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Zusammenfassung
In diesem Beitrag Hintergrund: Die Untersuchung der Lunge mit der Magnetresonanztomographie
(MRT) geht mit hohen Herausforderungen einher und konnte sich im klinischen Alltag
– Niederfeld-MRT bisher nicht durchsetzen. Aktuelle Entwicklungen der Niederfeld-MRT, in Kombination
– Morphologische Lungendarstellung mit neuen computergestützten Aufnahme- und Auswertungsalgorithmen, versprechen
– Funktionelle Lungenbildgebung neue Perspektiven für die bildgebende Diagnostik pulmonaler Erkrankungen.
– Personalisierte Lungendarstellung Ziel dieser Arbeit: Diese Übersichtsarbeit soll ein Verständnis der physikalischen
Vorteile der Niederfeld-MRT für die Lungenbildgebung vermitteln, einen Überblick
über die spärlich vorhandenen Vorkenntnisse aus der Literatur bieten und erste
Ergebnisse eines neu entwickelten Niederfeld-MRT präsentieren.
Methoden: Inhalte dieses Artikels basieren auf physikalischen Grundlagen, Recherchen
in Literaturdatenbanken und eigenen Erfahrungen in der Lungenbildgebung mit
einem modernen 0,55-T-MRT.
Schlussfolgerung: Die Niederfeld-MRT (< 1 T) kann technische und ökonomische
Vorteile gegenüber höheren Feldstärken für die Lungenbildgebung haben. Die
physikalischen Voraussetzungen sind aufgrund geringerer Suszeptibilitätseffekte,
längerer transversaler Relaxationszeiten und niedrigerer spezifischer Absorptionsraten
besonders für die Anatomie der Lunge vorteilhaft. Die geringeren Anschaffungs- und
Betriebskosten haben zudem ein großes Potenzial, die Verfügbarkeit zu erhöhen
und gleichzeitig die Nachhaltigkeit zu verbessern. Durch die Kombination moderner
Sequenzen und computergestützter Auswertungen kann die morphologische
Bildgebung um orts- und zeitaufgelöste funktionelle Untersuchungen der Lunge
ohne Strahlenbelastung ergänzt werden. Sowohl für kritische Szenarien, wie
Screening und engmaschiges Therapiemonitoring, als auch für besonders gefährdete
Patientengruppen könnten Lücken geschlossen werden. Dazu gehören beispielsweise
akute und chronische Lungenerkrankungen bei Kindern oder die Abklärung einer
Lungenembolie bei Schwangeren.
Schlüsselwörter
Lungenbildgebung · Feldstärke · Niederfeldsystem · Bildqualität · Funktionelle Analyse
Die radiologische Untersuchung der den Patienten einher und sind limitiert
Lunge ist eine der klassischen bildge- in Bezug auf funktionelle Beurteilungen.
benden Routineuntersuchungen des Die Magnetresonanztomographie (MRT)
klinischen Alltags. Die Computertomo- bietet hingegen das Potenzial der drei-
graphie (CT) und die Röntgenuntersu- dimensionalen morphologischen und
chung machen über 90 % der Untersu- funktionellen Darstellung ohne Einsatz
chungen des Thorax aus, gehen jedoch ionisierender Strahlung. Die Niederfeld-
QR-Code scannen & Beitrag online lesen immer mit einer Strahlenbelastung für MRT hat dabei aufgrund physikalischer
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Leitthema
Vorteile besonders gute Voraussetzun- an Luft-Gewebe-Grenzflächen auf, wie sie spezielle Messtechniken, die ultrakurze
gen. in der Lunge zahlreich vorhanden sind. Echozeiten (UTE) ermöglichen [5]. Diese
Die Computertomographie vereint sind grundsätzlich auf die Niederfeld-MRT
Die diagnostische Bildgebung des Thorax hingegen kurze Untersuchungszeiten und übertragbar. Wielpütz et al. (2018) konn-
stellt nach wie vor die zweithäufigste eine hohe Auflösung und hat ihre intrinsi- ten bei 3 T noduläre Läsionen der Lunge
Routineuntersuchung in der klinischen sche Stärke an Luft-Gewebe-Grenzen. Die ab einer Größe von 4 mm mit hoher Sensi-
Praxis dar [1]. Wichtige Indikationen für CT ist weltweit relativ breit verfügbar, auch tivität nachweisen. Die Akquisitionszeiten
die Durchführung einer solchen Unter- wenn erhebliche nationale und regiona- der UTE-Sequenzen betrugen maximal
suchung umfassen Infektionen, Tumoren le Unterschiede bestehen. Die Stärken 20 s und konnten innerhalb einer Atem-
und Fibrosen. Dazu müssen Rundherde, der MRT, die strahlungsfrei multipara- pause erfolgen [6]. Bei der Niederfeld-MRT
Konsolidierungen, Milchglasverdichtun- metrische Sequenzen und funktionelle sind die transversalen Relaxationszeiten
gen, Retikulationen und Narbenstränge Analysen erlaubt, werden daher bislang des Lungengewebes deutlich länger (T2*
detektiert und differenziert werden. Ge- wenig genutzt. bei 0,55 T: 10 ± 2 ms vs. 1,5 T: 1–2 ms; [7]).
