- und Zweispra- Wissen zu tun haben soll, vermutlich stark an
chige in dieser Hinsicht jedoch wieder anzuna- Unterricht gebunden, der ja bestenfalls die
hern, vermutlich weil auch Einsprachige durch Sprachaufrnerksamkeit durch operative Metho-
die Schrift ein zweites System kennen lernen den und Einsicht zum Sprachwissen führt. Dar-
und weil von diesem Zeitpunkt an die bewusste aus erklart sich, dass simultan Zweisprachige,
Instruktion durch Unterricht die Sprachwahr- die in monolingualen Schulen unterrichtet wer-
nehmung beeinflusst. Dennoch werden bei den, Sprachwissen v. a. in einer Sprache, der
Zweisprachigen frühere metasprachliche Kom- Schulsprache, erwerben. Es kommt also darauf
petenzen festgestellt: Zwei Drittel oder mehr der an, dass Schulen in beiden Sprachen auch Wis-
bilingualen Drittklassler halten Namen fü.r aus- sen anbieten.
tauschbar; mehr als vier Fünftel der Sechstklass- Analog dazu ist die Bewusstheit sprachlern-
ler erkannten die Semantik eines Wortes als un- strategischen Wissens zu sehen. Zunachst intui-
abhangig von der physikalischen Existenz des tiv entwickelte Lernstrategien werden den Ler-
bezeichneten Gegenstandes (Schule ist ein blo- nenden durchAnwendung und eigene Explikati-
des Wort, aber das liegt wohl nicht an dem Wort; on (als Subjektive Theorien) bewusst, evtl.
Oomen-Welke & Peña Schumacher 2002). Auch entwickeln sie im Dialog mit Lehrpersonen eine
bei der Beurteilung der grammatischen Form Methodologie des Gebrauchens und R eflektie-
sinnvoller und sinnloser Satze scheinen Bilin- rens verschiedener Sprachen (McCarthy 1997).
guale starker zu sein. Daraufkonnen breitere metalinguistische Refle-
Das heiJ3t, dass Bilinguale früher als Monolin- xionen aufbauen.
guale ihre metasprachlichen Fahigkéiten ausbil-
den. Allerdings sind solche Ergebnisse nicht bei
allen Populationen und unter allen Bedingungen
3.2 Zweitsprachenlernen von Kindern
stabil (s. Bense 1981, Karolije-Walz 1981). Die Beim spateren Erwerb bzw. Lernen einer Zweit-
Ergebnisse hangen auJ3erdem stark von der Be- oder Fremdsprache w ird die Differenz zwischen
fragungsmethode und von sonstigen Lernfakto- Erst- und Zweitsprache von Anfang an wahrge-
9
456 Sprachbetrachtung und Grarrunatik

nommen, meist zunachst als eine phonetische ckeln (Aber türkisch ,,Moschee" schreibt man mit anderen Sp.
und lexikalische. Aus der Unterscheidung von ohne Artikel! [ca. 8 J.] - Sie mochte Deutsch der Begegnung :::::
Klangen oder aus Bedeutungsdifferenzen entwi- schwer machen\ und wann nicht so viele Artikel !ungen der Be:r.:
ckeln sich mit der Zeit Wissen und Bewusstsein. gibt ist Deutsch echt leicht [16 J.]; Belege bei zugspersonen, E
Kinder, die alter als 4 oder 5 Jahre sind und ihre Oomen-Welke 2000, 144). von der Intensi..::
Erstsprache (L 1) schon weitgehend beherrschen, Im Alltag erworbenes Sprachwissen entsteht gabe des Deutsc·
wenn sie eine Zweitsprache (L2) erwerben oder allmahlich bei der ungesteuerten Unterscheidung vielsprachigen _ __
lernen, haben in Ll bereits sprachliche Fahigkei- von Dialekt und Standardsprache, von LI und chen Spracherfat...:::-
ten ausgebildet, die sie auf die neue Sprache, ihr L2, L3 usw. Zweitsprachler zeigen ab ca. 7 Jab- Schüler versch.: -
zweites System, anwenden konnen. Nach Kutsch ren groBes Interesse und Aufmerksamkeit auf thematisieren ucc.....
(1988, 22 f.) befinden sich Kinder in der mittle- Sprachfragen, was schulischjedoch wenig aufge- Anlass des sprac:::..:_
ren Kindheit zwischen Ll-Diskurs, L2-Seman- griffen wird (Oomen-Welke 2002). Es wird ange- machen. Als Er!!e':---
tik und L2-Diskurs. Die Schriftsprache erwerben nommen, dass sich bereits in diesem Alter meta- Erweiterungen de
sie in Ll und/oder L2, evtl. in weiteren Sprachen semantische und metasyntaktische Aufmerksam- des allgemeinen :-
(L3, L4 usw.). Meist kommt durch das zweite keit entwickelt (Bialystok 1987, Bense 1981), durch Problema~
System die metasprachliche Aufmerksamkeit in wahrend nach anderen Untersuchungen eher die tionalisierung vo= -:--
Gang, die zu Sprachwissen und metasprachli- Zuordnung von phonemischer Form und seman- sprachlicher Be\,-
cher Bewusstheit führen kann. Schon vorhande- tischem Inhalt im Zentrum der Aufmerksamkeit Metasprachlid:.e-.
ne metasprachliche Fahigkeiten werden ver- stehen (,,Bar" das ist kasachisch ,,gib mir"; wenn wissen und Sprac ~
starkt und in Richtung Lernstrategien ausgebaut. ich griechisch ,,Katze" sageldann heiflt das ,,setz im mehrsprachige::: •
McCarthy (1994) beschreibt diesen Prozess für dich" \; Oomen-Welke 1997, 38 ff., 1998b). ten durch Konfro-
irische Kinder mit Englisch als LI, die in der Ein wichtiger, in der Diskussion metalinguis- sprachigen Phano~
Schule Galisch lernen. Dass im gesteuerten tischer Fahigkeiten nicht irnmer gegenwartiger von Wortern versct.
Sprachenlernen der Schulen das Sprachwissen Aspekt ist die Sprach/ernbewusstheit der L2- (wenn ich griechiscl:
eine Rolle spielt, sieht man schon in der Unter- Lernenden. Kinder ab 7 Jahren sind durchaus in setz dich 1 - und - -
richtskorrununikation, in der das Erklaren und der Lage, Angaben zu ihrer Sprachenbiographie Rückfrage eines E~
Verstehen von Strukturen einen hohen Stellen- zu machen sowie Erstspracherwerb und Zweit- konnen in sprachfr. •
wert einnimmt; mit zunehmendem Alter der Ler- spracherwerb zu unterscheiden. Mit 1O Jahren in der Schule unters:::-
nenden mehr. Es besteht eine Spannung zwi- oder sogar früher grenzen sie die Methoden des Fall, bleibt die Witl.~
schen Sprachwissen und metasprachlicher Be- Zweitspracherwerbs vom Fremdsprachenlernen ring. Zu fragen ist de-==
wusstheit, z. B. weil das Sprachwissen der ab. Sie kennen ihre eigene Sprachenbiographie m anchen sprachge = -
Schulsprachen eher mit den Polen ,,richtig - und beurteilen ihren aktuellen Stand in jeder ih- statierte, von Mono::::_
falsch" operiert, die metasprachliche Bewusst- rer Sprachen (Oomen-Welke & Peña Schuma- ein mit Migrantefu-=.
heit dagegen die Moglichkeiten des Verfahrens cher 2002). Auf solchen Befunden baut die Idee (Hinnenkamp & M~
einer Sprache oder der Sprachen überhaupt im der Sprachenportfolios mit Selbsteinschatzung wissen und erhohter =-
Blick hat. auf (vgl. etwa Das Europaische Sprachenportfo- Monolingualen führt. -
Es ist ratsam, zwischen schulunabhangig/le- lio 2000). gesicherten Erkenntl::3:.:.
bensweltlich und schulisch erworbener Sprach- Der spateste Zeitp·-
aufmerksamkeit zu unterscheiden. Kinder, die eine weitere Sprache •
im mittleren Schulalter mit dem Erwerb einer L2
3.3 Sprachrejlexion bei Kindern der
monolingualen Mehrheit ginn des Fremdsprac-.._
beginnen, haben ihre L 1 bereits gefestigt und de- heute spatestens mir ·
ren Schriftsystem gelernt. Nach Lightbown & Einsprachige Kinder bleiben im mehrsprachigen aber schon ab Klasse :
Spada (2000) entwickeln Kinder aus ihren Feh- Kontext nicht unberührt von Sprachfragen. Auch gar schon im Kinde1g,....
lern in L2 auch Regeln für Ll, daraus Sprach- sie konnen von Anfang an die eigene von ande-
wissen und Bewusstheit des Sprachenlernens. ren Sprachen unterscheiden; sie merken, dass sie
Für den Transfer von LI aufL2, L3 usw. geben andere Sprachen nicht verstehen. Bei Schulein-
Pomphrey & Moger (1999) zahlreiche Belege tritt haben sie bereits einige Bezeichnungen für
an. Jedoch ist die Brückenfunktion des Sprach- andere Sprachen als deklaratives Wissen gelernt 4 Sprachdidaktis.:
wissens für andere Sprachen den Kindern zu- (Es gibt Englisch und Franzosisch und Italie- Viele Sprache::
nachst noch nicht bewusst, sie konnen das in ei- nisch und Afrikanisch). Zum Renommee vieler
ner Sprache Erkannte nicht selbst auf andere Grundschüler gehort es, in fremden Sprachen 1m Sprachunterricht De=
Sprachen anwenden. zahlen zu konnen, evtl. singen sie Lieder in an- neben der deutschen S
In der Schule wird explizit Wert auf Sprach- deren Sprachen oder kennen Werbesprüche etc. che Bewusstheit sowie &, "
wissen und grammatische Terrninologie gelegt Ob Monolinguale von mehrsprachigen Um- ches im Allgemeinen m:= .:
(z. B. Artikel). Die Lernenden konnen daraus im gebungen für Sprachwissen und Sprachbewusst- des Menschen. Daher is:: _
besten Fall Sprachdifferenzbewusstsein entwi- heit profitieren und was sonst sie vom Kontakt das Fach, in dem gruné:!:
Entwicklung sprachlichen Wissens und Bewusstseins im mehrsprachigen Kontext 457

mit anderen Sprachen haben, hiingt von der Art Sprachen ihren Platz haben, in dem also die Ler-
der Begegnung mit Sprachen, von den Einstel- nenden ihre Beobachtungen und Hypothesen und
lungen der Beteiligten (der e1wachsenen Be- subjektiven Theorien zu Sprache und Sprachen-
zugspersonen, Eltern und Lehrpersonen) und differenz zum Ausdruck bringen und weiter ent-
von der Intensitat des Kontaktes ab. Es ist Auf- wickeln sollten (entsprechend in anderen Llin-
gabe des Deutschunterrichts in unserer faktisch dem: im Schwedischunterricht in Schweden
vielsprachigen Gesellschaft, die unterschiedli- u sw.). Die Kinder brauchen von Anfang an ein
chen Spracherfahrungen der Schülerinnen und offenes 0hr für ihre Mitteilungen über Spra-
Schüler verschiedener Sprachbiographien zu che(n) und deren Verwendungen, sonst verstum-
thematisieren und die sprachliche Differenz zum men sie. Das heiBt, dass sie über ihre ggf. ande-
Anlass des sprachlichen und sozialen Lemens zu ren Erstsprachen im Deutschunterricht berichten,
machen. Als Ergebnis sind Modifikationen und dass ihre Beobachtungen und Fragen besprochen
Erweiterungen des sprachenspezifischen sowie werden (s. 4 .2). Lehrpersonen brauchen Anlei-
des allgemeinen Sprachwissens zu erwarten, das tung, wie sie mit den evtl. vielen Sprachen, die
durch Problematisierung von Daten und Opera- sie nicht beherrschen, produktiv umgehen kéin-
tionalisierung von Fragen zu vertiefter meta- nen. Vorschllige für die Arbeit mit mehreren
sprachlicher Bewusstheit führt. Sprachen existieren in groBer Zahl (s. 4.1); zu-
Metasprachliche Aufmerksamkeit, die Sprach- sammenhiingende Konzepte sind seltener. Litera-
wissen und Sprachbewusstsein fürdert, entsteht rische Texte werden gelegentlich einbezogen.
im mehrsprachigen Kontext vermutlich am ehes-
ten durch Konfrontation mit einzelnen anders-
4.1 Vorschliige für die Klasse
sprachigen Phlinomenen. 0ft steht der Vergleich
von Wéirtern verschiedener Sprachen am Anfang Generell wird festgestellt, dass Language-
(wenn ich griechisch ,,Katze" sage/dann heifit das Awareness-Konzepte - d. h. die Beschaftigung
setz dich\ - und was heifit dann ,,Katze"? als mit mehreren Sprachen im Unterricht - positiv
Rückfrage eines Einsprachigen). Solche Anfánge für alle Lemenden sei (z. B. Tornlinson 1994),
kéinnen in sprachfreundlichem Sozialklima und denn sie werden dadurch der sprachlichen Unter-
in der Schule unterstützt werden. 1st das nicht der schiede gewahr und erkennen die Relevanz der
Fall, bleibt die Wirkung im Allgemeinen eher ge- sprachlichen Formen. Wie kann man das lehren?
ring. Zu fragen ist demgegenüber, ob der jüngst in Falls es gelingt, Lernen als Entdecken zu organi-
manchen sprachgemischten Jugendgruppen kon- sieren, darf mit gréiBerer Lembereitschaft ge-
statierte, von Monolingualen mitgeschaffene Stil, rechnet werden. Zur Them atisierung von Spra-
ein mit Migrantensprachen durchsetzter Slang che gehéiren auch Arten von Sprachgebrauch
(Hinnenkamp & Meng 2002), zu mehr Sprach- und Fragen des Sprachlernens (Erstsprache,
wissen und erhéihter Sprachbewusstheit bei den Zweisprachigkeit, Fremdsprachenlemen, Spra-
Monolingualen führt. Darüber gibt es noch keine chenbiographie; Donmall 1985, McCarthy
gesicherten Erkenntnisse. 1997). Im Sinn der Critica! LanguageAwareness
Der spateste Zeitpunkt, zu dem Monolinguale (Fairclough 1999) soll neues Verstehen des An-
eine weitere Sprache kennen lernen, ist der Be- deren (angesichts gegenwartiger globaler Ent-
ginn des Fremdsprachenunterrichts. Er beginnt wicklungen, einschlieBlich Ideologiekritik) ge-
heute spatestens mit dem 5. Schuljahr, vielfach wonnen werden im Sinne interkultureller
aber schon ab Klasse 3 oder ab Klasse 1, evtl. so- Sprachdidaktik, wozu auch der Pragmatic
gar schon im Kindergarten (vgl. 4 .3). Awareness Approach zahlt (s. a. Kron 1996).
Eine Idee besteht darin, durch vorgefertigte
Materialien mit Beispielen in mehreren Spra-
chen die Schüler zu Sprachaufmerksamkeit und
4 Sprachdidaktische Konzepte: Sprachbewusstheit anzuregen. Eine andere Idee
ist es, zunachst von den Beobachtungen der Ler-
Viele Sprachen nenden auszugehen und ihre Wahrnehmungsfa-
higkeit zu starken.
Im Sprachunterricht Deutsch geht es bekanntlich
neben der deutschen Sprache auch um sprachli-
4.1.1 Lernwerkzeuge/Materialien
che Bewusstheit sowie Reflexion über Sprachli-
ches im Allgemeinen und um die Sprachlichkeit Seit 1985 entwickelte die Gruppe um Eric Haw-
des Menschen. Daher ist der Deutschunterricht kins in England eine Serie von Unterrichtsmate-
das Fach, in dem grundlegende Reflexionen zu rialien mit dem Tite! Awareness ofLanguage, die
..,
458 Sprachbetrachtung und Grammatik

explikativ sind und Aufgaben enthalten (4000 schee schreibt man ohne Artikel!; [bar] das ist 2001). Es erscl:e:=
languages are spoken in the world ... ; Greetings kasachisch ,,gib mir"!). Auf diese Weise wird alle Sprachen e.;;:
and gestures ... ; Borrowing and inventing Folgendes erreicht: Die eigenen Fragen der Ler- Selbstbild als k~
words ... ; Zahlen als konventionalisierter Zu- nenden konstituieren die Themen mit, so dass die ren fachlichen A::s
gang zu gedanklichen Welten usw.); eine Biblio- Lernenden nicht nur Adressaten, sondem steu- (2001) aus der C-
graphie von Classroom Material veroffentlichte ernd Beteiligte sind. Es geht daher im Unterricht ausführlich, wie -
Aplin (1993). In den 90er-Jahren legte eine inter- nicht nur urn andernorts entworfene Fragen, son- und audiovisue~
nationale Gruppe urn Michel Candelier ausführ- dem auch um die aktuell echten Fragen der Un- vieler Einzelspraci;;c:
lich kommentierte Unterrichtsmaterialien des terrichtsbeteiligten, selbst wenn diese gelegent- aber Offenheit ID:.
COMENIUS-Projekts EvLang (Eveil aux Lang- lich nicht vollstandig beantwortet werden kon- liches (und, das se:
ages; vgl. Babylonia 2/1999, Candelier 1998) zu nen (Oomen-Welke 1998a, 1999, 2000). senschaftliche Ke====.a
vielen sprachvergleichenden Themen in franzo- Lernende werden als Sprachexperten angesehen, Ein Grundpr; .,--
sischer und deutscher (Kiesel e. V 2000) Sprache die Methoden und Li:isungen beurteilen konnen. Lehrpersonen ckr
vor, die allerdings noch nicht zusammenhangend Insoweit schlieJ3t das Konzept an Grammatik in Deutsch) in ihrec -
erschienen sind. Inhaltlich geht es urn Themen Situationen (Boettcher & Sitta 1978, 1979) und unsicherer sind a!s ?-
wie: ,,Ma biographie langagiere" mit Vorgaben an entdeckendes Lemen (Haueis 1981, Giese & Pomphrey & M~
und Fragen zur individuellen Sprachenbiogra- Ossner 1998) an. über die sog. Mui..---
phie, zur Sprachbewusstheit sowie zu Sprachen- Der lebensweltlich orientierte Ansatz bleibt schwer auf andere - ~
verteilung und -bewertung im jeweiligen Land. jedoch nicht beim Lemen aus spontanemAnlass dagegen scheint 6
,,Le petit chaperon rouge/Rotkappchen/Little stehen. Er integriert vielmehr Planung und situa- wissen eher auf L :
Red Riding Hood" usw., als sprachliche Kodie- tiv Vorhandenes, indem zu bestimmten Sprach- gung zwischen :\L_,_
rung von Inhalten in einer unterschiedlichen An- themen die Kompetenz der Lemenden in ande- renden scheint un:::
zahl von Wortem. Sprachvergleichend konnen ren Sprachen (Ll, L2, Fremdsprachen) verglei- keit ihrer Konze:::
die jeweils verwendeten Sprachmittel erschlos- chend aufgerufen und genutzt wird. Das konnen Hinzu kommt, d2S5 -
sen werden. im engeren Sinne grammatische Fragen sein Nussbaum 1999) _
Auf Deutsch erschienen mehrere einzelne, (Adjektiv - Adverb: richtig - correctly- correc- rungen lenken und : -
umfangreiche Arbeiten (z. B. Schader 2000, tement), semantische Fragen (,,Was heiJ3t eigent- malem und Prask: _.
Budde 2000), teils mit eher methodischen Vor- lich cool?"), pragmatische Fragen (Hoflichkeit), Themen im Wesec..:S..
schlagen oder Einstiegen ins Thema (Meine Sprachlemfragen (,,!ch !ese viel, darum kann ich pel 2000). Wie ko::::r.:
Schrift - deine Schrift ... ). Die Tandem-Gruppe so gut Deutsch"), sprachphilosophische oder gen Konzepten un:~
um Wolffbringt in mehreren Sprachen Materia- sprachtypologische Fragen (,,Was war zuerst, ebenso bei den Le!:.--
líen und Reflexionen zur rezeptiven Mehrspra- das Sprechen oder das Denken?" - ,,Vietname- den zu suchen seü::. -
chigkeit heraus (Welche Farbe hat die Welt?; sisch geht das ganz anders"). Dass zur Vertie- Annahmen durch •
Korpersprache ... ; Wolff 2001 ). fung dann die o. g. Materialien zur Verfügung OECD.
Sie alle wollen durch informative Arbeitsma- stehen, ist hier hilfreich. Vorgeschlagen \Yc:-•~
terialien das Sprachwissen (le savoir, lrnowl- Beide Zugange lassen sich verbinden: Der der Lehramtsstudie=
edge) fürdern und gleichzeitig operative Fertig- Ausgangspunkt liegt dann zunachst bei den Ler- Sensibilisierungen &
keiten und Fahigkeiten (aptitudes, savoir faire) nenden, ihren Fragen und ihrem Sprachwissen. ren Schritten, wobe:
sowie Einstellungen und Interesse (attitudes) als Gemeinsam werden Fragestellung und Metho- terrichtsaufzeichnw:_
Sprachbewusstheit und Sprachkultur (Perregaux
1998) entwickeln. Die Materialien bieten den
den entwickelt, vertieft durch vorgefertigte, ab-
rufbare Arbeitsmaterialien. Ossner (2001, 177)
sprachigkeit und m::
werden kann (Oorr:~
Vorteil fachlicher Eignung und guter Planbarkeit zeichnet Bewusstseinsbildung generen auf zwei- Dabei werden Spre..::::
für den Unterricht. Sie sindAnstoJ3 zu einer qua- fache Weise: Bereits gekonnte Tatigkeiten wer- wusstheit der Le~
si curricularen Bewusstseinsentwicklung. den bewusst gemacht und sodann in groJ3ere kontinuierlich erwei:l':
Systeme eingebunden. Das entspricht dem be-
4.1.2 Lernende als Sprachexperten
schriebenen Weg zu Sprachwissen und Sprach-
bewusstheit im mehrsprachigen Kontext. 4.3 Fremdsprachend;_
Dem steht ein eher lebensweltlicher Ansatz (bot- Mehrsprachigkei··
tom up) gegenüber, der Segmente aus der sprach- Eine konsequente E=.
4.2 Die Rolle der Lehrpersonen
lich-sozialen Erfahrungswelt der Kinder auf- sprachenunterricht ,. --
greift und sie zurn Anlass der Sprachreflexion Die Notwendigkeit eines vermittelnden Kon- den ihre aufmerks~
nimmt. Die spontan geauJ3erten, implizit oft zepts, das Spontanes und Planbares verbindei.. im Unterricht themati-=---:-
sprachvergleichenden Beitrage der Lemenden liegt auf der Hand. An Lehrpersonen stellt d:e Fremdsprache zunacts-; -
selbst, sowohl Ein- als auch Zweisprachiger, die- Einbeziehung mehrerer Sprachen eine Anforde- sind. Vi:illige Einsprac:::
nen als Ausgangspunkt, urn über Sprachen und rung, die ihnen Angst macht und oft Abwehr er- put sein, sie ist es nict: -
Sprachliches zu sprechen (Aber Türkisch Mo- zeugt (vgl. Bender-Szymanski 1999, Smyé:: keit, entstehende Spra::-'-
Entwicklung sprachlichen Wissens und Bewusstseins im mehrsprachigen Kontext 459

2001 ). Es erscheint ihnen unmoglich, potenziell nerautonomie, die letztlich zu besserem Fremd-
alle Sprachen einzubeziehen, weil es ihrem sprachenlernen führen. Aus diesem Grund haben
Selbstbild als kompetent Unterrichtende und ih- sich im vergangenen Jahrzehnt Language-
ren fachlichen Ansprüchen widerstrebt. Macaire Awareness-Konzepte für den Fremdsprachenun-
(2001) aus der Candelier-Gruppe argumentiert terricht entwickelt, in denen mit den Beobach-
ausführlich, wie die Arbeit mit den gedruckten tungen und Reprasentationen der Lernenden ge-
und audiovisuellen Materialien ohne Kenntnis arbeitet wird. Dass dies eine europaische
vieler Einzelsprachen moglich sei; sie erfordere Entwicklung ist, macht ein Tite! wie De la didac-
aber Offenheit und Sensibilisierung für Sprach- tique des tangues a la didactique du plurilingu-
liches (und, das sei angefügt, solide sprachwis- isme (Billiez 1998) deutlich. In Deutschland soll
senschaftliche Kenntnisse). das Schulfach Franzosisch seine Stellung gegen
Ein Grundproblem mag darin liegen, dass das alles verdrangende Englisch sichern, indem
Lehrpersonen der sog. Muttersprache (hier es sich als Einstiegssprache etabliert und lexika-
Deutsch) in ihrem metasprachlichen Wissen oft lische und grammatische Verbindungen zu ande-
unsicherer sind als Fremdsprachenlehrende (vgl. ren romanischen Sprachen und sogar zu Eng-
Pomphrey & Moger 1999). Das Sprachwissen lisch thematisiert (z. B. Mei/3ner & Reinfried
über die sog. Muttersprache kann von ihnen nur 1998). Es überzeugt in derTat durchaus, dass ei-
schwer auf andere Sprachen übertragen werden; ne romanische Sprache (anstelle von 1atein) den
dagegen scheint das fremdsprachliche Sprach- Einstieg in andere romanische Sprachen erleich-
wissen eher auf LI anwendbar. Eine Verstiindi- tern kann. Das Problemfeld ist jedoch umfassen-
gung zwischen Mutter- und Fremdsprachenleh- der, so wie es in diesem Artikel dargestellt wird.
renden scheint unüblich, und die Uneinheitlich- In den Fremdsprachdidaktiken wird diskutiert,
keit ihrer Konzepte verwirrt die Lernenden. einzelsprachliche Orientierungen in das über-
Hinzu kommt, dass Lehrpersonen (nach Cots & greifende Feld einer sog. Mehrsprachigkeitsdi-
Nussbaum 1999) weitestgehend SchülerauBe- daktik einzubetten.
rungen lenken und schnell bewerten, sich an For- Eine wichtige Frage der Mehrsprachigkeitsdi-
malem und Praskriptivem orientieren und die daktik ist die Sprachenreihenfolge, z. B. für die
Themen im Wesentlichen vorgeben (vgl. a. Ap- Schule Franzosisch oder Russisch nach Eng-
pel 2000). Wie konnen sie also mit vielsprachi- lisch; Deutsch als 13 nach Englisch als 12 in
gen Konzepten umgehen? Das Problem konnte 1andem, in denen 12 als Sprachbrücke für 13
ebenso bei den Lehrenden wie bei den Lemen- fungieren soll (Bausch, Christ & Krumm
den zu suchen sein. Bestiitigung finden solche 1991/2002). Die erworbenen Sprachlemerfah-
Annahmen durch die PISA-Studie 2001 der rungen sollen genutzt werden (zu Mehrsprachig-
OECD. keitsdidaktik und Tertiarsprachenlemen vgl.
Vorgeschlagen werden modifizierte Curricula Bausch & Heid 1992, Hufeisen & 1indemann
der 1ehramtsstudien (so 1uchtenberg 2001) und 1998, Jessner 1999). Dass in diesem Kontext er-
Sensibilisierungen der 1ehrpersonen in mehre- worbenes Sprachenwissen und Sprachenbe-
ren Schritten, wobei anhand authentischer Un- wusstheit konstitutiv sind, liegt auf der Hand
terrichtsaufzeichnungen der Umgang mit Viel- (zur eigenen Bewusstwerdung der Sprachenbio-
sprachigkeit und mit Sprachproblemen erlernt graphie und zur Dokumentation des jeweiligen
werden kann (Oomen-Welke 1998a,b, 2000). Sprachstands vgl. Hawkins 1999).
Dabei werden Sprachwissen und Sprachbe- 1998 wurde das Sprachenkonzept Schweiz
wusstheit der 1ehrpersonen betrachtlich und entwickelt unter der Frage: Welche Sprachen sol-
kontinuierlich erweitert. len Schülerinnen und Schüler wahrend der obli-
gatorischen Schulzeit lernen?, das pragmatisch
4. 3 Fremdsprachendidaktik, auch auf die Effekte des 1ernens von 1andes-
Mehrsprachigkeitsdidaktik sprachen der Schweiz und der Weltsprachen
zielt. In Deutschland wurden 1979 die Hombur-
Eine konsequente Einsprachigkeit im Fremd- ger Empfehlungen für eine sprachenteilige Ge-
sprachenunterricht verhindert, dass die 1emen- sellschaft (vgl. Christ, Schroeder, Weinrich &
den ihre aufmerksamen Sprachbeobachtungen Zapp 1980) formuliert, die 2000 erganzt wurden
im Unterricht thematisieren, weil sie dazu in der um die Homburger Empfehlungen zur Forde-
Fremdsprache zuniichst noch nicht in der 1age rung der europaischen Hochsprachen (Ehlich,
sind. Vollige Einsprachigkeit mag gut für den In- Ossner & Starnmerjohann 2001). Die gro/3ere
put sein, sie ist es nicht für Sprachaufmerksam- Vielzahl der Schulsprachen und ihre Verbindung
keit, entstehende Sprachenbewusstheit und 1er- zu Rahmenkonzepten finden ihren Niederschlag

