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Riesenmoleküle

22. Riesenmoleküle (Makromoleküle)

1 Künstliche Makromoleküle

1.1 Die Polymerisation - eine Reaktion der Doppel- und Dreifachbindung


Der Begriff "Polymerisation" wurde abgeleitet aus den griechischen Wörtern für "viel" (poly) und "Tei-
le" (meros). Bei der Polymerisation reagieren die Moleküle mit sich selbst. Wie bei einer Additionsre-
aktion brechen die gespannten Doppelbindungen auf und die radikalischen Zwischenformen verbin-
den sich zu kettenförmigen Riesenmolekülen. Es handelt sich also um eine "Kettenadditionsreaktion"
(→ Experiment).

+ C C + C C + C C + C C + C C +

Polyme risation

C C C C C C C C C C

Riesenmoleküle werden auch Makromoleküle genannt. In Anlehnung an die Entstehung durch Zu-
sammenfügen von vielen Einzelmolekülen nennt man die vorliegenden Makromoleküle Polymere.
Mit einer Polymerisation ist schon beim Aufbewahren von Stoffen mit C =C-Doppelbindungen zu
rechnen. So beobachtet man oft, dass der flüssige Inhalt von Flaschen, in denen eine Verbindung mit
Doppelbindungen aufbewahrt wird, allmählich fest wird. Durch Zusätze von speziellen Stoffen kann
die Selbstpolymerisation verhindert werden. Bei der Synthese von Polymeren wird die Reaktion
durch Zusatz von Katalysatoren beschleunigt.
Durch Polymerisation wird eine wichtige Gruppe von Kunststoffen synthetisiert. Die verschiedenen
Typen unterscheiden sich in den Atomen oder Atomgruppen, die an die vier freien Bindungen der C-
Atome des Eduktmoleküls geknüpft sind. Die Anzahl der sich verbindenden Moleküle, also die Ket-
tenlänge des entstehenden Kunststoffmoleküls, kann beeinflusst werden. Allerdings ist es durch Po-
lymerisation nicht möglich, die Reaktion so zu steuern, dass sich immer gleich viele Moleküle zu ei-
nem Kettenmolekül vereinigen. Ein solcher Kunststoff ist deshalb immer ein Gemisch von unter-
schiedlich grossen Makromolekülen. Ein Gemisch besitzt keine eindeutige Schmelztemperatur, son-
dern einen Erweichungsbereich, was für die Verarbeitung von grossem Vorteil ist. Im Erweichungsbe-
reich können diese Kunststoffe ohne grossen Aufwand in die gewünschte Form gepresst oder gebla-
sen werden. Der Erweichungsbereich für Polymere beträgt etwa 10 bis 30°C und liegt je nach Typ
zwischen 70 und 200°C. Kunststoffe, die beim Erwärmen erweichen und sich in diesem Zustand ver-
formen lassen, werden Thermoplaste genannt. Durch Zusatzstoffe, sogenannte Additive, können die
Eigenschaften von Kunststoffen gezielt verändert werden. Additive sind beispielsweise Weichmacher,
Füllstoffe, Flammschutzmittel, Antistatika.
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Die Benennung der Kunststoffe (Polymere) erfolgt durch Voranstellen der Vorsilbe Poly vor den Na-
men des Eduktes, aus dem der Kunststoff hergestellt wird; als Eduktnamen sind oft noch alte Be-
zeichnungen gebräuchlich. Heute werden auch Kürzel zur Bezeichnung verwendet (z.B.: PE für Po-
lyethylen).
Tab. 1: Beispiele von Kunststoffen aus der Polymerisation von Alkenen

Name des Alkens, Name des Kunststoffs (Kürzel),


(alter Name), Struktur Repräsentativer Ausschnitt aus der Struktur des Polymeren,
Anwendungen
Ethen (Ethylen) Polyethylen oder Polyethen (PE)

Haushaltartikel, Spielwaren, Röhren, Behälter, Folien, Isolationsmaterial


für die Elektrotechnik, u.a.m.
Propen Polypropylen oder Polypropen (PP)

Haushaltartikel, Spielwaren, Röhren, Behälter, Folien, Verpackungs-


material, u.a.m.
Phenylethen (Styrol) Polystyrol (PS)

Haushaltartikel (Plastikgeschirr, Joghurtbecher, u.a.), Spielwaren, Appara-


tegehäuse. Geschäumtes Polystyrol (Styropor) als Isolations- und Verpa-
ckungsmaterial.
Chlorethen (Vinylchlo- Polyvinylchlorid (PVC)
rid)

Boden der Abteilung Chemie, Rohrleitungen, Apparate, Kabel, Draht-


Ummantelungen, zur Herstellung von Dichtungen, Folien, Schallplatten
(mit 5–15% Polyvinylacetat), Klebebandfolien.
.
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A1: Ergänze in der Tabelle 1 die vollständigen Strukturformeln von Ethen (Ethylen), Propen und
Chlorethen.
Zeichne ebenfalls die vollständige Strukturformel eines Polymerausschnitts aus mindestens vier
Monomeren (= repräsentativer Ausschnitt) für Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polystyrol
(PS) und Polyvinylchlorid (PVC). Für Ringe kann die Skelettformel verwendet werden.