genüber der klassischen Projektionsradio- Moderne Niederfeld-MRT-Geräte ha- Infolgedessen lässt sich das Signal im
graphie der Lunge zeigen die modernen ben das Potenzial, die physikalisch-tech- Lungengewebe grundsätzlich auch mit
Verfahren der Schnittbildgebung diag- nischen Limitationen der MRT bei der konventionellen Messtechniken effizient
nostische Vorteile, z. B. in Bezug auf die Bildgebung der Lunge deutlich zu re- detektieren. Die Auswahl an Sequenzen
dreidimensionale Charakterisierung und duzieren, darüber hinaus die Kostenef- ist daher bei niedrigeren Feldstärken po-
Zuordnung von Pathologien, sodass eine fizienz der MRT-Diagnostik insgesamt tenziell größer. Trotz dieser günstigeren
deutlich höhere Inter-Reader Reliabilität zu verbessern und damit eine breite- Voraussetzungen sind auch in der Nie-
erreicht wird [2]. Die CT ist dabei der aktu- re Verfügbarkeit zu ermöglichen. Die derfeld-MRT meist zusätzlich wiederholte
elle Goldstandard und ermöglicht schnell Kombination mit den neuesten software- Mittelungen nötig, um das niedrige SNR
und zuverlässig hochaufgelöste Darstel- basierten Untersuchungsunterstützungen teilweise zu kompensieren. Die dafür
lungen zur Beurteilung von Pathologien und Auswerteverfahren könnte die Be- benötigte Verlängerung der Akquisiti-
im Thorax. deutung der Lungen-MRT in der klinischen onszeit führt in der Lunge wiederum zu
Die Gesamtanzahl der MRT-Untersu- Praxis stärken und neue Möglichkeiten einer erhöhten Anfälligkeit für Atem- und
chungen ist in den letzten Jahren stark für Diagnostik- und Behandlungsprozesse Pulsationsartefakte. Zudem ist die Akqui-
angewachsen und hat in verschiedenen schaffen. Seit November 2020 wird am sitionszeit für Aufnahmen, die in einer
klinischen Anwendungsgebieten, wie in Universitätsklinikum Erlangen ein neu Atemphase durchgeführt werden sollen,
der onkologischen, muskuloskeletalen entwickeltes 0,55-T-MRT mit supraleiten- auf ca. 15–20 s begrenzt. Bei schwerer
oder zentralnervösen Bildgebung einen dem Magneten (MAGNETOM Free.Max; Vorschädigung der Lunge kann dieses
hohen Stellenwert. In der Thoraxradiologie Siemens Healthcare GmbH, Erlangen) Akquisitionsfenster noch deutlich kürzer
konnte sie sich dagegen bislang nicht als verwendet. sein. Daher ist auch in der Niederfeld-
primäre Untersuchungsmodalität etablie- Dieser Artikel soll einen Überblick über MRT häufig eine klinische Abwägung
ren [3]. Der limitierte Stellenwert der MRT die potenziellen physikalischen Vorteile ei- zwischen schnellen Sequenzen mit gerin-
für die Bildgebung der Lunge hat hierbei nes Niederfeldsystems (< 1,0 T) für die Lun- gerer Bildqualität in Atemanhaltetechnik
physikalische, technische und organisato- genbildgebung, die aktuelle Studienlage und längeren Akquisitionen mit Atem-
rische Gründe. Der geringe Wassergehalt über die Lungen-MRT und erste eigene Trigger erforderlich, mit denen eine bes-
und die ultrakurzen transversalen Relaxati- Erfahrungen mit der neuesten Generation sere Bildqualität erreicht werden kann
onszeiten des Lungenparenchyms führen der supraleitenden Niederfeld-MRT geben. (. Tab. 1).
zu sehr niedrigen Signalintensitäten, so- Während in den meisten anderen
dass die Lunge in der MRT-Bildgebung Niederfeld-MRT Körperregionen die Erhöhung der Feld-
oftmals als schwarzes Loch bezeichnet stärke eine gute Möglichkeit ist, um das
wird. Um dies zumindest teilweise aus- Die klassische Herausforderung der Lun- SNR in der Bildgebung zu erhöhen bzw.