460 Sprachbetrachtung und Grammatik


Entwic~

in thematischen Zeitschriftennummem (Spra- und Sprachlembewusstheit. Zu letzterer gehort Apeltauer, Ernst_ :


chenübergreifend unterrichten; Nieweler 2001) auch das Bewusstsein von Lernstil sowie Lem-
und in spezifischen Neugründungen von Zeit- und Fremdsp:-
und Arbeitstechniken. Der übliche Kursunter- rung. Berlin.
schriften (Language Awareness seit 1992, richt für Erwachsene berücksichtigt das nicht,
Grundschule Sprachen seit 2001). Aplin, Richard. J9C:
Lernerfragen sind kaum willkommen. liography. La::._
Wenn die Schulsprachendidaktiken ihre Be- Nach Wildenauer (ersch.) erklaren in Sprach- 115- 123. -
ziehungen thematisieren, entstehen für die Ler- kursen an Spracheninstituten nicht alle, jedoch
nenden neue Sprachfragen. Lemerfragen sind - 1997. Knowled'.?!
ein betrachlicher Anteil Erwachsener - meist
ein auBerst produktives Element im Sprachun- guage Awarenes.:.
solche, die Deutsch als L3 lernen - , sie nutzten Association of ::..._
terricht (Eckerth 1998). In Kap. 4.1 wurde das eigene Hypothesen über Sprachen sowie auch
Besprechen solcher Lemerfragen als eine Auf- ter. (Polykopie).
die L2 Englisch, und sie gewannen dadurch Er- Appel, Joachim. :::
gabe des Deutschunterrichts genannt: Transfer kenntnisse über ihre L1 bezüglich Wortschatz,
von Wissen, Entstehen von Bewusstheit bezüg- Fremdsprachenc:::.::i::i
Morphosyntax und Syntax. Durch vergleichende Babylonia. 2/1999. :
lich Sprachendifferenzen, Sprachvarietaten, Rekonstruktion aktivieren und konstruieren sie
Sprachfunktionen, Sprachlemen, Sprachmittel zione pluriling-
Wissen über die Sprachen und Bewusstheit des chen/Educaziun :
und Sprachverwendung, aber auch bezüglich der Zusammenhangs und des Zugangs. Englisch als
Sprachlichkeit des/der Menschen. Baker, Colin. l 99i
Brückensprache hat eine vermittelnde Rolle, die Education and B:
in Deutsch als L3 nicht unterschatzt werden soll- Bausch, Karl-Ricc=:.
te. Man darf vermuten, dass in erster Linie Per- Das Lehren und :...,
sonen rnit formaler Bildung Sprachwissen und ter oder weitereé •
5 Sprachwissen und Sprach- Bewusstheit in diesem Sinn entwickeln, nicht so Probleme, Perspd:::-
sehr Personen ohne Sprachlern- und Schrifter-
bewusstheit bei mehrsprachigen fahrung.
- Christ, Herben ~
Erwachsenen 1991/2002. Hacé.:
Zweitsprachige Erwachsene, die mehr als fünf richt. Tübingen.
Jahre in Deutschland leben, entwickeln Sprach- Bender-Szymanski -..
In neuester Zeit gilt dem Sprachwissen und der wissen und Sprachbewusstheit offenbar auch mit
Sprachbewusstheit sowie den Spracheinstellun- Lehrer von Mi!m::::
den steigenden Anforderungen der Umwelt. Da- analyse inter~i _
gen mehrsprachiger Erwachsener erhohtes Inte- b ei scheinen formale Situationen und Schreiben
resse. Untersucht werden v. a. Erwachsene, die schen Studienrefe-:--
(im Gegensatz zum Lesen) rnit langerem Aufent-
eine Fremdsprache bzw. das Deutsche neu ler- rellen Schulen. a
halt als schwieriger empfunden zu werden. Die hung und Soziafu;:
nen. Viele auBem negative Einstellungen zu ih- Aufrnerksamkeit auf Sprachliches nimmt nicht
rem schulischen Fremdsprachenunterricht. Bense, Elisabeth. 195
ab, sondern der Anspruch wird groBer. Zwei- und sprachigkeit auf -
Deutsch lemende Erwachsene bringen unter- mehrsprachige Erwachsene mit zweisprachiger sprachlichen Fah;-
schiedliche kognitive und soziale Lernvorausset- Lebenspraxis reflektieren (je nach Bildungs-
zungen und nicht immer eine positive Einstel- brücker Beitra!!i
stand) kontinuierlich Sprach- und Sprachverwen- 114-138. -
lung zur Zielsprache rnit; es gibt individuen eine dungsfragen, auch wenn sie aktuell keine weite- Bialystok, Ellen. 1% -
mehr oder weniger groBe Sprachlerneig- re Sprache lernen. Akut werden Sprachwissen lism on metaling,_
nung/language aptitude (Riemer 2001 ). Beim und Sprachbewusstheit im Kontext der Erzie- Language Rese.m:-~ -
Fremdsprachenlernen ist nach heutiger Auffas- hung eigener Kinder, wo groBer Bedarf an Infor- Billiez, Jacqueline (eé.
sung die Erstsprache beteiligt (Butzkamm & mation über zweisprachige Kindererziehung er- des Iangues a la d: ·
Butzkamm 1999), evtl. auch bereits gelemte forderlich wird (s. 3). Sprachwissen und Sprach- Grenoble.
Zweit- und Drittsprachen (Bausch & Heid einstellungen müssen von Eltern gegenüber den Boettcher, Wolfgang ......
1992). Man geht davon aus, dass das Lernen Kindern und gegenüber der Umwelt laufend de- andere Grammatik::::::....::
neuer Strukturen auf der Folie der gelernten klariert werden (Oomen-Welke & Pfeil ersch.). - (Hg.). 1979. Gran::::=::.
Sprachen und Lemerfahrungen geschieht.
xis Deutsch 34.
Allerdings gilt auch das Umgekehrte: Durch
Lernen neuer Sprachen scheint ein Bewusstwer- Bogdain, Karin. 1989. :
in der Familie. In: x.!'_
dungsprozess nicht nur bezüglich der Zielspra- 6 Literatur mas; Dahlmeier, K.:i.._
che und ihres pragmatischen Nutzens, sondern
Tischer, Bemd (Hg.
auch bezüglich der Erstsprache und evtl. weiterer Andresen, Helga. 1984. Gedanken zur sponta- Psycholinguistik 3.
Sprachen in Gang zu kommen. Implizites Wissen nen Sprachreflexion bei Kindern und ihre:- Bremerich-Vos, Albe::
wird in explizites Wissen umgewandelt und um- Bedeutung für den (Recht-)Schreibunterricl::..
gekehrt (Hawkins 1984, Tonshoff 1995). Durch des Grammatikun ~
In: Ossner, Jakob & Melenk, Hartmut (Hg.
für Lehrer und SchL=.
ÁuBern und Besprechen eigener Hypothesen und Methoden der Sprachdidaktik - Methoden i:::: Budde, Monika. 2000
Einstellungen der Lemenden, d. i. Aushandeln, Sprachunterricht. Beitrage des V Symposio::.;: eine Übertragung C.!!. _
wird aus indiv iduellem Wissen soziale Sprach- Deutschdidaktik. Ludwigsburg, 58- 67.
Konzepts auf den D ..-
Bntwicklung sprachlichen Wissens und Bewusstseins im mehrsprachigen Kontext 461

Apeltauer, Brnst. 1997. Grundlagen des Erst- tureller Klassen der Sekundarstufe I. Kassel.
und Fremdsprachenerwerbs. Bine Einfüh- (Diss. masch. Ms. und CD-ROM).
rung. Berlín. Butzkamm, Wolfgang & Butzkamm, Jürgen.
Aplin, Richard. 1993. Language Awareness Bib- 1999. Wie Kinder sprechen lerneo. Kindliche
liography. Language Awareness 2, 2, Bntwicklung und die Sprachlichkeit des Men-
115- 123. schen. Tübingen.
1997. Knowledge about Language and Lan- Candelier, Michel. 1998. l.:éveil aux langues a
guage Awareness, an annoted bibliography. l 'école primaire, le programme européen ,,Bv-
Association of Language Awareness, Leices- lang". In: Billiez, 299-308.
ter. (Polykopie). Christ, Herbert; Schroeder, Konrad; Weinrich,
Appel, Joachim. 2000. Erfahrungswissen und Harald & Zapp, Franz-Josef. 1980. Fremd-
Fremdsprachendidaktik. München. sprachenpolitik in Europa. Homburger Emp-
Babylonia. 2/1999. S 'ouvrir aux langues/Educa- fehlungen für eine sprachenteilige Gesell-
zione plurilinguistica/Begegnung mit Spra- schaft. Augsburg.
chen/Educaziun plurilingua. Comano. Clark, Eve. 1978. Awareness oflanguage: Sorne
Baker, Colin. 1993. Foundations of Bilingual evidence from what children say and do. In:
Education and Bilingualism. Clevedon. Sinclair, Anne; Jarvella, Robert-J. & Levelt,
Bausch, Karl-Richard & Heid, Manfred. 1992. William J.-M. (eds.): The Child's Conception
Das Lehren und Lernen von Deutsch als zwei- ofLanguage. Berlín, 17-43.
ter oder weiterer Fremdsprache: Spezifika, Cots,JosepM. &Nussbaum,Luci. 1999. School-
Probleme, Perspektiven. Bochum. ing, Language and Teachers: Language Aware-
- Christ, Herbert & Krumm, Hans J. (Hg.). ness and the Discourse ofthe Bducational Re-
1991/2002. Handbuch Fremdsprachenunter- form in Catalonia. Language Awareness 8,
richt. Tübingen. 3&4, 174-189.
Bender-Szymanski, Dorothea. 1999. Wie lerneo Das Europaische Sprachenportfolio. 2000. Hg.
Lehrer von Migrantenkindern? Bine Prozess- von der Schweizerischen Konferenz der kan-
analyse interkulturellen Lerneos bei deut- tonalen Erziehungsdirektoren. Bern.
schen Studienreferendarlnnen in multikultu- Deutsches PISA-Konsortium (Hg.). 2001. PISA
rellen Schulen. Zs. f. Soziologie der Erzie- 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen
hung und Sozialisation 19, H. 1, 52-71. und Schülern im internationalen Vergleich.
Bense, Elisabeth. 1981. Der Binfluss von Zwei- Opladen.
sprachigkeit auf die Entwicklung der meta- Donmall, Gillian B. 1985. Sorne Implications for
sprachlichen Fahigkeiten von Kindern. Osna- Language Awareness Work for Teacher Train-
brücker Beitrage zur Sprachtheorie 20, ing (pre-service and in-service). London.
11 4-138. Eckerth, Johannes. 1998. Kognitive Aspekte
Bialystok, Ellen. 1987. Influences of bilingua- sprachbezogener Lernerfragen. Interaktion
lism on metalinguistic development. Second und Kognition im Deutsch-als-Fremdsprache-
Language Research 3, 2, 154- 166. Unterricht. Baltrnannsweiler.
Billiez, Jacqueline (ed.). 1998. De la didactique Ehlich, Konrad; Ossner, Jakob & Starnmer-
des langues ala didactique du plurilinguisme. johann, Harro. 200 l. Hochsprachen in Europa.
Grenoble. Entstehung, Geltung, Zukunft. Freiburg/Br.
Boettcher, Wolfgang & Sitta, Horst. 1978. Der Eisenberg, Peter & Klotz, Peter (Hg.). 1994.
andere Grammatikunterricht. München. Sprache gebrauchen - Sprachwissen erwer-
- (Hg.). 1979. Grammatik in Situationen. Pra- ben. Stuttgart.
xis Deutsch 34. Fairclough, Norman. 1999. Global Capitalism
Bogdain, Karin. 1989. Zweisprachige Erziehung and Critica! Awareness of Language. Lan-
in der Familie. In: Kegel, Gerd; Arnhold, Tho- guage Awareness 8, 2, 71- 83.
mas; Dahlmeier, Klaus; Schmid, Gerhard & Feilke, Helmuth. 1994. Ohne Netz und Spiegel -
Tischer, Bernd (Hg.): Sprechwissenschaft & Wie bestimmt Sprache das Bewusstsein? Der
Psycholinguistik 3. Opladen, 229- 255. Deutschunterricht 46, H. 4, 71-8 1.
Bremerich-Vos, Albert (Hg.). 1999. Zur Praxis - 1996. Sprache als soziale Gestalt. Ausdruck,
des Grarnmatikunterrichts. Mit Materialien Pragung und die Ordnung der sprachlichen
für Lehrer und Schüler. Freiburg/Br. Typik. Frankfurt/M.
Budde, Monika. 2000. Sprachsensibilisierung: Giese, Heinz & Ossner, Jakob (Hg.). 1998. Spra-
eine Übertragung des Language Awareness che thematisieren. Fachdidaktische und unter-
Konzepts auf den Deutschunterricht multikul- richtswissenschaftliche Aspekte. Freiburg/Br.
462 Sprachbetrachtung und Grammatik
Emv., -

Gnutzmann, Claus & Konigs, Frank G. (Hg.). Kielhofer, Bernd & Jonekeit, Sylvie. mationen z-.:::- -
1995. Perspektiven des Grammatikunter- 1983/9 1995. Zweisprachige Kindererziehung. 33-47.
richts. Tübingen. Tübingen. - 1998a. ,, ... ir:;
Gornik, Hildegard. 1989. Metasprachliche Ent- Kiesel e. V 2000. Kinder entdecken Sprachen - im Deutschlll::!:
wicklung bei Kindern - Definitionsprobleme Entwicklung und Erprobung von Lehrmate- - 1998b. Viele ~
und Forschungsergebnisse. Osnabrücker Bei- rialien. EVLANG in Ósterreich. spiel Mittelei::
trage zur Sprachtheorie 40, 39- 59. www.zse3.asn-graz.ac.at men-Welke, 1=.-=
Grimm, Hannelore. 3 1995. Sprachentwicklung- Knapp-Potthoff, Annelie. 1997. Sprach(lern)be- West. Sprad::~
allgemeintheoretisch und differentiell be- wusstheit im Kontext. Fremdsprachen lehren dung. FreibUIT: -
trachtet. In: Oerter, Rolf & Montada, Leo und lernen 26, 9- 23. - 1999. Sprac~
(Hg.): Entwicklungspsychologie. Ein Lehr- Kron, Friedrich W 1996. Cultural and Ideologi- Deutsch 26, H. :
buch. Weinheim, 705- 758. cal Dimensions ofLanguageAwareness. Cur- - 2000. Umga::::-
Harding, Edith & Riley, Philip. 1986. The Bilin- rículum and Teaching 11 , 2, 63- 68. Deutschunt;rr:;:_
gual Family. A Handbook for Parents. Cam- Kutsch, Stefan. 1988. Kinder über Sprache. und sichtbar ~
bridge. Frankfurt/M. 143- 163.
Haueis, Eduard. 1981. Grammatik entdecken. Lightbown, Patsy M. & Spada, Nina. 2000. Do - 2002. Spracha· -
Grundlagen des kognitiven Lernens im They Know What They're Doing? L2 Lear- wusstheit von ·
Sprachunterricht. Paderborn. ners' Awareness of Ll Influence. Language Projektbericht.
Hawkins, Eric. 1984. Awareness oflanguage: An Awareness 9, 4, 198- 217. - & Pfeil, Andre:.
Introduction. Cambridge. Luchtenberg, Sigrid. 1992. Language Aware- deutschen Süd..
- 1999. Foreign Language Study and Language ness: Ein Ansatz für interkulturelle sprachli- - & Peña Schuma:-'-
Awareness. Language Awareness 8, 3&4, che Bildung. Interkulturell 3/4, 64-87. lernen - Bios::::-
124- 142. 1995. Interkulturelle sprachliche Bildung. Zur zweisprachige/
Hecht, Karlheinz. 1994. Lernziel: Sprachbe- Bedeutung von Zwei- und Mehrsprachigkeit &Meng.
wusstheit. Die Neueren Sprachen 93, H. 2, für Schule und Unterricht. Münster. Ossner, Jakob. 2
128- 147. - 2001. Language(s) and Cultural Awareness: Normierung iu:
Hinnenkamp, Volker. 2000. ,,Gemischt spre- Ein Thema für die Fremdsprachenlehreraus- richt des Deu - ~
chen" von Migrantenjugendlichen als Aus- bildung? Neusprachliche Mitteilungen 54, Stammerjohann. : -
druck ihrer Identitat. Der Deutschunter- H. 3, 130-138. Paul, Hermann. 9 I9C:.
richt 52, H. 5, 96--107. Macaire, Dominique. 2001. Konzepte der Tübingen.
& Meng, Katharina (Hg.). 2002. Sprachgren- Sprachaufmerksamkeit in der Grundschule. Perregaux, Chrisric:.
zen überspringen. Sprachliche Hybriditat und In: Portmann-Tselikas, Paul R. & Schmolzer- nouveau monde. ::::..
polykulturelles Selbstverstandnis. Tübingen. Eibinger, Sabine (Hg.): Grammatik und Pomphrey, Cathy &
Hirsh-Pasek, K.; Kernler Nelson, D.; Jusczyk, P.; Sprachaufmerksamkeit. Innsbruck, 200- 215. subject Dialogue ___
Cassidy, B. & Kennedy, L. 1987. Clauses are McCarthy, John. 1994. The Case for Language and Perceptions o:_
perceptual units to young infants. Cogni- Awareness in the Irish Primary School Currí- and Modern Lar: __
tion 26, 269- 286. culum. Language Awareness 3, 1, 1- 9. ness 8, 3&4, 223-:.:-
Hufeisen, Britta & Lindemann, Beate (Hg.). - 1997. The potential ofinductive learning stra- Riemer, Claudia. 200: -
1998. Tertiarsprachen. Theorien. Modelle. tegies involving several languages. Expéri- these. Ein Beitrag z:=
Methoden. Tübingen. ences d'éveil aux langues - au langage. Actes ler Unterschied; -
Hug, Michael. 2001. Aspekte zeitsprachlicher du Colloque Univ. René Descartes París : In: Bayrhuber, Hca:
Entwicklung in Schülertexten. Eine Untersu- Mai 1997. (unveroffentlicht).
chung im 3., 5. und 7. Schuljahr. Frank- Meisel, Jürgen. 1989. Early differentiation of lan-
furt/M. guages in bilingual children. In: Hyltenstam.
Jessner, Ulrike. 1999. Metalinguistic Awareness Kenneth & Obler, Loraine K. (eds.): Bilingua-
in Multilinguals: Cognitive Aspects of Third lism across the lifespan. Aspects of acquisition.
Language Learning. Language Awareness 8, maturity, and loss. Cambridge, 13-40.
3&4, 201- 209. Meif3ner, Franz-Joseph & Reinfried, Marcus
Karmiloff-Srnith, Annette. 1986. From metapro- (Hg.). 1998. Mehrsprachigkeitsdidaktik. Kon-
cesses to conscious access. Cognition 23, zepte, Analysen, Lehrerfahrungen rnit roma-
95-147. nischen Fremdsprachen. Tübingen.
Karolije-Walz, Persida. 1981. Metasprachliche Nieweler, Andreas. 2001. Sprachenübergreifend
Fahigkeiten bilingualer Kinder. Osnabrücker unterrichten. Der fremdsprachliche Unter-
Beitrage zur Sprachtheorie 20, 139-157. richt Franzosisch 1, 4-13.
Kempcke, Günter. 2000. Worterbuch Deutsch Oomen-Welke, Ingelore. 1997. Kultur der Meh.:--
als Fremdsprache. Berlín. sprachigkeit im Deutschunterricht. ide. Info~-
Entwicklung sprachlichen Wissens und Bewusstseins im mehrsprachigen Kontext 463

mationen zur Deutschdidaktik 21, H. 1, kenbeiner, Claudia & Zwergl, Herbert (Hg.):
33-47. Lehr- und Lernforschung in den Fachdidakti-
- 1998a. ,, ... ich kann da nix!" Mehr zutrauen ken. Innsbruck, 141- 150.
im Deutschunterricht. Freiburg/Br. Schader, Basil. 2000. Sprachenvielfalt als Chan-
- 1998b. Viele Sprachen und Sprecher - Bei- ce. Handbuch für den Unterricht in mehrspra-
spiel Mitteleuropa. In: Lipóczi, Sarolta & Oo- chigen Klassen. Zürich.
men-Welke, Ingelore (Hg.): Students East - Siebert-Ott, Gesa. 2001. Individuelle Zweispra-
West. Sprachen, Gesellschaft, Künste, Bil- chigkeit, gesellschaftliche Mehrsprachigkeit
dung. Freiburg/Br., 55- 76. und Schulerfolg. Zs. f. Fremdsprachenfor-
- 1999. Sprachen in der Klasse. Praxis schung 12, H. 1, 39-61.
Deutsch 26, H. 157, 14-23. Smyth, Geri. 2001. What are the beliefs about
- 2000. Umgang mit Vielsprachigkeit im best practice which influence non-specialist
Deutschunterricht - Sprachen wahrnehmen mainstream class teachers when teaching bi-
und sichtbar machen. Deutsch lernen 25, H. 2, lingual pupils and how have these beliefs been
143- 163. formed? ATEE Stockholm. Diss.
- 2002. Sprachaufmerksamkeit und Sprachbe- Sprachenkonzept Schweiz. 1998. Hg. von der
wusstheit von Kindem und Jugendlichen. Schweizerische Konferenz der kantonalen Er-
Projektbericht. ziehungsdirektoren. Bern.
- & Pfeil, Andrea. ersch. Zweisprachige im Taeschner, Traute. 1983. The Sun is Feminine. A
deutschen Südwesten. Study of Language Acquisition in Bilingual
- & Peña Schumacher, Tomas. 2002. Sprachen- Children. Berlín.
lernen - Biographische Rekonstruktionen Tomlinson, Brian. 1994. Pragmatic Awareness
zweisprachiger Schulkinder. In: Hinnenkamp Activities. Language Awareness 3, 3&4,
&Meng. 119-129.
Ossner, Jakob. 2001. Sprachbewusstheit und Tonshoff, Wolfgang. 1995. Entscheidungsfelder
Normierung im muttersprachlichen Unter- sprachbezogener Kognitivierung. In: Gnutz-
richt des Deutschen. In: Ehlich, Ossner & mann & Konigs, 225- 246.
Stammerjohann, 171- 183. Tracy, Rosemarie. 1996. Vom Ganzen und sei-
Paul, Hermann. 9 1992. Deutsches Worterbuch. nen Teilen: Überlegungen zum doppelten
Tübingen. Erstspracherwerb. Sprache und Kognition 15,
Perregaux, Christiane. 1998. Esquisses d'un H. 1- 2, 70-92.
nouveau monde. In: Billiez, 291- 298. Wildenauer, Doris. ersch. Sprachvergleich als
Pomphrey, Cathy & Moger, Ross. 1999. Cross- Subjektive Lerntheorie Sprachen lernender
subject Dialogue About Language: Attitudes Erwachsener.
and Perceptions of PGCE Students ofEnglish Wolff, Dieter. 1995. Zur Rolle des Sprachwis-
and Modern Languages. Language Aware- sens beim Spracherwerb. In: Gnutzmann &
ness 8, 3&4, 223- 236. Konigs, 201- 224.
Riemer, Claudia.2001. Die Einzelganger-Hypo- Wolff, Jürgen. 2001. Babylonia-Tandem > lan-
these. Ein Beitrag zur Erforschung individuel- guage paradise? Praxishilfe zur rezeptiven
ler Unterschiede im Fremdsprachenerwerb. Mehrsprachigkeit. Donostia/San Sebastian.
In: Bayrhuber, Horst; Spinner, Kaspar; Fin-
9

35. Schulgrammatik und sich die Lin!>I ;;;;:,


grundsatzlich 'óc:c
neue Beschreilv.::,_
schulgrammatische Terminologie neuen Terrninola.i
sprechend habec &
Christoph Müller Begriffe der Sp:::r
schen Charakter. 5 -
tiger Wesensexp '~
Ausdruck bestin::=:
der Sprachbescln:.:
unterworfen. De:- :;
Entwicklung kru:::
folgen. Zwar orie::::::::
nerseits an den E~·
1 Einleitung Kapitel thematisiert, sondern auch die spezifi- ihrer Bezugswisse;._
2 Zum Status der Terminologie in wissenschaft- sche Unscharfe und Dynamik, durch die Katego- rerseits nicht wie C..!'
licher Grammatik und Schulgrammatik rien der Sprachbeschreibung gepragt sind. Am licher Autonomie ~
3 Zum Verzeichnis grundlegender grammatischer Fall der durch die Kultusminister der Lander au- als Grammatik fil: _
Fachausdrücke torisierten Liste grammatischer Fachausdrücke geflecht untersc._ .-._ _,.
4 Didaktische Begründungen für die Termini- wird sodann konkret gezeigt, welche unter- eingebunden ist (E
vermittlung in der Schule schiedlichen Gesichtspunkte eine Rolle spielen, chend vielfáltig s=~
5 Grammatische Terminologie in verschiedenen wenn es darum geht, die Schultauglichkeit einer eine schulgraruu:~
Phasen der Lernbiographie grammatischen Terminologie zu beurteilen. werden muss. Eine
6 Literatur Warum sol! Kindern, die sich in ihrer eigenen Ansprüche, die ~
Sprache hinlanglich ausdrücken konnen, eine brauchsgrammatik _
grammatische Terminologie vermittelt werden? len" (Heringer & ~
Die einzelnen didaktischen Begründungsansatze mer 1987, 19), lieg: ~
1 Einleitung werden bei der Erorterung so gegeneinander ab- stimmte Grundpos:::?::
gewogen, dass aus den lerntheoretischen Ak- Aus Sicht der f2 ·
Die Frage nach der Terminologie in der Schul- zentsetzungen unterschiedliche Sichtweisen ent- logie der SchuJa_....,_..---
grammatik scheint zunachst ein rein technisches wickelt werden konnen und beispielhafte Unter- spruchsfrei, okono=
Problem zu beschreiben, dem - gemessen an an- richtssituationen vorstellbar werden. na! und wissensc _.:
deren didaktischen Kernthemen - nur unterge- Wie wird terminologisches Wissen in der 201), sondern auct
ordnete Bedeutung zukommt. Da es aber keinen Schule vermittelt? Das fünfte Kapitel stellt einen Schüler den Ansprcr.:.
zweckmafügen Gebrauch von Terminologien oh- Zusammenhang zwischen kognitiver Entwick- Lehr- und Lembark _
ne Problembewusstsein gibt (Emons 1987, 61), lung und dem Umgang mit Terminologie im Un- ler-Bauer 1984, 6
beschreibt der vorliegende Artikel für den Be- terricht her. Mit Bezug auf die Lemerfahrungen und berufserfahrene .::....
reich Schule, wie Unterrichtsprozesse durch den unterschiedlicher Gruppen von Terminirezipien- schulgrammatische ~
Stellenwert, der der grammatischen Terminolo- ten werden Stationen einer prototypischen Lern- langeren Zeitraum c
gie zugeschrieben wird, beeinflusst werden. Da- biographie nachgezeichnet. die traditionelle G -
bei zeigt sich, dass sich aus der Fixierung auf die mit weder die Sch::.:
Vermittlung terminologischen Wissens ein be- Wissensbestande allz::.
stimmtes, über Generationen tradiertes ,,Brauch- lich gelagertes Inte:res.._
tum" des Grammatikunterrichts erklaren lasst. 2 Zum Status der Terminologie in kommissionen und ~
Darüber hinaus werden didaktische Perspektiven einheitlichung der 1i
für eine Unterrichtspraxis urnrissen, die die wissenschaftlicher Grammatik mer 1987, 18).
grammatische Terminologie als sinnvolles kog- und Schulgrammatik
nitives Werkzeug zu nutzen versteht.
Der Artikel orientiert sich an drei Basisfragen: Die Sprache stellt kein wohlgeformtes, in sicb
Welche besonderen Bedingungen ge/ten hin- geschlossenes System dar (Erben 1986, 7). Des-
sichtlich einer schulgrammatischen Terminolo- balb konnten die Bemühungen der Linguistik 3 Zum Verzeid:::....
gie? Terminologisches Wissen ist in der Schule um systematische Beschreibung nicht zur Ruhe grammatische:- 7
an spezifische, überwiegend erwerbsorientierte kommen. Als gewachsenes, nicht konstruiertes
Voraussetzungen gebunden, im wissenschaftli- und für Gebrauchssituationen biegsam gehalte- Diesem oben beschri ·
chen Kontext an systematische und modellorien- nes Ordnungsgefüge entzieht Sprache sich eine:- sollte das 1982 von de: _
tierte. Nicht nur dieser Aspekt wird im zweiten endgültigen Systematisierung. Folglich siell: zustimmend zur Ke;:::::;..::
Schulgrammatik und schulgrammatische Terminologie 465

sich die Linguistik genotigt, immer wieder zeichnis grundlegender grarnmatischer Fachaus-
grundsatzlich oder in Teilen neu anzusetzen und drücke" (nachfolgend kurz KMK-Liste genannt)
neue Beschreibungsmethoden, verbunden mit genügen. Das Verzeichnis enthalt vomehrnlich
neuen Terminologien zu entwickeln. Dement- lateinische Termini zu den drei Bereichen Laut-
sprechend haben die durch Termini bezeichneten lehre, Wortlehre und Satzlehre. An einigen Stel-
Begriffe der Sprachbeschreibung nur heuristi- len treten neben die lateinischen Termini die in
schen Charakter. Sie haben nicht den Status gül- Klammern gesetzten herkommlichen deutschen
tiger Wesensexplikationen a priori, sondern sind Bezeichnungen (Kürschner 1997, 282).
Ausdruck bestimmter Wahrnehmungsinteressen
der Sprachbeschreibung und damit dem Wandel
unterworfen. Der Dynamik wissenschaftlicher 3.1 Zur Diskussion um die Normierung
Entwicklung kann die Schulgrammatik nicht Die Diskussion um die KMK-Liste gibt Einblick
folgen. Zwar orientiert sich Schulgrammatik ei- in vielfáltige Argumentationsrichtungen. Jen-
nerseits an den Erkenntnissen der Linguistik als seits kritischer Auffassungen zu Einzelfestle-
ihrer Bezugswissenschaft, doch kann sie ande- gungen, wie sie die Detailanalyse von Homber-
rerseits nicht wie diese den Status wissenschaft- ger (1992) bietet, geht es in den folgenden Aus-
licher Autonomie für sich geltend machen, da sie führungen um grundsatzliche Aspekte von
als Grammatik für die Schule in ein Beziehungs- Normierung im Bereich der Schulgrammatik,
geflecht unterschiedlicher Adressatengruppen nicht zuletzt um die Auseinandersetzung mit der
eingebunden ist (Homberger 1993, 17). Entspre- lateinischen Terminologie. Dabei stellt sich auch
chend vielfáltig sind die Anforderungen, denen die Frage, welche Merkmale eine Terminologie
eine schulgrammatische Terminologie gerecht auszeichnen müssen, damit sie für die Schule be-
werden muss. Eine empirische Erforschung ,,der sonders geeignet ist.
Ansprüche, die Grammatikbenutzer an eine Ge-
brauchsgrammatik und ihre Terminologie stel-
len" (Heringer & Keller-Bauer 1984, 66; Wim- 3.1.1 Normierung der Benennung ohne
mer 1987, 19), liegt nicht vor, doch konnen be- Normierung der Begriffe
stimmte Grundpositionen abgesteckt werden. Zwei gedankliche Prozeduren sind grundsatz-
Aus Sicht der Fachdidaktik muss die Termino- lich zu unterscheiden: die Begriffsbildung einer-
logie der Schulgrammatik nicht nur wider- seits und die Benennung durch Termini anderer-
spruchsfrei, okonomisch, eindeutig, internatio- seits. Die Begriffsbildung erfolgt, indem ein be-
nal und wissenschaftlich sein (Helmers 1997, obachtetes Strukturphanomen der Sprache durch
201), sondern auch mit Blick auf Lehrer und Beschreibungskategorien und operationale Ver-
Schüler den Anspruch auf Anwendbarkeit sowie fahren definitorisch eingegrenzt wird.
Lehr- und Lernbarkeit einlosen (Heringer & Kel- Im Bereich der Wortarten konnte ein Begriff
ler-Bauer 1984, 68). Schulbuchverlage, Eltem in seiner Intension wie folgt beschrieben wer-
und berufserfahrene Lehrer wünschen sich eine den: Der Begriffurnfasstjene Worter, die
schulgrammatische Terminologie, die über einen - die Position zwischen Artikel und Nomen ein-
langeren Zeitraum ihre Gültigkeit behlilt und an nehmen konnen und in dieser Position so flek-
die traditionelle Grammatik anschlieBbar ist, da- tiert werden, dass sie in Genus, Kasus und Nu-
mit weder die Schulbücher noch die eigenen merus mit dem Nomen übereinstimmen;
Wissensbestande allzu schnell veralten. Ein ahn- - darüber hinaus unflektiert gebraucht werden
lich gelagertes Interesse verfolgen Richtlinien- konnen, indem sie zusammen mit einem Kopu-
kommissionen und Kultusbehorden, die aufVer- laverb das Pradikat bilden oder im Satz relativ
einheitlichung der Terminologie drangen (Wim- frei verschiebbar sind, da sie den Rang eines
mer 1987, 18). Satzgliedes einnehmen;
- gleichzeitig Steigerungsformen ausgebildet
haben, durch die unterschiedliche Grade der
Intensitlit angezeigt werden.
3 Zum Verzeichnis grundlegender Um den so gewonnenen Begriff festzuhalten, um
sich mit und über ihn verstlindigen zu konnen,
grammatischer Fachausdrücke muss er mit einem N amen, mit einem Terminus
versehen werden (Glinz, H. 1987, 21). In Gram-
Diesem oben beschriebenen Anforderungsprofil matik A wird dieser Begriff beispielsweise mit
solite das 1982 von der Kultusministerkonferenz dem Terminus ,,Wie-Wort" bezeichnet, Gram-
zustimmend zur Kenntnis genommene ,,Ver- matik B spricht hingegen vom ,,Eigenschafts-