Die Recycling-Codes für die


in der Tabelle 1 aufgeführ-
ten Kunststoffe lauten:

A2: Finde den Recycling-Code von in Deiner Umgebung vorhandenen Kunststoffen und halte fest,
um welches Polymer es sich handelt:

Die Weltproduktion an Kunststoffen ist beträchtlich. Der wichtigste Rohstoff zur Herstellung von
Kunststoffen ist das Erdöl. Durch Cracken und allenfalls weitere Umwandlungen der Crackprodukte
werden Alkene hergestellt, welche dann einer Polymerisation unterworfen werden. Nur etwa 4% des
Erdöls wird für die Kunststoffproduktion verbraucht. Fast 90% werden zur Wärme- oder Energiege-
winnung (42%) sowie im Verkehr (45%) verbrannt. "Eigentlich schade um jeden Liter Öl, der unwie-
derbringlich durch den Schornstein oder durch den Auspuff gejagt wird", schreibt der Kunststoffver-
band Schweiz.
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1.2 Die Polykondensation - eine Reaktion der Carboxylgruppe und der


Hydroxy- oder Aminogruppe
Beispiele für Kunststoffe, welche durch Polykondensation hergestellt werden:
- alle Arten Polyester, wovon PET der bekannteste Vertreter ist.
- alle Arten Polyamide, z.B. Nylon

Der grösste Teil der Polyamidproduktion wird als Synthesefaser für Textilien verwendet. Beispiele
sind ...
• Bekleidung
• Fallschirme, Hängegleiter, Ballons, Segel
• technische Gewebe (z. B. Siebgewebe zur Papierherstellung)
• Seile, Angelschnur
• Mähfaden für Rasentrimmer
• Bespannung von Tennisschlägern
• Saiten für Streichinstrumente und Zupfinstrumente
Ausserdem findet es Verwendung zur Herstellung von unzerbrechlichen Haushaltsgegenständen und
technischen Teilen, die sehr abriebfest sein müssen, wie Dübel, Schrauben, Gehäuse, Kabelbinder,
Küchenutensilien (Kellen, Löffel), Maschinenteile (Abdeckungen, Zahnräder, Lager, Laufrollen) und
Zahnbürsten-Borsten.

Polyamide eignen sich aufgrund ihrer einheitlich glatten Oberfläche gut als Nahtmaterial in der Chi-
rurgie. Das Nahtmaterial aus Polyamid zeichnet sich besonders durch seine sehr guten Knüpfeigen-
schaften und hohe Zugfestigkeit aus.

Der Recycling-Code für PET ist 01 und für Polyamide 07.


Damit lässt sich aber nicht schliessen, dass alle mit 07 markier-
ten Kunststoffe Polyamide sind, da es sich dabei um einen
Sammel-Recycling-Code handelt (o = other).

Polyethylenterephthalat
Der bekannteste Polyester ist sicher Polyethylenterephthalat (PET), welcher aus der Terephthalsäure
und Ethylenglycol (1,2-Ethandiol) durch Polykondensation hergestellt wird.
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2 Experimente

2.1 Bildung von Polystyrol (PS)

Einzel- oder Zweierexperiment


Arbeite in der Kapelle.
Stelle ein Einwegreagenzglas in einen grossen Erlenmeyerkolben und lege etwas Zeitungspapier
darunter. Gib ins Reagenzglas etwa 3-4 cm Styrol.
Füge mit Handschuhen sorgfältig vier Tropfen Bortrifluorid-ethyletherat (Vorsicht: ätzend und
sehr giftig!) hinzu. Schwenke das Reagenzglas eine Minute. Du kannst zusätzlich auch mit einer
Glas-Pasteurpipette rühren.
Warte zehn Minuten; Du musst das Experiment dabei nicht überwachen. Nach der Wartezeit prüfe
auf Veränderungen und notiere Deine Beobachtungen. Giesse dazu den Inhalt des Reagenzglases
auf das Zeitungspapier.