zugleichen, können längere Messzeiten, gen-MRT ist im anatomischen Aufbau umgekehrt die Untersuchungsdauer bei
geringere räumliche Auflösungen und spe- des Lungengewebes begründet. Die Lun- unverändertem SNR zu reduzieren, trifft
zielle Messtechniken, die ultrakurze Echo- genstruktur mit Alveolen, Acini und se- dies in der Lunge nicht zu. Multiple Luft-
zeiten ermöglichen, verwendet werden. kundären Lobuli bedingt eine geringe Gewebe-Grenzflächen verursachen loka-
Da sich die Thoraxorgane kontinuierlich lokale Protonendichte in den abgebil- le Magnetfeld-Inhomogenitäten [4]. Die
bewegen, sind jedoch zusätzliche Trigger- deten Voxeln des Lungengewebes, sehr hieraus resultierenden Suszeptibilitäts-
bzw. Kompensationstechniken oder kurze kurze transversale Relaxationszeiten sowie artefakte können die Bildqualität stark
Akquisitionszeiten zur Vermeidung von daraus resultierend ein sehr geringes Si- beeinträchtigen und sind bei niedrigerer
Bildartefakten nötig. Daraus resultieren gnal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR; [4]). Eine Feldstärke signifikant geringer als bei
entweder lange Messzeiten oder eine etablierte Möglichkeit, das schnell zerfal- den höheren Feldstärken von 1 und 3 T
reduzierte räumliche Auflösung. Zudem lende Signal des Lungengewebes in der [7]. Das bei niedrigeren Feldstärken ho-
treten Suszeptibilitätsartefakte besonders Hochfeld-MRT besser zu detektieren, sind mogenere Magnetfeld reduziert zudem
Distorsionen. Campbell-Washburn et al. protokolle bei Kindern als mögliche Alter- Verlaufsmonitoring bieten. Die Vermei-
Leitthema
konnten zeigen, dass aufgrund dieser Ef- native zum Röntgenbild, multiparametri- dung der kumulativen Applikation von
fekte bei einer Feldstärke von 0,55 T eine sche morphologische Detailuntersuchun- ionisierenden Strahlen bei Verlaufsunter-
insgesamt bessere Bildqualität, sowohl gen sowie funktionelle Abklärungen und suchungen akuter Infektionen, wie z. B.
der morphologischen als auch der Venti- individuelle Kombinationen beinhalten. Patienten mit kompromittiertem Immun-
lations-Perfusions-Messung, entsteht [7]. system nach Knochenmarktransplantation
Anders als bei gadoliniumhaltigen klini- Morphologische Lungen- und chronischen Erkrankungen wie der
schen Kontrastmitteln, die bei 0,55 und darstellung Mukoviszidose, ist aufgrund des ver-
1,5 T eine vergleichbare T1- und T2-Relaxi- hältnismäßig jungen Durchschnittsalters
vität aufweisen, ist die T1-Relaxivität von Moderne Akquisitionstechniken in der dieser Patientengruppen besonders at-
Sauerstoff bei der niedrigeren Feldstärke MRT, wie atemgetriggerte und arte- traktiv. Auch die Verlaufskontrolle pulmo-
erhöht. Die Inhalation von reinem Sauer- faktreduzierende Sequenzen (z. B. Pe- naler Zufallsbefunde oder onkologischer
stoff kann daher die T1-Relaxationszeiten riodically Rotated Overlapping Parallel Erkrankungen erscheint bei geeigneter
des Lungengewebes verkürzen und so zur Lines with Enhanced Reconstruction, Patientenselektion ebenso sinnvoll wie
zusätzlichen Kontrasterzeugung verwen- PROPELLER/BLADE) oder Sequenzen mit der Einsatz als Screening-Untersuchung
det werden. ultrakurzer Echozeit (UTE) ermöglichen bei Risikogruppen (z. B. Raucher oder nach
Neben den diagnostischen Leistungs- eine Untersuchung der Lunge mit einer Asbestexposition). Unsere ersten Lungen-
parametern spielt die Verfügbarkeit der hohen räumlichen Auflösung [8, 9]. Damit untersuchungen an einem modernen
Lungen-MRT in der klinischen Routine ei- besteht grundsätzlich die Möglichkeit, 0,55-T-Gerät konnten dabei die vielver-
ne wichtige Rolle. Wenn sich die Erwartung auch interstitielle Lungengerüstverände- sprechenden Ergebnisse aus der Literatur,
bestätigen sollte, dass es zu einer Erwei- rungen und Lungenrundherde zu detek- die hierfür einen von 1 auf 0,55 T um-
terung des Indikationsspektrums der Lun- tieren. Für die MRT wurden hierbei Sensi- gerüsteten MRT-Scanner verwendeten,
gen-MRT kommt und diese Untersuchun- tivitäten von bis zu 90 % für Mikronoduli bestätigen [7].