466 Sprachbetrachtung und Grammatik

wort", um denselben Begriff zu benennen. Es onskriterien bereitzustellen bzw. Theoriebezüge 3.2.1


leuchtet unmittelbar ein, dass in dieser Situation zu berücksichtigen, die zu einheitlichen Be-
durch die Einführung einer verbindlichen Ternli- griffsbildungen anleiten konnten.
niliste, die nun die Verwendung des Terminus
Grammatikben1
,,Adjektiv" vorschreibt, die Verstlindigung zwi- mini unterU
schen Benutzern der Grammatik A und der 3.1.2 Die KMK-Liste als Einengung des
fachdidaktischen Diskurses tion der bezeic
Grammatik B problemloser vonstatten geht.
ohne zu berüc
Problematisch wird es aber, wenn Gramma- Aus der Perspektive der Fachdidaktik werden men ein multi
tik X bei der Wortartenbestimmung von ganz an- Vorbehalte gegen die Termininormierung geliu- bergen (Ge
deren Begriffen ausgeht, indem sie alle Worter, J3ert. Zu befürchten sei, dass dringend notwendi- tragung vera
die nur die letztgenannte Bedingung (Kompa- ge Diskussionsprozesse durch die offiziell ver- die lateinische
rierbarkeit) erfüllen, zu einer Wortart zusam- ordnete Liste unterbunden werden (Heringer & Futur bezeichn
menfasst und diesen veranderten Begriffin Ein- Keller-Bauer 1984, 65). Dieser Argumentations- tiges Ereignis \.
klang mit der verbindlichen Terminiliste eben- ansatz wird verstlindlich, wenn man bedenkt, füllen die Forme
falls mit dem Terminus ,,Adjektiv" versieht, dass ein jeglicher Terminus nur im Zusammen- verbunden we ·
zumal noch nicht einmal alle Adjektive kompa- hang des Beschreibungsmodells zu verstehen ist,
rierbar sind. Funktionsspektr:
das ihn hervorgebracht hat (Wimmer 1987, 11). sehr die Bezeic
Das Dilemma ist nun groJ3er als vorher. Haben Eine mit der Autoritlit der KMK ausgestattete hens im Vorde
zuvor die unterschiedlichen Termini eventuell Terminiliste wird also - unabhangig davon, wel- Kennzeichnung
signalisiert, dass verschiedene Grammatiken un- che Termini gewlihlt werden - ein bestimmtes eines strikten B
ter Umstlinden von unterschiedlichen Begriffs- Grammatikmodell transportieren. Zwar begrün- Terminus Futur
bildungen ausgehen, so tliuschen die vereinheit- det die Kultusministerkonferenz ihre Entschei- der Terminus ü
lichten Termini jetzt eine begriflliche Einheit- dung für den lateinischen Terminikanon gerade der grammatisc
lichkeit vor, die de facto nicht gegeben ist. Zwar damit, dass kein bestimmtes Grammatikmodell deutet und funk
benutzen Schüler unterschiedlicher Regionen (gedacht ist z . B. an die Konstituentenstruktur- tiges Geschehe
und Bundeslander nach Einführung der KMK- oder an die Dependenzgrammatik) favorisiert kürzende Übers
Liste dieselben Termini, doch ist damit eben werden sollte, doch geben die lateinischen Ter- ,,für" in dem 1i
nicht gewlihrleistet, dass diese Termini dieselben mini de facto eine Orientierung an der traditio- chen Begriffs
Begriffe bezeichnen, die über Kategorien und nellen Schulgrammatik vor, die für den Deutsch- 1987, 40). Insg
Funktionen operational hergeleitet werden müs- unterricht ein Beharren auf der althergebrachten gewollter Übe
sen. Einzelsatzanalyse festschreibt. Kategorien, die teinische Termi
Dass man nach Beispielen für solche Begriffs- über die Satzgrenze hinaus den Blick auf text- da die meisten
verwirrungen nicht lange suchen muss, zeigt die funktionale Aspekte lenken (Thema - Rhema, Zeit Adelungs v
Gegenüberstellung zweier aktueller Schulgram- Satzfokus, Kohlirenz), berücksichtigt die KMK- ten" aufgefasst ,
matiken aus renommierten Verlagshliusern. Liste nicht (Klotz 1995, 4). Erst eine bewusste ,,weil manan ihr
Schulgrammatik A verweist darauf, dass Adjek- Befreiung von den KMK-Vorgaben konnte den deutung nicht me
tive adverbial verwendet werden konnen fachdidaktischen Diskussionsprozess über die j eden Begriff mit
(Schwengler 1998, 38), wlihrend Schulgramma- bisher nur selten überschrittenen Grenzen voran- lung 1977, 3).
tik B Adjektive im Fall der adverbialen Verwen- bringen.
dung zu Adverbien mutieren llisst, indem sie
konstatiert, das Wort ,,dringend" in dem Bei- 3.2.2 DieAuseinar..:;_
spielsatz ,,Suche dringend Englischlehrer" sei 3.2 Zur Auseinandersetzung um die lateinischen T.
als Adverb anzusehen (Lübke 1999, 121). Die lateinischen Fachbegriffe Produktivkraf:
Bemühung um Vereinheitlichung scheitert dar- Schon aus historischen Gründen konnten die la- Die Geschichte de:r
an, dass die KMK-Liste Termini, also Sprachein- teinischen Termini der Sprachbeschreibungs- Iegt zahlreiche Vero.!:_
heiten vorgibt, ohne zu erwligen, aufwelche Be- theorie suspekt sein. Symbolisieren sie doch für ni einzudeutschen l.
griffe, aufwelche Denkeinheiten sich diese Ter- manchen Betrachter die Tatsache, dass sich so- Diskussion um die •
mini beziehen sollen (Vater 2000, 11 ). Ein wohl die Grammatikschreibung als auch der vom 17. Jh. bis in ci.:r
Problem, das schon Adelung erwlihnt, w ird so- Deutschunterricht erst aus der Umklammerung erkennen, dass Term.:;;;;..
mit fortgeschrieben: ,,Man sehe z. B. nur die Ver- durch den Lateinunterricht befreien mussten Sprache gebildet ~
wirrungen und Widersprüche, welche in allen (Gewehr 1982, 20). Solche ,,Ressentiments" denken Anlass gabe.i:.
Deutschen Grammatiken in der Lehre von dem sind aber für die aktuelle Diskussion um die la- mantik transportiert~
Adjective und Adverbio herrschen, und welche teinischen Termini nicht mehr wegweisend und als einseitige Ausl~
so gleich wegfallen, so bald man von beyden nur werden z. T. als das Resultat einseitiger Interpre- griffe gelesen wurd~ -
deutliche Begriffe voraus setzt" (Adelung 1977, tationen der Donatrezeption gedeutet (Ivo von der lateinischen T
2). Die KMK-Liste verzichtet darauf, Definiti- 1989a, 34). belebten eingedeutscl:2 -
Schulgrammatik und schulgrammatische Terminologie 467

3.2.1 Lateinische Termini als sprechende onsprozess, der die Frage nach der Grammatik-
Bezeichnungen? terminologie auch mit der Frage nach der Inten-
sion von Begriffen verknüpfte.
Grammatikbenutzer interpretieren einzelne Ter- Wahrend frühe Grammatiker wie Ratke sich
mini unter Umstiinden als Hinweis auf die Funk- um Eindeutschung lateinischerTermini bemüh-
tion der bezeichneten grammatischen Kategorie, ten, ansonsten aber prinzipiell von der univer-
ohne zu berücksichtigen, dass sprachliche For- sellen Gültigkeit des Begriffssystems der latei-
men ein multidimensionales Funktionspotential nischen Grammatik ausgingen (Naumann
bergen (Genzmer 1998, 113). Eine solche Über- 1986, 33), zeigen die einleitenden Betrachtun-
tragung veranschaulicht der Terminus Futur. Für gen zu Adelungs Grammatik, dass die einge-
die lateinische Sprache trifft es zu, dass die als deutschten Termini gerade wegen ihrer zum Wi-
Futur bezeichneten Verbformen auf ein zukünf- derspruch reizenden semantischen lmplikatio-
tiges Ereignis verweisen. Im Deutschen jedoch nen zu der Überlegung anregten, von welchen
füllen die Formen, die mit dem Terminus Futur Begriffen eine deutschen Grammatik auszuge-
verbunden werden, ein anders akzentuiertes hen habe (zur Unterscheidung von Terminus
Funktionsspektrum aus. Dabei steht nicht so und Begriff s. 3 .1.1 ). Sornit bereitet sich in der
sehr die Bezeichnung eines zukünftigen Gesche- Auseinandersetzung mit den muttersprachli-
hens im Vordergrund, sondern hiiufig auch die chen Termini indirekt die Losung von den aus
Kennzeichnung einer modalen Einfarbung oder der lateinischen Grammatik übemommenen
eines strikten Befehls (Weinrich 1993, 234). Der Begriffen vor: ,,Alle übrige [deutschsprachigen
Terminus Futur verführt also dazu, als sprechen- Termini] sind entweder buchstabliche Ueber-
der Terminus überinterpretiert zu werden, indem setzungen der Lateinischen, oder sind Beweise
der grammatische Begriffvom Terminus her ge- des irrigen oder doch dunkeln Begriffes ihres
deutet und funktional auf das Merkmal ,,zukünf- Erfinders" (Adelung 1977, 3). SowohlAdelung
tiges Geschehen" reduziert wird. Auch die ver- als auch spater Karl Ferdinand Becker vollzo-
kürzende Übersetzung des Affixes ,,pro" durch gen in ihren Grammatikwerken Schritte hin zu
,,für" in dem Terrninus Pronomen kann zu iihnli- einer Grammatik des Deutschen, die in wichti-
chen Begriffsverkürzungen führen (Glinz, H. gen Begriffen den Zuschnitt auf die lateinische
1987, 40). Insgesamt wirddie Gefahr solcherun- Grammatik hinter sich lassen sollte. Beide ar-
gewollter Übertragungen in Hinblick auf die la- beiteten weitgehend mit der lateinischen Termi-
teinische Terminologie aber als gering erachtet, nologie, ohne dass diese ihre gedankliche Ei-
da die meisten lateinischen Termini schon zur genstandigkeit behindert oder die Auseinander-
Zeit Adelungs von Lernenden eher ,,als Etiket- setzung mit der Objektsprache determiniert
ten" aufgefasst wurden (Glinz, H. 1987, 40), hatte.
,,weil manan ihre eigentliche buchstiibliche Be- Sprachphilosophische Erkenntnisprozesse
deutung nicht mehr denkt, und daher leicht einen gehen oft vom Bildgehalt der lateinischen Termi-
jeden Begriff rnit ihnen verbinden kann" (Ade- ni aus, indem sie die lateinische Grammatik als
lung 1977, 3). Verbindung von einzelsprachlicher und univer-
seller Sprachbetrachtung ansehen (Ivo 1989a,
3.2.2 DieAuseinandersetzung mit der 50). In diesem Sinn wird auch diskutiert, ob sich
lateinischen Terminologie als die Falle Dativ und Akkusativ als Widerspiege-
Produktivkrafl der Grammatikreflexion lung kognitiver Differenzierungsmuster inter-
pretieren lassen und wie weit die von Glinz vor-
Die Geschichte der Grammatikschreibung be- geschlagenen Termini Zuwendgrofie und Ziel-
legt zahlreiche Versuche, die lateinischen Terrni- grofie diese zutreffend charakterisieren (Koller
ni einzudeutschen (Naumann 1986, 31). Die 1988, 255). Dass solche sprachphilosophischen
Diskussion um die vielfaltigen Vorschlage, die Interpretationshypothesen nachvollziehbare Er-
vom 17. Jh. bis in die Gegenwart reichen, lasst kliirungen für beobachtbare sprachliche Struktu-
erkennen, dass Termini, die aus der natürlichen ren liefern, zeigt sich z. B. in Bezug auf prototy-
Sprache gebildet wurden, immer wieder zu Be- pische Stellungsregularitaten von Dativobjekt
denken Anlass gaben, weil sie eine eigene Se- und Akkusativobjekt, die dahingehend interpre-
mantik transportierten und daher von Kritikern tiert werden konnen, dass in unmarkierten Sat-
als einseitige Auslegungen der jeweiligen Be- zen das Belebte vor dem Unbelebten genannt
griffe gelesen wurden. In ihrem Versuch, sich wird (Eisenberg 1989, 424).
von der lateinischen Terminologie abzugrenzen,
belebten eingedeutschte Termini einen Diskussi-
9
468 Sprachbetrachtung und Grammatik

3.2.3 Die Ausdrucksseite der lateinischen kommt der Frage nach der klanglichen Gestalt 1. Gerade im ,..__---~•
Terminologie aus lerntheoretischer Sicht der Termini nur noch eine untergeordnete Be- chen Disk~
deutung zu. gung des G= - i
Die in einer Terminiliste bezeichneten gramma- provozierende :"
tischen Kategorien ordnen sich zu einem System sen sei als ;m-.-
mit unterschiedlichen Hierarchien und Ver-
3.2.4 Lateinische Termini als universelles
~rstandigungsinstrument hen, das Erke::=:r
wandtschaftsbeziehungen. Dabei stellt sich die Sprache eher ~
Frage, inwiefern die lateinischen Termini durch Es zeigt sich, dass das lateinische Terminiinven- 1999, 10).
ihre klangliche Gestalt und morphologische tar kritisch zu reflektieren ist. Trotz aller Vorbe- 2. Eltem und Iz~
Struktur dazu beitragen, solche Beziehungen halte gibt es aber für die Schulgrammatik derzeit richt haufig e:-=
zwischen grammatischen Kategorien lerner- keine praxistaugliche Altemative zu den lateini- sen Verrnittlw:: -
freundlich widerzuspiegeln. schen Benennungen, denn der schulische Gram- darf, auch wec
Eine gebrauchsgrammatische Terminologie matikunterricht muss vor dem Hintergrund kon- schen Wissens -
sollte so beschaffen sein, dass einer Verwechslung kurrierender linguistischer Sprachbeschrei- Neuland 1991.-:
von Termini vorgebeugt wird. Morphologische bungsanslitze den Schülem u. a. ein Basiswissen zeugung beste~
Gemeinsamkeit und klangliche Ahnlichkeit be- vermitteln, das es ihnen ermoglicht, auch nach die grammatisct-.-
günstigen beispielsweise bei den Termini Adver- Beendigung der Schulausbildung glingige ne dass eine Ac_~
bial und Adverb eine Begriffskonfusion, die um- Grammatiken des Deutschen benutzen zu kon- wendbarkeit dieso
so problematischer ist, als hier die Beschrei- nen. Zu einem solchen Basiswissen gehoren die Lehrer entwicke~
bungsebenen Satzglied und Wortart verwechselt lateinischen Termini deshalb, weil sie sowohl in liebe für grarnrr=:=..
werden (Heringer & Keller-Bauer 1984, 73). So den Gebrauchsgrammatiken die üblichen Be- abfragbare \\:SS?:C.
klart sich die Differenz Adverb - Adverbial nur, zeichnungen bilden als auch in wissenschaftli- sonst in der S::-
wenn im Grammatikunterricht sowohl bei der Be- chen Grammatiken als BezugsgroBe angeführt kaum vorgesehe::
griffsbildung als auch bei der Funktionsbeschrei- werden. So werden beispielsweise in einer Ein- 4 75). Darüber h:.:::__
bung wissensmethodisch die Wortebene von der führung in die Dependenzsyntax bestimmte liche Prestige, ~
Satzebene (und bei anderen Kategorien dann die Satzglieder als Erganzungen begriffen und mit Fachsprache ve •
Textebene) systematisch unterschieden und somit den Termini EO, El, E2 usw. bezeichnet. Zur Er- Terminivermitth::,_
in Form von Denkoperationen erworben wird. kllirung dieser Termini bezieht sich die Einfüh- (Glinz, H. 1987 . .3~
Andererseits sollte die Gestalt der Termini, rung in die Dependenzsyntax auf die traditionel- Sowohl fundamen~
die verwandte Kategorien bezeichnen, eine ge- len lateinischen Termini, indem erlautert wird, auch unreflektiene .-
wisse Ahnlichkeit erkennen lassen (Heringer & dass die Erglinzung EO als Nominativerganzung scher Termini zwin:2!:t
Keller-Bauer 1984, 82), da es dem Lernenden zu verstehen und mit der Kategorie gleichzuset- nandersetzung mit - _,_
dann leichter füllt, ein terminologisches Netz zu zen sei, die traditionell als Subjekt bezeichnet Sprechern der deuts6,::
knüpfen, in dem sich Strukturen wiedererkennen werde (Engel 1982, 326). Auch im intemationa- überhaupt ein terrnitt-
lassen und in dem der einzelne Terminus eher da- len Bezugssystem haben die lateinischen Be- bungsvokabular ve__
vor geschützt ist , vergessen zu werden. Dies trifft zeichnungen z. T. Gültigkeit als weit verbreitete Antworten müssen
eben auch für die Termini Adverb und Adverbial Metasprache (Czeczatka 1987, 58). dungsdimensionen ~ -
zu. In der gebrliuchlichen lateinischen Termino- Zum einen facher:
logie enthalten beispielsweise alle Kasusbe- schiedlich auf, je ~
zeichnungen das Suffix -iv und kennzeichnen so dungstheoretischen G:-
ihre Zugehorigkeit zu einem bestimmten gram- 4 Didaktische Begründungen für Zum anderen müssen -
matischen Paradigma. Dieses Prinzip setzt sich sichtspunkten je na.e:: ...
jedoch nicht konsequent fort, da zahlreiche Ter- die Terminivermittlung in der lungsstand und Lernb:... _
mini, die dasselbe Suffix aufvveisen (Adjektiv, Schule Bedürfuisse der Ten:r=--
Substantiv), nicht dem Paradigma der Kasusbe- tigt werden. Die Fra~
zeichnungen zuzuordnen sind, sondern Wortar- 4.1 Grundsatzliche Überlegungen schulgrammatischen :'
ten beschreiben. nachfolgenden Kapite:.::
Die hier angeführten Überlegungen zur Aus- Grundsatzlich stellt sich die Frage, mit welche□ lichen Perspektiven eró::
drucksseite derTermini sind v. a. dann von unter- Zielorientierungen Schülem ein Terminikatalog
richtspraktischer Relevanz, wenn Lernende an als Grundfachwortschatz der Sprachbeschre:-
die grammatischen Begriffe herangeführt wer- bung vermittelt werden kann bzw. was ein so:- 4.2 Termini aus bildur.g:
den. In dieser Phase gilt es, bei der Terminiver- cher Katalog für das Wissen um Sprache leiste:.. Die materiale Bildun!!S".2:...
wendung Verwechslungstendenzen und falsche Zwei diametral entgegengesetzte Wahmé - sensinhalte für die L:¡;~
Analogiebildungen zu erkennen sowie sinnvolle mungen des Grammatikunterrichts und seine:- und Privatsphare unverz:- -
Merkhilfen zu nutzen. Sobald Schüler die gram- Terminologie seien diesen Betrachtungen vorao- Pramisse wird z. B. der _
matischen Begriffe als solche klar erfasst haben, gestellt: Fach Deutsch u. a. a!s •
Schulgrammatik und schulgrammatische Terminologie 469

l. Gerade im Zusammenhang mit grundsatzli- Fremdsprachenunterricht gerechtfertigt. Daraus


chen Diskussionen um die Existenzberechti- ergabe sich eine einfache Begründung für die
gung des Grammatikunterrichts kursiert die Notwendigkeit einer schulgrammatischen Termi-
provozierende These, terminologisches Wis- nologie: Termini der deutschen Schulgrammatik
sen sei als zweckfreies Ballastwissen anzuse- werden Schülern vermittelt, um das Erlernen der
hen, das Erkenntnisprozesse im Umgang rnit fremdsprachlichen Grammatik zu erleichtern.
Sprache eher behindere als fürdere (Ingendahl Ein solches Konzept muss sich gerade wegen der
1999, 10). eingeschrankten Übertragbarkeit der Terminolo-
2. Eltem und Laien sehen im Grammatikunter- gien fragen lassen, ob sich der Aufwand wirklich
richt haufig ein besonderes Bildungsgut, des- lohnt: In den Grammatikstunden wird eine Fach-
sen Vermittlung nicht in Frage gestellt werden sprache gelehrt, die zur Beschreibung des Deut-
darf, auch wenn sie den Zweck des grammati- schen tauglich sein kann, aber für die Auseinan-
schen Wissens nicht erklaren konnen (Ivo & dersetzung rnit der deutschen Sprache nicht ge-
Neuland 1991, 438). Aus traditioneller Über- nutzt wird. Stattdessen muss die erlernte
zeugung bestehen sie darauf, dass ihre Kinder Terminologie erheblich modifiziert werden, ehe
die grammatischen Termini beherrschen, oh- sie einer ihrer eigentlichen Zweckbestimmun-
ne dass eine Auseinandersetzung über die An- gen, namlich der Anwendung auf die Fremdspra-
wendbarkeit dieses Wissens gewünscht wird. che, zugeführt werden kann.
Lehrer entwickeln unter Umstanden eine Vor- Ausgehend von der Frage nach der unrnittel-
liebe für grammatische Terminologie, weil sie baren Nutzanwendung terminologischen Wis-
abfragbare Wissensbestande anbietet, die sens wird auch angeführt, dass grammatische
sonst in der Struktur des Faches Deutsch Termini die metasprachlichen Fahigkeiten der
kaum vorgesehen sind (Ivo & Neuland 1991, Sprecher verbessern konnen. Verschiedene Pub-
475). Darüber hinaus kann das wissenschaft- likationen beklagen, dass sowohl Schüler wie
liche Prestige, das rnit der Verwendung einer auch Studenten ihrer eigenen Sprache rnit
Fachsprache verbunden ist, zu unreflektierter Sprachlosigkeit begegnen (Nündel 1981, 42,
Terminivermittlung im Unterricht verführen Boettcher 1994). Vor diesem Hintergrund erhalt
(Glinz, H. 1987, 35). die grammatische Terminologie die Funktion,
Sowohl fundamental kritische Ablehnung wie metasprachliche Kompetenz zur Klarung von
auch unreflektierte Akzeptanz schulgrammati- Kommunikationsproblemen zu vermitteln.
scher Termini zwingen zu immer neuer Ausei- Durch das ,,Einschleifen" grammatischer Termi-
nandersetzung mit der Frage: Warum soll ni wahrend des Unterrichtsgesprachs sollen
Sprechern der deutschen Sprache in der Schule diese nach und nach in den aktiven Wortschatz
überhaupt ein terminologisches Sprachbeschrei- überführt werden und bei der Behebung von
bungsvokabular vermittelt werden? Mogliche Kommunikationsstorungen im Alltag ihre Nütz-
Antworten müssen unterschiedliche Begrün- lichkeit unter Beweis stellen.
dungsdimensionen berücksichtigen. Kritiker stellen die Plausibilitat dieses Be-
Zum einen fáchert sich die Antwort unter- gründungszusammenhangs in Frage, indem sie
schiedlich auf, je nachdem, von welchen bil- darauf verweisen, dass die meisten Kategorien,
dungstheoretischen Grundsatzen man ausgeht. die durch grammatische Termini bezeichnet wer-
Zum anderen müssen unter ontogenetischen Ge- den, für die Metakommunikation in alltaglichen
sichtspunkten je nach Lebensalter, Entwick- Sprachgebrauchssituationen unerheblich seien,
lungsstand und Lembiographie unterschiedliche da hier umgangssprachliche Worter wie Wort
Bedürfnisse der Terminirezipienten berücksich- und Satz hinreichten, um das Gemeinte im kon-
tigt werden. Die Frage nach dem Sinn einer kreten Kontext zu benennen (Ingendahl 1999,
schulgrammatischen Terminologie wird in den 12). Ebenso wird davor gewarnt, dass ein exzes-
nachfolgenden Kapiteln aus diesen unterschied- siver Terminigebrauch im Unterricht neue
lichen Perspektiven erortert. Sprachbarrieren aufrichten konne und somit
Kommunikationsstorungen eher herbeiführe, als
4.2 Termini aus bildungstheoretischer Sicht sie zu beheben (Wimmer 1987, 19).
Die formale Bildungstheorie vernachlassigt
Die materiale Bildungstheorie fragt, welche Wis- bei der Auswahl der Inhalte den Aspekt der un-
sensinhalte für die Lebensbewaltigung in Beruf mittelbaren Nützlichkeit für konkrete Lebenssi-
und Privatsphare unverzichtbar sind. Unter dieser tuationen und fragt stattdessen, inwiefern
Prarnisse wird z. B. der Grammatikunterricht im bestimmte Inhalte geeignet sine!, die kognitiven
Fach Deutsch u. a. als Hilfestellung für den Fahigkeiten der Schüler auszubilden. Dement-
470 Sprachbetrachtung und Grammatik

sprechend gibt es Versuche, den Grammatikun- thoden, mit denen diese Fachsprache vermittelt
terricht als Denkschulung zu rechtfertigen. wird, groBere Aufmerksarnkeit zukommen lasst, wissen die spra
Eine naive Auffassung versteht unter Denk- so dass ,,die Kenntnis der Operationen wichtiger Einwand, dass
schulung durch Grammatikunterricht folgenden erscheint als die Benennung" (Klotz 1992, 87). zu einer Ver
Prozess: Indem sich die Schüler eine grammati- Erst die Art und Weise der Verrnittlung ermog- drucksfühigke ·
sche Terminologie aneignen, lernen sie, sich in ei- licht es, dass bestimmte Inhalte die geistige Ent- lange Traditio
nem logisch aufgebauten System zu orientieren. wicklung der Schüler fürdern (Koller 1997, 22). und Hoffuung
Diese Erkliirung berücksichtigt aber nicht, dass Die kategoriale Bildungstheorie wendet sich on und Textrez
die grammatischen Termini einen ganz anderen gleichermaBen den Inhalten und den Methoden auch beirn Se
Status haben als Termini der Mathematik oder der der Vermittlung zu. Sie beschreibt ideales Ler- unmittelbar in
formalen Logik. Die durch grammatische Termi- nen als einen Prozess, bei dem ein Basiswissen eingebunden, in
ni bezeichneten Begriffe der Sprachbeschreibung an Kenntnissen erworben wird, gleichzeitig aber handlungen ein
sind Annaherungsversuche an eine im permanen- auch im Lernvorgang die Fahigkeit geschult ber und Leser h
ten Wandel befindliche und daher von systemati- wird, das erworbene Wissen als ein Werkzeug zu reflektieren
schen Inkonsequenzen durchzogene Sprachwirk- zur Bearbeitung neuer Problemzusammenhange rufen. Dies sin
lichkeit, die nicht mit den Kategorien der forma- zu nutzen (Transfer). Insofern konnte derTenni- grammatischem
len Logik erfasst werden kann (Koller 1997, 22). nologie der Schulgrammatik in diesem Sinn ein zu verleihen,
Der Terminus Pradikat kann Zeugnis davon able- Werkzeugcharakter zugestanden werden. zur Verfügung
gen, wie oft sich die durch ihn bezeichneten Be- ImBereich
griffe allein im Lauf der letzten fünfzig Jahre ge-
4.3 Terminologisches Wissen und Kompetenz weisen, dass Fo uc.c;...::;;c..11
wandelt haben (Homberger 1993, 201, Glinz, H. plizite Gramm ~~...
1987, 38). Viele Missverstandnisse und Frustra- Schulgrammatische Termini dienen der Identifi- k onnen. Eine te
tionen im Grammatikunterricht gehen darauf zu- zierung grammatischer Formen (Koller 1997, den Deutschun
rück, dass grammatische Termini gleichsam nach 32). Weil sie als Namen für Strukturphanomene lichkeit. Statt
den Pramissen der antiken Analogisten verrnittelt der Sprache zur Verfügung stehen, konnen diese gendwie unve
werden, die davon ausgingen, ,,daB in der Sprache Sprachstrukturen benannt und wiedererkannt Formulierunge
im Prinzip eine ahnliche Harmonie, Symmetrie werden. Der Name sichert den kognitiven Zu- Prapositionalp
und Logik herrsche wie in der Natur und daB sich griff auf die bezeichnete Kategorie. Hinzu wie als Schachte
deshalb der Reichtum der sprachlichen Erschei- kommt, dass der Terminus einer Fachsprache schrieben werde
nungen aufRegeln, Normen und Systeme zurück- nicht nur ,,Name" ist, sondern in ein System von bung wird der
führen lasse" (Koller 1988, 20). Demgegenüber Benennungen eingebunden ist. Termini knüpfen es sich um Mer ,
kann der Grammatikunterricht den Ansprüchen ein ,,Wissensnetz", das die einzelnen Kategorien nalstils") als S
einer formalen Bildung durchaus genügen, wenn davor schützt, allzu schnell wieder vergessen zu der Sprecher se·
er grammatische Termini und die hinter ihnen ste- werden. Denn dieses terminologische Netz sorgt flexive Haltung e
henden Begriffe als heuristische Beschreibungs- dafür, dass die bezeichneten Begriffe nicht addi- phanomen wird
versuche ernst nimmt und Schüler dazu auffor- tiv nebeneinander stehen, sondern in ihren wech- bar. Dieser Kom
dert, die Plausibilitat der Kategorisierungen ope- selseitigen Bezügen unterschieden und begriffen bewusst unter ve
rational auszuloten bzw. mit eigenen Hypothesen werden. Auf der Ebene der Wortarten steht der sierungen gewahlt _
und Verifizierungen experimentierend selbst Er- Terminus Adjektiv beispielsweise in Kontrastbe- rungsalternativen Z::!
kenntniswege zu beschreiten (Eisenberg & Men- ziehung zu Termini wie Substantiv, Artikel, Ad- um das Formulier=,
zel 1995, 17). Ein solcher Grammatikunterricht, verb. Bezogen auf die Ebene der syntaktischen konnen Schreiber =---
für den sich das Schlagwort der ,,Grammatik- Strukturen hat die Wortart Adjektiv kategoriale che zurückgreifen. L
werkstatt" eingebürgert hat, macht die Schüler Funktionen auf sehr unterschiedlichen Ebenen, schaut worden sind:::...
mit Grundformen wissenschaftlicher Erkenntnis- die terminologisch als Attribut, Pradikativ und mini kognitiv verfü!f-
prozesse vertraut, was im Sinn der formalen Bil- Adverbial bezeichnet werden. In Bezug auf die""':"
dungstheorie als eine Form der Denkschulung be- Die durch Fachbegriffe bezeichneten sprach- stellen, dass neue~
griffen werden kann. Hinzu kommt ein weiterer lichen Ordnungs- bzw. Begriffsstrukturen kon- nicht so sehr von ~
Aspekt: Gerade wegen der vielfaltigen Beziehun- nen bewusst aufgerufen werden und unterschei- Text?" ausgehen,
gen zwischen sprachlicher Form unq, textueller den sich dadurch von einem eher intuitiven, groJ3erer Prazision r-
Funktion bietet Sprache das genuine Ubungsfeld halbbewussten Sprachwissen. Der Terminus ist wickelt der Text se~ _
für das Erlernen eines ,,vernetzten Denkens" dann ein Schlüssel für die bewusste Verfügbar- Um mehr als bloB I::.:::..
(Haueis 1989, 5). keit grammatischen Wissens, wobei dem gram- mehr zu entdecken. -
Zusammenfassend lasst sich festhalten: Für matischen Erkenntnisprozess propadeutische Lesegewohnheiten
die formale Bildungstheorie ist es wesentlich, Funktion zugeschrieben wird, etwa im Sinn der sprachliche Struktu_-c:
dass sie nicht die zu vermittelnden Termini an Erklarungsweite und -tiefe eines Modells (z. B. ren und anschlieBenc.
sich in den Vordergrund rückt, sondern den Me- der Chemie, Physik usf.). dem Kontext abgleic:::.::
Schulgranunatik und schulgranunatische Terminologie 471