Das Reagenzglas und die Pasteurpipette werden in einer Kapelle gesammelt und später in die
Glassammlung gegeben. Die Zeitung wandert in den Müll.

Nebenstehend hast Du die Formel von Styrol. Zeichne vier Styrol-Moleküle H H


1
nebeneinander und mache die Polymerisierungsreaktionsgleichung. C C
Bortrifluorid wirkt hierbei als Katalysator; notiere seine Summenformel auf H
den Pfeil.

Bortrifluorid ist bei Raumtemperatur gasförmig und wird aus diesem


Grund mit einem Stoff komplexiert, damit es verflüssigt werden
2
kann. Einen Komplex kannst Du Dir vorstellen, wie ein Ion, das mit
einem Wassermantel umgeben ist (Hydratation); nur haben wir hier
ein Molekül - Bortrifluorid - und als Mantel ein anderes Molekül -
hier Diethylether. Notiere die vollständigen Strukturformeln von
Bortrifluorid und von Diethylether.
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2.2 Mach es einer Spinne nach: Herstellung von Nylon

Zur Geschichte: Nylon wurde 1935 in den USA patentiert und war die erste vollsynthetische Faser. Sie
wurde ab 1938 frei verkauft und diente anfangs für Zahnbürsten und noch nicht für die später sehr
bekannten Nylonstrümpfe. Im 2. Weltkrieg diente es der amerikanischen Armee als Seidenersatz für
ihre Fallschirme.

Grenzflächenkondensation: Die Kondensationsreaktion findet an der Grenze zweier Flüssigkeiten


statt. Diese dürfen selbstverständlich nicht mischbar sein.
Unter einer Polykondensation versteht man den Aufbau von Makromolekülen aus kleineren Molekü-
len unter Austritt eines kleinen Moleküls. Oft ist dies Wasser, in unserem Fall ist es Chlorwasserstoff
(HCl).
Zur Herstellung von Nylon werden als Edukte Decandisäuredichlorid (Sebacinsäuredichlorid) und
1,6-Diaminohexan eingesetzt. Das entstandene Produkt gehört zu den Polyamiden.

Formuliere auf ein waagrechtes A4-Blatt die Reaktionsgleichung.


Schreibe dazu mit rationellen (reagierende funktionelle Gruppen als vollständige) Struktur-
1
formeln je zwei Edukte auf, die Du abwechselnd ordnest.
Im Decandisäuredichlorid sitzen Chloratome an Stelle der Hydroxygruppen der Car-
boxylgruppen.

Zweierexperiment
In einem 150 ml Becherglas werden 1,1 g 1,6-Diaminohexan und 2 ml verd. Natriumhydroxid-
Lösung in 25 ml Wasser gelöst und mit 3 Tropfen Bromthymolblau versetzt. In ein 100 ml Becher-
glas werden 0,75 ml Decandisäuredichlorid (Sebacinsäuredichlorid) und 25 ml Heptan gegeben.
Lasse die zweite Lösung nun vorsichtig unter Schräghalten des ersten Becherglases über die wässe-
rige Phase einfliessen.
Es bilden sich zwei Schichten. Zwischen der wässerigen und der organischen Phase wird ein trüber
Film sichtbar.
Mit der Pinzette greifst Du in den trüben Film und versucht, den Nylonfaden herauszuziehen.
Wenn Du ihn vorsichtig ziehst, reisst er nicht ab und es kann sich immer wieder ein Nylonfilm
zwischen der organischen und der wässerigen Phase bilden. Der Faden kann zum trocknen aufge-
hängt werden.

Gib die Lösungen in den Entsorgungsbehälter. Reinige die Bechergläser und die Pinzette mit Spül-
mittel und Bürsten.

Klebe rechts Deinen Nylonfaden hin:


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2.3: Herstellung von Polyurethan (PUR)


Quelle: FECHIPLAST - Kunststoffexperimente

Herstellung eines Polyurethans durch Mischen zweier Lösungen:

• die Lösung I enthält ein Treibmittel, einen Katalysator und als Reaktionskom-
ponente ein Diol (ein Triol wäre auch möglich):

• die Lösung II enthält als Reaktionskomponente ein


Diisocyanat und zwar Diphenymethandiisocyanat:

Zweier- oder Dreierexperiment.


Das Experiment in der Kapelle durchführen: 4,4' Diphenymethandiisocyanat nicht einatmen. Es
verursacht Reizungen der Augen, der Haut und der Atemwege.