gen häufiger angefordert werden, muss und 100 % für Rundherde ab einer Größe Anders als die CT bietet die MRT die
auch die Effizienz und Verfügbarkeit ver- von 5–6 mm in Untersuchungen mit einer Möglichkeit, komplementäre Bildkontras-
bessert werden. Moderne Niederfeld-MRT- Feldstärke von 1,5 T beschrieben [10, 11]. te zur weiteren Charakterisierung eines
Geräte haben aufgrund niedriger Anschaf- Die MRT scheint daher prinzipiell auch für Krankheitsgeschehens einzusetzen. Bei
fungs- und Betriebskosten das Potenzial, den Einsatz zur schnellen, strahlungsfreien höheren Feldstärken konnten mit diffusi-
hierzu einen wichtigen Beitrag zu leis- Detektion von kleinen suspekten Lungen- onsgewichteten Sequenzen intrapulmo-
ten. Der reduzierte Helium- und Strom- rundherden geeignet zu sein (. Abb. 1). nale Rundherde von anderen Pathologien,
bedarf ist zusätzlich geeignet, die Ein- Durch atemgetriggerte UTE-Sequenzen wie Konsolidierungen und Atelektasen,
stiegsschwelle für Neuinstallationen nied- mit Scanzeiten von mehreren Minuten differenziert werden [13]. Auch diese
rig zu halten und eine verbesserte öko- und modernen Rekonstruktionsverfah- Funktionalität scheint auf die moder-
logische Nachhaltigkeit zu gewährleisten. ren können Bilddatensätze in isotroper ne Niederfeld-MRT übertragbar zu sein
Die Integration der in den letzten Jahren Auflösung von 1,75 mm bei diagnosti- (. Abb. 2). Darüber hinaus stehen diffu-
mehr und mehr im Hochfeldbereich eta- schem SNR erstellt werden. Diese können sionsgewichtete Sequenzen zur weiteren
blierten Algorithmen zur Untersuchungs- z. B. in der Diagnostik von interstitiellen Charakterisierung von Lungenrundherden
unterstützung kann den Einstieg in die Lungenerkrankungen eine Ergänzung zur und zur Lymphknotendetektion zur Ver-
Durchführung der modernen Niederfeld- hochaufgelösten CT darstellen [12]. fügung. Dabei werden durch Kartierung
MRT erleichtern. Gerade für die Lungen- Neben dem Einsatz in der zunehmend der Wassermolekülbewegung im Gewe-
bildgebung könnten so auf die klinische an Bedeutung gewinnenden onkologi- be Korrelate der Zellularität bestimmt.
Situation des jeweiligen Patienten ange- schen Früherkennung könnte die Technik Nach Angaben in der Literatur können
passte Untersuchungsprotokolle etabliert auch einen klinischen Mehrwert für repe- Lungenrundherde ab einer Größe von
werden. Diese können beispielsweise Kurz- titive longitudinale Untersuchungen zum 1 cm mit der diffusionsgewichteten Bild-
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Leitthema
Abb. 2 8 67-jährige Patientin mit einem Residuum eines Bronchialkarzinoms in der Lingula (gestrichelter Pfeil) und einer
Strahlenfibrose im rechten Unterlappen (Pfeil) in einer transversalen protonendichtegewichteten (PDw) BLADE-Sequenz (a).
Auch in der T1w-UTE(„ultrashort echo time“)-Sequenz in Atemanhaltetechnik bei derselben Patientin sind die Pathologien
einschließlich des Bronchopneumogramms deutlich zu erkennen und morphologisch zu differenzieren (b). Korrespondie-
rende Computertomographie (5 mm multiplanare Rekonstruktion [MPR], Faltungskern Br60) vom gleichen Tag (c)
Korrespondenzadresse
Leitthema
Abb. 4 8 Ventilations-Perfusions-Karte einer 57-jährigen Patientin (65 kg, 1,68 m) mit verbleibenden
Perfusions- und Ventilationsrestriktionen (rote Pfeile) 7 Monate nach einer COVID-19-Infektion. Zur Er-
stellung der Lungenfunktionskarten wurde die PREFUL(„phase-resolved function lung“)-Technik auf
der Basis einer zeitaufgelösten T2w-TRUFI(„true fast imaging with steady state precession“)-Sequenz
verwendet. Die Patientin hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme weder Symptome noch morphologische
Lungenveränderungen