Doch kann bewusst verfügbares Grammatik- in diesem Prozess als Mittel der kognitiv be-
wissen die sprachliche Kompetenz steigem? Der wussten Wahrnehmung.
Einwand, dass Granunatikkenntnisse nur wenig Ein konkretes Beispiel. Unterrichtsthema: Mo-
zu einer Verbesserung der mündlichen Aus- deme Mythen und ihre sprachliche Darstellung.
drucksfáhigkeit beitrügen, kann sich auf eine Behandelt wird ein Text, in dem der Autor berich-
lange Tradition stützen. Anders die Erwartungen tet, ein UFO habe einen amerikanischen Kampf-
und Hoffnungen in den Bereichen Textprodukti- jet ,,verschluckt". Ohne es direkt auszusprechen,
on und Textrezeption: Sowohl beim Lesen als wirft der Autor offiziellen Militarvertretern eine
auch beim Schreiben ist das Individuum nicht Verschleierungsstrategie vor, um den Leser von
unmittelbar in eine Kommunikationssituation der Glaubwürdigkeit der ,,UFO-Beobachtung" zu
eingebunden, in der es spontan auf die Sprach- überzeugen: ,,Ein Official [ ... ] versicherte, daJ3
handlungen eines Gegenübers reagiert. Schrei- sich keine Flugzeuge der Basis zum gegebenen
ber und Leser haben Zeit, das eigene Verstandnis Zeitpunkt in der Luft befunden hatten und be-
zu reflektieren und Sprachwissen bewusst aufzu- zeichnete die ganze Geschichte über ein Riesen-
rufen. Dies sind geeignete Voraussetzungen, um dreieck, das zwei US-Fighters verschluckt hatte,
grammatischem Wissen eine Werkzeugfunktion als absurd und schlichtweg unwahr. Seltsam,
zu verleihen, freilich nur, wenn es als Routine denn ein Offizier der Bundesluftfahrtbehorde er-
zur Verfügung stünde (Klotz 1996, 257 ff. ). klarte wiederurn, ihm sei bekannt, daJ3 an jenem
Im Bereich der Textproduktion liisst sich nach- Tag Flugzeuge der Roosevelt-Basis in der Luft
weisen, dass Formulierungsfáhigkeiten durch ex- waren" (von Réty 1995, 243).
plizite Granunatikkenntnisse gesteigert werden Nur wer den Terminus Konjun"1iv kennt, kann
konnen. Eine terminologische Kompetenz befreit über das Wissen um die bezeichnete Kategorie
den Deutschunterricht von qualender Unverbind- bewusst verfügen und Konjunktivformen in die-
lichkeit. Statt zu konstatieren: ,,Das klingt ir- sem Text entdecken. Diese Entdeckung lasst sich
gendwie unverstandlich", konnen bestimmte weiter prazisieren: Es gibt in dem knrzen Aus-
Formulierungen beispielsweise als Haufung von schnitt Formen des Konjunktiv I, des Konjunk-
Prapositionalphrasen und Nominalisierungen so- tiv II und des Indikativ. Ein Nachdenken über die
wie als Schachtelung von Genitivattributen be- Funktionen, die diesen unterschiedlichen Verb-
schrieben werden. Durch die prazise Beschrei- formen hier zugeschrieben werden konnen, lasst
bung wird der unverstandliche Stil (hier handelt die Technik der subtilen Leserlenkung als ein
es sich um Merkmale eines überzogenen ,,Nomi- Wirkungsprinzip des Textes offenbar werden. Mit
nalstils") als Strukturphanomen fassbar, sodass Hilfe der Termini kann der Interpretationsansatz
der Sprecher seiner Sprache gegenüber eine re- darüber hinaus mitgeteilt und diskutiert werden.
flexive Haltung einnehmen kann. Das Struktur- Termini unterstützen somit die zentrale Gedacht-
phanomen wird wiedererkennbar und verander- nisleistung, namlich die ,,praktikable Abrufbar-
bar. Dieser Kompetenzzuwachs zielt darauf, dass keit des jeweils Relevanten" (Bruner 1973, 52).
bewusst unter verschiedenen sprachlichen Reali-
sierungen gewahlt werden kann. Um Formulie-
rungsaltemativen zu bedenken (Klotz 1996) bzw.
um das Formulierungsrepertoire zu erweitem, 5 Grammatische Terminologie
konnen Schreiber auf Strukturmuster der Spra-
che zurückgreifen, die in ihrer Funktion durch- in verschiedenen Phasen der
schaut worden sind und die durch bestinunte Ter- Lembiographie
mini kognitiv verfügbar gehalten werden.
In Bezug auf die Textrezeption liisst sich fest- Die Entwicklung eines funktionalen Umgangs
stellen, dass neuere textanalytische Verfahren mit Terminologie ist ebenso an bestinunte Unter-
nicht so sehr von der Frage ,,Was bedeutet der richtskonzepte gebunden wie an die sich entfal-
Text?" ausgehen, sondem sich starker der zu tenden und komplexer werdendenAufgaben und
groBerer Prazision zwingenden Frage ,,Wie ent- Inhalte des Deutschunterrichts.
wickelt der Text seine Bedeutung?" zuwenden.
Um mehr als bloJ3 Inhaltliches zu erfassen, um
mehr zu entdecken, als es die auBerschulischen 5.1 Schulgrammatische Terminologie in der
Lesegewohnheiten zulassen, muss der Leser Grundschule
sprachliche Strukturen eines Textes identifizie- Schon in der Grundschule beschaftigt sich der
ren und anschlieBend ihr Funktionspotential mit Deutschunterricht mit granunatischen Kategori-
dem Kontext abgleichen konnen. Termini wirken en. Der Unterricht nahert sich nicht zuletzt sol-
...
4 72 Sprachbetrachtung und Grammatik

chen Kategorien der Grammatik, die im Litera- erscheint zweckmaBig, da in den Jahrgangsstu- Andererseits habe.;.
risierungsprozess von Bedeutung sind. In Bezug fen 5 bis 8 grundlegende Grammatikkenntnisse ven Prozesse au: -¡
auf die Terminologie muss darüber nachgedacht vermittelt werden, die freilich allzu oft aufTer- Diese gegensatz:..:-
werden, ob die deutschsprachigen Termini minologiekenntnisse reduziert werden, wahrend Entwicklungsph~y,
Hauptwort, Eigenschaftswort und Zeitwort bzw. in den Klassen 9 und 10 und in der Oberstufe unterschiedlich
Tuwort vorlaufige Gültigkeit haben sollen oder kein systematischer Grammatikunterricht mehr Grundschüler ist cz..
ob gleich die in der Sekundarstufe üblichen latei- stattfindet. milation gebunde::.
nischen Termini eingeführt werden. Für die Lehrplane für die Sekundarstufe I urnreifien auf die sicheren C-
deutschsprachigen Termini spricht, dass sie un- das Stoffprogramm des Grammatikunterrichts sen, die durch Te:.::
ter Umstanden leichter zu artikulieren sind, dass haufig durch Aufzahlung von Termini. Deshalb empfinden es als _
sie als weniger abstrakt empfunden werden und wird die Anzahl der vermittelten Termini unter rien ordnen und ·
von daher als Merkhilfe fungieren konnen. Geg- Umstanden fálschlicherweise als QualitatsmaB- Mit der Entwic·
ner dieser Auffassung betonen, dass diese Termi- stab für einen erfolgreichen Grammatikunter- ten geben sich Je_
ni wenig zur Begriffsklarung beitragen und eher richt angesehen. Aus diesem Missverstandnis er- klassifikatorisch~
für Missverstandnisse verantwortlich sind: Han- geben sich oft beklagte Fehlentwicklungen des nen erlaubt, Texibier -
delt es sich bei den Wortern ,jetzt" und ,,heute" Grammatikunterrichts. stimmten StruktL.-
nicht auch um Zeitworter'? Ist das Wort ,,Mut" Es besteht die Gefahr, dass Terminilisten als offnen sie sich e2:~-
kein Eigenschaftswort'? Die Beispiele zeigen, abzuarbeitende Unterrichtsprogramme angese- bewerten, Hypo--~
dass die sog. sprechenden Termini interpretati- hen werden und somit zu einer atomisierenden OrdnungsstrukttL-e.::
onsbedürftig sind und dem Schüler im Vergleich Sprachbetrachtung verführen (Klotz 1991, 504). 99).
mit den lateinischen Termini eine vielleicht so- Um einen bestimmten Terminus einzuführen,
gar hohere Abstraktionsleistung abverlangen. konzentriert sich der Unterrichtende auf das
Darüber hinaus werden Schüler bei Eintritt in die grammatische Einzelphanomen, isoliert es und 5. 3 Termini in der.
Sekundarstufe ohnehin die Termini der KMK- sorgt dafür, dass der zugehorige Terminus ge- Auch neuere R.at:=.i=::I
Liste übernehmen. Ihnen bliebe also ein Um- lernt wird. Danach wird der nachste Terminus er- ren Klassen keine::
lernprozess erspart, wenn bereits in der Grund- arbeitet. Ein solcher additiver Umgang mit Ter- unterricht mehr '-U-
schule die lateinischen Termini vennittelt wür- minologie im Unterricht kann die Sprachformen gründet wird di~
den. nicht in ihrer pragmatischen Dimension erfas- zum Ende der "
Eine differenzierte Sicht vertritt Elly Glinz in sen. Die Schüler konnen bei dieser additiven grammatischen -·
der Reihe ,,Schweizer Sprachbuch" : Die Kinder Reihung der Unterrichtsgegenstande nicht er- seien. Eine solcce . -
sollen moglichst wenig umlernen müssen. Dar- fahren, dass sprachlichen Formen ein Funktions- es im Grammatil~
um: Lateinische Termini von allem Anfang an potential zukommt, das sich im Zusammenspiel lige Vermittlung e:;;:e
überall dort, wo die grammatischen Begriffe von mit anderen sprachlichen Formen realisiert. Sie nungswissens acar,;.l; ,,___
den Kindern durch Operationen erarbeitet wer- wissen, was ein Adjektiv ist und konnen es vom Sprachwissen se:::_
den konnen und sprechtechnisch zumutbar sind. Adverb unterscheiden, haben aber keine Vorstel- wenden. Dass der G:
Deutsche Tennini nur dort, wo sie das zureichen- lung davon, mit welcher Wirkungsabsicht Adjek- Stoffprogramm C!l!':"
de Erfassen des Begriffs nicht verstellen konnen, tive beispielsweise in einen Reiseprospekt einge- det wird, erscheü:: _
sondern stützen. Sobald die Kinder den Begriff streut werden und welche anderen Sprachformen ser Altersgruppe:c -
erfasst haben, konnen die lateinischen Termini diese Wirkung unterstützen. kenntnismoglichl;.
ganz beilaufig neben den deutschen stehen und Ein Grammatikunterricht, der sich auf die von Kategorisier...::;;_
diese immer mehr ersetzen. Grundsatzlich wer- Vermittlung von Terminilisten beschranken wür- 1983, 97). Ausge"-.:.
den die Ziele für den Erwerb der grammatischen de, stünde in der Gefahr, eine Reflexion der Er- Voraussetzungen · ·
Begriffe und der zugehorigen Termini langfristig kenntniswege zu vernachlassigen und stattdes- ein Metawissen :::.
gesetzt, damit die Kinder genügend Zeit haben, sen ein ergebnisorientiertes deduktives Vorgehen schreibung verrni-...=,
ihr grammatisches Wissen zu festigen und es in- zu favorisieren. Diese Praxis würde schon für die die grammatische -=-
dividuen zunehmend nutzbar zu machen für das 10- bis 13-jahrigen Schüler eine Unterforderung rer Leistungsfáhi~
eigene Sprechen, Lesen und Schreiben (vgl. darstellen, da Bereiche ihrer kognitiven Fahig- Weise sprachliche- -
Glinz, E. 1987, 142). keiten (Maier 1983, 87, Nutz 1995, 72) nicht be- werden konnen. A=s
ansprucht würden. gene Sprachwissec
5.2 Schulgrammatische Terminologie in der Um die kognitive Entwicklung der Schüler be: wusstsein entwicke·-
Unter- und Mittelstufe der Vermittlung grammatischer Termini ange- und reflektiert dis:-
messen zu berücksichtigen, ist hingegen d.:t> nologie schliefilic_:: _
Für Fragen der Terminologie ist es sinnvoll, die Doppelnatur grammatischer Termini zu beacn- 106). Da solche C-
Sekundarstufe I nicht als geschlossene Gruppe ten: Termini sind ambivalent. Einerseits vermi:- kann sich grarnmz::_
zu betrachten, sondern zunachst nur von den teln sie ein Gefühl der Sicherheit. Man habe d25 Lernbiographie nic:;; •
Schülern der Klassen 5 bis 8 auszugehen. Dies Phanomen im Griff, weil man es benennen kan.=. grammatische Gnr::::
Schulgrammatik und schulgrammatische Terminologie 473

Andererseits haben sie die Tendenz, die kogniti- der Beschreibung von sprachlichen Phanomenen
ven Prozesse auf Reproduktion zu begrenzen. in der Mittel- und Oberstufe zurückgreifen sol-
Diese gegensatzlichen Aspekte müssen je nach len, bleibt im Kopf des Schülers, wenn es nicht
Entwicklungsphase der Schüler im Unterricht vergessen wird, auf dem in der Unterstufe er-
unterschiedlich ausbalanciert werden. Für reichten terminologischen und kognitiven Ni-
Grundschüler ist das Lernen noch stark an Assi- veau. Bereits in der Unterstufe zielt der Gram-
milation gebunden. Die 6- bis 10-Jahrigen sind matikunterricht oft mehr aufdie Vermittlung von
auf die sicheren Ordnungsstrukturen angewie- Benennungswissen und Bestimmungsfáhigkei-
sen, die durch Terrnini vorgegeben werden, und ten anhand von Beispielsatzen als auf ein durch
empfinden es als anregend, sprachliche Katego- entdeckendes Lernen gewonnenes Sprachbe-
rien ordnen und benennen zu konnen. wuBtsein" (Nutz 1995, 72).
Mit der Entwicklung der kognitiven Fahigkei-
ten geben sich Jugendliche nicht rnit einem rein
klassifikatorischen Wissen zufrieden, das es ih- 5.4 Termini im Lehramtsstudium
nen erlaubt, Textbeobachtungen nach einem be- Der Schulunterricht hinterlasst ein schlechtes
stimmten Strukturmuster zu ordnen. Stattdessen Gewissen in Bezug auf die eigenen Grammatik-
offnen sie sich dafür, selbst Beobachtungen zu kenntnisse. Daraus kann bei Lehramtsstudenten
bewerten, Hypothesen aufzustellen und neue eine Vermeidungsstrategie erwachsen. Zwar be-
Ordnungsstrukturen zu entwerfen (Maier 1983, suchen sie zur Vorbereitung auf ihren Beruf
99). sprachwissenschaftliche und sprachdidaktische
Lehrveranstaltungen, doch beschranken sie ihr
5.3 Termini in den hoheren Klassen Engagement haufig nur auf das, was durch die
Studienordnung verpflichtend vorgeschrieben
Auch neuere Rahmenplane sehen für die hohe- wird. Dabei erfahren sie, dass in der Hochschu-
ren Klassen keinen systematischen Grammatik- le terminologisches Wissen nicht grundsatzlich
unterricht mehr vor (Homberger 1994, 93). Be- anders behandelt wird als in der Schule (Boett-
gründet wird diese Festlegung damit, dass bis cher 1994, 26).
zum Ende der 8. Klasse die grundlegenden Seminare zur Syntax stützen sich auf ein
grammatischen Kenntnisse vermittelt worden Fachvokabular, das nur selten mit transphrasti-
seien. Eine solche Argumentation ignoriert, dass schen Kategorien verzahnt wird, weil gangige
es im Grammatikunterricht nicht auf die einma- wissenschaftliche Grammatiken auf Einzelsatz-
lige Vermittlung eines terminologischen Benen- analyse festgelegt sind und ohne textfunktionale
nungswissens ankommt, sondern darauf, das Perspektive bleiben. Satzglieder, Wortarten,
Sprachwissen selbst ( sprach-)handelnd anzu- Strukturen werden zumeist nur terminologisch
wenden. Dass der Grammatikunterricht aus dem erfasst, ohne dass eine pragmatische Dimension
Stoffprograrnm der hoheren Klassen ausgeblen- mit bedacht wird, denn die Trennlinien zwischen
det wird, erscheint bedauerlich, da Schüler die- Syntax und Textlinguistik und zwischen Sprach-
ser Altersgruppen in der Lage waren, über Er- und Literaturwissenschaft werden an der Hoch-
kenntnismoglichkeiten und über die Relativitat schule eventuell noch konsequenter gezogen als
von Kategorisierungen nachzudenken (Maier die Abgrenzungen zwischen Literaturunterricht
1983, 97). Ausgehend von diesen kognitiven und Grammatik im Schulfach Deutsch (Abels
Voraussetzungen konnte Grammatikunterricht 1989, 11).
ein Metawissen über Termini der Sprachbe- Fachdidaktische Seminare zielen auf Prob-
schreibung verrnitteln, das aufzeigen würde, wo lembewusstsein. Sie zeigen, welche Defizite
die grammatische Terminologie die Grenzen ih- hinsichtlich schulischer Grammatikvermittlung
rer Leistungsfáhigkeit erreicht und auf welche zu beklagen sind, und beschreiben Modelle eines
Weise sprachliche Strukturen selbstandig erfasst anderen Sprachunterrichts. Aus der kritischen
werden konnen. Aus diesem Wissen über das ei- Analyse des Zustands und der theoretischen Er-
gene Sprachwissen lieBe sich ein Sprachbe- Iauterung der Modelle erwachsen nur gelegent-
wusstsein entwickeln, das einen selbstbewussten lich konkrete unterrichtstaugliche Konzepte.
und reflektiert distanzierten Umgang mit Termi- Studenten befinden sich also in einer wider-
nologie schlieBlich ermoglichte (Klotz 1989, sprüchlichen Situation: Einerseits wissen sie um
106). Da solche Chancen ungenutzt bleiben, die Defizite schulischen Grammatikunterrichts,
kann sich grammatisches Wissen im Lauf der andererseits bieten ihnen die Erfahrungen, die
Lernbiographie nicht qualitativ verandern: ,,Das sie auf der Hochschule rnit dem Fach Linguistik
grammatische Grundwissen, auf das Schüler bei gemacht haben, selten praktische Alternativen.

474 Sprachbetrachtung und Grammatik

5. 5 Termini im Referendariat Boettcher, Wolfgang. 1994. Grammatikunter-


richt in Schule und Lehrerausbildung. Der
Das oben beschriebene Dilemma kann sich wah- Deutschunterricht 46, H. 5, 8-31. Ingendahl, We:=!:
rend des Referendariats als Orientiemngslosig- Bmner, Jerome S. 1973. Der Verlauf der kogni- Grammatik. E::
keit sowohl hinsichtlich der Inhalte des Gram- tiven Entwicklung. In: Spanhel, Dieter (Hg.): le Schulstufc. -
matikunterrichts als auch in Bezug auf die Me- Schülersprache und Lernprozesse. Düssel- Ivo, Hubert. l 9S _
thoden auBern. Als Strategie, die in dieser dorf, 49- 83. raturwissellSé.::..:
Situation einen Ausweg verspricht, wird haufig Czeczatka, Dietrich. 1987. Vereinheitlichung der 29-55.
die Orientierung an anerkannten Autoritaten ge- grammatischen Terminologie als schulprakti- - 1989b. Blick =:
wahlt: Die didaktische Planung beschrankt sich sches Bedürfnis. In: Bausch & Grosse, 50- 60. nis von ,,\ l.,-r.5-;;;.-=:::::lll
dann darauf, die Terminiliste der KMK abzuar- Eisenberg, Peter. 1989. Grundriss der deutschen bezug" - ru:: -
beiten, und die methodische Planung bastelt an Grammatik. Stuttgart. mng der Sp:"" .::-;..._,..
einer mit Spielformen ,,aufgelockerten" Fortset- - & Menzel, Wolfgang. 1995. Grammatik- Neuland, E,-:? .....
zung der traditionellen Terminivermittlung Werkstatt. Praxis Deutsch 22, H. 129, 14-26. noch Germa=
(Switalla 1994, 5). An dieser Stelle schlieBt sich Emons, Rudolf. 1987. Linguistik und Schul- Kulturelle Pe:!:!:
der Kreislauf einer oft unbefriedigenden Gram- grammatik. In: Bausch & Grosse, 61- 73. - & Neuland E: -:.
matiksozialisation. Engel, Ulrich. 1982. Syntax der deutschen Ge- sen. Skizze e ~
Die Chance, diesen Kreislauf zu unterbre- genwartssprache. Berlín. über Art, Ce:
chen, hatten alle beteiligten Institutionen, begin- Erben, Johannes. 1986. Warum Grammatik wie- schen Wisse:::;;
nend mit der ersten Ausbildungsphase der ange- der interessant sein kann. Der Deutschunter- kussion Deirs:·:: _
henden Lehrer, also im Bereich der Hochschule. richt 38, H. 2, 5- 14. Klotz, Peter. l ~ •
Eine Zielausrichtung wird durch das Stichwort Genzmer, Herbert. 1998. Sprache in Bewegung. sprachliche ~ _
,,Professionalisierung der Ausbildung" vorgege- Eine deutsche Grammatik. Frankfurt/M. Sprachbe~
ben, das sich auf zwei Ebenen bezieht, die ver- Gewehr, Wolf. 1982. Zur Konzeption eines inte- Sprachtheor:e -
schrankt sind: Professionalisierung der Hoch- grativen Grammatikunterrichts. Jb. Deutsch- - 1991. Grar -:
schulausbildung bedeutet, dass sich die Lehrver- didaktik 4 (1981 /81), 19-47. Schulgramn::::::.L
anstaltungen an den Bedürfuissen der Glinz, Elly. 1987. Zur Terminologie-Situation im Modalsysterr:s.
angehenden Lehrer ausrichten, indem sie sich als Grammatikunterricht der Schulen im deutsch- H. 121, 494-::
intensive, nicht nur padagogische, sondern auch sprachigen Teil der Schweiz. In: Bausch & - 1992. Was is:
fachwissenschaftliche Berufsvorbereitung ver- Grosse, 139-154. Ein Beitrng z:.
stehen und sich somit gerade im Bereich der Lin- Glinz, Hans. 1987. Grundsatzliches über gram- Grammatib,-
guistik den Problemen stellen, ,,die sich aus der matische Begriffe und grammatische Terrnini. richt 44, H. 4.
Etablierung der germanischen Philologie als In: Bausch & Grosse, 21-49. - 1995. Sprac~
,entpragmatisierter' Wissenschaft ergeben ha- Haueis, Eduard. 1989. Editorial. Osnabrücker sches Wissec.. A
ben" (Ivo 1989b, 23). Professionalisierung der Beitrage zur Sprachtheorie 40, 5- 8. 3- 13.
Schulbildung meint im Bereich des Deutschun- Helmers, Hermann. 1997. Didaktik der deut- 1996. Gram .-
terrichts, dass sich die Lernprozesse an den Be- schen Sprache. Einführung in die mutter- tungskompe:ec.
dürfnissen junger Erwachsener orientieren, die sprachliche und literarische Bildung. Darm- bingen.
sich in einer von Sprachanforderungen und stadt. KMK-Liste. 19 -
Sprachlichkeit durchsetzten Lebens- und Be- Heringer, Hans Jürgen & Keller-Bauer, Frieder. Konferenz d~
rufswelt behaupten müssen. 1984. Probleme einer gebrauchsgrammati- der Bundesrcr; -
schen Terminologie. Ein Beitrag zu einer Koller, Wilhelre..
durch die KMK-Empfehlung wieder entfach- matik. Vom
ten Diskussion. Sprache und Literatur in Wis- Stuttgart.
6 Literatur senschaft und Unterricht 15, H. 53, 65- 86. - 1997. Funkt
Homberger, Dietrich. 1992. Zehn Jabre ,,Ver- Tempus, Gen:;s.
Abels, Kurt. 1989. Methoden des Grammatikun- zeichnis grundlegender grammatischer Fach- funden? Baltc:::::::::::.11111
terrichts in Geschichte und Gegenwart. Osna- ausdrücke". Anmerkungen zu einem denk-
brücker Beitrage zur Sprachtheorie 40, 9- 23. würdigen Jubilaum. Diskussion Deutsch 23,
Adelung, Johann Christoph. 1977. Deutsche H. 126, 398-403.
Sprachlehre. Zum Gebrauche der Schulen in - 1993. Das Pradikat im Deutschen. Linguisti-
den Konigl. PreuB. Landen. Nachdruck der sche Terminologie in Sprachwissenschaft und
Ausgabe von 1781. Hildesheim. Sprachdidaktik. Opladen.
Bausch, Karl-Heinz & Grosse, Siegfried (Hg.). - 1994. ,,Das Prinzip der Integration soll flexi-
1987. Grammatische Terminologie in Sprach- bel gehandhabt werden." Anmerkungen zurn
buch und Unterricht. Düsseldorf. Lernbereich ,,Reflexion über Sprache" im
Schulgrammatik und schulgrammatische Terminologie 475

neuen Lehrplan Deutsch, Sekundarstufe I von Kürschner, Wilfried. 1997. Grammatisches


NRW Der Deutschunterricht 46, H. 5, 92- 99. Kompendium: systematisches Verzeichnis
Ingendahl, Werner. 1999. Sprachreflexion statt grammatischer Grundbegriffe. Tübingen.
Grammatik. Ein didaktisches Konzept für al- Lübke, Diethard. 1999. Schulgrammatik
le Schulstufen. Tübingen. Deutsch. Vom Beispiel zur Regel. Berlin.
Ivo, Hubert. 1989a. Donatschnitzer. Zs. f. Lite- Maier, Henry. 1983. Drei Theorien der Kind-
raturwissenschaft und Linguistik 19, H. 76, heitsentwicklung. New York.
29- 55. Naumann, Bernd. 1986. Grammatik der deut-
- 1989b. Blick zurück nach vorn. Zum Verhalt- schen Sprache zwischen 1781 und 1856. Die
nis von ,,Wissenschaftlichk.eit" und ,,Praxis- Kategorien der deutschen Grarnmatik in der
bezug" - am Beispiel der Professionalisie- Tradition von Johann Werner Meiner und Jo-
rung der Sprachdidaktik. In: Forster, Jürgen; hann Christoph Adelung. Berlin.
Neuland, Eva & Rupp, Gerhard (Hg.): Wozu Nündel, Ernst. 1981. Zur Krise des Grammatik-
noch Germanistik? Wissenschaft - Beruf - unterrichts. Der Deutschunterricht 33, H. 1,
Kulturelle Praxis. Stuttgart, 22- 36. 42- 55.
- & Neuland, Eva. 1991. Grammatisches Wis- Nutz, Maximilian. 1995. Grammatisches Wis-
sen. Skizze einer empirischen Untersuchung sen, SprachbewuJ3tsein und literarisches Ver-
über Art, Umfang und Verteilung grammati- stehen. Lernziel: Beschreibung und Deutung
schen Wissens (in der Bundesrepublik). Dis- sprachlicher Phanomene. Der Deutschunter-
kussion Deutsch 22, H. 121, 437- 508. richt 4 7, H. 4, 70- 81.
Klotz, Peter. 1989. Schulgrarnmatik. Alltags- Réty, Andreas von. 1995. Das Alíen Imperium -
sprachliche Wege zu Sprachwissen und Ufo-Geheirnnisse der USA. München.
Sprachbewusstsein. Osnabrücker Beitrage zur Schwengler, Gerhard. 1998. Training deutsche
Sprachtheorie 40, 97- 114. Grammatik. Wortarten. Stuttgart.
- 1991. Grammatisches Grundwissen und Sekretariat der Standigen Konferenz der Kultus-
Schulgrammatik - am Beispiel des deutschen minister der Lander in der Bundesrepublik
Modalsystems. Diskussion Deutsch 22, Deutschland. 1982/1987. Verzeichnis grund-
H. 121 , 494-508. legender grammatischer Fachausdrücke (von
- 1992. Was ist ein Satzglied, was ein Attribut? der Kultusministerkonferenz zustimmend zur
Ein Beitrag zu Grenzen und Freuden des Kenntnis genommen am 26. 2. 1982). In:
Grammatikwissens. Der Deutschunter- Bausch & Grosse, 221- 228.
richt 44, H. 4, 84-92. Switalla, Bernd. 1994. Wissenschaftliche Per-
- 1995. Sprachliches Handeln und grammati- spektiven der Fachdidaktik Deutsch. Der
sches Wissen. Der Deutschunterricht 4 7, H. 4, Deutschunterricht 46, H. 5, 3-6.
3- 13. Vater, Heinz. 2000. Begriff statt Wort - Ein ter-
- 1996. Grammatische Wege zur Textgestal- minologischer Wirrwarr. Sprachreport 4,
tungskompetenz. Theorie und Empirie. Tü- 10- 13.
bingen. Weinrich, Harald. 1993. Textgrammatik der
KMK-Liste. 1982. s. Sekretariat der Standigen deutschen Sprache. Mannheim.
Konferenz der Kultusminister der Lander in Wimmer, Rainer. 1987. Grenzen einer Normie-
der Bundesrepublik Deutschland. 1982/ 1987. rung grammatischer Termini. In: Bausch &
Koller, Wilhelm. 1988. Philosophie der Gram- Grosse, 11- 20.
matik. Vom Sinn grammatischen Wissens.
Stuttgart.
- 1997. Funktionaler Grammatikunterricht.
Tempus, Genus, Modus: Wozu wurde das er-
funden? Baltmannsweiler.
9

geschrieben we:z-~
36. Grammatik und Textualitat ler Perspekfü-e =-..
naus gehort alles __:,
Maximilian Scherner serer Kognitior: _
das ,,Sprach\\is;;.1•:::
Textualitat" im ·-
notwendige,
Ausweitung des _
Folgenden deUL:

2 Forschungs=
1 Problemzusammenhang wenn im gleichen Band in einer Arbeitssequenz 2.1 Textualittit u;_
2 Forschungsgeschichte zum Verfassen von Erzahltexten die personbe-
3 Prozessorientierte Textforschung und Deutsch- dingten Beschreibungsbegriffe ,,Ich-" bzw. ,,Er- Mit dem B egriff
didaktik Erzahlung" eingeführt werden und als textkon- ne innovative P
4 Textdidaktik als Fundierungsrahmen der stitutive ,,Erzahlhaltungen" (nach Stanzel 1995) schaft geke
Deutschdidaktik unterschieden werden, dann wird deutlich, dass menhang mit
5 Literatur hier der Brückenschlag zwischen isolierter der zweiten H-
grammatischer und (erzahl-)textkonstitutiver in Deutschland
Funktionsbestimmung ein und desselben die neuen Fo,
sprachlichen Mittels nicht geleistet ist. Die Bei- ,,Textwissensc
1 Problemzusammenhang spiele für die mangelnde Sicht auf den Zusam- gangen sind.
menhang von Grammatik und Textbildung für die Deutsch
Dass die beiden Begriffe ,,Grammatik" und konnten beliebig vermehrt werden; worauf sie dass dieser gn~ ,~---
,,Textualitat" in der Hauptüberschrift eines hinweisen, dürfte aber bereits an dem aufgezeig- in der Sprach
sprachdidaktischen Handbuchartikels verbun- ten Fall deutlich geworden sein. Wie kann hier ,,Sprache an sic
den sind, verfolgt einen programmatischen Abhilfe geschaffen werden? Es ist sicherlich on", d. h. ,,Ve
Zweck. Denn obwohl dieser Zusammenhang in mü/3ig, auf eine Bearbeitung dieser Probleme schen) eine b
der Fachwissenschaft seit über drei/3ig Jabren durch die germanistische Sprachwissenschaft bereich des De-
bearbeitet wird und mit der Wende zu einer oder die germanistische Literaturwissenschaft ,,vertextete Sprac-!::·
pragmatischen, d. h. ,,realistischen Sprachwis- zu warten. Beide Teildisziplinen haben inzwi- ver Perspektive ===...
senschaft" (P. Hartmann) geradezu einen Para- schen einen solch hohen Spezialisierungsgrad des Unterrichts'· , -:=~
digmenwechsel irn sprachwissenschaftlichen erreicht, dass Brückenschlage von der oben an- rend jedoch die ,.__,,~-•
Denken herbeigeführt hat, ist diese Entwicklung gedeuteten Art kaum erwartbar erscheinen. Da beitungsoperatio=..--
im deutschdidaktischen Bereich (von den Vor- der Deutschunterricht aber auf ein solches, zwi- intuitiv, d. h. ,,b~
stoBen Einzelner abgesehen) in der Breite fast schen Sprachwissenschaft und Literaturwissen- forschung, geracie
nicht zur Kenntnis genommen worden und da- schaft vermittelndes Denken angewiesen ist, ist zu machen. Von e:::;
mit in ihrer didaktischen Relevanz durchweg un- es Aufgabe der Deutschdidaktik, diese Zusam- aus ergaben sich e:.::.:
erkannt geblieben. Das zeigt sich insbesondere menhange zu bearbeiten. Ob und welche Wege terrichtlicbe \'e:s:
darin, dass die grammatische Beschreibung der dazu bereits beschritten worden sind und welche durchschauen (d.as ·
Sprache und die Texthaftigkeit bzw. Textfürmig- Desiderate einer diesbezüglichen Forschung be- nen) und Textbild:::;_
keit sprachlicher Gebilde im unterrichtlichen stehen, sollen die folgenden Ausführungen dern zu konnen. -
wie im fachdidaktischen Denken wenig, wenn überblicksartig verdeutlichen. Das neue texto::
nicht gar nichts miteinander zu tun haben. Einen Darnit nicht von vornherein Missverstandnis- Deutschdidaktik l:r.s
Eindruck davon kann schon ein überschlagiger se entstehen, sei eine Anmerkung zum Gebrauch Akzentuierung re!e,
Blick in aktuelle Sprachlehrwerke vermitteln. der Termini ,,Grammatik" und ,,Textualitat" vo- Die ersten Art>e=-
.-e;
Wenn z. B. in ein und demselben Jahrgangsstu- rausgeschickt. Die Verbindung der beiden Ter- en, die diese Neuo::c:::.
fenband die Funktion der traditionell als ,,Perso- mini bedeutet nicht, dass ,,Textualitat" allein auf ner 1969, 1970, r...:._
nalpronomen" zusammengefassten sprachli- der Anwendung des grammatischen Regelsys- 1975, Haas 1975). -
chen Mittel als ,,Stellvertretung" (für ein tems der Sprache - Morphologie und Syntax - schen Perspektive
Nomen) beschrieben wird, ohne dass die we- beruht (vgl. Nussbaumer 1991, 131 ff. und Vater alle Teilbereicbe ~
sentliche Differenz nach der Kategorie ,,Person" 2001 , 28 ff.), sondern sie soll zum Ausdruck nahesArbeiten" in
(1.12. vs. 3. Person) in den Blick kommt, und bringen, dass umgekehrt die ,,Grammatik" neu unterricht") und ,....,
Grammatik und Textualitat 477

geschrieben werden muss, wenn sie aus textuel- fachdidaktisch begründeter Vorschlage für die
ler Perspektive angegangen wird. Darüber hi- unterrichtliche Umsetzung (vgl. den Überblick
naus gehort alles durch sprachliche Mittel in un- bei Scherner 1979), die in groBen Teilen der
serer Kognition aufrufbare ,,Wissen" (nicht nur Deutschlehrerschaft positive Resonanz finden.
das ,,Sprachwissen") zu einer ,,Grammatik der Diese komplexe Textorientierung wird in der
Textualitat" im hier angedachten Sinn. Diese Folgezeit _(Phase der ,,Linguistisierung") zu-
notwendige, moglicherweise metaphorische gunsten emer anwendungsbezogenen Ubertra-
Ausweitung des ,,Grammatik"-Begriffs wird im gung einzelner textlinguistischer Verfahren in
Folgenden deutlich werden. den Sprachunterricht (vgl. Der Deutschunter-
richt 40/1988, H. 6, Schoenke 1991, Blüml
1992) aufgegeben. Diese Entwicklung wird heu-
ffiiW!t1t1Ettere1+es +m>t,4 2 a
te als ,,Abbilddidaktik" ohne zureichende Refle-
2 Forschungsgeschichte xion der komplexen fachdidaktischen Begrün-
dungszusammenhange kritisiert (Baurmann
2.1 Textualitiit und Deutschdidaktik 2000). Einen neuen AnstoB erfahrt die textorien-
tierte Didaktik durch Ansatze, die sich der ,,kog-
Mit dem Begriff ,,Textualitat" kann signalhaft ei- nitiven Wende" der Textlinguistik verpflichtet
ne innovative Perspektive in der Sprachwissen- sehen (Nussbaumer 1991, 1993). Hier wird ver-
schaft gekennzeichnet werden, die in Zusam- sucht, den Textverstehensprozess durch ein kom-
menhang mit der ,,pragmatischen Wende" seit plexes Analyseraster transparent zu machen und
der zweiten Halfte der 60er-Jahre insbesondere damit dem Unterrichtenden ein Instrumentarium
in Deutschland entwickelt worden ist und aus der für eine reflektierte Textanalyse und -beurteilung
die neuen Forschungsfelder ,,Textlinguistik", zum Zweck der Forderung der Schüler zur Ver-
,,Textwissenschaft" und ,,Texttheorie" hervorge- fügung zu stellen (Nussbaumer 1993, 77). Ob
gangen sind. Die Relevanz dieser Entwicklung von hier aus der Aufbau einer umfassenden
für die Deutschdidaktik ergibt sich schon daraus, ,,Textdidaktik Deutsch" moglich ist, muss die
dass dieser grundlegende Perspektivenwechsel Weiterentwicklung dieses Ansatzes zeigen.
in der Sprachwissenschaft (nicht mehr nur
,,Sprache an sich", sondem ,,Sprache in Funkti-
on", d. h. ,,Vertextung von Sprache" zu erfor- 2.2 Gegenwiirtiger Diskussionsstand
schen) eine besondere Nahe zum Gegenstands- Es stellt sich die Frage, ob die hoffnungsvollen
bereich des Deutschunterrichts aufweist, weil Ansatze aus den 70er-Jahren der Fachgeschichte
,,vertextete Sprache" in produktiver wie rezepti- zu überantworten sind oder ob noch heute in die
ver Perspektive immer schon das ,,Fundament damals eingeschlagene Richtung weiterzuden-
des Unterrichts" (Feilke 2000, 14) abgibt. Wah- ken ist. Für einen neuen VorstoB auf dem seiner-
rend jedoch die entsprechenden textuellen Verar- zeit vorgezeichneten Weg sprechen die folgen-
beitungsoperationen im Unterricht weitgehend den drei Gründe: Erstens ist die didaktische Re-
intuitiv, d. h. ,,blind" ablaufen, versucht die Text- levanz einer komplexen textuellen Perspektive
forschung, gerade diese Prozesse durchsichtig von der Sache her nach wie vor gegeben. Die in-
zu machen. Von einem solchen Erkenntnisstand zwischen erfolgte Verselbstandigung der Fachdi-
aus ergaben sich daher neue Moglichkeiten, un- daktik Deutsch als eigene Disziplin kann - zwei-
terrichtliche Verstehensoperationen besser tens - den Rahmen dafür abgeben, dass die di-
durchschauen (das Verstehen verstehen zu ler- daktischen Belange deutlicher gesehen und
nen) und Textbildungsprozesse reflektierter für- daher schneller bearbeitet werden, als das früher
dern zu konnen. in der nachrangigen Abhangigkeit von Sprach-
Das neue textorientierte Denken ist für die und Literaturwissenschaft moglich war. Es gibt
Deutschdidaktik bis heute mit unterschiedlicher drittens in der gegenwartigen Literaturdidaktik
Akzentuierung relevant geworden: Ansatze, die sich mit einer von der Sprachdidak-
Die ersten Arbeiten und Unterrichtsmateriali- tik eingenommenen textuellen Perspektive be-
en, die diese Neuorientierung aufgreifen (Scher- sonders gut verbinden lassen (vgl. 3.4).
ner 1969, 1970, Haas 1973, Scherner 1974a, Daher erscheint es auch aus heutiger Sicht als
1975, Haas 1975), erkennen in der texttheoreti- sinnvoll, einen komplexen texttheoretischen Be-
schen Perspektive eine ,,Integrationsbasis" für gründungsansatz für die Deutschdidaktik zu ent-
alle Teilbereiche des Deutschunterrichts (,,text- werfen, der die vollzogenen Weiterentwicklun-
nahes Arbeiten" in einem ,,integrativen Deutsch- gen einbezieht. Dieses Vorhaben wird in der
unterricht") und unterbreiten dazu eine Fülle gegenwartigen fachdidaktischen Diskussion ins-
478 Sprachbetrachtung und Grammatik

besondere durch Hinweise auf folgende Begrün- le Verarbeitung entstehen bzw. wie solche kogni- onsprozesse P~
dungszusammenhange gestützt: tiven Gehalte textformig zu organisieren sind, modalitiiten dif _
1. Mit Blick auf die Entwicklung der Sprachwis- damit beim Rezipienten des Textes ein adaquates der ,,intuitiven
senschaft wird hervorgehoben, dass ,,eine Verstiindnis erreicht wird. Verstehen/spon~
pragmatische Textlinguistik, die eine im enge- Für das ,,Lesen" sind Fragen dieser Art tradi- ,,reflexiven Ope:=.
ren Sinne grarnmatische Textlinguistik ein- tionell von der Hermeneutik oder der Rezepti- stehen/begründe!..
schlieBt, von nicht geringer Bedeutung für die onstheorie beantwortet worden. Aber deren me- den. Der did~
theoretische Begründung von Sprach- und Li- thodische Zugriffe (etwa die Postulate, den Kon- punkt zwischen DI?'
teraturdidaktik und damit des Deutschunter- text, die Biographie des Autors, die Epoche etc. in, dass für de:: _
richts ist" (Ziesenis 6 1998, 3). zu berücksichtigen) sind zu allgemein, als dass anderen ein ,,BE-
2. Da es sich bei den Gegenstanden des Faches sie eine Antwort auf die Frage zulieBen, wie man wusstseinspflict:: _
,,Deutsch" nicht um bereits vorgegebene ,,In- von der Wahrnehmung der material gegebenen tionalitiit", die b
halte" und ,,Probleme" handelt, sondem die Textur ( dem Schwarz-auf-WeiB auf dem Papier) oder geplante Fo::;::
Spezifik dieses Faches gerade darin besteht, über ihre mentale Verarbeitung zur Erstellung ei- Verstehenspotec::..
dass seine Gegenstiinde sprachlich konstitu- nes befriedigenden Sinnzusammenhangs ge- fragt werden. D::s
iert sind, d. h. als ,,vertextete Sprache" gege- langt. Mit dieser Frage beschaftigt sich im Be- der Verstehensre:-
ben sind, ist ,,Textualitat" als Fundierungska- sonderen die kognitive Psychologie. Hier sind menwirken.
tegorie für alle Aufgabenfelder des Deutsch- inzwischen komplexe Modelle des Textverste- Nachdem sic±
unterrichts anzunehmen (Schemer 1997b, hens- und Leseprozesses entwickelt worden Forschung die E-'
47 ff., vgl. Schemer 1979). (Ballstaedt, Mandl, Schnotz & Tergan 1981 , ,,Textualitat" nic'-
3. Wenn der Grammatikunterricht in funktiona- Christmann & Groeben 1999), gegenüber denen begründen ist (c=::
ler Sicht als ,,Unterricht über die Grundstruk- sprach- und literaturwissenschaftliche Modell- ne der Textkohas;-.:
turen sprachlicher Sinnbildungsprozesse" be- vorstellungen (z. B. Steinmetz 1996) als ledig- nalitat von Texte":: -
griffen wird (vgl. das ,,Kasseler Gesprach" in lich globale Zugriffe anzusehen sind. In der schen Dimensio~
Der Deutschunterricht 47/1995, H. 4; auch Deutschdidaktik begnügt man sich für den und Textkohaie_
Abraham 2001, Klotz 1996, Koller 1995, Schriftspracherwerb mit Lesemodellen, die von grande & D~
Nutz 1995), dann fordert er die Einsicht in die der Wahrnehmung des Wortschriftbildes bis zur 95 ff.), kann sic _
Wechselbeziehung von Sprach- und Literatur- Erkennung der Bedeutung des Einzelwortes rei- mehr ausschlief:
analyse und offuet sich damit derTextorientie- chen (z. B. Grissemann 1980). Für das ,,weiter- Wissen stützen. .::
rung. führende Lesen" und den ,,Umgang mit Texten" dem Sprachwis.se-:;.
4. Mit Blick auf die zu Unterrichtenden wird die arbeitet man weithin auf der Basis von Alltags- einbeziehen.
,,Forderung der allgemeinen Textkompeten- wissen, ohne eine weitergehende analytische Als erster ko:::;
zen" als Kernziel des Deutschunterrichts an- Vorstellung von den dabei wirksamen mentalen dafür die Kat~
gesehen (Feilke 2000, 14 ff.). Prozessen zu besitzen. Insofern steht die didak- worden (B~
Vor diesem aktuellen Hintergrund ist nun weiter tische Relevanz von Modellvorstellungen, die ter 2001, 129 ff. •
zu fragen, wie der Entwurf eines textdidakti- diese Prozesse beschreiben, auBer Frage (vgl. zu folgendem dif _
schen Gesamtbildes zur Fundierung der Scherner 1989). nitiven Vorausse-:::::::
Deutschdidaktik aussehen konnte. Für das ,,Schreiben" ist die didaktische Orien- worden (vgl. Se"
tierung an Prozessmodellen schon erheblich 1994, Vater 200!. -
weiter entwickelt als für den Umgang mit Tex- Perzeptionswisse:..
ten. Hier stützt man sich in der Regel auf das aktionswissen, E=
3 Prozessorientierte Textfor- Modell des Textproduktionsprozesses von Rayes luationsmustern- -
& Flower (1980) und seine Weiterentwicklung Als Basisbere:: -
schung und Deutschdidaktik durch Ludwig (1983, vgl. Eigler 1996, Molitor- gleichzeitig alle -
Lübbert 1996). Zu beobachten ist allerdings, viert werden, fur:::-
3.1 Prozessmodelle des Textverstehens und dass in diesem Modell die Rahmenprozesse Es umfasst die · -
der Textproduktion (,,Planen" und ,,Überarbeiten") detailliert entwi- scher, lexikalisc~
ckelt sind, wahrend der zentrale Prozess des For- scher und syntak:::s::.
Wenn Deutschlehrer Fachleute für die Kommu- mulierens, d. h. die eigentliche Textbildung, nur die Grundlagen _
nikation mit Texten und Hypertexten sein sollen, rudimentiir beschrieben wird. zesse zur Verfü~ -
um die entsprechenden textverarbeitenden und riante des ,,spric;. -
textproduzierenden Operationen durchschauen, individuelle ,,Sp,-=.......~
steuem und vermitteln zu konnen, dürfen sie 3.2 Textualitiit und "Verstehensreflexion
Der textuelle Ge":-
sich nicht lediglich an den Textgehalten und -in- Um hier weiter zu kommen, ist eine Unterschei- sens aktiviert eic--f':"'"
halten orientieren, sondem müssen auch wissen, dung notwendig, die innerhalb des Ablaufs der des ,,sprachliche= -
wie solche Gehalte durch die kognitiv-emotiona- komplexen Textproduktions- und Textrezepti- zungen mit ande~_
Grammatik und Textualitat 479

onsprozesse Phasen der mentalen Verarbeitungs- sensbereichen unserer Kognition. Wenn die Ver-
modalitaten differenziert. So kann man Phasen textung situationsgebunden erfolgt, ist das auf
der ,,intuitiven Operationalitiit" (unmittelbares der Basis von sinnlichen Wahmehmungen aller
Verstehen/spontanes Schreiben) von Phasen der Art operierende ,,Perzeptionswissen" simultan
,,reflexiven Operationalitiit" (begründendes Ver- aktiviert. Wenn die Vertextung situationsentho-
stehen/begründendes Formulieren) unterschei- ben geschieht, ist das Alltagswissen bzw. die all-
den. Der didaktisch relevante Unterscheidungs- gemeine Weltkenntnis oder, allgemeiner gese-
punkt zwischen beiden Modalitaten besteht dar- hen, das ,,konzeptuelle Wissen" mitaktiviert (zur
in, dass für den Übergang von der einen zur Abgrenzung von Sprachwissen und Weltwissen
anderen ein ,,Blickwechsel" erforderlich ist: Be- vgl. Schemer 1984, 187- 198). Da Sprechen und
wusstseinspflichtig ist nur die ,,reflexive Opera- Schreiben, d. h. Vertexten, gleichzeitig immer ei-
tionalitat", die darin besteht, dass vorgegebene ne Form menschlichen Handelns darstellt, wird
oder geplante Formulierungen hinsichtlich ihres mit dem Vertexten in der Regel jeweils auch ein
Verstehenspotentials und ihrer Wirkung hinter- interaktiver Handlungszug realisiert. Auch gan-
fragt werden. Das aber ist genau die Stelle, an ze Textarten oder Textsorten konnen als gesell-
der Verstehensreflexion und Textualitiit zusam- schaftlich konventionalisierte Handlungsmuster
menwirken. angesehen werden. Der entsprechende kognitive
Nachdem sich in der textwissenschaftlichen Bereich kann als ,,Interaktionswissen" bezeich-
Forschung die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass net werden. Des Weiteren ist das Vertexten von
,,Textualitiit" nicht allein sprachsystematisch zu Sprache mit der Aktivierung von Emotionen ver-
begründen ist (damit erfasst man nur Phanome- bunden. Sie wurden bisher lediglich als sog.
ne der Textkohasion), sondem dass die Funktio- Konnotationen von Lexikoneinheiten dem
nalitat von Texten in der Totalitat ihrer semanti- ,,sprachlichen Wissen" einverleibt. In der
schen Dimensionen zu sehen ist (Textkohasion sprachlichen Realitat der Vertextung geht die
und Textkohiirenz; Schmidt 1973, 53, de Beau- emotionale Komponente jedoch weit darüber hi-
grande & Dressler 1981, 32 ff., Busse 1992, naus, so dass man einen Bereich ,,Emotionsmus-
95 ff.), kann sich die Verstehensreflexion nicht terwissen" ansetzen muss. Gleichzeitig und oft
mehr ausschlieBlich auf sprachsystematisches nicht leicht davon abgrenzbar findet jeweils eine
Wissen stützen, sondern sie muss weitere, mit Einschiitzung der Relevanz des Vertexteten
dem Sprachwissen interagierende Wissensfelder durch den Textproduzenten wie den -rezipienten
einbeziehen. statt, die den Ansatz des Bereichs ,,Evaluations-
Als erster komplexer Beschreibungsbegriff ist musterwissen" erforderlich macht (vgl. Scherner
dafür die Kategorie ,,Horizont" vorgeschlagen 1994; zur Erliiuterung der verschiedenen Wis-
worden (Brinkmann 1971, Scherner 1974b, Va- sensbereiche vgl. Vater 2001, 146 ff.). Wesent-
ter 2001, 129 ff.); inzwischen ist dieses Konzept lich ist, dass alle diese Wissensbereiche immer in
zu folgendem differenzierten Spektrum von kog- der Form ganzer ,,Muster" aktiviert werden,
nitiven Voraussetzungssystemen ausgearbeitet z. B.: Satzmuster, Wortbildungsmuster für das
worden (vgl. Schmidt 1994, 127 ff., Scherner ,,sprachliche Wissen"; die Figur-Grund-Kon-
1994, Vater 2001, 145 ff.): Sprachliches Wissen, struktion für das ,,Wahmehmungswissen"; kom-
Perzeptionswissen, Konzeptuelles Wissen, Inter- plexe Wissenskonstellationen (Frames, Skripts,
aktionswissen, Emotionsmusterwissen und Eva- Szenen, Geschehenstypen) für das ,,konzeptuel-
luationsmusterwissen. le Wissen"; Handlungstypen, Illokutionsmuster
Als Basisbereich, über dessen Aktivierung und Textmuster für das ,,Interaktionswissen";
gleichzeitig alle anderen Wissensbereiche akti- schlieJ3lich Emotionsmuster wie ,,Emporung",
viert werden, fungiert das ,,sprachliche Wissen". ,,Trauer" und Evaluationsmuster wie ,,vorteilhaft
Es umfasst die Kenntnis der Sprache in phoneti- für ... " , ,,irrelevant für ... ". Insgesamt ergibt sich
scher, lexikalischer, morphologischer, semanti- so ein Beschreibungsinstrumentarium für alle in
scher und syntaktischer Hinsicht und stellt damit den Phasen ,,reflexiver Operationalitiit" bewusst
die Grundlagen sprachlicher Sinnbildungspro- zu machenden Relationen.
zesse zur Verfügung. Die subjektdependente Va- Zur konkretisierenden Verdeutlichung kann
riante des ,,sprachlichen Wissens" kann als der das Zusammenwirken dieser ,,Wissensbereiche"
individuelle ,,Sprachbesitz" bezeichnet werden. an einem Au13erungsbeispiel klar gemacht wer-
Der textuelle Gebrauch dieses sprachlichen Wis- den: Sie hatte ihn gestern Abend leider nicht da-
sens aktiviert einerseits Vemetzungen innerhalb bei. Dieser Ausschnitt aus einem Vertextungszu-
des ,,sprachlichen Wissens", andererseits Vernet- sammenhang aktiviert bei seiner rezeptiven Ver-
zungen mit anderen gleichzeitig wirksamen Wis- arbeitung zuniichst unser ,,sprachliches Wissen":
480 Sprachbetrachtung und Grammatik

Über die Wortbedeutungen und ihre Kornbinati- surnierendes Lesen) verbleibt dabei überwiegend ter oder Mind-_ •
on im Rahmen eines syntaktischen Musters irn Modus ,,intuitiver Operationalitat" , wahrend ellen Wissen"· ·
(,,Mitteilungssatz") gelangen wir zur ,,Satzbe- die ,,Interpretation" {begründendes Forrnulieren turen vom F~
deutung", die in dern propositionalen Gehalt be- des Verstandenen) im Modus ,,reflexiver Opera- rnat (> Art. 63
steht, ,,dass eine weibliche Person arn Abend vor tionalitat" bewusstseinspflichtig wird. 3. Die eigentlic!::e- -:
dern Sprechzeitpunkt etwas (bedauerlicherweise) In der Erorterung des obigen ÁuBerungsbei- um die Herste
nicht rnit sich geführt hat". Mehr konnen wir der spiels ist auch der allgerneine Grundzug jegli- nachvollzieh~
AuBerung auf Grund unserer Sprachkenntnis cher Vertextung deutlich geworden: Was rnate- Kernbereich ar:- -
nicht entnehmen (das in Klammern Gesetzte be- rialiter textuell rnanifest ist, reprasentiert nur alle Wissensl::le:?.:
zieht schon das Zusammenwirken von Ernotions- einen Bruchteil des darnit aktivierten ,,komrnu- hochkomplexe:- -~
und Evaluationsmustern sowie Sprachwissen rnit nikativen Sinnes". Das bedeutet ins Allgerneine ist, der sich a::: _
ein). Diese AuBerung gehi:irt in einen rnündlichen gewendet, dass jeder vorkommende Text nur als schriftsprach.E~
Kommunikationszusammenhang oder ist Teil die ,,Spur" eines kornplexen kognitiven Korrela- Hier greifen Te::_
,,direkter Rede" z. B. in einern Erzahlzusammen- tes anzusehen ist. Verschiedene Texte und Text- Textpragmatik -
hang. In beiden Fallen wird entweder durch die arten unterscheiden sich in der Dichte der geleg- Nahtstelle zw~-- ~
Bezugnahme auf die gleichzeitig aktivierte Wahr- ten ,,Spur", wie sich andererseits die Ergebnisse ist der Begrif: ..:;
nehmung oder das rnitlaufende konzeptuelle Wis- des Spurenlesens als individuen unterschiedlich eingeführt woxc.,
sen deutlich, wie die von der Sprachkenntnis bis- reichhaltige Deutungen der jeweiligen ,,Spur" kis Begriff de:-
her unbestimmten Ausdrücke sie, ihn, gestern (Zuweisung von ,,kornrnunikativern Sinn") er- den kann. Wie .::_
Abend sernantisch-referentiell zu füllen sind. weisen (zur theoretischen Grundlegung dieses versuche auf cEe-
Durch die Aktivierung dieser Wissensbereiche texttheoretischen Ansatzes vgl. Schemer 1994 che zugreifen. :_
gelangen wir zur ,,AuBerungsbedeutung". Weil und Vater 2001, 142 ff.). verdeutlicht. \\ ~
der Sprecher rnit dieser AuBerung interaktiv ei- Wie sich diese hier nur grob skizzierte text- Textüberarbein::::_
nen Handlungszug intendiert, ist gleichzeitig das theoretische Konzeption, die den Text als ,,Spur" erforscht; bekr:;::
,,Interaktionswissen" aufgerufen; z. B. lasst sich begreift, deren ausdeutende Verarbeitung über neigen, Iediglic:::
die AuBerung als Handlungszug des ,,Begrün- den Bezug zu den verschiedenen kognitiven Vo- reparieren. Wie =
dens" dafür auffassen, dass die Vergesslichkeit raussetzungssysternen zu Stande komrnt, in den tionalitat" gra=rr:=:
_ __
der besprochenen Person sich nachteilig ausge- Phasen ,,reflexiver Operationalitat" des bildung sinrn·o:
wirkt hat (o. A.). Weiterhin gibt der Sprecher zu Deutschunterrichts auswirkt, soll im Folgenden (1989 und 1996 _
erkennen, dass er diese Tatsache bedauert (lei- in einigen Aspekten angedeutet werden. und gestützt a¡é"
der). Durch das Zusammenwirken aller dieser (vgl. auch Deé :
Aspekte kommt über die Stufen der ,,Satzbedeu- H. 4: ,,Grammz:::..
3.3 Textualitat und schriftlicher
tung" und der ,,AuBerungsbedeutung" das inter- 4. Die empirische E._--,
Sprachgebrauch
pretative Konstrukt des kornplexen ,,kommunika- Textproduktion -
tiven Sinnes" dieser ÁuBerung zu Stande. Über- Mit Bezug auf das im vorigen Abschnitt Darge- Bereich noch e
tragt man dieses Schichtenmodell auf einen legte sollen nun einige Schlaglichter auf die auch neuerdin!!:5 ~
ganzen Text, lassen sich folgende Ebenen der Textproduktion (das Schreiben, die Aufsatzdi- schungszweck"é : ;
,,komrnunikativen Sinnbildung" unterscheiden: daktik) geworfen werden. hen. Bine der fri:z
Aus der Folge der propositionalen Gehalte der 1. Wenn auch aus der Verwendung des Ausdrucks ten stammt voz: :--
Satze ergibt sich das propositionale Netzwerk des ,,Schreiben" bisweilen der Eindruck entsteht, B itter-Battig C -
Textes (vgl. Busse 1992, 94 ff.). Aus der Sukzes- es gebe so etwas wie das ,,Schreiben" schlecht- der fehlende tex::_
sion der referentiellen Bezüge lasst sich ein Netz- hin, das es zu erlernen gelte, so ist doch rnit die einzelnen C
werk der ,,referentiellen Bewegung" irn Text Nachdruck darauf hinzuweisen, dass Schrei- eine additive R~
erstellen (vgl. Vater 2001, 94 ff.). Aus den einzel- ben als Textbildung bzw. schriftliches Vertex- grierter Aspelae_.- -
nen Illokutionen ergibt sich ein illokutionshierar- ten irnmer einer kulturellen Praxis, d. h. dem umfánglichen .-3
chisches Netzwerk aus dorninierenden und subsi- Muster einerTextart/fextsorte oder einer ,,Dis- (Boueke, Schüle::::..
diaren Sprechakten (vgl. Heinemann & Viehwe- kursforrn" (z. B. Beschreiben vs. Erzahlen) 1995). Für die ._:--
ger 1991 , 104 ff. ). Aus der Aktivierung folgt, durch die die Funktion des jeweiligen schriftlich konst:::
ernotionaler und evaluativer Muster ergibt sich Schreibens eingefangen ist (vgl. Schneuwly dem wird ein SC'~
die affektive und evaluative Gesarntstruktur des 1995, Bredel 2001). Es handelt sich dabei je- Erzahlmodell zu~
Textes. Aus der Integration ali dieser Ebenen er- weils um die Aktualisierung eines Text-Mus- für das verwen&-:
stellt der Rezipient für sich den ,,kommunikati- ters aus dern o. g. ,,Interaktionswissen". dender Kritikplci::
ven Textsinn", der als seine ,,Lesart", ,,Deutung" 2. Auch die Textplanungsphase rnacht vielfálti- kierung" der ,,ec.:
oder ,,Interpretation" des Textes anzusehen ist. In gen Gebrauch von Mustern sernantisch-kon- Gebrauch der ..\\ --
didaktischer Hinsicht ist dabei folgende Unter- zeptueller Art. Assoziative Methoden (Brain- lich texttheor~~
scheidung wichtig: Die ,,reine Rezeption" (kon- storming, Assoziograrnme, Worternetz, Clus- sinnvoller gewese::.
Grammatik und Textualitat 481

ter oder Mind-Map) aktivieren im ,,konzeptu- Rede" als vertextete Szene, die in den Erzlihl-
ellen Wissen" bereits gegebene Wissensstruk- verlauf eingebettet ist (,,Text im Text": vgl.
turen vom Frame-/Skript- oder Schema-For- Scherner 1997a), zu beschreiben, weil ,,emo-
mat (> Art. 63). tionale Nlihe" sprachlich auch auf andere Wei-
3. Die eigentliche Formulierungsphase, in der es se realisierbar ist.
um die Herstellung einer für den Rezipienten 5. Für textkondensierende Textarten (Inhaltsan-
nachvollziehbaren Vertextung geht, stellt den gaben, Zusammenfassungen aller Art) werden
Kembereich der Textbildung dar. Hier wirken im Unterricht immer noch rein intuitive Ver-
alle Wissensbereiche zusammen, so dass ein fahren (das Wichtigste, Hauptslichliche he-
hochkomplexer Integrationsprozess zu leisten rauszugreifen) benutzt. Daher sei hier aus-
ist, der sich auf ein Endprodukt bezieht, das drücklich auf den Nutzen von ,,Makroopera-
schriftsprachlichen Normen zu genügen hat. tionen" (,,Auslassen", ,,Generalisieren",
Hier greifen Textgrammatik, Textsemantik und ,,Bündeln" usw. nach Van Dijk 1980; vgl.
Textpragmatik simultan ineinander. Für die Schemer 1989, 90 ff.) hingewiesen, durch de-
Nahtstelle zwischen Denken und Formulieren ren Einsatz analytisch nachprüfbare Ergebnis-
ist der Begriff ,,Priitext" (vgl. Wrobel 1995) se zu Stande kommen konnen.
eingeführt worden, der plausibel rnit Wygots- 6. Entwicklungsstufen der Textbildungskompe-
kis Begriff der ,,inneren Rede" erliiutert wer- tenz werden von Feilke ( 1988, 1995) und Oss-
den kann. Wie die einzelnen Formulierungs- ner (1996) thematisiert; auch Boueke u. a.
versuche auf die verschiedenen Wissensberei- (1995) unterscheiden mehrere Entwicklungs-
che zugreifen, hat Portmann-Tselikas (1997) stufen. Allerdings werden diese Stufen durch
verdeutlicht. Wie das vem etzte Wissen bei der die übergangslose Verrnischung von mündli-
Textüberarbeitung operiert, ist bisher nicht cher und schriftlicher Vertextung wieder ver-
erforscht; bekannt ist nur, dass Schüler dazu wlissert (vgl. 3.5).
neigen, lediglich lokale Kohasionsprobleme zu
reparieren. Wie in der Phase ,,reflexiver Opera-
3.4 Textualitat und Umgang mit Texten
tionalitat" grammatisches Wissen für die Text-
bildung sinnvoll einzubringen ist, hat Klotz Setzt man die in vielen Lehrpllinen verwendete
(1989 und 1996) an einer Fülle von Beispielen Formulierung ,,Umgang rnit Texten", die alle nur
und gestützt auf empirisches Material gezeigt denkbaren Moglichkeiten der ,,Behandlung" von
(vgl. auch Der Deutschunterricht 52/2000, Texten im Unterricht zuliisst, in Beziehung zuro
H. 4: ,,Grammatik und Formulieren"). Konzept der ,,Textualitiit", dann ergibt sich eine
4. Die empirische Erforschung der schulischen Zentrierung auf den fundierenden Aspekt, dass
Textproduktion steckt im deutschsprachigen Texte sprachliche Texturen darstellen, die eine Art
Bereich noch in den Kinderschuhen, wenn des ,,Umgangs" erfordem, der ihrer sprachlichen
auch neuerdings mehrere Textcorpora für For- Machart und der Modalitiit ihrer mentalen Verar-
schungszwecke im Internet zur Verfügung ste- beitung entspricht. Ein solcher Zugang ist tradi-
hen. Eine der frühesten textorientiertenArbei- tionell im didaktischen Konzept des ,,textnahen"
ten stammt von Klein (1978), eine neue von Arbeitens (Schemer 1975) ange!egt und wird
Bitter-Biittig (1999). Zu bemlingeln ist hier heute in der Líteraturdidaktik a!s Konzept des
der fehlende texttheoretische Gesamtrahmen, ,,textnahen Lesens" (Belgrad & Fingerhut 1998,
die einzelnen Untersu chungsaspekte bilden Paefgen 1998) vertreten. In diesen Ansiitzen geht
eine additive Reihe nicht zureichend inte- es nicht mehr wie in der traditione!len Hermeneu-
grierter Aspekte. Anders liegt der Fall bei der tik um die Ermittlung des Textsinns und der Au-
umfánglichen ,,Bielefelder Aufsatzstudie" torintention, sondem um die Frage, wie ,,Bedeu-
(Boueke, Schülein, Büscher, Terhorst & Wolf tung" oder ,,Sinn" durch die mentale Verarbeitung
1995). Für die Untersuchung mündlich wie der materialen Textur zu Stande kommen kann.
schriftlich konstituierter Erzlihltexte von Kin- Dieser Frage nach den Bedingungen der Moglich-
dem wird ein schematheoretisch orientiertes keit des Verstehens entspricht in didaktischer
Erziihlmodell zugrunde gelegt. Ein zentraler, Hinsicht das anthropologisch fundierte Bildungs-
für das verwendete Erzlihlmodell entschei- ziel, das ,,Verstehen verstehen zu lemen" (vgl.
dender Kritikpunkt betrifft die ,,Affekt-Mar- Forster 1998, 63). Bedingung dafür, dass eine sol-
kierung" der ,,emotionalen Niihe" durch den che Reflexionsstufe im Unterricht überhaupt er-
Gebrauch der ,,wortlichen Rede". In einheit- reicht wird, ist die Überwindung einer didakti-
lich texttheoretischer Orientierung wlire es schen Position, die primar auf die konsumierende
sinnvoller gewesen, die Passagen in ,,direkter ,,Rezeption" von Texten abhebt (,,Forderung der