• Einen Kunststoffbecher (Grösse 1 dl, transparent) auf eine Papierunterlage stellen.


• Mit Hilfe einer Spritze ungefähr 5 ml der Lösung 1 in den Becher füllen.
• Mit einer zweiten Spritze ungefähr das gleiche Volumen der Lösung II zugeben.
• 2 bis 3 Tropfen einer wässrige Farbstofflösung (Lebensmittelfarbe) zugeben (geringe Mengen
Wasser unterstützen die Reaktion.)
• Mit Hilfe eines Glasstabes die Lösungen kräftig mischen, ca. 30-45 Sekunden weiterrühren
und dann stoppen. Den Glasstab sofort reinigen.

Reaktionsgleichung – allgemeine Form:

Anwendungen von Polyurethanen:


Durch die Reaktion von Diisocyanaten und linearen Diolen entstehen lineare Polyurethane, die leicht
zu formen sind (z.B. Skischuhe).
Polyurethane, die durch die Reaktion von Diisocyanaten und Triolen (oder Polyolen) entstehen, sind
vernetzt und schwer formbar.
Läuft die Polykondensation in Gegenwart von Wasser ab, das mit lsocyanaten unter Abspaltung von
CO2 reagiert, entsteht ein Kunststoffschaum - entweder hart oder weich und elastisch - ein Po-
lyurethanschaum (PUR-Schaum). Er wird vor allem als Isolationsmaterial und für die Herstellung von
Polstermöbeln, Sitzen und Matratzen verwendet. Die Schaumbildung erreicht man, indem man einem
der Ausgangsstoffe vor der Reaktion ein Treibmittel zusetzt. Die Reaktionswärme (die Polykondensa-
tion verläuft exotherm) sorgt für die Verdampfung des Treibmittels.

Bildung eines Polyurethan-Schaumes:


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3 Natürliche Makromoleküle
Mit Hilfe von Filmen werden wir dieses Thema erörtern. Mache Dir dazu Notizen.

1. Traubenzuckerpolymere (Glucosepolymere)

Polymer Stärke
Arten Amylose - -
Amylopektin
Herkunft pflanzlich
verdaulich für Men-
schen?

2. Aminosäurenpolymere

Aminosäurenpolymere sind unter den Namen Eiweisse oder Proteine bekannt und beispielsweise ein
wichtiger Bestandteil der Nahrung.

Fragen/Aufgaben:
A.Um welches Polymer handelt es sich bei dem Abgebildeten?

B. „Wolle ist Wolle! Das ist egal, ob sie von Bäumen oder tierischen Haaren stammt!.“ Beurteile
diese Aussage.
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4 Lernziele
Dieses Kapitel enthält keine Übungen. Hier hast Du einmal die Gelegenheit bzw. Du musst selber
Übungen erschaffen, welche Dir hilfreich sind zum Verständnis der Theorie und zum fehlerfreien
Erstellen der Reaktionsgleichungen. (Das ist ein wertvolleres Lernen als das gewohnte Reproduzie-
ren.) Bei Fragen zu den selber kreierten Übungen stehe ich Dir gerne zur Verfügung.

Als Hilfe gebe ich Dir in diesem Kapitel Lernziele:


• Du kennst die behandelten Makromoleküle, inklusive deren wesentliche Anwendungen und
Recycling-Code. Du weisst, aus welchem Monomer sie hergestellt wurden.
• Du kennst Eigenschaften, worin sich Polymere von anderen Stoffen unterscheiden und kannst
auch die Gründe hierfür nennen.
• Du weisst, weshalb sich gewisse Kunststoffe wie Themoplaste und andere wie Duroplaste
(nach Aushärtung unverformbar) verhalten.
• Du kannst beliebige Reaktionsgleichungen von Polymerisationen und Polykondensationen
aufschreiben.
• Du kennst Beispiele für natürliche Makromoleküle und weisst, woraus sie bestehen.
• Du kannst über die Vorkommen von natürlichen Makromolekülen in der Natur Auskunft ge-
ben.

Zitat zum Kapitelende: Cartoon von Perscheid zum Kapitelende:

„Es ist ein Missverständnis,


dass es niemals wehtun darf,
wenn du gehst. […] Schmerz
ist auch nützlich und erfreu-
lich, denn dadurch können
wir sicher sein, auch das Ge-
fühl von Wohlbehagen und
nicht zuletzt das Ausbleiben
von Schmerz zu spüren,
wenn er schwindet.“ Mit freundlicher
Genehmigung von
Erling Kagge Martin Perscheid
www.martin-
perscheid.de
und Bulls Press
www.bullsmedia.de

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