482 Sprachbetrachtung und Grammatik

Leselust" u. a.) und nicht zur analytischen Stufe von hier aus die Sprachanalyse beginnen zu las- dieser Forme:: _
des ,,textnahen Lesens" vordringt. Obwohl dieses sen, setzt sich auch in der wissenschaftlichen distributionell
dem Modus ,,reflexiver Modalitat" verpflichtete Sprachbeschreibung erst allmahlich durch. So dass wir es h.:.- -
Konzept für den Umgang mit literarischen Texten behalten viele Darstellungen der deutschen schiedlichen =-
und in der Adaptation dekonstruktivistischer und Grammatik den überkommenen Aufbau vom ,,Rollenwéirter::.-
diskursanalytischer Positionen entwickelt worden ,,Laut" über das ,,Wort" zum ,,Satz" bei, obwohl den Diskurs ~
ist, besitzt es allgemeine textdidaktische Rele- sprachtheoretisch und empirisch klar ist, dass die munikations~ -
vanz: Das Ziel, einen hoheren Grad an bewusster jeweils kleineren Einheiten immer erst dadurch und den ,,Er:-
Durchdringung des eigenen Verstehens zu errei- erkennbar werden, dass sie analytisch aus dem sie) auf der ~
chen, gilt für Texte aller Art. Allerdings braucht komplexen textuellen Vorkommen herausprapa- ihrer anapbor:· -
man dazu auch ein sprachtheoretisch konzises riert werden müssen. Entsprechend verführt z. B. Aufgabe für d:e -:-
und homogenes textanalytisches Instrumentari- die Grammatik von Engel (1988), wahrend die Progression :.:=
um, das in den literaturdidaktischen Ansatzen Duden-Grammatik ganz traditionell vorgeht und Textgehaltes z:::_
zum ,,textnahen Lesen" noch nicht entwickelt ist. ein Kapitel über den ,,Text" als Additum an- 87 ff. ).
Denn statt der dort verwendeten, fast beliebig an- hangt. Die einzige durchgehend am Textprinzip - Die Konjunkti
mutenden Mischung grammatischer, stilistischer orientierte Grammatik ist von Weinrich (1993) junktion ,,abe, -
und rhetorischer Beschreibungsmittel ist ein dem vorgelegt worden. ditionell als T~-
Ziel, das ,,Verstehen zu verstehen", entsprechen- Demgegenüber hatte die Sprachdidaktik al- version" bescb- -
des Beschreibungsinstrumentarium erforderlich, len Grund, die textorientierte Sicht zu favorisie- sie dann lokal="--.........
das die sprachlichen Mittel einheitlich als verste- ren, weil diese gerade in der Perspektive der er Satze. Wie B::--
hensleitende Impulse oder Aktivatoren be- Spracherlemung nahe liegt. Denn das Kind be- gezeigt hat, get: ~
schreibt. Entsprechend dem unter 3.2 skizzierten gegnet der Sprache nicht in Forro einer analyti- tive nicht um ~
textdidaktischen Ebenenmodell gehoren dazu: schen Systematik, sondern immer in Forro ver- knüpfungswen. -
a) alle im sprachlichen Wissen gründenden Mittel texteter Sprache, deren Verfahrensregularitaten der Perspekti,·e _
(Textgrammatik im engeren Sinn, vgl. Scherner es erst durch eine Folge von Hypothesenbildun- ein Erwartun='-
1983); b) alle Formen der Wiederaufnahme (Wie- gen erwirbt. Insofern bote es sich an, diesen Kontinuum sia -
derholung von Wéirtern, Wortgruppen, von gram- Weg auch in der Sprachdidaktik zu beschreiten sich die textoie:=
matischen Formen und Mustern, Metrum, Reim und über die Methode einer ,,Textgrammatik- Beschreibung ~"'.......
· .-""'
etc.), die das Wahrnehmungsmusterwissen akti- Werkstatt" diese textorientierte Perspektive zu gehalte in ihi-'er
vieren; e) alle über die Aktivierung des Weltwis- verfolgen. Blick kommen.
sens (des konzeptuellen Wissens) laufenden Be- Auf diese Weise ware z. B. zu entdecken, - Die Wortstellung-
züge, zu denen auch die thematische Entfaltung dass ,,Satze" nicht nur einer satzinternen syn- problematische ~
des Textes gehéirt; d) alle pragmatischen Aspekte, taktischen Kombinatorik gehorchen, sondern markiert) am iso;.::
die als Handlungsmuster (Illokutionen), Text- dass sie sich satzextern in verstehens- bzw. ist in der textue:t::
funktionen und Textmuster (Textarten, Gattun- verstandnisorientierter Perspektive über kogni- unproblematisct.. ::
gen, Textsorten) im Interaktionswissen verankert tive Gehalte (,,Propositionen") auf etwas Ge- ten Satzgliedpos::.
sind (Brinker 1996, Vater 2001, Linke, Nussbau- meintes beziehen, referentielle Vemetzungen méiglicht die \ ·et.:
mer & Portmann 1994, 211 ff., Scherner 1994). aktivieren und darüber hinaus komrnunikative reits bekannten ~ _
Über ein solches textorientiertes Beschreibungs- Handlungszüge realisieren, die ihrerseits mit handelt es sich her-
instrumentarium werden auch die Grundformen emotionalen Einstellungen und sozialen R ele- gentlich um Pro· •
textartentypischer Vertextung erfassbar. Legt man vanzen verbunden sind (vgl. das Ebenenmodell gements (zur ir::-~
ein solches prototypisches Strukturwissen über in 3.2). Einen orientierenden Überblick zu die- rung im Satz vci.. ~
die Vertextungsmuster nichtliterarischer wie lite- sen Zusammenhangen findet man bei Vater Einpassung des -
rarischer Texte zu Grunde, erhalt die Deutschdi- (1992, 74-158). le Kontinuum dfS -
daktik ein an objektivierbaren sprachlichen Demgegenüber folgt die Schulsprachlehre sich die textuelle -
Operationen und Strukturen orientiertes Be- nach wie vor groBenteils der tradit ionellen die tatsachlichec r-
schreibungsinstrument für Grundformen der Ver- Grammatik, die sich in vielen Fallen einer text- vorkommens beS5G"
textung und kann sich so von vag(er)en inhaltli- orientierten Sicht verweigert bzw. in dieser Hin- Diese B eispiele so:.::~
chen Bestimmungsversuchen freihalten. sicht Einsichten geradezu blockiert. Das kann der Orientierung 3:-
hier nur exemplarisch für drei Phanomene an- schreibung an ven
3. 5 Reflexion über Sprache in
deutungsweise erlautert werden: um eine Erganzune -=
- Das Personalpronomen: Hier wird durch die bung durch die Ein-:-
textorientierter Sicht Tradierung der Formenreihe ,,ich, du, er, sie. der Sprachphanom~
Der genuine Ansatzpunkt einer texttheoretischen es, wir, ihr, sie" das Vorhandensein einer ein- eine prinzipielle X
Sprachbetrachtung, vertextete Sprache als ,,pri- heitlichen Kategorie mit einheitlicher Funkti- von Grund auf geib.:.:
mum datum" (P. Hartmann) anzuerkennen und on unterstellt. Bei der textuellen Verwendung führt. Hier ist noch :=..
Grammatik und Textualitat 483

dieser Formen ergibt sich jedoch sowohl in Weiterhin sollte deutlich geworden sein, dass
distributioneller wie in funktioneller Sicht, die Textorientierung sich nicht nur auf die Neu-
dass wir es hier mit zwei systematisch unter- schreibung der Grammatik bezieht, sondern dass
schiedlichen Kategorien zu tun haben, den auch die Bereiche ,,Semantik" (Sprachliches
,,Rollenwortern" (ich, du; wir, ihr) für die Wissen - innersprachliche Semantik vs. Welt-
den Diskurs tragenden Instanzen (die Kom- wissen bzw. konzeptionelles Wissen - Referenz-
munikationspartner) auf der einen Seite semantik), ,,Sprachliches Handeln" und die prin-
und den ,,Erinnerungswortern" (er, sie, es; zipielle Fundierung der Sprachbeschreibung in
sie) auf der anderen Seite, denen auf Grund den kommunikativen Rahmenbedingungen
ihrer anaphorischen Funktion eine wichtige (Diskursinstanzen vs. Welt des Besprochenen)
Aufgabe für die Etablierung der referentiellen als Gesamtzusammenhang in den Blick kommen
Progression im Rahrnen des semantischen müssen. Nur auf diese Weise ist ein ,,integrativer
Textgehaltes zukommt (vgl. Weinrich 1993, Sprachunterricht", wie ihn die Lehrplane heute
87 ff.). weithin fordern, sinnvoll realisierbar.
- Die Konjunktionen: Als Beispiel sei die Kon-
junktion ,,aber" herausgegriffen. Sie wird tra-
ditionell als Trager des logischen Wertes ,,Ad- 3.6 Textualitat und rnündlicher Sprachgebrauch
version" beschrieben. In dieser Funktion dient In der Textlinguistik wird allgemein davon aus-
sie dann lokalpunktuell der Verknüpfung zwei- gegangen, dass ein Text sowohl schriftlich als
er Satze. Wie Brinkmann bereits 1971 (734 f.) auch mündlich realisiert sein kann (vgl. Vater
gezeigt hat, geht es in textorientierter Perspek- 2001, 14 ff. ; Weinrich 1993). In anderer Sicht
tive nicht um den punktuellen logischen Ver- wird strikt zwischen ,,Text" als schriftkonstitu-
knüpfungswert, sondem in verstehenssteuern- ierter und ,,Diskurs", ,,Gesprach" oder ,,Dialog"
der Perspektive darum, dass dem Rezipienten als mündlicher Form von Sprachvorkommen un-
ein Erwartungsbruch im textuellen Referenz- terschieden. Da es sich aber auch bei mündlicher
Kontinuum signalisiert wird. Auch hier zeigt Rede um das Vertexten sprachlicher (und auJ3er-
sich die textorientierte Sicht der traditionellen sprachlicher) Mittel handelt, kommt der Vertext-
Beschreibung überlegen, weil so auch die Text- ung die logische Prioritat zu. Daher gehort der
gehalte in ihrer mentalen Verarbeitung in den ,,mündliche Sprachgebrauch" genuin in die Do-
Blick kommen. mane der ,,Textualitat". Als Beschreibungsin-
- Die Wortstellung: Was als sog. freie und daher strument kann also eine ,,Syntax des Dialogs"
problematische Wortstellung (markiert vs. un- (Weinrich 1993, 819 ff.) fungieren. Zur Erfas-
markiert) am isolierten Satz beschrieben wird, sung der Spezifik mündlicher Rede sind jedoch
ist in der textuellen Wirklichkeit in der Regel auch andere Analysemethoden erforderlich (zur
unproblematisch. Die freie Besetzung der ers- erstenAnnaherung vgl. Linke u. a. 1994, 257 ff.,
ten Satzgliedposition im Mitteilungssatz er- Fiehler 2000). In neuem Licht erscheint dieses
moglicht die Verknüpfung von neuen mit be- Problem, wenn man eine differenziertere Sicht
reits bekannten kognitiven Gehalten. Insofern zur Unterscheidung von Schriftlichkeit und
handelt es sich bei diesem Phanomen nicht ei- Mündlichkeit einnimmt, die nicht mehr einfach
gentlich um Probleme des satzinternen Arran- dichotomisch nach dem Kriterium des Mediums
gements (zur informationellen Binnensteue- vorgeht, sondern zusatzlich das Kriterium der
rung im Satz vgl. Klotz 1998), sondern um die konzeptionellen Vertextung anlegt (vgl. die ent-
Einpassung des Einzelsatzes in das referentiel- sprechende Kreuzklassifikation bei Koch &
le Kontinuum des Textes. Auch hier erweist Oesterreicher 1985, auch Nussbaumer 1991 ,
sich die textuelle Sicht als überlegen, weil sie 270 ff.). Auf diese Weise wird deutlich, dass es
die tatsachlichen Gegebenheiten des Sprach- vielfache graduelle Verflechtungen zwischen
vorkommens besser erfasst. den bislang immer strikt geschiedenen Vertext-
Diese Beispiele sollen verdeutlichen, dass es bei ungsarten gibt (zum Eindringen des Mündlichen
der Orientierung der schulischen Sprachbe- ins Schriftliche vgl. Sieber 1998). Die didakti-
schreibung an vertexteter Sprache nicht einfach schen Konsequenzen dieser Differenzierung
um eine Erganzung der traditionellen Beschrei- werden erst allmahlich reflektiert (vgl. Günther
bung durch die Einbeziehung satzüberschreiten- 1993). Letztlich wird damit auch die überkom-
der Sprachphanomene gehen kann, sondern um mene kanal-/medialbedingte Abgrenzung der
eine prinzipielle Neuorientierung, die zu einer Arbeitsfelder des Deutschunterrichts fragwür-
von Grund auf geanderten Sprachbeschreibung dig.
führt. Hier ist noch fast alles zu tun.
...
484 Sprachbetrachtung und Grammatik

C: &4 2 S Ni «4i4W #A-iifi* -4:;;;¡;;efffntA&A Baurmann, Jürgen. 2000. Der Einfluss der Text- Feilke, HelmutlL :
linguistik auf die Muttersprachendidaktik. In: in argumentar:- :
4 Textdidaktik als Fundierungs- Brinker, Klaus; Antos, Gerd; Heinemann, der FahigkeiL -=--
rahmen der Deutschdidaktik Wolfgang & Sager, Sven F. (Hg.): Text- und Deutschunterr:- -
Gesprachslinguistik. Linguistics of Text and - 1995. Auf der:::
Aus der vorausgehenden Skizze dürfte deutlich Conversation. Ein internationales Handbuch lung der Tex ·
geworden sein, dass der Aspekt der ,,Textualitat" zeitgenossischer Forschung. An International In: Augst, Ge~
nicht nur in alle Teilfelder des Deutschunter- Handbook of Contemporary Research. Untersuchum,c:::: ~
richts hineinspielt, sondern dass er es ermog- 1. Halbband/Volume 1: Textlinguistik/Lingu- 1- 24. -
licht, von der sprachlichen Gegebenheitsweise istics ofText. Berlín, 820-829. - 2000. Wege z:.::=.
der Gegensti:inde des Faches Deutsch her eine Beaugrande, Robert-Alain de & Dressler, Wolf- H. 161, 14-22_
fachspezifische Fundierung des Gesamtfaches gang Ulrich. 1981. Einführung in die Textlin- Fiehler, Reinharri..:
zu gewinnen. Eine solche Fundierung kann guistik. Tübingen. der UntersucL_
,,Textdidaktik" genannt werden, sofern man die- Becker-Mrotzek, Michael; Hein, Jürgen & Sprache und -
sen Terrninus nicht oberflachlich-allgemein- Koch, Helmut H. (Hg.). 1997. Werkstattbuch Unterricht 3 1. R
sprachlich versteht, sondern die damit implizier- Deutsch: Texte für das Studium des Faches. Forster, Jürgen. l
ten Textualitatsbedingungen mitmeint. Der na- Münster. sen. Sarah KifS:!:
heliegende Einwand, es handele sich dabei dann Belgrad, Jürgen & Fingerhut, Karlheinz (Hg.). mir nicht'. In: &_
um eine sehr enge Auffassung von Deutschdi- 1998. Textnahes Lesen. Annaherungen an Li- Grissemann, Ha.es -
daktik, weil nur die sprachliche Seite der Gegen- teratur im Unterricht. Baltmannsweiler. dagogik am Be:,,,.
stande in den Blick komme, verfángt nicht Bitter-Battig, Franziska. 1999. Die Entwicklung Legasthenietht t
(vgl. 3.1). Zur weiteren hier nicht moglichen der schriftlichen Erzahlfáhigkeit vom 4. bis peutisches Leh.--:c
Konkretisierung des Konzeptes kann aber darauf 6. Primarschuljahr. Bern. Günther, Hartmu-1- _
hingewiesen werden, dass sich alle anderen, bis- Blürnl, Karl. 1992. Textgrammatik für die Schu- lichkeit. In: E~
her in der Unterrichtspraxis bereits vorkommen- le. Zu einem umstrittenen Kapitel der neuen - & Ludwig, O:=:-
den Aspekte der Gegenstandsbehandlung (z. B. Deutschlehrplane. Wien. Schriftlichkeit. -;
kommunikativ-pragmatischer, literarhistori- Boueke, Dietrich; Schülein, Frieder; Büscher, disziplinares H-
scher, asthetischer, applikativ-padagogischer Hartmut; Terhorst, Evamaria & Wolf, Dag- schung. An Ime:-.:'...
etc. Art) bruchlos in dieses textorientierte Rah- mar. 1995. Wie Kinder erzahlen. Untersu- ternational Rese::;:.
menkonzept einbinden lassen. chungen zur Erzahltheorie und zur Entwick- Berlín.
Darnit wird eine Brücke zwischen sprachli- lung narrativer Fahigkeiten. München. Haas, Gerhard. 19~ -
cher und literarischer Analyse geschlagen, die Bredel, Ursula. 2001. Ohne Worte - Zuro Ver- formen im Schi:.., . _
heute vielfach als Zielsetzung eines Unterrichts haltnis von Grammatik und Textproduktion gogische Beitra...t:'?' .:..
gekennzeichnet wird, der die Differenz zwischen aro Beispiel des Erzahlens von Bilderge- 1975. Texttheoi!
Geist und Buchstaben in einer an der Sprachlich- schichten. Didaktik Deutsch 6, H. 11, 4-21. des Deutsch~
keit des Textes orientierten Arbeit bewusst zu Brinker, Klaus. 1996. Die Konstitution schriftli- In: Halbfas, H •
machen und damit die Bedingungen der Mog- cher Texte. In: Günther & Ludwig, Popp, Walter ~
lichkeit von Textualitat für die Bedeutungs- und 1515- 1526. Prirnarbereichs. 3.:
Sinnerstellung zu reflektieren gestattet (vgl. Brinkmann, Hennig. 1971. Die deutsche Spra- und Erziehung_ ~-
Forster 1998, Paefgen 1998). Ob darin ein Sig- che. Gestalt und Leistung. Düsseldorf. Rayes, John R.&. E .
nalement der konkreten Utopie einer ,,integrati- Busse, Dietrich. 1992. Textinterpretation. as a Problem So:·.
ven Deutschdidaktik" gesehen werden kann, Sprachtheoretische Grundlagen einer explika- 388-399.
muss die zukünftige Entwicklung zeigen. tiven Semantik. Opladen. Heinemann, Wolf_
Christmann, Ursula & Groeben, Norbert. 1999. 1991. Textlingn:~
Psychologie des Lesens. In: Franzmann, Bo- gen.
do; Hasemann, Klaus; Loffier, Dietrich & Klein, Wolfgang. 19-
5 Literatur Schon, Erich (Hg.): Handbuch Lesen. Mün- der Kinderspract-e
chen, 145- 223. suchungen zu Ka=
Abraham, Ulf. 2001. Den Blickwechsel üben. Eigler, Gunther. 1996. Methoden der Textpro- Schülertexten. ~
Grammatikunterricht und Literaturunterricht. duktionsforschung. In: Günther & Ludwig, Klotz, Peter. 1989. :
Mitteilungen des Deutschen Germanistenver- 992-1004. sprachliche W~
bandes 48, H. 1, 30-43. Eisenberg, Peter & Klotz, Peter (Hg.). 1993. SprachbewuJ3tse::.
Ballstaedt, Steffen-Peter; Mandl, Heinz; Sprache gebrauchen - Sprachwissen erwer- Sprachtheorie 40. -
Schnotz, Wolfgang & Tergan, Sigmar-Olaf. ben. Stuttgart. 1996. Grammais:
1981. Texte verstehen, Texte gestalten. Mün- Engel, Ulrich. 1988. Deutsche Grammatik. Hei- tungskompetenz. ~
chen. delberg. bingen.
Grammatik und Textualitat 485

Feilke, Helmuth. 1988. Ordnung und Unordnung - 1998. Wie Satze informieren: Sprachwissen
in argumentativen Texten. Zur Entwicklung in Funktion. Praxis Deutsch 25, H. 147,
der Fahigkeit, Texte zu strukturieren. Der 53-58.
Deutschunterricht 40, H. 3, 65-81. Koch, Peter & Oesterreicher, Wulf. 1985. Spra-
- 1995. Auf dem Weg zum Text. Die Entwick- che der Nahe - Sprache der Distanz: Münd-
lung der Textkompetenz im Grundschulalter. lichkeit und Schriftlichkeit irn Spannungsfeld
In: Augst, Gerhard (Hg.): Frühes Schreiben. von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. Ro-
Untersuchungen zum Schreiberwerb. Essen, manistisches Jb. 36, 15-43.
1- 24. Koller, Wilhelm. 1995. Beitrage zum ,,Kasseler
- 2000. Wege zum Text. Praxis Deutsch 27, Gesprach zu Grammatik und Pragmatik für
H. 161, 14-22. die Schule". Der Deutschunterricht 47, H. 4,
Fiehler, Reinhard. 2000. Über zwei Probleme bei 82- 92.
der Untersuchung gesprochener Sprache. Linke, Angelika; Nussbaumer, Markus & Port-
Sprache und Literatur in Wissenschaft und mann, Paul R. 1994. Studienbuch Linguistik.
Unterricht 31, H. 85, 23-42. Tübingen.
Forster, Jürgen. 1998. Literatur als Sprache le- Ludwig, Otto. 1983. Einige Gedanken zu einer
sen. Sarah Kirsch ,Meine Worte gehorchen Theorie des Schreibens. In: Grosse, Siegfried
mir nicht'. In: Belgrad & Fingerhut, 54-69. (Hg.): Schriftsprachlichkeit. Düsseldorf,
Grissemann, Hans. 1980. Klinische Sonderpa- 37- 73.
dagogik am Beispiel der psycholinguistischen Molitor-Lübbert, Sylvie. 1996. Schreiben als
Legasthenietherapie. Ein padagogisch-thera- mentaler und sprachlicher ProzeB. In: Gün-
peutisches Lehrbuch. Bern. ther & Ludwig, 1005- 1027.
Günther, Hartmut. 1993. Erziehung zur Schrift- Nussbaumer, Markus. 1991. Was Texte sind und
lichkeit. In: Eisenberg & Klotz, 85-96. wie sie sein sallen. Ansatze zu einer sprach-
& Ludwig, Otto (Hg.). 1996. Schrift und wissenschaftlichen Begründung eines Kriteri-
Schriftlichkeit. Writing and Its Use. Ein inter- enrasters zur Beurteilung von schriftlichen
disziplinares Handbuch intemationaler For- Schülertexten. Tübingen.
schung. An Interdisciplinary Handbook ofln- - 1993. Textbegriffund Textanalyse. In: Eisen-
ternational Research. 2. Halbband/Volume 2 . berg & Klotz, 63-84.
Berlín. Nutz, Maximilian. 1995. Grammatisches Wis-
Haas, Gerhard. 1973. Textlinguistische Arbeits- sen, Sprachbewusstsein und literarisches Ver-
formen im Schulversuch. Westermanns Pada- stehen. Der Deutschunterricht 47, H. 4,
gogische Beitrage 25, H. 12, 647-656. 70-81.
- 1975. Texttheorie als Fundierungskategorie Ossner, Jakob. 1996. Schreibentwicklung. Gibt
des Deutschunterrichts auf der Primarstufe. es Entwicklungsstufen beim Aufsatzschrei-
In: Halbfas, Hubertus; Maurer, Friedemann & ben? In: Feilke, Helmuth & Portrnann, Paul
Popp, Walter (Hg.): Neuorientierung des (Hg.): Schreiben im Umbruch. Stuttgart,
Primarbereichs. Band 3: Sprache, Umgang 74-85.
und Erziehung. Stuttgart, 117- 141. Paefgen, Elisabeth K. 1998. Textnahes Lesen.
Rayes, John R. & Flower, Linda S. 1980. Writing 6 Thesen aus didaktischer Perspektive. In:
as a Problem Solving. Visible Language 14, 4, Belgrad & Fingerhut, 14-23.
388-399. Portmann-Tselikas, Paul R. 1997. Erarbeitung
Heinemann, Wolfgang & Viehweger, Dieter. von Textstrukturen. Zu einigen Verbindungen
1991. Textlinguistik. Eine Einführung. Tübin- zwischen Schreibforschung und kognitiver
gen. Textlinguistik. In: Antos, Gerd & Tietz, Heike
Klein, Wolfgang. 1978. Linguistik und Didaktik (Hg.): Die Zukunft der Textlinguistik. Tradi-
der Kindersprache irn Grundschulalter. Unter- tionen - Transformationen - Trends. Tübin-
suchungen zu Konstitution und Kohasion von gen, 65- 79.
Schülertexten. Paderbom. Schemer, Maximilian. 1969. Elemente einer
Klotz, Peter. 1989. Schulgrammatik. Alltags- Textsyntax. Versuch einer Behandlung der
sprachliche Wege zu Sprachwissen und ,,Rede" als hochster grammatischer Einheit
SprachbewuJ3tsein. Osnabrücker Beitrage zur im Deutschunterricht eines 6. Schuljahres.
Sprachtheorie 40, 97- 114. (2. Staatsexamensarbeit, unveroffentlicht).
1996. Grammatische Wege zur Textgestal- Münster.
tungskompetenz. Theorie und Empirie. Tü- - 1970. Makrosyntax und Textinterpretation.
bingen. Jens Rehns Erzahlung ,,Der Zuckerfresser" irn

486 Sprachbetrachtung und Grammatik

Unterricht einer Unterstufenklasse. Der Schmidt, Siegfried J. 1973. Texttheorie. Proble-


Deutschunterricht 22, H. 6, 51- 66.
1974a. Theorie und Technik des Textverste-
me einer Linguistik der sprachlichen Kommu-
nikation. München.
37.Kir
hens. Arbeitsbuch zur Einführung in den
Problembereich (Deutsch: Sekundarstufe II).
- 1994. Kognitive Autonomie und soziale Ori-
entierung. Konstruktivistische Bemerkungen D)-=
Düsseldorf. zum Zusammenhang von Kognition, Kommu-
- 1974b. ,,Horizont". In: Ritter, Joachim (Hg.): nikation, Medien und Kultur. Frankfurt/M. Helen Le:
Historisches Worterbuch der Philosophie. Schneuwly, Bemard. 1995. Textarten - Lernge-
Band 3. Basel, 1202- 1206. genstande des Aufsatzunterrichts. Osnabrük-
- 1975. Wie Texte das Verstehen steuem. Eine ker Beitriige zur Sprachtheorie 51, 116---132.
Einführung in die Textlinguistik für die Se- Schoenke, Eva. 1991. Didaktik sprachlichen
kundarstufe l. Text- und Arbeitsheft. Dort- Handelns. Überlegungen zurn Sprachunter-
mund. richt in der Sekundarstufe l. Tübingen.
- 1979. Sprachorientierte Textanalyse und Sieber, Peter. 1998. Parlando in Texten. ZurVer-
Deutschunterricht. In: Boueke, Dietrich iinderung kommunikativer Grundmuster in 1 Die Forschtm-
(Hg.): Deutschunterricht in der Diskussion. der Schriftlichkeit. Tübingen. 2 Die Forschun-
Forschungsberichte, Band 1. Paderbom, Stanzel, Franz K. 1995. Theorie des Erziihlens. Linguistik -
353-380. Gottingen. 3 Dysgrammatis:-
- 1983. Linguistik des Sinnes. Ansiitze zu ei- Steinmetz, Horst. 1996. Moderne Literatur le- 4 Ein mogliche:- ___
nem Textverstehensmodell für den Deutsch- sen. Eine Einführung. München. 5 Diagnose
unterricht. In: Braun, Peter & Krallmann, Van Dijk, Teun A. 1980. Textwissenschaft. Eine 6 Therapie
Dieter (Hg.): Handbuch Deutschunterricht. interdiszipliniire Einführung. München. 7 Fazit
Band l. Düsseldorf, 501- 522. Vater, Heinz. 1992. Einführung in die Textlingu- 8 Forderinstituri
1984. Sprache als Text. Ansatze zu einer istik. Struktur, Thema und Referenz in Texten. 9 Literatur
sprachwissenschaftlich begründeten Theorie München.
des Textverstehens. Tübingen. 2001. Einführung in die Textlinguistik. Struk-
- 1989. Kognitionswissenschaftliche Beschrei- tur und Verstehen von Texten. München.
bung des ,,Umgangs mit Texten" - eine neue Weinrich, Harald. 1993. Textgrammatik der
Moglichkeit zur Fundierung der Deutschdi-
1 Die Forscl::=!
deutschen Sprache. Mannheim.
daktik? Der Deutschunterricht 41, H. 4 , Wrobel, Arne. 1995. Schreiben als Handlung. Das faszinierende ?-
85- 95. Überlegungen und Untersuchungen zur Theo- Erwerbsverlauf cE~
- 1994. Textverstehen als ,,Spurenlesen" - Zur rie der Textproduktion. Tübingen. nologie, Morpho. =
texttheoretischen Tragweite dieser Metapher. Ziesenis, Werner. 6 1998. Textlinguistik und Di- 2;6 bis 3 Jahren ~
In: Canisius, Peter; Herbermann, Clemens- daktik. In: Lange, Günter; Neumann, Karl & eine differenziem:
Peter & Tschauder, Gerhard (Hg.): Text und Ziesenis, Wemer (Hg.): Taschenbuch des faltete Sprachth~
Grammatik. Festschrift für Roland Harweg Deutschunterrichts. Grundfragen und Praxis Die jüngste Sprac'-
zurn 60. Geburtstag. Bochum, 317-340. der Sprach- und Literaturdidaktik. Band 1: her nicht nur wie ::;-_
- 1997a. Die wortliche Rede - ein vermeintlich Grundlagen - Sprachdidaktik - Mediendidak- sondem auch die -:_
einfacher Gegenstand. In: Becker-Mrotzek, tik. Baltmannsweiler, 3- 38. ger Kinder in den fl
Hein & Koch, 444-462. darüber, dass ohne t::....
- 1997b. TEXT - Grundbegriff der Deutschdi- geborene Ausstau=._
daktik. In: Becker-Mrotzek, Hein & Koch, (Chomsky 1986). =--
47- 66. ren, mit der zu be&::d:1
schen Sicherheit ir: .:._
che" einzusteigen.
96) formuliert. Die
niert mit einer Me:: __
metern die Menge ~ ..
Aufgabe des Kindes ~
lediglich darin, die :-:::
Parameterwerte fes::z!..!,;
keine triviale Aufaa..~
Lemstrategien (vgl. _:.
Seit den 80er-Jah.~
erwerbsforschung a:_.:
normalen Spracherv.
37. Kindliche Sprachschwierigkeiten:
Dysgrammatismus
Helen Leuninger

1 Die Forschungssituation konnte. Insbesondere wird diskutiert, wie be-


2 Die Forschungsstrategie der kognitiven stimrnte Sprachentwicklungsstorungen syste-
Linguistik matisch erklart werden konnen. Dies ist nicht nur
3 Dysgrammatismus als selektive Storung von linguistischem, sondern auch von bildungs-
4 Ein moglicher Anfang der Storung politischem Interesse. Denn ungefáhr 6 bis 1O %
5 Diagnose der Vorschulkinder sind von einer spezifischen
6 Therapie Sprachentwicklungsstorung betroffen, die beim
7 Fazit Eintritt in die Schule nicht beseitigt ist. Schon al-
8 Forderinstitutionen lein diese hohe Auftretensrate sollte eine Sensi-
9 Literatur bilitat bei dem Personenkreis begründen, der mit
solchen Kindern Kontakt hat, insbesondere na-
türlich den Lehrern. Eine Kenntnis der Storungs-
symptome hilft, Vorurteile abzubauen und sich
1 Die Forschungssituation auf die betroffenen Kinder in angemessener Wei-
se einzustellen.
Das faszinierende Faktum, dass bei ungestortem In der einschlagigen Literatur werden für
Erwerbsverlauf die wichtigsten Regeln von Pho- diese Beeintrachtigung verschiedene Bezeich-
nologie, Morphologie und Syntax im Alter von nungen angeboten: Sprachentwicklungsverzo-
2;6 bis 3 Jahren erworben sine!, konnte nur durch gerung, Sprachentwicklungsbehinderung, Dys-
eine differenzierte Methodologie und eine ent- grammatismus oder auch Entwicklungsdyspha-
faltete Sprachtheorie ans Licht gebracht werden. sie (vgl. Grimm 1999, 103; im anglo-sach-
Die jüngste Spracherwerbsforschung nimmt da- sischen Sprachraum ,,Specific Language lm-
her nicht nur wie früher die Sprachproduktion, pairment"). Im Folgenden verwende ich den in
sondern auch die Sprachwahrnehmung sehr jun- der linguistischen Forschung hauptsachlich be-
ger Kinder in den Blick. Konsens herrscht wohl nutzten Ausdruck ,,Dysgrammatismus", weise
darüber, dass ohne eine aufgabenspezifische an- aber schon an dieser Stelle darauf hin, dass an
geborene Ausstattung, die Universalgramrnatik der Terminologie nichts erkennbar ist. Nur eine
(Chomsky 1986), Kinder nicht in der Lage wa- Theorie einer bestimmten Auspragung ist in der
ren, mit der zu beobachtenden ,,schlaJwandleri- Lage, das oberflachlich ,,heterogene" Erschei-
schen Sicherheit in das System ihrer Mutterspra- nungsbild (Grimrn 2000) zu entwirren.
che" einzusteigen, wie es Weissenborn (1996, Dysgrammatismus wird diagnostiziert, wenn
96) formuliert. Die Universalgrammatik defi- Storungen der Sprachentwicklung, v. a. im for-
niert mit einer Menge von Prinzipien und Para- malen Bereich, bei gleichzeitigem Ausschluss
metern die Menge moglicher Grammatiken. Die sensorischer, neurologischer, emotionaler und
Aufgabe des Kindes besteht nach dieser Theorie geistiger Beeintrachtigung vorliegen. Man be-
lediglich darin, die für die Zielsprache gültigen zeichnet solche Kinder haufig auch als ,,late tal-
Parameterwerte festzulegen. Dies ist natürlich ker", spate Lerner, und das Sprachverstehen geht
keine triviale Aufgabe und erfordert bestimrnte der Sprachproduktion voraus. Grimrn (1999) il-
Lernstrategien (vgl. Abschnitt 4.2). lustriert diese Merkmale an einem Fallbeispiel,
Seit den 80er-Jahren befasst sich die Sprach- ,,Sam". Sam begann erst mit 2;9 Jahren über-
erwerbsforschung auch mit der Frage, was den haupt W orter, ab dem dritten J ahr einfache Z wei-
normalen Spracherwerbsverlauf beeintrachtigen wortauBerungen hervorzubringen, zeigte also ei-

488 Sprachbetrachtung und Grammatik

ne Sprachentwicklungsverzogerung von unge- (8) Zwiebel ➔ Zwirdel tung, modula:


führ 1;6 Jahren. Zwar hatte seine Mutter den Ein- (9) Krankenhaus ➔ Tanteshors 1982). Jedes ~~
druck, Sam spreche ,,kreuz und quer" (so zitiert In der Spontansprache sprachgesunder Personen die es in einen::: •
in Grimm I 999, 105), tatsachlich aber waren sei- lassen sich ebenfalls lautliche Fehlleistungen, Wegen des Zl!S:=::::::lll
ne ,,grammatischen Fehler" systematisch: Versprecher namlich, beobachten, wie etwa dule konnen sic.:: :
(1) der hier hoch (10) Auslautverhartung ➔ Auslausverhartung matisch auf <h
(2) soviel ich hab ( 11) gespritzte Salatkopfe ➔ gesplitzte Salat- auswirken. Au ::.
(3) ein Dach da legen hin kopfe Beispiel aus <!f':
In (I) ist ,,hoch" nur ein Partikel des Verbs, je- (12) himmlische Heerscharen ➔ himmlische Gruppe von Ap:::_
doch wie die Verben haufig fehlerhaft flektiert, Haarscheren tung der Schrifu=::
ebenso am Satzende. Auch bei Nachsprechtests (13) mein Geist war willig, doch mein Fleisch ben (de Bleser : -
zeigt Sam dieses Muster (die Beispiele 1 bis 4 war schwach ➔ mein Geist war willig, doch l. semantische ~
stammen aus Grimm 1999, 105): mein Fleisch war flach phologische Fet:.c
(4) Der Hund sitzt auf dem Klotz ➔ Der Hund (Alle Versprecher stammen aus dem Frankfurter ➔ Schuld; 3. Fe:::.C-
auf Klotz sitz Versprecherkorpus; vgl. Leuninger, Happ & Ho- tem; 4. Fehler he::::'
Gleichzeitig aber war Sam in der Lage, die in den henberger ersch.). unregelmaBigen -
Satzen ausgedrückten Sachverhalte mit Spielob- Phonologische Paraphasien und lautliche Ver- dem regularen ~"
jekten angemessen darzustellen, was die Asym- sprecher teilen viele Eigenschaften. Erstens ah- gleichzeitigem g:::i::
metrie von Produktion und Verstehen belegt. neln sich die beteiligten Laute in ihren phonolo- regelmafügen Wo:-::
Sam ist in seiner Intelligenz nicht beeintrachtigt, gischen Merkmalen (vgl. a. Blumstein 1973). Wie lassen sic::
er hat einen überdurchschnittlichen nicht-verba- Haufig unterscheiden sie sich nur in ein bis zwei lichen Symptome -
len IQ von 145 (vgl. Abschnitt 6). Merkmalen (mehr als 90 %), und selten sind In der Tat hilf: • -
mehr als drei Merkmale von der Veranderung be- Schriftsprachverz:::.c:::.:a
troffen ( s. die Versprecher I Ound 11 und die Par- zess in verschiede::.;;
&ESs?M 1! WM1M%iGl54&BF9i id aphasien 5 und 6). Zweitens bleiben Silbenstruk- ponenten eingetei:
2 Die Forschungsstrategie der tur und Silbenanzahl der jeweilig intendierten dell (ursprünglich -
Worter in den Fehlleistungen meist erhalten: Lesen umfasst n=--
kognitiven Linguistik (14) Staubsauger ➔ Staumfater gen, deren Eige,..,._......,
In diesen beiden Eigenschaften sind phonologi- Lesen nicht aufraE:..
Im kognitiv-linguistischen Paradigma wird ver- sche Paraphasien den Versprechern gleichge- nem Schriftsprachf:"'"
sucht, den eben skizzierten Storungen ,,im for- stellt. Was sie von lautlichen Fehlleistungen sammenwirken. E-
malen Bereich" auf die Spur zu kommen. Dieses Sprachgesunder allerdings unterscheidet, ist et- rungen nach ab_
Paradigma lasst sich durch folgende Konzepte was, was man lexikalische Distanz nennen konn- von Personen, die -
charakterisieren (Caramazza 1984): l. Modula- te. Wahrend namlich Versprecher in der über- lemlos lesen konmc...
ritat/Selektivitat, 2. Transparenz und 3. Nullhy- wiegenden Mehrzahl der Falle nur einen Fehler nenten in ihrer je,,~-
pothese. enthalten, vereinigen phonologische Paraphasi- gesprochen durcb.:.:_
en bei einem Drittel aller Falle mehr als einen Stimulus nach einc
2.1 Die Nullhypothese Fehler auf sich, wie aus (6) bis (9) und (14) er- phematisches Lex=1,......
sichtlich, so dass die Gestalt der Fehlleistung Komponente und w::-_
Beginnen wir mit dem letzten Punkt, der zentral drastisch von derjenigen des intendierten Worts den soll, in ein pho=-
für die Theoriebildung der kognitiven Linguistik abweichen kann (vgl. Klein & Leuninger 1988, übergeben. Dies ist c...
und die Herangehensweise an alle Formen 1990). GemaB der Nullhypothese ist also das Stimulus kann jedod:.
sprachlicher Beeintrachtigungen ist. phonologische Wissen über den Gehalt phonolo- sebe Route laufen, a:::
Unter der Nullhypothese werden sprachliche gischer Einheiten, aber auch über die Struktur xikalische Informat:
Auffálligkeiten so lange als ,,normal", also unge- ungestort. Denn nahezu alle Paraphasien sind prasentationen direk:
stort, angesehen, wie keine stichhaltige Evidenz phonologisch mogliche Formen der Referenz- prasentationen übe~
für das Gegenteil vorliegt. sprache, und zwar im segmentalen Bestand wie mit einer alphabetiso=
Nahezu bei allen durch neurologische Schadi- auch im Hinblick auf die kombinatorischen, also welche die GrapheI:CT -
gungen (Schlaganfalle usw.) bedingten Sprach- phonotaktischen Beschrankungen. Diese Regeln sind Te-
storungen, sog. Aphasien, finden wir lautliche Wissens und werden z.. :
Fehlleistungen (phonologische Paraphasien) wie bekannte oder auch K=.
2.2 Modulariti:it
die folgenden (vgl. Klein & Leuninger I 988, sollen. Mit diesen ~~~
1990): Diese Beobachtung führt direkt zum Konzept sich die o. g . Storunge::. _
(5) Wurzel ➔ Murzel der Modularitat. Alle Befunde aus der kognitiven Bei Symptom 1 li~
(6) Schirm ➔ Schirf Linguistik sprechen dafür, dass die Sprachfáhig- schen System vor. Syié::::
(7) Nadel ➔ Neden keit, also Sprachkenntnis und Sprachverarbei- phologische Storung ~
K.indlich e Sprachschwierigkeiten: Dysgrammatismus 489

tung, modular aufgebaut ist (vgl. Chomsky ner Sfürung der Graphem-Phonem-Überset-
1982). Jedes Modul hat seine eigenen Aufgaben, zungsregeln. Symptom 4 zeigt eine Sfürung im le-
die es in einem bestinunten Bereich durchführt. xikalischen Bereich. Die unter diesem Symptom
Wegen des Zusammenspiels der einzelnen Mo- vermerkte Verschonung belegt, dass die Gra-
dule konnen sich Storungen in einem Modul dra- phem-Phonem-Übersetzungsregeln intakt sind. In
matisch auf die gesarnte Sprachverarbeitung der Tat gibt es die Symptomgruppe 1 bis 3, eine
auswirken. Auch hier diene zur Illustration ein Lesesfürung, bei der überhaupt nur über die Be-
Beispiel aus der Aphasiologie. Es gibt eine deutungskomponente gelesen werden kann, diese
Gruppe von Aphasikem, die mit der Verarbei- Komponente jedoch selbst ist defizitar (diese Le-
tung der Schriftsprache erhebliche Probleme ha- sestorung ist als Tiefendyslexie bezeichnet wor-
ben (de Bleser 1991). Beim Lesen machen sie den). Auf der anderen Seite gibt es eine Gruppe
1. semantische Fehler: Prinz ➔ Konig; 2. mor- von Patienten, die nur noch die Graphem-Pho-
phologische Fehler: gerettet ➔ retten, schuldig nem-Beziehungen ausschopfen kann, wahrend ih-
➔ Schuld; 3. FehlerbeimLesen von Nicht-Wor- nen weder die Bedeutung noch die lexikalische
tem; 4. Fehler beim Lesen von orthographisch Form zuganglich ist. Die einzelnen Komponenten
unregelmaBigen Wortem: Bus ➔ [bu:s] nach des Leseprozesses sind also selektiv storbar und
dem regularen Muster Gras ➔ [gB"a:s] bei dadurch als Module zu identifizieren.
gleichzeitigem guten Lesen von orthographisch
regelmaBigen Wortern und Nicht-Wortem .
2.3 Transparenz
Wie lassen sich diese scheinbar widersprüch-
lichen Symptome erklaren? Die ldentifikation dieser Module ist nun aber
In der Tat hilft hier ein modulares Modell der nicht nur diagnostisch, sondern auch methodolo-
Schriftsprachverarbeitung, in dem der Lesepro- gisch von Bedeutung. Dadurch, dass sie heraus-
zess in verschiedene aufgabenspezifische Kom- zulosen sind, wird belegt, dass sie als Kompo-
ponenten eingeteilt wird, das sog. Logogen-Mo- nenten des Lesens kognitiv real sind. Dies ist die
dell (ursprünglich von Morton 1969 entwickelt). Transparenzannahrne, denn, wie Wiese (1987)
Lesen umfasst narnlich verschiedene Leistun- es sehr anschaulich formuliert hat, die selektive
gen, deren Eigenstandigkeit uns im alltaglichen Storung offnet ein ,,Fenster" auf ansonsten nicht
Lesen nicht auffállt, weil sie nach abgeschlosse- zugangliche multikomponentielle Prozesse.
nem Schriftspracherwerb nahezu spielerisch zu-
sammenwirken. Erst bei aphasischen Lesesto-
rungen nach abgeschlossenem Spracherwerb
von Personen, die vor ihrer Erkrankung prob- 3 Dysgrammatismus als selektive
lemlos lesen konnten, zeigen sich diese Kompo-
nenten in ihrer jeweils eigenen Wirkweise. Grob Storung
gesprochen durchlauft ein schriftsprachlicher
Stimulus nach einer visuellen Analyse ein gra- Neben padagogischen und psychologischen An-
phematisches Lexikon, dann eine semantische satzen (vgl. Grinun 1999, 2000) liegt gegenwar-
Komponente und wird, wenn laut gelesen wer- tig eine Reihe von unterschiedlichen linguisti-
den soll, in ein phonologisches Output-Lexikon schen Ansatzen zur Erklarung dysgrarnmatischen
übergeben. Dies ist die semantische Route. Ein Sprachverhaltens vor (vgl. die Darstellung der
Stimulus kann jedoch auch über eine lexikali- einschlagigen Literatur etwa in Bartke 1998).
sche Route laufen, auf der unter Rückgriffaufle-
xikalische Informationen graphemische Wortre-
3.1 Morphologische Fahigkeiten
prasentationen direkt in phonologische Wortre-
prasentationen übersetzt werden. Jede Sprache Wie eingangs angedeutet, haben dysgrammati-
rnit einer alphabetischen Schrift enthalt Regeln, sche Kinder offenkundig morphologische Prob-
welche die Grapheme in Phoneme übertragen. leme, wie aus den AuBerungen (1) bis (4) er-
Diese Regeln sind Teil des schriftsprachlichen sichtlich wird. Aber nicht nur die Verbflexion
Wissens und werden z. B. verwendet, wenn un- scheint gestort zu sein. Für englische dysgrarn-
bekannte oder auch Kunstworter gelesen werden matische Kinder haben Goad & R ebellati (1994)
sollen. Mit diesen Modellvorstellungen lassen nachgewiesen, dass auch die regelgesteuerte
sich die o. g. Storungen einfach erklaren. Pluralmorphologie beeintrachtigt ist.
Bei Symptom 1 liegt eine Sfürung im semanti- Was verbirgt sich hinter dieser Symptomatik?
schen System vor. Symptom 2 weist auf eine mor- Handelt es sich tatsachlich um eine globale Sto-
phologische Sfürung hin. Symptom 3 liegt an ei- rung, oder sind u. U. morphologische Teilkom-
490 Sprachbetrachtung und Grammatik

ponenten verschont? Zur Beantwortung dieser Die Abfolge der Regeln bzw. die Ordnung der die auch sin vaters
Frage werden im Folgenden einige kognitiv-lin- Ebenen ist durch die strikte Zyklusbedingung (22) Dieter (7 ;2 - li ::
guistische Studien zu sprachlichen Flihigkeiten (Kiparsky 1982) garantiert: ,,Wende zunlichst al- Plurals)
deutscher dysgrammatischer Kinder vorgestellt. le spezifischen Regeln an, bevor die allgemeine Ich muss die Stühle-:: -
Regel angewendet wird." Daher ist *,,Puddings- (23) Michael (6;3 .::._
hersteller" nicht ableitbar. des -e-Plurals)
3.1.1 Die Pluralmorphologie Die von Bartke (1998) erhobenen Daten zur ganz viele pflanze es.-..:
Das Deutsche hat ein stark variierendes Plural- Komposition fürdern das erstaunliche Ergebnis Etwas anders als ~
paradigma. Man kann von fünf Pluralallomor- zu Tage, dass das lexikalische Wissen sprachun- Kindern tritt bei d\-S=
phen ausgehen (Bartke 1998, 40): auffálliger Kinder bereits in einem sebr frühenAl- -e(n) -Plural am ha~~
(15) ter (von 3;1 Jabren an) die Struktur (16) hat, ob- -e und -s kommen e' -
-0 (+Umlaut): Daumen, Kl6ster, Mütter wohl die einzelnen lexikalischen Entscheidungen dies nicht erstaunlici:... ...
-e (+Umlaut): Hunde, Regale, Kühe bezüglich des Default-Plurals noch nicht ziel- wie wir aben gese.t.c
-er (+Umlaut): Méinner, Kinder sprachkonform sind (vgl. a. Gordon 1985). Die unauffálligen Kinac
(-e)n: Béiren, Augen, Schaufeln Auslassungsrate des jeweils gewlihlten Default- Aber auch hinsi---
-s : Puddings, Hotels, Ornas Plurals in der Erstkonstituente von Komposita lag mentalen Lexikons _
Von diesen Allomorphen gilt der -s-Plural als re- über 90 % (Beispiele aus Bartke 1998, 81): Kinder den sprad:: -
gulare Pluralform, und zwar aus sprachsystemati- (17) Andreas (6;9 - Übergeneralisierung des -s- sie lassen das von ,,__
schen Gründen und nicht etwa wegen der Haufig- Plurals) morph zu etwa 70 • •
keit, denn -e und nicht -s ist das hliufigste Plural- Dübel-s Dübel-0-fresser Nominalkompositc
allomorph. Aber nur der -s -Plural ist nicht auf (18) Maren (3;10 - Übergeneralisierung des Die oben erwat-
bestimmte phonologische Umgebungen be- -e(n)-Plurals) matische Kinder ~
scbrlinkt, und er ist das einzige Affix, das an Na- Clown-en Clown-0-fresser denkonnen, kann -
men (die Müllers), Kurzformen (die Loks), Akro- (19) Ulf (7;7 - Übergeneralisierung des -e-Plu- Kinder der Studie .~
nyme (die LKWs), Entlehnungen (die Kiosks) und rals) tigt werden. Dass e
an andere Wortarten (alle Wenns undAbers) ange- Klo-e Klo-0-fresser) über den unau:ff"aE.: ~ -
hangt werden kann. Daraus llisst sich die Erwar- (20) korrekte Pluralflexion zielsprachkonfonci
tung ableiten, dass Kinder zunachst dieses regula- Andreas: Auto-siAutofresser belegt ibre Sprache::-
re Pluralallomorph als Default-Plural (,,Notplu- Maren: Federn/Federfresser
ral") übergeneralisieren. Spontansprachliche Ulf: Schwlirnme/Schwammfresser
Jedes Kind benutzt seinen eigenen Plural in Sim-
3.1.2 Die Verbmor;:
Daten von sprachunau:ffálligen Kindern bestliti-
gen diese Erwartung. Der -s-Plural wird am hliu- plizia, manchmal zielsprachenkonform, manch- NebenderPI
figsten übergeneralisiert (zwei Koch-s). Manche mal nicht, insbesondere dann, wenn es noch kei- dysgrammatisch
Kinder jedoch wlihlen einen anderen Default- nen lexikalischen Eintrag für das entsprechende morphologie, v.i
Wert, nlimlich den -e-Plural (Bett-e) und den (e)n- Wort gibt. Dies konnen im Erwachsenenlexikon als defizitlir ang,
Plural (vier Hufen; Beispiele aus Bartke 1998, 40 existierende, aber auch im Experiment benutzte soll gezeigt we- ·
u. 209; vgl. a. Schaner-Wolles 1988). Kunstworter sein. In den Erstgliedem von Nomi- rung zu allgeme:
Ob Kinder mit der Wahl ihres Pluralflexivs nalkomposita jedoch werden diese Formen nicht dysgrammatisch~
bereits das Konzept ,,regularer Plural" erworben benutzt. Diese beiden Befunde sprechen dafür, recht wird.
haben, lasst sich nicht aus einzelnen spontan- dass spracherwerbende Kinder zunlichst über ei- Eine wegweise:n:
sprachlichen Daten ableiten. Aufschluss gibt nen Default-Plural verfügen, der allerdings in des oben skizzie:r...c::
hier die Komposition. der eben bescbriebenen Weise von Kind zu Kind die Studie von Ci~
Im Deutschen gilt, dass im Erstglied von No- variieren kann. schen Studie wirtl :-::-=
minalkomposita nie der regulare Plural auftritt Von diesem Sachverhalt muss ausgegangen ten Datenbasis !!e3?"
(Handedruck, aber Puddinghersteller, nicht werden, wenn die morphologischen Fahigkeiten nierte Eigenscha.--:
*Puddingshersteller). Diese Verteilung wird dysgrammatischer Kinder analysiert werden. nicht die gesamte -.
durch das seriell-modulare Lexikon modelliert, Gemli/3 der Null-Hypothese steht zu erwarten, In der bereits \ _
das aus drei Ebenen besteht: dass dysgrammatische Kinder über dieselben (1998) wird nich: ...:_
(16) Fahigkeiten verfügen wie sprachunauffállige die Verbmorpholo-p!
Ebene 1: irregulare Flexion Kinder (vgl. a. Clahsen, Rothweiler, Woest & 3;6-7;2 Jabre) ~ •
Hande Marcus 1992). In der Tat zeigen sich in den spon- 3;6-7;2 bzw. 12:6.:
Ebene 2: Komposition tansprachlichen AuJ3erungen dysgrammatischer le Kinder befancu=
Héindedruck Kinder ebenso viele Fehler wie bei sprachunauf- phase IV, d. h. es C:;e--,
Puddinghersteller fülligen Kindern: .. che Mehrwortau&:-::
Ebene 3: regulare Flexion (21) Sebastian (6;6 Jabre - Ubergeneralisierung sche Kenntnisse
Puddings des -s-Plurals) 1986, Rothweiler &
Kindliche Sprachschwierigkeiten: Dysgrammatismus 491

die auch sin vaters Phase I: Beginn 12 Monate


(22) Dieter (7;2 - Übergeneralisierung des -e(n)- auf/ (Kind mochte, dass die Windel geoffnet
Plurals) wird)
Ich muss die Stühlen noch haben Phase 11: Beginn 18 Monate
(23) Michael (6;3 Jahre - Übergeneralisierung Mama kauf (,,Das hat die Mama gekauft.")
des -e-Plurals) Phase III: Beginn 24 Monate
ganz viele pflanze esse Der Teddy zu dick ist (,,Der Teddy ist zu dick.")
Etwas anders als bei den sprachunauffülligen Phase IV: Beginn 36 Monate
Kindem tritt bei dysgrammatischen Kindern der Immer fállt die um
-e(n)-P1ura1 am haufigsten als Default-Form auf, Phase IV markiert den entscheidenden Einstieg
-e und -s kommen gleich haufig vor. Jedoch ist in die syntaktischen Besonderheiten des Deut-
dies nicht erstaunlich, da es solche Variationen - schen: Besetzung der Vorfeldposition und Verb-
wie wir oben gesehen haben - auch bei sprach- zweit-Effekt, ebenso die Unterscheidung zwi-
unauffálligen Kindern gibt. schen Hauptsatzen und eingebetteten Satzen.
Aber auch hinsichtlich der Organisation ihres Die Studie von Bartke (1998) zeigt eine inte-
mentalen Lexikons gleichen dysgrammatische ressante und erklarungsbedürftige Dissoziation
Kinder den sprachunauffalligen Kindern, denn von morphosyntaktischen und morphologischen
sie lassen das von ihnen gewahlte Default-Allo- Fahigkeiten bei dysgrammatischen Kindern.
morph zu etwa 70 % aus der Erstkonstituente der Áhnlich wie die sprachunauffálligen Kinder be-
Nominalkomposita aus. legen die Leistungen der dysgrammatischen
Die oben erwahnte Annahme, dass dysgram- Kinder in Phase IV, dass die Verbflexion erwor-
matische Kinder die Pluralregeln nicht anwen- ben ist. Aus Untersuchungen zum Erwerb der
den konnen, kann zumindest für die deutschen Verbmorphologie ist bekannt, dass mit dem Er-
Kinder der Studie von Bartke ( 1998) nicht besta- werb des Flexivs für die 2. Person Singular -st
tigt werden. Dass dysgrammatische Kinder weit nicht nur das Flexionsparadigma gefestigt ist,
über den unauffalligen Zeitrahmen hinaus nicht sondem auch die Kongruenzbeziehung zwi-
zielsprachkonforme Pluralformen verwenden, schen Subjekt und Verb beherrscht wird. Dys-
belegt ihre Sprachentwicklungsverzogerung. grammatische Kinder beherrschen zwar auch
das Flexiv -st, aber sie verwenden dieses Flexiv
3.1.2 Die Verbmorphologie nicht immer in den jeweiligen Kontexten, wie
die folgenden Beispiele zeigen (Bartke 1998,
Neben der Pluralmorphologie, die offenbar nicht 157):
dysgrammatisch beeintrachtigt ist, ist die Verb- (24) Was schreib-0 du? (Dieter, 7.2)
morphologie, wie eingangs angedeutet, haufig (25) wie du aussieh-t jetzt (Sebastian, 5.8)
als defizitar angesehen worden. Im Folgenden
soll gezeigt werden, dass diese Charakterisie-
rung zu allgemein ist und der Selektivitat der 3.1.3 Die Verbmorphologie im Detail
dysgrammatischen Beeintrachtigung nicht ge- Die Verbflexion enthalt sowohl Tempus- als auch
recht wird. Kongruenzmerkmale. Zu prüfen ist, ob bei dys-
Eine wegweisende Untersuchung im Rahmen grammatischen Kindern die Verbmorphologie
des oben skizzierten kognitiven Paradigmas ist komplett oder nur teilweise beeintrachtigt ist und
die Studie von Clahsen (1988). In dieser empiri- wie sich die Verbmorphologie zu anderen Flexi-
schen Studie wird zum ersten Mal auf einer brei- onsinformationen verhalt, namlich Kasus, Per-
ten Datenbasis gezeigt, dass nur eine wohldefi- son, Numerus und Genus. Diese Verb- bzw. No-
nierte Eigenschaft der Verbmorphologie und menflexionen sind zwar oberflachlich nur ,,En-
nicht die gesamte Verbflexion betroffen ist. dungen" an den entsprechenden Kategorien,
In der bereits vorgestellten Studie von Bartke habenjedocb einen recht unterschiedlichen Stel-
(1998) wird nicht nur die Plural-, sondem auch lenwert. Kongruenz und Kasus tragen keine Be-
die Verbmorphologie sprachunauffálliger (Alter: deutung, die anderen Merkmale jedoch sind Be-
3;6-7;2 Jahre) und dysgrammatischer (Alter: standteil der Bedeutung von Verben bzw. No-
3;6-7;2 bzw. 12;6 Jahre) Kinder verglichen. Al- men.
le Kinder befanden sich in der Spracherwerbs- Diese Frage untersuchen Clahsen, Bartke &
phase IV, d. h. es überwiegen in der Spontanspra- Gollner (1997). Sie vergleichen die Fahigkeiten
che MehrwortauJ3erungen, und zentrale syntakti- englischer und deutscher dysgrammatischer
sche Kenntnisse sind erworben (vgl. Clahsen Kinder (für einen Vergleich mit einem griechi-
1986, Rothweiler & Clahsen 1993): schen dysgrammatischen Kind s. Clahsen & Da-
492 Sprachbetrachtung und Grammatik

lalakis 1999; für die genaue Ausbuchstabierung ner Komponente, der Storung der semantiklosen kommt (The mac _
der zugrundegelegten Grammatiktheorie vgl. die Merkmale, Auffálligkeiten in einer an sich unge- also Kinder di -
Prinzipien- und Parametertheorie von Chomsky storten Komponente. So folgen aus den Proble- komplexen ÁuBe:-:-
1995). Englische und deutsche dysgrammati- men mit Kongruenz gelegentlich Wortstellungs- zieren, sind sie :::
sche Kinder haben erheblich mehr Schwierigkei- probleme. Manche dysgrammatische Kinder be- recht zu segment~
ten mit der Herstellung von Subjekt-Verb-Kon- finden sich noch in einem Stadium, in dem sie lnformatione::
gruenz als mit der Tempusmarkierung: zeitlich unspezifizierte Verben in Satzendpositi- Komponente bec::::::..
(26) They was (10;10) on stehen, andere jedoch benutzen Verb-Zweit- ten einer andere=
(27) He don't know (11;1 l) Strukturen bei finiten Verben (bis zu 75 % kor- eine Strategie, ce
(28) Ich wills lieber zusehen (Dieter) rekte Satze). Da ihnen jedoch die Kongruenz- net wird (vgl. et\\:::
(29) Da fliegt mehr Federn runter (Peter) merkmale fehlen, ziehen sie Strukturen vor, in ponente, über die -
Es handelt sich also um eine selektive Storung denen nicht finite Verben in ihrer (zielkonfor- fügen, ist die Pros.,
der Überprüfung der durch das Subjekt des Sat- men) Endposition verbleiben. strapping erschE
zes festgelegten Flexionsmerkmale am Verb. Da- Konstituenteng1c--.::::-
mit aber wird etwa die Annahme, der Dysgram- fiüh in die S~tax =
matismus sei eine Storung des Tempussystems falligen Sprache:.-- _
(vgl. etwa Rice, Wexler & Cleave 1995, Rice &
Wexler 1996), unplausibel.
4 Ein moglicher Anfang der eine vorsyntal-._'lis.::.:.!
vorlexikalische P___,
Gleichzeitig sind die semantischen Merkmale Storung Sprache b ezoge::.!::
von Nomen, Person, Numerus und Genus erhal- sind nicht etwa ce
ten, eine Dissoziation, die im unauffálligen Wie kann es zu solchen Auffálligkeiten im Ihnen geht eine P"-·
Spracherwerb nicht auftritt: Spracherwerb kommen? In neuester Zeit wird ei- Vorlaufer der
(30) dieser auch fleisch essen (Michael) ne Hypothese diskutiert, die den Anfang der Schreien der Ki±
Tempus und andere Eigenschaften von Konstitu- Sprachentwicklungsstorung in die vorlexikali- en zeigt sich &é
enten hangen eng zusammen. sche Phase verlegt. komplexerer Mt· ~
Wenn sprachunauffállige Kinder (Alter: falligen Kinder:::. -
1;6-2;5 Jahre) das Merkmal +Tempus erworben Penner, Weisse::-
haben, dann erscheint der Nominativ-Kasus am 4.1 Die Spracherwerbsaufgabe
1999).
Subjekt: Bei ungestortem Verlauf des Spracherwerbs - so In der sich ce-:
(31) he come-s zeigen neuere Studien zur kindlichen Sprach- Lallphase (Begir::; -
Wenn -Tempus vorliegt, dann ist der Subjektka- wahrnehmung - sind die ,,wichtigsten Regeln nonische Silben &;-
sus zufallig: von Morphologie und Syntax bis zum Alter von Eine Silbe gilt c.=
(32) him come / he come 2;6 bis 3 Jahren" (Weissenborn 2000, 143) er- hochstens etwa :_
In finiten Satzen verwenden die Kinder selten worben. Dies ist angesichts der Komplexitat der Sprachentwic'l-'
Nicht-Nominative, in nicht finiten Satzen auch
andere Kasus, vorzugsweise den Default-Kasus
Erwerbsaufgabe, vor die das Kind gestellt ist, ein gen produzierec =
wahrlich beeindruckendes Faktum. Wie bewerk- über 1600 ms. ·
(Akkusativ im Englischen, wie in 32). Das liegt stelligen Kinder diese Aufgabe? Überschreitung ·-
an der Eigenschaft des Merkmals +Tempus, No- kommt (über 2
minativkasus zuzuweisen. Deutsch lernende normal entwicke:::....
Kinder haben den Nominativ als Default-Wert, 4.2 Der Klang der Muttersprache
ten Lebensjahres _
so dass der Zusammenhang zwischen +Tempus Vermutlich schon vorgeburtlich sind Kinder für Silbenbildung n oc:;
und Subjekt-Kasus nicht wie im Englischen be- sprachliche Betonungsmuster sensibilisiert (vgl. Indiz dafür, dass _
obachtet werden kann. Dennoch liisst sich der Hennon, Hirsh-Pasek & Golinkoff2000). Schon zentralen Berei~
Zusammenhang ermitteln. Denn sprachunauffal- mit 4 Monaten identifizieren z. B. englische vorliegt." (Penne: _
lige Kinder verwenden nahezu nie Infinitive mit Kinder Lautfolgen als Worteinheiten, die dem Wenn also d:e -
lexikalischen Subjekten. Wenn Satze solche Sub- Betonungsmuster englischer zweisilbiger Wor- nisse bei dys_,_~ .. -...
jekte enthalten, sind die Verben zu 95 % flektiert. ter entsprechen (mómmy, dáddy; trochiiisches entwickelt sind
Anders verhalten sich die deutschen dysgram- Muster); rnit diesem Muster segmentieren sie prosodisches bocc::
matischen Kinder, denn sie auJ3ern sowohl mehr bereits mit 7 bis 8 Monaten Lautfolgen wie bú- einschneidende :·
Infinitive mit lexikalischen Subjekten als auch cket als Worter, und mit 9 Monaten werden mit- tierung des spre-;._
deutlich weniger personen- und numeruskon- tels anderer prosodischer Eigenschaften wie den Einstieg in -
gruente Verbformen mit lexikalischen Subjek- Pausen und Silbenlange schon syntaktische Strukturen. Wal:.:
ten: Phrasengrenzen identifiziert. Solch junge Kin- um das l. Lebe.IY_
(33) das selber ohne Wasser wachsen (David) der ziehen Satze mit einer Pause nach dem Sub- gen Worter p "'-- . -:c.......;ia
Aufgrund des modularen Designs des gramma- jekt (The man // carries the big bag) solchen Sat- Hauptakzent act.2:::
tischen Wissens resultieren aus dem Defizit ei- zen vor, bei denen die Pause nach dem Verb zieren dysgram, :
Kindliche Sprachschwierigkeiten: Dysgrammatismus 493

kommt (The man carries // the big bag). Obwohl Silbe (ni für makka'roni). Wahrend bald darauf
also Kinder dieses Alters Worter bzw. solche unauffallige Kinder zweisilbige Worter nach
komplexen Aul3erungen noch gar nicht produ- dem kanonischen Muster der Zielsprache her-
zieren, sind sie in der Lage, den Input formge- vorbringen (im Deutschen nach dem trochai-
recht zu segmentieren, und dies konnen sie, weil schen Muster, z. B. 'mama), weichen dysgram-
sie Informationen aus einer grammatischen matische Kinder davon ab (to 'to für áuto oder
Komponente benutzen, um sich Regelmafügkei- 'ti 'gi für 'tiger).
ten einer anderen Komponente zu erschlie13en, Die Betonung ist nicht nur für die Segmentie-
eine Strategie, die als ,,bootstrapping" bezeich- rung des Inputs, sondem auch für den Wort-
net wird (vgl. etwa Pinker 1987). Die erste Kom- schatzerwerb wichtig. Die ersten Verben, die
ponente, über die sehr junge Kinder bereits ver- komplexe Ereignisse ausdrücken (Anfangszu-
fügen, ist die Prosodie. Über prosodisches boot- stand > Endzustand), wie etwa aufmachen, wer-
strapping erschlie13en Kinder sich Wort- und den zunachst, zu Beginn des 2. Lebensjahres,
Konstituentengrenzen. Kinder steigen also sehr von sprachunauffülligen Kindem als auf reali-
fiüh in die Syntax ein. Weder gibt es im unauf- siert: Auf drückt den semantisch prorninenten
fülligen Spracherwerb eine vorsprachliche noch dynamischen Gehalt aus und ist der betonte Teil
eine vorsyntaktische Phase, sondem nur eine des komplexen Verbs. Sprachauffallige Kinder
vorlexikalische Phase. Denn die auf die (Einzel-) hingegen, die sich aufgrund des prosodischen
Sprache bezogenen klanglichen Eigenschaften Defizits in dieser Phase diese Information nicht
sind nicht etwa der Beginn des Spracherwerbs. zunutze machen konnen, bringen anfánglich
Ihnen geht eine Phase voraus, in der sich bereits Formen wie rauf hervor, so dass die komplexen
Vorlaufer der Sprache feststellen lassen, im Verben ihre charakteristische Ereignisstruktur
Schreien der Kinder namlich. Schon im Schrei- verlieren.
en zeigt sich der allmahliche Aufbau immer Auch hier sehen wir, wie eine Theorie, die von
komplexerer Melodiebogen, die bei sprachauf- Modulen und deren Zusammenspiel ausgeht, ein
fálligen Kindem nicht zu beobachten ist (vgl. zunachst diffuses Symptomenbündel, Storungen
Penner, Weissenbom, Wermke & Wymann im ,,formalen Bereich" und Verzogerung im
1999). Wortschatzerwerb, ,,entwirren" kann. Denn das
In der sich der Schreiphase anschliel3enden prosodische Defizit macht aus vielen dysgram-
Lallphase (Beginn 6 Monate) werden bereits ka- matischen Kindem spate Wortlemer (,,late tal-
nonische Silben der Zielsprache hervorgebracht. ker", s. o.).
Eine Silbe gilt dann als kanonisch, wenn sie
hochstens etwa 500 ms. andauert.
Sprachentwicklungsverzogerte Kinder hinge-
gen produzieren in dieser Phase Silben, die bis 4.3 DieAsymmetrie von Verstehen und
über 1600 ms. dauem, wobei es auch zu einer Produktion
Überschreitung der normalen Formantendauer Anfangs wurde festgestellt, dass zur Symptoma-
kommt (über 200 ms.): ,,Wenn ein im übrigen tik des Dysgrammatismus die Asymmetrie von
normal entwickeltes Kind bis zum Ende des ers- Verstehen und Produktion gehort. Hier ist Vor-
ten Lebensjahres das Stadium der kanonischen sicht geboten, denn diese Asymmetrie gilt auch
Silbenbildung noch nicht erreicht hat, ist dies ein für die ersten Phasen des unauffálligen Sprach-
lndiz dafür, dass eine Stagnation in einem der erwerbs. Weissenbom, Hohle, Kiefer & Cavar
zentralen Bereiche des Spracherwerbsprozesses (1998) zeigen dies anhand des Erwerbs der
vorliegt." (Penner u. a. 1999, 24) Verbstellung, und zwar mit Hilfe von Wahrneh-
Wenn also die basalen prosodischen Kennt- mungsexperimenten bei Kindem im Alter von
nisse bei dysgrammatischen Kindem nicht 18 bis 21 Monaten, also Kindem, die bezogen
entwickelt sind, kann naturgemal3 auch kein auf ihre Sprachproduktion in der Einwortphase
prosodisches bootstrapping greifen. Dies hat sind (vgl. Hohle, Weissenbom, Schrnitz & Ische-
einschneidende Konsequenzen für die Segmen- beck 2000, Weissenborn 2000). Dabei wird die
tierung des sprachlichen lnputs und damit für Blickpraferenzmethode verwendet. Das Kind
den Einstieg in lexikalische und syntaktische sitzt auf dem Schol3 seiner Mutter in einem
Strukturen. Wahrend normal entwickelte Kinder Raum, der mit einem grünen Licht in der Mitte
um das l. Lebensjahr herum die ersten einsilbi- und zwei roten Lichtem auf den beiden Seiten-
gen Worter produzieren, indem sie auf den wanden ausgestattet ist. Hinter den roten Licht-
Hauptakzent achten (fant für ele fant), reprodu- quellen au13erhalb des Raums sind zwei Laut-
zieren dysgrammatische Kinder die unbetonte sprecher montiert. Wahrend des Experiments
z:::.¡
494 Sprachbetrachtung und Grammatik

leuchtet zunachst das grüne Licht. Sobald das 1;6- 2;00 Jahre) mit denen dysgrammatischer Leider a
K.ind in die Richtung des grünen Lichts schaut, K.inder (2;02-4;03 Jahre) von dem Zeitpunkt an, nicht viele sp.-"--_ _.
geht dieses aus, und eines der beiden roten Lich- an dem sie Objekt-Verb-Strukturen auJ3ern. Kei- angemessen ·
ter geht an. Sobald das K.ind dorthin schaut, be- nes der untersuchten K.inder verwendet die ange- werden. Ein
ginnt die akustische Darbietung des Stimulus. messene prosodische Kontur, sondern ein Sam vorgeste
Diese wird beendet, wenn das K.ind mehr als gleichfürmiges prosodisches Muster (den sog. stand (von ~i...__,..__-
zwei Sekunden den Blick von der Lichtquelle ,,Level Stress"; vgl. auch 4.2) oder eine Pause schon noch a··
abwendet. Gemessen wird die Dauer der Blick- zwischen dem Objekt und dem Verb. Hier finden war nicht in d
richtung. Prasentiert wurden grammatische und wir also eine neue Dissoziation: Perzeption vor zu produziere
ungrammatische Satze des folgenden Typs: Produktion und Verbstellung vor prosodischer nicht; gleichze
(34) transitiv Kontur für Kopf-Komplement-Strukturen. Der hen sprachlic
a. Bert sagt, dass Lisa Orna hilft. Unterschied zwischen unauffálligen und dys- berger Sprach
b. *Bert sagt, dass Lisa hilft Orna. grammatischen K.indern besteht allein darin, ben Prozen
(35) intransitiv dass die vorübergehende nicht-kanonische pro- der Schule z
a. Bert sagt, dass Lisa drauJ3en spielt. sodische Phase der unauffálligen K.inder bei dys- gann immer ~ ,,::::
b. *Bert sagt, dass Lisa spielt drauJ3en. grammatischen Kindern anhalt. 1999, 108).
Ein signifikanter Unterschied in der Dauer der Wie wir aber __
Blickrichtung zeigte sich bei allen K.indern nur noch differenzi~ -
für die transitiven Satze. Syntaktisch unterschei- auf die syntakis..--
den sich die Satze dahingehend, dass die Verbal- 5 Diagnose scher K.inder (n;::- _
phrasen in Fallen wie (34) aus dem Kopfund ei- troffen) als aucti :::;.
nem selegierten Komplement bestehen, wahrend Den in logopadischen Praxen und Schulen für Kenntnisse (setrr :;-_
in Fallen wie (35) eine solche Kopf-Komple- Sprachbehinderte üblicherweise verwendeten sistierende ,,Th.~ -
ment-Struktur nicht vorliegt. Interessanterweise Tests zur Diagnose moglicher Sprachstorungen Daher schlá~
haben nun Kopf-Komplement-Strukturen eine mangelt es nach Clahsen (1986) v. a. an linguis- Diagnostik scho =
besondere prosodische Kontur. Bei kopffinalen tischen Grundlagen. Dieses Defizit kann nur be- lungsphase zu \?-'
Sprachen wie dem Deutschen ist das linke Kom- hoben werden, wenn das Sprachverhalten auffál- folgenden Merk::::!_
plement prosodisch hervorgehoben, wahrend bei liger K.inder auf der Grundlage einer ausgefeil- schnitt 4.2): 1. Le:::
Spezifikator-Kopf-Strukturen eine Prominenz ten linguistischen Analyse der Spontansprache Silbenbildung, 2.•-
des Spezifikators (in unserem Beispiel draujJen) unauffálliger K.inder betrachtet und beurteilt ten Worter und J
nicht gegeben ist. Prosodische Prominenz be- wird (vgl. die Spracherwerbsstadien in Ab- Verben.
misst sich an Dauer, Tonhohe und Intensitat. Sehr schnitt 3.1.2). In Clahsens ,,Linguistischer Pro- Aufdenin A~
junge Kinder nehmen diese prosodischen Infor- filanalyse" werden für jede Spracberwerbsphase nissen über die · -
mationen im Input zum Aufbau von Wortstel- detaillierte Angaben über Wort-, Konstituenten- prosodischem b _,,.
lungsregularitaten zu einer Zeit wahr, in der sie und Satzstruktur, einschlieB!ich der morphologi- ergebenden lexi_ka:_
vergleichbare Strukturen überbaupt noch nicht schen und morphosyntaktischen Merkmale, in bestimmte therape:::::::.
produzieren. Darüber hinaus dienen die prosodi- einem Fragebogen festgehalten. In der Tat zeigt
schen Hinweise den K.indern schon sehr früh zur die exemplarische Analyse eines sprachauffalli-
Unterscheidung von Kopf-Komplement- und gen K.indes im Alter von 4;5 Jahren, Wolfgang,
Kopf-Spezifikator-Beziehungen (,,Rhythmic Ac- eine deutliche Sprachentwicklungsverzogerung. 6 Therapie
tivation Principle", s. Penner, Wymann & Wei- GemaJ3 seiner morphosyntaktischen Fahigkeiten
ssenborn 2000). Wir beobachten also im unauf- befindet sich dieses Kind noch in den Pha- Penner u. a. (1 999
fálligen Spracherwerb zunachst eine drastische sen II/III, die von sprachunauffálligen Kindem gramm, in dem z. n
Asymmetrie von Verstehen und Produzieren. bereits im Alter von ca. 2 bis 2;5 Jahren erreicht werden, die durch d:~
Das prosodische Prinzip sagt voraus, dass wird, etwa in Bezug auf die Verbstellung (Ver- stehen: Aus einer Lz=._
K.inder sehr früh den für die Umgebungssprache bendposition von nicht-flektierten Verben). mit trochaischem :\~
geltenden Kopf-Parameter festlegen, für das Im Alter von 7;2 Jahren beherrschte z. B. (39) Pullóver ➔ 'Pe:..
Deutsche also den Wert kopffinal. In Abschnitt Dieter das -st-Flexiv überhaupt nicht: (40) Cor'nelia ➔ 'C
3.1.2 haben wir gesehen, dass K.inder lange, be- (38) was schreib du? Durch gezieltes An. ·-
vor sie die Verbmorphologie erworben haben, Aber im Alter von 12;6 Jahren nach logopadi- soll das geschwachte ·
nahezu ausnahmslos bereits die Verben in End- scher Betreuung verwendet er das -st-Flexiv als nen K.inder gestarla ~ •
position platzieren: Kongruenzmarker zu 100 %, hat also die forma- Diese FordermaB--
(36) zahne putze (S., 1;10 J.) len Merkmale der Subjekt-Verb-Kongruenz er- Idee der modularen _
(3 7) Bauue (,,Ball") hole (J., 1;08 J.) worben und daher mit sprachunauffálligen K.in- tik, die sich durch E- -
Penner u. a. (2000) vergleichen die prosodischen dern gleichgezogen. Offenkundig also kann das strapping" zielsprac1:o..;
Fahigkeiten von unauffálligen K.indern (Alter: dysgrammatische Syndrom überwunden werden. K.inder in die Lage ,
Kindliche Sprachschwierigkeiten: Dysgrammatismus 495

Leider aber haben, so Grimm (1999, 106), vollstandig zugangliche Strategie zu nutzen, so
nicht viele sprachauffüllige Kinder die Chance, fallt ihnen der Einstieg in andere Bereiche der

..
angemessen diagnostiziert und auch gefürdert zu Grammatik, etwa den Wortschatz, leichter.
werden. Ein Kinderarzt, dem der vierjahrige
Sam vorgestellt wurde, meinte, sein Sprachrück-
stand (von immerhin 18 Monaten) ,,werde sich C-iéiM, ::ew *i ,e ffA&4Witi4
schon noch auswachsen". Zur Erinnerung: Sam 7 Fazit
war nicht in der Lage, Satze syntaktisch korrekt
zu produzieren, auch in Wiederholungsaufgaben Mithin kann nun zusammenfassend nach den
nicht; gleichzeitig zeigte er im Untertest ,,Verste- o. a. Parametem der kognitiven Linguistik fest-
hen sprachlicher Strukturformen" des Heidel- gehalten werden:
berger Sprachentwicklungstests einen sehr ho- 1. Nur unter der Null-Hypothese gelangt man zu
hen Prozentrang (Grimm & Scholer 2 1991). In einer angemessenen Erklarung von Sprach-
der Schule zog er sich alsbald zurück und ,,be- entwicklungsstorungen.
gann immer mehr zu verstummen" (Grimm 2. Das sprachliche Wissen ist modular aufgebaut.
1999, 108). Was oberflachlich als Sti:irung verschiedener
Wie wir aber gesehen haben, ist die Situation Teilsysteme beschrieben werden kann, kann
noch differenzierter, und zwar sowohl in Bezug zugrundeliegend nur eine Komponente betref-
auf die syntaktischen Kenntnisse dysgrammati- fen, die anderen vermeintlich beeintrachtigten
scher Kinder (nur ein formales Merkmal ist be- jedoch verschonen. Dabei kann es sich um ei-
troffen) als auch in Bezug auf die prosodischen ne grammatische Komponente oder eine selek-
Kenntnisse (sehr fiüh zu beobachtende und per- tive Spracherwerbsstrategie handeln.
sistierende ,,Dysprosodie"). 3. Das sprachliche Wissen ist selektiv storbar.
Daher schlagen Penner u. a. (1999) vor, die Die Identifikation der selektiv ausgefallenen
Diagnostik schon in eine viel frühere Entwick- Wissenskomponente berechtigt zu der Annah-
lungsphase zu verlegen und als Parameter die me, dass diese ein relevanter Bestandteil des
folgenden Merkmale zu betrachten (vgl. Ab- sprachlichen Wissens ist, so dass zwischen
schnitt 4.2): l. Lallqualitat und Kanonizitat der gesti:irtem und nicht gestortem Sprachverhal-
Silbenbildung, 2. rhythmisches Muster der ers- ten eine transparente Beziehung besteht.
ten Worter und 3. die Entwicklung der ersten
Verben.
Auf den in Abschnitt 4.2 skizzierten Erkennt-
nissen über die unterschiedliche Nutzung von 8 Forderinstitutionen
prosodischem bootstrapping mit den sich daraus
ergebenden lexikalischen Problemen basieren Die folgenden Berufsverbande geben Auskunft
bestimmte therapeutische MaBnahmen. über sprachtherapeutische Forderinstitutionen:
Bundesverband Klinische Linguistik e. V
(BKL)
Deutscher Bundesverband der Atem-, Sprech-
6 Therapie und Stimmlehrer e. V (dba)
Deutscher Bundesverband der Sprachheilpa-
Penner u. a. (1999) entwickeln ein Forderpro- dagogen e. V (dbs)
gramm, in dem z. B. Minimalpaare dargeboten Deutscher Bundesverband für Logopadie e. V
werden, die durch die sog. ,,Clipping"-Regel ent- (dbl)
stehen: Aus einer Langform wird eine Kurzform Deutscher Bundesverband Klinischer Sprech-
mit trochaischem Muster: wissenschaftler e. V (DBKS)
(39) Pullóver ➔ 'Pulli
(40) Cor'nelia ➔ ' Connie
Durch gezieltes Anbieten solcher Minimalpaare
soll das geschwachte bootstrapping der betroffe- 9 Literatur
nen Kinder gestarkt werden.
Diese F ordermaBnahme basiert also auf der Bartke, Susanne. 1998. Experimentelle Studien
Idee der modularen Organisation der Gramma- zur Flexion und Wortbildung. Pluralmorpho-
tik, die sich durch Erwerbsstrategien wie ,,boot- logie und lexikalische Komposition im unauf-
strapping" zielsprachkonform entfaltet. Werden fálligen Spracherwerb und im Dysgrammatis-
Kinder in die Lage versetzt, eine zunachst nicht mus. Tübingen.
496 Sprachbetrachtung und Grarnrnatik

Bleser, Ria de. 1991. Formen und Erklarungs- Hohle, Barbara; Weissenborn, Jürgen; Schmitz, gischer Entv.i~'
modelle der erworbenen Dyslexien. In: Blan- Michaela & Ischebeck, Anja. 2000. Discover- (Hg.): Expefic.r.::....
ken, Gerhard (Hg.): Einführung in die lingu- ing Word Order Regularities. In: Weissenbom Flexionsmorpbol:::
istische Aphasiologie. Theorie und Praxis. & Hohle, 249- 265. Weissenborn, J~~
Trier, 329- 345. Kiparsky, Paul. 1982. From Cyclic Phonology to schlafwandler::=-- -
Blumstein, Sheila. 1973. A Phonological Inves- Lexical Phonology. In: van der Hulst, Harry & der Mutterspmi:-:i:
tigation of Aphasic Speech. Den Haag. Smith, Norval (eds.): The Structure of Phonol- sche Forschun!?'""
Caramazza, Alfonso. 1984. The Logic ofNeuro- ogical Representations. Dordrecht, 131- 175. - 2000. Der Ern~
psychological Research and the Problem of Klein, Monika & Leuninger, Helen. 1988. Ge- tax. In: Grirnn:.. __
Patient Classification in Aphasia. Brain and stortes und nicht gestortes Sprachverhalten: - Hohle, BarbaITi.
Language 21, 9- 20. Zur Struktur lautlicher Fehlleistungen. Frank- Damir. 1998. C-
Chomsky, Noam. 1982. Regeln und Reprasenta- furter Linguistische Forschungen 4, 1- 20. Order Violatio~
tionen. Frankfurt/M. - & Leuninger, Helen. 1990. Gestortes und
1986. Knowledge of Language. Its Nature, nicht gestortes Sprachverhalten: Zur Analyse
Origins, and Use. New York. lautlicher Fehlleistungen im Rahmen nicht-li-
- 1995. The Minimalist Program. Cambridge. nearer phonologischer Theorien. Frankfurter
Clahsen, Harald. 1986. Die Profilanalyse. Ein Linguistische Forschungen 8, 1-17.
linguistisches Verfahren für die Sprachdiag- Leuninger, Helen; Happ, Daniela & Hohenber-
nose im Vorschulalter. Berlin. ger, Annette. ersch. Modalitatsabhangige und
- 1988. Nonnale und gestorte Kindersprache. modalitatsunabhangige Aspekte der Sprach-
Linguistische Untersuchungen zum Erwerb produktion. In: Rabel, Christopher & Pech-
von Syntax und Morphologie. Amsterdam. mann, Thomas (Hg.): Sprachproduktion.
- Bartke, Susanne & Gollner, Sandra. 1997. Wiesbaden.
Formal Features in Impaired Grammars: A Morton, John. 1969. The Interaction oflnforma-
Comparison ofEnglish and German SLI Chil- tion in Word Recognition. Psychological Re-
dren. Joumal of Neurolinguistics 10, view 76, 165- 178.
151- 171. Penner, Zvi; Weissenbom, Jürgen; Werrnke,
& Dalalakis, Jenny. 1999. Tense and Agree- Kathleen & Wymann, Karin. 1999. Praventi-
ment in Greek SLI: A Case Study. Essex Re- on, Früherkennung und Frühintervention bei
search Reports in Linguistics 24, 1- 27. Spracherwerbsstorungen. Paediatrica 10, 5,
- Rothweiler, Monika; Woest, Andreas & Mar- 19- 26.
cus, Gary. 1992. Regular and Irregular Inflec- Wymann, Karin & Weissenbom, Jürgen.
tion in the Acquisition of German Noun Plu- 2000. On the Prosody-Lexicon Interface in
rals. Cognition 45, 225- 255. Learning Word Order. In: Weissenbom &
Goad, Heather & Rebellati, Catherine. 1994. Hohle, 267-293.
Pluralization in Specific Language Impair- Pinker, Steven. 1987. The Bootstrapping Prob-
ment: Affixation or Compounding? McGill lem in Language Acquisition. In: MacWhin-
Working Papers in Linguistics 10, No. 1 & 2, ney, Brian (ed.): Mechanisms of Language
24-40. Acquisition. Hillsdale, 399-441.
Gordon, Peter. 1985. Level-Ordering in Lexical Rice, Mabel & Wexler, Ken. 1996. A Phenotype
Development. Cognition 21, 73- 93. of Specific Language Impairment: Extended
Grimm, Hannelore. 1999. Storungen der Optional Infinitives. In: Rice, Mabel (ed.): To-
Sprachentwicklung. Gottingen. ward a Genetics of Language. Mahwah,
- 2000. Entwicklungsdysphasie: Kinder mit 215-242.
spezifischer Sprachstorung. In: dies., - Wexler, Ken & Cleave, Patricia. 1995. Speci-
603-640. fic Language Impairment as a Period of Ex-
- & Scholer, Hermann. 2 1991. Der Heidelber- tended Optional Infinitives. Journal ofSpeech
ger Sprachentwicklungstest (H-S-E-T). Got- and Hearing Research 38, 850- 863.
tingen. Rothweiler, Monika & Clahsen, Harald. 1993.
- (Hg.). 2000. Enzyklopadie der Psychologie. Dissociations in SLI Children's Inflectional
Serie Sprache, Band 3: Sprachentwicklung. Systems: A Study of Participle Inflection and
Gottingen. Subject-Verb Agreement. Essex Research Re-
Hennon, Elizabeth; Hirsh-Pasek, Kathy & Go- ports in Linguistics 2, 38- 63.
linkoff, Roberta Michnik. 2000. Die besonde- Schaner-Wolles, Chris. 1988. Plural- vs. Kompa-
re Reise vom Fotus zum spracherwerbenden rativerwerb im Deutschen. Von der Diskre-
Kind. In: Grimm, 41- 103. panz zwischen konzeptueller und morpholo-
Kindliche Sprachschwierigkeiten: Dysgrammatismus 497

gischer Entwicklung. In: Günther, Hartrnut Early Parameter-Setting. In: Greenhill, Anna-
(Hg.): Experirnentelle Studien zur deutschen bel; Hughes, Mary; Littlefield, Heather &
Flexionsmorphologie. Hamburg, 155- 186. Walsh, Hugh (eds.): Proceedings of the 22nd
Weissenborn, Jürgen. 1996. Kinder steigen mit Annual Boston Conference on Language De-
schlafwandlerischer Sicherheit in das System velopment. Somerville, 756--767.
der Muttersprache ein. Frankfurter Linguisti- - & Hohle, Barbara (eds.). 2000. Approaches to
sche Forschungen 19, 89-102. Bootstrapping. Phonological, Lexical, Syn-
- 2000. Der Erwerb von Morphologie und Syn- tactic, and Neuropsychological Aspects of
tax. In: Grirnm, 141- 170. Early Language Learning. Amsterdam.
- Hohle, Barbara; Kiefer, Dorothea & Cavar, Wiese, Richard. 1987. Versprecher als Fenster
Damir. 1998. Children's Sensitivity to Word- zur Sprachstruktur. Studium Linguistik 21,
Order Violations in German: Evidence for 45- 55.

Das könnte Ihnen auch gefallen